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DAS EVANGELIUM
NACH MATTHÄUS
ERLÄUTERT
AUS TALMUD UND MIDRASCH
VON
HERMANN L. »TRACK
UND
PAUL BILLERBECK
MÜNCHEN 1922
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK
•'opyriiflit \*2> by C. H. Beck'uch« VuilaKubiiclihaiKlIuiiK. Oskar Beck. Miln.lien
VORWORT
Der Herr hat nach seiner leiblichen Herkunft dem jüdischen Volke an-
gehört und zwar als ein Nachkomme Davids Rom 1,3; Hebr7,14;
vgl. Mt 15,22; 20,33.1 Auch Markus und Matthäus, Johannes, Paulus
und Petrus und die andren Verfasser der neutestamentlichen Schriften
(außer Lukas) sind Juden gewesen. Zum rechten Verständnis ihrer
Äußerungen muß man also das Judentum jener Zeit nach Leben und
Denken kennen. Man hat daher schon vielfach versucht, die altjüdische
Literatur zur Erläuterung des Neuen Testamentsheranzuziehen. Manches,
aber nicht Ausreichendes bieten Apokryphen und Pseudepigraphen.
Aus den Talmuden und Midraschen haben namentlich John Lightfoot,
t 1699, J. G. Meuschen, Chr. Schöttgen, f 1751, Job. Jak. V\^ettstein,
t 1754, in neuerer Zeit Franz Delitzsch, f 1890, August Wünsche mit
Eifer Stoff gesammelt; aber ihre Arbeiten sind, zumal in ihrer Gesamt-
heit, nur wenigen zugänglich; außerdem sind sie unvollständig und
vieles in ihnen ermangelt der Kritik, ist auch sonst fehlerhaft.
Den gesamten der Erläuterung des Neuen Testaments dienlichen
Stoff aus der altjüdischen Literatur zu sammeln, zu sichten und in
zuverlässiger Übersetzung bequem zugänglich zu machen, war seit
Jahrzehnten der Wunsch des ersten der beiden Unterzeichneten. Aber
für solch ein Werk reicht eines einzelnen Zeit und Kraft nicht aus. So
verband er sich im Juni 1906 mit Pastor Paul Billerbeck, dessen Kennt-
nisse und Fleiß schon seit 1899 in der Zeitschrift „Nathanael" sich
bewährt hatten. Auf Grund des vorgelegten Planes und des schon vor-
handenen Stoffes hat dann P. B. das Ganze im Zusammenhange be-
arbeitet; H. Str. hat es danach einer genauen Durchsicht für den Druck
unterzogen. So entstand in 16 jährigem Bemühen ein weit über den
eigentlich beabsichtigten Umfang hinausgehendes vierbändiges Werk
(I: Mt; H: Mk, Lk, Job, Apg; HI: Briefe und Offb; IV: Abhandlungen
zur neutestamentlichen Theologie und Archäologie), dessen ersten,
umfangreichsten Band wir jetzt vorlegen. Mit Dank gegen Gott, der
unsre Hände stärkte; mit Dank auch gegen die Freunde, welche zur
Deckung der während des großen Krieges und noch mehr nach ihm ins
Ungeheuerliche gestiegenen Herstellungskosten beitrugen — Freunde
* Theod. Fritsch (Beweismaterial gegen Jahwe, 3. Aufl., Leipzig 1913), Paul Haupt-
Baltimore (Orientalistische Literaturzeitung, Mai 1908), Friedrich Delitzsch (Die große
Täuschung, Berlin 1920), Friedrich DöUinger (Baidur und Bibel, Nürnberg 1920) und,
ihnen folgend, viele andre wollen zwar glauben machen, Jesus sei ein Arier gewesen;
ihre Behauptungen sind aber völlig haltlos.
VI Vorwort.
besonders in den neutral gebliebenen Ländern und in USAmerika,, zwei
auch in England — ein erfreuliches Zeichen dafür, daß doch hier und
da die Erkenntnis sich Bahn bricht, daß die so fui'chtbar zerspaltene
Christenheit zu Ehren der Kirche und der Wissenschaft wieder zu-
sammenzuhalten anfangen müsse.
Nicht eine eigentliche Auslegung des Neuen Testaments, sondern
das zu seinem Verständnis aus Talmud und Midrasch zu gewinnende
Material wollten wir darbieten; den Glauben, die Anschauungen und
das Leben der Juden in der Zeit Jesu und der ältesten Christenheit
wollten wir objektiv darlegen. Zu diesem Zwecke wurde, soweit
irgend möglich, jedem Ausspruche und Zitate der Name des Autors
mit Zeitangabe beigefügt. Nachdrücklich verwahren wir uns dagegen,
daß aus dem hier (zB zur Bergpredigt) Gesammelten auf die gegen-
wärtig wirklich oder angeblich innerhalb des Judentums geltenden
Anschauungen ein Schluß gezogen werde.^
Die hebräischen, bezw. aramäischen Texte sind nach Möglichkeit
treu übersetzt; doch haben wir die wichtigsten Ausdrücke nach dem
Wortlaute des Originals beigefügt. Parallele Stellen, die nicht wörtlich
übereinstimmen, sind meist nach beiden *(bezw. auch nach mehr) Über-
lieferungen mitgeteilt, damit jeder derjenigen folgen kann, die er für
die älteste oder sonst beste hält. — Manche Wiederholungen ließen
sich nicht gut vermeiden. Andrerseits wird ein Register dafür sorgen,
daß der Leser das, was an andrer als der zunächst nachgeschlagenen
Stelle des Werkes steht, leicht auffinden kann.
Wenn unsre Arbeit dazu dient, das Verständnis des Neuen Testa-
ments zu fördern, und gleichzeitig einen Beweis gibt für die trotz
vielem noch vorhandene Lebenskraft der deutschen Wissenschaft,
werden wir uns für die viele Jahre hindurch aufgewendete Mühe reich
belohnt fühlen.
Der zweite Band ist bereits in der Druckerei.
Berlin und .Frankfurt-Oder, 26. Juli2 1922
H. L. Strack P. Billerbeck
* Für die Juden der Gegenwart, insonderheit die Deutschlands, sind bindend die
„lö Grundsätze der jüdischen Sittenlehre" vom Dezember 1885 und die unter feierlicher
Anrufung des Namens Gottes im Januar 1893 gegebene Erklärung von 220 Rabbinern.
Beide Dokumente sind abgedruckt in H. Strack, Jüdische Geheimgesetze?, 7. Aufl.,
Berlin 1921, CA. Schwetschke & Sohn, S. 15—18.
"^ An demselben Tage, an welchem H. Str. vor 45 Jahren, 1877, Professor der
Theologie in Berlin geworden ist.
Abkürzungen und benützte Ausgaben.
A. Traktate in Mischna, Talmud, Tosephta.
BB: Baba Batina Men(achoth)
BM: Biiba M ?i?a Mafaö(roth)
BQ: Baba Qamnia MS: Mafaäer Scheni
B kh(oroth) Miqv(aoth)
Bik(kunni) N'g(afim)
B'iakh(oth I N'-dCaiim,)
Git(tin) SophCrim)
Hor(ajoth) Sanh{edrin)
Z'b(achiiii) ?AZ: ?Aboda Zara
Chag(igaj- -Edujljoth)
Chul(lin) 'Er(ubin)
T<'h(arotlij . ?Ar(akhini
J*^b(aniotli) ' P'^s(acliiiu)
Jad(ajim) Qid(duschin)
Kil(iajimi RH: Rosch Ha-schana
K'th(ubboth) Sch«^bu(foth)
M'g(il]a) • Schab(bath)
Mid(dothj Sch'^q(alim)
MQ: Mofed Qatan T^mlura)
Mak{koth) Ta?an(ith)
, Makhsch(iiini T rum(oth)
pT: palästin. Talmud: Krakau 1609. || bT: babylon. Talmud: Amsterdam 1644 ff.
(so nur in Fällen des Zweifels). || Tosfephta): M. S. Zuckermandel, Pasewalk 1880; un-
mittelbar vor dem Namen eines Traktats: T, zB: TM'^g.
Die Mischna ist nach Kapitel und Paragraph zitiert, zB: Schab 3,4; der bT nach
Blatt und Seite, zB: Schab .30'- ; der pT nach Kapitel, Blatt, Spalte und Zeile. Die
Kapitelzahlen des pT und der Tos in fetter Schrift.
B. Midraschim (s. Einl. S. 202 ff.).
R: Rabba. GnR, ExR, LvR, NuR, DtR: Venedig 1545.
Midrasch zu den M' gilloth (HL: Hoheslied, KL: Klagliederj: Lemberg 1861.
M'kh(iltha): Wien 1865 (Weiß).
S(iphra) Lv: Bukarest 1860 (Malbim).
S(iphre) Nu, Dt: Wilna 1864 (Friedmann).
Midr Sm: Krakau 1893 (Buber).
Midr Ps: Wilna 1891 (Buber).
Midr Spr: Wilna 1893 (Buber).
Tanch(uma): Wien 1863.
TanchB: Wilna 1885 (Buber).
P<siq(tha): Lyck 1868 (Buber).
P''siq(tha) R(abbathi): Wien 1880 (Friedmannj.
Pirqe R(abbi) El(ifezer): Prag 1784.
V'III Abkürzungen und benutzte Ausgaben.
Seder Elij(jaba) Rabba und Zuta: Wien 1902 (Friedinann).
Aggadath B'^reschith: Warschau 1876.
Aboth (d*") R^abbi) N^athan).
Jalqut Schimfoni: VVilna 1898.
Leqach Tob: Wilna 1884 (Buber).
Levy: J. Levy, Neuhebräisches und Chaldäisches Wörterbuch, 4 Bände, Leipzij;
1876—1889.
Baraitha).
zuk. W.: zukünftit'e Welt.
Zur Ergänzung des vorstehenden Werkes dienen folgende Schriften von H. L. Strack
(die Einl. im Verlage der C. H. Beck'schen Buchhandlung in München, alles andre bei
der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig:
1. Einleitung in Talmud und Midras. 5., ganz neubearbeitete Auflage 1921
(244 S. Lex.-8»), geb.
2. Ausgewählte Misnatraktate (nach Handschriften und alteuDrucken heraus-
gegeben, Text vokalisiert, Vokabular und mit Berücksichtigung des Neuen Testaments
erläutert):
Aboth „Sprüche der Väter^ 4. Aufl. 1915 (84 S.).
fAboda Zara „Götzendienst", 2. AuÜ. 1909 (51 S.).
Sanhedrin-Makkoth .Gerichtshof, Geißelstrafe', 1910 (116 S.).
P'sahim ^Passahfest" (mit Berücksichtigung auch der jetzigen Passahfeier der
Juden), 1911 (88 S.).
B'rakhoth „Lobsagungen", 1915 (56 S.).
Jonia „Versöhnungstag", 3. Aufl. 1912 (zur Zeit vergriffen).
Sabbath „Sabbat% 189(i (zur Zeit vergriffen).
In Vorbereitung: N'^'ziqin: drei Baboth „Beschädigungen". || Prof. H.Laible N^'darim
„Gelübde".
3. Jesus, die Häretiker und die Christen nach den ältesten jüdischen An-
gaben. Texte, Übersetzung und Erläuterung. 1910 (128 S.).
Evangelium nach Matthäus.
1,151: Buch von der Herkunft Jesu Christi.
1, BißXog ysvsGsüig, falls Überschrift des ganzen Ev, = Buch der
Geschichte Jesu Christi, ninbin nso; falls, was das WahrscheinHchere,
Üb. nur der nachfolgenden Genealogie = i^örai nsö oder '•• nkp (Be-
lege s. zu Nr. 4), vgl. Neh 7, 5 -irn^^n ^bd, aram. o^irT^ "iso.
2. Die Prüfung und Feststellung der Herkunft der einzelnen jüdi-
schen Familien wird als ein Werk Esras gerühmt. Dieser soll nur
solche Familien in Babylonien zurückgelassen haben, deren legitime
Abstammung nicht anzuzweifeln war.a Man meinte, die eheliche Ver-
bindung zwischen legitimen u. illegitimen Familien im Lande Israel
sicherer überwachen zu können als in Babylonien. So zogen, wie schon
Hillel, "iirjfj der Alte (um 30 v. Chr.), behauptet hat, zehnerlei genea-
logisch zu unterscheidende FamiMenklassen unter Esra nach Palästina
hinauf, über deren eheliche Verbindung untereinander die Mischna die
näheren Bestimmungen fixiert hat.b
a. Qid 69'': R. El?azar (um 270 n. Chr.) hat gesagt: Esra zog nicht eher aus
Babel herauf, als bis er B. gleichsam zu reinem Feinmehl gemacht hatte (Feinmehl =^
frei von Vermischung mit illegitimen Familien. i| Qid 69*^ u. 71=*: Rab J^'huda (f 299)
hat gesagt: Sch'^muel (in N4iarde?a, f 254) habe gesagt: Alle Länder sind Teig dem
Lande Israel gegenüber, u. das Land Isr. ist Teig Babel gegenüber (welches allein
Feinmehl ist, d. h. in bezug auf Reinheit der Abstammung steht die Judenschaft Baby-
loniens am höchsten). || Qid 71^: In den Tagen Rabbis (Einl. 133) suchte man Babel
zum Teig dem Lande Isr. gegenüber zu machen. Da sagte er zu ihnen: „Dornen werft
ihr mir in meine Augen [R. stammte nämlich von dem aus Bab. eingewanderten Hillel
dem Alten, Einl. 118, ab]. R. Chanina b. Chama [R.s Schüler] möge sich mit euch
befassen." Dieser sprach zu ihnen: ,So habe ich es von Jischmaf'el ben Jose emp-
fangen, der im Namen seines Vaters [b. Chalaphta] gesagt hat: Alle Länder sind Teig
dem Lande Isr. gegenüber, u. das Land Isr. ist Teig B. gegenüber." In den Tagen
des R. Pin'^chas (b. Chama, um 360) suchte man B. zum Teig dem Lande Isr. gegen-
über zu machen. Er sagte zu seinen Dienern: Wenn ich zwei Aussprüche im Lehr-
hause getan haben werde, dann tragt mich eilends auf dem Ruhelager fort. Im Lehr-
hause sagte er dann: ,Das rituelle Schlachten des Geflügels stammt nicht aus der
Tora." Und während sie darüber nachsannen, sagte er: „Alle Länder sind Teig dem
Lande Isr. gegenüber, und das Land Isr. ist Teig B. gegenüber." Da trugen sie ihn
eilends auf dem Ruhelager fort. Man lief ihm nach, erreichte ihn aber nicht. Sie
säßen u. prüften (die genealogischen Tabellen), bis sie in Gefahr kamen (die Illegi-
timität einiger Familien an den Tag zu bringen); da trennten sie sich.
b. Qid 75 a: Rab J^huda (t 299) hat gesagt: Hillel hat gelehrt: Zehnerlei Familien-
klassen sind aus Babel heraufgezogen, und alle (die nicht in die Gemeinde Israel ein-
treten dürfen) durften einander ehelichen. — Dazu vgl. Qid 4, 1 — 3: Zehnerlei Familien-
klassen zogen aus Babel herauf: Priester, Leviten, Israeliten, Profane (Chalalim, Priester-
kinder von einer gesetzlich verbotenen Mutter), Proselyten, Freigelassene, Bastarde
(Nachkommen von Eltern, auf deren fleischliche Vermischung die Strafe der Ausrottung
durch die Hand des Himmels stand; so nach der rezipierten Ansicht des Schimfon
aus Teman um 110 n. Chr., J'^b 4, 1.3), N^thinim (Nachkommen der Gibeoniter, die Josua
Strack u.Billerbeck, NT I. 1
2 Matth 1, 1 (31 2. 3)
zu Holzspaltern u. Wasserschöpfern am Heiligtum machte, Jos 9, 3 ff.), Scli**thuqim u.
Findlinge. Priester, Leviten u. Israeliten dürfen einander ehelichen; Leviten, Israeliten,
Profane, Proselyten u. Freigelassene dürfen einander ehelichen ; Proselyten, Freigelassene,
Bastarde, N'^thinim, Sch'thuqim u. Findlinge, sie alle dürfen einander ehelichen. ^Dies
sind Sch^thuqim: jeder, der seine Mutter kennt u. seinen Vater nicht kennt (dessen
Vater p-r-v = verschwiegen bleibt), u. Findlinge: jeder, der von der Straße aufgelesen
ist u. weder Vater noch Mutter kennt. ^AUe, die nicht in die Gemeinde (Israel) ein-
treten dürfen, dürfen einander ehelichen.
3. Die Aufstellung u. Fortführung genealogischer Register wurde
dadurch notwendig, daß zum Dienst am Heiligtum u. zu den damit
verbundenen Gerechtsamen, wie auch zu öffentlichen Ehrenämtern,
nur Männer sicherer u. makelloser Abstammung zugelassen werden
durften (vgl. schon Esra 2, 61—63; Neh 7, 63— 65).a Welche Voraus-
setzungen zB erfüllt sein mußten, wenn die Abstammung eines
Priesters als legitim anerkannt werden sollte, kann man den Bestim-
mungen entnehmen, die für den Priester bei Eingehung einer Ehe
maßgebend waren. b Wo diese Bestimmungen außer acht gelassen
wurden, galt die Nachkommenschaft als mit einem Makel behaftet.
Die Prüfung der Legitimität der Herkunft lag dem Synedriumc nach
fest bestimmten Regeln c ob. Selbst die im Auslande wohnenden Priester
versäumten es nicht, vor ihrer Verehelichung die zur Prüfung ihres
eigenen Stammbaumes, sowie desjenigen ihrer Verlobten erforderlichen
Urkunden nach Jerusalem einzusenden. d
a. Qid 4, 4 f. : Wenn ein Priester eine Frau priesterlichen Geschlechts heiratet,
so muß man rückwärts die vier Mütter (mütterliche Vorfahren der Braut während der
letzten vier Generationen), deren Zahl acht beträgt, prüfen; nämlich ihre Mutter u. die
Mutter ihrer Mutter, die Mutter des Vaters ihrer Mutter u. deren Mutter; die Mutter
ihres Vaters u. deren Mutter, die Mutter des Vaters ihres Vaters u. deren Mutter.
Wenn er die Tochter eines Leviten oder eines Israeliten heiratet, so fügt man zu
diesen (vier Generationen) noch eine Generation hinzu. ^Dagegen bedarf es keiner
Prüfung vom Altar an aufwärts, vom Dukhan an aufwärts u. vom Synedrium an auf-
wärts. Desgleichen dürfen alle, von denen feststeht, daß ihre Vorfahren zu den öffent-
lichen Beamten oder zu den Almosenpflegern gehört haben, ihre Töchter, ohne daß es
nötig ist, eine Prüfung aufwärts anzustellen, an die Priesterschaft verheiraten. [Denn
wenn ein Priester am Altar gedient hat u. ein Levit auf dem Dukhan, einer östlich
vom Altar befindlichen Estrade, als Sänger mitgewirkt hat, oder wenn jemand Mitglied
einer Gerichts- oder einer sonstigen öffentlichen Behörde war, so war dessen legitime
Herkunft ja schon geprüft; mithin war eine erneute Prüfung der Ahnen seiner Tochter
nicht nötig, falls diese an einen Priester verheiratet werden sollte.]
b. Ein Priester sollte nur die Tochter eines Priesters oder eines Leviten oder eines
vollbürtigen Israeliten heiraten; also nicht die Tochter eines profanierten Priesters
(Gbäläl), eine Proselytin usw.; s. Qid 4, 1 Cohen S. 1). il Josephus c. Apion. 1, 7: Wer
teilhat am Priestertum, soll mit einem Weibe, die seinem Volke angehört, Kinder er-
zeugen u. nicht auf Reichtum u. andere Ehren blicken, sondern die Familie prüfen,
von den Ahnen die Geschlechtsfolge herleitend u. viele Zeugen beibringend. | Antiq.
3, 12,2: -Die Heiligkeit der Priester machte Mose doppelt groß; denn auch diese hielt
er wie alle übrigen (Israeliten) von dergleichen Dingen (Unzucht) zurück, u. außerdem
verwehrte er ihnen Buhlerinnen, eine Sklavin oder eine Kriegsgefangene zu heiraten,
desgleichen solche Frauen, die aus dem Betriebe einer Schenkwirtschaft oder einer
öffentlichen Herberge ihren Lebensunterhalt erwarben oder von ihren früheren Männern
Matth 1, 1 (5t 3) 3
aus irgendwelchem Grunde gescliieden waren. Dem Hohenpriester aber erlaubte er
auch nicht, das Weib eines verstorbenen Mannes zu heiraten, während er dies den
übrigen Priestern zugestand. Nur eine .Jungfrau gestattete er ihm. Vgl. J'^b 6, 4 f. :
Ein Hoherpriester soll keine Witwe heiraten, sie sei eine Witwe aus der Verlobungszeit
her oder eine Witwe aus der Ehe. Auch soll er keine völlig Mannbare, bogereth,
heiraten (sondern nur eine naf'''rä, eine, die 12 — 12V-2 Jahre alt). ... Er soll keine
heiraten, die ihre Jungfrauschaft durch einen Unfall verloren hat (wörtlich: eine durch
Holz Verletzte). 'Ein gewöhnlicher Priester soll keine Unfruchtbare, ailonith, heiraten,
es sei denn, daß er schon Frau u. Kinder hat. R. J%uda (b. Elfai um 150) sagte: Auch
wenn er Frau u. Kinder hat, soll er keine Unfruchtbare heiraten; denn diese ist unter
^Hure" zu verstehen, von der in der Tora (Lv 21, 7) geredet wird. Aber die Gelehrten
sagten: Unter „Hure" ist nur eine Proselytin oder eine Freigelassene oder eine durch
hurerische Beiwohnung Geschwächte zu verstehen. || Siphra zu Lv21,7 (379*): Eine
Hure oder eine Entweihte sollen sie (die Priester) nicht ehelichen; u. ein von ihrem
Manne verstofsenes Weib sollen sie nicht ehelichen. ,Eine Hure": R. J^huda sagte:
Damit ist eine Unfruchtbare gemeint. Aber die Gelehrten sagten: Damit ist nur eine
Proselytin oder eine Freigelassene oder eine durch hurerische Beiwohnung Geschwächte
gemeint. R. Elsazar (b. Schammua? um 150) sagte: Damit ist eine Ledige gemeint, der
ein Lediger beiwohnt ohne die Absicht, dadurch die Ehe zu schließen. ,Oder eine
Entweihte", ch^lälä. Welche ist eine Entweihte? Diejenige, die von einem abstammt,
der zu all den für das Priestertum untauglichen Priestern gehört (über chäläl s. Qid
4, 1 oben S. 1 y). „Ein verstoßenes Weib." Daraus entnehme ich nur, daß er ein solches
nicht ehelichen soll; woher läßt sich aber beweisen, daß er auch eine nzinVr: (eine
Witwe, die an ihrem Schwager die Zeremonie des Schuhausziehens vollzogen hat. Dt
25,9) nicht ehelichen darf? Das beruht auf der Schlußfolgerung: wenn eine Ver-
stoßene, die dem, der sie verstoßen hat, wieder (zur Ehe) erlaubt ist, untauglich für
die Priesterschaft ist, so ist es folgerichtig, daß eine Chalucja, die zu dem, der sie
entlassen hat, nicht wieder zurückkehren darf, untauglich für die Priesterschaft ist. . . .
Oder wenn du lieber willst: es heißt „und. ein (verstoßenes) Weib", um (durch dieses
„und") die Ghalu9a miteinzuschließen. (Anm.: Diese Benutzung des „und" auch Qid 78'''',
jyjj 24"^ mit dem Zusatz, daß das die Chalu9a betreffende Verbot von den Rabbinen
herstamme u, die Schriftstelle nur zur Anlehnung diene). || Targ. Jerusch. I Lv 21,7:
Ein Weib, welches buhlt in Hurerei, oder das erzeugt ist von solchen, die für den
Priesterstand untauglich sind, sollen sie nicht heiraten; u. ein Weib, welches, sei es
von ihrem Manne, sei es von ihrem (zur Leviratsehe verpflichteten) Schwager, ent-
lassen ist, sollen sie nicht heiraten. || Qid 4, 6 f.: Die Tochter eines chälfü ist untauglich
für die Priesterschaft auf ewig (iV-y? nach Qid 77* = auf drei Geschlechter). Wenn
ein Israelit eine Entweihte geheiratet hat, so ist seine Tochter tauglich für die Priester-
schaft; wenn ein Entweihter die Tochter eines Israeliten geheiratet hat, so ist seine
Tochter untauglich für die Priesterschaft. R. J^huda (b. Elf ai) sagte: Mit der Tochter
eines Proselyten verhält es sich wie mit der Tochter eines Entweihten. R. Elifezer b.
Jasaqob (um 150) sagte: Wenn ein Israelit eine Proselytin heiratet, so ist seine Tochter
tauglich für die Priesterschaft, u. wenn ein Proselyt die Tochter eines Israeliten
heiratet, so ist seine Tochter tauglich für die Priesterschaft. Aber wenn ein Proselyt
eine Proselytin geheiratet hat, so ist seine Tochter für die Priesterschaft untauglich;
das gilt sowohl für den Proselyten als auch für freigelassene Sklaven, selbst bis ins
zehnte Geschlecht, bis die Mutter aus Israel (= eine Israelitin) ist. R. Jose (b. Gha-
laphta, um 150) sagte: Auch wenn ein Proselyt eine Proselytin heiratet, ist seine
Tochter tauglich für die Priesterschaft. Ähnlich Bikkurim 1, 5.
c. Mid 5,4: Dort (in der Quaderhalle, vgl. Schürer 2, 211 f.) pflegte das große
Synedrium Israels seine Sitzungen zu halten u. die Priesterschaft (nach ihrer Taug-
lichkeit zum Priesteramt) zu beurteilen, ij Tos Sanh 7, 1 (425), Chag 2, 9 (235): Dort (in
der Quaderhalle) saßen sie u. prüften die Abstammung der Priesterschaft u. die der
Levitenschaft. Ähnlich Qid 76 '\ Über die Prüfungsnormen s. Qid 4, 4 f. (S. 2).
1*
4 Matthl,! (513. 4)
d. Josephus c. Apion. 1, 7: Die Prüfung der Vorfahren beobachten wir nicht nur
im jüdischen Lande selbst, sondern wo nur immer ein Teil unsres Geschlechts sich
befindet, da erhält sich auch die den Priestern geltende genaue Bestimmung betreffs
ihrer Verehelichung; ich meine die Priester in Ägypten u. in Babylonien, u. wo sonst
in der Welt etliche aus dem Priestergeschlecht zerstreut leben; denn sie senden nach
Jerusalem Verzeichnisse, die väterlicherseits den Namen der Eltern u. der früheren
Ahnen enthalten, auch welche Leute die Zeugen (für die einzelnen Angaben) sind.
4. Das Vorhandensein glaubwürdiger genealogischer Tabellen in
der neutest. Zeit kann hiernach nicht in Zweifel gezogen werden.
Ausdrücklich werden solche mehrfach in der älteren jüdischen Literatur
erwähnt, zum Teil auch inhaltlich skizziert.
Josephus gibt, Vita 1, seinen Stammbaum väterlicherseits auf Grund öflFentlicher
Eintragungen für einen Zeitraum von rund 200 Jahren an, u. zwar so genau, daß er
selbst das Geburtsjahr der einzelnen Vorfahren namhaft machen kann. Derselbe be-
richtet (c. Apion. 1, 7), daß nach größeren Kriegen, wie zB zur Zeit des Antiochus
Epiphanes, des Pompejus, des Quintilius Varus, die überlebenden Priester aus den alten
genealogischen Aufzeichnungen neue Register aufgestellt haben. || J*^b 4, 13: R. Schim?on
ben ?Azzai (um 110) hat gesagt: Ich habe eine genealogische Rolle, m^^gillath juchasin,
in- Jerusalem gefunden, in der geschrieben stand: Der und der Mann ist ein Mamzer
(Bastard) von einer verheirateten Frau. Dasselbe als Bar J'b 49 ^\ 1! pTafan 4, 2 (68*, 45):
R. Levi (um 300) hat gesagt: Eine genealogische Rolle hat man in Jerusalem gefunden,
in der geschrieben stand: Hillel (30 v. Chr.) stammte von den Nachkommen Davids;
Ben Je9eph von den Nachkommen Asaphs; Ben (j'i9ith Hakkassath [der Name nach
Levy 2,371*; vgl. Gittin 56^ 19] von den Nachkommen Abners; Ben Qobisin [in der
Parallele GnR 98 (62^) Kobschin; Levy 4, 239'' Qaposai] von den Nachkommen Ahabs;
Ben Kalba Schabua? (um 70 n. Chr.) von den Nachkommen Kalebs; R. Jannai (um 225)
von den Nachkommen Elis. [Hier im Text eine Lücke] von J®hud von Sepphoris [die
Parallele GnR 98 (62=^) liest: die Familie Jehus (stammt) aus Sepphoris]; R. Chijja der
Ältere (um 200) von den Söhnen des Sch^'phatja, des Sohnes der Abital (2 Sm 3,4);
R. Jose b. Chalaphta (um 150) von den Söhnen Jonadabs ben Rekhab (2 Kg 10, 15);
R. Nechemja (um 150) von Nechemja, dem Statthalter (Neh 8,9; 10,2). Die Parallele
GnR 98 hat mehrere Abweichungen.
pKil 9, 32 '^ u. pK'^th 12, 35 ^ 36: Rabbi war sehr bescheiden. Er pflegte zu sagen:
Alles, was mir ein Mensch sagt, würde ich tun, nur nicht was die Vorfahren der
Familie Bathyra meinem Vorfahren (Hillel, dem Alten) getan haben, die sich selbst
von der Patriarchenwürde zurückzogen u. Hillel (an ihrer Statt zum Patriarchen) er-
nannten. Wenn der (babylon.) Exilarch Rah Huna (um 200) hierher käme, würde ich
ihn über mich setzen; denn er stammt von (unsrem Stammvater) Juda u. ich von
Benjamin ab, er väterlicherseits u. ich mütterlicherseits. GnR 33 (20*^) lautet der
Schlußsatz: ,Er väterlicherseits von Juda u. ich mütterlicherseits." — Hiernach hat
Rabbi seinen väterlichen Stammbaum auf Benjamin, seinen mütterlichen auf Juda
zurückgeführt. Deshalb ist er bereit, dem Exilarchen Rab Huna einen gewissen Vorzug
einzuräumen. — Was hier von dessen Abstammung gesagt ist, stimmt überein mit
pKil 9, 32% 58: Als der Exilarch Rab Huna gestorben war, brachte man ihn nach
Palästina. Man sagte: Wo wollen wir ihn bestatten? Man sagte: Man lege ihn neben
R. Chijja den Älteren (um 200), denn er (der Exilarch) ist von dessen Familie. —
Hierzu vgl. oben pTafan 4,2 (68*, 45), wo es heißt, daß Chijja der Ältere von den
Söhnen des Sch'^phatja abstammte, der nach 2 Sm 3, 4 ein Sohn Davids von der Abital
war. II Von Rabbis Abstammung handeln noch folgende Stellen: a. Schab 56* sagt Rab
(t 247), daß Rabbi von David herkomme -i-'s ts. Das müßte nach dem, was Rabbi
von sich selbst sagt, von seiner Abstammung mütterlicherseits verstanden werden.
Daraus würde folgen, daß Hillel der Alte, den Rabbi seinen Vorfahren nennt und von
Matth 1, 1 (51 4) 5
dem es pTa?an heißt, dafs er von den Nachkommen Davids stammte, ebenfalls nur
mütterlicherseits ein Abkömmling Davids gewesen ist. ß. Sanh 5" Bar: „Nicht wird
das Zepter von Jehuda weichen" (Gn 49, 10), damit sind die Exilarchen in Babel ge-
meint, die Israel mit autonomer Herrschergewalt beherrschen; „noch der Führerstab
von seinen Füßen", damit sind die Nachkommen Hilleis (die palästinischen Patriarchen)
gemeint, die die Tora öffentlich lehren (nur Lehrgewalt besitzen). — Die Belegstelle
Gn 49, 10 macht es wahrscheinlich, daß diese Ausführung auch genealogisch dahin ver-
standen sein will, daß sowohl die babylonischen Exilarchen als auch die palästinischen
Patriarchen ihre Abstammung auf den Stammvater Juda zurückführen könnten; die
geringere Macht des paiäst. Patriarchenhauses würde dann ihren Grund eben darin
haben, daß dieses nur mütterlicherseits von Juda abstammte, die babyl. Exilarchen
väterlicherseits. Parallelstelle: Hör 11^^ vgl. auch Sanh 38*. ;'. Völlig im Widerspruch
mit diesen Angaben über Rabbis Ab.stammung steht K'th 62'': Rabbi befaßte sich mit
der Verheiratung seines Sohnes mit einer Tochter des R. Chijja (des Alteren). Als er
die Hochzeitsverschreibung aufsetzen wollte, verschied das Mädchen. Rabbi sprach:
Sollte etwa, was Gott verhüte! ein Makel vorliegen (um dessentwillen der Tod die
Heirat hinderte)'? Sie saßen u. prüften die Familien: Rabbi kam her von Sch'-'phatja,
dem Sohn der Abital (der nach 2 Sm 3,4 ein Sohn Davids war), u. R. Chijja kam her
von Schimfa, dem Bruder Davids (2 Sm 13,3). — Hiernach wäre Rabbi väterlicherseits
ein Davidide gewesen, u. zwar durch gerade denjenigen Sohn Davids, der oben pKil
als Ahn Chijjas des Älteren genannt ist.^ Jedenfalls zeigen diese Stellen, daß Rabbi
genealogische Aufzeichnungen über seine Herkunft von David, bezw. von Juda be-
sessen hat.
Ta?an 4, 5 bringt nähere Angaben über die freiwilligen Holzlieferungen an das
Heiligtum (vgl. Neh 10, 35). Dabei heißt es: „Am 15. Ab brachten (ihre Holzlieferung)
dar die Söhne Zattu ben J'^huda (s. Esra 2, 8) u. zusammen mit ihnen Priester u. Leviten,
ferner jeder, der sich über seinen Stamm in Irrtum (in Ungewißheit) befand." Danach
scheint es, daß verhältnismäßig nur wenige über ihre Stammes- u. Familienzngehörigkeit
Zweifel hegten. Die Mehrzahl der grundbesitzenden Holzlieferanten war sich über ihre
Abstammung völlig klar. Sie sorgten auch dafür, daß diese Kenntnis ihren Nach-
kommen erhalten blieb. Lehrreich ist 'in dieser Hinsicht Tafan 12^ {— fErub 41*).
Hier sagt R. Elfazar b. Qadoq (I. um 100) mit Bezug auf die Angabe Tasan 4, 5, daß
für die Söhne Snasa b. Binjamin (Esra 2, 35) der 10. Ab der Holzablieferungstermin
gewesen sei, folgendes: „Ich gehöre zu den Söhnen 3s:c (so!) b. Binjamin; einmal fiel
der 9. Ab (Tag der Zerstörung Jerusalems) auf einen Sabbat, u. so verschob man ihn
(den 9. Ab, da man ihn an einem Sabbat nicht als Fast- u. Trauertag begehn durfte)
auf den Tag nach dem Sabbat (also auf den 10. Ab, den Holzablieferungstag der Söhne
S^naiäa), u. wir fasteten an ihm (dem 10. Ab), aber nicht den ganzen Tag hindurch,
weil er (als unser Holzlieferungstag) für uns ein Festtag war." — R. Elfazar b. (^adoq
ist priesterlichen Geschlechts gewesen (s. ßüchler, Die Priester u. der Kultus, S. 126),
er kann also den Söhnen S'^naia b. Binjamin nur durch mütterliche Abstammung an-
gehört haben. Gleichwohl kennt er ganz genau die genealogischen Beziehungen, die
ihn mit jenen Nichtahroniden verbinden. Das war aber doch nur dann möglich, wenn
die verwandtschaftlichen Zus.hänge sei es durch schriftliche, sei es durch mündliche
Familientraditionen vor einem Vergessenwerden geschützt wurden. ]] J^'b 105'"^: R. Sch*^'-
muel b. Ammi (um 325) hat gesagt, R. Jonathan (um 220) habe gesagt: Woher, daß
ein (göttlicher) Gerichtsbeschluß, mit dem ein Schwur verbunden ist, nicht zerrissen
wird? Weil es heißt (1 Sm 3, 14): „Darum habe ich dem Hause fElis geschworen:
nicht soll die Sünde des Hauses fElis gesühnt werden durch Schlachtung u. Opfergabe
1 Damit, daß man die Angaben über Rabbis u. R. Chijjas Abstammung einfach
vertauscht, wird der Widerspruch nicht gehoben; denn als Sproß des Schimsa, des
Bruders Davids, würde Rabbi männlicherseits ein Nachkomme Isais u. Judas gewesen
sein, was ja Rabbi sonst in Abrede stellt.
6 Matthl.l (514. SBl)
in Ewigkeit." Rabbah (f 330, s. Einl. 143y) hat gesagt: Durch Schlachtung u. Opfer-
gabe wird sie nicht gesühnt werden, aber durch die Worte der Tora (d. h. durch die
Beschäftigung mit ihnen) wird sie gesühnt werden. Abaje (f 338/39) hat gesagt: Durch
Schlachtung u. Opfergabe wird sie nicht gesühnt werden, aber durch Liebeserweisungen
wird sie gesühnt werden. Rabbah u. Abaje stammten vom Hause sElis ab: Rabbah,
der sich (nur) mit der Tora beschäftigte, wurde 40 Jahre alt; Abaje, der sich mit der
Tora u. mit Lieb'eserweisungen beschäftigte, wurde 60 Jahre alt. — Dasselbe RH 18'^
mit veränderter Autorenangabe u. unter Nennung Rabas zu Anfang statt Rabbah. Über
die chronologischen Schwierigkeiten, die der Schlufssatz bietet, u. deren Beseitigung s.
Bacher, Babyl. Amor. 148 ff. — |l pRH 2, 58^ 7: R. Chijja b. Ba (um 280) stand u. betete.
Es kam R. Kahana u. stellte sich hinter ihm zum Beten hin. Als R. Chijja b. Ba mit
seinem Gebet fertig war, setzte er sich, um nicht vor jenem vorüberzugehn. R. Kahana
aber machte es lang mit seinem Beten. Als er fertig war, sprach R. Chijja zu ihm:
So mögt ihr es bei euch (in Babylonien) gewöhnt sein, eure Großen (Lehrer) zu martern!
Dieser antwortete: Rabbi, ich bin vom Hause fElis, u. über dies steht geschrieben
(1 Sm 3, 14): ,Es soll nicht gesühnt werden die Schuld des Hauses ?Elis durch Schlach-
tung u. Opfergabe in Ewigkeit!" Durch Schlachtung u. Opfergabe wird ihm nicht
Sühnung verschafft, wohl aber durch das Gebet. Da betete R. Chijja für ihn, u. dieser
wurde gewürdigt, so alt zu werden, bis seine Nägel rot wurden wie bei einem jungen
Kinde. — Dasselbe pSanh 1, 18*=, 39; Midr Sm 10 § 1 (38''). — Auch die in den beiden
letzten Zitaten genannten jüdischen Gelehrten werden genealogische Aufzeichnungen
zur Hand gehabt haben, aus denen sie ihre Abstammung von ?Eli glaubten beweisen
zu können.
Mit dem P'^s 62 '^ zweimal erwähnten „Buch der Genealogieen* i^oni"^ ■^ed sind die
kanonischen Bücher der Chronica gemeint; die Stellen sind für den vorliegenden Zus.-
hang bedeutungslos.
1,1^: Christus.
1. XQiatöc artikellos gebraucht (in Mt noch 1, 16. 18; 27, 17. 22)
hat den Charakter eines Eigennamens, während o XQiarog appellative
Bedeutung („der Gesalbte") festhält u. so zur Amtsbezeichnung oder
zum Titel des im AT verheißenen u. in Jesu erschienenen Königs der
Heilszeit wird. Daher übersetze Vr^crofc Ägiarog: Jesus Christus,'/, o Xq.:
Jesus der Messias (Gesalbte), oder: der Messias Jesus.
XQiavog ist hebräisch rj^-q-o, rj^-a^rj; aramäisch fj-^^p; determiniert
xri-'dp; aus der aramäischen Form ist das gräzisierte Msaaiaq. (Joh. 1, 41;
4, 25) geflossen, das häufiger bezeugt ist als das zunächst zu erwartende
Msmag. — In der rabbinischen Literatur ist M. durchgängig Titel des
endgeschichtlichen Heilskönigs, Dabei läßt sich beobachten, daß bT
meist das artikellose n-^ir^, bezw, das nichtdeterminierte n^rp gebraucht,
doch findet sich auch n^ui^n u. xn^ir^. Regelmäßig wird rTii!;:2n gesagt
in der Verbindung n^-ian nio-? „die Tage des Messias" = Messiaszeit. —
In den palästin. Schriftwerken überwiegt n^ir^on, bezw. das determinierte
xn^'ro. Artikelloses n^d^ liest man zB Siphre Dt 1, 1 § 1 (65*); P^siq 149^
(2mal); Midr Ps 43 § 1 (134--*); 29 § 2 (116»); Nu R 13 (170% 3mal); 14
(172'^); Tanch n^p 120^ Midr Spr 19 § 21 (44 a); Aggad B^resch 63 (44 b,
2mal); Tanch m-ibin 35-^ Midr Ps 18 § 5 (69-); Seder Elij R 18 (98). ||
Eine vollere Amtsbezeichnung des Messias ist das ungemein häufige
n-i'^an -^_-q, aram. xriiä^ ^■zrq „der König, der Messias" = der messia-
Matth 1,1 (331.2) 7
nische König, nicht: „der König Messias". — Belege bei Dalman,
Worte Jesu 1, 239 ff.
2. Die Bezeichnung „der Gesalbte", „der Messias" stammt aus
messianisch gedeuteten Stellen wie Ps 2, 2; 18, 51; 20, 7; 89, 52; 132, 17;
1 Sm 2, 10; 2 Sm 22, 51. Wenn die altjüdische Gemeinde hier von dem
„Gesalbten Jahves" las, gegen den die Völker sich zus. rotten werden,
u. dessen Hilfe Gott sein wird — an wen sollte sie dabei denken,
wenn nicht an den König der heilsgeschichtlichen Endzeit? So wurde
der Ausdruck Maschiach wie von selbst zur kürzesten Bezeichnung
des erwarteten Erlöserkönigs.
Ps 2, 2. TanchB hd § 24 (27 ••^): R. Aibo (um 320) hat im Namen des
R. Eli^ezer b. Jose des Galiläers (um 150) gesagt: An drei Stellen (der
Schrift) bilden die, welche in die Welt kommen, eine Partei gegen
Gott. Einmal in den Tagen Josuas, Jos 9, 2: „Da taten sich zusammen
(alle Könige) allzumal, um mit Josua u. Israel einmütig zu kämpfen."
Was heißt „allzumal"? Daß sie gegen Gott eine Partei bildeten. Dann
in den Tagen Gogs u. Magogs (also in der messianischen Zeit), Ps 2, 2:
„Die Könige der Erde stellen sich auf u. die Fürsten sitzen zusammen
wider Jahve u. wider seinen Messias." Endlich hier, Gnll,l: „Es
hatte aber die ganze Erdbevölkerung Eine Sprache u. einerlei Worte." ||
B'^rakh 7'^: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schim^on b. Jochai
(um 150) gesagt : Schlimmer ist schlechte Zucht im Hause eines Menschen,
als der Krieg Gogs u. Magogs (in der messianischen Zeit). Denn es
heißt, Ps 3, 1; „Ein Lied von David, da er vor seinem Sohn Absalom
floh", u. hinterher steht geschrieben (Vers 3): „Wie viel sind meiner
Dränger! Viele stehen auf wider mich." Und siehe, beim Kriege Gogs
u. Magogs heißt es, Ps2, If.: „Warum toben die Heiden" usw.? (David
mußte fliehen, die Worte der Heiden bleiben nur Worte.) || ^AZ 3'':
Wenn sie (die Proselyten der messian. Zeit) den Krieg Gogs u. Magogs
sehn werden, werden sie zu diesen sagen: Warum seid ihr gekommen?
Sie werden antworten: Gegen Jahve u. seinen Messias (sind .wir ge-
kommen), s. Ps 2, If.: „Warum toben die Heiden" usw.? || P^siq 79'':
R. Levi (um 300) hat gesagt: Auch Gog u. Magog werden dereinst (in
der messian. Zeit) also sagen: Töricht sind die Früheren gewesen, daß
sie sich mit schlimmen Plänen gegen Israel erhoben haben, ohne zu
bedenken, daß diese einen Schutzherrn im Himmel haben. Ich werde
nicht so tun, sondern zuerst werde ich mich an ihren Schutzherrn u.
hinterher an sie selbst machen; das meint Ps2,2: „Die Könige der
Erde stellen sich auf u. die Fürsten sitzen zusammen wider Jahve u.
seinen Messias." — Dasselbe Lv R 27 (126''); TanchB ni^x § 18 (48*);
Midr Ps 2 § 4 (13"); Midr Esth 3, 12 (97 b).
Psl8, 51. pB^rakh 2, 5^, 10: Die Rabbinen sagten: Dieser König,
der Messias, xn-^^r^a x^b^ ^rzn. wird, ob er von den Lebenden oder von
den Entschlafenen sein wird, David heißen. R. Tanchuma (um 380)
8 Matthl.l (33 2)
sagte: Ich will den Schriftgrund sagen: „Der Gnade erzeigt seinem
Messias, David" Ps 18,51. Dasselbe Midr KL 1, 16 (59-''); als Autor des
Eingangssatzes ist hier R. Sch^muel b. JiQchaq (um 300) genannt.
Ps 20, 7. Midr HL 4, 8 (114 b): R. J^^^hoschua^ b. Levi (um 250) hat
gesagt: Wenn (der König) Hiskia ein Lied über den Sturz Sanheribs
gesungen hätte, so wäre er zum König, dem Messias, niir^n -\h-a ge-
worden, u. Sanherib zu Gog u. Magog. Aber er tat nicht also, sondern
sagte, Ps 20, 7: „Nun weiß ich, daß Jahve seinem Messias hilft" usw.
Was steht hinterher geschrieben? „Jahve, hilf dem Könige (hier heißt
es also nicht mehr: „dem Messias", die Würde war verscherzt); er
erhöre uns an dem Tage, da wir rufen" (das. Vers 10).
Ps89,52. Midr Ps 18 §5 (68 b): „Der (d.i. David) Jahven die Worte
dieses Liedes redete", Ps 18, 1. R. Judan (um 350) hat gesagt: Das
meint die Schrift Ps 7 1 , 7 möpheth : „ Wie ein Vorzeichen (so der Midrasch)
bin ich vielen geworden." David sprach: Wie ich kein Lied gesungen
habe, bis ich geschmäht wurde u, bis vier Helden in meine Hand fielen
u. bis der Fingerreiche in meine Hand fiel: so werden auch die Israe-
liten vor dir kein Lied singen, bis sie geschmäht worden sind u. bis
vier in ihre Hand gefallen sind u. bis die mit den Zehen Gemeinten
in ihre Hand gefallen sind. Wie denn? Er wurde geschmäht von
Goliath, der Isr. schmähte u. David fluchte, u. er fiel in seine (Davids)
Hand; desgleichen der Fingerreiche, wie es heißt 2 Sm 21, 20: „Und
es war da ein streitsüchtiger Mann u. die Finger seiner Hände u. die
Zehen seiner Füße waren je sechs, vierundzwanzig an der Zahl"; u. es
fielen vor ihm vier, wie es heißt, das. Vers 22: „Diese vier waren Ab-
kömmlinge der Rephaiten in Gath u. fielen in die Hand Davids u. die
Hand seiner Knechte." Und unmittelbar darauf heißt es, 2 Sm 22, 1:
Da redete David zu Jahve die Worte dieses Liedes, So werden auch
die Israeliten, wenn der Messias (Maschiach ohne Artikel) bald in
unseren Tagen kommen wird, kein Lied singen, bis der Messias (Ha-
maschiach) geschmäht wird, wie es heißt Ps 89, 52: „Die da schmähen
die Fußtapfen deines Messias", bis vor ihm die mit den Zehen Ge-
meinten gefallen sind, das ist das frevlerische (römische) Reich, wie
es heißt Dn 2, 42: „Die Zehen waren teils eisern, teils tönern", u. bis
die vier (Welt-)Reiche vor ihm gefallen sind, wie es heißt Sach 14, 2:
„Ich will alle Heidenvölker wider Jerusalem versammeln"; sofort heißt
es, das. Vers 3: „Und ausziehen wird Jahve u. streiten mit diesen
Völkern." In jener Stunde werden die Israeliten ein Lied singen, wie es
heißt Ps 98, 1 : Singet Jahven ein neues Lied, denn er hat Wunder getan.
Ps 132, 17. J'^lamm'^denu (Jalqut Schim. 1 § 47 Ende): R. Schim?on
b. Laqisch (um 250) hat vorgetragen: Sieben Einweihungsfeiern (gab
es in der Schöpfungswoche). Die erste: am Anfang schuf Gott u. sprach:
„Es werde Licht", Gnl,3, siehe, das war die erste Leuchte. Am
zweiten Tage: es entstehe ein Firmament inmitten der Wasser usw.
Matth 1, 1 (SB 2) 9
Gleich einem Architekten, der ein Fundament legen wollte, u. er nahm
eine JL/euchte u. erleuchtete (den Ort), so erleuchtete die Tora (die
Fundamentierung der Welt), s. Spr6,23: „Denn eine Leuchte ist das
Gebot und die Tora ein Licht." Am dritten Tage wurden die Bäume
geschaffen und das Öl des Ölbaumes, das Licht spendet, s. Ex 27, 20:
„Sie sollen dir Olivenöl für den Leuchter bringen." Am vierten Tage
wurden die Himmelslichter geschaffen u. der Thron Davids, s. Ps 89, 37:
„Und sein Thron wie die Sonne vor mir", u. ferner steht geschrieben
Ps 132, 17: „Ich will dem David ein Hörn sprossen lassen, habe eine
Leuchte aufgestellt für meinen Messias." Am fünften Tage wurden
die Blitze geschaffen, s. Ps 77, 19: „Die Stimme deines Donners im
Wirbel, Blitze erhellten den Erdkreis." Am sechsten Tage wurden
Adam u. Eva geschaffen, s. Spr 20, 27: „Eine Leuchte Jahves ist des
Menschen Seele." Am siebenten Tage findest du keine Leuchte. R.Schim^on
b. Laqisch hat gesagt: Gleich einem Könige, der seine Tochter ver-
heiratete u. mitten im Hochzeitsgemach dastand; muß man (noch)
fragen, ob es ganz Licht war? Und woher sagst du, daß alle (jene)
sieben Tage Licht war? Weil es heißt Jes 30, 26: „Es wird das Licht
des Mondes sein gleich dem Sonnenlicht, u. das Licht der Sonne wird
siebenfältig sein wie das Licht der sieben (Schöpfungs-)Tage. j|.LvR31
Ende: R. Chanin (um 300) hat gesagt: Um des Verdienstes willen, daß
ihr die ständige Leuchte aufsetzt, werdet ihr gewürdigt werden, die
Leuchte des Königs, des Messias rr^ffiian -^-o zu begrüßen. Was ist der
Schriftgrund? „Dort will ich dem David ein Hörn sprossen lassen,
habe eine Leuchte aufgestellt für meinen Messias" Ps 132, 17. !| TanchB
fi^inr § 6 (46=0: ,Und dies ist die Hebe . . . Gold, Silber u. Erz" Ex 25, 3.
„Gold", entsprechend dem Reiche Babel, s. Dn 2, 32; „Silber", das ist
das Reich Medien, s. Esth 3, 9; „Erz", das ist das Reich Griechenland,
das das minderwertigste von allen war. „Und rotgefärbte Widderfelle"
Ex 25, 5, das ist das Reich Edom (= römisches Reich), s. Gn 25, 25:
„Es kam der erste rötlich heraus." Gott sprach: Wenn ihr auch diese
vier Reiche sich über euch erheben seht, bei eurem Leben! ich lasse
euch Hilfe sprossen mitten aus der Knechtschaft heraus! Was steht
hinterher geschrieben? „Öl für den Leuchter" Ex 25, 6. Was bedeutet
der Leuchter? Das ist der König, der Messias n">r-2n -■;-, s. Ps 132, 17:
„Dort will ich dem David ein Hörn sprossen lassen, habe eine Leuchte
aufgestellt für meinen Messias." — Vgl. Midr Ps 75 § 5 (170^) im fol-
genden Absatz.
1 Sm 2, 10. Midr KL 2, 3 (65^): Zehn Hörner gibt es (in der Schrift):
das Hörn Abrahams, s. Jes 5, 1 (wo der Herzensfreund Abraham ist) ;
das Hörn Isaaks, s. Gn 22, 13; das Hörn Josephs, s. Dt 33, 17; das Hörn
Moses, s. Ex 34,29; das Hörn der Tora, s. Hab 3,4; das Hörn des
Priestertums, s. Psll2, 9; das Hörn des Levitentums, s. lChr25, 5;
das Hörn der Prophetie, s. 1 Sm 2, 1; das Hörn des Heiligtums, s. Ps
10 Matthl,! (93 2. 3)
22,22; das Hörn Israels, s. Ps 148,14; und einige sagen: das Hörn
des Messias n^u;^ hTä inp, s. 1 Sm 2,10: „Er gibt Macht seinem Könige
und erhöht das Hörn seines Messias." — Die Parallelstelle Midr Ps 75
§5 (170'') liest zum Schluß: Das Hörn des Königs, des Messias, ib-o
rsiü^n in der Königsherrschaft, s. 1 Sm 2, 10: „Er erhöht das Hörn
seines Messias"; das Hörn Davids in dem Licht des kommenden Tages
(der zukünftigen Welt), s. Ps 132, 17: „Dort will ich dem David ein
Hörn sprossen lassen, habe eine Leuchte aufgestellt für meinen Ge-
salbten," — Diese Stelle läßt auf die Königsherrschaft des Messias in
der messianischen Zeit noch folgen das Regiment Davids in der zu-
künftigen Welt; sie deutet daher Ps 132, 17 nicht auf den Messias;
vgl. zu Job 1, 1 st' ccQxfi '^' ^ ^oyoq B, b, y. — Midr Sm 4 § 3 (28") wird
das Hörn des Messias überhaupt nicht erwähnt, wohl aber das. 5 § 17
(32^): Wann wird Gott (die Hörngr) an ihre Stelle zurückbringen?
Wann er erhöhen wird das Hörn des Königs, des Messias rr^'^rnn -ibn,
s. lSm2, 10: „Er wird Macht seinem König geben u. wird erhöhen
das Hörn seines Messias." || Targ 1 Sm 2, 10: Jahve wird Rache nehmen
an Magog (in der messian. Zeit) u. an den Scharen der räuberischen
Völker, die mit ihm kommen von den Enden der Erde, u. er wird
Stärke .seinem König verleihen u. groß machen die Königsherrschaft
seines Messias. || Vgl. im Achtzehn-Gebet Nr. 15 der babyl. Rezension:
Den Sproß Davids (= den Messias) laß eilends aufsprossen, u. sein
Hörn werde hoch durch deine Hilfe. Gepriesen seist du, Jahve, der das
Hörn der Hilfe (des Heils) sprossen läßt! || Im Gebet Abinu Malkenu^
finden sich die Worte: „Unser Vater, unser König, laß uns Hilfe sprossen
in naher Zeit! Unser Vater, unser König, erhöhe das Hörn deines Volkes
Israel! Unser Vater, unser König, erhöhe das Hörn deines Messias!"
2 Sm 22, 51. Midr Ps 18 Ende: (R. Judan, um 350, sagte:) Was be-
deutet bi-is'^ (2 Sm 22, 51 nach dem Q^re)? Daß ihnen der König, der
Messias n^ir-an -^-o, wie ein Turm b'i?p sein wird, u. ebenso heißt es
Spr 18, 10: Ein fester Turm ist der Name Jahves; dahinein eilt, der
Gerechte u. ist aufgehoben.
3. Die ältesten Stellen, in denen der erwartete Heilskönig als
„Messias" bezeichnet wird, begegnen in den vorchristl. Pseudepigraphen.
Doch nur in Verbindung mit dem Gottesnamen (als Kgiaroc Kvgiov =
r\-r>'^ rp-q-o)^ oder in Verbindung mit einem auf Gott bezüglichen Per-
sonalsuffix (als mein, dein, sein Messias) ;b das absolute „der Messias"
erst in 4. Esra u. der syrischen Baruchapokalypse,c zwei Schriften, die
gegen 100 n. Chr. entstanden sind. Dieser absolute Gebrauch des Aus-
drucks hängt wohl mit dem Bestreben zus., den Gottesnamen möglichst
wenig anzuwenden (Dalman 1, 232 f.). In der rabbin. Literatur findet
' Einige Sätze aus ihm hat bereits R. ?Aqiba (f um 135) in einem Fastengebet
zitiert, s. Ta?an 25''.
Matthl,! (SB 3. 6 1) H
sich von Anfang an allgemein das kurze n-^iu^n oder xn^a'^; die vollere
Form ^-^i sn-^nri fast nur in den Targumen, soweit der alttest. Text
dazu Veranlassung gab ; d gleichfalls selten ist die Verbindung des Wortes
niü-a mit einem auf Gott bezüglichen Personalsuffix. e
a. Ps Sal 17, 32: (Der verheilsene Davidide herrscht als) gerechter König, von Gott
unterwiesen, über sie, u. in seinen Tagen geschieht kein Unrecht unter ihnen, weil sie
alle heilig sind, u. ihr König der Messias (Gesalbte) des Herrn ist, xal ßctat'/.svs ccvrißv
XQiarog Kvqlov (so ist zu lesen statt Kgiardg Kvgiog). || Das. 18, 6 f.: Selig, wer in jenen
Tagen leben wird u. schauen darf das Heil des Herrn, das er deui kommenden Ge-
schlechte schafft unter der Zuchtrute des Messias des Heri'n XQiazov Kvqlov in der
Furcht seines Gottes.
b. Ps Sal 18,5: Gott, reinige Israel auf den Tag der heilsamen Gnade, auf den
Tag der Auswahl elg ■fjfxsQai' ix'koyrjg, wenn sein Messias Xqigtov athov zur Herrschaft
kommt. II — Henoch 43, 10: Niemand wird da sein, der sie (die Könige u. Mächtigen der
Erde) in seine Hände nähme u. aufrichtete, weil sie den Herrn der Geister u. seinen
Messias (Gesalbten) verleugnet haben. || Das. 52, 4: Der Engel sprach zu mir (Henoch):
Alles dies, was du gesehen hast, dient der Herrschaft seines Messias (Gesalbten),
■damit er mächtig u. stark auf Erden sei. — Einige Beispiele aus späterer Zeit s Anm. c.
C. 4 Esra 7, 28 f. : Mein Sohn, der Messias (filius meus Messias, so Syr u. Arab 1 ;
das lat. 'Jesus' ist christl. Korrektur), wird sich offenbaren samt allen bei ihm (wie
Henoch, Mose, Esra, Elias) u. wird den Übergebliebenen Freude geben, 400 Jahre lang.
Nach diesen Jahren wird mein Sohn, der Messias (filius meus Christus), sterben u. alle,
die Meuschenodem haben. || Das. 12, 32: (Der Löwe . . .,) das ist der Messias (Unctus),
den .der Höchste bewahrt für das Ende der Tage, der aus dem Samen Davids erstehn
u. auftreten wird. \] Apoc Bar 29, 3: Nachdem das, was sich in jenen Abschnitten er-
eignen wird, vollendet ist, wird der Messias (Messias) anfangen, sich zu offenbaren.
Das. 30, 1 : Danach, wenn die Zeit der Ankunft des Messias (tempus adventus Messiaej
sich vollendet, wird er in Herrlichkeit (in den Himmel) zurückkehren. — |[ In Verbindung
mit einem Personalsuffix liest man Messias Apoc Bar 39, 7 : Und wenn die Zeit seines
(des 4. Weltreichs) Endes herbeigekommen ist, daß es zu Falle kommen wird, alsdann
wird sich die Herrschaft meines Messias (Messiae mei) offenbaren. | Das. 40, 1 : Sie
werden ihn (den letzten Regenten des 4. Weltreichs) auf den Berg Zion hinaufschaffen,
u. mein Messias (Messias meus) wird ihn zur Rede stellen wegen aller seiner Frevel-
taten. ... I Das. 72, 2: Nachdem die Wunderzeichen, von denen früher zu dir (Baruch)
geredet worden ist, gekommen sein werden — wenn die Völker in Verwirrung versetzt
werden u. die Zeit meines Messias (Messiae mei) kommen wird — , da wird er alle
Völker berufen, u. einige wird er am Leben erhalten u. einige töten.
d. zB. Targzu Jes28, 5; 4,2.
e. Gebet Habinenu: Es mögen die Gerechten sich freuen . . . über das Sprossen
des Horns für David, deinen Knecht, u. über die Herrichtung einer Leuchte für den
Sohn Isais, deinen Messias ■-"o"':. Ähnlich im Musaphgebet für den Neujahrstag pa-
-"s in (bei Dalman 1, 306). '.Dein Messias" auch Targ 2 Sm 22, 32; Ps 18, 32; 89, 52;
Hab 3, 13. 18. ji Im Qaddisch des Gottesdienstes (Dalman 1, 305) heißt es: Es möge
sprossen seine (Gottes) Erlösung u. sein Messias n-'n-r-a nahen u. sein Volk erlösen. —
Im Qaddisch der Rabbanan: Er möge den Termin des Reiches seines Messias be-
schleunigen u. .sein Volk erlösen. — ,Sein Messias* auch Targ 1 Sm 2, 10; 2 Sm 22, 51 ;
Ps 2, 2; 18, 51; Sach 4, 7; 10, 4. — Von , ihrem", d. h. Israels Messias wird gesprochen
Targ Jes 53, 10; Jer 30, 21 ; Hos 14, 8.
l,lß: Des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.
1. Diese Worte sollen im voraus feststellen, daß Jesus der für den
Messias Israels geltenden Bedingung, ein Nachkomme Davids u. Abra-
12 Matthl,l(61)
hams zu sein, entsprochen habe. Zwar wird man nicht sagen können,
daß für das jüdische Empfinden zu allen Zeiten u. unter allen Um-
ständen die davidische Herkunft eines Mannes die unerläßliche Vor-
aussetzung seiner Anerkennung als Messias gebildet habe. So würde
der Verfasser der Hirtenvision im Buche Henoch, der Hen 90, 9 ff. ver-
mutlich den Johannes Hyrkanus (135 — 105 v. Chr.; vgl. Schürer 3 3, 200)
als den Zerbrecher des Joches der Weltmächte feiert, kaum etwas
Befremdliches darin gefunden haben, wenn der Messias, den er un-
mittelbar nach der Befreiung Israels geboren werden läßt (Hen 90, 37),
ein Sproß jenes makkabäischen Priesterfürsten gewesen wäre.a — Auch
das 5. Buch der Sibyllinischen Orakel, das seiner Hauptmasse nach
noch im 1. nachchristl. Jahrb. entstanden sein dürfte (s. Schürer ^ 3, 443),
erwartet Vers 256 — 259 Josua oder Mose vom Himmel her als Messias.b
Und von R. ? Aqiba wird berichtet, daß er ausdrücklich den Bar-Kokhba
zum Messias Israels ausgerufen habe — und doch hat niemand etwas
von der davidischen Abkunft dieses Revolutionshelden gewußt.c Aber
die allgemein jüdische Überzeugung hatte sich jedenfalls in Jesu Tagen
schon längst dahin verdichtet, daß kein andrer als ein Davidide das
messianische Zepter führen werde. Das älteste ausdrückliche Zeugnis
hierfür bietet Ps Sal ^ 17,21: „Sieh darein, o Herr, u. laß ihnen erstehn
ihren König, den Sohn Davids, tov ßaaiXsa avTwr, vtov Javi'S, zu' der
Zeit, die du erkoren, Gott, daß er über deinen Knecht Israel regiere." —
Seitdem ist vlog JavfS „Sohn Davids, Ti'i -,3, aram. ti^ na, zu einer oft
gebrauchten Messiasbezeichnung geworden; s. zu 9, 27.
a. Henoch sieht in einem Traumgesicht, wie Gott im Endgericht die widergöttlichen
Engelfürsten der Völker u. die abtrünnigen Israeliten beseitigt Hen 90,20—27, wie er
ein neues Jerusalem an Stelle des alten herbeibringt 90, 28 f. u. das fromme Israel aus
Grab u. Zerstreuung sammelt 90,33. — Das sind die Hoffnungen, die der Apokalyptiker
an die Zeit des Johannes Hyrkanus knüpft. Dann berichtet Henoch weiter: „Ich sah,
daß ein weißer Farre mit großen Hörnern geboren wurde. Alle Tiere des Feldes u.
alle Vögel des Himmels (d. h. die Heidenvölker) fürchteten ihn u. flehten ihn an alle
Zeit. Ich sah. bis daß alle ihre Geschlechter verwandelt u. alle weiße Farren wurden;
der erste unter ihnen wurde ein Büffel . . . u. bekam auf seinem Kopfe große u. schwarze
Hörner. Der Herr der Schafe (d.i. Gott) freute sich über sie u. über alle Farren" 90,
37 f. — Der weiße Farre, der mit großen Hörnern geboren wird, ist der Messias. Daß
er als „weißer Farre" bezeichnet wird, stellt ihn auf gleiche Linie mit den frommen
Stammvätern, die in der Bildersprache der Hirtenvision gleichfalls weiße Farren heißen
35^ 3—89, 12. Hinterher wird dann der Farre — der erste unter ihnen — zu einem
Büffel, d. h. der Messias steigt zu einer Höhe empor, auf der er selbst die Erzväter
weit hinter sich zurückläßt. Die Annahme liegt nahe, daß dieser Messias für den
Apokalyptiker ein Sproß des makkabäischen Priestergeschlechts gewesen ist; jedenfalls
fehlt jede Andeutung, daß er dabei an einen Davididen gedacht habe.
b. Orac. Sib. V, 256 — 259: „Einer aber wird wiederum sein vom Himmel her, ein
hervorragender Mann (Vers 256), dessen Hände ausbreitete auf dem fruchtreichen Holze
(Vers 257) der Beste der Hebräer, der die Sonne einstmals stillstehn machte (Vers 258),
red,end mit schönem Wort u. mit reinen Lippen" (Vers 259). — Schürer 3, 443 hat die
^ Die Psalmen Salomos stammen aus der Zeit 63 — 48 v. Chr.
Matth 1, 1 (6 1. 2) 13
ganze Stelle für eine christliche Interpolation erklärt. Allein wenn man nach Zahns
Vorgang (Apokalyptische Studien, Zeitschrift f. kirchl. Wissensch. u. kirchl. Leben 1886,
43 f.) den einen Vers 257 als christlichen Zusatz streicht, so gewinnt die Stelle einen
guten einheitlichen Charakter. Sie handelt dann von Josua u. bezeichnet diesen unter
Hinzunahme von Vers 414 ff., wo der Messias ebenfalls ein seliger Mann heißt, der
vom Himmelsgewölbe kommt, als den zukünftigen Messias. Es darf jedoch nicht über-
sehen werden, daß die Baraitha fAZ 25», Tafan 20-% ferner Dt R 11 (207'') u. P''siqR 4
(IS**) zu berichten wissen, daß auch Mose die Sonne zum Stillstehn gebracht habe.
Hiernach könnte in obigen Versen auch Mose vom Himmel her als Messias erwartet
sein. Jedenfalls aber zeigt die Stelle, daß ein nichtdavidischer Messias für den Sibyllisten
kein unvollziehbarer Gedanke gewesen ist.
C. pTafan 4 (68'\44): R. Schim?on b. Jochai (um 150) hat gelehrt: fAqiba, mein
Lehrer, hat öffentlich vorgetragen: „Hervorgetreten ist ein Stern (kokhab) aus Jakob"
(Nu 24, 17), hervorgetreten ist Kozeba aus Jakob. Als mein Lehrer sAqiba den Bar
Kozeba erblickt hatte, sagte er: „Dieser ist der König, der Messias", a^h^ s^rt ]'-
s-"i)ii! R. Jochanan b. Tortha erwiderte ihm: f Aqiba, Gras wird auf deinen Kinnbacken
(aus dem Grabe) wachsen, u. noch immer nicht wird der Sohn Davids (der Messias)
gekommen sein! — Die Lehnstelle Midr KL 2,2 (62'') weicht im ersten Satze auffallend
ab: „R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Rabbi hat öffentlich vorgetragen: 'Hervorgetreten
ist ein Stern aus Jakob'; lies nicht kokhab (Stern), sondern kozeb (Lügner)." Aus dem
richtigen Text pTafan ist der andre so entstanden, daß zunächst R. Schimfon b. Jochai
umgeändert wurde in R. Jochanan; in dessen Munde konnte dann „Rabbi" nicht mehr
„mein Lehrer" heißen; man setzte es deshalb unter Weglassung von „fAqiba" um in
den Eigennamen „Rabbi" = J**huda I.^ Noch in andrer Hinsicht ist Midr KL 2, 2 (6o»)
bemerkenswert. Mit Bezug auf die Worte R. ?Aqibas über Bar-Kozeba: „Dieser ist der
König, der Messias" wird hinzugefügt: So aber sagte R. ?Aqiba „wegen dieser Sache".
Damit ist die zuvor mitgeteilte Tatsache gemeint, daß Bar Kozeba vernichtende Wurf-
steine mit seinen Knieen auf die Feinde zu schleudern vermochte. Diese außerordent-
liche Kraft u. Geschicklichkeit war also für R. fAqiba maßgebend, ihn zum Messias
Israels auszurufen; seine davidische Herkunft spielte dabei keine Rolle.
2. Abraham u. David werden als Ziel- u. Höhepunkte der genea-
logischen Entwickelung gefeiert GnR 39 (24^): R. B^rekhja (um 340)
hat im Namen des R. N^'chemja (um 150) gesagt: Gleich einem Könige,
der von Ort zu Ort zog, u. dem eine Perle von seinem Haupte fiel.
Der König machte halt u. ließ sein Gefolge dort auch haltmachen. Er
ließ den Erdstaub in Haufen zus. bringen u. Siebe herbeischaffen. Dann
siebte man den ersten Haufen, fand sie aber nicht; auch im zweiten
fand man sie nicht. Endlich im dritten fand man sie. Da riefen sie:
Der König hat seine Perle gefunden! So sprach Gott: Was hatte ich
nötig, den Namen eines Arpakhschad, Schelach, ?Eber, Peleg, Re^u,
^ In der alten Synagoge ist übrigens die Verunglimpfung des Bar Kozeba als
«Lügensohn" ganz vereinzelt geblieben. Auch der Name Bar-Kokhba wird ihm nirgends
in der altjüd. Literatur beigelegt; diesen hat er durch die altkirchl. Schriftsteller er-
halten, u. zwar auf Grund der Deutung, die R. ?Aqiba Nu 24, 27 zu seinen Gunsten
gegeben hatte, s. Schürer' 1, 682. In den rabbinischen Schriftwerken heißt der Mann
regelmäßig Ben-Kozeba oder Bar-Kozeba („Sohn des Kozeba" oder „der aus Kozeba",
ohne verächtliche Bedeutung). Sein eigentlicher Name ist „Schim?on" gewesen. Das
beweisen die während seiner Herrschaft herausgekommenen Münzen u. Midr KL 2, 2
(63^): Zwei Brüder waren in Kephar Gharokha, die keinen Römer vorüberziehn ließen,
ohne ihn zu töten. Sie sagten: Wir wollen die Krone Hadrians nehmen u. sie auf das
Haupt Schimfons (des Ben-Kozeba) setzen. — Anders pTafan 4, 69-'', 33.
14 Matthl.l (6 2). 2
Serug, Nachor u. Therach in der Genealogie (Gn 11) aufzuführen? Aber
um deinetwillen (Abraham) ist es geschehen: „Du hast sein Herz treu
vor dir erfunden" (Neh 9, 8). Ebenso hat Gott auch zu David gesagt:
Was hatte ich nötig, einen Pere^, Chevron, Ram, ^Amminadab, Nach-
schon, Salmon, Bo'az, ^Obed u. Ischai in der Genealogie (Ruth 4) auf-
zuführen? David, ist es nicht um deinetwillen geschehen? „Ich habe
David gefunden, meinen Knecht, mit meinem heiligen Öl ihn gesalbt"
Ps 89, 21. — In Midr Ruth Ende werden als Autoren genannt R. B«-
rekhja u. R. Simon (um 280); in Jalqut Neh 9, 8 § 1071 R. B-^rekhja u.
R.Simon im Namen des R. N^'chemja; einzelnes daraus anonym auch
Tanch s^-n 42'', — In einer allegorischen Auslegung der Opferdar-
bringungen Nachsehens (Nu 7, 15 ff.) wird Abraham als cn^n -ip-^jr, d. h.
als Wurzel oder Hauptsache der Genealogie Israels bezeichnet, s. NuR
13 (170«).
1,2: Jakob aber erzeugte Juda u. seine Brüder.
1. Juda wird mit Namen aufgeführt, weil er zu den Ahnherren
des Messias gehört.
TanchB ad § 11 (91 ^>): Juda ging hinab (Gn 38, 1), um den letzten Erlöser zu
stellen, das ist der König, det Messias; denn aus ihm sollte der König, der Messias,
hervorgehn. || TanchB ic;-n § 3 (103^): Auch in der Zukunft wird der Kriegsgesalbte
(damit ist der Messias b. Ephraim oder b. Joseph gemeint, s. bei Lk 24, 26) von Joseph
erstehn; aber der Gesalbte, der voe J*^huda ersteht (d. i. der Messias), wird stärker sein
als jener; denn es heifst Sach 10, 6: Ich mache zu Helden das Haus J^huda, aber dem
Hause Joseph helfe ich. |i TanchB -n-i § 12 (110^): Warum heißt es Gn 49, 8: J^huda,
dich werden deine Brüder preisen? Weil alle Israeliten nach deinem Namen werden
Juden genannt werden, u. nicht nur dies, sondern auch weil der Messias aus dir hervor-
gehn wird, der Israel helfen wird, s. Jes 11,1: Eine Rute wird aufgehn aus dem Stumpf
Isais. II Vgl noch die Zitate zu 1, 3.
2. Neben Juda werden seine Brüder genannt, wohl um ihre Gleich-
wertigkeit mit ihm auszudrücken u. sie dadurch zu ehren. ;
TanchB -nv § 17 (111^): Es heißt Gn 49,28: „Er (Jakob) segnete sie; jeden mit
dem, was seinem Segen gemäfs war, segnete er sie." Er segnete „ihn" steht nicht
geschrieben, sondern er segnete „sie". Warum dies? Weil er dem J^uda beigelegt
hatte die Stärke des Löwen u. dem Joseph die Stärke des Ochsen u. dem Naphtali
die Schnelligkeit des Hirsches u. dem Dan den Biß der Schlange, so könnte man
meinen, daß der eine größer sei als der andre; deshalb faßt er sie alle zum Schlüsse
zusammen: einen jeden in Gemäßheit seines Segens segnete er sie. Parallelen: Tanch
•r.-'. Ende (58''); GnR 99 (63-^). Ähnlich R. Elfazar (um 27U) in NuR 13 (169 = ) u. R. B^-
rekhja (um 340) in Midr HL zu 4, 7 (113b). y js^^R 18 {169'^): „Ganz schön bist du, meine
Freundin, und kein Fehl ist an dir" HL 4, 7. Die Stelle redet von den Stammes-
fürsten. Als sie zur Einweihung des Altars ihre Opfer darbrachten (Nu 7), brachten
sie nicht alle an Einem Tage dar, sondern jeder einzelne an seinem bestimmten Tage,
s. Nu 7, 11: „Je ein Fürst täglich." War da nun etwa der zuerst darbrachte ganz be-
sonders geelirt (wörtl. geliebt) u. sollte J^'huda, der zuerst darbrachte, geehrter sein
als alle? Deshalb hat R. Chelbo (um 800) gesagt: Bei allen Stämmen steht „sein
Opfer" (zB Nu 7, 19.25.81 usw.), aber bei dem Fürsten von J'huda steht „und sein
Opfer" (Nu 7, 13). Brachte dieser nicht zuerst dar? und doch heißt es „und" sein
Opfer! Es hätte nicht so heißen sollen; vielmehr bei dem ersten hätte es heißen
sollen „sein Opfer" u. bei den folgenden „und sein Opfer". Warum so? R. B'Yekhja,
Matth 1, 2. 3 (51. SB 1. 2) I5,
der Priester u. Rabbisohn (um 340), hat gesagt: Damit, wenn J'^huda, der zuerst dar-
brachte, sich stolz über seine Brüder erheben u. sagen sollte: „Ich bin der Geehrteste
unter euch, denn ich habe zuerst dargebracht", diese ihm antworten können: „Du bist
es, der zuletzt dargebracht hat, denn so steht geschrieben: „Und sein Opfer" (Vers 13);
damit hat er dich zum Anhängsel (Nebensache) deinen Brüdern gegenüber gemacht.
Das wollen die Worte besagen: Ganz schön bist du, meine Freundin. |i NuR 18 (IßO'^^):
Nu 7, 12: „Nachschon, Sohn des ?Amminadab vom Stamme J'^huda." Die Schrift genea-
logisiert ihn nach dem Namen seines Stammes: das ist eine Ehre (Lob) für ihn, eine
Ehre für seinen Vater, eine Ehre für seinen Stamm.
1,3: Juda zeugte Perez u, Serah.
2t (PccQt'g = i'-s, Zagä := n^^-, s, Gn 38, 29. — Von beiden handelt
J«b 76'', s. bei 1,5!
1,3 0: Von der Thamar, sx zf^g Qäfiaq.
1. Namen von Frauen sind in jüdischen Geschlechtsregistern selten.
Der Grundsatz, daß in Erbschaftsfragen nach Nu 27, 11 nur die väter-
liche, aber nicht die mütterliche Familie gelte (BB 109'^), wird auch
bei der Aufstellung von Stammbäumen befolgt sein. Ausnahmen im
AT: wo eine Unregelmäßigkeit in der Deszendenz oder sonst etwas
Bemerkenswertes sich an den Namen einer Frau knüpft, zB 1 Chr
2, 21. 24. 34. 48 f.; 7, 24. Dazu kam, daß der späteren Zeit eine nicht
allseitig genealogisch belegte Herkunft gleichbedeutend war mit ruhm-
loser Herkunft, eine Anschauung, die zB Rab (f 247) veranlaßte, dem
Gerede der Sektirer (Minim) gegenüber auch für die Mutter Abrahams,
Davids u. Simsons gewisse Namen zu erfinden, BB 91^. — In dem Ge-
schlechtsregister Jesu hat der Evangelist vier Frauen namhaft ge-
macht: Thamar 1,3, Rahab u. Ruth 1, 5, Bathseba, die Gattin des Uria
1,6. Er hat wohl auf das souveräne Walten der göttlichen Gnade hin-
weisen wollen, der alles, auch menschliche Eigenmächtigkeit u. Sünde,
dienen mußte, um der Welt den Erlöser zu schenken.
2. Diese verborgene Gotteshand hat die Synagoge in Thamars
Leben nicht verkannt, aber die Wahrheit alsbald in ihr Gegenteil ver-
zerrt, indem sie Judas u. Thamars Sünde ausdrücklich auf Gottes
Initiative zurückführt, um die Stammeltern von menschlicher Schuld
zu entlasten.
GnR 85 (54'^): R. Sch^iuel b. Nachman (um 260)^ eröffnete seinen Vortrag mit Jer
29,11: „Ich weiß meine Gedanken, die ich über euch hege, ist Jahves Spruch, Ge-
danken des Friedens" usw. Die Stammväter waren mit dem Verkauf Josephs be-
schäftigt, Joseph war mit Trauern u. Fasten beschäftigt, ebenso Rüben u. Jakob, u.
J'^huda war damit beschäftigt, sich ein Weib zu nehmen. Und Gott war beschäftigt
^ R. Sch^'muel b. Nachman vertritt die Lehre von der Präexistenz der Seelen zB
Tanch cas: (26*). Er will sagen: Als mit der Beiwohnung der Thamar durch Juda
der Grund zu dem Geschlecht gelegt wurde, dem der Messias entspriefsen sollte, be-
faßte sich Gott mit der Bildung der Messiasseele. Der Ausspruch geht über die ideelle
Präexistenz des Messias hinaus, ohne aber diesem etwas Außerordentliches vor den
übrigen Menschen beizulegen, da ja die Seelen aller Menschen als präexistierend gedacht
werden. Zur Lehre von der Pr. der Seelen s. bei Job 1, 1 (am Anfang war das Wort C).
16 Matthl,3 (35 2)
als Schöpfer des Lichtes (= Leben, Seele) des Königs, des Messias, „und es geschah
in jener Zeit, daß Juda hinabging" (Gn 38, 1): „Ehe sie noch kreißte, hat sie geboren"
(Jes 6li, 7), ehe noch der erste Unterdrücker (^= Pharao) geboren war (existierte), war
schon der letzte Erlöser (= Messias). geboren.
Aggad B'^reschith 63 § 3: „Dort sah Juda die Tochter eines kana?anäischen Mannes"
Gn 38, 2. Als er sie geheiratet hatte, sprach Gott: Der Messias soll aus Juda erstehn,
u. dieser geht hin u. heiratet ein kanafanäisches Weib! Aber was soll ich machenJ Er
macht Umwege (schmiedet Ränke) u. verheiratet seinen Sohn mit der Thamar. Und
Thamar war die Tochter Sems, des Alten (vgl. unten). Gott sprach: Die Kana?anäerin
soll sterben, wie es heißt (Gn 38, 12): „Und nach geraumer Zeit starb . . . das Weib
Judas": u. ihre Söhne sollen sterben, wie es heißt: „Er tötete den ?Er und Onan" (vgl.
Gn 38, 7. 10), damit sich Juda an die Thamar hänge, denn sie ist priesterlichen Ge-
schlechts, eine Tochter Sems b. Noach.^
TanchB zv^-\ § 13 (92 ^j: ,Dort sah J^mda" (Gn 38, 2). Der eine hat gebuhlt u.
ward belohnt, u. ein andrer hat gebuhlt u. erlitt Schaden . . ., ein solcher war Zimri,
Ein Buhler, der belohnt wurde, w.ar Juda; denn von ihm erstanden Pere9 u. Chevron,
die David u. den König, den Messias, stellen sollten, der Israel erlösen wird. Sieh,
wieviel Umwege Gott machen (= wieviel Listen er anwenden) mußte, bevor er den
König, den Messias, aus Juda erstehn lassen konnte, den, von dem geschrieben steht
Jes 11,2: Auf ihm wird ruhen der Geist Jahves.
pSota 1,4 (16 '^, 56): R. Ghizqijja (um 350) hat im Namen des R. Acha (um 320)
gesagt: R. Chijja (der Altere, um 200) hat drei Schriftstellen öffentlich zum Lobe vor-
getragen. Gn 3^, 14: „Thamar setzte sich an den Eingang von fEnajim." Ist das mög-
lich? Selbst eine Buhlerin in ihrer Buhlerei tut nicht dergleichen. Vielmehr bedeuten
diese Worte, daß sie ihre Augen aufhob zu der Pforte, nach der alle Augen (a-s'-y =
„Augen" soll den Namen fEnajim deuten) blicken. (Damit ist die Himmelstür gemeint,
durch welche nach rabbin. Anschauung die Gebete vor Gott gelangen.) Sie sprach vor
ihm: Herr aller Welten, nicht möge ich leer von diesem Hause weggehn. Parallelen:
pK^thlS, 1 (35V 52), wo der Name Chijjas ausgefallen ist; Midr Sm 7 §4 (34'"'), hier
Tradenten R. Juda b. Simon im Namen des Ghizqijja (eines Sohnes Chijjas des Alteren);
GnR 85 (54*^) wird R. Ammi (um 300) als Autor genannt; einen ähnlichen, aber kürzeren
Ausspruch des R. J^hoschua? b. Levi (um 250) bringt TanchB zr-i § 17 {9B^).
Sota 10^: „Thamar setzte sich an den Eingang von fEnajim" Gn 38, 14. R, Ale-
xandrai (um 280) hat gesagt: Die Worte wollen lehren, daß sie hinging u. sich an die
Tür unsres Vaters Abraham setzte, an den Ort, auf den alle Augen =-ry blickten, ihn
zu sehn. R. Chanin (um 300) hat gesagt: Rabbi hat gesagt: Es war ein Ort, der ?Enajim
hieß, vgl. Jos 15, 34: Tappuach u. fEna(jiim. R. Sch^muel b. Nachmani (um 260) hat
gesagt: Die Worte wollen besagen, daß sie in ihre Worte augenscheinliche Gründe
(wörtl.: Augen) hineinlegte. Als er nämlich sein Ansinnen an sie stellte, sagte er zu
ihr: Bist du etwa eine Heidin? Sie antwortete ihm: Ich bin eine Proselytin. Vielleicht
bist du eine verheiratete Frau? Sie antwortete: Ich bin ledig. Vielleicht hat dein Vater
dich zur Ehe zugesagt? Sie antwortete: Ich bin eine Waise. Vielleicht bist du unrein?
Sie antwortete: Ich bin rein. (Alle ihre Worte begründen mithin ihr Erlaubtsein für
Juda.) — Sch<^muels Deutung anonym, aber nur teilweise auch pK'^th 13, 1 (35", 55);
pSotal,4(16'i, 59).
GnR 80(54*^): „Und Juda sah sie" Gn 38, 15. Aber er beachtete sie nicht, weil
sie ihr Angesicht bedeckt hatte ; er meinte, wenn sie eine Buhlerin wäre, würde sie
dann wohl ihr Angesicht bedeckt haben? (Der Midrasch dreht den Sinn von Gn 38, 15
um.) Denn R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Er wollte vorübergehn, aber Gott entbot
?;u ihm den Engel, der über den Geschlechtstrieb gesetzt ist. Der sprach zu ihm: Juda,
^ Sem wird in der rabb. Literatur meist mit Melchisedek, dem Priester des El
fEljon (Gn 14, 18), identifiziert u. soll nach Seder fOlam R 1 g. E. erst gestorben sein,
als Jakob 50 Jahre alt war.
Matth 1, 3 (SB 2. 3) 17
wo willst du hin? Woher sollen Könige, woher sollen Große erstehn? ^Und er bog
zu ihr ab, zu dem Wege hin" (Vers 16), nämlich gezwungen, nicht aus freien Stücken.
Er sprach (Vers 18): Was ist das Pfand, da:3 ich dir geben soll? R. Huna (um 350)
hat gesagt: Es blitzte der heilige Geist (= Geist der Prophetie) in ihr auf. Sie sprach:
,Dein Siegelring"; damit ist das Königtum angedeutet, vgl. HL 8,6: Lege mich wie
einen Siegelring an dein Herz; Jer22, 24: Wenn Chonjahu, der Sohn J'-'hojaqims, der
König von Juda, ein Siegelring wäre an meiner rechten Hand. , Deine Schnur" ; damit
sind die Mitglieder des Synedriums angedeutet, die mit Schnüren (am Ehrenmantel,
Tallith) ausgezeichnet sind, vgl. Nu 15, 38: Eine Schnur von blauem Purpur. ,Und dein
Stab"; damit ist der König, der Messias, angedeutet, vgl. Jes 11, 1 : Es wird eine Rute
aufgehn aus dem Stumpf Isais; Ps 110,2: Das Zepter deiner Macht wird Jahve aus-
strecken von Zion. ... Gn 38, 24: , Führet sie hinaus, daß sie verbrannt werde." Ephraim,
der Disputiersüchtige, der Schüler des R. Me'ir, hat im Namen des R. Meir (um 150)
gesagt: Tharaar war die Tochter des Sem; denn es heißt (Lv 21, 9): „Falls die Tochter
eines Priesters sich entweiht zu huren . . ., mit Feuer soll sie verbrannt werden";
deshalb , führet sie hinaus, daß sie verbrannt werde". — Parallele: TanchB zv^i § 17
{9i^]. Zum letzten Satz vgl. Targ Jerusch 1 zu Gn 38, 24.
Sota 10'': ,Sie fand" Gn 38, 25; es sollte heißen: „Sie wurde hinausgeführt." (Der
Midrasch deutet rs::-« als Partiz. Qal von x-^'s finden.) R. El?azar (um 270) hat gesagt:
Nachdem ihre Unterpfänder (die sie von Juda erhalten) gefunden waren, kam Sammael
(Name des Teufels) u. entfernte sie (damit Thamars Unschuld nicht an den Tag käme);
es kam Gabriel u. brachte sie wieder herbei. Darauf bezieht sich Ps56, 1: „Dem
Musikvorsteher über die Taube (= Thamar!, die verstummte wegen der fernen (Unter-
pfänder; so der Midrasch). R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Als ihre Unterpfänder weg-
genommen waren, wurde sie wie eine stumme Taube in bezug auf David, den Mikhtam
(Ps 56, 1); denn von ihr sollte David hervorgehn, der demütig ■^^ u. vollkommen sr; ^
in jeder Hinsicht war. (In der 1. Deutung sind für Thamar die „Fernen" die entfernten,
weggenommenen Pfänder, in der 2. Deutung die in ferner Zukunft von ihr Abstammenden.)
. . . „Und sie sandte zu ihrem Schwiegervater und ließ ihm sagen: Sieh doch genau
zu" Gn 38, 25. — „Doch" (sd) ist ein Ausdruck der Bitte. Sie sprach zu ihm: Ich bitte
dich, erkenne das Angesicht deines Schöpfers an u. verbirg deine Augen nicht vor mir. —
Parallelen: GnR 85 (54 ^j; zum Teil TanchB 32)-i § 17 (94^); Targ Jerusch 1 u. II z. St.
Mak23'': R. El?azar (um 270) hat gesagt: An drei Orten leuchtete der heilige
Geist hervor (um festzustellen, was über menschliches Wissen hinausging): im Gerichts-
hof des Sem, des Samuel aus Rama u. des Salomo. Im Gerichtshof des Sem, s. Gn
38, 26 : Und Juda sah genau hin u. sprach: „Sie ist gerecht, von mir" (geht sie schwanger).
Woher wußte er das? Es war doch möglich, daß, so gut wie er ihr beigewohnt hatte,
noch ein andrer Mann ihr beigewohnt hatte! Aber es ging eine Himmelsstimme aus,
die sprach: Von mir (Gott) sind ausgegangen Heimlichkeiten (d. h. der geheime Gottes-
beschluß, daß von der Thamar der Messias erstehn soll).'^ Parallelen: Midr Ps 72 § 2
(163 a); GnR 85 (54 d), hier Autor R. Sch'^muel b. Ji^chaq (um 300), Tradent R. Jirm^ja
(um 325); Midr Qoh 10, 16 (49^), Autor R. Sch'^^muel b. Nachman (um 260); Targ Jerusch 1
zu Gn 38,26. In Targ Jerusch II spricht die Himmelsstimme: Ihr beide seid unschuldig,
von mir (Jahve) ist die Sache ausgegangen.
3. Sogar von göttlichem Lohne für Judas u. Thamars Tat wird
geredet.
TanchB 2'i)-) § 13 (92^, 14) s. oben S. 16. || Sota lO'': „Juda sah genau hin u.
sagte: Sie ist mir gegenüber im Rechte" Gn 38, 26. Das meinte Rab Chanin bar Bizna
(um 260, ein Babylonier), der gesagt hat: R. Schimfon der Fromme (ein Tannait) hat
gesagt: Joseph, der den Namen des Himmels (^ Gottes) im geheimen geheiligt hat
1 Zerlegung von ars^ in zwei Wörter, s. Einl. 107, Nr. 30.
2 Die ganze Stelle s. bei Mt 3, 17 Anm. h, 27.
Strack u.Billerbeck, NT I. 2
18 Mattlil,3 (85 3. 6. 25)
(dem Weibe Potiphars gegenüber), ward gewürdigt, daß man ihm Einen Buchstaben
aus dem Namen Gottes hinzufügte; s. Ps 81, 6: Zum Zeugnis hat er es (das -) gesetzt
in nc-n- (sonst wird der Name c|D'- geschrieben). J'^huda, der den Namen des Himmels
öffentlich geheiligt hat (als er die Worte Gn 38, 26 sprach), ward gewürdigt, daß er
ganz nach dem Namen Gottes genannt wurde (der Name min^ enthält die sämtlichen
Buchstaben des Gottesnamens mn-). — Nachdem er bekannt u. gesagt hatte: „Sie ist
gerecht, von mir ist es", ging eine Himmelsstimme aus, welche sprach: Du hast die
Thamar u. ihre beiden Söhne aus dem reuer(tode) errettet, bei deinem Leben, ich
(Gott) werde durch dein Verdienst drei von deinen Nachkommen aus dem Feuer er-
retten. Wer sind diese? Ghananja, Mischael u. sAzarja (s. Dn 1,6. 3, 12 ff.; die Ge-
schichte ihrer Errettung s. P^s 118"). — Der letzte Absatz gleichfalls anonym GnR 99
(63'0; TanchB ar- § 17 (94^); Aggad B^resch 82 §2 (55'^); nach Midr Sm9§6 (38-0
gehört der Ausspruch dem R. Levi (um 300) an; Tradent: R. J^oschuaf von Sikhnin
(um 330) genannt. |1 Hör 10 '^ u. Nazir 23'': ?Ulla (b. Jischma?el, um 280) hat gesagt:
Thamar hat gebuhlt, Zimri hat gebuhlt; Thamar hat gebuhlt, u. es gingen aus ihr
Könige u. Propheten hervor; Zimri hat gebuhlt, u. es fielen seinetwegen wer weiß wie
viele Myriaden aus Israel. |! M^'g lO'': R. Sch^muel b. Nachmani (um 260) hat gesagt:
R. Jonathan (b. Elfazar, um 220) hat gesagt: Jede Braut, die züchtig verhüllt im Hause
ihres Schwiegervaters lebt, ist würdig, daß aus ihr Könige u. Propheten hervorgehn.
Woher können wir das beweisen? Von der Thamar; s. Gn 38, 15: „Und Juda sah sie
u. hielt sie für eine Buhlerin, denn sie hatte ihr Angesicht bedeckt." Darum daß sie
ihr Angesicht bedeckte, hätte er sie für eine Buhlerin gehalten? Nein; weil sie ihr
Angesicht im Hause ihres Schwiegervaters verhüllt hatte, erkannte dieser sie nicht
(am Eingang von fEnajim). Deshalb wurde sie gewürdigt, daß aus ihr Könige u. Pro-
pheten hervorgingen. Könige: von David her, s. Ruth 4, 18 ff.; Propheten: R. Levi (um
300) hat gesagt: Eine' Überlieferung besitzen wir von unsren Vätern her, daß Amo9 u.
AmaQJa Brüder gewesen sind, u. es steht geschrieben Jes 1,1: Gesicht, welches Jesaja,
der Sohn des Amo9, gesehen hat. (Wenn Amo9, der Vater des Jes., ein Bruder des
Königs Ama^ja (2 Kg 12, 22) war, dann stammte auch Jes. von David ab, u. dann ist
der Beweis erbracht, daß aus Thamar Propheten hervorgegangen sind.) — Sota 10**
wird der Anfang von R. Jonathans Ausführung dem R. Ehazar (b. P'^'dath, um. 270) bei-
gelegt, li — Ein Tadel über Judas Tat wird Tos B®rakh 4, 18 (10) ausgesprochen mit
der Frage: Gibt mau (Gott) denn einen Lohn für die Sünde?
1, 3 (J: Perez u. Serah.
Aggad B*^resch 63 § 3 (44''): „Es geschah, als Thamar gebar, streckte einer die Hand
hervor" Gn 38, 28. Zeracb wollte zuerst herauskommen; da sprach Gott: Der Messias
soll von Pere^ erstehn, u. Zerach sollte zuerst herauskommen? Nein, er soll wieder in
seiner Mutter Leib gehen, u. Pere^ soll zuerst herauskommen, von dem der Messias
hervorgehn wird . . .; Pere9, das ist der Messias; s. Micha 2, 13: „Heraufziehn wird der
Durchbrecher, yii£~, vor ihnen her." |i GnR 85 (55^): „Und es geschah, als er seine
Hand zurückzog, siehe da kam sein Bruder heraus" Gn 38, 28. Das geht auf den, der
groß (mächtig) ist wider (über) alle Frechen, von dir wird er erstehn, S.Micha 2, 13:
„Heraufziehn wird der Durchbrecher yitT: vor ihnen her." Rabbi hat im Namen der
Rabbinen gesagt: Alle Durchbrecher werden von dir erstehn, s. Micha 2, 13: Herauf-
ziehn wird der Durchbrecher vor ihnen her, sie werden durchbrechen. (Diese Deutung
nimmt y-^^r kollektiv u. unterscheidet von den durchbrechenden Helden ihren im fol-
genden genannten -b's = Messias.) |i Targ Jerusch I zu Gn 38, 29: Als das Kind seine
Hand zurückzog, da kam sein Bruder heraus, u. sie (die Geburtshelferin) sprach: Eine
wie mächtige Gewalt hast du angewandt, u. dir liegt es ob, mächtig zu werden, denn
du wirst die Königsherrschaft in Besitz nehmen.
^ Perez erzeugte Hezron, 'Eoqw^i.
Der Messias wird Ben Pere9 genannt.
Matthl,3(2)). 4 19
GnR 12: „Dies ist die Geschichte m^-ir des Himmels u. der Erde." R. Sch*^muel
b. Nachman (um 260) hat gesagt: ToPdoth in der Tora (im AT) wird defektive ge-
schrieben; ausgenommen Rutil 4, 18: „Das sind die Generationen msir des PereQ* u.
Gn 2,4. Weshalb? R. Judan (um 350) hat im Namen des R. Rauben (um 300; so ist
statt R. Abin zu lesen mit Bacher, pÄmor 3, 81) gesagt: Entsprechend den sechs Dingen,
die dem ersten Menschen (infolge seiner Sünde) entzogen worden sind, nämlich Glanz,
Leben, Größe der Gestalt, Fruchtbarkeit (wörtl. die Frucht) der Erde, Fruchtbarkeit
der Bäume u. die Helligkeit der Himmelslichter. Sein Glanz, s. Hiob 14,20: „Er ver-
änderte sein Aussehn u. du triebst ihn fort." Sein Leben, s. Gn3, 19: „Erde bist du,
u. zu Erde sollst du wieder werden." Die Größe seiner Gestalt, s. Gn3, 8: „Es ver-
steckte sich der Mensch u. sein Weib zwischen den Bäumen des Gartens" (Adam hatte
also jetzt unter den Bäumen Platz, während er vor dem Sündenfall eine Länge von
mindestens 200 Ellen hatte). Die Fruchtbarkeit der Bäume u. der Erde, s. Gn3, 17:
„VerÜucht sei der Erdboden um deinetwillen." Die Helligkeit der Himmelslichter
(Schriftbeleg fehlt) . . . R. B'^^rekhja (um 340) hat im Namen des R. Sch^muel (b. Nach-
man, um 260) gesagt: Obwohl alle Dinge in ihrer Fülle (vollen Gestalt u. Herrlichkeit)
geschaffen worden waren, so wurden sie, nachdem der erste Mensch gesündigt hatte,
verschlechtert, u. sie werden auch nicht eher zu ihrer (ursprünglichen) Verfassung
zurückkehren, als bis der Ben Pere(; (^ Messias) kommen wird; s. Ruth 4, 18: Dies
sind die Generationen des PereQ. Hier ist r-\ih'.r plene (mit zwei i) geschrieben, wegen
der sechs Dinge, die (wenn Ben Pere^ = Messias kommt, dem Menschen) wiederkehren
werden, nämlich Glanz, Leben, hohe Gestalt, Fruchtbarkeit der Erde, Fruchtbarkeit
der Bäume u. die Helligkeit der Himmelslichter. Sein Glanz, s. Ri 5,31: „Seine Freunde
sind wie die aufgehende Sonne." Sein Leben, s. Jes 65, 22: „Wie das Alter der Bäume
wird das Alter meines Volkes sein." Die Größe seiner Gestalt; denn es heißt (Lv 26, 13):
„Tch werde (so deutet der Midrasch) euch in hoher Gestalt einhergehn lassen." (Hier
folgen Aussagen, die dem Menschen zukünftig eine Größe bis zu 900 Ellen beilegen.)
Die Fruchtbarkeit der Erde u. der Bäume; s. Sach 8, 12: „Der Same des P'riedens, der
Weinstock wird seine Frucht geben u. die Erde ihren Ertrag." (Der Midrasch deutet
vermutlich: Der Same wird vollkommen sein, n^";::;, u. der Weinstock wird seine, die
ihm nur immer mögliche Frucht geben usw.) Die Helligkeit der Himmelslichter; s.
Jes 30,26: „Es wird das Licht des Mondes gleich dem Sonnenlicht sein, u. das Licht
der Sonne wird siebenfältig sein." — Tanch r-^a^z (4^) u. TanchB rr^rs^a §18 (6^)
enthalten mancherlei wichtige Abweichungen im einzelnen: zB R J^'huda b. Schallum,
um 380, begründet die Sechszahl der dem Adam genommenen Dinge mit dem Zahlen-
wert des dem Worte n-isin genommenen " = 6; statt „Fruchtbarkeit der Bäume" ist
„der Garten sEdens" eingesetzt; Ben Pere^ bleibt unerwähnt; vielmehr bringt Gott im
fOlam ha-ba, dem zukünftigen Aon, die sechs verlorenen Dinge wieder. — Die Parallele
aus NuR 13 (170'"'), s. unten S. 20. — || Einen mehr selbständigen Charakter hat die
Tradition ExR 30 (89^): Man findet, daß alle p-,i^ir in der Schrift defektive geschrieben
sind mit Ausnahme von Gn 2, 4 u. Ruth 4, 18; Gn 2, 4 wird m'sir plene geschrieben;
denn als Gott seine Welt schuf, gab es noch keinen Todesengel in der Welt, u. deshalb
schrieb er das Wort plene; als aber Adam gesündigt hatte, schrieb Gott alle Wörter
miVin defektive. Und als Perec erstand, da wurde sein ri-sVin plene geschrieben, weil
der Messias von ihm erstehn soll, in dessen Tagen Gott den Tod verschlingen wird,
s. Jes 25, 8: Verschlingen wird er den Tod für immer.
1,4: Nahesson zeugte Salma, Naaaßcov, ^aXpcoav.
1. Nachschon. NuR 13 (169"^): Weshalb wurde sein Name Nachschon genannt?
Weil er zuerst hinabsprang in den Strudel des (Roten) Meeres, '■sii^rrj, Strudel, Wort-
spiel mit pcn:; s. den ausführl. Bericht M^khiltha zu Ex 14, 22 (37^ f.); Sota U^. 87 ^
Pirqe R. El. 42 (24»).
2. Nachschon wird mehrfach unter den Ahnherren des Messias nam-
haft gemacht,a so daß dieser kurzweg Ben Nachschon genannt wird.b
2*
20 Matthl,4.5 («1.2)
a. NuR 13 (170^): Warum wird das Wort D^iiry (Böcke, Nu 7, 17) plene ge-
schrieben (mit i)? Das Waw (dessen Zahlenwert = 6) entspricht den sechs Nach-
kommen, die, von Nachschon stammend, Inhaber von sechs Segnungen sind: David,
Messias (n-ico ohne Artikel, s. S. 6;^), Daniel. Chananja, Mischael u. fAzarja. David;
s. 1 Sm 16, 18. Messias; s. Jes 11, 2: Es ruht auf ihm der Geist Jahves: der Geist der
Weisheit u. des Verstandes, siehe das sind zwei; der Geist des Rates u. der Stärke,
siehe das sind (zusammen) vier; der Geist der Erkenntnis u. der Furcht Jahves, siehe
das sind sechs. — Daniel, Chananja, Mischael u. f Azarja s. Dn 6, 4. Diese Ausführung
ruht auf einem Ausspruch des Bar Qappara (um 210), s. Sanh 93^. 93"^ bei 1, 5. || NuR 13
(170'^): Die Schüssel u. das Becken (Nu 7, 13) brachte Nachschon dar mit Bezug auf
die Könige aus dem Hause Davids, die von ihm erstehn sollten u. herrschen unter dem
Himmelsgewölbe (ns^ra nach Raschi zu M^gll^ = :''p"in rs-'S Vs rnr) über Meer u.
Land, wie Salomo u. der König, der Messias. Salomo s. 1 Kg 5, 4; 10, 24f. ; Ps 89, 26.
Der König, der Messias, s. Ps 72, 8. 11 ; ferner Dn 7, 13f.: Siehe mit den Wolken des
Himmels kam einer, einem Menschensohne gleich . . . und ihm wurde Macht u. Ansehn
u. Herrschaft gegeben u. alle Völker u. Nationen u. Sprachen fürchteten ihn. Ferner Dn
2, 35: Der Stein, der das Bild traf, wurde zu einem großen Fels u. füllte die ganze Erde.
b. NuR 18 (170''^): , Und sein Opfer", ua-pi (Nu 7, 13). Weshalb das überflüssige
Waw (zu Anfang des Wortes, das Vers 19. 25 usw. fehlt)? R. Bebai (um 320) hat im
Namen des R. Rauben (um 300) gesagt: Das Waw (sechs) entspricht den sechs Dingen,
die dem ersten Menschen genommen wurden u. die wiederkehren werden durch den
Ben Nachschon, das ist der Messias; vgl. oben S. 19f.
1,5 5t: Salma zeugte Boas von der Rahab.
1. Rahabs lasterhaftes Vorleben.
M^g 15*, Bar (i"r, s. Einl. ly. 2): Vier schöne Frauen hat es in der Welt gegeben:
Sara, Abigail, Rahab u. Esther; wer aber sagt, daß Esther von zu gelblicher Farbe
gewesen sei, der scheidet E. aus u. fügt Vaschthi ein . . .: Rahab hat durch ihren
Namen (= weit, offen) zur Buhlerei gereizt, Jafel durch ihre Stimme, Abigail durch
die Erinnerung an sie, Mikhal, die Tochter Sauls, durch ihren Anblick. — R. Jigchaq
(um 300) hat gesagt: Jeder, der „Rahab, Rahab" sagte, bekam sofort Samenfluß. Rab
Nachman (b. Ja?aqob) erwiderte ihm: Ich kann Rahab, Rahab sagen u. es ficht mich
nicht an. Da sagte jener: Ich meine es auch nur von dem, der sie kannte u. erblickte.
Parallele zu dem Ausspruch des R. Jicjchaq Ta?an 5''. H Z*^b 116*^: Ein Autor hat gesagt:
Es gab keinen Fürsten u. Führer, der nicht der Buhlerin Rahab beigewohnt hätte. ||
M%h Ex 18, 1 (641^) u. Z«b 116b:__Man hat gesagt: Die Buhlerin Rahab ist 10 Jahre alt
gewesen, als die Israeliten aus Ägypten zogen, u. die ganzen 40 Jahre hindurch, die
die Israeliten in der Wüste zubrachten, hat sie gebuhlt; am Ende der 50 Jahre ist sie
Proselytin geworden.
2. Rahabs Hinneigung zu Israel wird im AT begründet mit ihrer
Kunde von Gottes Großtaten inmitten seines Volkes Jos 2, 9 ff. Das
NT hebt ihren Glauben hervor Hebr 11, 31, der sie zu der sie selbst
rettenden Tat an den Kundschaftern führte Jak 2, 25. — Der Midrasch
hat mehrfach den Übertritt R.s zum Judentum verherrlicht: nachdem
sie unter dem Bekenntnis ihrer Sünde Proselytin geworden,» wird sie
als ein Beweis für die Wahrheit angeführt, daß Gott den sich nahen
lasse, der sich ihm nahen will;b oder als Beleg für die Regel, daß
Gott dann, wenn Israel seinen Willen tue, Gerechte aus der Heiden-
welt seinem Volke zuführe.c Selbst als ein Werkzeug des göttl. Geistes
der Prophetie wird sie gefeiert,d u. noch der König Hiskia erinnert
Matthl,5 (212) 21
sich ihrer in seiner Todesangst, um nach ihrem Vorbild durch Geltend-
machung des Verdienstes guter Werke Rettung zu erlangen.e
a. Wk\\ Ex 18, 1 (64^): Nach 50 Jahren wurde sie Proselytin, u. sie sprach: Herr
der Welt, mit drei Dingen habe ich gesündigt u. wegen dreier Dinge vergib mir, wegen
des Seiles u. des Fensters u. der'Mauer, s. Jos 2, 15. (Mit diesen drei Dingen hatte sie
auch gesündigt, weil sie durch sie ihren Buhlen Zutritt zu ihr ermöglicht hatte; vgl.
Raschi zu Zublieb).
b. Siphre zu Nu 10, 29 § 78 (20'^): Bei R. gilt der Schluß vom Kleineren auf das
Größere: wenn Gott die, die von einem Volke stammte, von dem es Dt 20, 16 heißt:
, Keine einzige Seele sollst du am Leben lassen", weil sie sich selbst nahte, so sich
nahen ließ — um wieviel mehr wird es dann von Israel gelten, die die Tora halten! ||
NuR 3 (139''): „Wohl dem. den du erwählst und herzukommen lassest" Ps 65, 5. Wohl
dem, den Gott erwählt, auch wenn er ihn nicht nähert; u. wohl dem, den er nahen
läßt, auch wenn er ihn nicht erwählt hat. (Beispiele für den ersten Satz: Abraham,
Jakob, Mose, die Gott sich erwählte, aber nicht an sich zu ziehen brauchte, weil sie
sich von selbst zu ihm hielten.) Komm und sieh: Jethro ließ Gott nahen, aber er hatte
ihn nicht erwählt; die Buhlerin R. ließ er nahen, aber er hatte sie nicht erwählt. Heil
denen, die er nahen läßt, auch wenn er sie nicht erwählt hatte. || P*^'siqR 9 (167 •'j:
R. Alexandrai (um 270) hat gesagt: Gott richtet die Völker durch ihre eigenen Recht-
schaffenen, durch Rahab, durch Jethro, durch Ruth. Wie denn? Er sagt zu den An-
gehörigen der Völker der Welt: Warum hast du dich mir nicht genähert? Wenn dieser
dann sagen wird: Weil ich so völlig gottlos gewesen bin u. mich geschämt habe, wird
er ihm antworten: Wie, bist du es denn mehr gewesen als R., deren Haus an der Wand
der Mauer war, u. die die Räuber aufnahm u. drinnen hurte? Und als sie sich zu mir
nahte, habe ich sie nicht aufgenommen u. von ihr Propheten u. Gerechte erstehn lassen?
Jethro ist ein Götzenpriester gewesen; als er sich mir aber nahte, habe ich ihn nicht
aufgenommen u. von ihm Propheten u. Gerechte erstehn lassen? Als Ruth, die Moabiterin,
sich mir nahte, habe ich sie nicht aufgenommen u. von ihr Könige erstehn lassen?
C. Midr HL 6,2 (122^): R. Sch^muel bar Nachman (um 260) hat gesagt: Gleich
einem Könige, der einen Garten hatte, in den er Reihen von Nuß-, von Apfel- u. von
Granatapfel-bäumen pflanzte, u. den er seinem Sohne übergab. Wenn sein Sohn seinen
Willen tat, hielt der König ringsum Umschau, ob wo ein schöner Setzling in der Welt
sich fände, den hob er dann aus u. brachte ihn u. pflanzte ihn in jenen Garten. Wenn
aber sein Sohn nicht seinen Willen tat. dann sah der König zu, welcher Stamm im
Garten schön war, u. riß ihn aus. So hält auch Gott, wenn die Israeliten seinen Willen
tun, Umschau, ob ein Gerechter wie Jethro u. R. unter den Völkern der Welt sei, u.
bringt sie herbei u. hängt sie an Israel; wenn aber die Israeliten nicht seinen Willen
tun, dann sieht Gott zu, wer ein Gerechter u. Redlicher u. Frommer u. Gottesfürchtiger
unter ihnen ist, u. nimmt ihn (durch den Tod] aus ihrer Mitte. — Dasselbe anonym
pB^rakh 2, 8 (5 c).
d. Midr Ruth 2 (126*): „Sie sprach zu ihnen: Gehet bergwärts . . . u. haltet euch
dort drei Tage verborgen, bis die Verfolger zurück sind" Jos 2, 16. Einige haben gesagt,
daß auf ihr (R.) der heilige Geist (Geist der Prophetie) geruht habe, noch bevor die Israe-
liten in das Land kamen. Denn woher wußte sie, daß (die Verfolger) nach drei Tagen zu-
rückkehren würden? Aus diesen Worten erkennt man, daß der heilige Geist auf ihr ruhte.
e. pB<^rakh 4, 1 (8^, 38): „Da wandte (Hiskia) sein Angesicht zur Wand" 2 Kg 20, 2.
Zu welcher Wand erhob er seine Augen? R. J^oschua? b. Levi (um 250) hat gesagt:
Zu der Wand der Rahab (an welcher diese die Kundschafter hinabgelassen hatte) erhob
er seine Augen; denn ihr Haus war an der Wand der Mauer. Er sprach zu ihm: Herr
der Welt, Rahab, die Buhlerin, hat dir zwei Seelen (die der Kundschafter) errettet,
siehe, wieviel Seelen hast du ihr gerettet . . .! um wieviel mehr (wirst du mich jetzt
erretten), wo meine Väter alle diese Proselyten zu dir gebracht haben! Dasselbe Midr
Qoh5,6(25b).
22 Matth 1, 5 (31 3)
3. Rahabs Lohn war ein doppelter: sie rettete ihre ganze Familie
aus dem Untergang Jerichos a u. wurde mit einer Nachkommenschaft
gesegnet, aus der Propheten u. Priester hervorgingen. b
a. pBf'rakh 4, 1 (8^, 41): R. Schimfon b. Jochai (um 150) hat gelehrt: Auch wenn
in ihrer Familie 200 Männer gewesen u. diese hingegangen wären u. sich an 200 Fa-
milien (durch Verschwägerung) gehängt hätten — sie alle wären durch ihr (Rahabs)
Verdienst errettet worden. — In Midr Qoh zu 5, 6 (26»); Midr Ruth 2 (125'') wird als
Schriftgrund hinzugefügt: Es heißt nicht: „Ihre ganze Familie", sondern „alle ihre
Familien", Jos 6, 23.
b. Siphre Nu 10, 29, § 78 (20''): Acht Priester, die zugleich acht Propheten waren,
sind von der Buhlerin R. erstanden, nämlich Jeremia, Ghilqijjahu, Seraja,' Machseja,
Barukh, Nerijja, Chanamsel u. Schallum. R. J^'huda (b. EUai, um 150) sagte: Auch die
Prophetin Hulda war von den Nachkommen der Buhlerin R.; s. 2 Kg 22, 14: „Hulda,
die Prophetin, das Weib Schallums ben Tiqva", u. es heißt Jos 2, 18: Siehe, kommen
wir in das Land, so sollst du das Seil (Tiqva) hier aus Karmesinfäden an das Fenster
binden. (Beweis durch Analogieschluß, G'zera schava, Einl. 97: Tiqva Jos 2, 18 steht
in Beziehung zu Rahab, folglich verweist dasselbe Wort 2 Kg 22, 14 den Schallum unter
R.s Nachkommenschaft; unverständlich bleibt, inwiefern aus diesen Stellen Huldas
Herkunft von R. folgen soll.) — Die Parallelstelle M^g 14'' s. unter Nr. 4. — In
einer weiteren Parallelstelle Midr Ruth 2 (126") heißt es: Zehn priesterliche Propheten
sind aus der Buhlerin R. erstanden (nämlich noch Ezechiel u. Buzi). Die Tradition über
R.s Nachkommenschaft ist an beiden Stellen mit einer allegorischen Auslegung (nach
Art der alten Dor'^sche Reschumoth) von 1 Chr 4, 21 ff. verknüpft, die in Midr Ruth 2
Anfang auf Rabbi oder (Bacher, pAmor 1, 180) auf Rab (f 247) zurückgeht; vgl. Jalqut
zu Chron § 1077. Da an der Einzelauslegung die Tanna'iten R. Schimfon b. Jochai,
R. Elsazar (b. Schammua??), R. J^huda (b. Elfai) u. R. N'='chemja, sämtlich um 150, be-
teiligt sind, so wird auch die Notiz über R.s priesterlich-prophetische Nachkommen-
schaft dem 2. nachchristl. Jahrh. entstammen.
Speziell werden dann noch die Propheten Ezechiel u. Jeremia als R.s Nachkommen
namhaft gemacht. P'^siq 115^: R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Vier gibt
es, die aus der Familie einer Minderwertigen stammen; diese sind Pin^'chas, Urijja,
Ezechiel u. Jeremia. Pin'^chas s. Ex 6, 25; Urijja s. Jer 26, 20 u. Jos 9, 17 (aus diesen
Stellen wird gefolgert, daß U. zu den Gibesonitern gehörte). Hinter Ezechiel redeten
die Israeliten geringschätzig her u. sagten: Gehört der nicht zu den Kindeskindern
der Buhlerin R.? und es mußte die Schrift seine Abstammung angeben: „Es geschah
das Wort Jahves zu Ez., dem Sohne Buzis, des Priesters" Ez 1, 3. Hinter Jeremia
redeten die Israeliten geringschätzig her u. sagten: Gehört der nicht zu den Kindes-
kindern der Buhlerin R. ? Und es mußte die Schrift seine Abstammung angeben: „Die
Worte des Jer., des Sohnes Hilkias, aus den Priestern zu Anathoth im Lande Ben-
jamin" Jer 1, 1. II P'^siq 111'': R. Abba bar Kahana (um 310) hat gesagt: „Du (Gemeinde
Israel) bist nicht gewesen wie die Buhlerin (R.), daß du eines Lohnes gespottet hättest"
(Ez 16, 31), so komme der Sohn der Verderbten, die ihr Tun gut einrichtete (d. h. Jere-
mia, der Sohn der R.) u. strafe die Nachkommenschaft der Trefflichen, die ihr Tun
verderbte (d. h. die Gemeinde Israel) a^zh nsri ■'nnaiy ssprtti arhphptzn s^a t^i
^n'tizity rV-p-" a^ipr-on. || Midr Sm 9 § 6 (38»): R. J^hoschuaf von Sikhnin (um 330) hat
im Namen des R. Levi (um 300) gesagt: Gott sprach zur Rahab: Du hast gesagt:
„Jahve, euer Gott, ist ein Gott im Himmel oben u. auf der Erde unten" Jos 2, 11. Das
ist richtig in bezug auf die Erde, aber (1. a-ov?} in bezug auf den Himmel oben, da
hast du etwas gesagt, was deine Augen nicht gesehen haben; bei deinem Leben, dein
Nachkomme (= Ezechiel) wird dastehn u. sehen, was (alle übrigen) Propheten nicht
gesehen haben, s. Ez 1, 1: „Es öffneten sich die Himmel, u. ich sah Gesichte Gottes." —
R. Abbahu (um 300) hat gesagt: In der Stunde, da fEbed Melekh, der Kuschite, den
Jeremia aus der Grube heraufziehn wollte, was sagte er da zu ihm? „Lege doch die
Matth 1, 5 {% 3. 4. JB. 6 1) 23
zerfetzten u. zerriebenen Lappen unter deine Achseln" Jer 38, 12. Jer. erwiderte: Wenn
ich doch eine Leiter hätte! Da sprach Gott zu ihm: Eine Leiter willst du haben?
Habe ich nicht von deiner Ahnfrau (R.) her ein Seil; steht nicht also geschrieben
Jos 2, 15: „Da ließ sie sie am Seil durch das Fenster hinab"? Und auch bei dir soll es
so geschehn — und sie zogen den Jer. an Seilen herauf (Jer 38, 18). — Vgl. noch Nr. 4.
4. Vorstehende Traditionen lassen erkennen, daß man R. nicht zu
den Ahnfrauen des davidischen Hauses gezählt hat; wenn Mt 1,5 dies
gleichwohl geschieht (Rahab Gemahlin des Salma), so muß eine anders-
artige ältere Überlieferung vorgelegen haben. In der jüdischen Litera-
tur gilt Josua, der Sohn Nuns, als R.s Gatte.
M'^g lA^: Rab Nacbman (b. Ja?aqob, f 320) hat gesagt: Hulda hat zu den Nach-
kommen Josuas gehört; s. 2 Kg 22, 14: Hulda, die Prophetin, das Weib Schallums, des
Sohnes Tiqvas, des Sohnes Charchas', u. Jos 24,30: Man begrub Josua im Gebiet seines
Erbteils zu Timnath-Gheres (so der Talmud; im bibl. Text: Timnath-Serach. Beweis
durch Analogieschluß Einl. 97: wie Timnath-Cheres zu Josua gehört, so auch Gharchas
durch Abstammung; nur wird für Hulda damit nichts erwiesen!). Rab fEna der Alte
hielt dem Rab Nachman entgegen: Acht Propheten, die zugleich Priester waren, sind
aus der ßuhlerin R. hervorgegangen, nämlich Nerijja, Barukh, Seraja, Machseja, Jeremia,
Chilqijjahu, Ghanamiel u. Schallum. R. J'^^huda (b. EUai, um 1.50) sagte: Auch Hulda,
die Prophetin, war von den Nachkommen der Buhlerin R.; s. 2 Kg 22, 14: Ben Tiqva,
u. Jos 2, 18: „Das Seil (Tiqva) von Karmesinfäden " (vgl. oben S. 22). Es sagte sEna der
Alte, nach andern sagte es ein schwarzer Topf (bildl. Bezeichnung eines „Gelehrten,
der infolge fleißiger Studien auf die Reinheit seiner Kleider nicht achtet", Levy 4,
1-58^): Von mir u. von dir aus kann auf die Tradition geschlossen werden, daß R.
Proselytin geworden sei u. den Josua geheiratet habe. Aber wie, hatte dieser denn
Nachkommenschaft? Es h5ißt doch (lChr7, 27): Sein Sohn Nun, sein Sohn Josua!
(Aus dem Fehlen einer Angabe daselbst über Josuas Nachkommen wird auf das Fehlen
der Nachkommenschaft selbst geschlossen.) Antwort: Söhne hatte er nicht, aber Töchter
hatte er. |I — In Übereinstimmung hiermit wird denn auch nur von Töchtern der R.
geredet in NuR 8 (150"^): Weil Rahab die Kundschafter in ihr Haus nahm u. rettete,
rechnete es ihr Gott so an, als hätte sie es ihm getan, u. gab ihr ihren Lohn. Vgl.
Jos 2,4: Das Weib nahm die beiden Männer u. — verbarg „sie" steht hier nicht ge-
schrieben, sondern: u. verbarg „ihn". Und welchen Lohn nahm sie hin? Daß von ihren
Töchtern sich (einige) an die Priesterschaft verheirateten u. Söhne gebaren, die da-
standen u. auf dem Altar dienten, u. sie gingen in das Heiligtum u. segneten Israel
mit dem Jahvenamen (Schem ha-m' phorasch); u. diese waren Barukh b. Nerijja, Seraja
b. Machseja, Jeremia b. Chilqijjahu u. Chananiäel b. Schallum. 1| Midr Qoh S, 10 (40^*):
R.'Abin (I. um 325; 11. um 370) hat gesagt: Gerechte sind dorthin (zu Proselytinnen)
gegangen u. gekommen, zB Joseph zur As'^nath, Josua zur Rahab, Boas zur Ruth, Mose
zu (dem Proselyten) Chobab.
1, 5 SB: Boas, Boe'g.
Der Targum zu 1 Chr 4, 22 nennt Bo?az den „Meister der Gelehrten
an der Akademie zu Bethlehem". — Siphre Dt 6, 6 § 33 (74'*) wird er
unter denen aufgezählt, die ihren bösen Trieb durch Beschwörung
niederzwangen (s. die Stelle im Exkurs: „Der gute u. der böse Trieb"
Nr. 6 Anm. g; ferner s. ebenda LvR 23).
6 Ruth, 'Pov^.
1. Ruth: Name,a Herkunft,b Übertritt zum Judentum, c Lohn,d
Lebensdauer. e
24 Matth 1, 5 (6 1)
a. B^rakliT^: Was heißt ^Ruth"? R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Daß sie ge-
würdigt worden ist, daß David aus ihr hervorging, der Gott mit Liedern u. Lobgesängen
labte, nr;," — Ruth also = Labende.
b. Hör 10'^: Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Immer be-
schäftige sich der Mensch mit der Tora u. den Pflichtgeboten, auch wenn es nicht um
ihretwillen (sondern aus selbstischen Nebenzwecken) geschieht; denn aus dem Nicht-
um-ihretwillen kommt das Um-ihretwillen. Denn um der 42 Opfer willen, die Balaq,
der Frevler, geopfert hat (Nu 23, 1. 14. 29 f.). ward er gewürdigt, daß Ruth aus ihm
hervorging; denn R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Ruth war die Enkelin
fEglons, des Enkels von Balaq, dem König Moabs. — Dasselbe etwas ausführlicher
Sota 47^. II TanchB ^r,". § 14 (110''): ,Ehud machte sich ein Schwert . . . und gürtete
es an seine rechte Hüfte" Ri B, 16; ,da trat er zu fEglon ein . . .; er sprach zu ihm:
Ein Gotteswort habe ich für dich! Und er erhob sich vom Thron", das. Vers 20. Gott
sprach: Du hast mir Ehre erwiesen u. hast dich um meiner Ebre willen von deinem
Thron erhoben; bei deinem Leben! ich werde von dir eine Tochter erstehn lassen, aus
der ein Sohn erstehen wird, den ich auf meinen Thron setzen werde. Damit ist Ruth
gemeint, die Moabiterin, aus der Salomo erstand, von dem geschrieben steht 1 Ohr
29,23: Und S. setzte sich auf den Thron Jahves.
Diese Herkunft Ruths sollen die Gegner Davids benützt haben, ihm illegitime
Abstammung zum Vorwurf zu machen. Midr Ruth 8 Anf. (137*): R. Abba bar Kahana
(um 310) eröffnete seinen Vortrag mit Ps4, 5: , Zürnet, aber sündigt nicht." David
sprach vor Gott: Wie lange werden meine Feinde sich wider mich erregen u. sagen:
Hängt nicht ein Familienmakel an ihm? Stammt er nicht von Ruth, der Moabiterin?
, Sprechet in eurem Herzen auf eurem Lager." (David sprach:) Stammt denn nicht
auch ihr von zwei Schwestern ab (Lea u. Rahel, die Jakob gegen das Gesetz Lv 18, 18
zu gleicher Zeit als Frauen hatte)? Sehet, was eure Wurzel ist ,u. schweiget. Sela."
Auch Thamar, die euer Ahn Juda geehelicht hat, gehörte sie nicht zu denen, an denen
ein Familienmakel haftet? Was wollt ihr also, habt ihr einen edlen Stammbaum?
(Dem letzten Satz geht die später eingeschobene, Thamars Abstammung in Schutz
nehmende Bemerkung vorauf: , Vielmehr war Th. die Tochter Sems, des Sohnes
Noahs.") — Der Anfang dieser Ausführung anonym Midr Ps 4 § 9 (23*>). 1] J^b 76**: So
hat Saul (seine Frage an Abner 1 Sm 17, 55) gemeint: Ob David von PereQ oder ob er
von Zerach (s. Gn 88, 29 f.) herkomme. Wenn er von Pere9 herkommt (meinte Saul),
wird er König werden, denn der König bricht durch "i"t, den Weg zu bahnen, u. man
wird es ihm nicht wehren können. Wenn er aber von Zerach herkommt, wird er nur
ein angesehener Mann werden. ... Da sagte der Edomiter Doeg: Statt daß du über
ihn fragst, ob er passend für die Königsherrschaft ist oder nicht, frage über ihn, ob
er geeignet ist, in die Gemeinde Israel einzutreten oder nicht, weil er von der Ruth,
der Moabiterin, herkommt. Abner antwortete ihm: Ich habe gelernt: Ein Ammoniter,
aber nicht eine Ammoniterin; ein Moabiter, aber nicht eine Moabiterin (ist vom Eintritt
in die israelitische Volksgemeinschaft ausgeschlossen).^ — Diese Ausführung auch in
Midr Sm22 § 1 (55^). !| xMidr Qoh 10, 1 (46-'): , Giftige Fliegen machen stinkend, gärend
das Öl des Salbenhändlers" Qoh 10, 1. Die Stelle redet von Doeg u. Achithophel.
Gestern brachten sie stinkende Worte gegen David vor u. sagten: Er ist untauglich
hinsichtlich der Familie; stammt er nicht von Ruth, der Moabiterin? Und heute reden
sie u. sind beschämt, p Joma 22'^: Rab J^'huda (f 299) hat gesagt, Sch'^'muel (f 254)
habe gesagt: Warum hat sich die Königsherrschaft des Hauses Saul nicht in die Länge
hingezogen? Weil daran kein Familienmakel gehaftet hat. Denn R. Jochanan (f 279)
hat im Namen des R. fechim?on b. J^ho^adaq (um 225) gesagt: Man setzt keinen Vor-
1 Die Mischna bestimmt J'^b 8,3: Ammoniter u. Moabiter sind verboten (dürfen
in die Gemeinde Isr. nicht eintreten), u. ihr Verbot ist ein ewiges Verbot ;__aber ihre
Weiblichen sind sofort erlaubt (dürfen jederzeit in die G. Isr. eintreten). Die Ägypter u.
Edomiter sind nur für drei Generationen verboten, sowohl männliche als auch weibliche.
Matth 1, 5 (6 1) 25
Steher über eine Gemeinde, es sei denn, daß eine Butte voller Kriechtiere ihm auf
seinem Rücken herabhängt (seine Familienreinheit anfechtbar ist), damit man, wenn
er hochmütig werden will, zu ihm sagen könne: Wende dich nach rückwärts. — Hierin
liegt der Gedanke, daß Davids Dynastie von längerer Dauer gewesen sei, weil ihr
Familienmakel mancherlei Art angehaftet habe. |! J"^b 77 » : Raba (f 352) hat vorgetragen :
Was bedeutet Psll6, 16: ,Du hast meine Bande gelöst"? David sprach vor Gott:
Herr der Welt, zwei Bande, die auf mir lagen, hast du gelöst: Ruth, die Moabiterin,
u. Na?ama, die Ammoniterin (die Gemahlin Salomosii. die Mutter Rehabeams, 1 Kg 14, 21).
(Die Lösung der zwiefachen Bande bestand in der Bestimmung, daß Moabiterinnen u.
Ammoniterinnen ohne Wartezeit sofort in die Israel. Volksgemeinde eintreten dürfen,
s. J*'b 8, 3.) Raba hat (ferner) vorgetragen: Was bedeutet Ps 40, 6: „Zahlreich hast du,
Jahve mein Gott, deine Wunder getan u. deine Gedanken über uns", über „mich" ist
nicht gesagt, sondern über ,uns"; das lehrt, daß Rehabeam im Schöße Davids saß u.
dieser zu ihm sagte: In bezug auf mich u. auf dich sind diese beiden Verse gesagt
worden (die wir von nicht makelloser Abstammung sind).
C Midr Ruth 1, 16 f. (128"): „Ruth sprach: Dringe nicht in mich, dich zu verlassen,
indem ich von dir weg heimkehre", Ruth 1, 16. Was heißt: „Dringe nicht in mich"?
Sie sagte zu Naemi: Sündige nicht meinetwegen, bringe dich nicht in Gefahr von
Strafen um meinetwillen, indem ich dich verlasse u. hinter deinem Rücken mich be-
kehre (^vom Heidentum zum Judentum). Überall ist mein Denken darauf gerichtet, daß
ich eine Proselytin werde; aber es ist besser, daß ich es durch dich als durch eine
andere werde. Als Naemi solches hörte, begann sie ihr die Vorschriften betreffs der
Proselyten vorzutragen: Meine Tochter, es ist nicht die Weise der Töchter Israels, in
die Theater u. Zirkusse der Heiden zu gehn. Ruth erwiderte 1,16: „Wohin du gehn
wirst, da werde ich hingehn." Jene sprach: Meine Tochter, es ist nicht die Weise
Israels, in einem Hause ohne M'^'zuza (Türpfostenkapsel) zu wohnen. Sie antwortete
(das.): „Wo du wohnen wirst, werde ich wohnen." — „Dein Volk, mein Volk", das
bezieht sich auf die Strafen u. die Verwarnungen; „dein Gott, mein Gott" auf die
übrigen Pflichtgebote. [Eine andre Erklärung. „Wohin du gehn wirst, da werde ich
hingehn", das bezieht sich auf die Stiftshütte in Gilgal, Schilo, Nob, Gibea u. auf den
Tempel; „wo du wirst weilen, werde ich weilen" in bezug auf meine Opferdarbringungen ;
„dein Volk, mein Volk", um meine Götzen zu beseitigen; „dein Gott, mein Gott", um
mir den Lohn für meine Werke zu geben.] „Wo du sterben wirst, werde ich sterben"
(1,17), das geht auf die vier Todesstrafen, die der Gerichtshof verhängt: Steinigung,
Verbrennung, Enthauptung u. Erdrosselung. „Und da werde ich begraben werden"
(das.), das geht auf die zwei Gräber, die dem Gerichtshof bereitstehn, das eine für die
Gesteinigten u. die Verbrannten, u. das andre für die Enthaupteten u. die Erdrosselten
(s. Sanh 6, 5). „Dies tue mir Jahve u. das noch dazu." Naemi sprach zu ihr: Meine
Tochter, alles, was du an Pflichterfüllungen u. an Wohltätigkeitsübungen erwerben
kannst, erwirb in dieser Welt, aber in der Zukunft gilt: „Der Tod wird uns voneinander
scheiden." — Nach J^b 47 ^, wo sich diese Ausführung ähnlich, aber kürzer findet, ist
R. Ehazar (b. Pedath, um 270) Autor.
d. Siphre Nu 10, 29 § 78 (20'^): So findet man es auch bei Ruth, der Moabiterin
(nämlich daß Gott die nähert, die ihm sich nähern). Was sagte sie zu ihrer Schwieger-
mutter? „Dein Volk, mein Volk; dein Gott, mein Gott . . .; wo du sterben wirst, werde
ich sterben" (Ruth 1, 16 f.). Gott sprach: Du hast durchaus nichts verloren; siehe, die
Königsherrschaft ist dein in dieser u. in der zukünftigen Welt. || Targ 1 Chr 4, 23 wird
Ruth „Mutter von Königreichen, srip^^-i S'ss, genannt. || Targ Ruth 2, 12: In diesem
Verdienst (des Übertritts zum Judentum) wirst du (Ruth) befreit werden aus dem Ge-
richt des Gehinnoms, damit dein Teil sei bei Sara, Rebekka, Rahel u Lea.
e. Siphre Nu 10, 29 § 78 (20''): ,Die Bewohner von Netafim", 1 Chr 4, 23, damit ist
der König Salomo gemeint, der einer Pflanzung nyuj in seinem Königreiche glich. . . .
„Bei dem König, in seinem Werke, wohnten sie daselbst" 1 Chr 4, 28. Hieraus darf
man folgern, daß Ruth, die Moabiterin, nicht gestorben ist, bis sie ihren Enkel Salomo
26 Matthl,5 (61. 2)
sitzen u. richten sah die Rechtssache der (beiden) Buhlerinnen (1 Kg 3, 16 ff.); denn es
heißt , zusammen mit dem König" in seinem Werke saßen sie daselbst. ll BB 91^: „Mit
dem König, in seinem Werk, saßen sie daselbst" 1 Chr 4, 23; damit ist Ruth, die Moa-
biterin, gemeint, die die Regierung ihres Enkels S. erblickte; denn es heißt 1 Kg 2, 19:
,Er stellte einen Sessel hin für die Mutter des Königs." R. Elfazar (um 270) hat ge-
sagt: Für die Ahnfrai> des königlichen Hauses (= für Ruth).
2. Ruth Ahnfrau des Messias. — Der Midrasch berührt nicht bloß
gelegentlich, sondern hebt geflissentlich das providentielle göttliche
Walten hervor, wie es sich gerade in der Eingliederung Ruths in die
Ahnenreihe des Messias gezeigt hat.a In grauer Vorzeit hat Gott die
Ruth in Sodom gefunden b u. dann zur Stammmutter des Messias be-
stimmt, der „von einem andern Ort" kommen soll;C ihren Mutterschoß
hat erst Gottes Hand zur Empfängnis bereitet^ u. ihrer Begegnung
dann mit Boas eine Episode eingeflochten, die für das Geschick ihres
Sprößlings, des Messias, dereinst typisch sein wird.e
a. J'^beS'"': R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Was heißt Gn 12, 3: Jn dir werden
gesegnet werden -2^33 alle Geschlechter des Erdbodens"? Gott sprach zu Abraham:
Zwei schöne Reiser ns"'-^ habe ich, die ich in dich einpfropfen will, nämlich Ruth, die
Moabiterin, u. Nasama, die Ammoniterin. || BQ 38'': (sUlla, um 280, hat gesagt:) Jahve
sprach zu Mose: Zwei schöne Täubchen habe ich von ihnen (Moabitern u. Ammonitern)
ausgehn zu lassen, nämlich Ruth, die Moabiterin, u. Nasama, die Ammoniterin. || Sanh
98=i- 1*: R. Tanchum (b. Chanilai, um 280, Einl. 139) hat gesagt: Bar Qappara (um 210)
hat in Sepphoris öffentlich vorgetragen: Was heißt, was geschrieben steht Ruth 3, 17:
„Diese sechs a^-i-'-b hat er mir gegeben"? Was sind diese sechs z-iw? Waren es
etwa sechs wirkliche Gerstenkörner? Aber wie, sollte es die Weise des Boas gewesen
sein, sechs Gerstenkörner zum Geschenk zu machen? Vielmehr werden es sechs Sea
(1 Sea = 12 Liter) Gerste gewesen sein. Aber wie, ist es denn die Weise eines Weibes,
sechs Sea zu tragen? Vielmehr hat er ihr damit einen Wink gegeben, daß einst sechs
Nachkommen aus ihr hervorgehn werden, die je mit sechs Segnungen werden gesegnet
sein. Diese sind: David, der Messias, Daniel, Chananja, Mischael u. sAzarja. — Der
Schriftbeweis wird dann genau so geführt wie in NuR 13 (170''), s. oben S. 20. — In
der Parallele Midr Ruth 8, 15 (135'^) ist Bar Qappara nur für die einleitenden Fragen
als Autor genannt (Tradent R. Simon, um 280), während die weitere Erklärung von
R. J'^^huda b. Simon (um 320) gegeben wird, u. zwar so, daß als die sechs gesegneten
Nachkommen Ruths genannt werden: David nach 1 Sm 16, 18; Hiskia nach Jes 9, 6 u. 5;
Josia nach Jer 17, 8; Chananja, Mischael u. f Azarja nach Dn 1,4; Daniel nach Dn 5, 12
u. der König, der Messias, nach Jes 11, 2.
b. GnR 50 (32^): „Deine beiden Töchter, die Gefundenen" (so deutet der Midrasch
Gn 19, 15). R. Tobijja b. Ji^chaq (1. R. Tobijja im Namen des R. Jigchaq; s. Bacher,
Paläst. Amor. 3, 776) hat gesagt: Damit sind die beiden Funde gemeint, Ruth, die
Moabiterin, u. Na?ama, die Ammoniterin. R. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: „Ich habe
meinen Knecht David gefunden" Ps89, 21. Wo habe ich ihn gefunden? In Sodom
(nämlich in der ältesten Tochter Lots, von der Ruth stammte). — Etwas andre Fassung
GnR 41 (25'^).
C. GnR 23 (15*^): ,Eva nannte seinen Namen Seth; denn gesetzt hat mir Gott
einen andren Samen", Gn 4, 25. R. Tanchuma (b. Abba, um 380) hat im Namen des
R. Sch'^muel (um 260) gesagt: Sie schaute jenen Samen, der von einem andren Ort
kommen soll; u. wer ist das? Das ist der König, der Messias. — Midr Ruth 8 (137'')
nennt R. Huna (um 350) als Autor. |! GnR 51 (32^): R. Tanchuma (b. Abba) hat im
Namen des R. Sch'-muel gesagt: Es heißt (Gn 19, 34) nicht: Daß wir von unserm Vater
-einen Sohn" ins Leben rufen, sondern: Daß wir von unserm Vater „Samen" ins Leben
Matth 1, 5 (6 2) 27
rufen, nämlich jenen Samen, der von einem andren Ort kommen soll; u. wer ist das?
Das ist der König, der Messias. — Ebenso Midr Ruth zu 4, 14 (l.SV^). — Der Ausdruck
ir;s n-pa'3 „von einem andren Ort" findet sich in vierfacher Bedeutung: «. In obszönem
Sinn von widernatürlicher Unzucht, zB GnR 60 (37*^): Resch Laqisch (um 250) hat ge-
sagt: Während die Töchter der Heiden sich rücksichtlich des Ortes ihrer Scham selbst
in acht nehmen, aber rücksichtlich einer andren Stelle ^ns ^'p-oi2 sich selbst preis-
geben, war dagegen Rebekka eine Jungfrau am Ort der Jungfräulichkeit, u. kein Mann
hatte sie erkannt ins aip^sis. — ß. Zur Bezeichnung des außerehelichen Geschlechts-
verkehrs, zB GnR 53 (33 '^): „Sara wurde schwanger u. gebar von Abraham (so deutet
der Midrasch an^asV) einen Sohn", Gn 21, 2; das zeigt, daß sie den Samen nicht a'p'sö
■ins von einem andren Ort, von einem andren Mann gestohlen hatte. — y. Zur Be-
zeichnung einer fremden Familie oder eines fremden Landes, zB pJomaS, 41^, 38:
Wenn einer von der Familie Abtinas (die das Räucherwerk für den Tempeldienst zu-
bereitete) eine Frau ins a'p^s« = aus einer andren Familie heiratete, so machte er mit
ihr ab, daß sie sich nicht parfümierte. — pB^'rakh 9, 13'', 38: Wer einen Ort sieht, au
dem der Götzendienst ausgetilgt ist, spricht: Gepriesen sei, der den Götzendienst aus
unserm Lande ausgetilgt hat! Bar: Wenn er von irgendeinem Ort des Landes Israel
ausgetilgt ist (sagt man diesen Lobspruch); aber wenn er ms nip>3»3 von einem andren
(außerhalb Palästinas gelegenen) Ort ausgetilgt ist, sagt man: Gepriesen sei, der den
Götzendienst von diesem Orte ausgetilgt hat. — d. Zur Hervorhebung der göttlichen
Urheberschaft, zB Esth 4, 14. — Für den Ausspruch des R. Sch'^muel oben können nur
die Bedeutungen y n. (f in Betracht kommen. Die jüdischen Ausleger, bes. der Kom-
mentar Matth^noth K%unna, verstehen den Ausdruck nach y: mit ms o'^p's« werde
angedeutet, daß der Messias aus der Ruth, die einem fremden Volke angehöre, erstehn
solle. Diese Erklärung liegt wohl am nächsten. Für die Deutung nach (f spricht Ruth
4, 12: Dein Haus werde wie das Haus des Pere^, welchen Thamar dem Juda gebar,
von dem Samen, den Jahve dir geben möge von diesem jungen Weibe! Ferner vgl. die
Erklärung, die die Worte ms n'p«i3 Esth 4, 14 in Midr Ps 22 § 5 (91 ^) gefunden haben:
„Von einem andren Ort", d.h. von dem, von dem geschrieben steht Jes 45,17: Israel
wird errettet werden von Jahve mit einer ewigen Rettung. — Jedenfalls will R. Sch'muel
zu Gn 4, 25 u. 19, 34 das providentielle göttliche Walten hervorheben, daß der Messias
gerade aus Ruth hervorgehn soll; vgl. den ähnlichen Gedanken dieses Gelehrten
in GnR 85 (54'') oben S. 15/. — Die Meinung Webers, Jüd. Theologie 358, daß in
ins mptt^j sich ausspreche, was Joh 7, 27 mit den Worten gesagt sei, daß niemand
wisse, woher der Messias sei, wird weder den Worten noch der Absicht R. Sch'^'muels
gerecht.
d. Midr Ruth zu 4, 12 (137 a): R. Schim?on b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Ruth
hatte keine Gebärmutter, aber Gott höhlte ihr die Gebärmutter aus. — Hiermit wird
Ruth auf gleiche Linie mit Sara u. Rebekka gestellt, über die sich dieselbe Aussage
GnR 47 (29 c); 53 (33 d); 63 (39«=) findet.
e. Midr Ruth zu 2, 14 (132=*- ^): „Da sagte Boas zu ihr: Zur Essenszeit tritt hierher
u. iß von dem Brote u. tauche deinen Bissen in den Essig! Und sie setzte sich seit-
wärts von den Schnittern, u. er reichte ihr geröstete Ähren hin." R. Jochanan (f 279,
so ist mit Jalqut z. St. § 603 zu lesen statt R. Jonathan) hat die Stelle auf eine sechs-
fache Weise ausgelegt. . . . Die Stelle redet vom König, dem Messias. „Tritt hierher",
d. h. tritt herzu zur Königsherrschaft; „iß von dem Brote", das ist das Brot des König-
tums; „tauche deinen Bissen in den Essig", damit sind die Leiden (Züchtigungen des
Messias) gemeint, wie es heißt Jes 53, 5: Er ist um unsrer Missetat willen verwundet
(über den leidenden Messias s. bei Lk 24, 26). „Und sie setzte sich seitwärts ns^s von
den Schnittern", weil seine (des Messias) Herrschaft eine Zeitlang von ihm weichen
wird la"!^, s. Sachl4, 2: Ich will versammeln alle Heidenvölker wider Jerusalem zum
Streite, u. erobert wird die Stadt. „Und er reichte ihr geröstete Ähren hin", denn sie
(die Herrschaft) wird zu ihm zurückkehren, s. Jes 11,4: Er schlägt die Erde mit dem
Stab seines Mundes.
28 Matth 1, 6 («. SB 1)
1,6 51: Jesse (Isai), leoaai, zeugte den König David.
Isai ist im AT durch Jes 11, 1. 10 in unmittelbare Beziehung zum
Messias gebracht; ebenso im Midrasch.
Targ Jes 11,1: Es wird der König hervorgehn aus den Söhnen
Isais, u. der Messias aus seinen Kindeskindern wird groß werden. ||
Midr Ps 21 § 1 (89=^): „Jahve, ob deiner Stärke freut sich der König"
Ps 21, 2; das meint die Schrift Jes 11, 10: „Und es wird geschehn an
jenem Tage, der Wurzelsproß Isais, welcher dasteht zum Panier der
Völker — ihn werden die Heiden aufsuchen", das ist der Messias ben
David, der bis zur Zeit des Endes verborgen ist. || Midr Ps 72 § 3 (163^):
„Deine Gerichte gib dem Könige" Ps 72, 1, das bezieht sich auf den
König, den Messias, s. Jes 11, 1.4: „Ein Reis wird aufgehn aus dem
Stumpf Isais . . . und er schafft Recht in Gerechtigkeit den Dürftigen." ||
Im Habinenugebet (dem abgekürzten Achtzehn-Gebet Sch«muels, f 254)
heißt es nach der babylon. Rezension: Es werden sich freuen die Ge-
rechten über den Bau deiner Stadt u. über die Herstellung deines
Tempels u. über das Sprossen des Horns für deinen Knecht David u.
über die Aufstellung der Leuchte für den Sohn Isais, deinen Messias, [j
Musaphgebet -ms -(n -z:^ für den Neujahrstag: Gib . . . Freude deinem
Land, Jubel deiner Stadt, Sprossen des Horns für David, deinen Knecht,
u. Aufstellung der Leuchte für den Sohn Isais, deinen Messias, eilends
in unsren Tagen! 1| Ferner s. GnR 85 (54*^) oben S. 16 f.
1,6 33: David zeugte den Salomo von dem Weib des Uria.
1, Davids Versündigung" gegen Urijja wird mit der Tendenz, sie zu
beschönigen u. zu verkleinern, an folgenden Stellen besprochen.
Schab 56''': R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: R. Jonathan (b. Elfazar,
um 220) hat gesagt: Jeder, welcher sagt, David hat gesündigt, irrt einfach; denn es
heißt (1 Sm 18, 14): „Und David war verständig auf allen seinen Wegen, u. Jahve war
mit ihm." Ist es möglich, daß, wenn eine Sünde auf ihn gekommen wäre, die Sch'^khina
(die Gottesgegenwart) mit ihm gewesen wäre? Aber wie halte ich dann 2 Sm 12,9
aufrecht: „Warum hast du das Wort Jahves verachtet, um zu tun, was böse ist in
seinen Augen"? „Um zu tun", d.h. er suchte es zu tun, aber er tat es nicht. — Rab
(f 247) hat gesagt: Rabbi, der von David abstammte, hat die Stelle verdrehend zu
Davids Gunsten ausgelegt: „Warum hast du das Wort Jahves verachtet, um zu tun,
was böse ist in seinen Augen?" Rabbi sagte: Das „Böse" hier ist verschieden von
allem sonstigen „Bösen" in der Tora; denn bei allem sonstigen „Bösen" in der Tora
steht: „und er tat" (nämlich was böse war in Gottes Augen), u. hier steht: „um zu
tun"; er suchte es nämlich zu tun, ohne es wirklich zu tun. „Den Hethiter Urijja
hast du mit dem Schwert geschlagen", 2 Sm 12, 9; denn du hättest ihn im Synedrium
(als einen Empörer, s. hernach) können richten lassen, hast es aber nicht getan. „Und
sein Weib hast du dir zum Weibe genommen" (das.), d. h. die Verheiratung mit ihr ist
gültig. Denn R. Sch^muel b. Nachman hat gesagt: R. Jonathan hat gesagt: Jeder, der
zu einem Kriege des Hauses David auszog, schrieb seinem Weibe einen Scheidebrief
(also durfte David des Urijja durch Seh. freie Frau heiraten). . . . „Und ihn hast du
umgebracht mit dem Schwert der Kinder Amnion", d.h. wie du wegen des Schwertes
der K. A. (vgl 2 Sm 12, 26 ff.) nicht bestraft worden bist, so wirst du auch wegen des
Hethiters Urijja nicht bestraft werden (Schw. der A. also = Schwert, das straflos aus-
Matth 1, 6 (93 l. 2) 29
geht). Weshalb? Er (ürijja) hatte sich gegen die Regierung empört; denn er sprach
zu David (2 Sm 11, 11): „Mein Herr Joab u. die Knechte meines Herrn lagern auf der
Erde" usw. (ürijja nennt den Joab seinen Herrn, worin liegen soll, daß er D. nicht
als solchen anerkannte, folglich war er ein Empörer). — Rab (t 247) hat gesagt: Wenn
man genau David betrachtet, so findet man nichts (Tadelnswertes) an ihm, ausgenommen
die Sache mit ürijja, s. 1 Kg 15, 5: „Ausgenommen die Sache mit dem Hethiter ürijja."
(Dasselbe zum Teil in Qid 43 '\)
Gegenteilige Stimmen. | «. Schammai der Alte (um 30 v. Chr.) zieht aus 2 Sm 12, 9
eine kriminalrechtliche Folgerung. Qid 43^ Bar: Wenn jemand zu seinem Beauftragten
sagt: „Geh u. töte jene Seele", so ist dieser schuldig u. sein Auftraggeber frei. Schammai
der Alte hat im Namen des Propheten Haggai (d. h. als uralte Tradition) gesagt: Sein
Auftraggeber ist schuldig, denn es heißt (2 Sm 12,9): Ihn hast du mit dem Schwerte
der Kinder Ammon getötet. || ß. Midr Sm 25 §2 (61'^): „Rette mich, Gott, von Blut-
schuld" D'tt-"? Ps51, 16. R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: (Es heißt 2 Sm
23, 89:) „ürijja, der Hethiter, alle Siebenunddreißig." (Ürijja wog alle 37 Vorher-
genannten auf; daher der Plural n-'a- Ps 51, 16.) . . . R. Chanina b. Papa (um 300)
brachte im Namen des R. Chanina, des Schullehrers (um 225), den Beweis (für Davids
Blutschuld) von 2 Sm 12, 9: „Warum hast du verachtet . . . und ihn selbst hast du mit
dem Schwert der Kinder Ammon getötet." Die Rabbinen sagten: Die Worte „u. ihn
hast du getötet" zeigen, daß er viele Gerechte, die jenem glichen, getötet hat. (Die
Beweisführung ist unklar; vermutlich ist das •< „und" vor ins „ihn" in einschließendem
Sinn gefaßt; dies i ist im Midraschtext aber ausgefallen. \\ y. Midr Ps 4 § 2 (20'^):
R. Jochanan (t .279) hat gesagt: Wegen dreier Dinge hat sich David bekümmert u.
Gott hat sein Gemüt darüber beruhigt. . . . Eins betraf die Tat mit der Bathseba, weil
die Israeliten über ihn murrten u. sprachen: unmöglich kann ihm, der das Lamm an
sich gerissen u. den Hirten getötet u. Israeliten mit dem Schwerte niedergeschlagen
hat, Heil für immer sein, und Gott beruhigte ihn 2 Sm 12, 13: Auch hat Jahve deine
Sünde beseitigt, du wirst nicht sterben. || d. pTafan 2, 10 (65«^): R. Abbahu (um 300,
ein Schüler des eben genannten R. Jochanan) hat gesagt: Es steht geschrieben Ps 4, 2:
„Wenn ich rufe, gib mir Antwort, mein gerechter Gott, der du in Drangsal mir Raum
geschafft hast." David sprach vor Gott: Herr der Welten, in aller Not, in die ich ge-
raten bin, hast du mir Weite (Beruhigung) verschafft; ich bin in die Not wegen der
Bathseba geraten, u. du hast mir den Salomo geschenkt.
2. Die Genealogie Mt 1, 5 f. macht vier Stammmütter Jesu namhaft.
Vier Stammmütter Israels erwähnt rühmend auch die rabbin. Literatur.
Targ Jerusch II Gn 49, 26: Die Segnungen deines Vaters mögen hinzu-
gefügt werden zu den Segnungen, mit denen dich Abraham u. Isaak
gesegnet haben, die mit den hohen Bergen verglichen werden, u. von
dem Segen der vier Stammmütter, die den Hügeln gleichen, von Sara,
Rebekka, Rahel u. Lea mögen alle diese Segnungen kommen. . . . ||
Das. Nu 23,9: Ich sehe das Volk jener geleitet durch das Verdienst
der gerechten Väter Abraham, Isaak u. Jakob, die den hohen Bergen
gleichen, u. durch das Verdienst der Mütter Sara, Rebekka, Rahel u.
Lea, die den Hügeln gleichen || Das. Dt 83, 15 : Gute Früchte bringend
durch das Verdienst der drei Väter Abraham, Isaak u. Jakob, die den
hohen Bergen gleichen, u. durch das Verdienst der vier Mütter Sara,
Rebekka, Rahel u. Lea, die den Hügeln gleichen. i| Siphre Dt 33, 15
§353(146'^): „Und mit dem KöstHchsten uralter Hügel"; das lehrt,
daß die Väter u. Mütter Berge u. Hügel heißen, wie es heißt HL 4, 6:
Geh hin zum Myrrhenberge u. zu dem Weihrauchhügel. || RH 11^ deutet
30 ' Matthl,6 (SB2). 8
R. Eli?ezer (um 90) HL 2, 8 in folgender Weise: „Springend über die
Berge" im Verdienst der Väter, „hüpfend über die Hügel* im Ver-
dienst der Mütter. — Die Präposition h'j wird hierbei = „wegen", „im
Verdienst" n:T2 gefaßt. Die Deutung der „Berge" u. „Hügel" auf die
Stammväter u. Stammmütter ist hiernach alt. || Nazir 23'': Wer sind
„die Frauen im Zelte" Rieht 5, 24? Sara, Rebekka, Rahel u. Lea. |[
GnR 72 (46'^): R. Chanina b. Pazzi (gegen 300) hat gesagt: Die (vier)
Stammmütter sind Prophetinnen gewesen, u. Rahel gehörte zu den
Stammmüttern. „Möge Jahve mir andre Söhne (Plural) hinzufügen,
steht hier (Gn 30, 24) nicht geschrieben, sondern „einen andren Sohn".
Sie sprach (als Prophetin) : Noch einen andren wird er (Gott) erstehn
lassen; o, daß er von mir wärel || Abweichend wird Eva zu den Stamm-
müttern gerechnet GnR 58 (36 '^): Qirjath Arba hieß die Stadt (Gn 23, 2),
weil darin vier Stammmütter beerdigt waren : Eva, Sara, Rebekka u. Lea.
1,8: Asa(ph), 'Aaäcp, zeugte Josaphat.
1. Der König Josaphat wird nach einer Tradition nicht als Vorfahr
des Messias angesehen, sondern als Messias selbst aus dem Jenseits
erwartet.
pSota 9, 16 (24 S 26): R. Ja?aqob b. Idi {so lies statt R. Bar Jasaqol) Idi; um 280)
hat im Namen des R. J'hoschua? b. Levi (um 250) gesagt: Als Rabban Jochanan b. Zakkai
entschlief (um 80 n.Chr.), ordnete er an: Räumet den Hof aus wegen der Unreinheit
(die seine Leiche verursacht) u. stellet einen Thronsessel bereit für Hiskia, den König
Judas! — Als sein Schüler R. Elifezer (b. Hyrkanus, um 90) entschlief, ordnete er an:
Räumet den Hof aus 'Ägen der Unreinheit u. stellet einen Thronsesse] bereit für
Rabban Jochanan b. Zakkai! Andre dagegen sagten: Was sein Lehrer geschaut hat
(visionär in der Sterbestunde), das hat auch er geschaut (also den König Hiskia).
Einen aus der Familie Pazzi hätte man gern mit der Familie des Patriarchen s^ic:
verschwägert; aber jener lehnte es ab: „Damit sie sich nicht zu schämen brauchen."
Als dieser nun entschlief, ordnete er an: „Räumet den Hof aus wegen der Unreinheit
u. stellet einen Thronsessel bereit für Josaphat, den König Judas! Da sagte man:
Sollte der, welcher der Ehre nachlief (= Josaphat, der nach 2 Chr 18, 1 seine Familie
mit dem Hause Ahabs verschwägerte), dem folgen, der die Ehre floh? — Fast gleich-
lautend pf AZ 3, 1 (41 *=, 38). — Die Schlußfrage zeigt, daß man die Worte des Sterbenden
dahin verstanden hat, daß der König Josaphat aus dem Jenseits kommen werde, um
dem Verstorbenen unsichtbar das letzte Geleit zu geben.' Diese Deutung ist jedoch
falsch: wie in den ersten Sätzen der König Hiskia aus dem Jenseits als Messias
zurückerwartet wird, so nach dem letzten Satz der König Josaphat. Nach Joel 4, 2. 12
soll ein „Tal Josaphat" die Stätte des messianischen Gerichtes sein. Da nun das AT
ein Tal dieses Namens sonst nicht kennt, wird unser Autor aus der Familie Pazzi sich
den Namen so erklärt haben, daß dort der wiederkehrende Josaphat als Messias das
Völkergericht vollziehen werde, zumal vordem bei seinen Lebzeiten ein ähnliches Ge-
richt vor seinen Augen über feindliche Weltvölker durch Gottes Eingreifen gehalten
war, 2 Chr 20. — Teilweise parallel B^^rakh 28 ^ s. S.dly.
2. Joram zeugte Usia. Zur Auslassung der 3 Glieder (Ahazjahu,
Jehoasch u. Ama9Ja) zwischen Joram u. Usia vgl. den analogen Fall
' Ähnlich haben nach Pirqe R. Elifezer 29 Ende die Gelehrten angeordnet, daß
bei einem Beschneidungsakt ein Ehrensessel für Elias hingestellt werde, damit dieser
unsichtbar Zeuge der ßeschneidung sei.
Matthl,8. 10 31
Esra 7, 3, wo 6 Glieder ausgelassen sind (vgl. 1 Chr 5, 32 ff.)- ^uch denke
man an den Grundsatz Qid4a u. J^b 70 ^r Die Söhne der Söhne gelten
als Söhne.
1, 10: Hiskia zeugte Manasse.
1. Der König Hiskia war bestimmt, nicht ein Ahnherr des Messias,
sondern der Messias selbst zu sein.
Sanh 99«: R. Hillel (vielleicht Sohn des R. Sch^'muel b. Nachman; dann gegen 300;
vgl. Bacher, pAmor 3, 703) sagte: Keinen Messias gibt es mehr für Israel, denn sie
haben ihn bereits genossen in den Tagen des Hiskia. Rab Joseph (b. Chijja, f 333)
hat gesagt: Es wolle dem R. Hillel sein Herr (== Gott) verzeihen! Wann hat Hiskia
gelebt? Doch zur Zeit des ersten Tempels! und siehe, Sacharja hat zur Zeit des
zweiten Tempels geweissagt u. gesprochen Sach 9, 9: Frohlocke gar sehr, Tochter Zion!
Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht u. heilvoll ist
er, niedrig, u. reitet auf einem Esel u. auf einem Füllen, dem Jungen der Eselinnen. \\
Sanh 94'': „Zur Mehrung der Herrschaft u. zu Frieden ohne Ende^ Jes 9, 6. R. Tan-
chum (b. Chanilai, um 280) hat gesagt: Bar Qappara (um 210) hat in Sepphoris öffentlich
vorgetragen: Warum ist überall der Buchstabe Mem in der Mitte eines Wortes offen,
>:, geschrieben, dieses geschlossen, na^o'':? Gott wollte den Hiskia zum Messias u,
Sanherib zu Gog u. Magog (Ez 38. .39) machen. Aber die Eigenschaft der göttl. Ge-
rechtigkeit sprach vor Gott: Herr der Welt, wie, den David, den König von Israel,
der wer weifs wie viele Lieder u. Lobgesänge vor dir gesungen hast, den hast du nicht
zum Messias gemacht, u. den Hiskia, dem du alle diese Wunder getan hast u. der
kein Lied vor dir gesungen hat, den willst du zum Messias machen? Deshalb wurde
es (das Mem) geschlossen. Alsbald hob die Erde an: Herr der Welt, ich will vor dir
ein Lied singen an Stelle dieses Gerechten, nur mache ihn zum Messias. Da hob sie
an u. sang, s. Jes 24,16: „Vom Saume der Erde hören wir Gesänge: Willfahre dem
Gerechten!" (so deutet der Midrasch). Es sprach der Fürst der Welt (d. i. der Engel,
der über die Gesamtheit der Weltelemente gesetzt ist) vor ihm: Herr der Welt, tu
diesem Gerechten seinen Willen ! Da ging eine Himmelsstimme aus: „Mein Geheimnis
für mich, mein Geheimnis für mich!" (so deutet der Midrasch Jes 24, 16: "'V "ti). Es
sprach der Prophet: „Wehe mir, wehe mir, wie lange noch!"* s. Jes 24, 16. Da ging
eine Himmelsstimme aus: Solange die Treulosen treulos sind, ja die Treulosen treulos!
Raba (f 352) oder, wie auch gesagt wird, R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: „Bis die
Plünderer kommen u. die Plünderer der Plünderer", s. Jes 24, 16. || Midr HL 4, 8 Ende
(114"^): R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250, ein Schüler des oben genannten Bar Qappara)
hat gesagt: Wenn Hiskia ein Lied gesungen hätte über den Sturz Sanheribs, so würde
er zum König, dem Messias, geworden sein u. Sanherib zu Gog u. Magog; aber er tat
nicht also; vielmehr hat er gesagt Ps 20, 7: Jetzt habe ich erkannt, dafs Jahve seinem
Messias (so der Midrasch) geholfen hat. Und was folgt darauf? Vers 10: Jahve, hilf
dem König — er erhöre uns an dem Tage, da wir rufen. — R. J'^hoschua? b. Levi
folgert aus dem Wechsel von „Messias" u. „König", dafs Hiskia die Messiaswürde ver-
loren u. nur die Königs würde behalten hat. — Die ersten Ansätze zu obigen Traditionen
begegnen bereits im 1. nachchristl. Jahrb. bald nach der Zerstörung Jerusalems. Sanh
94^ wird folgende Bar. im Namen des R. Papjas (der nach ?Eduj 7, 6 zur Zeit des
Tempelbestandes schon erwachsen) mitgeteilt: Eine Schande war es für Hiskia u. seine
Genossen, daf3 sie kein Lied gesungen haben, bis die Erde anhob u. ein Lied sang,
s. Jes 24,16: Vom Saume der Erde vernehmen wir Gesänge!
2. Hiskia wird als der Messias Israels aus dem Jenseits wiederkehren.
B^'rakh28b: Rabban Jochanan b. Zakkai sagte in der Stunde seines Abscheidens
(um 80) zu seinen Schülern: Räumet die Geräte fort wegen der Unreinheit u. haltet einen
Thronsessel bereit für Hiskia, den König Judas, wenn er kommt. In Aboth RN 25 (7 )
fehlen die Schiufaworte: „wenn er kommt." — Die Parallele pSota 9, 24 S 26 s. oben S. 30,
32 Matthl,ll. 12
1,11: Josia zeugte Jekhonja u. seine Brüder,
1. Josia wurde vielleicht, ähnlich wie Josaphat u. Hiskia, als Messias
aus dem Jenseits zurückerwartet, Apok Bar 66, 6 f.: Er aber (Josia)
wird ewig dauernden Gewinn empfangen, u. er wird geehrt werden
beim Allmächtigen mehr als viele (andre) in der letzten Zeit. Denn
um seinetwillen u. um derer willen, die ihm ähnlich sind, sind die
gepriesenen Herrlichkeiten geschaffen u. bereitet worden, von denen
früher zu dir geredet worden ist.
2. Zwischen Josia u. Jekhonja ist Jehojakim ausgelassen, 1 Chr 3, 15 f.
3. Brüder des Jekhonja werden im AT nicht erwähnt; aösXtfoi also
wohl wie Qinüt im weitern Sinne = Verwandte. Die Regierung der
Oheime des Jekhonja 1 Chr 3, 15 wurde durch diesen ja so unterbrochen,
als ob er ihrer Generation angehörte, 2 Kg 23 f. ; wird doch schon 2 Chr
36, 10 ^edekia, der Oheim Jekhonjas, als dessen Bruder nx bezeichnet.
Betreffs dieser älteren Generation bringt der Talmud folgende Notiz. Nachdem
ausgeführt ist, daß man einen König, der der Sohn eines Königs war, nur in dem
Falle mit dem heiligen Salböle gesalbt habe, wenn Streitigkeiten wegen der Thron-
folge zu befürchten waren, wird zum Beweis hierfür auch auf J^'hoachaz hingewiesen,
der gesalbt worden sei (2 Kg 23, 30), weil sein Bruder J'^hojaqim (s. Vers 36. 31) älter
als er war. Dann wird fortgefahren pSota 8, 3 (22", 39): R. Jochanan (f 279) hat gesagt:
Jochanan 2 Chr 3, 15 u. J4ioachaz 2 Kg 23, 30 sind identisch. Aber es heißt doch 2 Chr
3, 15: Der Erstgeborene Jochanan! (Wäre er identisch mit J'^hoachaz, so könnte er
doch nicht der Erstgeborene heißen, da ja dieser nach 2 Kg 23, 31. 36 noch zwei Jahre
jünger als der Zweitgeborene J'^'hojakim war.) Es will sagen: der Erstgeborene be-
züglich der Regierung (nicht hinsichtlich der Geburt). R. Jochanan hat gesagt: Schallum
u. Qedekia (1 Chr 3, 15) sind identisch. Aber es steht doch geschrieben (1 Chr 3,15):
Der Dritte ^edekia, der Vierte Schallum! Das will sagen: Er war der dritte der Geburt
nach u. der vierte bezüglich der Regierung (zuerst regierte J'^hoachaz 2 Kg 23, 30, dann
Jehojakim Vers 36, als dritter Jekhonja = Jojakhin (2 Kg 24, 6), als vierter Qedekia '^=
Matthanja, Jekhonjas Oheim Vers 17 f.). ^edekia hieß er, weil er die göttliche Strafe,
die ihn traf, als gerecht anerkannte (vgl. Ez 17, 13 ff.; 2 Chr 3G, 13). Schallum hieß er,
weil sich in seinen Tagen die Herrschaft des Hauses David vollendete (^ zu Ende
ging -^hx, Wortspiel zu ai'iic). Aber weder Schallum noch Qedekia war sein eigentlicher
Name, sondern Matthanja (2 Kg 24, 17). Parallelen: pSch^'qalim 6, 1 (49^, 5); bHor U^;
K'^r 77"^ (andre Ausgaben 5*^). Im bT wird der letzte Satz, der im pT noch zu R. Jo-
chanans Ausführung gehört, als Bar. erweitert so gegeben: Schallum u. Qedekia sind
identisch. Weshalb heißt er Schallum? Weil er vollkommen in seinen Werken war.
Eine andre Erklärung: Schallum, weil die Herrschaft des Hauses David sich vollendete
seit seinen Tagen. Und welches war sein Name? Matthanja war sein Name, 2 Kg 24, 17:
„Und er machte den Matthanja, seinen Oheim, zum König an seiner Statt u. wandelte
seinen Namen um in ^edekia" ; denn er sprach zu ihm: Jahve wird ein gerechtes Ge-
richt über dich bringen, wenn du dich wider mich empörst, s. 2 Kg 25, 7; 2 Chr 36, 13.
1,12: Nach der babylon. Gefangenschaft zeugte Jekhonja
den S'^althiel, 2aka^irjl.
1, Deportation des Königs J^'khonja,
LvR 19 (119'*): Nachdem Nebukadnezar den J'^hojakim hatte töten lassen, machte
er dessen Sohn J' khonja zum König u. zog wieder hinab gen Babel. Alle Einwohner
Babels zogen aus, ihn zu preisen. Sie sprachen zu ihm: Was hast du vollbracht? Er
antwortete: J'^^hojaqim hatte sich wider mich empört, u. ich habe ihn getötet u. seinen
Matthl,12(Nr.l.2) 33
Sohn J^'khonja an seiner Statt als König eingesetzt. Sie sagten zu- ihm: Das Sprich-
wort sagt: Das gute Junge von einem bösen Hunde zieh nicht auf, um wieviel wenigei
das böse Junge von einem bösen Hunde! Sofort hörte er auf sie u. zog hinauf (nach
Palästina) u. ließ sich nieder in Daphne bei Antiochia. || pSch^qalim 6, 3 (50'', 45): Du
findest, als Nebukadne^ar hierher heraufzog, ließ er sich nieder in Daphne bei Antiochia.
Das große Synedrium zog aus, ihm entgegen. Sie sagten zu ihm: Ist die Zeit dieses
Hauses (= Tempels) gekommen, daß es zerstört werde? Er antwortete: Den, welchen
ich über euch zum König gemacht habe, sollt ihr mir ausliefern, so werde ich ab-
ziehen. — Sie gingen u. sagten zu J'^hojakhin: Nebukadne9ar verlangt dich! Da nahm
er die Schlüssel des Heiligtums, stieg auf das Dach des Tempels u. sprach vor Gott:
Herr der Welt, vordem sind wir dir verläßlich gewesen, u. deine Schlüssel wurden
uns übergeben; jetzt, weil wir dir nicht mehr verläßlich sind, siehe, deine Schlüssel
sind dir übergeben! — Zwei Amoräer (sind hierüber verschiedener Ansicht). Dereine
sagte: Er warf die Schlüssel empor, u. sie fielen nicht wieder nieder; der andre sagte:
Er sah etwas wie eine Hand (aus dem Himmel), die nahm sie fort aus seiner Hand.
Als alle Jünglinge (lies mit LvR ""nna statt ^in-) Judas solches sahen, stiegen sie auf
die Spitze ihrer Dächer, stürzten sich herab u. starben; das meint Jes 22, 1 f.: , Orakel
über das Tal der Schau. Was hast du nur, daß du insgesamt auf die Dächer gestiegen,
du getümmelvolle, lärmende Stadt?" (Parallelbericht LvR 19.) || LvR 19 (119''^): Was tat
Nebukadnecar? Er nahm Jojakhiu u. warf ihn in das Gefängnis, u. keiner von denen,
die in seinen Tagen gefangen gesetzt wurden, kam jemals wieder von dort heraus,
s. Jes 14,17: „Seine Gefangenen entließ er nicht nach Hause." Jojakhin zog in die
Verbannung u. mit ihm das große Synedrium; das meint Jer 22, 28: Ist denn ein ver-
ächtliches, zerschlagenes Geschirr dieser Mann Ghonjahu (= Jojakhin), oder ein Gefäß,
an dem man kein Gefallen hat?
2. J^khonjas Buße u. die Leiden des Exils machen den Gottes-
beschluß Jer 22, 30 unwirksam.
Ein exegetischer Kanon pSchab 7, 2 (9^ 65) u. pSanh 7; 5 (24'", 26): R. Judan (um
350) hat gesagt: Alle, von denen geschrieben steht: , Kinderlos sollen sie sein", Lv
20, 21, die bleiben ohne Kinder; u. von denen geschrieben steht: „Kinderlos sollen sie
sterben", Lv 20, 20, die begraben ihre Kinder. Nach dieser Regel hätte auf Grund von
Jer 22, 30 J'^khonja kinderlos bleiben müssen.
LvR 10 (111 1». 112='): R. J'^huda (b. Chijja des Älteren, um 240) u. R. J^hoschuaf b.
Levi (um 250). R. J%uda hat gesagt: Die Buße bewirkt die Hälfte u. das Gebet das
Ganze (d. h. die Buße hebt einen Gottesbeschluß, ein göttliches Verhängnis, zur Hälfte
u. das Gebet hebt ihn ganz auf). R. J'^hoschuaf b. Levi sagte: Die Buße bewirkt das
Ganze, das Gebet die Hälfte. . . . Nach der Meinung des R. J'^hoschua? b. Levi bewirkt
die Buße das Ganze; von wem kann man das lernen? . . . Lerne es von J'khonja, Jer
22,28: Ist denn ein verächtliches, zerschlagenes Geschirr dieser -Mann Ghonjahu?
(Hierauf folgt dem nächsten Zitat Entsprechendes.) \l P®siq 162'': Die Buße des J^khonja
habe ich (Gott) angenommen, u. eure (Israels) Buße sollte ich nicht annehmen? Denn
es war über ihn ein schweres Verhängnis verhängt, s. Jer 22,28: „Ist denn ein ver-
ächtliches, zerschlagenes Geschirr dieser Mann Ghonjahu, oder ein Gefäß, an dem man
kein Gefallen hat?" R. Abba bar Kahana (um 310) hat gesagt: Wie dieser Hirnknochen; '
wenn du ihn ausgeschüttet hast {'sizr: entspricht dem yr: bei Jer), so ist er zu nichts
mehr nütze. R. Chelbo (um 300) hat gesagt: Wie dieser Dattelkorb ;^ wenn du ihn
ausgeleert hast, ist er zu nichts mehr nütze. „Ein Gefäß, an dem man kein Gefallen
hat." R. Chama b. Chanina (um 260; so zu lesen mit LvR 10 statt R. Chijja b. Chanina)
1 ziiv , Knochen" soll nach der exeget. Regel, daß =, "!, n, 2 miteinander vertauscht
werden können, das z-^'j bei Jer deuten.
^ Dattelkorb nach Ra.schi zu Schab 146* ein Korb aus Palmzweigen, in den man
die schlechten Datteln zum Ausreifen legt.
strack u. Billerbeck, NT I. 3
34 Mattlil,12 (Nr. 2. 3)
hat gesagt; Wie ein Nachtgeschirr; R. Sch"muel (b. Nachman, um 260) hat gesagt:
Wie ein Becken der Aderlasser. R. Me'ir (um 150; so lies mit Midr HL zu 8,6 statt
des bloßen Rabbi) hat gesagt: Es schwur Gott: Ich will von J^'khonja, dem Sohne
.T^hojakims, des Königs von Juda, keinen König erstehn lassen, s. Jer22, 24: ,Wenn
Chonjahu, der Sohn J^hojakims, der König von Juda, ein Siegelring wäre an meiner
rechten Hand, so würde ich dich doch von da wegreißen." R, Chanina b. Ji9chaq (um
325) hat gesagt: Von dort reiße ich hinweg die Königsherrschaft des Hauses David.
Eine andre Erklärung: Es steht hier nicht geschrieben: „Ich werde dich wegreißen"
(-ipr:s von p^'), sondern: „Ich werde dich festmachen" (-jprs, was auch von -j-r ab-
geleitet werden kann), ich werde dich festmachen (wiederherstellen) durch Buße, von
dem Orte seines Losreißens wird au.sgehn seine Befestigung. — R. Z''?ira (der Ältere,
um 300) hat gesagt: Ich habe ein Wort von R. Sch^'muel b. Ji<jchaq (um 300) gehört,
er saß u. trug ein Wort vor, aber ich weiß nicht, welches es war. R. Acha der Lange
(um 300, so lies mit LvR 10 u. Midr HL zu 8, 6 statt R. Abba der Lange) erwiderte:
Vielleicht war es dies: „So spricht Jahve: Schreibet diesen Mann (J^khonja) auf als
kinderlos, einen Mann, dem's nicht glückt in seinem Leben; denn nicht wird aus
seinem Samen Einer Glück haben, sitzend auf Davids Thron u. herrschend fürderhin
in Juda", Jer 22, 30. R. Z*^?ira sagte: Ja (= dies Woi-t war es), in seinen Tagen soll's
ihm nicht glücken, aber in den Tagen seines Sohnes wird es glücken. R. Acha b. Abin
b. Benjamin (um 360) hat im Namen des R. Abba b. Pappai (um 330) gesagt: Groß ist
die Kraft der Buße, denn sie hat einen Schwur u. ein Verhängnis aufgehoben. Einen
Schwur, woher läßt sich das beweisen? Von Jer 22, 24: „So wahr ich lebe, ist Jahves
Spruch, wenn Chonjahu, der Sohn J^^hojakims, wäre ein Siegelring" usw. Und es steht
geschrieben (Haggai 2,23): „An jenem Tage, ist der Spruch Jahves der Heerscharen,
will ich dich nehmen, Serubabel, Sohn Schalthiels, meinen Knecht, ist Jahves Spruch,
u. dich setzen gleich einem Siegelring" (also ist trotz Jer 22, 24 Serubabel, ein Nach-
komme J'^khonjas, das wieder geworden, was sein Ahn aufgehört hatte zu sein, ein
Siegelring an Gottes Hand). Ein Verhängnis, woher läßt sich das beweisen? Aus Jer
22, 30: „So spricht Jahve: Schreibet diesen Mann auf als kinderlos" usw. Und es steht
geschrieben (lChr3, 17): „Die Söhne J'^khonjas" usw. (also hatte J^khonja trotz Jer
22, 30 Kinder; Beweis, daß seine Buße das göttliche Verhängnis zunichte gemacht hat).
Parallelen: LvR 10 (112»); Midr HL 8,6 (131=^). 11 Sanh 37b: R. Jochanan (f 279) hat
gesagt: Das Exil sühnt alles; denn es heißt Jer 22,30: So spricht Jahve: Schreibet
diesen Mann (J*'khonja) auf als kinderlos usw., u. nachdem er ins Exil gegangen war,
steht geschrieben 1 Chr 3, 17: Die Söhne J'^khonjas usw.
3. Die während des Exils erzeugten Söhne J^khonjas u. Deutung
ihrer Namen.
LvR 19 (119^): In jener Stunde beruhigten sich die Mitglieder des großen Syne-
driums in ihrem Gemüt u. sprachen: In unsern Tagen sollte aufhören die Herrschaft
des Hauses David, dessen, von dem geschrieben steht Ps 89, 37: „Und sein Thron wie
die Sonne vor mir" ? [Der Satz ist als Frage gefalH.] Was sollen wir tun? Wir wollen
gehn u. bei der Pflegerin ein gutes Wort für J'^'khonja einlegen, u. die Pflegerin mag
dasselbe tun bei der Königin u. die Königin bei dem König. Sie taten also. Und welches
war der Name der Gemahlin des Nebukadnezar? R. Huna (um 350) hat gesagt: Sch^mira
[so lies mit Levy 4, 580^, u. Bacher, pAmor 3, 424 statt Sch'^'miram]. R. Abin (der Jüngere,
um 370) hat gesagt: Semiramis war ihr Name (pi»3"':-J als männlicher Personenname
1 Chr 15, 18. 20; 16, 5; 2 Chr 17, 8), u. die Rabbinen sagten: Sch^'mirafam war ihr Name,
weil sie unter Donner geboren worden ist (cv--':^ also = Ruf des Donners). Als Ne-
bukadnezar ihr (seiner Gattin) beiwohnen wollte, sprach sie: Du bist ein König; ist
J'khonja kein König? Du verlangst nach deiner Begattung; verlangt er nicht nach
seiner Begattung? Sofort bestimmte N., daß man dem J^khonja seine (bisher von ihm
getrennte) Gattin übergebe. Auf welche Weise ließ man sie zu ihm hinab (in sein
Verließ)? R. Schabb^thai (um 260) hat gesagt: Durch ein Gitterfenster ließ man sie
Matth 1, 12 (Nr. 3). 13. 16 (Nr. 1) 35
zu ihm hinab: u. die Rabbinen sagten: Man riß den Deckenbelag (über seinem Ge-
fängnis) auf u. dann liefs man sie zu ihm hinab. Als er ihr beiwohnen wollte, sprach
sie zu ihm: Wie eine rote Lilie (euphemistisch für Menstruationsblut) habe ich gesehen!
Da sonderte er sich von ihr ab. Sofort entfernte sie sich, zählte (nämlich sieben Tage),
bis sie rein wurde, u. nahm ein Tauchbad. — Gott sprach zu ihm: In Jerusalem habt
ihr die Gebote betreffs des Blutflusses nicht gehalten u. jetzt haltet ihr sie; s. Sach
9, 11: ,Auch will ich, was dich anlangt, kraft des Blutes deines Bundes deine Ge-
fangenen aus der Grube loslassen"; es ist euch jenes Blutes am Sinai (Ex 24,8) ge-
thicht worden, deshalb lasse ich deine Gefangenen los. R. Schabb'^^thai hat gesagt:
Nicht wich er (J'^khonja) von da, bis ihm Gott alle seine Sünden vergeben hatte. In
bezug auf jene Stunde heißt es (HL 4, 7): „Ganz schön bist du, meine Freundin, u.
kein Fehl ist an dir." Da ging eine Himmelsstimme aus, die ihnen zurief (Jer3, 22):
Kehret wieder, ihr abtrünnigen Söhne, ich will eure Abirrungen heilen. || Sanh 37 '':
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Es steht geschrieben 1 Chr3, 17: ,Und die Söhne des
J'khonja waren Assir,* sein Sohn, Schalthiel, sein Sohn." ,Assir" (= der Gefangene)
hieß er, weil ihn seine Mutter im Gefängnis empfing; „Schalthiel" hieß er, weil Gott
ihn pflanzte (= erzeugt werden ließ, ■5S iVf^'u Wortspieldeutung), nicht nach Art der
übrigen Gepflanzten. Es ist nämlich traditionell, daß kein Weib von einem (beim Koitus)
Stehenden schwanger wird; sie aber ist von einem Stehenden schwanger geworden
(nach Raschi nötigte die Enge des Gefängnisses zum Stehen). Eine andre Erklärung:
Schalthiel hieß er, weil Gott um Lösung seines Eides nachsuchte ('ss "ss-i'j Wortspiel-
deutung). 1! P^siq 163 '': R. Tanchum b. Jirm'^'ja (um 310) hat gesagt: Assir hieß er, weil
er gebunden war im Gefängnis; Sch^althiel hieß er, weil von ihm das Königtum des
Hauses David fortgepflanzt ist (im Hebr. ein Wortspiel). R. Tanchuma (b. Abba, um
380) hat gesagt: Assir, das weist auf Gott hin; denn Gott band sich selbst durch
einen Schwur (s. Jer 22, 24. 30); Scli*^althiel hieß er, weil er (Gott) bei dem oberen Ge-
richtshof (der Engel) um Lösung nachsuchte, u. sie lösten ihm den Schwur. — Die
abweichenden Autorenangaben LvR 10 (112^) u. Midr HL 8, 6 (131^) sind wohl irrig.
1,13: Serubabel zeugte Abiud.
Sanh 37^. 38^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Serubabel -ri?! hieß er, weil er
in Babel gezeugt war.
1,16: Jakob zeugte Joseph, den Mann Marias,
von welcher geboren ist Jesus.
1. Diese Worte zeigen a, daß das hier beigebrachte Geschlechts-
register die davidische Herkunft nicht der Maria, sondern Josephs
dartun soll, u, b, daß nach der Meinung des Evangelisten durch die
Verheiratung Josephs mit der Maria Jesus als rechtmäßiger Sohn
Josephs anerkannt u. damit die These: „Jesus Christus ein Sohn
Davids" 1, 1 erwiesen ist. Diese Meinung entspricht den eherechtlichen
Anschauungen des jüdischen Volks zur Zeit des NT.s. BB 8, 6 : Wenn
jemand sagt: „Dieser ist mein Sohn", so ist er beglaubigt, d. h. seine
Aussage ist ohne weiteres gültig u. der als „Sohn" Bezeichnete tritt
in alle Erbrechte eines Sohnes ein. Nur für den Fall werden besondere
Kautelen aufgestellt, daß ein Kind im Auslande geboren ist.
Qid 4, 10 f.: Wenn jemand mit seiner Frau in ein überseeisches Land geht u. dann
mit ihr u. seinen Kindern zurückkehrt u. sagt: Die Frau, die mit mir in das überseeische
^ Die älteren rabbinischen Exegeten scheinen allgemein -?s 1 Chr 3, 17 als Eigen-
namen zu fassen; deshalb schieben sie sogar, wie auch in vorliegender Stelle, hinter
~"os ein ^iz ein; abweichend vom Schrifttext ist auch Vs-rrj geschrieben.
3*
36 Matth 1, 16 (Nr. 1—3)
Land gegangen ist, siehe, diese hier ist es, u. dies sind iiire Kinder, so braucht er
dafür weder betreffs der Frau noch auch betreffs der Kinder einen Beweis beizubringen.
Sagt er aber: Die Frau ist gestorben, u. dies sind ihre Kinder, so muß er betreffs der
Kinder einen Beweis beibringen, aber nicht betreffs der Frau. — Sagt er: Ich habe
eine Frau in einem überseeischen Lande geheiratet, siehe, diese hier ist es, u. dies
sind ihre Kinder, so muß er betreffs der Frau einen Beweis beibringen, aber nicht
betreffs der Kinder. Sagt er: Sie ist gestorben, u. dies sind ihre Kinder, so muß er
einen Beweis beibringen sowohl betreffs der Frau als auch betreffs der Kinder.
2. Neben Magia hat das NT (zB 1, 20; Apg 1, 14) auch Magiäin =
c:;""2; die LXX kennen nur Maoiäf^i. Durch die von A. Berliner ans
Licht gezogene Masora zum Targum des Onkelos (Berlin 1875) zu Ex
15, 20 wissen wir jetzt, daß c^'n^ (mit Pathach der ersten Silbe) die
Targumform dieses Frauennamens ist (Franz Delitzsch, Zeitschr. f, luth.
Theol. u. Kirche, 1877, S. 2).
3. In der rabbinischen Literatur^ wird Jesus genealogisch einigemal
bezeichnet als Jeschua? ben Pantera (Pantere) oder Jeschu b. Pan-
dera oder Jeschu Pandera oder Ben (Bar) Pandera. Die wichtigsten
Stellen sind: Tos Chullin 2, 22 f. (503): Es geschah, daß den R. El?azar
b. Dama (um 130, Neffe des R. Jischma^el b. Elischa?) eine Schlange
biß. Es kam Ja^aqob aus Kephar-Sama, um ihn im Namen des Jeschua-'
b. Pantera Nn-j:s p yvir^ zu heilen; aber R. Jischma^el (sein Oheim, f um
135) ließ ihn nicht. Man sagte zu ihm: Das darfst du nicht, Ben Dama.
Er antwortete dem R. Jischma^el: Ich will dir den Beweis erbringen,
daß er mich heilen darf. Er hatte aber den Beweis noch nicht erbracht,
als er schon starb. R. Jischma^el sprach: Heil dir, Ben Dama, daß du
in Frieden dahingegangen bist, ohne die Verordnung der Gelehrten zu
durchbrechen; denn wer den Zaun der Gelehrten durchbricht, über den
kommt schließlich Strafe, s. Qoh 10, 8: Wer Gemäuer einreißt, den beißt
eine Schlange. ^ || Das. 2, 24 (503): Es geschah, daß R. Eli^ezer (um 90)
wegen Häresie gefangen gesetzt wurde. Man brachte ihn vor das
(römische) Tribunal, um ihn zu richten. Der Statthalter sprach zu ihm:
Ein Ältester ("|pi, angesehener Lehrer) wie du beschäftigt sich mit
solchen Dingen? Er antwortete: Ein zuverlässiger Richter ist über
mir. Der Statthalter meinte, daß er das nur in bezug auf ihn gesagt
hätte, während er nur an seinen Vater im Himmel gedacht hatte, u.
sprach zu ihm : Weil du zu mir Vertrauen gehabt hast, so denke auch
ich über dich ebenso; vielleicht haben sich jene Irrenden durch jene
Worte (die du zu ihnen gesprochen hast) zur Umkehr bewegen lassen.
Dimissus (ci^c-^n), siehe, du bist freigesprochen! Als R. E. vom Richter-
stuhl fortgegangen war, schmerzte es ihn, daß er wegen Häresie fest-
^ Zum Folgenden vgl. H. L. Strack, Jesus, die Häretiker u. die Christen nach den
ältesten jüd. Angaben, Leipzig 1910.
2 In der Parallelstelle pSchab 14, 14'^', 49 heißt der Name Jeschu Pandera; in
pf AZ 2, 40 '^ 61 Jeschu ben Pandera; b?AZ 27'' nennt den Namen überhaupt nicht, Midr
Qoh 1, 8 (8'') deutet ihn nur an: ,Es kam Ja?aqob aus Kephar-Sikhnin, um ihn zu
heilen im Namen eines gewissen Jemand."
Matthl,16 (Nr. 3) 37
genommen worden war. Seine Schüler kamen zu ihm, um ihn zu
trösten; aber er nahm es nicht an. R. i=Aqiba (f um 135) kam zu ihm
u. sagte: Rabbi, ich möchte etwas vor dir sagen, vielleicht wirst du
nicht verdrießlich sein. Er sprach zu ihm: Sage an! Er sprach zu
ihm: Vielleicht hat einer von den Häretikern dir ein Wort der Häresie
gesagt, u. es hat dir gefallen. Er antwortete: Beim Himmel (ci^-irn
= bei Gott), da rufst du eine Erinnerung bei mir wach! Einmal ging
ich auf einer Straße von Sepphoris, da traf ich Ja^aqob aus Kephar-
Sikhnin (er ist wohl identisch mit Ja^aqob aus Kephar-Sama), der sagte
ein Wort der Häresie im Namen des Jeschua? ben Pantere (oder Pantiri
— "i-jrs), u. es gefiel mir, u. ich wurde wegen Häresie festgenommen,
weil ich die Worte der Tora übertreten hatte (Spr5, 8; 7,26): „Halt
von ihr fern deinen Weg u. nahe nicht zur Tür ihres Hauses. Denn
viel sind der Erschlagenen, die sie hingestreckt hat" usw. Denn
R. Eli^ezer pflegte zu sagen: Immer fliehe der Mensch vor dem Häß-
lichen u. vor dem, was dem Häßlichen ähnlich ist. — Die Parallelstelle
^AZ 16'J nennt Jesum i-^irn '■ari „ Jeschu aus Nazareth"; die Schlußsätze
lauten hier: R. Eli^ezer sagte: Einmal ging ich auf dem oberen Markt
von Sepphoris u. ich traf einen von den Schülern des Jeschu von
Nazareth, namens Ja^aqob von Kephar-Sekhanja. Er sagte zu mir:
In eurer Tora ist geschrieben (Dt 23, 19): „Du sollst nicht Buhlerinnen-
geld (in das Haus Jahves) bringen." Wie ist es? Darf man daraus
einen Abort für den Hohenpriester machen? Ich erwiderte ihm nichts.
Er sprach zu mir: So hat mich Jeschu von Nazareth gelehrt: „Von
Buhlerinnengeld ist es gesammelt, zu Buhlerinnengeld soll es wieder
werden" (Micha 1,7); vom Ort" des Schmutzes kam es u. zum Ort des
Schmutzes soll es gehn. Das Wort gefiel mir; deshalb bin ich wegen
Häresie festgenommen worden. Ich habe übertreten, was in der Tora
geschrieben ist (Spr 5, 8): „Halt von ihr fern deinen Weg", das ist die
Häresie, „und nahe dich nicht zur Tür ihres Hauses", das ist die
Obrigkeit. Manche sagen: „Halt fern von ihr deinen Weg", das ist die
Häresie u. die Obrigkeit, „u. nahe dich nicht zur Tür ihres Hauses",
das ist eine Buhlerin. — Midr Qoh 1, 8 (8'') setzt für Jesus „ein ge-
wisser Jemand", -i-ibe, ein. Die Schlußsätze lauten: Einmal ging ich
eine Straße von Sepphoris hinauf, u. es kam ein Mann zu mir, dessen
Name war Ja?aqob aus Kephar-Sikhnin (oder Sekhanja). Er sagte zu
mir ein Wort im Namen eines gewissen Jemand, ■'sibE, u. das Wort
gefiel mir. Und jenes Wort war: In eurer Tora ist geschrieben Dt
23,19: „Du sollst nicht Buhlerinnengeld u. Hundelohn (in das Haus
Jahves) bringen." Wie ist es damit? Ich sagte zu ihm: Verboten! Er
sprach zu mir: Sie als Opfer darzubringen ist verboten, aber sie zu
vernichten ist erlaubt. Ich sprach zu ihm : Wenn dem so ist, was soll
man damit machen? Er antwortete mir: Man mache dafür öffentliche
Badehäuser u. Aborte. Ich antwortete ihm: Du hast schön gesprochen.
38 Matthl,16 (Nr.3. 4)
Es war mir aber die Halakha augenblicklich verborgen. Als er sah,
daß.ich seinen Worten zustimmte, sprach er zu mir: So hat ein ge-
wisser Jemand i;'52 gesagt: Von Unflat ist es gekommen u. zu Unflat
soll es werden, s. Micha 1,7: „Denn von Buhlerinnengeld ist es ge-
sammelt u. zu Buhlerinnengeld soll es wieder werden"; man mache
öfifentliche Aborte daraus. Das gefiel mir, u. um deswillen bin ich
wegen Häresie festgenommen worden; u. nicht nur deshalb, sondern
auch, weil ich übertreten habe, was geschrieben ist Spr5, 8: „Halt
fern von ihr deinen Weg" usw. — Ältere Ausgaben (s. Strack, Jesus
S. 5 f.) haben statt des ersten irbs den vollen Namen N-n:s -p luji, statt
des zweiten die kürzere Form wX-i:s ■=. |1 p^AZ 2, 40 f\ 85: Sein (des R. 3"^-
hoschuaf b. Levi, um 250) Enkel hatte etwas verschluckt. Es kam einer
u. flüsterte ihm etwas im Namen des Jeschu Pandera zu, u. er wurde
geheilt. Als er (der Christ) hinausging, fragte er (R. J'^hoschua? b. L.)
ihn: Was hast du über ihm gesprochen? Er antwortete: Ein Wort
eines gewissen Jemand. Da sagte er zu ihm: Es wäre ihm besser,
wenn er tot wäre u. dieses Wort nicht gehört hätte! Und es geschah
ihm so, „wie bei einem Fehlgriff, der vom Herrscher ausgeht" (Qoh
10,5, u. deshalb nicht ungeschehen gemacht werden kann). — Das-
selbe pSchab 14, 14«^, 35. In Midr Qoh 10, 5 (47 a) heißt es im Anfang:
„Er ging u. holte einen von denen des Bar Pandera, damit er das
Verschluckte heraushole"; im folgenden wird Jesus nicht mehr er-
wähnt. II Zwei weitere Stellen mit dem Namen „Ben Pandera" aus
Schab 104'^ u. Sanh 67^ s. unter Nr. 4.
Die ältesten Stellen (Tos Chullin 2, 22—24) haben die Form Ben
Pantera oder Ben Pantere; diese Form entspricht am meisten dem
zugrunde liegenden griechischen Eigennamen Uär^riQ oder Uär^rjQcc
(= Panther). Da nun nach altkirchlichen Schriftstellern (s. die Zitate
bei Strack, Jesus S. 10* ff.) Jakob, der Vater Josephs (Mt 1, 16), den
Beinamen Jlar^rjQ geführt hat, ist es durchaus wahrscheinlich, daß
auch der Name Ben Pantera (Pandera) für Jesus diese genealogische
Tradition zur Grundlage hat. Jedenfalls tritt in der älteren Zeit nirgends
das Bestreben deutlich hervor, in den Namen Ben Pantera etwas Be-
schimpfendes für Jesum hineinzulegen. Das geschieht erst im bT (s.
Schab 104'' u. Sanh 67» in Nr. 4), wo man nach dem Vorgang des Celsus
(s. Origenes bei Strack S. 9*f.) den Pandera zum Buhlen der Mutter
Jesu gestempelt hat.
4. Ein weiterer Name Jesu ist Ben Stada xn-jo -z. Die ältesten
in Betracht kommenden Stellen sind Tos Schab 11, 15 (126): Wer (am
Sabbat Buchstaben) in sein Fleisch einritzt, den erklärte R. Eli^ezer
(um 90) für schuldig (nämhch der Übertretung des sabbathchen Schreibe-
verbotes); die Gelehrten aber sprachen ihn frei. Da sagte R. El. zu
ihnen: Hat denn nicht Ben Stada (das Zaubern) nur durch dies gelernt?
Sie antworteten: Wegen Eines Narren sollen wir alle Vernünftigen
Matthl,16(Nr.4) 39
zugrunde richten? — In der Parallelstelle pSchab 12, 13^', 21 heißt es:
Hat denn nicht Ben Stada nur durch dies Zaubereien aus Ägypten
gebracht? — Schab 104'' s. unten S. 39 y. || Tos Sanh 10, 11 (431): Gegen
alle Todesschuldigen, welche in der Tora vorkommen, legt man keinen
Hinterhalt (lies ■id-'od^ statt 'ir.i^a-a), außer bei dem, welcher (zum
Götzendienst) verführt. Wie denn? Man gibt ihm zwei Gelehrtenschüler
(als heimliche Aufpasser u. Zeugen) bei im inneren Haus, während er
im äußeren Hause sitzt, u. man zündet ihm ein Licht an, damit sie
ihn sehen u. seine Stimme hören können (wenn er jemanden bei sich
hat, den er verführen will). Ebenso hat man dem Ben Stada in Lydda
getan: man bestimmte ihm zwei Gelehrtenschüler (als heimliche Zeugen)
u. steinigte ihn. — Dasselbe ausführlicher pSanh 7, 25% 62 (= pJ^b 16,
15 ^\ 53) u. bSanh 67=*; im pT lautet der Name Ben Sot^da m-jio -p, im
bT lautet der ganze Schlußsatz: „Und so hat man dem Ben Stada in
Lydda getan u. man hat ihn am Rüsttag des Passah gehängt.
In den Tosephtazitaten weist nichts darauf hin, daß mit Ben Stada
Jesus gemeint sein könnte; wohl aber spricht gegen diese Beziehung
auf das bestimmteste die Bezeichnung des Ben Stada als n-jv:: (Narr
= Wahnsinniger), ferner die Ortsangabe „in Lydda" u. endlich die
Todesart der Steinigung. Aber schon die oben genannten Parallelstellen
zeigen, wie man allmählich angefangen hat, unter Ben Stada Jesum
zu.verstehn. Dahin gehört die Bemerkung, daß Ben Stada Zaubereien
aus Ägypten mitgebracht habe; mit Äg. hat der Talmud auch Jesum
in Verbindung gebracht, s. bei Mt 2, 14. Ferner erinnert die Umformung
des Namens Stada in Sot®da (pSanh 7) stark an xn-n::iD, wodurch Jesu
Mutter als die bekannte Ehebruchsverdächtige hingestellt wäre. Endlich
läßt der Schlußsatz von Sanh 67% daß man den Ben Stada am Rüsttag
des Passah gehängt habe, keinen Zweifel an dessen späterer Identi-
fizierung mit Jesu. Diese Identifizierung liegt vor auch Schab 104''
Bar: R. Eli?ezer (um 90) sagte zu den Gelehrten: Hat denn nicht Ben
Stada durch Einritzen in sein Fleisch Zaubereien aus Ägypten gebracht?
Sie antworteten: Er ist ein Narr gewesen u. von Narren her erbringt
man keinen Beweis. Sohn Stadas (wäre er gewesen)? Ein Sohn des
Pandera war er! Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Ehemann war Stada,
Buhle war Pandera. 1 Ehemann war (ja) Pappos b. J4iuda (s. Nr. 5),
seine Mutter (war) Stada. ^ Seine Mutter war (ja) Mirjam, die Frauen-
haarflechterin (s. Nr. 7)! Sage (d. h. verstehe es, oder denke es dir), wie
man in Pum B^ditha (Hochschulort in Babylonien) sagt: 5<t r-jp „diese
ist abtrünnig geworden" ihrem Ehemann (d. h. Mirjam ist ihr eigentlicher
Name gewesen, Stada aber war ihr Beiname, weil sie eine Ehebruchs-
verdächtige gewesen, vgl. oben zum Namen Sot^'da). — Dasselbe von den
Worten an: „Ein Sohn Stadas (wäre er gewesen)?" auch in Sanh 67 '\
^ Das ist der erste klare Beleg für das Beschimpfende des Namens Ben Pandera.
^ Hier ist also Stada ein Frauenname.
40
Matthl,16(Nr. 5.6)
5. Pappos b. J'^huda wurde oben Schab 104^ u, Sanh 67'* als Ehe-
mann der Mirjam, der Frauenhaarflechterin (d. h. der Mutter Jesu) be-
zeichnet. Über ihn hören wir Tos Sota 5,9 (302): R. Meir (um 150)
pflegte zu sagen: Wie es (verschiedene) Denkweisen über das Essen
gibt, so auch über die Frauen. Es gibt manchen, über dessen Becher
^ine Fliege hinfährt (so wird mit dem Wiener Kodex zu lesen sein)
u. er läßt ihn stehn u. kostet nicht (mehr) davon. Das ist ein schlimmes
Los für die Frauen, denn er hat seine Augen darauf gerichtet, sie zu
verstoßen. Und es gibt manchen, auf dessen Becher sich eine FHege
setzt u. er gießt ihn aus ohne davon zu kosten, wie zB Pappos b.
J^huda, der die Tür hinter seiner Frau zuschloß. Es gibt manchen,
in dessen Becher eine Fliege hineinfällt, er wirft sie hinaus u. trinkt
davon. Das ist die Art jedes Menschen, der seine Frau mit ihren
Brüdern (Verwandten) u. ihren Nachbarn reden läßt. Und es gibt
manchen, in dessen Schüssel eine Fliege hineinfällt, er nimmt sie u.
saugt sie aus u. ißt, was in ihr (der Schüssel) ist. Das ist ein gott-
loser Mensch, der sieht, wie sein Weib ausgeht in bloßem Kopf (mit
aufgelöstem Haar, s. bei 1 Kor 11, 5) u. ausgelassen ist mit ihren Sklaven
u. ihren Nachbarn u. auf der Straße spinnt u. mit allen Leuten badet
(ohne es ihr zu untersagen). Eine solche zu verstoßen ist ein Gebot,
s. Dt 24, 1. - Parallelstellen: pSota 1, 17% 32; Gittin 90«; NuR 9 (152'').
Rafechi zu Gittin: Pappos b. J^huda war der Ehemann der Frauenhaar-
flechterin. Wenn er aus seinem Hause auf die Straße ging, schloß er
die Tür hinter ihr zu, damit sie mit niemand spreche. Das ist eine
unziemliche Art; denn dadurch kommt Feindschaft, u. sie entzieht sich
ihm buhlend. — Pappos b. J'^huda ist ein Zeitgenosse des R. ^Aqiba
(t um 135) gewesen. Das hat jedoch die Späteren (s. Schab 104^; Sanh
67 '^ u. Raschi) nicht zurückgehalten, ihn zum Ehemann der Mirjam,
der Frauenhaarflechterin, zu machen. Über Mirjam s. Nr. 7.
6. Eine Ahnentafel Hamans, auf der vielleicht auch Jesu Name
verzeichnet ist, findet sich im Traktat Soph^rim 13 § 6 (= Tabelle I),
ferner 1 Targ Esth zu 5, 1 (= Tab. H) u. endlich in 2 Targ Esth zu 3, 1
(= Tab. HI). Unter IV folgen einige Deutungen.
I
II
III
IV
Haman, Sohn des
Haman, Sohn des
Haman, Sohn des
Hamdatha
Hamdatha
Hamdatha
—
fAda
Sedach (Serach)
Kuza
Biznai
Buzah
Aphlitos
Aphlitos
Iplotam (Iplotas)
Pilatus
Jos z-— ' T
Joseph
Joseph (Pflegevater
Jesu)?
Josot "-C--- -2
JoSOS Z-Z-rr. -;
Josim (Joses)
Jesus?
Faros
Faros
Fadom
Cuspius Fadus?
Varus?
Nidan
Hamdan
Ma?dan
Ba?lqan
Thaljon
Bla?qan
Fomponius Flaccus
Matthl,16 (Nr. 6. 7)
41
I
II
III
IV
Antimaros
Athnisomos
Antiraarom
Antipater
Hares (Haris)
Charum (Plattnasiger)
Hadoros
Charsom
Haridom
Herodes
Scheger
Scheger
Vitellius
Naggar
Negar
Parniaschta (Esth 9, 9)
Parniaschta
Vajzatha (Esth 9, 9)
Vajzatha
Agag
Agag
Sumqar
Sumaqi
Tinejus Rufus
fAmaleq, Sohn des
fAmaleq
Kebsweibes des
Eliphaz, d.Erstgeb. des
Eliphaz, S. d.
Esau
Esau, des Frevlers
Levy, Wörtb.
Über die Targumim 1, 330*'
bemerkt hierzu:
,Die
Ahnen Hamans mochte man sich als Prototyp der christl. Verfolgungs-
zeit vorgestellt haben; aber nicht bloß die Verfolgung der Juden, son-
dern auch die Kreuzigung bietet Berührungspunkte für Jesus u. Haman. "
Betreffs der Umwandlung des Namens „Jesus" in Josos, Josim (Joses)
verweist Levy. auf die Formel in Sanh 7,5: „Jose schlage den Jose",
mit der die Zeugen von Gotteslästerungen diese vor dem Gerichtshof
wiederholen mußten, damit der Gottesname dabei nicht in den Mund
genommen würde. „Man fragte die Zeugen: Sagte etwa der Gottes-
lästerer, daß ^D'.i (Jesus) mächtiger sei als -oii (Joseph, sein Vater)?
Die Richter aber haben ebenso wie die Zeugen unter dem zweiten
-c-.-^ den „Vater", d. h, den Gott Israels verstanden", Neuhebr. Wörtb.
2, 351*. — Strack, Jesus 46* urteilt über obige Ahnenliste: „Es ist
wahrscheinlich, daß die Liste der angeblichen Ahnen Hamans aus den
Namen bekannter Judenfeinde, bezw. solcher Männer, die später für
Judenfeinde galten, zus. gestellt ist. Über Pilatus, Antipater, Herodes
kann kein Zweifel sein ; auch Bla^qan = Pomponius Flaccus, Scheger
=F= L. Vitellius (beide Statthalter in Syrien, jener um 32 — 35 n. Chr.,
dieser 35—39) dürfen als sicher bezeichnet werden. (Mit Bezug auf
Vitellius hat Strack zuvor darauf verwiesen, daß „Scheger" alsAppella-
tivum „Wurf des Viehs" bedeutet.) Bei Padom denkt man dann am
besten an den Prokurator Cuspius Fadus (44 ff. n. Chr.). Sumaqi, der
Rote, ist dann wohl Übersetzung von Rufus: Tinejus Rufus (bei den
Juden Turnus Rufus), der bei dem großen Aufstande im J. 132 n. Chr.
Statthalter in Judäa war." — Naggar bedeutet 1. „Zimmermann",
könnte dann Deckname für Joseph, den Pflegevater Jesu, sein ; 2. „ (Auer-)
Hahn", könnte also auch auf Cestius Gallus gemünzt sein, der beim
Ausbruch des Krieges im J. 66 n. Chr. Statthalter von Syrien war. So
Paulus Cassel, Aus Literatur u. Geschichte, Anhang S. 40 f.
7. Jesu Mutter ist mit einer Frauenhaarflechterin namens Mirjam
identifiziert worden, s. Schab 104^ (oben S. 39), Chag 4^ (bei Mt 4, 1).
— Die pChagiga 2, 77 ^^^ 50 erwähnte Mirjam, die Tochter des ?Eli
42 Matth 1, 16 (Nr. 7)
Bo9lim (BeQalim), hat mit Jesu Mutter nichts zu schaffen; s. bei Eli
Lk 3, 23. — II Zu den Beschimpfungen der Maria durch die alte Syn-
agoge s. Schab 104'^ (oben S. 39) u. B'khoroth 8'^ (bei Mt 5, 13). Ferner
Kalla 18'': Der Freche, sagte R. Eli^ezer (ben Hyrkanos, um 90), ist
ein Bastard; R. J^'hoschuaf (um 90) sagte: Der Sohn einer Men-
struierenden; R. ?Aqiba (f um 135) sagte: Ein Bastard u. Sohn einer
Menstruierenden. Einmal saßen die Ältesten im Tor u. es gingen zwei
Kinder an ihnen vorüber: eins hatte seinen Kopf bedeckt, das andre
hatte seinen Kopf entblößt. Von dem, welches seinen Kopf entblößt
hatte, sagte R. Eli^ezer: Ein Bastard. R. J'^hoschua? sagte: Sohn einer
Menstruierenden. R. ?Aqiba sagte: Ein Bastard u. Sohn einer Men-
struierenden. Man sagte zu R. ^Aqiba: Wie hat dir dein Herz Mut ge-
macht, die Worte deiner Genossen zu übertreten? Er antwortete: Das
werde ich feststellen. Er ging zu der Mutter des Kindes u. sah, daß
sie dasaß u. Hülsenfrüchte auf dem Markte verkaufte. Er sprach zu
ihr: Meine Tochter, wenn du mir etwas sagst, wonach ich dich frage,
so bringe ich dich in das Leben der zukünftigen Welt. Sie antwortete:
Schwöre mir! R. ^Aqiba schwur mit seinen Lippen u. machte es in
seinem Herzen ungültig. Er sprach zu ihr: Dieser dein Sohn, wie ver-
hält es sich mit dem? Sie antwortete: Als ich ins Brautgemach ging,
war ich eine Menstruierende u. mein Eheherr sonderte sich von mir
ab, aber mein Brautführer kam über mich, u. so ward mir dieser Sohn.
So wurde das Kind als Bastard u. Sohn einer Menstruierenden erfunden.
Da sagte man: Groß ist R. ^Aqiba, da er seine Lehrer (R. Eli?ezer u.
R. J'^hoschua?) beschämt hat. In jener Stunde sagte man: Gepriesen
sei Jahve, der Gott Israels, der sein Geheimnis dem R. ^^Aqiba b. Joseph
kundgetan hat! — Da diese drei Lehrer mehr als ein halbes Jahr-
hundert jünger waren als Jesus, kann mit dem Knaben, der hier als
Muster der Frechheit dient, Jesus nicht gemeint gewesen sein. Trotz-
dem hat die spätere Zeit die Geschichte auf ihn u. seine Mutter Maria
bezogen, s. Strack, Jesus S. 28*. — ÄlinHch verhält es sich mit J'b
4, 13 : (Wer ist ein Bastard ?) R. J'^hoschua? (um 90) sagte : Jeder, dessent-
wegen sie (die Eltern) der gerichtlichen Todesstrafe schuldig werden.
R. Schimfon b. fAzzai (s. oben S.4) hat gesagt: Ich habe ein Geschlechts-
register ■ponT' rp372 in Jerusalem gefunden, in dem geschrieben war:
Der u. der ist ein Bastard von einer verheirateten Frau. Um die Worte
des R. J^hoschua? zu bestätigen. — Obwohl mit nichts angedeutet ist,
daß unter dem N N Jesus zu verstehn sei, hat man die Stelle doch
immer wieder auf ihn gedeutet, zB Jos. Derenbourg bei Strack, Jesus
S. 27*. — Ohne Zweifel aber bezieht sich auf Jesum u. seine Mutter
P<^siqR 21 (100''. 101=^): R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: Wenn
der Sohn der Hure zu dir sagt: Es gibt zwei Götter, so antworte ihm: Ich
bin derselbe vom Meer (Schilfmeer), ich bin derselbe vom Sinai. (So oft
sich Gott offenbart hat, so ist er doch nur Ein Gott.) . . . R. Chijja b. Abba
Matth 1, 16 (Nr. 7). 1, 17 (Nr. 1. 2) 43
sagte: Wenn der Sohn der Hure zu dir sagt: Es gibt zwei Götter, so
antworte ihm: „Von Angesicht zu Angesicht redeten Götter" steht hier
(Dt 5, 4) nicht geschrieben, sondern: „redete Gott mit euch." [! Sanh 106^:
„Und den Bil^am, den Sohn B^^^^ors, den Wahrsager" (erschlugen die
Israeliten Jos 13, 22). Wahrsager? Er war doch ein Prophet I R. Jochanan
(f 279) hat gesagt: Anfangs ein Prophet, schließlich ein Wahrsager. Rab
Papa (t 376) hat gesagt: Das ist es, was die Leute zu sagen pflegen: Von
Fürsten u. Herrschern stammte sie ab (u.) hurte mit Zimmerleuten. —
Biham wie öfters = Jesus; s. Sanh 106^-^ (2mal); Aboth 5, 19; dann die
Schlußworte auf Jesu Mutter zu beziehen.
1,17: Alle Glieder von Abraham bis auf David sind vierzehn.
1. Daß die Wendepunkte innerhalb der Israel. Geschichte durch
eine gleiche Anzahl der dazwischenliegenden Generationen markiert
werden, erscheint dem Evangelisten als etwas Bedeutsames. Auf
14 genealogischen Stufen steigt Abrahams Nachkommenschaft empor,
bis sie in David den Höhepunkt ihrer Macht erreicht; auf abermals
14 Stufen sinkt Israels Macht bis zur Ohnmacht des Exils hinab; aus
der Tiefe der Exilserniedrigung führt endlich wiederum auf 14 Stufen
eine Linie aufwärts, die in Jesu kulminiert. In diesem Geschichts-
verlaufe sollen die Leser nicht das Spiel des Zufalls, sondern das
Walten einer höheren Hand erkennen zur Festigung der Überzeugung,
daß Jesus der Antitypus Davids, der Messias ist. Vgl. Exkurs: „Vor-
zeichen der messian. Zeit" usw. II Nr. 4. Dabei sieht der Verf. über die
Tatsache hinweg, daß seine Zählung der Generationen eine Nach-
prüfung im einzelnen nicht verträgt.
2. Die Dreiteilung der Ahnenreihe Jesu in je 14 Glieder hat mit
den sogenannten Zahlensprüchen, wie sie sich in früherer Zeit in Spr
6, 16 u. Kap. 30 ; Sir 23, 16; 25, 1. 2. 7 ; 26, 5. 19 ; 50, 25 u. in späterer Zeit
zB Aboth 5; Ta^an 4, 6; P'^s 112^ HS''; Gittin 70%- Aboth RN31— 41
finden, nichts gemeinsam: letztere sollen vornehmlich mnemonischen
Zwecken dienen; die Generationenzählung hier ist auf die Stärkung
des Glaubens an Jesu Messianität berechnet. Dagegen liegen analoge
auf die Anzahl der Generationen sich stützende Betrachtungen vor aus
der vorchristl. Zeit in der Zehnwochen-Apokalypse des Buches Henoch
u. aus der nachchristl. Zeit ExR zu 12, 2.
ExR 15 (78'^): „Dieser Monat (Nisan) sei euch erster Monat, erster sei er euch
der Monate des Jahres" Ex 12, 2. Das meint, was geschrieben steht Ps 72, 7: ,Es wird
sprossen in seinen Tagen der Gerechte u. Freude in Fülle, bis der Mond nicht mehr."
Bevor Gott Israel aus Aegypten führte, tat er ihnen andeutungsweise kund, daß ihnen
die Herrschaft nur für 30 Generationen zufallen werde, denn es heißt: , Dieser Monat
sei euch der erste der Monate": ein Monat umfaßt 30 Tage u. eure Herrschaft 30 Ge-
schlechter. Der Mond fängt am 1. Nisan an zu leuchten u. leuchtet immer weiter
15 Tage lang; dann ist seine Scheibe voll geworden; vom 15. bis zum 30. Tage nimmt
sein Licht ab, bis es am 30. nicht mehr gesehen wird. So umfaßt auch Israel 30 Ge-
schlechter. In der Zeit von Abraham bis Salomo begann Abraham zu leuchten, s. Jes
44 Matthl,17 (Nr. 2)
41,2: „Wer ließ leuchten {—jr. gedeutet = n-sr) vom Osten her den, dem Heil be-
gegnet auf Schritt und Tritt (= Abraham)?" Dann kam Isaak, der gleichfalls leuchtete,
s. Ps 97, 11 : , Licht (Heil) ward gesät von dem Gerechten" (= von Isaak), s. Gn 26, 12:
„Und Isaak säte in diesem Lande u. erntete in diesem Jahre hundertfältig, denn Jahve
segnete ihn" (so der Kommentar M. K.). Es kam Jakob, u. er mehrte das Licht, s.
Jes 10, 17: „Es wird das Licht Israels (= Jakobs) zum Feuer." Darauf kamen J'^huda,
Pere^. Chevron, Kam, f Amminadab, Nachschon, Salmon, Bo?az, fObed, Isai u. David.
Als Salomo kam, wurde die Mondscheibe voll, s. 1 Chr 29, 23: „Salomo setzte sich auf
den Thron Jahves als König." Aber kann sich denn ein Mensch auf den Thron Gottes
setzen, von dem es heißt Dn 7,9: „Sein Thron sind Feuerflammen"? Vielmehr (will
1 Chr 29, 23 sagen), wie Gott herrscht von dem einen Ende der Welt bis zum andren
u. über alle Könige, vgl. Ps 138, 4: „Preisen werden dich, Jahve, alle Könige der Erde",
so herrschte auch Salomo von dem einen Ende der Welt bis zum andren, s. 2 Chr 9,
28 f.: „Alle Könige der Erde suchten das Angesicht Salomos . . . u. sie brachten ein
jeder sein Geschenk dar." Deshalb wird gesagt: „Es setzte sich Salomo auf den Thron
Jahves als König. ..." Siehe, da war die Mondscheibe voll geworden. Von da an
fingen die Könige an abzunehmen: der Sohn Salomos Rehabeam u. der Sohn Rehabeams
Abia u. sein Sohn Asa, Jehosaphat, Jehoram, Achazjahu, Jehoasch, Amapja, füzzijja,
Jotham, Achaz, Hiskia, Manasse, Amon, Josia, Jehojakim. Als (jJedekia kam, von dem
geschrieben steht Jer39, 7: „Die Augen (j!edekias blendete Nebukadnecjar", da hörte
das Licht des Mondes auf. Alle jene Jahre haben die Väter, obwohl Israel gesündigt
hatte, für sie gebeten u. Frieden gemacht zwischen Israel u. Gott. . . . Und wie lange
haben die Väter für sie gebeten? Bis ^!edekia seine x\ugen verlor, wie es heißt Ps
72, 7: „Friede in Fülle, bis der Mond nicht mehr", u. bis das Heiligtum zerstört wurde
nach den 30 Geschlechtern, während deren Zeit Israel etwas von der Herrschaft inne
hatte. Wer aber schafft von da an bis jetzt Israel Frieden? Jahve, s. Nu 6, 26: „Jahve
wende sein Angesicht dir zu u. schaffe dir Frieden." — Man beachte, wie der Autor'
dieser Auslegung in ihrer zweiten Hälfte 16 Generationen aufgezählt hat, obwohl nur
15 zu seiner Theorie paßten; dergleichen Unebenheiten scheinen sonder Belang gewesen
zu sein. || Henoch 93, 1 — 10; 91, 12 — 17. Die Zehnwochen-Apokalypse, vermutlich aus
der Zeit der frühesten. Makkabäerkämpfe stammend, läßt die Geschichte der Welt sich
vollziehen in 10 Wochen oder Siebenheiten, d. h. in 10 mal 7 Generationen. Leider liegt
ihr ursprünglicher Text nicht mehr vor. Als nämlich nach der Periode des Schwertes
(=: 9. Woche des ursprüngl. Textes) die messian. Zeit nicht eintrat, kam ein Späterer
u. riß, um für die gescliichtl. Entwicklung in seinen Tagen Raum zu gewinnen, die
10. Woche des Originals (= Messiaszeit) in 2 Wochen, die 9. u. die 10. des gegenwärtigen
Textes, auseinander. (Daher rührt das Unbestimmte in der Beschreibung der 9. Woche
u. die inhaltliche Entleerung der ersten sechs Teile der 10. Woche des uns vorliegenden
Textes.) Dadurch sah sich dieser Spätere genötigt, um die Zehnzahl der Wochen nicht
zu überschreiten, 2 frühere Wochen in Eine zus.zuziehen; er wählte hierzu die 6. u. die
7. Woche des Originals, welche im gegenwärtigen Texte die 6. Woche bilden, so daß
die ganze Zeit vom Tempelbau Salomos bis zum Exil, die ursprünglich 2 Siebenheiten
= 14 Generationen umfaßte, auf 1 Siebenheit = 7 Generationen eingeschränkt wurde.
Legt man das Original zugrunde, so gehören nach der Zehnwochen- Apokalypse die ersten
3 Weltwochen, an deren Ende Abraham (= 20. Generation) erscheint, der vorisraelit.
Welt u. die letzten 7 Wochen der Geschichte Israels an. Von den 7 Wochen Israels
entfallen die beiden ersten (= 4. u. 5. Weltwoche) auf die Zeit von Isaak bis Salomos
Tempelbau; die 3. u. 4. Woche Israels (= 6. u. 7. Weltwoche) auf die Zeit vom Tempel-
bau bis zum Exil; die 5. u. 6. Woche Israels (= 8. u. 9. Weltwoche) auf die Wieder-
herstellung Israels nach dem Exil u. auf die Periode des Schwertes, an deren Ende,
nachdem das Schwert der Frommen an den ungerechten u. abtrünnigen Israeliten das
Gericht vollzogen hat, der (messianische) Tempel in Herrlichkeit erbaut wird. Die
' Nach P-siq 53=* u. P'siqR 15 (76'') ist R. B^'reklija, um 340, als Autor anzunehmen.
Matth 1,17 (Nr. 2). 1, 18 (?l. SB) 45
T.Woche Israels (= 10. Weltwoche) umfaßt die messian. Zeit, in der das Gericht über
die Weltvölker gehalten wird u. alle Ungerechtigkeit von der Erde verschwindet, bis
endlich in ihrem Schlußteil das Gericht über die Engel u. die Erneuerung des Himmels
erfolgt. „Danach werden viele zahllose Wochen bis in Ewigkeit in Güte u. Gerechtigkeit
sein, u. die Sünde wird von da an bis in Ewigkeit nicht mehr erwähnt werden." —
Man sieht, das Schema der Zehnwochen-Apokalypse deckt sich ziemlich genau mit den
Aufstellungen in Mt: nachdem je 14 Generationen von Isaak bis Salomo u. von Salomo
bis zum Exil vergangen sind, wird nach Verlauf von noch einmal 14 Generationen der
Anbruch der messian. Endvollendung erwartet. Es ist möglich, daß diese rechnerischen
Spekulationen weiteren Kreisen u. auch dem Evangelisten bekannt geworden sind;
dann wird der letztere sie benützt haben, um seine Volksgenossen darauf hinzuweisen,
daß das, was ihre früheren Weisen über die Ankunftszeit des Messias gelehrt haben,
in Jesu erfüllt sei.
10 Generationen rechnet Dosa b. Archinos (um 90 n. Chr.) von Esra bis Elfazar
b. f Azarja (um 100) pj^b 1, 3 b, 1 ; pTaf an 4, 67 '', 28 ; bB'^rakh 27 "^ unten.
1,1891: Als Maria, seine Mutter, dem Joseph vertrauet war.
fxvTjffTav&siarjg, über Verlobung u. Vermählung s. bei Joh 2, 1.
33 Ehe er sie heimholte {ttq}}' t] aweX^slv avtovg).
Wünsche, zum Teil auch Lightfoot haben die Worte: „bevor sie
zus. gekommen waren" nach den Bestimmungen über das Alleinsein der
Brautleute in der Zeit zwischen Verlobung u. Vermählung zu erklären
versucht, zumal die Peschita GvveXd^eTv mit -ismnir:, das dem rabbin.
n^rr: entspreche, wiedergegeben habe. Aber -pamp'.:;; bedeutet nicht „sie
waren allein", sondern „sie verbanden, vereinigten sich", nämlich zur
Ehe. Ferner ist das „Alleinsein" der Verlobten in Galiläa, der Heimat
Josephs u. Marias, gar nicht üblich gewesen, s. die folgenden Zitate.
Wie hätte also Mt dazu kommen sollen, seine Ausdrucksweise von
einem in Galiläa nicht geübten Brauch bestimmen zu lassen! Die Worte
bezeichnen vielmehr die nöirri, die Aufnahme der Maria in Josephs
Haus (vgl. nagalaßslv Vers 20. 24), u. besagen, daß, bevor noch das
häusliche u. eheliche Zus. leben begonnen hatte, Maria als schwanger
befunden wurde.
K'^th 1, 5: Wer in Judäa bei seinem Schwiegervater ohne Zeugen
(das Verlobungsmahl, s. bei Joh 2, 1) genossen hat, kann keine Klage
wegen mangelnder Jungfräulichkeit erheben, weil er mit ihr allein
gewesen ist. — Aus dieser Mischna werden die beiden nächsten Sätze
gefolgert: K'^th Q'': Rab Joseph (f 333) hat gesagt: ... In Judäa gilt
dies, daß er keine Klage erheben kann; aber in Galiläa kann er eine
erheben (weil dort die Brautleute nicht allein sind). — K«^th 12 a: Abaje
(t 338/39) hat gesagt: Daraus (aus K'^th 1, 5) kann man entnehmen,
daß es auch in Judäa viele Orte gibt (in denen Klage erhoben werden
darf, nämlich in allen denen, wo die Brautleute nicht allein zu sein
pflegen).! Hierfür wird dann geltend gemacht die Bar Tos K'^th 1,4
^ K'^th 7'\24 stellt es Abaje als Regel hin, daß in Judäa die Brautpaare allein
zus. seien, ns;? -n-'-rtt.
46 Matthl,18(SB)
(261): R. J*^huda (um 150) hat gesagt: In Judäa ließ man früher den
Bräutigam u. die Braut eine Stunde (vor ihrem Eintritt in das Braut-
gemach, K'^'th 12") allein, damit er zutraulicher zu ihr werde (wörtlich:
damit sein Herz dreist gegen sie werde) ; ^ aber in Galiläa hatte man
diesen Brauch nicht. In Judäa untersuchte man Bräutigam u. Braut
eine Stunde vor Eintritt in das Hochzeitsgemach (ob sie Blutspuren
an sich haben), aber in Galiläa hatte man diesen Brauch nicht. In
Judäa stellte man zwei Brautführer auf (s. bei Mt 9, 15), einen von
Seiten der Familie des Bräutigams u. einen von selten der Familie der
Braut; jedoch stellte man sie nur für die Vermählung auf; aber in
Galiläa hatte man diesen Brauch nicht. In Judäa schliefen die beiden
Brautführer an dem Orte, wo Bräutigam u. Braut schliefen; aber in
Galiläa hatte man diesen Brauch nicht. Wer diesen Brauch nicht be-
obachtete, konnte keine Klage wegen mangelnder Jungfräulichkeit
führen. (Diese Bar mit geringen Abweichungen auch pK'^thl,25%
36—43; bKethl2^)
In K^th 12 a schließt sich folgende Diskussion an: Worauf (beziehen
sich die Schlußworte: „Wer diesen Brauch nicht beobachtete")? Wenn
man sagen wollte: Auf den Anfang (auf die Worte: In Judäa ließ man
die Brautleute eine Stunde allein), so müßten die Schlußworte lauten:
„Wer diesen Brauch beobachtet" (aber nicht: Wer diesen Brauch nicht
beobachtet). Sollen sich aber die Schlußworte auf das Ende (die Tätig-
keit der Brautführer in Judäa) beziehen, dann müßten sie lauten: Wer
sich nicht untersuchen ließ, konnte keine Klage führen. Abaje (f 338/39)
sagte: Immer wollen sich die Schlußworte auf den Anfang beziehen,
so daß gelehrt wird: Wer den Brauch beobachtet (mit seiner Braut
vor Beginn der Ehegemeinschaft allein zu sein, kann keine Klage er-
heben). Raba (f 352) erwiderte ihm: Aber es heißt doch: Wer diesen
Brauch nicht beobachtet. Vielmehr, sagte Raba, ist die Stelle so zu
verstehn: Wer nicht den Brauch Galiläas in Galiläa, sondern den Brauch
Judäas in Galiläa beobachtet, kann keine Klage wegen mangelnder
Jungfräulichkeit erheben. Rab Aschi (f 427) sagte: Immer beziehen
sich die Schlußworte auf das Ende, so daß gelehrt wird: Wer sich
nicht untersuchen läßt (kann keine Klage führen).
Die Auffassung des Rab Aschi dürfte die richtige sein. R. J^huda
will in der Bar sagen, daß trotz des freieren Verkehrs der Brautleute
miteinander, der im allgemeinen die Klage wegen mangelnder Jung-
fräulichkeit ausschloß, doch auch in Judäa die Möglichkeit dazu in
dem Falle gegeben war, daß der Bräutigam von der geschilderten
Tätigkeit der Brautführer Gebrauch machte. In Galiläa dagegen be-
durfte es der Mitwirkung der Brautführer nicht, weil das Alleinsein der
.Brautleute dort überhaupt nicht üblich war, mithin dem Bräutigam stets
der Klageweg wegen Fehlens der jungfräulichen Zeichen offen stand.
1 Vgl. R. J'hudas Ausspruch in J'^^b 4. 10 (unten S. 47 f.).
Matth 1,18 (5B. 6 1) 47
Wie es in Judäa zu dem freieren Verkehr der Verlobten miteinander
gekommen ist, schildert pK«th !, 25'', 20: „Vordem hatten sie (die
römischen Machthaber) eine Verfolgung über die Juden verhängt; denn
sie hatten diese Überlieferung von ihren Vätern her, daß J'huda (der
Sohn Jakobs) den Esau (der als Ahnherr der Römer galt) getötet habe,
s. Gn49, 8: „Deine (J^hudas) Hand sei am Rücken deiner Feinde."
Und sie kamen u. unterjochten sie (die Juden) u. notzüchtigten ihre
Töchter u. bestimmten, daß der Befehlshaber ihnen zuerst beiwohne.
Da ordneten sie (die jüdischen Gelehrten) an, daß der (verlobte) Ehe-
mann ihr (seiner Braut) beiwohnen sollte, solange sie noch im Hause
ihres Vaters sei; denn darum, daß sie wisse, daß die Furcht ihres
Gatten auf ihr sei, fühle sie sich auch zu ihm hingezogen. Aber wohnte
ihr nicht doch in jedem Falle schließlich der Oberbefehlshaber bei (was
hatte also die Verordnung der Gelehrten für einen Zweck)? Sie wurde
so eine Genotzüchtigte u. eine solche ist (ihrem Mann hinterher) zum
Beischlaf erlaubt. Was taten aber die Priesterfrauen (die auch als
Genotzüchtigte ihren Männern zur Fortsetzung des ehelichen Verkehrs
nicht erlaubt waren)? Sie verbargen sich. Da verbargen sich auch die
Töchter Israels. Das Gerücht davon verbreitete sich, so daß auch die
(feindliche) Regierung Kunde bekam. Da gerieten diese (die Töchter
Israels) u. jene (die Priesterbräute) in Bestürzung. Was für ein Merk-
mal hatten denn jene (die Feinde)? Die Stimme der Mühle in einer
Stadt zeigte ihnen an, daß dort Hochzeiten stattfänden, u. das Kerzen-
licht in Beror-Chajil (Wohnsitz des Rabban Jochanan b. Zakkai, f um 80)
zeigte an, daß Beschneidungsfeiern gehalten würden. Obgleich die Ver-
folgung aufhörte, so hörte doch jener Brauch (der freiere Verkehr
zwischen den Verlobten) nicht auf. Vgl. auch K'^thS''; Sanh32''.
1,186: Fand sich's, daß sie schwanger war
von dem heiligen Geist.
1. Die Erkennbarkeit der Schwangerschaft tritt nach allgemeiner
Annahme der Rabbinen 3 Monate nach der Empfängnis ein ; deshalb
wurde festgesetzt, daß die Wiederverheiratung von Witwen, Geschie-
denen usw. nicht vor Ablauf von 3 Monaten nach der Trennung von
ihrem früheren Manne erfolgen sollte.
pJ*'b4, 11 f6*, 17): Wann tritt die Erkennbarkeit der Schwangerschaft (wörtl. des
Fötus) ein? Symmachos (b. Joseph, um 180) hat im Namen des R. Meir (um 150) gesagt:
Nach 3 Monaten. Wenn es auch keinen Beweis dafür (nämlich aus der Schrift) gibt,
so doch eine Andeutung, s. Gn.S8, 24: „Nach ungefähr 3 Monaten wurde dem J'^huda
berichtet: Deine Schwiegertochter Thamar hat gehurt" usw. — In andrer Fassung Tos
Nidda 1, 7 (642). II J'^b 4, 10: Die zur Leviratsehe verpflichtete Schwägerin soll nicht
eher zur Zeremonie des Schuhausziehens u. zur Leviratsehe schreiten, bis ihr 3 Monate
(nach dem Ableben ihres Mannes) vergangen sind. Ebenso sollen auch alle andren
Frauen sich nicht wieder verloben oder wieder verheiraten, bis ihnen 8 Monate ver-
gangen sind, es seien Jungfrauen oder vom Mann Erkannte, es seien Geschiedene oder
Witwen, es seien verheiratet Gewesene oder verlobt Gewesene. B. J'^huda (b. El'ai, um
48 Matthl,18(6l.2)
150) sagte: Die bereits verheiratet Gewesenen dürfen sich (sofort) verloben u. die
bereits verlobt Gewesenen können sich (sofort) verheiraten, mit Ausnahme der ver-
lobten Bräute in Judäa, weil dort der Bräutigam in vertrauterer Weise mit seiner Braut
verkehrt (wörtl.: weil sein Herz dreist gegen sie ist). R. Jose (b. Chalaphta, um 150)
sagte: Alle Frauen dürfen sich (sofort) wieder verloben mit Ausnahme einer Witwe der
Trauer wegen. |i J'^b 42^: Weshalb (sollen) auch alle übi'igen Frauen (3 Monate warten)?
Rab Nachman (b. Jakob, ein Babylonier, f 320) hat gesagt: Sch^muel (ein Babylonier,
t 254) hat gesagt: Weil es heißt Gn 17, 7: ,Daß ich dir als Gott eigen sein will u.
deinem Samen nach dir", um nämlich prüfend zu unterscheiden zwischen dem Samen
des ersten u. des zweiten Mannes.
2. Tirsvaa ayioi\ dipn nn, bezeichnet Mt 1, 18 die Leben wirkende
Schöpferkraft Gottes; in dieser Bedeutung scheint sich 'npn nin in der
älteren rabbin. Literatur nicht zu finden ;i erst in dem ziemlich späten
Psalmentargum begegnet ein diesbezüglicher Beleg, indem Ps 104, 30
wiedergegeben wird: Du sendest deinen heiligen Geist, so werden sie
geschaffen, u, du erneuerst die Oberfläche der Erde. — Der rabbinische
Sprachgebrauch verstand unter 'c-i-pn, n— i den Geist der Prophetie u.
Inspiration, der in den Führern u. Propheten Israels u. in den Ver-
fassern der heiligön Schriften wirksam war, — Belege s. zu Mt 22, 43 u.
2 Petr 1,21 Anm. 16. — Bezeichnend für das Fehlen der ersten Bedeutung
in der älteren rabbin. Literatur ist die Deutung der Worte: Der Geist
Gottes schwebte über den Wassern Gn 1, 2. Nirgends tritt der Versuch
hervor, in diesem göttlichen Geiste die schöpferische Lebenskraft Gottes
zu sehn, vielmehr versteht man unter nii entweder den über die ge-
waltigen Urwasser hinwehenden Wind,a oder man deutet mn auf den
Geist Adams, wohl auch allegorisch auf den Geist des Messias (s. zu
Job 1, 1 SV ccQxij rjv 0 Xoyog D). Dem richtigen Verständnis nähern sich
der Targum Jerusch I u. II; nur lassen sie an Stelle des schöpferischen
Gottesgeistes denbarmherzigen Gottesgeist b über den Wassern schweben,
wohl geleitet von dem alten haggadischen Satze, daß Gott seine Welt
geschaffen habe u. noch erhalte nicht nach dem Prinzip des strengen
Rechts, sondern nach den Normen der Billigkeit u. des Erbarmens.
a. Targ Onk Gn 1, 2 : Und der Wind von vor Jahve wehte über das Wasser. || GnR
1 (2**): Ein Philosoph fragte den Rabban Gamliel IL (um 90): Ein großer Bildner ist
euer Gott, aber er fand auch schöne Farben (Urstoffe) vor, die ihm halfen: Tohu, Bohu,
Finsternis, Wiud, Wasser u. T'^hom (die Tiefe), Gn 1, 2. Er erwiderte ihm: Möchte ver-
hauchen dieses Mannes (— dein) Geist! Von diesen Dingen allen wird in der Schrift
ja eine Erschaffung ausgesagt; vom Tohu Vabohu heißt es Jes 45, 7: Der Frieden (Ord-
nung zwischen den Elementen) macht u. Übles (= Tohu Vabohu) schafft. Vom Licht
Jes 45, 7: Der das Licht gebildet u. die Finsternis geschaffen. Vom Wasser Ps 148, 4 f.:
Preiset ihn, ihr Himmel der Himmel, u. ihr Wasser über den Himmeln . . ., denn er
gebot u. sie wurden geschaffen. Vom Winde Arnos 4, 13: Denn siehe, der Bildner der
Berge u. der Schöpfer des Windes (so der Midrasch). Von der Tiefe Spr 8, 24: Da noch
keine Tiefe war, bin ich geboren. || Chag 12*: Rab J«huda (b. J'^'chezqJel, ein Babylonier,
^ Wohl aber kommt (Gottes) Geist in' diesem Sinn einigemal in den Apokryphen
u. Pseudepigraphen vor. Judith 16, 14: Du sandtest deinen Geist nvsv/j.K aus u. er baute
(half mit beim Schopfungswerk). II Apoc Bar 21,4: Der du dem Firmament durch das
Wort seinen Platz angewiesen u. die Höhe des Himmels durch den Geist befestigt hast.
Matthl,18 (6 2.3) 49
t 299) hat gesagt: Rab (f 247) hat gesagt: Zehn Dinge wurden am 1 . Schöpf ungstage
geschaffen : Himmel, Erde, Tohu, Bohu, Licht, Finsternis. Wind, Wasser, das Maß des
Tages u. das Maß der Nacht. Beweis: Gnl,l — 5.
GnR 2 (3^): R. Chaggai (um 330) hat im Namen des R. P^dath (um 300) in bezug
auf die Worte: , Der Wind schwebte über den Wassern" (Gnl,2) gesagt: Ein Vertrag
wurde mit dem Wasser abgeschlossen (d. h. es wurde zum Naturgesetz), daß auch zur
Zeit der Gluthitze der Wind wehen soll.
GnR 2 (3''): R. J'^huda b. Simon (um 320) hat Gn 1, 2 ff. auf die Generationen aus-
gelegt: ,Die Erde war Tohu", das zielt auf den ersten Menschen, der zu Nichts u.
Nichtigkeit wurde. „Bohu" zielt auf Kain, der die Welt ins Tohu Vabohu zurück-
zuführen suchte. „Finsternis" auf das Geschlecht des Enosch, weil ihre Werke in
Finsternis geschahen, daß sie sagten: Wer sieht uns? (Jes 29, 15). Die Worte „über
der Tiefe" zielen auf das Geschlecht der Flut, s. Gn7, 11: An diesem Tage öffneten
sich alle Quellen der Tiefe. Und die Worte „der AVind Gottes schwebte über den
Wassern" sind gesagt, weil Gott Wind über die Erde wehen ließ Gn8, 1. Da sprach
Gott: Wie lange soll die Welt in Finsternis geleitet werden? Es komme das Licht!
Und Gott sprach: „Es werde Licht", das zielt auf Abraham, s. Jes 41, 2: „Wer machte
zum Licht (so der Midrasch) vom Osten her den, dem Heil begegnet?" Lies nicht
„wer erweckte" "i'"~, sondern „wer machte zum Lichte" "^"s". „Und Gott nannte das
Licht Tag" zielt auf Jakob, „u. die Finsternis nannte er Nacht" auf Esau. „Und es
ward Abend" zielt auf Esau, ,u. es ward Morgen" auf Jakob. Es ward Abend, das
ist der Abend Esaus; u. es ward Morgen, das ist der Morgen Jakobs; „Ein Tag" vgl.
Sachl4, 7: Und es wird ein bestimmter Tag sein, der ist Jahven bekannt, weder Tag
noch Nacht usw. - TanchB n: 18 b; „Wind" GnS, 1 = „Wind" Gn 1, !?.
b. Targ Jerusch I u. II zu Gn 1, 2*^: Der Geist der Barmherzigkeit von vor Jahve
wehte über die Oberfläche des Wassers.
3. Auf Grund von Gnl7,17; 18, 11 — U; 21, 1—7; 25, 21 galt es der
alten Synagoge für ausgemacht, daß Isaaks u. Jakobs Empfängnis wie
Geburt auf das unmittelbare schöpferische Eingreifen Gottes zurück-
zuführen sei.a Dagegen klingt die Vorstellung, daß ein Mensch ohne
Zutun eines Mannes allein durch göttliche Wirkung von einem Mutter-
schoß empfangen u. geboren werden könne, nirgends in der älteren
jüdischen Literatur auch nur leise an. Darum hat das alte Judentum
auch niemals erwartet, daß etwa der verheißene Messias auf dem Wege
übernatürlicher Zeugung das Licht der Welt erblicken werde; auch
ihm gegenüber galt der Kanon: Mensch von Menschen geboren. b So
bedeutet Mt 1, 18 dem jüdischen Denken gegenüber ein absolut Neues.«
• a. GnR 47 (29") u. 53 (33*1): R. Judan (um 350) hat im Namen des Resch Laqisch
(um 250) gesagt: Sara hatte keine Gebärmutter, aber Gott höhlte ihr die Gebärmutter
aus. — Wörtlich die gleiche Aussage über Rebekka u. Ruth GnR 63 (39 <=) ; Midr Ruth
4, 12(137a)s. obenS. 27r.
b. Ju.stin. Martyr Dial. c. Tryph. 49: ndpreg ijjueig die Juden toV X^tarof av&Qio-
noy iS cci^flQuJncop nQoatfoxtßfxsy ysptjaeff&ai. \\ Philosophumena 9, 30 (ed. Miller S. 308):
Fepeaiy fjisv ydg avrov (sc. tov Xqigtov) iaousprjv Xsyovait' sx ysrovg Jaßld, «ÄA' ovx
ix TiccQ&ivov XKL (tylov Upsv/ucdog, aXi.' ix yvyaixdg xcd dr&Qog (6g näaiv OQog yevväa&ab
ix ansQuccrog.
c. Nork, Rabbinische Quellen 1, 12 f. bringt zum Beweise, „daß die wunderbare
Zeugung des Messias eine ursprünglich jüdische Glaubenssache war", folgende Stelle
aus einem Midrasch KL 69*^ bei. Es heißt KL 5, 3: Wir sind Waisen geworden, vaterlos.
R. B'^rekhja hat gesagt: Gott sprach zu Israel: Ihr sagt zu mir: „Waisen sind wir ge-
worden u. ohne Vater" ; auch der Erlöser, den ich von euch werde erstehn lassen, wird
Strack u. Billerbeck, NT I. 4
50 Matthl,18(6 3). l,19(Nr.l)
keinen Vater haben, wie es heifst SacliG, 12: ^ Siehe ein Mann, dessen Name , Sproß",
11. von unten auf wird er sprossen"; u. ebenso sagtJesöS, 2: „Er wuchs auf wie ein
Schößling vor ihm"; u. über ihn hat David gesagt: ,Aus dem Schöße der Morgenröte
kommt dir der Tau deiner Jugend" PsllO, 3. — Dieses Zitat findet sich auch beiMosche
ha-Darschan (1. Hälfte des 11. Jahrh.s) zu Gn 37, 22. ^ Mit der übernatürlichen Geburt
des Erlösers aber hat diese Stelle nichts zu schaffen: der vaterlose Erlöser ist gleich-
bedeutend mit einem namenlosen Erlöser. Das zeigt Midr KL zu 5, 3 (TS''): Wir sind
Waisen geworden u. ohne Vater. R. B<^rekhja (um 340) hat im Namen des R. Levi (um
800) gesagt: Gott sprach zu Israel: Ihr weint u. sagt zu mir: Waisen sind wir ge-
worden u. ohne Vater; bei eurem Leben, auch der Erlöser, den ich von euch dereinst
in Medien werde erstehn lassen, wird keinen Vater u. keine Mutter haben, vgl. Esth
2,7: jMardokhai hatte die Hadassa aufgezogen, das ist Esther, die Tochter seines
Oheims; denn sie hatte weder Vater noch Mutter." — Ebenso Midr Esth zu 2, 7 (93*^). —
Selbstverständlich soll Esther durch die Worte, daß sie keinen Vater u. keine Mutter
habe, nicht als ein Erlöser hingestellt werden, der sein menschliches Dasein einer
besonderen Wundertat Gottes verdanke, sondern die Worte sollen ausdrücken, daß
Esther zur Retterin ihres Volkes bestimmt sei, obwohl ihr von Haus aus kein großer
Name eignete: ohne Vater u. ohne Mutter, ungekannt u. ungenannt, soll sie das gött-
liche Werkzeug zur Befreiung Israels werden. Genau so ist es gemeint, wenn vom
Messias gesagt wird, daß er keinen Vater haben werde.
Eine andre Parallele für die übernatürliche Geburt Jesu ix npsi'/ucaog dyiov hat
Siegfried, Analecta rabbinica, Leipzig 1875, S. 4 in Tanch s^"i 26 '^ finden wollen: „?i""3
wurde Sara heimgesucht u. nach sieben Monaten wurde Isaak in der Passahnacht ge-
boren, s. GnlS, 14: ,Zu dieser Frist werde ich wieder zu dir kommen um diese Zeit.'
Vier Unfruchtbare wurden r:"-2 heimgesucht: Sara, Rebekka, Rahel u. Lea." — Aber
die Abbreviatur n"i3 ist nicht v-^y-' ~i~= „durch den heiligen Geist" aufzulösen, son-
dern r.:-Dn üN^a „am Neujahrstage"!! Vgl. RHU''.
1,19: Joseph aber, ihr Mann, der gerecht war u. sie (doch)
nicht in Schande bringen wollte, gedachte sie heimlich zu
entlassen.
1. Als dixaioc, p-in-^, im strengen Sinn des Wortes galt nach rabbin,
Anschauung derjenige, der das Gesetz in seinem ganzen Umfange ge-
halten hatte; im weitern Sinn wurde aber auch derjenige ein Gerechter
genannt, dessen Verdienste vor Gott durch Gesetzeserfüllung u. gute
Werke die infolge von Gesetzesübertretungen auf ihm liegende Schuld
aufwogen.» In diesem gewissermaßen technischen Sinn ist dtxaiog hier
nicht gemeint; vielmehr wird Joseph so als ein Mann charakterisiert,
der das Gesetz zur Norm seines Handelns gemacht hatte; u. eben weil
J. sich in seinem Gewissen an das Gesetz gebunden fühlte, will er aus
der Schwangerschaft seiner Verlobten die gesetzlichen Folgen für sein
weiteres Verhalten ihr gegenüber ziehn.
a. RH 16"^ Bar: Die Schule Schammais sagte: Drei Abteilungen wird es am Tage
des (jüngsten) Gerichts geben: die der vollkommenen Gerechten, die der vollkommenen
Gottlosen, die der Mittelmäßigen. Die vollkommenen Gerechten werden aufgeschrieben
u. sofort versiegelt für das ewige Leben, die vollkommenen Gottlosen werden auf-
geschrieben u. sofort versiegelt für den Gehinnom, s. Dn 12, 2: Und die Masse derer,
die da im Erdenstaub schlafen, werden erwachen, die einen zum ewigen Leben, die
andren zur Schmach u. ewigen Verdammnis. Die Mittelmäßigen (bei denen Verdienst
^ Sieh Raimundus Martin, Pugio fidei, ed. J. de Voisin, Paris 1651, 594.
Matthl,19(Nr. 1.2) ' 5^
u. Schuld sich die Wage halten) fahren hinab in den Gehinnom, drängen sich u. steigen
wieder empor, s. SachlS, 9: ,Ich will die dritte Abteilung (so deutet der Midrasch)
ins Feuer (des Gehinnom) bringen u. sie schmelzen, wie man Silber schmelzt, u. sie
läutern, wie man das Gold läutert. Sie wird meinen Namen anrufen u. ich will ihr
antworten." In bezug auf diese hat Haima gesagt 1 Sm 2,6: „Jahve ist es, der tötet
u. lebendig macht, der in die Unterwelt stürzt u. wieder emporführt. " — Die Schule
Hillels sagte: Der da grofs ist an Gnade (Ex 84, 6), neigt die Wagschale nach der Seite
der Gnade (d. h. die Abteilung der Mittelmäßigen wird ohne vorhergehende Läuterung
im Gehinnomfeuer sofort zum ewigen Leben zugelassen). In bezug auf sie hat David
gesagt Psllt), 1: „Liebe bewegt mich, denn Jahve wird meine Stimme hören", u. in
bezug auf sie hat David den ganzen Abschnitt gesagt Ps 116, 6 ff.: ,Ich war schwach
geworden u. er schaffte mir Heil." Dasselbe kürzer Tos Sanh 13, 3 (434). ij Schab 55":
R. Acha b. Chanina (iim 300) zu Ez 9, 4: Gott sprach zu Gabriel: Geh u. mache auf die
Stirn der Gerechten ein Tav (Zeichen in Kreuzform) von Tinte, damit die Engel des
Verderbens über sie keine Gewalt gewinnen, u. auf die Stirn der Gottlosen ein Tav
von Blut, damit die Engel des Verderbens über sie Gewalt gewinnen. Da sprach die
Eigenschaft der göttl. Gerechtigkeit vor Gott: Herr der Welt, inwiefern sind denn diese
von jenen verschieden? Er antwortete: Jene sind vollkommene Gerechte u. diese sind
vollkommene Gottlose. . . . Und was bedeutet das Tav? . . . R. Sch'^muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt: Das sind die Menschenkinder, die die ganze Tora vom Aleph bis
zum Tav (letzten Buchstaben) gehalten haben.
2. Zwei Wege standen Joseph zur Regelung seines Verhältnisses
zu Maria offen: entweder er beantragte bei dem Gerichtshofe ihre Be-
strafung nach dem Gesetz oder er entließ sie durch einen Scheidebrief.
Im erstem Falle kam nach Lage der Sache nicht Dt 22, 13 — 21, son-
dern ausschließlich' Dt 22, 23 f. in Betracht; denn erstere Bestimmung
konnte ihrem Wortlaut nach nur da zur Anwendung kommen, wo die
Brautleute bereits die Ehe geschlossen u. die eheliche Gemeinschaft
tatsächlich begonnen hatten, was bei Joseph u. Maria nicht zutraf.
Vers 23 f. bestimmte für das Vergehen einer buhlerischen Braut für
sie selbst u. ihren Buhlen die Strafe der Steinigung. Die schulmäßige
Auslegung, die diese Stelle schon in der mischnischen Periode erfahren
hatte, ließ sich von einer zwiefachen Tendenz leiten. Einmal war man
bemüht, die harte Todesstrafe der Steinigung möglichst durch die für
milder gehaltene Strafe der Erdrosselung zu ersetzen; zu diesem Zwecke
betonte man das Wort najara im Gesetze u. erklärte, daß nur eine
solche, d. h. nach rabbin. Festsetzung ein Mädchen im Alter von 12 J.
u. 1 Tag bis zu 12 J. u. 6 Monaten, gesteinigt werden dürfe, a während
ein jüngeres Mädchen, weil noch minorenn, überhaupt straflos bleiben, b
aber ein älteres, nach rabbin. Terminologie eine bogereth (Mannbare),
erdrosselt werden sollte. Diese Strafe hatte man festgesetzt auf Grund
des exegetischen Kanons, daß überall da, wo die Schrift eine bestimmte
Todesstrafe nicht ausdrücklich ausspreche, die Erdrosselung gemeint
sei.c Über den Vollzug dieser Strafe gibt Sanh 7, 3 das Nähere an.d —
Sodann belastete man Dt 22, 23 f. mit mehreren einschränkenden Be-
stimmungen derart, daß es für die Praxis mehr oder weniger illusorisch
wurde: Zeugen mußten das todeswürdige Verbrechen des buhlerischen
Paares mit ihrer Aussage erhärten können, u. diese Zeugen hatten
4*
52 Matthl,19 (Nr.2)
den Nachweis zu erbringen, daß sie das Paar vor der Tat unter Hin-
weis auf deren Folgen verwarnt hätten. Erst wenn das Paar trotz
der Verwarnung in ihrer Sünde verharrte, sollte die Verurteilung er-
folgen.e — Hätte also Joseph so gegen seine Verlobte vorgehn wollen,
würde er deren Bestrafung kaum erlangt haben; höchstens hätte er
ihre öffentliche Beschämung erzielt; da ihm an dieser nichts gelegen
war, wollte er den andern Weg einschlagen, nämlich durch Aus-
händigung eines Scheidebriefes sich unter der Hand von Maria trennen.*
a. Sanli 7,9 (zu Dt 22, 23 f.): Wer einem verlobten Mädchen beiwohnt, macht sich
(der Steinigung) nur dann schuldig, wenn sie eine na'ara, eine Jungfrau, eine Verlobte
ist u. im Hause ihres Vaters weilt. — Dazu die Gemara Sanh 66'': Die Rabbanan
haben gelehrt: „nacara", nicht eine bogereth; „eine Jungfrau", nicht eine Deflorierte;
, eine Verlobte", nicht eine Verheiratete; „im Hause ihres Vaters", ausgenommen also,
wenn der Vater sie bereits den Abgesandten des Mannes übergeben hat (nämlich zur
Heimführung in des Bräutigams Haus).
b. Sanh 66'': R. JaEaqob b. Adda (um 250) fragte Rab (f 247): Wie verhält es sich
nach R. Mei'r (um 150), wenn jemand einer verlobten Minderjährigen (unter 12 Jahren)
beiwohnt; schließt er diesen völlig (von jeder Strafe) aus oder nur von der Strafe der
Steinigung? Er antwortete: Es leuchtet ein, daf3 er ihn nur von der Steinigung (also
nicht von der Erdrosselung) ausschließt. Es heißt doch aber Dt 22, 22: „Sie sollen
beide sterben", nämlich bis sich beide gleich sind (d.h. da sie als Minorenne straflos
bleibt, so muß doch auch der Verführer .straflos ausgehn, auch wenn er majorenn ist,
da sie sich sonst bei der Bestrafung nicht gleich wären)! Da schwieg Rab (weil er
keine Widerlegung wußte). || K'^th 44*^: Rab Adda bar Abba (ein Babylonier, um 325):
. . . Eine Minderjährige ist nicht strafbar.
c. K'-th 44''. 45^: Schela (Schulhaupt in Neharde'a, um 210) hat als Bar gelehrt:
. . . Hat sie (eine verlobte na'ara) sich vergangen u. war sie (als die Sache zur gerichtl.
Entscheidung kam) eine bogereth geworden, so wird sie zur Erdrosselung verurteilt.
Dasselbe Sanh 71'^'. || Siphre Dt 22, 22 § 241 (118»): „Sie sollen sterben"; mit der Todes-
strafe, von der in der Tora ohne nähere Angabe geredet wird, ist die Erdrosselung
gemeint. |i Sanh 52'': Die Rabbanan haben gelehrt: Er (der Ehebrecher) soll getötet
werden (Lv20, 10), nämlich durch Erdrosselung. Du sagst „durch Erdrosselung", oder
nicht vielmehr durch eine von all den Todesarten, die in der Tora genannt werden?
Sage: Überall, wo in der Tora von der Todesstrafe ohne nähere Bezeichnung geredet
wird, sollst du sie nicht zu erschweren, sondern zu erleichtern suchen. Das sind die
Worte Joschijjas (um 140, Schüler Jischmacels). R. Jonathan (gleichfalls Schüler Jisch-
macels, um 140): Nicht weil die Erdrosselung eine leichte Todesstrafe ist; sondern jede
Todesstrafe, die in der Tora ohne nähere Bestimmung genannt wird, ist nur die Er-
drosselung. Rabbi sagte: In der Schrift wird eine Todesstrafe durch Gottes Hand u.
eine solche durch Menschenhand erwähnt; wie nun der Tod durch Gottes Hand ein
Tod ist, der keine äußere Spur (am Leichnam) zurückläßt, so muß auch (der in der
Schrift nicht näher bezeichnete) Tod durch Menschenhand ein Tod sein, der keine
Spur zurückläßt (u. das ist eben der Tod durch Erdrosselung).
d. Sanh 7, 3'': Vorschrift betreffs der zu Erdrosselnden: Man senkte ihn (den Ver-
urteilten) in Dung bis an seine Kniee; dann legte man ein hartes Tuch in ein weiches
u. wickelte es um seinen Hals; der eine (der beiden Zeugen) zog es nach seiner Seite
u. der andre zog es nach seiner Seite, bis seine Seele ausging.
e. Sanh 57'': Wenn er (ein Heide) mit einer Israelitin Unzucht getrieben hat, so
wird er nach Israelit. Recht verurteilt. In welcher Hinsicht? Rab Nachman (b. Ja'aqob,
ein Babylonier, f 320) hat gesagt: Rabbah bar Abuha (Exilarch, Schwiegervater des
Vorigen, um 280) hat gesagt: Es bedarf dann des Gerichtskollegiums, der Zeugen u.
der (vorangegangenen) Warnung (wie bei einem Juden). || Sanh 41'': Wenn sie (die
Matthl,19(Nr. 2). 1,20 53
Zeugen) das verlobte Mädchen nicht gewarnt haben, wie kann sie getötet werden? ||
Siphre Dt 22, 23 f. §242 (118''): ,Wenn ein jungfräuliches Mädchen verlobt ist\ das
lehrt, daß er (der Verführer) sich nur dann {der Steinigung) schuldig macht, wenn sie
eine na'ara, eine Jungfrau u. einem Manne verlobt ist. — «Und es findet sie ein Mann
in der Stadt"; wenn sie nicht umhergelaufen wäre in der Stadt, so würde er nicht
über sie hergefallen sein. ,In der Stadt", das lehrt, daß ein offenstehender Riß den
Dieb herbeiruft (= Gelegenheit macht Diebe). „Und liegt ihr bei", in jeder Art von
Beiwohnung (also mit Einschluß auch der wideruatürlichen Unzucht). — ,So führt sie
beide zum Tor jener Stadt hinaus", das ist, wie wir gesagt haben, das Tor der Stadt,
darin sie sich befand (wohnte), u. nicht das Tor (der Stadt), darin sie verurteilt wurde.
,Und steinigt sie mit Steinen", etwa mit vielen Steinen? Die Schrift sagt lehrend:
bakbanim ,mit Steinen" (ohne Näherbestimmung). Etwa nur mit Einem Stein? Die
Schrift sagt lehrend: , mit Steinen." Daraus kannst du entnehmen: wurden sie nicht
durch den ersten Stein getötet, so werden sie durch den zweiten getötet werden. —
,Das Mädchen wegen des Wortes (so der Midrasch), daß sie nicht geschrieen hat";
wenn es heißt „wegen des Wortes", so ist damit gemeint , trotz der Verwarnung", um
die miteinzuschließen, die mutwillig sündigte trotz der Verwarnung seitens der Zeugen.
„Und den Mann wegen des Wortes, daß er das Weib seines Nächsten geschwächt hat";
wenn es heißt „wegen des Wortes", so ist damit gemeint „trotz der Verwarnung". !|
Sanh 41^: In der Schule Rabbis wurde gelehrt: „Wegen des Wortes, daß er das Weib
seines Nächsten geschwächt hat" Dt 22, 24 bedeutet: „wegen des Ausspruchs" (der ihn
verwarnenden Zeugen).
/. Zum Scheidebrief der Verlobten vgl. bei Joh 2, 1. Ferner Gittin 8, 9: Wenn jemand
seine Frau (durch Scheidebrief) entlassen hat u. dann übernachtet sie mit ihm in einer
Herberge, so bedarf sie nach der Schule Schammais keines zweiten Scheidebriefes von
ihm; nach der Schule Hillels dagegen bedarf sie eines solchen (durch die vielleicht
wieder aufgenommene eheliche Gemeinschaft wäre die Ehe wieder geschlossen). In
welchem Falle? Wenn sie nach der Hochzeit geschieden wurde. Aber (beide Schulen)
stimmen überein, daß, wenn sie nach der Verlobung geschieden wurde, sie eines zweiten
Scheidebriefes von ihm nicht bedürfe, weil er noch nicht vei'traulich mit ihr verkehrte.
1,20: Ein Engel des Herrn erschien ihm im Traume.
Die Träume haben in der alten Synagoge eine nicht unbedeutende
Rolle gespielt. Doch urteilte man über ihren Wert verschieden. R. Me'ir
(um 150) erklärte: „Träume erhöhen nicht u. erniedrigen nicht", d. h.
sie sind ohne Belang u. haben auf das Ergehen eines Menschen keinen
Einfluß. a R. Jonathan b. El^azar (um 220) hielt sie für Nachklänge der
Tagesgedanken eines Menschen. Ähnlich hat über sie Sch^muel (f 254),
u. früher auch wohl schon R. J'^hoschua? b. Chananja (um 90) geurteilt.b
Von Sch'^muel erzählte man sich nach B'^rakh 55^ auch folgendes: Wenn
er einen bösen Traum sah, sagte er Sach 10, 2: „Träume reden Eiteles";
u. wenn er einen guten Traum sah, sagte er (auf Grund desselben
Prophetenworts): „Sollten Träume Eiteles reden?" Damit wollte er
wohl in scherzhafter Weise die Bedeutungslosigkeit der Träume zum
Ausdruck bringen. — Diesen skeptisch urteilenden Gelehrten stehen
andre gegenüber, die die Träume auf Gott zurückführten c u. in ihnen
ein göttliches Offenbarungsmittel sahen. In diesen Gedankenkreis ge-
hört B^'rakh 57'': „Der Traum ist ein Sechzigstel von einer Prophetie",
oder wie R. Chanina b. Jigchaq (um 325) sagte: „Der Traum ist ein Ab-
fall (schwaches Gegenstück) der Prophetie", GnR 17 (12-'^); 44 (27'').
54 Matthl,20
Auch B^Takh 55^ wird hierher zu ziehen sein: „Rab Chisda (f 309)
hat gesagt: Jeder Traum ist ein Traum (ist, weil von Gott, bedeutungs-
voll), nur nicht der durch Fasten entstandene" (denn das Fasten macht
einen bösen Traum sofort unwirksam, s. S. 55). — R, J^huda u. R. Jose
(beide um 150) rechneten zu den unwirksamen Träumen auch die der
Sabbatnächte. Joma 83 '^ sagen sie zu einem betrügerischen Wirt, der
sich auf einen solchen Traum beruft: „An einem Traum nach Eintritt
des Sabbats ist nichts Wesenhaftes.' Raschi bemerkt hierzu: „Weil
sich der Mensch (am Freitag abend) in Ruhe befindet, so denkt er nach
u. sieht (infolgedessen) Träume." Hier liegt also die bereits oben er-
wähnte Anschauung vor, daß die Träume speziell in den Sabbatnächten
lediglich ein Fortspinnen der Tagesgedanken u. deshalb bedeutungslos
seien. — Als Offenbarungsmittel kommen die Träume sowohl in den
Pseudepigraphen als auch in der rabbin. Literatur in großer Anzahl vor.d
Mit der landläufigen Annahme, daß der eine Traum sich erfülle,
während ein andrer unerfüllt bleibe, suchte man sich so abzufinden,
daß man die „wahren" Träume von Engeln u. die nichtigen Träume
von bösen Geistern eingegeben sein ließ.e Mit dieser Meinung hängt
vermutlich zus. die etwas dunkle Größe des hier u. da erwähnten isch
ha-chalöm oder ba'al ha-chal6m. Letzterer Ausdruck stammt aus Gn
37, 19, wo Joseph von seinen Brüdern als „Träumer" m:3bnn h'jz be-
zeichnet wird. Im Rabbinischen wird man nach Raschi zu Sanh 30^
den Engelfürsten, der über die Träume gesetzt ist, darunter zu ver-
stehn haben.^ Bacher, pal. Amor. 3, 451 sieht in dem ba^al ha-chalöm
die „Personifizierung des Traumes". — Von gewissen Träumen nahm
R. Jochanan (f 279) an, daß sie unbedingt in Erfüllung gingen; zu
ihnen rechnete er den Traum, den ein Mensch gegen Morgen träumt;
ferner den Traum, den man über einen andren träumt; endlich den
Traum, dessen Deutung zugleich mitgeträumt wird. Andre meinten, daß
kein Traum restlos in Erfüllung gehe. Wie das Korn, sagt R. Schimjon
b. Jochai (um 150), nicht ohne Stroh ist, so ist auch ein Traum nicht
ohne Eiteles.g Auch auf die sofortige Erfüllung der Träume sei nicht
zu rechnen; nach R. Levi (um 300) können sogar 22 Jahre vergehn,
bis ein guter Traum zur Wirklichkeit wird.h Auffallend ist der Satz,
daß die Erfüllung eines Traumes sich nach seiner Deutung richte.
Damit wollte man nicht sagen, daß Träume je nach Belieben ver-
schieden ausgelegt werden könnten; vielmehr meinte man allen Ernstes,
daß erst die Deutung dem Traume Realisierbarkeit verleihe u. auf die
Erfüllung selbst maßgebenden Einfluß ausübe. Man sagte: Ein Traum,
den man nicht deutet, ist wie ein Brief, den man nicht liest. Darin
liegt, daß ein ungedeuteter Traum ebensowenig Folgen habe wie ein
ungelesener Brief.i Dementsprechend wird erzählt, daß es in Jerusalem
24 Traiimdeuter gegeben habe, die sämtlich einen Traum verschieden
ausgelegt hätten, u. jede ihrer Deutungen sei in Erfüllung gegangen.
Matthl,20 55
Eine ähnliche Erfahrung durften Abaje (f 338/39) u. Raba (f 352) mit
einem Traumdeuter namens Bar Chadja machen. Dieser legte dem
ersteren, der Chadjas Kunst gehörig honorierte, die Träume stets zum
Guten u. dem letztern, der nichts gab, immer zum Schlimmen aus, u.
Avie er deutete, so traf es ein. Endlich entschloß sich auch Raba zur
Zahlung eines Honorars, u. siehe, die jetzt zum Guten ausgelegten
Träume erfüllten sich ganz zu Rabas Zufriedenheit.^ Kein Wunder,
daß bei solcher Kraft der Traumdeutung sich auch die angesehensten
Lehrer der alten Synagoge, wie R. Elisezer b. Hyrkanos (um 90) u.
R. jAqiba (f um 135), mit dieser Kunst befaßten. 1 — Die unheilvollen
Wirkungen der bösen Träume mußten natürlich dazu auffordern, Mittel
u. Wege ausfindig zu machen, jene schlimmen Folgen abzuschwächen
u. wo möglich ganz aufzuheben. Als bestes Mittel dazu empfahl Rab
(t 247) das Fasten: Fasten ist für den Traum, was das Feuer für Werg
ist. Spätere ergänzten Rabs Wort dahin, daß das Fasten sofort an dem
Tage nach dem Traum geschehen müsse, selbst w^enn dieser ein Sabbat
wäre. (An einem Sabbat sollte nicht gefastet werden.) Andre empfahlen,
böse Träume durch Gebete u. durch Rezitieren gewisser Bibelverse
unwirksam zu machen, m
Neben den zunftgemäßen Traumdeutungen der Traumdeuter liefen
populäre Deutungen einher, die meist in rabbinischenn Kreisen auf-
gekommen waren u. allmählich im Volke stereotyp wurden. Ein Brunnen,
im Traum gesehen, sollte Frieden bedeuten. Die gleiche Bedeutung
haben Flüsse, Vögel u. Töpfe (ohne Fleisch). Wer einen Esel im Traum
sieht, darf auf das messian, Heil hoffen. Ein weißes Roß kündet Gutes
an, ebenso ein rotes in Ruhe; dagegen bedeutet ein rotes im Trabe
Unheil. Ein Kamel verbürgt Rettung aus dem Tode, ein (gesattelter)
Elefant das Erleben von Wundern. Wer das Sch'^mac' im Traume re-
zitiert, ist würdig, daß die Sch«^khina (göttliche Gegenwart) auf ihm
ruht; wer die T^phillin (Gebetsriemen) anlegt, darf auf Größe rechnen.
Beten im Traum ist ein gutes Zeichen. Weizen bedeutet Frieden, Gerste
Vergebung der Sünden, ein Feigenbaum Bewahrung der Torakenntnis
im Innern, ein Granatapfelbaum Erweiterung des Geschäfts. W^er einen
Feststrauß (Lulab) im Traume sieht, dessen Herz ist auf Gott gerichtet;
wer eine Gans sieht, wird Weisheit erlangen; wer einen Hahn, dem
wird ein Knäblein geboren; wer eine Henne, hat Aussicht auf eine
schöne u. große Lehrhalle. Eier besagen, daß die Erhörung eines Ge-
betes fraglich ist; zerbrochene Eier, daß ein Gebet Erhörung gefunden
hat. Die gleiche Bedeutung haben Nüsse, Gurken, Glasgerät u. alles
Zerbrechbare. Alle Tiergattungen sind von guter Vorbedeutung, aus-
genommen der (ungesattelte) Elefant, der Affe u. der Igel; ebenso alle
Fruchtarten, ausgenommen die unreifen Datteln ; desgleichen alle Farben,
ausgenommen die purpurblaue. Diese u. ungezählte andre Deutungen
sind B'^rakh 56'^— 57'' zu einem förmlichen Traumbuch zus. gestellt.
56 Matthl,20
Eine derartige Behandlung des Traumwesens mußte für das religiös-
sittliche Leben des Volkes natürlich unfruchtbar bleiben. So versuchten
denn einzelne Kreise die Träume moralisch nutzbar zu machen, indem
sie die Ansicht vertraten, daß die Träume nach Gottes Willen ein
Erziehungsmittel zur Buße sein sollten. In diesen Zus.hang geliören
etwa folgende Aussprüche. B^'rakh 55": „Gott hat es veranstaltet, daß
man sich vor ihm fürchte" Qoh 3, 14. Rabbah bar bar Ghana (um '280)
hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Damit ist der böse Traum
gemeint. 1| B^rakh 55 »: Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Ein böser Traum
ist besser als ein guter Traum (denn er führt den Menschen zur Buße,
Raschi), Ferner hat Rab (f 247) gesagt: Bei einem bösen Traum ist
die durch ihn entstehende Betrübnis die genügende schlimme Folge
(so daß es, wenn der Mensch sich bessert, weiterer schlimmer Folgen
nicht bedarf), u. bei einem guten Traum ist die durch ihn entstehende
Freude die genügende glückliche Folge (so daß es, damit er sich er-
fülle, weiterer glücklicher Folgen nicht bedarf). Rab Joseph (der blind
war, t 333) hat gesagt: Selbst bei mir hebt der durch einen guten
Traum entstehende Frohsinn den Traum auf (so daß ich weiteres
Glück als Folge nicht erwarte). Rab Chisda hat gesagt: Ein böser
Traum ist härter als die Geißelung, vgl. Qoh 3, 14: „Gott hat es ver-
anstaltet, daß man sich vor ihm fürchte." (Der böse Traum verursacht
dem Menschen Furcht vor Gottes Strafen, deshalb ist er schlimmer
als eine einmalige körperliche Züchtigung.) || B'^rakh 55'': Rab Huna
(t 297) hat gesagt: Einen guten Menschen läßt man (Gott) keinen
guten Traum u. einen bösen Menschen keinen bösen T. sehn. (Raschi:
Einen guten Menschen läßt man einen bösen T. sehn, damit er sich
fürchte u. nicht sündige u. damit seine Betrübnis ihm Sühnung ver-
schaffe. Den bösen Menschen läßt man einen guten T. sehn, um ihn
zu erfreuen, damit er seine Welt genieße.) || B-^rakh 55"^: R. Z«ära (um
300) hat gesagt: Wer sieben Tage ohne Traum übernachtet, wird ein
Gottloser genannt, s.Spr 19,23: „Wer sieben Tage übernachtet, ohne
daß er (mit einem Traum) bedacht wird, der ist ein Gottloser" (so der
Midrasch); lies nicht -ar „gesättigt", sondern i^-na „sieben".
a. Gittin 52'*:^In der Nachbarschaft des R. Meir lebte ein Vormund, der Ländereien
(seiner Mündel) verkaufte, um Sklaven dafür zu kaufen (was nicht erlaubt war). R.Meir
ließ es aber nicht zu. Da lieis man (Gott) diesen im Traume sehn (er sollte sagen):
,Ich bin zum Einreißen u. du bist zum Bauen da!" Er achtete aber nicht darauf, er
sagte: Worte der Träume erhöhen nicht u. erniedrigen nicht. — i| Hör 13'^: (Als R. Me'ir
u. R. Nathan sich mit dem Patriarchen R. Schimcon b. Gamliel überworfen hatten,) ließ
man (Gott) sie in ihren Träumen sehn: Geht u. besänftigt ihn! R. Nathan ging; R. Me'ir
ging nicht, er sagte: Worte der Träume erhöhen nicht u. erniedrigen nicht. — Im
Munde einer Mehrzahl von Gelehrten findet sich das Wort pMSch 4, 55'', 38: Es grämte
sich jemand wegen des (zum zweiten Zehnt gehörenden) Geldes seines (verstorbenen)
Vaters. Es wurde ihm im Traume gezeigt: So und so viel ist es u. an dem u. dem Ort
befindet es sich. Die Sache kam vor die Gelehrten; sie erklärten: Worte der Träume
erheben nicht u. erniedrigen nicht. — Die Parallelstellen Tos MSch 5, 9 (95) u. Sanh
Matth 1, 20 57
30^ s. Anm.f. — Die Redensart findet sich übrigens auch im Test. Napht der hebr.
Chronik Jerachm^'els 4 Anf. ; ferner Midr KL 1, 1 (48^) in R. Abbahus (um 300) Mund.
b. B^rakh 55'^: R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt, R. Jonathan (um
220) habe gesagt: Man (Gott) läßt den Menschen (im Traume) nur die Gedanken
(Grübeleien) seines Herzens sehn (d. h. die Gedanken, die bei Tage ihn beschäftigt
hatten), s. Dn2, 29: „Du, o König, deine Gedanken stiegen auf dein Lager", u. wenn
du willst, sage: Von hier aus (läßt sich der Schriftbeweis führen): ,Daß du die Ge-
danken deines Herzens erfahrest" Dn 2, 30. Raba (f 852) hat gesagt: Du kannst es
auch daraus erkennen, daß man (Gott) weder einen goldenen Palmbaum (im Traume)
sehn läßt noch einen Elefanten, der in ein Nadelöhr geht (weil der Mensch an der-
gleichen bei Tage nicht denkt, darum träumt er nicht davon). Der Kaiser (Hadrian)
sagte zu R. J'^hoschua'e b. Chananja (um 90): Ihr sagt, daß ihr sehr weise seid; so sage
mir: Was werde ich in meinem Traume sehn? Er antwortete: Du wirst sehn, daß
dich die Perser zum Frondienste einziehen u. dich berauben u. durch dich Greueltiere
werden weiden lassen mit einer goldenen Rute. Er dachte den ganzen Tag daran, u.
in der Nacht sah er es. — Der König Schabor sagte zu Sch'^muel (f 254): Ihr sagt,
daß ihr sehr weise seid; so sage mir, was werde ich in meinem Traume sehn? Er
antwortete: Du wirst sehn, daß die Römer kommen u. dich gefangen nehmen u. durch
dich Kerne werden mahlen lassen auf einer goldenen Mühle. Er dachte den ganzen
Tag daran, u. in der Nacht sah er es.
C. B®rakh 55^: Rab J*^huda (f 299) hat gesagt, Rab habe gesagt: Drei bedürfen
des Erbarmens: ein guter König, ein gutes Jahr, ein guter Traum. (Raschi: Man muß
um Erbarmen flehen, daß sie kommen, weil sie in Gottes Hand sind u. ohne seine
Erlaubnis keine Macht haben zu kommen.) Ein guter König, vgl. Spr 21,1: Gleich
Wasserbächen ist eines Königs Herz in der Hand Jahves. Ein gutes Jahr, vgl. Dt
11, 12: Die Augen Jahves, deines Gottes, sind stets (auf dein Land) gerichtet vom
Anfang des Jahres bis zum Ende des Jahres. Ein guter Traum, vgl. Jes 38, 16: O Herr
. . ., laß mich Träume sehn u. leben! (so der Midr). Ferner s. Gittin 52* u. Hör 13'' in
Anm. a; B*^rakh 55 '^ in Anm. b, wo es immer Gott ist, der den Traum sehn läßt; ebenso
verhält es sich mit B'^rakh 28-^; Tafan 24 '^ in Anm. d.
d. In bezug auf die Pseudepigraphen sei verwiesen auf Henoch 13, 8ff.; 83, 3flf.;
85,1-90,42; 4Esrall,l — 12, 3; 13,1—13; Apoc. Bar36, 1— 37; 53,1 — 12; Test. Levi
2—5; Test. Napht 5—7; Test. Jos 19; Apoc. Mos 2 = Vita Adam 22.
Belege aus der rabb. Literatur. B^'rakh 28^: (Als nach der Absetzung Gam-
liels IL die Schülerzahl sich ungemein hob,) wurde G. (um 90) schwacli in seinem Ge-
müt; er sprach: Sollte ich, was Gott verhüten wolle! die Toi-a von Israel ferngehalten
haben? Da ließ man (= Gott) ihn im Traume sehn: Weiße Krüge sind es voll Asche
(d.h. Schüler ohne Wert). || TaEan 24^: Raba (f 352) kam nach Hagronja u. ordnete ein
Fasten an, aber es kam kein Regen. Er sprach zu ihnen: Bleibt über Nacht alle in
eurem Fasten. Am nächsten Morgen sprach er: Ist einer da, der einen Traum gesehen
bat, so sage er ihn an! Da sagte R. El'azar aus Hagronja: Mich hat man (Gott) in
meinem Traume lesen lassen: , Guter Friede dem guten Meister von dem guten Herrn,
der von seinem Guten Gutes seinem Volk erweist!" Raba sprach: Daraus entnehme
ich, daß es eine wohlgefällige Zeit ist um Erbarmen zu bitten. Er bat um Erbarmen,
u. es kam Regen. || Ta'an 24*^: (Als auf das Gebet Rabas, f 352, Regen in Überfluß
fiel,) kam sein (verstorbener) Vater u. erschien ihm im Traum u. sprach: Wer ist es,
der den Himmel (= Gott) mit diesem allem so bemüht? Ferner sagte er zu ihm:
Verändere deinen Ort (wechsle deine Lagerstätte)! Er veränderte seinen Ort. Am
nächsten Morgen fand er, daß sein Bett mit Messern gezeichnet war (man hatte ihn
töten wollen; sein Traum war also seine Rettung gewesen). |i BB 10": Von seinen
Schwestersöhnen sah Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) in einem Traum, daß ihnen
(im Lauf des Jahres) 700 Denare in Verlust geraten würden. Er nötigte sie u. nahm
(die 700 Denare) von ihnen zu Almosen. Es blieben ihnen 17 Denare übrig. Als der
Vorabend des Versöhnungstages herangekommen war, schickten die Kaiserlichen u.
58 Matth 1, 20
nahmen sie ihnen ab. Da sagte Rabban Jochanan b. Zakkai: Fürchtet nicht (daß sie
euch noch mehr abnehmen werden); 17 Denare befanden sich bei euch, die haben sie
euch abgenommen. Sie sprachen zu ihm : Woher weißt du das? Er antwortete ihnen:
Einen Traum habe ich zu eurem Besten gesehen. Sie sprachen: Warum hast du es
uns nicht gesagt"? Er antwortete: Ich dachte, damit ihr das gute Werk um seinet-
willen tun möchtet (was nicht der Fall gewesen wäre, wenn euch mein Traum dazu
bewogen hätte). || B'^'rakh 57'': R. Z^Jira (um 300) hat gesagt: Ich bin nicht eher aus
Babel nach dem Lande Israel hinaufgezogen, als bis ich Gerste im Traum gesehen
hatte. (Gerste, im Traum gesehen, bedeutet Erlangung der Sündenvergebung.) || Midr
Qoh 5, 2 (25 ä): R. J^huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Die ganze Nacht (s. Esth 6, 1)
hatte Achaschverosch (im Traum) gesehen, wie Haman bei ihm stand mit einem ge-
zückten Schwert in seiner Hand, u. wie er den Purpurmantel von ihm nahm u. die
Krone von seinem Haupt, u. wie er ihn zu töten suchte. Und er erwachte u. sprach:
Ob dies ein Traum ist? Es ist wohl nur ein (bedeutungsloses) Gesicht! Wie lange
(dachte er so)? Bis der Morgen kam. Da sprach der König: Wer ist im Vorhof? Man
antwortete ihm (Esth 6, 5): „Siehe, Haman steht im Vorhof. " Da sagte der König: Es
ist ein (bedeutungsvoller) Traum (durch den mir Hamans Mordanschlag kundgetan
werden sollte). — Midr Esth 6, 1(99*) lautet der Schlußsatz ausführlicher so: Der
König sprach: Wahrheit ist das Wort, das ich in meinem Traum gesehen habe. Nicht
kommt dieser in dieser Stunde, wenn nicht, um mich zu töten. |! GnR 83 (53'*): „Der
Häuptling Magdiel, der Häuptling clram" (Gn 36,43). An dem Tage, da Diokletian ^
König wurde, wurde dem R. Ammi (um 300) im Traume gezeigt: Heute ist Magdiel
König geworden! Da sagte er: Nur noch Ein (1. ths statt ins) König ist für Edom
zu erwarten. (Unter den Häuptlingen von Esau Gn 36, 40 ff. ist Magdiel an vorletzter
Stelle genannt, daher die P'olgerung: Nur noch Ein K. ist für Edom = Rom zu er-
warten.) II Joma 87'': (R. Chanina b. Chama, um 225, u. Rab, f 247, lebten 13 Jahre in
Feindschaft miteinander, ohne daß einer von ihnen den Versuch machte, den andren
zu versöhnen. R. Chaninas Verhalten wird dann so erklärt:) R. Chanina sah im Traum,
daß man Rab an einer Dattelpalme aufhängte; u. als Tradition ist gelehrt worden,
daß jeder, den man (in einem Traum) an einer Dattelpalme aufhängt, Schulhaupt
wird. Da sagte R. Chanina: Aus meinem Traum entnehme ich, daß er ein Oberhaupt
werden soll; darum versöhnte er ihn nicht, damit er (aus Palästina) fortginge u. in
Babel die Tora lehrte, jj Ferner s. die Zitate Anm. a u. f, sowie LvR 3 (107^*) bei Apg 12,
21 ff. Nr. 3.
e. B^'rakh 55'^: Raba (f 352) stellte einander gegenüber Nu 12, 6: „Ich rede im
Traume mit ihm* u. Sach 10,2: „Träume reden Eiteles." Das ist kein Widerspruch:
in dem einen Fall handelt es sich (um Träume) durch einen Engel, in dem andern
um solche durch einen Dämon -«i .
/. Tos MSch o, 9 (95): Einer grämte sich darüber, wo der zweite Zehnt seines
(verstorbenen) Vaters sich befinde. Da kam der „Mann des Traumes" isch ha-chal6m
(= Engel der Träume) u. sprach zu ihm: So und soviel beträgt er u. an dem u. dem
Ort befindet er sich. So war es. Sie gingen u. fanden dort das Geld u. kamen u.
fragten die Gelehrten (betreffs der Verwendung des Geldes), u. diese erklärten: Siehe,
es ist profanes Geld, denn die Worte der Träume erhöhen nicht u. erniedrigen nicht. —
Die Parallelstelle Sanh 30'"^ liest bacal ha-chal6m, während pMSch 4, 55^, 38 (s. oben
Anm. a) einfach sagt: „Es wurde ihm im Traume gezeigt." || B'^'rakh 10'': R. Chanan
(um 300) hat gesagt: Selbst wenn der Engel der Träume bacal ha-chalomoth zu einem
Menschen sagte, daß er morgen sterben werde, soll er sich dadurch nicht vom Gebet
um Erbarmen zurückhalten lassen, vgl. Qoh 5,6: „Bei vielen Träumen gibt es auch
Eitelkeiten . . .; vielmehr Gott fürchte!" || Aboth R. Nathan 17 (6''): Es geschah, daß
* Der Text hat ci:-:;-jnt. Levy 2, 482'' deutet den Namen auf Lucinius (1. Licinius),
andre denken an Valentinianus; vermutlich ist es verstümmelt aus c-ru'pp-rt; so Bacher,
pAmor 2, 149, u. Krauß, Lehnwörter 2, 310".
Matth 1, 20 59
ein (jüdisches) Mädchen gefangen genommen wurde, u. ein Grieche nahm sie an sich.
Sie wurde erzogen u. kam in sein Haus. Da kam zu ihm der Engel des Traumes
baJal ha-chalom (ed. Amsterd. 1044: ,man kam zu ihm im Traum") u. sprach zu ihm:
„Entlaß dieses Mädchen aus deinem Hause." Da sagte sein Weib zu ihm: Entlaß sie
nicht! Da kam der Engel des Traumes (ed. Amsterd. wie oben) abermals zu ihm u.
sprach: ,Wenn du sie nicht entlassest, siehe, so töte ich dich samt ihr. Da entließ
er sie. Er ging ihr nach u. sprach: Ich will gehn u. sehn, was (lies ni2 statt nz)
schließlich aus diesem Mädchen wird. Als sie auf dem Wege dahinging, bekam sie
Durst u. ging hinab (an ein Gewässer), um Wasser zu trinken. Als sie ihre Hand auf
das (das Wasser umschließende) Gemäuer legte, kam eine Schlange hervor u. biß sie,
so daß sie starb, u. sie schwamm auf dem Wasser. Da ging er (der frühere Herr)
hinab u. nahm sie, schaffte sie herauf u. begrub sie. Er kam u. sagte zu seinem
Weibe: Über dieses Volk zürnt, wie du siehst, nur ihr Vater im Himmel. — || Apoc.
Bar 55, 3 heißt der Engel, „der den wahren (Traum-)Gesichten vorsteht", Ramael.
g. B'=^rakh 55 '', 39 : R. Jochanan (t 279) hat gesagt: Drei Träume gehen in Er-
füllung: ein Trajjm am Morgen u. ein Traum, den jemandem ein andrer träumt, u. ein
Traum, der im Traum gedeutet wird. Einige sagen: Auch ein Traum, der sich wieder-
holt; s. Gn41,o2: „Und was dies betrifft, daß der Traum sich wiederholte . . ., so
geschah dies, weil die Sache seitens Gottes feststeht. ..." — In bezug auf sich wieder-
hol-ende Träume heißt es in der hebr. Chronik Jerachm'^els zu Test. Napht 7 : (Jakob
sprach zu Naphtali:) „Mein Sohn, weil du das (Traum-)Gesicht noch einmal gehabt
hast, darum wurde ich bestürzt" (denn jetzt weiß ich, daß es in Erfüllung gehn wird). —
Zum Traum über einen andren u. zum Träumen der Traumdeutung s. GnR88(56^):
„Da träumten sie beide einen Traum, jeder seinen Traum . . ., jeder gemäß der Deutung
seines Traumes" Gn 40, 5. R. Chijja b. Abba (ein Schüler des R. Jochanan, um 280) sagte :
Es träumte jeder einen Traum u. die Deutung des Traumes des andren. Der Ausspruch
des R. Chijja ist B'^rakh 55^ dem R. EKazar (um 270) beigelegt. 1| B^'rakh'55a: R. Jo-
chanan (t 279) hat im Namen des R. SchimEon b. Jochai (um 150) gesagt: Wie Korn
nicht ohne Stroh sein kann, so kann ein Traum nicht ohne eitle Worte sein. R. B*^rekhja
(um 340) hat gesagt: Wenn auch ein Traum zum Teil in Erfüllung geht, so geht er
doch nicht ganz in Erfüllung. Woher wissen wir das? Von Joseph; s. Gn 37, 9: »Und
siehe, die Sonne u. der Mond (= Josephs Mutter) u. elf Steine verneigten sich vor
mir", u. zu dieser Zeit lebte seine Mutter nicht mehr (also konnte der sie betreffende
Teil des Traumes sich nicht erfüllen). 1| B^rakh 55«: Rab Chisda (f 309) hat gesagt:
Weder ein guter noch ein böser Traum geht ganz in Erfüllung.
h. B^^rakh 55^: R. Levi (um 300) hat gesagt: Immer hoffe der Mensch auf die
Erfüllung eines guten Traumes bis zu 22 Jahren hin. Woher wissen wir das? Von
Joseph; denn es steht geschrieben Gn 37, 2: „Dies ist die Familiengeschichte Jakobs.
Joseph als 17jähriger" usw. Ferner heißt es Gn41,46: „Joseph war 30 Jahre alt, als
er vor Pharao stand" usw. Wieviel ist von 17 bis 30? Sage: 13; dazu 7 (Jahre) des
Überflusses u. 2 der Hungersnot, siehe das sind 22 (bis Josephs Traum sich erfüllte).
i. pMSch 4, 55^ 14: Eine Frau kam zu R. Eli'ezer (um 90). Sie sprach zu ihm:
Ich habe in meinem Traum ein Zimmer des Hauses geborsten gesehen. Er sprach zu
ihr: „Du wirst einen Sohn gebären." Und sie gebar einen Sohn. Nach einiger Zeit
ging sie, um ihn (wiederum) zu fragen. Seine Schüler sagten zu ihr: Er ist nicht hier.
Was willst du von ihm? Sie antwortete: Diese Frau (d.h. ich) hat im Traume ein
Zimmer des Hauses geborsten gesehen. Sie sagten: Du wirst einen Sohn gebären u.
der Herr dieses Hauses (dein Mann) wird sterben. Als R. Elicezer kam, erzählten sie
ihm die Geschichte. Er sprach zu ihnen: Ihr habt einen Menschen getötet, denn der
Traum richtet sich nur nach seiner Deutung 'r.-.^rt ^-a, s. Gn41, 13: „Wie er uns ge-
deutet hat, also ist es geschehen." R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Alle Träume richten
sich nach ihrer Deutung, ausgenommen wo es sich um Wein handelt. Mancher trinkt
Wein (im Traum) u. es ist für ihn von guter Bedeutung; mancher trinkt Wein u. es
ist für ihn von schlimmer Bedeutung. Ein Gelehrtenschüler trinkt u. es ist von guter
60 Mattlil,20
Bedeutung für ihn; ein cAm ha-are9 (Gesetzesunkundiger, s. bei Joh 7, 49) trinkt u. es
ist von schlimmer Bedeutung für ihn. — Midr KL 1, 1 (48^) ist statt „Zimmer des
Hauses" gesagt: , Gebälk des Hauses." Ebenso GnR 89 (56^). Beide Parallelstellen
lassen den R. Elicezer sich auf die Ausführung des R. Jochanan berufen; sie haben
also unter R. E. nicht den Tannaiten verstanden, sondern den Amoräer R. El'azar b.
P'^dath, um 270. — Der Ausspruch des R. Jochanan für sich allein B'^'rakh 57^; aus
dieser Stelle geht hervor, dafs die Ausführung des R. Jochanan auf einer Bar ruht. ||
B'Yakh Ö5'': Beruht denn das Wort: „Alle Träume richten sich nach dem Munde"
(= nach der Deutung) auf einer Schriftstelle? Ja; u. zwar nach der Meinung des
R. Elcazar (um 270). Denn dieser hat gesagt: Woher, daß sich alle Träume nach dem
Munde richten? Es heißt Gn 41, 13: „Wie er uns gedeutet hat, also ist es geschehen."
Raba (f 352) hat gesagt: Das gilt nur, wenn man ihm den Traum deutet gemäß dem
Hauptinhalt seines Traumes; s. Gn 41, 12: „Gemäß seinem Traume hat er jedem ge-
deutet." — Ferner s. B-^rakh 5b^ in Anm. k. !| B^rakh 55" u. 55'^: Rab Chisda (f 809)
hat gesagt: Ein Traum, den man nicht deutet, ist wie ein Brief, den man nicht liest.
k. B^'rakh 55*^: R. Bizna b. Zabda hat gesagt, R. f Aqiba (f um 135) habe gesagt,
R. Panda habe gesagt, R. Nachum habe gesagt, R. Birjam habe im Namen eines Alten
gesagt — und wer war das? R. Banna>a — : Vierundzwanzig Traumdeuter hat es in
Jerusalem gegeben. Einmal hatte ich einen Traum geträumt u. ging zu ihnen allen.
Was mir der eine deutete, deutete mir nicht der andre; aber alles ging bei mir in
Erfüllung, um zu bestätigen, was gesagt worden ist: „Alle Träume richten sich nach
dem Munde." — Die Stelle ergibt, daß die Schlußsentenz eine uralte tannaitische
Tradition ist. !| B'^^rakh 56'': Bar Chadja war ein Traumdeuter. Wer ihm Bezahlung
gab, dem deutete er zum Vorteil; wer ihm keine Bezahlung gab, dem deutete er zum
Nachteil. Abaje (f 338/39) u. Raba (f 352) sahen einen Traum. Abaje gab ihm einen
Zuz (etwa 65 Pf.), Raba gab ihm nichts. Sie sprachen zu ihm: Man (Gott) hat uns in
Träumen lesen lassen Dt 28, 81 : „Dein Stier wird vor deinen Augen geschlachtet" usw.
Zu Raba sagte er: Dein Geschäft wird Schaden leiden u. du wirst nicht Lust haben,
vor Betrübnis deines Herzens etwas zu essen. Zu Abaje sagte er: Dein Geschäft vnrd
sich ausdehnen u. du wirst nicht Lust haben, vor Freude deines Herzens etwas zu
essen. Sie sagten zu ihm: Man (Gott) hat uns lesen lassen Dt 28, 41 : „Söhne u. Töchter
wirst du zeugen; aber sie werden nicht dein sein; denn sie werden in die Gefangen-
schaft gehn." Zu Raba sagte er gemäß der schlimmen Bedeutung des Verses --rri;';;2.
Zu Abaje sagte er: Deine Söhne u. Töchter werden zahlreich sein, u. deine Töchter
werden sich in alle Welt verheiraten u. dir so scheinen, als ob sie in die Gefangen-
schaft gingen. (Es folgen zehn weitere ähnliche Deutungen.) . . . Schließlich ging Raba
allein zu ihm u. sagte: Ich habe (im Traum) gesehen, daß die äußere Tür umfiel. Er
antwortete: Deine Frau wird sterben. Er sprach zu ihm: Ich habe gesehen, daß die
Backzähne u. die übrigen Zähne ausfielen. Er antwortete: Deine Söhne u. Töchter
werden sterben. (Es folgen zwei weitere Deutungen.) . . . Schließlich ging Raba, gab
ihm Bezahlung u. sprach: Ich habe gesehen, daß die Mauer umfiel. Er antwortete:
Du wirst Vermögen ohne Grenzen (grenzenloses Vermögen) erwerben. R. sprach: Ich
sah, daß der Palast Abajes ein§el, u. es bedeckte mich "Z^X sein Staub. Er antwortete:
Abaje wird sterben u. sein Gelehrtensitz wird an dich kommen. R. sprach: Ich sah,
daß mein Palast einfiel u. alle Welt kam u. nahm sich Ziegel über ZiegeL Er ant-
wortete: Deine Lehren werden sich in der Welt verbreiten. R. sprach: Ich sah, daß
mein Kopf gespalten wurde u. mein Gehirn herausfiel. Er antwortete: Die Wollflocken
des Kopfkissens werden herausfallen. R. sprach: Man (= Gott) hat mich das ägyptische
Hallel (d.h. Psll3) im Traum lesen lassen. Er antwortete: Es werden dir Wunder
geschehen. Es geschah (nach einiger Zeit), daß Bar Chadja mit Raba auf ein Schiff
kam. Jener sprach: AVarum sollte ich mit einem Mann zusammen sein, dem ein Wunder
geschehen wird? (Vielleicht besteht das Wunder darin, daß er bei einem etwaigen
Schiffbruch allein gerettet werden soll.) Als er auf das Schiff ging, entfiel ihm ein
Buch. Raba fand es u. sah, daß darin geschrieben stand: Die Träume richten sich
Matthl,20 61
nach dem Munde. Da sprach Raba zu ihm: Du Frevler, bei dir stand es, u. du hast
mir alle diese Betrübnis bereitet (die deine Traumdeutungen über mich gebracht haben)!
Dieses alles will ich dir vergeben, abgesehen von der Tochter des Rab Chisda (der
Gattin Rabas, die ihm infolge einer Traumdeutung durch den Tod entrissen worden
war). Möge es (Gottes) Wille sein, daü dieser Mann (d. h. du) in die Gewalt einer
Regierung gegeben werde, die sich seiner nicht erbarmt! (Es wird dann erzählt, wie
dieser Fluch Rabas an Bar Chadja sich erfüllt hat.)
/. Zu R. Eli^ezer s. pMSch 4, 55 ", 14 in Anm. i. — Zu R. ^Aqiba s. pMSch 4, 55c, 22:
Ein Mensch kam zu R. cAqiba u. sprach zu ihm: Ich habe in meinem Traum meinen
Fuß abgemagert (wörtlich: klein) gesehen. Er antwortete ihm: Das Fest wird kommen
u. es wird kein Fleisch zum Essen da sein. ("-:■: „Fuß" bedeutet auch „Fest".) Ein
andrer kam zu ihm u. sprach: Ich habe in meinem Traum meinen Fuß beleibt gesehen.
Er antwortete ihm: Das Fest wird kommen u. du wirst viel Fleisch haben. — Ein
Schüler von R. cAqiba saß da u. seine Gesichtszüge waren verändert. Er sprach zu
ihm: Warum so? Er antwortete: Ich habe in meinem Traum drei harte Worte gesehen:
Im Adar wirst du sterben u. den Nisan wirst du nicht sehn, u. was du säst, wirst du
nicht sammeln. R. cA. antwortete ihm: Die Drei bedeuten Gutes: Durch die Herrlichkeit
s^nn (Deutung von Adar) der Tora wirst du erhoben werden; Versuchungen ••z-: (Deutung
von Nisan) wirst du nicht sehn; was du säst, wirst du nicht sammeln: was du erzeugst,
wirst du nicht begraben. — Von den älteren Lehrern haben sich in ähnlicher Weise
mit Traumdeutungen befaßt R. Jischma'el (f um 135): B*'rakh 56"^: Der Schwester-
sohn des R. Jischma'el fragte den R. J.: Ich habe (im Traum) gesehen, daß meine
beiden Kinnbacken zerbrochen wurden. Er antwortete: Zwei römische Große (^5nj
zu lesen statt -nn;) haben einen schlimmen Rat gegen dich gefaßt, aber sie sind
gestorben. — R. Jose b. Chalaphta (um 150), s. Midr KL 1, 1 (48=*) bei Apg2,9 Kan-
nadoxiny. — R. Jischmacel b. Jose (um 180), s. pMSch 4, 55'', 50 ff. — Rabbi: B^rakh
56'': Bar Qappara sagte zu Rabbi: Ich habe (im Traum) gesehen, daß meine Nase
abfiel. Er antwortete: Die Glut des Zorns ist von dir gewichen (r:s bedeutet „Nase"
u. „Zorn"). Er sprach zu ihm: Ich habe gesehen, daß meine beiden Hände abgeschnitten
wurden. Rabbi antwortete: Du wirst der Arbeit deiner Hände nicht mehr benötigt sein
(wirst reich werden). Er sprach zu ihm: Ich habe gesehen, daß meine beiden Füße
abgehauen wurden. Rabbi antwortete: Du wirst auf einem Roß reiten. Ich habe ge-
sehen, daß man zu mir sagte: Im Adar wirst du sterben u. den Nisan wirst du nicht
sehn. Rabbi antwortete: In Ehren sni-i-s (Deutung von Adar) wirst du sterben u. du
wirst nicht in Versuchung -ji-c: (Deutung von Nisan) geraten.
m. Schab ll'^: Rabba b. M'^chasja (um 300) hat gesagt, Rab Chama b. Gorja (um
270) habe gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Schön ist Fasten für einen Traum wie
Feuer für Werg. Rab Chisda (1309) hat gesagt: Und zwar an demselben Tage. Rab
Joseph (t 333) hat gesagt: Selbst an einem Sabbat. — Dasselbe Schab U-'' u. Midr Qoh
5,6 (25''). — Man nannte ein solches Fasten kurzweg „ Traumfasten " m^n n-syp, zB
Schab U^.\\ B^^rakh 55'': Rab Huna b. Ammi hat gesagt, R. pt'dath (um 310) habe gesagt,
R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Wenn jemand einen Traum sieht u. seine Seele wird
darüber bekümmert, so gehe er hin u. deute ihn vor drei Personen. Er soll ihn deuten?
Aber Rab Chisda (f 309) hat doch gesagt: Ein Traum, den man nicht deutet, ist wie
ein Brief, den man nicht liest! (Also ist es am besten, einen Traum ungedeutet zu
lassen; denn ein solcher geht ja nicht in Erfüllung!) Vielmehr sage: Er lege ihn vor
drei Personen zum Guten aus. Er lasse drei Personen kommen u. sage zu ihnen:
Einen guten Traum habe ich gesehen. Dann sollen jene zu ihm sagen : Er ist gut, u.
gut wird er werden, u. der Barmherzige wird ihn zum Guten wenden. Siebenmal möge
man über dich vom Himmel beschließen, daß er gut werde, u. er wird gut werden.
Ferner sollen sie drei Schriftstellen SÄgen mit dem Wort , wenden" u. drei mit dem
Wort „erlösen" u. drei mit dem Wort „Frieden". Drei mit „wenden": Ps30, 12; Jer
31,12;Dt23,G. Drei mit „erlösen": Ps55, 19; Jes 35, 10; ISml4,45. Drei mit „Frieden":
Jes57,19; lChrl2,18; lSm25,6. |1 B^rakh55'': Amemar (um 400), Mar Zutra (IL gegen'
62 Matthl,20
400) u. Rab Aschi (t 427) saßen beieinander. Sie sagten: Jeder einzelne von uns soll
etwas sagen, was der andre (noch) nicht gehört hat. Der eine von ihnen begann: Wer
einen Traum gesehen hat u. nicht weiß, was er gesehen hat, der stelle sich vor die
Priester zu der Zeit, da sie ihre Hände (zum Priestersegen) ausbreiten, u. spreche (bei
sich selbst) also: Herr der Welt, ich bin dein u. meine Träume sind dein; ich habe
einen Traum geträumt u. weiß nicht (mehr), was- es war; ob ich von mir selbst ge-
träumt habe, oder ob andre von mir geträumt haben, oder ob ich von andren geträumt
habe: wenn sie gut sind, bekräftige sie u. festige sie wie die Träume Josephs, u. wenn
sie der Heilung bedürfen, so heile sie wie die Wasser von Mara durch die Hände Moses
(s. Ex 15, 23 ff.) u. wie Mirjam von ihrem Aussatz u. wie Hiskia von seiner Krankheit
u. wie die Wasser Jerichos durch Elisa (s. 2 Kg 2, 19 ff.), u. wie du den Fluch Bilcams,
des Frevlers, zum Segen gewendet hast, so wende alle Träume für mich zum Guten!
Er soll aber (sein Gebet) beendigen zus. mit den Priestern, wenn die Gemeinde (auf
den Priestersegen) mit Amen! antwortet. Wenn aber nicht, so spreche er also: Herr-
licher in der Höhe, der da thront in Allmacht, du bist Friede, u. dein Name ist Friede!
Es sei wohlgefällig vor dir, daß du auf uns Frieden legest! || pSanh 10, 28", 6: (Als
Jesaja dem Hiskia sein Ende angekündigt u. ihm gesagt hatte, daß er sich eine Tochter
des Propheten hätte zum Weibe nehmen sollen, antwortete ihm der König:) Ich höre
nicht auf dich, ich werde nur herzuspringen zu dem, was mir mein Ahn (nämlich
Salomo in Qoh 5, 6) gesagt hat; denn er hat mir gesagt: Wenn du schlimme Träume
u. schlimme Gesichte gesehen hast, dann springe herzu zu drei Dingen u. du wirst
gerettet werden. Diese sind: Gebet, Almosen u. Buße. Und diese drei sind in Einem
Vers enthalten 2Chr7, 14: „Und wenn sich dann mein Volk beugt, über welchem
mein Name genannt ist, u. wenn sie beten", das ist das Gebet; „u. wenn sie mein
Angesicht suchen", das geht auf Almosen, s. Psl7, 15: „Ich werde durch Almosen (so
der Midrasch) dein Angesicht schauen; ich werde mich sättigen beim Erwachen an
deiner Gestalt." „Und wenn sie umkehren von ihren bösen Wegen", das geht auf die
Buße. Wenn sie also tun, was steht dort (weiter) geschrieben? „Dann will ich vom
Himmel her hören u. ihre Sünde verzeihen u. ihr Land heilen." Sofort wandte sich
Hiskia ab, s. Jes38, 2: Da wandte Hiskia sein Angesicht zur Wand u. betete zu Jahve. —
Im Midr Qoh 5, 6 (25 b) wird Rabbi als Autor genannt. || B^rakh b6^': R. J^hoschuac b.
Levi (um 250) hat gesagt: Wer einen Strom im Traume sieht, der sage (beim Erwachen)
eilends Jes 66,12: „Siehe, ich wende ihr Frieden zu wie einen Strom", ehe ihm der
andre Vers (mit unheilvoller Bedeutung in seinen Gedanken) zuvorkommt Jes 59, 19:
„Denn kommen wird er wie ein eingeengter Strom, auf den der Sturm Jahves los-
peitscht." Wer einen Vogel im Traum sieht, der sage eilends Jes 31, 5: „Wie flatternde
Vögelein, so wird Jahve 9'^baoth Jerusalem umschirmen", ehe ihm zuvorkommt der
andre Vers Spr27, 8: Wie ein Vögelchen, das flüchtig geworden ist aus seinem Nest
usw. — Ebenso werden dann weiter als Verse mit guter, bezw. mit schlimmer Vor-
bedeutung genannt beim Sehen eines Topfes im Traum Jes 26, 12 u. Ez 24, 3; bei Wein-
trauben Hos 9, 10 u. Dt 32, 32; bei einem Berg Jes 52, 7 u. Jer 9, 9; bei einer Posaune
Jes 27, 13 u. Hos 5, 8; bei einem Hund Ex 11, 7 u. Jes 56, 11; bei einem Löwen Am 3, 8
u. Jer 4,10; beim Haarscheren Gn 41, 14 u. Rieht 16, 17; bei einem Brunnen Gn 26,19
u. Jer 6, 7; bei einem Rohr Jes 42, 3 u. 36, 6. || pB^rakh 5, 19», 13: R. Jona (um 350) hat
im Namen des R. Tanchum b. Chijja (um 300) gesagt: Wer einen harten (schlimmen)
Traum gesehen hat, muß sprechen: Es sei wohlgefällig vor dir, Jahve, mein Gott u.
Gott meiner Väter, daß alle meine Träume, die ich geträumt habe, sei es in dieser
Nacht oder in den übrigen Nächten, sei es, daß ich sie geträumt habe oder andre von
mir geträumt haben, wenn sie gut sind, für mich in Erfüllung gehen mögen zum Jubel
u. zur Freude, zum Segen u. zum Leben; u. wenn sie zu etwas andrem (nicht zum
Guten) sind, so mögest du, wie du das Wasser von Mara u. das Wasser von Jericho
durch Elisa zur Süßigkeit u. den Fluch des Ben B^cor in Segen verwandelt hast, alle
harten Träume u. was andre von mir geträumt haben, umwandeln zum Guten, zum
Segen u. zur Heilung u. zum Leben, zur Freude u. zum Jubel u. zum Frieden. — Dann
Matthl,20. 21 (5(. 33 1) 63
folgen die bereits oben angegebenen drei Verse, in denen das Wort , wenden" oder
, umwandeln" vorkommt (Ps30, 12f.; Dt 23, 6; Jer31,12).
n. Zu dergleichen Deutungen haben Beiträge geliefert zB B'^rakh 56*^: R. Chanina
(um 225), R. Nathan (um 160) u. R. Chanan (Chanin, um 300); R. Z'^^cira (um 300);
R. Chama b. Chanina (um 260) u. Rab Nachman b. Ji^chaq (t 356); B^rakh 57'"':
R. Elicezer der Ältere (um 90); R. Chijja b. Abba (um 280); Rab Joseph (f 333); R. 'Ulla
(um 280); Abaje (f 338/39) u. Raba (t 352); BQ 55": R. J'hoschuaE (b. Levi, um 250);
Sanh 93 •'^: Rab Papa (f 376).
1,20: Maria zu dir zu nehmen.
naQulaßsTv entspricht der nöjrrj, der Aufnahme der Verlobten in
des Bräutigams Haus, s. S. 45. Zur Namensform Magiäa s. oben S. 36.
1,2151: Des Namen sollst du Jesus heißen.
M«kh Ex 13, 2 (23'») u. GnR 45 (28 d): Drei gibt es, die ihren Namen
aus dem Munde Gottes erhalten haben: Isaak, Gn 17, 19, Salomo, 1 Chr
22, 9 u. Josia, 1 Kg 13, 2. Einige fügen noch Isma^el unter den Völkern
hinzu, s. Gn 16, 11. II pB^^rakh 1, 4% 8: Vier sind mit Namen genannt
worden, ehe sie geboren waren: Isaak, Isma'.el, Josia u. Salomo. (Beleg-
stellen wie oben.) || Pirqe R. Eli?ez. 32 Anf. : Sechs wurden bei ihrem
Namen genannt, ehe sie geboren waren: Isaak, Gn 17, 19; Isma^el, Gn
16,11; Mose (Beweis aus c:':;^ Gn 6,3, das seinem Zahlenwert nach
= ti-o^ = 345 ist); 1 Salomo, 1 Chr 22, 9; Josia, 1 Kg 13, 2, u. der Name
des Messias, s. Ps 72, 17: „Vor der Sonne war Jinnon sein Name" (so
der Midrasch). Und warum ist sein Name „Jinnon" genannt worden?
Weil er aufblühen lassen (= auferwecken) wird -irb ~i^rv die im Staube
Schlafenden. — Daß der Namengebung eine besondere Bedeutung bei-
gelegt wurde, zeigt GnR. 37 (22"^): Dem ^Eber wurden zwei Söhne ge-
boren. Der Name des einen war Peleg; denn in seinen Tagen ist die
Erdbevölkerung geteilt worden (Gn 10, 25). R. Jose (um 150) u. R. Schim^on
b. Gamliel (um 140). R. Jose sagte: Die Früheren haben, weil sie ihre
Abstammung kannten (u. diese durch Namengebung nicht festzustellen
brauchten), ihre Namen mit Rücksicht auf irgendein Ereignis gegeben;
aber wir geben sie, weil wir unsre Abstammung nicht kennen, mit
Rücksicht auf unsre Väter. Rabban SchimJon b. Gamliel sagte: Die
Früheren haben, weil ihnen der heilige Geist (der Geist der Prophetie
oder Inspiration) zur Verfügung stand, die Namen nach irgendeinem
Ereignis gegeben ; aber wir geben sie, weil uns der heilige Geist nicht
zur Verfügung steht, nach unsren Vätern. 1| Seder fOlam R. 1 : R. Jose
(um 150) hat gesagt: ^Eber ist ein großer Prophet gewesen, daß er
seinen Sohn im heiligen Geist „Peleg" nannte; denn es heißt Gn 10, 25:
„In seinen Tagen ist die Erdbevölkerung geteilt worden" (niph^ga,
Wortspiel). ~ Ähnlich GnR 37 (22 d).
1,21 33: Jesus.
1. 'lr](Tovg entspricht dem hebr. rrd-, das aus sp-in" verkürzt ist; vgl.
1 Siehe Eml. 107, Nr. 29.
64 Matthl,21 (SB1.2)
Esra 3, 2 mit Neh 8, 17. Im Rabbinischen wird der Name meist mit ^d-^
wiedergegeben, s. zB pSchab U, 14^,49; p^AZ 2, 40^ 61; eAZ 16^; piAZ
2,40^35 zu Mtl,16 Nr. 3. Die vollere Form ^^d: findet sich Tos
Chullin 2, 22 f. (503) u. 2, 24 (503), s. zu Mt 1, 16 Nr. 3. Da sich die Ver-
kürzung des riiDi zu rc^ nur bei Jesu Namen findet, hat man darin
eine beabsichtigte Verstümmelung gesehen. „Nicht aber sind die drei
Konsonanten j, s, v beabsichtigte Abbreviatur der Verwünschungsformel
jimmah s'^mö v^zikhrö (ausgelöscht werde sein Name u. sein Gedächtnis) " ;
Strack, Jesus S. 18*. — Der Name „Jesus" bedeutet: Jahve ist Heil
(nämlich in ihm oder durch ihn). Die Mt 1, 21 beigefügten Worte: „Denn
er wird sein Volk von ihren Sünden erlösen", bieten mithin nur eine
sachliche Deutung des Namens. — || Im Midrasch wird der zugrunde
liegende Name rdi-T in folgenden Stellen gedeutet. Sota 34'': Raba
(t 352) hat gesagt: . . . Für Josua hatte bereits Mose um Erbarmen
gebeten, s. Nu 13, 16: „Mose nannte den HoscheaJ "c-in, Sohn des Nun
J^'hoschua^", d. h. „Jahve helfe dir" aus dem Rat der Kundschafter. || NuR
16 (181^): Was hatte Mose für einen Grund, zu dem Namen Josuas ein Jod
(Nu 13, 16) hinzuzufügen? . . . Als Mose sah, daß die Kundschafter gott-
los waren, sprach er zu Josua: „Jahve helfe dir" aus diesem Geschlecht!
2. Den Namen, den der Messias einst führen werde, hat die Syn-
agoge seit alters zu ergründen versucht. Die Spekulationen darüber
beginnen schon in der vorchristl. Zeit. Zunächst ließ man sich an dem
Satze genügen, daß der Name des Messias vor der Welt erschaffen
oder genannt worden sei. Man wollte damit die ideelle Präexistenz
des Messias in der Gedankenwelt Gottes hervorheben, um auszudrücken,
daß die Idee des Messias oder der messianischen Erlösung Israels einen
uranfänglichen u. deshalb sicher zur Ausführung gelangenden Teil des
göttl. Schöpfungs- u. Weltplanes bilde. Siehe zu Johl, 1 h' äqxfi tjv <j
Xöyoc A, a u. B, a.
Später ging man dazu über, den Namen des Messias selbst fest-
zustellen. Wir geben diese Versuche nachfolgend in der geschichtlichen
Reihenfolge ihres Auftretens wieder. Die Messiasbezeichnungen,
wie Menschensohn, Sohn Davids, Sohn Gottes usw., bleiben jedoch in
diesem Zus.hang außer Ansatz.
Der Messias wird heißen:
a. Schalom (Friede). Derekh Ere^ Zuta 11 (21'^): R. Jose, der Galiläer (um 110),
sagte: Auch der Name des Messias heilst Friede; s. Jes9, 5: Ewig -Vater, Friedefürsfc
(die ganze Stelle s. bei Eph 2, 14). — Eine weitere Belegstelle Anm. t aus Macase Thora.
b. Chadrakh. Siphre Dt § 1 (65^): R. J'^^huda (b. ElEai, um 150) hat öffentlich vor-
getragen: Orakel, Wort Jahves über das Land Chadrakhs (so deutet der Midr Sach 9, 1).
Das ist der Messias, welcher scharf (nn) ist gegen die Völker der Welt u. mild (-")
gegen Israel.' — Parallelstellen: P^siq 143^; in Midr HL zu 7, 5 (127'^) ist statt R. W-
chemja zu lesen R. J'^huda. Dann folgt anonym eine zweite Erklärung: Chadrakh, das ist
der König, der Messias, der alle, die in die Welt kommen, zur Buße leiten wird vor Gott.
^ Deutung durch Wortzerlegung, s. Einl. 107, Nr. 30.
MHtthI,21 («8 2) 65
C. Rischon (der Erste). P^s 5^ Bar aus der Schule des R. Jischma?el (um 150):
Zum Lohn für die drei , ersten" (Feiertage Lv 23, 7. 35.40) wurden die Israeliten dreier
„Erster" gewürdigt, nämlich der Ausrottung des Samens Esaus (= Roms), des Baues
des Heiligtums u. des Namens des Messias. Ausrottung des Samens Esaus, s. Gn 25,25:
Es kam der „erste" (= Esau) heraus rötlich. Bau des Heiligtums, s. Jerl7, 12: Der
Thron der Herrlichkeit in der Höhe, von „Anfang" an die Stätte unsres Heiligtums.
Name des Messias, s. Jes 41, 27: Der „Erste" für Zion (so der Midrasch), siehe, siehe,
da ist es nun!
In späterer Zeit ist diese Bar in modifizierter Form wieder aufgenommen worden
von drei Amoräeru: GnR 63 {39'^): R. Chaggai (um 340) hat im Namen des R. Ji9chaq
(um 300) gesagt: Im Verdienste des: „Ihr sollt euch nehmen am , ersten' Tage" (Lv23,40)
will ich mich als „Ersten" (= Gott) euch offenbaren, s. Jes 44, 6: Ich bin der Erste
u. der Letzte, u. ich will für euch Rache nehmen an dem „Ersten", das ist Esau; s.
Gn25, 25: Es kam der „erste" rot heraus; u. ich will euch das „Erste" bauen, das
ist das Heiligtum (Jer 17, 12), u. ich will euch den „Ersten" bringen, das ist der König,
der Messias (Jes 41, 27). Fast gleichlautend in LvR 30 (128''j u. P^siq 185". In der
ersteren Stelle ist Autor R. Levi (um 300), Tradent R. B'rekhja (um 340); in der zweiten
Autor R. Abba bar Kahana (um 310), Tradent gleichfalls R. B'^rekhja.
d. David. An vielen Stellen läßt sich nicht entscheiden, ob mit „David" der
Messias dieses Namens oder der aus dem Jenseits zurückerwartete König David ge-
meint ist; s. hierzu bei Joh 1, 1 zu fV ('Q/tj yjy 6 löyog.
ChagH'': Einmal heißt es Dn7, 9: „Sein Thron (Sing.) waren Feuerflammen",
das andre Mal heißt es: „Bis daß Throne (Plur.) hingestellt wurden, u. der Alte der
Tage saß nieder." Das ist kein Widerspruch: der eine für ihn (Gott) u. der andre für
David, wie es in einer Bar heißt: der eine für ihn u. der andre für David, das sind
Worte des R. ^Aqiba (f um 135). Parallelstelle Sanh 38 b. || M^g \1^ (2 mal) Bar . . .:
Wenn Jerusalem erbaut ist, kommt David (= Messias), s. Hos 3, 5: „Nachher werden
wiederkehren die Kinder Israel u. suchen nach Jahve, ihrem Gott, u. nach David,
ihrem König." — pB'^rakh 2, 4 (5*, 9) folgen auf diese Ausführung die Worte: Die
Rabbanan haben gesagt: Wenn dieser König, der Messias, aus der Zahl der Lebenden
kommt, so wird sein Name David sein, u. wenn er aus der Zahl der P]ntschlafenen
kommt, so wird sein Name (gleichfalls) David sein. R. Tanchuma (b. Abba, um 380)
hat gesagt: Ich gebe als Grund an Ps 18, 51: Der Gnade erzeigt seinem Messias (so der
Midrasch), dem David '(vgl- das nächste Zitat). || Midr KL zu 1, 16 (Ende, 59^): R. J^'huda
b. Simon (um 320) hat im Namen des R. Sch^muel b. Ji9chaq (um 300) gesagt: Wenn
dieser König, der Messias, von den Lebenden kommt, so wird David sein Name sein;
wenn er von den Verstorbenen kommt, so wird sein Name (gleichfalls) David sein.
R. Tanchuma (b. Abba, um 380) hat gesagt: Ich will als Grund angeben Ps 18, 51; es
heißt hier nicht: Der Gnade erweist seinem Messias und dem David, sondern: seinem
Messias, dem David.
e. Schilo. Sanh 98'': Die Schule des R. Schela (ein Babylonier, um 220) sagte:
Schilo wird sein (des Messias) Name sein; s. Gn 49, 10: „Bis daß Schilo kommt."
Ebenso Midr KL zu 1, 16 (59'"^) mit dem Zusatz: t^'-^v ist geschrieben (nicht ^^h^^). Zu
Ehren des R. Schela sprachen seine Schüler das Wort „Schela".
/. J innen. Sanh 98'': Die Schule des R. Jannai (um 225) sagte: Jinnon wird sein
(dvjs Messias) Name sein; s. Ps 72, 17: „Sein Name sei in Ewigkeit, ehe die Sonne war,
war Jinnon sein Name." Ebenso Midr KL zu 1, 16 (59"). ]| Midr Ps 93, 2 (in den älteren
Ausgaben): Weshalb wird sein (des Messias) Name Jinnon genannt? Weil er die im
Staube Schlafenden wird aufsprossen (auferstehn) lassen. (Die Worte fehlen in der
Buberschen Ausgabe; sie sind entlehnt aus Pirqe R. Elicezer 32, einem dem 8. Jahrh.
angehörenden Midraschwerke.)
g. Chanina. Sanh 98 1': Die Schule des R. Chanina (b. Chama, um 225) sagte:
Chanina wird sein Name sein; s. Jer 16, 13: „Weil ich euch nicht Chanina (so der
Midrasch) geben werde." Ebenso Midr KL zu 1, 16 (59").
strack u.Billerbeck, NT I. 5
66 Matthl,21 (SB 2)
h. M'^nachem ben Chizqijja. Sanli 98^: Einige (wohl Zeitgenossen der in
Anm. <? — 5^ genannten Schulen) sagen: M'^nachem ben Chizqijja wird sein Name sein;
s. KL 1,16; ,Fern von mir ist M*^nachem (Tröster = Messias), der meine Seele er-
quicke." — Den Namen M'^nachem ben Chizqijja trägt der Messias auch pB^rakh 2,4
(5«, 15); Midr KL 1,16 (58 b) s. zu Mt 2, 5.
i. Chiwwara d^bg Rabbi (= der Weiße, d.h. der Aussätzige vom Hause Rabbis).
Sanh 98'': Die Rabbanan (wohl Zeitgenossen der in Anm. e—g genannten Schulen)
sagten: Der „Aussätzige aus dem Hause Rabbis" wird sein Name sein, denn es heißt
Jes 53, 4: Fürwahr er trug unsre Krankheit u. lud auf sich unsre Schmerzen. — Rabbi
(J^huda I.), der Ordner der Mischna, der seinem Volk zugut 13 jährige Leiden auf sich
nahm, gilt seinen Schülern als der Typus des' Messias; daraus erklärt sich der von
ihnen konstruierte Messiasname (s. bei Lk 24, 26 I, 4 Anm. /).
k. Jahve. BB Ib^x R. Sch'^'muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: R. Jonathan
(um 220; so zu lesen statt R. Jochanan) habe gesagt: Drei werden nach dem Namen
Gottes genannt, nämlich die Gerechten (Jes 48, 7), der Messias u. Jerusalem (Ez 48, 35).
. . . Der Messias, s. Jer 23, 6: Und dies sein Name, womit man ihn nennen wird: , Jahve
ist unsre Gerechtigkeit." || Midr KL zu 1, 16 (58^): Welches ist der Name des Königs, des
Messias? R. Abba bar Kahana (um 310) hat gesagt: Jahve ist sein Name, s. Jer 23, 6:
, Jahve ist unsre Gerechtigkeit." Denn R. Levi (um 300) hat gesagt: Heil der Stadt, deren
Name wie der Name ihres Königs u. der Name ihres Königs wie der Name ihres Gottes
ist. Heil der Stadt, deren Name wie der Name ihres Königs ist, s.- Ez 48, 35: „Und der
Name der Stadt ist selbigen Tages: Jahve ihr Name" (so der Midrasch); u. der Name
ihres Königs wie der Name ihres Gottes, s. Jer 23, 6 (Jahve ist unsre Gerechtigkeit). —
Mehrfach verändert u. mit der Belegstelle Micha 5, 3 statt Jer 23, 6 in Midr Ps 2 1 § 2 (89 '').
— In P'siq 148* nur R. Levis Ausspruch, aber erweitert mit dem einleitenden Satz, daß
Gott zukünftig sechs Dinge, darunter auch den Namen des Messias, erneuern werde.
l. gemach (Sproß). pB^'rakh 2, 4 (5^, 12): R. J^ioschuac b. Levi (um 250) hat ge-
sagt: (^lemach ist sein (des Messias) Name. — Midr KL 1, 16 (58'^') fügt als Beweisstelle
hinzu Sach 6, 12: Siehe, ein Mann, dessen Name (gemach. Vgl. auch bei Lk 1., 78.
m. Natrona oder N'^tirutha (der Wächter, der Wartende). In einer allegorischen
Auslegung von Ex 12, 2 — 9 auf die 4 Weltreiche, die R. Ji^chaqs (um 300) Namen trägt
(Tradent R. B*^rekhja, um 340), heißt es: Wer wird euch rächen an Edom (= Rom)?
Antwort: Netirutha, s. Ex 12, 6: Es (das Lamm) soll euch zur Verwahrung sein, d.h.
es (das 4. Weltreich) soll euch aufgespart bleiben, bis die Stunde der Erlösung kommt.
(Weil der Messias hierauf wartet u. hierüber wacht, heißt er Netirutha P'^siq 56* oder
Natrona P^siqR 15 [79-''].)
n. M«nachem (Tröster), vgl. Anm. //. pB'^rakh 2, 4 (5*, 12): R. Judan (um 350) hat
im Namen des R. Aibo (um 320) gesagt: M^'nachem wird sein (des Messias) Name sein.
R. Chanina b. Abbahu (um 340) hat gesagt: Es liegt keine Meinungsverschiedenheit
vor (nämlich wenn bald gemach, bald M'^nachem als Messiasname angegeben wird);
denn der Zahlen wert (s. Einl. 107, Nr. 29) des einen Wortes ist dem des andren gleich:
gemach = M'^'nachem = 138. — Midr KL zu 1, 16 (58^) fügt KL 1, 16 als Beweisstelle
für den Messiasnamen M'^'nachem bei: P'ern von mir ist M'^nachem. — Derselbe Messias-
name: Midr Esth zu 1, 1 (83*); NuR 13 (169'=).
O. Bar-Naphlg (Sohn der Verfallenen). Sanh 96'': Rah Nachman (b. Jafaqob,
t 320, ein Babylonier) sprach zu R. JiQchaq (um 300): Hast du vielleicht gehört, wann
Bar-Naphle kommen wird? Dieser antwortete: Wer ist Bar-Naphle? Jener sagte: Der
Messias. Den Messias nennst du Bar-Naplile? Ja; s. Am 9, 11: „An jenem Tage will
ich aufrichten die Hütte Davids, die verfallene" (nopheleth, Wortspiel). — Der Messias
soll mit diesem Namen als ein Angehöriger, ein Sproß des heruntergekommenen Israels
bezeichnet werden, wohl nach Analogie von Jes 11, 1. Immerhin hat der Name etwas
Auffallendes; deshalb hat die mehrfach ausgesprochene Vermutung, daß das Bar-Naphle
aus Bar-Niphli = vifi^ vecpeXaly (Wolkensohn) umgeändert sei, manches für sich. Dann
hätte Rab Nachman den griech. Ausdruck nach Am 9. 11 gedeutet.
Matth 1,21 (SB 2. 6) 67
p. N'^'liora (Licht). GnR 1 (2°): R. Abba aus S^rungin (im 4. Jahrli.?) hat gesagt
^N^'hora wohnt bei ihm" (Gott, Dn2, 22), das ist der König, der Messias; s. Jes 60, 1
Steh auf, werde Licht; denn dein Licht (= Messias) kommt. — Midr KL 1, 16 (59^)
R. Biba (lies Abba) aus S'^'rungin hat gesagt: N'^hira (der Erleuchtete) wird sein (des
Messias) Name sein; s. Dn2. 22: N'^'hira wohnt bei ihm; N'^hira steht geschrieben
(N^hora Q'^re).
q. cAnani (der mit den Wolken Kommende). Targ IChrS, 24: ^cAnani", das ist
der König, der Messias, der sich offenbaren wird. || TanchB n-"-5ip § 20 (70^): Wer ist
lAnani (1 Chr 8, 24)? Das ist der König, der Messias, s. Dn 7, 13: „Ich war im Schauen
meiner Nachtgesichte, u. siehe, mit den Wolken des Himmels, einem Menschen ähnlich,
kam einer." — Ebenso Tanch n-iVv- Ende (35=*); Aggad B''resch 44 fehlen die Worte.
r. Ephraim, nur in spätem Schriften, zB in P'^'siqR 34—87 (10. Jahrh.'?), in Pirqe
Maschiach (Beth ha-Midrasch 3, 73). Der Name, vermutlich aus Jer 31,9. 20 hergeleitet
u. gewissermafsen als Kosename gemeint, hat nichts zu schaffen mit Messias ben Joseph
oder ben Ephraim, s. bei Lk 24, 26 I, 4 Anm. q, u. Job 1,1 C, 6.
S. M'^nachem ben 'Ammiel, ebenfalls nachtalmudisch, zB im Sepher Zerubbabel
(Beth ha-Midrasch 2, 55 f.). — In PirqeR EliJezer 19 (10'^) u. Midr Ps zu \i2, 9 (ältere Aus-
gaben): „M^nachem b. 'Ammiel b. Joseph", so daß der Schein entsteht, als sollte der
Messias ben Joseph damit bezeichnet werden. Da jedoch Buber Midr Ps 92 § 10 (205*)
die einfache Messiasbezeichnung ,Ben David" hat, wird „Ben Joseph" als Zusatz in
jenen beiden Stellen zu tilgen sein.
t. Midr Spr 19 § 21 (44=*) sagt zus. fassend: Rab Huna (vermutlich Pseudonym u.
deshalb wertlos) hat gesagt: Mit sieben Namen wird der Messias genannt: Jinnon s.
Ps 72, 17; (Jahve) unsre Gerechtigkeit s. Jer 23, 6; (gemach s. Sach 6, 12; M'nachem s.
Jes 31, 3: Denn trösten will Jahve Zion ; David s. Psl8, 51; Schilo s. Gn 49, 10; Elias
s. Mal 3,23: Siehe ich will euch senden den Elias. || Eine andre Aufzählung Midr Ma<ase
Thora (Beth ha-Midrasch 2, 100): Acht Namen hat der Messias: Jinnon, (gemach, Ma-
schiach, Pele', JoEeg, El-Gibbor, Abi-EAd u. Öar-Schalom.
1, 21(^: Denn erwi r d sein Volk er retten,(Tw(r£<, von ihren Sünden.
Im AT erscheint durchgängig Gott als der Erlöser seines Volks.
Gerade in der Stelle, in der der Jesusname gleichsam präformiert
liegt, Hos 1, 7, sagt Gott: „Des Hauses Juda will ich mich erbarmen,
u. ich will ihnen Heil schaffen cirs^rini durch Jahve, ihren Gott."
Wenn nun Mt 1,21 die Erlösung Israels an Jesum geknüpft wird, so
werden beide Gedankenreihen so zu vereinigen sein, daß der Messias
als das Organ Gottes bei der Heilsbeschaffung anzusehn ist, — Dieser
Gedanke war schon der vorchristl. Synagoge nicht fremd. So wird
bereits Ps Sal 17. 18 (aus der Zeit 63 — 48 v. Chr.) der Messias als der
Erlöser Israels gefeiert: von Gott mit Kraft gegürtet, zerschmettert der
.Messias Jahves (17,32; 18,7) die ungerechten Herrscher; Jerusalem
reinigt er von Heiden u. mit dem Wort seines Mundes vernichtet er
die gottlosen Völker (17, 22. 24); die Heidenvölker hält er unter seinem
Joch, daß sie ihm dienen, u. den Herrn verherrlicht er vor der ganzen
Welt. Jerusalem macht er rein u. heilig, wie es zu Anfang war, so
daß alle Völker kommen, seine Herrlichkeit zu schauen, als Geschenk
darbringend Israels ermattete Söhne (17, 30 f.); die Erde zerschlägt er
mit dem Wort seines Mundes für immer, aber das Volk des Herrn
segnet er mit Weisheit in Frieden (17.35). So aktiv hier die Erlöser-
68 Matth 1, 21 (6)
tätigkeit des Messias geschildert ist — im Hintergrunde steht doch
als eigentlicher Urheber alles Heiles Gott: Der Herr selbst ist unser
König immer u. ewig! Selig, wer in jenen Tagen leben wird u. schauen
darf das Heil Israels in der Vereinigung der Stämme, wie es Gott
bewirkt (17, 46. 44; 18, 6). — In den Testamenten der 12 Patriarchen
(wohl noch aus vorchristl. Zeit) wird der Messias ausdrücklich als der
bezeichnet, „der Israel erlösen soll" (TestLevi 2), u. Test Jud 24 fügt
hinzu, daß er richten u. retten werde alle, die den Herrn anrufen. —
Besonders verherrlichen die Bilderreden des Buches Henoch (gleichfalls
aus vorchristl. Zeit) die rettende u. richtende Tätigkeit des Messias.
Er macht die Könige von ihren Lagern u. die Starken von ihren
Thronen sich erheben (46, 4; 48, 5. 10; 62,9); alles gottlose Wesen in
der unteren u. oberen Welt wird vor seinen Richterstuhl gestellt (41, 9;
45, 3; 51, 2; 62, 3 ff.; 69, 27; 55, 4; 61, 8 f.), die Gerechten aber werden
in seinem Namen gerettet (48, 7). — Ja die Bilderreden übertragen
sogar solche alttestamentl. Stellen, die ausdrücklich von Gottes end-
geschichtlichem Einschreiten handeln, ohne Bedenken auf den Messias
— man vgl. 53, 1 mit Joel 4, 2 ff. u. 52, 6 mit Micha 1, 4 — , eine Er-
scheinung, die eben darin ihre Erklärung findet, daß man in dem
Messias das geschöpfliche Werkzeug gesehen hat, dessen sich Gott
einst zur Erlösung seines Volks bedienen wird. So kann auf den
Messias gedeutet werden, was sich ursprünglich auf Gott bezog.
In der nachchristl. Zeit herrscht die gleiche Anschauung. Einerseits
soll der Messias die heidnischen Weltmächte vernichten u. Israel aus
der Knechtschaft befreien (er heißt deshalb kurzweg der Erlöser, bx-is,
auch wohl der letzte oder der große Erlöser zur Unterscheidung von
früheren menschlichen Rettern Israels, wie Mose, Esther u. andere) ;a
andrerseits, u. zwar in der Mehrzahl der Stellen, wird die Erlösung
von Gott selbst erwartet, u. diese Erwartung wird einigemal so ge-
flissentlich betont, daß der Eindruck entsteht, als sollte damit gegen
eine andre Meinung polemisiert werden, b
a. 4 Esra 12, 31 — 34: Der Löwe, . . . das ist der Christus, den der Höchste bewahrt
für das Ende der Tage, der aus dem Samen Davids erstehn u. auftreten wird, um zu
ihnen zu reden; er wird ihnen (den feindlichen Weltmächten) die Gottlosigkeiten vor-
halten, die Ungerechtigkeiten strafen, die Frevel vor Augen führen. Denn er wird sie
zunächst lebendig vor Gericht stellen; dann aber, nachdem er sie überwiesen, wird er
sie vernichten. Den Rest meines Volkes aber, die in meinem Lande übriggeblieben
sind, wird er gnädig erlösen u. ihnen Freude verleihen, bis das Ende, der Tag des
Gerichtes, kommt. || 13, 87 f.: Er aber, mein Sohn (= Messias), wird den Völkern, die
wider ihn gezogen sind, ihre Sünden strafen — ... dann wird er sie mühelos vernichten
durch sein Geheiß. — || Apok Bar 39, 7: Wenn die Zeit seines (des römischen Reiches)
Endes herbeigekommen ist, daß es zu Falle kommen wird, alsdann wird sich die Herr-
schaft meines Messias offenbaren . . ., u. wenn sie erschienen ist, so wird sie seine
(Roms) ganze große Schar ausrotten. || 72, 2 — 6: Wenn ... die Zeit meines Messias
kommen wird, da wird er alle Völker berufen; u. einige wird er am Leben erhalten,
einige töten. . . . Jedes Volk, das Israel nicht kennt u. nicht das Geschlecht Jakobs
niedergetreten hat, dieses soll leben bleiben. . . . Alle die aber, die sich der Herrschaft
Matthl,21(6) 69
über euch bemächtigt oder die euch gekannt haben, alle diese sollen dem Schwert
überliefert werden. — || Orak. Sibyl^. 5,414 — 419: Es kam vom Himmelsgewölbe ein
seliger Mann (gemeint ist der Messias), das Zepter in den Händen tragend, welches
Gott ihm verliehen, u. brachte alles schön in seine Gewalt u. gab zurück allen Guten
den Reichtum, den die früheren Männer genommen hatten. Alle Städte nahm er von
Grund aus ein mit vielem Feuer u. verbrannte die Volksgemeinden der vorher Böses
beginnenden Sterblichen. || Targ Jes 10,27: In dieser Zeit wird hinschwinden seine
(Assurs = der Weltmacht) Herrschaft von dir u. sein Joch von deinem Halse, u. es
werden die Völker vor dem Messias zerschmettert werden. ||42, 6f. : Ich mache dich
(= Messias) zum Bund des Volkes, zum Licht der Völker, zu öffnen die Augen des
Hauses Israel, die wie Blinde sind gegenüber der Lehre, herauszuführen ihre Verbannten
aus den Völkern, die den Gefangenen gleichen, u. um sie zu erlösen aus der Knecht-
schaft der Reiche, die eingekerkert sind wie die in der Finsternis Gefangenen. || 52, 13 ff.:
Siehe es wird gelingen meinem Knecht, dem Messias; er wird erhaben sein u. groß u.
mächtig werden gar sehr. Wie das Haus Israel auf ihn gehofft hat viele Tage hin-
durch, da ihr Aussehen u. ihr Glanz dürftig war vor den Menschenkindern: so wird
er viele Völker zerstreuen; seinetwegen werden Könige verstummen, ihre Hände auf
ihren Mund legen; denn was ihnen nicht erzählt worden, sehen sie, u. was sie nicht
gehört haben, schauen sie. — Er wird ein Ende machen der Herrlichkeit aller Reiche,
sie werden schwach sein u. trauern. — Die Mächtigsten der Völker wird er wie ein
Lamm zur Schlachtung hingeben u. wie ein Schaf, das vor seinem Scherer verstummt,
u. niemand ist ihm gegenüber da, der seinen Mund öffnete, ein Wort zu sagen. — Aus
der Knechtschaft der Völker wird er ihr Leben erlösen, sie werden die Strafe ihrer
Hasser sehen, sich sättigen an der Beute ihrer Könige. |I TanchB r.^^^^r § 6 (46'^): (Dn
2,34): „Du warst im Schauen, bis daß ein Stein losgerissen wurde." Resch Laqisch
(um 250) hat gesagt: Das ist der König, der Messias. „Der traf das Bild an seine
Füße", das geht auf alle Reiche, die sich am Bilde befanden. . . . Denn er wird die
ganze Welt vernichten, s. Jes 11, 4: Er schlägt die Erde mit dem Stab seines Mundes.
Dasselbe Tanchn»3i-r (101^). || TanchB ---i § 12 (110-'): Aus dir (Juda) wird der Messias
hervorgehn, der Israel erretten wird yv^v, s. Jes 11,1: „Ein Reis wird aufgehn aus dem
Strunk Isais" usw. (TanchB 2-i>v § 13 (92^), s. oben S. 16«. Ii Midr Ps 29 §2 (116^): Wenn
der Messias gekommen u. an den Gottlosen der Weltvölker Rache genommen haben
wird, wird sofort das Heiligtum erbaut werden. — |] Achtzehn-Gebet 1 (bab. Rezens.):
Gelobt seist du Jahve, unser Gott . . ., der gute Gnaden spendet u. alles schafft, der
gedenkt der Gnaden der Väter u. sich erbarmt über ihre Kinder u. ihren Kindeskindern
einen Erlöser bringt um seines Namens willen aus Liebe. — || GnR 70 (45 '^) : R. Jochanan
(t 279) hat gesagt: Es steht geschrieben Hos 12, 13: „Geflohen ist Jakob nach der Trift
Arams u. gedient hat Israel um ein Weib." Gott sprach zu ihnen: Euer Schicksal
gleicht dem des Jakob, eures Vaters; wie euer Vater J. geknechtet wurde, bevor er ein
Weib nahm, u. geknechtet wurde, nachdem er ein Weib genommen hatte, so werdet
auch ihr geknechtet sein, bevor der Erlöser geboren ist, u. geknechtet sein, nachdem
der Erlöser geboren ist. || P^siq49'': R. B'^rekhja (um 340) hat im Namen des R. Levi
(um 300) gesagt: Wie der erste Erlöser (Mose), so der letzte Erlöser (Messias). Wie
der erste Erlöser sich ihnen (Israel) offenbarte u. dann wieder sich vor ihnen verbarg,
so wird auch der letzte Erlöser ihnen sich offenbaren u. dann wieder vor ihnen ver-
bergen. Dasselbe Midr Ruth 2, 14 (132 b); P^siqR 15 (72 b); NuR 11 (162 b); anonym Midr
HL 2, 9 (100*). — 11 Midr Qoh 1, 9 (9^) : R. B'^rekhja (um 340) hat im Namen des R. Ji9chaq
(um 300) gesagt: Wie der erste Erlöser, so der letzte Erlöser. Wie es vom ersten Er-
löser heißt Ex 4, 20: „Mose nahm sein Weib u. seine Söhne, ließ sie auf einem Esel
reiten", so auch der letzte Erlöser, s. Sach 9,9: „Niedrig u. reitend auf einem Esel"
Wie der erste Erlöser das Manna herabfallen ließ, s. Ex 16, 4: „Siehe, ich will auf
euch Brot vom Himmel regnen lassen", so wird auch der letzte Erlöser das Manna
herabfallen lassen, s. Ps 72, 16: „Weizenbrot wird auf der Erde liegen" (so der Midrasch).
Wie der erste Erlöser den Brunnen aufsteigen ließ, so wird auch der letzte Erlöser
70 Matth 1,21 (6.2 A)
das Wasser aufsteigen lassen, s. Nu 20, 11 u. Joel 4, 18. — Der Anfang mit R. Levi (um
300) als Autor auch Midr Sm 14 § 9 (45^). |I NuR 14 (172'>): ,Mein ist Gilead, mein
Manasse" Ps 60, 9. Während es viele Meinungsverschiedenheiten über die Messiasse
gibt — die einen sagen, es gebe sieben, s. Micha 5, 4: „Wir werden wider ihn (Assur
— Weltmacht) sieben Hirten aufbringen"; u. die andren sagen, es gebe acht, s. Micha
5, 4: „Ja acht Menschenfürsten " — , so sind doch nur vier klar u. deutlich angegeben,
s. Sach2, 3f.: „Jahve ließ mich vier Schmiede sehen. Da sprach ich: Was kommen
diese zu tun? Er sprach: Das sind die Hörner, welche Juda verstreut haben . . ., so
sind nun diese gekommen, um jene zu schrecken, um die Hörner der Heiden nieder-
zuwerfen." Und das sind die vier Schmiede, wie sie David erklärt hat: „Mein ist
Gilead", das ist Elias, der zu den Bewohnern Gileads gehörte; „mein ist Manasse",
das ist der Messias, der von den Söhnen Manasses erstehn wird, s. Ps 80, 3: Vor Ephraim
u. Benjamin u. Manasse her erwecke deine Heldenkraft; „Ephraim der Schutz meines
Hauptes", das ist der Kriegsgesalbte (= sonst Messias b. Joseph oder b. Ephraim), der
von Ephraim kommen wird, s. Dt 33, 17: „Sein erstgeborner Stier (= Ephraim u. dessen
Nachkommen). . . . Damit stößt er Völker nieder"; „Juda mein Herrscherstab", das ist
der große Erlöser, der aus den Nachkommen Davids erstehn soll. (Außer dem Stamm
Juda wird den drei Ps 80, 3 genannten Stämmen je ein messianischer Retter zugewiesen:
Benjamin gehört Elias an, Ephraim der Messias b. Joseph, Manasse der Messias b. Ma-
nasse, der in der Parallelstelle Sukka 52'' „Kohen-^edeq", u. P'^'siq ö 1 '"* ; Midr HL zu
2, 13 (100'') u. P^siqR 15 (75^) „Malki-^edeq" genannt wird. Mit ihm ist der Hohe-
priester der'Messiaszeit gemeint, der kein andrer sein dürfte als Pin'^'chas, der Eiferer;
von diesem wird BB 109'' gesagt, daß er mütterlicherseits von Joseph abstamme;
daher kann er an unsrer Stelle auch als ein Nachkomme Manasses bezeichnet werden.
Das Nähere s. im Exkurs: „Elias".
b. Midr Ps 36 § 6 (125''): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Israel wurde in Ägypten
geknechtet, u. Mose stand auf u. erlöste sie; dann wurden sie in Babel geknechtet,
u. Daniel. Chananja, Mischael u. cAzarja standen auf u. erlösten sie; dann wurden sie
geknechtet in cElam, Medien u. Persien, u. Mardokhai u. Esther standen auf u. erlösten
sie; dann wurden sie von Griechenland geknechtet, u. der Hasmonäer (= Matthathias)
u. seine Söhne standen auf u. erlösten sie; wieder wurden sie geknechtet von dem
frevlerischen Edom (-- Rom). Da sprachen die Israeliten: Siehe, wir sind des müde,
daß wir geknechtet u. erlöst u. immer wieder geknechtet werden; jetzt wünschen wir
keine Erlösung mehr durch Fleisch u. Blut, sondern unser Erlöser ist Jahve Q'^baoth,
dessen Name der Heilige Israels! || Midr Ps 107 § 1 (231^): R. B<^rekhja (um 340) hat
im Namen des R. Chelbo (um 300) im Namen des R. Sch*^muel (b. Nachman, um 260)
gesagt: Wer ist gemeint Psl07, 2: „Sagen werden die Erlösten Jahves"? Antwort:
Die Israeliten. Ebenso hat es Jesaja erklärt 35, 10: „Die Losgekauften Jahves werden
zurückkehren." Nicht die von Elias Losgekauften, auch nicht die vom König, dem
Messias, Losgekauften, sondern die von Jahve Losgekauften, s. Ps 107,2: „Die Erlösten
Jahves." Anonyme Aussprüche verwandten Inhalts finden sich oft; zB P^'siq 110'';
TanchB --r- §17 (40''); -rs § 18 (36«); Midr Ps 31 § 2 (119-''); 50 §3 (140'').
1,21^: Von ihren Sünden.
A. Die vor.christl. Pseudepigraphen lassen mit dem Auftreten des
Messias die Zeit der seligen Endvollendung beginnen, a Da man an-
nahm, daß die Höhenlage der letzteren derjenigen des paradiesischen
Urstandes entsprechen werde, b so galt die Sündenreinheit der messian.
Heilsgemeinde als ein selbstverständliches Postulat. Der sündenfreie
Zustand wird nach mehrfachen Zeugnissen herbeigeführt werden:
a. negativ: durch das Gericht über die Gottlosen, c das die Sünder aus
Israel wesschafft u. nur die Gerechten als den auserwählten Rest in der
Matth 1, 21 (2) A) 71
Gemeinde übrigläßt; ferner durch die Vernichtung der dämonischen
Verführungsmächte ;d ß- positiv: durch eine neue Geistesmitteilung, e
die die Heilsgenossen zu gerechtem Wandel tüchtig macht, u. durch
das gerechte, das Volk vor Sünde bewahrende messian. Regiment, g —
Der Messias hat an der Herstellung dieses Zukunftsideales nur insofern
teil, als er jene Funktionen des Richtens* u. Leitensg ausübt. Keines-
wegs aber wird die Erlösung von der Sünde notwendig oder organisch
mit seinem Beruf verknüpft: das erhellt namentlich daraus, daß die
Entfernung des gottwidrigen Wesens aus Israel nach einigen Stellen
durch den Engel Michael h oder, zum Teil wenigstens, durch den
Hohenpriester« der Endzeit erfolgt. Die Tilgung der Sünde wird überall
als die Folge einer Machtwirkung gedacht; eine Überwindung der-
selben durch das sühnende Eingehn des Messias unter ihre Folgen
kennt das vorchristl. Judentum nicht.
a. Belege s. im Exkurs: , Diese Welt, die Tage des Messias u. die zukünftige Welt."
b. Henoch25,4: Diesen wohlriechenden Baum (Lebensbaum des Paradieses) hat
kein Fleisch die Macht anzurühren, bi^ zu dem großen Gericht (in der messian. End-
zeit), in welchem Gott an allen Rache nimmt, u. die Vollendung für immer stattfindet;
dann wird er den Gerechten u. Demütigen übergeben werden. Seine Frucht wird den
Auserwählten zum Leben dienen, u. er wird zur Speise an den heiligen Ort bei dem
Hause Gottes (Tempel Jerusalems), des Königs der Ewigkeit, verpflanzt werden, li Test
Levi 18: Er selbst (der Hohepriester der messian. Zeit) wird die Türen des Paradieses
öffnen, u. er wird wegstellen das gegen Adam drohende Schwert u. wird den Heiligen
zu essen geben von dem Holz ( = Baum) des Lebens, u. der Geist der Heiligkeit wird
auf ihnen sein. Weiteres s. bei Mt 11, 5.
C. Henoch 91, 7 f.: Der heilige Herr wird mit Zorn u. Strafe hervortreten, um Ge-
richt auf Erden zu halten. In jenen Tagen wird die Gewalttätigkeit von ihren Wurzeln
abgeschnitten werden, ebenso die Wurzeln der Ungerechtigkeit zugleich mit dem Be-
trug, u. sie werden unterhalb des Himmels vernichtet werden. |l 91, 14: Danach wird
in der neunten Woche (— Messiaszeit) das Gericht der Gerechtigkeit der ganzen Welt
offenbart werden, u. alle Werke der Gottlosen werden von der ganzen Erde verschwinden ;
die Welt wird für den Untergang aufgeschrieben werden, u. alle Menschen werden
nach dem Wege der Rechtschaffenheit schauen. || 92,5: Die Sünde wird in Finsternis
für ewig vernichtet werden u. nun nicht mehr von jenem Tag an bis in Ewigkeit er-
scheinen. ll 100, 4 f.: Der Höchste wird sich an jenem Tage des Gerichts aufmachen,
um das große Gericht unter den Sündern zu halten . . ., bis er aller Schlechtigkeit u.
aller Sünde ein Ende gemacht hat. \\ 108, 2 f.: Ihr, die ihr Gutes getan habt, wartet
auf diese Tage, bis denen, die Böses tun, ein Ende gemacht ist, u. die Macht der
Frevler ein Ende hat. Wartet nur, bis die Sünde vergangen ist; denn ihre Namen
werden aus den Büchern der Heiligen ausgelöscht u. ihre Nachkommen für immer
'vertilgt werden. — |1 Jubil 50, 5: Die Jubiläen werden vergehn, bis Israel rein ist von
aller Sünde der Hurerei u. der Unreinigkeit u. der Befleckung u. der Schuld u. der
Verirrung u. im ganzen Lande wohnt, sicher u. ohne daß es irgendeinen Widersacher
u. ohne daß es irgendeinen Bösen hat. Und das Land wird rein sein von da an bis
in alle Zeiten.
d. Jubil 23,29: Alle ihre Tage (in der messian. Zeit) werden sie in Frieden u. in
Freude vollenden u. leben, indem es keinen Satan u. keinen Bösen gibt, der sie ver-
dirbt, sondern alle ihre Tage werden Tage des Segens u. des Heils sein. — || Test Dan 5:
Es wird euch aufgehn aus dem Stamm Judas u. Levis das Heil des Herrn; u. er selbst
wird gegen den Beliar Krieg führen u. die Rache des Siegs wird er unsren Grenzen
72 Matthl,21 (2) A)
geben. — || Test Jud 25: Es wird kein Geist des Irrtums des Beliar mehr sein; denn
er wird in das Feuer geworfen werden bis in Ewigkeit. (Der Armenier liest: Es be-
finde sich in euch nicht der Geist des Irrtums; denn die unreinen Geister werden in
das ewige Gericht geworfen werden.) Ferner s. Test Levi 18 gegen Ende.
e. Test Jud 24: Er selbst (Gott) wird ausgießen den Geist der Gnade über euch
(^nämlich wenn der Stern aus Jakob [= Messias] aufgeht), u. ihr werdet seine Söhne
in Wahrheit sein u. werdet wandeln in seinen Geboten, den ersten u. letzten. (Der
Armenier: „Geist der Wahrheit" statt , Geist der Gnade".) — |1 Jubill,2;3: Danach
werden sie (Israel) in aller Aufrichtigkeit, mit ganzem Herzen u. mit ganzer Seele zu
mir umkehren, u. ich werde die Vorhaut ihres Herzens u. die Vorhaut des Herzens
ihrer Nachkommen beschneiden u. werde ihnen einen heiligen Geist schaffen u. sie rein
machen, so daß sie sich nicht mehr von mir wenden von diesem Tag an bis in Ewig-
keit. — Ferner s. Henoch 5, 8 f. bei Mt 11, 5.
/. Henoch 62,2: Der Geist der Gerechtigkeit war über ihn (den Messias) aus-
gegossen; die Rede seines Mundes tötete alle Sünder, u. alle Ungerechten wurden vor
seinem Angesicht vernichtet. || 69, 27 ff. : Die Summe des Gerichts wurde ihm, dem
Menschensohn (= Messias), übergeben, u. er läßt die Sünder u. die, welche die Welt
verführt haben (gefallene Engel, Dämonen), von der Oberfläche der Erde verschwinden
u. vertilgt werden; . . . alle ihre Werke verschwinden von der Erdoberfläche. Von jetzt
an wird nichts Verderbliches mehr da sein. Denn jener Mannessohn ist erschienen u.
hat sich auf den Thron seiner Herrlichkeit gesetzt, u. alles Böse wird vor seinem An-
gesicht verschwinden u. vergehn. i| 55,4: Ihr Könige u. Mächtigen, die ihr auf dem Fest-
lande wohnen werdet, ihr sollt meinen Auserwählten sehn, wenn er auf dem Throne
meiner Herrlichkeit sitzen u. den Asasel (einen der Führer der gefallenen Engel, Henoch
6 ff.), seine ganze Genossenschaft u. alle seine Scharen im Namen des Herrn der Geister
richten wird. — || Ps Sal 17, 22ff. : Gürte ihn (den Messias) mit Kraft, daß er ungerechte
Herrscher zerschmettere, Jerusalem reinige von den Heiden, die es kläglich zertreten !
Weise u. gerecht treibe er die Sünder weg vom Erbe, zerschlage des Sünders Übermut
wie Töpfergefäße.
g. Ps Sal 17, 26 ff.: Dann wird er (der Messias) ein heiliges Volk zusammenbringen,
das er mit Gerechtigkeit regiert, u. wird richten die Stämme des vom Herrn, seinem
Gotte, geheiligten Volks. Er läßt nicht zu, daß ferner Unrecht in ihrer Mitte weile,
u. niemand darf bei ihnen wohnen, der um Böses weiß. Vers 29: Er richtet die Völker
u. Stämme nach seiner gerechten Weisheit. Vers 32: Er herrscht als gerechter König,
von Gott unterwiesen, über sie, u. in seinen Tagen geschieht kein Unrecht unter ihnen,
weil sie alle heilig sind. u. ihr König der Gesalbte des Herrn ist. Vers 35 f.: Er segnet
das Volk des Herrn mit Weisheit in Freuden. Und er ist rein von Sünde, daß er herrschen
kann über ein großes Volk, in Zucht halten die Obersten u. wegschaffen die Sünder
mit mächtigem Wort. Vers 40 f.: Mächtig von Tat u. stark in der Furcht Gottes hütet
er des Herrn Herde treu u. recht u. läßt nicht zu, daß eines von ihnen auf ihrer Weide
strauchle. Gerade leitet er sie alle, u. unter ihnen ist kein Übermut, daß Gewalttat
unter ihnen verübt würde. || 18, 6 ff. : Selig, wer in jenen Tagen (in der messian. Zeit)
leben wird u. schauen darf das Heil des Herrn, das er dem kommenden Geschlechte
schafft unter der Zuchtrute des Gesalbten des Herrn in der Furcht seines Gottes, in .
geistgewirkter Weisheit, Gerechtigkeit u. Stärke, daß er leite einen jeglichen in Werken
der Gerechtigkeit durch Gottesfurcht, sie allesamt darstelle vor dem Antlitze des Herrn:
ein gut Geschlecht voll Gottesfurcht in den Tagen der Gnade.
h. Henoch 10, 11. 20 — 22: Zu Michael sprach der Herr: . . . Und du reinige die
Erde von aller Gewalttat, Ungerechtigkeit, Sünde, Gottlosigkeit u. Unreinigkeit, die
auf der Erde verübt wird; vertilge sie von der Erde. Alle Menschenkinder sollen gerecht
sein, alle Völker sollen mich verehren. . . . Die Erde wird rein sein von aller Verderbnis,
Sünde, Plage u. Qual. — || Test Dan 6: Fürchtet den Herrn, meine Kinder, u. hütet euch
vor dem Satan u. seinen Geistern. Nahet euch Gott u. dem Engel, der für euch bittet
(= Michael); denn dieser ist der Mittler zwischen Gott u. den Menschen zum Frieden
Matthl,21 (2)A. B) 73
Israels. Gegen das Reich des Feindes wird er sich stellen; deshalb bemüht sich der
Feind, alle, die den Herrn anrufen, zu Falle zu bringen. Denn er weiß, daß an dem
Tag, an welchem Israel glaubt, das Reich des Feindes ein Ende haben wird.
i. TestLevi 18: Zur Zeit seines (des Hohenpriesters der messian. Zeit) Priestertums
wird jede Sünde vergehn, u. die Gottlosen werden aufhören Böses zu tun. Und er
selbst wird die Türen des Paradieses öffnen u. wird wegstellen das gegen Adam drohende
Schwert u. wird den Heiligen zu essen geben von dem Holze (= Baum) des Lebens,
u. der Geist der Heiligkeit wird auf ihnen sein. Und Beliar wird von ihm gebunden
werden, u. er wird seinen Kindern Gewalt geben, auf die bösen Geister zu treten.
B. In der nachchristl. jüdischen Literatur werden die Tage des.
Messias (n"ia:-an 's^^•o'^) meist von der zukünftigen Welt (5<::n obir) unter-
schieden: jene sollen den Anfang, diese die Vollendung des Heilsstandes
bringen. Damit war eine verschiedenartige Einschätzung des Charakters
der messian. Zeit von selbst gegeben: Idealisierung der Tage des
Messias, so daß sie dem fOlam ha-ba fast gleichkamen, oder Herab-
drückung, so daß ihr Niveau sich nicht wesentlich über das der gegen-
wärtigen Weltzeit erhob. Je nachdem nun das Gesamturteil über die
Messiastage ausfiel, mußte die Frage nach der Sündenreinheit der
messian. Gemeinde bald bejaht, bald verneint werden. Doch sind die
diesbezüglichen ausdrücklichen Zeugnisse äußerst gering an Zahl.
Die Sündenfreiheit wird ausgesprochen 4Esra6, 26ff. : Dann (zu
Beginn der messian. Periode) wird das Herz der Erdenbewohner ver-
ändert u. zu neuem Geiste verwandelt (s. Ez36, 26f.). Dann ist das
Böse vertilgt u. der Trug vernichtet: der Glaube in Blüte, das Ver-
derbnis überwunden, u. die Wahrheit wird offenbar, die so lange Zeit
ohne Frucht geblieben ist. i| Apok Bar 73, 4 f. : Prozesse u. Anklagen,.
Streitigkeiten, Rachetaten, Blutschuld, Begierden, Neid, Haß u. alles
dem Ähnliche wird (nach Aufrichtung des messian. Regiments) der
Verdammung anheimfallen, indem es ausgerottet werden soll; denn
diese sind es, die diese Welt mit den Übeln erfüllten, u. um ihretwillen
geriet das Leben der Menschen in arge Verwirrung. || Midr Qoh (53'*)
zu 12, 1: „Die bösen Tage . . ., von denen du sagst: Sie gefallen mir
nicht." R. Chijja b. N'^chemja (im 4. Jahrh.) hat gesagt: Das sind die
Tage des Messias, in denen es weder ein Verdienst noch eine Schuld
gibt. (In den Tagen des Messias wird nach Beseitigung des bösen
Triebes, des Je^er ha-ra'<, jedes sündliche Begehren ausgerottet sein;
deshalb fällt jede Gesetzesübertretung [Schuld] fort, aber auch jedes
durch Bekämpfung dieses Triebes zu erwerbende Verdienst.) — Der-
selbe Ausspruch anonym Schab 151*>; LvR 18 (117<^). Ü Midr Ps 96 § 2
(211 a): „Der Erdkreis . . . wanket nicht" Ps 96, 10, denn es finden sich
(in der messian. Zeit) keine Gottlosen in der Welt.
Die Sündhaftigkeit des messian. Zeitalters wird vorausgesetzt Siphre
Dt 32, 15 § 318 (136^): Ebenso findest du es in den Tagen des Messias,
daß sie (Israeliten) sich nur empören werden infolge des Überflusses
an Speise u. Trank u. Wohlleben, vgl. Dt 32, 15: Da ward Jeschurun
74 Matth 1, 21 (35 B). 1, 22 («. 58)
fett u. schlug aus. || B^akh 34'^: Schemuel (f 254) hat gesagt: Den
einzigen Unterschied zwischen dieser Welt u. den Tagen des Messias
bildet die (in den letzteren beseitigte) Knechtschaft unter den Welt-
reichen. — Parallel: Schab 63 ^ 151'^; F's 68=^; Sanh91'\ 99=». || Über die
Heidenvölker heifst es Midr Ps 2 § 3 (13=^) u. 21 § 3 (90"): Wenn man in
der Zukunft dem König, dem Messias, sagen wird: Die u. die Stadt
hat sich gegen dich empört, so wird er sagen: Es komme die Heu-
schrecke u. verheere sie, s. Jes 11,4: „Er schlägt die Erde mit dem
Stab seines Mundes"; wenn man ihm sagen wird: Die u. die Provinz
hat sich gegen dich empört, so wird er sagen: Es komme der Todes-
engel u. verheere u. verderbe sie, s. Jes 11, 4: „Und durch den Geist
seiner Lippen tötet er den Gottlosen."
Im allgemeinen wird man sagen können, daß diejenigen jüdischen
Gelehrten, die die Ausrottung des bösen Triebes, die Vernichtung des
Todes, das Aufhören der Opfer u. die Wiederkehr des paradiesischen
Urzustandes in der messian. Zeit erwarteten, auch die Sündlosigkeit
der messian. Gemeinde werden angenommen haben. Vgl. den Exkurs:
„Diese Welt, die Tage des Messias u. die zukünftige Welt. " — Über die
die Sünde seines Volkes sühnenden Leiden des Messias s. bei Lk24, 26.
1,22 31: Auf daß erfüllt werde, was gesagt ist.
Dem entspricht die Formel -2i<:c-n^ t:''?li?^. B'^rakh 57'': Wenn Mar
b. Rabina (gegen 400) nach (der Stätte von) Babel kam, nahm er Erd-
staub (davon) in sein Tuch u. warf ihn (dann) draußen fort, um zu
erfüllen, was gesagt ist Jes 14,23: „Ich kehre es hinweg mit dem
Kehrbesen der Vertilgung." || B'^rakh b9^: Abaje (f 338/39) hat gesagt:
Wir haben gelernt, daß ein Sturm nicht zwei Stunden lang anhält,
damit erfüllt werde, was gesagt ist Nah 1,9: „Nicht wird sich zwei
Stunden hindurch (so der Midrasch) erheben die Not." !| Siphre Dt 33, 24
§355 (148 "): Als er (ein Ölbauer in Gusch Chalab vom Felde) in sein
Haus kam, rief er seine Magd u. sprach zu ihr«: Komm u. wasche unsre
Füße. Sie füllte Öl in eine Schüssel u. wusch ihnen die Füße, um zu er-
füllen, was gesagt ist Dt 33, 24: „Er taucht in Öl seinen Fuß." — Wei-
tere Beispiele Siphre Dt 33, 24 §355 (148'-^); GnR 20 (13^); NuR 10 (158«^).
50 Das, was vom Herrn durch den Propheten gesagt ist.
Im Rabbinischen: 'e ■'Ii hv v^^pn mnn n^wXjc iriT, „das ist es, was
vom heiligen Geist durch NN gesagt ist", zB P'^siqR 33 (150^): R. Tan-
chuma, der Rabbinensohn (um 380), eröffnete seinen Vortrag also: Das
ist es, was vom heiligen Geist durch David, den König Israels, gesagt
worden ist: „Du liebst Gerechtigkeit" Ps45, 8. || Das. 34 (158"): Das
ist es, was vom heiligen Geist durch Jesaja gesagt worden ist: „Be-
kannt unter den Nationen wird ihr Same sein" Jes 61, 9, — , Weitere
Beispiele das. 35 (160-); 36 (161=^); 37 (162'^; 10 (34^). — Aktivisch:
in^ hs üTipn mn nn^xu; xin ht, „das ist es, was der heilige Geist durch
Matth 1, 22 (S). 1,23.25 75
NN gesagt hat", zB P^siqR 6 (23=*): Das ist es, was der heilige Geist
durch Salomo gesagt hat: , Schauest du einen Mann" Spr22,29. Andre
Beispiele P^siqR 11 (42='); 20(94'^); 33 (149'0; NuR 10 (157 d); im NT vgl.
Apg 1, 16. II Auch die Formel findet sich: „Das ist es, was die Schrift
im heiligen Geist durch NN gesagt hat, zB P'^siqR 7 {26^).
1,23: Immanuel, das ist verdolmetscht: Gott mit uns,
Jes 7, 14 wird auf Hrskia bezogen ExR 18 (SO'^): Die Israeliten u. Hiskia saßen u.
sprachen das Hallel, denn es war die Passahnacht; u. sie fürchteten sich, indem sie
meinten, Jerusalem würde jetzt von ihm (Sanherib) überwältigt werden. Als sie sich
aber früh morgens aufmachten, um das Sch'^ma?, Dt 6, 4, zu sprechen u. zu beten,
fanden sie ihre Feinde tot als Leichen. Deshalb hatte Gott zu Jesaja gesagt Jes 8, 3:
Nenne seinen Namen: , Eilebeute, Baldraub", d. i. er wird eilends ihre Beute rauben;
u. den andren nenne mit Namen Ummanuel Jes 7, 14, d. h. „ich werde mit ihm sein",
s. 2Chr82, 8: „Mit ihm (Sanherib) ist Fleischesarm, aber mit uns ist Jahve, unser
Gott." il NuR 14 (173='): Abraham war einer von den Menschen, die von sich selbst aus
Gott erkannt haben. Hiob hat Gott von sich selbst aus erkannt. Woher? So sagt er
Hi 23, 12: „Aus meinem Busen heraus habe ich die Worte seines Mundes beobachtet."
(Der Midrasch scheint ■p~'2 = '"""?. zu deuten.) Auch Hiskia. der KiJnig von Juda, hat
von sich selbst aus Gott erkannt. WoherV So steht von ihm geschrieben Jes 7, 1-5:
„Dickmilch u. Honig wird er essen, indem er weiß das Böse zu verwerfen u. das Gute
zu erwählen." Ferner hat der König, der Messias, von sich selbst aus Gott erkannt
(Belegstelle fehlt) u. ebenso Abraham.
1, 25: Und er erkannte sie nicht, bis . . .
Yivüiaxstv in geschlechtlichem Sinn wie hebr, i^zn, r^^ (schon Gn 4, 1)
u. das aram. crn. — pj'^b 4, 6^, 32: (Wenn jemand beim Tode seiner
Frau kleine Kinder hat, so darf er sich sofort wieder verheiraten.)
Als die Gattin des R. Tarphon (um 110) gestorben war, sagte dieser,
als er noch an der Begräbnisstätte weilte, zu deren Schwester: Tritt
ein (nämlich unter den Traubaldachin, eine Verlöbnisformel = sei mein
Weib) u. erziehe deiner Schwester Kinder! Obwohl er sie geheiratet
hatte, erkannte er sie m-zirn nicht, bis die dreißig Tage (der kleinen
Trauer) vergangen waren. — Auch von der Frau wird n-^on gesagt.
Midr HL zu 7, 14 (130=*): „Die Liebesäpfel geben Duft", damit sind die
Jünglinge Israels gemeint, die die Sünde (der Unkeuschheit) nicht ge-
schmeckt haben; „u. an unsren Türen sind allerlei köstliche Früchte*
(das.), damit sind die Töchter Israels gemeint, die an ihren Männern
hangen u. keinen andren erkennen ri-.^s-?. — In der Parallelstelle ^Erub
21*', wo Raba (f 352) als x^utor genannt wird, ist der Ausdruck ver-
mieden. II J«b 57=': (Der Priester läßt seine Verlobte Hebe) essen, ob-
wohl er sie noch nicht erkannt hat rrjj-. nh^. \\ pMSch 4, 55\ 50: Ein
Mensch kam zu R. Jischma^el b. Jose (um 180) u. sprach zu ihm: Ich
habe in meinem Traum gesehen, wie ich einen Olivenbaum mit Öl
tränkte (begoß). Er sprach zu ihm: Möge dieses Mannes (d.h. dein)
Lebensodem hinschwinden! seine Mutter hat er erkannt crn. Ein andrer
Mensch kam zu ihm u. sprach: Ich habe in meinem Traum gesehen,
76 Matth 2, 1 (51-6). 2 (21 1)
wie meine Augen einander küßten. Er sprach zu ihm: Möge der Geist
dieses Mannes hinschwinden! seine Schwester hat er erkannt c=r.
2, 1 3(: Bethlehem in Judäa.
Das judäische Bethlehem wird, abgesehen von den Zitaten aus dem AT, in der
rabbin. Literatur nur sehr selten erwähnt; s. bei 2, 5.
2, 123: Weise.
/udyo?. Die alttestamentl. Form i*: Jer 39, 3. 13' ist vom Targ Jonath beibehalten;
die rabbin. Literatur hat das Wort fxäyog in den Formen '^iJ»?, s«j«'^, sffi:i5»?s u. -Bi^rss
übernommen. Die Wortbedeutung hat sich im rabbin. Sprachgebrauch dahin fixiert, daß
unter •ai;'3 ein Zauberer verstanden wird, während man für die in dem griech. fiäyog
mitenthaltene Bedeutung , Astrologe" das Lehnwort c-;i';-— 40 s oder c-;iV:T^^s aufnahm.
Targ Jerusch I Ex 7, 15: Geh zu Pharao in der Morgenfrühe, der wird zur Beobachtung
der Wahrsagezeichen an das Wasser hinausgehn, als wäre er ein Mager. — Ebenso 8, 16. ;
Schab 75*: Rab (ein Babylonier, t 247) hat gesagt: Wer ein einziges Wort von einem
Mager lernt, der ist des Todes schuldig. Betreffs eines Magers hat Sch^muel (ein Baby-
lonier, t 254) gesagt: Er sei ein Zauberer; Rab: Er sei ein Gotteslästerer. || Sanh39'*:
Ein Mager sagte zu Amemar (um 400): Deine obere (Körper-)Hälfte gehört dem Ormuzd,
deine untere Hälfte dem Ahriman. Er antwortete: Wenn dem so wäre, wie würde
Ahriman dem Ormuzd gestatten, das Wasser (die Exkremente) durch seinen unteren
Teil abzuführen! 1| Midr HL 7,9 (129"^): Dn3,27: s^ie^r-iris ... R.Acha (um 320) sagte:
Das sind die Archonten, die verdächtig sind, das Recht nach jeder Seite hin zu drehen
u. zu wenden (Notarikondeutung = z'^.t -■•:;:-.:, s. Einl. 107, Nr. 30); die Rabbanan sagten:
Sie ehrten Personen u. verdrehten das Recht (Notarikondeutung = =-:e i'-i-ns); n^sjc,
das sind die Lehrer; sp;-3, das sind die Schatzmeister, u. ifshy. ■''::^v^> ^^^ sind die
Ältesten u. Astrologen. — Mehrfach wird auch '^s-V:, Chaldäer, in der Bedeutung
, Mager" (= Zauberer, Wahrsager, Sterndeuter) gebraucht, zB B®rakh64='; Schab 119^
156^; Sanh 95«.
2, 1 (i: Vom Morgenlande, ciiid uvatoliöv.
Gittiu 1,2: R. J^huda (b. Ehai, um 150) hat gesagt: (Die Gegend) von Reqem ost-
wärts u. Reqem selbst gelten als Osten -■;j"3, von Asqalon südwärts u. Asqalon selbst
als Süden, von EAkko nordwärts u. (Akko selbst als Norden.
2,2 31: Seinen Stern.
1. Der Stern aus Jakob Nu 24, 17.
pTa'an 4, 5 (68^^, 44): R. Schim.on b. Jochai (um 150) hat gelehrt: Mein Lehrer EAqiba
(t um 135) hat vorgetragen: Hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob (Nu 24, 17); hervor-
getreten ist Kozeba aus Jakob. Als R. cAqiba den Bar Kozeba erblickt hatte, rief er
aus: Das ist der König, der Messias. — Ohne Bezugnahme auf Nu 24, 17 Midr KL zu
2, 2(62^'); doch geht vorauf : R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Rabbi hat vorgetragen:
Hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob (Nu 24, 17), lies nicht ein , Stern", sondern ein
, Lügner" ; s. oben S. IBcT. || TanchB Dt 3*: Dt 2, 5: ,Laßt euch nicht in Streit mit ihnen
(den Söhnen Esaus in Secir) ein; denn ich werde euch nichts von ihrem Lande geben,
keinen Fußtritt breit; denn zum Besitz für Esau habe ich das Gebirge Se'ir gemacht."
R. Meir (um 150) hat gesagt: Bis seine Füße stehen werden an selbigem Tage auf dem
Ölberge (Sach 14, 4); R. Sch'^muel (b. Nachman, um 200) hat gesagt: Bis der kommen
wird, von dem es heißt Nu 24, 17: , Hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob" ; das ist
der König, der Messias. Gott sprach zu Israel: In dieser Welt hast du keine Gewalt
über dieses Gebirge, aber in der zukünftigen Welt (hier im weitern Sinn die Tage des
Messias miteinschließend) werdet ihr erlöst werden u. es niedertreten u. in Besitz
nehmen, s. Obadial9: .Und einnehmen werden die von Mittag das Gebirge Esau";
Matth 2, 2 (31 1. 2) 77'
u. ferner steht geschrieben (Vers 21): , Heraufziehen werden Befreier auf den Berg
Zion, zu richten das Gebirge Esaus, u. es wird die Königsherrschaft Jahve zufallen. ||
DtR 1(196'=): „Bis ich zu meinem Herrn nach SeUr komme" Gn 33, 14. R. Sch'^muel
b. Nachman (260) hat gesagt: Wir sind die ganze Schrift durchgegangen u. haben nicht
gefunden, daß Jakob bei Esau in Se'ir geweilt hat; was bedeutet also ,nach Setir"?
Jakob sagte zu Esau: Noch habe ich Richter u. Befreier erstehn zu lassen, um Rache
zu nehmen an jenem Mann (= Esau = Rom). Vgl. Obadja 21: Heraufziehen werden
Befreier usw. — Die Israeliten sprachen vor Gott: Herr der Welt, wie lange sollen
wir unter seiner Hand geknechtet sein? Er antwortete ihnen: Bis jener Tag kommen
wird, von dem geschrieben steht Nu 24, 17: „Hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob
u. es erhebt sich ein Zepter aus Israel." Wenn der Stern aus Jakob hervorgeht, wird
er die Stoppel Esaus (= Roms) verbrennen, s. Obadja 18: Es wird das Haus Jakob zum
Feuer u. das Haus Joseph zur Flamme werden u. das Haus Esau zur Stoppel, u. jene
werden sie anbrennen u. sie verzehren, daß Esau kein Rest übrig bleiben wird. In
jener Stunde, sprach Gott, werde ich mein Königtum hervorstrahlen lassen u. über
euch König sein, s. Obadja 21: Heraufziehen werden Befreier ... u. es wird die Königs-
herrschaft Jahve zufallen. — j| Leqach tob zu Nu 24,17 {'2, 129^. 130^). In der unter
R. Levis (um 300) Namen gebrachten zus.hangenden Darstellung der Ereignisse der
messian. Zeit heißt es am Schluß: Und die zehnte Stimme wird rufen, Ps24, 9: „Er-
höhet, ihr Tore, eure Häupter . . ., daß der König der Ehren einziehe." Dann werden
die Toten wieder lebendig werden: „Leben werden deine Toten, meine Leichen werden
auferstehn" Jes 26, 19. Und dann werden die Verbannten gesammelt werden, s. Jes
27,13: „An diesem Tage wird man in die große Posaune stoßen, u. herankommen
werden die Verlorenen im Lande Assur u. die Versprengten im Land Ägypten." Und
dann wird sich erfüllen Nu 24, 17: Hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob. — || pN^'d
4, 12 (38 ^ 59): R. Gerschom (nach 350) hat im Namen des R. Acha (um 320) gesagt:
„Hervortritt ein Stern aus Jakob", Nu 24, 17. Aus wem tritt der Stern hervor u. wird
er einst erstehn? Aus Jakob (u. nicht — wie als Gegensatz hinzuzudenken ist — aus
Esau, d. h. hier aus dem christlichen Rom). || Targ Onk zu Nu 24, 17: Ich sehe ihn (den
Stern), doch nicht jetzt; ich schaue ihn, doch ist er nicht nahe'. Wann sich erheben
wird der König aus Jakob u. mächtig werden der Messias aus Israel, wird er töten
die Großen Moabs u. herrschen über alle Menschenkinder. || Targ Jerusch I zu Nu 24, 17 :
Ich sehe ihn, doch ist er nicht jetzt; ich schaue ihn, doch ist er nicht nahe: wann ein
mächtiger König herrschen wird aus dem Hause Jakob u. groß wird der Messias u.
mächtig das Zepter aus Israel — dann wird er töten die Großen Moabs u. beseitigen
alle Söhne Seths, die Scharen Gogs, die sich zum Kampfe ordnen werden wider Israel,
u. es werden ihre Leiber alle fallen vcfr mir (sollte heißen „vor ihm"). — Targ Jerusch II
läßt die Beziehung der Stelle auf den Messias zweifelhaft, wenngleich sie durch die
Deutung von Vers 19 auf Rom nahegelegt wird.
2«. Der Stern Abrahams.
Mafase Abraham (bei Horowitz, Sammlung kleiner Midraschim 1, 43): Als unser
Vater Abraham geboren wurde, kam man vor den König Nimrod, u. seine Sterndeuter
sagten zu ihm: Dem Therach ist ein Sohn geboren worden; erwirb diesen von ihm u.
gib ihm alles, was er wünscht. Nimrod fragte: Weshalb sagt ihr also? Sie erwiderten:
Wir haben gesehen, daß sich an jenem Tage, da er geboren wurde, Ein Stern erhob
u. vier Sterne am Himmel verschlang; u. es will uns scheinen, daß jener zwei Welten
in Besitz nehmen wird. — Ähnlich Jellinek, Beth-ha-Midr 2, 118. || Sepher-ha-Jaschar -:,
Wilna 1870, Bl. IH: Es geschah in der Nacht, da Abraham geboren wurde, daß alle
Diener Therachs u. alle Weisen Nimrods u. alle seine Schriftgelehrten kamen, um im
Hause Therachs zu essen u. zu trinken u. sich mit ihm in jener Nacht zu freuen. Als
sie sein Haus verließen, erhoben sie in jener Nacht ihre Augen himmelwärts zu den
Gestirnen; u. sie sahen u. siehe, ein sehr großer Stern kam vom Aufgang der Sonne
u. lief am Himmel hin u. verschlang vier Sterne an den vier Seiten des Himmels.
78 ^latth 2, 2 (31 2. S. 23). 2, 4 (Nr. 1 )
Und sie wunderten sich ob dieser Erscheinung u. prüften mit Einsicht den Vorfall, um
seine Bedeutung zu erkennen. Da sprachen sie einer zum andren: Das bedeutet nichts
anders als das Kind, welches in dieser Nacht dem Therach geboren worden ist, u.
welches groß werden u. sich ausbreiten wird gar sehr u. die ganze Erde in Besitz
nehmen wird, es selbst u. seine Nachkommen bis in Ewigkeit; es selbst u. sein Same
wird große Könige tüten u. ihr Land in Besitz nehmen.
3. Außerordentliche Lichterscheinungen bei Isaaks u. Moses Geburt.
GnR 53 (33*^): ,.Ein Lachen über mich hat Elohim bereitet" Gn 21, 6. R. Levi (um
300) hat gesagt: Das bezieht sich auf die Hinzufügung (von Lichtglanz) zu den Himmels-
lichtern; es steht hier das Verbum ~-e-j (machen, schaffen, bereiten) u. es steht dort
Gn 1,16: Es machte, -iji-"!, Elohim die zwei großen Lichtkörper. — In P'^siq 146=^ ist
Tradent R. B^refchja (um 340); in TanchB s— ; §37 (54 «) wird R. B'^rekhja als Autor
genannt. || P*^siqR 42 (177^): R. Chanina b. Levi (ein Amoräer ungewisser Zeit) hat ge-
sagt: An dem Tage, an welchem Isaak geboren wurde, vermehrte Gott das Licht der
Sonnenkugel achtundvierzigmal im Vergleich mit ihrem gewöhnlichen Licht. || Sota 12^;
Die Weisen (um 150) sagten: In der Stunde, da Mose geboren wurde, erfüllte sich das
ganze Haus mit Licht; es steht hier Ex 2, 2: „Sie sah, daß es (das Kind) schön war",
u. es steht dort Gnl,18: ,Er sah, daß es (das Licht) schön war. (Der gleiche Aus-
druck 3TJ ": in beiden Stellen berechtigt Ex 2, 2 nach Gn 1, 18 zu deuten; s. Einl. 97,
Nr. 2.) — Ebenso ExR 1 (66^). || bSota 12^: (Ex 15, 20: Mirjam) . . . ,die Schwester
Ahrons", u. nicht die Schwester Moses. Rab fAmram (um 2H0) hat gesagt: Rab (f 247)
habe gesagt — nach andern hat Rab Nachman (b. Ja'aqob, t 320) gesagt, Rab habe
gesagt: Das lehrt, daß sie geweissagt hat, als sie (nur) Ahrons Schwester war (also
bevor Mose geboren war). Sie sagte: Einst wird meine Mutter einen Sohn gebären,
der Israel erlösen wird. Als nun Mose geboren war, erfüllte sich das ganze Haus mit
Licht. Da stand ihr Vater auf u. küßte sie auf ihr Haupt; er sprach zu ihr: Meine
Tochter, erfüllt ist deine Weissagung! Als sie ihn (Mose) aber in den Fluß geworfen
hatten, stand ihr Vater auf u. schlug sie auf ihr Haupt; er sprach zu ihr: Meine Tochter,
wo ist nun deine Weissagung? — M'^'g 14 '^ nur Rab Nachman (b. Jafaqob), ExR 1 (66*^)
nur Rab ^Amram Tradent; Midr Spr 14 § 1 (37'') Autor Rab Huna (Schüler Rabs, f 297).
Vgl. die anonyme Ausführung ohne Erwähnung der Lichterscheinung M*^kh Ex 15,20 (5 1 '').
2,2 33: Ihm zu huldigen, nQoaxvvr^acci avzoK
Die LXX geben mit TTQoaxvrtTv das alttestamentl. njnrdn wieder.
Die Rabbinen kennen verschiedene Arten von Niederwerfungen. Sch'bu
16'': Eine Niederwerfung nx-nn-cir;, mit 'der kein Verweilen verbunden
ist, ist ein einfaches Niederknieen rtri-^; die, mit der ein Verweilen
verbunden ist, erfolgt unter Ausbreitung der Hände u. Füfae. . . . Bar:
Das nn^p genannte Sich-Hinstrecken geschieht auf das Gesicht, s. 1 Kg
1,31: „Da verneigte sich •^•pr'i Bath-Scheba< mit dem Angesicht zur
Erde." Das Niederknieen nr-^ns geschieht auf die Kniee, s. 1 Kg 8, 54:
Er erhob sich vom Niederknieen auf seine Kniee; das nx^nrü-n genannte
Sich-Hinstrecken geschieht mit Ausbreiten der Hände u. Füße, s. Gn
37, 10: Sollen wir etwa, ich u. deine Mutter u. deine Brüder kommen,
uns vor dir auf die Erde niederzuwerfen? — Parallelstellen: M®g22'';
B«rakh 34''; Hör i\ Ferner s. bei Mt 9, 18.
2,4: Alle Hohenpriester u. Schriftgelehrten des Volkes.
1. ctQxi^Qsic, Plural; denn „Hohepriester" pflegten genannt zu werden
«, diejenigen, die das hohepriesterliche Amt einmal bekleidet, aber
Matth2, 4 (Nr. 1.2) 79
aus irgendeinem Grunde wieder verloren hatten ;a ß^ diejenigen, die
den bevorzugten Familien angehörten, denen die Hohenpriester meist
entnommen wurden;b s. Schürer^ 2,267 — 277.
a. Apg 4, 6 wird Hannas c(g;(i6getg genannt, obgleich er seit dem Jahre 15 n. Chr.
nicht mehr amtierte. || Hör 8,4: Zwischen einem amtierenden u. einem zurückgetretenen
Hohenpriester besteht abgesehen von dem Farren am Versöhnungstage u. dem Zehntel
Epha kein Unterschied. Beide sind einander gleich in bezug auf den Dienst am Ver-
söhnungstage. Beiden gilt das Gebot, eine Jungfrau, u. das Verbot, eine Witwe zu
heiraten; sie dürfen sich nicht an (verstorbenen) Blutsverwandten verunreinigen, nicht
das Haupthaar wild wachsen lassen u. nicht die Kleider zerreißen (als Trauerzeichen);
beide veranlassen (durch ihr Ableben) die Rückkehr des Totschlägers (aus der Asyl-
stadt). — Die Stelle handelt zwar zunächst nur von dem Substituten des H.s am Ver-
söhnungstage, zeigt aber deutlich den character indelebilis, den das Amt auch dem
vorübergehenden Amtsträger verlieh.
b. Apg 4, 6: Kal'jyi'ag 6 uQ^tsQSi'g xnl Kniucpag r.cä 7(0«'»'»'»;? xcd 'j^s'Srcrdoog' xal
naoi. TJaay ex ye'vovg dQ^iegaTixoi'. || K'^th 13, 1: Zwei Polizeirichter gab es in Jerusalem
namens Admon u. Chanan ben Abischalom. Chanan tat zwei Aussprüche, Admon sieben.
Wenn jemand in eine ferne Gegend verreist u. sein (zurückgelassenes) Weib Unterhalt
fordert, so soll diese, wie Chanan sagte, erst am Ende (nämlich wenn sie nach Ein-
treffen der Nachricht vom Tode ihres Mannes die Auszahlung ihrer Hochzeitsverschreibung
fordert) u. nicht zu Anfang (wenn sie die Alimentenforderung erhebt) schwüren (nämlich
daß ihr Mann sie ohne Unterhalt gelassen hat). Es waren aber die Söhne der Hohen-
priester (= Glieder der hohenpriesterlichen Familien) andrer Meinung: sie erklärten,
sie müsse zu Anfang u. am Ende schworen. || Ohaloth 17, 5: R. J'^'huda (b. Eltai, um 150)
hat gesagt: Einmal kamen Briefe aus einer fernen Gegend an die Söhne der Hohen-
priester, es befanden sich daran ein bis zwei Sea Siegel(erde), u. die Gelehrten fanden
nichts Bedenkliches darin in bezug auf Unreinheit (Erde vom Auslande, auch Siegelerde,
galt als unrein). |! Tos W^n lli, 21 s. bei Job 18, 13 Anm. c. \\ Joma IS'»: R. Asi (um 300)
hat gesagt: Drei Qab Denare brachte Martha, die Tochter des Boethos, dem König
Jannai, damit er den J'^hoschua' b. Gamla (ihren Verlobten) unter die Hohenpriester
erhöbe. [Die geschichtl. Einkleidung dieser Stelle ist unrichtig: J*^hoschuai b. Gamla,
der Gemahl der Martha bath Boethos J^b 6, 4, ist Hoherpriester gewesen um 63 — 65
n. Chr.; der angegangene König muß also Agrippa II. (50 — 100) gewesen sein.] — Wie
das NT, so spricht auch Josephus von den (tQ^isosTg im Plural, zB Bell. J. 2, 12,6;
17, 2; 4, 3, 7 ; 5, lo, 1 ; 6, 2, 2 (hier „Sühne von Hohenpriestern").
2, YQui^ifiaTeTg hebr. ci-iEic. Mit nsic ist «) ein Schreiber, zB ein
Gerichtsschreiber Sanh4, 3; 5,5: ein Schreiber privatrechtlicher Ur-
kunden BM 5,11; ein Schreiber von Scheidebriefen Gittin 7,2; 8,8;
9, 8; von Torarollen, Tephillin u. Mezuzoth, s. Traktat Soph^rim); ß) ein
Gelehrter gemeint; u. da das Interesse der jüdischen Gelehrsamkeit
sich fast ausschließlich um die Schrift u. das Gesetz drehte, so hießen
nun Soph^rim insonderheit die Schriftgelehrten yQccixßaTsic^ die Rechts-
kundigen vopLixoi =; Juristen, die Gesetzeslehrer voiiodiddaxaXoi. Doch
wird nach rabbin. Sprachgebrauch der Ausdruck s-^sio meist nur zur
Bezeichnung der älteren (vorchristl.) Generationen der Schriftgelehrten
verwandt, s. die Zitate nach Anm. d, während die späteren (nachchristl.)
Schriftgelehrten fast allgemein c^^rrj genannt werden. Nur selten wird
'c auf die späteren Gelehrten angewandt,» u. wo er sich im nachchristl.
jüdischen Schrifttum schdnbar in dieser Bedeutung findet, bezeichnet
80 Matth 2, 4 (Nr. 2)
er in der Regel den Jugendlehrer, speziell den Bibellehrer im Gegen-
satz zum Mischnalehrer,b oder auch den des Tischgebetes Kundigen
im Gegensatz zu einem rohen Menschen, der dieses Ritus unkundig
jst.c — Die von den Talmuden gegebene Erklärung des Namens n-meio
hat nur haggadischen Wert.d
a. Sota 9, 15 wird unter den die messian. Zeit ankündenden Zeichen aufgeführt:
Die Weisheit der Schriftgelehrten a'-^sio n-;:- wird stinkend werden. || Achtzehn-Gebet,
Nr. 13: Über die Gerechten u. über die Frommen u. über die Ältesten deines Volks,
des Hauses Israel, u. über den Rest ihrer Schriftgelehrten ■2Tf^t-zi rz-hs u. über die
Proselyten der Gerechtigkeit u. über uns möge sich regen deine Barmherzigkeit, Jahve
unser Gott. — So der gebräuchliche Text in den jüdischen Gebetbüchern. In dem hand-
schriftlichen Siddur der Univ.-Bibl. Leipzig lauten die uns interessierenden Worte: . . .
,u. über die Ältesten deines Volks, des Hauses Israel, u. über =n'-^rio r^z ri^^hs den
Rest ihrer Schulhäuser" . . . (Dalman, Die Worte Jesu 1, 303). — M®g Tacan 12 heißt es:
Am 17. Adar erhoben sich die Völker (Heiden) gegen den Rest der Schriftgelehrten
s"'£5 rtä"':: (lies s^-^sc) in den Gegenden von rip^'^z und Beth-Zabdai, u. es kam dem
Hause Israel Erlösung. — Ähnlich pTa^an 2, 13 (66^, 26): Am 7. des Monats Adar er-
hoben sich die Völker wider den Rest der Schriftgelehrten s'^£0 ru^Vs in der Gegend
von o-p"-i3 u. Beth-Zabdin, u. es wurde ihnen Errettung. — Gemeint sind die Städte
Chalkis u. Zabeda in Cölesyrien. Da nach M'^g Tacan diese Verfolgung in die Regierungs-
zeit des Alexander Jannäus (104 — 78 v. Chr.) fällt, sind unter dem „Rest der Soph^'rim"
auch hier vorchristliche Schriftgelehrte zu verstehn. Wie es scheint, ist der aus früherer
Zeit stammende Ausdruck s'-^sc r-j^Vs gewissermaßen als terminus technicus in das
Achtzehn-Gebet übernommen worden. \\ Mehrfach liest man a— sio als Anrede an zeit-
genössische Schriftgelehrte im Munde einiger Tannaiten. So sagt Rabban Gamliel II.
(um 90) Sota 15^ zu den Gelehrten: Gestattet mir, ihr Schriftgelehrten a—iic, daß ich
es deute! — Dasselbe NuR 9 (155''*). — Die gleiche Wendung im Munde des R. Schimcon
b. Gamliel (um 140) SNu 5, 15 § 8 (4*). || Auch samaritanische Schriftgelehrte der nach-
christl. Zeit werden a-^is^o genannt. pSota 7,21*^,29: R. Elfazar b. Schinicon (um 180)
hat gesagt: Ich sagte zu den Schriftgelehrten der Samaritaner n'^ri: ^-tioV: Ihr habt
eure Tora gefälscht u. habt euch nichts damit genützt.
b. Sota 9, 15 : R. Elicezer, der Ältere (um 90), hat gesagt: Seit dem Tage, an welchem
das Heiligtum zerstört wurde, begannen die Gelehrten s-'s^sr: zu werden wie Jugend-
lehrer n---:d u. die Jugendlehrer wie ein Lehrergehilfe ^ u. der Lehrergehilfe wie das
unwissende Volk, u. das unwissende Volk wird immer elender u. niemand fragt danach.
Auf wen sollen wir uns stützen? Auf unsren Vater im Himmel. || pChag 1, 76"^, 28:
Der Nasi R. Judan- sandte den R. Chijja (b. Abba, um 280) u. den R. Ammi u. R. Asi
(beide um 300) rings umher in die Städte des Landes Israel, um ihnen Bibellehrer
•j^-so u. Mischnalehrer ■i-2":r'3 einzusetzen. Sie kamen an einen Ort, an welchem sie
weder einen Bibellehrer noch einen Mischnalehrer vorfanden. Sie sagten (zu den Orts-
bewohnern) : Bringt uns die Hüter der Stadt! Sie brachten ihnen die Ratsherren (Senatoren
"'i-.'jja). Da sagten sie zu ihnen: Das sind die Hüter "^i-t:: der Stadt? Das sind nur
die Zerstörer der Stadt! Man antwortete: Und wer sind denn die Hüter der Stadt?
Sie sprachen: Die Bibel- u. die Miscnnalehrer; s. Ps 127, 1 : Wenn Jahve nicht das Haus
baut, so mühen sich umsonst daran ab, die es bauen; wenn Jahve nicht die Stadt be-
hütet, so wacht der Hüter umsonst. — Dasselbe mit Abweichungen im einzelnen P'^siq
120''; Midr KL Einl. 2 (29''). || BB 21*: Komm u. höre: wenn einer in einem Hof, der
mehreren gemeinschaftlich gehört, ein Haus besitzt, so darf er es weder an einen Arzt
noch an einen Aderlasser noch an einen Weber noch an einen jüdischen noch an
an einen nichtjüdischen (wörtlich: aramäischen) Kinderlehrer "sio vermieten (weil bei
1 So Bacher, Tann.M, 105.
^ Fraglich, ob Jehuda II. oder Jehuda III. gemeint ist.
Matth2, 4(2) gl
diesen viele Menschen ein- und ausgehen, wodurch die übrigen Eigentümer des Hofes
belästigt werden). II BB 21 ^: Rab Dimi von N'^harde'a (Schulhaupt von Pum B'ditha
385 — 38!-! n. Chr.) hat gesagt: . . . Der Neid der Schullehrer =*-eis (widereinander) mehrt
die Weisheit (indem jeder mehr leisten will als sein Kollege). || NuR 12 (1H5''): R. Jo-
chanan (f 279) befahl den Bibellehrern rr-^tc u. den Mischnalehrern, daß sie in jenen
Tagen (nämlich vom 17. Tamrauz bis zum 9. Ab, an denen der Dämon M'^riri sein Un-
wesen treibt) keinen Zuchtriemen über die Kinder bringen sollten (da jener Dämon die
Schläge tödlich machen könnte). R. Sch^'muel b. Jicchaq (um 300) befahl den Bibel-
lehrern ri—^tü u. den Mischnalehrern, daß sie an jenen Tagen die Schulkinder in der
4. Stunde (vor 10 Uhr vorm.) entlassen sollten (weil jener Dämon erst von 10 Uhr an
sein Schädigungswerk beginne). || Midr Esth 2, 5 (93"): „Wohl denen, die das Recht
beobachten, dem, der zu jeder Zeit Barmherzigkeit übt" (so faßt der Midr Ps lOti, 3).
Man verhandelte darüber im Söller des R. Tarphon (um 100) u. sagte: Wer ist das, der
zu jeder Zeit Barmherzigkeit übt (ein gutes Werk tut)? Wenn man sagen wollte:
Das sind die Bibel- u. Mischnalehrer c-:x"i' d-^iic — , essen u. trinken u. sclilafen die
etwa nicht? Vielmehr (wird zu sagen sein): Das sind die Schreiber von Gebetsriemen
u. Türpf'ostenkapseln. Aber essen u. trinken u. schlafen die nicht? Wer ist also der,
der zu jeder Zeit Barmherzigkeit übt (ein gutes Werk tut)? Sage: Das ist der, der eine
Waise in seinem Hause erzieht.
C. B''rakh45'' Bar u. ChuUin 106'"^: Wenn zwei Personen zusammen speisen, so ist
es Vorschrift, daß sie sich teilen (d.h. daß jeder das Tischgebet für sich betei. Für
welchen Fall gelten diese Worte? Wenn beide (des Tischgebetes i Kundige :— i-c sind:
wenn aber der eine ein Kundiger -i^c u. der andre ein Unwissender ist, so spricht der
Kundige ■>:•" den Lobspruch u. der Unwissende genügt damit seiner Pflicht (braucht
nicht mehr für sich zu beten).
d. pSch^q '), 48*^, 51 : R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Es steht geschrieben 1 Chr
2, 55: „Die Geschlechter der Gelehrten =-'^i'D, die Jacbe^ bewohnen." Weshalb hießen
sie Soph^^rim? Weil sie die Tora zu lauter Zahlen(gruppen) r'-isc machten ("rc =
„zählen" gefaßt): „Fünf dürfen nicht die Hebe absondern", s. T'^rum 1,1; „fünf Ge-
treidearten unterliegen der Teighebepflicht", s. Challa 1, 1; „fünfzehn (Kategorieen von)
Frauen befreien (zugleich mit sich selbst) ihre Nebenfrauen" (von der Leviratsehepflicht),
s. J^b 1,1; „sechsunddreißig Fälle gibt es in der Tora für die Ausrottungsstrafe", s.
K®r 1, 1; , dreizehn Dinge gelten von dem nicht rituell geschlachteten reinen Geflügel",
s. T'^haroth 1, 1 ; „vier Hauptschäden gibt es", s. BQ 1,1; „Hauptarbeiten (die am Sabbat
verboten sind) gibt es vierzig weniger eins", s. Schab 7, 2). |i Qid 30'': Deshalb wurden
die Früheren Soph^'rim genannt, weil sie alle Buchstaben in der Tora zählten "--s
z"t'Z. Sie sagten: Das Vav i in ]i-.i Lv 11,42 bildet die Hälfte der Buchstaben des
Torabuchs; die Wörter •i*-'- •::''- Lv 10, 16 bilden die Hälfte der Wörter u. der Vers
-Vjr:^- Lv 13, 33 die Hälfte der Verse des Pentateuchs. (Nach der Masora gilt Lv 8, 8
als die Hälfte der Verse.) Das y in 'y-o Ps 80, 14 bildet die Hälfte der Buchstaben
der Psalmen; der Vers =•'-■' sini Ps 78, 38 die Hälfte der Verse. (Nach der Masora
bildet Ps 78, 30 diese Hälfte.) — Auf diese haggadische Etymologie von Soph^'rim
scheint R. Jicchaq (um 300) in Sanh 106'^ anzuspielen.
Den Mischnalehrern galten die Soph^rim als anerkannte Autoritäten,
deren Worte den Worten der Tora gleichzustellen seien. Von den in
der Mischna erwähnten^ Worten der Soph^rim seien hier zwei hervor-
gehoben. J*^b2,4: Als gesetzlich (zur Ehe) verboten gelten die durch
die Worte der S. festgesetzten zweiten Verwandtschaftsgrade. — Hier-
nach haben die S. die Bestimmungen Lv 18, 6 ff. durch Hinzufügung
> ^Orla3, 9; J'^^b 2, 4; 9, 2; Sota 9, 15; Sanh 11, 3; Kelim 13, 7; Para 11, 5. C; T^bul
jom 4, 6; T^haroth 4, 7. 11 ; Jad 3, 2.
Strack u. Billerbeck, NT I. 6
82 Matth 2, 4 (2j. 2, 5
Eines Verwandtschaftsgrades in auf- und in absteigender Linie ver-
schärft. Lvl8, 7zBwird erweitert zu „Blöße der Mutter der Mutter
u. Blöße der Mutter des Vaters"; 18,8 zu „Weib des Großvaters väter-
licher- u. mütterlicherseits"; 18,15 zu „Schwiegertochter des Sohnes
u. der Tochter" usw.; s. dazu J«b 21«. — || Sanh 11,3 (= 10,3 im bTj:
Strenger ist es bei den Worten der S. als bei den Worten der Tora.
Wenn jemand sagt: „Um die Gebetsriemen (T'^phillin) ist es nichts",
um die Worte der Tora zu übertreten, so ist er straffrei: (sagt er aber:)
„Fünf Fächer (müssen sie haben)", um zu den Worten der S. hinzu-
zufügen, so macht er sich schuldig. — Die Worte wollen besagen: Die
T'^phillinsatzungen Ex 13, 9. 16; Dt 6, 8; 11,18 sind so allgemein ge-
halten, daß sich jeder dabei denken kann, was er will; deshalb kann
niemand wegen ihrer Übertretung strafbar gemacht werden. Ihren
konkreten Gehalt empfangen jene Satzungen erst durch die Ausführungs-
bestimmungen, die die S. über die Herstellung der T^'phillin (Hand-
T^philla Kapsel mit 1 Fach, Kopf-T'^philla Kapsel mit 4 Fächern), über
ihre Anlegung usw. erlassen haben. Erst die Auflehnung gegen diese
Bestimmungen bedeutet eine Auflehnung gegen die Tora u. macht
daher straffällig. || Siphra Lv 19,34 (362=^): Einen Proselyten, der alle
Worte der Tora auf sich nimmt mit Ausnahme eines, den nimmt man
nicht (als Proselyten) an. R. Jose b. J'^huda (um 180) sagte: Auch wenn
er das geringste Wort von den Einzelbestimmungen (Subtilitäten) der S.
nicht auf sich nimmt (nimmt man ihn nicht an), — Dasselbe als Bar
B'^khor 30 b. 1| Tos Ta^an 2, 6 (217): An den Sabbaten u. Feiertagen ist
es erlaubt, vorher u. hinterher (d. h. tags zuvor u. tags darauf) zu
fasten. Warum ist das bei jenen (den in der M'^g Ta<<anith, der Fasten-
rolle, aufgeführten Freudentagen) verboten u. bei diesen erlaubt? Diese
sind Worte der Tora (von der Tora angeordnet), u. die Worte der Tora
bedürfen keiner Festigung (Sicherung); jene aber gehören zu den
Worten der S., u. diese bedürfen der Festigung (darum sind die sie be-
treffenden Bestimmungen strenger, um sie vor Übertretung zu sichern). \\
Tos [Eduj 1, 1 (454): Als die Gelehrten in dem Weinberg von Jahne z.us.-
gekommen waren, sagten sie: Es wird eine Zeit kommen, da man nach
einem Wort von den Worten der Tora suchen wird, u. man wird es
nicht finden; (nach einem Wort) von den Worten der S., u. man wird
es nicht finden, s. Am8, llf. || Sanh 87^ Baraitha: Ein widerspenstiger
Gelehrter macht sich nur strafbar . . ., wie R. J'^huda (um 150) sagte,
wegen eines Wortes, das seinen Ursprung (seine Wurzel) in den Worten
der Tora u. seine Erklärung in den Worten der S. hat (wie zB das
oben Sanh 11,3 erwähnte T'^phillingebot). R. SchimJon (um 150) sagte:
Auch wenn es sich um eine Subtilität von den Subtilitäten der S.
handelt. — Ferner s. bei Mt 15, 2.
2,5: Zu Bethlehem im jüdischen Lande.
Bethlehem als Geburtsort des Messias.
Matth 2, 5. 9. 1 1 33
Targ Micha 5, 1 : Du Bethlehem Ephratha — wie eine geringe bist du gewesen,
um zu den Tausendschaften des Hauses J®huda gezählt zu werden — , aus dir soll
vor mir hervorgehn der Messias, um die Herrschaft über Israel zu führen, dessen
Name genannt ist seit Anfang, seit den Tagen der Welt. || Pirqe Elifezer 8 (2''): Der
Name des Messias. Woher (läßt sich beweisen, daß er vor der Welt erschaffen worden
ist)? Ps72, 17: „Vor der Sonne sproßte sein Name (oder: war Jinnon sein Name)."
Und eine andre Schriftstelle heißt: „Und du Bethlehem Ephratha, klein um zu sein
unter den Tausendschaften J'^hudas . . ., u. seine Ausgänge sind von ehedem, d. h. ehe
noch die Welt geschaffen war. || pB'^'rakh '_*, 4 (5^. 12): R. Judan (M5U) hat im Namen (so
zu lesen) des R. Aibo (um 320) gesagt: M'nachem wird sein (des Messias) Name sein.
Folgendes ist eine Stütze dafür: Einst geschah es bei einem Juden, welcher dastand
u. pflügte, daß seine Kuh brüllte. Ein Araber ging vorüber u. hörte ihre Stimme.
Dieser rief ihm zu: .lüde. Jude, binde deinen Ochsen ab u. binde deine Pflugschar ab;
denn siehe, das Heiligtum ist zerstört. Da brüllte sie zum andren Male. Jener rief:
Jude. Jude, schirre deine Ochsen an u. schirre deine Pflugscharen an; denn siehe,
geboren ward der König, der Messias! Der Jude sprach zu ihm: Welches ist sein
Name? M'^nacheni. Und welches ist der Name seines Vaters? Chizqijja. Der Jude:
Von wo ist er? Er antwortete: Aus dem Königspalaste in Bethlehem Judäas. Der
Jude ging hin, verkaufte seine Ochsen u. seine Pflugscharen u. wurde ein Verkäufer
von Leinenzeug für Kinder. Er ging Stadt ein, Stadt aus, bis er in jene Stadt (Beth-
lehem) kam. Alle Weiber kauften, aber die Mutter des M'^nachem kaufte nichts. Er
hörte die Stimme der Frauen, wie sie sagten: Mutter M*^nachems, Mutter M'='nachems,
komm u. kaufe für deinen Sohn! Sie antwortete: Ich möchte ihn erwürgen, den Feind
Israels; denn an dem Tage, da er geboren wurde, ist das Heiligtum zerstört worden.
Er (der Verkäufer) sprach zu ihr: Wir sind des festen Vertrauens, daß es seinetwegen
zerstört ist, aber auch seinetwegen erbaut werden wird. Sie antwortete: Ich habe kein
Geld. Er sprach zu ihr: Was sorgst du dich darum? Komm, kaufe für ihn; wenn du
heute nichts hast, so komme ich nach einigen Tagen u. nehme es in Empfang. Nach
einigen Tagen kam er in jene Stadt u. sprach zu ihr: Was macht (wie befindet sich)
das Kind? Sie antwortete: Nachdem du mich gesehen hattest, kamen Winde u. Stürme
u. entrissen es meinen Händen. — R. Bun (= Abin 1!., um 3TÖ) hat gesagt: Wozu
sollen wir von diesem Araber lernen (nämlich, daß der Messias zur Zeit der Tempel-
zerstörung geboren ist)? Sagt das nicht deutlich Jes 10, .34: Und der Libanon (— Tempel,
wie öfters) fällt durch einen Herrlichen? Was folgt darauf ? Jes 11,1: Aber ein Reis
wird aufgehn aus dem Strunk Isais. (Das Aufeinanderfolgen dieser beiden Stellen in
der Schrift lehrt das Aufeinanderfolgen ihres Inhalts in der Wirklichkeit der Ge-
schichte.) — Dasselbe mit vielen Abweichungen in Midr KL zu 1, 16 (58 '^). — Die Er-
zählung ist ein Beleg für die sich öfters findende Anschauung, daß der Messias bereits
geboren ist, aber in der Gegenwart wegen der Sünden Israels irgendwo (im Paradies,
in Rom, im Norden I im Verborgenen weilen muß, bis die Stunde seiner Offenbarung
in Machtherrlichkeit anbricht; vgl. bei Job 1, 1 51.
2,9: Der Stern stand oben über, wo das Kindlein war.
Vergleichen läßt sich GnR 56 (35 <^^): „Am dritten Tage . . . sah
(Abraham) den Ort von ferne" Gn 22, 4. Was sah er? Er sah eine
Wolke an den Berg gebunden. Er sprach: Es scheint, als ob jener
Ort es sei, von dem mir Gott gesagt hat, daß ich dort meinen Sohn
darbringen soll.
2,11: Brachten ihm Geschenke.
Daß die Heiden dem Messias Geschenke darbringen werden, ist
eine alte jüdische Erwartung.
84 Matth2, 11. 14
P'^siq 118'': R. Jischma<el b. Jose (b. Chalaphta, um 180) . . . ließ Rabbi sagen: So
hat mein Vater gesagt . . .: Einst wird Ägypten dem Messias ein Geschenk bringen;
wenn dieser (nach dem Satzgefüge könnte auch Ägypten Subjekt sein) meinen sollte,
daß er es von ihnen nicht annehmen dürfe, wird Gott zu dem Messias sagen: Nimm
es von ihnen an, sie haben Gastfreundschaft meinen Kindern in Ägypten erwiesen;
sofort , werden sich herzumachen die Machthaber aus Ägypten" Ps 68, H2. Kusch zieht
einen Schluß vom Schwereren auf das Leichtere in bezug auf sich selbst: Wenn jene
(Ägypten), die Israel unterjocht haben, so (gnädig aufgenommen werden), um wieviel
mehr wird es bei mir zutreffen, der ich sie nicht unterjocht habe! Gott spricht zu ihm
(dem Messias): Nimm an von ihnen! Sofort „wird Kusch (Mohrenland) seine Hände
eilig zu Gott ausstrecken" Ps 68, :-)2. Das frevlerische Reich (= Rom) zieht einen Schluß
vom Schwereren auf das Leichtere in bezug auf sich selbst: Wenn jene, die nicht ihre
Brüder sind, so, um wieviel mehr wir, die wir ihre Brüder sind! (Rom = Edom =^
Esau Jakobs Bruder.) Da spricht Gott zum Messias (so zu lesen statt „Gabriel" nach
Diqduqe Soph.): „Fahre an das Tier (Rom) u. erwirb (gründe) dir eine Gemeinde!" (So
faßt der Midrasch die vier ersten Worte von PsH8, ."51.) — Dasselbe ExR 85 (95 1)
anonym mit dem einleitenden Satz: Und so findest du es in der Zukunft, daß einst
alle Völker dem König, dem Messias, werden Geschenke bringen; Ägypten bringt zuerst
usw. II GnR 78 (50*^): Ein cAm ha-are9 (gesetzesunkundiger Mensch) sagte zu R. Ho-
scha'ja (dem Älteren, um 'I2b): Wenn ich dir ein schönes Wort sage, wirst du es in
der Gemeinde in meinem Namen sagen? Er antwortete ihm: Wie lautet es? Jener
sagte: All jene Geschenke, die unser Vater Jakob dem Esau gegeben hat (vgl. Gn 32,
14ff. ; S^-!, 8 ff.), werden die Völker der Welt dereinst dem König, dem Messias, in der
Zukunft wiederbringen. Weshalb? „Die Könige von Tarsis und die Inseln werden
Gaben wiederbringen" Ps 72, 10 — es heißt nicht: „sie werden bringen", sondern „sie
werden wiederbringen". Er antwortete ihm: Bei deinem Leben, ein schönes Wort hast
du gesagt u. in deinem Namen will ich es sagen. |i Midr Esth zu 1, 1 (831»): Ps 68,30:
„Von deinem Tempel nach Jerusalem werden dir Könige Geschenke bringen" (so der
Midrasch). Vom Tempel bis Jerusalem, ist das nicht etwas Geringes? Vielmehr, die
Worte wollen besagen: wie die Opfer sich fanden vom Tempel bis Jerusalem, so
werden sich dereinst einander ablösende Gesandtschaften mit Geschenken beim König,
dem Messias, einfinden; s. Ps 72, 1 1: Und huldigen werden ihm alle Könige. — Hierher
gehören auch: Tanch c-je-ü- gegen Ende (19^ ; Midr Ps «7 § H (189b), Autor R. J'^huda
b. Simon (32U); in einigen Stellen werden als Geschenke der Heidenvölker an den
Messias bezeichnet die von ihnen aus der Zerstreuung nach Jerusalem zurückgeleiteten
Israeliten, zB Ps Salom 17, 80 f.; Midr Ps 87 S 6 ( I89b. I9U=^), Autor R. J<^huda b. Simon
(32U); Midr HL 4, 8 (114"), Autor ebenfalls R. J^huda (b. Simon).
'i, 14: Entwich nach Ägypten.
Eine Erinnerung an Jesu ägyptischen Aufenthalt klingt vielleicht
in folgenden Stellen an.
Sanh 10Tb Bar: Immer stoße die Linke zurück, während die Rechte heranziehe:
nicht wie Elisa, der den Gechazi mit beiden Händen zurückgestoßen hat, u. nicht wie
J'^hoschuac b. P'^rachja, der Jesum mit beiden Händen zurückgestoßen hat. . . . Wie ver-
hält es sich mit R. J'-'hoschua! b. P.? Als der König Jannäus die Gelehrten töten ließ,
zog R. J^hoschuac b. P. u. Jesus nach Alexandria in Ägypten. Als Friede war, sandte
ihm Schimcon b. Schatach (folgende Botschaft): „Von mir, Jerusalem, der heiligen Stadt,
an dich, Alexandria in Ägypten. Meine Schwester, mein Gemahl (= J'^hoschua' b. P.)
weilt in deiner Mitte, u. ich sitze verlassen da." Er machte sich auf u. traf unterwegs
auf eine Herberge, in welcher man ihm viel Ehre erwies. Er sagte: Wie schön ist
diese Herberge! Er (Jesus) sprach zu ihm: Rabbi, ihre Augen sind zwinkernd.' Er
* N-3t':s bedeutet „Gasthaus" u. „Gastwirtin"; der Rabbi gebraucht es im erstem
Sinne, Jesus versteht es im letztern.
Matth 2, 14. 15 85
(J%oschual b. P.) sprach zu ihm: „Frevler, mit dergleichen beschäftigst du dich?" Er
ließ vierhundeit Posaunen(töne) ausgehn u. tat ihn in den Bann. Er (Jesus) kam sehr
oft vor ihn u. bat, daß er ihn annehme; aber er bekümmerte sich nicht um ihn. Eines
Tages las er (J. b. F.) das Sch'-'ma' (Dt 6, 4), da kam er (Jesus) vor ihn; er wollte ihn
annehmen u. winkte ihm mit der Hand. Dieser aber meinte, er stoße ihn wieder zurück,
ging hin, richtete einen Ziegelstein auf u. verehrte ihn. Darauf sprach er (J. b. P.) zu
ihm: Bekehre dich! Er antwortete ihm: So habe ich von dir empfangen: Wer sündigt
u. viele zur Sünde verleitet, dem gibt man nicht mehr die Möglichkeit, Buße zu tun.
Der Autor sagte nämlich, Jesus habe Zauberei getrieben u. Israel verlockt u. verführt. —
Ähnlich Sota 47*, hier statt -v- gesagt: „Der Nazarener'* ""^r:-;-. — In pChag "J, 2 (77 '\
oO) kürzer u. ohne Erwähnung Jesu, ferner J'^huda b. Tabai statt J'^hoschuac b. P'^rachja;
pSanh G, 9 (23'', 23) hat nur die Anfangsworte wie in pChag.
Form u. Inhalt dieser Geschichte sind unhistorisch, da J*^hoschuac
b. P^rachja, dessen Jünger Jesus gewesen sein soll, unter Alexander
Jannäus (104 — 78 v. Chr.) gelebt hat. Die geschichtliche Situation
würde auch dann unhistorisch bleiben, falls, wie es nach Josephus
Antiq. 14, 9, 3 — 5 scheint, eine Verwechselung des Königs Jannäus mit
Herodes I. vorläge. Immerhin würde man Jesum mit einem vorüber-
gehend in Ägypten gewesenen jüdischen Gelehrten nicht in Verbindung
gebracht haben, wenn nicht bestimmte Traditionen über einen ägypt,
Aufenthalt Jesu in Umlauf gewesen wären.
Schab 104 b Bar: R. Elifezer (b. Hyrkanos, um 90) sagte zu den Gelehrten: Hat
nicht Ben Stada die Zauberkünste aus Ägypten mitgebracht durch Einritzungen in
seinen Körper? Man antwortete ihm: Der ist ein Narr gewesen, u. von Narren bringt
man keine Beweisgründe bei. — Die ältere Zeit hat Jesum in keine Verbindung mit Ben
Stada gebracht; erst die Späteren haben beide miteinander identifiziert, s. bei Mt 1, 16
S. 3y f. Aber daß man zu dieser Identifizierung gerade auf Ägypten Bezug genommen
hat, zeigt wiederum, daß der Aufenthalt Jesu in Ägypten eine innerhalb der Synagoge
verbreitete Überlieferung gewesen ist.
2,15: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.
Der Heranziehung von Hos 11,1 liegt der Gedanke zugrunde, daß
die Erlösung Israels aus Ägypten ein Typus der messian. Erlösung sei,
ein Gedanke, der (vom AT angeregt J^s 11,11; 48,21; Hos 2, 16; 12, 10;
Micha 7, 15) wie kein anderer neben ihm die Ausgestaltung des Lehr-
stücks von der Enderlösung schon frühzeitig in umfassendster Weise
bestimmt hat. Einige Beispiele mögen dies illustrieren.
M^kh Ex 12, 42 (20=*): Eine Nacht der Bewahrung (oder Beobachtung) ist es für
Jahve mit Rücksicht auf die Ausführung aus Ägypten; diese selbe Nacht (die Passah-
nacht) ist eine zu beobachtende für Jahve in bezug auf alle Kinder Israel für ihre
Geschlechter. In dieser Nacht sind sie erlöst worden (aus Ägypten), u. in ihr werden
sie dereinst (in der messian. Zeit) erlöst werden. Das sind Worte des R. J'^^hoschua'
(b. Chananja, um 90 n. Chr.). Dasselbe RH Ha. b; Tauch n= (76^); vgl. auch Targ Je-
rusch I zu Ex 12, 42. || Midr Ps 90 § 17 (197 »): , Erfreue uns nach der Länge der Zeit,
da du uns gebeugt hast" Ps 90, 15, in den Tagen (1. r-rn-s statt nia':) des Messias.
Wie lange währen die Tage des Messias? . . . R. fAqiba (f um 135) sagte: Vierzig Jähre,
wie die Tage, da du uns gebeugt hast in den vierzig Jahren, die Israel in der Wüste •
zugebracht hat, s. Dt 8, 3: Er beugte dich u. ließ dich hungern. — Die Parallele P<^siqR
1 (4*) lautet: Wie lange währen die Tage des Messias? R. <Aqiba sagt: Vierzig Jahre,
86 Matth 2, 15
s. Dt8, 3: ,Er beugte dich u. ließ dich hungern" ; u. Ps90, 15: „Erfreue uns nach der
Länge der Tage, da du uns gebeugt hast." Wie das Beugen dort vierzig Jahre währte,
so auch das Beugen, von dem hier geredet wird, vierzig Jahre. R. Abin (I. um 325
oder der II. um 37Ü) hat gesagt: Was war der Grund des R. 'Aqiba? Antwort (Micha
7, 15): ,Wie in den Tagen, da du auszogst aus Ägyptenland, will ich es Wunder sehn
lassen." (Über die Dauer der messian. Zeit s. zu Offb 20,4.) || Midr HL zu 1, 8 (89 1>):
Geh nur hinaus bis ans Ende der Schafe (so der Midrasch). R. Elicezer (b. Hyrkanos,
um 90), R. (Aqiba (f um 135) u. die Rabbanan (aus derselben Zeit). R. Elicezer sagte:
Von dem Kuchen, den die Israeliten mit sich aus Ägypten nahmen, haben sie 31 Tage
lang gegessen. Daraus erkennst du (nach der Lesart in Matt. K*^hunna), was ich ihnen
ganz am Ende (= in der messian. Zeit) tun werde; das meint Ps72, 16: „Weizenbrot
wird im Lande sein." R. «Aqiba sagte: Daraus, daß ich sie mit den Wolken der Herr-
lichkeit umgab (Exl3, 21f.i, erkennst du, was ich ihnen ganz am Ende tun werde;
vgl. Jes4, ö: „Ein Schirmdach zum Schatten am Tag vor Hitze." Und die Rabbanan
sagten: Aus dem, womit ich sie in der Wüste gespeist habe, was süßer war als Honig
u. Milch, erkennst du, was ich ihnen ganz am Ende tun werde, vgl. Joel4, 18: ,An
jenem Tage werden die Berge von Most triefen." |i P'^siq 67>b: R. Levi (um 300) hat im
Namen des R. Chama b. Chanina (um 260) gesagt: Der, welcher Rache genommen hat
an den Ersten (= Ägypten), der wird auch Rache nehmen an den Letzten (^ Rom
in der messian. Zeit). Wie er an Ägypten Rache genommen hat durch Blut, so wird
er es auch tun an Edom (= Rom), s. Joel 3,3: „Ich will Wunderzeichen geben am
Himmel u. auf der Erde: Blut u. Feuer u. Rauchsäulen." Wie an Ägypten durch Frösche,
so auch an Edom, s. Jes66, 6: Stimme des Lärms (nämlich des Froschlärms) aus der
Stadt (= Rom). Wie an Ägypten durch Stechmücken, so auch an Edom, s. Jes34, 9:
Da wandeln sich ihre Bäche zu Pech u. ihr Staub zu Schwefel (u. Staub bedeutet hier
nichts andres als Stechmücken — so nach Lesart in Jalqut 1 § 182 — ). s. Ex 8,12:
Schlage den Staub der Erde. u. er soll zu Stechmücken werden. Wie an Ägypten durch
allerlei Getier, so auch an Edom, s. Jes 34, 1 1 : Besitz nehmen davon Pelikan u. Igel,
u. Ohreule u. Rabe werden darin hausen. Wie an Ägypten durch Pest, so auch an
Edom, s. Ez38, 22: Ich will ihn richten durch Pest u. Blut. Wie an Ägypten durch
Aussatz, so auch an Edom, s. Sach 14, 12: Dies wird die Plage sein . . .: verfaulen läßt
er sein Fleisch. Wie an Ägypten durch Hagel, so auch an Edom, s. Ez38, 22: (Ich
will ihn richten . . .) durch schwemmenden Gußregen u. Hagelsteine. Wie an Ägypten
durch Heuschrecken (Geflügeltes), so auch an Edom, s. Ez 39, 17 — 19: Du Menschen-
kind, so spricht Jahve Elohim: Sage zu den Vögeln, zu allem Geflügelten (also auch
zu den Heuschrecken) usw. Wie an Ägypten durch Finsternis, so auch an Edom, s.
Jes 34, II: Spannet darüber die Meßschnur des Tohu u. das Senkblei des Bohu (=
chaotische Finsternis). Und wie Ägypten den Ältesten (Erstgebornen) unter ihnen
hergab u. er tötete sie, so auch Edom, s. Jes 34, 7: Hinunter müssen Büffel (s-'as-i) mit
ihnen. R. Meir (um 160) hat gesagt: Hinunter müssen die Römer {z-o^~} mit ihnen. —
Dasselbe P^siqR 17 (90=*); ferner anonym TanchB s: § 6 (22=') mit der Einleitung: Alle
Plagen, die Gott über Ägypten gebracht hat, die wird er dereinst (in messian. Zeit)
über Edom bringen. I] P'^siq 56 1«: „Und also sollt ihr es essen . . ., ihr sollt es in ängst-
licher Hast essen" (Ex 12, 11). R. Sch^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Während
es in dieser Welt heißt: „Ihr sollt es in ängstlicher Hast essen", wie heißt es dagegen
für die Zukunft (von der messian. Erlösung)'? „Nicht in eiliger Hast sollt ihr ausziehn,
noch in Flucht weglaufen; denn es zieht vor euch her Jahve, u. &aern Zug beschließt
der Gott Israels" Jes52, 12. — Dasselbe P'siqR 15 (79l>); anonym u. durch ein Gleichnis
erweitert ExR 19 (81*'). — Die Grundlagen von Sch^muels Ausführung bereits anonym
in M%h Ex 12, 11 (9b). || Midr Ruth 2, 14 {l^-i^): R. B^reklija (340) hat im Namen des
R. Levi (um 300) gesagt: Wie der erste Erlöser (= Mose), so der letzte Erlöser ( =
Messias). Wie der erste Erlöser sich offenbarte u. sich dann wieder vor ihnen verbarg
(wie lange verbarg er sich vor ihnen? Drei Monate. Vgl. Ex •'>, 20: Und sie trafen Mose
u. Aaron), so wird der letzte Erlöser sich ihnen offenbaren u. wieder vor ihnen ver-
Matth 2, 15 87
bergen. Und wie lange wird er sich verbergen? R. Tauchuma (b. Abba, um 380) hat
im Namen der Rabhinen gesagt: 45 Tage; vgl. Dn 12, 11: ,Von der Zeit, da das Tamid-
opfer hinweggeschatft wird . . ., dauert es 1290 Tage", mit Dn 12, 12: ,Wohl dem, der
wartet u. erreicht 1335 Tage." Wie verhält es sich mit jenen überzähligen (45 Tagen)?
R. Ji9chaq b. Q^'^arta hat im Namen des R. Jona (um 350) gesagt: Das sind die 45 Tage,
da Israel Salzkraut pflückt u. ißt, s. Hiob 30, 4 : „Sie, die Salzkraut pflücken am Ge-
sträuch" (Targ zu Hiob 30,4: Die Dorngestrüpp pflücken statt geniefsbarer Kräuter).
Wohin wird er (der Messias) sie (Israel) führen? Aus dem Lande in die Wüste Juda;
s. Hos 2, lö: „Deswegen siehe, ich will sie locken u. will sie in die Wüste führen."
Wer sagt: In die Wüste Sihons u. <Ogs, (kann hinweisen auf Hos 12, 10:) Wiederum
werde ich dich in Zelten wohnen lassen, wie in den Tagen der Vorzeit (so nach Targ
Jon zu Hos 12, 10). Und jeder, der ihm (dem Messias) glaubt, der bleibt am Leben;
n. wer ihm nicht glaubt, der geht zu den Völkern der Welt, u. diese töten ihn. R. Ji(j-
chaq b. Marjon ium 2^0) hat gesagt: Am Ende offenbart sich Gott über ihnen u. läßt
ihnen Manna herabkommen; denn nichts Neues gibt es unter der Sonne. — Dasselbe
mit Abweichungen P^'siq 49'': als Autoren der Berechnung der 45 Tage werden ge-
nannt Chama b. Chanina (um 260) u. (Chama b.) Hoscha'ja (um 260); ferner P*^siqR 15
{72b); NuR U il62b); Midr HL zu 2, 9f. (100*). || Midr Qoh zu l,9(9b): R. B^rekhja (um
340 1 hat im Namen des R. Ji9chaq (um 300) gesagt: Wie der erste Erlöser, so der letzte
Erlöser. Wie es vom ersten Erlöser heißt Ex 4, 20: „Mose nahm sein Weib u. seine
Söhne, ließ sie auf einem Esel reiten", so auch der letzte Erlöser, s. Sach 9, 9: Niedrig
u. reitend auf einem Esel. Wie der erste Erlöser das Manna herabfallen ließ, s. Ex
16,4: „Siehe, ich will auf euch Brot vom Himmel regnen lassen", so wird auch der
letzte Erlöser das Manna herabfallen lassen, s. Ps 72, 6: Weizenbrot wird auf der Erde
liegen (so der Midrasch). Wie der erste Erlöser den Brunnen aufsteigen ließ (Nu 20, 11),
so wird auch der letzte Erlöser das Wasser aufsteigen lassen, s. Joel 4, 1^: „Ein Quell
wird vom Hause Jahves ausgehn, um das Akaziental zu tränken." — Der Anfang mit
R. Levi als Autor (um 300) Midr Sm 14§9(45'>). !l ExR3(»J9b): , Dies sei dir das Zeichen,
daß ich dich gesandt habe" Ex 3, 12. Was bedeuten diese Worte? Unsre Lehrer ge-
segneten Andenkens haben gesagt: Ein Zeichen für die erste Erlösung war es; denn
mit „ich" (-r:s) sind die Israeliten nach Ägypten hinabgezogen, s. Gn 46,4: „Ich" werde
mit dir nach Ägypten hinabziehen, u. mit „ich" werde ich dich gewiß auch herauf-
bringen. Und ein Zeichen für die letzte Erlösung ist es; denn durch „ich" werden sie
geheilt u. werden sie dereinst {in der niessian. Zeit) erlöst werden, s. Mal 3, 23: Siehe,
„ich" will euch den Propheten Elia senden. |i ExR 1 {67b): Die Tochter des Pharao zog
den groß, der dereinst an ihrem Vater Rache nehmen sollte; u. auch der König, der
Me.ssias, der dereinst an Edom {= Rom) Rache nehmen wird, wohnt bei ihnen in der
Stadt (Rom), s. Jes 27. 10: Dort (in der festen Stadt = Rom) wird das Kalb weiden u.
dort wird es lagern. (Vermutlich hat das Verbum yz-' Gn 49, 9, welche Stelle allgemein
messian. gedeutet wird, veranlaßt, daß man das v^"^' Jes 27, 10 gleichfalls auf den
Messias bezogen hat.) — Dasselbe Tauch n-a-a (61b). || Midr Ps 43 § 1 (134''): Jenem
Geschlecht (in Ägypten) hast du Erlösung gesandt nur durch zwei Erlöser, s. Ps 105, 26:
„Er sandte Mose, seinen Knecht, Aaron, den er erwählt hatte." Und auch diesem Ge-
schlecht (in der messian. Zeit) sendet er zwei, die jenen (zwei) entsprechen: „sende
dein Licht u. deine Wahrheit" Ps43, 3; „dein Licht", das ist der Prophet Elias aus
dem Hause Ahron,* von dem geschrieben steht Nu 8,2: „Nach der Vorderseite des
Leuchters sollen die sieben Lampen ihr Licht werfen"; u. „deine Wahrheit", das ist
der Messias b. David, s. Ps 132, 1 1 : „Geschworen hat Jahve dem David Wahrheit, davon
wird er sich nicht wenden." Und ebenso heißt es Mal 3, 23: „Siehe, ich sende euch
den Propheten Elias"; siehe, das ist der eine; u. der andre: „Siehe, mein Knecht, den
ich aufrecht halte" Jes 42, 1. |! ':z, meinen Sohn, Hos 11, 1 geben die LXX wieder mit
* Elias wird hier mit Pin'^chas identifiziert, der als Kohen Qedeq, als Hoherpriester
der Messiaszeit zurückerwartet wird, das „Licht" gilt dabei als Symbol des Priestertums.
88 Matth 2, 16(1.2)
T« TExva avTov (sc. ^laQccrjX); auch Targ Hos 11,1 übersetzt den Singular durch den
Plural: „Aus Ägypten habe ich ihnen Kinder gerufen."
2,16: Und ließ alle Knaben töten.
1. Wie Herodes gegen sein Volk wütet, um den Messias zu töten,
so auch der Pharao, um den Erlöser Israels aus Ägypten zu vernichten.
Sota 12^: „Da befahl der Pharao seinem ganzen Volke" Ex 1,22. R. Jose b. Cha-
nina (um 270) hat gesagt: Auch in bezug auf sein Volk befahl er es. Und R.Jose b.
Chanina hat gesagt: Drei Befehle gab er: „Wenn es ein Sohn ist, so tötet ihn" Ex 1, 16;
u.: , Jeden neugeborenen Sohn sollt ihr in den Nil werfen" 1,22; u. schließlich befahl
er es auch in bezug auf sein Volk. || ExR 1 (66*^): „Da befahl der Pharao seinem
ganzen Volke" (Ex 1, 22). R. Jose b. Chanina hat gesagt: Auch in bezug auf sein Volk
befahl er es. Und weshalb tat er also? Weil die Astrologen zu ihm sagten: Mit dem
Erlöser Israels geht seine Mutter schwanger; aber wir wissen nicht, ob er ein Israelit
oder ein Ägypter ist. In jener Stunde versammelte der Pharao alle Ägypter u. sprach
zu ihnen: Gebet (wörtl.: leihet) eure Kinder, die während der n'ächsten neun Monate
geboren werden, her, damit ich sie in den Nil werfen lasse, s. Ex 1, 22: „Jeden neu-
geborenen Sohn sollt ihr in den Nil werfen." „Jeden Sohn der Israeliten" steht hier
nicht geschrieben, sondern „jeden Sohn", sowohl den eines Juden, als auch den eines
Ägypters. Aber sie wollten das von ihm nicht annehmen; denn sie sagten: Der Sohn
eines Ägypters wird sie nun u. nimmer erlösen, sondern nur einer von den Hebräern.
2. Die Grausamkeit des Herodes u. seine Kunstfertigkeit in der
Spionage.
BB 3*^: Herodes, der Knecht des Hauses der Hasmonäer, hatte sein Auge auf
jenes Mädchen (Mariamme) geworfen. Eines Tages hörte dieser Mann eine Himmels-
stimme, welche rief: Der Knecht, der sich jetzt empört, hat Glück! Er erhob sich u.
tötete seine ganze Herrschaft (= Familie der Hasmonäer), aber jenes Kind ließ er
übrig. Als dieses Kind sah, daß er sie ehelichen wollte, stieg sie auf ein Dach u.
erhob ihre Stimme, rufend: Jeder, der kommt u. sagt: ,Vom Hause der Hasmonäer
stamme ich ab', der ist ein Knecht; denn von ihnen bin ich (wörtl.: dieses Kind)
allein übriggeblieben. Darauf stürzte sich dieses Kind vom Dach auf die Erde.' Er
(Herodes) verbarg sie sieben Jahre (wohl eine ungenaue Erinnerung an die achtjährige
Ehe der Mariamme mit H.) in Honig. Einige sagen, er habe ihr beigewohnt; andre
sagen, er habe ihr nicht beigewohnt. Jene meinen, daß er sie verbarg, um seine Lust
zu stillen; u. diese meinen, daß er sie verbarg, damit man sagen sollte, er hätte eine
Königstochter geheiratet. (Dieser Versuch, die Ehe des Herodes mit der Mariamme aus
der Geschichte zu tilgen, ist wohl ein Ausdruck des Hasses der Pharisäer gegen den
König.) — Herodes sagte: Wer deutet die Worte Dt 17, 15: „Mitten aus deinen Brüdern
sollst du einen König über dich setzen" '? Die Rabbinen (taten es). Da erhob er sich
u. ließ alle Rabbinen töten; den Baba b. Buta ließ er übrig, um von ihm sich Rat zu
holen. Er ließ ihm einen Kranz aus Igelhaut aufsetzen, der stach ihm seine Augen
aus. Eines Tages kam H., setzte sich vor ihn (der nach Verlust seiner Augen den
König nicht erkannte) u. sprach: Sieh, Herr, was dieser böse Knecht (Herodes) treibt I
Er antwortete: Was soll ich ihm tun? H. sagte: Es möge ihn der Herr (= du) ver-
fluchen! Er antwortete ihm: „Auch in deinen Gedanken fluche dem König nicht" Qoh
10,20. H. sprach zu ihm: Der ist kein König! Er antwortete: Und mag er nur ein
gewöhnlicher Reicher sein, so steht geschrieben: „In deinen Schlafgemächern fluche
nicht dem Reichen" Qoh 10, 20, u. wäre er ein Fürst, so steht geschrieben: „Einem
Fürsten in deinem Volk sollst du nicht fluchen!" Ex 22, 27. H. sprach: Das gilt von
einem, der das Werk deines Volkes treibt, aber der treibt das Werk deines Volkes
^ Aus Qid 70b geht hervor, daß diese Tradition bereits dem Babylonier Sch*^muel
(t 254) bekannt gewesen ist.
Matth 2, 16 (2). 18 89
nicht! Er antwortete : Ich fürchte mich vor ihm. H. sprach: Es ist niemand hier, der
hingehn könnte u. es ihm sagen; nur ich u. du sitzen hier. Er antwortete: Es steht
geschrieben: Denn ein Vogel des Himmels möchte die Stimme weiter tragen u. ein
Geflügelter das Wort verraten Qoh 10, '20. Da sagte jener zu ihm: Ich bin es (Herodes);
wenn ich gewußt hätte, daß die Rabbinen so vorsichtig sind, dann hätte ich sie nicht
getötet, li Josephus erzählt Bell Jud 1, 33, 6.S; Antiq 17, 6, 5; 8, 2, daß Herodes kurz vor
seinem Tode einen Mordbefehl gegen die Vornehmsten unter den Juden erlassen habe,
damit ganz Judäa u. die einzelnen Häuser Tränen über sein Ableben fänden. Dieselbe
Erzählung in der alten „ Fastenrolle " über den König Alexander Jaunäus (104 — 78
V. Chr.). Da es nicht unmöglich ist, daß die rabbin. Tradition hier, wie auch sonst,
die beiden bestgehaßten Könige miteinander verwechselt hat, so möge M'^g Tacan 11
hier ihren Platz finden: Man hat gesagt, als der König Jannäus krank daniederlag,
ließ er 70 Älteste von den Ältesten Israels festnehmen u. ins Gefängnis werfen. Er
befahl dem Obersten des Gefängnisses: „Wenn ich tot bin, so töte jene Ältesten";
u. auch (befahl er dies), damit die über ihn (bei seinem Tode) sich freuenden Israeliten
über ihre Lehrer Trauer hätten. Man hat gesagt, daß der König Jannäus ein treffliches
Weib gehabt habe namens Schalminin: ^ als er nun gestorben war, zog sie seinen Ring
von seiner Hand, sandte in das Haus de^ Gefangenaufsehers u. ließ ihm sagen: ,Dein
Herr hat jene Ältesten im Traum freigelassen"! Da ließ er sie frei, u. sie begaben
sich in ihre Häuser. Hinterher aber teilte man mit, daß der König Jannäus gestorben
sei; u. diesen Tag, an welchem der König Jannäus starb, machte man zu einem Feiertag
(an welchem nicht gefastet werden sollte).
'^,18: Rahel, die ihre Kinder beweint.
Jer 31, 15 im Midrasch.
GnR 82 (52''): Was sah linser Vater Jakob, daß er die Rahel auf dem Wege nach
Ephrath begrub, vgl. Gn 35, 19? Er schaute, daß die Verbannten dereinst dort vorüber-
ziehn würden; deshalb begrub er R. dort, damit sie dort für sie um Erbarmen bäte.
Dasmeint Jer31, 15: Eine Stimme wird vernommen zu Rama. !| Midr KL Einl. 24 (oSa-b);
R. Sch'^'muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: (Nach einer Klage der Väter Israels
über Jerusalems Untergang folgt 38 b:) In jener Stunde sprang unsre Mutter R. hin
vor Gott u. sprach: Herr der Welten, offenbar ist dir, daß Jakob, dein Knecht, mich
geliebt hat mit gar großer Liebe, u. um meinetwillen hat er meinem Vater sieben
Jahre gedient; u. als jene sieben Jahre vollendet waren u. die Zeit meiner Vermählung
nahte, faßte mein Vater den Plan, mich meinem Eheherrn für meine Schwester zu
vertauschen. Das lastete überaus schwer auf mir, denn der Plan war mir bekannt
geworden; u. ich teilte ihn meinem Eheherrn mit u. gab ihm Zeichen zur Unterscheidung
zwischen mir u. meiner Schwester, damit er mich nicht verwechseln könnte. Aber
hinterher tröstete ich mich bei mir selber u. ertrug mein Verlangen u. erbarmte mich
über meine Schwester, daß sie nicht mit Schimpf davonginge. Und am Abend ver-
tauschten sie meine Schwester gegen mich, u. ich überlieferte meiner Schwester alle
die Zeichen, die ich meinem Eheherrn überliefert hatte, damit er meinen sollte, sie sei
Rahel. Ja noch mehr, ich schlich mich unter das Lager, auf dem er mit meiner Schwester
ruhte; u. wenn er mit ihr redete, so schwieg sie, ich aber antwortete auf jedes seiner
Worte, damit er die Stimme meiner Schwester nicht erkennen möchte. So habe ich
Gnade an ihr geübt u. bin nicht eifersüchtig auf sie geworden, noch habe ich sie in
Schimpf davongehn lassen. Und wenn ich, die ich Fleisch u. Blut, Staub u. Asche war,
wider meine Nebenbuhlerin nicht geeifert noch sie in Schimpf u. Schande habe davon-
gehn lassen — du, der du der ewig lebende barmherzige König bist, warum hast du
dich ereifert gegen die Götzen, an denen nichts Wesenhaftes ist, u. hast meine Kinder
lassen in die Gefangenschaft ziehn, daß sie durchs Schwert getötet wurden u. die Feinde
* Im Bericht des Josephus spielt Salome, die Schwester des Herodes, diese Rolle.
90 Matth 2, 18. 19. 20
an ihnen handelten nach ihrem Gelüst! — Sofort regte sich das Erbarmen Gottes, u.
er sprach: Um deinetwillen. Rahel, bringe ich Israel zurück an ihren Ort. Das meint
Jer3I,15 — 17: „So spricht Jahve: Eine Stimme wird zu Rama vernommen . . . Rahel
weint über ihre Kinder ... So spricht Jahve: Wehre deiner Stimme das Weinen . . .;
es gibt noch einen Lohn für dein Tun" usw. Vgl. hierzu gleich Raschi zu Jer31, 15. ||
P^siql41^: R. Schim?on b. Jochai (um 150) hat gelehrt: Weil alles von Rahel abhing
(d. h. weil die ganze Lebensgeschichte Jakobs sich um sie drehte), wurden ihre Nach-
kommen nach ihrem Namen genannt: „R. weinte über ihre Kinder" (Jer 31, 15); u. nicht
bloß nach ihrem Namen, sondern auch nach dem Namen ihres Sohnes: „Vielleicht
wird Jahve, der Gott der Heerscharen, den Überrest Josephs begnadigen" (Am 5, 15);
u. nicht bloß nach dem Namen ihres Sohnes, sondern auch nach dem Namen ihres
Enkels: „Ein Lieblingssohn ist mir Ephraim" (Jer 31, 20). — Dasselbe GnR 71 (46^);
Midr Ruth 4, 11 (137^). |! Midr KL 1, 2 (50'''): R. Schimcon b. Jochai (um 150) hat gesagt:
Gott sprach zu Israel: Ihr weint ein eitles Weinen, aber schließlich werdet ihr ein
wirkliches Weinen weinen. Wo hat Israel ein eitles Weinen geweint? Antwort: Nu
11.10: Mose hörte, wie das Volk nach seinen Geschlechtern weinte, u. Nu 14,1: Da
erhob die ganze Gemeinde laut ihre Stimme, u. das Volk weinte in derselben Nacht.
Und wo hat Israel ein wirkliches (= berechfigtes) Weinen geweint? R. Aibo (um 320)
u. R. J^huda b. Simon (um 320). R. Aibo hat gesagt: Eins in Rama u. eins in Babel. In
Rama, s. Jer 31, 15: Eine Stimme wird zu Rama vernommen. In Babel, s. Psl37, 1:
An den Strömen Babels, da saßen wir u. weinten. R. J'^huda b. Simon hat gesagt: Eins
im Lande Juda u. eins in Babel. Im Lande Juda, KL 1,2: Sie weint u. weint in der
Nacht. In Babel, s.Ps 137,1. R. Aibo hat gesagt: Gott sprach zu Israel: Zum Lohn
für jenes Weinen sammle ich deine Verbannten; s. Jer 31, 16 f.: So spricht Jahve: Wehre
deiner Stimme das Weinen . . . u. eine Hoffnung gibt es für deine Zukunft, ist Jahves
Spruch. II Raschi zu Jer 31, 15 erwähnt folgende Legende: Die Erzväter u. die Erzmütter
gingen, um Gott zu besänftigen, weil Manasse ein Götzenbild im Tempel aufgestellt
hatte. Aber er ließ sich nicht besänftigen. Da ging Rahel hinein u. sprach vor ihm:
Herr der Welt, wessen Liebe (Erbarmen) ist größer, deine Liebe oder die Liebe von
Fleisch u. Blut? Es ist doch wohl deine Liebe größer! Und habe ich nicht meine
Nebenbuhlerin in mein Haus hineingelassen? Denn alles, was an Dienst Jakob meinem
Vater gedient hat, hat er nur meinetwegen gedient, u. als ich im Begriff war, in das
Brautgemach einzutreten, da führte man meine Schwester hinein. Nicht genug, daß
ich schwieg; ich übergab ihr auch mein Zeichen. Auch du, wenn deine Kinder deinen
Nebenbuhler in dein Haus gebracht haben, schweige gegen sie! Er sprach zu ihr:
Schön hast du die Verteidigung geführt; es gibt einen Lohn für dein Tun u. deine
Gerechtigkeit, daE? du dein Zeichen deiner Schwester übergeben hast. .
2,19: Da aber Herodes gestorben war.
M^g Talan 9: Am 7. Kislev ist Festtag. Das ist der Tag, an welchem
Herodes, der Hasser der Gelehrten, starb; denn es ist Freude vor
Gott, wenn die Gottlosen von der Welt scheiden; . . . Und an demselben
Tage, an welchem Herodes starb, machten sie ihn zu einem" Festtag
(an welchem nicht gefastet werden darf). — Zur üngeschichtlichkeit
dieser Notiz vgl. Schürer s 1, 415 ff.; in Wirklichkeit ist Herodes kurz
vor dem Passah des Jahres 4 v. Chr. gestorben.
2,20: In das Land Israel.
Im Rabbin. ist „Land Israel" fast ausschließliche Bezeichnung
Palästinas. Challa4, 8: Rabban Gamliel (um 90) sagte: Drei Länder
gibt es (sind zu unterscheiden) in bezug auf die Challa (Teighebe):
Matth 2, 20 91
vom Lande Israel ^N;ii5i ■j^'^n bis K^zib (^ Ekdippa, zwischen Ptolemais
u. Tyrus) ist Eine Teighebe; von K''zib bis an den Euphrat u. den
Amana sind zwei Teigheben; . . . vom Strom u. vom Amana einwärts
sind zwei Teigheben. ... — Dieselben drei Ländergebiete werden
Sch^'biath 6, 1 in bezug auf das Brachjahrgesetz unterschieden. || Tos
Chalia 2, 11 (99): Was ist Land (Israel) u. was ist Ausland? Alles, was
vom Taurus (Amanusgebirge) abwärts liegt u. weiterhin, ist Land
Israel; vom Taurus-Amanus u. darüber hinaus ist Ausland. Was die
Inseln im Meer betrifft, so sieht man sie so an, als ob ein Faden über
sie ausgespannt wäre vom Taurus-Amanus bis zum Bach Ägyptens:
vom Faden einwärts ist Land Israel, vom Faden auswärts ist Ausland.
Der Name ■p'^'Jp^Q (= TlaXaiaTirr) begegnet äußerst selten. GnR
90 (57»): „Es war eine Hungersnot in allen Ländern" (Gn41,54), in
drei Ländern: in Phönizien u. in Arabien u. in Palästina. || LvR 5 (108'')
u. NuR 10 (158''): „Ziehet hinüber nach Kalneh u. sehet" Am 6, 2, damit
ist Ktesiphon gemeint; „u. gehet von dort nach Chamath, der großen",
das ist das Chamath von Antiochien; „u. geht hinab nach Gath der
Philister", das bezieht sich auf die Hügel Palästinas (richtiger wohl:
auf die Hügel Philistäas, des Philisterlandes). || Midr KL 1, 5 (51''):
„Ihre Dränger sind zum Haupt geworden" (KL 1, 5), das geht auf
Vespasian; „ihre Feinde sind im Glück" (das.), das geht auf Titus.
Drei u. ein halbes Jahr belagerte Vespasian Jerusalem, u. es befanden
sich bei ihm vier Heerführer: von Arabien, von Afrika (Phrygien?),
von Alexandria u. von Palästina.
Noch seltener begegnet der Name „Land Kana^an" '{vxz y'ns im
Rabbinischen (im NT y^; Xavaav Apg 13, 19, das blofae Xaraav Apg
7, 11). Dabei ist zu beachten, daß nur das westjordanische Palästina
Land K. genannt wird. Mak 2, 4: Wohin flüchten sie (die Totschläger)?
In die Zufluchtsstädte: in die drei jenseits des Jordans u. in die drei
im Lande K. (also diesseits des Jordans); denn es heißt Nu 35, 14:
„Drei Städte sollt ihr jenseits des Jordans geben u. drei sollt ihr im
Lande Kana^an geben" usw. Ehe die drei im Lande Israel (hier im
engern Sinn = Land K.) ausgewählt waren, nahmen die drei jenseits
des Jordans (Totschläger) nicht auf ; denn es heißt Nu 85, 13: „Sechs
Freistädte sollen sein", d. h. bis die sechs zugleich aufnehmen können. ||
Tos Mak 3, 2 (440): Drei (Asyl-)Städte sonderte Josua im Land K. aus,
u. sie wurden hergerichtet gegenüber den dreien jenseits des Jordans
wie zwei Reihen (Weinstöcke) in einem Weinberg: Hebron in Judäa
gegenüber BcQer in der Wüste, Sikhem auf dem Gebirge Ephraim
gegenüber Ramoth in Gih'ad, Qedesch in Galiläa gegenüber Golan in
Basan. ... — Dasselbe Mak 9'^' als Bar. I| --j^-d |'-n auch B«'khor 55 ^
Bezeichnungen wie „heiliges Land" cii?r! n^ix Sach 2, 16 = rj ayia
yi'l 2 Makk 1, 7 oder „gelobtes Land", yr; rf^g e/iuyysh'ag Hebr 11,9 haben
wir in den rabbin. Schriften überhaupt nicht gelesen.
92 Matth2, 23 (31. 93 1.2)
2,23 51: Nazareth, Na^age^.
Nazareth (von -:i: hüten, bewahren, etwa = Wacht oder Wächterin)
wird im Talmud u. Midrasch nicht erwähnt. Daher ist bemerkenswert,
daß Eljazar b. Qalir (um 800?) in seiner Elegie auf den 9. Ab »n^^'x
-,T-u;n rb:j:in nr»"^' Nazareth als Stationsort einer der 24 Priesterabteilungen
nennt, s. Sam. Klein, Zur Geographie u. Geschichte Galiläas, Leipzig
1909, S. 74ff. ; ferner Zunz, Literaturgeschichte der synagogalen Poesie,
Berlin 1865, S. 31. 603 ; Ad. Neubauer, Geographie du Talmud S. 117. 190.
2,23 23: Auf daß erfüllt werde, was gesagt ist durch die
Propheten: Er soll ein Nazarener, Na^w^aToc, heißen.
1. Daß mehrere Propheten einunddenselben Gedanken, wenn auch
mit verschiedenen Worten aussprechen können, wird Sanh89^ bezeugt:
R. JiQchaq (um 300) hat gesagt: Einunddasselbe Wort kann (seinem
Inhalt nach) in vielen Propheten aufsteigen, aber nicht können zwei
Propheten mit denselben Worten weissagen. Obadja hat gesagt Vers 3:
„Der Hochmut deines Herzens hat dich berückt"; Jeremia hat gesagt
Jer 49, 16: „Schauder über dich! Berückt hat dich der Hochmut deines
Herzens." — Also nur die sprachliche Einkleidung einer Prophetie ist
Eigentum des betreffenden Propheten.
2. Eine Stelle, die den als Zitat eingeführten Worten ^Na^cogaiog
xh]i^i']aeTai'' entspricht, gibt es im AT nicht. Ganz analog heißt es
Esra 9, 10 ff. (= 3 Esra 8,81 ff.) : Und nun, was sollen wir nach solchem
sagen, unser Gott? daß wir deine Gebote verlassen haben, welche du
geboten hast durch deine Knechte, die Propheten, die da sprachen:
Das Land, welches ihr kommt in Besitz zu nehmen, ist ein beflecktes
Land, durch die Befleckung der Völker der Länder, durch ihre Greuel,
womit sie es anfüllten von einem Ende zum andren in ihrer Un-
reinigkeit usw. — Auch hier wird ein alttestamentl. Zitat gebracht,
das sich im AT nicht findet, u. das genau so wie das Mt 2, 23 einer
Mehrzahl von Propheten in den Mund gelegt wird ohne die geringste
Andeutung, welche Propheten gemeint seien. Dergleichen Freiheiten
im Zitieren alttestamentl. Worte begegnen auch in der rabbin. Lite-
ratur. SDt21, 8 §210 (112^): „Sühne dein Volk Israel, das du erkauft
hast" Dt21, 8. . . . Unter dieser Bedingung hast du uns erkauft, daß du,
wenn wir sündigen, für uns Sühnung schaffen wirst. Und der heilige
Geist spricht (damit werden die folgenden Worte als ein Zitat gekenn-
zeichnet): „Solange ihr also tun werdet, wird euch das Blut gesühnt
werden." — Hiervon findet sich der Vordersatz überhaupt nicht im
AT, u. der Nachsatz ist umgemodelt aus mn onb ^s:: Dt 21, 8. || K^th
111»: R. El'cazar (um 270) hat gesagt: Die Toten (Israels) im Auslande
werden nicht wieder aufleben (auferstehn), denn es heißt Ez 26, 20:
„Ich lege Wohlgefallen auf das Land der Lebendigen", d. h. das Land,
auf dem mein Wohlgefallen ruht (= Palästina), dessen Tote werden
Matth 2, 23 (23 2) 93
wieder aufleben; auf dem aber mein Wohlgefallen nicht ruht (^ Aus-
land), dessen Tote werden nicht wieder aufleben. R. Abba b. Memel
(gegen 300) wandte ein: „Leben werden deine Toten, meine Leichen
werden auferstehn" Jes26,19; heißt das nicht: „Deine Toten werden
leben", nämlich die im Lande Israel? „Meine Leichen werden auf-
erstehn", nämlich die Toten im Ausland? Und was bedeutet Ez 26, 20:
„Ich bringe (lege) "^r::: in das Land der Lebendigen"? Damit ist Ne-
bukadne^ar gemeint; denn es steht geschrieben, daß der Allbarmherzige
gesagt hat: „Ich will über sie einen König bringen, der schnell ist
wie eine Gazelle." — 13:^ „Zierde" wird also in der Bedeutung „Ga-
zelle" genommen, so daß die Stelle zu übersetzen ist: „Ich bringe eine
Gazelle (= Nebuk.) in das Land der Lebendigen"; das diese Deutung
begründende Schriftzitat aber: „Ich will über sie einen König bringen,
der schnell ist wie eine Gazelle" existiert nicht. — Aus diesen Bei-
spielen erkennt man, daß es durchaus nichts Unerhörtes gewesen ist,
einen Gedanken, den man im AT irgendwo angedeutet gefunden hatte,
einfach als einen alttestamentl. Ausspruch zu zitieren. Ebenso wird es
sich mit dem Zitat Na^oioaTog xlriy^r^afTai verhalten. Es fragt sich nur,
welcher Gedanke im AT es gewesen ist, der zur Formulierung dieses
Zitats Veranlassung gegeben hat.
Nach dem Zus. hang von 2, 23 mußte sich Joseph auf Gottes Geheiß
in Nazareth ansiedeln, damit Jesus als Sohn Nazareths den von den
Propheten geweissagten Beinamen -i-^r^b (= Na^cDgaTog, Nazarener) er-
hielt. Da der Evangelist diesen Namen durch eine Mehrzahl von Pro-
pheten, Sid TiZv TTQocfrjtwr^ zuvorverkündigt sein läßt, müssen ihm
mehrere Stellen des AT.s als Beweisstellen vorgeschwebt haben. Am
nächsten liegt es, an die Ne^er- Weissagung Jes 11, 1 zu denken. Diese
konnte bei mehreren Propheten wiedergefunden werden, insofern die
^emach-Weissagung (Jer23, 5; 33,15; Sach3, 8; 6,12) Jes 11,1 zur
Grundlage hatte. Die Weissagung Jes 11, 1, die samt den Cemach-
Weissagungen von der alten Synagoge stets messianisch gedeutet
worden ist,a läßt den Messias als einen Schößling —4: aus der Wurzel
Isais hervorwachsen, um damit auszudrücken, daß der Messias dereinst
aus dürftigen u. unscheinbaren Verhältnissen hervorgehn werde. Diesen
Gedanken dürfte der Evangelist geschichtlich verwirklicht gesehen
haben in der Tatsache, daß Jesus in dem unbekannten, wohl gar ver-
achteten Nazareth aufwachsen mußte, um von hier aus ohne Prunk u.
Pracht in aller Unscheinbarkeit seinen Messiasberuf anzutreten, Stand
aber dem Evangelisten fest, daß die Ne9er -Weissagung in dem Wohnen
Jesu in Nazareth zur Erfüllung gekommen sei, dann war es nach den
in der alten Synagoge geltenden hermeneutischen Grundsätzen nicht
schwer, in dem Ausdruck n^D Jes 11,1 eine direkte Weissagung auf
den Namen ^-:ib Nazarener zu finden. Eine ungezählte Male angewandte
hermeneutische Regel lautete: ^npn bx (= „lies nicht" oder „sprich
94 Matth 2, 23 (S 2. 3)
nicht") das u. das Wort des alttestamentl. Textes so, sondern so.^ —
In der Regel beschränkte sich die Veränderung in der Aussprache eines
Worts auf einen leichten Wechsel der Vokale oder auf eine Umstellung
oder Vertauschung einzelner Konsonanten. Immer aber wurde der so
erzielte Beweis, wenigstens für die Haggada, als vollgültig anerkannt.
Diese Beweisführung dürfte auch der Evangelist, ohne es ausdrücklich
auszusprechen, befolgt haben: „Lies Jes 11, 1 nicht -^-s:, sondern •i"i:ib.''
So entstand der Satz: „Joseph ließ sich in Nazareth nieder, damit
erfüllt würde, was von den Propheten (durch die Worte Ne9er u.
Qemach) gesagt ist: Er soll -^ysi Nazarener heißen.
a. Targ Jes 11,1: Der König wird aus den Söhnen Isais hervorgehn u. der Messias
aus seinen Enkelkindern wird groß werden. |j Targ Jer 23, 5: Siehe, die Tage werden
kommen, spricht Jahve, da will ich dem David den Messias der Gerechten (Textworte:
-,'-■4 ni;^) erstehn lassen. ] Das. 33, 15: In jenen Tagen u. zu dieser Zeit werde ich dem
David erstehn lassen den Messias der Gerechtigkeit (Text: "",■;:» "'?-)• II Targ Sach 3,8:
Denn siehe, ich werde kommen lassen meinen Knecht, den Messias, u. er wird sich
offenbaren (Text: --^-j, -r;:>- = meinen Knecht Sproi:i1. | Das. 6, 12: Siehe, ein Mann,
dessen Name Messias (Text: '.^v -"c-^), wird sich offenbaren u. groß werden u. den
Tempel Jahves bauen. || GnR 85 (54*^): R. Huna (um 350) hat gesagt: .,Dein Stab" Gn
38, 18 das ist der König, der Messias, wie es heißt Jes 11,1: „Ein Reis wird aufgehn
aus dem Strunk Isais" usw. || Midr Ps 72 § 3 (163'*): „Deine Gerichte dem Könige gib"
Ps72, 1; das ist der König, der Messias, s. Jes 11, 1.4: Ein Reis wird aufgehn aus dem
Strunk Isais . . ., u. er schafft Recht in Gerechtigkeit den Dürftigen. || P'^siqR 33 (1521)):
Du findest, daß von Anfang der Weltschöpfung an der König, der Messias, geboren
war. (Gemeint ist ideelle Präexistenz des Messias in den Gedanken Gottes.) Denn er
stieg in (Gottes) Gedanken auf, ehe die Welt geschaffen war. Ebenso sagt die Schrift
Jes 11, 1 : „Und aufgegangen ist ein Reis aus dem Strunk Isais"; es heißt hier nicht:
Und es wird aufgehn s:^.", sondern: Und es ist aufgegangen s:?'"- 1' pB®rakh 2, ö'^, 12:
R. J'^hoschuac b.Levi (um 250) hat gesagt: gemach (Sproß) ist sein (des Messias) Name. —
Midr KL 1, 16 (58b) wird als Beweisstelle hinzugefügt Sach 6, 12: Siehe, ein Mann, dessen
Name (gemach. — Ferner s. bei Lk 1, 78 Anm. a.
3. Der Name Na^ooQuTog, mit dem Na^aQrjvög wechselt Mk 1, 24;
10,47; 14,67; 16,6; Lk 4, 34; 24, 19, wird Jesu von Fremden beigelegt:
Mkl,24; 10,47; Lk4, 34; 18,37; Mt26, 71 (=- Mk 14,67); Joh 18,5;
19,19; vonseinenJüngernLk24, 19; Apg2,22; 3,6; 4, 10; 26,9. Ein-
mal nennt sich Jesus selbst o Na^ooQaiug Apg 22, 8. — Na^a^tpög ist
von der Namensform Na^aQÜ gebildet, die zB Tischendorf aufgenommen
hat Mt4, 13 u. Lk4, 16; während Na^cogaiog entweder eine (nicht nach-
weisbare) Namensform Na^wQa voraussetzt oder, was wahrscheinlicher,
von mundartlichem -in:i'i: beeinflußt ist.
In der älteren rabbin. Literatur liest man "'i:-:- (der Nazarener) als Beinamen
Jesu zB cAZ 17^: (R. Elicezer, um 90, sprach:) Einmal ging ich auf dem oberen Markt
von Sepphoris einher, da traf ich einen von den Schülern Jesu des Nazareners, -v":
^-::i3n, namens Jaiaqob von Kephar S'^khanja. Der sagte zu mir: In eurer Tora steht
geschrieben (Dt 23, 19): „Du sollst keinen Hurenlohu ... in das Haus Jahves deines
' Als Beispiele für die ?A1-Tiqri-Deutung s. Schab 89=* bei Mt 4, 1 ; P'^siqR 34 1 159^)
bei Mt 5, 4; TanchB s=r § 4 bei Mt 5, 10; cArakhin 15 b bei Mt 5, 11 ; A. Rosenzweig, Die
Al-Tikri-Deutungen, Breslau 1911 (54 S.).
Matth 2, 23 (58 3. 4. 5) 95
Gottes bringen auf irgendein Gelübde hin." Wie ist es? Darf man davon einen Abort
für den Hohenpriester (im Tempelbezirk) anlegen? Ich erwiderte ihm darauf nichts.
Da fuhr er fort: So hat mich Jesus, der Nazarener, --ijijn vü- gelehrt: Vom Hurenlohn
hat sie es gesammelt, u. zu Hurenlohn soll es wieder werden (Micha 1,7); vom Schmutzort
ist es gekommen, zum Schmutzort soll es wandern. ... — Die nicht gekürzte Parallel-
stelle Tos Chullin •*, 24 (50:^) s. S. 3t) f.; hier steht statt ''-::-:n ---: „Jeschuac ben Pan-
tere". — Die weitere Parallele Midr «joh 1, 8 ed. Pesaro 1519 liest s--3E p ::ü-, bezw.
bloß X--32 1= „Jesus, der Sohn des Pandera". Über diesen Namen s. S. 38. — H Sanh
43=': Am Rüsttag auf das Passahfest hat man Jesus, den Nazarener, gehängt Tt-sin
— ui:n "i-V. — So Codex M.; die ed. Amsterd. 1644 hat nur ^v. \\ B'^rakh 17=*: Als sich
die Rabbinen aus dem Hause des Rab Chisda (f 309; andre: R. Sch'^muel b. Nachman,
um 26U) verabschiedeten, sagten sie zu ihm also: „Unsre Häupter sind belastet" (so
wird Psl44, 14 gefaßt). Rab (f 247) u. Sch'^muel (f 254); nach andren: R. Jochanan
(t 279) u. R. Elcazar (um 270). Der eine sagte: ,Unsre Häupter", nämlich in der Tora;
u. „sind belastet" geht auf die Gebote. Der andre sagte: „Unsre Häupter", nämlich
in der Tora u. in den Geboten; u. „sind belastet" geht auf die Züchtigungen (Leiden).
,Da ist keine Bresche" Ps 144,14: unsre Gesellschaft sei nicht wie die Gesellschaft
Sauls, von dem Doeg, der Edomiter, ausgegangen ist; „u. kein Ausziehendes" (das.):
unsre Gesellschaft sei nicht wie die Gesellschaft Davids, von dem Achithophel aus-
gezogen ist; „u. kein Klageschrei" (das.): unsre Gesellschaft sei nicht wie die Gesell-
schaft Elisas, von welchem Gechazi ausgegangen ist; „auf unsren Straßen" (das.):
nicht möge uns ein Sohn oder Schüler sein, der seine Speise öffentlich anbrennen läßt
[= Verwerfliches lehrt), wie Jesus, der Nazarener, '—s•:T^ vj- (so Codex M.; ed. Ven.
1520 bloß: „wie der Nazarener" "::-:-i 1-^=; ed. Amsterd. 1644 ff. ohne jede Exempli-
fizierung auf Jesum. — |! Sanh 103 'i: „Nicht darf dir ein Unglück begegnen" Ps 91, 10;
nicht mögen dich böse Träume u. böse Gedanken ängstigen; „eine Plage nicht zu nahe
kommen deinem Zelte", nicht möge dir ein Sohn oder Schüler sein, der seine Speise
öffentlich anbrennen läßt, wie Jesus, der Nazarener, "S":~ "i--. H Die Verbindung ■'-•:
•:5:p":r! := „der verwünschte Nazarener" ist uns in der älteren Literatur nicht begegnet.
4. Sanh 43'* wird in einer Bar unter den Jüngern Jesu ein n^:
genannt. Sollte sich darin in der alten Synagoge die Erinnerung er-
halten haben, daß man in christl. Kreisen Jesu Beinamen „der Naza-
rener" mit dem -s: Jes 11, 1 in Verbindung gebracht hat? Die Stelle
lautet: Fünf Schüler hatte Jesus -r-^: Mattai, Naqqai, NeQer -:i:, Buni
u. Todar. . . . Man brachte NeQer herbei (vor die Richter). Er sagte:
NeQer sollte getötet werden? Es steht doch geschrieben Jes 11,1:
„Ne9er (ein Schößling) wird aus seinen Wurzeln Frucht bringen." Sie
antworteten: Gewiß, Ne9er wird getötet werden; denn es steht ge-
schrieben Jes 14, 19: Du wirst hingeworfen fern von deinem Grabe wie
ein verworfener Ne9er (Schößling) Die ganze Stelle s. bei Joh 3, 1 Nr. 2.
5. Das rabbin. Schrifttum erwähnt einigemal einen Ben Ne9er;
unter ihm wollen Buxtorf, Lexicon 1383, Lightfoot '2, 578 f. u. andre,
zum Teil nach rabbin. Vorgängern, Jesum verstanden wissen. Besonders
hat zu dieser Auffassung Veranlassung gegeben GnR 76 (49*^): „Errette
mich doch aus der Hand meines Bruders, aus der Hand Esaus" (Gn
32, 12); errette meine Kinder in der zukünftigen Zeit (hier nicht speziell
= in der messian. Zeit) aus der Hand seiner Nachkommen, wenn diese
in der Kraft Esaus über sie kommen. Das meint Dn 7, 8: „Ich merkte
auf die Hörner, u. siehe, ein andres kleines Hörn stieg zwischen ihnen
96 . Matth 2,28 (5B 5j. 3, 1.2. 3
empor", das bezieht sich auf Ben Neger. ^Und drei von den früheren
Hörnern (Dn7,7) wurden vor ihm entwurzelt", das bezieht sich auf
die, denen man ihre Herrschaft gab, auf ''•ip^ u. c^^p u. ■'cnimp; „u.
siehe, Augen wie Menschenaugen waren an dem Hörn u. ein Maul, das
Großes redete", das bezieht sich auf das frevlerische Reich {= Rom),
welches Steuern ausschreibt auf alle Völker der Welt. — Hierzu zitiert
Buxtörf folgende Deutung des Isaak (b. J^huda) Abravanel (f 1508 in
Venedig): „Beachte, wie man jenes andre kleine Hörn ausgelegt hat
auf Ben Neger, welcher Jeschua^, der Nazarener, ist; u. mit ihm hat
man nach dem Kontext das frevlerische Reich verbunden, d. h. das
römische, weil dieses (nach seiner Christianisierung) seine (Jesu) Nation
ist." — Diese Deutung ist falsch. Grätz, Geschichte der Juden 2 4, 295 ff.
489 f. hat überzeugend dargetan, daß unter Ben Neger Odenathus, der
Fürst von Palmyra, zu verstehn ist, der um 260 n. Chr. N'^harde^a
zerstört hat; ferner hat J. Fürst in seinen Verbesserungen zu Wunsches
Übersetzung von GnRS. 540 die drei Namen iitp^, ciip u. onin-ip völlig
zufriedenstellend auf Makrianus, dessen Sohn Quietus u. auf Kyriades
gedeutet. Makrianus u. Quietus wurden als Kaiser ausgerufen, der
erstere dann durch Aureolus, der letztere durch Odenathus getötet;
ebenso büßte Kyriades nach der Besiegung Sapors durch Odenathus
sein Leben ein. — Auch die übrigen Stellen, in denen Ben Neger er-
wähnt ist, nämlich pT'-rum N (46'\54); bK'^th 51^35 u. Seder '<01am
Zuta zu Rab u. Sch'^muel, lassen sich restlos auf Odenathus deuten.
3,1: In der Wüste des jüdischen Landes.
Über die Beziehungen der Wüste Juda n-T* -s-'s zur messian. Zeit s. Midr. Ruth
2,14 (132^) oben S. 87«.
3, 2:TutBuße, denn dasHimmelre ich istnah ehe rbeigekommen.
Sieh bei 4, 17.
3,3: Stimme eines Predigers in der Wüste.
Jes 40, 3 im Midrasch.
Leqach tob zu Nu 24, 17 (•_>, 129 b. 180 •'): R. Huna fum 350) hat im Namen des R. Levi
(um HO") gesagt: (Folgt eine zus. fassende Beschreibung aller Ereigni'jse in der messian.
Zeit: Der Messias b. Joseph hat die Israeliten von Obergaliläa nach Jerusalem geführt
u. ist nach 40jähriger Regierung im Kampf gegen Gog u. Magog gefallen. Gott führt
Israels Sache zum Siege: eine Himmelsstimme weist Israel nach Babel Micha 4, 10,
eine zweite gen Rom Ez 25, 14, eine dritte befiehlt Israel Rom zu tun, was Josua
Jericho getan; darauf fällt Rom in Israels Hand; dann fährt der Bericht fort:) Darauf
sammeln sie alle Beute, u. die Israeliten suchen ihren Gott u. David, ihren König.
Sofort offenbart sich ihnen der König, der Messias (in Rom), u. spricht zu ihnen: Ich
bin der König, der Messias, auf den ihr gehofft habt; dann spricht er zu ihnen: Nehmet
das Silber u. das Gold! Und sie laden es auf u. ziehen hinauf (nach Jerusalem), vgl.
Jes6U, tJ: „Die Masse der Kamele wird dich bedecken." Eine vierte Himmelsstimme
geht aus u. ruft Jes 40,8: „Stimme eines Rufers in der Wüste." Eine fünfte Jes 35, 9:
„Keinen Löwen wird's dort geben." Eine sechste Jes4I,iy: „Ich will in der Wüste
hinstellen Zeder, Akazie u. Myrte." Eine siebente Jes 40, 1: „Tröstet, tröstet mein
i
J
Matth 3, 3. 4 (9t) 97
Volk*; u. Elias bringt Israel die gute Botschaft Jes52, 7: , König ward dein Gott."
Eine achte ruft Jes 4U, 2: „Redet Jerusalem zu Herzen." Eine neunte Jes 26, 2: „Machet
auf die Tore, daß ein gerechtes Volk einziehe!" Eine zehnte Ps24, 7: „Erhebet, ihr
Tore, eure Häupter!" Die Toten werden lebendig werden, Jes 26, 19; dann sammeln
sich die Verbannten Jes27, lo, u. dann wird sich erfüllen Nu 24, 17: „Hervortritt ein
Stern aus Jakob." — || Midr KL I, 2 (49-'»): R. J^huda b. Simon (um 320) u. R. Aibo (um
320) u. die Rabbinen sagten: Weil sie (Israel) von Aleph bis Tav (s. oben S. 51) ge-
sündigt haben, werden sie von Aleph bis Tav getröstet. Und so findest du, daß all den
harten Weissagungen, die Jeremia über Israel geweissagt hat, Jesaja zuvorgekommen
ist, um sie zu heilen. Jer. hat gesagt KL 1,1: „Wie sitzt sie so einsam"; Jesaja hat
gesagt 49, 21: „Du wirst in deinem Herzen sprechen: Wer hat mir diese geboren, da
ich doch verwaist war?" — Jer. hat gesagt KL 1, 2: „Sie weint u. weint in der Nacht";
Jesaja hat gesagt 30, 19: „Weinen sollst du nicht immerfort, Gnade erweisen wird er
dir gewißlich." — Jer. hat gesagt KL l, 3: „Fortgewandert ist Juda vor Elend" ; Jesaja
hat gesagt 11, 12: „Die Zersprengten Judas wird er zusammenbringen." — Jer. hat
gesagt KL 1,4: „Die Wege Zions trauern"; Jesaja hat gesagt 40, 3: „Stimme eines
Rufers in der Wüste: Säubert den Weg Jahves!" Es werden dann weiter einander
gegenübergestellt KL 1, 5 u. Jes 60, 14; 1, 6 u. Jes 59, 20; 1, 7 u. Jes 65, 17; l,8u. Jes
44,22; 1,9 u. Jes 4, 4; 1, 10 u. Jes 11,11; 1,11 u. Jes 49, 10; 1,12 u. Jes 32, 15; 1, 13 u.
Jes 57, 15; 1, 14 u. Jes 52, 2; 1, 15 u. Jes 62, 10; 1, 16 u. Jes 52, 8; 1, 17 u. Jes 51, 12; 1,18
u. Jes 60, 21; 1, 19 u. Jes 60, 18; 1,20 u. Jes 66, 14; 1,21 u. Jes 40, 1 ; 1,22 u. Jes 56, 7. —
Parallelstelle: P''siqR 29/30 (139 *>) anonym mit Abweichungen. — Weitere Stellen s. bei
Lk 3, 4.
3,451: Sein Gewand von Kamelshaaren,
Für Adam u. Eva machte Gott Röcke aus Fell -^rJ mara Gn3, 21;
Esaus Haarbildung war bei seiner Geburt so stark entwickelt, daß er
aussah ganz wie ein Haarmantel -ira r^nss Gn25, 25; eiu behaarter
Mantel -i-'a n-is, wohl eine Art Pelz, wird Sach 13,4 zur Ausstattung
eines Propheten gerechnet. Nicht in diese Reihe gehört 2 Kg 1, 8: mit
dem Ausdruck ns-o bs-n wird Elias nicht als Besitzer eines Propheten-
mantels aus Pelzwerk, sondern als ein Mann von starkem Haarwuchs
oder mit langem Haar bezeichnet. Das Gewand des Täufers war aus
Kamelshaaren gewirkt, nicht aus Kamelfell gefertigt. Ein solches Kleid
hatte Gott nach einer Tradition dem ersten Menschen gemacht.
GnR20(14^): Jahve Elohim machte für Adam u. sein Weib Röcke aus Fell u.
bekleidete sie damit Gn 3, 21. In dem Toraexemplar des R. Meir (um 150) fand man
(wohl am Rande) geschrieben: „Röcke von Licht" (~"s r-.rs statt -^ly ':), weil jene
Kleider des ersten Menschen einer Laterne (lies mit Pariser Kodex ozt — cpai'ög, Fackel,
statt =;-E = nrjyuvov, Rautenpüanze, Lk 11,42) glichen, unten weit u. oben eng. R. Ab-
bahu (um 300) hat im Namen des R. JiQchaq (um 300) gesagt (so ist mit TanchB zu
lesen): Sie waren glatt wie ein (Finger-)Nagel u. schön wie Perlen. R. Jochanan (f 279,
so zu lesen mit TanchB) hat gesagt: Wie feine Leinengewänder, die aus Beth-Sch®an
kommen; -^v r-:r:, Hautröcke, hießen sie, weil sie sich der Haut (des Menschen) dicht
anschlössen. R. EUazar (b. P'^dath, um 270) hat gesagt: Sie waren aus Ziegenfellen;
R. Aibo (um 320) hat gesagt: Aus Lammfellen; R. J'^'hoschuac b. Levi (um 250) hat
gesagt: Aus Hasenfellen; R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Aus zottigen (nicht
geschorenen) Fellen (1. t:-o^d = aiavQiviov); R. Schimcon b. Laqisch (um 250) hat ge-
sagt: Aus milchweißer Wolle (1. ■jii-up'sj = yaXKxnyöi'), u. in ihnen haben die Erst-
geborenen den Priesterdienst verrichtet (nämlich bevor der Stamm Levi mit dem
Priesterdienst betraut war). R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Sie waren
aus Kamelshaaren u. Hasenhaaren; —-j n-jr: „Hautröcke" hießen sie, weil sie von der
Strack u.Billerbeck, NT I. 7
98 Matth 3, 4 («. 5B. 6)
Haut (der Tiere) kamen. — Parallele mit Abweichungen, auch in der Autorenangabe,
findet sich TanchB r-ss-a § 24 (9'"^). — Die gegensätzliche Auffassung, die in vor-
stehendem sich an die Namen des R. Jochanan u. des R. Sch^'muel b. N. knüpft, ob
nämlich -i-j r'-.rz ein Kleid für die Haut (des Menschen) oder ein Kleid von der Haut
(des Tieres) bedeute, wird Sota 14^ von Rab (f 247) u. Sch'^muel (t 254) vertreten:
, Haut-Kleid": der eine sagte, das ist etwas, was von der Haut kommt, u. der andre
sagte, das ist etwas, wovon die Haut etwas hat. — Die letztere Deutung auch Targ
Onk Gn 3, 2 1 . |! N^'gaUm 11,2: Kleider, die aus einer Verbindung (Mischung) von Kamels-
haaren u. Schafwolle angefertigt sind, werden, wenn das meiste von Kamelen ist, durch
Aussatz nicht unrein; wenn aber das meiste von Schafen ist, werden sie durch Aus-
satz unrein; wenn halb zu halb, so werden sie durch Aussatz unrein. || Siphra zu Lv
13,47 (262^): , Falls an einem Kleide ein Aussatzschaden entsteht." Etwa auch an
einem aus feiner oder faseriger oder grober Seide oder aus Baumwolle oder aus Kamels-
haaren oder aus Hasenhaaten oder aus Ziegenhaaren? Die Schrift sagt lehrend Lv
13, 47: ,An einem Kleide aus Wolle oder an einem Kleide aus Flachs." 'Vgl. Men 39b. —
Ein Hemd ganz aus Kamelshaaren n-"-':; •^■cs •.■:i2-:? -.t'-r. wird erwähnt Tos Kil ö, 12 (80). ||
Nach Kil 9, 1 durfte Kamelshaar u. Flachs zus. verarbeitet werden, ohne daß das Gewebe
dadurch Mischstoff (Lv 19, 19) wurde.
3,4^: Einen ledernen Gürtel um seine Lende.
Genau so heißt es 2 Kg 1, 8 von Elias: ■■:p'3: ^it.s ^ly i^tn, was Targ Jon wieder-
gibt: n-ii^ns -."CS s-s-i-i-; .^t-t „ein Ledergurt, gegürtet um seine Lenden". — Wettsteins.
Bemerkung (1, 258*), daß die Juden vom Gürtel eines Menschen auf seinen Reichtum,
bezw. auf seine Armut geschlossen hätten, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig.
Die beigebrachten Stellen MQ 14^ u. Chullin 108 '^ besagen etwas andres.
3,46: Seine Speise aber war Heuschrecken,
In Mischna u. Talmud begegnen als Gattungsname für die Heu- *
schrecke sjn u. n^i's (''Nsis); doch wurden diese Bezeichnungen auch als
Speziesnamen gebraucht. Auf Grund von Lv 11, 20— 23 unterschied
man zwischen reinen u. unreinen, d. h. zum Genuß freigegebenen, bezw.
verbotenen Heuschrecken. Von letzteren zählte man, wie eine Bar
behauptet, 800 Sorten.» Die Merkmale der eßbaren Arten s. Chullin
3, 7.b — Das Fleisch der Heuschrecken wurde nicht als eigentliches
Fleisch angesehen; deshalb war ihre Zubereitung mit Milch gestattet
(vgl. Ex 23, 19; 34,26; Dt 14, 21). c Für gewöhnlich wurden sie mit
Salz eingelegt, d um als Zukost gegessen zu werden; letzteres wird
man aus dem bei ihrem Genuß zu sprechenden Lobspruch schließen
dürfen, der sie auf eine Linie stellte mit Essig, Fallobst, Milch, Käse
u. Eiern, e Auch als Handelsartikel geschieht der eingelegten Heu-
schrecken Erwähnung; man pflegte sie mit Wein zu bespritzen, um
ihnen ein schönes Aussehen zu geben.* — Daß H. auch als Heilmittel
verarbeitet oder Kindern als Spielzeug in die Hand gelegt wurden,
möge nebenher bemerkt werden, g
a. Chullin 63b: Abimi b. Abbahu (um 850) hat als Bar vorgetragen: 700 Arten
Fische u. 800 Arten Heuschrecken u. Vögel ohne Zahl gibt es (die zum Genuß ver-
boten oder unrein sind).
b. Chullin 3, 7: Von den Heuschrecken (sind rein) alle, die vier Füße u. vier Flügel
u. zwei Springfüße haben u. deren Flügel den größten Teil ihres Leibes bedecken.
R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sagte: Und deren Name „Chagab" ist. |1 Pirqe R. Eli'cez. 5
Matth 3, 4 (6) 99
Anfang: Am 5. Schöpfungstage . . . ließ Gott aus dem Wasser hervorwimmeln alle Arten
Heuschrecken, männliche u. weibliche, unreine u. reine. Durch zwei Zeichen sind diese
rein: Durch lange Springfiiße, mit denen sie auf der Erde hüpfen, u. durch Flügel, die
den ganzen Körper bedecken. Und diejenigen (Tiere), die aus dem Wasser hervor-
wimmelten, die Fische u. die Heuschrecken, dürfen ohne rituelle Schlachtung gegessen
werden; aber Geflügel darf nur bei ritueller Schlachtung gegessea werden. || Targ
J^rusch I Dt 14, 20: Alle reinen Heuschrecken dürft ihr essen. (Dt 14, 11 redet von den
reinen Vögeln -liU u. 14, 20 von dem reinen Geflügel ri-^-; da das Dt die Heuschrecken
somit nicht ausdrücklich erwähnt, bezieht der Targum die letzte Stelle auf diese.) ]| Zu
den Versuchen der Mischna- u. Talmud-lehrer, die im AT genannten Heuschreckenarten
des nähern festzustellen, vgl. Targ Onk u. Targ J*^rusch I Lv 11, 22; Chullin 65^—66-';
pTaEan 3, 6 i66'i); Siphra Lv 1 1, 22 (207 »).
C. Chullin 8, 1 : Alles Fleisch ist verboten in Milch zu kochen, ausgenommen das
Fleisch der Fische u. der Heuschrecken; auch ist verboten. Fleisch zus. mit Käse auf
den Ti'^ch zu bringen, ausgenommen das Fleisch der Fische u. der H. Wer durch ein
Gelübde dem Fleisch entsagt, darf das Fleisch der Fische u. der H. genießen. (Der
letzte Satz wird pN'^'darim 1 Anfang in der Diskussion als verneinende Frage verwertet;
dies hat Lightfoot übersehen, so daß seine Übersetzung unrichtigen Sinn ergibt.)
d. T'^'rumlO, 9: Unreine Heuschrecken, die zus. mit reinen H. eingemacht sind,
machen ihre Brühe (Lake) nicht unerlaubt. R. (^adoq (wohl der Altere, um 70 n. Chr.)
hat betrefi"s der Brühe der unreinen H. bezeugt, daß sie rein sei.
e. B*^'rakh 6, 3: Über etwas, was sein Wachstum nicht (unmittelbar) von der Erde
her hat, spricht man den Lobspruch: , Alles." Über Essig, Fallobst u. Heuschrecken
spricht man den Lobspruch: , Alles." Über Milch, Käse u. Eier spricht man den Lob-
spruch: , Alles." (Der von der Mischna als bekannt vorausgesetzte u. deshalb mit dem
Stichwort benannte Lobspruch lautet: „Gepriesen seist du Jahve, unser Gott, König
der Welt, durch dessen Wort alles geworden ist.")
/. cAZ 2, 7 Ende: Die Heuschrecken (die ein Heide eingelegt hat u. verkauft) sind,
wenn sie aus dem Körbchen kommen (in welchem der Händler sie feilbietet), verboten,
wenn sie aber aus dem Lagerraum kommen, erlaubt (nämlich zum Genuß in der
jüdischen Familie). — Der Grund dieser Entscheidung ist, daß die aus dem Korb ver-
kaufte Ware mit Wein angefeuchtet sein könnte, der als Fabrikat eines Heiden wegen
seiner Verwendung zu götzendienerischen Opferlibationen unter allen Umständen ver-
boten ist; eine Befürchtung, die der unmittelbar aus dem Lagerraum entnommenen
Ware gegenüber nicht obwaltet. || Tos 5AZ 4, 12 (467 1: Heuschrecken u. Kapern aus dem
Lagerraum, der Vorratskammer u. vom Schiff sind (zum Genußi erlaubt (auch wenn der
Verkäufer ein Nicht- Jude ist). Wenn sie aber aus einem Körbchen vor dem Krämer
verkauft wurden, so sind sie verboten, weil man Wein auf sie zu sprengen pflegt, damit
sie schön von Ansehen seien (u. dieser Wein könnte von Libationswein herstammen).
g. Schab 9,7: Wer (am Sabbat) eine lebende reine Heuschrecke hinausträgt, so
klein sie auch sei, von einer toten soviel wie eine getrocknete Feige, von dem „Vogel
der Weinberge" (Name einer Heuschreckenart), ob dieser lebt oder tot ist, soviel es
auch sei, weil man ihn zur Heilung (als Heilmittel) aufzubewahren pflegt (: der ist
schuldig, ein Sündopfer zu bringen). R. J^'huda (um 150) sagte: Auch wer eine lebende
unreine H. hinausträgt, so klein sie auch sei, weil man sie für ein Kind zum Spielen
aufzubewahren pflegt. — bSchab 90l> fügt hinzu: Was ist der „Vogel der Weinberge"?
Rab (t 247) hat gesagt: Das ist der Durchsucher der Baumgärten; Abaje (f 338/39)
hat gesagt: Er wird auf der Palme, die Eine Rinde hat (= auf den jungen Palmen)
gefunden; u. man verwendet ihn, um weise zu werden. Man ißt nämlich seine rechte
Hälfte, u. seine linke Hälfte legt man in eine kupferne Röhre u. versiegelt sie mit
60 Siegelringen u. hängt sie an den linken Arm. Als Merkmal diene dir QohlO, 2:
„Das Herz des Weisen ist zu seiner Rechten u. das Herz des Toren zu seiner Linken."
Und er wird weise, soviel er will, u. er lernt, soviel er will, u. dann ißt er die andre
Hälfte; denn wenn er es nicht tut, so wird sein Erlerntes wieder ausgerottet. — pSchab
7*
1 00 Matth 3, 4 (2))
9 Ende (12l>, 16) kennt eine andre Verwendung: R. Acha (um 320) hat gesagt: Eine Frau
mit aufgesprungener Haut (oder die am Fluß leidet, Levy 3, 501 ^) salbt sich damit (mit
dem Fett des „Vogels der Weinberge"), so wird sie geheilt werden.
3,4^: Wilder Honig.
Unter wildem Honig wird hier, wie Mk 1, 6, kaum vegetabilischer,
sondern animalischer Honig zu verstehn sein. Mischna u. Talmud lassen
mit ihren eingehenden Bemerkungen über das Leben u. die Gewohn-
heiten der Bienen, über den Bau u. die Einrichtung der Bienenstöcke,
über die Gewinnung u. Verwertung des Honigs usw. deutlich erkennen,
daß die Bienenzucht im neutestamentl. Zeitalter im jüd. Volk in Blüte
gestanden hat. Vgl. BB 5, 3; Kelim 16, 7; 22, 10; Ohaloth 8, 1; ^Uq9in 3,
10. 11; bSchab 43«'^; 154^ BB 18^—19''; 80^ Dagegen scheinen die
wilden Bienen, bezw. der wilde Honig im altern rabbin. Schrifttum
nirgends erwähnt zu werden: wo das AT allenfalls dazu Veranlassung
bietet, behalten die Targumisten den allgemeinen Ausdruck „Bienen",
bezw. „Honig" einfach bei; so Rieht 14, 8; 1 Sm 14, 25; Ps 81, 17; Spr
25, 16. Aber Dt 32, 13 deutet Targ Onk bildlich auf die Beute, die die
Israeliten den Stadtkönigen abnehmen, während Targ Jerusch I die
betreffenden Worte vom Bonig der Baumfrüchte versteht. — Jedenfalls
galt aber nach dem, was die Mischna über den Honig der Hornissen
festgesetzt hat, auch der Honig der wilden Bienen als eine reine Speise.
Makhsch 6, 4: Der Honig der Hornissen ist rein u. als Speise erlaubt. — B kh 1, 2
wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, daß das, was von einem unreinen Tier her-
stammt, unrein, u. was von einem reinen Tier herstammt, rein sei. Da nun die Biene
zu den unreinen Tieren gerechnet wurde, so entstand die Frage, inwiefern trotzdem
ihr Honig erlaubt sein könne. Die G^mara 7b bemerkt hierzu: Weshalb hat man
gesagt: Der Honig der Bienen ist erlaubt? Weil sie ihn in ihren Körper aufnehmen,
aber nicht aus ihrem Körper aussondern. — Die Meinung geht also dahin, daß die
Biene den Honig nicht durch Funktionen ihres Organismus produziere, sondern den
aus den Blüten fix u. fertig aufgenommenen Honig nur reproduziere.
Über den Wert u. Nutzen des Honigs lassen sich folgende Stellen aus.
B^'rakh 44^ Bar: Sechs Dinge heilen den Kranken von seiner Krankheit, u. ihre
Heilung ist eine Heilung: Kohl, Mangold, der Saft des Sison, Honig, der Magen u. die
Gebärmutter (der Tiere) u. der überflüssige Lappen" an der Leber. | B'^rakh 57 b; Fünf
Dinge betragen ein Sechzigstel: Feuer, Honig, Sabbat, Schlaf u. Traum. Das Feuer
beträgt ein Sechzigstel vom Geiiinnom (d. h. von dessen Glut), der Honig vom Manna,
der Sabbat von der zukünftigen Welt, der Schlaf vom Tode, der Traum von der Pro-
phetie. || Joma83b Bar: Den, welchen der Heißhunger packt, läßt man Honig u. allerlei
Süßes essen; denn der Honig u. allerlei Süßes erleuchten das Augenlicht des Menschen;
u. wenn es auch nicht eine Beweisstelle ist, so ist 1 Sm 14, 29 doch immerhin ein Merk-
mal: , Sehet doch, wie meine Augen sich aufgehellt haben, weil ich ein wenig von
diesem Honig gekostet habe." — jl Joma 75b: (Das Manna) wird in der Schrift bald
Brot, bald Öl (Fett), bald Honig genannt (vgl. Ez 16, 19; Ex 16,4.31; Nu 11,8). R.Jose
b. Chanina (um 270) hat gesagt: Für die Jünglinge war es Brot, für die Alten Fett u.
für die Kinder Honig. — Anders pointiert pesiq 1 lO**; TanchB r-n-c § 22 7b; r-.hvz § 22
34^ ExR5 (71«).
Vegetabilischer Honig wird erwähnt B'Takh 38«: Mar bar Rab Aschi
(um 450) hat gesagt: Über Honig der Dattelpalme spricht man den Lob-
Matth 3, 4 (2)). 5 (1.2) 101
Spruch: „Durch dessen Wort alles geworden ist." H K^th IIP: Rammi
b: J'^chezq'^el kam nach B<^ne Baraq; er sah Ziegen, die unter einem
Feigenbaum frafsen, während Honig aus den Feigen u. Milch aus ihnen
selbst tröpfelte, u. beides vermischte sich miteinander. Da sagte er:
Das ist es „überfließend von Milch u. Honig" (zB Ex 3, 8). R. JaJaqob
b. Dos^thai hat gesagt: Von Lydda bis Ono sind drei Mil; einmal machte
ich mich früh in der Dämmerung auf u. ging bis an die Knöchel im
Honig der Feigen. Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Ich selbst habe
es gesehen „fließend von Milch u. Honig" bei Sepphoris. . . .
3,5: Die Umgegend des Jordans.
1. nsQi'xcoQog {== Umgebung, Nachbarschaft, Gebiet) ist als -i^ni^i-Q
oder ■i'i'iDwsnEs ins Rabbin. übergegangen.
pSchebiath 9, 2 (38 d, 57): Von Beth-Choron bis an das Meer gilt (in bezug auf die
Wegschaffung der Früchte des Sabbatjahres aus den Häusern) als Ein Land, als ein
(zus.gehöriges) Gebiet t-isst. |i DtR 11 (20tJ'^): Jakob sprach zu Mose: Ich bin größer
als du, denn ich stieß mit dem Engel zusammen u. besiegte ihn. Mose erwiderte: Du
bist mit dem Engel in deinem Gebiet ■j-'-iis-'-e (= Erde) zus.gestoßen, aber ich bin zu
ihnen emporgestiegen in ihr Gebiet "i'-'is^is (= Himmel), u. sie fürchteten sich vor
mir; s. Ps68, 18: Die Könige der Heerscharen (= Engelfürsten) flohen, ja flohen.
2. Jordan, 'IoQ(Sdvrjg, •'^'■r_; aram. xp"-, Targ Jerusch I Dt 1, 5 n:'^"!!-^.
B^kh 55* Bar: Der Jordan kommt heraus aus der Grotte Pamjas (eis Unveag) u.
fließt in das Meer von Sibke "s^-c ^ u. in das Meer von Tiberias u. in das Meer von
Sodom u. fällt weiter (unterirdisch?) in das große Meer (Weltmeer); aber der Jordan
ist er erst von im^ r'= au u. weiter abwärts. — Tos B'-'kh 7,4 (542) lautet diese Bar
so: Es gibt einen Fluß, der aus der Grotte Pamjas herauskommt u. durch das Meer
von -3S-C 1 u. durch das Meer von Tiberias fließt; obwohl er Jordan "•:: heißt, so wird
er doch nicht zum Jordan gerechnet. Welches ist der (eigentliche) Jordan? Von r'a
in"'-'-' an u. weiter abwärts. — Mit ini-> n-3, bezw. irfi' 'z ist natürlich nicht Jericho
gemeint, sondern ein Ort, der viel weiter nördlich liegen muß. Neubauer, Geographie
S. 31, denkt an Beth-Jerah am See Tiberias. Auch Josephus, Bell. Jud. 4, 1, 1 unter-
scheidet zwischen einem Großen Jordan ^loQSdprjg jueyag u. einem Kleinen Jordan
'looönvrjg fxixQog, von denen der letztere im Sumpfgelände des Semechonitis-Sees in
den ersteren fließe. Einen weiteren Quellfluß namens Jdvog erwähnt Josephus Antiq.
1, 10, 1. II B^kh 55»: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jonathan (1. R. Jochanan,
t 279) habe gesagt: Warum wird sein Name ■j-s-^"' genannt? Weil er herabkommt von
Dan i-iis -T-T. R. Abba sagte zu Rab Aschi (f 427): Ihr lehrt es von dort, wir lehren
es von Jos 19, 47: „Sie nannten Leschem Dan nach dem Namen ihres Vaters Dan."
R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Leschem, das ist Pamjas, u. eine Bar lautet: Der
Jordan kommt aus der Grotte von Pamjas hervor. Rab Kahana (I. um 250; II. um 300)
hat gesagt: Die Quelle des J. kommt aus der Grotte von Pamjas. |l GnR 4 (4l>): R. Jona
(um 350) hat gesagt: Dieser J. sn-'' fließt durch das Meer von Tiberias u. vermischt
sich nicht mit ihm. Ein Wunderwerk liegt darin: ein Mensch siebt Weizen u. Spreu
in einem Siebe; bevor er (der Weizen) noch zwei oder drei Finger tief hineingesunken
ist, sind sie schon miteinander vermengt; u. die Wasser des J. fließen schon viele, viele
Jahre u. vermischen sich nicht. || Para 8, 10: Das Wasser des J. u. das Wasser des
Jarmukh sind untauglich (als Entsündigungswasser in Verbindung mit der Asche der
roten Kuh), weil es Mischwasser ist.
1 In der Parallelstelle BB 74b lautet der Name gleichfalls 'sa'c, in pBB 5, L'"v'i,32
«»?D oder is'cc, in Tos BQ 8, 18 (363) u. Tos B^'kh 7, 4 (542) ^:s^c; gemeint ist überall
damit der Hule- oder Semechonitis-See.
102 Matth 3, 6 (51 1. 2)
3,6 31: Sie ließen sich im Jordan taufen.
1. ßanri^^iv, hebr. b^-j = untertauchen, baden; ßaTTriafiog, n^''a-j,
Untertauchen, Tauchbad. — Das Baden des ganzen Körpers war vom
Gesetz vorgeschrieben, falls ein Israelit unrein geworden war, zB durch
Aussatz Lv 14, 1 ff., durch geschlechtliche Ausflüsse Lv 15, 1 ff., durch
Leichen Nu 19, 1 1 ff. Ferner hatte die traditionelle Auslegung der Rein-
heitsgesetze ein Tauchbad auch denjenigen zur Pflicht gemacht, denen
im Gesetz (vgl. Lv 11, 25. 28. 40; 13, 6. 34; Nu 8, 7. 21; 19, 10. 21 u. ö.)
das Waschen der Kleider aufgegeben war.a Durch das Tauchbad sollte
in allen diesen Fällen diejenige levitische Reinheit wiedergewonnen
werden, ohne welche eine Teilnahme an den kultischen Einrichtungen
ausgeschlossen war. Das Tauchbad gehörte mithin zu denjenigen re-
ligiösen Pflichten, denen zu genügen der gesetzestreue Israelit un-
zählige Male in seinem Leben Veranlassung hatte.
a. Mekh Ex 19, 10 (71h): „Sie sollen ihre Gewänder waschen" Ex 19, 10. Woher
läßt sich beweisen, daß ihnen auch ein Tauchbad auferlegt war? Siehe, ich ziehe die
Folgerung: wenn da, wo ihnen kein Waschen der Gewänder auferlegt wird, ihnen doch
ein Tauchbad auferlegt wird (vgl. zB Lv 15, 16), sollte es da nicht hier, wo das Waschen
der Gewänder auferlegt war, recht gewesen sein, daß ein Tauchbad auferlegt wurde?
Es gibt kein Waschen der Gewänder in der Tora, das nicht zum Tauchbad verpflichtete.
2. Alter u. Bedeutung der Proselytentaufe.
Wesentlich auf gleicher Linie mit den unter Nr. 1 erwähnten Tauch-
bädern lag das Tauchbad, dem sich ein zum Judentum übertretender
Heide zu unterziehen hatte, die sogenannte Proselytentaufe c^-ir. r^"'3-j.
Wenn auch ein Heide, weil er dem Gesetz nicht unterstand, nicht im
Sinne des Gesetzes levitisch unrein werden konnte (vgl. Anm. c. d), so
galt er doch eben als Heide für unrein (vgl. Joh 18,28; Apg 10, 28).
Für das jüdische Empfinden war es deshalb selbstverständlich, daß ein
Konvertit, der an den theokratischen Segnungen Israels teilzuhaben
begehrte, zuvor die Lustration durch ein Tauchbad an sich vollzog.
Aber es ist nicht zu verkennen, daß im Laufe des 1. nachchristl. Jahr-
hunderts ein gewisser Wandel in der Wertschätzung der Proselytentaufe
erfolgt ist. Während anfänglich die Beschneidung der entscheidende
Akt war, durch den der Übertritt perfekt wurde, gewann das erste
Tauchbad des Proselyten allmählich mehr u. mehr selbständigen Cha-
rakter neben der Beschneidung, so daß es schließlich ziemlich allgemein
als das entscheidende Merkmal der erfolgten Konversion gewertet
wurde. (Näheres S. 105 ff.)
Die früheste geschichtliche Bezeugung der Proselytentaufe liegt vor
in einer Kontroverse zwischen der Schule Schammais u. der Hilleis.
a. P^s 8, 8 u. lEduj 5, 2: Ein Leidtragender nimmt ein Tauchbad; dann darf er sein
Passah am Abend (des 14. Nisan) essen . aber nicht Heiliges (zB Fleisch von Fried-
mahlsopfern). Wer eine Todesnachricht über einen Angehörigen empfängt oder wer
Totengebeine aufsammelt, der nimm*- '^in Tauchbad u. darf Heiliges essen. Wenn ein
Proselyt am Vorabend des Passah (d h. am 14. Nisan) zum Judentum übergetreten ist,
Matth 3, 6 (51 2. 3) 103
so sagt die Schule Schammais: Er nimmt (nach der Beschneidung) ein Tauchbad, u.
dann darf er am Abend sein Passah essen. Aber die Schule Hilleis sagte: Wer sich
von der Vorhaut scheidet, ist wie einer, der vom Grabe scheidet (d.h.: wie der durch
eine Leiche oder ein Grab Verunreinigte 7 Tage bis zu seiner völligen Reinigung zu
warten hat Nu 19, 11 ff., so darf das Proselytentauchbad erst 7 Tage nach der Be-
schneidung erfolgen).
b. Tos P'^s 7, 13 (167): R. Jose b. J^huda (um 180) hat gesagt: Die Schulen Scham-
mais u. Hillels waren nicht verschiedener Meinung in bezug auf einen unbeschnittenen
nichtpriesterlichen- Israeliten,' daß dieser nämlich die Besprengung (im Falle der Ver-
unreinigung) auf sich zu nehmen habe u. dann (sein Passah) essen dürfe. Worüber
waren sie verschiedener Meinung? Über einen unbeschnittenen Heiden. Denn die Schule
Schammais sagte: Er nimmt (nach seiner Beschneidung) ein Tauchbad u. dann darf er
sein Passah am Abend essen. Und die Schule Hillels sagte: Wer sich von der Vorhaut
scheidet, der ist wie einer, der vom Grabe scheidet, gleichviel ob es ein Nicht-Israelit
ist, der sich hat beschneiden lassen, oder eine (heidnische) Sklavin, die das Tauchbad
genommen hat (u. dadurch eine Jüdin geworden ist). Es gab in Jerusalem Militärposten
u. Torwächter, die (am 14. Nisan) ein Tauchbad nahmen (um von einer etwaigen Un-
reinheit rein zu werden) u. dann ihr Passah am Abend aßen.
C. pP®s S, 36b, 31 : Was war der Grund der Schule Schammais (für ihre Entscheidung
in der obigen Mischnastelle)? (Nu 31, 19:) Jhr u. eure Gefangenen." Wie ihr (Israeliten)
euch nicht (levitisch) verunreinigt habt, bevor ihr in den (Sinai-)Bund eingetreten wäret,
so macheu sich auch eure Gefangenen nicht (levitisch) unrein, bis sie in den Bund
eingetreten sind. (Sie können also sofort nach der Beschneidung das Tauchbad nehmen,
ohne 7 Tage warten zu müssen.) Was war der Grund der Schule Hillels? Antwort:
„Ihr u. eure Gefangenen." Wie euch die Besprengung auferlegt wurde am 3. u. am
7. Tage (Nu 31, 19), so ist auch euren Gefangenen die Besprengung am 3. u. 7. Tage
auferlegt. (Sie müssen also nach der Beschneidung 7 Tage bis zum Tauchbad warten.)
d. P-^s 92 »: Rabbah b. b. Ghana (um 280) hat gesagt: R. Jöchanan (t 279) hat
gesagt: Die Meinungsverschiedenheit (der beiden Schulen in obiger Mischnastelle)
bezog sich auf einen uubeschnittenen Heiden. Denn die Schule Hillels meinte es im
Sinne eines vorbeugenden Verbotes: vielleicht möchte er (der Proselyt) sich im nächsten
Jahre verunreinigen u. sagen: „Habe icli nicht im vorigen Jahre ein Tauchbad ge-
nommen u. dann (mein Passah) gegessen? So will ich auch jetzt ein Tauchbad nehmen
u. essen." Aber er bedenkt dabei nicht, daß er im vorigen Jahr ein Heide war u. keine
Unreinheit annahm; jetzt aber ist er ein Israelit u. nimmt Unreinheit an. Und die
Schule Schammais meinte: Wir erlassen kein vorbeugendes Verbot. — Aber betreffs
eines unbeschnittenen Israeliten gingen die Worte aller dahin: Er nimmt ein Tauchbad
u. ißt sein Passah am Abend; u. wir erlassen kein vorbeugendes Verbot betreffs eines
unbeschnittenen Israeliten mit Rücksicht auf einen unbeschnittenen Heiden. — Die Bar
lautet ebenso: R. SchimJon b. El'azar (um 190) hat gesagt: Die Schulen Schammais u.
Hillels waren nicht verschiedener Meinung über einen unbeschnittenen Israeliten, daß
dieser ein Tauchbad nehme u. dann sein Passah am Abend essen dürfe. Worüber
waren sie verschiedener Meinung? Über einen unbeschnittenen Heiden; denn die Schule
Schammais sagte: Er nimmt ein Tauchbad u. ißt sein Passah am Abend. Und die Schule
Hillels sagte: Wer sich von der Vorhaut scheidet, ist wie einer, der vom Grabe scheidet.
3. Die vorstehenden Stellen zeigen, daß für die Schulen Schammais
u. Hillels (im l.nachchristl. Jahrh.) die Proselytentaufe bereits zu einer
feststehenden, von keiner Seite angefochtenen Institution geworden
war; man darf deshalb deren Anfänge mit Sicherheit in die vor-
christliche Zeit verlegen. — Sie beweisen ferner durch die ganze
1 Jüdische Eltern durften Knaben unbeschnitten lassen, wenn sie vorher bereits
mehrere Kinder infolge Beschneidung durch den Tod verloren hatten.
104 Matth 3, 6 (51 3)
Art und Weise, in der sie das Tauchbad der Proselyten neben den
Tauchbädern unrein gewordener Israeliten erwähnen, daß beide Schulen
die Proselytentaufe wesentlich für das Reinigungsbad gehalten haben,
durch welches dem übertretenden Heiden die Teilnahme an allen
Rechten eines Israeliten ermöglicht wurde. — Die Kontroverse der
Schulen dreht sich scheinbar um eine mehr nebensächliche Frage, ob
nämlich ein Proselyt sofort nach der Beschneidung zum Tauchbad
zugelassen werden dürfe, oder ob er auf letzteres noch 7 Tage zu
warten habe. Die Berichte aber über die Diskussion lassen zum Teil
erkennen, daß den eigentlichen prinzipiellen Differenzpunkt das ver-
schiedene Urteil der beiden Schulen über den Grad der Unreinheit des
heidnischen Konvertiten gebildet hat. Die Schammaiten hielten diese
Unreinheit für eine leichte u. gestatteten deshalb den sofortigen Emp-
fang der Taufe; die Hilleliten hielten sie für eine schwere u. forderten
deshalb nach Analogie der Bestimmungen über Verunreinigung durch
einen Toten (Nu 19, 11 ff.) den Aufschub der Taufe um 7 Tage.
Es mag hier dahingestellt bleiben, ob die Schule Hilleis wirklich
strenger als die Schammaiten über die Unreinheit der Heiden geurteilt
hat; der entscheidende Grund ist das kaum dafür gewesen, daß die
Hilleliten eine siebentägige Frist zwischen Beschneidung u. Tauchbad
forderten; das eigentliche Motiv scheint uns anderswo zu liegen. —
Wenn die Schule Schammais, die unentwegte Vertreterin der über-
kommenen Traditionen, erlaubte, daß das Tauchbad des Proselyten sich
unmittelbar an die Beschneidung anschloß, so darf daraus gefolgert
werden, daß die ältere Anschauung den Übertritt des Proselyten mit
der Beschneidung für vollendet ansah; was darauf noch folgte, Tauch-
bad u. Opferdarbringung, war ein Akzidenz, die Hauptsache blieb die
Beschneidung. — Die Schule Hillels hielt die alten Traditionen nicht
minder hoch, nahm aber auch Rücksicht auf die praktischen Bedürf-
nisse des Lebens, u. das dürfte auch der letzte Grund gewesen sein,
der ihnen die Verschiebung der Proselytentaufe um 7 Tage wünschens-
wert erscheinen ließ.
Aus einer Bar,a die den Standpunkt der Schule Hillels vertritt,
erfahren wir, daß in der Praxis ein Proselyt zum Tauchbad erst nach
der Heilung der Beschneidungswunde zugelassen wurde, u, zwar weil
ein früheres Bad die Wunde heftig schmerzen lasse.
Einer andren Barb entnehmen wir, daß die Schule Schammais die
innerhalb der nichtjüdischen Welt sich findende Beschneidung ^ nicht
als gesetzlich gültig anerkannt hat; sie forderte als Zeichen des Über-
tritts eines bereits beschnittenen Heiden zum Judentum gewissermaßen
eine Wiederholung der Beschnei dung durch Einritzen der Beschneidungs-
stelle, damit „das Blat des Bundes von ihm tröpfle". Die Schule Hillels
' J^b 71 ^; <AZ 27^ weiden beschnittene Araber u. Hochländer -rs:; erwähnt, u. in
nächster Nähe Israels wohnten die Samaritaner, die gleichfalls die Beschneidung hatten.
Matth 3, 6 (?l 3. 4) 105
dagegen verwarf diese Forderung als unberechtigt; offenbar wiederum
von dem Wunsch geleitet, den Proselyten unnötige Schmerzen zu er-
sparen. Indem die Hilleliten aber auf jene Forderung verzichteten,
hatten sie bei denjenigen Proselyten, die als Beschnittene übertraten,
zunächst überhaupt kein äußeres sichtbares Zeichen für deren erfolgte
Konversion. Daher sahen sie sich dazu gedrängt, nunmehr das Tauch-
bad zu demjenigen Akt zu machen, in dem u. mit dem der Übertritt
zum Judentum sich vollziehe. Dazu kam, daß bei den Proselyten aus
der Frauenwelt ja von Anfang an das Tauchbad allgemein als der
eigentliche Konversionsakt gegolten hatte; wenn dies aber bei Einer
Kategorie von Proselyten anerkannt wurde, weshalb sollte es nicht für
alle gelten! Dieses Streben, für alle Proselyten einunddasselbe Zeichen
des Übertritts zu gewinnen, in das zum Teil sich noch der Wunsch
mischte, den Heiden den Übergang zum Judentum möglichst zu er-
leichtern, das ist der letzte Grund gewesen für die Entscheidung der
Hilleliten, daß zwischen Beschneidung u. Tauchbad ein Zwischenraum
von sieben Tagen liegen müsse. Denn sollte das Tauchbad als ein
selbständiger Akt, als der Hauptakt bei der Konversion gekennzeichnet
werden, dann mußte es aus seiner bisherigen Verbindung mit der Be-
schneidung gelöst, d. h. vor allem zeitlich von dieser getrennt werden.
Freilich die Neuerung bedurfte der biblischen Begründung; doch die
beweisende Formel fand sich bald. Diese Formel allein ist in der
Mischna bewahrt; sie lautete: „Wer von der Vorhaut herkommt, ist
wie einer, der vom Grabe herkommt." Der selbständige Charakter der
Proselytentaufe war damit anerkannt, sie galt von jetzt an, wenigstens
im Kreis der Hilleliten, als das Symbol der Aufnahme in die Synagoge.
a. J®b 47^ u. 47b Bar: Ist der Proselyt geheilt (von der Beschneidungswunde), so
läßt man ihn sofort das Tauchbad nehmen . . . Wenn er geheilt ist, ja; wenn er aber
nicht geheilt ist, nicht. Weshalb ? Weil das Wasser die Wunde heftig schmerzen läßt.
b. pJ^b 8, 9^ 6 u. bSchab 135^ Bar: R. Schimfon b. El'azar (um 190) hat gelehrt:
Die Schulen Schammais u. Hillels sind nicht verschiedener Meinung darüber gewesen,
daß von einem beschnitten (ohne Vorhaut) geborenen Kinde das Blut des Bundes träufeln
müsse, weil die Vorhaut (nur) niedergedrückt sei. Worüber waren sie verschiedener
Meinung? Betreffs eines Proselyten, der beschnitten übertritt; denn die Schule Scham-
mais sagte, es müsse von ihm das Blut des Bundes träufeln; u. die Schule Hillels
sagte, es brauche von ihm nicht das Blut des Bundes zu träufeln.
4. Daß es sich bei der oben besprochenen Kontroverse der beiden
Schulen in der Tat um die Frage gehandelt hat, was das Wichtigere
beim Übertritt eines Proselyten sei, die Beschneidung oder das Tauch-
bad, zeigt deutlich eine spätere Diskussion a zwischen R. Eli'cozer b.
Hyrkanos (um 90 n. Chr.) u. seinem dialektischen Gegner R. J'hoschua^
b. Chananja. Der erstere vertritt die Richtung der Schammaiten u. er-
klärt, daß derjenige, der beschnitten sei, als Proselyt gelte, auch wenn
er nicht das Tauchbad genommen habe; der letztere verficht den Stand-
punkt der Hilleliten u. will den noch nicht Beschnittenen als voll-
106 Matth 3, 6 (51 4)
berechtigten Proselyten anerkannt wissen, sobald er sich dem Tauchbad
unterzogen hat. Ja ein in derselben Diskussion sich findender Satza
behauptet sogar, daß alle Welt darin einig sei, daß ein Getaufter, aber
nicht Beschnittener als Proselyt zu gelten habe.^ Allerdings haben die
zeitgenössischen Gelehrten sich weder der Meinung des R. Elijezer, noch
der des R. J^hoschuaj angeschlossen, sondern beides, Beschneidung u.
Tauchbad, als die unerläßlichen Bedingungen bei der Aufnahme eines
Proselyten angesehen, a Das ist dann die Norm auch für die Folgezeit
geblieben. b Allenfalls hat man, solange der Tempel bestand, hier u.
da neben der Beschneidung u. dem Tauchbad auch wohl noch das
erste Proselytenopfer als Aufnahmebedingung gefordert. c
a. J*'b46'* Bar: Von einem Proselyten, der beschnitten ist u. nicht das Tauchbad
genommen hat, sagte R. Eli^ezer b. Hyrkanos: Siehe, dieser ist ein Proselyt; denn so
finden wir es bei unsren Vätern (den aus Ägypten gezogenen Israeliten), daß sie be-
schnitten waren, aber kein Tauchbad nahmen (vor dem Eintritt in den Sinaibund). —
Wenn er das Tauchbad genommen hat u. nicht beschnitten worden ist, so sagte
R. J-hoschuac b. Chananja: Siehe, er ist ein Proselyt; denn so finden wir es bei den
Müttern (den aus Ägypten gezogenen Israelit. Frauen), daß sie ein Tauchbad nahmen
u. nicht beschnitten wurden (bei ihrem Eintritt in den Sinaibund). Die Gelehrten aber
(d.h. die Zeitgenossen des R. Elicezer u. R. J'^hoschuac) sagten: Wenn er das T. ge-
nommen hat, aber nicht beschnitten worden ist, oder wenn er beschnitten worden ist,
aber das T. nicht genommen hat, so ist er kein Proselyt, bis er beschnitten ist u. das
T. genommen hat. Und R. J'hoschua' hätte auch lernen sollen von den Vätern, u.
R. Elicezer hätte auch lernen sollen von den Müttern. Wenn du aber sagen solltest,
, man ziehe in bezug auf Mögliches keine Folgerung aus Unmöglichem (mithin dem
R. Eli'ezer nicht zuzumuten sei, seine Meinung durch das Beispiel der Mütter bestimmen
zu lassen, weil diese ja nicht beschnitten werden konnten): ist denn nicht in einer
Bar gelehrt worden: R. Eli'ezer b. Hyrkanos sagte: Woher läßt sich der Beweis er-
bringen, daß das Passah der (nach dem Auszug aus Ägypten lebenden) Geschlechter
nur aus Profanem (nicht aus zweitem Zehnt oder sonstwie Geheiligtem) genommen
wird? Antwort: Es heißt „Passah" in Ägypten u. es heißt „Passah" bei den Ge-
schlechtern; wie das P., von dem in Ägypten geredet wird, nur aus Profanem ge-
nommen wurde (da man ja vor der Gesetzgebung nichts von zweitem Zehnt wußte),
so wird auch das P., von dem bei den Geschlechtern geredet wird, nur von Profanem
genommen. Da sagte R. cAqiba zu R. EliJezer: Wie, zieht man denn in bezug auf Mög-
liches eine Folgei'ung aus Unmöglichem (aus dem P. in Ägypten, für welches Ge-
heiligtes noch nicht in Betracht kommen konnte, eine Folgerung bezüglich des späteren
P., wo dies möglich ist)? R. Elicezer antwortete: Wenn es auch etwas Unmögliches
war, so ist es doch ein starkes Beweismittel u. wir können daraus lernen. (Wenn also
R. Eli<ezer im letztern Fall eine Folgerung aus Unmöglichem anerkennt, so hätte er sie
auch im erstem Falle bezüglich der Mütter anerkennen sollen.) — Vielmehr ist betreffs
desjenigen, der das Tauchbad genommen hat, aber nicht beschnitten ist, alle Welt
einig, daß er etwas davon hat (d. h. als Proselyt gelte). Aber verschiedener Meinung
ist man über den, der beschnitten worden ist u. nicht das Tauchbad genommen hat:
R. EliJezer lehrte nämlich (dessen Proselytsein) auf Grund (des Vorbildes) der Väter,
während R. J^'hoschua' sagte, daß auch bei den Vätern das Tauchbad stattfand. Woher
^ Vgl. Orak. Sibyl. 4, 161 ff., wo den Heiden die Bekehrung zu Gott unter Über-
nahme der Proselytentaufe — „Badet den ganzen Leib in immerfließenden Flüssen"
ey noTa[xoi<; Xovaaai^E ökot^ ds'uccg devüoiao — angeraten wird, ohne daß der Beschneidung
Erwähnung geschieht; die Stelle dürfte etwa aus der Zeit des J'^hoschua. b. Chananja
stammen, s. Schürer* 3, 579 f. u. Joseph. Antiq. 20, 2, 4.
Matth 3, 6 (?l 4) 107
weiß er das? Soll ich sagen: Aus Ex 19, 10: ,Geh zum Volk u. laß sie sich heilig
halten heute u. morgen und sie sollen ihre Kleider waschen"? Denn wenn da, wo
kein Waschen (der Gewänder) auferlegt wird, doch das Tauchbad auferlegt wird (zB
Lv 15, 16), sollte es dann nicht da, wo das Waschen (der Gewänder) auferlegt wurde
(s. Ex 19, 10), recht gewesen sein, daß das Tauchbad auferlegt wurde? (Also hat
R. J'^hoschuac recht, wenn er bei den "Vätern am Sinai das Tauchbad voraussetzt.) Aber
vielleicht handelte es sich (Ex 19, 10) um eine gewöhnliche (nicht aus Gründen levi-
tischer Reinheit geforderte) Reinigung! Dann ist der Beweis (für die Meinung des
R. J^hoschuac) vielmehr von Ex 24, 8 aus zu erbringen: „Mose nahm das Blut u. sprengte
es über das Volk" ; u. es ist traditionelle Lehre, daß es keine Besprengung ohne (voran-
gegangenes) Tauchbad gibt. Und wenn R. J'^hoschuac gesagt hat, daß das Tauchbad
auch bei den Müttern (am Sinai) stattgefunden hat, woher läßt sich das beweisen?
Das beruht auf einem Vernunftgrund (d. h. es ist weder traditionelle Lehre noch aus
einer Schriftstelle herzuleiten, sondern Ergebnis verstandesmäßiger Erwägung); denn
wie hätten sie sonst (wenn sie nicht durch das Tauchbad levitisch rein gewesen wären)
unter die Flügel der Sch'^khina (in den Bund mit Gott) können eingehn? pQid :',64'^, 20
u.bJ'^bTl* ist die Kontroverse auf eine kurze u. deutliche Formel gebracht.
b. jeb 46'' u. f AZ 59^: R. Chijja b. Abba (um 280) kam nach Gabla; er sah Israe-
litinnen, die schwanger waren von Froselyten, die beschnitten waren, aber kein Tauch-
bad genommen hatten. ... Er sagte zu ihnen auch nicht das geringste, kam aber zu
R. Jochanan (f 279) u. sprach zu ihm: Geh hinaus u. laß über ihre Kinder verkündigen,
daß diese Bastarde sind . . .; denn R. Chijja b. Abba hat gesagt: R. Jochanan hat ge-
sagt: In Ewigkeit ist niemand ein Proselyt, bis er beschnitten ist u. das Tauchbad
genommen hat, u. wenn er das Tauchbad nicht genommen hat, so ist er ein Fremder. —
Die kurze Regel: ,Man ist kein Proselyt, bis man beschnitten ist u. das Tauchbad
genommen hat," findet sich zB J'^b 46^ (2mal). II fAZ 57^: Rab Schimi b. Chijja ent-
gegnete Rab (t 247): Von Sklaven, die man von Heiden kauft u. die beschnitten worden
sind, aber nicht das Tauchbad genommen haben, u. ebenso von Sklavinnensöhnen, die
beschnitten worden sind, aber nicht das T. genommen haben, gilt, daß ihr Speichel u.
ihre Fußspur auf der Straße verunreinigt. — Ebenso sagt Raba, f 352 (so wird zu
lesen sein statt Rabbah, f 330), zu seinem Lehrer Rab Nachman (b. Ja?aqob, f 820).
Zur Erklärung zitieren die Tosaphisten die obige Regel: ,Man ist kein Proselyt, bis
man beschnitten ist u. das T. genommen hat."
C. K^r 2. 1: R. Eli?ezer b. Ja?aqob (wohl der Ältere, um 70 n. Chr.) sagte: Ein Pro-
selyt ist ein der Sühne Ermangelnder, bis Blut für ihn gesprengt ist (bei seiner ersten
Opferdarbringung). || K^r 81^: Rabbi sagt: ,Wie ihr" Nu 15,14, d. h. wie eure Väter.
Wie eure Väter (am Sinai) in den Bund eingetreten sind nur durch Beschneidung,.
Tauchbad u. gnädige Blutannahme (Opferdarbringung), so sollen auch diese (die Fro-
selyten) in den Bund nur durch Beschneidung, Tauchbad u. gnädige Blutannahme ein-
treten. . . . Zugunsten der Beschn. ist, daß geschrieben steht Jos 5, 5: „Denn alles (aus
Ägypten) ausgezogene Volk war beschnitten." Oder auch auf Grund von Ez 16, 6: „Ich
ging an dir vorüber u. sah dich zertreten in deinem (Beschneidungs-)Blut u. sprach zu
dir: Durch dein Blut sollst du leben!" — Die gnädige Blutannahme ist erwiesen aus:
„Mose beauftragte Jünglinge der Kinder Israel u. sie brachten Brandopfer dar" Ex
24, 5. — Aber aus welcher Stelle läßt sich das Tauchbad erweisen? Weil geschrieben
ste.ht Ex 24, 8: „Mose nahm die Hälfte des Blutes u. schwenkte es auf das Volk", u.
es gibt keine Sprengung ohne (vorangegangenes) Tauchbad. Aber wie verhält es sich
nun jetzt, wo es kein Opfer mehr gibt? nehmen wir da auch keine Froselyten mehr
auf? Rab Acha bar Ja?aqob (ein Babylonier, um 330) hat gesagt: „Und wenn ein Pro-
selyt bei euch weilt . . . wie ihr tut, so soll er tun" (Nu 15, 14).' Bar: Ein Proselyt
' Bei Zitierungen wird meist nur der Anfang des Schriftverses gebracht, auch
wenn die eigentlichen Beweisworte an seinem Ende stehen; so auch hier: wie ihr
tut, immer wie ihr tut, so auch sie; ihr ohne Opfer, auch sie ohne Opfer.
108 Matth 3, 6 (31 4. 5)
in der jetzigen Zeit muß einen Viertel (Denar) für sein Taubenpaar [das vordem als
Mindestopfer darzubringen war, Siphre Nu 5, 14 § 108 (30^)] aussondern. R. Schimcon
(b. Jochai, um 150) hat gesagt: Dazu wurde einst Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80)
autorisiert, aber er hat es wieder abgeschafft wegen der damit verbundenen Versuchung
(das Geld, als etwas Geheiligtes, könnte vom Proselyten für profane Zwecke verbraucht
werden). — Parallelstelle: Siphre a. a. 0.
5. Die Beschaffenheit des Tauchbades.
Über das zum Tauchbad geeignete Wasser hat der Traktat Miqvaoth
genaue Bestimmungen. Danach hatte man sämtliche Wasseransamm-
lungen nach dem Grad ihrer Verwendbarkeit für die Zwecke levitischer
Reinigung in sechs Klassen eingeteilt.
I. Den geringsten Wert hat das Wasser in Zisternen, Gruben, Gräben
u. Erdhöhlungen, ferner nicht mehr abfließendes (stehengebliebenes)
Regenwasser, u. endlich eine Wasseransammlung, deren Inhalt weniger
als 40 Sea beträgt. Dergleichen Wasser darf nur zur Bereitung der
Teighebe (Challa) u. zum rituellen Begießen der Hände gebraucht
werden, Miqv 1, 1. 4 f.
II. Das von Hügeln u. Bergen noch abfließende Regenwasser ist
geeignet zur Herstellung von Hebe (T'^ruma) u. zum Begießen der
Hände, Miqv 1, 6.
III. Die schlechthin „Miqva" genannte Wasseransammlung, die wohl
für gewöhnlich als Tauchbad u. zur Reinigung unrein gewordener Ge-
räte durch Untertauchen benützt worden ist. Sie sollte mindestens
40 Sea Wasser enthalten (Miqv 1, 7. || 1 Sea etwa = 13,13 Liter, mithin
40 Sea = 525,20 Liter) a u. 1 Quadratelle weit u. 3 Ellen tief sein.b Das
Wasser durfte nicht mit Schöpfgefäßen in das Sammelbecken hinein-
geschöpft,, sondern mußte mit Röhren aus Quellen, Flüssen, Regen-
wasserreservoirs u. dergl. hineingeleitet werden. Drei Log (1 Log =
^24 Sea) hineingeschöpftes Wasser machten die Miqva als Tauchbad
untauglich. c — Auf gleicher Linie standen angesammeltes Regenwasser d
u. das offene Meer;e auch darin durften Tauchbäder genommen werden,
doch war den Frauen (aus Gründen des Anstands?) das Tauchbad in
einem Hafen verboten, f
a. Miqv 5,6: Wenn sich eine Welle, die 40 Sea enthält, losreißt u. auf einen
Menschen oder auf Geräte fällt, so sind diese dadurch rein. Überall, wo 40 Sea Wasser
vorhanden sind, darf man ein Tauchbad nehmen u. (Geräte) untertauchen.
b. cErub 4l>: „Er bade seinen ganzen Leib im Wasser" Lv 15, 16, daß nichts
Trennendes zwischen seinem Leibe u. dem Wasser ist; ,im Wasser", d. h. im Wasser
des Tauchbades (Beweis aus dem bestimmten Artikel d^'s;; = in dem bekannten Wasser,
d. h. dem W. der Miqva); „seinen ganzen Leib", d. h. in so viel Wasser, daß der ganze
Leib hineinkommt (Raschi: zu gleicher Zeit, auf Einmal). Und wieviel Wasser ist das?
Eine Elle ins Geviert, drei Ellen hoch; u. die Gelehrten haben das Maß des Tauchbad-
wassers auf 40 Sea berechnet. Ähnlich Chag 11^; P'^s 109^; Joma31^; kürzer Siphra
Lvl5, 16(297ab). Zudem I.Satz: , daß nichts Trennendes ist" vgl Miqv 9, 1 ; Sukka 6«;
Nidda66b.
C. Miqv 2, 4: R. ElUezer (b. Hyrkanos, um 90) sagte: Ein Viertel Log zu Anfang
hineingeschöpftes Wasser machen die Miqva untauglich, u. drei Log (geschppftes Wasser),
Matth 3, 6 (31 5) 109
die man (hinterher) zu dem Wasser hinzutut. Die Gelehrten aber sagten: Ob zu Anfang
oder zum Schluß, sein Maß (d.h. das Maß des die ganze Miqva untauglich machenden
geschöpften Wassers) beträgt drei Log.
d. Miqvö, 5: Fließendes Wasser gilt wie Quellwasser, aber triefendes Wasser
(= Regenwasser) gilt wie eine Wasseransammlung.
e. Miqvö, 4: Alle Meere gelten wie eine Wasseransammlung, denn es heißt Gn
1, 10: , Die Wasseransammlung nannte er Meer." Das sind Worte des R. Meir (um 150).
R. J%uda (b. Elcai, um 150) sagte: Das große (Welt-)Meer gilt wie eine Wasseransamm-
lung; es heißt „Meer" (im Hebr. steht der Plural =-i:-) nur, weil vielerlei Meere darin
sind. R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sagte: Alle Meere reinigen, insofern sie fließen,
aber sie sind untauglich (zum Tauchbad) für Samenflüssige u. Aussätzige u. um mit
ihnen das Entsündigungswasser zu heiligen. Ebenso Para 8, 8.
/. Nidda 66 b; Sch^muel b. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Eine Frau soll kein Tauch-
bad in einem Hafen nehmen.
IV. Quellwasser.
Miqv 1,7: Höher als jene (nämlich eine Miqva) steht eine Quelle, die nur wenig
(eigenes) Wasser enthält, während das hinzugeschöpfte Wasser die Mehrheit bildet:
sie gleicht der Miqva darin, daß sie in einer Vertiefung (= Sammelbecken) reinigt (als
Tauchbad), u. sie gleicht dem reinen Quell wasser darin, daß man in ihr Wasser, so
viel oder so wenig es auch sei, Geräte untertauchen darf (zwecks levitischer Reinigung).
V. An zweithöchster Stelle steht sogenanntes „geschlagenes Wasser"
■pari cs-^a; dieses reinigt im Fliefaen, Miqv 1, 8.a
a. Para 8, 9: Geschlagenes Wasser ist ungeeignet (zum Tauchbad des Samen-
flüssigen u. Aussätzigen u. zur Heiligung des Entsündigungswassers). Dies ist ge-
schlagenes Wasser: salzhaltiges u. warmes Wasser.
VI. Den ersten Rang nimmt „lebendiges" (= fließendes) Wasser
ein, d. h. reines Quellwasser. Dies ist als Tauchbad vorgeschrieben für
Samenflüssige u. Aussätzige u. dient zur Herstellung des Entsündigungs-
wassers» (Nu 8, 7; 19,9). Gleichen Wert hat das Flußwasser;b doch
wird ausdrücklich hervorgehoben, daß das Wasser der vier Flüsse
Qirm^jon, Piga, Jordan u. Jarniukh^ für jene Zwecke nicht brauchbar
sei.c Damit sollte natürlich nicht gesagt sein, daß in den genannten
Flüssen überhaupt kein rituelles Tauchbad genommen werden dürfe,
sondern nur, daß ihr Wasser sich nicht zum Tauchbad des Samen-
flüssigen u. Aussätzigen usw. eigne.
a. Miqv 1,8. b. Miqv 5, 5. C. Para 8, 10.
Vorstehende Stellen zeigen, daß nur für Verunreinigung durch
Samenfluß u. Aussatz reines Quell- u. Flußwasser als Reinigungsmittel
vorgesehen war, daß dagegen bei Verunreinigungen, wie solche Lv 11
(nach rabbin. Auslegung) u. Lv 15 aufgezählt werden, jede der oben
unter Nr. III — VI genannten Wasseransammlungen als zum Tauchbad
geeignet angesehen wurde. Letzteres gilt nun auch in bezug auf die
Tauchbäder der Proselyten; denn in einer Bar J^b 47=* u. '^ wird aus-
drücklich die Regel ausgesprochen, daß da, wo eine Frau nach der
Menstruation das T. nimmt, auch der Proselyt u. der freigelassene
Sklave das T. nehmen dürfe.
^ R. Jochanan (f 279) sagt BB 74 b von diesen vier Flüssen, daß sie das Land
Israel umgeben; vgl. Neutauer, La Geographie du Talmud, S. 29—32.
110 Matth 3, 6 (51 6)
6. Der Vollzug der Proselytentaufe.
Über die Art u. Weise, in der die Proselytentaufe vorgenommen
wurde, liegen eingehende Notizen vor.a Der zum Übertritt sich Mel-
dende wird auf den Ernst seines Schrittes aufmerksam gemacht; bleibt
er seinem Vorsatz treu, so wird er beschnitten. Nach Heilung der
Beschneidungswunde wird er bei Tage, nicht in der Nacht, b zum
Tauchbad geleitet: zwei, nach späterer Tradition dreic Gelehrtenschüler
(Gelehrte, die noch nicht für ein selbständiges Lehramt ordiniert waren)
stehen ihm als Zeugen zur Seite u. legen ihm einige leichte u. schwere
Pflichtgebote aus, während das Wasser schon die untere Hälfte seines
Körpers bedeckt, d Ist er auch jetzt noch in seinem Entschluß fest, so
läßt man ihn untertauchen, so daß das Wasser über seinen ganzen
Körper auf Einmal hinweggeht. Mit dem Augenblick, da er dem Tauch-
bad entsteigt, gilt er in jeder Hinsicht als ein Israelit. e — Wenn der
Täufling eine Frau war, so wurde sie von Frauen ins Tauchbad ge-
führt, während die beiden Gelehrtenschüler draußen verweilten, um
von dort aus ihre Belehrungen zu erteilen.* — Kinder wurden zugleich
mit ihren übertretenden Eltern getauft, bezw. beschnitten; doch be-
hielten sie das Recht, nach erlangter Mündigkeit selbständig über ihre
Zugehörigkeit zur Synagoge zu befinden. [Beschloß später ein in seiner
Kindheit getaufter Proselytensproß, dem Judentum wieder den Rücken
zu kehren, so sollte er nicht wie ein abtrünniger Jude behandelt,
sondern angesehen werden wie einer, der zeitlebens ein Nicht-Israelit
gewesen.] Die Vollziehung der Proselytentaufe an Kindern galt jeden-
falls nicht als etwas Ungewöhnliches, sondern als selbstverständliche
Regel, g — Betreffs derjenigen Kinder, die einem Elternpaar nach dem
Übertritt zum Judentum geboren wurden, befolgte man den Grundsatz,
daß sie vermöge ihrer Geburt Juden seien; sie wurden deshalb nicht
getauft. An diesem Grundsatz hielt man selbst in dem Falle fest, daß
die Mutter noch als Heidin, also vor ihrer Aufnahme ins Judentum
schwanger geworden war.h
a. J^b 47^ Bar (i":"): Wenn ein Proselyt in dieser Zeit zum Judentum übertreten
will, so sagt man zu ihm: Was für einen Grund hast du, daß du P. werden willst?
Weißt du nicht, daß die Israeliten in dieser Zeit bekümmert, bedrängt, gestoßen u.
zerschlagen sind, u. daß Leiden über sie kommen? Wenn er dann sagt: Ich weiß es
u. ich bin nicht wert (nämlich: „meinen Hals unter das Joch Des zu begeben, der da
sprach u. die Welt ward", so Traktat Gerim 1 ; oder: „teilzuhaben an ihren Leiden",
so Raschi), so nimmt man ihn sofort an. Dann macht man ihn mit einem Teil der
leichten Gebote u. mit einem Teil der schweren Gebote bekannt; man macht ihn
weiter bekannt mit der Versündigung wegen Nachlese Lvl9, 9, wegen der auf dem
Felde vergessenen Garbe Dt 24, 19, wegen der nicht abzuerntenden Feldecke Lv 19, 9
u. wegen des Armenzehnts Dt 26, 12 ff., ferner mit den Strafen wegen Übertretung der
Gebote. Man spricht zu ihm: Wisse, bevor du unter dieses Maß (mit welchem Gott
Israel mißt) tratest, da hast du Fettstücke gegessen, ohne der Strafe der Ausrottung
zu verfallen, da hast du den Sabbat entweiht, ohne der Strafe der Steinigung zu ver-
fallen; aber jetzt, wenn du Fettstücke issest, wirst du mit Ausrottung, u. wenn du
den Sabbat entweihst, mit Steinigung bestraft. Wie man ihn mit den Strafen wegen
Matth 3, G Ca 6) Hl
Übertretung der Gebote bekannt macht, ebenso macht man ihn mit ihrem Lohn be-
kannt. Man spricht zu ihm: Wisse, daß die zukünftige Welt (Zeit der Endvollendung)
nur für die Gerechten geschaffen ist, u. dafs Israel in dieser Zeit weder die Fülle des
Guten noch die Fülle der Strafen empfangen kann. Mehr aber .sagt man ihm nicht,
legt es ihm auch nicht eingehend dar. Nimmt er es auf sich, so beschneidet man ihn
sofort. Sind Fleischfasern an ihm sitzen geblieben, die die Beschneidung aufhalten
(unwirksam machen), so beschneidet man ihn zum zweitenmal. Ist er geheilt, so läßt
man ihn sofort das Tauchbad nehmen. Zwei Gelehrtenschüler stehen bei ihm u. machen
ihn mit einem Teil der leichten u. mit einem Teil der schweren Gebote bekannt. Hat
er das Tauchbad genommen u. ist er herausgestiegen, siehe, so ist er in jeder Hinsicht
wie ein Israelit. — Eine Frau bringen Frauen bis an den Hals ins Wasser, u. die
beiden Gelehrtenschüler stehen für sie draußen u. machen sie mit einem Teil der
leichten u. mit einem Teil der schweren Gebote bekannt (vgl. bei Mt 23, 15 Anm. 7c).
b. J'^b46b: Einst kam zu R. Chijja (um 200) ^ ein Proselyt, der beschnitten war,
aber kein Tauchbad genommen hatte. Er (Chijja) sagte zu ihm: Warte hier bis morgen,
so wollen wir dich taufen. Daraus lernt man dreierlei: erstens, daß ein P. dreier
(Zeugen beim T.) bedarf; zweitens, daß er erst dann ein P. ist, wenn er beschnitten
ist u.. das T. genommen hat; drittens, daß man einen P. das T. nicht in der Nacht
nehmen läßt. |l pJ'^b S, 8«^, 16: R. Ji^chaq b. Nachman (um 280) hat erzählt: R. J^hoschua^
b. Levi (um 250) befand sich in Laodicea u. es war dort der Patriarch R. Judan IL
Jener wollte früh aufbrechen, aber dieser sprach zu ihm: Warte, wir wollen morgen
eine Proselytin taufen. R. Z^?ira (um :i00) fragte den R. Ji9chaq b. Nachman: Warum
(sollte er warten)? Wegen der Ehre des Alten, oder weil man eine Proselytin nicht
in der Nacht tauft? Er antwortete: Weil man eine Proselytin nicht in der Nacht tauft.
Es kam die Sache vor R.Jose (= R. Asi? um 800), wie es sich mit dem Taufen der
Proselyten in der Nacht verhalte. Und man stimmte nicht bei (erlaubte es nicht). —
Allgemein wird das nächtliche Tauchbad verboten Meg2, 4: „Man darf die Estherrolle
(am Purimfeste) nicht lesen, nicht beschneiden, nicht ein Tauchbad nehmen . . ., bevor
die Sonne aufgegangen ist." i| pM^g 2, 73^, .59 wird zu den Worten der Mischna: „Man
darf kein T. nehmen, bevor die Sonne aufgegangen ist," bemerkt: Denn es heißt Nu
19,19: „Er spritze u. er nehme einT."; wie das Spritzen -jn bei Tage, so auch das-
T. am Tage. Woher läßt sich beweisen, daß das Spritzen bei Tage geschieht? Aus
Nu 19, 19: „Es spritze der Reine auf den Unreinen am dritten Tage." Alle, die ein T.
zu nehmen haben, nehmen es nach ihrer Art bei Tage, mit Ausnahme der Men-
struierenden u. der Wöchnerin, die das T. nur des Nachts nehmen. Vgl. auch M'^g 20'''.
C. Vgl. noch J^b 4(ib: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: R. Jochanan (f 279)
hat gesagt: Ein Proselyt bedarf dreier (Zeugen oder Assistenten); s. Nu 15, 16: Ein
Recht (Gericht) soll für euch u. den Fremdling (= Proselyt) sein. — Sinn: Wie ein
Gericht nicht weniger als drei Richter umfaßt, so soll auch die Zahl der gewisser-
maßen als Richter fungierenden Taufzeugen nicht unter drei betragen.
d. Traktat Gerim 1 (ed. Kirchheim S. 38): Man läßt ihn in das Tauchbad hinab-
steigen, u. während das Wasser ihn bis an die Stelle der Scham bedeckt, sagt man
ihm einen Teil der Auslegung der Gebote.
e. Sieh fErub 4b (oben S. 108); Jeb47'i in Anm. a; Jeb47b bei Mt23, 15 Anm.^'.
/. Traktat Gerim 1 (38): Wie man dem Manne (im Tauchbad Gebote) sagt, so auch
der Frau, daß sie sorgfältig sein solle in bezug auf ihre (monatliche) Reinigung u.
betreffs der Absonderung der Teighebe (Challa) u. des Anzündens der Sabbatlampe.
(Das sind die 3 (^ebote, die namentlich der Frau gegeben sind.)
g. K'th 11»: Wenn mit einem Proselyten dessen Söhne u. Töchter zum Judentum
mitübertreten, so haben sie Genuß von dem, was ihr Vater getan hat (d. h. sie bedürfen
zu ihrem Übertritt nicht der Genehmigung der jüdischen Obrigkeit, vgl. das folgende
Zitat, sondern der Schritt ihres Vaters kommt ihnen zugute, so daß sie ohne weiteres-
1 Nach andrer Tradition zu R. HoschaEja, um 225, oder zu R. Chijja b. HoschaSja.
112 Matth 3, 6 (21 6. 7)
beschnitten u. getauft werden). Rab Joseph (ein Babylonier, f 333) hat gesagt: Wenn
sie großjährig geworden sind, können sie es ungeschehen machen (u. ins Heidentum
zurückkehren, ohne daß sie vom Gericht bestraft werden, Raschi). jl K'^th 1 1 *: Rab
Huna (ein Babylonier, f 297) hat gesagt: Einen minorennen Proselyten (dessen Vater
tot ist u. dessen Mutter seinen Übertritt wünscht, Raschi) läßt man das Tauchbad
nehmen nach dem Urteil des Gerichtshofes. Was berechtigt uns dazu? Weil es ihm
zum Vorteil ist, u. Vorteil darf man einem Menschen auch ohne sein Wissen (wörtlich:
in seiner Abwesenheit) zuwenden. ^
h. J'b 78'': Raba (ein Babylonier, t 352) hat gesagt: Wenn eine Nicht-Israelitin
während ihrer Schwangerschaft Proselytin wird, so bedarf ihr Kind nicht des Tauchbades.
Weiteres Material über Proselyten s. bei Mt 5,43; 23, 15; Apg 13, 16.
7. Die Johannestaufe.
Da die Proselytentaufe bereits in der vorchristl, Zeit in Übung ge-
standen hat, so darf man unbedenklich annehmen, daß sie wenigstens
hinsichtlich der äußeren Form ihrer Vollziehung Johannes dem Täufer
als Vorbild gedient hat. Dagegen haben inhaltlich die beiden Riten
nichts miteinander gemein. Das Proselytentauchbad wollte lediglich
die levitische Reinheit des Täuflings bewirken; die Taufe des Johannes
aber war ein Sinnbild der inneren sittl. Reinheit, das den Getauften
zu bußfertiger Umkehr u. zu einem neuen Wandel verpflichtete. Die
P.-taufe war das äußere Zeichen des Eintritts des heidnischen Fremd-
lings in die israelit. Volksgemeinde; dagegen wollte die Taufe des
Johannes nicht in eine neue religiöse Gemeinschaft einweihen oder
einweisen, sondern durch die sittlichen Forderungen, die sie symboli-
sierte, in Israel den Boden bereiten, auf dem das messian. Gottesreich
sich aufbauen sollte. Inhaltlich hat der Täufer, der nach all seinen
Worten im AT lebte u. webte, seine Taufe sicherlich an alttestamentl.
Weissagungen angelehnt, wie etwa: „Ich will über euch reines Wasser
sprengen, daß ihr rein werdet von all euren Befleckungen" Ez 36, 25.
Daß diese Zeit des messian. Heils nahe sei, das soll Israel aus seiner
Predigt entnehmen, u. daß diese Zeit Isr. nicht unvorbereitet treffe,
das will seine Taufe „zur Buße" (s. zu Vers 11) bewirken; deshalb
fordert er von den zu Taufenden das Bekenntnis ihrer Sünde, ein Be-
kenntnis, von welchem bei der Proselytentaufe nirgends etwas ver-
lautet. ^ — An Aussprüchen, die auf Grund von Ez 36, 25 eine sittliche
Reinigung des israelit. Volks in der messian. Zeit durch Gottes Hand
erwarten, fehlt es auch in der rabbin. Literatur nicht. Wir lassen
einige hier folgen.
P®siq41^: In einer anonymen Auslegung von Nu 19, 2 ff. wird die Parasche von
der roten Kuh allegorisch auf Israel gedeutet. Der Schlußsatz 41'': „Es diene der
Gemeinde der Kinder Isr. zur Aufbewahrung" Nu 19,9, weil in dieser Welt Israel unrein
u. rein wird nach dem Ausspruch des Priesters; aber in der Zukunft (= messian. Zeit)
wird es nicht so sein; sondern Gott wird sie reinigen, s. Ez36, 25: Ich will reines
Wasser auf euch sprengen (so zu lesen statt „auf sie") usw. Dieselbe Ausführung
P'^'siqR14(66''); TanchB rp-: §28 (60b). |! TanchB >—::': §9 (24b): Gott spricht zu Israel:
* Aug. Wünsche, Neue Beiträge S. 19, nimmt zwar die Ablegung eines Sünden-
bekenntnisses seitens des Proselyten an, bringt aber dafür keine Belegstelle bei.
Matth 3,6(517. 8. 33) 113
In dieser Welt werdet ihr der Sünden wegen gezüchtigt u. gereinigt u. wieder ge-
züchtigt; aber in der Zukunft bin ich es, der euch reinigen wird aus der oberen Welt,
s. Ez o6, 25: Ich will reines Wasser auf euch sprengen usw. |i TanchB "^v.i<; § 18 (27*):
Gott sprach zu Israel: In dieser Welt werdet ihr rein u. immer wieder unrein; aber
in der Zukunft reinige ich euch, daß ihr nie mehr unrein werden sollt, s. Ez '66, 2.5. —
Vgl. auch TanchB das. 27 •\ 16 u. Targ zu Ez :16, 2.5.
Speziell auf die Legitimierung der Bastarde in der messian. Zeit wird Ez 36, 25
bezogen Tos Qid 5,4 (342): Die .Tempelsklaven u. Bastarde werden rein sein in der
Zukunft (so daß sie in die Gemeinde aufgenommen werden dürfen u. die Ehe mit
ihnen erlaubt wird); das sind die Worte des R.Jose (b. Chalaphta, um 150). R. Meir
{um 150) sagte: Sie werden nicht rein sein. R. Jose erwiderte ihm: Siehe, es heißt
Ez36, 25: ,Ich will reines Wasser auf euch sprengen, daß ihr rein werdet" usw.
R. Meir sagte zu ihm: (Daß ihr rein werdet) von all euren Unreinheiten u. von all
euren Mistgötzen (d. h. von den euch selbst anhaftenden Unreinheiten, also nicht von
den N'^thinim u. Mamzerim). R.Jose erwiderte: Die Worte: ,lch will euch reinigen"
wollen nur besagen: Auch von der Klasse der Tempelsklaven u. der Bastarde. Parallel-
stellen: pQid 3, 13 (64 d); bQid 72 b.
8. Ohne Beziehung auf die messian. Zeit werden Ez 36, 25 u. Jer 17, 13
auf Entsündigung Israels gedeutet:
Joma 8, 9: R. f Aqiba hat gesagt: Heil, euch Israeliten! vor wem reinigt ihr euch;
wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel! s. Ez36, 25: Ich will reines W.
auf euch sprengen usw. u. ferner Jer 17, 13: Das Tauchbad (so der Midrasch) Israels
ist Jahve: wie das Tauchbad die Unreinen reinigt, so reinigt auch der Heilige, gepriesen
sei er! Israel, ü P'^siq 157 1> Bar im Namen des R. Eli?ezer ib. Hyrkanos, um 90): „Das
Tauchbad Israels ist Jahve' Jer 17, 13: wie dieses T. die Unreinen reinigt, so reinigt
anch der Heilige, gepriesen sei er! Israel; deshalb mahnt Hoseal4, 2 Israel: Kehre
am, Israel, zu Jahve, deinem Gott. || pJoma S Ende, 45*^, 42: Es heißt Jer 17, 13: ,Das
Tauchbad Israels ist Jahve" : wie das T. die Unreinen reinigt, so reinigt auch der
Heilige, gepriesen sei er! Israel; u. ebenso heißt es Ez 36, 25: Ich sprenge auf euch
reines Wasser usw.
3, 6 23: Indem sie ihre Sünden bekannten.
Einige Beispiele für Form u. Inhalt aUjüdischer Sündenbekenntnisse.
a. Joma 3, 8: (Der Hohepriester am Versöhnungstage) stemmte seine beiden Hände
auf ihn (den Opferfarren) u. legte das Sündenbekenntnis ab, u. zwar sprach er also:
Ach Gott, ich habe gefehlt, gefrevelt u. gesündigt vor dir, ich u. mein Haus; ach
Gott, vergib doch die Verfehlungen u. Frevel u. Sünden, die ich gefehlt, gefrevelt u.
gesündigt habe vor dir, ich u. mein Haus, wie geschrieben steht in der Tora Moses,
deines Knechtes, Lv 16, 30: „Denn an diesem Tage wird man für euch Sühnung schaffen.*
(Ahnlich das Sündenbekenntnis des Hohenpriesters für die gesamte Priesterschaft u. das
ganze Volk, s. Joma 4, 2; 6, 2.)
b. pJoma S, 9 (45'', 34): Welches Sündenbekenntnis legte man (der einzelne Israelit
für sich selbst am Versöhnungstage) ab? R. B'^rekhja (um 340) hat im Namen des
R. Ba bar Bina (= Abba b. Abina, um 250) gesagt: „Mein Herr, ich habe gesündigt u.
Übles getan, in schlechter Gesinnung bin ich verharrt u. auf fernem Wege gewandelt;
u. wie ich getan habe, will ich niclit mehr tun. Es sei wohlgefällig vor dir, Jahve,
mein Gott, daß du mir alle meine Frevel sühnest u. alle meine Verfehlungen mir ver-
gebest u. alle meine Sünden mir verzeihest." — Bar: Man muß die (sündigen) Taten
einzeln aufführen, so sagte R. J'^'huda b. Bathyra (um 1 10). R. ? Aqiba if um 135) sagte:
Man braucht seine Taten nicht einzeln aufzuführen. Was war der Grund des R. J'^huda?
„Ach, bitte! dies Volk hat eine große Sünde begangen u. sie machten sich einen Gott
aus Gold" Ex 32, '6\ (hier wird die sündige Tat ausdrücklich namhaft gemacht). R. f Aqiba
deutete die Stelle so: Wer hat sie (zu ihrer Sünde) veranlaßt? Ich, der ich ihnen viel
Strack u.Billerbeck, NT I. 8
114 Matth 3,6 (53). 7 (31)
Silber u. Gold gegeben habe; wesbalb? weil der Esel nur infolge des Korbes mit
Jobanuisbrot schreit. (Sinn: Die Worte: ,Sie machten sich einen Gott aus Gold" ge-
hören nicht zum Sündenbekenntnis, sondern geben die Veranlassung zur Sünde an; wie
der Esel nur schreit, weil er nach dem J.brot Verlangen hat, so hat Israel gesündigt
infolge des Gold- u. Silberreichtums in seiner Hand.)
C. Joma87b: Rab Hamnuna (ein Babylonier, um 30(1) sprach (als Süudenbekenntnis-
am Versöhnungstage): Mein Gott, ehe ich geschaffen war, war ich nichts wert; jetzt,
da ich geschaffen bin, bin ich, als wäre ich nicht geschaffen: Staub bin ich in meinem
Leben, wie viel mehr in meinem Tode. Siehe, ich bin vor dir wie ein Gefäß voller
Schande u. Schmach; es sei wohlgefällig vor dir, daß ich nicht sündigen möge; u. was
ich gesündigt habe, das tilge durch deine Barmherzigkeit, aber nicht durch Züchtigungen.
(= Leiden).
d. LvR 3 (106*^): R. Bebai b. Abaje (im 4. Jahrh.) hat gesagt: Welches Sünden-
Itekenntnis soll man am Vorabend des Vers.tages ablegen? Man sage: Ich bekenne,
daß ich bei all dem Bösen, das ich vor dir getan habe, auf bösem Wege gestanden
habe; aber alles, was ich getan habe, will ich nicht mehr tun in gleicherweise. Möge
es wohlgefällig vor dir sein, .lahve, mein Gott, daß du mir alle meine Schuld vergibst
u. alle meine Verfehlungen verzeihst u. für alle meine Sünde Sühnung schaffst, wie
es heißt Jes 55, 7: Verlassen soll der Böse seinen Weg usw.
e. Das Sündenbekenntnis des Sterbenden hat der Schulchan fArukh, Jore Defa
§ 338 in folgender Fassung festgesetzt: Ich bekenne vor dir, Jahve, mein Gott u. Gott
meiner Väter, daß meine Genesung u. mein Tod in deiner Hand liegen; es möge wohl-
gefällig sein vor dir, daß du mich genesen lassest zur vollen Genesung, u. wenn ich
sterbe, so möge mein Tod eine Sühne sein für alle Sünden u. Missetaten u. Frevel,
die ich gesündigt, gefehlt u. gefrevelt habe vor dir. Gib mir mein Teil im Gan ?Eden
(Paradies) u. laß mich die zukünftige Welt erlangen, die den Gerechten aufbewahrt ist.
f. Sanh 6,2: War (der Hinzurichtende) vom Steinigungsorte 10 Ellen entfernt, so
sagte man zu ihm: Bekenne (deine Sünden); denn also ist es üblich, daß alle, die
hingerichtet werden sollen, bekennen; denn, jeder, der bekennt, hat Anteil an der
zukünftigen Welt. . . . Wenn er nicht zu bekennen wußte, sagte man zu ihm: Sprich:
,Mein Tod sei eine Sühnung für alle meine Sünden!" R. J^huda (b. Elfai, um 150)
sagte: Wenn er weiß, daß gegen ihn falsches Zeugnis abgelegt ist, darf er sagen:
,Mein Tod sei eine Sühnung für alle meine Sünden, außer dieser Sünde!" Da sagten
(die Gelehrten) zu ihm: Wenn so (gesagt werden dürfte), würden alle Menschen so
sagen, um sich selbst als unschuldig hinzustellen. (Die Halakha ist nicht nach der
Meinung des R. J'^huda festgesetzt worden, s. Bertinoro.)
3,7 51: Otterngezücht, yavvrjfAaza ix^drwr.
Aboth 2, 10: R. Elifezer (b. Hyrkanos, um 90) sagte: . . . Erwärme dich an dem
Feuer der Gelehrten; aber hüte dich vor ihren Kohlen, daß du dich nicht verbrennst;
denn ihr Biß ist der Biß eines Fuchses u. ihr Stich der Stich eines Skorpions u. ihr
Zischeln das Zischeln einer Giftschlange, u. alle ihre Worte sind wie Feuerkohlen. —
Dasselbe von den Gerechten ausgesagt NuR 3 (139 b). i| P'^s 57*: Abba SchaJul b. Batnith
(um 70 n. Chr.) hat im Namen des Abba Joseph b. Chanini gesagt: . . . Wehe mir ob
der Familie des Chanin (hohepriesterl. Familie des Ananias b. Nedebaios), wehe mir ob
ihres Gezischeis! (s. Tos M^'n 18,21 bei Job 18, 13 Anm.c)- — Zum tertium comparationis
vgl. ExR 9 (73 c): Wir haben gelernt (in B^'rakh 5, 1): Wer steht u. betet, soll, selbst
wenn der König ihn grüßt, den Gruß nicht erwidern; u. selbst wenn eine Schlange
sich um seine Ferse windet, soll er das Gebet nicht unterbrechen. Aus welchem Grunde
haben die Gelehrten das Sichwinden der Schlange neben die Regierung gestellt (mit
der Regierung verglichen)? R. Schimfon b. Pazzi (um 280) hat gesagt: Weil es Jer
' Vermutlich sind die beiden Namen umzustellen, so daß Abba Schaiul b. B. als
Autor erscheint; vgl. Bacher, Tann.'^ 1,46.
Matth 3,7 (^. SB) 115
46,22 heifst: Sie raschelt wie die Schlange. Wie die Schlange zischelt u. tötet, so
zischelt auch die Regierung u. tötet; denn wenn jemand ins Gefängnis geworfen ist,
so zischelt sie wider ihn, um ihn zu töten. Oder aus welchem Grund hat Gott die
Regierung mit einer Schlange verglichen? (Gemeint ist das Nebeneinander des Pharaos
u. der Schlange Ex 7, 9.) Wie die Schlange sich krümmt, so krümmt auch die Regierung
ihre Wege. — Dasselbe Tauch s-m 68*. i| Siphre Dt zu 32, 32 § 323 (138b): „Denn von
Sodoms Weinstock ist ihr Weinstock. " R. J'huda (um 150) hat es auf die Israeliten u.
R. N°chemja (um 150) auf die Völker ausgelegt. R. J%uda sagte: Seid ihr denn vom
Weinstock Sodoms oder von der Pflanzung Gomorras? Seid ihr nicht aus heiliger
Pflanzung, s. Jer 2, 21 : „Ich hatte dich als Edelrebe gepflanzt aus lauter echtem Samen" V
, Ihre Trauben sind Gifttrauben" Dt 32, 32: Sühne des ersten Menschen seid ihr, der
den Tod über euch gebracht hat u. über alle seine Nachkommen, die nach ihm kommen
werden bis ans Ende aller Geschlechter. „Bittere Traubenkämme haben sie" Dt 32, 32:
In den Großen unter euch ist ihr Gift verbreitet schlangenartig, u. unter „Trauben-
karam" ist der Große zu verstehen, s. Micha 7, 1. „Drachengift ist ihr Wein" Dt 32, 33:
Der Eifer der Frommen u. Rechtschafl^enen unter euch ist wie der der Drachen. „Und
grausige Otterngalle" Dt 32, 33: Das sind die Häupter unter euch, die der grausamen
Otter gleichen. — Eine andre Ei-kläruug: „Drachengift ist ihr Wein", das sind die
Gelassenen, die dis Sünde scheuen, in eurer Mitte — ihr Eifer ist wie der der
Drachen; „u. grausige Ottern galle", das sind die Häupter unter euch, die der
Otter gleichen. — R. N'^chemja hat es auf die Völker ausgelegt: Sicherlich seid ihr
vom Weinstock Sodoms u. von der Pflanzung Gomorras; Jünger der alten Schlange
seid ihr, die Adam u. Eva verführt hat. „Bittere (giftige) Traubenkämme haben sie":
In den Großen unter ihnen ist ihr Gift verbreitet schlangenartig, u. unter „Trauben-
kamm" ist der Große zu verstehn, s. Micha 7, 1. |1 Drache, "i^s-, -"i-, zur Bezeichnung
eines lieblosen, grausamen Vaters K'th 49 b; Als vor Rab J'^huda (f 299) jemand kam
(der seine Kinder nicht ernähren wollte), sprach Rab J.: Der Drache erzeugt Junge,
u. dann wirft er sie auf die Bewohner der Stadt (läßt sie diesen zur Last fallen). —
Sanh 59 b wird ein Gelehrter, der aus allzu großer Bedenklichkeit einen neuen Einwand
erhebt, ein klagender oder rasender Drache, s^s: "'^is^, genannt: Als R. Schim?on
b. Chalaphta (um 190) sieh einmal unterwegs befand, begegneten ihm Löwen, die ihn
anbrüllten. Er sprach: „Die jungen Löwen brüllen nach Raub" Ps 104, 21. Da fielen
ihm zwei Fleischstücke (vom Himmel) herab; das eine fraßen sie, das andre ließen
sie liegen. Er nahm es u. brachte es ins Lehrhaus. Man fragte: Ist das etwas Un-
reines oder etwas Reines? Man antwortete ihm: Nichts Unreines kommt vom Himmel
herab! R. Z'^fira (um 300) fragte den R. Abbahu (um 300): Wenn ihm nun etwas in
der Gestalt eines Esels (der ein unreines Tier ist) herabgefallen wäre, wie würde es
sich dann verhalten? Er antwortete ihm: Rasender Drache, man hat ihm ja gesagt:
Nichts Unreines kommt vom Himmel herab!
3, 7 33: Vor dem zukünftigen Zorn,
Der zukünftige Zorn bedeutet das Gehinnoragericht (s. Exkurs:
Sch«ol, Gehinnom usw. II, 3).
BB 10*: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (1279) habe gegen-
übergestellt Spr 11,4: „Keinen Nutzen bringt Habe am Tage des Zorns, aber Almosen
(so der Midrasch) rettet vom Tode"; u. Spr 10, 2: „Keinen Nutzen bringen durch Frevel
erworbene Schätze, aber Almosen (so der Midrasch) rettet vom Tode." Warum diese
zweimalige Erwähnung der Almosen? Das eine ist dasjenige, welches vor einem vin-
gewöhnlichen (= unnatürlichen) Tode bewahrt; das andre ist dasjenige, das vor dem
Gehinnomgericht bewahrt. Welches A. bewahrt vor dem G.? Dasjenige, bei welchem
das Wort „Zorn" geschrieben steht (also das Spr 11, 4 erwähnte); denn es heißt Zeph
1, 15: „Ein Tag des Zorns ist selbiger Tag." Und welches bewahrt vor einem un-
gewöhnlichen Tode? Welches man gibt, ohne zu wissen, wem man es gibt, u. welches
116 Mattli3,8.9(?tl.2)
man empfängt, ohne zu wissen, von weni man es empfängt. |i ?AZ 181^: R. Schimfon
b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Wer Spott treibt, stürzt in den Gehinnom, s. Spr 21, 24:
,Ein aufgeblasener Frecher wird Spötter genannt, einer der im Aufwallen der Frech-
heit handelt." Dieses Aufwallen bedeutet aber nichts andres als den Gehinnom, wie
es heißt Zeph 1, 15: ,Ein Tag des (Zornes-) Aufwallens ist selbiger Tag."
3,8: Rechtschaffene Frucht der Buße,
Eine Buße, der es an den rechten Früchten fehlt, heißt eine
„trügerische Buße" r^ian Vr nnsi^i-rn.
GnPi, 9 (7^): R. Jonathan (b. Ehazar, um 220) sagte: In diesem Falle hätte Gott
den Tod nur über die Gottlosen u. nicht über die Gerechten verhängen sollen. Vielmehr
(ist der Tod über beide Kategorieen verhängt worden), damit die Gottlosen nicht eine
trügerische Buße tun u. sprechen: Die Gerechten bleiben nur am Leben, weil sie
Gebotserfüllungen u. gute Werke ansammeln; so wollen auch wir Gebotserfüllungen
u. gute Werke ansammeln. Auf diese Weise würde ihr Tun als ein nicht lauteres
erfunden werden. |l pTafan '2, 6öi>, 27: R. Schim?on b. Laqisch (um 2ö0j hat gesagt: Eine
trügerische Buße haben die Leute von Ninive getan.
Über „Buße" s. bei Mt4, 17.
3, 9 51: Wir haben Abraham zum Vater.
1. Abraham führt den Ehrentitel ^rnx, unser Vater; zB GnR 39
(23'3) im Munde des R. JiQchaq, um 300; das. 39 (23'^) R. B^rekhja,
um 340; 39 (23 f') R. fAzarja, um 380; 39 (23 d) R. Ji^chaq; 39 (24»)
R. N'^chemja, um 150; 39 (24^) El?azar b. Schammua?, um 150; 40 (24^)
R. Hoschafja des Älteren, um 225; 41 (25'') R. J'^huda b. Simon, um ,520;
41 (25'') R. J'huda, um 150; 41 (25'") R. N'-chemja um 150; P'^siq 154»
im Munde des R. Nach man, gegen 400; BpQa 32 '^ im Munde Rabs
(t 247); Tos Chag 2, 1 (234); Chag 14^ im Munde des Rabban Jochanan
b. Zakkai (f um 80).
Aus Pirqe Aboth sei verwiesen auf 5, 2: Zehn Geschlechter sind von Noah bis auf
Abraham, um zu zeigen, wieviel Langmut vor ihm (Gott) ist; denn alle Geschlechter
ärgerten (erzürnten) ihn, bis unser Vater Abraham -ns c— 3s kam u. den Lohn für
sie alle empfing. | 5, '■'■>: Mit zehn Versuchungen ist unser Vater Abraham versucht
worden, u. er hat in ihnen allen bestanden, um zu zeigen, wie groß die Liebe unsres
Vaters A. (zu Gott) gewesen ist.
2. Israels Stolz ist es, zu Abraham als zu ihrem leiblichen Stamm-
vater aufblicken zu dürfen.
BM 7, 1 : Einmal sagte R. Jochanan b. Mattja (ein Tannait) zu seinem Sohne: Geh
u. miete uns Arbeiter! Er ging u. vereinbarte mit ihnen Beköstigung. Als er zu seinem
Vater kam, sprach dieser zu ihm: Mein Sohn, selbst wenn du ihnen ein Mahl bereiten
würdest wie das Salomos zu seiner Zeit, so würdest du deiner Pflicht ihnen gegenüber
nicht genügen; denn sie sind Kinder Abraiiams. Isaaks u. Jakobs. Aber geh hin, bevor
sie die Arbeit beginnen, u. sage zu ihnen: (Ich dinge euchi unter der Bedingung, daß
ihr von mir lediglich Brot u. Hülsenfrüchte zu beanspruchen habt. || M'^kh Ex 1 •''>, 2 (44 b) ;
„Meines Vaters Gott, den will ich erheben" Ex 15,2. (Die Gemeinde Israel spricht:)
Ich bin eine Königin, die Tochter von Königen; eine Geliebte, die Tochter von Ge-
liebten; eine Heilige, die Tochter von Heiligen; eine Reine, die Tochter von Reinen.
Gleich einem Menschen, welcher ging, um sich mit einem Weibe zu verloben; bald
schämte er sich dieser, bald ihrer Familie, bald ihrer Verwandten; aber bei mir ist es
nicht also, sondern ich bin eine Königin, die Tochter von Königen. || BQ8, 0: (Sühne-
MatthS, 9 (512.3) 117
gelder für angetanen Schimpf richten sich nach der Stellung u. dem Ansehen des Be-
leidigten). R. f Aqiba (um 135) hat gesagt: Auch die Armen in Israel sieht man so au,
als wären sie Kinder Edelgeborener, die in ihrem Vermögen heruntergekommen sind;
denn sie sind Söhne Abrahams, Isaaks u. Jakobs. — BQ ^6''' ist dieser Ausspruch dem
R. Meir, einem Schüler des R. fA., in den Mund gelegt. — In der Bar Schab 128'^
heißt es: R. Schim?on b. Gamliel (um 140) u. R. Schimfon (welcher?) u. R. Jischma?el
if um 135) u. R. ? Aqiba haben sämtlich die Meinung gehabt, daß alle Israeliten Söhne
von Königen seien (nämlich als Nachkommen Abrahams, Isaaks u. Jakobs).
3. Abrahams Verdienst steht Israel bei.
GnR44 (27'^): „Raubvögel kamen herab auf die toten Tiere u. Abram verscheuchte
sie" Gn 15,11. . . . R. fAzarja (um 380) hat gesagt: (Gott sprach zu Abraham:) Wenn
deine Kinder Leichname würden ohne Sehnen u. Knochen (d.h. aller Verdienste bar),
dein Verdienst wird ihnen beistehn. — Vgl. den allgemeinen Grundsatz LvR 36 (133b).
Wie der Weinstock auf trockne Hölzer sich stützt, während er selbst frisch (saftig) ist,
so stützen sich die Israeliten auf das Verdienst ihrer Väter, obgleich diese schlafen. —
In ExR 44 Anfang wird dieser Grundsatz dem R. Tanchuma b. Abba, um 380, zu-
geschrieben u. durch eine Reihe von Beispielen erläutert. So findest du, heißt es, daß
Elias viele Gebete auf dem Berge Karmel betete, daß Feuer herabkäme, s. 1 Kg 18,37;
aber er wurde nicht eher erhört, als bis er die Toten erwähnte u. sprach: „Jahve, du
Gott Abrahams, Isaaks u. Israels" Vers 36. Da wurde er sofort erhört, s. Vers 38. Ebenso
stand Mose, als die Israeliten jene Tat (mit dem goldenen Kalb) begangen hatten, u.
sprach 40 Tage u. Nächte lang zu ihren Gunsten ; aber er wurde nicht eher erhört, als
bis er die Toten erwähnte; da wurde er sofort erhört, s. Ex 32, 13 f. Da sieht man:
wie der Weinstock lebt u. auf abgestorbene Hölzer sich stützt, so lebt Israel u. stützt
sich auf die Väter, obgleich diese verstorben sind. . . . „Gedenke Abrahams" usw. Ex
32, 13. Das meint: „Wer Hand zu Hand (seinen Lohn fordert), der wird nicht rein;
ein Böser ist er" (Spr 11, 21, so der Midrasch). R. Pin^chas, der Priester, b. Chama (um
360) hat gesagt: Wenn du ein Gebot erfüllt hast, so fordere deinen Lohn nicht von
Hand zu Hand (sofort). Weshalb? Denn „ein solcher wird nicht rein sein"; denn du
wirst nicht rein gesprochen werden von deinen Sünden, sondern bei deinem Leben!
ein Gottloser wirst du genannt werden, weil du nichts auf deine Kinder vererben
wolltest. Denn wenn Abraham, Isaak u. Jakob den Lohn für die Gebote, die sie erfüllt
haben, gefordert hätten, wie wäre dann der Same der Gerechten errettet worden? wie
hätte (Mose) sie erwähnen können: „Gedenke Abrahams" usw.? Und sofort heißt es
Ex 32, 14: „Und Jahve ließ es sich leid sein." . . . „Gedenke Abrahams" usw. Ex 32, 13.
R. Abin (IL, um 370) hat im Namen des R. Acha (um ^20) gesagt: Gleich einem König,
bei welchem sein Freund zehn Perlen deponierte. Der Freund starb u. hinterließ eine
Tochter. Da machte sich der König auf, nahm sie zum Weibe u. erhob sie zur Matrone.
Er schenkte ihr eine Kette von zehn Perlen u. legte sie um ihren Hals. Nach einiger
Zeit verlor sie die Kette. Da wollte der König sie entlassen; er sprach: Ich stoße sie
aus meinem Hause, ich entferne sie aus meiner Nähe! Es ging ihr Brautführer zum
König, um ihn zu begütigen; aber der König hörte nicht auf ihn, sondern sprach: Ich
verstoße sie aus meiner Nähe! Da sprach jener: Warum denn, mein Herr König?
Dieser antwortete: Weil ich ihr zehn Perlen gegeben habe u. sie diese verloren hat.
Jener sprach: So wahr mein Herr König lebt, gleichwohl solltest du dich begütigen
lassen u. ihr verzeihen. 'Aber der König hörte nicht auf ihn. Als der Brautführer sah,
daß er sich nicht versöhnen ließ, sondern hartnäckig blieb u. sprach: Ich vertreibe
sie!, da sprach er zu ihm: Wegen der zehn Perlen, die sie verloren hat, willst du sie
verstoßen? Weißt du nicht, daß ich weiß, daß ihr Vater bei dir zehn Perlen deponiert
hat? Zehn gehen auf in zehn! So war Gott, als die Israeliten jene Tat (mit dem
goldenen Kalb) begangen hatten, erzürnt auf sie u. fing an zu sagen: „Laij ab von
mir, daß ich sie vertilge" Dt 9, 14. Mose sprach: Herr der Welt, warum zürnst du auf
Israel? Gott spracli : Weil sie die zehn Gebote zunichte gemacht haben. Mose er-
118 Matth8, 9 (51 3)
widerte: Sie haben, woraus es gutgemacht werden kann. Gott spracli: Woraus denn?
Er sprach: Gedenke, daE^ du Abraham in zehn Versuchungen versucht hast. Da gehen
zehn auf gegen zehn. (Diesem Gleichnis des R. Acha liegt ein früheres des R. Simlai.
um 250, zugrunde, s. Tanch xrr -: 117''.) . . . Warum erwähnt Mose hier Ex 82, 13 die
drei Väter? Die Rabbanan haben gesagt: Mose spracli: Wenn sie (die Israeliten) des
Verbrennungstodes schuldig sind, so gedenke an Abraham, der sein Leben in den
Feuerofen (Nimrods) hingegeben hat, um deines Namens wegen verbrannt zu werden,
u. es möge seine Verbrennung die seiner Kinder aufheben. Wenn sie der Enthauptung
(mittelst des Schwertes) schuldig sind, so gedenke an ihren Vater Isaak, der seinen
Hals auf dem Altar ausstreckte, um deines Namens wegen geschlachtet zu werden,
u. es möge seine Enthauptung die seiner Kinder aufheben. Und wenn sie der Ver-
bannung sich schuldig gemacht haben, so gedenke an ihren Vater Jakob, der aus dem
Hause seines Vaters nach Charran in die Verbannung ging; so mögen diese durch jene
frei ausgehen! . . . „Gedenke an Abraham.'' R. Z'^bida (um 3:^0) hat gesagt, R. J^hoschuaf
b. Levi (um 250) habe gesagt: Mose sprach: Herr der Welt, waren die Väter der Welt
(d. h. die Erzväter) Gerechte oder Gottlose? Mache einen Unterschied zwischen diesen
u. jenen: waren sie Gottlose, so hast du recht also an ihren Kindern gehandelt, weil
ihre Väter bei dir keine (verdienstlichen) Werke hatten; waren sie aber Gerechte, so
lege diesen das Werk ihrer Väter bei (rechne es ihnen zugute). — Dasselbe zum Teil
auch pSanh 10, 27«', 34; LvR 3(3 (133 b).
Midr HL zu 1, 5 (87b): Die Gemeinde Israel spricht: Schwarz bin ich durch meine
Werke; aber anmutig durch das Werk meiner Väter. — Dasselbe ExR 23 (85b). || pcgjq
153b u. LvR 29 (127b): R. Levi (um 300) hat im Namen des R. Chama b. Ghanina (um
260) gesagt: Gleich dem Sohn eines Königs, der eine Rechtssache vor seinem Vater
hatte. Sein Vater sprach zu ihm : Wenn du vor mir im Gericht freigesprochen werden
willst, so wähle dir den u. den als Anwalt, so wirst du im Gericht freigesprochen
werden. Ebenso hat Gott zu Israel gesagt: Meine Kinder, wenn ihr vor mir im Gericht
(am Neujahrstage) freigesprochen werden wollt, so erwähnt vor mir das Verdienst eurer
Väter, so werdet ihr vor mir im Gericht freigesprochen werden. — P'^siq 154^ u. LvR
29 (127b): R. Nachman (gegen 400) hat gesagt: Alle Schlechtigkeiten u. Lügen, die die
Israeliten in dieser Welt verüben, ist unser Vater Abraham imstande sämtlich zu
sühnen. || TanchB s^-- § 43 (55 b): Als Daniel u. seine Genossen in die Verbannung
zogen, verordnete Gott über sie, daß sie unreines Brot essen sollten, s. Ez4, 13. Da
trat Nebukadne9ar auf u. machte das Wort wahr. Er hob an u. sprach: Ich verordne,
daß sie von meiner Speise essen, s. Dn 1, 5. Daniel aber nahm das nicht auf sich,
sondern sprach: Wenn Gott auch über uns verhängt hat, daß wir unreines Brot essen
sollen, so will er uns nur versuchen. Vielmehr wollen wir das ünsre tun, so wird
Gott das Seine tun. Da hob er an, zu dem Oberkämmerer (1. c-o-^sn --o») zu sagen:
Ich bitte dich, versuche es doch mit deinen Knechten zehn Tage, daß man uns etwas
Gemüse zum Essen u. Wasser zu trinken gebe. Danach möge von dir unser Aussehen
u. das Aussehen der von königlichen Leckerbissen genährten Knaben gemustert werden.
Wie du dann sehn wirst, so handle mit deinen Knechten Dn 1, 12. Er antwortete ihnen:
Könnt ihr denn zehn Tage lang den Versuch mit euch machen, kein Brot zu essen u.
keinen Wein zu trinken? Sie sprachen: Ja! Denn wir sind Kindeskinder des Mannes,
der von Gott in zehn Versuchungen versucht worden ist; sein Verdienst steht uns
bei. . . . Hast du uns nicht schon den Schriftgelehrten zehnmal überlegen erfunden (vgl.
Dn 1, 20)? in wessen Verdienst? Im Verdienste Abrahams, der in zehn Versuchungen
versucht worden ist. || B^'rakh 7b: Rab (f 247) hat gesagt: Auch Daniel ist nur um
Abrahams willen erhört worden, s. Dn9, 17: ,Und nun höre, unser Gott, auf deines
Knechtes Flehen u. sein Bittgebet u. laß leuchten dein Angesicht über dein verödetes
Heiligtum um meines Herrn willen" (so der Midrasch). ,Um deinetwillen' hätte es
heißen sollen. Vielmehr so ist es gemeint: Um Abrahams (= -:-s) willen, der dich
(zuerst unter allen Menschen) „Herr" (r-s) genannt hat (nämlich Gn 15, 2. 8j.
GnR 33 (20"): R. Tanchuraa (um 380 i ordnete ein Fasten an. Es verging der erste.
Matth 3, 9 (?l 3. 4) 119
der zweite, der dritte Tag; aber kein Regen fiel hernieder. Da ging er u. trug öffentlich
vor u. sprach: Meine Kinder, lasset euch mit Erbarmen gegeneinander erfüllen, so
wird Gott gegen euch des Erbarmens voll sein! Während sie nun Almosen an die
Armen verteilten, sahen sie einen Menschen, der seinem geschiedenen Weibe Geld gab.
Sie kamen vor R. Tanchuma u. sprachen: Rabbi, was sitzen wir hier, während dort
Sünde geschieht! Er sprach zu ihnen: Was habt ihr gesehen? Sie antworteten: W^ir
haben gesehen, wie der u. der seinem geschiedenen Weibe Geld gegeben hat. Er
schickte nach ihnen u. ließ sie vor die Gemeinde bringen. Er sprach zu ihm: Was
hat diese mit dir zu schaffen? Er antwortete: Sie ist mein geschiedenes Weib. Da
fragte jener ihn weiter: Warum hast du ihr Geld gegeben? Er antwortete: Rabbi, ich
sah sie in großer Not u. wurde von Erbarmen über sie erfüllt. In jener Stunde erhob
R. Tanchuma sein Angesicht nach droben u. sprach: Herr aller Welten, wenn dieser,
dem die Ernährung dieser Frau nicht oblag, sie in Not sah u. von Erbarmen gegen
sie erfüllt wurde, um wieviel mehr mußt du, von dem geschrieben steht: , Gnädig u.
barmherzig ist Jahve", über uns mit Erbarmen erfüllt werden, die wir die Kinder
deiner Geliebten, die Kinder Abrahams, Isaaks u. Jakobs sind! Sofort fiel der Regen
hernieder, u. die Welt ward getränkt. — In breiterer Fassung aramäisch LvR 'M (132^). ij
GnR 48 (30*): R. Levi (um 3u0) hat gesagt: Dereinst wird Abraham am Eingang des
Gehinnoms sitzen u. keinen Beschnittenen aus Israel dort hinabfahren lassen. Was
wird er aber mit denen machen, die übermäßig gesündigt haben? Er wird die Vorhaut
von Kindern nehmen, die vor der Beschneidung gestorben sind, u. sie bei jenen anbringen
u. sie dann in den Gehinnom hinabstürzen. — Hierzu ist der allgemeine Grundsatz zu
beachten ExR 19 (81*^): Beschnittene fahren nicht hinab in den Gehinnom. |i ?Erub 19*:
„Die im Tränental wandern" Ps 84, 7, das sind die, welche in dieser Stunde im Ge-
hinnom gerichtet werden ; dann kommt unser Vater Abraham u. Väht sie emporsteigen
H. nimmt sie auf; vgl. hierzu Exkurs: „Scli'^ol" usw. II, 5 u. II. 7 Anm. b u. c.
4. Die Teilnahme an Abrahams Verdienst ist bedingt durch die
leibliche Abstammung von ihm ; darum müssen die Proselyten auf jene
verzichten, weil sie der letzteren ermangeln.
Bikl, 4: Folgende bringen (die Erstlingsfrüchte) dar, ohne (das Bekenntnis Dt
26, 3 ff.) zu sprechen: der Proselyt bringt dar, ohne es zu sprechen, weil er nicht sagen
kann: Das du geschworeft hast ,unsren Vätern" zu geben. Wenn aber seine Mutter
eine Israelitin ist, so bringt er dar u. spricht es. Wenn er für sich allein betet, so
sagt er: , Der Gott der Väter Israels"; wenn in der Synagoge, so sagt er: »Der Gott
eurer Väter." Wenn aber seine Mutter eine Israelitin ist, so sagt er: „Der Gott unsrer
Väter." ll NuR8(150b): „Wohl dem, der Jahve fürchtet, der auf dessen Wegen wandelt"
Ps 128, 1. Es heißt nicht: Wohl den Israeliten, wohl den Priestern, wohl den Leviten,
sondern: „Wohl dem, der Jahve fürchtet." Damit sind die Proselyten gemeint, denen,
wenn sie Jahve fürchten, das Wort: „Wohl!" gilt. Wie es von Israel heißt Dt 33, 29:
„Wohl dir, Israel; wer ist dir gleich?" so heißt es auch von ihnen: „Wohl dem, der
Jahve fürchtet." Und von welchem Proselyten wird gesagt: „Wohl"? Von dem, der
«in rechter Proselyt {-''4. "?) ist; nicht wie die Kuthäer (= Samaritaner), von denen
geschrieben steht 2 Kg i7, 33: „Den Jahve fürchteten sie u. ihren Göttern dienten sie*;
sondern von dem Proselyten (wird es gesagt), der Gott fürchtet u. auf Gottes Wegen
wandelt; das meinen die Worte: „Der in seinen Wegen wandelt." „Von der Mühe
deiner Hände wirst du dich nähren" Ps 128, 2; damit ist der Proselyt gemeint, der das
Verdienst der Väter nicht für sich hat; u. damit er nicht sage: Wehe mir! weil ich
das Verdienst der Väter nicht für mich habe, habe ich für alle guten Werke, die ich
aufgesammelt, nur in dieser Welt Lohn — deshalb bringt die Schrift dem Proselyt-en
die frohe Botschaft, daß er durch sein eignes Verdienst sich nähren werde in dieser
Welt u. in der zukünftigen Welt. Das meinen die Worte: „Von der Mühe deiner Hände
wirst du dich nähren." Das geht auf die guten Werke, mit denen er sich in dieser
Welt abgemüht hat, vgl. Hi 3,17: „Dort ruhen, welchen ermattet ist die Kraft", a.
120 Matth 8, 9 (31 4. 5)
Qoh9, 10: „Alles, was deine Hand erreicht, zu tun mit deiner Kraft, das tu!" Was
ist sein Lohn? Ps 128, 2: „Wohl dir, du hast es gut!" „Wohl dir", nämlich in dieser
Welt; „du hast es gut", in der zukünftigen Welt.
Justinus Martyr, Dial. c. Trj^ph. 140: Eure Lehrer meinen, daß denen, die aus dem
Samen Abrahams nach dem Fleische sind, auch wenn sie Sünder sind u. ungläubig u.
gegen Gott ungehorsam, das ewige Reich werde gegeben werden.
5. Der eben zitierte Ausspruch des Justinus Martyr (um 150) gibt,
wie obige Stellen zeigen, die populären Vorstellungen vom Verdienste
Abrahams kurz u. treffend wieder. Das schließt nicht aus, dafs in
einzelnen Fällen auch andersartige Anschauungen sich geltend gemacht
haben. Die bedeutsamsten Zeugnisse in dieser Hinsicht sind:
Schab 89^: Raba (f 352) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt: „Geht doch, wir
wollen zusammen rechten, wird Jahve sprechen" Jes 1, 18 (so der Midrasch, der zugleich
das Textwort -•-- durch üvn = der Name — Gott ersetzt)? „Geht doch!" Es sollte
heißen: „Kommt doch!" „Jahve wird sprechen", es sollte heißen: „Jahve sprach."
(Die Worte sind so zu verstehn:) In der Zukunft wird Gott zu den Israeliten sagen:
Geht doch zu euren Vätern, daß sie euch zurechtweisen (richten u. rechtfertigen) I
Dann werden sie vor ihm sagen: Herr der Welt! zu wem sollen wir gehn? Zu Abra-
ham, zu dem du gesagt hast Gn 15, 1:-!: „Wissen, ja wissen sollst du, daß dein Same
als Fremdling weilen wird in einem Lande, das ihnen nicht gehört"? — y. er hat nicht
um Erbarmen für uns gebeten! Oder zu Isaak, der den Esau gesegnet hat: „Wenn
du dich anstrengst, wirst du sein (Jakobs) Joch, das auf deinem Halse, zerbrechen"
Gn27, 4Ü? — u. er hat nicht um Erbarmen für uns gebeten! Oder zu Jakob, zu dem
du gesagt hast Gn46, 4: „Ich werde mit dir nach Ägypten hinabziehen"? — u. er hat
nicht um Erbarmen für uns gebeten! Zu wem sollen wir jetzt gehn? Möge es Jahve
sagen! Dann wird er zu ihnen sagen: Weil ihr euch selbst an mich gehängt (ge-
klammert) habt (so wisset): „Wenn eure Sünden wie Scharlach wären, wie Schnee
sollen sie weiß werden" Jes 1,18!
Schab 89 b: R. Sch^muel b. Nachnian (um 260) hat gesagt, R. Jonathan (b. Ehazar,
um 220) habe gesagt: Was heißt Jes 63, 16: „Du bist unser Vater; denn Abraham weiß
nichts von uns u. Israel kennet uns nicht; du, Jahve, bist unser Vater; ,unser Erlöser'
ist von jeher dein Name"? In der Zukunft wird Gott zu Abraham sagen: Deine Kinder
haben gegen mich gesündigt. Dann wird dieser antworten: Herr der Welt, so mögen
sie um der Heiligung deines Namens willen vertilgt werden! Weiter wird Abraham
sagen: So möge es dem Jakob gesagt werden, der Not gehabt hat mit dem Aufziehen,
von Kindern; vielleicht bittet er um Erbarmen für sie. Dann wird Gott zu diesem
sagen: Deine Kinder haben gesündigt. Jakob wird antworten: Herr der Welt, so mögen
sie um der Heiligung deines Namens willen vertilgt werden! Gott wird sagen: Bei
Alten ist keine Einsicht u. bei Jungen kein Rat! Dann wird er zu Isaak sagen: Deine
Kinder haben gegen mich gesündigt. Dieser wird antworten: „Meme" Kinder? Nicht
auch „deine" Kinder? Als sie vor dir vorangehn ließen die Worte: „Wir wollen tun"
den Worten: „Wir wollen hören" (s. Ex 24, 7), da hast du sie „meinen [Gottes] erst-
gebornen Sohn" (s. Ex 4, 22) genannt, u. nun sollen sie „meine" Kinder u. nicht „deine"
Kinder sein? Ferner wieviel haben sie denn gesündigt? Wieviel sind der Jahre des
Menschen? Siebzig Jahre. Ziehe davon (die ersten) zwanzig Lebensjahre ab, derent-
wegen du nicht bestrafst (die Strafmündigkeit der Israeliten vor Gott beginnt erst,
wenn sie 20 Jahre alt sind; gefolgert aus Nu 14,29), so bleiben noch fünfzig; ziehe
weiter fünfundzwanzig ab, die auf die Nächte entfallen (wo der Mensch schläft u. nicht
sündigt), so bleiben noch fünfundzwanzig; ziehe weiter zwölf u. ein halbes Jahr ab,
die auf das Gebet, das Essen u. den Abort entfallen, so bleiben noch zwölf u. ein
halbes übrig. Willst du die alle tragen, so ist es gut; wenn aber nicht, so falle die
eine Hälfte mir zur Last u. die andre dir; wenn du aber sagen solltest, daß ich das
Matth 3, 9 (SB). 10. 11 (?l. SB) 121
Ganze auf mich nehmen soll, siehe, so habe ich mein Leben vor dir als Opfer dar-
gebracht (Gn 22). Da heben die Israeliten an u. sprechen: Du bist unser Vater! Isaak
spricht zu ihnen: Statt daß ihr mich rühmt, rühmt den Heiligen, gepriesen sei er! Da
zeigt ihnen Isaak Gott vor ihren Augen. Sofort erheben sie ihre Augen gen Himmel
u. sprechen: Du, Jahve, bist unser Vater; „unser Erlöser" ist von jeher dein Name.
3,9 33: Dem Abraham Kinder erwecken.
Die Unterscheidung zwischen rechten und nicht rechten Kindern
Abrahams liegt zum Teil den Stellen zugrunde, die bei Gal 3, 7 zitiert sind.
3,10: Die Axt ist den Bäumen an die Wurzel gelegt.
JeslO, 33f., welche Stelle möglicherweise dem Täufer bei obigem
Ausspruch vorgeschwebt hat, hat etliche rabbinische Auslegungen ver-
anlaßt, die hier ihren Platz finden mögen.
Midr KL 1, 5 (.52='): Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) begab sich in das Lager
des Vespasian u. sprach: Wo ist der König? Man meldete dem Vespasian: Ein Jude
wünscht dich zu begrüfsen. Er erwiderte: Er mag kommen. Als er kam, sprach er:
Es lebe mein Herr, der Imperator! Vespasian sprach: Mit dem Gruß an einen König
hast du mich begrüßt; ich bin aber kein König, u. wenn der König es hört, läßt er
diesen Mann (^= mich oder auch dich) töten. Rabban Jochanan antwortete: Wenn du
nicht König bist, so wirst du es schliel'lich werden; denn dieses Haus (d. h. der Tempel
zu Jerusalem) wird nur durch einen König zerstört werden; s. Jes 10, ^-54: Der Libanon
wird durch einen Herrlichen fallen. [L. ist häufig vorkommende Bezeichnung für den
Tempel; zB SDt 1,5 § 6 (66b): Mit L. ist nichts andres als das Heiligtum gemeint, s.
Jer 22, 6; Jes 10, 34. Oder: Warum nennt man das Heiligtum L."? Weil es die Sünden
Israels weiß macht •^'^'■c — Wortspiel zu Libanon — s. Jes l, 18.] Parallelstellen: Gittin
.56'»; Aboth R. Nathan 4 (3-''). || Sota 5^»: R. EI?azar (b. P^dath, um 270) hat gesagt: Jeder
Mensch, in dem Hochmut wohnt, verdient wie eine Aschera umgehauen zu werden.
Es heißt hier (JeslO, 33): ,Die stattlichen Wuchses sind, werden umgehauen" u. es
heißt dort (Dt 7, 5): ,Ihre Ascheren sollt ihr umhauen." || Aus der Aufeinanderfolge
von Jes 10.34 u. 11, 1 folgert R. Abin, daß der Messias unmittelbar nach der Zerstörung
des Tempels geboren sei, pB*^rakh 2, 4 bei Mt 2, 5 f. (S. 8o).
3,1151: Dem die Schub,© zu tragen ich nicht gut genug bin.
Das Nachtragen der Sandalen, bezw. ihre Ablösung vom Fuß eines
andren (so Mk 1, 7; Job 1, 27: Apg 13, 25) gehört zu den Diensten eines
Sklaven.
Qid],3 u. BB 53t>: Ein kananäischer (= nichtjüdischer) Sklave wird erworben
durch Geld, Kaufbrief u. (tatsächliche) Besitzergreifung. — Dazu bQid 22 b Bar: Wie
geschieht es durch Besitzergreifung? Wenn der Sklave seinem Herrn den Schuh los-
macht oder ihm die Wäsche ins Badehaus nachträgt, wenn er ihn entkleidet, badet,
salbt, kämmt, ankleidet, ihm die Schuhe anzieht oder ihn hochhebt, so hat der Herr den
Sklaven dadurch erworben. |l Aus M'kh Ex 21, 2 (82*) erfahren wir, daß der hebräische
Sklave zu diesen Diensten nicht verpflichtet war; s. Exkurs: „Altjüdisches Sklaven-
wesen". K'^thye^: R. J«^hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Alle Arbeiten, die ein
Sklave seinem Herrn verrichtet, soll ein Schüler seinem Lehrer tun, ausgenommen das
Lösen des Schuhwerks. Vgl. aber P'"siq 84 b.
Über vTTodr^ixa == Sandale s. bei Mt 10, 10 C
3, lliB: Mit Feuer taufen.
Sanh '69^: Ein Sektierer sagte zu R. Abbahu (um 300j: Euer Gott ist ein Priester;
denn es heißt Ex 25, 2: „Ihr sollt eine Hebe für mich erheben." Als er nun den Mose
122 Matth 3, 11 (SB). 12 («tt. 33). 14
feegrub (u. durch die Berührung des Toten unrein ward), worin hat er das reinigende
Tauchbad genommen? Wenn du sagen wolltest: ,In Wasser", so steht doch Jes 40, 12:
Wer hat in seiner Hohlhand die Wasser gemessen? (Also genügt alles Wasser für ein
Vollbad Gottes nicht.) R. Abbahu antwortete: In Feuer hat er sich getaucht; s. Jes
^6, 15: Siehe, Jahve geht in Feuer einher. — Wie! sprach der Sektierer, gibt es denn
«ein Tauchbad in Feuer? Gewiß, erwiderte R. Abbahu, hauptsäclilicli geschieht das
Untertauchen (u. die dadurch zu bewirkende Reinigung) in Feuer; s. Nu Hl, 23: , Alles,
was ins Feuer kommen kann, sollt ihr durchs Feuer gehn lassen u. es wird rein sein. . . .
Aber alles, was nicht ins Feuer kommen kann, sollt ihr durch Wasser gehn lassen. "^
3,12 51: Er wird seine Tenne fegen.
Nidda 31'^: Bar aus der Schule des R. Jischmafel (f um 135): Gleich einem Menschen,
•der auf den Tennen worfelt: er nimmt das Efsbare u. läßt das Untaugliche liegen. |j
TSch®bi?ith ö, 19 (68): Wenn man einen Ofen mit Stroh u. Spreu vom Brachjahr geheizt
hat, so muß er ausgekühlt werden (das Heizen damit ist verboten). || Ta?an 6*>: Bis
zu welchem Zeitpunkt darf man Nießbrauch haben u. verbrennen von Stroh u. Spreu
•des Brachjahres? Bis der zweite Frühregen fällt (d. h. nach den drei verschiedenen
Ansichten in TTa?an 1, 3 u. bTa?an 6-' am 7. oder 17. oder 23. Marcheschvan, etwa No-
vember). |! Sch^bi?ith S, 11 : In einem Bade, das mit Stroh u. Spreu vom Brachjahr geheizt
ist, darf man baden; ein geachteter Mann aber (der vorbildlich sein soll) wird es nicht
tun. II Midr HL 7,3 (127'"^) bringt ein Gleichnis des R. Abin, in welchem die Nicht-
«sraeliten dem Stroh, der Spreu u. den Stoppeln, die Israeliten dem Weizen auf der
Tenne verglichen werden; s. Exkurs: „Diese Welt" usw. II, 2 Anm. ii.
3,12 33: In seine Scheune.
dnod^r'jxjj ist ins Rabbinische übergegangen.
fAZ2, 7: Eingelegte Heuschrecken (die ein Nichtisnäelit feilhält) sind, wenn sie
aus dem Korb (im Laden) genommen werden, zum Genuß verboten (es könnte Libations-
■wein auf sie gesprengt sein); kommen sie aber aus dem Lagerraum (Vorratskammer.
pr-iS), so sind sie erlaubt). — Dazu b?AZ iO^ Bar: Heuschrecken, Kapern u. Porree,
die aus dem Speicher (■'ii-s), aus dem Lager, pr>.~., oder aus dem Schiff kommen, sind
zum Genuß erlaubt; werden sie aber im Basar von dem Krämer (olfen dastehend) ver-
kauft, so sind sie verboten, weil er Wein darüber sprengt. Ebenso ist Apfelwein von
Heiden, der aus dem Speicher, aus dem Lager, prE^, oder aus dem Schiff (lies mit
■Cod. M. nrrcr! statt ri'^iVcr: ^= Korb) kommt, erlaubt; wird er aber im Basar verkauft,
so ist er verboten, weil man ihm Wein beimischt. || Targ Jerusch I Gn 24, 2: Abraham
sprach zu Eli?ezer, seinem Sklaven, dem Ältesten seines Hauses, der über alle seine
Speicher, -p'rirs, schaltete: Lege doch deine Hand usw. |l Targ Jerusch I Dt 32, 34;
Sind nicht die Werke, die jene im Verborgenen tun, vor mir alle offenbar, versiegelt
<ii. bereit gelegt in meinen Vorratskammern "pTirs:?
3,14: Der aber wehrte ihm u. sprach: Ich bedarf wohl,
daß ich von dir getauft werde.
Die Weigerung des Johannes, Jesum zu taufen, hat selbstverständ-
lich nichts mit jener Art konventioneller Zurückhaltung zu schaffen,
von der wir zB lesen:
B'^rakh 34^: Wer vor die Lade tritt (als Vorbeter), muß sich (wenn die Aufforderung
dazu an ihn ergeht) weigern, u. wenn er sich nicht weigert, so gleicht er einer Speise,
in der kein Salz ist; wenn er sich aber über Gebühr weigert, so gleicht er einer Speise,
die das Salz anbrennen ließ. Wie soll er es machen? Das erste Mal (da man ihn
auffordert] weigere er sich, das zweite Mal willige er zum Teil ein. u. das dritte Mal
strecke er seine Füße aus u. trete vor die Lade. Vgl. B^Yakh 5,3: Wenn jemand vor
Matth 3, 16 123
die Lade tritt u. (beim Vorbeten) einen Fehler macht, so soll ein andrer für ihn hin-
treten n. sich in einem solchen Augenblick nichf weigern.
3,16: Wie eine Taube.
Die Taube ist in der rabbin. Literatur mehrfach Sinnbild der Ge-
meinde Israel ;a daß sie auch als Symbol des Geistes Gottes gegolten
habe, läßt sich nur in sehr beschränktem Maße wahrscheinlich machen. b
a. Midr HL 1, 15 (9:313): , Deine Augen sind Tauben." Wie eine Taube ohne Fehl
ist, so sind auch die Israeliten schön bei ihrem Gehen, so oft sie hinaufziehen zu den
Festen. "Wie eine T. gekennzeichnet ist (durch ihre Federn), so sind die Israeliten
gekennzeichnet durch den Haarschnitt, die Beschneidung u. die Schaufädea. Wie die T.
sittsam ist, so sind auch die Israeliten sittsam. Wie die T. ihren Hals zur Schlachtung
hinstreckt (ohne zu zucken), so auch die Israeliten, s.Ps 44,23: ,Denn um deinet-
willen werden wir immerfort getötet." Wie eine T. (als Opfer) die Sünden sühnt, so
schaffen die Israeliten den Völkern Sühnung; denn jene 70 Farren, die die Isr. am
Laubhüttenfest darbringen, entsprechen den 70 Völkern, damit die Welt um ihretwillen
nicht zerstört werde, 9. Ps 109, 4: ,Für meine Liebe hassen sie mich, u. ich bete (wört-
lich: u. ich bin Gebet)." Wie die T. von der Stunde an, da sie ihren Genossen (den
Täuber) kennen gelernt hat, diesen nicht mehr gegen einen andren vertauscht, so
haben auch die Isr. Gott, nachdem sie ihn kennen gelernt, nicht gegen einen andren
vertauscht. Wie eine T. in ihr Nest geht u. ihr Nest u. ihren Schlag u. ihre Jungen u.
ihre Brut u. ihre Fluglöcher kennt, so kennt von den drei Reihen der Gelehrtenschüler,
wenn sie vor ihnen (dem Synedrium) sitzen, jeder einzelne seinen Platz. Wie eine T.,
wenn man ihre Jungen unter ihr fortnimmt, den Schlag nicht verläßt, so haben auch
die Isr., obwohl das Heiligtum zerstört ist, die drei Feste im Jahre nicht aufgegeben.
Wie eine T. Monat für Monat aufs neue Junge bringt, so erneuern die Isr. monatlich
das Torastudium u. gute Werke. Wie eine T. eilends viele Fufstritte macht u. dann in
ihren Schlag zurückkehrt, so auch die Isr., s. Hos 11, 11: Sie werden herzuflattern wie
Vögel aus Ägypten u. wie Tauben vom Lande Assur. . . . , Deine Augen sind Tauben"
d.h. wie Tauben; dein Bild gleicht der T.: wie eine T. der Welt Licht gebracht hat,
so bringst auch du (Israel) der Welt Licht, s. Jes 60, 3: , Wallen werden Nationen nach
deinem Licht." Und wann hat die T. der Welt Licht gebracht? In den Tagen Noahs,
s. Gn 8, 11: „Die T. kam zur Abendzeit zu ihm, u. siehe, ein frisch gepflücktes Ölbaum-
blatt war in ihrem Schnabel." . . . Von wo hatte sie das Blatt geholt? . . . R Bebai
(um 320; so zu lesen nach der Mehrzahl der Parallelstellen) hat gesagt: Die Tore des
Gan fEden wurden ihr geöffnet u. von dort hat sie es geholt. R. Aibo (um 320) er-
widerte: Wenn sie es aus dem Gan fEden gebracht hat, hätte sie da nicht etwas
Vorzüglicheres, zBZimt oder Balsam bringen können? Allein sie gab Noah damit eine
Andeutung: Mein Herr Noah, lieber Bittereres noch als dieses aus Gottes Hand, als
Süßes aus deiner Hand. — Dasselbe Midr HL zu 4, 1 [lOd'"-); kürzer Tanch -i::p 1041)
u. TanchB m::r § 1 (48b); hier R. Ji^chaq, um 300, als Autor des letzten Vergleichs
(Taube u. Lsr. Bringer des Lichts). — Die Frage, woher die Taube das Ölblatt geholt,
wird ferner verhandelt GnR 33 (20''); LvR 31 (129«); vgl. auch den Ausspruch des
R. Jirm^ja b. Ehazar, um 270: Die Taube sprach zu Gott: Herr der Welt, es möge
meine Speise bitter sein wie die Olive, wenn sie nur ruht in deiner Hand; u. nicht
möge sie süß sein wie Honig u. abhangen von der Hand eines Menschen! ?Erub 18 b;
Sanh 108b (hier vor Elfazar zu ergänzen „Jirmeja b."). || Midr HL 2, 14 (101»): , Meine
Taube in den Felsenritzen" HL 2, 14. Was heißt das? R. Jochanan (f 279) hat gesagt:
Gott spricht: Ich nenne Israel eine Taube, s. Hos 7, 11: ,Es ward Ephraim einer ein-
fältigen T. gleich, die unverständig." Bei mir sind sie wie eine T., aber den Völkern
der Welt gegenüber sind sie den wilden Tieren gleich, s. Gn49, 9: ,Ein Löwenjunges
istJ^huda"; Vers 21: ,Naphtali ist eine frei schweifende Hinde" ; Vers 17: ,Es werde
Dan eine Schlange am Wege" ; Vers 27: „Benjamin ist ein Wolf, der zerreißt.* Und
124 Matth 3, 16
alle zwölf Stämme werden mit wilden Tieren verglichen. Weil die Völker der Welt
wider Israel kämpfen u. zu ihnen sagen: Wozu hangt ihr am Sabbat u. an der Be-
schneidung? Darum macht Gott Israel stark, daß sie vor den Völkern wie wilde Tiere
werden, um jene vor Gott u. vor Israel zu beugen. Aber Gott gegenüber sind sie wie
eine T. ohne Fehl u. hören auf ihn, s. Ex 4, 31: „Und das Volk glaubte." — In etwas
breiterer Ausführung ExR 21 (8:^"=). II Sanh 95^: Es kam eine Taube, die vor Abischai
b. 9®ruja niederfiel. Er sprach : Die Gemeinde Isr. wird der T. verglichen, vgl. Ps 68, 14:
,Die Fittige der T., mit Silber überzogen." Daraus entnehme ich, daß sich David, der
König Israels, in Not befindet. || B'^rakh 53 b; Warum wird die Gemeinde Israel mit der
T. verglichen (Ps 68, 14)? Wie die T. sich nur mit ihren Flügeln rettet, so wird Isr.
nur durch Gebotserfüllungen gerettet. |1 Schab 49^^ u. 130*: Warum heißt Elisa .der
Geflügelte z-t:^ hyz"? Einmal hatte die Regierung das Edikt gegen die Israeliten er-
lassen, daß man jedem, der die Gebetsriemen anlege, das Gehirn ausstechen solle.
Elisa legte sie an u. ging auf die Straße hinaus. Als ihn ein Strafrichter sah, floh er
vor ihm; dieser setzte iiim nach. Als er ihn eingeholt hatte, nahm er sie von seinem
Kopf u. hielt sie in seiner Hand. Er sprach zu ihm: Was ist das in deiner Hand?
Er sprach zu ihm: Taubenflügel. Er streckte seine Hand aus, u. es befanden sich
darin Taubenflügel. Deshalb nannte man ihn , Elisa der Geflügelte". Was ist denn
für ein Unterschied zwischen den Flügeln der T. u. denen der übrigen Vögel? Es
wird die Gemeinde Israel mit der T. verglichen Ps 68, 14. Wie ihre Flügel die Taube
schützen, so schützen aucli die Gebote Israel.
b. Die als Beleg hierfür beigebrachte Stelle TChag 2, 5 (234); pChag 2, 77-\ 61 ;
bChag 15*; GnR 2 {'■i'^) ist nicht beweiskräftig. In der Tosephta heißt es (die in Be-
tracht kommenden Abweichungen der Parallelen in Klammer) : Einmal ging R. J^'hoschua?
(b. Chananja, um 90) auf einer Straße, wobei ihm Ben Zoma begegnete. Als dieser an
ihn herangekommen war u. ihn nicht grüßte, sprach R. J^'hoschua? zu ihm : Woher u.
wohin, Ben Zoma? Dieser antwortete: Ich habe Betrachtungen über das Scböpfungs-
werk angestellt u. (fand, daß) zwischen den obern u. den untern Wassern (vgl. Gn 1,7)
auch noch nicht einmal eine Handbreite Zwischenraum sich befand; denn es heißt Gn
1,2: „Der Geist Gottes schwebte, rt~->3, über den Wassern", u. Dt 32, 11 heißt es:
,Wie ein Adler, der sein Nest erregt, schwebend :nn-' über seiner Brut." [Dies Zitat
fehlt im Babli u. in GnR.] Wie ein Adler über seinem Neste schwebt, es berührend
u. es doch nicht berührend, so ist auch zwischen den oberen u. den unteren Wassern
nicht einmal eine Handbreite Zwischenraum. [pOhag: Wie das Schweben hier ein Be-
rühren u. ein Nichtberühreu, so auch dort; Babli: Wie eine T., die über ihren Jungen
schwebt, ohne sie zu berühren; GnR: Wie ein Vogel, der mit seinen Flügeln flattert,
wobei seine Flügel (das Nest) berühren u. nicht berühren.] Da sprach R. J^hoschuaf
zu seinen Schülern: Ben Zoma ist schon draußen (nicht mehr bei sich, von Sinnen);
nur wenige Tage vergingen, da war Ben Zoma verschieden. — Nur der Babli redet
von der T., während die beiden ersten Zeugen auf Grund von Dt 32, 11 auf den Adler
u. GnR allgemein auf einen Vogel exemplifizieren. Alle Stellen haben gemeinsam, daß
sie das Schweben des Gottesgeistes durch das Schweben eines Vogels über seinen
Jungen veranschaulichen. Dagegen tritt der Gedanke, daß der Adler oder die T. oder
sonst ein Vogel das Symbol des göttlichen Geistes sei, nirgends hervor. |! In B'^rakh 3*
wird der Ton einer göttl. Himmelsstimme mit dem Girren der Taube verglichen: (Elias,
der dem R. Jose b. Chalaphta, um 150, an einer der Ruinen Jerusalems erschien, sprach
zu ihm:) Mein Sohn, was für eine Stimme hast du in dieser Ruine vernommen? Ich
antwortete ihm: Ich habe eine Himmelsstimme (Bath-Qöl) vernommen, die wie eine T.
girrte u. rief: Wehe, daß ich mein Haus zerstört u. meinen Tempel verbrannt u. meine
Kinder unter die Völker verbannt habe! Er sprach zu mir: Bei deinem Leben u. dem
Leben deines Hauptes! nicht bloß in diesem Augenblick sprach sie (die Bath-Qöl) also,
sondern Tag für Tag spricht sie also dreimal; u. nicht dies allein, sondern zu der Zeit,
da die Israeliten in die Synagogen u. Lehrhäuser gehen u. (dem Vorbeter) antworten:
„Amen! es sei sein großer Name gepriesen!" schüttelt Gott sein Haupt u. spricht:
Matth 3, 16. 17 {%) 125
Heil dem König, den man so in seinem Hause preist. Was hat der Vater davon, daß
er seine Kinder verbannte? u. wehe den Kindern, die vom Tisch ihres Vaters verbannt
worden. — Die Bath-Qol gilt als schwacher Ersatz der Prophetie, kann also als Stimme
des prophet. Geistes oder des heiligen Geistes angesehen werden. Wird ihr Klang nun
mit dem Girren der T. verglichen, so liegt die Annahme nahe, daß man vom heiligen
Geist unter dem Bilde einer Taube gesprochen hat. Dafür spricht besonders die alle-
gorische Auslegung von HL 2, 12 auf die Erlösung Israels aus Ägyptenland in dem
allerdings späten Targum zur Stelle: „Mose u. Ahron, die den Palmzweigen gleichen,
sind erschienen, um Wunder im Lande der Ägypter zu tun, u. die Zeit der Wegraffung
der (ägyptischen) Erstgeborenen ist gekommen (Ausdeutung der Textworte ^'izTr. n-),
u. die Stimme des heiligen Geistes (Textwort -irr. '-nip Stimme der Turteltaube) von
der Erlösung, von der ich zu eurem Vater Abraham geredet habe, habt ihr schon ver-
nommen. Was habe ich zu ihm gesagt? ,Auch das Volk, dem sie dienen werden, werde
ich richten, u. danach werden sie mit großer Habe ausziehen' Gn 15, 14; u. jetzt will
icli tun, was ich mit ihm durch mein Wort vereinbart habe." — In Midr HL 2, 12 (100'')
u. P'^siqR 15 (73b), wo sich diese Allegorie auch findet, wird die „Stimme der Turtel-
taube" aber nicht auf den heiligen Geist, sondern auf Mose gedeutet. — Jedenfalls
gibt es in der älteren Literatur keine Stelle, in der die Taube klar u. deutlich ein
Symbol des heiligen Geistes wäre.
3,17 51: Eine Stimme vom Himmel her sprach.
?-ip rz, aram. a\'^ r-n? oder b\: r-n? = „Tochter der Stimme", wird
von den Tosaphisten zu Sanh 11* also erklärt: Man hörte nicht die
Stimme, die vom Himmel ausging, sondern aus dieser Stimme ging
eine andre Stimme hervor; wie wenn ein Mensch mit Gewalt einen
Schlag ausführt u. man hört einen zweiten Ton, der in der Ferne aus
ihm (dem Schlag) hervorging. Eine solche Stimme hörte man; deshalb
nannte man sie „Tochter der Stimme". — Hiernach ist die Bath-Qol
gedacht als der Widerhall (Echo),a der von einer Gottesstimme im
Himmel ausgeht u. auf der Erde gehört wird. — Nachdem die prophet.
Begabung mit den letzten Propheten in Israel aufgehört hat, ist man
auf die Bath-Qol angewiesen. b Dieser Ersatz der Prophetie ist aber
kein vollwertiger; denn während das prophet. Wort unmittelbar vom
heil. Geist (= Geist der Prophetie) ausging, redet Gott durch die Bath-
Qol nur mittelbare zu Israel; sie ist eben nur Widerhall der Gottes-
stimme. Damit hängt die geringe Wertschätzung zus., die man zum
Teil der Bath-Qol entgegengebracht hat. So wird ihr jede autoritative
Bedeutung für die Entscheidung in halakhischen Fragen abgesprochen. d
— Joma9'' lesen wir: Resch Laqisch (um 250) badete im Jordan; es
kam Rabba bar bar Ghana (ein Babylonier) u. gab ihm die Hand. Bei
Gott, sprach Resch Laqisch, ich hasse euch (Babylonier); denn es heißt
HL 8,9: „Ist sie (im Sinn des Midrasch: die Gemeinde Israel) eine
Mauer, so bauen wir ein Schloß von Silber auf sie; ist sie aber eine
Tür, so verschließen wir sie mit einem Zederbrett." Wenn ihr (Baby-
lonier) euch selbst zu einer Mauer gemacht hättet ü. allesamt in den
Tagen Esras heraufgezogen wäret (nach dem Lande Isr.), so wäret
ihr dem Silber gleich, über das keine Fäulnis Gewalt hat (ohne Bild:
so würde die göttliche Gegenwart, die Sch^'khina, in Israel wohnen,
126 Matth o, 17 (31)
wie vordem zur Zeit des Tempels Salomos); jetzt aber, da ihr wie
Türen (d. h, vereinzelt) heraufgezogen seid, gleicht ihr einer Zeder,
in der Fäulnis herrscht (der Geist der Prophetie ist gewichen, nur die
Bath-Qol ist geblieben). Welche Zeder ist hier gemeint? ?Ulla (um 280)
sagte: Die wurmstichige. Was ist damit gemeint? R. Abba (um 290)
sagte: Die Bath-Qol (d. h. wie an der wurmstichigen Zeder nur wenig
brauchbares Holz sich findet, so ist Israel die Bath-Qol verblieben als
dürftiger Überrest des entschwundenen Geistes der Prophetie): wie
es in der Bar heißt: Als die letzten Propheten Haggai, Sacharja u.
Maleachi gestorben waren, entschwand der heil. Geist (Geist der Pro-
phetie) aus Israel, so daß sie sich jetzt der Bath-Qol bedienen (zu
dieser Bar vgl. die Zitate in Anmerk. Z*). — R. I^uben, gegen 300, ver-
anschaulichte den Wert der Bath-Qol Midr HL zu 8, 9 f. (132 ") durch
dieses Gleichnis: Wenn der König in einer Stadt weilt, so ruft man
bittend zu ihm, u. er tut (um was man gebeten hat); wenn der König
aber nicht in der Stadt weilt, so ist sein Standbild wohl da, allein
dies kann nicht tun, was der König tut (so ist die Bath-Qol an die
Stelle der Prophetie getreten, aber jene kann nicht wirken, was diese
wirkte Matt. K^'hunna). — Günstiger, aber doch die Armseligkeit der
Bath-Qol hervorhebend, lautet das Urteil des R. Aibo, um 320, Midr
HL zu 8, 9 f. (132'^): Gott hat gesagt: Ich werde den Israeliten einen
Fürsprecher unter den Völkern der Welt schaffen. Wer ist das? Die
Bath-Qol, vgl. Jesl,9: „Wenn nicht Jahve Q'^baoth uns einen Rest
hätte übrig bleiben lassen spärlich genug, wie Sodom wären wir ge-
worden, wären Gomorra gleich!" — Auch hier liegt die Anschauung
vor, daß die Bath-Qol ein dürftiger Überrest des Geistes der Prophetie
sei; vgl. hierzu bei Joh 14, 16 Anm. h. — Die Bath-Qol geht aus von
den Stätten, an denen Gott weilt, bezw. geweilt hat: vom Himmel,«
vom Heiligtum, f vom Horeb.g Ungewöhnlich heißt es im Targ Jerusch II
zu Nu 21, 6: „Eine Bath-Qol ging aus von der Erde u. die Stimme
ward in den Höhen (= Himmel) gehört." Diese Ausdrucksweise wird
mit dem Streben zusammenhangen, das böse Verhängnis von Nu 21, 6
nicht auf Gott zurückzuführen; vgl. das Zitat Anm. c. Der Targ Jerusch I
zur St. lautet: „Eine Bath-Qol fiel vom hohen Himmel u. sprach also"
etc. — Die Aufgabe der Bath-Qol wird Sota 33 '^ dahin bestimmt, daß
sie eine Botschaft übermitteln soll: v^-riv- -^^-i^oaxb, zum Verkündigen ist
sie da. Deshalb darf sie auch in aramäischer Sprache ergehn, obgleich
diese Sprache sonst bei den Himmlischen nicht beliebt ist Sota 33»;
auch Midr HL zu 8, 9 f. (132"^) wird einmal ausdrücklich auf das aram.
Idiom einer Bath-Qol hingewiesen. — Ihrer Aufgabe entsprechend ist
die Bath-Qol mefst kurz gehalten; doch fehlt es auch nicht an Aus-
nahmen. Die umfangreichste dürfte sich Apoc Bar 13, 1 ff. finden. —
Der Inhalt der einzelnen Himmelsstimmen ist gar mannigfach, wie die
unten folgenden Beispiele h zeigen: sie trösten, warnen, mahnen, strafen,
Matth 3, 17 (%} 127
entscheiden usw.: bes. beliebt ist die Bath-Qol da, wo es gilt, einem
Menschen die Anteilnahme an der Seligkeit des Himmels oder aii der
zukünftigen Welt zu besiegeln.»
Noch sei darauf hingewiesen, daß der Ausdruck b-p rr an einigen,
Stellen seine ursprüngliche Bedeutung „Himmelsstimme" verloren hat
u. etwa soviel wie „Omen" ist.k Aber daß ein Sprichwort Bath-Qot
genannt werde (Weber 2 195), läßt sich nicht beweisen. 1
a. ExR 29 (89"): „Diese Worte redete Jahve zu eurer ganzen Versammlung . . .^
mit lauter Stimme, die nicht noch einmal war* Dt 5, 19 (sich nicht wiederholte; so»
der Midrasch). R. Schim?on b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Was heißt: ,die nicht,
noch einmal war" V Wenn ein Mensch einem andren etwas zuruft, so hat seine Stimme
eine Bath-Qol (Echo); aber die Stimme, die aus Gottes Mund hervorging, hatte keine^
Bath-Qol. II Midr HL 1,3 (85*): Wie das Öl keine Bath-Qol hat (wenn man es in ein.
Gefäß gießt), so hat auch Israel (in seinen Klagen) keine Bath-Qol in dieser Welt;,
aber von der zukünftigen Welt heißt es Jes29, 4: ,Tief unten vom Boden wirst du.
sprechen u. gedämpft wird aus dem Staube deine Rede tönen" usw. — Diese Stellen,
zeigen, daß Bath-Qol nichts andres als Widerhall oder Echo bedeutet.
b. TSota 13, 2 (318): Als Haggai, Sacharja u. Maleachi, die letzten Propheten, ge-
storben waren, schwand der heilige Geist (Geist der Prophetie) aus Israel; gleichwohl,
ließ man (= Gott) sie die Bath-Qol hören. Parallelstellen: pSota !», 13 (24b, 21 ); als.
Bar Sota 48''; Sanhll»; Joma9b; Midr HL zu 8, 9 f. (132b). — Das Fehlen des prophet.
Geistes in Israel wird etlichemal (s. Anm. // 8) auf die Unwürdigkeit des jeweiligen;
(jleschlechts zurückgeführt. Andrerseits hat man die Gabe der Prophetie, das Schauen
im heiligen Geist, ausdrücklich dem Rabban Gamlißl IL, um 90, nachgerühmt TP^'s.
1.27(157); fErub64b; LvR 37 (I33<3); pfAZ l,40^44; ebenso dem R. ?Aqiba, f um 135,
LvR 21 (120"); dem R. Meiir, um 150, pSota 1. lö»^, 42 u. dem R. Schim?on b. Jochai,
um 150, P"siq 90»; s. die Stellen bei Lk 2, 25.
C. Targ KL 3, 38 : Aus dem Munde Gottes geht Schlimmes (Unglück) nicht hervor,,
sondern durch eine Bath-Qol wird es angedeutet wegen der Gewalttaten, von denen
die Erde voll ist; wenn er aber Gutes über die Welt beschließen will, so geht es aus-
seinem heiligen Mund hervor.
d. B^rakh 52 » u. Chullin 44»: R. J^hoschua? (b. Ghananja, um 90) hat gesagt: Man.
nimmt auf eine Bath-Qol keine Rücksicht (nämlich bei der Entscheidung über Fragen
halakhischer Art). — \\ BM 59b Bar: An jenem Tage (als über den ,Ofen des fAkhnai
"S3:>'" Kelim 5, 10 debattiert wurde) machte R. Eli?ezer (b. Hyrkanos, um 90) alle mög-
lichen Einwendungen, aber man nahm sie nicht an. Da sprach er zu ihnen: Wenn die-
Halakha (die gesetzl. Bestimmung) so ist, wie ich sage, so möge dieser Johannisbrot-
banm Beweis sein. Da wurde der J. 100 Ellen weit von seinem Standort ausgerissen;. '
einige sagen 400 Ellen weit. Man antwortete ihm: Man bringt keinen Beweis voa
einem J. — Wiederum sprach er zu ihnen: Wenn die Halakha so ist, wie ich sage,.
so möge ein Wasserlauf Beweis sein. Da floß der W. rückwärts. Man antwortete ihm:
.Man bringt keinen Beweis von einem W. — Wiederum sprach er zu ihnen: Wenn die-
Halakha so ist, wie ich sage, so mögen die Wände des Lehrhauses Beweis sein. Da
neigten sich die Wände des L. zum Einfallen. Aber R. J'^hoschuaf (b. Chananja, um 90).
fuhr sie an u. sprach: Wenn die Gelehrtenschüler miteinander kämpfen in der Halakha,
was geht das euch an! Da fielen sie nicht ein wegen der Ehre des R. J'^hoschua?, aber
sie richteten sich auch nicht auf wegen der Ehre des R. Elifezer. Und noch immer
stehen sie geneigt. — Wiedetum sprach er zu ihnen: Wenn die Halakha so ist, wie^
ich sage, so mag vom Himmel aus der Beweis kommen! Da ging eine Bath-Qol aus,,
welche sprach: Was habt ihr mit R. Eli?ezer zu schaffen"? Die Halakha richtet sich
überall nach seiner Meinung! Aber R. J'^hoschua? stellte sich auf seine Füße u. sprach i
, Nicht im Himmel ist sie" (im Sinn des Midrasch: die Tora) Dt 30, 12. — Was heißt
128 * Matth 3, 17 (31)
das: , Nicht iin Himmel ist sie"? R. Jirra^^ja (um 320) hat gesagt: Die Tora ist längst
vom Berge Sinai gegeben worden. — Wir nehmen auf eine Bath-Qol keine Rücksicht;
denn längst hast du (Gott) vom Berge Sinai her in der Tora geschrieben Ex 28,2:
Nach der Mehrzahl (Majorität) sollst du dich richten (so der Midrasch). R. Nathan lum
160) traf den (Propheten) Elias u. sprach zu ihm: Was machte Gott in jener Stunde? Er
antwortete ihm: Er lachte u. sprach: Meine Kinder haben mich besiegt, meine Kinder
haben mich besiegt! — Man hat gesagt: An jenem Tage brachte man alles Reine, was
R. Elifezer für rein erklärt hatte, u. verbrannte es mit Feuer. Dann stimmte man über
ihn ab u. verfluchte ihn (verhängte den Bann über ihn; s. den Exkurs „Synagogenbann").
e. Vgl. Anm. A Nr. 8. /. Vgl. Anm. Ä Nr. 1. g". Vgl. Änm. /t Nr^ie u. 22.
h. Aus der unendlichen Fülle von Beispielen seien folgende hervorgehoben:
1. pSota ^), 13 r24b, 22): Einmal hörte Schimfon der Gerechte (IL, um -^00 v. Chr.),
wie eine Bath-Qol aus dem Allerheiligsten hervorging, welche sprach: „Getötet ward
cp^'-i; c--; ' u. beseitigt sind seine Edikte!" — Einmal war eine junge Mannschaft nach
Antiochia in den Krieg gezogen; da hörte der Hohepriester Jochanan (=; Johannes
Hyrkanus, 135 — 104 v.Chr.) eine Bath-Qol, die aus dem Allerheiligsten hervorging, u.
sprach : „Die Jünglinge haben gesiegt, die in Antiochia Krieg geführt haben." — Parallel-
stellen: Sota '^2>°- als Bar; T>ota 13, 5 f. (319). In der letztern heißt es statt Bath-Qol:
„er hörte aus dem Allerheiligsten", bezw.: „er hörte"; in der erstem: „er hörte aus
dem Allerheiligsten", bezw.: „er hörte eine Stimme aus dem Allerheiligsten": beide
Stellen weisen auf den aram. Wortlaut des Gehörten hin.
2. M^g 3^: R. Jirm'^ja (um 320), nach andern R. Chijja b. Abba (um 280) hat ge-
sagt: Den Targum zur Tora hat der Proselyt Onkelos gesagt nach den Worten des
R. Elifezer (um 90 n.Chr.) u. des R. J^hoschuaf (um 90). Den Targum zu den Pro-
pheten hat Jonathan b. fUzziel Zeitgenosse Jesu) gesagt nach den Worten des Haggai,
Sacharja u. Maleachi. Da erbebte das Land Israel 4ü0 Parasangen weit im Geviert u.
eine Bath-Qol gmg aus, welche sprach: „Wer ist der, der meine Geheimnisse den
Menschenkindern offenbart hat?" Da trat Jonathan b. ?üzziel auf seine Füße u. sprach:
Ich bin es, der deine Geheimnisse den Menschenkindern offenbart hat. Offenbar u. kund
ist es vor dir, daß ich es nicht zu meiner Ehre getan habe, auch nicht zur Ehre meines
Vaters, sondern zu deiner Ehre habe ich es getan, damit sich nicht die Parteiungen
in Israel mehren. Auch wollte er den Targum zu den Hagiographen veröffentlichen;
aber eine Bath-Qol ging aus, welche zu ihm sprach: „Es sei genug." Aus welchem
Grunde? Weil darin (speziell wohl das Buch Daniel gemeint) der Termin (der Ankunft)
des Messias enthalten ist.
3. fErub 13 b; R. Abba (um 290) hat gesagt, Schemuel (f 254) habe gesagt: Drei
Jahre stritten die Schulen Schammais u. Hilleis (1. Jarh. n. Chr.); jene sprachen: Die
Halakha entspiicht unsrer Meinung; u. diese sprachen: Die Halakha entspricht unsrer
Meinung! Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Diese Worte sowohl wie jene
sind Worte des lebendigen Gottes; aber die Halakha richtet sich nach der Schule
Hillels!" — Dasselbe kürzer als Bar pB^rakh 1, o^, H9; hier der Zusatz, daß nach
R. Jochanan if 279) die Bath-Qol in Jahne (dem ersten Sammelpunkt der Hilleliten
nach der Zerstörung Jerusalems) ergangen sei. — Auf diese Bath-Qol wird mehrfach
Bezug genommen, zB B'^rakh 51''; Chuilin 44^; pB'rakh 1,3^, H5.
4. Gittin 5ii'': (Als Titus nach der Zerstörung des Heiligtums bei seiner Rückkehr
nach Rom eine stürmische Meerfahrt liatte, lästerte er Gott:) Es will mir scheinen,
als ob der Gott dieser (Juden) nur im Wasser seine Kraft besitzt: es kam der Pharao, er
versenkte ihn ins Wasser. Desgleichen Sissera: Auch wider mich erhebt er sich, mich
^ Dieser Name wird meist = Gaius Caligula gedeutet, was des argen Anachronis-
mus wegen abzulehnen ist. In Seder fOlaniR 30 wird c^t-c; als letzter griechischer
(syrischer) Herrscher nach Antiochus aufgezählt; vielleicht ist an den syrischen Feld-
herrn Gorgias zu denken; dann wäre der Name zu deuten: „Der Räuber (c"?) Gor-
gias" ; ein Anachronismus bliebe freilich auch so bestehn.
MatthS, 17(5t Anm.h) 129
im Wasser untergehen zu lassen. Wenn er ein Held ist, so komme er aufs trockne
Land u. führe mit mir Krieg! Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: ,Du Frevler,
Sohn eines Frevlers, Nachkomme des frevlerischen Esau, ein kleines Geschöpf habe
ich in meiner Welt, Mücke ist sein Name . . ., komm aufs trockne Land u. führe mit
ihr Krieg!" Er stieg ans Land; eine Mücke kam u. drang in seine Nase u. durchbohrte
sieben Jahre lang sein Gehirn (bis er daran starb). — In den Parallelstellen GnR 10
(7d); LvR 1-1 (12P); NuR 18 (185''); Midr Qoh 5, 8 (Sß'') wird die Bath-Qol nicht er-
wähnt; es heißt einfach: „Gott sprach."
5. SDt 34, 5 § 357 (149'^): R. Eli?ezer (b. Hyrkanos, um 90) hat gesagt: Eine Bath-
Qol ging (in der Sterbestunde Moses) aus durch das Lager Israels zwölf Mil im Geviert,
welche verkündete: „Mose ist gestorben!" — Als Bar Sota 13'': Gestorben ist Mose,
der große Lehrer Isl'aels, "'ss— :;-n na-^ n-eo.
6. Ta?an 25b: Einmal trat R. Eli?ezer (um 90) vor die Lade u. sprach 24 Bene-
diktionen (damit Regen niederfalle); aber er ward nicht erhört. Da trat nach ihm
R. ?Aqiba (f um 135) vor u. sprach: „Unser Vater, unser König, wir haben keinen König
außer dir; unser Vater, unser König, um deinetwillen erbarme dich über uns!" Da fiel
Regen hernieder. Als die Rabbinen murrten, ging eine Bath-Qol aus, welche sprach:
„Nicht weil dieser größer ist ajs jener, sondern weil dieser nachgiebig ist (wörtlich:
an seinen Eigenschaften, Grundsätzen vorübergeht) u. jener nicht." — Anders u. ohne
Erwähnung der Bath-Qol pTa?an 3, 66"', 64.
7. pTa?an 4, 68 '^, 65; Midr KL zu 2, 2 (63^): Sofort (nachdem Bar Kokh'^ba seinen
Oheim, den R. El?azar aus Modifim, durch einen Fußtritt, etwa 135 n. Chr., getötet
hatte) ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Wehe, du nichtsnutziger Hirt, der die
Herde im Stich läßt! Schwert über seinen Arm u. sein rechtes Auge! Sein Arm müsse
gar verdorren u. sein rechtes Auge gar erblinden! (Sach II, 17). Du hast den R. Elfazar
aus Modi?im getötet, den Arm von ganz Israel u. ihr rechtes Auge; deshalb soll der
Arm dieses Mannes (d. h. dein Arm) gar verdorren u. sein rechtes Auge gar erblinden."
Alsbald wurde Beth ther (der Schauplatz der Tätigkeit des Bar Kokh*^ba) eingenommen
u. Ben Kozeba (= Bar Kokh^ba, s. S. 13. 76) getötet.
8. TSota 13, 3 f. (318): Einmal waren die Gelehrten in dem Hause des Gurja "-i;
(s"i;, n---; liest der Babli; die pal. Gemara u. Midr HL lesen s--;) in Jericho zu-
sammengetreten. Da hörten sie eine Bath-Qol, welche sprach: „Hier ist ein Mensch,
der des heiligen Geistes (d.h. des Geistes der Prophetie) würdig ist; allein sein Ge-
schlecht (Zeitalter) verdient es nicht." Man richtete die Augen. auf Hillel, den Alten
(um 20 V. Chr.). . . . Ein andermal saßen sie in Jahne u. hörten eine Bath-Qol, welche
sprach: „Hier ist ein Mensch, der des heiligen Geistes würdig ist; allein sein Ge-
schlecht verdient es nicht." Man richtete die Augen auf Sch'^muel den Kleinen (um
lOü n. Chr.). Parallelstellen : pSota S>, 24 ^ 27 ; bSota 48 '' ; Sanh 1 1 » (in den beiden letzten
Stellen: „Es ließ sich eine Bath-Qol ,vom Himmel her' über ihnen vernehmen"); Midr
HL 8, 9 f. (132 b). — Der Bericht des R. J^hoschuaf b. Levi über obige Ereignisse, der
sich pSota !>, 24'-", 33; p$AZ 3, 42 S 28; pHor 3, 48 ^ 35 findet, macht in anachronistischer
Weise Sch'^^muel den Kleinen zu einem Zeitgenossen Hillels u. verherrlicht den R. Eli?ezer
b. Hyrkanos, um 90 n. Chr., als dritten, der des heiligen Geistes würdig gewesen.
9. B''rakh3a Bar: (Der Prophet Elias fragt den R.Jose b. Chalaphta, um 150,
nachdem dieser in einer der Ruinen Jerusalems sein Gebet verrichtet hat:) Mein Sohn,
welche Stimme hast du in dieser Ruine gehört? Ich antwortete ihm: Eine Bath-Qol
habe ich gehört, die wie eine Taube girrte (r^irtj»:: brummte, summte): „Wehe, daß
ich mein Haus zerstört u. meinen Tempel, •is-r! , verbrannt u. meine Kinder unter die
Nationen vei bannt habe!" (s. die ungekürzte Stelle S. 124).
10- BM 85": Als R. Jose b. Elfazar (b. Schimfon b. Jochai, um 180) verstorben war,
wollte man ihn in der Grabhöhle seines Vaters beisetzen. Es lag aber eine Schlange
zusammengerollt vor der Höhle; man sprach zu ihr: Schlange, Schlange, öffne deinen
Mund (Raschi zu BM 84b: Entferne deinen Schwanz aus deinem Munde, um Raum zum
Eintritt zu schaffen), damit der Sohn zu seinem Vater komme. Aber sie öffnete ihn
Strack u.Billerbeck, NT I. 9
130 MatthS, 17 (3t Anm. h)
nicht. Das Volk meinte, weil jener (dei- Vater) größer sei als dieser (der Sohn). Da
ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: Nicht weil jener größer ist als dieser, sondern
weil jener in der Not der Höhle sich befunden hat u. dieser nicht (R. Elfazar soll in
einer Verfolgungszeit 13 Jahre mit seinem Vater Schim?on in einer Höhle zugebracht
haben Schab ö3b).
11. Sanh 94^: R. Tanchum (wohl b. Chanilai, um 280) hat gesagt: Bar Qappara
(um 220) hat in Sepphoris öffentlich vorgetragen : Warum ist jeder in der Mitte eines
Wortes sich findende Mem-Buchstabe offen geschrieben u. das Mem in ~3-cJ: Jes 9, 6
geschlossen (wie das Mem finale)? Es wollte Gott den Hiskia zum Messias u. Sanherib
zu Gog u. Magog machen; aber die göttliche Gerechtigkeit sprach vor Gott: Herr der
Welt, den David, den König Israels, der viele Lieder u. Lobgesänge vor dir gesprochen
hat, hast du nicht zum Messias gemacht, u. den Hiskia, dem du alle diese Wunder
getan hast u. der kein Lied vor dir gesagt hat, willst du zum Messias machen? Des-
halb wurde das Mem sofort geschlossen. Da öffnete die Erde ihren Mund u. sprach
vor ihm: Herr der Welt, ich will vor dir ein Lied sagen an Stelle dieses Gerechten,
nur mache ihn zum Messias. Sie hob an u. sprach ein Lied vor ihm, s. Jes 24, 16:
,Vom Saume der Erde hören wir Gesänge: ,Willfahre dem Gerechten'!" (so der Midr).
Es spiach der Fürst der Welt (ein Engelfürst, der dehi Gesamt-Naturleben vorsteht)
vor ihm: Herr der Welt, tue diesem Gerechten seinen Willen! Da ging eine Bath-Qol
aus, welche sprach: Mein Geheimnis für mich! Mein Geheimnis für mich! (Jes 24, 16
nach Auffassung des Midrasch). Der Prophet sprach : Wehe mir, wehe mir, wie lange
noch? Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: Solange die Treulosen treulos sind,
ja die Treulosen treulos sind! (das.)
12. M^'g 29=^: Bar Qappara (um 220) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt Ps 68, 17:
jWozu wollt ihr rechten, ihr buckligen Berge?" (so der Midrasch). Es ging eine Bath-
Qol aus, die zu ihnen sprach: , Warum wollt ihr rechten (i'-n-r wird gedeutet = is-.i
•--) mit dem Sinai? Ihr alle seid mit Fehlern behaftet gegenüber dem Sinai." Es heißt
hier: , Bucklige Berge"; u. es heißt dort Lv 21,20: „Kein Buckliger" (soll Gotte nahen).
13. BQ 58'*: R. BannaJa (um 220) kennzeichnete (Grab-)Höhlen (durch Kalkanstrich;
dies geschah, damit die Priester die Grabstätten erkennen u. meiden möchten. Bei
dieser Gelegenheit war er auch Abrahams in dessen Grabhöhle ansichtig geworden).
Als er an die Grabhöhle des ersten Menschen kam, ging eine Bath-Qol aus, welche
sprach: „Das Bild meines (Gottes) Ebenbildes (d. h. Abraham, den Nachkommen Adams)
hast du geschaut, mein (Gottes) Ebenbild selbst (d. h. Adam) kannst du nicht schauen!"
14. Midr Qoh zu 7, 16 (36'^): R. Huna (um 350) u. R. Bannaja (= R. Banna^a in
Nr. 13) haben gesagt: Saul fing an mit seinem Schöpfer zu rechten u. sprach: So hat
Gott gesagt: „Geh u. schlage fAmaleq" usw (1 Sm 15, 3). Wenn die Männer gesündigt
haben, was haben die Frauen u. die Kinder u. die Ochsen u. Esel gesündigt? Da ging
eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Sei nicht allzu gerecht (Qoh 7, 16), mehr als deia
Schöpfer!" — Die Rabbanan sagten: Er fing an zu rechten wegen des Kalbes, dem
das Genick gebrochen werden soll. Er sprach: Es heißt Dt 21, 4: „Sie sollen dort dem
Kalb im Tale das Genick brechen." Jener hat getötet u. diesem soll das Genick ge-
brochen werden? Wenn der Mensch gesündigt hat, was hat das Tier gesündigt? Da
ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: ,.Sei nicht allzu gerecht!" — Beide Auslegungen
hat R. Mani (IL, um 870) nach Joma22^ miteinander verbunden n. dann mit folgenden
Worten geschlossen: Als Saul zu Doeg sprach 1 Sm 22, 18: „Wende dich herzu u. mache
dich an die Priester!" ging eine Bath-Qol aus, welche zu ihm sprach: „Sei nicht allzu
gottlos!" Qoh 7, 17.
15. Sanh 10415: Rah J<^huda (t 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Sie (die
Gelehrten) wollten noch einen dazuzählen (zu den von der zukünftigen Welt aus-
geschlossenen Königen Israels, nämlich den Salomo); da kam das Bild seines (des
Salomo) Vaters u. streckte sich (bittend) vor ihnen nieder; aber sie nahmen keine
Rücksicht darauf. Es kam Feuer vom Himmel, u. das Feuer leckte an ihren Bänken
(im Lehrhaus); aber sie nahmen keine Rücksicht darauf. P]s ging eine Bath-Qol aus,.
Matth 3, 17 (31 Anm. h) 131
die zu ihnen sprach: „Siehst du einen Mann, der hurtig ist in seinem Geschäft: vor
Königen kann der sich stellen, nicht wird er sich vor ünberühmten (wörtlich : Dunklen)
stellen" Spr 22, 29. „Der, welcher mein Haus dem seinigen ließ voraufgehn, u. nicht
bloß dies, der mein Haus in sieben Jahren u. das seinige in dreizehn Jahren erbaut
hat, der kann sich vor Königen stellen, aber nicht wird er sich vor Unberühmten
stellen!" Aber sie nahmen keine Rücksicht darauf. Da ging eine Bath-Qol aus, welche
sprach Hi 34, 33: ,Wird er etwa nach deinem Sinn Vergeltung üben, daß du verwirfst,
daß du erwählst, u. nicht ich?" — Dasselbe NuR 14 (172'^) mit dem Schlußsatz: Sofort
standen sie davon ab, den Salomo mit ihnen zu verbinden (den von der zukünftigen
Welt Ausgeschlossenen zuzuzählen). — Ähnlich, aber kürzer mit Ps 105, 15 (Tastet
meine Gesalbten nicht an!) als Inhalt der Bath-Qol u. dem R. J^'hoschua? b. Levi.
um 250, als Autor Midr HL Eiul., 78*^; in andrer Fassung u. ohne Einführung einer
Bath-Qol findet sich dieser Ausspruch des R. J'^hoschua? b. L. P^'siqR 6 (23'*). — In
pSanh 10, 29t>, 34 haben Rabs Ausführung R. Chanina, um 225, u. R. J'^hoschua? b. Levi.
16. B^rakh 17^: Rab J'huda (f 299) hat gesagt, Rah (f 247) habe gesagt: Tag für
Tag geht eine Bath-Qol aus vom Berge Horeb, welche spricht: „Die ganze Welt wird
ernährt wegen meines Sohnes Ghanina (b. Dosa, eines Asketen um 70 n. Chr.), u. mein
Sohn Chanina läßt sich genügen an einem Qab Johannisbrot von einem Sabbatvorabend
bis zum andern. — Dasselbe Ta?an 24 b; Chullin Stv''.
17. Sota2a: Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Vierzig Tage
vor der Bildung des Kindes (im Mutterleib) geht eine Bath-Qol aus, welche spricht:
„Die Tochter von dem u. dem ist bestimmt für den u. den, u. das Haus, das Feld von
dem u. dem für den u. den."
18. Schab 56 b: „Der Sohn Jonathans war Merib-Ba?al" 1 Chr 8, 34. Hieß er denn
Merib Bafal? Hieß er nicht Mephiboscheth? (Vgl. 2 Sm 4, 4.) Vielmehr weil er Streit
mit seinen Herren anfing (rVya zv r-.z—o r,vjs), ging eine Bath-Qol aus, welche zu
ihm sprach: „Zänker, Nachkomme des Zänkers" (d.h. des Saul nach 1 Sm 15,5 '■^-22 21^:,
wobei 3-' von a— hergeleitet ist). . . . Rab J®huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe
gesagt: Als David zu Mephiboscheth sprach: Du u. (,!iba sollt den Acker teilen (2 Sm
19, 30), ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Rehabfam u. Jarob?am sollen das
Reich teilen."
19. Schab 149^: Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Als jener
Frevler (Nebukadne^ar) zum Gehinnom hinabfuhr, erbebten alle, die in den G. hinab-
gefahren waren, u. fragten, ob er käme, über sie zu herrschen, oder ob er käme,
schattenhaft zu sein, wie sie, s. Jes 14, 10. Da ging eine Bath Qol aus, welche sprach:
„Warst du nicht anmutiger als irgendwer? Fahre hinab u. laß dich betten neben den
Unbeschnittenen" Ez 32, 19.
20. RH 21b: (Rab, f 247, hat gesagt:) Qoheleth {■= Salomo) wollte dem Mose
gleich sein. Es ging aber eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Worte der Wahrheit sind
es: Kein Prophet stand in Israel mehr auf wie Mose" Dt 34, 10. . . . (Sch*=^muSl, f 254,
hat gesagt:) Qoheleth wollte Recht sprechen nach dem Herzen ohne Zeugen u. ohne Ver-
warnung. Es ging aber eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Worte der Wahrheit sind es:
Auf Aussage zweier Zeugen oder dreier Zeugen bekommt eine Sache Geltung" Dt 19,15.
21. Midr KL Einl. Nr. 25 (39*): R. Jonathan (b. E[?azar, um 220i hat gesagt: Drei
und ein halbes Jahr hat die Sch^'khina (vor der Zerstörung des I.Tempels) auf dem
Olberg geweilt, hoffend, daß die Israeliten Buße tun würden, aber sie taten keine
Buße; u. eine Bath-Qol pflegte zu verkündigen u. zu sagen: „Kehret um, ihr abtrünnigen
Kinder (vgl. Jer3, 14), kehret zurück zu mir, so will ich mich zu euch zurückwenden."
Als sie aber nicht Buße taten, sprach die Stimme: Ich will gehn u. an meinen Ort
(= Himmel) zurückkehren,, bis daß sie es büßen (Hos 5, 15). — In der abweichenden
Fassung P*^siqR 31 ( 143 b) ist die Bath-Qol ersetzt durch „die Stimme Jahves" Micha 6, 9.
22. Aboth 6, 2: R. J'^hoschua? b. Levi (um 2ä0) hat gesagt: Tag für Tag geht eine
Bath-Qol aus vom Berge Horeb, welche verkündet: „Wehe den Menschen ob der Vernach-
lässigung der Tora!" — Dasselbe Midr KL Ein). Nr. 2 (SO»); P-^sici 121«; ExR41 (97«').
9*
132 MatthS, 17 (5t Anm.h)
23. BM 85 b: Rescli Laqisch (ura 2501 hatte die Grabeshöhlen der Rabbiaen ge-
kennzeichnet (s. oben Nr. 13); als er an die Grabhöhle des R. Chijja (des Altern, um
200) kam, wurde sie vor ihm verborgen (er fand sie nicht). Er wurde darüber schwach
(traurig) in seinem Gemüt u. sprach: Herr der Welt, habe ich nicht die Tora eingehend
studiert gleichwie wiener (R. Cliijja? Eine Bath-Qol ging aus, welche sprach: „Du hast
die Tora eingehend studiert wie er. aber du hast die Tora nicht verbreitet wie er." — In
andrer Einkleidung u. ohne Erwähnung der Bath-Qol pKil ".»,32^04; pK^h l'.', 35^,60.
24. TanchB sar § 2 (23^): Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: (Wenn ein Mensch
das Bekenntnis über den Armenzehnt abgelegt hat Dt 26, I2ff. i, geht eine Bath-Qol
aus, welche spricht: „Mögest du es im nächsten Jahre wiederholen können wie am
heutigen Tage"; wie man zu einem Menschen, der einem andren eine neue Frucht
schenkt, sagt: Möge es dir gefallen, mich im nächsten Jahr wieder zu beschenken!
25. Midr KL Einl. Nr. 24 (Hob): (In der Trauerklage des R. Sch'^muel b Nachman, um
260, über Jerusalems Zerstörung heißt es : ) Sofort ging Mose u. Jeremia, bis sie an die Ströme
Babels kamen; als die Exulanten Mose erblickten, sprachen sie untereinander: Der Ben
?Amram ist aus seinem Grabe gekommen, uns zu erlösen aus der Hand unsrer Dränger.
Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach : „Ein unabänderlicher Beschluß ist dies vor mir!"
26. Schab 88": R Elfazar ib. P^dath, um 270) hat gesagt: Als die Israeliten das
„Tun" dem „Hören" voraufuehn ließen (Ex 24, 7), ging eine Bath-Qol aus, die zu ihnen
sprach: „Wer hat meinen Kindern dieses Geheimnis kumlgetan, das bei den Engeln
des Dienstes im Gebrauch ist?", vgl. Ps 103, 20: „Preiset Jahven, ihr seine Engel, ihr
starken Helden, die ihr sein Wort tut, um zu hören auf die Stimme seines Wortes."
Zuerst „die ihr tut", u. dann „um zu hören".
27. Mak 23b: R Elfazar (b. P'dath, um 270) hat gesagt: An drei Orten leuchtete
der heilige Geist (Geist der Prophetie) hervor: im Gerichtshof des Sem, im Gerichtshof
Samuels aus Rama u. im Gerichtshof Salomos. Im Gerichtshof des Sem, s. Gn38, 2H:
^J«'huda sah genau hin u. sprach: Sie ist gerecht; von mir!" (so der Midrasch). Woher
wußte er denn das (daß sie von ihm schwanger gehe, daß er sagt: Von mir!)? Es
war doch möglich, daß, so gut wie er ihr beigewohnt hatte, auch noch ein anderer
Mann ihr beigewohnt hatte. Es ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Von mir
(Gott) sind ausgegangen die Heimlichkeiten" (die geheimen Beschlüsse, die auf das
Hervorgehen Davids u. des Messias aus der Thamar abzielen! — Indem J'^huda sagt:
„Von mir", leuchtet der Geist der Prophetie in ihm auf; die Deutung der prophet.
Eingebung aber gibt die Bath-Qol dahin, daß die Worte „von mir" sich auf Gott be-
ziehen). I Im Gerichtshof Samuels, s. 1 Sm 12,3: Siehe, hier bin ich, sagt gegen mich
aus vor Jahve u. vor seinem Gesalbten: Wessen Ochsen habe ich genommen usw.?
Vers 4: Sie sprachen: Du hast uns nicht gedrückt usw. Vers 5: Er sprach zu ihnen:
So sei denn Zeuge gegen euch Jahve u Zeuge sein Gesalbter usw. Vers 6: Und er
sprach: Zeuge! — Es heißt (Vers ti): „Er sprach"; „sie sprachen", sollte es heißen.
Es ging eine Bath-Qol aus. welche sprach: ich Gott) bin Zeuge in dieser Sache! (Auch
hier liegt das Aufblitzen des heil. Geistes in dem auffälligen „er sprach" vor; die
Bath-Qol dient dann als bestätigende Dolmetscherin.) | Im Gerichtshof Salomos, s. 1 Kg
3, 27: „Da hob der König an u. sprach: Gebt ihr das Kind . . ., wie ist seine Mutter." —
Woher wußte er das? Sie konnte doch vielleicht hinterlistig gehandelt haben. Es ging
eine Bath-Qol aus, welche sprach: „Sie ist seine Mutter." — Parallelstellen: Midr Ps
72 § 2 (lti3a); GnR 85 (54*"), hier R. Seh muel b. JiQchaq, um 30", als Autor; zum Teil
auch Targ Jerusch 1 u. II zu Gu Sx, 26; in Midr Qoh zu 10, 16 49«), wo R. Schmuel b.
Nachman, um 260, als Autor genannt ist, geschieht der Bath-Qol keine Erwähnung. —
Der erste auf J'huda u. Thamar sich beziehende Satz auch Sota li'b; hier gehen die
Worte vorauf: Als J'huda bekannte u. sprach: Sie ist gerecht usw., ging eine Bath-Qol
aus, welche sprach: Du hast die Thamar u. ihre zwei Söhne vom Feuer errettet; bei
deinem Leben, ich will durch dein Verdienst drei von deinen Nachkommen aus dem
Feuer erretten. Wer waren diese? Chananja, Mischael u. f Azarja (-= Schadrakh, Me-
schakh u. ?Abed-Nego Dn 3, 12 ff., vgl. Dn 1,7).
Matth 3, 17 {% Auni. h. i) "133
28. Weitere Beispiele von Hiramelsstimmen finden sich: Midi- Qoli 9, 7 (41 a-^- 42^*);
Midr KL Einl. Nr.-J3 (85 b) nebst Parallelen: Midr Qoh 12,7 (58"^); Midr Ps 79 §2 (180»);
Midr HL2, 13 (lOüb); pegiqR 15 (74b); ferner Sanh39b; M<=n 5:-;b; Sanh 102»; pPeal,
15^,34 nebst Parallele p?AZ :^, 4 2«, 17; sowie MQ 16b; P^siq 137^ K^tli77b; Sanh 96b,
hier statt Bath-Qol nur ,eine Stimme".
29. Daß gegebenenfalls selbst die Halakha auf eine Bath-Qol Rücksicht genommen
hat, zeigt J*^b 16, 6: Man läßt eine Frau sich wieder verheiraten auf die Aussage einer
Bath-Qol hin (obwohl der Tod des Mannes nicht anderweitig bezeugt ist). Es geschah,
daß einer auf der Spitze eines Berges stand u. rief: Der u. der, Sohn des u. des ist
da u. da gestorben. Mau ging u. fand dort niemand; da ließ man dessen Frau sich
wieder verheiraten. Wiederum trug es sich in ^almon zu, daß jemand rief: Ich, der
u. der, Sohn des u. des, bin von einer Schlange gebissen u. sterbe. Man ging hin, u.
obwohl man ihn nicht wiedererkannte, ließ man seine Frau sich wieder verheiraten. —
Die gehörten Stimmen wurden also als beglaubigte Himmelsstimmen angesehen.
i. pChag 2, 77», 57: R. Jose, der Priester (um 100 n. Chr.), u. R. Schim?on b. N'^than^el
hoben gleichfalls an, über den güttl. Thronwagen (nis-^ar: ■r^v'jp_ ist nach Ez 1 Bezeich-
nung für theosophische Lehren) Vortrag zu halten; man sagt, es sei an einem Tage zur
Zeit der Sommersonnenwende gewesen. Da erbebte die Erde u. der ( Regen-)Bogen erschien
in den Wolken u. eine Bath-Qol ging aus, die zu ihnen sprach: Die Stätte ist für euch
frei, der Saal ist für euch bereitet (nämlich im Himmel i, ihr u. eure Schüler seid be-
stimmt für die dritte Abteilung (der Seligen). '— In der Parallelstelle Chag 14b hört
Rabban Jochanan b Zakkai, der Lehrer der beiden oben Genannten, diese Bath-Qol in
einem Traum. || B'^rakh 61b: (Als R. ?Aqiba den Märtyrertod um 135 erlitt, sprach er:)
Mein lebelang bin ich besorgt gewesen um diesen Vers Dt 6, 5: ,So liebe denn Jahve
. . . mit deiner ganzen Seele", auch wenn er die Seele nimmt. Ich habe gedacht: Wann
wird mir die Gelegenheit werden, dies Wort zu erfüllen? Und jetzt, wo mir die Ge-
legenheit dazu geworden ist, sollte ich es nicht erfüllen? Da zog er das Wort „Einer"
(-ns im Sch*^raa?-Bekenntnis Dt 6, 4) so lang (beim Aussprechen), bis seine Seele bei
diesem Wort von ihm ausging. Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: Heil dir,
R. f Aqiba, daß deine Seele ausgegangen ist bei dem Wort „Einer". Da sprachen die
Dienstengel vor Gott: Ist das die Tora, ist das ihr Lohn? Zu den durch dich (eines
natürlichen Todes) Sterbenden sollten sie gehören u. nun (gehören sie) zu den von der
Welt Getöteten? (so deutet der Midr Ps 17, 14). Gott sprach zu ihnen: ,lhr Teil ist
im Leben" Psl7, 14. Da ging eine Bath-Qol aus, welclie sprach: Heil dir, R. fAqiba!
denn du bist bestimmt für das Leben der zukünftigen Welt. Ii pKil 9,32b, ]7: (Nach
der Totenklage um Rabbi) ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: Wer nicht lässig
gewesen ist in der Trauer um Rabbi, der darf sich versichert halten des Lebens der
zukünftigen Welt mit Ausnahme jenes Walkers (der darin lässig gewesen war). Als
dieser solches vernahm, stieg er auf das Dach u. stürzte sich hinab, daß er starb. Da
ging eine Bath-Qol aus, welche sprach : Auch der Walker (hat teil am Leben der zu-
künftigen Welt) ! — Dasselbe pK-^th 12, 35-', 26; Midr Qoh 7, 11 (36«); etwas verändert
bK«thl03b. II fAZn«: Eine Bath-Qol ging aus, welche sprach: R. Ehazar b. Durdaja
(ein Tannait. der der Wollust ergeben gewesen war) ist bestimmt für das Leben der
zukünftigen Welt || MQ 9 « : R. Jochanan (f 279) hat gesagt: In jenem Jahre (von welchem
1 Kg 8, 65 handelt) hatten die Israeliten den Versühnungstag nicht gehalten; sie waren
darum besorgt u. sprachen : Vielleicht haben sich die Feinde Israels ^ der Vernichtung
schuldig gemacht. Da ging eine Bath-Qol aus, die zu ihnen sprach: Ihr alle seid be-
stimmt für das Leben der zukünftigen Welt. — Dasselbe mit R. Levi, um 300, als
Autor GnR 35 (21 -i). 11 Gittin 57b (^mal): Rah J^huda (f 299) hat gesagt: ... Sie (die
Mutter der sieben Märtyrersöhne, vgl. 2 Makk 7) stieg (nach dem Tode des jüngsten
^ Euphemismus für „die gottlosen Israeliten" ; man vermied eine schlimme Aus-
sage mit Israel in Verbindung zu bringen u. sagte dann „die Feinde Israels" ; vgl. schon
lSm25, 22 „Feinde Davids" für „David".
134 Matth 3, 17 (5t Anm. i— 1. SB)
Sohnes) auf das Dach u. fiel hinab u. starb; da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach:
Die Mutter der Söhne hat Freude (so deutet der Midr Ps 113, 9). I! Tafan 29=»: (Rabban
Gamliöl, um 90, schwürt einem vornehmen Römer, der ihn vom Tode retten will, daß
er ihn in die zukünftige Welt bringen wolle. Der Römer stürzt sich vom Dach u.
stirbt.) Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: Dieser Herr ist bestimmt für das
Leben der zukünftigen Welt.
k. M'^'g 32''»: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Woher läßt es sich beweisen, daß
man von einer Bath-Qol Gebrauch machen darf? Weil es Jes 30, 21 heißt: „Deine
Ohren werden das Wort hören hinter dir her, das da spricht." Das gilt aber nur dann,
wenn man die Stimme eines Mannes in der Stadt u. die Stimme einer Frau auf freiem
Felde hört, u. zwar muß die Stimme sagen: Ja, ja oder nein, nein. — Raschi bemerkt
dazu: Wenn man vorhat etwas zu beginnen u. hört d:ann eine Stimme, ohne daß jemand
da ist, von dem die Stimme ausgeht, u. die Stimme sagt ein doppeltes Ja oder Nein,
so kann man sich nach dieser Stimme richten (d. h. nach ihr als einem Omen seine
Entscheidung treffen). — |i Ähnliche Anschauungen liegen folgenden Erzählungen zu-
grunde. pSchab (5, S'', 56: Bar Qappara (um 220) war nach einem Ort gegangen; als
er hineinging, stieß er sich seinen Finger; er ging weiter u. hörte die Stimme eines
Kindes, welches Ex 21, 3 las: ^Wenn er mit seinem Leibe kommt, soll er mit seinem
Leibe ausgehn." Da sprach er: Es scheint, als ob nur dieser Stoß mich treffen soll.
Und so geschah es auch. R. Jochanan if 279) u. R. Schimfon b. Laqisch ^um 250) trugen
Verlangen, den (Babylonier) Sch^muel (f 254) von Angesicht zu schauen (ihn in Baby-
lonien zu besuchen). Sie sprachen: Wir wollen uns nach dem Hören einer Bath-Qol
richten. Sie gingen an einer Schule vorüber u. hörten die Stimme eines Kindes, welches
sprach (1 Sm 28,3): „Samuel war gestorben." Sie sahen darin ein Zeichen, u. es war
auch so (Sch''muel war bereits tot). R.Jona u. R.Jose (beide um 350) gingen hinauf,
um den R. Acha (um 320), der krank war, zu besuchen. Sie sagten: Wir wollen uns
nach dem Hören einer Bath-Qol richten. Da hörten sie die Stimme eines Weibes, das
einer andren Frau zurief: Soll ich das Licht auslöschen? Diese antwortete ihr: Es
werde nicht ausgelöscht! — Und das Licht Israels (d. h. Acha) erlosch nicht. — Nur
zum Teil in Chullin 95 '\
/. Weber verweist auf GnR 67 (43^) in Verbindung mit Sanh52^. In jener Stelle
sagt R. N^chemja (um 150) mit Bezug auf die Worte Esaus Gn27,41: „Die Tage der
Trauer um meinen Vater kommen näher; dann werde ich meinen Bruder Jakob tot-
schlagen": Eine Bath-Qol sprach: Viele Eselsfüllen starben u. ihre Felle kamen (als
Decke) auf ihre Mütter (d. h. wir wollen abwarten, wer zuerst sterben wird). — In der
zweiten Stelle heißt es (mit Bezug auf das Gott über Nadab u. Abihu in den Mund
gelegte Wort: Wir wollen sehen, wer wen begräbt): Rab Papa (t 376) hat gesagt: Das
ist es, was die Leute zu sagen pflegen: „Viele alte Kamele gibt es, die die Felle von
jungen tragen." — Die Vergleichung beider Stellen zeigt, daß ein Sprichwort wohl
zum Inhalt einer Bath-Qol gewählt wird, aber damit ist nicht gesagt, daß der Aus-
druck „Bath-Qol" soviel wie „Sprichwort" bedeutet.
3,17: Mein Sohn. Hierzu s. bei Rom 1, 3.
3, 17 SB: An welchem ich Wohlgefallen habe.
Midr Qoh 9,7 (411>): R. J%uda b. Simon (um 320) hat gesagt: Abraham machte
sich Gedanken in seinem Herzen u. sprach: Vielleicht ist etwas Untaugliches an meinem
Sohne gewesen (nämlich bei seiner Opferung), so daß er nicht angenommen worden
ist. Da ging eine Bath-Qol aus, die zu ihm sprach: Abraham, Abraham, „geh hin u.
iß dein Brot mit Freuden; denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Werk" (so
zitiert der Midr Qoh 9, 7), Gott hat Wohlgefallen an deinem Opfer. — Eine ähnliche
Bath-Qol wurde dem Abba Tachna, dem Frommen, zuteil nach Midr Qoh 9, 7 (41 ij):
Abba Tachna, der Fromme (wann?), kam an einem Rüsttag auf den Sabbat beim
Eintritt des Dunkelwerdens nach seiner Stadt, u. sein Bündel lag auf seiner Schulter.
Matth 3, 17 (SB). 4, 1 (51) 135
Er fand einen Aussätzigen, der an einem Scheideweg lag. Dieser sprach zu ihm:
Rabbi (mein Herr), tu ein gutes Werk an mir u. schaffe mich nach der Stadt. Er
sprach (bei sich): Wenn ich mein Bündel liegen lasse (das ich nach Eintritt der
Dunkelheit aus Gründen der Sabbatheiligung nicht mehr holen u. tragen darf), woher
soll ich dann u. mein Haus (morgen am Sabbat) den Lebensunterhalt nehmen? Und
wenn ich den Aussätzigen liegen lasse, so verschulde ich mich an meiner Seele ! Was
tat er? Er machte den guten Trieb zum Herrscher über den bösen Trieb u schaffte
den Aussätzigen nach der Stadt. Dann kam er u. nahm sein Bündel u. traf in der
Abenddämmerung (in seiner Stadt) ein. Und es verwunderten sich alle u. sprachen:
Ist das Abba Tachna, der Fromme (u. das seine Sabbatheiligung)? Auch er sann in
seinem Herzen nach u. sprach: Vielleicht habe ich den Sabbat entweiht? In jener
Stunde ließ Gott die Sonne (noch einmal) aufleuchten (zum Beweise, data es noch Tag
sei), vgl. Mal H, 20: ^Aufleuchtep wird euch, die ihr meinen Namen fürchtet, die Sonne
der Gerechtigkeit" usw. Da sann er in seine'm Herzen nach u. sprach: Sollte etwa
mein (mir in der zukünftigen Welt zustehender) Lohn nicht in Empfang genommen
werden (weil ich meinen Lohn in dem mir zuteil gewordenen Wunder bereits emp-
fangen habe)? Es ging eine Himmelsstimme aus, welche zu ihm sprach: ,Geh hin
u. iß dein Brot mit Freuden; denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinen Werken"
{Qoh 9, 7), dein Lohn wird in Empfang genommen werden!
4,131: Versucht werden.
Der Zweck der Versuchungen ist nach rabbin. Anschauung die Er-
höhung des in der Versuchung Bewährten u. die Verherrlichung der
göttl. Gerechtigkeit.
GnR 55 (84''): ,Nflch jenen Begebenheiten versuchte Gott den Abraham" Gn 22, 1.
Es heißt Ps60, 6: ,Du gibst c;/ denen, die dich fürchten, daß sie erhoben werden
um der Zuverlässigkeit (Bewährung) willen", d. h. eine Versuchung nach der andren u.
*ine Erhöhung nach der andren, um sie (die Gottesfürchtigen) in der Welt zu ver-
suchen u. um sie in der Welt zu erhöhen wie eine Scbiffsflagge (op = Panier). Und
<las alles warum? Um der Zuverlässigkeit willen, d. h. um die göttl. Gerechtigkeit in
der Welt zu festigen (zu verherrlichen i; denn wenn jemand zu dir sagt: Gott macht
reich u. arm u. zum König, wen er will; den Abraham hat er zum König gemacht,
da er es wollte, u. er hat ihn reich gemacht, da er es wollte: so kannst du ihm ant-
worten u. sagen: Kannst du tun, was unser Vater Abraham konnte? Und wenn er dir
«rwidert: Was hat denn dieser getan? so sprich zu ihm: Abraham war hundert Jahre
alt, als ihm ein Kind geboren wurde, u. nach all dieser Not wurde zu ihm gesagt:
Nimm deinen Sohn, deinen einzigen (Gn 22, 2), u. er weigerte sich nicht. Das meinen
die Worte: Du gibst Versuchung (cp) denen, die dich fürchten, auf daß sie erhöhet
werden; Jahve prüft den Gerechten, aber den Gottlosen u. den Freund von Gewalttat
haßt seine Seele (Ps 11, 5). R. Jonathan (um 220) hat gesagt: Wenn ein Flachshändler
seinen Flachs klopft, so schlägt er nicht allzusehr darauf, weil er sich in seine Fasern
auflösen könnte; wenn aber sein Flachs gut ist, dann schlägt er sehr darauf, weil er
dadurch immer schöner wird. So versucht auch Gott die Gottlosen nicht, weil sie dabei
nicht bestehn können, s. Jes 57, 20: „Die Gottlosen sind wie das umgetriebene Meer";
aber wen prüft er? Die Gerechten, s. Ps 11,5. — R Jonathan hat gesagt: Wenn ein
Töpfer seinen. Ofen (d.h. das darin gebrannte Geschirr) prüft, so prüft er nicht die
schadhaften Gefäße; denn wenn er kaum einmal an ein solches klopft, so zerbricht
er es; aber was prüft er? Die auserlesenen Krüge; denn wenn er gegen einen solchen
auch noch so oft klopft, so zerbricht er ihn doch nicht. So versucht auch Gott nicht
die Gottlosen, sondern die Gerechten, s. Ps 11, 5. R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Gleich
■einem Hausherrn, der zwei Kühe hat; die eine ist schön an Kraft u. die andre ist
• Wird vom Midrasch gedeutet a. = Versuchung, b. — Erhöhung.
136 Matth4, 1 (91. JB1.2)
schwach; auf welche wird er das Joch legen? nicht auf die, welche schön ist an Kraft?
So versucht auch Gott nur die Gerechten, s. Ps 11, 5. — Die Aussprüche des R. Jonathan
u. R. Elfazar auch GnR 34 (20^) u. Midr HL 2, 16 (103^). j| Tanch a-jsts': 94 1^: Gott prüft
die Reichen: wenn sie eine offene Hand für die Armen haben, so genießen sie ihre
Güter (in dieser Welt), u. die Almosen, die sie gegeben haben, bleiben ihnen als Kapital
stehen für die zukünftige Welt, s. Jes58, 8: Vor dir hergehn wird dein Almosen (so
der Midrasch) u. Ps41,2: Wohl dem, der gegen den Armen milde handelt; am bösen
Tage wird ihn Jahve erretten. Und Gott prüft die Armen: wenn sie nicht entarten in
dieser Welt, so empfangen sie ihren Lohn in der Zukunft; s.Ps 18,28: Dem armen,
Volk hilfst du. || NuR 15 (179»): „Jahve prüft den Gerechten" usw. Ps 11,5. Gott er-
hebt keinen Menschen zur Herrschaft, es sei denn, daß er ihn zuvor geprüft u. erprobt
hat; u wenn er in seiner Versuchung besteht, dann erhebt er ihn zur Herrschaft. —
Beispiele: die drei Erzväter, Joseph u. der Stamm Levi.
4,] S8: Satan (Teufel), didßoloc.
1. "iato, aram. xs-jb, ',^0, xj-lP'^ö = Widersacher, Feind; speziell Gegner
vor Gericht = Ankläger. Das Wort wird im Rabbin. wie im AT zu-
nächst in bezug auf Menschena gebraucht. Sodann bezeichnet es den
Feind der Menschen xar' £^oxr]v, den Satan. Aber während das AT
das Wort in diesem Sinn regelmäßig (außer 1 Chr 21, 1) mit dem Artikel
als Appellativum verwendet, ist es im Talmudischen, nach dem Vorgang
von 1 Chr, meist ohne Artikel gebraucht u. so zu einem nomen pro-
prium geworden. Doch findet sich auch die Form "j'^an, mit dem Ar-
tikel, b Dagegen schließen sich die Targume durch die Verwendung
des Status emphat. n;;^d wieder eng an den alttestamentl. Sprach-
gebrauch an (über die Vokalisierung in den Targumim s, Levy, Chald.
Wörtb. 2, 155'^). Das Bewußtsein um die ursprüngliche Appellativ-
bedeutung hat sich im Rabbin. auch darin erhalten, daß man als
eigentlichen Eigennamen Satans Sammael, bxriö, ansah. c
a. GnR 73 (47*) u. 75 (48"'): Als Joseph geboren wurde, wurde (in ihm) der Feind
(y^v) Esaus (Roms) geboren. — R. Pin^'chas (um 360) hat im Namen des R. Sch'^muel
b. Nachman (um 260) gesagt: Es ist Überlieferung, daß Esau (Rom) nur durch Raheis
Nachkommen fällt (gemeint ist der Messias b. Joseph). || pj'^b 1, 3*, 53: R. Dosa b. Ar-
chinos (um 90) sprach zu den Gelehrten: Mein Bruder Jonathan ist (als Opponent) der
erstgeborene Gegner, i'jc, u. gehört zu den Schülern der Schule Schammais. — Auch
in der Parallelstelle bJ''bl6'^ sin y^v -t^s.
b. y^-::r, zB Schab 104»; P^s 112''; Joma 20^; Ql^; RH 16'^; BB 16^ Sanh 26'>:
pSchab 2, 5 '', 9 ; häufiger ist lacn in palästin. Midraschwerken.
C. DtR 11 (207*'j: Der Engel Sammael, der Bösewicht, ist das Haupt aller Satane.
2. Sammael ist nach der jüd. Dämonologie einer der vornehmsten
Engelfürsten im Himmel gewesen. a Neid,b Wollüste u. Herrschsucht ^
(Ehrsucht) erscheinen als die Motive, aus denen er die Verführung
des ersten Menschenpaares unternimmt. Als Werkzeug dient ihm die
Schlange, die zum Teil unter dem Namen „alte Schlange" e so völlig
mit Sammael (Satan) identifiziert wird, daß von ihr ausgesagt wird.,
was im letzten Grund von jenem gilt.* Zur Strafe wird S. aus dem
Himmel entfernt. g Die Engel, die an seinem Werk sich beteiligt haben,
sind nun die „Engel Satans", h während S. selbst als das „Haupt aller
Satane" bezeichnet wird.»
Matth 4, 1 (93 2) 137
a. PirqeREl 13 Anf.: Neid, Wollust u. Ehrsucht bringen den Menschen aus der
Welt (ums Leben). Die Dienstengel sprachen vor Gott: Herr aller Welten, was ist der
Mensch, daß du seiner willst wahrnehmen, der Mensch, der dem Hauche gleicht! Gott
antwortete: Wie ihr mich bei den Oberen preist, so wird er mich als den Einzigen
bekennen bei den Unteren. Und nicht bloß dies: könnt ihr hintreten u. allen Ge-
schöpfen ihren Namen geben? Sie traten hin u. vermochten es nicht. Sofort trat Adam
hin u. gab allen Geschöpfen ihren Namen, s. Gn 2, 20. Als die Engel des Dienstes das
sahen, sprachen sie (untereinander): Wenn wir nicht mit dem Plan über Adam kommen,
daß er vor seinem Schöpfer sündigt, so werden wir ihn nicht übermögen! — Es war
aber SammaeP 'ein gar großer Engelfürst im Himmel; wahrend die Chajjoth (vgl. Ex
1,5 ff.) u. die Seraphim sechs Flügel hatten, hatte S. deren zwölf. Der nahm seine
(Engel-)Schar u. sie fuhren hernieder (zur Erde). Er betrachtete alle Geschöpfe, die-
Gott geschaffen hatte, u. fand keins so klug zum Bösen wie die Schlange, s. Gn 3, 1.
Ihr Aussehn aber war nach Art des Kamels, u. er bestieg sie u. ritt auf ihr. Da schrie
die Tora 'u. sprach: Sammael, jetzt ist die Welt erschaffen, u. die Zeit ist da zur
Empörung wider Gott! (Vielleicht sind die letzten Worte aber als Frage zu fassen:.
Ist das die Zeit zur Emp. ?) „Wenn er aber jetzt in die Höhe sich peitscht", Herr der
Welten, ,so verlache das Roß u. seinen Reiter!" (So faßt der Midrasch Hi39, 18.) —
Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem Menschen, in welchem ein böser Geist
ist; alle Werke, die er tut, tut er nach dessen Eingeben, u. alle Worte, die er spricht,,
spricht er nach dessen Eingeben, u. nichts tut er ohne das Eingeben des bösen Geistes,
der über ihm ist. So hat auch die Schlange alle ihre Werke, die sie getan, u. alle
ihre Worte, die sie. geredet hat, nur geredet u. getan aus dem Eingeben Sammaels
heraus; in bezug auf sie hat die Schrift gesagt Spr 14,32: „Von seinem Bösen (^= bösen
Geist) wird der Frevler getrieben" (so der Midrasch). Gleich einem König, der ein
Weib nahm u. sie zur Herrin machte über alles, was er besaß, über seine Edelsteine
u. Perlen. Er sprach zu ihr: Alles, was mein ist, sei in deiner Hand, ausgenommen
dieses Faß, das voll von Skorpionen ist. Da trat zu ihr ein Alter ein, um sich Essig voa
ihr zu erbitten. Er sprach zu ihr: Wie benimmt sich der König gegen dich? Sie ant-
wortete: Alles, was er besitzt, hat er mir gegeben u. in meine Hand gelegt, aus-
genommen dieses Faß, das voll von Skorpionen ist. Er sprach: Sollten sich nicht viel-
mehr Schmucksachen des Königs in diesem Faß befinden? (So nach der Lesart im,
Jalqut 1 § 25.) Und jenes hat er dir nur gesagt, weil er ein andres Weib zu nehmen
wünscht, der er diese (Schmucksachen) schenken will. — Dieser König ist Adam, das
Weib ist Eva, der Alte, der um Essig bat, ist die Schlange; von ihnen heißt es (Ps
36, 13): „Siehe da fallen die Übeltäter." — Die Schlange überlegte bei sich selbst:
Wenn ich mit Adam rede, so weiß ich, daß er auf mich nicht hört; denn es ist immer
schwer, den Mann von seinen Gedanken abzubringen; siehe, so will ich mit dem Weibe
^ Obig,er Stelle liegt die Annahme zugrunde, daß Sammael eine vorweltliche Größe-
ist; diese Anschauung dürfte die allgemein herrschende gewesen sein. Daneben finden
sich zwei andre Aussprüche, die aber nur scheinbar widersprechen. Tanch z-v^-^ 44'^:.
R. J'^hoschua? b. Qarcha (um 150) hat gesagt: . . . Als Gott die Welt schuf, erschuf er
am 1. Tage den Todesengel. Woher läßt sich das beweisen? R. B'^rekhja (um 340) hat
gesagt: Aus Gn 1,2: Finsternis war über den Urwassern. Damit ist der Todesengel
gemeint, der das Angesicht der Menschen finster macht. — Da man Satan (Sammael)
mit dem Todesengel u. dem JeQer ha-ra? (dem bösen Triebe) identifiziert hat (s. unter
Nr. 3A), so scheint hier allerdings die Erschaffung Sammaels am 1. Schöpfungstage
angenommen zu sein. In Wirklichkeit besagen die Worte aber nur, daß S. seit dem
1. Schöpfungstage zum Todesengel gemacht sei. — Ähnlich verhält es sich mit GnR
17 {l'l^): R. Chanina b. Idi (IL, gegen 30u) hat gesagt: . . . Als sie (Eva) geschaffen
wurde, wurde der Satan mit ihr erschaffen. — Hier liegt der Satz zugrunde: Satan ^^
Je^er ha-ra?. Da mit der Erschaffung Evas der Geschlechtstrieb (= Je^er ha-ra?) zur
Wirklichkeit wurde u. in die Erscheinung trat, kann es heißen: Mit Eva ist der Je^er
ha-ra? oder der Satan erschaffen; Sammael war wohl schon früher vorhanden, aber
seitdem wirkt er als Satan durch Erregung des Jecer ha-ra? im Menschen.
138 Matth 4, 1 (5B 2)
reden, das leichtsinnig in ihren Gedanken ist; denn ich weiß, sie wird auf mich hören;
<lenn die Frauen geben allen Geschöpfen Gehör, sie, die eitel Einfältigkeit u. ohne
irgendwelche Erkenntnis sind (s. Spr 9, 13). Die Schlange ging u. sprach zum Weibe:
Habt ihr wirklich auch über die Früchte dieses Baumes einen Befehl empfangen? Sie
antwortete: Ja, s. Gn3, 3: Von den Früchten des Baumes inmitten des Gartens, hat
Gott gesagt, von denen sollt ihr nicht essen u. sollt auch nicht daran rühren! — In
ihren Worten fand sie eine Tür, durch die sie eintreten konnte. Sie sprach zum Weibe:
Dieser Befehl ist nichts andres als ein Ausdruck des Neides; denn sobald ihr von
jenem Baume essen werdet, werdet ihr sein wie Gott; wie er Welten erschafft u. zer-
stört, so werdet auch ihr Welten zu erschaffen u. zu zerstören vermögen ; wie er tötet
u. lebendig macht, so werdet auch ihr töten u. lebendig machen können, s. Gn 3, ö.
Darauf ging die Schlange hin u. berührte den Baum; dieser aber schrie: Frevler, rühre
mich nicht an, denn es heißt (Ps 36, 12 f.): „Nicht komme der Fuß des Hochmuts zu
mir, u. der Gottlosen Hand vertreibe mich nicht; dort fallen die Übeltäter." — Da
ging die Schlange u. sprach zum Weibe: Siehe, ich habe den Baum berührt, ohne zu
«terben; berühre auch du ihn, du wirst nicht sterben. Das Weib ging u. berührte den
Baum. Da erblickte sie den Todesengel, wie er auf sie loskam. Sie sprach: Vielleicht
muß ich nun sterben; dann wird Gott ihm ein andres Weib erschaffen u. es dem Adam
geben; siehe, so will ich diesen veranlassen, daß er mit mir ißt; wenn wir dann
sterben, so werden wir beide sterben, u. wenn wir am Leben bleiben, so werden wir
beide leben! Dann nahm sie u. aß von den Früchten des Baumes u. gab von seinen
Früchten auch ihrem Gatten, daß er mit ihr äße, s. Gn 3, H. Als Adam von den Früchten
-des Baumes gegessen hatte, sah er sich nackt, u. seine Augen wurden aufgetan u.
«eine Zähne wurden stumpf (bildlicher Ausdruck für: „seine StraTe hinnehmen"). Da
sprach er zu ihr: Was ist das, wovon du mich hast essen lassen, daß meine Augen
sind aufgetan u. meine Zähne stumpf geworden? Ich weiß, wie meine Zähne stumpf
-geworden sind, so werden auch die Zähne aller folgenden Geschlechter stumpf werden.
ft. Weish2, 24: cpSäyM dt diaßöXov {hiyctTog si<jfjMsi' sig rö;' xöafAov, nsigäCovai
■di «iiroV Ol xfjg ixshov fisgi&og oyreg. \\ Sanh 59 '^: R. J^huda b. Tema (wohl einer der
letzten Tanna'iten, also um 200) hat gesagt: Der erste Mensch lag im Gan ?Eden zu
Tische u. die Dienstengel brieten ihm Fleisch u. seihten für ihn Wein durch. Da er-
blickte ihn die Schlange u. sah seine Ehre u. wurde neidisch auf ihn. Vgl. auch das
Zitats. 137 bei 2 f.-.
C. GnR 18 (12«) u. 85 (54^): (Auf Gn 2, 25 sollte folgen 3, 21; weshalb folgt auf
2,25 der Abschnitt 3, lff.?l R. J^hoschua? b. Qarcha (um 150) hat gesagt: Um dich
wissen zu lassen, aus welcher Sünde heraus jener Bösewicht (der Satan in der Schlange)
über sie (Adam u. Eva) herfiel. Weil er sie sah, wie sie mit dem Beischlaf beschäftigt
waren, bekam er Verlangen nach Eva. |i Sota 9'' Bar: Die alte Schlange ••.•i-o-t-,r( x-r:
sprach: . . . Ich will Adam töten u. Eva heiraten; u. nun heißt es Gn 3, 15: Feindschaft
will ich setzen zwischen dir u. dem Weibe usw. — Dasselbe im Namen des R. Acha
(um 320) GnR 20 (13*=). || J<^b 103b: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Als die Sehlange
<ler Eva beiwohnte, warf sie Unreinigkeit, = s'i-^t, in sie: bei den Israeliten, die am
Berge Sinai gestanden haben, hörte ihre Unr. auf; bei den Heiden, die nicht am Berge
Sinai gestanden haben, hörte ihre Unr. nicht auf. — Dasselbe Schab 145''; fAZ 22'».
An die Erbsünde ist bei der s'3-^-.t nicht zu denken; wie der Zus. hang in fAZ zeigt,
ist darunter der Hang zu blutschänderischer u. unnatürlicher Unzucht zu verstehn; so
richtig Weber 2 S. 219.
d. NuR 8 (149''): Die Schlange sprach: Ich weiß, daß Gott zu ihnen gesagt hat,
On 2, 17: „An dem T.ige, da du von ihm issest, wirst du gewißlich sterben." Siehe,
darum will ich gehn u. sie betrügen, daß sie davon essen u. bestraft werden; dann
nehme ich die Erde für mich selbst in Besitz.
e. SDt 32, 32 §323 (138''): R.Nchemja (um 150) legte Dt 32, 32 auf die Völker
aus: Ihr seid die Schüler der alten Schlange, -Ji's-i-r; v-.:, die Adam u. Eva verführt
hat. !1 DtR 5 (202''): R. J-^hoschua? von Sikhnin (um 330) hat im Namen des R. Levi
Matth 4, 1 (SB 2. 3j 139
(um 300) gesagt: Die alte Schlange (--"rs^n »rrin, -wöitlich: die erste Schlange) konnte
reden, wie die Menschen. Als Adam u. Eva von jenem Baum nicht essen wollten, fing
sie mit Verleumdungen gegen ihren Schöpfer an. — Es liegt hier der gleiche Wechsel
zwischen -]i'a-;pn vr^z u. v^os-n ': vor wie zwischen ■r's-jpn ais u. -j^as-n 's. || GnR 22
(15''): R. Levi (um 300) hat gesagt: Die alte Schlange, 'pr^ ':, kam, um Abels Recht zu
fordern. Da sprach Gott zu ihr: Darum sage ich: Wer den Kain tötet, der soll getötet
werden. || Ferner s. das Zitat Sota 9'' unter Nr. 2 Anm. c u. Tanch y-nu-i bei Offb 12, 9.
f. Vgl. die vorstehenden Zitate.
ff. PirqeREl 27 Anf. : „Es kam ein Entronnener und meldete es dem Hebräer
Abram" (Gn 14, 13). Mikhael, der Engelfürst der Welt (eine ganz singulare Bezeichnung
Mikhaels!) meldete es; denn es heißt Qoh 10, 20: „Der Geflügelte meldet das Wort"
(auch hier versteht der Midr unter dem „Meldenden" den Mikhael). Warum wird er
,der Entronnene" genannt? Als Gott den Sammael u. seine (Engel-) Abteilung aus der
Stätte ihrer Heiligkeit liinabstürzte, hielt dieser sich an einem Flügel Mikhaels fest,
um ihn hinabzuziehen u. hinabzustürzen. Da ließ Gott den Mikhael aus dessen Hand
entrinnen; deshalb ward er „der Entronnene" genannt.
h. ExR 20 (82<l): R. B^reklija (um 340) hat gesagt: ... Du findest, daß Nebukad-
ne^ar gesagt hat Dn 3, 25: Des Vierten Aussehen gleicht dem eines Gottessohnes. Was
tat ihm Gott (zur Strafe für diesen Ausspruch)? Er übergab ihn einem Engel Satans,
der ihn zu schlagen anfing. || TSchab 17, 2 f. (136): R. Elif ezer b. Jose ha-G^lili (um 150)
hat gesagt: Wenn du einen Gerechten eine Reise antreten siehst u. du willst dieselbe
Straße ziehen, so tritt um dessentwillen deine Reise drei Tage früher an oder schiebe
sie um dessentwillen drei Tage auf, damit du in seiner Gemeinschaft reisen kannst;
denn die Engel des Dienstes geleiten ihn, s. Ps9I, II. Wenn du aber einen Gottlosen
eine Reise antreten siehst u. du willst dieselbe Straße ziehen, so tritt um dessentwillen
deine Reise drei Tage früher an oder schiebe sie um dessentwillen drei Tage auf, da-
mit du nicht in seiner Gemeinschaft zu reisen brauchst; denn die Engel Satans ge-
leiten ihn, s. Fs 109, 6: „Bestelle über ihn den Bösewicht, daß der Satan steht zu seiner
Rechten" (so der Midrasch). Dasselbe Tos f AZ 1 17 f. (461). — Ein weiteres Beispiel aus
Test Asser 6 s. Exkurs über Dämonologie Nr. 6 Anm.^f. — Die PirqeREl reden Gn 13
u. 27 (s. die Zitate oben Anm. a u.(/) von einer Engelabteilung, die mit Sammael = Satan
zur Erde hinabfuhr u. mit ihm zugleich aus dem Himmel gewiesen wurde. Die Annahme
liegt nahe, daß mau die zugleich mit Sammael gefallene Engelschar ursprünglich unter
den „Engeln Satans" verstanden hat. Diese Annahme wird unterstützt durch Henoch
54. 5 f. Das Nähere s. bei 25, 41.
i. Sieh das Zitat DtR 11 S. 136. — Über Aschmedai als König der Dämonen s. Ex-
kurs „Dämonologie" Nr. 3, h. — Ferner s. bei Mt 12, 24.
3. Drei verderbliche Tätigkeiten sind es, die dem Satan beigelegt
werden: A. er reizt u, verführt die Menschen zur Sünde; B. er ver-
leumdet u. verklagt sie bei Gott; C. er bringt die Strafe für die Sünde
über sie, den Tod. Vgl. die Bar BB 16^: Der Satan steigt herab u.
verführt, er steigt hinauf u. reizt zum Zorn, er holt Erlaubnis ein u.
holt die Seele.
A. Die Verführung zur Sünde erfolgt durch die Erregung des Jeger
ha-ra? , des bösen Triebes im Menschen ; deshalb wird der Satan ge-
radezu mit dem Je^er ha-ra? identifiziert. So sagt Resch Laqisch (um
250): Der Satan, der böse Trieb u. der Todesengel sind identisch BB
16^, u. NuR2{) (190<i) kann gesagt werden: „Es entbrannte der Satan
in ihm" statt: „Es entbrannte der böse Trieb in ihm." Über den Je^er
ha-ra^ s. den Exkurs: Der gute u. der böse Trieb.
140 Matth 4, 1 (SB 3 A)
Aber auch in eigener Person unter Annahme der menschlichen
oder einer andren Gestalt erscheint der Satan, um seine Verführungs-
künste auszuüben.
Qid 81 *: P'^limo (um 200) pflegte an jedem Tage zu sagen: Ein Pfeil in die Augen
Satans! (d. h. ich kann den Kampf mit ihm aufnehmen). Einmal erschien ihm dieser am
Rüsttage des Versöhnungstages in der Gestalt eines Armen. Er kam u. rief an der Tür;
man reichte ihm Brot hinaus. Er aber sprach: An einem Tage, wie der heutige ist,
weilen alle Menschen drinnen, u. ich soll draußen stehn? Man ließ ihn ein u. brachte
ihm Brot. Er sprach: An einem Tage, wie der heutige ist, sitzt alle Welt' an einem
Tische, u. ich soll allein sein? Man ließ ihn kommen u. sich an den Tisch setzen. Er saß
da u. sein Leib war ganz bedeckt mit Grinden u. Blattern, u. er trieb ekelhafte Dinge
damit. Pelimo sprach zu ihm : Sitze anständig! Er antwortete: Gebt mir einen Becher'.
Er gab ihm einen Becher. Da warf er seinen Speichel hinein, indem er hustete. Mau
fuhr ihn an; da fiel er um, als wäre er tot. Da hörte man, wie man (draußen) rief r
Pelimo hat einen Mann getötet, P. hat einen Mann getötet! P. floTi u. versteckte sich
auf einem Abort. Der Satan ging ihm nach u. fiel vor ihm nieder. Als er sah, daß
jener sich grämte, offenbarte er sich ihm u. sprach: Warum hast du also gesagt?
.Jener antwortete: Wie sollte ich denn sagen? Er sprach: Der Herr hätte sagen sollen:
Der Allbarmherzige schelte den Satan! I| GnR 56 (35 "^j: (Als Abraham seines Weges zog
zur Opferung Isaaks), kam Sammael zu unsrem Vater Abraham (u. zwar in der Gestalt
eines alten Mannes, s. Sepher ha-jaschar s^-i, ed. Wilna 1870 29*') u. sprach: Alter, Alter,
hast du deinen Verstand verloren? Einen Sohn, der dir als Hundertjährigem geschenkt
ward, willst du schlachten? Er antwortete: Trotzdem! Jener sprach: und wenn er dich
noch hierüber hinaus versuchte, würdest du bestehen können? „Wirst du, versucht
man ein Wort an dich, verdrießlich werden?" Hi 4, 2. Er antwortete: Auch noch hierüber
hinaus. Jener sprach: Morgen wird er zu dir sagen: Blutvergießer, du bist schuldig, du
hast das Blut deines Sohnes vergossen! Er antwortete: Trotzdem! — Als der Satan
sah, daß er bei ihm nichts erreichte, ging er zu Isaak u. sprach: Sohn einer unglück-
lichen Mutter, dieser will dich schlachten! Er antwortete ihm : Trotzdem! Jener sprach:
In diesem Falle würden ja alle jene Prachtgewänder, die deine Mutter angefertigt hat,,
dem Isma?el, dem Feinde des Hauses, zum Besitze werden; u. du wolltest dir das nicht
zu Herzen nehmen? — Wenn er auch nicht das Ganze erreichte, einen Teil erreichte er;
denn es heißt Gn 22, 7: „Isaak sprach zu seinem Vater Abraham: „Mein Vater" usw.
Warum zweimal „Vater" ? Damit Abraham von Mitleid mit ihm erfüllt würde. Ähnliche
Versuchungen Abrahams durch den Satan werden erzählt Sanh 89''; TanchB s-i-^i §46-
(57''); Tanchs^v 27 ^
In der Gestalt einer Buhlerin erscheint der Satan dem K. f Aqiba
u. dem R. Mei'r; s. Qid 81* bei Rom 2,22 jioixsvsig.
Schabb Sd-": R. J^hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Was heißt Ex 32, 1 : „Ea
sah das Volk, daß Mose •^•vz'^'? Lies nicht wi3, sondern "iJ-i; isa (die 6. Stunde war
gekommen). Als Mose nämlich zur Höhe emporstieg, sprach er zu den Israeliten: Nach
40 Tagen mit Beginn der 6. Stunde komme ich wieder. Am Ende der 40 Tage kam der
Satan u. verwirrte die Welt. Er sprach zu ihnen: Wo ist Mose, euer Lehrer? Sie
sprachen: Er ist zur Höhe emporgestiegen! Jener erwiderte: Die 6. Stunde ist ge-
kommen. Aber sie achteten nicht auf ihn. Jener sprach: Er ist gestorben! Und sie
achteten nicht auf ihn. Da zeigte ihnen der Satan das Bild einer Totenbahre (in der
Luft). Das ist es, was sie zu Ahron sagten Ex 32, 1 : „Das ist Mose da, . . . wir wissen
nicht, was ihm zugestoßen ist." — In ExR41 (98^) teils anonym, teils als Meinung „der
Rabbinen". |1 Sanh 95" : Rab J'-huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: . . . Eines
Tages ging David auf die Falkenjagd (s. hierzu Levy 4, 556"). Da kam Satan u. glich
einem Hirsch. Er schoß einen Pfeil auf ihn, traf ihn aber nicht. So lockte er ihn weiter,
bis er ihn ins Philisterland gebracht hatte usw. || Sanh 107*: Rab J^'huda (t 299) hat ge-
Matth 4, 1 (SB 3 A. B) 141
sagt, Rab habe gesagt: Nimmer bringe der Mensch sich selbst in eine Versuchung; denn
siehe, David, der König von Israel, hat sich selbst in eine Versuchung gebracht u. kam
darin zu Falle. Er sprach vor Gott: Herr der Welt, warum sagt man: Der Gott Abra-
hams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs u. nicht: der Gott Davids? Gott antwortete:
Jene sind von mir erprobt worden, u. du bist nicht von mir erprobt worden. David sprach
Ps 2ti, 2: Prüfe mich, Jahve, u. versuche mich. Gott antwortete: Ich werde dich ver-
suchen u. will bei dir noch etwas Besonderes tun: jenen (den Erzvätern) tat ich es (näm-
lich womit sie versucht werden sollten) nicht kund, dir aber will ich es kundtun; ich
werde dich nämlich in einer ünzuchtssünde versuchen. Sofort heißt es 2 Sm 11,2: ... „er
erblickte ein Weib, wie sie sich badete" , . . Bathseba reinigte nämlich ihr Haupt unter
«inem Bienenkorb. Da kam Satan, einem Vogel gleichend. Er schoß einen Pfeil ab,
<ler aber den Bienenkorb traf, infolgedessen wurde sie (Bathseba) sichtbar u. er er-
blickte sie. Sofort sandte David hin usw. 2 Sm U, 3 ff.
B. Als Verleumder u, Anklägera heißt der Satan "ii:'^-j;^ oder ST-rl^^
(transp. aus -irjp-c) = xarrjo^Qoc. Bes. ist es das Volk Israel, als dessen
Ankläger Sammael erscheint, während umgekehrt als Verteidiger Israels
(-,i;n:t5 = GvvrjoQog) der Erzengel Mikhael fungiert, b Als Widersacher
des Volkes Gottes ist der Satan gewissermaßen das himmlische Gegen-
stück des Weltreiches, des irdischen Widersachers Israels; daher wird
Sammael auch geradezu als der Engelfürst Roms bezeichnete ^- Als
günstige Gelegenheit, die Sünden eines Menschen vor Gott in Er-
innerung zu bringen, benützt der Ankläger gern den Augenblick, in
welchem ein Mensch sich selbst bezichtigt oder sich in irgendeine
Gefahr begibt. Es wird deshalb der Rat erteilt, daß man durch Selbst-
anklagen dem Satan keine Gelegenheit gebe, seinen Mund zum An-
klagen aufzutun (man soll den Teufel nicht an die Wand malen), u.
daß man in Stunden der Gefahr auf Buße u. gute Werke bedacht sein
möge, damit diese als gute Verteidiger das Verdienst des Menschen
vor Gott geltend machen, d Aber auch Zeiten sorglosen Wohllebens
nimmt der Satan als Anlaß, Anklagen gegen die Menschen zu er-
heben, e Nur an Einem Tage im Lauf des Jahres muß der Ankläger
schweigen, d. i. am großen Versöhnungstage.*
a. Sanh 89'': ,Nach diesen Worten (so der Midrasch) versuchte Gott den Abra-
ham" Gn 22, 1. — Nach welchen Worten? R. Jochanan (f 279) hat im Namen des
R. Jose b Zimra (um 220) gesagt: Nach den Worten Satans. Denn es heißt (Gn 21, 8):
Das Kind wuchs heran u. wurde entwöhnt; da veranstaltete Abraham ein großes Mahl. —
Der Satan sprach vor Gott: Herr der Welt, dieser Alte, dem du als einem Hundert-
jährigen Leibesfrucht geschenkt hast, hat von dem ganzen Mahle, das er veranstaltet
bat, nicht einen einzigen Stier u. nicht eine einzige Taube übrig gehabt, um sie vor
dir als Opfer darzubringen! Gott antwortete: Er hat es ja überhaupt nur seines Sohnes
wegen veranstaltet; wenn ich aber zu ihm sagen würde: ,Opfre deinen Sohn vor mir",
so würde er ihn sofort opfern. Sofort heißt es,Gn22, 1: Gott versuchte den Abra-
ham usw. — . II ExR 43 (99^*): Unser Lehrer (Rabbi) hat gesagt: Womit ist das zu ver-
gleichen? Gleich einem Könige von Fleisch u. Blut, der über seinen Sohn zu Gericht
saß, während der Ankläger ^ij-cpr! dastand u. anklagte j-upai. Was tat der Erzieher
^es Sohnes? Als er sah, daß jener für schuldig erklärt werden würde, verdrängte er
den Ankläger u. schaffte ihn hinaus; dann trat er an dessen Stelle auf u. führte die
Verteidigung für den Sohn. Ebenso stand in der Stunde, da die Israeliten das Kalb
verfertigt hatten, der Satan da u. erhob drinnen (im himmlischen Gerichtshof) Anklage
142 Mattb 4, 1 (SB 3 B)
;— jp'i wider sie, während Mose draußen stand. Was tat Mose? Er trat hin u. ver-
drängte den Satan u. schaffte ihn hinaus; dann trat er an dessen Stelle auf, wie es
heißt Ps 106, 28: „Mose trat an die Stelle des Einreißers" (des Zerstörers; so der
Midrasch). || ExR 21 (f^4 ): R. Chama b. Chanina (um 260) hat gesagt: Als die Israeliten
aus Ägypten ziehen sollten, trat der Engel Sanimael auf, um sie zu verklagen. R. Chama
b. Chanina hat dies im Namen seines Vaters (R. Chanina b. Chama, um 225) in folgen-
der Weise erläutert: Gleich einem Hirten, der seine Schafherde über einen Fluß setzte.
Da wollte ein Wolf über die Schafe herfallen. Der Hirt, der Erfahrung hatte, was tat
er? Er nahm einen großen Bock u. überließ diesen dem Wolf. Er dachte: Mag er mit
diesem ringen, bis wir über den Fluß sind; hinterher hole ich ihn. So trat, als die
Israeliten aus Ägypten ziehen sollten, der Engel Sammael auf, um diese anzuklagen.
Er sprach vor Gott: Herr der Welt, bis jetzt waren diese Götzendiener, u. du willst
ihnen das Meer spalten? Was tat Gott? Er übergab ihm den Hiob, der zu den Rats-
herren des Pharao gehört hatte, s. Hi 1, 1. Er sprach zu ihm: Siehe, dieser sei in deine
Hand gegeben. Gott dachte: Während er sich mit Hiob abgibt, sind die Israeliten in
das Meer hinab- u. wieder heraufgezogen, u. hinterher errette ich den Hiob, Hi 16, 12.
b. ExR 18 (80=): R. Jose (um 850) hat gesagt: Wem gleichen Mikhael u. Sammael?
Dem Verteidiger u. dem Ankläger, die vor Gericht stehn: Dieser spricht u. jener spricht,
dieser endigt seine Rede u. jener endigt seine Rede. Merkt der Verteidiger, daß er
siegt, so beginnt er den Richter zu loben, damit er das Urteil fälle. Sucht dann der
Ankläger noch etwas hinzuzufügen, so spricht der Verteidiger zu ihm: Schweige, daß
wir den Richter hören! So stehn Mikhael u. Sammael vor der Sch^khina (Gottheit):
der Satan verklagt u. Mikhael macht das Verdienst Israels geltend. Will dann der
Satan etwas sagen, so heißt Mikhael ihn schweigen, s. Ps 85, 9: Ich will hören, was
Gott, Jahve redet; denn er wird Frieden reden zu seinem Volk!
C. Tanch rS-n'- (40'^): (Gn 32, 25:) Jakob blieb allein zurück. Da rang ein Mann
mit ihm. Das war Sammael, der Engelfürst Esaus (= Roms), der ihn töten wollte.
Nach GnR 77 (49-^*), 78 (50''); MidrHL 8, 6 (105'') gehört dieser Satz dem R. Chama b.
Chanina, um 260, an.
d. B'rakh 60'* Bar: Wer in ein Bad geht, spricht: Es sei wohlgefällig vor dir,.
Jahve, mein Gott, daß du mich behütest darin u. in seinesgleichen, u. daß mir kein
Verderben u. keine Sünde begegne; u. wenn mir ein Verderben u. eine Sünde begegnen
sollte, so möge mein Tod eine Sühne für alle meine Sünden sein! Abaje (f 338/89)
hat gesagt: Man sage nicht also, um nicht dem Satan seinen Mund (zur Anklage wider
den sich selbst Beschuldigenden) zu öffnen: denn Resch Laqisch (um 250) hat gesagt
(ebenso hat man im Namen des R.Jose b. Chalaphta, um 150, gelehrt): Niemals öffne
ein Mensch seinen Mund im Interesse Satans. — Das Bar-Gebet findet sich TB'^rakh 7,
17 (16). Der Ausspruch des Abaje mit Bezug auf ein Trauergebet auch B'^rakh 19''
u. Keth 8'\ ;i In pSchab 2, 5'', 9 ff. wird mehrfach das Wort wiederholt: Der Satan ver-
klagt nur in der Stunde der Gefahr. — In GnR 91 (58'') spricht diesen Satz bereits
R. Eli?ezer b. Jafaqob (um 150) aus. || Midr Qoh 3, 2 (16»): Der Todesengel (= Satan)
wird zum Ankläger der Gebärerin (in der Stunde ihrer Not). R. Sch^'muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt: Wegen dreier Übertretungen (ehelicher Verkehr zur Zeit des
Menstruum, Unterlassung der Absonderung der Teighebe, Vernachlässigung der Sabbat-
lampe) sterben die Frauen in der Stunde des Gebarens; u. wegen dreier Dinge sterben
die Männer: wenn jemand in einem baufälligen Hause verweilt oder allein eine Reise
unternimmt oder zu einer Seereise sich einschifft, so wird der Satan sein Ankläger.
Denn R. Levi (um 300) hat gesagt: Bei drei Gelegenheiten stellt sich der Satan zur
Anklage ein: wenn jemand in einem baufälligen Hause verweilt oder allein eine Reise
unternimmt oder zu einer Seereise sich einschifft. || Tanch ii-;-; 50*^: „Benjamin . . .
schickte Jakob nicht mit seinen Brüdern; er dachte, es könne ihn ein Schaden treffen"
Gn 42, 4. Hieraus lernt man, daß der Satan den verklagt, der eine Reise unternimmt.
R. Jose b. Chanina (um 270) hat geßagt: Wie wir in der Mischna gelernt haben; wegen
dreier Übertretungen sterben die Frauen in der Stunde des Gebarens (Schab 2, 6).
Matth 4, 1 (SB 3 B) 14^
Warum in der Stunde des Gebarens? Weil der Satan in der Stunde der Gefahr an-
klagt. II Schab 32'': Wann prüft man die Männer (um unter Vergleichung ihres Schuld-
registers u. ihrer Verdienste ihr Geschick festzusetzen)? Resch Laqisch (um 250) hat
gesagt: In der Stunde, da sie aber eine Brücke gehen. Bloß wenn sie über eine Brücke
gehen? Sage: Was einer Brücke gleicht! Rab (f 247) ließ sich nicht in einer Fähre
übersetzen, in der ein Heide (Goi, NichtJude) saß; er meinte: Vielleicht wird an diesem
ein Gericht vollstreckt, u. ich möchte mit ihm davon erfaßt werden. Sch'muel (f 254)
ließ sich nur in einer Fähre übersetzen, in der sich ein Heide befand; er meinte: Der
Satan hat über zwei (verschiedene) Nationen (zu gleicher Zeit) keine Gewalt. || Schab-
32" Bar: Wenn jemand erkrankt u. dem Tode nahe ist, sagt man zu ihm: Bekenne
deine Sünden; denn so bekennen alle ihre Sünden, die zum Tode verurteilt werden.
Wer auf die Straße hinausgeht, der gleiche in seinen Augen einem, der dem Kriegs-
obersten übergeben wird. Wer Kopfschmerzen hat, der gleiche in seinen Augen einem,,
den man in das Halseisen legt. Wer auf sein Lager steigt u. fällt, der gleiche in
seinen Augen einem, den man auf den Richtplatz führt, damit er gerichtet werde.
Wenn einer, der zur Aburteilung auf den Richtplatz geführt wird, große Fürsprecher
(Parakleten) hat, so wird er gerettet; andrenfalls wird er nicht gerettet. Und das sind
die Fürsprecher des Menschen: Buße u. gute Werke. Mögen auch 999 (Engel) seine
Schuld wider ihn geltend machen u. Einer macht sein Verdienst geltend, so wird er
gerettet, s. Hi 33, 23 f.: Wenn für ihn ist ein Engel, ein Dolmetsch, einer unter tausend,
um für den Menschen seine Rechtbeschaffenheit kundzutun, so erbarmt Gott sich
seiner u. spricht: Erlöse ihn vom Hinabsinken in die Grube, ich habe Sühnung ge-
funden (so der Midrasch). R. Elifezer b. Jose des Galiläers (um 150) hat gesagt: Selbst
wenn 999 Teile von jenem Engel sich für die Schuld aussprechen u. nur Einer für die
Unschuld (das Verdienst), so wird er gerettet; denn es heißt: „Eins von tausend."
Obige Auslegung der Hiobstelle auch pQid \,i)l'\ 34. 39; P'^siqR 10 (38'^).
e. GnR 38 (23''): „Daselbst ließen sie sich nieder" (^zz") Gen 11, 2: R. Ji9cha(i
(um 300) hat gesagt: Überall, wo du das Wort „sitzen" (in der Schrift) findest, sprang
der Satan herzu u. richtete Unheil an. R. Chelbo (uni 300) hat gesagt: Überall, wa
du Sorglosigkeit findest, klagte der Satan an. R. Levi (um 300) hat gesagt: Überall, yv(y
du „essen" u. „trinken" findest, klagte der Satan an. |1 GnR 84 (oS*^): R. Acha( um 320) hat
gesagt: Wenn die Gerechten im Glücke sitzen oder wünschen im Glücke zu sitzen in
dieser Welt, dann kommt der Satan u. klagt an u. spricht: Nicht genug was ihnen
in der zukünftigen Welt bereitet ist, sie wollen auch in dieser Welt im Glücke sitzen!
/. LvR21 (120'-): DieRabbinen (nach demZus.hang die Zeitgenossen desR Sch'muel
b. Nachman u. des R. J'^hoschuaf b. Levi, also um 250) legten Ps 27, 1 ff. auf den Neu-
jahrs- u. den Versöhnungstag aus. „Mein Licht", nämlich am Neujahrstage, „und meine
Hilfe" am Versöhnungstage. '„Vor wem sollte ich mich fürchten?" Meine Stärke u>
Sang ist Jahve Ex 15, 2. „Wenn auf mich anstürmen Bösewichter," das sind die Engel-
fürsten der Völker, „um mein Fleisch zu essen", weil die Engelfürsten der Völker
kommen u. die Israeliten vor Gott anklagen u. sagen: Herr der Welt, diese sind Götzen-
diener u. jene auch, diese treiben Unzucht u. jene auch, diese vergießen Blut u. jene
auch; warum fahren jene in den Gehinnom hinab u. diese nicht? „Meine Dränger u.
meine Feinde", an allen Tagen des Sonnenjahrs, das 365 Tage umfaßt; denn alle Tage
des Jahres klagt der Satan an, aber am Versöhnungstage darf er nicht anklagen. E&
sprechen die Israeliten vor Gott: „Wenn sich ein Heerlager wider mich lagert," das
Lager Sammaels (so lies mit den Parallelen statt „Israels"), „so fürchtet sich mein
Herz nicht"; denn du hast uns zugesagt Lv 1(5, 3: „Mit diesem soll Ahron in das Heilig-
tum kommen." — In den Parallelstellen P^'siq 175'' u. Midr Ps 27 § 4 (ITi"^) wird
das Freibleiben des Versöhnungstages von der Anklage Satans aus dem Zahlenwert
des Wortes i'J^n = 364 (Midr Ps irrtümlich: 365) erwiesen: nur 364 Tage von den 365
Tagen des Sonnenjahres dürfe Satan verklagen; der eine freie Tag sei der Versöhnungs-
tag. — In Joma 20 '"^ erklärt der Prophet Elias dem Rab J'^huda, dem Bruder des Rab-
Salla, des Frommen, um 320, daß Satan am Versöhnungstag keine Vollmacht zur An-
144 Matth 4, 1 (SB 3 C)
klage habe, während Rammi bar Gbama, um 320, den Beweis dafür aus dem Zahlenwert
des Wortes '^v^n führt.
C. Als Vollstrecker des Strafurteils Gottes über die Sünde wird
Satan (Sammael) als Todesengel, r'i-o "n^^, gedacht. Der Satan, der
böse Trieb u. der Todesengel sind identisch, sagt Resch Laqisch, um
250, BB 16-''. — Über Erscheinung u. Wirksamkeit des Todesengels vgl.
folgende Stellen.
?AZ 20*^: Vom Todesengel bat man gesagt, daß er ganz u. gar voller Augen ist.
In der Stunde des Abscbeidens eines Kranken steht er zu dessen Raupten, ein ge-
bücktes Schwert ist in seiner Hand u. ein Tropfen Gift ("■•^)^ hängt daran. Wenn
•der Kranke ihn erblickt, erschrickt er u. öffnet seinen Mund u. der Todesengel läßt
<len Tropfen in seinen Mund fallen; davon stirbt er, davon geht er in Verwesung über,
•davon wird sein Angesicht gelb. . . . Der Vater Scb^'niuels (um 2Ü0) bat gesagt: Mir
hat der Todesengel gesagt: Wenn ich nicht auf die Ehre der Menschen Rücksicht
aähme, würde ich die Schnittstelle auseinanderreißen wie beim Stück Vieh. Vielleicht
ist es jener Tropfen, der die Halsgefäße durchschneidet. — „Davon gebt er in Ver-
wesung über" ; das ist eine Stütze für R. Chanina b. Kahana (gegen 8U0?); denn R. Ch.
b. K. hat gesagt, daß man in der Schule Rabs (f 247) gelehrt habe: Wer wünscht, daß
«ein Toter nicht in Verwesung übergehe, der wende ihn um auf sein Angesicht (damit
•das Gift aus dem Munde wieder abfließt). || BQ 60"^ Bar: Herrscht die Pest in einer
ätadt, so gehe der Mensch nicht in der Mitte der Straße; denn der Todesengel geht
in der Mitte der Straßen einher. Weil ihm Vollmacht gegeben ist, so schreitet er frei
«öffentlich dahin. Herrscht Wohlbefinden in einer Stadt, so gehe man nicht an den
Seiten der Straßen; denn weil ihm keine Vollmacht gegeben ist, so geht er ganz ver-
steckt (seitwärts sich drückend) einher. — Bar: Herrscht die Pest in einer Stadt, so
gehe der Mensch nicht allein in die Synagoge; denn der Todesengel legt seine Gerät-
schaften dort nieder. Dies gilt aber nur da, wo die Kinder nicht darin lesen und zehn
Personen darin nicht beten. — Bar: Wenn die Hunde weinend (klagend) heulen, kommt
■der Todesengel in die Stadt; wenn die Hunde lachend bellen, kommt Elias in die Stadt.
Dies gilt aber nur dann, wenn keine Hündin sich unter ihnen befindet. |l B^'rakhöl^:
R. J hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Drei Worte hat mir der Todesengel gesagt:
Nimm dein Hemd des Morgens nicht aus der Hand des Dieners, um es anzuziehen.
Laß deine Hände nicht durch Begießen abspülen von einem, der die seinigen nicht
•abgespült hat. Stehe nicht vor Frauen, wenn diese von einem Toten (= einem Leichen-
begängnis) zurückkehren; denn tanzend gehe ich vor ihnen einher u. mein Schwert
ist in meiner Hand u. ich habe Vollmacht zu verderben. — Wenn man ihnen aber
begegnet, welche Aushilfe gibt es da? Man biege von seiner Stelle vier Ellen weit
aus; wenn ein Fluß da ist, so lasse man sich übersetzen; wenn ein andrer Weg da
ist, so gehe man den; ist eine Mauer iZaun u. dergl.) da, so stelle man sich dahinter;
wenn aber nicht, so wende man sein Angesicht ab u. spreche Sach 8, 2: „Jahve sprach
zum Satan: Es beschelte Jahve dich, Satan" usw., bis sie idie Weiber) vorübergegangen
sind. II P'^s 112'^: Viererlei hat unser heiliger Lehrer (Rabbi) seinen Söhnen befohlen:
. . . Stell dich nicht vor einen Ochsen hin, wenn er von der Wiese kommt, weil der
iSatan (hier wohl als Todesengel gedacht) zwischen seinen Hörnern hü|.ft. R. Sch'muel
(t 254) hat gesagt: Das gilt nur von einem schwarzen Ochsen u. zwar in den Tagen
•des Nisan (etwa = April). |! Midr Qoh 7, 26 (3>i*): R. J'^huda (b. Elfai, um 150) hat ge-
sagt: Vierzehn Dinge gibt es, von denen das eine immer gewaltiger (härter) ist als
<3as andre, u. alle erheben sich das eine über das andre. Die ürtiefe ist gewaltig, aber
■die Erde ist erhaben über sie; denn jene wird niedergehalten (niedergedrückt) von
dieser. Die Erde ist gewaltig, aber die gewaltigen Berge sind erhaben über sie. Der
* Da das Gift auch dc heißt, ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Satan auf
•Grund obiger Voi Stellung den Namen Sammael, iss co = Gottesgift, erhalten hat.
Matth 4, 1 (58 3 C) 145
Berg ist gewaltig, aber das Eisen ist erhaben über ihn u. spaltet ihn. Das Eisen ist
gewaltig, aber das Feuer vernichtet es. Das Feuer ist gewaltig, aber das Wasser zeigt
sich erhaben u, löscht es aus. Das Wasser ist gewaltig, aber die Wolken tragen es.
Die Wolken sind gewaltig, aber der Wind zerstreut sie. Der Wind ist gewaltig, aber
die Wand zeigt sich erhaben u. widersteht ihm. Die W^and ist gewaltig, aber der Mensch
zeigt sich erhaben u. zerstört sie. Der Mensch ist gewaltig, aber die Not reibt ihn auf.
Die Not ist gewaltig, aber der Wein zeigt sich erhaben u. bringt sie in Vergessenheit.
Der Wein ist gewaltig, aber der Schlaf vertreibt ihn. Der Schlaf ist gewaltig, aber
die Krankheit zeigt sich erhaben u. nimmt ihn fort. Die Krankheit ist gewaltig, aber
der Todesengel zeigt sich erhaben u. nimmt die Seele hin. Ein böses Weib aber ist
schlimmer als sie alle, vgl. Qoh 7, 26. In der Farallelstelle BB 10^ besteht die Reihe
nur aus zehn Gliedern; statt des Todesengels wird der Tod genannt, u. den Schluß
bildet der Satz: Das Almosen errettet vom Tode. -- Anonym u. auf die Elemente be-
schränkt mit dem Schlußsatz: ,Gott ist erhaben über alles" ExR 28 (85''). j! Midr Qoh 8, 8
(:-!9'^): ,Kein Mensch ist des Geistes mächtig" (so der Midrasch) Qoh 8,8. Die Rabbanan
(Zeitgenossen des R. N'^chemja, um 150) haben gesagt: Kein Mensch ist des Geistes
des Todesengels mächtig, sich ihm zu entziehen. Woher, daß die Engel „Geister" ge-
nannt werden? Es heißt Ps 104,4: Er macht seine Engel zu Geistern (so der Midrasch).
,ünd keiner ist gebietend über den Todestag" (Qoh das.). Kein Mensch kann zum
Todesengel sagen: Warte auf mich, bis ich meine Rechnung abgeschlossen habe, dann
will ich kommen! || GnR 9 (7"): R. Sch'^muel b. Jigchaq (um 800) hat gesagt: , Siehe,
«s war sehr gut" Gnl,31, damit ist der Engel des Lebens gemeint; „und" siehe, es
war sehr gut, damit ist der Engel des Todes gemeint. Ist denn aber der Todesengel
sehr gut? Gleich einem Könige, der ein Mahl veranstaltete u. die Gäste dazu einlud.
Er setzte ihnen eine Schüssel vor voll von allem Guten. Er sprach: Wer davon ißt u.
den König segnet (preist), der möge essen u. dem möge es wuhlbekommen; wer aber
davon ißt, ohne den König zu segnen, dessen Haupt werde mit dem Schwerte ab-
gehauen. So ist für jeden, der einen Schatz von Gebotserfüllungen u. guten Werken
erwirbt, der Engel des Lebens da; wer aber keinen Schatz von Gebotserfüllungen u.
guten Werken erwirbt, siehe, für den ist der Engel des Todes da. || NuR 5 (145^):
R. Pin'^chas, der Priester, b. Chama (um 360) hat gesagt: . . . Als Qorach wider Mose
Partei ergriff, wollte der Todesengel gegen Israel ausziehen u. sie vernichten ; u. wenn
■er ausgezogen wäre, so hätte er ganz Israel getötet. Mose aber weilte in der Nähe
des Stiftszeltes, weil er zu den Kindern Q'^^haths gehörte, u. bemerkte ihn, wie er gegen
Israel ausziehn wollte. Sofort sprach er zu Ahron (Nu 17, II): Nimm die Räucherpfanne
u. tu Feuer vom Altar darauf usw. Schaffe Sühnung für sie eilends, mit Springen
(;n9-3), treibe dich selbst an; was stehst du staunend da? Geh eilends zur Ge-
meinde! Ahron sprach zu ihm: Mein Herr, was siehst du? Er antwortete ihm: Ich
sehe den Todesengel, wie er auszieht, die Feinde' Israels zuschlagen; „denn Q^^eph
(Name eines Zornengels) ist von Jahve ausgegangen". Hieraus kannst du lernen, daß
die Leviten die Strafe abgewandt haben u. unter ihnen (vornehmlich) die Kinder
(J'^haths, zu denen Mose u. Ahron gehörten. — Vgl. die Dichtung des R. J'^'hoschuaf
b. Levi, um 250, wie Mose im Himmel durch die Auslegung der zehn Gebote den
Engeln beweist, daß die Tora nur für die untere Welt bestimmt sein könne; darob
wurden alle Himmlischen Moses Freunde, u. jeder von ihnen gab ihm Belehrung zum
Geschenk (Ps68, 19), Auch der Todesengel blieb nicht zurück u. gab ihm Nu 17, 11 ff.
als Mittel kund, Sühnung für Israel zu schaffen Schab 88''. 1| P'siq li<8'': R. Abin (wohl
der Jüngere, um 370) hat gesagt: Zeit seines Lebens wollte Mose Israel segnen; aber
der Todesengel ließ es nicht zu, daß er sie segnete (nämlich noch unmittelbar vor
seinem Ableben). Was tat Mose? Er nahm ihn u. band ihn zu seinen Füßen, u. dann
' Euphemistisch für: „Die gottlosen Israeliten" s. S. 13:' Anm., nach dem Grund-
satz, daß man nicht durch Aussprechen von etwas Ungünstigem dem Satan seineu
Mund zur Anklage öffnen soll, vgl. oben S. 141.
strack u.Billerbeck, NT I. 10
146 Matth 4, l (S 3 C)
segnete er sie in seiner Gegenwart, s. Dt 33, 1 : „Dies ist der Segen, mit welchem
Mose, der Mann Gottes, die Kinder Israel segnete in Gegenwart seines Todes "(engels;
so der Midiasch). In wessen Gegenwart? In Gegenwart dessen, der unter seice Füße
hingestreckt war. — Ähnlich anonym P^siii 199''; Tanch rii-- rsn 31-''; DtR 11 ('207-'). l!
DtR II (207"): R. Meir (um 150) hat gesagt: Der Todesengel ging zu Mose u. sprach
zu ihm: Gott hat mich zu dir gesandt, denn du wirst heute verscheiden. Mose sprach
zu ihm: Geh weg von hier, denn ich will Gott preisen, s. Ps 118, 17. Er antwortete:
Mose, was brüstest du dich? Er hat einen, der ihn preist; Himmel u. Erde preisen,
ihn zu jeder Stunde, s. Ps 19,2. Mose sprach: Und ich heiße sie schweigen u. werde
ihn preisen, s. Dt 32, 1. — Darauf kam der Todeseugel abermals zu ihm. Was tat Mose?
Er sprach wider ihn den vollen Gottesnameu („Jahve") aus; da floh der Todesengel,,
s. Dt 33, 3: „Den Namen Jahves rufe ich aus." - Als er zum drittenmal zu ihm kam.
dachte Mose: Weil er von Gott kommt, muß ich das Gericht als gerecht bei mir an-
erkennen, s. Dt 33, 4: Der Fels, vollkommen i.st sein Tun. — R. JiQchaq (um 300) hat
gesagt: Die Seele Moses machte Schwierigkeiten, aus ihm zu scheiden. Mose redete
mit seiner Seele u. sprach: Meine Seele, vielleicht wird der Todesengel über dich
Gewalt gewinnen! Sie sprach: Gott wird nicht also tun, s. Ps 116,8: „Du errettest
meine Seele vom Tode." Mose: Vielleicht siehst du sie (Israel) weinen u. du weinst
mit ihnen! Sie sprach (ebendas.): „Und mein Auge von den Tränen." Mose: Vielleicht
will man dich in den Oehinnom hinabstürzen!' Sie sprach (das.): „Und meinen Fuß
vom Sturze." Mose: Wohin wirst du gehn? Sie sprach (das. Vers 9): „Ich werde vor
Jahve wandeln in den Landen der Lebendigen." Als Mose solches hörte, gab er ihr
die Erlaubnis u. sprach (das. Vers 7): „Kehre zurück, meine Seele, in deine Ruhe"
usw. - Dasselbe Tanch -z^^n pst-, 31". || DtR 11 (207'=): Der Engel Sammael hatte
stündlich auf Moses Tod gerechnet usw., s. die Stelle bei Brief Judas 9. Nachdem dann
erzählt ist, wie Gabriel u. Mikhael sich außerstande erklären, Moses Seele zu holen
(s. die Stelle bei Lk 16, 22), fährt der Bericht fort 207*^: Gott sprach zu Sammael, dem
Bösewicht: Geh u. hole Moses Seele! Sofort kleidete sich dieser in Zorn u. gürtete
sein Schwert um u. hüllte sich in Grausamkeit u. ging Mose entgegen. Als er diesen
sah, wie er saß u. den vollen Jahvenamen schrieb u. der Glanz seines Aussehens der
Sonne glich u. Mose selbst dem Engel Jahves Q^baoth, fürchtete er sich vor ihm u.
sprach: Wahrlich, kein Engel vermag die Seele Moses in Empfang zu nehmen. Bevor
aber Sammael sich dem Mose gezeigt hatte, wußte dieser, daß S. gekommen war. Als
dieser den Mose erblickte, erfaßte ihn Furcht u. Zittern, wie eine Gebärerin, u. er fand
kein Öffnen des Mundes (keine Gelegenheit), mit Mose zu reden, bis dieser zu ihm
sagte: „Keinen Frieden, spricht Jahve, gibt's für die Gottlosen" Jes57, 21. Was willst
du hier? Er antwortete: Deine Seele in Empfang zu nehmen bin ich gekommen. Mose:
Wer hat dich gesandt? S. sprach: Der, der alle Menschen erschatten hat. Mose: Du
wirst meine Seele nicht empfangen. S : Die Seelen aller, die in die Welt kommen,
sind in meine Hand gelegt! Mose: Ich habe mehr Kraft, als alle, die in die Welt ge-
kommen sind. S. : Was ist deine Kraft? Mose: Ich bin der Sohn ?Amrams, der ich
beschnitten aus meiner Mutter Leib gegangen bin, u. nicht hatte ich nötig, daß man
mich beschnitt. An dem Tage, da ich geboren ward, vermochte ich meinen Mund zu
öffnen (zum Sprechen) u. ging auf meinen Füßen u. redete mit meinen Eltern, u. selbst
Milch habe ich nicht gesogen. Als ich drei Monate alt war, weissagte ich, daß ich
einst die Tora aus Feuerflammen empfangen würde. Als ich dann in die Welt hinaus-
trat, ging ich in den Palast des Königs u. nahm die Krone von seinem Haupt. Als
ich 80 Jahre alt war, habe ich in Ägypten Zeichen u. Wunder getan u. 60 Myriaden
vor den Augen aller Ägypter herausgeführt; ich habe das Meer in 12 Spaltungen geteilt
u. das Wasser der Bitterkeit in süßes verwandelt; ich bin emporgestiegen u. einher-
gegangen auf dem Wege des Himmels; ich habe zum Kampf mit den Engeln (1. r-rs^':
statt B-rV«:) gegriffen u. habe die Tora von Feuer empfangen. Meine Wohnung ist unter
dem Fenerthron u. meine Hütte unter der Feuersäule gewesen; ich habe mit ihm von
Angesicht zu Angesicht geredet u. habe obgesiegt in der Familie der oberen Welt
Matth 4, 1 (33 3 C) 147
(unter den Engeln); ich habe ihre Geheimnisse den Menschen kuudgetan u. liabe die
Tora aus der Rechten Gottes empfangen u. sie Israel gelehrt. Ich habe Krieg geführt
mit Sichon u. mit fOg, den beiden Helden aus den Völkern der Welt, an deren Kni3chel
zur Zeit der Flut die Wasser uiclit heranreichten wegen ihrer Größe; ich ließ die Sonne
n. den Mond in der Höhe der Welt stillstehn u. schlug sie (Sichon u. fOg) mit dem
Stab in meiner Hand u. tötete sie. Wer ist unter denen, die in die Welt gekommen
sind, der solches tun kr>nnte? Geh weg von hier, Frevler, du hast nicht also zu
sprechen; geh, fliehe vor mir, ich gebe dir meine Seele nicht! — Sofort kehrte SammaSl
um u. brachte das Wort vor den Allmächtigen. Gott .sprach zu S. : Geh u. hole Moses
Seele! — Sofort zog er sein Schwert aus der Scheide u. trat vor Mose hin. Alsbald
ward Mose zornig auf ihn, nahm den Stab in seine Hand, auf dem der volle Jahve-
name eingraviert war, u. schlug damit auf S. aus voller Kraft ein, bis dieser vor ihm
floh; Mose aber verfolgte ihn mit dem vollen Jahvenamen u. nahm einen Strahl von
seinem Glänze zwischen seinen Augen u. blendete damit S.s Auge. — Jetzt war für
Mose das Ende des (letzten) Augenblicks angebrochen. Da ging eine Bath-Qol (Himmels-
stimme, s. bei Mt 3, 17) aus, welche sprach: Es ist das Ende deines Todes da! Mose
sprach vor Gott: Herr der Welt, gedenke jenes Tages, da du dich mir im Dornbusch
offenbartest u. sprachst Ex;-!, 10: Geh, daß ich dich zum Pharao sende, u. führe mein
Volk, die Kinder Israel, aus Ägypten hinaus. Gedenke jenes Tages, da ich auf dem
Berge Sinai 40 Tage u. 40 Nächte stand! Ich bitte dich, gib mich nicht in die Hand
des Todesengels hin! Da ging eine Bath-Qol aus, die zu ihm sprach: Fürchte dich
nicht, ich selbst werde mich mit dir befassen u. mit deinem Begräbnis. — Ahnlich
kürzer SDt 31, 14 § 305 (129'').
Sukkaöo'"*: Der Todesengel darfeinen Menschen nur an dem Orte töten, der ihm von
Gott bezeichnet ist; s. die Stelle im Exkurs: Zur altjüd. Dämonologie Nr. 7 Anm.h; vgl. aber
das folgende Zitat. i| Chag4'': Rab Joseph (f 333) pflegte zu weinen, wenn er an die Schrift-
stelle kam: , Mancher wird ohne Recht hin weggerafft" (so der Midrasch Spr. 13,23). Er
sprach: Gibt es denn wirklich einen, der dahingeht, ohne daß seine Zeit da ist? Ja, wie die,
von der Rab ßebai b. Abaje (un\ 370 ?) erzählt hat. Bei diesem befand sich nämlich der
Todesengel, der seinem Boten befahl: Geh, bringe mir die Mirjam, die Frauenhaar-
flechterin. Er ging u. brachte ihm Mirjam, die Kindererzieherin. Er sprach zu ihm:
ich habe dir doch gesagt: Die Mirjam, die Frauenhaarflechterin. Er erwiderte: In diesem
Fall will ich sie wieder zurückschaffen. Jener sprach: Weil du sie gebracht hast, so
mag sie zur Zahl (der Toten) gehören! Aber wie konnte denn das mit ihr geschehen?
Sie hatte ein Schürholz genommen, heizte u. fachte das Feuer an; dann nahm sie es
(das brennende Schürholz) und legte es auf ihren Fuß, daß dieser verbrannte, u. ihr
Geschick wandte sich zu ihrem Unheil. Da sagte Rab Bebai b. Abaje zum Todesengel:
Habt ihr denn Erlaubnis, also zu handeln? Er antwortete: Steht denn nicht geschrieben:
„Mancher wird hinweggerafft ohne Recht"? Der Rabbi sprach: Es steht doch aber ge-
schrieben Qoh 1, 4: „Ein Geschlecht geht u. ein andres kommt" (nämlich zur fest-
gesetzten Zeit)! Er antwortete: Ich führe sie so lange mit mir, bis ihre Lebensdauer
vollendet ist, dann überliefere ich sie dem Duma (Engel, der über das Totenreich ge-
setzt ist). — Zur Deutung der Frauenhaarflechterin Mirjam auf Jesu Mutter Maria s.
Strack, Jesus, die Häretiker und die Christen 19 10 S. 36, u. das bei Mt 27, 56 Bemerkte, jj
K^th 77'': Als R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) starb, sprach Gott zum Todesengel: Geh,
erfülle ihm seinen Wunsch! Er ging u. erschien ihm. Der Rabbi sprach zu ihm: Zeige
mir meinen Ort (im Paradiese)! Er antwortete: Nun wohlan! Er sprach zu ihm: Gib
mir dein Messer, du könntest mich damit unterwegs erschrecken. Er gab es ihm. Als
er dort angekommen war, hob er ihn in die Höhe u. ließ ihn (seinen Platz) sehen. Der
Rabbi aber sprang in die Höhe u. fiel auf der andren Seite (also innerhalb der Para-
diesesmauer) nieder. Da ergriff ihn der Todesengel an der Spitze seines Mantels. Der
Rabbi sprach: Ich schwöre, daß ich nicht (zurück)komme. Gott sprach : Wenn er sich
(früher einmal) einen Schwur hat lösen lassen, dann muß er zurück (aus dem Para-
diese); wenn aber nicht, so braucht er nicht zurück! Da sprach der Todesengel zu
10*
148 Matth 4, 1 (SB 3 C)
ihm: Gib mir mein Messer! Aber er gab es ihm nicht. Es ging eine Bath-Qol (Himmels-
stimme) aus, welche sprach: Gib es ihm, es wird für die Menschen notwendig gebraucht.
Da rief Elias laut vor R. J'^^hoschua? b. Levi (im Gan ?Eden) aus: Macht Platz dem
Sohne Levis, macht Platz dem Sohne Levis! ... — R. Chanina b. Papa (um 300) war
ein vertrauter Freund (wörtlich: Hochzeitskamerad) des Todesengels. Als seine Seele
zur Ruhe eingehn sollte, sprach man (unbestimmte Ausdrucksweise für „Gott") zum
Todesengel: Geh, erfülle ihm seinen Wunsch. Er ging zu ihm u. erschien ihm. Der
Rabbi sprach zu ihm: Laß mir noch dreißig Tage Frist, bis ich mein Gelerntes w^pder-
holt habe; denn man hat gesagt: Wohl dem, der hierher (in das .Jenseits) kommt u.
sein Gelerntes in seiner Hand (als festen Besitz bei sichi hat! Da verließ er ihn.
Nach dreißig Tagen kam er u. erschien ihm. Der Rabbi sprach: Zeige mir meinen
Platz. Jener erwiderte: Nun wohlan ! Er sprach: Gib mir dein Messer, vielleicht möchtest
du mich damit unterwegs erschrecken! Jener antwortete: Du willst es wohl so, wie
dein Kollege (R. J'^hoschuaf b. Levi) mit mir machen! Er sprach zu dem Todesengel:
Hole ein Torabuch u. zeige mir, ob irgend etwas darin geschrieben steht, was ich nicht
gehalten hätte! Jener antwortete: Hast du dich auch verhüllt bei Leuten, die mit
Schleimfluß behaftet waren, u. dich (bei ihnen) mit der Tora beschäftigt? (So hatte
es R. J'^hoschua? b. Levi getan im Vertrauen darauf, daß die Tora ihn vor Ansteckung
bewahren werde.)
DtR 9 (200'^): Unsre Lehrer haben erzählt: Einmal geschah es zur Zeit des
R. Schim?on b. Chalaphta lum 190), daß dieser zu einem Beschneidungsfest ging. Der
Vater des Kindes hatte ein Mahl veranstaltet u. setzte ihnen Wein vor, der sieben
Jahre alt war. Er sprach zu den Gästen: Von diesem Wein lasse ich (einen Teil) alt
werden bis zur Hochzeitsfeier meines Sohnes. Man tafelte bis zur Mitternachtsstunde.
R. Schimfon b. Chalaphta, der auf seine Kraft vertraute, brach zur Mitternacht auf,
um nach seiner Stadt (f En-T^ena bei Sepphoris) zu gehn. Er traf dabei unterwegs den
Todesengel u. sah ihn verändert (in seinem Gesichtsausdruck). Er sprach zu ihm: Wer
bist du? Jener antwortete: Der Abgesandte Gottes. Er sprach zu ihm: Warum siehst
du verändert aus? Er antwortete: Wegen des Geredes (1. irrr-b's statt ir'T'Dv;) der
Leute, die sagen: So u. so wollen wir tun, ohne daß man weiß, wann man vom Tode
betroffen wird. So hat jener Mann, bei dem du gespeist hast, zu euch gesagt: Von
diesem Wein will ich alt werden lassen für das Hochzeitsfest meines Sohnes, u siehe,
seine (des Sohnes) Zeit abzuscheiden ist nach dreißig Tagen gekommen. Er sprach
zu ihm: Zeige mir meine Zeit! Er erwiderte ihm: Über dich u. deinesgleichen habe
ich keine Gewalt. So oft Gott an euren guten Werken Wohlgefallen hat, legt er euch
Leben zu, wie es heißt Spr 10, 27: „Die Furcht Jahves vermehrt des Lebens Tage." —
In Midr Qoh 3, 2 (l^i'^) dasselbe aramäisch mit den Schlußworten: Man bat Gott um
Erbarmen, u. er ließ das Kind am Leben. || MQ 28^: Rab a"i>T (sprich: S'^foram), der
Bruder des Raba, saß vor Raba (f 352) an dessen Krankenbett. Er sah, daß er ent-
schlummerte (daß es mit ihnx zu Ende ging). Raba sprach zu ihm: Sage es doch der
Herr (= du) dem Todesengel, daß er uns nicht quäle. Er antwortete ihm: Ist denn
der Herr (= du) nicht sein vertrauter Freund? Er sprach: Nachdem mein Geschick
in seine Hand gelegt ist, nimmt er keine Rücksiebt mehr auf mich. Jener sprach:
Möge mir der Herr (= du) erscheinen (nämlich nach dem Tode aus dem Jenseits)! Er
erschien ihm. Rab 'v sprach zu ihm: Hatte der Herr (in der Sterbestunde) Schmerzen?
Er antwortete: Gleich dem Stich der Lanzette beim Aderlaß. — Raba saß vor Rab
Nachman (b. Jafaqob, f >{20). Er sah, daß er entschlummerte (starb). Da sprach (der
Sterbende) zu ihm: Sage doch der Herr dem Todesengel, daß er uns nicht quäle. Er
antwortete ihm: Ist denn nicht der Herr ein angesehener Mann? (Also sage es ihm
selbst). Jeuer sprach: Wer ist angesehen, wer ist geachtet, wer ist bekannt (in der
Sterbestunde)! Er sprach zu ihm: Möge mir der Herr erscheinen! Er erschien ihm.
Raba sprach zu ihm: Hatte der Herr Schmerzen? Er antwortete: Wie wenn ein Haar
aus der Milch gezogen wird (so schmerzlos schied meine Seele aus meinem Leibe).
Aber wenn Gott zu mir spräche: "Geh zurück in die Welt, in der du warst", so möchte
Matth 4, 1 (SB 3 C. 4) 149
ich es doch nicht; denn die Angst vor ihm (dem Todesengel) war groß. — R. Elfazar
(b. P*^'dath, um 270, der nach dieser Stelle priesterlichen Geschlechts war) aß Hebe.
Es erschien ihm der Todesengel. Er sprach zu ihm: Hebe habe ich gegessen, u. wird
sie nicht „Heiliges" genannt? Da ging die Stunde (des Sterbens) an ihm vorüber. —
Dem Rab Schescheth (um 2fi0) erschien der Todesengel auf der Straße. Er sprach zu
ihm: Auf der Straße, wie beim Stück Vieh? Komm zu ihm ins Haus! — Dem Rab
Aschi (t 427) erschien der Todesengel auf der Straße. Er sprach zu ihm: Warte auf
mich dreißig Tage, daß ich mein Gelerntes wiederhole; denn ihr (Himmlischen) habt
gesagt: Wohl dem, der hierher kommt u. sein Gelerntes ist in seiner Hand! Am
dreißigsten Tage kam er wieder. Er sprach zu ihm: Ist das die ganze Zeit? (nach
30 Tagen, nicht während des 30. Tages sollte der Todesengel wiederkehren). Es drängte
der Fuß (seines Nachfolgers) des Bar Nathan; u. keine Regierung(szeit) berührt sich
mit der andren auch nur um Haarbreite. — Dem Rab Chisda (f 309) konnte der Todes-
engel nicht beikommen, weil sein Mund nicht schwieg vom Studium. Da stieg er empor
u. setzte sich auf eine Zeder beim Schulhause. Die Zeder krachte, Rab Chisda
schwieg, u. er kam ihm bei. Dem R. Chijja (um 200) vermochte sich der Todesengel
nicht zu nähern. — Eines Tages erschien er ihm in der Gestalt eines Armen; er
kam, klopfte an die Tür u. sprach: Gib mir ein Stückchen Brot! Er reichte es ihm
hinaus. Jener sprach zu ihm: Hat sich nicht der Herr (= du) des Annen erbarmt?
Warum erbarmt sich nicht der Herr (= du) auch dieses Mannes (d. h. meiner)? Darauf
offenbarte er sich ihm u. zeigte ihm eine feurige Rute. Da konnte er seiner Seele bei-
kommen. — Eine Parallele zu dem Bericht über Rab Chisda findet sich Mak 1 0 •*. Ziemlich
dasselbe, was über Chisdas Ableben erzählt wird, wird überDavidsTod berichtet Schab30''.
4. Wie der Todesengel vorübergehend bei der Gesetzgebung seine Ge-
walt über Israel verlor, a so wird er sie dauernd verlieren in der Zukunft, b
a. TanchB svr -= § 12 (bö^): „Die Tafeln waren Werk Elohims u. die Schrift
war Schrift Elohims, Freiheit war auf den Tafeln" (Ex 32, 1(J, der Midr liest rn-r: -— Frei-
heit statt r:i-r: = eingraviert). Was heißt r^^n? R. J^'huda (um 150) sagte: Freiheit
von den Reichen (der Welt); R. N'^chemja (um 150) sagte: Freiheit vom Todesengel,
ünsre Lehrer (um 150) sagten: Freiheit von Leiden. — Parallelstellen: Tanch nh-:}
214='; TanchB s-s- §9 (13'*); NuR 16 (182-'*); ExR 32 (93^), 41 (97''), 51 (103''); unter
Umstellung der Autorennamen LvR 18 (1 18='); Midr HL 8, 6 (131=')- !l LvR 18 (118='):
R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Elifezer b. Jose ha-G°lili (um 150) gesagt:
Als die Israeliten am Berge Sinai standen u. sprachen Ex 24, 7: „Alles, was Jahve
geredet hat, wollen wir tun u. hören", rief Gott den Todesengel u. sprach zu ihm:
Obwohl ich dich zum Weltherrscher (xoafj.oxg(<T(o()) über die Menschen gemacht habe,
so sollst du doch nichts mit dieser Nation (Israel) zu schaffen haben; denn es sind
meine Kinder, s. Dt 14, 1: „Ihr seid Söhne Jahves eures Gottes." Ferner heißt es
Dt 5, 20: „Als ihr die Stimme aus dem Finstern hörtet." Gibt es denn Finsternis oben?
Es heißt doch Dn 2, 22: „Licht wohnt bei ihm!" Vielmehr ist damit der Todesengel
gemeint, der Finsternis heißt. (Vgl. hierzu R. B^'rekhja Tanch zv^ 44 '^ S. 137 Anm.) —
Dasselbe Midr HL 8, 6 (131*); kürzer ExR 41 (98»); 51 (103''); TanchB s^si § 9 (13='),
NuR16(181<J). — Ähnliches anonym ExR 32 (93^- 'l). || ExR51(lÜ3'M: Als die Israeliten
die Tora empfingen, bekleidete Gott sie mit dem Glanz seiner Herrlichkeit. Worin
bestand die Bekleidung? . . . R. Schiin?on b. Jochai (um 150) hat gesagt: Waffen gab
er ihnen, auf denen der große Name („Jahve") eingraviert stand, u. solange der in
ihrer Hand war, konnte der Todesengel über sie nicht herrschen. — Parallele: TanchB
-rhv, Zusatz § 1 (3Sb). II gAZ 5" Bar: R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sagte: Die Israeliten
haben die Tora nur empfangen, damit der Todesengel nicht über sie herrschen sollte,
s. Ps82, 6: „Ich selber habe gesprochen: Götter seid ihr u. Söhne des Höchsten ihr
alle." Aber da ihr eure Werke verderbt habt, „fürwahr, wie Menschen (der Midrasch
wohl: wie Adam) sollt ihr sterben" (das. Vers 7).
b. Über die Vernichtung des Todesengels in der Zukunft s. bei 1 Kor 15, 54.
150 Matth 4, 2. 4, 5 (31. Sj
4,2: Und fastete vierzig Tage.
ExR 47 (102»): „Mose war dort bei Jahve vierzig Tage u. vierzig Nächte, ohne
Brot zu essen" usw. Ex 34, 2S. Ist es einem Menschen denn möglich, vierzig Tage
ohne Speise u. Trank zu sein? R. Tanchuma (nach BM 86"^ dürfte der Ben Chanilai,
um 280, gemeint sein) hat im Namen des R. Elfazar (b. P'^dath? um 270) u. R. Abin
(so zu lesen nach GnR 48; Abin I. um 325, II. um H70) hat im Namen des R. Meii
(um 150) gesagt: Das Sprichwort sagt: , Kommst du in eine Stadt, so richte dich nach
deren Sitten!" Mose stieg nach oben empor, wo es kein Essen ii. Trinken gibt, u,
ward ihnen (den Oberen) gleich; die Engel des Dienstes stiegen nach unten hinab,
wo es Essen u. Trinken gibt, u. alsen u. tranken, s. Gn 18, 8. — Parallel GnR 48 (30^^).
4,4: Auf Grund jeglichen Wortes.
Dt 8, 3 wird kein dem Qr^ijaTi entsprechendes Wort gelesen ; dagegen
führen die Targumim, wohl zur Vermeidung des anthropomorphistischen
„Mund" Gottes, das Memra ein. Targ Onk Dt 8, 3: Durch alles vom
Memra Jahves Hervorgebrachte besteht der Mensch. Targ Jerusch I:
Durch alles, was vom Memra Jahves geschaffen wurde, lebt das
Menschenkind. || Vgl. auch Aboth 6, 7: Groß ist die Tora; denn sie gibt
Leben denen, die sie tun, in dieser u. in der zukünftigen Welt, s, Spr
4,22: Leben sind sie (nach dem Midrasch: die Worte der Tora) für
jeden, der sie erlangt, u. seinem ganzen Leibe Heilung; ferner Spr
3,18: Ein Lebensbaum ist sie (die Weisheit =^ Tora) denen, die sie
ergreifen, u wer sie festhält, ist glückselig.
4, 5 5(: In die heilige Stadt.
Dn 9, 24: -^ip i":* hv; 2 Makk 3, 1: t/~c dyi'ag toivvv nöXsutg xatoi-
xovfisvTig fisTce ndffrjc HQrjvrjC; ferner 9,14; 15,14. — Sir 36, 18: p'ip
T^-riiT; der Grieche: nöXiv ccYiüaf^iaröc aov; 49, 6: '»rip r-i-ip, der Grieche:
nohv dyic<(jf.iciTog. Der Ausdruck findet sich aber auch schon Jes 48,2;
52, 1 ; Neh 11, 1. — Jüdische Scheqelmünzen tragen die Aufschrift n^ia-n-'
mnp oder nirnpn c'^mi-^i. BQ 97" Bar: Welcherart war die Münze
Jerusalems? David u. Salomo auf der einen Seite; Jerusalem 'r'\'':i:r-[ nis-,
die heilige Stadt, auf der andren Seite. || Nach Sanh 107 ^ sandte Schim^on
b. Schatach (um 90 v. Chr.) dem J<^hoschua' b. P«^rachja nach Alexandria
in Ägypten eine Botschaft, die mit den Worten begann: „Von mir,
Jerusalem 'ci-\pn -i^r, an dich, Alexandria in Ägypten"; s. S. 84y, || Jo-
sephus Antiq. 20, 6,1: Die Galiläer hatten die Gewohnheit, wenn sie
in den Festen nach der heiligen Stadt eig rrjv isgav nöXiv zogen, ihren
Weg durch das Land der Samaritaner zu nehmen. — c, Apion. 1,31:
Erst wenn der Aussätzige mancherlei Opfer vollbracht hatte, ließ ihn
(der Gesetzgeber) in die heilige Stadt de rtp' hQuv nöhr kommen.
4, 5 SB: Er stellte ihn auf die Zinne {nxsQvyiov) des Tempels.
To tsQ6%- = uj'npar] rr^z bezeichnet den gesamten zum Heiligtum ge-
hörenden. Gebäudekomplex auf dem Tempelberg; o vaog = ba-^ri ist das
eigentliche Tempelhaus, umfassend die Vorhalle, t^s«, das Heilige u.
Matth 4, 5 (S). 4, 6 151
das Allerheiligste, ■^•^n'^. Bei der Unbestimmtheit des Ausdrucks x6
i€q6v kann über die Örtlichkeit des Vorfalls Näheres nicht ausgemacht
werden. Vielfach hat man an die Basilikenhalle auf der Südseite des
äußern Vorhofs gedacht (vgl. bei Apg3, 11), über die es Joseph. Antiq.
15, 11, 5 heißt:
MsyciXov yaQ ovzog xov xijq cpdgayyog ai'ctXtj/Liuccrog y.al ovd' uvsxtov xatiSsly, eXrig
«viadsv eis xov ßv&oi' eiaxvnioi., nctfi^eyed^og ixpog tv ccvtm to r/J? aroag uveatrjxsr.
<J? £% tig ün' üxoov roxi xnvit]g xs'yovg «^qpw avfxt^elg icl ßäft)] (fionxsvoi, axoxoSifidv.
ovx khxovfihPtjg xrjg oxpscog eig cc/uexgr]xoi' xöf ßv^öv. \\ Tafan 29^ Bar: Als das Haus
<= Heiligtum) zum erstenmal zerstört wurde, versammelten sich die einzelnen Ab-
teilungen der jungen Priesterschaft (damit sind die dienstfähigen Priester im Unter-
schied von den alt u. untauglich gewordenen gemeint) mit den Schlüsseln des Tempels
in ihren Händen. Sie stiegen auf das Dach des Tempelgebäudes, -3"^, u. sprachen vor
Gott: Herr der Welt, weil wir es nicht (erlangt haben), treue Verwalter zu sein, so
seien die Schlüssel dir übergeben! Darauf warfen sie sie in die Höhe, u. eine Art Hand
kam hervor (vom Himmel aus) ii. nahm sie von ihnen in Empfang. Sie aber sprangen
hinab u. stürzten sich in das Feuer (des brennenden Tempels). In bezug auf sie hat
Jesaja das Klagelied angestimmt Jes '2;?, If.: , Orakel über das Tal der Schau. Was
hast du nur, daß du insgesamt auf die Dächer gestiegen, du getümmelvolle, lärmende
Stadt, du ausgelassene Feste? Deine Erschlagenen sind nicht vom Schwerte durch-
bohrt noch im Kampfe gefallen." Und auch von Gott wird gesagt, Vers 5: Er unter-
gräbt die Grundmauer, daß es Wehgeschrei gibt zum Gebirge. — Parallelen; pSch^qalim
(), 50^ 48; LvR 19; vgl. Apoc Bar 10, 18 u. Aboth RN 4. || P'^siqR 3H (16'2''): Unsre Lehrer
haben gelehrt: Wenn sich der König, der Messias, offenbart, dann kommt er u. steht
auf dem Dach des Heiligtums •v~-.^2- p-3. Dann wird er den Israeliten verkünden u.
sagen: Ihr Armen, die Zeit eurer Erlösung ist da; u. wenn ihr es nicht glaubt, sehet
mein Licht, das über euch aufgeht, s Jes 60, 1: „Stehe auf, werde licht; denn dein
Licht kommt, u. die Herrlichkeit Jahves strahlt auf über dir!" Nur über euch strahlt
sie auf, aber nicht über den Völkern der Welt, s. Jes 60, 2: „Dunkel bedeckt die Erde
u. Finsternis die Völker" usw. In jener Stunde läßt Gott das Liclit des Königs, des
Messias, u. Israels aufleuchten, u. alle Völker der Welt sind in Finsternis u. Dunkel.
Dann werden .sie alle zum Licht des Me.ssias u. Israels kommen, s. Jes 60, 3; u. sie
kommen u. lecken den Staub unter den Füßen des Königs, des Messias, s. Jes 49, 23.
4, 6: Er wird seinen Engeln Befehl tun.
In dem Zitat aus Ps 91, 11 läßt der Versucher die V^^orte aus: „Daß
sie dich behüten auf allen deinen Wegen." Dazu vgl. Tanch N:ir ^d 19'':
Einmal stieg jemand auf die Spitze eines Baumes, um das Gebot be-
treffs des Vogelnestes Dt 22, 6 f. zu erfüllen; dabei fiel er herab u.
starb: denn es heißt (das.): Wenn du ein Vogelnest antriffst „auf dem
Wege". Nicht aber sollst du, wenn du ein solches auf der Spitze eines
Baumes erblickst, nach ihm hochsteigen. (Diese Auslegung ist freilich
wenig stichhaltig, da die Dt-stelle auch von einem Vogelnest auf dem
Baum redet.)
In der rabbin. Literatur ist Ps 91, 1 1 f. nur selten verwendet worden.
Tafan 11 '■*: In der Schule Schßla's (Schela um 220) sagte man: Zwei Dienstengel be-
gleiten den Menschen; diese legen (über sein Tun u. Lassen) wider ihn Zeugnis ab; s. Ps
91, 11: Seine Engel wird er dir entbieten usw. Il GnR7f<(50"): R. Meir (um 150) hat gesagt:
Wer ist größer, der Behütende oder der Behütete? Daraus, daß es heifit Ps9l, 11:
,Er wird seinen Engeln befehlen dich zu behüten", folgt, daß der Behütete größer
152 Matth4, 6. 7
ist als der Behütende. R. J*^huda (um 150) sagte: Wer ist größer, der Tragende oder
der Getragene? Daraus daß es heißt Ps 91, 12: ,Auf den Händen werden sie dich
tragen", folgt, daß der Getragene größer ist als der Tragende. — Mit Änderungen in
MidrPs91 §6 (lOgb). || Midr Ps91 §6 (200^): R. Ghanina (wohl b. Abbahu, um ;S40) hat
gesagt, R. Abbahu (um HOO) habe im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Wo war
denn Jakob in jeuer Stunde (zur Zeit von Gn 28, 13 if.)? Die Engel trugen ihn; denn
es heißt Ps 91, 12: „Auf den Händen werden sie dich tragen." || Eine Parallele zu dem
mit Schriftworten vorgehenden Versucher pPea S, 21 ■'', 23: R. Chanina b. Papa (um :-iOO)
pflegte Almosen des Nachts zu verteilen. Einmal begegnete ihm der Fürst der bösen
Geister u. sprach zu ihm: Hat uns nicht der Rabbi also gelehrt Dt 19, 14: Du sollst
die Grenze deines Nächsten nicht verrücken (die Nacht, die den bösen Geistern ge-
hört, nicht zur Wirkungszeit der Menschen machen)? Er antwortete ihm : Steht denn
aber auch nicht also geschrieben Spr2l, 14: „Eine Gabe im Verborgeneu bezwingt den
Zorn"? Da stürzte er (lies -trn^ statt •tr^vi) fort von ihm u. floh vor ihm. — Viel-
leicht will aber das -irr»: auf das he:- Spr 21,14 anspielen; dann wäre zu übersetzen:
,Und er wurde von ihm bezwungen, so daß er vor ihm floh." Ferner s. bei 18, 10 SB.
4,7: Du sollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen.
Tafan 9^: R. Jochanan (f 279) traf ein Kind des Resch Laqisch (um 250; letzterer
hatte eine Schwester des R. Jochanan zur Frau; dieser war also der Oheim des Kindes);
er sprach zu ihm: Sage mir deinen Vers (den du heute in der Schule gelernt hast).
Es antwortete: Verzehntend sollst du verzehnten ^^iTi -ib>: Dt 14, 22. Das Kind fragte :
Was heißt das: Verzehntend sollst du verzehnten? Er antwortete: Verzehnte, damit
du reich wirst (Wortspiel: ^-vyrrv ^-2S3 -c-y). Das Kind sprach: Woher weißt du
das? Er antwortete: Geh, versuche es! Es sprach zu ihm: Ist es denn erlaubt, Gott
zu versuchen? Es heißt doch Dt 6, 16: „Ihr sollt Jahve euren Gott nicht versuchen!"
Er sprach: So hat R. Hoschafja (der Altere, um 225) gesagt: (Ihr sollt Jahve nicht
versuchen) mit Ausnahme dieses Falles: „Bringet den ganzen Zehnten zum Schatz-
haus, daß es zum Unterhalt sei in meinem Hause, und prüfet (versuchet) mich doch
daran, spricht Jahve (^'baoth, ob ich euch nicht auftun werde die Fenster des Himmels
u. euch herabschütte Segen bis zum Übermaß" Mal:-!, 10. II TanchB r:«-' Zusatz § 1 (lA^);
R. Abba b. Kahana (um 810) hat gesagt: Es ist etwas Wichtiges um die Zehnten; in
der ganzen Tora steht geschrieben: „Ihr sollt Jahve euren Gott nicht versuchen" Dt6-
16, u. bei den Zehnten steht: „Bringet den ganzen Zehnten . . . u. prüfet mich dock
daran" Mal 3, 10. || pJoma 1, 4 (39'', 38) Bar: Man ließ den Hohenpriester (am Vor-
abend des Versöhnungstages) nicht genießen Fett, Eier, Käse, fettes Fleisch, alten Wein.
Würzwein, Bohnengraupen, Linsen. Sch^muel (f 254) hat gesagt: Auch keine Orangen
u. überhaupt nichts, was Samenfluß herbeizuführen pflegt (damit der Hohepriester
dadurch nicht verunreinigt u. au der Ausübung seiner Funktionen am Versöhnungs-
tag verhindert würde). Gleichwohl (d. h. trotz diesen Vorsichtsmaßregeln) las man ihm
den Vers vor Ps 127, 1 : Wenn Jahve nicht das Haus baut usw. Aber gehört denn das
(das Freibleiben des Hohenpriesters von nächtlicher Pollution vor dem Versöhnungs-
tage) nicht zu den Wundern, die im Heiligtum geschehen sind? R. Abun (I.? um ü25,
IL? um 370) hat gesagt: Jene Vorsichtsmaßregeln wurden getroffen wegen Dt 6, 16:
„Ihr sollt nicht versuchen." R. Jose b. Bun (um 350) hat gesagt: In dem einen Fall
(bezüglich der Wunder) handelt es sich um das erste Heiligtum u. in dem andren
(bezüglich der Vorsichtsmaßregeln) um das zweite Heiligtum. il Midr Qoh 8, 4 (39'*):
„Das Wort des Königs ist mächtig u. wer kann zu ihm sagen: Was tust du?" R. Bun
(= Abin, wohl der Jüngere, um 370) hat gesagt: Es heißt Dt 6, 16: „Ihr sollt nicht
versuchen", u. es heißt Gn 22, 1: „Gott versuchte den Abraham." - In GnR 55 (35*)
ist der Ausspruch durch ein Gleichnis, das nach Midr Qoh. a. a. 0. dem R. Levi, um
300, angehört, auseinandergerissen. || Schab 32''': R. Jannai (um 225) hat gesagt: Nie
stelle sich der Mensch an einen Ort der Gefahr, meinend, daß man (Gott) ihm ein
Wunder tun werde. Vielleicht tut man ihm kein Wunder; u. wenn man ihm ein solchem
Matth4,8. 9. 12(1) 15g
tut, so zieht man es ihm von seinen Verdiensten ab (weil er teilweise seinen Loliß
damit dahin hat). Dasselbe Tafan 20''. Vgl. Sir 3, 24: o ctyanwv xiföwov iv «iho")
ä-nokehat || Sanh 107-'': Rab hat gesagt: Nimmer bringe der Mensch sich selbst in eine-
Versuchung usw., s. die Stelle S. 140 f.
4,8: Auf einen sehr hohen Berg.
Apoc Bar 76, 3: So steige (Barukh) nuu auf den Gipfel dieses Berges, u. alle Länder
dieser Erde sollen vor dir vorüberziehn u. die Gestalt des Erdkreises u. die Gipfel der
Berge u. die Tiefen der Täler u. die Tiefen des Meeres u. die Zahl der Flüsse, damit
du siehst, was du zurücklassest u. wohin du gehst.
4, 9 3t: Dies alles will ich dir geben.
Der Satan wird als xoafioxqätwQ bezeichnet, s. LvR 18 (118^) obei>
S. 149. — Ferner ist daran zu erinnern, daß alle Völker nach jüdischer
Anschauung unter der Leitung von mehr oder weniger gottfeindlichen
Engelfürsten stehen,» insonderheit die damalige römische Weltmacht
unter der Leitung Sammaels (= Satans) selbst. b
a. Die Beweisstellen s. bei Rom 1, 23. b. Siehe Tanch nir'i 40'', oben S. 14?.
4, 9 23: Wenn du niederfällst u. mir huldigst.
Schab 105'^ Bar: ... So ist es der Kunstgriff des bösen Triebes (= Satan): heute-
sagt er zu einem Menschen: Tue das! u. morgen sagt er: Tue das! bis er ihm sagt:
Diene den Götzen! u. der Mensch geht hin u. tut es. — Die ganze Stelle nebst ParaU
lelen s. im Exkurs: Der gute u. der böse Trieb Nr. 5.
4,12: Galiläa.
1. Name. '-^l:r,n, einmal im AT nb^br-n (2 Kg 15, 29) = Kreis, Be-
zirk, ursprünglich Bezeichnung der nördlichsten, meist von Heiden
bewohnten Distrikte Palästinas; daher auch der genauere Name „Um-
kreis der Heiden" t-isn b^b: Jes 8, 23, FaXikaia dXXo(fvXwv 1 Makk 5, 15.
raXdaia rwi' e^rwr Mt 4, 15. Im 1. Makk (vgl. Schürer* 2, 9), im NT
u. bei Josephus erscheint dann „Galiläa" im weiteren Sinn als Name
der Nordprovinz Palästinas überhaupt. — Auch die Mischna bezeichnet
da, wo sie das vorwiegend von Juden bewohnte „Land Israel", •j^nx
bx-ir-', landschaftlich gliedert, die nördliche Landschaft regelmäßig mit
dem Namen b^bj, Galiläa.
K'th 13, 10: Drei Landschaften unterscheidet man hinsichtlich des Eherechtes:
Judäa, Transjordanland (Peräa) u. Galiläa. Man darf keine Frau zwingen (mit ihrem
Manne) überzusiedeln aus einer Landstadt (der einen Provinz) in eine gleichartige
Stadt (in einer andren Provinz), aus einer großen Stadt (der einen Provinz) in eine
gleichartige Stadt (in einer andren Provinz). Wohl aber darf man sie zwingen in der-
selben Provinz mit überzusiedeln aus einer Landstadt in eine andre Landstadt u. au&
einer großen Stadt in eine andre große Stadt, nicht aber aus einer Landstadt in eine
große Stadt oder umgekehrt. Parallelstelle: TK^th 13, 2 (275). — BB 3, 2: Hinsichtlich
des Ersitzungsrechtes (das auf Grund dreijähriger ungehinderter Nutznießung dem Nutz-
nießer das Eigentum an den genützten Gütern zusprach) hat man drei Landschaften
unterschieden: Judäa, Transjordanland u. Galiläa. Ist der Besitzer in Judäa, während
ein andrer dessen Eigentum in Galiläa ersitzt, oder umgekehrt, so findet eine Ersitzung
nicht statt; beide müssen in derselben Provinz sein. — Sch'^bifith 9, 2 s. unter Nr. 2. —
Ferner TSanh 2, 3 (416): Wegen dreier Länder macht man ein Jahr zum Schaltjahr r
wegen Judäas, wegen des Transjordanlandes u. wegen Galiläas.
154 Matth 4, 12 (2)
2. Grenzen, Einteilung, Landesprodukte usw.
Josephus, Bell. J. 3, H, 1 : Man unterscheidet zwei „Galiläa", das obere u. das untere
"Galiläa; beide werden von Phöaizien u. Syrien eingeschlossen. Nach Westen hin be-
grenzt sie Ptolemais lAkko) mit seinem Gebiet u. der Karmel, ehemals ein galiläisches.
jetzt ein tyrisches Gebirge. Diesem ist benachbart Gaba, die Reiterstadt, so genannt,
weil sich in ihr die vom König Herodes entlassenen berittenen Mannschaften an-
gesiedelt haben. Nach Süden hin bilden die Grenze Samarien u. Skythopolis (B6th-
Sch*'an) bis an den Jordanfluß; nach Osten hin die Gebiete von Hippos u. Gadara,
Gaulanitis u. das Königreich des Agrippa. Im Norden wird es von Tyrus u. seinem
Gebiet begrenzt. Untergaliläa erstreckt sich seiner Länge nach von Tiberias bis nach
Zabulon (hier wohl die Ortschaft dieses Namens), dem am Meer Ptolemais benachbart
ist; seiner Breite nach von dem in der großen Ebene (Jesreel) gelegenen Dorf Xaloth
(dem heutigen Iksal, südöstlich von Nazareth) bis nach Bersabe. Hier beginnt auch
Obergaliläa nach seiner Breite hin sich zu erstrecken bis nach dem Dorfe Baka, das
seinerseits an das Gebiet von Tyrus grenzt. In seiner Länge aber reicht Obergaliläa
vom Dorfe Thella in der Nähe des Jordans bis nach Meroth. — Die Namen Ober- u.
Uuter-galiläa bei Josephus nebeneinander noch Bell. J. 2, 20. 6 u. Vita 37. |i Sch^bi?ith
D, 2: Man unterscheidet drei Landschaften hinsichtlich der Fortschaffung der Brachjahr-
früchte aus den Häusern: Judäa, Transjoidanland u. Galiläa; jede Landschaft wird
-wieder in drei Landschaften geteilt. Obergaliläa, üntergaliläa u. das Tiefland. Von
K'^phar-Chananja (südwestlich von Saphed, etwa in gleicher Höhe mit Ptolemais) an
jiufwärts, soweit keine Sykomoren wachsen, ist Obergaliläa; von K'^phar-Chananja an
^ibwärts, soweit Sykomoren wachsen, ist Üntergaliläa. Das Gebiet von Tiberias ist
<las Tiefland. . . . || Ober- u. ünter-galiläa werden weiter nebeneinander genannt TSanh
2, 6 (41H): Einmal saßen Rabban Gamliel (um 90) u. die Altesten auf den Stufen des
Tempelberges, u, Jochanan, der Schreiber, ging (nach der Lesart -':n) vor ihnen. Rabban
Gamliel sprach zu ihm: Schreibe: „An unsre Brüder, die Bewohner von Obergaliläa
■u. die Bewohner von Untergaliläa, euer Friede sei großl Wir tun euch kund, daß die
Zeit der Wegräumung herannaht, fortzuschaffen die Zehnten aus den Olivenbehältern.* —
Als Bar von R. Judan (um 150) tradiert pSanh I, 18'^; pMSch 5, 56 ^ 8; bSanh 11 ^ —
Aus Obergaliläa stammende Schüler des R. Eli?ezer (b. Hyrkanos, um 90) werden er-
wähnt TKel. bab. m. 2, L 2 (579).
Josephus, Bell. J. 3, 3, 2: Ganz Galiläa ist fruchtbar u. herdenreich, auch mit allerlei
Bäumen besetzt, so daß es durch seine Ergiebigkeit auch wohl den anlockt, der die
Landarbeit weniger liebt. Es ist daher ganz von seinen Bewohnern angebaut u. kein
'Teil davon liegt brach. — *J, 10, 8: Am See Genezareth zieht sich ein Landstrich hin,
<ler den gleichen Namen {reyi'7]ac(Q) trägt u. ebenso Bewunderung verdient wegen seiner
natürlichen Beschaffenheit, wie wegen seiner Schönheit. Keinen Bnum lehnt der Boden
wegen seiner Fruchtbarkeit ab, u. alle Arten haben die Bewohner kultiviert; die Luft
ist so vorzüglich gemäßigt, daß sie auch den verschiedensten Arten zusagt. Nüsse,
<lie unter den Bäumen am meisten Kälte verlangen, wachsen in großen Mengen ; ebenso
gibt es dort Palmen, die in der Wärme gedeihen, u. neben ihnen Feigen u. Ölbäume,
für die eine mildere Luft angezeigt erscheint. Man möchte sagen, daß die Natur ge-
wissermaßen ihren Ehrgeiz darein setze, sich selbst zu nötigen. Widerstrebendes zur
Einheit zu führen, u. daß es ein edler Wettstreit unter den Jahreszeiten sei, wenn
eine jede den Landstrich gleichsam für sich mit Beschlag belegt. Denn das Land
bringt nicht bloß wider Erwarten die verschiedenartigsten Früchte, sondern erhält sie
auch eine lange Zeit hindurch: die königliche Frucht vor allen, die Traube, u. die Feige
bietet es unablässig dar zehn Monate lang, während die übrigen Früchte das ganze
Jahr hindurch rings um jene her reifen. Zu den vorzüglichen Temperaturverhältnissen
kommt, daß das Land von einer äußerst ergiebigen Quelle getränkt wird, die die Be-
wohner Kapharnaum nennen. Einige hielten sie für eine Ader des Nils, weil sie Fische
hervorbringt, die dem im See von Alexandria sich findenden Koracinusfisch ähnlich
sind. Die Länge des Landstriches zieht sich am Gestade des gleichnamigen Sees
Matth 4, 12 (2) I55
30 Stadien weit hin, während seine Breite 20 Stadien beträgt. — 2, 21, 2: Galiläa er-
zeugte viel Öl; ganz bes. war es aber damals (zu Josephus' Zeit) reich daran.
GnR98 (H2''): ,Issakhar ist ein knochiger Esel" (in 49, 14, d. h. die Früchte des
Landes Issakhar waren sehr groß, u. der Stamm Issakhar nahm von ihnen u. ver-
sandte sie übers Meer. Als die Völker der Welt sie sahen u. sich über sie verwunderten,
sprachen die Israeliten {hs~-^-h ist zu streichen) zu ihnen: Über die Früchte verwundert
ihr euch? Wenn ihr ihre Besitzer sehn würdet, wie sie sich mit der Tora beschäftigen,
würdet ihr euch über sie verwundern! Da kamen viele Proselyten, die zum Judentum
übertraten. — Ebendas. 62'^: „Ascher, Fettes ist seine Speise" Gn49, 2Ü; denn sein
Land ist fett, sein Brot ist fett, er stellt die acht Gewänder.^ ,Er liefert Königs-
ieckerbissen", d. h. n-'is: (cephalones? = Palmpflanzen, Datteln, oder nach Krauß,
Lehnwörter, 2, 294 korrumpiert aus i"CE""rp ^= xoXnu^ädsc, Oliven) u. •i'j-pi:s (= om-
phacinum, Olivenöl). — „Naphtali ist eine frei schweifende (-r:i'';x) Hinde" Gn49, 21.
Die Worte liandeln von Naphtalis Land, das ganz u. gar künstlich berieselt wurde
{ynhv^> ^'2), wie es heißt Dt 8, 17: „Von Kinnereth bis zum Meer der Ebene:' . . .
Warum heißt das Land -cn:; (Genezarethi? Die Rabbanan erklärten es mit „Fürsten-
gärten" (s-i-i: -:.", d. h. das Land wurde G. genannt, weil es fürstlichen Gärten glich). |1
GnR 99 (63 f): „Naphtali ist eine frei schweifende Hinde." Gn 49, 21. Damit ist das Tal
Genezareth gemeint, das schnell wie eine Hinde seine Früchte brachte. „Er, der schöne
Reden hervorbringt" (ebendas.), weil sein Land gesegnet war, s. Dt 3:-!, 28: „Naphtali
satt von Wohlgefallen u. von Jahves Segen voll." Sie brachten frühe von ihren Früchten
den Königen dar (oder nach der Lesart y-zz^-a in Tanch statt "^22':: sie ehrten mit
ihren Früchten Könige) u. machten dabei schöne Worte, u. wenn die Könige etwas
wider sie in ihrem Herzen hatten, wurden sie dadurch ausgesöhnt. — Parallele mit
Abweichungen Tanch -:t-i .58^. |i SDt?!3, 24 §855 (147^; 148^): „(Ascher) sei der Günst-
ling ("1-^) seiner Brüder" Dt 33, 24; denn er zahlte (n::-r'3) seinen Brüdern mit Olivenöl
u. Datteln (zu r:s';rpi -j-p-ris vgl. oben GnR62'^') u. sie zahlten ihm mit Getreide. . . .
„Und tauchend in Öl seinen Fuß" (ebendas.); denn in Aschers Land floß das Öl wie
eine Quelle. Einmal hatten die Einwohner von Laodicea Öl nötig; sie erwählten sich
einen Sachwalter (1. c-J!''-:^t = ejiius'Atjtijg statt C"-"';-';"-:) u. sprachen zu ihm: Geh u.
kaufe uns Öl für 100 Myriaden (1 Million Denare?). Er ging nach Tyrus u. sprach:
Ich habe Öl für 100 Myriaden nötig! Man erwiderte ihm: Geh nach Gusch-Chalab
(Ort, der nach dieser Stelle im Staramgebiet Aschers gelegen hat). Er ging nach Gusch-
Chalab u. sprach: Ich habe Öl für 100 Myriaden nötig! Man antwortete ihm: Geh zu
dem u. dem. Er ging in dessen Haus, traf ihn aber nicht an. Man sagte ihm: Siehe,
er ist auf dem Felde. Er ging u. traf ihn, wie er unter einem Olivenbaum Furchen
zog. Er sprach zu ihm: Ich habe Öl für 100 Myriaden nötig! Jener antwortete: Warte,
bis ich mit dem Olivenbaum fertig bin. Als er damit fertig war, nahm er seine Ge-
räte u. machte sich allmählich auf den Weg. Der Sachwalter dachte: Sollte dieser
wirklich für 100 Myriaden Öl haben? Es scheint, als ob die Juden mich (1. '2 statt "3)
zum besten haben! Als jener nach Hause kam, rief er seine Sklavin u. sprach zu ihr:
Komm u. wasche unsre Füße! Sie füllte ein Becken mit Öl u. wusch ihnen ihre Füße,
um zu erfüllen, was gesagt ist Dt 88, 24: „Er taucht in Öl seinen Fuß"! Darauf setzte
er ihm Speise vor, u. er aß u. trank. Nach dem Essen stand er auf u. maß ihm Öl
ab für 100 Myriaden; dann sagte er zu ihm: Willst du noch mehr? Jener erwiderte;
Ich habe kein Geld! Er sprach zu ihm (statt sV ist jedenfalls ■''': zu lesen): Nimm
nur, ich komme mit dir u. hole mir mein Geld. Da stand er auf u. maß ihm Öl zu
für 1800 Myriaden. Mau erzählte, daß jener Laodiceer keinen Esel u. kein Kamel im
Laude Israel zurückließ, die er nicht (zum Tragen der Ölladung)'mit .sich nahm. Als
die Leute von Laodicea Kunde erhielten, gingen sie ihm drei Mil weit entgegen u.
' Der Midr deutet nz>3v fett == r'.z-^v acht; gemeint sind die acht Gewänder des
Hohenpriesters; Ascher stellt die Hohenpriester, insofern nach R. Levi, um -iOO, die
schönen Töchter Aschers sich an die Hohenpriester zu verheiraten ptlegten, GnR 71 Ende.
156 Matth 4, 12 (2. 3)
priesen ihn in einem großen Loblied. Er aber sprach: Preiset mit diesem Loblied nicht
mich, sondern diesen Mann hier; denn alles rührt von ihm her u. nicht bloß dies,
sondern ich bin ihm noch 1800 Myriaden schuldig geblieben, damit erfüllt würde, wa&
gesagt ist Spr i:^. 7: Mancher stellt sich reich u. hat gar nichts; mancher stellt sich
arm u. besitzt große Habe. — Dasselbe als Baraitha M^nach 85^.
SDtH2, 13 §316 (135^): „Er säugte ihn mit Honig aus dem Felsen" Dt 32, 13,
wie zB in Sikhnin (in Galiläal nebst Umgebung. Einmal sagte R. J^'huda (b. Elfai,
um 150) zu seinem Sohne in Sikhnin: Geh u. hole mir Feigen aus dem Faß! Dieser
antwortete: Mein Vater, das ist zu Honig geworden! Jener sprach: Greife nur tief mit
deiner Hand hinein, u. du wirst daraus Feigen hervorholen. „Und mit Ol aus dem
harten Kiesel" (das.); das geht auf die Oliven von Gusch-Chalab. Einmal sagte R. Jose
(b. Chalaphta, um 150) zu seinem Sohn in Sepphoris (in Galiläa): Steige empor u. hole
uns Oliven vom Söller. Er ging u. fand den Söller, wie er in Ol schwamm. |i K''th 111'':
Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Ich habe es selbst gesehen, wie Sepphoris in einer
Länge und Breite von Hj Mil von Milch u. Honig floß. — Dasselbe M^'g 6^ |! TM''n
9,5(526): T^'qoaf (in Judäa) steht an erster Stelle (wörtlich: ist das Alpha) in bezug
auf das Öl; Abba Schaiul (um löO) sagte: An zweiter Stelle steht Ragab im Trans -
Jordanland; R. Eli?ezer b. Ja?aqob (um 150) sagte: An dritter Stelle stand Gusch-Chalab
in Galiläa. — Die Mischna M'^n 8, 3 erwähnt nur die beiden ersten Aussagen. i| GnR
20 (13''): R. El?azar b. Schim?on (um 180) hat gesagt: Es ist leichter eine ganze Legion
in Galiläa zu erhalten vom Ertrage der Oliven, als ein einziges Kind großzuziehen im
(übrigen) Lande Israel. || P'^s 8'^: R. Abin b. Ad(d a (um 350) hat gesagt, R. Jicjchaq
(um 300) habe gesagt: Warum wachsen die Früchte von Genezareth nicht in Jerusalem"?
Damit die Festpilger nicht sagen: Wenn wir nur hinaufgezogen wären, um die Früchte
von Genezareth in Jerusalem zu essen, so hätten wir genug gehabt! So würde da»
Hinaufziehen erfunden werden als ein solches, das nicht in lauterer Absicht erfolgte. |j
M®g 5'*. 6 ': R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Kinnereth, das ist Genezareth; u. warum
wird es K. genannt? Weil seine Früchte so süß sind wie der Laut der Zither (^i:-:). |j
Nazir 31'': In Galiläa ist der Wein wertvoller als das Öl.
Ob die Fabrikation der galiläischen Krüge oder Flaschen, D-ocrr
D'^^';l=.^rT, über deren Verunreinigungsfähigkeit im zerbrochenen Zustande
Kelim 2, 2; TKel baba q. 2, 2 (570) handeln, mit der Aufbewahrung des
Ohvenöls in Zus. hang steht, wie Neubauer, Geographie S. 180, an-
nimmt, muß dahingestellt bleiben.
3. Bevölkerung (Dichtigkeit, Charakter, Sprache, religionsgesetz-
liche Stellung; Verhältnis zu den Judäern).
Josephus, Vita 45 Ende: In Galiläa gibt es 204 Städte u. Dörfer. — Bell. J. 3, 3, 2:
Da die beiden Galiläa eine so bedeutende Größe hatten u. von so vielen fremdländischen
Völkern eingeschlossen waren, zeigten sie sich stets jeder Kriegsgefahr gewachsen;
denn die Galiläer waren von Kindheit an kampflustig u. überall zahlreich vorhanden:
weder beherrschte Feigheit die Männer noch Mangel an Männern das Land. . . . Viele
Städte gab es, u. die Menge der Dörfer war überall stark bevölkert wegen der Blüte
des Landes, so daß die kleinste Ortschaft wohl über 15000 Einwohner zählte. (Die
Zahl dürfte übertrieben sein.) — Vita 17 wird speziell von den Bewohnern der Stadt
Tiberias gesagt, daß sie immer neuerungssüchtig gewesen seien, von Natur zu Um-
wälzungen geneigt u. an Aufständen sich ergötzend. || N^d 48''^ Bar: R. J^huda (um 150)
sagte: Die Bewohnei- von G. waren streitsüchtig. i| pK®th 4, 29'', 30: Die Leute von G.
hielten mehr auf ihre Ehre als auf ihr Geld; u. die Leute von Judäa hielten mehr
auf ihr Geld als auf ihre Ehre. — Dieser Satz wird Z. 34 von R. Chanina (Chananja,
um 380) dem R. Mani II. gegenüber für eine halakhische Entscheidung verwertet.
M'^g 24'' Bar: Man läßt (als Vorbeter) nicht vor die Lade treten die Leute von
Beth-Sch''an (= Skythopolis im südöstlichen G.), von Beth-Chaipha (von Neubauer
Matth 4, 12 (3) I57
S. 197 ideotifiziert mit Gaba am Karmel, s. oben S. 154« das Zitat aus Joseplius. Bell. J.
3, 3, 1) von Tib?on (nach Neubauer S. 196 westlich von Sepphorisl, weil sie Aleph wie
?Ajin u. fAjin wie Aleph aussprechen. | Vgl. hiermit B'-rakh :32'': R. EUazar (um 270)
hat gesagt: Mose hat nach oben Worte ausgestoßen (hat Gott Vorwürfe gemacht); denn
•es heißt (Nu 11, 2): „Mose betete gegen .lahve"; lies nicht -rs (— zu), sondern -sr
(= gegen); denn so sprachen die von der Schule des R. Eli?ezer b. Jafaqob (um 150)
■das Aleph wie ?Ajin u. das ?Ajin wie Aleph. — ?Erub 5^^: Die Bewohner von G.
nahmen es mit der Aussprache nicht genau. Wie verhält es sich damit? Baraitha:
Wie jener Galiläer, der zu ihnen (den Judäern) sagte: Wer hat ein -'ss, wer hat ein
-Tzti'? Sie antworteten ihm: Du närrischer Galiläer, meinst du einen Esel, -"irr, zum
Reiten, oder Wein, ^'^~, zum Trinken oder Wolle, "'sv, '.^um Kleiden odtr ein Lamm, •^'ss,
zum Schlachten? — Eine Frau wollte sagen: Meine Freundin, komm, daß ich dir Milch
zu essen gebe (saVn -^"■ssixt -np -r^i-s.); sie sprach es aber aus wie: -•"•:3t 'r:s-hv
S2V, d.h.: Meine Verworfene, es fresse dich die Löwin. — Eine andre Frau kam vor
«inen Richter, um zu sagen: Mein Herr (xv(J'6\ ich hatte eine Tafel (s'si-w), die mau
mir gestohlen hat (-ra mij;i), u. die von der Größe war (•;-:*), daß, wenn man sie dir
angehängt hätte {-^'h^y nV i-nr), ihr Fuß {~"'~) nicht bis zur Erde gereicht haben
würde, s. Raschi u. Levy 2, 324=*. Sie sprach es aber so aus: Mein Herr Knecht ixelgie),
ich hatte einen Balken (s-sr), u. man hat dich fortgestohlen (ti -iia:;^!; der (Balken)
war so, daß, wenn man dich darauf geworfen hätte (-i-j-y 1^ ^"v ~-~), dein Fuß (--j-^:)
nicht bis zur Erde gereicht haben würde. — Diese Stellen beweisen, daß die Galiläer
nicht bloß nachlässig in der Aussprache der Kehllaute waren, sondern es auch mit der
Vokalisation nicht bes. genau nahmen; auch daß sie Wörter zusammensprachen u. so
ganze Silben verschluckten. || GnR 26 (17 ): (Die Riesen Gn 6, 4 haben sieben Namen,
•deren einer a-n>- ist, vgl. Dt 2, 23, u. zwar weil sie die Welt zerstörten, vgl. n;.!-, Zer-
störung, Ez 21, 32.) R. Elfazar b. Schimfon (um IHO) hat gesagt: Sie heißen a-iy, weil
sie sich auf die Erdarten verstanden, wie die Schlangen; in Galiläa nennt man die
Schlange (j«^"!-) s^is. — Auch hier die Nachlässigkeit in der Aussprache der Kehl-
laute, il fErub53'» Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Weil die
Judäer auf ihre Sprache achthatten, behielt ihre Lehre Bestand unter ihren Händen;
weil die Galiläer auf ihre Sprache nicht achthatten, behielt ihre Lehre nicht Bestand
nnter ihren Händen. Aber hängt die Sache denn von solchem Achthaben ab? Viel-
mehr weil die Judäer es mit dem Wort genau nahmen u. sich Zeichen (voces memoriales)
machten, behielt ihre Lehre Bestand unter ihren Händen; weil die Galiläer mit dem
Wort es nicht genau nahmen u. sich keine Zeichen machten, behielt ihre Lehre nicht
Bestand unter ihren Händen. Die Judäer lernten von Einem Lehrer, deshalb behielt
ihre Lehre Bestand unter ihren Händen; weil die Galiläer nicht von Einem Lehrer
lernten, behielt ihre Lehre nicht Bestand unter ihren Händen. Rabina (I., f um 420)
hat gesagt: Weil die Judäer ihre Lehrsätze andren mitteilten (oder auch: einen Traktat
durch eingehende Diskussion klarlegten), behielt ihre Lehre Bestand unter ihren Händen;
weil die Galiläer ihre Lehrsätze nicht mitteilten (oder: nicht klarlegten ), behielt ihre
Lehre nicht Bestand unter ihren Händen.
pSchab 16, 15^, 50: R. fUlla (um 280) hat gesagt: 18 Jahre lang hat (Rabban
Jochanan b. Zakkai, f um >^0 n. Chr.) in ?Arab (in Oaliläa) gewohnt u. nur zwei Vor-
fälle hat man vor ihn (zur Entscheidung) gebracht. Da sprach Rabban Jochanan b. Z. :
Galiläa, Galiläa, du hassest die Lehre; du wirst schließlich zu den Räubern gehören! tj
Über die von einander abweichenden Bestimmungen, die in Judäa u. Galiläa über den
Verkehr der Verlobten untereinander bestanden, s. S. 45 f. || K^th 4, 12: ,Du sollst in
meinem Hause wohnen u. aus meinem Vermögen unterhalten werden, solange dein
Witwenstand in meinem Hause dauert" ; (auch wenn der Mann dies nicht ausdrücklich
seiner Frau verschrieben hat,) so gilt doch diese Bestimmung, weil sie gerichtl. Be-
dingung ist. In dieser Form faßten die Männer Jerusalems die Verschreibung ab; u.
die Galiläer faßten sie wie die Männer Jerusalems ab. Aber die Judäer schrieben:
,Bis die Erben es vorziehen, dir deine Hochzeitsverschreibung auszuhändigen." Wenn
158 Matth 4, 12 (3)
deshalb die Erben wollten, konnten sie ihr ihre Hochzeitsverschreibung aushändigen
H. sie entlassen. — pK*^th 4, 29 '\ 80 (s. oben S. lo6y) gibt den Grund dieser eherecht-
lichen Differenz an. il P'^s 4, 5: Die Gelehrten haben gesagt: In Judäa pflegte man am
Vortage des Passahfestes (also am 14. Nisan) bis Mittag zu arbeiten; aber in Galiläa
pflegte man überhaupt nicht zu arbeiten. Für die Nacht zuvor verbot die Schule
Schammais die Arbeit; die Schule Hillels erlaubte sie bis zum Sonnenaufgang. |i ChuUin
5,3: Zu vier Zeiten im Jahre muß der, welcher einem andren Vieh verkauft, diesem
mitteilen: ,lch habe die Mutter dieses Tieres oder das Junge dieses Tieres zum
Schlachten verkauft" (wegen des Gesetzes Lv '<^2, 28), nämlich am Tage vor dem letzten
Laubhüttenfesttag, am Tage vor dem ersten Passahfesttag, am Tage vor Wochenfest
u. am Tage vor dem Neujahrfest. Nach R. Jose, dem Galiläer (um HO), auch am Tage
vor dem Versöhnuugstage in Galiläa. Dasselbe TChullin 5, 9 (507) mit dem Zusatz:
Weil der V. ein Festtag ist. ll N^d 2, 4: R. J'^huda (um 150) sagte: Der Ausdruck „Hebe"
schlechthin (ohne nähere Bezeichnung bei Gelübden gebraucht) macht in Judäa die
Sache (auf die sich das Gelübde bezog) unerlaubt (zum Gebrauch); in G. aber bleibt
die Sache erlaubt, weil die Galiläer die Hebe für den Tempelschatz nicht kennen (sie
wissen nur von der Priesterhebe; u. weil diese nicht zum Gegenstand eines Gelübdes
gemacht werden kann, so macht der Ausdruck „Hebe" im Munde eines Galiläers das
Gelübde ungültig; anders beim Judäer, der die Hebe für den Tempelschatz kennt).
Der Ausdruck „Bannung" schlechthin läßt (die als Bann oder Gebanntes bezeichnete
Sache) in Judäa erlaubt; in G. aber macht er sie unerlaubt, weil die Galiläer „für
den Priester Gebanntes" nicht kennen (sie haben bei dem Ausdruck „Gebanntes" nur
„Gott Gebanntes" im Sinn, was für den profanen Gebrauch nicht erlaubt ist; um-
gekehrt denken die Judäer bei „Gebanntem" an etwas, was für den Priester gebannt
ist, u. da letzteres nicht zum Gegenstand eines Gelübdes gemacht werden kann, so
ist das Gelübde ungültig, d. h. der Gegenstand, dem das Gelübde galt, zum weitern
Gebrauch gestattet). || TBQ 8, 14 (3H2 : R. Jischmafel (f um 135) hat gesagt: Zu den
Besitzern in G. hat mein Vaterhaus gehört. Weshalb ist es zerstört worden? Weil sie
Geldprozesse durch Einen entscheiden ließen, u. weil sie Kleinvieh zogen (beides war
in Judäa nicht erlaubt). — In der Parallelstelle pSota ;►, 10 (24-', 33) ist R. Schimfon
aus Schizor statt R. Jischmafel genannt. || K'^th 5, 9: Fünf Sela? an Gewicht in Judäa
sind zehn Sela? in G.; zehn Selaf an Gewicht in Judäa sind zwanzig Selaf in G. —
Dasselbe Gewichtsverhältnis wird angegeben ChuUin 11, 2; TChullin 10, 5 (51 1). || BB
122»: R. J'^huda (um 150) hat gesagt: Ein Sea in Judäa ist gleich fünf Sea in G. ||
Schab 153'': Die Galiläer sagten: Tu, was man vor deiner Bahre (bei der Totenklage
um dich) sagen kann. Die Judäer sagten: Tu, was man hinter deiner Bahre sagen
kann (in G. fand die Totenklage vor, in Judäa hinter der Bahre statt). || MQ 23^: Die
Judäer u. die Galiläer: Die einen sagten: Die Trauerbräuche werden am Sabbat be-
obachtet; die andren sagten: sie werden am Sabbat nicht beobachtet. || RH 4, 5: Die
Ordnung der Segens- (oder Lob-)Sprüche (im Musaph-Gebet des Neujahrstages) ist
folgende: man spricht >Aboth<, >G'buroth< u. >Q"dussath ha-schem< (d. h. die drei
ersten Benediktionen des Achtzehn-Gebets); damit verbindet man >Malkhijjoth< (zehn
Schriftverse, die Gottes Königtum erwähnen), ohne zu blasen; (dann spricht man)
>Q'dussath hajom< („Du hast uns erwählt aus allen Völkern" usw.) u. bläst; dann
Zikhronoth< (Äehn Schriftverse, in denen vom Gedenken Gottes die Rede ist) u. bläst;
dann >Schopharoth< (zehn Schriftverse, die den Posaunenschall erwähnen) u. bläst;
dann >fAboda<, >Hodaja< u. >Birkath kohanim< (d. h. die drei letzten Benediktionen
des Achtzehn-Gebets). Das sind die Worte des R. Jochanan b. Nuri (um HO). R. ?Aqiba
(t um 135) erwiderte: Wenn man nach >Malkhijjoth< nicht bliese, warum sollte man
diese dann erwähnen? Vielmehr man sagt >Aboth<, >G''buroth< und >Q®dussath ha-
schem<, dann verbindet man >Malkliijjuth< mit >Q*'dussath ha-;jom< u. bläst, dann
Zikhronoth< u. bläst, dann >Schopharoth< u. bläst, u. dann spricht man >?Aboda<,
Hoda3a< u. >Birkath kohanim<. — Die Meinungsverschiedenheit dreht sich um die
Frage, ob die von der Gottesherrschaft r-i-'z handelnden Stellen mit der vorher-
Matth 4, 13 159
gehenden oder mit der nachfolgenden Benediktion zus.zufasseu seien ii. was damit
zus. hängt, üb bei ihnen zu blasen sei (R. f Aqiba) oder nicht (R. Jochanan b. Nuri).
pRH 4, 59 ^ 7 bemerkt dazu: In Judäa befolgt man den Brauch, der der Meinung des-
R. fAqiba entspricht, u. in G. denjenigen, der der Meinung *des R. Jochanan b. N. ent-
spricht. (R. Jochanan b. N. war ein galiläischer Gelehrter.)
4,13: Kapernaum, das am See liegt.
KacfaQvaovfi, = Qiin: iE3 „Nachumsdorf; die Übersetzung „Trost-
dorf würde die Form nw: -ies voraussetzen. Man nimmt jetzt nüeist
an, daß K. am Nordwestrande des galiläischen Meeres gelegen habe
da, wo sich heute die Ruinen von Tell-Chum finden. — Das AT er-
Avähnt K. nicht.
Josephus erzählt Vita 72 von sich: Mein Pferd, von dem aus ich kämpfte, war An
einer schlammigen Stelle eingesunken u. hatte mich zu Boden geworfen. Infolge eines
Gliederbruchs am Handgelenk wurde ich nach einem Dorf namens KecpaQyiöfit] ge-
schafft. . . . Dort blieb ich jenen Tag, da ich Fieber hatte; in der Nacht aber wurde-
ich auf Grund ärztlichen Gutachtens nach 'larichea (am Südende des Sees) gebracht. —
Die näheren Angaben des Josephus über die Stätte seines Unfalls (nicht weit von.
Julias am Einflulä des Jordans in das galiläische Meer) machen es so gut wie sicher,
daß dieses KsffagiuJu?] identisch ist mit dem K«(f«Qpaovu Mt 4, 13. — Eine Quelle
namens „Kapharnaum" im Landstrich Genezareth erwähnt Josephus Bell Jud 8, lU, 'd;.
s. die Stelle S. 154 y.
In der rabbin. Literatur kommt K. nur an zwei Stellen vor.
Midr Qoh 1, 8 (9*j: Chanina (lies: Chananja\ der Brudersohn des R. J'hoschuaf (um
110), begab sich nach K-^phar Nachum, u. die Häretiker (Minim, hier = Judenchristen)
taten ihm etwas an (nach Matt. K^hunna durch ihre Zauberkünste!; dann brachten sie-
ihn hinein (nach der Stadt), indem er an einem Sabbat auf einem Esel ritt. (Diese
Sabbatschändung war das äußere Zeichen, daß er mit dem Judentum gebrochen hatte.)
Darauf begab er sich zu seinem Oheim J'hoschua? (dem bekannten R. J*^hoschuaf b.
Chananja, um 90). Dieser brachte Öl auf ihn u. er genas (vgl. Jak 5, 14). Der Oheim
sprach zu ihm: Da hierbei -; (andre Lesart -3 = in dir, an dir) rege geworden ist
"ivri-s (wörtlich: wach geworden ist) s-in jenes Gottlosen, so kannst du nicht im
Lande Israel verweilen. Er ging von dort hinab nach Babel u. entschlief dort in.
seinem Frieden (nicht sofort, sondern erst später, nachdem er in Babylonien ein an-
gesehener Gesetzeslehrer geworden war, gegen dessen Eigenmächtigkeiten man vom
Mutterlande aus einzuschreiten sich genötigt sah). — Diesen Bericht wird man dahin
verstehn dürfen, daß R. Chananja in K. zum Christentum übergetreten ist. Dann weisen
die Worte: ,Die Häretiker taten ihm etwas an" = sie machten etwas an ihm, auf
seine Taufe hin. Das allen erkennbare Zeichen seines Übertritts zum Christentum ist
die Abkehr vom jüdischen Sabbatgesetz. Mehrdeutig aber sind die Worte, mit denen
bald darauf sein Oheim R. J*^hoschua? die Notwendigkeit seines Weggangs aus Palästina
begründet. Was bedeutet vor allem ^s-^';- jenes Gottlosen"? Daß mit dem „Gott-
losen" Jesus gemeint ist, wird als sicher gelten können. Dagegen kann s-^:- ver-
schieden ausgesprochen werden. Man kann es lesen als s":'?" = Esel; so der Kom-
mentar M.K. Der „Esel" wäre in diesem Fall nach Sach 9, 9 gleichsam als Symbol
Jesu oder des Christentums aufgefaßt worden, so daß die Worte: „Da der Esel jenes-
Gottlosen an dir erwacht oder rege geworden ist", soviel besagen würden, wie: da
das Christentum auf dich Einfluß gewonnen hat. — Man kann s-^r: aber auch lesen
als s^'jrT — Wein, so Schlatter, Die Kirche Jerusalems S. 10 f. Dann wäre „der Wein"
ein Hinweis auf die Teilnahme des R. Chananja an der Feier des heiligen Abendmahls;
der ganze Satz aber: „Da der Wein jenes Gottlosen an dir rege geworden ist", würde
den Sinn haben: da du durch deine Beteiligung an der Abendmahlsfeier als Christ
160 ' Matth 4, 13. 15
erwiesen worden bist, so kann deines V^erweilens nicht mehr länger in der Heimat
sein. — R. Chananja wurde durch die Olsalbung von seinem Irrtum geheilt, er kehrte
zur Synagoge zurück u. wanderte aus. |l Midr Qoh 7, 26 (38^) nimmt kurz auf vorstehende
Geschichte Bezug; dabei wird K, zum zweitenmal erwähnt: R. Isi (= Jose) aus Cäsarea
^im 4. Jahrh.) hat Qoh 7, 26: „Wer gut vor Jahve, entrinnt ihr; aber der Sünder wird
<lurch sie verstrickt" auf die Ketzerei (Häresie) ausgelegt. . . . Der „Gute" ist Chananja,
■der Brudersolin des R. J'^hoschua?, u. der , Sünder" bezieht sich auf die Leute von
K'phar Nachum. . . .
4, 15. Jes 8, 23 in der rabbin. Literatur.
Midr HL Einl. Nr. 5 (W^): Wie sind die Israeliten ins Exil gezogen? R. EUazar
(b. P'^dath, um 270 1 sagte: Der Stamm Rüben u. der Stamm Gad zogen zuerst ins Exil.
R. Sch*^muel b. Nachman (um 260) sagte: Der Stamm Sebulon u. der Stamm Naphtali
zogen zuerst ins Exil, s. Jes 8, 28: „Zur ersten Zeit hat er gering gemacht das Land S.
u. das Land N." Wie hält denn nun R. Elfazar diese Schriftstelle des R. Sch'muel
"b. Nachman aufrecht? Er deutet: In der Zeit, da Rüben u. Gad ins Exil zogen, zogen
auch S. u. N. ins Exil. — Tasn ■j-i-nsm (das.i: R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt:
Er hat sie ausgekehrt (der Midrasch deutet "i"';:~ nach -zt = ausfegen) wie mit einem
Besen, s. Jes 14, 23: „Ich kehre es hinweg mit dem Kehrbesen." — Nach dieser Stelle
wird man Seder fOlamR 23 Anf. zu verstehn haben: „Es geschah im H.Jahre des
Königs Hiskia, da zog Sanherib herauf" Jes 36, 1. Acht Jahre lagen zwischen der
■ersten u. der zweiten Wegführung, ebenso acht .Tahre zwischen der zweiten u. der
■dritten; dann wartete er noch acht Jahre u. zog gegen Juda, um zu erfüllen, was
gesagt ist Jes 8, 23: Wie in der ersten Zeit (da Rüben u. (»ad ins Exil zogen), machte
er gering das Land S. u. das Land N. (deren Bewohner den zweiten Zug in die Ver-
ibanuung bildeten); u. zuletzt (als der Rest der 10 Stämme hinweggeführt wurde) hat
-er es ausgekehrt. — Ähnlich Tanch -j-D's 248'»; TanchB -yci § 10 (84'' i; NuR 23 (194^).
In Midr Qoh zu 9, 18 (46^), wo R. Levi, um 300, als Autor genannt wird, ist der Text
verstümmelt.
Sanh 94^: Jes 8, 23: n'-j pu"o "»«"'s nyi^s xh -2. R. Elfazar b. B'^rekhja (Zeit ungewitj)
liat gesagt: Nicht wird das Volk, das sich abmüht (aii-s) mit der Tora, in die Hand
desjenigen gegeben werden, der es bedrängt {''si^ = p'-'i). Was bedeuten die folgenden
Worte i-irs-n rya usw.? Nicht wie die Früheren (d.h. das Nordreich), die sich das
Joch der Tora leicht machten; sondern die Späteren (gemeint ist die Generation des
Hiskia) haben sich die Last der Tora schwer gemacht. Deshalb sind diese es wert,
■daß ihnen ein Wunder geschieht, wie denen, die durch das Meer gingen (Deutung von
n-n -;--) u. wie denen, die den Jordan überschritten (Deutung von i-f'n ->3i"); wenn er
^Sanherib) umkehrt, so ist es gut; wenn aber nicht, so will ich ihn zum „^"'-j unter
•den Völkern" machen, d.h. entweder: ich will seine Schande sich unter den Völkern
verbreiten lassen, oder: ich will ihn zum Auskehricht, Exkrement, h:h>, unter den
Völkern machen, s. Raschi z. St. i| Targ Jes 8, 23 : Denn keiner wird ermatten, der kommt,
«m sie zu bedrängen, wie sie in der früheren Zeit das Volk des Landes Sebulon u.
Naphtali in das Exil führten; u. ihren Überrest wird ein gewaltiger König fortführen,
Jarum daß sie nicht gedacht haben der Machttat am Meer (beim Auszug aus Ägypten),
(noch der Wunder am Jordan, noch des Kampfes um die festen Städte der (kanaanitischen)
Völker. II Sanh 104'': R. Jochanan (f 279i hat gesagt: Jeder, der Israel bedrängt, wird
zum Haupte, wie es heißt Jes 8, 23: „Denn kein Ermüdeter" usw. Raba (t 352) hat
gesagt, R. Jochanan habe gesagt: Wer Israel bedrängt (p".:t: Jes 8,23 = ?"^"?.), der
•ermüdet nicht.
Zu ra).iXaicc roh' s^vcöv s. auch oben S. 153. — Der Messias wird in
•der älteren Literatur ausdrücklich nirgends mit Galiläa in Verbindung
gebracht. Nach Einer Stelle weilt er vor seinem Auftreten im Norden.
Vielleicht hat man dabei an G. zu denken. LvR 9 (111=*): , Wache auf,
Matth4, 15. 16 161
«
Nordwind, u. komm, Südwind" HL 4, 16; wenn Gog, der im Norden
wohnt, sich regen wird, dann wird er kommen u. im Süden fallen, s.
Ez 39. 2. Der König, der Messias, der sich im Norden befindet, wird
kommen u. das Heiligtum bauen, das sich im Süden befindet, s. Jes
41,25: „Ich habe erweckt von Norden her, der herbeikommen sollte." —
Parallelstellen: NuR 13 (IGS»^): Midr HL 4, 16 (117^). — Die Stellen, die
ausdrücklich das Auftreten des Messias nach Galiläa verlegen, gehören
sämtlich dem Zohar (13. Jahrh.) u. damit einer späteren Zeit an. Da-
gegen wird sich nach einer älteren Tradition in Leqach tob Nu 24, 17
(2, 129'') der Vorläufer des Messias, der Messias ben Joseph, den
Israeliten in G. offenbaren. Nachdem hier zunächst ausgeführt ist, daß
die Israeliten von Gott den Befehl erhalten werden, sich vor dem Anti-
christen nach dem oberen G. zu flüchten, heißt es dann weiter: R. Huna
(um 350) hat im Namen des R. Levi (um 300) gesagt: Das lehrt, daß
sich die Israeliten in Obergaliläa sammeln werden, u. daß sich ihnen
dort aus G. der Messias ben Joseph offenbaren wird. Von dort werden
sie u. ganz Israel mit ihm nach Jerusalem hinaufziehen.
4,16: Licht.
Vom „Licht" des Messias u. der messianischen Heilszeit ist oft-
mals die Rede. Vgl. den Messiasnamen „N'hora" oder „N^'hira" =
„Licht" unter Mt 1, 2 1 S. 67 « ; ferner s. P'-siqR 36 (1 62'«) bei Mt 4, 5 Ende.
P*^^siqR :^6 (161=*): Was heißt Ps 36, 10: „In deinem Licht sehen wir das Licht"?
Welches ist das Licht, das die Gemeinde Israel erblicken wird? Das ist das Licht
des Messias, s. Gn 1,4: „Gott sah das Licht, daß es gut war." Das lehrt, daß Gott
auf den Messias u. dessen Taten geblickt hat, ehe die Welt erschaffen ward. Dann
verbarg er das Licht (gemeint ist das Urlicht, das um der Sünde willen der Welt ent-
zogen wurde) für den Messias u. dessen Generation unterhalb des Thrones seiner
Herrlichkeit. Da sprach der Satan vor Gott: Herr der Welt, für wen ist das Licht,
das unterhalb des Thrones deiner Herrlichkeit verborgen ist? Er antwortete ihm: Für
den, der dich beseitigen u. dich beschämen wird mit Schimpf des Angesichts. Jener
sprach: Herr der Welt, zeige ihn mir. Er antwortete: Komm u. sieh ihn! (Des Messias
Seele ist hier präexistent gedacht, wie die Seelen aller übrigen Menschen.) Als er ihn
sah, erschrak er u. fiel auf sein Angesicht u. sprach: Wahrhaftig, das ist der Messias,
der mich u. alle Engelfürsten der Völker der Welt in den Gehinnom stürzen wird, s.
Jes 25, 8: Verschlingen wird er den Tod (= Todesecgel = Satan) für immer. || P®siq
149^: Das Gewand, in welches Gott den Mes-^ias kleiden wird, wird weiter u. immer
weiter leuchten von dem einen Ende der Welt bis zum andren, s. Jes 61, 10; u. Israel
wird sich seines Lichtes bedienen u. sagen: Selig die Stunde, da der Messias erschaffen
wurde; selig der Leib, aus dem er hervorging; selig das Geschlecht, das ihn schaut;
selig das Auge, das gewürdigt ist, ihn zu schauen. Denn das Öffnen seiner Lippen ist
Segen u. Frieden u. sein Sprechen ist Erquickung. Majestät ruht auf seinem Gewände
u. Sicherheit u. Glück in seinem Wort; seine Rede ist Vergebung u. Gnade, sein Gebet
ein wohlgefälliger Duft u. sein Flehen Heiligkeit u. Reinheit. Heil den Israeliten wegen
des ihnen Aufbewahrten, s. Ps81,20: Wie groß ist dein Gutes, das du verwahrst
denen, die dich fürchten! — Dasselbe pegiqR :^7 (164»). || LvR 31 (129«): R. Chanin
(um 300) bat gesagt: Wegen des Aufsetzens der beständigen Lampe sollt ihr gewürdigt
sein, die Leuchte des Königs, des Messias, zu begrüßen, s. Ps 132, 17: Daselbst will
ich dem David ein Hörn sprossen lassen, habe ich meinem Messias (so der Midrasch)
strack u.Billerbeck, NTI. 11
162 Matth4, 16. 17 (511)
eine Leuchte aufgestellt. |I Midr HL 1, 8 (^5*'): R. B-rekbja (um 340) hat gesagt: Die
Israeliten sprachen vor Gott: Herr der Welt, dadurch dafs du der Welt Licht bringst,
wird dein Name groß in der Welt. Was ist das Licht? Die (messian.) Erlösung; denn
wenn du uns Licht bringst, dann kommen viele Proselyten, um zum Judentum über-
zutreten, u. werden zu uns hinzugetan,, wie .lethro u. Rahab. |1 Tanchuma ~: ^^: Die
mündliche Tora (d. h. die traditionelle Lehre) ist schwer zu erlernen, u. es gibt bei ihr
große Not, denn sie gleicht der Finsternis, vgl. Jes 9, 1 : , Das Volk, das einhergeht in
Finsternis, sah ein großes Licht" ; denn Gott erleuchtet ihre Augen beim Verbotenen
u. Erlaubten, beim Unreinen u. Reinen. Aber in der Zukunft (in der messian. Zeit)
«sind, die ihn lieben, wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht" Rieht 5, 31. — Diese
Ausführung wenige Zeilen weiter unten noch einmal. — || Midr Ps 3H § 8 ({'iö**): „Denn
bei dir ist die Quelle des Lebens u. in deinem Licht sehen wir Licht" Ps 3*>, 10. R. Jo-
chanan (f '279) hat gesagt: Es geschah einmal, daß jemand eine Leuchte anzündete,
u. sie erlosch; er zündete an, u. sie erlosch. Er sprach: Wie lange soll ich mich mit
dieser Leuchte abmühen? Ich werde bis zum Licht der Sonne warten u. bei (Tages-)
Licht wandern. So wurden die Israeliten in Ägypten geknechtet, u. es stand Mose
auf u. erlöste sie; sie wurden wieder geknechtet in Babel, u. es standen Daniel,
Cbanarja, Mischael u. fAzarja auf u. erlösten sie. Sie wurden wiederum geknechtet
in fElam, Medien u. Persien, es standen Mardokhai u. Esther auf u. erlösten sie. Sie
wurden wiederum geknechtet von Griechenland u. es standen Chaschmonai u. seine
Söhne (die Makkabäer) auf u. erlösten sie. Sie wurden wiederum von dem frevlerischen
Edom (Rom) geknechtet; da sprachen die Israeliten: Siehe, wir sind dessen müde,
geknechtet u. erlöst u. wiederum geknechtet zu werden, jetzt verlangen wir nicht nach
einer Erlösung durch Fleisch u. Blut, sondern unser Erlöser ist Jahve ^^baoth, dessen
Name ist ,der Heilige Israels", u. wir verlangen nicht danach, daß uns fortan Fleisch
u. Blut leuchte, sondern daß uns Gott leuchte, wie es heißt PsHH, 10: „Denn bei dir
ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht sehen wir Licht" ; ferner steht geschrieben
PslI8, 27: „Gott ist Jahve, er wird uns leuchten." R. Schim?on b. Laqisch (um iJöU)
hat gesagt: So sprach Gott zu Israel: Wollt ihr mit den Völkern der Welt in dieser
Welt essen? Sie spra,chen vor ihm: Herr der Welt, „neige mein Herz nicht zu einer
bösen Sache" (Ps 141, 4); denn sie handeln böse, wie es heißt (das.l: „Bubenstücke in
Frevel zu verüben mit Männern, die Übeltäter sind"; auch nach ihren lieblichen Kuchen
r^-si; haben wir kein Verlangen, wie es heißt (das.): „Und nicht möge ich an ihren
Leckeibissen Geschmack haben." Und woran haben wir Gefallen? An deinen Geboten
rv-c, vgl. Ps 36, 10: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht sehen
wir Licht"; ferner steht geschrieben Jes60, 3: „Und wallen werden Völker nach deinem
Licht." R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: In dieser Welt bedienen sich
die Israeliten des Lichts der Sonne bei Tage u. des Lichts des Mondes in der Nacht,
da sie das Licht nötig haben; aber in der zukünftigen Welt bedürfen sie ihrer nicht,
vgl. Jes 60, 19: „Nicht wird dir noch die Sonne zum Lichte dienen am Tag, u. zur Er-
hellung wird der Mond dir nicht leuchten"; u. wer wird ihnen leuchten? Gott, denn
es heißt (das.): Jahve wird dir zum ewigen Lichte sein! — Parallele mit vielen Ab-
weichungen P'siq 144 ^
4,1731: Tut Buße [fisvarosiTe).
1. Die Buße, nsiiirn, wörtlich , Umkehr", als Bedingung der mes-
sianischen Erlösung.
pTafan 1,1 (63 '^): R. Elifezer (b. Hyrkanos, um 90) hat gesagt: Wenn die Israeliten
nicht Buße tun, so werden sie in Ewigkeit nicht erlöst werden, s. Jes 30, 15: „Durch
Buße u. Ruhigbleiben wird euch Rettung werden." Es erwiderte ihm R. J°hoschuaf
(b. Chananja, um 90): Wie, wenn sich nun die Israeliten hinstellen u. nicht Buße tun,
-werden sie dann nie erlöst? R. Elifezer sprach: Gott wird über sie einen König setzen,
so grausam, wie Haraan war; dann werden sie sofort Buße tun u. erlöst werden, s.
Matth 4, 17 (511) 163
Jer 30. 7: „Eine Drangsalszeit wird für Jakob sein u. daraus wird er errettet werden."
R. J^hosciiua? sprach: Aber es heißt doch Jesö2, 3: „unentgeltlich seid ihr veritauft
worden, u. nicht durch Erblassen (in Reue u. Bufse; nc- >SilberS gedeutet nach dem
Verbum nc: =^ blaß werden l werdet ihr erlöst werden." Was fängt nun R. Elifezer
mit dieser Stelle an? Er findet darin die Buße nach Spr7, 20: ,üas Bündel Silber
hat er durch seine Hand weggenommen."' R. J'^'hoschuaf erwiderte: Es heißt doch
aber Jes 60, "22: Ich, Jahve, will es zu seiner Zeit -ry~ besch.ieunigen (also hängt die
Erlösung ab von dem dafür festgesetzten Zeitpunkt u. nicht von der Buße!). Was
fängt nun R. Elifezer mit dieser Stelle an? Er findet darin die Buße nach Dt IG, 12:
„Und nun, --ry, Israel, was fordert Jahve dein Gott von dir, außer daß du Jahve
deinen Gott fürchtest usw.!" (Beweisführung: Dt 1", 12 ff. handelt von der Umkehr
Israels zu Gott, also von der Buße, u. wird eingeleitet durch das Wort "'?>•", das ver-
möge eben dieser seiner Stellung „Buße" andeutet. Nach diesem n-;- ist nun auch
nria Jes 60, 22 zu verstehn; es ist nicht "^rvz, sondern ^r;?^ zu lesen, so daß .les
60,22 nach R Eli?ezer bedeutet: Ich Jahve will's Jurch ~pi', d h. durch die damit
angedeutete Buße, beschleunigen.) — R. A'>;ha |um 820l hat im Namen des R. J'hoschua?
b. Levi (um 25U) gesagt: Wenn ihr Verdienste habt, so will ich es beschleunigen; wenn
aber nicht, dann kommt die Erlösung zu ihrer (bestimmten) Zeit — Als ihm (dem
R. Elifezer) dann aber R. J'^hoschuaf sagte: Er hob seine Rechte u. Linke zum Himmel
u. schwur beim ewig Lebenden: Für« eine Zeit u. für zwei Zeiten u. für eine halbe
Zeit, u. wenn die Zerstreuung eines Teils des heiligen Volkes ein Ende hat, soll sich
alles das vollenden Dn 12,7 — da entfernte sich R. Elifezer. (R. El. geht von der
Annahme aus, daß der für die Erlösung Israels von Gott festgesetzte Zeitpunkt bereits
vergangen sei, daß mithin in Israels Verhalten, speziell in dessen ünbußtertigkeit der
Gl und für das Ausbleiben der messian. Heilszeit liege; vgl. weiter unten die Meinung
Rabs. R. J hoschuaf meint, daß der Erlösungstermin noch nicht der Vergangenheit,
sondern noch der Zukunft angehöre; er hält deshalb an der alten Anschauung fest,
daß die messian. Erlösung, ganz unabhängig von Israels Verhalten, zu der ein für allemal
bestimmten Zeit erfolgen werde. Erst als dem R. El. aus dem Buch Daniel, nach
welchem er den Beginn der Messiaszeit zugleich mit der Zerstörung des Tempels durch
Titus wird erwartet haben, nacl;^gewieseu wird, daß die Zeit der Endbedrängnis, die
3'/ü Zeiten umfasse, offenbar noch, weni,ü;stens zum Teil, der Zukunft angehöre, schweigt
er.) — Obiger Bericht ist bSanh h7'^ auseinandergerissen, so daß er dort in einer zwie-
fachen Bar vorliegt. «. R. Elifezer sagte: Wenn die Israeliten Buße tun, so werden
sie erlöst; wenn aber nicht, so werden sie nicht erlöst. R J'^'hoschuaf antwortete:
Wenn sie nicht Buße tun. so werden sie also nicht erlöst? Vielmehr, entgegnete R. El.
(dieser Zwischensatz ist zu ergänzen), wird Gott ihnen einen König setzen, dessen
Edikte so grausam wie die Hamans sind; dann werden sie Buße tun u. sich dem
Guten zuwenden, ß, R. Elifezer sagte: Wenn die Israeliten Buße tun, werden sie erlöst
werden, s. Jer3, 2i: Kehret um (in Buße), ihr abtrünnigen Söhne, ich will eure Ab-
irrungen heilen. R. J'^hoschuaf : Ist nicht längst gesagt, Jes 52, 3: Unentgeltlich seid
ihr verkauft u. ohne Silber werdet ihr erlöst werden? Unentgeltlich seid ihr verkauft
worden, nämlich wegen des Götzendienstes; u. nicht mit Silber werdet ihr erlöst
» In Sanh 96'» gibt fUlla, um 280, folgende Erklärung von Spr 7, 20: Die Ammo-
niter u. Moabiter fordern den Nebukadne^ar zum Zug gegen Jerusalem auf. Nebnk.:
Ich fürchte mich, sie könnten mir tun, wie sie denen vor mir getan haben. Die Am-
moniter: Der Mann ist nicht in seinem Hause, er ist auf eine weite Reise gegangen
Spr 7, 20 (d.h. Gott hat sein Volk verlassen i. Nebuk.: Vielleicht haben sie Gerechte,
die um Eibarmen bitten u. ihn herbeiholen. Die Ammoniter: Das Bündel Silber hat
er durch seine Hand weggenommen. Mit „Silber" ist nichts andres als die Gerechten
gemeint. - Ahnlich wird R Elifezer die Stelle verstanden haben: durch das Verdienst
der Gerechten (^'~ ) wird Israel nicht erlöst: denn die Gerechten hat Gott durch den
Tod hinweggenommen; so ruht die Erlösung auf dem Verhalten des einzelnen, d.h.
auf dem Verdienst der Buße.
11*
164 Matth 4, 17 (« 1)
werden, nicht durch Bufse u. gute Werke. — R. Eli fezer: Ist nicht längst gesagt (Mal
3.7): Kehret um zu mir, so will ich zu euch wiederkehren? R. J*^hoschuaf : Ist nicht
längst gesagt (Jer3, 14): Ich will euer Eheherr sein u. euch nehmen, einen aus einer
Stadt u. zwei aus einem Stamm u. euch nach Zion bringen? (Die Stelle betont Gottes
Tun, nicht Israels Verhalten.) — R. Elifezer: Ist nicht längst gesagt (Jes :^0, 15):
Durch Bufse u. Ruhigbleiben wird euch Rettung werden? R. J^^hoschuaf : Ist nicht längst
gesagt (Jes 49, 7): So spricht Jahve, der Erlöser Israels . . . um Jahves willen, weil er
unwandelbar, um des Heiligen Israels willen, daß er dich erkoren bat? (Gottes Wille
also ist maßgebend für die Eilösung Israels.) — R. Eli?ezer: Ist nicht längst gesagt
{Jer4, 1): Wenn du umkehrst (in Buße), Israel, ist Jahves Spruch, so sollst du zu mir
heimkehren? R. J^hoschnaf : Ist nicht längst gesagt (Dn 12, 7): Er erhob seine Rechte
usw.? Da schwieg R. Eli?ezer. - || Ein weiterer Bericht findet sich TanchB -r-nz § 5
(56"). I' Sanh Ul^: Rab (f 247) hat gesagt: Alle Termine (die man für die messian.
Erlösung berechnet hat) sind vorüber (ohne daß die Erlösung gekommen ist); nun hängt
die Sache lediglich an der Buße u. an den guten Werken (wie R. Eli?ezer oben).
pTafan i, 1 (64'"'): Die Israeliten sprachen zu Jesaja: Unser Lehrer Jes ija, wieviel
ist uns von dieser Nacht (des Exils) vergangen? Er antwortete: Wartet auf mich, bis
ich angefragt habe. Als er gefrat^t hatte,, kehrte er zu ihnen zurück. Sie sprachen:
Was hat der Wächter gesagt, was hat der Wächter der Welt gesagt? (So deutet der
Midr Jes 21, 1 1 : Wächter, wie weit ist's in der Nacht?) Er antwortete: Der Wächter
hat gesagt: Es kommt der Morgen u. auch die Nacht, Jes 21, 12. Sie sprachen zu ihm:
Und auch die Nacht? (Auf das gegenwärtige Exil soll noch ein neues folgen?) Er
antwortete: Nicht so, wie ihr meint; vielmehr der Morgen kommt für die Gerechten
u. die Nacht für die Gottlosen, der Morgen für Israel u. die Nacht für die Völker der
Welt. Sie sprachen: Wann (kommt der Morgen = die Erlösung)? Er antwortete: Wann
ihr wollt; er (Gott) will, s. Jes 21, 12. Sie sprachen: Wer verhindert es denn? (Wer
hält die Erlösung auf? vgl. t6 xccif/oy u. 6 y.aT6;((oy 2 Thess 2, tif.) Er antwortete: Die
Buße, s. Jes 21, 12: Kehret um (in Buße!, kommt! — R. Acha (um H20) hat im Namen
des R Tanchura b. Chijja (um H'K)) gesagt: Wenn die Israeliten Einen Tag Buße täten,
sofort würde der Ben David (.Messias) kommen, s. Ps 95, 7: Heute, wenn ihr auf seine
Stimme hören werdet. R. Levi (um 30U) hat gesagt:»Wenn die Israeliten Einen Sabbat
halten würden, wie es sich gehört, sofort würde der Ben David kommen, s. Ex 16, 25:
Mose sprach: „Eßt es heute; denn Ruhetag für Jahve ist heute " Das ist, der eine
Tag (von dem Ps 95, 7 redet). Ferner heißt es Jes 30, 15: Durch Buße u. Ruhigbleiben
wird euch Rettung werden, d. h. durch Buße u. (Sabbat-)Ruhe werdet ihr erlöst werden. —
Der erste Teil in andrer Einkleidung u. unter Jochanans if 279) Namen Sanh 94*. —
In P'^siq 163'' u. Midr HL 5, 2 (118") lautet Levis Ausspruch: Wenn die Israeliten Einen
Tag Buße tun würden, so würden sie erlöst werden (u. sofort käme der Ben David),
s. Ps95, 7. II Joma 86'': R. Jonathan (um 225) hat gesagt: Groß ist die Buße, denn sie
bringt die Erlösung herbei, s. Jes 59, 20: „Er kommt für Zion als Erlöser u. für die
von Sünde sich Bekehrenden in Jakob." Warum kommt er für Zion als Erlö-er? Weil
der Sünder in Jakob sich bekehrt (in Buße). || Midr Esther I, 2 (85*): R. Aibo (um 320)
hat gesagt: Es heißt Ps22, 29: , Jahve gehört das Königtum u. er herrscht über die
Völker", u. du saast: „Achaschverosch saß auf dem Thron seines Königtums" Esth 1,2?
In der Vergangenheit war die Herrschaft bei Israel; als sie sündigten, ward die Herr-
schaft von ihnen genommen u. den Völkern der Welt gegeben, s. Ez 3ii, 12. — Morgen,
wenn die Israeliten Buße tun, nimmt Gott die Herrschaft von den Völkern der Welt
u. gibt sie an Israel zurück, s. Obadja Vers 21. || GnR 2 {S^): R. Schimfon b. Laqisch,
um 250, fragt in seiner allegorischen Auslegung von Gn 1, 1 ff. (die Stelle s. bei Joh I, 1
itf nQxfi rji' 6 Xnyog): In welchem Verdienst kommt der Messias? Die Antwort lautet:
Im Verdienst der Buße. II P'^siqR 33 (153'"*!: So meint es der Prophet Hosea 6, 1 : Solange
ihr eure Gedanken von der messian. Endzeit ablenkt (besser nach der Lesart im Jalqut:
„von Gott" ablenkt), ist der Trost fern von euch. Tuet Buße, so wird euch Gott aus
der Knechtschaft der Weltreiche erlösen ; denn er war es, welcher schlug, u. er ist
Matth 4, 17 (?l 1. 2) 165
es, welcher heilt. Wohlan, so lasset uns umkehren (in Buße) zu Jahve; denn er hat
zerrissen, so wird er uns auch heilen; er schlug, so wird er uns auch vei binden. H NuR 7
(HS"): Wenn die Israeliten am Ende der Tage Buße tun, so werden sie erlöst werden,
s. Jes:^0, 15: Durch Buße u. Ruhigbleiben wird euch Rettung werden. Und wie ein
Aussätziger oder wie ein Schleimflüssiger oder ein durch eine Leiche Verunreinigter
erst reis wird, wenn er in reines Wasser kommt, so wird Gott über die Israeliten
reines Wasser sprengen, um sie zu reinigen, s. Ez 3'i, '25, || Midr Abba Gorion, ed. Buber,
2. Version 41 »: Ein Befehlshaber sagte zu R. Meir (um 150;: Ihr seid ein verächtliches
Volk, wie auch Hanian gesagt hat. Warum denn? fragte R. Meir. Jener sprach: Ich
hatte einen Knecht, den ich mit großem Schimpf beschämte; ich entließ ihn aus meinem
Hause u. sagte ihm: ich mag dich nicht. Da ging dieser Knecht hin u. erwarb sich
einen andren Herrn. Ebenso hat euer Gott euch verstoßen u. euch unter uns verbannt
dank unsren Taten. Werdet ihr euch bemühen, daraus zu lernen, oder nicht? R. Meir
sprach: Ich hatte einen Sohn, den ich gar sehr liebte; aber infolge des Wohllebens
wandelte er auf bösen Wegen u. ich verstieß ihn u. wies ihn aus meinem Hause. Ich
setzte ihm aber auch eine Zeit fest u. sprach zu ihm: Wenn du in Buße umkehrst,
lasse ich dich zu jeder Zeit in mein Haus zurückkehren. Alle jene Jahre nun, die ich
ihm als Frist gesetzt habe, sitzt er u. weint u. schreit, bis ich seiner schonen u. ihm
sagen werde: Wandle auf den früheren Wegen u. kehrfe in Buße um. Auch wir sind
Kinder Gottes; aber wegen des Hochmuts, der in uns war, erzürnten wir ihn u. wurden
widerspenstig. Da hat er uns unter euch verstoßen, aber sich auch uns eidlich ver-
bunden bis zur Zeit des Endes Werden wir jetzt Buße tun, so wird er sich unser
erbarmen u. in unser Land zurückkehren lassen; wenn wir aber auf bösen Wegen
wandeln, so wird er uns nicht in unser Land zurückkehren lassen. . . . |! Midr HL 7,5:
Chadrakh (s. oben S. t)4>') das ist der König, der Messias, welcher alle Weltbewohner
durch Buße vor Gott führen wird (t"!""- Wortspiel).
2. Die Kraft der Buße.
Aboth 2, 10: R. Elifezer (b. Hyrkanos, um 90) sagte: Es sei dir die Ehre deines
Genossen so lieb, wie deine eigne. Sei nicht geneigt zu zürnen. Tu Buße einen Tag
vor deinem Tode. — Dazu bSchab 15:{-': R. Elifezer sagte: Tu Buße einen Tag vor
deinem Tode. Seine Schüler fragten ihn: Weiß denn der Mensch, an welchem Tage
er steiben wird? Er antwortete: Um so mehr soll er heute Buße tun, da er morgen
vielleicht stirbt; u. so wird er sein lebelang in Buße erfunden. Auch Salomo hat in
seiner Weisheit gesagt Qoh 9, 8: ,Zu aller Zeit seien deine Kleider weiß, u. deinem
Haupte mangle nie das Öl." — Ohne den letzten Satz auch Aboth R.Nathan 15. ||
SiNu 27, 12 55 136 (51"): R. J^huda b. Baba (f um 185) sagte: An drei Stellen kamen
die Israeliten in eine schwere Sünde, u. Gott sprach zu ihnen: Tuet Buße, so nehme
ich euch an; s. Ex 17, 7 u. 15, 26; Dt 9, 22 u. lU, 12; Dt 8, 29 u. 4, 1. || SNu 27, 12
§ lo4 (5U''): R. J^huda b. Baba [f um 135) sagte: Gleich einem Menschen, der im (An-
klage-)Protokoll der Regierung steht: mag er auch noch soviel i^eld geben, so wird
er doch unmöglich daraus beseitigt. Aber du iGott) sagst: Tuet Buße, so nehme ich
euch an, s. Jes 44, 22: Ich habe wie eine Wolke weggefegt deine Sünden u. wie Ge-
wölk deine Übertretungen.
Joma 86^: R. Chama b. Chanina (um 260) hat gesagt: Groß ist die Buße; denn sie
bringt Heilung in die Welt. s. Hos 14, 5: Ich will heilen wegen ihrer Umkehr in Buße
(so vermutlich der Midrasch; oder man muß die Verse 2 ff. zur Beweisführung mit
heranziehen). — R Levi (um 3UU) hat gesagt: Groß ist die Buße; denn sie reicht bis
an den Thron der Herrlichkeit, s. Hos 14, 2: Kehre um (in Buße), Israel, bis hin zu
Jahve deinem Gott. || Joma 86'': R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Groß ist die Buße;
denn sie verdrängt ein Verbot in der Tora. Es heißt Jer 8, 1: ,Wenn ein Manu sein
Weib entläßt u. sie von ihm weggeht u. eines andren Mannes wird, darf er wieder
zu ihr zurückkehren? Würde nicht schändlich entweiht dieses Land? Und du hast
gehurt mit vielen Buhlen", u. (trotzdem, unter Zurücksetzung jenes Verbotes, vgl.
166 Matth 4, 17 (U 2)
Dt 24, 1 ff.) spricht .Tahve fzu Israel); Kehre zurück (in Buße) zu mir. (DerMidrasch
faßt :'-•• Jer o, 1, wohl veranlaßt durch Vers 7, als Imperativ; ebenso auch der Targuni.)
[Hier folgt der oben unter Nr. l gebrachte Ausspruch des R Jonathan; dann folgt]:
Resch Laqisch (um '2501 hat gesagt: Groß ist die Buße; denn (um ihretwillen) werden
vorsätzliche Sünden dem Menschen angerechnet als Irrtumssüuden, s. Hos 14, ".': , Kehre
zurück (in Buße), Isiael, zu Jahve deinem Gott; denn du warst (versehentlichj ge-
strauchelt in deiner Sünde." Siehe, es war eine vorsätzliche Sünde gewesen, u. doch
nennt er es ein (versehentliches) Straucheln! Aber hat nicht Resch Laqisch gesagt:
Groß ist die Buße; denn alisichtliche Sünden werden dem Menschen (um ihretwillen)
gewissermaßen zu Verdiensten ? s. Ez 88, 19: Wenn der Gottlose sich bekehrt von
seinem gottlosen Wesen u. Recht u. (ierechtigkeit übt, so wird er deshalb leben (um
aller seiner Werke willen, auch wegen der Übertretungen, Raschi. In pPea i, IG'', 17
u. Midr HL 5, Iti ( I2l ") vertritt R. Jochanan. f '^79, diesen Gedanken mit Berufung auf
Ps 4-i, 9.) Zwischen diesen Aussprüchen (des Resch Laqisch) liegt kein Widerspruch
vor: bei dem letzteren handelt es sich um eine Buße, die aus Liebe (zu Gott), bei dem
ersteren um eiue solche, die aus Furcht hervorgegangen ist. - R. Sch'muel b. Nach-
man (um 2(>0) hat gesagt, R. Jonathan (um 21^) habe gesagt: Groß ist die Buße: denn
sie verlängert die Lebensjahre eines Menschen, s. Ex 88, 19-: ,Wenn sich der Gott-
lose bekehrt . . ., so soll er afn Leben bleiben." — R. Ji^chaq (um :iOü) hat gesagt:
Im Abendlande (d. h. Palästina) hat man im Namen des Rabbah b. Mari (um 82(i; der
Text liest >;•' statt ^z-j gesagt: Komm u. sieh, daß nicht wie Gottes Art der Menschen
Art ist: wenn ein Mensch einen andren mit Worten gekränkt hat, so ist es zweifel-
haft, ob dieser sich von jenem versöhnen läßt oder nicht; u. wenn er sich von ihm
versöhnen läßt, so ist es zweifelhaft, ob er sich durch Worte versöhnen läßt oder nicht.
Aber Gott läßt sich von einem Menschen, der eine Übertretung begangen hat, im ge-
heimen mit Worten versöhnen, s. Hos 14, 3: „Nehmet Worte mit euch u. kehrt (in
Buße) zurück zu Jahve eurem Gott"; u. nicht bloß dies, er weiß ihm auch noch Dank,
denn es heißt (das.': „Nimm Gutes hin"; u. nicht bloß dies, die Schrift rechnet es
ihm 80 an, als brächte er Farren dar, s. ebenda: „Wir wollen als Farren entrichten
unsre Lippen". Und wenn du meinen wolltest, daß damit Schuldopferfarren gemeint
seien, so heißt es (das. Versn): Ich will sie lieb haben als eine freiwillige Gabe (so
der Midr). Bar: R. Meir (um löO) hat gesagt: Groß ist die Buße; denn wegen eines
einzigen, der Buße tut, verzeiht man id. h. Gott) der ganzen Welt, s. Hos 14, 5: Ich
will heilen ihren Abfall, will sie lieb haben aus freien Stücken; denn mein Zorn hat
sich von „ihm" gewandt. Es heißt nicht von „ihnen", sondern von „ihm" (daraus
wird gefolgert, daß, obwohl nur ein einziger Buße getan hat, Gott doch alle heilt u.
alle lieb hat). II TQid 1, 14 f. (:-i87): R. Schimfon (b. Jochai, um 15o) sagte: Wenn ein
Mensch sein lebelang ein vollendeter Gerechter gewesen ist u. zuletzt fällt er ab, so
verliert er alles (sein ganzes früheres Verdienst), s. Ez 88, 12: ,Die Gerechtigkeit des
Gerechten wird ihn nicht erretten am Tage seiner Sünde." Wenn ein Mensch sein
lebelang ein vollendeter Bösewicht gewesen ist u. zuletzt tut er Buße, so nimmt ihn
Gott an, s. das.: „Die LFngerechtigkeit des Ungerechten, nicht wird er dadurch zu Fall
kommen am Tage, da er sich bekehrt von seiner Ungerechtigkeit." — Dasselbe pPea
(lö", 18) als Bar; bQid 40'^; verstümmelt in Midr HL zu 5, 16(121«).
Aboth 4, 11: R. Elifezer b. Jafaqob (II., um 150) sagte: Wer Ein Gebot erfüllt,
erwirbt sich Einen Fürsprecher, nnudx'Arjioc, u. wer Eine Übertretung begeht, erwirbt
sich Einen Ankläger, x((t7iyiigng). Buße u. gute Werke sind wie ein Schild vor (Gottes)
Strafen. — Buße u. gute Werke als Parakleten auch in der Bar Schab 82='. || Aboth
4, 17: R. Jafaqob (um 170) pflegte zu sagen: Besser ist Eine Stunde in Buße u. guten
Werken in dieser Welt, als das ganze Leben der zukünftigen Welt; u. besser ist Eine
Stunde der Eiquickung in der zukünftigen Welt, als das ganze Leben dieser Welt. ||
Midr Qoh 1,8(9'): R. Schimfon b. Chalaphta (um 19U) hat gesagt: Alle Güter, Seg-
nungen u. Tröstungnn, die die Propheten in dieser Welt geschaut haben, haben sie
für die Bußfertigen geschaut (d. h. die Bußfertigen erlangen diese Güter usw.). Wer
Matth4, 17 (^2) 167
aber sein lebelang keine Sünde geschmeckt bat, von dem gilt Jes 64, 3: ,Kein Auge
(auch kein Prophetenauge) hat's gesehen außer dir, o Gott, was Gott dem bereiten
wird, der harrt (so der Midrasch); vgl. das nächste Zitat. II B'rakh 34'': R. Chijja b.
Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Sämtliche Propheten
haben nur für die Bußfertigen geweissagt; aber von den vollkommenen Gerechten
gilt Jes 64, 3: Kein Auge hat's gesehen usw. Das weicht ab von der Meinung des
R. Abbahu (um 30<M; denn dieser hat gesagt: An dem Ort, wo die Bußfertigen einst
stehn werden (in der zukünftigen Welt), können selbst die vollkommenen Gerechten
nicht stehn, s. Jes 57, 19: , Frieden, Frieden den Fernen u. den Nahen, spricht Jahve.*
Erst „den Fernen", u. dann „den .Nahen." (Die „Fernen" d. h. die, die Gott erst fern
waren u. dann in Buße sich ihm zuwandten: die „Nahen" d. h. die, die als vollkom-
mene Gerechte Gotte immer nahe waren). Dagegen sagte R. Jochanan: Wer ist der
, Ferne"? Derjenige, der sich von Anfang an von der Übertretung ferngehalten hat.
Und wer ist der „Nahe"? Der erst der Übertretung nahe war (in Sünden lebte) u.
nun sich von ihr entfernt hat (in Buße). — Nach R. Jochanan werden also die Buß-
fertigen in der zukünftigen Welt nicht die erste Stelle einnehmen, sondern die voll-
kommenen Gerechten; umgekehrt urteilt R. Abbahu. — Eine Parallelstelle Sanh 99". ||
LvR 10 (111 <^): R. J'huda ib. Chijja, um 240) hat gesagt: Die Buße bewirkt die Hälfte
u. das Gebet bewirkt das Ganze (d. h. die Buße hebt ein Verhängnis halb, das Gebet
aber ganz auf). R. J^hoschua? b. Levi (um 25U) hat gesagt: Die Buße bewirkt das Ganze,
das Gebet bewirkt die Hälfte. Nach der Meinung des R. J'^huda bewirkt die Buße die
Hälfte; von wem kann man das lernen? Von Kain, über den ein Beschluß gefaßt
war; als er aber Buße tat, wurde die Hälfte des Beschlusses von ihm genommen.
Woher, daß er Buße getan hat? s. Gn 4, !•■!: „Kain sprach zu Jahve: Meine Schuld
ist zu schwer, als daß ich sie tragen könnte." Und woher, daß die Hälfte des Be-
schlusses von ihm genommen ward? s. Gn 4, 16: ,Kain ging vom Angesicht Jahves
hinweg u. wohnte flüchtig (so der Midr) im Lande an der Vorderseite Edens." „Un-
stät u. flüchtig" heißt es hier nicht (wie ursprünglich Vers 14 das Urteil lautete), sondern
bloß „flüchtig" (also war die andre Hälfte, das „Unstät", infolge der Buße aufgehoben
worden). Als er von dannen ging, begegnete ihm der erste Mensch (Adam): dieser
sprach zu ihm: W-as ist aus deiner Rechtssache geworden? Er antwortete ihm: Ich
habe Buße getan u. mich entfernt (t-b'-z; nach der Lesart t-si: „habe die Sache
im Wege des Vergleichs erledigt"). Als der erste Mensch das hörte, fing er an sich
vor den Kopf zu schlagen u. sprach: Das alles vermag die Kraft der Buße, u. ich
habe es nicht gewußt! . . . Nach der Meinung des R. J'huda bewirkt das Gebet das
Ganze; von wem kann man das lernen? Von Hiskia. Sein Königtum sollte eigentlich
nur 14 Jahre dauern, s. Jes -Mi, 1 ; als er aber gebetet hatte, wurden ihm noch 15 Jahre
zugelegt, s. Jes 38, 5. Nach der Meinung des R. J'hoschuaf b Levi bewirkt die Buße
das Ganze; von wem kann man das lernen? Von den Männern von Anathoth, s Jer
11, 22 f.: „Also spricht Jahve: . . . Die Jünglinge sollen durchs Schwert sterben,
. . . kein Überrest wird ihnen bleiben!" Und nachdem sie Buße getan, erlangten sie
es, im Geschlechtsregister aufgeführt zu werden, s. Neh 7, 27: Die Männer von Anathoth:
128. Und wenn du es nicht lernen kannst von den Männern von Anathoth, so lerne
es von Jekhonja. . . . R. Acha u. R. Abin b. Binjamin haben im Namen des R. Abba*
gesagt: Groß ist die Kraft der Buße; denn diese hebt einen Beschluß u. einen Schwur
auf. Einen Schwur, s. Jer 22, 24: „So wahr ich lebe, ist Jahves Spruch: Wenn Chon-
jahu ( — Jekhonjal . . . ein Siegelring wäre an meiner rechten Hand, so würde ich dich
doch von da wegreißen." Einen Beschluß, s. das. Vers 30: „So spricht Jahve: Schreibet
diesen Mann (Jekhonja) als kinderlos auf." Und 1 Chr 3, 17 heißt es: „Und die Söhne
des Jekhonja: Assir, sein Sohn (so liest der Text abweichend vom AT), Schealthiel,
sein Sohn" (also ist der Beschluß von Jer 22, 30 aufgehoben worden). . . . Nach der
* Nach der Parallelstelle P''siq 163^ ist zu lesen: R. Acha b Abin b. Binjamin
(in der 2. Hälfte des 4. Jahrh.s) hat im Namen des R. Abba b. Pappai (um 350) gesagt.
168 Matth 4, 17 (1 2)
Meinung des R. J^'hoschua? b. Levi bewirkt das Gebet die Hälfte; von wem kann man
das lernen? Von Ahron, über den anfänglich ein schlimmes Verhängnis beschlossen
war, s. Dt 9, 2U: , Auf Ahron war Jahve sehr erzürnt, ihn zu vertilgen"; ... als aber
Mose für ihn gebetet hatte, wurde die Hälfte des Beschlusses von ihm abgewandt:
es starben zwei Söhne (Nadab u. Abihu, vgl. Lv 10, 1 ff.) u. zwei blieben übrig. —
Dasselbe P^siqR 47 (18«'^).
P'^siqR Zubatz 3 (löst"): R. Sch^'muel b. Nacliman (um 260) hat gesagt, R. Jonathan
(um 225) habe gesagt: Qoh 9. 4 heißt es: ,Ein lebendiger Hund ist bes.ser als ein toter
Löwe." Aber weiß denn das nicht jedermann (weshalb sagt es denn die Schrift)? Aber
so ist es gemeint: Besser daran ist ein Gottloser, der in dieser Welt lebt u. Buße tut,
als ein Gerechter, der in seiner Sünde verstorben ist. || P'^siq 161'': „Zerreißet eure
Herzen, nicht eure Kleider, u. kehret um zu Jahve eurem Gott" Joel 2, 13. R. J hoschua?
b. Levi (um 25U) hat gesagt: Wenn ihr eure Herzen in Buße zerreißt, so braucht ihr
eure Kleider nicht um eure Söhne u. um eure Töchter zu zerreißen. Weshalb? s. das.:
„Denn gnädig u. barmherzig ist er" usw. || Rosch ha-scbana 17'*: R. Jochanan (t279) hat
gesagt: Groß ist die Buße; denn sie zerreißt einen Gerichtsbeschluß über den Menschen;
s. Jes H, 10: „Mache das Herz dieses Volkes stumpf . . ., daß es nicht umkehre (in
Buße) u. ihm Heilung werde" (nämlich von dem beschlossenen Verhängnis). || pRH l
(57-', 49): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: (Am Neujahrsta^e werden die Gerechten
zum Leben, die Gottlosen zum Tode aufgeschrieben.) Den Mittelmäßigen werden zehn
Tage der Buße geschenkt zwischen Neujahr u. Veisühnungstag. Wenn sie Buße tun,
werden sie mit den Gerechten aufgezeichnet; wenn aber nicht, mit den Gottlosen. —
Die Parallelstelie bRH 16'' erwähnt die Buße nicht; P^siq 157'' schließt sich an die
pal. G''mara an. || LvR 3 (106"^): „Der Gottlose soll umkehren (in Buße) zu Jahve, .so
wird er sich sein erbarmen (Jes 55, 7 imrr-M; dies Wort erklärt der Midrasch unter
Vertauschung von - u. '5 = ^t-.i-;'-:-'. = er wird ihn an sich anschließen). R. Ji^chaq
(um ;-lu0, hat gesagt: Wie ein Mensch, der zwei Bretter zusammenfügt u. untereinander
verbindet (so eng schließt Gott den Bußfertigen an sich an). Und R. Jose b. Chanina
(um 270) hat gesagt: Wie ein Mensch, der zwei Füße einer Bettstelle zusammenfügt
u. untereinander verbindet (der Anschluß des Bußfertigen an Gott ist minder eng;
denn die Bettfüße sind durch das Brett voneinander getrennt). || P'siq 1()3'': R. Judan
(um 350) hat im Namen des R. Sch^'muel b. Nachman (um "^60) ^ gesagt: Wie weit fliegt
für gewöhnlich ein Pfeil, den ein Mensch abschießt? Die Wegstrecke eines Feldes,
das ein Kor oder zwei Kor bringt. Groß ist die Kraft der Buße; denn sie reicht bis
an den Thron der Herrlichkeit, s. Hos 14,2 (vgl. R. ievi Joma86'' oben S. 1607). R.Jose
(um 350) hat gesagt: Es heißt HL 5, 2: „Tu mir aul, meine Schwester." Gott sprach:
Offne mir einen Eingang so groß, wie das Loch einer Nadel, so will ich euch einen
Eingang öffnen, in den Redouten u. Kastelle hineinkönnen. R. Tanchum (b. Abba,
um 38U) hat im Namen des R. Huna (um 350), R. Aibo (um 320/ im Namen des Resch
Laqisch (um 250) gesagt: Tuet Buße in einem Augenblick (yy n--:), s. Ps 46, 11:
„Lasset ab ("S"'-) u. erkennet, daß ich Gott bin " Lasset ab von euren bösen Werken,
so werdet ihr erkennen, daß ich Gott bin. . • . R. Elfazar lum 270) hat gesagt: Wenn
im gewöhnlichen Leben einer einen andren öffentlich verachtet hat u. nach einiger
Zeit jener diesen zu versöhnen wünscht, so sagt der Beleidigte wohl: Du hast mich
öffentlich verachtet u. willst mich versöhnen unter vier Augen? Geh u. hole jene Leute,
vor denen du mich verachtet hast, so will ich mich mit dir aussöhnen. Aber Gott
nicht also: wenn ein Mensch sich hinstellt u. ihn auf dem Markt verhöhnt u. ver-
lästert, so sagt Gott zu ihm: Tue Buße unter vier Augen u. ich nehme dich an! —
Zum Teil auch in Midr HL 5, 2 (IIB"). || pTa?an ± 65^ 3: R. Elfazar (um 270j hat ge-
sagt: Drei Dinge heben ein schlimmes Verhängnis auf, nämlich Gebet, Almosen u.
Buße, u. diese drei finden sich in Einem Schriftvers, s. 2 Ghr 7, 14: „Wenn sich dann
^ So nach Bacher, pal. Amor. 1, 534, 3; die verschiedenen Lesarten betreffs der
Autoren u. Tradenten s. bei Buber z. St.
MHtth4, 17 (312) 169
mein Volk beugt, über welchem mein Name genannt ist. u. wenn sie beten" — da-
mit ist das Gebet gemeint. „Und wenn sie mein Angesicht suchen* — damit sind
die Almosen gemeint, wie es hcilat Fs 17, \n: ,Ich werde durch Almosen (so der
Midrasch) dein Angesicht schauen." ,Und wenn sie von ihren bösen Wegen um-
kehren" — damit ist die Buße gemeint. Wenn sie also. tun, wie heißt es dort dann
weiter? „So will ich vom Himmel her hören u. ihre Sünde verzeihen u. ihr Lnnd
heilen." - Dieser Ausspruch ziemlich oft, zB GnR44(27<^); TanchB rrj § 1-1(19");
MidrQoh 5, 6 (25''). 7, 14(36''); anonym auch pSanh M, 2 (28^ 7). , P'-siqR 40 ( 1(19«):
R: Ji9chaq (um HOO) hat gesagt: Warum heißt es Nu 29, 2: Ihr sollt ein Brandopfer
für Jahve „herrichten" {zr-x:- ; nicht, wie sonst, „darbringen" zrz-'-')'^ Gott spiach
zu Israel: Tuet Buße in jenen zehn Tagen zwisiheu Neujahr u. dem Versöhnungstage,
80 erkläre ich euch am V. für gerecht u. schaffe euch zu einer neuen Kreatur, wie
es heißt Gn 1,7: Gott machte, x-j--% das Firmament (wie r-sy Gn 1, 7 = schaffen, so
deutet auch Nu 29, 2 zr'sy an, daß ein Neues zwischen Gott u. Isr. geschaffen ist). ||
GnR 1 (2''J: Sechs Dinge gingen der Weltschöpfung vorauf. . . . R. Ahaba b. Z'^dra
(gegen 8ö0) hat gesagt: Auch die Buße; denn es heißt Ps 9U, 2: „Ehe die Berge ge-
boren wurden" etc.; seit jener Stunde iheißt es das. Vers 3:) „lassest du den Menschen
umkehren (in Buße), bis zur Zerknirschung" (so der Midr). — In andrer Fassung Midr
PsyU § 12 (19ti"): R Abbahu (1. Ahaba) b. Z'^sira hat gesagt: Groß ist die Buße; denn
sie ging der Weltschöpfung vorauf (insofern sie von Anfang an im göttl. Heilsplan
vorgesehen wari. Aber gab es denn damals die Buße? Eine BathQol (Himmelsstimme)
ging aus, welche ausrief u. sprach: „Kehret um (in Buße), o Menschenkinder" (so
Ps90, H nach dem Midr). i| Joma ><, 8: Sündopfer u Schuldopfer für gewiß begangene
Vergehungen schaffen Sühnung (betreffs der Vergehung, für die sie dargebracht werden).
Der Tod u der Versöhnungstag schaffen Sühne in Verbindung mit der Buße. Die Buße
sühnt leichte Übertretungen, sowohl eines Gebotes als auch eines Verbotes; schwere
Übertretungen aber hält die Bulse in der Schwebe, bis der Versöhuungstag kommt u.
(volle) Sühnung schafft. || T.Toma ö, 6 ff. il90): R. Jischmafel (f um l:-i5) sagte: Eine
vierfache Sühnung gibt es. Wenn jemand Gebote übertreten hat u. Buße tut, so weicht
er nicht von dort (von der Stätte seines Bußgebetes), ohne daß man (Gott) ihm ver-
geben hätte, wie es heißt Jer 3, 22: Kehret (in Buße) um, ihr abtrünnigen Söhne, so
will ich eure Abirrungen heilen. Wenn jemand Verbote übertreten hat u. Bufee tut,
so hält diese (den Strafvollzug) in der Schwebe, u. der V.-tag schafft Sühnung, wie es
heißt Lv 16, 30: „Denn an diesem Tage wird man für euch Sühnung schaffen" (die
Sühnkraft des V.-tages überragt die der Buße). Wenn einer Sünden begangen hat, auf
die die Ausrottung (durch Gottes Hand) oder die gerichtliche Todesstrafe gesetzt ist,
u. Buße tut, so hält diese u. der V.-tag (den Strafvollzug) in der Schwebe u. (hinzu-
kommende) Leiden schüffen Sühnung, wie es heißt Ps^9, 33: „Ich will heimsuchen
mit dem Stecken ihren Frevel u. mit iAussatz-)Plagen ihre Missetat." Aber wenn jemand,
durch den der Name Gottes c-:» ur entheiligt worden war, Buße getan hat, so hat
weder die Buße Kraft (den Strafvollzug) in der Schwebe zu halten, noch der V.-tag
Sühnung zu schaffen, sondern Buße u. V.-tag sühnen ein Drittel u. Leiden an den
übiigen Tagen des Jahres sühnen ein Drittel u. der Todestag sühnt völlig, s. Jes22, 14:
„Nimmer gesühnt werden soll euch dieser Frevel, bis daß ihr sterbet"; das lehrt, daß
der Todestag völlig sühnt. — Sündopfer, Schuldopfer, Tod u. V.-tag, sie alle sühnen
nur in Verbindung mit der Buße, denn es heißt Lv23, 27: „.Jedoch" (-s hat ein-
schränkende Bedeutung): wenn er umkehrt (in Buße), wird ihm Sühnung zuteil; wenn
aber nicht, wird ihm nicht Sühnung zuteil. (Diese Auslegung des Ts auch .SLv 23, 27
(41i!=>). R. El?azar (b. Schammua?, um l/>0) sagte: Es heitU Ex 34, 7: „Und er läßt un-
gestraft"; er läßt ungestraft, die Buße tun; aber er läßt nicht ungestraft, die nicht
Buße tun. R. J'^huda (um löU) sagte: Tod u. V.-tag sühnen in Verbindung mit der Buße;
Buße sühnt in Verbindung mit dem Tode u. der Todestag durch Buße. (Hier ist der
Text kaum in Ordnung; eine Variante zu den Schlußworten lautet: Der Todestag,
siehe der gleicht (an Sühnkrait) der Buße;; vgl. pJomaS, 45'', 58; pSch'^busoth 1, 3ü'', 50;
170 Matth 4, 17(513)
Aboth R.Nathan 39. — Parallelen zum Ausspruch des R. Jischrnafel: M^'kh Ex 20,7
(7ti"); pJonia N, 45^ 60; pSanh 10, 27^, 47; pSch bufoth 1, 33'\ 52; bJoma 86'*; zum
Ausspruch des R. Elfazar b. Schammuaf : M^^kh Ex 20, 7 (76'»); Joma b6^
3. Das Wesen der Buße.
Die notwendigen Stücke der Buße sind A, Bekenntnis der Sünde
u. Abbitte mit Reue u. Schmerz,» B. das Ablassen von der Sünde. b
Wo eins von diesen fehlt, ist die Buße keine vollkommene, c sondern
eine trügerische^ Buße, die, wenn der Mensch an ihr festhält, endlich
die Möglichkeit einer rechten Buße aufhebt. e
a. Schab S2^ Bar: Wenn jemand zum Tode erkrankt, sagt man zu ihm: Lege ein
Bekenntnis deiner Sünden ab; denn ein solches legen alle ab, die zum Tode verurteilt
sind. |i JomabB'' Bar: Die Übertietungen, die man am Versöhnungstag bekannt hat,
soll man am nächsten V. -tag nicht wiedei bekennen; nur wenn man die Übertretungen
(im Laufe des Jahres) wiederholt hatte, muß man sie am nächsten V.-tage wieder-
bekennen. Wer sie aber nicht wiederholt hatte u. trotzdem abermals bekennt, von
dem sagt die Schrift Spr 26, 11 : „Wie ein Hund, der zu seinem Gespei zurückkehrt,
ist ein Tor, der sein Vergehen zum zweitenmal hersagt" (so der Midr). R. Elifezer
b. Ja?aqob (IL, um 150) sagte: Vielmehr verdient ein solcher Lob, s. Ps51,5: „Ich
erkenne meine Übertretungen, u. meine Sünde ist immer vor mir." Aber wie halte
ich dann die Woite Spr 26, 1 1 aufrecht? Nach der Auslegung seitens des Rab Huna
(t 297); denn Rab Huna hat gesagt: Wenn ein Mensch eine Übertretung begangen hat
u. sie dann abermals begeht, so wird sie ihm zu etwas Erlaubtem. Meinst du wirklich:
„zu etwas Erlaubtem"? Vielmehr sage: Sie wird ihm, als ob sie ihm erlaubt wäre. —
Auch muß man die Sünden einzeln nennen, vgl. Ex 32, 31: „Mose sprach: Ach, bitte!
dies Volk hat eine gmße Sünde begangen, u. sie machten sich einen Gott aus Gold*.
Das sind die Worte des R. J'huda b. Baba (f um 135). R. fAqiba (f um 135) sagte:
„Wohl dem, dem die Übertretung vergeben, dem die Sünde bedeckt ist" Ps 32, 1. —
Der erste Teil der Bar findet sich TJoma 5, 15 (191). In der Parallelstelle Midr Ps 32
§2(121''), in der dem R. Eli? ezer b. Jaf aqob die entgegengesetzte Meinung der Rabbinen
beigelegt ist, folgen die Worte: R. Pin^chas, der Priester (um 36li), hat im Namen des
R. Abba b. Pappai lum 350 1 gesagt: Darum daß du frühere Sünde nicht aufs neue be-
gangen (u. sie dennoch am nächsten Versöhnungstag aufs neue bekennst), verachtest
du das Wort deines Schöpfers Ps :■!!, 19: Möchten verstummen die trügerischen Lippen,
die dem Gerechten (= Gotti gegenüber Fortgeschafftes (bereits vergebene Sünden) be-
ketmen in Hochmut u. Verachtung (so der Midr). Denn damit erhebst du dich hoch-
mütig, als hättest du keine Sünden aus dem gegenwärtigen Jahr. — Dieser Ausspruch
anonym u. breiter auch ExR 52 (104*). || P'^siq 159'': „Wer seine Vergehungen bedeckt,
wird kein Gedeihen haben; wer sie aber bekennt u. läßt, wird Barmherzigkeit er-
langen" Spr 28, 13. R. Simon (um 2^0, so ist zu lesen) u. R. J'^hoschua? b. Levi (um 250)
haben im Namen des R Schimfon b. Chalaphta (um 190 1 gesagt: . . . Gleich einem
Räuber, der vordem Untersuchungsrichter gerichtet wird; solange erstreitet, wird er
geschlagen; legt er ein Geständnis ab, empfängt er die Verurteilung (i'i-p-t, nach
Levy i, \^8^ = Tiooxhjaic:, Schuldverkündigung; nach Krauß 2, 4Ul^ f. korrumpiert aus
n'-:---tz = specula, Todesstrafe). Aber Gott nicht also; sondern solange der Mensch
seine Sünde nicht bekennt, empfängt er seine Verurteilung; sobald er sie aber bekennt,
empfängt er den Freispruch. |i ExR 30 (90 ''i: So hat Ben Zoma (um 1 10) vorgetragen:
Hast du dich geschämt (beim Bekenntnis deiner Sünde) in dieser Welt, so wirst du
nicht von Gott beschämt werden in der zukünftigen Welt. |i Midr Ps 32 § 2 (121''):
R.Jose b. J'huda lum 1^0) hat gesagt: Wenn ein Mensch vollkommene Buße r-a-x-n
ni-'tr tut, also daß sein Herz in ihm entwurzelt ist, dann vergibt ihm Gott. || LvR 3
(lOö'^): R. Bebai b. Abaje (im 4. Jahrh ) hat gesagt: Welches Sündenbekenntnis soll
man am Vorabend des Versöhnungstages ablegen? Man sage: Ich bekenne, daß ich
Matth4, 17 (213) i'ji
bei all dem Bösen, das ich vor dir getan habe, auf bösem Wege gestanden habe; aber
alles, was ich getan habe, will ich nicht mehr tun in gleicher Weise. Möge es wohl-
gefällig vor dir sein, Jahve mein Gott, daß du mir alle meine Schuld vergibst u. alle
meine Verfehlungen verzeihst u. für alle meine Sünde Sühnung schaffst. Das meint
Jes •'i5, 7: Verlassen soll der Böse seinen Weg usw. — Andre Sündenbekenntnisse s. bei
Mt3,6S. 113f.
b. Vgl. den Ausspruch des Resch Laqisch FHiq 16:^'' S. 168;', ferner pTafan '2, 65^
S. 168 y. II P'^siq lö9^: R. JiQchaq (um WO) hat gesa^it: Wer seine Sünde bekennt unter
der Bedingung, daß er sie läßt, der erlangt Barmherzigkeit. II Joma ^6'': Wer ist ein
(rechter) Bußfertiger? Rab J'^huda f 299) hat gesagt: Wer zB die Möglichkeit zu einer
Übertretung hatte Einmal u. zweimal u. sich davor bewahrte. (Die wahre Buße doku-
mentiert sich also im Überwinden der Versuchung, im Ablassen von der Sünde.) Rab
J'^huda sagte dies aber nur von dem Fall, daß jene Gelegenheit zweimal sich darbot
bei demselben Weibe, in derselben Zeit u. an demselben Ort. |i T'l'afan 1,8 (■21'>, 23):
Wenn ein Mensch ein (verunreinigendes) Kriechtier in seiner Hand hält, so kann er
selbst in den Wassern des Schiloah u. in allen Wassern der Schöpfung ein Tauchbad
nehmen, u. er wird doch in Ewigkeit nicht rein. Wirft er aber das Kriechtier fort aus
seiner Hand, so hilft ihm ein Tauchbad in 4(J Sea; denn es heißt Spr 28, 18: Wer be-
kennt u. ^läßt", wird Barmherzigkeit erlangen. — In Tafan It)" Rab Ad(d)a b. Ahaba
(um 2.=.0), in pTafan 2, 6ö-\ n6 u. Midr KL 3, 4Ü (72 b) R. Abba b. Zabda (um 270, so
die richtige Lesart) als Autor genannt.
C. Vollkommene Buße, r^i2''tv -rzixr; s. hierzu Midr Ps 32 § 2 in Anm. a. Ferner
pB^rakh 4,7'' |49): R. Chijja b. Abba (-■ i -z, um 280) betete: Möge es wohlgefällig
sein vor dir, Jahve unser Gott u. Gott unsrer Väter, daß du uns in unser Herz gebest,
eine vollkommene Buße vor dir zu tun, damit wir uns vor unsern Vätern nicht zu
schämen brauchen in der zukünftigen Welt. || Daß sich die vollkommene Buße auch in
einzelnen besonderen Werken (in der Versöhnung des Beleidigten, in der Wiedergut-
machung angerichteten Schadens, in der Beseitigung des corpus delicti) zu beweisen
u. zu bewähren hatte, s. unter Lk 19, 8.
d. Eine trügerische, geheuchelte Buße, r^r^'^hvnz'vr, zB pTafan 2, ßö^: Resch
Laqisch (um 250) hat gesagt: Eine trügerische Buße haben die Männer von Ninive
getan. Ebenso P'-'siq IHl». || GnR 9 (7^): (R. Jonathan, um 225, hat gesagt: Der Tod ist
über Fromme u. Göttlose verhängt worden,) damit die Gottlosen nicht eine trügerische
Buße tun möchten (wenn sie die Frommen ewig lebend sähen) u. sagten: Die Gerechten
bleiben nur am Leben, weil sie Gebotserfüllungen u. gute Werke aufhäufen; so lasset
auch uns Gebotserfüllungen u. gute Werke aufhäufen! So würde ihr Tun als ein
solches erfunden werden, das nicht aus reiner Absicht erfolgte.
e. Joma 8, 9: Wer sagt: Ich will sündigen u dann Buße tun, ich will sündigen
u. dann Buße tun, dem gibt man (Gott) nicht die Möglichkeit, Buße zu tun. jl Aboth
R.Nathan 39 Anf.: Fünf erlangen keine Vergebung: Wer viel Buße tut (weil er die Sünde
nicht läßt); wer viel sündigt; wer in einem reinen Zeitalter sündigt; wer sündigt, um
hinterher Buße zu tun, u. auf wem die Schuld der Entheiligung des göttlichen Namens
liegt. — Nach Bacher, Tann.^ I, 279 Anm. gehört der Ausspruch wahrscheinlich dem
R. fAqiba, f um 135, an. J| Aboth 5, 18: Wer viele zur Gerechtigkeit anleitet, durch den
kommt keine Sünde; u. wer viele zur Sünde verführt, dem gibt man iGott) keine
Möglichkeit, Buße zu tun. — Auf diesen Satz nimmt R Jochanan if 279) Bezug in Sota
47"; Sanh 107''; vgl. auch Aboth R. Nathan 40. I' Aboth R Nathan 40: R. Elfazar
b. Jose (um 180) sagte: Wer sündigt u. dann Buße tut u. dann in seiner Unschuld
wandelt, der geht nicht von dannen. ohne daß man (Gott) ihm vergeben hat. Wer
aber sagt: Ich will sündigen, um hinterher Buße zu tun, dem vergibt man dreimal u.
rjicht öfter. || Joma 8ü'' Bar: R.Jose b. J*'huda (um IxQ) sugte: Wenn ein Mensch eine
Übertretung Einmal begeht, so vergibt man sie ihm, auch das zweite u. dritte Mal;
aber wenn er sie zum vierten Mal begeht, so wird ihm nicht vergeben, s. Arnos 2, 6:
Wegen dreier Verfehlungen Israels (würde ich es abwenden), aber wegen vierer wende
172 Matth4, 17 (313. 93 A. B 1)
ich es nicht ab (so der Midr). — Die Bar findet sichTJonia 5, 18 (191). H ExR II (74«):
R. Pin^'chas, der Priester, b. Cliama (um H60) hat gesagt: Es heißt Hi 3ii, 13: „Die
heuchlerischen Herzens sind, bringen Zorn über sich" (so der Midr). Nachdem Gott
auf die Gottlosen gewartet hat, daß sie Buße tun möchten, u. sie taten es nicht,
nimmt er ihnen zuletzt, auch wenn sie möchten, ihr Herz (ihre ruhige Überlegung),
auf daß sie nicht Buße tun. Wer sind die heuchlerischen Herzens? Die sind es, die
kommen u. zuerst (Bußfertigkeit) in ihrem Herzen heucheln; die bringen zuletzt Zorn
über sich. Und was heißt (das.l: ,Sie flehen nicht, denn er verhindert sie"? (so der
Midr). Auch wenn sie sich zu Gott bekehren wollen (in Buße) u. sich anschicken,
sich mit dem Gebet zu befassen, so vermögen sie es nicht, weil er sie verhindert;
denn er hat vor ihnen (die Pforte der Buße u. des Gebetes) zugeschlossen. — Weiteres
bei Hebr 6, 4. 6.
4, 17 $B: Das Himmelreich (Gottesreich). ^
A. Der Ausdruck ßaaiXeia twv ovqccvü'v bei Mt verhält sich zu
ßaoiXei'a rov ^eov bei Mk u. Lk wie im Rabbin. c'^':^" r^izh^ (aram.
a.1^t~i nr^zb^) zu mn-^ ~^="~'?, d. h. beide Ausdrücke besagen sachlich
dasselbe. Wie in den Wendungen ni^a na Name Gottes, a-^s':: x-nia
oder ü^^^ rx-ii Gottesfurcht, ü^y:: i-jisn Angelegenheiten Gottes, rzab'a
Qi-a-i) Beschäftigung mit götti. Dingen, ci^a 1113 durch Gott, n-^::!:: 11^3
Ehre Gottes, n^-2'c rii-?: Gaben Gottes, x-i-arn 'o'^-c göttliche Dinge^ —
das Wort „Himmel" metonymisch für „Gott" steht: so ist auch in der
Verbindung c^-a'j ri^b^ „Himmel" ein Ersatz des Gottesnamens.
B. Der Begriff n-i^sc r^z'-^-o in der rabbin. Literatur.
1. Der Idee nach ist Gott als der Schöpfer der Welt zugleich ihr
König. a In Wirklichkeit hat die Menschheit die Königsherrschaft r^zh^
Gottes von sich geworfen. Das geschah in den Tagen der Sündflut,
als die Bosheit der Menschen groß ward auf Erden. b So mufste sich
die Herrschaft Gottes auf den Himmel beschränken. c Ein Wandel zum
Besseren hob mit Abraham an: indem der Patriarch den Namen des
Einen Gottes seinen Zeitgenossen verkündigte, fand die Gottesherrschaft
wieder Anerkennung unter den Menschen, c Fest gegründet aber wurde
sie auf der Erde, als Israel am Roten Meer u. am Berge Sinai durch
das Bekenntnis zu dem wahren Gott u. durch Übernahme seiner Tora
sich dem „.Joch der Herrschaft Gottes" unterstellte. d In jener Zeit
wurde Gott der König Israels. e Die Gottesherrschaft trat dann auch
äufaeilich sichtbar in die Erscheinung in der Weltherrschaft Israels;
Salomo saß auf Gottes Thron. ^ Erst als die Israeliten sündigten, wurde
die Herrschaft von ihnen genommen u. den Völkern'der Welt gegeben. g
Seitdem stehen die Gottesherrschaft u. die Herrschaft der Weltvölker
als unversöhnliche Gegensätze einander gegenüber. h — Auf Grund
vorstehender Gedankenreihe wiid man den rabbin. Begriff der r^zhu
t2iric zu definieren haben als die Herrschergewalt, die Gott durch die
Offenbarung seines Namens u. seines Willens über seine Bekenner aus-
übt. — Daß es sich bei der n^^a n3^ in der Tat zunächst um Bindung
1 Vgl. Dalman, Die Worte Jesu, 1, 75 ff. ^ Belege s. bei Mt 21, 25.
Matth 4, 17 (SB B 1) X73
der Gewissen im Gehorsam gegen Gott handelt,» mit andren Worten,
daß die oi^ir n=b?3 zu allererst ihre Stätte in den Herzen der Menschen
hat, zeigen auch folgende Sätze. Der Mensch kann das Joch der Gottes-
herrschaft auf sich nehmen, er kann es aber auch von sich werfen. k
Man nimmt es auf sich, indem man sich zum Monotheismus u. zur
Tora bekennt. 1 Da diese beiden Stücke, das Bekenntnis zu dem Einen
Gott u. der Gehorsam gegen die Tora, den Inhalt des Sch'^ma? (Dt
6, 4 — 9; 11, 13 — 21; Nu 15,37 — 41) bilden, so kann gesagt werden, daß
der Israelit die Gottesherrschaft auf sich nimmt, so oft er das Schema?
betet. m Dieser Satz war in das allgemeine Bewußtsein so sehr über-
gegangen, daß die Wendung „die Gottesherrschnft auf sich nehmen"
geradezu als andrer Ausdruck für das Rezitieren des Schema? gebraucht
wurde." Die Gottesherrschaft realisiert sich eben überall da, wo sich-
ein Mensch bewußterweise dem Willen Gottes im Gehorsam unterstellt.
a. zB Henoch 9, 4 f : Du bist der Herr der Herren, der Gott der Gütter u. der
König der Könige; der Tliron deiner Herrlichkeit besteht durch alle Gesclilechter der
Welt; dein Name ist heilig u. in aller Welt gepriesen. Denn du hast alles gemacht
u. die Herrschaft über alles ist bei dir. — 84, 2 f.: Gepriesen bist du, o Herr, König,
groß u mächtig in deiner Größe, Herr der ganzen Schöpfung des Himmels, König der
Könige u. Gott der ganzen Welt! Deine Macht, Königslierrschaft u. (ilröße bleibt in
alle Ewigkeit, u. deine Herrschaft durch alle Geschlechter; alle Himmel sind dein
Tliron in Ewigkeit u. die ganze Erde der Schemel deiner Füße immerdar. Denn du
hast alles geschaffen u. regierst es; nichts ist dir zu schwer. — Ein oft verwandter
Lob-!pruch in den Gebetsformeln lautet: Gepriesen seist du Jahve unser Gott, König
der Welt! — Im f Alenugebet des Rab (f 247), das dem Musaphgebet des Neujahrs-
taiies eingegliedert ist, heißt es: Wir beugen uns vor dem König aller Könige, dem
Heiligen, gepriesen sei er! Denn er ist es, der den Himmel ausgespannt u. die Erde
gegründet hat.
b. slav. Henoch 84^, 1 : ,Sie (das Flutgeschlecht) haben abgeworfen meine Gebote
u. mein Joch, u. haben erweckt laufgestellt) unnützen Samen, Gott nicht fürchtend,
u. mich nicht anbetend; sondern haben angefangen, eitle Götter anzubeten u. haben
verlassen meine Einzigkeit.
C. SDt :^|l,10 §318 (184^): Bevor unser Vater Abraham in die Welt kam, war
Gott gewissermaßen nur über den Himmel König, wie es heißt Gn24,7: „Jahve, der
Gott des Himmels, welcher mich aus dem Hause meines Vaters u. dem Lande meiner
Verwandtschaft weggenommen hat" (also zur Zeit von Gnl2, 1 Gott nur Gott des
Himmels). Aber nachdem unser Vater Abraham in die Welt gekommen war, machte
er ihn zum König über Himmel u. Erde, s. Gn24, 8: ,Ich beschwöre dich bei Jahve,
dem Gott des Himmels u. der Erde" (zur Zeit von Gn 24 Gott auch Gott der Erde).
d. ExR 28 (84 •'i: „Damals sang Mose" Ex 15,1. Das meint auch Ps 9 '-,2: Fest-
gegründet ist dein Thron seit dem „damals" (Ex 15,1, so der Midrasch). R. B'^'rekhja
(um 340) hat im Namen des R. Abbahu (um 80o) gesagt: Obwohl du von Ewigkeit her
warst, so stand doch dein Thron nicht fest; u. du bist in deiner Welt nicht eher be-
kannt geworden, als bis deine Kinder ein Lied sangen. Deshalb heißt es: Festgegründet
ist dein Thron seit dem „damals" (d.h. seit dem Lied am Meer Ex 15, 1 ff.). Gleich
einem König, der einen siegreichen Krieg geführt hatte u. den (deshalb seine Legionen)
zum Augustus machten. Man sprach zu ihm: Bevor du den Krieg geführt hattest,
warst du König; nun aber haben wir dich zum Augustus gemacht. Was für ein Unter-
schied an Ehre (Würde) ist zwischen dem König u. dem Augustus? Der König steht
auf einem Gemälde (-15 wörtlich: „Tafel", „Brett"), während der Augustus sitzt. So
174 Matth 4, 17 (SB B 1)
sprachen die Israeliten: Wahrlich, ehe du deine Welt schufst, warst du, u. nachdem
du sie geschaffen, warst du derselbe; aber du standest gleichsam, vgl. Hab:-!, 6: Er
stand u. machte schwanken die Erde. Aber nachdem du am (Roten) Meer gestanden
u. wir ein Lied vor dir gesungen haben mit „damals", ist deine Herrschaft gefestigt
u. dein Thron begründet. Das wollen die Worte besagen: Festgegründet ist dein Thron
seit dem „damals". 1| SLv 18. 6 {S'^l"): ,Rede zu den Kindern Israel u. sage ihnen: Ich
bin Jahve, euer Gott. Nach dem Tun des Landes Äirypten . . . sollt ihr nicht tun" Lv
18, -2 f. R Schimson b. Jochai (um 1-^0) hat tresagt: Dort, Ex 20, i!, heißt es: Jch bin
Jahve, dein Gott." Ich bin Jahve, u. ihr habt meine Herrschaft auf euch genommen
in Ägypten. (Gemeint sind die Worte im Meerlied Ex Li, 2. 18: „Dieser ist mein Gott",
„Jahve ist König für immer u. ewig!") 8ie sprachen zu ihm: Ja, ja! (Gott sprach:)
Habt ihr meine Herrschaft auf euch genommen, so nehmt auch meine Befehle an:
, Nicht sollst du einen andren Gott außer mir haben" Ex 'J(t, 3. Hier, Lv 18. '2, heißt es:
,lch bin Jahve euer Gott." Ich bin es, dessen Herrschaft ihr am Sinai angenommen
habt. Sie sprachen zu ihm: Ja, ja! (Gott sprach:! Habt ihr meine Herrschaft an-
genommen, so nehmt auch meine Befehle an: „Nach dem Tun des Landes Ägypten
. . . sollt ihr nicht tun." — Ähnlich M^kh Ex 20, 2 (74 ''i. Hier geht folgendes Gleichnis
vorauf: Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der in eine Provinz loder: Stadt) kam.
Seine Diener sprachen zu ihm: Erlaß Befehle (Edikte) ülier sie! Er antwortete: Wenn
sie meine Herrschaft angenommen (anerkannt) haben, werde ich ihnen Befehle geben;
denn wenn sie meine Herrschaft nicht annehmen, so werden sie auch meine Befehle
nicht annehmen. So sprach Gott zu Israel: „Ich bin Jahve dein Gott"; denn ihr habt
meine Herrschaft in Ägypten angenommen. Sie sprachen zu ihm: So ist es! Und wie
ihr meine Herrschaft angenommen habt, so nehmt meine Gebote an: „Nicht sollst du
einen andern Gott außer mir haben" Ex 20, :-!. || M*^kb Kx 20. 2 (T.S'J): Weshalb sind die
zeiin Gebote nicht am Anfang der Tora gesagt worden? Man hat ein Gleichnis gesagt.
Womit läßt sich dies vergleichen? Mit jemandem, der in eine Stadt (Provinz) kam u.
zu den Leuten sagte: Ich will über euch als König herrschen. Sie antworteten: Hast
du irgend etwas für uns getan, daß du als König über uns herrschen willst? Was tat
er? Er baute ihnen eine Mauer, leitete ihnen W;,sser in die Stadt u. führte für sie
Kriege. Er sprach zu ihnen: Ich will über euch als König herrschen! Sie antworteten
ihm: .la. ja! So hat Gott die Israeliten aus Ägypten geführt, spaltete ihnen das Meer,
ließ ihnen Manna herabkommen u. den Brunnen emporsteigen, brachte ihnen Wachteln
(vom Meer) herüber u. führte für sie den Krieg mit ?Amaleq. Dann sprach er zu ihnen:
Ich will über euch als König herrschen. Sie antworteten ihm: Ja, ja! Rabbi (?| sagte:
Es will den Ruhm Israels verkündigen: denn als sie alle am Berg Sinai standen, um
die Tora zu empfangen, waren sie alle wie Ein Herz, die Gotte.sherrsch0't mit Freuden
anzunehmen. || Midr Ps 20 S -^ (■'^7''): „Ich will reden von der Wohltat" Jes ti3, 1 (so der
Midrasch). Von welcher Wohltat? R. Pin'chas (um 86ül u. R. Elfazar (um 270) u.
R Jochanan (f 279). Der eine hat ge.sagt: . . . Der andre hat gesagt: Von der Wohltat,
die ihr mir (Gott) erwiesen habt damit, daß ihr die Tora angenommen habt; denn
wenn ihr sie nicht angenommen hättet, wo wäre meine Herrschaft! ... In der Parallele
Midr Ruth I, 1 (122"^) fehlt dieser Satz. || P^siq 16 b: R. Abin (I. um 325, II. um .S70) hat
gesagt: Gleich einem König, der ein Purpurgewand hatte u. seinem Diener befahl:
, Schüttle es aus, falte es zusammen u. gib acht darauf." Er sprach zu ihm: Mein
Herr König, von allen Purpurgewändern, die dein sind, hast du mir nur in bezug auf
dieses einen Befehl erteilt! Der König antwortete: Weil ich mit diesem bekleidet war
in der Stunde, da ich zuerst König wurde. So hat auch Mose zu Gott gesagt: Herr
der Welt, von den siebzig mächtigen Völkern, die du in der VVelt hast, hast du mir
nur in bezug auf Israel Befehle gegeben: „Sage zu den Kindern Israel" usw. Er ant-
wortete ihm: Weil ich über sie am Meer König geworden bin, als sie sprachen Ex
15. I!-!: „Jahve ist König für immer u. ewig." — Dasselbe LvR 2 (lOH'^j; hier die
Schlußworte: Weil sie mich zuerst am Meer zum König gemacht haben. — Ebenso
TanchB star ■: § 4 (54 »j. Vgl. auch ExR 29 (bS^): R. Tobijja b. Ji9chaq (ein Amoräer
Matth 4, 17 (5B B 1) 175
unbestimmter Zeit) hat gesagt: (Gott sprach:) Ich bin Jahve dein Gott; denn unter
der Bedingung habe ich dich aus Ägyptenland herausgeführt, da& du meine Gottheit
auf dich nimmst.
e. Gott als König Israels oft in Gebeten. Achtzehn-Gebet Nr. 11 palästin. Rezension:
Sei König über uns, du aliein. — Im Gebet fAlenu um 240): Er ist unser Gott, u.
es gibt keinen andren mehr; fürwahr er ist unser König, u. keiner aufser ihm. — Das
Gebet Abinu malkenu hebt in seinen einzelnen Sätzen 44 mal mit den Worten an:
Unser Vater, unser König. — Ebenso sagt R. fAqiba, f um 13'), in einem Gebet um
Regen: Unser Vater, unser König, wir haben keinen König außer dir; unser Vater,
unser König, um deinetwillen erbarme dich über uns. Da fiel Regen nieder, Tafan ih^.
f. Midr Esther 1, 1 (8'.''): ,Hundertsiebenundz wanzig Landschaften" Esthl,l.
R. Elfazar (um 270 1 hat im Namen des R. Chanina um 22-.) gesagt: Waren nicht zwei-
hundertzweiundfünfzig Eparchieen in der Welt? Und über diese alle hat David ge-
herrscht, s. l Ohr 14, 17: ,Der Name Davids ging aus in alle Lande u. Jahve legte
Furcht vor ihm auf alle Völker." Salomo hat über sie alle geherrscht, s. 1 Kg -0,1:
,Salomo herrschte über alle Königreiche" usw. Ahab herrschte über sie alle, s 1 Kg
18, 10: ,So wahr Jahve dein Gott lebt, es gibt kein Volk u. Königtum, wohin nicht
mein Herr geschickt hat, dich zu suchen; u. wenn sie dann sauten: ,Hier ist er nicht",
so ließ er das Königtum u. das Volk schwören, daß er dich nicht finden würde." Kann
man auch an einem Ort schwören lassen, wenn man dort nicht herrscht? . . . i TanchB
s->i §7 (11''): ,Wer ist der König der Ehren?" Ps 24, 10. Wer ist der König, der
Ehre zuerteilt denen, die ihn fürchten? „Jahve Q'^'baoth, er ist der Köni^ der Ehren."
Inwiefern? Auf dem Thron eines Königs von Fleisch u Blut darf man nicht sitzen,
aber Gott setzte Salomo auf seinen Thron, s, 1 Chr 2;», i'.^. (Gleicherweise ritt Elias auf
Gottes Roß Nah 1,8; Mose benützte Gottes Zepter Ex 4, 20; der Messias empfängt
Gottes Krone Ps21,4; die Israeliten legen Gottes Gewand an Jes •'i 1 , 9 u. Ps .^Q, 1 1 ;
Mose wurde mit Gottes Namen genannt Ex 7, 1.) Parallelstellen: Midr Ps2l §2 («H»)
mit R. Simon, um 280, als Autor; ExR 8 (73^); NuR 14 ( 7:^«). hier Autor R. Abin
(I. um 325; II. um 370); TanchB si-: § 34 (22''i, R. Abin Autor. Vgl. Sanh 2, 5. n Midr
HL 1, 1 (80^): (1 Chr 29, 23:) „Salomo saß auf dem Thron Jahves." R. JiQchaq lum 300)
hat gesagt: Kann denn ein Mensch auf dem Tliron Jahves sitzen, von dem es heißt
Dt 4, 24: „Jahve dein Gott ist ein verzehrendes Feuer" u. Dn 7, 9 f.: „Sein Thron waren
Feuerflammen. . . . Ein Feuerstrom flutete vor ihm hin"? Und du sagst: Salomo saß
auf dem Thron Jahves? Es ist so gemeint: Wie der Thron Gottes von einem Ende
der Welt bis zum andren herrscht, so herrschte auch der Thron Salomos von dem
einen Ende der Welt bis zum andren; wie der Thron Gottes ohne Zeugen u. ohne
Verwarnung das Urteil fällt, so fällte auch der Thron Salomos das Urteil ohne Zeugen
u. ohne Verwarnung.
g. Midr Esth 1,2 («5^): R. Aibo (um 320) hat gesagt: Es heißt Ps 22, 29: „Jahve
gehört das Königtum u. er herrscht über die Völker." Und du sagst: Achaschverosch
saß auf dem Thron seines Königtums (Esth l,2j? iDer Midr bezieht das Suffix von
T'-i'-r: auf Gott.) Es ist so gemeint: In der vergangenen Zeit war die Herrschaft bei
Israel; als diese aber sündigten, wurde die Herrschaft von ihnen genommen u den
Völkern der Weit gegeben, s. Ez 30, 12: „Ich verkaufe das Land in die Hand böser
Leute. . . .* Morgen, wenn die Israeliten Buße tun, nimmt er sie von den Völkern der
Welt u. gibt sie an Israel zurück. Wann? „Es ziehen Befreier herauf auf den Berg
Zion, zu richten das Gebirge Esaus (im Sinne des Midr = Rom), u. es fällt die Herr-
schaft Jahve zu" (Obadja 21).
h. u'-^v riz'i'i u. V"^ ns'-j's werden einander gegenübergestellt GnR 9 (7 ):
R. SchimSon b. Laqisch (um 2.')0) hat gesagt: „Siehe, es war sehr gut" (Gn 1,31 i; damit ist
die Gottesherrschaft gemeint. „Und" siehe, es war sehr gut Gn !,;<!), damit ist r-r-'s
7-s:^ die irdische Regierung (Herrschaft) gemeint. Ist denn aber die irdische Regierung
sehr gut? Allerdings, denn sie bringt das Recht, ro 6Lxcani>, der Menschen zur Geltung,
8. Jes45, 12. — Ferner z^-ov n=-^ u. ny<a-:n p-::;";, die gottlose (d. h. römische) Re-
176 Matth 4, 17 (JB B 1)
gierung P'^siqol"' (s. die Stelle Nr. 2). — Aramäisch auch ss"--- sri:^'^ u. sriniVi?
N--S-: — Herrschaft des Firmaments (Himmels) u. Herrschaft der Erde. B'^rakh 58*:
Rab Schescheth (um 260) war blind. Alle Welt machte sich auf, das Angesicht des
Königs zu begrüßen. Rab Schescheth stand auf u. ging mit ihnen. Da traf ihn ein
Sektierer, der zu ihm sprach: Krüge schafft man an den Fluß; was sollen da aber
Scherben! (Was will ein Blinder da, wo es etwas zu sehn gibt!) Er antwortete ihm:
Komm u. sieh, daß ich besser verstehe, als du. Der erste Trupp (der königl. Leib-
wache) zog vorüber; als Lärm entstand, sagte jener Sektierer zu ihm: Der König
kommt! Rab Schescheth erwiderte: Er kommt nicht! Der zweite Trupp zog vorüber;
als Lärm entstand, sagte jener Sektierer zu ihm: Jetzt kommt der König! Er er-
widerte: Der König kommt nicht! Der dritte Trupp zog vorüber; als Stille entstand,
sprach Rab Schescheth zu dem Sektierer: Wahrlich, jetzt kommt der König. Jener
Sektierer antwortete: Woher weißt du das? Er sprach zu ihm: Weil die irdische Re-
gierung der himmlischen Regierung gleicht, s. 1 Kg 19, 11 f. (nicht im Sturm u. Erd-
beben u. Feuer kam Jahve, sondern im stillen Säuseln des Windes). — Ähnlich Rab
Schela, um 220, ß'^rakh 58": Gepriesen sei der Barmherzige, der eine Regierung auf
Erden gegeben hat, die der Regierung des Himmels gleicht, --y: sy-sa sr'::"':'3 an--;
Kv-^-^ srir'5'5. — Allgemeiner ist der Gegensatz im Munde des Rabban Jochanan
b. Zakkai, f um 80, geformt. Er sagt von dem hebräischen Knecht, der dauernd Sklave
bleiben will, pQid 1,59*^,29: Er wirft das Joch der Gottesherrschaft von sich ab u.
nimmt auf sich das Joch von Fleisch u. Blut. In der ältesten Quelle TBQ 7, 5 steht
dafür: Er wirft das Joch des Himmels (= Gottes) von sich u. macht zum Herrscher
über sich das Joch von Fleisch u. Blut. bQid 22'": Mir (Gott) sollen die Israeliten
Knechte sein, aber nicht. Knechte für Knechte; u. dieser geht hin u. erwirbt sich selbst
einen Herrn. - In der M'^kh zu Ex 21, 6(8B''] fehlt eine solche Gegenüberstellung ganz.
i. SLv 20, 2(i (i74^i: R. Elfazar b. fAzarja (um lOO) sagte: Woher (ist es bewiesen),
daß man nicht sagen soll: „Ich mag kein Schweinefleisch essen, ich mag keiner ver-
botenen Fi-au beiwohnen", sondern: ,Ich möchte es wohl; aber was soll ich tun, da
es mein Vater im Himmel also über mich festüesetzt hat"? Weil es heißt (Lv20, 26):
„Und ich sonderte euch von den übrigen Völkern aus, daß ihr mir gehörtet." So wird
man erfunden als einer, der sich von der Sünde trennt u. das Joch der Gottesherrschaft
auf sich nimmt.
k. c'^iy nr-rr: V:- == die Gottesherrschaft auf sich nehmen; '•:) '■o p-s oder 'v '■o Vtaa
= die Gottesherrschaft von sich werfen oder abtun. Beispiele s. in den vorstehenden
u. nachfolgenden Zitaten.
/. TanchB -i"' -- § 6 (32'*): Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Der Proselyt, der
zum Judentum übertritt, ist beliebter (bei Gott), als die Israeliten, die am Berge Sinai
standen; denn wenn diese nicht die Stimmen u. die Blitze u. die bebenden Berge u.
den Ton der Posaunen wahrgenommen hätten, so würden sie die Tora nicht angenommen
haben. Und dieser (der Proselyt» kommt, ohne irgend etwas davon wahrgenommen zu
haben, u. gibt sich selbst an Gott hin u. nimmt die Gottesherrschaft auf sich. Gibt
es einen, der beliebter wäre als dieser? — Die Gotteslierrschaft auf sich nehmen ist
hier soviel, wie die Tora annehmen; die Parallelstelle Tanch -'■; -'•: 17* liest deshalb
auch im ersten Satze: „sie würden die Gottesherrschaft nicht auf sich genommen
haben." — Während der Proselyt die „Gottesherrschaft auf sich nimmt", indem er sich
dem wahren Gott ergibt u. dessen Tora annimmt, werden die „heillosen Leute" einer
götzendienerischen Ortschaft (Dt 18, 14), die also Gott u. Gottes Gesetz verlassen, Sanh
111 '' geschildert als Leute, „die das Joch des Himmels (3-"3-i) hiy = „Joch Gottes" =
„Joch der Gottesherrschaft") von ihrem Halse abgeworfen haben". |l SDt 3;?, 29 § 323
(138'>): Wenn die Israeliten auf die AVorte der Tora, die ihnen gegeben ist, achten,
kann keine Nation u. keine Regierung (r:r'-r:, Herrschaft) über sie Gewalt gewinnen.
Und was sagt ihnen die Tora? Nehmt auf euch das Joch der Gottesherrschaft (statt
''■ov r-:':'3 •;'>• „Joch der Herrschaft meines Namens" wird zu lesen sein z'-zv '■c 'v,
da das Suffixum der 1. Person in "cv in den Mund der redend eingeführten Tora nicht
Matth 4, 17 (SB B 1) 177
recht paßt) u. beugt einander nieder in Gottesfurcht u. geht miteinander um in Er-
weisung von Werken der Liebe.
m. B®rakh 2, 2: R. J'^hoschuaf b. Qarcha (um 150) hat gesagt: Warum geht (im
Sch'maf-Gebeti der Abschnitt ,Höre Israel", Dt (i, 4 — 9. dem Abschnitt: ,Wenn ihr
hören werdet", Dt 11, \^ — 21, vorauf? Damit man zuerst das Joch der Gottesherr-
schaft auf sich nehme u. hinterhf-r das Joch der Gebote. — Hier wird unter der
Gottesherrschaft in erster Linie das Bekenntnis zu dem Einen Gott verstanden, wie
es Dt 6, 4 zum Ausdruck kommt. — Das. 2, 5 wird von Rabban Gamliel (II., um 90)
erzählt, daß er in der ersten Nacht nach seiner Verheiratung das Schema? gelesen
habe. ,Da sprachen seine Schüler zu ihm: Hast du uns nicht gelehrt, unser Lehrer,
daß ein Bräutigam in der ersten Nacht befreit ist vom Lesen des Schema?? Er ant-
wortete: Ich pflichte euch nicht bei, daß ich das Joch der Gottesherrschaft auch nur
eine Stunde von mir abtun sollte." II pB^rakh 2, 4'', 70: R. Chijja (b. Abba, um 280)
hat im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Aus welchem Grunde hat man gesagt,
daß der Mensch die Gebetsriemen anlegen u. dann das Sch*^maf rezitieren u. beten
(das Achtzehn-Gebet) soll? Damit er zuerst (bevor er betet) die Gottesherrschaft völlig
auf sich nehme. — In der bab. Gemara B^'rakh 14*^ lautet diese Tradition so: R. Jochanan
hat gesagt: Wer die völlige Gottesherrschaft auf sich nehmen will, der verrichte seine
Notdurft, wasche seine Hände u. lege die Gebetsriemen an; darauf rezitiere er das
Schema? u. bete (das Achtzehn-Gebet); das ist die völlige Gottesherrschaft. Vgl. auch
pBrakh 1, 1 (4=*, 63): R. Jirm<^ja (um 320) zog (das --s im I.Verse des Sch^'maf Dt
6, 4 in der Aussprache) sehr lang. Da sagte R. Z^fira (um 300) zu ihm: Du brauchst
das nur so lange, wie nötig ist, um (in Gedanken) Gott als König anzuerkennen im
Himmel u. auf Erden u. in den vier Weltrichtungen. |1 Midr Ps ö § 6 (27^): R. J^huda
(b. Simon, um 320) hat Ps 5, 2 f. auf die vier Weltreiche gedeutet: , Meine Worte höre"
auf Babel, „beachte mein Sinnen" auf Medien, „achte auf die Stimme meines Geschreis"
auf Griechenland; „denn zu dir will ich beten" auf Edom (= Rom). Und warum sagte
er „mein König und mein Gott" bei Edom? Es sprachen die Israeliten vor Gott: Wie
viele Religionsverfolgungen u. harte Edikte haben sie (Rom) über uns verhängt, um
dein Regiment -r-i'i's u. deine Herrschaft -rr-j^s von uns zu beseitigen, u. wir haben
sie nicht beseitigt; sondern täglich gehen wir in die Synagogen u. Lehrhäuser u. er-
kennen den Namen deiner Gottheit zweimal täglich als König an, indem wir sprechen:
Höre, Israel, Jahve unser Gott ist Ein Jahve Dt 6, 4!
n. B'^rakh Hl"^: Als man den R. f Aqiba (f um 135) zum Tode hinausführte, kam
die Zeit des Sch'^maf-Rezitierens. Man kämmte sein Fleisch (d. h. man riß es ihm vom
Leibe) mit eisernen Kämmen; er aber nahm die Gottesherrschaft auf sich (== sagte
das Sch'^maf). Da sprachen seine Schüler zu ihm: Unser Lehrer, es ist genug! Er
aber sprach: Mein lebelang habe ich mich wegen dieses Verses gesorgt „Liebe Jahve . . .
von deiner ganzen Seele", Dt 6, 5, d. h. auch wenn er die Seele (das Leben) nimmt.
Ich dachte: Wann werde ich Gelegenheit haben, diesen Vers zu erfüllen? Und jetzt,
da mir die Gelegenheit kommt, sollte ich ihn nicht erfüllen? Dann sprach er das
--!< „Einer" lang gedehnt aus, bis seine Seele bei dem Wort t-s ausging. Da ging eine
Bath-'.^ol aus, welche sprach: Heil dir, R. ?Aqiba, daß deine Seele bei dem Wort -ns
ausgegangen ist! Die Dienstengel sprachen vor Gott: Ist das die Tora u. das ihr Lohn?
Zu den von deiner Hand Getöteten, Jahve, hätte er gehören sollen, aber nicht zu den
von der Welt Getöteten! (So deutet der Midr Ps 17, 14.) Gott antwortete: „Ihr Teil
ist im (ewigen) Leben!" Da ging eine Bath-Qol aus, welche sprach: Heil dir, R. fAqiba;
denn du bist für das Leben der zukünftigen Welt bestimmt! |! pB'rakh '1, 1 (4^*, 59):
R. Huna (um 350), R. Idi (um 325, so zu lesen statt R. — n), Rab Joseph (f 333l, Rab
J^'huda (f 299) haben im Namen Sch^muels (f 254) gesagt: Man muß im Stehen das
Joch der Gottesherrschaft auf sich nehmen (— das Sch'^maf rezitieren). — Parallel-
stellen mit mannigfachen Abweichungen in der Angabe der Tradenten Tanch "i' "i?
n^; TanchBT'5 -t § 1 (29»). InDtR2 (199"^) sagt Rab Jhuda im Namen Rabs (1247):
Wenn man das Seh maf zu lesen hat, während man gerade geht, so muß man die
Strack u.Billerbeck, NTI. 12
178 Matth 4, 17 (83 B 2)
Gottesherrschaffc stehend auf sich nehmen. H pB^rakh 2, 1 (4^*, 64): Rab (f 247) fragte
R. Chijja den Älteren (um 200): Ich habe von Rabbi nicht gesehen, daü er das Joch
der Gottesherrschaft auf sich genommen (= das Sch*^mat gelesen) hat. — Dasselbe
B-^rakh 16^. — Weitere Beispiele finden sich pB^rakh 4, 7^ 17.
2. Mit der oben gegebenen Erklärung ist der Begriff der üit3\ü riabn
jedoch nicht erschöpft. In dem gegenwärtigen Äon wendet sich die
Gottesherrschaft allerdings zuerst an Herz u. Gewissen der Menschen,
so daß ihr Wirken ein verborgenes ist; aber auf diesen Äon folgt noch
ein andrer: in der zukünftigen Welt wird die Gottesherrschaft auch
äußerlich sichtbar in die Erscheinung treten. Israel empfindet es als
eine Anomalie, daß gerade das Volk, welches allein Gottes Herrschaft
auf sich genommen hat, von den die Gottesherrschaft ablehnenden
Völkern der Welt geknechtet ist, u. daß der Gott, der allein der König
der ganzen Welt ist, von den Weltmächten verachtet wird. Israels
Glaube hält aber auch daran fest, daß diese Anomalie schwinden wird:
es kommt die Zeit — u. daß sie bald komme, ist der immer wieder-
kehrende Gebetswnnsch der jüdischen Gemeinde^ — , in der die Knecht-
schaft Israels aufhört u. Gott als der einzige Herrscher auch von den
Heidenvölkern anerkannt wird. Dann ist Gott ganz König geworden
u. die Gottesherrschaft tritt in Herrlichkeit hervor, b — So eignet, auf
die Zukunft gesehen, dem Begriff der '^n '^ durchaus ein eschatologisches
Moment. In diesem Sinn bedeutet dann die Gottesherrschaft das durch
die Anerkennung seitens aller Welt zur vollen Verwirklichung ge-
kommene Königtum Gottes über die gesamte Menschheit. c
a. Achtzehn-Gebet 11 (pal. Rez.): Führe zurück unsre Richter wie vordem u. unsre
Bei'ater wie im Anfang; sei König über uns, du allein. Gepriesen seist du, Jahve, der
du das Recht liebst. — In der babyl. Rezension: Führe zurück unsre Richter wie vor-
dem u. unsre Berater wie im Anfang; laß weichen von uns Kummer u. Klage u. sei
König über uns eilends, du allein, in Erbarmen u. Gnade u. Recht. Gepriesen seist
du Jahve, König, der Gnade u. Recht liebt. || Das. 12: Die frevlerische Regierung (Rom)
rotte aus u. zerbrich eilends in unsren Tagen! il Der Anfang des Qaddisch des Gottes-
dienstes lautet: Es werde verherrlicht u. geheiligt sein großer Name in der Welt, die
er nach seinem Wohlgefallen geschaffen hat; er richte auf seine Königsherrschaft u.
lasse sprossen seine Erlösung u. bringe herbei seinen Messias u. erlöse sein Volk während
eures Lebens u. in euren Tagen u. während des Lebens des ganzen Hauses Israel in
Eile u. in naher Zeit; u. ihr sollt sagen: Amen! i| Im Neujahrs-Musaphgebet (Dalman,
Worte Jesu 1, 806) heißt es: Darum lege Scheu vor dir, Jahve unser Gott, auf alle
deine Werke u. deine Furcht auf alles, was du geschaffen hast. Es mögen dich fürchten
alle Werke u. sich vor dir beugen alle Geschöpfe; u. alle mögen alle Ein Bund werden,
deinen Willen mit ganzem Herzen zu tun, gleichwie wir, Jahve unser Gott, wissen,
daß die Herrschaft vor dir ist, die Macht in deiner Hand u. die Stärke in deiner
Rechten u. dein furchtbarer Name über allem, was du geschaffen hast. . . . Die über-
mütige Herrschaft (Rom) rotte aus u. zerbrich, u. herrsche als König, du Jahve unser
Gott, eilends über alle deine Werke in Jerusalem, deiner Stadt, u. auf dem Berge Zion,
der Wohnung deiner Herrlichkeit. — Das ?Al6nu-Gebet (angeblich von Rab, f 241)
schließt mit dem Wort der Hoffnung: (Alle Bewohner des Erdkreises) werden das Joch
deiner Herrschaft auf sich nehmen, u. du wirst als König über sie herrschen immer
u. ewiglich; denn die Herrschaft ist deiji u. ewiglich wirst du als König herrschen in
Herrlichkeit.
Matth 4, 17 (SB B 2) I79
b. Wkh Ex 17, 14 (64=^): R. Eli?ezer (b. Hyrkanos, um 90; s. Bacher, Tann.« 1, 142)
hat gesagt: Wann wird der Name dieser (gemeint ist ?Amaleq — Rom) vertilgt werden?
Wann der Götzendienst ausgerottet wird samt seinen Verehrern, u. wann Gott einzig
ist in der Welt u seine Herrschaft für alle Ewigkeiten, in jener Stunde wird Jahve
ausziehen u. kämpfen mit diesen Heiden. . . . Dann wird Jahve König sein über die
ganze Erde; an selbigem Tage wird Jahve Einer sein u. sein Name ein einziger, Sach
14, 3. 9. — Dasselbe Midr KL 3, 66 (73''). || M^kh Ex 15, 18 (51 ''): Jahve ist König
(--':;':- Fut.) für immer u. ewig" Ex 15, 18. R. Jose der Galiläer (um 110) sagte: Wenn
die Israeliten am Meer gesagt hätten: , Jahve ist König geworden (T'-i) für immer
u. ewig", so würde keine Nation u. Zunge jemals über sie Gewalt bekommen haben;
aber sie sprachen: „Jahve wird König sein für immer u. ewig", nämlich in der Zu-
kunft {= Messiaszeit). |! Midr Ps 9y § 1 (212"): „Jahve hat sein Königtum angetreten,
es erbeben die Völker" Ps 99, 1. R. J'huda (b. Simon, um :-520) hat im Namen des
R. Sch'^'mael (b. Nachman, um 260) gesagt: Solange die Israeliten im Exil sind, be-
findet sich die Gottesherrschaft nicht in Vollkommenheit u. die Völker der Welt sitzen
in Wohlbehagen. Aber wenn Israel erlost wird, ist die Gottesherrschaft vollkommen
u. die Völker der Welt erbeben. || TanchB ksp S 18 (23»): R. Levi (um 300) hat im
Namen des R. Chama b. Chanina (um 260) gesagt: Solange der Same ?Amaleqs (Rom)
in der Welt ist, ist weder der Name noch der Thron Gottes vollständig Is. Ex 17, 16
n' statt ^,-r.' u. C3 statt- ss5 Thron). Wenn aber der Same fAmaleqs aus der Welt
vertilgt ist, dann ist der Thron u. der Name Gottes vollständig, s. Ps 9, 7: „Die Feinde,
sie sind zu Ende gegangen, Trümmer für immer, u. ihre Städte hast du zerstört, zu-
grunde ging das Gedächtnis von ihnen." Was folgt darauf? (Vers 8:) „Jahve«(der
volle Name -•r-r) thront in Ewigkeit, er hält seinen Thron (-sc: die volle Form mit s)
zum Gericht bereit." — Parallelstellen: P siq 29^*, mit verstümmeltem Text u. unrichtiger
Autorangabe; Tanch s::r -3 (23»), gleichfalls mit falscher Autorangabe; P'^siqR 12 (51").
C. Ps Sal 5, ItSf.: Die den Herrn fürchten, dürfen sich des Segens freuen, u. deine
Güte komme über Israel eV r^ ßaaiXelu aov\ Gepriesen sei des Herrn Majestät, denn
er ist unser König! — 17, 3: Wir hoffen auf Gott, unsren Heiland; denn die Macht
unsres Gottes währt ewig mit Erbarmen, u. rj ßctai'Äsirc lov f^sov rjfxwv besteht ewig
über die Völker durch Gericht. || Orac.Sib. ü, 46 ff.: Aber wenn Rom auch über Ägypten
herrschen wird, zu Einem Ziel lenkend (?), dann wird sich das größte Königtum des
unsterblichen Königs den Menschen zeigen, ßaaiksUt ^eylair] äf^cifdrov ßc.ai'Afjog in'
((f&Qojnoiat (fttvEitfti. — 3, 767:- Dann wird er eine Königsherrschaft errichten für alle
Zeiten über alle Menschen, y.cd töte cT' sSeytfJsr ßuai'/.tjl'oi' sig ««V5»'«? nüvTug in' «V.9ptJ-
7T0JI?, er, der das heilige Gesetz einst den Frommen gab. i| Assumptio Mosis 10, 1 : Dann
wird sein Regiment über all seine Kreatur erscheinen; dann wird der Teufel ein Ende
haben u. die Traurigkeit mit ihm hin weggenommen werden. — Auch Weish 10, 10:
Gott zeigte dem Jakob die Gottesherrschaft ideiisi' mhiö ßnaileiav Usov dürfte hierher
gehören. || Targ Jes40, 9: Saget den Städten des Hauses Juda: Offenbar geworden (er-
schienen) ist die Königsherrschaft xnrr-; eures Gottes. | 52, 7: Der da spricht zur Ge-
meinde Zion: Offenbar geworden ist die Königsherrschaft deines Gottes. | Targ Micha
4, 7: Offenbaren wird sich das Königtum Jahves über ihnen auf dem Berge Zion von
nun an bis in Ewigkeit. | Targ Obadja 21: Es werden Befreier hinaufziehen auf den
Berg Zion, um die große Stadt Esaus (d. h. Rom) zu richten, u. offenbaren wird sich
die Königsherrschaft Jahves über allen Bewohnern der Erde, u. die Königsherrschaft
Jahves wird sein in alle Ewigkeiten. | Targ Sach 14, 9: Offenbaren wird sich die Königs-
herrschaft Jahves über allen Bewohnern der Erde; in jener Zeit wird man Jahve dienen
Schulter an Schulter, weil sein Name fest (anerkannt) ist in der Welt u. kein Gott
ist außer ihm. — Ähnlich lauten zwei Gebetswünsche im Traktat Soph^^rim, 14 § 12:
Es möge sich offenbaren u. erscheinen sein Königtum über uns in Eile u. in naher
Zeit; 19 §7: Offenbare die Herrlichkeit deiner Königsherrschaft über uns.
Aus den Midraschim gehören hierher P''siq 51 »: ., Es hebt an mein Lieber u. spricht
zu mir" HL 2, 10. R. f Azarja (um 380) hat gesagt: Dieses Anheben u. Sprechen ge-
12*
180 Matth4, 17 (S B2. C1.2)
schiebt nur durch Elias (den Vorläufer des Messias) u. durch den König, den Messias.
Was spricht er zu mir? ,Mach dich auf, meine Freundin. . . . Denn sieh, der Winter
ist vergangen* iHL 2, 10 f.); damit ist die frevlerische Regierung (Rom) gemeint, die
die Menschen verführt ("-ra „Winter" gedeutet nach r-cn ^verführen"), s. Dt 18, 7:
„Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, verführt. . .: Wir wollen hingehen u.
andre Götter verehren" usw. (der Bruder — Esau bedeutet hier das christliche Rom).
„Der Regen ist vorbei, ist vorüber" HL 2, 11, damit ist die Knechtschaft (Israels) ge-
meint. „Die Blumen sind erschienen auf dem Lande" 2, 12, R. Elfazar (um 270) hat
gesagt: Das sind die vier Schmiede (vgl. Sach 2, 8), nämlich Elias, der König der
Messias, Melchisedek (der Hohepriester der messian. Zeit) u. der Kriegsgesalbte (= Mes-
sias b. Joseph, der kriegerische Vorläufer des Messias b. David). „Die Zeit i-riTn ist
herangekommen" 2, 12, d.h. gekommen ist die Zeit der Vorhaut, daß sie beschnitten
werde {'mrv); gekommen ist die Zeit der Gottlosen, daß sie zerbrochen werden, s.
Jes 14, 5: „Zerbrochen hat Jahve den Stecken der Gottlosen, den Stab der Herrscher."
Gekommen ist die Zeit der frevlerischen Regierung (Roms), daß sie vertilgt werde aus
der Welt; gekommen ist die Zeit der Gottesherrschaft, daß sie sich offenbare, wie
es heißt Sach 14, 9: „Es wird Jahve König sein über die ganze Erde." — Parallel-
stellen: Midr HL zu 2, 18 (100^'); P^siqR 15 (74*'). || P'^siqR 84 (159^i: Gott wird allen
Gerechten aus den einzelnen Generationen (nach der Auferstehung) verkünden: Ihr
Gerechten der Welt, obgleich Worte des Dankes mir euch gegenüber obliegen, daß ihr
auf meine Tora geharrt habt u. nicht auf mein Königtum, so besteht doch der Schwur
vor mir, daß ich es jedem, der auf mein Königtum geharrt hat, zum Gixfen bezeugen
wei^e, s. Zeph 3, 8: Darum so harret meiner, ist Jahves Spruch, auf den Tag, da ich
aufstehe als Zeuge (der Midr vokalisiert i""^ statt ni-"i).
C. Der synoptische Begriff der ßaaiXeiu rwv ovQavMv, bezw. tov
^soi', verglichen mit dem rabbin. Begriff der n-i^aiü r^zb^.
1. In der Predigt des Täufers Mt3, 2: iiszaioehs- r^yyixsv ydg rj
ßaaiXeia rcöv ovQarwv schließt sich der Begriff der „Gottesherrschaft*
eng an die eschatologische Fassung der '^ n^sbo im Rabbin. an. Das
Charakteristische bei Joh. liegt in der energischen Betonung, daß der
Anbruch der vollkommenen Gottesherrschaft nicht bloß für die Völker-
welt, sondern auch für Israel ein Tag des Zornes sein werde Mt 3, 7. —
Ebensowenig unterscheidet sich in der Frage der Pharisäer Lk 17, 20:
Wann kommt die Gottesherrschaft? die ßaaiktia rov ^eov von der
eschatologisch gewerteten 'u: pidV^ bei den Rabbinen. — Anders ver-
hält es sich mit der Eulogie eines der Tischgenossen Jesu Lk 14, 15.
Hier trägt der Ausdruck „Gottesherrschaft" so völlig das Gepräge,
das er durch Jesus empfangen hat, daß er dem Redenden wohl von
dem Evangelisten in den Mund gelegt sein dürfte; in Wirklichkeit
wird sich jener einer andren Wendung bedient haben; s. unter 2, a.
2. Daß Jesus den Ausdruck „Gottesherrschaft" nicht selbst gebildet,
sondern in der religiösen Sprache seines Volkes vorgefunden hat, be-
darf angesichts der unter B gebrachten rabbin. Zitate u. der neutestl.
Stellen in Nr. 1 keines weiteren Beweises. Aber ebenso gewiß ist es,
daß Jesus den Begriff der „Gottesherrschaft" vertieft, erweitert u. mit
neuem Inhalt erfüllt hat.
a. In Jesu Worten tritt die „Gottesherrschaft" in erster Linie
gebend, nicht fordernd an den Menschen heran. Nicht darauf liegt der
Matth4, 17 (SBC2) 181
Nachdruck, daß die G. für Gott etwas suche, sondern daß sie die Be-
seligung des Menschen bezwecke. Die ßamXaia twi- üvoavMv erscheint
deshalb in Jesu Mund vor allem als eine Gabe Gottes an den Menschen,
als ein messian. Heilsgut, ja als das Heilsgut schlechthin. — Im Vorder-
grunde des rabbin. Begriffs der 'a tt^z^-o steht der Gedanke an das,
was der Mensch der „Gottesherrschaft" schuldig ist, nämlich An-
erkennung, Unterwerfung, Gehorsam. Und wenn mit der vollen Ent-
faltung der G. im eschatologischen Sinn auch die Heilszeit mit all
ihren Gütern u. Segnungen anhebt, so liegt doch dies beseligende
Moment nicht in dem Begriff der 'a ri=b^ selbst. Das Heil ist die
Folge der Gottesherrschaft, aber nicht die G. selbst. Es ist daher nur
folgerichtig, daß der Ausdruck „G." im Rabbin. nirgends als zus.-
fassende Bezeichnung der endgeschichtl. Heilsgüter verwendet wird.
Wo man eine solche Bezeichnung nötig hatte, bediente man sich andrer
Wendungen, bes. des Ausdrucks xzn obi-n = zukünftige Welt, aram.
"inx"! ^i^^- Dieser Ausdruck wird auch im Munde des Tischgenossen
Jesu Lk 14, 15 vorauszusetzen sein (Dalman 1, 92). — Die n^üi-iu r'^sbo
im jüd. Sprachgebrauch u. die ßaaihi'a tow ov., bezw. zov ^nw in Jesu
Mund verhalten sich zueinander wie Gesetz u. Evangelium.
b. Die „Gottesherrsehaft", als die Summe aller messian. Heilsgüter,
ist in Jesu Reden ausschließlich ein eschatologischer Begriff. Das will
nicht sagen, daß die G. nur der Zukunft angehört u. erst von der
Zukunft zu erwarten ist; vielmehr kann u. soll das Heilsgut der ßaailti'a
Tcov ov., da die endgeschichtl. Heilszeit mit Jesu Kommen bereits an-
gebrochen ist, schon in der Gegenwart von jedermann in Empfang
genommen werden. Das schließt jedoch wiederum nicht aus, daß die
G. auch noch ihre Zukunft hat: der Anfang der endgeschichtl. Heils-
zeit ist nicht ihr Ende; zwischen Anfang u. Ende liegt für die G. die
Zeit ihrer geschichtl. Entwicklung. Auf dem Wege dieser geschichtl.
Entwicklung wird die G. durch innerliche Überwindung aller wider-
göttlichen Mächte des gegenwärtigen Weltbestandes auf Grund einer
abschließenden Gottestat, der Wiederkunft Christi, das Ziel ihrer Zu-
kunft erreichen, nämlich ihre Offenbarung in Herrlichkeit. So ist mit der
Idee der von Jesu gebrachten u. verkündigten „Gottesherrschaft" un-
auflöslich der Weltmissionsgedanke verknüpft. — Der rabbin. Begriff der
aiTsir riDPo ist gleichfalls, aber nicht ausschließlich ein eschatologischer
Begriff. Neben dem endgeschichtl. Moment liegt in ihm ein zeitgeschichtl.
Moment; letzteres kommt bei der gegenwärtigen Gottesherrschaft in
Israel in Betracht; ersteres tritt in die Erscheinung bei der Herauf-
führung der messian. Heilszeit u. der damit anhebenden vollkommenen
Gottesherrschaft über die ganze Welt. Beide, die gegenwärtige u. die
zukünftige G., unterscheiden sich ihrem eigentlichen Wesen nach in
nichts voneinander. Die G. selbst ist unwandelbar; sie fordert auch
immer, sowohl in diesem wie in jenem Äon, von den Menschen das
182 Matth4, 17(53C2. 3.4)
Gleiche, nämlich Anerkennung u. Unterwerfung. Nur der Kreis derer,
die dieser Forderung genügen, verändert sich: jetzt leistet lediglich
Israel Gehorsam, dereinst die gesamte Menschheit. Fragt man, wie
sich die Synagoge den Übergang der gegenwärtigen Gottesherrschaft
in die zukünftige G. gedacht hat, so hat es in dem hellenistischen
Diaspora-Judentum an Stimmen nicht gefehlt, die dahin gingen, daß
die Vortrefflichkeit des jüdischen Gesetzes die Völker allmählich, wie
von selbst, zum monotheistischen Gottesglauben Israels hinüberziehen
werde, so daß dann alle Welt den Einen Gott werde suchen u. anbeten,
s. zB Philo, Vita Mosis 2, 7 (Mang. 2,141); Orac. Sib. 3,710 ff. Hier liegt
der Gedanke an eine geschichtl. Entwicklung als Verbindungslinie
zwischen Gegenwart u. Zukunft vor. Das hellenistische Judentum
glaubte noch an seine Weltmission. Dagegen tritt in der rabbin. Lite-
ratur des Mutterlandes nirgends der Gedanke hervor, daß die im gegen-
wärtigen Äon innerhalb des Volkes Israel zur Anerkennung gelangte
'a n^:^^ dereinst die Völker innerlich so überwinden werde, daß die
'c nrb^ im eschatologischen Sinn als das selbstverständliche Ergebnis
der geschichtl. Entwicklung zu erwarten sei. Im Gegenteil, dieser Ge-
danke liegt dem Eabbinismus so fern, daß allgemein die Ansicht herrscht,
daß der endgeschichtl. Gottesherrschaft nur dur'ch die Vernichtung der
Weltreiche freie Bahn gemacht werden könne. Das palästinische Juden-
tum der nachchristl. Zeit hatte den Glauben an seine Weltmission ver-
loren. Für eine Vergleichung der Gottesherrschaft mit dem Sauerteig,
wie sie sich Mt 13, 33 bei Jesus findet, ließen die rabbin. Vorstellungen
von der 'a '^ keinen Raum.
3. Jesus weist der Gottesherrschaft als Stätte ihres Wirkens das
menschliche Herz an, Lk 17, 20 f. In diesem Punkt begegnet sich seine
Anschauung mit der der Rabbinen; vgl. oben B, 1. Weit auseinander
aber gehen die beiderseitigen Meinungen, ob mit dieser nach innen
gerichteten G. sich die römische Fremdherrschaft über Israel ver-
einbaren lasse. Jesus sieht in der politischen Fremdherrschaft kein
Hindernis für die G. (Mt22, 15 ff. u. Parall.). An die innere Freiheit,
die die G. bringt, reicht keine äußere Tyrannei heran. Dagegen gilt
es der rabbin. Anschauung für ausgemacht, daß die 'ir '^ unvollkommen
sei, solange Israel von der Weltmacht geknechtet werde; erst wenn
Israel von äußerem Druck frei geworden, sei die vollkommene G.
möglich; vgl. Midr Ps 99 § 1 u. TanchB n^jp § 18 oben S. 179. Die 'a 'a
im Sinn des Rabbinismus bleibt ein national-jüdisches Gebilde. Ein von
der rabbin. Gedankenwelt beherrschter Messias würde nie das Wort
gesprochen haben: Mein Reich ist nicht von dieser Welt Joh 18, 36.
4. Die „Gottesherrschaft" erscheint in den Aussprüchen Jesu nicht
bloß als ein Gut u. eine Gabe, sondern auch als eine Organisation, u.
zwar als eine Organisation, die die Welt umspannt Mt 13, 38, in die
die Menschen eintreten Mt 5, 20, in der die Menschen für Gott wirken
Matth4, 17 (S8C4. 5) 183
Mt20, Iff., in der es unter den Menschen Rangstufen gibt Mt5, 19;
18, l usw. So gewinnt der Ausdruck ßaaiXeia tciov ov. oder rov i^sot
die Bedeutung „Himmelreich" oder „Gottesreich". Im Rahbin. findet
sich keine Stelle, in der 'o '-o oder nini '-o mit , Reich {= Herrschafts-
gebiet) Gottes" übersetzt werden müßte. Die Übersetzung „Gottes-
herrschaft" oder „Königtum" Gottes trifft überall, wie die oben bei-
gebrachten Zitate zeigen, den richtigen Sinn, Wir haben hier ein Bei-
spiel, wie der neue Wein sich selbst die neuen Schläuche schafft; der
Inhalt der Worte Jesu prägt vorgefundene Begriffe um.
5, Die „Gottesherrschaft", bezw. das „Gottesreich" hat zentrale
Bedeutung für Jesu Predigt. Daher kommt es, daß Jesus hin u. wieder
das absolute ßaatlhfa gebraucht, wo man ßnaiXsta tmv orgarow oder
Tov ifioi) erwartet, s, Mt8, 12; 13, 19 38: 24, 14; 25,34; Lk 12,32. Die
„Herrschaft" oder das „Reich" schlechthin ist ihm eben Gottes Herr-
schaft oder Reich. — In der rabbin. Gedankenwelt nimmt die 'c '-a bei
weitem nicht eine solche zentrale Stellung ein: gegenüber dem un-
gemein häufigen Gebrauch bei Jesu findet sich der Ausdruck „Gottes-
herrschaft" in der weitschichtigen rabbin. Literatur verhältnismäßig
nur selten. Damit wird es zus. hangen, daß im Rabbin. nir^-a fast nie
absolut gesagt wird für d-^ou: mzh-a oder nirr^ '-o. Das absolute ni=b72
bedeutet im rabbin. Sprachgebrauch durchaus die irdische (heidnische)
Obrigkeit, die weltliche Regierung. Sota 9, 17 wird zu den Vorzeichen
des Messias gerechnet: „Die Regierung wendet sich der Ketzerei (dem
Christentum) zu" nr^ab -^2nn T^.zh^-or^.' \ Aboth 3, 2 sagt R. Chananja, der
Priestervorsteher, um 70: Bete für das Wohl der Regierung, bbar^ iin
ri=bn h-c n^ibirr. j Das. 3. 5 redet R. N'^chonja b. Ha-qana, um 70, von
dem Joch der Obrigkeit (Fremdherrschaft) mrs-a biy. | BB 4" sagt He-
rodes I.: Ich fürchte mich vor der Regierung, Nnibb^rs, d. h. vor Rom. | —
Z'b 102": nrb-o ^■a^^5 = Furcht vor der Regierung (R. Jannai, um 225). —
Die auf Befehl Roms Hingerichteten, die Märtyrer, werden mib'o ''Vnr:
genannt P^'s 50* u, ö. — Gittin 14'' werden Leute erwähnt, die der Re-
gierung nahe stehen, d. h. zu den römischen Machthabern Beziehungen
unterhalten, ",nri3biQb 'pm-p iV^n mx im; ebenso wird BQ83=* von der
Familie des Rabban Gamliel IL, um 90, gesagt, daß sie der (römischen)
Regierung nahe gestanden habe; die gleiche Bemerkung findet sich
Sanh 43» über Jesum: nin pirb^ab mip. — BQ 113*: Die Rechtsordnung
(das Gesetz) der (heidnischen) Obrigkeit gilt als Rechtsordnung ndii
Krn Nn:b^n, Schemuel, f 254. — pB^rakh 3, 6^ 64 u. pNazir 7, 56% 39
bedeutet msbia ■'^"-is „die Großen der Regierung"; pB^'rakh 1^ 13% 45
msbo pcsn „die Unterbrechung der Regierung". Weitere Beispiele s.
pT^rumS, 46%44; bB^rakh48''; Schab 30 ^ BB 3b; Sanh 102''; GnR 32
(19''). — Die Nr^=bi3 -ipa Targ Qoh 5, 8 sind daher „Untertanen der Re-
gierung", aber nicht, wie die vio\ rr^g ßaaiXeiaq Mt 8, 12; 13, 38 in Jesu
Mund, „Kinder des Gottesreiches". — Allenfalls könnte man ein Beispiel
184 Matth 4, 17 (SB C 5). 4, 18 (51 1)
für das absolut gebrauchte r'^^h-o im Sinne von „Gottesherrschaft" in
B®rakh 12=» finden: Rab (f 247) hat gesagt: Ein Lobspruch, in welchem
sich nicht die Erwähnung des göttl. Namens findet, ist kein Lobspruch.
. . . R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Ein Lobspruch, in welchem sich
nicht riDS^ findet, ist kein Lobspruch, — Aber hier ist mit riD^a
weniger die Gottesherrschaft, als viehnehr der Ausdruck r\?,-q König
gemeint. Wie Rab keinen Lobspruch als vollgültig anerkennt, in dem
sich nicht der Gottesname findet, so R. Jociianan keinen, in welchem
Gott nicht als „König" bezeichnet wird. Die offizielle Form des Lob-
spruchs war daher: „Gepriesen seist du Jahve unser Gott, König der
Welt" o^'iiTj T(V^ ^2''r!'i< ''"'' ^^i< T(^^?- — Ähnlich verhält es sich mit
dem absolut gebrauchten r-**3>-g (Plur. von n-^:b^), zB RH 4, 5, s. die
Stelle bei Mt4, 12 S. 158 y. Man bezeichnete damit Schriftverse, in denen
die Königsherrschaft Gottes erwähnt wird. Nachdem der Ausdruck so
zum terminus technicus geworden war, der ein Mißverständnis oder
eine Verwechslung mit den heidnischen Regierungen ausschloß, konnte
er gegebenenfalls auch absolut gebraucht werden. Aber diese Aus-
nahmefälle heben doch die allgemeine Regel nicht auf, daß mit msb^a
schlechthin die weltliche (heidnische) Obrigkeit gemeint ist.,
4,18 31: Das galiläische Meer.
1. Namen.
a. Im AT: „Das Meer Kinnereth" n-!?3-D; Nu 34, 11; Jos 13,27, auch
„das Meer Kinroth" ri-i33 c; Jos 12, 3; vermutlich nach der an der
Westküste gelegenen Stadt Kinnereth oder Kinroth Dt 3, 17; Jos 19, 35;
11,2. I Jes 8, 23 heißt dieser See schlechthin „das Meer", c^n.
b. „See Genezareth". So zuerst 1 Makk 11, 67: ro vdo)Q rsvvrjaaQ;
im NT 7] XifArr] revvrjaaQsv Lk 5, 1; bei Josephus, Antiql3, 5, 7: auö
Twr vöuTow TOH' rsvvrjadgoiv X^yo^usion'; 18,2, 1: Xi^rij rj rtvrrjaaQitic;
Vita 65: i] rsvvr^aaQitig Xf/xirj; Bell. J. 3, 10, 7: r) Xi'fivrj rewr^actQ-, 2, 20, 6:
rsvvrjGccQ rj Xff.ivrj. — In den Targumim: -ics:, c^ Onk Nu 34, 11; n»:
lO'^D^I Jerusch I; ^o'is'^a n;: Jos 12, 3; 13,27. — flaggadische Deutungen:
M'^'g 5 1" : R. Jochanan (t'279) hat gesagt: Kinnereth ist Genezareth. Warum wurde
sein Name „K." genannt? Weil seine Früchte so lieblich sind, wie der Laut der Zither
(s-:-t). — Nach andrer Lesart im ?Arukh: Weil seine Früchte so süß sind wie die
Artischocke (s-5-r). — Der Satz: ,K. ist Genezareth" auch in einem Ausspruch Rabas,
t o52. M-'g 6"; anonym pM^g 70^ 35. 1| GnR 98 (62«): Warum wird Kinnereth „Gene-
zareth" (■^0"::) genannt? Die Rabbanan sagten: Weil dieses , Fürstengärten" bedeutet
(= E-^-b -:;). R. J<^^huda b. Simon (um :^)"^0) hat gesagt: Deshalb heißt es I Chr 12, 84:
Von Naphtali (in dessen Gebiet K. lag) tausend Fürsten. || Wo K. = Genezareth ge-
legen hat, wissen bereits die rabbin. Autoritäten des H. Jahrh. nicht mehr. GnR 98 (62'^) :
R. Elfazar (b. P'^dath, um 270) hat gesagt: K. ist Jerach; R. Sch'^'muel b. Nachman
(um 26U) hat gesagt: Es ist Beth-Jerach; R. J^huda b. Simon hat gesagt: Es ist Sennabris
(nach Josephus, Bell. J. 3, 9, 9 etwa 30 Stadien = ^/4 Meilen von Tiberias entfernt) u.
Beth- Jerach. R. Levi (um3U0) hat gesagt: in diesem Gebiet lag Beth-Sch^'an (= Skytho-
polis), dessen Name „Kinnereth" war. R. B^'rekhja (um 340) hat gesagt: Das ganze
Matth 4, 18 (?l 1. 2) 185
Ufer des Sees von Tiberias hieß Kinneieth. ... — Ferner s. Josephus, Bell. J. 3, 10, 8;
GnR 98 (62<=) oben S. 154 f. Zu Jerach vgl. TB^kh 7, 4 oben S. lOl.
c. Meer oder See von Tiberias. So im NT Joh 21,1: i] i^äXaaaa
TTjg TißtQiccöoc. Bei Josephus, Bell. J. 3, 3, 5: t/;c TißiQiccöog Xiixvrj. Oft
in der rabbin. Literatur (vgl. auch die Zitate in Nr, 2):
pSch'^qalim (», 2, 50^: Er sprach zu mir: „Diese Wasser strömen hinaus nach dem
Ost^au* Ez47, 8. Damit ist das Meer von Samko (= Semechonitis See) gemeint; ,u.
sie fließen nach der Niederung hinab\ damit ist das Meer von Tiberias (s:-:^"'^ -^ =:")
gemeint; u. münden in das Meer", d. i. das Salzmeer (= Totes Meer); „in das Meer
der Austritte" (so der Midrasch), d. i. das Weltmeer (der Ozean soll zweimal, u. zwar
in der Generation des Enosch u. der der Zerstreuung, über seine Ufer getreten sein,
die Menschheit zu strafen). || pKil », '62': Sieben Meere umschließen das Land Israel:
Das große Meer (= Mittelländisches Meer), das Meer von Tiberias (s— a-jn a^-), das
Meer von Samko (Semechonitis-See\ das Salzmeer, das Meer von Chultha (nach Neu-
bauer Geogr. S. 27 u. Dalman = Hule-See; Lightf.: Sirbonis), das Meer von Schiljath
(nach Neub. wahrscheinlich der Phiala-See, östlich von Cäsarea Philippi) u. das Meer
von Apamea (am Oiontes, südöstlich von Antiochiaj. — Parallelstellen: pK*^^th 12, 35'';
bBB 74''; Midr Ps 24 5? 6 (103'').
d. Das galiläische Meer. Wie es scheint nur im NT, s. 4,18; 15,29;
Mk7,31.
e. Ganz einzelnstehend ist der Name: ,Das galiläische Meer von
Tiberias", rj ^aXccaaa xTg FahXaiag rrjg Tiße^jiadug Joh 6, 1.
2. Lage u. Größe des Sees. Sonstige Nachrichten über ihn.
Josephus, Bell. Jud. 3, 10, 7: Der See G. hat seinen Namen von dem anliegenden
Landstrich (vgl. die Lesart r) yij rsfi'tjaaQST Mt 14, 34; Mk 6, 53); er hat eine Breite
von 40 Stadien (= 1 deutsche Meile) u. eine Länge von noch 100 Stadien mehr (also
von 140 Stadien = 3^2 Meilen. Die Breite beträgt in Wirklichkeit 12 Kilometer
=^ 64 Stadien). Sein Wasser ist süß u. durchaus trinkbar; auch ist es klar, da er
überall an sandigen Ufern aufhört; außerdem hat es eine Temperatur, die es zum
Schöpfen geeignet macht. Wenn auch weicher als Fluß- oder Quellwasser, ist es doch
stets kühler, als man bei der weiten Ausdehnung des Sees erwarten sollte. Die in
ihm lebenden Fischarten sind nach Geschmack u. Aussehen von den anderswo lebenden
verschieden. In seiner Mitte wird er vom .Jordan geschnitten. — Die Beschreibung des
Josephus, B. Jud. 3, 10, 8 von der Landschaft G. am Westufer des Sees s. bei 4, 12, S. 154.
Fischereige rechtsame auf dem See G. BQ80'' Bar: Zehn Vereinbarungen hat
Josua (bei der Verteilung Kanaans mit Gesamtisrael) getroffen: Man darf in (fremden)
Waldungen weiden lassen (ohne daß der Besitzer es verbieten kann); man darf Holz
auflesen auf ihren (der Israeliten) Feldern; man darf überall Gras sammeln, aus-
genommen Fönnkraut (T^'ir, foenum graecum); man darf überall Schößlinge abschneiden,
ausgenommen Olivenreiser; eine neu entstehende Quelle dürfen (allei Einwohner der
Ortschaft benützen; man darf im Meer von Tiberias (s"=-. ~» ""s") angeln (■|-:r;';), aber
man darf kein Wurfnetz, >••;-, ausspannen u. kein Schiff hinstellen ("J'^.y -!-":y-, s. das
Folgende); man darf (überall) hinter einer Umzäunung seine Notdurft verrichten, selbst
auf einem Felde, das voller Safran (Krokus) ist; man darf auf Fußsteigen, die durch
einen Privatbesitz führen, bis zum zweiten Frühregen (der um den 17. Marcheschvan
= November einsetzt) gehn; man darf wegen der (die Wasserpfützeu einschließenden)
Erdstreifen zur Seite der Wege ausweichen (u. Privatbesitz betreten); wer sich zwischen
den Weinbergen verirrt hat, darf Triebe i Ranken) abhauen, um nach oben oder nach
unten zu gelangen; u. endlich ein Pflichttoter (der keine Angehörigen hat u. dessen
Bestattung deshalb jedermanns Pflicht ist) erwirbt seinen Ort lan welchem er gefunden
wird) als sein Eigentum (um dort bestattet zu werden). — Einzelne dieser Sätze auch
186 Mattli4, 18i?{2. S)
pB«rakh2, 5**. 3; pBB 5, 15", 7. — In der Tos lautet die Bestimmung über den Fisch-
fang im See G. BQ 8, 17 (o62i: Im Anfang, als die 10 Stämme sich in ihrer ursprüngl.
Verfassung befanden, sagten sie: Niemand darf sein Schleppnetz (=~~) ausspannen u.
sein Schilf hinstellen innerhalb des Bereichs eines andren; wohl aber darf man fangen
mit Angeln ("=~) u. mit Fischergarnen (r'-j--^-; = Schlingen? Reusen?i an jeder Stelle,
ohne daß man daran gehindert werden darf, nur daß man kein VVurfnetz, y'-:-^, aus-
spannt u. kein Schiff hinstellt. — Diese Bar auch BQ 81^: Man darf im Meer von
Tib. angeln, nur darf man kein Wurfnetz, vhr., ausspannen u. kein Schiff hinstellen;
wohl aber darf man mit Netzen, r-rxi-, u. mit Fischergarnen (n'^^:^) fangen. Unsre
Lehrer habe« gelehrt: Im Anfang haben die Stämme untereinander vereinbart, daß
man kein Wurfnetz (1. >"-p statt ~y"-p) ausspannen u. kein Schiff hinstellen dürfe; wohl
aber dürfe man mit Netzen, r-r-c^, u. mit Fischergarnen, r--'';r»:, fangen. — Hiernach
galt der See G. als Gemeinbesitz aller Stämme; das drückte sich darin aus. daß jeder
Israelit an jeder beliebigen Stelle dem Fischfang obliegen durfte, aber nur mit Angel
u. Fischergarn. Was unter Fischergarn, r',~^izi2, zu verstehn ist, ist ungewiß; aus
pMQ "i, 8l *' Ende (s. die Stelle S. li'57) geht aber unzweideutig hervor, daß damit ein
Fanggerät gemeint ist, dessen Handhabung ebensowenig Arbeit u. Aufsehen machte
"wie das Angeln; deshalb wurde den Fischern von Tib. erlaubt, damit an den Zwischen-
feiertagen elienso wie anit der Angel ihr Handwerk auszuüben. Am nächsten liegt, an
Schlingen oder Reusen zu denken. Die Großfischerei aber, die vom Lande oder vom
Schiff aus mit Wurf- u. Schleppnetzen betrieben wurde, sollte auf dem See G. das
Vorrecht der Anwohner, insonderheit das Stammes Naphtali sein; nur war der einzelne
Fischer verpflichtet, seinem Handwerksgenossen nicht in das Gehege zu kommen: er
sollte also seine Netze nicht so auswerfen u. sein Schiff nicht so stellen, daß ein andrer
dadurch gehindert wurde. — Hiernach ist wohl TBQ 8, 18 (868) zu erklären. Da heißt
es nämlich: Die (übrigen) Stämme dürfen keine Fische aus dem Meer von Tib. fangen,
weil dieses der Anteil Naphtalis ist, u. nicht nur dies, sondern es wurde ihm (dem
Stamm N.) auch noch die volle Länge einer Netzleine ' südlich vom Meer gegeben,
vgl. Dt 88, 23: ^Das Meer u. den Süden nimm in Besitz." Das sind Worte des R. Jose,
des Galiläers (um 1 10). R. f Aqiba (f um 13ö) sagte: Mit „Meer" (dies Wort ist im Text
zu ergänzen) ist das Meer von Samko (so ist zu lesen statt -2£io) gemeint (der Seme-
chonitis-See), mit „Süden" das Meer von Tib. u. mit „nimm in Besitz" das große Meer
(Weltmeer). Parallelstellen: pBB ö, 15^ 81 u. bBQ 81 '^. — Diese Bestimmung, die ihrem
Wortlaute nach jedem Nicht-Naphtaliten das Fangen von Fischen aus dem See G. ver-
bietet, wird nach den vorhergehenden Stellen so zu verstehn sein, daß sie die Netz-
fischerei im Auge bat, während sie das Fangen mit der Angel u. dem Fischergarn als
etwas Nebensächliches unberücksichtigt läßt.
Der Mirjambrunnen u. der See Genezareth. pKil 0, 32=, 38: Es heißt Nu 21, 20:.
„Er (der Vers 17 f. erwähnte Brunnen) wird erblickt von oberhalb der Wüste" (so der
Midrasch). R. Chijja b. Abba lum 280) hat gesagt: Wenn jemand auf einen Berg in der
Wüste steigt u. im Meer von Tib. eine Art Sieb eiblickt, so ist dies der Brunnen der
Mirjam (der Israel durch die Wüste geleitete u. im Meer von Tib. endete). Dasselbe
mit Abweichungen pK^th 12, 35^ 41; LvR 22 (121''); Midr Ps 24 §6 (1U3'0: MidrQoh
5, 8 (27"); TanchB rp- § 50 (64^); NuR 19 (187 •^^); Schab 35". (Diese letzte Stelle s. bei
iKor 10,4.)
Noch sei pf AZ 2, 42% 27 angeführt: Das Meer von Tib. gilt als fließendes Wasser.
4, 18: Netz. a^KfißlrjüTQOV. yV^.^ Wurfnetz; vgl. BQ 80 ''nebst Parallelen S. 185 f.
4, 18 SB: Fischer.
Vielleicht ist R. Jose n-ninn (um 160) M*^n 37" als Fischer anzusehn,
1 Tos: Va-T sV^ = eine volle Leinenlänge; ebenso SDt 33, 23 §355(147^); ge-
nauer die Parallelstelle BQ 81'' D-n Van ^n'-sn (danach die obige Übersetzung).
Matth4, 18(93). 4, 19(51) 187
falls nämlich das Beiwort nicht einen bezeichnet, der Fischernetze
anfertigt, sondern einen, der die Netze zum Fischfang auslegt.
Ein weiterer Vertreter des Fischerhandwerks unter den Rabbinen ist
uns in der rabbin. Literatur nicht begegnet.
Speziell über die Fischer von Tibeiias vgl. MQ 2,5: Die Fischer
'i^T;^ u. die Verfertiger von Graupen u. Grieß dürfen (während der
Zwischenfeiertage des Passah- u. des Laubhüttenfestes) im stillen
arbeiten, um die FestbedQrfnisse herzurichten. R Jose (b. Chalaphta,
um 150) hat gesagt: Sie haben über sich selbst in erschwerendem Sinn
entschieden (nämlich an den Zwischenfeiertagen überhaupt nicht zu
arbeiten). — Dazu bemerkt die pal. Gemara 2, SP Ende u. pP«s 4, SC,
18: Die Fischer ^i-r; in Tiberias, die Gräupner in ^Akko u. die Grieß-
macher in Sepphoris haben es auf sich genommen, an den Zwischen-
feiertagen keine Arbeit zu tun. Das mag zutreffen bei den Grieß-
machern von Sepphoris u. den Gräupnern von ^Akko: aber verringern
die Fischer von Tib. nicht die Festesfreude (insofern sie infolge ihres
Feierns von der Arbeit nicht in der Lage sind, den Einwohnern von
Tib. die wünschenswerten Festfische zu liefern)? (Entgegnung:) Sie
können ja (ohne besondere Mühe) mit der Angel oder dem Fischer-
garn r-n?2:^ fangen! Verringern sie aber auch nicht so die Festes-
freude (insofern auf diese Weise der volle Bedarf an Fischen nicht
gedeckt werden kann)? R. Ammi (um 300) entschied für sie in er-
leichterndem Sinn (erlaubte ihnen die Arbeit), weil sie sonst die Fest-
freude verringerten.
Ein allgemeines Urteil über den Stand der Fischer, sei es lobender
oder tadelnder Art, scheint sich in der älteren Literatur nicht zu
finden. Vielleicht darf man aber auf die Fischer mitbeziehen, was
einmal über den Schifferstand gesagt wird. Qid 4, 13: Abba Goijan
(Gorjon) aus Sidon (um 180?) hat im Namen des Abba Schall (um 150;
so ist zu lesen nach Bacher, Tann. 2, 368) gesagt: Der Mensch lasse
seinen Sohn nicht ausbilden zum Eseltreiber, Kameltreiber, Barbier,
Schiffer isc, Hirten u. Krämer; denn deren Handwerk ist ein Hand-
werk der Räuber. — R. J huda (um 150) hat in des Abba Schasul
Namen gesagt: Die meisten Eseltreiber sind gottlos, die meisten Kamel-
treiber sind brav, die meisten Schiffer sind fromm; der Beste unter
den Är/.ten ist für den Gehinnom u. der Bravste unter den Fleischern
ist ein Genosse fAmaleqs. — Als Bar mit Abweichungen pQid 4, 6(5 ^ 26.
4,19 51: Folget mir nach, 6svt£ oniaco fiov.
Das Schülerverhältnis forderte persönlichen Anschluß an den Lehrer;
denn der Schüler lernte nicht bloß aus den Worten seines Lehrers,
sondern viel mehr noch aus dessen praktischer Gesetzesübung. Darum
bedeutet die Redensart „hinter jemandem hergehn" soviel wie „sein
Schüler sein".
188 Matth 4, 19 (21. 33). 4, 21. 24
?Erub 30" sagt Rabbah bar bar Ghana, um 2i^0: ,,Als ich hinter R. Jochanan her-
ging", d.h. sein Schüler war. H Aboth R.Nathan 4: Einmal war Rabban Jochanan b.
Zakkai aus Jerusalem hinausgegangen u. R. J'^hoschuaf ging hinter ihm (als sein Schüler).
Die ganze Stelle bei Mt 9, 13. K'^th H(j'' Bar: Es geschah einmal, daß Rabban Jochanan
b. Zakkai (f um 80) auf einem Esel ritt u. aus Jerusalem auszog; seine Schüler aber
gingen hinter ihm; das. 72'': Rabbah bar bar Ghana (um 280) hat gesagt: Einmal ging
ich hinter Rab füqba lals dessen Schüler) einher. . . . || Weitere Beispiele: LvR 37 (133');
psAZ 1,4U^ 47; M^kh Ex HI, 12 (109^); SDt 31, 14 § 3U5 (129^'); pChag -», 77% 43
bJomaSS"; ferner bei Mt 10, 1.
4, 19 SB: Werde euch zu Menschenfischern machen.
Im Rabbin. (wie auch im Deutschen) hat der bikiliche Ausdruck
, Menschen fangen" einen unedlen Sinn, weil das Moment der über-
listenden Schlauheit im Vordergrund steht.
GnRH? (22'): „Ein Irrsals-Lied von David, welches er Jahven sang wegen der
Worte des Kusch" Ps 7, 1. — R. J^'hoschua? b. N'^chemja (um 3ö0) hat im Namen des
R. Ghanina b. Ji^haq (um 32-''>) gesagt: Das hat David in bezug auf das Gerichtsverfahren
des Frevlers (= Rom) gesprochen. Aber ist denn Esau (- Rom) ein Kuschite? Er
heißt so, weil er nach dem Verfahren Nimrods (des Sohnes des Kusch Gn 10, 8) handelt.
Es heißt (,Gn 10, 9) nicht: „Deshalb sagt man: Nimrod ein gewaltiger Jäger vor Jahve",
sondern: Wie N. ein gewaltiger Jäger vor Jahve". Wie dieser die Menschen in ihren
Worten fing -u, so fängt -- auch jener (Esau = Rom) die Menschen in ihren Worten.
Er fragt nicht: Hast du gestohlen? sondern: Wer hat mit dir gestohlen? Nicht: Hast
du getötet? sondern: Wer hat mit dir getötet? — Ähnlich GnR 03 (40^*): „Esau ward
ein jaijdkundiger Mann"* Gn 2'"), 27. Er fing ->:; die Menschen in ihren Worten. Nicht:
Hast du gestohlen? sondern: Wer hat mit dir gestohlen? usw.
Der Ausdruck: „Ich will euch zu Menschenfischern machen" läßt
sich in der altjüdiychen Literatur sonst nicht nachweisen; er hat hier
selbstverständlich keine häßliche Bedeutung.
4,21: Jakobus, Sohn des Zebedäus.
Den gleichen Namen trägt ein Rabbi, der um 330 gelebt hat. Von
ihm rührt folgendes Gleichnis her zu Ps 19, 2 (die Himmel erzählen
die Ehre Gottes): R. Jj^?aqob b. Zabdai hat gesagt: Gleich einem starken
Mann, der in eine Stadt kam u. dessen Stärke man nicht kannte. Da
sprach ein Schlaukopf zu den Leuten: An dem Steine, mit dem er
ringt, werdet ihr die Kraft seiner Stärke erkennen! So lernen wir vom
Himmel die Kraft Gottes, Midr Ps 19 § 6 (83''). — Dasselbe Gleichnis
im Munde des R. Judan, um 350, P'^iq 166 ^ — Häufiger wird ein
Zabdai b. Levi (um 240) erwähnt, s. Bacher, pAmor 3, 640.
Der Name "i^ni, Abkürzung von n^-in:, bedeutet „Geschenk Jahves".
Eine Nebenform ist -^^z\ oder n'^-^:?'!. Diesen Namen führte ein um 330
lebender Amoräer, s. Bacher, pAmor '\, 753. — Die Form inar, zurück-
gehend auf n^T,5T, findet sich Jos 7, 1; 1 Chr 8, 19; 27, 27; Neh 11, 17.
Die LXX geben "^-^zi (1 Chr 8. 27) mit Zaßdf wieder; ein Beweis, daß
Zsßidaiog nicht aus i^nT, sondern aus i^nr gebildet ist.
4,24: Besessene, 6ai(j,ovi^6f4,€voi.
Sieh den Exkurs „Zur altjüd. Dämonologie".
Mondsüchtige, oB'Arjyial^o^uefot, s. bei 17, 15.
Matth 4, 25. 5, 2. 3 (Nr. 1) 189
4,25: Es folgte ihm nach viel Volks.
Vgl. die über die messian. Zeit ausgesprochene Erwartung GnR 25
(IG**): Zwölf Hungersnöte kommen über die Welt (folgt deren Auf-
zählung nach der Schrift); u. eine wird in der Zukunft (d.h. in den
Tagen des Messias) kommen, s. Arnos 8, 11: Siehe, Tage kommen, ist
Jahves Spruch, da entsende ich einen Hunger über das Land, nicht
einen Hunger nach Brot, noch einen Durst nach Wasser, sondern zu
hören Worte Jahves.
5, 2: Er lehrte sie.
Nicht bloß die Synagogen u. Lehrhäuser waren Stätten des Pre-
digens u. Lehrens, sondern auch Straßen u. freie Plätze, s. bei Lk 5, 1.
5,3: Selig sind, die da geistlich arm sind.
1. Sprachliches. A. i^iaxäqioi entspricht dem alttestl. ^-CvX Heil! Das
Rabbin. hat den alttestl. Ausdruck beibehalten. TChag 2, 1 (234) sagt
Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80): Heil dir -j-^ncN, unser Vater
Abraham, daß El^azar b. f Arakh (einer der Schüler des R. Jochanan
b. Z.) aus deinen Lenden hervorgegangen ist! — Dasselbe pChag '«i,
77% 56; bChag U''. || Chag 14'^ ruft derselbe Rabban Jochanan b. Z.
zweien seiner Schüler zu: Heil euch u. Heil euren Gebärerinnen! Heil
meinen Augen, daß sie solches gesehen haben! i^irx rrrnbni n-.^jK'i wiest
nx"i -D^u "^ry! 1| Joma 87=*: Heil den Gerechten! Nicht genug, daß sie
(für sich selbst) Verdienst haben, sondern sie erwerben Verdienste auch
für ihre Kinder u. Kindeskinder bis ans Ende aller Generationen. [[
Joma 8, 9: R. ? Aqiba (f um 135) hat gesagt: Heil euch, Israeliten Q="ncx
^N-ia^! vor wem reinigt ihr euch u. wer ist es, der euch rein macht?
Euer Vater, der im Himmel ist! — Das Gegenteil ist lix wehe! zB
Joma 87=»: Wehe den Gottlosen nvirib cnb "^in! Nicht genug, daß sie
sich selbst verschulden, sie verursachen Schuld auch ihren Kindern u.
'Kindeskindern bis ans Ende aller Generationen. Vgl. auch bei 18, 7 51.
B. Es findet sich ra-; n?? Jes 66, 2 geschlagen in bezug auf den
Geist = niedergeschlagenen Geistes. i| ffir^ ^ns^ Ps 34, 19 zermalmt in
bezug auf den Geist = verzagten Geistes. || xrai rp s'? Targ Jes 66, 2
gebeugt in bezug auf den Geist = gebeugten Geistes; Plur. Nmn •'T'^-q
Targ Ps 34, 19 ; Targ Jes 57,15. || nn bsd niedrig in bezug auf den Geist
= demütigen Geistes Jes 57, 15; Sprl6,19; 29,23; Aboth4,4. 10; Targ
Spr 16, 19. II m-i D5 hoch in bezug auf den Geist = hochmütigen Geistes
Aboth 4, 7; Plur. n>n ^sr> pP*^s 5, 32% 65; mnn -^os LvR 17(117»). — Da-
gegen haben wir die Verbindung rn ^:" „arm in bezug auf den Geist,
arm am Geist" nicht gelesen. In derartigen Wendungen wird i:s regel-
mäßig mit 2 konstruiert. Man sagt daher nrr-n:: i;? arm an Wissen N'^d
41»; 010333 "ijy arm an Vermögen (Gegensatz: c^odj^ iiay reich an Gütern)
K«th 68»; T-j-ii i;3J arm an gutem Willen (Gegensatz: rzmo -iicr) K*^th
68*. — Doch wird das Substantivum nsi'::? «Armut" wieder ohne 3
190 MatthS, 3 (Nr. 1.2)
konstruiert. „Armut an Torakenntnis" heißt n^iir ni-'-r' Sanh 24* oder
n-iinT nisr Qid49'>, während „Armut an guten Werken" wiedergegeben
wird mit c-^-rj n'^cr-a-s r-,^:r Midr Esth 1, 1 (80''). Hier liegt der Gedanke
vor, daß die Armut ein „Leersein" von irgend etwas in sich schließt,
daher die Konstruktion mit -jp.
2. Der Seligpreisung: /.laxägioi ol titmxoI Th, Ttrav^xari usw. dürfte
Jes 61,1 zugrunde liegen: „Der Geist des Allherrn Jahve ruht auf mir,
weil Jahve mich gesalbt hat, den Demütigen frohe Botschaft zu bringen"
B--5? -i'irrb. Die LXX haben die letzten Worte übersetzt: svayy^XiGaGiJai
mwxoTg = „Armen frohe Botschaft zu bringen". Diese Übersetzung
hat Lk 4, 18 beibehalten in seinem Bericht über die erste Predigt Jesu
in der Synagoge von Nazareth; ihr folgt auch Mt 11,5 bei der Wieder-
gabe der Antwort Jesu an Johannes den T. : mwxol svayyeXi^uvrai.
Wenn nun Jesus in den Worten Jes 61,1: „den Armen frohe Botschaft
zu bringen" den bezeichnenden Ausdruck für seine Anfangstätigkeit
gefunden hat, so mochte es ihm wohl naheliegen, die erste Seligpreisung
gerade den „Armen" gelten zu lassen. So lautet ja auch Lk 6, 20:
„Selig sind die Armen." Wir nehmen an, daß Jesus mit den „Armen"
jene breite Schicht der geringen u. verachteten Leute in seinem Volk
gemeint hat, die in der rabbin. Literatur y:.ii^ ''^v (Sing, y^xn ■dv)
heißen ^ u. Joh 7, 49 von den wissensstolzen u. selbstgerechten Pharisäern
bezeichnet werden als „dieser Haufe, der das Gesetz nicht kennt; ver-
flucht sind sie!" Wenn diese Verwünschung die Stimmung deutet, die
die geistlichen Führer des Volkes gegen die ? Amme ha-'arep beseelte,
wie mußte dann Jesu Ruf die Herzen dieser Verachteten treffen: „Selig
sind die Armen; denn euer ist das Reich Gottes" (Lk 6, 20)! Sachlich
macht es keinen Unterschied, wenn die „Armen" bei Mt 5, 3 durch
den Zusatz reo nvevf^iaji als „Arme am Geist" charakterisiert werden.
Es sind ja dieselben Leute, die Lk u. Mt im Auge haben; nur daß sie.
jener mehr nach ihrer äußeren Lage benennt, dieser treffender nach
ihrer inneren Verfassung. Die ?Amme ha-'are9 waren durchaus nicht
immer Leute, denen es an irdischen Gütern gebrach; zu ihnen haben
auch Reiche gehört; aber was sie alle kennzeichnete, war eine gewisse
Armut geistiger Art. Sie kannten weder in genügendem Maße die
Auslegung, die die pharisäischen Schriftgelehrten dem Gesetz zuteil
werden ließen, noch trauten sie sich die Kraft u. die Freudigkeit zu,
ihr religiöses Leben nach den Satzungen der Rabbinen erfolgreich zu
ordnen u. zu regeln. Dabei erfuhren sie täglich aufs neue, wie sie
von den Gesetzesstrengen verachtet u. gemieden wurden; was Wunder
also, wenn sie schließlich eine Beute des Pessimismus wurden u. sich
selber als eine massa perditionis vorkamen!
^ Auch Lichtenstein, Kommentar zum Mt S. 26 versteht unter den nrMxoi der
1. Seligpreisung die ?Amrae ha-iarep. Genaueres über diese Volksklasse s. bei Joh 7, 49.
Matth 5, 3 (Nr. 2) 191
An diese geistig Armen u. Heruntergekommenen wendet sich Jesu
Predigt in der Voraussetzung, daß Menschen, die die eigene religiös-
sittliche Unzulänglichkeit kennen, ihr Herz willig dem Evangelium
öffnen werden, das ihnen nicht, wie die Satzungen der Schriftgelehrten
gebietend u. fordernd, sondern gebend u. tröstend entgegentritt: „Selig
sind die Armen am Geist; denn ihrer ist das Himmelreich." Ein solcher
Makarismus wäre im Munde der pharisäisch gerichteten Schriftgelehrten
geradezu ein Unding. Sie haben in der Armut am Geist nie eine Quelle
des Segens, wohl aber die Wurzel alles Übels gesehen.
Reia theoretisch lautet die Ausführung N''d 40 '': R. Ammi (um 300) hat gesagt,
Rab (t 217) habe gesagt; Was bedeutet: „Du nun, o Menschenkind, mache dir Aus-
wanderungsgeräte" Ez 12, 3? Damit ist eine Leuchte u. eine Schüssel (zum Essen) u.
eine Decke (Unterlage zum Liegen) gemeint. , Aus Mangel an allem" Dt 28, 57. R.Ammi
hat gesagt, Rab habe gesagt: Ohne eine Leuchte u. ohne einen Tisch. Rab Chisda
(t ;>0y) hat gesagt: Ohne Weib. Rab Schescheth (um 260) hat gesagt: Ohne einen Diener
(Rab Seh. war blind, bedurfte also eines Dieners). Rab Nachnian (f 820) hat gesagt:
Ohne Wissen riy'r. In einer Bar ist gelehrt worden: Ohne Salz und ohne Fett. Abaje
(t 338/39) hat gesagt: Wir haben durch Tradition überkommen: Es gibt keinen Armen
-:y außer dem (der arm ist) an Wissen ri-j'rz. Im Abendland (Palästina) sagt man:
Hat er dieses (Wissen), so hat er alles; hat er dieses nicht, was hat er? Hat er dieses
erworben, was mangelt (ihm); hat er dieses nicht erworben, was hat er erworben? ||
Ähnlich LvR 1 (105''): R. Tanchuma (um 380) eröffnete seinen Vortrag mit Spr 20, 15:
,Es gibt Gold u. viele Perlen; aber ein kostbares Gerät sind Lippen der Erkenntnis."
Nach dem gewöhnl. Lauf der Welt kann ein Mensch Gold u. Silber, Edelsteine u, Perlen
u. jede Kostbarkeit in der Welt u. jedes Gut besitzen; hat er aber keine Ein.sicht (Er-
henntnis. Wissen), welchen Besitz hat er? Ein Sprichwort: Besitzest du Wissen, was
mangelt dir? Mangelt Wissen, was besitzest du? — Dieses Sprichwort auch Midr Qoh
7, 23 (37^»]; NuR 19 (185 ''l; P'^siq33b: TanchB r-n § 10 (55-'); s. auch TanchB s-pi
§ 2 (2*). — So einseitig diese Sätze sind, so häßlich sind die Folgerungen, die manche
daraus gezogen haben. Sanh 92": R. EUazar (um 270) hat gesagt: Es ist verboten, sich
eines Menschen zu erbarmen, der kein Wissen besitzt; s. Jes 27, 1 1 : ,Denn kein Volk
von Einsichten ist es; deshalb wird sich sein Schöpfer seiner nicht erbarmen u. sein
Bildner keine Gnade an ihm üben." Derselbe hat gesagt: Wer sein Brot dem gibt,
der kein Wissen hat, über den kommen Leiden; vgl. Obadja7: „Dein Brot machen
sie zu einer Schlinge, -it-», unter dir, Einsicht ist nicht in ihm", u. Schlinge --t: be-
deutet nichts andres als Leiden, s. Hos 5, 13: „Es sah Ephraim seinen Schaden u. Juda
seine Wunde" i-tt. Ferner hat er gesagt: Jeder Mensch, der kein Wissen hat, zieht
schließlich in die Verbannung; s. Jes 5, 13: „Deshalb muß mein Volk auswandern wegen
Mangels an Wissen" (so der Midrasch). — Bei all diesen Sätzen muß man sich gegen-
wärtig halten, daß mit dem Unwissenden immer der f Am ha-sare9 gemeint ist. Das
beweisen Stellen ähnlichen Inhalts, die den ?Am ha-:äare9 ausdrücklich nennen. Aboth
2, 5 sagt Hillel (um 20 v. Chr.): Ein Ungebildeter ^•'- ist nicht sündensclieu u. ein
fAm ha-jarcQ ist nicht fromm. || P'^3 49b: R. Sch'^muel b. Nachman (um 2tiÖ) hat ge-
sagt, R. Jonathan (um 220; so lies statt R. Jochanan) habe gesagt: Einen fAm ha-jare(j
darf man zerreißen wie einen Fisch. |i P'^s 4Hb^ R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Einen
?Am ha ^are^ darf man (selbst) an einem Versöhnungstag, der auf einen Sabbat fällt,
durchbohren. Seine Schüler sagten zu ihm: Rabbi, sage: „Man darf ihn abschlachten."
Da sagte er zu ihnen: Dies (das Abschlachten, irni) bedarf eines Lobspruches (den
der f Am ha-5areQ nicht wert ist), aber jenes (das Durchbohren) bedarf keines Lob-
spruchs, jl BB 8^ sagt Rabbi zur Zeit einer Hungersnot: Wehe mir, daß ich mein
Brot einem fAm ha-jare? gegeben habe (vgl. oben Sanh 92»)! . . . Strafe kommt nur
wegen der f Amme ha-Jarec in die Welt. (Das Volk, das das Gesetz nicht kennt, die
192 Matth 5, 3 {Nr. 2. 3)
Unwissenden, eine Quelle alles Unheils.) II Sanh 90'd: (R. Sch^^muSl b. Nachman sagte:)
Man darf keinem Priester Hebe geben, der ein ?Am ha-sare^ ist. — Diese Regel wird
oftmals ausgesprochen, zB TD«mai 2, 2 (47); SNu 18,28 §121 (41^); Sanh 90b. ||
Schab 38^ Bar: Vier Anzeichen gibt es (die, wenn sie sich bei einem Menschen be-
merkbar machen, ein sicherer Beweis sind, daß der Betreffende einer bestimmten
Sünde ergeben ist): ein Anzeichen von (geschlechtlicher) Sünde ist Wassersucht; ein
Anzeichen von grundlosem Haß ist die Gelbsucht; ein Anzeichen von Hochmut ist die
Armut; ein Anzeichen von Verleumdung ist die Halsbräune. — Hierzu heißt es Sanh
24* = Qid 49^: Ein Autor hat gesagt: ,Ein Anzeichen von Hochmut ist die Armut." . . .
Welche A. ist gemeint: Die A. an Torakenntnis. — Die geistige A. oder die A. an
Torakenntnis ist also ein sicheres Merkmal, daß in dem Betreffenden Hochmut wohnt.
Von hier aus fällt Licht auf die Charakteristik der Jüngerschaft Abrahams u. Jesu in
Aboth 5, 19: Wer folgende drei Stücke (Eigenschaften) hat, ist ein Schüler Abrahams,
u. wer drei (andre, entgegengesetzte) Stücke hat, ist ein Schüler Bilfams (= Jesu,
s. Strack. Jesus, §5. 12). Ein wohlwollendes Auge, ein bescheidener Sinn u. ein de-
mütiger Geist nr-'a: r-r,i (das ist) ein Schüler Abrahams. Ein mißgünstiges Auge, ein
gieriger Sinn u. ein hochmütiger Geist -rjiaJ. rrn-i (das ist) ein Schüler Bilfams.
Diese hochmütigen, aufgeblasenen Geister, das sind jene »Armen",
die von der Tora nichts wissen, um so lauter aber den Anspruch er-
heben, daß sie das rechte Israel seien, u. daß ihnen das Himmelreich
gehöre — eine schlimme Frucht aus der bösen Wurzel, welche heißt
„Armut am Geist"! Wie hätte bei solchen Anschauungen von der
Synagoge ein Wort geprägt werden sollen, das dem Ausspruch Jesu
ähnlich wäre: Selig sind die Armen am Geist; denn ihrer ist das
Himmelreich? Gleichwohl hat man jüdischerseits^ auch zu diesem
Makarismus Parallelen beigebracht. Man entnimmt ihm, daß Jesus
seinen Jüngern die Demut habe empfehlen wollen, u, zitiert daraufhin
alle möglichen Stellen, die die Demut verherrlichen u. den Hochmut
bekämpfen, ohne zu bedanken, daß die Demut in den verschiedenen
Lagen u. Verhältnissen des menschlichen Lebens in gar verschiedener
Weise sich äußern kann u. deshalb nicht überall identisch zu sein
braucht mit jener Mt 5, 3 vorausgesetzten Demut, die im Bewußt-
sein der menschl. Untüchtigkeit, Gott zu gefallen, die Seligkeit des
Himmelreiches ausschließlich von der Gnade Gottes erhofft u. er-
bittet. Wir lassen jene Stellen im nächsten Absatz folgen unter der
Überschrift:
3. Ein Lob der Demut.
Aboth fi, 5: Die Tora wird durch 48 Dinge erworben, nämlich durch Studium, durch
Hören des Ohrs, durch Zurüsten der Lippen, durch Einsicht des Herzens, durch Ver-
stand des Herzens, durch Schrecken u. Furcht, durch Demut ^i:v . . . — Als Kom-
mentar zu „durch Demut" sind folgende Stellen anzusehn. Aboth 6, 4: Das ist die Art
der Tora (der Weg zu ihrer Erwerbung): iß Brot mit Salz „und trink Wasser mit Maß'
Ez 4, II, schlafe auf der Erde u. lebe ein Leben der Entbehrung u. mühe dich mit der
Tora. II sErub -H« u. N^d -^5": (Rab Joseph, f HAS, sprach zu Raba, f 352:) Du darfst dich
nicht eher auf deine Schenkel setzen, als bis du mir diese Schriftstelle gedeutet hast.
Was bedeutet Nu 21, 18 f.: „Von der Wüste nach Matthana u. von Matthana nach Nacha-
' Die fleißigste Sammlung von Parallelen zur Bergpredigt Jesu bringt T. Tal, Een
Blick in Talmoed en Evangelie, Amsterdam 1881.
Matth 5, 3 (Nr. 3) I93
liel u. von Nachaliöl nach Bamoth u. von Bamoth nach dem Tal s-jn"? Er antwortete:
Wenn ein Mensch sich selbst zu einer Wüste macht, auf die alle treten, so wird ihm
Torakenntnis als Geschenk nir^sa gegeben ; u. wenn sie ihm als Geschenk gegeben
ist, dann ist Gott sein Teil Vs iVn: (= Nachalieli; u. wesn Gott sein Teil ist, dann
steigt er empor zur Größe, wie es heißt: „Von Nachaliel nach Bamoth" (= Höhen).
Wenn er aber sein Herz stolz erhebt (wegen seiner Torakenntnis), so erniedrigt ihn
Gott, wie es heißt: „Von Bamoth in das Tal"; u. wenn er sich bekehrt, so erhöht ihn
Gott, s. Jes 40, 4: „Jedes Tal wird erhöht." — In Midr Ps 5 § l (25'') eine ähnliche Aus-
führung im Munde des R. Jannai, um 225. — Die Demut, durch welche Torakenntnis
erworben wird, besteht hiernach darin, daß sich der Mensch durch keine Entbehrung
u. Zurücksetzung vom Torastudium abbringen läßt. Dieselbe Demut, durch welche der
Mensch Torakenntnis erwirbt, ist es, durch die er seine Torakenntnis bewahrt. Aboth
RN 11 : (Ben fAzzai, um 110, antwortete dem R. $Aqiba: Erkläre nach dem Inhalt:)*
Wenn sich ein Mensch wegen der Worte der Tora erniedrigt (verächtlich macht V::':,
Deutung von rhzz Spr 80, 82) u. Datteln u. Johannisbrot (lies c"ii^- statt =-;i^»:) ißt
u. sich kleidet mit schmutzigen Gewändern u. sitzt u. wacht an der Tür der Gelehrten,
so.sagen die Vorübergehenden: „Das ist wohl ein Narr!" Schließlich aber findest du
die ganze Tora bei ihm (in seinem Besitz). Vgl. den Ausspruch des R. Sch^muel b.
Nachman (um 260) B'rakh 6S^. || fErub54^: Rab Matth^-na (um 270) hat gesagt: Was
bedeutet Nu 21, 18: „Von der Wüste nach Matthana"? Wenn sich ein Mensch (demuts-
voll) selbst zu einer Wüste (Trift) macht, auf die alle treten, so behält sein Erlerntes
Bestand bei ihm; wenn aber nicht, so behält es nicht Bestand bei ihm. || Sota 21b:
R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Die Worte der Tora behalten Bestand nur bei
dem, der sich um ihretwillen nackt macht; vgl. Spr 8, 12: „Ich, Weisheit, sitze nackt
da* (so der Midrasch). R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Die Worte der Tora erhalten
sich nur bei dem, der sich selbst ansieht, als wäre er nichts; vgl. Hi 28, 12: „Die
Weisheit wird von einem Nichts gefunden" (so der Midrasch). || fErub 55'': Raba (t 352)
hat gesagt: „Nicht im Himmel ist sie" (die Tora, Dt 80, 12), sie wird nicht bei dem
gefunden, der sich stolz in seinem Innern erhebt, so hoch wie der Himmel ist; „u. sie
ist nicht jenseits des Meeres" Dt 30, 13, auch nicht bei dem wird sie gefunden, der
in seinem Innern sich ehrgeizig breitmacht, so weit wie das Meer ist. R. Jochanan
(t 279) hat gesagt: „Nicht im Himmel ist sie", sie wird nicht bei den Hochmütigen
gefunden; „u. sie ist nicht jenseits des Meeres", sie wird nicht bei den Hausierern u.
Krämern gefunden. || Tanch sar -3 24^: Wie sich das Wasser nicht in silbernen u.
goldenen Gefäßen hält, sondern in irdenen, so erhält sich die Tora nicht bei den Hoch-
mütigen, sondern bei dem, dessen Sinn demütig r^Di":: ist. R. Acha (um 320) hat ge-
sagt: „Von wo (vs":) wird die Weisheit gefunden" (erlangt, Hi 2S, 12)? Was bedeutet
"si? Bei denen wird sie gefunden, die sich selbst für nichts "s: halten. — Der I.Satz
gehört nach Tafan 7^ dem R. Hoscha?ja, um 225, an. || Tafan 7*: R. Chanina b. Idi (IL,
gegen 300) hat gesagt: Warum werden die Worte der Tora mit dem Wasser verglichen
(Jes 55, 1): „Ach, ihr Dürstenden alle, kommt zum Wasser"? Um dir zu sagen: Wie
das Wasser einen hohen Ort verläßt, um nach einem tiefen Ort zu fließen, so halten
sich die Worte der Tora nur bei dem, dessen Sinn demütig ist. il Andre Stellen empfehlen
die Demut, die sich herabhält zu den Niedrigen. Sofa 5'^: „Bei dem Zerschlagenen u.
dem. der demütigen Geistes ist" m^ '^,fs (will ich wohnen) Jes 57, 15. Rab Huna (f 297)
u. Rab Chisda (f 309). Der eine sagte: Bei mir (spricht Gott) soll der Zerschlagene
wohnen. Der andre sagte: Ich will bei dem Zerschlagenen wohnen. Ein einleuchtender
Grund spricht für den, der gesagt hat: „Ich will (spricht Gott) bei dem Zerschlagenen
wohnen" ; denn siehe, Gott hat alle Berge u. Höhen dahintengelassen u. seine Sch^khina
(göttliche Gnadengegenwart) auf dem Berge Sinai ruhn lassen, u. nicht ragt der Berg
Sinai hoch empor. Rab Joseph (f 333) hat gesagt: Immer soll der Mensch von der
* Die eingeklammerten Worte fehlen in Handschriften u. alten Drucken, s. Schechters
Ausgabe S. 46.
strack u.Billerbeck, NT I. 13
194 Matth 5, 3 (Nr. 3)
Sinnesart seines Schöpfers lernen. Denn sielie, Gott hat alle Berge u. Höhen dahinten-
gelassen u. seine Sch'^khina auf dem Berge Sinai ruhn lassen, u. alle edlen Bäume
hat er dahintengelassen u. seine Sch'^khina im Dornbusch wohnen lassen. (So soll sich
auch der Mensch herabhalten zu den Niedrigen.) || Sota 5 '^ Rab f Avira (im 4. Jahrb.),
nach andren R. Elfazar (um 270), hat öffentlich vorgetragen: Komm u. sieh, daß wie
Gottes Art nicht die Art von Fleisch u. Blut ist. Die Art von Fleisch u. Blut ist: der
Hohe sieht auf den Hohen, aber nicht sieht der Hohe auf den Niedrigen. Dagegen ist
Gottes Art nicht also: er ist hoch u. sieht auf die Niedrigen, s. Ps 138, t!: „Denn er-
haben ist Jahve u. auf den Niedrigen sieht er."
Im allgemeinen Sinn handeln von der Demut Stellen wie: Aboth 4, 10: R. Meir
(um 150) pflegte zu sagen: Beschränke dich im Geschäft, beschäftige dich aber mit
der Tora. Sei demütig gegen alle Menschen. || Aboth 4, 4: R. Levitas aus Jahne (wahr-
scheinlich der vorhadrianischen Zeit angehörend, Bacher, Tann.^ 1, 444) pflegte zu sagen:
Sei sehr demütig; denn was der Mensch zu erwarten hat, sind Maden. 1| Sanh 88^:
Man brachte von dort (aus Palästina) den Ausspruch mit: Wer ist ein Sohn der zu-
künftigen Welt? Wer demütig ist u. bescheiden auftritt, wer sich bückt beim Kommen
u. beim Gehn, wer immerfort in der Tora studiert u. sich nichts darauf zugute hält.
Da lenkten unsre Lehrer ihre Augen auf Rab fUlla b. Abba (um 2öÜ? als einen, der
diesen Anfordungen genügte). || Sota 9, 15: R. Pin'^chas b. Jair (um 200) hat gesagt: Die
Hurtigkeit (in der Erfüllung der Gebote) führt zur (leiblichen) Reinheit, diese führt
zur (levitischen) Reinheit, diese zur Enthaltsamkeit, diese zur Heiligkeit, diese zur
Demut, diese zur Sündenscheu, diese zur Frömmigkeit (mystisch-kontemplativer Art),
diese zum heiligen Geist (zu prophetischer Begabung), dieser zur Auferstehung der
Toten, u. diese kommt durch den Propheten Elias, gesegneten Angedenkens, Amen! —
In den Parallelstellen pSchab 1, 3'', 7. 20; pSch^q 8, 47", 49; Midr HL 1, 1 (79b) lautet
der Schlußsatz nicht: Die Auferstehung der Toten „kommt durch Elias", sondern „führt
zu Elias"; als Belegstelle dient Mal 3, "23. Die Vorstellung geht dann dahin, daß sich
an die Auferstehung der Toten unmittelbar das Kommen des Elias u. der Tag Jahves
anschließe. In Midr Spr 15, 32 (41'') sind beide Lesarten miteinander kombiniert: im
Ausspruch des Pin'^chas heilst es: Die Auferstehung der Toten „führt zu Elias", da-
gegen im nachfolgenden Schriftbeweis: Die Auferstehung der Toten „kommt durch
Elias". Die Bar fAZ 20 b hat den Satz über Elias überhaupt nicht. — fAZ 20b fügt hinzu;
Die Frömmigkeit aber ist die größte von allen, s. Ps 89, 20: „Damals redetest du durch
Gesicht zu deinen Frommen." Das weicht von der Meinung des R. J*^hoschuaf b. Levi
(um 250) ab; denn dieser hat gesagt: Die Demut ist die größte von ihnen allen; s.
JesHl, 1: „Der Geist des Allherrn Jahve ruht auf mir, weil Jahve mich gesalbt hat,
frohe Botschaft zu bringen den Demütigen." Den „Frommen" heißt es nicht, sondern
den „Demütigen" ; da lernst du, daß die Demut die größte von ihnen allen ist. || Sota 5b:
R. J'^hoscliuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Komm u. sieh, wie groß vor Gott die sind,
die gebeugten Geistes sind! Wenn zu der Zeit, da das Heiligtum bestand, ein Mensch
ein Ganzopfer darbrachte, so war der Lohn eines Ganzopfers in seiner Hand; wenn
ein Speisopfer, so war der Lohn eines Speisopfers in seiner Hand. Aber dem, dessen
Sinn demütig ist, rechnet es die Schrift so an, als ob er alle Opfer allzumal dar-
bringt; s. Psöi, 19: „Die Schlachtopfer Gottes sind ein gebrochener Geist", u. nicht
bloß dies, sondern auch sein Gebet wird nicht verworfen, wie es heißt (das.): »Ein
gebrochenes u. zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten." W Einen sinnigen
Ausspruch über die Demut besitzen wir von R. Ji^chaq b. Elfazar (IL, um 340). pSchab
1, 3'', 15: Er habe gesagt: Was die Weisheit zur Krone* für ihr Haupt gemacht hat
(nämlich die Gottesfurcht), das hat die Demut zum Endteil (Ferse =-•.) ihrer Sandale
gemacht; denn es heißt Ps 111, 10: „Das Haupt (so der Midrasch) der Weisheit ist
die Furcht Jahves" u. Spr 22, 4 heißt es: „Die Ferse (:->• „Lohn" gedeutet = a;;.;;
„Ferse") der Demut ist die Furcht Jahves. — Parallelstellen: TanchB -rVyna § 16
(26b); Midr HL 1, 1 (80-'), hier R. Matthena, um 270, als Autor; in stark abweichender
Fassung auch Tanch r'-vntz 1 b.
Matth 5, 4 X95
5,4: Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen
getröstet werden.
Wie die erste Seligpreisung vermutlich auf Jes61,l zurückgeht,
so die zweite auf Jes 61,2: („Er hat mich gesandt) alle Trauernden zu
trösten" D^ibas-bs cn:?, LXX: naQaxaXsaai ndiraq rovg nevd^ovvvaq.
Unter den „Trauernden" Mt 5, 4 hat man nach dem Zus.hang die
geistig Armen zu verstehn, die ihre Unzulänglichkeit vor Gott erkannt
haben u. über diese, nachdem die Nähe des Himmelreichs verkündigt
ist, Bußtrauer empfinden. — Der Gedanke, daß das Kommen der
messian. Heilszeit Bußschmerz auf selten Israels voraussetze, war auch
der alten Synagoge geläufig; s. die Belege bei 4, 17 S. 162 ff.; ebenso
geläufig war die andre Vorstellung (wohl auf Grund des zweiten Teils
des Jesaja), daß gegenüber der Not u. Trauer der Gegenwart das
messian. Heil als Israels Tröstung anzusehn sei; s. bei Lk 2, 25. Man
wird annehmen dürfen, daß auch der Name M^'nachem = Tröster, den
der Messias nach einigen Gelehrten führen wird (s. S. 66. 83), mit dieser
Gedankenreihe in Verbindung steht. Neue Anregung erhielt das Trauern
über Israels elende Gegenwart — vgl. schon die -ii'^j "^b^x Jes 61,3 —
durch die Ereignisse des Jahres 70 n. Chr. Kleinere Kreise schlössen
sich zusammen, ihrer Trauer über Jerusalems Fall auch äußerlich in
gewissen asketischen Bußübungen Ausdruck zu geben. R. J'^hoschua?
b, Chananja (um 90) u. R. Jischmafel (f um 135) waren es, die diese Be-
strebungen auf ein annehmbares Maß zurückzuführen versuchten.» Vor
allem aber kam die offizielle Synagoge diesen Kreisen damit entgegen,
daß sie den 2. u. den 5. Wochentag, die bereits vor dem Jahre 70 Fast-
tage gewesen waren, b jetzt zu Fasttagen wegen der Tempelzerstörung
bestimmte u. den 9. Ab, den Tag der Tempelzerstörung selbst, als
nationalen Trauertag einführte, c Vereinzelt hören wir auch noch später
von solchen, die um Zion trauerten. d Die in P'^siqR 34 (158»•^ 159"*)
mehrmals erwähnten "ir:: i^axe gehören jedoch erst dem 9. Jahrh. an,
s. Dalman, Der leidende u. sterbende Messias, S. 53. 55. Selbstverständ-
lich haben diese um Zion Trauernden u. auf den Trost Israels War-
tenden nichts mit den Trauernden gemein, um die es sich Mt 5, 4
handelt; immerhin sehen wir an ihnen, wie eng in der alten Synagoge
der Trostgedanke mit der messian. Heilszeit verbunden gewesen ist.
a. TSota 1.'), 11 ff. (322): Als das Heiligtum zerstört war, mehrten sich die Ent-
haltsamen in Israel u. aßen kein Fleisch u. tranken keinen Wein. Es befaßte sich
R. J'^hoschuaf (b. Chananja) mit ihnen ii. sprach: Meine Kinder, warum esset ihr kein
Fleisch? Sie sprachen: Sollten wir Fleisch essen, da das Tamidopfer täglich auf dem
Altar dargebracht wurde, u. jetzt hat es aufgehört (ist es abgeschafft)? Er sprach:
Warum trinkt ihr keinen Wein? Sie sprachen: Sollten wir Wein trinken, von dem
auf dem Altar gespendet wurde, u. jetzt hat es aufgehört? Er antwortete ihnen: Auch
t'eigen u. Weintrauben sollten wir nicht essen, denn von ihnen brachte man Erstlinge
dar am Wochenfest. Brot sollten wir nicht essen, denn davon brachte man die beiden
Brote, Lv 23, 17, u. die Schaubrote dar. Wasser sollten wir nicht trinken, denn davon
brachte man eine Spende dar am Laubhüttenfest. Da schwiegen sie. Er sprach zu
•13*
196 Matth5,4
ihnen: Überhaupt nicht zu trauern ist nicht möglich, da ja das Verhängnis (über uns)
bereits beschlossen ist; aber auch über die Maßen zu trauern ist nicht möglich; viel-
mehr haben die Gelehrten so gesagt: Man tüncht sein Haus mit Kalk u. läßt ein kleines
Stück (ungetüncht) zurück zur Erinnerung an Jerusalem. Man bereitet alles, was zu
einem Mahl gehört, u. läßt ein weniges (etwa ein Fischgericht BB60l>) zurück zur
Erinnerung an Jerusalem. Eine Frau führt alles, was zu ihrem Schmuck dient (wie
Schminken usw.), aus u. läßt ein weniges (etwa das Schminken der Schläfe BB 60^)
zurück zur Erinnerung an Jerusalem, vgl. Ps 187, 5f. : „Wenn ich dein vergesse,
Jerusalem, so vergesse meine Rechte (sich); meine Zunge klebe an meinem Gaumen,
wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht Jerusalem zum Gipfel meiner Freude
erhebe." Wer über Jer. trauert, der ist würdig, ihre Freude zu schauen, vgl. Jes t>6, 10:
„Freuet euch mit Jerusalem u. frohlocket über sie, alle, die ihr sie liebhabt! Jubelt
mit ihr in Wonne, alle, die ihr um sie getrauert habt!" — Dasselbe als Bar mit Ab-
weichungen BB 60b; Midr Ps 137 § 6 (262b). || BB 60b Bar: R. Jischmafel b. Elischaf
hat gesagt: Seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört wurde, wäre es recht, daß wir
über uns selbst verhängten, kein Fleisch zu essen u. keinen Wein zu trinken; aber
man verhängt über die Gesamtheit einen Beschluß nur dann, wenn die Mehrzahl der
Gesamtheit dabei bestehn kann. Seit dem Tage, da die frevlerische (d. i. die römische)
Herrschaft sich über Israel ausgedehnt hat u. harte Edikte über uns erläßt u. uns das
Torastudium u. die Ausübung der Gebote vernichtet (unmöglich macht) u. uns nicht
zusammenkommen läßt zur Beschneidung eines Sohnes — oder, wie andre sagen, zur
Auslösung eines (erstgeborenen) Sohnes — wäre es recht, daß wir über uns selbst
verhängten, kein Weib mehr zu nehmen u. keine Kinder zu erzeugen, so daß infolge-
dessen die Nachkommenschaft Abrahams von selbst einginge. Aber laß nur die Israe-
liten; es ist besser, daß sie irrtümlich, als vermessen sündigen! — TSota 15, 10 (322)
ist diese Ausführung dem Rabban Schim?on b. Gamliel (um 140) beigelegt.
b. Die Fasttage beim Gemeindefasten waren nach Tafan 1, 6; 2, 9 regelmäßig der
Montag u. der Donnerstag, s. Exkurs über das Fasten. Vgl. auch „Lehre der zwölf
Apostel" 8, 1 (ed. Harnack): Eure Fasten sollen nicht mit den Heuchlern (= Juden)
sein; denn sie fasten am 2. u. am 5. Wochentag. Ihr aber sollt am 4. Tage (= Mitt-
woch) u. am Rüsttag (= Freitag) fasten.
C. M g Ta?an 13: Auch haben unsre Lehrer bestimmt, daß man am 2. u. am
6. Wochentage wegen dreier Dinge fasten solle: wegen der Zerstörung des Tempels
u. wegen der Tora, die verbrannt wurde, u. wegen der Entheiligung des göttlichen
Namens. — Sachlich ist dazu 201 stellen Ta?an 4, 6: Am 17. Tammuz (etwa Juli) . . .
verbrannte Apostomos die Tora u. stellte man ein Götzenbild im Heiligtum auf ( = „Ent-
heiligung des göttlichen Namens" in der Fastenrolle?). Schlatter, Die Tage Trajans
u. Hadrians S. 24. 29 will statt „Apostomos" lesen „Apostatis" u. versteht unter dem
„Apostaten" den R. Elischaf b. Abuja (um 120); die Aufstellung des Götzenbildes
scheint Schlatter auf die Gründung des Zeustempels in Jerusalem zu beziehen. — Zum
9. Ab s. zB Pes 4, 5: An einem Ort, wo man am 9. Ab zu arbeiten pflegt, arbeitet man;
wo man nicht zu arbeiten pflegt, arbeitet man nicht; überall aber feiern die Gelehrten.
Rabban Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte: Alle Menschen sollen sich (in diesem
Stück) wie zu Gelehrtenschülern machen. — Dazu Ta?an 3Ub: R. Schimfon b. Gamliel
sagte: Immer soll sich ein Mensch wie zu einem Gelehrtenschüler machen, damit er
(am 9. Ab) faste. Eine andre Bar: Rabban Schimfon b. Gamliel hat gesagt: Wer am
9. Ab ißt u. trinkt, ist wie einer, der am Versöhnungstage ißt u. trinkt. R. f Aqiba
(t um 135) sagte: Wer am 9. Ab eine Arbeit verrichtet, sieht nie ein Zeichen von
Segen. Die Gelehrten aber sagten: Wer am 9. Ab eine Arbeit verrichtet u. nicht über
Jerusalem trauert, der sieht (auch) ihre Freude nicht; vgl. Jes 66, 10: „Freuet euch
mit Jerusalem u. frohlocket über sie, alle, die ihr sie liebhabt! Jubelt mit ihr in Wonne,
alle, die ihr um sie getrauert habt!" Von hier aus hat man gesagt: Wer über Jer.
trauert, der ist würdig, ihre Freude zu schauen; wer aber nicht über Jer. trauert, der
schaut ihre Freude nicht. Eine Bar lautet ebenso: Wer am 9. Ab Fleisch ißt u. Wein
Matth 5, 4. 5 (Nr. 1) 197
trinkt, über den sagt die Schrift Ez 32, 27: „Ihre Verschuldung kommt wegen ihrer
Knochen" (= wegen ihres Fleischgenusses, so der Midrasch).
d. Gittin 57 »: Abaje (f 338/391 sagte zu Rab Joseph (f 333): Da diese alle (die
Bewohner des Königsgebirges) Gerechte waren, warum sind sie denn (im hadrianischen
Kriege) bestraft worden? Er antwortete ihm: Weil man nicht über Jerusalem ge-
trauert hatte; denn es steht geschrieben Jes 66, 10: Freuet euch mit Jer. usw. || BQ 59-^:
Elifezer der Jüngere (gemeint ist R. El?azar b. P'^dath, um 270) hatte schwarze Schuhe
(als Trauerabzeichen) angelegt u. stand auf dem Markt von N^hardefa. Es trafen ihn
Leute des Exilarchen u. sprachen zu ihm: Was ist es andres um diese Schuhe (welche
Bewandtnis hat es mit ihnen)? Er sprach zu ihnen: Ich traure um Jerusalem! Sie
sprachen zu ihm: Bist du denn so angesehen, daß du um Jer. trauern darfst? . . .
e. P*'siqR 34 (158^)) werden die um ^ion Trauernden geschildert als Leute, die
nach der Erlösung (in ihren Gebeten) Verlangen tragen abends, morgens u. mittags. —
Das. 159^ sagt Gott von ihnen: Weil sie sich mit mir grämen wegen meines Hauses,
das zerstört ist, u. wegen meines Tempels, der verwüstet ist, werde ich jetzt für sie
Zeuge sein, vgl. Jes 57, 15: ,Bei dem Zerknirschten u. Demütigen" ; lies nicht rs „bei"
dem Zerknirschten, sondern -rs „mit mir" soll der Zerknirschte sein. Das sind die
um ^ion Trauernden, die ihren Geist erniedrigen isich selbst demütigen) u. ihre Be-
schimpfung hören u. schweigen u. sich selbst darauf nichts zugute tun.
5,5: Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden
das Land besitzen.
Die dritte Seligpreisung schließt sich eng an Ps37, 11 an: „Die
Sanftmütigen werden das Land besitzen" (ererben) •jnx fid-ii-;! tiia?.
Wörtlich ebenso der Targum: n>-in i^nn"; '|i3r"i;r; LXX: ot 6^ nqasTq
xhjQorofirjüovGi yrv.
1. Das Lob der Sanftmut ertönt nicht selten in der rabbin. Lite-
ratur; doch hat man zu beachten, daß n;;;;?, riiiri:^' nicht nur „Sanft-
mut", sondern zugleich auch „Demut" u. „Bescheidenheit" bedeutet,
Gegensatz zu "ri??, ';>, x:'j;;j ist daher nicht bloß der ^-i^id (i^sip),
der „Aufbrausende", sondern auch der nn os, der „Hochmütige",
„Stolze".
N'^d38'^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gott läßt seine Sch%hina (Gnaden-
gegenwart) nur auf einem Starken, einem Reichen, einem Weisen u. einem Sanft-
mütigen t:>' ruhn, u. das alles (lernt man) von Mose. Er war stark, s. Ex 40, 19;
Dt 9, 17; er war reich, s. Ex 34, 1 (die aus Saphir gehauenen u. zerbrochenen Gesetzes-
tafeln fieleo ihm zu, daher sein Reichtum); er war weise, s. Ps 8, 6; er war sanft-
mütig, s. Nu 12, 3: „Der Mann Mose war sehr sanftmütig "3:-, mehr als alle andren
Menschen." || Aboth RNathan 7 : Lehre deine Hausgenossen Sanftmut n-jv: wenn ein
Mensch sanftmütig ',r-^zy ist u. seine Hausgenossen sanftmütig sind, u. es kommt ein
Armer u. steht an der Tür des Hausherrn u. spricht zu ihnen: Ist euer Vater hier?
u. man antwortet ihm: Ja! komm u. tritt ein, — dann ist der Tisch zugerüstet, noch ehe
er eintritt, u. er tritt ein u ißt u. trinkt u. preist den göttlichen Namen. Das gereicht
dem Hausherrn zu großer Befriedigung. Wenn aber ein Mensch nicht' sanftmütig ist
u. seine Hausgenossen aufbrausend "i~tp sind, u. es kommt ein Armer u. steht an
seiner Tür u. spricht zu ihnen: Ist euer Vater hier? dann antwortet man ihm: Nein!
u. fährt ihn an u. wirft ihfi hinaus mit Anschreien. Eine andre Erklärung. Lehre deine
Hausgenossen Sanftmut. Wie denn? Wenn ein Mensch sanftmütig ist u. seine Haus-
genossen sanftmütig sind, u. er verreist in eine ferne Gegend u. sagt (sagen kann):
* So -nicht" richtig Schechter.
198 Matth 5, 5 (Nr. 1)
,Ich danke dir, Jahve mein Gott, daß mein Weib keinen Streit mit den andren an-
fängt", dann ist sein Herz ohne Furcht in ihm u. sein Gemüt beruhigt bis zu der
Stunde, da er zurückkehrt. Wenn aber ein Mensch nicht sanftmütig ist u. seine Haus-
genossen aufbrausend sind u. er reist in eine ferne Gegend u. sagt (sagen muß): Es
sei wohlgefällig vor dir, Jahve mein Gott, daß mein Weib keinen Streit mit den andren
anfängt u. daß meine (Text: seine) Kinder keinen Streit anfangen, — dann ist sein
Herz voller Furcht in ihm u. sein Gemüt hat keine Ruhe, bis er zurückkehrt. |l Derekh
Ere^Ö: Drei Dinge sind einander gleichwertig: Weisheit, (Gottes-)Furcht u. Sanftmut
ni:j". II Derekh Ere^Zutaö: Liehe die Sanftmut ^-ji-, damit sie deine Hände fülle.;
B^'rakh IT'*: Ein Gewohnheitsspruch im Munde des Abaje (f 33S/;>y): Immer sei der
Mensch klug in (Gottes-)Furcht. ,Eine sanfte (linde ~^) Antwort stillt den Groll"
Spr 15, 1, u. er mehrt (dadurch) den Frieden mit seinen Brüdern u. mit seinen Ver-
wandten u. mit jedermann, selbst mit den Fremden (Nichtisraeliten) auf der Straße,
damit er beliebt sei oben (bei Gott) u. angenehm unten (bei den Menschen) u. wohl-
gelitten bei den Menschen. Man hat von Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) ge-
sagt, daß ihm kein Mensch jemals mit dem Friedensgruß zuvorgekommen sei, selbst
nicht ein Fremder auf der Straße.
Besonders war es Hillel der Alte (um 20 v. Chr.), dessen Sanftmut in mancherlei
Erzählungen gefeiert wurde. Schab 30*^ Bar: Immer sei der Mensch sanftmütig "ii:y.
wie Hillel, u. nicht sei er aufbrausend "tp wie Schammai (um 30 v. Chr.). Einmal
hatten zwei Männer miteinander gewettet u. gesagt: Wer hingeht u. Hillel ärgerlich
macht, der erhält 400 Zuz. Da sagte einer von ihnen: Ich will ihn ärgerlich machen.
Jener Tag war gerade der Rüsttag auf Sabbat, u. Hillel war mit dem Waschen seines
Kopfes beschäftigt. Jener Mann ging u. stellte sich an die Tür von Hillels Haus u.
rief: Ist Hillel hier? Ist Hillel hier? Dieser hüllte sich ein u. ging hinaus ihm ent-
gegen. Er sprach zu ihm: Mein Sohn, was begehrst du? Er antwortete: Ich habe dir
eine Frage vorzulegen. Frage, mein Sohn, sprach H. Jener fragte: Woher kommt es,
daß die Köpfe der Babylonier rund sind? H. antwortete: Mein Sohn, du hast eine
große Frage getan: weil sie keine geschickten Hebeammen haben. Der Mann ent-
fernte sich. Als er eine Stunde gewartet hatte, ging er abermals hin u. rief: Ist Hillel
hier? Ist Hillel hier? H. hüllte sich ein u. ging hinaus ihm entgegen. Er sprach zu
ihm: Mein Sohn, was begehrst du? Er antwortete: Ich habe dir eine Frage vorzulegen.
Frage, mein Sohn, sprach H. Jener fragte: Woher kommt es, daß die Augen der
Tadmorenser (Einwohner von Falmyra) zwinkernd sind? H. antwortete: Mein Sohn,
eine große Frage hast du getan: weil sie in sandigen Gegenden wohnen (u. so mit
dem Zwinkern die Augen gegen den Sandstaub in der Luft schützen). Der Mann ent-
fernte sich usw., wie oben, bis die dritte Frage vorgelegt wird: Woher kommt es, daß
die Füße der Afrikaner breit sind? H. antwortete: Mein Sohn, eine große Frage hast
du getan: weil sie in Sumpfgegenden wohnen (u. so durch die breiten Füße gegen
das Einsinken be.sser geschützt sind). Da sprach der Mann zu ihm: Noch viele Fragen
habe ich dir vorzulegen; aber ich fürchte, du möchtest böse werden. H. hüllte sich
ein u. setzte sich vor ihm nieder. Alle Fragen, die du noch zu tun hast, tu getrost!
Der Mann sprach: Bist du Hillel, den man den Nasi (Fürsten) von Israel nennt? H.
sprach zu ihm: Ja! Darauf jener: Wenn du der bist, so möge es nicht viele deines-
gleichen in Israel geben. Warum, mein Sohn? fragte H. Weil ich deinetwegen 400 Zuz
verloren habe. H. sprach zu ihm: Sei vorsichtig in deinem Sinn; Hillel bekommt es
fertig, daß du noch einmal 400 Zuz verlierst, ohne daß sich Hillel ärgerlich machen
läßt. II Derekh Eret; 5 (in andren Ausgaben (i): Nicht sei der Mensch aufbrausend '-zp
während seines Mahles. Es geschah, daß Hillel der Alte einem Menschen ein Mahl
bereitete. Es kam ein Armer, stand an seiner Tür u. sprach: Ich muß heute ein Weib
heimführen u. habe keinen Lebensunterhalt. Da nahm Hilleis Gattin das ganze Mahl
u. gab es ihm. Darauf knetete sie andren Teig u. kochte ein Pfannengericht. Dann
kam sie u. setzte es ihnen vor. Hillel sprach zu ihr: Meine Tochter, warum hast du
uns nicht (so ist zu lesen) sofort gebracht? Sie erzählte ihm alles Vorgefallene. Er
Matth 5, 5 (Nr. 1 . 2) I99
sprach zu ihr: Meine Tochter, auch ich beurteile dich nicht nach der Wagschale der
Schuld, sondern nach der Wagschale des Verdienstes; denn alles, was du getan hast,
hast du nur um Gottes willen getan! || Schab 31'' berichtet eine Bar von drei Heiden,
deren Begehren Proselyten zu werden Scbammai wegen der daran geknüpften Be-
dingungen schroff abweist; sie kommen dann zu Hillel, der sie von der Verkehrtheit
ihrer Bedingungen überzeugt u. für das Judentum gewinnt. Zum Schluß heißt es: Da
kam der dritte vor Hillel u. sprach: Du sanftmütiger in-r-y Hillel, mögen Segnungen
auf deinem Haupte ruhen! denn du hast mich unter die Flügel der Sch^khina (Gott-
heit) gebracht. Nach einiger Zeit d-'o-'; trafen sich die drei an einem Ort. Sie sprachen :
Das Aufbrausen ri:-TEp Schammais wollte uns aus der Welt stoßen, die Sanftmut
nsrvjy Hilleis hat uns unter die Flügel der Sch^khina gebracht. || Sota48fe: Als Hillel
der Alte starb, erhob man um ihn die Trauerklage: Wehe, ob des Frommen, wehe,
ob des Sanftmütigen i":v, des Schülers Esras! — Seitdem wurde es üblich, die Sanft-
mütigen unter den Gelehrten als Schüler Hillels zu bezeichnen. Sota 48b: Als Sch^'muel
der Kleine (um 100) gestorben war, erhob man um ihn die Totenklage: Wehe, ob des
Sanftmütigen tjv, wehe, ob des Frommen, des Schülers Hilleis! . . . Auch um R. J^'huda
b. Baba (getötet um 1)^5) wollte man sagen: Wehe, ob des Frommen, wehe, ob des
Sanftmütigen vjy, aber die Stunde (Zeit) war verwirrt (durch die Wirren der hadria-
nischen Verfolgung); denn man erhebt keine Totenklage wegen der von der Regierung
Getöteten. Dasselbe Sanh II ^. — Als Sanftmütige (Demütige, Bescheidene) werden
gefeiert auch: Rabban Schim?on b. Gamliel (um 140) BM 84l>; 85^; Sanh 11'* ver-
glichen mit llt> Anfang; Rabbi Sota 9, 15; Sota 49b; Horaj li''; R. Ghanina (um 225)
Nidda 20b; R. Abbahu (um 0OO) Sota 40»; Rabbah b. Huna (t 322) MQ 28'''; Rah Joseph
<t :333) Sota 49 b.
2. Ps37, 11 wird in der rabbin. Literatur selten zitiert: uns sind
drei Stellen begegnet,
SNu 6, 26 § 42 (IS"): Groß ist der Friede; denn er ist den Sanftmütigen gegeben,
s. Ps 37, 1 1 ,Die Sanftmütigen werden das Land besitzen u. ihre Lust haben an Friedens-
fülle.* II Derekh Ere9 Zuta(Pereq ha-schalom 21 bj: Wer den Frieden liebt u. dem Frieden
nachjagt u. mit dem Friedensgruß zuvorkommt u. den Friedensgruß erwidert, den läßt
Gott das Leben dieser u. der zukünftigen Welt (nach der Auferstehung der Toten) er-
erben, s, Ps37, 11: „Und die Sanftmütigen werden das Land besitzen u. ihre Lust haben
an Friedensfülle. " || Sukka29b Rah (t247) hat gesagt: Wegen vier Dinge gehen die
Güter der Besitzenden (wörtlich: der Hausbesitzer, Hausherren) an den Staatsschatz
über (nämlich durch Konfiskation): wegen solcher, die den Lohn des Tagelöhners
zurückhalten (nicht am Tagesschluß auszahlen): wegen solcher, die den Tagelöhner
um seinen Lohn bringen; wegen solcher, die ein Joch (eine Last) von ihrem Halse
abwerfen u. es auf ihre Genossen (^ auf andre) legen, u. wegen Hochmuts ms;
m-n, u. der Hochmut wiegt sie alle auf. Aber von den Sanftmütigen steht geschrieben
Ps 37, 11: „Und die Sanftmütigen werden das Land besitzen u. ihre Lust haben an
Friedensfülle. "
Von diesen Stellen ist die zweite sicher eschatologisch gemeint;
die beiden andren ebenso aufzufassen empfiehlt sich schon aus dem
Orunde, weil auch in sonstigen Stellen, in denen vom Besitz des Landes
oder der Welt die Rede ist, diese Besitznahme regelmäßig in den
Tagen des Messias oder in der zukünftigen Welt (nach der Auferstehung
der Toten) erwartet wird.
Henoch 5, 7: Den Auserwählten wird Licht, Freude u. Friede zuteil werden, u. sie
werden das Land erben (in Besitz nehmen, zur Zeit der Heilsvollendung). || Jubil 32, 18 f.
wird Gn 28, IHf. in folgender Weise umschrieben: Ich bin der Gott, der Himmel u.
Erde geschaffen hat; ich werde dich gar sehr groß u. zahlreich machen, u. Könige
200 Matth 5, 5 (Nr. 2)
werden aus dir hervorgehen, u. sie werden herrschen überall, wohin der Fuß der
Menschenkinder getreten ist. Und ich werde deinem Samen die ganze Erde, die unter
dem Himmel ist, geben, u. sie werden über alle Völker herrschen, wie sie wollen, u.
darnach werden sie die ganze Erde besitzen u. sie erben in Ewigkeit. — Die Er-
füllungszeit ist die Zeit der Heilsvollendung. Zu dieser Stelle vgl. GnR 1 1 (8'): R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Jose b. Chalaphta (um löO) gesagt: Abraham, von dem
keine Beobachtung des Sabbats geschrieben steht, hat die Welt D'-:iyn nach einem be-
stimmten Maß als Besitztum erhalten; s. Gn l:^, 17: „Auf, zieh im Lande umher nach
seiner Länge u. Breite (hierin liegt die Maßbestimmung); denn ich will es dir geben."
Aber Jakob, von dem die Beobachtung des Sabbats geschrieben steht, s. Gn 33, 18:
,Er lagerte vor der Stadt" — mit der Abenddämmerung (eines Freitags) zog er ein
u. setzte die Sabbatgrenzen fest, während es noch Tag war — hat die Welt ohne Maß
als Besitztum erhalten; s. Gn 28, 14: ,Du wirst dich ausbreiten nach Westen u. Osten
u. Norden u. Süden." — Dasselbe P^siqR 2:5 (120b), nur daß hier statt „Weit" ns
= Erde gesagt ist; in andrer Fassung Schab 118-''. — Die Erfüllung der Jakob ge-
gebenen Verheißung erwartete man natürlich erst in den Tagen des Messias. || Sanh
10, 1: Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt (die mit der Auferstehung der
Toten beginnt); s. Jes 60, 21: „Und dein Volk, die sind allesamt Gerechte; für immer
werden sie das Land (die Erde) besitzen." — Hier ist der Besitz des Landes oder der
Erde an den Eintritt der zukünftigen Welt geknüpft. |l Qid 1, 10: Wer Ein Gebot er-
füllt (über die Zahl seiner Übertretungen hinaus, so daß seine Verdienste in der Mehr-
zahl sind gegenüber seinen Verschuldungen), dem tut man (= Gott) wohl u. dem ver-
längert man seine Lebenstage (in dieser Welt, Raschi), u. er nimmt das Land (die Erde)
in Besitz (in der zukünftigen Welt nach der Auferstehung der Toten); wer aber nicht
Ein Gebot erfüllt, dem tut man nicht wohl u. dem verlängert man seine Lebenstage
nicht u. der nimmt das Land nicht in Besitz. — Maimonides bemerkt zu „Land":
San c'ivn h"-> a-'rtn 7-s „das Land der Lebenden, d. h. die zukünftige Welt". ,Das
Land der Lebenden" ist das Land der Wiederbelebten oder der Auferstandenen; dieses
nennt er, da die Auferstehung den Beginn der zukünftigen Welt bedeutet, dann kurz-
weg san DbiiT!. — Raschi sagt zu den Worten: „Er nimmt das Land in Besitz" : "rr
san dVm-h , das Leben der zukünftigen Welt". Das kann erstens bedeuten: Das selige
Leben der jenseitigen, himmlischen Welt (während des Zwischenzustandes); zweitens:
Das Leben, das bei Anbruch der endgeschichtlichen zukünftigen *Velt durch die Auf-
erstehung erlangt wird u. dessen Schauplatz die Erde ist. Da es sich um die Erklärung
des Ausdrucks v"'^ handelt, wird Raschi seine Worte im letzteren Sinn gemeint haben.
Die Annahme, „das Land in Besitz nehmen" sei soviel wie „die himmlische Seligkeit
erlangen", läßt sich aus der älteren rabbin. Literatur jedenfalls nicht begründen. —
Ausführlicher als Qid 1, 10 ist die Parallelstelle TQid 1, 13 (836). || LvR 36 (133»): Wie
der Weinstock der niedrigste ist unter allen Fruchtbäumen u. doch alle Bäume (durch
Überrankung) in seine Gewalt bringt, so erscheint Israel wie niedrig in dieser Welt,
aber in der Zukunft ( = in den Tagen des Messias) werden sie die Welt in Besitz
nehmen von einem Ende bis zum andren. || Tanch -'v ^-n 31*^: Gott sprach: In dieser
Welt erzeugen die Gerechten Gute u. Böse; aber in der zukünftigen AVeit „werden sie
allesamt Gerechte sein, für immer werden sie das Land (die Erde) besitzen, ein Sproß
meiner Pflanzungen" (Jes 60, 21), u. weiter heißt es (das. Vers 22): „Der Kleinste wird
zu Tausenden werden u. der Winzigste zum starken Volk. Ich Jahve will's zu seiner
Zeit beschleunigen." Und so sei es (Gottes) Wille, Amen!
Es liegt kein Grund vor, die Worte der 3. Seligpreisung: „Sie
werden das Land (die Erde) besitzen" anders als wörtlich zu verstehn,
nur daß diese Besitzergreifung dem Wesen des Himmelreichs ent-
sprechend sich schon in diesem Äon allmählich vollzieht in der Über-
windung der Welt durch das Evangelium.
Matth 5, 6 201
5,6: Selig sind, die da hungert u. dürstet nach
der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Die vierte Seligpreisung handelt von solchen, welche wissen, daß
sie aus eigner Kraft keine Gerechtigkeit aufzubringen vermögen, die
vor Gott gilt, u. doch nach dieser G. Verlangen tragen, Ihnen wird
Befriedigung ihres Verlangens zugesagt. — Die alte Synagoge weiß
nichts von der Unfähigkeit des Menschen, sich aus eigner Kraft eine
vollgültige G. vor Gott zu erwerben. Im Gegenteil, ihr soteriologisches
System ruht ganz auf der Anschauung, daß der Mensch durch keine
Gemeinsünde u. keine Gemeinschuld infolge Adams Fall erblich be-
lastet sei, vielmehr die volle sittliche Freiheit besitze, sich für das
Gute zu entscheiden u. den göttlichen Geboten nachzuleben u. So die
Gerechtigkeit zu erlangen, die vor Gottes Richterstuhl besteht. Bei so
grundverschiedenen Anschauungen des Christentums u. des Judentums
über die sittliche Anlage des Menschen ist es ein vergebliches Be-
mühen, innerhalb der rabbin. Literatur nach Parallelen zur vierten
Seligpreisung zu suchen. Tal S. 36 meint zwar, daß eine Fülle solcher
Stellen zur Verfügung stehe; aber die er beibringt, ^ handeln sämtlich
von Gerechten, die sich ihre Gerechtigkeit durch Erfüllung der Gebote
■ selbst erworben haben u. bemüht sind, ihre G. vor Gott zu mehren,
um desto größeren Lohn zu empfangen. Diese Gerechten haben mit
den nach der Gerechtigkeit Hungernden Mt 5, 6 nichts gemein. —
Andre (s. Menschen S. 49) finden eine Parallele zu Mt 5, 6 in Sanh 100*:
R. Tanchum b. Chanilai (um 280) hat gesagt: Wer sich um der Worte
der Tora willen Hunger auferlegt in dieser Welt, den wird Gott sättigen
in der zukünftigen Welt, s. Ps36, 9: „Sie laben sich an dem reichen
Mahle deines Hauses, u. mit dem Strome deiner Wonnen tränkst du
sie." — Allein hier ist nicht von einem geistlichen Hungern nach der
Tora die Rede, sondern von einem leiblichen Hunger, den man willig
auf sich nimmt, um dem Torastudium sich widmen zu können. Die
Stelle gehört in die Reihe der bei Mt 5, 3 Nr. 3 S. 192 f. beigebrachten.
Sachliche Ähnlichkeit mit Mt 5, 6 hat Spr21,21: „Wer der Ge-
rechtigkeit (gegen Menschen) u. der Liebe nachjagt, wird Leben, Ge-
rechtigkeit (als Habitus) u. Ehre erlangen." Aber hier handelt es sich
um gerechtes Verhalten gegen die Menschen. Die rabbin. Gelehrten
haben unter der Gerechtigkeit Spr 21, 21 der späteren Bedeutung von
npi:: entsprechend meist die Wohltätigkeit verstanden.
BB 9^: R. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: Was bedeutet Spr 21, 21: , Wer der Ge-
rechtigkeit nachjagt, wird . . . G. erlangen"? Darum, daß er der Wohltätigkeit nachjagt,
soll er Wohltätigkeit erfahren (selbst der Wohltätigkeit anheimfallen)? Vielmehr will
es dir sagen: Wer der Wohltätigkeit nachjagt, den läßt Gott die Gelder erlangen, daß
er mit ihnen Wohltätigkeit üben kann. Rab Nachman b. Ji^chaq (f 350) hat gesagt:
1 Tal zitiert Hör 10^, 8-15; Qid 39^ 3-6; 40», 16f. 20—24. 27-29; Schab 152'',
11— 23; 153^17— 25.
202 Matth 5, 6
Gott läßt ihn Menschen finden, die würdig sind, daß er an ihnen Wohltätigkeit übe,
damit er ihretwegen seinen Lohn empfange. Vgl. auch das. den Ausspruch des R. J®-
hoschuaf b. Levi, um 2ö0. h GnR 58 {'•^'i^}: „Wer der Gerechtigkeit nachjagt u. der Liebe,
der wird Leben, Gerechtigkeit u. Ehre erlangen" Spr2I,2L „Wer der G. nachjagt",
das bezieht sich auf Abraham s. Gn 18, 19: „Sie werden den Weg (die Art) Jahves
beobachten, Wohltätigkeit zu üben" (so der Midr); „u. der Liebe", denn er hat Sara
Liebe erwiesen; „der wird Leben erlangen" s. Gn^-"), 7: „Die Lebensjahre Abrahams
waren 175 Jahre"; „Gerechtigkeit u. Ehre": R. Sch^muel b. Ji^chaq (um 300) hat gesagt:
Gott sprach zu Abraham: Ich bin, was mein Handwerk betrifft, einer der Liebestaten
erweist; du hast mein Handwerk ergriffen, komm u. kleide dich in mein Gewand, s.
Gn 24, 1 : „Abraham war alt, kam in die Tage" (Anspielung auf Dn 7, 9j.
Erst wenn man Mt 5, 6 den allgemeinen Gedanken entnimmt, daß
Gott dem entgegenkomme, der um die Erfüllung seiner Gebote sich
müht, bietet die rabbin. Literatur Parallelen dazu.
M-^khExlö, 26 (5:^.b): „Hörend wirst du hören" (Ex 15, 26). Auf Grund dieser
Stelle hat man gesagt: Hört ein Mensch Ein Gebot, so läßt man (Gott) ihn viele Ge-
bote hören, wie es heißt: „Hörend wirst du hören." Vergißt der Mensch Ein Gebot,
so läßt man ihn viele Gebote vergessen, s. Dt s, 19: „Vergessend wirst du vergessen."
. . . Das sind Worte des R. J'^hoschuaf (um 90). — Schim?on b. pAzzai (um 1 10) sagte:
Es heißt Ex 15, 26: „Hörend", was will die Schrift sagen mit: „wirst du hören"? Will
ein Mensch hören, so läßt man ihn hinterher (weiter) hören; will er vergessen, so läßt
man ihn hinterher vergessen. Und was will die Schrift sagen mit: „hörend wirst du
hören, vergessend wirst du vergessen"? Wie das? Will er sofort hören, läßt man ihn
sofort hören; will er vergessen, so läßt man ihn sofort vergessen. Derselbe pflegte zu
sagen: Wollte ein Mensch aus freien Stücken hören, so läßt man ihn (auch) wider
seinen Willen hören; wollte er aus freien Stücken vergessen, so läßt man ihn (auch)
wider seinen Willen vergessen. Die Freiheit ist gegeben: wie Gott der Spötter spottet,
so gibt er den Demütigen Gnade Spr.S, 34. Parallelstellen: M''kh Ex 19,5 (70b); SDt
11,22 §48 (-4^); 12,28 §79 (91*); TanchB n'--i-2 § 19 (33«); B^'rakh 40=^; Sukka 461).
Vgl. auch Aboth 4, 2: Ben gAzzai sagte: Eile, ein leichtes Gebot zu erfüllen, u. fliehe
vor einer Übertretung; denn eine Gebotserfüllung zieht eine andre nach sich, u. eine
Übertretung zieht eine andre nach sich; denn der Lohn einer Gebotserfüllung ist eine
Gebotserfüllung u. der Lohn einer Übertretung ist eine Übeiiretung. || Schab 104*^: Rescli
Laqisch (um 250) hat gesagt: Was heißt Spr3, 34: „Wie Gott der Spötter spottet, so
gibt er den Demütigen Gnade"? Wer sich verunreinigen will, dem tut man (Gott) die
Türen auf (gibt ihm Gelegenheit dazu); wer sich reinigen will, dem steht man bei.
Dasselbe Joma 38b; gAZ55"; M^'n 29b. || Mak lOb; Rabbah bar Rab Huna (f 322) hat
gesagt, Rab Huna (f 297) habe gesagt — nach andren hat R. Huna gesagt, R. El?azar (um
270) habe gesagt: Aus der Tora, den Propheten u. den Hagiographen läßt sich beweisen,
daß man (Gott) einen Menschen auf den Weg leitet, den er gehn will,' s. Nu 22, 12. 20;
Jes48, 17; Spr3, 34. Außerdem s. die breite, die gleichen Gedanken vertretende Aus-
führung des R Levi (um 3ü0) in GnR 67 (42«^); Tanch r^-h^r 34»; TanchB n-'^-r § 21 (70b).
Zu dem bildlichen Ausdruck „nach etwas hungern u. dürsten" vgl. Amos 8, 11. —
Schab 138b Bar: Als unsre Lehrer im Weinberg von Jahne (Bezeichnung der dortigen
Akademie) versammelt waren, sagten sie: Dereinst wird die Tora von Israel vergessen
werden, s. Amos S, 11 f.: „Siehe, Tage kommen, ist des Allherrn Jahve Spruch, da ent-
sende ich einen Hunger über das Land, nicht einen Hunger nach Brot noch einen
Durst nach Wasser, sondern zu hören Worte Jahves. Und sie werden wanken von
Meer zu Meer u. von Mitternacht zum Sonnenaufgang, umherschweifen, um das Wort
Jahves zu suchen, u. werden es nicht finden." „Das Wort Jahves" bedeutet die Halakha,
„das Wort Jahves" bedeutet den Endtermin (Anbruch der Erlösungszeit), „das Wort
Jahves" bedeutet die Prophetie. . . . Bar: R. Schimfon b. Jochai (um 150) sagte: Das sei
ferne, daß die Tora von Israel vergessen würde, s. Dt 31, 21: „Denn es wird aus dem
Matth5, 6. 7 (Nr.l— 3) 203
Mnnde seines Samens nicht vergessen werden." Aber wie Lalte ich dann aufrecht (wie
versteheich): Sie werden umherschweifen, um das Wort Jahves zu suchen, u. werden
es nicht finden? Es bedeutet, daß sie keine klare (deutliche) Halakha u. keine klare
Tradition (Mischna) an Einem Orte finden werden. — Raschi bemerkt zu den Worten,
daß , das Wort Jahves" den Endtermin bedeute, daß er keine Belegstelle dafür kenne;
die Tosaphisten verweisen auf Esra 1,1. — Die erste Bar findet sich TfEduj 1, 1 (454). |j
GnR 25 (16b) g. bei Mt 4, 25 S. 189«.
5, 7: Selig sind die Barmherzigenj denn sie werden
Barmherzigkeit erlangen.
1. Lob der Barmherzigkeit.
Über Almosen u. Liebeswerke als Erweise der Barmherzigkeit s. bei 6, 2. Ferner
s. TBQ {>, 30 (36H): R. J^huda (um 150) Jiat im Namen des Rabban Gamliel (II. um 90)
gesagt: Siehe, es heißt Dt 13, 18: ,Jahve wird dir Erbarmen schenken (gegen andre,
so der Midr) u. sich dein erbarmen." Das sei ein Zeichen in deiner Hand: solange du
barmherzig bist, erbarmt sich der Barmherzige (d. h. Gott) über dich. || SDt 13, 18 § 96
(93b): Solange du dich über die Menschen erbarmst, erbarmt man sich deiner vom
Himmel her. || pBQ 8, 6*^. 19: Das sei ein Zeichen in deiner Hand: solange du barmherzig
bist, erbarmt sich Gott {z^-.^n = der Ort = Gott) über dich; wenn du dich nicht er-
barmst, erbarmt sich Gott nicht deiner. || Schab 151b: Wer sich über die Menschen er-
barmt, über den erbarmt man sich vom Himmel; wer sich nicht über die Menschen
erbarmt, über den erbarmt man sich nicht vom Himmel. — In TanchB s-^-i § 30 (52*)
u. P^siqR 88 (165») R.Jose, der Sohn der Damaszenerin, um 130, als Autor. \\ Sukka49b:
R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Almosen finden ihre Vergeltung nur nach dem Maß
der Liebe (der barmherzigen Gesinnung), die in ihnen enthalten ist.
2. Rechte Barmherzigkeit, weil sie mit dem Elenden leidet,
ist schwer.
BB 145b: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: „Alle Tage des Leidenden sind böse"
Sprl5, 15; damit ist der barmherzige Mensch gemeint; „wer aber wohlgemut ist, hat
immerdar ein Freudenmahl" (das.); damit ist eine härtere (minder mitfühlende) Natur
gemeint. — Der gleiche Gedanke P'^sUobBar: Unsre Lehrer haben gelehrt: Dreier
Leben ist kein Leben: das der Barmherzigen u. der Auf brausenden u. derjenigen, die
sich leicht ekeln.
3. Die Barmherzigkeit eine dem Menschengeschlecht an-
erschaffene Tugend.
Das scheint der Grundgedanke folgender Legende zu sein. GnR 8 (6''): R.Simon
(um 280) hat gesagt: Als Gott sich anschickte, den ersten Menschen zu schafi'en,
schieden sich die Dienstengel in Parteien u. Gruppen. Die einen von ihnen erklärten:
Er soll nicht erschlaffen werden! Andere erklärten: Er soll erschaffen werden! s. Ps
85, 11: „Liebe u. Wahrheit stießen zusammen, Barmherzigkeit u. Friede gerieten an-
einander" (so der Midr). Die Liebe sprach: Er werde erschaffen; denn er wird Liebe
üben. Die Wahrheit sprach : Er werde nicht erschaffen; denn er wird durch u. durch
Lüge sein. Die Barmherzigkeit sprach: Er werde erschaffen; denn er wird Werke der
Barmherzigkeit vollbringen. Der Friede sprach: Er werde nicht erschaffen; denn er
wird durch u. durch Zwietracht sein. Was tat Gott? Er nahm die Wahrheit u. warf sie
auf die Erde, s. Dn 8, 12: „Die Wahrheit ward auf die Erde geworfen." Da sprachen die
Dienstengel vor Gott: Herr der Welten, was verachtest du deine Palasttruppen? ' Laß die
Wahrheit von der Erde aufsteigen! s. Ps85, 12: „Die Wahrheit sproßte von der Erde auf."
^ n—o^-u'-ss, nach Krauß, Lehnwörter 2, 53 = nvlora^ia = Hofgardekorps; das-
vorhergehende Wort o'osr = rü^ii; eine erklärende Glosse, die in den Text geraten
ist u. im f Arukh fehlt.
204 Matth 5, 7 (Nr. 4. 5)
4. Die Barmherzigkeit ein Charakteristikum Israels.
Be^a 32'^: (Rab, f 247, hat gesagt:) Wer sich der Menschen erbarmt, der gehört
sicherlich zur Nachkommenschaft unsres Vaters Abraham, u. wer sich nicht der Menschen
erbarmt, der gehört sicherlich nicht zur Nachkommenschaft unsres Vaters Abraham.
Vgl. Aboth 5, 19 bei Mt 5, .3 S. 192. |l pQid 4, 65 b, 44: David sprach: Drei schöne Gaben
hat Gott Israel verliehen; sie sind barmherzig, schamhaft u. Liebeswerke übend. Barm-
herzig, s. Dt 13, 18: Jahve . . . wird dir Erbarmen schenken (um es an andren zu üben;
vgl. obenTBQD); schamhaft, s. Ex 20,20: Damit seine Furcht auf eurem Angesicht
sei (sich zeigend in Schamröte^ so der Midr); Liebeswerke übend, s. Dt 7, 12: Jahve
wird dir . . . die Liebe (Menschenfreundlichkeit) erhalten (so der Midr). — Ähnlich J®b
79»; Midr Ps 1 § 10 (5b); NuR 8 (I49b); Midr Sm 28 § 7 (t)7b); nach DtR 3 (200b) ist
R. Chijja (b. Abba, um 280) der Autor.
5. Ein absprechendes Urteil über die Barmherzigkeit der
nichtisraelitisch-en Welt.
BB 10b : Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) sprach zu seinen Schülern: Meine
Kinder, was bedeutet: „n;:-::» erhöht ein Volk u. -cn für die Nationen ist Sünde" Spr
14,31? R. Elifezer (um 90; so zu lesen satt Elfazar) antwortete: Almosen erhöht ein
„Volk" (-;), das geht auf Israel, s. 2Sm7, 23: Welches andre Volk, -ij, gibt es noch
auf der Erde, wie deine Gemeinde Israel . . .? „Aber die Menschenfreundlichkeit (Barm-
herzigkeit) auf Seiten der Nationen ist Sünde" : alle Wohltaten u. Liebeswerke, die die
Völker der Welt vollbringen, gereichen ihnen zur Sünde, weil sie sie nur vollbringen,
um dadurch groß zu werden, s. Esra6, 10: , Damit sie (Israeliten) Wohlgefälliges dem
Himmelsgott darbringen u. für das Leben des Königs u. seiner Söhne beten"; u. wer
so tut, dessen Wohltätigkeit ist keine vollkommene. Aber in einer Bar (vgl. P**s 8* u.
RH 4») ist doch gelehrt worden: Wer sagt: Dieser Sela? sei für Almosen, damit meine
Kinder am Leben bleiben u. damit ich die zukünftige Welt erlange!, das ist ein voll-
kommener Gerechter. Das ist kein Widerspruch: hier handelt es sich um einen Israe-
liten u. dort um einen Götzendiener. — R. J'^hoschuaf (um 90) antwortete: , Almosen
erhöht ein Volk", das geht auf Israel, s. 2 Sm 7, 23 (wie oben); „aber die Menschen-
freundlichkeit auf Seiten der Nationen ist Sünde", d. h. alle Wohltaten u. Liebeswerke,
die Götzendiener vollbringen, gereichen diesen zur Sünde, weil sie sie nur vollbringen,
damit sich ihre Herrschaft lang hinziehe, s. Dn 4, 24: „Darum möge dir, o König, mein
Rat Wohlgefallen: mache unschädlich deine Sünden durch Almosen (so der Midr) u.
deine Vergehungen durch Huld gegen die Unterdrückten; siehe, dann wird deine Sicher-
heit von langer Dauer sein." — Rabban Gamliel (IL, um 90) antwortete: „Almosen
erhöht ein Volk", das geht auf Israel, s. 2Sm7, 23; „aber die Menschenfreundlichkeit
auf Seiten der Nationen ist Sünde": alle Wohltaten u. Liebeswerke der Götzendiener
gereichen diesen zur Sünde, weil sie sie nur vollbringen, um sich stolz damit zu brüsten,
u. wer sich stolz brüstet, der stürzt in den Gehinnom, s. Spr 21, 24: „Der stolz sich
brüstende Freche wird Spötter genannt, der im Überwallen (n-ay) der Frechheit handelt",
u. dieses „Überwallen" bedeutet nichts andres als „Gehinnom", s. Zeph 1,15: Ein Tag
des (Zornes-)Überwallens (das zum Gehinnom verdammt) ist jener Tag. — Da sprach
Rabban Gamliel: Noch immer haben wir den Modifiten nötig! R. Elfazar (aus Modifim,
t um 135) sprach: „Almosen erhöht ein Volk", das geht auf Israel, s. 2 Sm 7, 23; „aber
die Menschenfreundlichkeit auf seiten der Nationen ist Sünde" : alle Wohltaten u. Liebes-
werke der Götzendiener gereichen diesen zur Sünde, weil sie sie nur vollbringen, um
uns zu schmähen, s. Jer 40, 3: „Da ließ es Jahve kommen u. vollführte es, wie er ge-
redet, weil ihr gesündigt habt an Jahve u. habt nicht auf seine Stimme gehört, u. so
ist dieses Wort über euch gekommen." — R. N^chonja b. Ha-qana (um 70) antwortete:
„Almosen erhöht ein Volk u. Menschenfreundlichkeit", das geht auf Israel; „aber auf
Seiten der Nationen ist die Sünde." Da sprach Rabban Jochanan b. Zakkai zu seinen
Schülern: Die Worte des R. N^'chonja b. Ha-qana scheinen mir den Vorzug vor meinen
u. vor euren Worten zu verdienen ; denn er legt Almosen u. Menschenfreundlichkeit den
Matth 5, 7 (Nr. 6). 5, 8 (51) 205
Israeliten bei u. den Nationen Sünde. Denn auch Rabban Jochanan selbst hatte Spr
14, 34 gedeutet; in einer Bar nämlich heißt es: Rabban Jochanan b. Z. sprach zu ihnen:
Wie das Sündopfer Israel Sühnung schafft, so schafft das Almosen (Barmherzigkeit)
den Völkern der Welt Sühnung. — Parallelstellen mit Abweichungen: P'^siq 12 b; Tanch
»vr-2 111'*; Midr Spr 14 § 34 (38b).
6. Dem Unwissenden, ^Am ha-^'areQ, soll man keine Barm-
herzigkeit erweisen.
Sanh92'*: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Es ist verboten, einem Menschen, der
kein Wissen besitzt, Barmherzigkeit zu erweisen, s. Jes 27, 11: ,Ein unverständiges
Volk ist es; darum erbarmt sich seiner sein Schöpfer nicht u. sein Bildner übt keine
Gnade an ihm.'' Er hat ferner gesagt: Wer sein Brot einem Menschen gibt, der kein
Wissen besitzt, über den kommen Leiden, s. Obadja 7: „Dein Brot macht man zu einer
Schlinge für dich; denn es ist keine Einsicht in ihm" (dem du dein Brot reichst, so
der Midr). Mit Schlinge -it's ist Leiden gemeint, s. Hos 5, 13: , Es sah Ephraim seinen
Schaden u. Juda seine Wunde" i^t':. — Der erste Ausspruch dem R. Ammi (um 300)
beigelegt B^rakh 33^; den „Rabbinen" Midr Sm 5 § 9 (31'»). — Zum Gedanken vgl. auch
Tob 4, 17: ex)(sov rovg uqtov<; aov fVit lof rücpou xaöv Sixctiwi' xcci fit] diös loTi; äuaq-
TioXoTg. II Zum Schluß noch einige Stellen, die gleichfalls dem Gedanken von Mt 5, 7
mehr oder weniger Ausdruck geben: BM 85=»; GnR 33 (20'''); TM'^^g 4, 16 (226) mit
Parallelen, zB TK^th 7, 6 (269); pK^th 7, 31b, 4,5; bK^th 72"; N^d 83b; MQ 28b; Midr
Qoh 7,2 (3üb).
5,8 91: Selig sind, die reines Herzens sind.
xaihaQoi Ttj xagSfa. Das alttestl. sa^ na wird vom Targum wieder-
gegeben Ps 24, 4 mit xiiirn n^ia = rein in Gedanken; Ps 73, 1 mit -»-^na
s<ab = rein im Herzen; ähnlich erscheint nina ab als Wiedergabe von
iin-j ab Ps 51, 12. — Genauer wird das „reine Herz" LvR 17 (116*^) so
definiert: Es heißt (Ps73, 1): „Fürwahr gut erweist sich Gott gegen
Israel." Etwa gegen alle? Es heißt (das.): „Gegen die, so reinen
Herzens sind"; damit sind die gemeint, deren Herz fest (stark) ist
(•^^a) in (durch) Gebotserfüllungen. — Nach R. J'^hoschua? b. Levi, um
250, ist ein reines Herz dasjenige Herz, in welchem der gute Trieb
herrscht. Sukka 52'': Sieben Namen hat der böse Trieb. . . . David
nennt ihn den „Unreinen", s. Ps 51, 12: „Ein reines Herz schaff in mir,
Gott!" Das schließt in sich, daß der böse Trieb unrein ist (also auch,
daß der gute Trieb gleichbedeutend mit dem reinen Herzen ist). —
Nicht wesentlich verschieden ist die „reine Seele" oder der „reine
Geist", von denen hier u. da geredet wird. LvR 18 (117*^): R. Sch'^muel
b. Nachman^ (um 260) hat im Namen des R. Abdimi aus Chaipha (um
280) gelehrt: Gleich einem Chaber-Priester (der sich zu einer Lebens-
haltung nach pharisäischer Observanz verpflichtet hat), der einem
andren Priester, der ein ?Am ha-äare9 war (nicht nach den phari-
säischen Reinheitsgesetzen lebte), ein Brot von der Priesterhebe über-
gab u. zu ihm sprach: Sieh, ich bin rein, mein Haus ist rein u. das
1 So ist zu lesen statt Jischma?el b. N. nach Midr Qoh 12, 7; vermutlich jedoch
hieß es ursprünglich R. Jigchaq b. N., daraus entstand R. Jischmafel b. N., das weiter
in R. Sch'^muei b. N. verderbt wurde.
206 Matth 5, 8 eil. SB 1)
Brot ist rein, das ich dir gegeben habe; wenn du es mir so wieder-
gibst, wie ich es dir gegeben habe, so ist es gut; wenn aber nicht,
siehe, so werfe ich es vor deinen Augen fort. So spricht auch Gott
zum Menschen: Sieh, ich bin rein, meine Wohnung ist rein, meine
Diener sind rein, u. die Seele, die ich dir gegeben habe, ist rein.
Wenn du sie mir so wiedergibst, wie ich sie dir gegeben habe, so ist
es gut; wenn aber nicht, siehe, so schleudre ich sie vor deinen Augen
fort (r,n-j in diesem Zus.hang ist Deutung des nzy'bp-' 1 Sm 25, 29). —
Dasselbe Midr Qoh 12, 7 (53''). || Schab 152 ^ Bar: „Der Geist kehrt zu
Gott zurück, der ihn gegeben hat" Qoh 12, 7. Wie er ihn dir in Rein-
heit gegeben hat, so gib auch du ihn in Reinheit ihm wieder. Vgl.
BM 107 ä: (R. Jochanan, f 279, hat gesagt:) Gesegnet bist du in deinem
Eingang, u. gesegnet bist du in deinem Ausgang Dt 28, 6, d. h. möge
dein Gehn aus der Welt sein wie dein Kommen in die Welt: wie dein
Kommen in die Welt ohne Sünde war, so sei auch dein Ausgang aus
der Welt ohne Sünde. || Targ Spr 22, 11: Gott liebt den, der reinen
Herzens ist, xdIs '^21, u. durch die Anmut seiner Lippen gesellt er sich
(hat er Zutritt) zum König.
Kasuistisches: M%h Ex 22, 8 (97b): Die Schule Schammais sagte: Man erklärt
für schuldig wegen der Absicht des Herzens, die Hand an etwas zu legen; denn es
heißt Ex 22, 8: ,In betreff jedes Redens (= Beabsichtigung) von einem Vergehen."
Die Schule Hilleis sagte: Man erklärt für schuldig nur von dem Augenblick an, da
er die Hand daran gelegt hat; deshalb heißt es Ex 22, 7: ,0b er nicht seine Hand
an die Habe seines Nächsten gelegt hat." — Parallelstellen: BM 44*; Qid 42b. || pPea
1, 16", 5: Eine gute Absicht rechnet Gott als Tat, eine böse Absicht rechnet Gott nicht
als Tat. . . . Was du da sagst, gilt von den Israeliten; aber von den Nichtisraeliten
gilt das Umgekehrte: die gute Absicht rechnet Gott nicht, aber die böse Absicht
rechnet er. — Im bT wird teils R. Asi (um 3U0), teils Rab Aschi (f 427) als Autor
genannt, s. Qid 40*^ u. B'^rakh 6^ Dagegen NuR 8 (149*^): Von dem Augenblick an, da
ein Mensch beabsichtigt zu sündigen, ist er wie einer, der eine Veruntreuung gegen
Gott begangen hat.
5,8 50: Denn sie werden Gott schauen.
zov ^eov otpoizat,. „Gott schauen" wird im Rabbin. wiedergegeben
mit nr=i:: ->:■: mxn „das Angesicht der Sch*'khina sehen"; meist jedoch
mit na-^r-j "^rs b-i^pn „das Angesicht der Seh. begrüßen". Gleichbedeutende
Wendungen sind nr:-c:n p i^r- rx -it „die Augen an der Seh. weiden",
oder nr=irn i^t-o riDnn „sich erquicken am Glanz der Seh.". Man redet
vom Schauen Gottes in übertragenem u. in wörtlichem Sinn.
1. Im übertragenen Sinn bedeutet „Gott schauen" ungefähr soviel
wie das alttestl. „vor Gott erscheinen", „vor Gott stehn". So begrüßt
man die Sch'^^khina. wenn man da erscheint, wo Gott mit seiner Gnaden-
gegenwart weilt, im Tempel, in der Synagoge, im Lehrhaus. a Aber
auch von dem, welcher betet oder studiert, kann gesagt werden, daß
er Gottes Angesicht begrüßt, b insofern Gott dem Betenden u. Stu-
dierenden nahe ist.
Matth 5, 8 (SB 1. 2) 207
a. pChag 1, 76 % 35: R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Woher läßt sich
beweisen, daß jeder, der die Gebote betreffs des Erscheinens zu den Festen in Jerusalem
beobachtet, ist wie einer, der das Angesicht der Seh. begrüßt? Aus Ex 28, 17: ,Drei-
pial im Jahre soll all dein Männliches vor dem Herrn Jahve erscheinen." || P^siqR
1 (1 b); (R. Tanchuma b. Abba, um o8ü, hat gesagt . . .:) „Wann werde ich dahin kommen
u. vor Gottes Angesicht erscheinen?" Ps 42, :-?. Die Israeliten sprachen: Herr der Welt,
wann wirst du uns zurückbringen die Herrlichkeit (= deine Gnadengegenwart), daß
wir dreimal zu den Festen hinaufziehen u. das Angesicht der Seh. sehn? || Der Targum
übersetzt Ps 42, 3: Wann werde ich kommen u. den Glanz der Sch'^khina Jahves er-
blicken? II DtR 7 (2(i4'*): Was heißt: Heil dem Mann, der . . . die Pfosten meiner Tore
behütet Spr 8, 34? R. J^huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Gibt es denn Türpfosten-
kapseln (so wird das Textwort riiiTo gedeutet) in den Synagogen? Vielmehr wie die
Türpfostenkapsel sich nicht von der Tür entfernt, so weiche du nicht aus den Syna-
gogen u. Lehrhäusern. Gott spricht: Wenn du so tust, so wisse, daß du das Angesicht
der Sch%liina begrüßest. Was steht im folgenden Vers (-lö) geschrieben? „Denn wer
mich erreicht, hat Leben erreicht." Gott spricht: Wer ist, der in die Synagoge käme
u. dort nicht meine Herrlichkeit anträfe? R. Aibo (um 32U) hat gesagt: Und nicht bloß
dies, sondern wenn du in der Synagoge stehst, so steht Gott bei dir, s. Ps 82, 1 : „Gott
steht in der Gemeinde Gottes da." Gott spricht: Nicht genug, daß du das Angesicht
der 8ch. in der Synagoge begrüßest, sondern du gehst auch von dort fort voll Seg-
nungen; denn wer mich erreicht, hat Leben erreicht u. erlangt Wohlgefallen von Jahve
Spr 8, 35. II Ein alter u. häufig wiederholter Satz lautet: „Wer das Angesicht der Ge-
lehrten begrüßt, ist wie einer, der das Angesicht der Seh. begrüßt." M'^kh Ex 18, 12
(67") erbringt den Beweis aus den Worten „vor Eiohim" Ex 18, 12.
b. BB 10^: R. Elfazar (um 270) gab einem Armen eine P'^ruta (etwa V^ Pfennig)
u. dann betete er. Er sagte: Weil geschrieben steht Ps 17, 15: Mit einem Almosen
(soderMidr) will ich dein Angesicht schauen. || Sanh 42'': Rah Achab. Chanina (nach :100)
hat gesagt, R. Asi (um 30U) habe gesagt, R. Jochanan (t"<i79) habe gesagt: Jeder, der
den Lobspruch über den Neumond zu seiner Zeit spricht, ist wie einer, der das An-
gesicht der Sch%hina begrüßt. Es heißt hier Ex 12, '^: „Dieser (-t) Monat sei euch"
usw., u. es heißt dort Ex 15,2: „Dieser (nrj ist mein Gott" (wie das letztere -i be-
weist, daß Israel in der Stunde von Ex 15,2 Gott von Angesicht gesehen hat, so
deutet das erste ht an, düß der die Neumonds-B'rakha Sprechende Gottes Angesicht
begrüßt). In der Schule des R. Jischmafel (f um 185) ist gelehrt worden: Wenn die
Israeliten nur gewürdigt worden wären, das Angesicht ihres Vaters im Himmel jeden
Monat zu begrüßen (wenn ihnen kein andres Gebot gegeben wäre), so wäre es genug
für sie. — M^'kh Ex 12, 2 (obj lautet der letzte Satz: Wäre es nicht genug für Israel,
wenn sie Einmal in 30 Tagen (nämlich am Neumondstage) ihre Augen (betend) zu
ihrem Vater im Himmel erhöben? II Midr Ps 105 ij 1 (•^24t'i : R. Jose b. Chalaphta (um 150)
hat zu seinem Sohn R. Jischmafel gesagt: Willst du das Angesicht der Sch'khina in
dieser Welt sehn, so beschäftige dich mit der Tora im Lande Israel; denn es heißt
Ps 105, 4: „Fraget nach Jahve ü. seiner Stärke (== Tora, im Sinn des Midrasch), suchet
sein Angesicht immerdar."
2. Das Schauen Gottes im eigentlichen Sinn des Wortes, d. h. von
Angesicht zu Angesicht, steht allen Menschen, auch den Gottlosen, in '
der Sterbestunde bevor, a Im Gan ^Eden, in der himmlischen Welt der
Seelen, bleibt das Schauen Gottes, der Inbegriff aller Seligkeit, ein
Vorrecht der Gerechten. b Auch nach der Auferstehung der Toten
werden die Seligen im irdischen Gan ^Eden Gott von Angesicht zu
Angesicht schauen. Die ältere Zeit nahm an, daß diese Erwartung in
der zukünftigen Welt (nach den Tagen des Messias) in Erfüllung gehn
werde ;c die spätere Zeit (vom 3. Jahrh. an), die die Tage des Messias
208 Matth 5, 8 (» 2)
je länger, desto mehr idealisierte, hat jedoch das Schauen Gottes zum
Teil schon zu den Segnungen der Messiaszeit gerechnet, d
a. 4 Esra 7, 78 if.: Wenn der entscheidende Spruch von dem Höchsten ergeht, da6
der Mensch sterben soll, wo sich der Geist vom Körper trennt u. zu Dem zurückkehrt,
der ihn gegeben hat (vgl. Qoh 12, 7), um zunächst vor der Herrlichkeit des Höchsten
anzubeten: hat ernun zu den Verächtern gehört, die die Wege des Höchsten nicht bewahrt,
die sein Gesetz verschmäht u. die Gottesfürchtigen gehaßt haben, solche Seelen gehen
nicht in die Ruhekammern ein, sondern müssen sogleich qualvoll umherschweifen,
unter ständigem Seufzen u. Trauern, in siebenfältiger Pein. Die I.Pein ist, daß sie des
Höchsten Gesetz verachtet haben; die 2., daß sie die wahre Buße zum Leben nicht mehr
tun können; die 3., daß sie den Lohn sehen, der denen aufbewahrt ist, die des Höchsten
Zeugnissen geglaubt haben; die 4., daß sie die Pein schauen, die ihnen selbst für die
letzte Zeit bevorsteht; die 5., daß sie sehen, wie Engel die Wohnungen der andren
Seelen (der Frommen) in tiefem Frieden bewachen; die 6., dafi sie sehen, daß sie schon
jetzt in die Pein hinüber müssen; die 7., schlimmer als alle genannten Martern,
daß sie vor Scham vergehen, vor Angst sich verzehren u. vor Furcht erschlaffen, daß
sie die Herrlichkeit des Höchsten schauen müssen, vor dem sie im Leben gesündigt,
u. von dem sie am jüngsten Tage gerichtet werden sollen! Denen aber, die des Höchsten
Wege bewahrt haben, gilt diese Ordnung, wenn sie sich trennen dürfen von diesem
sterblichen Gefäß (des Leibes). Damals, als sie noch darinnen lebten, haben sie dem
Höchsten unter Mühsalen gedient u. stündlich Gefahren erduldet, um das Gesetz dessen,
der es gegeben, vollkommen zu halten. Deshalb gilt ihnen diese Verheißung: Zuerst
schauen sie mit lautem Frohlocken die Herrlichkeit dessen, der sie zu sich nimmt;
dann gehen sie in die Ruhe ein zu siebenfacher Freude. Die 1. Freude ist, daß sie in
schwerem Streite gekämpft haben, den ihnen anerschaffenen bösen Sinn zu besiegen,
daß er sie nicht vom Leben zum Tode verführe; die 2., daß sie die wirren Wege
schauen, auf denen die Seelen der Gottlosen umherirren müssen, u. die Strafe, die
jener harrt. Die 3., daß sie das Zeugnis sehen, das ihr Schöpfer ihnen bezeugt hat,
daß sie im Leben das Gesetz, das ihnen anvertraut war, gehütet haben; die 4., daß
sie die Ruhe kennen, die sie schon jetzt, in ihren Kammern versammelt, unter dem
Schutze von Engeln in tiefem Frieden genießen dürfen, u. die Herrlichkeit, die ihrer
zuletzt noch wartet. Die 5., daß sie frohlocken, jetzt der Vergänglichkeit entflohen zu
sein u. die Zukunft zu ererben; ferner, daß sie auf die Enge u. die vielen Mühsale
hinblicken, wovon sie erlöst sind, u. auf die Weite, die sie ererben sollen in seliger
Unsterblichkeit. Die 6., daß ihnen gezeigt wird, wie ihr Antlitz einst wie die Sonne
leuchten soll, u. wie sie dem Sternenlichte gleichen sollen, von nun an (wie diese)
nicht mehr vergänglich. Die 7. Freude, höher als alle genannten, ist die, daß sie zu-
versichtlich frohlocken, sicher vertrauen u. furchtlos sich freuen; denn sie eilen herzu,
das Antlitz dessen zu schauen, dem sie im Leben gedient, u. von dem sie Lob u. Lohn
empfangen sollen. Das sind die Freuden der Seelen der Gerechten, die ihnen schon
für jetzt verheißen sind; die Martern aber, von denen ich (ein Engel) sprach, sind es,
denen die Sünder schon jetzt verfallen. — Ich (Esra) antwortete: Es wird also den
Seelen, nachdem sie sich von ihren Leibern getrennt haben, eine Frist verstattel, das
zu schauen, was du mir geschildert hast? Er sprach zu mir: Sieben Tage haben sie
Freiheit, um sich in diesen Tagen das, wovon ich gesprochen, zu betrachten; darnach
werden sie in ihre Kammern versammelt. |i Aboth RNathan 25: In der Stunde seines
Abscheidens erhob Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) seine Stimme u. weinte. Seine
Schüler sprachen zu ihm : Rabbi, hohe Säule, Licht der Welt, starker (fester) Hammer,
warum weinst du? Er antwortete: Wenn ich ginge das Angesicht eines Königs von
Fleisch u. Blut zu begrüßen, so wäre, wenn er mir zürnte, sein Zorn nur für diese
Welt, u. wenn er mich in Bande legte, so wären die Bande nur für diese Welt, u,
wenn er mich tötete, so erfolgte mein Tod nur für diese Welt; auch könnte ich ihn
vielleicht besänftigen mit Worten u. mit Geld bestechen. Aber nun gehe ich, das An-
Matth 5, 8 (93 2) 209
gesicht des Königs aller Könige zu begrüßen, des Heiligen, gepriesen sei er! Wenn
der mir zürnt, so gilt sein Zorn für diese u. für die zukünftige Welt. Auch kann ich
ihn nicht mit Worten besänftigen noch mit Geld bestechen. Auch liegen zwei Wege
vor mir, der eine nach dem Gan ?Eden, der andre zum Gehinnom, u. ich weiß nicht,
ob er mich wird in den Gehinnom hinabsinken oder in den Gan fEden eintreten lassen.
In bezug hierauf heißt es Ps 22, 30: Vor ihm (vor Gott in der Sterbestunde) beugen
sich alle, die in den Staub sinken. — Ähnlich B^rakh 28b. || SLv 1, 1 (7bi: R. Dosa
(wohl b. Archinos, um 90) hat gesagt: Siehe, es heißt Ex 83, 20: , Nicht wird ein Mensch
mich sehn u. leben bleiben." Während ihres Lebens können sie ihn nicht sehn, wohl
aber werden sie ihn sehn in ihrer Sterbestunde, s. Ps 22, 30 (wie im vorigen Zitat). —
Ebenso NuR 14 (178b). — In SNu 12, 8 i? 103 (27b) ist R. El?azar b. Jose''(um 170) als
Autor genannt. || Midr Ps 103 §3 (216b): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Das fünfmalige
,Lobe den Herrn, meine Seele" (in Ps 103 f.) entspricht den fünf Welten, die David
gesehen hat: eine im Mutterleib, s. Ps 103, 1 ; die zweite, als er geboren wurde, s. Vers2;
die dritte, als er hinaustrat in die weite Welt u. hierhin u. dorthin zog, s. Vers 22;
die vierte, als er aus der Welt schied u. die Sch'^khina erblickte, s. 104, 1 : Lobe den
Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr groß, in Majestät u. Herrlichkeit
hast du dich gekleidet. Und die fünfte Welt ist die Zukunft (d. h. die messian. Zeit);
s. 104, 35: Vertilgt werden mögen die Sünder von der Erde u. Frevler nicht mehr sein!
Lobe den Herrn, meine Seele! Hallelujah! — Nach B'^rakh 10^ ist R. Schimfon b. Jochai
(um 150) Autor des Ausspruchs u. R. Jochanan derTradent; LvR 4 (107*^) ist durch Um-
stellung der Namen R. J^hoschuaf b-Levi als Autor angegeben. || Midr Ps 22 §32 (99^):
R. Jochanan (t 279) hat gesagt: Es heißt Ps 22, 31 : , Alles was Mensch heißt (so wird
y"T gefaßt) muß ihm dienen" ; sowohl Gerechte, als auch Gottlose müssen das An-
gesicht der Sch'=^khina (in der Sterbestunde) begrüßen; s. Ps22, 30: „Vor ihm beugen
sich alle, die in den Staub sinken." Warum begrüßen die Gottlosen das Angesicht
der Seh.? Die Gottlosen, die sich gegen Gott aufgelehnt haben, läßt man in ihrer
Sterbestunde das Angesicht der Seh. schauen u. spricht zu ihnen: Kommt u. seht das
Angesicht des Königs, gegen den ihr euch aufgelehnt habt; dieser wird von euch die
Strafe beitreiben. Und auch die Gerechten läßt man in ihrer Sterbestunde das An-
gesicht der Seh. schauen u. sagt zu ihnen: Kommt u. seht das Angesicht des Königs,
dem ihr gedient habt; denn dieser wird euch euern Lohn geben. R. Elfazar b. Schammua?
(um 150; der Name ist auffallend an dieser Stelle; ob „Ben Schammuaf" zu streichen?)
hat gesagt: Auch die Kinder begrüßen das Angesicht der Seh.; s. Ps 22, 31 : „Der Same
( = Rinder) wird ihm dienen." |j Weiteres im Exkurs: „Sch®ol,Gehinnomu.GanfEden"lI,3.
b. SDt 1, 10 § 10 (iil'^): „Siehe, heute seid ihr an Menge den Sternen des Himmels
gleich" (Dt 1, 10). Siehe, ihr habt Bestand wie die Sonne (vgl. Raschi zu Dt). Von hier
aus hat man gesagt: Sieben Abteilungen von Gerechten gibt es im (himmlischen) Gan
fEden, die eine immer höher als die andre. Die 1. Abteilung s. Ps 140, 14: „Gewiß die
Gerechten werden deinen Namen preisen, die Rechtschaffenen werden vor deinem An-
gesicht sitzen." Die 2. Abt. s. Ps 65, 5: „Wohl dem, den du erwählst u. herzukommen
lassest, daß er wohne in deinen Vorhöfen", u. Ps 84, 1 1 : „Ich will lieber auf der Schwelle
liegen in meines Gottes Hause, als drinnen wohnen in den Zelten der Gottlosigkeit."
Die S.Abt, s. Ps84, 5: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen." Die 4. Abt. s.
Ps 15, 1 : „Wer darf gasten in deinem Zelte?" Die 5. Abt. s. Ps 15, 1 : „Wer darf wohnen
auf deinem heiligen Berge?" Die G.Abt, s. Ps24, 3: „Wer darf emporsteigen zum
Berge Jahves?" Die 7. Abt. s. Ps 24, 3: „Wer darf an seinem heiligen Orte stehn?" —
Die vom irdischen Heiligtum handelnden Stellen sind hier auf das himmlische Heiligtum
übertragen. Vertauscht man die Belegstellen zur 2. u. zur 3. Abt., so ergibt das Ganze
sieben konzentrische Kreise, in deren innerstem Gott am nächsten die 1 . Abt. wohnt,
die vor Gottes Angesicht sitzt. Die Deutung der Stelle auf die Welt der Seelen er-
hellt aus MidrPs U §<i (51^), wo sie in die Beschreibung der sieben Wohnungen der
Gerechten im Gan ?Eden hineingearbeitet ist. Hier heißt es zum Schluß (52'''): Wenn
der Sterbende ein Gerechter ist, so ruft man vor ihm aus: Machet Platz für den u.
Strack u.Billerbeck, NTI. 14
210 Matth 5, 8 (93 2)
den Gerechten! Dann geht er von Wohnung; zu Wohnung, bis er das Angesicht der
Seh^'khina schaut; deshalb heißt es Psll,7: ,Die Rechtschaffenen werden sein An-
gesicht schauen." i| SDt 11,21 §47 (83**): R. Schimfon b. Jochai (um 150) sagte: Zu
siebenfacher Freude^ werden die Angesichter der Gerechten das Angesicht der Seh.
in der zukünftigen Welt (= himmlische Welt der Seelen) begrüßen. Diese sind: ^Die
ihn lieben, sind wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht" Rieht 5, 31. „Schön wie
der Mond u. wie die Sonne" HL 6, 10. „Die Verständigen werden glänzen wie der
Glanz des Firmaments" Dn 12, 3. „Die viele zur Gerechtigkeit gebracht (werden sein)
wie die Sterne ewiglich" Dn 12, 3. „Wie Blitze fahren sie daher" Nah 2, 5. Dem Musik-
vorsteher nach „Lilien", von den Kindern Qorachs Ps45, 1. „Wie ein Ölbaum wird
seine Herrlichkeit sein" Hos 14, 7. — Der Sinn ist: Die sieben Abteilungen der Ge-
rechten werden leuchten u. glänzen wie die Sonne, der Mond, das J'irmament, die
Sterne, die Blitze, die Lilien u. die Ölbäume. — Parallelstellen: SDt 1, 10 § 10 (67»);
P^siq 179 b; LvR30 (127''); Midr Ps 11 §6 (51^). — Daß andre Kreise das sonnenhafte
Glänzen u. Leuchten der Gerechten erst in der zukünftigen Welt nach der Auferstehung
der Toten erwartet haben, zeigt 4 Esra 7, 78ff. S. 208. il B'-rakh 17»: Ein Gewohnheits-
spruch N';:":': im Munde Rabs (f 247): In der zukünftigen Welt (= himmlische Welt
der Seelen)^ gibt es nicht Essen u. Trinken, nicht Zeugung u. Fortpflanzung, nicht
Handel, noch Wandel, nicht Neid, noch Feindschaft, noch Streit; sondern die Gerechten
sitzen da mit ihren Kronen auf ihren Häuptern u. laben sich an dem Glanz der Sch'^khina,
vgl. Ex 24, 11 : „Sie schauten Gott, u. (so) aßen u. tranken sie." I| Midr Ps 11 §6 (51 ^i:
R. J'^huda b. Simon (um 3'20) hat gesagt: Jeder Handwerker haßt seine Handwerks-
genossen (aus Brotneid), aber Gott nicht also; denn „er ist gerecht, Gerechtigkeit
liebend" Ps 11,7. Was bedeutet: „Wer rechtschaffen •^lü-, wird sein Angesicht schauen"
Ps 11, 7? Sieben Abteilungen sind es, die vor Gott in der Zukunft (in der himmlischen
Welt der Seelen) stehen werden; u. welche A'bteilung ist die höchste unter ihnen,
weil sie das Angesicht der Sch'^khina begrüßen (schauen) wird? Das ist die Abteilung
der Rechtschaffenen c—'ffi-; denn es heißt: „Wer rechtschaffen •!»■, wird sein Angesicht
schauen." Vgl. die 1. Abteilung der Gerechten in SDt 1, 10 § 10 oben S.209. i| P^siq
17yb^ 17; „Lieblichkeiten r-»'y: zu deiner Rechten ewiglich" Ps 16, 11. David sprach
' r-n^i-i; yaai „sieben Freuden" ist Ausdeutung von rir^ar vzv „Freudensät-
tigung" Ps 16, li; s. P'siq 179b; LvR 30 (127^); Midr Ps 16 §12 (62b).
^ Für die Beziehung der Worte Rabs auf den Zwischenzustand sprechen dessen
anderweitige Ausführungen über die himmlische Welt der Seelen. T®mura Uö'' (16^
in andren Ausgaben): Rab hat gesagt: Als unser Lehrer Mose zum Gan ?Eden ent-
schlief, sprach er zu Josua usw. || P'siqR 34 (159b): R. Jannai (um 225) hat gesagt, Rab
habe gesagt: Wer auf das (messianische)' Heil ausschaut, den läßt Gott sich lagern
im Gan ?Eden, s. Ez 34, 15. H BMSS": Rab J'^'huda (f 299) hat gesagt, R«b habe ge-
sagt: Wer den Sohn eines andren Tora lehrt, der ist würdig in der himmlischen
Akademie (im Kreise Gottes u. der Engel) zu sitzen, s. Jer 15, 19. 1| BB 98''': Rab J'huda
hat gesagt, Rab habe gesagt: Wer sich im Gelehrtenmantel brüstet, ohne ein Gelehrten-
schüler zu sein, den läßt man nicht in die M'^'chi^a (Wohnung, Abteil) Gottes ein-
treten, s. Hab 2, 5 verglichen mit Ex 15, 13. || Midr Ps 65 §3 (157='): Rab Sch'-muel b.
Schela (um 270) hat im Namen Rabs gesagt: David hat gesagt: Herr der Welt, wohl
dem, den du herzutreten läßt zum Vorhof. Mit „Vorhof" ist nicht andres gemeint als
die Himmelshöhe, s. Ps36, 8f.: Wie köstlich ist deine Gnade, o Gott, u. Menschen-
kinder dürfen sich im Schatten deiner Flügel bergen; sie laben sich an dem reichen
Mahle deines Hauses u. mit dem Strom deiner Wonnen tränkst du sie. Ferner s.
Ps84, 11 ; 65, 5. — Gegen die Beziehung der Stelle auf die zukünftige Welt nach der
Auferstehung spricht die ganz andersartige Schilderung, die Rab von dieser gegeben
hat nach B^rakhti4": Rab Chijja b. Aschi (um 270) hat gesagt, Rab habe gesagt: Die
Gelehrtenschüler haben kerne Ruhe, weder in dieser Welt noch in der zukünftigen Welt
(nach der Auferstehung), vgl. Ps84, 8: Sie wandeln von Schar zu Schar (so der Midr,
= von einem Lehrhaus zum andren u. von einer Synagoge zur andren), erscheinen vor
Gott in Zion. — Dasselbe MQ 29»; vgl. auch den ähnlichen Ausspruch des Rab Chijja
b. Aschi selbst in pSch-^bisith 4, 35 ^28. Ferner s. bei Mt22, 30.
Matth 5, 8 (93 2) 211
vor Gott: Herr der Welt, wer tut mir kund, welche Abteilung (von den sieben Ab-
teilungen der Gerechten in der jenseitigen Welt) die geliebteste u. lieblichste nii^yj
ist? Zwei Amoräer (Schriftgelehrte der nachmischnischen Periode). Der eine sagte:
Das ist diejenige, die in der Kraft der Torakenntnis u. der guten Werke kommt (vgl.
Dt 33, 2: „Zu seiner Rechten das Feuer des Gesetzes"; dieser Belegvers ist nach den
Parallelen zu ergänzen, er wird gedeutet: zu Gottes Rechten^ erhalten ihren Platz die,
die in der Kraft der Tora kommen, die dem Feuer gleicht). Der andre sagte: Das
sind die Schrift- u. Mischnalehrer, die die Kinder wahrheitsgemäß (treulich) unter-
richten; denn sie werden einst zur Rechten Gottes sitzen. Das meinen die Worte:
Lieblichkeiten (die Lieblichsten) zu deiner Rechten ewiglich. — Parallelstellen: LvR
30 (127 ^^); Midr Ps 16 § 12 (62b). || Midr Ps 141 § 1 (265b): „Die Rechtschaffenen werden
vor deinem Angesicht sitzen" Ps 140, 14. David sprach zu Gott: Ich bitte von dir, daß ich
zu jenen gehören möge, die dein Angesicht, Jahve, schauen (nämlich in der himmlischen
Welt der Seelen). 1| M'^n 48b; R. Schimfon b. Jochai (um* löC) hat gesagt: Wer pünktlich
(hurtig) ist in der Erfüllung dieses ( Schaufäden- iGebotes, der ist würdig, das Angesicht
der Sch^'khina (in der jenseitigen Welt) zu begrüßen. Es heißt hier iNu 15, 39): Wenn
ihr „ihn" (den Schaufädenschmuck) seht, u. es heißt dort (Dt 6, 13): Jahve deinen
Gott sollst du fürchten u. „ihn" verehren. (Das in beiden Stellen vorkommende
„ihn" setzt diese inhaltlich in Beziehung zueinander; in welcher Weise, das zeigt
der Ausspruch R. Schim?ons.) ll Sota42'': Rab Jirm'ja b. Abba (um «250) hat gesagt:
Vier Abteilungen (Klassen) werden das Angesicht der Sch^khina (in der jenseitigen
Welt der Seelen) nicht begrüßen; nämlich die der Spötter, s. Hos 7, 5: Er zieht seine
Hand ab von den Spöttern (d. h. wehrt sie ab, so der Midr); die der Schmeichler,
s. Hi 13, 16; die der Lügner, s. Ps 101, 7, u. die der Verleumder, s. Ps 5, 5. — Dasselbe
mit Rab Chisda (t 309) als Tradenten Sanh 103'*; anonym u. zum Teil mit andren Beleg-
versen Midr Ps 101 §3 (214b). \\ LvR 23 (122^: R. Meascha (so lies statt r:^z:^), der
Enkel des R. J'^hoschua? b. Levi (um 300) hat gesagt: Wir finden, daß der, welcher
etwas Schändliches sieht u. seine Augen nicht daran weidet, würdig ist, das Angesicht
der Sch'^khina (im Jenseits) zu begrüßen; denn es heißt Jes 33, 15: „Wer seine Augen
verschließt, daß er nichts Böse sehe", was steht hinterher geschrieben? „Den König
in seiner Schöne (Gott in seiner Herrlichkeit) sollen deine Augen schauen, sehen
werden sie Land der Fernen" (das. Vers 17). — Parallelstellen: P''siqR24(125b); Derekh
Erecj 1 Ende. || Sanh 97b: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Die Welt hat in keiner Genera-
tion weniger als 36 Gerechte, die das Angesicht der Sch'khina begrüßen können;
denn es heißt Jes 30, 18: „Wohl allen, die seiner •- harren." Und iV beträgt seinem
Zahlenwert ^ nach 36. (Dies Wort beschränkt das Schauen Gottes auf die vollkom-
menen Gerechten.) Aber Raba (f 352) hat doch gesagt: Die Reihe, die vor Gott (in
der himmlischen Welt der Seelen) steht (u. ihn schauen darf) beträgt 18000 Para-
sangen, vgl. Ez 48, 35: „Ringsum 18000!" Das ist kein Widerspruch: in dem ersten
Fall handelt es sich um solche, die durch ein reines (ungetrübtes) Glas^ sehen, u. im
letztern Fall um solche, die durch nicht reines Glas sehen. (Die Zahl derer, die Gott
nicht deutlich sehen, ist unendlich viel größer als die Zahl derer, die ihn deutlich
sehn dürfen.) Aber sind es denn so viele (wie Raba annimmt)? Es hat doch Chizqijja
(um 350) gesagt, R. Jirm'ja (um 320) habe im Namen des R. Schim?on b. Jochai (um 150)
gesagt: Ich habe die Söhne des Söllers (d. h. die, welche den höchsten Platz im Himmel
einnehmen) gesehen, u. es waren wenige; wenn es UiOO sind, so gehöre ich u. mein
Sohn (R. Elfazar b. Schim?on) zu ihnen; wenn es 100 sind, so gehöre ich u. mein Sohn
zu ihnen; sind es zwei, so sind ich u. mein Sohn diese. Das ist kein Widerspruch:
1 VgL Midr Ps 16 §12 (62b): Welches ist die höchste u. beliebteste (Abteilung)?
Das ist die, welche zur Rechten Gottes steht, wie es heißt Sach 4, 3: „Einer zur Rechten
des Behälters."
2 Siehe Einl. 107. Nr. 29.
3 Hierzu s. bei 1 Kor 18, 12.
14*
212 Matth 5, 8 (95 2)
in jenem Fall (in welchem von einer größeren Anzahl die Rede ist) handelt es sich
um solche, die nur mit hesonderer Genehmigung (in Gottes Kreis, M'^'chi9a) eintreten
dürfen, in diesem Fall (von welchem R. Schimfon spricht) handelt es sich um solche,
die ohne Genehmigung eintreten dürfen. — Dasselbe mit andrer Reihenfolge der einzelnen
Aussprüche Sukka 451^. Der Ausspruch des R. Schimfon b. Jochai auch pB^'rakh 9,
18"^, 57 u. zwar in der Form: Ich habe die Söhne der zukünftigen Welt (d. h. der Welt
der Seelen) gesehen u. ihrer waren wenige usw.
C. BB 10''': R. Dos'^thai b. Jannai (um 180) hat öffentlich vorgetragen: Komm u.
sieh, daß nicht wie Gottes Art die Art der Menschen ist. Ein Mensch bringt einem
König ein großes Geschenk dar: es ist zweifelhaft, ob mau es von ihm annimmt oder
nicht; es ist auch zweifelhaft, ob er das Angesicht des Königs schauen wird oder
nicht. Aber Gott nicht also: es gibt ein Mensch einem Armen eine P'^ruta (kleinstes
Geldstück), so wird er gewürdigt, das Angesicht der Sch'^khina zu begrüßen, s. Ps 17, 15:
, Durch Almosen (so der Midrascii) werde ich dein Antlitz schauen, mich sättigen,
wenn ich wach werde (aus dem Todesschlaf bei der Auferstehung der Toten) an deiner
Gestalt." i! SLv 26, 12 (451"): ,lch wandle in eurer Mitte" Lv2t), 12. Man hat ein
Gleichnis gesagt. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem König, der ausging,
um sich mit seinem Pächter im Baumgarten ~~!^t_ [naQÜ^siaog] zu ergehn; aber jener
Pächter hatte sich vor ihm versteckt. Der König sprach zu ihm: Was hast du, daß
du dich vor mir versteckst? Siehe, ich bin wie du! Ebenso wird sich Gott dereinst
mit den Gerechten (nach der Auferstehung) im Garten sEdens in der Zukunft ergehn,
u. die Gerechten werden ihn sehn u. vor ihm erbeben. Und er wird zu ihnen sagen:
Siehe, ich bin wie ihr! Soll etwa die Ehrfurcht vor mir nicht mehr auf euch sein?
Die Schrift sagt lehrend Lv 26, 12: Und ich bin euer Gott u. ihr sollt mein Volk sein. ||
Tafan:-}!»: fUlla aus Biri (um 280) hat gesagt, R. Elfazar (um 270) habe gesagt: Der-
einst wird Gott den Gerechten einen Reigentanz veranstalten, u. er selbst wird unter
ihnen sitzen im Gau fEden, u. jeder wird mit seinem Finger hinweisen, wie es heißt
Jes 25,9: „Sagen wird man an jenem Tage: Siehe, unser Gott ist dies, auf den wir
harrten, daß er uns befreie; Jahve ist dies, auf den wir harrten; lasset uns frohlocken
u. uns freuen über sein Heil!" — In den paläst. Quellen pMQ 3,83^, 50; pM'g2,
73^ 31; Midr Qoh 1, 11 (10^'); Midr HL 7, 1 (126«); LvR 11 (113'') wird R. Chanina
(um 225 als Autor u. R. EUazar als Tradent genannt; in diesen Stellen wird Gott als
:^;^n •i.-s-', d. h. als „Reigenführer" bezeichnet unter Hinweis auf Ps 48, 14, wo man
ri-n in ■nh^r. deutete u. so den Satz gewann: „Richtet euren Sinn auf den Reigen-
tanz hin." In ,noch andren palästinischen Quellen erscheinen als Autoren R. B^'rekhja
(nm 340) u. R. Chelbo (um 30(i); so in Midr HL 1, 3 (85'3), ferner R. Jose b. Chanina
tum 270) in Midr Ps 48 §5 (139»); hier wird von Gott gesagt: „Und Gott tanzt mit
ihnen." — Das Hinweisen auf Gott mit dem Finger kommt auch sonst vor, s. zB
weiter unten Tanch -ii^sa 190b; ferner ExR 23 (85^); Tanch =py 6^. || Tanch p'^a 236'^:
„Zu der Zeit wird man zu Jakob u. zu Israel sagen: Was hat Gott getan?" (so faßt
der Midrasch Nu 28, 23). Sein (Bilfams) Auge sah, wie die Israeliten in der Zukunft
vor Gott sitzen werden wie ein Schüler vor seinem Lehrer, u. wie sie ihn betreffs
jedes Abschnitts fragen: Warum ist er geschrieben worden? Ebenso heißt es Jes 23, 18:
„Denn denen, die vor Jahve (als seine Schüler) sitzen, wird ihr Handelserwerb ge-
hören zur Sättigung u. zu stattlicher Kleidung." Ferner heißt es Jes 30,20: „Und
nicht mehr verbergen wird sich dein Lehrer (— Gott), u. deine Augen werden deinen
Lehrer sehn." Und die Engel des Dienstes werden die Israeliten fragen: Was hat euch
Gott gelehrt? Denn sie können in deren M'^chica (Abteil) nicht eintreten, wie es
heißt (Nu 23,2^^): Zu der Zeit wird man (= die Engelj zu Jakob u. zu Israel sagen:
Was hat Gott getan? (Israel wohnt der M'^chi9a Gottes näher als die Engel, sie wissen
deshalb um Gottes Tun u. Lassen besser Bescheid als diese; daher die Frage der Engel
an Israel: Was hat Gott getan?) — In Dt R 1 (196=*) wird Abba (um 290), in pSchab
6, 8'^, 21 R. Abba b. Kahana (um 310) als Autor genannt. || Aggad B'^resch 09 (47 b):
R. Aschjan (um 300) hat im Namen des R. Chilqijja (um 320) gesagt: In dieser Welt
Matth 5, 8 (SB 2) 213
verursachten es die Sünden, daß die Israeliten taub wurden gegen die Tora u. blind,
die Sch^khina (Gottheit) zu sehn, wie es heißt Jer fi, 10: „Siehe, eine Vorhaut hat ihr
Ohr, so daß sie nicht aufmerken können." Deshalb waren sie taub, die Tora zu lernon.
u. ihre Augen verschlossen, die Seh. zu sehn. Ebenso hat Jesaja 42, 18 gesagt: Ihr
Tauben, höret usw. Und sie antworteten ihm: Wir sehen nicht, vgl. Jes •>9, 10: „Tasten
müssen wir wie die Blinden an der Wand"; u. wir hören nicht, vgl. Ps o8, 14: „Und
ich bin wie ein Tauber, ich höre nicht" usw. Und was wird Gott in der Zukunft tun?
Er wird sie zuerst auferwecken, u. darauf wird er ihre Augen u. Ohren öffnen, s.
Jes 3-5, 5: „Dann werden aufgetan werden die Augen der Blinden" usw.; u. sie werden
die Worte Gottes hören, s. Jes 30, 21: „Und deine Ohren werden das Wort hören", u.
sie werden ihn sehen, wie er sie lehrt, s. Jes 30, 20: „Nicht mehr verbergen wird bich
dein Lehrer" usw. In jener Stunde wird sich der Vers erfüllen Spr20, 12: „Das hörende
Ohr u. das sehende Auge" — weder ein Engel noch ein Seraph hat solches voll-
bracht — „die hat Jahve alle beide geschaffen." |1 Midr Ps 149 §1 (270''}: Sooft die
Israeliten Gott geschaut haben, sind sie fromm geworden. Sie sahen ihn am (Roten)
Meer u. wurden fromm u. sangen ein Lied, s. Ex 15, 1 ; sie sahen ihn am Sinai u.
wurden redlich (unsträflich), s. Spr 2, 7: „Er hat für die Redlichen Weisheit {— Tora) '
in Verwahrung", u. HL 1, 2 heißt es: „Er (Gott) küßte mich (Israel) mit seines Mundes
Küssen" (bei der Gesetzgebung, folglich müssen die Israeliten Gott am Sinai gesehen
haben). Sie sahen ihn in der Stiftsbütte u. wurden gerecht, s. Lv 9, 2of. u. Ps 33, 1.
Und wenn sie ihn in der zukünftigen Welt sehn werden, dann werden sie fromm
werden, vgl. Ps 149,1: „Singet dem Herrn ein neues Lied, seinen Ruhm in der Ge-
meinde der Frommen." Und warum das alles? Weil sie iim sehen werden u. sich
freuen, u. er freut sich mit ihnen. — Eine weniger gut durchgeführte Parallele in
Midr Ps 69 § 1 (160^). || Tanch apy Tb; Auf die Tage des Messias folgt die zukünftige
Welt, u. Gott wird in seiner Herrlichkeit hervorstrahlen u. seinen Arm offenbaren,
vgl. Jes 52, 10: „Entblößt hat Jahve seinen heiligen Arm vor den Augen aller Heiden,
n. geschaut haben alle Enden der Erde das Heil unsres Gottes." In jener Stunde
werden die Israeliten Gott schauen* in seiner Herrlichkeit, s. Jes 52, 8: „Denn Auge
in Auge sehen sie, wenn Jahve nach Ziou wiederkehrt."
d. TanchB ^ha ij 2 (I "): „Lustig sein werden Steppe u. Wüste" Jes 35, 1 ff. Weshalb
heißt es so? Um dich zu lehren, daß Gott, wenn er seine Sch'^khina über Israel offen-
bart, all sein Heil nicht auf Einmal offenbart, weil sie darin nicht würden bestehn
können; denn wenn er ihnen sein Heil auf Einmal offenbarte, so würden sie alle
sterben. 2 Sieh, was geschrieben steht Jes 64, 3: „Seit Ewigkeit hat man es nicht ver-
nommen, nicht gehört" usw. Geh u. lerne von Joseph: als dieser sich seinen Brüdern
nach einer Reihe von Jahren offenbarte, sprach er zu ihnen: „Ich bin Joseph"; seine
Brüder aber vermochten ihm nicht zu antworten, denn sie waren ihm gegenüber be-
stürzt" (Gn45, 3). Wieviel mehr würde das Gotte gegenüber gelten! Was wird also
Gott tun? Er offenbart sich ihnen ganz allmählich. Zuerst macht er fröhlich die Berge,
s. Jes 35, 1; dann frohlockt die Steppe (das.), dann blüht sie blühend auf (das. Vers 21;
dann wird ihr die Herrlichkeit des Libanon verliehen (das.l; dann werden sie die
Herrlichkeit Jahves schauen, die Pracht unsres Gottes (das.). Deshalb hat David ge-
sagt Ps 102, 17: Wenn Jahve Zion baut, wird er in seiner Herrlichkeit gesehen. Ferner
heißt es Jes 52, 8: Auge in Auge sehen sie, wenn Jahve nach Zion wiederkehrt; ferner
Jes 25, 9: „Sagen wird man an jenem Tage: Siehe, unser Gott ist dies, auf den wir
harrten, daß er uns helfe" usw. — Dasselbe Tanch nha l^. ii Tanch i=i)i2 190'': Gott
spricht: In dieser Welt sind die Söhne Levis, weil sie meine Herrlichkeit sahen, dahin-
1 Zu der Gleichung Weisheit = Tora s. zB Midr Spr 2 § 7 (25»): Von der Stunde an,
da ein Mensch in seiner Mutter Leib gebildet wird, wird jene Tora, die er einst lernen
soll, für ihn aufbewahrt; vgl. Spr 2, 7: „Er verwahrt den Unsträflichen die Weisheit."
2 Diesen Gedanken vertritt R. Chijja (um 200) pB^rakh I, 2c, 38: pJoma 3, 40b, .35;
Midr EsthS, 15 (100b); Midr HL 6, 10 (124«); R. Chijja u. R. Schimfon b. Chalaphta (um
190) Midr Ps 22 § 13 {9i^); R. Judan (um 350) Midr Ps 18 § 30 (81b).
214 Matth 5, 8 (SB 2)
geschwunden, vgl. Ex 33, 20: , Nicht wird ein Mensch mich sehn u. leben bleiben."
Aber in der Zukunft (in den Tagen des Messias), wenn ich meine Sch'^khina nach Zion
zurückkehren lasse, werde ich mich über ganz Israel offenbaren, u. sie werden mich
sehn u. ewiglich leben, vgl. Jes 52, 8: „Auge in Auge sehen sie" usw. Und nicht bloß
dies, sie werden auch mit dem Finger auf ihn weisen, s. Ps 4"!, 15: „Dies ist Gott, unser
Gott, immer u. ewig!" Ferner s. Jes 25, 9 (wie oben). — Dasselbe TanchB -^aitj: § 20 (9b).
Nicht näher bestimmbar ist die Zeit des Schauens Gottes P'^siqR 1 (2^): „Alles
Fleisch ^vz wird kommen, um anzubeten vor meinem Angesicht" Jes H6, 23. Es heißt
nicht alle „Israeliten" werden kommen, sondern alles „Fleisch". R. Pin'^chas (um 360)
hat gesagt: Was heißt „alles Fleisch"? Jeder, dessen böser Trieb „Fleisch" ^ wird in
dieser Welt, ist würdig, das Angesicht der Sch^'khina zu schauen, vgl. Jes 33, 15: „Wer
seine Augen verschließt, daß er nichts Böses sehe." Was folgt darauf? „Den König n
seiner Schöne (Gott in seiner Herrlichkeit) sollen seine Augen schauen" (das. Vers 17). —
Da die Ausgangsstelle Jes 66, 28 in der Regel auf die Zeit nach der Auferstehung u.
dem Endgericht gedeutet wird, liegt es nahe, den Ausspruch des R. Pin*^chas auf die
eschatologische zukünftige Welt zu beziehen. || B^rakh 64*: R. Levi b. Cha3J''tha (gegen
350) hat gesagt: Wer aus der Synagoge ins Lehrhaus geht u. mit der Tora sich be-
schäftigt, der ist würdig, das Angesicht der Sch'^khina zu begrüßen, vgl. Ps84, 8: Sie
gehen von Schar zu Schar, erscheinen vor Gott auf Zion. — Man wird an die Tage
des Messias oder an die eschatologische zukünftige Welt zu denken haben. — Das-
selbe MQ 29"; hier ist hinter R. Levi zu ergänzen „b. Chajj'tha" ; in Midr Ps 84 § 4
(186'") sind „unsre Lehrer" als Autoren genannt. i| NuR 8 (US''): Du findest vier Ab-
teilungen (Klassen), die vor Gott stehn werden, wie es heißt (Jes 44, 5): „Der wird
sagen: Jahve gehöre ich" usw. „Der wird sagen: Jahve gehöre ich", siehe, der gehört
ganz Gott an, keine Sünde haftet ihm an. „Und der wird sich mit Jakobs Namen
benennen" (das.), das sind die Ganzproselyten pis -i;; „u. der wird sich eigenhändig
Jahve verschreiben", das sind die Bußfertigen; „u. mit dem Namen Israels sich be-
nennen", das sind die Gottesfürchtigen (die im NT cf^oßot\uEyot oder asßö/ueyoi roy ^^söv
genannten Proselyten). — Der Inhalt der Stelle w6ist auf die Tage des Messias hin.
Nach den vorstehenden Stellen ist es der alten Synagoge ein durch-
aus geläufiger Gedanke gewesen, daß einst eine Zeit kommen werde,
in der Israel Gott von Angesicht zu Angesicht werde sehn dürfen,
insonderheit daß in diesem Schauen Gottes die höchste Seligkeit der
Gerechten in der himmlischen Welt der Seelen bestehn werde. Hierin
herrscht also Übereinstimmung mit der Seligpreisung. Dagegen findet
«ich in der rabbin. Literatur keine Stelle, in der das Schauen Gottes
von der Reinheit des Herzens abhängig gemacht würde. Des Schauens
Gottes dürfen sich versichert halten die Rechtschaffenen n^-uji (Midr Ps
1 1 § 6, S. 2 10), die, welche daherkommen in der Kraft ihrer Torakenntnis
u. ihrer guten Werke, die Schrift- u. Mischnalehrer, die die Kinder
treulich unterrichten (P'^siq 179 '', S. 210 f.), ferner wer fleißig Synagoge
u. Lehrhaus besucht (B'^rakh 64^, S. 214), wer den Armen Almosen
spendet (BB 10^ S. 212), auch wer bedacht ist auf die Beobachtung
des Schaufädengebotes (M«n43^ S. 211). Es zeigt sich auch hier, wie
Jesu Blick nicht an einer einzelnen Tugend, an einer einzelnen Leistung
des Menschen hangen bleibt, sondern immer auf das Zentrum, auf das
^ Gemeint ist der, dessen steinernes Herz nach Ez 11, 19 zu einem fleischernen
Herzen wird. So spricht R. Chizqijja (um 350) Sota 5^ von dem, der sein Herz zu
Fleisch i-aa: macht.
Matth 5, 8 (SB 2). 5, 9 (Nr. 1) 215
Herz des Menschen schaut; darum die reinen Herzens sind, die
werden Gott schauen, — Jesu Wort am nächsten kommt der Ausspruch
des R. Meascha (um 300), der das Schauen der Sch'^khina dem in Aus-
sicht stellt, der seine Augen nicht an Schändlichem weidet; denn das
Verschließen der Augen vor allem Garstigen setzt am ehesten das
reine Herz voraus; s. LvR 23 (122'') S. 211. Ferner der Ausspruch des
R. Pin«'chas (um 360), der den für würdig erklärt, das Angesicht der
Sch'^khina zu schauen, dessen böser Trieb (steinernes Herz) sich hat
umwandeln lassen in das neue fleischerne Herz, s. P'^'siqR 1 (2«) S. 214.
5,9: Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes
Kinder heißen. siQrjvoTioiög = ni^u: najis' oder '^ b-^-j^a oder '^ diöd.
1. Lob u. Lohn des Friedens u. des Friedenstifters.
M^kh Ex 20, 25 (81 »): R. Jochanan b. Zakkai (f um 80) hat gesagt: Siehe, es heißt
Dt 27, 6: „Aus unversehrten (msV-c) Steinen sollst du den Altar bauen", das sind
Steine, die Frieden, ai's», stiften. Siehe, da gilt der Schluß vom Leichteren auf das
Schwerere: wenn Gott in bezug auf die Steine des Altars, die weder sehen noch hören
noch reden, darum weil sie Frieden zwischen Israel u. ihrem Vater im Himmel stiften,
gesagt hat: „Du sollst kein Eisen über sie schwingen" — um wieviel mehr gilt dann
von dem, der Frieden zwischen zwei Männern oder zwischen einem Mann u. seinem
Weibe oder zwischen zwei Städten oder zwei Nationen oder zwei Regierungen oder
zwei Familien stiftet, daß über ihn keine Strafe kommen wird! — Dasselbe Tanch
•-ir- (901^) mit der Lohnverheißung an den Friedenstifter, daß man ihm seine Lebens-
jahre verlängere. — In TBQ 7, 7. 8 ist der Ausspruch stark abweichend. |I SNu 6, 26 § 42
(12''): Groß ist der Friede; denn um seinetwillen hat Gott den Vorfall mit der Sara
in der Schrift verändert, s. Gnl8, 13: Sollte ich wirklich gebären, da ich doch alt
geworden bin? (so gibt Gott vor Abraham die Worte Saras wieder, die nach Vers 12
lauteten: Da doch mein Herr [Abraham] alt ist. Gott änderte, damit Abraham nicht
durch Saras Worte erzürnt würde, also um des ehelichen Friedens willen). — Groß ist
der Friede; denn der Engel hat um des Friedens willen Änderungen vorgenommen
(s. Ri IS, 3. 13). — Groß ist der Friede; denn um seinetwillen wird der in Heiligkeit
geschriebene Jahvename in (statt hy ist mit Nu 5, 23 '^s zu lesen) das Wasser aus-
gewischt, um Frieden zwischen einem Mann u. seinem Weibe zu stiften. — R. Elfazar
(b. Scbammua?, um 150) hat gesagt: Groß ist der Friede; denn die Propheten haben
in den Mund aller Menschen nur den Frieden gelegt (ob Friedensgruß gemeint?). —
R. Schimf on b. Chalaphta (um 190) sagte: Groß ist der Friede; denn kein andres Gefäß
faßt den Segen (Gottes für Israel) als nur der Friede, s. Ps 29, 11: Jahve wird Stärke
seinem Volk verleihen; segnen wird Jahve sein Volk mit dem Frieden. (Dieser Aus-
spruch bildet den Schluß der Mischna.) — R. Elfazar Ha-qappar (um 180) hat gesagt:
Groß ist der Friede; denn Gott hat alle Segenssprüche mit dem Frieden geschlossen,
s. Nu 6, 26: Jahve erhebe sein Angesicht auf dich u. gebe dir Frieden! — R. El?azar
b. Ehazar Ha-qappar (um 210) hat gesagt: Groß ist der Friede; denn selbst die Götzen-
diener, solange Frieden unter ihnen ist, darf der Satan nicht anrühren, s. Hos 4, 17:
„Mit Götzen verbunden ist Ephraim — laß es in Ruh!" Als sie sich aber in Parteien
teilten, heißt es: „Geteilt ist ihr Herz; nun sollen sie es büßen" (Hos 10, 2). Siehe, groß
ist der Friede u. verhaßt die Zwietracht. ^ — Groß ist der Friede; denn selbst in der
Stunde des Kampfes sind wir auf den Frieden verwiesen, s. Dt 20, 10: Wenn du dich
einer Stadt nahst, um gegen sie zu kämpfen, so rufe sie zum Frieden auf. . . . Groß
ist der Friede; denn selbst die Toten bedürfen des Friedens, s. Gn 15,15: Du wirst in
Nach GnR 38 (23^) gehört dieser Ausspruch Rabbi an.
216 Matth 5, 9 (Nr. 1 )
Frieden zu deinen Vätern eingehn; feiner s. Jer 34, 5: Im Frieden wirst du sterben. —
Groß ist der Friede; denn er wird denen gegeben, die Buße tun, s. Jes 57, 19: ,Der
da scliafft Frucht der Lippen, Frieden, Frieden den Fernen (die in Buße zurückgekehrt
sind) u. den Nahen." — Groß ist der E'riede, denn er ist zum Anteil der Gerechten
bestimmt, s. Jes 57, 2: „Er geht ein zum Frieden, ruhen werden sie auf ihren Lagern." —
Groß ist der Friede; denn er ist nicht zum Anteil der Gottlosen bestimmt, s. Jes 48, 22:
, Keinen Frieden, spricht Jahve, gibt es für die Gottlosen." — Groß ist der Friede;
denn er wird denen gegeben, die die Tora liebhaben, s. Ps 119, 165: „Großen Frieden
haben, die deine Tora lieben." — Groß ist der Friede; denn er wird den Sanftmütigen
gegeben, s. Ps 37, 1 1 : „Die Sanftmütigen werden das Land in Besitz nehmen u. ihre
Lust haben an Friedensfülle." — Groß ist der Friede; denn er wird denen gegeben,
die die Tora lernen, s. Jes 54, 13: „Alle deine Kinder werden Jünger Jahves sein u.
groß der Friede deiner Kinder." — Groß ist der Friede; denn er wird denen gegeben,
die Wohltat üben, s. Jes 32, 17: „Es wird das Werk des Wohltuns (so der Midr) Friede
sein," — Groß ist der Friede; denn der Name Gottes heißt „Friede", s. Ri6, 24: „Er
nannte ihn: Jahve Friede I" — R. Chananja, der Vorsteher der Priester (um 70), hat
gesagt: Groß ist der Friede; denn er wird dem ganzen Schöpfungswerk gleichgestellt,
wie es heißt: „Denn siehe, der Bildner der Berge u. Schöpfer des Geistes, der Frieden
schafft u. Unheil hervorbringt." ' — Groß ist der Friede; denn siehe, die Oberen
(= Engel) bedürfen seiner, s. Hi25, 2: Herrschaft u. Schrecken ist bei ihm, er schafft
Frieden in seinen Höhen. ^ — Die hauptsächlichsten Parallelstellen sind LvR 9 (111^),
meist mit Angabe der Autoren für die in Siphre anonym überlieferten Aussprüche;
NuR 1 1 (164 b); J«b 65b; DtR 5(202 c-d); vgl. auch mVrn p^r. || pSota 1, 16d, 37: R. Z«-
kharja (so lies statt Z'^badja), der Schwiegersohn des R. Levi (um 300), hat folgende
Geschichte erzählt. R. Me'ir (um 150) pflegte alle Sabbatvorabende in der Synagoge
von Chamtha (Vorstadt von Tiberias) einen öffentlichen Vortrag zu halten. Dort befand
sich eine Frau, die ihn zu hören pflegte. Eines Tages dehnte der Vortragende seinen
Vortrag etwas lang aus. Sie entfernte sich, um nach Hause zu gehn, u. fand die
Lampe ausgelöscht. Ihr Mann sprach zu ihr: Wo bist du gewesen? Sie antwortete:
Zum Anhören des Vortrags des Vortragenden. Er sprach zu ihr: Mir soll das u. das
geschehen, wenn du hier in das Haus kommst, bevor du nicht hingehst u. dem Vor-
tragenden in sein Angesicht speist! R. Meir schaute solches im heiligen Geist (kraft
prophetischer Begabung) u. stellte sich, als litte er an seinen Augen. Er sprach: Jede
Frau, die einen Spruch gegen Augenschmerzen zu flüstern weiß, komme u. flüstere
ihn. Da sprachen ihre Nachbarinnen zu ihr: Siehe, deine Zeit ist gekommen, daß du
wieder in dein Haus gehn kannst. Stelle dich, als ob du ihm einen Spruch zuflüstern
wolltest, u. speie ihm dabei in seine Augen. Sie ging zu ihm. Er sprach zu ihr: Ver-
stehst du die Augen zu besprechen? Aus Furcht vor ihm antwortete sie: Nein! Da
^ Das Zitat ist eine Verbindung von Amos 4, 13 mit Jes 45, 7 u. beweist nicht,
was es beweisen soll. In SLv 2ti, 6 (449") lesen wir: Wenn ihr sagen wolltet: „Siehe,
da ist Speise, siehe, da ist Trank", wenn kein Friede da ist, so ist nichts da. Deshalb
sagt die Schrift lehrend Lv26, 6: „Ich gebe Frieden im Lande"; das zeigt, daß der
Frieden alles aufwiegt. Und ebenso lehrt Jes 45, 7: „Der Frieden bereitet u. das All
schafft", daß der Frieden alles aufwiegt. — Auch dieses Zitat entspricht nicht dem
masorethischen Text, wohl aber der Regel B'rakh Hb; „Es steht geschrieben Jes 45, 7
?- Unheil, aber wir lesen bsrr alles." So wird auch oben in der Siphrestelle zu lesen
sein: „Der Frieden bereitet u. das All schafft." Dann steht der „Frieden" dem „All"
gegenüber, so daß in haggadischer Weise gesagt werden kann: Der Friede wiegt das
All auf. — Auch in dem 1. Lobspruch vor dem Morgen- Schema? wird Jes 45, 7 mit
den Worten zitiert: „Der das Licht gebildet u. die Finsternis geschaffen, der den
Frieden bereitet u. das All schafft. ..."
2 R. Ja?aqob aus K'phar Chanin, um 280, sagt: hx^n „Herrschaft", das ist Mikhael,
der aus Schnee besteht, u. inr „Schrecken", das ist Gabriel, der aus Feuer besteht,
Pesiq3"; Midr HL zu 3, 11 (lOSbj; nach NuR 12 (166b) ist R. Jochanan, f 279, der Autor.
Matth5,9 (Nr. 1) 217
sprach er zu ihr: So speie siebenmal hinein, das wird ihnen heilsam sein! Nachdem
sie hineingespieen, sprach er zu ihr: Geh, sage deinem Mann: Einmal hattest du es
mir befohlen, u. siebenmal habe ich gespieen! Da sprachen seine Schüler zu ihm:
Rabbi, macht man denn so die Tora verächtlich? Wenn du es uns gesagt hättest,
würden wir ihn dann nicht haben kommen u. mit Ruten (lies n^psc statt n-Vcsc)
züchtigen la&sen, bis er sich mit seiner Frau aussöhnte? Er antwortete: Soll es denn
mit Me'irs Ehre nicht gehalten werden, wie mit der Ehre seines Schöpfers? Wenn der
heilige Name (Jahve), der in Heiligkeit geschrieben ward, nach dem Wort der Schrift
in das Wasser hinein (lies nach Nu 5, 23 ü"o Vs statt '^ hy) ausgelöscht werden soll,
um Frieden zwischen einem Mann u. seinem Weibe zu stiften — sollte das nicht um
soviel mehr von der Ehre Meirs gelten? — Dasselbe LvR 9 (111 b); NuR 9 (1531^); DtR 5
(202*^). I! Gittin 52*: Es waren einmal zwei Menschen, gegen die der Satan losgelassen
war. In jeder Abendstunde (nach Raschi: vor Sabbatanbruch) zankten sie miteinander.
R. Me'ir begab sich dorthin u. verweilte drei Abende bei ihnen, bis er Frieden zwischen
ihnen gestiftet hatte. Da hörte er, wie der Satan ausrief: Wehe, R. Meir hat mich aus
meinem Hause getrieben. |j Aboth 1,12: Hillel sagte: Sei von den Schülern Ahrons, der
den Frieden liebte u. dem Frieden nachjagte (vgl. Ps 34, 15), der die Menschen liebte u.
sie der Tora näherte. || Sanh 6^: Ahron liebte den Frieden u. jagte dem Frieden nach
u. stiftete Frieden zwischen den Leuten (wörtlich: zwischen einem Menschen u. dessen
Genossen), s. Mal 2, 6: , Wahrhaftige Rechtsprechung war in seinem Mund u. Schlech-
tigkeit ward nicht auf seinen Lippen gefunden. In Frieden u. Geradheit wandelte er
mit mir u. viele brachte er zurück von Verschuldung. " Nach TSanh 1,2 (415) ist
R. Eli?ezer b. Jose Ha-g'*lili, um 150, der Autor. || Aboth R. Nathan 12: R. Meir (um
150) hat gesagt: Was heißt Mal 2, 6: , Viele brachte er von Verschuldung zurück"?
Wenn Ahron sich unterwegs befand u. einem bösen Menschen begegnete, so entbot er
ihm den Friedensgruß. Wenn jener Mensch am nächsten Tage eine Übertretung be-
gehn wollte, sprach er: Wehe mir, wie könnte ich mein Auge aufschlagen u. Ahron
anblicken! Ich muß mich vor ihm schämen, da er mich gegrüßt hat. So fand es sich,
daß jener Mensch selbst von der Übertretung sich zurückhielt. Ebenso wenn zwei
Menschen Streit untereinander anfingen, ging Ahron hin, setzte sich zu einem von
ihnen u. sprach: Mein Sohn, sieh, was dein Nächster sagt; er zermartert sein Herz u.
zerreißt seine Gewänder u. spricht: Wehe mir, wie soll ich mein Auge aufschlagen u.
meinen Nächsten anblicken! Ich muß mich vor ihm schämen; denn ich bin es, der
gegen ihn gesündigt hat. So saß er bei ihm, bis er die Feindschaft aus seinem Herzen
beseitigt hatte. Dann ging Ahron, setzte sich zu dem andren u. sprach: Mein Sohn,
sieh, was dein Nächster sagt; er zermartert sein Herz u. zerreißt seine Gewänder u.
spricht: Wehe mir, wie soll ich mein Auge aufschlagen u. meinen Nächsten anblicken!
Ich muß mich vor ihm schämen; denn ich bin es, der gegen ihn gesündigt hat. So
saß er bei ihm, bis er die Feindschaft aus seinem Herzen entfernt hatte. Und wenn
sich dann beide begegneten, so umarmten u. küßten sie sich. Deshalb heißt es Nu
20,29: Das ganze Haus Israel beweinte Ahron dreißig Tage lang. || Aboth R. Nathan 12:
Jage dem Frieden nach. Wie denn? Es lehrt, daß man in Israel dem Frieden zwischen
den einzelnen nachjagen soll, wie Ahron dem Frieden in Israel zwischen den einzelnen
nachgejagt hat, s. Ps 34, 15: , Suche Frieden u. jage ihm nach." R. Schim?on b. Elfazar
(um 190) hat gesagt: Wenn ein Mensch an seinem Wohnort stillsitzt u. schweigt, wie
kann der dem Frieden in Israel zwischen den einzelnen nachjagen, wie es heißt Ps
34,5: Jage ihm nach! Wie mag solches geschehn? „Suche ihn", nämlich an deinem
Ort, „u. jage ihm nach", nämlich an einem andren Ort. i| LvR 9 (110*^): R. Jannai (um
225) hat gesagt: Es heißt Ps 50,23: -^n ov.; das will sagen: Wer seinen Weg (= Hand-
lungsweise) abschätzt (das Textwort üb wird = cirj gedeutet), ist viel wert. Einmal
befand sich R. Jannai unterwegs u. sah einen Menschen, der vornehm gekleidet war.
Er sprach zu ihm: Würde wohl der Rabbi (für einen solchen hielt also Jannai den
Fremden) meine Bitte berücksichtigen, bei uns als Gast einzukehren? Jener antwortete:
Ja! R. Jannai führte ihn in sein Haus u. setzte ihm Speise u. Trank vor. Darauf forschte
218 . MatthS, 9 (Nr. 1)
«r ihn etwas nach seiner Schriftkenntnis aus, fand aber nichts. Desgleicheb in bezog
auf die mündliclie Tradition u. die Haggada u. die halakhische Schriftauslegung; aber
er fand nichts. Da sprach er zu ihm: Nimm den Becher u. sprich den Lobspruch (das
Tischgebet I. Jener antwortete: Möge Jannai in seinem Hause den Lobspruch sprechen!
R. Jannai fragte ihn: Vermagst du nachzusprechen, was ich dir sage? Er antwortete:
Ja. So sprich, entgegnete R. Jannai: Ein Hund hat sein Brot gegessen! Da erhob sich
jener, packte ihn an u. sprach: Wie, mein Erbteil bei dir willst du mir vorenthalten?
R. Jannai erwiderte: Dein Erbteil ist bei mir? Jener sprach: Einmal ging ich an einem
Schulhaus vorüber u. hörte, wie die Stimmen der Kinder sagten: Die Lehre trug uns
Mose auf als Erbteil der Gemeinde Jakobs Dt 83, 4. Als Erbteil für „Jakob" heißt es
hier nicht, sondern als Erbteil der , Gemeinde Jakobs" (u. dazu gehöre ich auch, wie
darfst du mir also die Lehre vorenthalten, indem du mich einen Hund nennst?). R. Jannai
sprach zu ihm: Weshalb bist du gewürdigt worden, an meinem Tisch zu speisen? Er
antwortete ihm: Mein lebelang habe ich kein böses Wort gehört u. habe es seinem
Urheber zurückgegeben, u. nie habe ich zwei Menschen miteinander streiten sehn, ohne
zwischen ihnen Frieden zu stiften. R. Jannai sprach zu ihm: Soviel gute Sitte findet
sich bei dir, u. ich habe dich einen Hund genannt! Da wandte er auf ihn das Wort
an: „Wer den Weg abschätzt, den will ich mit Lust sehn lassen das Heil Gottes" (so
Ps 50,23 nach dem Midr). !1 Pea I, 1: Von folgenden Dingen genießt der Mensch die
Früchte (Zinsen) in dieser Welt, während das Kapital (der volle Lohn) ihm stehn bleibt
für die zukünftige Welt: diese sind: das Ehren der Eltern, die Ausübung von Liebes-
werken, das Friedenstiften zwischen den Menschen u. das Studium der Tora, das jenen
allen gleichkommt. — Der Satz wird zitiert zB Schab ]2T^- Qid 40*. |! J'^b 109^: Bar
Qappara (um 220) hat gelehrt: Immer befasse sich der Mensch mit drei Dingen u. halte
sich fern von drei Dingen. Er befasse sich mit der Chali^a (Zeremonie des Schuh-
ausziehens zur Vermeidung der Leviratsehe), mit dem Friedenstiften u. mit der Auf-
lösung von Gelübden. Er halte sich fern von der Nichtigerklärung einer mit einer
Minorennen eingegangenen Ehe, von der Annahme von Depositen u. von Bürgschafts-
leistungen. — in pj4 l:^, 13^34 anonym; in GnR 93 (58"^) R. Chanina (um 225) als
Autor. II Tafan 22*: Inzwischen kamen zwei Männer einher, von denen der Prophet
Elias zu R. B^roqa von Chozai (wann?) sagte: Auch diese sind Kinder der zukünftigen
Welt. R. B^roqa ging zu ihnen u. sprach: Was ist euer Tun? Sie antworteten: Wir
sind Spaßmacher, die die Mißmutigen erheitern; auch wenn wir zwei Menschen sehen,
zwischen denen Streit ist, bemühen wir uns, ihnen Frieden zu schaffen. || B'^rakh 17*:
Ein häufiger Ausspruch im Munde des Abaje (f 338/39) war: Immer sei der Mensch
klug in Gottesfurcht u. mild in der Antwort; er stille den Zorn u. mehre den Frieden
mit seinen Brüdern u. seinen Verwandten u. allen Menschen, selbst mit den NichtJuden
auf dem Markte, damit er geliebt sei oben (im Himmel) u. viel begehrt unten u. wohl-
gelitten bei den Menschen. |i Aboth 1, 18: Rabban Schim?on b. Gamliel (um 140) pflegte
zu sagen: Auf drei Dingen steht die Welt: auf dem Recht, auf der Wahrheit u. auf
dem Frieden. — Hierzu bemerkt Pereq ha-schalom 21'"*: R. Mona (= Mani IL, um 370)
hat gesagt: Und die drei sind einunddasselbe: wird das Recht geübt, dann kommt die
Wahrheit auf, dann entsteht der Friede; u. die drei werden in Einem Vers erwähnt,
Sach 8, 16: , Wahrheit u. Recht des Friedens richtet in euren Toren." Überall, wo Recht
ist, ist Friede, u. überall, wo Friede ist, ist Recht.
Mehrfach (auch von Tal S. 45) wird zu Mt 5, 9 zitiert Sanh 7*: Sieben
Gruben dem a^i^^, (u. er fällt doch nicht hinein); aber eine (genügt)
für den, der Böses tut. Sch'^muel (f 254) sagte zu Rab J'^huda (f 299):
Es steht geschrieben, Spr24, 16: „Denn siebenmal fällt der Gerechte
u. steht wieder auf, aber der Frevler fällt in eine. — Schon Raschi
hat X5ia!:iü durch di^uj uj'ix = „Friedliebenden" erklärt; in Wirklichkeit
bedeutet es den „Vollkommenen".
Matth 5, 9 (Nr. 2) 219
2. vtol &eov. Der Ausdruck „Söhne" oder „Kinder Gottes" zur Be-
zeichnung der Israeliten, speziell der Frommen, begegnet:
Weisli 2, 13: (Der Gerechte) rühmt sich, Gotteserkenntnis zu haben, u. nennt sich
ein Kind des Herrn nmda xvqIov. | 2, 18: Ist der Gerechte ein Sohn Gottes vl6g &eov,
so wird der sich seiner annehmen u. ihn erretten aus seiner Widersacher Hand. | 9, 4:
Verleihe mir (Salomo) Weisheit, deines Throns Beisitzerin, u. schließe mich nicht aus
von deinen Kindern ex nccldioi' aov. i 9, 7: Du hast mich (Salomo) auserwählt zum König
deines Volkes u. zum Richter deiner Söhne u. Töchter viüjy aov xai dvyi^xiQixiv, \ 12, 1 9 ff.:
Du hast frohe Hoffnung gewährt deinen Kindern xovc, vloig aov (= den Israeliten),
weil du Buße gewährtest bei Sünden. Denn wenn du Feinde deiner Kinder ncäStüy
aov mit solcher Nachsicht bestraftest, mit welcher Achtsamkeit hast du da deine Söhne
rovg viovg aov gerichtet! ] 18, 13: Sie (die Ägypter) bekannten beim Sterben der Erst-
geburt, daß das Volk (Israel) Gottes Sohn r'^sov vlöv sei. — || Auch 2 Makk 7, 34 darf
mau rovg ovQariovg ncaSag nicht durch „himmlische Knechte" wiedergeben; vielmehr
ist ovQÜPioi TiaTdsg soviel wie , Kinder des Himmels" = Kinder Gottes. || So heißt es
in bezug auf die Gerechten Henoch 101, 1: All ihr Kinder des Himmels (= Gottes),
betrachtet den Himmel u. jedes Werk des Höchsten; fürchtet euch vor ihm u. tut
nichts Böses vor ihm. | Henoch 62, 11: Die Strafengel werden sie (die Könige u. Mäch-
tigen der Erde) in Empfang nehmen, um an ihnen Rache dafür zu nehmen, daß sie
seine (Gottes) Kinder u. Auserwählten mißhandelt haben. — |1 Jubil 1, 24 f.: Ihre (der
Israeliten) Seele wird mir (Gott) folgen u. meinem ganzen Gebote (nämlich in der
Endzeit), u. sie werden nach meinem Gebote tun, u. ich werde ihnen Vater sein u. sie
werden mir Kinder sein. Und sie alle sollen Kinder des lebendigen Gottes heißen, u.
alle Engel u. alle Geister werden wissen u. werden sie kennen, daß sie meine Kinder
sind, u. ich ihr Vater bin in Festigkeit u. Gerechtigkeit, u. daß ich sie liebe. — || Ps
Sal 17,27: Er (der Messias) läßt nicht zu, daß ferner Unrecht in ihrer (der Israeliten)
Mitte weile . , .; denn er kennt sie, daß sie alle Söhne (Kinder) ihres Gottes sind ort
nävreg viol &6ov kvtwi' siai. || Midr Esth Einl. (82^): Abba Gorjon aus Sidon (um 180?)
hat fünf Worte im Namen des Rabban Gamliel (II., um 90) gesagt: . . . Seitdem die
geliebten Kinder s-'a-an s":2 mit ihren Taten ihren Vater im Himmel erzürnten, ließ er
ihnen einen ruchlosen König erstehn u. bestrafte sie. Und wer war das? Achaschverosch.
Parallelstelle: Midr Abba Gorjon Anf., ohne Gamliels Namen. || Aboth 3, 14: R. f Aqiba
pflegte zu sagen: Geliebt sind die Israeliten; denn sie sind Söhne Gottes oipa^ d'js
genannt worden. Als eine besondere Liebe wurde ihnen kundgetan, daß sie Söhne
Gottes genannt worden sind, s. Dt 14, 1 : Söhne seid ihr Jahve, eurem Gotte. . . . || BB 10":
R. ? Aqiba sprach zu dem Statthalter Ruf us: Ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit
läßt sich das vergleichen? Mit einem König von Fleisch -u. Blut, der über seinen Sohn
zürnte u. ihn ins Gefängnis werfen ließ u. befahl, daß man ihm weder Speise noch
Trank reiche. Da ging ein Mensch hin u. reichte ihm Trank. Als das der König hörte,
wird er ihm nicht ein Geschenk übersandt haben? Auch wir heißen Kinder (Gottes),
s. Dtl4, 1: „Söhne seid ihr Jahve, eurem Gotte." Jener antwortete: Ihr heißt Kinder
u. ihr heißt Knechte: wenn ihr den Willen Gottes tut, heißt ihr Kinder, u. wenn
ihr nicht den Willen Gottes tut, heißt ihr Knechte; u. jetzt tut ihr nicht den Willen
Gottes. ... II Midr Panim acherim, Rez. II, ed. Buber 41'*: (R. Me'ir, um 150, sagte zu
einem Befehlshaber:) Auch wir sind Kinder Gottes s^p-c ^tti vjs; aber wegen des Hoch-
muts, der in uns war, erzürnten wir ihn u. wurden gegen ihn widerspenstig. . . . |1 P 'siqR
5(l4t): R. J%uda b. Schalem (um 370) hat gesagt: Mose wünschte, daß die Mischna
(traditionelle Lehre) schriftlich gegeben würde; Gott aber sah, daß die Völker dereinst
die Tora übersetzen u. griechisch lesen würden u. sagen, daß jene (die Israeliten) nicht
(das wahre) Israel seien. Gott sprach zu ihm: Siehe, Mose, die Völker werden einst
sagen: Wir sind (das wahre) Israel, wir sind die Kinder Gottes aip« hv 1-33. Und die
Israeliten werden sagen: Wir sind die Kinder Gottes! Und noch halten sich die Wag-
schalen das Gleichgewicht. Dann wird Gott zu den Völkern sagen: Wie sagt ihr denn,
220 ^atth 5, 9 ^Nr. 2). 5, 10 (Nr. 1)
daß ihr meine Kinder ^^iz seid? Ich weiß nur, daß der, der mein Geheimnis in seinem
Besitz hat, mein Sohn '3= ist! Sie antworten ihm: Was ist denn dein Geheimnis? Er
spricht zu ihnen: Das ist die Mischna (die traditionelle Gesetzesauslegung, die sog.
mündliche Tora). — Mit den „Völkern" ist hier der Zeit des R. J'^huda b. Schalom ent-
sprechend das christianisierte römische Reich gemeint. — Parallelstellen: Tanch si^i
2-2b; TanchB s"^-^ § 6 (44b); Tanch svr^ '= 120b. || DtR 7 (204«): R. J'^huda b. Schalom
(um 370) hat gesagt: Gott sprach zu Israel: Wann heißet ihr meine Kinder -:=? Wenn
ihr meine Reden annehmt, vgl. Spr2, 1. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem
König, zu dem sein Sohn sagte: Kennzeichne mich (gib mir ein Abzeichen) im Lande,
daß ich dein Sohn bin. Sein Vater sprach zu ihm: Du hast den Wunsch, daß alle
wissen möchten, daß du mein Sohn bist? Lege meinen Purpurmantel an u. setze meine
Krone auf dein Haupt, so werden alle wissen, daß du mein Sohn bist. Ebenso sprach
Gott zu den Israeliten: Ihr habt den Wunsch, gekennzeichnet zu werden, daß ihr meine
Kinder -:a seid? Beschäftigt euch mit der Tora u. den Gebotserfüllungen, so werden
alle sehn, daß ihr meine Kinder seid. — Oder: wann seid ihr meine Kinder ":;? Wenn
ihr meine Reden annehmt, vgl. Spr 2, 1. — Wesentlich das gleiche besagt der Satz pQid
1, 61 '=, 86: Wenn die Israeliten Gottes Willen tun, heißen sie Söhne (Kinder) wiz, wenn
sie aber nicht Gottes Willen tun, heißen sie nicht Söhne. — Qid 26^ Bar: Kinder seid
ihr Jahve, eurem Gotte (Dt 14, l): Wenn ihr euch nach Art der Kinder führt, heißt ihr
Kinder; wenn nicht, heißt ihr nicht Kinder. Das sind Worte des R. J'^huda (um 150).
R. Meir sagte: Ob so oder so, ihr heißt (immer) Kinder; s. Jer4, 22: „Einfältige Kinder
sind sie"; ferner Dt32,20: „Kinder, auf die kein Verlaß ist"; ferner Jesl,4: „Saat
von Missetätern, heillose Söhne"; ferner Hos 2, 1 : „Es wird geschehn, anstatt daß man
zu ihnen sagte: , Nicht mein Volk seid ihr', wird man sie heißen , Söhne des lebendigen,
Gottes'." Was ist mit „ferner" gemeint? Wenn du sagen wolltest: „Einfältige", ja
dann werden sie Kinder genannt; wenn aber in ihnen keine Treue ist, dann werden
sie nicht Kinder genannt — so komm u. höre: es heißt auch: „Kinder, auf die kein
Verlaß ist." Und wenn du sagen wolltest: Wenn in ihnen kein Verlaß ist, ja dann
werden sie Kinder genannt; wenn sie aber Götzendiener sind, dann werden sie nicht
Kinder genannt — so komm u. höre: es heißt auch: „Saat von Missetätern, heillose
Söhne." Und wenn du sagen wolltest: „Heillose Söhne", ja dann werden sie Kinder
genannt, aber gute (fromme) Kinder werden sie nicht genannt — so komm u. höre:
es heißt auch: „Es wird geschehn, anstatt daß man zu ihnen sagte: , Nicht mein Volk
seid ihr', wird man sie heißen , Söhne des lebendigen Gottes'" (Raschi: der Buße wegen). ||
GnR'20 (13b) bei Mt 5, 11 5B, Nr. 4.
Häufig wird Gott die Anrede: „meine Kinder" •'ii, •'^::i an Israel in
den Mund gelegt, zB DtR 7 (204«).
Eine Stelle, in der die Friedfertigen oder die Friedenstifter durch
die Bezeichnung „Gottes Kinder" belohnt würden, ist uns in der
rabbin. Literatur nicht bekannt geworden.
5, 10: Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden.
1. Gott hält es mit den Verfolgten.
BQ 933 : R. Abbahu (um 800) hat gesagt: Immer gehöre der Mensch zu den Ver-
folgten u. nicht zu den Verfolgern; denn unter den Vögeln hast du keinen, der mehr
verfolgt würde als die Turteltaube u. die junge Taube; u. sie (allein) hat die Schrift
als tauglich für den Altar erklärt. II LvR 27 (123'): „Gott sucht den Verfolgten" (d.h.
Gott nimmt sich seiner an, so wird Qoh 3, 15 vom Midr gedeutet). R. Huna (um 850)
hat im Namen des Rab Joseph (f 338) gesagt: Immer sucht Gott den Verfolgten. Du
findest, wenn ein Gerechter einen Gerechten verfolgt, so sucht Gott den Verfolgten;
wenn ein Gottloser einen Gottlosen verfolgt, so sucht Gott den Verfolgten; selbst
wenn ein Gerechter einen Gottlosen verfolgt, sucht Gott den Verfolgten. Überall sucht
Matth5, 10(Nr.l.2) 221
Gott den Verfolgten. R. J^huda b. Simon (um 320) hat im Namen des R Jose b. N'^horai
(um 2ö0) gesagt: Immer fordert Gott das Blut der Verfolgten von den Verfolgern. Daß
es sich also verhält, kannst du an folgendem erkennen: Abel wurde von Qain ver-
folgt, u. Gott erwählte Abel, s. Gn 4, 4. Noah wurde von seiner Generation verfolgt,
u. Gott erwählte nur Noah, s. Gn 7, 1. Abraham wurde von Nimrod verfolgt, u. Gott
erwählte Abraham, s. Neh 9, 7. Isaak wurde von den Philistern verfolgt, u. Gott er-
wählte Isaak, s. Gn 26, 28. Jakob wurde von Esau verfolgt, u. Gott erwählte Jakob,
s. Ps 135, 4. Joseph wurde von seinen Brüdern verfolgt, u. Gott erwählte Joseph, s.
Ps 81, 6. Mose wurde vom Pharao verfolgt, u. Gott erwählte Mose, s. Ps 106, 23. David
wurde von Saul verfolgt, u. Gott erwählte David, s. Ps 78, 70. Saul wurde von den
Philistern verfolgt, u. Gott erwählte Saul, s. 1 Sm 10, 24. Israel wird von den Völkern
verfolgt, u. Gott hat Israel erwählt, s. Dt 14, 2. — R. El?azar (um 270) hat im Niimen
des R. Jose b. Zimra (um 2'2.0) gesagt: Auch bei den Opfern ist es so. Gott hat ge-
sagt: Der Ochse wird vom Löwen verfolgt, die Ziege wird vom Panther verfolgt, das
Lamm wird vom Wolf verfolgt: bringet vor mir von den Verfolgten, aber nicht von
■den Verfolgern (als Opfer) dar, s. Lev 22, 27. — Parallelstellen: Midr Qoh 3, 15 (20b);
P«siq 76 a; TanchB ni^s § 12 (46-'^).
2. Die Stellung der offiziellen Synagoge zum Martyrium.
Die hadrianischen Verfolgungsedikte, die die Beschäftigung mit der
Tora u. die Ausübung der religionsgesetzlichen Bestimmungen verboten,
s. BB 40'^; M'kh Ex 20, 6 (75'^), stellten die Führer des Volkes vor die
Frage, ob sie von diesem die Treue gegen das väterliche Gesetz allen
kaiserl. Verordnungen zum Trotz fordern, d. h. ihm das Martyrium zu-
muten sollten, oder ob Nachsicht u. Straflosigkeit allen denen zu-
zubilligen sei, die aus Leidensscheu jenen Edikten sich fügen würden.
Zur Entscheidung der Frage trat in Lydda eine Versammlung von Ge-
lehrten zusammen, s. Sanh 74*: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des
R. Schim^on b. J'^ho^adaq (um 225) gesagt: Man stimmte ab u. beschloß
im Söller des Nithza zu Lydda: „Von allen Übertretungen in der Tora
gilt, daß, wenn man zu einem Menschen sagt: ,Übertritt, damit du
nicht getötet werdest', er sie übertreten darf, um nicht getötet zu
werden, ausgenommen Götzendienst, Blutschande (Unzucht) u.Mord." —
Parallelstellen: pSch''bi?ith 4, 35% 42; pSanh 3, 2P, 10. — R. Jischma^el
(t um 135) wollte noch weitere Rücksicht auf die Schwachen genommen
wissen. Sanh 74 '^ Bar: R. Jischma^el sagte: Woher läßt sich beweisen,
daß, wenn man zu einem Menschen sagt: , Diene dem Götzen, damit
du nicht getötet werdest', er die Übertretung begehn darf, um nicht
getötet zu werden? Die Schrift sagt lehrend Lv 18,5: „daß er durch
sie (die Gebote u. ihre Erfüllung) lebe", aber nicht: „daß er durch
sie sterbe." Darf er die Übertretung etwa auch öffentlich begehn? Die
Schrift sagt lehrend (Lv 22,32): „Entweihet nicht meinen heiligen
Namen, damit ich geheiligt werde" (u. öffentlich begangener Götzen-
dienst würde eine Entheiligung des göttl. Namens bedeuten). — Diese
Bar auch SLv 18, 5 (338''). — Während also die Mehrzahl der Gelehrten
allen Übertretungen gegenüber mit Ausnahme des Götzendienstes, der
Blutschande u. des Mordes Nachsicht will walten lassen, ist R. Jisch-
ma'el bereit, auch erzwungenen Götzendienst, falls er nur nicht öffent-
222 Matth 5, 1-0 (Nr. 2)
lieh ausgeübt wird, straffrei zu lassen. Doch drang R. Jischma?el mit
seiner Meinung nicht durch. Es blieb daher dabei, daß alle Über-
tretungen, zu denen ein Israelit in der Verfolgungszeit gezwungen
wurde, ihm nachgesehen werden sollten; nur wenn er zu einer der
genannten drei Hauptsünden genötigt würde, habe er das Martyrium
auf sich zu nehmen.
Graetz, Gesch. der Juden ^ 4, 463 f. hat die Vermutung ausgesprochen,
daß mit diesem Beschluß von Lydda die Qid 40*^ berichtete Verhand-
lung in Verbindung gestanden habe: Einmal saßen R. Tarphon u. die
Ältesten im Söller des Hauses des Nithza in Lydda. Vor ihnen wurde
die Frage aufgeworfen: Ist das Studium (der Tora) größer (wichtiger)
oder die Ausübung (der einzelnen religionsgesetzl. Satzungen)? R. Tar-
phon antwortete u. sprach: Die Ausübung ist größer. R. ^Aqiba sprach:
Das Studium ist größer. Alle antworteten: Das Studium ist größer,
denn das Studium führt zur Ausübung. — Nachdem man der Laien-
welt die Einstellung der praktischen Religionsausübung bei drohender
Gefahr gestattet hatte, mußte sich die Frage aufdrängen, wie es in
dieser Hinsicht mit der Lehrtätigkeit der Rabbinen u. dem Torastudium
ihrer Schüler zu halten sei: darf die Beschäftigung mit der Tora an-
gesichts der kaiserl. Edikte aufgegeben werden, oder ist sie trotz den
mit ihr verbundenen Gefahren beizubehalten? R. Tarphon vertrat die
Ansicht: nachdem man für die Einstellung der nach seinßr Meinung
wichtigeren religiösen Praxis Nachsicht bewilligt habe, könne man
diese auch denen nicht vorenthalten, die die minder wichtige Be-
schäftigung mit der Tora aufgäben. Allein die übrigen Gelehrten,
namentlich R. fAqiba, erklärten mit Erfolg, daß das Studium der Tora
wichtiger sei als ihre praktische Ausübung. Darin lag, daß die Ge-
lehrten in keinem Fall ihre Lehrtätigkeit einzustellen, sondern um
ihretwillen unbedingt dem Martyrium sich zu unterziehn hätten. Es
kann sein, daß mit dieser Auslegung des zweiten Beschlusses von
Lydda sein eigentlicher Sinn getroffen ist; nur darf man darauf kein
besonderes Gewicht legen, daß dieser Beschluß an derselben Stätte
gefaßt sei, wie der zuerst genannte, der die Laienwelt betraf; denn
sämtliche Parallelstellen SDt 11, 13 § 41 (79»^); pChag 1, 76«, 42. 45 u.
Midr HL 2, 14 (lOP) nennen andre Örtlichkeiten, an denen über die
Frage, ob das Studium oder die Praxis wichtiger sei, verhandelt worden
ist. — Es ist bekannt, daß in der hadrianischen Verfolgungszeit mehrere
angesehene Rabbinen die Ausübung ihrer Lehrtätigkeit mit dem Tode
gebüßt haben; unter ihnen auch R. ^Aqiba (s. S. 224).
Um die Mitte des 3. Jahrh. scheint man noch einmal über die
Pflicht der Gesetzestreue in Zeiten der Verfolgung debattiert zu haben.
Dabei hat die Autorität eines R. Jochanan (f 279) den Beschluß von
Lydda nicht unwesentlich verschärft. Sanh 74^: Als Rab Dimi (um 320)
kam (nämlich von Palästina nach Babylonien), sagte er, R. Jochanan
Matth 5, 10 (Nr. 2) 22S
habe gesagt: Das (was im Söller des Nithza zu Lydda festgesetzt
worden ist) hat man nur gelehrt für eine Zeit, in der keine Religions-
verfolgung stattfindet; aber zur Zeit einer Religionsverfolgung solle
man sich auch wegen des geringsten Gebotes töten lassen u. es nicht
übertreten (denn in solchen Zeiten bedeutet ein Nachgeben stets eine
Entheiligung des göttl. Namens). Als Rab Dimi kam, sagte er, R. Jo-
chanan habe gesagt: Auch für eine Zeit, in der keine Religions-
verfolgung stattfindet, hat man es nur für den Fall, daß es im Ver-
borgenen geschieht, gesagt (daß man ein Gebot übertreten dürfe);
wenn es aber öffentlich geschehn soll, soll man sich auch wegen eines
geringen Gebotes töten lassen u. es nicht übertreten. Was ist ein ge-
ringes Gebot? Raba b. Ji9chaq hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt:
Selbst am Schuhriemen eine Veränderung vorzunehmen (indem man
ihn abweichend von der jüdischen Sitte nach Art der NichtJuden knotet).
Wie viele gehören zur Öffentlichkeit? R. Ja?aqob (b. Idi, um 280) hat
gesagt, R. Jochanan habe gesagt: Zur Öffentlichkeit gehören nicht
weniger als zehn Personen; natürlich Israeliten.
Geschichtliche Belege. GnR82 (.52'=): Zwei Schüler von denen des R. J^hoschuaf
(um 90) veränderten zur Zeit der (hadrianischen) Religionsverfolgung ihre Überwürfe
(um nicht als Juden zu erscheinen). Ein Soldat begegnete ihnen u. sagte: Wenn ihr
Söhne der Tora seid, so gebt euer Leben für sie hin; wenn ihr aber nicht ihre Söhne
seid, warum laßt ihr euch für sie töten? Sie antworteten: Wir sind ihre Söhne u. wir
lassen uns für sie töten; aber es ist nicht des Menschen Art, sich selbst wissentlich
(u. willentlich) zu vernichten. . . . || ?AZ 18^: Man fand den R. Chanina b. T'^radjon (in
der hadrian. Verfolgungszeit), wie er saß u. sich mit der Tora beschäftigte u. öffent-
liche Versammlungen abhielt, während die Torarolle auf seinem Schöße lag. Man nahm
ihn, wickelte ihn in die Rolle ein, umgab ihn mit Bündeln von Weinreben u. zündete
damit das Feuer (seines Scheiterhaufens) an. Dann brachte man wollene Lappen, tauchte
sie in Wasser u. legte sie auf sein Herz, damit sein Leben nicht schnell entfliehen
möchte. Da sagte seine Tochter zu ihm: Mein Vater, muß ich dich so sehn! Er ant-
wortete: Wenn ich allein verbrannt würde, wäre die Sache hart für mich; jetzt, da
ich verbrannt werde u. die Torarolle mit mir, wird der, der den Schimpf der Tora-
rolle ahnden wird, auch meinen Schimpf ahnden. Seine Schüler sprachen zu ihm:
Rabbi, was siehst du (als Sterbevision)'? Er sprach: Die Pergamentrolle verbrennt,
aber die Buchstaben fliegen davon! (Sie sprachen:) Öffne auch du deinen Mund, daß
das Feuer eindringe (u. deine Qualen verkürze i! Er antwortete: Es ist besser, daß
der mein Leben nimmt, der es gegeben hat, als daß man sich selbst verderbe. Der
Henker sprach zu ihm: Rabbi, wenn ich die Flammen vergrößere u. die wollenen
Lappen von deinem Herzen nehme, wirst du mich dann in das Leben der zukünftigen
Welt bringen? Er antwortete: Ja! Schwöre es mir! Er schwur es ihm. Sofort ver-
größerte er die Flammen u. nahm die wollenen Lappen von seinem Herzen. Da ging
eilends seine Seele aus. Auch jener sprang in das Feuer. Da ging eine Himmelsstimme
(Bath Qol) aus, welche sprach: R. Chanina b. T®radjon u. der Henker sind bestimmt
für das Leben der zukünftigen Welt. Beim Erzählen dieser Geschichte weinte Rabbi u.
sprach: Mancher (wie der Henker) erwirbt seine Welt in Einer Stunde, mancher in vielen
Jahren.— Parallelstellen: SDt32, 4§307 (1:33-*); S'machoth 8(16«); KallalS'^. — Auf-
zählung der „zehn Märtyrer": MidrKL2. 2 (62b); Midr Ps 9 §13 (44 bj; Midr n-sTs hVn
(Beth ha-Midr 2, 66) ; Geschichte von den zehn Märtyrern (Beth ha-Midr 4, 20). jj pSch^^^bisith
4, 35^ 62 : R. Abba b. Z^'mina (um 380) arbeitete als Schneider bei einem Heiden in Rom.
Der brachte ihm Fleisch von nicht rituell geschlachteten Tieren u. sprach: Iß. Er ant-
224 Matth 5, 10 (Nr. 2. 3)
wortete: Ich werde es nicht essen. Jener: Iß, sonst töte ich dich! Er artwortete:
Wenn du töten willst, töte; denn ich esse kein Fleisch von einem nicht rituell ge-
schlachteten Tier. Jener: Von hier ab sollst du wissen: wenn du gegessen hättest,
hätte ich dich getötet; wenn Jude, dann Jude; wenn Heide, dann Heide! — Dasselbe
pSanhS, 21 b, 25. — In beiden Stellen schliefst Mana (IL, um 370) die Bemerkung an :
Wenn R. Abba b. Z*^mina die Worte der Rabbinen gehört hätte, so würde er gegessen
haben. (.Mit den , Worten der Rabbinen" ist der Beschluß von Lydda gemeint.) ||
Sanh74^: Vor Rabbah (f 330) kam ein Mann, der zu ihm sagte: Der Vorsitzende
meines Gerichts hat zu mir gesagt: Geh, töte den u. den; sonst töte ich dich! Er
sprach zu ihm: So mögen sie dich töten, aber du darfst nicht töten. Wer sagt denn,
daß dein Blut röter ist? Vielleicht ist sein Blut röter! (ist jener wertvoller als du.) —
Dasselbe Joma 82 b; pes25b. _ Zu R. ?Aqibas Märtyrertod s. Nr. 3.
3. Wertschätzung des Martyriums u. sein Lohn,
B*^rakh 61b: Als man R. ?Aqiba zur Hinrichtung hinausführte (in Cäsarea), war
die Zeit der Sch^maf-Rezitation. Man kämmte ihm sein Fleisch mit eisernen Kämmen
ab, u. er nahm das Joch der Herrschaft Gottes auf sich (d. h. er sprach das Sch'^ma?
Dt 6, 4). Da sagten seine Schüler zu ihm: Unser Lehrer, bis hierhin! (d. h. sprich nicht
weiter, laß es genug sein!) Er antwortete:, Mein lebelang habe ich mich betrübt wegen
dieses Verses „von deiner ganzen Seele", (d. h.) auch wenn er deine Seele nimmt. Ich
sprach: Wann wird mir Gelegenheit werden, daß ich es erfülle? Und jetzt sollte ich
es nicht erfüllen? Er zog das Wort echäd („Einer") lang hin,^ bis seine Seele mit
diesem Wort dahinging. Da ging eine Himmelsstimme aus: Heil dir i^^sn, R. gAqiba,
daß deine Seele mit. dem Wort „Einer" dahingegangen ist! Die Dienstengel sprachen
vor Gott: Das ist die Tora u. das ihr Lohn?! „Zu den von deiner Hand Getöteten,
zu den (infolge von Entbehrungen) an Hautausschlag Verstorbenen sollte er gehören"?!
(Ps 17, 14). 2 Gott antwortete: „Sie haben Teil am Leben" (Ps 17, 14). Da ging eine
Himmelsstimme aus: Heil dir -;'-'ics, R. fAqiba! Denn du bist bestimmt für das Leben
der zukünftigen Welt! — Die Parallelstellen pB'^^rakh J), I4b, 50 u. pSota 5, 20^ 43 er-
wähnen weder die beiden Himmelsstimmen noch die Einsprache der Engel. — In der
Legende, die Rab (f 247) M^n 29b über die Vision gedichtet hat, in der Gott Mose den
R. ?Aqiba schauen läßt, heißt es zum Schluß: Mose sprach: Herr der Welt, du hast
mich fAqibas Tora sehn lassen; laß mich auch seinen Lohn sehn! Er antwortete ihm:
Wende dich rückwärts. Er wandte sich rückwärts u. sah, wie man sein Fleisch wie
im Fleischladen abwog (wie man ihm sein Fleisch in einzelnen Stücken vom Leibe riß).
Da sprach Mose: Herr der Welt, das ist die Tora u. das ihr Lohn?! Gott antwortete:
Schweige, so ist es aufgestiegen in meinen Gedanken vor mir. il P'^'s50": R. Joseph,
der Sohn des R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250) war erkrankt u. wurde (in seinen Fieber-
phantasien) entrückt. Als er wieder zu sich kam, sagte sein Vater zu ihm : Was hast
du gesehen? . . . Auch hörte ich, wie man sagte: In der Abteilung der von der (heid-
nischen) Obrigkeit Getöteten (d. h. der Märtyrer) kann kein (andrer) Mensch bestehn
(sie bilden also die I. Klasse der Seligen in der himmlischen Welt). Und wer sind
diese (Märtyrer)? Vielleicht R. ?Aqiba u. seine Genossen. Mit Rücksicht darauf, daß
man gesagt hat „von der Obrigkeit Getötete" u. weiter nichts, können damit nur die
Erschlagenen von Lydda gemeint sein (denn von R. fAqiba würde man mehr zu sagen
gewußt haben). — Unter den Erschlagenen von Lydda sind Julianus u. Pappus zu
^ So verlangte es die Halakha. pB'rakh 2, 4'S 61 Bar: Man muß das Wort echad
Dt 6,4 langgezogen aussprechen. Rab Nachman b. Ja?qob (f 320) hat gesagt: Nur das d.
R. Jirm^'ja u. R. Z'?ira . . ., s. oben S. 177. In der Parallele B'^rakh 13b bemerkt Rab
Aschi (t 427 1, daß man, um das d langzuziehen, das ch nicht zu schnell aussprechen
dürfe. — Über den Lohn für das Langziehen des d s. daselbst.
^ So wird Ps 17, 14 auf das Geschlecht der hadrianischen Verfolgungszeit gedeutet
Midr Esth 1, 9 (89^') u. Midr Ps 17 § 13 (67b); g. aber auch die Auslegung von Ps 17, 14
in TanchB sar § 4, S. 225.
Matth 5, 10 (Nr. 3) 225
verstehn, die angeblicli unter Trajan an einem 12. Adar getötet wurden, s. IVPg Tafan 12
u. das nächste Zitat. ParallelsteÜen: BB 10b u. Midr Ruth 1, 17 (128-1); Jq ^^^ letztern
Stelle hat R. Meascha, ein Enkel des R. J'^hoschuaf b. Levi, die Vision. !| Midr Qoh
9, 10 (42b): R. Acha (um 320) hatte sich danach gesehnt, das Angesicht des (ver-
storbenen) R. Alexandrai (um 270) zu salin. Er erschien ihm im Traum u. ließ ihn
zweierlei sehn: nach innen zu von der M'^'chi^a (Abteil) der Erschlagenen von Lydda
ist nichts (d. h. sie liegt dem Tlironsitz Gottes am nächsten). Gepriesen sei er, daß
er den Schimpf von Lulianus (-= Julianus) u. Pappus hinweggenommen hat. Und ferner:
Heil dem. der hierher (in die himmlische Welt der Seelen) kommt u. sein Erlerntes
in seiner Hand (allezeit bereit) hat! il Midr Qoh 4, 1 (22"): R. Chanina (um 22.5) hat die
Stelle (Qoh 4, 1) auf die von der (heidnischen) Regierung Getöteten (d. h. auf die
Märtyrer) ausgelegt, daß diese nämlich in das Leben der zukünftigen Welt kommen,
auch wenn sie (vor ihrem Tode) kein Sündenbekenntnis abgelegt haben. — Das Sünden-
bekenntnis, bezw. der, welcher dasselbe dem Sterbenden abnimmt, scheint unter dem
„Tröster" Qoh 4, 1 verstanden zu sein. || TanchB s:r §4 (24''): In bezug auf sie (die
Märtyrer, wie R. ?Aqiba u. Pappos b. J^'huda) hat David gesagt Ps 17, 14: 'n -^-.^ üt'ciz.
R. Chanina b. Paps (um 300) hat gesagt: Lies nicht z-r^^ rVon den Männern", sondern
a-r-'s'i „die Tötenden", d. h. die sich selbst dem Tode preisgeben der Tora wegen,
die dazu gegeben wurde. Wenn die Leute sie sehen, sagen sie zueinander: „Sünden
sind in ihrer Hand, deshalb werden sie getötet" ; aber sie wissen nicht, daß ihr Teil
ist im Leben der zukünftigen Welt; u. alles Gute ist für sie aufbewahrt, wie es heißt
Ps 17, 14: „Mit deinem Aufbewahrten füllst du ihren Bauch." . . . Dasselbe mit Ab-
weichungen Tanch s=r ':24'', 18. || TanchB n-'::ir § 19((i9bj: Jesajasagt: „Leben werden
deine Toten, meine Leichen -rtaa werden auferstehn" 26, 19. R. Aristo (um 370) hat
im Namen des R. B'rckhja (um 340) gesagt: Jesaja rief vor Gott aus: Mögen deine
Toten leben! (Und Gott sprach:) Jene, die geschändet worden sind ■;-"';3:r'3; dereine
wurde gekreuzigt, weil er seinen Sohn beschnitten hatte; ein andrer wurde verbrannt,
weil er den Sabbat beobachtete; ein andrer wurde getötet, weil er in der Tora las —
über jene sagt er: Meine Geschändeteten -r'jaj werden auferstehn. — Parallelstelle
Aggad B^^esch 43 (32b). \\ GnR34 (21«): „Und Jahve roch den wohlgefälligen Geruch"
Gn8, 21, nämlich den des Geschlechts der (hadrian.) Religionsverfolgung. R. Schalom
hat im Namen des R. M''nachem b. Z^'fira (wann?! gesagt: Gleich einem König, der
sich einen Palast am Meer bauen wollte, aber nicht wußte, wo er ihn bauen sollte.
Da fand er eine Flasche mit Balsam u. roch ihn, u. darüber baute er seinen Palast.
Das meint Ps24, 2: „Über den Meeren hat er sie (die Erde) gegründet u. über den
Strömen sie sichergestellt." In welchem Verdienst? Im Verdienst des „Geschlechtes
derer, die nach ihm fragen, die dein Antlitz suchen, das ist Jakob. Sela" (Ps24, 6). —
Mit den nach Gott Fragenden sind die Märtyrer der hadrianischen Verfolgung ge-
meint; in ihrem Verdienst ist die Erde nach der Sündflut neu gegründet worden, ü
Aggad B^resch 56 (40**): R. B^reklija (um 340) hat gesagt: Hart (schlimm) ist der Engel-
fürst Edoms (Roms); denn so hat ihn Sacharja gesehen, s. Sachl,8: „Ich habe des
Nachts geschaut, u. siehe, ein Mann, reitend auf einem roten Roß" usw., der sich
denen gleichstellen wollte, die „Sterne" genannt werden, vgl. Gn 15, -5: , Blicke gen
Himmel" usw., den Israeliten, die in die Tiefe dahingegeben sind (vgl. die Myrten-
bäume im Tiefgrund Sach 1,8). Ebenso heißt es Obadja Vers 4: „Wenn du hochsteigen
wolltest wie ein Adler, u. wenn zwischen Sternen dein Nest säße"; denn Edom (Rom)
wollte sich denen gleichstellen, die „Sterne" genannt werden (s. Gn 15. 5). „Und hinter
ihm rote, fuchsfarbige z-p.^-^v u. weiße Rosse" Sach 1,8; das sind die Könige, die von
ihm (Esau) erstanden (d. h. die römischen Kaiser), die das (rote) Gold liebten (Deutung
der roten Rosse); c-p'-i-: denn sie kämmten die Leiber der Israeliten ab a-p-'C'; (in
der hadrianischen Verfolgung, s. oben R. ?Aqibas Hinrichtung) u. nahmen ihr Vermögen
fort; „weiße", um die Sünden Israels weiß zu machen. — Märtyrerblut hat also Sünden
sühnende Kraft. || Midr Spr 1 § 13 (23=^): R. J'^^hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Die
zehn von der Regierung Getöteten (d.h. die 10 Märtyrer der hadrian. Verfolgungszeit)
Strack n. Billerbeck. NTI. 15
226 Matth 5, 10 (Nr. 3). 5. 11 (51. SB 1)
sind nur wegen der Sünde des Verkaufs Josephs hingegeben worden (I. mit Jalqufc
'.'zii statt •3X''3:) — Sinn: Die 10 Märtyrer sollten Josephs Verkauf sühnen. || RH 23*:
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wehe den götzendienerischen Völkern, denn für sie
gibt es keine Wiederherstellung (Heilung); s. Jes 60, 17: , Statt des Erzes bringe ich
(als Ersatz) Gold u. statt des Eisens bringe ich Silber u. statt des Holzes Erz u. statt
der Steine Eisen", was aber werden sie statt des R. f Aqiba u. seiner Genossen (im
Märtyrertod) darbringen? Und in bezug auf sie heißt es Joel4, 21: ,Und wenn ich
ungerächt lasse — ihr Blut lasse ich nicht ungerächt" (so der Midr). || Midr Ps 9 § 13
(44**. 45*): flDenn er ist ein Rächer von Blutschulden; er gedenkt ihrer" (der Er-
mordeten) Ps 9, 13; wenn Gott das Unglück der Gerechten vergelten u. das Blut des
R. f Aqiba ahnden wird, wird er (auch) das Blut des Ben s-^ip ahnden. (Dieser soll
ein Nichtisraelit gewesen sein, der den R. J^huda, den Bäcker, vom Märtyrertode er-
retten wollte u. dafür selbst hingerichtet wurde, s. Midr Ps 9 § 13.) Was heißt: „Er
vergißt nicht das Geschrei der Elenden" Ps 9, 13? Er vergißt nicht das Blut Israels
von der Hand der Völker der Welt; u. nicht bloß das Blut der Gerechten, sondern
auch eines jeden, der in den Tagen der (hadrianischen) Religionsverfolgung getötet
wurde. . . . R. Abbahu (um 300) hat im Namen des R. Elfazar (um 270) gesagt: Jeden
einzelnen Gerechten, den die Völker der Welt töten, schreibt Gott auf seinen Purpur-
mantel (Herrschermantel), vgl. Ps 110, 6: ,Er wird Gericht halten unter den Völkern,
voll von Leichen" (bedeckt mit den Namen der Märtyrer). Dann wird Gott zu den
Völkern der Welt sagen: Warum habt ihr meine Gerechten getötet, wie den R. Chanina
b. T'^radjon (getötet um 135), u. alle, die um der Heiligung meines Namens willen ge-
tötet worden sind? Und sie werden leugnen u. sagen: „Wir haben sie nicht getötet."
Sofort bringt Gott seinen Purpurmantel u. richtet sie u. spricht ihnen das Urteil. So
deute: „Und er vergißt nicht das Geschrei der Elenden."
5, 11 5t: Selig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen.
Von dem, der Schmähungen schweigend hinnimmt, sagt die Bar
Schab 88'*: Die bedrückt (gedemütigt) werden u. nicht (wieder-)be-
drücken, die ihre Schmähung anhören u. sie nicht erwidern, die aus
Liebe (zu Gott) handeln u. sich über Leiden freuen: über die heißt es
Ri 5, 31: „Die ihn lieben, sind wie der Aufgang der Sonne in ihrer
Macht." — Dasselbe Gittin 36 '\ — Ferner s. Sanh 7*, llidr Ps 16 § 11
(62*) u. 86 §1(186") S. 230 f.
5,1125: Und reden allerlei Übles wider euch.
1. Wesen u. Art der Verleumdung; vgl. Ps Sal 12,
fArakliin lo**: Was ist eine Verleumdung (wörtlich: böse Zunge)? Rabbah (f 330)
hat gesagt: Wenn einer zB sagt: Bei dem u. dem ist Feuer (auf dem Herd). Abaje
(t 338/39) erwiderte: Was hat denn ein solcher getan? Das ist doch lediglich eine
Bekanntmachung, wie sie gang u. gäbe ist! Vielmehr muß er es in verleumderischer
Absicht aussprechen; wenn er also sagt: Wo gibt's denn Feuer? Natürlich nur bei
dem u. dem (denn da hört das Backen, u. Braten nicht auf — das ist Verleumdung). —
Raba (t 352) hat gesagt: Alles was in Gegenwart dessen, den es betrifft, gesagt wird,
hat nichts mit Verleumdung zu schaffen. Er (wohl Abaje) erwiderte: Erst recht; das
ist Frechheit u. Verleumdung. Raba entgegnete: Ich halte es mit der Meinung des
R. Jose (b. Chalaphta, um 150); denn dieser hat gesagt: Mein lebelang habe ich nichts
gesagt, wobei ich mich umgewandt hätte (um zu sehn, ob der Beurteilte auch nicht
hinter mir stehe; d. h. ich sage jedem mit Freimut ins Angesicht, was ich ihm zu
sagen habe. Die Erklärung bei Raschi: „Ich habe nichts gesagt, was ich später habe
zurücknehmen müssen", entspricht zu wenig dem Zus.hang). — Rabbah b. Rah Huna
(t 322) hat gesagt: Alles, was in Gegenwart von drei Personen gesagt wird, hat mit
Matth 5, 11 (S81— 3) 227
Verleumdung nichts zu schaffen (nämlich wenn man es weitererzählt). Weshalb?
Dein Freund hat einen andren Freund u. der Freund deines Freundes hat wiederum
einen Freund (die Sache bliebe also doch nicht verborgen). — Der letzte Ausspruch
auch BB 39'^. || Sota 35^: ^Das Land fließt über von Milch u. Honig . . ., nur daß das
Volk . . . stark ist' Nu 13, 27 f. R. Jochanan (f -^TQ) hat im Namen des R. Meir (um
150) gesagt: Jede Verleumdung, die nicht mit etwas Wahrem anhebt, haftet nicht mit
ihrem Schluß (daher erst das Lob des Landes Israel in Nu 13,27). Ü GnR56(35'=):
Wenn auch nicht die ganze verleumderische Rede Eingang findet, ein Teil findet Ein-
Eingang (Semper aliquid haeret). Den gleichen Sinn hat wohl das Sprichwort f AZ 22 '^:
Der Gritfei (Meißel) sprengt den Marmor, der Verleumder kennt seinen Genossen. —
Doch paßt die Lesart s;;t der „Falsche" statt s^;^ „Verleumder" besser in den Zus.hang.
2. Die Schwere der Verleumdungssünde.
jArakhin 15'': In der Schule des R. Jischma?el (f um 135) ist gelehrt worden:
Wer Verleumdungen redet, begeht Sünden, die so schwer wiegen, wie die drei Sünden
des Götzendienstes, der Unzucht u. des Blutvergießens. (Beweis durch Analogieschluß;
aus dem Wort '^n; „groß" in Ps 12, 4 verglichen mit Ex 32, 31 (Götzendienst); Gn 39, 9
(Unzucht) u. Gn 4, 13 (Blutvergießen). — Ähnlich Midr Ps 12 §2 (53'''), wo Bar Qappara
(um 220) den Ausspruch im Namen des R. Nathan (= R. Jonathan, um 140), eines Mit-
glieds der Schule Jischma?els, tradiert. |; pPea 1, lö^V^-i: Vier Dinge gibt es. derent-
wegen der Mensch in dieser Welt bestraft wird, während ihm das Kapital (die volle
Strafe) für die zukünftige Welt anstehen bleibt. Diese sind: der Götzendienst, die Un-
zucht (Blutschande), das Blutvergießen u. die Verleumdung, die so schwer wiegt, wie
jene alle. || ?Arakhin 1M>: R. Jochanan (t 279) hat im Namen des R.Jose b. Zimra
(um 220) gesagt: Was heißt: „Was soll er dir geben u. was dir hinzufügen, du Zunge
des Trugs" Ps 120, 3? Gott sprach zur Zunge: Alle Glieder des Menschen stehen auf-
recht, u. du liegst hingestreckt; alle Glieder des Menschen befinden sich auswendig
u. du inwendig; u. nicht bloß dies, ich habe dich mit zwei Mauern umgeben, die eine
ist von Knochen u. die andre von Fleisch; was soll man dir noch geben u. was dir
noch hinzufügen, du Zunge des Trugs! R. Jochanan hat im Namen des R. Jose b.
Zimra gesagt: Wer Verleumdung redet, ist wie einer, der die Gottheit leugnet, s.
Psl2, 5: „Die da sprechen: Unsern Zungen wollen wir Kraft geben, unsere Lippen
sind mit uns; wer ist für uns ein Herr (Gott)'?" — Den gleichen Gedanken leiten
aus Ps 12. 5 her R. Jochanan u. R. Ji^chaq (um 300) in pPea 1, 16-', 7, Midr Qoh 9, 12
(44b) u. R. Levi (um 300) in Tanch r-i;s-3 5^. |j Ferner s. Midr Ps 52 § 6 (143b) bei
Jak 3, 6. II Midr Qoh 9, 12 (44b): R. sAzarja (um 380) u. R. Jonathan b. Chaggai (um 380)
haben im Namen des R. Jigchaq b. Marion (um 280 1 im Namen des R. Chanina (um 225)
gesagt: Es gibt Leute, die an der Erde {= gegen Menschen) sündigen, ohne am Himmel
(gegen Gott) zu sündigen; u. es gibt andre, die am Himmel sündigen, ohne an der
Erde zu sündigen; aber wer Verleumdungen redet, der sündigt am Himmel u. an der
Erde, s. Ps 73, 9: Sie setzen an den Himmel ihren Mund u. ihre Zunge geht dahin auf
Erden. — In pPea 1, IB'', 9 anonym an einen Ausspruch des R. Jochanan angeschlossen.
Vgl. ?Arakh \b^: Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Wer Verleumdungen redet, macht
seine Sünden groß bis an den Himmel, s. Ps 73, 9. I| pB'^rakh 1, 3"*, 15: R. Schimfon b.
Jochai (um 150) hat gesagt: Wenn ich am Berge Sinai gestanden hätte, als Israel die
Tora gegeben wurde, würde ich vom Allbarmherzigen erbeten haben, daß dem Menschen
zwei Munde erschaffen würden, einer, um sich mit der Tora zu mühen, u. der andre,
am ihm (dem Menschen) allen seinen (sonstigen) Bedarf zu beschaffen. Dann sagte
er aber: Wenn, da es einer (Ein Mund) ist, seinetwegen die Welt nicht bestehen kann
infolge seiner Denunziationen, um wieviel weniger, wenn es zwei wären!
3. Unheilvolle Wirkungen der Verleumdung.
f Arakhin 3, 5: Wir finden, daß der Gerichtsbeschluß über unsre Väter in der Wüste-
nur wegen der Verleumdung (die die Kundschafter über das Land Israel ausbrachten)
untersiegelt worden ist, s. Nu 14, 22 f. || ExR 1 (67«'): R. J'^huda b. Schalem (um 37u) hat
15*
228 MatthS, 11 (SB3. 4)
im Namen des R. Cbaniua, des Älteren (um 225), u. unsie Lehrer haben im Namen
des R. Alexandra! (um 270) gesagt: Mose sann in seinem Herzen nach u. sprach:
Was haben die Israeliten gesündigt, daß sie von allen Völkern geknechtet werden?
Als er aber dessen Worte hörte (der Ex 2, 14 sagte: Du denkst mich wohl tot-
zuschlagen?!, sprach er: Verleumdung herrscht in ihrer Mitte, wie können sie da der
Erlösung würdig sein! Deshalb sagte er: „Fürwahr, die Sache ist bekannt" Ex 2, 14,
d. h. nun weifs ich, weshalb diese geknechtet werden (nämlich der Verleumdungen
wegen), il fArakhin 15-' Bar: R. EUazar b. Parta (um 110) hat gesagt: Komm u. sieh.
wie groß die Kraft der Verleumdung ist. Woher? Von den Kundschaftern: wenn es
dem, der einen bösen Ruf über Holz u. Steine ausbrachte, also erging, wieviel mehr
wird es dann dem so ergehn, der einen bösen Ruf über seinen Nächsten ausbringt! —
Etwas breiter T?Arakhin '2, 11 (545). || ?Arakhin 15'^: ,1m Abendland (Palästina) sagt
man: Die Verleumdung (wörtlich: „Die dritte Zunge", weil der Verleumder als Dritter
zwei andre gegeneinander aufbringt) tötet drei. Sie tötet den, über den sie ausgebracht
wird; den, der sie annimmt, u. den, der sie ausbringt. R. Chama b. Chanina (um 2(iÜ)
hat gesagt: Was heißt Spr 18, 21 : „Tod wie Leben ist in der Hand der Zunge"? Hat
denn die Zunge eine Hand? Es will dir sagen: Wie die Hand tötet, so tötet auch die
Zunge. Wenn du aber sagen wolltest: Wie die Hand nur das in ihrer Nähe Befind-
liche tötet, so tötet auch die Zunge nur das in ihrer Nähe Befindliche, so heißt es
Jer9, 7: Ein tödlicher Pfeil ist ihre Zunge. Oder wenn du sagen wolltest: Wie der
Pfeil nur 40 bis 50 Ellen weit reicht, so reicht auch die Zunge nur 40 bis 50 Ellen
weit, so heißt es Ps 73, 9: „Sie heben an den Himmel ihren Mund u. ihre Zunge geht
auf Erden dahin." Nachdem nun aber geschi'ieben ist: „An den Himmel erheben sie
ihren Mund", was soll da noch: „Ein tödlicher Pfeil ist ihre Zunge"? Es soll lehren,
daß sie wie ein Pfeil tötet. Und nachdem geschrieben ist: „Ein tödlicher Pfeil ist
ihre Zunge", was soll da noch: „Tod wie Leben ist in der Hand der Zunge"? Es
verhält sich damit, wie Raba (f H52) gesagt hat: Wer das Leben will, in seiner Zunge
hat er es; wer den Tod will, in seiner Zunge hat er ihn. — Der erste Ausspruch
über die „dritte Zunge" gehört nach DtR 5 c^O'^t») dem R. Sch^'muel b. Nachman
(um 260), nach Midr Ps 12 §2 (58b) dem R. Schim?on b. Jochai (um 150) an. Die Autor-
schaft des R. Sch'muel b. N. wird das Richtige sein, s. Bacher, pal. Amor 1, 485 u. Buber
zu Midr Ps. — Anonym findet sich der Ausspruch pPea 1, 16", 46; P'^siq 32*; LvR
26 (124 a); NuR 19 (185 ^); TanchB rp- §8 (54^). || P'^^siq 32»: R. Sch'-muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt: Man hat zur Schlange gesagt: Warum wirst du zwischen den
Zäunen (oder Mauern) gefunden? Sie antwortete: Weil ich den Zaun der Welt durch-
brochen (d. h. Sünde u. Tod in die Welt gebracht) habe. — Warum bewegst du dich
fort u. deine Zunge läßt dabei Geifer fließen? Sie antwortete: Weil diese (die Zunge)
es mir verursacht hat. — Warum beißen die Haustiere u. das Wild, ohne dadurch zu
töten, während du beißt u. dadurch tötest? Sie antwortete: Ob die Schlange beißt
ohne Einflüsterung? (so Qoh 10, 1 1 im Sinne des Midr). Ist es möglich, daß ich etwas
tue, ohne daß es mir von oben her gesagt ist? — Warum beißt du in Ein Glied u.
•alle Glieder fühlen es? Sie antwortete: Mich fragt ihr? Fragt den Verleumder: er ist
hier u. tötet in Rom. — Parallelen: pPeal,16^59; LvR 26 ( 1 24 -'') ; NuR 19(185«);
DtR 5 (202'^); TanchB rpn §8 (54=*); MidrQohlO, 11 (48''*). — Zur Frage, warum die
böse Zunge -a-Va „dritte" genannt werde, s. P'^siq 32 '"^ nebst Parallelen bei Jak S, 6.
4. Strafe für Verleumdung.
Meist gilt der Aussatz als göttliche Antwort auf menschliche Ver-
leumdung.
Aboth R.Nathan 9 (4"^): R. Schimfon b. Elfazar (um 190) hat gesagt: Auch über
die, die Verleumdungen reden, kommen Aussatzplagen. Beweis: Gehazi 2 Kg 5, 27. |1
?Arakhin \b^: Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Was heißt: „Das ist das Gesetz
für den Aussätzigen" y^is'sn Lvl4, 2? Das ist das Gesetz für den, „der einen bösen
Ruf ausbringt". — y-w^-on als Notarikon = v cv s-'ui»:, s. Einl. 107, Nr. 30. |1 Schab 97^:
Matth .")", 11 (5B 4. 5j 229
Eesch Laqiscli (um 250) hat gesagt: Wer fromme Leute verdächtigt, wird an seinem
Leibe (mit Aussatz) geschlagen. Beweis: Mose, der verdächtigt u. mit Aussatz ge-
schlagen wird Ex 4, 1. 6. — Joma 19'' R. J^hoschua? b. Levi, um 250, als Autor;
ExR3 (TO'') R. Levi, um 300. || LvR 16 (116*^^): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Mit
dem Munde hatte Mirjam gesündigt (als sie Mose verleumdete) u. alle ihre Glieder
wurden (mit Aussatz) geschlagen, s. Nu 12, 10. — Ferner sehen den Aussatz als Strafe
für Verleumdung an R. Chanina (b. Chama\ um 225, u. R. Jonathan (b. Ehazar, so lies
statt R. Jochanan) um 220, f Arakhin 16='- b; R.Hoscha?ja, um 225, LvR 18 (118"); R.Jose
b. Zimra, um 220, fArakhin 15''; R. J'^hoschua? b. Levi (so lies statt R. J'^huda b. L.),
um 250, f Arakhin lö^; R. P^dath, um 310, TanchB j-sn § 1 (22'); R. J'huda b. Simon,
um 320, LvR 16 (116'').
Anderweitige Strafen werden in folgenden Stellen erwähnt.
Tafan 7'^: R. Schim?on b. Pazzi (um 280) hat ge'sagt: Die Regengüsse werden nur
um der Verleumder willen zurückgehalten, s. Spr25, 23*^: Verdrießliche Gesichter (eben
weil der Regen ausbleibt, s. Vers 23") macht die heimliche Zunge. il ?Arakhin 15'': Rab
Chisda (f 309) hat gesagt, Mar fUqba (um 220) habe gesagt: Wer Verleumdungen
redet, verdient gesteinigt zu werden; vgl. Ps 101, 5: „Wer im verborgenen seinen
Nächsten verleumdet, den vertilge ich" r-2:is, u. KL:153: „Sie vernichteten ir'::: in
der Grube mein Leben u. warfen Steine auf mich" (wie hier die Vernichtung durch
Steine erfolgt, so auch dort). — Rab (Jhisda hat gesagt. Mar füqba habe gesagt: Wer
Verleumdungen redet, von dem sagt Gott: Ich u. er, wir können nicht (zusammen)
in der Welt wohnen, s. Ps 101,5: „Wer im verborgenen seinen Nächsten verleumdet,
den vertilge ich; wer hoher Augen u. geblähten Herzens, ^3is s'j ins." Lies nicht
's '•> 'ir-s = den ertrage ich nicht, sondern 's '•: irs, d. h; mit dem zusammen kann
ich nicht sein. Es gibt aber einige, die dies von den Hochmütigen lehren. — Rab
Chisda hat gesagt. Mar ?Uqba habe gesagt: Wenn jemand Verleumdungen redet, sagt
Gott zum Gehinnom: Ich von oben u. du von unten wollen über ihn zu Gericht sitzen,
s. Ps 120, 3 f.: „Was wird er dir geben u. was dir hinzufügen, du Zunge des Trugs?
Pfeile des Helden, geschärfte, zugleich mit Ginsterkohlen. " Mit „Pfeil" ist die Zunge
gemeint, s. Jer 9, 7; mit „Held" ist Gott gemeint, s. Je3 42, 13, u. „Ginsterkohlen" be-
zeichnen den Gehinnom (weil er mit solchen geheizt wird). !| GnR 20 (I3''j: „Der Mann
der Zunge wird nicht Halt auf Erden gewinnen" Ps 140, 12. R. Levi (um 3(j0i hat ge-
sagt: In der Zukunft wird Gott die Völker der Welt nehmen u. sie in den Gehinnom
stürzen. Er wird zu ihnen sagen: Warum habt ihr meine Kinder (= Israel) gepeinigt?
Dann werden sie ihm sagen: Aus ihrer Mitte u. in ihrer Mitte waren solche ge-
kommen, die sich untereinander verleumdeten. Dann wird Gott diese wie jene nehmen
u. in den Gehinnom hinabstürzen. II Derekh Erec Rabba, Schlußkapitel (20'^): R. Jose
(b. Chalaphta, um 150) hat gesagt: Wer die Gelehrten u. ihre Schüler haßt, ferner der
falsche Prophet u. wer Verleumdungen redet, hat keinen Anteil an der zukünftigen
Welt. II Sota 42*: Rab Jirm^^ja b. Abba (um 250) hat gesagt: Vier Klassen werden das
Angesicht der Sch'khina nicht begrüßen (d. h. werden Gott nicht schauen) : Die Spötter,
die Schmeichler, die Lügner u. die Verleumder, s. Ps 5,, 5: Du bist nicht ein Gott, der
am Gottlosen Gefallen hat, der Böse (= Verleumder) darf nicht bei dir wohnen. Ge-
recht bist du, Jahve, nicht darf in deiner Wohnung der Böse weilen. — Die ganze
Stelle nebst Parallelen s. bei Mtö, 8 S.211.
5. Sühnung der Verleumdung.
• Joma 44'"' u. Z'^b 88'^: In der Schule des R. Jischmafel (f um 135) ist gelehrt
worden: Wofür schafft das Räucherwerk Sühnung? Für die Verleumdung: es komme
das, was im verborgenen dargebracht wird, u. sühnadas im verborgenen Geschehene. — ||
Z^bSS'' u. ?Arakhin 16»; R. Jt'hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Für zwei Dinge
finden wir keine Sühnung durch Opfer, wohl aber von wo anders her. Diese sind: Blut-
vergießen u. Verleumdung; Blutvergießen durch das Kalb, dem das Genick gebrochen
wird, H. Verleumdung durch das Räucherwerk. — '| pJoma 7, 44'', 53: R. Simon (um 2«0)
230 Matth5, 11 (8 5— 7)
hat gesagt: Wie die Opfer sühnen, so sühnen auch die (hohenpriesterl.) Gewänder:
der Leibrock, die Beinkleider, der Turban u. der Gürtel usw. . . . Das Obergewand:
R. Simon hat im Namen des R. Jonathan von Beth-Gubrin (um 270) gesagt: Für zwei
gab es keine Sühnung, aber die Tora bestimmte ihnen eine solche. Diese sind der
Verleumder u. der Totschläger. Für den Verleumder gab es keine Sühnung (durch
Opfer), u. die Tora bestimmte für ihn als Sühnung die Schelle am Obergewand, s.
Ex28, 3ö: ,Ahron soll es anhaben zum Zwecke des Dienens u. seine Stimme (Schall)
soll gehört werden." Es komme die Stimme u. schaffe Sühnung für die Stimme (des
, Verleumders). . . . Parallelstelle LvR 10 (112"). — In Z^b 88b erscheint R. fAnani
b. Sason, um 300, als Autor, während der Schlußsatz: Es komme die Stimme usw.
dem R. Chanina, um 22ö, zugeschrieben wird. Ebenso jArakhin 16", doch mit anonym
gebrachtem Schlußsatz. Hieran schließt sich noch die Bemerkung: Wenn der Ver-
leumder von seinem Tun Vorteil gehabt hat, kommen Aussatzplagen über ihn; wenn
er keinen Vorteil davon gehabt bat, schafft das Obergewand für ihn Sühnung.
6. Heilmittel gegen Verleumdungssucht.
eArakhin lö^^: R. Chama b. Chanina (um 260) hat gesagt: Welche Hilfe gibt es für
die Verleumder? Wenn er ein Gelehrtenschüler ist, so beschäftige er sich mit der
Tora, s. Sprl5, 4: „Heilung für die Zunge ist der Lebensbaum" (so der Midr). Mit
, Zunge" ist die böse Zunge gemeint, s. Jer9, 7: Ein tödlicher Pfeil ist ihre Zunge.
Der , Lebensbaum" ist die Tora, s. Spr 3, 18: Ein Lebensbaum ist sie (Weisheit = Tora)
denen, die sie ergreifen. Wenn er aber ein f Am ha-5are9 (ungebildeter Mensch) ist, so
demütige er sich in seinem Innern, wie es heißt: , Verkehrtheit an ihr (der Zunge
heiltl ein zerschlagener Geist" (so Spr 15, 4^ nach dem Midr). R. Acha b. Chanina
(um 300) sagte: Für den Verleumder gibt es keine Rettung; denn längst hat ihn David
im heiligen Geist (kraft prophetischer Begabung) zur Ausrottung verurteilt, s. Ps 12, 4:
,Jahve rotte all die glatten Lippen aus, die Zunge, die so groß prahlt" usw. Aber
welches Heilmittel gibt es, daß man nicht in die Sünde der Verleumdung gerate?
Wenn es ein Gelehrtenschüler ist, so beschäftige er sich mit der Tora, u. wenn es
ein fAm ha-iare^ ist, so demütige er sich in seinem Innern, s. Spr 15,4 (wie oben). —
Vgl. Derekh Erec Zuta 1 : Verleumde nicht deinen Nächsten; denn wer seinen Nächsten
verleumdet, für den gibt es keine Heilung.
7. Verhalten gegen Verleumdung.
Nidda61''': Raba (t 352) hat gesagt: Obgleich man eine Verleumdung nicht an-
nehmen (glauben) soll, so soll man sie doch immerhin beachten. Einst kamen Leute
aus Galiläa, über die sich das Gerücht verbreitet hatte, daß sie einen Mord begangen
hätten, zu R. Tarphon (um 100) u. sprachen: Es möge uns der Herr verbergen! Er
antwortete: Was soll ich tun? Wenn ich euch nicht verberge, so wird man euch sehn;
wenn ich euch aber verberge, so gilt doch das Wort der Rabbanan: Obgleich man eine
Verleumdung nicht annehmen soll, so soll man sie doch immerhin beachten. Geht u.
verbergt euch selbst! — Vgl. jedoch pPea 1, 16*, 27: Man fragte vor R. Jochanan: Wer
ist ein Verleumder? Der, welcher die Verleumdung ausspricht, u. der, welcher sie zur
Kenntnis nimmt. (Bacher, pal. Amor 1, 227.) II Schab 88 b ßar über Anhören von Schmä-
hungen, ohne sie zu erwidern, s. bei Mt 5, HS. 226. || Derekh Erec Zuta 1 : Reden andre
•Schlechtes über dich (lies -•■=>' statt t^ hy), so antworte ihnen nicht; der Große sei
in deinen Augen wie der Kleine. Hast du aber über andre Schlechtes geredet, so sei
der Kleine in deinen Augen wie der Große, bis du hingehst u. ihn besänftigst (ver-
söhnst). II Sanh 7'': Jemand pflegte zu sagen: Wohl dem, der hört (seine Schmähungen)
n. schweigt; hundert Übel gehn an ihm vorüber. Sch^muel (j 254) hat zu Rab J^huda
(t 299) gesagt: Spr 17, 14 steht: Wer das Wasser losläßt (den Streit beginnt), der macht
den Anfang von ••~^, d. h. von ■;— ' -si, hundert Prozessen (■i-'s wird als Notarikon
gedeutet). || Midr Ps 16 § 11 (62 ): R. Huna (um 3Ö0) hat im Namen des R. Alexandrai
(um 270) gesagt: Wer seine Verfluchung hört u. dazu schweigt, der wird ein Frommer
genannt. David bat seine Verfluchung gehört u. dazu geschwiegen; aus diesem Grund
MatthS, 11 (33 7). 5, 12 231
wird er ein Frommer genannt, s. Ps Ib', 10. — In etwas andrer Fassung Midr Ps 86
§ 1 (ISe*»): R. Abba (um 29U) hat im Namen des R. Alexandra! gesagt: Wer seine Ver-
fluchung hört u. dazu schweigt, obwohl er es verhindern könnte, der wird ein Ver-
bündeter Gottes; denn ebenso hört dieser, wie die Völker der Welt ihn lästern, u.
schweigt. Auch David hat seine Verfluchung schweigend angehört; deshalb sagt er
Ps 86, 2: Bewahre meine Seele; denn ich bin fromm. i| Eine ausdrückliche Seligpreisung
des unschuldig Verleumdeten ist uns in der rabbin. Literatur nicht begegnet.
5,12: Euer Lohn wird reichlich sein im Himmel.
Aboth 2, 14 — 16: R. Elfazar (b. fArakh, um 90) hat gesagt: Wache darüber, daß
du Tora lernst, u. wisse, was du den Freidenkern antworten mögest, u. wisse, vor wem
du dich mühst u. wer dein Arbeitsherr ist, der dir den Lohn deiner Arbeit auszahlen
wird. — R. Tarphon (um 100) sagte: Der Tag ist kurz, der Arbeit ist viel, die Arbeiter
sind träge, der Lohn ist groß u. der Hausherr (Gott) drängt. — Dieser pflegte auch zu
sagen: Nicht liegt es dir ob, die Arbeit zu vollenden; aber du bist auch nicht freier
Herr darüber, von ihr zu feiern. Hast du viel Tora gelernt, so gibt man (=- Gott) dir
viel Lohn; u. treu ist der Herr deiner Arbeit, der dir den Lohn deiner Arbeit auszahlen
wird; wisse aber, daß die Lohnauszahlung an die Gerechten in der Zukunft (hier =
in der zukünftigen Welt) erfolgt. || Sanh 100": Als Rab Dimi (um 320) kam (nämlich
aus Palästina nach Babylonien), sprach er: Gott wird jedem Gerechten die Fülle seiner
Hand geben (d.h. soviel wie eine Gotteshand in sich faßt), vgl. Ps*J8, 20: , Gepriesen
sei Jahve! Tag für Tag wird er uns eine Hand voll geben, der Gott unserer Hilfe*
(so der Midr). Abaje (f 338/39) antwortete ihm: Wie kann man nur so etwas sagen!
Heißt es denn nicht längst: ,Wer hat mit seiner Hohlhand die Wasser gemessen u.
die Himmel mit der Spanne abgesteckt?" Jes 40, 12? Jener .sprach: Warum bist du
nicht in der Haggada heimisch? Denn im Abendlande (= Palästina) sagt man im
Namen des Rabbah bar Mari (um 320): Dereinst wird Gott jedem Gerechten olO Welten
(als Lohn) geben, s. Spr8, 21: ,Um die, welche mich lieben, erlangen zu lassen o-",
d. h. nach dem Zahlenwert von -v 310 Welten.' — Bar: R. Meir (um 150) hat gesagt:
Mit dem Maß, mit welchem ein Mensch mißt, mißt man (= Gott) ihm; s. Jes 27, 8:
,Du hast es gestraft mit Maß für Maß" (so nscsca nach dem Midr). Da antwortete
R. J^'huda (b. Elfai, um 150; so lies statt R. J'^hoschua?): Wie kann mau nur so etwas
sagen! Es gibt ein Mensch einem Armen eine Hand voll in dieser Welt, u. dann soll
ihm Gott dafür eine Hand voll (die Fülle einer Gotteshand) in der zukünftigen Welt
geben! Es heißt doch Jes 40, 12: ,Wer hat die Himmel mit der Handweite abgesteckt"
(wenn Gottes Hand die Welt umspannt, wie kann der Mensch die Fülle dieser Hand
als Lohn empfangen)! Aber, entgegnete R. Meir, sagst du denn nicht auch: Welches
Maß (bei Gott) ist größer, das Maß des Guten (des Segens) oder das Maß der Strafe?
Doch wohl ist das Maß des Guten größer als das Maß der Strafe! Denn beim Maß
des Guten heißt es Ps78, 23f. : „Er gebot den Wolkenhöhen droben u. tat die Türen
cles Himmels auf u. ließ Manna auf sie herabregnen zum Essen" ; dagegen heißt es
beim Maß der Strafe Gn 7, 11: ,Die Fenster des Himmels (die kleiner sind als die
Türen des Himmels) taten sich auf." Nun heißt es beim "Maß der Strafe Jes 66, 24:
,Sie werden hinausgehn, anzusehn die Leichname der Leute, die an mir gefrevelt
haben ; denn ihr Wurm stirbt nicht u. ihre Flamme erlischt nicht, u. sie werden zur
Abschreckung sein für alles Fleisch." Nicht wahr? wenn ein Mensch in dieser Welt
seinen Finger ins Feuer steckt, so ist er sofort verbrannt (aber in der zukünftigen
Welt verbrennt er nie). Wie also Gott (in der zukünftigen Welt) in die Gottlosen die
Kraft gibt, ihre Strafen zu empfangen (u. zu tragen), so wird Gott auch in die Ge-
rechten die Kraft geben, ihr Gutes hinzunehmen (auch wenn ihr Lohn die Fülle einer
^ Diese Auslegung von Spr 8, 21 gehört nach sUqcin 3, 12 dem J^hoschuaf b. Levi,
«m 250, an, dessen Aussprüche mehrfach von Rab Dimi tradiert werden; die Aus-
legung findet sich auch noch Midr Ps 31 §6 (120»); 5 §2 (26^).
232 Matth 5, 12. 13 (51 1)
Gotteshand beträgt). II SNu 27, 12 §135 (51 a): „Genug davon" i^ ai Dt 3, 26. Gott
sprach zu Mose: Viel ist für dich aufbewahrt, viel für dich verborgen; s. Ps 31,20:
„Wie zahlreich ist dein Gutes {^= Lohn), das du verwahrst denen, die dich fürchten."
Ferner heilst es Jes 64, 3: „Kein Auge hat es gesehen, o Gott, außer dir, was bereitet
ist denen, die harren" (so der Mixlr). — Ähnlich wird SDt 3, 26 § 29 (71 '') das -'•> a-^
erklärt: Gott sprach zu Mose: Vieles ist für dich in meiner Hand in der zukünftigen
Welt. — Dasselbe TanchB i:r:psi „Zusätze" § 1 (7^). n Aboth 4, 10: R. Meir (um 150)
sagte: Wenn du dich mit der Tora mühst, so hat er (Gott) viel Lohn, um ihn dir zu
geben. 1| SLv 5, 17 (120-'*): R. Jose (b. Chalaphta, um 150) hat gesagt: Wenn du den
Lohn der Gerechten in der Zukunft kennen lernen willst, so geh u. lerne ihn von dem
ersten Menschen, dem nur Ein Verbot gegeben war. Als er es aber übertreten hatte,
sieh, wie oft der Tod als Strafe verhängt worden ist über ihn u. seine Geschlechter u.
über die Geschlechter seiner Geschlechter bis an das Ende seiner Geschlechter. Welches
Maß ist nun größer, das Maß des Guten oder das Maß der Strafe? Doch wohl das
Maß des Guten. || Zur altsynagogalen Lohnlehre s. Exkurs: Das Gleichnis von den
Arbeitern im Weinberge.
5, 1.3 9(: Ihr seid das Salz der Erde.
1. Verschiedene Arten des Salzes.
a. Sodomitisches Salz n-ipinp nbp, herrührend aus der ver-
dunstenden Sole des Toten Meeres, galt als besonders scharf u. wurde
zum Salzen der Opfer verwandt. ^
Josephus erwähnt es ganz beiläufig Antiq. 13, 4, 9. Hier zählt der König Demetrius II.
die '/.i/uyai nöf ahoy, d.h. die Salzlachen des Toten Meeres, unter denjenigen Einnahme-
quellen auf, auf deren Erträge er zugunsten des Hohenpriesters Jonathan (161 — 143
v. Chr.) verzichtete; ebenso 1 Makk 11, 35. || fErub 17'^: Abaje (f o38/:'.9) hat gesagt: (Die
Bestimmung fErub 1, 10, daß diö im Felde stehenden Truppen vom Händewaschen
anläßlich der Mahlzeit frei seien) hat man nur betreffs des ersten Wassers (d. h. betreffs
des Händewaschens vor dem Essen) gelehrt; dagegen ist das zweite Wasser (das
Waschen nach Tisch) Pflicht. Rab Chijja bar Aschi (um 270) hat gesagt: Warum hat
man gesagt: Das zweite Wasser ist Pflicht"? Wegen des sodom. Salzes, welches (wenn
es von den Speisen an die Hände u. von diesen in die Augen kommtl die Augen er-
blinden läßt. — In ChuUin 105'' ist die Frage des Rab Chijja b. Aschi dem Rab J<^huda
b. Chijja, um 240, in den Mund gelegt. || SLv 2, 13 (54^): „Du sollst all dein Speisopfer
mit Salz salzen" Lv 2, 13. „Mit Salz"; da könnte man meinen, daß man nur etwas
Salzgeschmack hineinbringen solle (wozu nur wenig Salz nötig wäre); deshalb heißt es
noch: „sollst du salzen" (die Verbindung '-;';':n nV'ss will lehren, daß das Opfer stark
zu salzen ist). Wenn es nur hieße: „du sollst salzen" (ohne Beifügung von: „mit Salz"),
da könnte man meinen, es solle mit Salzwasser geschehen; deshalb heißt es: „mit
Salz". „Nicht sollst du fehlen lassen, r-ax-r, Salz" Lv 2, 13, d.h. nimm Salz, welches
nicht feiert (rrs'-i). Was ist das für Salz? Das ist sodom. Salz (denn das Tote Meer
beobachtet den Sabbat nicht", es läßt das Salz tagtäglich durch Verdunstung entstehn). —
Als Bar M^n 21 »; kürzer TM'n 1», 15 (526).
b. Salz von Qstracena, 'OavQaxivrj,^ Stadt an der palästinisch-
ägyptischen Grenze, r"i:pi-rcx nb^.
SLv 2, 13 (Forts, vom Zitat in Anm. «): Woher, wenn man kein sodom. Salz hat,
daß man ostracenisches nehmen darf? Weil es heißt Lv 2, 13 fin.: „Du sollst Salz
darbringen", Salz im weitesten Sinn des Wortes. — Dasselbe TM'n !>, 15 u. b.VPn 21 =*. —
Auch sonst steht das ostracenische Salz dem sodomit. gegenüber: BB 20*^: Rab (f 247)
^ Krauß, Archäol. 1, 119 versteht unter dem sodom. Salz das „aus den Salzbergen
nahe dem Toten Meere gebrochene Salz".
* So Krauß, Lehnw. 2, 99 u. Archäol. 1, 500. Dalman: Istrisches (?) Salz.
Matth 5, 13 (31 1. 2) 283
hat gesagt: Man darf aus allem eine Scheidewand machen, nur nicht aus Salz u. dem
Bodensatz von fettigen Substanzen. Sch^'muel (f 254) sagte: Auch aus Salz. Rab Papa
(f 37(5) hat gesagt: Das schließt keine Meinungsverschiedenheit in sich: das eine gilt
von dem sodomitischen, u. das andre vom ostracenischen Salz. — Dazu bemerkt Raschi:
Das sodom. Salz war fest u. hart wie ein Stein. — Mit demselben Satz wird für eine
andre Meinungsverschiedenheit der Ausgleich hergestellt BeQa 39^.
C. Würzsalz ni-jsip^b nV?, wohl ^ sal conditum. Andre Schreib-
weisen u. Erklärungen s. bei Levy 3, 538 » u. Krauß, Lehnw, 2, 396.
?AZ2, 6: Diese Gegenstände der Heiden sind verboten, aber ihr Verbot ist kein
Verbot der Nutznießung (sondern nur des Genusses): Milch, welche ein Heide gemolken
hat, ohne dafs ein Israelit es sah; ihr Brot u. ihr Öl u. das Gekochte [Rabbi (J'^huda H.
N®siä) u. sein Gerichtshof haben es in bezug auf das Öl erlaubt] u. Eingelegtes, bei
dem es Brauch ist, Wein u. Essig hineinzugeben; kleingehackter Thunfisch u. Fisch-
lake, in der kein Fisch ist, u. Fischsauce u. ein Stück Asa foetida u. Würzsalz. Siehe
diese sind verboten, aber ihr Verbot ist nicht ein Verbot der Nutznießung. — Die Er-
klärung s. bei Strack, ?Aboda Zara, 1909, S. 8 f. |i TfAZ 4, 12 (467): Das schwarze Würz-
salz ist erlaubt, das weiße ist verboten, sagte R. Me'ir (um 150). R. J'^'huda (um 150)
sagte: Das schwarze ist verboten, das weiße ist erlaubt. R. J'huda b. Gamliel (um 250)
hat im Namen des R. Ghananja (Chanina) b. Gamliel (um 120) gesagt: Beides ist ver-
boten. — Als Bar ?AZ 39*^; hier schließt R. Jochanan (f 279) die Bemerkung an: Nach
den Worten desjenigen, der sagte, das weiße Gewürzsalz sei verboten, weil die Nicht-
juden die Eingeweide weißer unreiner Fische daranmengen; nach den Worten des-
jenigen, der sagte, das schwarze sei verboten, weil sie die Eingeweide schwarzer un-
reiner Fische daranmengen, u. nach den Worten desjenigen, der sagte, beide Sorten
seien verboten, weil sie beiderlei Fischsorten daranmengen. — Ebenfalls als Bar, aber
mit anonymer Begründung p?AZ 2, 42-\ || fAZ 39'': Was ist Würzsalz, r-i-jipVo '•:?
Rab J'huda (f 299) hat gesagt, Sch'^'muel (f 254) habe gesagt: Es ist Salz, welches alle
-•-i-jip'bo Roms essen. — ■ Raschi erklärt das Fremdwort mit i'^a-rrj = Bäcker, Kon-
ditoren; er denkt also an sal conditum. Levj^ 3, 538 emendiert das Wort in •r^.^^z:
Salz, mit welchem man alle gekochten Speisen in Rom genießt. Fleischer bei Levy
3, 724'' hält das Wort für ein Derivat von aa'Aäxcoy u. übersetzt: Eine Art Salz, welches
alle Großtuer Roms genießen, — wohl deshalb, weil es seltner u. teurer als anderes ist.
d. Steinsalz (?) xr'^sbbj, xnb-ip = klumpen förmiges Salz.
Chullin HS": Rab Dimi (um 320) salzte das Fleisch mit Steinsalz u. schüttelte es dann ab.
2. Verwendungszwecke.
Ben Sirach zählt 39, 26 das Salz unter den notwendigsten Lebens-
bedürfnissen auf: „Wasser u. Feuer u. Eisen u, Salz, fetter Weizen,
Milch u. Honig, Traubenblut, Öl u. Kleidung." Sieht man von dieser
Verwertung des Salzes bei der Zubereitung der menschl. Nahrung ab,
so erwähnt die rabbin. Literatur etwa noch folgende Verwendungen:
a. Sämtliche Opfer wurden gesalzen, s. bei Mk 9, 49.
b. Das Einsalzen der Tierhäute bezeugt Mid 5, 3: Sechs Hallen (Kammern) waren
im Vorhof, drei auf der Nordseite u. drei auf der Südseite. Auf der Nordseite: die
Salzhalle, die Parvahalle {r.'.'t angeblich Name des Erbauers) u. die Halle der l^das
Opferfleisch) Abspülenden. In der Salzhalle tat man das Salz auf das Opfer; in der
Parvahalle salzte man die Häute der Opfertiere (diese gehörten den Priestern). ... —
Abweichend die Bar M'n 21'': An drei Stellen befand sich das Salz: in der Salzhalle,
auf der Rampe (an der Südseite des Brandopferaltars, 32 Ellen lang, 16 Ellen breit,.
Mid 3, 3) u. oben auf dem Altar. In der Salzhalle salzte man die Häute der Opfertiere;
auf der Rampe salzte man das Opferfleisch; auf dem Altar salzte man die Handvoll
(Abhub von der Mincha), den Weihrauch, das Räucherwerk, das Speisopfer der Priester,
234 Matth 5, 13 (« 2. 3)
das Speisopfer des gesalbten Priesters, das Speisopfer der Trankopfer, das Yogelbrand-
opfer. — Welche Mengen von Salz für den Tempelbedarf nötig waren, zeigt das Schreiben
des Königs Antiochus bei Josephus, Antiq 12, 3, 3, das die Lieferung von 375 Scheffel
Salz an den Tempel anordnet.
C. ?Erub 10, 14: Man darf (am Sabbat) Salz auf die Rampe (des Brandopferaltars)
streuen, damit die Priester nicht ausgleiten.
d. Schab H, .5: Eine Frau darf am Sabbat (ohne sich der Sabbatschändung schuldig
zu machen) ausgehn . . . mit einem Pfefferkorn u. mit einem Körnchen Salz (im Munde,
gegen etwaige Zahnschmerzen).
e. Sota 9, 14: Im Kriege mitVespasian verbot man die Kronen der Bräutigame u.
die Handtrommeln. — Dazu die bab. G'^mara49'^: Rab (f 247) hat gesagt: Das gilt nm
von den Kronen aus Salz u. Schwefel, aber die aus Myrte u. Rosen sind erlaubt.
Sch^'muel (f 254) sagte: Auch die aus Myrte u. Rosen sind verboten, dagegen die aus
Rohr u. Schilf sind erlaubt. Levi (gemeint ist der Ben Sisi, um 200) hat gesagt: Auch
die aus Rohr u. Schilf sind verboten. Und so hat Levi in seiner Mischnasammlung
gelehrt: Auch die aus Rohr u. Schilf sind verboten. — Raschi zur Stelle: Aus Salz-
stein, weil dieser so klar wie ein Edelstein . . .; aus Schwefel, wie aus Gold u. Silber.
Wagenseil bringt folgende Tradition: Ratio, quare sponsorum coronae e sulphure et
sale confectae fuerint, in eo consistit, ut in memoriam iis revocaretur peccatum Sodo-
maeorum et Gomorrhaeorum, qui adulteriis et masculae Yeneri se totos praepostere
mancipabant, et ideo eam poenam tulere, ut terra ipsorum in sal et sulphur conver-
teretur. Ergo corona illa salis et sulphuris monebat sponsum, suae adhaereret uxori
et a peccatis Sodomaeorum sibi caveret.
/. Sukka 48'> Bar: Einmal goß ein Sadduzäer (die W^asserlibation am Laubhüttenfest
statt in das silberne Becken auf dem Altar) auf seine Füße hin, u. alles Volk bewarf
ihn mit dem Ethrog (vermutlich Orange, Bestandteil des Laubhüttenfeststraußes, Lulab).
An jenem Tage wurde (infolge des Tumultes) eine Ecke (oder ein Hörn) des Altars
beschädigt. Man brachte einen Salzkloß u. verstopfte damit die beschädigte Stelle;
nicht damit der Altar so für den Kultus brauchbar wäre, sondern damit er nicht ver-
stümmelt aussehe; denn jeder Altar, der nicht eine Rampe, eine Ecke (scharfe Kante
oder Hörn), eine Grundlage u. eine viereckige Form hat. ist für den Kultus unbrauchbar.
R. Jose b. J<^huda (um 180) sagte: Auch eine Einfassung (aa-o entspricht dem as-^a Ex
27, 5) muß er haben. — Dasselbe Zb 62": der Anfang stammt aus Sukka 4, 9.
g. Schab H7t) Bar: Man legt ein KlümpchenSalz in die Lampe, damit sie heller brenne.
Ä. Die Ez 16,4 vorausgesetzte Sitte, neugeborne Kinder mit Salz abzureiben, ist
halakhisch verwertet Schab 129'^: Rab Nachman (f 320) hat gesagt, Rabbah bar Abuha
(um 270) habe gesagt: Alles, was in dem Strafabschnitt Ez 16 gesagt ist, darf man
einer Wöchnerin am Sabbat tun. (Ezl6, 4:) , Deine Geburt am Tage, da du geboren
wurdest" — auf Grund dieser Worte darf man bei der Geburt eines Kindes Hilfe
leisten am S ; „deine Nabelschnur wurde nicht abgeschnitten", von hier aus ergibt
sich, daß man am S. die Nabelschnur abschneiden darf; „mit Wasser wurdest du nicht
gewaschen", von hier aus, daß man das Kind am S. waschen darf; ,mit Salz wurdest
du nicht abgerieben", von hier aus, daß man das Kind am S. mit Salz abreiben darf;
,in Windeln wurdest du nicht eingewickelt", von hier aus, daß man das Kind am S.
wickeln darf.
3. Das Salz als Bild völliger Verödung u. Vernichtung nach
.Dt 29, 22; Ki9,25; Jerl7,6; Zeph2,9; Hi 39, 6.
MidrKLEinl. 9(:Ub): R. Ji^chaq (um 300) eröffnete seinen Vortrag mit Jer 51,51. —
Du findest, als die Feinde in Jerusalem eindrangen, drangen mit ihnen die Ammoniter
u. Moabiter ein, s. KL 1, 10: , Heiden . . ., die nicht in die Gemeinde kommen sollten
(= Ammoniter ü. Moabiter Dt 23, 4) kamen in das Heiligtum." Hier fanden sie die
beiden Kerubim; sie nahmen diese, legten sie in einen Korb, u. führten sie durch die
Straßen Jerusalems u. riefen: Habt ihr nicht gesagt, daß diese Nation keine Götzen
Matth 5, 13 (5t 3—5) 285
anbete? Nun seht, was wir bei ihnen gefunden haben u. was sie angebetet haben!
Da sind sich alle Menschen gleich! s. Ez25, 8: ,Weil Moab sagt u. Sefir: Siehe,
gleich allen andren Nationen ist das Haus Juda" usw. In jener Stunde schwur Gott,
daß er sie bis auf die Wurzel aus der Welt ausrotten wolle, s. Zeph2, 9: ,Moab soll
Sodom gleich werden, u. die Ammoniter wie Gomorrha . . . eine Salzgrube u. Einöde
auf immerdar." || pQid 4, 65'', 18: „Das sind die, welche heraufzogen aus Tel-Melach,
Tel-Charscha . . . u. vermochten nicht ihr Vaterhaus zu bezeichnen u. ihren Samen,
ob sie von Israel seien" Esra 2, 59. R. Levi (um 30U) hat im Namen des R. Schirafon
b. Laqisch (um 250) gesagt: Sie hätten es verdient, zu einem Salzhügel (Tel-Melach)
zu werden; allein die göttl. Gerechtigkeit, der Hügel des Schweigens (Tel-Charscha),
schwieg zu ihren Gunsten, il Joma 54": R. Jose (um 150) sagte: Sieben Jahre lang erfüllte
sich , Schwefel u. Salz" Dt 29, 22 am Lande Israel. Vgl. P*^siq 114'^ nebst Parallelen.
4. Das Salz als reinigende, würzende u. erhaltende Kraft;
vgl. Hi 6, 6.
B^rakh 5** (nach dem ungekürzten Texte aus Diqduqe Soph^'rim bei Bacher, pal.
Amor 1, 355): R. Schimfon b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Das Wort ^Bund" steht bei
-„Salz" u. bei „Züchtigungen"; s. Lv 2, 13: „Nicht sollst du fehlen lassen das Salz des
Bundes bei deinem Speisopfer", u. Dt 28, 69 (die Stelle paßt nicht; Bacher verweist
mit Diqd. Soph. auf Ez 20, 37: „Ich will euch in die Zucht des Bundes bringen"). Wie
bei dem Bunde, der vom Salz gesagt wird, das Salz das Opfer tauglich macht (zur
Darbringung), so machen bei dem Bunde, der von den Züchtigungen gesagt wird, die
Züchtigungen die Sünde tauglich (zur Vergebung); wie das Salz das Fleisch läutert,
30 läutern die Züchtigungen den ganzen Körper des Menschen. || NiddaSl''' Bar: Wenn
die Zeit da ist, daß ein Mensch aus der Welt scheiden soll, dann nimmt Gott seinen
Teil (die Seele) u. der Teil seiner Eltern (der Leib) bleibt vor ihnen liegen. Rab Papa
(t 376) hat gesagt: Das ist so, wie die Leute zu sagen pflegen: Schüttle das Salz ab
u. wirf das Fleisch vor die Hunde. |! Tract. Soph^'rim 15, 8: Die Tora gleicht dem Salz,
die Mischna dem Pfeffer, die G'^mara den Gewürzen. Die Welt kann nicht ohne Salz,
auch nicht ohne Pfeffer, auch nicht ohne Gewürze bestehn, u. der reiche Mann er-
freut sich aller drei in seinem Unterhalt. So kann die Welt auch nicht ohne die Schrift
u. die Mischna u. die G'^mara bestehn. || Philo, de Victimis § 6 (Mang. 2, 255) : HIsjk zavid
(ft]aiv „'Eni nayrog ^uJqov ngogoiGSTE ((?Mg" Lv 2, 13. //t' ov. xaddneQ xal riQÖxtQoy
slnov, xrjv eis änav Sictfxovrjv alvitTETca. ^v'kctxTrjQiov yccg oi u),eg awfxarwv, rstifir]-
fiSfoh xpr/ijs dsvTSQSiois. '£lg yitQ «Itlcc rov fit] &u((fS^6tQsa&ai rd aitiucci« ^'v%t] xa'i
ol dXsg inl nXeTaroy «?''r« avi'S/oyrss xal rgönof rivd aßccfaTii^ofisg. || Schab 31*:
Raba (f 352) hat gesagt: Wenn man den Menschen vor das (göttl.) Gericht bringt,
sagt man zu ihm: Hast du gekauft u. verkauft in Redlichkeit V Hast du Zeiten be-
stimmt für das Torastudium? Hast du dich mit der Fortpflanzung befaßt? Hast du
ausgeschaut auf das (messian.) Heil? Hast du scharfsinnige halakhische Erörterungen
angestellt? Hast du ein Wort aus dem andren gedeutet? Und selbst wenn dem so
ist — wenn „die Furcht Jahves sein Schatz ist" (Jes 33, 6) — dann ja, wenn aber
nicht, dann nicht. Gleich einem Menschen, der zu seinem Boten sagte: Schaffe mir
ein Kor Weizen auf den Söller! Er ging u. schaffte ihn hinauf. Er sprach zu ihm: Hast
du mir ein Qab Salzsand -i'-j-i-r: (zur Konservierung des Getreides) hineingemengt? Er
sprach: Nein! Er antwortete ihm: Dann wäre es besser gewesen, du hättest ihn nicht
hinaufgeschafft!
5. Jesu Wort steht formell am nächsten ein jerusalemisches Sprich-
wort (bK'^th 66**; Aboth R. Nathan 17, das bereits aus der Zeit Jesu
stammt u. in zwiefacher Fassung überliefert worden ist. «, „Das Salz
des Geldes .ist der Mangel", ^on ]',-ü-o nb^. Das Sprichwort könnte be-
sagen: Nur wer den Mangel kennen gelernt hat, weiß das Geld zu
schätzen. Doch paßt dieser Sinn nicht in den Zus. hang. Das Sprich-
236 Matth 5, 13 (91 5. SB). 5, 14 (91;
wort ist die Antwort auf die Frage, die Rabban Jochanan b. Zakkai.
t um 80, an die Tochter des Naqdimon b. Gorjon richtet: Wo ist dein
väterliches Vermögen hingekommen? Es muß also eine Aussage über
die Verwendung des Geldes enthalten. So wird wohl ßaschi das Richtige
getroffen haben: „Wer sein Geld salzen will, d. h. wer bewirken will^
daß sein Vermögen Bestand behält, der lasse es immerfort zu Almosen
in Verlust geraten; sein Verlust ist sein Bestand." Trifft diese Deutung
den eigentl. Sinn des Sprichworts, dann erscheint die zweite Fassung
nur als erleichternde Lesart: ß, „Das Salz des Geldes ist die Wohl-
tätigkeit", -icn '^■o•o nb-: die mit dem Reichtum geübte Barmherzigkeit
verleiht ihm Wert u. Dauer. — So sollen Jesu Jünger das Salz der
Erde sein, der Menschheit Ewigkeitswerte vermitteln u. sie so der
Ewigkeit wert machen. — Neu u., soweit wir sehn können, ohne
Analogen in der altjüdischen Literatur ist die persönliche Wendung,
die Jesus dem Bild gegeben hat: Menschen sollen ein Salz sein.
5, 13^8: Wenn aber das Salz dumm wird, womit soll man
es salzen? {sv xivi aXiad^ratrai;)
B'^khS'': (R. J'^hoschua? b. Chananja, um 90, wird von den Weisen
des Athenäums in Rom aufgefordert:) Sage uns etwas Erdichtetes
(Fabelhaftes) I Er sprach: Es war einmal eine Mauleselin, die ein
Junges warf; diesem hängte man einen Zettel um u. schrieb darauf,
daß es von der väterlichen Familie 100000 Zuz zu erheben habe. Man
antwortete ihm: Kann denn eine Mauleselin gebären? Er sprach: Das
sind eben Fabeln. (Darauf fragte man ihn:) Wenn das Salz dumm
wird, womit soll man es salzen nb '^r\h-o "^xisn xi-o 13 Nnb-^-c? Er ant-
wortete: Mit der Nachgeburt einer Mauleselin. (Man sprach zu ihm:)
Hat denn die (unfruchtbare) Mauleselin eine Nachgeburt? (Er ant-
wortete:) Kann denn Salz dumm werden? — Die Bezugnahme auf
Mt5, 13 tritt so deutlich hervor, daß man in der ganzen Stelle eine
zynische Verhöhnung Marias u. Jesu wird sehn müssen. Tendenz: Das
nie dumm werdende Salz Israels bedarf der Auffrischung nicht, am
allerwenigsten von selten eines Mannes wie Jesus I
5,13: Es sei denn, daß man es hinausschütte.
Vgl. das Sprichwort NiddaSl^» (oben S.235).
5,14 51: Ihr seid das Licht der Welt.
, Licht der Welt" heißt im Rabbin. sowohl ^Y'^ ^^ ^"'r-i ^^^ auch
c^is h-ä 'inis. Der ursprüngl, unterschied zwischen -1; u. -•'n, daß jenes
den Lichtträger, die Lampe, u. dieses das scheinende, leuchtende Licht
selbst, die Lichtflamme, bezeichnet, ^ ist in obiger Verbindung nicht fest-
gehalten worden, s. schon 2 Sm 21, 17, wo David bx-iu:"» n: genannt wird.
* Midr Ps 22 §3 (91 **): Nach allgemeinem Brauch zündet ein Mensch die Lampe
":r; in seinem Palast an. Kann er etwa sagen: Der u. der, welcher mein Freund ist.
MatthS, 14Cit) 237
Als „Licht" oder „Leuchte der Welt" werden bezeichnet:
a. Gott. Tancli iri'-syna 204'': (Nu 8, 2:) „Wenn du die Lampen aufsetzest." Das
meint auch Psl>^, 29: „Du machst meine Leuchte hell." Die Israeliten sprachen vor
öott: Herr der Welt, du sagst, daß wir vor dir hell machen (erleuchten i sollen; du
bist doch die Leuchte der Welt c^iy hv i-:, u. das Licht wohnt bei dir, s. Dn 2, 22,
u. du sagst: „Wenn du die Lampen aufsetzest, so sollen die sieben Lampen nach der
Vorderseite des Leuchters zu Licht werfen" (Nu 8, 2)! Gott sprach zu ihnen: Nicht
als ob ich euer bedarf; vielmehr ihr sollt mir leuchten, wie ich euch geleuchtet habe
(mit der Wolkensäule während der Wüstenwanderung). Weshalb? Um euch zu er-
höhen (herrlich zu machen) vor allen Nationen, damit diese sagen: Sieh, wie Israel
Dem leuchtet, der allen leuchtet! — In den Parallelen: TanchB -r'iyna § 5 (24^) u.
NuR 15 (178*^) heißt Gott nicht o^iy hv i-':, sondern 'y ■s» i-ns „Licht der Welt". In
ExR36(95'^) fehlt eine entsprechende Bezeichnung Gottes.
b. Einzelne Menschen. pSchab 2, 5 '^ 4(J : Der erste Mensch war die Leuchte
■der Welt ^-'v 'v i-n, s. Spr20, 27: „Eine Leuchte von Jahve war die Seele Adams"
(so wohl der Midr). Weil Eva ihm den Tod verursacht hat, deshalb wurde der Frau
«das Gebot betreffs der (Sabbat-)Lampe ~:n rr^'o übertragen. — In GnR 17 (12'') fehlt
die Bezeichnung Adams als „Leuchte der Welt". || Aboth R.Nathan 25: In der Stunde
des Verscheidens des Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 8ü) erhob dieser seine Stimme
u. weinte. Seine Schüler sprachen zu ihm: Rabbi, hohe Säule, Leuchte der Welt -:
a'iy, fester Hammer! warum weinst du? — Die Parallelstelle B®rakh28'* hat statt
cViy 13 nach 2Sm2],17 irsi»- -i:.
C. Israel. Midr HL 1,3(85^): Wie das Öl der Welt Licht bringt, so ist Israel
das Licht für die Welt a'-iyV ms, s. Jes HO, 8: „Wallen werden Nationen nach deinem
Licht." Vgl. ExR .S6 (95*^): Israel wird ein grünender Ölbaum genannt (s. Jer 11,. 16),
weil sie allen leuchten. — Midr HL 1, 15 (94''): Wie die Taube der Welt Licht gebracht
hat (s. Gn 8, 11), so sollst auch du (Israel) der Welt Licht bringen, s. Jes 60, 3. Nach der
Parallelstelle TanchB r.'.zr J} 1 (48'') ist R. Ji^chaq, um oOO, Autor dieser Ausführung.
d. Die Tora u. der Tempel. BB4*': (Als HeroJes I. die Rabbinen hatte töten
lassen, fragte er den Baba b. Buta:) Welche Hilfe gibt es für mich? Jener antwortete:
Du hast das Licht der Welt Z!~'y h-v i--.s ausgelöscht; denn eine Leuchte ist das Gebot
u. die Tora ein Licht (Spr 6. 23); so geh nun hin u. befasse dich mit dem Licht der Welt
3';:? '"SV ".-'IS (= Tempel), von dem es heißt Jes 2, 2: Zu ihm werden alle Nationen wallen.
e. Jerusalem. GnR 59 (37'*): Jerusalem ist das Licht der Welt ü'-:^y i» n-s,
s. Jes 60, 3; u. wer ist das Licht Jerusalems? Gott; s. Jes 60, 20: Jahve wird dir zum
Lichte sein.
Wie von der Leuchte oder dem Licht der Welt geredet wird, so auch von der
Leuchte oder dem Lichte Israels. fArakhin 10^: Rabbi sprach zu seinem Sohn Schim?on:
Leuchte Israels '•:a^x^ i;, so hat es sich verhalten! — Ferner s. B rakh 28 b oben
Anm. ft. II Midr Ps22 §3 (91"): Wie der Duft der Myrte schön, aber ihr Geschmack
bitter ist, so waren Mardokhai u. Esther ein Licht für Israel Vs^ü-': -ns, aber Finsternis
für die Völker der Welt. II Für -3 u. ■'is kann auch das gleichbedeutende s:-:i-3 ein-
treten. pSchab <), S'', 61: R.Jona (um 350) u. R. Jose (um 350) gingen hinauf, um R. Acha
(um 320) zu besuchen, der erkrankt war. Sie sprachen: Wir wollen uns nach dem
Hören einer Bath-Qol (hier = Omen) richten. Da hörten sie die Stimme eines Weibes,
die einer andren zurief: Ist das Licht n:-::ia erloschen? Sie antwortete: Es wird nicht
erlöschen! — u. die Leuchte Israels Vs^^ü"! i-n-ru'; (= R Acha) war nicht erloschen. |1
GnR 85 (54'): Dort sah J'^huda die Tochter eines kana?anäischen Mannes; dessen Name
war Schua?" Gn 38, 2; die Tochter (1. nach Targ Onk rz statt ^a) eines Kaufmannes,
der die Leuchte des Ortes sips- s3-si3 war.
darf sich des Lichtes der Lampe ^3^ msi erfreuen (bedienen); aber mein Feind darf
sich des Lichtes der Lampe nicht erfreuen? Vielmehr alle erfreuen sich desselben zu
gleicher Zeit.
238 Matth 5, 14 (3t. SB). 5, 15
Allgemein heißt es von den Gerechten P''s S-"*: Wem gleichen die Gerechten gegen-
über der Sch'^khina (Gottheit)? Einer Leuchte -13 gegenüber einer Fackel np:ias. —
Nicht hierher gehört der mehrfach angezogene Ausdruck „Sonne eines Gerechten"
P"T:i hv li-'ir, zB GnR 58 (^H"^): Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Bevor Gott die-
Sonne eines Gerechten untergehn läßt, läßt er die Sonne eines andren Gerechten auf-
gehn. An dem Tage, da R. f Aqiba starb (f um 135), wurde Rabbi geboren. . . .
5, 14^: Eine Stadt, die auf einem Berge liegt,
kann nicht verborgen sein.
Eine Stadt, „die auf der Spitze eines Berges liegt"' ^r^r^ ■jx'nn nsr.i-i^
bildet M^g 3'' den Gegensatz zu einer andren, die „im Tal liegt" r:3'i3iiuy
hn:::. Die Stelle lautet: R. J^oschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Eine-
(befestigte) Stadt t^'^s u. alles, was dicht bei ihr liegt, .u. alles, was
zugleich mit ihr gesehen wird, wird als (befestigte) Stadt behandelt
(die Vororte werden zur Stadt gerechnet). In einer Bar ist gelehrt
worden: Was dicht dabei liegt, auch wenn es nicht gesehen wird; was
gesehen wird, auch wenn es nicht dicht dabei liegt (wird als Stadt
behandelt). Zugegeben „was gesehen wird, auch wenn es nicht dicht
dabei liegt"; das trifft zu, zB wenn (die Stadt) auf der Spitze eines
Berges liegt. Aber „was dicht dabei liegt, auch wenn es nicht gesehen
wird", wie trifft das zu? R. Jirm'^ja (um 320) hat gesagt: Wenn (die
Stadt) in einem Tal liegt. — Eine Stadt, die auf dem Berge lag, war
zB Sepphoris. M^g 6*: Z'^firi (um 250) hat gesagt: Qitron, Ri 1,30, ist
Sepphoris; u. warum wurde der Name der Stadt „Sepphoris" genannt?
Weil sie oben auf einem Berge liegt einem Vogel gleich u.\s"a raaT^»
nis-'i^jD ^nn. — P^siqR 8 (29=*): „Ich durchsuche Jerusalem mit Laternen"
Zeph 1, 12. Es sprachen die Israeliten: Herr der Welt, wann wirst du
also tun? Er antwortete: Wenn ich getan haben werde, was vorher
geschrieben steht: „Da wird sein an jenem Tag, ist Jahves Spruch,^
lautes Geschrei vom Fischtor" usw. (das. Vers 10 f.). „Lautes Geschrei
vom Fischtor", das geht auf ^Akko, das im Schöße der Fische liegt;
„Geheul von der zweiten Stadt" (= Neustadt), das geht auf Lydda,
das eine zweite für Jerusalem war; „großer Zerstörungslärm von den
Hügeln", das geht auf Sepphoris, das auf Hügeln liegt niysja niirsir;
„jammert, Bewohner des Mörsers", das geht auf Tiberias, das tief wie
ein Mörser ist. Gott sprach: Wenn ich das Gericht an diesen vier
Orten vollzogen habe für das, was die Götzendiener darin getan haben^
in jener Stunde werde ich Jerusalem mit Laternen durchsuchen. — Auch
Raschi zu Zeph 1,10 f. kennt diese Auslegung; Graetz, Gesch. d. J.^ 4-,
490 f. bezieht sie auf die Zerstörung der genannten Städte durch Gallus.
5,15: Und man setzt es (nicht) unter den Scheffel.
Vom Bedecken einer Lampe mit einer Schüssel ist Schab 16, 7 die
Rede: Man darf (am Sabbat) eine Schüssel rrnrp über eine Lampe
decken, damit sie (d. h. ihre Flamme) nicht das Gebälk ergreife. — In
diesem Falle macht man sich keiner Sabbatschändung schuldig; wohl
Matthö, 16(Nr. 1. 2) 239
aber würde eine solche vorliegen, sobald das Bedecken der Lampe
erfolgte, um die Flamme zum Erlöschen zu bringen.
5,16: So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit
sie eure guten Werke sehen u. euren Vater preisen.
1, Licht ^= Werke der Gerechten.
GnR2 (3''): R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Vom Anfang der Weltschöpfung an
hat Gott die Werke der Gerechten u. die Werke der Gottlosen geschaut, s. Ps 1,6:
,Jahve kennt den Weg der Gerechten." „Die Erde war eine Wüste u. Leere" (Gn 1, 2),
das geht auf die Werke der Gottlosen. ,Und Gott sprach: Es werde Licht!" (Gn 1, 3),
das geht auf die Werke der Gerechten. Aber nun weifs ich nicht, an welchen von
ihnen Gott Wohlgefallen hat, ob an den Werken dieser oder jener. Da es jedoch heißt:
,Gott sah das Licht, daß es gut war" (Vers 4), so sehe ich, daß er an den Werken
der Gerechten Wohlgefallen hat u. nicht an den Werken der Gottlosen.
2. Zum ganzen Gedanken von Mt5, 16 vgl.:
JomaSß'*: Abaje (f 888/39) hat gesagt: Es ist so, wie gelehrt worden ist: ,Du
sollst J ah ve deinen Gott lieben" Dt 6, 5, nämlich damit der Name Gottes deinetwegen
geliebt werde. Wenn jemand die Schrift u. die Mischna lernt u. mit den Gelehrten-
schülern dienend umgeht, wenn sein Verkehr mit den Leuten in Gelassenheit (Sanft-
mut) geschieht, was sagen dann die Leute von ihm? Heil seinem Vater, der ihn Tora
lernen ließ! Heil seinem Lehrer, der ihn Tora lehrte! Wehe den Menschen, die nicht
Tora lernen! Seht den u. den, der Tora gelernt hat, wie schön sind seine Wege, wie
wohlgeordnet seine Werke! Über einen solchen sagt die Schrift (Jes 49, 8): „Er sprach
zu mir: Mein Knecht bist du, Israel; durch dich werde ich verherrlicht." Aber wenn
einer Schrift u. Mischna lernt u. mit den Gelehrtenschülern dienend umgeht u. sein
Verkehr mit den Leuten geschieht nicht in Redlichkeit u. sein Reden mit ihnen nicht
in Gelassenheit, was sagen dann die Leute von ihm? Wehe dem u. dem, der Tora
gelernt hat; wehe seinem Vater, der ihn Tora lernen ließ; wehe seinem Lehrer, der
ihn Tora lehrte! Seht den u. den, der Tora gelernt hat, wie entartet sind seine Werke u.
wie häßlich seine Wege! Über einen solchen sagt die Schrift Ez 36, 20: Sie entweihten
meinen heiligen Namen, indem man von ihnen sagte: Das Volk Jahves sind diese, u.
aus seinem Lande sind sie fortgezogen. || M'^kh Ex 15,2(44^): „Dieser ist mein Gott,
den will ich verherrlichen" (Ex 15. 2). R. Jischmasel (f um 135) sagte: Kann man denn
seinen Schöpfer herrlich machen? Vielmehr, es ist so gemeint: Ich will vor ihm durch
Gebotserfüllungen schön erscheinen; ich will einen schönen Feststrauß (Lulab), eine
schöne Festhütte, schöne Troddeln u. schöne Gebetsriemen anfertigen. — Abba Scha^ul
(um 150) sagte: Gleiche ihm! Wie er barmherzig .u. gnädig ist, so sei auch du barm-
herzig u. gnädig. — Dasselbe als Bar Schab 138b; Nazir 2b. — pPea 1, 15b, 31 schließt
sich eng an M'^'kh an. — Nur die Anfangsworte Sukka 11 b. || M^'kh Ex 15,2 (44b):
„Den Gott meines Vaters, ihn will ich erheben" Ex 15, 2. R. Schim?on b. El?azar
(um 190) sagte: Wenn die Israeliten den Willen Gottes tun, dann wird sein Name in
der Welt verherrlicht, s. Jos 5, 1 u. 2, 10. Wenn sie aber nicht seinen Willen tun, dann
wird sein Name gewissermaßen in der Welt entheiligt, s. Ez 3H, 20 ff. || Aboth R. Na-
than 1 : R. Schim?on b. El?azar (um 190) sagte: Ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit
ist Adams Sündenfall zu vergleichen? Der erste Mensch glich einem Mann, der eine
Proselytin heiratete. Er gab ihr Vorschriften: Meine Tochter, iß kein Brot, wenn deine
Hände unrein sind; iß keine Früchte, die nicht verzehntet sind; entweihe nicht die
Sabbate; sei nicht leichtsinnig bei deinen Gelübden u. laß dich nicht mit einem andren
Mann ein; denn wenn du eins von diesen Geboten übertrittst, so mußt du sterben.
Was tat der Mann? Er aß Brot vor ihren Augen, wenn seine Hände unrein waren;
er aß Früchte, die nicht verzehntet waren, er entheiligte die Sabbate, er war leicht-
sinnig bei seinen Gelübden. Was dachte da diese Proselytin in ihrem Herzen? Alle
240 Matth 5, 16 (Nr. 2). 5. 17 (51)
^Vorte, die inif mein Mann anfänglich geboten bat, sind Lüge. Sofort machte sie sich
auf u. übertrat sie alle. |! pBM 2, 8^ 18: Scbim^on b. Schatach (90—70 v. Chr.) war mit
der Bereitung von Flachs beschäftigt. Seine Schüler sagten zu ihm: Rabbi, laß ab
davon; "wir wollen dir einen Esel kaufen, dann brauchst du dich nicht so sehr zu be-
mühen. Sie gingen u. kauften ihm von einem Sarazenen -spi-o einen Esel; an dem
hing eine Perle (von der der Verkäufer nichts wußte). Sie kamen zu ihm u. sprachen:
Von nun an brauchst du dich nicht fernerhin abzumühen! Er sprach: Weshalb? Sie
antworteten: Wir<haben dir einen Esel gekauft; an dem hängt eine Perle. Er sprach:
Weiß sein Herr darum? Sie antworteten: Nein! Da sprach er: Geht u. gebt sie zu-
rück! . . . Schini?on b. Schatach wollte die Äußerung (seitens eines Heiden): , Gepriesen
sei der Gott der Juden!" (wegen der Ehrlichkeit seiner jüdischen Bekenner) lieber als
den Gewinn dieser ganzen Welt. Und welcher Vorfall war es denn (bei dem jene
Äußerung der Heiden laut wurde)? R. Chanina (um '225) hat diesen Vorfall erzählt:
Die alten Rabbinen kauften einen Haufen Weizen von Soldaten u. fanden darin einen
Beutel Denare u. gaben ihn an jene zurück. Da sagten sie: , Gepriesen sei der Gott
der Juden!" (Es folgen dann noch zwei ähnliche Geschichten.)
Zu den Worten: „Euer Vater im Himmel" s. bei Mt 6, 4. — Eine An-
spielung auf Mt 5, 16 liegt vermutlich Schab 116» vor; s. bei 5, 17 93 Nr. 3.
5,17 5t: Das Gesetz oder die Propheten.
„Gesetz" n-^-in u. „Propheten" c^x^;i: sind die beiden großen Teile,
die zus. die „Schrift" 3>ir3!-T, dnpri -i^ps, x'^i?'?, n-}^ bilden. Die Zweiteilung
des alttestl. Kanons herrscht im NT vor- s. noih Mt 7, 12; 11, 13; 22,40;
Lk 16, 16; Joh 1,45; Rom 3, 21; in der altjüd. Literatur findet sie sich
nur selten. 4 Makk 1,8, 10: Euer Vater lehrte euch, als er noch bei
euch war, das Gesetz u. die Propheten. || TBM 11,23 (396): Die Ein-
wohner einer Stadt dürfen sich gegenseitig zwingen, eine Synagoge
zu erbauen u. das Buch der Tora u. der Propheten (d. h. die heilige
Schrift zu gottesdienstlichem Gebrauch) zu kaufen. || Midr Ps 90 § 4 s.
nächstes Zitat. — Zur Dreiteilung Tora, N^^bi^im u. K'^thubim (a^i^r?,
dyioyQucfa), die im NT nur Lk 24, 44 (mit ipul{.ioi für den 3. Teil) sich
findet, dagegen in der rabbin. Literatur gang u. gäbe ist, s. bei Lk 24, 44.
Die prinzipielle V^erschiedenheit der Tora von allen übrigen kano-
nischen Schriften wird Midr Ps 90 §4 (194*') so ausgedrückt: R. Levi
(um 300) hat im Namen des ß. Chanina * (um 225) gesagt: Die elf
Psalmlieder,^ die Mose gesagt (verfaßt) hat, hat er in der Ordnung
{o-^Ds-jn = SV rä'^H) der Propheten gesagt (der Abteilung der Nebi^im
eingeordnet). Und warum sind sie nicht in der Tora (dem 1. Teil der
Schrift) aufgeschrieben worden? Weil diese (die Tora) Worte der Tora
u. jene (die 11 Psalmen) Worte der Prophetie sind. — Die Worte der
Tora hat Mose unmittelbar aus Gottes Mund oder aus Gottes Hand
empfangen: das stellt sie hoch über alle übrigen Schriften des AT.s,
die eine Gabe des Geistes der Prophetie sind. Daher die Erwähnung
zweier Teile des Kanons.
^ Der Autorname ist verschieden überliefert; s. Buber z. St.
* Gemeint sind Ps 90—100; die Tradition, daß diese Psalmen von iVTose herrühren,
kennt auch R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250); s. P^siq 198^' u. Midr Ps 90 § 3 (194"\
Matth 5, 17 (SB 1—3) 241
5, 17 JB: Das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin
nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen,
1. xaralveiv auflösen == aufheben, für ungültig erklären, würde
hebräisch wohl mitb-j3, aramäisch mit ^-ja wiederzugeben sein; s. pM<^g 1,
70^ 51 u. P'^siq 79=^ bei 5, 18 S. 246. — MQ 16'^: Was bedeutet 2 Sm 23, 3?
K. Abbahu (um 300) hat gesagt: So ist es gemeint: Gesagt hat zu mir der
Gott Israels, gesprochen der Fels Israels: Ich herrsche über den Menschen,
wer herrscht über mich ? Der Gerechte ; denn ich setze einen Beschluß fest
u. er (der Gerechte) hebt ihn auf nVjn^, \\ pTa^an 3, 67=^, 13: Hebt nicht
Gott seinen Beschluß auf b-jn-o wegen des Beschlusses eines Gerechten?
(Rabban Gamliel, um 90) antwortete: Ja, Gott hebt seinen Beschluß auf
wegen des Beschlusses eines Gerechten ; aber nicht hebt Gott den Beschluß
eines Gerechten auf wegen des Beschlusses eines andren Gerechten.
2. nXrjQovv erfüllen = zur Erfüllung bringen; vgl. die bei Mt so
häufige Wendung: Iva nlrigoyd^fj damit erfüllet würde, was geschrieben
steht oder was gesagt ist. Nur daß es sich Mt5, 17 um ein Erfüllen
in absoluter Weise handelt, um ein Erfüllen, das, wie die folgende
Auslegung einzelner Gebote zeigt, nicht in der buchstäbl. Ausführung
des Gesetzes aufgeht, sondern das Gesetz nach der ganzen Tiefe seines
ethischen Gehalts zur Verwirklichung bringt. Ein solches Erfüllen hat
die Erkenntnis der ethischen Bedeutung u. Tragweite der einzelnen
Gebote zur Voraussetzung. Sie zu vermitteln ist der Zweck der mit
Vers 21 anhebenden Gesetzesauslegung. — .Jesus wird statt nXrjgovv
c^j? gesagt haben, dessen Gegensatz das oben für xaraXveiv vermutete
Vjn zB Aboth 4, 9 bildet: R. Jonathan (um 140) pflegte zu sagen: Wer
die Tora in Armut erfüllt n^pp, wird sie schließlich in Reichtum erfüllen
n^*pb; wer sie aber in Reichtum vernachlässigt 5:;ap (hinschwinden
macht, beseitigt), wird sie schließlich in Armut vernachlässigen -Vjn; .
3. Mt 5, 17 u. Schabbath 116^
Mt 5, 17 gehört zu den wenigen neutestl. Stellen, auf die in der
rabbin. Literatur ausdrücklich Bezug genommen wird. Schab 116^:
Imma Schalom war die Frau des R. Eli^ezer (um 90), die Schwester
des Rabban Gamliel IL In seiner Nachbarschaft war ein (christlicher)
Philosoph, der in dem Rufe stand, keine Bestechung anzunehmen. Sie
wollten ihn lächerlich machen. Imma Schalom brachte ihm einen
goldenen Leuchter. Sie traten vor ihn hin; sie sprach zu ihm: Ich
wünsche, daß mir von dem Vermögen meines elterlichen Hauses mein
Anteil werde. Er antwortete ihnen: Teilet. R. Gamliel sagte: Für uns
steht geschrieben: An Stelle des Sohnes (d. h. da, wo ein Sohn ist)
soll die Tochter nicht erben (vgl. Nu 27, 8). Der Philosoph erwiderte:
Seit dem Tage, da ihr aus eurem Lande in die Verbannung getrieben
«eid, ist die Tora Moses aufgehoben u. das Evangelium ^ gegeben, u.
^ Der Text liest nur den Anfang des Wortes, nämlich ■;is = Unheil; das ganze
Wort heißt i^'W. -jis = Unheilsperganient, ein Kakophemismus für evayyshoy.
Strack u. Billerbeck, NT I. 16
242 Matth 5, 17 (SB 3). 5, 18 (51 1)
in ihm steht geschrieben: „Sohn u. Tochter sollen gemeinsam erben."
(Eine solche Stelle gibt es im NT nicht; vgl. Lk 12, 14.) Am folgenden
Tage brachte Rabban G. ihm einen libyschen ^ Esel. Da antwortete
er: Ich habe weiter unten im Evangelium nachgesehen, u. da steht
geschrieben: Ich, Evangelium [dies Wort wohl eine alte Glosse], bin
nicht gekommen, um von der Tora Moses wegzunehmen, sondern um
ihr hinzuzufügen,- bin ich gekommen. Und es ist in ihm (dem Ev.)
geschrieben: „An Stelle des Sohnes soll die Tochter nicht erben" (dabei
muß es also bleiben ; denn die Tora ist durch das Evangelium nicht
gekürzt worden). Da sprach Imma Schalom zu ihm: Möge dein Licht
leuchten 3 wie der Leuchter I Rabban Gamliel aber sagte: Der Esel ist
gekommen u. hat den Leuchter niedergetreten. — Das Wort vom Esel,
der den Leuchter niedertritt, hat später sprichwörtlichen Charakter, s.
pJoma l,38'-,46;SNu25,12§131(48b);P«siql23^177^LvR21(120f).
5, 18 31: Wahrlich, ich sage euch.
1. Vax, ocfirjv bedeutet eigentlich „Festes, Beständiges, Gültiges".
Das Wort wurde ausnahmslos als bestätigende oder bekräftigende Ant-
wort auf die Rede eines andren gebraucht. Wenn zB jemand auf das
Gebet oder den Lobspruch eines andren Amen! sagte, erklärte er damit,
daß das Gehörte auch sein Gebet oder sein Lobspruch sei. So erschien
der Amen! Sprechende wie einer, der das Gebet u. den Lobspruch
selbst gesprochen hatte. Oder beantwortete jemand eine Beschwörung,
die er aus dem Munde eines andren hörte, mit Amen!, so erkannte er
damit jene als für ihn verbindlich an. War also die Beschwörung zB
dahin gegangen, daß ihr Hörer in einem bestimmten Rechtsfall Zeugnis
ablegen sollte, so verpflichtete ihn sein Amen! nun auch wirkhch als
Zeuge vor dem Gerichtshof zu erscheinen. Oder ließ jemand auf das
Fluchwort eines andren sein Amen! folgen, so stellte er sich damit
entweder selbst unter diesen Fluch (s. zB Nu 5, 22; Dt 27, 15 ff.), oder
er sprach damit seine Zustimmung zu der Verwünschung aus.a — Nur
haggadischen Wert hat die Deutung des Wortes )^a. als. Notarikon
(Einl. 107, Nr. 30) Schab 119^: Was bedeutet i^x? R. Chanina (um 225)
hat gesagt: Gott bx ist ein König -\hi:, ein zuverlässiger -(^xi.
a. pSota 2, 18'^: R. Elfazar (um 270) hat im Namen des R. Jose b. Zimra (um 220)
gesagt: Amen dient zur Übernahme (gehörter Worte), Amen dient zum Schwur, u. Amen
bedeutet: mögen die Worte in Erfüllung gehn! Amen dient zur Übernahme, das lernt
man von der des Ehebruchs verdächtigen' Ehefrau. (Gemeint ist damit das zweimalige
Amen Nu 5, 22, s. unten.) Amen dient zum Schwur, s. Jer 11,5: Auf dais ich zustande
bringe den Schwur, den ich euren Vätern geschworen, ihnen zu geben ein Land, fließend
von Milch u. Honig, wie es heute der Fall. Und ich antwortete u. sprach: Ja, Amen,
o Herr! Amen bedeutet: mögen die Worte in Erfüllung gehn! s. 1 Kg 1, 36: Da ant-
^ Krauß, Lehnw. 2, 306 ff. u. Archäol. 2, 1 17 f. will statt „libysch" lesen .lykaonisch".
2 -5din""5. So wird Mt 5, 17 wiedergegeben; dabei ist nhjQovy gefaßt = , erfüllen"
im Sinne von „ergänzen" (vollmachen).
* Vermutlich Anspielung auf Mt5, 16: Möge euer Licht vor den Menschen leuchten.
Matth 5, 18 (51 1. 2) 243
■wertete B®naja dem Könige: Amen! so sage Jahve, der Gott meines Herrn, des Königs. —
In Sch^'buJoth 36 '^ lautet die Tradition folgendermaßen: R. Jose b. Chanina (um 270)
hat gesagt: Amen, darin liegt ein Schwur, darin liegt eine Übernahme von Worten
u. darin liegt eine Bekräftigung von Worten. Ein Schwur; s. Nu 5, 22: ,Und das Weib
sage: Amen, Amen!" ^ Eine Übernahme von Worten, s. Dt 27, 26: „Verflucht ist, wer
nicht die Worte dieses Gesetzes erfüllt, sie übend! u. alles Volk spreche: Amen!" Eine
Bekräftigung von Worten; s. Jer 28, 6: „Es sprach Jeremia, der Prophet: Amen, so soll
Jahve tun!" - Weitere Parallelen: DtR 7 (203'^) mit R. J^huda b. Simon, um o20, als
Autor; iMidr Ps 89 § 4 (191»); 106 S 9 (229^); NuR 9 (155'^^). II B^rakh 5.4: Wer vor
die Lade tritt (als Vorbeter usw.), soll wegen der Zerstreuung (damit er nicht verwirrt
werde) nicht nach den Priestern (die beim Synagogendienst den Priestersegen Nu
6, 24 — 26 in drei Absätzen zu sprechen hatten) „Amen" antworten (wie es die übrige
Gemeinde tat). || Das. 8, 8: Man antwortet „Amen" nach dem Israeliten, der einen
Lobspruch spricht; aber man antwortet nicht „Amen" nach dem Samaritaner, der
einen Lobspruch spricht, bis man den ganzen Lobspruch gehört hat (denn es ist zu be-
sorgen, daß dieser des Berges Garizim gedenkt). || Tob 8, 7 schließt Tobias sein Gebet:
Laß mich Gnade finden u. mit ihr alt werden! Darauf folgt Vers 8: Und Sara sprach
mit ihm: Amen! (Dadurch machte sie sein Gebet zu dem ihrigen.) — Aus „mit ihm**
wird man schließen dürfen, daß auch Tobias sein Gebet mit Amen geschlossen hat.
Dieses Schlußamen nach Gebetswor^, das den Wunsch ausdrückt: Es möge also»
geschehn! findet sich, allerdings nur selten, auch sonst in der altjüdischen Literatur.
Ta?an 4, 8: Möge das Heiligtum eilends erbaut werden in unsren Tagen, Amen! —
Derekh Ere^ 10 (20 b): Es möge Gottes Wille sein, mich sehn zu lassen die Freude
Jerusalems u. ihre Tröstungen, Amen! — Tanch z-v 8^: „Nicht mehr werden sie
lehren ein jeder seinen Bruder u. ein jeder seinen Nächsten (so wird Jer 31, 33 zitiert),
sagend: Erkennet Jahve! Denn sie alle werden mich erkennen vom Kleinsten unter
ihnen bis zum Größten." Und so sei es Gottes Wille u. wir sagen Amen! — Tanch
-ycs 248*^ heißt es ebenfalls im Anschluß an ein Schriftwort: So sei es Gottes Wille,
Amen und (nochmals) Amen! — Weitere Beispiele Tanch -'-z Ende, —•^■pi, Ende, --rr
r:^':; Ende. !| Sch*^bu?oth 4, 3: (Wenn einer sagt:) Ich beschwöre euch! u. sie antworteten
Amen! so sind sie (zur gerichtlichen Aussage) verpflichtet. || P*^siqR 26 (132''*): In der
Zukunft (spricht Gott) werde ich dich bauen, s. Ps 147,2: „Jahve bauet Jerusalem,
die Verstoßenen Israels sammelt er." Amen! Möge Gott in Bälde in unsren Tagen
den Schriftvers (Jes 35, 10) erfüllen: Die Losgekauften Jahves werden wiederkehren
u. nach Zion kommen mit Jauchzen. || ?AZ 65": Bar Scheschakh (Name eines persischen
Großen) sprach zu Raba (f 352): Das Auge, das euer Unglück zu sehn wünscht, möge
herausfallen! Da antwortete Raba: Amen! || Weiteres bei 1 Kor 14, 16 (auch über die
Aussprache, über Nichtgebi'auch im Tempel).
2. Jesus hat von dem Wort „Amen" einen völlig neuen Gebrauch
gemacht, indem er es zur Bekräftigung seiner eignen Worte ver-
wendet. In diesem Sinne wird "i-sx, soweit wir sehn können, in der
rabbin. Literatur nirgends gebraucht. Durch diesen Bedeutungswechsel
hat Jesus ein Zwiefaches erreicht: er war nicht genötigt, zur Be-
^ Vgl. Sota 2,5: In bezug worauf spricht sie das zweimalige Amen Nu 5,22?
Das eine Amen mit Bezug auf den Fluch 5, 21, das andre mit Bezug auf den Schwur
5, 19. 21. Das eine Amen in betreff dieses Mannes, das andre in betreff eines andren
Mannes. Das eine Amen: daß ich nicht untreu gehandelt habe als Verlobte u. als Ver-
heiratete u. als auf die Schwagerehe Wartende u. als in Schwagerehe Geheiratete; u.
das andre: daß ich nicht verunreinigt bin; sonst möge das alles über mich kommen.
R. Meir (um 150) sagte: Das eine Amen: daß ich nicht verunreinigt bin, u. das andre:
daß ich mich nicht verunreinigen werde. — R. Meirs Meinung folgt Targ Jerusch II. —
Targ Jerusch 1: Amen, wenn ich mich verunreinigt habe als Verlobte; Amen, wenn
ich mich verunreinigt habe als Verheiratete.
16*
244 Matth 5, 18 (31 2. SS 1)
kräftigung seiner Worte zu den üblichen u. von ihm selbst abgelehnten
Schwur- u. Versicherungsformeln (s. bei Mt 5, 34) seine Zuflucht zu
nehmen, u. zweitens gab er durch dies Amen seiner Bekräftigung eine
Stärke, die sie über ein gewöhnliches „Fürwahr" weit hinaushob. Auch
unser , wahrlich" wird dem -j^x Jesu nicht gerecht: letzteres will die
Gewissen der Hörer binden. Das gilt von unserm „wahrlich" nicht. —
Vgl. noch Dalman, Worte Jesu 1, 185 ff.
5, 18: Bis daß der Himmel u. die Erde vergehn wird.
Zum Untergang des Himmels u. der Erde s. bei Offb 21, 1 u. bei Mt 24, 35.
5, 18 25: Wird auch nicht ein Jota oder ein Strichelchen
vom Gesetz vergehn.
Diese Worte sind ein bildlicher Ausdruck zur Bezeichnung des
ewigen, unvergänglichen Wertes der Tora. Jod ^ ist der kleinste Buch-
stabe in der sog. Quadratschrift; Strichelchen oder Häkchen ist der
geringfügigste Schriftbestandteil.
1. Der unendliche Wert der Tora wird wie in Mt 5, 18 an der
Unvergänglichkeit eines Jod oder eines Wortes von ihr veranschaulicht.
pSanh 2, 20"=: Wer hat den Salomo angeklagt (wegen Übertretung von Dt 17, 16 f.)?
R. J^oschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Das Jod in rr;-'-'. R. Schim?onb. Jochai(um 150)
hat gelehrt: Das Buch Dt rtn-r ri;^;-: stieg zur Höhe empor, warf sich vor Gott nieder
u. sprach: Herr der Welt, du hast in deiner Tora geschrieben: Jedes Testament, von
dem ein Teil ungültig geworden ist, ist ganz ungültig! Und siehe, Salomo sucht ein
Jod von mir zu vernichten. (Während es nämlich Dt 17, 16 f. vom König heißt: s^
"3-^-, er halte sich nicht viele Weiber usw., sagt Salomo ns-s ■^h, ich werde mir viele
halten.) Da antwortete Gott: Salomo u. tausend seinesgleichen werden vergehn, aber
ein Wort von dir wird nicht vergehn. — Parallelstellen: LvR 19 (118'^); Midr HL 5, 11
{119^); Aggad B^resch 75 § 2 (51^): Ein Jod von dir wird in Ewigkeit nicht vergehn.
Tanch nisi 68''; TanchB sisi § 2 (9''): Ein Buchstabe von dir wird m Ewigkeit nicht
vergehn. ExR 6 (72''): Ein Strichelchen von dir (Häkchen am Jod) wird Salomo nicht
beseitigen. i| Midr HL 5,11 (119''): R. Alexandrai b. i"'-n (?, ed. Soncino 1517 i-ian ^a ;
LvR 19 "N;n -z) u. R. Alexandrai, der Vorbeter (wann?) hat gesagt: Auch wenn alle,
die in die Welt kommen, sich zusammentäten, um einen Flügel vom Raben weiß zu
machen, so würden sie dazu nicht imstande sein. Ebenso wenn alle, die in die Welt
kommen, sich zusammentäten, um ein Jod, das der kleinste unter den Buchstaben
•der Tora ist, auszureißen, so würden sie dazu nicht imstande sein. (Es folgt dann
die Klage über Salomo wie in pSanh.) — Die Parallelstelle LvR 19 (118'') spricht
nicht speziell vom Buchstaben Jod, sondern allgemein von einem „Wort", das nicht
aus der Tora gerissen werden kann.
Andre Stellen für den -unvergleichlichen Wert der Tora.
pPea 1, 15"^, 40: R. Refeklija (um 340) u. R. Chijja aus K'phar Techumini (im
3. Jahrb.). Der eine hat gesagt: Selbst die ganze Welt kommt an Wert nicht gleich
auch nur einem einzigen Wort aus der Tora. Der andre hat gesagt: Alle Gebots-
erfüllungen, die es in der Tora gibt, kommen an Wert nicht einem einzigen Wort
aus der Tora gleich. R. Tanchuma (um 380) u. R. Jose b. Zimra ' (um 220). Der eine
hat gesagt wie der eine von ihnen (den zuvorgenannten Lehrern), u. der andre hat
^ Das Verhältnis der beiden Autoren zueinander ist wohl so zu denken, daß der
erstere als der Tx'adent des letzteren seinen eigenen Ausspruch dem des andren
gegenüberstellen will.
Matth 5, 18 (SB 1) 245
gesagt wie der andre von ihnen. R. Abba, der Vater des R. Äbba Mari (um 350;
streiche „bar" vor Mari) hat im Namen des R. Acha (um 320) gesagt: Eine Schrift-
stelle lautet, Spr 8, 11: „Alle Kleindde kommen ihr (der Weisheit = Tora) nicht
gleich"; eine andre lautet, Spr 3, 15: „AU deine Kleinode kommen ihr nicht gleich."
„Kleinode", das sind Edelsteine u. Perlen. „Deine Kleinode", das sind die Worte der
Tora (die du gelernt hast), vgl. Jer 9, 23: „Denn an diesen habe ich Wohlgefallen,
ist Jahves Spruch." (Der König) Artaban schickte unsrem heiligen Lehrer^ eine
kostbare Perle von unschätzbarem Werte u. ließ ihm sagen: Schicke mir etwas Kost-
bares, was jener gleichkommt. Er sandte ihm eine Türpfostenkapsel (M'zuza). Der
König sagte: Was ich dir gesandt habe, ist etwas, wofür es keinen Preis gibt (was
unbezahlbar ist); und du hast mir etwas gesandt, was einen PuUar (^cpo'AlaQioy, eine
kleine Münze) kostet. Er antwortete ihm: Deine Kleinode u. meine Kleinode gleichen
nicht einander; u. nicht bloß dies, sondern auch was du mir gesandt hast, ist etwas,
was ich hüten muß; aber ich habe dir etwas gesandt, was, wenn du schläfst, dich
hütet, vgl. Spr 6, 22: „Bei deinem Gehen wird sie (die Tora) dich leiten, bei deinem
Liegen über dich Wache halten" usw. 1| Midr HL 8, 7 (131 b): Es heißt: „Wenn ein
Mann den ganzen Reichtum seines Hauses für die Liebe hingäbe"; wenn alle Völker
der Welt alle ihre Schätze auftun würden, um ihr Geld hinzugeben für Ein Wort
aus der Tora, sie würden dadurch in Ewigkeit keine Sühnung«erlangen. I! ExR 3 (69*^):
Was bedeutet: „alles Begehren deiner Augen" 1 Kg 20, 6? Damit ist etwas gemeint,
was das Kleinod unter den Kleinoden ist, das ist die Tora, vgl. Ps 19,11: Sie ist
begehrenswerter als Gold' u. viel feines Gold.
Die ewige Dauer u. Gültigkeit der Tora betonen schon die
Apokryphen.
Bar 4, 1: Dies'ist das Buch der Gebote Gottes und das Gesetz, das in Ewigkeit
bleibt o röjxog (niir) o vncio/Mi' sig rof eci'ujya. — Weish 18,4: Durch welche (näm-
lich die Israeliten) das unvergängliche Licht des Gesetzes ro uq^i^uQxoi' rö/uov cpwg
der Welt gegeben werden sollte. |i Pseudepigraphen: Apoc Bar 48, 47: Dein Gesetz, das
sie übertreten haben, straft sie an deinem Tage. (Noch am jüngsten Tage beim End-
gericht gilt das Gesetz.) 77, 15: Wenn wir (die Führer u. Lehrer Israels) auch fort-
gehen (sterben), so bleibt doch das Gesetz bestehen. 4 Esra 9, 37 : Das Gesetz geht
nicht unter non periit, sondern bleibt in seiner Herrlichkeit permansit in suo lionore.
Das rabbin. Schrifttum setzt die ewige Gültigkeit der Tora als
selbstverständlich überall voraus; deshalb wird nur gelegentlich davon
gesprochen, s. zB pSanh 2, 20% 39 nebst Parallelen (oben S. 244).
ExR 33 (94"): Es heißt Dt 33, 4: „Tora hat uns Mose befohlen, ein Besitztum
der Gemeinde Jakobs"; lies nicht (deute nicht): nr-r: „Besitztum", sondern "•in^'^
„Erbbesitz"; ein Erbbesitz ist sie (die Tora) für Israel in Ewigkeit (u. Erbbesitz kehrt
immer wieder zur Familie zurück, während ein gewöhnliches Besitztum dauernd ver-
loren gehn kann). — Wie oben in Apoc Bar 48, 47, so gilt auch für die rabbin. Ge-
lehrten die Tora als einziger Maßstab, den Gott im jüngsten Gericht seinem Urteil
zugrunde legen wird. Mindestens also bis zum jüngsten Tage wird die Tora Gültig-
keit haben. ?AZ 2^ sagt R. Chanina b. Papa (um 800), nach andren R. Simlai (um 250):
Dereinst wird Gott das Torabuch in seinem Busen herbeibringen u. sagen: Wer sich
mit der Tora beschäftigt hat, der komme u. empfange seinen Lohn. — Dieser Satz
auch TanchB -3-atj § 14 (16"^); vgl. Midr Qoh 1, 9 (9''). ü Joma 35 "^ Bar: Der Arme u.
der Reiche u. der Gottlose kommen ins Gericht (des jüngsten Tages). Zum Armen
wird man sagen: Warum hast du dich nicht mit der Tora beschäftigt? — Dieselbe
Frage wird dann auch an die Reichen u. Gottlosen gerichtet; s. die ganze Stelle im
Exkurs: Gerichtsgemälde aus der altjüd. Literatur. — Aber auch mit dem jüngsten
1 Damit wäre J^'huda der Fürst (Einl. 133) gemeint. Mit Graetz, Gesch. d. Juden*
4, 281 wird „Rab" (f 247) zu lesen sein.
246 Matth 5, 18 (33 1)
Gericht bat die Herrschaft der Tora kein Ende: sie wird den Lebensinhalt der Seligen
noch in der Zeit der Endvollendung im Gan fEden bilden. Die Gerechten eilen dann
von einer Studienhalle in die andre, u. Gott selbst weilt als Lehrer der Tora in ihrer
Mitte, s. Exkurs: ,Sch*'ol, Gehinnom u. Gan fEden" III, 4, 1. m. — Im letzten Grunde
ist die ewige Dauer der Tora nur die Folge ihrer himmlischen Präexistenz ; s. bei
Job 1, 1—4 Nr. 1.
Zu beachten ist, daß man eine ewige Dauer u. Gültigkeit nur der
eigentlichen Tora, d. h. dem Pentateuch, aber nicht den übrigen Be-
standteilen der im weiteren Sinn „Tora" genannten Schrift beigelegt hat.
pM'^g 1, 70 *J, 51 : R. Jochanan (f 279) u. R. Schim?on b. Laqisch (um 250). R. Jochanan
hat gesagt: Die Propheten u. Hagiographen (nebiiim u. k'-'thubim) werden dereinst (in
der messian. Endvollendung) aufhören (ihre Gültigkeit verlieren); aber die fünf Bücher
der Tora werden nicht aufhören. Was ist der Schriftgrund"? Vgl. Dt 5, 19: Diese Worte
redete Jahve . . . mit lauter Stimme, u. sie hört nicht auf (so der Midr). R. Schim?on
b. Laqisch hat gesagt: Auch die Estherrolle u. die Halakhoth (die einzelnen Sätze <ies
geltenden Rechts) werden nicht aufhören. Es heißt hier, Dt 5, 19: , Mit lauter Stimme,
u. sie hört nicht auf r|0-" sV-!, u. es heißt dort, Esth 9, 28: „Und ihr Gedächtnis soll
nicht aufhören mc"' ah aus ihrer Nachkommenschaft." Und betreffs der Halakhoth
heißt es Hab 3, 6: , Ewige Halakhoth hat er" (so der Midr). — Genaueres zu den
letzten Worten s. M*^g 28'^ Bar aus der Schule des Elias (des Propheten): . . . „Ewige
r\-:hr. hat er", Hab 8, 6; lies nicht mr-'rn (Gänge, Wege), sondern n^^n (Halakhoth). —
Vielleicht liegt diesen Aussprüchen ein ähnlicher Gedanke zugrunde, wie der N'^d 22'^
R. Ad(d)a b. Chanina (Chonja, im 4. Jahrh.) hat gesagt: Wenn die Israeliten nicht ge-
sündigt hätten, so wären ihnen nur die fünf Teile der Tora u. das Buch Josua gegeben
worden, weil dieses die Schätzung (Verteilung) des Landes Israel (an die Stämme)
enthält. Was ist der Schriftgrund? Qoh 1, 18: „In der Fülle der Weisheit ist Fülle
des Zorns." — Die Parallelstelle Midr Qoh 1, 13(10'') stark abweichend. — Wenn
hiernach die prophetischen Schriften u. die Hagiographen nur um der Sünde Is?^els
willen zur Tora hinzugekommen sind, so liegt für ihre weitere Geltung in der messian.
Vollendungszeit kein Grund mehr vor, da in den Tagen des Messias die Sünde ganz
beseitigt oder doch zur Ohnmacht verurteilt sein wird. Dieser Gedanke an das Hin-
schwinden der Sünde ist ohne Zweifel auch die Veranlassung zu der weitergehenden
Meinung gewesen, daß in der messian. Periode selbst große Teile der eigentlichen
Tora aufhören würden. P'^siq79a: R. Pin^cbas (um 360) u.R. Levi (um 300) u.R. Jochanan
(t 279) haben im Namen des R. M*^nachem aus Gallaja' (eines Tannaiten ungewisser
Zeit) gesagt: In der Zukunft (= in den Tagen des Messias) werden alle Opfer auf-
hören, aber das Opfer des Dankes wird in Ewigkeit nicht aufhören; u. ebenso werden
alle Bekenntnisse aufhören, aber das Bekenntnis des Dankes wird in Ewigkeit nicht
aufhören. Das meint Jer 83, 11: („Wiederum wird man hören) den Schall des Jubels
u. den der Freude, den Schall des Bräutigams u. den der Braut, den Ruf derer, die
da sagen: Danket Jahve ^'A'baoth, denn freundlich ist Jahve, denn auf ewig währt
seine Gnade, derer, die ein Dankopfer in das Haus Jahves bringen." „Danket Jahve",
damit sind die Bekenntnisse des Dankes (Danklieder) gemeint; „die ein Dankopfer
bringen", das bezieht sich auf das (eigentliche) Dankopfer. Ebenso hat David gesagt
Ps 56, 13: „Mir liegen ob, o Gott, deine (d. h. die dir gelobten) Gelübde, bezahlen
will ich dir Dankespfiichten"; es heißt nicht --ir (eine Dankespflicht, Sing.), sondern
mir (Plur.); damit ist gemeint das Dankbekenntnis u. das (eigentliche) Dankopfer. —
Parallelstellen: LvR 9 (111^): 27 (126 1'); Tanch ^i^is 176»; Tanch B ^i«s § 19 (48 b);
Midr Ps 56 § 4 (148^); 100 § 4 (213'^); vgl. das. 50 § 3 (140b), wo ausgeführt wird,
daß das Dankopfer das einzige Opfer ist, das nicht durch die Sünde veranlaßt wird. ||
P''s50^: „Es wird geschehen an jenem Tage, nicht wird es hell sein, -jisr'p^ nip-"
Über die palästinische Ortschaft s^V; vgl. Winer, Bibl. Realwörtb. 1, 388 „Gallim"
Matth 5, 18 (SB 1. 2) 247
(Sacli 14,6, so das K^thib). Was bedeutet -iiss'p^ riip-? R, Jochanan (f 279) hat ge-
sagt: Damit sind die Traktate über , Aussatzschäden " u. „Bezeltungen" (Verunreinigung
durch Leichen) gemeint, die wichtig i'ip" sind in dieser Welt u. wertlos """isp (wört-
lich , obenauf schwimmend") in der zukünftigen Welt (= in den Tagen des Messias,
da es dann weder Aussatz noch Leichen geben wird). |1 NiddaÖlb; Aus einem Ge-
wand mit Mischgewebe darf man Sterbekleider für einen Toten machen. Rab Joseph
(t 383) hat gesagt: Das besagt, daß die Gebote (betr. Mischgewebe) in der Zukunft
(= Messiaszeit) aufhören werden. — Die Meinung des Rab Joseph ruht auf dem Satz,
daß Gott die Toten in denselben Gewändern auferwecken werde, in denen sie einst
begraben wurden. Wenn also die obige Bar Sterbekleider mit Mischgewebe für
erlaubt erklärt, so folgt daraus, daß ihre Vertreter das Tragen von Gewändern
aus Mischg. nach der Auferstehung unmöglich für verboten gehalten haben; positiv
ausgedrückt: in der Zukunft müssen die Vorschriften über die Mischgewebestoffe auf-
gehoben sein. II Vgl. auch Midr Qoh 12, 1 (53^): R. Chijja b. N^'chemja (im 4. Jahrh.)
sagte: {,Die Jahre, davon du sagst: Ich habe kein Begehr in ihnen," so deutet der
Midr), das sind die Tage des Messias, in denen es weder ein Verdienst noch eine
Schuld gibt. — In den Tagen des Messias ist der böse Trieb u. die Sünde beseitigt;
es wird also dann keine Übertretung u. keine Schuld mehr geben. Tatsächlich werden
so die Verbote der Tora praktisch gegenstandslos sein; sie bieten aber damit auch
dem Israeliten keine Gelegenheit mehr, sich durch ihre gewissenhafte Beobachtung
vor Gott ein Verdienst zu erwerben. — Diese Stellen zeigen, wie man sich in be-
stimmten Kreisen mit dem Gedanken vertraut gemacht hat, daß in der messian. Voll-
endungszeit große Teile der Tora tatsächlich ohne praktische Bedeutung sein würden.
Aber das alles berührt doch die eigentliche Geltung der Tora nicht. Diese bleibt die
alte, auch wenn die veränderten Zeitverhältnisse es mit sich bringen werden, daß
einzelne Teile der Tora keine Anwendung finden können.
2. Das Jod ■i als kleinster Buchstabe der (Quadrat-)Schrift.
Midr HL 5, 1 1 (1 19b) s. oben S. 244/. — GnR 47 (29 ^■) : R. Schimf on b. Jochai (um 150)
hat gesagt: Das Jod, Avelches Gott aus dem Namen Sarai nahm (vgl. Gn 17, 15), flog
eilends vor den Thron Gottes u. sprach: Herr der Welten, weil ich der kleinste unter •
den Buchstaben bin, hast du mich weggenommen von der gerechten Sara! Gott ant-
wortete: Vordem bist du in dem Namen einer Frau gewesen, u. zwar am Ende der
Buchstaben, "^r; jetzt werde ich dich in den Namen eines Mannes setzen, u. zwar
als ersten der Buchstaben, vgl. Nu 13, 16: „Mose nannte den Hoschea?, Sohn des
Nun: J-^hoschuaf." — In den Parallelstellen LvR 19 (118<=); Midr HL 5, 11 (119b) u.
pSanh 2, 20*^, 45 fehlt die Bemerkung über die Kleinheit des Jod; ferner nennen die
beiden ersten Stellen den R. J%oschua? b. Qarcha (um 150) u. die letzte den R. Hoscha?ja
als Autor. Bezug genommen wird auf vorstehende Legende von R. Dos*^thai aus Biri,
im 4. Jahrh. Sanh 107». || M^n 29b: (Jes 26, 4: Jn Jah, Jahve ist ein Fels der Ewig-
keiten" ü'nhty -'•lu '■'"' s^s wird vom Midr gedeutet: Durch die Buchstaben Jod-He
ist Jahve der Bildner der Welten.) R. J'liuda b. El?ai (um 150) hat gesagt: n'3 be-
zieht sich auf die beiden Welten, die Gott geschaffen hat, die eine durch He u. die
andre durch Jod. Ich weiß aber nicht, ob er die zukünftige Welt (hier = himmlische
Welt der Seelen, Äon zwischen Tod u. Auferstehung) durch Jod u. diese Welt durch
He, oder ob er diese Welt durch Jod u. die zukünftige Welt durch He geschaffen hat.
Da die Schrift nun aber sagt Gn 2, 4: „Dies ist die Geschichte des Himmels u. der
Erde =si3Tia", so -lies nicht os-^sn^ (= da sie geschaffen wurden), sondern' as'^a t:^
= durch He schuf er sie (also ist diese Welt [Himmel u. Erde] durch He erschaffen
worden). Und warum ist diese Welt durch He erschaffen worden? Weil sie einer
Vorhalle gleicht (in der sich der Mensch für die zukünftige Welt vorbereiten soll);
denn wer hinausgehn will, der kann hinausgehn. Und warum schwebt sein Schenkel
(warum reicht der linke Schenkel des r. nicht wie sein rechter bis oben an das Dach ;;)?
Weil, wenn der Mensch in Buße umkehrt, man ihn (durch die Öffnung oberhalb des
248 Matth 5, 18 (SB 2. 3)
schwebenden linken Schenkels) wiedereintreten läßt. Man könnte ihn ja durch die
Öffnung unten eintreten lassen! Das würde nichts helfen (denn zur wirklichen Be-
kehrung bedarf er eines Beistandes von oben; daher die Öffnung oberhalb des
linken Schenkels). Es ist so wie Resch Laqisch (um 250) gesagt hat; denn dieser
hat gesagt: Was bedeutet: „Wie Gott der Spötter spottet, so gibt er den Demütigen
Gnade" Spr 3, 34? Will einer sich reinigen, so leistet man (= Gott) ihm Beistand;
will einer sich verunreinigen, so öffnet man ihm (gibt ihm dazu Gelegenheit). Und
warum hat das n ein Krönchen s:sr; (ein Häkchen links an seinem Dach)? Gott sägt:
Wenn einer in Buße umkehrt, knüpfe ich ihm eine Krone (1. ^rs statt "lap). Und
warum wurde die zukünftige Welt durch das (winzige) Jod erschaffen?- Weil der Ge-
rechten darin wenige sind. Und warum ist der Kopf des ' gekrümmt (zusammen-
gezogen, gebeugt)? Weil die Köpfe der Gerechten darin gebeugt sind wegen ihrer
Werke, denn- sie gleichen nicht einer dem andren. (Die Herrlichkeit der Gerechten
in der zukünftigen Welt ist verschieden; darum gehen die minder Ausgezeichneten
vor Scham mit gebeugtem Kopf einher; e. hierzu Exkurs: Sch*^ol, Gehinnom- u. Gan
fEden III, 3, u.) ■— Ähnliches pChag 2, 77^45 von R. Jochanan (t 279); nur kennt
dieser keine himmlische Welt der Seelen, er versteht also unter der „zukünftigen
Welt" die eschatologische zukünftige Welt, die mit der Auferstehung der Toten be-
ginnt (s. Exkurs: Sch'ol usw. I, 4). Nachdem R. Jochanan .genau wie R. J'^huda zu-
nächst aus Gn 2, 4 erwiesen hat, daß diese Welt durch He, die zukünftige Welt durch
Jod erschaffen sei, heißt es dann weiter: Wie das n unten geöffnet ist, so deutet es
damit allen, die in die Welt kommen, an, daß sie in die Sch^ol hinabfahren werden.
(Die Seh. ist nach R. Jochanan der Aufenthaltsort aller Toten während des Zwischen-
zustandes.) Wie das n oben einen Punkt nn:ip: hat (gemeint ist das Häkchen oder
Krönchen am linken Ende des Daches), so deutet es damit an: nachdem sie hinab-
gefahren, werden sie (zur Zeit der Auferstehung) wieder emporsteigen. Wie das n
auf allen Seiten geöffnet ist, so ist allen Bußfertigen die Tür aufgetan. Wie das -
gebeugt ist, so werden alle, die in die Welt kommen, gebeugt sein (nach der Auf-
erstehung am Tage des Weltgerichts) u. „alle Angesichter werden sich zur Blässe
wandeln" Jer 30,-6. — Parallelstellen: P'\siqR 21 (109»); R. El?azar (um 270) als Autor:
•GnR 12 (9'^) u. Midr Ps 114 § 3 (236 »). Deutlich ist überall mit der zukünftigen Welt
der mit der Auferstehung anhebende Aon gemeint.
3. xegaia bezeichnet ein Häkchen, Krönchen, Strichelchen, das
einzelne Buchstaben des hebräischen Alphabets als Zierat haben. Das
Rabbinische hat dafür die Bezeichnungen nriip oder y-.p = Dorn, N:n
oder nrs = Krone; auch ri'i^p: = Punkt,
M«n 29'*: Raba (sa^ f 352) hat gesagt: Sieben Buchstaben bedürfen des Setzens
von drei Krönchen (T'Jn^T): ]'"itix:yv. || M'n 29'': Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab
(t 247) habe gesagt: Als Mose (bei der Gesetzgebung) zur Höhe emporstieg, traf er
Gott, wie er dasaß u. Krönchen n^-rs an den Buchstaben (der Tora) anbrachte. Er
sprach zu ihm: Herr der Welt, wer kann dich denn hindern (die Tora auch ohne jene
Buchstabenverzierungen zu geben)? Gott antwortete: Es wird einen Menschen ^geben,
der nach vielen Geschlechtern leben wird, ?Aqiba b. Joseph wird sein Name sein; der
wird über jedes einzelne Häkchen ynpi y-p 5= ^" ganze Haufen von Halakhoth (Ge-
setzesbestimmungen) auf Grund seiner Forschungen vortragen. || M*''n29'': Weshalb hat
das n (links am Dach) ein Krönchen s;sp? Gott hat gesagt: Wenn der Mensch in
Buße umkehrt, knüpfe ich ihm eine Krone (s. die ganze Stelle S. 247f.). 1| Schab 104'':
(Im hebr. Alphabet folgt der Buchstabe -^ auf p ; sie stehen also so nebeneinander i"p.)
Qoph p, das ist der Heilige wnp (= Gott); Resch --, das ist der Frevler ?tD^. Warum
wendet sich das Gesicht des p (der Dachbogen rechts) vom ^ ab? Gott spricht: Ich
kann den Frevler nicht ansehn. Und warum wendet sich das Krönchen sjr des p dem
^ zu? Gott spricht: Wenn er in sich geht, knüpfe ich ihm eine Krone ir2, die der
meinigen gleicht. H M^^n 3, 7 : Die beiden Abschnitte in der M'zuza (Türpfostenkapsel)
Matth 5, 18 (SB 3). 5, 19 (31. 33) 249
hemmen einander, ja selbst Ein Buchstabe hemmt sie (d. h. wenn ein Abschnitt oder
auch nur Ein Buchstabe fehlt oder falsch geschrieben ist, so wird dadurch die ganze
M. für den Gebrauch untauglich). Dazu iVPn 29^: Das ist selbstverständlich. Rab J^'huda
(t 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Dazu bedurfte es nur des (fehlenden)
Strichelchens am Jod -t' hv luip. || ExR 6 (72''): Gott sprach zum Jod (das sich über
Salomo beschwerte, s. S. 244): Salomo u. tausend seinesgleichen werden vergehn, aber
ein Strichelchen von dir -aa n::ip wird nicht vergehn. || Als Beleg zu n-ip; = Punkt
s. pChag2, 77S45 S. 248.
Die das n vom -i, das n vom n, das :z vom = unterscheidenden Merk-
male gehören, obgleich man es öfters lesen kann (auch bei Schöttgen
zu 5,18) nicht zu den xagaiai.
5,19 5t: Eins dieser geringsten Gebote.
Zur Unterscheidung -zwischen geringen u. wichtigen Geboten s. bei
Mt 22, 36. Hier folgen etliche Stellen, die zur Achtsamkeit den geringen
Geboten gegenüber mahnen.
Aboth 2, 1: Rabbi sagte: Sei vorsichtig beim geringen Gebot, wie bei einem wich-
tigen; denn du kennst den Lobn für die Gebote nicht. || 4, 2: Ben ?Azzai (um 110)
sagte: Sei schnell, ein geringes Gebot zu erfüllen, u. fliehe vor der Übertretung. Denn
eine Gebotserfüllung zieht eine andre nach sich, u. eine Übertretung zieht eine andre
nach sich; denn der Lohn einer Gebotserfüllung ist eine (weitere) G., u. der Lohn einer
Übertretung ist eine (weitere) ü. || Aboth R. Nathan 2 : Die Gelehrten haben gesagt: Laufe
nach einem geringen Gebot, damit es dich zu einem wichtigen (großen) Gebot führe. j|
pQid 1, 61 '', 58: R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Die Schrift hat das geringste
unter den Geboten r-^'i-,zv nVp ni::« dem schwersten (wichtigsten) Gebot n--)3n m-.;»:
n-nisnn p gleichgestellt. Das geringste Gebot ist das betreffs des Loslassens der Vogel-
mutter, Dt 22, 6 f., u. das schwerste ist das betreffs der Ehrerbietung gegen die Eltern Ex
20, 12; u. bei beiden steht (der gleiche Lohn) geschrieben: „Damit du lange lebest."
5, 19: Wer sie aber tut u. lehrt.
Über Theorie u. Praxis, Torastudium u. Toraübung s. bei Rom 2, 13.
5, 19$B: Der wird ein Geringster im Himmelreich genannt
werden; . . . wird ein Großer heißen.
Über Rangstufen unter den Seligen s. den Exkurs: Sch'^ol usw. HI.
3, m — u; ferner bei Mt 18, 4.
P'^siqR Anhang 8 (198'^): (R. Sch^'muel b. Nachman, um 260, hat im Namen des
R.Jonathan, um 220, gesagt:) Es heißt Hi 3, 19: „Kleine u. Große sind dort." Weiß
denn das nicht jedermann, daß dort Kleine u. Große sind? Es will dich lehren, daß
in dieser Welt nicht erkannt wird, wer klein u. wer groß ist (aber in der zukünftigen
Welt wird es erkannt). — Midr Ruth zu 1, 17 (128^) mit R. Simon, um 280, als Autor
lautet die Ausführung: In dieser Welt kann, wer klein ist, groß werden, u. wer groß
ist, kann klein werden; aber in der Zukunft (= in der zukünftigen Welt) kann, wer
klein ist, nicht groß werden, u. wer groß ist, kann nicht klein werden. || GnR 81 (51 '^) :
Ben f Azzai (um 110) sagte: Wenn du dich wegen der Worte der Tora selbst zum Toren
machst, wirst du schließlich durch sie erhöht werden. — Ausführlicher, aber mit
andrer Tendenz Aboth R.Nathan 11; hier ist zu ergänzen: „Ben ? Azzai sprach zu
R. ?Aqiba usw." — Nach ßerakh 63 "^ ist R. Sch*"muel b. Nachman, um 260, Autor. ||
BM85t>: R. Jirm^ja (um 320) hat zu R. Z'^fira (um 800) gesagt: Was heißt: Kleine u.
Große sind dort, u. der Sklave ist frei von seinem Herrn Hi8, 19? Wissen wir denn
nicht, daß Kleine u. Große dort sind? Allein die Worte sind so gemeint: Wer sich
selbst wegen der Worte der Tora in dieser Welt klein macht, wird in der zukünftigen
250 Matth 5, 19 (SB). 5, 20 (2t)
Welt groß sein; u. wer sich wegen der Worte der Tora in dieser Welt gleichsam zu einem
Sklaven macht, wird frei sein in der zuk.Welt. ~ Nach Bacher, pal. Amor. 3, 31 ist
diese Deutung von R. Z^fira. || P^s 50=': Was heißt Sach 14, 6 -iss-p- r:->p-? R. J'^hoschuaf
b. Levi (um 2-i)0) hat gesagt: Das sind die Menschenkinder, die geehrt sind in dieser
Welt, aber gering geachtet in der zukünftigen. Dem entspricht, was sein Sohn R. Joseph
gesehen hat, als er krank in Fieberträumen dalag. Als er wieder zu sich kam, sprach
sein Vater: Was hast du gesehen? Er antwortete: Eine umgekehrte Welt habe ich
gesehen, die Oberen zu unterst u. die Unteren zu oberst. Er sprach zu ihm: Mein Kind,
eine wahre Welt hast du gesehen. Und wie werden wir dort sein? (Er antwortete:)
Wie wir hier sind, so werden wir auch dort sein. Ferner habe ich gehört, wie man
sagte: Wohl dem, der hierher kommt u. sein Erlerntes in der Hand (jederzeit zur Ver-
fügung) hat. Ferner habe ich gehört, wie man sagte: In dem Abteil der Märtyrer
(wörtlich: der von der heidnischen Regierung Getöteten) kann kein Mensch stehn
(d. h. die Märtyrer nehmen die höchste Rangstufe im Jenseits ein, in ihren Kreis darf
kein andrer eintreten). — Die Vision des R. Joseph auch BB 10*^; in Midr Ruth zu
1, 17(128'^) ist der Visionär R. Meascha, ein Enkel des R. J'^hoschua? b. Levi.
5, 20 31: Wenn eure Gerechtigkeit nicht erheblich mehr
wird als die der Schriftgelehrten u. Pharisäer.
ygafii^LaTsTQ^ Schriftgelehrte = n-i-.^io, s. bei 2,4. 1| ^agioaioi = ai^^ii?,
Sing, dne, s. den Exkurs „Pharisäer u. Sadduzäer".
Zu den Schriftgelehrten gehörten nicht nur Pharisäer, sondern auch
Sadduzäer; erst als mit dem Untergang des jüd. Staatswesens i. J. 70
n. Chr. die Partei der Sadduzäer aus der inneren Geschichte des Juden-
tums verschwand, nahm auch die sadduzäische Schriftgelehrsamkeit
ein Ende. — Die Partei der Ph. umfaßte nicht bloß Schriftgelehrte,
sondern in noch weit höherem Maße auch Laien, nämlich alle, die
bereit waren, ihr Leben nach den religionsgesetzl. Anschauungen u.
Anordnungen der pharis. Schriftgelehrten zu führen. — Wenn hier die
Schriftgelehrten u. Ph. nebeneinander genannt werden, so haben wir
bei jenen in erster Linie an die Männer der Theorie zu denken, die die
pharis. Lehrmeinungen schulmäßig ausbildeten u. begründeten. Unter
den Ph. aber werden wir besonders die Vertreter der Praxis zu ver-
stehn haben, die das tägliche Leben in Handel u. Wandel nach den
Satzungen der Schriftgelehrten zu gestalten u. zu regeln sich bemühten.
vii(X)v ri dixaioGvvrj nXsTov xm' ygafißaracov xccl (P., abgekürzte Ver-
gleichung mit Auslassung von ^;. — Die Gerechtigkeit der Schrift-
gelehrten u. Ph. wird von Paulus, also demjenigen Apostel, der ver-
möge seines Bildungsganges einen genauen Einblick in die pharis.
Schulmeinungen gewonnen hatte, charakterisiert als eine Sixawffvvt] ix
Tov vöfxov oder als eine d\ s^ egycov röjjiov, d. h. als eine Gerechtigkeit,
die aus dem Gesetz u. seinen Werken erwächst, s. Rom 10, 5; Gal 3, 21;
Phil 3, 9; Rom 3, 20; Gal 2, 16. Diese Charakterisierung finden wir auch
außerhalb des NTs. Test Dan 6 : Stehet ab von jeder Ungerechtigkeit
u. hangt der Gerechtigkeit des Gesetzes Gottes an xoXlvj&rjTs zf^ dixaio-
Gvvrj TOV v6f.iov TOV ^€ov. — Apoc Bar 67,6: Der balsamische Weih-
rauchduft der Gerechtigkeit aus dem Gesetz iustitiae ex lege ist aus
Matth 5, 20 (31) 251
Zion getilgt. — Auch hier bezeichnet die Sixaioaiivt] tov vo/xov, bezw.
«die iustitia ex lege die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt. Aber
aus allem dem erfahren wir nichts Näheres darüber, wie denn nun
■eigenthch nach der Meinung der alten Synagoge des Israeliten Ge-
rechtigkeit aus dem Gesetz u. seinen Werken hervorgeht. Darüber
belehrt uns erst die rabbin. Literatur. Die Sache verhält sich so. Jede
'Gebotserfüllung iriiäp ^ schließt als ein Akt des Gehorsams gegen den
/göttlichen Gesetzgeber ein Verdienst r^isj (Plur. ri'^zT) des Israeliten vor
•Gott in sich, ebenso wie jede Gesetzesübertretung n-i^s eine Schuld
nnin vor Gott nach sich zieht. Von den Gebotserfüllungen abgesehen
werden Verdienste vor Gott weiter erworben durch Almosen, Fasten
lu. besondere Liebeswerke, nicht zuletzt durch das Torastudium. Das
Verhältnis, in welchem die Verdienste des Menschen nach Zahl u.
innerm Wert zu seinen Übertretungsschulden stehen, stellt den je-
weiligen rechtl. Stand des Menschen vor Gott dar: überwiegen die
Verdienste, so wird der Mensch von Gott als ein Gerechter p-'nrs an-
gesehen; überwiegen seine Übertretungsschulden, so gilt er als ein
Frevler rd'n. — Hierbei ist die wichtige Frage noch nicht berührt, von
•deren Beantwortung die ganze Verdiensttheorie abhängt, die Frage:
was ist als Gebotserfüllung u. was ist als Gebotsübertretung anzusehn?
Eine Gesetzesübertretung läßt sich nur an der Hand des Wortlautes
■des Gesetzes feststellen; eine Handlung, auf die der Wortlaut eines
'Gesetzes nicht zutrifft, kann nicht als Übertretung dieses Gesetzes hin-
gestellt werden. Demgemäß haben auch die rabbin. Gelehrten für eine
Gesetzesübertretung nur diejenige Handlung angesehen, die entweder
dem Buchstaben einer Gesetzesbestimmung nicht voll entsprach oder
ihm geradezu widersprach. Liegt aber darin nicht zugleich die An-
erkennung beschlossen, daß nun auch umgekehrt jede buchstäbliche
Erfüllung eines Gebotes als eine volle, dem Gesetz Genüge tuende an-
zusehn sei? Die alte S3'^nagoge hat diese Frage bejaht. Gewiß können
auch nach ihrer Meinung subjektive Momente den Wert einer Gebots-
erfüllung erhöhen. Hat jemand zB ein Verbot beobachtet unter schwerem
innerem Kampf gegen den eignen bösen Trieb; oder hat ein andrer
keine Kosten gescheut, um die Ausführung eines Gebotes so schön zu
gestalten, wie es nur in seinen Kräften stand; oder hat ein dritter
einer Gesetzesbestimmung nicht aus Furcht vor Gott, sondern aus
Liebe zu Gott genügt: so sind das alles Gründe, die der Gebotserfüllung
•einen besonderen Wert verleihen; aber es sind doch immer nur Ak-
zidenzien; fehlten sie, so würde auch ohne sie eine vollgültige Gebots-
•erfüilung vorliegen, falls nur dem Buchstaben des Gebotes genügt war.
Erst die Anerkennung dieses Grundsatzes, daß die buchstäbliche Er-
füllung eines Gebotes als eine vollgültige u. verdienstliche Gebots-
: bedeutet im Rabbinischen nicht bloß „Gebot", sondern auch „GebotserfüUung".
252 Matth 5, 20 (31. SB)
erfüllung anzusehen sei, hat die Verdienstlehre der alten Synagoge
möglich gemacht, 1
Hiernach kommt die Gerechtigkeit aus dem Gesetz zustande da-
durch, daß der Israelit durch pünktliche, wäre es auch nur äußerliche
Erfüllung der einzelnen Gesetzesbestimmungen eine solche Menge von
Gebotserfüllungen u. einen solchen Schatz von Verdiensten erwirbt, daß
die Gebotsübertretungen u. die daraus sich ergebenden Übertretungs-
schulden nach Zahl u. Gewicht überragt werden. Ist diese Bedingung
erfüllt, dann hat er Gottes Urteil für sich, d. h. Gott sieht ihn als
einen Gerechten an.
Diese Art von Gerechtigkeit hat Jesus nicht anerkannt: „Wenn
eure Gerechtigkeit nicht erheblich mehr wird als die der Schriftgelehrten
u. Pharisäer (d. h. wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten
nicht bei weitem übertrifft), so werdet ihr nicht in das Himmelreich
eingehn." Aber dabei bleibt Jesus nicht stehn: er tritt auch in den
Kampf gegen die Gesetzesgerechtigkeit der Ph. ein. Das tut er, indem
er das Fundament zerstört, auf dem die Verdienstlehre der Schrift-
gelehrten mit der ganzen Gesetzesgerechtigkeit ruhte. Dieses Fundament
war der Satz, daß die buchstäbliche Erfüllung des Gesetzes eine volle,
den göttl. Ansprüchen genügende Gesetzeserfüllung sei. Gegen diesen
Satz erhebt die ganze Bergpredigt Jesu Protest: nicht dem Buchstaben
nach gilt es das Gesetz zu erfüllen; Gott will eine bessere Erfüllung
seiner Gebote, eine Erfüllung im Geist u. in der Wahrheit. Was das
heißt, macht Jesus dann klar durch die Auslegung, die er einzelnen
Geboten zuteil werden läßt. Dabei stellt er überall der buchstäblichen
Ausdeutung der Gebote, wie sie von den Schriftgelehrten beliebt wurde,
seine Auslegung entgegen, die den vollen religiös-ethischen Gehalt
aufdeckt, den Gott in seine Gebote hineingelegt hat. In solcher Tiefe
sollen seine Jünger die Gebote erfassen u. erfüllen; dann werden sie
bald erkennen, daß es um die Gesetzeserfüllung der Ph. nichts sei, u.
daß die Verdienstlehre der Schriftgelehrten samt der darauf aufgebauten
Gesetzesgerechtigkeit vor dem Richterstuhl des menschl. Gewissens-
haltlos in sich selbst zusammenbricht.
5,20 23: In das Himmelreich hineinkommen.
Entsprechende rabbin. Wendungen sind:
1. Ksn ah'.yh sia = in die zukünftige Welt kommen. TSanh 13, 1 (434): Die kleinen
Kinder, die Kinder der Gottlosen des Landes (Israel) haben keinen Anteil an der zu-
künftigen Welt. ... So Rabban Gamliel (um 90); R. J^hoschua? sagte: Sie kommen in
die zukünftige Welt san nVi:!^ ]r; •j-S2. || Sanh 104*': Die Allegoriker haben gesagt: All©
(auch die Sanh 10,2 Ausgeschlossenen) kommen in die zukünftige Welt. |i Sanh 110^:
R. Elifezer (um 90) sagte: Sie (die Leute des Wüstengeschlechts) kommen in die zu-
künftige Welt. Weitere Beispiele: Sanh HO'' (6mal); SotaSS»; Midr Qoh 4, 1 (221^).
2. aramäisch -rs- s^hvh xr;»?. = in die zukünftige Welt kommen. Sanh 98* fragt
R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) den ihm begegnenden Propheten Elia: Werde ich in
^ Das Nähere hierüber s. im Exkurs: Vorwort zur Bergpredigt.
Matth 5, 20 (SB). 5, 21 (31) 253
•die zuk. Welt kommen? 'rs-i s>35S5 sms. || SanhlOl'': Woher entnehmen wir, daß
<3er König .Terobeam nicht in die zuk. Welt gekommen ist? — Die gleiche Frage in
bezug auf die Könige Ahab u. Manasse das. 102''. Weitere Beispiele: Sanh 105 '; 106 1>;
€hag 15 b (Smal).
3. N2n Dsi:? "i^rtV s'^3 = in das Leben der zukünftigen Welt kommen. Gittin 57 b;
Wenn wir im Meer untergehen, kommen wir (dann) in das Leben der zuk. Welt? —
Ähnlich Midr KL 1, 16 (56b). ,| Midr Qoh 4, 1 (22^); R. Chanina (um 225) hat Qoh 4, 1
auf die von der (heidnischen) Regierung Getöteten (d. h. auf die Märtyrer) ausgelegt,
daß diese nämlich in das Leben der zuk. Welt kommen, auch wenn sie (vor ihrem
Tode) kein Bekenntnis (ihrer Sünde) abgelegt haben (wie es sonst bei Sterbenden üblich
ist), i! GnR9 ("»): R. Huna^ (um 350) hat gesagt: , Siehe, es war sehr gut" Gn 1,31,
damit ist das Maß des Guten {^= Glück, Wohlstand) gemeint; ,und siehe, es war sehr
gut" (das.), damit ist das Maß der Leiden gemeint. Aber ist denn das Maß der Leiden
sehr gut? Allerdings, denn durch dieses kommen die Menschen in das Leben der
zuk. Welt.
4. san nh'y '^n-: cisr: ^= eingehn zum Leben der zukünftigen Welt. Derekh EreQ 2:
E,. El?azar b. 5Azarja (um 100) sprach: Wenn ihr steht u. betet, so wisset, vor wem ihr
steht u. betet; denn um deswillen werdet ihr eingehen nc::r:> zum Leben der zuk. Welt. |!
Aramäisch: k'3~? "'"< r^'V? = ich bin zum ewigen Leben eingegangen Targ Ps 40, 8.
5,2151: Ihr habt gehört, daß den Alten gesagt wurde.
rjxovaare „ihr habt gehört" = „ihr habt als Tradition empfangen".
Sanh 11, 2: Wenn sie (die Glieder des Gerichtshofes) darüber (eine Tradition) ge-
liört haben iy?3r, so sagen sie sie ihnen. || pT*^rum 10, 47 b, 51 : (Schim?on b. Abba, um 280)
sagte: Ich sage, was ich gehört (als Tradition empfangen) habe; jene sagen, was sie
gehört haben. || fEdujjoth 5, 7: In seiner Sterbestunde sprach fAqabja b. Mahalahel
(vor 90) zu seinem Sohn: Laß ab von den vier Sätzen, die ich gelehrt habe (s. 5, 6).
Dieser antwortete: Warum bist du nicht von ihnen zurückgetreten? Er sprach zu ihm:
Ich habe sie aus dem Munde mehrerer gehört, u. meine Gegner haben ihre Worte aus
dem Munde mehrerer gehört; ich bin bei dem von mir Gehörten geblieben, jene
bei ihrer Tradition. Aber du hast es aus dem Munde eines einzelnen gehört, jene
wiederum aus dem Munde mehrerer; da ist es besser, die Worte des einzelnen zu lassen
u. sich an die Worte mehrerer zu halten.
€QQsd^r] „es ist gesagt worden" -i-sriN = „es ist als Tradition gelehrt
worden".
fErub 15b u. Sukka 15^-: p]s ist gesagt worden "r^rs: Wenn das Eingerissene so
viel ist, wie das Stehengebliebene. |l Tafan 18^: Es ist gesagt worden: R. Chijja b. Aschi
(um 270) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Die Halakha richtet sich nach R.Jose. —
Weitere Beispiele: Ta?an20b; Qid43a; BQ 56''; Mak6=i; Sukka46^
ToTg uQxaioig. Die „Alten" sind die „früheren Generationen" min
r:^:rj;N-n. Der Begriff ist ein sehr weiter, wie folgende Stellen zeigen.
Midr HL 7, 14 (130b): ,An unsren Türen allerlei köstliche Früchte" HL 7, 14. Die
Rabbanan (hier Zeitgenossen des Rab Schela, um 220) sagten: Gleich einem König, der
einen Garten hatte, welchen er einem Pächter übergab. Was tat der Pächter? Er
füllte die Körbe mit Feigen von den Früchten des Gartens u. setzte sie an die Tür
des Gartens. Als nun der König vorüberging u. all diese Pracht sah, sprach er: So
viel Pracht an der Tür des Gartens, wie viel mehr im ganzen Garten ! So waren unter
den Geschlechtern der Früheren (der Alten) die Männer der Großen Sj^nagoge (nach
Esra), Hillel u. Schammai u. Rabban Gamliel der Alte (der Lehrer des Apostels Paulus);
1 Bacher, Agada der babyl. Amor. 55, vermutet, daß Rab Huna, der Babylonier
(f 297), gemeint ist.
254 Matth 5, 21 (3t. SB 1)
u. vollends unter den Geschlechtern der Späteren R. Jochanan b. Zakkai (f um 80),
R. Elifezer (um 90), R. J^oschua? (um 90), R. Meir (um 150) u. R. ?Aqiba (f um Ub]>
samt seinen Schülern. Auf sie heißt es HL 7, 14: „Neue u. Alte, mein Freund, habe-
ich dir aufbewahrt." — Hiermit vgl. LvR 2 (134^): „Neue u. Alte, mein Freund, habe-
ich dir aufgehoben" (HL 7, 14). Abraham, Isaak u. Jakob, das sind die Alten; fAmrami
b. Q^hath u. alle Frommen in Ägypten, das sind die Neuen. — Die Genossen Moses,.
Josuas, Davids u. Hiskias, das sind die Alten; die Genossen Esras, Hilleis, des Rabbani
Jochanan b. Zakkai u. des R. Meir, das sind die Neuen. || Joma 9b : R. Jochanan (f 279)-
u. R. EUazar (um 270) haben beide gesagt: Den Früheren (zur Zeit der Zerstörung des.
I.Tempels), deren Schuld offenbart wurde, wurde das Ende (ihres Exils) offenbart; deni
Späteren (Zerstörung des 2. Tempels), deren Schuld nicht offenbart wurde, ist das Ende
(ihres Exils) nicht offenbart worden. R. Jochanan hat gesagt: Besser der Nagel der-
Früheren, als der Bauch der Späteren. Resch Laqisch (um 250) sagte: Im Gegenteil,,
die Späteren sind besser; obgleich sie unter der Knechtschaft der Weltreiche sind, so«
beschäftigen sie sich doch mit der Tora. Er erwiderte: Der Tempel beweist es; denn,
den Früheren ist er wiedererstanden, aber den Späteren ist er nicht wiedererstanden. —
Man fragte den R. Eli?ezer (um 90): Sind die Früheren größer oder die Späteren? Er-
antwortete: Richtet euer Auge auf den Tempel! Nach andren sprach er: Euer Zeuge-
ist der Tempel! — Parallelstellen: pJomal,38«,56; MidrPs 137 § 10 (263b). || pDemail,.
21 d, 57 : R. Abba b. Z^bina (um 330) hat im Namen des R. Z«'?ira (um 300) gesagt: Wen»,
die Früheren, 'S':";' (damit dürften die Tannaiten gemeint sein), Engel waren, dann,
sind wir Menschen; u. wenn jene Menschen waren, dann sind wir Esel.
€QQs^^] ToTc aQxf^ioig = „zu den Alten wurde gesagt". Manche deuten ::
„von den A. wurde gesagt". Dann vgl. Schab 64'': Die früheren Ältesten
n-^siüxin n^:pT haben gesagt, daß sich (die Menstruierende) nicht schminkeni
soll an den Augen u. auf den Backen u. sich nicht putzen soll mit bunten
Kleidern, bis R. ^Aqiba (f um 135) kam u. lehrte: In diesem Falle machst
du sie ja ihrem Mann verächtlich. | Auch bei Josephus, Antiq. 13, 10, 5:
axovofisv Tiaqcc xööv TiQsaßvxtQon' „wir hören von den Alten" erscheinen
die Alten nicht als Empfänger, sondern als Lehrer oder Überlieferer
von Satzungen u. Nachrichten.
5, 21 SB: Du sollst nicht töten; wer aber tötet,
soll dem Gericht verfallen sein.
1. Der Schwere der Sünde a entsprach die Größe der Sühne: auf
Mord stand Todesstrafe. So schon Gn 9, 6. Doch hat das jüdische Recht
nicht an dieser Stelle sich entwickelt, sondern vielmehr im Gegensatz.
dazu, indem man Gn 9, 6 lediglich die Grundsätze für die Rechtsprechung
der Noachiden, d. h. der außerjüdischen Welt, ausgesprochen fand.b'
Das jüdische Strafrecht gegen Mörder ist ausgebildet worden auf Grund
von Ex 21, 12; Lv 24, 17. 21; Nu35, IGff.c
a. Sanh 4, 5: Deshalb ist ein einziger Mensch in der Welt geschaffen worden, um
zu lehren, daß jedem, der Eine Seele (Person)^ vernichtet, man es anrechnet, wie wenn
er eine ganze Welt vernichtet hätte, u. jedem, der Eine Seele erhält, man es anrechnet,
wie wenn er eine ganze Welt erhalten hätte. !| GnR 34 (21 '): R. ?Aqiba (f um 135) hat
öffentlich vorgetragen: Wer Blut vergießt, dem rechnet man (= Gott) es so an, al&
hätte er das Bild Gottes verringert, s. Gn 9,. 6: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut
soll durch Menschen vergossen werden." Weshalb? „Denn in seinem Bilde hat Gott den
^ Der Zusatz „von Israel" '-Nic-a ist schlecht bezeugt.
Matth 5. 21 (95 1) 255
Menschen gemacht." — Dasselbe TJ^b 8, 4 (250). Vgl. auch M^kh Ex 20, 16 (78=^): Wie
sind die 10 Gebote gegeben worden? 5 auf der einen, 5 auf der andren Tafel. Es
heißt: „Ich bin Jahve dein Gott" (als Anfang der ersten Tafel), u. dem entsprach (als
Anfang der zweiten Tafel): „Du sollst nicht töten." Damit will die Schrift anzeigen,
daß, wer Menschenblut vergießt, von der Schrift so angesehen wird, als hätte er das
Bild des Königs verringert. Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der in eine Stadt
kam; er ließ sich Standbilder setzen u. andre Bilder anfertigen, u. man prägte ihm
Münzen (mit seinem Bildnis). Nach einiger Zeit stürzte man ihm die Standbilder um,
zerbrach die Bildnisse u. beseitigte seine Münzen u. verringerte so das Bild des Königs.
Ebenso rechnet es die Schrift dem, der Menschenblut vergießt, so an, als ob er das
Bild des Königs verringerte, s. Gn 9, 6. || Mord wird neben Blutschande u. Götzendienst
regelmäßig zu den schwersten Übertretungen gerechnet, zB Sanh 74^: R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Schim?on b. J^hoQadaq (um 225) gesagt: Im Söller des
Hauses des Nithza zu Lydda hat man abgestimmt u. beschlossen (um 132 — 135 n.Chr.):
Alle Übertretungen, die in der Tora erwähnt werden, mag ein Mensch, zu dem man
(die heidnische Obrigkeit) sagt: „Begehe .sie, damit du nicht getötet werdest", begehn,
um nicht getötet zu werden, ausgenommen Götzendienst, Inzest u. Mord (wörtlich:
Blutvergießen). ... Es kam jemand vor Rabbah (f 330) u. sprach zu ihm: Der Vor-
steher meines Wohnortes hat zu mir gesagt: „Geh u. töte den u. den; wenn du es nicht
tust, so töte ich dich!" Er antwortete: Mag man dich töten, doch töte du nicht! Wer
sagt dir, daß dein Blut röter (wertvoller) ist? Vielleicht ist des andren Blut röter. —
Der erste Teil auch pSch^'bifith 4*, 35 % 41. 51 ; pSanh 3, 21 b, 9. ij TPea 1, 2 (18): Wegen
folgender Dinge straft man den Menschen in dieser Welt, während ihm das Kapital
(die Hauptstrafe) anstehn bleibt in der zukünftigen Welt: Götzendienst, Unzucht, Blut-
vergießen (Mord) u. Verleumdung, die sie alle aufwiegt. — Diese 3 Kardinalsünden
werden nebeneinander genannt auch Lv 18, 4 (338^); pPea 1, 15*^, 54; fArakh 15^;
MidrQoh 1, 13 (10b).
b. GnR34(21b): Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll durch Menschen ver-
gossen werden" Gn 9, 6. R. Chanina (um 225) hat gesagt: Das alles bezieht sich auf
die Rechtsnormen der Noachiden, auf den einen Zeugen, auf den einen Richter, auf
das Fehlen von Zeugen, auf das Fehlen der Verwarnung, auf das Töten durch einen
Beauftragten (gedungenen Mörder) u. auf Abtreiben der Leibesfrucht. Betreifs des Einen
Zeugen oder des Einen Richters heißt es: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll
vergossen werden n-sa", also durch Einen Menschen (sei es Ein Zeuge oder Ein
Richter). Betreffs des Fehlens von Zeugen u. des Fehlens der Verwarnung heißt es:
„Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll vergossen werden" (hier verlautet also
nichts von Zeugen der Tat u. von Verwarnung des Täters durch die Zeugen). Betreffs
des gedungenen Mörders heißt es: „Wer Menschenblut vergießt n-sa", durch einen
(andren) Menschen (der Midr zieht e-N2 in diesem Fall zum Vordersatz). Betreffs des
Embryo heißt es: „Wer Menschenblut n-Si", in einem (andren) Menschen (in der
Mutter) „vergießt" usw. — Man beachte, was hier alles die buchstäbliche Auslegung
von Gn 9, 6 zu beweisen vermag. || Sanh 57 b: R. .Jafaqob b. Acha (um 350) fand in einem
Haggadabuch des Lehrhauses geschrieben: Ein Noachide (== Nichtisraelit) wird (wegen
Mordes) hingerichtet durch Einen Richter, durch Einen Zeugen, ohne vorherige Ver-
warnung, auf die Aussage eines Mannes hin, aber nicht auf die einer Frau, selbst
wenn jener Mann ein naher Verwandter ist. Im Namen des R. Jischma?el (f um 135)
hat man gesagt: Auch wegen eines Embryo wird er getötet. Woher läßt sich das be-
weisen? Rah J'^huda (f 299) hat gesagt: Die Schrift sagt Gn9, 5: „Doch euer Blut,
das eurer Seelen, will ich fordern", selbst durch Einen Richter (das is = „doch" hat
einschränkende Bedeutung); „von der Hand eines jeden Wesens", auch ohne Verwarnung
will ich es fordern (Folgerung aus dem absolut gefaßten Vr); „u. von der Hand des
Menschen", auch durch Einen Zeugen; „von der Hand eines Mannes", u. nicht von
der Hand einer Frau; „seines Bruders", auch eines nahen Verwandten. Im Namen des
R. Jischma?el hat man gesagt: Auch wegen eines Embryo wird er getötet. Was ist der
256 Matth 5, 21 (83 1)
Grund des R. JischmaJel? „Wer Menschenblut in einem Menschen vergießt, dessen
Blut soll vergossen werden" Gn 9, 6. Welcher Mensch ist denn in einem Menschen?
Sage: Das ist der Embryo im Leibe seiner Mutter. Der erste Tannait ist der aus der
Schule des M^'nasse, der gesagt hat: So oft bei den Noachiden von der Todesstrafe
geredet wird, ist die Erdrosselung gemeint; er zieht das Wort c-:s3 zum Schluß des
Verses u. erklärt: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll in dem Menschen (= in
ihm, dem Mörder) vergossen werden." Was ist das für ein Blutvergießen bei einem
Menschen, das im Körper des Menschen erfolgt? Sage: Das ist die Erdrosselung. —
Zwei hierher gehörende Auslegungen finden sich noch GnR34(2l'^): „Ich will euer
Blut fordern von jeglichem Tier" (Gn 9, 5), damit ist der gemeint, der einen andren
einem Tier zur Tötung vorwirft; „von der Hand des Mannes seines Bruders" (so der
Midr), damit ist der gemeint, der andre dingt, seinen Nächsten zu töten. (Mann des
Bruders = Mann, der einem andren gleichsam gehört, verfallen ist, weil er sich von
ihm hat dingen lassen.)
C. M'^khEx 21, 12 (85^): „Wer einen Mann schlägt, daß er stirbt, der soll ge-
tötet werden" Ex 21, 12. Weshalb wird das gesagt? Weil es Lv 24, 17 heißt: „Falls
ein Mann irgendeinen Menschen schlägt (so der Midr), soll er getötet werden" ; daraus
könnte ich entnehmen: auch wenn er ihm einen Backenstreicli gibt. Darum heißt es
Ex 21, 12: „Wer einen Menschen schlägt, daß er stirbt." Das zeigt, daß der Täter
erst strafbar ist, wenn des Geschlagenen Leben ganz ausgegangen ist. — „Wer einen
Mann schlägt"; da höre ich nur, wenn er einen „Mann" schlägt. Woher aber auch,
wenn er eine Frau oder einen Minorennen schlägt? Weil es heißt Lv 24, 17: Falls ein
Mann „irgendeinen Menschen" schlägt, um den mit einzuschließen, der eine Frau oder
einen Minorennen schlägt. Da (aus Ex 2], 12 u. Lv 24, 17) höre ich nur von einem Mann
oder einer Frau, die einen Mann getötet haben, u. von einem Mann, der eine Frau oder
einen Minderjährigen getötet hat; woher aber auch, wenn eine Frau einen Minder-
jährigen oder ihre Genossin getötet hat? Die Schrift sagt Nu 35, 16 — 18: „So ist er
ein Mörder" ; das will zur Belehrung dienen (wer auch immer einen andren tötet, ist
ein Mörder u. als solcher dem Tode verfallen). — Wer einen „Mann" schlägt; daraus
könnte ich entnehmen, daß ausgeschlossen sei, wer einen Minderjährigen tötet; des-
halb heißt es Lv 24, 17: Falls ein Mann „irgendeinen Menschen" schlägt, um den
Minderjährigen mit einzuschließen. Daraus könnte ich entnehmen, daß auch ein Acht-
monatskind (solche hielt man nicht für lebensfähig) mitgemeint sei. Deshalb heißt es:
wer einen „Mann" schlägt. Das zeigt, daß nur der straffällig ist, der ein lebensfähiges
Kind tötet. — „Wer" einen Mann schlägt; darin liegt auch „ein Minderjähriger" (der
tötet, ist straffällig). Dagegen heißt esLv24, 17: Falls ein „Mann" irgendeinen Menschen
schlägt, um den Minderjährigen (aus der Zahl der Mördern. Straffälligen) auszuschließen
„der soll getötet werden" „Ex 21, 12, d. h. auf Grund der Verwarnung durch die Zeugen
(s. unten Nr. 3 B 1, S.261 — 263). Du sagst: Auf Grund der Verwarnung durch die Zeugen;
oder nicht vielmehr ohne Verw. durch die Z.? Es heißt Dt 17, 6: „Auf das Wort zweier
oder dreier Zeugen werde der Delinquent getötet." Siehe, was will die Schrift lehrend
»sagen mit: „Der soll getötet werden"? Auf Grund der Verwarnung durch die Zeugen. —
„Der soll getötet werden", d. h. durch einen Gerichtshof. Du sagst: Durch einen Ge-
richtshof; oder nicht vielmehr ohne einen Gerichtshof? Es heißt Nu 35, 16 — 18: „Der
Mörder soll getötet werden." Siehe, was heißt also: Er soll getötet werden? Durch
einen Gerichtshof. [Die Beweisstelle Nu 35, 16 besagt in diesem Falle nichts; es wird
vor rtijTin ri3i^ ein s's ausgefallen sein; dann ist als Belegvers gemeint Nu 35, 12, u.
diese Stelle ist allerdings beweiskiäftig : Der Mörder soll nicht getötet werden, ehe
er vor der Gemeinde zum Gericht gestanden hat.] — „Der soll getötet werden", näm-
lich mit dem Schwert. Du sagst: Mit dem Schwert; nicht vielmehr durch Erdrosselung?
Siehe du folgerst: Es heißt hier, Ex 21, 12 n'in-^ r-,?5, soll des Todes sterben, u. ebenso
heißt es dort vom Ehebrecher Lv 20, 10: rar mis: ^ wie Lv 20, 10 durch Erdrosselung,
* Schluß aus gleichem Ausdruck an zwei verschiedenen Stellen, s. Einl. 97, Nr. 2.
Matth 5, 21 (SB 1. 2) 257
so auch hier Ex 21, 12 durch Erdrosselung. Du ziehst den Ehebrecher zum Vergleich
heran, ich ziehe den Gotteslästerer zum Vergleich heran. Es heißt hier Ex 21, 12: Er
soll des Todes sterben, u. es heißt beim Gotteslästerer Lv 24, 16: Er soll des Todes sterben:
wie dort (Lv 24) durch Steinigung, so auch hier (Ex 21) durch Steinigung. Du zogst den
Ehebrecher u. ich zog den Gotteslästerer zum Vergleich heran. Es heißt aber Gn 9, 6 : Wer
Menschenblut vergießt, des Blut soll . . . , vergossen" werden. Noch könnte man meinen,
daß man ihm aus zwei Gliedern Blut ablassen solle, bis er stirbt. Dagegen heißt es Dt 2 1 , 4 :
Sie sollen dort dem Kalb im Tale das Genick brechen u. das. Vers 9: und du tilge
das unschuldige Blut aus deiner Mitte weg. Er vergleicht hier den Blutvergießer mit
der jungen Kuh, der das Genick gebrochen wird: wie bei der Kuh, der das Genick
gebrochen wird, ein Abbrechen des Kopfes statthat, so findet auch bei allen Blut-
vergießern ein Abschlagen des Kopfes statt. — Die Strafe haben wir gehört, aber die
Warnung haben wir nicht gehört. Deshalb heißt es Ex 20, 13 : Du sollst nicht morden. —
Teilweise parallel Sanh 84^; 52^; M-^kh Ex 20, 13 (77"^); SLv 24, 17 (424 »); K^th 37^.
2. Wie es scheint, wurden in der neutestamentl. Zeit die Zufluchts-
städte nicht nur von Totschlägern, sondern auch von Mördern, sofern
sie sich entdeckt wußten, aufgesucht, a Blieb der Täter unbekannt, so
griff das Verfahren mit dem Kalbe Platz, Dt 21, 1 ff. — eine Bestimmung,
die vermutlich im 1. nachchristl. Jahrhundert aufgehoben wurde, b Von
den Asylstädten aus wurden sowohl die Totschläger als auch die Mörder
den ordentlichen Gerichten zugeführt, c Zuständig war wohl das aus
23 Mitgliedern bestehende Synedrium, in dessen Bezirk der Mord ge-
schehen war; dergleichen Gerichtshöfe befanden sich in jeder größeren
Stadt. d Das große Synedrium, das 71 Mitglieder zählte, in Jerusalem,
trat bei einem Kapitalverbrechen nur dann in Funktion, wenn ein
Hoherpriester eines solchen beschuldigt wurde, e
a. Mak2, 6: R.Jose b. J'^^huda (um 180) sagte: Zunächst eilen sowohl der un-
vorsätzliche, als auch der vermessene Totschläger nach den Freistädten, u. das Gericht
schickt u. läßt sie von dort kommen. — Anders Mak 2, 8: Der Feind (d. h. wenn der
Totschläger ein notorischer Feind des Erschlagenen war) flüchtet nicht (sondern wird
vom Gericht abgeurteilt). R. Jose b. J^huda (s. oben) sagte: Der Feind wird getötet,
weil er als notorisch feindlich gilt. R. Schim?on (b. Jochai, um 150) sagte: Es gibt
Feinde, welche flüchten dürfen, u. es gibt Feinde, welche nicht flüchten dürfen. Jeder,
von dem man sagen kann, er habe absichtlich getötet, darf nicht flüchten ; wer aber
nicht mit Absicht getötet hat, der darf flüchten. — Die Halakha ist nicht nach der
Meinung des R. Schimfon b. J. — Der erste Ausspruch des R. Jose b. J'^'huda auch
SDt 19, 11 (108^) u. SNu 35, 25 (62*).
b. Sota 9, 9: Als die Mörder sich mehrten, schaffte man das Kalb, dem das Ge-
nick gebrochen wurde, ab. — TSota 14, 1 (320): R. Jochanan b. Zakkai (f um 80) sagte:
Als die Mörder sich mehrten, schaffte man das Kalb, dem das Genick gebrochen wurde,
ab, weil ein solches Kalb nur im Zweifelsfall zur Anwendung kommt; jetzt aber mordet
man frei öffentlich. Als Bar Sota 47 '\
C. Siehe Mak 2, 6 in Anm. «.
d. Sanh 1,4: Kapitalverbrechen werden durch dreiundzwanzig abgeurteilt. — Das
widernatürlich beiliegende oder zum Beiliegen gebrauchte Vieh durch dreiundzwanzig;
vgl. Lv20, 16: „Du sollst das Weib u. das Vieh umbringen" u. 20, 15: ,'Und das Vieh
sollt ihr umbringen." — Das zu steinigende Rind durch dreiundzwanzig; vgl. Ex 21, 29:
„Das Rind soll gesteinigt werden, u. auch sein Herr soll getötet werden"; wie die
Tötung des Herrn, so die Tötung des Rindes. (Nach der traditionellen Auslegung der
Stelle besagen die Worte nicht, daß der Besitzer getötet werden soll. Die Tötung des
Herrn werde nur erwähnt, um daraus einen Schluß zu ziehen auf die Tötung des
strack u.Billerbeck, NT I. 17
•Jo{
Matth5,21 (SB 2)
Rindes: wie der Herr nur durch 23 R. abgeurteilt werden darf, so auch das Rind.
Nach pSanh 1, 19'\ 16 geht diese Auslegung auf Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80)
zurück; ÄPkh Ex 21, 29 (9o''') wird sie von R. ?Aqiba (f um 135) vertreten; vgl. auch
BQ44''. — Der Löwe, der Bär, der Leopard, der Pardel.u. die Schlange — ihre Tötung
(falls eines von ihnen einen Menschen getötet hat) durch dreiundzwanzig. R. Eli^ezer
(um 90) sagte: Wer sie vorher (ehe sie einen Menschen getötet haben) umbringt, hat
sich verdient gemacht. — || Sanh 1,6: Woher, daß das kleine Synedrium 23 Mitglieder
hat? Es heißt (Nu 35, 24. 25): „Und die Gemeinde richte . . . u. die Gemeinde errette."
Eine richtende Gemeinde u. eine rettende Gemeinde, das sind 20. Und woher, daß eine
„Gemeinde" 10 (Mitglieder) hat? Vgl. Nu'14, 27: „Wie lange soll es dieser bösen Ge-
meinde beikommen?" J'^hoschuaf u. Kaleb sind ausgenommen. (12 Kundschafter weniger
Josua u. Kaleb sind 10; diese 10 heißen eine „Gemeinde", also umfaßt eine Gemeinde
10 Personen, 2 Gemeinden Nu 35, 24 f. = 20 Personen.) Und woher, daß noch drei hin-
zuzufügen sind? Aus Ex 23, 2: „Du sollst nicht der Menge zum Bösen' folgen", ent-
nehme ich, daß die Schrift sagt: Sei mit ihnen zum Guten. Wenn das so, wozu heißt
es noch, Ex 23, 2: „nach der Mehrheit zu entscheiden"? Nicht wie deine Entscheidung
zum Guten sei deine Entscheidung zum Bösen (zum Guten, d. h. zur Freisprechung des
Angeklagten genügt die einfache Majorität; der einfachen Majorität soll man aber
nicht zum Bösen, zur Verurteilung des Angeklagten folgen; also gehört zur Verurteilung
mindestens eine Majorität von 2 Stimmen), deine Entscheidung zum Guten kann geschehn
auf den Ausspruch Eines, deine Entscheidung zum Bösen auf den Ausspruch zweier (also
müssen zu den obigen 20 Personen noch 2 hinzutreten). Kein Gerichtshof ist in ge-
rader Zahl: daher fügt man zu ihnen noch Einen hinzu, das sind 23. [Etwas anders
SNu 35, 23 (62^).] — Wieviel Einwohner sollen in einer Stadt sein, daß sie für ein
Synedrium (von 23 Mitgliedern) geeignet sei? 120. R. N'^chemja (um 150) sagte: 230,
entsprechend den Oberen über Zehn. (Dann setzen 23 Obere 230 Personen voraus; die
Halakha ist nicht nach ihm.) — || Sanh 17 '^: Wie kommen jene 120 Personen heraus
(die eine Stadt als Einwohnerschaft haben muß, falls sie Sitz eines Gerichtshofes von
23 Mitgliedern sein soll)? 23 Personen, entsprechend der Mitgliederzahl eines kleinen
Synedriums, dazu 3 Reihen von je 23 Personen (die als Weisenschüler nach Sanh 4, 4
den Verhandlungen beiwohnen durften; eventuell wurde aus ihrer Zahl der Gerichts-
hof ergänzt), siehe, das sind 92. Ferner 10 geschäftslose Leute für die Synagoge
(10 Personen gehörten zur Abhaltung des Gottesdienstes; damit ein solcher stets zu-
stande käme, wurden 10 meist anderweitig nicht in Anspruch genommene Männer,
die viri otiosi, gegen Bezahlung zur regelmäßigen Anwesenheit in der Synagoge ver-
pflichtet), siebe, das sind 102; ferner zwei Gerichtsschreiber, zwei Gerichtsdiener, zwei
Prozessierende, zwei Zeugen, (eventuell) zwei Gegenzeugen, (eventuell) zwei Gegen-
zeugen gegen jene Gegenzeugen, siehe, das sind 114. Nun heißt es weiter in einer
Bar: In einer Stadt, in welcher nicht folgende zehn Dinge sind, darf ein Gelehrten-
schüler nicht wohnen: ein Gericht, das auf Geißelung u. Geldstrafe erkennen darf
(sogenanntes Drei-Männer-Gericht), eine Armenkasse, deren Beiträge durch zwei Per-
sonen erhoben u. durch drei Personen verteilt werden, eine Synagoge, ein Badehaus,
ein Abort, ein Arzt, ein Aderlasser, ein Torarollenschreiber, ein Schlächter u. ein
Kinderlehrer. — (Wie die an 120 noch fehlenden 6 Personen aus dieser Bar gewonnen
sind, bleibt unklar.) — || Mak7*: „Das Synedrium hat Geltung im Lande (Israel) u. außer-
halb des Landes" (Mak 1, 10). Woher diese Bestimmung? Die Rabbanan haben gelehrt:
„Dies soll euch zur Rechtssatzung sein für eure Geschlechter in allen euren Wohn-
sitzen" Nu 35, 29. Daraus lernen wir in bezug auf das Synedrium, daß es im Inlande
u. im Auslande in Geltung ist. Wenn dem so ist, was besagt dann: „In deinen Toren"
Dt 17, 8? In deinen Toren sollst du Gerichtshöfe in jedem Bezirk u. in jeder Stadt ein-
setzen; aber im Auslande sollst du sie in jedem Bezirk u. nicht in jeder Stadt einsetzen.
e. Sanh 1,5: Man richtet weder einen Stamm (der zum Götzendienst abgefallen
ist) noch einen falschen Propheten noch einen Hohenpriester außer durch das Gericht
der Einundsiebzig. — Und zu einem freiwillig übernommenen Kriege (im Gegensatz
Matth 5, 21 (SB 2. 3 A) 259
zu einem von der Tora gebotenen) zieht man nur auf einen Spruch des Gerichts der
Einundsiebzig aus. — Der Stadt (Jerusalem) u. den Tempelvorhöfen fügt man nur auf
einen Spruch des Gerichts der Einundsiebzig hinzu. — Gerichtshöfe für die Stämme
(vgl. Dt 16, 18; gemeint sind die Synedrien mit 23 Mitgliedern) setzt man nur durch
das Gericht der Einundsiebzig ein. — Man fällt das Urteil über die abwendig gemachte
Stadt (s. Dt 13, 13 ff.) nur durch das Gericht der Einundsiebzig. Man fällt das Urteil
nicht über eine abwendig gemachte Stadt an der Grenze (wegen der Bedeutung einer
so gelegenen Stadt soll nicht die Stadt selbst zerstört, sondern ihre Einwohnerschaft
hingerichtet werden), auch nicht über drei Städte (durch einunddenselben Gerichtshof),
wohl aber über eine oder zwei. — ll Sanh 1,6: Woher, dafs das große Synedrium 71 Mit-
glieder hat? Vgl. Nu 11, 16: „Sammle mir 70 Männer aus den Ältesten Israels"; u.
Mose zu ihnen hinzu (weil es Nu 11, 17 heißt: Sie sollen „mit dir* tragen): das sind
71. R. .Hmda (b. Elfai, um 150) sagte: 70. (Er erklärte Nu 11, 17: Sie sollen tragen
, gleichwie du" Sanh 17*; also wurde Mose nicht mitgezählt.)
3. Ein dreifacher Urteilsspruch war bei Kapitalverbrechen möglich :
er konnte lauten auf: A. Verbannung, B. Todesstrafe u. C. Freilassung.
Mak2, 6: R. Jose b. J'^huda (um 180) sagte: Wer (von den Kapitalverbrechern) zum
Tode verurteilt war, den tötete man, u. wer nicht zum Tode verurteilt war, den ent-
ließ man, u. wer zum Flüchten verurteilt war (nach einer Asylstadt), den brachte man
zurück an seinen Ort (d. h. nach der Asylstadt, in die er unmittelbar nach dem Tot-
schlag geflohen war); s. Nu 35,25: Und die Gemeinde soll ihn in seine Freistadt zurück-
bringen, dahinein er geflohen war. — Dasselbe SNu 35, 25 (62^); SDt 19, 11 (108 b).
A. Verbannung.
Das Gericht hatte auf Verweisung des Totschlägers in eine der
Exilstädte zu erkennen, wenn die Tat zwar unvorsätzlich geschehen
war, aber doch bei Anwendung der gebotenen Vorsicht hätte vermieden
werden können. Das Fahrlässige also in der Handlungsweise des Tot-
schlägers war es, was durch die Verbannungsstrafe getroffen wurde, a —
Bei der Rückkehr in die Asylstadt begleiteten den Totschläger zwei
Gelehrtenschüler, um den Bluträcher von ihm fernzuhalten, b Die Ver-
bannung dauerte bis zum Tode des Hohenpriesters ;c nur in ganz ver-
einzelten Fällen war das Exil lebenslänglich, d
a. Mak 2, 1 : Folgende gehen in die Verbannung: wer einen Menschen unvorsätzlich
(versehentlich) tötete. Wenn jemand mit einer Walze (auf dem flachen Dach) gerollt
hat u. sie ist auf jemand gefallen u. hat ihn getötet; wenn er ein Faß hinabgelassen
hat u. es ist auf jemand gefallen u. hat ihn getötet; wenn er auf einer Leiter hinab-
gestiegen u. auf jemand gefallen ist u. hat ihn getötet: so geht dieser in die Ver-
bannung. Aber wenn er an einer Walze (nach oben) gezogen hat u. sie auf jemand
gefallen ist u. ihn getötet hat; wenn er an einem Faß aufwärts gezogen hat u. der
Strick gerissen u. es auf jemand gefallen ist u. ihn getötet hat; wenn er auf einer
Leiter hinaufgestiegen u. auf jemand gefallen ist u. ihn getötet hat: so braucht dieser
nicht in die Verbannung zu gehn. Dies ist die Regel: alles, was bei seinem Herunter-
lassen tütet, dabei muß man in die Verbannung gehn; wenn es aber bei seinem Nicht-
Herunterlassen tötet, so braucht man nicht in die Verbannung zu gehn. [Die Mischna
setzt voraus, daß man beim Hinablassen u. beim Hinabsteigen das, was unten vor-
geht, mehr vor Augen hat, als beim Hoch winden oder beim Emporsteigen; im letztern
Fall ist deshalb die Verantwortlichkeit des Menschen ausgeschlossen, während sie im
erstem Fall besteht u. deshalb zur Verurteilung führt.] — Wenn das Eisen (der Axt)
aus seinem Stiel geglitten ist u. jemand getötet hat, dann braucht er, sagte Rabbis
nicht in die Verbannung zu gehn; aber die Gelehrten sagten: Er muß dorthin gehn
(sie meinten, daß in' diesem Falle eine Fahrlässigkeit vorliege; das Eisen hätte besser
17*
260 Matth 5, 21 (»SA)
befestigt werden können). Wenn aber von dem Baum, der gespalten wird, dann muß
er, sagte Rabbi, in die Verbannung gehn; aber die Gelehrten sagten: Er braucht es
nicht. (Der Grund der Meinungsverschiedenheit liegt in der Deutung des Wortes •,•>*
Dt 19, 5": Die Gelehrten verstehn darunter das Holz der Axt, welches spaltet, yps^ir; yy,
Rabbi das Holz des Baumes, welches gespalten wird, spzirnr: yy; s. SDt 19, 5 (108'').
Eine andre Erklärung der Kontroverse gibt pMak 2, 31 ", 40, während bMak 7** der
Tradition von Siphre folgt.) — |1 Mak 2, 2: Wenn jemand einen Stein in den Bereich der
Öffentlichkeit geworfen u. getötet hat, so mufa er in die Verbannung gehn (er hätte
es sich sagen müssen, daß der Stein an einem öflfentl. Ort Unheil anrichten könne).
R. Eli?ezer b. Ja?aqob (1.? um 80, II. V um löO) sagte: Wenn, nachdem der Stein seiner
Hand entfahren ist, jener seinen Kopf hervorstreckt u. ihn (den Stein) aufgefangen
hat, so ist er (der Werfende) straffrei. (Dies ist als Halakha rezipiert.) Wenn er den
Stein in sein eignes Gehöft geworfen u. jemand getötet hat, so muß er, wenn der Be-
schädigte befugt war, dorthin einzutreten, in die Verbannung gehn; wenn aber nicht,
so braucht er nicht in die Verbannung zu gehn; vgl. Dt 19, 5: „Wenn einer mit seinem
Nächsten in den Wald geht." Wie beim Walde der Beschädigte u. der Beschädiger be-
fugt ist dorthin einzutreten (so gilt das Gesetz überall, wo beide befugt sind). Aus-
genommen ist also das Gehöft eines Besitzers; denn dorthin einzutreten sind der
Beschädigte u. der Beschädiger nicht (in gleicher Weise) befugt. [Ähnlich SDt 19, 5
(108'').] — Abba Schaäul (um 150) sagte: Wie das Holzfällen etwas Freiwilliges ist (so
findet das Gesetz betreffs der Verbannung bei allem Freiwilligen Anwendung); aus-
genommen ist also ein Vater, der seinen Sohn schlägt (aus Gründen der Erziehung),
u. ein Lehrer, der seinen Schüler züchtigt (aus gleichem Grund), u. ein Gerichtsdiener
(der einen Delinquenten beim Geißeln tötet; denn das Schlagen dieser drei ist etwas
Pflichtmäßiges). — Dieser Satz auch SDt 19, 5 (108 b); als Zitat MakS-Mi. S''.
b. Mak 2, 5: „Man gibt ihm (dem Totschläger, nachdem er vom Gericht zur Ver-
bannung verurteilt ist) zwei Gelehrtenschüler bei, damit er (der Bluträcher) ihn nicht
auf dem Wege töte u. damit sie zu ihm (beschwichtigend! reden. R. Me'ir (um 150) sagte:
Er redet für sich selbst; vgl. Dt 19, 4: „Dies ist das Wort "lan des Totschlägers" (so
der Midr). — Mak 10'': Wir haben gelernt: „Man gibt ihm zwei Gelehrtenschüler bei,
damit er ihn nicht auf dem Wege töte u. sie zu ihm „reden". Das heißt doch wohl,
daß sie ihn warnen, daß er, wenn er jenen töte, selbst getötet werde? Nein; vielmehr
wie es in der Bar heißt: Sie sollen zu ihm Worte sagen, die für ihn passen. Sie sagen
zu ihm: Behandle ihn nicht wie einen Mörder; er hat ja mivorsätzlich die Tat voll-
bracht. R. Meir sagte: Er (der Totschläger) redet selbst auf ihn ein, vgl. Dt 19,4:
„Dies ist das Wort des Totschlägers." Sie antworteten ihm: Beauftragte erreichen
mehr. (Das scheint die nächstliegende Bedeutung der Worte zu sein.)
C. Mak 2, 6: „Die Gemeinde soll ihn in seine Freistadt zurückbringen, dahinein er
geflohen war, u. er soll in ihr wohnen bis zum Tode des Hohenpriesters, den man mit
dem heiligen Öle gesalbt hat" Nu 35, 25. Gleich sind (in dieser Hinsicht) der mit Salböl
Gesalbte u. der durch Kleider Geweihte^ u. der von seiner Hohenpriesterwürde Zurück-
getretene. R. J'^huda (b. El?ai, um 150) sagte: Auch der zum Kriege Gesalbte (vgl.
Dt 20, 2 f.) bewirkt (durch seinen Tod) Rückkehr des Totschlägers (die Halakha ist
nicht nach R. J'^huda). Daher verabreichen die Mütter der (Hohen-)Priester ihnen (den
Totschlägern) Unterhalt u. Kleidung, damit sie nicht beten, daß ihre Söhne sterben
möchten. War sein Urteil gefällt u. dann der Hohepriester gestorben, so braucht er
nicht mehr in die Verbannung zu gehn. Wenn, ehe sein Urteil gefällt war, der Hohe-
priester gestorben war, u. man einen andren Priester an seiner Stelle eingesetzt hatte
u. danach sein Urteil gefällt war, so kehrt er (der Totschläger) erst nach dem Tode
dieses zweiten (Hohenpriesters) zurück. || Mak 2, 8 : Der Totschläger kehrte (nach dem
1 Anfangs wurden die Hohenpriester gesalbt Ex 28, 29. Der König Joschijjahu ver-
barg nach Joma52'' das heilige Salböl. Zur Zeit des zweiten Tempels geschah die
Priesterweihe durch Investitur, Strack zu Mak.
Matth5,21 (»SA. Bl) 261
Tode des Hohenpriesters) in das Amt zurück, in welchem er gewesen war. So R. Mei'r
(um 150; die Halakha ist nach ihm). R. J*^huda (b. El?ai) sagte: Er kehrte nicht in das
Amt zurück, in welchem er gewesen war.
d. Mak 2, 7 : Wenn (des Totschlägers) Urteil gefällt war, als kein Hoherpriester
da war, oder wenn jemand einen H. tötete, oder wenn es ein H. war, der getötet
hat, so darf er (der Totschläger) niemals von dort (aus der Freistadt) hinausgehn.
B. Todesstrafe.
Mak 1, 10: Ein Synedrium, das in sieben Jahren Einen hinrichten
läßt, wird ein Verderben bringendes (leichtsinnig mit Menschenleben
umgehendes) genannt. R. El^azar b. ?Azarja (um 100) sagte: Einen in
siebzig Jahren. R. Tarphon (um 110) u. R. ?Aqiba (f um 135) sagten:
Wenn wir im Synedrium gewesen wären, so würde niemals ein Mensch
hingerichtet worden sein. R. Schim?on b. Gamliel (um 140) sagte: Auch
sie (R. Tarphon u. R. f Aqiba) würden die Blutvergießer in Israel ver-
mehrt haben. (Vielleicht als Fragesatz zu fassen.) — Die Stelle zeigt,
daß im allgemeinen die Tendenz geherrscht hat, ein Todesurteil mög-
lichst selten zu fällen. Von der gleichen Tendenz war auch das Prozeß-
verfahren selbst beherrscht.
1. Ein Mörder durfte zum Tode verurteilt werden, nur wenn er
den Mord vorsätzlich a ausgeführt hatte. Da das jüdische Recht den
Indizienbeweis nicht kennt, war es natürlich ungemein schwer, den
Nachweis beizubringen, daß der Mörder mit Vorbedacht u. Absicht seine
Tat ausgeführt habe. Man sah den Beweis nur dann als erbracht an,
wenn durch Zeugenaussagen einwandfrei festgestellt wurde, daß der
Mörder vor Begehung der Tat ausdrücklich verwarnt worden war,
gleichviel ob diese Verwarnung von dem Verfolgten oder von den Zeugen
oder von sonst wem ausgegangen war. War der Tat nicht eine Ver-
warnung voraufgegangen, die zugleich auf die unausbleibliche Folge,
die Todesstrafe, hinwies, konnte kein Todesurteil gefällt werden. b
a. ÄPkh Ex21, 14(86*^): „Falls aber ein Mann mit Vorsatz frevelhaft gegen seinen
Nächsten handelt, dafs er ihn mit Hinterlist totschlägt, so sollst du ihn (sogar) von
meinem Altar wegholen, daß er sterbe" Ex 21, 14. — Warum ist dies gesagt worden?
Weil es heifät Lv 24, 17: „Falls ein Mann irgend einen Menschen erschlägt" ; da könnte
man dem Wortlaut nach annehmen, daß gemeint sei: einer der absichtlich, oder einer,
der versehentlich, oder einer, der andre (d. h. NichtisraelitenJ erschlagen hat; ein Arzt,
der einen getötet hat; einer, der mit Vollmacht seitens des Gerichtshofes einen ge-
geißelt (u. dabei getötet) hat; einer, der seinen Sohn oder seinen Schüler (zu Tode)
gezüchtigt hat. Dagegen heißt es nun Ex 21, 14: Falls ein Mann „mit Vorsatz frevel-
haft gehandelt hat", dadurch wird ausgeschlossen, wer versehentlich gehandelt hat.
Falls „ein Mann", das schließt den Minderjährigen aus; „ein Mann", das schließt andi-e
(d. h. Nichtisraeliten) ein. „Seinen Nächsten", das schließt den Minderjährigen ein, aber
die andren (Nichtisraeliten) aus. . . . „Daß er ihn mit Hinterlist totschlägt", das schließt
den Taubstummen, Irrsinnigen u. Minderjährigen aus, denn diese handeln nicht mit
Hinterlist. „Daß er mit Hinterlist tötet", das schließt den Arzt aus, der jemand getötet
hat, ferner den, der mit gerichtlicher Vollmacht die Geißelung vollzieht, ferner den, der
seinen Sohn oder seinen Schüler (zu Tode) schlägt; denn obwohl diese vorsätzlich handeln,
so handeln sie doch nicht hinterlistigerweise. — Der letzte Teil auch Mak 8'\ — Man
beachte, wie hier der Nichtisraelit nicht unter den Begriff „Nächster" v-^, fällt.
262 Matth 5, 21 (5B 3 B 1)
b. Sanh 5, 1 : Man fragte die Zeugen ferner: Kennt ihr ihn (den Erschlagenen)?
Habt ihr ihn (den Mörder) gewarnt? — Dazu bSanh40'^: Die Rabbanan haben ge
lehrt: Kennt ihr ihn? Ist es ein Nichtisraelit oder ein Israelit, den er erschlug?
Habt ihr ihn verwarnt? Hat er die Verwarnung auf sich genommen? Gab er sich
selbst der Todesstrafe preis (indem er den Mord ausführte, obwohl die Warnung ihn
auf die Folgen seiner Tat aufmerksam gemacht hatte)? Hat er ihn getötet in so
kurzer Zeit, wie genügt, den Gruß zu sprechen? (--nii -an T^jy ci^-ij „Friede sei mit
dir, mein Lehrer und Meister"; denn wenn lange Zeit zwischen Verwarnung u. Mord
vergangen wäre, hätte er jene vielleicht inzwischen wieder vergessen). . . . füUa (um
280) hat gesagt: Woher läßt sich die Verwarnung aus der Tora beweisen? Es heißt
Lv 20, 17: „Wenn ein Mann seine Schwester, die Tochter seines Vaters oder die Tochter
seiner Mutter, ehelicht u. er ihre Blöße sieht ... sie sollen ausgerottet werden." Also
am Sehen hängt die Sache? Vielmehr ist gemeint: er wird nicht eher bestraft, als
bis er den Grund der Sache eingesehen hat (d. h. bis er so verwarnt ist, daß er weiß,
um was es sich für ihn bei der Ehelichung der Schwester handelt). Und da dies
nicht auf die Strafe der Ausrottung paßt, so wende es auf die Geißelstrafe an. [Die
Verwarnung hat nur für menschliches Gericht Bedeutung, indem sie die Vorsätzlich-
keit des Handelns beweist; Gott, in dessen Hand die Ausrottung liegt, bedarf solchen
Beweises nicht; darum braucht den Übertretungen, auf die Ausrottung folgt, keine
Verwarnung voraufzugehn. Insofern paßt also die aus Lv 20, 17 gefolgerte Verwarnung
nicht zum Schluß der Stelle, der von der Ausrottung handelt; deshalb ist die in
Lv20, 17 gefundene Verwarnung auf die Geißelstrafe zu beziehen, die eventuell gleich-
falls auf Unzuchtsdelikte gesetzt ist.] — In der Schule des Chizqijja (um 240) ist
gelehrt worden: „Falls aber jemand mutwillig gegen den andren frevelt, daß er ihn
mit Hinterlist totschlägt" Ex 21, 14, das bezieht sich auf einen, den man verwarnt
hat, der aber trotzdem immer weiter bei seinem Mutwillen verbleibt. (Ausdeutung
der Futurform --t-: er hat nicht bloß Einmal mutwillig gefrevelt, sondern er setzt
sein vorsätzliches böses Tun fort; so nach einer Erklärung bei Raschi.) — In der
Schule des R. Jischma?el (f um 135) ist gelehrt worden: „Sie fanden einen Mann,
welcher am Sabbattage Holz suchte" Nu 15,32; das war einer, den man verwarnt
hatte, der aber trotzdem immer weiter Holz suchte (das Partizipium -ü'L'p« drückt die
Dauer der Handlung aus: er setzte trotz Verwarnung die Sabbatschändung fort). —
In der Schule Rabbis ist gelehrt worden: „Den Mann wegen des Wortes lan-^y,
daß er das Weib seines Nächsten geschwächt hat" (so faßt der Midr Dt 22, 24), d.h.
um der Rede willen (die man warnend vor Begehung der Tat an ihn gerichtet hatte).
Und alle diese Beweisstellen sind nötig: denn wenn der Barmherzige es (nur) bei
der Schwester, Lv20, 17, geschrieben hätte, so würde ich meinen, die Verwarnung
gehe nur die an, die sich der Geißelstrafe schuldig machen, aber nicht diejenigen,
die des Todes schuldig sind; deshalb schrieb der Barmherzige Ex 21, 14: „Wenn
jemand mutwillig an seinem Nächsten frevelt" usw. Und wenn der Barmherzige nur
diese Stelle (Ex 21, 14) geschrieben hätte, so würde ich meinen, diese Worte beziehen
sich auf die Hinrichtung durch das Schwert, also auf eine leichtere Todesstrafe; aber
bei der Steinigung, die eine schwerere Todesstrafe ist, würde ich sagen, bedarf es
der Verwarnung reicht. Vgl. die Parallele pSanh 5, 22'--, 51. || SNu 15, 33, § 113 (83*»):
„Die, welche ihn fanden, während er Holz suchte, brachten ihn zu Mose" (Nu 15,83).
Warum ist das noch einmal gesagt? heißt es nicht schon vorher (Vers 32): Sie fanden
einen Mann? Was heißt also: die, welche ihn fanden, während er Holz suchte, brachten
ihn? Es zeigt an, daß sie ihn wegen seiner Arbeit verwarnt haben. Von hier aus
hat man in bezug auf alle (am Sabbat verbotenen 39) Hauptarbeiten, die in der Tora
erwähnt werden, entnommen, daß n\an die Leute wegen ihrer Verrichtung (am Sabbat)
zu verwarnen habe. R. Ji^chaq (um 150) sagte: Dieser Beweisführung bedarf es nicht:
wenn sich jemand des Götzendienstes, der eine schwere Versündigung ist, nicht eher
schuldig macht, als bis man ihn verwarnt hat, um wieviel mehr gilt das in bezug
auf sämtliche Gebote in der Tora! Und was heißt: „Sie brachten ihn zu Mose"? Es
Mattho.21 (SBSBl) 263
lehrt, daß sie ihn verwarnten u. nachher zu Mose brachten. 1| TSanh 11, 1 (431): Alle
übrigen, die sich der Todesstrafe durch den Gerichtshof schuldig machen, verurteilt
man nur auf Grund der Zeugenaussagen u. der Verwarnung, u. zwar wenn man ihm
(dem Uebeltäter bei der Verwarnung) kundgetan hat, daß er sich der Todesstrafe
durch den Gerichtshof schuldig mache. R.Jose b. J^huda (um 180) sagte: Wenn man
ihm (bei der Verwarnung) kundgetan hat, mit welcher Todesart er hingerichtet werden
würde, gleichviel, ob ihn alle seine Zeugen verwarnt haben, oder nur ein Teil dieser,
so ist er (des Todes) schuldig. R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sprach ihn frei, bis
ihn alle seine Zeugen verwarnt hätten, wegen Dt 17,6: „Auf die Aussage zweier
Zeugen", bis nämlich beide Zeugen ihn zugleich verwarnt haben. R.Jose räumt aber
ein, daß, wenn ihn der erste verwarnte u. dann seiner Wege ging, desgleichen der
zweite u. dann seiner Wege ging, er dann (des Todes) schuldig sei. (Nach andrer Les-
art: Es räumten aber die Gelehrten dem R. Jose ein, wenn der erste ihn verwarnt
hatte u. dann seiner Wege ging, desgleichen der zweite u. dann seiner Wege ging,
daß er in diesem Fall straffrei sei. — Diese Lesart ist dem Kontext jedenfalls an-
gemessener). II Daselbst 11, 2: Hatte man ihn verwarnt und er schwieg, hatte man
ihn verwarnt u. er nickte mit dem Kopf, so ist er, selbst wenn er gesagt hat: „Ich
weiß", straffrei, bis er gesagt hat: Ich weiß, aber trotzdem tue ich es. || TSanh 11, 4:
Auf welche Weise verwarnt man ihn? Sieht man einen, der einen Menschen töten
will, so spricht man zu ihm: Wisse, daß dieser (der Verfolgte) ein Sohn des Bundes
ist, u. es heißt: Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll durch Menschen vergossen
werden Gn 9, 6. Wenn er auch antwortet: Ich weiß es, so ist er doch straffrei, bis
er sagt: Ich weiß es, aber trotzdem tue ich es. — Diese Verwarnungsformel findet
sich ferner Sanh. 72^ (2mal), die beiden letzten Absätze auch pSanh 5, 22'^, 1 ; vgl.
auch das nächste Zitat.
Sanh80i5. Alle zu (verschiedenen) Todesarten Verurteilten, welche miteinander
vermengt wurden, werden durch die leichteste gerichtet (Sanh 9, 3). Daraus ist zu
entnehmen, daß, wer in betreff einer schwereren Strafe verwarnt worden ist, damit
auch in betreff' einer leichteren verwarnt ist. R. Jirm'^^ja (um 320) sagte: Um welchen
Fall handelt es sich hier? Um einen solchen, in welchem man ihn im allgemeinen
(ohne spezielle Angabe der Todesstrafe, die seiner warte) verwarnt hat, u. zwar deckt
sich das mit der Meinung eines Tanna'iten. Denn eine Bar lautet: Alle übrigen (außer
dem Verführer zum Götzendienst), die einer von den in der Tora erwähnten Todes-
strafen schuldig sind, verurteilt man zu Tode nur auf Grund einer gerichtlichen Ver-
handlung (mit der ?edä ist das Gerichtskollegium der Dreiundzwanzig gemeint) u.
auf Grund von Zeugenaussagen u. auf Grund einer Verwarnung, u. zwar bis man
ihm kundgetan hat, daß er sich der gerichtlichen Todesstrafe schuldig mache. R. J'^'huda
(b. El?ai, um 150) sagte: Bis man ihm kundgetan hat, mit welcher Todesstrafe er
hingerichtet werde. Der erste Tannait lehrt es vom Holzsammler (denn bei der Be-
gehung seiner Tat stand die Art der zu erwartenden Todesstrafe überhaupt noch
nicht fest Nu 15, 34, also konnte sie bei seiner Verwarnung nicht angegeben sein);
R. J^'huda aber sagte: Bei dem Holzsammler handelte es sich um eine Entscheidung
für den damaligen Augenblick (aus der für die Folgezeit nichts zu folgern ist). —
Die Bar auch Sanh 8b; der Eingangssatz K«th 33*. j| Mak 6'': Raba (f 352) hat gesagt:
Wenn sie (die Zeugen) den Warnenden oder der Warnende sie gesehen hat, so werden
sie (die verschiedenen Zeugen) vereinigt (zu einer Zeugenpartei, s. Nr. 3 den Abschnitt
über Zeugen). Ferner hat Raba gesagt: die Verwarnung, von der sie gesprochen haben,
kann auch von ihm (dem Verfolgten) selbst oder von einem Dämon ausgehen (in
beiden Fällen ist sie gültig). Im Gegensatz hierzu heißt es TSanh 11, 5 (431): R. Jose
(b. Chalaphta, um 150) sagte: Siehe, wenn er selbst (der Verfolgte) verwarnte, so ist
der Mörder straffrei; vgl Dt 19, 16: „Wenn ein frevelhafter Zeuge wider jemand auf-
steht, eine Übertretung gegen ihn auszusagen"; darin liegt, daß er (der Verfolgte)
durch andre, nicht aber selbst verwarnt. || Mak 1,9: R.Jose (b. J^mda, um 180; so
zu lesen nach Strack) sagte: Stets wird er (der Mörder) nur dann getötet, wenn der
264 Matth 5, 21 (SB3B1.2)
Mund zweier Zeugen ihn gewarnt hat; vgl. Dt 17, 6 : , Durch den Mund zweier Zeugen." —
Dazu vgl. Mak 6'': RabVapa (f 376) hat zu Abaje (f 338/39) gesagt: Hat denn R.Jose
diese Meinung gehabt? Wir haben doch gelernt (s. Mak 2, 3): R.Jose sagte: Der Feind
wird getötet, weil er als notorisch feindlich u. als verwarnt gilt! Er antwortete ihm:
R.Jose b. J4iuda ist gemeint; denn in einer Bar heißt es: R.Jose b. J%uda sagte:
Ein Gelehrter braucht nicht verwarnt zu werden; denn die Verwarnung ist nur ge-
geben worden, um zu prüfen, ob er versehentlich oder vorsätzlich gebandelt hat. —
Der letzte Ausspruch auch Sanh8'\ 41^, 72 ^
2. Ein Todesurteil konnte ferner nur dann gefällt werden, wenn die
Tat des Mörders die unmittelbare Ursache des Todes des Erschlagenen
war. Wie weittragend dieser Grundsatz war, zeigen folgende Beispiele.
Sanh 9, 1 : Ein Mörder, der seinen Nächsten mit einem Stein oder mit einem
Eisen (vgl. Nu 35, 16 f.) geschlagen hat oder ihn ins Wasser oder ins Feuer gedrückt
hat, u. der vermag nicht von dort herauszukommen u. stirbt, ist schuldig. Hat er
ihn ins Wasser oder ins Feuer gestoßen, u. der vermag von dort herauszukommen,
stirbt aber, so ist er frei. (Der Tod ist hier durch zufällig eingetretene, die Rettung
verhindernde Umstände herbeigeführt worden, die der Mörder nicht veranlaßt hatte.)
Hat er auf ihn einen Hund gehetzt, hat er auf ihn eine Schlange gehetzt, so ist er
frei (denn nicht der hetzende Mensch, sondern das beißende Tier verursacht den Tod).
Hat er die Schlange dazu gebracht, ihn zu beißen (indem er sie in seine Hand nahm
u. an den Leib des andren brachte), so erklärte R. J'^huda (b. Elfai, um 150) ihn für
schuldig; aber die Gelehrten für frei (weil er das tötende Gift nicht unmittelbar dem
andren beigebracht hat). Wenn jemand seinen Nächsten sei es mit einem Steine, sei
es mit der Faust schlägt (s. Ex 21, 18) u. man schätzte ihn, daß er sterben werde,
es wurde aber besser, als es gewesen war, u. danach wurde es (wieder) schlimmer
u. er starb, so ist er schuldig (obgleich die Folgen des Schlages langsam hervor-
treten,' der Schlag bleibt doch die eigentliche Ursache des Todes). R. N^'chemja (um
150) erklärte ihn für frei; denn die Sache hat Grund (wörtlich: Füße; der Tod kann
ebensogut durch Gründe, die mit dem Schlage nichts zu schaffen haben, verursacht
sein), il Sanh 77'': Raba (t 352) hat gesagt: Hatte man jemanden angebunden, u. starb
dieser dann vor Hunger, so ist man straffrei. (Nur das Anbinden war die Tat des
Mörders, aber eine Tat, die als solche nicht tötet.) — Ferner hat Raba gesagt: Hatte
man jemanden in der heißen Sonne angebunden, so daß er starb, oder in der eisigen
Kälte, so daß er starb, so ist man schuldig; hatte man ihn aber an einer Stelle an-
gebunden, an welche Sonne oder Kälte schließlich erst hinkommen mußte, so ist
man straffrei. (Im letztern Falle war der Täter nur für das an sich nicht tödliche
Anbinden verantwortlich; im erstem Falle zugleich dafür, daß er ihn unmittelbar der
tödlichen Hitze und Kälte preisgab.) — Ferner hat Raba gesagt: Hat man jemanden
vor einem Löwen angebunden, so ist man straffrei; hat man ihn aber vor Mücken
angebunden, so ist man schuldig. (Des Löwen Beute wäre er auch unangebunden
geworden; dagegen hätte er in freiem Zustande sich der Mücken erwehren können,
so nach Raschi.) Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Auch wenn man ihn vor Mücken
angebunden hat, ist man gleichfalls straffrei; denn die einen gehen u. die andren
kommen. (Der Täter ist nur dafür verantwortlich, daß er den Gebundenen den im
Augenblick des Bindens gegenwärtigen Mücken preisgab; diese aber haben den Ge-
bundenen gewiß nicht getötet, zumal bei dem fortwährenden Kommen und Gehen
der Mücken die meisten von ihnen weitergeflogen sein werden; das Herbeikommen
weiterer Mückenschwärme aber, die den Gebundenen endlich töteten, ist ohne Zutun
des Mörders erfolgt.) || Sanh77'': Raba (t 352) gesagt: Hat man jemanden in eine
Grube gestoßen, in der sich eine Leiter befand, u. dann kam ein andrer u. nahm sie
fort, oder auch er selbst (der Hineingestoßene) hatte sie vorher fortgenommen, so
ist man straffrei; denn zu der Zeit, da er ihn hinabstieß, hätte dieser emporsteigen
können (starb er also in der Grube, so hatte nicht der Hineinstoßende den Tod herbei-
Mattli 5, 21 (58 3 B 2) 265
geführt, sondern derjenige, der die Leiter weggenommen), — Ferner hat Raba gesagt:
Wenn man einen Pfeil abschießt gegen jemanden, der einen Schild in seiner Hand
hält, u. dann kommt ein andrer u. nimmt den Schild fort, oder auch er selbst nahm
ihn zuvor weg, so ist man straffrei; denn zu der Zeit, da er abschoß, hätte er seinen
Pfeil zersplittert. — Ferner hat Raba gesagt: Wenn man einen Pfeil abschießt gegen
jemanden, der Spezereien (Heilmittel gegen Wunden) in seiner Hand hat, u. dann
kommt ein andrer u. zerstreut sie oder auch er selbst zerstreute sie vorher, so ist
man straffrei; denn zu der Zeit, da er gegen ihn abschoß, konnte jener (durch die
Heilmittel, die in dem Augenblick zur Stelle waren) geheilt werden. Rah Aschi (f 427)
hat gesagt: deshalb bleibt er straffrei, wenn Heilmittel auch nur auf dem Markt zu
haben waren (die dem Tode wehren konnten). Rah Acha b. Raba (t 419) fragte den
Rab Aschi: Wie verhält es sich, wenn dem Getroffenen Heilmittel zu Händen kamen
(u. er sie nicht zu seiner Heilung gebrauchte; ist der Mörder straffrei oder nicht)?
Er antwortete: Er wird frei ausgehn vom Gericht (da die Nichtverwendung von Heil-
mitteln seitens des Getroffenen zu seiner Entlastung dient). || Sanh77'^: Rab Papa
(t 376) hat gesagt: Wenn einer seinen Nächsten band u. einen Wasserstrom über
ihn hingehn ließ, so gleicht das seinen Pfeilen, u. er macht sich (der Todesstrafe)
schuldig. Das gilt aber nur von der ersten Kraft (d. h. wenn er unmittelbar das
Wasser über den Gebundenen wegleitet); aber bei der zweiten Kraft (d.h. wenn er
nur die mittelbare Ursache ist, daß der Wasserstrom jenen trifft) wird seine Tat als
eine gewöhnhche Veranlassung angesehen (u. bleibt straffrei). — Dasselbe ChuUin 16-''. ||
Sanh 78* Bar: Wenn 10 Personen einen mit 10 Stöcken geschlagen haben, so daß
er starb, gleichviel ob sie alle auf Einmal geschlagen haben oder der eine nach dem
andren, so sind sie frei. R. J'^huda b. Bathyra (um 110) sagte: Wenn einer nach dem
andren schlug, so ist der letzte straffällig, weil er seinen Tod herbeigeführt hat.
R. Jochanan (1279) hat gesagt: Beide deuten (für ihre Meinung) ein und dieselbe
Schriftstelle Lv24, 17: , Falls jemand irgend einen Menschen eis be: V2 totschlägt".
Die Rabbanan meinen, •^-•£3 Vs bedeute: solange er ein ganzer Mensch ist (also nur
wenn jemand den ganzen Menschen erschlägt, ist er schuldig; mithin sind 10 Per-
sonen, die Einen Menschen erschlagen, straffrei, da ihn jeder nur teilweise erschlagen
hat). Und R. J'^huda b. Bathyra meinte, vtz ho bedeute: soviel nur immer vom Men-
schen ist (d. h. der zuletzt Schlagende, der den letzten Rest menschlichen Lebens
vernichtet, gilt als Mörder). Parallelstelle BQ lOi^u. 26''.
In diesen Zus.hang gehört auch die Bestimmung, daß der Mörder
nur strafbar sei, wenn er den Mord mit einem Gegenstand ausgeführt
habe, der zum Töten geeignet sei, u. wenn er den tödlichen Schlag
gegen einen Körperteil geführt habe, der geeignet sei, zu Tode ge-
troffen zu werden. Andrenfalls liegt ja die Möglichkeit vor, daß nicht
die Tat des Mörders, sondern irgendein zufällig eingetretener Umstand
die unmittelbare Ursache des Ablebens des Geschlagenen war. Auch
eine dem Erschlagenen bereits anhaftende Krankheit kann unter diesem
Gesichtspunkt zur Freisprechung des Mörders führen.
SNu35, 17 § 160 (61*): „Wenn er mit einem in der Hand gehaltenen Stein, durch
welchen jemand sterben kann, ihn geschlagen hat, so daß er starb, so ist er ein Mörder;
der Mörder soll getötet werden" Nu 35, 17. Weshalb ist das gesagt worden? Weil es
heißt Ex 21, 18: , Falls Männer hadern u. einer den andren mit einem Steine oder der
Faust schlägt u. er nicht stirbt" usw. Daraus könnte ich entnehmen, daß, wenn er ihn
schlägt, sei es mit einem Gegenstand, der zum Töten geeignet ist, sei es mit einem
Gegenstand, der zum Töten nicht geeignet ist, er schuldig sei. Deshalb heißt es: „Wenn
er mit einem in der Hand gehaltenen Stein, durch welchen jemand sterben kann, ihn
geschlagen hat." Damit zeigt die Schrift an, daß er nicht schuldig ist, bis er ihn mit
einem Ges;enstand geschlagen hat, der geeignet ist zu töten. Daraus könnte ich ent-
266 Matth 5,21 (S8 3B2. 3)
nehmen, auch wenn er ihn auf eine Körperstelle geschlagen habe, die nicht für Tötung
geeignet ist. Deshalb heißt es Dt 19, 11: „Wenn jemand seinem Nächsten feind ist u.
ihm auflauert u. sich gegen ihn erhebt u. ihn lebensgefährlich (= auf eine lebens-
gefährliche Stelle) schlägt" usw. Damit zeigt die Schrift an, daß er nicht eher schuldig
ist, als bis er ihn mit einem Gegenstand geschlagen hat, mit welchem er ihn töten
kann, u. auf eine für Tötung geeignete Stelle. — Fast wörtlich so SNu 35, 18 § 160 (61 •').
Parallele auch M^kh Ex 21, 18 (88b). y j^j^k 7»: R. Tarphon (um 110) u. R. fAqiba (t um
135) sagten: Wenn wir im Synedrium gewesen wären, so würden wir niemals einen
Menschen haben hinrichten lassen (Mak 1, 10). Wie würden sie es denn gemacht haben
(um regelmäßig zu einem Freispruch zu gelangen)? R. Jochanan (f 279) u. R. EUazar
(um 270) haben beide gesagt: (Sie würden die Zeugen etwa gefragt haben:) Habt ihr
gesehen, ob er einen innerlich Verletzten (der so wie so dem Tode verfallen war) oder
einen Unverletzten getötet hat? Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Wenn sie hätten ant-
worten können: „Ein Unverletzter ist es gewesen" (so hätten jene vielleicht weiter
gefragt:) Hat sich etwa an der Stelle des Schwertes ein Loch befunden (d. h. habt ihr
auch konstatiert, daß der Ermordete nicht etwa gerade an der Stelle, an der der Mörder
ihn tödlich mit dem Schwert getroffen, bereits vorher eine Wunde, eine schadhafte Stelle
gehabt hat, die seinen Tod herbeiführte)? Über Anstiftung zum Morde s. Qid 43^ S. 2737.
3. Auch die Bestimmungen über das Beweisverfahren erschwerten
die Fällung eines Todesurteils ungemein. Der Beweis für die Täter-
schaft des Mörders konnte nur durch Zeugen a erbracht werden. Die
Mindestzahl der Zeugen betrug zwei.b Ihre Aussagen sollten nur das
enthalten, was sie selbst mit ihren Sinnen wahrgenommen hatten:
alles was sie auf Grund von Hörensagen, Schlußfolgerungen u. dergl.
vorbrachten, war ohne Bedeutung, c Die beiden Zeugen mußten die Tat
zur selben Zeit, nicht etwa der eine nach dem andren, mitangesehen
haben; sie sollten auch die Tat von demselben Standort aus gesehen
haben; u. wenn ihr Standort ein verschiedener gewesen, so sollten sie
sich wenigstens gegenseitig haben sehn können. — Soweit die Be-
dingungen betreffs der Zeit u. des Standorts des Sehens auf zwei oder
mehr Zeugen zutrafen, so weit bildeten diese Zeugen eine Zeugen-
einheit, d unterlagen nun aber auch als Einheit den Bestimmungen, die
jedem einzelnen von ihnen galten. Befand sich daher einer in ihrer
Mitte, von dem sich herausstellte, daß er als Zeuge ungeeignete sei,
so wurde die ganze Zeugengruppe ungeeignet; wurde das Zeugnis des
einen von ihnen als falsch oder ungültig erwiesen^ so fiel damit auch
das Zeugnis aller übrigen hin.* — Waren Zeugen vorhanden, die den
obigen Bedingungen betreffs der Zeit u. des Standorts des Sehens nicht
entsprachen, so bildeten sie getrennte Zeugenparteien. Diese aber hatten,
wie es scheint, nur dann Wert, wenn jede Gruppe aus mindestens zwei
Zeugen bestand; umfaßten getrennte Zeugenparteien je nur Einen Zeugen,
so waren deren Aussagen ungültig. Ein Mißverständnis von Dt 17, 6
hatte zur Aufstellung dieser Satzung geführt, g
a. SNu 35, 30 § 161 (62''): „Wenn irgend jemand eine Person erschlägt, so soll
man den Totschläger nach Aussage von Zeugen töten" Nu 35, 30. Warum ist das
gesagt worden? Weil es heißt Nu 35, 19: „Der Bluträcher, der soll ihn töten." Daraus
könnte ich entnehmen, daß er ihn unter vier Augen töten soll. Deshalb heißt es: Man
soll den Totschläger nach Aussage von Zeugen töten. Das zeigt, daß man nur auf
Matth 5, 21 (SB 3B3) 267
«urund von Zeugen hinrichten läßt. So R. Joschijja (um 140). R. Jonathan (um 140) hat
rgesagt: ,Wenn irgend jemand eine Person erschlägt" usw.; warum ist das gesagt
-worden? Weil es heißt Nu 35, 12: „Es soll der Totschläger nicht sterben, ehe er vor
•der Gemeinde zum Geiicht gestanden hat." Daraus könnte ich entnehmen, daß man
;ihn auf Grund einer Gerichtsverhandlung hinrichten läßt, aber nicht auf Grund von
.Zeugen(aussagen). Deshalb heißt es Nuo5,30: „Man soll den Totschläger nach Aussage
von Zeugen töten." Das zeigt, daß man ihn nur auf Grund einer Gerichtsverhandlung
iu. auf Grund von Zeugenaussagen hiiaüchten läßt. — Vgl. ferner TSanh 11,1 (431) u.
ibSanhSOb (oben S. 263).
b. Sanh 33^ Bar: „Ein einziger Zeuge kann nicht gegen eine Person aussagen, daß
.sie sterbe" Nu 35, 30, d. h. weder zugunsten noch zuungunsten. (Dies die Meinung der
Mehrzahl der Rabbinen um 180.) R. Jose b. J'^huda (um 180) aber sagte: Er darf aus-
:sagen zugunsten, aber nicht zuungunsten. — Anonym in SNu 35, 30 § 161 (62^). || Mak
1,7: „Auf die Aussage zweier Zeugen oder dreier Zeugen soll der zu Tötende getötet
■Averden" Dt 17,6. Wenn das Zeugnis durch zwei festgemacht wird, wozu hat die Schrift
spezialisierend „durch drei" gesagt? Um drei Zeugen zweien gleichzustellen. || Sanh 37*^
Bar u. Sch''bu?oth 34^: R. Schimfon b. Schatach (um 90 v. Chr.) hat gesagt: Ich will den
Trost Israels nicht sehn, wenn ich nicht gesehen habe, wie einer einem andren in eine
Ruine nachlief. Ich lief ihm nach u. sah ein Schwert in seiner Hand, von welchem
sein Blut tröpfelte, während der Erschlagene zuckte. Ich sprach zu ihm: Frevler, wer
hat diesen erschlagen? Entweder ich oder du! Aber was soll ich tun? Denn dein Blut
ist nicht in meine Hand gegeben; denn siehe, in der Tora heißt es Dt 17, ö: „Auf die
Aussage zweier Zeugen oder dreier Zeugen soll der zu Tötende getötet werden." Aber
•der die Gedanken kennt, wird Rache nehmen an dem Mann, der seinen Nächsten
«rschlug. Man hat gesagt: Sie waren noch nicht von dort weggegangen, als eine
Schlange kam u. den Mörder biß, daß er starb.
C. Sanh 4, 5 : Wie flößt man Zeugen in Kapitalprozessen Furcht ein (damit sie bei
<ler Wahrheit bleiben)? Man fährte sie herein u. sagte: Vielleicht wollt ihr aus Ver-
mutung sprechen oder vom Hörensagen, als Zeuge aus dem Munde eines Zeugen, „aus
dem Munde eines zuverlässigen Mannes haben wir es gehört". Oder vielleicht wißt ihr
nicht, daß wir euch durch Ausfragung u. Nachforschung prüfen werden. Wisset, daß
nicht wie Vermögensstreitigkeiten Kapitalprozesse sind. Bei V. kann ein Mensch Geld
geben, u. es wird ihm Sühnung (für seine falsche Aussage); aber bei K. haftet sein
(des Hingerichteten) Blut u. das Blut seiner (möglichen) Nachkommen an ihm (dem
falschen Zeugen) bis ans Ende der Welt usw. || Sanh 37 '^ Bar: Was heißt „aus Ver-
mutung" (in der vorstehenden Mischna)? Man sagt zu ihnen: Vielleicht habt ihr es so
gesehen, daß einer einem andren in eine Ruine nachlief, u. ihr lieft hinterdrein u.
fandet ein Schwert in seiner Hand, das vom Blut des Erschlagenen triefte, während
der Erschlagene zuckte — wenn ihr (das, was ihr jetzt bezeugen wollt) so gesehen
habt, so habt ihr überhaupt nichts gesehen (also auch nichts zu bezeugen). — Über
•die Ausforschung u. Ausfragung der Zeugen s. bei Mt 26, 60 Nr. 4.
d. Mak 1, 9: Haben zwei ihn (den Mörder bei seiner Tat) aus diesem Fenster ge-
sehen u. zwei ihn aus jenem Fenster gesehen, u. ein ihn Warnender ist in der Mitte
gewesen, so sind, wenn sie teilweise einander sehen, diese Ein Zeugnis; wenn aber
nicht, sind diese zwei Zeugnisse. Vgl. auch Anm. g.
e. Sanh 3,3 — 5: Folgende sind untauglich (als Richter u. Zeugen): Der Würfel -
«pieler u. der auf Zins Leihende u. die, welche Tauben fliegen lassen (im Wettspcfrt),
u. die, welche mit dem Ertrag des Sabbatjahres handeln (derselbe sollte nach Lv 25, 6
nur zur Nahrung dienen). . . . R. J-^huda (b. Elfai, um 150) hat gesagt: Wann gilt dies?
AVenn er (der Würfelspieler oder der Tauben fliegen läßt) keine andre Tätigkeit hat;
aber wenn er eine andre Tätigkeit hat, so ist er tauglich. — Folgende sind als Ver-
wandte untauglich (zum Richter- u. Zeugenamt): seine Brüder u. die Brüder seines Vaters
u. die Brüder seiner Mutter u. der Mann seiner Schwester u. der Mann der Schwester
seines Vaters u. der Mann der Schwester seiner Mutter u. der Mann seiner Mutter
268 Matth 5,21 (JBSBS) •
(= Stiefvater) u. sein Schwiegervater u. der Mann der Schwester seiner Frau, sie (alle)
mit ihren Söhnen u. Schwiegersöhnen; aber der Stiefsohn für sich allein (also ohne
seine Söhne u. Schwiegersöhne). R. Jose (b. Chalaphta, um 150) hat gesagt: Dies ist die
Mischna des R. fAqiba (f um 135); aber die ursprüngliche Mischna lautete: ,Sein Oheim
u. der Sohn seines Oheims u. jeder, der fähig ist, ihn zu beerben." Und jeder, der ihm
in jener Zeit (auf die das Zeugnis sich beziehen soll) verwandt war, (ist untauglich).
War er verwandt u. ist (vor jener Zeit) fernstehend geworden (etwa durch den Tod
seiner Frau), so ist er tauglich. R. J''huda (b. El?ai) sagte: Auch wenn seine Tochter
gestorben ist u. er (der Schwiegersohn) von ihr Kinder hat, so ist dieser verwandt. —
Der Freund u. der Feind (sind gleichfalls untauglich). Wer ist der Freund? Sein
Hochzeitsfreund.' Und der Feind ist jeder, welcher mit ihm drei Tage aus Feindschaffe
nicht geredet hat. Da sagten sie zu R. J'^huda b. El?ai: Israeliten sind deswegen nicht
verdächtig. |l Ferner sind als Zeugen untauglich: Frauen Sch'^^bu 4, 1; SDt 19, 17 (109'');
Sklaven RH 1,8 u. als Verwandte der Vater gegenüber seinen Kindern u. die Kinder
gegenüber ihrem Vater Sanh 27^.
f. Mak 1, 8: Wie bei zwei Zeugen, wenn einer von ihnen als verwandt oder (sonst)
untauglich erfunden ist, ihr Zeugnis ungültig ist, so ist auch bei drei Zeugen, wen»
einer von ihnen als verwandt oder (sonst) untauglich erfunden ist, ihr Zeugnis ungültig.
Woher sogar bei Hundert? Das Schriftwort lehrt Dt 19, 15: „Zeugen." — Wie der
Schriftbeweis gemeint ist, zeigt SDt 19, 18 § 190 (109''): Woher, daß der Zeuge sich
selbst zu einem lügenhaften Zeugen macht? Weil es heißt Dt 19, 18: Und siehe, ein
Zeuge ist Lüge. Und woher, daß er auch seinen Genossen (der mit ihm zur selben
Zeugengruppe gehört) zur Lüge macht? Weil es heißt (das.): Und siehe, ist Ein Zeuge
Lüge, so ist es auch der andre (so der Midr). — Der Midr folgert aus dem Übergang
des Plurals O'-y Dt 19, 15'' in den Singular -v- Vers 18^ daß die Zeugen einer Gruppe
eine Einheit bilden, u. daß, falls ein Teil dieser Einheit lügenhaft erscheint, das Ganze
unglaubwürdig u. deshalb ungültig wird. |l Mak 6^: Wie sagt man zu den Zeugen (bei
ihrer Vernehmung)? Raba (f ;-552) hat gesagt: Man spricht zu ihnen also: Seid ihr zum
Zusehen oder um Zeugnis abzulegen gekommen? Sagen sie „um Zeugnis abzulegen",
so ist, wenn einer von ihnen als ein Verwandter oder als untauglich erfunden wird,
ihrer aller Zeugnis ungültig (soweit sie zu Einer Zeugengruppe gehören).
g. Mak 6'': Rab Zutra b. Tobijja (um 270) hat im Namen Rabs (f 247) gesagt:
Woher läßt sich in bezug auf ein alleinstehendes Zeugnis (das ein keiner Zeugengruppe
angehörender Zeuge ablegt) beweisen, daß es ungültig ist? Weil es heißt Dt 17, 6: Er
darf nicht auf die Aussage Eines Zeugen getötet werden. Was heißt „Eines" Zeugen?
Wollte man sagen, es sei damit „Ein" Zeuge im eigentl. Sinn des Wortes (also eine
Zahl) gemeint, so kann man das doch schon dem Anfang der Schriftstelle entnehmen:
„Auf die Aussage zweier Zeugen . . . werde er getötet" (mithin wäre die Bemerkung
über den Einen Zeugen am Ende des Verses überflüssig, wenn wirklich darin nur eine
Zahlenangabe enthalten wäre). Vielmehr was bedeutet „Ein Zeuge"? Es bedeutet: ein
„vereinzelter" Zeuge (= Zeuge, der keiner Zeugengruppe angehört). Eine Bar lautet
gleich also: Nicht soll er sterben auf die Aussage Eines (vereinzelten) Zeugen. Hierher
gehört folgender Fall: wenn zwei den Mörder bei seiner Tat gesehen haben, der eine
aus diesem Fenster u. der andre aus jenem Fenster, sie beide aber haben sich gegen-
seitig nicht gesehen, so werden sie nicht zu einer Zeugengruppe •,'Z-'-j-^^ vereinigt. Und
auch wenn der eine nach dem andren aus demselben Fenster den Mörder beobachtet
hat, werden sie nicht vereinigt. — Rab Papa (f 376) hat zu Abaje (f 338/39) gesagt:
Wenn sie nun da, wo der eine durch dieses Fenster, u. der andre durch jenes, jeder
aber von ihnen die ganze Tat gesehen hat, nicht vereinigt werden, um wieviel mehr
1 Wie lange? R. Abba (um 290) hat gesagt, R. Jirm^^ja b. Abba (um 250; so wird
zu lesen sein statt „R. Jirm'^ja") hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Die ganzen sieben
Hochzeitstage hindurch; die Rabbanan aber haben im Namen des Raba (f 352) gesagt:
Schon vom ersten (Hochzeits-jTage u. weiterhin (ist er als Zeuge zulässig) Sanh 29'''.
Matth 5, 21 (S3 3 B 3. 4) 269
muß das in dem Falle gelten, wo der eine nach dem andren, jeder also nur einen Teil
der Tat sesehen hat? Er antwortete: Das ist nur in dem Falle nötig, wenn einer einer
Frau beiwohnt, die ihm gesetzlich verboten ist. — Raba (f 352) hat gesagt: Wenn sie
{die Zeugen) den Warner oder der Warner sie gesehen hat, so werden sie verekiigt. —
Vgl. auch das Zitat Sanh 81b g. '271 «. !| Mak 1,9: (Auf das oben Anm. d Zitierte folgt:)
Daher werden, wenn eins von diesen (das eine Zeugenpaar, das eine Gruppe für sich
^bildet) als falsch dasteht, er (der Mörder) u. sie (das Paar falscher Zeugen) getötet,
u. das zweite Paar (die andre Zeugengruppe) ist frei. (In diesem Fall besteht das
Zeugnis der zweiten Zeugengruppe zu Recht, weil die Gruppe nicht von einem einzelnen
Zeugen, sondern von zwei Personen gebildet wird.)
4. Endlich wurde die Freisprechung des Mörders durch etliche Be-
stimmungen über die Verhandlung u. die Abstimmung begünstigt.
Sanh 5, 4 f.: Wurden die Worte der Zeugen übereinstimmend gefunden, so begann
man mit Gründen für Freisprechung. Hatte einer von den Zeugen gesagt: „Ich kann
in bezug auf ihn Freisprechung begründen", so hieß man ihn schweigen.* Hatte einer
von den Schülern (die in drei Reihen vor dem Gerichtshof saßen Sanh 4, 4) gesagt:
,Ich kann in bezug auf ihn Schuld begründen", so hieß man ihn schweigen (weil es
Nu ^5, 30 heißt: Ein einzelner soll nichts gegen ihn vorbringen, um ihn zu töten Sanh
34''). Hatte einer von den Schülern gesagt: ,Ich kann in bezug auf ihn Freisprechung
begründen", so führten sie ihn hinauf (zu den Plätzen der Richter) u. setzten ihn neben
sich, u. er kam den ganzen Tag nicht von dort hinunter (um ihn nicht durch das Ge-
heiß wieder abzutreten zu beschämen). Wenn an seinen Worten etwas Erhebliches war,
hörte man auf ihn. Auch wenn der Angeklagte gesagt hatte: ,Ich kann in bezug auf
mich Freisprechung begründen", hörte man auf ihn; nur daß an seinen Worten etwas
Erhebliches sein sollte. ~- Wenn sie für ihn die Freisprechung (begründet) gefunden
hatten, entließen sie ihn; wenn nicht, verschoben sie sein Urteil bis auf morgen u.
kamen paarweise zusammen, aßen wenig u. tranken keinen Wein während des ganzen
Tages u. verhandelten über die Sache die ganze Nacht. Am folgenden Tage kamen sie
früh in das Gerichtshaus. Der Freisprechende sagte: Ich sprach frei u. ich spreche
frei, auf meinem Standpunkte bleibend. Der für schuldig Erklärende sagte: Ich erklärte
für schuldig u. ich erkläre für schuldig, auf meinem Standpunkte bleibend. Wer die
Schuld begründet hatte, durfte (bei dieser zweiten Verhandlung) die Freisprechung be-
gründen; aber wer die Freisprechung begründet hatte, durfte nicht umgekehrt die
Schuld begründen.^ Und wenn sie in etwas geirrt hatten, erinnerten die Gerichts-
schreiber sie. Wenn sie für ihn die Freisprechung (begründet) gefunden hatten, ent-
ließen sie ihn; wenn nicht, veranstalteten sie die Abstimmung. Sprechen 1"2 frei u. 11
schuldig, so ist er frei; sprechen ihn 12 schuldig u. 11 frei, auch wenn 11 frei u. 11
schuldig sprechen, u. einer sagt: ,Ich weiß nicht" (er enthält sich also der Abstimmung),
auch wenn 22 frei sprechen oder schuldig sprechen u. einer sagt: „Ich weiß nicht",
muß man die Richter vermehren (aus der Zahl der anwesenden Gelehrtenschüler). Bis
auf wie viele? Je zwei bis auf 71 (wenn nämlich die beiden Hinzugewählten ver-
schiedener Meinung waren, so blieb immer nur 1 Stimme Mehrheit für Schuldig; zur
Verurteilung gehörte aber eine Mehrheit von 2 Stimmen). Wenn 36 frei sprechen u.
35 schuldig, so ist er frei (für den Freispruch genügte 1 Stimme Majorität). Wenn 36
schuldig sprechen u. 35 frei, so debattieren sie gegeneinander, bis einer von den
Schuldigsprechenden die Worte der Freisprechenden billigt. !l Sanh 17=^: Rab Kahana
(wohl I., um 250) hat gesagt: Wenn das Synedrium einstimmig auf schuldig erkennt,
so entläßt man den Angeklagten. Weshalb? Es ist überliefert worden, daß man das
Urteil eine Nacht aufschiebe, um Entlastungsgründe für ihn ausfindig zu machen, u.
• Vermutlich weil der Zeuge über Gesehenes aussagen soll, nicht Gründe anzuführen hat.
2 Aber bei der Abstimmung konnte der, welcher die Freisprechung begründet hatte,
für die Schuld stimmen.
270 Matth5, 21 (SBSBÖ. C)
solche wird man nun nicht mehr für ihn aufsuchen (wenn alles einstimmig für die>
Verurteilung ist).
5. War das Todesurteil gefällt, so wurde es, wenn möglich, sofort^-
vollstreckt. Von den vier Hinriclitungsarten, die das jüdische Recht
kennt, stand auf Mord die Enthauptung, b Wiederaufnahme des Ge-
richtsverfahrens zugunsten des Verurteilten war möglich, solange dieser-
sich noch auf dem Weg zur Richtstätte befand, c
a. Sanh46^: Man hält (das Todesurteil) bis gegen Sonnenuntergang hin, danm
fällt man das Urteil u. läßt ihn hinrichten.
b. Sanh 9, 1: Dies sind die, welche enthauptet werden: Der Mörder u. die Ein-
wohner einer abwendig gemachten Stadt. | 7, 3: Das gesetzliche Verfahren für die,,
welche enthauptet werden: man schlug ihm den Kopf mit dem Schwert ab, wie es-
die (römische) Regierung tut.* R. J'^huda (b. E]?ai, um 150) sagte: Das ist eine Be-
schimpfung; ^ sondern man legt seinen Kopf auf einen Block u. haut ihn mit dem Hack-
messer, xonig, ab. Da sagte man zu ihm: Es gibt keine schimpflichere Todesart als
diese. || Zur biblischen Begründung der Enthauptung s. W\l\\ Ex 21, 12 (85'j) oben S. 256.
u. die Parallelen Sanh 52 b; K^^th :37 b.
C. Sanh 6, 1 : Einer stand an der Tür des Gerichtshauses (aus welchem der Ver-
urteilte zur Hinrichtungsstätte abgeführt war) mit einem Tuch in der Hand u. das-
Pferd (mit Reiter) so weit von ihm ab, daß er es sehn konnte. Hatte einer (im Ge-
richtshause) gesagt: „Ich kann in bezug auf ihn Freisprechung begründen"", so schwenkte-
jener mit dem Tuch, u. das Pferd eilte (dem Verurteilten nach) u. veranlaßte ihn stehni
zu bleiben (bis die neu aufgenommene Verhandlung im Gerichtshause beendet war).
Auch wenn er (selbst unterwegs) gesagt hatte: „Ich kann in bezug auf mich selbst
Freisprechung begründen", führte man ihn zurück, sogar vier- oder fünfmal; nur daß-
an seinen Worten etwas Erhebliches sein mußte. — Bertinoro (f 1510) bemerkt hierzu:;
Wenn das erste u. zweite Mal an seinen Worten nichts Erhebliches war, führte man
ihn zurück, da ihm vielleicht vor Angst seine Entlastungsgründe entfallen waren. Darüber
hinaus führte man ihn nicht zurück; man gab ihm aber zwei Gelehrtenschüler bei, die-
prüfen sollten, ob an seinen Worten etwas Erhebliches sei; denn dann führte man ihn
auch wer weiß wie oft. zurück.
C. Freisprechung [Kerker. Strafende Hand Gottes].
Ein Freispruch hätte folgerichtig überall da eintreten müssen, wO'
nach dem Gesetz weder auf Verbannung noch auf Hinrichtung zu er-
kennen war; denn eine andre Strafe kennt ja die Tora für den Tot-
schläger nicht. Und gewiß wird man in den meisten Fällen nach dieser
Regel gehandelt haben. Doch finden sich bereits in der Mischna Stellen^
die zeigen, daß das allgemeine Rechtsempfinden sich nicht dabei be-
ruhigt hat, daß ein offenbarer Mörder völlig straffrei sollte ausgehn,.
* Bei den Römern geschah die Enthauptung in republikanischer Zeit mit dem
Beil nach vorhergegangener Geißelung. Auch im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit
kommt sie noch vor. Seneca, De ira 2, 5, 5: Volesus nuper sub divo Augusto proconsuL
Asiae cum trecentos uno die securi percussisset incedens inter cadavera Graece pro-
clamavit: o rem regiam. Offb 20, 4: r«? ipv/ag icSi' nsus'AExia^evojv diu rijt' u«qti'qlc<v
Tov 'hjaov. Sueton, Claudius 25: civitatem Romanam usurpantes in campo Esquilino
securi percussit. Der Kopf lag wahrscheinlich auf einem Blocke. In der Kaiserzeit
wird das Beil durch das Schwert ersetzt. Genaueres bei Strack zu Sanh 7, 3.
- Wenn man ihn, während er steht, enthauptet u. er dann hinfällt. Nach einer
Bar Sanh 52b berief er sich auf Lv 18, 3 „in ihren Satzungen sollt ihr nicht wandeln".
Die Rabbinen erwiderten ihm aber, die Tötung mit dem Schwerte komme schon iii
der Tora vor, sei daher keine Nachahmung des Brauches Andersgläubiger.
Matth5,21 (SB 3C 1.2 s) 271
nur weil vielleicht das traditionelle formale Recht keine Handhabe zu
seiner Bestrafung bot. Diesem berechtigten Gefühl suchte man zu ge-
nügen: 1. durch Kerkerstrafe bei Wasser u. Brot; 2. dadurch, daß man
den Mörder der strafenden Hand Gottes überantwortete.
1. Kerkerstrafe.
Sanh 9, 5: Wenn jemand Menschen ohne Zeugen getötet hat (das Gericht aber doch
von seiner Schuld überzeugt ist), so bringt man ihn in das Gewölbe u. gibt ihm ,Brot
der Not u. Wasser der Drangsal" (Jes 30, 20). || Sanh 81'^: Woher weiß man es (daß ein
Mensch der Mörder ist, wenn er seine Tat ohne Zeugen vollbracht hat)? Rah (f 247)
hat gesagt: Durch ein vereinzelt dastehendes Zeugnis (durch eine Zeugenpartei, die nur
Einen Zeugen umfaßt, s. oben S. 266 u. 268, u. deren Zeugnis daher keinen vollgültigen
Zeugenbeweis ergibt). Sch'^^muel (f 254) hat gesagt: (Es sind damit die Mörder ge-
raeint, die ihre Tat vollbracht haben) ohne Verwarnung. — Sanh 81'^: Was war es
für ein Gewölbe? Rab J'^huda (f 299) hat gesagt: Ein Raum von Manneslänge (nach
jeder Richtung hin), und wo ist eine Hindeutung darauf (in der Schriftj? Resch
Laqisch (um 250) hat gesagt: „Den Gottlosen tötet die Bosheit" Ps 34, 22. Derselbe
hat gesagt: Was heißt Qoh 9, 12: „Weiß doch auch der Mensch nicht seine Zeit; wie
die Fische, welche eingefangen werden im bösen Netz"? Was ist ein böses Netz?
Resch Laqisch hat gesagt: Der Angelhaken. (Inwiefern diese Stellen einen Hinweis
auf das Kerkergewölbe enthalten sollen, ist nicht zu erkennen.)* Die Deutung von
Qoh 9, 12 auch im Midr Qoh. || Sanh 81^: Was ist für ein Unterschied zwischen dieser
Mischnasteile: „Man gibt ihm Brot der Not u. Wasser der Drangsal" u. jener Mischna-
steile: „Man gibt ihm (dem nach zweimaliger Geißelstrafe in das Kerkergewölbe Ge-
worfenen) Gerste zu essen, bis sein Bauch platzt" (Sanh 9, 5)? Rab Schescheth (um
260) hat gesagt: In beiden Fällen gibt man ihm Brot der Not u. Wasser der Drangsal
(d. h. wenig Brot u. Wasser), bis seine Eingeweide zusammenschrumpfen; dann wieder
gibt man ihm Gerste zu essen, bis sein Bauch platzt.
2. Bestrafung durch Gottes Hand.
Unmittelbare Bestrafung durch Gottes Gericht kennt das Rabbin. :
N. als Ausrottung. Das AT setzt auf bestimmte Übertretungen
bald die Ausrottungs-, bald die Todesstrafe; vgl. zB Lvl8, 6fif. mit
20, 11 ff.; 18,21.29 u. 20, 3— 5 mit 20, 2; 18, 20. 29 mit 20, 10; 18,22.29
mit 20, 13 ; 18, 17. 29 mit 20, 14 ; 18, 23. 29 mit 20, 15 f. Man hat der-
gleichen Stellen so untereinander auszugleichen versucht, daß man
sagte, die Todesstrafe trete in Kraft, sobald der Mensch die betreffende
Sünde absichtlich u. trotz Verwarnung vollbracht habe; die Strafe der
Ausrottung aber trete ein, sobald die Sünde zwar absichtlich, doch
ohne voraufgegangene Verwarnung begangen sei.a Der Hauptunter-
schied zwischen beiden Strafen aber liege darin, daß die Todesstrafe
durch Menschen u. die Ausrottung durch Gott erfolge: bei letzterer
greife Gott durch Kürzung des Lebens ein (Tod in der Vollkraft der
Jahre, im 50. Lebensjahre). b Da die Verwarnung überall im jüdischen
Recht als strafverschärfendes Moment, das Fehlen der Verwarnung als
Milderungsgrund erscheint, muß logischerweise die Ausrottung gegen-
über der Todesstrafe als die kleinere oder mildere Strafe gedacht sein.
Nur in ganz vereinzelten Fällen gilt die Ausr. als die schwerere Strafe,
nämlich dann, wenn sie nicht bloß das leibliche Leben trifft, sondern
auch die Seele vom Leben der zukünftigen Welt ausschließt. Der Grund,
272 Matth 5, 21 (SB 3 C 2 s. z)
aus welchem man die Ausr. zu dem jenseitigen Geschick der Seelen in
Beziehung gesetzt hat, war ein exegetischer: rtian wollte dem zwei-
maligen „Ausgerottet" Nu 15, 31 auf diese Weise gerecht werden. c Die
einzelnen Übertretungen, die gegebenenfalls mit Ausr. geahndet werden,
zählt die Mischna K^r 1, 1 auf.d
a. Bertinoro zu K^r 1,1: Die Ausrottungsstrafen sind festgesetzt für den, der mut-
willig übertritt ohne Verwarnung; wenn aber die Verwarnung stattgefunden hat, so
werden einige der Übertretungen mit Erdrosselung, andre mit Steinigung, andre mit
Geißelung bestraft. Falls die Übertretung versehentlich geschehen ist, ist ein Sünd-
opfer darzubringen.
b. M^'kh Ex 12, 15 (12-') u. 12, 19 (13''): Ausrottung ist nichts andres als das Auf-
hören des menschl. Lebens. — Vor allem s. MQ 28'"' u. Parall. S. 212 y.
C. SNu 15, 31 §112(33"): , Ausgerottet, ja ausgerottet soll diese Seele werden"
(Nu 15, 31). , Ausgerottet", in dieser Welt; „ja ausgerottet", in der zukünftigen Welt.
So R. ?Aqiba (f um 135). R. Jischma?el (f um 135) erwiderte: Wenn es heißt: „Aus-
gerottet, ja ausgerottet soll diese Seele werden", so redet die Tora damit nur nach
der Ausdrucksweise der Menschenkinder (sie deutet nicht auf einen Nebensinn, s.
Einl. 109 Anfang). — Als Bar, aber in andrer Fassung Sanh 64** u. 90*^. — Wie ?Aqiba
auch Targ J^'rusch I: Darum, daß er das alte Gesetz verachtet hat, das Jahve auf dem
Sinai verordnet hat, u. das Beschneidungsgebot verworfen hat, soll er vertilgt werden
in dieser Welt, ja vertilgt soll dieser Mensch werden in der zukünftigen Welt; denn er
wird über seine Schuld Rechenschaft ablegen müssen am Tage des großen Gerichtes.
d. K'^r 1, 1: Sechsunddreißigmal ist die Strafe der Ausrottung in der Tora ver-
hängt: Wer seiner Mutter beiwohnt, oder der Frau seines Vaters, oder der Schwieger-
tochter, oder einem Männlichen, oder einem Stück Vieh; eine Frau, die ein Stück Vieh
über sich kommen läßt; wer einer Frau samt deren Tochter beiwohnt, oder einer Ehe-
frau, oder seiner Schwester, oder einer Schwester seines Vaters, oder einer Schwester
seiner Mutter, oder einer Schwester seiner Ehefrau, oder der Ehefrau seines Bruders,
oder der Ehefrau des Bruders seines Vaters, oder einer Menstruierenden; ferner der
Gotteslästerer, der Götzendiener, wer von seinem Samen dem Molokh übergibt, der
Totenbeschwörer, der Sabbatschänder, der Unreine welcher Heiliges ißt, wer als Un-
reiner ins Heiligtum kommt, wer Unschlitt (zum Genuß verbotenes Fett) ißt oder Blut
oder Übriggebliebenes (nämlich vom Opfer, s. Lv 7, 18) oder Verworfenes piggül (da-
mit ist ein Opfer gemeint, das nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit gegessen
war); wer außerhalb (des Tempels) schlachtet u. opfert, wer am Passah Gesäuertes
ißt, wer am Versöhnungstage ißt oder eine Arbeit verrichtet, wer das Salböl oder das
Räucherwerk (das für heilige Zwecke gebraucht wurde, zum eignen Privatgebrauch)
zubereitet, wer sich mit dem heiligen Salböl salbt. (In allen diesen Fällen handelt es
sichjim Übertretung von Verboten.) Bei Geboten aber trat die Strafe der Ausr. ein
bei Übertretung des Passah- u. des Beschneidungsgebotes. — Die Voraussetzung ist
überall, daß keine Verwarnung des Übeltäters stattgefunden hat.
3. als „Tod durch Gottes Hand". Diese Strafe war weniger
streng als die Ausrottung. Man meinte, daß der Tod im Alter von
60 Jahren a ein solcher Tod durch Gottes Hand sei. Im ganzen werden
17 Übertretungen genannt, auf die dieser Tod als Strafe folgen b soll.
a. MQ 28''': Wenn man mit 50 Jahren stirbt, so ist das der Tod der Ausrottung;
mit 52 Jahren, das ist der Tod Samuels von Rama; mit 60 Jahren, das ist der Tod
durch die Hand Gottes. Mar Zutra (I.?, um 320) nennt als Schriftstelle dafür Hi 5,26:
Du wirst n533 (= im Alter) zu Grabe kommen; njsa hat einen Zahlenwert von 60.
Mit 70 Jahren, das ist der Tod des Alters, u. mit 80 Jahren, das ist der Tod des
höchsten Alters, s. Ps 90, 10. Rabbah (f 330) hat gesagt: Vom 50. — 60. Lebensjahre,
Matth 5, 21 (SB 3C2=. ;) 273
das ist der Tod der Ausr. ; u. daß man nicht diese ganzen 10 Jahre gerechnet hat.
geschah wegen der Ehre Samuels von Rama. Als Rab Joseph (f 333) 60 Jahre alt ge-
worden war, veranstaltete er den Rabbinen einen Festtag; er sprach: Nun bin ich frei
von der Ausrottung! — Mit Änderungen pBikk 2,(54'', 37. Hier folgt: R.Abin b. Tanchum
b. Tryphon (iii""!"^", wann?) entnahm den Beweis dafür (daß der Tod im 50. Lebens-
jahr der Tod der Ausr. sei) von Ps90, 10: ,Die Tage unsrer Lebensjahre sind 70."
Zieh davon die ersten 20 ab, in denen der obere Gerichtshof nicht straft u. nicht aus-
rottet, so mußt du sagen: Wer mit 50 (d. i. 70 — 20) Jahren stirbt, der stirbt durch
Ausr. — Die Kommentare erläutern diesen Beweis so: Wenn das menschliche Leben
lange währt, so währt es 80 Jahre; davon ziehe die ersten 20 Lebensjahre ab, in denen
Gott einen Menschen nicht straft, so bleiben GO Jahre. Nun bedeutet aber ri: (ausrotten)
eigentlich „in zwei Teile teilen" ; also besteht die Ausr. darin, daß Gott einen Menschen
von den 60 Jahren seiner Verantwortliclikeit nur die erste Hälfte (= 30 Jahre -\- 20 der
Jugendzeit) durchleben läßt; oder umgekehrt: wenn das Leben eines Menschen nach
den 20 Jahren der Jugend oder NichtVerantwortlichkeit u. den ersten 30 Jahren der
Verantwortlichkeit, zusammen nach 50 Jahren ein Ende nimmt, so ist das ein Beweis,
daß Gott das Halbieren, das r^: vollzogen hat.
b. Sanh9, 6: Wenn ein Fremder (d.h. ein Nichtpriester) im Heiligtum priester-
liche Funktionen vollzieht, so wird er nach R. ?Aqiba (f um 135) durch Erdrosselung
(also durch Menschenhand), nach den Gelehrten aber durch die Hand des Himmels
bestraft. || Sanh 11, 5: Ein falscher Prophet, der prophezeit, was er nicht gehört hat u.
wjis ihm nicht gesagt worden ist, dessen Tod erfolgt durch Menschenhände. Aber
wenn er seine Prophetie unterdrückt (aus Menschenfurcht, Bequemlichkeit u. dergl.),
oder wer die Worte eines Propheten als überflüssig (nicht verbindlich) behandelt, oder
wenn ein Prophet seine eignen Worte übertritt, so erfolgt der Tod durch die Hand
des Himmels; s. Dt 18, 19: Ich werde es von ihm fordern. — In TSanh 14, 14 f. (437)
lautet die Tradition: Wer prophezeit, was er nicht gehört hat, wie ^idqijja, der Sohn
K^na?anas (vgl. 1 Kg 22, 11), oder wer prophezeit, was ihm nicht gesagt worden ist,
wie Chananja, der Sohn ?Azzurs (Jer 28, 1 ff.), . . . oder wer seine Prophetie unterdrückt
wie Jona, der Sohn des Ämittai, oder wer die Prophetie eines Propheten als über-
flüssig behandelt, wie der Genosse Mikhas (1 Kg 22, 24); ferner ein Prophet, der seine
eignen Worte übertritt, wie ?Iddo (wohl der anonyme Prophet 1 Kg 13, vgl. Vers 21 f.),
oder seine Prophetie verändert; ein Fremder (= Nichtpriester); ein Gebadeter, der noch
den Untergang der Sonne abzuwarten hat, um ganz rein zu sein; ein Priester, dem
noch die Sühnung (durch ein Opfer) fehlt; ein Priester, dem etwas an der Priester-
kleidung fehlt; der die Hände u. Füße nicht gewaschen; der mit entblößtem Kopf da-
steht; der Wein getrunken hat u. trotz alledem priesterliche Funktionen vornimmt —
die alle sind des Todes schuldig. Und wodurch erfolgt ihr Tod? Durch die Hand des
Himmels. — Sanh 83-* läßt den ersten Teil, der sich auf die Propheten u. deren Pro-
phetie bezieht, fort u. fügt der weiteren Aufzählung in der Tosephta hinzu: Wer un-
verzehntete Früchte ißt; ein unreiner Priester, der reine Hebe ißt; ein Fremder (= Nicht-
priester), der Hebe ißt; ... ein Unreiner, der als Priester amtiert usw. In TK'^rl,5
(561) umfaßt die Reihe 9, in TZ'^b 12, 17 (498) 10 Glieder. In den drei zuletzt genannten
Stellen fehlt jedoch die Bemerkung, d^ß der Tod durch Gottes Hand erfolge. |! Ein
weiteres Beispiel s. TanchB •:; § 4 (S'"*), S^'mach 8.
;, Ähnlich wird es gemeint sein, wenn es von einem nach irdischem
Recht frei ausgehenden Mörder einigemal heißt, daß er Gott übergeben
werde oder daß er dem himmlischen Gericht verfallen sei. Hierhergehören:
Qid 43" Bar: Wenn jemand zu seinem Beauftragten sagt: Geh, töte einen Menschen
(u. der Beauftragte führt den Befehl aus), so ist der Beauftragte schuldig, sein Auf-
traggeber aber frei. Schammai der Alte (um 30 v. Chr.) sagte im Namen des Propheten
Haggai: Sein Auftraggeber ist schuldig; s. 2 Sm 12,9: Den Uria hast du (David) ge-
tötet durch das Schwert der Ammoniter. . . . Was heißt: „Er ist schuldig" (im Sinn
Strack u.Billerbeek, NTI. 18
274 Matth 5, 21 (» 3 C 2 ;)
Schamniais)'? Etwa: er ist den' Gerichten des Himmels (Gottes) verfallen, während
der erste Mischnalehrer meint, daß der Auftraggeber auch vom Gericht des Himmels
frei sei? Vielmehr bildet den Unterschied die große u. die kleine Strafe. (Schammai
will, daß die auf Mord gesetzte Strafe den Auftraggeber als den intellektuellen Ur-
heber treffe; der , erste Mischnalehrer" hält eine geringere Strafe für angemessen, da
der Auftraggeber den Mord nicht ausgeführt hat; worin diese Strafe bestehn soll, ist
nicht angegeben. Die spätere Halakha entspricht dem Standpunkt des , ersten Mischna-
lehrers"; daraus erkennt man, daß die Zeit Sciiammais strenger in der vorliegenden
Frage geurteilt hat.) || M^kh Ex 21, 14 (86'^): „Falls ein Mann frevelhaft gegen seinen
Nächsten handelt, daß er ihn mit Hinterlist totschlägt" Ex 21, 14. Falls ein „Mann"
(heißt es), schließt den Minorennen (der noch kein Mann ist) aus; falls ein „Mann",
schließt die andren (= Mchtisraeliten) mit ein; „seinen Nächsten", schließt den Mino-
rennen ein; „seinen Nächsten", schließt die Nichtisraeliten [die nicht unter den Be-
griff „Nächster" fallen] aus (d. h.. Ex 21, 14, daß der Mörder sterben soll, ist nach
jüdischem Recht nicht anwendbar, wenn ein Israelit der Mörder, ein Nichtisraelit der
Ermordete ist). Isi b. ?Aqabja (um 150, so lies statt ?Aqiba) sagte: Vor der (sinaitischen)
Gesetzgebung wurden wir (Israeliten) wegen des Blutvergießens verwarnt (nämlich
Gn 9, 6) ; nach der Gesetzgebung aber wurden statt der Erschwerungen Erleichterungen
in bezug auf sie (die Nichtisraeliten u. ihre Ermordung) gegeben. Mit Bestimmtheit
hat man gesagt: ' Der Israelit, der einen Nichtisraeliten getötet hat, ist frei seitens des
Gerichtes von Fleisch ii. Blut (seitens eines menschl. Gerichts), aber ihre Sache (so
der Text) ist dem Himmel übergeben. 1| M<=khEx21,29 (93-''): „Und auch sein (des
stößigen Kindes) Besitzer soll getötet werden" Ex 21, 29, nämlich durch die Hände
des Himmels (Gottes). Du meinst durch die Hände des H. ; ob nicht doch vielmehr
durch die Hände von Menschen? Wenn es (Ex 21, 30) heißt: „Falls ihm eine Sühne
auferlegt wird, so gebe er das Lösegeld für sein Leben", siehe, so gibt man ein Löse-
geld für die durch die Hände des H. zu Tötenden. Du meinst für die durcli die Hände
des H. zu Tötenden; oder nicht doch vielmehr für die durch die Hände von Menschen
zu Tötenden? Wenn es Nu 35, 31 heißt: „Ihr dürft nicht Lösegeld annehmen für die
Person eines Mörders, welcher (durch Menschenhand) zu sterben schuldig ist", siehe,
so lernen wir, daß man kein Lösegeld für die durch die Hände von Menschen zu
Tötenden gibt, wohl aber für die durch die Hände des H. zu Tötenden. — Parallele:
SNu 35, 31 S 161 ; K^th 37^ ist R. Jischma?el b. Jocha'nan b. B'Yoqa (um 150) Autor. [|
SNu35, 20 §160: „Wenn er in Haß ihn stößt" Nu 35, 20. Warum wird das gesagt?
Wenn es Nu 35, 16 — 18 heißt: „Wenn er mit einem eisernen Gerät ihn geschlagen
hat . . ., oder wenn er mit einem in der Hand gehaltenen Stein . . ., oder wenn er mit
einem in der Hand gehaltenen hölzernen Gerät ihn geschlagen hat", so höre ich daraus,
daß er nur dann schuldig (strafbar) sei, wenn er ihn mit diesen Dingen getötet hat.
Woher nun, wenn er ihn oben vom Dach gestoßen hat, so daß er kinabflel u. starb?
Die Schrift sagt lehrend: „Wenn er in Haß ihn stößt" ganz allgemein. Oder auch,
wenn er ihn ins Wasser oder ins Feuer gestoßen hat, oder wenn er einen Hund oder
eine Schlange auf ihn gehetzt hat? Siehe, du ziehst aus jenen dreien (Eisen, Stein,
Holz) die Schlußfolgerung des Binjan Ab (indem du aus dem, was jene drei gemein-
sam haben, schließest, s. Einl. S. 97f.): nicht gilt vom Stein, was vom Holz gilt, u.
nicht vom Holz, was vom Stein gilt, u. nicht von diesen beiden, was vom Eisen gilt,
u. nicht vom Eisen, was von den beiden gilt; das Stück (wörtlich: die Seite), worin
die drei sich gleichen, ist das, was sich auf die Tötenden bezieht, u. wer (damit) tötet,
^iehe, der ist schuldig. Das schließt den aus, der ihn ins Feuer oder ins Wasser ge-
stoßen hat, ferner den, der eine Schlange auf ihn gehetzt hat; denn dessen Sache ist
(weil er nicht unmittelbar den Tod verursacht hat) dem Himmel überlassen. || TBQ
^ "i-^tts ri3X2 „in Wahrheit, mit Bestimmtheit hat man gesagt" ist wesentlich gleich
der Wendung: „eine Halakha von Mose vom Sinai her", dient also zur Bezeichnung
uralter Traditionen.
Matth 5, 21 (© 3 C 2 ;). 5, 22 (5() 275
(>. 16 f. (355): Wer einen andren ängstigt (ihm einen Schrecken einjagt), ist frei vom
menschlichen CTericht (weil die Tora keine Strafbestimmung darüber enthält), u. sein
Gericht ist dem Himmel überlassen. Schrie er in sein Ohr u. machte ihn (dadurch)
taub, so ist er straffrei; hatte er ihn angefaßt u. schrie in sein Ohr u. machte ihn
taub, so ist er schuldig (Schadenersatz zu leisten). Wer das Vieh eines andren ängstigt,
ist frei vom menschl. Gericht, aber sein Gericht ist defti H. überlassen. Wer Vieh
füttert mit Asant (asa foetida). Oleanderblättern, Gift u. Hühnerschmutz (wodurch das
Fleisch der Tiere möglichenfalls für den Menschen gesundheitsschädlich wird), ist frei
vom menschl. Gei'icht, aber sein Gericht ist dem H. überlassen. Wer sich etwas am
Entsündigungswasser oder an der Lustrationskuh {= rote Kuh) eines andren zu schaffen
macht, ist frei vom menschl. Gericht, aber sein Gericht ist dem H. überlassen. Der
Beauftragte (Diener) des Gerichtshofes, der mit Ermächtigung des Gerichts einen geißelte
u. dadurch schädigte, ist frei vom menschl. Gericht, aber sein Gericht ist dem H. über-
lassen. Wer einen Embryo im Leibe einer Frau mit Ermächtigung des Gerichts zer-
schnitt u. dabei die Frau schädigte, ist frei vom menschl. Gericht, aber sein Gericht
ist dem H. überlassen. Ein erprobter Arzt, der mit Ermächtigung des Gerichts heilt
u. einen Kranken schädigt, ist frei vom menschl. Gericht, aber sein Gericht ist dem
H. überlassen. || Wie man sich das richterl. Eingreifen Gottes etwa gedacht hat, zeigt
Sanh 37'' (s. oben S.267), wo es zum Schluß heißt: Der die Gedanken kennt, wird
Rache nehmen an dem Mann, der seinen Nächsten erschlug. Man hat gesagt: Sie
waren noch nicht von dort weggegangen, als eine Schlange kam u. den Mörder biß,
daß er .starb. — Ferner Mak lO'': R. Schim?on b. Laqisch (um 250) eröffnete seinen
Vortrag über diesen Abschnitt (von den Asylstädten) mit: „Wenn aber jemand nicht
nachgestellt hat, sondern Gott hat es seiner Hand begegnen lassen" Ex 21, 13. ferner'
mit: ,Wie der alte Spruch sagt: Von Frevlern kommt Frevel" 1 Sm 24, 14. Von wem
redet die Schriftstelle? Von zwei Menschen, die einen Menschen getötet haben. Der
eine hatte versehentlich getötet u. der andre vorsätzlich ; gegen den einen waren keine
Zeugen vorhanden, gegen den andren auch nicht. Gott führt sie in einundderselben
Herberge zusammen. Der, welcher vorsätzlich getötet hat, sitzt unter einer Leiter; der,
welcher versehentlich getötet hat, steigt die Leiter hinab, fällt auf jenen u. tötet ihn.
So wird der, der vorsätzlich getötet hatte, getötet (durch die Hand oder das Gericht
des Himmels), u. der, welcher versehentlich getötet hatte, geht in die Verbannung. —
Dieser Ausführung liegt die Bar M'^'kh Ex 21, 13 (86'') zugrunde.
Wie oben TBQ ü, IG f. zeigt, waren es nicht bloß Mörder u. Totschläger, deren
Bestrafung gegebenenfalls Gott anheimgestellt wurde, sondern auch andre Übeltäter,
deren Bestrafung durch ein menschl. Gericht nicht möglich war. Vgl. auch Mischna
BQ6, 4: Wenn einer einen Brand anstiftet durch einen Taubstummen, Blöden oder
Minderjährigen, so ist er frei von menschl. Gerichten, aber schuldig der Gerichte des
Himmels = den Gerichten des H. verfallen. — Weitere Beispiele s. BQ 55'' — 56*;
darunter einige bereits TBQ 6, 16 f. erwähnte; ferner BQ 99''.
Wenn die traditionelle Auslegung des 5. Gebotes nach Mt5, 21 lautet:
,Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll dem Gericht verfallen
sein" sioxog sazai rrj xgi'asi, so kann nach dem oben beigebrachten
Stellenmaterial unter dem Gericht, das über den Mörder abzuurteilen
hat, nur der Gerichtshof der Dreiundzwanzig verstanden werden.
5,22: Ich aber sage euch, daß jeder, der seinem Bruder zürnet,
dem Gericht verfallen sein wird; wer aber zu seinem Bruder
„Dummkopf" sagen sollte, der wird dem Synedrium verfallen
sein; wer aber „Tor" sagen sollte, der wird an die FeuerhöUe
verfallen sein.
5t sioxog t[] xQi'aei . . , svoxoc ifo aws^Quo. Der Versuch Lightfoots
18*
276 ■ Matth 5, 22 (%. 83. Ü']
u. andrer, unter xQi'aig hier die Bestrafung des Menschen durch Gottes
Hand (s. S. 271) u. unter awadgiov den Gerichtshof der 23 (s. S. 257) zu
verstehn, scheitert an der Unmöglichkeit, y.Qimg in Vers 22 u. 21 ver-
schieden zu deuten. Wie in Vers 21 mit xQiaig der Gerichtshof der 23 ge-
raeint ist (s. S. 275), so auch in Vers 22. Dann aber muß sich avvädQior
auf den aus 71 Mitgliedern bestehenden Hohenrat beziehen, s. Sanh 1, 5
S. 258 f. — Die Klimax in Vers 22 wäre hiernach: Wer Zorn in seinem
Innern hegt, gehört vor das Gericht der 23, das Kapitalverbrechen
aburteilt; wer seinem Zorn Ausdruck gibt in einem gewöhnlichen
Schimpfwort wie „Dummkopf", sollte vom höchsten irdischen Gerichts-
hof, dem großen Synedrion, gerichtet werden; wer sich aber vollends
von seinem Zorn hinreißen läßt, mit einem Schmäh wort wie „Narr"
die sittliche Integrität eines andren anzutasten, der fällt der ewigen
Verdammnis anheim.
2^ 6 aSeXifög = nx „Bruder" deckt sich nicht mit o nhiaiov = v-
„ Nächster", nx bezeichnet das Mitglied der israelitischen Religions-
gemeinschaft: darum redet der Vortragende in gottesdienstl. Versamm-
lungen seine Hörer mit ^iD-^nx, aram. irrx, „unsre Brüder" an (s. bei
Apg 23, 1). "- dagegen bezeichnet das Mitglied der israelitischen Volks-
gemeinschaft, steht also im Gegensatz zu den Nichtisraeliten, den
„anderen" n^-nx (s. bei 5, 43). SDt 15, 2 § 112 (97''): „Er darf seinen
Nächsten u. Bruder nicht drängen" Dt 15, 2. Seinen „Nächsten" inr^;
ausgeschlossen sind also die „andren" (Nichtisraeliten); seinen „Bruder"
TTix; ausgeschlossen ist der Ger-Toschab (der Beisaß, der im Lande
Isr. wohnt, aber nicht in die israelitische Religionsgemeinschaft ein-
getreten ist; dagegen fällt der Vollproselyt p'j:j ^r. , der der Religions-
gemeinde Israels angehört, durchaus unter den Begriff „Bruder"). |i DtR
6 (203'): „Du sitzest, deinen Bruder zu bereden, u. auf den Sohn deiner
Mutter bringst du Verderben" Ps 50, 20. R. Jochanan (j 279) hat gesagt:
Wenn du deine Zunge daran gewöhnst, deinen Bruder, der nicht ein
Sohn deines Volkes ist (d. h. den Proselyten), zu bereden, so Avirst du
schließlich auf den Sohn deines Volkes (d. h. den Israeliten) Verderben
bringen, — Anders in Tanch ^mp£ 129 ''j wo R. J'^hoschua? b. Levi (um
250) als Autor genannt ist.
6 o 6QyiL,öf.i£vog. Das Schädliche u. Verwerfliche des Zorns u. des
Hasses wird in der rabbin, Literatur oftmals hervorgehoben.
Aboth2, 5: Hillel (um 20 v. Chr.) hat gesagt: Der Schamhafte (der sich scheut zu
fragen) lernt nichts, u. der Aufbrausende •;-:- eignet sich nicht zum Lehrer. | 2,10:
R. Elifezer (um 90) sagte: Sei nicht geneigt zum Zürnen c-y:'':. | 5,11: Vier Sinnesarten
gibt es: wer geneigt ist zum Zürnen u. geneigt zum Freundlichsein, dessen Nachteil
geht auf in seinem Gewinn: wer schwerfällig ist zum Zürnen u. schw.erfällig zum
Freundlichsein, dessen Gewinn geht auf in seinem Nachteil; wer schwerfällig zum
Zürnen ist u. geneigt zum Freundlichsein, ist ein Frommer; wer geneigt zum Zürnen
ist u. schwerfällig zum Freundlichsein, ist ein Gottloser. |i Schab 3 H sprechen die von
Schammai Abgewiesenen u. von Hillel Angenommenen: Der Jähzorn Schammais (um
Matth 5, 22 (6) 277
30 V. Chr.) wollte uns aus der Welt bringen ; aber die Sanftmut Hillels hat uns unter
die Flügel der Sch'^^khina gebracht (hat uns Proselyten werden lassen). 1| SLv 19, 18
(852*): „Du sollst nicht Zorn nachtragen" Lv 19, 18. Wie weit reicht das Nachtragen?
Wenn jemand zu einem andren sagt: Leihe mir deine Axt (oder Spaten)! u. dieser tut
es nicht; morgen aber sagt dieser zu jenem: Leihe mir deine Sichel! u. er antwortet:
Hier hast du sie; ich bin nicht so wie du, weil du mir deine Axt nicht geliehen hast.
Deshalb heißt es: Du sollst nicht Zorn nachtragen. Du sollst nicht Rache ausüben noch
Zorn nachtragen gegenüber den Söhnen deines Volkes Lv 19,- 18; du darfst aber Rache
ausüben u. Zorn nachtragen gegenüber andren [= Nichtisraeliten]. || SNu31,21 § 157
(60*): Weil unser Lehrer Mose in Zorn geriet, geriet er in Irrtum. R. El?azar (b. ?Azarja,
um 100) sagte: Dreimal geriet er in Zorn u. infolgedessen auch in Irrtum. Lv 10, 16 f.:
Da zürnte er auf EI?azar u. Ithamar u. sprach: Warum habt ihr das Sündopfer nicht
gegessen? Nu 20, 10: Er sprach zu ihnen: Höret doch ihr Widerspenstigen! Werden
wir aus diesem Felsen für euch Wasser hervorbringen? Wie heißt es darauf? Mose
erhob seine Hand u. schlug den Felsen mit seinem Stabe zweimal (darin lag sein
Irrtum). Nu 31, 14: Mose zürnte über die Befehlshaber des Heeres usw. Wie heißt es
darauf Vers 21? Der Priester El?azar sprach zu den Männern des Heereszuges (E.,
nicht Mose ist der Sprechende; der letztere hatte infolge seines Zorns die Bestimmung
der Tora vergessen). Weil unser Lehrer Mose in Zorn geriet, geriet er in Irrtum. || P's
66^: Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Wenn ein Mensch, der zürnt, ein Gelehrter
ist, so verläßt ihn seine Gelehrsamkeit; wenn er ein Prophet ist, so verläßt ihn seine
Prophetie. Wenn er ein Gelehrter ist, so verläßt ihn seine Gelehrsamkeit. Das lernt
man von Mose; denn es heißt Nu 31, 14: Mose zürnte über die Befehlshaber des Heeres
usw., u. danach Vers 21: Der Priester El?azar sprach zu den Männern des Heereszuges
usw., weil es dem Mose aus dem Gedächtnis geschwunden war. Wenn er ein Prophet
ist, verläßt ihn seine Prophetie. Das lernt man von Elisa, s. 2 Kg 8, 14: Da sprach
Elisa: So wahr Jahve der Heerscharen lebt, vor dem ich stehe, wenn ich nicht Rück-
sicht nähme auf Josaphat, den König von Juda, so würde ich weder nach dir blicken
noch dich ansehen! (Dies als Ausdruck des Zorns gefaßt.) Und dann heißt es Vers 15:
Holet mir einen Saitenspieler; u. als der Saitenspieler spielte, kam die Hand Jahves
auf ihn (das Eingreifen des Saitenspielers war notwendig, weil Elisa seine Prophetie
vergessen hatte). R. Mani b. Pattisch (um 250) hat gesagt: Wer zürnt, den stürzt man
hinab (von seiner Würde), auch wenn man ihm Größe zuerteilt hätte vom Himmel her.
Woher? Von Eliab, s. 1 Sm 17,28: Eliab ward sehr zornig auf David usw. Und als
Samuel ging, um ihn (David) zu salben, steht bei allen Brüdern Davids geschrieben:
„Diesen hat Jahve nicht erwählt", aber bei Eliab steht ISmlö, 7: „Jahve sprach zu
Samuel: Schaue nicht auf sein Aussehn u. auf die Hohe seines Wuchses; denn ich habe
ihn verworfen'; denn bis dahin war er ihm wohlwollend. — Vgl. LvR 13 (114^): Als
Mose zürnte (nämlich Lv 10, 16), wurde die Halakha (die gesetzliche Norm) vor ihm
verborgen. R. Huna (um 350) hat gesagt: An drei Stellen zürnte Mose u. die Halakha
wurde vor ihm verborgen, s. Ex 16, 20. 25; Nu 31, 14 u. Lv 10, 16. || N<^d 22b: Rabbah b.
Rab Huna (um 300) hat gesagt: Wer zürnt, vor dem ist selbst die Sch'^^khina (Gottheit)
für nichts geachtet, s. PslO, 4: „Der Frevler in der Höhe seines Zorns fragt nach
nichts; ,es ist kein Gott', das sind alle seine Gedanken" (so der Midr). R. Jirm'ja von
Diphte (wann?) hat gesagt: Er vergißt sein Gelerntes u. nimmt an Dummheit zu, s.
Qoh7, 9: „Zorn ruht im Busen des Toren" ; ferner Spr 13, 16: „Der Tor kramt Narrheit
aus." Rab Nachman b. JiQchaq (f 356) hat gesagt: Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen,
daß seine (des Zornigen) Sünden seine Verdienste überwiegen, s. Spr 29, 22: „Ein Zorniger
ist reich an Vergehungen." 1| N^d 22^: R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt,
R. Jonathan (um 220) habe gesagt: Wer zürnt, über den herrschen alle Arten (Ab-
teilungen) des Gehinnoms, s. Qohll,10: „Entferne den Zorn aus deinem Herzen, so
wirst du Unheil an deinem Fleisch vorübergehn lassen" (so der Midr). Unheil ist nichts
andres als der Gehinnom, s. Spr 16,4: „Alles hat Jahve zu seinem Zwecke gemacht,
u. auch den Frevler für den Tag des Unheils" (des Gehinnoms). Und nicht bloß dies,
278 Matth 5, 22 (6. 2))
auch Unterleibsleiden hensclien über ihn, s. Dt 28, 65: ,,Jahve wird dir dort ein bebendes
Herz u. Augenverschmachtung u. Seelenverzweiflung geben." Was ist das, was die
Augen läßt hinschwinden u. die Seele verschmachten? Antwort: Das sind die ünter-
leibsleiden. |! Aboth RNathan 3: Wer sein Brot auf die Erde wirft u. sein Geld zerstreut
vor Zorn, der wird nicht aus der Welt scheiden, ohne daß er der Menschen (u. deren
Unterstützung) benötigt hätte. || TBQ J), 31 (366): Wer einen andren mit umgekehrter
Hand schlägt, mit einem Blatt Papier, mit einer Schreibtafel, mit noch nicht bearbeitetem
Pergament, mit einem Dokumentenbündel in seiner Hand, der zahlt 400 Zuz (rund
250 Ji als Strafe) ; nicht weil es ein Schlag ist, der Schmerz verursacht, sondern weil
es ein Schlag der Beschimpfung ist, s. Ps 3, 8: Erhebe dich, Jahve, hilf mir, mein Grott;
denn du hast ja alle meine Feinde auf den Kinnbacken geschlagen. Ferner heißt es
Mi 4, 14: Mit dem Stecken schlagen sie auf die Wange den Richter Israels, u. Jes 50, 6:
Meinen Rücken bot ich dar den Schlagenden u. meine Wangen den Raufenden. [Die
Stellen scheinen beweisen zu sollen, daß das Schlagen auf die Backen ein Schlagen
der Beschimpfung sei.] Und wie ein Mensch sich schuldig macht wegen Schädigung
eines andren, so auch wegen Selbstschädigung. Wer sich selbst vor einem andren be-
streicht u. beschmiert, sich das Haar ausrauft, sein Gewand zerreißt, seine Gerätschaften
zerbricht, sein Geld verstreut aus Zorn, der ist frei von menschl. Gericht, aber sein
Gericht ist dem Himmel übergeben, s. Gn9, 5: , Jedoch euer Blut, das eurer Seelen.
will ich fordern, von jeglichem Tier will ich es fordern u. von der Hand des Menschen.
von der Hand eines jeden, seines Bruders, will ich die Seele des Menschen fordern."
R. Schimfon b. El?azar (um 190) sagte im Namen des R. Chilphai b. Agra (um 150), der
es im Namen des R. Jochanan b. Nuri (um 110) gesagt hat: Wer sein Haar ausrauft,
sein Gewand zerreißt, seine Gerätschaften zerbricht, sein Geld verstreut vor Zorn, der
sei in deinen Augen wie ein Götzendiener. Denn wenn sein (böser) Trieb zu ihm sagte:
Geh u. diene den Götzen, so würde er es tun; denn so ist es das Tun des bösen
Triebes. — Das Wort des R. Jochanan b. Nuri als Bar auch Schab 105 b. || B^r 29^: Sei
nicht aufbrausend, damit du nicht sündigst. |! SLv 19, 17 (352''): „Du sollst deinen
Bruder nicht hassen" Lv 19, 17. Etwa du sollst ihn nicht verfluchen, du sollst ihn
nicht schlagen, du sollst ihm keinen Backenstreich geben? Die Schrift sagt lehrend:
,ln deinem Herzen"; ich habe es nur vom Haß im Herzen gesagt. — Dasselbe als Bar
?Arakh 16"^. |! Joma 9*^: Warum ist das zweite Heiligtum, in dessen Zeit man sich doch
mit dem Torastudium u. mit Gebotserfüllungen u. mit Liebeserweisungen beschäftigt
hat, zerstört worden? Weil da grundloser Haß vorhanden war. Das will dich lehren,
daß grundloser Haß so schwer wiegt, wie die drei Sünden Götzendienst, Unzucht u.
Blutvergießen (derentwegen einst das erste Heiligtum zerstört wurde). || P^'s 113^: Drei
liebt Gott: den, der nicht zürnt, der sich nicht betrinkt u. der nicht auf seiner Art
besteht (der nachgiebig ist). . . . Bar: Das Leben von dreien ist kein Leben: das der
Mitleidsvollen u. das der Aufbrausenden u. das der Empfindlichen. Rah Joseph (f 333)
hat gesagt: Und das alles findet sich bei mir. Bar: Drei hassen einander, nämlich die
Hunde u. die Hähne u. die Zauberer. Einige fügen noch hinzu: die Huren; andre fügen
noch hinzu: die Gelehrtenschüler in Babylonien. || Aboth 2, 11: R. J*^hoschua? (um 90)
pflegte zu sagen: Ein böses Auge (= Neid) u. der böse Trieb {-^ Leidenschaftlichkeit)
u. der Menschenhaß bringen den Menschen aus der Welt.
% oaxc'i = N|^"'":, i^I^^";. Dieses in der rabbin. Literatur häufig vor-
kommende Schimpfwort bedeutet: leerer Mensch, Dummkopf, Wicht.
B'^rakh 32'' Bar: Ein Frommer betete einmal auf einem Wege; es kam ein
Befehlshaber [rjyefxujv) u. entbot ihm den Friedensgruß; er aber erwiderte den Gruß
nicht. Jener wartete auf ihn, bis er sein Gebet beendigt hatte. Nachdem er sein
Gebet beendigt hatte, sprach der Befehlshaber zu ihm : Du Wicht sp-^, steht nicht
in eurer Tora geschrieben Dt 4, 9: „Nur hüte dich u. nimm deine Seele (dein Leben)
wohl in acht"? Desgleichen Dt 4, 15: „So nehmet euch wohl in acht für eure Seelen
(euer Leben)*? Als ich dir den Friedensgruß entbot, warum hast du ihn mir nicht
Matth 5, 22 (2. ®) 279
erwidert? Wenn ich dir deinen Kopf mit dem Schwert abgehauen hätte, wer hätte
dein Blut von meiner Hand gefordert? Der Fromme sprach: Warte auf mich, bis
ich dich durch Worte besänftige. Wenn du vor einem König von Fleisch u. Blut
gestanden hättest, u. dein Freund wäre gekommen u. hätte dir den Friedensgruß
entboten, würdest du ihn erwidert haben? Jener antwortete: Nein! Und wenn du
ihn erwidert hättest, was würde man dir getan haben? Er antwortete: Sie würden
meinen Kopf (lies ••ss-^) mit dem Schwert abgeschlagen haben. Da sprach jener:
Gilt da nicht der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere? Wenn du, der du vor
einem König von Fleisch u. Blut gestanden hättest, der heute hier und morgen im
Grabe ist, also gehandelt hättest, um wieviel mehr gilt das dann von mir, der ich
vor dem König aller Könige gestanden habe, vor dem Heiligen, gepriesen sei er!
der da lebt u. bleibt in alle Ewigkeiten ! Alsbald war jener Befehlshaber ausgesöhnt,
u. jeuer Fromme ging in Frieden in sein Haus. i| BB 75^: (R. Jochanan, f 279, sagt
zu einem Schüler, der über seinen Vortrag gelacht hatte u. dann eines Besseren be-
lehrt worden war): Du Dummkopf xp--, wenn du es nicht gesehen hättest, so würdest
du es nicht glauben. || Midr Fs 137 § 5 (262'^): R. Jipchaq b. Tablai (im 4. Jahrb., s.
Bacher, pal. Amor. 3, 720 ff.) sagte: Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der eine
Königstochter geheiratet hatte. Er sprach zu ihr: Tritt herzu u. kredenze mir einen
. Becher. Sie aber wollte nicht. Da ward der König zornig u. entließ sie aus seinem
Haus. Sie ging u. verheiratete sich an einen Aussätzigen. Dieser sprach zu ihr: Tritt
herzu u. kredenze mir einen Becher! Sie sprach zu ihm: Du Dummkopf (np^^), eine
Königstochter bin ich u. einem König war ich vermählt, u. weil dieser zu mir ge-
sagt hatte: „Kredenze mir einen Becher" u. ich es nicht tun wollte, ward er zornig
u. entließ mich aus seinem Hause; wenn ich es getan hätte, hätte ich zu meiner
Ehre Ehre gefügt; nun sagst du zu mir: Tritt her u. gib mir zu trinken?! Il Andre
Beispiele s. Gittin 58^ np-«; BQ 501- (np-n); Ta?an20'> (s.beiMtö, 24 8.285^); B«r22'*;
BQ 94"^. II Im Plural steht das Wort Midr Qoh 9, 15 (44b): (Noah sprach zu seinen
Zeitgenossen:) Wehe euch, ihr Wichte N;:p--^, morgen kommt die Flut, tuet Buße! —
Ferner Aboth R. Nathan 27; M^kh Ex 20,2 (74") -np-.
(S i.io)Q6g. Das Rabbin. oi-ii-c u. x-rc bedeutet zunächst auch „töricht,
dumm". ab Zweitens nach dem hebr. nni-3 „widerspenstig, ungehorsam". c
Dann ist :ot2, ähnlich wie hz:, zum Synonym von vc-^ „Gottloser,
Frevler" geworden. Diesen Sinn wird /jkoqs' auch Mt 5, 22 haben.
Während in xp-in der Vorwurf eines intellektuellen Defekts liegt, bringt
s-T: den eines sittlichen Defekts zum Ausdruck.
a. SDt21,18 §218 (114^): „Wenn jemand einen störrischen u. widerspenstigen
Sohn hat" (Dt 21, 18). Einen „störrischen", d. h. der es zweimal war {-i~iz als Iterativ-
form gedeutet) u. „widerspenstigen" n-n« d.h. einen äußerst dummen nuiü. || P^^siq
118^: Wem glich Mose (zur Zeit von Nu 20, 10)? Einem König, der seinen Sohn
seinem Erzieher übergab. Er sprach zu ihm: Nenne meinen Sohn nicht einen m-us.
Was heißt ri"i:»3? Im Griechischen sagt man zu einem Dummen fxwQÖ?, om«. Einmal
begegnete es ihm, daß er ihn dumm (einen Narren -r.fi'z = fiwQÖg) nannte. Da sprach
der König zu ihm: Ich selbst habe dir befohlen: „Du sollst meinen Sohn nicht einen
Narren heißen", u. du hast ihn doch einen Narren genannt; es ist nicht angängig,
daß ein Kluger mit einem Dummen, s'-jr, einhergeht. So steht auch geschrieben
Ex 6, 13: „Da redete Jahve zu Mose u. Ahron und gebot ihnen in bezug auf die
Kinder Israel." Was gebot er ihnen? Er sprach: „Ihr sollt meine Kinder nicht ■j-'-n»:
(Narren = fxwooi) nennen." Als sie ihn am Haderwasser erzürnt hatten, sprach Mose
zu ihnen Nu 20, 10: Höret doch, ihr Narren (D'-n?2r! = {xwqo'l gedeutet)! Da sprach
Gott zu ihm: Ich selbst habe euch befohlen: „Ihr sollt meine Kinder nicht Narren
nennen"; weil du aber „Narr" gesagt hast, so ist es nicht angängig, daß ein Kluger
mit einem Dummen einhergeht. Deshalb heißt es, Nu 20, 12, nicht: „Du sollst nicht
280 ^lattli 5, 22 (6. 5)
bringeu", sondern: ,]lir sollt nicht bringen" ; weder du, noch dein Bruder, noch deine
Schwester sollt in das Land Israel eingehn. — Die Bemerkung, daß der Narr, s-r:», im
Griechischen ,«wpo? heiße, auch Midr Ps 9 § 16 (46"). In Midr KL Einl. 31 gibt R.Rt'uben
(gegen 300) diese Deutung. Außerdem s. TanchB s-isi § 16 (16''') u. die Stelle Anm. c.
b. Das gewöhnliche Schimpfwort ist r-jvj, arani. s;-jffl. ÄPn 65''; Die Boethusäer
(eine Gruppe innerhalb der sadduzäischen Partei) sagten: Das Wochenfest (= Pfingsten)
liegt immer nach einem Sabbat (fällt stets auf einen Sonntag). Da sprach Rabban
Jochanan b. Zakkai zu ihnen: Ihr Narren ="jt, woher wißt ihr das? Und kein Mensch
war da, der ihm geantwortet hätte, außer einem Alten, der gegen ihn schwatzte u.
sagte: Unser Lehrer Mose liebte die Israeliten, u. da er wußte, daß das Wochenfest
nur Einen Tag dauerte, setzte er es nach dem Sabbat an, damit die Israeliten zwei
Tage lang sich ergötzen könnten. R. Jochanan b. Z. sprach zu ihm: Du Narr--j-i-!
nicht soll unsre vollkommene Tora wie euer unnützes Geschwätz sein (u. dann deutet
er ihm Lv 23, 15f.). 1| Midr Qoh 1, 15 (IH) sagt man zu einem, der nach seinem Tode
im Jenseits Buße tun will: Du (größter) Narr in der Welt zt'-i'ivzv r-^-'x, weißt du
nicht, daß diese Welt dem Sabbat gleicht, u. die Welt, aus der du gekommen bist, dem
Rüsttag auf Sabbat? Wenn ein Mensch am Rüsttag auf den Sabbat nicht zurichtet,
was wird er am Sabbat essen? Darauf sagte er: Lasset mich, daß ich die Ehre
(Herrlichkeit) meines Freundes (inmitten der Seligen) anschaue. Man sagte ihm: Du
(größter) Narr in der Welt, ans dem Munde der Allmacht ist uns der Befehl ge-
worden, daß die Gerechten nicht stehn sollen inmitten der Gottlosen u. die Gottlosen
nicht inmitten der Gerechten . . . (s. die ganze Stelle im Exkurs: „Sch'^ol" usw. II, o, d). —
Die Worte: „Ihr Toren in der Welt, wer sich am Rüsttag auf den Sabbat gemüht
hat, der darf am Sabbat essen", auch ?AZ 3".
C. Tanch r-,- (226^^) u. NuR 19 (186'^): Was heißt z-^-2- Nu 20, 10? Es be-
deutet „Widerspenstige", z-'iz^zi; aber auch „Narren", i".:ri-; denn so nennt man in
den (Griechisch redenden) Seestädten die Narren fxwQoi, y~:^ . Nach einigen bedeutet
z'-:'^r. diejenigen, die ihre Lehrer belehren wollen (s—-': also = Part. Hiphil von
n--); endlich bedeutet es Bogenschützen, s. 1 Sm 31, 3. — Zu r-^ als Schimpfwort
s. Qid 28".
. 5 Sachliche Parallelen, insofern sie allgemein Kränkungen durch
Worte rügen:
Qid 28" Bar: Wer zu seinem Nächsten „Sklave" sagt, der soll in den Bann getan
werden; wer zu ihm „Bastard" sagt, der empfängt die vierzig (Geißelhiebe); wer zu
ihm „Gottloser" yv sagt, dem kann er (der Beleidigte) an sein Leben gehn (d. h.
er darf sich an ihm rächen durch Entziehung der Subsistenzmittel u. dergleichen,
vgl. Raschi). Der letzte Satz auch BM 71 ". i: BM 58'' Bar: Ihr sollt einander nicht be-
drücken Lv 25, 17. Von der Bedrückung durch Worte {-= von Kränkungen, Beleidi-
gungen) redet die Schrift. Du sagst: „von der Bedr. durch Worte", nicht vielmehr
von der Bedr. in Geldsachen (= Übervorteilung)? Wenn es heißt Lv 25, 14: „Falls
du deinem Nächsten etwas verkaufst oder von deinem Nächsten erwirbst, so sollt
ihr einander nicht drücken", siehe, so handelt es sich ja schon in diesen Worten um
Bedr. in Geldsachen (also muß in Vers 17 von etwas andrem die Rede sein). Wie
soll ich nun Vers 17 verstehen: „Ihr sollt einander nicht bedrücken"? Von der Bedr.
durch Worte (= Kränkung). Wie zB? Wenn jemand ein Bußfertiger ist, so soll man
zu ihm nicht sagen: Gedenke deiner früheren Taten! Wenn einer der Sohn eines
Proselyten ist, so soll man zu ihm nicht sagen: Gedenke des ^Tuns deiner Väter!
Wenn einer Proselyt geworden ist u. die Toi-a lernen will, so soll man zu ihm nicht
sagen: Der Mund, der Gefallenes, Zerrissenes, Greuliches u. Kriechendes gegessen
hat, will Tora lernen, was vom Munde der Allmacht geredet worden ist. Wenn Leiden
über jemanden kommen oder Krankheiten, oder wenn jemand seine Kinder hat be-
graben müssen, so soll man nicht zu ihm .sagen, wie zu Hiob seine Freunde gesagt
haben Hi 4, 6 f.: .War nicht deine Gottesfurcht deine Zuversicht? Deine Hoifnunü; —
Matth5, 22(5) 281
die Redlichkeit deiner Wege? Gedenke doch, wer ging denn unschuldig zugrunde?"
Wenn Eseltreiber Getreide von jemand kaufen wollen, so soll er zu ihnen nicht sagen:
Geht hin za dem u. dem, der will Getreide verkaufen! wenn er doch von diesem
weiß, daß er niemals solches verkauft hat. R. J^'huda (um löO) hat gesagt: Auch
soll man seine Augen nicht auf einen Kauf richten, wenn man kein Geld hat; denn
siehe die Sache ist dem Herzen anvertraut (der Verkäufer weiß nicht, ob es dem
Käufer Ernst ist), u. von allem, was dem Herzen anvertraut ist, heißt es, Lv25, 17:
,Du sollst dich vor deinem Gott fürchten' (denn Falschheit der Gedanken wird von
Gott bestraft). — Diese Bar findet sich in SLv 25, 17 (434=^). |1 BM58'': R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Schim?on b. Jochai (um 150) gesagt: Größer (schwerer)
ist die Bedrückung durch Worte (= Kränkung) als die Bedr. in Geldsachen (= Über-
vorteilung); denn nur bei jener heißt es Lv 25, 17 : ,Du sollst dich fürchten vor deinem
(jott." R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Jene trifft seine Person, diese sein Geld.
R. Sch^muel b. Nachmau (um 260) hat gesagt: Die eine wird auf die Rechnung ge-
setzt (läßt sich zurückzahlen), die andre wird nicht auf die Rechnung gesetzt. || Aboth
3,11: R. El?azar von Modifin (f um 135) sagte: Wer das Heilige entweiht, wer die
Feste verachtet, wer das Angesicht seines Nächsten öffentlich beschämt, wer den
Bund unsres Vaters Abraham bricht, * wer Deutungen der Tora bekannt gibt, die der
Halakha (der einmal festgesetzten Norm) nicht entsprechen, der hat, auch wenn er
Torakenntnis u. gute Werke besitzt, keinen Anteil an der zukünftigen Welt. !| BM 58'^:
Abaje (t 338/39) hat zu Rab Dimi (um 320) gesagt: Wovor hütet man sich (am meisten)
im Abendland (= Palästina)? Er antwortete ihm: Vor dem Blaßmachen des An-
gesichts (vor der öffentl. Beschämung eines andren); denn R. Chanina (um 225) hat
gesagt: Alle fahren zum Gehinnom hinab mit Ausnahme von dreien. Alle, meinst du?
Vielmehr sage: Alle, die in den G. hinabfahren, kommen wieder herauf mit Aus-
nahme von dreien, die hinabfahren, aber nicht wieder heraufkommen. Diese sind:
wer einer verheirateten Frau beiwohnt, wer das Angesicht seines Nächsten öffentlich
beschämt (wörtlich: weiß macht) u.'wer seinen Nächsten mit einem Schimpfnamen
benennt. Wec ihn so benennt, der beschämt ihn ja (beides ist dasselbe]! (Es ist so
gemeint:) Auch wenn er (der Gekränkte) an diesen Namen schon gewöhnt ist (so
daß er sich nicht mehr durch ihn beschämt fühlt, wird der Gebrauch des Schimpf-
namens doch als nicht wieder gutzumachende Versündigung angerechnet). Rabba bar
bar Ghana (um 280) hat gesagt: R. Jochanan (t 279) hat gesagt: Es wäre besser für
den Menschen (weil weniger strafbar), einer Ehefrau beizuwohnen, von der es zweifel-
haft sei, ob sie eine solche ist, als das Angesicht seines Nächsten öffentlich zu be-
schämen. Woher uns dies? Raba (f 352) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt
Ps 85, 15: ,Bei meinem Wanken freuten sie sich u. versammelten sich ... sie zer-
rissen u. wurden nicht still"? David sprach vor Gott: Herr der Welt, offenbar u.
bekannt ist es vor dir, wenn sie mein Fleisch zerrissen hätten, so wäre kein Blut
von mir auf die Erde getröpfelt;^ u. nicht bloß dies, sondern selbst wenn sie sich
mit den Satzungen über Aussatzschäden und Bezeltungen (Verunreinigung durch Lei-
chen) beschäftigten (im Lehrhause Davids), sprachen sie zu mir: David, wenn einer
einer verheirateten Frau beiwohnt, in welcher Weise soll sein Tod erfolgen? Ich
antwortete ihnen: Sein Tod soll durch Erdrosselung erfolgen; aber er hat Anteil an
der zukünftigen Welt; jedoch wer das Angesicht seines Nächsten öffentlich beschämt,
der hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt. Mar Zutra b. Tobijja (um 260?)
hat im Namen Rabs (f 247) gesagt, nach andren Rab Ghana b. Bizna (um 260) im
Namen des R. Schimfon des Frommen (um 210), nach andren R. Jochanan (f 279) im
Namen des R. Schim?on b. Jochai (um 150): Es wäre einem Menschen besser, daß
er sich selbst in einen Feuerofen stürzte, als daß er das Angesicht seines Nächsten
' ' 1 Makk 1,15: xai inoLt^accy tavroi'g ((xooßvaiUci xcd dneaii^adp uno öi(tf^t]X7]? äyiccg.
•2 So bleich war David vor Scham; die Textworte t:- nV- werden also gedeutet:
,und kein Blut von ihm war da".
282 Matth 5, 22 (^. ®). 5, 23 {%)
öffentlich beschämte. Woher uns das? Von der Thamar, s. Gn 38, 25 (sie schickte
die in ihrem Besitz befindlichen Unterpfänder an Juda, ohne dessen Täterschaft an-
zugeben). Der letzte Satz auch B^^^r 43*^. || BM 59": Rab Chisda (f 309) hat gesagt:
Alle Tore (des Himmels, durch die der Menschen Gebete u. Seufzer u. Klagen vor
Gott kommen) sind verschlossen worden, ausgenommen die Tore der Kränkung (wört-
lich: der Bedrückung, nämlich durch Worte, s. Raschi), s. Am 7, 7: „Siehe, Jahve stand
auf der Mauer der Bedrückung und in seiner Hand die Bedrückung" (so deutet der
Midr das Textwort -:s, s. LvR 33, 130''^). R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Alles wird
bestraft durch die Hand eines (von Gott damit) Beauftragten, ausgenommen die Krän-
kung, s. Am7, 7: „Die Kränkung in seiner (Gottes) Hand!" R. Abbahu (um 300) hat
gesagt: Vor dreierlei wird der Vorhang (der Gottes innerstes Gemach umschließt) nicht
geschlossen (d.h. auf dreierlei achtet Gott ununterbrochen): vor Kränkung, vor Raub
u. vor Götzendienst, s. Am 7, 7 („in seiner Hand"); Jer 6, 7 (-."ar „immerfort"); Jes
65, 3 {-.'nr). — Bemerkenswert ist, daß der Ausspruch des Rab Chisda sich bereits
im Munde der Imma Schalem, der Gemahlin des R. Eli?ezer b. Hyrkanos (um 90)
u. der Schwester des Rabban Gamliel II. findet, u. zwar als eine Tradition aus dem
Hause ihres Großvaters, d. h. Gamliels 1., des Lehrers Pauli BM 59 '\
@ Der Gedanke, daß Zorn u. Haß u. ihre Ausbrüche in kränkenden
Worten in Gottes Augen nicht minder, bezw. noch mehr strafbar seien
als Totschlag, ist auch der alten Synagoge geläufig gewesen.
Derekh Ere(^, 10: R. Eli?ezer (um 90) sagte: Wer seinen Nächsten haßt, siehe, der
gehört zu den Blutvergießern; denn es heißt Dt 19, 11: „Wenn einer seinen Nächsten
haßt (ihm feind ist) u. ihm auflauert u. sich gegen ihn erhebt." ■ — Das Auflauern usw.
ist als notwendige Folge des Hasses gedacht, so daß dieser als der Anfang des Mordes
anzusehn ist. | Daselbst: R. Jose (um 150) hat gesagt: . . . Wer die Gelehrten u. ihre
Schüler haßt . . ., hat keinen Anteil an der zukünftigenWelt. || Sauh 58*^: Rescli Laqisch
(um 250) hat gesagt: Wer seine Hand wider seinen Nächsten erhebt, wird, auch wenn
er ihn nicht schlägt, ein Frevler "r- genannt, vgl. Ex 2, 13: „Er sprach zu dem Frevler:
Warum willst du deinen Nächsten schlagen?" (so der Midr). Warum hast du geschlagen?
heißt es nicht, sondern: warum willst du schlagen? Obwohl er ihn noch nicht ge-
schlagen, heißt er doch „Frevler". R. Z'^firi (um 250) hat gesagt, R. Chanina (um 225)
habe gesagt: Er wird ein Sünder genannt, s. 1 Sm 2, 16: „Wenn nicht, so nehme ich
es mit Gewalt", u. darauf heißt es (Vers 17): „Die Sünde der Jünglinge war sehr groß."
Rab Huna (f 297) hat gesagt: Seine Hand soll abgehauen werden, s. Hi 38, 15: „Der
emporgehobene Arm wird zerschmettert." Rab Huna hat eine solche Hand (einmal)
abhauen lassen. R. El?azar (um 270) sagte: Für einen solchen gibt es kein andres
Mittel als das Begräbnis, s. Hi 22, 8: Der Mann der Faust — für ihn die Erde. || BMSS'^:
Ein Mischnalehrer tradierte als Bar vor Rab Nachman b. Ji^chaq (t 356): Wer das Au-
gesicht seines Nächsten öffentlich beschämt (zB durch kränkende Worte), der ist wie
einer, der Blut vergießt. Er antwortete: Du hast recht geredet; denn ich sehe an ihm
(dem Beschämten), daß die Röte vergeht (das Blut hinschwindet) u. die Blässe ein-
tritt. II Tr. Kalla (18^): R. N'^horai (um 150) sagte: Wer das Angesicht seines Nächsten
beschämt, der wird schließlich beschämt werden; u. nicht bloß dies, sondern die Engel
des Verderbens (die Vollstrecker des göttl. Strafwillens) drängen u. treiben ihn aus der
Welt u. lassen alle, die in die Welt kommen, seinen Schimpf sehn. — Ferner s.
AbothS, 11 u. BM 58*^ (S.281).
€ig ttjv yeevvav rov nvQog usw. s. den Exkurs Sch'^ol usw. IL
5, 23: Wenn du nun deine Gabe auf den Altar bringst u. dich
dort erinnerst, daß dein Bruder etwas wider dich hat.
51 ÖMQor „Gabe" ist in der Form ••i-ii-n, Plur. niii-in, ins Rabbin. über-
gegangen u. bedeutet hier allgemein jede Gabe,a speziell Opfergabe, b
Matth 5, 23 {%. JB. 6) 283
a. F^ä US*^ (R. Jiscbnia?el b. Jose, um 180, im Namen seines Vaters R. Jose h.
Chalaphta, um 150): Dereinst wird Ägypten dem Messias ein Geschenk ii-ii-t über-
bringen. II GnR 79 (51"): Er (Jakob) lagerte vor der Stadt (Sikhem) Gn 33, 18, d. h. er
zeigte sich wohlwolleod (i--i = i:r!) gegen die Leute in der Stadt, er fing an, ihnen
Geschenke nj^^i-: zu übersenden.
b. Z'^b?'': Raba (t352) hat gesagt: Das Brandopfer ist ein Geschenk -im-i. || Tanch "^ns
r-ij (166'"'): Nachdem die Stiftshütte aufgerichtet war, sprach Gott zu Mose: Sagö ihnen:
Von jetzt an u. weiterhin dürft ihr die Opfer nur im Offenbarungszelt darbringen; dort
bringet die Gabe ---nn Gotte dar. || TargPs20, 4: Er gedenke aller deiner Gaben
^r-r-''- (Textwort: --rr::-:; also '- hier speziell vom Speisopfer; vgl. die nächsten
Zitate), u. deine Brandopfer halte er für fett in Ewigkeit (= er nehme sie wohlgefällig
auf). I 40,7: Schlachtopfer u. Gabe s:i--- (= Speisopfer, Textwort: r.:-.:^) beliebst du
nicht. I 141,2: Mein Gebet wende sich wie Räucherwerk von Spezereien zu dir hin,
das Erheben meiner Hände im Gebet sei wie ein wohlgefälliges Opfer ith- (Text-
wort: rfnji;), das am Abend dargebracht wird. — Weitere Stellen s. bei Levy Targ-
Wtb u. Krauß, Lehnwörter; die von beiden notierte Stelle Targ Ps 70, 10 existiert nicht. ||
Das hebr. Äquivalent von diü(jof würde ~~^^ oder '~~', sein, aram. srr::'? oder s:^-- .
23 ro ^vaiaavrjQiov = ns"-; „Altar". Die Kraft des Opferaltars kommt
in folgenden Aussprüchen zum Ausdruck.
K'^th 10'^: R. El?azar (um 270) hat gesagt: Der Altar hebt auf, ernährt, macht be-
liebt (den Menschen bei Gott) u. schafft Sühnung. ,Er schafft Sühnung' ist aber doch
dasselbe wie: „er hebt auf! (Es ist so gemeint:) „Er hebt auf Verhängnisse, ,er
sühnf Sünden. |1 Tanch nrsiip 102'^: Was bedeutet nzT-a? :: bedeutet „Vergebung"
n?-!-:«; i „Verdienst" tidt; a „Segen" nria; n bedeutet „Leben, Lebensunterhalt" 2---
(über diese Deutungsweise s. EinL 107, Nr. 80). || M'^kh Ex 20, 25 (81*): „Hast du dein
Eisen darüber geschwungen, so hast du ihn entweiht" Ex 20, 25. Von hier aus hat
R. Schimsoh b. Elfazar (um 190) gesagt: Der Altar ist geschaffen worden, um die Lebens-
jahre des Menschen zu verlängern, u. das Eisen, um die Lebensjahre des Menschen
zu verkürzen; da ist es nicht erlaubt, den Verkürzer über den Verlängerer zu schwingen.
R. Jochanan b. Zakkai (f um 80) sagte : Siehe, es heißt Dt 27, 6 : Aus unversehrten (nicht
behauenen r^-.yshv) Steinen sollst du den Altar bauen, d. h. aus Steinen, die Frieden
(=t;«) bringen. Siehe, da gilt der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere: wenn
Gott von den Steinen des Altars, die weder sehen noch hören noch reden, sagt, weil
sie Frieden stiften zwischen Israel u. ihrem Vater im Himmel: „Du sollst kein Eisen
darüber schwingen" ! — um wieviel mehr gilt dann von dem, der Frieden stiftet
zwischen Mann u. Mann, zwischen Mann u. Weib, zwischen Stadt u. Stadt, zwischen
Nation u. Nation, zwischen Regierung u. Regierung, zwischen Familie u. Familie, dal3
keine Strafe über ihn kommen wird. — Der Ausspruch des R. Schimfon b. El?azar
anonym in Mid 3,4; der Ausspruch des Rabban Jochanan b. Z. stark geändert TBQ
7, 6 (358). Das Ganze Tanch inr- (90'>).
6 xaxH !xvrjad^[]g „u. dich dort erinnerst". — In formaler Hinsicht vgl.
P'^s 3, 7 f.: Wenn jemand auf dem Wege ist, sein Passali zu schlachten oder seinen
Sohn beschneiden zu lassen oder das Verlobungsmahl im Hause seines Schwieger-
vaters zu essen, u. er wird eingedenk, daß er Gesäuertes in seinem Hause hat, so
soll er, wenn es möglich ist, umzukehren u. es fortzuschaffen u. dann jenen Pflicht-
gang wieder anzutreten, umkehren u. es fortschaffen; wenn es aber nicht möglich ist.
so soll er es in seinem Herzen (in seinen Gedanken) für nichtig erklären. . . . (War
er auf dem Wege) um seinen Sabbatsitz für freiwillige Zwecke zu bestimmen (s. bei
Apg 1, 12), so muß er sofort umkehren. Desgleichen wenn einer aus Jerusalem ge-
gangen war u. eingedenk wird, daß er heiliges Fleisch (das nur in Jerusalem gegessen
werden durfte) bei sich habe, so soll er, wenn er über ^ophim (hochgelegener Punkt
in der Nähe Jer.s) hinaus ist, es an Ort u. Stelle verbrennen; wenn er aber noch nicht
darüber hinaus ist, so soll er umkehren u. es vor dem Tempel mit Holz vom Altar
284 -^latth 5, 23 (6. 2)). 5, 24 (3t. 93 1)
verbrennen. Wie viel muß es (das Gesäuerte, bezw. das Fleisch) sein, wenn man zurück-
kehren soll? R. Meir (um 150) sagte: In beiden Fällen so viel wie ein Ei. R. J-huda
fum 150) sagte: In beiden Fällen so viel wie eine Olive. Die Gelehrten (d. h. die
Majorität) sagten: Heiliges Fleisch so viel wie eine Olive, Gesäuertes so viel wie ein
Ei. II In gewisser Hinsicht läßt sich vergleichen auch BQ 9, 12: Wer sein Geraubtes
bringt (vgl. Lv 5, 21 ff.; Nu 5, 6 ff.), bevor er sein Schuldopfer dargebracht hat, hat seiner
Pflicht genügt. Hat er sein Schuldopfer dargebracht, bevor er sein Geraubtes brachte,
so hat er seiner Pflicht nicht genügt.
Wie das erste Zitat zeigt, hing die Frage, ob die begonnene Aus-
führung eines Pflichtgebotes zwecks Nachholung eines vergessenen
andren Pflichtgebotes unterbrochen werden dürfe, von der größeren
oder geringeren Wichtigkeit des letzteren ab. Waren beide Gebote
gleich wichtig, so durfte die begonnene Ausführung des ersteren unter-
brochen werden, falls ihre rechtzeitige Vollendung nicht durch die Nach-
holung des andren unmöglich wurde. War das in Angriff genommene
Pflichtgebot wichtiger als das versäumte, so durfte es nicht unterbrochen
werden; war es dagegen unwichtiger, so mußte seine Ausführung so
lange ausgesetzt werden, bis dem vergessenen Genüge geschehen war.
Wenn daher Jesus (Vers 24) sagt, daß die Opferdarbringung zugunsten
der Aussöhnung mit einem Gegner unterbrochen werden solle, so liegt
darin, daß die letztere wichtiger sei als die Vollendung der Opfer-
handlung. — Aus dem zweiten Zitat (BQ 9, 12) ist zu entnehmen, daß
die alte Synagoge die Wirkung eines Schuldopfers unter Umständen
von der Befriedigung eines menschlichen Gegners abhängig gemacht,
mithin die letztere für wichtiger gehalten hat als die Darbringung des
vorgeschriebenen Schuldopfers.
2) s'x« ^* xard aov „er hat etwas wider dich" = r^-'\v i^ t-.
Midr Qoh 4, 3 (22"^) u. Midr HL 1,4: Gott sprach: Mose, was haben die Väter der
Welt (= Erzväter) gegen mich -Vy cnh »•' na? Wenn ich es mit ihnen genau nehmen
wollte, so habe ich gegen sie etwas sn-'Vs ^h r^ -:s. Gegen Abraham habe ich '^'^'J 'h -i;^,
daß er gesagt hat Gn 15,8: „W^oran soll ich erkennen, daß ich es in Besitz nehmen
werde?" Gegen Isaak habe ich 'rhv -•; v, daß es heißt Gn 25, 28: „Und Isaak liebte
den Esau", während ich ihn haßte, s. Mal 1,3: ,Und Esau haßte ich." Gegen Jakob
habe ich '■•:>* -•= v, daß er gesagt hat Jes 40, 27 : , Verhüllt ist mein Weg vor Jahve."
Aramäisch lautet die Wendung: '^'.hzh arh-2 n^h mn „es hat einer
etwas mit oder gegen NN". Beispiele ^Er 54* u. Joma 87* S. 287.
5,24: So laß dort vor dem Altar deine Gabe u. geh zuvor
hin u. versöhne dich mit deinem Bruder.
51 c((f€g €X€t t6 6cöq6v aov „laß dort deine Gabe". — Eine Unter-
brechung der Opferhandlung aus einem Grunde, wie ihn Mt 5, 23 f.
enthält, kennt die Halakha nicht.
23 diaXXdyTj^i xo} adsX^oy aov „versöhne dich mit deinem Bruder".
1. Es ist Pflicht, den Beleidigten zu versöhnen u. ihm Ab-
bitte zu leisten.
pJoma8, 45*^, 19: Sch^'muel (t 254) hat gesagt: Wer gegen seinen Nächsten sich
vergangen hat. soll zu ihm sagen: Ich habe gegen dich gefehlt. Wenn jener ihn an-
Matth 5,24(SBlj 285
nimmt, so ist es gut; wenn aber nicht, so nehme er (andre) Menschen mit sich u.
versöhne ihn in deren Gegenwart, s. Hi33, 27: ,Er bilde eine Reihe von Menschen
(stelle sie in einer Reihe auf, so der Midr) u. sage: Ich habe gesündigt u. Gerades
gekrümmt u. es ist mir nicht vergolten!'^ Wenn er also tut, so sagt die Schrift von
ihm. das. Vers 28: „Er hat seine Seele vom Hingang in die Gruft erlöst u. sein Leben
wird das Licht schauen" (so nach dem Qere). War der Beleidigte gestorben, so muß
er ihn auf seinem Grabe versöhnen u. sprechen : Ich habe gegen dich gefehlt. || Joma 87 •' :
R. Jicchaq (um 300) hat gesagt: Wer seinen Nächsten auch nur mit Worten kränkt,
muß ihn versöhnen: denn es heißt Spr 6, 1 ff. : „Mein Sohn, wenn du für deinen Nächsten
Bürge geworden bist u. für einen andren deinen Handschlag gegeben hast, verstrickt
bist durch die Reden deines Mundes, so tu doch dieses, mein Sohn, damit du dich
rettest: wenn du Geld in deiner Hand hast, öffne ihm die Handfläche ("• rcr i"r -r-
Deutung von zz^rr. Vers 3), u. wenn nicht, so mache viel der Freunde bei ihm' (als
Zeugen deiner x^bbitte, a-i"^ 'r'-y -r.z-'r, Deutung von --^^ an-i das.). Rab Chisda (f 309)
hat gesagt: Er muß ihn vor drei Reihen von je drei Personen versöhnen, s. Hi 33, 27
(wie oben). R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Wer vor seinem Nächsten Abbitte
leisten will, der soll das nicht öfter als dreimal tun, s. Gn 50, 17: „Ach bitte (erstes
Bittwort), vergib doch (zweites Bittwort) den Frevel deiner Brüder u. ihre Sünde. . . .
Und nun gewähre doch (drittes Bittwort) Verzeihung" usw. Wenn er aber gestorben
ist, so nehme er zehn Personen mit sich, stelle sie an seinem Grabe auf u. spreche:
Ich habe an Jahve, dem Gott Israels, gesündigt u. an diesem hier, den ich verletzt
habe. — Als Beispiel einer Abbitte an Gräbern s. Chag22'' S. 285;'. || B'^rol^: Es ant-
wortete Eli u. sprach: ,Geh in Frieden'! 1 Sm 1, 17. R. El?azar (um 270) hat gesagt:
Von hier aus ist erwiesen, daß, wer seinen Nächsten mit etwas verdächtigt, woran
nichts ist, ihn begütigen (versöhnen) muß; u. nicht bloß dies, sondern daß er ihn auch
segnen muß; denn.es heißt daselbst: „Der Gott Israels möge deine Bitte gewähren." jj
P'^siq 168'': R. El?azar (um 270) hat gesagt: Es ist allgemein üblich, daß, wenn jemand
seinen Nächsten öffentlich beleidigt hat u. ihn nach einiger Zeit zu versöhnen trachtet,
der Beleidigte zu ihm sagt: Du hast mich öffentlich beleidigt u. willst mich unter vier
Augen versöhnen? Geh u. hole jene Männer, in deren Gegenwart du mich beleidigt
hast: dann will ich mich mit dir aussöhnen. Aber Gott nicht also: wenn ein Mensch
sich hinstellt u. auf dem Markt Gott schmäht u. lästert, so sagt dieser zu ihm: Tue
Buße unter vier Augen, u. ich nehme dich an. il Chag 22'': (R. J^hoschuaf b. Chananja,
um 90, hatte eine Meinung der Schule Schammais mit den beleidigenden Worten zurück-
gewiesen: Ich schäme mich wegen eurer Worte! Als ein Anhänger Sch.s ihm darauf
die näheren Gründe dargelegt hatte) ging R. J'^hoschua? u. warf sich hin über die
Gräber der Schule Schammais u. sprach: Ich demütige mich ^ euch gegenüber, ihr Ge-
beine der Schule Schammais! — Die Parallele TAhil 5, 12 (603) liest =:''5 t'^s: „ich
stimme euch zu" statt =3'; -r-:i:. — B®r28'' bittet Rabban Gamliel IL, um 90, dem
R. J*^^hoschua? b. Chananja eine Kränkung mit den Worten ab: Ich demütige mich dir
gegenüber, -;V t-:^-:, verzeihe mir "i h^r.^a] In den Parallelstellen pB'^rS, 7'^', 19;
pTafan4, 67*^, 37 nur -'; --".y: ohne -^'n h^r.^. \\ Ta?an20'' Bar: Immer sei der Mensch
weich (biegsam, nachgiebig) wie das Rohr u. nicht hart wie die Zeder. Einmal geschah
es, daß R. Schimfon b. Ehazar^ (um 190) von Migdal-G'^dor'' aus dem Hause seines
Lehrers kam. Er ritt auf einem Esel u. erging sich am Ufer des Flusses. Er empfand
eine große Freude u. war in seinem Innern stolz auf sich selbst, daß er große Tora-
^ '^'?1'. scheint feststehender Ausdruck in der Abbitte gewesen zu sein; vgl.
die weiteren Zitate oben.
2 So lies statt R. Elfazar b. Schim?on, s. Bacher. Tann 2, 423.
^ Neubauer, Geographie 244 identifiziert Migdal-G'^dor mit Gadara, südöstlich vom
Galiläischen Meer. Der oben im Zitat erwähnte Fluß würde dann der Scheriat el-Mandur
sein. Aboth R. Nathan 41 liest dafür am Ufer ,.des Sees" : damit würde das Galiläische
Meer gemeint sein; vgl. Bacher a. a. 0. 424.
286 . Matth 5, 24 (95 1)
kenntnis gewonnen hatte. Es begegnete ihm ein überaus häßlicher Mensch, der zu
ihm sprach: Friede über dich, Rabbi! Er aber erwiderte ihm den Gruß nicht, sondern
sagte: Dummkopf (sp"^), wie häßlich bist du (wörtlich: wie häßlich ist dieser Mann)!
Sind etwa alle deine Landsleute so häßlich wie du? Dieser antwortete: Ich weiß es
nicht; geh aber hin u. sage dem Werkmeister, der mich geschaflPen hat: „Was ist das
für ein häßliches Gefäß, das du gemacht hast!" Als der Rabbi bei sich selbst einsah,
daß er unrecht getan, stieg er von seinem Esel, warf sich vor jenem nieder u. sprach:
Ich demütige mich dir gegenüber, -;h -r-jy:, verzeihe mir! Der aber antwortete: Ich
verzeihe dir nicht, bis du zu dem Werkmeister gehst, der mich geschaffen hat, u. zu
ihm sagst: Wie häßlich ist doch dieses Gefäß, das du gemacht hast! Da ging der
Rabbi hinter ihm her, bis er in die Nähe seiner (Heimat-)Stadt kam. Alle Stadt-
bewohner gingen hinaus ihm entgegen u. sprachen zu ihm: Friede über dich, Rabbi
Rabbi, mein Lehrer mein Lehrer! Da sprach jener Häßliche zu ihnen: Wen nennt ihr
denn Rabbi Rabbi? Sie antworteten ihm: Den, der hinter dir geht. Er erwiderte:
Wenn der ein Rabbi ist, dann möge es nicht viele, die ihm gleichen, in Israel geben!
Sie fragten: Weshalb? Er sprach: So u. so hat er mir getan. Sie sprachen: Gleich-
wohl verzeihe ihm; denn er ist ein bedeutender Mensch durch Torakenntnis. Jener
antwortete: Um euretwillen will ich ihm vergeben, aber er soll nicht wieder also tun!
Sofort ging R. Schim?on b. El?azar (in das Lehrhaus) u. trug öffentlich vor: Immer sei
der Mensch weich wie das Rohr u. nicht hart wie die Zeder! Parallelstellen: Aboth
R. Nathan 41 ; Derekh Ere? 3 Anf. || Joma 22'^: „Ein Jahr war Saul, als er König wurde"
(1 Sm 13. 1, so der masorethische Text). Rab Huna (f 297) hat gesagt: Wie ein ein-
jähriges Kind war er, weil er keine Sünde geschmeckt hatte. Rab Nachman b. Ji9chaq
(f 356) wandte ein: Ich möchte sagen: Wie ein einjähriges Kind war er, das sich mit
Lehm u. Kot besudelt. Man (= Gott) ließ ihn etwas Erschütterndes (Raschi: Engel des
Schreckens, -ns -rs';'«) im Traum sehn. Da sprach er: Ich demütige mich euch gegen-
über =:^ 'r'yjz, 0 Gebeine Sauls ben Qisch. Da sah er abermals etwas Erschütterndes
im Traum. Darauf sagte er: Ich demütige mich euch gegenüber, o Gebeine Sauls
b. Qisch, des Königs von Israel. (Das Fehlen der letzen Worte in der ersten Abbitte war
beleidigend für Saul.) || K'^th 67'': Einer (nämlich ein Armer) kam vor Raba (f 352).
Dieser fragte ihn: Was pflegst du zu essen?' Er antwortete ihm (statt der Abbreviatur
■:"n wird zu lesen sein -"n): Ein gemästetes Huhn u. alten Wein! Er sprach zu ihm:
Aber machst du dir denn keine Bedenken wegen der Belästigung der Gemeinde? Jener
erwiderte: Esse ich denn von dem Ihrigen? Von dem des Barmherzigen (Gottes) esse
ich ja! Denn in einer Bar habe ich gelernt: „Aller Augen warten auf dich u. du gibst
ihnen ihre Speise zu seiner Zeit", Ps 145, 15. Zu „ihrer" Zeit heißt es nicht, sondern
zu „seiner" Zeit; das lehrt, daß Gott jedem einzelnen seinen Unterhalt gibt zu seiner
Zeit. Inzwischen war die Schwester Rabas gekommen, die ihn dreizehn Jahre lang
nicht gesehen hatte, u. brachte ihm ein gemästetes Huhn u. alten Wein mit. Er sprach:
AVas ist damit gemeint? (Dies Zusammentreffen bedeutet etwas.) Dann sagte er zu
'dem Armen: Ich demütige mich dir gegenüber (ich bitte um Verzeihung); stehe auf
und iß! — Zu '5 -n-jy: s. noch Bacher (Tann^ 1, 161), der geneigt ist, es nach Ez 14,4.7
zu deuten = „ich stimme dem u. dem zu". |1 RH 11^: Die Proselytin B*^lurja (= Valeria)
fragte den Rabban Gamliel (um 90): Es steht in eurer Tora geschrieben Dt 10, 17: „Der
nicht das Angesicht erhebt" (keine Rücksicht nimmt) u. es steht geschrieben Nu 6, 26:
„Es erhebe Jahve sein Angesicht auf dich!" R. Jose der Priester sprach zu ihr: Ich
will dir ein Gleichnis sagen. Dies läßt sich vergleichen mit einem Menschen, der sich
von einem andren eine Mine borgte u. in Gegenwart des Königs die Zeit (der Rück-
zahlung) festsetzte u. ihm beim Leben des Königs schwur. Es kam die Zeit, aber
er bezahlte nicht; er ging, um den König zu begütigen. Dieser sprach zu ihm: Das
mir angetane Unrecht sei dir vergeben, geh u. begütige deinen Nächsten! So auch
* Ein Armer sollte aus öffentl. Mitteln seinem Stande u. seinen früheren Lebens-
gewohnheiten gemäß unterstützt werden.
Matth5,'24(5B1.2) 287
handelt es sich hier, Nu 6, 26, um Übertretungen des Menschen gegen Gott, dort,
Dt 10, 17, um Übertretungen eines Menschen gegen seinen Nächsten. |1 Joma 87^:
R. Jirm'^ja (um 320) hatte etwas mit R. Abba (um 290). Er ging u. setzte sich an die
Tür des R. Abba. Als dessen Magd Wasser ausgoß, fielen Wassertropfen auf seinen
Kopf. Da sagte er: ,Sie haben mich wie zu einem Düngerhaufen gemacht" ; dann wandte
er auf sich selbst die Schriftstelle an Ps 113,7: ,Vom Düngerhaufen wird er den
Armen erheben." R. Abba hörte es, ging hinaus u. sprach zu ihm: Nun muß ich nach
deinem Sinn herauskommen, wie es heißt Spr 6, 3: ,Geh, wirf dich nieder u. bestürme
deinen Nächsten" (s. die Verwendung dieser Schriftstelle S. 285 in Joma 87=*). Wenn
R. Z*^fira (um 300) mit einem Menschen etwas hatte, dann ging er wiederholentlieh
an ihm vorüber u. ermöglichte ihm so, daß er käme u. von seiner Bosheit abließe.
2. Ohne die vorangegangene Versöhnung des Beleidigten
hat der Schuldige keinen Teil an der Kraft des Versöhnungs-
tages. Man pflegte sich deshalb vorher auszusöhnen.
Joma 8, 9 u. SLv 16, 30 (324=*): Vergehungen des Menschen gegen Gott sühnt der
Versöhnungstag; solche gegen den Nächsten sühnt der Vers, nicht, bis daß er seinen
Nächsten versöhnt hat. Das hat R. Ehazar b. jAzarja (um 100) öffentlich vorgetragen:
,Von allen euren Sünden gegen Jahve sollt ihr rein werden" Lv 16,30 (so konstruiert
der Midr). Die Vergehungen des Menschen gegen Gott sühnt der Vers.; solche gegen
den Nächsten sühnt der Vers, nicht, bis daß er seinen Nächsten versöhnt hat. || Joma 87*
Rab Joseph b. -:rt warf dem R. Abbahu (um 300) ein: Die Vergehungen eines Menschen
gegen seinen Nächsten sühnt nicht der Versöhnungstag, u. siehe, fes heißt 1 Sm2, 2-5:
,Wenn ein Mensch gegen einen andren sündigt, so entscheidet z^r.hts/ Wer ist n-n5N?
Es ist der Richter; (die Schriftstelle besagt also, daß bei Verfehlungen der Menschen
gegeneinander der Richter eingreift; was soll dann der Versöhnungstag? Erwiderung:)
Wenn dem so wäre, so sage den Schluß der Schriftstelle: Wenn aber ein Mensch gegen
Jahve sündigt, wer entscheidet (richterlich) für ihn? (Da es keinen Richter zwischen
Gott u. den Menschen gibt, so kann auch der erste Teil der Schriftstelle nicht vom
Richter handeln; also ist hhz anders zu deuten.) Es ist so gemeint: Wenn ein Mensch
gegen den andren sündigt u. es ihm abbittet ^^hz'., so vergibt es ihm Gott; wenn aber
ein Mensch gegen Jahve sündigt, wer soll für ihn bitten •'■; -stir-? Buße u. gute Werke.
Zur Aussöhnung vor dem Vers.tage s. zB ?Er 54«: Raba b. Joseph b. Chama (f 352)
hatte etwas mit Rab^oseph (f 3oo). Als der Rüsttag auf den Vers, gekommen war, sprach
er (bei sich ) : Ich will gehen u. ihn versöhnen. Er ging u. traf seinen Diener, wie er ihm eineov
Becher mischte. Er sprach zu diesem: Gib ihn mir, daß ich ihn mische. Er gab ihm den
Becher u. er mischte ihn. (Rab Joseph war blind u. sah nicht, was um ihn her vor-
ging.) Als Rab Joseph ihn kostete, sagte er: Diese Mischung gleicht der Mischung des
Raba b. Joseph b. Chama. (Raba war ein Schüler des Rab Joseph u. hatte als solcher
oft Gelegenheit gehabt, seinem Lehrer den Mischtrank zu bereiten.) Da sagte Raba:
Ich bin es! Da sprach jener: Du wirst dich nicht auf deine Schenkel setzen, bis du
mir Nu 21, 18 f. erklärt hast. (Von der erfolgten Aussöhnung wird nicht ausdrücklich
berichtet; sie war wohl damit gegeben, daß der Lehrer den Schüler zur Auslegung
einer Schriftstelle aufforderte.) || Joma 87«: Rab (f 247) hatte etwas mit einem Fleischer.
Da dieser am Rüsttage des Vers, nicht zu ihm kam (zur Aussöhnung), sagte er: Ich
werde gehn, ihn zu versöhnen. Es begegnete ihm Rab Huna (sein Schüler, f 297).
Dieser sprach zu ihm: Wohin will der Herr gehn? Er antwortete ihm: Den u. den
zu versöhnen. Da sprach jener (bei sich selbst): Abba (= Rab) geht, um einen zu töten.
Er ging u. trat zu ihm (dem Fleischer). Dieser saß u. spaltete den Kopf (eines Tieres);
*er erhob seine Augen u. erblickte ihn; er sprach zu ihm: Abba, du bist verächtlich;
habe ich nicht etwas mit dir (u. doch kommst du zu mir)? Während er den Kopf (des
Tieres) spaltete, sprang ein Knochen ab u. zerschlug seine Kehle u. tötete ihn. — Rab
verlas vor Rabbi eine Haphtara. R. Chijja (um 200) trat ein ; da kehrte er zum Anfang
zurück (fing von vorn an zu lesen); Bar Qappara trat ein, er kehrte zum Anfang zurück;
288 J^iatth 5, 24 (SB 2). ö, 25 (51)
R. Schimfon b. Rabbi kam, er kehrte zum Anfang zurück; es kam R. Chanina b. Chama ;
da sprach er (bei sich): Sollen wir das alles immer weiter wiederholen? Er wiederholte
es nicht; R. Chanina (aber) wurde ärgerlich (nahm es übel). Rab ging an dreizehn ^
Rasttagen zum Versöhnungsfest zu ihm, aber er ließ sich nicht versöhnen. Aber wie
konnte er so tun? R. Jose b. Chanina (um 270) hat doch gesagt: Wer Abbitte (Ver-
gebung) nachsucht bei einem andren, soll darum nicht öfter als dreimal nachsuchen!
Mit Rab verhielt es sich anders. Und wie konnte R. Chanina so tun? Raba (f 352)
hat doch gesagt: Wer über seine Art (wörtlich: Maße) hinausgeht (wer nicht auf seinem
Kopf besteht, sondern nachgiebig u. nachsichtig ist), bei dem geht man (= Gott) über
alle seine Vergehungen hinweg! Allein R. Chanina sah (einmal) in einem Traume, dafj
man den Rab an einer Palme aufhängte, u. es ist traditionelle Lehre, daß jeder, den
man an einer Palme aufhängt, ein Oberhaupt wird. Da sagte er: Ich entnehme daraus
(aus dem Traum), daß er ein Herrscher (hier speziell = Oberhaupt einer Akademie)
werden soll. Deshalb ließ er (R. Chanina) sich nicht versöhnen, damit Rab (nicht in
Palästina bliebe, sondern) ginge, um in Babel die Tora zu lehren.
5,25: Sei deinem Widersacher eilends wohlgesinnt, solange
du mit ihm auf dem Wege bist, damit dich der Widersacher
nicht dem Richter übergebe u. der Richter dem Diener u. du
ins Gefängnis geworfen werdest.
51 ävxidixoQ bedeutet in der älteren jüdischen Literatur in der Form
cip-^-ji-L?;«: Gegner vor Gericht;» gleich hebr. -pn hvz Kläger ;b Anwalt, c
der gegen den Angeklagten das Recht wahrnimmt; Gegner d überhaupt.
a. P^siq 122 '': R. Levi (um 300) hat gesagt: Einmal verehrte eine Frau einem
Richter einen silbernen Leuchter; da ging ihr Prozeßgegner oip"-'-:s hin u. verehrte
ihm ein goldenes Füllen. Vgl. hierzu Schab 116^' bei Mt 5, 17 S. 241. i! Dt R 5 (202^):
R. J^'huda b. Elfai (um 150) hat gesagt: Ich habe gehört, daß, wenn der Richter die
gegnerischen Parteien (--p-^-UDs Plural) (während der Verhandlung) will sitzen lassen,
er es darf. Und was ist verboten? Daß er den einen Teil sitzen, den andren stehn läßt.
b. Aboth 4, 22 (R. Elfazar Ha-qappar, um 180) pflegte zu sagen: Die geboren sind,
sind bestimmt zu sterben, die Gestorbenen auferweckt zu werden, die Auferweckten
gerichtet zu werden, damit man erkenne u. es kundtue u. es kundwerde, daß er Gott
ist, er der Bildner, er der Schöpfer, er der Allwissende, er der Richter, er der Zeuge,
er der Prozeßgegner (Kläger ■]"- Isj's), er der einst das Urteil sprechen wird, gepriesen
sei er! — Ferner s. bei Lk 18, 3.
C. GnR 82 (52*^): Zwei Schüler des R. J''hoschua? (um 90) veränderten zur Zeit
der Religionsverfolgung ihre Kleidung (um sich als .Juden unkenntlich zu machen).
Es begegnete ihnen ein (römischer) Militär, der zu ihnen sprach: Wenn ihr Söhne
der Tora seid, so gebt euer Leben um ihretwillen hin; wenn ihr es aber nicht seid,
warum wollt ihr euch um ihretwillen töten lassen? Sie antworteten: Wir sind Söhne
der Tora u. lassen uns auch um ihretwillen töten; aber es ist nicht die Art des
Menschen, sich selbst absichtlich zu verderben. Er sprach zu ihnen: Drei Fragen
lege ich euch vor. Wenn ihr sie mir beantwortet, so ist es gut; wenn aber nicht,
so werde ich euch zwingen, das Gesetz zu übertreten. Eine Schriftstelle lautet:
„Aufgestanden ist Jahve zum Rechtsstreit u. steht da, die Völker zu richten" Jes
3, 13, u. eine andre lautet: „Dort will ich sitzen, zu richten alle Nationen von ringsum"
Joel 4, 12. Sie antworteten: Wenn Gott Israel richtet, dann richtet er es stehend
u. kürzt die Verhandlung ab u. spricht im Urteil los. Aber wenn er die Völker der "
Welt richtet, dann richtet er sie sitzend u. nimmt es genau mit dem Gericht u. dehnt
^ Die Zahl dreizehn ist, wie oft im Rabbinischen, als runde Zahl gemeint, s. zB
Keth67'^ auf S. 286.
.Matth 5. 25 {%. f8. 6) 289
die Verhandlung aus. Er sprach zu ihnen : So hat euer Lehrer R. J'^hoschua? nicht
vorgetragen, sondern (so hat er gesagt:) Sowohl hier wie dort redet die Schrift von
den Völkern der Welt. Wenn Gott die Völker der AVeit richtet, richtet er sie sitzend
u. nimmt es genau mit dem Gericht u. dehnt die Verhandlung aus; darauf (steht er
auf u.) wird zum Anwalt gegen sie ■;-;;:: sip--;-^:s.
d. GnR 100 (64'^): , Joseph tröstete seine Brüder" Gn 50, 21. Er sprach: Sollte
ich etwa zum Gegner (statt cip-i'iiis 1. C"p---'u;:s) meines Vaters werden? Mein Vater
sollte gezeugt haben u. ich sollte begraben? Oder sollte ich zum Gegner (statt
sipTi-t;3p 1. c-ip''T"-j:s) Gottes werden? Gott sollte segnen u. ich vermindern? || Viel-
leicht gehört auch Midr Esth 1, 12 (89^) hierher: Vaschti sprach zum König: Selbst die
Gegner meines Vaterhauses wurden nicht nackt gerichtet, s. Dno, 21. — Der Text
liest s-p-n-:s, etwa korrumpiert aus cip-i"j:s? Midr Abba Gorjon zur Stelle (ed.
Buber 8^) liest ••-^^i^zp = xaiaSiy.oi , die Verurteilten" ; eine Handschrift hat -p--"T:s.
5, 25 93: iGd-i svvocör reo arridixo) aov . . . ewq orov si /.ist' avvov iv rfj odo).
Ein Sprichwort entgegengesetzten Sinnes bringt Sanh 95^: R. Schimgon b. Jochai
(um 150) sagte: Jener Zeitpunkt (da Sanherib gegen Jerusalem zog) war gerade die
Reifezeit der Früchte; da sprach Gott zu Gabriel: Wenn du ausziehst, die Früchte
zur Reife zu bringen (darüber war Gabriel als Engelfürst gesetzt), dann mache dich
an sie, s. Jes 28, 19. Rab Papa (t 376j hat gesagt: Das ist es, was die Leute zu
sagen pflegen: Wenn du auf deinem Wege bist, dann mache dich deinem Feinde
bemerkbar (setze ihn in Schrecken). |1 Ein ähnliches Verhalten, wie es Jesus fordert,
wird für die messian. Zeit vorausgesetzt P'^siq löT^: R. Levi (um 300) hat gesagt:
Dereinst wird das Gebiet Jerusalems vier Mil im Geviert voll sein von Edelsteinen
u. Ferien. Wenn in dieser Welt ein Mensch einem andren etwas schuldet u. der
Gläubiger zu dem Schuldner sagt: Wir wollen gehn u. bei dem Richter unsre Sache
führen, so stiftet dieser das eine Mal zwischen ihnen Frieden u. ein andres Mal nicht;
deshalb gehen nicht die beiden Personen versöhnt miteinander von dannen. Aber
wenn in der Zukunft ein Mensch einem andren etwas schuldet u. dieser zu jenem
sagt: Wir wollen gehn u. unsre Sache bei dem König, dem Messias, in Jerusalem
führen, dann finden sie, wenn sie das Gebiet Jer.s erreichen, dieses voll von Edel-
steinen u. Perlen; dann nimmt der Schuldner zwei von ihnen und sagt zu jenem:
Schulde ich dir mehr als diese? Und jener antwortet ihm: Noch nicht so viel, es
sei dir vergeben, es sei dir erlassen! Das meint Ps 147, 14: ,Er macht dein Ge-
biet zu Frieden." — Dasselbe anonym in P^siqR 32 (149"); nur zum Teil u. mit
R. Judan (um 350) als Autor Midr Ps 87 i; 3 (189^).
5, 25 ^: T(o y.QiTi] . . . t&5 vrrr^QSTr]. Vermögensrechtliche Streitsachen —
u. an eine solche hat Jesus nach Vers 26 seine in Vers 25 ausgesprochene
ethische Mahnung angeknüpft — wurden von drei Laienrichtern,
gegebenenfalls auch von Einem autorisierten (ordinierten) Rechts-
gelehrten entschieden. Der Singular Tf-~ xQi^lJ legt nahe, daß Jesus
den letzteren Fall im Auge gehabt hat.
Sanh 1,1: Vermögensstreitigkeiten (zB bei Darlehen) werden durch drei abgeurteilt. |j
3, 1: Vermögensstreitigkeiten werden durch drei abgeurteilt. Der eine (der Streitenden)
wählt sich einen (als Richter) u. der andre wählt sich einen, u. beide (die Streitenden)
wählen sich noch einen. So R. Mei'r (um 150). Aber die Gelehrten sagten: Die beiden
Richter wählen sich noch einen. Der eine darf den von dem andren gewählten Richter
verwerfen (ablehnen) u. der andre den von jenem gewählten. So R. Meir. Aber die
Gelehrten sagten: In welchem Fall? Wenn er einen Beweis gegen sie vorbringt,
daß sie verwandt oder untauglich sind. Aber wenn sie tauglich u. vom Gericht autori-
siert sind, kann er sie nicht verwerfen. |1 Sanh 4*> Bar: Vermögensstreitigkeiten werden
durch drei abgeurteilt; wenn einer aber allgemein (als Rechtskundiger) anerkannt
(autorisiert) ist, dann darf er auch als einzelner entscheiden.
strack u.Billerbeck, NT I. 19
290 Matth 5, 25 (2). 6). o, 26 (31 1)
5, 25 3): o v7rt]QSTi]s, der Gerichtsdiener, heißt im Rabbin. a, •!"; zB TMak 5, 12
("444; 2mal]: "Wenn der G. ihm (dem zur Geißelung Verurteilten) auch nur Einen Schlag
mehr gibt (als er soll), so daß er stirbt, so muß er seinetwegen (als Totschläger) in
eine Asylstadt fliehen. — Male 23" Bar: Man stellt als Gerichtsdiener nur solche
Leute an, die wenig Kraft, aber viel Einsicht haben (damit ihre Geißelhiebe nicht über-
trieben wirken). — ^Sanh 17b g. bei Mt 5,21 S.258. || ß, •'- r"? ry^-^; zB TGitt4,6 (328):
Ein Gerichtsdiener, der im Auftrag des Gerichts die Prügelstrafe vollzieht u. ver-
sehentlich (dem Geschlagenen) einen Schaden zufügt, ist straffrei. i| y, vtt'ä; zB pSanh
1,4(19'^, 38), wo nebeneinander genannt werden r-js"! d'-^s^ci ]-ir, der Aufseher, die
Gerichtsschreiber u. der Gerichtsdiener. || d, n;-;?'? = Schläger; so hieß der Gerichts-
diener, insofern er die Geißelung vollzog, zB Joma 15^ u. 55", beidemal im Munde
des Rah J'^huda, f 299. Raschi zur ersten Stelle: der Gerichtsdiener ■;" n'a ry-iv der
mit der Geißel schlägt. || Dagegen dürfte tsi-r-o = aTgnriMTT]? mehr einen Polizeidiener
bezeichnen. Schab 32 '^ Bar: .. .Geht ein Mensch hinaus auf den Markt, so komme er sich
in seinen Augen vor wie einer, der dem üvi-c übergeben wird (um ihn vor den Richter
zu bringen, Raschi). — Auch die c-^z'd Dt 1, 15; 16, 18 werden als gerichtliche Exe-
kutivbeamte aufgefaßt nach Art der Gerichtsdiener; zB SDt 1, 15 ij 15 (HSb): „Amt-
leute" D-^r^r. das sind die Leviten, die mit der Geißel schlagen, s. 2 Chr 19, 11: „Als
3-"'i:r stehen euch die Leviten zur Verfügung." — Targ Onk Dt IG, 18: Richter sollst
du dir setzen u. Züchtiger "J^v^ (= Leute, die die Gerichtsstrafe vollstrecken). VgL
auch SDt 16, 18 § 144 u. Sanh 16^; Raschi zu Sanh erklärt a— jir: das sind die Diener
(n-i"';i3 = galearii, Knappen), die auf Befehl der Richter jeden, der nicht gehorcht,
mit Stöcken schlagen. — Qid4, 5 bedeutet c-'-ioiia allgemein „öffentliche Beamte".
5.25 6: (fvXaxrj als Lehnwort übernommen in der Form ■'jrb'^s.
P^siq 182^ heißt es in einem Gleichnis des R. Levi (um 300): Nach etlichen
Tagen wurde dieser Räuber eingefangen u. ins Gefängnis gebracht, "pV-ea :n— r-s-.
Dasselbe LvR 30 (128^'): -p's-ss »artrs-, er wurde ins Gefängnis gesperrt. |I ExR 15
(77*): R. Ji?chaq, der Schmied, (um 300) hat gesagt: Gleich einer Matrone, die den
König verklagt hatte; er warf sie ins Gefängnis -p5"S3 n:r:; dann ging er hin u.
blieb bei ihr -p'";-E2. || P''siq67'* (R. B'^rekhja, um 340, von den ägypt. Plagen sprechend:)
darnach brachte Gott die Ägypter in Gefängnisse, r-.-p'^Ea es-:-, nämlich in die
Finsternis. Dasselbe P'^siqR 17 (89 b): ri-p^-E3 p^rr, er sperrte sie in Gef. — Tanch
xa 74" u. TanchB n= § 4 (21b) setzen dafür hehr. ■;— -csn r'zzi -jr-s -'CVs er sperrte
sie ins Gefängnis.
5, 26: Wahrlich ich sage dir, du wirst von dort nicht
hinauskommen, bis du den letzten Heller bezahlst.
ixHi^sr „von dort" = aus dem Gefängnis, ohne Bild = aus dem
Gehinnora. Die alte Synagoge hat die Frage, ob eine Rückkehr aus
dem Geh. nach Abbüßung der Höllenstrafe zu erwarten sei, durchaus
bejaht: s. Exkurs Sch^ol, Geh. u. Gan fEden H, 4 — 7.
xoSgävtr^g = Quadrans = V* As = 2 P*'ruten. (Die P^ruta die kleinste
Münze.) Während der neutestl. Zeit befanden sich in Palästina nament-
lich folgende Münzen in Umlauf:
5.26 21: Münzen römischer Währung.
1. Der Golddenar nn: -i?"!-!. BM44'^: Der Silberdenar triö? ?^j i:-^-
ist der 25. Teil vom Golddenar sht ba ^d^-. — In der Mischna wird er
erwähnt MSch 2, 7 (zweimal) ; 4, 9 ; Sch^-q 6, 6 ; Nazir 5, 2 ; BQ 4, 1; Sch<^bu
6, 3; M^fila 6, 4. — Abweichend heißt es in der Bar pQid l, 58«*, 27 : Der
Silberdenar ist der 24. Teil vom Golddenar.
Matth5,26(3l2-6) 291
2. Der Silberdenar, örjvaQim' Mt 18, 28; 20, 2 ff.; 22, 19 u. ö.; n:-^
ro3, auch kurz 15-;;.
K^'th 10,4: Wenn einer mit drei Frauen (gleichzeitig) verheiratet ist u. stirbt u.
die Eheverschreibung der einen 1 Mine (= 100 Denare oder 100 Zuz), die der andren
200 Denare, die der dritten 300 Denare beträgt, es ist aber als Nachlaß nur 1 Mine
vorhanden, so teilen sie diese zu gleichen Teilen untereinander. Sind 200 Denare
vorhanden, so erhält die mit der Eheverschreibung von 1 Mine 50 Denare, die mit
einer E. von 200 Denaren u. die mit einer E. von 300 Denaren je 3 Golddenare (mithin
t'i Golddenare = 150 Silberdenare). Sind 300 Denare (als Nachlaß) vorhanden, so erhält
die mit der E. von 1 Mine 50 Denare, die mit der E. von 200 Denaren 1 Mine
(= 100 Denare), die mit der E. von 300 Denaren 6 Golddenare (= 150 Silberdenare).
Das gleiche Wertverhäitnis zwischen dem Gold- u. Silberdenar ergibt
die Berechnung in BQ 4, 1, s. unter Nr. 9. — Mit dem Kaiserdenar snji-i
njx'^D'^ir fAZ 6'* (s. bei Mt 22, 21) ist ein D. mit dem Kopf eines Kaisers
gemeint; Codex M liest daher geradezu no"ipi N-15-11. Um einen solchen
handelt es sich Mt 22, 19 ff. ; Mk 12, 15 ff. ; Lk 20, 24. — Der Münzwert
des Silberdenars betrug bei der Einführung der Goldwährung zur Zeit
des Kaisers Augustus 87 ^, sein Silberwert 67 ^ ; später sank sein Wert.
3. Das As, griech. daaügiov MtlO, 29; Lk 12, 6, hebr. ■isk (Plur.
-pnöx), die gangbarste römische Kupfermünze; ipehrfach im Rabbin. als
^pVjiN nöN» „italisches As" bezeichnet. Nach der römischen Währung
der 16. Teil eines Denars (Schürer* -,75); abweichend davon in der
rabbin. Literatur dem 24. Teil eines D. gleichgesetzt, b
a. ChuUin o, 2: Folgendes läßt ein Tier noch als tauglich (zum Genuß) erscheinen
(so daß es nicht als T'^repha verworfen werden muß); wenn der Schlund (die Luft-
röhre) durchlocht oder aufgespalten ist. Wieviel darf fehlen? Rabban Schim?on b.
Gamliel (um 140) sagte: Bis zur Größe eines italischen As. — Die gleiche Größen-
bestimmung für einen andren FallMiqv9, 5. — Ferners. Qid 1, 1 = fEduj4, 7S.293Nr. 15.
b. TBB ö. 11 (405): Ein As ist Y24 vom Denar. — Dasselbe pQid 1, 58^, 26;
bBM 44b; vgl. auch Qid 12^: Als die Asse teuer (wörtlich: schwer) waren, kamen
24 auf 1 Zuz (= Denar); als sie aber billig waren, kamen 32 auf 1 Zuz.
4. Das Doppelas, dupondius (dipondius) =^ 2 As, hebr. li-nr'iE , auch
-pbü'^N ■(TnD'is italischer Pond^jon.
TBB 5, 12 (405): 1 P. ist = 2 As. — Dasselbe pMSch 4, 55b, 12; pQid 1,58^28;
bQid 12^*. II BB 5, 9: Wenn jemand seinen Sohn zum Krämer schickt u. ihm einen P.
mitgibt, u. der Krämer mißt ihm für 1 As Öl ein u. gibt ihm 1 As zurück. . . . !| Kelim
17, 12: Bei einer Öffnung, die durch die Hand eines Menschen gemacht ist, beträgt
das Maß (um Unreinheit eindringen zu lassen) so viel wie das Loch, das der große
Bohrer der Tempelhalle macht, das die Größe eines italischen P. hat.
5. Das Drei-Asstück, tressis, hebr. ni5)"ia oder öis^j.
Sch^b 6, 3: (Sagt der Kläger:) Ich habe einen Golddenar bei dir als Depositum,
u. der Verklagte sagt: Du hast nur einen Silberdenar oder ein Drei-Asstück r-o"'-::
oder ein Zwei-Asstück (Pond^jon) oder eine P^ruta bei mir, so ist er verpflichtet,
darüber einen Eid abzulegen. \\ SDt 25, 16 § 295: Ein Sea (Früchte) für 1 Denar u. 3 As
p-D-'-iu. — -r^t'-.-a häufig in der Tosephta.
6. Das halbe As, semis oder semissis, Dn'^Dp, cpop, auch omor;,
oac-^^D oder 0^0112. TBB 5, 12; bQid 12^: Ein As beträgt 2 semisses
'poaD"^72. — In pQid 1, 58<^, 29 als Bar: Zwei semisses 'pD-'aiDn sind ein As.^
^ Die Worte sind bei Levy ;5, 167=^ u. bei Krauß, Lehnw 2, 346 ^ unrichtig so
abgeteilt: 2 As sind 2 halbe As.
19
292 Matth 5, 26 {% 7. 8. « 9—12)
7. Das Drittel- As, tremissis, xs^'^-i-j, xs?"?^.
MidrKL 1, 1 (46 b): Nimm hier diesen Tremissis nc^-iu u. bessei-e mir dafür diese
Sandale aus. || Reth 17''^: Als die Rabbiner den R. Ammi (um 300) u. den R. Asi (um 300)
ordinierten, sang man ilinen zu: Wer so ist wie dieser, wer so ist wie jener, den
ordiniert uns, . . . aber keinen von den halben Assen ^ u. den Drittel-Assen (den Halb-
u. Drittelwissern). Parallelstelle: Sanh H'*.
8. Das Viertel-As, quadrans, xoSqccvty^c Mt 5, 26; Mk 12, 42, "|Ttj31p,
c— j3ip. P3i:23ip; Dalman will überall o-j?!i'in'iir lesen.
TBB 5, 12 (405): Der Semissis (V2 As) hat 2 Quadrans, der Q. 2 P^ruten. — Für
■j-:-it::-p andere Lesarten •;-c^Tj:ip u. 0'^t::ip. — Ebenso die Bar Qid 12''*. || pQid 1,
58 b, 29: Zwei Quadrans -'Jiv^-;p sind 1 Semissis, 2 P'^ruten sind 1 Q. OüJi^-np.
5, 26 S: Münzen der hellenistisch-tyrischen Währung. •
9. Der Zuz, t^it, aram. sn:, in der rabbin. Literatur sehr häufig; er
entspricht dem Silberdenar.
BQ 4, 1: R. Schim?on (um 150) sagte: Wenn ein Ochse, der 200 Zuz wert ist,
einen andren Ochsen, der gleichfalls 200 wert ist, gestoßen hat (so daß dieser ver-
endete) u. der Kadaver keinen Wert hat, so erhält jeder (von den beiden Besitzern)
1 Mine (von dem Wert des stößigen Ochsen. Zugleich ergibt sich hieraus, daß 200
Zuz 2 Minen waren, also 1 Mine = 100 Zuz). Hat er dann noch einen Ochsen im
Werte von 200 Zuz gestoß^, so erhält der Besitzer des letzteren 1 Mine (100 Zuz)
von dem Wert des stößigen Ochsen, die beiden ersten Besitzer aber jeder 50 Zuz
(die Hälfte der noch verbleibenden 1 Miue). Hat er dann nochmals einen Ochsen
im Werte von 200 Zuz gestoßen, so erhält der Besitzer des letzteren 1 Mine, der
Besitzer des vorletzten Ochsen 50 Zuz u. jeder der beiden ersten Besitzer 1 Gold-
denar (1 G. also = 25 Zuz oder — 25 Silberdenare).
10. Die Mine, i-..:^, aram. xj-a, x";:-?, tj f.ivcc Lk 19, 13 ff. = 100 Zuz
(s. Nr. 9). — Der Mine entsprach die N--jb, Ktga = Pfund, ein Gewichts-
maß für Gold u. Silber; dabei galt 1 Litra Silber = 100 Zuz = 1 Mine.
IIa, Der Sela', rbo, aram. ssbp, = 4 Denaren oder 4 Zuz. pQid 1,
58 S 27: R. Chijja (um 200) hat gelehrt: 1 Selaf beträgt 4 Denare (4 Zuz). \\
MSch 2, 9: Wenn jemand einen Sela? vom zweiten Zehnten in Jerusalem
umwechselt, so soll er, wie die Schule Schammais sagte, für den ganzen
Selaf Kupfergeld einwechseln; die Schule Hillels sagte: Für 1 Scheqel
Silbergeld u. für 1 Scheqel Kupfergeld (2 Scheqel also = 1 Sela?). Die,
welche vor den Gelehrten entschieden, sagten: Für 3 Denare Silber-
geld u. für 1 Denar K. (mithin 4 D. = 1 Sela?). — Dasselbe fEduj 1,10.
IIb. Ein andrer Sela? galt nur 1/2 Zuz, d.h. den achten Teil des
gewöhnlichen. Mit Bezug auf BQ 8,6: „Wer einen andren (mit der
Faust) schlägt, hat ihm (wegen des angetanen Schimpfes) 1 Sela? zu
geben", heißt es B<^kh 50*': Sage nicht: 1 Sela?, der 4 Zuz, sondern der
1/2 Zuz beträgt; denn die Leute nennen ^,'2 Zuz einen Selaf. — Ähnlich
als Bar in Qid ll'\ Vgl. hierzu Nr. 18.
12. Der Scheqel, -»p-^ = V2 Sela? = 2 Denaren (Zuz), s. MSch 2, 9
unter Nr. IIa. — Dem Seh. entsprach das öidQaxiiov, s. Nr. 17.
^ Statt TC-sr: 1, i'c^'sc, eine Form, die dem semissis besser entspricht als das
sonst gebräuchliche c-s-ci. Das Ganze ist eine scherzhafte Anspielung auf den Namen
des R. Asi. So zuerst Bacher, Pal. Amor. 2, 145.
Matthö, 20(35 13-18) 293
13. Der Asper, nscx, xn«|)t?j<, äarcQog. MSch 2,9: Wenn jemand einen
Sela? vom zweiten Zehnten umwechselt, so soll er nach R. Tarphon
(um 100) 4 Asper Silber einwechseln (u. 1 Asper Kupfergeld). — Nach
Bertinoro hat 1 Denar 5 Asper, so daß 1 A. = V20 Selas= wäre. Levy 1,
129'' setzt den A. = der Ma?a (s. Nr. 14).
14. Die Maf a, nr-o, war die kleinste Silbermünze; 6 Ma^a = 1 Denar
(Zuz), 24 Ma?a == 1 Sela?. Rechnung nach unten zu: 1 Denar (Zuz) =
24 As; Vg Denar oder 1 Ma?a = 4 As = 2 Doppelas (Pondejon). TBB
5, 12: Sechs Silberma^a sind 1 Denar, 1 Silberma^a beträgt 2 Doppelas
(Pond^jon). Parallelstellen: pQid 1, 58^ 28: bQid 12». || pQid 1, 58% 50:
Das Ende der Silbermünzen (d. h. die letzte, kleinste) war die Ma?a.
15. Die P'^ruta, n-jne, die kleinste jüdische Münze, Wert Vs As.
Qid 1, 1 u. fEduj 4, 7: Wieviel beträgt 1 P'^ruta? Den 8. Teil vom italischen As. [j
TBB 5, 12 (405): 1 As = 2 halbe As, 1 halbes As = 2 Quadrans, 1 Q. = 2 peruten
(mithin 1 As = 8 P.). — Die Parallelstelle Qid 12» setzt hinzu: Daraus ergibt .sich,
daß die P. Vs vom italischen As ist. — Ein Zusatz in pQid 1, 58'', 30 bestimmt die
P. richtig als V32 Ma?a (1 Mafa — 4 As). — || Abweichend bestimmt Rabban Schim?on
b. Gamliel (um 140) TBB o, 12; pQid 1, 58'', 31 u. bQid 12=^ die P. als V« As und als
• 24 Ma?a. Für gewöhnlich aber hat man nicht 6, sondern 8 Peruten auf 1 As ge-
rechnet. So auch Qid 12», wo auf die Frage: „Wieviel P. sind in 2 Selaf enthalten?"
geantwortet wird: 1536. 1 Denar ist zu 24 As, 1 As zu 8 P'^ruten in Ansatz gebracht,
bann ist 1 Selaf = 4 Denare = 96 As = 768 P.; mithin 2 Sela? =- 1536 P.
16. Die Drachme, ögayuiri Lk 15, 8 f., dem Denar oder Zuz gleich-
wertig. Im Rabbin. scheint diese Münze nicht vorzukommen. Levy 1,
425» verweist allerdings auf Midr KL 3, 17 (YO'^): „Nach etlichen Tagen
kam R. J-^hoschua? b, Levi (um 250) nach Tiberias u. fand Aufnahme bei
R. Chijja, dem Älteren (um 200-), Dieser gab den Schülern des R. J^ho-
schua? (die den Lehrer begleitet hatten) T^siri^'i u. sprach zu ihnen: Geht
u. richtet für euren Lehrer (ein Mahl) zu, wie er es gewohnt ist." Aber
man wird unter ■i;i?:3n-i besser nach Esra 2, 69 Dareiken verstehn.
17. Die Doppeldrachme, didqaxfxov Mt 17,24, entsprach an Wert
dem Scheqel (s. Nr. 12), der als Tempelsteuer zu entrichten war. Im
Rabbin. wird sie nicht erwähnt.
18. Der Stater, N^-^noN, auch xni::j"^s<, atan'jQ Mt 17, 27, war an
Wert gleich 1 Selaf oder 2 Scheqeln oder 4 Drachmen (Denaren, Zuz).
Genauer: syrischer Stater B'^kh49'^: R. Chanina (um 225) sagte: Ein
syrischer St., von denen acht für einen (syrischen) Golddenar verkauft
werden. — Der übliche Golddenar (s. Nr. 1) hatte 24 oder 25 Denare
an Wert; für ihn würde man also nicht 8, sondern nur 6 Stater (1 St.
= 4 Denare) gegeben haben. Die Tosaphisten zu B®kh gleichen die
Schwierigkeit mit der Bemerkung aus, daß der sj'^rische Golddenar
einen höheren Wert gehabt habe als der gewöhnliche G.
Außer diesem Stater kennen die Rabbinen noch:
a. den Gold-Stater. TSch^q 2, 4 : In der Tempelschatzkammer waren Gold-Stateren
anr 5« rus-'üs-'s u. Gold-Dareiken z.-t hv nair^n. — Über den Wert des Gold-Stater
erfahren wir hier nichts. In den Parallelstellen pSch^'q '2, 47 <^, 42 u. bSch«q 5 ^ jgt
r-iNitJS-x in 'V'Li::-^«, Goldgewänder, verstümmelt.
294 Matfch 5, 26 (S 18—20. 6 21. 22. 2)). 5, 27 (31)
6. Die '71T ■'"iiro-s Gittin 14^ oder die -ü-'bs '-"tos Chullin 44 b sind Scheide-
münzen, die den Namen eines Stater eigentlich zu Unrecht trugen. Wie der gering-
wertige Selaf Vs des vollwertigen Sela? oder ','2 Zuz (s. Nr. 11 bj betrug, so galt der
Scheidemünzen-Stater '/s des eigentlichen Stater. d. h. V2 Zuz. — K'^th 64=^: Wie viel
ist ein (Scheidemünzen-)Stater? Die Hälfte von 1 Zuz. || Qid 11'^: Die Leute pflegen
einen halben Zuz einen Stater zu nennen. — Damit stimmt die Angabe in BM 102^
ungefähr überein, daß 1 Stater = 100 "S« (Geldstücken) sei. Raschi deutet "yn =
P^'ruten; genau würden 96 P'^ruten '/^ Zuz oder einen geringwertigen Stater betragen.
Raschi bemerkt zu allen diesen Stellen, daß mit dem Stater derjenige Selaf gemeint
sei, dessen Wert den 8. Teil von dem Sela? tyrischer Währung betrage.
19. Das Tropaikon, iQonaCxöv, pi-s^j, xj^iyenp , 1/2 Denar (1/2 Zuz).
Keth64=': Wie viel beträgt 1 Tr.? Rab Schescheth (um 260) hat gesagt: Einen
(Scheidemünzen-)Stater. Wie viel ist ein (solcher) Stater? Die Hälfte von einem
Zuz. Eine Bar lautet ebenso: R. J^'huda (um 150) sagte: Drei Tr. sind 9 Mafa.
(1 Mafa = '/fi Zuz, dann 3 Mafa oder 1 Tr. = '/s 7mz.) Der 1. Teil dieses Zitates
auch Gitt 45 b. II K'^th 5, 7: Wenn eine Frau ihrem Mann die eheliche Pflicht ver-
weigert, so verringert man ihr ihre Eheverschreibung (K^'thubbah) um 7 Denare für
jede Woche. R. J^huda (um 1-50) sagte: Um 7 Tr. (= 3»/^ Denare). || Joma 35 1> Bar:
Hillel, der Alte (um 20 v. Chr.), vermietete sich täglich für 1 Tr. als Tagearbeiter.
20. Das Lepton (Geringfügige), Xsnröv Mk 12, 42; Lk 12,59. Nach
der 1. Stelle machen 2 Lepta 1 Quadrans aus; da nach Nr. 8 1 Q. =
2 P^ruten ist, so folgt, daß das Lepton genau gleich der P^ruta.
5.26 6: Verschiedenartige Münzen.
21. Die Dareike, daQsixog, ■■is"!^, "ibi-n, P!ur. n-iDis-^-. Die Mischna
u. pT haben nur den Plural, s. Sch^q2, 1. 4; BB 10, 2; pSch^q2,46^ 10;
•3, 47 % 43. Die Tosephta hat BB 11, 2 (413) zweimal den Sing. -^D^-n,
den Plur. njisn-i TSch'q 2,4 (175). Der bT kennt Sch^q 5"^ auch den
Plur. Q"'D'i^3"i'^ (s. Esra 2, 69). — Die Golddareiken rnt hTs mnr-n werden
ausdrücklich genannt TSch^q '2, 4; pSch^q 47%-43 u. bSch'^q 4". sind aber
auch Sch'q 2, 1 gemeint: „Man darf die Scheqelabgaben an den Tempel
zu Dareiken zusammenlegen (in D. um wechseln), um auf der Reise leichter
zu tragen." — Wert der Dareike?
22. (föXhg, follis, oss, ndH» u. (folXccqiov, -22, sind nicht gerade
selten vorkommende Münzen, aber unbekannten Werts.
5, 26 ^: Nehmen wir mit Zuckermann, Über talm. Münzen u. Ge-
wichte (Breslau 1862), den Wert einer Mine zu 65 ^yfi^ an. so beträgt
1 Zuz oder 1 Denar oder 1 Drachme 65 g).
1 Didrachmon oder 1 Scheqel 1,30 J(,
1 Stater (Tetradrachmon) 2,60 Ji,
1 Sela? tyrischer Währung (l heiliger Scheqel) 2,60 J(,
1 Litra -^ 1 Mine 65 .^,
1 As (— ',24 Denar) 2,7 ^, V^ As (Semis oder Semissis) 1,35 cJ,, ',3 As (Tremissis)
0,9 ^, 1/4 As (Quadrans, xoSQcivtr]?) 0,68 r^, 2 As (Pond«jon) 5,4 rj, 3 As (Tressis) 8,1 fj,
1 Mafa (Ve Denar) 11 ^,
1 Scheidemünzen-Selaf oder -Stater, ferner 1 Troppafiq 32,5 c),
1 P^'ruta oder 1 Lepton 0,34 o).
5,27: Du sollst nicht ehebrechen.
5.27 5(: Älteste Auslegungen des 6. Gebotes.
Matth 5, 27 (31) 295
• M^h Ex 20, 14(77''): ,Du sollst nicht ehebrechen." Warum wird das gesagt? Wenn
es Lv 20, 10 heißt: ,Es soll getötet werden der Ehebrecher u. die Ehebrecherin", so
hören wir von der Strafe, aber nicht von der Verwarnung. Carum sagt die Schrift
lehrend Ex 20, 14: ,Du sollst nicht ehebrechen" (um damit die Verwarnung aus-
zusprechen). — II SLv20, 10 (368''): „Wenn ein Mann die Ehe bricht mit dem Weibe eines
Mannes, die Ehe bricht mit dem Weibe seines Nächsten, so soll getötet werden der
Ehebrecher u. die Ehebrecherin" Lv 20, 10. Wenn „ein Mann" — das schließt den
Minderjährigen^ aus; mit dem Weibe , eines Mannes" die Ehe bricht — das schließt
das Weib eines Minderjährigen (der noch nicht 9 J. u. 1 T. alt ist) aus; mit dem Weibe
„seines Nächsten" die Ehe bricht — das schließt das Weib der andren (d. h. der Nicht-
israeliten) aus; „so soll getötet werden", nämlich durch Erdrosselung. Du sagst: „Durch
Erdrosselung." Oder nicht vielmehr durch irgendeine von all den Todesstrafen, die
sich in der Tora finden? Sage: Geh u. sieh! Keine Todesstrafe, von der in der Tora
ohne nähere Bezeichnung geredet wird, darfst du auslegen (wörtlich: hinziehen), um
sie zu erschweren, sondern nur, um sie zu erleichtern. So R. Joschijja (I., um 140).
* Der Knabe ist minderjährig bis zum Alter von 1 3 Jahren u. 1 Tag, das Mädchen
bis zum Alter von 12 Jahren u. 1 Tag; im Alter von 12 J. u. 1 T. bis 12^2 J. wird das
Mädchen als n-^y: (Mädchen, Jungfrau) bezeichnet: von 12 J. u. 6 Monaten an gilt sie
als r-:;-,3 d. h. als völlig ausgewachsen u. mannbar. In Fragen, die das Geschlechtsleben
betreffen, hat man jedoch eine gewisse Verantwortlichkeit beiden Geschlechtern bereits
in einem früheren Alter beigelegt: Der minderjährige Knabe wird — u. zwar in be-
stimmten Fällen mit eherechtlicher Wirkung — als zeugungsfähig angesehen im Alter
von 9 Jahren u. 1 Tag, das minderjährige Mädchen sogar im Alter von 3 Jahren u.
1 Tag. J^'b 10, ti: Wenn ein Knabe von 9 J. u. 1 T. seiner Schwägerin (Bruderswitvve)
beiwohnt, so macht er sie für seine (übrigen) Brüder (die zur Leviratsehe verpflichtet
gewesen wären) untauglich (sie dürfen die Lev.ehe mit ihr nicht vollziehen). Das. 10, 7
u. 8 ähnliche Fälle; zum Schluß: Wenn ein Knabe von 9 J. u. 1 T. eine Frau heiratete
u. starb, so ist diese frei (d. h. seinen Brüdern gegenüber weder zur Lev.ehe noch zur
Zeremonie des Schuhausziehens, Chali^a, verpflichtet. Die Ehe wurde also nicht als
vollgültig angesehen u. ermangelte deshalb rechtswirkender Kraft mit Bezug auf die
Brüder des Verstorbenen.) — Sanh55'^: Raba (f 352) hat gesagt: Komm u. sieh! Ein
Knabe von 9 J. u. 1 T., der seiner Schwägerin (Bruderswitwe) beiwohnt, erwirbt sie
damit als seine Frau, aber er darf ihr einen Scheidebrief erst geben, wenn er groß-
jährig (13 J. u. 1 T. alt) geworden ist; ferner wird er durch eine Menstruierende, ~~2z,
unrein, so daß er die unterste Lage (auf der er schläft) verunreinigt wie die obere;
er macht untauglich (durch seinen Beischlaf eine Frau als Priesterfrau, falls er il-
legitim ist), aber nicht fähig zum Essen (priesterlicher Abgaben, falls er selbst ein
Ahronide ist); er macht (durch widernatürliches Beilager) ein Tier untauglich, auf den
Altar zu kommen, auch wird es seinetwegen gesteinigt (wenn er jene Tat vor 2 Zeugen
vollbracht hat): wenn er einer Frau aus all den in der Tora genannten Verwandt-
schaftsgraden beigewohnt hat, so werden sie (die Beschlafeuen, falls sie großjährig,
d. h. über 12 J. u. 1 T. alt sind) seinetwegen getötet. — Sanh 55*^: Rab Joseph (f 333)
hat gesagt: Komm u. sieh! Ein Mädchen von 3 J. u. 1 T. wird durch den Beischlaf ge-
ehelicht (wenn dieser ausgesprochenermaßen zu diesem Zwecke vollzogen wird, s.
Qid 1, 1); wenn (nach dem Tode ihres kinderlos verstorbenen Mannes) ihr Schwager
ihr beiwohnt, so erwirbt er sie dadurch als seine Ehefrau ; auch wird man ihretwegen
strafbar wegen Ehebruchs mit einer verheirateten Frau (falls sie verheiratet ist); sie
macht (zur Zeit der Menstruation) den ihr Beiwohnenden unrein, so daß er die unterste
Lage verunreinigt wie die obere; ist sie an einen Priester verheiratet, so darf sie von
den priesterl. Abgaben essen; wohnte ihr einer von den Illegitimen bei,- so ist sie für
die Priesterschaft untauglich geworden; wenn ihr einer aus all den in der Tora ge-
nannten Verwandtschaftsgraden beiwohnte, so werden sie (die Beischläfer) ihretwegen
getötet, während sie selbst straffrei bleibt (da sie noch nicht großjährig ist). Die beiden
Stellen aus Sanh .^5'' stammen aus der Mischna, s. Nidda 5, 4 f. Andre hierher gehörende
Stellen: Sanh ö4'>. 55''; Nidda 44^ 45'''; SLvIö, 16 (297^) = Nidda 32. — Hiernach wird
auch in dem Siphra-Zitat zu Lv 20, 10 oben im Text unter dem Minderjährigen ein Knabe
zu verstehn sein, der noch nicht Ü Jahre u. 1 Tag alt ist.
296 Matth 5, 27 (9t)
R. Jonathan (um 140) sagte : Nicht weil die Erdrosselung eine leichte Todesart ist (ist
sie Lv20, 10 gemeint), sondern weil von der Todesstrafe allgemein (ohne Angabe einer
bestimmten Todesstrafe) geredet wird; u. dann ist immer nur die Erdrosselung zu ver-
stehn. Rabbi sagte: Es wird in der Schrift von einem Tode durch die Hand Gottes
(wie zB die Ausrottung ein solcher ist) u. von einem Tode durch Menschenhände ge-
redet: wie der Tod durch die Hand Gottes ein Tod ist, der keine äußere Spur (etwa
eine Wunde am Körper) zurückläßt, so ist auch mit dem Tod durch Menschenhände
(wenn keine bestimmte Todesstrafe in der Schrift angegeben ist) immer ein solcher
gemeint, der keine äußere Spur zurückläßt (u. eine solche Todesstrafe ist nur die Erdr. ;
also ist diese auch Lv 20, 10 als Strafe für Ehebrecher gemeint). Von hier aus hat
man gesagt (nämlich Sanh 7, 3): Das gesetzliche Verfahren mit denen, die erdrosselt
werden, ist also: Man versenkte ihn in Dung bis an seine Kniee u. legte ein hartes
Tuch in ein weiches u. wickelte es um seinen Hals. Der eine zog (das eine Ende des
Tuches) nach sich hin u. ein andrer zog (das andre Ende) nach sich hin, bis ihm das
Leben ausging. — ,Du sollst nicht ehebrechen", gleichviel ob Mann oder Weib. —
Dasselbe, doch ohne die Mischnastelle u. den letzten Satz, als Bar Sanh 52"^; zum Teil
auch Qid 19'\ — ;| SDt 22, 22 § 241 : , Wenn ein Mann gefunden wird" Dt 22, 22, nämlich
in Gegenwart von Zeugen; ^ „der bei einem an einen Mann verheirateten Weibe liegt",
das will diejenige einschließen, die im Hause ihres Vaters beschlafen ward, während
sie verlobt war.^ — Eine andre Erklärung von „verheiratet an einen Mann": R. Jisch-
masel (f um lo5) sagte: Die Schrift will dich über eine auf die Leviratsehe wartende
Frau belehren, daß nämlich jemand, der ihr beiwohnt, nicht straffällig ist, bis daß ihr
(von ihrem Schwager) beigewohnt ist (wodurch sie erst Ehefrau wird). ,So sollen
sterben", nämlich des ohne nähere Angabe in der Tora genannten Todes, d. h. des
Todes durch Erdrosselung; „auch sie beide", aber nicht der, der unzüchtige Berührungen
ausführt.^ Wenn es heißt „auch" c;, so werden damit diejenigen eingeschlossen, die
das Beiliegen in widernatürlicher Weise vollziehen (oder die nacheinander ihr bei-
wohnen, s. Raschi zu Dt 22, 22); „der Mann, der bei dem Weibe lag", auch wenn sie
eine Minderjährige ist (mindestens 3 J. u. 1 T. alt, aber verheiratet oder verlobt); „u.
das Weib", auch wenn ihr von einem Minderjährigen (im Alter von 9 J. u. 1 T. bis
18 J. u. 1 T.) beigewohnt wurde. Parallele mit Abweichungen Sanh 66*^. — ll Sanh 7, 9:
Wer einem verlobten Mädchen beiwohnt (vgl. Dt 22, 23 f.), i.st schuldig (straffällig) erst,
wenn sie ein Mädchen (n^i-: == 12 — I2V2 Jahre alt), eine Jungfrau, verlobt u. im
Hause ihres Vaters ist. Haben zwei ihr beigewohnt, so wird der erste durch Steinigung
(nach Dt 22, 24), der zweite durch Erdrosselung (s. oben SLv 20, 10) bestraft. — Das-
selbe SDt 22,23. 25 §242; vgl. Sanh 66'' u.pSanh 7, 25 «,49.— 1| SDt 22, 21 §240: „Weil
sie eine Verruchtheit in Israel begangen hat, in dem Hause ihres Vaters hurend"
Dt 22, 21. Es steht hier „ihr Vater" u. es steht dort (Lv 21, 9 bei der hurenden Priester-
tochter) „ihr Vater"; wie die Worte „ihr Vater", die hier stehen, ein Huren anzeigen
bei bereits bestehender Verbindung mit dem Ehemann (indem das Mädchen bereits
verlobt ist), so zeigen auch die Worte „ihr Vater", die dort stehen, ein Huren bei be-
reits bestehender Verbindung mit dem Ehemann an. — Es ist eine im altt. Text durch
nichts angedeutete Annahme der jüdischen Exegeten, daß Dt 22, 21 u. Lv21,9 von
* Nach SDt 17, 2 § 148 gilt als exegetischer Kanon, daß, wo es in der Schrift
heißt: „es wird gefunden", gemeint sei: „in Gegenwart von zwei oder drei Zeugen".
2 Eine Verlobte galt rechtlich als Ehefrau; wohnte also ein andrer ihr bei. so
machte er sich des Ehebruchs mit einer verheirateten Frau schuldig.
^ Das ist jedenfalls der Sinn der Worte a^^^^'^ ncs^s nioiyn, s. Raschi zu Sanh 66''.
Die Lesart ü'r.->in r-.-vj^, „Tat des Herodes", spielt auf die Sage an, daß Herodes den
Leichnam der Mariamme sieben Jahre lang in Honig aufbewahrt habe, um ihr bei-
zuwohnen (s. BB3'' bei Mt 2, 16), paßt aber nicht in den vorliegenden Zus.hang. Eine
dritte Lesart n-'i-i^n nsyis in den Responsen der G^onim, ed. Cassel §110, erwähnt
Levy 1, 491''. 496*^ mit dem Bemerken, daß damit bezeichnet werde „ein Beiwohnen
von unzüchtiger Art, welches von den G^onim nicht weiter erklärt" werde.
Matth 5, 27 (SB 1—4) • 297
einem verlobten Mädchen handeln; vermutlich ist die in beiden Stellen sich findende
singulare Strafbestimmung die Veranlassung dazu gewesen.
5,27 So: Zu vorstehenden Stellen ist zu bemerken:
1. Die alte Synagoge hat die Merkmale des Ehebruchs nur da als
gegeben angesehen, wo die Tat mit der Ehefrau oder mit der Ver-
lobten eines Juden vollbracht ward. Der Geschlechtsverkehr mit
einer ledigen weiblichen Person fiel nicht unter den Begriff des Ehe-
bruchs riiix'^3, sondern unter den der Hurerei oder Unzucht rn:\. Vgl.
Malbim, der zu SLv 20, 10 (368=*) die Meinung der jüdischen Gelehrten
dahin zus.faßt: irix n^xn xbx ciix"^: i'^Ntt:, Ehebruch gibt es nur bei einer
Ehefrau (bezw. einer Verlobten).
2. Die ältesten Auslegungen des 6. Gebotes verfolgen lediglich den
Zweck, festzustellen, in welchem Fall u. in welcher Weise der Ehebruch
mit dem Tode zu bestrafen sei ; sie behandeln das 6. Gebot nicht unter
irgendeinem sittlichen Gesichtspunkt, sondern ausschließlich vom Stand-
punkt des Strafrichters aus.
a. Der Ehebruch ist strafbar, nur wenn er mit der Ehefrau oder
der Verlobten eines Juden begangen ist; war er mit der Ehefrau
eines Nichtisraeliten begangen, so bleibt er straffrei.
b. Der Ehebrecher, bezw. die Ehebrecherin machen sich nicht des
Todes schuldig, wenn sie noch nicht 13 Jahre u. 1 Tag, bezw. 12 Jahre
u. 1 Tag alt sind.
c. Die über 13 Jahre u. 1 Tag alte Ehefrau (oder Verlobte) verfällt
keiner Strafe, wenn sie die Tat begangen hat mit einem Minderjährigen,
der noch nicht das Alter von 9 Jahren u. 1 Tag erlangt hat; wenn sie
verehelicht (oder verlobt) ist mit einem Minorennen, der noch nicht
9 Jahre u. 1 Tag alt ist; wenn sie eine auf die Leviratsehe Wartende
ist (so R. Jischma'el).
d. Die Tat bleibt straffrei, wenn sie in Abwesenheit von Zeugen
u. ohne vorangegangene Verwarnung vollbracht ist.
e. Die Todesstrafe wurde als Verbrennung (durch Eingießen von
glühend-flüssigem Blei in den Hals Sanh 7, 2) vollstreckt an einer
Priestertochter, die als Verlobte im Hause ihres Vaters gehurt hatte;
als Steinigung an einer israelitischen Tochter nichtpriesterlicher Her-
kunft, die als Verlobte im Hause ihres Vaters gehurt hatte; als Er-
drosselung in allen übrigen Fällen.
3. Man hat in Sachen des 6. Gebotes die beiden Geschlechter mit
verschiedenem Maß gemessen: eine Ehefrau, die die Tat begangen,
hatte damit in jedem Fall die Ehe mit ihrem Mann gebrochen; ein
Ehemann, der die gleiche Tat begangen, stand seiner eignen Frau nicht
als einer gegenüber, der durch jene Tat die Ehe mit ihr gebrochen
hatte. Es war das eine Folge der gesetzlich anerkannten Polygamie.
4. Um Mißverständnissen vorzubeugen, fügen wir zum Schluß aus-
drücklich hinzu, daß, wenn in vorstehenden Zitaten die ehebrecherische
298 ' Matth 5, 27 (95 4). 5, 28 («)
Tat in bestimmten Fällen als straffrei erscheint, damit nicht etwa
gesagt sein soll, daß sie vor dem sittlichen Urteil als etwas Erlaubtes
oder Unanfechtbares dastand. Als Beispiel sei herausgegriffen jener
Satz aus dem Siphrazitat S. 295, nach welchem der Ehebruch mit einer
nichtjüdischen Ehefrau nicht unter die Straf bestimmung von Lv 20, 10
fällt. Und doch ist der Geschlechtsverkehr mit heidnischen Frauen
auf das bestimmteste verpönt gewesen.
pAZSßb; Ihre (der Heiden) Töchter sind schon durch die Tora (zur Ehe) verboten,
s. Dt 7, 3: Du sollst dich nicht mit ihnen verschwägern. Aber nach der Tora sind nur
die sieben Völker Dt 7, 1 verboten, aber nicht die übrigen Völker. Da kam man u. be-
stimmte es auch in bezug auf die übrigen Völker. . . . Nach der Tora ist nur die Ehe
durch Heiraten mit ihnen verboten; da kam man u. verbot auch das uneheliche Bei-
wohnen. Das uneheliche Beiwohnen hatte man ja aber (schon) im Lehrhaus Sems ver-
boten, s. Gn38, 24: Da sagte J^huda: Führet sie (Thamar) hinaus, daß sie verbi'annt
werde ! Allein nach der Tora gilt das VerT)ot nur, wenn ein Heide einer Israelitin bei-
wohnt, weil er sie nach sich ziehen könnte (hin zum Götzendienst), aber nicht, wenn
ein Israelit einer Heidin beiwohnt. Da kam man u. verbot, daß ein Israelit einer Heidin
beiwohne. Aber daß kein Israelit einer Heidin beiwohnen dürfe, ist doch (schon) eine
Halakha von Mose vom Sinai her; denn der Autor hat gesagt: Wer einer Aramäerin
(= Heidin) beiwohnt, den stoßen die Eiferer nieder (s. Sanh 9, 6). Man antwortete ihm:
Nach der Tora ist es nur öffentlich verboten, vgl. Zimri Nu 25, 6ff. Da kam man u.
verbot es auch im geheimen. Aber auch im geheimen hatte es doch (schon) der Ge-
richtshof der Hasmonäer verboten; denn- in einer Bar ist gelehrt worden: Wenn ein
Israelit einer Heidin beiwohnt, ist er schuldig wegen s";b3 (diese Abbreviatur be-
deutet: wegen Beiwohnung einer Menstruierenden n--:, einer Sklavin nns^.-, einer
Heidin --i; u. einer Ehefrau -i}^» r-ün). Als Rabin (= R. Abiu I., um o25) kam (näm-
lich von Palästina nach Babylonien), sagte er: Wegen T'Vi-j d. h. Menstruierende,
Sklavin, Heidin, Hure r^rr. Der Gerichtshof der Hasmonäer verbot nur den Beischlaf,
aber nicht das Alleinsein (mit einer Heidin); da kam man u. verbot auch das Allein-
sein. — Teilweise parallel Sanh 82" Mitte. — || Sanh 82" Anfang: Rab (f 247) erinnerte
sich seiner Lehre (über Mal 2, 11): „Treulos hat Juda gehandelt", das bezieht sich auf
den Götzendienst, s. Jer 5, 11 ; „u. Greuel ist verübt worden in Israel u. in Jerusalem",
das bezieht sich auf Päderastie, s. Lv 18,22; „denn entweiht hat Juda das Heiligtum'
Jahves", das bezieht sich auf Hurerei, s. Dt 23, 18; ,u. hat der Tochter eines fremden
Gottes beigewohnt", das bezieht sich auf den, der einer Heidin beiwohnt. Und darauf
heißt es Mal 2, 12: , Ausrotten möge Jahve dem Manne, der solches tut, Fragenden
(Aufrufenden?) u. Antwortenden"; wenn er ein Gelehrtenschüler ist, möge er keinen
Fragenden unter den Gelehrten u. keinen Antwortenden unter den Schülern haben,
u. wenn er ein Priester ist, möge er keinen Sohn haben, „der Opfergabe darbringt
Jahve der Heerscharen". — R. Chijja b. Abuja („R. Chijja b. Abba"? um 280) hat ge-
sagt: Wer einer Heidin beiwohnt, der ist wie einer, der sich mit einem Götzen ver-
schwägert, s. Mal 2, 11 : „Hat der Tochter eines fremden Gottes beigewohnt." Hat denn
ein fremder Gott eine Tochter? Vielmehr ist der gemeint, der einer Heidin beiwohnt.
Vgl. aber auch die Stellen bei Rom 2, 22.
5,28: Jeder, der ein Weib ansieht (ihrer) zu begehren, der
hat bereits mit ihr in seinem Herzen Ehebruch getrieben.
% Die Tora als das Grundgesetz des jüdischen Staatswesens mit
all seinen bürgerlichen u. sozialen Einrichtungen u. Beziehungen hatte
für Israel zugleich die Bedeutung eines Strafgesetzbuches. Es war nur
zu natürlich, daß die Schriftgelehrten, in deren Hand bes. in der nach-
Matth 5, 28 (31) 299
christl. Zeit auch die Strafrechtspflege ruhte, das Gesetz samt seinen
Strafbestimmungen in erster Linie unter den praktischen Gesichts-
punkten des Strafrichters auslegten. Diesen formalen juristischen Cha-
rakter tragen alle alten halakhischen Auslegungen des 6. Gebotes an
sich (s. S. 295 f.). In den haggadischen Bestandteilen der Talmude u. in
den Midrasch werken finden sich aber auch andre Auslegungen, die
erbaulich-homiletisch dem tiefern sittlichen Gehalt des Gebotes gerecht
zu werden sich bemühen. Folgende Stellen berühren sich formell oder
inhaltlich mit Mt 5, 28.
LvR 23 (122''): ,Das Auge des Ehebrechers lauert auf die Dämmerung" Hi 24, 1 ").
Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Du sollst nicht sagen, daß nur der, welcher mit
dem Leibe die Ehe bricht, ein Ehebrecher genannt wird; auch der, welcher mit seinen
Augen die Ehe bricht, wird ein E. genannt. — P'^siqR 24 (124'^): Wir finden, daß auch
der, der mit seinen Augen die Ehe bricht, ein Ehebrecher genannt wird, s. Hi 24, 15.
Vgl. auch M^kh d^'R. Schim?on 111 : „Du sollst nicht ehebrechen", daß man nicht ehe-
brechen soll . . . auch nicht mit dem Auge u. nicht im Herzen. Und woher, daß das
Auge u. das Herz huren? Siehe Nu 15, y9: „daß ihr nicht eurem Herzen u. euren
Augen nachschweift, denen ihr nachbuhlt." || Tr. Kalla 1: Wer eine Frau mit (begehr-
licher) Absicht anblickt, gilt wie einer, der ihr beiwohnt. Von hier aus haben die Ge-
lehrten gesagt: Wer den kleinen Finger einer Frau berührt, ist wie einer, der eine
gewisse Stelle berührt; u. ebenso, wer auf die Ferse einer Frau blickt, dem werden
Kinder mit Leibesfehlern zuteil: lahme, blinde, stumme, taube. || B'^rakh 61'"' Bar: Man
soll nicht auf dem Wege hinter einer Frau hergehn, auch wenn es die eigne Frau
ist; begegnet sie ihm auf einer Brücke, so lasse er sie seitwärts gehn; wer hinter
einer Frau einen Fluß durchschreitet, der hat keinen Teil an der zukünftigen Welt. — ■
Bar: Wer einer Frau Geld aus seiner Hand in ihre Hand zählt, um dabei auf sie zu
blicken, der wird, auch wenn er Torakenntnis u. gute Werke besitzt wie unser Lehrer
Mose, nicht straflos ausgehn aus dem Gericht des Gehinnoms, s. Spr 11,21: „Von Hand
zu Hand (so der Midr), bleibt der Böse nicht ungestraft" — nicht ungestraft im
Gehinnomgericht. — Dasselbe fEr 18''; die zweite Bar auch Tr. Kalla 1. || B^'rakh 24 a:
Rab Scheschetli (um 260) hat gesagt: Warum zählt die Schrift (vgl. Nu ol, 50) die
Schmucksachen, die sich an sichtbaren Körperteilen (wörtlich: außerhalb) befinden,
neben den Schmucksachen auf, die sich an nicht sichtbaren K. befinden? Um dir zu
sagen: Wer auf den kleinen Finger einer Frau sieht, der ist, als ob er auf die Stätte
der Scham blickte. (Bis hierher auch Schab 64'\) Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Der
Schenkel am Weibe gehört zum Unzüchtigen, s. Jes47, 2: „Entblöße den Schenkel,
wate durch Ströme"; u. dann folgt (Vers 3): „Enthüllt werde deine Blöße, ja gesehen
deine Schmach." — Sch'^muel (f 254) hat gesagt: Die Stimme am Weibe gehört zum
Unzüchtigen, s. HL 2, 14: „Deine Stimme ist süß u. dein Anblick lieblich." (Aus dem
Lobe der Stimme erkennt man, daß sie Gelüst erregt, Raschi.) Rab Schescheth hat
gesagt: Das Haar am Weibe gehört zum Unzüchtigen, s. HL 4, 1: Dein Haar wie die
Ziegenherde (vgl. die vorige Bemerkung von Raschi). ~ Sch'^muels Wort auch pChallaÜ,
58*^^, 43. II N'^d 20^ Bar: Rede nicht viel mit einem Weibe; denn schließlich gerätst du
in Ehebruch. R. Acha(i) b. Joschijja (um 180) sagte: Wer Weiber anschaut, gerät schließ-
lich in Sünde; wer auf die Ferse des Weibes blickt, dem werden unwürdige Kinder
zuteil. Rab Joseph (f 333) hat gesagt: (Das gilt auch von dem,) der auf seine Frau
blickt zur Zeit ihrer Menstruation. R. Schimfon b. Laqisch (um 250) hat gesagt : Mit
„Ferse" ist die Scham gemeint; denn sie befindet sich der Ferse gegenüber.
B'^rakh 43'' Bar: Sechs Dinge sind ein Schimpf für einen Gelehrtenschüler: er soll
nicht parfümiert auf die Straße hinausgehn; er soll nicht allein in der Nacht ausgehn;
er soll nicht mit geflickten Sandalen ausgehn; er soll nicht mit einem Weibe auf der
Straße reden; er soll nicht zu Tische sitzen in einer Gesellschaft, die aus gesetzes-
300 ilatth 5, '28 (?l)
unkundigen Leuten besteht, u. er soll nicht zuletzt ins Lehrhaas kommen. ... Er soll
nicht mit einem Weibe auf der Straße reden. Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Auch
wenn es seine eigne Frau ist. Die Bar lautet ebenso: Auch wenn es sein Weib oder
seine Tochter oder seine Schwester ist; denn nicht alle kennen seine Verwandtschaft, i'
;AZ 20'': Ist es denn erlaubt, ein Weib anzuschauen? Es heilst doch: , Hüte dich vor
allem Bösen" Dt 23, 10! Man soll auf kein schönes Weib blicken, auch v/enn es
eine Ledige ist, u. auf keine verheiratete Frau, auch wenn sie häßlich ist, auch nicht
auf die bunten Kleider einer Frau, auch nicht auf einen Esel u. eine Eselin, auf einen
Eber u. eine Sau oder auf Vögel in dem Augenblick, da sie sich miteinander begatten,
selbst wenn man voller Augen wäre wie der Todesengel. |1 Makk24^ u. BBö7'': „Wer
seine Augen fest verschließt, daß er nichts Böses sehe" Jes33, 15. R. Chijja b. Abba
(um 280) hat gesagt: Das ist der, der nicht auf die Weiber hinblickt, wenn sie an der
Walke stehen. || Qid 70-': Rab Nachman (b. Jafaqob, f 320) sprach zu Rab J^uda (f 299):
Dunag (eine Tochter Nachmans) möge kommen u. uns zu trinken geben! Er erwiderte:
So hat Sch'^muel (f 254) gesagt: „Man läßt sich nicht von einer Frau bedienen." Sie
ist noch minderjährig, sprach Rab Nachman. Jener erwiderte : Ausdrücklich hat Sch^muel
gesagt: Man läßt sich überhaupt von keiner Frau bedienen, gleichviel ob sie erwachsen
oder minderjährig ist. Rab Nachman sprach zu ihm: Es wolle der Herr (meiner Frau)
Jalta den Gruß entbieten. So hat Sch^muel gesagt, antwortete Rab J'huda: Die Stimme
am Weibe ist etwas Unzüchtiges! Nun vielleicht, sprach Nachman, durch einen Boten?
Jener sprach: So hat Sch'^muel gesagt: Man entbietet einer Frau keinen Gruß! Aber
vielleicht durch ihren eigenen Mann, sprach Nachman. Rab J'^huda: So hat Sch*^muel
gesagt: Man entbietet einer Frau überhaupt keinen Gruß. || ?Er 181>: R. Jochanan (t279)
hat gesagt: Lieber hinter einem Löwen hergehn, als hinter einem Weibe; lieber hinter
einem Weibe hergehn, als hinter einem Götzen; lieber hinter einem Götzen hergehn,
als hinter die Synagoge gehn zur Zeit, da man in ihr betet! — Dasselbe B^rakh 61''. |j
Midr HL 3, 7 (106b): R. M'nachem, der Schwiegersohn des R. Elsazar b. Abina (um 340)
hat im Namen des Jasaqob b. Abina (um 325) gesagt: Wenn eine Frau zu dir ins Lehr-
haus kommt, um dir eine Frage vorzulegen über einen Blutfleck an ihr oder über ihre
Unreinheit, sieh sie so an, als wäre sie aus deinen Lenden hervorgegangen; aber laß
deine Augen nicht auf ihr ruhen u. fürchte dich vor dem Gericht des Gehinnoms. ||
Sanh75«: Rab J^huda (1299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Ein Mann hatte
einmal seine Augen auf ein Weib gerichtet, so daß lieftige Leidenschaft sich seines
Herzens bemächtigte. Man kam u. befragte die Ärzte. Diese sprachen: Es gibt kein
andres Heilmittel für ihn, als daß er ihr beiwohne. Da sprachen die Gelehrten: Er
möge lieber sterben. So möge sie nackt vor ihm stehnl sj^rachen die Ärzte. Die Ge-
lehrten : Er möge lieber sterben ! Die Ärzte : So möge sie mit ihm hinter einem Vor-
hang sprechen. Die Gelehrten: Er möge lieber sterben! R. Ja?aqob b. Idi (um 280) u.
R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) waren darüber verschiedener Meinung. Der eine sagte:
Es handelte sich um eine verheiratete Frau; der andre: Es handelte sich um eine
Ledige. Richtig war die von den Gelehrten getroffene Entscheidung nach dem, welcher
sagte, es habe sich um eine verheiratete Frau gehandelt. Aber nach dem, welcher
sagte, daß es sich um eine Ledige gehandelt habe — wozu das alles? (Er hätte sie
ja ehelichen können!) Rab Papa (f 376) hat gesagt: Mit Rücksicht auf die Schande
der Familie geschah es. Rab Acha b. Iqa (wann?) sagte: Damit die Töchter Israels
nicht ausgelassen würden. — Aber er hätte sie ja heiraten können! Dadurch wäre er
nicht beruhigt worden: das ist so, wie R. -Ji^chaq (um 300) gesagt hat: ^eit dem Tage,
da das Heiligtum zerstört wurde, ist der Genuß der (ehelichen) Beiwohnung hinweg-
genommen u. den Übertretern (des 6. Gebotes) überlassen worden, s. Spr 9, 17: , Ge-
stohlenes Wasser ist süß u. heimliches Brot lieblich."
Nidda 13 b: R. Ammi (um 300) hat gesagt: Wer sich selbst in die Gewalt un-
züchtiger Gedanken bringt, den läßt man (= Gott) nicht eintreten in die Abteilung
(die himmlische Wohnung) Gottes. Es heißt hier, Gen 38, 10: „Er tat, was böse
war in Jahves Augen" ; u. es heißt dort, Ps 5, 5: „Wer böse ist, bleibt nicht vor dir." ||
Matth 5, 28 (St. S8) 301
TanchB sr: § 13 (16*): ünsre Lehrer haben gesagt: Wenn eine Frau mit ihrem Ehe-
mann allein ist, u. er wohnt ihr bei, u. sie richtet ihr Auge auf einen andren während
des Beiwohnens, so gibt es für sie keinen Ehebruch, der größer wäre als dieser,
s. Ez 16, 32: „das Weib, das unter ihrem Mann Ehebruch begeht" (so der Midr). Gibt
es denn ein Weib, das unter ihrem Ehemann Ehebruch begeht? Allein damit ist
diejenige gemeint, die einem Manne begegnet war u. ihr Auge auf ihn gerichtet hatte
u. dann, während sie mit ihrem Mann den Beischlaf vollzieht, auf jenen ihr Herz
hinlenkt. — Dasselbe Tanch sij: 196-^ NuR 9 (155^).
pChalla 2, 58 '^^, 42 : Bar: Wer auf die Ferse des Weibes blickt, ist wie einer,
der auf die Schamteile blickt: u. wer auf die Schamteile blickt, ist wie einer, der
ihr beiwohnt. || Aboth 1, 5: Jose b. Jochanan (um 150 v.Chr.) pflegte zu sagen: Dein
Haus sei weithin geöffnet; Arme seien deine Hausgenossen; unterhalte dich nicht viel
mit dem Weibe. (Hier folgen spätere Zusätze:) /J, Von dem eigenen Weibe, sagten sie,
gelte dies; um wieviel mehr von dem Weibe des Nächsten. «, Demgemäß sagten die
Weisen: Sooft jemand sich viel mit dem Weibe unterhält, verursacht er sich selbst
Unheil, u. er läßt ab von den Worten der Tora u. schließlich ererbt er den Gehinnom.
Vgl. Sir 9, 8 f. I! Schab 64^*: In der Schule des R. Jischma?el (f um 135) ist gelehrt
worden: Warum bedurften die Israeliten jener Zeit (s. Nu 31, 1 ff.) einer Sühnung?
Weil sie ihre Augen an Unzüchtigem (am Anblick der kriegsgefangenen Weiber) ge-
weidet hatten. || Die älteste hierher gehörige Stelle ist Test. Issachar 7: Ich hurte
nicht durch Erhebung meiner Augen ovx mÖQvsvaci sv /LieTSUjQiafxw 6(p&a'Afi.(äv. Vgl.
auch PsSal 4, 4 f. ""
Wieviel Laxheit in der Praxis neben dieser Strenge in der Theorie
selbst in rabbin. Kreisen einherging, s. bei Rom 2, 22.
5,28 23: TiQoc x6 iTti&vfjirjffai, „um zu begehren".
NuR 8 (149'^): „Wenn ein Mann oder ein W'eib irgendeine Sünde
der Menschen tun wollen" (Nu 5,6; so der Midr, der das Futurum
rc-j-' betont), d. h. „wenn sie zu tun beabsichtigen" u. nicht: „wenn sie
getan haben", um dich zu lehren, daß ein Mensch von der Stunde an,
da er zu sündigen beabsichtigt, gilt wie einer, der untreu gegen Gott
gehandelt hat. — Für gewöhnlich gilt aber die Regel, daß nur die
Absicht, etwas Gutes zu tun, der vollbrachten Tat gleich gerechnet
werde, während die böse Absicht außer Ansatz zu bleiben habe.
Qid 39 fe: Eine böse Absicht rechnet Gott nicht zur Tat hinzu (siebleibt deshalb
unbesti-aft). — pPea 1, \Q^, 5: Die gute Absicht rechnet Gott zur Tat hinzu, die böse
A. aber rechnet Gott nicht zur Tat hinzu. Die gute A. rechnet Gott zur Tat hinzu,
S.Mais. 16: „Da haben sich besprochen die Gottesfürchtigen untereinander; u. es
horchte Jähve u. hat's gehört, u. es wurde ein Gedenkbuch geschrieben vor ihm für
die Gottesfürchtigen" (also wurde die Besprechung von Gott nicht vergessen, damit
sie dereinst belohnt werde). Die böse A. rechnet Gott nicht zur Tat hinzu, s. Ps 66, 18:
„Hätte ich Böses in meinem Herzen beabsichtigt, so würde Jahve nicht gehört haben."
Was du da sagst, gilt von Israel, aber bei den Nichtisraeliten ist es umgekehrt: Die
gute A. rechnet Gott nicht zur Tat hinzu, aber die böse A. rechnet er zur Tat hinzu.
Die gute A. rechnet Gott nicht zur Tat hinzu, s. Dn 6, 15: „Bis zum Sonnenunter-
gang war er (Darius) für Daniels Rettung besorgt"; aber es heißt nicht: „Er rettete
ihn." Die böse A. rechnet Gott zur Tat hinzu, s. Obadja 9 f.: „Wegen des Tötens,
wegen des Frevels an deinem Bruder Jakob müsse Schande dich, Esau, bedecken"
(so der Midr). Wie, hat denn Esau den Jakob getötet? Vielmehr es will lehren:*
weil er beabsichtigt hatte, ihn zu töten, so rechnet es ihm die Schrift so an. als ob
er ihn getötet hätte. — Dasselbe in andrer Fassung Qid 40*.
302 Matth 5, 29 (5t. 5B)
'>, 29f.: Wenn aber dein rechtes Auge dich ärgert, so reiß es
aus; denn es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verloren
gehe u. nicht, der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.
Und wenn deine rechte Hand dich ärgert, hau sie ab u. wirf
sie von dir usw.
5,29 51: Das Auge als Vermittler der Sünde.
SNu 15, o9 § 115: ,Daß ihr nicht eurem Herzen und euren Augen nachschweift,
denen ihr nachbuhlt" Nu 15, 39. ,Daß ihr nicht euren Augen nachschweift" ; damit
ist die Hurerei gemeint, s. Ri 14, 3: „iSimson sprach zu seinem Vater: die nimm für
mich; denn die ist wohlgefällig in meinen Augen." (Dasselbe leicht verändert als
Bar B'^rakh 12 b.) „Dali ihr nicht eurem Herzen nachschweift* usw., das zeigt, daß
die Augen sich nach dem Herzen richten. Oder daß das Herz sich nach den Augen
richtet? Sage: Gibt es nicht einen Blinden, der alle Greuel in der Welt vollbringen
kann? Was will also die Stelle: „Daß ihr nicht eurem Herzen nachschweift" usw.
besagen? Sie zeigt, daß die Augen sich nach dem Herzen richten. || pB rakh 1, 3*^, 18:
,Daß ihr nicht eurem Herzen u. euren Augen nachschweift" usw. Nu 15,39. R. Le^^
(um 300) hat gesagt: Herz u. Auge sind die beiden Vermittler der Sünde, s. Spr23, 26:
,Gib mir, mein Sohn, dein Herz, u. deinen Augen laß meine Wege Wohlgefallen."
Gott spricht: Wenn du mir dein Herz u. dein Auge gibst, dann weiß ich, daß du
mein bist. — Vgl. NuR 17 (182''): Herz u. Augen sind die Vermittler für den Leib,
denn sie bringen den Leih in Hurerei i-:?^. In Tanch -'r 2lfi-'^ steht dafür d-;i':,
, reizen" von nr. — Raschi zu Nu 15, 39: Herz u. Augen verführen den Leib u. ver-
mitteln ihm die Sünde. Das Auge sieht, das Herz begehrt u. der Leib vollbringt die
Sünde. |[ Sota 8*: Raba (f 352) hat gesagt: Es ist traditionelle Lehre, daß der böse
Trieb Macht gewinnt nur über den, dessen Augen (den Gegenstand der Leidenschaft)
.sehen. — Dasselbe als Ausspruch Rabbahs (f 330) Sanh 45". ii Dörekh Erep Zuta I :
Laß dich nicht durch deine Augen zu Falle bringen '-■:i2r "^s; denn alles Straucheln
t'vo-o kommt nur durch die Augen.
5, 29 B: Zur Sentenz von Mt 5, 29 f.
Nidda 2, 1 : Jede Hand, die fleißig untersucht, ist bei den Frauen lobenswert
(dadurch wird die Beobachtung der Reinheitsgesetze seitens der Menstruierenden ge-
währleistet); bei den Männern möge sie abgehauen werden. — Dazu die G®mara 13 '\-
R. Eli?ezer (b. Hyrkanos, um 90, oder R. Elfazar b. F^'dath?, um 270) hat ge.sagt:
Was heißt: „Eure Hände sind voll Blut" Jes 1, 15? Das sind diejenigen, die mit
der Hand Ehebruch treiben. In der Schule des R. Jischmafel (f um 135) ist gelehrt
worden: ,Du sollst nicht ehebrechen", Ex 20. 14, d.h. es soll sich bei dir kein Ehe-
bruch finden mit der Hand oder mit dem Fuß. . . . „Bei den Männern werde sie ab-
gehauen." Es wurde gefragt: Soll man das als gerichtliche Strafe oder als eine Ver-
wünschung verstehen? Als eine gerichtliche Strafe, entsprechend dem, was Rab Huna
(t 297) gesagt hat: Hau die Hand ab! Oder sollen wir es als Verwünschung ver-
stehen? Komm u. höre. In einer Bar heißt es: R. Tarphon (um 100) sagte: Wer
seine Hand an das Schamglied legt, dessen Hand soll auf dem Bauchnabel abgehauen
werden. Man sagte zu ihm:^ Wird dann aber nicht sein Bauch zugleich aufgespalten?
Er antwortete ihnen: Es ist besser, daß sein Bauch aufgespalten wird, als daß er
hinabfährt in die Grube des Verderbens. Wenn du sagst, man habe unter dem Ab-
hauen der Hand eine gerichtliche Strafe zu verstehn, so spricht dafür, daß es heißt:
Wird nicht sein Bauch aufgespalten werden? Wenn du aber sagst, man habe darunter
eine Verwünschung zu verstehn, was heißt dann: Sein Bauch wird aufgespalten?
Aber wenn man darunter eine gerichtliche Strafe verstehn soll, muß dann die Hand
* Die hier im Text folgenden Worte: sb 5"s r:;'^-' sV -lO'^ra yip i"? z-£- sind zu
streichen; sie. haben ihre Stelle erst weiter unten.
Matth 5, 29 (Jö. 6. 2)). 5, 31 (2t 1) 303
gerade auf dem Nabel abgehauen werden? Vielmehr hat es R. Tarphon so gemeint:
Wer seine Hand unterhalb vom Bauchnabel anlegt, dessen Hand soll abgehauen
werden. Da sagte man zu R. Tarphon: Wenn ihm nun ein Dorn in- seinem Bauche
(unterhalb des Nabels) sitzt, soll er ihn nicht beseitigen? Er antwortete ihnen: Nein!
Aber, entgegnete man. wird dann nicht sein Bauch aufplatzen? Er sprach zu ihnen:
Es ist besser, daß sein Bauch aufplatzt, als daß er in die Grube des Verderbens
hinabfährt. || Schab 108t» Ende: R. Muna^ (um 180) pflegte zu sagen: die Hand, die
(des Morgens vor dem Waschen) an das Auge gelegt wird, möge abgehauen werden;
an die Nase — möge abgehauen werden, an den Mund — möge abgehauen werden,
ans Ohr — möge abgehauen werden, an die Ader (die Aderlaßstelle) — möge ab-
gehauen werden, an das Glied — möge abgehauen werden, an den After — möge
abgehauen werden, an den Bottich — möge abgehauen werden; die Hand macht
blind, die Hand macht taub, die Hand läßt Polypen aufkommen. — Raschi: Es wäre
ihm besser, daß sie abgehauen würde; denn ein böser Geist ruht auf der (des Morgens
nicht gewaschenen) Hand, u. er macht ihn blind usw.
5. 29 6: axai'dah'^st.v = r-^r^'"? zum Anstoß oder zum Fall gereichen,
zB Mal 2, 8.
BQ 16^: Raba (f 352) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt: ,Sie mögen zu
Fall gebracht werden a-'^rsT; vor dir, zur Zeit deines Zorns richte es aus an ihnen"
Jerl8, 23? Jeremia sprach vor Gott: Herr der Welt, selbst zur Zeit, da sie Wohl-
tätigkeit üben, laß sie zu Falle kommen uh'vzr. durch unwürdige Menschen, damit
sie ihretwegen keinen Lohn empfangen. — Aramäisch wird statt ■;-'3;:r! meist i~.r?>i
gebraucht. Targ Ps 5, 11: Wegen der Menge ihrer Empörungen laß sie zu Falle
kommen yr^'-: h-pra. Targ Mal 2, 8: Ihr habt viele zu Fall gebracht -^riprs durch
die Lehre. |1 Substantivum axüi'Sa^ov s. bei Mt 18, 7.
5,29 S: (TVfi(f6Qei es frommt, ist zuträglicher, ist besser, rabbin.:
'h m: es wäre ihm besser. Belege bei Mt 18, 6. 8 f. — Aramäisch: n-'h n-j.
Targ Jerusch I Gn 38, 25: (Als Juda die Zeichen der Thamar wiedererkannte.)
sprach er in seinem Herzen: Es ist mir besser -•? 2'j, daß ich in dieser Welt be-
schämt werde, die eine vergängliche ist, als daß ich vor meinen gerechten Vätern
beschämt werde in der zukünftigen Welt. Es ist mir besser "5 3*j, daß ich in dieser
Welt mit verlöschendem Feuer verbrannt werde, als daß ich in der zuk. Welt ver-
brannt werde mit Feuer, das Feuer verzehrt.
5, 31: Wer sein Weib entläßt, der gebe ihr einen Scheidebrief.
% ccTtoaTäaiov Scheidebrief = pw^ns ^so, ■p3^"i"'n 'c, "pp^aü n-iss, :;:,
nffiN -js, "p-rjQ -jn; LXX zu Dt 24, 1: ßißXiov ccnoaxaciov, ebenso Mt 19, 7;
Mk 10, 4.
1. Schreibmaterial.
Git 2, 3: Mit allem darf man einen Scheidebrief schreiben: mit Tinte, mit Farbe,
mit Rötel, mit Harz, mit Kupfervitriol u. mit allem, was Bestand behält; nicht aber
mit Getränken oder mit Fruchtsaft oder mit irgend etwas, was nicht Bestand be-
hält. — Auf alles darf man ihn schreiben: auf ein Olivenblatt, auf das Hörn an
einer Kuh — u. damit muß er (der Ehemann) ihr die Kuh selbst geben — , auf die
Hand eines Sklaven — u. damit muß er ihr den Sklaven selbst überlassen. R. Jose,
der Galiläer (um 110), sagte: Man schreibt ihn nicht auf etwas, worin Lebensgeist
ist, u. nicht auf Eßwaren. | 2, 4: Man schreibt ihn nicht auf etwas, was am Boden
haftet. Schrieb man ihn auf solches, riß ihn dann aber los, unterzeichnete ihn u.
übergab ihn an sie, so ist er gültig. R. J'^huda (um 150) erklärte ihn für ungültig,
^ Dieser R. Muna wird unmittelbar zuvor in einer Bar als Tradent des R. J'^huda,
um 150, erwähnt; er muß also ein Tannait gewesen sein.
304 Matth 5, 31 (?l 1—3)
bis seine Niederschrift u. seiue Unterzeichnung auf Abgerissenem erfolgt. R. J'^huda
b. Bathyra (um 110) sagte: Man schreibt ihn nicht auf abradiertes Papier, auch nicht
auf ungeglättetes Pergament, weil er darauf gefälscht werden kann; die Gelehrten
aber erklärten (beide Stoffe) für geeignet. |! SDt 24, 1 § 269: „Wenn er ihr einen
Scheidebrief schreibt" Dt 24, 1; da höre ich nur, daß er mit Tinte geschrieben wird:
woher, daß er auch mit Farbe, mit Rötel, mit Harz u. mit Kupfervitriol geschrieben
werden darf? Die Schrift sagt lehrend: „er schreibt ihr", ganz allgemein. (Vgl. pGit
2, 441», 10; bGit 19''.) „Wenn er ihr einen Scheidebrief schreibt", da höre ich nur von
einem „Schriftstück" "sc; woher, daß man ihn auch auf Rohr, auf eine Nuß, auf
eine Olive, auf Johannisbrot schreiben darf? Die Schrift sagt lehrend: „Und er gibt",
ganz allgemein. Aber warum heißt es in diesem Fall „Schriftstück" -es? Wie ein
Schriftstück etwas ist, was zum bleibenden Bestand bestimmt ist, so entfällt (als
Schreibmaterial) alles das, was nicht von Bestand ist. R. .J^'huda b. Bathyra (um 1 10)
sagte: Wenn ein Schriftstück sein bestimmtes Merkmal daran hat, daß es etwas
nicht am Boden Haftendes ist, so entfällt (als Schreibmaterial) etwas, was anft Boden
haftet. Vgl. pGit 2, 44b (::!1— 63); bGit 21-''; TGit 2, 3—4 (325).
2. Schreiben darf jeder, selbst die zu scheidende Frau.
Git2, 5: Alle sind geeignet, einen Scheidebrief zu schreiben, auch ein Taub-
stummer, ein Blödsinniger u. ein Minderjähriger. Die Frau kann ihren eignen Scheide-
brief schreiben u. der Mann seine Quittung (über die von ihm ausgezahlte Ehever-
schreibung, K'^thubba); denn die Gültigkeit des Scheidebriefes (oder allgemein: einer
Urkunde) beruht auf seiner Unterzeichnung. | 3, 2: Ein Schreiber von Scheidebrief-
formularen muß Raum lassen für den Namen des Mannes, für den der Frau und
für das Datum. (Folgen Bestimmungen über andre Urkuiidenformulare. } R. J'^^htida
(um 150) erklärte alle Formulare für ungültig; R. Eli?ezer (um 90, ein eifriger Ver-
treter älterer Traditionen u. Bräuche) erklärte alle Formulare für gültig, ausgenommen
die zu Scheidebriefen, weil es heißt Dt 24, 1: Wenn er „für sie" einen Scheidebrief
schreibt, d. h. im Hinblick auf sie (während die Formulare geschrieben werden ohne
Hinblick auf eine bestimmte Frau).
3. Erfordernisse eines rechtsgültigen Scheidebriefes.
Der Mann muß, falls er den Scheidebrief nicht selbsta schreibt,
einen andren ausdrücklich mit der Niederschrift beauftragen ;b ebenso
muß er die Zeugen zur Vollziehung des Scheidebriefes durch ihre
Namensunterschrift auffordern, b Ferner muß der Seh. eigens für die
betreffende Frau angefertigt werden, c Das Schriftstück soll enthalten
den Namen des Mannes u. der Frau, gegebenenfalls auch etwaige Bei-
namen; den Namen des Ortes ;d das Datum nach der Ära der herr-
schenden Obrigkeit ;e die ausdrückliche Erklärung des Mannes, daß.
seine Frau hiermit frei u. jedermann zur anderweitigen Verehelichung
erlaubt sei;* ferner die Unterschrift zweier Männer als Zeugen ;g als
solche waren auch Samarltanerh zulässig. Der Seh. selbst durfte so-
wohl in hebr. (aram.), als auch in griech. Sprache geschrieben sein.»
a. Siehe Git 9. 4 S. 310«.
b. Git 7. 2 u. TGit 2, 7 (325): Wenn man zu einem Manne sagt: „Sollen wir für
deine Frau einen Seh. schreiben?" u. er antwortet ihnen: „Schreibt!" u. sie geben
dann einem Schreiber Auftrag u. er schreibt, u. den Zeugen Auftrag, u. sie unter-
zeichnen, so ist der Scheidebrief, auch wenn man ihn geschrieben u. unterzeichnet
u. dem Manne übergeben u. dieser wiederum ihn der Frau überreicht hat. doch un-
gültig: denn er (selbst) hätte dem Schreiber sagen müssen: „Schreibe!" u. den Zeugen:
„Unterzeichnet." — Vgl. auch TGit 2, 8.
Matth5,31 (?13) 305
C. Git 3. 1 : Jeder Seh., der uicht eigens für die bestimmte Frau geschrieben ist,
ist ungültig. Wie ist das gemeint? Wenn zB jemand über die Straße geht u. hört,
wie Schreiber laut vorlesen: ,Der u. der scheidet sich von der u. der aus dem u. dem
Orte", u. er denkt bei sich: „Das ist ja mein Name u. der Name meiner P'rau", so ist
•dieser Seh. (wenn ihn der Mann etwa für sich erwirbt) doch untauglich, um durch ihn
seine Frau zu entlassen c-:"~ (denn er war nicht eigens für diese abgefaßt worden).
Noch mehr: wenn einer einen Seh. schrieb, um seine Frau zu entlassen -z^i-i; dann
aber ward er andrer Meinung (u. hielt den Seh. zurück); darauf traf ihn einer seiner
Mitbürger u. sprach zu ihm: „Mein Name ist wie dein Name u. der Name meiner Frau
wie der deiner Frau" (darum überlaß mir jenen deinen Seh. für meinen Gebrauch): so
ist dieser Seh. doch untauglich, um durch ihn eine Scheidung herbeizuführen (weil er
nicht ausdrücklich für die Frau dieses Mitbürgers geschrieben war). Noch mehr: wenn
einer zwei Frauen mit gleichen Namen hat u. einen Seh. sehrieb, um damit die ältere
Frau zu entlassen -b^jV, so darf er (falls er andren Sinnes geworden ist) damit nicht
die jüngere entlassen (Grund wie vorhin). Noch mehr: sagt einer zu dem Schreiber:
„Schreibe einen Seh.", damit ich eine von ihnen, welche ich gerade will, entlasse "ii^js,
so ist der Seh. untauglich, um durch ihn eine zu entlassen (weil er nicht für eine be-
stimmte Frau abgefaßt war). — SDt 24, 1 § 269: Wenn er „für sie" einen Seh. schreibt
Dt 24, 1. Von hier aus hat man gesagt: Jeder Seh., der nicht eigens für eine bestimmte
Frau geschrieben ist, ist ungültig (dann folgen die Beispiele aus der Mischna). Vgl.
TGit 2, 7 (32-5). '
d. Git 4, 2: In früherer Zeit pflegte man seinen Namen u. ihren Namen (falls sie
an andren Orten mit einem andren als dem am Scheidungsorte üblichen genannt wurden),
ferner den Namen seiner Stadt u. den Namen ihrer Stadt zu ändern (falls die Städte
zwei Namen, etwa einen jüdischen u. einen griechischen, hatten). Da verordnete R. Gam-
liel, der Alte (um 30 — 40 n. Chr., der Lehrer des Apostels Paulus), daß man (in den
Scheidebriefen) schreiben sollte: „Der u. der u. welchen Namen er sonst noch hat, die
u. die u. welchen Namen sie sonst noch hat." Das geschah der allgemeinen Ordnung
halber. — Ferner s. Git 9. 8 S. 30ö u. h', 5 S. 308; auch vgl. TGit 8, 5 (332).
e. Siehe Git 8, 5 S. 308.
/. Git 9, 3: Die Hauptsache im Seh. sind die Worte: „Siehe, du bist jedermann
erlaubt!" R. J'^huda !um 150) sagte: (die Worte:) „Und dies soll für dich meinerseits
sein das Schriftstück der Verstoßung u. der Brief der Entlassung u. das Dokument der
Scheidung, daß du gehn kannst, um dich zum Weibe nehmen zu lassen von jedem
Mann, wie es dir beliebt." ^
g. Git 4, 3 u. T 8, 9 1 338) : Zeugen unterzeichnen den Seh. der allgemeinen Ordnung
wegen. — Zu den zwei Zeugen s. Anm. » Git 9,8; ferner 9,4 S. 310 u. Anm./^T 1,4(323).
h. Git 1, -5: Jedes Dokument, auf dem ein Samaritaner als Zeuge steht, ist ungültig,
ausgenommen Scheidebriefe u. Freilassungsurkunden, die Sklaven betreffen. Einmal
brachte man vor R. Gamliel (wohl IL, um 90) nach K'^phar-fAvthanai einen Seh., dessen
- 1 Um die in der Mischna 7, 3 ff. 9, 1 ff', u. mehr noch in der Tos 6, 6 f. 10; 7. 2-12;
t>. 1 ff. ziemlich breit behandelte Frage nach der Gültigkeit bedingter Seheidebriefe
nicht ganz zu übergehn, hier die kürzeste Ausführung über diesen Funkt nach SDt 24, 1
§269: „Wenn er ihr einen Brief der Scheidung schreibt" Dt 24, 1. Er muß also .scheiden.
Von hier aus kannst du sagen: Wenn einer zu seinem Weibe sagt: Siehe, dies ist dein
Seheidebrief unter der Bedingung, daß du nie mehr das Haus deines Vaters betrittst,
unter der Bedingung, daß du niemals Wein trinkst, so ist das keine Scheidung. (Wenn
er dagegen sagt:) Unter der Bedingung, daß du das Haus deines Vaters nicht innerhalb
der nächsten ;iO Tage betrittst, unter der Bedingung, daß du innerhalb der nächsten
30 Tage keinen Wein trinkst, so gilt das als Scheidung. Wer sein Weib entläßt u. zu
ihr sagt: „Siehe, du bist jedermann erlaubt, nur dem u. dem nicht", so hat R. Elifezer
(um 90) solche Scheidung als gültig anerkannt. — Dann wird berichtet, dalj nach
R. Eligezers Tode vier Älteste, nämlich R. Tarphon, R. Jose der Galiläer, R. El?azar
b. f Azarja u. R. ?Aqiba, solche Scheidung für ungültig erklärt haben.
Strack u. Billerbeck, NT I. 20
306 Matth 5, 31 (51 3. 4)
Zeugen Sainaritaner waren, u. er erklärte ihn für gültig. — TGit 1, 4 (323): R. J^'buda
(um 150) sagte: Auch wenn seine beiden Zeugen Samaritaner sind, ist der Seh. gültig.
(Dann folgt die obige Entscheidung des Rabban Gamliel.)
i. Git9, 8: Ein Seh., den man hebräisch geschrieben hat, während seine Zeugen
griechisch unterzeichnet haben, oder den man griechisch geschrieben hat, während seine
Zeugen hebräisch unterzeichnet haben, oder den der eine Zeuge hebräisch u. der andre
griechisch unterzeichnet hat, oder den der Schreiber u. ein Zeuge unterzeichnet hat —
ist gültig. Steht darunter: «Der u. der, als Zeuge" (also der einfache Name); oder:
„Der Sohn des u. des, als Zeuge"; oder: „Der u. der, Sohn des u. des" ohne den Zu-
satz: „als Zeuge", so ist der Seh. gültig. So verfuhren die, die reines Sinnes waren
in Jerusalem. Hat man seinen (des Ehemannes) Beinamen u. ihren (der Ehefrau) Bei-
namen hineingeschrieben, so ist der Seh. gültig.
4. Aushändigung des Scheidebriefes an die Frau.
Die Übergabe des Seh. an die Frau konnte erfolgen erstens durch
den Mann selbst, indem er ihn in die Hand der Frau legte mit den
Worten: „Hier hast du deinen Seh." T(S!a ■'n, oder indem er ihn ihr
mit denselben Worten zuwarf an eine Stelle hin, über die der Frau
freies Verfügungsrecht zustand, a — Zweitens konnte die Aushändigung
durch einen Beauftragten des Mannes geschehen ;b dabei war der
Bevollmächtigte streng an die Anweisungen des Auftraggebers ge-
bunden, c Der, der einen Seh. aus dem Auslande überbrachte, mußte bei
der Übergabe erklären, daß der Seh. in seiner Gegenwart geschrieben
u. von den Zeugen unterzeichnet sei.d Da bei einer etwaigen An-
fechtung des Dokuments seitens des zurückgekehrten Ehemannes die
unterschriebenen Zeugen nicht alsbald zur Stelle waren, vertrat der
Überbringer mit jener seiner Erklärung gewissermaßen das Zeugnis
der unterzeichneten Personen. — Drittens war die Frau berechtigt,
den Seh. durch einen Beauftragten sei es vom Manne abholen, sei es
vom Überbringer entgegennehmen zu lassen. Doch konnte der Mann
die unmittelbare Aushändigung an die Frau fordern, e — Betreffs des
Seh. für eine Minderjährige galten besondere Bestimmungen.*
a. Git 8, 1: Wenn jemand den Seh. seiner Frau zuwirft, während sie sich in ihrem
Hause oder auf ihrem Hofe befindet, so ist sie geschieden. Warf er ihn ihr zu in seinem
Hause oder auf seinem Hof, selbst wenn der Seh. bei ihr im Bett lag, so war sie
nicht geschieden. Warf er ihn in ihren Schoß oder in ihren Korb (auch wenn es in
seinem Hause geschah), so ist sie geschieden. || Git 8, 2: Hat er zu ihr gesagt: „Nimm
diesen Schuldbrief an dich", oder findet sie ihn (den Scheidebrief) auf seinem Rücken
(angeheftet oder dergleichen), u. sie liest ihn u. siehe, es ist ihr Scheidebrief, so gilt
er nicht als solcher, bis er zu ihr sagt: „Hier hast du deinen Seheidebrief!" Gab er
ihn in ihre Hand, während sie schlief, u. nach dem Erwachen liest sie ihn, u. siehe,
es ist ihr Seh., so gilt er nicht als solcher, bis er zu ihr sagt: „Hier hast du deinen
Scheidebrief!" Hatte sie in einem öffeutlichen Gebiet (das weder ihrem Mann, noch
ihr gehörte, zB auf einer Straße) gestanden, u. er warf ihn ihr zu, so ist sie, wenn,
er näher zu ihr (als zu ihm) niederfiel, geschieden; wenn er aber näher zu ihm nieder-
fiel, so ist sie nicht geschieden; fiel er in der Mitte zwischen ihnen nieder, so ist sie
geschieden u. nicht geschieden. || Git 8, 3: Hatte sie oben auf dem Dach (eines ihr ge-
hörenden Hauses) gestanden, u. er ^^rf ihn ihr zu (während er auf einem ihm ge-
hörenden Hof stand), so ist sie, sobald der Seh. den freien Daehraum (wörtlich: den
Luftraum des Daches) erreicht hat, geschieden. Stand er oben (auf dem Dach eines
Matth 5,31 (314) 307
ihm gehörenden Hauses) u. sie unten (in einem ihr gehörenden Hofraum), u. er wirft,
ihn ihr zu, so ist sie, sobald der Seh. aus dem Bereich des Daches gekommen ist,
geschieden, mag dabei der Seh. verlöscht oder verbrannt sein (falls in der Zeit gerade
eine Feuersbrunst auf dem Gehöft wütete). — Parallelstelle mit zum Teil andren Bei-
spielen TGitS, 1-2. II SDt24, 1 §-269: ,Und ihr in die Hand gibt" Dt 24, 1; daraus
entnehme ich nur ^in ihre Hand". Woher, daß darin auch eingeschlossen ist ihr Dach,
ihr Hof, ein ihr gehörender eingezäunter oder offener Platz? Die Schrift sagt lehrend:
,Und gibt", ganz allgemein. Warum wird dann aber in diesem Falle gesagt: ,In ihre
Hand"? Allein es ist so gemeint: wie die Hand bestimmt ist, zu ihrer freien Ver-
fügung zu stehn, so ist damit alles gemeint, was zu ihrer freien Bestimmung steht. —
„Wenn er den Seh. in ihre Hand legt u. sie aus seinem Hause entläßt" Dt 24, 1 :
d. h. bis er zu ihr sagt: „Dies ist dein Seh.!" Von hier aus hat man gesagt: Wenn
einer den Seh. seiner Frau zuwirft u. sagt: Nimm den Schuldbrief an dich, oder wenn
sie ihn findet, u. siehe, es ist ihr Scheidebrief, so gilt er als solcher nicht, bis er zu
ihr sagt: „Hier hast du deinen Scheidebrief!"
b. Git2, 5 Ende: Alle sind geeignet, den Seh. zu überbringen (an die Frau), aus-
genommen ein Taubstummer, ein Blödsinniger, ein Minderjähriger (der noch nicht
18 Jahre u. 1 Tag alt ist), ein Blinder u. ein Nichtisraelit. | Git 2, 7: Auch die Frauen,
■die nicht beglaubigt sind, (einer Frau) zu bezeugen, daß ihr Mann gestorben sei, sind
beglaubigt, ihr ihren Seh. zu überbringen, nämlich ihre Schwiegermutter u. deren Tochter,
ihre Nebenfrau, ihre Schwägerin ^d. h. die Frau des Bruders ihres Mannes) u. die Tochter
ihres Mannes (nämlich von einer andren Frau). — Parallebtelle TGit 2, 5 f. (325).
C. Git6, 3: Wenn einer (zu seinem Beauftragten) sagt: Gib diesen Seh. meiner
Frau an dem u. dem Ort, u. er gibt ihn ihr an einem andren Ort, so gilt der Seh.
nicht. Sagte er zu ihm: Siehe, sie ist an dem u. dem Ort, u. er gibt ihn ihr an einem
andren Ort, so ist der Seh. gültig (im letzteren Auftrag ist der Übergabeort nicht aus-
drücklich namhaft gemacht). || Git 3, 5: Wenn jemand im Lande Israel einen Seh. über-
bringt u. unterwegs erkrankt, siehe, so kann er ihn durch einen andren übersenden.
Wenn ihm aber der Ehemann gesagt hatte: „Bringe mir von ihr das u. das Wert-
stück mit", so darf er nicht durch einen andren übersenden, weil es nicht des Ehe-
mannes Wunsch war, daß das Anvertraute in die Hand eines andren, käme.
d. Git 1,1: Wenn jemand aus dem Auslande (wörtlich: aus einem Lande am
Meer) einen Seh. überbringt, so muß er die Erklärung (bei der Aushändigung) abgeben:
„Vor mir ist er geschrieben u. vor mir ist er unterzeichnet worden." K. Gamliel
(II. um 90) sagte: Auch wenn er ihn aus Reqem u. Cheger bringt; R. Elifezer (um 90)
sagte: Auch wenn er ihn aus den Dörfern bei Lud (Lydda) nach Lud bringt. Die Ge-
lehrten aber sagten: Er muß die Erklärung: „Vor mir ist er gesehrieben u. vor mir
ist er unterzeichnet worden" nur dann abgeben, wenn er ihn aus dem Auslande bringt
oder dorthin trägt. I! Git l, 3: Wenn einer einen Seh. aus dem Ausland bringt u. nicht
die Erklärung abgeben kann: „Vor mir ist er geschrieben u. vor mir ist er unter-
zeichnet worden", so behält der Seh. doch, wenn Zeugen darauf stehen, durch die Unter-
zeichneten seine Gültigkeit. || Git 3, 6: Wenn einer einen Seh. aus dem Auslande über-
bringt u. unterwegs erkrankt, so ernennt das Gericht (des Ortes) einen Bevollmäch-
tigten u. sendet ihn ab. Er ider Erkrankte) gibt vor ihnen (dem Gericht) die Erklärung
ab: „Vor mir ist er geschrieben u. vor mir ist er unterzeichnet worden"; der spätere
Bevollmächtigte aber brauchte die Erklärung nicht abzugeben: „Vor mir ist er ge-
schrieben u. vor mir ist er unterzeichnet worden", vielmehr sagte er (bei der Aus-
händigung des Scheidebriefes): „Ich bin ein Bevollmächtigter des Gerichts,"
e. Siehe Git H, 1 S. 308 u. die Zitate Anm. f.
f. Git 6, 2: Ein verlobtes Mädchen {^••^yz im Alter von 12 — I2V2 Jahren) kann selbst
oder auch ihr Vater ihren Seh. in Empfang nehmen (die Verlobte gilt in Sachen des
Seh. als Ehefrau). R. J-^huda (um \-A)) sagte: Zwei Hände können nicht zu gleicher.
Zeit erwerben; vielmehr nimmt ihr Vater allein ihren Seh. in Empfang; u. jede, die
ihren Seh. nicht zu bewahren imstande ist (die Auslegung ist streitig), kann nicht ge-
20*
308 Matth 5, 31 (?l 4— 6)
schieden werden, i' Git 6, 3: Wenu eine Minderjährige (die noch nicht 12 Jahre u. 1 Tag
alt ist) sagt: Nimm den Seh. für mich in Empfang! so gilt der Seh. nicht als solcher,
bis er in ihre Hand gelangt ist. Wenn deshalb der Ehemann den Seh. zurücknehmen
will, so kann er es (bis er in ilu-e Hand gekommen isti; denn eine Minderjährige kann
keinen Bevollmächtigten (der den Seh. für sie annimmt) ernennen. Aber wenn ihr Vater
zu jemandem gesagt hat: Geh u. nimm für meine Tochter ihren Seh. in Empfang, so
kann der Ehemann den Seh. nicht mehr nach Belieben zurücknehmen (sobald er in
die Hand des Abgesandten gelangt ist).
5. Die Zurücknahme eines Scheidebriefes seitens des Mannes.
Jeder Seh. kann vom Manne zurückgenommen werden, solange er
noch nicht in die Hand der Frau oder ihres Bevollmächtigten gelangt
ist: ist dies geschehen, so ist die Ehe geschieden u. kann nicht mehr
durch bloße Zurücknahme des Seh. wiederhergestellt werden.
Git 1,0: Wenn einer sagt: ,Gebt diesen Seh. meiner Fi'au u. diese Freilassungs-
urkunde meinem Sklaven", so kann er in beiden Fällen, wenn er will, die Sache rück-
gängig machen (vorausgesetzt, daß die Schriftstücke noch nicht in den Besitz der
Empfänger gelangt sind); das sind Worte des R Me'ir (um löO). Die Gelehrten aber
sagten: Bei Scheidebriefen (trifft das zu), aber nicht bei Freilassungsurkunden. || Git 4, 1:
Wenn einer seiner Frau den Seh. sendet, u. darauf trifft er den Boten oder sendet
ihm einen andren Boten nach u. sagt zu ihm (dem ersten Boten): „Der Seh., den
ich dir übergeben habe, ist ungültig", so ist er ungültig. — Kam er (der Ehemann)
früher bei seiner Frau an (als der Überbringer des Seh.) oder sandte er einen Boten an
sie (der gleichfalls früher ankam als der Üb. des Seh.) u. sagt zu ihr: „Der Seh., den ich
dir gesandt habe, ist ungültig", so ist er ungültig. Wenn er aber bei ihr erst ankommt,
nachdem der Seh. in ihre Hand gelangt war, so kann er ihn nicht mehr für ungültig
erklären. || Git 4, 2: In früherer Zeit pflegte man (in solchem Fall) an einem andren
Ort einen Gerichtshof zusammentreten zu lassen u. vor diesem den Seh. für nichtig
zu erklären. R. Gamliel, der Alte (um 30 — 40 n. Chr.) aber verordnete, daß man nicht
also tun solle, der allgemeinen Ordnung halber. (Da die Frau vielleicht um die An-
nullierung nicht wußte, war nicht ausgeschlossen," daß sie nach Empfang des Seh.
sofort eine neue Ehe geschlossen hatte.) Vgl. TGit 4, 1. Il Git 6, 1: Wenn einer sagt:
,Nimm diesen Seh. für meine Frau in Empfang" oder: „Bring diesen Seh. meiner
Frau", so kann er ihn, wenn er will, wieder zurücknehmen (denn es handelt sich hier
um Beauftragte des Mannes). Wenn aber die Frau sagt: Nimm mehien Seh. für mich
in Empfang (u. er ist in die Hand ihres Beauftragten gelangt l, so kann ihn der Ehe-
mann nicht mehr, wenn er will, zurücknehmen (denn der Beauftragte ist wie sein
Auftraggeber). Wenn deshalb der Ehemann zu dem Beauftragten der Frau sagt: „Ich
will nicht, daß du ihn für sie in Empfang nimmst, sondern bringe ihn hin u. gib ihn
ihr", so kann er ihn, wenn er will, wieder zurücknehmen. (Der Mann annulliert in
diesem Fall den Auftrag der Frau u. gibt seinerseits dem Boten der Frau einen Auf-
trag, so daß der Bote jetzt als des Mannes Beauftragter erscheint.) R. Schim?on
b. Gamliel (IL, um 140) sagte: Auch wenn sie gesagt hat: „Hole mir meinen Seh.",
so kann er ihn nicht mehr, wenn er will, zurücknehmen.
6. Unrichtig ausgestellte Scheidebriefe u. deren nachteilige Folgen.
Git 8, 5: Hat man den Seh. nach einer fremden (ausländischen) Herrschaft datiert
oder nach der ntedischen u. der griechischen Herrschaft oder nach dem Bau u. der
Zerstörung des Tempels (alles Ären, die nicht mehr üblich waren); war man im Osten
u. man schrieb „im Westen" oder umgekehrt: so muß sie (eine Frau, die auf einen
solchen Seh. hin sich anderweitig verheiratet hatte) von beiden Männern geschieden
werden, sie bedarf von beiden eines Scheidebriefes; es steht ihr keine Hocbzeits-
verschreibung zu (d. i. die Summe Geldes, die ihr vor Eingehung der Ehe vom Manne
ür den Fall der Scheidung u. seines früheren Ablebens zugesagt war), keine Nutz-
Matth 5, 31 (»l 6) 309
nießung (von den in die Ehe eingebrachten Gütern), keine Unterhaltung (Beköstigung),
auch nicht die abgetragene Kleidung, sei es bei dem einen oder bei dem andren Mann.
Wenn sie dergleichen von dem einen oder andren empfangen hat, muß sie es zurück-
geben u. ein (etwaiges) Kind sowohl vom ersten als auch vom zweiten Mann gilt als
Bastard (illegitim; die Worte setzen voraus, daß der erste Mann, wenn er will, die
Frau wieder zur Ehe nehmen darf; vgl. Raschi zu GitT9'^'); weder dieser noch jener
darf sich an ihrer Leiche verunreinigen (falls sie Priester sind); keiner von ihnen er-
wirbt das, was sie findet (wie es sonst bei Eheleuten der Fall ist) oder was sie er-
arbeitet; auch steht ihnen nicht das Recht zu, ihre Gelübde für nichtig zu erklären.
War sie eine einfache Israelitin (Gegensatz: Leviten- oder Priestertochter), so wird sie
ungeeignet für die Priesterschaft (d. h. zur Ehe mit einem Priester); war sie eine
Levitentochter, so wird sie ungeeignet zum Essen von Zehntftüchten; wenn eine Priester-
tochter, zum Essen von Hebe. Weder die Erben des einen Mannes noch die des andren
erben ihre Hochzeitsverschreibung, u. wenn sie idie beiden Männer) sterben, haben die
Brüder des einen wie die Brüder des andren (falls die Männer kinderlos starben) die
Zeremonie des Schuhausziehens mit ihr auszuführen, dürfen sie aber nicht zur Levirats-
ehe nehm.en. — Wenn er im Seh. seinen oder ihren Namen, den Namen seiner Stadt
oder ihrer Stadt verändert angegeben hat, muß die Frau (falls sie sich auf diesen Seh.
hin wiederverheiratet hat) von beiden Männern getrennt werden, u. alle diese (vorhin
angegebenen) Bestimmungen greifen auch bei ihr Platz. \\ Git 8, 8: Wenn ein Schreiber
einem Mann einen Seh. u. der Frau die Quittung (über ausgezahlte Hochzeitsverschrei-
bung) schrieb u. dann irrte u. den Seh. an die Frau u. die Quittung an den Mann gab,
u. diese händigten sie einander aus (in dem (jtlauben, daß der Mann der Frau den Seh.
u. daß die Frau dem Mann die Quittuiig übergeben habe), a. nach einiger Zeit, siehe,
da kommt der Seh. im Besitz des Mannes u. die Quittung im Besitz der Frau zum
Vorschein, so muß die Frau (_falls sie auf ihren vermeintlichen Seh. hin sich ander-
weitig verheiratet hatte) sich von beiden trennen, u, alle jene (oben angegebenen) Be-
stimmungen greifen bei ihr Platz. R. Elifezer (um 90) sagte: Wenn der Seh. alsbald
in des Mannes Besitz zum Vorschein kommt, so gilt er nicht als solcher, wenn er aber
nach einiger Zeit (nachdem die Frau sich wiederverheiratet hatte) zum Vorschein kommt,
so ist er gültig. Es hängt nicht alles vom ersten Mann ab, um das Recht des zweiten
zu vernichten, ti Git ><, 9 f.: Wenn einer auf Grund eines kahlen Scheidebriefes (s. gleich)
eine Frau heimgeführt hat, so muß sie sich von beiden trennen, u. alle jene (oben
angeführten) Bestimmungen greifen bei ihr Platz. — Einen kahlen Seh. dürfen alle ver-
vollständigen, das smd Worte des Ben Nanos (wohl Zeitgenosse des R. f Aqiba). R.-f Aqiba
(t um 185) sagte: Es dürfen ihn nur Verwandte vervollständigen, die geeignet sind,
bei einer andren Gelegenheit Zeugnis abzulegen. Wi^s ist ein kahler Sch.V Der mehr
zusammengeknüpfte Stellen als Zeugenunterschriften enthält. Die Parallelstelle TGit 8, 9
(338) lautet: Wenn auf einem glatten Seh. (u-iu: -j;, d. i. ein Seh., der nicht zusammen-
gefaltet ist) nur Ein Zeuge steht u. auf einem zus. geknüpften (^•«•ip's t:;, d. i. ein zus.-
gefalteter u. zugenähter Scheidebrief — r;':;:. t:;, kahler Seh.) nur zwei Zeugen stehen,
so muß die Frau (die sich daraufhin anderweit verheiratet hat, von beiden Männern)
sich trennen, u. die 13 Bestimmungen (die oben in Git S, 5 aufgezählt sind) greifen bei
ihr Platz. So R. Meir (um 150). Die Gelehrten sagten: Die Zeugen unterzeichnen sich
auf dem Sth. nur der allgemeinen Ordnung wegen. ^ Ein kahler Seh. ist ein solcher,
der 7 Falten (Nähte, Knoten) u. 6 Zeugenuntersehriften, oder (i Falten u. 5 Zeugen-
unterschriften, oder 5 Falten u. 4 Zeugenunterschriften, oder 4 Falten u. 3 Zeugenunter-
^ Hiernach ist die von R. Me'ir herrührende u. auch teilweise in die Mischna 8, 9
übergegangene Bestimmung betreifs der nicht genügenden Anzahl von Zeugenunter-
schriften nicht allgemein anerkannt worden. Demgemäß heißt es TGit 9, 7 (384): Wenn
auf einem Seh. keine Zeugen stehen, aber er wurde der Frau vor Zeugen übergeben,
so führt sie, wie man im Namen des R. Eleazar (b. Schammuaf, um 150) gesagt hat,
die Zeugen vor den Gerichtshof, ohne daß sie nötig hat, den Seh. beizubringen, u. dann
darf sie (ihre Hochzeitsverschreibung) von verpfändeten Gütern eintreiben.
310 Matth 5, 31 (21 6. 7)
Schriften, oder 3 Falten u. 2 Zeugenunterschriften hat; hat er weniger, so dürfen nur
die Verwandten, die geeignet sind, Zeugnis abzulegen, die Zeugenunterschriften auf ihm
vervollständigen. (Über die Verwandten, die kein Zeugnis für oder gegen einen aus
ihrer Mitte ablegen durften, s. Sanh 3, 3 — 5 bei Mt 5, 21 S. 2''7 f.) — In der sog. Jostschen
Mischnaausgabe wird zu Git8, 10 über den „kahlen Scheidebrief " bemerkt: „Es ist ein
absichtlich zur Verzögerung der Scheidung u. Erleichterung einer Aussöhnung langsam
verfertigter Seh., der nach je zwei Zeilen zugefaltet u. geheftet wird, so daß eine Menge
Falten entstehen, auf deren jeder mindestens Ein Zeuge seinen Namen setzen muß [u.
zwar auf der Außenseite], wenn er gültig sein soll." Ij Git9, 4: Drei Scheidebriefe sind
ungültig; wenn sie sich aber daraufhin verheiratet hat, so gilt das Kind (aus der neuen
Ehe) als legitim: wenn ihn nämlich der Mann eigenhändig geschrieben hat, aber es
sind keine Zeugen darauf unterzeichnet; ferner wenn auf ihm zwar Zeugen unterzeichnet
sind, aber es steht darauf keine Zeitangabe; endlich wenn auf ihm sich zwar eine
Zeitangabe findet, aber es steht darauf nur Ein Zeuge. Siehe, diese drei Scheidebriefe
sind ungültig; aber wenn sie sich daraufbin verheiratet hat, so ist das Kind legitim.
R. Elifezer (um 90) sagte: Auch wenn keine Zeugen darauf stehen, der Mann ihn ihr
aber vor Zeugen gegeben hat, so ist er gültig, u. sie kann von verpfändeten Gütern
(ihre Hochzeitsverschreibung) eintreiben; denn die Zeugen unterzeichnen auf dem Seh.
nur der allgemeinen Ordnung wegen. Vgl. die Parallele aus TGit J), 7 in der Fußnote
auf S. 309; vielleicht ist auch dort R. Eli?ezer statt R. Ehazar zu lesen. Da R. Elifezer
meist die ältere Halakha vertritt, scheint die frühere Zeit weniger streng über Form-
fehler in Scheidebriefen geurteilt zu haben.
7. Über die Rückkehr einer geschiedenen Frau zu ihrem Mann
finden sich in der Mischna folgende Angaben.
Git4, 7: Wenn jemand seine Frau wegen übler Nachrede entläßt s-:;-:;-, darf er
sie nicht wiedernehmen; wenn wegen eines Gelübdes, so darf er sie nicht wieder-
nehmen. R. J^'huda (um 150) sagte: Wenn um das Gelübde viele wissen [d. h. nach
Rab Nachman (f 320) 3 Personen, nach R. Ji^chaq (um 300) 10 Personen Git46^], so
darf er sie nicht wiedernehmen; wenn aber darum nicht viele wissen, so darf er sie
wiedernehmen. R. Me'ir (um löO) sagte: Wenn ein Gelübde der Nachforschung seitens
eines Gelehrten bedarf (um gelöst zu werden), so darf er sie nicht wiedernehmen;
wenn es aber der Nachforschung seitens eines Gelehrten nicht bedarf, so darf er sie
wiedernehmen. R. Elifezer (um 90) sagte: Man hat den ersten Fall nur um des zweiten
willen. verboten. R. Jose b. J'^huda (um 180) hat gesagt: Einmal hatte in ^idon jemand
zu seiner Frau gesagt: Qonam! (Verstümmelung aus '-T-: das u. das soll mir einem
Opfer gleich, also verboten sein; eine Gelöbnisformel) wenn ich dich nicht entlasse
•Tttj-;.-:! u. er entließ sie. Aber die Gelehrten erlaubten ihm, daß er sie wiedernehmen
dürfe um der allgemeinen Ordnung willen. (Im letztei-en Fall handelt es sich um das
Gelübde eines Mannes, in den früheren Sätzen um die Gelübde einer Frau.) || Git4,8:
Wenn einer seine Frau wegen ihrer Unfruchtbarkeit' entläßt, darf er sie nach R. J'^huda
(um 150) nicht wiedernehmen. Die Gelehrten sagten: Er darf sie wiedernehmen. Wenn
sie (eine Unfruchtbare) sich an einen andren verheiratet hatte u. von diesem Kinder
bekam u. dann (von ihrem ersten Mann) ihre Hochzeitsverschreibung einfordert (die
ihr als einer Unfruchtbaren verweigert ward): so kann dieser nach R. J'^huda ihr
sagen: Dein Schweigen wäre für dich besser als dein Reden! (Da der Scheidungs-
grund hinfällig geworden, ist der Seh. ungültig; sie müßte von beiden Männern sich
trennen 'u. ihre Kinder müfäten als Bastarde gelten usw., s. Git 8, 5 S. 308.) — Die
Parallelstelle in TGit 3, 3 lautet: Welches ist ein Gelübde, das keiner Nachforschung
seitens eines Gelehrten bedarf? Wenn einer sagt: Qonam, wenn meine Frau von mir
noch einen Nutzen (Genuß i hat; denn sie hat meine Geldbörse gestohlen u. hat meinen
Sohn geschlagen! während er doch wußte, daß sie ihn nicht geschlagen u. daß sie
» Hierzu s. J^b 6, 6 S.317.
Matth 5, 31 (51 7. 8) 311
ihn nicht hestohlen hatte. R. Elifezer sagte: In diesem Fall darf er sie nicht wieder-
nehmen um der allgemeinen Ordnung willen. In welchem Fall gilt die Bestimmung?
Wenn einer gelobt u. hinterher entläßt er sie. . . . Weshalb hat man gesagt: Wer
seine Frau wegen übler Nachrede entläßt, darf sie nicht wiedernehmen? Wenn einer
seine Frau wegen übler Nachrede entläßt, u. sie verheiratet sich mit einem andren u.
gebiert, u. hinterher wird die Nachrede als erlogen erfunden, so kann der erste Mann
sagen: „Wenn ich gewußt hätte, daß die Worte erlogen waren, so hätte ich, auch
wenn mir jemand 100 Minen für meine Frau gegeben hätte, sie nicht entlassen"! So
würde das Kind (von. dem andren Mann) als Bastard (illegitim) u. der Scheidebrief
als ungültig erfunden werden. (Deshalb ist bestimmt worden, daß in diesem Fall die
Rückkehr der geschiedenen Frau zu ihrem Mann unzulässig sei. damit dieser seine
Tat rechtzeitig bedenke.) Warum hat man gesagt: Wer seine Frau eines Gelübdes
wegen entläßt, darf sie nicht wiedernehmen? Wenn jemand seine Frau eines Gelübdes
wegen entläßt, u. sie verheiratet sich mit einem andren u. gebiert u. hinterher wird
das Gelübde als ungültig erfunden, so könnte er (der erste Mann) sagen: „Wenn ich
gewußt hätte, daß das Gelübde ungültig ist, so hätte ich, auch wenn mir jemand
100 Minen für meine Frau gegeben hätte, sie nicht entlassen"! So würde der Seh. als
ungültig u. das Kind als Bastard erfunden werden. R. Elfazar b. Jose (um 180) sagte:
Weshalb hat man gesagt: Wer seine Frau wegen übler Nachrede entläßt, darf sie
nicht wiedernehmen? Damit die Töchter Israels nicht zur Unzucht entarten. Deshalb
sagt man ihr: Wisse, daß man eine, die wegen übler Nachrede entlassen wird, nicht
wiedernehmen darf. Desgleichen hat R. EI?azar b. Jose gesagt: Weshalb hat man ge-
sagt: Wer eine Frau wegen eines Gelübdes entläßt, darf sie nicht wiedernehmen?
Damit die Töchter Israels nicht mit ihren Gelübden entarten. Deshalb sagt man ihr:
Wisse, daß man eine, die wegen eines Gelübdes entlassen wird, nicht wiedernehmen
darf. — Wenn einer seine Frau wegen ihrer Unfruchtbarkeit entläßt, u. sie verheiratet
sich mit einem andren u. gebiert, u. hinterher fordert sie ihre Hochzeitsverschreibung
ein von dem ersten Mann, so sagt man zu ihr, wie man im Namen des R. Meir
(um 150) gesagt hat: Dein Schweigen wäre besser als dein Redeji. R. Eljazar
b. Schimgon (um 180) sagte: Wenn jemand seine Frau wegen ihrer Unfruchtbarkeit
entläßt, so gibt man ihr ihre Hochzeitsverschreibung in der Annahme, daß sie tauglich
(empfängnisfähig) ist.
Über die Rückkehr einer geschiedenen Minderjährigen zu ihrem
Manne s. bei Mk 10, 12.
8. Wortlaut eines Seh., der den Formeln der altern Halakha meist
entspricht; er stammt aus dem Talmudkompendium des Alfasi (= Isaak
b. Jakob aus Fes, um 1013—1103; abgedruckt bei Lightfoot 2, 291).
Scheidebrief. An dem u. dem Wochentage, an dem u. dem Tage des u. des Monats,
in dem u. dem Jahre seit Erschaffung der Welt nach der Zählung, nach der wir zu
zählen pflegen, an dem u. dem Ort habe ich, der u. der, Sohn des u. des, u. welchen
Namen ich sonst haben mag, aus dem u. dem Ort, aus eigenem Entschluß u. freiem
Willen u. ohne jeden Zwang dich verabschiedet, entlassen u. verstoßen, dich so u. so,
Tochter des u. des, u. welchen Namen du sonst noch haben magst, aus dem u. dem
Ort, die du vordem mein Weib gewesen bist. Und jetzt verstoße ich dich, dich so u.
so, Tochter des u. des, u. welchen Namen du sonst haben magst, aus dem u. dem Ort,
so daß du frei u. dein selbst mächtig bist, zu gehn, um dich zu vorheiraten an jeden
beliebigen Mann, u. niemand soll es dir wehren von diesem Tage an bis in Ewigkeit. Siehe,
du bist erlaubt jedermann, u. dies soll dir meinerseits sein das Schriftstück der Verstoßung
u. das Dokument der Scheidung u. der Brief der Entlassung nach dem Gesetz Moses u.
Israels! — R'^uben b. Jafaqob als Zeuge. Ehazar b. Gil?ad als Zeuge.
n:^''51*! xji-'S^a d?i3? rx^irib -pi -p ns^ra "^jiss n-i-ib lai -j^n nrrz -p^
312 Matth 5, 31 (31 8. SB). 5, 32 (21)
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.nr -irb; •- -iT^bx :-^v npr^i ',a pix-i
S8 Nichtisraeliten haben keine Scheidung.
pQid 1, öS*^, 16: Haben die Nichtisraeliten eine Scheidung? R. Judan b. Pazzi
(um 32U) u. Chanin (um 300) haben im Namen des R. Huna, des Älteren, aus Sepphoris
(gegen 300) gesagt: Entweder haben sie keine Scheidungen, oder beide scheiden
sich gegenseitig voneinander. R. Jochanan von Sepphoris ^ (um 300) . . . hat im Namen
des R. Sch^muel b. Nachman gesagt: „Denn ich hasse Scheidung, spricht Jahve, der
Gott Israels' Mal 2, 16. In Israel habe ich Scheidung gegeben, aber nicht habe ich
Scheidung unter den Völkern der Welt gegeben. R. Chananja (um 370) hat im Namen
des R. Pin*^chas (b. Chama, um 360) gesagt: Im ganzen Abschnitt Mal 2 steht , Jahve
(y'baoth" geschrieben, u. hier 2, lij steht geschrieben „der Go.tt Israels", um dich zu
lehren, daß Gott seinen Namen mit der Ehescheidung nur in Israel vereinigt hat.
(Jahve (^''baoth bezeichnet Gott als den Gott der ganzen Welt; wo aber von der
Scheidung die Rede ist, steht „der Gott Israels" zum Zeichen, daß Gott die Ehe-
scheidung nur bei den Israeliten sanktioniert hat.) Ein Ausspruch des R. Chijja, des
Älteren (um 200), lautet: Nichtisraeliten haben keine Scheidung. Denn R. Chijja hat
gelehrt: Wenn ein Nichtisraelit seine Frau verstößt, u. sie geht hin u. verheiratet
sich an einen andren u. dieser verstößt sie u. hinterher werden beide (der erste Mann
u. die Frau) Proselyten, so kann ich nicht (I. -:-s statt -:s) auf sie Dt 24, 4 anwenden:
„Nicht kann ihr erster Ehemann, der sie entließ, sie wiederum nehmen" (vielmehr
darf er sie wiedernehmen, da sie nicht als Geschiedene in Betracht kommt; denn als
er sie entließ, waren beide Nichtisraeliten, u. diese haben keine Scheidung). — Die
Parallelstelle GnR 18 (12'=) s. bei Mk 10, 12, B.
5,32 Sl: Jeder, der sein Weib entläßt, ausgenommen auf Grund
von Hurerei, der macht, daß sie Ehebrecherin geworden ist.
Jesus erkennt nur die TtoQveia als Ehescheidungsgrund an, weil
durch sie die Ehegemeinschaft tatsächlich aufgehoben ist. Die alte
Synagoge kennt eine ganze Reihe von Scheidungsgründen; dabei ver-
tritt die Schule Schammais den strengeren Standpunkt, während die
Schule Hülels zum Teil lax bis zur Frivolität urteilt. Die alttest. Grund-
stelle ist Dt 24, 1: „Wenn ein Mann ein Weib heiratet u. die Ehe mit
ihr vollzieht, u. wenn sie dann keine Gnade in seinen Augen findet,
weil er an ihr etwas Schandbares n^'n r^-,- gefunden, u. er ihr einen
Scheidebrief schreibt" usw. Der Ausdruck im m-iy, wörtlich: „eine
Schande von Sache", d. h. eine schändhche Sache, ist völlig unbestimmt
u. kann sowohl etwas moralisch Schandbares, als auch etwas physisch
Widerwärtiges bezeichnen.
' R. Jochanan von Sepphoris ist identisch mit R. Chanin (Chanan) von Sepphoris; die
im Text folgenden Worte: R. Acha R. Chin^'na sind sinnlos, s. Bacher, pal. Amor. % 524.
Matth 5, 32 (?l 1) 313
1. Auslegung der Grundstelle Dt24, 1.
Git 9, 10: Die Schule Schammais hat gesagt: Der Mann soll seine Frau nur ver-
stoßen '^'i', wenn er an ihr eine Sache von Schandbarem ni-v -:r (d. h. etwas
Schandbares) gefunden hat; denn es heißt Dt 24, 1: ,Weil er an ihr eine Schande
von Sache gefunden hat." Dagegen sagte die Schule Hilleis: Auch wenn sie seine
Speise hat anbrennen lassen;^ denn es heißt: Weil er an ihr Schandbares von irgend
etwas gefunden hat. (Die Schule Schammais faßt also ^a- n^y eng = eine schand-
bare Sache, d. h. Unzuclitssünde, die Schule Hilleis weit — irgend etwas Schänd-
liches, also nicht bloß Unzuchtssünden.) R. f Aqiba (f um lo5) sagte: Auch wenn er
eine andre findet, die schöner ist als sie; denn es heißt Dt 24, 1: ,ünd wenn sie
keine Gnade -,- in seinen Augen findet." (fAqiba faßt in im Sinne von Anmut, Schön-
heit.) !l SDt 24, 1 §269: „Wenn sie keine Gnade in seinen Augen findet" Dt 24, 1.
Die Schule Schammais sagte: Der Mann soll seine Frau nur verstoßen, wenn er an
ihr eine schandbare Sache "^zn ri^v gefunden hat; denn es heißt Dt 24, 1 : Weil
er an ihr eine schandbare Sache gefunden hat. Dagegen sagte die Schule Hilleis:
Auch wenn sie seine Speise hat anbrennen lassen; denn es heißt Dt 24, 1: Weil er
an ihr irgend etwas Schandbares gefunden hat. Die Schule Hillels sagte zur Schule
Schammais: Wenn es heißt „etwas" ^zr, warum wird (noch) gesagt „Schandbares"
m-'i? Und wenn es heißt „Schandbares", warum wird (noch) gesagt „etwas"? Wenn
gesagt wäre „etwas", aber nicht „Schandbares", so würde ich sagen: die, weiche
wegen „irgend etwas" (aus seinem Hause) wegzieht, darf sich (anderweitig) ver-
heiraten, u. die, welche wegen „Schandbares" wegzieht, darf sich nicht (anderweitig)
verheiraten. Und darüber wundere dich nicht: wenn sie (die Frau, die Unzucht ge-
trieben) dem verboten ist, der ihr (bis dahin) erlaubt war (d.h. ihrem Mann), sollte
sie dann nicht dem verboten sein, der ihr (bis dahin) verboten war (d.h. einem andren
Mann)? Da sagt die Schrift lehrend Dt 24, If.: („Weil er an ihr gefunden hat)
Schandbares . . . und sie zieht aus seinem Hause weg (und wird eines andren Mannes
Weib"). Und wenn gesagt wäre „Schandbares", aber nicht „etwas", so würde ich
sagen: Wegen „Schandbares" soll sie (aus seinem Hause) wegziehen, wegen (sonst)
„irgend etwas" soll sie nicht wegziehen. Da sagt die Schrift lehrend „etwas" "o-
(hat er gefunden) u. sie zieht aus seinem Hause weg. R. ? Aqiba sagte: Auch wenn
er eine andre findet, die schöner ist als sie, wie es heißt Dt 24, 1 „Wenn sie keine
Gnade (kein Wohlgefallen) in seinen Augen findet." || Git 90^ Bar: Die Schule Hillels
sagte zur Schule Schammais: Heii'it es nicht bereits Dt 24, 1 „irgend etwas" -zf?
Die Schule Schammais antwortete ihnen: Heißt es nicht bereits (das.) „Schandbares"
p-fi'? Die Schule Hillels sagte zu ihnen: Wenn es (bloß) „Schandbares" hieße u.
nicht „irgend etwas", so würde ich sagen: Wegen „Schandbares" soll sie (aus dem
Hause ihres Mannes) wegziehen, aber wegen (sonst) „irgend etwas" soll sie nicht
wegziehen. Deshalb ist gesagt worden „irgend etwas* -;■;. Und wenn es. (bloß)
„irgend etwas" hieße u. nicht „Schandbares", so würde ich sagen: Wegen „irgend
etwas" darf sie sich an einen andren verheiraten, aber wegen „Schandbares" darf
sie sich nicht an einen andren verheiraten. Deshalb ist gesagt worden „Schandbares"
n'^y. Was fängt nun die Schule Schammais mit diesem ^zr „irgend etwas" an? (Sie
sagt:) Es heißt hier Dt 24, 1 -z-j u. es heißt dort Dt 19, Ib ^z-: „Auf Aussage zweier
* Jüdischerseits (s. J. Fürst bei Wünsche, Der Midrasch Bemidbar Rabba S. 576)
werden die Worte: „Auch wenn sie seine Speise hat anbrennen lassen" bildlich ge-
faßt = „wenn sie ihm Unehre macht". Man verweist auf B'rakh 17b u. Sanh lOoS
wo von einem Sohn oder Schüler die Rede ist, der seine Speise öffentlich anbrennen
läßt. In diesen Stellen ist Speise = Lehre; die Wendung „seine Speise anbrennen
lassen" besagt also soviel wie „die rechte Lehre verderben u. Irrlehren aufbringen".
Daß dem Lehrer eines solchen Schülers dadurch Unehre erwächst, ist natürlich richtig:
aber das liegt nicht in jener Wendung selbst. Darum hat man kein Recht, dem obigen
Ausspruch der Hiileliten den Sinn unterzulegen, „wenn sie ihrem Mann Unehre macht".
Der Ausspruch ist vielmehr in seiner wörtl. Bedeutung zu belassen.
314 Mattli5,32(2ll)
Zeugen oder auf Aussage dreier Zeugen bekommt die , Sache' *ia-: Geltung." Wie es
sich dort Dt 19, 15 um zwei Zeugen handelt, so bandelt es sich auch hier Dt 24, 1
um zwei Zeugen (d. h. nicht um irgendeine beliebige Sache, sondern um Schandbares,
das wie kriminell Strafbares durch die Aussage zweier Zeugen festgestellt werden
muß). Die Schule Hillels sagte: Heißt es denn ^z^z m-'y — Schandbares auf Grund
von Zeugenaussage? Und die Schule Schammais sagte: Heißt es denn (wie man
nach der Auffassung der Worte •^21 r'.^'j seitens der Hilleliten erwarten sollte) -s
~=T IS r-.^-y = entweder Schandbares oder (sonst) irgend etwas? Die Schule Hillels
antwortete: Ebendeshalb steht -2- ri-:.-, das so (= Schandbares) und so (= sonst
irgend etwas) gedeutet werden kann. R. fAqiba sagte: ,Auch wenn er eine andre
findet." Worauf beruht die Meinungsverschiedenheit? Es ist so, wie Resch Laqisch
(um 250) gemeint hat. Denn Resch Laqisch hat gesagt: Das Wort -2 wird in vier-
facher Bedeutung gebraucht: es bedeutet: -s wenn: xt-- vielleicht; sVs aber, sondern;
s-^ weil. Die Schule Schammais meinte nun, die Worte Dt 24, 1 ^zt r-^v ra ss^s -3
bedeuteten: „weil s-^-: (= -:) er etwas Schandbares an ihr gefunden hat", u. R. fAqiba
deutete: „wenn er ferner etwas Schandbares an ihr gefunden hat". |i pGit 9, 50'\ 29:
Wie deuten sie (die Hilleliten) die Worte der Schule Schammais (d. h. die Worte
^:t niy, auf die sich die Schammaiten berufen)? (Diese Worte sind geschrieben,)
damit man nicht sage: Die wegen Schandbares (aus dem Hause des Mannes) Weg-
ziehende ist verboten, die wegen einer andren Sache Wegziehende ist erlaubt (zur ander-
weitigen Verheiratung). R. Schela aus K'^phar T'^marta (um 280) hat gesagt: Gegen
die Meinung der Schule Schammais (daß unter ^a- r'^y nur Schandbares u. nicht
auch noch sonst irgend etwas zu verstehen sei) streitet Dt 24, 4: „Nicht kann ihr
erster Ehemann, der sie entließ, sie wiederum nehmen, daß sie sein Weib werde."
Wie verstehen wir diese Worte? Wenn in dem Sinne, daß sie sie ihm (zur Wieder-
heirat) verbieten, so ist sie ihm ja (als ehebrecherisches Weib) bereits verboten!
Vielmehr verstehen wir sie so, daß ihm damit ein (weiteres) Verbot gegeben wird
(nämlich daß der Mann auch eine aus sonstigen Gründen entlassene Frau nicht wieder-
nehmen kann; das zeigt, daß -3- im Gegensatz gegen die Meinung der Schammaiten
eine selbständige Bedeutung neben r^^y hat, daß mithin ^a- r--i- im Sinne der Hilleliten
zu fassen ist = Schandbares oder sonst irgend etwas). Es heißt Lv 15, 33: „Für die
durch ihre Absonderung Leidende u. für den, welcher an seinem Flusse leidet." Die
früheren Lehrer haben gesagt: Sie soll in ihrer Absonderung sein, sich nicht die
Augen oder den Körper schminken, bis sie ins Wasserbad kommt. Da sagte R. ?Aqiba
zu ihnen: Von daher soll ein Beweis kommen (daß die Menstruierende sich nicht
putzen dai'f)? Wenn du so sägst, so bringt sie sich auch noch selbst in Häßlichkeit
hinein, so daß er (ihr Mann) seine Augen darauf richtet sie zu verstoßen (denn Häß-
lichkeit der Frau gilt nach R. fAqiba als Scheidungsgrund). Die Meinung der früheren
Lehrer entspricht derjenigen der Schule Schammais. (Wie die Schule Seh., so halten
auch die früheren Lehrer nur Schandbares an der Frau für einen Scheidungsgrund;
darum befürchten sie nicht, daß der Mann seine Frau wegen häßlichen Aussehens
entlassen werde, und darum verbieten sie der Menstruierenden sich zu putzen.) Die
Meinung des fAqiba entspricht derjenigen der Schule H. (die sagt, daß der Mann
seine Frau entlassen könne, wenn er außer Schandbarem auch sonst noch etwas ihm
Mißfallendes an ihr findet). — Die Deutung von Lv 15, 3H durch die früheren Lehrer
u. ihre Ablehnung seitens des R. fAqiba auch Siphra zur Stelle (305^) u. Schab 64b.
Die LXX haben die hierher gehörenden Worte von Dt 24, 1 wieder-
gegeben durch: ort tvQ8v sr amrj aaxTjfxov nqaypLa = etwas Unziem-
liches, Schändliches. — Targ Onk zu Dt 24, 1 lautet: Wenn ein Mann ein
Weib nimmt u. wohnt ihr bei, u. wenn sie dann nicht Gunst in seinen
Augen findet, weil er an ihr die Übertretung eines Gebotes osr^s nnn^
findet, so schreibe er ihr einen Scheidebrief usw. — Ebenso Targ Jerusch I.
Matth 5, 32(311.2) 315
Hiernach hat die Schule Seh. in Übereinstimmung mit ungenannten
älteren Lehrern eine Ehescheidung nur dann für zulässig erklärt, wenn
sich die Frau etwas Schandbares hatte zuschulden kommen lassen. Als
.Schriftbeweis diente ihr der Ausdruck -i^t r'i-rj Dt24, 1, der als ein-
heitlicher Begriff gefaßt u. gedeutet wurde „etwas Schandbares". Die
.gleiche Ansicht vertreten die LXX. — Die Schule H. erkennt diesen
Ehescheidungsgrund der Schammaiten an, fügt ihm aber noch einen
izweiten hinzu: Der Mann darf seine Frau durch Scheidebrief entlassen,
•wenn er irgend etwas ihm Mißfälliges an ihr findet. Beweis: der Aus-
druck -131 p--r Dt 24, 1, der gedeutet wird: „Schandbares u. sonst irgend
■etwas." — R. ^Aqiba, der im übrigen auf dem Standpunkt der Hilleliten
steht, hält eine Ehescheidung weiter auch in dem Falle für berechtigt,
daß sich die Neigung eines Mannes einer Frau zuwendet, die ihm besser
rgefällt als seine bisherige Frau. Die biblische Begründung gewinnt er
«dadurch, daß er den Kausalsatz: „weil er an ihr etwas Schandbares
gefunden hat" Dt 24, 1 als Bedingungssatz faßt. So ergibt ihm die Stelle
folgenden Sinn: Wenn sie (erstens) kein Wohlgefallen in seinen Augen
findet, wenn er (zweitens) an ihr Schandbares oder (drittens) irgend
«onst etwas an ihr gefunden hat, so schreibt er ihr einen Scheidebrief
xisw. — Targ Onk u. Jerusch I kennen als einzigen Scheidungsgrund die
Übertretung eines Gebotes durch die Frau: ihnen ist im r.-rr Dt 24, 1
2. Ehescheidungsgründe, die auf selten der Frau' liegen.
ß. Der sowohl von den Schammaiten, als auch von den Hilleliten an-
erkannte Grundsatz, daß eine Frau wegen einer schandbaren Sache zu
verstoßen sei, war so allgemein gehalten, daß es einer näheren Be-
stimmung darüber bedurfte, was als schandbare Sache anzusehen sei.
pGit i\, bO^, 27 Bar: Die Schule Schammais sagte: der Mann soll seine Frau
nur verstoßen, wenn er an ihr Schandbares r---!- > (= Unzucht) gefunden hat. Da
höre ich nur von einer, die allein wegen Unzucht t-.i—j (aus dem Hause ihres Mannes)
■wegzieht. Woher in bezug auf diejenige, die ausgeht mit aufgelöstem Haar u. deren
Kleider an den Seiten aufgerissen u. deren Arme entblöfst sind? Die Schrift sagt
lehrend Dt 2 4, l : „Weil er an ihr irgend etwas Schandbares gefunden hat." — „Schand-
bares" schlechthin bedeutet hiernach Unzucht; in weiterem Sinne verstand man darunter
^lles, was gegen die guten Sitten verstieß. So auch TSota ö, 9 (302): (R. Me'ir, um
150, sagte:) Es gibt manchen, in dessen Schüssel eine Fliege fällt; er nimmt sie,
saugt sie aus u. ißt (dann weiter), was in ihr ist. Das ist ein gottloser Mensch, der
«iaht, wie sein Weib ausgeht mit aufgelöstem Haar, u. wie ihr Herz ausgelassen ist
mit ihren Sklaven u. ihren Nachbarn, u. wie sie auf der Straße spinnt u. mit den
Männern badet. Eine solche (durch Scheidung) zu verstoßen, ist ein Pflichtgebot,
s. Dt 24, 1 : „Wenn ein Mann ein Weib heiratet, . . . u. wenn sie keine Gunst in seinen
Augen findet, weil er etwas Schandbares an ihr gefunden hat, . . . u. sie zieht aus
seinem Hause weg" usw. — Parallelstellen mit Änderungen im einzelnen: pSota 1,
11'', 32; bGit 90^. || Git 89» Bar: Ißt eine Frau auf der Straße, trinkt eine Frau gierig
-auf der Straße, säugt sie (ihr Kind) auf der Straße, so soll sie, wie R. Me'ir (um 150)
von diesen allen gesagt hat, geschieden werden. R. ?Aqiba (f um 135) sagte: Wenn
^ So die Mischna im pT u. Codex Cambridge.
316 Matth 5, 82 (?l 2)
die im Mondschein spinnenden Weiber anheben von ihr zu erzählen. R. Jochanan b.
Nuri (um 110) antwortete ihm: In diesem Fall würdest du wohl uusrem Vater Abraham?
keine Tochter übrig lassen, die bei ihrem Manne bleiben dürfte (denn gesprochen
wird bald von einer Frau), u. die Tora sagt Dt 24, 1: ^Weil er an ihr eine schand-
bare Sache gefunden hat", u. dort. Dt 19, 15, heißt es: , Auf Aussage zweier Zeugen
oder auf Aussage dreier Zeugen bekommt die Sache -a-t Geltung." Wie es sich dort.
Dt 19, 15, um eine klare Sache handelt, so handelt es sich auch hier, Dt 24, 1, um
eine klare Sache (u. nicht um Weiberklatsch); vgl. Git 90''^ S. 313. — Die Mischna.
hat diese Verstöße gegen die guten Sitten, die die Scheidung der Ehe nach sich ziehen,
als Übertretungen des jüdischen Rechts bezeichnet, s. K''th 7, 6 (im nächsten Absatz).
ß, Nach Targ Onk u. Jerusch I zu Dt 24, l (s. S. 3 14) gilt als Scheidungs-
grund die Übertretung eines Gebotes durch eine Frau.
Näheres erfahren wir hierüber aus K^'th 7, 6 : Folgende Frauen sind durch Scheide-
brief zu entlassen, aber ohne Auszahlung der Hochzeitsverschreibung: die, welche-
das Gesetz Moses und das jüdische Recht übertritt. Was ist (in diesem Zus.hang)
mit dem Gesetz Moses geraeint? Wenn zB die Frau ihrem Mann ünverzehntetes zu
essen gibt, oder wenn sie ihn den Beischlaf vollziehen läßt während ihrer Menstruation
(ohne dem Mann zu sagen, daß sie unrein sei), oder wenn sie nicht die Teighebe ab-
sondert, oder wenn sie Gelübde auf sich nimmt u. sie nicht hält. Was ist mit jüdi-
schem Recht gemeint? Wenn sie mit aufgelöstem Haar ausgeht, wenn sie auf der
Straße spinnt, wenn sie mit jedem beliebigen redet. Abba Schasul (um 150) sagte: Auch
die, die des Mannes Eltern in seiner Gegenwart schimpflich behandelt. R. Tarphon
(um 100) sagte: Auch eine Schreierin. Was ist eine Schreierin? Die, welche in ihrem
Hause (vertraulich mit ihrem Manne) redet, u. ihre Nachbarn vernehmen ihre Stimme. —
Diese Mischna zeigt, daß es sich bei den Gebotsübertretungen, die als Scheidungs
grund gelten, nicht allgemein um die Gebote der Tora handelt, sondern lediglich um die-
jenigen Gebote, die Speziell den Frauen oblagen. — Teilweise parallel ist TK'^th. 7, 6 f.
y, Ais weiterer Scheidungsgrund erscheint das Verhalten der Frau,,
das geeignet ist, den Mann in einen bösen Ruf zu bringen.
TK^'th 7, 4: Wenn eine Frau gelobt, daß sie nicht verleihen wolle Schwinge, Sieb,.
Mühle u. Backofen, so entläßt er sie (durch Scheidebrief) u. gibt ihr keine * Hochzeits-
verschreibung, weil sie ihn einen üblen Ruf vor seinen Nachbarn davontragen läßt. —
Die Baraitha K'th 72-' erweitert das Gelübde dahin, daß sie keine schönen Kleider
für seine Kinder wirken wolle. — Hierher gehört auch die Verletzung der Pflicht,
dem Manne die gebührende Ehre zu erweisen. Als Muster eines bösen Weibes xrr:s
s:c-a wird öfters die Gattin des R.Jose, des Galiläers (um 110), hingestellt. Die-
Schüler dringen in den Lehrer, sie endlich durch einen Scheidebrief zu entlassen;
dabei machen sie als Scheidungsgrund geltend: „sie ehrt dich nicht!" pK'^th ll,ii4b, 52;
GnR 17 (11^); LvR 34 (131 '^). Im übrigen war der ausgesprochene Charakter einer
Frau als sogenanntes „böses Weib" an u. für sich schon ein hinlänglich triftiger Grund
zur Ehescheidung; nur herrschte Meinungsverschiedenheit darüber, ob ihre Verstoßung
ein Pflichtgebot für den Mann sei oder nicht. J'^b 63'': Raba (f 352) hat gesagt: Es
ist ein Pflichtgebot, ein böses Weib zu entlassen; s. Spr 22, 10: „Treibe den Spötter
fort, so geht der Zank fort, u. ein Ende haben Prozeß u. Schimpf." . . . Im Buch de&
Ben Sira steht geschrieben: „Eine gute Gabe für ihren Mann ist ein gutes Weib";
ferner heißt es: „Ein gutes Weib wird an den Busen des Gottesfürchtigen gelegt"
(vgl. Sir 26, 3). Ein böses Weib ist Aussatz für ihren Mann. Was ist das Heil-
mittel dagegen? Er entlasse sie (durch Scheidebrief), so wird er von seinem Aussatz
geheilt werden (vgl. Sir 25, 25). Parallelstelle: Sanh. 100'\ || ?Er 41'' Bar: . . . Drei
sehen den Gehinnom nicht (weil sie die Hölle schon auf Erden gehabt haben), näm-
lich wer zu schaffen hat mit drückender Armut, mit Unterleibsleiden u. mit der
1 So ist mit der Parallelstelle bK^^th 72^ zu lesen.
Matth 5, 32 (31 2) 31 7
Obrigkeit (mit Gläubigern, Raschi). Einige sagen: Auch wer ein böses Weib hat.
Jene (die ein böses Weib nicht dazu rechnen) halten dafür, daß es ein Pflichtgebot
sei, sich von einem bösen Weibe zu scheiden (kommt der Mann also dieser Pflicht
«ach, so hat er mit dem bösen Weibe nichts mehr zu schaffen). Diese haben sich zu
ihrer Meinung bestimmen lassen, weil entweder ihre (bei der Scheidung auszuzahlende)
Hochzeitsverschreibung sehr grofs ist, oder auch weil er Kinder von ihr hat, so daß
•er sich von ihr nicht mag scheiden lassen. In bezug worauf folgt hieraus etwas?
In bezug darauf, daß man jene Leiden aus Liebe auf sich nehme (denn dadurch ge-
winnen sie sühnende Kraft, um vor dem Gehinnom zu bewahren). — Auch R. Jose,
der Galiläer, beruft sich seinen Schülern gegenüber darauf, daß die zurückzuzahlende
Mitgift seiner Frau zu groß sei. Er hat also die Scheidung in diesem Fall nicht für
•ein Pflichtgebot gehalten. Erst als seine Schüler die erforderliche Summe aufgebracht
3iaben, willigt er in die Entlassung seiner Frau ein.
d\ Auch die Kinderlosigkeit der Frau gilt als Scheidungsgrund.
Jeb 6, 6: Hat jemand eine Frau geheiratet u. zehn Jahre mit ihr gewartet, ohne
•daß sie gebar, so ist er nicht berechtigt, ledig zu bleiben. Verstößt er sie, so
«darf sie sich an einen andren verheiraten, u. es darf der zweite Mann mit ihr
(wiederum) zehn Jahre warten. Wenn sie eine Fehlgeburt gehabt hat, so zählt man
(die zehn Jahre) von der Zeit der Fehlgeburt an. — Die Entlassung der unfrucht-
baren Frau wird von dieser Mischna nicht unbedingt gefordert; der Mann kann sie
-auch bei sich behalten, nur muß er dann eine zweite Frau zu ihr hinzunehmen. Da-
gegen scheint TJ'^^b 8, 4 (249) ihre Entlassung als üblich vorauszusetzen: Hat jemand
«ine Frau geheiratet u. mit ihr zehn Jahre gewartet, ohne daß sie gebar, so ist er
nicht berechtigt, ledig zu bleiben, sondern er entläßt sie u. gibt ihr die Hochzeits-
verschreibung; vielleicht erlangte er es nicht, von ihr erbaut zu werden, u. obgleich
■es kein Beweis ist, so ist doch eine Andeutung in bezug hierauf Gn 16, 3: ,Da
nahm Sarai die Ägypterin Hagar nach Ablauf von zehn Jahren u. gab sie Abram zum
Weibe." Nebenbei lernen wir daraus, daß das Wohnen außerhalb des Landes (Israel)
«licht in die Zahl (der zehn Jahre) miteingerechnet wird. War er krank oder war sie
krank (in den zehn Jahren), oder war ihr Mann in eine ferne Gegend gegangen, oder
war ihr Mann im Gefängnis gebunden gewesen, so rechnet man (die betreffende Zeit)
nicht in die Zahl der zehn Jahre ein. Hat er sie entlassen, so darf sie gehn u. sich
•an einen andren verheiraten; vielleicht erlangte sie es nicht, von dem ersten Mann
-erbaut zu werden (während sie es beim zweiten Mann möglichenfalls erreichen wird). —
Dasselbe als Bar J^'b ri4'\ — Der Schriftbeweis für die obige Mischna wird auch
<jnR 45 (28*^) von Resch Laqisch (um 250) aus Gn 16, 8 geführt.
e, Endlich konnte der Mann seine Ehe ohne weiteres auflösen, falls
die Frau den Voraussetzungen u. Bedingungen nicht entsprach, unter
dienen er sie geheiratet hatte.
K"th7, 7: Wenn sich einer mit einer Frau verlobt unter der Bedingung, daß
keine Gelübde auf ihr liegen, u. es stellt sich heraus, daß solche auf ihr liegen, so
ist die Verlobung ungültig. Hat er sie heimgeführt, ohne der Gelübde besonders Er-
wähnung zu tun, u. es stellt sich heraus, daß solche auf ihr liegen, so wird sie (durch
Scheidebrief) entlassen ohne Hochzeitsverschreibung. (Hat er sich mit ihr verlobt)
unter der Bedingung, daß keine Leibesfehler an ihr seien, u. es stellt sich heraus,
daß solche an ihr sind, so ist sie ihm nicht verlobt. Hat er sie heimgeführt, ohne
<ler Leibesfehler besonders Erwähnung zu tun, u. es stellt sich heraus, daß solche an
ihr sind, so wird sie entlassen ohne Hochzeitsverschreibung. Alle Leibesfehler, die
bei den Priestern (zum Priesterdienst) untauglich machen, machen auch bei den
Frauen untauglich. — Die mehrfach erweiterte Parallelstelle TK^th 7, 8 f. (269) nennt
als Beispiele von verschwiegenen Gelübden, die die Auflösung der Ehe rechtfertigen,
daß die Frau kein Fleisch essen u. keinen Wein trinken u. keine bunten Kleider
318 Matth5,32(3l3)
tragen wolle. Der letzte Satz hxutet in der Tosephta: Alle Leibesfeliler, die bei deis
Priestern untauglich machen, mnchen auch bei den Frauen untauglich; darüber hinau»
noch bei den Frauen: Geruch des Mundes, Geruch des Schweißes u. ein Mal, auf demi
kein Haar ist. — Dieser Satz auch pQid 2, Q2^, 18.
3. Ehescheidungsgründe, die auf seiten des Mannes liegen.
a, Die Frau hat das Recht, die Auflösung ihrer Ehe zu fordern, falls;
Krankheit u. Beruf des Mannes Widerwärtigkeiten im Gefolge haben,,
bei denen die Fortsetzung der Ehe der Frau billigerweise nicht zu-
gemutet werden kann.
K'^th 7, 9 f.: Wenn am Mann Leibesfehler entstehen (während der Ehe), so zwingt,
man ihn (gerichtlicherseitsl nicht, sie zu entlassen. R. Schim?on b. Gamliel (um 140)>
hat gesagt: in welchem Fall gelten die Worte? Bei kleinen Leibesfehlern; aber bei
großen Leibesfehlern zwingt man ihn, sie zu entlassen. Und folgende sind es, die manA
zwingt, sie zu entlassen: ein Aussätziger yriv ns-:, ein mit einem Polypen (in der-
Nase) Behafteter, der Sammler von Hundekot (s. hernach), der Schmelzer von Kupfer
u. der Gerber, gleichviel ob er es schon vor der Verheiratung war, oder ob er es erst;
nach der Verheiratung geworden ist. Und über sie alle hat R. Meir (um L^O) gesagt.-:
Selbst wenn er es (vor der Verheiratung) mit ihr vereinbart (ihr zur Bedingung ge-
macht) hat, kann sie (hinterher) sagen: Ich habe geglaubt, daß ich es würde ertrageui
können; aber jetzt kann ich es nicht ertragen. Die Gelehrten aber sagten: Sie mufe
es wider Willen ertragen mit Ausnahme des Aussätzigen, weil sie diesen schwind-
süchtig macht (durch ehelichen Umgang). Es geschah in Sidon, daß ein Gerber starb,,
der einen Bruder hatte, der (auch) Gerber war (u. die Witwe zur Leviratsehe be-
anspruchte). Da erklärten die Gelehrten: Sie kann sagen: Deinen Bruder habe icb
ertragen können, aber dich kann ich nicht ertragen! II TK'^^th 7, 11 (269): Wer ist mit
dem „Sammler" y^-.i2r: gemeint? Das ist ein Gerber. Andre sagen: Das ist einer,,
der Unrat sammelt (der zum Walken u. Gerben benützt wurde); der Kupferschmelzer,,
das ist der, welcher Kupfer flüssig macht; der mit einem Polypen Behaftete, das ist.
der, welcher Mundgeruch hat. R.Jose b. J'^huda (um 180) hat gesagt: in welchem Fall
hat man von dem (Kot-)Sammler u. Kupferschmelzer u. Gerber gesagt: Er entlälH sie
und gibt die Hochzeitsverschreibung? Wenn er will u. sie nicht will, (oder) wenn sie
will u. er nicht will. Wenn aber beide wollen (nämlich in der Ehe weiterzusammen-
leben), so können sie es ausführen; was aber den Aussätzigen betrifft, so können sie-
68, auch wenn beide wollen, nicht ausführen. Rabban Schimfon b. Gamliel (um 140)
hat gesagt: Ich habe einen Alten unter den Aussätzigen in Sepphoris getroffen, der
zu mir gesagt hat: 24 Arten von Aussatz gibt es. bei ihnen allen ist die Frau schäd-
lich nur für die mit dem triefenden Aussatz Behafteten. — Parallelstellen: pK^th
7, 31'', 2'"^ u. bK.'^th 77'*; in der letztern Stelle die Bemerkung: Was bedeutet yopn
Sammler? Rab J*^huda (f 299) hat gesagt: Der Sammler von Hundekot.
/:?, -Eigentümlich mutet eine ganze Reihe von Stellen an, in denen von
Gelübden geredet wird, zu denen der Mann seine Frau nötigt u. deren
Durchführung diese in eine äußerst unwürdige Lage bringen mußte.
Um die Frauen hiergegen zu schützen, setzt die Mischna die Fälle
fest, in denen das Vorgehen der Männer mit der Auflösung der Ehe u.
der Auszahlung der Hochzeitsverschreibung zu beantworten sei. Das
Ganze macht aber durchaus den Eindruck, als ob es sich schließlich
nur um einen Kniff der Männerwelt gehandelt habe, auf diese Weise-
ein bequemes Ehescheidungsmittel in die Hand zu bekommen.
K'^th 5, h: R. Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte: Auch wenn jemand seine Frau
nötigt zu geloben, daß sie keine Arbeit verrichten wolle, so hat er sie zu entlassen
Matth 5, 32 (?l 3. 4) 319
und ihre Hocbzeitsverschreibung auszuzahlen; denn der Müßiggang führt zur Geistes-
zerrüttung. ]i TK'^th 7, 4 (26^): Wenn jemand seine Frau nötigt zu geloben, daß sie
nicht verleihen wolle Schwinge, Sieb, Mühle u. Backofen, so muß er sie entlassen
u. die FI. verschr. auszahlen; weil sie (dadurchl einen bösen Ruf vor ihren Nachbarn
davonträgt. (Ähnlich TK^'th 7, 4 S. 316.) — Dasselbe als Bar K^th 72^ II TK«th 7, 6 (269) :
Wenn jemand seine Frau nötigt zu geloben, daß sie von ihrer Speise jedermann
wolle kosten lassen, oder daß sie füllen u. auf den Dunghaufen ausschütten wolle, "^
oder daß sie jedermann die Worte erzählen wolle, die zwischen ihm u. ihr gesprochen
würden, so muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen, weil er nicht mit ihr
nach dem Gesetz Moses u. Israels verfuhr. — Dasselbe etwas kürzer K^'th 7, 5. !|
K<^th 7, 1 : Wenn jemand seine Frau nötigt zu geloben, daß sie keinen Genuß von
ihm haben wolle, so muß er bis zu 80 Tagen hin ihr einen Versorger bestellen (falls
sie sich vom Verdienst ihrer eignen Hände nicht zu ernähren vermag); wenn das
Gelübde über diese Zeit hinausgeht, so muß er sie entlassen u. die H. verschr. aus-
zahlen. R. J'^'huda (um 150) sagte: Bei einem (gewöhnlichen) Israeliten, wenn das
Gelübde einen Monat gilt; wenn aber zwei, so muß er sie entlassen u. die H. verschr.
auszahlen; u. bei einer Priesterfrau, '^ wenn es zwei Monate gilt; wenn aber drei, sc»
muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen. Parallelstelle: TK'^th 7, 1 (26S). j]
K'^th7, 2: Wenn jemand seine Frau nötigt zu geloben, daß sie keine von allen Früchten
genießen wolle, so muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen. R. J^huda (um
150) sagte: Bei einem Israeliten, wenn das Gelübde Einen Tag gilt; wenn aber zwei,
muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen; bei einer Priesterfrau, wenn es zwei
Tage gilt; wenn aber drei, so muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen. —
Parallelstelle TK«^th'7, 2 (268); hier bemerkt R. J^huda: Die Töchter Israels wollen
lieber keine Speise u. Früchte kosten, als einen Tag von ihren Männern geschieden
sein. II KHh 7, o: Wenn einer seine Frau nötigt zu geloben, daß sie sich mit keinerlei
Schmuck von allen Arten schmücken wolle, so muß er sie entlassen u. ihre H. verschr.
auszahlen. R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sagte: Bei Armen, wenn er keine bestimmte
Zeit angegeben hat (diese darf jedoch höchstens 1 2 Monate betragen), bei Reichen
dreißig Tage. — Ausführlicher TK'th 7, 3 (268). || K^th 7,4: Wenn jemand seine Frau
nötigt zu geloben, daß sie nicht in das Haus ihres Vaters gehn wolle, so gilt das,
falls der Vater bei ihr in der Stadt wohnt, einen Monat; wenn aber zwei, so muß er
sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen. Falls er in einer andren Stadt wohnt, so gilt
es für Ein Fest [wenn aber für zwei Feste, so muß er sie entlassen u. die H. verschr.
auszahlen; bei einem Priester gilt es für zwei Feste], ^ wenn aber für drei Feste, so
muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen. || K^th 7, 5: Wenn jemand seine Frau
nötigt zu geloben, daß sie in kein Trauerhaus u. in kein Hochzeitshaus gehn wolle,
so muß er sie entlassen u. die H. verschr. auszahlen, weil er vor ihr zuschließt (er
entzieht sie der Gemeinschaft mit den Menschen, so daß später auch um sie niemand
sich kümmern wird). Wenn er sich aber wegen einer andren Sache zu beklagen hat
(daß seine Frau dort mit zügellosen Männern zusammentreffe), so ist er dazu berechtigt
(u. braucht seine Frau nicht zu entlassen). — Parallelstelle TK^'th 1, 5 (269).
4. Auf Grund der in Nr. 1 — 3 beigebrachten Stellen wird man sagen
dürfen, daß es in der mischnischen Periode keine Ehe im jüdischen
Volk gegeben hat, die nicht kurzerhand vom Manne in völlig legaler
' Hierzu heißt es KHh 72 ^r Sch®niuel (f 254) sagte: Wenn sie (das semen virile)
empfangen hat, soll sie es (durch schnelles Gehen u. dgl.) wieder von sich geben.
Nach einer Bar: Sie soll 10 Krüge mit Wasser füllen u. sie dann wieder auf den Dung
gießen (d. h. sie soll etwas Unnützes u. darum sie Entwürdigendes tun). — Ähnlich
pKHh7,3l^51.
■^ Die längere Frist bei der Priesterfrau hat ihren Grund darin, daß der Priester
seine entlassene Frau niemals wiedernehmen durfte.
^ Diese eckig eingeklammerten Worte fehlen irrig im Text, s. K'^th7l''.
320 Matth 5, 32 (% 4. 5. SB)
Weise durch Aushändigung eines Scheidebriefes hätte gelöst werden
können. Und dafs es später nicht anders gewesen ist, beweist Git 90=*:
Rab Papa (f 376) hat zu Raba (f 352) gesagt: Wenn er an ihr weder
Schandbares (Unzucht) noch sonst etwas gefunden hat (sie aber gleich-
wohl entlassen hat), wie verhält es sich da (muß er die Geschiedene
wieder zu sich nehmen)? Er antwortete: Was er getan hat, das hat er
getan! — Also selbst die ohne jeden Grund erfolgte Auflösung einer
Ehe ist gültig, so daß der Mann nicht gezwungen werden kann, seine
geschiedene Frau wieder zu sich zu nehmen.
5. Aussprüche gegen das leichtfertige Auflösen.
Git 90'': Rab M^'scharscheja (um 350) hat zu Raba (f 352) gesagt: Wenn der Mann
seinen Sinn darauf richtet, seine Frau zu verstoßen, während diese bei ihm weilt u.
ihm dient, wie verhält es sich da? Er wandte auf einen solchen (Spr3, 29) an: , Be-
reite nichts Böses wider deinen Nächsten, während er im Vertrauen bei dir weilt." ||
Git 90": r^h-j azv -3 (Mal 2, 16: Denn ich hasse Scheidung). R. J'^huda (um 150) sagte:
Wenn du deine Frau hassest, so entlasse sie. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gehaßt
ist, der entläßt. Sie sind aber nicht verschiedener Meinung: in dem einen Fall (näm-
lich in R. Joclianans Ausspruch) handelt es sich um die erste Gattin, im andren Fall
um die zweite. Denn R. El?azar (um 27(i) hat gesagt: Wenn einer seine erste Frau
verstößt, so vergießt selbst der Altar über ihn Tränen; vgl. Mal 2, 13f.: „Und dies
tut ihr zweitens: ihr bedeckt mit Tränen den Altar Jahves, mit Weinen u. Wehklagen,
so daß er sich nicht mehr der Opfergabe zuwenden mag u. hinnehmen will Wohl'
gefälliges aus eurer Hand. Und sagt ihr: Weswegen? Weil Jahve Zeuge ist zwischen
dir u. dem Weibe deiner Jugend, an dem du treulos gehandelt hast, da sie doch deine
Gefährtin u. das Weib deines Bundes ist." — Der Ausspruch des R. Ehazar auch
Sanh 22*. |l Sanh 22*: Rab Schämen b. Abba (wann?) hat gesagt: Komm u. sieh, wie
hart eine Scheidung ist! Denn siehe, dem König David erlaubte man (mit Abischag)
zusammenzuseiu, s. 1 Kg 1, 1 ff., aber man erlaubte ihm nicht, eine von seinen 18 Frauen
zu verstoßen (um A. zu heiraten).
5,32 JB: Wer dieGeschiedne heiratet, macht sich zum Ehebrecher.
Dergleichen Gedanken kennt die alte Synagoge nicht; höchstens
warnt man aus Klugheitsgründen vor der Eingehung der Ehe mit einer
Geschiedenen.» Nur die Verheiratung der ehebrecherischen Frau mit
ihrem Buhlen war verboten, b
a. SDt24, 2 §270: ,Wenn sie (die Geschiedene) hingeht u. eines andren Mannes
wird" Dt 24,2; darin liegt, daß sie sich nicht mit ihm in der Nachbarschaft (dos ersten
Mannes) verheiraten darf. , Eines andren Mannes", schon die Tora nennt ihn einen
„andren" (s. Git 90 '^, nächstes Zitat). „Wenn der zweite Mann ihr gram wird" Dt 24, 3,
die Schrift kündet es dir (im voraus) an, daß du sie dereinst hassen wirst. „Oder
wenn der zweite Mann stirbt" (das.), die Schrift kündet es dir (im voraus) au, daß
sie ihn dereinst begraben wird. (Sinn: Die Fjhe mit einer Geschiedenen bringt kein
Glück.) — Diese Auslegung auch im Targ Jerusch I Dt 24, 3. || Git 90^: „Wenn sie hin-
geht u. eines andren Mannes wird" Dt 24, 2; die Schrift nennt ihn einen „andren",
weil er kein Gesinnungsgenosse des ersten Mannes ist: dieser entließ die Gottlose
aus seinem Hause, u. dieser führt die Gottlose in sein Haus ein. Ist der zweite Mann
dessen würdig, so entläßt er sie; denn es heißt Vers 3: „Wenn der zweite Mann ihr
gram wird" usw.; wenn aber nicht, so begräbt sie ihn, denn es heißt: „Oder wenn
der zweite Mann stirbt"; er hat den Tod verdient; denn der eine entließ die Gottlose
aus seinem Haus u. der andre führte die Gottlose in sein Haus ein. — Diese Stelle
Matth 5, 32 (SB). 5, 33 (Nr. 1 a. b) 321
auch TSotao, 9 (302). 1| P'^s 112»: Fünf Vorschriften hat R. ?Aqiba (f um 135), als er
gebunden im Gefängnis lag, dem R. Schim?on b. Jochai gegeben: Koche nicht in einem
Topf,' in welchem ein andrer gekocht hat. Was heißt das? Damit ist eine geschiedene
Frau gemeint, solange ihr (früherer) Mann noch am Leben ist. Denn ein Autor hat
gesagt: Wenn ein Geschiedener eine Geschiedene heiratet, so sind viererlei Gedanken
im Bett, und wenn du willst, so sage, daß dies auch bei einer Witwe gilt; denn nicht
alle Finger ' sind gleich. — Unhaltbar ist die Bemerkung T. Tals, Een Blik 79,
daß der Talmud in dieser Stelle vom sittlichen Standpunkt aus die Ehe mit einer
geschiedenen Frau für Ehebruch halte.
b. Sota 5, 1 : Wie sie (die des Ehebruchs verdächtige Frau) ihrem Gatten verboten
ist, so ist sie auch dem Buhlen verboten.
5,33: Du sollst nicht falsch schwören, du sollst aber
dem Herrn deine Eidschwüre halten.
1. Die Mischna kennt folgende Arten von Schwüren:
a. 1VJ3 tysyy:: Schwur gleichgültigen Inhalts zur Bekräftigung oder
Beteuerung. Vier Unterarten: affirmativ, negativ, promissorisch, asser-
torisch. Vorsätzliche Übertretung wird mit Geißelung bestraft, un-
vorsätzliche mit einem Opfer je nach den Vermögensverhältnissen des
Betreffenden gesühnt.
Sch*^bu 3, 1 : Es gibt zwei Schwüre, welche vier betragen: Ich schwöre nynattj, daß
ich essen werde, daß ich nicht essen werde, daß ich gegessen habe, daß ich nicht ge-
gessen habe. | Sch''bu3, 5: Gleichviel ob das Beschworene ihn selbst oder andere an-
geht, ob es sich auf Wesenhaftes (Konkretes) oder auf Nichtwesenhaftes (Abstraktes)
bezieht. Wie denn? Es sagt einer: Ich schwöre nyia-a, daß ich dem u. dem Manne
etwas geben werde, oder daß ich ihm nicht geben werde; daß ich gegeben habe oder
daß ich nicht gegeben habe; daß ich schlafen werde oder daß ich nicht schlafen
werde; daß ich geschlafen habe oder daß ich nicht geschlafen habe; daß ich einen
Stein ins Meer werfen werde oder daß ich nicht werfen werde; daß ich geworfen habe
oder daß ich nicht geworfen habe. R. Jischmafel (f um 13.!)) sagte: Man wird nur
schuldig wegen eines auf die Zukunft gehenden (promissorischen) Schwures; vgl. Lvö, 4:
, Falls jemand mit den Lippen schwatzend schwört, es sei nun Böses zu tun oder
Gutes" (beides gehört der Zukunft an). Es antwortete ihm R. ?Aqiba (f um 135): Wenn
dem so wäre, so würde ich, in Lv 5, 4, nur von solchen Schwüren hören, in denen
Schlimmes oder Gutes liegt; woher aber dann der Schriftbeweis für Schwüre, in denen
nichts Schlimmes oder Gutes liegt? Jener sprach: Daher, daß der Schriftvers fortfährt .
einschließend zu reden (Lv5, 4: Bezüglich „alles" dessen, was der Mensch schwörend
schwatzt. Dies , alles" schließt auch diejenigen Schwüre ein, die weder Gutes noch
Schlimmes enthalten). R. fAqiba antwortete: Wenn die Schrift nach dieser Seite hin
einschließt, dann schließt sie auch nach jener Seite hin ein (nämlich diejenigen Schwüre,
die nicht auf die Zukunft, sondern auf die Vergangenheit sich beziehen). |i Sch^bu 3, 7:
Das ist ein unbedachtsam entfahrener Schwur, für dessen vorsätzliche Verletzung man
sich der Geißelung u. für dessen unvorsätzliche Verletzung man sich eines steigenden
oder fallenden Opfers schuldig macht.
b. xid r,?^;"^ eitler, lügenhafter oder falscher Schwur, der, wenn
vorsätzlich ausgesprochen, mit Geißelung bestraft wird, wenn un-
vorsätzlich, straffrei bleibt.
Sch^'bu 3, 8: Was ist ein eitler (falscher) Schwur? Wenn jemand schwört, daß etwas
anders sei, als es den Leuten bekannt ist. Er sagt zB von einer Steinsäule, sie sei aus Gold,
^ Topf u. Finger sind Euphemismen.
Strack u. Billerbeck. NTI. 21
322 Matth 5, 33 (Nr. 1 b. c)
oder von einem Manne, er sei eine Frau, oder von einer Frau, sie sei ein Mann. Oder er
beschwört etwas, was nicht möglich ist. (Er sagt zB: Mir soll das u. das geschehen)
wenn ich nicht ein Kamel gesehen habe, das in der Luft flog, wenn ich nicht eine
Schlange gesehen habe, die einem Preßbalken glich. Oder er sagt zu den Zeugen:
'^Kommt u. legt für mich Zeugnis ab (u. sie antworten:) Schwur! (= wir schwören)
daß wir kein Zeugnis für dich ablegen werden (so haben die Zeugen einen falschen
Schwur geleistet, falls sie für ihn ein Zeugnis hätten ablegen können, vgl. Lv 5, 1).
Oder wenn einer schwört, daß er ein Gebot unbeachtet lassen werde, daß er keine
Laubhütte anfertigen, daß er keinen Feststrauß (am Laubhüttenfest) nehmen, daß er
keine Gebetsriemen anlegen werde, so ist dies ein eitler (falscher) Schwur, für welchen
man sich bei Vorsätzlichkeit der Geißelung schuldig macht u. für welchen man bei
Unvorsätzlichkeit straffrei bleibt. || Sch'^^bu 3, 10 f.: Der unbedachtsam entfahrene Schwur
bat Geltung bei Männern u. bei Frauen, bei Fremden u. bei Verwandten, bei (als Zeugen)
Zulässigen u. bei Nichtzulässigen, vor Gericht u. außerhalb des Gerichts; u. wenn der
Schwur aus seinem eignen Munde gekommen ist (vgl. den Gegensatz weiter unten). . . .
Der eitle (falsche) Schwur hat Geltung bei Männern u. bei Frauen, bei Fremden u.
bei Verwandten, bei (als Zeugen) Zulässigen u. bei Nichtzulässigen, vor Gericht u.
außerhalb des Gerichts, u. wenn der Schwur aus seinem eignen Mund gekommen
ist. . . . Sowohl bei diesem als auch bei jenem Schwur ist man schuldig, wenn man
aus dem Munde andrer beschworen wird. Wie denn? Wenn zB jemand gesagt hat:
Ich habe heute nicht gegessen, ich habe heute keine Gebetsriemen angelegt (u. dann
kommt ein andrer u. sagt zu ihm: Ich beschwöre dich! u. er (der Beschworene) ant-
wortet dann: Amen! so ist er (der Beschworene) schuldig (auch wenn das eigentliche
Schwurwort nicht aus seinem eignen Munde kam).
e. wis:ri nr^np, nicht: „Zeugeneid" im Sinne unsres heutigen Sprach-
gebrauchs, nach welchem wir darunter einen Eid verstehn, den die
Zeugen über ihre Zeugenaussagen abzulegen haben (einen solchen
Zeugeneid kennt das biblisch-jüdische Recht überhaupt nicht), sondern:
„Zeugniseid", d.h. ein Eid, durch den jemand, der aufgefordert worden
ist, für einen andren ein Zeugnis abzulegen, erklärt, daß er von der
Sache nichts wisse; der Zeugniseid dient also zur Bekräftigung der
Ablehnung einer Zeugenaussage.
Sch''bu4, 3: Wie verhält es sich mit einem Zeugniseid? Wenn jemand zu zweien
sagt: Kommt u. legt Zeugnis für mich ab, (u. sie antworten ihm:) Schwur! (= wir
schwören) daß wir kein Zeugnis für dich wissen! oder wenn sie zu ihm sagen: Wir
wissen kein Zeugnis für dich! (u. er sagt darauf zu ihnen:) Ich beschwöre euch! u.
sie antworten: Amen! — so sind sie schuldig (falls sie für ihn ein Zeugnis hätten
können ablegen). Hatte er sie fünfmal außerhalb des Gerichts beschworen (ohne daß
sie sich zum Zeugnis bereit finden ließen), dann aber erscheinen sie vor Gericht u.
legen ihr Zeugnis ab, so sind sie straffrei. Leugnen sie aber auch vor Gericht (wider
besseres Wissen), so sind sie wegen jeder einzelnen Beschwörung straffällig. | Sch^bu
4, 1. 2: Der Zeugniseid hat Geltung bei Männern, aber nicht bei Frauen; bei Fremden,
aber nicht bei Verwandten; bei den (als Zeugen) Zulässigen, aber nicht bei den Un-
zulässigen, auch nur bei denjenigen, die Zeugnis ablegen dürfen,^ sowohl vor Gericht
als auch außerhalb des Gerichts, wenn der Eid (das eigentliche Schwurwort) aus des
betreffenden Zeugen eignem Munde gekommen ist; wenn er aber aus dem Munde
andrer (also derer, die das Zeugnis für sich nötig haben) gekommen ist (u. die Zeugen
die Beschwörung mit Amen beantwortet haben, vgl. das vorige Zitat), so machen sie
sich erst straffällig, wenn sie ihr Zeugnis vor Gericht ableugnen. Das sind Worte des
^ Letztere Bemerkung schließt nach Sch^buSH den König u. dea Würfelspieler
aus; über die als Zeugen Unzulässigen s. bei Mt 26, 60.
Matth 5, 33 (Nr. 1 d. e) 323
R. Meü- (um 150); die Gelehrten aber sagten: ob der Eid aus ihrem eignen Munde oder
aus dem Mund andrer gekommen ist, sie sind erst schuldig, wenn sie ihr Zeugnis vor
Gericht ableugnen. . . . Was sind srie wegen des vorsätzlichen (falschen) Eides schuldig?
Ein steigendes u. fallendes Opfer.
d. ••iii5sri TO^ind, wörtlich „Depositeneid", war als Reinigungseid von
einem Verklagten zu leisten, der beim Mangel von Zeugen oder andren
Beweismitteln leugnete, ein anvertrautes oder gestohlenes oder ge-
fundenes Gut zu besitzen, eine israelitische Tochter verführt u. ge-
schändet, einem andren eine Körperverletzung beigebracht oder irgend-
einen Schaden durch eins seiner Tiere verursacht zu haben.
Sch®bu 5, 1 f. : Der Eid wegen eines anvertrauten Gutes hat Geltung bei Männern
u. bei Frauen, bei Fremden u. Verwandten, bei (als Zeugen) Zulässigen u. bei Unzulässigen,
vor Gericht u. aufserhalb des Gerichts, wenn er aus seinem (des Beschuldigten) eignen
Mund kommt; wenn aber der Eid (das eigentliche Schwurwort) aus dem Munde andrer
kommt, so ist er erst schuldig (vorausgesetzt, daß sein Eid ein falscher ist), wenn er-
es vor Gericht ableugnet. So R. Me'ir (um 150). Die Gelehrten aber sagten: Ob der
Eid aus seinem eignen Mund oder aus dem Mund andrer kommt, sobald er es ab-
leugnet, macht er sieh schuldig (falls er falsch geschworen hat). . . . Und was ist man
für das vorsätzliche Abschwören schuldig? Ein Schuldopfer im Wert von (zwei) Scheqel
(vgl. Lv 5, 21 ff. u. Siphra zur Stelle). Wie verhält es sich mit dem Depositeneid? Wenrt
einer zum andren sagt: Gib mir mein anvertrautes Gut, das ich bei dir habe, (u. dieser
erwidert:) Schwur! (= ich schwöre,) daß du nichts bei mir hast, oder wenn er ant-
wortete : Du hast nichts bei mir, (u. jener dann sprach :) Ich beschwöre dich, u. dieser dann
antwortete: Amen! siehe, so ist er schuldig (falls er die Unwahrheit beschworen hat).
e. dii^'in nr^i^d, der richterliche Eid, war meist als Reinigungseid
zu leisten von einem Schuldner, der einen Teil der Forderung ab-
leugnete. „Alle, die nach der Tora einen Eid zu leisten haben, schwören
u. bezahlen nicht" (Sch^bu 7, 1). Das Klageobjekt sollte mindestens
2 Silbermafa 1 P'^ruta (s. S. 293 Nr. 14 f.) betragen, während der vom
Schuldner zugestandene Schuldteil mindestens den Wert einer P«ruta
haben muMe (Sch'bu 6, 1). — Der Eid war nur zu leisten bei Forde-
rungen von Dingen, die gemessen, gewogen oder gezählt wurden; da-
gegen nicht, wenn das Klageobjekt Sklaven, Schuldscheine, Grundstücke
oder geheiligte Gegenstände waren, das. 6, 5. — Der richterliche Eid
kam aber auch in gewissem Sinn als Erfüllungseid in Betracht; vgl.
Sch'^bu 7, 1: Folgende schwören (nämlich die D^j-^-rn rw^n^] u. erhalten
(die Klagesumme): Der Lohnarbeiter, der Beraubte, der Verwundete,
der dessen Prozeßgegner wegen (Falsch-)Eides verdächtig ist, u. der
Kaufmann auf Grund seines .Geschäftsbuches. — Ebenso konnte auch
eine Frau, die nur einen Teil ihrer Hochzeitsverschreibung erhalten
hatte, ihre Restforderung nur durch Leistung dieses richterhchen Eides
erlangen, das. 7, 7. — Die Ablegung dieses Eides erfolgte unter Beob-
achtung einer gewissen Feierlichkeit: es ging ihm eine Eidesvermahnung
voraus, u. der Schwörende mußte — wenigstens in der talmud. Zeit —
während des Schwurs eine Gesetzesrolle in seiner Hand halten.
Sch'^buSSb; Der Schwur wird stehend geleistet, ein Gelehrtenschüler darf dabei
auch sitzen ; der Schwur wird mit einem Torabuch geleistet, der Gelehrtenschüler darf
21*
324 Matth 5, 33 (Nr. 1 e. f )
es auch von vornherein mit den Gebetsriemen. Bar: Der richterliche Eid kann gleich-
falls in jeder Sprache gesprochen werden. Man sagt zu dem Schwörenden: Wisse,
daß die ganze Welt erbebte, als Gott auf dem Sinai sprach: ,Du sollst den Namen
Jalives deines Gottes nicht zu Nichtigem aussprechen" Ex 20, 7. Von allen Über-
tretungen in der Tora heißt es: „Er vergibt sie" (er läßt sie unbestraft np:); aber
hier, Ex 20, 7, heißt es: „Er wird nicht ungestraft lassen." Alle Übertretungen in der
Tora werden nur an dem Übertretenden heimgesucht, aber hier an ihm u. an seiner
Familie, s. Qoh 5, 5: „Laß nicht deinen Mund in Strafe bringen dein Fleisch"; u. sein
Fleisch bedeutet nichts andres als seinen Verwandten, s. Jes 58, 7: „Entzieh dich nicht
deinem Fleisch." Alle Übertretungen in der Tora werden nur an dem Übertretenden
heimgesucht, aber hier an ihm u. an der ganzen Welt, s. Hos4,2f.: „Man schwört u.
trügt, man mordet u. stiehlt u. treibt Ehebruch. . . . Deswegen muß die Erde (so der
Midr) hinwelken." Aber vielleicht erst, wenn er dies alles (die in Vers 2 genannten
Sünden) getan hat! Glaube das nicht; denn es heißt Jer 23, 10: „Wegen des Schwures
schmachtet die Erde" (so der Midr), u. so auch Hos 4, 3: „Deswegen muß die Erde
hinwelken u. es verschmachtet alles, was darauf wohnet." — Wegen aller Übertretungen
in der Tora schiebt man dem Übertretenden, wenn er Verdienste (vor Gott) hat, zwei
u. drei Geschlechter lang die Strafe auf, aber hier sucht man (= Gott) ihn sofort
heim, s. Sach5, 4: „Ich habe den Fluch ausgehn lassen, spricht Jahve C'^baoth, daß
er eingehe zum Hause des Diebes u. zum Hause dessen, der falsch schwört bei meinem
Namen, u. daß er verweile im Innern seines Hauses u. es verzehre mit seinen Balken
u. seinen Steinen." „Ich habe ihn ausgehn lassen," nämlich sofort, „daß er eingehe
zum Hause des Diebes", das ist derjenige, der die Menschen täuscht: wenn er auch
kein Geld bei seinem Nächsten hat (das er einfordern kann), so verklagt er ihn doch
u. läßt ihn schwören; „u. zum Hause dessen, der falsch schwört bei meinem Namen",
das ist nach seinem Wortlaut zu verstehn; „u. daß er verweile im Innern seines Hauses
u. es verzehre mit seinen Balken u. seinen Steinen", hier lernst du, daß selbst solche
Dinge, die weder Feuer noch Wasser vernichtet, der falsche Schwur vernichtet. —
Wenn der Betreffende dann sagt: „loh will nicht schwören", so entläßt man ihn sofort
(er räumt seine Schuld damit ein); wenn er aber sagt: „Siehe, ich will schwören",
dann sagen die dort Stehenden (untereinander) Nu 16, 26: „Entfernt euch doch von den
Zelten dieser gottlosen Männer" usw. Wenn man ihn dann schwören läßt, sagt man
zu ihm: Wisse, daß wir dich nicht schwören lassen auf Grund deiner Gedanken, sondern
auf Grund der Gedanken Gottes u. auf Grund der Gedanken des Gerichtshofes. (Die
letzten Worte .sind gegen eine reservatio mentalis auf Seiten des Schwörenden ge-
richtet.)» — Teilweise parallel LvR 6 (lOQ^^- 1').
Erst der talmudischen Zeit gehört an:
f. r.t3;^ri T'jf,zt, der sog. rabbinische Eid -ds-it n^"-i2p. Dalman über-
setzt no-in: „Antreiben (zum Geständnis)", Levy 1,483: ro^n 'ü: „Eid
^ Daß selbst hochgefeierte Rabbinen sich nicht gescheut haben, von der reservatio
mentalis Gebrauch zu machen, zeigen folgende Stellen. Tr. Kallah 18'': R. fAqiba
(t um 135) sprach zu der Frau: Meine Tochter, wenn du mir sagst, was ich dich fragen
werde, so bringe ich dich in das Leben der zukünftigen Welt. Sie sprach zu ihm:
Schwöre mir! R. f Aqiba schwur mit seinen Lippen u. erklärte in seinem Herzen den
Schwur für ungültig. || ?AZ28^ u. Joma84'i: (R. Jochanan, f 279, wünschte von einer
heidnischen Matrone ein Heilmittel gegen Zahnschmerzen zu erfahren.) Sie sprach zu
ihm: Schwöre mir, daß du es nicht bekanntgeben willst! Er schwur ihr: In bezug auf
den Gott Israels (-s^-i— ; NnVs^ statt '-i sriVsa = beim Gott Israels), ich will es nicht
bekanntgeben! Da gab sie es ihm bekannt. Am nächsten Tage trug er es in den Lehr-
vorträgen vor. Siehe, er schwur ihr: Dem Gotte Israels gebe ich es nicht bekannt,
aber seinem Volke Israel gebe ich es bekannt! Aber das ist doch eine Entheiligung
des (göttlichen) Namens! Er hatte es ihr vorher mitgeteilt (daß er es nur in bezug
auf Gott beschworen habe).
Matth 5, 33 (Nr. 1 f. Nr. 2) 325
deslnsichkehrens", insofern dieser Eid den Beklagten veranlassen soll,
in sich zu gehn u. sich zu prüfen, ob er nicht schuldig sei. — Nach
dem Grundsatz Sch«bu40'': „Kein Mensch erfrecht sich, seinem Gläu-
biger die ganze Schuld abzuleugnen" hat die Mischna Sch^bu 6, 1 ff.
den „richterlichen Eid" (s. oben e) nur demjenigen auferlegt, der einen
Teil der Schuldforderung seines Gläubigers anerkennt, einen andren
Teil aber ableugnet. Lehnte dagegen jemand die ganze Schuldforderung
ab, so war er von Eid u. Zahlung frei, falls er nicht anderweitig durch
Zeugen des Gläubigers zur Anerkennung der Schuld gezwungen werden
konnte. Man ließ sich eben von dem obigen psychologischen Grundsatz
leiten. Natürlich konnte man diesem Grundsatz den andren mindestens
ebenso berechtigten entgegenstellen: „Kein Mensch fordert etwas von
einem andren ein, wenn er nicht wirklich eine Forderung an ihn hat*
(Sch'^bu 40^). Um nun den Gläubiger einem gewissenlosen Schuldner
gegenüber einigermaßen zu schützen, wurde (etwa im 3. Jahrb.?) der
rabbin. Eid eingeführt, um den eine Schuldforderung rundweg ab-
leugnenden Beklagten zur Besinnung zu bringen.
Sch*'bu41* findet sich eine Vergleichung zwischen dem Toraeid (=^ der niisch-
nischen c-j-^-in nyi^r, s. oben e) u. dem rabbin. Eid. Darin heißt es: Was ist für ein
Unterschied zwischen dem Toraeid sp-^—ist ryi:s u. dem rabbin. Eid? Ein Unter-
schied zwischen ihnen betrifft die Zurückschiebung des Eides: den Toraeid kann man
nicht dem andren zuschieben, wohl aber den rabbin. Eid. Aber nach Mar bar Rab Aschi
(um 450), der gesagt hat, daß man auch den Toraeid dem andren zuschieben könne,
was ist da für ein Unterschied zwischen dem Toraeid u. dem rabbin. Eid? Da betrifft
der Unterschied zwischen ihnen die Eintreibung (der Forderung) von des Beklagten
Gütern (wenn er nämlich weder schwören noch zahlen will): bei dem Toraeid treibt
man die Forderung (zwangsweise) bei, aber bei einem rabbin. Eide treibt man sie nicht
von seinen Gütern bei. Aber nach R. Jose (um 350), der gesagt hat, daß man auch
bei einem rabbin. Eide die Forderung zwangsweise von seinen Gütern beitreibe, . . .
was besteht da für ein Unterschied zwischen dem Toraeid u. dem rabbin. Eid? Es
besteht ein Unterschied zwischen ihnen in dem Fall, daß der Prozeßgegner wegen
(Falsch-)Eides verdächtig ist: bei einem Toraeid schiebt man, wenn der Gegner eides-
verdächtig ist, den Schwur von diesem ab u. legt ihn dem andren auf; ein rabbin. Eid
aber ist ein Auskunftsmittel, u. ein Auskunftsmittel verwendet man nicht bei einem
andren Auskunftsmittel (wie die Eidesschiebung ein solches ist; man weist deshalb
in diesem Fall die Klage ab). Aber nach den Rabbinen. die von der Meinung des
R. Jose abweichen, indem sie sagen, daß man bei einem rabbin. Eide eine Forderung
nicht zwangsweise von den Gütern des Schuldners beitreibe — was fängt man denn
da mit dem Schuldner an? Man tut ihn in den Bann. Rabina (I., f um 420) sprach
zu Rab Aschi (f 427): Das würde ja heißen, ihn an seinen Schamteilen festhalten,
damit er einem seinen Mantel überlasse! (d. h. der Bann auf unbeschränkte Zeit ist
ebensogut ein Zwang wie die Zwangsbeitreibung). Vielmehr, was fängt man mit einem
solchen Schuldner an? Er antwortete ihm: Man tut ihn in den Bann, bis die Zeit zu
seiner Geißelung herankommt. (Diese erfolgt 30 Tage nach Verhängung des Bannes,
falls der Betreffende nicht zuvor um Aufhebung des Bannes gebeten hat.) Dann geißelt
man ihn u. läßt von ihm ab.
2. ovx €TiioQxi]asiq „du sollst nicht falsch schwören". Ein wörtlich
so lautendes Verbot gibt es im AT nicht; es dürfte aber kurz so for-
muliert sein nach Ex 20, 7 oder wahrscheinlicher nach Lv 19, 12.
326 Matth 5, 33 (Nr. 2)
Ex 20, 7 ist von der alten Synagoge meist auf den Schwur bezogen
worden, u. zwar auf den eitelen oder nichtigen Schwur, a während man
Lv 19,12 vom falschen Schwur verstand. b Es gibt aber auch einige
Stellen, die nur das erste Niujb Ex 20, 7 auf den eitelen Schwur, dagegen
das zweite auf den falschen Schwur deuten, c
a. Die LXX lassen die Beziehung von Ex 20, 7 noch unbestimmt: ov ^rprj ro
«rofXK xi'Qiov rov ^sov aov eni /nKiaUo „du sollst den Namen des Herrn deines Gottes
nicht zu Nichtigem gebrauchen." — Philo, De spec. legibus § 1 deutet das Verbot
,r6 fj.rj dsov ofOfxa 'Aaf^ßäysiy ini /ucaaUo', wie der Zus. hang zeigt, ausschließlich auf
den Schwur. — Josephus, Antiq. 3, 5, 5 sagt: Das 3. Gebot (nach jüdischer Zählung)
befiehlt, daß man bei Gott nicht zu irgend etwas Nichtigen schwören soll ini fxrjöevl
(pnvXio TOI' i^EoV o/^vrfcci. \\ M^kh Ex 20,7: „Du sollst den Namen Jahves deines
Gottes nicht zu Nichtigem aussprechen" Ex 20, 7. Auch der nichtige (lügenhafte)
Schwur, S12; ry^2» war in dem allgemeinen Gebot Lv 5, 4 enthalten: „Oder falls
jemand mit den Lippen schwatzend schwört", u. siehe, die Schrift nimmt ihn heraus
aus dem allgemeinen Gebot usw. — Hier wird Ex 20, 7 auf den nichtigen Schwur
gedeutet. || P^siqR 22 (112'^): „Du sollst den Namen Jahves nicht zu Nichtigem aus-
sprechen" Ex 20, 7. R. Simon (um 280) hat gesagt: Wenn (hier) die Schrift von
lügenhaften Schwüren svx> ■r'.s^zv redete, ist dann nicht bereits gesagt Lv 19, 1.2:
„Nicht sollt ihr bei meinem Namen zur Lüge ^p-^^ schwören?" Was will also die
Schrift lehrend sagen Ex 20, 7: „Du sollst den Namen .Jahves nicht zu Nichtigem
aussprechen"'? Es ist damit ein Schwur der Wahrheit r>2s n-ia-:; gemeint, der einer
der Nichtigkeit (d. h. ein unnützer Schwur) ist. . . . Chizqijja (um 240) hat gesagt:
Selbst wenn jemand von einem Olivenbaum (unter Anwendung einer Schwurformel)
sagt, daß er ein Olivenbaum sei, oder von einem Feigenbaum, daß er ein Feigenbaum
sei, so ist das ein unnijtzer Schwur sva rj-iaia (obgleich es an sich eine r^ss ryia«;
ist). — Hier ist Ex 20, 7 auf den unnützen Schwur bezogen. || Targ Jerusch I Ex 20, 7:
Mein Volk, Haus Israel, nicht soll einer von euch bei dem Namen des Memra Jahves
eures Gottes umsonst y^-q hy (ohne Grund u. Zweck) schwören; denn nicht wird Jahve
am Tage des großen Gerichts den für straflos erklären, der bei seinem Namen um-
sonst geschworen hat. 1| Ex 20, 7 wird nicht auf den Schwur bezogen B'^rakh 33*:
Rah (t 247), nach andren Resch Laqisch (um 250), nach andren R. Jochanan (f 279)
u. Resch Laqisch haben beide gesagt: Wer einen Lobspruch spricht, der nicht nötig
ist, der übertritt das Gebot: „Du sollst den Namen Jahves nicht zu Nichtigem aus-
sprechen" Ex 20, 7. — Hier ist Ex 20, 7 allgemein auf jedes unnötige Aussprechen
der Gottesnamen gedeutet. || P''siqR 22 (IIH): „Du sollst nicht aussprechen" avr s'b
Ex 20, 9 usw. R. Z'^fira (um 300) hat gesagt: Wenn (hier) die Schrift vom lügen-
haften Schwur sv:; rv^x redete, siehe, so heißt es ja Lv. 19, 12: „Nicht sollt ihr
bei meinem Namen zur Lüge schwören" (wozu also da noch das Gebot Ex 20, 7?).
AVas will daher die Schrift lehrend sagen Ex 20, 7: „xbp nV den Namen Jahves
deines Gottes zum Nichtigen"? Sie will sagen: Du sollst keine Herrschaft (kein Amt)
auf dich nehmen, wenn du zu einer Herrschaft nicht geeignet bist. — dti^s = „Richter"
gefaßt u. das Ganze gedeutet: Du sollst den Richternamen nicht annehmen oder führen
axr ah zum Nichtigen, d. h. wenn du dem Richteramt nicht gewachsen bist. || P'siqR 22
(111''): R.Bebai (um 320) hat gesagt: Wenn Ex 20, 7 vom lügenhaften Schwur redete,
ist dann nicht bereits Lv 19, 12 gesagt: „Nicht sollt ihr bei meinem Namen zur Lüge
schwören"? Es will sagen: Nicht sollst du T^'phiUin tragen u. dich in deinen Gebets-
mantel hüllen u. dann hingehn u. Übertretungen begehn. — Ex 20, 7 ist hier ge-
deutet: Du sollst den Namen Gottes nicht tragen, nämlich in den T^phillin, zum
Eitlen, um darin zu sündigen.
b. LXX Lv 19, 12 : Ihr sollt bei meinem Namen nicht zu Unrechtem schwören. , . . |1
Targ Onk: Nicht sollt ihr bei meinem Namen zur Lüge sip-a"? schwören. i| Targ Jerusch I:
Matth 5, 33 (Nr. 2. 3) 327
Mein Volk, Kinder Israel, nicht soll einer von euch bei meinem Namen zur Lüge
schwören. . . . Ferner s. Anm. a P'^'siqR 22.
C. Targ Onk Ex 20, 7: Du sollst beim Namen Jahves deines Gottes nicht um-
sonst (zu Nichtigem) schwören, denn Jahve wird den nicht ungestraft lassen, der in
seinem Namen zur Lüge s'^pc's schwört. || Targ Jerusch II: Mein Volk, mein Volk,
Haus Israel, du sollst nicht beim Namen Jahves deines Gottes umsonst s:;»:? (zum
Nichtigen) schwören, u. nicht sollst du bei meinem Namen schwören u. (dabei) lügen.
3. ccTco6wa8ig dh To) xvQi'co Tovq oQxovg aov „du sollst dem Herrn
deine Eidschwüre bezahlen (= halten)". Zum Ausdruck s. Ps50, 14:
"(■'"''7? "i'i'^'-:^ D-^i; LXX: xal ccjiöSoq ro) vifiiarcr) rag si'xccg üov. Targ:
*n"'"'7? ^^\'-<^ Cr.^1- Die Regel selbst findet sich wörtlich so nicht im AT;
sie dürfte hergeleitet sein aus Stellen wie Nu 30, 3 u. Dt 23, 22, welche
Stellen zunächst von Gelübden reden. Vgl. auch SNu 30, 3 § 153: Was
ist für ein Unterschied zwischen Gelübden u. einem Schwur? Bei den
Gelübden ist man wie einer, der beim Leben des Königs gelobt, bei
einem Schwur wie einer, der beim König selbst schwört. Wenn auch
kein Beweis, so ist doch ein Merkzeichen dafür: „So wahr Jahve lebt
u. beim Leben deiner Seele, ich verlasse dich nicht" 2 Kg 4, 30. — Der
Schwur erfolgt beim Namen Gottes u. damit bei Gott selbst; Gelübde
werden ausgesprochen auch ohne Erwähnung des göttl. Namens.
Ermahnungen zum Halten der Gelübde. SDt 23, 23 §265: ,Wenn du zu geloben
unterlassest, so wird keine Schuld an dir sein" Dt 23, 23. R. Meir (um 150) sagte:
, Besser ist, daß du nicht gelobest, als daß du gelobst u. nicht hältst" (Qoh 5, 4);
besser als dieses (seine Gelübde halten) u. als jenes (sie nicht halten) ist es, daß
du überhaupt nicht gelobst. R. J^huda (um 150) sagte: , Besser ist es, daß du nicht
gelobest", besser als dieses (sein Gelübde nicht halten) u. als jenes (überhaupt nicht
geloben) ist es, daß man gelobt u. hält z:h-::-o (bezahlt). — Parallelstellen: TChullin
2, 17 (503); Chullin2a; Wd^9^; LvR 37 (133'); pN^d 1,36^30; Midr Qoh 5, 4. || LvR37
(133*^): R. Huna (um 350) hat gesagt: Es geschah einmal, daß einer gelobte u. sein
Gelübde nicht hielt cV-i-; er ging, um eine Seereise anzutreten, u. sein Schiff ging
unter u. er kam im Meere um.' R. Sch'-'muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Wer
gelobt u. sein Gelübde verzögert, der gerät schließlich in Götzendienst, Unzucht,
Blutvergießen u. Verleumdung. Von wem lernst du sie alle? Von Jakob, weil er
gelobte u. sein Gelübde verzögerte, geriet er in sie alle: Götzendienst, s. Gn 35, 2;
Unzucht, s. Gn 34, 1; Blutvergießen, s. Gn 34, 25; Verleumdung, s. Gn 31, 1. Die Rab-
binen sagten: Wer gelobt u. sein Gelübde verzögert, der begräbt seine Frau; das
meint Gn 48, 7: ,Denn als ich (Jakob) aus Paddan kam, starb mir zum Leide Rahel."
R. Sch'^muel b. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Wer gelobt u. bezahlt (hält) tS-m, der
hat Lohn für das Geloben u. für das Bezahlen, vgl. Ps 76, 12: , Gelobet und bezahlet
Jahve eurem Gotte." Wer aber gelobt u. sein Gelübde verzögert, der verursacht sich
selbst den Tod, vgl. Dt 23, 22: ,Denn Jahve dein Gott wird es sicher von dir fordern",
von dir wird man (= Gott) es eintreiben u. nicht von deinem Gel de. — Parallel-
stelle Midr Qoh 5, 4. |1 Midr Qoh 5, 5: „Laß nicht deinen Mund in Strafe bringen
deinen Leib u. sage nicht vor dem Gottesboten (= Priester), daß es Übereilung war;
warum soll Gott zürnen ob deines Geredes u. das Werk deiner Hände verderben?"
Qoh 5, 5. Die Rabbinen haben die Stelle auf den Gelobenden ausgelegt: „vor dem
' pN^d 1, 36 <i, 36 in folgender Fassung: Wenn ein Mensch die Erfüllung seines
Gelübdes hinausschiebt -rr-s (aufhält), dann wird sein Buch (im Himmel) geöffnet. Es
geschah, daß einer sagte: Siehe, auf mir sei ein Brandopfer! Er zögerte es darzubringen
u. sein Schiff ging im Meer unter.
328 Matth 5, 34 (Nr. 1. 2;
Gottesboten", das ist der Gelehrte (der das Gelübde lösen soll); ,daß es Übereilung
war", ich hätte nicht gelobt (wenn ich die Tragweite des Gelübdes gekannt hätte);
, warum soll Gott zürnen?" daß du einen Vorwand zur Lösung des Gelübdes suchst;
,und das Werk deiner Hände verderben?" auch über das wenige Geld, das in der
Hand jenes Mannes ist, bringt Gott den Fluch u. tilgt es von ihm weg.
5,34: Ich aber sage euch: Ihr sollt ganz u. gar (überhaupt)
nicht schwören, auch nicht beim Himmel usw.
1. Für das jüdische Denken bildeten die Schwüre trotz ihrer
Verschiedenheit untereinander doch so sehr ein einheitliches Ganzes,
daß kein jüdischer Hörer die Malmung: „Ihr sollt ganz u. gar nicht
schwören" anders als von sämtlichen Schwüren verstanden hätte,
gleichviel ob sie beim Gerichtsverfahren oder im tagtäglichen Leben
in Übung waren. Das ist wichtig für die richtige Deutung des fn^rs . . .
{iTjTs in Vers 34 f. ; denn daraus ergibt sich, daß fxViTe . . . jttrjT« nicht
im Sinne von „weder . . . noch" gefaßt werden darf, so daß das all-
gemeine okoK seinen Inhalt erst durch die hinterher aufgeführten
speziellen Schwüre erhielte,^ sondern daß fi^rs . . . fir^zs im Sinne von
fiTjde' . . . firjds (= auch nicht . . . auch nicht) verstanden werden muß,
so daß die speziell verbotenen Schwüre zu dem allgemeinen Verbot, das
in oXo}g liegt, als besonders Hervorzuhebendes ergänzend hinzutreten.
Man hat also zu übersetzen: „Ihr sollt überhaupt nicht schwören; auch
nicht beim Himmel" usw. — Für die sprachliche Möglichkeit vgl. Off b 9,21.
2. Wie allgemein die Neigung im jüdischen Volk verbreitet gewesen
ist, jede beliebige Äußerung mit einem Schwur zu bekräftigen, zeigen
nicht bloß die Beispiele aus dem gewöhnlichen Leben N<^d 2, 2 f. u.
Sch^'bu 3, 1 — 9 (einzelnes davon s. S. 32 1), sondern vielleicht noch mehr die
Bemühungen der schriftgelehrten Kreise, diese Unsitte einzuschränken.
Vgl. die Bestimmung, daß der leicht hingeworfene, aber nicht inne-
gehaltene Schwur mit Geißelung bestraft werden sollte, Sch^bu 3, 7
S. 321; ferner die Eidesvermahnung, die dem gerichtl. Schwur vorauf-
ging u. leichtfertige Eidesleistung wenigstens von der Gerichtsstätte
fernhalten sollte, Sch'^bu 38 '^ S. 323 f. Das gleiche Bestreben liegt auch
vielen Aussprüchen u. Erzählungen in der rabbin. Literatur zugrunde.
Einige mögen hier folgen.
M«^kh Ex 22, 10 (98''): „Es soll ein Schwur bei Jahve zwischen beiden sein"
Ex 22, 10. R. Nathan (um 160; ob R. Jonathan, um 140, gemeint ist?) sagte: „Zwischen
beiden", das zeigt an, daß der Schwur (mit seinen Straffolgen) auf beide (den Kläger u.
den Beklagten) fällt. — Dasselbe im Namen des R. Schimfon b. Tarphon (um 140?)
Sch^bu47'^ u. 39'^; zur letztern Stelle bemerkt Raschi: Beide werden infolge des
Schwurs bestraft; denn er (der Gläubiger) hat es nicht genau damit genommen, sein
Geld in die Hand eines zuverlässigen Mannes zu legen, u. so kamen beide zur Ent-
heiligung des göttlichen Namens. || TSch^bu ö, 3 (453): „Es soll ein Schwur bei Jahve
^ Diese Auslegung würde allerdings der häufig angewandten hermeneutischen
Regel (R. Jischmafel Nr. 4) entsprechen v^tzvi -13 k'js '•55=3 7s t:5:n ■'-'-s u^s, wenn
das Besondere auf das Allgemeine folgt, so ist im Allgemeinen nur enthalten, was
im Besonderen liegt (darin genannt wird).
Matth 5, 34 (Nr. 2) 329
zwischen beiden sein" Ex 22, 10. . . . Er geht zwischen beiden nicht fort: wenn der
Schwörende falsch schwört, so fällt der Schwur schließlich auf ihn; u. wenn der
Kläger wegen einer falschen Sache schwören läßt (wenn er zB eine unberechtigte
Geldforderung anhängig gemacht hat), so fällt schließlich der Schwur auf ihn, s.
Sach 5, 4: Und er (der Fluch) verweilt im Innern seines Hauses u. verzehrt es mit
seinen Balken u. Steinen. Komm u. sieh! selbst Dinge, die kein Feuer verzehrt, ver-
zehrt der falsche Schwur. — Dasselbe LvR 6 (lOy.*^); P'^'siqR 22 (11?.^'); pSch'bu (J,
37*, 54. Hier folgt: R. Jona (um 850) hat gesagt: Das trifft zu bei einem falschen
Schwur; R. Jose (um 350) sagte: Auch bei einem wahrheitsgemäßen. RChaggai (um
330) hat in Übereinstimmung mit R. Jose öffentlich vorgetragen: Einmal ging eine
Frau, um den Teig bei einer andren herzurichten; dabei hatte sie im Saum ihrer
Kopfbedeckung zwei Denare eingeknüpft. Diese entfielen ihr u. wurden in das PJrot
hineingeknetet. Als sie zurückgekehrt war, suchte sie sie in ihrem Hause, ohne sie
zu finden. Da ging sie zurück u. sprach zu jener andren Frau: Gib mir die beiden
Denare, die mir in deinem Hause weggefallen sind! Diese antwortete: Ich weiß von
nichts; wenn ich um sie weiß, so will ich meinen Sohn begraben! Sie begrub ihn
wirklich. Als man vom Begräbnis zurückkehrte, hörte sie, wie eine Stimme sprach:
Wenn die nicht um die Denare gewußt hätte, hätte sie ihn nicht begraben! Da
antwortete sie: Wenn ich um sie weiß, so will ich meinen andren Sohn begraben!
Sie begrub ihn wirklich. Man kam, um sie zu trösten; beim Trauermahl zerbrach
man ein Brot u. fand die beiden Denare darin eingeknetet. Das will das Sprichwort
besagen: „Ob rein (unschuldig), ob schuldig, laß dich auf keinen Schwur ein! —
Diese Geschichte auch LvR 6 (109'^): P'^'siqR 22 (113'^); ähnlich im Munde Rabs (f 247)
Git 35^. II P'^'siqR 22 (112'^): „Du sollst den Namen Jahves deines Gottes nicht zu
Nichtigem aussprechen" Ex 20, 7. R. Simon (um 280) hat gesagt: Wenn die Schrift
(hier) von nichtigen (falschen) Schwüren redet, ist da nicht schon längst gesagt Lv 19, 12:
„Nicht sollt ihr bei meinem Namen zur Lüge schwören"'? Was will also die Schrift
lehrend sagen mit den Worten: „Du sollst den Namen Jahves deines Gottes nicht
zu Nichtigem aussprechen"? Damit ist ein Schwur der Wahrheit gemeint, der ein
nichtiger (ein unnützer) Schwur ist. R. Chunja (— Huna, um 350) u. R. Ja?aqob
b. Abin (um 325) haben im Namen des R. Sch^muel b. Nachman (um 260) gesagt: Vier-
undzwanzig Ratsherren (d. h. allgemein: vornehme, angesehene Männer, s. Bacher,
Tann- 1, 52) sind im Süden (Judäas) wegen eines wahrheitsgemäßen Schwures, der
ein unnützer war, vernichtet worden.' Chizqijja (auch in den Parallelstellen ohne
den Rabbititel, also wohl der b. Chijja gemeint, um 240; der spätere R. Chizqijja,
Schüler des R. Jirm^ja, lebte um 350) hat gesagt: Auch wenn jemand von einem
Ölbaum (mit einem Schwurwort) sagt, daß es ein 0. sei, oder von einem Feigen-
baum, daß es ein F. sei, so ist das ein nichtiger (unnützer) Schwur. R. Chaggai
(um 330) u. R. M'^nachem (um 370?) haben im Namen des R. Schim?on b. Laqisch
(um 250) gesagt: Wenn einer über die Straße geht u. den Regen niederströmen sieht u.
sagt: noXv, xvqis, eßgeSey (-j-cr—^as =) a-5:'i^=s — p "ht^ = „"vi&h o Herr, hat es
geregnet", so ist das ein nichtiger (unnützer) Schwur. R. Simon (um 280) hat ge-
sagt: Man überläßt keinen Eid dem, der zum Eide sich drängt. Jener Vorfall mit
Bar T'^lamjon ii-isir n^ ist eine Stütze für die Rabbanan (für deren Meinung, daß
ein wahrheitsgemäßer u. doch nichtiger Schwur verboten sei). Jemand hatte einmal
bei Bar T^Iamjon 100 Denare deponiert. Er ging u. forderte sie zurück. Dieser aber
sprach zu ihm: Was du bei mir deponiert hattest, habe ich in deine Hand zurück-
1 Dieser Ausspruch auch pN«'d 3, 38 '\ 11, pSch'^bu 3, 34 '^, 63; beidemal als Schrift-
beweis Jer 2, 30: „Wegen vergeblichen (Schwures) habe ich eure Kinder geschlagen"
(so der Midr).
2 In den Parallelstellen pN«d 3, 38^, 10 ^irp-'^a u. pSch'bu 3, 34 "^, 62 tiC3"3 (für
ßQS^oi' = „laß regnen"?) wird die Strafe hinzugefügt: „Der wird wegen eines nichtigen
Schwurs gegeißelt."
330 Matth 5, 34 (Nr. 2. 3)
gegeben. Er antwortete: Komm, ich werde dich schwören lassen! Was machte Bar
T'^lamjon? Er nahm einen Rohrstab, höhlte ihn aus, legte jene Denare hinein u. fing
an, sich darauf zu stützen. Als er in die Synagoge (wo der Schwur geleistet werden
sollte) eingetreten war, sprach er zu jenem: Nimm diesen Stab in deine Hand, daß
ich dir den Schwur leiste. Dann sprach er: „Bei dem Herrn dieses schönen Hauses!
Was in meine Hand gelegt worden ist, habe ich in deine Hand zurückgegeben!" In-
folge der Schwere des Stabes nahm der Kläger diesen u. warf ihn auf die Erde; da
fingen die Denare an verstreut zu werden, u. er begann sie zu sammeln. Jener aber
sprach: Sammle, sammle, von dem Deinigen sammelst du! — Dasselbe LvR 6 (109'').
Nach N'^d 25^ hat sich die gleiche Begebenheit vor Raba, f 352, zugetragen; man
nannte deshalb in den babylonischen Schulen dergleichen Betrügereien beim Eide
kurzweg einen „Rabastock" s=^t s;:-., zB Sch'^^bu 29% 39b. || LvR 6 (109b): R. Aibo
(um 320) hat gesagt: Warum läßt man einen Menschen mit dem Torabuch (in seiner
Hand) schwören u. warum bringt man aufgeblasene Schläuche vor ihn? Um damit
zu sagen: Gestern war dieser Schlauch erfüllt von Sehnen u. Knochen (der Schlauch
war also eine aufgeblasene Tierhaut), u. jetzt ist er leer von dem allem. So wird
schließlich auch der, der einen andren zu Unnützem {■= unnötig) schwören läßt,
leer von all seinem Vermögen ausgehn. (Gemeint ist wohl der Fall, daß jemand eine
ungerechtfertigte Forderung einklagt, derentwegen der Beklagte unnötig schwören
muß.) — In P^'siqR 22 (113b) ist R. Simon, um 280, als Autor genannt. || Tanch s-^p^i
136": Unsre Lehrer haben gesagt: Auch wegen der Wahrheit zu schwören ist dem
Menschen nicht gut. Weshalb? Sie haben gelehrt: Nicht sei jemand von Israel leicht-
fertig mit Gelübden, auch nicht mit dem Lachen,^ auch nicht, um einen andren durch
einen Schwur zu täuschen, sagend, daß es kein Schwur sei. Im Königsgebirge (= Ge-
birge Ephraim, Neubauer, Geogr. 41) lagen 2000 Städte, u. sie alle sind wegen eines
wahrheitsgemäßen Schwures, der ein unnötiger war, zerstört worden. Wie verhält
es sich hiermit? Der eine sagte zum andren: Schwur (= ich schwöre), daß ich nach
dem u. dem Ort gehn werde, um zu essen u. zu trinken. Und sie gingen u. taten
es u. hielten ihren Schwur; u. sie alle sind vernichtet worden. Wenn es nun dem
also ergeht, der wahrheitsgemäß schwört, um wieviel mehr wird es dem also er-
sehn, der falsch schwört. — Dasselbe Tanch B s-p-i § 16 (5 b); ohne die Eingangs-
sätze auch TanchB r^z^ §1(79*); NuR 22 (192 f^). || Tanch B rv^'3 §1(79"): Gott
sprach zu Israel: Seid behutsam mit den Gelübden u. nicht leichtfertig mit ihnen;
denn wer mit Gelübden leichtfertig ist, der wird schließlich auch Untreue begehn
mit Schwüren; u. wer Untreue mit Schwüren begeht, der wird mich verleugnen; ein
solcher wird in Ewigkeit keine Vergebung haben, s. Ex 20, 7: „Jahve wird den nicht
ungestraft lassen, der seinen Namen zu Nichtigem ausspricht." Eine Schriftstelle
sagt: Schwören wirst du: „So wahr Jahve lebt" Jer 4, 2. Gott sprach zu Israel:
Ihr sollt nicht meinen, daß euch das Schwören bei meinem Namen erlaubt sei; selbst
der Wahrheit gemäß dürft ihr nicht bei meinem Namen schwören, es sei denn, daß
du alle jene Eigenschaften besitzest von Dt 10, 20: „Jahve deinen Gott sollst du
fürchten, ihn verehren u. ihm anhangen u. bei meinem Namen schwören". . . . Dann
kannst du schwören; wenn aber nicht, so darfst du nicht schwören. — Parallelstellen:
Tanch rv^xj 243'; NuR 22 Anfang; vgl. auch N'd 20='.
3. Zum Wesen des Schwures gehörte, dafa er beim Namen Gottes,
d. h. beim Jahvenamen geleistet wurde. Man berief sich dafür auf Gn
24, 3 u. Ex 22, 10. a Dem hat jedenfalls die ältere Praxis entsprochen.
Als dann später, aber noch zur Zeit des Tempelbestandes, das Aus-
sprechen des Jahvenamens auf Grund von Ex 20, 7 verboten u. im Zus.-
hang damit auch der Gebrauch des Ausdrucks „Gott" möglichst ver-
^ Dieser Ausspruch nach D'^mai 2, 3 von R. J^huda,' um 150.
Matth 5, 34 (Nr. 3) 331
mieden wurde, erfolgten die Schwüre bei einer der Nebenbenennungen
-ji^^:3 Gottes. a Als solche führt Sch^bu 4, 13 an: Adonai (xi>p;oc, Herr),
Schaddai (der Allmächtige), 9'^baoth, der Gnädige u. Barmherzige -isn
cJinni, der Langmütige c^ex -,-ix u. der groß ist an Gnade ipn ^n. Wenn
in dieser Reihe hinter Adonai auch der mit Jod-He beginnende Name,
4. h. nini, genannt wird, so ist damit selbstverständlich nicht dieser
Name selbst gemeint (sein Gebrauch war ja verboten), sondern der
übliche Ersatzausdruck, nämlich d'j = Name. Man sagte: „Beim Namen"
u. meinte damit: „beim Jahvenamen*,*' || Andre Nebenbezeichnungen
waren: der Große, der Furchtl^are, der Herrliche u. dgl., s. Sch^bu 35 ä.
Bei einer von diesen Gottesbezeichnungen wurde nun ein Schwur an
<7erichtsstätte abgelegt.» Fraglich aber ist, ob auch der außerhalb der
Gerichtsstätte geleistete „Zeugniseid" unbedingt unter Erwähnung
einer Gottesbezeichnung erfolgen mußte. Denn da dieser weniger rechts-
verbindlich war, als der vor einem Richter abgelegte Zeugniseid, ^ so
wäre es gar wohl möglich gewesen, daß man bei ihm auf die aus-
drückliche Erwähnung einer Gottesbenennung verzichtet hätte. || Auch
■die Nebenbenennunge'n Gottes nahmen ja, eben weil sie Bezeichnungen
öottes waren, weithin an der Heiligkeit des göttlichen Namens teil.
Deshalb lag es nahe, bei denjenigen Schwüren, die nur eine gewöhnhche
Bekräftigung eines Ausspruchs bedeuteten, jede Gottesbezeichnung fort-
zulassen u. als Schwurformel das einfache nr^isd „Schwur" (= „ich
schwöre") zu gebrauchen. Tatsächlich verwendet denn auch die Mischna
beim außergerichtl. Zeugniseid als Schwurformel das bloße nyisir u. als
Beschwörungsformel das bloße: „ich beschwöre euch" c:"^b;^; "'dn v-'2^^,
s. Sch^bu 4, 3 S. 322. Bei der ^r^a rrsar:, der schwurmäßigen Beteuerung
«ines Ausspruchs (s. S. 321), war jedenfalls das einfache „Schwur"
n:;i3tJ oder eine gleichbedeutende Nebenbenennung allgemein üblich,
s. Sch^bu 3, 1. 5 S. 321. c II Ja endHch ließ man bei den Bekräftigungs-
■oder Beteuerungsschwüren, wie sie im gewöhnl. Leben Sitte waren, auch
noch das Wort „Schwur" r^^^^^^ fort u. sagte einfach „beim Himmel",
„beim Tempel", „beim Tempeldienst", „beim Bunde" usw.d — Gegen
diese abgeschwächten Schwüre wendet sich Jesus insonderheit Vers 34
bis 36, indem er darauf hinweist, daß sie ihre Beteuerungskraft nur
dadurch haben, daß sie irgendwie zu Gott in Beziehung stehen u. daß
ihr unnötiger u. gedankenloser Gebrauch eben deshalb eine Beein-
trächtigung der Heiligkeit Gottes bedeute.
a. M'kh Ex 22, 10: ,Es soll ein Schwur bei Jahve zwischen beiden sein" Ex 22,10.
Aus diesen Worten folgt für sämtliche Schwüre in der Tora, daß sie nur bei Jod-He
r"- (= mn-) geleistet werden. 1] Sch'^'bu 38'*: Wie beschwört man jemand (beim gerichtl.
Eid)? Rab J'^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Man beschwört ihn
mit dem in der Tora genannten Schwur Gn24, 3: , Damit ich dich hei Jahve, dem
Oott des Himmels u. dem Gott der Erde, schwören lasse." Rabina (f um 420) sagte
^ So blieb der außergerichtlich abgelegte falsche Zeugniseid unbestraft, falls die
Aussage hinterher vor Gericht nachgeholt wurde, s. Sch^'bu 4, 3 S. 322.
332 Matth 5, 34 (Nr. 3). 5, 34 f. (31)
zu Rab Aschi (f 427): Wessen Meinung entspricht dies? Der Meinung des Rab Chaninan
b. Idi (wohl des Jüngeren, gegen 300), der gesagt hat: Man läßt schwören bei dem
Gott eignen Namen (d.h. beim Jahvenamen). Rab Aschi erwiderte: Du kannst auch
sagen, daß es der Meinung der Rabbanan entspreche, die gesagt haben, man lasse bei
einem der Beiaamen (Nebenbenennungen) Gottes schwören. — Die erste Stelle gibt
wohl die prinzipielle Auffassung wieder, wie es sein sollte u. wie es in älterer Zeit
tatsächlich war, nämlich daß alle Schwüre beim Jahvenamen zu leisten seien. Wie
die Schwüi-e später gehandhabt wurden, besagt die Stelle nicht. Das zweite wesentlich
jüngere Zitat betont gleichfalls den prinzipiellen Standpunkt: zum Schwur gehört die
Nennung des Jahvenamens; indem dann aber am Schluß die Eidesleistung mit einer
der Nebenbenennungen Gottes der Eidesleistung mit dem Jahvenamen gleichgesetzt
wird, zeigt die Stelle, daß sie unter der letzteren den Schwur versteht, bei dem der
späteren Sitte gemäß der Jahvename durch „Adonai" oder das absolute er = „Name*^
ersetzt wurde. Diese beiden Ersatzausdrücke gehörten natürlich auch zu den Neben-
bezeichnungen Gottes; deshalb kann Rab Aschi sagen, die Meinung, der Schwur habe
beim Jahvenamen zu erfolgen, entspreche der andren Meinung, daß er bei einem der
Nebennamen zu leisten sei.
b. Sch^bu 4, 13: Beschwört jemand andre zur Leistung des Zeugniseides mit Aleph-
Daleth -"s (= "3'"n, dem gewöhnl. Ersatzwort für t\i'^'), mit Jod-He n"- (= -r.'.i-r, ge-
meint ist hier das absolute zv ^= Name, ebenfalls ein gang u. gäbes Ersatzwort für
jJahve"), mit --r (dem Allmächtigen), mit QbaJoth, mit dem Gnädigen u. Barmherzigen,,
mit dem Langmütigen oder dem, der groß ist an Gnade (s. Ex 34, 6), oder mit allen
(übrigen) Nebenbenennungen v^us , siehe, die sind schuldig (wenn sie wider besseres
Wissen ihre Zeugenaussage ablehnen).
C. In tt;8"in 'j^Ci ^^•^-. (von Ja?aqob b. Ascher) zu Sch'^bu Kap. 4 Nr. 24 heißt es:
,Von den Beteuerungsschwüren -vjs riyi:» (s. S. 321) hat R. Mosche b. Nachman (f um
1270) geschrieben, daß ein solcher weder des , Namens' nie (Ersatz für nin-) noch
einer Nebenbenennung *^3r bedürfe." — Man sagte einfach nyi^s Schwur! oder ein
gleichwertiges Wort. N'^'d 1,1: Alle Nebenbezeichnungen der Schwüre sind wie Schwüre
(haben die gleiche rechtliche Bedeutung), y N^d 1, 2: nrin:«?, —np-i- (r:^n=tti) — (alles
absichtliche Veränderungen von nvr.ar), oder hat einer mit sri^s (andere Lesarten; mit
■'riio, SP'?-':, absichtliche Veränderungen von '•^.'•o = Eid, Schwur) gelobt (geschworen)^
siehe, so sind das Nebenbezeichnungen 111122 für ryi:ia Schwur. — Zu i--': s. Levy 3, 43.
d. Belege s. S. 334 f.
5,34 — 36: Auch nicht beim Himmel, weil er Gottes Thron ist;
35auch nicht bei der Erde, weil sie" seiner Füße Schemel ist;
auch nicht bei Jerusalem, weil sie des großen Königs Stadt
ist. s^Auch sollst du nicht bei deinem Haupte schwören, weil
du nicht Ein Haar weiß machen kannst oder schwarz.
5, 34 f. %: ^r}Ts sv t/>) ovQavo) . . . fxijrs iv ttj yfj. Der Schwur beim
Him.mel u, bei der Erde galt nicht als Schwur.
Sch®bu4, 13: Sagt jemand, zum Zeugniseid auffordernd: Ich beschwöre euch . . .
beim Himmel u. bei der Erde 7^x31 a-2i)3, so sind sie (die die Aufforderung hörten u.
unrechtmäßigerweise ablehnten) straffrei (weil diese Beschwörungsformel keine bindende-
Kraft hatte). |l Sch'^bu 35*: ,Ich beschwöre euch bei dem Gnädigen u. Barmherzigen"
(Sch'bu 4, 13); das besagt, daß der „Gnädige" u. , Barmherzige" (Gottes-)Namen sind. . . .
Abaje (f 33^/39) hat gesagt: ünsre Mischna meint damit: ich beschwöre euch bei dem,
der gnädig ist, bei dem, der barmherzig ist. Raba (f 352) antwortete: In diesem Fall
könnte man sagen, daß mit , Himmel u. Erde" (Sch'^bu 4, 13) ebenfalls der gemeint sei,
dem Himmel u. Erde gehören (warum ist also der Schwur bei Himmel u. Erde in der
Mischna abgelehnt'?). Trifft denn das hier zu? Dort, weil es keinen andren gibt, der
Mattb 5, 34 f. (31). 5, 35 (58. 6) 333
tiarmherzig u. gnädig genannt wird, ist es bestimmt von dem gemeint, der gnädig, u.
-bestimmt von dem, der barmherzig ist. Hier aber, weil es solches gibt, was Himmel
«. Erde o-enannt wird (nämlich der wirkliche Himmel u. die wirkliche Erde), so könnte
•er (bei seinem Schwur) vom (wirklichen) Himmel u. von der (wirklichen) Erde reden
(u. nicht von dem, dem beide gehören). — Der Schwur bei Himmel u. Erde ist hiernach,
weil zweideutig, von der Mischna abgelehnt worden. Aber aus der Ablehnung erkennt
man zugleich, daß der Schwur irgendwann üblich gewesen sein muß; Mt 5, o4 zeigt
ans dann, daß das in Jesu Tagen der Fall gewesen ist. — Anders ist die Beteuerungs-
formel: „beim Himmel!" zu verstehn; hier ist , Himmel" metonymisch für ,Gott" ge-
setzt; die Formel ist also soviel wie: ,bei Gott". Belege zu dieser Formel s. S. 334. ||
Midr KL4, 2 (741^): R. J^hoschuaf sprach: Ich nehme Himmel u. Erde zu Zeugen, daß
ach zu diesem (dem späteren R. Jischraafel, f um 135) das feste Vertrauen habe, daß
•er (noch einst) in Israel Entscheidungen treffen wird. — „Ich nehme Himmel u. Erde
a;u Zeugen" sagt auch R. Jochanan b. Nuri (um 110) SLv 19, 17 (352»).
oTi ^qÖvoc earlv xov ^sov . . . öxi vnonööiöv iariv xwv noöwv avxov.
Jes 66, 1: ,Der Himmel ist mein Thron -st?s u. die Erde der Schemel n'-rn meiner
j'Qße." — LXX: 6 ovQafög fiov ÜQÖPog xal tj yfj imonodiop xiöi' nodwy /uov. Targ: Der
Himmel ist der Thron meiner Herrlichkeit "^-•' -3^i= u. die Erde ein Schemel vor mir
-^■rp V2::. || Chag 12»; Die Schule Schammais sagte zur Schule Hillels (welche lehrte,
daß erst die Erde u. dann der Himmel erschaffen worden sei): Nach euren Worten
macht ein Mensch den Fußschemel q^^r^ u- hinterher den Sessel, wie es heißt Jes
66, 1 : Der Himmel ist mein Thron usw. — Parallelstellen: pChag "i, 77^, 61 ; GnR 1 (3^);
LvR 36 (132d). II Chag 14^ zum Plural , Throne" Dn 7, 9: . . . R. El?azar b. $Azarja (um
100) sagte: . . . Der eine als Sessel, der andre als Fußbank; der Sessel, um darauf zu
sitzen, die Fußbank als Schemel seiner Füße, s. Jes 66, 1. — Dasselbe Sanh 38''. || Auch
der Tempel zu Jerusalem wird einmal der „Fußschemel Gottes" genannt. SDtll,16
§ 43: Rabban Gamliel (IL, um 90), R. J'^hoschua? u. R. EUazar b. fAzarja sprachen zu
R. ?Aqiba: Sollen wir nicht weinen, daß die Heidenvölker, die den Götzen dienen, die
den Nichtsen opfern u. die Götzenbilder anbeten, in Frieden u. Sicherheit wohnen, während
-die Stätte des Fußschemels ot-^n r-a unsres Gottes (d. h. der Tempel) zur Brandstätte
geworden u. zur Wohnung für das Wild des Feldes? — Parallelstelle: Mak 24*.
5, 35 $ö: f^iTiTs €ig 'hgoaöXvfxa. Eine Schwurformel mit dem Namen
Jerusalem ist uns nicht begegnet, wohl aber kommt der Name in
Entsagungsgelübden vor.
N<^d 1,3: Wenn jemand sagt: (Dies oder das soll mir sein) wie ein Opferlamm, wie
'die Stallungen (für die Opfertiere auf dem Tempelberg), wie Opferholz, wie das Altar-
feuer, wie der Altar, wie der Tempel Vs--, wie Jerusalem — , oder hat er das Gelübde
bei irgendeinem der Altargerätschaften abgelegt, so hat er, auch wenn er das Wort
qorban „Opfer" nicht erwähnt hat (wie es sonst bei Entsagungsgelübden üblich ist),
gelobt wie mit dem Worte qorban. R. J'^huda (um 150) sagte: Wer sagt: (Dies oder das
soll mir sein) „Jerusalem" (statt „wie Jerusalem"), hat gar nichts gesagt. (Bertinoro:
„wie Jerusalem" d. h. wie die Opfer in Jerusalem.) — TNM 1, 2 f. (276) : R. J'^huda (um
150) sagte: Wer sagt: Jerusalem (soll mir sein, was ich von dem Deinigen genießen
sollte)! hat gar nichts gesagt, weil er damit nur ein Opfer selbst zu geloben gedachte. —
Wenn jemand sagt: Jerusalem, für Jer., wie Jer.; Tempel, für den T., wie der T.;
Altar, für den A., wie der A. . . . soll mir sein, was ich von dem Deinigen genießen sollte
(so nach der Wiener Handschrift), so ist es ihm verboten. (Dieser Satz ist der Meinung
J'^hudas entgegengesetzt.) — Vgl. auch pN^d 1, 37^, 23.
5, 35 6: Tiohg . . . xov [.isyakov ßaGiXewg.
Ps48, 3: „Zion . . ., die Stadt des großen Königs" an -r"'?.'? ^zy..' Targ: ^i-.^.l_ ^r^T^
K^-. LXX: ij nöXig xov ßaailscji toiT usyd'Äov. — „Ein großer König" ^'.is ^\'^. heißt
' Oott Ps 47, 8 (Targ: =: -?« ); Ps 95, 3 (Targ: s^^ ss^^?); Mal 1, 14 (Targ: a!; n^«). LXX
334 Matth 5, 36 (S. 6. S)
überall ß«ai?.£vg /nsyccg. — In einer Auslegung von Qoh 9, 14 f. heißt es GnR 33 (20'"')
,Eine kleine Stadt", Qoh 9, 14, das ist die Welt; „u. nur wenig Männer darinnen", das
ist das Geschlecht der Flut; ,u. es zog gegen sie ein großer König u. umringte sie"
das ist Gott.
5,36 ^: i.i)]Ts SV rfj xs(paXfj aov ofiöürjg. — Der Gelöbnisschwur
„beim Leben deines Hauptes" findet sich zB:
Sanh 3, 2: War jemand einem andren zu einem Schwur verpflichtet u. der hat zu'
ihm gesagt: , Gelobe mir beim Leben deines Hauptes" t^'4^^ "?."?, so kann er nach
R. Meir (um 150) davon zurücktreten; die Gelehrten aber sagten: Er kann üicht zurück-
treten (das Gelübde ist gültig).
5, 36 @: oTt ov Svvaaai iiiav tqi'xcc Xsvxr'V TtoiTiaai tj jusXaivccv.
Ähnlich sagt R. Alexandrai (um 270) LvR 19 (48 b): Wenn alle Völker der Welt
zusammenkämen, um Einen Rabenflügel weiß zu machen i-a'inb, so würden sie es nicht,
vermögen. Ebenso wenn alle Völker der Welt zusammenkämen, um Ein Wort aus der
Tora zu tilgen, so würden sie es nicht vermögen. — Parallelstelle: Midr HL 5, 11. ||
Das Unvermögen des Menschen, Gotte das geringfügigste Schöpfungswerk nachzutun,,
wird gern in dieser Weise veranschaulicht: SDt 6, 5 §32: Wenn alle, die in die Welt
gekommen sind, zusammenkämen, um Eine Mücke zu erschaffen u. in sie eine Seele zu
legen, so würden sie es nicht vermögen. — Nach pSanh 7, 25 '^, 48 ist R. Jose b. Zimra
(um 220) Autor dieses Ausspruchs. Weitere Parallelen s. GnR 39 (24"=); 84 (53 b); Midr
HL 1,3; pesiqR43(181''i).
5, 36 ^: Noch einige andre der Schwur- u. Beteuerungsformeln in,
den altrabbin. Schriftwerken mögen hier genannt werden.
a. bei Gott. Git 7»: Rab Huna (f 297) . . . sprach: Bei Gott o-n'ssn! (das Verbot,,
den Bräutigam mit einem Kranz zu schmücken) stammt von den Rabbinen. |1 MQ9'':
Rab Huna b. Chin'^na (um 30U) saß vor Rab Chisda (f 309) u. sprach: (Daß Frauen sich
schminken u. putzen dürfen) hat man nur von einer Jugendlichen, aber nicht von einer
Alten gelehrt. Er antwortete: Bei Gott a-n^sn! auch deine Mutter u. die Mutter deiner
Mutter tut es u. selbst eine, die am Rand ihres Grabes steht; denn die Leute sagen:
Die Sechzigjährige rennt wie die Sechsjährige zum Paukenschlag! — n-n'jsr; im Munde
des Rab Chisda auch B'rakh 24'' zweimal.
ö. beim Himmel (metonymisch = bei Gott). TGhullin 2,24 (503) u. Midr Qoh 1,8:
R. Elifezer b. Hyrkanos (um 90) sprach zu R. f Aqiba (f um 135): Beim Himmel D-uvr.l
du rufst eine Erinnerung in mir wach. — || SDt 32, 3 §306: R. N'^horai (um 150) ant-
wortete dem R. Jose: Beim Himmel n-^mn! so ist der Lauf der Welt: die Knappen
kämpfen im Kriege, u. die Helden tragen den Sieg davon. — Dasselbe B*^rakh 53^*;
Nazir 66''. || Aboth R. Nathan 38: R. Schim?on b. Gamliel (um 140) sprach: Beim Himmel
n-i2-i;r:! wenn ich so getan habe (= so habe ich nicht getan). — || Tafan 18^ u. RH 19''
heißt es: n-'^tu -x, sind wir nicht Brüder, sind wir nicht Kinder Eines Vaters u. Einer
Mutter? — n-»3'a -s auch ExR 42 (98''): Der König sprach: d-'ssj -s, zwei Perlen habe
ich ihr aus meiner Hand in ihre Hand gegeben! — Diese Wortverbindung bedeutet
aber nicht, wie Wettstein annimmt, einen Schwur, sondern -s ist Interjektion, also =
o Himmel! = o Gott!
c. bei der Allmacht = beim Allmächtigen. Chag 15*5: R. Jochanan (1279)
sprach: Bei der Allmacht sr-n:;! so seinem Lehrer zu fluchen!
d. beim Tempel. Qid 71'': R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Beim Tempel s^p^-I
das haben wir in unsren Händen (wir vermögen es), aber was soll ich tun?
e. bei dieser Wohnung = beim Tempel. K^'r 1, 7 u. BB 166^: Einmal kamen
die Geflügelopfer in Jerusalem auf 2 Golddenare zu stehn. Da sprach R. Schimfon
b. Gamliel (I., f 70 n. Chr.): Bei dieser Wohnung mri yyr:-] ich will nicht eher Nacht-
ruhe halten, als bis sie auf 2 Silberdenare kommen! || K'th 2, 9: R. Z'^kharja, der
Sohn des Fleischhauers (um 70 n. Chr.?) sagte: Bei dieser Wohnung! nicht ist ihre
Matth 5, 36 (5) 335
(meiner Frau) Hand aus meiner Hand gekommen seit der Stunde, da die Heiden in
Jerusalem eindrangen, bis sie wieder abzogen. — Dasselbe TK^^th 3, 2 (268).
/. beim Tempeldienst. Midr KL4, 2: R. J'^hoschuaf (um 90) sprach: Beim Tempel-
dienst r,r'2-J~l ich weiche nicht von dannen, bis ich ihn (den späteren R. Jischmafel)
ausgelöst (aus der Gefangenschaft losgekauft) habe. || SLv 19, 17 (852='): R. Tarphon
(um 100) sagte: Beim Tempeldienst! wenn es in diesem Zeitalter einen gibt, der zu-
rechtzuweisen versteht! R. Ehazar b. ?Azarja sagte: Beim T. ! wenn es in diesem Zeit-
alter einen gibt, der Zurechtweisung anzunehmen versteht! R. fAqiba sagte: Beim T.!
wenn es in diesem Zeitalter ein«n gibt, der weiß, wie man zurechtweist. !l P^siq
143'': R. Jose, der Sohn der Damaszenerin (um 180) hat gesagt: Beim T. ! ich bin aus
Damaskus. || Weitere Beispiele s. B'Takh 34 f^; Schab 127'' (3 mal); Ta?an 24^ (2mal);
N'-^d 9'^; Nazir 4"; BB 11='; pQid 4, 65«, 56.
g. beim Altar. P°siq 168^: „Er (Nebukadnecar) hatte ihn (den (jJedekia) bei Gott
schwören lassen" 2 Chr. 86, 13. Wobei hatte er ihn schwören lassen? R. Jose
b. Ghanina (um 270) hat gesagt: Beim Altar ließ er ihn. schwören. — In der Parallel-
stelle Midr KL 2, 10: Beim inneren Altar (d. h. dem Rauchopferaltar); Midr Esth 1, 9:'
Bei den Hörnern des inneren Altars. Midr Qoh 9, 2: R Jose (um 150) hat gesagt: Beim
Bunde ließ er ihn schwören. Rabbi hat gesagt: Beim Altar ließ er ihn schwören. —
Vermutlich ist hier der Text verderbt.
h. beim Bunde. P'^s 88^: R. Elifezer (um 90) sprach zu mir (R. El?ai): Beim
Bunde r— i^r: ! das sind die Worte, die dem Mose auf dem Sinai gesagt woi-den sind. —
Die gleiche Beteuerungsformel im Munde des R. Elfazar b. f Azarja (um 100) pPea
5, 19 b, 62. Ferner s. R. Jose in Anm. g.
i. bei der Tora. TPea 3, 2 (21): Als ich (R. Elfai, um 110) kam u. es vor
R. Elfazar b. ?Azarja vortrug, sagte er zu mir: Bei der Tora rriinn! das sind die
Worte, die dem Mose auf dem Sinai gesagt worden sind. || fEr 17^: Rab Giddel
(um 270) sprach: Bei der Tora, den Propheten u. den Hagiographen, daß Rab (f 247)
so gesagt hat! || WA. 14=' Bar: Wer bei der Tora n-nra gelobt, hat überhaupt nichts
gesagt. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Er muß einen Gelehrten um Lösung (des
Gelübdes) bitten. . . . Bar: Wer bei der Tora gelobt, hat überhaupt nichts gesagt;
wenn er aber gelobt bei dem, was in ihr geschrieben ist, dann haben seine Worte
Geltung; wenn er gelobt bei ihr (der Tora) u. bei dem, was in ihr geschrieben ist,
so haben seine Worte Geltung.
k. bei Mose. pD'^'mai 4, 24=*, 18: Als R. Chaggai (um 330) eintrat, sagten die
Gelehrten (untereinander): Wird er auch 4iierbei sagen: „Bei Mose n^-tt! ich will den
Grund angeben"? Da sagte er (wirklich): Bei Mose! ich will den Grund angeben. —
Weitere Aussprüche des R. Chaggai mit dieser Beteuerung s. pJoma 1, 'iS'^, 62; pTafan
4, 67<=, 59; pM'^g 4,75'-, 5; pSanh 2, 19'', 57. — Die gleiche Beteuerungsformel im
Munde des Rab Saphra (um 820) Schab 101b; Be9a 38b; Sukka 38b; Chullin 93^ im
Munde Rabas (f 352) Chullin 98".
/. beim Schwur. K'^th 77b: R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) sprach zum Todes-
engel: Beim Schwur sryia»:, daß ich nicht (aus dem Paradies) herauskomme!
tn. bei (deinem) Leben. Sehr häufige Beteuerungsformel. P siq40b: Rabban Jo-
chanan b. Zakkai (t um 80) sprach zu seinen Schülern: Bei eurem Leben =3"-! nicht
der Tote verunreinigt u. nicht das Wasser macht rein; aber es ist eine Bestimmung
des Königs aller Könige. |1 LvR 34 (181''): R. Schim?on b. Jochai (um 150) sprach zu
den Söhnen seiner Schwester: Bei eurem Leben Ti:"'n! seit der Neujahrsnacht wußten
wir, daß jene (von euch) 600 Denare erheben würden. — Noch in späterer Zeit rühmt
Raba (f 852) an dem Bruderpaar R. Chanina u. R. Hoschaf ja (gegen 800), daß ihr
Schwur gelautet habe: Beim Leben der Rabbinen, der Heiligen des Landes Israel
P'^s 113b. — II Auch Gott wird dieser Schwur oft in den Mund gelegt. LvR 84 (132^):
Man wird dich nennen: „Hersteller durchbrochener Mauern," „Erneuerer der Wege
zum Wohnen" Jes 58, 12. R. Abin (um 370) hat im Namen des R. B'^rekbja (um
340) gesagt: Gott spricht: Mir hätte es obgelegen diesen Bruch (den ein Verarmter
336 Matth 5, 36 (g). 5, 37
erleidet) zu verzäunen; da bist du (der Wohltäter des Annen) aufgetreten u. hast ibm
verzäunt; bei deinem Leben ~"n, ich rechne es dir an, als ob du der wärest, von
dem geschrieben steht Ps 106, 23: „Wenn nicht Mose, sein Auserwählter in den Riß
(Bruch) getreten wäre vor ihm." , Erneuerer der Wege zum Wohnen." R. J^huda b.
Simon (um 320) hat gesagt: Dieser Arme sitzt u. murrt: Was bin ich weniger als
jener? Der sitzt auf seinem Lager, u. ich schlafe hier (etwa auf der Erde)! Der u.
der schläft in seinem Hause u. ich hieri Da bist du (der Wohltäter der Armen) auf-
getreten u. hast ihm gegeben; bei deinem Leben "i"n, ich rechne es dir so an, als
hättest du Frieden gemacht zwischen ihm u. mir (Gott).
n. ich will den Trost (Israels) nicht sehn = ich will keinen Anteil am
messianischen Heil haben. Sauh 37 b Bar: R. Schim?on b. Schatach (um 90 v. Chr.) hat
gesagt: Ich will den Trost (Israels) nicht sehn, wenn ich nicht gesehen habe nsis
-r-sn s^ =N n^onsa || Chag 16b ßar: R. Jf'huda b. Tabai (um 90 v. Chr.) hat ge-
sagt: Ich will den Trost (Israels) nicht sehn, wenn ich nicht einen falschen Zeugen
habe töten lassen "r;"in s5 as s-artss nx^s. ... — Dasselbe Mak 5b.
O. ich will meiner Kinder verlustig gehn '33 rs nsps. SLv 1, 5 (23^):
R. Tarphon (um 100) sagte: Ich will meiner Kinder verlustig gehn, wenn ich nicht
gehört habe. . . . Ebenso schwört R. T. SNu 10, 8 § 75; pJoma 1, 38*1, 32; Ohaloth 16, 1;
TAhil 15, 12 (613); pSchab 16, 15^46; pHor 3, 47 ^ 40; bSchab 116».
5,37: Es sei aber euer Wort: ja, ja; nein, nein.
Dem Gedanken nach nicht wesentlich verschieden von Jak 5, 12;
formell aber insofern anders, als das zweite vm u. ov in Jesu Aus-
spruch nicht prädikativ, sondern lediglich als eine Verstärkung des
ersten vm u. ov gemeint ist.
a. An die Fassung bei Jakobus erinnern folgende Stellen: SLv 19, 36 (363=*):
^.Richtiges Epha u. richtiges Hin (-j-n = i > Epha) soll euch sein" Lv 19, 36. R. Jose
b. J^huda (um 180) sagte: Liegt nicht das Hin (bereits) im Epha u. heißt es nicht:
Richtiges Epha? Warum heißt es in diesem Fall noch: Richtiges Hin soll euch sein?
(Antwort): Das Nein isb soll ein richtiges u. das Ja (t" Wortspiel mit i-n) soll ein
richtiges sein. — Dasselbe BM 49 '^ mit der erläuternden Bemerkung des Abaje
(t 338/39): Man soll nicht eins mit dem Munde reden u. ein andres im Herzen denken. ||
Midr Ruth 3, 18: R. Huna (um 350) hat im Namen des R. Seh niuel b. Jiijchaq (um
300) gesagt: Das Ja •- der Gerechten ist ein Ja ■]n, u. ihr Nein 1X5 ein Nein is'-s;
vgl. Ruth 3, 18: „Der Mann wird nicht ruhen, er habe denn die Sache noch heute
zum Abschluß gebracht."
b. Der Fassung in Jesu Mund nähern sich folgende Aussprüche: Sch^bu 36":
R. Elfazar (um 270) hat gesagt: „Nein" ist ein Schwur, u. Ja" ist ein Schwur. Für
„nein" als Schwur spricht Gn 9, 15: „Das Wasser soll nicht (n-) wieder zu einer
Sündflut werden." Ferner heißt es Jes 54, 9: „Denn wie mit Noahs Wassern (so liest
der Talmudtext) halt ich's damit, wo ich geschworen habe" usw. (also ist das sV Gn
9, 15 als Schwur zu fassen). Aber woher, daß „ja" {•-) ein Schwur ist? Das ist ein
Vernunftschluß: daraus daß „nein" ein Schwur ist, folgt, daß auch „ja" ein Schwur
ist. — Raba (f 352) hat gesagt: Das gilt aber nur von dem, der nein, nein zweimal,
u. der ja, ja zweimal sagt; denn es heißt Gn 9, 11: „Nicht mehr soll alles Fleisch
durch die Wasser der Sündflut ausgerottet werden, u. nicht soll mehr eine Sündflut
kommen" (diese Sätze enthalten zweimal das Wort „nicht"); u. daraus, daß das „Nicht"
zweimal steht, folgt, daß auch das „Ja" zweimal gesagt werden muß. j] M*^kh Ex 20, 1
(73bj: Die Israeliten antworteten bei der Gesetzgebung auf „nicht" isV (d. h. bei einem
Verbot) mit „nein" is"; (das wollen wir nicht tun), u. auf „ja" p (bei einem Gebot)
mit ja •jn (das wollen wir tun); dasselbe ebenda als Ausspruch des R. Jischmafel
(t um 135), während R. fAqiba (f um 135) sagte: Sie sagten auf „ja" ja! und auf „nicht"
ja! p '.ah h-j: ]r. in 5^! Vgl. hierzu Midr Ps 8 § 4. '
Matth 5, 37. 38 337
C. Zur Verdoppelung des Ja und Nein s. M^g 32'"': R. Jochanan (f 279) hat gesagt:
Woher, daß man sich der Himmelsstimme (Bath-Qol) hedienen darf? Weil es heißt
Jes 30, 21: ,Und deine Ohren werden das Wort hören hinter dir her, das da sagt."
Und zwar gilt das . . ., wenn die Stimme sagt: Ja, ja ^-n -j-n, oder wenn sie sagt:
Nein, nein iNb isV. || SLv 18, 6 (337-'*): Jch bin Jahve euer Gott" Lv 18, 2. R. Schim?on
b. Jochai (um 150) sagte: Derselbe, von dem es dort heißt Ex 20, 2: „Ich bin Jahve
dein Gott", ich bin Jahve, dessen Herrschaft ihr in Ägypten auf euch genommen habt.
Sie antworteten ihm: Ja, ja -'m yn] \\ M%h Ex 20, 2 (73t»): Gott sprach zu den Israe-
liten: Soll ich über euch König sein? Sie antworteten ihm: Ja, ja -jm in. || Midr
HL 1,2: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Ein Engel reichte bei der Gesetzgebung
jedes Wort, das aus Gottes Munde ging, bei jedem Israeliten herum u. sprach zu ihm:
Willst du dieses Wort auf dich nehmen? . . . Wenn ihm dann der Israelit antwortete:
Ja p! dann sprach er weiter zu ihm: Willst du die Gottheit des Heiligen, gepriesen
sei er! auf dich nehmen? u. wenn er ihm antwortete: Ja, ja pi -jn, dann küßte er
ihn sofort auf seinen Mund. . . . || Ferner s. Anm b Sch^bu 36 =* Ende. — In allen diesen
Stellen will das zweimalige Ja, bezw. Nein zur Verstärkung oder Bekräftigung des
einfachen Ja oder Nein dienen.
5,38: Ihr habt gehört, daß gesagt wurde:
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Ob das jus talionis in Jesu Tagen nach dem Buchstaben der Ge-
setzesvorschrift Es 21, 23 ff. ; Lv 24, 19 f. gehandhabt worden ist, läßt
sich aus der rabbin. Literatur nicht beweisen. Nur die Einzelbestimmung
Dt 19, 19 ff., daß man dem falschen Zeugen antun solle, was er dem
andren anzutun gedachte, ist auch noch in der nachchristlichen Zeit
wenigstens zum Teil in Übung gewesen, a Nach Josephus hätte es vom
Belieben des Verletzten abgehangen, ob die Verletzung durch eine
Geldbuße oder durch die buchstäbliche Vollziehung der talio zu sühnen
sei.b Die Mischna fordert, abgesehen von der Bestrafung der falschen
Zeugen, nur Geldentschädigung, c Die exegetische Begründung dieser
Einschränkung ist freilich gewaltsam. d
a. SDt 19, 19 § 190 (109b): Jhr sollt ihm (dem falschen Zeugen) antun, wie er
gedachte, seinem Bruder es anzutun" Dt 19, 19: Wenn er ihm Geldverlust zuziehen
wollte, so sollt ihr ihm Geldverlust zufügen; wenn Prügelstrafe (Geißelung), so sollt
ihr ihm Prügelstrafe zufügen; wenn (Todes-)Strafe, so sollt ihr ihm (Todes-)Strafe
zufügen. II Mak 1, 1: Wie werden Zeugen als falsch behandelt? Sagten sie: „Wir be-
zeugen gegen (den Priester) NN, daß er der Sohn einer Verstoßenen oder der Sohn
einer Frau ist, welche das Schuhausziehen vollzogen hat" (Söhne solcher Frauen
durften nicht als Priester amtieren), so sagt man nicht: „Dieser (der falsche Zeuge)
werde an Stelle jenes als Sohn einer Verstoßenen oder als Sohn einer Frau, welche
das Schuhausziehen vollzogen hat, behandelt", sondern er erhält 40 Geißelhiebe. —
Sagten sie: „Wir bezeugen gegen NN, daß er (wegen Totschlags) schuldig ist in eine
Freistadt zu flüchten", so sagt man nicht: „Dieser flüchte an Stelle jenes in eine
Freistadt", sondern er erhält 40 Geißelhiebe. — Sagten sie: Wir bezeugen gegen NN,
daß er seine Frau verstoßen u. ihr nicht ihre Eheverschreibung gegeben hat — es
kann doch leicht sein, daß er ihr heute oder morgen ihre Eheverschreibung geben
muß' — so sagt man: „(Er muß den Unterschied zahlen zwischen ihrer ganzen Ehe-
verschreibung u. dem) was jemand für ihre Eheverschr. würde geben wollen"; denn
1 Wenn er nämlich stirbt (dann ist die Summe aus dem Nachlaß zu zahlen) oder
sie wirklich verstößt, u. dann hätte der Mann, bezw. sein N., keinen Schaden erlitten.
Strack 11. Billerbeck, NT I. 22
338 Matth 5, 38
wenn sie verwitwet worden oder verstoßen worden ist (kommt ihr der ganze Betrag
zu), u. wenn sie gestorben ist, beerbt sie ihr Mann.^ — Sagten sie: ^Wir bezeugen
gegen NN, daß er seinem Nächsten 1000 Zuz (etwa 650 Ji) schuldet unter der Be-
dingung, sie innerhalb 30 Tage zu geben", er (der Schuldner) aber sagt „innerhalb
10 Jahre", so sagt man: ,(Er muß den Unterschied zahlen zwischen den lOOO Zuz u. dem)
was jemand würde geben wollen, damit 1000 Zuz in seiner Hand seien, sei es, daß er
(der Schuldner) innerhalb 30 Tage gibt oder daß er innerhalb 10 Jahre gibt." — Mak
1, 2: Sagten sie: ,Wir bezeugen gegen NN, daß er seinem Nächsten 200 Zuz schul-
det", u. sie wurden als falsch erfunden, so werden sie gegeißelt u. bezahlen; denn
nicht das(selbe) Schriftwort, welches sie zur Geißelstrafe bringt,- bringt sie (auch) zur
Erstattung.^ So R. Meir (um 150). Aber die Gelehrten* sagten: Wer erstattet, wird
nicht gegeißelt. — Mak 1,8: Sagten sie: ,Wir bezeugen gegen NN, daß er 40 Geißel-
hiebe verschuldet hat", u. sie wurden als falsch erfunden, so erhalten sie 80 Geißel-
hiebe wegen: ,Du sollst gegen deinen Nächsten nicht als falscher Zeuge aussagen"
Ex 20, 16 u. wegen: „Ihr sollt ihm tun, wie er seinem Bruder zu tun gedacht hat"
Dt 19, 19. So R. Meir. Aber die Gelehrten sagten: Sie erhalten nur 40 Geißelhiebe.
Man teilt beim Gelde in drei Teile, aber nicht bei den Geißelhieben. Wie? Haben
sie gegen jemand bezeugt, daß er seinem Nächsten 200 Zuz schuldet, u. sie wurden
als falsch erfunden, so teilt man (die Strafsumme von 200 Zuz unter ihnen). ^ Haben
sie (aber) gegen jemand bezeugt, daß er 40 Geißelhiebe schuldig ist, u. sie wurden
als fälsch erfunden, so erhält jeder einzelne 40 G. — Mak 1, 6: Die falschen Zeugen
werden erst getötet, wenn das Urteil (über den fälschlich von ihnen Beschuldigten)
wirklich gefällt ist usw.*^ Mak h^ Bar: R. J'^huda b. Tabai (um 90 v. Chr.) hat ge-
.sagt: Ich will den Trost (Israels) nicht sehen, wenn ich nicht Einen falschen Zeugen
habe hinrichten lassen (nachdem das Urteil über den von ihm fälschlich Beschuldigten
gefällt war), um die Meinung der Sadduzäer auszuschließen, die sagten, daß falsche
Zeugen erst hingerichtet würden, wenn der (fälschlich von ihnen Beschuldigte u. zu
Unrecht) Verurteilte wirklich hingerichtet worden sei. Da erwiderte ihm Schimfon
b. Schatach: Ich will den Trost nicht sehen, wenn du nicht unschuldig Blut vergossen
hast; denn siehe, die Gelehrten haben gesagt: Falsche Zeugen werden erst hingerichtet,
wenn beide als falsche Zeugen erwiesen sind (also durfte Ein falscher Zeuge
überhaupt nicht hingerichtet werden), und sie werden erst gegeißelt, wenn beide
als falsche Zeugen erwiesen sind. Sofort nahm R. S huda b. Tabai es auf sich, daß
er (fernerhin) eine Entscheidung nur in Gegenwart des Scbim?on b. Schatach treffen
wolle; u. alle Tage seines Lebens, warf sich R. J^huda b. Tabai am Grabe jenes Zeugen
nieder, u. seine Stimme wurde gehört, wie das Volk meinte, die Stimme des Hin-
gerichteten; er aber sagte: Meine Stimme ist es; ihr werdet es morgen (bald) erfahren:
dieser (d. h. ich) wird sterben, u. dann wird seine Stimme nicht mehr gehört werden. —
Die Parallelstellen s. im Exkurs: Pharisäer u. Sadduzäer Nr. 4, B, c.
b. Joseph. Antiq. 4, 8, 35: Wer verstümmelt (das Auge geblendet) hat, soll das
Gleiche erleiden, indem er dessen beraubt wird, wessen er einen andren beraubt hat,
es sei denn, daß der Verstümmelte vorzieht, eine Geldentschädigung zu nehmen. Denn
das Gesetz gibt dem, der den Schaden erlitten hat, Vollmacht, den Schaden, den er
^ Der Ankauf einer Eheverschreibung durch einen Dritten ist also für diesen ein
Risiko, da sie für ihn wertlos wird, wenn die Frau vor dem Manne stirbt.
2 Ex 20, 16: Du sollst gegen deinen Nächsten nicht als falscher Zeuge aussagen.
' Dt 19, 19: Ihr sollt ihm tun, wie er seinem Bruder zu tun gedachte.
* Die Gelehrten (nach denen die Halakha ist) schließen aus dem Sing. Dt 25, 2
, seinem Frevel", daß, wie nur Eine Verschuldung, so auch nur Eine Strafe.
^ BB 3, 4 ein ähnliches Beispiel der Teilung der zu zahlenden Summe auf die
falschen Zeugen. Der, weichen man schädigen wollte, soll volle, aber nur einmalige
Entschädigung erhalten.
^ Nach den Sadduzäern erst, wenn der von ihnen Beschuldigte tatsächlich hin-
gerichtet war.
Matth 5, 38 "339
erfahren hat, abzuschätzen, u. gesteht ihm dies zu, wenn er nicht schärfer vorgehn
will (d. h. die Verstümmelung des Verstümmlers fordert).
C. BQ 8, 1 : Wer einem andren eine Verletzung beibringt, der ist ihm wegen fünferlei
(Ersatz) schuldig: wegen des Schadens, wegen des Schmerzes, wegen der Kurkosten,
wegen der Versäumnis u. wegen der Beschämung. Wegen des Schadens, auf welche
Weise? (d. h. auf welche Weise wird der Schadenersatz festgestellt?! Hat er ihm sein
Auge geblendet, seine Hand abgehauen, seinen Fuß gebrochen, so sieht man ihn (den
Verletzten) an, als wäre er ein Sklave, der auf dem Markt verkauft werden soll; dann
schätzt man ihn, wieviel er (vor der Verletzung) wert war u. wieviel er ijetzt) wert ist. —
Berechnung der Schmerzensgelder. Hat man jemand mit einem Spieß gebrannt oder
mit einem Nagel, wenn auch nur auf dem Nagel (seiner Hand oder seines Fußes), an
einer Stelle, an der man keine Wunde verursachte, so schätzt man, wieviel ein Mensch
seinesgleichen wohl nehmen (verlangen) würde, wenn er sich in dieser Weise sollte
Schmerz verursachen lassen. — Kurkosten. Hat man einen geschlagen, so muß man
ihn heilen lassen. Entstehen an ihm Geschwüre, so ist man, falls sie infolge des
Schlages entstehen, schuldig (die Kurkosten zu tragen); entstehen sie aber nicht infolge
des Schlages, so ist man frei. War die Wunde mehrfach (fast) geheilt u. wieder-
aufgebrochen, so muß man ihn heilen lassen: war sie aber völlig ausgeheilt, so braucht
man ihn nicht heilen zu lassen. — Berechnung der Versäumnisentschädigung. Man
sieht ihn (den Verletzten) an, als wäre er Hüter eines Kürbisfeldes (u. berechnet hier-
nach seinen Ausfall an Verdienst; eine höher zu bewei-tende Tätigkeit legt man aber
der Berechnung nicht zugrunde), weil er (der Täter) ihm (dem Verletzten) den Wert
seiner Hand oder seines Fußes bereits bezahlt hat (nämlich bei Festsetzung des Schaden-
ersatzes). — Entschädigung für Beschämung. Diese richtet sich ganz nach der Stellung-
dessen, der sie verursacht, u. nach der Stellung dessen, der sie erlitten hat. Wer einem
Nackten oder einem Blinden oder einem Schlafenden eine Beschämung verursacht, der
ist schuldig (Entschädigung zu zahlen); ein Schlafender aber, der Beschämung ver-
ursacht, ist frei. Fiel einer vom Dach u. verursachte dadurch einem andren eine Ver-
letzung u. eine Beschämung, so ist er wegen der Verletzung (zu Schadenersatz) ver-
pflichtet, aber frei wegen der Beschämung; denn es heißt (Dt 25, 11): „Sie streckt ihre
Hand aus u. faßt ihn bei den Schamteilen. " Man ist also wegen Beschämung nur dann
schuldig, wenn man sie beabsichtigt hatte. — Parallelstelle: TBQ », 1 — 4.12.
d. MkhEx21,2.S: „Wenn aber ein Leibesschade res entsteht" Ex21,2B; mit
„Leibesschade" ist der Tod gemeint; wenn auch kein Beweis, so ist eine Hindeutung
Gn 42, 4: „Es möchte ihn ein Schaden (= Tod) treffen." — „So gib Leben um Leben"
Ex 21, 28; Leben soll er zahlen u. nicht soll er Geld statt des Lebens zahlen. Rabbi
.sagte: „Leben für Leben", damit ist eme Geldentschädigung gemeint. Du sagst „Geld-
entschädigung"; ist nicht doch vielmehr damit die Tötung gemeint? Siehe, du mußt
folgern: hier ist vom Geben (1. ^^j-rj statt r^r'v-r.) die Rede u. dort (Vers 22) ist vom
Geben die Rede; wie dort (Vers 22) Geld gemeint ist, so ist auch hier ( Vers 2:-5 1 Geld
gemeint. (Nach Sanh 79-'; 87b bezieht sich die hier vorliegende Meinungsverschieden-
heit auf die Frage, ob Todesstrafe oder Geldstrafe über denjenigen zu verhängen sei,
der einen bestimmten Menschen zu töten beabsichtigte, aber aus Versehen einen andren
erschlug.) — «Auge um Auge" Ex 21, 24; damit ist Geldentschädigung gemeint. Du
sagst „G.", oder nicht doch vielmehr das wirkliche „Auge"? R. Ehazar (b. Schammüaf,
um 150.) sagte: Wer ein Stück Vieh totschlägt, soll es erstatten, u. wer einen Menschen
totschlägt, soll getötet werden (Lv24, 21). Es vergleicht die Schrift die Verletzungen
eines Menschen mit den Verletzungen eines Viehs: wie die Verletzungen eines Viehs
zu Schadenersatz verpflichten, so auch die Verletzungen eines Menschen. R. Jigchaq
(I., um 150) sagte: Siehe, es heißt Ex21,3U: „Falls ihm (dem Besitzer eines stößigen
Rindes) eine Sühne auferlegt wird." Da ist der Schluß vom Schweren auf das Leichte
angebracht: wenn an einer Stelle, wo von der Todesstrafe geredet wird, die Schrift
nur eine Geldstrafe festsetzt (vgl. Ex 21, 29. 80), sollte sie da nicht erst recht hier
(Ex 21, 24), wo nicht von der Todesstrafe geredet wird, nur eine Geldstrafe festsetzen ? \\
22*
34Ö Matth 5, 38
SLv 24, 20 (425'"'): Wenn einer eines andren Auge geblendet hat, blendet man etwa
auch sein Auge? Wenn einer eines andren Hand abgehauen hat, haut man auch seine
Hand ab? Wenn einer eines andren Fuß gebrochen hat, bricht man auch seinen Fuß?
Die Schrift sagt lehrend Lv 24, 21 : , Wer ein Stück Vieh schlägt, wer einen Menschen
schlägt" : wie der Schläger eines Viehs zu Schadenersatz verpflichtet ist, so auch der
Schläger eines Menschen. Wenn du aber sagen wolltest: , Ihr dürft nicht Lösegeld an-
nehmen für die Person eines Mörders" (Nu 35, 31), so heißt das: für den Mörder
darfst du kein Lösegeld nehmen, wohl aber für Gliedmaßen. — Dasselbe als Bar
BQ 83b. II BQ 83b Bar: R. Dos'thai b. J^huda (um 180) sagte: ,Auge um Auge"; damit
ist Geldentschädigung gemeint (= Wert des Auges für das Auge). Du sagst „G.",
oder nicht doch vielmehr das wirkliche Auge? Siehe, wenn das Auge des einen (des
Verletzten) groß war u. das Auge des andren (des Verletzenden) klein ist, wie kann
ich da auf diesen das Schriftwort anwenden: „Auge um Auge"!? — Das. 84** Bar:
R. Schiinfon b. Jochai (um 150) sagte: „Auge um Auge"; damit ist Geldentschädigung
gemeint. Du sagst „G.", oder nicht doch vielmehr das wirkliche Auge? Siehe, wenn
er blind war u. blendete, oder verstümmelt u. verstümmelte, oder lahm u. machte
lahm, wie kann ich bei einem solchen das Wort in Anwendung bringen: „Auge um
Auge"!? Und die Tora sagt doch: „Ein Recht soll euch sein" Lv 24, 22, d.h. ein
Recht, das für euch alle das gleiche ist (also muß auch eine auf alle gleicherweise
anwendbare Strafe festgesetzt sein, u. das ist die Geldentschädigung). |! BQ 84'': In der
Schule des R. Jischmafel (f um 185) wurde gelehrt: Eine Schriftstelle sagt: „Wie ej-
einen Leibesfehler einem Menschen auferlegt (beigebracht) hat, so soll ihm auferlegt
werden" Lv 24, 20; mit dem (letzteren) Auferlegen ist nichts andres als eine Geldstrafe
gemeint. Demnach müßten aber auch die Worte: „Wie er auferlegt hat" von Geld
handeln! Die Schule des R. Jischmafel benützte zur Deutung ein überflüssiges Schrift-
wort: wenn es heißt (Lv24, 19): „Falls jemand seinem Nächsten einen Leibesfehler
beibringt, so soll, wie er getan hat, ihm getan werden", was sollen da noch die (tauto-
logischen) Worte (Vers 20): „So soll ihm beigebracht (auferlegt) werden"? Daraus ent-
nehme ich, daß Geld gemeint ist. Was sollen dann aber die Worte (Vers20): „Wie er einem
Menschen einen Leibesfehler beigebracht hat"? (Antwort:) Weil er schreiben wollte: „So
soll ihm beigebracht werden", schrieb er auch: „Wie er einem Menschen einen Leibesfehler
beigebracht hat." — In der Schule des R.Chijja (I., um 200) wurde gelehrt: Eine Schrift-
stelle sagt: „Hand für Hand (Dt 19, 21); das ist etwas, was aus einer Hand in die
andre gegeben wird; u. was ist das? Das ist das Geld. Demnach müßte dann aber
auch ebenso erklärt werden: „Fuß für Fuß" (das.)! Die Schule des R. Chijja benützte
zur Deutung ein überflüssiges Schriftwoi-t: wenn es heißt (Dt 19, 19): „So sollt ihr ihm
antun, wie er gedachte seinem Bruder anzutun", u. wenn du meinst, daß das wört-
lich zu verstehn sei, was sollen dann noch die (tautologischen) Worte (Vers 21): „Hand
für Hand"? Daraus entnehme ich, daß Geld gemeint ist. Wozu stehn dann aber die
Worte: „Fuß für Fuß"? Weil geschrieben steht: „Hand für Hand", schrieb er (Gott)
auch: „Fuß für Fuß" (ohne daß diese Worte eine besondere Bedeutung haben).
Nur R. Eli^ezer (um 90), der häufig die ältere Halakha der Schule
Schammais vertritt, hat an der buchstäblichen Deutung des „Auge um
Auge" festgehalten. BQ 84^ Bar heißt es ausdrücklich: R. Eli^ezer
sagte: „Auge um Auge", damit ist das wirkliche Auge gemeint. Auch
den Boethusäern (Gruppe innerhalb der sadduzäischen Partei) wird
die wörtliche Deutung von Ex 21, 24 nachgesagt, s. M^g Ta'an 4 im
Exkurs: Pharisäer u. Sadduzäer 4Bc. — Nimmt man die Worte des
Josephus (s. Anm. b) hinzu, nach denen es dem Verletzten freistand,
seinen Gegner in derselben Weise verstümmeln zu lassen, in der dieser
ihn verstümmelt hatte: so wird man die Möglichkeit nicht in Abrede
Matth 5, 38. 39 {%) 341
stellen können, daß in Jesu Tagen das jus talionis noch in buchstäb-
licher Weise vollstreckt worden ist. Auch das Bemühen der Mischna-
lehrer des 2. Jahrb., die wörtliche Deutung des „Auge um Auge" als
unmöglich zu erweisen u. die Umdeutung der Worte in eine Geld-
entschädigung biblisch zu begründen, spricht dafür, daß die neue
halakhische Praxis damals noch ziemlich jung gewesen ist. Doch fehlt
es an positiven Beweisen. •
5,39: Ich aber sage euch, dem Bösen (Gottlosen) nicht
zu widerstehen; sondern wenn dich einer auf die rechte
Wange schlägt, so wende ihm auch die andre zu.
31 jury avTiarrjvai. „Nachgiebig sein" wird ausgedrückt durch h'j -iinsry
inniTj^Q = „über seine Eigenschaften, seine Eigenart hinausgehn", d. h.
vom eignen Wunsch u. Willen Abstand nehmen, nicht auf seinem Kopf
bestehn. — Verwandt damit ist die Redensart ■■'•nr! rn^-ct-q d'^:?!? "ini' =
„handeln nach innen zu von der Linie des Rechts", d. h. nicht noch
etwa mehr fordern, als das strikte Recht zuläßt, auch nicht auf dem
Buchstaben des Rechts bestehen, sondern sich innerhalb oder diesseits
von der Linie des Rechts halten, nachgiebig mit weniger zufrieden
sein, als man nach dem Recht fordern könnte. — Die Nachgiebigkeit
wird als Tugend anerkannt u. empfohlen zB:
Tafan 25l>: Einmal trat R. Eli?ezer (um 90, bei einem Fastenggttesdienst) vor die
Lade u. sprach 24 Lobsprüche ;^ aber er wurde nicht erhört (es fiel kein Regen). Nach
ihm trat R. fAqiba (f um 135) vor die Lade u. sprach: „Unser Vater, unser König, wir
haben keinen König aulaer dir; unser Vater, unser König, um deinetwillen erbarme
dich über uns!" Da gingen Regengüsse nieder. Als die Rabbinen darüber murrten
(daß R. Eli?ezer auf diese Weise vor allem Volk bloßgestellt wurde), ging eine Himmels-
stirame aus, welche rief: Nicht weil dieser (R. 5Aq.) größer ist als jener, sondern weil
dieser nachgiebig ist "i-n-i's Vy i'^y: u. jener nicht nachgiebig ist. || M^'g 28^: R. sAqiba
(t um IHö) fragte den R. N^'chonja den Älteren:'- Wodurch hast du dein hohes Alter
erreicht? ... Er antwortete ihm: Mein lebelang habe ich keine Geschenke angenommen
u. habe nicht auf meiner Art bestanden -ma 5s ^nay sbi ... Denn Raba (f 352)
hat gesagt; Wer nachgiebig ist i-m>3 h'j ^^^i'S'o-r,, bei dem geht man (= Gott) über
alle seine Sünden hinweg, s. Micha?, 18. — Der Ausspruch Rabas auch Joma 2o'\ [i
Zu -j—in rivaij n-3s"'5 s. den Exkurs: , Vorbemerkungen zur Bergpredigt" Nr. 3 gegen Ende.
Entfernt klingt an Mt 5,39 an BQ 92 b: Raba (f 352) sprach zu Rabbah b. Mari
(um 32ü): Woher (aus der Schrift) läßt sich das Sprichwort der Rabbanan beweisen:
„Nennen dich deine Genossen einen Esel, so lege dir einen Sattel auf? „Er ant-
wortete ihm: Weil geschrieben steht {Gn 16, 8): „(Der Engel) sprach: Hagar, Sklavin
der Sarai, woher bist du gekommen u. wohin gehst du? Sie antwortete: Ich fliehe
vor Sarai, meiner Herrin." (Hagar erkennt die Anrede „Sklavin" damit an, daß sie
Sara „ Herrin" nennt.) — In der palästin. Tradition lautet das Sprich wort nach GnR 45 (28*^' j :
Wenn dir Einer sagt: „Deine Ohren sind Eselsohren", kümmre dich nicht darum;
sagen es dir aber zwei, dann bestelle dir die Halfter (1. "ai"-: = (poQßtj, statt "s^^d).
Abraham sprach (Gn 16, 6): Siehe, deine Sklavin ist in deiner Hand; der Engel sprach
(Vers 8): Hagar, Sklavin der Sarai; u. Hagar sprach: Sarai, meine Herrin. — || Eher läßt
^ Das Achtzehn-Gebet, die 6 Einschübe zwischen dessen 7. u. 8. Benediktion, die
Tafan 2, 3 aufgezählt sind; vgl. TTafan li, 9.
^ Gemeint ist Nachum aus Gimzo, der Lehrer des R. ?Aqiba, s. Einl. 122.
342 Matth 5, 39 (31. SB)
sich vergleichen BQ 93'"^: R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Immer gehöre der Mensch
zu den Verfolgten u. nicht zu den Verfolgern ; denn du hast keinen unter den Vögeln,
der mehr verfolgt würde als die Tauben u. die jungen Tauben; u, doch hat die Schrift
sie als tauglich für den Altar erklärt. | Schab Söto: Die gedrückt (gedemütigt) werden
u. nicht wiederbedrücken, die ihre Schmähung anhören u. pie nicht erwidern, die aus
Liebe (zu Gott) handeln u. über Leiden (Züchtigungen) sich freuen — über die sagt die
Schrift: „Die ihn lieben, sind wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht" Ri 5, 31. |
B*^rakh l?-"*: Wenn Mar bar Rabina (gegen 400) sein Gebet (d. h. das Achtzehngebet)
beendigt hatte, pflegte er so zu sprechen: Mein Gott, behüte meine Zunge vor Bösem
u. meine Lippen, daß sie nicht Trug reden (vgl. Ps 34, 14); dem, der mir flucht, schweige
meine Seele, meine Seele sei wie der Erdstaub für jedermann (der von jedermann zer-
treten wird).
Daneben findet sich der andre Grunjlsatz Sanh 12^: Die Tora (es scheint an Ex 22, 1
gedacht zu sein) sagt: Wenn dich einer töten will, komme ihm zuvor u. töte ihn. —
Midr Ps 56 § 1 (147'>): „Bleib nicht stehn beim Blut deines Nächsten" Lv 19, 16 (so der
Midr): wenn einer über dich kommt, um dich zu töten, u. du kannst ihn überwältigen,
dann steh nicht still u. sprich nicht: „Ich verschulde mich an seinem Blut", u. über-
lege nicht in deinem Herzen, sondern töte ihn sofort; ebenso sagt das Sprichwort:
Komm dem Mörder zuvor, ehe er dich mordet. — Das Sprichwort als Torawort auch
B^rakh 58 »; 62b.
5, 39 25: ccXX' oarig ae Qarci^si ug rrjV ds^idi' aiayöva, atQs'ipov a'Vfi7 xal
xrjv ocllrjv wird Beth ha-Midr 5, 61 wiedergegeben mit: "^nb bs> . . , -031 nsi
-pn-n "Tib cj i? n-j3 bx^irn; s. zu Mt 10,2. Diesem Ausspruch gegenüber
vgl. die Straf bestimmungen wegen tätlicher Beleidigung.
BQ 8, 6: Wenn jemand seinen Nächsten (= einen andren) schlägt, so zahlt er ihm
einen Selaf (etwa- 2,50 Jl für den Schimpf); R. J^huda (um 150) sagte im Namen des
R. Jose, des Galiläers (um 110): Eine Mine (65 JC). Gab er ihm eine Ohrfeige, so zahlt
er ihm 200 Zuz (= zwei Minen). Geschah es mit verkehrter Hand (wodurch zu größerem
Schimpf die rechte Backe getroifen wurde), so zahlt er ihm 400 Zuz. Zerrte er ihn an
seinem Ohr, riß er ihn an seinen Haaren, spie er aus daß ihn der Speichel traf, riß
er ihm seinen Mantel ab, entblößte er das Haar eines Weibes auf der Straße — so zahlt
er 40ü Zuz. Das ist die Regel: alles entsprechend der Ehre (des tätlich Beleidigten).
R. fAqiba (f um 135) hat gesagt: Selbst die Ärmsten in Israel sieht man an als Kinder
freier Männer, die in ihrem Vermögensstand herabgekommen sind; denn sie sind Kinder
Abrahams, Isaaks u. Jakobs. || BQ 8, 7: Auch wenn er (der Verletzende u. Beleidigende)
ihm das Geld gegeben hat, so wird ihm doch nicht verziehen, bis er ihn (um Ver-
zeihung) gebeten hat; denn es heißt (Gn20, 7): «Nun gib das Weib des Mannes zu-
rück, ... u. er möge für dich beten" (Abrahams Fürbitte als Beweis für stattgehabte
Versöhnung gefaßt). Und woher läßt sich beweisen, daß derjenige, der ihm (dem Be-
leidiger) nicht verzeiht, ein grausamer Mensch ist? Weil es heißt (Gn 20, 17): „Abraham
betete zu Gott u. Gott heilte den Abimelekh." — TBQ 9, 29 f. lautet die Parallele zu
den letzten Sätzen: Auch wenn der, der einen andren verletzt hat, dem Verletzten
nicht Abbitte leistet, muß der Verletzte für jenen um Erbarmen bitten nach Gn20, 17
u. Hi 42, 8. 10. R. J'^huda (um 150) hat im Namen des Rabban Gamliel (um 90) gesagt:
Siehe, es heißt (Dt 13, 18): „Damit Jahve dir Erbarmen schenke u. sich dein erbarme."
Das sei als Zeichen in deiner Hand : wenn du barmherzig bist, erbarmt sich der Barm-
herzige (= Gott) deiner! — Darauf folgt in § 31: Hat einer (einen andren) mit der
umgekehrten Hand, mit Papier, mit einer Schreibtafel, mit nicht bearbeiteten Fellen,
mit einem Pack Schriftstücke, die sich in seinen Händen befanden, geschlagen, so
zahlt er 400 Zuz, nicht weil es ein Schmerz verursachender, sondern weil es ein Schimpf
bereitender Schlag ist, s. Ps 3, 8; Micha 4, 14; Jes 50, 6. — Vgl. auch SLv 24, 19. H
Sanh 58b : R Ghanina (um 225) hat gesagt: Ein Heide (Goi = Nichtisraelit), der einen
Israeliten schlägt, ist des Todes schuldig; denn es heißt (Ex 2, 12): „Er (Mose) wandte
Matth 5, 39 (23). 5, 40 (31. S. 6) 343
sich hierin u. dorthin u. sah, daß kein Mensch da war; da erschlug er den Ägypter"
(der zuvor einen Israeliten geschlagen hatte Ex 2, 11). Ferner hat R. Chanina gesagt:
Wer auf die Wange eines Israeliten schlägt, ist wie einer, der auf die Wange der
Sch^^khina (Gottes) schlägt, s. Spr20, 25: „Wer einen Menschen schlägt, schlägt den
Heiligen auf die Wange" (der Midr deutet x--i'= Fallstrick = ^t-pi: oder •a'p-o schlagend;
a-is Mensch = Israelit nach Ez 34, 31, vgL BM lU^; vh^ als Denominativum von yi'^
Wange). Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Wer seine Hand gegen einen andren
erhebt, wird, auch wenn er ihn noch nicht geschlagen hat, ein Frevler genannt, s.
Ex 2, 13: Er sprach zu dem Frevler (so der Midr): „Warum willst du deinen Nächsten
schlagen?" Warum „hast du geschlagen"? heißt es nicht, sondern warum „willst
du schlagen"? Obwohl er ihn also noch nicht geschlagen hat, heißt er doch ein Frevler.
R. Z firi (um 250) hat gesagt, R. Chanina hat gesagt: Ein solcher wird ein Sünder ge-
nannt, s. lSm2, 16: „Wenn nicht, äo nehme ich es mit Gewalt" ; u. darauf heißt es
Vers 17: „Die Sünde der Jüngling« war sehr groß." Rab Huna (f 297) hat gesagt: Ab-
gehauen soll seine Hand werden ! s. Hi 38, 15 : „Der erhobene Arm werde zerschmettert!"
Rab Huna ließ eine (solche) Hand (einmal wirklich) abhauen. R. Elfazar (b. P^'dath,
um 270) sagte: Für einen solchen gibt es keine andere Rettung als das Grab, s.
Hi 22, 8: „Der Mann der Faust — für ihn die Erde" (= Grab im Sinn des Midr).
5,40: Dem, der mit dir rechten u. dein Untergewand
nehmen will, lafs auch den Mantel.
Aboth5, 10: Eine vierfache Gesinnung (bei der Frage nach dem Mein u. Dein)
gibt es unter den Menschen: wer sagt: „Das Meine ist mein u. das Deine ist dein",
das ist die Art der Mittelmäßigen; andere sagen: das ist die Art Sodoms. „Das
Meine ist dein u. das Deine ist mein", das ist die Art des ?Am ha-arep (des Gesetzes-
unkundigen). „Das Meine ist dein u. das Deine ist dein", das ist der Fromme. „Das
Deine ist mein u. das Meine ist mein", das ist der Frevler.
35 ^iTüh' = rsins, aram. wXj^ins, Nn^j^inis, ein langes, mit Ärmeln ver-
sehenes Kleid, das auf bloßem Leib getragen wurde; s. zu 10, 9 f.
Schab 140t): Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Wenn sich ein Gelehrter einen Leib-
rock sp'jir: kaufen will, dann kaufe er ihn von den Leuten in N®har-Abba u. lasse
ihn alle 30 Tage einmal waschen. Daß er dann 12 Monate halten wird, dafür ver-
bürge ich mich. Was bedeutet sr-3r-=? Es bedeutet nss sr'3, schöne Genossen-
schaft (d.h. ein Kleid, in welchem man sich in guter Gesellschaft kann sehen lassen.
Die Erklärung hat nur volksetymologischen Wert).
^. To tficcTiov = nbr:TV, n^h'-a, r^^hx2 Obergewand, Mantel, dem Armen
des Nachts zugleich als Decke dienend Ex 22, 25.
M%h Ex22, 25f.: „Wenn du das Gewand deines Nächsten als Pfand nimmst"
Ex 22, 25. R. Jischma?el (tum 135) sagte: Die Schrift will dich lehren, daß, wenn
du ein Pflichtgebot erfüllst, du das Deine empfangen wirst (die Erfüllung des Gebotes
ist ein Unterpfand, daß man keinen Verlust erleiden wird). „Sollst du es ihm bis
zum Sonnenuntergang zurückgeben"; damit ist gemeint, daß man ihm die Tagesdecke
für den ganzen Tag zurückgeben soll. Hier höre ich nur von der Tagesdecke, daß
man sie ihm für den ganzen Tag zurückgeben soll; woher auch in bezug auf die
nächtliche Decke, daß man sie ihm für die ganze Nacht zurückgeben soll? Die Schrift
sagt lehrend: „Du sollst ihm das Pfand zurückgeben, wenn die Sonne untergeht"
Dt 24, 13. Von hier aus hat man gesagt: Man nimmt eine Tagesdecke als Pfand die
Nacht hindurch u. eine nächtliche Decke den Tag hindurch. „Denn das (Gewand) allein
ist seine Bedeckung" Ex 22, 2t), das. bezieht sich auf den Mantel r>^h'^; „das ist sein
Gewand für den Leib" (das.), das bezieht sich auf das Hemde p^^-; „worin soll er
liegen?" (das.), das schließt die Fellunterlage mit ein. R.Nathan (um 160) sagte: Siehe,
344 Matth 5, 40 (6). 5, 41 {%)
wenn einer vor Gott schuldig befunden ist, seinem Nächsten eine Mine (= 100 Zuz)
zu zahlen, u. er hat eine Bedeckung im Werte von 200 Zuz um, so darf er (der
Gläubiger) nicht zu ihm sagen: Verkaufe deine Bedeckung u. hülle dich in eine im
Werte von einer Mine u. gib mir die (andre) Mine. Deshalb heißt es: „Denn es (das
Gevcand) ist seine Bedeckung"; du bist nicht berechtigt, ihm seine Bedeckung vor-
zuenthalten, die seinem Körper (Fleisch) augemessen ist (warme Kleidung im Winter,
leichte Kleidung im Sommer). — Zum Teil als Bar BM 114b; pßM J>, 12b, 20.
5,41: Und wenn dich einer nötigt, eine Meile zu laufen,
so gehe mit ihm zwei.
Dieser Ausspruch Jesu wird zitiert Beth ha-Midr 5, 61: noia ^-o:! -5
nxc-is ijuj 1^^' -\h^; s. zu Mt 10, 2 SB.
5t ayyaqsia, ins Rabbinische übergegangen als st;";??«, bedeutet Fron-
dienst; davon ayyuqavuv = Menschen oder Tiere zu einer Dienstleistung
zwingen, a Ein solcher Zwang galt als verwerflich. b Dagegen wurde
das freiwillige Ehrengeleit, das man einem Lehrer usw. gab, als löblich
u. verdienstlich angesehen, c
a. BM 6, 3 : Mietet einer einen Esel . . . u. dieser wird (^unterwegs) zum Fron-
dienst weggenommen «"sss r^i?;:, so kann der Vermieter zum Mieter sagen: Siehe,
das Deinige war vor dir! (Was du zu fordern hattest, ist dir geworden; der Ver-
mieter braucht also keinen Ersatz zu stellen.) — Anders lautet die Entscheidung in
TBM 7, 7 (38^5). || TBM 7, 8 (386): Wenn sich jemand einen Arbeiter mietet u. dieser
wird zum Frondienst herangezogen, so kann er nicht zu ihm sagen: Siehe, dieser ist
vor dir! sondern er gibt ihm seinen Lohn für das, was er gearbeitet hat. || Joma 35b:
Von R. Elfazar b. Charsom (einem reichen Priester zur Zeit des Tempelbestandes)
hat man erzählt, daß ihm sein Vater tausend Städte auf dem Lande u. ihnen ent-
sprechend tausend Schiffe auf dem Meer hinterließ: u. täglich nahm er (trotzdem)
einen Schlauch mit Mehl auf seine Schulter u. zog von Stadt zu Stadt, von Land
zu Land, um Tora zu lernen. Einmal trafen ihn seine Sklaven (die ihn nicht kannten)
u. ließen ihn Frondienste leisten s""-;:?; i3 lay. Er sprach zu ihnen: Ich bitte euch, laßt
ab von mir, daß ich gehe u. Tora lerne. Sie aber sprachen zu ihm: Beim Leben des
R. Elfazar b. Charsom, wir lassen dich nicht!
b. N'-'d 32 ■->■ : R. Abbahu (um 300) hat gesagt, R. Elfazar (um 270) habe gesagt: Warum
ist unser Vater Abraham damit bestraft worden, daß seine Kinder 210 Jahre hindurch
den Aegyptern dienen mußten? Weil er die Gelehrtenschüler zwangsweise zu Diensten
heranzog 'a n'-'iis n-äv, wie es heißt (Gn 14, 14): „Er (Abraham) ließ seine Unter-
richteten, die in seinem Hause (geistlich, als Schüler) gezeugt waren, ausziehen" (so
der Midrasch). |i Sota 10»: Raba (t 352) hat öffentlich vorgetragen: Warum ist Asa
bestraft worden? Weil er die Gelehrtenschüler zwangsweise zu Diensten heranzog,
s. 1 Kg 15,22: Der König Asa berief das ganze Juda, u. keiner blieb frei (von Fron-
diensten). Was heißt: Keiner blieb frei? Rab J<^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247)
habe gesagt: Selbst nicht der Bräutigam in seiner Kammer u. die Braut in ihrem
Hochzeitsgemach. — Ferner s. Sanh 101b: Um der Tochter des Pharao Frondienste
zu leisten 's ra'i s"'-;:s n-^sV.
C. GnR48(30''): Abraham ging mit ihnen (den Engeln), ihnen das Geleit zu
geben Gn 18, 16. Das Sprichwort sagt: Hast du Speise und Trank gereicht, dann
gib auch das Geleit r-'iV r'pvx r-'h:!is. || Sota 9, 6: Die Ältesten jener Stadt waschen
ihre Hände in Wasser an der Stelle, an der dem Kalb das Genick gebrochen wird,
u. sagen: Unsre Hände haben dieses Blut nicht vergossen u. unsre Augen haben es
nicht geschaut (Dt 21, 7). Könnte es uns wohl in den Sinn kommen, daß die Ältesten
eines Gerichtshofes Blutvergießer sein sollten? Vielmehr (soll mit Dt 21, 7 gesagt
sein:) er ist nicht in unsre Hände (d.h. zu uns) gekommen, daß wir ihn hätten ohne
Matth 5, 41 {%. 33) 345
Nahrung entlassen; auch haben wir ihn nicht gesehen, daß wir ihn hätten ohne Geleit
r;;";^ st>3 von uns gelassen. — Dazu heißt es in bSota 46b Bar: R. Me'ir (um 150)
sagte: Man zwingt zum Geleit n-i'^-s i-ei:; denn der Lohn für das Geleit hat kein
Maß, s. Ri 1,24 ff.: Da sahen die Späher einen Mann aus der Stadt herauskommen
u. sagten zu ihm: , Zeige uns doch den Eingang der Sladt, so wollen wir dir Gnade
erweisen." und welche Gnade haben sie ihm erwiesen? Jene ganze Stadt schlugen
sie mit Schwertes Schärfe; den aber u. seine ganze Familie ließen sie laufen. Da
zog der Mann in das Land der Hethiter u. baute eine Stadt u. hieß sie Luz; so heißt
sie bis auf diesen Tag. . . . Ist da nicht der Schluß vom Leichten auf das Schwere
berechtigt? Wenn dieser Kanaaniter, der mit seinem Munde nicht geredet u. mit
den Füßen keinen Schritt getan hat, für sich u. seine Nachkommenschaft bis ans
Ende aller Geschlechter Rettung verursacht hat, wieviel mehr wird das von dem
gelten, der Geleit mit seinen Füßen gibt! . . . R. J^hoschuas b. Levi (um 250) hat
gesagt: Wer sich auf eine Reise begibt, ohne daß er Geleit hat, der soll sich mit
der Tora beschäftigen, s. Sprl,9: ,Denn ein gnadenvolles Geleit sind sie (die Worte
der Tora, nach dem Midr) für dein Haupt u. ein Kettenschmuck für deinen Hals"
(so der Midr). Ferner hat R. J^'hoschua? b. Levi gesagt: Wegen der vier Schritte, die
der Pharao Abraham begleitete (s. Gn 12, 20), durfte er dessen Nachkommen 400 Jahre
knechten, s. Gn 15, 18. R. J'^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Wenn
jemand einen andren vier Ellen weit nach einer Stadt begleitet, erleidet dieser keinen
Schaden. Rabina (1.?, f um 420) begleitete den Raba b. Ji(jchaq vier Ellen weit nach
einer Stadt; es kam ein Schaden über diesen, aber er wurde daraus errettet. Bar:
Der Lehrer soll den Schüler bis an die Stadtgrenze begleiten, der Genosse den Ge-
nossen bis an die Sabbatgrenze (= 2000 Ellen), für den Schüler gibt es (in diesem
Stück) dem Lehrer gegenüber kein Maß. Wie weit (ist das Mindestmaß)? Rab
Schescheth (um 260) hat gesagt: Eine Parasange weit. Aber das hat man nur ge-
sagt, falls es sich nicht um seinen vorzüglichsten Lehrer handelt; handelt es sich
um seinen vorzüglichsten Lehrer, so beträgt das Maß drei Parasangen. R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Me'ir (um 150) gesagt: Wer kein Geleit gibt u. kein
Geleit annimmt, ist wie einer, der Blut vergießt; denn wenn die Leute von Jericho
den Elisa begleitet hätten, so hätte dieser nicht die Bären auf die Kinder gehetzt,
s. 2 Kg 2, 23 f. — Das Nähere über das Geleitgeben als Liebeswerk s. im Exkurs:
, Liebeswerke".
Zu fiihor s, bei Joh 11, 18.
5, 41 25: vnaye fisi' avzov Siw. — Hierzu u. zu 5, 40 vgl. den Ge-
danken „über das Recht hinaus" in folgenden Stellen.
M^kh Ex 18, 20 (67 bj: /l'u ihnen den Weg kund" Ex 18, 20, damit ist das Tora-
studium gemeint. „Und die Tat, die sie tun sollen", damit sind die guten Werke
gemeint. Das sind Worte des R. J''hoschua? (b. Chananja, um 90). R. Elfazar aus
Modifim (f um 185) sagte: „Tu ihnen kund", d. h. lehre sie die Stätte des Lebens
(= Erwerbszweig, nach Raschi zu BM 30 b); „den Weg", das geht auf das Besuchen
der Kranken; „sie sollen gehn", das bezieht sich auf das Beerdigen der Toten; „auf
ihm", damit sind die Lieheserweisungen a-ncn ri'^-tt; gemeint; „die Tat", das bezieht
sich auf die Linie des Rechts (d. h. das strikte Innehalten des Gesetzesbuchstabens);
„die sie tun sollen", nämlich nach innen zu von der Linie des Rechts (d. h. man
soll Billigkeitsrücksichten walten lassen beim Strafen u. soll bei Leistungen über
den Buchstaben der gesetzlichen Forderung hinausgehn). — Von Rab Joseph (f 333)
wird die Auslegung des R. ElSazar aus M. als anonyme Bar zitiert BQ 99 b u. BM 30b.
In der letztern Stelle folgt: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Jerusalem ist nur zer-
stört worden, weil man darin geurteilt hat nach dem (strikten) Recht der Tora. Hätten
sie denn etwa einen Rechtsspruch der Schüsselrichter (die für eine Schüssel Speise
käuflich sind, s. Levy 3, 19b) tun sollen? Vielmehr sage: Weil sie ihre Urteile auf
das (buchstäbliche) Recht der Tora stellten u. nicht handelten innerhalb von der
346 Matth5,42 (Nr. 1)
Linie des Rechts (sie taten nur, wozu sie nach dem Buchstaben des Gesetzes ver-
pflichtet waren, ohne von ihren Forderungen etwas nachzulassen). — Weitere Bei-
spiele s. im Exkurs: , Vorbemerkungen zur Bergpredigt" Nr. 3 gegen Ende.
5,42: Dem, der dich bittet, gib, u. von dem, der von dir
borgen will, wende dich nicht ab.
1, Die älteste Auslegung der Grundstelle Dt 15, 7 — 11.
. SDt 15. 7 ff. §116—118(98^): .Wenn bei dir sein wird", also nicht bei den
andren; „ein Armer", wer verlangend bittet, kommt zuerst ("— ax ein Armer wird
mit dem Verbum asr oder ras wollen, begehren in Verbindung gebracht); „einer aus
deinen Brüdern", damit sind deine Brüder väterlicherseits gemeint; wenn es heißt:
„einer" aus deinen Brüdern, so lehrt das, daß dein Bruder väterlicherseits deinem
Bruder mütterlicherseits voransteht; „in einem deiner Tore", d. h die Einwohner deiner
Stadt stehen den Einwohnern einer andren Stadt voran; „in deinem Lande", d. h.
die Einwohner des Landes stehen den Bewohnern des Auslandes voran. Wenn es
heißt: in „einem" deiner Tore, so will das besagen: wenn er an ein und demselben
Orte wohnt, ist dir geboten ihn zu versorgen; geht er aber (von Ort zu Ort) an den
Türen bettelnd umher, so bist du ihm zu nichts (weder zur Nahrung noch zur Klei-
dung! verpflichtet. (Dergleichen Bettler hatten sich an die öffentlichen Almosenpfleger
des Ortes zu wenden, s. bei Apg 6, 3.) „Das Jahve, dein Gott, dir geben wird",
d. h. überall; „so verhärte dein Herz nicht", es gibt Menschen, die wehe tun,^ ob
sie geben oder ob sie nicht geben; „u. verschließ deine Hand nicht", es gibt
Menschen, die ihre Harid ausstrecken u. daün wieder verschließen; „vor deinem
armen Bruder", wenn du ihm nichts gibst, wirst du schließlich von ihm nehmen
müssen (der Midr deutet: du wirst ein Bruder des Armen, d. h. gleichfalls ein Armer
werden). Und woher, daß, wenn du ihm deine Hand viermal aufgetan hast, du sie
ihm auch hundertmal wieder auftun sollst? Die Schrift sagt lehrend Vers 8: „sondern
öffnend sollst du ihm öffnen deine Hand." (Vgl. Einl. 1(j9«.) „Und gern sollst du
ihm auf Pfand leihen", d. h. man gibt ihm (zunächst geschenkweise) u. dann zieht
man es durch Pfändung wieder ein; das sind Worte des R. Phuda (um 150); die
Gelehrten aber sagten: Man sagt zu ihm: „Bringe ein Pfand", um ihn in seinem
Innern zu beruhigen.^ „Je nach seinem Bedürfnis", es ist dir nicht befohlen, ihn
reich zu machen; „was ihm mangelt", selbst wenn es ein Pferd oder ein Sklave
wäre. Hillel, der Alte (um 20 v. Chr.), schenkte einmal einem Armen aus guter Fa-
milie ein Pferd, um sich damit (etwa durch Reiten) müde zu machen, u. einen Sklaven,
der ihn bedienen sollte. Ein andermal wieder hat man in Obergaliläa eioem Menschen
eine Litra Geflügelfleisch täglich zugewiesen (weil er daran aus besseren Tagen her
gewöhnt war). Was „ihm" mangelt; mit „ihm" ist eine Frau gemeint, wie es heißt
(Gn 2, 18): „Ich will ,ihm' eine Gehilfin machen, die >ihm< entspricht." „Hüte dich . . .,
* Raschi zu Dt 15, 7 liest das Reflexivum: „die sich ärgern".
* Wie der Ausspruch des R. J^'huda u. der Gelehrten zu verstehen ist, zeigt die
Bar K®th 67b: „Auf Pfand leihend" Dt 15, 8, damit ist derjenige gemeint, der nichts
hat u. sich nicht selbst ernähren will; dem gibt man (um seine Empfindlichkeit zu
schonen) unter dem Namen eines Darlehus u. hinterher überläßt man es ihm als
Geschenk; „sollst du auf Pfand leihen" (der Midrasch deutet die Gerundivkonstruktion
Dt 15,8 auf zwei Kategorien von Empfängern), damit ist der gemeint, der etwas
besitzt, sich aber nicht ernähren will; dem gibt man unter dem Namen eines Ge-
schenkes u. zieht es dann wieder nach seinem Tode (von seinem Nachlaß) ein. Das
sind Worte des R. J'^huda. — Die Siphrestelle oben bringt also nur den 2. Teil von
R. J'^hudas Ausführung. Die Meinung der Gelehrten in Siphre vertritt K*^th 67 b
R. Schimfon (um 150i: Besitzt er etwas u. will er sich nicht ernähren, so kümmert
man sich nicht um ihn;' besitzt er aber nichts u. will ersieh nicht ernähren, so sagt
man zu ihm: „Bringe ein Pfand u. dann nimm hin", damit er in seinem Innern nicht
kleinmütig werde.
Matth 5, 42 (Nr. 1) 347
"damit nicht bei dir selbst ein Gedanke aufsteige, ein nichtswürdiger, indem du sagst"
<Vers 9), d. h. sei vorsichtig, dafs du dich nicht des Erbarmens entschlägst; denn
wer sich des Erbarmens einem andren gegenüber entschlägt, den stellt die Schrift
■einem Götzendiener gleich, u. er wirft das Joch des Himmels (Gottes) von sich, wie
es heißt ^ein nichtswürdiger" Vy-Va, d. h. ohne Joch, Viy -Va.^ „Es naht das siebente
Jahr, das Erlaßjahr" ; das ist, was R. Jose, der Galiläer (um 110), gesagt hat: Wenn
es für jeden einzelnen (Schuldner u. dgl.) ein besonderes siebentes Jahr gäbe (so daß
die siebenjährige Schuldperiode vom Tage der Kontrahierung der Schuld an gerechnet
werden müßte), wie könnte es dann heißen: es „naht" das siebente Jahr (mit der
Schuldübernahme begänne ja erst das erste Jahr)? Demnach sind die sieben Jahre
für jedermann in gleicher Weise zu zählen, „Und dann dein Auge deinen armen
Bruder scheel" ansehe u. du ihm nichts gebest u. er Jahven gegen dich anrufe u. es
•eine Schuld an dir werde"; ist es vielleicht ein Pflichtgebot für ihn, Jahven anzu-
rufen? Die Schrift sagt lehrend: „daß er nicht wider dich zu Jahve rufe" Dt 24, 15.
Würde etwa, wenn er gegen dich Jahven anriefe, eine Schuld an dir sein, u. würde
sie nicht an dir sein, wenn er nicht Jahven anriefe? Die Schrift sagt lehrend: „Es
würde eine Schuld an dir", d. h. in jedem Fall. Wenn dem so ist, wozu heißt es
•dann: „wenn er anruft"? Es will sagen: Ich (Gott) Averde schneller bestrafen wegen
*ines Rufenden, als wegen eines Nichtrufenden. Und woher, daß, wenn du einmal
:gegeben hast, du selbst hundertmal geben sollst? Die Schrift sagt lehrend Vers 10:
„Gebend sollst du geben" (also immer aufs neue); „ihm", d. h. unter vier Augen.
Von hier aus hat man gesagt (s. Sch'^q 5. 6): Eine Halle der Verschwiegenen war
in Jerusalem (nämlich im Tempel, in der fromme Leute im geheimen Gaben für ver-
schämte Arme niederlegten). „Denn um deswillen wird Jahve dein Gott dich segnen":
wenn einer gesagt hat, er wolle geben u. gibt dann wirklich, so gibt man (= Gott)
ihm den Lohn für das Sagen (Versprechen) u. für die Tat (das Halten des Versprechens);
wenn einer sagt, er wolle geben, aber es ist ihm nicht möglich zu geben, so gibt
man ihm einen Lohn für das Sagen, der dem Lohn für die Tat gleich ist; wenn einer
nicht sagt, daß er geben wolle, aber er sagt zu andren: „Gebet", oder wenn einer
nicht sagt, daß er geben wolle, u. auch nicht zu andren sagt: „Gebet", aber er
schafft ihm, Beruhigung durch gute Worte, woher, daß man einem solchen Lohn dafür
gibt? Die Schrift sagt lehrend: „Denn wegen dieses , Wortes', nrr! ^z-^r., wird Jahve
■dein Gott dich segnen in allen deinen Werken." (Vers 11:) „Denn es wird nicht an
Armen fehlen mitten im Lande"; dort (Dt 15, 4) heißt es: „Nur daß kein Armer bei
■dir sein soll" ; wie bestehen diese beiden Schriftsteilen nebeneinander? Wenn ihr
den Willen Gottes tut, werden die Armen sich bei den andren (den Nichtisraeliten)
finden; wenn ihr aber den Willen Gottes nicht tut, werden sie sich bei euch finden.
.„Darum", d. h. um deswillen (nämlich um euch segnen zu können) „befehle ich dir
also", einen guten Rat gebe ich dir, zu deinem Besten. „Weitauf sollst du deine
Hand deinem Bruder, deinem Dürftigen u. Armen in deinem Lande tun"; warum
wird das alles gesagt? Die Schrift zeigt an: wer ein solcher ist, dem man Brot zu
geben hat, dem gibt man Bi-ot; wer ein solcher ist, dem man Teig zu geben hat,
dem gibt man Teig; wer ein solcher ist, dem man Geld zu geben hat, dem gibt man
■Geld, u. wer ein solcher ist, dem man die Speise in den Mund zu legen hat, dem
legt man sie in seinen Mund. Parallelstellen zu einzelnen Teilen hiervon finden sich
■TPea4,8. 10. 12. 13. 17.20; BB 9"; BM31b; K'^th67b; 68^ pPea S, 21 ", 47; bBQ98«. !}
Aboth 5, 13: Vier Arten gibt es bei den Almosengebern. Wer will, daß er selbst
-gebe, aber andre nicht geben, der ist mißgünstig in bezug auf die Habe andrer; daß
•andre geben, aber er selbst nicht gebe, der ist mißgünstig in bezug auf seine eigne
Habe: daß er selbst gebe u. andre geben, ist ein Frommer; daß er selbst nicht gebe
«. andre nicht geben, ist ein Gottloser.
1 Die gleiche Deutung von ^y-ia auch Sanh lllb: Söhne Belifals, das sind Leute
die das Joch des Himmels von ihrem Halse abgeworfen haben.
348 . Matth 5, 42 (Nr. 2)
2. Zins- u. Wucherverbote (Ex 22, 24; Lv 25, 36 f.; Dt 23, 20 f.).
M^kh Ex 22, 24 (102"): ,Wenn du Geld leihest" Ex 22, 24, Geld für Geld darfst
du ihm leihen, aber nicht Früchte für Früchte. Oder: Geld für Geld darfst du ihm
leihen, aber nicht Geld für Früchte, u. nicht Früchte für Geld. (Die Früchte könnte»
zur Zeit der Rückzahlung einen höheren Wert haben als zur Zeit des Empfangs des-
Darlehns; die Preisdifferenz würde als Zinszahlung anzusehen sein.) „Meinem Volke"
(das.): steht ein Israelit u. ein Nichtisraelit vor dir, um zu entleihen, so geht mein
Volk voran; wenn ein Armer u. Reicher (vor dir steht), so geht der Arme voran:,
wenn deine Armen (d. h. dir verwandte Arme) u. Arme deiner Stadt (vor dir stehn),.
so gehen deine Armen den Armen deiner Stadt voran; wenn Arme deiner Stadt u.
Arme einer andren Stadt, so gehen die Armen deiner Stadt voran; denn es heißt r
„Dem Armen neben dir" (das.). „Du sollst ihm nicht wie ein Wucherer sein" (das.),.
d. h. dich nicht fortwährend vor ihm zeigen (wodurch der Schuldner an seine Schuld
erinnert wird, s. BM 7-5'^ auf S. 352). „Nicht sollt ihr ihm Zins auflegen" (das.). Wozu
sagt die Schrift das lehrend? Wenn es heißt: „Dein Geld sollst du ihm nicht auf
Zins geben" Lv 25, 37, so ist das eine Verwarnung für den Darleiher, daß er jenem
nicht auf Zins leihe. Du sagst: „für den Darleiber", oder nicht vielmehr für derv
Entleiher? Wenn es heißt: „Nichtsollst du von ihm nehmen" (Lv 25, 36), so bezieht
sich das auf den Entleiher (so der Midr, vgl. aber das folgende Zitat aus SDt § 262). Da
höre ich nur die Verwarnung für den Entleiher u. den Darleiher. Woher nun die Verwarnung
auch für den Zeugen u. den Bürgen u. den Schreiber (eines Schulddokuments)? Die-
Schrift sagt lehrend: „Ihr sollt nicht auflegen", ganz allgemein. Von hier aus hat
man gesagt: Wer auf Zins darleiht, übertritt fünf Verbote: „Du sollst dein Geld nicht
auf Zins geben" Lv 25, 37; „du sollst von ihm nicht Zins nehmen" Lv 25, 36; „ihr
sollt ihm nicht Zins auflegen" Ex 22, 24; „du sollst ihm nicht wie ein Wucherer
sein" (das.) u. „du sollst vor einen Blinden keinen Anstoß legen" (Lv 19, 14). Wie
der Darleihende u. der Entleihende fünf Verbote übertreten, so begehen auch der
Bürge u. die Zeugen n. der Schreiber eine Übertretung. R. J'huda (um 150) erlaubte
es in bezug auf den Schreiber. R. Meir (um 150) sagte: Wer auf Zins darleiht u.
zum Schreiber sagt: „Komm u. schreibe" u. zu den Zeugen: „Unterschreibt", der hat
keinen Teil an dem, der das Gebot über das Zinsnehmen gegeben hat. — In der
Mischna BM 5, 11 lauten die letzten Sätze: Folgende übertreten ein Verbot: der
Darleihende, der Entleihende, der Bürge u. die Zeugen. Die Gelehrten sagten:
Auch der Schreiber. Sie übertreten Lv 25, 37; 25,36; Ex 22, 24 a,- 22, 24^ u. Lv
19, 14. — Parallelstellen: BM 71*. 75'' (TBxM 6, 17 (384) = BM7H s. S. 351);
ExR31 (91 d). II SDt 23, 20 f. §262 (121 b): „Lege deinem Bruder keinen Zics auf"
Dt 23, 20, da höre ich nur in bezug auf den Entleihenden (der Midrasch faßt
das Schriftwort so: „laß dir von deinem Bruder keinen Zins auferlegen"). Woher
in bezug auf den Darleihenden? Die Schrift sagt lehrend Lv 25, 36: „Nicht sollst
du von ihm Zins u. Aufschlag (Vermehrung) nehmen (dieser Schriftbeweis ist an-
gemessener als der im vorigen Zitat). Wenn es heißt: „Dein" Geld sollst du nicht
auf Zins geben Lv 25, 37, (so liegt darin:) wohl aber das Geld andrer (der Nicht-
israeliten); „deine" Nahrungsmittel sollst du nicht auf Vermehrung geben (das.),
wohl aber diejenigen andrer. Oder „dein" Geld, aber nicht das Geld für (zweiten)
Zehnt? „Deine" Nahrungsmittel, aber nicht die für das Vieh? Wenn es heißt: „Zins
von Geld" Dt 23, 20, so soll das ein.schließen das Geld für den Zehnten; „Zins von
Nahrungsmitteln" (das.), so soll das einschließen die Nahrungsmittel für das Vieh.
Da höre ich nur von Geldzins u. von Nahrungsmittelzins; woher, daß auch Zins von
allen andren Dingen miteinzuschließen ist? Die Schrift sagt lehrend: „Zins von
irgend etwas, was man verzinst" Dt 23, 20. R. Schimfon (um 150) sagte: Woher, daü
man zu ihm (dem Schuldner) nicht sagen darf: „Geh hinaus und entbiete dem u. dem
einen Gruß", oder „Erkundige dich, ob der u. der von seinem Orte angekommen
ist"? Die Schrift sagt lehrend: „Lege deinem Bruder keinen Zins auf von irgend-
einem Wort" -=- hz Dt 23, 20; also selbst eine solche Gefälligkeit soll man sich
Matth 5, 42 (Nr. 2) 349
vom Schuldner nicht erbitten, weil ihre Gewährung als Zins erscheinen könnte.' — „Dem
Ausländer ("-o: Nichtisraeliten) kannst du Zins auflegen; aber deinem Bruder darfst
<tlu nicht Zins auflegen" Dt 28, 21. ,Dem Ausländer kannst du auflegen", das ist ein
Oebot (also = du sollst ihm auflegen); „deinem Bruder aber sollst du nicht auflegen",
■das ist ein Verbot. Rabban Gamliel (II., um 90) sagte: Was lehrend sagt die Schrift:
„Deinem Bruder sollst du nicht Zins auflegen" Dt '23, 21? Es heißt doch schon vorher
Vers 20: Lege deinem Bruder keinen Zins auf! Allein es gibt einen voraufgehenden
2ins u. es gibt einen nachfolgenden Zins. Auf welche Weise? Beabsichtigt einer von
•einem andren ein Darlehn zu entnehmen u. sendet diesem etwas in dem Gedanken,
^iamit er mir das Darlehn gebe: so ist das ein voraufgehender Zins. Hatte er von
ahm ein Darlehn entnommen u., nachdem er ihm sein Geld zurückgezahlt, sendet er
ihm etwas in dem Gedanken, das ist dafür, daß sein Geld ohne Nutzen für ihn in
meinem Besitz gewesen ist: so ist das ein nachfolgender Zins. — Letzterer Ausspruch
auch BM 5, 10. Weitere Parallelen zu einzelnen Teilen vorstehender Auslegung finden
sich SLv 25, 37 (442-''); bBM 60^; pBM 5, 10 ^ 53.
Ueber Geldgeschäfte mit nichtisraelitischen Kapitalien heißt es BM 5, 6: Ein
Israelit darf das Geld eines Nichtisraeliten -"ir; (gegen Zinsen) verleihen mit Vorwissen
-des (betreffenden) Nichtisraeliten, aber nicht mit Vorwissen (bloß) des (entleihenden)
Israeliten. || TBM 5, 16—18 (382): Wenn ein Israelit Geld von einem Nichtisraeliten 'li
-entliehen hat u. es ihm zurückzahlen will, u. es trifft ihn ein andrer (Israelit) u. sagt
zu ihm: Gib mir das Geld, ich will dir (Zinsen) geben, wie du ihm geben mußt, so
iist das verboten (weil der ohne Vorwissen des Nichtisraeliten selbständig handelnde
Israelit als Besitzer des Geldes anzusehen wäre u. als solcher von einem andren
Israeliten keine Zinsen nehmen darf); setzte er es aber bei dem Nichtisraeliten fest,
so ist es erlaubt (denn jetzt gilt dieser als der Verleihende). Wenn ein Nichtisraelit
Geld von einem Israeliten entliehen hat u. es ihm zurückzahlen will, es trifft ihn aber
ein andrer Israelit u. sagt zu ihm: Gib mir das Geld unter den gleichen Bedingungen,
wie du ihm geben mußtest, so ist das erlaubt; setzten sie es aber bei dem Israeliten
(dem eigentlichen Gläubiger) fest, so ist e.«; verboten. Wenn ein Israelit zu einem
Nichtisraeliten sagt: Hier hast du deinen Lohn (deine Provision), geh u. verleihe
meine Gelder gegen Zinsen, so ist das verboten (denn der Israelit bleibt Besitzer
des Geldes, u. „sein" Geld darf gegen Zins nicht an Israeliten ausgeliehen werden;
anders wäre es natürlich, wenn das Geld nur an Nichtisraeliten zur Verleihung käme).
Wenn ein Nichtisraelit zu einem Israeliten sagt: Hier hast du deinen Lohn, geh u.
leihe meine Gelder gegen Zins aus, so ist das (nach dem Gesetz) erlaubt; aber des
bösen Scheines wegen ist es verboten. — Die beiden ersten Sätze als Bar in BM 711).
Vom Nichtisraeliten i-i=; Zins zu nehmen war nach Dt 23, 21 ge-
stattet. Die Mischna bestimmt darüber BM 5, 6: Man darf von ihnen
(den Nichtisraeliten) gegen Zins entleihen u. an sie gegen Zins aus-
leihen. — Ferner s. SDt 23, 20 f. S. 348.
BM 5, 9: Es darf nicht einer zum andren sagen: Leihe mir einen Kor Weizen,
ich will ihn dir von der Tenne wiedergeben (denn dei" Weizen könnte bis dahin im
Preise steigen, so daß die Preisdifferenz als Zinszahlung erschiene). ... So hat
^ In BM 5, 10 nur das zweite Beispiel in R. Schimfons Ausspruch. — In pBM
ö, 10'', 12, vgl. bBM 75b, lautet der Ausspruch des R. Schim?on: Etwas Schweres ist
es um das Zinsnehmen; denn selbst die Entbietung des Friedensgrußes ist ein Zins:
hat der Schuldner ihm (dem Gläubiger) sein lebelang den Gruß nicht (zuerst) ent-
boten, aber weil er von ihm ein Darlehn erhalten hat, kommt er ihm mit dem Gruß
zuvor: so ist das ein Zins. — Nach TBM G, 17 (385) gehört der Ausspruch in dieser
Form dem R. ?Aqiba, f um 135, an. Dagegen wird pBM 5, 10'', 10 dem R. fAqiba
folgende Ausführung in den Mund gelegt: Etwas Schweres ist es um den Zins; denn
auch eine Gefälligkeit ist Zins: siehe, wenn einer zu dem Schuldner sagt, er solle ihm
Grünzeug vom Markte kaufen, so ist das, auch wenn er ihm das Geld dazu gibt, Zins.
350 Matth 5, 42 (Nr. 2. 3)
Hillel (der Alte, um 20 v. Chr.) gesagt: Nicht soll eine Frau einer andren ein Brot,
leihen, es sei denn, daß sie es in Geld veranschlagt; deun der Weizen könnte
teurer werden, u. so -würden sie als solche erfunden werden, die ins Zinsnehmen
hineingeraten sind. — Dazu bemerkt bBM 75=*: Rab J'^huda (f 299) hat gesagt, Sch'^muel
(t 254) habe gesagt: Das sind die Worte Hillels; aber die Gelehrten sagten: Man,
leiht ohne nähere Abmachung u. man bezahlt ohne nähere Abmachung. || TBM5, 22f.
(38H): Wenn einer einem andren gegen Zins leiht und vor Gericht kommt, so be-
straft man ihn, u. er kann weder das Kapital noch die Zinsen einfordern, das sindl
Worte des R. Me'ir (um 150); denn R. Meir hat gesagt: Wenn in einem Dokument,
die Zahlung von Zinsen ausgemacht ist, so bestraft man den Inhaber, u. er kann
weder das Kapital noch die Zinsen einfordern. Wenn einer ein Dokument findet, ini
welchem Zinsen ausgemacht sind, so kann er es zerreißen; wird es dem Gericht über-
geben, so zerreißt man es. RabbanSchimfon b. Gamliel 11. (um 140) sagte: Das richtet,
sich ganz nach dem Brauch der betreffenden Stadt (Gegend). — In der Parallelstelle
BM 72 '^ — BQ oOb erklären die Gelehrten dem R. Meir gegenüber: Er darf das-
Kapital einfordern, aber nicht die Zinsen.
TBM 5, 25 (888): Wenn einer einem andren gegen Zins geliehen hat u. dann
Buße tut, so muß er es ihm wiedergeben (was er an Zinsen. empfangen hat). Stirbt
er u. hinterläßt er es seinen Kindern, so brauchen diese es nicht zurückzugeben,,
wie es heißt Hi 27, 17: Er schafft es an, u. Gerechte bekleiden sich u. in das Silber-
teilen sich Schuldlose.
3. Allgemeine Aussprüche über Leihen, Zinsnehmen u. dgl.
Sir 29, 1 f. : Wer Barmherzigkeit übt, leiht seinem Nächsten, u. wer ihm auf-
hilft, beobachtet die Gebote. Leihe deinem Nächsten zur Zeit, wo er's nötig hat, u..
gib du es wieder zurück deinem Nächsten zur bestimmten Frist. Halte Wort u. er-
weise dich als zuverlässig ihm gegenüber, so wirst du zu aller Zeit dessen, was du)
brauchst, habhaft werden können. Viele halten das Darlehn für etwas Gefundenes-
(was man nicht abzugeben braucht) u. machen Verdruß denen, die ihnen geholfen,
haben. Bis er's (von ihm geborgt) erhält, küßt er seine Hand u. redet unterwürfig
vom Vermögen seines Nächsten. Aber dann, wenn er's zurückzahlen soll, zieht er die^
Zeit hin u. gibt kummervolle Worte zur Antwort u. macht die Zeiten verantwortlich..
Wenn er (zu zahlen) imstande ist, wird jener (doch) kaum die Hälfte erhalten, u.
der wird es für etwas Gefundenes ansehen. Wenn aber nicht, so bringt er ihn um
sein Geld, u. dieser bekommt ihn, nicht ohne daß er schuld daran ist, zum Feinde.'
Flüche und Schimpfreden wird er ihm zurückzahlen. Viele wenden sich um solcher
Schlechtigkeit willen ab; sie fürchten, ohne ihre Schuld um ihr Geld zu kommen.
Doch mit dem, dem es schlecht ergeht, habe Geduld u. aus Barmherzigkeit sollst du
ihm Zeit lassen. Um des Gebots willen nimm dich des Armen an u. entsprechend seiner
Dürftigkeit laß ihn nicht leer von dir gehn. Verliere lieber das Geld wegen des
Bruders u. Freundes u: laß es nicht rosten unter dem Stein, so daß es wertlos wird. |!
Mekh Ex 22, 24 (102"|: ,Wenn du meinem Volke Geld leihst" Ex 22, 24. R. Jischma^el
(tum l;i5) hat gesagt: Jedes „Wenn" in der Tora ist als ein freiwilliges (dem Be-
lieben überlassenes) gemeint, ausgenommen dieses u. noch zwei andre. Lv 2, 14:
,Wenn du Jahven ein Getreideerstlings-Speisopfer darbringst"; das ist als Pflicht
gemeint. Du sagst: „als Pflicht", oder nicht doch vielmehr als etwas Freiwilliges?
Die Schrift sagt lehrend (das.): so „sollst" du als dein Erstlings-Speisopfer darbringen;
als Pflicht ist es gemeint u. nicht als etwas Freiwilliges. Und Ex 20, 25: „Wenn du
mir einen Altar von Steinen machst"; das ist als Pflicht gemeint. Du sagst: „als
Pflicht", oder nicht doch vielmehr als etwas Freiwilliges? Wenn es heißt: „Aus un-
versehrten Steinen ,sollst' du den Altar bauen" Dt 27, 6, so ist das eine Pflicht u.
' Bischoff, Jesus u. die Rabbinen, S. 61 erwähnt ein Sprichwort r:r'':nr ns-Vn 5:
713-^12 riEio nans, der Anfang alles Leihens ist Freundschaft u. das Ende Feindschaft.
Matth 5, 42 (Nr. 3) 351
nicht etwas Freiwilliges. Auch hier (nämlich Ex 22. 24) mußt du sagen: ,Wenn du
Geld leihest", das ist als Pflicht gemeint u. nicht als etwas Freiwilliges. Du sagst:
„als Pflicht", oder nicht doch vielmehr als etwas Freiwilliges? Wenn es heißt
Dt 15, 7: Du , sollst" ihm gern auf Pfand leihen, so ist das eine Pflicht u. nicht
etwas Freiwilliges. — Dasselbe ÄM<h Ex 20,__25 (80b). \\ SLv 25, 3S (442"): ,lch bin
Jahve euer Gott, der euch aus dem Lande Ägypten herausgeführt hat" Lv 25, 38.
Von hier ans hat man gesagt: Wer das Joch des Zinsverbotes auf sich nimmt, der
nimmt das Joch des Himmels (= Gottes) auf sich; u. wer das Joch des Zinsverbote&
von sich wirft, der wirft das Joch des Himmels von sich. „Ich bin Jahve euer Gott,
der euch aus dem Lande Äg.ypten herausgeführt hat" ; unter der Bedingung habe ich
euch aus dem L. Ag. herausgeführt, daß ihr die Gebote betreffs des Zinsnehmens
auf euch nehmt; denn wer sich zu den Geboten betreffs des Zinsnehmens bekennt,
der bekennt sich zu dem Auszug aus Äg., u. wer die Gebote wegen des Zinsnehmens
verleugnet, der ist wie einer, der den Auszug aus Ag. leugnet. || BM 61b: Raba {f'4b2)
hat gesagt: Warum hat der Allbarmherzige den Auszug aus Ag. bei dem Zinsverbot ge-
schrieben? . . . Gott sagt: Ich bin es, der in Ag. prüfend unterschieden hat zwischen
dem Tropfen des Erstgebornen u dem Tropfen des Nichterstgebornen; ich bin es, der
dereinst strafen wird den, der sein Geld an einen Nichtisraeliten hängt u. es an einen
Israeliten gegen Zins verleiht. || TBM (>, 17 (:')84): R. Jose (b. Chalaphta, um 150) hat
gesagt: Komm u. sieh, wie blind die Augen derer sind, die gegen Zins ausleihen:
wenn einer einen andren einen Götzendiener, einen Unzüchtigen oder einen Blutver-
gießer nennt, so will dieser jenem ans Leben gehen. Und dieser (der Wucherer)
bringt zur Stelle den Schreiber u. den Halter u. die Tinte u. den Schuldbrief u. die
Zeugen u. spricht: Kommt u. schreibt über diesen (= über mich), daß er keinen Teil
hat an dem, der das Zinsverbot gegeben hat; u. wenn er (das Dokument) hat schreiben-
lassen, trägt er es auf das (nichtjüdische) Gericht u. verleugnet den, welcher sprach
u. es ward die Welt, gepriesen sei ec! Da lernst du, daß die, welche gegen Zins ver-
leihen, Gott verleugnen. (Parallelen: pBM 5, 10 '\ 5; bBM 7n als Bar; vgl. auch den
Ausspruch des R. Meir in M'kh Ex 22, 24 S. 848.) R. Schim?on b. El?azar (um 190)
hat gesagt: Mehr, als sie (die Wucherer) verdienen, verschulden sie sich; denn sie
machen die Tora zu einer Fälschung u. Mose zu einem Narren u. meinen, wenn Mose
gewußt hätte, daß wir so viel verdienen (mit dem Zinsnehmen), dann würde er es
(das Zinsverbot) nicht geschrieben haben. — Ähnlich pBM 5, lO'', 8); bBB 75^ als
Bar; hier dürfte hinter R. Schim?on zu ei'gänzen sein ben El?azar. || TBM ö, 18 (385):
R. Schim?on (nach beiden G^'maren: ben El?azar, um 190) hat gesagt: Wer Gelder
hat u. sie nicht gegen Zins verleiht, von dem sagt die Schrift: „Sein Geld gibt er
nicht für Zins u. Geschenk wider den Unschuldigen nimmt er nicht an. Wer solches
tut, wird in Ewigkeit nicht wanken" Ps 15, 5. Da lernst du, daß diejenigen, die auf Zins
verleihen, wanken u. aus der Welt verschwinden. Was jenes „Wanken" bedeutet,
weiß ich nicht; aber es ist gemeint wie in Spr 24, 11: „Errette die, welche zum Tode
geschleppt werden, u. wenn Leute zur Würgung hinwanken, o, tue Einhalt!" — •
Parallelstellen: BM 71'^; pBMö, lO'^, 14; hier wird die Erklärung des Wortes „wanken"
nach Spr 24, 11 dem R. Sch'^muel b. Ammi (um 325) beigelegt. — Sachlich dasselbe in
ExR 31 OS**). II Mak 24^: „Sein Geld gibt er nicht für Zins" Ps 15, 5, selbst nicht auf
Zins seitens eines NichtJuden. 1| Schab 63-': R. Abba (um 290) hat gesagt, R. Schim?on
b. Laqisch (um 250) habe gesagt: Wer ein Darlehn gibt, ist größer als der, welcher
ein Almosen gibt (denn er erspart dem Armen eine Beschämung); wer ihm aber
Geld in seinen Beutel gibt (um ein Gewerbe zu betreiben], der ist der größte von
allen. |i P^'siq 95'': „Es tiberstürzt sich nach Besitz ein mißgünstiger Mann u. merkt
nicht, daß Mangel über ihn kommen wird" Spr. 28, 22. R. JiQchaq (um 3U0) hat die
Schriftstelle auf den ausgelegt, der einem Israeliten auf Zins leiht; weil sein Auge
selbstsüchtig ist, ohne Zins zu leihen, leiht er ihm gegen Zinsen, u. er weiß nicht,
daß Mangel über ihn kommen wird; denn es heißt: „Wer seine Habe durch Zins
und Übersatz mehrt, sammelt für den, welcher gegen die Geringen mild ist" Spr 28, 8.
352 Matth 5, 42 (Nr. 3)
Damit ist Esau, der Frevler (= Rom), gemeint. Aber ist denn Esau. der Frevler,
mild gegen die Geringen? Er bedrückt doch die Geringen! Allein da sind zB jene
seine Beamten, die in die Dörfer hinausziehen u. plündern die Pächter (diese Wort-
fügung nach Buber Anm. 11), u. dann kehren sie in die Stadt zurück u. sagen: Ver-
sammelt die Armen, daß wir ihnen Wohltat erweisen (mit dem geraubten Gut)I Das
Sprichwort sagt: Sie buhlt für Äpfel u. verteilt sie an die Kranken (der Zweck heiligt
das Mittel). — Dasselbe TanchB ns- §Ö (ll^*); ExR :n (93''). — Das Sprichwort
am Ende findet sich noch mehrfach, zB LvR 3 (106«); Midr Qoh 4, 6. |! Sukka 29'*: Aus
vier Ursachen gehen die Güter der Besitzer an die Regierung über: wegen solcher,
die bezahlte Schuldscheine (Wechsel u. dgl.) zurückbehalten (um sie noch einmal
einzufordern); wegen solcher, die auf Zins verleihen; wegen solcher, die die Möglich-
keit hatten (etwas Böses) zu verhindern, es aber nicht taten, u. wegen solcher, die
öffentlich ein Almosen festsetzen, es aber hinterher nicht geben. || BM 75'^: Als Rab
Dimi (um 320) kam (nämlich aus Palästina nach Babylonien), sagte er: Woher läßt
sich beweisen, daß einer, der einem andren eine Mine lieh u. weiß, daß dieser nichts
hat (um die Schuld zurückzuzahlen), an ihm (dem Schuldner) nicht vorübergehn (sich
oft vor ihm zeigen) darf? Die Schrift sagt lehrend: „Du sollst ihm nicht wie ein
Schuldherr (Dränger) sein" Ex 22, 24. || ExR 31 {91'^): Als Salomo den Tempel erbaut
hatte, sprach er in seinem Gebet zu Gott: Herr der Welt, wenn ein Mensch vor dir
beten sollte, daß du ihm Geld geben möchtest, u. du weißt, daß ihm das schädlich
ist, so gib es ihm nicht; aber wenn du einen Menschen siehst, der in seinem Reich-
tum schön erscheint, so gib ihm, wie es heißt: „Du wollest einem jeden geben nach
all seinen Wegen, wie du sein Herz erkennst* 2 Chr 6, 30. Denn in dieser Welt sind
die Gottlosen reich u. befinden sich in Wohlstand u. Sicherheit u. die Gerichten sind
arm; aber in der Zukunft, wenn Gott den Gerechten die Schätze des Gan ?Eden auf-
tun wird, werden die Gottlosen, die von Zins u. Wucher sich genährt haben, mit
ihren Zähnen in ihr Fleisch beißen (■j'rsij Wortspiel mit ~v:, Zins), s. Qoh 4, 5: ,Der
Tor faltet seine Hände und ißt sein eigen Fleisch." Dann werden sie sagen: 0 daß
wir doch gearbeitet hätten u. auf unsren Schultern Lasten getragen, o daß wir doch
Sklaven gewesen wären, daß es uns jetzt so erginge wie den Gerechten! wie es heißt:
„Besser eine Hand voll Ruhe als beide Fäuste voll Mühe und windigen Strebens"
Qoh 4, 6. Deshalb heißt es: Wenn du meinem Volke Geld leibst usw. Ex 22, 24. . . .
„Du sollst ihm nicht wie ein Wucherer sein" Ex 22, 24. Wenn du ihm geliehen hast,
so sollst du ihn nicht drücken. Hat er ein Feld oder einen Weinberg, so sollst du
nicht zu ihm sagen: Hier hast du eine Mine, treibe damit Handelsgeschäfte u. schreibe
für mich eine Hypothek auf dein- Feld u. deinen Weinberg! Morgen hat jener viel-
leicht Verluste in seinem Geschäft u. du nimmst ihm dann sein Feld u. seinen Wein-
berg. Deshalb steht geschrieben: „Du sollst ihm nicht wie ein Wucherer sein." Von
hier aus lernst du, daß, wer Zins nimmt, Gott nicht fürchtet. Und ebenso sagt Ezechiel
18, 13: „Auf Wucher hat er geliehen u. Zins hat er genommen, u. er sollte leben?
-Nicht soll er am Leben bleiben!" Gleich einem Menschen, dessen Schuldregister vor
dem Richter verlesen wurde; der Richter sprach: Der lebt noch?! Ebenso spricht
Gott: Der sollte leben? Nein, er soll nicht am Leben bleiben; Zins u. Zuschlag hat
er genommen! . . . Womit ist der Zins zu vergleichen? Mit einem, den eine Schlange
biß, u. er merkte es nicht, wer ihn biß, u. wußte es nicht, bis die Wunde anschwoll
(1. mit Tanch -jauars statt --jn-zn); ebenso fühlt der Mensch den Zins nicht eher, als
bis er anschwillt. — Dasselbe Tanch w^sx'n. Zum Schlußsatz vgl. Bx\I5, 1: Zins
^täp, . . . weil er abbeißt, frißt, -•fi'ij n'h^d -dsi. || TanchB u-atvio § 7 (42''): „Wenn
du Geld leihst" Ex 22, 24. Was ist für ein Unterschied zwischen der Menschen
Verhalten u. Gottes Verhalten? Wenn ein Menseh einem andren etwas schuldig ist,
u. dieser zu jenem sagt: Gib mir, was du von mir hast, u. jener dann antwortet:
ich habe jetzt nichts, so beginnen sie sofort Streit u. behandeln einander verächtlich.
Aber Gott nicht also. Denn du findest, daß in der Sommerzeit der Tag von der Nacht
borgt bis hin zur Sommersonnenwende, u. von der Sommersonnenwende bis hin zur
Matth 5, 42 (Nr. 3). 5, 43 (Nr. 1) 353
Wintersonnenwende borgt die Nacht vom Tage. Wohef? David' hat gesagt: „Der
Tag läßt dem Tage Rede zusprudeln" Ps 19,8. Dieser borgt von jenem u. jener von
diesem; u. kein Mensch hört, was zwischen ihnen (verhandelt wird), s. das. Vers 4:
^Es gibt da nicht Rede u. es gibt da nicht Worte." Aber die Menschen borgen von-
einander u. beginnen Streit. Deshalb sprach Gott zu Mose: Geh, sage den Israeliten:
Auch wenn ihr einander leiht, so sollt ihr euch nicht verächtlich behandeln. — In
breiter Ausführung dasselbe Tanch ="jei;^ 96»; ExR 31 (92«:). || Tanch c-ctv^ 95'*:
Auch in Jerusalem hatten die Leute gegen Zins verliehen, s. Jes 1, 22: „Dein Silber
ward zu Schlacken". Und was ward ihnen dafür? s. Jer 6, 30: „Verworfenes Silber
nennt man sie; denn Jahve hat sie verworfen." Deshalb heißt es: Dein Silber ward
zu Schlacken, u. Ez 7, 19 heißt es: „Ihr Silber u. ihr Gold werden sie auf die Straßen
hinauswerfen" (die Stolle ist ungenau zitiert). Weshalb? Weil sie die Tora über-
treten haben: „Dein Geld sollst du ihm nicht auf Zins geben" Lv 25, 37. — Dasselbe
ExR 31 (9^^). II BM 70'^: „Wer seine Habe durch Zins u. Aufschlag mehrt, sammelt
für den, welcher gegen die Geringen mild ist" Spr 28, 8. Rab Nachman (f 320) hat
gesagt: Mir hat Huna (f 297) gesagt: Das brauchte nicht gesagt zu werden; aberes
ist nur gesagt worden, weil damit selbst der Zins gemeint ist, den man vom Nicht-,
israeliten nimmt. Raba (t 352) wandte gegen Rab Nachman ein: „Dem Fremden
(= Nichtisraeliten) darfst du Zins auflegen" --ir Dt 23, 21. Was heißt --rr? Doch
wohl: Du darfst gegen Zins ilim leihen? Nein vielmehr: Du sollst ihm Zins zahlen. ||
BM 75*^ Bar: Drei schreien u. werden nicht erhört, nämlich wer Geld hat und es ohne
Zeugen ausleiht, wer sich selbst einen Herrn erwirbt u. der, über den seine Frau
herrscht. Wer sich selbst einen Herrn erwirbt, was bedeutet das? Manche sagen:
Das ist der, der sein Vermögen an einen Nichtisraeliten hängt (um sich so für seine
Geldgeschäfte vom jüdischen Recht freizumachen); andre sagen: Das ist der, der
seine Güter bei Lebzeiten seinen Kindern verschreibt; u. noch andre sagen: Das ist
der, dem es in diesem Ort schlecht ergeht u. nicht nach einem andren Ort geht.
5,43: Ihr habt gehört, daß gesagt wurde: Du sollst deinen
Nächsten lieben u. deinen Feind hassen.
Der erste Teil des Ausspruchs stammt aus Lv 19,18; der zweite
Teil läßt sich quellenmäßig nicht belegen. Das Ganze wird eine populäre
Maxime sein, nach der der Durchschnittsisraelit in Jesu Tagen sein
Verhalten gegen Freund u. Feind eingerichtet hat; vgl. 2 Sm 19, 7.
1. Nächstenliebe wird vom AT gefordert Lv 19,18: „Liebe sollst,
du deinem Nächsten erweisen t^sj-iI: R^^iJ'] wie dir selbst" ^ — LXX u.
NT: xal ayani^aeic tot u?ajaior aov wg aeavrör, du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst. Targ Onk: -in;? "O^n^ tsn^ri!!. — Targ Jerusch I:
-nsrib ni'sn'nM du sollst deinen Nächsten lieben; denn was dir unlieb
ist, sollst du ihm nicht tun. — Indem dann das AT Lv 19, 34 u. Dt
10, 19 nur noch den Fremdling (li;, der unter Israel Wohnsitz genommen)
in den Kreis derer miteinschließt, denen Israel mit Liebe begegnen
soll, zeigt es, daß mit der Liebe zum Nächsten y-i nicht die allgemeine
Menschenliebe gefordert ist, sondern lediglich die Liebe zum Volks-
genossen. Dem entspricht, daß das Verbot Rache auszuüben oder Zorn
nachzutragen seine Geltung ausdrücklich nur gegenüber „den Söhnen
deines Volkes" hat Lv 19, 18 (vgl. SLv 19, 18 S. 277«). Die Synagoge zur
' Diese Übersetzung ist gewählt, um der Konstruktion des Verb. =-k mit •:
gerecht zu werden.
strack U.Bill erbeck, NT ]. 23
354 Matth 5, 43 (Nr. 1)
Zeit Jesu hat den Begriff , Nächster", r", ebenso eng gefaßt wie das
AT: nur der Israelit gilt als r-i, die „andren", d. h. die Nichtisraeliten,
fallen unter diesen Begriff nicht. a Den Begriff „Fremdling" ^.a hat man
sogar noch über das AT hinaus verengt: die älteste nachchristliche
Synagoge verstand unter -'^ ausschließlich denjenigen Nichtisraeliten,
der durch Übernahme der Proselytentaufe u. der Beschneidung völlig
zum Judentum übergetreten war;b man nannte ihn einen p'ns ^i, einen
wirklichen, vollen Proselyten. Dagegen galt derjenige Nichtisraelit, der
unter dem jüdischen Volk wohnte, ohne innerhalb der ersten 12 Monate
zum Judentum übergetreten zu sein, der sog. ndir -^s,^ u. der im Sinn
des ATs ohne Zweifel zu den Lv 19, 34 u. Dt 10, 19 erwähnten „Fremd-
lingen" gehörte, lediglich als ii:i Heide, als einer, der außerhalb der
jüdischen Volksgemeinschaft stand. Ganz folgerichtig wird deshalb von
einem solchen ^irin -^5 gesagt, daß er nicht unter den Begriff „Nächster"
falle.c— Erwägt man, daß obige Einschränkungen des Begriffs „Nächster"
sich nicht in den wenig verbindlichen haggadischen Schriftwerken, son-
dern gerade in dem die Praxis regelnden u. die Praxis widerspiegelnden
halakhischen Midrasch der älteren Zeit finden, so wird man von vorn-
herein der Behauptung moderner jüdischer Gelehrter äußerst skeptisch
gegenüberstehn, daß die alte Synagoge schon in der neutestamentl.
Zeit das Gebot der Nächstenliebe von der allgemeinen Menschenliebe ver-
standen habe.tl Die für die erwähnte Behauptung beigebrachten Beweis-
stellen sind durchaus nicht stichhaltig ;e erst seit dem 2. nachchristl.
Jahrh. läßt sich hier u. da eine Stimme vernehmen, die man vielleicht
als eine Predigt allgemeiner Menschenliebe deuten darf.* Daneben fehlt
es aber auch nicht an Aussprüchen, die den Geist solcher Liebe den
Nichtisraeliten gegenüber stark vermissen lassen. g — Es wird also
wohl dabei bleiben, daß der erste, der die Menschheit gelehrt hat, in
jedem Menschen den „Nächsten" zu sehen u. deshalb jedem Menschen
in Liebe zu begegnen — Jesus gewesen ist; s. die Erzählung vom barm-
herzigen Samariter.
a. M'kh Ex 21, 14 {8Ci^): „Falls jemand frevelhaft gegen seinen Nächsten handelt,
daß er ihn mit Hinterlist totschlägt" usw. Ex 21, 14. Gegen seinen , Nächsten",
inj--, das will die andren (d. h. die Nichtisraeliten) ausschließen. || Das. zu Ex 22, 8
(98'''): ,Er soll seinem Nächsten doppelt Ersatz geben." Seinem , Nächsten", also
nicht den andren (den Nichtisraeliten). || SLv 20, 10: ,Wenn jemand . . . die Ehe
bricht mit seines , Nächsten' Weibe"; das soll das Weib der andren (der Nichtisraeliten)
ausschließen. II SDt 15,2 § 112 (97.b): ^Er darf seinen Nächsten u. Bruder nicht
drängen" Dt 15, 2; seinen „Nächsten" ir-rj-', ausgenommen sind also die andren (Nicht-
israeliten); seinen „Bruder", ausgenommen ist also der Ger Toschab ider iiicht zum
Judentum übergetretene Fremdling). |i SDt 8 181 dOS') zu Dt 19, 4f.: ,Wer seinen
Nächsten unabsichtlich erschlägt . . . u. wer mit seinem Nächsten in den Wald
geht" usw.; seinen „Nächsten" '-rv^, ausgenommen sind also die andren (die Nicht-
israeliten) . . . „mit seinem Nächsten" "ni— , ausgenommen ist alyo der Ger Toschab
(der nicht unter den Begriff „Nächster" fällt). SDt § 266 (121 b) zu Dt 23, 25 f.: „Wenn
Das Nähere hierüber s. bei Apg 13, 16.
Matth5,43(Nr. 1) 355
da in den Weinberg deines Nächsten kommst"; deines „Nächsten", ausgenommen
sind also die andren (die Nichtisraeliten) . . . „Wenn du in die Saat deines Nächsten
kommst" ; deines „Nächsten", ausgenommen sind also die andren (die Nichtisraeliten). —
Diese Zitate machen es unzweifelhaft, daß die Halakha der mischnischen Periode
unter dem „Nächsten" y- nicht jeden Menschen, sondern nur den Israeliten (mit
Einschluia des VoUproselyten) verstanden hat.
b. Über den p-ii ^; s. bei Mty,6 S. 10-2ff.; Mt28,15 u. Apgl3,16. — Das Gebot Lv
19, 33f. gilt in bezug nur auf den VoUproselyten, nicht den Ger Toschab. SLv 19, 33 f.:
„Wann bei dir ein Fremdling ^; in eurem Lande weilt, sollt ihr ihn nicht drücken'
Lv 19, 33. Du sollst nicht zu ihm sagen: Gestern bist du ein Götzendiener gewesen
u. heute bist du unter die Flügel der Sch'^^khina (Gottheit) getreten (d.h. zum Judentum
übergetreten. Aus diesen Worten erkennt man, daß der alten Synagoge der „Fremd-
ling" nichts andres als ein VoUproselyt piü 1; gewesen ist). „Wie ein Eingeborener
von euch soll euch der Fremdling, der bei euch weilt, sein, u. du sollst ihm Liebe
erweisen wie dir selbst", das. Vers 34. „Wie ein Eingeborener": Wie ein Eingeborener
ein solcher ist, der alle Worte der Tora auf sich nimmt (um sie zu beobachten), so
ist auch der „Fremdling" einer, der alle Worte der Tora auf sich nimmt (also nur
,der VoUproselyt, nicht der Ger Toschab ist mit „Fremdling" gemeint). Von hier aus
hat man gesagt: Wenn ein Fremdling (Proselyt) alle Worte der Tora auf sich nimmt
mit Ausnahme eines einzigen, so nimmt man ihn nicht (als Proselyten) auf. R.Jose
b. J^'huda (um 180) sagte: Auch^wenn er das kleinste Wörtchen von den Satzungen
(Forschungen) der Schriftgelehrten nicht auf sich nimmt, so nimmt man ihn nicht
auf.' „Und du sollst ihm Liebe erweisen wie dir selbst" (Lv 19, 34); wie es in bezug
auf die Israeliten heißt: „Du sollst deinem Nächsten Liebe erweisen wie dir selbst"
Lv 19, 18, so heißt es in bezug auf die Fremdlinge (Proselyten): „Du sollst ihm
Liebe erweisen wie dir selbst." -
Hier mögen noch einige Stellen folgen, die von der Liebe zu den
VoUproselyten handeln.
M'kh Ex 22, 20 (101 '"*): „Den Fremdling (= Proselyt im Sinne des Midrasch) sollst
du nicht bedrücken u. sollst ihn nicht bedrängen; denn ihr seid Fremdlinge im Lande
Ägypten gewesen" Ex 22, 20. „Du sollst ihn nicht bedrücken", nämlich mit Worten,
„u. sollst ihn nicht bedrängen", nämlich in Geldangelegenheiten. Du sollst nicht
etwa zu ihm sagen: Gestern hast du gedient dem "33 z-^ip Va (Götzen, s. Jes 4H, I),
u. siehe, Schweinefleisch ist zwischen deinen Zähnen, u. du willst Worte gegen mich
reden? Woher, wenn du ihn bedrückst (mit solchen Worten), daß er dich (gleicher-
weise) bedrücken kann? Die Schrift sagt lehrend: „Denn ihr seid Fremdlinge ge-
wesen!" Von hier aus hat R. Nathan (um IHU) gesagt: Einen Fehler, der dir an-
haftet, sage nicht von einem andren aus. Beliebt (bei Gott) sind die Proselyten; denn
überall (in der Schrift) warnt er in bezug auf sie:^ „Du sollst den Fremdling nicht
bedrücken" Ex 22, 20; „Ihr sollt den Fremdling lieben" Dt 10, 19; „Ihr kennt die
Empfindungen des Fremdlings" Ex 23, 9. R. Eli?ezer (um 90) sagte: Weil seine Be-
schaffenheit (natürliche Anlage) eine schlimme ist (leicht zum Rückfall ins Heidentum
neigt), darum warnt die Schrift in bezug auf ihn vielfach.^ R. Schim?on b. Jochai
1 Dies Wort des R. Jose b. J. auch TD^m 2, 5 (47).
^ Es ist nicht zu übersetzen: Wie „den Israeliten gesagt wird: Du sollst
deinem Nächsten" usw. Diese Konstiuktion ist durch den zweiten parallelen Satz
ausgeschlossen; denn hier wird nicht den Fremdlingen ein Gebot gegeben, sondern
in bezug auf sie den Israeliten: Du sollst ihm Liebe erweisen. Ebenso will der erste
Satz besagen, daß das Gebot: „Du sollst deinem Nächsten Liebe erweisen" usw., sich
auf die Israeliten beziehe; nur Israeliten sind unter dem Nächsten zu verstehn. Dieses
Selbstzeugnis des Siphra ist wertvoll für seine Auslegung von Lv 19, 18; s. Anm. d.
ä -TTTi, andre Lesart ■'•■mi.
* Nach BM 59 b an 36 Stellen, nach andren an 46 Stellen, s. die Aufzählung
bei Malbim SLv 19, 83.
23*
356 Matth 5,43(Nr. 1)
(um 150) sagte: Siehe, es heißt: „Die ihn lieh haben, sind wie der Aufgang der Souue
in ihrer Macht" Ri 5, 81. Wer ist nun größer: der den König lieb hat, oder den der
König lieb hat? Doch wohl der, den der König lieb hat! u. es heißt: „Er (Jahve)
hat den Fremdling lieb!" Dt 10, 18 (also sind die Proselyten größer als die in Ri 5, 31
gemeinten Israeliten). Beliebt sind die Proselyten (bei Gott); denn überall, wo sie
in der Schrift genannt werden, werden sie wie die Israeliten ^ bezeichnet. Die Kinder
Israel heißen Knechte Lv 25, 55, desgleichen die Proselyten Jes 56, G. (Als weitere
gemeinschaftliche Benennungen werden dann aufgeführt: , Diener" Jes 61,6 u. 56, 6
u. , Freunde Gottes" Jes 41, 8 u. Dt 10, 18. In bezug auf beide wird geredet von einem
Bund Gn 17, 13 u. Jes. 5f>, 6, von Wohlgefallen Ex 28, 38 u. Jes. 56, 7, von Behütung
Ps 121, 4u. 146, 9). — Den Schluß der Stelle s. bei Apg. 13, 16. — Parallelstellen:
BM 59b; NuR 8 (148<3). || NuR 8 (148^): Gott liebt die Proselyten sehr. Womit läßt
sich das vergleichen? Mit einem König, der eine Herde Kleinvieh hatte: sie ging
hinaus aufs Feld u. zog des Abends wieder heim, Tag für Tag. Einmal mischte sich
ein Hirsch in die Herde; er ging mit den Ziegen u. weidete mit ihnen. Zog die
Herde ein in die Hürde, so er mit ihr: ging sie hinaus zu weiden, so er mit ihr.
Man sagte zum König: Ein Hirsch hat sich zum Kleinvieh gesellt u. weidet mit
ihm; alle Tage' zieht er mit ihm aus u. kehrt mit ihm heim. Der König gewann
den Hirsch lieb u. ordnete an: er soll gute Weide haben nach seinem Wohlgefallen,
niemand soll ihn schlagen, habt acht auf ihn! Und auch wenn er mit der Herde
heimkehrte, pflegte der König zu sagen: Gebt ihm» zu trinken! Da sprachen sie zu
ihm: Mein Herr, wieviel Böcke u. Lämmer u. Ziegen hast du, u. du mahnst uns
nicht zur Vorsicht; aber über diesen Hirsch gibst du uns Tag für Tag Befehle! Der
König antwortete: üb das Kleinvieh will oder nicht, e? ist so seine Art, den Tag
über auf dem Felde zu weiden u. des Abends zurückzukehren, um in der Hürde zu
schlafen. Die Hirsche aber schlafen in der Steppe, u. ihre Art ist nicht, menschliche
Wohnstätten zu betreten; sollen wir da diesem nicht Dank wissen, daß er die ganze
weite u. große Steppe dahinten gelassen hat u. in ein Gehöft kommt? Ebenso: müssen
wir nicht dem Proselyten Dank wissen, daß er seine Familie u. sein Vaterhaus, sein
Volk u. alle Völker der Welt verläßt u. zu uns kommt? Deshalb läßt ihm Gott viel
Obhut angedeihen; denn er ermahnt die Israeliten, daß sie sich selbst hüten, ihnen
Schaden zuzufügen, wie es heißt: ,Ihr sollt den Proselyten ^ lieb haben" Dt 10, 19
u. ,Du sollst den Proselyten'' nicht bedrücken" Ex 22, 20. — Ahnliche Gedanken
spricht R. J^mda b. Schalem (um 370) aus, s. TanchB sip'i § 3 (2''^). — Ferner s.
bei Mt 23, 15 Anm. h.
Lieblose Worte über Proselyten finden sich verhältnismäßig selten; s. bei
Mt. 23, 15 Anm. t, u, v.
C. Als „Nächster" ist nicht der Ger Toschab anzusehen, s. SDt 15, 2 § 112 u.
19, 4 f. § 181 auf S. 354 j'. — Ferner M'-kh Ex 21, 35 (94'^): „Falls das Rind jemandes
das Rind seines Nächsten stößt" Ex 21, 35. Seines „Nächsten", das will das Rind
eines Minderjährigen (noch nicht 13 Jahre alten Israeliten) einschliePBen. Seines
„Nächsten", das will das Rind eines Kuthäers (Samaritaners), eines Fremden -13:
(= Nichtisraeliten) u. eines Ger Toschab ausschließen. (Diese drei Kategorien fallen
also nicht unter den Begriff des- „Nächsten").
d. J. Elbogen,Die Religionsanschauungon der Pharisäer, Berlin 1904, S. 75 schreibt:
„Die ethischen Vorschriften für das Verhalten der Menschen sind zus. gefaßt in dem
Gebot der Schrift -i'ss ~y-h pansi Liebe deinen Nächsten wie dich selbst Lv 19, 18.
Wer ist der Nächste? Christliche Ausleger, nach deren Glauben die allgemeine
Menschenliebe vor dem Evangelium durchaus nicht bekannt gewesen sein darf, er-
klären bis auf den heutigen Tag, daß unter v^ nur der »Volksgenosse' gemeint ist.
Der Zus.hang, in dem der Satz sich findet, u. der andre nur wenig davon entfernte:
1 is-iB-s ist natürlicher als '■ss-^o-a; Jalqut zu Ex 22, 20 § 349 liest: VKir-tj iSDia.
2 "^;; der Midr versteht darunter nur den ger ^edeq.
Matth 5, 43 (Nr. 1) 357
,Wie ein Eingeboienei aus euch soll euch der Fremdling sein, der sich aufhält bei
euch, u. liebe ihn wie dich selber' Vers 84, machen es klar, daß das Gebot der
Nächstenliebe auch auf den Fremdling sich ausdehnt. Im neutestamentl. Zeitalter
herrschte unter den Juden kein Zweifel über die Ausdehnung des Gebotes der Nächsten-
liebe auf alle Menschen." — Der vorletzte Satz, daß das Gebot der Nächstenliebe
auch auf den Fremdling sich ausdehne, ist richtig, wenn die Einschränkung hinzu-
gefügt wird: doch galt der alten Synagoge als , Fremdling" nur der Vollproselyt,
nicht der Ger Toschab. — Der letzte Satz ist falsch: die halakhischen Midraschim
M'^khiltha, Siphra u. Siphre erklären übereinstimmend u. ausdrücklich, daß die Nicht-
israeliten (mit Einschluß des Ger Toschab u. der Samaritaner) nicht unter den Be-
griff , Nächster" fallen. Hiernach haben die christlichen Ausleger ein gutes Recht,
auch weiterhin zu erklären, daß mit •j-\ nur der „Volksgenosse" gemeint sei.
e. Man verweist jüdischerseits gern auf folgende zwei Stellen. Schab 31'': Ein
andermal kam ein Heide (-i; = Nichtisraelit) vor Schammai (um 30 v. Chr.) u. sprach
zu ihm: Mache mich zu einem Proselyten unter der Bedingung, daß du mich die
ganze Tora lehrst, während ich auf Einem Fuß stehe. Er jagte ihn mit einem Meß-
stock fort, den er in seiner Hand hatte. Darauf trat er vor Hillel (um 20 v. Chr.),
der ihn als Proselyten annahm. Hillel sprach zu ihm: ,Was dir unliebsam ist, das
tu auch deinem Nächsten T^^n^ (= einem andren) nicht. Dies ist die ganze Tora,
das andre ist ihre Auslegung; geh hin u. lerne das." — Darüber, daß dieser Ausspruch
nicht von Hillel stammt, s. bei Mt 7, 12. — Raschis Erklärung wird dem Wort nicht
gerecht: „Deinen Freund u. deines Vaters Freund verlaß nicht" (Spr. 27, 10), damit
ist Gott gemeint. Du sollst seine Worte nicht übertreten; denn siehe, dir ist es ver-
haßt, wenn sich dein Nächster über deine Worte hinwegsetzt. — Aber ebensosehr
treffen über das Ziel hinaus diejenigen neueren jüdischen Ausleger, die, wie zB.
Bacher, Tann. ^1, 4 in dem Worte Hillels „die negative Ausdruckweise für das bi-
blische: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst Lv 19, 18" sehen. Diese Meinung ist
alt; sie vertritt schon Targ Jerusch 1 zu Lv 19, 18. 34 (s. gleich), der das Gebot: „Liebe
deinen Nächsten wie dich selbst" erläutert mit den Worten: „Was dir unliebsam ist,
sollst du ihm nicht tun." Allein darum, daß einer meidet, dem andren Schlechtes
oder Unangenehmes anzutun, braucht er ihn noch lange nicht zu lieben. Also die
Forderung, andre Menschen zu lieben, enthält Schab 31-* nicht. Erst die positive
Formulierung Mt 7, 12; Lk 6, 31 in Jesu Mund schließt auch die Forderung der Liebe
in sich. — Sodann ist mit nichts angedeutet, daß Hillel auch an die nichtisraelitische
Welt gedacht hat. Der Angeredete ist allerdings ein Heide, der erst Jude werden
will; aber daraus folgt nicht, daß Hillel unter dem „Nächsten" nicht den Volks-
genossen, sondern den Nebenmenschen verstanden habe (gegen Bacher). Hillel will
dem Mann ja sagen, was die Tora lehrt, u. diese geht eben Lv 19, 18. 34 über den
Kreis der Volksgenossen mit Einschluß der Beisassen nicht hinaus. Auch für Targ
Jerusch I ist Lv 19, 18 der Nächste, dem man nicht antun soll, was einem selbst
unlieb ist, nach dem Zus. hang der Stelle „der Sohn deines Volkes", also der Israelit,
u. Lv 19, 34 denkt er ausschließlich an den Vollproselyten: „Wie ein Eingeborener
von euch soll euch der Fremdling sein, der bei euch zum Judentum übergetreten ist,
u. du sollst ihn lieben, wie dich selbst; denn was dir unlieb ist, das sollst du ihm
nicht tun." — Über den Kreis der Volksgenossen u. etwaiger Proselyten geht Hilleis
Blick auch nicht hinaus, wenn er in seinem Wahlspruch Aboth 1, 12 sagt: Gehöre zu
den Schülern Ahrons, den Frieden liebend u. dem Frieden nachjagend, die Menschen
(wörtlich: die Geschöpfe) liebend u. sie (durch Belehrung) der Tora nahebringend.
Die zweite Stelle, die man mit Vorliebe zum Beweis dafür heranzieht, daß das
Gebot der allgemeinen Menschenliebe ein altjüdisches Gebot sei, ist SLv 19, 18: „Du
sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" Lv 19, 18. R. fAqiba (tum 135) sagte:
Das ist ein großer umfassender Grundsatz in der Tora niira •51-15 V53 nr (dasselbe
pN^d 9, 41'-, 31; GnR 24 (16^). R. fAqiba will damit sagen, daß das Gebot der Nächsten-
Jiebe alle übrigen Bestimmungen der Tora mitumfasse, so daß, wer jenes halte, zu-
358 Matth 5, 43 (Nr. 1)
gleich auch diese erfülle. — Abgesehen davon, daß R. ?Aqiba gerade kein gültiger
Zeuge für die älteste christliche Zeit ist, enthält sein Ausspruch auch nicht die
geringste Andeutung, daß ihm die Lv 19, 18 geforderte Liebe zum Nächsten gleich-
bedeutend gewesen ist mit der Liebe zu allem, was Mensch heißt. Im Gegenteil, der
Zus.hang schließt diese Annahme geradezu aus. Dem „großen Grundsatz" der Tora,
den fAqiba in Lv 19, 18 gefunden hat, stellt nämlich iu der genannten Siphrastelle
Ben ?Azzai (um 110) einen noch größeren Grundsatz gegenüber, der nach seiner
Meinung in Gn 5, 1 enthalten ist.* Hier ist nicht vom „Nächsten", sondern vom
„Menschen" die Rede; wenn daher der Menschheitsgedanke in Gn 5, 1 als ein um-
fassenderes Prinzip bezeichnet wird, so folgt daraus, daß R. ?Aqiba nach der Meinung
des Ben ?Azzai mit seiner Nächstenliebe eben nicht die allgemeine Menschenliebe,
sondern die Liebe zu dem engeren Kreis der eignen Volksgenossen im Auge gehabt
hat. Daß dem R. fAqiba in der Tat nicht die allgemeine Menschenliebe als das
große Prinzip in der Tora gegolten hat, beweist am klarsten eine Auslegung von
Lv 19, 18, die uns im Siphra überliefert ist, also in demjenigen Midrasch, der am
treuesten die Lehranschauungen der Schule ?Aqibas widerspiegelt, s. SLv 19, 34:^
„Wie ein Eingeborener von euch soll euch der Fremdling sein, der bei euch weilt
(d. h. im Sinne des Midrasch: der Vollproselyt in eurer Mitte), u. du sollst ihn lieben
wie dich selbst" Lv 19, 84; gleichwie in bezug auf die Israeliten gesagt worden ist:
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" Lv 19, 18, so wird hier (Lv 19, 34)
in bezug auf die Proselyten gesagt: „Du sollst ihn lieben wie dich selbst." — Hier
hören wir ausdrücklich, daß das Gebot der Nächstenliebe Lv 19, 18 sich auf die
Israeliten beziehe. Das ist auch R. f Aqibas Meinung gewesen. Die Berufung auf
diesen Gelehrten als Zeugen für die allgemeine Menschenliebe ist daher nicht berechtigt.
/. Wir denken hierbei an folgende Stellen. SLv 19, 18: „Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst" Lv 19, 18. R. fAqiba sagte: Das ist ein großer allgemeiner
Grundsatz in der Tora. Ben fAzzai (um 110) sagte: „Dies ist das Buch der Familien-
geschichte Adams. Als Gott den Menschen (so der Midrasch) erschuf, machte er ihn
nach der Ähnlichkeit Gottes" Gn 5, 1; das ist ein größerer allgemeiner Grundsatz
als jener (in Lv 19, 18). — Die neueren jüdischen Gelehrten finden das umfassendere
Prinzip meist darin, daß Ben fAzzai an die Stelle des „Nächsten" den „Menschen"
setzt: du sollst jeden nach Gottes Bild Geschaffenen lieben. Nach Bacher, Tann. ^1,
417 Anm. „geht der Sinn des Ben ?Azzaischen Prinzips dahin, daß die stete Rücksicht
auf die Gottesebenbildlichkeit des Menschen eine weitere u. festere Grundlage der
gesellschaftlichen Sittenlehre ist, als das Gebot, den Nächsten wie sich selbst zu
lieben". In der Tat kann ja der Gedanke, daß hinter jedem Menschen Der steht, nach
dessen Bild jener erschaffen ist, unter Umständen eine objektivere u. umfassendere
Richtschnur für das gegenseitige menschliche Verhalten bilden, als der mehr von
subjektiven Stimmungen u. Auffassungen abhängende Grundsatz: du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst. Aber auch wenn man der Deutung Bachers nicht
beitritt, bleibt doch bedeutsam, daß Ben fAzzai dem „Nächsten" von Lv 19, 18 gegen-
über auf eine Schriftstelle zurückgreift, die nach seiner Meinung vom „Menschen"
handelt. Ben fAzzai dürfte der erste Lehrer der alten Synagoge sein, der für das
Verhalten gegen Nichtisraeliten dieselbe Norm aufstellt wie für das Verhalten gegen
einen israelitischen Volksgenossen: bedenke bei deinem Tun u. Lassen, daß jeder
Mensch, gleichwie du, nach Gottes Bild geschaffen ist.^ — Parallelstellen: pN'^'d {),
41'^, 31; GnR 24 (16'^); hier erst Ben fAzzais u. dann R. f Aqibas Ausspruch; daran
schließen sich die wohl Ben fAzzais Standpunkt vertretenden Worte: Du sollst nicht
' Das Nähere zu dieser Stelle s. Anm. f.
^ Die Stelle ist zum Teil schon besprochen S. li-'SS Anm. h.
" Der Menschheitsgedanke liegt auch in dem Wahlspruch des Ben fAzzai Aboth
4, 3 vor: Verachte keinen Menschen u. halte nichts für unmöglich; denn es gibt keinen
Menschen, für den nicht eine Stunde käme (nämlich da du ihn nötig hast), u. es gibt
kein Ding, für das nicht Raum wäre.
Matth5,43 (Nr. 1) 359
sagen: Weil ich verachtet worden bin, darum soll auch uieiu Nächster mit mir ver-
achtet werden; weil ich verwünscht worden bin, darum soll auch mein Nächster mit
mir verwünscht werden. R. Tanchuma (b. Abba, um 380) hat gesagt: Wenn du also
tust, wisse, wen du verachtest, nämlich den, den Gott nach seinem Bilde geschaffen
hat. II M«^kh Ex 23, 4 (104'^): „Falls du das Rind deines Feindes snrr findest"
Ex 23, 4. Damit ist der Heide gemeint, der den Götzen dient. Das sind Worte des
R. Joschijja (I., um 140). (Die ganze Stelle s. bei Mt 5, 44 8.368/.) Der Ausspruch
wurzelt in der alten Anschauung, daß jeder Angehörige eines fremden Volkes als
solcher ein Feind des eignen Volkes sei. Um so bemerkenswerter ist, daß R. Joschijja
trotzdem auch Nichtisraeliten in den Kreis derer einschließt, denen die von Ex 23, 4
geforderte Liebestat zu erweisen ist. — Analoge Anordnungen bietet auch die Mischna.
Git 5, 8 zB heißt es: Man hindert die Armen der Nichtisraeliten, n-i;, nicht am Sam-
meln der Nachlese u. des Vergessenen, auch nicht am Abernten des Ackerwinkels,
des Friedens halber. Git 5, 9: Man darf die Fremden a-is: (= Nichtisraeliten) im
Brachjahr (bei der Feldarbeit) unterstützen, aber nicht die Israeliten (wegen Lv25, 3 ff.) ;
auch darf man ihnen (den Nichtisraeliten) den Friedensgruß entbieten, des Friedens
halber. — Git 61^ Bar: Man versorgt die Armen der Nichtisraeliten a"i:3 samt den
Armen der Israeliten; man besucht die Kranken der Nichtisraeliten samt den Kranken
der Israeliten; man begräbt die Toten der Nichtisraeliten samt den Toten der Israeliten,'
des Friedens halber. — Der Zusatz: ,des Friedens halber" zeigt den großen Unter-
schied: was bei R. Joschijja als Prinzip sich geltend macht, erscheint in der Mischna
als Klugheitsmaßregel. || Aboth RN IH Ende: R. Schim?on b. EUazar (um 190) sagte:
In einer großen Stunde ist dieses Wort gesagt worden: „Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst; ich bin Jahve" Lv 19, 18, ich habe ihn erschaffen. Wenn du
ihn liebst, so bin ich beglaubigst (i'ss:, zuverlässig), dir guten Lohn zu vergelten;
wenn aber nicht, so bin ich der Richter, um zu strafen. — Der Hinweis auf den
Schöpfer legt es nahe, das Wort „Nächster" hier im weitesten Sinn = „jedes mensch-
liche Wesen" zu fassen. Doch s. Aboth RN 16 S. 365. || DtR 6 (203«) gehört nicht hier-
her: nicht jeder beliebige Nichtisraelit wird „Bruder" genannt, sondern nur der zum
Judentum übergetretene Proselyt, s. die Stelle S. 276.
g. B'^rakh 7=^: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Jose (b. Chalaphta, um 150)
gesagt: Dreierlei hat Mose von Gott erbeten, u. es wurde ihm gewährt. Er bat, daß
die Sch'^khina bei Israel weile, u. es wurde ihm gewährt, s. Ex 33, 16: „Woran soll
denn erkannt werden, daß ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, ich u. dein Volk?
Nicht daran, daß du mit uns gehst?" Er bat, daß. die Sch'^khina (Gottheit) nicht bei
den Völkern der Welt wohnen möge, u. es wurde ihm gewährt, s. das.: „Nicht daran,
daß. . . wir so ausgezeichnet werden, ich u. dein Volk, vor jedem Volke, das auf dem
Erdboden ist?" Erbat, daß Gott ihn seine Wege (d.h. die Grundsätze der göttlichen
Weltregierung) wissen lasse, u. es wurde ihm gewährt, s. das. Vers 13: „Laß mich deine
Wege wissen!" Vgl. BB 15 1>. — Die Bitte um Gottverlassenheit der gesamten außer-
israelitischen Welt ist jedenfalls das gröbste Gegenteil von allgemeiner Menschen-
liebe. II Die gleiche Engherzigkeit begegnet DtR 1 (196''): Die Rabbanan haben gesagt:
Mose sprach vor Gott: Herr der Welt, da die Völker (=-i; = außerisraelitische Welt)
keinen Befehl wegen des Haltens des Sabbats empfangen haben, wirst du vielleicht,
wenn sie ihn halten, auf sie Rücksicht nehmen? Gott antwortete ihm: Davor hast
du Furcht? Bei deinem Leben, auch wenn sie alle Gebote in der Tora halten, stürze
ich sie vor euch nieder! 1| Ferner DtR 5 (202*): R. Levi, um 300, hat gesagt: Gott
sprach: Von allen Völkern, die ich erschaffen habe, liebe ich nur Israel. — Wenn Gott,
das absolute Vorbild, der allgemeinen Menschenliebe bar ist, wie sollten sich seine
Verehrer u. Nachfolger zu solcher Liebe verpflichtet fühlen ! || NuR 2 ( 1 38 b) : R. Sch'^mußl
b. Nachman, um 260, hat gesagt: Wenn alle Völker der Welt zusammenkämen u.
sprächen: Wir wollen alle unsre Habe verkaufen u. die Tora u. die Gebote halten, so
würde Gott ihnen antworten: Wenn ihr auch eure Habe verkauft, um die Tora zu
erwerben — Verachtung über euch! (s. HL 8, 7). || M^kh Ex 15,2 (44b): R. ?Aqiba,
S60 Mcitth 5,43(Nr. 1)
t um 135, sagte: Die Völker sprechen zu Israel: Wir wollen mit euch gehn, s. HL 6, 1 :
„Wohin ist dein Lieber (= Gott) gegangen, du schönste unter den Weibern (— Israel)?
Wohin hat dein Lieber sich gewandt, daß wir ihn mit dir suchen?" Aber Israel ant-
wortet ihnen: Ihr habt keinen Teil an ihm, sondern mein Lieber gehört mir u. ich
ihm (s. HL 6, 2). Ähnlich Midr HL 6, 1. |1 M^kh Ex 14, 7 (32''): R. Schimfon (b. Jochai,
um 150) sagte: Der Beste unter den Gojim (NichtJuden) verdient den Tod. — Parallel-
stellen: pQid 4, 66'', 31); TanchB s-si §20 (18"); anonym Tanch nhxz 79'\ !| EM 114''
Bar u. J''b 60 '' : R. Schimfon b. Jochai (um 1 50) sagte : Die Gräber der Gojim verunreinigen
nicht; denn es heißt: „Ihr aber, meine Schafe, Schafe meiner Weide: Menschen seid
ihr" Ez34, 81; ihr (Israeliten) werdet Menschen genannt; aber die Völker der Welt
werden nicht Menschen, sondern Vieh genannt. — In diesem durch Ez 34, 31 nicht
motivierten Zusatz liegt die Lieblosigkeit. Die gleiche Auslegung von Ez34, 31 auch
K<^r78'\ II ?AZ2, 1: Eine Israelitin soll einer Heidin (Nokhrith) ^ keine Geburtshilfe
leisten. !| fAZ26'^: Rab Joseph (f 333) wollte sagen, wenn es in der Bar heiße: Gojim
(NichtJuden) u. ijüdische) Hirten von Kleinvieh (die als Diebe gelten, weil sie ihre
Herden auf fremden Grundstücken weiden lassen) zieht man weder herauf (aus einer
Grube, um sie aus Lebensgefahr zu erretten), noch stößt man sie hinab (um sie zu
töten), so dürfe man sie doch, um keine Feindschaft entstehn zu lassen, gegen Ent-
gelt heraufziehen. Abaje (t 338/39) antwortete ihm aber: Er kann sagen (um sich dem
Rettungswerk zu entziehen): Mein Sohn steht auf dem Dach, oder auch: Es ist mir
ein Termin vor dem Gericht anberaumt! R. Abbalm (um 300) trug vor R. Jochanan
(t 279) als Bar vor: Die NichtJuden u. die Hirten von Kleinvieh zieht man weder
herauf, noch stößt man sie hinab; aber die Häretiker (Minim, mit Einschluß der Juden-
christen) u. die Angeber (Verräter) u. die Abtrünnigen stößt man hinab u. zieht sie
nicht herauf. Er antwortete ihm: Ich lehre Dt 22, 3: „So mache es mit allem Ver-
lornen deines Bruders", das schließt den Abtrünnigen mit ein; u. du sagst: Man stößt
sie hinab? Streiche darin (in der Bar) den Abtrünnigen. . . . Der Autor sagt: Man stößt
sie hinab, aber man zieht sie nicht herauf. Wenn man sie hinabstoßen soll, brauchte
er denn da noch vom Heraufziehen zu reden? Rab Joseph b. Chama (um 300) hat ge-
sagt, Rab Schescheth (um 260) hat gesagt: Es war nicht nötig; aber wenn sich eine
Leiter in der Grube befindet, so zieht man sie weg (um das Herauskommen zu ver-
hindern), indem man sich einen Vorwand sucht u. etwa sagt: damit kein Tier daran
hinabstürze. Rabbah (f 330) n. Rab Joseph sagten beide: Es war nicht nötig, aber
wenn ein Stein auf der Öffnung der Grube ist, so deckt man .sie damit zu (um das
Herau.skommen. zu verhindern) u.. sagt etwa: damit das Vieh dai'über hinweg kann.
Rabina (t um 420) sagte: Wenn sich eine Leiter vorfindet, entfernt man sie u. sagt
etwa: Ich will meinen Sohn vom Dach uiedersteigen lassen. — Die zuerst zitierte Bar
auch f AZ 13 b u. Sanh 57 ^j sie stammt aus TBM 2, 32 (375).
Schimone fEsre 12 (nach der palästin. Rezension; Strack, B'^rakhoth 25 *) : Den Ab-
trünnigen möge keine Hoffnung sein; das frevlerische Reich (— Rom) werde ausgerottet
bald in unsren Tagen; die Nazaräer (Christen) u. die Häretiker (Minim) mögen untergehn
in einem Augenblick; sie mögen ausgelöscht werden aus dem Buch der Lebendigen u.
mit den Gerechten mögen sie nicht aufgeschrieben werden. Gepriesen seist du, Jahve,
der die Hoffärtigen beugt. — Über die Stimmung speziell gegen die Judenchristen
s. TSchab lli, 5 S. 367/. i| MPss36 §7: „Erhalte deine Gnade denen, die dich kennen*
Ps 36, 11. R. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: Laß deine Gnade sich nicht erstrecken auf
die Völker der Welt, die dich nicht kennen. \\ TSanh U, 2 (434): R. Elifezer (um 00)
sagte: Alle Gojim (Nichtisraeliten) haben keinen Anteil an der zukünftigen Welt; denn
1 a"":y, Abkürzung von r'^rtji d-s:i3 mas = „Kultus der Sterne u. Sternbilder"
oder von ''o^ '^ "3''» = „Anbeter der Sterne u. Sternbilder, Götzendiener", findet sich
weder in Handschriften u. zensurfreien Ausgaben der Mischna u. der Talmude, noch in
den ältesten Ausgaben des Ritualkodex Mischne Thora von Maimonides u. des Schulchan
fArukh; ist lediglich eine Erfindung der Zensur für ursprüngliches --t rr.'^zy, -"ij, --::
U. dgl. ; Einl. 54.
Matth 5, 43 (Nr. 1) 3(31
es heißt: ^Die Gottlosen kehren zurück in die Sch'-d (Gehinnom), alle Gojim, die Gott
vergessen" Ps9, 18. „Es kehren die Gottlosen in die Sch^ol zurück", damit sind die
Gottlosen unter den Israeliten gemeint. Es antwortete ihm R. J hoschua (um 90):
Wenn die Schriftstelle sagte: „Es kehren die Gottlosen in die Sch^ol zurück, alle
Gojim", u. weiter nichts, so würde ich sagen, wie deine Worte lauten; jetzt aber, da
ilie Schriftstelle sagt: „die Gott vergessen" — siehe, so gibt es Gerechte unter den
Völkern, die Anteil an der zukünftigen Welt haben. — Sanh 105* Bar: R. Eli?ezer
sagte: „Es kehren die Gottlosen in die Sch'ol zurück, alle Gojim, die Gott vergessen''
(Ps9, 18). „Es kehren die Gottlosen in die Sch'ol zurück", das sind die Abtrünnigen
unter den Israeliten; „alle Gojim, die Gott vergessen", das sind die Völker der Welt.
Das sind Worte des R. Eli?ezer. Es sprach zu ihm R. J'hoschuaf : Wird denn geredet
von allen Gojim? Heißt es nicht vielmehr: Alle Gojim, die Gott vergessen?
Also: „Es kehren die Gottlosen in die Sch^ol zurück", wer sind diese? Alle Gojin),
die Gott vergessen (aber die unter ihnen Gott nicht vergessen, haben Anteil an der
zukünftigen Welt). Eine weitere Parallelstelle IVIPss 9 § 15 (45b); die Deutung, die hier
Bnber dem Ausspruch Elifezers gibt, ist unrichtig.
P'siqR 10 (36^): R. Levi (um 300) hat gesagt: Warum zählt Gott die Israeliten
zu jeder Zeit (vgl. Ex 30, 12)? Gleich einem König, der Schätze hatte, um die er sich
aber nicht kümmerte, daß er sie zählte. Er hatte aber ein kleines goldenes Schmuck-
kästchen, das nahm er alle Augenblicke u. zählte, wieviel er darin habe; u. dann
stellte er es fort. Nach einigen Tagen nahm er es wieder hervor u. zählte seinen In-
halt. Da sprachen sie zu ihm: Mein Herr, um alle Schätze, die du besitzest, kümmerst
du dich nicht, um sie zu zählen, bloß um diesen kleinen Schatz! Er antwortete: Alle jene
Schätze gehören nicht mir, sondern kommen in den Staatsschatz; aber diesen Schatz habe
ich mit sehr vieler Mühe zus gebracht; deshalb befasse ich mich nur mit ihm. So hat auch
Gott sehr viele Völker in der Welt, sehr viele Haufen von Völkern, ohne daß er sich um sie
kümmerte. Sie sprachen zu ihm: Mein Herr, Herr der Welt, wie viele Völker hast du in der
Welt, u. du kümmerst dich nicht um sie, daß du sie zähltest; nur zu jeder Zeit heißt es:
Nehmet die Summe der Kinder Israel auf! Gott sprach: Alle jene Haufen, die ihr
seht, gehören nicht mir an, sondern dem Schatzhaus u. dem Gehinnom, wie es heißt:
„Die Völker sollen Brandstätten von Kalk werden" Jes 33, 12. Aber diese Israeliten,
die ich zu jeder Zeit zähle, sind mein Eigentum, wie es heißt: „Ihr sollt mein Eigen-
tum sein vor allen Völkern" Ex 19,5; u. wie das Eigentum des Menschen diesem
teuer ist, so sind auch diese mir teuer wegen der Not, in der sie mir zustande ge-
kommen sind, s. Dt 4, 34 u. Jer 31, 20. || P^^siqR 10 (35b): R. Levi (um 300) hat gesagt:
Warum wird die Gemeinde Israel mit Weizen verglichen (HL 7, 3)? Ein Hausherr
hat einen Verwalter; wenn er mit ihm rechnen will, was berechnet er? Sagt er etwa
zu ihm: Hab acht, wieviel Körbe voll Stroh du in den Speicher bringst, oder wieviel
Körbe voll Stoppeln oder Dornen du in den Speicher bringst? Wohin schafft er die
Dornen? Ins Feuer. Wohin wirft er den Dung? Auf den Dunghaufen. Wohin zerstreut
er das Stroh? In den Wind. Aber wie sagt er zu dem Verwalter? Hab acht, wieviel
Weizen du in den Speicher bringst. Warum? Weil dieser der Lebensunterhalt für die
Welt ist. So ist Gott ein Hausherr, denn die ganze Welt gehört ihm, s. Ps 24, 1 :
„Jahves ist die Erde u. ihre Fülle, der Erdkreis u. die darauf wohnen." Der Verwalter
ist Mose, s. Nu 12, 7: „In meinem ganzen Hause ist er bewährt." Sprach Gott zu ihm:
Hab acht, daß du die Völker zählst? Nein; denn diese gleichen den Stoppeln. Wer
waren diese? Die Ägypter, s. Ex 15,7: „Du sendest aus deine Glut, die verzehrt sie
Tvie Stoppeln"; ferner ObadjalS: „Das Haus Esau wird zu Stoppeln werden." Was
macht man mit den Stoppeln? Man läßt sie vom Wasser fortschwemmen, s. Ps 136, 15:
„Und er schüttelte den Pharao u. sein Heer in das Schilfmeer." Die Völker gleichen den
Dornen, s. Jes 33, 12: „Die Völker sollen Brandstätten von Kalk werden, abgehauene
Dornen, die Feuer fangen." Was macht man mit den Dornen? Man wirft sie ins
Feuer, s. das. „Sie gleichen dem Stroh." Was macht man mit dem Stroh? Man zer-
streut es in den Wind, s. Hi21,18: „Daß sie werden wie Stroh vor dem Winde, wie
362 -^liitt^ ^' 48 (Nr. 1 )
Spreu, die der Sturmwind wegrafft." Aber die Israeliten gleichen dem Weizen, denn
sie sind das Brotkorn der Welt,* s. HL 7, 3: „Dein Bauch ein Weizenhaufen." Deshalb
hat Gott gesagt: Mose, habe acht, daß du Israel zählst, um zu wissen, wieviel sie
enthalten, s. Ex 30, 12: ,Nimm die Summe der Kinder Israel auf." — In Midr HL7,3
R. Huna, um 350, als Autor genannt; anonym NuR 1 (ISS*^); eine ähnliche Ausführung
in NuR 4 (141b), hier heißen die Völker „Abfälle". |1 TancliB -z-n-v § 10 (14b): Was heißt
Hab 3, 6: d-ij t-^t „er macht aufspringen die Heidenvölker"? R. Tanchum b. Chanilai
(um 280) hat gesagt: Er erlaubte i-m ihnen das Verbotene, die Greuel- u. Kriechtiere.
Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem Arzt, der ging, zwei Kranke zu besuchen.
Er sah, daß der eine von ihnen in Lebensgefahr war; er sprach zu dessen Hausgenossen:
Gebt ihm zu essen, was er nur will! Er sah, daß der andre wieder gesund werden
würde; er sprach zu dessen Hausgenossen: Die u. die Speise darf er essen, die u. die
Speise darf er nicht essen! Man sagte zu dem Arzt: Was für einen Unterschied machst
du zwischen diesen beiden? Denn über den, der in Lebensgefahr ist, sagst du: Er
darf essen, was er will, u. über den, der wieder gesund wird, sagst du: Das u. das
darf er essen, das u. das soll er nicht essen! Der Arzt antwortete: Über den, von
dem ich gesehen habe, daß er dem Tode verfallen ist, habe ich gesagt: Gebt ihm,
denn er ist dem Tode verfallen; aber der, der die Möglichkeit hat, wieder gesund zu
werden, muß sich selbst behüten. So hat Gott den Heidenvölkern, den Verehrern der
Gestirne, die Greuel- u. Kriechtiere u. alle Sünden erlaubt, weil sie für den Gehinnom
bestimmt sind; aber den Israeliten, die für das Leben im Gan fEden bestimmt sind,
hat er gesagt: „Machet euch nicht selbst zum Greuel durch irgendwelches Gewimmel"
u. „Seid heilig, denn ich bin heilig" Lv 11,43.44. Das dürft ihr essen u. das dürft
ihr nicht essen. Weshalb? Weil sie am Leben bleiben sollen, wie es heißt: „Ihr, die
ihr an Jahve eurem Gott hanget, seid alle heut am Leben" Dt 4, 4. — Dasselbe kürzer
LvR13(114b).
Sanh58b: Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Ein Goi, der den Sabbat hält, ist
des Todes schuldig, s. GnS, 22: „Sie sollen nicht ruhen Tag u. Nacht" (so der Midr),
u. ein Autor hat gesagt: Ihre (derNoachiden) Verwarnung ist ihre Todesstrafe. (Warnung
u. Strafandrohung, in Einer Schriftstelle ausgesprochen, ist genügend für die Noachiden.)
Rabina (I., t um 420; IL, f 499) hat gesagt: Auch für den zweiten (oder irgendeinen
andren) Wochentag gilt das (daß sie nicht ruhen dürfen von der Arbeit). So hätte man
es zu den sieben (noachischen) Geboten rechnen sollen! Dahin rechnet man nur zu
Unterlassendes, aber nicht Auszuübendes (wie das Ruhen). Aber die Rechtspflege ist
doch ein Auszuübendes, u. gleichwohl rechnet man sie (unter die 7 noachischen Ge-
bote)! Diese ist etwas Auszuübendes u. zugleich etwas zu Unterlassendes (d. h. die
Rechtspflege ist unter die 7 noachischen Gebote aufgenommen, weil es sich dabei nicht
bloß um das Ausüben des Richteramtes handelt, sondern allgemein um alles, was
zur Rechtsordnung gehört, also auch um das Unterlassen des Unrechts). Ferner
hat R. Jochanan (f 279) gesagt: Ein Nichtisraelit, der sich mit der Tora (d. h. deren
Studium) beschäftigt, ist des Todes schuldig; denn es heißt: „Die Tora hat uns Mose
als nio^ia befohlen" Dt 33, 4, d. h. uns ist sie '^ u. nicht ihnen (den Nichtisraeliten).
So hätte man dies gleichfalls zu den sieben (noachischen) Geboten rechnen sollen!
(Das war nicht nötig; denn) nach dem, welcher nci-ijs erklärt als „Erbbesitz", begeht
er (der sich mit ihr beschäftigende Nichtisraelit) einen Raub (u. das Rauben ist ja
schon in den 7 noachischen Geboten verboten), u. nach dem, welcher erklärt: (Mose
hat uns die T. befohlen) als „Verlobte" nc-■s^^, ist seine Strafe wie beim Beschlafea
einer Verlobten, nämlich die Steinigung. (Das Torastudium seitens eines Nichtisraelite»
gilt wie Unzucht ri";?: 'n?:, die gleichfalls schon in den 7 noachischen Geboten ver-
boten ist.) Man erwiderte: R, Meir (um 150) hat gesagt: Woher, daß selbst ein Goi,
der sich mit der Tora beschäftigt, einem Hohenpriester gleichzuachten sei? Weil
, * Die Worte können sich auch auf „Weizen" beziehen; dann lautet der Satz: Israel
gleicht dem Weizen, der das (vorzüglichste) Getreide der Welt ist.
Matth 5, 43 (Nr. 1) 363
es heißt: ,So beobachtet denn meine Satzungen u. meine Rechte: wenn der Mensch
sie tut, so wird er durch sie leben" Lvl8, 5. , Priester", , Leviten* oder , Israeliten*
heißt es nicht, sondern wenn ein , Mensch" sie tut usw. Da lernst du, daß auch ein
Goi, der sich mit der Tora beschäftigt, einem Hohenpriester gleichgeachtet (mit ihm
auf gleiche Linie gestellt) wird. Dort (in dem Ausspruch des R. Meir) handelt es sich
um ihre sieben Gebote (u. nicht, wie in dem Wort des R. Jochanan, um die sonstige
Tora). — Die Schlußbemerkung zeigt, daß die weitherzige Meinung des R. Meir nicht
zur Anerkennung gelaugt ist. R. Meirs Ausspruch auch ?AZ 3=*; BQ 88 ^ || P^^siq 156''':
Wenn jemand Buße tut, so wendet Gott ihm (gnädig) sein Angesicht zu. Etwa jeder-
mann? Die Schrift sagt lehrend: ,Jahve wende sein Angesicht ,dir' (Israel) zu*
Nu 6, 26 — aber nicht einem andren Volk. |! DtR 2(197'^): David sprach vor Gott:
Herr der Welt, wenn die Völker der Welt kommen, um vor dir zu beten, so erhöre
sie nicht; denn sie kommen nicht mit einem ungeteilten Herzen zu dir; sondern sie
gehen zu ihrem Götzen, u. wenn dieser sie nicht erhört u. sie sehen, daß ihre Not
bleibt, dann kommen sie zu dir; so erhöre auch du sie nicht, wie es heißt: ,Sie
schreien, aber da ist kein Helfer, zu Jahve u. er erhört sie nicht* Ps 18, 42. Was
heißt: „Sie schreien*? Sie schreien zu ihrem Götzen; u. wenn sie zu dir kommen
(dann heißt es:) „zu Jahve u. er erhört sie nicht*. Aber wenn die Israeliten zu dir
rufen, dann erhöre sofort unser Gebet, wie es heißt: „Wenn ich rufe, erhöre mich,
mein gerechter Gott" Ps 4, 2. || P"^siq 12'^: „Barmherzigkeit erhöht ein Volk, aber für die
Nationen ist Liebeserweis Sünde (so faßt der Midr Spr 14, 34). R. EUazar (= Elisezer,
um 90) sagte: „Barmherzigkeit erhöht ein Volk*, das geht auf Israel; u. für die Nationen
ist Liebeserweis Sünde*, d. h. die Liebeserweisungen sind Sünde für die Völker der
Welt, weil sie sich mit ihnen brüsten. R. J'^hoschuaf (um 90) sagte: „Barmherzigkeit
erhöht ein Volk*, das geht auf Israel, u. „eine Gunsterweisung gegen die Nationen
ist (Israels) Sünde", d. h. ein Vorteil ist es für die Völker der Welt, wenn die Israeliten
sündigen; denn dann unterjochen sie sie aufs neue. Rabban Gamliel (um 90) sagte:
„Barmherzigkeit erhöht ein Volk", das geht auf Israel, u. „Liebeserweis ist für die
Nationen rsisn*, d.h. Liebeserweise der Völker der Welt sind für sie ein Sündopfer;
denn so hat Daniel zu Nebukadnecar gesagt: „Deine Sünde entferne durch Barmherzig-
keit" Dn 4, 24. R. Elfazar b. fArakh (um 90) hat gesagt: „Barmherzigkeit erhöht ein
Volk u. Liebeserweis*, das geht auf Israel; aber die Sünde verbleibt den Völkern der
Welt. Da sprach R. Jochanan (b. Zakkai, f um SO): Ich gebe den Worten des R. Elfazar
b. fArakh den Vorzug vor euren Worten: denn er erteilt Barmherzigkeit u. Liebes-
erweis den Israeliten zu u. die Sünde den Völkern der Welt. Abin b. J^huda (wann?)
sagte: „Barmherzigkeit erhöht ein Volk*, das geht auf Israel, aber Schimpf seitens
der Nationen ist (Israels) Sünde (so jetzt der Midr), d. h. die Israeliten nehmen Be-
schimpfungen seitens der Völker der Welt hin, wenn sie sündigen, s. 2 Kg 18, 25 u.
Jer 40, o. R. N^chouja b. Ha-qana (um 70) sagte: „Barmherzigkeit erhöht ein Volk*, das
geht auf Israel, u. Schändliches seitens der Nationen ist Sünde, d. h. Schändliches,
das die Nationen vollbringen, wird Sünde für Israel (bringt Israels Sünden vor Gott
in Erinnerung, so daß auch Israel Strafe trifft; der Beweis wird sehr weitläufig aus
2 Kg 3, 27 geführt). — Dasselbe teilweise in Tanch srr ^^ 111*. In wesentlich andrer,
aber jedenfalls nicht ursprünglicher Fassung BB 10 b; hier gehen nicht weniger als
4 Deutungen auf den Satz hinaus, daß die Wohltaten der Nichtisraeliten lediglich Sünde
sind. Ii BQ 38": Mar b. Rabina (gegen 400) hat gesagt: Auch wenn sie (die Noachiden)
die noachischen Gebote halten, empfangen sie dafür (von Gott) keinen Lohn. — Das-
selbe ?AZ 2'\ II M^g 16-' s. zu Mt 5, 44 % Anm. f. || Über Rachenehmen an den Völkern
s. Midr Qoh 8, 4 bei Mt 5, 45 S. 373; SLv 19, 18 S. 366«.
Zum Schluß noch einige Auslegungen von Lv 19, 18 u. sonstige Aus-
sprüche über die Nächstenliebe.
Aboth RN 26: R. fAqiba (t um 135) hat gesagt: Wer eine Frau heiratet, die ihm
nicht angemessen ist, übertritt fünf Gebote: Du sollst nicht Rache ausüben (Lv 19, 18),
364 Matth 5,43 (Nr. 1.2)
du sollst nicht Groll nachtragen (das.), du sollst nicht hassen (das. Vers 17), du sollst
deinen Nächsten lieb haben wie dich selljst (das. Vers 18) und daß dein Bruder neben
dir lebe (so deutet der Midr Lv 25, 36). Weil er sie haßt, wünscht er, daß sie stei-be,
u. so wird er erfunden als einer, der die Fortpflanzung in der Welt unterläßt. — In
TSota 5, 11 (302) R. Meir (um 150) als Autor. il Qid 41=': Rah J^huda (f 299) hat ge-
sagt, Rab (t 247) habe gesagt; Es ist dem Menschen verboten, sich mit einer Frau
zu verloben, bevor er sie gesehen hat; vielleicht möchte er (später) etwas Häßliches
an ihr sehen u. sie könnte ihm verächtlich werden, während doch der Allbarmherzige
gesagt hat: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selb-st" Lv 19, 18. || K'^th '61^:
Rab Nachmau (b. Jafaqob, f 320) hat im Namen des Rabbah b. Abuha (um 270) ge-
sagt: Die Schrift sagt: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" Lv 19, 18,
d. h. wähle für den Hinzurichtenden eine schöne (leichte) Todesart ans. — Dieser
Satz wird oft wiederholt, zB P^'s75^; Sanh 45''.
SLv 19, 16 (352'*): Woher, daß, wenn du siehst, wie einer in einem Fluß unter-
sinkt oder wie Räuber über ihn herfallen oder wie ein wildes Tier über ihn kommt,
du verpflichtet bist, ihn zu retten? Die Schrift sagt lehrend Lv 19, 16: „Du sollst
nicht stillstehn, wo es sich um das Leben (Blut) deines Nächsten handelt" (so der
Midr). — Als Bar Sanh 73-' (2 mal) mit näheren Distinktionen. |i SLv 25, 36: ,Es lebe
dein Bruder neben dir" Lv 25, 36. Folgendes hat Ben Paturi (um 110) öffentlich vor-
getragen: Zwei reisten in der Wüste u. in dem Besitz des einen befand sich nur ein
Becher Wasser. Wenn Einer dies getrunken hätte, hätte er die bewohnte Gegend er-
reicht; wenn beide es tränken, hätten beide (vor Durst) sterben müssen. Ben Paturi
trug öffentlich vor: Es sollen beide trinken u. sterben! denn es heißt: „Es lebe dein
Bruder neben dir (also zugleich mit dir)." R. fAqiba (f um 135) sagte: Es lebe dein
Bruder neben dir (also wenn du lebst), dein Leben geht dem des andren vor. Das-
selbe als Bar BM 62=*. |! Sanh 76b Bar: Wer seine Nachbarn liebt u. seine Verwandten
an sich zieht (sich ihrer annimmt) u. die Tochter seiner Schwester heiratet u. denj
Armen in der Zeit seiner Not einen Sela? leiht, über den heißt es: „Du wirst rufen
u. Jahve wird antworten" Jes 58, 9.
2. Der Haß wird im allgemeinen von der Synagoge als etwas Ver-
werflichesa angesehen: unter Umständen ist er aber auch erlaubt.^
ja sogar geboten, c
a. Aboth 2, 11: R. J'^hoschuaf (um 90) sagte: Ein mißgünstiges Auge u. der böse
Trieb u. der Haß gegen Menschen bringen den Menschen aus der Welt. — Vgl. Sir
30, 25: Eifer u. Zorn kürzen die (Lebens-) Tage u. vor der Zeit macht der Kummer
alt, njsT Ypir^ ry s'^ai w>2-< ^'<-^^^'< :isi ns:-. || SLv 19, 17 (352"): ,Du sollst deinen
Bruder nicht hassen in deinem Herzen" Lv 19, 17. Vielleicht sollst du ihm nicht
fluchen oder ihn nicht schlagen oder ihm keinen Backenstreich geben! Die Schrift
sagt lehrend: „in deinem Herzen", ich rede nur von dem Haß, der im Herzen sitzt. . . .
Das. Vers 18: „Du sollst nicht Rache ausüben noch Zorn nachtragen." Wie weit reicht
die Kraft der Rache (d. h. was gilt noch als Rache)? Wenn einer zu einem andren
sagt: „Leihe mir deine Sichel" u. er leiht sie ihm nicht; morgen aber sagt er (der
die Bitte abschlug) zu jenem (der um die Sichel bat): „Leihe mir deinen Spaten (oder
Axt)", u. der letztere antwortet: Ich werde ihn dir nicht leihen, gleichwie du mir
deine Sichel nicht geliehen hast, (so ist das Rache); deshalb heißt es: „Du sollst
nicht Rache ausüben." „Du sollst nicht Zorn nachtragen." Wie weit reicht die Kraft
des Nachtragens? Wenn einer zu einem andren sagt: „Leihe mir deinen Spaten (Axt)"
u. er leiht ihm nicht; morgen aber sagt er (der Ungefällige) zu jenem: „Leihe mir
deine Sichel", u. der letztere antwortet: Da hast du sie; ich bin nicht so wie du, der
du mir deinen Spaten nicht geliehen hast, (so ist das Nachtragen); deshalb heißt es:
„Du sollst nicht nachtragen." — Der Anfang der Stelle auch f Arakhin 16b, der 2. Teil
Joma 28«'. i| SDt 19, iTg 186 f. (1081»): „Wenn jemand seinen Nächsten haßt (ihm
feind ist) u. ihm auflauert u. sich gegen ihn erhebt* Dt 19, 11. Von hier aus hat man
Matth 5, 43 (Nr. 2) 365
gesagt: Wenn einer ein leichtes Gebot übertritt, wird er schließlich ein schweres
Gebot übertreten; wer übertritt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst",
der wird schließlich übertreten: „Du sollst nicht hassen" Lv 19, 17; ,Du sollst nicht
Rache ausüben noch Zorn nachtragen" das. Vers 18; u. endlich wird er übertreten: „Daß
er lebe neben dir" Lv 25, 35, bis er beim Blutvergießen anlangt; deshalb heißt es:
„Wenn jemand seinen Nächsten haßt". Dasselbe SDt 22, 13 §235 (117b). y Aboth
RNathan 12: (zu Hilleis Wort Aboth 1,12): „Sei liebend die Menschen." Das lehrt,
daß man die Menschen lieben u. nicht hassen soll; denn so finden wir es bei den
Leuten vom Geschlecht der Zerstreuung: weil sie einander lieb hatten, mochte sie
Gott nicht aus der Welt vernichten, sondern er zerstreute sie in die vier Winde der
Welt. Aber die Leute von Sodom, weil sie einander haßten, vertilgte Gott aus dieser
u. aus der zukünftigen Welt. || Schab 32 1> Bar: R. N'^^chemja (um 150) hat gesagt:
Wegen der Sünde des grundlosen Hasses kommt großer Streit in das Haus des
Menschen, seine Frau gebiert Fehlgeburten, u. seine Söhne u. Töchter .sterben ihm,
wenu sie noch klein sind. || Derekh Ere9 (Schlußkapitel): R. Elifezer (um 90) sagte:
Wer seinen Nächsten haßt, gehört zu den Blutvergießern, s. Dt 19, 11. Vgl. 1 Joh 3, 15. 1
GnR 55 (35'i): R. Schimfon b. Jochai (um 150) hat gesagt: Liebe u. Haß halten die
rechte Linie nicht ein (gehen oft zu weit). Beweis Abraham u. Joseph, die beide aus
Liebe, u. Bilfam u. der Pharao, die beide aus Haß ihre Tiere eigenhändig anschirren,
s. Gn 22, 3; 46, 29; Nu 22, 21; Ex 14, 6. — In Sanh 105^ wird R. Schimfon b. Elfazar,
um 190, ein Schüler des R. Schimfon b. Jochai, als Autor genannt. || Schab 83^ Bar:
Vier Anzeichen gibt es: das Zeichen von (Unzuchts-) Sünde ist die Wassersucht: das
Zeichen von grundlosem Haß ist die Gelbsucht; das Zeichen von Hochmut ist Ver-
armung; das Zeichen einer verleumderischen Zunge ist die Bräune.
b. Aboth RN 16: Es soll der Mensch nicht seinen Sinn darauf richten, zu sagen:
Liebe die Weisheit (die Gelehrten) u. hasse die Schüler, liebe die Schüler (der Ge-
lehrten) u. hasse die Gesetzesunkundigen (?Amme ha-are^),' sondern hasse die Epi-
kuräer (Freigeister), die Verführer, die Verleiter, desgleichen die Angeber (Verräter).
So hat auch David gesagt: „Sollte ich denn nicht hassen, die dich hassen, Jahve,
nicht die sich wider dich erheben verabscheuen? Mit vollendetem Haß hasse ich sie,
zu Feinden sind sie mir geworden" Ps 139, 21 f. — Aber heißt es nicht: „Du sollst
deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin Jahve" Lv 19, 18? ich habe ihn er-
schaffen. Ja wenu er nach dem Tun deines Volkes handelt, sollst du ihn lieben; wenn
aber nicht, so sollst du ihn nicht lieben. |i Tafan7'^: Rabbah bar Huna (um 300) hat
gesagt: Wer ein freches Angesicht zeigt, den darf man einen Frevler nennen, vgl.:
„Ein freches Gesicht zeigt der frevelhafte Mann" Spr 21, 29. Rah Nachman bar Ji^chaq
(t 356) hat gesagt: Man darf ihn hassen; denn es heißt (Qoh 8, 1): „Wer frech in
seinem Angesicht ist, wird gehaßt" (so der Midr); lies nicht ssü'^ wird verändert,
sondern n:-3% |1 Joma 22*»: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schimfon
b. J4i09adaq (um 2251 gesagt: Ein Gelehrtenschüler, der nicht wie Nachasch ^ Rache
nimmt u. (Haß) nachträgt (für erlittene Kränkung), ist kein (rechter) Gelehrtenschüler.
Aber es heißt doch: „Du sollst nicht Rache ausüben noch Zorn nachtragen" Lv 19, 18!
Das gilt in Geldsachen . . .,* aber nicht bei persönlicher Kränkung. — Aber in einer
Bar heißt es doch: Die sich demütigen lassen, ohne (andre) zu demütigen, die ihre
Beschimpfung anhören, ohne sie zu erwidern, die aus Liebe handeln u. der Leiden
(Züchtigungen) sich freuen: von denen sagt die Schrift: „Die ihn (Gott) lieben, sind
wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht Ri 5, 31!" Immerhin aber kann er es
(das erfahrene Unrecht) in seinem Herzen festhalten. — Aber Raba (f 352) hat doch
* Einige Ausgaben fügen hinzu „liebe sie alle".
^ Der Ammoniterfürst Nachasch (1 Sm 11, 1) konnte nach der Haggada den durch
Dt 23, 4 seinem Volk angetanen Schimpf nicht vergessen. Er sprach: „Bringt mir
euer Torabuch, das mit der Rechten (vgl. Dt 33, 2) gegeben ward, daß ich es ver-
brenne, weil darin geschrieben ist Dt 23, 4." Raschi zu 1 Sm 11, 2.
^ In der Lücke die Auslegung von SLv 19, 18, s. S. 364.
366 Matth 5, 43 (Nr. 2. 3)
gesagt: Wer nachsichtig ist, gegen den ist man wieder nachsichtig bei allen seinen
Verfehlungen! Das gilt dann, wenn man jemanden gern begütigen möchte u. dieser
sich begütigen läßt. (Wird also der Versuch der Begütigung nicht gemacht, so darf
u. soll der rechte Gelehrtenschüler, auch wenn er das Unrecht schweigend hinnimmt,
doch in seinem Innern dem Beleidiger die erlittene Unbill nachtragen.) i| SLv 19, 18
(352^): (Lv 19, 18:) „Du sollst nicht Rache ausüben noch Zorn nachtragen gegenüber
den Söhnen deines Volkes", wohl aber darfst du andren gegenüber z"i-s5 Rache aus-
üben u. Zorn nachtragen.
C. P^'s llo'^: R. Sch^muel b. Jicchaq (um 300) hat gesagt, Rab (t 247) habe ge-
sagt: Es ist erlaubt, einen solchen (den man als einziger Zeuge bei einer bösen Tat
beobachtet hat) zu hassen. . . . Rab Nachman b. Ji9chaq if 356) hat gesagt: Es ist
Pflicht einen solchen zu hassen; denn es heißt: „Die Furcht Jahves ist Hassen des
Bösen" Spr 8, 13.
3. Wie es tatsächlich um die Unsitte des Hasses im jüdischen Volk
stand, zeigen folgende Stellen.
Joma 9^: R. Jochanan b. Tortha (um 110) hat gesagt: Warum ist (das Heiligtum
von) Schilo zerstört worden? Weil sich zweierlei darin fand: Unzucht u. Verachtung
des Heiligen, s. 1 Sm 2, 22. 15 — 17. . . . Warum ist das erste Heiligtum (Tempel
Salomos) zerstört worden? Weil sich dreierlei dort fand: Götzendienst, Unzucht u.
Blutvergießen, s. Jes 28, 20: „Zu kuiz ist das Bett (im Sinn des Midrasch: für Gott
u. die Götzen), um sich zu strecken"; Jes 3, 16 (Unzucht) u. 2 Kg 21, 16 (Blutvergießen).
Aber warum ist das zweite Heiligtum (Tempel des Herodes) zerstört worden, in
welchem man sich doch mit dem Studium der Tora u. mit der Erfüllung der Gebote
u. mit der Erweisung von Liebeswerken beschäftigt hat? Weil sich darin grundloses
Hassen vorfand, um dich zu lehren, daß grundloser Haß so schwer wiegt wie jene
drei Sünden des Götzendienstes, der Unzucht u. des Blutvergießens. — In TiVL' n 13, 22
(533) lautet die Grundangabe für die Zerstörung des zweiten Tempels: „Weil man
den Mammon liebte u. weil einer den andren haßte." Weitere Parallelstellen: pJoma
1, 38 c, 4y; NuR 7 (148'^). || P^s 49'^ Bar: Man heirate nicht die Tochter eines Gesetzes-
unkundigen (fAm ha-are9); denn diese sind ein Greuel u. ihre Weiber kriechen-
des Gewürm u. über ihre Töchter heißt es: „Verflucht, wer bei irgend einem Vieh
liegt" Dt 27, 21. Bar: Rabbi sagte: Dem ?Am ha-are^ ist es verboten, Fleisch von
einem Tier zu essen; denn es heißt: „Dies ist das Gesetz, ni-r, über das Vieh u. das
Geflügel"* Lvll,46. Wer sich mit der Tora beschäftigt, darf Fleisch von Vieh u. Ge-
flügel essen; wer sich aber nicht mit der Tora beschäftigt, dem ist es verboten, Fleisch
von Vieh u. Geflügel zu essen. R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Einem fAm ha-are^
darf man an einem Versöhnungstage, der auf einen Sabbat fällt (also selbst an einem
hochheiligen Tagej durchbohren (i-:, auf nichtrituelle Weise töten, im Gegensatz zum
rituellen Schlachten t;-r). Da antworteten ihm seine Schüler: Rabbi, sage: Man darf
ihn schlachten ('j-r-i-)! Er antwortete: Dieses (das tni) verpflichtet zu einem Lob-
spruch, jenes aber (das i-:) nicht! (also verdient letzteres beim fAm ha-are? den
Vorzug). R. Elfazar hat gesagt: Von einem ?Am ha-are^ darf man kein Geleit auf
der Reise annehmen; denn es heißt: „Denn das (das Beobachten der Tora) ist dein
Leben u. die Länge deiner Tage" Dt 30, 20; sein eignes Leben schont er (der fAm
ha-are9) nicht lindem er nicht auf die Tora, die sein Leben ist, achtet), um wieviel
weniger wird er das Leben eines andren schonen. R. Sch'muel b. Nachman (um 260).
hat gesagt, R. Jochanan (f 279; ob nicht R. Jonathan zu lesen sein wird?) habe ge-
sagt: Es ist erlaubt, einen fAm ha-arep zu zerreißen wie einen Fisch. . . . Bar:
R. fAqiba (f um 135) hat gesagt: Als ich ein fAm ha-are^ war,' habe ich gedacht:
Wenn mir doch ein Gelehrtenschüler in meine Hände käme, ich wollte wie ein Esel
ihn beißen! Seine Schüler sagten: Rabbi, sage: Wie ein Hund. Er antwortete: Jener
^ Nach Aboth RNathan 6 begann fAqiba erst im Alter von 40 Jahren mit dem
Torastudium; bis dahin war er Viehhirt gewesen.
Matth 5, 43 (Nr. 3) 367
beißt u. zerbricht die Knochen, dieser beißt u. zerbricht nicht die Knochen. Bar:
R. Meir (um 150) pflegte zu sagen: Wer seine Tochter an einen fAm ha-are^ ver-
heiratet, der ist wie einer, der sie fesselt u. vor einem Löwen liegen läßt: wie der
Löwe zertritt u. frißt ohne Scham, so schlägt auch der ?Am ha-areQ (seine Frau)
u. wohnt ihr bei ohne Schani. Bar: R. Elifezer (um 90) sagte: Wenn sie uns nicht
nötig hätten im Handel u. Wandel, würden sie uns totschlagen. R. Chijja (um 2U0)
hat gelehrt: Wer sich mit der Tora in Gegenwart eines f Am ha-are^ beschäftigt, der
ist wie einer, der seiner Verlobten in dessen Gegenwart beiwohnt; denn es heißt
Dt 3o, 4: ,Die Tora trug uns Mose auf als eine Verlobte" (so der Midr); lies nicht
-ri-tt, als Erbteil, sondern rc-i's»;, als Verlobte, vgl. S. ;:562;'. Größer ist der Haß, mit
welchem die ?Amme ha-are^. die Gelehrtenschüler hassen, als der Haß, mit welchem
die Götzendiener die Israeliten hassen, u. ihre Frauen hassen noch mehr als sie. Es
ist gelehrt worden: Wer erst studiert hat u. sich dann absondert (von den Gelehrten),
der ist der schlimmste von allen. || P'^'sllS'' Bar: Drei hassen einander: die Hunde,
die Hähne u. die Geber (l""2~, die persischen Feueranbeter. Auffallend ist, daß die
Geber in einer Bar erwähnt werden; das Wort könnte auch t":^-. gelesen werden u.
die , Genossen" des Pharisäerbundes bezeichnen); einige fügen noch die Buhldirnen
hinzu, andre auch die Gelehrtenscliüler in Babylonien. || M'n 100": (Mit Bezug auf
die Mischna 11,7: ,Wenn der Versöhnungstag auf den Rüsttag des Sabbats (= Freitag)
fällt, wird der Bock des Veis.tages (von den Priestern) am Abend gegessen; die
Babylonier aßen nämlich das Fleisch roh, ohne sich davor zu ekeln" — heißt es:)
Rabbah bar bar Ghana (um '280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Damit
sind nicht die Babylonier, sondern die Alexandriner gemeint; aber weil man (die
palästin. Gelehrten) die Babylonier haßte, nannten sie sie (die Alexandriner) nach dem
Namen der Babylonier. Die Bar lautet ebenso: R. Jose (b. Chalaphta, um 150) hat
gesagt: Nicht die Babylonier sind damit gemeint, sondern die Alexandriner; aber weil
man die Babylonier haßte, nannte man sie nach dem Namen der Babylonier. Da
sprach R. J'^huda (um 150) zu ilim: Möge dein Sinn Befriedigung finden; denn du
hast dem meinigen Befriedigung bereitet! il Jonia 9'': Als Resch Laqisch (um 250) im
Jordan badete, kam Rabbah bar bar Ghana (um 2)^0) u. reichte ihm die Hand. Er aber
sprach zu ihm: Bei Gott! ich hasse euch (Babylonier); denn es heißt: „Ist sie (die
kleine Schwester Vers 8) eine Mauer, so bauen wir einen silbernen Kranz auf sie; ist
sie aber eine Tür, so verschließen wir sie mit einem Zedernbiett" HL 8, 9. Wenn
ihr (Babylonier) euch selbst zu einer Mauer gemacht hättet u. wäret alle in den
Tagen Esras heraufgezogen (von Babylonien nach Palästina^ so würdet ihr dem Silber
gleichen, über das der Moder nicht Gewalt gewinnt; jetzt aber, da ihr heraufgezogen
seid wie Türen (in winziger Zahl, nicht in kompakten Massen), seid ihr der Zeder
gleich, über die der Moder Gewalt hat. (Hier hat der Haß gegen die Babylonier einen
religiösen Hintergrund.) || TSchab 13, 5 (1-^9): Die Evangelien u. die Schriften der
Häretiker (Minim, hier Judenchristen) rettet man nicht, sondern läßt sie verbrennen
da, wo sie sich befinden, samt den darin stehenden Gottesnamen. ... R. Tarphon
(um lOOl hat gesagt: Ich will meine Kinder verlieren, wenn ich diese Schriften nicht
samt ihren Gottesnamen verbrenne, falls sie in meine Hände kommen; wenn ein
Verfolger mich verfolgte, würde ich in einen Götzentempel eintreten, aber nicht in
deren ider Minim) Häuser; denn die Götzendiener kennen ihn (den wahren Gott) nicht
u. verleugnen ihn; diese aber kennen ihn u. verleugnen ihn; über sie sagt die Schrift:
, Hinter der Tür u. dem Pfosten brachtest du an deinen Gedenkspruch, vor mir weg
hast du dich entblößt u. das Lager bestiegen" Jes 57, 8. R. .lischmafel (f um 135)
hat gesagt: Wenn, um Frieden zwischen Mann u. Weib zu stiften, die Schrift sagt:
„Mein (Gottes) Name, der in Heiligkeit geschrieben ist, soll ausgewischt werden in
das Wasser" (vgl. Nu 5, 23) — um wieviel mehr gilt es dann von den Schriften der
Häretiker, die Feindschaft, Eifer u. Streit zwischen Israel u. ihrem Vater im Himmel
stiften, daß sie samt ihren Gottesnamen beseitigt werden dürfen. In bezug auf sie
sagt die Schrift: „Sollte ich denn nicht hassen, die dich hassen, Jahve, nicht die sich
368 Matth 5, 43 (Nr. 4). 5, 44 (51)
wider dich erheben verabscheuen? Mit vollendetem Haß hasse ich sie, zu Feinden
sind sie mir geworden" Ps 189, 21 f. Parallelstellen: SNu 5, 23 § 16 (6^); pSchab
16. 5S 44; bSchab 116^ NuR 9 (155 '^j, hier R. fAqiba Autor statt R. Jischma?el.
4. Zur ganzen Sentenz: „Du sollst deinen Nächsten lieben u. deinen
Feind hassen" vgl. das als Rüge gemeinte, den König David strafende
Wort 2 Sm 19, 7: ^.Indern du deine Hasser (Feinde) liebst u. deine Freunde
hassest." Dies Bibelwort wird zitiert pM^g 3, Ti», 42: R. Jirm'^ja (um
320) sandte ein Schreiben an den Patriarchen R. Judan (IIL): „Indem
du hassest deine Freunde u. indem du liebst deine Hasser (Feinde)." —
Die Umstellung der Worte im Zitat hat ihren besonderen Grund: es
sollen dadurch die gesamten 6 hebräischen Worte aufhören, ein eigent-
liches Zitat zu sein, so daß R. Jirm<^ja so der Vorschrift nachkommt,
nicht mehr als 3 Bibelworte unliniiert zu schreiben. Inhaltlich ist aber
auch hier das Zitat als eine Rüge gemeint: nicht den Freund soll man
hassen u. den Feind lieben; das umgekehrte Verhalten, weil allein der all-
gemeinen Anschauung entsprechend, sei das Richtige : liebe deine Freunde
u. hasse deine Feinde! Das ist dieselbe Maxime, die wir Mt 5, 43 lesen.
5,44 31: Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde.
Das Gebot der Feindesliebe klingt bereits im AT an, nämlich Ex
23, 4 f., indem hier gefordert wird, daß der Israelit seinem Feinde in
einer bestimmten Notlage Beistand leiste. Schon in den ältesten Aus-'
legungen hat diese Bestimmung dazu beigetragen, den Blick des Israe-
liten in bezug auf den in ihr geforderten Liebesdienst auch auf den
Nichtisraeliten, den „Feind" schlechthin, zu lenken. a — Den Zweck
des Gebotes hat man in der Niederhaltung des bösen Triebes,^ in der
Besiegung des eignen feindseligen Sinnes gefunden. — Als Frucht der
Erfüllung wird Friede u. Freundschaft unter den Menschen hervor-
gehoben, c so daß als Held gefeiert wird der, der aus einem Feinde
einen Freund zu machen weiß.d — Zur klaren positiven Formulierung
eines allgemeinen Satzes, wie: „Liebet eure Feinde", hat Ex 23, 4 f.
in der alten Synagoge nicht geführte Man hielt sich auf der Linie
der Negative: Freue dich nicht über das Unglück deines Feindes* u.
vergilt nicht Böses mit Bösem, g
' a. M'-'kh Ex 23, 4(104'^): ,Das Rind deines Feindes" -a-is Ex 23, 4, damit ist
der Goi gemeint, der Götzendiener; das sind Worte des R. Joschijja (I., um 14U). Ebenso
finden wir, daß die Götzendiener überall Feinde =-3"s Israels genannt werden, s. Dt23, 10;
21, 10. R. Elifezer (um 90) sagte: Von dem Proselyten, der in seine alte Art zurück-
fällt, redet die Schrift (mit dem Wort „Feind"); R. Ji^chaq (I., um 150) hat gesagt:
Von dem abtrünnigen Israeliten redet die Schrift; R. Nathan (um 160) sagte: Vom
Israeliten selbst. Aber warum redet dann die Schrift von deinen „Feinden" "i-a-is
(u. nicht, wie Vers 5, von „deinem Hasser" sri), Feind im bürgerlichen SinnI? Wenn
er nämlich deinen Sohn schlägt oder wenn er mit dir Streit hat, wird er vorüber-
gehend ein Feind z-i«. — Die Meinung des R. Nathan war vermutlich die allgemein
anerkannte: wenigstens wird von dem N:i3 Ex 23,5 ausdrücklich gesagt, daß damit
ein Hasser aus Israel, nicht ein Hasser aus den Völkern der Welt gemeint sei. TBM
2, 26 f. (375): Der Hasser s:io, von dem Ex 23, 5 redet, ist ein Hasser aus Israel, nicht
Mättli 5, 44 (31) 369
ein Hasser unter den Völkern (= Nichtisraelit). Sieht er den Eisel eines Goi, so ist
er verpflichtet: sich mit ihm zu befassen, wie er sich mit dem eines Israeliten befaßt ;
ist er aber mit (heidnischem) Trankopferwein beladen, so darf er sich nicht mit ihm
befassen. — Der Anfang als BarBMB^»^; P'-s ll:Hb.
b. SDt22, 1 §222(115-''): „Das Rind deines Bruders" Dt22, l. Da höre ich nur
vom Rind deines , Bruders"; woher, daß es auch vom Rind deines „Feindes" gilt?
Die Schrift sagt lehrend: „Das Rind deines Feindes" Ex 23, 4, also ganz allgemein.
Wenn dem so ist, warum heißt es „deines Bruders"? Das lehrt, daß die Tora nur
gegen den bösen Trieb redet (indem sie befiehlt, dem Feinde nicht minder als dem
Bruder hilfreich zu sein). — Dasselbe SDt22, 4 §225(115='). - In BMo2b(2mali: „um
den bösen Trieb zu beugen". || TBM 2,26 (875): Hat sein Freund aufzuladen u. sein
Feind abzuladen, so ist es Vorschrift, mit dem Feinde abzuladen (dieser geht also in
diesem Fall dem Freund vor), um sein Herz (seinen bösen Trieb) zu zerbrechen.
C. TanchB c-j-rr^: § 1 (40b): R. Alexandrai (um 270i hat gesagt: Zwei Eseltreiber
zogen auf einem Weg dahin, u. beide waren Feinde untereinander. Da streckte sich
der Esel des einen von ihnen nieder; der andre sah es u. zog vorbei. Als er vorüber-
gezogen war, sprach er: In der Tora steht geschrieben: „Wenn du siehst, wie der
Esel deines Hassers erliegt . . ., so sollst du mit ihm losmachen" Ex 2>, 5. Sofort
kehrte er um u. lud mit ihm auf. Da fing der andre an bei sich selbst zu sagen: So
sehr hat dieser NN mich geliebt, u. ich habe es nicht gewußt! Dann gingen sie in
die Herberge u. aßen u. tranken. Was war die Ursache, daß sie Frieden machten?
Weil der eine Einblick in die Tora hatte. — Dasselbe mit Erweiterungen Tanch
^'•^t-^ 9P'; Midr Ps 99 § 3 (212=').
d. Aboth RN 23: Wer ist der größte Held? . . . Der, welcher seinen Feind zu seinem
Freunde macht.
e. Ebensowenig wie Ex 23, 4 f. hat Spr 25, 21 f. : „Wenn deinen' Feind hungert, so
speise ihn" usw., die alte Synagoge veranlaßt, die Forderung der Feindesliebe prinzipiell
auszusprechen. Abgesehen von zwei ziemlich belanglosen Auslegungen, die Spr 25, 21 f.
wörtlich fassen, ist die Stelle durchgängig allegorisch gedeutet worden: der Feind ist
der böse Trieb, der durch das Brot u. das Wasser der Tora zum Schweigen gebracht
werden soll. Die Belege s. bei Rom 12, 2U.
/. Aboth 4, 19: Scli'^muel der Kleine (um 100) pflegte zu sagen (Spr 24, 17 f.):
„Wenn dein Feind fällt, freue dich nicht, u. wenn er strauchelt, juble dein Herz nicht"
[damit nicht Jahve es sehe u. Mißfallen empfinde u. von ihm wegnehme seinen Zorn], Die
Worte in der eckigen Klammer (= Spr 24, 18) fehlen in den besten Kodizes. Jeden-
falls besteht der Wahlspruch nur aus einer Schriftstelie. Das ist etwas ganz Singuläres.
Es hat darum die Vermutung mancherlei für sich, daß die Anfangsworte: i-pn Vxi'sa
•lais durch falsche Auflösung der ursprünglich gelesenen Abbreviatur ü"~-a = -^r;-i>
-• 5-s 2T2-, „denn siehe, die Schrift sagt", entstanden u. in den Text gekommen seien.
In diesem Falle würde Spr 24, 17 f. als Beleg zu dem vorhergehenden Ausspiuch des
R. Schimfon b. Ehazar gehören; s. Bacher, Tann* l, 370. || Midr Ps 7 § 3 (32 bj: R. Acha
(um 320) hat gesagt: . . . Weil David über den Fall Sauls ein Lied gesungen hat (näm-
lich Ps7). während es doch heißt: „Wenn dein Feind fällt; freue dich nicht" Spr 24, 17,
sprach Gott zu David: Wenn Sauls Gestirn das deine u. dein Gestirn das seine ge-
wesen wäre, wieviel Leute wie David hätte ich vor ihm lassen umkommen! |I M"g 16*:
Haman sprach zu Mardokhai: Steige hinauf (auf das Reitpferd) u. reite. Er antwortete
ihm: Ich vermag es nicht; denn meine Kraft ist seit den Tagen des Fastens geschwächt.
Da bückte sich Haman, u. Mardokhai stieg hinauf. Beim Hinaufsteigen aber versetzte
er ihm einen Fußtritt. Haman sprach: Steht nicht für euch geschrieben: „Wenn dein
Feind fällt, freue dich nicht" Spr 24, 17? Er antwortete ihm: Diese Worte gelten einem
Israeliten gegenüber, aber über euch heißt es: „Deine Feinde müssen dir schmeicheln
u. du trittst auf ihre Höhen" Dt 33, 29. || Wie es im gewöhnlichen Leben um die Be-
obachtung von Spr 24, 17 stand, zeigt drastisch B'rakh 55b: Wenn Raba (f :-!52) krank
war;, ließ er es am ersten Tage nicht bekannt werden; von da an u. weiter aber sagte
Strack u.Billerbeuk, NT I. 24
370 Matth 5, 44 (31. SB)
er zu seinem Diener: Geh hinaus u. mache bekannt: Raba ist krank; wer mich lieb
hat, bete für mich um Erbarmen; wer ihn aber halk, der freue sicli über ihn, s. 8pr
24, 17 f. - Ähnlich N d4U^, Ferner s. Sanh :^9 '' bei Mt 5,45 S. 37 !;'.
g. Schab 88" Bar: Die sich demütigen lassen, ohne wieder zu demütigen usw., 3.
S. 342«. — BQ y3^: Immer gehöre der Mensch zu den Verfolgten u. nicht zu den Ver-
folgern usw., s. S. 342«. — Derekh Ere9 Zuta 1 : Reden andre Schlechtes über dich, sa
antworte ihnen nicht usw. u. Sanh7'': Wohl dem, der (seine Schmähungen) hört u.
schweigt, s. S.23Uy. |i Sanh 48 ^': Rab J huda (f 299) hat gesagt, Rab if .^47) habe ge-
sagt: Das ist es, was die Leute zu sagen pflegen: Sei lieber lunschuldigi verflucht^
wj^-, aber nicht fluchend, SwS-. |i GuR ;S8 (2o'M: R. Jochanan »f 279| begann seinen Vor-
trag mit: ,Wer Böses für Gutes vergilt, aus dessen Hause wird das Böse nicht weichen"
Spr 17, 13. R. Jochanan hat gesauit: Wenn dir dein Nächster mit Linsen zuvorkommt,
komme du ihm mit Fleisch zuvor; denn er hat dir zuerst eine Liebe erwiesen. R. Schim^on
b. Abba (um 280) hat gesagt: Nicht dies allein: ,Wer Böses für Gutes vergilt", sondern
auch: Wer Böses für Böses vergilt, aus dessen Hause wird das Böse nicht weichen.
R. Alexandrai (um 270j hat gesagt: Wer Böses vergilt, statt Gutes zu erweisen; denn
die Tora sagt: , Falls du deines Hassers Esel unter seiner Last erliegen siehst"
Ex2:->,5. l! MidrPs41 §8(131"): ,Du aber, Jahve, sei mir gnädig u. hilf mir wieder auf,
so will ich ihnen vergelten' Ps41, 11. Aber es heißt doch: »-"^age nicht: ,lch will Böses-
vergelten'; harre auf Jahve, daß er dir helfe!" Spr 20. 22. Es ist so gemeint: Ich will
ihnen Gutes für Böses vergelten; dann wird Gott sie strafen. j| Midr Ps IH § 1 1 (62-'): Wer
seine Verfluchung schweigend mit anhört, wird ein Frommer genannt, s. S. 23U ;'. Sanh 105'' :
Ein Sektierer (Min, hier wohl Judenchrist) wohnte in der Nachbarschaft des R. J'^'ho-
schuaf b. Levi (um 2.")(i), der ihm Verdruß bereitete. Eines Tages nahm R. J'hoschua?
b. L. emen Hahn, band ihn an einen Bettfuß u. legte sicii dann nieder. Er sprach:
Wenn diese Zeit kommt (nämlich die ersten drei Tagesstunden, in denen der Kamm
eines Hahnes weiß wird u. in denen Gott den Bösen zürnt!, dann will ich ihn (den
Sektierer) verfluchen (damit Gott ihm zürne). Als aber die Stunde kam, war er ein-
geschlafen. Da sprach er: Ich entnehme hieraus, daß das Verfluchen nicht der guten
Sitte entspricht, vgl. Spr 17, 2ti: „Auch das Strafen steht dem Gerechten nicht gut an"
(so der Midr); selbst einem Sektierer gegenüber soll man nicht fluchen. — Dasselbe
B«rakh 7^ (mit Hinweis noch auf Ps 145, 9i; fAZ4''. |i Git7'': Mar fUqba (11., Exilarch,
um 270) sandte die Anfrage an R. Elfazar (b. P'^dath, um 270): Leute treten wider
mich auf, die der Regierung auszuliefern in meiner Macht steht; was soll ich tun?
Dieser liniierte ein Blatt Papier u. schrieb ihm iPs39, 2): ,lch sprach: Bewahren will
ich meine Wege, daß ich nicht mit meiner Zunge' sündige, bewahren will ich meinen
Mund mit einem Zaum (Maulkorbi, solange der Gottlose vor mir ist", d. h. auch wenn
der Gottlose mir gegenüber (d. h. in meiner Gewalti ist, will ich meinen Mund mit
einem Zaum bewahren. — Abermals sandte er ihm die Botsciiaft: sie bereiten mir
viel Verdruß, so daß ich gegen sie nicht bestehn kann. Er sandte ihm die Autwort:
,Sei stille vor Jahve u. warte auf ihn" '■•> z-ii-.rr:' Ps37,7, d. h. er wird sie dir nieder-
stürzen wie Durchbohrte haufenweise a'VVrr c-'sr- -- =--£".
5,44 58: Bittet für die, die euch verfolgen.
B'Yakh 10*: In der Nachbarschaft des R. Meir (um 150) wohnten rohe Menschen^
die ihm viel Verdruß bereiteten. Da betete er ihretwegen, daß sie sterben möchten.
B rurja aber, sein Weib, sprach zu ihm: Was kommt dir in den Sinn, da es doch
heißt: „Vertilgt werden mögen =-s-- von der Erde" Ps 104,35? Steht denn geschrieben
n-Nt3--, die „Sünder" mö;;en vertilgt werden? =-s-jn, die „Sünden" steht gesclirieben.
Und dann blicke noch hin auf den Schluß der Stelle: „So werden Frevler nicht mehr
sein." Wenn die Sünden vertilgt sind, dann sind auch keine Frevler mehr. Vielmehr
also bete für sie, daß sie umkehren in Buße, dann werden sie keine Frevler mehr sein.
Da betete er für sie, u. sie kehrten in Buße um. — Midr Ps 1» 4 §27 (224'') steht für
„rohe Menschen": „ein Sektierer, der ihn mit Schriftworten quälte". || Sanh 37": In der
Matth 5, 44 (SB). 5, 45 («) 371
Nachbarschaft des R. Z'^fira (um 300) wohnten rohe Menschen, denen er sich zu nähern
suchte, damit sie in Buße umkehrten; die Rabbinen aber waren darüber unwillig. Als
die Seele des R. Z'^'fira zur Ruhe einge£;angen war, sagten jene: Bis jetzt ist es der
Versengte mit den kurzen Schenkeln' gewesen, der für uns um Erbarmen gefleht hat;
wer wird nun für uns beten? Das ging ihnen zu Herzen, u. s-ie taten Buße. il Midr Ps 41
§8(lol"): , Daran erkenne ich, daß du Gefallen au mir hast, daß mein Feind nicht'
über mich jauchzen darf Ps41, 12. David sprach zu Gott: Herr der Welten, du mögest
ihnen Böses vergelten, denn sie sind undankbar gegen mich; denn „ich, wenn sie
krank waren, ließ einen Sack mein Kleid seiu" (Ps35, 13), wenn sie krank waren, ver-
hüllte ich mich mit einem Sack u. betete für sie, u. wenn ich krank war, beteten sie
meinetwegen, daß ich sterben möchte. Gott sprach zu David: Wer weiß, wie es sich
mit dem Sack verhält! Vielleicht betest du ihretwegen, daß sie sterben möchten! Er
antwortete ihm: Wenn dem so ist, so möge alles, was ich bitten werde, über mich
kommen, wie es heißt: „Mein Gebet möge auf meinen Busen zurückkommen!" (Ps35, 13).
5,45 5t: Auf daß ihr Kinder werdet eures Vaters im Himmel,
Mehrfach kehrt der Gedanke wieder, daß das Kindesverhältnis a zu
Gott Israel zum Wandel nach Gottes Vorbild verpflichte. b Allerdings
fehlt es auch nicht an mißbräuchlicher Verwendung dieses Grundsatzes. c
a. Die Israeliten heißen „Kinder Gottes". || Aboth M, 14: R. fAqiba (t um 135)
sagte: . . . Geliebt (von Gott) siad die Israeliten, weil sie Kinder (Gottes) genannt
werden; eine größere Liebe aber liegt darin, daß es ihnen kundgetan worden ist, daß
sie Gottes Kinder heißen, s. „Ihr seid Söhne Jahves, eures Gottes" Dt 14, 1. || Qid 36*
Bar: „Ihr seid Söhne Jahves, eures Gottes" Dt 14, 1. Wenn ihr euch wie Kinder
betragt, werdet ihr K. genannt; wenn ihr euch aber nicht wie Kinder betragt, werdet
ihr nicht K. genannt. Das sind Worte des R. J'huda (um 150). R. Meir (um 150) hat
gesagt: Ob so oder so, ihr werdet Kinder genannt; s. Jer4, 22: Einfältige Kinder
sind sie u. unverständig sind sie (also obwohl einfältig u. unverständig, dennoch
„Kinder"; ebenso in den folgenden Beweisstellen). Ferner (Dt 32, 20): „Kinder, auf die
kein Verlaß"; (Jes 1, 4l: „Die heillosen Söhne"; (Hos 2, 1): „Anstatt daß man zu
ihnen sagte: ,Nicht mein Volk seid ihr', wird man sie heißen , Söhne des lebendigen
Gottes'." — Die Bar findet sich in SDt 14, 1 § y«J (94a); SDt 32, 5 §308 (133^);
SDt 32, 19 §320 (137ai. ,j BB 10": R. ?Aqiba, f ui» 135, sagte zu dem Tyrannen Rufus
(Tinejiis Rufus war beim Ausbruch des Hadrianischen Krieges lo2 n. Chr. Statthalter
von .Judäa : Wir werden Kinder genannt, s. Dt 14, 1: „Ihr seid Söhne Jahves" usw.
Dieser ajitwortete ihm: Ihr werdet „Kinder" genannt, aber auch „Knechte". Wenn
ihr den Willen Gottes tut, heißt ihr Kinder; u. wenn ihr ihn nicht tut, heißt ihr
Knechte. IJ DtR 7 (204"^): „Mein Sohn, wenn du meine Reden annimmst" Spr 2, 1.
R. J'^huda b. Schalnm (um 370) hat gesagt: Gott sprach zu den Israeliten: Wann
werdet ihr meine Kinder genannt? Wenn ihr meine Worte annehmt. Womit läßt
sich das vergleichen? Mit einem König, zu welchem sein Sohn sprach: Kennzeichne
mich im Lande gib mir ein Abzeichen), daß ich dein Sohn bin. Sein Vater sprach
zu ihm: Willst du, daß alle wissen, daß du mein Sohn bist, so kleide dich in meinen
Purpur u. setze meine Krone auf dein Haupt; dann werden es alle wissen, daß du
mein Sohn bist. So sprach Gott zu den Israeliten: Wollt ihr, daß ihr als meine
Kinder gekennzeichnet seid, so beschäftigt euch mit der Tora u. der Erfüllung der
' BM X5'*: Hundert Tage fastete R. Z'^fira, damit das Feuer des Gehinnoms keine
Gewalt über ihn haben möchte. Alle dreißig Tage machte er die Probe an sich: er
heizte einen Ofen, stieg hinauf, u. setzte sich hinein, u. das Feuer hatte keine Gewalt
über ihn. Eines Tages richteten die Rabbinen (im Zorn) ihr Auge auf ihn, da wurden
seine Schenkel versengt, u. man nannte ihn den Kleinen (der Name Z^ara bedeutet
„der Kleine") mit den versengten Schenkeln.
24*
372 Mattli 5. 45 (31)
Gebote; so werden alle sehen, daß ihr meine Kinder seid. Eine andre Erklärung:
Wann werdet ihr meine Kinder sein? Wenn ihr meine Worte annehmt.
b. ExR 26 (87'^): R. Meir (um 150) sagte: Was heißt -=" (geh hin) Ex 17,5V
Gott sprach zu Mose: Sei mir gleich; wie ich Gutes für Böses vergelte, so vergilt
auch du Gutes für Böses; denn es heißt: „Wer ist ein Gott wie du, der da Schuld
vergibt u. über Sünde hinweggeht" -aiy Mich 7, 18! — "^lay also = vergib. |l M'^kh
Ex 15, 2: , Dieser ist mein Gott, den will ich lühmeu" "irijs Ex 15, 2. Abba Scha^ul
(um 150) sagte: Wir sollen ihm gleichen; wie er barmherzig u. gnädig ist, so sei
auch du barmherzig u. gnädig. — Dasselbe pPea 1, 15'', 88; B^'rakh 13:i'\ Soph*^rim
3 § 18; als Bar Schab 183''; hier bemerkt Raschi: „Das Wort i— i:s< bedeutet sinn -js
= ich u. er, d. h. ich will mich selbst machen, wie er ist, indem ich seiner Art u.
Weise nachfolge." |l SDt 11, 22 §49 (85a): „In all seinen Wegen zu wandeln" Dt U, 22.
Damit ist das Verhalten Gottes gemeint (also „Weg Gottes" = „Gottes Art u. Weise"),
s. Ex H4, 6: „Jahve, Jahve ist ein barmherziger u. gnädiger Gott, langmütig u. reich
an Huld u. Treue, der Huld bewahrt Tausenden, der Unrecht u. Missetat u. Sünde
vergibt." Ferner heißt es Joel 3, 5: „Wer nach dem Namen Jahves genannt wird,
wird entrinnen" (so der Midr). Aber ist es denn für den Menschen möglich, nach dem
Namen Jahves genannt zu werden? Es ist so gemeint: Wie Gott barmherzig u. gnädig
genannt wird, so sei auch du barmherzig u. gnädig u. gib jedermann ohne Entgelt.
Wie Gott gerecht genannt wird, s. Psl45, 17: „Gerecht ist Jahve in allen seinen
Wegen", so sei auch du gerecht Wie Gott gütig genannt wird, s. das.: „Er ist gütig
in all seinen Werken", so sei auch du gütig. Deshalb heißt es: „Wer nach dem Namen
Jahves genannt wird, wird entrinnen." Ferner heißt es Jes 42, 7 : „Alle, die sich nennen
mit meinem Namen u. die ich geschaffen zu meiner Ehre, die ich gebildet, ja gemacht
habe"; ferner Spr 16,4: „Alles hat Jahve um seinetwillen gemacht" (so der Midr). |;
SLv 19,2(342'''): „Heilig sollt ihr sein, denn ich bin heilig, Jahve euer Gott" Lv 19,2.
„Heilig sollt ihr sein", d. h. abgesondert sollt ihr sein. „Denn ich bin heilig, Jahve
euer Gott", d. h. wenn ihr euch selbst heiligt, so rechne ich euch das so an, als ob
ihr mich heiligt; u. wenn ihr euch nicht selbst heiligt, so rechne ich euch das so an,
als ob ihr mich nicht heiligt. Oder will er etwa damit sagen: Nur wenn ihr mich
heiligt, bin ich heilig, u. wenn nicht, dann bin ich nicht heilig? Die Schrift sagt
lehrend: „Denn ich bin heilig", d. h. in meiner Heiligkeit bin ich, ob ihr mich heiligt
oder ob ihr mich nicht heiligt. Abba Schasul (um 150) sagte: Eine Familie (Diener-
schaft, Gefolge) hat ein König; u. was liegt ihr ob? Dem König nachzueifern. |;
Sota 14'"': R. Ghama b. Clianina (um 260) hat gesagt: Was heißt: „Jahve, eurem Gott,
wandelt nach" Dt 18,5? Ist es denn einem Menschen möglich, hinter der Sch*^khina
(Gottheiti einherzuiiebn? Ist nicht längst gesagt: „Jahve dein Gott ist ein verzehrendes
Feuer" Dt 4, 24? Allein es ist so gemeint, daß man den Eigenschaften Gottes nach-
wandeln (Gottes Tun u. Verhalten nachahmen) soll. AVie Gott Nackte gekleidet hat,
s. Gn 3,21 : „Jahve Elohim machte für Adam u. sein Weib Röcke aus Fell u. bekleidete
sie d^mit", so kleide auch du Nackte. Wie Gott Kranke besucht hat, s Gn 18, 1 : „Jahve
erschien ihm (dem Abraham) bei den Terebinthen Mamres" mach der Haggada, um
Abraham, der infolge der Beschneidung leidend geworden war, einen Krankenbesuch
abzustatten), so besuche auch du Kranke. Wie Gott Trauernde getröstet hat, s. Gn 25, 1 1 :
„Nach dem Tode Abrahams segnete Gott seinen Sohn Isaak", so tröste auch du Trauernde.
Wie Gott Tote begraben hat, s. Dt:-!4, 6: „Gott begrub ihn (Mose) im Tal", so bestatte
auch du Tote. || LvR 25 (123'']: R. J'^^huda b. Simon (um 320) eröffnete seinen Vortrag
mit (Dt 13.5): „Jahve eurem Gott gehet nach." Ist es denn Fleisch u. Blut möglich,
hinter dem Gott einherzugehn, von dem geschrieben steht: Im Meer ist dein Weg u.
dein Pfad in vielen Wassern" Ps 17, 2U? u. du sagst: Jahven sollt ihr nachgehn . . .
u. an ihm hangen? Ist es denn Fleisch u. Blut möglich, in den Himmel emporzusteigen
u. sich an die Sch^'khina (Gottheit) zu hängen, von der geschrieben steht: „Jahve dein
Gott ist ein verzehrendes Feuer" (Dt 4,24)? Und ferner heißt es: „Sein Thron waren
Feuerflammen. . . . Ein Feuerstrom flutete vor ihm hin u. her" Dt 7, 9 f., u. du sagst:
Matth 5, 45 (^l) 373
An ihm sollt ihr hangen? Aber es ist so gemeint: von Anfang seiner Weltschöpfung
un befaßte sich Gott zuerst mit dem Pflanzen, s. Gn ':^, 8: „Jahve Elohim pflanzte einen
Garten in fEden"; so sollt auch ihr, wenn ihr in das Land kommt, euch zuerst nur
mit dem Pflanzen beschäftigen; das meinen die Worte: „Wenn ihr in das Land kommt
u. allerlei Bäume zur Speise pflanzt" Lv 19,23. Vgl. auch den Ausspruch des R.J^'hoschua?
b. Levi Sanh 105'^ oben S. 87<». In der Parallelstelle ß rakh 7-' wird die Schlußbemer-
kung: „Auch einem Sektierer soll man nicht fluchen", begründet mit: „Gütig ist Jahve
für alle" Ps 145, 9. || Ferner s. Sukka 3U« bei Mt 5, 46 S. 379 u. die Zitate bei Lk 6, 3H. ;,
^^ota ö'': Rab Joseph (f 333) hat gesagt: Immer soll der Mensch vom Sinn seines
Schöpfers lernen; denn siehe, Gott ließ alle ihohen) Berge u. Höhen dahinten u. ließ
seine Sch'^khina (Gottheit) auf dem Berge Sinai woiinen, u. er ließ alle Fruchtbäume
dahinten u. ließ seine Sch'^khina im Dornbusch wohnen. (So soll sich der Mensch
herabhalten zu den Niedrigen.) |i DtR 1 (196=*): R. Levi bar Chama (lies entweder „R. L.
b. Lachma", um 260, oder „R. Levi, um 800, im Namen des R. Chama, um 260) hat ge-
sagt: Wenn der, welcher dem Götzen dient, diesem gleich ist, wie es heißt: „Wie sie
(die Götzen) werden ihre Verfertiger sein, jeder, der auf sie vertraut" Ps 115,8, soJlte
dann nicht erst recht der, welcher Gott dient, sein wie dieser? Woher? Denn also
steht geschrieben: „Gesegnet ist der Mann, der auf Jahve vertraut u. dessen Ver-
trauen Jahve ist" Jer 17,7. (Die Beweiskraft dieser Stelle ist nicht durchsichtig.)
C. MidrQoh 8,4 (-39''): «Das Wort des Herrschers ist mächtig; u. wer kann zu ihm
sagen: Was tust du!" Qoh 8,4. R. Levi (um 800) hat gesagt: Gleich einem Lehrer, der
seinem Schüler befohlen hatte: „Du sollst das Recht nicht beugen" — u. er selbst
beugte es; „Du sollst die Person nicht ansehen" — u. er selbst sah die Person an.
Da sprach sein Schüler zu ihm: Rabbi, dir ist es erlaubt u. mir ist es verboten? Er
antwortete ihm: Ich habe dir nur gesagt, daß du einem Israeliten nicht sollst gegen
Zins leihen, aber den Völkern der Welt darfst du (auf Zins) leihen, s. Dt 23, 21. So
sprachen die Israeliten vor Gott: Siehe, du hast in deiner Tora geschrieben: „Du sollst
nicht Rache ausüben noch Zorn nachtragen" Lv 19, 18 ■ — u. du übst Rache aus u.
trägst Zorn nach! Er antwortete ihnen: Ich trage nicht nach, vgl.: „Er wird nicht
immer hadern, noch ewiglich Zorn nachtragen" Ps 108,9; aber den Völkern der Welt
gegenüber heißt es: „Rache übt Jahve an seinen Gegne;rn u. er trägt seinen Feinden
Zorn nach" Nah l,L Er sprach: Ich habe in meiner Tora geschrieben: „Du sollst
nicht Rache ausüben u. Zorn nachtragen gegenüber den Söhnen deines Volkes" Lv 19, 18;
aber du darfst Rache ausüben an den Völkern der Welt, s. Nu 31,2: „Nimm Rache für
die Kinder Israel an den Midianitern", um zu bestätigen, was geschrieben steht: „Das
Wort des Herrschers ist mächtig" Qoh 8, 4. — In der Parallelstelle GnR 55 (35^), wo
R. Abun (L? um 825, IL? um 370) als Autor genannt ist, fehlt die Schlußanwendung;
auf Israel. II M^g 13'^: „Jakob erzählte der Rahel, daß er ein Bruder ihres Vaters sei"
Gn29, 12. Aber war er denn der Bruder ihres Vaters, war er nicht der Sohn der
Schwester ihres Vaters? Allein als er zu ihr sagte: „Willst du mich heiraten", sprach
sie zu ihm: Ja, aber mein Vater ist ein Betrüger, u. du kannst ihm nicht beikommen.
Er antwortete ihr: Ich bin sein Bruder im Betrügen! Da sprach sie zu ihm: Ist es
denn den Gerechten erlaubt, groß im Betrüge zu sein? Er sprach zu ihr: Ja; „gegen
den Reinen zeigst du dich rein, u. gegen den Verdrehten lassest du dich verkehrt
flnden" Ps 18, 27. —Vgl. GnR70(45''). || Sanh 39'': „Jubel ging durch das Lager"
1 Kg 22, 36. R. Acha b. Chanina (um 800) hat gesagt: Es heilst: „Wenn die Frevler zu-
grunde gehen, herrscht Jubel" Spr 11, 10. Auch als Ahab, der Sohn fOmris, zugrunde
ging, herrschte Jubel. Aber freut sich denn Gott beim Sturz der Gottlosen? Es heißt
doch: „Beim Auszug vor den Bewaff"neten sollten sie sprechen: Danket Jahven, weil
seine Gnade auf ewig währt" 2Chr20, 21; u. R.Jonathan (b. El?azar, um 220) hat
gesagt: Warum heißt es in diesem Dankgebet nicht: „Denn er ist gütig"? Weilsich
Gott über den Sturz der Gottlosen nicht freut. Denn R. Sch<^inuel b. Nachman (um 260)
hat gesagt, R. Jonathan habe gesagt: Was heißt (Ex 14,20): „Nicht näherte sich der
eine dem andren die ganze Nacht" ? In jener Stunde wollten nämlich die Engel des
374 Matth 5, 45 (51. 5B. 6) • .
Dienstes ein Lied vor Gott singen. Aber Gott sprach zu ihnen: Die Werke meiner
Hände versinken im Meer u. ihr wollt ein Lied vor mir singen? R.Jose b. Chanina
(um 270) hat gesagt; Er freut sich nicht; aber andre veranlafst er, sich zu freuen
(über den Sturz der Gottlosen). Das läßt sich auch genau erweisen; denn es heißt
Dt 28, 63: vs' = ,er wird zur Freude veranlassen"; aber es heißt nicht x-vä-' = ^er
wird sich freuen".
„Eures Vaters im Himmel", dazu s. bei Mt 6, 4 S. 392 ff.
5,45^: Denn er läßt seine Sonne aufgehn über Böse u. Gute.
Chull9l'\- R. f Aqiba (f um 135) hat gesagt: Ich habe den Rabban Gamliel (IL,
um 90) u. den R. J hoschuaf ib. Chananja) auf dem Markt von Emmaus, wohin sie zum
Einkauf von Vieh für die Hochzeitsfeier von Rabban Gamliels Sohn gegangen waren,
gefragt: Es steht geschrieben: „Es ging ihm die Sonne auf Gn.S2, 32. Ist denn die
Sonne allein für ihn aufgegangen, ist sie nicht für die ganze Welt aufgegangen?
R. JiQchaq (um 300) hat gesagt: Wie die Sonne seinetwegen (Jakobs wegen) unter-
gegangen ist (nämlich vorzeitig nach haggadischer Auslegung von Gn28, 11), so ist
sie auch seinetwegen (vorzeitig) aufgegangen. — Dasselbe, nur daß der erste Teil
anonym überliefert ist, Sanh95'\ — In GnR78(50^) sagt R. B'rekhja (um 340) mit
Bezug auf Gn 32,32: Wem ist denn die Sonne nicht aufgegangen? Aber die Worte
wollen besagen: Ihm (Jakob) ging sie auf zur Heilung, den andren aber als Licht.
P^siqR 195-': „Gütig ist Jahve gegen alle u. seine Barmherzigkeit erstreckt sich
über alle seine Werke" Ps 145,9. R. J^hoschuaf b. N'chemja (um 350) hat gesagt: Hast
du je in deinem Leben gesehen, daß der Regen niedergefallen ist auf das Feld des
u. des Frommen, u. auf das Feld des u. des Frevlers fiel er nicht? Oder wäre die
Sonne aufgegangen über den gerechten Israeliten u. über den gottlosen nicht? Gott
läßt seine Sonne aufgehn über den Israeliten u. über den Völkern; darum heißt es:
Gütig ist Jahve gegen alle usw.
5,45 6: Und läßt regnen auf Gerechte u. Ungerechte.
Siehe das Zitat bei 5, 45 23 aus P^siqR 195^. — Ferner pB^'rakh {), 14 ', 7 : R. J«huda
b. J^chezqsel (f 299) hat gesagt: Mein Vater pflegte über das Herabfallen des Regens
folgenden Lobspruch zu sprechen : Verherrlicht, geheiligt, gepriesen u. erhöht sei dein
Name, du unser König, wegen jedes einzelnen Tropfens, daß du sie uns niederfallen
lassest u. daß du sie auseinander hältst den einen vom andren (I. ii-;-:«: statt -^y^-i-c^)
R. Judan (gemeint ist der Vater des R. Mattanja im 4. Jahrb., s. pTafan 1, 64'') hat
gesagt: Und nicht bloß dies, er läßt sie auch herabfallen nach bestimmtem Maß. . . .
R. Jose b. Jafaqob (um 330) ging hinauf, um R. Judan aus Magdala (um 310) zu be-
suchen. Als er dort war, fiel Regen hernieder; da hörte er dessen Stimme, wie er sprach:
Tausendmaltausendmal u. zehntausendmalzehntausendmal müssen wir deinem Namen,
du unser König, .danken für jeden einzelnen Tropfen, den du uns fallen lassest, daß
du Gutes erweisest denen, die sich verschuldet haben. Er fragte ihn: Woher hast du
dies (Gebet)? Er antwortete ihm: So hat mein Lehrer Simon (um 280) den Lobspruch
über das Niederfallen des Regens gesprochen. — Parallelstellen: pTafan 1, 64'', 9;
GnR 13 (10**); hier für R. Judan eingesetzt R. J^huda b. Schimfon, um 240 (oder ist
R. J'-huda b. Simon, um 320, gemeint?); DtR 7 (204'') nur der Anfang. |i Tafan 7»:
R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Größer ist der Tag des Regens als die Auferstehung der
Toten; denn siehe, die Auferstehung der Toten gilt nur den Gerechten, die Regengüsse
aber sowohl den Gerechten als auch den Gottlosen. 1| M'^kh Ex 18, 12 (67=*) s. S. 377«.
Mehrfach wird die Frage erörtert, um wessen willen, d. h. durch
wessen Verdienst der Regen kommt,
pTafan 3, 66^ 16: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Manchmal fallen die Regen-
güsse nieder durch das Verdienst eines einzigen Menschen oder wegen Eines Krautes
oder wegen Eines Feldes; und diese drei sind in Einem Vers enthalten, Sach 10, 1:
Mattli 5,45 (6) 375
,Er ■wird euch Regen geben um eines Mannes, eines Krautes, eines Feldes willen*
(so der Midr). Um eines Mannes willen, aber nicht um der Leute willen; um eines
Krautes willen, aber nicht um der Kräuter willen; um eines Feldes willen, aber nicht
um der Felder willen. — Dasselbe LvR 85 (132*^); in Ta?an 9'^ Resch Laqisch (um 250)
Autor i! Ta?an 8 ': R. Ammi um 3<0) hat gesagt: Die Regengüsse fallen nur wegen
der Vertrauenswürdigen nieder, s. Ps ^5, 12: , Treue läfst von der Erde aufsprossen"
(so der Midr'. l Midr HL 7. 1 : „Sulammith" HL 7, 1. R. J hoschua? von Sikhnin (um 3:^0)
hat im Namen des R. Levi (um MOO) gesagt: Sulammith, das ist die Nation, in deren
Verdienst allein alles Gute kommt, das es in der Welt gibt; s. Gn 27, 28: ,Es wird
Gott dir geben vom Tau des Himmels u. von den Fettgefilden der Erde;" ,dir", d. h. durch
dein Verdienst u. von dir hängt die Sache ab, wie es heifat: „Jahve wird dir seinen
guten Schatz auftun, den Himmel, den Regen zu seiner Zeit" Dt 28, 12; „dir", d.h.
durch dein Verdienst u. von dir hängt die Sache ab, — Dasselbe GnR 66 (42 '0; DtR 7
(204'^) als Ausspruch der Rabbanan. H Ta?an 7'': R. Tanchum b. Chanilai (um 280)
hat gesagt: Die Regengüsse fallen nur nieder, wenn die Sünden Israels vergeben sind,
s. Ps 85, 2 f. (wo neben der Begnadiü'ung des Landes, im Sinn des Midr durch Regen-
güsse, die Sündenvergebung erwähnt wird). || Ta?an 25-': R. Chijja b. Lulianai (um 360)
hat gesagt: Ich horte jene Wolken, wie sie sprachen: Wir wollen gehn u. das Wasser
auf f Amnion u. Moab geben. Da sprach er vor Gott: Herr der Welt, als du die Tora
deinem Volk Israel gabst, hast du sie herumgereicht bei allen V^ölkern der Welt, aber
sie nahmen sie nicht an, — und jetzt willst du ihnen Regen geben? Lasset ihn hier
fallen! Da ließen sie ihn auf seinen Ort fallen. | pTafan :{, ()6'^, 22: Wegen dreier Dinge
fallen die Regengüsse nieder: wegen des Landes (Israel), wegen der Mildtätigkeit u.
wegen der Leiden (Züchtigungen); u. diese drei sind in Einem Vers enthalten, Hi 37, 13:
,Bald wegen Züchtigung, bald seines Landes wegen, bald wegen der Mildtätigkeit
läfst er ihn (den Regen) eintreffen" (so der Midr). Wegen vierfacher Schuld werden
die Regengüsse zurückgehalten: wegen des Götzendienstes, s. Dt II, 16 f., wegen der
Unzucht, s. Jer 3, 2 f., wegen des Blutvergießens, s. Nu 35, 33, ' u. wegen derer, die
öffentlich Almosen zu geben versprechen u. dann nicht geben, s. Spr 25 14. — Daß
versprochene, aber nicht gegebene Almosen den Regen zurückhalten, sagt TafanS'^
R. Jochanan, f 279. || Tafan 23'': Zu Chanin Hanechba N';-!:n, dem Tochtersohn des
Choni, des Kreisziehers (f um 65 v. Chr.) pflegten die Rabbanan, wenn die Welt des
Regens bedurfte, Schulkinder zu schicken, die ihn beim Saum seines Mantels ergriffen
u. zu ihm sprachen: Vater, Vater, gib uns Regen. Dann sprach er vor Gott: Herr der
Welt, tue es um dieser willen, die nicht unterscheiden können zwischen dem Vater,
der den Regen gibt, und dem Vater, der ihn nicht gibt. |l LvR 27 (125'*): Alexander
der Grofse zog in ein Land, dessen Name Afrika war. Man ging ihm entgegen mit
goldenen Äpfeln, goldenen Granaten u. goldenem Brot. Er sprach: Wird denn etwa
dieses Gold in eurem Lande gegessen? Sie antworteten: Ist es denn nicht auch in
deinem Lande also (üblich)? Er sprach zu ihnen: Nicht um euren Reichtum (statt
■ji:-r"2i- wird mit den Parallelen zu lesen sein ■;i2-riy) zu sehen, bin ich gekommen,
sondern um eure Rechtspflege zu sehen, bin ich gekommen. Während sie noch da-
saßen, kamen zwei Männer in einer Rechtssache vor den König. Der eine sprach:
Mein Herr König, ich habe ein Stück wüstes Land von diesem Mann gekauft, u. als
ich es umgrub, fand ich einen Schatz darin; da habe ich zu ihm gesagt: Nimm deinen
Schatz, denn ich habe die Wüstenei gekauft, aber nicht den Schatz. Der andre sprach:
Wie du dich vor der Strafe wegen Raubes fürchtest, so auch ich; als ich dir die
Wüstenei verkaufte, da habe ich dir auch alles, was sich darin befindet, verkauft.
Der König rief den einen von ihnen u. sprach zu ihm: Hast du einen Sohn? Er ant-
wortete: Ja in! Darauf rief er den andren u. sprach zu ihm: Hast du eine Tochter?
> Der Midrasch erklärt n-:n-< er entweiht Nu 35, 33 als Notarikon fs. Einl. 107,
ÜT. 30) — vsrr -y ns 1--, er läßt den Zorn über das Land hernieder. Diese Deutung
.gehört, wie Siphre z. St. § 161 (62^') zeigt, dem R. Joschijja, um 140, an.
376 Matth 5, 45 (6)
Er antwortete: Ja! So mögen sie hingehn, sprach der König, u. einander heiraten,
dann können beide den Schatz genießen. Als Alexander sich verwunderte, sprach
der König zu ihm: Warum verwunderst du dich? Habe ich nicht gut entschieden?
Er antwortete: Ja! Da sprach der König zu ihm: Wenn diese Rechtsfrage in eurem
Lande gewesen wäre, was würdet ihr getan haben? Er antwortete ihm: Man hätte
beide enthauptet u. der Schatz wäre in das Haus des Königs gewandert! Jener sprach:
und die Sonne geht über eurem Lande auf?! AI. antwortete: Ja! Jener sprach: Und
Regen fällt auf euer Land hernieder?! AI. antwortete: Ja! Da sprach jener: Dann
wird es wohl Kleinvieh (1. p-p- statt -'7-^ junge Tiere) in eurem Lande geben? AI.
antwortete: Ja (diese Worte sind nach den Parallelen zu ergänzen). Da -sprach der
König: Möge der Geist dieses Mannes (— dein Geist) ausgehn! Im Verdienst des
Kleinviehs (der unschuldigen Tiere) geht die Sonne über euch auf u. fällt der Regen auf
euch nieder, wegen des Kleinviehs werdet ihr gerettet! Das meint: „Menschen u. Tieren
hilfst du, Jahve" Ps H6, 7, im Verdienst des Viehes hilfst du, Jahve, dem Menschen. —
Parallelstellen: pBM 2, 8^ 39; P'-'siq 74''; GnR 33 (20--»); TanchB -^-s § U (44tj).
Den allgemeinen Gedanken, daß Gott gütig ist gegen alle seine
Geschöpfe, den Jesus durch den Sonnenschein u. den Regen ver-
anschaulicht, die allen, den Bösen wie den Guten, gespendet werden,
haben die Rabbinen meist an Ps 145, 9 angeknüpft.
GnR 33 (20*): „Gütig ist Jahve für alle u. seine Barmherzigkeit erstreckt sich
über alle seine Werke" Ps 145, 9. R. Levi (um 3U0) hat gesagt: „Gütig ist Jahvo
für alle," d. h. gegen alles, Avas sein Werk ist. R. Sch^'muel (b. Nachman, um 260,>
hat gesagt: Gütig ist Jahve für alle u. sein Erbarmen erstreckt sich über alle; denn
so ist es seine Art, daß er sich erbarmt.^ R. J'^hoschua? von Sikhnin (um 330) hat
im Namen des R. Levi gesagt: Gütig ist Jahve für alle u. von seinem Erbarmen gibt
er ab an seine Geschöpfe (damit sie gegeneinander barmherzig seien). R. Tanchuma
(um 3^0) u. R. Abba b. Abin (um 35u?) haben im Namen des R. Acha (um 320) ge-
sagt: Wenn morgen ein Jahr der Dürre kommt u. die Menschen haben Erbarmen mit-
einander, dann wird Gott des Erbarmens gegen sie voll. || GnR 33 (20b): Unser Lehrer
(Rabbi) safs einmal mit der Tora beschäftigt vor der Synagoge der Babylonier in
Sepphoris. Es ging ein Kalb vor ihm vorüber, das zur Schlachtung abgeführt wurde.
Es fing an zu schreien, als wollte es sagen: Rette mich! Er aber sprach: Was kann
ich für dich tun? Dazu bist du geschaffen. Infolgedessen litt Rabbi l'-^ Jahre lang
an seinen Zähnen. R. Jose b. Abun (um 350) hat gesagt: Jene ganzen 13 Jahre hin-
durch, die Rabbi an seinen Zähnen litt, hatte keine Schwangere im Lande Israel eine
Fehlgeburt u. keine Gebärerin Schmerzen. (Dem Leiden Rabbis wird hier Sühnkraft
zugeschrieben.) Nach etlichen Tagen (nämlich nach dem Vorfall mit dem Kalbe) ging
ein Kriechtier vor Rabbis Tochter vorüber, das sie töten wollte. Er aber sprach zu
ihr: Meine Tochter, laß es; denn es steht geschrieben: „Sein Erbarmen erstreckt sich
auf alle seine Werke." — Parallelstellen: pKil 5>, 32^, 23); BM 85^ || Midr Ps 22 § 3
(91*1: R. Chanina (b. Chama, um 225) hat gesagt: „Gütig ist Jahve für alle" Ps 145, 9,
nämlich in dieser Welt; aber von der zukünftigen Welt, die dereinst kommt, heißt
es: „Tue Gutes, Jahve, den Guten" Ps 125, 4. || Sanh 39 b; R. Elfazar (b. P'^dath, um
270) stellte einander gegenüber: „Gütig ist Jahve für alle" Ps 145, 9 u. : „Jahve ist
gütig für die. die seiner harren" KL 3, 25. Gleich einem Menschen, der einen Garten
bat; wenn er ihn bewässert, bewässert er ihn ganz; wenn er ihn aber behackt, be-
hacjct er nur die guten Gewächse darin. (So spendet Gott seinen Regen allen, aber
die Spezialpflege gilt den Gerechten.) || Ferner s. den Ausspruch des R. J hoschuaf
b. Levi Sanh ]05t> S. 370. In der Parallelstelle B^rakh 7'' wird das Schlußwort:
,Auch einem Sektierer soll man nicht fluchen" begründet mit dem Hinweis auf Ps
^ Bachers Deutung der Stelle (pal. Amor 1, 544 f.): „Gottes Erbarmen überragt
alle seine übrigen Eigenschaften" beruht auf der Lesart --;; statt pv.
Matth 5, 45 (6). 5, 46 (Nr. 1) 377
145, 9. II Sanh IIP Bar: Al^ Mose zur Höhe emporstieg, fand er Gott, wie er saß
u. schrieb: , Langmütig." Er sprach zu ihm: Herr der Welt, hingmütig gegen die Ge-
rechten? Er antwortete ihm: Auch gegen die Gottlosen Mose sprach: Die Gottlosen
mögen zugrunde gehn! Gott sprach zu ihm: Du wirst nun sehen, was du erbeten
hast! Als die Israeliten gesündigt hatten, sprach Gott zu Mose: Hast du nicht also
zu mir gesagt: , Langmütig gegen die Gerechten"? Mose sprach zu ihm: Herr der
Welt, hast du nicht also zu mir gesagt: „Auch gegen die Gottlosen"? Das ist es,
was geschrieben steht: ,So zeige sich nun die Kraft Jahves groß, wie du also ge-
redet hast: Jahve ist langmütig" Nu 14, 17 f. || M kh Ex 18, 12 [61''): R. (^adoq (1. um
70 n. Chr.) sprach zu ihnen (den bei Rabban Gamliel 11. zum Gastmahl versammelten
Gelehrten): Wir finden, daß ein Größerer als Rabban Gamliel u. Abraham die Menschen
(bei Tisch) bedient hat. Sie sprachen zu ihm: Wer ist denn das? Er antwortete
ihnen: Die Sch^khina (Gottheit); denn stündlich gibt sie reichlich Speise allen, die
in die Welt kommen, nach ihrem Bedürfnis u. sättigt alle Lebenden mit Wohigefüllen,
n. nicht bloß die Redlichen u. Gerechten, sondern auch die Gottlosen, die den Götzen
dienen. Um wieviel mehr muß Rabban G. die Gelehrten u. die Söhne der Tora bedienen!
5,46: Denn wenn ihr liebet, die euch lieben, Avelchen
Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe?
liiaOög Lohn = -i:b. — Über die Lehre vom Lohn s. den Exkurs:
„Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg."
0* xiXwvai Zolleinnehmer = ■pcp'i';, Sing, fz^-o.
\. Von den eigentlichen staatlichen Steuern (Kopf- u, Grundsteuer),
die zur Zeit Jesu im römischen Reich eingezogen wurden, sind die
Zölle zu unterscheiden, die als Eingangs- u. Ausfuhrzölle auf Waren
allerlei Art u. Sklaven gelegt waren, u. die an den Grenzen eines Landes
oder einer Provinz oder eines Stadtbezirks zur Erhebung kamen. Der
Ertrag der Zölle aus Judäa u. Samaria floß zur Zeit Jesu in den kaiser-
lichen Fiskus, während die an den Grenzen Galiläas u. Peräas erhobenen
Zölle den Tetrarchen aus dem Hause des Herodes zustanden. Die Ein-
ziehung der staatlichen Grund- u. Kopfsteuer erfolgte in der römischen
Kaiserzeit durch staatliche Beamte, in Judäa für die kaiserliche Kasse
unter Verantwortlichkeit des jedesmaligen Prokurators. Daß sich die
Römer bei der Eintreibung der Steuern der Mitwirkung der jüdischen
Behörden bedient haben, wird ohne weiteres angenommen werden dürfen.
Dagegen geschah die Erhebung der Zölle „nicht durch staatliche Beamte,
sondern durch Pächter, die sog. publicani, welche den Zoll eines be-
stimmten Bezirkes gegen eine feste jährliche Summe pachteten, wobei
sie den etwaigen höheren Ertrag als Gewinn einzogen, während sie
umgekehrt bei Minderertrag den Schaden zu tragen hatten. . ., . Die
Pächter hatten selbstverständlich wieder ihre Unterbeamten, die wohl
durchgängig aus der einheimischen Bevölkeiung genommen wurden.
Aber auch die Generalpächter mufsten keineswegs notwendig Römer
sein. . . . Die Höhe des zu erhebenden Zolles war zwar von der Behörde
vorgeschrieben. Da aber diese Tarife ... in der älteren Zeit oft sehr
unbestimmt waren, so blieb der Willkür u. Habsucht der Zolleinnehmer
ein weiter Spielraum offen. Die Ausnützung dieses Spielraumes u. die
378 Matth :.,46 (Nr. 1-3)
auch nicht seltene Überschreitung desselben hat sie bei der Bevölkerung
zu einer verhaßten Klasse von Menschen gemacht. ... Im NT ist , Zöllner
u. Sünder' fast gleichbedeutend, . . . auch in der rabbin. Literatur er-
scheinen die Zolleinnehmer in wenig günstigem Lichte." Schürer ^ 1,
477 ff. — Ferner s. bei Mt 17, 25.
2. Von Zöllen werden in den älteren rabbin. Schriften besonders
erwähnt: Brückenzoll,» Schiffszoll, b Stadtzoll, c Zoll für Kleidungs-
stücke,d für Perlene u. für Sklaven.*
a. Schab 88b : R. J^huda, R.Jose u. R. Schiinfon (sämtlich um 150) saßen bei-
einander, u. J'huda, der Proselytensohn, safs bei ihnen. R. J*'huda hob an : Wie schön
sind doch die Werke dieser Nation (d. i. Roms): sie haben Märkte, Brücken u. Bäder
angelegt. R. Jose schwieg. R. Schim?on b. Jochai aber sprach: Alles, was sie angelegt
haben, haben sie nur für ihre eignen Bedürfnisse angelegt; sie haben Märkte an-
gelegt, um Buhldirnen dahin zu setzen, Bäder, um sich selbst darin zu ergötzen.
Brücken, um von ihnen Zoll zu erheben, [i fAZ '2 b läfst R. Chanina b. Papa, um .800.
in der Schilderung des jüngsten Gerichts erst Rom, dann die Perser auf Gottes Frage
wesentlich dieselbe Antwort geben u. dasselbe Urteil des Eigennutzes empfangen. |1
BB 167-': Abaje (f 338/89) hat gesagt: Wenn einer seine eigenhändige Unterschrift
einem Gerichtshof zur Kenntnisnahme vorlegen will (damit auf Grund des eingereichten
Namenszages seine Unterschrift unter irgend einem Dokument anerkannt werde), "so
lege er die Unterschrift nicht am Ende eines Blattes vor; denn vielleicht möchte es
einer finden u. darauf schreiben, daß er Geld von ihm zu fordern habe. . . . Einmal
kam ein Brückenzollerheber vor Abaje u. sprach zu ihm: Es zeige mir der Herr seine
Namensunterschrift (auf einem Blatt Papier, das ich mitnehmen kann); wenn dann
die Rabbinen kommen u. mir deine Bescheinigung (betreffs unentgeltlichen Passierens
der Brücke) vorzeigen, so will ich sie ohne Zoll hinüberlassen. (An dem erbetenen
Namenszuge soll also die Unterschrift unter den Bescheinigungen auf ihre Echtheit
hin geprüft werden.) Er zeigte ihm seine Namensunterschrift oben am Kopfende
eines Blattes; der Zollaufseher aber zog daran (damit der Namenszug w-eiter unten
auf dem Blatt zu stehen käme); da sprach Abaje zu ihm: Die Rabbinen sind dir
längst zuvorgekommen (deine Schliche kennen wir).
b. fAZ 101»: Wehe dem Schiff, das ohne Zoll fährt! — Wohl sprichwörtlich.
c. f AZ 18''*: R. Nathan (um 160) hat gesagt: Wenn man an einem (Götzenfest-)Tage,
an welchem die Götzendiener (um möglichst viele Leute aus der Umgegend nach der
betreffenden-Stadt hinzulocken) den Zoll erlassen, öffentlich ausruft: „Wer einen Kranz
nimmt u. auf sein Haupt u. auf den Kopf seines Esels zu Ehren des Götzen setzt, dem
wird man den Zoll erlassen; wer es aber nicht tut, dem erläßt man den Zoll nicht* —
was soll da ein dort befindlicher Jude tun?
d. Siehe BQ 118» S. 380«. e. Siehe Kelim 17, 16 S.380. /. Siehe BB 127" S. 380;-.
3. Verachtung der Zöllner.
BQ 10, 1.2: Man darf kein Geld umwechseln aus dem Kasten der Zöllner u. aus
der Kasse der Steuererheber; auch nimmt man kein Almosen (für die öffentliche Armen-
kasse) von ihnen an (weil ihr Geld teilweise als Raub zu betrachten ist); wohl aber
darf man es, wenn er es aus seinem Hause oder auf der Straße gibt. — Nahmen die
Zöllner jemandem seinen Esel weg u. gaben ihm dafür einen andren, raubten die Räuber
jemandem sein Gewand u. gaben ihm dafür ein andres, so sind diese sein, weil die
(ursprünglichen) Eigentümer sie schon aufgegeben haben. — Man beachte, wie hier die
Zöllner auf eine Linie mit den Räubern gestellt werden. — Die Bemerkungen bBQ 113"
hierzu s. S. 380«. n Sanh 25'^ Bar: (Zu denjenigen Personen, die die Mischna Sanh 3, 3
für untauglich erklärt, als Zeugen zu fungieren)' hat man noch hinzugefügt: die Hirten
' Das sind (s. oben S. 267;'): Würfelspieler, Wucherer, die, welche Tauben im
Wettsport fliegen lassen, u. Händler mit Früchten des Sabbatjahres.
Matth 5, 46 (Nr. 3. 4) 379
(von Kleinvieh, weil sie ihre Herden auf fremde Grundstücke treiben), die Steuer-
erheber u die Zöllner. . . . Von den Steuererhebern u. Zöllnern hatte man anfänglich
angenommen, daß sie nur das nähmen, was ihnen vorgeschrieben war; als man aber
wahrnahm, daß sie mehr nahmen, erklärte man sie (als Zeugen 1 für untauglich. |l Derekh
EreQ 2: Über die Steuererheber, die Räuber, die Geldwechsler u. die Zöllner sagt die
Schrift: „Dein Reichtum u. deine Handelsgüter, deine Ware, deine Seeleute u. deine
Segler, die dein Leck ausbesserten u die deine Ware austauschten — ■ die werden ins
Herz der Meere sinken am Tage deines Sturzes" Ez 27, 27.
Daß die Verachtung der Zöllner sich auch auf deren Familien er-
streckte, erkennt man aus folgenden Stellen.
Sch^'bu 89^* Bar: R. Schimfon (b. Jochai, um 150) hat gesagt: Wenn er gesündigt
hat, was hat seine Familie gesündigt? Es will dir sagen: Es gibt keine Familie, in
der ein Zöllner ist, ohne daß sie alle Zöllner sind, u. keine, in der ein Räuber ist, ohne
daß sie alle Räuber sind, weil sie ihn decken (sein Tun beschönigen). — Die Bar findet
sich SLv 20, 5. || ?AZ ^-iVi^': R. Schim?on b. Elfazar (um 190) sagte: Eine Frau war einmal
an einen Chaber (Mitglied des Pharisäerbundes) verheiratet u. pflt'gte ihm die Gebets-
riemen an seine Hand zu binden; dann verheiratete sie sich an einen Zöllnern, band
ihm die Zöllnerknoten an seine' Hand. — In der Parallele B'^'khoO'' ist der Autor
R. Mei'r, um löO, u. R. Schimfon b. El. sein Tradent. — Mit den „ Zöllnerknoten " — 'rp
er'-; scheint zunächst eine Kapsel oder eine Tasche gemeint zu sein, in der die Zoll-
einnehmer die Bescheinigungen über gezahlten Zoll am Arm trugen; dann werden die
Zollzettel selbst so genannt. Schab 8, 2: Wer (am Sabbat) soviel Papier hinausträgt,
als genügt, um darauf einen Zollzettel TC""': '^2 zu schreiben, oder wer einen Zoll-
zettel selbst hinausträgt, der ist schuldig (der Übertretung des Sabbatgebotes). |i TD'^mai
3,4 (49): Vordem hatte man gesagt: Wenn ein Chaber (Genosse des Pharisäerbundes)
Steuererheber i Zollpächter) wird, so schließt man ihn aus der Genossenschaft aus.
Später aber sagte man: Solange er Steuererheber ist, ist er nicht beglaubigt (als einer,
der sich nach den Satzungen des Pharisäerbundes hält); scheidet er aus seinem Zollamt
aus, so gilt er (wieder) als beglaubigt. — Als Bar zitiert B'-kh 31 ''. — Ferners, bei
Mt 9, 10 u. das Gleichnis vom Pharisäer u. Zöllner Lk 18.
4, Wie die Zöllner sich durch Überschreitung der Zolltaxe zu be-
reichern suchten, so suchte sich das Publikum durch Zollhinterziehung
schadlos zu halten.
Sukka 30*: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schimfon b. Jochai (um 150)
gesagt: Wiis heißt: „Ich, Jahve, liebe das Recht u. hasse bübischen Raub" Jes6l,8?
Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der an einem Zollhaus vorüberging. Er sprach
zu seinen Knechten: Gebet den Zöllnern den Zoll! Sie sprachen zu ihm: Gehört dir
denn nicht der ganze Zoll? Er sprach zu ihnen: Alle Reisenden sollen von mir lernen,
daß sie sich nicht dem Zoll entziehen. So spricht auch Gott: Ich hasse allen bübischen
Raub; von mir sollen meine Kinder lernen, daß sie sich von Raub fernhalten. || P^'s 1 12'^:
Viererlei hat unser heiliger Lehrer (Rabbi) seinen Söhnen befohlen: Wohne nicht in
Sch''khan9ib (in Babylonien), weil sie (die Leute dort) Spötter sind, sie möchten dich zur
Spötterei verführen. Setze dich nicht auf das Bett einer Aramäerin 1 Heidin). . . . Entzieh
dich nicht dem Zoll, man möchte dich dabei betreffen u. dir all das Deinige nehmen.
Und stell dich nicht vor einen Ochsen hin, wenn er aus dem Rohrgebüsch (oder von
der Wiese) kommt; denn dann tanzt der Satan zwischen seinen Hörnern. (Nasse Gründe
als Aufenthaltsort der Dämonen gefürchtet, s. Exkurs: Zur altjüd. Dämonologie.) || P'^siq
164=»: R. Joschijja (IL, um 2.^0) hat mit Bezug auf Qoh 11,9: „Freue dich, Jüngling,
deiner Jugend . . .; aber wisse, daß um alles dieses dich Gott ins Gericht bringen wird",
gesagt: Gleich einem, der den Zoll hinterzog; als er dabei ertappt wurde, sagte man
zu ihm: Gib den Zoll! Er sprach: Nehmt euch, was ich bei mir habe. Sie antworteten
ihm: Meinst du etwa, daß wir den Zoll bloß für dieses Mal haben wollen? Wir wollen
380 Mattli 5, 4G (Nr. 4). 5,47
ihn für alle die Male haben, da du gewohnt warst, den Zoll zu hiuterzieheu. , Wisse,
daß um alles dieses dich Gott ins Gericht bringen wird." — In Midr Qoh 1 1, 9 R. Gha-
nina b. Papa, um ^OO, als Autor genannt. |! BQ 1 13'': (Zu BQ 10, 1 : „Man wechselt kein
Geld um aus dem Kasten der Zöllner", s. S.816y, wird bemerkt:) Aber es hat doch
Sch^muel (f 254) gesagt: Die Rechtsordnung der (heidnischen) Obrigkeit ist Rechts-
ordnung! (u. darum auch von Israel zu befolgen; wie darf also der Zöllner verächtlich
behandelt werden?) R. Chanina b. Kahana (gegen :-iOO) hat gesagt, Sch'^^muel hat gesagt,
die Worte der Mischna bezögen sich auf einen Zöllner, der keine feste Taxe habe. Die
Schule des R. Jannai (um 2251 sagte, sie bezögen sich auf einen Zöllner, der sich selbst
dazu gemacht habe. Einige lehren das in bezug auf die Mischna Kil 9, 2: Man darf
Mischgewebe auch nicht über zehn andren Kleidern tragen, auch nicht zu dem Zweck,
um so den Zoll zu hinterziehen (hiernach waren Kleidungsstücke, die man auf dem Leibe
trug, zollfrei). Diese Mischna stimmt aber nicht mit der Meinung desR. ?Aqiba (f um l;i5)
überein; denn in einer Bar ist gelehrt worden: Es ist verboten, sich dem Zoll zu ent-
ziehen; R. Schim?on (um 15U) aber sagte im Namen des R. ?Aqiba: Es ist erlaubt, sich
dem Zoll zu entziehen. Diese Bar trifft zu in bezug auf die Frage wegen des Tragens
von Mischgewebe; dabei besteht die Meinungsverschiedenheit, daß der eine Autor (näm-
lich R. fAqiba) meint, daß etwas (was an u. für sich verboten ist, wie das Tragen von
Mischgewebe) erlaubt sei, wenn es nicht i;eabsichtigt war; während der andre Autor
meint, daß es verboten sei, auch wenn es nicht beabsichtigt war. (Da das Tragen von
Mischgewebe nicht der eigentliche Zweck sei, sondern vielmehr die Ersparnis des
Zolles, so hält R. fAqiba beides in diesem Fall für erlaubt.) Aber dem ZolT sich zu
entziehen, ist denn das erlaubt? Es hat doch Sch^muei gesagt: Die Rechtsordnung
der Obrigkeit ist Rechtsordnung! R. Chanina b. Kahana hat gesagt, Sch^muel habe ge-
sagt, es handle sich um einen Zöllnei-, der keine feste Taxe habe; die Schule Jannais
sagte, um einen Zöllner, der sich selbst dazu gemacht habe. Einige .lehren das in bezug
auf N*'d3, 4: Man darf Mördern, Räubern u. Zöllnern gegenüber durch Gelübde ver-
sichern: daß etwas Hebe sei, auch wenn es keine Hebe ist; daß etwas dem Hause
des Königs gehöre, auch wenn es ihm nicht gehört (um es auf diese Weise zu retten).
Auch dem Zöllner gegenüber? Es hat doch aber Sch'^muel gesagt: Die Rechtsordnung
der Obrigkeit ist Rechtsordnung (wie darf man also dem Zöllner etwas vorspiegeln)?
R. Chanina b. Kahana hat gesagt, Sch'^muel habe gesagt, es handle sich um einen Zöllner,
der keine feste Taxe habe; die Schule Jannais sagte, um einen Zöllner, der sich selbst
dazu gemacht habe. Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Es handelt sich um einen Zöllner,
der ein Goi ist. — Zum Teil auch N^'d 28''. || Kelim 17, 16: Verunreinigungsfähig ist . . .
ein Stock, in welchem ein Behälter (leerer Raum) für eine Türpfosteninschrift (M''zuza)
u. für Perlen ist. — r Nach den Kommentatoren verbarg man unter der zollfreien M^zuza
die zollpflichtigen Perlen vor den Zöllnern. || BB 127 "^r Geht einer am Zollhaus vorüber
u. sagt (von einem Menschen in seiner Begleitung zum Zöllner): „Das ist mein Sohn",
u. hinterher (wenn das Zollhaus passiert ist) sagt er: „Mein Sklave ist dieser", so
gilt er (in diesem Stück) als beglaubigt (glaubwürdig). — Der erste Ausspruch war
nur ein Kunstgriff, den zollpflichtigen Sklaven zollfrei durchzuschmuggeln.
5,47: Und wenn ihr allein eure Brüder grüßt,
was tut ihr Besonderes? sdv aanäarjaö^s.
Der Gruß, nibd nbiNir (eigentlich: Erkundigung nach dem Wohl-
befinden jemandes) gilt als Ehrenbezeugung; seine Unterlassung be-
deutet Geringschätzung u. Verachtung ;a wer aber vollends einen ihm
entbotenen Gruß unerwidert läßt, der steht mit den Räubern auf gleicher
Stufe. b — Gruß u. Gegengruß lauten meist: (cz-^bs) rp^s' cibir.^ Die Notiz
* Darf man aus der Bezeichnung des Grußes mit z''~-v r-i-av = „Erkundigung nach
dem Wohlbefinden" folgern, daß die Formel ~^'->-j aVir ursprünglich als Frage gemeint
war — befindest du dich wohl?
Matth5, 47 381
B^'rakh 9, 5 über eine Verordnung, nach welcher der Gottesname beim
Gruß verwendet werden sollte, so daß die GruP^formel etwa r,53^' -i;nx
oder -\-''bv crn gelautet haben würde, ist so unbestimmt gehalten, daß
sie ziemlich wertlos erscheint, c In der rabbin. Literatur haben wir
kein Beispiel gefunden, daß man sich beim Gruß irgendwie nach jener
Verordnung gerichtet hätte; doch s. Lk 1,23. — Das Grußzeremoniell war
in der nachchristl. Zeit durch die Sitte bereits fest bestimmt. Während
man es in der babylon. Judenschaft, wie es scheint, als den höchsten
Grad von Ehrfurcht ansah, daß der Geringere überhaupt nicht wagte,
dem Höherstehenden den Gruß zu entbieten, d befolgten in Palästina
einzelne Gelehrten die Regel: Komm jedem mit deinem Gruß zuvor;
wenigstens demjenigen, von dem du weißt, daß er dich zu grüßen
pflegt. e Die Wirklichkeit wird freilich weit hinter dieser Forderung
zurückgeblieben sein. Die alten Rabbinen haben so eifersüchtig auf
ihre Ehre gehalten, daß sie wohl nur selten den Gruß entboten haben,
bevor sie ihn empfangen hatten.^ — Dem Sklaven scheint kein Gruß-
recht zugestanden zu haben, g Die Schüler der Gelehrten sollten für
ihre Lehrer den Worten: „Friede sei mit dir!" hinzusetzen: „mein
Lehrer" oder „mein Herr".!! Ein Schuldner tat gut daran, wenn er
seinen Gläubiger nicht zuerst grüßte; sein zuvorkommendes Grüßen
könnte wie eine Art Zinszahlung erscheinen, u. die war verboten.! —
Dem König gegenüber war der Gruß zu verdoppeln, k Dagegen er-
übrigte sich das Grüßen der Frauen wohl von selbst, da diese meist
mit irgendeiner Kopfbedeckung ausgingen u. daher nicht zu erkennen
waren. Doch fordert Eine Stimme auch ausdrücklich, daß man eine
Frau nicht grüßen solle. l Des Friedens wegen soll auch dem Nicht-
israeliten der Gruß nicht versagt werden. m Das prinzipielle Bedenken
hiergegen bestand nach Raschi darin, daß man mit dem Friedensgruß
den Namen Gottes auf einen Heiden lege; denn mbir sei eine Gottes-
bezeichnung, n Eine freiere u. wohlwollendere Haltung nahmen in dieser
Frage Rabban Jochanan b. Zakkai, Rab Chisda, Rab Kahana u. R. Tan-
chuma ein.« Für die Zeiten der heidnischen Festtage galt die besondere
Bestimmung, daß man den Nichtisraeliten nur einen undeutlich ge-
sprochenen Gruß entbiete. P — Ganz spezielle Normen regelten das
Grüßen Trauernder,q das Grüßen während der Sch<^maf-Rezitationr u.
des Gebetes, s das Grüßen in der Nacht, t an öffentlichen Büß- oder
Fasttagen" u. in öffentlichen Badehäusern. v
a. Siehe 01162» Anm. Ä:; pSch q2, 47%9 in Anm. d. b. Siehe B'^rakhG'' Anni.e.
C. B'rakh9, 5: Alle, die die Lobsprüche im Tempel schlössen (mit der Formel:
, Gepriesen seist du, Jahve, unser Gott"), pflegten am Schluß zu sagen: „Von Ewig-
keit!" Als aber die Freigeister entarteten u. sagten, es gebe nur Einen Äon (also keine
zukünftige Welt), verordnete man, daß man (am Schluß) spreche: ,Von Ewigkeit zu
Ewigkeit" (von einer Welt bis zur andren). Ferner verordnete man, daß ein Mensch
den andren mit dem Gottesnamen (Jahve) grüße, wie es heil.t: „Bo^^az kam aus Beth-
lehem u. sprach zu den Schnittern: Jahve sei mit euch! u. sie sprachen zu ihm: Es
segne dich Jahve" Ruth'2,4 u.: „Jahve sei mit dir, du streitbarer Held!" Ri 6, 12. Ferner:
382 MatthS, 47
, Verachte nicht deine Mutter, wenn sie alt geworden" Spr28, '22 (d. h. auch die alten
Grußformeln haben ihre Bedeutung noch für eine spätere Zeit). Ferner: ,Ks ist Zeit
zu wirken fürJalive, sie haben deine Tora gebrochen!" Ps 1 19, 126. R.Nathan (um MiO}
sagte: Sie haben deine Tor* gebrochen, weil die Zeit da ist, für Jahve zu wirken. lEin
solches Wirken für Gott ist auch das Bekenntnis zu ihm, so oft man seinen Namen
beim Gruß gebraucht.) Ü Mak 28'': R. J hoschua? b. Levi (um 2öU) hat gesagt: Dreierlei
hat der untere Gerichtshof eingeführt u. der obere (himmlische) Gerichtshof hat ihm
zugestimmt: das V'orlesen der Estherrolle (am Purimfest', das Grüßen (mit dem Gottes-
namen) u. die Ablieferung des Zehnten (an den Tempel NehlU, :S9). Das Lesen der
Estherrolle s. Esth9,27: ^Sie bestätigten es u. die Juden nahmen es an." ^sje be-
stätigten es", nämlich oben (im himmlischen Gerichtshof), was sie unten angenommen
hatten. Die Begrüßung (mit dem Gottesnameni s. Ruth 2,4 u Ri 6, 12. Die Ablieferung
des Zehnten s. Mal :H, lU. (Die Zustimmung des himmlischen Gerichtshofes zu den beiden
letzten Festsetzungen wird darin gefunden, daß beide durch die beigebrachten Schrift-
verse gestützt werden.) — Grätz, Geschichte der Juden* 4, 155f. 4ö8 meint, daß die
Verordnung betreffs Verwendung des Jahvenaniens beim Gruß ihre Spitze gegen das
Christentum kehre. Weil die Christen Jesum ^Herr" (':-;n xvQiog) nannten, habe man mit
jener Verordnung ein Unterscheidungszeichen einführen wollen, um zu erkennen, wer zu
Jahve, dem Gott des Judentums, u. wer zu Jesu halte. Allein die Verbindung, in der diese
Verordnung in der Mischna mit der Bestimmung betreffs des Schlusses der Lobsprüche er-
scheint, verweist sie in die griechisch-makkabäisclie Periode; da mag der Gebrauch des
Jahvenamens in der Tat zur Unterscheidung der Geister gedient haben, in jene Zeit ver-
legt auch R. J'hoschuaf b. Levi (Mak 28'') die Verordnung. Grätz beruft sich für seine
Meinung namentlich auf Midr Ps 3G § 8 (lüö-'): R. Abba bar Kahana (um 31Ü) hat gesagt:
Zwei Geschlechter haben sich des Jahvenamens (s-.-t':- ::'s des deutlich ausgesprochenen
Namens) bedient, nämlich die Männer der Großen Versammlung (in der griech. Periode) u.
dasGeschlecht der Religionsverfolgung (zur ZeitHadrians). Aber diese Worte handeln nach
dem Zus. hang, in welchem sie stehen, nicht vom Gebrauch des Jahvenamens beim Gruß,
sondern von seiner Verwendung für thaumaturgische Zwecke. Im 2. nachchristl. Jahrh.
war längst kein Raum mehr für den Namen , Jahve" auf den Straßen u. Märkten Israels.
d. pSch'q2, 17', 9: R. Jochanan (f 279) pflegte sich beim Gehen (auf seinen Be-
gleiter! zu stützen. Einmal ging R. Chijja b. Abb;i (um 28u) mit ihm. Als R. Ehazar
(b. P'^dath, um 27U, der ebenso wie R. Chijja b. Abba aus Babylonien stammte) ihn er-
blickte, verbarg er sich vor ihm. Da sagte R. Jochanan: Zweierlei hat dieser Babylonier
mir (der Text redet in der dritten Person) angetan; einmal, daß er mich nicht grüßt
(n-'i-Vra ";-s-i; s";-), u. sodann, daß er sich verbirgt. R. Jafiiqob b. Idi (ein Schüler
Jochanans) sprach zu ihm: So ist es Sitte bei ihnen (den Babylonierni, daß der Ge-
ringere den Höheren nicht grüßt (aus Ehrfurcht vor diesem); denn sie befolgen u. halten:
,Es sahen mich Jünglinge u. verbargen sich" Hi 29, M. Ähnlich pB'^rakh :i, 4 !>, 29.
e. Aboth 4, 15: R. Matlija b. Cherescli (um 130) sagte: Komm jedermann mit. dem
Friedensgruß zuvor. Sei lieber der Schweif bei den Löwen, als der Kopf bei den
Füchsen, i B'rakh 17": Von Rabban Jochanan b. Zakkai (f um SO n.Chr.) hat man
gesagt, daß ihm nie jemand mit dem Friedensgruß zuvorgekommen sei, selbst nicht
ein Goi auf der Straße. || B^'rakh ö'': R. Chelbo (um oUU) hat gesagt, Rab Huna (f 297)
habe gesagt: Wer von einem andren weiß, daß dieser ihm den Friedensgruß zu ent-
bieten pflegt, der komme ihm mit dem Gruß zuvor, vgl.: „Frage nach dem Wohl-
befinden u. eile dabei" Ps 34, 15 (d. h. grüße eilends, so der Midr). Wenn aber einer
dem andren den Gruß geboten hat u dieser erwidert ihn nicht, so wird er ein Räuber
genannt, vgl.: „Ihr habt den Weinberg abgeweidet, der Raub der Armen ist in euren
Häusern" Jes8, 14. Dazu Raschi: „Der Raub des Armen*; ist nicbt auch der Raub
des Reichen ein Raub? Vielmehr „der Raub des Armen": weil dieser nichts hat, was
man ihm rauben kann, außer daß man ihm seinen Gruß nicht erwidert.
f. Die Grundregel über das Grüßen lautet pB'rakh 2, 4'', 24: Der Mensch muß
den (zuerst) grüßen, der größer in der Torakenntnis ist als er.
Matth 5, 47 383
g. Schab 89^ : R. J'-'hoschua? b. Levi (um '2-i0) hat gesagt: Als Mose zur Höhe empor-
stieg (bei der Gesetzgebung!, traf er Gott, wie er Krönchen (Strichelchen} an die Buch-
staben der Tora knüpfte. Gott sprach zu ihm: Mose, in deiner Stadt gibt es wolil keinen
Friedensgruß? Dieser antwortete: Gibt's denn einen Knecht (Sklaven), der seinem
I^errn den Grufs entbieten darf? Gott antwortete: Du hättest mir Glück zur Arbeit
wünschen sollen!* Sofort sprach Mose zu ihm Nu 14, 17: ,Möge groß sein die Kraft
Jahves, wie du geredet hast!"
h. B rakh27'' Bar: R. Eli?ezer (so lies statt ^EUazar", gemeint ist der Ben Hyr-
kanos, um 90) sagte: Wer hinter seinem Lehrer betet, wer seinem Lehrer den Friedens-
gruß entbietet (wie jedem andren Menschen mit den Worten -^hy c-ib-i; u. nicht sagt:
"--' -":>• z:-z, Raschi), wer seinem Lehrer den Gruß erwidert (wiederum ohne den Zu-
satz: .mein Lehrer"), wer gegen die Lehrentscheidung seines Lehrers sich ausspricht
u. wer etwas sagt, was er nicht aus dem Munde seines Lehrers vernommen hat — der
veranlaßt die Sch^khina (die göttl. Gegenwart), daß sie sich von Israel entfernt. —
Tr. Kalla Ende lautet dieser Ausspruch: R. Elifezer sagte: Wer seinem Lehrer den
Friedensgruß entbietet, ist des Todes schuldig. Ben ^Azzai (um IlU) sagte: Wer seinem
Lehrer den Fr. entbietet, wer ihm den Fr. erwidert, wer gegen seine Lelirentscheidung
sich ausspricht — der ist des Todes schuldig. Zum richtigen Verständnis dient die
obige Erläuterung Raschis. || pB^'rakh 2, 4^', 27 wird über die Länge der Zeit verhandelt,
in der ein Mensch ein Wort sagen kann. R. J'^^hoschuaf b. Levi (um 250) sagte: So lange,
wie zum Grußwechsel zwischen zwei Menschen nötig ist. Abba bar bar Ghana (um 280)
sagte im Namen des R. Jocbanan (f 279): So lange, wie zum Grußwechsel zwischen
Lehrer u. Schüler nötig ist, wenn dieser zu jenem sagt: "3^ -■■;:' a-5r. — Vgl. BQ 7:5'';
da lautet nach R. Jose (b. Chalaphta, um löOj der Gruß des Schülers: „Friede über
dich, mein Lehrer u. mein Herr", •^•si -=■', u. der Gruß des Lehrers an den Schüler:
^Friede über dich" ! — Vgl. auch Bar B'^rakh li": R. Jose (b. Chalaphta) hat erzählt: Ein-
mal war ich unterwegs u. trat in eine der Ruinenstätten Jerusalems ein, um zu beten.
Es kam Elias, gesegneten Angedenkens, u. wartete am Eingang auf mich, bis ich mein
Gebet beendigt hatte. Als ich es beendigt hatte, sprach er zu mir: Friede über dich,
Rabbi! Ich antwortete ihm: Friede über dich, mein Lehrer u. mein Herr, '^vt -3-!
i. pBM 5, 10', 12: R. Schimfon (um IbO) sagte: Etwas Schweres ist es um das
Zinsnehmen; denn selbst die Entbietung des Friedensgrußes ist ein Zins; hat der
Schuldner ihm (dem Gläubiger) sem lebelang den Gruß nicht i zuerst) entboten, aber
weil er von ihm ein Darlehn erhalten hat, kommt er ihm mit dem Gruß zuvor, so
ist das ein Zins. — Bestimmter lautet die Tradition BM75'': R. Schimfon b. Jochai
sagte: Woher, wenn jemand einem andren eine Mine geliehen hat u. dieser pflegte jenem
mit dem Friedensgruße nicht zuvorzukommen, daß es dem Schuldner verboten ist, dem
Gläubiger mit dem Gruß zuvorzukommen? Die Schrift sagt lehrend: Zins von irgend etwas
sollst du deinem Bruder nicht auflegen Dt 28, 20; auch ein Wort als Zins ist verboten. —
TBM 0, 17 (885j wird diese Ausführung dem R. ?Aqiba (f um Liöj beigelegt; vgl. S.349cr.
k. Git62": Rab Huna (f 297) u. Rab Chisda (f -itOj saßen beieinander. G'^'niba
(um 260) ging an ihnen vorüber. Da sprach der eine von ihnen zu seinem Genossen:
Wir wollen vor ihm aufstehn (u. ihn grüßen), denn er ist ein Sohn der Tora. Der
andre erwiderte: Vor die!>em Streitsüchtigen wollen wir aufstehn?! Inzwischen war
G'niba an sie herangetreten u. sprach zu ihnen: Friede über euch, meine Könige!
Friede über euch, meine Könige, ":-^ n2"';>- s'stc! Sie sprachen zu ihm: Woher weißt
du das, daß die Rabbinen Könige genannt werden? Er antwortete: Es heißt ja: „Durch
mich (die Weisheit = Tora) herrschen die Könige" Spr 8, 15. Sie sprachen zu ihm:
Woher weißt du das, daß man den Königen den Gruß verdoppelt? Er antwortete:
Rab J'^'huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Woher, daß man dem König
* So nach Raschi: Du hättest sagen sollen: ,Möge dir deine Arbeit gelingen." —
Das •l^^>•'•: ist hier in demselben Sinn gebraucht wie s-t» a-p^Tn« Sch'^bifith 4,3: „Man
stärkt die Hände" = man wünscht Glück zur Arbeit.
384 Matth 5, 47
den Friedensgruß verdoppelt? Weil es heißt 1 Chr 12, 18: „Der Geist erfaßte den
fAmasai, das Haupt der Dreißig: Dir, o David, u. mit dir, o Sohn Isai. sind wir! Heil.
Heil sei dir -- =^-^ ='-i!
l. Qid TC* (s. oben S> 800): So hat Sch^'muel (f 254) gesagt: Man grüßt eine Frau
überhaupt nicht. lAber durch ihren Mann darf man sich nach ihrem Wohlbefinden er-
kundigen, also sie grüßen lassen; s. BM 87 ^)
m. Git5,9 u Seh bi?ith4,3: Man darf im Brachjahr den Gojim zu ihrer Arbeit
Glück wünschen, aber nicht den Israeliten; auch darf man sie grüßen des Friedens
halber. — Einzelne bezogen die letzten Worte auf die Israeliten bei ihrer Arbeit im
Brachjahr, nicht auf die Fremden pSch^'bifith 4, S')*^, 28.
n. Zu Git 5, ii bemerkt Raschi Git61-': Man darf sie (die Nichtisraeliten) alle
Tage grüben, obwohl man dabei den Namen Gottes auf einen Nichtisraeliten legt;
denn ="i-r ist ein Name Gottes. — Raschi wird dabei an Ri 6, 24 gedacht haben:
, Gideon erbaute daselbst Jahve einen Altar u. nannte ihn: Jahve civr." Vgl. LvR
9 (111'^): R. Judan b. Jose (wann?) hat gesagt: Groß ist der Friede; denn der Name
Gottes wird , Friede" =•''--• genannt, s. Ri 6, 24.
' O. Git 6':!*: Rah Chisda (f -^09) kam den Gojim zuvor u. entbot ihnen den Grui.
Rab Enhana (um '2bO) hat zu einem solchen gesagt: Friede dem Herrn — :V Nr'-^! —
Raschis Bemerkung: ,Rab Kahana hatte nicht beabsichtigt, ihn. zu segnen, sondern
er dachte dabei an seinen Lehrer", ist grundlos; s. die Tosaphoth. |1 pB^rakh S, 12', 46:
R. Tanchuma (b. Abba, um H80) hat gesagt: Grüßt dich ein Goi mit einem Segens-
wort, so antworte mit Amen! Denn es heißt: Gesegnet wirst du von allen Völkern
werden Dt 7, 14 (so der Midr). Ein Goi begegnete dem R. Jischmafel (f um 13ö) u.
grüßte ihn mit einem Segenswort. Er antwortete: Längst ist das (deinen Gruß be-
treffende) Wort gesagt worden (nämlich in der Schrift), Darauf begegnete ihm ein
andrer, der ihm ein Wort der Verwünschung zurief. Er antwortete: Längst "ist das
Wort gesagt worden. Da sprachen seine Schüler zu ihm: Rabbi, wie du jenem ge-
antwortet, so hast du auch diesem geantwortet! Er sprach: So steht geschrieben:
,Wer irgend dir flucht, sei verflucht, und wer dich segnet, sei gesegnet" Gn 27, 29.
Dasselbe pSukka :^, 54«, 14; pM'g 1, 72", 24; GnR 66 (42'). Ii Ferner s. B rakh 17" in
Anm. f. — Auch Abajes (t 33^/89) Wort B rakh 17 '' darf hierher gezählt werden:
Immer sei der Mensch klug in (Gottes-)Furcht: er antworte sanft, er stille Zorn u. er
mehre den Frieden mit seinen Brüdern u. mit seinen Verwandten u mit jedem Menschen,
selbst mit einem Goi auf der Straße (beim Gruß), damit er geliebt sei oben (bei Gott)
u. begehrt unten u. ant^enehm ('-2i-t, dexrög Apg 10, Mo) bei den Menschen.
p. Git 62" Bar: Man soll in das Haus eines Goi nicht an einem Festtag des-
selben gehen, um ihn zu begrüßen. Trifft man ihn (an dem Festtage) auf der Straße,
so grüße man ihn undeutlich (wörtlich: mit schlaffer Lippe) u. gesenkten Hauptes
(wörtlich: mit der Schwere des Hauptes). — Die Bar stammt aus Tf AZ 1, 2 (460);
enger als bT schließt sich pfAZ 1, 39 ^', 11 an die Tos an.
q. MQ 21 '^ Bar: Ein Trauernder darf in den ersten drei Tagen (der Trauerzeit)
nicht grüßen; vom dritten bis zum siebenten Tage darf er den Gruß erwidern, aber
nicht grüßen; von da an u. weiter darf er den Gruß entbieten u. erwidern nach seiner
Gewohnheit. — Die sich anschließende Diskussion zeigt, daß die Sitte sich nicht in
jeder Hinsicht mit der Bar deckte.
r. B^rakh 2. 1: Bei den Absätzen (der das Schema? bildenden Abschnitte Dt 6.
4 — 9; 11^ 13 — 21; Nu 15, 37—41) darf man grüßen aus Ehrerbietung u. einen Gruß
erwidern; in der Mitte (der einzelnen Schriftabschnitte) darf man grüßen aus Furcht
u. einen Gruß erwidern; das sind Worte des R. Mei'r (um 150). R. J'^^huda ib. Elfai,
um 150) .sagte: In der Mitte darf man grüßen aus Furcht u. den Gruß erwidern aus
Elirerbietung; bei den Absätzen darf man grüßen aus Ehrerbietung u. jedermann den
Friedensgruß erwidern. Vgl. pB'rakh 2, 4 b, JS. 54; bBrakh 13b.
S. B'^rakh 5, 1 : Selbst wenn der König einem (während des Gebetes) den Gruß
entbietet, darf man ihn nicht erwidern; selbst wenn sich einem eine Schlange um
Matth 5, 47 3g5
die Ferse windet, darf man das Gebet nicht unterbrechen. |1 pB*^rakh 5, 9-', 24: , Selbst
wenn der König" usw. R. Acha (um 320) hat gesagt: Das hat man von den Königen
Israels gesagt; aber bei den Königen der Völker der Welt erwidert man den Gruß.
Es ist gelehrt worden: Schreibt einer den Gottesnamen, so soll er, auch wenn ein
König ihm den Gruß entbietet, den Gruß nicht erwidern. Schreibt er zwei oder drei
Gottesnamen (hintereinander), wie zB -s, a-nVs, r.:r:', so schreibt er einen von ihnen
fertig u. erwidert dann den Gruß. — B^'rakh 32b statt R. Acha: Rab Joseph, f 333. i'
B*^rakh 14''^: Rab (t 247) hat gesagt: Wer seinen Nächsten grüßt, bevor er (des Morgens
das Schimone fEsre) gebetet hat, macht diesen gleichsam zu einer (Götzen-)Anhöhe,
s. Jes 2, 22: ^Lasset ab vom Menschen, in dessen Nase Hauch; denn wie groß n^z
ist er doch zu achten ! (ehrt nicht den hinfälligen Menschen durch einen Gruß, bevor
ihr Gott geehrt mit dem Gebet); denn als Anhöhe wird er (infolgedessen von Gott)
geachtet. Lies nicht ->3z = ,wie hoch", sondern --12, als (Götzen-) , Anhöhe" wird er
geachtet. Sch'muel (f 254) hat gesagt: So groß r-.-^z seine Achtung vor diesem ist,
ist sie nicht vor Gott (falls er vor seinem Morgengebet einen Menschen grüßt). |1
B'^rakh 32'* Bar: Einmal betete ein Frommer auf einem Wege. Es kam ein Heer-
führer u. entbot ihm einen Gruß, aber er erwiderte den Gruß nicht. Jener wartete
auf ihn, bis er sein Gebet beendet hatte. Als er sein Gebet beendet hatte, sprach
jener zu ihm: Dummkopf (sp-i), steht nicht in eurer Tora geschrieben: ,Nur hüte
dich u. nimm dein Leben (so der Midr) in acht" Dt 4, 9, u. ferner: ,So nehmt euer
Leben (so der Midr) wohl in acht" Dt 4, 15? Als ich dir den Gruß bot, warum hast
du mir den Gruß nicht erwidert? Wenn ich dir deinen Kopf mit dem Schwert ab-
geschlagen hätte, wer würde dein Blut von meiner Hand gefordert haben? Er ant-
wortete: Warte auf mich, bis ich dich mit Worten werde begütigt haben. Wenn du,
so sprach er, vor einem König von Fleisch u. Blut gestanden hättest u. ein andrer
wäre gekommen u. hätte dir einen Gruß entboten, würdest du ihm den Gruß erwidert
haben? Jener antwortete: Nein! Und wenn du, so fulu- der Fromme fort, ihm den
Gruß erwidert hättest, was würde man dir getan haben? Jener antwortete: Man
würde meinen Kopf mit dem Schwerte abgeschlagen haben. Da sprach der Fromme:
Gilt da nicht der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere? Wenn das von dir gilt,
der du nur vor einem König von Fleisch u. Blut gestanden hättest, der heute hier
ist u. morgen im Grabe, um wieviel mehr würde das von mir gelten, der ich vor dem
König aller Könige stand, vor Gott, der da lebt u. bleibt in alle Ewigkeiten! Sofort
war jener Heerführer begütigt u. jener Fromme ging heim in Frieden.
t. M*'g 3*: R. J'^hoschuaf b. Levi (u,m 2ö0) hat gesagt: Es ist dem Menschen verboten,
einem andren in derNacht den Gruß zu entbieten; wir befürchten, es könnte ein Dämon sein.
U. Tafan 1, 7: Sind diese (die 13 Fasttage zur Erflehung von Regen) vorüber-
gegangen ohne Erhörung, so beschränkt man das Kaufen u. Verkaufen, das Errichten
von Freudenbauten (zB Traubaldachine), das Anlegen von Plantagen, die Verlöbnisse,
die Hochzeiten u. das gegenseitige Grüßen der Menschen, wie Leute, die von Gott
in den Bann getan sind. — Dazu bemerkt Tas:an 14 ^ Bar: Die Mitglieder des Chaber-
bundes (Pharisäer-Genossenschaft) grüßen einander nicht; den gesetzesunkundigen
Leuten (?Amme ha-are^), wenn sie grüßen, erwidert man den Gruß undeutlich (wört-
lich: mit schlaffer Lippe) u. gesenkten Hauptes.
V. TB'^rakh 2, 20 (5): Wenn jemand in ein (öffentliches) Badehaus gegangen ist,
so darf an einer Stelle, wo die Leute bekleidet dastehen, das Lesen des Schema? u.
das Gebet stattfinden u. erst recht das Entbieten des Friedensgrußes; man darf dort
die Gebetsriemen anlegen u. braucht sie, was nicht erst nötig ist zu bemerken, nicht
abzulegen. An einer Stelle, wo die Leute teils nackt, teils bekleidet stehen, darf das
Grüßen stattfinden, aber nicht das Lesen des Sch'^ma? u. das Gebet; man braucht die
Gebetsriemen nicht abzulegen, aber man legt sie nicht erst an. An einer Stelle, wo die
Leute nackt stehen, findet kein Grüßen statt. — Als Bar pB rakh 2, 4<', 42; Schab 10 ^ '
Schab 10*': Rab Hamnuna (um 290) hat im Namen des fUlla (um 280) gesagt: Es ist
dem Menschen verboten, in einem Badehaus einem andren den Gruß zu entbieten.
Strack u.Billerbeck, NT I. 25
386 Matth 5, 48. 6, 1 «
5,48: So sollt ihr nun vollkommen sein, wie euer Vater
im Himmel vollkommen ist.
xi-XeioQ vollkommen = t3"i-2n oder obi^. — Von Abraham wird ausgesagt-,
daß er durch die Beschneidung vollkommen c^p geworden sei wie Gott.
GnR 46 (29 '^): R. Levi (um 300) hat gesagt: Gleich einer Matrone, zu der der
König sprach: Geh an mir vorüber! Sie ging an ihm vorüber, u. ihr Angesicht ent-
färbte sich. Sie sprach (bei sich): Vielleicht ist etwas Verwerfliches an mir gefunden
worden. Der König sprach zu ihr: Es ist an dir nichts Verwerfliches, nur der Nagel
deines kleinen Fingers ist etwas groß; entferne ihn und der Fehler ist beseitigt! So
sprach Gott zu Abram, unsrem Vater: Es ist nichts Verwerfliches an dir außer dieser
Vorhaut; entferne sie, so ist der Fehler beseitigt: „wandle vor mir, so wirst du voll-
kommen a-cr sein" Gn 17, 1. i| GnR 46 (29"): R. Judan (um 350) hat gesagt: Wie an
einer Feige nichts Verwerfliches ist außer dem Stiel; entferne ihn u. der Fehler ist
beseitigt — so sprach auch Gott zu Abraham: Es ist nichts Verwerfliches an dir
außer der Vorhaut, entferne sie u. der Fehler ist beseitigt: „wandle vor mir, so wirst
du vollkommen sein" Gn 17, 1. || N*^d 32'' Bar: Rabbi sagte: Groß ist die Beschneidung;
denn du hast keinen, der sich mit den Gebotserfüllungen so beschäftigt hat wie unser
Vater Abr., u. (doch) wurde er erst wegen der Beschneidung vollkommen csr ge-
nannt, s. Gn 17, If. II TanchB -V -V § 23 (40^): Gott sprach zu Abr.: Es ist genug für
den Knecht, wenn er ist wie sein Herr! Gleich einem König, der einen Freund hatte,
der über die Maßen reich war. Der König sprach : Was soll ich meinem Freunde
geben? Silber u. Gold, Sklaven u. Sklavinnen u. Vieh hat er; aber siehe, ich will ihm
meinen Gurt (so Buber) umgürten. Ebenso sprach Gott (zu Abr.): Was soll ich dir
geben? Silber u. Gold, Sklaven u. Sklavinnen u. Vieh habe ich dir bereits gegeben,
s. Gn 13, 2; was soll ich dir also geben? Es sei dir genug, daß du bist wie ich, wie
es heißt Gn 17, 2: Ich will meinen (Beschneidungs-)Bund geben zwischen dir u. mir.
Inhaltlich verwandt mit Mt 5, 48 sind vielfach die bei Mt 5, 45 ge-
brachten Stellen; s. daselbst S. 372.
6, 1: Habt acht darauf, eure Gerechtigkeit nicht vor den
Menschen auszuüben, um von ihnen gesehen zu werden; an-
dernfalls habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.
TTQoaexeTs rrjv öixaioavvrjv lificov [j.rj Hoisiv ... — dixaioffvrrj bedeutet
hier nicht „Wohltätigkeit", „Almosen" (= sXsri^ioavvrj Vers 2), sondern
wie Mt 5, 20 „Gerechtigkeit" oder „Rechtbeschaffenheit". Nachdem Mt
5, 20 ff. das Wesen der wahren Gerechtigkeit auf Grund einiger Gebote
dargelegt ist, folgt 6, 1 ff. eine Warnung vor dem falschen Betrieb
der Gerechtigkeit, u. zwar beim Almosengeben Vers 2—4, beim Beten
Vers 5—15 u. beim Fasten Vers 16 — 18. || Mt 6, 1 will also eine Über-
schrift für den ganzen Abschnitt Vers 2 — 18 sein u. nicht bereits ein
Teil der speziell das Almosengeben betreffenden Mahnung Vers 2 — 4;
schon darum kann 6ix. hier nur allgemein „ Gerechtigkeit" sein. Der textus
receptus, dem Luther gefolgt ist: sXeiji^ioavvrjv (Almosen). Aber es gibt
im NT keine Stelle (auch 2 Kor 9, 9 f. bildet keine Ausnahme), in der
dixaioovvrj im Sinne von Wohltätigkeit gefafat werden müßte. Das ist
um so bemerkenswerter, als sowohl die LXX dix. im Sinne von Wohl-
tätigkeit kennen, a als auch das ßabbinische das hebräische Äquivalent
n;5n:? in ausgedehntestem Maße zur Bezeichnung der Almosen gebraucht, b
Matth 6, 1. 2 (Nr. 1) 387
a. Spr 10, 2: ri's's --::ri n;:-s- Gerechtigkeit en-ettet vom Tode; LXX: dixcaoavt')j
ds ^vaeiai ix &aPKTOv. Wie 6ix. hier geraeint ist, zeigt Tob 4, 10: sXstj/noaiyr] ix
SavaTov QVETcu (ebenso Tob 12, 9, vgl. auch 14, 10 f.): Wohltätigkeit oder Almosen.—
Als Barmherzigkeitsübung erscheint die 6i,x. neben den Almosen e'A. auch Tob 12, 8:
äyafioy ngoaev^ij fieid p)jai£tag xal iXsi]iuoavpt]s xal äixctioavprjg. — 14, 11: XSsxs
ri ikEijfioai'ipi] noiel xal (^ixnioarvtj qvsxki.
b. Aboth2, 7: (Hillel der Alte, um 20 v.Chr.) pflegte zu sagen: Viel Fleisch
viel Maden; viel Schätze viel Sorge; viel Mägde (Sklavinnen) viel Unzucht; viel
Knechte (Sklaven) viel Raub; viel Weiber viel Zauberei; viel Tora(kenntnis) viel
Leben; viel Weisheit viel Schüler; viel Wohltätigkeit "",":: viel Frieden. — Den letzten
Worten liegt Jes 32, 17 zugrunde: „Das Werk (die Wirkung, die Frucht) der Gerechtig-
keit -p-:-j wird Friede sein." Hillel deutet npns = „Almosen, Wohltätigkeit". — Auch
noch in späterer Zeit hat man r^-,n■^ Jes 32, 17 nach dem Vorgang H.s von der Wohl-
tätigkeit verstanden. BB 9*^: R. El?azar (um 270) hat gesagt: Größer ist der, der zu
einer Tat veranlaßt, als der, der sie ausführt; denn es heißt: „Das Veranlassen der
Wohltätigkeit npT.ir: nry'D wird zum Frieden gereichen und die Ausübung der Wohl-
tätigkeit np-:::n mayi zur Ruhe u. Sicherheit auf ewig" Jes 32, 17. — Dabei setzt
R. El^azar voraus, daß Friede ein größeres Gut ist als Ruhe u. Sicherheit. 1| Aboth 5, 18:
Vier Sinnesarten gibt es bei denen, die Almosen geben ^'^"^'4 '.^r/:; (die ganze Stelle
s. S. 347>')- II Aboth 6, 5 f. werden 48 Dinge aufgezählt, durch die Torakenntnis erworben
wird. Unter den Erwerbern wird auch der genannt „der die Almosen liebt" av.is
'^''Pv^r! f"*!.- — Zahlreiche Belege für diese Bedeutung von '^ im Rabbin. im Exkurs: Die
altjüdische Privatwohltätigkeit; ferner s. bei Mt 6, 2; Lk 11, 41 u. Apg 6, 3. || Außer-
halb der rabbinischen Literatur findet sich n-"::, aram. ^p,~i'A, in der Bedeutung „Wohl-
tätigkeit, Mildtätigkeit" bereits in der vorchristl. Zeit. Sir 3, 30: Brennendes Feuer
löscht Wasser aus, ebenso sühnt Wohltätigkeit 'li Sünde. Der griech. Text lautet: xal
iXstj/uoavyr] iSiXceaercci äf^agrlug „die W. wird Sünden sühnen". |j Sir 7, 10: Werde nicht
ungeduldig beim Gebet u. mit der Mildtätigkeit n--::^ verziehe nicht. Der griech.
Text: xal s'k£i]ixoavvi]v noifjaat firj nagidrig „Mildtätigkeit zu üben versäume nicht".';
Sir 16, 14: Wer W. übt np-ts nan-rr, dem wird sein Lohn u. jedem geschieht nach
seinen Werken. Anders der Grieche. || Sir 40, 24: Ein Bruder u. ein Genosse er-
retten zur Zeit der Not, aber mehr als beide errettet W (-)p-::; der Gr.: xal vne^
((fj.(p6xsQ(( ilerjuoavvt] qvetuo. \\ Du 4, 24: Durch Mildtätigkeit "^,7:; entferne deine
Sünden u. deine Vergehungen durch Huld gegen Arme. — LXX: rag a/nagtlag aov
iy i%BrjfA.o(jvi'aig XvTQwaat,.
nagd to) TiaTQi vj.lwv toi iv ovQavoTg, s. hierzu bei Mt 6, 4.
6,2: Wann du also Wohltätigkeit übst, so laß nicht vor dir
her posaunen, wie die Heuchler in den Synagogen u. in den
Gassen tun, damit sie von den Leuten gepriesen werden.
Wahrlich ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin.
1. sksrjjjioavi'rj bedeutet «, das göttliche Erbarmen. So LXX
(überall für npi:i) Dt 6, 25; 24, 13; Ps 24, 5; Jes 1, 27; 28, 17: ferner Sir
17,24;Bar4,22;5,9;Tob3,2; 13,6. || ß, das menschliche Erbarmen,
bezw. die menschliche Barmherzigkeitsübung = Almosen. So LXX Gn
47,29; Ps33, 5; Spr 3, 3; 20,28; 21,21; Dn 4, 24 (Almosen): Sir 3, 14:
Wohltat am Vater sXfi^ixoainrj Tiaigoc, hebr. : ax rp-fs; 3, 28; 7, 10; 12, 3;
17, 17; 29, 8. 12; 34, 11; 40, 17. 24; Tob 1, 16; 2, 14; 4, 10. 11; 12, 8. 9;
14, 10. — Im NT wird eA. nur von der menschlichen Barmherzigkeits-
übung gesagt, bedeutet also Mildtätigkeit oder Almosen. — Im Rabbin.
heißen die Almosen: fi'Q^^i (aram. s^i^i^) oder n;::^, i<n'i:äri (eigentUch
25*
388 Matfch 6, 2 (Nr. l—H)
Gebotserfüllung, dann die Hauptgebotserfüllung: Almosen). Einige Bei-
spiele schon bei Mt 6, 1 S. 387: andre folgen hier u. im Exkurs: „Die
altjüdische Privatwohltätigkeit", ferner bei Lk 11, 41 u. Apg 6, 3.
TioieTv €/.6rji.ioai'ri]v „Mildtätigkeit üben" oder „Almosen geben''
(auch Apg 9, 36; 10,2; 24, 17: ferner Sir 7, 10; Tob 1, 16; 14, 10). Rabbin.
np-i:s i-!\r" oder nrs-Q (nnr) na^-; s. auch hebr. Sir 16, 14 S. 387.
Git 7": Wenn ein Mensch sieht, dafs sein Unterhalt knapp wird, so gebe er davon
A. -p-'j, in»3 riw-y . . . Wer sein Vermögen beschneidet u. davon A. gibt -pi:i -rta r.vis-\,
der wird aus dem Gehinnomgericht errettet. . . . Selbst ein Armer soll A. geben nw
r.p-:i. II LvR34(13l'»): R. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: Die Tora will dich gute Sitte
lehren, daß, wenn ein Mensch ein A. gibt rtv.i'; riw-iy, er es mit einem fr(3hlichen Herzen
gebe -»:'j3 aVa nris n-m' sn'. || LvR34(131 ''): (Ein blinder Mann sprach zu seiner Frau, die
eine geschiedene Frau des R. Jose des Galiläers, um 1 1 0, war :) Warum führst du mich nicht
in die Nachbarschaft des R. Jose des Galiläers? Denn ich habe gehört, daß dieser A. gibt
■jr.ssi -.^zy sin-. — Zus.stellung aller Wendungen für „Almosengeben" s. bei Lk 11,41.
2. f.iv (jaXniGijg 6\a7TQoa&€i' aov, wotcsq ol vvcoxqitoI noiovaiv iv rmg
avyaywyatc . . . Die Kosten der kommunalen Armenpflege wurden durch
eine Steuer bestritten, die von den einzelnen Gemeindegliedern je nach
ihrer Leistungsfähigkeit eingezogen wurde. Zu dieser offiziellen Steuer
kamen freiwillige Spenden hinzu. Letztere wurden meist zuvor in den
Synagogen u. Lehrhäusern, auch wohl gelegentlich der öffentl. Fasten-
gottesdienste, die in der Regel auf offener Straße stattfanden, vor
versammelter Gemeinde bekanntgemacht. Wie nahe lag es da mensch-
licher Eitelkeit, hohe Summen zu geloben, nur daß man den Ruhm
habe, als Wohltäter der Armen gefeiert zu werden ! Auch das kam vor,
daß Almosenspendern, die eine besonders große Gabe opferten, der
Ehrenplatz an der Seite der Rabbinen in den öffentl. Versammlungen
angewiesen wurde, damit so alle Anwesenden zu ihnen in Verehrung
aufblicken möchten. Daß in der Tat persönlicher Ehrgeiz vielfach das
Motiv bei öffentlichem Angelten von Almosenspenden gewesen ist,
kann man aus den häufigen Klagen über diejenigen entnehmen, die
wohl zu geben versprochen hatten, aber hinterher ihr Versprechen nicht
hielten. An dergleichen Heuchler mag Jesus insonderheit bei seiner
Warnung gedacht haben: Laß nicht vor dir herposaunen, wie die
Heuchler in den Synagogen tun! — Belege im Exkurs: „Die altjüdische
Privatwohltätigkeit " Nr. 3. Vgl. noch Sir 34, 11: rdg eXsij/ioavrag avvov
ixSiriyr.asxai sxxXrjffia „seine A. wird die Gemeinde verkündigen".
3. jWox(>«t«/' Heuchler = a'^san, Sing. r;n (auch Schmeichler), aram.
Joma 86'': Man muß die Heuchler öffentlich bekannt^iachen wegen der Entheiligung
des göttlichen Namens (d. h. damit solche Enth. vermieden werde). || Sota 41 b; R.Elfazar
(um 270) hat gesagt: „Jeder Mensch, in welchem Heuchelei ~3i:~ ist, bringt Zorn in
die Welt, vgl.: „Die heuchlerischen Herzens bringen Zorn" Hi 36, 13, u. nicht nur dies,
sondern auch ihr Gebet wird nicht erhört, wie es heißt (daselbst): „Sie flehen nicht,
denn er hat sie gebunden." R.EUazar hat gesagt: Jeden Menschen, in welchem Heuchelei
ist, verwünschen selbst die Embryonen im Mutterleibe; denn es heißt: „Wer zum Gott-
losen sagt: ,Du bist ein Gerechter' (u. damit heuchelt), den verwünschen Völker, ver-
Matfh 6, 2 (Nr. 3) 389
fluchen Nationen" a-ttis- Spr24, 24. Verwünschen ist nichts andres als verfluchen, s.
Nu 23, 8, u. D'»2is^ bedeutet nichts andres als Embryonen, s. Gn 25, 23. Ferner hat
R. Elfazar gesagt: Jeder Mensch, in dem Heuchelei ist, stürzt in den Gehinnom, vgl.
Jes5, 20. 24: „Wehe denen, die das Böse gut u. das Gute böse nennen. . . . Darum
wie des Feuers Zunge Stoppeln verzehrt u. Heu in Flamme zusammensinkt, wird ihre
Wurzel wie Moder sein." Ferner hat R. Elfazar gesagt: Wer seinem Nächsten gegen-
über heuchelt r|-3n":, der fällt schließlich in dessen Hand, u. wenn nicht in dessen
Hand, dann in die Hand seines SohneSj u. wenn nicht in die Hand seines Sohnes,
dann in die Hand seines Enkels, s. Jer 28, 6; 37, 13 f. 1| Sota 42"'': R. Elfazar hat gesagt:
Jede Gemeinde, in der es Heuchelei gibt, wird verschmäht wie eine Menstruierende,
vgl.: „Die Gemeinde des Heuchlers ist Tuas; (unfruchtbar)" Hi 15,34, denn so nennt
man in den Seestädten eine Menstruierende ,m'i>2'':;' (= getrennt von ihrem Mann).
Ferner hat R. Elfazar gesagt: Jede Gemeinde, in der es Heuchelei gibt, zieht schließ-
lich in die Verbannung, vgl. Hi 15, 34 mit Jes 49,21. Rab Jirm'^ja b. Abba (um 250) hat
gesagt: Vier Scharen dürfen das Angesicht der Sch'^khina nicht begrüßen (können
nicht zur Seligkeit eingehn): die Schar der Spötter, s. Hos 7, 5: „Er zieht seine Hand
von den Spöttern ab"; die Schar der Heuchler yfin rr, s. Hi 13,16: „Nicht darf vor
ihm ein Heuchler erscheinen"; die Schar der Lügner, s.Ps 101,7, u. die Schar der
Verleumder, s. Ps 5, 5. \\ DerekhEre9 2 Anfang: In bezug auf die Häretiker, "^•■>2, u.
die Delatoren u. die Gottlosen u. die Heuchler a-ijnr; u. die Freigeister sagt die Schrift:
, Nicht darf vor ihm ein Heuchler erscheinen" Hi 13, IG. i| Midr Qoh 4, 1 : R. Binjamin
(b. Levi, um 325) hat Qoh 4, 1 auf die, welche Torakenntnis heucheln n-.-n 'E'in, aus-
gelegt. Alle Welt ans bs meint, daß ein solcher ein Schriftkundiger sei, u. er ist doch
kein Schriftkundiger; daß er ein Mischnakundiger sei, u. er ist doch kein Mischna-
kundiger; er hüllt sich in seineu Mantel u. hat die Gebetsriemen auf seinem Kopf — •
u. siehe, die Träne der Unterdrückten" (Qoh 4,1, d.h. der durch ihn Betrogenen) „u.
kein Tröster ist für sie da" (das.); da spricht Gott: Mir liegt es ob, sie zu bestrafen,
vgl.: „Verflucht, wer das Werk Jahves mit Betrug treibt" Jer 48, 10 (so der Midr).
Ähnlich R. Binjamin zu Qoh 5, 5 im Midr Qoh 5, 5. || ??-, r]-;-- ~ schmeicheln zB Sota 41 '^
Bar im Namen des R. Nathan (um 160): In jener Stunde machten sich die Hasser
Israels (d. h. die gottlosen Israeliten) der Vernichtung schuldig, weil sie dem Agrippa
schmeichelten 't'zr.r^. (Als der König A. I. am Laubhüttenfest des Jahres 41 n.Chr.
das Königsgesetz im Tempel vorlas u. an die Worte kam: „Du sollst keinen Ausländer,
der nicht dein Bruder ist, über dich setzen" Dt 17, 15, brach er in Tränen aus; das
Volk aber rief il-im zu: Sei unbesorgt, A., du bist unser Bruder, du bist unser Bruder!
Sota 7, 8. In diesem Zuruf des Volkes sieht R. N. die gerügte Schmeichelei.) R. Schimfon
b- Chalaphta (um 190) hat gesagt: Seitdem die Faust der Schmeichelei nsijn mächtig
geworden ist, sind die Rechtsurteile verdreht u. die (verdienstlichen) Taten verderbt
worden, so daß niemand mehr zum andren sagen kann: Meine Taten sind größer als
deine Taten. R. J^huda der Abendländer (oder „der Sohn des Mafr^ba"?) oder wie
auch gesagt worden ist, R. Schimfon b. Pazzi (um 280) hat gesagt: Es ist erlaubt, den
Gottlosen in dieser Welt zu schmeicheln rj-rnn's, vgl.: „Nicht mehr wird man den Toren
einen Edlen nennen noch den Ränkevollen einen Hochherzigen heißen" Jes 32, 5; darin
(in dem Futurum) liegt, daß es in dieser Welt erlaubt ist. R. Schimfon b. Laqisch
(um 250) hat gesagt: Von hier aus (läßt sich der Beweis führen, daß man dem Gott-
losen in dieser Welt schmeicheln darf): „Jakob sprach: . . . Ich habe dein Angesicht
zu sehn bekommen, wie man Gottes Angesicht sieht, u. du bist mir gnädig gewesen"
Gn 33, 10. R. Levi (um 300) dagegen hat gesagt: Womit läßt sich die bildliche Rede-
weise Jakobs u. Esaus vergleichen? Mit einem Menschen, der einen andren eingeladen
hatte; dieser aber hatte erfahren, daß ihn jener töten wolle. Der Geladene sagte zu
ihm: Der Geschmack dieser Speise, die ich koste, gleicht der Speise, die ich im Hause
des Königs gekostet habe. Da sprach jener (bei sich) : „Den kennt der König!", fürchtete
sich u. tötete ihn nicht. (Jakobs Wort an Esau war also keine Schmeichelei, sondern
ein Kunstgriff', eine drohende Gefahr rechtzeitig zu beschwören.)
390 Matth 6, 2 (Nr. 4)
4. cmäxovaiv tot /tiiaS^ov avTwv. — Über Verdienstlichkeit u. Lohn der
Wohltätigkeit s. Exkurs: Die altjüdische Privatwohltätigkeit Nr. 4. —
Zu .äTTs'xsiy Tov ßiad^or^ sind zu vergleichen:
* GnR44(27b): „Fürchte dich nicht Abram" usw. Gnl5, 1. Unsre Lehrer (gemeint
die Zeitgenossen des R. Levi, um 300) haben Eine Erklärung dazu gegeben: Weil unser
Vater Abraham sich fürchtete u. sprach: Ich bin in den Feuerofen (nämlich Nimrods)
hinabgestiegen u. ich bin errettet worden, ich bin in den Krieg gegen die vier Könige
gezogen u. ich bin errettet worden; vielleicht habe ich (mit diesen Errettungen) meinen
Lohn empfangen in dieser Welt, so daß ich nichts mehr zu erwarten habe in der Zu-
kunft (in der zukünftigen Welt) — sprach Gott zu ihm: „Fürchte dich nicht, ich bin
Schild dir" ; alles was ich an dir in dieser Welt getan habe, das habe ich umsonst
(obenein, ohne Anrechnung auf deinen Lohn, i;i3 Schild wird gedeutet = ";^ umsonst)
au dir getan; dagegen ist dein Lohn dir bereitgestellt in der Zukunft. — Ähnlich läfst
Tanch -' ih 18'^ R. Levi den Abraham sagen: Wie es scheint, habe ich meinen ganzen
Lohn in dieser Welt empfangen . . ., so daß ich keinen Lohn mehr in der zuk. Welt
haben werde. || NuR 10 (158"): „Gebt den Rauschtrank dem, der zum Untergang be-
stimmt ist" Spr31,6. R. Chanan (um 300) hat gesagt: Der Wein ist in dieser Welt
nur geschafifen worden, um (damit) den Gottlosen den Lohn auszuzahlen in dieser
Welt, denn sie gehen in der zukünftigen Welt unter. — In den Parallelen SanhTO'*
u. ?Er65* fehlen die Worte „in dieser Welt" hinter „auszuzahlen". || sArakh 16*^ Bar
aus der Schule des R. Jischmafel (f um 135): Jeder, dem 40 Tage ohne Leiden (Züch-
tigungen) vorübergegangen sind, hat seine Welt empfangen (den Lohn dahin, so daß
er in der zuk. Welt auf nichts mehr zu rechnen hat). || Sanh 101 ^: Rabbah bar bar Ghana
(um 280) hat gesagt: Als R. Eli?ezer (um 90) erkrankt war, gingen seine Schüler zu
ihm, um ihn zu besuchen. Er sprach zu ihnen: Ein heftiger Zorn ist in der Welt.
Jene fingen an zu weinen, R. ?Aqiba (f um 135) aber lachte. Sie sprachen zu ihm:
Warum lachst du? Er antwortete: Weshalb weint ihr? Sie sprachen: Kann das Buch
der Tora^ in Schmerzen weilen, u. wir sollten nicht weinen? Er antwortete: Eben-
deshalb lache ich; denn solange ich meinen Lehrer sah, wie ihm sein Wein nicht
sauer u. sein Flachs nicht zerschlagen u. sein Öl nicht stinkend u. sein Honig nicht
gärend ward, dachte ich, ob etwa, was Gott verhüten wolle, mein Lehrer seine Welt
(bereits) empfangen hat? Jetzt, da ich meinen Lehrer in Schmerzen sehe, freue ich
mich (da ich daraus erkenne, daß er seinen Lohn noch nicht dahin hat). Vgl. Hör 10'':
Rah Nachman b. Cliisda (um 300) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt: „Es ist ein
Eitles, das auf der Erde geschieht, daß es Gerechte gibt, denen es ergeht nach detfi
Tun der Gottlosen, u. daß es Gottlose gibt, denen es ergeht nach dem Tun der Ge-
rechten" Qoh8, 14? Heil den Gerechten, wenn es ihnen in dieser Welt ergeht nach
dem Ergehn der Gottlosen in der zuk. Welt! Wehe den Gottlosen, wenn es ihnen in
dieser Welt ergeht nach dem Ergehn der Gerechten in der zuk. Welt! Raba (t 352)
sprach: So wäre es also für die Gerechten etwas Hassenswertes, wenn sie zwei Welten
genießen? Vielmehr, hat Raba gesagt, Heil den Gerechten, wenn es ihnen in dieser
Welt ergeht nach dem Ergehn der Gottlosen in dieser Welt! Wehe den Gottlosen,
wenn es ihnen in dieser Welt ergeht nach dem Ergehn der Gerechten in dieser Welt! |!
R. ?Aqiba (tum 135) hat diese Formel aufgestellt: Gott nimmt es genau mit beiden.
Er nimmt es genau mit den Gerechten u. treibt die Strafe von ihnen für die wenigen
bösen Werke, die sie getan haben, in dieser Welt bei, um ihnen ihren guten Lohn in
der Zukunft (in der zuk. Welt) zu geben. Ebenso gibt er reichlich Gutes u. Wohlfahrt
den Gottlosen in dieser Welt u. vergilt ihnen so die wenigen guten Werke, die sie
getan haben, in dieser Welt, um von ihnen (nur) Strafe beizutreibeu in der Zukunft
P^siq 73a. _ Dasselbe GnR 33 (19''); LvR 27 (125«); Tanch -'os 173^ R. Jochanan
(t 279) als Autor in P^'siq 161''; R. Sch^-muel b. Nachman (um 260) in Midr Ps 103
^ -Buch der Tora" heißt R. Eli?ezer wegen seiner Torakenntnis.
Matth 6, 2 (Nr. 4). 6,3 391
§11 (218''); der gleiche Gedanke- anonym Tafan 11*. i| Midr Qoh9, 7: AbbaTachna, der
Fromme (wann?) ging am Rüsttag auf den Sabbat, als es dunkel wurde, nach seiner
Stadt, u. sein Bündel lag auf seiner Schultei-. Da traf er einen Aussätzigen, der an
einem Scheideweg lag. Dieser sprach zu ihm: Rabbi, tu an mir ein Werk der Barm-
herzigkeit u. bringe mich nach der Stadt! Er sprach (bei sich): Wenn ich mein Bündel
liegen lasse, woher soll ich u. mein Haus den Unterhalt (am Sabbat) nehmen? Und
wenn ich den Aussätzigen liegen lasse, verschulde ich mich an meiner Seele. Was
tat er? Er ließ seinen guten Trieb über den bösen herrschen u. brachte den Aus-
sätzigen nach der Stadt; dann kam er, nahm sein Bündel u. kam mit dem Dunkel-
werden an. Es verwunderten sich aber alle u. sprachen: Ist das AbbaTachna, der
Fromme? Auch er dachte in seinem Herzen nach: Ob ich etwa den Sabbat entheiligt
habe (durch das Tragen des Bündels beim Eintritt der Dunkelheit)? In jener Stunde
ließ Gott die Sonne aufstrahlen, vgl.: ,Und aufgehen wird euch, die ihr meinen Namen
fürchtet, die Sonne der Gerechtigkeit" Mal S, 20. In jener Stunde dachte er in seinem
Herzen nach: Ob nicht mein Lohn empfangen ist? Da ging eine Himmelsstimme (Bath-
Qol) aus, die zu ihm sprach: „Geh, iß mit Freude dein Brot u. trinke mit frohem
Herzen deinen Wein; denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Werk!" Qoh 9, 7.
0,3 f.: Es wisse deine Linke nicht, was deine Rechte
tut, auf daß deine Wohltätigkeit im verborgenen sei.
Chagö*: , Jegliches Tun wird Gott ins Gericht bringen über alles Verborgene, es
sei gut oder böse" Qoh 12, 14. Was heißt: „Es sei gut oder böse"? In der Schule des
R. Jannai (um 225) hat man gesagt: Damit ist derjenige gemeint, der einem Armen
öffentlich ein Almosen gibt. Als einst R. Jannai einen Mann sah, der einem Armen
öffentlich einen Zuz gab, sprach er zu ihm: Es wäre besser gewesen, du hättest ihm
nichts gegeben, als daß du ihm jetzt gabst u. ihn beschämtest. Parallelstelle: Midr
Qoh 12, 14. II BB 9'^: R. El?azar (um 270) hat gesagt: Wer Almosen im verborgenen
gibt, ist größer als unser Lehrer Mose; denn von unsrem Lehrer Mose steht geschrieben:
,Mir graute vor dem Zorne u. dem Grimme" Dt 9, 19, u. von dem, der Almosen gibt,
heißt es: „Eine Gabe im verborgenen beschwichtigt den Zorn" Spr21, 14. || MQ 16":
Rabbi hatte einmal verordnet, daß man die Schüler nicht auf der Straße unterrichte.
Welche Schriftstelle legte er dahin aus? „Die Wölbungen deiner Hüften sind wie
Kleinodien" HL 7, 2. Wie die Hüfte im verborgenen ist, so sollen auch die Worte der
Tora im verborgenen sein. (Hier folgt ein Bericht, daß R. Chijja, um 200, an diese Ver-
ordnung sich nicht kehrte u. auf 30 Tage in den Bann getan wurde. Zum Schluß wird
die Frage aufgeworfen, wie R. Chijja HL 7, 2 verstanden habe; die Antwort lautet:)
Er verstand sie von den Almosen u. Liebeswerken (nämlich, daß diese im verborgenen
geschehen sollen, wie die Hüfte verborgen gehalten wird). || pSch*^q 5, 49 '\ 2: 11. Chanina
b. Papa (um 300) pflegte Almosen des Nachts zu verteilen. Einmal begegnete ihm der
Herr der Geister (der Dämonen) u. sprach zu ihm: Hat uns nicht der Meister (ent-
weder Gott oder R. Chanina b. P.) gelehrt: „Verrücke die Grenze deines Nächsten
nicht" Dt 19, 14? (Der Tag gehört den Werken des Menschen, nicht die Nacht.) Er
antwortete: Steht nicht so geschrieben: „Eine Gabe im verborgenen bescTiwichtigt den
Zorn" Spr21,14? Da bekam er Furcht vor ihm u. floh von ihm. — R. Jona (um 350)
hat gesagt: Es heißt Ps 41,2 nicht: „Wohl dem, der dem Armen gibt", sondern: „Wohl
dem, der mit dem Armen weislich handelt." Damit ist der gemeint, der bei den Al-
mosen weislich überlegt, wie er sie geben soll. Wie verfuhr R.Jona dabei? Wenn er
einen Menschen aus guter Familie sah, der in seinem Vermögen heruntergekommen
war, pflegte er zu ihm zu sagen: Mein Sohn, weil ich gehört habe, daß dir an einem
andren Ort eine Erbschaft zugefallen ist, so nimm dies an, bis du es zurückzahlen
kannst. Hatte dieser es angenommen, dann sagte er zu ihm: Ein Geschenk soll es
sein! (Diese Worte fehlen irq Text u. sind aus den Parallelen ergänzt.) Parallelstellen:
pPea 8,21^^23; in LvR 34 (1,30 '') nur die Erzählung über R.Jona. || Sota4'': R.Jochanan
(t 279) hat gesagt: Selbst wenn einer Almosen im verborgenen gegeben hat, wie es
392 Matth'6, 3. 4 (31 1)
heißt: „Eine Gabe im verborgenen beschwichtigt den Zorn" Spr21,14, wird er doch
nicht von dem Gericht des Gehinnoms straflos ausgehn (nämlich wenn er einer ver-
heirateten Frau beigewohnt hat). II Sukka49'^: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Was
bedeutet: , Angesagt hat er dir, o Mensch, was gut sei u. was Jahve von dir ver-
lange: vielmehr Recht üben u. sich der Liebe befleifsigen u. still (so der Midr) wandeln
mit deinem Gott" Micha 6, 8? „Recht üben", damit ist die Rechtsprechung gemeint;
„sich der Liebe befleißigen", bezieht sich auf die Liebeswerke; „still wandeln mit
deinem Gott", bezieht sich auf das Hinausgeleiten eines Toten u. das Hineinführen
einer Braut unter den Traubaldachin (einschließlich Besorgung der Aussteuer), ist da
nicht der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere berechtigt? Wenn bei Dingen,
die man öffentlich zu tun pflegt, die Tora sagt: „Still wandeln", um wieviel mehr gilt
dies dann bei Dingen, die man im verborgenen zu tun pflegt (wie zB beim Geben von
Almosen)! || BB 10^: Welches Almosen errettet vom ungewöhnlichen Tode? Dasjenige,
welches man gibt, ohne zu wissen, wem man es gibt; das man empfängt, ohne zu
wissen, von wem man es empfängt.^ Ersteres schließt die Art u. Weise des Mar fUqba
(L, um 220, IL, um 270) aus. Letzteres schließt die Art u. AVeise des R. Abba (um 290)
aus.2 Wie soll man es nun machen? Man lege in die Almosenbüchse. || Schab 10^ u.
Be^a 16*: R. Ghama b. Chanina (um 260) hat gesagt: Wer seinem Nächsten eine Gabe
gibt, braucht ee ihn nicht wissen zu lassen, denn es heißt: „Mose wußte nicht, daß die
Haut seines Angesichts glänzend geworden war, da er mit ihm redete" Ex 34, 29. —
Ferner s. K^h 66** bei Joh 3, 1 Nr. 1, d.
6, 4: Dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten.
5( Dein Vater, 6 naviiQ aov.
1. In den Pseudepigraphen u. Apokryphen'^ wird von Gott als dem
„Vater" Israels a n. der einzelnen Israeliten b verhältnismäßig selten
geredet; am häufigsten noch findet sich der Vatername Gottes in An-
reden an Gott.c „Vater" als eigenthche Gottesbezeichnung, so da&
dadurch der Gottesname umschrieben u. ersetzt wird, wie in Mt 6, 4
u. sonst im NT, in den Pseudepigraphen wohl nur Einmal, d
a. Jubil 1 , 24 f. : Ihre (der Israeliten) Seele wird mir folgen u. meinem ganzen Ge-
bote, u. sie werden nach meinem Gebote tun, u. ich werde ihnen Vater sein u. sie
werden mir Kinder sein. Und sie alle sollen Kinder des lebendigen Gottes heißen,
u. alle Engel u. alle Geister werden wissen u. werden sie kennen, daß sie meine Kinder
sind u. ich ihr Vater bin in Festigkeit u. Gerechtigkeit, u. daß ich sie liebe. || Das, 1, 28:
Gott wird dem Auge eines jeden erscheinen, u. ein jeder wird erkennen, daß ich der
Gott Israels bin u. der Vater aller Kinder Jakobs u. der König auf dem Berge Zion
in alle Ewigkeit. || 3 Makk 5,7: (Die Juden) liefen insgesamt mit ununterbrochenem
Geschrei unter Tränen den allmächtigen Herrn u. Gewalthaber über alle Macht, ihren
barmherzigen Gott u. Vater an; vgl. auch 7, 6. il Tob 13, 4: Verkündet seine Herrlichkeit,
erhebt ihn vo^ allem Lebenden, weil er unser Herr ist u. Gott, unser Vater in alle
Ewigkeit. || Sap 11, 10: Jene (die Israeliten) prüftest du, wie ein Vater ermahnend.
b. Jubil 19, 29: (Abraham segnete Jakob:) Gott der Herr sei dir ein Vater, u.
auch du sei ihm ein erstgeborener Sohn. || Sap 2, 16: (Die Gottlosen sagen von dem
Frommen:) Als unecht gelten wir ihm, u. er hält sich fern vom Verkehr mit uns wie
von Verunreinigungen. Er preist aber glücklich das Endlos der Gerechten u. nennt
prahlerisch Gott seinen Vater. H Sir 51, 10: Ich will .Jahve erheben: mein Vater bist
du. (So nach dem hebr. Text.)
' Die ganze Stelle s. im Exkurs: „Die altjüd. Privatwohltätigkeit" Nr. 4, m.
- Hierzu s. K>thti7'J im eben genannten Exkurs Nr. 3.
" Vgl. hierzu u. zum Folgenden Dalman, Worte Jesu, 1, 150flf.
Matth6,4(5l 1. 2) 393
C. Sir 23, 1 : 0 Herr, mein Vater u. Gebieter meines Lebens, . . . lals nicht zu,
daß ich durch sie (die Zunge) zu Falle komme. || 23, 4: 0 Herr, mein Vater u. Gott
meines Lebens, überlals mich nicht dem Anschlage, den sie (die Gegner) gegen mich
planen! (51, 1 aber lautet nach dem hebr. Text: ich will danken dem Gott meines
Vaters.) || Sap 14, 3: Deine Fürsorge aber, 0 Vater, steuert es (das Schiff), weil du auch
im Meer einen Weg u. auch in den Wogen einen sichern Pfad gegeben hast. |i 3 Makk
ri, 0: Sieh auf den Samen Abrahams, auf die Kinder des dir geheiligten Jakob, das
Volk, das dein geheiligtes Erbteil ist u. nun fremd in fremdem Land ungerechter-
weise zugrunde geht, 0 Vater! | 6, 8: Jonas, der im Bauche des von der Meerestiefe
genährten Seeungeheuers rettungslos dahinschwand, hast du, o Vater, allen den Seinigen
unversehrt wiedergezeigt.
d. Test Jud 24: Darauf wird euch aufgehn ein Stern aus Jakob in Frieden. . . .
Und es werden sich über ihn die Himmel öffnen, auszugießen den Segen des Geistes
vom heiligen Vater. — Nach der armenischen Übersetzung: Hierauf wird der Stern
des Friedens aufgehn u. unter den Menschen ruhig wandeln; u. die Himmel werden
sich auftun u. die Segnungen des heiligen Vaters herabströmen.
2. In der rabbin. Literatur liegt die Sache ähnlich, nur daß seit
dem Ende des 1. nachchristl. Jahrh. der Vatername häufiger als Gottes-
bezeichhung verwendet wird u. zwar regelmäßig mit dem Zusatz: „Der
im Himmel ist." Der Zusatz beugt Mißverständnissen vor; nur in Ge-
betsanreden fehlt er fast ganz, weil hier eine Verwechslung des himm-
lischen Vaters mit einem irdischen Vater auf selten des Hörers so gut
wie ausgeschlossen war; vgl. S. 394 Anm. 2.
a. „Vater" als ein Gottesprädikat.
Targ.Onk Dt 32, 6 : Ist er nicht dein Vater u. bist du nicht sein'? Er hat dich gemacht
u. bereitet. || Targ Jeruschl Dt32, 6: Ist er nicht euer Vater, der euch erworben hat? Er
hat euch geschaffen u. vollendet. — Vgl. Dt 28, 32. || Tanch d-üs-x;?; 97'^ : Gott sprach : , Wie
mußte ich dich durch die Söhne (von mir) trennen (-n'^js)! u. ich hatte doch gesagt: ,Mein
Vater' solltet ihr mich nennen" (Jer3, 19, so der Midr)! R. Elfazar b.P''dath (um 270) hat
gesagt: Das Wort -[p-'i/S bedeutet „Trennung" (nach TanchB Beweisstelle: Gn 30, 40).
Gott sprach: Ich u. ihr — so war es in meinen Gedanken aufgestiegen — wollten in der
Welt sein, ich als Vater u. ihr als Kinder; wie aber habt ihr es bewirkt, zwischen
mich u. euch die andren Völker (= a"j32 Jer 3, 19) zu bringen! — Parallelstelle
TanchB u-czx^. § 10 m^). \\ ExPt 32 (93''): R. Ji9chaq (um 300) eröffnete seinen Vor-
trag mit: „Wie will ich dich an Kindes Statt setzen!" usw.' Jer 3, 19. Alle Wunder
und Großtaten, die ich euch getan habe, habe ich nicht getan, daß ihr mir Lohn dafür
geben, sondern daß ihr mich wie Kinder ehren solltet u. mich euren Vater nennen. . . . !|
ExR 46 (101''): „Und nun, Jahve, bist du unser Vater" Jes 64, 7. Gott sprach zu
Israel: Jetzt bin ich euer Vater; wo ihr euch in Not seht, nennt ihr mich „unser
Vater". — Ähnlich daselbst 101 ^ u. lOU' mehrfach. || ExR46(10F): (Gott sprach:)
Obgleich alle das Werk meiner Hände sind, so will ich mich als Vater u. Bildner nur
dem erweisen, der meinen Willen tut, s. Jes 43, 7. || ExR 46 (101 '^): „Und nun, Jahve,
du bist unser Vater" Jes 64, 7. Gott sprach zu ihnen: Ihr verlaßt eure Väter, Abraham,
Isaak u. Jakob, u. nennt mich Vater? Sie antworteten: Dich haben wir als Vater
kennengelernt. Gleich einer Waise, die bei ihrem Vormund erzogen wurde. Dieser
war ein guter u. treuer Mensch; er zog sie groß u. hütete sie, wie es sich gehörte.
Als er sie verheiraten wollte, kam ein (Dokumenten-)Schreiber, um die Eheverschrei-
bung aufzusetzen. Dieser fragte sie: Wie ist dein Name? Sie sagte: So u. so. Er
fragte: Wie ist der Name deines Vaters? Da fing sie an zu schweigen. Der Vormund
sprach zu ihr: Warum schweigst du? Sie antwortete: Weil ich nur dich als Vater
kenne; denn der Erzieher heißt Vater, nicht der Erzeuger. Eine solche Waise sind
die Israeliten, s. KL 5, 3: „Wir sind Waisen geworden." Ihr guter u. treuer Vormund
394 Matth 6, 4 (3i 2)
ist Gott. So fingen die Israeliten an zu ihm , unser Vater" zu sagen, s. Jes 64, T.-
Gott sprach zu ihnen: Eure Väter verlaßt ihr u. mich nennt ihr , unser Vater"? . . .
Sie antworteten: Herr der Welt, der Erzieher ist ein Vater u. nicht der Erzeuger,
s. Jes 63, 16.^ II Der Propheten-Targ verrät eine sichtliche Scheu, den Vaternamen mit
Gott in Verbindung zu bringen: entweder umschreibt er den Ausdruck „Vater" oder
er verwendet ihn als Bild zu einem Vergleich. So Jes 63, 16: Du bist es, dessen
Erbarmen über uns groß ist, wie das eines Vaters über Kinder. — Ebenso am Schluß
des Verses u. Jes 64, 7. Die Paraphrase von Jer 'S, 4 lautet: Werdet ihr nicht von
jetzt an vor mir beten: Mein Herr bist du, mein Erlöser von Ewigkeit? — Die gleiche
Umschreibung mit *r-"^ auch Jer 3, 19. — Jer 31, 9: Denn mein Wort ist Israel wie
ein Vater geworden. Ebenso Mal 1,6: Wenn ich wie ein Vater bin, wo ehrt ihr mich?
Midr HL 2, 16 (102 b): „Mein Lieber ist mein, u. ich bin sein" HL 2, 16. Er ist
mein Vater u. ich bin sein Kind. Er ist mein Vater, s. Jes 63, 16: „Denn du bist unser
Vater", denn du bist für Israel zum Vater geworden. Und ich bin sein Kind, s. Ex 4, 22:
„Mein erstgeborener Sohn ist Israel", Kinder seid ihr Jahven. j| NuR 17 Anfang: Wie
vielerlei hat ein Vater an seinem Sohn zu tun? Unsere Lehrer haben gelehrt s. TQid
1, 11 (386): Fünferlei muß ein Vater seinem Sohne tun. Der Vater ist Gott, der Sohn
ist Israel. (Dann folgt die Ausführung: ein Vater muß seinen Sohn beschneiden, aus-
lösen, Tora lehren, ihm ein Weib nehmen u. ihn unterhalten. Das hat Gott auch
Israel gegenüber getan, s. Jos 5, 2; 2 Sm 7, 23; Dt 11, 19 u. Jes 48, 17; Gn 1, 28;
Ez 16, 9 u. 16, 19; Nu 21, 18 u. Jer 3, 19.)
b. Der Vatername als Anrede an Gott.
Sch'^mone fEsre (paläst. Rezension) Bitte 4: Verleihe uns, unser Vater, Erkenntnis
von dir aus u. Einsicht u. Verstand aus deiner Tora. — Bitte 6 : Verzeihe uns, unser
Vater, denn wir haben gesündigt gegen dich; nimm weg u. beseitige unsre Verfehlungen
aus deinen Augen; denn dein Erbarmen ist groß. — (Babylon. Rezension) Bitte 5:
Führe uns zurück, unser Vater, zu deiner Tora, laß uns nahen, unser König, zu deinem
Dienst, laß uns umkehren in vollkommener Buße vor dir. — Bitte 6 : Verzeihe uns,
unser Vater; denn wir haben gesündigt; vergib uns, unser König; denn wir haben ge-
fehlt; denn ein gütiger u. vergebender Gott bist du. || Tasan 25 '^: Einmal trat R. Elifezer
(um 90, an einem Fasttag) vor die Lade u. sprach 24 Lobsprüche, aber er fand keine
Erhörung. Nach ihm trat R. ?Aqiba (f um 13.5) vor u. sprach: Unser Vater, unser
König, wir haben keinen König außer dir; unser Vater, unser König, um deinetwillen
erbarme dich über uns! Sofort fiel Regen nieder. Als unsre Lehrer unwillig wurden
{wegen der Kränkung, die für R. El. in der Erhörung f A.s lag) ging eine ßath-Qol
{Himmelsstimme) aus, welche sprach: Nicht weil dieser größer ist als jener (ist fA.
erhört worden), sondern weil dieser nachgiebig ist u. jener nicht. || Seder ElijR 28 {149):
Einmal war R. (^adoq (um 70) in das (zerstörte) Heiligtum eingetreten. Er sprach:
Mein Vater, der du bist im Himmel,^ du hast deine Stadt zerstört u. deinen Tempel
verbrannt, u. bleibst sorglos u. ruhig! Alsbald schlief R. (^adoq ein. Da sah er, wie
Gott in Trauer dastand, u. die Engel des Dienstes trauerten hinter ihm. Er sprach :
Hab Vertrauen Jerusalem!
c. Der Vatername als Bezeichnung Gottes, als Ersatz für das Wort
„Gott".
Sota 9, 15: R. Elifezer, der Ältere (um 90) sagte: Seit dem Tage, da das Heilig-
tum zerstört ward, begannen die Gelehrten zu sein wie die Kinderlehrer, die K. wie
ein Synagogendiener, ein S. wie das gesetzesunkundige Volk, u. dieses geht hin u. ver-
kommt u. niemand fragt danach. Auf wen sollen wir uns stützen? Auf unsren Vater,
der im Himmel ist. || Midr Abba Gorjon (ed. Buber) 1 (1^): Abba Gorjon aus Sidon
^ Woher ist das Zitat bei Dalman. Worte Jesu 1, 156 aus Targ Jerusch II Ex 15, 2:
Dieser ist unser Vater "ir^s sin i-'-i?
* Dieser Zusatz in einer Anrede an Gott ist selten. Zwei Beispiele s. bei Mt
6, 9 S3 Anfang.
Matth 6, 4 (?l 2) 395
(um 180?) hat fünferlei gesagt (nach Midr Esther im Namen Gamliels II., um 90):
Seitdem die Lügenrichter sich mehrten, mehrten sich die falschen Zeugen. Seitdem
die Delatoren s^'^'iis^" sich mehrten, mehrte sich das Vermögen der räuberischen
Männer. Seitdem die frechen Personen sich mehrten, wurde die Ehre (Würde) der
Menschenkinder hinweggenommen. Seitdem der Geringe zum Großen sagt: „Ich bin
größer als du", werden die Jahre (die Lebensdauer) der Menschen verkürzt. Seitdem
die geliebten Kinder (= Israel) ihren Vater im Himmel erzürnten, setzte er einen gott-
losen König über sie. Und wer war das? Achaschverosch (Anspielung auf Domitian?)
In der Parallelstelle Midr Esth 1, 1 fehlt der vorletzte Ausspruch. || SLv 20, 26:
R. Elfazar b. ?Azarja (um 100) hat gesagt: Woher, daß man nicht sagen soll: „Ich
mag kein Schweinefleisch essen, ich mag keiner verbotenen Frau beiwohnen"; sondern:
,Ich möchte es wohl; aber was soll ich tun, da es mein Vater, der im Himmel ist,
also über mich beschlossen hat"? Die Schrift sagt lehrend: ,Ich habe euch von den
Völkern abgesondert, daß ihr mir gehöret' Lv 20, 26. 1| Joma 8, 9: R. f Aqiba (f um 135)
hat gesagt: Heil euch, Israeliten, vor wem reinigt ihr euch, wer reinigt euch? Euer
Vater, der im Himmel ist, s. Ez 36, 25: „Ich will über euch reines Wasser sprengen,
daß ihr rein werdet"; ferner heißt es (Jer 17, 13): „Ein Bad für Israel ist Jahve"
(der Midr liest nip»; statt "ipa). Wie das Bad die Unreinen reinigt, so reinigt Gott
Israel. || TSchab 13, 5 (129), ein Ausspruch des R. Jischmafel, f um 135, über die
Christen, die Streit u. Zank zwischen den Israeliten u. deren Vater im Himmel er-
regen, s. 8.367/. II SDt 11, 22 §48 (84'^): „Mein Sohn, wenn dein Herz weise wird,
dann wird mein Herz sich freuen, auch ich" Spr 23, 15 (so der Midr). R. Schimfon
b. Jochai (um 150) sagte: Da höre ich nur über seinen Vater auf Erden; woher auch
über seinen V., der im Himmel ist? Die Schrift sagt lehrend: „Auch ich", um seinen
V., der im Himmel ist, miteinzuschließen. || Aboth 5, 20: J'^huda b. Tema (Tannait
ungewisser Zeit) sagte: Sei kühn wie ein Leopard, leicht wie ein Adler, schnell wie
ein Hirsch u. stark wie ein Löwe, den Willen deines Vaters, der im Himmel ist, zu
tun. — Als Bar P'-s 112=». || M%h Es 20, 6 (75''): R. Nathan (um 160) sagte: „Die
mich lieben u. meine Gebote halten" (Ex 20, 6), das sind die Israeliten, die im Lande
Israel wohnen u. ihr Leben der Gebote wegen hingeben. Warum wirsL du hinaus-
geführt, um getötet zu werden? Weil ich Söhne Israels beschnitten habe. Warum
wirst du hinausgeführt, um verbrannt zu werden? Weil ich in der Tora gelesen habe.
Warum wirst du hinausgeführt, um gekreuzigt zu werden? Weil ich ungesäuertes
Brot gegessen habe. Warum wirst du mit der Geißel geschlagen? Weil ich den
Feststrauß (am Laubhüttenfest) getragen habe; vgl.: „So bin ich geschlagen worden
im Hause derer, die mich geliebt geinacht" Sach 13, 6 (so der Midr). Jene Wunden
haben es mir bewirkt, daß ich von meinem Vater, der im Himmel ist, geliebt werde. —
Die Stelle bezieht sich auf die Verfolgungsedikte Hadrians. In den Parallelstellen
LvR32 (129^); Midr Ps 12 § 5 (54'') R. N'chemja (um 150) als Autor. I| RH 3, 8:
„Sooft Mose seine Hand erhob, war Israel stark" Ex 17, 11. Haben denn Moses
Hände den Kampf geführt oder entschieden? Vielmehr um dir zu sagen: Solange
die Israeliten nach oben blickten u. ihr Herz ihrem Vater, der im Himmel ist, unter-
warfen, erwiesen sie sich stark; wenn aber nicht, so fielen sie. Ebenso heißt es:
„Mache dir eine Brandschlange u. setze sie auf eine Stange; dann soll jeder, welcher
gebissen ist u. sie sieht, leben" Nu 21, 8. Wie, hat denn die Schlange getötet oder
lebendig gemacht? Vielmehr sooft die Israeliten nach oben blickten u. ihr Herz
ihrem V., der im H. ist, unterwarfen, wurden sie geheilt; wenn aber nicht, so schwanden
sie hin. || Qaddisch des Gottesdienstes: Es möge euer Gebet angenommen u. euer
Wunsch samt dem Wunsch des gesamten Hauses Israel erfüllt werden vor unsrem
V., der im H. ist. jj Targ Jerusch I Lv 22, 28: (Mose sprach:) Mein Volk, ihr Kinder
Israel, wie unser Vater -j-ias barmherzig ist im Himmel, so sollt ihr barmherzig auf
Erden sein. (Nach der Paraphrase von Vers 27 ein Ausspruch nicht Gottes, sondern
Moses.) 11 Sota 9, 15: R. Pin^chas b. Jair (um 200) sagte: Seitdem der Tempel zerstört
ist, sind die Gelehrten u. freien Männer beschämt, sie verhüllen ihr Haupt, u. die
396 Matth 6, 4 (51 2. SB. 6). 6, 5 (31)
Männer der Tat (d. h. der werktätigen Liebe) verkommen; die Leute der Faust aber
u. der Zunge sind mächtig, u. es ist keiner da, der danach forscht u. sich darum
kümmert u. danach fragt. Auf wen sollen wir uns .stützen? Auf unsren Vater im
Himmel. \\ Targ Jerusch I Ex 1, 19: Sie bitten um Erbarmen vor ihrem Vater im
Himmel. — Ähnlich Targ Jerusch II. |1 Targ Jerusch II Nu 21, 9: Er erhob seine
Augen im Gebet zu seinem V. im H. || ExR 21 (83''): Sie erhoben ihre Augen zu ihrem
V. im H. II Targ Esth 5, 14: Sie vertrauten auf ihren V. im H. || Das. 6, 1: Das Ge-
denken an Abraham, Isaak u. Jakob trat vor ihren V, im H. i| Kil 9, 8: R. Schimfon
b. Elfazar (um 190) hat gesagt: (Wer Kleider aus Mischgewebe trägt,) weicht (von
Gott) ab u. macht seinen V. im H. von sich abweichen. — Weitere Beispiele : B'^rakh 32'* ;
pMa?as 4, 50«, 11; bB^-rakh 35'>.
6, 4 $8: 0 ß^sTioov iv ti7i xqvutm.
GnR 85 (54'^'): „J^'lmda sah genau hin u. sagte: Sie (Thamar) ist gerecht ^:'2^''
Gn 38, 26. Was heißt ■'«'a V R. Jirm^ja (um 320) hat im Namen des R. Jicchaq (um 300)
gesagt: Gott sprach: Ihr möget bezeugen, was offenbar ist, ich aber bezeuge, was im
verborgenen "r?? ist. — Das "3«^= ,von mir aus" soll also besagen, daß das Ver-
halten der Thamar ,von Gott aus" gefügt sei; s. bei Mt 1,3 S. 15 ff.
6,4 {^: anodwasi aoi [sr xo) (par^QM^.
Zu dem Gegensatz sp rw xqvtitoI . . . sy r«) g)fiPEQiö vgl. Aboth 4, 4: R. Jochanan
b. B^roqa (um 110) sagte: Wer den Namen Gottes im geheimen entweiht, wird öffentlich
bestraft, ■■V;2 . . . ^rsz. \\ Sota 3" Bar: R. Meir (um 150) hat gesagt: Der Mensch begeht
eine Sünde im geheimen tos, u. Gott macht es über ihn bekannt öffentlich ^t'-^iz. \\
Midr Qoh5, 10 (27'*): Ein Samaritaner -M3 fragte deü R. Meir (um 150): Werden die
Toten wieder aufleben? Dieser antwortete: Ja. Jener sprach: AVerden sie im geheimen
oder frei öffentlich auferstehn s-crr^sa is -s-^jn:? Frei öffentlich, sprach R. M. Jener
erwiderte: Woher kannst du mir das beweisen? R. Meir antwortete: Nicht aus der
Schrift, auch nicht aus der mündlichen Lehre (r.i-vo hier -- Tradition), sondern aus
einem Vorgang des gewöhnlichen Lebens will ich dir antworten. In unsrer Stadt lebte
ein vertrauenswürdiger Mann; alle Welt legte bei ihm im verborgenen -ssna Wert-
gegenstände ^ur Verwahrung nieder, u. er gab sie ihnen frei öffentlich s-Dnisa wieder
zurück. Da kam einer u. legte etwas öffentlich bei ihm nieder; wie wird er es diesem
zurückgeben, im geheimen oder frei öffentlich? Doch wohl öffentlich ! Jener antwortete:
Ja TN. Da sprach R. Meir: Sollten deine Ohren nicht hören, was dein Mund spricht? Die
Männer legen 'bei ihren Frauen einen weißen (Samen-)Tropfen zur Aufbewahrung nieder,
u. Gott gibt ihnen diesen Tropfen in Gestalt eines schönen vollkommenen Geschöpfes
öffentlich zurück. Sollte der Tote, der öffentlich dahingeht, nicht viel mehr öffentlich
wiederkehren? Wie er unter lauten Stimmen (der Klage) dahingeht, so wird er auch
mit lauten Stimmen (der Freude) wiederkommen. — Den gleichen Gedanken spricht
R. Joschijja, um 140, aus B^rakh 15 >*; Sanh 92'\ || M'kh Ex 12, 33 (17b): Die ägyptischen
Frauen hatten es getan (nämlich Unzucht getrieben) im verborgenen td3, u. Gott machte
sie öffentlich bekannt cnis oc-'-:. Siehe, da gilt der Schluß vom Leichteren auf das
Schwerere: wenn Gott die Strafe dessen, der im verborgenen "rca gehandelt hat, die
klein ist (gegenüber der Belohnung), bekannt macht i^s-e':, um wieviel mehr gilt das
dann vom Guten, das groß ist (gegenüber dem göttlichen Strafen)! |j M*^kh Ex 19, 2 (79 1>):
Abba Scha^ul (um 150) hat gesagt: Siehe, es heißt: Jch erhöre dich" Ps 81, 8; du rufst
im verborgenen "res, u. ich erhöre dich öffentlich -iVja u. lasse die ganze Welt erbeben.
0,5: Und wann ihr betet, so seid nicht wie die Heuchler;
denn sie lieben in den Synagogen u. an den Straßenecken
dastehend zu beten, um sich den Menschen zu zeigen.
,6, 5 %: SV raig avvayu)yuTq xal iv raig ywriaig tmv TiXarsicov. — Sir
50, 17 ff. zeigt, daß die täglichen Tamidopfer schon lange vor Beginn
Matth 6, 5 (?l) 397
der christl. Ära in Gegenwart einer feiernden u. betenden Gemeinde
im Tempel dargebracht worden sind.a Nach der Mischna ging dem
Morgen-Tamidopfer eine gottesdienstl. Feier voran, bei der in An-
wesenheit des Volks außer mehreren Lobsprüchen besonders die zehn
Gebote u. die drei Sch^ma^- Abschnitte rezitiert wurden. b Auch der
Pharisäer u. Zöllner Lk 18 suchen den Tempel auf, um vor Gott zu
beten. Außerhalb Jerusalems kamen als Gebetsstätten in erster Linie
die Synagogen in Betracht ;c das besagt schon ihr Name nQoasvxrj bei
Philo u. Josephus (vgl. auch Apg 16, 13. 16). Dem Gebet, das in der
Synagoge verrichtet wurde, zumal in Gemeinschaft mit der betenden
Gemeinde, schrieb man eine besondere Kraft zu. d Da die Zeit für das
Morgen- u. Mincha-(Nachmittags-)Gebetim großen u. ganzen observanz-
mäßig feststand, 1 galt die Regel, daß man überall beten dürfe, wo man
sich zur Zeit des Gebetes gerade befinde, im eigenen, Haus oder auf
der Landstraße oder auf dem Felde oder auf dem Bett.e Nur an einer
Stätte der Unreinheit u. an einem Ort, der die Andacht erschwerte oder
unmöglich machte, war das Beten verboten, f Aus Mt 6, 5 erfahren wir,
daß gewisse Kreise gern ihr Gebet an öffentlichen Orten verrichteten,
um von den Leuten als große u. eifrige Beter bewundert zu werden.
a. Sir 50, 17 if. (Hebr.): (Während die Priester nach Darbringung des Brandopfers
in die Trompeten stießen) fiel alles Fleisch zumal eilends auf das Angesicht zur Erde
nieder, um vor dem Höchsten anzubeten, vor dem Heiligen Israels, . . . u. alles Volk
des Landes pries im Gebet vor dem Barmherzigen, bis der Hohepriester den Altardienst
beendigt hatte. . . . Dann stieg er herab u. erhob seine Hände über die ganze Gemeinde
Israel, u. der Segen Jahves war auf seinen Lippen, u. durch den Namen Jahves wurde
er verherrlicht. Dann fiel alles Volk zum zweitenmal seinetwegen nieder.
b. Tamid 5, 1 : Der Beamte (der die Verlosung der einzelnen Kultusgeschäfte des
Morgens im Tempel leitete) sprach zu den Priestern: Sprechet einen Lobspruch. Sie
sprachen ihn. Dann rezitierten sie die 10 Worte (Gebote) u. die Abschnitte Schema?
(Dt6,4-9), V^haja im schamöa? (Dt 11, 13— 21) u. Vajjo^mer (Nu 15, 37— 41). Dann
sprachen sie mit dem Volk (das sich zum Morgen-Tamidopfer im Tempel eingefunden
hatte) drei Lobsprüche, nämlich Emeth v'^jaQQib, ferner die den Dienst betreffende
Formel (f Abodah) u. den Priestersegen. Am Sabbat fügte man noch einen Segensspruch
der abtretenden Wochenabteilung (der Priester) hinzu. — Die Auslegung im einzelnen
ist streitig, unter dem zuerst erwähnten Lobspruch hat nach pB'^rakh 1, S*', 27 Sch^muel
(t 254) verstanden die Benediktion über die Tora: „Gepriesen seist du Jahve unser
Gott, König der Welt, der uns geheiligt hat durch seine Gebote u. uns befohlen hat,
uns mit den Worten der Tora zu beschäftigen." — Nach bBOrakhll'' läßt Sch^^muel
damit gemeint sein die Benediktion Ah-'^ba rabba: „Mit großer Liebe hast du uns geliebt,
Jahve unser Gott, mit großer u. übergroßer Schonung hast du über uns schonend
gewaltet. Unser Vater, unser König, wegen unsrer Väter, die auf dich vertrauten u.
die du die Satzungen des Lebens lehrtest, sei auch uns gnädig u. lehre uns. Unser
Vater, barmherziger Vater, erbarme dich über uns u. gib in unser Herz, daß wir ein-
sehen u. verstehen, hören, lernen u. lehren, beobachten u. tun u. halten alle Worte der
Belehrung deiner Tora in Liebe. Erleuchte unsre Augen durch deine Lehren u. laß
^ Betreffs der Gebetszeiten hat die Halakha ziemlich weiten Spielraum gelassen.
Im allgemeinen wird man annehmen können, daß das Morgengebet gegen 9 Uhr vorm.,
das Minchagebet gegen 3 Uhr nachm. verrichtet worden ist (vgl. Apg 2, 15 u. 3, 1); das
Abendgebet ist erst um 100 n.Chr. als Pflichtgebet eingeführt worden.
398 Matth 6, 5 (31)
unser Herz an deinen Geboten hangen u. unser Herz ungeteilt sein in Liebe u. Ehr-
furcht vor deinem Namen, daß wir nimmer zuschanden werden in alle Ewigkeit; denn
auf deinen großen u. furchtbaren heiligen Namen vertrauen wir. Wir wollen frohlocken
u. fröhlich sein in deiner Hilfe ; führe uns herbei in Frieden von den vier Säumen der
Erde u. bringe uns in aufrechter Gestalt in unser Land, denn ein Gott, der Hilfe schafft',
bist du; u. uns hast du erwählt aus allen Völkern u. Zungen u. uns nahegebracht deinem
großen Namen, Sela (nach der Tradition = für ewig), in Wahrheit, daß wir dich be-
kennen u. dich als Einen verkündigen in Liebe. Gepriesen seist du, Jahve, der sein
Volk Israel erwählt hat in Liebe!" — Dagegen vertritt R. Schimfon b. Laqisch (um 250)
die Ansicht, daß unter jenem Lobspruch das Gebet Jo9er ior zu verstehen sei, das nach
Ausscheidung seiner jüngeren Bestandteile lautete: , Gepriesen seist du Jahve, unser
Gott, König der Welt, der das Licht gebildet (jo9er ior) u. die Finsternis geschaffen,
der den Frieden bereitet u. das Weltall geschaffen hat, der der Erde leuchtet u. denen,
die auf ihr wohnen, in Barmherzigkeit, u. der durch seine Güte täglich immerfort das
Werk der Schöpfung erneuert. Gepriesen seist du, Jahve unser Gott, wegen des rühm-
lichen Werkes deiner Hände. Wegen der Träger des Lichts, die du gemacht hast, soll
man dich verherrlichen, Sela. Gepriesen seist du, Jahve, Bildner der Lichter!" (Das
Gebet ist ein Morgengebet, das den Gott preist, der an jedem Morgen seine Schöpfung
erneuert.) — Die Benediktion Emeth v'^ja^cib hatte folgenden Wortlaut: , Wahr u. gewiß
u. fest u. bleibend u. richtig u. zuverlässig u. geliebt u. beliebt u. wert u. lieblich u. furcht-
bar u. herrlich u. recht u. angenehm u. gut u. schön ist dieses Wort (der Inhalt der drei
Sch^^mas-Abschnitte) über uns in alle Ewigkeit. Wahrheit ist der Gott der Ewigkeit,
unser König, der Fels Jakobs, der Schild unsrer Hilfe. Geschlecht für Geschlecht bleibt
er bestehn u. bleibt sein Name bestehn; sein Thron ist fest gegründet u. seine Königs-*
herrschaft u. seine Treue währt ewiglich ; seine Worte sind lebenskräftig u. bleiben
bestehn, zuverlässig u. kostbar für immer u. in alle Ewigkeiten über unsren Vätern u.
über uns, über unsren Söhnen u. über unsren Geschlechtern u. über allen Geschlechtern
des Samens deines Knechtes Israel. Über den Früheren u. über den Späteren ein gutes
Wort, das da bleibet immer u. ewiglich; Treue u. Wahrheit, eine Satzung, die nie ver-
geht. Wahrheit (ist es), daß du bist Jahve unser Gott u. Gott unsrer Väter, unser König,
der König unsrer Väter, unser Erlöser, der Erlöser unsrer Väter, unser Bildner, der Fels
unsrer Hilfe, unser Erlöser u. unser Erretter, von Ewigkeit ist das dein Name; es gibt
keinen Gott außer dir." — Ganz unsicher ist dann wieder, was mit der ,den Dienst
betreffenden Formel" gemeint ist. Raschi bemerkt dazu B'^rakh 1 1*^: Wegen des Dienstes,
den sie verrichtet haben, sprachen sie (die Priester) einen Lobspruch. — Andre, unter
ihnen auch Bertinoro, denken an den Lobspruch: „Es sei dir wohlgefällig, Jahve unser
Gott, der Dienst deines Volkes Israel u. die Feueropfer Israels, u. ihr Gebet wollest
du annehmen mit Wohlgefallen; gepriesen sei, der den Dienst seines Volkes Israel
annimmt mit Wohlgefallen! — Der , Priestersegen" = Nu 6, 24 ff. — Die sabbatliche
Zusatzbenediktion hatte nach R. Chelbo (um 300) folgenden Wortlaut: (Die abtretende
Dienstabteilung sagte zu der neu antretenden:) Der, welcher seinen Namen in diesem
Hause wohnen läßt, der lasse unter euch wohnen Liebe u. Brüderlichkeit, Frieden u.
Freundschaft, B'^rakh 12'\
C. pB'^rakh 4, 8'\ 31 : R. Abba (b. Chijja, um 320), R. Chijja (b. Abba, um 280) haben
im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Der Mensch soll au dem Ort beten, der
für das Gebet bestimmt ist id. h. in der Synagoge). Was ist der Schriftgrund? „An
jedem Ort, wo ich ein Gedächtnis meines Namens stiften werde, werde ich zu dir
kommen u. dich segnen" Ex 20, 24. „Wo du meines Namens gedenkst" heißt es nicht,
sondern: „wo ich ein Gedächtnis meines Namens stiften werde." R. Tanchum b. Cha-
nilai' (um 280) hat gesagt: Man muß sich einen bestimmten Ort in der Synagoge zum
Gebet festsetzen. Welchen Schriftgrund gibt es dafür? Es heißt 2 Sm 15,32 nicht:
David kam an den Gipfel, wo er (einmal) angebetet hat, sondern wo er (dauernd) an-
' So ist mit Bacher, pAmor. 3, 627cr zu lesen statt „b. Chanina".
Matth 6, 5 (31) 399
beten wollte. — R. Jochanans Ausspruch, aber ohne Schriftbeweis, auch pB*^rakh 5, 8 ^, 59. ||
bB^rakh 8": R. Levi (um 300) hat gesagt: Wer eine Synagoge in seiner Stadt hat u.
nicht dorthin geht, um zu beten, der wird ein schlechter Nachbar genannt, s. Jer 12, 14:
„So spricht Jahve über all die bösen Nachbarn, die das Eigentum antasten, das ich
meinem Volk zu eigen gegeben habe." Und nicht bloß dies, sondern er verursacht sich
u. seinen Kindern das Exil, wie es heißt daselbst: Siehe, ich reiße sie aus ihrem Boden
u. das ganze Haus Juda will ich ausreißen aus ihrer Mitte. || pB'^rakh 5, 8*^, 61 : R. Pin<^-
chas (um 860) hat im Namen des R. Hoschafja (um 225) gesagt: Wer in der Synagoge
betet, ist wie einer, der eine reine Mincha darbringt, s. Jes 66, 20: Gleich\Yie die Kinder
Israel das Speisopfer darbringen in reinem Gefäß zum Hause Jahves. R. Jirm'^ja (um
820, so nach Jalqut zu Jes 55, 6) hat im Namen des R. Abbahu (um 800) gesagt: „Suchet
Jahve, wo er zu finden ist" Jes 55, 6. Wo ist er zu finden? In den Synagogen u. Lehrhäusern.
d. B*^rakh 6'**: Abba Binjamin (ein Tannait ungewisser Zeit) hat gesagt: Das Gebet
eines Menschen wird nur in der Synagoge erhört, s. 1 Kg 8, 28: „Daß du hörest auf
den Gesang u. auf das Gebet", d. h. an dem Ort des Gesanges (so scheint ,rinna' hier
gefaßt zu sein) soll auch das Gebet stattfinden. || B'rakh 8^: R. Acha b. Chanina (um
300) hat gesagt: (Daß die Gebete in der Synagoge erhört werden) folgt aus: „Gott
wird die vielen (die in der S. beten) nicht verachten" Hi 36, 5 (so der Midr); ferner
heißt es: „Er erlöst in Frieden meine Seele vom Kriege wider mich; denn die Menge
war um mich" Ps55, 19 (die betende Gemeinde, in deren Mitte er selbst gebetet hat).
Die Bar lautet ebenso: R. Nathan (um 160) hat gesagt: Woher, daß Gott das Gebet der
vielen nicht verachtet? s. Hi 36, 5 u. Ps 5-^, 19. — Die Bar findet sich SNu 27, 12 § 135
(51 ä). II Midr KL 8, « (69^): R. Acha (um 320) hat gesagt: Mit wem läßt sich der ver-
gleichen, der mit der Gemeinde (in der Synagoge) betet? Mit Menschen, die dem König
eine Krone machten. Da kam ein Armer u. gab seinen Teil dazu. Wie, wird der König
etwa, sagen: „Weil^ dies ein Armer ist, nehme ich sie nicht an"? Sofort nimmt er sie
an u. setzt sie auf sein Haupt. Ebenso wenn zehn Gerechte im Gebet stehen u. ein
Gottloser steht unter ihnen, soll da Gott sagen: Weil dies ein Gottloser ist, nehme ich
ihr Gebet nicht an? |i DtR 2 (198''): „Ich richte mein Gebet zu dir, zur Zeit des Wohl-
gefallens" Ps69, 14. Weil David ein einzelner war (für sich allein betete), sagte er:
„Zur Zeit des Wohlgefallens"; aber das Gebet der Gesamtheit (Gemeinde) kommt nie-
mals leer zurück. |i B'^rakh 8*^: Raba (f 352) befahl seinen Söhnen: Geht nicht hinter
der Synagoge vorüber in der Zeit, da die Gemeinde (darin) betet. Das ist eine Stütze
für R. J''hoscbua? b. Levi (um 250); denn dieser hat gesagt: Es ist dem Menschen ver-
boten, hinter der S. vorüberzugehn in der Stunde, da die Gemeinde betet. (Es gilt dies
als Verachtung der S. u. als Verleugnung Gottes, Raschi zu B^'rakh 61 •\) || B^rakh 61-'':
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Lieber hinter einem Löwen her als hinter einem Weibe;
lieber hinter einem Weibe her als hinter einem Götzen; lieber hinter einem Götzen
her als hinter einer Synagoge in der Stunde, da die Gemeinde (darin) betet! |l B'='rakh 6'':
Rab Huna (f 297) hat gesagt: Wer hinter der Synagoge betet, wird ein Frevler genannt,
s.: „Ringsum ergehen sich die Frevler" Ps 12,9.
e. Midr Ps 4 § 9 (23'') Bar: R. Eli^ezer b. Ja?aqob (H., um 150) hat gesagt: Gott
spricht zu Israel: Ich habe es dir gesagt: Wenn du betest, so bete in der Synagoge
deiner Stadt; wenn du in der S. nicht beten kannst, so bete auf deinem Felde; wenn
du auf deinem Felde nicht beten kannst, so bete in deinem Hause; wenn du in deinem
Hause nicht beten kannst, so bete auf deinem Bett; wenn du auf deinem Bett nicht
beten kannst, so sinne in deinem Herzen, s. : „Sprechet in eurem Herzen auf eurem
Lager u. schweiget! Sela" Ps 4, 5. — Dasselbe P^'siq 15^*, wo zu dem Autornamen
R. Elifezer zu ergänzen ist „b. Jafaqob". || pB^rakh 5, 8*^, 58: R. Jochanan if 279) hat ge-
sagt: Wer in seinem Hause betet, der umgibt es gleichsam mit einer Mauer von Eisen.
Beten auf Straßen und Wegen. TB'rakh 3, 20 (8): Steht jemand u. betet
auf der Straße oder auf einem Platz, so tritt er an die Seite vor einem Esel oder
Eseltreiber oder Topfhändler, ohne sein Gebet zu unterbrechen. Von R Chanina b. Dosa
(um 70) hat man erzählt, daß er stand u. betete. Da biß ihn eine giftige Schlange; er
400 Matth 6, 5 (3t)
aber unterbrach sein Gebet nicht. Seine Schüler gingen u. fanden die Schlange tot vor
der Öffnung ihres Lochs. Da sprachen sie: Wehe dem Menschen, den die Giftschlange
beißt; wehe der Giftschlange, die den Ben Dosa beißt! — Dasselbe als Bar pB®x-akh
o, 9^ 47; das Erlebnis des R. Chan. b. D. in andrer Fassung B'^rakh 33=*. || B'^rakh 5, 1 :
Selbst wenn der König jemandem den Gruß entbietet, soll man ihm den Gruß (während
des Gebetes) nicht erwidern. Selbst wenn eine Schlange sich um die Ferse windet,
soll man das Gebet nicht unterbrechen. — Hierzu bemerkt R. Acha (um 320): Das hat
man von den Königen Israels gesagt; aber bei den Königen der Völker der Welt er-
widert man den Gruß (pB^^rakh 5, 9^*, 24). — Eine Erzählung zu obiger Mischna in
B'^rakh 32 b g. bei Mt 5, 22 S. 278;'. — Minder streng lauten die Bestimmungen über das
Grüßen während der Sch'^maf-Rezitation. B6rakh2, 1: Bei den Absätzen (der Sch^maf-
Abschnitte) darf man (einander) grüßen aus Ehrerbietung u. den Gruß erwidern. Das
sind Worte des R. Meir (um 150). R. J'^'huda (um 150) sagte: In der Mitte (der Ab-
schnitte) grüßt man aus Fui-cht u. erwidert den Gruß aus Ehrerbietung; bei den Ab-
sätzen grüßt man aus Ehrerbietung u. erwidert den Gruß jedermann. — Dasselbe in
breiterer Ausführung B*"rakh 13 b. — Diese Stellen setzen voraus, daß sich der Betende
auf der Straße befindet oder an sonst einem Ort, an dem andre an ihm vorübergehn
können. || B^rakh IH Bar: Die Schule Hilleis sagte: Wenn man auf dem Wege geht,
darf man das Sch*^ma? rezitieren. || B'^rakh 4, 5: Wer auf einem Esel reitet, der steigt
(zum Gebet) ab; kann er nicht absteigen, so wendet er sein Angesicht (nach Jerusalem
hin); kann er sein Angesicht nicht wenden, so richtet er sein Herz auf das AUerheiligste
(des Tempels) hin. — Auch hier ist als selbstverständlich vorausgesetzt, daß das Gebet
auf der Landstraße verrichtet werden darf. || B^'rakh o'*- Bar: R. Jose (um 150) hat er-
zählt: Einmal befand ich mich unterwegs u. trat in eine von den Ruinen Jerusalems,
um zu beten. Es kam (der Prophet) Elias, gesegneten Augedenkens, u. wartete auf
mich am Eingang, bis ich mein Gebet beendet hatte. Danach spraph er zu mir: Friede
über dich, Rabbi! Ich antwortete: Friede über dich, mein Lehrer u. mein Herr! Er
sprach: Mein Sohn, warum bist du in diese Ruine eingetreten? Ich antwortete: Um
zu beten. Er sprach: Du hättest auf dem Wege beten sollen! Ich antwortete: Ich
fürchtete, die des Weges Gehenden möchten mich unterbrechen. Er sprach: Du hättest
ein kurzes Gebet beten sollen! In jener Stunde habe ich dreierlei von ihm gelernt:
ich habe gelernt, daß man nicht in eine Ruine eintreten soll (der Lebensgefahr wegen);
ferner daß man auf einem Wege beten darf, u. endlieh, daß man auf einem Wege ein
kurzes Gebet betet. || pB^^^rakh 4, 8^ 33: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Ich habe ge-
sehen, wie R. Jannai dastand u. betete auf dem Markt von Sepphoris u. dann 4 Ellen
weit ging u. vom Musaphgebet (etwas) betete.
/. B*^rakh 3, 5 : Wie weit muß man sich (bei der Sch'^maf-Rezitation) fernhalten
von Schmutzwasser u. Unrat? Vier Ellen. — Hierzu B^rakh 26": Raba (f 352) hat
gesagt, Rab S^chora (um oÜO) habe gesagt, Rab Huna (f 297) habe gesagt: Man hat
das nur betreffs des Unrats gelehrt, der sich hinter einem befindet; aber betreffs des-
jenigen, der sich vor einem befindet, gilt, daß man ihn zu entfernen hat, soweit man
ihn sehen kann. Ebenso ist es beim Gebet. || B^rakh 25^ Bar: Man soll das Schema?
nicht rezitieren angesichts des Unrates von Menschen, Hunden, Schweinen, Hühnern
u. angesichts des Unrates eines übelriechenden Dunghaufens. Wenn aber die Stelle
(an der der Unrat liegt) 10 Handbreiten hoch oder tief ist, so wende man sich seitwärts
u. rezitiere das Schema?; wenn aber nicht, so entferne man sich so weit, daß man den
Unrat nicht mehr sehen kann. Ebenso halte man es beim Gebet. || Ferner s. TB'^rakh
2, 19 (5) = M^g 27 b. _ Über das Beten in öffentl. Badehäusern s. TB'^rakh 2, 20 (5) bei
Mt 5, 47 S. 385;'. || B*^rakh 2, 4: Arbeiter dürfen das Sch^'ma? auf einem Baum oder auf
einer Bauschicht lesen, was sie aber beim Gebet nicht tun dürfen (um nicht die An-
dacht zu verlieren). | TB'^rakh 2,8 (4): Arbeiter dürfen das Sch'^maf auf einem Baum
lesen; beten dürfen sie auf einem Oliven- oder Feigenbaum; bei allen übrigen Bäumen
müssen sie herabsteigen u. beten. Der Besitzer steigt in jedem Fall herab, um zu
beten. — Dasselbe als Bar B*^rakh 16* u. pB^'rakh 2, 5*, 47; an letzterer Stelle mit dem
Matth e, 5 (SB. 6) 401
Zusatz, daß nach R. Abba (um 290) u. R.Simon (um 280) das Herabsteigen von Oliven-
u. Feigenbäumen „wegen der grofaen Mühe" nicht gefordert werde. || TB^'rakh 2, 7 (4):
Ein Lastträger darf das Sch'^maf rezitieren, au h wenn die Last auf seiner Schulter
liegt. Aber während er (die Last) ablädt oder auflädt, soll er es nicht rezitieren, weil
sein Herz nicht zur Andacht gestimmt ist. Aber weder so noch so darf er beten, bis
er abgeladen hat. Dasselbe als Bar pB rakh 2, 5^, 51.
6, 5 33: SV Tctlq yooriaiq tmv nXateiMv. Zum Ausdruck vgl. die Ver-
bindung ri'z'^rr ''5'r'^"' = Eckensitzer, zur Bezeichnung von Leuten, die
als Müßiggänger oder als Hausierer an den Straßenecken umherstehn.
B'^rakh 28^: (Beim Hinausgehn aus dem Lehrhaus pflegte R. N*^chonja b. Ha-qana
(um 70] zu beten:) Ich danke dir, Jahve mein Gott, daß du mir mein Teil bei denen
gegeben hast, die im Lehrhaus sitzen, u. daß du mir mein Teil nicht bei den Ecken-
sitzern gegeben hast. ... — Die Parallelstelle pB rakh 4, 7^*, 31 liest dafür: Daß du mir
mein Teil nicht bei denen gegeben hast, die in den Theatern u. Zirkussen sitzen. || BQ
82'^: Zehn Verordnungen erließ Esra: daß man am Sabbatnachmittag (in den Synagogen)
aus der Schrift vorlesen solle . . . wegen der Eckensitzer (damit die Straßenhändler, die
an den Wochentagen die Synagoge nicht besuchen, wenigstens am Sabbat Gelegenheit
hätten, das Schriftwort zu hören. Hier hören wir von der Veranlassung, die ursprünglich
einmal zur Einrichtung der Sabbat-Nachmittagsgottesdienste geführt hat).
6,5 (*.: fVrwrtc TiQoatvx^^^'^^- Für gewöhnlich hat man beim Gebet
gestanden; daher die immer wiederkehrende Wendung: bVsr^i i^nr nin,
aram. -hi^ c-xp nin = er stand oder er trat hin, um zu beten, s. zB
TB-rakh 3,20 (8) oben S.Sggy; pßH2, 58^7 oben S. 6«. Dabei sollten
die Füße des Beters gerade gerichtet sein.a Es fehlt jedoch nicht an
Beweisen, daß das Gebet auch im Gehen, Sitzen u. Liegen verrichtet
worden ist,b besonders wenn man das Rezitieren des Schema? mit zum
Beten rechnet. c
a. B^rakh 10^: R. Jose b. Chanina (um 270) hat im Namen des R. Elifezer b. Jafaqob
(IL, um 150) gesagt: Der Betende muß seine Füße gerade richten; denn es heißt: „Ihre
(der Chajjoth unter dem göttlichen Thron wagen) Füße (Beine) waren geraden Schenkels*
Ez 1, 7. Ii Zum Stehen während des Gebetes sei hier nur noch auf einige Targumstellen
verwiesen. Targ Onk gibt die Worte Gn 19,27: „Wo er vor Jahve gestanden hatte"
wieder mit: „Es machte sich Abraham früh auf nach dem Ort, wo er vor Jahve im
Gebet den Dienst verrichtet hatte." — Das Stehen beim Gebet galt hiernach als so
selbstverständlich, daß das absolute „Stehen vor Jahve" ohne weiteres umgedeutet
wird in ein Beten zu Jahve. || Targ Jerusch 1 Nu 10, 35: Mose stand im Gebet biU^end u.
um Erbarmen flehend vor Jahve "" =-p i's yo-~, -yai -Vu's i'':::3 -sp rr-r;. Dasselbe
Vers :<6. || Targ Esth 4, I : Der Herr der Welt sandte den Hohenpriester Elias (gemeint
ist der im Himmel weilende Prophet Elias), um dem Mardokhai mitzuteilen, daß er
hintreten sollte u. beten 'b::-"i cip--i vor dem Herrn der Welt wegen seines Volkes, j]
Öfters findet sich der exegetische Kanon: „Stehen" n^-pv bedeutet „Beten" "'srr. Diese
Regel hatte man aus Ps 106, 80 hergeleitet, wo die Anfangsworte gedeutet wurden =
„Piu-^chas stand u. betete" ; s. zB B'^rakh 26b u. pB'Takh +, 7=', 58.
b. B'rakh ^O'"*: Wie betet man (das Reisegebetj? Rah Chisda (f 309) hat gesagt:
Im Stehen. Rab Schescheth (um 260) hat gesagt: Auch im Gehen. . . . Was ist für ein
Unterschied zwischen dem Habinönugebet (Auszug aus dem Schimone ?Esre) u. einem
(sog.) kurzen Gebet? . . . Das Habinenugebet muß man im Stehen beten, während man
ein kurzes Gebet im Stehen u. im Gehen beten darf. ll B'^'rakh 30^: Rab Aschi (f 427)
betete in der Gemeinde für sich allein im Sitzen; wenn er aber (aus der Synagoge)
nach Hause kam, betete er noch einmal im Stehen. || Man darf auf dem Esel sitzend
beten, s. B'rakh 4,5, oben S. 400; ferner anf dem Bett sitzend oder liegend, s. Midr
Strack u. Billerbeck, NTI. 26
402 Matth 6, 5 (6). 6, 6 (Nr. 1. 2)
Ps 4 § 9. oben S. 399 >'. I| TB^rakh 3, 5 (ß) : R. J^huda b. Elfai (um 1 50) hat gesagt: Wenn
R. f Aqiba [\ um 185) mit der Gemeinde betete, dann machte er es kurz der Gesamtheit
(Gemeinde) wegen; wenn er aber für sich allein betete, so konnte man ihn auf dieser
Seite (des Zimmers) verlassen, u. wenn man wiederkam, fand man ihn auf der andren-
Seite wegen der Kniebeugungen u. des mehrfachen (nach B'^rakh 34'» mit dem Aus-
strecken der Hände u. Fiilse verbundenen) Niederfallens. (Gebetsexerzitien, die den
Betenden in Ekstase versetzen sollen.)
C. B^'rakh 1,3: Die Schule Schammais sagte: Am Abend soll sich der Mensch
hinstrecken u. das Sch^'ma? rezitieren, am Morgen aber soll er dabei stehen; denn es
beißt: ,Bei deinem Liegen u. bei deinem Aufstehn" Dt 6, 7. Die Schule Hillels sagte:
Jeder darf nach seiner Weise rezitieren; denn es heißt (daselbst): „Und bei deinem
Gehen auf dem Wege." Wenn dem so ist, warum wird gesagt: ,Bei deinem Liegen ti.
bei deinem Aufstehn"? Das will besagen: zu der Zeit, da die Menschen sich nieder-
zulegen u. aufzustehn pflegen. R. Tarphon (um 100) hat erzählt: Einmal befand ich
mich unterwegs u. streckte mich nieder, um das Sch'^'maf gemäß den Worten der Schule
Schanmiais zu lesen, u. ich brachte mich selbst damit in Gefahr vor den Räubern.
Man sagte zu ihm: Du hättest es verdient, dir selber Strafe zuzuziehen, weil du die-
Worte der Schule Hillels übertreten hast. — Vgl. die Erzählung über R. Jischmafel
(t um 135) u. R. Elfazar b. ?Azarja (um 100) in TB^rakh 1, 4 ( 1) ; SDt 6, 7 § 34 (74b); pB'^rakh
l,:sb, 40; bB<^rakh 11 ^ || B^rakh ll'"» Bar: Die Schule Hillels sagte: Wenn man steht,
darf man das Scli^'maf rezitieren, ebenso wenn man sitzt, wenn man hingestreckt liegt,
wenn man auf dem Wege geht, wenn man bei seiner Arbeit beschäftigt ist. Ferner
s, B«rakh 11 »unten; 13 b.
6, 6: Du aber, wenn du betest, geh in dein Kämmerlein u. deine
Tür schlielsend bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist,.
Q. dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten.
1. tlg T( ra/iiHÖv aov. — Rabbinisch etwa D-i-iin "^-.nna, zB Schab 64'':
Rab J'^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Überall
wo die Gelehrten etwas des bösen Scheines halber verboten haben,
da ist das Betreffende auch im geheimsten Kämmerlein verboten. —
Dasselbe Schab 146^ Be9a 9«; ^AZ 12^. || Test Jos 3 sagt Joseph in
bezug auf seine Versuchungen durch Potiphars Weib: Ich ging in die
Kammer eig to za^utluv u. betete zum Herrn u. fastete in jenen sieben
Jahren.
2. '0 nazr^Q aov 6 ßXsTKov ev rr^ xQvrtzfo änoÖMasi aoi. — Vgl. die
Zitate bei Mt6, 4. — Tanch x-n: 70'': R. Binjamin b. Levi (um 325) hat
gesagt: Gott spricht: Wenn ein Mensch im Winkel seines Hauses n"<in
ir-in sitzt u. sich mit der Tora beschäftigt, so mache ich ihn offenbar
vor den Menschen; noch viel mehr aber mache ich ihn vor den Menschen
bekannt, wenn er sich verbirgt, um den Götzen zu dienen oder eine
Sünde zu begehn, vgl.: „Kann sich ein Mensch in Verstecken verbergen,
daß ich ihn nicht sehen sollte? Erfülle ich nicht den Himmel u. die
Erde?" Jer 23, 24. Was heißt das? R. Chama b. Chanina (um 260) hat
gesagt: Ich erfülle mit einem solchen Menschen (der im verborgenen
Tora studiert) die obere u. die untere Welt u. lasse die Menschen sein
Lob sehen. — Mit andrem Text am Ende Tanchß x-ixn § 8 (13*) u. ExR
8 (73 b).
Matth 6, 7 403
6, 7: Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden:
denn sie meinen, daß sie bei ihren vielen Worten werden
erhört werden.
oTi €v Tfi TtoXvXoyfa uvvwv Hffaxovff^rjfforTcei. — Über die Frage, ob
langes oder ob kurzes Beten den Vorzug verdiene, hat man verschieden
geurteilt. Vom Hohenpriester forderte man allgemein, daß er am Ver-
söhnungstage nur ein kurzes Gebet im Tempel verrichte, damit das
draußen wartende Volk sich seinetwegen nicht ängstige.» Von Mose
dichtete man, daß er wegen seines langen Gebetes am Schilfmeer von
Gott getadelt worden sei.b Am freiesten hat R. Eli^ezer (um 90) ge-
urteilt, der sowohl dem langen wie dem kurzen Gebet je nach den
obwaltenden Umständen Berechtigung zuerkanntet R, fAqiba (f um
135) pflegte das Gebet inmitten der Gemeinde abzukürzen, dagegen es
lang auszudehnen, wenn er für sich allein betete, d Andre befolgten
die umgekehrte Praxis, e R. Mei'r (um 150) forderte einerseits, daß das
Gebet kurz sei; andrerseits betonte er mit Hinweis auf 1 Sm 1, 12, daß
langes Verweilen im Gebete Erhörung bringe. * Von den späteren Ge-
lehrten darf man zu den Freunden kürzeren Betens rechnen R. Chijja
b. Abba (um 280)gu. Raba (f 352),h vielleicht auch R. Z^fira (um 300)h
u. R. Jochanan (f 279).» Denkt man aber an das entschiedene Lob, das
den früheren Frommen für ihr stundenlanges Verweilen im Gebet ge-
spendet worden ist,k erwägt man weiter den Lohn, der an vielen Stellen
dem langen Beten in Aussicht gestellt wird,l so wird man schließlich
doch nicht zweifeln, daß dem langen Beten im großen u. ganzen der
Vorzug eingeräumt worden ist.
a. Joma 5, 1 : (Nachdem der Hohepriester am Versöhnungstage das Räucherwerk
im AUerheiligsten dargebracht hatte) ging er zurück, wie er eingetreten war, u. betete
ein kurzes Gebet im äußern Tempel (d. h. im Heiligen). Er verweilte nicht lange in
seinem Gebet, um Israel nicht zu ängstigen (daß ihm etwa im AUerheiligsten etwas
Schlimmes begegnet sein möchte). |l Joma 5ob Bar: Einmal machte es ein Hoherpriester
lange mit seinem Beten; da beschlossen seine Brüder, die Priester, ihm nachzugehn.
Als sie eben anfingen, einzutreten, kam er heraus; sie sprachen zu ihm: Warum hast du
es so lange gemacht mit deinem Beten? Er antwortete: Ist das etwas Schlimmes in euren
Augen, daß ich für euch u. für das Heiligtum gebetet habe, daß es nicht zerstört werde?
Sie entgegneten: Gewöhne dich nicht daran, also zu tun; denn siehe, wir haben gelernt:
Er soll nicht lange in seinem Gebet verweilen, um Israel nicht zu ängstigen.
b. Sota 37': In jener Stunde (von Ex 14,15) verweilte Mose lange im Gebet. Da
sprach Gott zu ihm: Meine Geliebten versinken im Meer, u. du machst es so lang
mit dem Gebet vor mir! Mose antwortete: Herr der Welt, was kann ich tun? Gott
sprach: Sage zu den Kindern Israel, daß sie aufbrechen usw. Ex 14, l-'iflF. -- Urheber
dieser Dichtung ist nach M kh Ex 14, 15(:iö ) R. Eli?ezer (um UU). Dieser hat gesagt:
Gott sprach zu Mose: Mose, meine Kinder sind in Bedrängnis hingegeben, das Meer
ist eine Sperre, der Feind setzt nach, u. du stehst u. machst es lang mit dem Gebet!
Was schreist du zu- mir? Ex 14, 15. Denn Gott hatte zu Mose gesagt: Mose, es gibt
eine Zeit, da man es (das Gebet) lang macht, u. es gibt eine Zeit, da man es kurz
macht, 8. Nu 12, 18 u. Dt 9, 25; s. hierzu das folgende Zitat.
C. M'^kh Ex 15,25 (5;^"): Einmal trat ein Schüler in Gegenwart des R Elifezer vor
dstö Vorbeterpult u. kürzte an seinen Benediktionen (Lobsprüchen). Da sprachen seine
26*
404 • Matth 6, 7
Schüler zu ihm : Rabbi, hast du ihn gesehen, wie er seine Benediktionen gekürzt hat?
Und sie verspotteten ihn u. sagten: Das ist ein kürzender Gelehrtenschüler. R. Elifezer
sprach zu ihnen: Dieser hat nicht mehr geküizt als Mose, wie es heißt: ,Gott, ach,
heile sie doch!" Nu 12, 13. Ein andermal trat ein Schüler in Gegenwart des R. Elifezer
vor das Vorbeterpult u. dehnte seine ßenediktionen aus. Da sprachen seine Schüler
zu ihm: Rabbi, hast du diesen gesehen, wie er seine Benediktionen gedehnt hat? Und
sie sagten von ihm: Das ist ein Debner! R. Eli?ezer sprach zu ihnen: Dieser hat nicht
mehr gedehnt als Mose, wie es heißt (Dt9, 25f.): ,Da warf ich mich 40 Tage u.
40 Nächte vor Jahve hin . . . u. betete zu Jahve." Denn R. Elifezer pflegte zu sagen:
Es gibt eine Zeit zum Kürzen u. es gibt eine Zeit zum Dehnen. — Parallelstellen:
SNu 12, 13 § 105 (28b); B^rakh 34»; vgl. auch M'^kh 14, 15 in Anm.ö.
d. Siehe TB rakh 8, 5 (6) oben S. 402«.
e. pB^rakh^, 7b, 62: R. Levi (um 300) hat gesagt: Es heißt: ,0b ihr auch des
Gebetes viel macht, so will ich es nicht hören" Jes 1,15. Hieraus folgt, daß jeder ,^
der es lang macht mit dem Beten, erhört wird idenn Jes 1, 15 ist nur ein Ausnahme-
fall). Da ist wohl die Erklärung des R. Levi (mit der eines andren Autors) verwechselt
worden?! Dort hat nämlich R. Abba b. Pappai (um 350) u. R. J'^hoschuaf von Sikhnin
(um 330) im Namen des R. Levi gesagt: „Bei jedem Abmühen kommt ein Gewinn
heraus, aber das Wort der Lippen führt nur zu Verlust" Spr 14,2:1 Weil Hanna es lang-
gemacht hat mit dem Beten, hat sie die Jahre Samuels verkürzt; denn sie sagte:
„Er soll dort bleiben für immer c"-"y n>" 1 Sm 1, 22. Und beträgt dieses für „immer" bei
einem Leviten nicht bloß 50 Jahre? Denn es heißt: „Vom Fünfzigjährigen an soll er
vom Heerdienst der Arbeit zuiücktreten u. nicht mehr dienen" Nu 8, 25. Aber er ist
doch 52 Jahre alt geworden! * R. Jose b. Bun (um 350) hat gesagt: Das sind die beiden
Jahre bis zu seiner Entwöhnung. Und hier sollte R. Levi nun so sagen? (d. h. nach-
dem er in der letzteren Stelle Verkürzung des Lebens als die Folge langen Betens
hingestellt hat, sollte er in der ersten Stelle die Gebetserhörung als Lohn des langen
Betens preisen? Da liegt also wohl eine Autorenverwechslung vor! Nun folgt die
Hebung des Widerspruchs:) Wenn er es gesagt hat, so hat er es in dem einen Fall
von dem einzelnen u. im andren Fall von der Gemeinde (Gesamtheit) gesagt (d. h. langes
Beten schadet dem einzelnen Beter u. frommt der betenden Gemeinde). — Dasselbe
pTafan +, 67 ^ 1 1 ; in Midr Sm 2 § 9 (25 b) u. :'. § 3 (26 '-) nur der auf Hanna bezügliche Satz.
/, B rakh 61": Rab Huna (f 297) hat gesagt, Rah (f 247) habe im Namen des
R. Meir gesagt: Immer seien der Worte des Menschen vor Gott wenig, vgl.: „Sei nicht
schnell mit deinem Munde u. eile nicht, ein Wort vor Gott auszusprechen; denn Gott
ist im Himmel u. du auf Erden; darum seien deine Worte wenige" Qoh 5, 1. || pB'^rakh
4,7% 1: R. Chijja (um 280) hat im Namen des R Jochanan (f 279) gesagt, u. dieser
hat gesagt, R. Schimfon b. Chalaphta (um 190) habe im Namen des R. Meir gesagt: Es
heißt: „Und es geschah, da sie (Hanna) so lang machte mit Beten vor Jahve" 1 Sm 1, 12.
Hieraus folgt, daß jeder, der es lang macht mit dem Beten, erhört wird. — Dasselbe
pTafani, 67% 17.
g. Siehe pRH 2, 58 b, 7 oben S. 6«.
h. Schab 10'': Raba if 352) sah, wie Rab Hamnuna (um 290) es lang machte mit
seinem Beten; da sprach er: Sie lassen das Leben der Ewigkeit (= Beschäftigung
mit der Tora) u. befassen sich mit dem Leben der (flüchtigen) Stunde (indem sie im
Gebet um Zeitliches bitten). Dieser dagegen meinte: Die Zeit des Gebetes für sich u.
die Zeit des Torastudiums für sich! R. Jirm'ja (um 320) saß vor R. Z'^fira, indem sie
beide mit halakhischen Traditionen beschäftigt waren. Da es zum Beten spät wurde,
begann R. Jirm'ja zu eilen; R. Z'^fira aber wandte auf ihn an: „Wer sein Ohr wegwendet,
daß er die Tora nicht höre, dessen Gebet sogar ist ein Greuel" Spr 28, 9.
i. B'^rakh32b: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan habe gesagt:
Wer es lang macht mit seinem Beten u. genau darauf acht hat (auf die Erhörung un-
* Daß Samuel 52 Jahre alt geworden, istrabbinische Annahme, vgl. Seder fOlam R. 13..
Matth 6, 7 405
geduldig wartet?), der bekommt Herzschmerzen, vgl.: ,Lang hingezogenes Harren
macht das Herz krank* Spr 13, 12. Und was ist sein Heilmittel? Er beschäftige sich
mit der Tora; s. das.: ,Ein Lebensbaum ist ein erfüllter Wunsch." Unter Lebensbaum
aber ist nichts andres zu verstehen als die Tora, s. Spr 3, 18: ,Ein Lebensbaum ist
sie (Weisheit = Tora) denen, die sie ergreifen. — Dasselbe B'^'rakh 54''. — Daneben
gibt es aber auch ein andres, oft zitiertes Wort des R. Jochanan, welches lautet: 0,
daß der Mensch doch den ganzen Tag hindurch beten möchte! Weshalb? Weil das
Gebet keinen Schaden bringt; s. pB rakh 1, 'ia, 37; 3b, 13; 4, 8% (36; bB rakh21''u.ö.
k. pB^rakh 5, 8', 52: Die früheren Frommen pflegten eine Stunde zu warten (in
Gebetsandacht), dann beteten sie u. warteten wiederum eine Stunde nach ihrem Gebet.
Wann haben sie sich denn mit der Tora beschäftigt u. wann mit ihrer Arbeit (in ihrem
irdischen Beruf)? R. JiQchaq b. Ehazar (1.? um 280; II.? um 340) hat gesagt: Weil sie
fromm waren, ruhte der Segen auf ihrer Beschäftigung mit der Tora u. auf ihrer Arbeit
(so daß sie nur kurze Zeit darauf zu verwenden brauchten). — B'^rakh 32 b: Die früheren
Frommen pflegten eine Stunde zu warten. Woher das? R. J''hoschuaf b. Levi (um 250j
hat gesagt: Es heißt: „Wohl denen, die in deinem Hause sitzen (sich auf das Gebet
vorbereitend), noch wollen sie dich preisen" (nach jenem Vorbereitungswarten; soder
Midr) Ps 84,5. Ferner hat R. J'^hoschua? b. Levi gesagt: Der Betende muß eine Stunde
nach seinem Gebet warten (ehe er die Gebetsstätte verläßt); denn es heißt: Ja die
Gerechten danken deinem Namen (u. wenn sie dankend gebetet haben), sitzen die
Rechtsc!]aff"enen (noch eine Zeitlang) vor deinem Angesicht (so der Midr) Ps 140, 14.
Die Bar lautet ebenso: Der Betende muß eine Stunde vor seinem Gebet (s. Ps84. 5)
ü. eine Stunde nach seinem Gebet (s. Ps 140, 14) warten. Die Lehrer haben gelehrt:
Die früheren Frommen warteten (vor dem Gebet) eine Stunde; dann beteten sie eine
Stunde u. warteten (hinterher) abermals eine Stunde. Aber wenn sie neun Stunden
an einem Tage im Gebet verharrten (bei dreimaligem Beten zu je drei Stunden), wie
blieb denn da ihr Erlerntes bewahrt u. wie wurde ihre Arbeit verrichtet? Allein, weil
sie fromm waren, blieb ihr Erlerntes bewahrt u. wurde ihre Arbeit gesegnet.
/. ß*'rakh32b: R. Chanina (um 225) hat gesagt: Wer lange in seinem Gebet ver-
weilt, dessen Gebet kehrt nicht leer zurück. Woher das? Von unsrem Lehrer Mose,
s. Dt 9, 18: „Ich warf mich vor Jahve hin 40 Tage u. 40 Nächte lang", u. hinterher
heißt es Vers 19: „Da hörte Jahve auf mich." || B rakh 54b: Rab J^huda (f 299) hat
gesagt: Dreierlei verlängert die Tage u. Jahre eines Menschen: wenn man lange ver-
weilt in seinem Gebet, an seinem Tisch u. auf dem Abort; aber lange in seinem Ge-
bet verweilen ist das Vortrefflichste. |1 Joma 29^*: R. Binjamin b. Jepheth (gegen 300)
hat gesagt, R. Elfazar (um 270) habe gesagt: Warum werden die Gebete der Gerechten
mit einer Hinde (s. Ps22, 1) verglichen? Um dir zu sagen: Wie bei einer Hinde, so-
lange sie wächst, ihre Hörner sich spalten (verzweigen), so wird auch das Gebet der
Gerechten, so oft sie es lang machen mit dem Beten, erhört. || Daß langes Beten Er-
hörung findet, besagt auch pB^^rakh 4, 7", 1 ( Anm. /") u 4, 7'^, 62 ( Anm. e). || Ta?an 7b : R. Ammi
(um 30U) hat gesagt: Die Regengüsse werden nur wegen der Sünde des Raubes zurück-
gehalten, s.: „Wegen der Schuld der Hände verbirgt er ^is" Hi36, 32 (so der Midr).
„Schuld der Hände" bedeutet Raub, s. Jona 3, 8, u. -^is bedeutet Regen, s. Hi37, 11.
Was für eine Hilfe gibt es dagegen? Man mache das Beten lang, s.: „Er entbietet
ihn (Regen == i-x) auf Grund des Angehenden" Hi36, 32 (so der Midr); dieses „An-
gehen" bedeutet nichts andres als das Gebet, s. Jer 7, 16.
Einen Beleg für die noXvloyia bietet der Eingang der Benediktion
Emeth v^ja^^ib, s. oben S. 398, ferner das Qaddisch des Gottesdienstes
in den Worten: Gepriesen, gelobt u. verherrlicht u. erhoben u. erhöht
u. geehrt u. gerühmt u. gefeiert (wörtlich: erhoben) werde der Name
des Heiligen, gepriesen sei er! — Gegen die noXvloyia richtet sich
B^rakh 33^: Einer ging vor R. Chanina (um 225) vor das Vorbeterpult;
406 Matth 6, 7. 6, 9 {% 1)
er sprach: Gott, Großer, Held, Furchtbarer, Herrlicher, Starker, Ge-
fürchteter. Mächtiger, Gewaltiger, Wirklicher u. Verehrungswürdiger!
Er wartete auf ihn, bis er endigte. Als er geendigt hatte, sprach er
zu ihm: Hast du alle Lobeserhebungen deines Herrn beendigt? Wozu
sollen mir diese alle? Wir haben jene drei, die wir gesagt haben (näm-
lich: großer, starker u, furchtbarer Gott). Wenn sie nicht unser Lehrer
Mose in der Tora (s. Dt 10, 17) gesagt hätte, u. wenn nicht die Männer
der Großen Synagoge gekommen wären u. sie im Gebet festgesetzt
hätten (s. Neh 9, 32), so würden wir sie nicht haben sagen können, u.
du sagst immer diese alle? Gleich einem König von Fleisch u. Blut,
der tausendmaltausend Golddenare besaß u. man pries ihn wegen eines
Silberdenars; war das nicht eine Schande für ihn?
Über Gebetserhörung s. bei Mt?, 7.
6, 9 f.: So nun sollt ihr beten: Vater unser, der du bist im
Himmel, geheiligt werde dein Name, dein. Reich komme,
dein Wille geschehe auch auf Erden wie im Himmel.
6, 9 21: ovT(og ovv nQ0Gavx^Gi)^8 vf.itiq.
1. Das offiziblle Gebet der alten Synagoge, das Gebet n^st? schlecht-
hin, war das Schimone ?Esre, „das Achtzehngebet", so genannt, weil
es 18^ Benediktionen unter sich befaßte. Nach einer beiläufigen Notiz
in SDt 38, 2 soll es von den , früheren Gelehrten" verordnet worden
sein.a Andre Berichte führen es auf die „Männer der Großen Synagoge"
zurück, d. h. auf die angeblich aus 120 Mitgliedern zus. gesetzte Körper-
schaft, die von der Zeit Esras bis hin auf Schim^on den Gerechten
(L um 300 V. Chr.) das jüdische Gemeinwesen geleitet habe.b Später sei
das Gebet (richtiger die Reihenfolge der einzelnen Benediktionen) in
Vergessenheit geraten, bis es Rabban Gamliel H. (um 90) aufs neue
durch den Flachshändler Schim?on ordnen ließ.c Derselbe Gamliel habe
dann endlich auch die Verwünschung der Häretiker, die Birkath ha-
minim, deren Wortlaut von Sch'^muel dem Kleinen herrühre, als 12. Bene-
diktion in das Gebet einfügen lassen. d
Sieht man von diesen jüdischen Traditionen ganz ab, so darf fol-
gendes als sicher gelten. Die 16. u. die 17. Benediktion (wir legen hier
überall die Zählung der palästin. Rezension zugrunde) haben bereits
im Tempelgottesdienst Verwendung gefunden ;e in der Tat enthält die
16. Bitte keinen Hinweis auf das Aufhören des Kultus. Beide Bene-
diktionen sind mithin vor dem Jahre 70 n. Chr. bekannt u. in Gebrauch
gewesen. — Die drei ersten u. die drei letzten Benediktionen spielen
bereits in den Kontroversen der Schulen Schammais u. Hillels eine
gewisse Rolle ;f sie sind also schon zur Zeit des Tempelbestandes vor-
^ Die babylonische Rezension zählt 19 Benediktionen. Als zu den ursprünglichen 18
an 1 2. Stelle die Birkath haminim hinzugefügt wurde, zog man in Palästina, um die Zahl 18
zu behalten, die 14. u. 15 Bened. in Eine zusammen; in Babylonien geschah das nicht.
Matth 6, 9 (Sl 1)" 407
handen gewesen, — Die 14, Benediktion setzt die Zerstörung Jeru-
salems voraus, die 17, Benediktion der babylon, Rezension das Aufhören
des Opferkultus; sie können also ihre vorliegende Fassung erst nach
<3er Katastrophe des Jahres 70 erhalten haben. — Das ganze Gebet lag
unter dem Namen n-ii^-r n:bd abgeschlossen vor zur Zeit Gamliels IL,
u. zwar noch vor dessen Entfernung aus dem Amt des Vorsitzenden
der Akademie zu Jabne.g — Hiernach darf man annehmen, daß der
größte Teil des Sch<^mone fEsre schon in der 1, Hälfte des 1, nachchristl.
Jahrh.s bekannt gewesen ist; die ältesten Partien, zu denen die ersten
u, die letzten Benediktionen gehören, mögen noch aus der vorchristl.
Zeit stammen. Nur wenige Benediktionen (zB 12, u, 14,) gehören be-
stimmt der Zeit nach der Tempelzerstörung an. Das Ganze wird zur
Zeit Gamliels 11. die Schlußredaktion erhalten haben.
Daß Jesus das Vaterunser den zu seiner Zeit gebräuchlichen Stücken
des Sch'^mone ^Esre entgegengesetzt habe, um dieses aus dem Kreise
seiner Jünger zu verdrängen, läßt sich nicht beweisen; es fehlt uns vor
allem jeder Anhalt dafür, ob u, wieweit jene ältesten Gebetsstücke zur
Zeit Jesu im Privatgebrauch des einzelnen Verwendung gefunden haben,
a. SDt 33, 2 §843 (142'^): Auch im Sch^^mone <Esre, welches die früheren Ge-
lehrten verordnet haben, daß die Israeliten es beten sollten, begann man mit den Be-
dürfnissen Israels erst, nachdem man mit dem Lobpreis Gottes angehoben hatte.
b. B^rakh 33": R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (t 279) habe
gesagt: Die Männer der Großen Synagoge haben den Israeliten die Lobsprüche u. Gebete
verordnet. |l M'g 17^: R. Jochanan hat gesagt, andre sagen: In einer Bar ist gelehrt
worden: 120 Älteste, unter denen sehr viele Propheten gewesen sind, haben die
18 ßenediktionen (im Achtzehngebet) der Reihe nach festgesetzt. || pB'rakh *i, 4'^, 64:
R. Jirm^ja (um 320) hat gesagt: 120 Älteste, unter denen einige achtzig Propheten
waren, haben dieses Gebet (das Schimone cEsre) festgesetzt.
C. B'^rakh 28^ Bar: Schimcon, der Flachshändler, hat die 18 Benediktionen vor
Rabban Gamliel in Jahne (dem Sitz des Synedriums nach der Zerstörung Jerusalems) der
Reihenfolge nachgeordnet. — Dasselbe M*'g I7b. || M^g IS'': Nachdem die 12U Ältesten,
von denen sehr viele Propheten waren, das Gebet der Reihenfolge nach festgesetzt
hatten, was hatte denn da Schimcon, der Flachshändler, daran zu ordnen? Man hatte
sie vergessen, u. er ordnete sie aufs neue.
d. B^'rakh 28 b: Rabban Gamliel sprach (nach der Ordnung des Gebetes durch
SchimJon den Flachshändler; zu den Gelehrten: Ist einer da, der die Benediktion gegen
die Häretiker (mit Einschluß der Judenchristen) ^ festzusetzen versteht? Es erhob sich
Sch*'muel der Kleine u. setzte sie fest.
e. Joma 7, 1 : (Nachdem der Hohepriester am Versöhnungstage die Schriftlektionen
Lv 16; 23,27 — 32 u. Nu 29, 7 — 11 im Tempel vorgelesen hatte) sprach er 8 Benedik-
tionen: betreffs der Tora, des Tempeldiensies n-jaj: (= 16, Benediktion im Sch*^mone
JEsre), des Dankes rt;-;ir (=17, Bened.), der Sündenvergebung 7?- rV-n^a (vielleicht =
6. Benediktion). . . .
* Die 12. Benediktion lautet: Den Abtrünnigen sei keine Hoffnung u. die freche
Regierung (= Rom) mögest du eilends ausrotten in unsren Tagen, u. die Nazarener
{d'-^-43 = Christen) u. die Minim (= Häretiker) mögen umkommen in einem Augen-
blick, ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens u. mit den Gerechten nicht auf-
geschrieben werden. Gepriesen seist du Jahve, der Freche beugt! — Die babyl. Re-
zension erwähnt die Nofjrim nicht besonders. Die Stellen, in denen die Kirchenväter
auf diese Benediktion Bezyg nehmen, s. bei Schürer * 2, 543 f. u. bei Strack, Jesus 66 *.
408 Mattb b',9(5l 1.2)
f. TB'^rakh 3, IS (7): Weun der Neujalirstag auf einen Sabbat fällt, so betet man
nach der Schule Schanimais (im Gemeindegottesdienst) 10 Benediktionen . . ., nach der
Schule Hillels 9 Benediktionen. — RH 4, 5 werden diese Beuediktionen der Reihe nach
aufgezählt; sie beginnen mit Aboth, G'^buroth u. Q'^'duschschath Ha-schem, d.h. den drei
ersten Benediktionen des Sch'^mone 'Esre, u. schließen mit i Aboda, Hoda'a u. Birkath Ko-
hanini, d. h., wie Raschi zuEEr40'' bemerkt, mit den drei letzten Benediktionen des Seh. cE.
g. B rakh 4, 3: RabbanGamliel sagte: Man muß an jedem Tage das Sch'^monecEsre
(seinem ganzen Umfange nach) beten. R. J'^hoschuac (um 90) sagte: Einen Auszug aus
dem Sch'^mone (Esre. ji B^rakh'iT'': Rabban Gamliel sagte: Das Abendgebet (d. h. das
Beten des Seh. 'E. am Abend) ist Pflicht; R. J'^hoschuac sagte: Etwas Freiwilliges. —
Da die letztere Kontroverse zur Amtsentsetzung des Rabban Gamliel führte (s. pB^rakh
4-, T*', 63), so war das Sch*^mone cEsre bereits vor dieser abgeschlossen.
2. Das Vaterunser enthält sieben Bitten; auch die drei ersten Sätze:
„Geheiligt werde dein Name; dein Reich komme; dein Wille geschehe
auch auf Erden wie im Himmel" sind keine Gelöbnisse = wir wollen
deinen Namen heiligen usw., auch keine Gebetswünsche = möge dein
Name geheiligt werden usw., sondern wirkliche Bitten, die an Gott
gerichtet sind u. deren Erfüllung von Gott erwartet wird. Daß Jesus
nicht die nächstliegende, Gott direkt auffordernde Bittform, gewählt
hat: „Heilige deinen Namen, laß dein Reich kommen, führe deinen
Willen auch auf Erden wie im Himmel aus", wird seinen Grund darin
haben, daß jeder Schein vermieden werden soll, als wollte der Beter
Gott gewissermaßen an die Pflichten erinnern, die er gegen sich selbst,
seine Heiligkeit, sein Reich u. die Verwirklichung seines Willens habe.
Es sind ja andre, seine Jünger, die Jesus in den ersten drei Bitten
um Gottes eigene Angelegenheiten bitten lehrt; da gilt es darüber zu
wachen, daß seine Jünger auch im Ausdruck des Gebetes die Gott
schuldige Ehrerbietung wahren; daher die neutrale, passive ^ oder in-
transitive Form: „geheiligt werde dein Name, dein Reich komme" usw.
Wo Jesus für sich allein betet, bittet er auch in Gottes eigner Sache
einmal getrost Imperativisch: näisQ, 6o§aG6%' aov xc ovof^ia Joh 12, 28;
u. doch hören wir, wie auch er bald darauf in seinem Gebet in Geth-
semane wiederum die passive Form wählt: ysrrjdriTU) rd ^sXr^/^iä aov
(Mt26,42) statt der direkten Aufforderung an Gott: tcoisTtö d^k'Xrjfid aov.
Die gleiche zurückhaltende, vorsichtige Sprechweise begegnet im
„Qaddisch des Gottesdienstes", einem Gebet, das allgemein für alt ge-
halten wird. Dieses Gebet beginnt mit den Worten: rr^^a':) ^rnpnii bian*»
is::-i „verherrlicht u. geheiligt werde sein großer Name in der Welt, die
er nach seinem Willen geschaffen hat". Nicht an Menschen u. deren
Tun ist bei diesen Worten gedacht, so daß der Wunsch ausgesprochen
wäre: „Verherrlicht u. geheiligt werde von Israel sein großer Name",
sondern eine Bitte liegt vor, daß Gott seinen großen Namen ver-
herrlichen u. heiligen wolle. Das folgt mit Notwendigkeit aus der Fort-
setzung des Gebetes: „Und er lasse sein Reich herrschen u. seine Er-
* Über passive Konstruktionen zur Vermeidung des Gebrauchs des Gottesnamens
s. bei Mt 7, '^ S. 443.
Matth 6, 9 (31 2) 409
lösung sprossen* usw. Wie in diesen Sätzen Gott das Subjekt ist, so
sachlich auch in den Anfangsworten; aber man vermied die direkte Auf-
forderung: „Heilige u. verherrliche" usw., damit nicht der Schein ent-
stehe, als wollte man Gott in seiner eigenen Sache Vorschriften machen.
Darum wählte man die passive Form u. ist dann weiter von Gott in der
3. Person geredet: „Er lasse" usw. — In einem andren Gebet (s. Tanna
d^'be Elijjahu 21 Ende) ^ ist diese vorsichtige Redeweise nicht beobachtet:
es heißt hier einfach: Heilige deinen Namen wegen derer, die deinen
Namen heiligen -j'2'a lirinp-a py -^':j pk -cnp u. heilige deinen Namen in
deiner Welt u. erhebe u. erhöhe unser Hörn. Gepriesen seist du Jahve,
der du deinen Namen heiligst vor vielen {= öffentlich) --2':: ra. anp?:
t:i3-in! — Eine Vergleichung der Anfangsworte des Qaddisch des Gottes-
dienstes hiermit zeigt, daß die Bitte: „Geheiligt werde sein Name" völlig
gleichbedeutend ist mit: „Heilige deinen Namen." Die oben gegebene
Auslegung der 1. Bitte des Vaterunsers wird damit bestätigt.
Wenn die drei ersten Bitten des Vaterunsers die Bitte an Gott aus-
sprechen, daß er seinen Namen heiligen u. sein Reich kommen lassen u.
seinen Willen zur Durchführung bringen wolle, so liegt darin zugleich
mitausgesprochen, daß Gott die Menschen zu einem Verhalten bringen
wolle, das der Heiligung seines Namens u. dem Kommen seines Reiches
u. der Durchführung seines Willens nicht widerspricht, sondern ent-
spricht u. dient; 2 denn von dem rechten Verhalten der Menschen ist
ja die Erfüllung der drei ersten Bitten durch Gott in erster Linie ab-
hängig. Es fragt sich nur, ob dieser Gedanke an das Verhalten der
Menschen auch formell zB bei der 1. Bitte mitenthalten sein kann in
den Worten: „Geheiligt werde dein Name." Auch hierüber erhalten
wir erwünschten Aufschluß aus einem altjüdischen Gebet. Das Qaddisch
der Rabbinen hebt mit den Worten an: xn-i ni-aü u;"iprii H:n-i „ver-
herrlicht u. geheiligt werde sein großer Name, der die Welt erneuern
u. die Toten beleben u, die Lebenden erlösen u. die Stadt Jerusalem
erbauen wird" usw. Hier wird keine Bitte an Gott ausgesprochen, daß
er seinen großen Namen verherrlichen u. heiligen wolle, sondern Israel
wird zur Verherrlichung u. Heiligung des göttl. Namens aufgefordert*
im Hinblick auf die Gottestaten in der Zukunft. — Wir sehen also, daß
^ In der Ausgabe von Friedmann Kap. 19 wird das Gebet als bekannt voraus-
gesetzt u. nur nach seinen Anfangsworten zitiert.
* So meint es auch wohl J. Boehnier, Die neutestamentliche Gottesscheu, 1917.
S. 190 fr. Mißverständlich aber sagt er S. 197 vom Reich Gottes: „(Sein) Kommen hat
nichts mit allmählicher Entwicklung gemein: im Kommen ist nichts von keim weisem
Vorhandensein, von Wachsen u. Gedeihen, von extensiver u. intensiver Realisierung
u. dgl. mehr gegeben oder auch nur angedeutet. . . . Menschen können zur Herbei-
führung des Gottesreiches schlechterdings nichts tun." ... — Das ist richtig in bezug
auf das eschato logische Kommen des Reiches Gottes; in seiner Vollendung wird
das Reich Gottes am Ende der Zeit ausschließlich durch eine Machttat Gottes herbei-
geführt wei den. Darüber darf aber nicht vergessen werden, daß es auch ein Gleichnis
vom Unkraut unter dem Weizen u. vom Senfkorn u. vom Sauerteig gibt (Mt 13, 24 — 43).
ä Vgl.-ji-:; '-jiipn in Tanna 6i%^ Elij. obeu S. 409«.
410 Matth 6, 9 (31 2. SB)
im Qaddisch des Gottesdienstes mit: „Geheiligt werde sein Name" Gott
gebeten wird, seinen Namen zu heiligen, u. daß im Qaddisch der Rabbinen
mit denselben Worten Israel zur Heiligung des göttl. Namens auf-
gefordert wird. Warum sollte da nicht beides zus. gefaßt sein können
in der Bitte äyiaaO^rjTw to orofid aov: „heilige deinen Namen u. laß
ihn geheiligt werden von den Menschen"! — Auch die 2. u. die 3. Bitte
umfassen beides, sowohl daß Gott sein Reich kommen lasse u. seinen
Willen zur Durchführung bringe, als auch daß Gott die Menschen zur
Annahme seines Reiches u. zur Anerkennung seines W^illens bereit
mache. Der Gedankenfortschritt aber in den ersten drei Bitten ist
dieser: wo Gott seinen Namen in der Welt heiligt, da erkennt die
Menschheit die Herrschaft Gottes an, u. wo die Herrschaft Gottes zur
Anerkennung gelangt, da kann Gott seinen Willen, der ein Gnaden-
wille ist, zum Heil der Welt ausführen.
6,9 23: nänQ rjinan' o sv xoig ovQavotg. — Zum Vaternamen Gottes
s. oben S. 392 ff. — Die Anrede: „Unser Vater, der du bist im Himmel"
in Gebeten zB Seder Elij. 7 (33): Unser V., der du bist im H. ir-x
c^-^'rriü, dein großer Name sei gepriesen in alle Ewigkeiten! u. mögest
du Befriedigung finden an Israel, deinen Knechten, an allen Stätten
ihrer Wohnsitze. |1 Tanna d'^be Elij. 21 Ende: Unser V., der du bist im
H., tu an uns Barmherzigkeit u. Liebe um deines großen Namens
willen, der über uns genannt wird, u. erfülle uns, Jahve unser Gott,
was geschrieben steht: „Zu jener Zeit will ich euch herbeibringen"
usw. Zeph 3, 20.
Man machte einen Unterschied zwischen der Anrede: unser Vater,
unser Gott u. der: mein Vater, mein Gott; letztere sollte eine größere
Würdigkeit des Sprechenden zur Voraussetzung haben u. darum nur
von hervorragenden Persönlichkeiten angewandt werden, a Andrerseits
empfahl man auch, offenbar aus abergläubischen Motiven, sich in Ge-
beten möglichst mit andren zus. zuschließen, also die Gebete nicht in
singularischer, sondern in pluralischer Fassung zu sprechen. b
a. Als die Schüler Gamliels (II. um 90) in Seenot zu ihrem Meister sprachen:
Rabbi, bete für uns, sprach er: Unser Gott, erbarme dich über uns! Darauf bemerkten
die Schüler, daß der Meister dessen würdig sei, den Namen Gottes mit sich selbst
zu verbinden; Rabbau Gamliel betet dann noch einmal u. spricht: Mein Gott, erbarme
dich unser! Is. Bacher, Tann.'* 1, 94. 2). — ,Mein Vater" im Munde des R. (^adoq (um 70),
des R. Ekazar b. f Azarja (um 100) u. des R. Nathan (um 160), s. S. 394. 395.
b. ß''rakh 29 b: R. Ja?aqob hat gesagt, Rab Chisda (f 309) habe gesagt: Wer sich
auf eine Reise begibt, muß das Reisegebet beten. Welches ist das Reisegebet? Es
sei Wille vor dir (es sei wohlgefällig vor dir), Jahve mein Gott, dafä du mich leitest
in Frieden u. mich dahinschreiten lassest in Frieden u. mich stützest in Frieden u.
mich errettest aus der Faust jedes Feindes u. Wegelagerers, u. daß du Segen legest
auf meiner Hände Werk u. mir Huld u. Gnade u. Erbarmen verleihest in deinen Augen
u. in den Augen aller, die mich sehen. Gepriesen seist du, Jahve, Erhörer des Ge-
betes! Abaje (f o38/39) hat gesagt: Immer soll sich der Mensch (in seinen Gebeten)
mit der Gesamtheit zus.schließen. Wie soll man also sprechen? Es sei wohlgefällig
vor dir, Jahve unser Gott, daß du uns leitest in Frieden usw. — Raschi: „Man
Matthe, 9{6) -^ 411
bete ein kurzes Gebet nicht in der Einzahl, sondern in der Mehrzahl; denn dadurch
wird sein Gebet erhört"; vgl. hierzu B'-rakh 8^ Midr KL 3, 8 u. DtR 2 auf S. 399.
6, 9 6 (1. Bitte): „Dein Name werde geheiligt" dyiaaO^rjXM to oro/tc'
cov, -(Q-a ffiippi = heilige (o Gott) deinen Namen u. laß ihn geheiligt
werden durch die Menschen, s. oben S. 408 — 410. Das Subjekt des
Heiligens kann sowohl Gott als auch der Mensch sein.
Gott als Subjekt des Heiligens. Ez36, 23: Ich (Gott) will meinen
großen Namen heiligen. Targ wörtlich ebenso: xa-i "^^a ri iripNi. ■ —
LXX: xai dyiäao) t6 oj'o,aa fiov t6 fxsya. \\ Ferner s. Ez 39, 7. — Auch
in den Anfangsworten des Qaddisch des Gottesdienstes urippi-i inan-»
X31 n-i^'r ist sachlich Gott das Subjekt des Heiligens, s. oben S. 408 f. —
Ausdrücklich wird Gott zur Heiligung seines Namens aufgerufen Tanna
<l«be Elij. 21 Ende: „Heilige deinen Namen wegen derer, die deinen
Namen heiligen", s. oben S. 409«. — Das Schimone 'Esre bekennt die
Heiligkeit Gottes u. seines Namens in der 3. Benediktion ohne nähere
Ausführung. Paläst. Rezension: Heilig bist du u. furchtbar ist dein
Name, u. es ist kein Gott außer dir. Gepriesen seist du, Jahve, heiliger
Gott! — Babyl. Rezension: Du bist heilig u. dein Name ist heilig, u.
Heilige mögen dich rühmen täglich. Sela. Gepriesen seist du, Jahve,
heiliger Gott! — Gott heiligt seinen Namen, indem er vor der Welt
seine Heiligkeit erweist, indem er als der heilige Gott hervortritt, der
in seiner Reinheit mit der Sünde nichts gemein hat, sondern wider sie
streitet, um sie, sei es durch Gerichte, sei es durch Gnade, aus der
Welt zu vernichten. Aus dem Midrasch kann hier hinzugefügt werden,
daß sich Gott zu solchem Hervortreten veranlaßt sieht um der Ge-
rechten willen, die seinen Namen auf Erden heiligen, a
Menschen als Subjekt des Heiligens, So werden die Israeliten zur
Heiligung des göttlichen Namens aufgerufen in den Anfangsworten des
Qaddisch der Rabbanan, s. oben S. 409/, Von solchen, die Gottes Namen
heiligen o-^a-inpia, ist die Rede Tanna d^'be Elij. 21 Ende, s. S. 409«; ferner
SLv 18,6 (339=»), s. Anm. a; vgl. auch die übrigen hier folgenden Zitate. —
Zur Heiligung seines Namens hat sich Gott aus allen Völkern Israel
ausgesondert u. geheiligt, u. zwar dadurch, daß er diesem Volke seine
Gebote gab. Man sprach deshalb von einer zwiefachen Heiligung Israels,
von der o-^ia rüjiis rü5'-ip, d. h, von einer Heiligung, die in der Aus-
sonderung aus den Völkern bestand, u. von der n^iiin h-z vQ*>-ip, d. h. von
einer Heiligung auf Grund aller Gebote oder zur Beobachtung aller
Gebote. b Namentlich die letztere wird unzähligemal erwähnt in dem
Lobspruch: Gepriesen seist du Jahve unser Gott, König der Welt, der
uns geheiligt hat durch seine Gebote u, uns befohlen, das oder das zu
tun! Da nun die Gebote nur Israel gegeben waren, so hielt man sich
zu der Folgerung für berechtigt, daß die Heiligung des göttl. Namens
nur Israels, aber nicht der Heidenvölker Pflicht sei.c Wenn so die
Heiligung des göttl. Namens crn ^rri^ip Israels besondere Aufgabe ist,
412 Matthe, 9(6)
so soll damit nicht gesagt sein, daß Gott erst durch diese Heiligung
heilig werde: Gott ist heilig, auch wenn ihn sein Volk nicht heiligt :
vielmehr ist damit gemeint, daß Israel Gott heilige, .indem es sich
durch Gottes Gebote selbst heiligt. d So besteht also die Heiligung des
göttl. Namens im Gehorsam Israels gegen Gottes Willen oder in der
Beobachtung der göttl. Gebote; umgekehrt ist die Entheiligung des
göttl. Namens c-rn b^i^n die notwendige Folge der Übertretung der Ge-
bote, e Die Übertretung der Gebote konnte im verborgenen oder frei
öffentlich geschehen. Die strengere Ansicht, die von R. Jochanan b. B'^roqa
(um HO) vertreten wurde, wollte selbst in einer versehentlichen Über-
tretung, die im geheimen geschah, eine Entweihung des göttl. Namens
sehen.* Andre, unter denen besonders R. El^ai (um 110) zu nennen ist,
urteilten milder; ihnen galt nur das öffentliche Sichhinwegsetzen über die
Gebote der Tora als eine Entheiligung des Namens Gottes, g Einigemal
wird die Frage erörtert, wie es sich mit den erzwungenen Gesetzes-
übertretungen in dieser Hinsicht verhalte. Während der hadrianischen
Religionsverfolgung hatte man auf einem Konvent in Lydda festgesetzt,
daß ein Israelit aus Zwang, abgesehen von den drei Kardinalsünden
(Götzendienst, Unzucht, Blutvergießen), jedes Gebot in der Tora über-
treten dürfe, wenn er dadurch sein Leben retten könne. Im 3. Jahrb.
legte man diesen Beschluß in verschärfender Weise dahin aus, daß er
sich nur auf ruhige, gewöhnliche Zeiten beziehe; in einer Verfolgungs-
zeit dagegen müsse man sich auch wegen des geringsten Gebotes, wenn
seine Übertretung öffentlich geschehen solle, lieber töten lassen, als daß
man Gottes Namen durch Nichtbeachtung seiner Gebote entheilige. h —
Aus dem Gebiet der Kasuistik seien nur einige Fälle berührt, die sich
aus der Kollision der Pflichten ergeben. Ein Schüler hat nach allgemein
anerkannter Vorschrift seinen Lehrer zu ehren; kommt dabei eine Ent-
heiligung des göttl. Namens in Betracht, so hat die Ehrerbietung gegen
den Lehrer zurückzustehn hinter der Heiligung Gottes» (vgl. den Satz:
Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen, Apg4, 19; 5,29).
Oder bedingt die Heiligung des göttl. Namens zugleich die Übertretung
eines Gebotes, also die Entheiligung des göttl. Namens, so ist die erstere
für wichtiger zu halten als die letztere, k — Die Heiligung des göttl.
Namens durch die Beobachtung der Gebote hat die Verherrlichung
Gottes zum Zweck. 1 Gottes Namen heiligen ^np, •di'npf7, dyiä^eiv ist des-
halb ziemlich gleichbedeutend gewesen mit Gottes Namen verherrlichen
btTj, 6o'§aC,tiv. Beide Verba stehen daher als Synonyma nebeneinapder
im Qaddisch xa-i ni^sö u;npn"'i bnsn-^. Ebenso kann cu;n b|n „den Namen
Gottes entheiligen" den Gegensatz sowohl zu nrn a^p wie zu Dujn S'nsm
bilden. Die Verherrlichung Gottes hat keine Grenzen; darum soll der
Israelit den Namen Gottes heiligen auch mit Einsetzung des Lebens."
Als geschichtliche Beispiele hierfür werden gern Abraham, Joseph u.
die drei Männer im feurigen Ofen genannt, o Die Entheiligung des
Matth6, 9(6) 413
göttl. Namens hat stets dessen Verunehrung zur Folge, insofern dadurch
andre in ihrem Gehorsam gegen Gott schwankend gemacht oder zu
Verunglimpfungen des göttl. Namens verleitet werden. P Darum sind
Übertretungen im geheimen, durch die kein Schimpf öffentlich auf Gott
fällt, milder zu beurteilen als öffentlich begangene Sünden. Die Ent-
heiligung des göttl. Namens hat die alte Synagoge zu den schwersten
Sünden gerechnet; sie wird für noch schlimmer als Götzendienst er-
klärt, q Nach einigen gehört der cm h^br, zu den unvergebbaren Sünden:
andre meinten, daß er nur in Verbindung mit dem Tode gesühnt werden
könne, r Einmal wird der Einbruch wilder Tiere in das Land Israel
als Strafe für die Entheiligung des göttl. Namens hingestellt.«
a. SLv 18, 6 (339''): (Gott spricht zu Israel:) V/enn ihr meinen Namen heiligt
"ov rs ars c-'L'"-p'3 =s, so werde ich auch meinen Namen um euretwillen =;-" ->•
heiligen; wie es Chananja, Mischael u. f Azarja getan haben; denn während alle Völker
der Welt in jener Zeit sich vor dem Götzenbild niederwarfen, standen sie da den
Palmen gleichend. Über sie ist die Deutung in der Qabbala (Überlieferung =-■ AT
mit Ausnahme des Pentnteuchs oder Tora im engeren Sinn) enthalten: ^Dieser dein
Wuchs ist der Palme gleich. Ich sprach: Ich werde emporsteigen n-ys zur Palme,
ihre Zweige —zziz erfassen" HL 7, 8. 9. Heute werde ich erhöht (verherrlicht) werden
nVyrrs (Deutung von r.'-ys) durch sie vor den Augen der Völker der Welt, die der
Tora widersprechen; heute werde ich sie rächen an ihren Feinden (Hassern, =r:-sri7,
Deutung von tjcjc); heute werde ich ihnen die Toten lebendig machen. Vgl. Sanh 92l>,
(2 mal als Bar): In der Stunde, da Nebukadne^ar den Chananja, Mischael u. ?Azarja
in den Feuerofen werfen ließ, sprach Gott zu Ezechiel: Geh u. mache die Toten im
Tale Dura lebendig. — Parallelstelien : Midr HL 7, 8 f. (1<^9''); Sanh 93^ || Tannad'b§ Elij.
21 Ende: Heilige deinen Namen wegen derer, die deinen Namen heiligen.
b. SLv 20, 7 (3ß5b): „Ihr seid geheiligt worden u. ihr seid heilig" (so der Midrasch
Lv 20, 7); das bezieht sich auf die Heiligung der Aussonderung aus den Heidenvölkern
(Gojim). Du sagst: Auf die Heiligung der Aussonderung aus den Heidenvölkern, oder
nicht vielmehr auf die Heiligung durch alle Gebote? Wenn es heißt: „Heilig sollt
ihr sein* Lv 19, 2, siehe, so ist damit die Heiligung durch alle Gebote ausgesprochen;
u. was will die Schrift lehrend sagen mit:' „Und ihr seid geheiligt worden" usw.?
Damit ist die Heiligung der Aussonderung aus den Heidenvölkern gemeint. Vgl. SNu
15,40 § 115 (.35'').
C. pSchebi?ith 4, 35 '\ 58: R. Abuna (T. um 310) fragte vor R. Ammi (um 800):
Wie verhält es sich mit den Heiden? Ist ihnen befohlen worden betreffs der Heili-
gung des göttl. Namens? Er antwortete ihm: „Entweihet nicht meinen heiligen Namen,
damit ich geheiligt werde unter den Kindern Israel" ; die Israeliten haben den Befehl
empfangen betreffs Heiligung des göttl. Namens, aber nicht die Nichtisraeliten c;.
R. Nissa (= Asi, um 30U) hat dies im Namen des R. Elcazar (um 270) aus 2 Kg 5, 18
entnommen: „Aber in dieser Sache wird Jahve nachsichtig mit deinem Diener sein,
wenn mein Herr in das Haus Rimmons geht, um dort niederzuknien" usw. Die Israeliten
haben den Befehl betreffs Heiligung des göttl. Namens empfangen, aber nicht die Heiden
(daher Gottes Nachsicht in diesem Fall mit einem Heiden). — Parallelstelle Sanh 74*^.
d. SLv 19, 8 (342"): „Ihr sollt heilig sein' Lv 19, 2, abgesondert sollt ihr sein
(von den Heiden); „denn ich bin heilig, Jahve euer Gott" (das.); das will sagen: Wenn
ihr euch selbst heiligt, rechne ich es euch so an, als ob ihr mich heiligt, u. wenn ihr
euch nicht selbst heiligt, so rechne ich es euch so an. als ob ihr mich nicht heiligt..
Oder will es sagen: Wenn ihr mich heiligt, siehe, so bin ich geheiligt, u. wenn nicht,
so bin ich nicht geheiligt? Die Schrift sagt lehrend: „Denn ich bin heilig", ich bin
in meiner Heiligkeit, ob ihr mich heiligt oder ob ihr mich nicht heiligt» Abba Scha>ul
414 Matthe, 9(6)
(um 150) sagte: Der König hat einen Hofstaat (s-iis familia). u. was liegt dem ob?
Dem König nachzuahmen.
e. M®kh Kx lö, 2 (44b): R SchimEon b. Elcazar (um 190) sagte: Wenn die Israeliten
Gottes Willen tun, dann wird sein Name verherrlicht '':^J^•; in der Welt. s. Jos 5, 1;
2. 10 f.; wenn sie aber nicht seinen Willen tun, so wird sein Name gewissermaßen
entheiligt ''.'.nr^. in der Welt, s. Ez 36, 20. 23. |i SLv 19, 12 (349^): Jhr sollt nicht bei
meinem Namen zur Lüge schwören u. also den Namen deines Gottes entweihen*^
Lv 19, 12; das lehrt, daß ein falscher Schwur eine Entheiligung des göttl. Namens-
^•s^. '-i^'.'r-. ist. II Aboth 1,11: Ahtaljon (um 50 v. Chr.) pflegte zu sagen: Ihr Gelehrten,
seid vorsichtig in euren Worten, ihr möchtet euch sonst verschulden u. zur Strafe ver-
bannt werden u. ihr würdet nach einem Orte schlechten Wassers (schlechter Lehre)
ziehen müssen, u. die Schüler, die euch nachziehen, würden trinken u. sterben, u. der
Name Gottes würde entheiligt werden. (Irrlehre führt zur Entheiligung des göttl.
Namens.) || Midr Ruth 3, 14 (LSöb): R. Huna (um 350) u. R. Jirm'^ja (um 820) haben im
Namen des R. Seh muel b. JiQchaq (um :^00) gesagt: Jene ganze Nacht lag Bocüz auf
sein Angesicht hingestreckt u. sprach: Herr der Welten, offenbar u. kundig ist es vor
dir, daß ich Ruth nicht berührt habe; so sei es wohlgefällig vor dir, „daß man es
nicht merke, daß das Weib zur Tenne gekommen ist" (Ruth 3, 14), u. daß der Name
Gottes durch mich nicht entheiligt werde.
f. Aboth 4, 4: R. Jochanan b. B'^'roqa (um llö) pflegte zu sagen: Wer deu Namen
Gottes im geheimen entheiligt -?"":", der wird öffentlich bestraft, sowohl wenn einer
versehentlich, als auch wenn er freventlich handelt bei der Entweihung des Gottes-
namens 3i-n -ur:.
g. MQ 17 3 Bar u. Qid 40»: R. El'ai (um 110) sagte: Wenn ein Mensch sieht, daß
sein böser Trieb (seine Leidenschaft) ihn übermannt, so gehe er an einen Ort, wo
man ihn nicht kennt, kleide sich in schwarze Kleider u. hülle sich in schwarze Tücher
n. tue, wonach sein Herz verlangt, aber er entheilige den Namen Gottes nicht öffent-
lich. Qid 40": R Abbahu (um 3ü0) hat im Namen des R. Cbanina (um 225) gesagt:
Es ist besser, daß ein Mensch eine Sünde im geheimen begeht, als daß er den Namen
Gottes öffentlich entheiligt, s. Ez 20, :H9. — Ferner s. das nächste Zitat.
h. Sanh 74-': R. .Fochanan (f 279) hat im Namen des R. Schimcon b. J^hoQadaq
(um 225) gesagt: Im Söller des Hauses des Nithza in Lydda hat man festgesetzt: Alle
Übertretungen, die in der Tora erwähnt werden, darf ein Mensch, wenn man zu ihm
sagt: „Übertritt, damit du nicht getötet werdest", begehn, um nicht getötet zu werden,
ausgenommen Götzendienst, Unzucht u. Mord. Götzendienst doch nicht?! In einer
Bar ist ja gelehrt worden: R. JischmaJel (f um 135) hat gesagt; Woher läßt sich er-
weisen, daß, wenn man zu einem Menschen sagt: „Diene den Götzen, damit du nicht
getötet werdest", er die Übertretung begehn darf, um nicht getötet zu werden? Die
Schrift sagt lehrend: „So beobachtet denn meine Satzungen u. meine Rechte; wenn
der Mensch sie tut, so wird er durch sie leben" Lv ii^, 5; leben also soll er durch
sie, aber nicht durch sie sterben. Darf er es etwa auch öffentlich? Die Schrift sagt
lehrend: „Entweihet meinen heiligen Namen nicht, damit ich geheiligt werde inmitten
der Kinder Israel" Lv 22, 32. . . .^ Als Rab Dimi (um o20) kam (nämlich von Palästina
nach Babylonien), sagte er, R. Jochanan habe gesagt: Dies (daß man zur Rettung des
Lebens, abgesehen von den 3 Kardinalsünden, die Gebote übertreten dürfe) gilt nur
von einer Zeit, in der keine Religionsverfolgung stattfindet; aber in Zeiten der R.-
verfolgung soll man sich auch wegen des geringsten Gebotes töten lassen n. nicht
die Sünde begehn. Als Rab Dimi kam, sagte er. R. .fochanan habe gesagt: Auch von
* Genauer SLv 22, 82: Wenn es heißt: „Damit ich geheiligt werde", so bedeutet
das: Gib dich selbst hin u. heilige meinen Namen. Etwa wenn er allein ist lim ver-
borgenen)? Die Schrift sagt lehrend: „Inmitten der Kinder Israel", äho wenn viele
da bind (= öffentlich) (Wegen Entheiligung des göttl. Namens im geheimen braucht
man also das Leben nicht hinzugeben.)
Matth6,9(6) 415
Zeitea, in denen keine R.verfolgung stattfindet, hat man dies nur gesagt, wenn die
Übertretung im geheimen geschehen soll; wenn aber ötfentlich, so soll man sich auch
wegen des geringsten Gebotes töten lassen u. nicht die Sünde begehn. — Parallelstellen:
zum Beschluß von Lydda pSanh 3, 21 ^, 9; zum Ausspruch des R. Jischmacel SLv 18, 5
(338b); JAZ 27 b; die I. Tradition des Rab Dimi geht zurück auf TSchab 1«, 17 (134).
L Sanh 82": Schemuel (f 254) hat gesagt: Pinechas sah (vgl. Nu 25, 7), daß ,es
keine Weisheit noch Einsichtigkeit noch Rat gegenüber Jahven gibt" (Spr 21, 30);
überall, wo es sich um eine Entheiligung des göttl. Namens handelt, erweist man dem
Lehrer keine Ehre. (Deshalb traf Pin^chas in Gegenwart seines Lehrers Mose eine
Entscheidung, was sonst streng verboten war, nämlich daß Zimri zu töten sei; das
tat P., um Gottes Namen zu heiligen.) Derselbe Grundsatz auch B'^rakh 19 b im Munde
Rabs (t247); Sch>^b 30 b.
fc. pQid +, 65 b, 61 : R. Abba b. Z*'mina (um 330) hat im Namen des R. Hoschatja,
des Älteren I um 225) gesagt: Größer (wichtiger) ist die Heiligung des göttl. Namens
Dsn r-n-p als die (um ihretwillen entstehende) Entheiligung. Von letzterer steht ge-
schrieben: Des Gehängten Leichnam soll nicht über Nacht am Holze bleiben Dt 21, 23;
u. von der Heiligung des göttl. Namens steht geschrieben: „Vom Anfang der Ernte
an bis Wasser vom Himmel sich über sie ergoß" 2 Sm 21, 10. Das lehrt, daß die
Leichname (der von den Gibeoniten geforderten Nachkommenschaft Sauls) vom 16. Ninan
bis fum 17. Marcheschvan (etwa November) am Holz hingen, damit die Vorübergehenden
sagen möchten: Was haben diese gesündigt, daß ihretwegen die Rechtsordnung ge-
ändert ward? u. damit sie die Antwort empfingen: Weil sie ihre Hände an Proselyten
gelegt, die sich selbst aufgedrängt hatten (vgl. über die Gibeoniten Jos 9). Da sagten
die Vorübergehenden: Wenn diese (Gibeoniten), die nicht um Gottes willen (in lauterer
Absicht) Proselyten wurden, sehen durften, wie Gott ihr Blut (von den Mördern) fordert,
um wieviel mehr wird das zuguns^ten eines Proselyten geschehen, der um Gottes willen
zum Judentum übertritt. Kein Gott ist wie euer Gott u. keine Nation wie eure Nation!
Da sollten wir uns nicht an euch anschließen? In jener Zeit traten viele Proselyten
zum Judentum über. — Diese Verherrlichung Gottes durch die Heiden bedeutete eine
Heiligung des göttl. Namens; vor ihr hatte die in der Umgehung von Dt 21, 23 liegende
Entheiligung zurückzutreten. — Dasselbe pSanh <!, 23*^, M. — Den gleichen Gedanken
hat Schim'on b. J^hoijadaq (um 225) in die Worte gefa"ßt: Es ist besser, daß ein
Buchstabe aus der Tora gerissen werde (nämlich Dt 21, 23), wenn nur der Name
Gottes (dadurch) öffentlich geheiligt wird (wie es 2 Sm 21, 10 geschah) Jeb79^,
Tradent R. Jochanan if 279); etliche Zeilen zuvor wird von R. Chijja b. Abba (um 2S0)
R. Jochanan selbst als Autor dieses Ausspruchs genannt.
l. VgL SLv 18,6 Anm.a; pQid 1,05b, 61 Xnm.k. — JornaSe»: Abaje (f 338/39)
hat . . . gesagt: Du sollst Jahve deinen Gott lieben (Dt 6, 5), damit der Name Gottes
um deinetwillen geliebt (u. so geheiligti werde. Wenn einer die Schuft u. die Mischna
(traditionelle Lehre) studiert u. den Gelehrtenschülern (als Famulus) dient, u. wenn
sein Verkehr mit den Leuten in Gelassenheit erfolgt, was sagen dann die Leute über
ihn? Heil seinem Vater, der ihn Tora lernen ließ! Heil seinem Lehrer, der ihn Tora
lehrte! Wehe den Menschen, die nicht Tora lernten! Der u. der, der Tora gelernt hat,
seht, wie lieblich sind seine Wege u. wie geordnet seine Werke! Auf ihn sagt die
Schrift: ,Er sprach zu mir, mein Knecht bist du, Israel, durch den ich verherrlicht
werde" Jes49, 3. Aber wenn einer die Schrift u. die Mischna studiert u. den Gelehrten-
schülern dient u. sein Handel u. Wandel vollzieht sich nicht in Redlichkeit u. sein
Reden geschieht nicht in Gelassenheit den Menschen gegenüber, was sagen dann die
Leute über ihn? Wehe dem u. dem, der Tora gelernt hat! Wehe seinem Vater, der
ihn hat Tora lernen lassen! Wehe seinem Lehrer, der ihn Tora gelehrt hat! Der u.
der, der 'J'ora gelernt hat, seht, wie verderbt sind seine Werke u. wie häßlich seine
Wege! Über ihn sagt die Schrift: ,Sie entweihten meinen heiligen Namen, indem man
Ton ihnen sagte: Das Volk Jahves sind diese u. aus seinem Lande sind sie fort-
gezogen* Ez 36, 20.
416 Matthe, 9(6)
m. ncn hth'- gegenüber a:on »iTp zB im vorigen Zitat. — V-tjrtt Gegensatz zu
'-■-r;r»3 zB M^^kh Ex 15,2 Anm. e.
n. SLv22,33(403a): ,Der euch aus dem Lande Ägypten geführt hat" Ex 22, 83:
unter einer Bedingung habe ich euch aus dem Lande Ägypten geführt, unter der Be-
dingung, daß ihr euch selbst hingebet meinen Namen zu heiligen. — Ferner s. Sanh74''*
u. SLv 2'2, 32 in Anm. h.
O. Abraham zB NuR 2 (137*'): Als man Abraham in den P^euerofen (Nimrods) warf,
u. als er den Namen Gottes heiligte u. in seiner Versuchung feststand, brachte ihn Gott
sofort zum Lande Israel herzu. . . . || Joseph zB Sota 10^: R. Schimfon der Fromme (unl
210) hat gesagt: Weil .Joseph den Namen Gottes im verborgenen (dem Weibe Potiphars
gegenüber) heiligte, fügte man ihm (seinem Namen) Einen Buchstaben aus dem Namen
Gottes hinzu, wie es heißt: „Zum Zeugnis hat er es (ein rt) gesetzt in J'^hoseph" Ps 81, 6
(pcin- statt des sonst gebräuchlichen ^z''). |] Chananja, Mischael u. f Azarja, s. SLv 18, 6
Anm. a. — Ferner P's 53'^: Theudas aus Rom hat öffentlich vorgetragen: Aus welchem
Grunde haben sich Chananja, Mischael u. f Aznrja selbst für die Heiligung des göttl.
Namens in den Feuerofen hingegeben? Sie zogen eine Schlußfolgerung vom Leichteren
auf das Schwerere von den Fröschen aus: wenn von den Fröschen, die keinen Befehl
betreffs der Heiligung des göttl. Namens erhalten haben, geschrieben steht: „Sie werden
wider dich in dein Haus u. in deine Backöfen u. in deine Backtröge kommen" Ex 7, 28 —
wann finden sich Backtröge neben dem Backofen? Sago: Wann der Backofen heiß ist -p-
um wieviel mehr gilt das dann von uns, die wir Befehl betreffs der Heiligung des göttl.
Namens erhalten haben! |i Aus der späteren Zeit heißen die Märtyrer der hadrianischen
Verfolgung ,die wegen der Heiligung des göttl. Namens Getöteten", zB Midr Ps 9 § 13
(45'*), s. oben S. 226«.
p. Rom 2, 23: Durch die Übertretung des Gesetzes verunehrst du HTifiüCsig Gott. j|
BQ 113'' Bar: Wenn ein Israelit u. ein Nichtisraeiit vor Gericht kommen, so sollst du,
wenn du den Israeliten nach Israelit. Recht kannst gewirmen lassen, ihn gewinnen
lassen, u. dann sage: So ist unser Recht. Kannst du ihn nach dem Recht der Völker
der Welt gewinnen lassen, so laß ihn (wiederum) gewinnen, u. dann sage: So ist euer
Recht. Wenn aber nicht, so kommt man mit Ränken über ihn (den Nichtisraeliten,
um den Israeliten gewinnen zu lassen). Das sind Worte des R. JischmaEel if um 135).
R. lAqiba (f um 135) aber sagte: Man darf nicht mit Ränken über ihn kommen wegen
der Heiligung des göttl. Namens (denn das andre Verfahren würde die Nichtisraeliten
zur Schmähung Gottes u. Israels herausfordern). — Der Ausspruch des R. Jischma'el,
doch ohne den Schlußsatz von den Ränken, auch SDt 1, 16 >? 16 (68^). |I Choni, der Kreis-
zieher, f um 65 V. Chr., hatte in ungeziemender Weise um Regen gebeten u. seui Gebet
hatte Erhörung gefunden. Da ließ ihm (der ältere) SchimJon b. Schatach sagen Ta'an 23'^:
Wenn du nicht Choni wärest, so würde ich den Bann über dich verhängt haben; denn
wenn die Jahre gewesen wären wie die Jahre des Elias, da die Schlüssel des Regens
in seiner Hand waren, würde es sich da nicht ergeben haben, daß der Name Gottes
um deinetwillen entheiligt worden wäre? (Wenn die Dürre auf einem Gottesbeschluß
beruht hätte, so daß dein Gebet unerhört bleiben mußte, würden nicht viele infolge
der Nichterhörung deines Gebetes in ihrem Glauben irre geworden sein u. damit Gottes
Namen verunehrt haben?) . . . Parallelstelle pTaEan 3, 67 •\ 8. |l BQ 1 13b Bar: R. Pin<^chas
b. Jaür (um 200) hat gesagt: Da, wo eine Entheiligung des göttl. Namens entsteht (in-
sofern die Nichtisraeliten daraus Veranlassung nehmen, Gottes Namen zu lästern), ist
auch das Verlorene eines Nichti.sraeliten verboten (d. h. es muß dem heidnischen Ver-
lierer zurückgegeben werden ; so Pin^chas b. Jair im Gegensatz zu R. Schiniton dem
Frommen, um 2)0, u. zu Rab, f 247, die beide den Israeliten im Vorhergehenden für
nicht dazu verpflichtet erklärten. II In pBQ 4,4^,24 wird erzählt, daß zwei römische
Spione an der Bestimmung des jüdischen Rechts Anstoß genommen hätten, daß das
einem Israeliten Geraubte zum Nießbrauch verboten, das einem Nichtisraeliten Geraubte
aber zum Nießbrauch erlaubt sei. ,ln jener Stunde bestimmte Rabban Gamliel (um 90)
betreffs des einem Nichtisraeliten Geraubten, daß es verboten sei wesen Entheiligung
Matthe, 9(6) 417
des göttl. Namens." - Dasselbe mit Abweichungen SDt 33, 3 § 844 (143b) n. BQ 38». ||
Joma 86-'': Wie verhält es sich mit der Entheiligung des göttl. Namens (was gilt als
solchei? Rab (f ""^47) hat gesagt: Wenn ich zB Fleisch von einem Fleischer entnehme
u. ihm nicht sofort das (ield dafür zalile (in diesem Fall kann mich der Mann vielleicht
für einen Räuber ansehen u. nach meinem Vorbild den Raub für nichts achten, s. Raschi).
Abaje (f 338/39) hat gesagt: Das hat man nur von einem Ort gelehrt, in welchem man
hinterher das Geld nicht einfordert; aber in einem Ort, in welchem man es hinterher
einfordert, kommt nichts darauf an (ist an dem von Rab gerügten Verfahren nichts
au'^zu.setzen). . . . R. Jochanan if 279) hat gesagt: Wenn ich zB vier Ellen weit ohne
Tora oder ohne T'^phillin gehe (woraus andre für sich den Schluß ziehen, daß man das
Torastudium vernachlässigen dürfe, s. Raschi). Jicchaq aus der Schule des R. Jannai
lum i'25) hat gesagt: Wenn man sich eines Kollegen schämen muß wegen seines schlechten
Rufes, entsteht Entheiligung des göttl. Namens (vgl. Joma 86 '^ Anm. l). Rab Nachman
b. li^chaq (f 3')6) hat gesagt: Wenn zB die Leute sagen: Mag es dem u. dem sein Gott
verzeihen! il Aboth RN 1: R. Schim<on b. EUazar (um lUO) sagte: Der erste Mensch glich
einem Manne, der eine Proselytin heiratete; er saß u. erteilte ihr Anweisungen: Meme
Tochter, iß kein Brot, wenn deine Hände unrein sind; iß keine Früchte, die nicht ver-
zehntet sind; entweihe nicht die Sabbate; sei nicht leichtfertig mit den Gelübden u.
gehe nicht mit einem andren Manne; denn wenn du eins dieser Verbote übertrittst,
mußt du sterben. Was tat dieser Mann? Er stand u. aß vor ihren Augen Brot, während
seine Hände unrein waren; er aß Früchte, die nicht verzehntet waren; er entweihte
die Sabbate u. war leichtfertig mit den Gelübden. Was dachte diese Proselytin in ihrem
Herzen? Alle Worte, mit denen mein Mann mir anfänglich Anweisungen erteilt hat
sind Lügen gewesen. Und sofort erhob sie sich u. übertrat sie alle (Gottes Namen
damit entheiligend u. verunehrend). || Midr KL Einl. 15 (33*): R, Schim'on b. Laqisch (um
'i'iUl h;tt gesagt: ,Ehre ist es für den Mann, fern vom Streit zu wohnen" Spr 2U, 3.
Gott sprach: Es wäre mir zur Ehre gewesen, wenn' ich mich nicht mit dieser Nation
(Israel) verbunden hätte. Du findest, daß Gott in der Stunde, da die Israeliten in die
Verbannung zogen hinaus unter die Völker der Welt, an den Türen der Völker der Welt
umherging, um zu hören, was diese sagten. Und was sagten sie? Der Gott dieser
Nation hat an dem Pharao, Sis^ra, Sanherib u. ähnlichen Rache genommen. Dann wieder
sagten sie: Sollte er denn ewig jung bleiben? Es scheinen jene Taten (am Pharao usw.)
ihn alt u. schwach gemacht zu haben, vgl.: ,Er (Gott nach dem Midr) kam zu den
Heidenvölkeru, wohin sie (Israel) gekommen waren; u. sie (die Völker) entweihten (ver-
unehrteni meinen heiligen Namen" Ez 3t>, 20. Es hätte in der Schrift heißen sollen:
.Sie kamen" zu den Heidenvölkern; u. es heißt: ,er kam", nämlich, wenn man so
sagen darf, Gott selbst; das wollen die Worte sagen: „er kam zu den Heiden Völkern."
Und was sagten sie (seinen Namen verunehrend ? „Wenn diese Jahves Volk sind,
warum sind sie dann aus seinem Lande fortgezogen?"
q. pN^d 3, 3>-b, 12: Götzendienst ist die schwerste von allen Sünden. . . . R. Juda
b. Pazzi (um 320) hat gesagt: Die Entheiligung des göttl. Namens ist die schwerste von
allen; das meint: „Ihr aber, Haus Israel, so spricht Jahve, der Gott Israels, geht (nur)
hin ein jeder, seinen Mistgötzen zu dienen, aber meinen heiligen Namen sollt ihr niciit
entheiligen" Ez 20, 39 (so der Midr). || LvR22(121b): Wir finden, daß Gott hinweg-
sieht über Götzendienst, aber über die Entheiligung seines Namens sieht er nicht hin-
weg, s. Ez2U, 39 (wie im vorigen Zitat). — Dasselbe P'^siqR24 (125='). Die Autorschaft
schwankt zwischen R. Chanina (um 225) u. R. El'azar (um 270).
r. Aboth RN 39 Anfang: Fünf erlangen keine Vergebung: wer viel Buße tut (ohne
sich zu bessern); wer viel sündigt; wer sündigt inmitten einer frommen Generation; wer
sündigt, um hinterher Buße zu tun, u. auf wem die Schuld der Entheiligung des göttL
Namens liegt. — Autor R. cAqiba?, vgl. Bacher, Tann.'^ 1, 279. || Joma 86-': R Jischmacel
(t um 135) hat gesagt: ... Bei demjenigen, auf welchem die Schuld der Entheiligung
des göttl. Namens liegt, wohnt weder der Buße die Kraft inne die Ahndung der Schuld
in der Schwebe zu erhalten, noch dem Versöhnungstag (die Kraft) Sühnung zu ver-
Strack u.Billerbeck, NTI. 27
418 Matth 6, 9 (6). 6, 10 (?l)
schaffen, noch den Leiden (die Kraft) die Schuld ganz wegzunehmen; sondern diese
alle zus.genommen hnlten nur die Ahndung der Schuld in der Schwebe u erst der
Tod nimmt die Schuld ganz weg, vgl.: „Geoffenbart hat sich in meine Ohren Jahve
der Heerscharen: Nimmer gesühnt werden soll euch dieser Frevel, bis daß ihr sterbet"
Jes22,14. — Parallelstellen: TJoma .">, 6flf. ( 19U); p.Ioma S, 4".b, liO; pSanh 10, 27", 47;
pSch bu 1. 3ob, 52. — Die volle Sühnung der Schuld durch den Tod schlielst aber nicht
die sofortige Bestrafung der Entheiligung des göttl. Namens aus. Qid 40 ' Bar: Man
leiht nicht bei der Entheiligung des göttl. Namens, gleichviel ob man sie versehentlich
oder mutwillig begangen hat. Was heißt: „man leiht nicht"? Mar Zutra (wohl 1.,
um 32U) hat gesagt: Man macht es nicht wie der Krämer (der lange, Zeit auf Borg
gibt, sondern man treibt die Stiafe sofort ein).
5. Aboth 5,9: Wilde Tiere kommen in die Welt wegen vergeblichen (eitlen) Schwures
(vgl. oben S. H21;') u. wegen Entheiligung des göttl. Namens. || Schab HS'': Wegen der
Sünde des vergeblichen Schwures u. des falschen Schwures u. der Entheiligung des
göttl. Namens u. der Entheiligung des Sabbats mehren sich die wilden Tiere u. das
Vieh schwindet hin u. die Menschen vermindern sich u. die Wege veröden.
6, 10 91 (2. Bitte): Dein Reich komme, eli^axd) y) ßaaiXeiu aoi\
d. h. bringe deine Königshernscliaft heibei u. laß die Menschen deine
Herrschaft annehmen, s. oben S.4U8 —4 10 f. — Überden Begriff „Gottes-
herrschaft" bei Jesus u. in der rahbin. Literatur s. oben S. 172 ff. — Im
Rabbin. sagt man nicht: Gottes Königsherrschaft möge „kommen", son-
dern: möge „offenbart werden" oder „sich offenbaren" oder „erscheinen".
Nur ausnahmsweise wird xpn „kommen" gebraucht Targ Micha 4, 8.
Assumptio Mosis 10, 1: Dann wird seine | Gottes) Herrschaft über all seine Kreatur
erscheinen tunc parebit regnum illius in omni creatura illius. |i Midr HL2, 18 (luob)
deutet R. cAzaija (um 3bU) die Worte: ,Die Zeit des Gesanges ist herangekommen"
HL 2, 12 unter andrem so: Herangekommen ist die Zeit der Herrschaft Edoms (= Roms),
vernichtet zu werden, herangekommen ist die Zeit der Herrscliaft Gottes z-z'a r^z'-z,
oifenbart zu werden r!>;rrr, wie es heißt: „önd eä wird Jahve zum Köniü sein über
die gnnze Erde" Sach 14,9. il Targ .Jes3i,4: So wird sich offenbaren ".-.rr die Köiiigs-
herrschaft Jahves ^ baoth, um zu wohnen auf dem Berge Zion. — Das. 40, 9: Saget zu
den Städten des Hauses Juda: Offenbart hat sich rs--:;rs die Königsherrschaft eures
Gottes. — Das. 52, 7: Sagend zur Gemeinde Zion: Offenbart hat sich die Köniüsherrschaft
deines Gottes. — Targ Sach 14, 9: Offenbaren wird sich die Königsherrschaft Jahves über
allen Erdbewohnern; in jener Zeit werden sie dienen (anbeten) vor Jahve usw.
Targ Mi 4,«: Und du, Messias Israels, der wegen der Sünden der Gemeinde Zion
aufbewahrt (verborgen gehalten) wird, zu dir (an dich) wird die Königsherrschaft kommen
-r-^'-> sr-it's s-!-ry -'•:. \\ Den kürzesten Ausdruck für die 2. Bitte kann inan in den
Worten finden ir"-i" 7"-'2 , sei König über uns". Schimone <Esre 11 paläst. Rez. : ' „Bringe
wieder unsere Richter wie vordem u. unsre Ratsherren wie zu Anfang, u. sei König
über uns, du allein. Gepriesen seist du, Jahve, der das Recht liebhat!" — BabyL
Rez.:* g Bringe wieder unsre Richter wie vordem u. unsre Katsherren wie zu Anfang,
u. laß weichen von uns Seufzen u. Stöhnen u. sei König über uns, du Jahve allein,
in Liebe u. Erbarmen u. rechtfertige uns im Gericht. Gepriesen seist du, Jahve, o
König, der Gerechtigkeit u. Recht liebhat!" — Etwas .ausführlicher lautet die Bitte
im Qaddisch des Gottesdienstes u. im Qaddisch der Rabbanan: , Er. lasse herrschen
(richte her) seine Königsherrschaft rr-n;--; --';':-i während eures Lebens u. in euren
Tagen u. während des Lebens des ganzen Hauses Israel in Eile u. in naher Zeit." —
Eine andre Form der Bitte enthält das Neujahrs-Musaphgebet --riz ^r •^^:z• in den
Worten: , Herrsche als König "i-'rr, du Jahve unser Gott, eilends über alle deine
» Text bei Strack, B-^rakhoth 26*. 10 =
Matth 6, 10 (?l. S3) 419
Werke." — Eine ähnliche Bitte, zugleich in Verbindung mit der andren, daß alle Welt
die Königsherrschaft Gottes auf sich nehme, lesen wir im cAlenugebet Rabs (f 247):
,Es werden erkennen u. wissen alle Bewohner des Erdkreises, daß dir sich beugen
wird jedes Knie u. jede Zunge schwören (Jes4ö, 23); vor dir, Jahve unser Gott, mögen
sie sich beugen u. niederfallen u. der Herrlichkeit deines großen Namens Ehre geben,
daß sie das Joqh deiner K önigsherrschaft auf sich nehmen, damit du über
sie König seiest immer u. ewiglich; denn die Königsherrschaft ist dein u. in alle
Ewigkeit wirst du König sein in Herrlichkeit." Der Zweck des Königtums Jahves aber
geht nach dem cAl§nugebet, wohl im Gedanken an Ps 98, 1 ; 96, 10, dahin: „um die Welt
zu festigen durch die Königsherrschaft des Allmächtigen" "» riD's'aa ü'-:^y 'pr'-:.
Bemerkenswert ist, daß, wie im Herrngebet auf die Bitte um
Heiligung des göttl. Namens die Bitte um das Kommen des Gottes-
reichs folgt, auch das Qaddisch des Gottesdienstes an die Worte: „Ver-
herrlicht u. geheiligt werde sein großer Name in der Welt, die er nach
seinem Willen geschaffen hat," unmittelbar anschließt: ,Und er lasse
herrschen seine Königsherrschaft ... in eurem Leben" usw. — Die
gleiche Gedankenfolge liegt im Qaddisch der Rabbanan vor, nur daß
sich hier zwischen die beiden Bitten ein längerer Relativsatz ein-
geschoben hat; läßt man diesen unberücksichtigt, so lautet auch hier
das Gebet: Verherrlicht u. geheiligt werde sein großer Name, . . . u.
er lasse herrschen seine Königsherrschaft. ... — Genau so liegt die
Sache im ? Alenugebet. Nachdem hier die Bitte um Heiligung des göttl.
Namens umgesetzt ist in die gleichbedeutende um V^erherrlichung des
großen Gottesnamens: „Der Herrlichkeit deines großen Namens mögen
sie Ehre geben", fährt das Gebet fort: „Und sie mögen auf sich nehmen
das Joch deiner Königsherrschaft u. du mögest über sie König sein
immer u. ewiglich." Wir erkennen daraus, wie eng für das jüdische
Bewußtsein der Gedanke an die Heiligkeit u. Herrlichkeit Gottes ver-
knüpft war mit dem Gedanken an Gottes Herrschaft in der Welt. Die
Heiligkeit Gottes beweist sich eben darin, daß er durch Gericht u. Gnade
sein Königtum auf Erden errichtet.
Nichts mit der 2. Bitte des Vaterunsers hat zu schaffen das öfters als Parallele
dazu zitierte Wort B^rakh 4(1 b; Rab (t '^47) hat gesagt: Eine Benediktion, in der sich
keine Erwähnung des göttl. Namens findet, ist keine Benediktiou. R Jochanan (f 279)
hat gesagt: Eine B., in der sich nicht die (Erwähnung der) Gottesherrschaft findet,
ist keine B. — Der Ausspruch besagt lediglich, daß eine richtige B. den Gottesnamen
ü. einen Hinweis auf Gottes Königtum enthalten müsse. Dementsprechend beginnen ja
auch tatsächlich die Lobsprüche meist mit der offiziellen Formel: „Gepriesen seist du
Jahve (Adonai) unser Gott, König der Welt." — Der obige Grundsatz auch Midr
Ps Iti §8 (61b); der Ausspruch des R. Jochanan wird pB'rakh 1), 12^', 3U von R. Z''Eira
(um 300) u. R J'^huda {f 29'.^) im Namen Rabs tradiert. R. Tanchuma (um 38U) führt
als Schriftbeweis an: ,Ich will dich erheben, mein Gott, als den König" Ps 145, 1.
6, 1033 (3. Bitte): Dein Wille geschehe wie im Himmel auch
auf Erden, yerrj^r^TO} rö O^slrjfxä aov wc sv ovquvm xal sul yfi?, d.h.
führe deinen Willen auf Erden durch u. laß die Menschen deinen Willen
anerkennen, s. oben S. 408 — 410.
Nur ein Anklang an die 3. Bitte liegt in dem „kurzen Gebet" vor, das R.EIiEezer''um90)
an einer Stätte der Gefahr gesprochen wissen wollte: jTu deinen Willen im Himmel
27*
420 Matth 6, 10 (ö). 6,11
droben h^'is'o ü'>:vz t:iu*^ n-ry u. gib ein ruhiges Gemüh denen, die dich fürchten auf
Erden, u. was gut ist in deinen Augen, tue -ts -;■:-?: avj--" Tßerakh 8, 7('i); B'^rakh"29b. — 1|
Die '"i. Benediktion des Sch'mone cEsre (babyl. Rezens.): „Bringe uns zurück, unser Vater,
zu deiner Tora u. laß uns nahen, unser König, zu deinem Dienst u. laß uns umkehren
in vollkommener ~Buße vor dein Angesicht", kann zur 3. Bitte des Vaterunsers nur
dann gestellt werden, wenn man zu den Worten: „zu deiner Tora" ergänzt: „auf daß
wir deinen Willen tun". — Das Gebet des Rab Saphra Igegen HOO) B'^rakh I6b hat mit
unsrer 3. Bitte nur die Erwähnung der oberen u. der unteren Welt gemein. Er sprach
nach dem Achtzehngebet: Es möge Wille vor dir sein (d. h. es möge dir gefallen),
Jahve unser Gott, daß du Frieden verleihest in der oberen Familie (Engelwelt) u. in
der unteren Familie (Israel) u. unter den Schülern, die sich mit deiner Tora be-
schäftigen um ihretwillen oder nicht um ihretwillen; betreffs aller aber, die sich mit
ihr nicht um ihretwillen beschäftigen, möge es dein Wille sein, daß sie sich mit ihr be-
schäftigen um ihretwillen (aus lauterer Absicht, nicht aus selbstischen Nebenzwecken). —
Auch was man sonst als Parallelen zur 8. Bitte beizubringen pflegt, hat inhaltlich mit
dieser nichts zu schaffen. So SanhHHb; Rab (f 247) hat gesagt: Die dritte (Engel-)
Abteilung sprach vor Gott: Herr der Welt, was hat es den i beiden) ersten Abteilungen,
die vor dir gesprochen (u. von der Erschaffung des Menschen abgeraten) haben, ge- '
nützt? Die ganze Welt ist dein; alles, was du in deiner Welt tun willst, tu! || SotaHQ":
Was sagt der Priester, wenn er (beim Schluß des Priestersegens) sein Angesicht von
der Gemeinde abwendet? Rab Chisda 4^091 führte den Mar cUqba (1.) u. trug vor:
(Der Priester sprach bei sich:) Herr der Welt, wir haben getan, was du über uns be-
stimmt hast; tu du an uns, was du uns verheißen hast, s. : „Schau aus deiner heiligen
Wohnung vom Himmel herab u. segne dein Volk usw." Dt 26, 1.5. Ii Aboth 2, 4: (Rabban
Gamliel 111., um 2 0) pflegte zu sagen: Tu seinen (Gottes) Willen wie deinen Willen,
damit er deinen Willen wie seinen Willen tue. Laß deinen Willen vor seinem Willen
aufhören, damit er den Willen andrer vor deinem Willen aufhören lasse. — Eine Bitte
um Ergebung in Gottes Willen ist 1 MakkH, 60: "Jc <f'ui' fi dä'Arjfia ii> ovqcww, ovruig
noiijnei, „wie es aber Wille (beschlossen! ist im Himmel, so tue er!" — Keine Bitte,
sondern Feststellung einer Tatsache enthält Psl:''5, 6: „Alles, was Jahve beliebt, tut
er im Himmel u. auf Erden, im Meer u. allen Tiefen."
6, 11 (4. Bitte): Unser nötiges Brot gib uns heute, rov agrov
TjluMi' TOI' imovoiov Sog r]fih' ar^ntgov. — s/iiuvaiog, der gesamten Profan-
gräzität fremd, nur noch Lk 1 1,3, wohl = „was zum Dasein gehört";
also cigrog imovaiog „das zum Leben notwendige oder zureichende Brot".
Zur Deutung von intoiatog hat man gern auf Spr 80,8 verwiesen: „Armut u. Reich-
tum gib mir nicht; laß mich essen mein zugemessen Brot" -p,- c-t. — LXX: avvjniov
ÖS juoi Tci (isoftn xai in nvT('<{)xij „weise mir aber das Nötige u. das Genügende zu". —
Targ: Speise "mich mit Brot, das genug für mich ist tz-. «•:-'•; -rr. Dem ri- „genug"
entspricht das hehr. '-, constr. •-. |I TB rakh 3, 7 (H): Was ist ein kurzes (an Stätten
der Gefahr zu sprechendes' Gebet? . . . Etliche Schüler des R. Me'ir (um 150) sagten:
Die Bedürfnisse deines Volkes sind zahlreich u. ihre Einsicht (sie vor dich zu bringen)
ist gering (wörtlich: kurz); es möge Wille vor dir sein, Jahve unser Gott, daß du
jedem gebest alle seine Bedürfnisse -■s-'.i -: u. j^dem Körper, was für seinen Bedarf
genügt —---o --. — Ebenso pB rakh 4,8^,22; dagegen istBrakh29b ":-':i ";: er-
setzt durch -rc:-'E --r: daß du jedem gebest „nach Maßgabe seines Unterhalts", d. h.
soviel wie zu seinem U. genügt oder nötig ist. — Diese Sachparallelen sprechen jeden-
falls dafür, daß mit aoioc; smovaiof das für den Lebensunterhalt genügende Brot ge-
meint ist. I Man kann Ex 16,4 als eine alttest. Auslegung der 4. Bitte bezeichnen.
Darum mag hier die älteste Deutung dieser Stelle folgen Mekh (ö5b): „Das Volk soll
hinausgehn u. den Bedarf eines Tages an seinem Tage sammeln, damit ich es ver-
suche, ob es in meiner Weisung wandeln wird oder nicht" (Ex 16,4). R. JehoschuaJ
Matthö, 11. 12 421
(um 90) sagte: Niemand soll heute für morgen sammeln, gleichwie am Rüsttag auf
Sabbat für den Sabbat. R. Elaizar aus Modi'im if um 135) sagte: Das für jeden Tag
an seinem (d. h. an ebendemselben) Tag; der, welcher den Tag schuf, schuf auch seinen
Unterhalt ircj-r. Auf Grund dieser Stelle hat R. Elcazar aus ModiEim gesagt: Wer hat,
was er heute essen kann, u. spricht: Was werde ich morgen essen?, der ist ein Klein-
gläubiger, wie es heißt: .Damit ich es versuche, ob es in meiner Weisung wandeln
wird oder nicht." — Ebenfalls alt ist die Deutung in Joma 7H'^- Seine Schüler fragten
— ^en R. Schinicon b. Jochai (um 150): Warum kam den Israeliten das Manna nicht auf
Einmal im Jahre herab? Er antwortete: Ich will euch ein Gleichnis sagen. Womit
läßt sich das vergleichen? Mit einem König von Fleisch u. Blut, der einen Sohn hatte;
er setzte ihm seine Nahrungsmittel auf Einmal im Jahre fest, u. der Sohn begrüßte
(infolgedessen) das Angesicht seines Vaters nur Einmal im Jahre. Da machte er sich
auf u. setzte seine Nahrungsmittel an jedem Tage fest; darauf begrüßte er das An-
gesicht seines Vaters täglich. Auch wenn ein Israelit vier oder fünf Kinder hatte,
sorgte er sich u. sprach: Vielleicht fällt morgen kein Manna herab u. dann werden
alle vor Hunger sterben müssen! Da ergab sich, daß alle ihr Herz auf ihren Vater
im Himmel richteten. (Gott wollte also täglich um das Manna gebeten sein, darum
ließ er nur den täglichen Bedarf niedergehen.) |l Im Sehemone cEs're handelt von des
Leibes Nahrung u. Notdurft die 9. Benediktion (Paläst. Rezens.:) Segne für uns, Jahve
unser Gott, dieses Jahr zum Guten mit allen Arten seiner Gewächse, u. bringe eilends
herbei das Jahr des Termins unsrer Erlösung, u. gib Tau u. Regen auf den Erdboden
u. sättige die Welt aus den Schätzen deiner Güter u. gib Segen auf das Werk unsier
Hände. Gepriesen seist du Jahve, der die Jahre segnet! | Edmund Friedemann, Jüdische
Moral u. christlicher Staat, 1894, S. :!5 zitiert als jüdische Quelle, aus der die 4. Bitte
des Vaterunsers geflossen sei, Jom tob 16: „Gott sei gesegnet jeglichen Tag für das
tägliche Brot, welches er uns gibt." — Die hier angezogene Stelle lautet daselbst
16 ' Bar wörtlich so: Von Schammai, dem Alten (um :^0 v. Chr.), hat man gesagt: Sein
lebelang pflegte er im Hinblick auf die Ehrung des Sabbats zu essen. Fand er ein
schönes Stück Vieh, so sagte er: Dies für den Sabbat! Fand er ein andres, das noch
schöner als jenes war, so ließ er das zweite (das noch schönere) für den Sabbat u.
aß das erste (im Lauf der Woche). Aber Hillel, der Alte (um 20 v Chr.), befolgte einen
andren Grundsatz, weil all sein Tun um Gottes willen geschah; er sagte: Gepriesen
sei Jahve Tag für Tag! (so konstruiert der Midr Ps6'^, '20). — Der Sinn der Stelle ist,
daß Hillel in bezug auf Essen u. Trinken kein Tagewähler war; da man Gott an jedem
Tage preisen könne, so verschmähte er auch nicht an einem Wochentag ein gutes
Fleischgericht. Daß von dieser Praxis Hillels die 4. Bitte des Vaterunsers hergeleitet
sei, ist nicht einleuchtend.
6,12 (5. Bitte): Vergib uns unsre Schulden, wie auch wir
unsrenSchuldnern vergebenhaben, ccqjag r^tv zd ocpsiXrj/jiaTa r^ßöäv.
Das Achtzehngebet enthält die Bitte um Vergebung der Sünden an 6. Stelle.
Paläst. Rezens.: Vergib uns ^.:"'5 -';o, unser Vater, denn wir haben gegen dich gesündigt;
tilge u. entferne unsre Verfehlungen n:-;s;s "2vr^n r\r,^ vor deinen Augen weg, denn
deine Barmherzigkeit ist groß. Gepriesen seist du, Jahve, der viel vergibt ~^''zh r^^~^_- \ —
Babyl. Rezens.: Vergib uns nj—n"';:, unser Vater, denn wir haben gesündigt; verzeihe
uns n3-:-'5rT':, unser König, denn wir haben gefehlt, denn ein Verzeihender u. Vergebender
n^'ici ^ri~ bist du. Gepriesen seist du. Jahve, Gnädiger, der viel vergibt! — Im Neujahrs-
gebet Abinu Malkenu, dessen Anfang R. 'Aqiba (f um 185) Tacan^öb betet, spricht
man: Unser Vater, unser König, vergib u. verzeihe alle unsre Schulden ^555 ''5->2ri n'50
ns-r-jS!-, tilge u. entferne unsre Verfehlungen vor deinen Augen weg (wie im Achtzehn-
gebet). . . . Unser Vater, unser König, streiche aus p--'? nach deiner großen Barmherzig-
keit alle unsre Schuldbriefe nrria'fr! ■>--j^r;-Vt. — Auch das Habinenugebet Schemuels
(t 254) enthält die kurze Bitte ^zh nvo „vergib uns". Weitere Gebete um Vergebung
der Sünden s. bei Mt ;i. 6 5Ö S. 1 is'f.
422 Matth 6, 12. 13 (51. S8)
(og xal TifisTg aqijxafisr roTq otpeiXäTaig rpLon\
Sir 28,2: Vergib das Unrecht deinem Nächsten, u. dann werden, wenn du bittest,
deine Sünden erlassen werden «qcf? fiö'lxTjf^a tw n'/Tjaloy aov, xrd töis detj^^eriog aov
ai cc^nQxica aov '/.tifiijaoyzai. — Rabbinische Parallelen s. bei Mt6, 14f.
6, 13 5( (6, Bitte): Führe uns nicht in Versuchung, xal firj sia-
eveyxrjg r]f.iöcg 6ig nfioacfiov.
In einem Abendgebet Berakh 60b heißt es: Bringe mich nicht in die Gewalt der
Sünde u. nicht in die Gewalt der Schuld u. nicht in die Gewalt der Versuchung "ss
•)--i2 '-'-'i -5N-;r u. nicht in die Gewalt der Verachtung; es möge in mir der gute Trieb
herrschen u. nicht möge in mir der böse Trieb herrschen. — Wenige Zeilen weiter fast
dieselben Worte in einem IVIorgengebet. || Sanh 107-': Rab Jehuda (f 299) hat gesagt,
Rab (t 247) habe gesagt: Nie bringe der Mensch sich selbst in die Gewalt der Ver-
suchung T'c: "■'•' "^'-i" c"s N-3' ^n; denn siehe, David, der König Israels, brachte
sich selbst in die Gewalt der V. u. kam dabei zu Fall. Er sprach vor Gott: Herr der
Welt, warum sagt man: ,Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs", nicht „Gott
Davids"^ V Er antwortete: Jene sind von mir versucht (erprobt) worden, du aber bist
von mir (noch) nicht versucht worden. David sprach vor ihm: Herr der Welt, prüfe
mich u. versuche mich (Ps26, 2). Gott sprach: Ich werde dich versuchen, u. zwar
will ich bei dir etwas Besonderes tun; denn während ich es jenen nicht kundgetan
habe, will ich es dir kundtun, nämlich daß ich dich mit einer ünzuchtssünde ver-
suchen werde. (Es folgt der Vorfall mit der Bathseba.) — Ferner s. ExR ol bei Jak 1,2;
M^n 99"^ bei Jak 1, lo; GnR 82 bei 1 Kor 10. 13 u. die Stellen bei Mt 4, 1.
6, 13 23 (7. Bitte): Sondern errette uns von dem Bösen (Übel),
aXXd Qvaai r^fiäg and tov norrjQov. — Ob rov novrjQov maskulinisch
oder neutrisch gemeint ist, wird sich kaum entscheiden lassen; man
wird an alles zu denken haben, was böse ist u. böse heißt.
Im Achtzehngebet erbittet Satz 7 die Erlösung von allem Elend. Paläst. Rezens.:
Sieh unser Elend an """^z. -s- u. führe unsre Sache u. erlöse uns um deines Namens
willen. Gepriesen seist du, Jahve, Erlöser Israels. — Babyl. Rezens.: Sieh unser Elend
an u. führe unsre Suche u. erlöse uns eilends um deines Namens willen; denn ein
starker Erlöser bist du. Gepriesen seist du, Jahve, Erlöser Israels, jl B^rakh 16'^: Rabbi
sprach nach seinem Gebet (d. h. nach dem Achtzehngebet) also: Es sei Wille vor dir,
Jahve unser Gott u. Gott unsrer Väter, daß du uns errettest '.z\-^rv von den Frechen
u. von der Frechheit, von einem bösen Menschen 'J^ a-sio u. von einem bösen Be-
gegnis 'J'' Vit^', vom bösen Triebe y '^.r.'s, von einem bösen Genossen y^ -an';, von
einem bösen Nachbar y i^-cs u. von dem Satan, dem Verderber, u. von einem harten
Gericht u. von einem harten Gegner im Gericht, es sei ein Sohn des Bundes (= Israelit)
oder kein Sohn des Bundes (= Nichtisraelit). |l In dem bereits bei der 6. Bitte erwähnten
Morgengebet (B'rakh HO '^) heißt es weiter: Errette mich -]-5-::r von einem bösen Be-
gey;nis u. von bösen Leiden, u. nicht mögen mich schrecken böse Träume noch böse
Gedanken. . . . || B'^rakh 17'*: Mar bar Rabina (um 370) sprach nach seinem Gebete also:
Mein Gott bewahre meine Zunge vor Bösem u. meine Lippen, daß sie nicht Trug
reden. . . . Errette mich -z-.'-^r von einem bösen Begegnis, vom bösen Triebe u. von
einem bösen Weibe u. von allem Bösen (Schlimmen) ny ""jd^, das tobend heraufzieht,
in die Welt zu kommen. Bei allen aber, die wider mich Böses ~v^ sinnen, vereitle eilends
ihren Rat u. mache zuschanden ihre Gedanken. . . .
Diese Stellen zeigen, wie mannigfacher Art das „Böse* sein konnte, an das ein
jüdischer Hörer bei der 7. Bitte etwa denken mochte. Auch den Satan rechnet Rabbi
zu dem „Bösen", vor dem er bewaiirt zu bleiben wünscht. Doch ist uns keine Stelle
zur Hand, in der der Satan >"•:-, aram. mc-2, ,der Böse" schlechthin genannt würde,
wie er im NT (Mt 13, 19; 1 Joh 2, 13. 14; 3, 12; 5, 18; Eph 6, 16) absolut J noi'7]Q6<; heißt.
■ Matth 6, 13 (93. 6 1) 423
Damit soll aber durchaus nicht gesagt sein, daß nicht auch ein jüdisches Ohr unter
dem y- den Satan hätte verstehn können. Chag 16'^ heißt es: R. J huda b. Nachman
(um 2'-'0), der Dolmetsch des Resch Laqisch (um "250), hat öffentlich vorgetragen: Was
bedeutet Micha 7. ■'>: „Glaubet nicht dem ji (= v- Genosse) u. verlaßt euch nicht auf
den Vertrauten"? Wenn der böse Trieb y — ^ii" zu dir sagt: , Sündige u. Gott wird
vergeben!" so glaube es nicht, wie es heißt: , Glaube (so jetzt der Midr) nicht dem
S-", u. V- (= :- böse) ist der böse Trieb, s.: „Das Gebilde -::■ des Herzens des Menschen
ist böse !•- von seiner Jugend an" GnS,21, u. mit dem „Vertrauten" ist Gott gemeint,
s. : „Der Vertraute meiner Jugend bist du" Jer'^, 4. — Nimmt man zu dieser Aus-
führung den Kanon des Resch Laqisch BB !6'' hinzu: „Der Satan, der böse Trieb u.
der Todesengel sind identisch", so leuchtet von selbst ein, wie ungezwungen jüdisches
Denken unter „dem Bösen" auch den Teufel verstehn konnte. Dazu kommt, daß
Sammael, der Eigenname des Satans, ungemein häufig das Epitheton der „Bösewicht"
yr; zur Seite hat; Beispiele s. DtR 11 C^iO? '=•")•
6, 13 6 (Schlußdoxologie): Denn dein ist das Reich u. die
Kraft u. die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!
1. Die doxologische Verwendung der „Gottesherrschaft" p^iD^ri war
bereits zur Zeit des Tempelbestandes üblich.
Joma 6. 2: Der Hohepriester trat an den Bock heran, der (in die Wüste) fort-
geschickt wurde, stützte seine beiden Hände auf ihn u. legte das Sündenbekenntnis
ab; u. so sprach er: Ach Gott, sie haben gefehlt, gefrevelt u. gesündigt vor dir, dein
Volk, das Haus Israel; ach Gott decke doch zu (schaffe doch Sühnung für) die Ver-
fehlungen, Frevel u. Sünden, die sie gefehlt, gefrevelt u. gesündigt haben vor dir, dein
Volk, das Haus Israel, wie geschrieben steht in der Tora Moses, deines Knechtes:
„Denn an diesem Tage wird man für euch Sühnung schaffen, um euch zu reinigen;
von allen euren Sünden sollt ihr vor Jahve rein sein" Lv 16, 30. Die Priester aber
Tl. das Volk, die im Vorhof standen, wenn sie den deutlich ausgesprochenen Jahve-
namen, Schem ha-mephorasch, hörten, wie er aus dem Munde des Hohenpriesters kam,
beugten ihre Knie u. warfen sich nieder u. fielen auf ihr Angesicht u. sprachen: Ge-
priesen sei der Name seines herrlichen Reiches immer u. ewig! |1 pB^rakh !>, 14*', 10
Bar: Im Heiligtum hat man nicht „Amen!" geantwortet. Was hat man geantwortet?
„Gepriesen sei der Name seines herrlichen Reiches immer u. ewig!" Woher, daß man
im H. nicht „Amen!" geantwortet hat? Die Schrift sagt lehrend: „Auf, preiset euren
Gott usw." Neh 9, 5 (ohne Amen!). Woher, daß man so bei jeder Benediktion (im
Tempel) gesprochen hat? Die Schrift sagt lehrend (das.): „Der zu erheben ist bei
jedem Preis u. Lob" (so der Midr). — Parailelsteilen: TsiEan 16^; Berakh6;-)''; Sota40t>. ||
Auch bei der Schemac-Rezitation fand dieser Lobspruch unmittelbar nach dem ersten
Satz Dt 6, 4 Verwendung, u. zwar wurde er hier anfänglich im Flüsterton gesprochen;
die Tradition hat den Lobspruch auf den Erzvater Jakob zurückgefülirt. Hierüber be-
richtet SDt 6, 4 ^5 81 (72b), daß Jakob vor seinem Tode der Besorgnis Ausdruck ge-
geben habe, seine Söhne möcliten geteilte Meinungen über Gott hegen. Die Söhne
beruhigten den Vater mit dem Bekenntnis Dt ri, 4 : „Jahve unser Gott ist Ein Jahve!"
Darauf habe Jakob gesprochen: „Gepriesen sei der Name seines herrlichen Reiches
immer u. ewiglich!" — Parallelen: GnR 98 (61'); DtR 2 (199<=); PesöO''; TanchB
--" tj 9 (K'9''); vgl. TargJerusch ! Dt (i, 4. — Aus Pes ^6^ vgl. noch: Die Rabbinen
sagten: Wie sollen wir es machen? Sagen wir jenen Lobspruch (nach Dt 6, 4), so
hat Mose, unser Lehrer, ihn nicht befohlen (die Worte stehen nicht Dt 6, 4); sagen
wir ihn aber nicht, so hat Jakob ihn gesagt. Da ordneten sie an, daß man ihn leise
_ sagen solle. . . . R. Abbahu (um 8u0) hat gesagt: Man hat (später) angeordnet, daß
man jenen Lobspruch (nach Dt »i, 4) mit erhobener Stimme sagen solle wegen der
liblen Nachrede der Minim (Christen?); aber in Neharde'a (in Babylonien), wo es keine
Minim gibt, sagt man ihn bis heute noch leise, i Die Worte: „Denn dein ist das Reich"
««n -{V;o r:2'5i2n ^3 leiten auch den Schluß des cAlenugebetes ein.
424 Matth 6, 13 (6 2—4). 6, 14 f.
2. Reich nzib-o-o, Kraft n-iias, Herrlichkeit nbi5 (r^xsr) s. 1 Chr 29, 11.
Beiakh 5Sa: (Rab Schela. um 220, war wegen eigenmächtigen Strafens vor die
heidnische Obrigkeit gefordert.) Während die Richter die Sache prüften, hob Rab Schela
an: Dein, o Jahve, ist die Größe u. die Kraft u. die Herrlichkeit usw. 1 Chr 29, 11.
Sie sprachen zu ihm: Was hast du da gesagt? Er antwortete: So habe ich gesagt:
Gepriesen sei der Barmherzige, der Herrschaft auf Erden verleiht entsprechend der
Herrschaft im Himmel, u. er hat euch Macht verliehen u. Barmherzigkeit im Gericht.
Sie sprachen : Diesem ist die Ehre der Regierung gar lieb. Sie gaben ihm einen Stab
u. sprachen: Richte du! Als er herauskam .... sprach er: Weil mir durch diese Schrift-
stelle (1 Chr 29, 11) ein Wunder geschehen ist, will ich sie erklären. „Dein, Jahve,
ist die Größe", n'",-;-, das bezieht sich auf das Schöpfungswerk, s.: „Der Großes
schafft, nicht zu ergründen, u. Wunderbares, nicht zu zählen" Hi 9, 10. „Und die Kraft",
r.-^-z:n, das bezieht sich auf den Aufzug aus Ägypten, s. : „Israel sah die große Hand
(= Kraft), welche Jahve gegen Ägypten erwiesen hatte" Ex 14, 31. „Und die Herrlich-
keit", r^ssrn, das bezieht sich auf die Sonne u. den Mond, die vor Josua stillstanden,
Jos 10, 13. „Und der Sieg" (so deutet der Midr n:::), das geht auf den Fall der frevle-
rischen Stadt (= Rom), s.: „So trat ich sie (die Kelter Edoms = Roms) in meinem Zorn
... u. es spritzte ihr Saft cn:;] auf meine Kleider" Jes 03, 3. „Und die Majestät", -^nn,
das bezieht sich auf den Kampf an den Arnonbächen, s. Nu 21, 14. „Denn alles im
Himmel u. auf Erden", das bezieht sich auf den Kampf mit Sis'^ra, s. Ri 5. 20. „Dein,
Jahve, ist die Herrschaft", ni-^i^sTT, das bezieht sich auf den Krieg mit (Amaleq, s.:
„Wahrlich, die Hand zum Throne Jahs, Krieg hat Jahve gegen 'Amaleq von Geschlecht
zu Geschlecht" Ex 17, 16. „Und das Sicherheben", s-:r-:r, das bezieht sich auf den
Krieg mit Gog u. Magog, s. Ez 39, 1. . . . In einer Bar ist im Namen des R. 'Aqiba
(t um 135) gelehrt worden: „Dein, Jahve, ist die Größe", das bezieht sich auf die
Spaltung des Schilfmeeres, „und die Kraft" auf die Tötung der Erstgeburt, „und die
Herrlichkeit" auf die Gesetzgebung, „und der Glanz", r.:^:, auf Jerusalem, „und die
Majestät" auf das Heiligtum. || NuR 18 (183*^1: Mose sprach zu den Anhängern Qorachs:
Wenn mein Bruder Ahron sich selbst das Hohepriestertum angeeignet hätte, so tätet
ihr recht daran, wenn ihr euch gegen ihn auflehntet; nun aber hat es ihm Gott ver-
liehen, dessen die Größe u. die Kraft u. die Herrschaft n^r'^Jan ist; wer also gegen
Ahron steht, steht der nicht wider Gott?
3. eig tovg amiag. B^rakh 9, 5: Alle, die die Lobsprüche im Tempel
schlössen, sprachen: „Von Ewigkeit." Als aber die Freidenker ent-
arteten u. sprachen : Es gibt nur Eine Welt (die gegenwärtige, aber keine
zukünftige), setzte man fest, daß man sprechen sollte (am Ende eines
Lobspruches): „Von Ewigkeit zu Ewigkeit" (von einer Welt zur andren).
4. änr^v. — Über die verschiedenen Bedeutungen des „Amenl",
ferner über das „Amen!" am Schluß der Gebete s. bei Mt5, 18; über
die Beantwortung der Benediktionen im Synagogengottesdienst (nicht
im Tempelgottesdienst, vgl. oben Nr. 1 S. 423) seitens der Gemeinde
mit „Amen!" s. bei 1 Kor 14, 16.
6, 14 f.: Denn wenn ihr den Menschen ihre Fehler vergebet,
wird auch euch euer himmlischer Vater vergeben usw.
Sir 28, 1 flf.: Wer sich rächt, wird Rache vom Herrn erfahren, u. seine Sünden wird
er ihm fest u. sicher anrechnen. Erlaß das (dir angetane) Unrecht deinem Nächsten,
u. alsdann werden, wenn du darum bittest, deine Sünden vergeben werden. Es hält
ein Mensch gegen einen (andren) Menschen den Zorn fest u. will vom Herrn Heilung
(Vergebung) fordern? Mit dem Menschen, der ihm (doch) gleich ist, hat er kein ^Mitleid,
Matth 6, 14 f. 425
u. für seine eigenen Sünden bittet er? Er selbst, der doch Fleisch ist, hält den Groll
fest, wer soll da seine Sünden sühnen? || BQ 8,7: Auch wenn der Verletzende dem
Verletzten das Sühnegeld gegeben hat, so wird ihm doch nicht vergeben ivon Gott),^
bis er es dem Verletzten abgebeten hat; vgl.: „Und nun jiib das Weib des Manne»
zurück . . . u. er möge für dich beten, so wirst du leben" Gn 20, 7. Und woher, da&
der Verletzte, wenn er jenem nicht verzeiht, ein grausamer (hartherziger) Mensch ist?
Siehe das. Vers 17: ,ünd Abraham betete zu Gott u. Gott heilte Abimelekh." — Diese
Mischna hat folgende Deutungen gefunden. TBQ J», 29 f. (865 f.): Wenn einer einen
andren verletzt hat, so muß der Verletzte, auch wenn der Verletzer ihm nicht Abbitte
geleistet hat, 'gleichwohl für diesen um Erbarmen bitten, s. Gn 20, 17 u. Hi 42, 8. 10.
R. Jehuda (um 15u) hat im Namen des Rabban Gamliel (II., um 90) gesagt: Siehe, es-
heißt: , Er (Gott) schenkt dir Erbarmen (gegen andre), um sich deiner zu erbarmen*^
Dt l3, 18 (so der Midr). Das sei ein Zeichen in deiner Hand: Sooft du barmherzig^
bist (indem du deinem Nächsten vergibst), erbarmt sich der Allbarmherzige deiner
(indem er dir vergibt). — In SDt 13, 18 §9(3 (93b i nur der Ausspruch G.s: Sooft du
dich über die Menschen erbarmst, erbarmt man (— Gott) sich über dich vom Himmel. —
Derselbe Ausspruch mit Hiuzufügung des entsprechenden negativen Satzes pBQH, 6 , 19r
Wenn du barmherzig bist (u. vergibst), erbarmt sich Gott über dii-h; erbarmst du dich
nicht, so erbarmt sich Gott deiner nicht. — Schab 151 b: Wer sich über die Menschen
^erbaimt, über den erbarmt man sich vom Himmel; wer sich nicht über die Menschen er-
barmt, über den erbarmt man sich nicht vom Himmel. — TanchB s^-- §30 (52a) u. pesjqR
88(l<)4bj ist der Ausspruch G.s dem R.Jose, dem Sohn der Damaszenerin, um 130, bei-
gelegt, u. zwar in Anlehnung an .Joma8, 9. Die Pesiqthastelle lautet: Es lehre uns
unser Lehrer: Wenn Streit zwischen einem Menschen u. seinem Nächsten herrscht,
wie wird ihm (dem Schuldigen) Sühnung am Versöhnungstage? So haben uns unsre-
Lehrer gelehrt: Übertretungen des Menschen gegen Gott sühnt der Versöhnungstag;
Übertretungen eines Menschen gegen einen andren sühnt der V. nicht eher, als bis
der Schuldige seinen Nächsten ausgesöhnt hat. Und wenn er hingeht, um ihn zu vef-
söhnen, u. dieser dimmt die Versöhnung nicht an, was soll dann jener tun? R. Schemuel
b. Nachman um 2(i0) hat gesagt: Er schaffe 10 Männer herbei u. stelle sie in eine
Reihe u. spreche vor ihnen: Streit ist zwischen mir u. dem u. dem gewesen; ich wollte
ihn versöhnen, aber er hat es nicht angenommen, sondern siehe, er bleibt bei seiner
Weigerung, während ich mich vor ihm gedemütigt habe. Woher, daß er also sprechen
soll? Siehe Hi 33, 27. Wenn dann Gott sieht, daß er sich selbst gedemütigt hat, sO'
vergibt er ihm seine Sünden. Denn solange der Mensch in seiner Vermessenheit ver-
harrt, wird ihm nicht vergeben (folgt als Beleg Hinweis auf Hiob u seine Freunde
Hi 30, 1; 15, 10; 42, lOi. Und ebenso heißt es: ,Er gibt dir Erbarmen (in dein Herz
gegen andre), damit er sich deiner erbarme" Dt 13, 18. R. Jose, der Sohn der Damas-
zenerin, hat gesagt: Dies Zeichen sei in deiner Hand: Wenn du dich über deinen
Nächsten erbarmst (ihm zu vergeben), so erbarmt sich Gott über dich. — Der letzte
Satz in TanchB wiederum niit seiner negativen Ergänzung. || RH 17»: Raba (f 352)
hat gesagt: Wer nachsichtig (gegen andre i ist, dem vergibt man alle seine Verfehlungen^
s.: .Wer ist ein Gott wie du, der Schuld vergibt u. über Sünde hinweggeht!" Micha 7, 18.
Wem vergibt er Schuld? Demjenigen, der über die Sünde (andrer) hinwegsieht. —
Dasselbe Joma23a; Mog 28». |l RH 17b: Belurja, die Proselytin, fragte den Rabbao
Gamliel (um 90): In eurer Tora steht geschrieben Dt 10, 17: ,Gott nimmt auf nie-
mand Rücksicht" u. Nu 6, 2H: „Er nehme auf dich Rücksicht" (so der Midr). Es be-
faßte sich R. Jose, der Priester (um 100) mit ihr u. sprach: Ich will dir ein Gleichnis-
sagen. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem Menschen, der einem andren
eine Mine lieh, u. dieser bestimmte den Termin (der Rückzahlung) vor dem König u.
schwur ihm beim Leben des Königs (die genaue Innehaltung der gesetzten Frist zu).
Als die Zeit herangekommen war u. er die Zahlung nicht leistete, ging er, um den
König zu begütigen. Dieser sprach : Der mir zugefügte Schimpf ist dir vergeben, geh
u. begütige deinen Nächsten. Ebenso handelt es sich an der einen Stelle (Nu 0) un»
426 Matth 6, 16. 17 («H 1)
Sünden des Menschen gegen Gott u. in dem andren Fall (Dt 10) um Sünden des
Menschen gegen seinen Nächsten. || Weitere Stellen bei Mt 18, 21.
6, 16: Sooft ihr fastet, sollt ihr nicht wie die Heuchler mürrisch
werden; denn sie machen ihre Angesichter unansehnlich, da-
mit sie den Leuten als Fastende erscheinen.
vr^aTsvnv fasten = n>i:j, ~|"rri, häufig umschrieben durch rirrra ^c-;,
aram. xr-^rrnz n^ri = in einem Fasten sitzen. — Das Fasten = n*'^,
Plar. r-i^'ls, aram. N^i:i; r-'r^in, Plur. t^^i-jt}, aram. Nr"^;?n.
axvi}Qoyn6g (aus axvÖ^Qug = unwillig u. o)Ui = Angesicht) , finster
oder mürrisch aussehend". Test Sim 4: Mein Vater befragte mich über
mich, weil er sah, daß ich mürrisch war, ort io^ga /uis gxv^qwtiÖv, u. ich
sagte: Ich leide an meiner Lpber. || Man machte das Gesicht unansehn-
lich durch Unterlassen des Waschens u. Salbens, durch Bestreuen des
Kopfes mit Asche usw. jj Vom rechten Fasten heißt es Test Jos 3: Die
um Gottes willen Fastenden empfangen Anmut des Angesichts.
Vgl. den Exkurs über das Fasten, bes. Nr. 3. 6. 8.
6,17 21: Du aber fastend salbe deinen Kopf.
aXsixpai aov rrp' xecpaXr^v.
1. Das Salben -^lo (Subst. n:"^ö) diente in erster Linie der Körper-
pflege u. damit dem menschlichen Wohlbefinden, so daß man von einem
„Salben zum Vergnügen" 5*i:rn hx:i nz't: sprach. Deshalb verbot man es
für Trauer- u. Fasttage. Umgekehrt sagt Jesus dem Fastenden: „Salbe
<iein Haupt", um das Fasten als Ausdruck der innerlichen Beugung
des Menschen vor Gott von jedem äußern Schein freizuhalten.
pSchab 0, 12 ^ 5(i Bar: Am Sabbat ist sowohl das Salben, das zum Vergnügen ge-
schieht, als auch dasjenige, das nicht zum V. geschieht, erlaubt. Am Versöhnungstage
ist beides verboten. Am 9. Ab (Trauertag über die Zerstörung Jerusalems) u. bei einem
■Gemeindefasten ist das Salben zum Vergnügen verboten. — Dasselbe pMSch ■-', 58'', 27;
pJomaS, 44 '^ 28; pTafan 1, H4^, 42. — Was mit dem Salben, das nicht zum Vergnügen
geschieht, gemeint ist, zeigt Joma 77'' Bar: Ks ist verboten (am Versöhnungstag) einen
Teil des Körpers zu salben, wie den ganzen Körper. Wenn aber jemand krank ist oder
Ausschlag an seinem Kopf hat, so daif er sich wie gewöhnlich salben, ohne sich des-
wegen Sorge zu machen. Ferner s. Ta?an 1 , 3 — 7 im Exkurs über das Fasten Nr. '4. —
Joma 8, 1 : Am Versöhnungstag ist verboten das Essen, das Trinken, das Waschen, das
Salben, das Anlegen der Sandalen u. der Beischlaf. II MQ Ib^: Dem Triiuernden ist das
Waschen verboten, vgl.: , Stelle dich als Trauernde . . . u. salbe dich nicht mit Ol"
2 Sm 14,2, u. das Waschen ist im Salben mitenthalten (d. h. also, dals dem Trauernden
das Waschen ebenso verboten ist wie das Salben). — MQ2l''Bar: Folgendes ist dem
Trauernden verboten : die Arbeit, das Waschen, das Salben, der Beischlaf u. das x\n-
legen der Sandalen; ferner ist ihm verboten, in der Tora, den N*^bi5im u. den K^'thubim
zu lesen u. in der Mischna, dem Midrasch, den Halakhoth, dem Talmud u. den Aggadüth
(den nichthalakhischen Schriftauslegungen) zu studieren; wenn aber die Menge seiner
bedarf, wird er nicht daran gehindert.
Man salbte sowohl den ganzen Körper, meist nach vorangegangenem
Bade,a als auch einzelne seiner Teile, wie Kopf,b Füßec u. Hände. d
Aus abergläubischen Gründen empfahl man, sich nicht unmittelbar aus
Matth 6, 17 (% 1) 427
dem Ölbehälter, sondern vielmehr aus der Hand zu salben. e Einem
Oast Gelegenheit zu bieten, sich selbst zu salben oder ihm durch einen
Sklaven die Füße salben zu lassen, galt als AnstandspflichtJ Man ver-
wandte zum Salben entweder reines Öl, gewiß meist Olivenöl, g oder
Öl, das mit Wein h u. allerlei Spezereien vermischt war.«
a. TSchab -i, 17 (1 14): Man darf sich (am Sabbat) mit Öl salben u. sich auf einer
neuen Unterlage wälzen (um das Öl zu verreiben), ohne sich (wegen .Sabbatentheiligung)
darüber Sorge zu machen. — Dasselbe pSchab '», >>a^ .31 ; hinzugefügt wird hier: Man
darf idas Öl am Sabbat) nicht auf eine Marmorplatte tun u. sich darauf wälzen. Jj
TSch'bifith t>, l'iifiQl: Man darf sich mit Öl des Brachjahres salben u. sich auf einer
neuen Unterlage wälzen, ohne sich deswegen Sorge zu machen. Vgl. daselbst <», 9. [j
TSchab l«, IHf. (i86i: Man soll (am Sabbat) kein Öl auf den Kopf gießen u. dann ins
Bad gehn; aber man darf den ganzen Körper Glied für Glied salben. Man darf (am
Sabbat) viel Öl u. viele leinene Badetücher nach dem Bade schaffen; man salbt den
ganzen Körper u. reibt den ganzen Körper ab, ohne sich deshalb Sorge zu machen.
b. MtH, 17; 26,7; ferner s. TSchab M!, 16f. (I-Sti) Anm.o. — Eine speziell baby-
lonische Sitte wird K'^^th 17 b erwähnt. Es handelt sich hier um die Frage, weiches Be-
■weismittel in Babylonien dafür vorhanden sei, daß eine Frau als Jungfrau Hochzeit
gemacht habe. Rab (f 247) sagt: (Als solches giltl das Salböl auf dem Haupt der
Rabbinen. Rab Papa (f :^7f)) sagte zu Abaje (f .388/;-i9): Vom Öl zur Kopfreinigung hat
der Autor (d. h. Rab) gesprochen. Er antwortete ihm: Du Waisenknabe, hat denn nicht
deine Mutter das Salböl auf das Haupt der Rabbinen bei einer solchen Gelegenheit
tröpfeln lassen? — Die Stelle zeigt, daß es in B. Sitte war, daß Frauen bei der Hoch-
zeit einer Jungfrau das Haupt der anwesenden Rabbinen salbten, um die Lehrer da-
durch zu ehren, u. daß der Nachweis, daß dies geschehen sei, noch in späterer Zeit
als vollgültiges Beweisstück dafür angesehen wurde, daß eine Frau nicht als Witwe,
sondern als Jungfrau geheiratet habe.
C. TSchab •'{, IH 1 114): Man darf (am Sabbat) seinen Fuß nicht salben, während er
im Schuh oder in der Sandale steckt; wohl aber darf man seinen Fuß salben, um ihn
(hinterher) in den Schuli oder in die Sandale zu bringen. Parallelstellen: TT'^rum
10, 11 (43);TSch'^bifith(J, 11 (<iy); pSchab (>, öa, 29; bSchab 141 b. — Ferner s. SDt 33,24
§85.") (14^a) in Anm. f.
d. TT'runi 0,11 (431: Mit Öl der Priesterhebe darf man unreine Hände nicht
salben. — Ferner s. Men^.Tb in Anm./".
e. Sanhliil»: Man(= Zauberer) pflegt über dem Öl in einem Gefäß einen Geheimsprucb
zu flüstern, aber nicht über dem Öl in der Hand; deshalb salbt man sich mit Öl aus der
Hand u. nicht mit Öl aus einem Gefäß. Rab Jicjchaq b. Schemuel b. Martha (gegen oUO)
kam in eine Herbeige; man brachte ihm Öl in einem Gefäß; er salbte sich damit u.
es entstanden ihm Blattern im Gesicht. Als er auf die Straße hinaustrat, sah ihn ein
Weib, die zu ihm sprach: Den Brandpfeil des Chemeth (oder Chamath, Name eines
Dämons 1 sehe ich hier! Da machte sie etwas an ihm u. er genas.
/. Chull 94a Bar: R. Meir (um l.'iU) hat gesagt: Der Mensch soll einen andren nicht
zum Mahle bei sich nötigen, wenn er von ihm weiß, daß er nicht mitspeist . . .; er
Süll nicht zu ihm sagen: „Salbe dich mit Öl"*, wenn die Flasche leer ist (u. wenn er
weiß, daß jener das Salben ablehnt); wenn er es aber sagt, um jenen zu ehren, so
ist es erlaubt. — Die ungekürzte Stelle s. bei Mt 2H, 7. — In TBB (», 14 (406) fehlt der
letzte Teil des Ausspruchs. || SDt:'.:-!, 24 § ::;55 (148^): „Er taucht in Öl seinen Fuß*
(Dt 3?, 24), denn das Land Aschers fließt von Öl wie eine Quelle. Es begab sich, daß
die Einwohner von Laodicea Öls benötigten. Sie erwählten sich einen Verwalter u.
sprachen zu ihm: Geh, kaufe uns Öl für lOOOUOO (Denare). Er ging nach Tyrus u.
sagte zu ihnen: Ich brauche Öl für I Million. Man antwortete ihm: Geh nach Gusch-
Chalab (= rt<Tj«A« bei Josephus Bell. Jud. 4, 2, 2, in Galiläa). Er ging nach Gusch-
Chalab u. sprach: Ich brauche Öl für 1 Million. Sie sagten: Geb zu dem u. dem! Er
428 Matth 6, 17(311.2)
ging in dessen Haus, traf ihn aber nicht an. Man sagte ihm: Siehe, er ist auf dem
Acker. Er ging u. traf ihn, wie er unter einem Olivenbaum Furchen zog. Er sprach
zu ihm: Ich brauche Öl für 1 Million! Er antwortete ihm: Warte, bis ich mit dem
Oiivenbaum fertig bin. Als er mit seinen Oliven fertig war, nahm er die Gerätschaften
u. machte sich alimählich auf den Weg. Der Verwalter sprach (bei sich): Ist's mög-
lich, daß dieser für 1 Million Ol besitzt? Die Juden haben wohl nur Scherz gemacht!
Als er in sein Haus eintrat, rief er seine Sklavin u. sprach zu ihr: Komm u. wasche
unsre Füße! Sie füllte eine Schüssel voll Öl u. wusch ihnen ihre Füße, um zu er-
füllen, was gesagt ist: „Er taucht in Öl seinen Fuß." Er setzte ihm Brot vor, u. er
aß u. trank. Nach dem Essen stand er auf u. maß ihm Öl für 1 Million zu. Er sprach
zu ihm: Wünschest du noch mehr? Er antwortete ihm: Ich habe kein Geld. Er sprach
zu ihm: Nimm u. ich werde mit dir gehn u. mein Geld in Empfang nehmen. Er stand
auf u. mnß ihm Öl für 18 Millionen (Denare) zu. Man hat erzählt, jener Mann habe
keinen Esel u. kein Kamel im Lande Israel zurückgelassen, die er nicht (zum Trans-
port des Ölsi an sich zog. Als die Leute von Laodicea davon erfuhren, gingen sie ihm
drei Mil entgegen u. stimmten vor ihm ein großes Loblied an. Er sprach: Dieses Lob-
lied dürft ihr nur diesem iVIann singen; denn alles ist sein, u. nicht bloß dies, sondern
ich schulde ihm noch 18 Millionen, um zu erfüllen, was gesagt ist: „Mancher stellt
sich reich u hat gar nichts; mancher stellt sich arm u. besitzt grolae Habe" Spr 13,7. —
In der Parallelstelle Men 85 1> heißt es: Es brachte ihm seine Sklavin einen Kessel mit
warmem Wasser u. wusch darin seine Hände u. Füße; dann brachte sie ihm eine goldene
Schüssel voll Öl u. badete darin seine Hände u. Füße.
g. Mit dem Öl in obigen Zitaten ist überall Olivenöl gemeint. Wie sehr dieses
bevorzugt wurde, erkennt man daraus, daß selbst Oliven vom Baum genommen u. zer-
drückt wurden, um Öl zum Salben zu gewinnen. Ma?as'4, 1: Wenn man Oliven (vom
Baum) über seinem Körper (zur Salbung) ausdrückt, ist man (von deren Verzehntung)
frei; wenn man sie aber ausdrückt u. (den Saft) in seine Hand gelangen läßt, ist man
(zu ihrer Verz ) verpflichtet.
h TSchebifith (), 8 (69): Man macht den Wein (des Brachjahres) nicht zu Ölwein
(durch Mischung mit Öl) u. das Öl (des Brachj.ihresl nicht zu wohlriechendem Öl;
wenn man aber Wein zu Ölwein u. das Öl zu wohlriechendem Öl gemacht hat. so ver-
reibt man beim Salben das Öl, aber nicht den Wein u. den Essig; denn das Öl dient
gewöhnlich zum Salben, während der Wein u. der Essig gewöhnlich nicht zum Salben
dienen. — Vom Brachjahr abgesehen war also eine Mischung von Öl u. Wein zum
Salben gestattet.
i. Hierzu s. bei Mk 14,3. — Hier nur der allgemeine Satz pMSch 2, 53 '^, 46: Mit
Öl vom zweiten Zehnt, den man mit Spezereien gemischt hat, darf man sich salben.
2. Erst in zweiter Linie diente das Salben als Heilmittel.
Schab 14,4: Wer an Hüftweh leidet, darf sich (am Sabbat) nicht mit Wein u. Essig
salben (einreiben, weil man sich damit nicht für gewöhnlich salbt, s Nr. l h); wohl aber
darf er sich mit Öl salben, jedoch nicht mit Rosenöl (weil dieses nicht für gewöhnlich
zum Salben dient). Königskinder dürfen (auch am Sabbat) Rosenöl auf ihre Wunden
streichen, denn so pflegen sie sich (auch) am Wochentag zu salben. R. Schimfon (um IhO)
sagte: Alle Israeliten sind Königskinder. || TD'^mai 1, 24 (46) findet sich die handschrift-
liche Lesart: Wer Wein u. Ol nimmt, um sie auf Hautausschläge zu legen . . ., ist zur
D'maiabgabe verpflichtet. t| TSchab ;}, 7 (114): Man darf Ölwein (am Sabbat) erwärmen
u. auf den Leib des Kranken (gegen Leibschmerzen) bringen. |i pBrakh 1,3*', 9 Bar:
Man darf einen Kranken am Sabbat mit Ölwein salben. Wann? Wenn man den Wein
u. das Öl am Rüsttag auf den Sabbat zus.gerührt hatte; aber wenn man sie am Rüst-
tag auf den Sabbat nicht zus.gerührt hatte, so ist es (das Salben am Sabbat) ver-
boten, il T'Prum {>, 13 f. (42): Man darf sich mit (Hebe-)Öl auf einer Wunde salben, nur
daß man es nicht auf Werg oder auf ein Läppchen bringt, um es auf die Wunde zu
legen. Wer an Kopfschmerz leidet oder Hautausschläge hat, darf sich (an den kranken
Matth 6, 17 (31 2. 5S). 6, 19 f. (Nr. 1) 429
Stellen) mit (Hebe-)Öl salben. — Teilweise parallel: TSch^bifith 6, 4 (69); TSchab
12, 1 1 f. (127); pMSch '2, •"'S'', 44. !l Auch bei Besprechungen wurde das Salböl verwandt.
pMSch 3, 5:-ib, 48: Schimfon b. Ba (um 280) hat im Namen des R. Chanina (um 'i'lh)
gesagt: Wer den Geheimspruch (die Besprechungsformell flüstert, tut Ol auf seinen
(des Kranken) Kopf u. dann flüsteit er den Geheimspruch; nur darf er es (das Öl)
nicht in die Hand u. nicht in ein Gefäß tun (nämlich an einem Sabbat; andre hielten
dies jedoch für erlaubt).
6, 17 J8: Wasche dein Angesicht, rd TTQcacoTiöv aov vtipcci.
Über das Unterlassen der Waschungen beim Fasten s. Exkurs über
das Fasten Nr. 8, c. || Zu Mt 6, 17 f. hat F. Nork nach Schöttgen eine
auffallende Parallele beigebracht aus GnR 74 (muß heißen 84 gegen
Ende), die er folgendermaßen übersetzt: „R. Levi sagte: In seiner
Kammer weinte er (n=i3 n-n ib::«); begab er (nach Nork: Jakob) sich
aber unter die Leute, wusch u. salbte er sich, u. genoß Speise u. Trank.
Warum machte er aus seiner Kasteiung einen Hehl? Gott aber ant-
wortete: Hat er auch seinen Kummer verborgen gehalten, so werde
ich doch dies aller Weit bekanntmachen." (Anm. dazu: „Eben durch
Moses, der die Geschichte der Erzväter mittelst der Inspiration ge-
schrieben haben soll?") Bischoff, Jesus u. die Rabbinen S. 83, offenbar
verleitet durch Norks Übersetzung, bemerkt dazu: Das sieht beinahe
aus wie eine mißverständliche Anwendung von Mt6 Vers 18 Ende: Und
dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dir's vergelten öffentlicii! —
Richtig übersetzt lautet dieMidraschstelle: Es beweinte ihn (den Joseph)
sein Vater (Gn 37, 35); damit ist Isaak gemeint (der Midrasch deutet
„sein" Vater = Jakobs Vater, d. h. Isaak). R, Levi (um 300) u. R. Simon
(um 280) haben gesagt: Bei ihm (Jakob) weinte er (Isaak; der Midr
deutet TIN Gn37,35 = "inN = mit ihm, bei ihm); wenn er (Isaak) aber
von ihm (Jakob) fortging, ging er hin u. wusch sich u. salbte sich u.
aß u. trank (als ob er kein Trauernder wäre). Warum hat er (Isaak)
es aber nicht kundgetan (nämlich dem Jakob, daß Joseph noch am
Leben sei)? Er sprach: Gott hat es ihm (dem Jakob) nicht kundgetan;
da sollte ich es ihm kundtun? — Der Midr ruht auf der Voraussetzung,
daß Isaak um das wirkliche Geschick Josephs gewußt habe. Daher gibt
er sich fern von Jakob wie ein Nichttrauernder; nur in Jakobs Nähe
trauert er mit diesem. An andren Stellen, zB GnR 84 (54''), wird auch
von Jakob gesagt, daß er von Josephs Verbleib Kunde gehabt habe.
6, 19f.: Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte
u. Fraß (Zernagung) vernichtet u. wo Diebe durchgraben (ein-
brechen) u. stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel....
jwjj ä^rjaavQi'^sTs vfiTv d-rjffavgovg srcl rrjg yr^g . . . ^rjaavQi^tis di v/xtv
^TjGavQovg €V ovQaro).
1. Tob4,8ff.: Wenn du viel hast, so übe damit Barmherzigkeit; wenn du wenig
besitzest, so scheue dich nicht, dem Wenigen entsprechend Barmherzigkeit zu tun;
denn so sammelst du dir einen guten Schatz auf den Tag der Not; denn Barmherzig-
keit errettet vom Tode u. läßt nicht in die Finsternis eingehn. \\ Henoch38, 2: Die
430 ' Matth 6, 19 f. (Nr. 1)
Werke der auserwälilten Gerechten sind von dem Herrn der Geister aufbewahrt. |[
Ps Sal 9, 5: Wer reclitschaffen handelt, speichert sich auf tftrjndVfjiCsi sitvrtf)) Leben bei
dem Herrn. || 4 Esra6,5f. : Ehe die Jahre der Gegenwart berechnet, ehe die Anschläge
der Sünder verworfen, aber die, die Schätze des Glaubens sammeln, versiegelt wurden:
damals habe ich dies alles vorbedacht. I Das. 7, 77: Du hast einen Schatz guter Werke,
der dir beim Höchsten aufbewahrt bleibt; der soll dir freilich erst am jüngsten Tag
offenbar werden. || Das. 8, H3: Die Gerechten, denen viele Werke bei dir bewahit sind,
werden aus eignen Werken den Lohn empfangen. I Apoc Bar 14, 12: Die Gerechten er-
warten gern das Ende u. furchtlos gehn sie aus diesem Leben, weil sie bei dir einen
Schatz von Werken haben, der in den Vorratskammern aufbewahrt wird. || 4 EsraS, :-)t):
Dadurch wird deine Gerechtigkeit u. Güte, Herr, offenbar, daß du dich derer erbannst,
die keinen Schatz von guten Werken haben. — Apoc Bar 2A, 1 : Denn siehe, Tage
kommen: da werden die Schriften aufgetan werden, worin die Sünden aller derer, die
gesündigt haben, aufgeschrieben sind, u. auch die Vorratskammern, wo die Gerechtig-
keit aller derer, die in der Schöpfung recht gehandelt haben, aufgespeichert ist. ||
slHenoch öü, 5: Ein jeder von euch möge Gold u. Silber reichlich geben um des Bruders
willen, damit er empfange einen vollen Schatz in jener Welt.
TPea 4, 18 ('24): E:^ geschah, daß der König Monobaz' sich aufmachte u. alle seine
Schätze an die Armen in den Jahren der Hungeisnot verteilte. Seine Brüder liefsen
ihm sagen: Deine Väter haben Schätze gesammelt n-ui.«; -t:; u. die ihrer Väter noch
gemehrt u. du machst dich auf u. verteilst [-riziz verächtlich: „du bringst durch")
das Deine u. das deiner Väter. Er antwortete: Meine Väter haben Schätze für unten
gesammelt, u. ich habe Schätze für oben gesammelt, s. Ps85, lü: „Wahrheit (Treue)
wird von der Erde aufsprossen u. Almosen (das sind die für oben gesammelten Schätze)
schauen vom Himmel herab" (so der Alidr). Meine Väter haben Schätze gesammelt an
einer Stätte, über die die Hand Gewalt gewinnen kann, u. ich habe Schätze gesammelt
an einer Stätte, über die keine Hand Gewalt gewinnen kann, vgl.: „Gerechtigkeit
(= Almosen) u. Recht sind die Grundlat^e deines Thrones" Ps8y, 15. Meine Väter
haben Schätze gesammelt, die keine Zinsen tragen, u. ich habe Schätze gesammelt,
die Zinsen tragen, s.: „Saget vom Gerechten, es stehe gut mit ihm ; denn die Früchte
(= Zinsen) ihrer Taten werden sie genießen" Jes8, iU. Meine Väter haben Schätze an
Mammon gesammelt, u. ich habe Schätze an Seelen gesammelt, s. : „Die Frucht des
Gerechten ist ein Lebensbaum, u. Seelen gewinnt der Weise" Spr 11,:<0. Meine Väter
haben Schätze für andre gesammelt, u. ich habe Schätze für mich selbst gesammelt,
vgl.: „Dir soll das Almosen frommen" Dt 24, 18 iso der Mi'lr). Meine Väter haben Schätze
in dieser Welt gesammelt, u. ich habe Schätze für die zukünftige Welt gesammelt, s. :
,Vor dir hery;ehn wird dein Almosen u. die Herrliciikeit Jahves wird dich aufnehmen"
Jes58,8 (so der Midr). Parallelstellen: pPea I, lab, öö; bBB ll'*; Pe.siqR -J-i ((2Kbj.
Pea 1.1: Von folgenden Dingen genießt der Mensch die Zinsen in dieser Welt, während
das Kapital für ihn stehen bleibt für die zukünftige Welt: Ehrfurcht vor Vater u. Mutter,
Erweisung von Liebeswerken, Friedensstiftung zwischen einem Menschen u. seinem
Nächsten u. Torastudium, das sie alle übertrifft. — Dasselbe erweitert durch „Gast-
freundschaft" Qid8!^b. — In Schab 127" werden von R. Juchanan, f 219, sechs hier-
her gehörende Dinge aufgezählt: Aufnahme von Wanderern, Krankenbesuch, Gebets-
andacht, frühzeitiges Erscheinen im Lehrhaus, Eiziehung der Söhne zum Torastudium,
Beurteilung des Mitmenschen nach seiner verdienstlichen Seite, ii B rakh 38b: R Chanina
(um 22n) hat im Namen des R. Schimfon b. Jochai tum 15U) gesagt: Gott hat in seinen
Vorratskammern nur den Schatz der Gottesfurcht, s.: „Die Furcht Jahves, das ist sein
(Gottes) Schatz" Jes 88,6. |1 GnR 9(7^): R. Jonathan (um 220 1 hat gesagt: Es hätte der
Tod nur über die Gottlosen u. nicht über die Gerechten verhängt werden sullen. Allein
•(letzteres ist geschehen,) damit nicht die Gottlosen trügerische Buße tun u. sagen
' Monobazus, König von Adiabene. um oU n. Chr., war samt seiner Mutter Helena
seinem Bruder Izates zum Judentum übergetreten.
Matth 6, 19 f. (Nr. 1 . 2). 6, 22 (Nr. 1.2) 43 1
möchten: Die Gerechten bleiben nur am Leben, weil sie GebotserfüUungen u. gute
Werke iwie einen Schatz) aufsammeln (~5"); so wollen auch wir GebotserfüUungen u.
gute Werke ansammeln. So würde ihr Tun als ein unlauteres erfunden werden. j|
GnR y (7=^): R. Z^gira (um SOU) hat gesagt: , Siehe, es war selir gut" Gn 1,31, das geht
auf den Gan f Eden; „und" sielie, es war sehr gut (ebendas. I, das geht auf den Gehinnom.
Aber ist denn der Gehinnom sehr gut? Gleich einem König, der einen Garten hat;
er schickte Arbeiter hinein u. erbaute an- seinem Eingang ein Schatzhaus; er sprach:
Wer sich Lohn verdient durch Gartenarbeit, der trete ein in das Schatzhaus; wer sich
aber durch Gartenarbeit keinen Lohn verdient, darf nicht in das Schatzhaus eintreten.
Ebenso wer Gebotserfüllung u. gute Werke als Schätze ansammelt (":>), für den ist
der Gan fEden da; wer aber keine GebotserfüUungen u. gute Werke als Schätze an-
sammelt, für den ist der Gehinnom da. R. Sch'^'muel b. Ji^chaq (um 300) hat gesagt:
, Siehe, es war sehr gut", das geht auf den Engel des Lebens; „und" siehe, es war sehr
gut, das geht auf den Engel des Todes. Aber ist denn der Engel des Todes sehr gut?
Gleich einem König, der ein Mahl veranstaltete u. dazu die Gäste einlud; er setzte
ihnen eine Schüssel voll guter Dinge vor. Er sprach: Wer davon ißt u. den König
segnet, der mag davon essen u. sich gütlich tun; wer aber davon ißt, ohne den König:
zu segnen, dessen Kopf soll mit dem Schwert abgehauen werden. Ebenso wer Gebots-
erfüllungen u. gute Werke als Schätze ansammelt 'iz, für den ist der Engel des Lebens
da; wer aber keine Gebotserfüllungen u. gute Werke als Schätze ansammelt, für den
ist der Engel des Todes da. — Die Redensart: „GebotserfüUungen oder gute Werke
(als Schätze) ansammeln" c-avj c-i;i'":'' ri::^ h:t findet sich zB noch GnR 3V) (23');
4M2Tb); LvR4(lU7b); NuR8(150b); DtR 1 (195'): Alles, was Israel an Gebotserfül-
lungen u. guten Werken ansammelt, sammelt es für seinen Vater im Himmel an;;
Midr Ruth 1 , 17 (128a); Midr Qoh 6, 7 (30a). Ferner s. die Zitate bei 1 Tim tj, 1 9.
2. 6ioifvaaovaiv = nnn, inn durchgraben, eine Öffnung machen, um
einzubrechen, vgl. r-nn-? Durchbruch = Einbruch Ex 22, I.
GnRH3 (SQ*"): R. Levi (um 300) hat gesagt: Gleich einem Königssohn, der bei seinen»
Vater einbrach irin, um eine Litra Gold wegzunehmen. . . . |l Hi 24, 16: ct: -; — maa
durchbohrt Häuser — man bricht in Häuser ein; Targ s-ra ps- ;= man durchgräbt Häuser.
— Zum Vergraben des Geldes vor Dieben s. bei Mt 25, 18.
6,22: Das Licht (die Leuchte) des Leibes ist das Auge; wen»
dein Auge unversehrt ist, wird dein ganzer Leib licht sein.
1. 6 Xv^rog xoi) ao^iarög samv 6 6(fi)^aX{.i6q.
Philo, De mundo §5 (Mang2, 6U7): Wie in dem Leibe das eigentlich Leitende
rö rjyffxot'ixwTccroy das Gesicht oiptg (= Auge) ist, so ist das Vorzüglichste unsres-
Innern die Vernunft. — Derselbe de mundi opif. S 17 (Mang I, 11 f.): Da Gott wußte,
daß das beste unter den Dingen das Licht ist, so bestimmte er es zum Werkzeug
oQyni'oi' für den besten unter den Sinnen, das Gesicht (nQaaig); denn was die Ver-
nunft in der Seele ist, das ist das Auge ocf&a'AfÄOc: im Leibe.
2. drcXovg muß in diesem Zus.hang als Gegensatz zu TiorrjQog (=:
schliirim, krank) „unversehrt, heil, gesund" bedeuten. Hebräisch würde-
rn (= n-i^in), aramäisch n^^^ entsprechen (d^^ xba). — BQ 12'': Wir
haben gelernt (MSch 1,2): Ein erstgeborenes Tier darf man (der Priester),
wenn es unversehrt ür ist, lebend, aber nicht geschlachtet verkaufen;
wenn es einen Fehler hat ni^a bra, lebend u. geschlachtet. — Li MSch
1,2 steht D-'-ar statt er; in der Parallelstelle T^mura 107^ einmal dp,.
sonst c-i-or. || „Ein fehlerloses Lamm" n^-r rm- Ex 12, 5 übersetzt Targ
Onk: cKv ^:|n; ebenso Targ Jerusch L In letzterem heißt es zu Lv
432 Matth 6, 22 (Nr. 2). 6, 23
27, 10: Er soll nicht umwechseln u. nicht vertauschen ein unversehrtes
fiiVi' gegen ein Tier, an dem ein Fehler ist, u. eins, an dem ein Fehler
ist, gegen ein unversehrtes. — Die Wahl des Ausdrucks nnXovc mag
•damit zus.hangen, daß die LXX einigemal das Substantivum cn, wenn
auch in andrer Bedeutung, mit änköir^g übersetzt haben, s. 2 Sm 15, 11;
Spr 19, 1; vgl. auch äaXwc Spr 10, 9 für oina.
Die von Lightfoot, Schöttgen u. andren beliebte Erklärung des
<}(fif^aXfi<tg dnkovc u. o- rrovrjgog nach n^i'u "i-^y u. nj-T -i";^" = gütiges, wohl-
wollendes Auge, bezw. = mißgünstiges, neidisches Auge (vgl. Spr 22, 9;
23, 6), ist zu eng u. paßt nicht in den Zus. hang. Über diese Ausdrücke
s. bei Mt2C, 15.
6,23: Das Licht, das in dir ist.
To (foyg To €v Goi. unter dem Lichte oder der Leuchte im Innern
des Menschen versteht man im Rabbin. den Geist oder die Seele des
Menschen ; Mt 6, 23 wird damit das geistig sittliche Erkenntnisvermögen
gemeint sein.
Midr Ps 17 § 8 (6fia): R. El'azar ha-Qappar (um 180) hat gesagt: Gott spricht zum
Menschen: Meine Leuchte -~: soll in deiner Hand sein u. deine Leuchre t-: in meiner
Hand. Meine Leuchte in deiner Hand, s. Spr 6, 2.3: ,Eine Leuchte ist das Gebot u.
-die Tora ein Licht." Deine Leuchte in meiner Hand. s. Spr 20, 27: ,Eine Leuchte von
Jahvö ist des Manschen Geist, durchforschend alle Kammern des Innern." Behütest du
meine Leuchte, so behüte ich deine Leuchte. |i P'^siqR ■'-' (29 ai; go eröffnete R. Tanchuma
b Abba lum :-58u) seinen Vortrag: „Eine Leuchte Gottes^ ist die Seele des Menschen,
■durchforschend alle Kammern des inriern" Spr 20, 27. R. Acha (um o2Ü) hat gesagt:
Wie die Könige von Fleisch u Blut Späher (curiosi) haben, die dem König jedes Wort
Tiinterbiinuen, so gibt es auch vor Gott Späher, die alles hinterbringen, was ein Mensch
im geheimen, in der Finsternis u. offenkundig tut. und die Späher Gottes sind die
Seele, die es dem Engel (dem Geleitsengel des Menschern mitteilt, u. der Engel teilt
•es dem Kerub u. der Kerub teilt es Gott mit. s. Qoh H», 2U. . . . Was du in deinem
Herzen denkst, deine Seele teilt ihm alle Worte mit, eine Leuchte Gottes ist die Seele
•des Menschen, durchforschend alle Kammern des Innern !l >chab 3()"'': Diese Frage
fragte man oberhalb- des R. Tanchum von Nave Iwohl identisch mit R. Tanchuma
h. Abba, um Hx(i): Wie verhält es sich mit dem Auslöschen eines brennenden Lichtes
vor einem Kranken ider durch das Licht belästigt wirdi an einem Sabbat? Er ant-
wortete: Was nun die Fraiie betrifft, die ich vor euch gefragt habe (Ausdruck der
Bescheidenheit statt: die ihr vor mir gefragt habt), so ist zu erwidern: Ein (gewöhn-
liches) Licht wird eine Leuchte -■: genannt, u. die Seele des Menschen wird auch eine
Leuchte -: genannt (vgl. Spr 20, 27); da ist es besser, daß eine menschliche Leuchte
{d. h ein gewöhnliches Licht' ausgelöscht werde um der Leuchte Gottes willen (d. h.
•damit die Seele, das Leben eines Menschen erhalten bleibe). |] P'^siq 145»: Warum
lieißt es Jes fiO, H: „Wallen werden Nationen nach deinem Licht"? R. Acha (um :-«20)
■hat gesagt: Die Israeliten werden mit einem Ölbaum verglichen, s. Jer 11, 16: ,Grünen-
•der Ölbaum, prangend in stattlicher Frucht" — hat Jahve deinen Namen geheißen.
Und Gott wird mit einer Leuchte verglichen, s. Spr 20, 27: ,Eine Leuchte von Gott
{z'n-iü, so zitiert der Midr) ist die Seele des Menschen." Wie man das Öl auf die
} o-r^-s -:, so wird Spr 2i\ 27 nicht nur in obiger Stelle mehrfach, sondern auch
TP®s I, 1(154); P'^s7'>; p-'siq I4'>a zitiert.
* Die Schüler, welche fragten, standen u. überragten so den im Sitzen vortragen-
■den Lehrer.
Matth 6, 23. 24 (Nr. 1) 433
\
Leuchte zu tun pflegt, daß sie beide gemeinsam leuchten, so sagt auch Gott zu Israel :
Meine Kinder, weil mein Licht -^:s euer Licht =:-^in u. euer Licht mein Licht ist,
so wollen ich u. ihr gehn u. Zion leuchten, s. Jes 60, 1: Mache dich auf, mein Licht;
denn es kommt dein Licht (so der Midr).
6, 23: Wie groß (ist dann) die Finsternis! jtoctov, Schluß a minori
ad maius; s. bei Rom 5, 9 u. Einl. 97. 102.
6,24: Niemand kann zwei Herren dienen; denn er wird ent-
weder den einen hassen u. den andren lieben, oder er wird
dem einen anhangen u. den andren verachten, Ihr könnt nicht
Gott dienen u. dem Mammon.
1. ovSslg dvraxai oval xvQioig öovXsvsiv. — In Wirklichkeit kam der
Fall vor, daß ein Sklave zwei Herren gehörte, zB zwei Geschäfts-
teilhabern oder zwei Brüdern, in deren Besitz er zu gleichen Teilen
durch Erbschaft übergegangen war. Ließ der eine Besitzer den Sklaven,
soweit er ihm gehörte, frei, so wurde dieser zur Hälfte ein Freier
-p^in p, zur Hälfte blieb er ein Sklave ~-2V.
BQ 90a Bar: Wer zur Hälfte ein Sklave u. zur Hälfte ein Freier ist u. ebenso
ein Sklave, der zwei Geschäftsteilhabern c-rrvj; gehört, geht wegen der nicht wieder-
wachsenden Gliederspitzen (die ihm sein Herr abgehauen hat) nicht zur Freiheit aus. —
Nach R. Elicezer galt Ex 21, 26 f. nur für den Fall, daß der Sklave unbedingtes Eigen-
tum seines Herrn war. || Git4oa: Wessen Ochse jemanden tötet, der zur Hälfte ein
Sklave u. zur Hälfte ein Freigelassener ist, der gibt die Hälfte des Strafgeldes dessen
Herrn u. die Hälfte des Sühngeldes dessen Erben. || Git4, 5: Wer zur Hälfte Sklave u.
zur Hälfte ein Freier ist, der arbeitet einen Tag für seinen Herrn u. einen Tag für
sich selbst. Das sind Worte der Schule Hillels. Die Schule Schammais erwiderte:
Ihr sorgt für seinen Herrn, aber für ihn selbst sorgt ihr nicht. Eine Sklavin darf
er nicht heiraten, da er schon zur Hälfte ein Freier ist: eine Freie darf er nicht
heiraten, da er noch zur Hälfte ein Sklave ist. Soll er etwa ledig bleiben? Ist nicht
die Welt lediglich zur Fortpflanzung geschaffen, s.: , Nicht Einöde soll sie sein, zum
Wohnen hat er sie zubereitet" Jes 45, 18? Vielmehr der guten Ordnung wegen zwingt
man (das jüdische Gericht) seinen Herrn, daß er ihn zu einem Freien macht, u. er
(der Freigelassene) schreibt (seinem Herrn) einen Schuldbrief auf seinen halben Wert.
Darauf lehrte auch die Schule Hillels nach den Worten der Schule Schammais.
Einen eigenartigen Beleg für Jesu Wort bietet die Halakha. Chag
1, l heißt es: Alle sind zuin Erscheinen im Tempel an den Feiertagen
verpflichtet, ausgenommen Taube, Blödsinnige, Kinder, Geschlechtslose,
Zwitter, Frauen, Sklaven, die nicht freigelassen sind. Lahme, Blinde,
Kranke, Greise u. die, welche nicht zu Fuß hinaufpilgern können. —
Hierzu wird Chag 4^ gefragt: Woher läßt sich beweisen, daß die Sklaven
nicht zum Erscheinen im Tempel an den Festen verpflichtet sind? ßab
Huna (t 297) hat gesagt: Die Schrift sagt: „Dreimal im Jahre soll
all dein Männhches vor dem Herrn Jahve erscheinen" Ex 23, 17. Der,
welcher nur Einen Herrn hat (soll erscheinen); da ist ausgeschlossen,
der einen andren (zweiten) Herrn hat. — Man erkennt hier unschwer
das Wort wieder: Herrendienst geht vor Gottesdienst, oder Herrendienst
verträgt sich nicht mit Gottesdienst. Dieser Gedanke ist dann Jalqut
Sm § 78 (aus J'^lamm^denu) auch auf die übrigen Gebote ausgedehnt,
strack u. Billerbeck, NT I. 28
434 Matth 6, 24(Nr. 1— 3)
von denen die Sklaven, Frauen u. Kinder befreit waren: Warum, so
wird jetzt gefragt, sind die Frauen mit den Kindern u. Sklaven in
bezug auf die Erfüllung der Gebote verbunden (auf gleiche Linie ge-
stellt) worden? Weil sie nur Ein Herz (nämlich für ihren Mann u.
Vater) haben; ebenso ist das Herz des Sklaven nur auf seinen Herrn
gerichtet. — Ferner s. die Deutung von Ex 21, 6 durch Rabban Jochanan
b. Zakkai (f um 80) in TBQ 7, 5 (358) oben S. 176 Anm. h Ende.
2. tVa ßia^'^aei . . . tctqov ccYcxTTijcr&i. — Daß „hassen" u. „lieben"
sich mit dem Gegensatz „vorziehen" u. „hintansetzen" decken kann,,
zeigt ExR51 (104"): Warum (heißt der Berg der Gesetzgebung) Sinai?
Weil Gott die Oberen hintansetzte (xrj, wörtlich: haßte) u. die Unteren
liebte snx (= vorzog). Vgl. schon Dt 21, 15 — 17.
3. fxa}.i(orccc, li^-:, njv-"?; nach Gesenius, Thesaurus, kontrahiert aus
■|i^::T3 absconditum; Levy 3, 138"^ leitet '-o von -^^^ = iro „zuteilen" ab;
besser Dalrnan, Gramm. ^ § 32, 3, von -^x aus: ^i-oi^'o „Hinterlegtes, Geld".
Haggadische Erklärung in Tanch rrj^a 244'': Gott nimmt das Vermögen
von dem einen fort u. gibt es einem andren; deshalb führt es den
Namen ccz:, weil es sich vor dem einen verbirgt (i"^d23 als Niqtal von
noD „bedecken, verbergen") u. einem andren offenbar wird. Oder es
heißt ",■',^■0, das will sagen: Was du aufzählst, ist gar nichts nrxir n-a
c-!b= ■i3"'x n:i^. Oder es heißt -rj^ (Gelder), weil es nur einen Tag lang
währt rsb ns'a inuj. In der Parallelstelle NuR 22 (193'') um ein Glied
erweitert: Das Vermögen wird ein: (Münzsorte tti, dann allgemein =
Geld) genannt, weil es von dem einen weicht (tt) u. einem andren zufällt.
Unter •^^^•o wird im Rabbin. nicht bloß „Geld" im eigentlichen Sinn
verstanden, sondern die ganze Habe eines Menschen, alles, was Geldes-
wert für ihn hat, oder alles, was er außer dem eigenen Leib u. Leben
besitzt; auch Sklaven. Daher kommt es, daß -i^-o-q als die Summe des
äußeren Besitzes gegenübergestellt werden kann der irs?. u. dem qnj
(Körper) als denjenigen Gütern, die der Mensch außer seiner sonstigen
Habe noch sein eigen nennen darf. Beispiele:
Sanh 1,1: Vermögensprozesse r'.i'-c-^ -rr werden durch drei Personen abgeurteilt. ^
Den '^ 'i'~ stehen gegenüber die r'xti -:•- die Kriminal prozesse, zB Sanli 1,4. ]| (AZ 2, 2:
Man darf sich von den Gojim eine Heilung der Habe ]^^-2 ■•■;- angedeihen lassen,
aber nicht eine Heilung der Personen r-rz: -nt-. — Dazu cAZ 27-': Was ist 'i ■■;-
u. was ist '; -■i-'V Wenn man sagen wollte, das erstere bedeute eine Heilung gegen
Belohnung u. das letztere eine H. ohne Entgelt, so hätte man doch lehren sollen: Man
darf sich von ihnen eine H. gegen Belohnung angedeihen lassen, aber nicht eine H.
ohne Entgelt! Wenn man aber sagen wollte, das erstere bedeute eine H., mit der
keine Gefahr, u. das letztere eine H., mit der eine Gefahr verbunden ist, so hat doch
Rab J'^huda (f 299) gesagt: Nicht einmal den Stich einer Aderlaßlanzette darf man
sich von ihnen heilen lassen! Vielmehr ist mit ,H. der Habe" diejenige eines Tieres
u. mit „H. der Personen" diejenige des eigenen Leibes gemeint. — Parallelstellen:
TcAZ :i, 4 (463); TChul 2, 21 (50:5),liier die Mischna auf die Häretiker ausgedehnt; p'AZ
2,40^ 65; vgl. auch N^d 4,4 u. N'^d 41 b. \\ B'rakh 61b ßar: R. Elifezer (um 90) sagte:
Wenn es Dt 6, 5 heißt: „Du sollst Jahve deinen Gott lieben von deiner ganzen Seele",
warum heißt es dann „aus aller deiner Kraft"? (das.); u. wenn es heißt „aus aller
Matth 6, 24 (Nr. 3. 4). 6, 25. 26 (Nr. 1) 435
deiner Kraft", warum heißt es dann „von deiner ganzen Seele"? Da es manchen gibt,
dem seine Person it-i (wörtlich: sein Leib) lieber ist als seine Habe -iio, darum heißt
es „von deiner ganzen Seele"; u. da es manchen gibt, dem seine Habe lieber ist als
seine Person, darum heißt es „aus aller deiner Kraft" (= mit deinem ganzen Ver-
mögen), il Qid 70'': Rabbah b. Rab Adid)a hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Wer
ein Weib des Geldes wegen T^'s-a cva-5 nimmt, dem werden unwürdige Kinder zuteil. ||
SDt6, 5 §32(73bj: R. N-^chemja (um 150) sagte: Teuer (beliebt w^^zn) sind Leiden
(Züchtigungen); denn wie die Opfer sühnen, so sühnen die Leiden. Von den Opfern
heißt es: „Es wird ihm wohlgefällig aufgenommen werden, um Sühnung für ihn zu
schaffen" Lv 1,4; von den Leiden heißt es: „Sie werden ilire Sündenschuld sühnen*
(Lv iiti, 41, so der Midr). Ja die Leiden sühnen noch mehr als die Opfer; denn die
Opfer treffen seinen Mammon u. die Leiden den Körper (den Menschen selbst), u. so
heißt es: Haut um Haut; u. alles, was einer hat, gibt er um sein Leben Hi 2,4. [j Zu
fj,. tfjg ccdixi«g s. bei Lk 16, 9.
4. ov dvvaoö^e ^ho dovXsvsiv xal ficcficovä. — Aussagen prinzipieller
Art über die Stellung des Menschen zu den irdischen Gütern s. bei
Mt 19, 22. 23. — Hier sei nur auf das verhältnismäßig wenig bekannte
Wort Philos (Fragmenta ex Johannis Damasc. sacris parall.) Mang 2, 649
verwiesen: Es ist unmöglich, daß sich die Liebe zur Welt vereinigt
mit der Liebe zu Gott vorfindet, wie es unmöglich ist, daß sich Licht
u. Finsternis zusammen miteinander vorfinden: af.irxccrov GvvvTräQxsiv
■vi]v TTQog xoffßov ayäTirjv rr rrQog tov ^svv äydirij, w^ dfxrjxcevov avv-
VTcÖQy^siv dXkrjkoig (pwg xal (Txörog.
6,25: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen werdet,
auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet.
fxrj f.iSQi}.ivcixe rf] (pvxfj v/iicöv xi (päyr^rs.
M^kh Ex 16, 4 (55 b). Den Anfang der Stelle s. bei Mt 6, 11 S. 420 y. Von hier aus
(nämlich von Ex Iti, 4 aus) hat R. Schimfon b. Jochai (um 150) gesagt: Die Tora ist
zur Auslegung nur den Mannaessern gegeben worden. Wie soll man aber sitzen u.
auslegen, wenn man nicht weiß, was man essen u. trinken u. womit man sich kleiden
u. zudecken soll? Die Tora ist zur Auslegung nur den Mannaessern (die keine Sorge
um das tägliche Brot kannten) gegeben worden u. nächst ihnen den Hebeessern (d. h.
den Priestern). — Der Ausspruch des R. Schim<on b. J. auch M'kh Ex 18, 17 (2Sl>). |j
Test Issach 4: Der Einfältige 6 dnXovg begehrt nicht Gold; den Nächsten übervorteilt
er nicht, nach mannigfaltiger Speise ßQWfxaKüv noixiküyy verlangt er nicht, ausgezeichnete
Kleidung will er nicht, lange Zeit zu leben setzt er nicht voraus, sondern er wartet
allein den Willen Gottes ab.
0, 26: SehethinaufdieVögel desHimmels, daßsienichtsäen
noch ernten noch in die Scheuern sammeln, u. euer himmli-
scher Vater ernährt sie; seid ihr nicht viel vorzüglicher als sie?
L if-ißlsipara slg xd rcexsivd xov ovgavov. — Die unvernünftige
Kreatur als Lehrmeisterin der Menschen weit (schon Hil2, 7f).
Henoch 2, 1— 5, 4: Beobachtet, wie alle Werke am Himmel ihre Bahnen nicht
ändern, u. wie die Lichter am Himmel alle auf- u. untergehn, ein jedes nach (be-
stimmter) Ordnung zu ihrer festgesetzten Zeit, u. an ihren Festtagen erscheinen u. ihre
besondere Ordnung nicht übertreten. Betrachtet die Erde u. beachtet die Werke, die
von Anfang bis Ende auf ihr geschehen, wie sich keins von ihnen auf Erden ver-
ändert, sondern alle Werke Gottes zum Vorschein kommen. Betrachtet den Sommer
28'*
436 Matth 6, 26 (Nr. 1)
u. den Winter, wie (im Winter) die ganze Erde voll Wasser ist, u. Wolken, Tau u.
Regen sich über ihr lagern. — Beobachtet u. seht, wie (im Winter) alle Bäume aus-
sehen, als ob sie verdorrt wären, u. (wie) alle ihre Blätter abgefallen sind, außer (bei)
vierzehn Bäumen, die ihr Laub nicht abwerfen, sondern das alte zwei bis drei Jahre
lang behalten, bis das neue kommt. — Beobachtet alsdann, wie in der Sommerszeit
die Sonne über ihr (der Erde) ihr gegenübersteht! Ihr sucht dann kühle Plätze u.
Schatten gegen die Sonnenhitze auf, u. auch die Erde ist infolge der sengenden Glut
brennend heiß, so daß ihr weder auf den Erdboden noch auf einen Stein wegen seiner
Hitze treten könnt. — Beobachtet, wie sich die Bäume mit Blättergrün bedecken u.
jede Frucht von ihnen zu Ehr u. Ruhm (Gottes dient). Habt acht u. merkt auf alle
seine Werke, so werdet ihr erkennen, daß der lebendige Gott sie so gemacht hat u.
bis in alle Ewigkeit lebt. Alle seine Werke, die er gemacht hat, geschehen von Jahr
zu Jahr immerdar so, u. alle Werke, die ihm den Dienst verrichten, ändern sich auch
nicht in ihrem Tun, sondern sowie Gott befiehlt, geschieht alles. Seht, wie das Meer
u. die Flüsse in gleicher Weise den Dienst verrichten u. ihr Tun seine Worte nicht
ändert. Ihr aber habt nicht ausgeharrt u. das Gesetz des Herrn nicht erfüllt, sondern
ihr seid abgefallen u. habt durch hochmütige u. trotzige Worte aus eurem unreinen
Mund'seine Majestät geschmäht! ] SDt 32, 1 §806 (i:-!!^): , Höret, ihr Himmel, daß
ich rede" Dt H2, 1. Gott sprach zu Mose: Sage den Israeliten: Blickt auf den Himmel,
den ich zu eurem Dienst geschaffen habe, ob er seine Ordnungen ändert, ob etwa der
Sonnenball nicht vom Osten her aufsteigt u. die ganze Welt erleuchtet u. ob nicht ge-
schieht, was geschrieben steht Qoh 1, 5: „Die Sonne geht auf u. die Sonne geht unter!"
Und nicht bloß dies, sondern sie freut sich auch, meinen Willen zu tun, s. : ,Sie ist
wie ein Bräutigam, der hervorgeht aus seiner Kammer, freut sich wie ein Held, laufend
den Weg" Ps 19, 6. — „Und die Erde höre meines Mundes Sprüche" Dt 32, 1. Blicket auf
die Erde, die ich zu eurem Dienst geschaffen habe, ob sie etwa ihre Ordnung ändert;
ob ihr säet, ohne daß sie läßt sprossen; ob ihr Weizen säet, während sie läßt Gerste
aufgehn; oder ob etwa eine Kuh nicht drischt u. pflügt oder ein Esel die Last nicht
trägt u. geht! Und so hat er (Gott) betreffs des Meeres gesagt: „Wollt ihr mich nicht
fürchten, ist Jahves Spruch, oder vor meinem Angesicht nicht beben, der ich den
Sand gesetzt zur Grenze dem Meer?" Jer 5, 22. Denn seitdem ich über das Meer Be-
stimmung getroffen, ändert es etwa seine Ordnungen, sagt es: Ich will aufsteigen u.
die Welt überschwemmen? Heißt es nicht: Ich bestimmte ihm seine Grenze u. setzte
Riegel u. Tore u. sprach: Bis hierher sollst du kommen u. nicht weiter Hi 38, 10?
Und nicht bloß dies, sondern es härmt sich auch darüber u. kann doch nichts aus-
richten, wie es heißt: „Es brausen seine Wogen u. vermögen nichts" (eine ungenaue
Zitierung von Jer 5, 22). Siehe, da gilt der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere:
Wenn diese (Schöpfungswerke), die weder für eine Belohnung noch für eine Be-
strafung erschaffen worden sind — verhalten sie sich richtig, so empfangen sie keinen
Lohn; fehlen sie, so empfangen sie keine Strafe — u. die keine Rücksicht zu nehmen
brauchen auf Söhne u. Töchter, ihre Ordnung nicht ändern: um wie viel mehr gilt
das dann von euch, die ihr Lohn empfangt, wenn ihr gerecht seid, u. Strafe, wenn
ihr sündigt, u. die ihr Rücksicht zu nehmen habt auf eure Söhne* u. eure Töchter, daß
ihre eure Ordnungen nicht ändern dürft! — Eine ähnliche Ausführung über den Ge-
horsam des Meeres SNu 6, 26 § 42 {Vi^). || Qid 4, 14: R. Meir (um 150) sagte: Immer
lasse der Mensch seinen Sohn ein reines u. leichtes Handwerk lernen u. rufe Den an,
dem der Reichtum u. die Güter gehören; denn es gibt kein Gewerbe, in welchem sich
nicht Armut u. Reichtum fände; denn weder die Armut hängt vom Gewerbe ab noch
auch der Reichtum, sondern alles richtet sich nach der Würdigkeit. — R. Schimcon
b. ElSazar (um 190) sagte: Hast du je in deinem Leben ein wildes Tier oder einen
Vogel gesehen, die ein Gewerbe gehabt hätten? Und doch werden sie ernährt ohne
quälende Sorgen; u. sind sie nicht bloß zu meinem Dienst erschaffen? Und ich bin
erschaffen worden, um meinem Schöpfer zu dienen; sollte ich da nicht ernährt werden
ohne quälende Sorgen? Allein weil ich meine Taten verderbt habe, habe ich meinen
Matth 6, 26 (Nr. 1— 3j. 6, 27 437
Unterhalt beeinträchtigt. — pQid 4, 66 b, 38 lautet der_ Ausspruch folgendermaßen:
R. Schimton b. Elcazar hat im Namen des R. Meir gesagt: Hast du je in deinem Leben
einen Löwen als Lastträger, einen Hirsch (1. mit Qid 82 b -zs statt -^s) als Feigen-
trockner, einen Fuchs als Krämer, einen Wolf als Topfhändler gesehen? u. doch er-
nähren sie sich ohne Kummer. Und wozu sind sie erschaffen? Um mir zu dienen;
u. ich bin erschaffen, meinem Schöpfer zu dienen. Siehe, da gilt der Schlufs vom
Leichteren auf das Schwerere: wenn jene, die zu meinem Dienst erschaffen sind, also
ernährt werden ohne Kummer, ist es da nicht recht, dafs ich, der ich meinem Schöpfer
zu dienen erschaffen bin, ernährt werde ohne Kummer? Und wer hat es mir ver-
ursacht, daß ich in Kummer mich ernähi-e? Antworte: Meine Sünden; weil ich meine
Taten verderbt habe, habe ich meinen Unterhalt beeinträchtigt. — Als Bar Qid 82^;
die Tradition in TQid 5, 15 (348) nähert sich der Mischna. || Ps Sal 5, 9 ff.: Die Vögel
u. die Fische nährst du, indem du der Steppe Regen gibst, damit das Gras sprossen
kann, zu schaffen Futter auf der Trift für alles Getier, u. wenn sie hungern, so er-
heben sie ihr Antlitz zu dir. Die Könige, Fürsten u. Völker nährst du, o Gott, u. wer
ist des Armen u. Dürftigen Hoffnung, wenn nicht du, Herr? . . . Hat der Mensch
Überfluß, so gerät er in Sünde. Es genügt das Mittelmaß, ohne Schuld, u. darin (ruht)
des Herrn Segen, daß man satt werde ohne Schuld.
2. anoi^^i'jxrj. — Das Wort ist in den Formen p^riEwS, ipinisN, prnan auch
ins Rabbin. übergegangen; Stellen bei Levy 1, 138'' u. KrauiaS, 102 ''.
3. o narrJQ lifiwv 6 ovgdviog xQscfSi avtä. — Die Größe u. Schwierig-
keit der Welternährung veranschaulichen folgende Stellen.
P'='s 118^^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Die Ernährung des Menschen ist doppelt
so schwer wie die Geburt; von der letzteren heißt es Gn 3, 16 3:::'3 „mit Schmerz",
von der Ernährung aber heißt es Gn 3, 17: i:^-.:^;, „mit schwerer Mühe" {•^^z-j.v wird
als Plural gefaßt = zwiefacher, doppelter Schmerz). R. Jochanan hat gesagt: Die Er-
nährung des Menschen ist schwerer als die Erlösung; von der letzteren heißt es: „Der
Engel, der mich von allem Übel erlöste" Gn 48, 16, also ein gewöhnlicher Engel
(kann erlösen); aber von der Ernährung heißt es: „Der Gott, der mich weidete"
Vers 15. . . . Rab Schezbi hat im Namen des R. El'azar b. <Azarja (um 100) gesagt:
Die Ernährung des Menschen ist so schwer wie das Spalten des Schilfmeeres; denn
es heißt: „Der allem Fleisch Speise gibt" Ps 136, 25, u. dicht daneben: „Der das
Schilfmeer in Teile zerteilte" Vers 13. Dasselbe in teilweise andrer Fassung u. mit
andren Autorennamen: GnR20(13d); 97 (61^); Midr Ps 80 §2(181"); ^9 § 2'"(19r');
136 §9(261a); P^siqR 33 (152a). || Ttican 2a: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Drei
Schlüssel sind in Gottes Hand, die nicht in die Hand eines Beauftragten gegeben
werden, nämlich der Schlüssel zum Regen, der S. zum Mutterschoß u. der S. zur Auf-
erweckung der Toten, s. Dt 28, 12; Gn 30, 22; Ez 37, 13. Im Abendland (= Palästina)
hat man gesagt: Auch der Schlüssel des Lebensunterhaltes, s.: „Du tust deine Hand
auf u. sättigst alles Lebende mit Erwünschtem" Ps 145, 16. — In GnR 73 (46'') R. Bebai,
um 320, als Autor u. R. Tanchuma, um 380, als Tradent; TanchB s-^" § 16 (78a); der
vierte Schlüssel nicht in DtR 7 (204b) u. Midr Ps 78 §5 (173b).
0, 27: Wer aber von euch kann sorgend zu seinem
Lebensalter eine Elle hinzusetzen?
riXixia Lebensalter = Dir;; r^T^i^. oder c-ai nsiDi'^N „Lebenslange",
wörthch: Verlängerung des Lebens.
Qid 39b (= TGhull 10, 16 (512); ChuU 142a) Bar: R. JaSaqob (11. um 170) sagte:
. . . Beim Loslassen der Vogelmutter heißt es: „Damit es dir wohl ergehe u. du lange
lebest" Dt 22, 7. Siehe, wenn jemandem sein Vater sagt: Steige zur Burg empor u.
hole mir Taubenjunge! u. er stieg zur Burg empor u. ließ die Vogelmutter los u. nahm
die Jungen, u. beim Herabsteigen fiel er herab u. starb — wo ist da das Wohlergehen
438 Matth 6, 29. 30 {% JB)
seiner Tage u. wo die Länge_ seiner Tage "^'' ^=■•^s? Aber es will sagen: Damit es
dir wohlergehe in der Welt, die ganz gut ist, u. damit deine Tage lang werden in
der Welt, die ganz lang ist (d. h. in der zukünftigen Welt). — Auf diesen Ausspruch
wird Bezug genommen anläßlich eines Erlebnisses Achers (um 120) pChag *_', 77 b, 53;
Qid39bs. beiMt7, 6 SB.
0,29: Ich sage euch aber, daß auch Salomo in aller seiner
Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie deren eine.
Die Lebenshaltung Salomos erscheint sprichwörtlich:
BM 7, 1 : Einmal sagte R. Jochanan b. Mathja (ein Tannait) zu seinem Sohn: Geh u.
miete uns Arbeiter. Er ging u. machte ihnen Beköstigung aus. Als er zu seinem Vater
kam, sprach dieser: Mein Sohn, selbst wenn du ihnen ein Mahl wie das Salomos
zu seiner Zeit herrichtetest, so hättest du doch nicht deiner Pflicht ihnen gegenüber
genügt; denn sie sind Söhne Abrahams, Isaaks u. Jakobs. Aber bevor sie mit der
Arbeit beginnen, geh u. sage ihnen: Unter der Bedingung, daß ihr von mir nur Brot
u. Hülsenfrüchte zu fordern habt! H TTaEan 4, 13 (221): Wenn der 9. Ab (Gedenktag
der Zerstörung Jerusalems, ein Fasttag) auf einen Sabbat fällt (an dem nicht ge-
fastet werden sollte), so ißt u. trinkt man so viel, wie man gebraucht, u. es darf auf
den Tisch ein Mahl kommen, wie das Salomos zu seiner Zeit, u. man braucht sich
nicht das geringste zu versagen. — Die Kalenderfestsetzung sorgte meist dafür, daß
der 9. Ab nicht auf einen Sabbat fiel. — Parallelstellen Bar c'Er 40b; Ta'an 29b.
6,30 51: Das Gras des Feldes, das heute ist u. morgen in den
Ofen geworfen wird, crjfiaQov övra xal ahgiov de xXißavuv ßaXX6i.i£vov.
In dem Bericht über die Ermordung des Priesters Z*^kharja im
Tempel (s. bei Mt 23, 35) sagt Gott in bezug auf Nebuzar^adan P^sig
122'': Wenn dieser, der ein grausamer Mensch ist, der heute noch ist
u. morgen nicht mehr ist "rrs ^nm ismy m-'n, voller Erbarmen über
meine Kinder ist, um wieviel mehr muß das von mir gelten, von dem
geschrieben steht: „ Jahve dein Gott ist ein barmheriziger Gott" Dt 4, 31! Ij
B^rakh 32'^ (s. oben S. 385): Ein König von Fleisch u. Blut, der heute
hier u. morgen im Grabe ist.
TSch'^bicith 5, 19 (68): Ein Ofen "^nrn, den man mit Stroh u. Stoppeln des Brach-
jahres geheizt hat, muß ausgekühlt werden (weil man von jenen Dingen keinen Ge-
nuß haben darf). || T'^rum 10,4: Wenn man -einen Ofen ■'^:r mit Kümmel(stengeln)
von Hebe geheizt u. darin Brot gebacken hat, so ist das Brot erlaubt, weil es sich
dabei nicht um den Geschmack, sondern um den Geruch des Kümmels handelt. ||
Schab 3, 1: Auf einen Herd --•?, den man mit Stoppeln oder Aufgelesenem (wie Reisig,
Gras u. dgl.) geheizt hat, darf man (vor Sabbatsanbruch) Speisen setzen.
6, 30^: Ihr Kleingläubigen, ohyomaxoi = nj'oN '^i;:ip_ oder i'^ijp-inri
nj^N = solche, denen es an Glauben fehlt.
Sota 9, 12: Seitdem das Heiligtum zerstört ist, hat der Schaniir^ aufgehört u. der
Honig von ^ophim^ u. die Männer des Vertrauens (Glaubens -p-is -i:s) haben ein
Ende genommen, vgl.: „Hilf, Jahve, denn geendet hat der Fromme, aufgehört haben
' Schamir, ein AVurm, der Steine sprengt.
2 s-r-s'rri: unsicher. Rab (f 247): Mehl, das (vor Fett) am Siebe klebt u. einem
mit Honig gekneteten Teige gleicht. — Levi (b. Sisi, um 200): Zwei Brote, die im Ofen
zus.kleben (nachdem sie infolge des fetten Mehles auseinandergegangen warenl. —
R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250): Honig von (^ophim (Ortschaft in der Nähe Jerusalems)
oder Honig von den Bergen, s. Raschi; Sota 48'^ u. pSotaO, 24b, 47.
Matth 6, 30 (23). 6, 33 (Nr. 1) 439
die Treuen" Psl2, 2. — Dazu Sota 48b: Die Männer des Vertrauens haben ein Ende
genommen. R. JiQchaq (um 300) hat gesagt: Das sind die Menschen, die kein Ver-
trauen (Negation in Handschrift München, ed. Ven. 1) zu Gott haben. Bar: R. Elifezer
der Ältere (um 90) sagte: Wer Brot in seinem Korbe hat u. spricht: „Was soll ich
morgen essen?" der gehört zu den Kleingläubigen -:"2!< -rjp. Das ist es, wasR. El?azar
(um 270) gesagt hat: Was heilst: „Denn wer verachtet den Tag geringer Dinge?"
Sach 4, 10? Wer verursacht es den Gerechten, dafs ihr Tisch in der Zukunft geplündert
erscheint (d. h. dafB ihnen nicht voller Lohn zu teil wird)? Ihr Kleinglaube P"'-:r., weil
sie nicht auf Gott vertrauten. — Die Parallelstelle aus M^'kh Ex lts4 (.^5b) s. S. 420 f. |!
M%h zu Ex If5, 19 f. (ö8"): „Mose sprach zu ihnen: Niemand soll davon übriglassen
bis zum Morgen. Aber sie hörten nicht auf Mose" Ex 16, 19 f. Das waren die Klein-
gläubigen -:-:x -^s---? in Israel. Dasselbe ExR 2.5 (87-^). || M'kh Ex 16,27 (58b): „Am
siebenten Tage gingen etliche vom Volk hinaus, um zu sammeln, fanden es aber nicht"
Ex 16,27. Das waren die Kleingläubigen ~:-2s '•'criin Israel. — jj Andre Stellen, an denen
von „Kleingläubigen" geredet wird, sind: P^s 118b: Rab Huna (f 297) hat gesagt: Die
Israeliten, die in jenem Geschlecht lebten (zur Zeit des Durchzuges durch das Schilf-
meer), gehörten zu den Kleingläubigen ~:'2x ""Jp. -- Dasselbe fArakh 15». || GnRo2(l9''):
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Noah war kleingläubig, n3-:s ^ci-i; wenn ihm das
Wasser nicht bis an die Fußgelenke gereicht hätte, wäre er nicht in die Arche ge-
gangen. II B'rakh 24b: Wer seine Stimme bei seinem Gebet hören läßt (d. h. laut betet),
der gehört zu den Kleingläubigen -:-;s -rjp. jj Sota 46b: Was heißt „kleine Jünglinge"
c-:-jp ="-:': 2 Kg2, z8? R. Elfazar (um 270) hat gesagt: [z'^v: heißen sie) weil sie ent-
leert waren z—'V^rt von Pflichtgeboten; c":-r, weil sie zu den Kleingläubigen n:'3s *:i:p
gehörten. || Targ Jeruschl Nu 11, o2: Da machten sich die Kleingläubigen s-:;':-r- "^jrj'i
im Volk auf denselben ganzen Tag u. die ganze Nacht u. den ganzen folgenden Tag
u. sammelten die Wachteln. . . .
€,33: Suchet aber zuerst das Reich u. seine Gerechtigkeit,
so wird euch dieses alles hinzugegeben werden.
1. Qid 4, 14: R. N'^'horai (um 150) sagte: Ich lasse alle Gewerbe, die es in der Welt
gibt, dahinten u. lehre meinen Sohn nur die Tora, von deren Lohn der Mensch in dieser
Welt genießt, während ihm das Kapital (der volle Lohn) anstehn bleibt für die zu-
künftige Welt. Bei allen übrigen Gewerben ist das nicht der Fall. Denn wenn ein
Mensch in Krankheit oder Alter oder Leiden gerät, so kann er. sich mit seinem Ge-
werbe nicht beschäftigen, so muß er also vor Hunger sterben. Aber die Tora nicht
also; sie bewahrt ihn vielmehr vor allem Bösen in seiner .Jugend u. verleiht ihm Zu-
kunft u. Hoffnung in seinem Alter. Wie heißt es von seiner Jugend? „Die auf Jahve
harren, kriegen neue Kraft" Jes 40, 31. Und wie heißt es von seinem Alter? „Fruchtbar
werden sie noch im Greisenalter sein, voll Saftes u. Frische bleiben" Ps 92, 15. — Das-
selbe als Bar mit geringen Abweichungen TQid 5, 16 (343); pQid 4, 66 b, 44; bQid 82 b. [|
B^Takhl4a: R. Jona (um 350) hat gesagt, R. Z'^fira (um 300) habe gesagt: Wer sich
mit den eignen Angelegenheiten beschäftigt, bevor er gebetet hat (des Morgens), der
ist, als ob er einen Götzenaltar baute. . . . Rab Idi b. Abin (wann?) hat gesagt, Rab
Ji9chaq b- Aschjan (wann?) habe gesagt: Es ist einem Menschen verboten, sich mit
seinen eignen Angelegenheiten zu beschäftigen, bevor er gebetet hat, vgl. Ps85, 14:
Gerechtigkeit (im Sinn des Midr: das Gebet, das Gottes gerechtes Walten anerkennt)
soll vor ihm hergehn u. (dann) soll er seine Füße auf den Weg setzen (seinen Ge-
schäften nachzugehn). Ferner hat Rab Idi b. Abin gesagt, Rab Ji^chaq b. Aschjan habe
gesagt: Wer betet u. dann seine Straße zieht, dessen Angelegenheiten besorgt Gott. ||
B'rakh 35b Bar: „Du wirst dein Korn u. deinen Most u. dein Öl einsammeln" Dt 11, 14.
Was will die Schrift lehrend sagen? Wenn es heißt: „Dieses Buch der Tora soll nicht
von deinem Munde weichen" Jos 1, 8, so könnte man diese Worte buchstäblich fassen
(nämlich, daß sich der Israelit nur mit der Tora beschäftigen dürfe). Darum sagt die
Schrift lehrend: „Du wirst dein Korn einsammeln." Beschäftige dich also mit den
440 Matth 6, 33 (Nr. 1 . 2)
Worten der Tora, wie es der irdische Beruf ":s --ir; mit sich bringt. Das sind Worte
des R. Jischmacel (f um 135). R. Schimcon b. Jochai (um 150) sagte: Ist das möglich?
Wenn ein Mensch pflügt 7A\r Zeit des Piiügens, sät zur Zeit des Häens, erntet zur Zeit
des Erntens, drischt zur Zeit des Dreschens, worfelt zur Zeit des Worfeins — was
würde bei ihm aus der Tora? Vielmehr wenn die Israeliten den Willen Gottes tun,
dann wird ihre Arbeit durch andre getan (so daß sie ohne Unterbrechung dem Tora-
studium sich widmen können), s.: „Bereitstehn werden Fremde, eure Herden zu weiden,
u. Söhne des Auslands werden eure Ackersleute u. eure Weingärtner sein" Jes61.5.
Wenn die Israeliten aber nicht Gottes Willen tun, dann muß ihre Arbeit durch sie
selbst verrichtet werden, wie es heißt: ,Du wirst dein Korn usw. einsammeln" Dt 11. 14.
Und nicht bloß dies, sondern auch die Arbeit andrer muß durch sie verrichtet werden,
s.: „Du wirst für deinen Feind arbeiten müssen" Dt 28, 48. — Abaje (f o3i^/;i9) hat
gesagt: Viele haben sich nach den Worten des R. Jischma'el gehalten, u. sie haben
Glück damit gehabt, u. viele nach den Worten des R. Schimcon b. Jochai, u. sie haben
kein Glück damit gehabt! Raba (f 352) pflegte zu den Rabbinen zu sagen: Ich bitte
euch, in den Tagen des Nisan (Erntezeit) u. in den Tagen des Tischri (Kelterzeit) er-
scheinet nicht vor mir, damit ihr euch nicht das ganze Jahr hindurch mit eurem
Lebensunterhalt zu beschäftigen braucht. Rabbah bar bar Ghana (um 280) hat gesagt,
K Jochanan (f 279) habe im Namen des R. Jehuda b. El'ai (um 150) gesagt: Komm
u. sieh, daß die späteren Geschlechter nicht sind wie die früheren Geschlechter: die
früheren Geschlechter machten ihr Torastudium zu etwas Festbestimmtem vz- u. ihre
(irdische) Arbeit zu etwas Zufälligem -s-y; da kam beides in ihren Händen zu Bestand.
Die späteren Geschlechter machten ihre (irdische) Arbeit zu etwas Festbestimmtem u.
ihr Torastudium zu etwas Zufälligem (Gelegentlichem); da gewann keins von beiden
Bestand in ihren Händen. — Die Bar im Anfang dieser Stelle stammt aus SDt 11, 14
§42 (80 1>). li EAZ 19'^: R. Abdemi b. Chama (ein Amoräer ungewisser Zeit) hat gesagt:
Wer sich mit der Tora beschäftigt, dessen Angelegenheiten besorgt Gott, s. : Durch
die Tora Jahves geschieht sein Wunsch Ps 1,2 (so der Midr). |1 <AZ 19^: R. Jehoschua'
b. Levi (um 250) hat gesagt: Dies Wort steht in der Tora geschrieben u. wird wieder-
holt in den Propheten u. zum drittenmal in den Hagiographen gesagt: Wer sich mit
der Tora beschäftigt, dessen Vermögen gedeiht. In der Tora steht geschrieben: „So
haltet denn die Worte dieses Bundes u, übt sie, damit ihr Glück habt bei allem, was
ihr tut" Dt 29, 8. Zum zweitenmal steht es in den Propheten: „Dieses Buch der Tora
weiche nicht von deinem Munde . . .; denn dann wirst du Glück auf deinem Wege
haben" Jos 1,8. Zum drittenmal steht es in den Hagiographen: „Durch die Tora Jahves
geschieht sein Wunsch" Psl,2 (so der Midr). || SLv26, 21 (454»): Ihr macht meine
Rechte (":— ) zur Nebensache in der Welt, so mache auch ich euch zur Nebensache
in der Welt (eine Warnung Gottes an Israel). I| P^siqR 14 (59 a): R. Jochanan (f 279)
hat im Namen des R. Schinicon b. Jeho^adaq (um 225) gesagt: . . . Salomo sprach-
Herr der Welten, um Weisheit bitte ich, daß du mir Weisheit u. Wissen gebest
(s. 2 Ohr 1,10). Gott sprach zu ihm: Weil du um Weisheit gebeten hast, bei deinem
Leben, alle Dinge sind Anhängsel der Weisheit — so sei dir Weisheit u. Wissen (Er-
kenntnis) gegeben, u. Reichtum u. Schätze u. Herrlichkeit (Ehre) werde ich dir geben
(2 Chr 1, 12).
2. Trjv ßaaiXei'av ohne den Zusatz rov O^tov oder rwr ovQarcov (wie
auch 4, 23; 8, 12; 9,35; 13,19.38; 24,14; 25,34; Lk 12, 32; 22, 29) hat
man vielleicht aus dem Bestreben zu erklären, die Gottesbezeichnung
möglichst fortzulassen, wo kein Mißverständnis dadurch entstehn konnte.
Ein gutes Beispiel aus dem Rabbin. bietet hierfür Aboth 3, 14, wo
R. ?Aqiba (f um 135) sagt, daß der Mensch „nach dem Bilde" geschaffen
sei. Er setzt voraus, daß seine Hörer wissen, nach wessen Bild der
Mensch erschaffen ist; s, die Stelle S. 443.
Matth6,34(5t. 33). 7, 1.2(311) 441
6,34 51: Sorget also nicht um den morgenden Tag.
Sanh lOÖb; (Ein Zitat aus dem Buche des Ben Sira:) Mache dir keine Not um die-
Not des morgenden Tages '^~?3 .—• j; denn du weißt nicht, was der (heutige) Tag ge-
bären wird. Vielleicht ist man morgen nicht mehr vorhanden, u. dann würde man sich
Not gemacht haben ij-jüi um eine Welt, die einem nicht gehört. — Dasselbe Jeb t)cJl>;
vgl. Sir 30, 2 1 ; 38, 20 ; Spr 27, 1 .
6,34 58: Genug für den Tag ist seine Plage {xaxia).
Berakh9'^: ,lch werde sein, der ich sein werde" Ex 3, 14. Gott sprach zu Mose:
Geh u. sage den Israeliten: Ich bin mit euch in dieser Knechtschaft gewesen u. ich
werde mit euch sein in der Knechtschaft der Weltreiche. Da sprach Mose vor ihm:
Herr der Welt, es ist genug an der Not zu ihrer Stunde r.ry-vz nnu-s n--; (wenn sie
da ist. Was soll ich zu den Israeliten reden von der Knechtschaft, die noch aussteht!).
Gott sprach: Geh, sage ihnen: Der „Ich sein werde" hat mich zu euch gesandt. —
In ExR 3 (69*^^) wird dieser Ausspruch von K. .laEaqob b. Abina (um 325) im Namen des
R. Huna aus Sepphoris (gegen 3U0) mitgeteilt.
7,1: Richtet nicht {[xri xQiveve), damit ihr nicht gerichtet werdet.
Aboth 1,6: Jehoschuac b. P^rachja^ (um 110 v. Chr.) sagte: Erwähle dir einen Lehrer,
erwirb dir einen Studiengenossen u. beurteile (oder richte ■;- "^-i) jedermann nach der
Wagschale des Verdienstes (d. h. nach seiner verdienstlichen Seite). || Derekh Ere9 Zuta 3 :
Beurteile (i'ichte " "i~) deinen Nächsten nach der Wagschale des Verdienstes u. laß
ihn nicht sinken (= verurteile ihn nicht) nach der Wagschale der Schuld. !| Aboth 2,4:
Hillel (um 20 v. Chr.) sagte: Richte deinen Nächsten nicht, bis du in seine Lage ge-
kommen bist. — Weitere Stellen s. bei Mt 7, 2.
T, 2 51: Denn mit welchem Gericht ihr richtet,
werdet ihr gerichtet werden.
1. Zur Sentenz vgl.:
Schab 127»: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Von sechs Dingen genießt der Mensch
die Zinsen in dieser Welt, während ihm das Kapital anstehn bleibt für die eukünftige
Welt. Diese sind: Gastfreundschaft, Krankenbesuch, Gebetsandacht, frühzeitiger Be-
such des Lehrhauses, Erziehung der Söhne für das Torastudium u. das Beurteilen
(Richten) des Nächsten nach der verdienstlichen Seite. . . . Bar: Wer seinen Nächsten
nach der verdienstlichen Seite beurteilt, den beurteilt man (= Gott) nach der verdienst-
lichen Seite. Einmal ging ein Mensch von Obergaliläa hinab u. vermietete sich bei
einem Besitzer im Süddistrikt (Darom) auf drei Jahre. Am Rüsttag des Versöhnungs-i
festes sprach er zu seinem Herrn: Gib mir meinen Lohn, daß ich gehe u. mein Weib
u. meine Kinder davon unterhalte. Dieser antwortete : Ich habe kein Geld. Jener sprach :
Dann gib mir Früchte. Dieser erwiderte: Ich habe keine. Jener: So gib mir Grund
u. Boden. Dieser: Ich habe keinen. Jener: So gib mir Vieh. Dieser: Ich habe keins.
Jener: So gib mir Decken u. Polster. Dieser: Ich habe keine. — Da nahm er seine
Gerätschaften auf den Rücken u. zog verdrießlichen Sinnes heim. Nach dem Fest nahm
der Besitzer den Lohn jenes Arbeiters in seine Hand u. außer diesem noch eine Last
für drei Esel. Die eine bestand aus Speisen, die andre aus Getränken u. die dritte aus
allerlei kostbaren Früchten. Damit machte er sich auf in dessen Haus. Nachdem sie
gegessen u. getrunken hatten, gab er ihm seinen Lohn. Er sprach zu ihm: Als du zu
mir sagtest: ,Gib mir meinen Lohn' u. ich dir antwortete: ,Ich habe kein Geld', in
welchem Verdachte hattest du mich da? Ich dachte, es wäre dir vielleicht Handels-
ware billig angeboten worden u. du hättest sie für dein Geld gekauft. Und als du zu
1 Jehoschuac b. Perachja wird Sanh 107 1» u. Sota 47 a anachronistisch zum Lehrer
Jesu gemacht; s. oben S. b4 f.
442 Matth 7, 2 (3t 1)
mir sagtest: ,Gib mir Vieh' u. ich antwortete: ,Ich habe kein Vieh', in welchem Ver-
dachte hattest du mich da? Ich dachte, es wäre vielleicht an andre vermietet worden.
Als du zu mir sagtest: .Gib mir Grund u. Boden' u. ich dir antwortete: ,Ich habe
keinen Grnnd u. Boden', in welchem Verdachte hattest du mich da? Ich dachte, er
wäre vielleicht an andre verpachtet worden. Und als ich zu dir sagte: ,Ich habe keine
Früchte', in welchem Verdachte hattest du mich da? Ich dachte, sie wären vielleicht
noch nicht verzehntet. Und als ich zu dir sagte: ,Ich habe keine Decken u. Polster',
in welchem Verdachte hattest du mich da? Ich dachte, vielleicht hat er alle seine
Güter dem Himmel (= Gott) geweiht. Da sprach er zu ihm: Beim Tempeldienst, so
verhielt es sich: ich hatte alle meine Güter durch Gelöbnis Gotte geweiht, weil mein
Sohn Hyrkanus sich nicht mit dem Torastudium befaßte. Als ich aber zu meinen Ge-
nossen im Süddistrikt kam, haben sie mir alle meine Gelübde gelöst; u. wie du mich
nach der verdienstlichen Seite beurteilt (gerichtet) hast -:r:-;, so möge dich Gott nach
der verdienstl. Seite beurteilen (richten """")! — Bar: Ein Frommer hatte einmal ein
Mädchen, eine Tochter Israels, ausgelöst (aus der Gefangenschaft oder dergl.) u. sie
in der Herberge am Fußende seines Bettes schlafen lassen. Am Morgen ging er hinab,
um sich zu baden; dann unterrichtete er seine Schüler u. sprach zu ihnen: Als ich
sie am Fußende meines Bettes schlafen ließ, in welchem Verdachte hattet ihr mich
da? Wir dachten, es wäre vielleicht unter uns ein Schüler, der unsrem Lehrer nicht
bewährt erscheine. Als ich aber hinabging, um zu baden, in welchem Verdachte hattet
ihr mich da? Wir dachten, vielleicht hat der Lehrer infolge der Anstrengung der Reise
nächtliche Pollution gehabt. Er antwortete ihnen : Beim Tempeldienst, so verhielt es
sich; u. wie ihr mich nach der verdienstlichen (guten) Seite beurteilt habt, so möge
euch Gott nach der verdienstl. Seite beurteilen! — Bar: Einmal hatten die Gelehrten-
schüler ein dringliches Anliegen an eine (heidnische) Matrone, bei der alle Großen
Roms sich einzufinden pflegten. Man sprach: Wer will hingehn? R. J*^hoschuaf (um 90)
antwortete: Ich will hingehn. Er ging samt seinen Schülern. Als er an die Tür ihres
Hauses kam, legte er in einer Entfernung von vier Ellen die Gebetsriemen ab; dann
trat er ein, verschloß aber die Tür vor .seinen Schülern. Als er wieder^herauskam,
ging er hinab u. badete; dann unterrichtete er seine Schüler u. sprach: Als ich die
Gebetsriemen ablegte, in welchem Verdachte hattet ihr mich da? Wir dachten, unser
Lehrer meine, daß man heilige Dinge nicht mitnehmen dürfe an einen Ort der Un-
reinheit (als solcher galt das Haus der Heidin). • — Und als ich die Tür zuschloß, in
welchem Verdachte hattet ihr mich da? Wir dachten, es handle sich zwischen ihnen
vielleicht um eine (geheime) Regierungsangelegenheit. — Und als ich. hinabging u.
badete, in welchem Verdachte hattet ihr mich da? Wir dachten, es möchte vielleicht
(verunreinigender) Speichel aus ihrem Munde auf die Kleider unsres Lehrers gespritzt
sein. Da sprach er zu ihnen: Beim Tempeldienst, so verhielt es sich; u. wie ihr mich
nach der verdienstlichen (guten) Seite beurteilt habt, so möge euch Gott nach der
veritienstl. Seite beurteilen! |! M'^g'28-'^: Raba (f ^^'■^) hat gesagt: Wer nachsichtig ist
(wörtlich: über seine Maße oder Eigenschaften hinausgeht, nicht streng darauf besteht),
bei dem sieht man (=; Gott) hinweg über alle seine Verfehlungen, wie es heißt: „Der
Schuld vergibt, u. zwar wenn man über Verfehlung hinwegsieht" Micha?, 18 (soder
Midr). Wem vergibt er Schuld? dem, der über seine (des Nächsten) Verfehlungen
hinwegsieht. — Dasselbe RH IT^"; ohne den Schriftbeweis auch Joma23*. || RH IH'':
R. Ji9chaq (um 800 1 hat gesagt: Dreierlei bringt die Sünden eines Menschen (vor Gott)
in Erinnerung: eine sich neigende Wand (d. h. eine Stätte der Gefahr, an die sich ein
Mensch begibt', das Harren auf Gebetserhörung u. wenn man eine Rechtssache gegen
einen andren (Gotte) übergibt (an Gott appelliert. In allen diesen Fällen prüft Gott
das Schuldregister eines Menschen, ob er des göttl. Eingreifens würdig erscheint).
Denn R. Abin (um 325) hat gesagt: Wer eine Sache wider einen andren (Gotte) über-
gibt, der wird zuerst (von Gott) bestraft, vgl.: „Sarai sprach zu Abraham: . . . Jahve
richte zwischen mir u. dir!" Gn 16,5 u.: „Abraham kam, um Sara zu betrauern"
On 23, 2. (Saras Tod vor Abrahams Ableben die Strafe für ihre Appellation an Gott.) —
Matth 7, 2 (3t 1. 2) 443
In BQ 93^* R)L Chanan, um 300, statt R. Abin als Autor. Vgl. den ähnlichen Ausspruch
GnR 4.") ('28'-"): R. Tanchuma (um 380) hat im Namen des R. Chijja des Älteren (um JOO)
u. R. B^'rekhja (um -HO) im Nameu des R. Chijja (b. Abba, um 280) gesagt: Wer bei
der göttl. Gerechtigkeü anklopft (d. h. an Gottes Gericht Berufung einlegt), der geht
nicht glatt (heil) aus Gottes Hand hervor. Sara hätte Abrahams Alter erreichen sollen,
aber weil sie sprach: „Jahve richte zwischen mir u. dir!" wurden 38 Jahre von ihrem
Leben zurückbehalten.
2. xQixh^aeaO^e. Die passive Konstruktion ist gewählt, um die Nennung
Gottes zu vermeiden: „ihr werdet gerichtet werden" also = Gott wird
euch richten. Diese Ausdrucksweise zur Vermeidung des Gottesnamens
ist im NT ungemein häufig, bei Mt zB 3, 10 ixxoTCTsxai xal eig nvq
ßaXksTai; 5,5 7iaQaxXrj^f]O0i'zai,; 5, 6 xoQTao!ff']aorvm', 5, 7 eXeiqd-r^aovTai;
5,9 xXrjitrjüovTai; h,2h ßXrj^iay; 5,29 ßlrji^^; 6,7 siaaxovod^r^aovrai',
(j, 9 «ytao'i^jyVw ; 6, 10 ysvrjd-i^TO}; 6, 33 Ttgoffce^rjaerai; 7, 1 xoi^Pjze', 7, 2
außer xQii^t^aeaO^s noch i^i€TQi]^i^(f€Tcci; 7, 7 do&rjaerai, avoiyr^Germ; 7, 19
ixxÖTTTtxai, ßdXXarai; 10,19 doÖr^aerai', 10,30 r^Qi^/^nji^uvai daiv; 11,23
vi^iw^^r^ffr], xaTaßißaad^i](Tr]; 12,31 (Xffjei/^i^ffsrai; 12,37 Sixaioad-r^Gr], xata-
6ixa(T^rar]\ 12,39 So^tja^rai; 13, 11 6t'6oTa(; 13, 12 6o^r^(TsTai, nsQiaasv-
yh'^asTai, aQ^tjasTai; 14,2 ^Jf^Q^rj; Ib, 13 exgi^oiOt^asrai; 16,4 do^tjffsvai
usw.i Überall wäre hier bei aktiver Fassung des Satzes Gott als Sub-
jekt zu nennen gewesen. In der rabbin. Literatur wird diese Kon-
struktion seltener verwandt ;a gewöhnlich gebraucht man das Aktivum
mit dem unbestimmten Subjekt „sie" = man,b wobei es dem Leser über-
lassen bleibt, sich das eigentliche Subjekt, nämlich Gott, selbst hinzu-
zudenken. Diese Ausdrucksweise ist im NT selten, Si bei Lk 16, 9.
a. Aboth 3, 14: (R. lAqiba, f um 135) pflegte zu sagen: Geliebt ist der Mensch,
denn er ist im Bilde (Gottes) geschaffen. Als eine besondere Liebe wurde ihm kund-
getan, daß er im Bilde erschaffen worden ist, s. : „Denn im Bilde Gottes hat er den
Menschen geschaffen" Gu 9, 6. (Während das AT aktivisch redet, spricht R. cAq.
passivisch; ebenso im folgenden.) Geliebt sind die Israeliten: denn sie werden Söhne
Gottes genannt (s. dieselbe Konstruktion Mt 5, 9); als eine besondere Liebe wurde
ihnen kundgetan, daß sie Söhne Gottes genannt werden, s. Dt 14, L || Sukka 53^:
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Die Füße des Menschen bürgen für ihn: nach dem
Ort, wo er angefordert wird -":r-i (= wo Gott ihn anfordert), dahin schaffen sie ihn. |i
SDt 11,22 45 48 (84b): R. ElEazar b. ^adoq (um 100) sagte: Wenn das Leben des Bel-
scha9(jar, weil er sich der Gefäße des Heiligtums bediente, die doch (infolge ihrer
Fortschaffung nach Ez 7, 21) profane Gefäße waren, aus dieser u. der zukünftigen Welt
ausgetilgt worden ist ■'"p"3, um wieviel mehr wird das Leben desjenigen, der sich
des Gerätes bedient, durch das diese u. die zukünftige Welt erschaffen worden ist
(d. h. der Tora), aus dieser u. der zuk. Welt ausgetilgt werden •■*-": (= Gott wird aus-
tilgen). II Chag 15*: Acher (um 120) sah, daß dem Metatron Vollmacht gegeben war
N^Tps (= daß Gott ihm Vollmacht gab) zu sitzen, um die Verdienste Israels auf-
zuschreiben. || GnR 3 (3''): Wo wurde das Urlicht verborgen ni:;: (= wo verbarg es
Gott)? Es wurde für die Gerechten in der Zukunft bestimmt r3-irn (= Gott be-
stimmte es). — Ferner s. P'^siqSlt» auf S. 445/.
b. Beispiele s. bei Lk IG, 9.
^ Eine gute (nur hier u. da etwas zu weit greifende) Zus. Stellung aller hierher
gehörenden Konstruktionen im ganzen NT gibt J. Boehmer, Die neutestamentliche
Gottesscheu 20 ff., 78 ff.
444 Matth 7, 2 (SB 1)
7,2 ^: Mit welchem Maß ihr messet, wird euch gemessen
werden, sv m (xstqu^ ijistqsTts fistgr^^rGsrai vfiTr.
1. Sota 1, 7: Mit dem Maße, mit welchem ein Mensch mißt, mißt man (= Gott)
ihm ''h •'~-'i2 -3 i-b DHsa;. n-?33. Sie (die des Ehebruchs Verdächtige) hat sich zm*
Sünde geschmückt, deshalb verunstaltet sie Gott (durch Auflösen des Haares, Um-
legen eines Strickes usw., s. Nu 5, 18); sie hat sich zur Sünde entblößt, deshalb läßt
Gott sie entblößen. Mit der Hüfte hob sie an bei der Sünde u. dann mit dem Bauch,
deshalb wird die Hüfte zuerst gestraft u. dann der Bauch (Nu 5. 21 ; vgl. aber 5, 27), u.
der ganze übrige Leib geht nicht frei aus. — Sota 1,8: Simson wandelte seinen Augen
nach, deshalb stachen ihm die Philister seine Augen aus, s. Ri 16, 21. Absalom war
stolz auf sein Haar, deshalb blieb er mit seinen Haaren hangen; u. weil er zu den
zehn Kebsweibern seines Vaters eingegangen war, deshalb wurden zehn Spieße (lies
n-::i'; statt rv^n'^ij^in seinen Leib gebohrt (s. 2 Sm 16,22; 18, 15). Und weil er drei
Herzen getäuscht hatte, das Herz seines Vaters, das des Gerichtshofes u. das Israels
(s. 2 Sm 15, 6), deshalb wurden drei Speere in sein Herz gestoßen (s. 2 Sm 18, 14). —
Sota 1,9: Ebenso ist es in bezug auf das Gute. Mirjam wartete auf Mose eine kurze
Zeit, s. Ex 2,4; deshalb hielt sich ganz Israel ihretwegen sieben Tage lang in der
Wüste auf, s. Nu 12, 15. Joseph ward gewürdigt, seinen Vater zu begraben, u. keiner
war unter seinen Brüdern, der größer geAvesen als er, s. Gn 50, 7 ff. Wen haben wir,
der größer wäre als Joseph, mit dem selbst Mose sich beschäftigte! Mose erwarb
sich Verdienst um die Gebeine Josephs u. keiner war in Israel größer als er, s. Ex 13, 19.
Wen haben wir, der größer wäre als Mose, mit dem selbst Gott sich beschäftigte,
s. Dt 34,6: „Er begrub ihn im Tale." Nicht bloß von Mose heißt es so, sondern von
allen Frommen, s. Jes 58, 8: „Vor dir hergehn wird deine Gerechtigkeit, die Herrlich-
keit Jahves biingt dich heim" (= versammelt dich zu deinen Vätern). Parallelstelle:
M^kh Ex 13, 19 (29=*). — Dei- Grundsatz „Maß gegen Maß" ausführlich exemplifiziert
an dem ehebrecherischen Weib TSota 3, 2ff. (29b); Sota 8'^; NuR 9 (153^). ii TSota
3,1 (295): R. Me'ir (um 150) pflegte zu sagen: Woher läßt sich beweisen, daß man
einem Menschen mit dem Maße, mit welchem er mißt, wieder mißt? Siehe Jes 27,8:
Maß gegen Maß, wenn du es verstießest, straftest du es (so der Midr, der nsssca
deutet = -NC nso: „für das Maß" der Sünde „das entsprechende Maß" der Strafe).
Da höre ich nur, daß man nach dem Sea mißt; woher, daß auch (die kleineren Maße,
wie) em Tarqab {= 3 Qab) u. ein halbes Tarqab mit eingeschlossen sind (d.Ji. daß
der Grundsatz auch für kleinere Sünden gilt)? Die Schrift sagt lehrend Jes 9, 4:
Jedes einzelne Maß (so der Midr). Da höre ich nur von etwas, was gemessen werden
kann; woher aber, daß auch geringe Peruten (die kleinste Münze zur Bezeichnung
geringfügiger Sünden) zu einer großen Summe zus.gezählt werden? Die Schrift sagt
lehrend Qoh7, 27: Eins zum andren, um die Summe zu erreichen. — Dasselbe pSota
1, 17^ 24; NuR 9 (153^); Midr Ps 81 § 2 (183'-^); Sota 8b, wo der Name „Meir" hinter
-3-^ ausgefallen ist; vgl. das nächste Zitat. || Sanh 100» Bar: R. Meir sagte: Mit dem
Maße, mit welchem ein Mensch mißt, mißt man ihm wieder; s. Jes 27, 8: Maß gegen
Maß straftest du es (s. voriges Zitat). Da sagte R. J^iuda (um 150; so ist zu lesen statt
„R. J**hoschua<", Bacher, Tann. 2, 62): Ist es denn möglich also zu sagen? Ein
Mensch gibt seine Hand voll einem Armen in dieser Welt; soll dem Gott seine (Gottes)
Hand voll wieder geben in der zukünftigen Welt? Es heißt doch: „Die Himmel hat
er mit der Spanne abgesteckt" Jes 40, 12 (wie kann da ein Mensch die Fülle der
Gotteshand fassen)! Du meinst es also nicht so? (fragte R. Me'ir). Welches Maß ist
größer, das Maß der (göttl.) Güte oder das der (göttl.) Strafe? Sage: Das Maß der
Güte. Von ihm heißt es: „Er tat die Türen des Himmels auf u. ließ Manna auf sie
herabregnen" Ps 78, 23f. Und vom Maß der Strafe heißt est „Die Fenster des
Himmels wurden aufgetan" Gn 7, 11 (so viel größer die Türen als die Fenster, so viel
größer das Maß der Güte als das der Strafe). Nun heißt es vom Maß der Strafe:
„Sie werden hinäusgehn, anzusehn die Leichen der Leute, die von mir abtrünnig waren;
Matth 7, 2 (83 1— 3) 445
denn ihr Wurm wird nicht sterben u. ihre Flamme nicht erlöschen, u. sie werden
zur Abschreckung sein für alles Fleisch" Jes 66, 24. Nicht wahr, wenn ein Mensch
in dieser Welt seinen Finger ins Feuer steckt, so verbrennt er sich sofort; allein wie
Gott in die Gottlosen die Kraft geben wird, ihre Strafe zu empfangen (dafs ihr Feuer
nie erlischt), so wird er auch in die Frommen die Kraft legen, ihr Gutes (selbst eine
Gotteshand voll) hinzunehmen.
Der Grundsatz: ,Mit dem Maße usw." findet sich auch M^g 12l>; GnR9(7b);
ExR 3 (69 '0 ; 25 (87 a). — Aramäisch Targ Jerusch II Gn 38, 26 : sy^s= h-'z^ v:'an sri-=vj=
siü-3 sV:-»3 •)-3i N2t3 »h^'^ y^ a'^v:i n^h -j-V-'s^ rn „mit dem Maß. mit welchem ein
Mensch auf Erden mißt, mißt man (= Gott) ihm im Himmel, es sei ein gutes Maß,
oder es sei ein schlimmes Maß." il Targ Jes 27, 8: ~h yh^z-' rta hto ar"\r.-: srsD= ^mit
dem Maße, mit welchem du gemessen hast, wird man dir messen." — Man beachte
in allen diesen Sätzen die aktive Konstruktion mit dem unbestimmten Subjekt „man"
statt des passiven fisT()7]&tjasTai Mt7,2; s. oben S. 443.
2. In kürzerer Fassung lautet der Grundsatz: „Maß gegen Maß."
N«d 32'»: Rabbi (nach Bacher, pAmor. 2,310, wäre R. Levi, um 300, Autor) hat
gesagt: Wer auf Ahnungen etwas gibt, dem erfüllen sie sich, s. Nu 23,23: „Denn
wider ihn wendet sich die Ahnung" (so der Midr, indem er sh> „nicht" deutet = 15
„gegen ihn"). Aber das Wort ist ja doch s5 geschrieben (u. nicht iV)! Allein es geht
da nach der Regel: Maß gegen Maß, nn-i -ijjs rs-";. — Dasselbe, aber ohne Verwendung
dieser Regel, in einer Erzählung des R. Huna, um 350, pSchab (5, 8'', 11. 16. || Schab 1U51>:
R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Wer lässig
ist in der Trauer um einen Gelehrten, der wird nicht lange leben. Maß gegen Maß,
s. Jes 27, 8: „Maß gegen Maß züchtigtest du es." || Sanh 90-': (Zu dem Satz Sanh 10, 1
daß der, welcher sagt, die Auferstehung der Toten lasse sich nicht aus der Tora be-
weisen, keinen Teil an der zukünftigen Welt habe, wird gefragt:) Warum das alles?
Es ist in einer Bar gelehrt worden: Er leugnet die Auferstehung der Toten, deshalb
soll er nicht Anteil haben an der Auf. der Toten; denn alle Maße Gottes sind Maß
gegen Maß; denn R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt, R. Jonathan (um 2'^0)
habe gesagt: Woher läßt sich beweisen, daß alle Maße Gottes sind Maß gegen Maß?
Siehe 2 Kg 7, 1: „Elisa sprach: Höret das Wort Jahves! So hat Jahve gesagt: Um
diese Zeit morgen gilt ein Sea Feinmehl einen Scheqel u. zwei Sea Gerstenmehl einen
Scheqel im Tore von Samaria." Ferner heißt es das. Vers 2: „Da antwortete der
Marschall, auf dessen Hand sich der König stützte, dem Gottesmann u. sprach: Siehe,
wenn Jahve Luken in den Himmel machte, könnte das je geschehn? Er aber sprach:
Siehe, du wirst es mit eignen Augen sehen, aber doch nichts davon essen! Und Vers 20
heißt es: „Und so geschah es mit ihm, u. es zertrat ihn das Volk im Tor, daß er
starb." li Ein weiteres Beispiel s. DtR 11 (207^) bei Lk 6, 38. !i GnR 9 (Tb): R. SchimJon
b. Abba (um 280) hat gesagt: Alle Maße hören (einst) auf; Maß gegen Maß hört nicht auf.
3. Gleichbedeutend ist die sprich wörtl. Redensart: In dem Topfe,
in welchem einer kocht, wird ihm (oder er) gekocht.
Sota 11=»: R. EUazar (um 270) hat gesagt: Was heißt Ex 18, 11 : „Mit dem, womit
sie gegen sie -it . . ."? In dem Topfe, in welchem sie kochten, wurden sie gekocht,
s. Gn 25, 29: „Einst kochte -t-i Jakob ein Gericht." (Durch Wasser töteten die Ägypter
die israelitischen Knäblein, durch Wasser wurden sie deshalb selbst vernichtet.) —
Kürzer u. anonym ExR 1 (65''). Vgl. auch M'^kh Ex 18, 11 (66b): Womit die Ägypter
die Israeliten zu vernichten gedachten, damit hat Gott sie gestraft, s. Ex 18, 1 1. In
TanchB -^r- §5 (36b) wird diese Erklärung dem R. EUazar beigelegt. ,! Andre bild-
liche Wendungen für den gleichen Gedanken zeigt P'^siqSlb; „Hat Gott Israel, wie
sein Schläger (vom Midr auf Ägypten bezogen) Schläge bekam, geschlagen? Oder
ward es hingewürgt mit solchem Würgen wie dessen (Ägyptens) Erwürgte" Jes 27, 7?
R. J'^huda (um 150) u. R. N chemja (um 150). R. J. sagte: Mit dem Stock, mit welchem
die Ägypter die Israeliten geschlagen haben, wurden sie geschlagen. R. N. hat gesagt:
446 Matth 7, 2 («B 3). 7, 3 ff. (Nr. 1.2)
Mit dem Schwerte, mit welchem die Ägypter die Israeliten schlugen, wurden sie ge-
schlagen, s. Jes27, 8: Maß gegen Maß straftest du (Ägypten), als es (Israel) entließ
(so der Midr). Maß gegen Maß: in einer Bar ist im Namen des R. Meir (um löO)
gelehrt worden: ,Mit dem Maße, mit welchem ein Mensch mißt, mißt man ihm";
als Ägypten Israel entließ, straftest du Äg.; es wurde geschlagen u. hinterher entließ
es; deshalb heißt es: Als der Pharao das Volk entließ Ex 13, 17. (Text nach ßubers
Emendationen.) — „Redet nicht immerfort Stolzes, Stolzes, noch gehe Freches aus
eurem Munde" (1 Sm 2, 3). R. El<azar (um 270), R. J''hoschuaJ b. Levi (um 250) u. die
Rabbinen. Der eine sagte: Mit der Wage, mit der sie gewogen haben, wurde auch
ihnen gewogen (hier folgt derselbe Satz noch einmal, aber mit andren Ausdrücken;
ursprünglich wohl Randglosse). Der andre sagte: Mit dem Gekochten, mit dem sie
kochten, wurde ihnen gekocht. . . . Die Rabbinen sagten: Mit dem Plane, den sie
planten, wurde ihnen geplant.
Derselbe Grundsatz schon Aboth 2, 6 bei Hillel (um 20 v. Chr.) : Er
sah einen Schädel auf dem Wasser schwimmen u. sagte zu ihm: Weil
du ertränkt hast riE-jN'i-b:;' , hat man dich ertränkt; aber schließlich
werden die ertränkt werden, die dich ertränkt haben. — Dasselbe
Sukka53^ |1 Auch Weish 11, 15 f.; 12, 24 f.; 18,41f. spiegelt den Grund-
satz „Maß gegen Maß" wider.
7, 3 ff.: Splitter u. Balken im Auge.
1. fArakh Ißb Bar: R. Tarphon (um 100) hat gesagt: Es sollte mich wundern, wenn
es in dieser Generation einen gäbe, der Zurechtweisung annimmt. Wenn man ihm
sagen würde: Nimm den Splitter (=5--, Span) aus deinen Augen fort, so würde er
antworten: Nimm den Balken r-^p aus deinen Augen (in andren Ausgaben: „Zwischen
deinen Zähnen" -■:-• ":•:) fort! — In den Parallelstellen fehlt der Satz vom Splitter
u. Balken, s. SDt 1, 1 § 1 (64»); SLv 19, 17. 1| BB Ib^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt:
AVas heißt: „ In den Tagen des Richtens der Richter" Ruth 1,1? Es war eine Generation,
die ihre Richter richtete. Sagte man einem: „Nimm den Splitter (==*,") aus deinen
Augen fort", so antwortete er: „Nimm den Balken aus deinen Augen forti" i| Der
Gedanke von Mt7, 3ff. in andrer Form Sanh IS»; Es heißt: „Sammelt von euch die
Stoppeln ab -r-pr- u. dann sammelt sie (von andren) ab" Zeph 2, 1 (so der Midr). Resch
Laqisch (um 250) hat gesagt: Schmucke (erst) dich selbst u. hinterher schmücke andre. —
Dasselbe Sanh 19^; BM 107b; BB 60b. ][ pTasan i', tiöa, 62: R. Joschijja (IL, um 280)
hat öffentlich vorgetragen (auf Grund von Zeph 2, 1): Suchen wir die Stoppeln an uns
selbst ab, bevor wir sie an andren absuchen! In der Parallelstelle Midr KL 3, 40 (72b)
lautet die Anwendung im Sinne des Resch Laqisch: Schmücken wir uns selbst u.
hinterher wollen wir andre schmücken! || BM 59b ßar; R.Nathan (um lüO) hat ge-
sagt: Den Fehler, der an dir ist, wirf nicht deinem Nächsten vor. Das ist es, was
die Leute zu sagen pflegen: Wer einen Gehängten in seiner Familie hat, der sage
nicht zu seinem Nächsten:' Hänge den Fisch auf! — Der Ausspruch des R. N. wird
biblisch begründet mit: „Ihr seid Fremdlinge im Lande Ägypten gewesen" in M'kh
Ex 22, 20 (101-'). — Vgl. Qid 70": Wer einem andren einen Makel anhängt, hat selbst
einen Makel u. redet niemals zum Lobe (eines Menschen). Sch'^muel (f 254) hat ge-
sagt: Den eignen Makel hängt er andren an. — Dasselbe Qid 7U''. || BQ 92b: Raba
(t 352) hat zu Rabbah b. Mari (um 320) gesagt: Woher läßt sich das Sprichwort be-
weisen: Hast du etwas Tadelnswertes an dir, so sage es lieber selbst zuerst (damit
es dir andre später nicht vorwerfen)? Er antwortete: Aus Gn 24, 34: „Elifezer sprach:
Der Sklave Abrahams bin ich."
2. Span gegenüber dem Balken als Bild der Geringfügigkeit.
Hör 3'': Wenn Rab Huna (f 297) nach der Gerichtsstätte ging, ließ er zehn Ge-
lehrte (Mischnakundige) des Lehrhauses vor sich kommen, damit (bei einem etwaigen
Matth 7, 6 (31 1—3. 33) 447
falschen Urteilsspruch so viel Schuld) auf ihn käme wie ein Span aus einem Balken
s— ;ir-3 N;-r. Wenn man vor Rab Aschi (f 4"-'7) eine Frage betreffs eines schadhaften
Tieres, r:t"''j!, brachte, ließ er zehn Schlächter aus Matha M'^chasja kommen, die er vor
sich sitzen ließ; er sagte, damit auf mich komme ein Span von einem Balken.
7,691: Gebt dasHeiligenicht denünnden , fxr] dons to äyiov toiq xvair .
1. Im wörtlichen Sinn.
B''kh 15a Bar zu Dt 12, 15: „Du darfst schlachten", aber nicht die Schur ist dein;
„das Fleisch", aber nicht das Fett; „darfst du essen", aber nicht deinen Hunden ge-
hört es. Von hier aus hat man gesagt (s. T'^'mura 6, 5): Man löst Heiliges nicht aus,
um es die Hunde freösen zu lassen. Vgl. T'^m 130'^ (in andren Ausgaben 30'^): Alles
Heilige, was schadhaft -r-'-j geworden ist, löst man nicht aus; denn man löst Heiliges
nicht aus, um es die Hunde fressen zu lassen. — Dieser Grundsatz als Bar T'^m 117'i;
in Frageform Sch'^'bull^. Nach P^s29a war der Grundsatz übrigens streitig.
2. Zu dem bildlichen Sinn des Ausspruches Jesu vgl.:
Chag 13^: R. Ammi (um 300) hat gesagt: Man überliefert die Worte der Tora nicht
einem Goi; s. Ps 147, 20: „Nicht tat er also irgend einem (andren) Goi (Volk), u. Rechte —
die wissen sie nicht." il Midr HL 2, 7 (99»): R. Chelbo (um 300) sagte: Eine viermalige
Beschwörung gibt es hier (nämlich HL 2, 7; 3,5; 5,8; ^,4). Er (Gott) hat Israel be-
schworen, daß sie sich nicht empören sollten gegen die Weltreiche, daß sie das Ende
(d. h. die Ankunft des Messias) nicht drängen (durch Drängen beschleunigen) sollten,
daß sie ihre Geheimnisse den Völkern der Welt nicht offenbaren sollten, u. daß sie
nicht als Mauer (d. h. als kompakte Masse) aus dem Exil (nach Palästina) hinauf-
ziehen sollten. — K'^tli 111 a zählt R. Levi (um 300) 6 Beschwörungen im HL; darunter
als dritte, daß die Israeliten das Geheimnis nicht den Völkern der Welt kundtun sollten.
Raschi erklärt --c Geheimnis « — Kalenderberechnung, ß -- Gründe der Tora. || TanchB
^;■'■■l §6 (44b): R. J'huda der Levit b. Schalom (um 370) hat gesagt: Mose wollte, daß
auch die Mischna (hier = mündliche, traditionelle Lehre) schriftlich gegeben würde.
Da aber Gott voraussah, daß dereinst die Völker der Welt (hier = christliche Welt)
die Tora übersetzen u. auf griechisch lesen u. sagen würden: Wir sind (das rechte)
Israel, sprach er zu Mose: „Schriebe ich dir die ganze Fülle meiner Lehre auf, so
würden sie (die Israeliten) in diesem Fall wie der Fremdling geachtet" Hos 8, 12 (so
der Midr). Und das alles warum? Weil die mündliche Lehre das Geheimnis Gottes
ist, u. sein Geheimnis überliefert Gott nur den Frommen, s. : „Das Geheimnis Gottes
für die, welche ihn fürchten" Ps25, 14. — Dasselbe Tanch s-*: 22l>; in erweiterter
Fassung Tanch st.-.- -: 120b; P^siqR 5 (14b); vgl ExR 47 (lOl*^).
3. Über „Hunde" s. bei Mt 15, 26.
7, 6 f&: Die Perlen, rovg ßaQyagitag.
Als Perle Nn^:j"i^ oder nib:,-i^ wird im Rabbin. häufig ein treffender
Gedanke, ein schöner Ausspruch u. dgl. bezeichnet,
Chag 3a: R.Jochanan b. B^roqa (um HO) u. R. Ehazar (ben) s^crt (s. Einl. 126) gingen
einmal, um (ihren Lehrer) R. J^hoschua? (um 90) in P'qi?in zu begrüßen. Er sprach
zu ihnen: Was gab es Neues heute im Lehrhaus? Sie antworteten: Wir sind deine
Schüler u. haben von deinem Wasser (= Lehre) getrunken (wie könnten wir dir etwas
Neues mitteilen)! Er sprach: Gleichwohl ist es für das Lehrhaus unmöglich ohne etw;is
Neues zu sein. Wessen (Vortrags- )Sabbat ist es gewesen? Der des R. El?azar b. ?Azarja.
Womit beschäftigte sich heute der haggadische Vortrag? Sie antworteten: Mit dem Ab-
schnitt: „Versammle das Volk, die Männer u. die Weiber u. die Kindlein" usw. Dt 31, 12.
Und was hat er darüber vorgetragen? Wenn die Männer kommen, um zu lernen, u.
die Frauen, um zuzuhören, wozu kommen die Kindlein? Um Lohn zu verschaffen
denen, die sie herbeibringen. — Da sprach er zu ihnen: Eine schöne Perle r-:;— 3
448 Matth 7, 6 (5B. 6 1)
navj war in eurer Hand, u. ihr wolltet mich derselben verlustig gehn lassen! — Ebenso
in AbothRN 18; in den übrigen Parallelen TSota 7, 9ff. i307); M'^kh Ex 13, 2 (23»);
pChag 1,75^', 84 fehlt das Wort von der „Perle\ || B'^rakh S^i^: Rab Joseph if 3:^3) hat
gesagt: . . . Ich weiß nur von Rab (f 247) u. von Sch^nniel (f 254), die uns eine Perle
sr-:;^'3 in Babel angeordnet haben, nämlich das Gebet i^v-^in „du hast uns kund-
getan, Jahve unser Gott, die Rechte deiner Gerechtigkeit u. du hast uns gelehrt, daß
wir die Satzungen deines Willens tun sollen" usw. |l Qid 39'^: Rab Joseph (f 338) hat
gesagt: Wenn Acher i d.i. Elischa? b. Abuja, um 120, der bekannte Apostat) Dt 22, 7 aus-
gelegt hätte, wie sein Tochtersohn R. Jafaqob (IL, um 170),* so hätte er nicht gesündigt.
Was war es denn mit Acher? . . . Einige sagen: Er sah, wie ein Schwein (wörtlich: „wie
ein gewisses andres Ding", euphemistische Bezeichnung für „Schwein") die Zunge des
Dolmetschers ChuQpith^ fortschleppte. Da sagte er: Der Mund, der Perlen hervor-
gebracht, muß Staub lecken? Er ging fort u. sündigte (fiel vom Judentum ab). Dasselbe
ChuU 142'; vgl. pChag 1, 77^, 53. pMafaso, 52=\ 50: R. Jochanan sprach zu R. Chijja
b. Abba (um 2-^0): Babylonier, weil ich dir die Scherbe lüftete, fandest du die Perle. —
Ähnlich J'^'b 92'^: Hätte ich dir nicht die Scherbe aufgehoben, ob du wohl die Perle darunter
gefunden hättest? — Ebenso Mak 21 '\ d J^b 94": Folgendes hat R. El?azar b. Mathja
(um 120) vorgetragen: Ein von ihrem Manne geschiedenes Weib sollen sie (die Priester)
nicht ehelichen Lv 21,7, d. h. ein von „ihrem" Manne, aber nicht ein von einem Manne
geschiedenes Weib, der nicht „ihr" Mann war.^ Rab J huda (f 299) hat gesagt, Rab
(t 247) habe gesägt: Es hätte R. EUazar (b. Mathja) aus Lv 21,7 eine Perle vortragen
können, u. er hat daraus eine Scherbe vorgetragen. Welches ist die Perle? Was in
der Bar gelehrt ist: Ein Weib, das von ihrem Manne geschieden ist, d. h. auch wenn
es nur von ihrem Manne geschieden ist (weil sie von ihrem Manne unter der Be-
dingung entlassen wurde, sich nicht anderweitig zu verheiraten, vgl. Raschi), ist für
die Priesterschaft untauglich (nach dem Tode ihres Mannes i; das ist der Geruch eines
Scheidebriefes, der für die Priesterschaft die Frau untauglich macht. (Geruch eines
Scheidebriefes d. h. was einem Scheidebrief nur ähnlich ist.) || BB 123^: Abba Chalipha,
der Bibellehrer, fragte den R. Chijja b. Abba (um 280 1: In der Gesamtsumme findest
du, daß 7U Seelen (mit Jakob nach Ägypten zogen, s. Gn 46,27), u. in der Einzelangabe
findest du, daß es 6^ waren. Er antwortete: Eine Zwillingsschwester wurde mit Dina
geboren, wie es heißt: ,Und mit Dina, seiner Tochter" Gn 4H, 15 (pni deutet nach
dem Midr an, daß außer Dina noch eine zweite Tochter geboren ward). — Aber daraus
würde ja folgen, daß auch mit Benjamin eine Zwillingsschwester geboren worden ist;
denn es heißt Gn43, 29: ^ünd mit (rsi, so der Midr) Benjamin sah er"! Da sprach
jener: Eine schöne Perle hatte ich in meiner Hand u. du willst mich derselben ver-
lustig gehen lassen!
7,6 6!: Vor die Säue, ei.inQoa&£v tmv yoiQon'.
1, Charakteristische Aussprüche über das Schwein.
B«rakh43'': Rab Zutra b. Tobijja (um 270) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt:
Was heißt: „Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit" QohS, 11? Das lehrt, daß
Gott jedem sein Handwerk in seinen Augen schön gemacht hat. Rab Papa (f 37H) hat
gesagt: Das ist es, was die Leute zu sagen pflegen: Hänge einem gewissen Ding
(euphemistisch für „Schwein", vgl. oben Qid:->9'^) Palmkohl (das ist das genießbare
Kopfmark der Palme) um, es tut gleichwohl das Seine (wälzt sich im Unrat; das ist
sein Handwerk). || Schab 155'': Rab Papa (f 376) hat gesagt: Es gibt niemand, der
ärmer ist als der Hund, u. niemand, der reicher ist als das Schwein. (Dem Hund gibt
niemand Speise u. das Schwein wird überreich gemästet.) — Vgl. Midr Esth 3, 1 (94^*):
> Diese Auslegung s. unter Mt6,27 S. 437j' nach Qid:>9'\
^ Nach pChag 2, 77'', 6U sah er die Zunge des Dolmetschers R. J'^huda im Munde
eines Hundes.
3 Diese Auslegung in J'^b 10,3.
Matth7, 6 (6 1.2) 449
Gleich einem Menschen, der ein Füllen, einen Esel u. ein Schwein hatte; dem Schwein
gab er (Futter) ohne Maß, dem Esel u. dem Füllen nach bestimmtem Maß. Da sprach
das Füllen zum Esel: Wie dieser Tor doch handelt! Uns, die wir die Arbeit unsres
Besitzers verrichten, gibt er nach Maß u. dem Schwein, das nichts tut, gibt er ohne
Maß! Der Esel erwiderte: Die Zeit wird kommen, da wirst du seinen (des Schweines)
Fall sehen; denn man füttert es reichlich nicht zu seiner Ehre, sondern zu seinem
Unglück. Als nun das Fest der Kalendä (ausgangs Dezember) kam, da nahm man
sofort das Schwein u. schlachtete es. Da fing man an, dem Eselsfüllen Gerste vor-
zulegen; es biß hinein, fraß aber nicht. Seine Mutter sprach zu ihm: Meine Tochter,
nicht das Essen bringt Verderben, sondern der Müßiggang. || Qid49'': Zehn Maß Aus-
satz sind in die Welt gekommen; neun Maß erhielten die Schweine u. ein Maß die
ganze übrige Welt. || Weitere Stellen s. bei Mt 8, 'SO Anm. d.
2. „Schwein" als Bezeichnung Roms, bezw. der nichtisrae-
litischen Welt.
LvR 13(114'=): (R. Sch^muel b. Nachman, um 260, hat gesagt:) Mose hat die Welt-
reiche in ihrer Wirksamkeit geschaut (nämlich in der allegorisch auszulegenden Stelle
Lv 1 1,4—7): ,Das Kamel", damit ist Babel gemeint, s.: „Tochter Babel . . ., wohl dem,
der dir dein Tun vergilt, das du uns getan hast" Ps 137,8 (rir-rav ^V1"^; ein Hinweis
auf ';':} = Kamel). Der , Klippdachs", damit ist Medien gemeint. Die Rabbinen u.
R. J'huda b. Simon (um 320). Die Rabbinen sagten: W^ie an einem Klippdachs sich
Zeichen der Unreinheit finden u. Zeichen der Reinheit, so hatte das Reich Medien einen
Gerechten u. einen Frevler hervorgebracht. (Gemeint sind etwa Mardokhai u. Haman
oder auch Darius u. Haman.) R. J^huda b. Simon hat gesagt: Darius der Zweite war
der Sohn der Esther, er war rein von seiner Mutter her u. unrein von seinem Vater
her. Der ,Hase", damit ist Griechenland gemeint; die Mutter des Ptolemäus hieß
„Hase" (gemeint ist der Vater des Ptolemäus I. [823—284], Anywg [= Hase] aus
Eordäa). Das „Schwein", damit ist Edom (= Rom) gemeint. Mose hat die drei ersten
(Tiere oder Reiche) in Einen Abschnitt gesetzt u. das letzte in einen besonderen Ab-
schnitt. Weshalb? R. Jochanan (f 279) u. R. Schimfon (b. Laqisch, um 250). R. Jochanan
sagte: Weil es jene drei aufwiegt; R. Seh. b. L. sagte: Es übertrifft sie. R. Jochanan
erwiderte: Es heißt: Du Menschenkind, weissage u. schlage Hand auf Hand (d. h. Roms
Hand gleicht der Hand der drei ersten Weltreiche) Ez 21, 19. Was macht nun Resch
Laqisch mit dieser Schriftstelle (wie findet er sich mit ihr ab)? Er sagte: Es heißt
das.: Verdoppelt wird das Schwert (Roms Schwert doppelt so wuchtig, wie das der
drei ersten Weltreiche). — R. Pin^'chas (um 360) u. R. Chilqijja (um 320) haben im
Namen des R. Simon (um 280) gesagt: Von allen Propheten haben nur zwei, nämlich
Asaph u. Mose, das Schwein (= Rom) näher gekennzeichnet. Asaph hat gesagt: „Es
frißt ihn (den Weinstock Gottes = Israel) das Schwein aus dem Walde ab" Ps 80, 14.
Mose hat gesagt: „Das Schwein; denn es hat gespaltenen Huf" Lv 11, 7. Warum wird
es (Rom) mit dem Schwein verglichen? Um dir zu sagen: Wie das Schwein, wenn
es sich hinstreckt, seine Klauen ausstreckt u. sagt: Seht, daß ich rein bin! so erhebt
sich stolz das Reich Edoms (Roms) u. übt Gewalttat u. raubt u. stellt sich dabei, als
ob es den Richterstuhl aufstellte (ein gerechtes Gericht halte). Ein Machthaber ließ
einmal die Diebe u. Ehebrecher u. Zauberer töten, dabei neigte er sich u. sagte (heim-
lichi zu seinen Ratsherren (Senatoren): Diese drei Dinge habe ich in Einer Nacht ge-
tan! . . . Das „Schwein" (Lv 11,7) ist Edom (Rom): „es käut nicht wieder" (das.),
denn es preist Gott nicht; u. nicht genug, daß es nicht preist, es schmäht u. lästert
u. spricht: „Wen gibt es für mich im Himmel!" Ps 73,25.. .. Das „Schwein" ist
Edom (Rom): „es käut nicht wieder", denn es wird kein andres Weltreich mehr nach
sich haben. Und warum wird es Schwein "in genannt? Weil es die Herrscherkrone
an ihren (eigentlichen) Herrn (= Gott) zurückgeben wird (r'-^t-w, Wortspiel zu ''"'~),
s. : „Heraufziehen werden Befreier auf den Zionsberg, zu richten das Gebirge Esaus
(= Roms), u. es wird die Königsherrschaft Jahve zufallen" Obadja 21. — Parallel-
Strack u. Billerbeck, NT i. 29
450 Matth 7, 6 (6 2. 3). 7, 7 (31 1. 2)
stellen: der Ausspruch des R.Simon noch GnR65(40'^); MidrPs 80 §6(182«). Das
Schlußwort von der Rückgabe der Herrschaft an Gott hat nach MidrQoh 1,9 (9*^) den
R. Meir, um 150, als Autor. R. Meir würde hiernach, soweit wir sehen können, die
früheste Autorität sein, die ausdrücklich im Schwein ein Symbol Roms gesehen hat.
Die Veranlassung dazu hat wohl der Eber in den römischen Feldzeichen gegeben. ||
GnR 63 (o9''): „Sie nannten seinen Namen Esau" Gn 25,25. Eitles ist es (sprach Gott),
was ich in meiner Welt geschaffen habe (ri>y Esaw als Notarikon gedeutet = sia T'rv).
R. Ji9chaq (um 800) hat gesagt: (Gott sprach:) Ihr (Eltern) habt euer Schwein (Esau,
Edom, Rom) mit einem Namen benannt; auch ich werde meinen erstgebornen Sohn
mit einem Namen benennen, s. Ex 4, 22: Mein erstgeborner Solm ist Israel. || Als all-
gemeine Bezeichnung der heidnischen Welt findet sich „Schwein" in folgenden Stellen.
GnR 44 (28*»): (Gn 15, 19 f. wird das Land Israel mit 10 Völkern dem Samen Abrahams
zugesichert; Gn 16, 1 folgt die Bemerkung von Sai'as Kinderlosigkeit.) Dazu hat R.Ji^chaq
(um 300) gesagt: Die Sau (das heidnische Kanaan) weidet mit zehn Jungen u. das Lamra
(= Sara) auch nicht mit Einem! || Midr Esth 1, 15 (90b): „Was nach dem Gesetz zu tun
sei" Esth 1, 15. R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Mit der Sau (dem eignen heidnischen
Volk) solle man nach dem Gesetz verfahren, mit der heiligen Nation (Israel) aber
nicht nach dem Gesetz, sondern mit Grausamkeit. || AbothRN34: Es heißt: „Es frißt
ihn (den Weinstock = Israel) das Schwein aus dem Walde (^i-'n) ab" Ps 80, 14, während
das K''thib lautet: „Es frißt ihn das Schwein aus dem Strom (^s-s) ^ ab." Das Schwein
aus dem Walde frißt ihn, wenn Israel nicht den Willen Gottes tut. Die Völker der
Welt gleichen dem Schwein aus dem Walde: wie dieses Menschen tötet, Vieh be-
schädigt u. Menschenkinder verwundet, so töten, schlagen u. schädigen die Völker der
Welt die Israeliten, sooft sie nicht den Willen Gottes tun. Sooft die Israeliten aber den
Willen Gottes tun, können die Völker der Welt ihnen nichts anhaben, dem Schweine des
Stromes gleich. Wie das Schwein des Stromes keinen Menschen tötet u. den Geschöpfen
nicht schadet, ebenso kann keine Nation u. Zunge die Israeliten töten, schädigen u.
schlagen, solange sie Gottes Willen tun ; deshalb heißt es „ das Schwein aus dem Strom " . —
Midr HL 8, 4 (104-') nennt R. Jochanan, f 279, als Autor dieser Ausführung.
3. Zur Sentenz, die Perlen nicht vor die Säue zu werfen, vgl. den
Satz, daß man heilige Dinge nicht an einen Ort der Unreinheit mit-
nehmen darf, s. Schab 127 ^ oben S. 442. — Ferner Midr HL 1, 2 (83 '^r
R. Schimc'on b. Jochai hat gelehrt: „Dies sind die Rechtssatzungen, die
du ihnen vorlegen sollst" c^bn Ex 21,1: wie ein Schatz n?3ib (soll
Diirn deuten) nicht jedermann offenbart wird, so verhält es sich auch
mit den Worten der Tora — sie sind als Schatz nur den -i-i-iujd, den
Geeigneten, Tüchtigen, Frommen zu offenbaren (so zu ergänzen nach
der Parallelstelle psAZ 2, 41'', 8). — Zum Ausdruck s. Sanh 90'': Rab
J^huda (t 299) sagte: Wer Hebe einem unwissenden Priester gibt, ist
wie einer, der sie einem Löwen vorwirft ■'ix ^:sb nrni; ^h^n^.
7,7 51: Bittet, u. es wird euch gegeben werden.
1. 6od^i]aeTai. Zur passiven Konstruktion s. oben S. 443.
2. Gebetserhörung. Ein Vorzug Israels vor den Heidenvölkern be-
steht darin, daß es beten darf zu dem Gott, der Gebete hört u. erhört, a
dem ein Mensch mit seinen Anliegen nie zu oft kommt, b vor dem alle
Beter gleich sind.c Gott selbst trägt Verlangen nach dem Gebet der
^ In "V3 ist das >■ (mittelster Buchstabe des Psalters) als suspensum geschrieben
statt des y las man deshalb n u. erhielt so "s-^ =^ Nil, Fluß.
Matth 7, 7 (?l 2) 451
Gerechten :d täglich kommen die Engel u. vereinigen Israels Gebete zu
einer Krone, die sie auf Gottes Haupt legen. e Darum soll ein Mensch
auch noch in der hoffnungslosesten Lage beten ;f denn das Gebet kann
selbst einen Gottesbeschluß zerreißen, g Besser aber ist es, daß man
der Not mit dem Gebet zuvorkommt. h Nur eitle Gebete sind nichtig.»
Wenn trotzdem viele Gebete ohne Erhörung bleiben, so hat das seinen
Grund in der Unkenntnis des heiligen Jahvenamens.k Die Gewißheit,
daß Gott Gebete gern erhört, schließt nicht aus, daß der Betende der
Gebetserhörung mit gewissen Mitteln nachzuhelfen versucht; denn
das Gebet gehört zu den Dingen, die auf Seiten des Menschen Kraft-
anstrengung erfordern.! Man bete deshalb vollkommene Gebete ;ni man
bete demütigen Sinnes ;n man lege beim Gebet seine Seele auf seine
Hand;o man öffne nicht im Gebet dem Satan den Mund;P denn das
Gebet bringt vor Gott Sünde in Erinnerung, q — Ferner gilt auch Gott
gegenüber der Satz, daß die Unverschämtheit^ eine Königin ohne
Krone ist.«" Deshalb bete man viel u. lange ;S man wiederhole sein An-
liegen immer aufs neue,* u.. hilft das nicht, so faste man.u — Das
Gebet hat weiter seine Zeiten ;v die Tore des Gebetes sind nicht immer
geöffnet.w Man wähle zum Beten die Zeit des Wohlgefallens, das ist
die Stunde, in der die Gemeinde betet, x — Endlich gibt es auch Merk-
male äußerlicher Art, an denen die Erhörung des Gebetes erkannt
wird: wenn die Gebetsandacht durch das Gebet selbst erhöht wird,y
wenn die Gebetsworte dem Munde fließend entströmen, z wenn die
Lippen des Beters von selbst in Bewegung geraten, aa so darf man
der Erhörung gewiß sein. Auch das Niesen während des Betons ist
ein gutes Vorzeichen, bb Dagegen sind schlimme Anzeichen L^ungen
im Gebet u. während des Betens auftretende Blähungen, cc — Mehrfach
wird betont, daß ein Mensch, der trotz seiner äußeren Notlage an der
Beschäftigung mit der Tora festhält, unbedingt auf Erhörung seiner
Gebete rechnen dürfe, dd
a. pB^rakh 9, 13^ 15: R. Pin^chas (um 360) hat im Namen des R. J«Iiuda b. Simon
(um 320) gesagt: Der Götze erscheint nahe u. ist doch nur fern; vgl.: „Sie heben ihn
(den Götzen) auf die Schulter, schleppen ihn fort u. setzen ihn an seiner Stelle nieder"
Jes4fi, 7. Schlieislich ist seine Gottheit bei ihm im Hause, u. der Götzendiener kann
schreien, bis er stirbt; aber der Götze ,hört ihn nicht, u. aus seiner Not wird er ihn
nicht befreien" (das.). Dagegen scheint Gott fern zu sein u. nicht nahe. Denn R. Levi
(um 300) hat gesagt: Von der Erde bis zum Firmament ist ein Weg von 500 Jahren
u. von einem F. bis zum andren (deren es im ganzen sieben gibt) wiederum ein Weg
von 500 Jahren, u. die Dicke jedes F. beträgt gleichfalls einen Weg von 500 Jahren . . .,
siehe, wie hoch Gott von seiner Welt entfernt ist! Und der Mensch tritt in eine Syna-
goge u. stellt sich hinter eine Säule u. betet leise, u. Gott hört sein Gebet, vgl.:
„Hanna aber redete in ihrem Herzen, nur ihre Lippen bewegten sich, aber ihre Stimme
hörte man nicht" 1 Sm 1,13 — u. doch hat Gott ihr Gebet gehört; u. so ist es bei
allen seinen Geschöpfen, s.: „Gebet eines Gebeugten, wenn er betrübt ist u. sein (leises)
Gebet vor Gott ausschüttet" Ps 102, 1, gleich einem Menschen, der einem andren etwas
* Vgl. Lk 11,8: St,d ye xrv ävaiSlav avzov . . . (fiuasi aiTco. . . .
29 =
452 Matth 7, 7 (31 2)
ins Ohr sagt, u. er hört es. Gibt es einen Gott, der näher ist als dieser? Er ist seinen
Geschöpfen so nahe, wie der Mund dem Ohr. — Parallelstellen Midr Ps 4 §3 (22 ');
DtR2 (197^). II pB rakhO, 13b, 22: R. Tanchuma (um 3^0) hat gesagt: Einmal war ein
heidnisches Schiff, auf dem sich ein jüdischer Knabe befand, hinausgefahren auf das
große Meer. Es erhob sich ein großer Sturm gegen sie auf dem Meere. Jeder von
ihnen stand u. nahm seinen Götzen in die Hand u. schrie zu diesem; aber es nützte
nichts. Als sie sahen, daß es nichts nützte, sprachen sie zu jenem Knaben: Mein Sohn,
steh auf u. rufe deinen Gott an; denn wir haben gehört, da£( er euch erhört s-n-z;
n:rs n:-,y, wenn ihr zu ihm schreit, u. er ist mächtig. Sofort erhob sich der Knabe
u. schrie von ganzem Herzen, u. Gott nahm sein Gebet an •frh-tr n"3n ':r:i2 "'^pi, u.
das Meer schwieg. Als man ans Land ging, ging jeder, um seine Bedürfnisse ein-
zukaufen. Da sagte man zu jenem Knaben: Willst du dir nicht etwas kaufen? Er
antwortete: Was wollt ihr von diesem unglücklichen Fremdling? Sie sprachen: Du
ein unglücklicher Fremdling? Wir sind unglückliche Fremdlinge: wir sind hier u.
unser Gott ist in Babel, wir sind hier u. unser Gott ist in Rom, wir sind hier u. unser
Gott ist bei uns, aber sie nützen uns nichts. Aber wohin du auch gehn magst, dein
Gott ist bei dir, s.: „Welches ist eine große Nation, die einen ihr so nahen Gott be-
säße, wie Jahve unser Gott, sooft wir zu ihm rufen?" Dt 4, 7. — In andrer Einkleidung
DtR 2 (igS**). II DtR 2 (197 '1): „Der du Gebet erhörst, zu dir kommt alles Fleisch"
Ps 65, 3. David sprach vor Gott: Herr der Welt, wenn die Völker der Welt zu dir
kommen, um vor dir zu beten, so erhöre sie nicht ins njsr ha; denn sie kommen
nicht mit ganzem Herzen zu dir; sondern sie gehen zu ihrem Götzen, der sie nicht
erhört, u. wenn sie dann sehen, daß ihre Not bleibt, dann kommen sie zu dir; da er-
höre auch du sie nicht, wie es heißt: „Sie schreien, aber da ist kein Helfer, zu Jahve,
u. er antwortet ihnen nicht" Ps 18,42. Was heißt: „sie schreien"? Sie schreien zu
ihrem Götzen, u. wenn sie dann zu dir kommen, da heißt es: „zu Jahve, u. er ant-
wortet ihnen nicht". Aber wenn die Israeliten zu dir rufen, dann erhöre sofort unser
Gebet ^:rh'tr yara t;-:, s.: „Wenn ich rufe, dann erhöre mich, mein gerechter Gott"
Ps 4, 2. Gott sprach zu David: Was sagst du: „Wenn ich rufe, dann erhöre mich"?
Bei deinem Leben, ehe ihr ruft, will ich euch antworten, s. Jes 65, 24. || DtR 2 (198"):
Mose sprach vor Gott: Herr der Welt, wenn du deine Kinder in Not siehst u. es ist
keiner da, der für sie um Erbarmen fleht, erhöre sie sofort ins nj? n-o. Gott ant-
wortete: Mose, bei deinem Leben, sooft sie zu mir rufen werden, will ich sie erhören
ans njys "3s, s. Dt4, 7. || DtR 2 (198^): Die Rabbinen haben gesagt: Manches Gebet
wird in 40 Tagen erhört r-ii-j. Von wem lernst du das? Von Mose, s. Dt 9, 18 f. Manches
Gebet wird nach 20 Tagen erhört. Von wem lernst du das? Von Daniel, s. Dn 10,8
verglichen mit Vers 12 (dieser Vers dürfte gemeint sein). Manches Gebet wird in
3 Tagen erhört, s. Jona 2, 1 ff. Manches Gebet wird nach 1 Tage erhört, s. 1 Kg 18, :^6ff.
Manches Gebet wird zur selben Stunde erhört, s.: „Ich richte mein Gebet zu dir, Jahve,
zur Zeit des Wohlgefallens" Ps69, 14. Und manches Gebet wird erhört, noch ehe es
vom Munde gebetet ist, s. Jes 65, 24. |! pB'^rakh 5), 1:-'.'', 54: R. Judan (um 350) hat in
seinem eignen Namen gesagt: Wenn der Mensch einen Schutzherrn (Patron) hat u.
für ihn eine Zeit der Not anbricht, so darf er zu diesem nicht plötzlich eintreten,
sondern er hat sich zuerst an die Haustür seines Schutzherrn zu stellen; dann ruft
er dessen Sklaven oder einen der Hausgenossen an; dieser meldet dann (dem Schutz-
herrn): Der u. der steht an der Tür deines Gehöftes! Vielleicht läßt er ihn eintreten,
vielleicht läßt er ihn stehn. Gott aber nicht also: Wenn über einen Menschen Not
hereinbricht, ruft er nicht Mikhael oder Gabriel an, sondern mich soll er anrufen, u.
ich erhöre ihn sofort (s^pricllt Gott), s. : „Wer immer den Namen Jahves anruft, wird
entrinnen" Joel 3, 5. — Dasselbe Midr Fs 4 § 3 (21 =»). || M' kh Ex 15, 1 1 (49 b): Fleisch u.
Blut vermag nicht zwei Menschenkinder (zugleich) zu hören, wenn sie rufen; aber Gott
hört ihr Geschrei, selbst wenn alle, die in die Welt kommen, vor ihm (zugleich) schreien,
8.: „Der du Gebet erhörst, zu dir kommt alles Fleisch" Ps 65, 3. (Der Beweis wird im
Sing. „Gebet" gefunden: ob alle Welt betet, Gott hört alle Gebete als Ein Gebet, also
Matth 7, 7 (31 2) 453
auf Einmal.) Parallelstellen: PesiqR21 (lOO^), hier R. Levi, um 300, Autor; Midr Ps 65
§2(156''); ExR21 (SS«^). — Beispiele von Gebetserhörungen s. auch bei Mt8,26.
b. pßerakhO, 13'\ 7: R. Pin^chas (um 360) hat im Namen des R. Z^fira (um 300)
gesagt: Wenn ein Mensch einen Schutzherrn hat u. diesen allzusehr bemüht, so sagt
dieser: Da habe ich einen getroffen, der mich recht belästigt! Aber Gott nicht also:
sooft du ihn auch belästigst, er nimmt dich an, s. Ps 55, 23: Wirf deine Last auf Jahve,
er wird dich aufrechthalten. — Dasselbe Midr Ps 4 § 3 (21 ^). || Midr Ps 4 §3 (21'^):
R. Z®?ira hat gesagt: Sooft ein Mensch einen Freund, den er hat, um die Befriedigung
seiner Bedürfnisse u. Anliegen bittet, pflegt dieser ihn zu hassen u. fernzuhalten. Gott
aber nicht also: sooft ein Mensch ihn um seine Bedürfnisse u. seine Anliegen bittet,
um so lieber hat er ihn, s.: „Rufe mich an, so will ich dich erhören u. dir ansagen
große u. unerfindliche Dinge, die du nicht weißt" Jer 33, 3. R. Z®ära hat gesagt: Wenn
ein Mensch einen Hausfreund hat, so läßt er ihn das erstemal auf einem Polster sitzen;
wenn er das zweitemal zu ihm kommt, läßt er ihn auf einem Stuhl sitzen, das dritte-
mal auf einem Schemel (Holzbank) u. das viertemal sagt er von ihm: Wie drängt u.
belästigt mich dieser! Aber Gott nicht also: sooft sich ein Israelit herzudrängt u. an
die Stätte seines Gebetes kommt, so oft ist Freude vor ihm (Gott); deshalb heißt es
Dt 4, 7: (s. oben S. 452).
C. ExR21 (SS-:): R. J^iuda b. Schalem (um 370) hat im Namen des R. Elfazar
(um 270) gesagt: Wenn ein Armer zu einem Menschen kommt, um ihm ein (Bitt-)
Wort vorzutragen, so hört dieser nicht auf ihn. Wenn aber ein Reicher zu ihm kommt,
so hört er ihn sofort u. nimmt ihn an. Aber Gott nicht also; vielmehr sind alle vor
ihm gleich, Frauen u. Sklaven, Arme u. Reiche. Erkenne dies an folgendem: von Mose,
dem Meister aller Propheten, steht geschrieben, was vom Armen geschrieben ist. Von
Mose: , Gebet Moses, des Mannes Gottes' Ps 90, 1, u. vom Armen: , Gebet des Armen,
wenn er betrübt ist" Psl02, 1. Das eine heißt „Gebet" u. das andre heißt „Gebet",
um dich wissen zu lassen, daß alle im Gebet gleich vor Gott sind.
d. GnR45(28'): Warum sind die Stammmütter (Israels) unfruchtbar gewesen?
R. Levi (um 300) hat im Namen des R. Schela aus K^phar T'^marta (Datteldorf; um 280)
u. R. Chelbo (um 300) im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Weil Gott nach ihren
Gebeten u. nach ihren Worten Verlangen gehabt hat. — Dasselbe Midr HL 2, 14(102''). —
Ebenso sagt R. Ji^chaq (um 300) J'^b 64=*: Warum sind unsre Väter unfruchtbar ge-
wesen? Weil Gott nach den Gebeten der Gerechten Verlangen trägt. — Als all-
gemeine von den Gebeten aller Gerechten geltende Wahrheit spricht dies R. Asi (um
300) Chullin 60'' aus.
e. ExR 21 (83 c): Was heißt: „Der du Gebet erhörst, zu dir kommt alles Fleisch"
Ps65, 3? R. Pin^chas (um 360) hat im Namen des R. Meir (um 150) u. R Jirm«^ja
(um 320) im Namen des R. Chijja b. Abba (um 280) gesagt: Wenn die Israeliten beten,
so findest du nicht, daß sie alle auf Einmal beten, sondern jede Synagoge betet für
sich allein, die eine zuerst u. hinterher eine andre. Nachdem aber alle Synagogen alle
Gebete beendigt haben, nimmt der Engel, der über die Gebete gesetzt ist, alle Gebete,
die in allen Synagogen gebetet sind, u. macht daraus Kronen u. setzt sie auf das Haupt
Gottes, s.: „Dein Schmuck -'-12 kommt von allem Fleisch" Ps 65, 3 (so der Midr);
-\^-\'j („zu dir") bedeutet nichts anderes als „Krone", s. Jes 49, 18: „Du wirst sie alle
wie ein Diadem ■'^>'^ anlegen" (-•"? also von ^^z „Schmuck"); ferner s.: „Israel, mit
dem ich mich schmücke" Jes 49, 3 (so der Midr); denn Gott krönt sich mit den Ge-
beten der Israeliten, s.: Eine prächtige Krone auf dein Haupt Ez 16, 12. |l Midr Ps 88
§2 (igO*'): R. Pin*^chas (um 360) hat gesagt: Der Engel, der über das Gebet gesetzt
ist, wartet, bis die letzte Synagoge Israels gebetet hat; dann nimmt er alle Gebete u.
macht daraus eine Krone u. setzt sie auf Gottes Haupt, s. Spr 10,6: Die Lobsprüche
für das Haupt des Gerechten (d. h. Gottes). — In Midr Ps 19 § 7 (84''*) ist R. Abba
(um 290) Autor u. Pin^chas Tradent. — Vgl. die Ausführung über die Tugenden u.
guten Werke der Gerechten, die Engel täglich in Körbchen sammeln u. die dann Mikhael
in einer Schale vor Gott bringt, griech. Baruchapokalypse 11 — 16.
454 Matth 7, 7 (31 2)
/. B^'rakh lO'*: Rab Hamnuna (um 290) hat gesagt: . . . (Hiskia sprach zu Jesaja:)
So habe ich es aus meinem Vaterhaus überkommen: Auch wenn ein scharfes Schwert
auf dem Halse eines Menschen liegt, soll er sich nicht enthalten, um Erbarmen zu
flehen. So haben R. Jochanan (f 279) u. R. Ehazar (um 270) gesagt, vgl. Hi 13, 15:
Siehe, ob er mich töten will, ich hoffe auf ihn (so nach dem Q''r6 tV). R. Chanan
(um 300) hat gesagt: Selbst wenn der Traumdeuter zu einem Menschen sagte: , Morgen
wirst du sterben", soll er sich nicht enthalten, um Erbarmen zu flehen, s. Qoh 5,6:
Bei vielen Träumen gibt's auch Eitelkeiten u. bei vielen Worten. Vielmehr fürchte
Gott. II DtR 2 (197*^): Jch flehte zu jener Zeit zu Jahve, sagend" Dt 3, 23. Was heißt:
„sagend"? R. fAzarja (um 380) hat gesagt: , Sagend" den nachfolgenden Generationen,
daß sie in der Stunde der Not beten sollen; denn siehe, obgleich dem Mose gesagt war:
„Du wirst diesen Jordan nicht überschreiten" Dt 3, 27, fing er doch an zu flehen.
g. pTafan 2, 65'\ 3: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Drei Dinge heben einen
harten (göttlichen) Beschluß auf, nämlich das Gebet, das Almosen u. die Buße, u. alle
drei sind in Einem Schriftvers enthalten, s. 2 Chr 7, 18: „Wenn sich dann mein Volk
beugt, über welchem mein Name genannt ist, u. wenn sie beten", das bezieht sich auf
das Gebet; „u. mein Angesicht suchen", das bezieht sich auf das Almosen, vgl.: „Ich
werde durch Almosen dein Augesicht schauen" Ps 17, 15 (so der Midr); „u. von ihren
bösen Wegen umkehren", das bezieht sich auf die Buße. Wenn sie also tun, was steht
dann dort geschrieben? „So will ich vom Himmel her hören u. ihre Sünde verzeihen
u. ihr Land heilen." - Parallelstellen: GnR 44 (27<=); TanchB n: § 13 (19»); Midr Qoh
5, 6 (25b); 7, 14 (36a); anonym pSanh 10, 28^ 6. 11 Sukka 14^: R. Elfazar (um 270) hat
gesagt: Warum wird das Gebet der Gerechten mit einer Gabel ^n? verglichen? (Die
Frage zieht eine Verbindungslinie zwischen ^n>- beten u. "inv Getreidegabel.) um dir
zu sagen: Wie eine Gabel das Getreide auf der Tenne wendet von einer Stelle zm'
andren, so wendet auch das Gebet der Gerechten die Gedanken Gottes von der Strenge
zum Erbarmen. — In J^b 64 » R. Ji^chaq (um 300) Autor, in NuR 10 (159^) R. Schim?on
b. Laqisch (um 250). || GnR 63 (39*): „Isaak flehte -rv^.i zu Jahve" Gn 25, 21. Resch
Laqisch (um 250) hat gesagt: Weil er den Beschluß (Gottes) umwendete; deshalb
nennt man auch die Gabel (aram.) s^ny, weil sie den Getreidehaufen umwendet. ||
RH 16b: R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Vier Dinge zerreißen den (göttl.) Gerichts-
beschluß über einen Menschen: Almosen, s. Spr 11, 4, der Gebetsschrei (lautes Gebet),
s. Ps 107, 28: „Da schrien sie zu Jahve in ihrer Not u. er führte sie heraus aus ihren
Ängsten"; Änderung des Namens, s. Gn 17, 15 u. 16, u. Änderung des Verhaltens, s.
Jona 3, 10. — Ein andrer Ausspruch des R. Ji^chaq lautet RH 16*: Gut für den
Menschen ist der Gebetsschrei sowohl vor, als auch nach dem göttl. Gerichtsbeschluß.
h. Sanh 44 b: R. El?azar (um 270) hat gesagt: Immer lasse der Mensch sein Gebet
der Not voraufgehn; denn wenn nicht Abraham sein Gebet zwischen Beth-El u. fAi der
Not hätte lassen voraufgehn, so wäre von den Feinden Israels (Euphemismus für „gott-
lose Israeliten") kein Rest u. Entronnener übriggeblieben (vgl. Gn 12, 8 u. Jos 7, 12 ff.).
i. B'^'rakh 9, 3: Wenn jemand in bezug auf Geschehenes betet, so ist das ein eitles
Gebet. Wenn zB jemand, dessen Frau schwanger ist, spricht: Es sei Wille (vor Gott),
daß meine Frau einen Knaben gebiert, so ist das ein eitles Gebet. Oder wenn einer
unterwegs eine Stimme des Geschreies in der Stadt hört u. spricht: Es sei Wille, daß
das nicht meine Familienglieder seien, so ist das ein eitles Gebet.
k. P'^^siqR 22 (114b): Warum beten die Israeliten u. werden doch nicht erhört?
R. J^'hoschuaf b. Levi (um 250) hat im Namen des R. Pin^chas b. Jair (um 200) ge-
sagt: Weil sie nicht das Geheimnis des Schem ha-m'^phorasch (des nach seinen Buch-
staben ausgesprochenen Jahvenamens) kennen. Und zwar gibt es dafür viele Schrift-
stellen, s. Jes 52, 6: „Deshalb soll mein Volk meinen Namen kennenlernen" usw.;
ferner Hos 2, 22 f.: „Und ich will dich mir verloben in Beständigkeit, u. du sollst
Jahven erkennen! Und geschehn wird's an jenem Tage, da will ich erhören"; ferner
Ps91, 14f. : „Ich will ihn erhöhen, denn er kennt meinen Namen usw." Während die
Israeliten in dieser Welt schwören u. trügen, werden sie dagegen in der Zukunft
Matth 7, 7 (^l 2) . 455
schwören u. (den Schwur) halten, s. Jer 4, 2: Und schwören wirst du: ,So wahr Jahve
lebt* in Redlichkeit, rechtschaffen u. aufrichtig usw. — Midr Ps 91 §8 (200'') lautet
der Schlußsatz: Aber in der Zukunft wird Gott sie seinen Namen wissen lassen, s.
Jes 52,6; in jener Stunde werden sie beten u. erhört werden, s. Ps 91,15: Er ruft
mich an, so will ich ihn erhören.
/. B^'rakh 32'' Bar: Vier Dinge bedürfen der Anstrengung: das Torastudium, die
guten Werke, das Gebet u. das irdische Fortkommen. Torastudium u. gute Werke, s.:
Nur sei stark u. fest gar sehr, sorgfältig nach all der Lehre zu handeln Jos 1,7;
^stark", beim Torastudium; „fest" bei guten Werken. Gebet, s.: „Harre auf Jahve,
sei stark u. Kraft zeige dein Herz, harre auf Jahve" Ps 27, 14. Irdisches Fortkommen,
s.: „Sei stark u. laß uns Stärke beweisen für unser Volk" 2 Sm 10, 12. || Sanh 44'':
Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Wer sich im Gebet anstrengt hier unten, dem
«ntstehen keine Dränger (Widersacher) droben (d. h. sein Gebet wird nicht vereitelt).
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Immer bitte der Mensch um Erbarmen, daß alle (auch
die Engel) seine Kraft stärken u. ihm keine Dränger droben erstehen.
m. RH 18*: R. Meir (um 150) hat gesagt: Zwei legen sich auf das (Kranken-)
Lager u. ihre Krankheit ist die gleiche; ebenso zwei werden zur Richtstätte geführt,
um gerichtet zu werden, u. ihre Rechtssache ist die gleiche; der eine verläßt wieder
sein Lager u. der andre nicht; der eine wird freigesprochen u. der andre nicht; der
eine hat gebetet u. wird erhört, der andre hat gebetet u. wird nicht erhört. Warum
wird der eine erhört u. der andre nicht? Der eine hat ein vollkommenes Gebet
ri-Vu; hVep gebetet, er wird erhört; der andre hat kein vollkommenes Gebet gebetet,
er wird nicht erhört. (VoUk. Gebet nach Raschi ein mit Andacht verrichtetes.)
n. Sanh 43'': R. J'^^hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Solange das Heiligtum
stand, brachte ein Mensch ein Brandopfer u. erhielt den Lohn des Brandopfers, oder
ein Speisopfer u. erhielt den Lohn des Speisopfers. Aber wer demütigen Sinnes ist,
dem rechnet es die Schrift so an, als ob er alle Opfer allzumal darbrächte, s.: „Die
Brandopfer Gottes sind ein gebrochener Geist" Ps 51, 19; u. nicht bloß dies, sondern
auch sein Gebet wird nicht verachtet, s. (das.): „Ein "gebrochenes u. zerschlagenes
Herz wirst du, Gott, nicht verachten." || B^kh 44^: „Es wird weder bei dir ein Un-
fruchtbarer oder eine Unfruchtbare sein, noch bei deinem Vieh" Dt 7, 14. R. J'^hoschua?
b. Levi hat gesagt: Es wird bei dir kein „Unfruchtbarer" (= Unwissender) unter den
Schülern sein, u. keine „Unfruchtbare", d. h. dein Gebet soll nicht unfruchtbar (er-
folglos) sein vor Gott. Wann? Wenn du dich selbst dem „Vieh" gleichachtest (in
Demut). II Sota 5'"^: Chizqijja (um 240) hat gesagt: Das Gebet eines Menschen wird
nicht erhört, es sei denn, daß er sein Herz wie Fleisch macht (weich u. demütig),
s.: „Alles Fleisch wird kommen, um anzubeten" Jes 66, 23. — Dasselbe als Ausspruch
der Gelehrten Midr Ps 65 §2(156'').
O. Tafan 8^: R. Ammi (um 300) hat gesagt: Das Gebet eines Menschen wird nur
dann erhört, wenn er seine Seele auf seine Hand legt, s.: Erheben wir unser Herz
auf den Händen zu Gott im Himmel! KL 3,41. — Die Redensart: „seine Seele auf
die Hand legen" hier = andächtig vor Gott stehen, also anders gewandt als Ri 12, 3;
1 Sm 19, 5;28, 21; Ps 119, 109; Hi 13, 14.
p. B<^rakh 19-^ Bar: . . . Der Trauernde steht u. erkennt das (durch den Tod eines
Anverwandten über ihn gekommene) Gericht als gerecht an u. spricht: Herr der Welt,
ich habe viel vor dir gesündigt, u. nicht bin ich gestraft worden für eins unter tausend;
«s sei Wille vor dir, Jahve unser Gott, daß du umzäunst unsre Risse u. die Risse
deines ganzen Volkes, des Hauses Israel in Erbarmen! Abaje (1338/39) hat gesagt:
So soll man nicht sagen; denn R. Schimfon b. Laqisch (um 250) hat gesagt, u. ebenso
ist in einer Bar gelehrt worden im Namen des R. Jose (um 150): Niemals öffne der
Mensch (im Gebet) seinen Mund für den Satan! Rab Joseph (f 333) hat gesagt:
Welche Schriftstelle gibt es dafür? Es heißt: „Wie Sodora wären wir geworden,
wären Gomorrha gleich" Jes 1, 9. Und was sagt ihnen dann wieder der Prophet?
„Höret das Wort Jahves, ihr Regenten von Sodom." (Indem Jesaja im 1. Satz Israel
456 Matth 7, 7 {% 2)
in Parallele stellt mit Sodom, öflFnet er Satan den Mund fcur Anklage; deshalb ver-
bessert sich der Prophet im 2. Satz u. redet von Sodoms Regenten, ohne Isr. zu er-
wähnen. Ebenso bieten die Worte des Beters, daß er für 1000 Sünden kaum Einmal
bestraft ist, dem Satan Veranlassung, auf volle Bestrafung zu dringen; darum hätten die
Worte nicht gebetet werden sollen, weil sie Sünden in Erinnerung bringen; vgl. Anm q.)
Parallelstellen zu dem Ausspruch des R. Schim?on b. L. B'^rakh 60 a; K*^th 8'\
q. B'^'rakh 55 a; R. Jigchaq (um 300) hat gesagt: Drei Dinge bringen die Ver-
schuldungen des Menschen (vor Gott) in Erinnerung: eine (zum Einsturz) sich neigende
Mauer (hinter die ein Mensch tritt), Zuversicht (ungeduldiges Warten) auf Gebets-
erhörung u. die Überweisung einer Sache, die man wider einen andren hat, an Gott
(zur Entscheidung u. Ahndung). — Diese 3 Dinge veranlassen Gott, des Betreffenden
Schuldregister zu prüfen, ob er dessen würdig sei, daß Gott sich seiner besonders
annehme; insofern bringen sie Sünden in Erinnerung. — Dasselbe RH 16b.
r. Sanh 105^^: Rab Nachman (f 320) hat gesagt: Die Unverschämtheit ss^in
hilft auch Gott gegenüber. Zuerst heißt es: ,Gott sprach zu Bil?am: Du sollst nicht
mit ihnen gehn" Nu 22, 12, u. zuletzt das. Vers 20: ,Auf, geh mit ihnen." Rab Sche-
scheth (um 260) hat gesagt: Die Unverschämtheit ist eine Herrschaft ohne Krone
s;Nn sVa Kri3;?3 sEsin. || pTasan 2, 65^\ 82: „Sie sollen mit Gewalt zu Gott rufen"
Jona 3, 8. Was heißt: „mit Gewalt"? R. Schimfon b. Chalaphta (um 190) hat gesagt:
Der Unverschämte besiegt den Bösen (Schlimmen ss-:, so lies mit P'siqtha statt s-i^-i;=
= den Frommen), um wieviel mehr den Allgütigen der Welt! — Dasselbe P^siq 161*.
S. Hierzu s. bei Mt 6, 7, besonders Anm. /.
t. B'^rakh 32'': R. Chama b. Chanina (um 260) hat gesagt: Wenn ein Mensch sieht,
daß er betet, ohne erhört zu werden, so bete er immer aufs neue, s.: „Harre auf
Jahve, sei stark u. dein Herz beweise Kraft, ja harre auf Jalive" Ps 27, 14. || Midr
Ps 27 §7 (114'^): R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: Wenn du gebetet hast u.
noch einmal gebetet hast, dann sei versichert, daß dein Gebet erhört ist, u. er wird
deine Bitte erfüllen. Weshalb? Siehe Ps 27, 14 (so scheint der Midr das wiederholte
„harre auf Jahve" zu deuten). — Ähnlich DtR 2 (198='), wo R. Chijja, der Ältere (um
200), als Autor.
U. pB*^rakh 4, 8^ 1 : „Jahve wird dich erhören am Tage der Bedrängnis" Ps 20, 1.
. . . Von hier aus hat man gesagt: Wer betet, ohne erhört zu werden, der soll fasten. —
Tag der Bedrängnis = Tag des Fastens. Dasselbe pTafan 2, 65*^^, 4.
V. pMak 2, 3n, 61 : R. Jose b. Chalaphta (um 150) hat gesagt: Es gibt Zeiten für
das Gebet (in denen die Erhörung gewisser ist als sonst). David sprach vor Gott:
Herr der Welt, wenn ich zu dir bete, dann sei die Zeit des Wohlgefallens, s. : Ich
richte mein Gebet an dich, Jahve, zur Zeit des Wohlgefallens Ps 69, 14; vgl. Anm.a-. —
Parallelstellen: P^siq 157 b; Midr Ps 69 § 2 (löl-'') ; 65 § 4 (157^); Midr KL 3, 43 f. (72b).
W. Drei Meinungen stehen einander gegenüber: Die Tore des Gebetes sind gegen-
wärtig geschlossen; sie sind zum Teil geschlossen u. zum Teil geöffnet; sie sind
nicht geschlossen. || B'^rakh 32b: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Seit dem Tage, da
das Heiligtum zerstört wurde, sind die Tore des Gebetes verschlossen, s.: „Ob ich
auch schreie u. rufe, so verstopft er mein Gebet" KL 3, 8. — Daselbst: R. Elfazar hat
gesagt: Seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört wurde, bildet eine eiserne Mauer
die Scheidewand zwischen Isr. u. ihrem Vater im Himmel, s. Ez 4, 3. || Midr KL 3, 48 f.
(72b): R. Chelbo (um 300) fragte den R. Sch^muel b. Nachman (um 260): Weil ich
von dir gehört habe, daß du ein Meister der Aggada (Gegensatz: Halakha) bist, was
bedeutet: „Umhülltest dich mit Wolken, daß kein Gebet durchdringe" KL 3, 44? Er
antwortete: Das Gebet gleicht einem Tauchbad u. die Buße gleicht dem Meer. Wie
dieses Tauchbad bald offen steht, bald geschlossen ist, so sind auch die Tore des Ge-
betes bald verschlossen, bald offen. Aber das Meer steht immer offen; so sind auch
die Tore der Buße immer offen. R. ?Anan (nach den Parallelen der Ben Jose, im
4. Jahrh.) hat gesagt: Auch die Tore des Gebetes sind niemals verschlossen, vgl.:
Welches ist eine große Nation, die einen ihr so nahen Gott besäße wie Jahve unser
Matth 7, 7 (31 2) 457
Gott, sooft wir zu ihm rufen? Dt 4,7. Und dieses , Rufen" bedeutet nichts andres als
das Gebet, s. : „Ehe sie noch rufen, will ich ihnen antworten" Jes 65,24. — Dasselbe
zum Teil mit andren Namen P siq 157«; Midr Ps 65 § 4 (157 a); DtR 2 (198»). In Midr
Ps 4 §3 (22'»); P'^siqR 195^ nur der Ausspruch des R. Sch«muel b. N.
X B^^rakh 7'': R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schimfon b. Jochai (um
150) gesagt: Was heißt: „Ich richte mein Gebet zu dir, Jahve, zur Zeit des Wohl-
gefallens" Ps69, 14? Wann ist die Zeit des Wohlgefallens? In der Stunde, da die
Gesamtheit (= Gemeinde) betet. R. Jose b. Chanina (um 270) hat es von hier aus ge-
sagt: „So spricht Jahve: Zur Zeit des Wohlgefallens erhöre ich dich" Jes 49, 8. —
Der Ausspruch des R. Schim. b. J. anonym TanchB ypo § 11 (99»); Midr Ps 69 § 2
(161a).— Ferner s. bei Mt 6, 5 S. 398 f. Anm. c u. d.
y. TB'-'rakh 3, 4 (6) : Der Betende muß sein Herz zur Andacht richten. Abba Schaaul
(um 150) hat gesagt: Ein Merkmal für das Gebet (u. seine Erhörung) ist Ps 10, 17:
Richtest du (o Gott) ihr Herz zur Andacht (durch das Beten), dann lassest du auf-
merken dein Ohr (um das Gebet zu erhören). So der Midr. Dasselbe als Bar B'rakh 31 a;
mit Änderungen DtR 2 (197a); Tanch -^-a -r. Anf. (28b); P^siqR 195b. — Dieselbe
Deutung des Psalmverses im Munde des R. Sch'muel b. Nachman (um 260) pB^rakh
5,9^25; Midr Ps 108 §1 (232a).
Z. B®rakh 5,5: Von R. Chanina b. Dosa (um 70) hat man gesagt: Wenn er für
Kranke betete, pflegte er zu sagen: Dieser bleibt am Leben u. jener stirbt. Man sprach
zu ihm: Woher weißt du das? Er antwortete: Wenn mein Gebet fließend (geläufig)
in meinem Munde ist, dann weiß ich, daß der Betreffende angenommen (das Gebet
für ihn erhört) ist; wenn aber nicht, so weiß ich, daß er dahingerafft wird. — Hierzu
s. die Erzählungen über R. Chanina b. D. unter Joh 4, 52. || TB'^rakh 8, 3 (5): R. f Aqiba
(t um 135) sagte: Wenn das Gebet eines Menschen geläufig ist in seinem Munde, so
ist das ein gutes (Erhörung verbürgendes) Zeichen für ihn; wenn aber nicht, so ist es
ein schlimmes Zeichen für ihn.
aa. pB'^rakh 5, 9 '', 26: R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Wenn die Lippen
eines Menschen (beim Gebet wie von selbst) eine Bewegung ausführen, dann darf er
versichert sein, daß sein Gebet erhört ist. Weshalb? Siehe: „Wenn er Bewegung der
Lippen schafft, dann spricht Jahve: Friede, Friede den Fernen u. Nahen, u.: Heilen
will ich ihn" Jes 57, 19 (so der Midr). Parallelstelle: LvR 16 (116 d).
bb. B'^rakh 24 b: Wenn jemand bei seinem Gebet niest, so ist das ein gutes Zeichen
für ihn: wie ihm unten (durch das Niesen) eine Erquickung geworden ist, so bereitet
man ihm oben (im Himmel) eine Erquickung (durch Gebetserhörung).
CC. B'^rakh 5,5: Wenn jemand betet u. dabei irrt (Fehler im Gebet macht), so
ist das ein schlimmes Vorzeichen für ihn. Und wenn es der Vorbeter ist (der sich
irrt), so ist das ein schlimmes Vorzeichen für seinen Auftraggeber (die Gemeinde),
weil der Beauftragte eines Menschen wie dieser selbst ist. || pB'^rakh 3. 6*^, 48: R. Cha-
laphta b. Scha^ul (?j hat als Bar gelehrt: Wenn jemand bei seinem Gebet Blähungen
hat, so ist das ein schlimmes Zeichen für ihn. Das gilt aber nur von den Blähungen
unten, nicht von denen oben (mit letzteren ist das Niesen, nicht das sogenannte
„Aufstoßen" gemeint). Das geht auch aus dem hervor, was R. Chanina (um 225) ge-
sagt hat: Ich habe gesehen, daß Rabbi gegähnt u. geniest hat (während des Betens)
u. daß er dabei seine Hand auf seinen Mund legte, aber ausgespieen hat er nicht.
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Auch ausspeien darf man (beim Gebet), damit der
Becher (= Mund) rein sei; nach vorn ist es verboten, nach hinten erlaubt; nach rechts
hin ist es verboten, nach links hin erlaubt. Das meint Ps91,7: „Fallen mögen zu
deiner (linken) Seite tausend u. zu deiner Rechten zehntausend." (Die Stelle .soll be-
weisen, daß die rechte Seite die vorzüglichere ist; deshalb soll man dahin nicht aus-
speien.) — Der Bericht über Rabbi auch B^rakh 24 a. i| B^rakh 24 b: Wer rülpst u. gähnt
(beim Gebet), ist ein aufgeblasener Mensch; wer Blähungen bei seinem Gebet hat. dem
ist das ein schlimmes Zeichen. Einige sagen : Er wird daran als ein ungeschliffener Mensch
erkannt.. Wer während seines Gebetes ausspeit, ist wie einer, der vor dem König ausspeit.
458 Matth 7, 7 (51 2. SB. 6)
dd. Sota 49^: R. J^huda b. Chijja (um 240) hat gesagt: Wenn sich ein Gelehrten
Schüler in bedrückter Lage mit der Tora beschäftigt, so wird sein Gebet erhört, s. :
,Ein Volk wird auf Zion wohnen, zu Jerusalem : weinen sollst du nicht immerfort.
Gnade bezeigen wird er dir gewifalich auf dein Klagegeschrei; sowie er es hört, wird
er dir antworten" Jes 30, 19 f.; u. hinterher heißt es: „Und es reicht euch Jahve
kümmerlich Brot u. notdürftig Wasser." R. Abbahu (um .300) sagte: Man sättigt einen
solchen vom Glanz der Sch^'khina (= er darf die Gottheit schauen), s. ebenda: Deine
Augen werden deinen Lehrer (= Gott) sehen. R. Acha b. Chanina (um 300) hat ge-
sagt: Auch der Vorhang (vor Gottes Thron) schließt sich vor ihm, wenn er betet,
nicht, s. das.: Nicht verhüllen wird sich dein Lehrer (= Gott) vor dir.
7,7^: Suchet, u. ihr werdet finden.
Ein ähnlicher allgemeiner Satz, doch ohne Beziehung auf das Beten:
M''g6'': R. Jicchaq (um 300) hat gesagt: Wenn ein Mensch zu dir sagt: „Ich
habe mich abgemüht u. nicht gefunden", so glaube ihm nicht; „ich habe mich nicht
abgemüht u. doch gefunden", so glaube ihm nicht; „ich habe mich a"bgemüht u. ich
habe gefunden", so glaube ihm. Diese Worte gelten jedoch nur vom Torastudium; im
Handeln. Wandel aber kommt es auf den göttl. Beistand s^-rtti -j»? sr:.-'^can. Und auch beim
Torastudium hat man es nur in bezug auf das scharfsinnige Erfassen der Lehre gesagt, aber
beim (gedächtnismäßigen) Festhalten des Erlernten kommt es auf den göttl. Beistand an.
7,7 6: Klopfet an, u. es wird euch aufgetan werden,
xoovsiv anklopfen = n-'pri , prn , p-'in'iri , ps^ , t\y^ . \\ ävorysiv öffnen = nne .
M^'g 12'^: (Mardokhai wird Esth 2,5 bezeichnet als) Sohn des Qisch, weil er an die
Tore des Erbarmens (im Gebet) anklopfte (v-- Wortspiel mit •^•■p} u. sie wurden ihm
aufgetan ^"'s "inrE:i. |1 Andersartig, aber doch den Gegensatz von „anklopfen" u. „auf-
tun" enthaltend, ist P^siq 176'*: R. Bannaäa (um 220) hat gesagt: Immer vertiefe sich
der Mensch in die Mischna-(Baraitha-)Sammlungen; denn wenn er anklopft, wird man
ihm auftun '^V inrE- pr^" ds: wenn mit Bezug auf das Halakhastudium (angeklopft
wird, so wird ihm Aufschluß) für das Halakhastudium ; wenn mit Bezug auf die Haggada,
so wird ihm Aufschluß für diese. — Dasselbe LvR2I (120''). j] pB^'rakh 1,2'^, 62:R.Ammi
(um 300) hat gesagt: Wer an das Gebet G''iulla (die Schlußbenediktion nach dem
Sch*^maf) nicht unmittelbar das (Achtzehn-)Gebet anschließt, womit läßt sich der ver-
gleichen? Mit dem Freunde eines Königs, der kam u. an die Tür des Königs klopfte
p-r^n. Dieser ging hinaus, um zu erfahren, was er wollte. Da fand er, daß er sich
(inzwischen) entfernt hatte; auch er entfernte sich. (So wird mit dem Gebet G'^äulla
[Text bei Strack, B*^rakhoth S. 7*] bei Gott angeklopft; läßt aber der Beter das Acht-
zehngebet nicht folgen, so ist Gott umsonst auf ihn aufmerksam geworden.)
Das Anklopfen an die Tür vor dem Eintreten erforderte die gute Sitte. Nidda 16 "^
wird aus dem Buch des Ben Sira ein Zahlenspruch zitiert: „Drei hasse ich u. den Vierten
liebe ich nicht." Dieser Vierte ist: „Wer in das Haus eines andren plötzlich (ohne An-
ruf oder Anklopfen) eintritt." Dazu heißt es dann weiter: R. Jochanan (f 279) hat ge-
sagt: Selbst in sein eignes Haus. R. Schirafon b. .Tochai (um 150) hat gesagt: Vier
Dinge haßt Gott, u. ich liebe sie nicht: wer in sein (eignes) Haus plötzlich eintritt,
u. es ist nicht erst nötig zu sagen: in das Haus eines andren. ... — P^s 112" Bar
ist unter den 7 Lehren, die R. ?Aqiba (f um 135) seinem Sohn J'^^hoschua? mit auf den
Lebensweg gibt, die dritte: Tritt nicht plötzlich in dein Haus ein, noch viel weniger
in das Haus deines Nächsten. Ähnliche Warnungen liest man P^'siq 176^; 177'"*; LvR
21 (120*=). In Derekh Ere9 4 (andre Ausgaben 5) heißt es: Niemals trete man plötzlich
in das Haus eines andren, u. jedermann lerne Lebensart von Gott, der am Eingang
des Gartens stehen blieb u. Adam anrief, s. Gn3, 9: Wo bist du? || LvR 5 ( 1 08 '^^') :
R. Acha (um 320) hat gesagt: Manche Frau versteht zu borgen u. manche versteht
nicht zu borgen. Die es versteht, kommt zur Nachbarin; obwohl die Tür offensteht,
Matth 7, 7 (6). 7, 9. 11 (Nr. 1—3). 7, 12 459
klopft sie an spsi's, entbietet ihr den Friedensgruß u. spricht: Wie geht es dir, meine
Nachbarin? Was macht dein Mann, was machen deine Kinder? Ist es dir auch recht,
daß ich eintrete? Antwortet sie dann: Tritt nur ein, was ist dein Begehr? so sagt
sie: Besitzest du vielleicht den u. den Gegenstand (1. n^j-pw statt ^«"Fs), möchtest du
ihn mir wohl geben? Und jene sagt: Ja. Die aber nicht zu borgen versteht, geht zur
Nachbarin, reißt die Tür, auch wenn sie geschlossen ist, auf (ohne anzuklopfen) u. spricht:
Hast du den u. den Gegenstand? Dann sagt jene: Nein. 1| Sanh 97*: Es kam ihre Nach-
barin, klopfte an die Tür scts sbiis. Zum Rufen an der Tür vgl. Qid 81 *, oben S. 140«.
7,9: Er wird ihm doch nicht einen Stein reichen?
f.17] Xi^ov sniöwaei avroi;
Lightfoot verweist auf Seneca, De beneficiis 2, 7: (Fabius) Verrucosus
beneficium ab homine duro aspere datum panem lapidosum vocabat.
7,11: Wenn nun ihr, die ihr arg seid, gute Gaben euren
Kindern zu geben wisset, um wieviel mehr wird euer Vater
im Himmel Gutes geben den ihn Bittenden.
1. viisig novTjQol ovTfc . .'. ttöö'w ixäXXov 0 Tvarrjo iificov. Der gleiche
Schluß a minori ad maius 'i^n•^ b^ (Einl. 97; s. auch bei Rom 5, 9) bei
einem gleichen Gedanken in:
LvR34(132*): R. Tanchuma (um 380) erhob sein Angesicht gen Himmel u. sprach
vor Gott: Herr der Welt, wenn dieser (ein Mann, der mit seiner geschiedenen Frau
Mitleid hatte), der Fleisch u. Blut ist u. hart, ohne daß ihm ihre (der geschiedenen
Frau) Erhaltung obliegt, mit Erbarmen über sie erfüllt ward u. ihr gab, um wieviel
mehr n»:3i ntjs rns hy mußt du über uns mit Erbarmen erfüllt werden, die wir die
Kinder deiner Kinder sind, die Kinder Abrahams, Isaaks u. Jakobs, zumal unsre Er-
haltung dir obliegt! — Die ganze Stelle s. im Exkurs über das Fasten Nr. 9 Anm.j?. —
Parallelstelle: GnR 33 (20=^).
2. oldars = (aram.) ddh. Eine Frau, die zu borgen versteht NrniK
bxirob x^^=n% s. LvR 5 (108^) oben S.458f.
3. (fojuaza aya&((. Der Ausspruch Schammais: „Empfange jeden Menschen mit
freundlichem Gesicht" Aboth 1, 15 wird AbothRN 13 so erläutert: Wenn ein Mensch
einem andren alle Gaben in der Welt gegeben hat, u. sein Gesicht blickt verdrießlich
auf die Erde, so rechnet es ihm die Schrift so an, als hätte er ihm nichts gegeben.
Aber wenn er einen andren mit freundlichem Gesicht empfängt, so rechnet es ihm
die Schrift, auch wenn er ihm nichts gegeben hat, so an, als hätte er ihm alle guten
Gaben riaiu r-fs^t: gegeben. || M'^kh Ex 20, 23 (79''): R.Schimfon b. Jochai (um 150) sagte:
Beliebt sind die Züchtigungen (Leiden); denn drei gute Gaben ri2"-j r'.im sind den
Israeliten gegeben worden . . . nur (zum Lohn) für Züchtigungen; die Tora, s. Spr 1,2
u. Ps94, 12; das Land Israel, s. Dt 8, 5 u. 7, u. die zukünftige Welt, s. Spr 6, 23. —
Dasselbe SDt 6, 5 § 32 (73 b); ßerakh 5 *.
7,12: Alles also, was ihr wollt, daß die Leute euch tun,
das tut auch ihr ihnen, nävra ovv oaa sdv ^s'Xtjts Iva tioiööciv
Vfitv OL av^QWTcoi, ovTcog xal v/nstg tcoisTts avToTg.
In der altjüdischen palästin. Literatur findet sich der Ausspruch nur
in negativer Fassung;» desgleichen in der „Lehre der zwölf Apostel ".b
Die positive Fassung in Jesu Mund geht über die negative Fassung
ebensoweit hinaus, wie etwa „helfen u. fördern" hinausgeht über „nicht
schaden". Die auf hellenistischem Boden erwachsene Form des Aus-
460 Matth 7, 12. 18 f. (Nr. 1)
Spruchs, die älteste, die wir überhaupt von dem Ausspruch besitzen,
vereinigt die positive u. die negative Fassung miteinander, c
a. Tob 4, 15: xctt ö fxiaeig f^rjSevl Tioitjarjg. — Test Napht (hebr. Text) 1: Keiner
soll seinem Nächsten tun, was er nicht will, dafj man ihm tue. — Schab 31^: Einmal
kam ein Heide zu Schammai (um oO v. Chr.); er sprach zu ihm: Nimm mich als Pro-
selyten auf. unter der Bedingung, daß du mich die ganze Tora lehrest, während ich
auf Einem Bein stehe. Er stieß ihn mit einem Baumaß, das er in seiner Hand hatte,
fort. Er ging zu Hillel (um 20 v. Chr.) ; dieser nahm ihn als Proselyten auf. Er sprach
zu ihm: Was dir unlieb ist, tue keinem andren; das ist die ganze Tora u. das andre
(übrige) ist Erklärung; geh u. lerne! — Targ Jerusch I Lv 19, 18: Was dir selbst un-
lieb ist, tue ihm (deinem Nächsten) nicht. — Doch s. auch slav. Henoch61,l: Wie
ein Mensch seiner eignen Seele von Gott erbittet, so soll er tun jeder lebenden Seele.
b. Jide<)(7J 1, 2: ndvia de oaa s«V &i:Xtjarjc f^t] yifsad^ai aoo, xal ai> ccX'Aio fA.rj nolsi:
C. Brief des Aristeas 207: Welches ist die Lehre der Weisheit? Er (der vom König
Gefragte) erklärte: Wenn du, wie du nicht willst, daß dir das Üble widerfahre, sondern
alles Gute erfahren willst, ebenso tust gegen deine Untertanen u. gegen die, welche
sich verfehlen. Ti san aocpiag dida^yj ; 6 6e STsgog unecpTifccro' xce9(og ov ßoi'ksi asccvrcö
rd XKxd nctQSivKi, fxsTo^og de rdiv dyaS^iöi' vnÜQ](etv undvx(x)v, et Tigdaaeig rovio Tigdg^
rovg vnoxeTcty^evovg xai roiig d^aQtdvovTag. — Vgl. auch Philo, Hypothetica (bei
Euseb. Praep. evang. 8, 7): L4 xt,g na&sTv i/S^aigei, (xrj noieTv aviöy.
Als Erläuterung des Grundsatzes von Mt 7, 12 durch einige aus dem Leben ge-
griffene Beispiele mag AbothRN 15 Anf. u. 16 Auf. dienen: R. Elifezer (um 90) sagte
(s. Aboth2, 10): Es sei dir die Ehre eines andren so lieb, wie deine eigene! . . . Das
lehrt: Wie man an der eignen Ehre Gefallen hat, so soll man auch an der Ehre eines
andren Gefallen haben: u. wie man nicht will, daß eine üble Nachrede über die eigne
Ehre aufkomme, so soll man auch keine üble Nachrede über die Ehre eines andren
ausbringen wollen. — Kap. 16 Anf.: R. J'^hoschuaf (um 90) sagte (s. Aboth2, 11): Ein
mißgünstiges Auge . . . bringt den Menschen aus der Welt. . . . Das lehrt: Wie man
am eignen Hause (— Familie) Gefallen hat, so soll man auch an dem Hause eines
andren Gefallen haben; u. wie man will, daß keine üble Nachrede über das eigne
Weib u. die eignen Kinder ausgebracht werde, so soll man auch wollen, daß keine
üble Nachrede über das Weib u. über die Kinder eines andren ausgebracht werde.
Gesetz U. Propheten. Einteilung des Kanons s. bei 5, 17, S. 240.
7, 13 f.: Gehet ein durch die enge Pforte; denn weit ist die
Pforte^ u. breit der Weg, der in das Verderben führt, u. viele
sind, die durch sie (die weite Pforte) eingehen; denn eng ist
die Pforte^ u. schmal der Weg, der ins Leben führt, u. wenige
sind, die ihn finden.
1. Das Bild von den beiden Wegen kommt in der altjüd. Literatur
ziemlich häufig vor. Biblische Grundlage Dt 11, 26 u. 30, 15, wo im An-
schluß an die Worte: „Ich lege euch vor Segen u. Fluch", bezw. „Leben
u. Tod" sofort geredet wird von dem Wege oder den Wegen Gottes. —
Jer 21, 8 das fertige Bild: „Siehe ich lege euch vor den Weg des Lebens
u. den Weg des Todes." Spr 28, 6. 18 erscheinen die „zwei Wege" als
festgeprägter Terminus. 1| Das Pfortenbild in den Pseudepigraphen nur
4 Esra 7, 3 ff. u. in der rabbin. Literatur, abgesehen von den späten
(9. Jahrh.) PirqeR Elifezer, wohl ebenfalls nur in Einem Ausspruch.
' Von Tischendorf-Gebhardt eingeklammert.
Matth 7, 13 f. (Nr. 1) 461
Sir 2, 12: Wehe . . . dem Sünder, der auf zwei Wegen geht Enißu'ivovTi sni &vo
TQLßovg. \\ Test Asser 1 : Zwei Wege hat Gott den Menschenkindern gegeben u. zwei
Ratschlüsse u. zwei Handlungen u. zwei Plätze u. zwei Ziele. . . . Zwei Wege, des
Guten u. des Bösen, gibt es. . . . || slav. Henoch .30, 15: Ich (Gott) zeigte Adam zwei
Wege, Licht u. Finsternis, u. sprach zu ihm: Dies ist gut (schön), u. dies ist böse. . . .
Vgl. daselbst 42, lOB: Selig ist, wer zurückkehrt von dem wechselnden (verkehrten,
krummen) Weg u. wandelt auf dem geraden Weg. — Dafür bei Charles - MorfiU :
Wohl dem, der sich von den Irrwegen dieser eitlen Welt abwendet u. auf rechter Straße
wandelt, die zum ewigen Leben führt. || 4 Esra 7,3ff. : (Der Engel sprach zu Esra:) Es
gibt ein Meer (= zukünftige Welt), das liegt in der Weite, so daß es sich rings in die
Breite erstreckt; der Eingang (= Pforte) aber dazu liegt in der Enge, so daß er wie
ein Fluß aussieht. Wenn nun jemand in das Meer kommen will, es zu besehen oder
zu befahren, wie wird der die Weite erreichen, wenn er nicht vorher die Enge durch-
schifft hat? Oder ein andres Gleichnis: Es gibt eine erbaute Stadt (= zukünftige Welt),
die ist in einer Ebene gelegen u. ist alles Guten voll; der Eingang aber dazu (d. h. das
gegenwärtige Leben) ist eng u. führt an Abgründen hin, wo rechts Feuer, links tiefes Wasser
droht; u. nur einen einzigen Pfad gibt es zwischen beiden, zwischen Feuer u. Wasser, u.
dieser Pfad ist so schmal, daß er Eines Menschen Fußspur fassen kann. Wenn nun jene
Stadt jemand zum Erbteil gegeben wird, wie wird der Erbe sein Erbteil in Besitz nehmen
können, wenn er nicht vorher den gefährlichen Weg dahin durchschritten hat? — Ich
sprach: Gewiß, Herr! Er sprach zu mir: So ist auch Israels Teil: ihrethalb habe ich
zwar den Äon geschaffen; als aber Adam meine Gebote übertrat, ward die Schöpfung
gerichtet. Da sind nun die Wege in diesem Aon schmal u. traurig u. mühselig ge-
worden, elend u. schlimm, voll von Gefahren u. nahe an großen Nöten; die Wege des
großen Aons aber sind breit u. sicher u. tragen die Früchte des Lebens. Wenn die*
Lebenden also in diese Engen u. Eitelkeiten nicht eingegangen sind, können sie nicht
erlangen, was ihnen aufbewahrt ist. || Aboth 2, 9: (Rabban Jochanan b. Zakkai, f um 80,
sprach zu seinen Schülern:) Geht u. sehet, welches der gute (richtige) Weg ist, dem
ein Mensch sich anschließen soll. R. Eli?ezer (um 90) antwortete: Ein wohlwollendes
Auge. R. J*'hoschuaf sagte: Ein guter (Studien-)Genosse. R. Jose (der Priester) sagte:
Ein guter Nachbar. R. Schimfon (b. N'^'thanäel) sagte: Wenn man die Folgen (seines
Tuns) bedenkt. R. Ehazar (b. ?Arakh) sagte: Ein gutes Herz. Er sprach zu ihnen: Ich
gebe den Worten des R. El?azar b. sArakh den Vorzug vor euren Worten; denn in der
Regel seiner Worte sind die eurigen mitenthalten. — Darauf sprach er zu ihnen: Geht
u. sehet, welches der schlechte Weg ist, von dem der Mensch sich fernhalten soll.
R. Elifezer sprach: Das mißgünstige Auge. R. J'^hoschua? sprach: Ein böser Genosse.
R. Jose: Ein böser Nachbar. R. Schimfon: Wenn man borgt u. nicht zurückzahlt. . . .
R. Elfazar: Ein arges Herz. Er sprach zu ihnen: Ich gebe den Worten des R. Elfazar
b. f A. den Vorzug usw. — Dasselbe AbothRN 14 mit den einleitenden Worten : Geht
u. sehet, welches der gute Weg ist, an den der Mensch sich halten soll, um auf ihm in die
zukünftige Welt zu gelangen. B^'rakh 28 ^* : (Als die Schüler des Rabban Jochanan b. Zakkai
den erkrankten Meister auf seinem letzten Lager weinen sahen u. ihn fragten, warum
er weine, antwortete er:) Vor mir sind zwei Wege; der eine ist der zum Gan ?Eden
(Paradies) u. der andre der zum Gehinnom (Hölle), u. ich weiß nicht, auf welchem
man mich wird gehen heißen; da sollte ich nicht weinen? — Ähnlich AbothRN 25. |[
Chag3'': (Ferner trug R. EUazar b. sAzarja [um 100] öffentlich vor:) Warum werden
die Worte der Tora mit einem Stachel i=^-i verglichen, Qoh 12, 11? Um dir zu sagen:
Wie dieser Stachel die Kuh auf ihre Furchen hinrichtet, um Leben(sunterhalt) der
Welt zu bringen, so richten auch die Worte der Tora die, welche sie lernen, von den
Wegen des Todes auf die Wege des Lebens hin. — Parallelstellen TSota 7, 11 (307);
AbothRN 18; NuR 14 (173^); anonym SDt 11, 13 § 41 (79'^); Midr Qoh 12, 11 (54"»). ||
M^^kh Ex 14,28 (iO^): (R. f Aqiba, f um l::i5, sagte:) Gott legte Adam zwei Wege vor,
einen zum Tode u. einen zum Leben, u. er wählte sich den Weg zum Tode. — Das-
selbe GnR21 (14 b). II SDt 11,26 §53 (86^): ^gjehe, ich lege euch heute vor Segen u.
462 Matth 7, 13 f. (Nr. 1)
Fluch" Dt 11,26. Warum ist es gesagt worden? Wenn es Dt 30, 19 heißt: ,Das Leben
u. den Tod lege ich dir vor, den Segen u. den Fluch", so könnten vielleicht die Israe-
liten sagen: Weil Gott uns zwei Wege vorgelegt hat, den Weg des Lebens u. den Weg
des Todes, so können wir gehen, auf welchem von ihnen wir wollen. Da sagt die
Schrift lehrend (das.): ,So wähle denn das Leben, damit du u. dein Same leben mögen."
Gleich jemand, der an einem Scheideweg saß u. zwei Wege vor sich hatte, einen, dessen
Anfang eben u. dessen Ende Dornen waren, u. einen, dessen Anfang Dornen u. dessen
Ende eben war. Er tat es den Wanderern kund u. sprach zu ihnen: Ihr seht diesen
Weg, dessen Anfang eben ist (oder als Frage: Seht ihr diesen Weg, dessen Anfang
eben ist?). Zwei oder drei Schritte gehst du auf Ebenem, aber schließlich gehst du
auf Dornen. Und ihr seht diesen Weg, dessen Anfang Dornen sind (oder wiederum
als Frage). Zwei oder drei Schritte gehst du auf Dornen, aber schließlich gehst du auf '
Ebenem. Ebenso sprach Mose zu den Israeliten: Ihr seht die Gottlosen, wie sie Glück
haben; zwei oder drei Tage haben sie Glück in dieser Welt. u. schließlich werden sie
am Ende verstoßen, s. Spr 24, 20; Qoh 4,1.5; Spr 4, 19. Und ihr seht die Gerechten, wie
sie Not haben in dieser Welt; zwei oder drei Tage haben sie Not, schließlich aber
werden sie sich am Ende freuen, wie es heißt: „Um dir zuletzt wohlzutun" Dt 8, 16:
ferner s. Qoh 7,8; Jer 29, 11 ; Ps 97, 11 ; Spr 4, 18. || ExR 30 (901^): Gleich einem König,
der zwei Wege herrichtete. Der eine war voll Dornen, Disteln u. Brennesseln, der
andre voll von Gewürzen. Die Blinden gingen auf dem (schlechten) Weg u. die Dornen
fügten Plagen zu ihren Plagen hinzu; die Klugen aber (die Sehenden) gingen auf dem
guten Weg, u. während sie darauf einhergingen, wurden ihre Kleider mit Wohlgeruch
erfüllt. So hat Gott zwei Wege hergerichtet, einen für die Gerechten u. einen für die
Gottlosen. Wer keine Augen hat, geht auf dem Weg der Gottlosen u. kommt zu Fall,
u. es gibt für ihn kein Aufstehn, wie Bilfam, der Frevler, der aus der Welt gestoßen
wurde, u. wie Doeg u. Achithophel, die vom Leben entfernt wurden, u. wie Gechazi,
der leer aus der Welt ging. Aber die Gerechten, die in ihrer Unschuld wandeln, er-
langen Glück samt ihren Kindern nach ihnen, s. Spr 20, 7 : Wer in seiner Unschuld
wandelt als ein Gerechter, Heil seinen Söhnen nach ihm! || DtR 4 (200''): ,Wenn
ihr willig seid u. hört" Jes 1, 19. R. Levi (um 300) hat gesagt: Womit läßt sich das
vergleichen? Mit einem Sklaven, zu dem sein Herr sagte: Siehe, eine goldene Hals-
kette; wenn aber nicht, siehe, eiserne Fesseln! So hat auch Gott zu den Israeliten
gesagt: Wenn ihr meinen Willen tut, siehe, das Gute u. der Segen; wenn aber nicht,
siehe, der Fluch ; siehe, zwei Wege sind vor euch, s. Dt 1 1 , 26. \\ DtR 4 (200 '') : R. Chaggai
(um 330) hat gesagt: (Gott sprach:) Nicht nur, daß ich euch zwei Wege vorgelegt
habe, sondern ich bin auch nach innen zu von der strengen Rechtslinie gegangen u.
habe zu euch gesagt: „So wähle denn das Leben!" Dt 30, 19. (Mit diesem Rat hat
Gott etwas getan, wozu er nicht verpflichtet war.) |I Nur von Einem der beiden Wege,
der der „gerade Weg" oder der „Weg des Lebens" oder der „Weg Gottes" genannt
wird, handelt Aboth 2, 1; Tamid 62» (= fol 28=* in andren Ausgaben); B'^rakh 28'^:
Rabbi, lehre uns die Wege des Lebens, daß wir durch sie das Leben der zukünftigen
Welt erlangen; NuR 14 (173'^): R.Nathan, um 160: Die Worte der Gelehrten lehren
die Menschen die Wege Gottes. Ähnlich wenige Zeilen zuvor R. Tanchuma b. Abba,
um 380. — II Einigemal ist das Bild von den zwei Wegen so gewandt, daß damit zwei
Extreme bezeichnet werden, zwischen denen die Mitte innezuhalten des Menschen
Aufgabe ist. AbothRN 28 Ende: R. J' huda b. El?ai (um 150) sagte: Wer die Worte der
Tora (d. h. die Beschäftigung mit ihnen) zur Hauptsache u. die weltliche Beschäftigung
zur Nebensache (zum Anhängsel) macht, den macht man selbst zu einer Hauptperson
in dieser Welt (d. h. man bringt ihn in eine herrschende Stellung); wer aber. die welt-
liche Beschäftigung zur Hauptsache u. die Worte der Tora zur Nebensache macht, den
macht man selbst zu einer Nebenperson (Anhängsel) in dieser Welt. Man hat ein
Gleichnis gesagt. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einer Straße s-tj— jc-s, die
zwischen zwei Wegen führt; der eine ist von Feuer u. der andre von Schnee; geht
man nach dem Feuer hin, so wird man durch das Feuer verbrannt; geht man nach
Matth 7, 13f. (Nr. 1— 3) 463
dem Schnee hin, so wird man von der Kälte getroffen. Wie soll man es machen?
Man gehe in der Mitte u. hüte sich, daß man nicht vom Feuer verbrannt u. von der
Kälte getroffen werde. (Das Ganze eine Warnung vor dem Trachten nach obrigkeit-
licher Herrschaft, vgl. Aboth 1, lU; Spr 25, 6.) || pChag2, 77 '\ 40: Rabbi hatte einen älteren
Schüler, der ein Kapitel aus der „Wagenerscheinung* ras^'sn r,-ay^ (Ez 1 ; Bezeichnung
theosophischer Studien) vortrug; Rabbi stimmte aber damit nicht überein. Da wurde
jener Schüler mit Aussatz geschlagen. Diese Lehre gleicht zwei Wegen, von denen
der eine von Feuer u. der andre von Schnee ist. Neigt man sich nach jenem hin, so
stirbt man durch Feuer; neigt man sich nach diesem hin, so stirbt man durch Schnee.
Was soll man tun? Man gehe in der Mitte. (Warnung vor unvorsichtiger Vertiefung
in theosophische Lehren.) — R. Jochanans (f 279) Wort von den zwei Wegen, von
denen der eine eben u. glatt u. der andre voller Dornen u. Erdschollen ist LvR 4 (107 *') =
Midr Qoh 12, 14 (55'^), ist nicht bildlich, Sondern in eigentlichem Sinn gemeint.
Zum Pfortenbild s. oben S. 46U 4Esra7,3ff. Ferner P^siq 179b: ,Du wirst mir
kundtun den Pfad des Lebens'' Psl6, 11. David sprach vor Gott: Herr der Welt, du
wollest mir kundtun, welches Tor T^-"?, nv'Aüjr, offensteht zum Leben der zukünftigen
Welt. R. Judan (um 350) u. R. f Azarja (um 380). R. Judan hat gesagt: Gott sprach
zu David: David, wenn du Leben begehrst, schau nach Gottesfurcht aus, s. Spr 10,27.
R. fAzarja hat gesagt: Gott sprach zu ihm: Wenn du Leben begehrst, schau nach
Leiden aus, s. Spr 6,23. — Parallelstellen: Midr Ps 16 § 12 (62^); LvR 30 (127^), hier
Text verstümmelt. || Pirqe REl 15: Gott sprach: Siehe, diese beiden Wege (Dt 30, 15)
habe ich den Israeliten vorgelegt; der eine ist der des Guten u. der andre der des
Schlimmen. Der des Guten, das ist der des Lebens, u. der des Schlimmen, das ist der
des Todes. Der des Guten hat zwei Wege, den der Almosen u. den der Liebeswerke
(-;cn = D^-cn r^V-:;), u. Elias, gesegneten Angedenkens, steht in der Mitte zwischen
beiden, u. wenn ein Mensch kommt, um einzutreten, ruft Eli^s aus u. spricht: „Tuet
'die Tore auf, daß ein gerechtes Volk einziehe" (Jes 26, 2). ... Auf dem Weg des
Schlimmen gibt es vier (hintereinander liegende) Tore, u. an jedem Tor sitzen sieben
hütende Engel, vier draußen u. drei drinnen; die draußen sind barmherzig, die drinnen
sind grausam. Wenn ein Mensch kommt, um in das erste Tor einzutreten, kommen
ihm die barmherzigen Engel entgegen u. sagen: Warum willst du in dieses Feuer
eingehen u. warum willst du unter die Gottlosen (?) u. in die glühenden Kohlen gehn?
Höre uns u. kehre in Buße um! Wenn er auf sie hört, so ist es gut; wenn aber nicht,
so sagt er: Bei ihnen gibt's kein Leben! — (Ähnliche Verhandlungen an den andren
drei Toren. Hört der Mensch auch an diesen nicht auf die guten Engel, dann sagen
zuletzt die grausamen Engel:) Weil er nicht gehört hat, so möge sein Geist ausgehnl
s. : „Geht sein Geist aus, so kehrt er zu seinem Erdreich zurück" Ps 146,4; u. in bezug
auf sie sagt die Schrift: „Siehe, dies alles tut Gott zwei-, dreimal dem Manne, um
zurückzuholen seine Seele von der Grube" Hi33, 29f.
2, /; 666g i] anäyovaa elg xrv aTiwksiuv. — Im AT wird nirgends
von einem Wege gesagt, er „führe" nach einem Ort. Aus der jüdischen
Literatur führt Dalnian, Worte Jesu 1, 130 f., an Apoc Bar 85, 13: Dort
ist der Urteilsspruch zum. Verderben u. der Weg zum Feuer u. der Pfad,
der zum Gehinnoin heranbringt, N;n;b i-^.-p-o^. Ferner GnR 9 (7*): Welches
ist der Weg, der den Menschen zum Leben der zukünftigen Welt bringt
nN-^n's? — Vgl. auch Midr Ps 40 § 2 (129'''): David sprach: Schon war ich
auf dem Wege, der in den Gehinnom geht Q:ni:7 nsbin^r. — Midr Ps 86
§ 6 (187'^): R. Judan (um 350) hat gesagt: Der Weg der Ehebrecher ist
gerichtet -t; auf die Tiefe der Sch'^ol (= Gehinnom). — „Straße, die
zum ewigen Leben führt" slav. Hen 42, 10 s. oben S. 461«.
3. dg Ti]v C<üyv. — ^(oY] = ^oorj aimiog oft in den Pseudepigraphen.
464 Matth 7, 13 f. (Nr. 3. 4). 7, 15 (31)
PsSal9, 9: Wer Gerechtigkeit übt, sammelt sich Leben l^7jaccvQiCsi Ci^rjv savrw
beim Herrn. | Das. 14, 7: Die Frommen des Herrn werden Leben ererben xX9]Qoyoiuijaovat
i^wrjy in Freuden. II Henoch 62, 16: Dies soll euer Kleid sein, ein Kleid des Lebens bei
dem Herrn der Geister. || Test Asser 6: Wenn die Seele (im Tode) in Erregung weg-
geht, so wird sie von dem bösen Geist gequält, dem sie auch gedient hat in Begierden
u. bösen Werken. Wenn sie aber ruhig in Freude den Engel des Friedens erkannt
hat, so wird er sie im Leben trösten. || 4 Esra 7, 13: Die Wege des großen Äons (der
zukünftigen Welt) sind breit u. sicher u. tragen die Früchte des Lebens. | Vers 21:
Gott hat den Lebenden, sobald sie zum Leben kamen, feierlich erklärt, was sie tun
sollten, um das Leben zu erwerben. . . . i Vers 48: (Das böse Herz) hat uns vom Leben
fernegeführt. | Vers 82: Die zweite Pein (der Verlorenen ist», daß sie die wahre Buße
zum Leben nicht mehr tun können. | Vers 129: Das ist der Weg, von dem Mose zum
Volke gesagt: Wähle dir das Leben, daß du Leben habest! | Vers 137: Wäre Gott
nicht der Gnadenreiche, so käme die Welt samt ihren Bewohnern niemals zum Leben. ||
Ebenso wird im Rabbinischen kurzweg a-^n, aram. "^.~, n^ü~ = , Leben" gesagt, wo
das ewige Leben aV-y •'::-, aram. s's"':^ '^r., gemeint ist. — Als Beispiele s. Chag3'^;
M^'kh Ex 14, 28 (40») auf S. 461 ;'; Bera'kh 28 >> S. 462y ; P'^siq 179 ^, wo zweimal: „wenn du
Leben begehrst^ s. S. 468. || B^rakh 61 '^: (Bei der Hinrichtung des R. ?Aqiba, f um 135)
sprachen die Engel des Dienstes vor Gott: Ist das die Tora u. das ihr Lohn? Zu den
von deiner Hand Getöteten, Jahve, hätten sie gehören sollen! (so deutet der Midr
Ps 17,14). Gott antwortete: „Ihr Teil ist im Leben" (s. Psl7, 14). |i ExR27Ende:
Ebenso findest du es bei Jethro, daß er wegen des Hörens (auf das, was Gott an
Israel getan hatte, s. Ex 18, 1) das Leben erlangt hat a-r;-; rirt. || ExR 29 (89"): „Das
ganze Volk zitterte" (Ex 19, 16) „u. der ganze Berg bebte sehr" (Ex 19,18). Warum
das alles? Weil Gott Worte des Lebens a—n 'sv ri-s-^ redete . . . R. Jirm*^ja (um 320)
hat gesagt: Wenn in der Stunde, da Gott der Welt Leben o—n gab, die Erde erbebte,
«m wieviel mehr wird dies geschehn, wenn er kommt, um die Frevler zu bestrafen, -
die die Worte der Tora übertreten haben!
4. nkiyoi alolv ol si'Qiaxovrsg avvrjv. — Hierzu s. bei Lk 13, 28.
7,15 91: Sehet euch vor vor den falschen Propheten.
ccTTo Twv ifji:v6o7iQoq.rjTcov = i;rt;n '^x'^ns??.
B^rakh 24*5: Wer seine Stimme in seinem Gebete erhebt (laut schreiend betet),
der gehört zu den falschen Propheten. — Nach Raschi auf Grund von 1 Kg 18, 28:
Da riefen sie (die Ba?alspropheten) mit lauter Stimme. || Sanh 1,5: Man richtet weder
■einen Stamm noch einen falschen Propheten noch einen Hohenpriester außer durch
das Gericht von einundsiebzig. — Das. 11, 1: Dies sind die, welche erdrosselt werden:
Wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt u. der falsche Prophet u. wer im Namen
a-i-a (so lies, nicht cx'i) eines Götzen weissagt. . . . | Das. 11, 5: »Und der falsche Pro-
phet," der, welcher weissagt, was er nicht gehört hat u. was ihm nicht gesagt worden
ist (wird erdrosselt). Aber der, welcher seine Weissagung unterdrückt, u. wer die
Worte eines Propheten als gleichgültig behandelt u. ein Prophet, welcher seine eignen
Worte übertreten hat — dessen Tod geschieht durch Gott; s.: „Ich werde es von ihm
fordern" Dt 18, 19. | Das. 11,6: „Wer im Namen a-^ja eines Götzen weissagt" (Dt 18,20)
«. sagt: „So hat der Götze gesagt", auch wenn er mit der Halakha übereinstimmt,
indem er das Unreine für unrein u. das Reine für rein erklärt (wird erdrosselt). ||
Hierzu Sanh 89 * Bar: Dreier Tod erfolgt durch Menschenhand u. dreier Tod erfolgt
durch Gottes Hand. Wer weissagt, was er nicht gehört hat u. was ihm nicht gesagt
war, u. wer im Namen ^vz eines Götzen weissagt, dessen Tod erfoUt durch Menschen-
hand; wer seine Weissagung unterdrückt u. wer die Worte eines Propheten als gleich-
gültig behandelt u. ein Prophet, welcher seine eignen Worte übertritt, deren Tod er-
folgt durch Gottes Hand. Woher dies? Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247)
jhabe gesagt: Weil es in der Schrift heißt DtlS, 2U: „Jedoch der Prophet, der sich
Matth 7, 15 (91. 5Ö. 6) 465
vermißt, irgendetwas in meinem Namen zu reden", damit ist derjenige gemeint, der
weissagt, was ihm nicht gesagt war; „u. der im Namen andrer Götter redet", damit
ist derjenige gemeint, der im Namen eines Götzen weissagt. Ferner steht geschrieben
(das.): , Jener Prophet soll sterben", u. jeder Tod, von dem in der Tora ohne genauere
Angabe geredet wird, ist der Tod durch Erdrosselung. — Wer seine Weissagung unter-
drückt u. wer die Worte eines Propheten als gleichgültig behandelt u. ein Prophet,
welcher seine eignen Worte übertreten hat, deren Tod erfolgt durch Gottes Hand;
denn es heißt Dt 18, 19: „Der Mann, der nicht hören wird" (das ist der die Worte
eines Propheten verächtlich Behandelnde); ferner lese man (statt j'';'^:') das Hiphil
y'r:v< (das ist der, welcher seine Weissagung nicht hören läßt, sie unterdrückt), ferner
lese man das Niphal yra"! (das ist der, der auf sich selbst nicht hört, seine eignen
Worte übertritt). Darauf heißt es (das.): „Von dem werde ich selbst es fordern",
sein Tod erfolgt durch Gottes Hand. — Wer weissagt, was er nicht gehört hat. d. i.
zB (^edeqia, der Sohn K^'nafanas, s. 1 Kg 22, 11. Wer weissagt, was ihm nicht gesagt
war, d. i. zB Chananja, der Sohn f Azzurs, s. Jer 28, 2. Wer im Namen eines Götzen
weissagt, das sind zB die Bafalspropheten, vgl. 1 Kg 18. Wer seine Weissagung unter-
drückt, d. i. zB Jona, der Sohn Amittais. Wer die Worte eines Propheten als gleich-
gültig behandelt, d. i. zB der Genosse des Mikha, s. 1 Kg 20, 35 f. Ein Prophet, der
seine eignen Worte übertritt, d. i. zB der Prophet ?Iddo, s. 1 Kg 1?., 9. 18. 19. 24. —
Kürzer in SDt 18. 19f. § 177 (107^). || Sanh 90": R. Abbahu (um 800) hat gesagt.
R. Jochanan (f 279) habe gesagt: In jedem Fall, wo dir ein Prophet sagt: Ȇbertritt
die Worte der Tora", höre auf ihn, ausgenommen ist der Götzendienst; selbst wenn
er dir die Sonne in der Mitte des Firmaments stillstehn ließe, sollst du nicht auf ihn
hören. — Bar: R. Jose der Galiläer (um 110) sagte: Die Tora trifft die letzte Absicht
des Götzendienstes, deshalb legt ihm die Tora eine Macht bei: selbst wenn man dir
die Sonne in der Mitte des Firmaments stillstehn ließe, sollst du nicht darauf hören.
Bar: R. fAqiba (f um 135) hat gesagt: Das sei ferne, daß Gott die Sonne stillstehn
ließe für die Übertreter seines Willens ; es handelt sich vielmehr um einen solchen,
wie zB Chananja b. ? Azzur, der anfänglich ein wahrer Prophet rys s-'a: u. schließlich
ein falscher Prophet ^pr «■'33 war. — Die beiden Baraithas auch SDt 13, 3 § 84 (92'').
7,15 33: Die in Schafskleidern zu euch kommen.
Das Bild von den Wölfen in Schafskleidern ist in der rabbin. Lite-
ratur nicht nachweisbar. Auch der von Buxtorf, Lex. Chald. Spalte 1633,
gebuchte Ausdruck p"i:;xt n-:v = „Wolfssanftmut", der eine ähnliche
contradictio in adiecto enthält wie das von Jesu verwandte Bild, findet
sich in der älteren Zeit nicht. — Der Widerspruch zwischen dem
•äußeren Gebaren u. der inneren Sinnesrichtung heuchlerischer Menschen
wird von Raba (f 352) Joma 72^ mit den Worten gegeißelt: Jeder Ge-
lehrtenschüler, dessen Inneres nicht wie sein Äußeres ist -i^n idt "■'xr,
ist kein Gelehrtenschüler.
7, 15 6: Inwendig aber sind sie reißende Wölfe.
Ivxoi uQTiaysq = iiant: ni:;NT . — Ivxog^ aip^ib s. gleich Sukka 56"^,
Hebr. nxT, aram. :i^, xn^'i. — Gn 49, 27 wird Benjamin genannt „ein
Wolf, der zerreißt" r--^'^ =X7. — Targ Onk läßt das Bild fallen u. deutet
den Vers auf das in Benjamins Gebiet liegende Heiligtum u. die darin
dargebrachten Opfer, Targ Jerusch I mildert den Ausdruck durch Hinzu-
fügung der Vergleichungspartikel: ne-io xn-^iD (so zu lesen statt rfs-iu) =
wie ein reißender Wolf. Jerusch II: „er gleicht r-i-jn a'ib", einem reißen-
strack u.Biiurbeck, nti. 30
466 Matth 7, 15 (6). 7, 16 («)
den (raubenden) Bären. || Ez 22, 27: Ihre Obersten sind wie Beute zer-
reißende Wölfe r— j -^s— j a-2Ni=. Targ: C|^::n -sisn -(-^n^nD = wie Beute
raubende (zerreißende?) Wölfe. — || Als Bild der Gefräßigkeit u. Un-
ersättlichkeit erscheint der Wolf Sukka 56'' Bar: Mirjam, die Tochter
Bilgas (Stammvater einer Priesterabteilung) wechselte ihre Religion u.
ging hin u. vermählte sich mit einem Feldherrn der griechischen Könige.
Als die Griechen in das Heiligtum eingedrungen waren, stampfte sie
mit ihrer Sandale auf den Altar u. sprach: Wolf, Wolf cipib mpib, wie
lange willst du das Geld der Israeliten verschlingen (für deine Opfer),
ohne daß du ihnen in der Stunde der Bedrängnis beistehst? — Das-
selbe pSukka 5, 55 ^ 34; die Bar findet sich TSukka 4, 28 (200).
7, 16 51: Von (an) ihren Früchten werdet ihr sie erkennen,
cmo rrnv xaQjicöv avtmv. — Frucht ""is, pl. riniQ, schon dem AT ge-
läufige Metapher zur Bezeichnung der Folgen einer Handlungsweise,
s. Jes3, 10: Jerl7, 10; 21,14; Hos 10, 13; Sprl,31; 31, 16;a (seltener)
der Handlungsweise, der Taten selbst, Spr 8, 19. b
a. Qid40'"': Wir haben gelernt (nämlich Pea 1, 1): Dies sind die Dinge, von denen
der Mensch, wenn er sie tut, die Früchte in dieser Welt genießt, während das Stamm-
kapital (der Hauptlohn) ihm stehn bleibt für die zukünftige Welt: Ehrfurcht vor den
Eltern, Erweisung von Liebeswerken, Friedenstiftung zwischen einem Menschen u.
seinem Nächsten u. Torastudium vor allem. . . . Das Verdienst (die Tugend) hat ein
Stammkapital (Lohn im Himmel) u. Früchte (Zinsen, d. h. Lohn auf Erden); s. Jes 3, 10:
, Saget vom Gerechten, es stehe gut mit ihm (nämlich in der zukünftigen Welt); denn
die Frucht ihrer Taten werden sie genießen (in dieser Welt).* Die Übertretung (Sünde)
hat ein Stammkapital (Strafe im Himmel), aber keine Früchte (= Strafe auf Erden);
denn es heißt daselbst Vers 11: ,Wehe dem Bösewicht, ihm geht's schlimm" (in der
zuk. Welt). Aber wie halte ich dann aufrecht Spr 1, 31: ,So sollen sie (die Gottlosen)
essen von der Frucht ihrer Wege u. von ihren Ratschlägen satt werden"? Eine Sünde,
die Frucht trägt (andre Sünden zur Folge hat), hat Früchte (Strafen auf Erden); die
aber keine Frucht trägt, hat keine Früchte (wird erst in der zuk. Welt bestraft).
b. Sota 46*: R. Jochanan b. Schasul (um 220) hat gesagt: Warum hat die Tora
angeordnet, daß man ein Kalb in ein Tal bringen soll (vgl. Dt 21, 4)? Gott sprach:
Es komme etwas, was keine Früchte gebracht hat (das Kalb) u. es werde ihm das
Genick gebrochen an einem Ort, der keine Früchte getragen hat (im Tal), u. es werde
Sühnung verschafft dem, den man keine Früchte hat bringen lassen (den Erschlagenen).
Was heißt (bei dem Erschlagenen) , Früchte"? Wenn man sagen wollte, es bedeute
, Nachkommenschaft", so müßte es folgerichtig auch bei einem (erschlagenen) Greis
oder Verschnittenen so sein, daß man (um ihretwillen) einem Kalb nicht das Genick
bricht; vielmehr sind mit den „Früchten" (bei dem Ermordeten) „ Gebotserfüllungen "
gemeint. i| Tanch -i-:?3s HS'*: „Deine Gerechtigkeit ist wie die Gottesberge" Ps 36,7.
Wie die Berge bestimmt (geeignet) sind, besät zu werden u. Früchte bringen, so
bringen die Gerechten Früchte (= gute Werke). . . . „Deine Gerichte sind eine
große Tiefe" (das.); damit sind die Gottlosen gemeint. Wie die Tiefe nicht besät
werden kann u. keine Früchte bringt, so haben die Gottlosen keine guten Werke u.
bringen keine Früchte. — Die ältere Parallelstelle P*^siq 73 1> redet nicht von den
Früchten der Gerechten u. Gottlosen, sondern von den Früchten ihrer Taten, gehört
also unter a. \\ GnR 30 (18b): Was sind die Früchte des Gerechten "--^ 5» vr-!— r?
Gebotserfüllungen u. gute Werke.
Dem Ausspruch Jesu ähnelt das von Lightfoot u. andren zitierte
Matth 7, 16 m. SB). 7, 21 (Nr. 1. 2). 7. 22 {% 1 ) 467
Sprichwort Bn-akh 48": „Jede Gurke wird an ihrem Saft erkannt",
nur daß hier der Saft nicht das Produkt der Gurke, sondern umgekehrt
die Gurke das Produkt des Saftes ist. — Besser paßt zu Jesu Wort
GnR 2 (3'') : R. B^rekhja (um 340) eröffnete seinen Vortrag mit Spr 20, 11:
,Auch der Knabe wird an seinen Taten erkannt, ob lauter u. ob redlich
sein Tun.* R. B'^rekhja hat gesagt: Als die Erde noch unreif (jung)
war, brachte sie (schon) Dornen r.'^'^z'z. hervor.
7, 16 23: Man sammelt doch nicht von Dornen Trauben? firjri
avkkiiyovGiv und axavd^Mv aTaffvXdc: — Trauben u. Dornbeeren neben-
einander als ein Bild vollendeter Disharmonie P'^s 49 '^ Bar: Immer ver-
kaufe ein Mensch alles, was er hat, u. heirate die Tochter eines Ge-
lehrtenschülers u. verheirate die eigene Tochter an einen Gelehrten-
schüler: das gleicht Weintrauben, die unter Weintrauben sich befinden,
was schön u. lieblich ist. Aber nicht heirate man die Tochter eines
^Am ha-are9 (Gesetzesunkundigen): das gleicht Weintrauben, die unter
Dornbeeren sich befinden, was häßlich u. nicht lieblich ist. || Ohne Bild
heißt es Schab 129=*: x::i-u: -■!-! -z xur-i = kann aus Schlechtem (Schäd-
lichem) Gutes entstehn?
7,21: 1. Herr, Herr. Zur Verdoppelung der Anrede s. bei Mt 23,'37.
2. Wer den Willen meines Vaters tut.
Über die Frage, ob das Studium oder das Tun (Praxis) wichtiger
sei, s. bei Rom 2, 13. Hier noch folgende Stellen:
K'^th 66^: Rabban Jochanau b. Zakkai (f um 80) hat gesagt: Heil euch, Israeliten!
Wenn sie den Willen Gottes sipis Via •:"i::i tun, hat kein Volk u. keine Zunge über
sie Gewalt; wenn sie aber den Willen Gottes nicht tun, gibt man (=^ Gott) sie liin
in die Hand eines niedrigen Volkes, u. nicht bloß in die Hand eines niedrigen Volkes,
sondern auch in die Gewalt der Tiere eines niedrigen Volkes. — Die ganze Stelle s.
bei Joh 3. 1. II Aboth 5. 20: J'^huda b. Tema (ein Tannait ungewisser Zeit) sagte: Sei
stark wie der Leopard u. leicht wie der Adler u. schnell wie der Hirsch u. tapfer wie
der Löwe, den Willen -i:i- deines Vaters im Himmel zu tun. — Dasselbe AbothRN41 ;
als Bar P's 112-'; anonym Tanch p";3 238*. Der Ausspruch bildet den Anfang des
Schulchau ?Arukh. 1| BB 10»: (Der Tyrann Rufus, d. i. der Statthalter von Judäa Tinejus
Rufus, sprach zu R. eAqiba, f um 135:) Ihr werdet Kinder (Gottes) u. ihr werdet
Knechte genannt: wenn ihr den Willen Gottes tut, werdet ihr Kinder genannt, u. wenn
ihr den Willen Gottes nicht tut, werdet ihr Knechte genannt. i| ExR 24 (85''): „Ist er
nicht dein Vater, dein Besitzer?" Dt 32, 6 (so der Midr). Wenn dein „Vater", weshalb
dein „Besitzer"? wenn dein „Besitzer", weshalb dein „Vater"? Wenn die Israeliten
den Willen Gottes tun, erbarmt er sich über sie, wie ein Vater über seine Kinder;
wenn sie aber seinen Willen nicht tun, dann züchtigt er sie wie einen Sklaven. Wie
ein Sklave, ob gern oder ungern, seinem Herrn dienen muß, so müßt auch ihr den
Willen Gottes tun, ob gern oder ungern. i| ExR 46 (101*^^): (Gott sprach zu den Israe-
liten:) Wenn ihr euch in Not seht, kommt ihr u. sagt: „Unser Vater bist du" (vgl.
•Jes 64,7); aber obwohl alles das Werk meiner Hände ist, so will ich mich als Vater
u. Bildner nur dem erweisen, der meinen Willen -nsn tut, s. Jes 43, 7.
7/22 3t: Viele werden zu mir an jenem Tage sagen.
1. SV sxsi'vj] TTj i)fisQ(i. — Der Ausdruck entspricht dem altt. oi»?
30*
468 Matth 7,22(311.2. SB j
N^i-ifi Jes 2, 11. 17; Sachl4, 6. Im Rabbin. verstand man unter „jenem
Tage" die messianische Periode oder die zukünftige Welt im weiteren
Sinn, d. h. mit Einschluß der „Tage des Messias".
GnR44(28a): ,,An jenem Tage verband sich Jahve dem Abraham gegenüber zu
folgender Bestimmung" Gn 15, 18. R. Judan (um :^>50) hat gesagt: R. Jochanan b. Zakkai
(t um 80) u. R. f Aqiba (f um 135). Der eine (Rabban J.) hat gesagt: Diese Welt hat
Gott dem Abraham offenbart, aber die zukünftige Welt hat er ihm nicht offenbart.
(Der Gedankengang scheint zu sein: An jenem Tag in Gn 15, IS verband sich Gott
zur Erfüllung der Verheifsung von Gn 15, 18^ — 21 ; diese gehört aber dem gegenwärtigen
Aon an; folglich hat Abraham Gn 15, 18 auch nur in den Geschichtsverlauf dieser
Welt Einblick gewonnen.) Der andre hat gesagt: Sowohl diese als auch die zu-
künftige Welt hat er ihm offenbart. (R. ?Aqiba versteht Gn 15, 18 so: auf ,jenen
Tag" hin — von dem etwa Sach 14, 6 die Rede ist — verband sich Gott zu dem Ver-
sprechen, dem Volk Israel die 10 in Vers 19 — 21 genannten Völkerschaften zu über-
geben, während im gegenwärtigen Aon Israel nacli Dt 7, 1 nur 7 von jenen 10 Völkern
in seine Gewalt gebracht hat; mithin hat Gott dem Abraham Gn 15, 18 auch die Tage
des Messias (= zukünftige Welt) offenbart. Vgl. GnR 44 (28 'j), wo als allgemeine An-
sicht der um 150 lebenden jüdischen Autoritäten feststeht, daß die 3 in Gn 15, 19 ge-
nannten Völker erst in den Tagen des Messias Israel zufallen werden.) R. B'^rekhja
(um 340) hat gesagt: R. Elfazar (um 270) u. R. Jose b. Chanina (um 270). Der eine
(wohl der letztere) hat gesagt: Bis zu diesem Tage (rtrn dth, solange dieser Tag =
diese Welt währt) offenbarte er ihm (das Zukünftige); der andre sagte: Bis zu jenem
Tage (sin- dit! = Tage des Messias) offenbarte er ihm (das Zukünftige). — Der
letztere stimmte also mit R. ? Aqiba überein. \] Henoch 45, 3: An jenem Tage wird mein
Auserwählter (= Messias) auf dem Thron der Herrlichkeit sitzen. Ferner s. das. 61, 11 ;
62, 3. 8; der Plur. ,in jenen Tagen" 63, 1.
2. TioXXol igovair fioi. — Stellen, in denen bei der Gerichtsszene
Rede u. Gegenrede geschildert wird, s. im Exkurs „Gerichtsgemälde".
7,22 5ß: Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt, u.
habenwirni eh tdurchd einen NamenDämonen au sgetri eben, u.
haben wir nicht durch deinen Namen viele Machttaten getan?
Das dreimalige to) ovo/jiccti (kaum verschieden von f »' r<>7 oröfiati
Mk 9, 38; 16, 17 oder Sm t(Ö oroiiari Mk 9, 39; Lk 9, 49) bedeutet „auf
Grund" oder „in Kraft des Namens". Im Rabbin. mra, o^ir?; Dt;^, cvi-^?.
pfAZ '2, 40^^, 62 sagt der Christ Ja?aqob aus K'^phar-Sama zu dem von einer
Schlange gebissenen R. Elfazar b. Dama (um 130): Wir wollen im Namen Jesu b. Pan-
dera (s. oben S. 86 — 38) zu dir reden 't 'a -.'v^ ara -h -^»s':. \\ Sanh 11, 1. 6 u. Sanh89a
(3malj wird von einem Propheten gesprochen, der im Namen eines Götzen weissagt
r-iT rt-iai- c:ü= S2:ri:n; s. die Stellen S. 464. — Aus SDt 18, 19f. § 177 (107b) erfahren
wir, daß der im Namen eines Götzen ■>"i' cma Weissagende einer ist, welcher spricht:
,So hat der Götze gesagt" ^"•J n^Jis -;2. || Nach Midr Qoh 1,8 (8^) kam Ja?aqob aus
K^phar-S'^khanja (— K.-Sama), um den R. El?azar b. Dama im Namen eines gewissen
Jemand 'z'ht ovra zu heilen. — In den Parallelstellen TChuU 2, 22 (503) u. pSchab
14, 14'', 60 steht z-^vk, bezw. ow — ,auf Grund des Namens". |j pfAZ 2,40*^,35: Es
kam einer u. flüsterte dem (erkrankten) Enkel des R. J^hoschua? b. Levi (um 250)
etwas zu im Namen des Jeschu b. Pandera 't 'a iio^-; n-aica. — Die Parallelstelle
pSchab 14, 14'', 35 liest 't i;ü^- r-.-'^v -,n = ,auf Grund des Namens Jesu". || Zur Be-
deutung von üvh s. bei Mt 10, 41 f. u. 28, 19. — Über Dämonenaustreibung s. Exkurs:
„Zur altjüd. Dämonologie" Nr. 7, //. — Zus.stellung der in der rabbin. Literatur be-
richteten Krankenlieiluneen in Jesu Namen s. bei Mt 10, 1.
Matth 7, 28 {%. SB). 7, 24 (%. SB) 469
7,28 51: Ich habe euch nie gekannt, ovöinove eyron' vfiäg. —
Die Worte: „Ich habe dich nie gekannt" cj-v^ Tri^r ^rx werden von
Rabbi als Bannforniel verwendet.
MQ 16 a: R. Schinifon b. Rabbi (J'liuda I.) u. Bar Qappara (um 220) saßen u.
studierten ; dabei bereitete ihnen eine traditionelle Lehre Schwierigkeiten. Seh. sagte
zu Bar Q.: Hierzu bedürfen wir Rabbis (d. h. meines Vaters). Bar Q. antwortete: Wird
denn Rabbi darüber etwas sagen können? Er ging u. erzählte es seinem Vater. Dieser
ward zornig. Als Bar Q. zu Rabbi kam, sprach dieser: Bar Q., ich habe dich nie ge-
kannt! Er verstand, was das Wort im Sinne Rabbis bedeutete; er beobachtete des-
halb für sich eine N*^^zipha (~^-t;, aram. sr^s"T;t= Verweis, eine Art Bann) von 30 Tagen
(in denen er mit Rabbi nicht in Berührung kommen durfte). — Andersartig ist das
Wort Rabbis an Bar Qappara pMQ 5>, 81 '-', 56: ,lch kenne dich als Ältesten "t nicht";
der Angeredete entnahm daraus, daß er nie ordiniert werden würde. || fEr 53«: Was
heißt: „Ein neuer König, der Joseph nicht kannte" Ex 1,8? Er glich einem (stellte
sich so), der Joseph überhaupt nicht kannte hh:: n^"5 y--' s^-. — Also , einen nicht
kennen" = „einen nicht kennen wollen" = „einen verleugnen" 's iss ("iss).
7,23 23: Weichet von mir, ihr Übeltäter, dnoxwQ^l'te an ifxov ot
ioya^ojjievoi vrjv uvofxiav. — Wohl Zitat aus Ps 6, 9 : ■in "ibys ^d '^-o-o ni'c.
LXX: duöazrjTs an' sfiov näwsg ot SQya^öfxevoi Ti]i' dvoßiav.
7, 24 51: Wer nun diese meine Worte hört u. sie tut. dxovsi . . .
xal Tcoisl. Vgl. außer den hier folgenden Stellen die Ausführungen bei
Rom 2, 13 u. die Zitate bei Mt 7, 21.
7, 24 23: Gleichnis vom klugen u. vom törichten Bauherrn.
Aboth RN 24 Anf. : Elischa; b. Abuja (um 120, der bekannte jüdische Apostat)
8ägte: Ein Mensch, der viele gute Werke hat u. viel Tora gelernt hat, womit läßt
sich der vergleichen? Mit einem Menschen, der unten (d. h. das Fundament) mit
Steinen baut u. danach mit (ungebrannten, nur in der Sonne getrockneten) Ziegeln;
auch wenn viele Wasser kommen u. an ihren Seiten stehn bleiben, lösen sie sie (die
festen Steine) nicht auf von ihrer Stelle weg. Ein Mensch aber, der keine guten
Werke hat u. Tora lernt, womit läßt sich der vergleichen? Mit einem Menschen, der
zuerst mit Ziegeln baut u. danach mit Steinen; auch wenn nur geringe Wassermassen
kommen, stürzen sie sie alsbald um. — Ferner sagte er: Ein Mensch, der gute Werke
hat u. viel Tora gelernt hat, womit läßt sich der vergleichen? Mit Kalk, der auf
Steine gestrichen ist; wenn auch Regengüsse auf ihn niedergehn, entfernen sie ihn
nicht von seinem Platz. Ein Mensch aber, der keine guten Werke hat u. viel Tora
gelernt hat, gleicht dem Kalk, der auf Ziegel gestrichen ist; wenn auch nur geringe
Regengüsse auf ihn niedergehen, löst er sich alsbald auf u. fällt ab. 1| Andre Gleich-
nisse zur Erläuterung des Gedankens von Mt7, 24ff. : Aboth 3, 17: R. Elfazar b. pAzarja
(um 100) hat gesagt: Der, dessen Wissen sein Tun überragt, wem gleicht der? Einem
Baum, dessen Zweige zahlreich u. dessen Wurzeln gering sind; wenn der Wind kommt,
entwurzelt er ihn u. stürzt ihn um, vgl. Jer. 17, 6: „Er wird sein wie ein Wachholder-
strauch (?) in der Steppe u. kein Gutes kommen sehen u. wohnen in versengten
Wüstenstrecken, im salzigen Lande, das nicht besiedelt ist." Aber der, dessen Tun
sein Wissen überragt, wem gleicht der? Einem Baum, dessen Zweige gering u. dessen
Wurzeln zahlreich sind ; selbst wenn alle Winde in der Welt kommen u. in ihn hinein-
wehen, sie rücken ihn von seiner Stelle nicht fort, s. Jer 17,8: „Der wird sein wie
ein Baum, gepflanzt am Wasser, u. am Flusse streckt er seine Wurzeln aus u. fürchtet
nichts, wenn Hitze kommt, u. seine Blätter grünen; auch im Jahr der Trockenheit
wird er keine Sorge haben u. nicht aufhören Frucht zu bringen." — Parallelstelle
Aboth RN 22. 1| Aboth RN 24 (Elischaf b. Abuja, s. oben) hat ferner ge.sagt: Ein Mensch,
470 Mattli 7. 24 (5B). 7, 29 (Nr. 1.2). Nachwort zur Bergpredigt
der (gute) Werke hat u. viel Tora gelernt hat, gleicht einem Pokal, der einen (sein
Gleichgewicht regelnden) Stein enthält: wenn man ihn aus der Hand wegstellt, neigt
er sich nicht auf seine Seite u. es wird niclits von dem vergossen, was in ihm ist.
Ein Mensch aber, der keine guten Werke hat u. viel Tora gelernt hat, gleicht einem
Pokal, der keinen Stein enthält: wenn man ihn aus der Hand setzt, neigt er sich so-
fort auf seine Seite u. es wird alles vergossen, was in ihm ist. — Ferner sagte er:
Ein Mensch, der gute Werke hat u. viel Tora gelernt hat, gleicht einem Roß mit
gutem Reitzeug. Ein Mensch aber, der keine guten Werke hat u. viel Tora gelernt
hat, gleicht einem Roß, das keinen Zaum hat, es zu bändigen.
7,29: Denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat,
u. nicht wie 'ihre Schriftgelehrten.
1. OK i'^ovoiur eywv. — Formell kann verglichen werden Chag 15*:
Acher (Elischa^ ben Abuja. um 120) sah, daß dem Metatron (einer der
Thronengel) Vollmacht gegeben wurde xr^^- nib x::n-rj<i, sich nieder-
zusetzen, um die Verdienste Israels aufzuschreiben. I Das. : Es wurde dem
Metatron Vollmacht gegeben, die Verdienste Achers auszulöschen. —
Der, welcher die Vollmacht verleiht, ist Gott. So wird auch hier zu
den Worten: „wie einer, der Vollmacht hat" zu ergänzen sein: „von
Gott". Dann ist der Sinn der Stelle: Jesus lehrte nicht aus sich selbst,
nach eignem Gutdünken, sondern wie ein Prophet, der aus dem Munde
Gottes redet. Vgl. Sanh 99=*: Wenn jemand sagt: Die ganze Tora stammt
von Gott mit Ausnahme dieses (oder jenes) Verses, den nicht Gott,
sondern Mose aus seinem eignen Munde i-cür ■'sr gesagt hat. so gilt
von ihm Nu 15,31: Das Wort Jahves hat er verachtet. || M^g 3P: Die
Flüche Lv 26 stehen in der Mehrzahl u. Mose hat sie nnin^n "'s-: im
Namen Gottes gesprochen; die Flüche Dt 28 stehen in der Einzahl u.
Mose hat sie tou- isx in seinem eignen Namen gesprochen. || SDtl,6
§5 (66''): Mose sprach zu ihnen: Nicht aus mir selbst •'^'^'j->2 rede ich
zu euch, sondern aus dem Munde Gottes n^'apn ■^z-c rede ich zu euch. j|
P«siq 125'': R. ?Azarja (um 380) hat im Namen des R. Judan b. Simon
(um 320) Ps 45, 8 auf Jesaja ausgelegt. Gott sprach zu Jesaja: Bei
deinem Leben, alle Propheten haben geweissagt, der eine aus dem
Munde des andren. Der Geist des Elias hat sich auf Elisa nieder-
gelassen, s. 2 Kg 2, 15; der Geist Moses hat sich auf die 70 Ältesten
niedergelassen, s. Nu 11, 25: aber du wirst weissagen aus dem Munde
der Allmacht, s. Jes61, 1.
2. xa) oi'x MQ Ol yQafji{.iaTeTg avzwv „nicht wie ihre Schriftgelehrten",
die, wie man wird ergänzen müssen, auf Grund der Tradition lehrten.
Nachwort zur Bergpredigt.
Die zu Mt 5, 3 — 7, 29 beigebrachten Zitate zeigen, daß die rabbin.
Literatur zu den religiös-sittlichen Gedanken u. Lehren der Bergpredigt
zahlreiche Parallelen bietet. Diese Tatsache läßt sich nicht mit der
Annahme der Abhängigkeit der einen Seite von der andren erklären.
Wohl sind in den Kreisen der älteren Tannaiten, die um 100 n. Chr.
Nachwort zur Bergpredigt 47 1
Jebten, einige Aussprüche Jesu bekannt gewesen; auch von den Evan-
gelien scheint man Kunde gehabt zu haben. ^ Aber das war auch die
Zeit, in der die Scheidung zwischen der Kirche u. der Synagoge er-
folgte, die so vollständig war, daß man sich seitdem nur noch feindlich
gegenüberstand. Von positiver Beeinflussung der jüdischen Gelehrten
durch die Lehren des Christentums kann seit jener Zeit nicht mehr die
Rede sein. — Ebensowenig aber kann umgekehrt eine Abhängigkeit
Jesu von den jüdischen Schultraditionen seiner Zeit in Betracht kommen.
Neuere jüdische Gelehrte nehmen es freihch an. T. Tal, Een Blik in
Talmoed en Evangelie, Amsterdam 1881, erklärt nicht bloß, daß die
Sittenlehren, die im NT vorkommen, alle ohne Ausnahme im Talmud
stehen (s. S. 26. 27. 64. 126), er bezeichnet auch den Talmud ausdrück-
lich als die Quelle, aus der das Evangelium seine Moral entlehnt habe
(S. 126, vgl. auch S. 128. 130). Die gleiche Anschauung vertritt Justus
Tal. Joed en Jodendom, Rotterdam 1917, S. 105 f. 110. 114.
Ohne weiteres ist zuzugeben, daß einige Aussprüche in der Berg-
predigt der jüdischen Tradition entnommen sind. Das Wort Mt 7, 12
wird bereits im Brief des Aristeas verwendet (s, oben S. 460«). Der Ge-
danke, daß Gott der Vater der einzelnen Menschen sei, begegnet lange
Zeit vor Jesu (s. bei Mt 6, 4). Die „beiden Wege" werden ebenfalls in
der jüdischen Literatur der vorchristl. Zeit erwähnt (s. bei Mt7, 13 f.).
Der Ausspruch Mt7,2: „Mit welchem Maß ihr messet, wird euch ge-
messen werden", findet sich wörtlich im Munde des R. Mei'r, um 150
(s. bei Mt 7, 2 58 Nr. 1) ; aber in einem Zus.hang, welcher beweist, daß das
Wort selbst älter ist; u. da der Satz „Maß gegen Maß" bereits Stellen
wie Weish 11, 15 f. ; 12, 24 f. ; 18, 4 ff. zugrunde liegt, so ist es nicht un-
wahrscheinlich, daß Jesus auch dieses Wort bereits als festgeprägte
Sentenz vorgefunden u. für seine Zwecke verwendet hat. Ähnlich mag
es sich auch noch mit einigen andren Sentenzen der Bergpredigt ver-
halten; wenigstens darf das nicht von vornherein in Abrede gestellt
werden. Aber daraus folgt nicht, wie Tal sen. will, daß die ganze
Bergpredigt aus jüdischen Quellen geflossen sei. Als wohlbegründete
Regel muß festgehalten werden, daß ein Ausspruch, der unter einem
bestimmten Autornamen überliefert ist, auch wirklich dem Gelehrten
angehört, dessen Namen er trägt. Von dieser Regel darf nur dann
abgegangen werden, wenn die Unrichtigkeit der Überlieferung quellen-
mäßig nachweisbar ist. Wenden wir diesen Kanon auf unsern Fall an,
1 Das Wort Mt 5, 17 spielt eine Rolle in der Verhandlung Ganiliels 11. (um 90) mit
einem christl. Philosophen; G.s Schwester ruft diesem Philosophen höhnend Mt 5, 16
zu; s. Schab 116'-^ S. 241 f. - R. J^hoschuaf (um 90) kennt Mt 5, 13, s. B^^kh 8b oben
S. 236. — Dem R. Eli?ezer (um 90) wird von einem Christen ein Ausspruch Jesu mit-
geteilt, s. TChuU 2, 24 (503) oben S. 36 f. — R. Jose d. Galiläer, R. Tarphon u. R. Jisch-
mafel (sämtlich um 100) verhandeln über die Rettung der Evangelien u'i'^^h^ u. der
Bücher der Häretiker aus Feuersgefahr TSchab 13, 5 (129,2). — Strack, Jesus 61*
versteht nach TJad 3, 4 u. M*^ti oO^ unter den giljonim die mit Bemerkungen versehenen
, Bücherränder ".
472 Nachwort zau- Bergpredigt
SO ergibt sich, dafs sämtliche Parallelen zur Bergpredigt, soweit sie
einem bestimmten Autor zugeschrieben sind (abgesehen von dem zu
Mt 7, 12 mitgeteilten Ausspruch Hilleis), rabbinischen Gelehrten an-
gehören, die nach Jesus gelebt haben. Daraus folgt, daß Jesu Aus-
sprüche von den Aussprüchen dieser Gelehrten nicht abhängig sein
können. — Hiergegen wird eingewandt, daß gar mancher Ausspruch
in der rabbin. Literatur den Namen eines späteren Autors trage u.
trotzdem älteren Ursprungs sei. Daher sei es nicht unmöglich, daß
auch manche Parallele zur Bergpredigt, obwohl sie einem späteren
Gelehrten zugeschrieben werde, dennoch älteren Datums sei u. somit
Jesu als Quelle gedient habe. Der Einwand trifft durchaus zu;^ aber
wer die Folgerung daraus zieht u. von dieser oder jener Parallele zur
Bergpredigt behauptet, daß sie älter sei als der Autor, unter dessen
Namen sie überliefert ist, dem liegt in jedem einzelnen Fall die Be-
weispflicht ob. Solange dieser Beweis nicht geführt ist, kann die Be-
hauptung, daß eine bestimmte Parallele zur Bergpredigt älteren Datums
sei. nur als Vermutung angesehen werden.
Wenn hiernach die Übei^einstimmung, die zwischen den Gedanken
u. Lehren der Bergpredigt u. ihren zeitlich jüngeren rabbin. Parallelen
tatsächlich vielfach besteht, aus der Abhängigkeit der einen Seite von
der andren nicht erklärt werden kann, so heißt das jedoch nicht, daß
auf jeden Versuch, diese Übereinstimmung begreifbar zu machen, ein-
fach verzichtet werden müßte. Man kann sich die Sache so denken.
In der alten Synagoge hat es eine Geistesmacht gegeben, der sich
niemand entziehen konnte, der einen öffentlichen Einfluß gewinnen
wollte: eine Geistesmacht, der Jesus nicht minder unterstanden hat
als die Männer der gelehrten Schulen, Diese Macht ist die Tora, die
religiös-sittliche Gedankenwelt des ATs gewesen. In dieser Welt hat
Jesus geatmet u, gelebt bis hin zu seinen letzten Worten am Kreuz;
in dieser Welt sind heimisch gewesen die rabbin. Gelehrten aller Gene-
rationen, Unter dem Einfluß des religiös-sittlichen Geistes des ATs ist
die Spruchweisheit der früheren Jahrhunderte entstanden, unter dem
Einfluß desselben Geistes hat Jesus seine Sentenzen geprägt — man
denke an die engen Beziehungen der Seligpreisungen zu den Worten
der Schrift; u. unter dem Einfluß desselben Geistes ist jene Fülle
ethischer Aussprüche erwachsen, die den geistigen Reichtum des rabbin,
Judentums ausmachen. Es ist doch bezeichnend, daß namentlich aus
' Zwei Beispiele aus vielen. Nach GnR 63 (39'^') hat ein Angehöriger der Familie
Silvanus (?) Gn 25, 26 dahin gedeutet, daß Israels Herrschaft unmittelbar auf Roms
Zusammenbruch folgen werde; diese Deutung ist aber uralt, sie findet sich bereits
4 Esra 6, 7 ff. 1| Sukka 56t> wird dem Abaje (f 338/39) der Ausspruch beigelegt: „Wehe
dem Gottlosen! Wehe seinem Nachbar!" Auch diese Sentenz ist wesentlich älter.
Man liest sie anonym SLv 14, 40 (283='), u. nach Aboth RN 8 gehört sie dem R. Jisch-
mafel b. Jochanan b. B^'roqa (um 150) an. — Ferner vsl. MQ 5» mit Jeb 21» u. mit SLv
18, 30 (342 a).
Nachwort zur Bergpredigt 473
der späteren Zeit verhältnismäßig nur wenige rabbin. Sentenzen vor-
handen sind, die nicht aus einem Schriftwort hergeleitet, oder an ein
solches wenigstens angelehnt werden, ein Beweis, wie sehr diese Aus-
sprüche das Ergebnis der gelehrten Beschäftigung mit dem AT gewesen
sind. Sollte es da undenkbar sein, daß dieser selbe Geist auch in ver-
schiedenen Zeiten u. in verschiedenen Menschen Gedanken wecken u.
Aussprüche zeitigen konnte, die inhaltlich einander nahe kamen? Wir
meinen nicht. ^ Daher die mannigfachen Berührungen, die zwischen den
Worten Jesu u. den* Aussprüchen der Späteren bestehen, Berührungen,
die, so überraschend sie sein mögen, doch nicht gerade unbegreiflich
erscheinen. Nur eins ist dabei festzuhalten, nämlich daß die Originalität
durchaus auf selten Jesu liegt. Kein späterer jüdischer Gelehrter hat
eine solche Menge leligiös-sittlicher Aussprüche hinterlassen, wie wir
sie von Jesus besitzen. Kein späterer jüdischer Gelehrter hat seinen
Aussprüchen die Kürze u. Straffheit des Ausdrucks zu geben vermocht,
die wir an Jesu Sentenzen bewundern. Vor allem kein späterer jüdischer
Gelehrter hat mit seinen Aussprüchen je die Tendenz verfolgt, die Jesus
bei seinen Worten im Auge gehabt hat. Hierin liegt bei allen sonstigen
Ähnlichkeiten das eigentlich Unterscheidende der beiderseitigen Aus-
sprüche. Jesus will der pharisäischen Verdienstlehre, -^ weil sie die Seelen
gefährdet, den Boden entziehen; darum deckt er das Ungenügende der
Gerechtigkeit aus den Werken des Gesetzes auf, u. zugleich zeigt er
seinem Volk einen neuen Weg, der zu einer besseren Gerechtigkeit führt.
In demütigem Vertrauen auf die Gnade Gottes sollen die Seinen alle
Güter u. Segnungen des Himmelreichs aus der Hand ihres himmlischen
Vaters hinnehmen, um dann in kindlicher, dankbarer Gegenliebe Gott
zu dienen u. zu leben in aufrichtiger Gottesfurcht u. in rechtschaffener
Nächstenliebe. — Nirgends haben spätere jüdische Gelehrte ähnliche
Tendenzen verfolgt; nirgends verraten ihre Aussprüche die Absicht,
dem Volk einen neuen Weg zu einer neuen Gerechtigkeit zu zeigen;
nirgends M^agen sie die Gesetzesgerechtigkeit anzutasten oder die darauf
aufgebaute Verdienstlehre in Zweifel zu ziehen. Es fehlt ihren Aus-
sprüchen die prinzipielle Art; so gut sie gemeint sein mögen, es
gebricht ihnen die innere Kraft, sich dem herrschenden Nomismus
gegenüber durchzusetzen: unvermittelt gehen sie neben diesem einher,
als ob es ihre Aufgabe wäre, dem nomistischen Lehrgebäude des
Pharisäismus als ethischer Aufputz zu dienen. Dieser Aufputz hätte
' Vgl. Sanh 89": R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Einunddasselbe Wort kann
(seinem Inhalt nach) in sehr vielen Propheten aufsteigen; aber nicht können zwei
Propheten mit denselben Worten (dem Ausdruck nach) weissagen. Obadja hat gesagt:
„Der Hochmut deines Herzens hat dich berückt" Vers 3; Jeremia hat gesagt: „Schauder
über dich! Berückt hat dich der Hochmut deines Herzens" Jer49, 16. — Also den
gleichen Gedanken kann der Eine Geist in vielen Menschen wachrufen, aber die sprach-
liche Einkleidung des Gedankens ist Sache des einzelnen Menschen; daher die Mannig-
faltigkeit der Form u. des Ausdrucks.
* Vgl. den Exkurs: Vorbemerkungen zur Bergpredigt.
474 Nachwort zur Bergpredigt. Mattli 8, 1 — 4
fehlen können: die nomistische Soteriologie der alten Synagoge hätte
dadurch keine Einbuße erlitten, auch keine Änderung erfahren. Neue
Flicken, sagt Jesus, auf altem Gewand: das Gleichnis trifft auch hier zu.
Von Jesus aber heifst es Mt 7, 9: „Er lehrte wie einer, der Vollmacht
hat. u. nicht wie ihre Schriftgelehrten " — er pflügte eben ein Neues.
Wenn Justus Tal diese Tendenz berücksichtigt hätte, die Jesu Aus-
sprüche von den parallelen Aussprüchen der Späteren unterscheidet,
dann würde er wohl nicht geschrieben haben, was auf S. 114 seiner
genannten Schrift zu lesen ist: Was die Sittlichkeitsgedanken betreffe,
die Lehren betreffs des Verhältnisses Gottes zum Menschen u. des
Menschen zu Gott u. der Menschen untereinander, so bringe das Christen-
tum dem Juden darüber nichts Neues: nein, davon finde dieser größere
u. reichere Schätze in seinen alten jüdischen Quellen, in Talmud u.
Midrasch u. was sonst seine jüdische Literatur ist. — Die Sache verhält
sich doch wesentlich anders. So umfassend der Gegensatz ist „Ge-
rechtigkeit aus eigenem Verdienst" u. „Gerechtigkeit aus Gnaden", so
umfassend ist das Neue, das Jesus seinem Volk gerade über das Ver-
hältnis zwischen Gott u. Mensch zu sagen hatte. Aber darin stimmen
wir Justus Tal bei, daß große u. reiche Schätze in der rabbin. Literatur
zu finden sind- Diese zeigt in unübertrefflicher Deutlichkeit, daß das
Judentum die Religion der Selbsterlösung ist. u. bringt es dem
christlichen Leser in unwiderstehlicher Weise zum Bewußtsein, daß das
Neue, das das Christentum der Welt zu bringen hat. nicht beschlossen
liegt in einer gewissen Summe ethischer Wahrheiten u. Lehren, sondern
allein in Jesu, in seiner Person u. seinem W^erk.
8, 1: Es folgten ihm viele Haufen.
ox^og, Haufen, Menge, ist zu einem oft vorkommenden Lehnwort ge-
worden in der aram. Form ss-b^lx, meist im Plural -^r">?-x gebraucht.
TBerakh 7,2 (14) = pB^rakh J>, 13^8: Wer (Volks-)Haufen --clsr-is sieht, spricht
(den Lobspruch j: Gepriesen sei. der die Geheimnisse kennt; denn (daß?) ihre An-
gesichter gleichen nicht einander u. ihre Sinnesarten gleichen nicht einander.
8,2: Und siehe, ein Aussätziger.
Xsnoög = "^".i^, •■^ni:: n^a-^; Belege s. im Exkurs: „Aussatz u. Aussätzige".
8, 3: Er berührte ihn, )]\paTo avrov. — Eine Berührung des Aus-
sätzigen machte unrein, s. Exkurs: „Aussatz*" usw. Nr. 2, h u. c.
8,4: Geh hin, zeige dich dem Priester u. bringe die Gabe
dar, die Mose angeordnet hat, zu einem Zeugnis für sie.
Über das Reinigungsverfahren nach Heilung des Aussatzes s. den
Exkurs: „Aussatz u. Aussätzige" Nr. 3. — Zur Wendung: vnays aeainov
dsi'iov s. pSanh 10, 28'', 28: Gott sprach zu Elias: Dieser Chiel (s. 1 Kg
16, 34) ist ein großer Mann; geh hin. zeige dich ihm r-zx rrh ^an b^-^x.
elg f.iaqrvQiov avroTc. .
Matth 8, 4. ü. 6 (Nr. 1—3). 8, S. 1 1 475
Jubill,7f. : (Gott sprach zu Mose.) Du aber schreib dir all diese Worte auf, die
ich dir heute kundtue; denn ich kenne ihi'e Widerspenstigkeit u. Halsstarrigkeit, ehe
ich sie in das Land bringe, das ich ihren Vätern zugeschworen habe. . . . Und sie werden
sich abwenden zu fremden Göttern, die sie nicht retten können aus all ihrer Not; u.
dies Zeugnis wird gehört werden zum Zeugnis für sie. (Die Strafreden des Gesetzes
sollen den Späteren zum Zeugnis dienen, daß Gott der Lenker der Geschichte Israels
ist.) I Das. 4, 19: Was gewesen ist u. was sein wird, sah Henoch in einem Traum-
gesicht, wie es geschehen wird mit den Menschenkindern nach ihren Generationen
bis zum Tage des Gerichts; alles sah er u. erkannte er u. schrieb sein Zeugnis u.
legte es zum Zeugnis auf die Erde nieder für alle Menschenkinder u. für ihre Nach-
kommen (damit diese daraus erkennen, daß H.s Traumgesicht Wahrheit ist). Das. 10, 17 :
Das Werk Henochs war geschaffen zum Zeugnis für die Geschlechter der Menschen,
auf daß er den Geschlechtern der Geschlechter alles Tun sagte bis zum Tage des
Gerichts. !| Apoc Bar 84, 7: Es soll aber dieser Brief (den ich euch schreibe) zwischen
mir (Baruch) u. euch (den 9V/2 Stämmen) zum Zeugnis sein (daß ich euch ermahnt
habe), daß ihr eingedenk sein sollt der Gebote des Allmächtigen, u. damit es auch für
mich zur Entschuldigung (Rechtfertigung) diene dem gegenüber, der mich gesandt
hat. — So soll der geheilte Aussätzige den Priestern in Jerusalem zum Zeugnis dienen,
daß der erschienen ist, der die Aussätzigen rein macht.
8,5: Ein Hauptmann trat an ihn heran, ihn bittend.
jcaquxaXJn' ccviöv ihn anrufend = ihn bittend.
BB116": R. Pin'chas b. Chama (um 360) hat öffentlich vorgetragen: Wer einen
Kranken in seinem Hause hat, der gehe zu einem Gelehrten, daß dieser für ihn um
Erbarmen flehe, s. Spr 16, 14: „Des Königs Zorn ist Todesboten; aber der weise Mann
besänftigt ihn" („König" auf Gott gedeutet). — Als besonders wirksamer Beter für
Kranke galt R. Ghanina b. Dosa, um 70; auch Fernwirkungen erzielte sein Gebet, s.
B''rakh34'^ bei Job 4, 47 ff.
8,6: Mein Knecht liegt im Hause gelähmt darnieder.
1. 0 nalg fiov, ^inr oder ir^r -j? (s. bei 8, 12 %).
2. ßeßXrjtai er liegt darnieder = b-j^i^ oder -j-^^ ^^2^.
Aboth RN41: R. Schim?on b. Jochai (um 150) besuchte einmal die Kranken; da
fand er einen, der geschwollen war u. an einem Unterleibsleiden darniederlag ■su^'s
'^•'^y-c "'Vina. I! BB 9, 6 : Wenn ein krank Darniederliegender y^^ a-'Siü seine sämtlichen
Güter andren verschrieben u. etwas Grund u. Boden, wie wenig es auch sei, zurück-
behalten hat (für sich selbst), so ist seine Schenkung gültig. || TK*^th 4, 15 (265): Wenn
ein Kranker auf dem Bett lag nts-tta hxi'.i: nht- n-n. . . .
3. TiaQccXvtixog gichtisch gelähmt, wohl nicht wesentlich verschieden
von dem im Rabbinischen einigemal vorkommenden o"i-i;r!'2 oder ovji-i:-iic
= TcoöayQog ^= an den Füßen gelähmt, gichtleidend.
LvR5(10S'i): Elend die Stadt, deren Arzt gichtleidend o^-irrir Loi-;-!i3 u. deren Ge-
burtshelfer (Chirurg?) einäugig u. deren Verteidiger Ankläger in Kriminalprozessen ist.
8,8: Ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach eingehest.
ovx €1111 ixavög = "«Nnr irx, ich bin nicht genug = ich bin nicht
wert. — Belege s. bei Lk 15, 21,
8,11: Sie werden mit Abraham, Isaak u. Jakob
im Himmelreich zu Tische liegen.
avuxh&ijaovTai; zu Tische liegen = noin (targumisch = -^rox). —
Über das Zukunftsmahl der Gerechten im bildlichen u. eigentlichen Sinn
476 -^atth 8, 12 (51)
s. Exkurs: „Sch*^ol, Gehinnom u. Gan <Eden" III, 4 Anm. o ff. ; das. Anm. //
auch über die Teilnahme der drei Erzväter am Mahl. — Zum Liegen
bei Tisch s. Exkurs: „Ein altjüdisches Gastmahl" Nr. 7, a bis e.
■S, 12 3t: Die Kinder des Reiches werden hinausgestoßen werden.
ol de vlol rrg ßaaiXeiag. — Wie vIoq u. texvov im NT, so drückt im
Rabbinischen -s oder -r das Verhältnis der Zugehörigkeit, der Ab-
hängigkeit, der Wesensgemeinschaft, des Verpflichtetseins u. älinl. aus.
sr^:"-": ".- sind die Bürger eines Reiches; -"< "3:. sp-^p_ -:?, sp-3 -:; sind die Ein-
wohner einer Stadt, eines Ortes. Targ. Qoh 5,8: Wenn die Bürger des Reiches sich
empören. II M''g o, 1: Die Bewohner einer Stadt i->'n -;=, die einen freien Platz der
Stadt verkauft haben, dürfen für sein Geld eine Synagoge kaufen. \\ pTa?an 3, 66 '^,7:
Pin^'chas b. Jair (um 200) sprach: Die Einwohner meiner Stadt ••r-p -33 sind mir am
nächsten. Es kamen die Einwohner seiner Stadt ^^r^-p ':3 herab u. umringten ihn. !|
BB 22=*: Einmal brachten die Korbmacher Körbe nach Babel; da kamen die Bewohner
des Ortes sri -:2 u. verwehrten es ihnen (sie wollten die auswärtige Konkurrenz nicht
dulden). 1| Qid 2, -3: (Wenn einer sagt: „Sei mir verlobt) unter der Bedingung, daß ich
Bewohner einer Kleinstadt ^"j -a bin", u. dann wird er erfunden als Bewohner einer
Großstadt "";=■■; = ; rdaß ic^^ Bewohner einer Großstadt bin", u. dann wird er erfunden
als Bewohner einer Kleinstadt, ... so ist sie ihm nicht verlobt (die Verlobung ist un-
gültig), il Chagl3'': Raba (t B52) hat gesagt: Alles, was Ezechiel gesehen hat, hat
Jesaja gesehen. Wem gleicht Ezechiel? Einem Dorfbewohner ^^2-;^, der den
König sah. Und wem gleicht Jesaja? Dem Großstädter --^s p, der den König sah.
(Der Dörfler sieht den König selten, deshalb sind seine Beschreibungen breit u. aus-
führlich, s. Ez 1 u. 10; der Großstädter sieht den König oft, darum spricht er selten
u. kurz davon, s. Jes 6, 1 ff.) — || Ebenso bezeichnet si"^>'^ "3= die Bewohner des Westens
d. i. Palästinas u. -"■?- -::; oder s-:---; "ps die Bewohner des Ostens d. i. Babyloniens.
NiddaSl^J: ss-^ys ■::, die, nachdem sie ihre T^phillin abgelegt haben, den Lobspruch
sprechen: „Der uns durch seine Gebote geheiligt u. uns befohlen hat, seine Satzungen
zu beobachten. . . ." ii GnR74(47b): R. Schim?on b. Gamliel (um 140) hat gesagt:
Wegen dreier Dinge liebe ich die r.-n-r, -.z, daß sie nicht abbeißen u. essen, sondern
schneiden u. essen, u. zwar das Fleisch nur auf dem Tische schneiden (nicht, in der
Hand); ferner daß sie nur auf die Hand küssen, u. daß sie einen Rat nur auf einem
freien Platz abhalten. — pSchab 12, 13^28: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt:
Jene xrir-rs -ra waren sehr klug: wenn einer von ihnen einem andren etwas Geheimnis-
volles mitteilen wollte, schrieb er es mit dem Saft von Galläpfeln auf, u. der das
Schreiben empfing, goß Tinte darüber, in der kein Gallapfelsaft war, u. die zog an der
Stelle, wo die Schrift war, ein (so daß diese sichtbar wurde). Dasselbe pGittin
2, 44^>, 15. II --czi 'zz sind die Bewohner des Festlandes pN<^d 'i, öS'"*, öl. !| -"^i; -:s die
im Exil Lebenden. ?AZ 30*>: (Beim Kressetrank) haben die Söhne des Exils das Ver-
bot eingeführt (daß er nicht offen stehen darf). Dann folgt dieselbe Bemerkung über
ein Getränk aus Sauermilch, jj =V^"~ "r-r «Kinder der Welt", wenn man alle Menschen
oder alle, die in der Welt leben, bezeichnen will. Midr Spr 13 §25(87-''): R. Levi
(um 300) hat gesagt: Komm u. sieh, wie groß das Gute ist, das Gott für die Ge-
rechten in der Zukunft aufbewahrt (verborgen) hat, wie es heißt: „Wie groß ist dein
Gutes, das du aufbewahrt hast für die, welche dich fürchten, bereitest denen, die auf
dich vertrauen vor den Menschenkindern" Ps 31, 20; „unter vier Augen" heißt es hier
nicht, sondern „vor den Menschenkindern", vor allen Kindern der Welt n'riyn -:3 d. h.
vor allen, die in der Welt sind. (An „Weltkinder" ist bei aiiyn -33 nicht zu denken.) jj
.Stärker tritt das Verhältnis der Zugehörigkeit oder Abhängigkeit in folgenden Ver-
bindungen hervor, r^a -ja, „Sohn des Hauses", bezeichnet jeden, der zu einem Hause
gehört, den Hausgenossen, speziell den Haussklaven, s. schon Gn 15, 3. pSanh 10, 28"^, 10:
Matth 8, 12 (31) 477
Du bist wie ein Hausgenosse r-z ■;:, tiitt ein! — LvR 12 (113 '^'): R. Levi (um 30Ö) bat
gesagt: Gleich einem König, der einen zuverlässigen Haussklaven r-: p hatte, j] -:3
7-jVi, ,8öhne des Palastes", heißen alle, die zum Palastgefolge des Königs gehören.
SNu 12, 1 § 99 (27-'): Barukh ben Nerijja war durch seine Taten ausgezeichnet vor allen
Palastbewohnern ycht ':= des Königs; vgl. MQ 16^. — ExR 23 (85^): Es gingen die
Palastbewohner -"j^Er; -:3 u. wollten dem König ein Loblied anstimmen. |{ rcjsrr '3;:,
die Angehörigen eines Synagogenverbandes. ß''kh 5, 5: Ein Erstlingstier, dessen Auge
blind geworden, dessen Vorderfuß abgehauen, dessen Hinterfuß gebrochen ist, das
darf auf die Aussage von drei Synagogenmitgliedern geschlachtet werden. || n^:=r: 'p:
TP'^s 7, 15 (167): Wenn einer von den Mitgliedern einer (Passah-)Genossenschaft un-
rein geworden ist; u. es ist nicht sicher bekannt, wer es ist. .so müssen sie das zweite
Passah halten (4 Wochen später). Ferner s. das. 7, 16. 17. |I Der Handwerksgenosse
heißt r^:B:is-";3 GnR 32 (19b): Der Gelehrte liebt seinen Tätigkeitsgenossen. 11 "3i
r-.z'ünsr^, „Söhne des Zu-Tische-Liegens" die Mitglieder einer Tafelrunde, SDt 11, 16,
§43 (81b). I nsn- -3:1 , Söhne des Traubaldachins", die zur Hochzeit Geladenen TB*^rakh
2, 10 (4). II "^.is "13? die Hörer von Lehrvorträgen. K'^th 62»; Wer ist K'^'tli 5. 6 mit den
Müßiggängern" ("""'r-i Arbeitsfreie, Berufslose) gemeint? Raba (f 352) hat gesagt: Die
Besucher der Lehrvorträge (die ihren Lehrer an ihrem Wohnort haben u. keinen aus-
wärtigen Lehrer aufzusuchen brauchen). || „Sohn der Tora" r!-;in-;a derjenige, der sich
dem Torastudium widmete u. so ein Gelehrter wurde. Dementsprechend: ""'■.s ^3 der
Gesetzeskundige; lE'.^s "i? der Kenner des Gesetzes, d. i. der Halakha, n-;s ^: der
Haggadakundige. P^siq44b: R. Levi (um 300) hat ge.sagt: Saul war ein n-np p. || Tanch
r'BN-ia 2": Wenn du die 'n-l^r 133 behütest, so werdet ihr (von Gott) behütet. . . .
„Ich will ehren, die mich ehren' (lSm2, 30), das meint den, der die Söhne der Tora
ehrt, und in einer Bar heißt es: „Jahve (^"^ts), deinen Gott, sollst du fürchten"
Dt 10,20; PS vor Jahve will T^.-^-^r -33 (als ebenfalls zu Fürchtende) miteinschließen
(s. Einl. 101 Nr. 1). — GnR 82 (52«=): Zwei von den Schülern des R. .Phoschua? (um 90)
änderten zur Zeit der (hadrianischen) Religionsverfolgung ihre Hülle (Überwurf, um
sich als Gelehrte unkenntlich zu machen). Es begegnete ihnen ein militärischer Befehls-
haber, der zu ihnen sagte: Wenn ihr Söhne der Tora seid, so gebet euch um ihret-
willen hin; wenn ihr aber das nicht seid, warum laßt ihr euch um ihretwillen töten? —
GittSlb: Rab Huna (f 297) u. Rab Ghisda (f 309) saßen (beieinander); es ging G'niba
(um 260) an ihnen vorüber; sie sprachen zueinander: Wir wollen vor ihm aufstehen,
denn er ist -"'iis ^3. Eine ähnliche Erzählung Schab 31b. — GnR 81 (52=') sagen die
Einwohner von Simonja in bezug auf R. Levi b. Sisi (um 200): Vielleicht ist er kein
Ie'^ix "^3, wohl aber ein mjs 13. — Anders in den Parallelberichten pJ^'b 12, 13". 12 u.
bJ^b 105^ II r-'^z", ;, „Sohn des (Beschneidungs-)Bundes'', ein Israelit BQ 1,2.- B^akh 16b -.
Rabbi sprach nach dem Achtzehngebet: Es sei wohlgefällig vor dir, Jahve unser
Gott . . ., daß du uns bewahrest . . . vor einem harten (Gerichts-)Gegner, gleichviel ob
es ein n'13 p ist oder nicht. 1] „Söhne der Erhabenheit" n;'::y ^33 diejenigen, die im
Jenseits für die höchste Rangstufe bestimmt sind. | Sukka 45 b u. Sanh 97 b: R. Schimfon
b. Jochai (um 150) hat gesagt: Ich habe die Söhne der Erh. gesehen u. ihrer waren
wenige. 11 Wer sichere Anwartschaft auf die Teilnahme an der zukünftigen Welt hat,
heißt ein „Sohn der zuk. Welt" xsn a-j-yn-ia, aram. -rs-: a^~y ^z. Gegensatz nbn-';; -»js
(vgl. vlog yserrtjg Mt23.*15). — B^'rakh4b': R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer ist
ein N3n oV^'n p? Wer die die Erlösung betreffenden Worte (Schlußworte des Ge-
betes Emeth ve'muna nach dem abendlichen Sch'^^maf) eng verbindet mit dem abend-
lichen Achtzehn-Gebet. — Schab 153^: (Rab, f 247, hat gesagt:) Aus der Trauerrede
über einen Menschen wird erkannt, ob er ein S3n ch-iyr. -z ist oder nicht. — Ta?an22":
(R. B*roqa aus Be-Ghozae fragte den Propheten Elias auf dem Markte von -je5 r'3:)
Gibt es auf diesem Markte einen ^rx-; n'^hy -3? Vgl. noch den Exkurs: „Diese Welt"
usw. — RH 17=' sagt Raba (f 352) von den Bewohnern von Machuza, man sollte sie
„Söhne des Gehinnoms" nennen D3r!'; -33 i'-'ip's. — |i Hierher gehört auch der Aus-
druck b-J yz ,Sohn der Gleichzeitigkeit" ; so nannte man den, der mit einem andren
478 ^attlj 8, 12 (3t. »). 8, 13
in derselben Stunde geboren war. Eine andre Bezeichnung bierfür war „Söhne Eines
Planeten"' sV-'? -- ■::; BB 12*. Man nahm von diesen an, daß sie Schicksalsgenossen
seien. BM 27 b; Raba (f 352) sagte: Alle Welt nimmt an, daß (für die Rekognoszierung
eines Toten) Kennzeichen von der Tora gefordert werden; hierbei aber ist man verschie-
dener Meinung, ob ein Mal sich auch bei dem mit ihm gleichzeitig Geborenen i'5-; pa finde.
Der Kennzeichnung der Wesensart dienen folgende Wendungen, ryrr-js odernyr -j;
,Sohn des Wissens". pQid 1, 60'', 7: Der eine erwarb es für jemanden, der Verstand
hat ny-i pV, u. der andre erwarb es nicht für einen, der V. hat. BMS": Allerdings
der Taubstumme erwarb es, da es für ihn rv- p aufhob. Chag2'>: Wie ein Wahn-
sinniger u. ein Mindei'jähriger (der noch nicht 18 .Jahre alt ist) nicht Kinder der Ein-
sicht r.-j-, ".2 sind, so ist auch ein Taubstummer nicht ein Sohn der Einsicht rtyi -'Z. \\
, Söhne des Fleisches" s'^ijz 'ra heißen die Menschen, weil die Schwachheit des Fleisches
zu ihrer Art gehört. Targ Jerusch 1 zu Nu 23, 19: Auch gleichen Gottes Werke nicht
den Werken der s^o*2 'zz, die einen Entschluß fasseii u. wieder zurücktreten von dem,
was sie beschlossen. l| „Sohn der Raserei" ]v ^z Rasender. Targ 1 Sm 19,24 von Saul
(s. Levy, Chald. Wörterbuch 2,498 b). |! „Sohn der Stütze" sa^ap 13 ein Mann, auf den
man sich verlassen kann. Git 6b von R. Ebjathar; Qid 44^ von R. Abiu (I., um 32.5). j
-,-~? ''z ,Sohn der Geringheit" ist niedriger, verkommener Mensch Midr Qoh 11, 9 (52 b).
Das Moment des Verpflichtetseins macht sich geltend in Ausdrücken wie sa^^rr -':; =
„Sohn der Verpflichtung"; der für etwas verantwortlich ist BM 10 b. ]] 7:3^73 '-z, „Sohn
des Gebotes", der zur Beobachtung der Gebote verpflichtet ist. BM96'': Der Beauf-
tragte eines Menschen ist wie dieser selbst. Das bezieht sich auf einen Beauftragten,
der ein -tiiia ^3 ist; aber nicht auf einen Sklaven, der nicht ein „Sohn der Gebote"
ist. 11 -;"'-"|3, „Sohn der Tötung", der den Tod verdient hat. B'^rakh62l>: R. El?azar
(um 270) hat gesagt: David sprach zu Saul: Nach der Tora bist du ein -;"in p; denn
du bist ein Verfolger (vgl. n^ p 1 Sm 20,31). — >*V-t"- "'S ^^^ ^^"^ Tode verfallen 'ist;
MakS'* von einem zum Tode Verurteilten (2mal). || s^^na 13, „Sohn der Beschneidung",
der beschnitten werden darf, J*'b 71''. !| Speisen, die gegessen zu werden pflegen, heißen
„Kinder des Essens" ~'"r^. '?ß- Chullinl27b: Kohl u. Kürbis, wenn sie vertrocknet
sind, sind nicht „Kinder des Essens". H Der zu Schadenersatz Verpflichtete ist i*»?:!'!:'.^'?; -3
„Sohn des Ersatzes" Mak 5-' (2nial). |1 Eine Darbringung, die geeignet ist. Sühnung zu
beschaffen, heißt nsu-^r; -.3 = „Sohn der Wohlgefälligkeit" RH 5b. Erstgeburten von
Tieren u. der 2. Zehnt werden „Söhne des Bringens" riS3- -:^ T^mura 121* genannt,
weil sie nach Jerusalem hinaufzuschaff'en waren, um dort verzehrt zu werden; den
Namen '^li'TT "»^ T'^mura 121 '^ „Sohn der Schwenkung" führte dasjenige Opferblut, das
an den Altar geschwenkt werden mußte.
Kinder des Reiches vlol rijg ßaoiXtiuq heißen hiernach die Israeliten,
weil sie dem Reiche Gottes angehören oder für es bestimmt sind. — Zur
Weglassung von tmv ovqaviöv hinter ßaaiXeiag s. bei Mt 6, 33 S. 440 y.
exßh^d^r'jaorTcci {ß'^elevaovrai). — Zum Übergang des Reiches Gottes
von Israel auf die Heiden vgl. die Stellen bei Rom 11, 11,
8, 12JB: In die äußerste Finsternis; dort wird Heulen
u. Zähneknirschen sein.
Zur Finsternis s. Exkurs: Sch^'ol usw. 11, 8, a bis e; zum Heulen der
Verlorenen s. Henoch 108, 3 ff. das. Anm. (/; pSanh 10, 29'', 57 das. II, 5
gegen Ende; zum Zähneknirschen Midr Qoh 1,15 (11^) das. II, 3, d.
8, 13: Wie du geglaubt hast, geschehe dir.
MC, sniCTsvaag ysvrii)^i]TU) aoi. — Vgl. NuR 16 (181'=) mrs;i; 1^= "b xn-i
= es geschehe dir, wie du gesagt hast.
Matth 8, 15 (51) 479
8,15 31: Es verließ sie das Fieber.
o TvvQstog. — Hebräische, bezw. aramäische Bezeichnungen des Fiebers
sind: rn-jr (Lv26. 16: Dt 28, 22), ^nr^, ri^|- (Dt 28, 22), sr^^r^, r.r.r,
r-an, -n-n (Dt 28, 22), n—rrri, -CwN, xr^-x, sr-^-^x, xn^-^::, •■■-'^-la:!, r-i-ra-^:;,
.Ioma21'^ Bar: Sechs Feuer rvi-s gibt es: solches, welches ißt u. nicht trinkt;
solches, welches trinkt u. nicht ißt; solches, welches ißt u. trinkt; solches, welches
Feuchtes wie Trockenes ißt; solches, welches Feuer verdrängt, u. solches, welches
Feuer ißt. Feuer, welches ißt u. nicht trinkt, das ist unser (gewöhnliches) Feuer;
welches trinkt u. nicht ißt, das ist das der Kranken (die Fieberhitze); welches ißt u.
trinkt, das ist das des Elias, s. 1 Kg 18, -38; welches Feuchtes wie Trockenes ißt, das ist
das des Altarholzes; welches Feuer verdrängt, das ist das Feuer Gabriels (der den
Feuerofen Dan o abkühlte), u. welches Feuer ißt, das ist das Feuer der Sch^'khina;
denn ein Autor (Rab, t 247; s. Sanh 38b) hat gesagt: Gott streckte seinen Finger unter
sie (die Engel, die sich der Erschaffung des Menschen widersetzten) u. verbrannte sie
(obwohl die Engel Feuer sind). || N''d41'*: R. Chijja b. Abba ' (um 280) hat gesagt,
R. Alexandra! (um 270) habe gesagt: Größer ist das Wunder, das einem (genesenden)
Kranken geschieht, als das Wunder, das dem Chananja, Mischael u. ? Azarja (Dan 3)
geschah; denn das Feuer dieser war ein gewöhnliches Feuer, das alle löschen können,
aber das eines Kranken ist vom Himmel {= Gott), u. wer kann es löschen? . .-. —
Sch'^muel (f 254) hat gesagt: Man besucht nur denjenigen Kranken, den das Fieber
verlassen hat -■o- irs-:r;,o. AVelche Kranken sollen damit ausgeschlossen sein? Die,
von denen die Bar handelt: R. .Tose b. Parta hat im Namen des R. Ekazar (b. Scham-
mua??, um 150) gesagt: Man besucht diejenigen Kranken nicht, die am Unterleib, an
den Augen u. an Kopfschmerzen leiden. Den Unterleibskrankeu will man keine Be-
schämung bereiten (falls sie plötzlich ihre Notdurft verrichten müßten); aber welcher
Grund liegt bei denen vor, die an den Augen u. an Kopfschmerzen leiden? Rab J'^huda
(t 299) hat gesagt: Das Reden ist schlimm für die Augen, aber heilsam beim Fieber
sr'.üN. Raba ^t 352) hat gesagt: Das Fieber sp:a-s, wenn es nicht der Bote des Todes-
engels ist, ist heilsam, wie die Dornen für die Dattelpalmen (deren Abfressen durch
das Wild sie verhindern), einmal in dreißig Tagen, u. gleichwie Theriak für den Körper
(•>;;^'7ri = OtjQiaxtj, ein aus wilden, besonders aus giftigen Tieren bereitetes Heilmittel,
Levy 4,670). |1 .Joma 29'': Das Fieber sr-j-s im Winter ist schlimmer als im Sommer; als
Zeichen diene dir ein kalter Ofen (wie dieser mehr Feuerungsmaterial erfordert als ein
angeheizter Ofen, so verzehrt das Fieber im Winter mehr des Menschen Kraft als im
Sommer). || pSchab 1,4'', 28: In Babylonien sagt man: Warmes Brot hat das Fieber
rri2- an seiner Seite (d. h. zur Folge). || Git 67 t): Abaje (f 338/39) hat gesagt: Die
Mutter hat zu mir gesagt: Gegen das tägliche Fieber ax-o^::: ein Krug Wasser: gegen
das alle zwei Tage wiederkehrende Schröpf köpfe; gegen das alle drei Tage wieder-
kehrende mageres, auf Kohlen gebratenes Fleisch u. verdünnter- Wein. Gegen ver-
altetes Fieber nehme man eine schwarze Henne, zerreiße sie kreuz u. quer, schere die
Mitte des Kopfes (des Fieberkranken) glatt ab u. lege sie darauf; man lasse sie darauf
liegen, bis sie angeklebt ist; dann gehe er hinab u. stelle sich bis an seinen Hals ins
Wasser, bis er sich schwach fühlt; darauf tauche er unter u. steige heraus u. erhole
sich. Gegen kaltes Fieber fettes Fleisch auf Kohlen gebraten u. roher (unzubereiteter)
Wein N-'-n tt-'cr..- \\ Schab 66b: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Die Mutter hat zu mir
gesagt: Gegen das tägliche Fieber ntibk nehme man einen weißen (blanken) Znz u.
* So sind die Namen zu stellen (R. Alexandra! ist der Autor, nicht der Tradent);
vgl. Bacher, pAmor 1,195.
* SV) wird sp-'is v^'tor. (spr?: '-:?) wegen des Gegensatzes s-^n s'^i- zu deuten sein
(gegen Levy 'S, 260).
480 ^^lattli 8, 15 («I. SB). S, KJ
gehe an eine Salzgewinnungsstätte (am Meeresufer) u. wiege nach seinem (des Zuz)
Gewicht Salz ab u. binde es mit einer Haarschnur an den Halsausschnitt des Hemdes.
Oder man setze sich an einen Scheideweg, u. wenn man eine große Ameise erblickt,
die etwas trägt, so nehme man sie u. setze sie in ein kupfernes Röhrchen, das man
mit Blei verschließt u. mit 60 Siegeln versiegelt; dann schüttle man die Ameise (in
dem Röhrchen) hin u. her, trage sie u. sage zu ihr: Deine Last auf mir u. meine Last
auf dir! — Es sagte Rab Acha b. Huna zu Rab Aschi (f 427): Da könnte sie aber einer
antreffen, der mit ihr die gleiche Vereinbarung trifft (dann würde er die von dem
Früheren auf sie gelegte Krankheitslast auf sich nehmen); vielmehr sage also zu der
Ameise: Meine Last u. deine Last auf dir! — Oder man gehe mit einem neuen Krug
an einen Fluß u. sage: Fluß, Fluß, leihe mir einen Krug Wasser für den Gast, der
bei mir eintrifft. Dann schwenke er den Krug siebenmal um seinen Kopf, gieße ihn
hinter sich aus u. sage: Fluß, nimm das Wasser, das du gegeben hast; denn der Gast,
der bei mir eintraf, ist an demselben Tage gekommen u. gegangen. (Mit dem Gast
ist das Fieber gemeint). Rab Huna (f 297) hat gesagt: Gegen das dreitägige Fieber
srx's nehme man 7 Dornen von 7 Dattelpalmen, 7 Spänchen von 7 Balken, 7 Nägel
von 7 Bohlen, 7 Aschenteile von 7 Ofen. 7 Staubteile von 7 Gräbern (1. •'^s-c statt ""»s-o),
7 Pechteilchen von 7 Kähnen, 7 Kümmelkörner u. 7 Haare aus dem Barte eines alten
Hundes. Das alles binde man mit einer Haarschnur an den Haisauschnitt des Hemdes. -^
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gegen das hitzige Fieber sr—7::s sr»^s nehme man
ein Messer, das ganz u. gar aus Eisen ist; dann gehe man zu einem Dornbusch u.
knüpfe an ihn eine Haarschnur an. Am ersten Tage mache man einige Einschnitte
in den Dornbusch u. sage: „Da erschien ihm der Engel Jahves in einer Feuerflamme
aus einem Dornbusch heraus" Ex 3,2. Am nächsten Tage mache man wiederum einige
Einschnitte u. sage: ,Da sprach Mose: Ich will hinzutreten u. diese große Erscheinung
betrachten, warum der Dornbusch nicht verbrennt" Ex 3, ?>. Am folgenden Tage mache
man wiederum einige Einschnitte u. sage: ,Jahve sah, daß er hinzutrat, um es zu be-
trachten" usw. Ex 8, 4. (Der Midr scheint das Wort "'O vom Weichen der Krankheit
zu verstehen). Rab Acha b. Aschi hat gesagt: Man sage Ex 3, 5: „Er sprach: Nahe
nicht hierher!" (Raschi: Damit diese Krankheit ihn nicht treffe.) Vielmehr sage man
am ersten Tage Ex 3, 2 u. 3, am nächsten Tage Vers 3 u. 4, am folgenden Tage Vers 5.
Wenn man geendet hat, so schneide man den Dornbusch unten (über der Erde) ab u.
sage: Dornbusch, Dornbusch, nicht weil du höher bist als alle übrigen Bäume ließ
Gott die Sch'^khina auf dir ruhen, sondern weil du niedriger bist, u. wie das Feuer den
Chananja, Mischael u. ;Azarja erblickte u. vor ihm floh: so erblicke das Feuer (^die
Fieberhitze) den u. den, Sohn des u. des, u. fliehe vor ihm!
ä(prjxev avTr<r 6 nvQscöc = rrcn nr:jbr N'^d 4P, s. oben S. 479«, ferner
in der Bar B«^rakh 34*^ bei Job 4, 47 ff.
8, 15 23: Und sie stand auf u. dienete ibm.
öir^xörsi avr(7). — Das Dienen der Frau bei Tisch war verpönt.
Qid 70": (Rab Nachman, f 320, sprach zu Rab J^huda, f 299:) Es soll Dunag
(Dinag, Tochter des Rab Nachman) kommen, um uns zu trinken zu geben! Er (Rab
J'huda) erwiderte: So hat Sch'muel (f 2-54) gesagt: Man läßt sich nicht von einer
Frau bedienen risjsa ^^vmrvyz i-s (um sie nicht an den Aufenthalt unter Männern
zu gewöhnen)! Sie ist noch klein (sprach Rab N.j. Ausdrücklich (erwiderte Rab J.)
hat Sch'^muel erklärt: Man läßt sich überhaupt von keiner Frau bedienen, sie mag
erwachsen oder klein sein.
8,16: Sie brachten viele Besessene zu ihm u. er trieb
die Geister durch das Wort aus.
über die Dämonen s. den Exkurs: „Zur altjüd. Dämonologie".
Matth 8, 17 (Jes 58) 481
8,17: Er nahm unsre Schwachheiten u. trug die Krankheiten
(Jes 53, 4).
Jes 53 in der älteren jüdischen Literatur.^
Ob die LXX Jes 53 vom Messias verstanden haben, geht aus ihrer
Übersetzung nicht mit Bestimmtheit hervor. — Die messian. Deutung
wird zuerst von den Bilderreden des Buches Henoch vertreten: der
Messiasname „der Gerechte" Hen38, 2; 47,1,4; 53,6 ist Jes 53, II
entnommen, u. das Verhalten der Könige der Erde gegenüber dem
Messias Hen46, 4; 62, 5 f. wird nach Jes 52, 13 ff. geschildert. — In der
(erhaltenen) rabbin. Literatur tritt die Auslegung von Jes 53 auf den
Messias erst seit dem 3. nachchristl. Jahrh. hervor; ihr bedeutendster
Repräsentant ist hier der Prophetentargum. Neben der messian. Aus-
legung geht die Deutung auf die Gerechten einher. — Verhältnismäßig
spät macht sich eine dritte Auffassung geltend, die unter dem „Knecht
Jahves" in Jes 53 das Volk Israel versteht. Diese jetzt im Judentum
herrschende Auslegung hat zwar bereits in der Zeit des Origenes Ver-
treter gehabt (Contra Celsum 1, 55), läßt sich aber für uns quellenmäßig
erst seit Raschi, f II05, belegen; in der Midraschliteratur begegnet sie
kurz in NuR, einem Werk, das schwerlich älter als das 12, Jahrh. ist;
s. Einl. S. 207 f. u. Zunz, Gottesdienstliche Vorträge 2 S. 273.
A. Deutung auf den Messias.
Sanh 98b: Wie ist sein ides Messias) Name? Die Rabbinen sagen: „Der Aus-
sätzige vom Hause Rabbis" ist sein Name; denn es heißt Jes 58,4: ^Fürwahr unsre
Krankheit nahm er auf sich u. unsre Schmerzen trug er; wir aber hielten ihn für
einen mit Aussatz Behafteten (so deutet der Midr yi"-), von Gott Geschlagenen u.
Gepeinigten." — Hierzu vergl. BM 85^ u. GnR :^8 {2U''): Rabbi hat gesagt: Be-
liebt sind die Züchtigungen! Er nahm sie 18 Jahre lang auf sich, 6 Jahre Blasen-
stein u. 7 Jahre Scharbock. - Hierzu bemerkt R. Jose b. Bun (um 350): Alle jene
13 Jahre hindurch ist keine Wöchnerin im Lande Israel gestorben u. keine Schwangere
hat im Lande Israel eine Fehlgeburt gehabt, pKil }>, 32b, 28; pK^th 12, :^8", 81 ; ähnlich
GnR 8:'> (2ob|; anonym GnR 96 (60''). — Wegen der Verdienstlichkeit seines Leidens galt
Ral)bi als ein Typus des Messias u. dieser erhielt nun nach Jesö!, 4 den Namen „Aus-
sätziger aus dem Hause Rabbis"; vorausgesetzt war dabei, daß der Messias aus der
Familie des Patriarchen J huda I. hervorgehen werde. — Noch eine Anspielung auf
die Aussatzplage des Messias liegt Sanh 98*^ vor: R. J'^hoschua? b. Levi (um 250) traf
den Propheten Elias u. sprach zu ihm: Wann kommt der Messias? Dieser antwortete:
„Geh, frage ihn selbst!" — Wo sitzt er? — „Am Tore Roms." — Welches ist sein
Kennzeichen? — „Er sitzt unter den Elenden, die mit Krankheiten beladen sind,^ u.
sie binden alle ihre Wunden auf Einmal auf u. zu; er aber (der Messias) bindet immer
je eine auf u. zu (an seinem eigenen Leibe); er sagt: Vielleicht werde ich verlangt
(von Gott, l-srael zu erlösen), damit ich nicht aufgehalten werde (durch Aufgebunden-
sein aller Wunden). il Midr Ruth 2. 14 ( 132 a. b) g. oben S. 21 y. || Midr Sm 19 § 1 (5! '^):
R. Huua (um 850) hat im Namen des R. Acha (um 820) gesagt: In drei Teile sind die
Leiden geteilt worden; ein Teil für die (früheren) Geschlechter u. die Väter, ein andrer
* Vgl. Dalman, Der leidende u. der sterbende Messias, 188!*, S. 27fiF.
^ Raschi: Die mit Aussatz geschlagen sind u. auch er ist aussätzig; denn es heißt
Jes 58, 5: Er ist durchbohrt wegen unsrer Sünden, u. ferner das. Vers 4: Unsre Krank-
heiten hat er auf sich genommen.
Strack u.Billerbeck, NTI. 31
482 Matth 8, 17 (Jes53)
für das Geschlecht der (hadrianischen) Verfolgung u. der dritte für den König, den
Messias; s. Jes53. 5: Er ist um unsrer Missetat willen verwundet. — Parallelstellen
mit Ab weichungen :MidrPs 2 §9 (14b) u. 16 §4(61»).]! P'^siqPt ;-i4 (158b): Darnach (nach
der Hungersnot, die dem Kommen des Messias voraufgeht) werden die Gerechten des
dann lebenden Geschlechts dastehn u. ihre Gebetsriemen abnehmen u. sie auf die Erde
legen u. sprechen: Herr der Welt, wir haben nicht recht gehandelt alle diese Jahre (in
der Jahrwoche vor dem Erscheinen des Messias), „wie Schafe gingen wir irre!" (Jes 53, 6).
TargJes52, 13 — 53,12: ^^Siehe, es wird meinem Knecht, dem Messias, gelingen:
er wird erhaben sein u. groß u. mächtig werden gar sehr. — '''Wie das Haus Israel
viele Tage hindurch auf ihn gehofft hat, als inmitten der Völker ihr Aussehen u. ihr
Glanz dürftig war vor den Menschenkindern, so wird er viele Völker zerstreuen; seinet-
wegen werden Könige schweigen u. ihre Hände auf ihren Mund legen; denn was ihnen
nicht erzählt ward, haben sie gesehen, u. was sie nicht gehört, haben sie geschaut. —
Kap. 53: 'Wer glaubt dieser unsrer Botschaft, u. der starke Arm der Kraft Jahves,.
über wem ward er nun offenbar? — "Es wird groß werden der Gerechte' (vermut-
lich — die Gerechten, d. h. das zur Zeit des Messias lebende Israel) vor ihm; siehe,
wie Blumen, die aufblühen, u. wie ein Baum, der seine Wurzeln ausstreckt an Wasser-
bächen, so wird groß werden das heilige Geschlecht (Israel) im Lande, das seiner (des
Messias) bedurfte. Nicht eine profane Erscheinung ist seine (des Messias) Erscheinung,
u. die Furcht vor ihm ist nicht eine gewöhnliche Furcht, sondern ein heiliger Glanz
wird sein Glanz sein; denn jeder, der ihn anschauen wird, wird (mit Ehrfurcht) auf
ihn blicken. ^Ob er zur Verachtung (den Völkern) wird, wird er doch die Herrlichkeit
aller Königreiche hinschwinden lassen, sie werden schwach sein u. trauern; wie ein
Mann der Schmerzen ist er u. bestimmt für Krankheiten, u. wie wenn das Angesicht
der Sch'^'khina (Gottheit) sich von uns gewendet — so verachtet sind wir u. nicht ge-
ehrt. * Darum wird er Fürbitte tun wegen unserer Schuld u. unsere Sünden werden
um seinetwillen vergeben werden, während wir geachtet sind, als wären wir zerstoßen,
geschlagen von Jahve u. niedergebeugt. ^Und er (der Messias) wird das Heiligtum
bauen, das entweiht ward durch unsre Schuld, preisgegeben durch unsre Sünden: aber
durch seine Lehre wird der Friede groß werden über uns, u. wenn wir auf seine Worte
hören, wird uns unsre Schuld vergeben werden. "Wir alle waren zerstreut wie Schafe,
ein jeder nach seinem Wege zogen wir aus (ins Exil); aber vor Jahve war es wohl-
gefällig, unser aller Schuld zu erlassen um seinetwillen (um des Messias willen). 'Er
bittet, u. er erhält Antwort; bevor er seinen Mund auf tut, wird er erhört. Die Mäch-
tigen der Völker wird er wie ein Lamm zur Schlachtung hingeben u. wie ein Schaf,
das vor seinem Scherer verstummt; u. niemand öffnet ihm gegenüber seinen Mund,
ein Wort zu sprechen. ^Aus Leiden u. aus Strafen wird er unsre Verbannten herbei-
bringen, u. die Wunder, die uns in seinen Tagen geschehen werden, wer kann sie er-
zählen! Denn er wird den Herrscher der Völker vernichten weg vom Lande Israel;
die Schuld, mit der mein Volk sich verschuldet hat, wird über jene (die Völker) kommen,
^ünd er wird die Gottlosen dem Gehinnom überliefern u. die an Gütern Reichen, die
Gewalttat verübt, dem Tod der Vernichtung, damit die, die Sünde tun, keinen Bestand
haben u. die Arglistigen mit ihrem Munde nicht reden. '"Und vor Jahve war es wohl-
gefällig, den Rest seines Volkes zu läutern u. zu reinigen, um ihre Seelen von Schuld
zu reinigen; sie werden das Königtum ihres Messias sehen, sie werden viele Söhne u.
Töchter haben, sie werden lange leben, u. die, welche die Tora Jahves halten, werden
durch sein Wohlgefallen Glück haben. "Von der Knechtschaft der Völker wird er
ihre Seele befreien, sie werden die Strafe ihrer Feinde sehen, sich sättigen an der
Beute ihrer Könige; durch seine Weisheit wird er (der Messias) Gerechte rechtfertigen,
um viele der Tora dienstbar zu machen, u. wegen ihrer Sünden wird er Fürbitte tun.
'-Deshalb will ich ihm die Beute vieler Völker zuteilen, u. die Güter mächtiger Städte
wird er als Beute austeilen, darum, daß er seine Seele dem Tode preisgab (= aus-
' Über die Lesart „der Gerechte", bezw. „die Gerechten" s. Dalman 48.
Matth 8,17 (JesöS) 483
setzte) u. die Abtrünnigen (Widerspenstigen) der Tora unterwarf; u. für viele Schuldige
■wird er Fürbitte tun u. den Abtrünnigen (Widerspenstigen) wird um seinetwillen ver-
geben werden. —
Da wir werden annehmen dürfen, daß man Jes 53, wie es ja auch der Targum
getan, überall da messianisch gedeutet hat, wo man Jes 52, 13 — 15 auf den Messias
bezog, so mögen auch die letzteren Steilen hier folgen: TanchB r-i-'-rT i^ 20 (70''*): Es
heißt Sach4, 7: ,Wer bist du denn, du gror3er Berg vor Serubabel?" Was heißt das:
Wer bist du großer Berg? Damit ist der König, der Messias, gemeint, und warum
nennt er ihn „großer Berg"? Weil er großer sein wird als die Väter, s. Jes 52, 13:
Siehe, trefflich fahren wird mein Knecht, wird steigen u. sich erheben u. hoch sein
gar sehr. ,Er wird steigen", über Abraham hinaus, „u. sich erheben", über Mose,
,u. hoch sein", mehr als die Engel des Dienstes. — Parallelstellen: Tanch r'--:r35''-
Aggad B^resch 44 (32b). ;| Midr Ps 2 § 9 ( 14^): „Erzählen will ich von einer Festsetzung;
.Jahve hat gesagt zu mir: Mein Sohn bist du" Ps 2,7. — Das ist erzählt in einer Fest-
setzung der Tora, in einer F. der Propheten u. in einer F. der Hagiographen. In der
Tora: „Mein erstgeborner Sohn ist Israel" Ex 4, '22. In den Propheten: „Siehe, trefflicli
fahren wird mein Knecht" Jes 52, 13 u. hinterher (dies Wort wird zu tilgen sein) heißt
es Jes 42, 1: Siehe, mein Knecht, den ich aufrecht halte, mein Erkorener, an dem
meine Seele Lust hat. Und in den Hagiographen: „Spruch Jahves an meinen Herrn:
Setze dich zu meiner Rechten" Ps HO, i. Ferner Ps 2,7: „Jahve hat zu mir gesagt: Mein
Sohn bist du." Und an einer andren Stelle heißt es: „Siehe, mit den Wolken des Himmels
kam einer, wie eines Menschen Sohn" Dn 7, 13.
B. Deutung auf die Gerechten.
SNu25, 13 §131 (48b): „Dafür, daß er (Pin^'chas) für seinen Gott geeifert u. für
die Kinder Israel Sühnung geschafft hat" Nu 25, 13. „Dafür daß er zum Tode aus-
geschüttet hat seine Seele" Jes 53, 12. || Sota 14-': R-Simlai lum 250) hat öffentlich vor-
getragen: Warum hat unser Lehrer Mose Verlangen getragen, in das Land Israel zu
kommen? Hatte er es etwa nötig, von seiner Frucht zu essen? oder sich von seinem
Guten zu sättigen? Vielmehr so haf es Mose gemeint: Viele Gebote sind den Israe-
liten geboten worden, die nur im Lande Israel gehalten werden können; ich will in das-
Land eintreten, damit sie alle von mir gehalten werden! Da sprach Gott zu ihm: Du
willst doch nur Lohn empfangen; ich will es dir so anrechnen, als ob du sie gehalten
hättest, vgl.: „Darum will ich ihm Teil geben unter den Großen u. mit den Mächtigen
wird er Beute teilen, dafür daß er zum Tode seine Seele ausgeschüttet hat u. den
Übeltätern beigezählt ist, während er doch die Sünde vieler trug u. für die Übeltäter
eintrat" Jes 53, 12. „Darum will ich ihm Teil geben unter den Großen", etwa wie den
Späteren, aber nicht wie den Früheren? Die Schrift sagt lehrend: „Mit den Mächtigen
wird er Beute teilen", wie Abraham, Isaak u. Jakob, die mächtig waren in der Tora
u. in Gebotserfüllungen, „dafür, daß er seine Seele zum Tode ausgeschüttet hat", denn
er hat sich selbst dem Tode preisgegeben, s.: „Und nun, wenn du doch ihre Sünde
vergäbest! Wenn aber nicht, so lösche mich doch aus deinem Buche aus, das du ge-
schrieben hast!" Ex 32, 32. „Und den Übeltätern ist er beigezählt", denn zu den in
der Wüste Gestorbenen wird er gezählt; „während er doch die Sünde vieler trug",
denn er schaffte Sühnung wegen der Tat mit dem Kalbe; ,u. für die Übeltäter ein-
trat", denn er flehte um Erbarmen für die Übeltäter Israels, daß sie in Buße möchte»
umkehren; mit dem „Eintreten" ist nichts andres als das Gebet gemeint, s. Jer 7, 16. !j
SDt 33,21 §355 (147^): Er (Mose) ' wird an der Spitze des Volkes kommen. Das lehrt,
daß Mose dereinst (nach der Auferstehung) an der Spitze des ganzen Volkes, jeder
einzelnen Genossenschaft (in das Land Israel) einziehen wird; an der Spitze der Ge-
nossenschaft der Schriftkundigen, an der Spitze der G. der Mischnakundigen, an der
1 Der Midr deutet p?ir:a rphr. Dt 33,21 b auf das Grab Moses u. nimmt deshalb
Mo.se als Subjekt von Vers 21''.
31*
484 Matth 8, 17 (Jes 53)
Spitze der G. der Talmudkundigcn, u. daß er dann mit jedem einzelnen Lohn empfangen
wird, s.: „Darum will ich ihm Teil geben unter den Vielen u. mit den Mächtigen wird
«r Beute teilen' Jes 53, 12. || pSch^qö, 48'=, 48: R.Jona (um 350) hat gesagt: , Darum
will ich ihm Teil geben unter den Grofsen u. mit den Mächtigen wird er Beute teilen"
Jes 53, 12, das bezieht sich auf R. fAqiba (f um 135), der den Midr, die Halakhoth u.
die Haggadoth in feste Ordnungen gebracht hat. |1 B'rakhS'"': Raba (f 352) hat ge-
sagt — es wird auch gesagt, Rab Chisda (f 309) habe gesagt: Wenn der Mensch sieht,
<Jaß Züchtigungen (Leiden) über ihn kommen, so soll er seine Werke prüfend untersuchen,
vgl. : „ Laßt uns unsre Wege erforschen u. ergründen u. zu Jahve uns bekehren ! " KL 3, 40.
Hat er sie untersucht u. nichts (Böses) gefunden, so suche er den Grund seines Leidens in
Vernachlässigung des Torastudiums; vgl.: , Wohl dem Manne, den du züchtigst u. aus
deiner Tora belehrst" Ps 94, 12. (Die Beschäftigung mit der Tora Folge der Züchtigungen,
umgekehrt die Vernachlässigung der Tora Ursache der Z.) Wenn er hier nichts ge-
funden, so sind es sicherlich Züchtigungen der Liebe, s.: „Wen Jahve liebt, den straft
■er" Spr 3, 12. Raba hat gesagt, Rab S chora (um 300) habe gesagt, Rab Huna (f 297)
habe gesagt: An wem Gott Wohlgefallen hat, den zerschlägt er durch Züchtigungen,
s.: „Hat Jahve Wohlgefallen (an einem Menschen), so zerschlägt er ihn, macht krank"
Jes 53, 10 (so der Midr). Etwa auch, wenn man sie (die Züchtigungen) nicht aus Liebe
annimmt? DieSchrift sagt lehrend: „Wenn seine Seele ein Schuldopfer bringt" Jes 53, 10,
wie ein Schuldopfer mit Wissen u. Willen darzubringen ist, so sind auch Züchtigungen
mit Wissen u. Willen hinzunehmen. Wenn er sie (so) hinnimmt, was ist sein Lohn?
„Er wird Nachkommenschaft sehen, lange Tage leben" Jes 53, 10; u. nicht bloß dies,
sondern auch sein Erlerntes wird Bestand behalten in seiner Hand, vgl.: „Das Wohl-
gefallen Jahves wird in seiner Hand fortgehn" Jes53, 10. || Seder ElijjahuR 7: „Dies
ist das Gesetz des Schuldopfers" Lv7, 1. So sprach Gott zu den Israeliten: Ich war
es, der zu euch gesagt hat: Mein Wohlgefallen ist nur der Segen u. derjenige, an dem
keine Übertretung ist. Ich trete zurück von (diesen) meinen Worten. Selbst wenn ein
Mensch hundert Übertretungen begeht, von denen die eine größer ist als die andre,
er sich aber bekehrt u. Buße tut u. sich selbst erniedrigt bis zur Erde u. sich selbst
ansieht als halb gerecht u. halb schuldig u. sich selbst ansieht, als wäre er täglich
eines zweifelhaften Schuldopfers schuldig: so bin ich in Erbarmen mit ihm u. nehme
ihn in Bußfertigkeit an u. gebe ihm männliche Kinder von schöner Gestalt u. Söhne,
die die Tora tun u. die Gebote halten; u. die Worte meiner Tora werden in seinem
Munde bewahrt, vgl.: „Jahve gefiel es, er zerschlug ihn, machte krank" Jes 53, 10.
So sprach Gott zu Israel: Meinet nicht von mir, daß ich ihn zu einem Kranken machte,
der weder zu den Lebenden noch zu den Toten gehört, sondern er soll sich selbst
erniedrigen u. dann anheben u. sagen: „Wenn seine Seele ein Schuldopfer darbringt"
Jes 53, 10, wie wenn man sagt: Der u der soll ein Schuldopfer für seine Seele (um
für seine Seele Sühnung zu schaffen) darbringen. In der Tat, dann „wird er Nach-
kommenschaft sehen, lange Tage leben" Jes 53, 10. Eine andre Erklärung: „Er wird Nach-
kommerischaft sehen" in dieser Welt u. „lange Tage leben" in der zukünftigen Welt. ||
Seder ElijR 14: Wer die Tora öffentlich Israel lehrt um des Himmels (Gottes) willen,
ohne einen Unterschied zu machen zwischen den Reichen u. den Armen, sondern als
Schriftlehrer sie zusammen die Schrift lehrt u. als Mischnalehrer sie zusammen die
Mischna lehrt, über den erbarmt sich infolgedessen Gott u. gibt in ihn den Geist der
Weisheit u. der Einsicht u. des Wissens u. des Verständnisses, u. gibt ihm sein Teil
mit den drei Gerechten, mit Abraham, Isaak u. Jakob; von einem solchen sagt die
Schrift: „Aus der Mühe seiner Hand (der Text liest i-" statt ide:) wird er etwas zu
sehen bekommen, sich sättigen; durch seine Einsicht wird mein gerechter Knecht
vielen Gerechtigkeit schaffen" Jes 53, 11. || Seder ElijR 25: Wer von seiner Hände
Arbeit sich nährt wie Ahron, der Hohepriester, der darauf bedacht war, den Frieden
zwischen Israel u. ihrem Vater im Himmel zu mehren; der wird wie David, der Köaig
Israels, der darauf bedacht war, die Gerechtigkeit (das Erbarmen) zwischen Israel u.
ihrem Vater im Himmel zu mehren; der wird wie Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80),
Matth 8, 17 (Jes 53). 8, 19. 20 485 .
der darauf bedacht war, das Angesicht seiner Schüler durch die Halakha zu erfreuen.^
Von einem solchen heißt es: „Von der Mühe seiner Seele wird er etwas zu sehen be-
kommen, sich sättigen; durch seine Einsicht wird mein gerechter Knecht vielen Ge-
rechtigkeit schaffen u. ihre Verschuldungen trägt er" Jes 53, 11. Von hier hat man
gesagt: Die Gelehrtenschüler, die in einer Generation sind, tragen die Verschuldungen
der Generation, die in ihr zwischen ihr u. jenen (den Gelehrten) bestehen, u. niemand
achtet auf sie. Und von einem solchen heißt es: „Mit ihren Sünden ist er beladen"
Jes 58, 11 (S. Elij. liest h-zc statt ■•5i20-). — Vgl auch Dn 12, 3, wo Jes 53, 11 •> eben-
falls auf die Gerechten (s. Mt 13,43) gedeutet wird.
C. Deutung auf das Volk Israel.
NuR 13 (168^): „Ich esse meine Wabe -^^yi samt meinem Honig"
HL 5, 1. Weil die Israeliten ihre Seele zum Tode ausgeschüttet haben
-r^vn im Exil, s. : „Dafür daß er seine Seele zum Tode ausgeschüttet
hat" Jes 53, 12 — u. weil sie sich mit der Tora beschäftigt haben, die
süßer als Honig ist, darum wird Gott sie dereinst tränken mit Wein,
der seit den sechs Schöpfungstagen in seinen Trauben aufbewahrt ist,
u. sie baden in Strömen von Milch, s. Joel 4, 18. „Esset Freunde" HL
5, 1, damit sind die Israeliten gemeint, die den Willen Gottes im Exil
getan haben u. sich mit den Völkern nicht vermischen wollten, sondern
den Bund Gottes bewahrt haben. — Raschi zu Jes 53 legt die Frage
53, 1 den Völkern der Welt in den Mund, die erst Israel für ein von Gott
verworfenes Volk angesehen haben u. nun erkennen, daß das Volk alle
Leiden erduldet hat, nur um die Sünden der Weltvölker zu sühnen. ^
8, 19: Meister, ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehn wirst.
di6daxa?.8, hebr. "^s^, s. bei Mt23, 7. — , Nachfolgen" bezeichnet das
Schülerverhältnis, s. bei Mt 4, 19 (S. 187 f.); 10, 1 21.
8,20: Der Menschensohn, o vlog xov avd^Qwnov.
In den ältesten Bestandteilen der Bilderreden des Buches Henoch
wird im Anschluß an Dn 7, 9 ff. vom „Menschensohn" geredet u. damit
der Messias gemeint, s. Hen 46, 1—3^ 48, 2; 69, 26. Ebenso sieht der
spätere Bearbeiter der Bilderreden 46, 4; 62, 5 ; 69, 29 in dem „Menschen-
sohnähnlichen" von Dn 7, 13 den Messias. Bedeutsam aber ist, daß er
den Ausdruck „Menschensohn" oder „Mannessohn" auch wiedergibt
mit der Umschreibung „Sohn der Nachkommenschaft der Mutter der
Lebendigen" 62, 7. 9. 14; 63, 11; 69, 26. 27; 70, 1. Offenbar verknüpft er
Dn 7, 13 mit Gn 3, 15: ihm heißt der Messias „Menschensohn", weil er
derjenige Sproß der Nachkommenschaft der Mutter der Lebendigen
(d. h. Evas) ist, den das Protevangelium weissagend in Aussicht gestellt
hat. Ähnlich läßt der Verfasser von Hen 71 den Ausdruck „Mannessohn"
Vers 14 wechseln mit dem andren „jener Sohn der Nachkommenschaft
1 Drei weitere Stellen, in denen Jes 53 zitiert wird, nämlich P«siq 140 »; B^rakh 57 b;
GnR 20 (14-*) sind inhaltlich belanglos: R. Abbahu. um 300, behauptet, daß nächtliche
Pollution ein gutes Zeichen für den Kranken sei, u. findet den Beweis dafür in Jes 53, 10,
wo er deutet: Wer Samen sieht, der wird lange leben.
486 Matth 8, 20
der Mutter der Lebendigen" Vers 17. — In den nachchristl. Pseud-
epigraphen wird der Messias nur 4 Esra 13, 3, u. zwar wiederum unter
Bezugnahme auf Dn 7,13, als „Menschenfsohnjähnlicher" bezeiehnet.i —
Auf Grund dieses geringen Stellenmaterials wird man gerade nicht
sagen können, der Name „Menschensohn" sei in Jesu Tagen eine
übliche Messiasbezeichnung gewesen: man hat wohl in apokalyptischen
Kreisen unter diesem Namen auf Grund von Dn7,13 vom Messias ge-
redet, aber der breiten Masse ist der Ausdruck unbekannt geblieben.
In der rabbin. Literatur wird der „Menschensohnartige" Dn 7, 13
in folgenden Stellen auf den Messias gedeutet.
Sanh 98'': R. Alexandra! (um 270) hat gesagt: R. J'hoschuaf b. Levi (um 250)
stellte einander gegenüber: „Siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie ein
Menschensohn" Dn 7, 13, u.: „Arm, reitend auf einem Esel" Sach 9, 9. Wenn die Israe-
liten es verdienen, kommt er (der Messias) mit den Wolken des Himmels; wenn sie
es nicht verdienen, kommt er arm, reitend auf einem Esel. || Midr Ps Ül § 5 (90''):
R. B'^rekhja (um 840) hat im Namen des R. Sch^muel (b. Nachman, um 260) gesagt:
Eine Schriftstelle sagt: „Er gelaugte vor den Alten der Tage u. sie führten ihn vor
ihn" Dn 7, 13; u. eine andre Stelle sagt: „Ich lasse ihn (den Würdenträger der End-
zeit) herzutreten, daß er sich mir nahe" Jer30, 21. Wie das? Die Euicel führen ihn
(den Messias, lies mit Jalqut Ps 21 ins statt "ris, das auf Israel sich beziehen würde)
bis an die Grenze ihres Bezirks, dann streckt Gott seine Hand aus u. bringt ihn (lies
inis statt iris) in seine Nähe. i| TanchB r^T's-r § 20 (70''): Wer ist f Anani ( I Chr3,24)V
Das ist der König, der Messias, s.: „Ich war im Schauen meiner Nachtgesichte, u.
siehe, mit den Wolken des Himmels s^'iaj '::y oy kam einer, wie eines Menschen
Sohn" Dn 7, 13. — Ebenso Tanch m5-r Ende (35-'). Vgl. Targ 1 Chr 3,24: fAnani,
das ist der König, der Messias, der sich offenbaren wird. — sAnani wird in diesen
Stellen gedeutet = der mit den „Wolken" Kommende, li NuR 13 (170''): Woher läßt
sich erweisen, daß der König, der Messias, über das Meer herrschen wird? Aus: „Er
herrsche von Meer zu Meer u. vom Strome (Euphrat) bis zu den Enden der Erde"
Ps 72, 8. Woher, daß er über die Erde herrschen wird? Aus: „Huldigen müssen ihm
alle Könige, alle Völker ihm dienen" Ps72, 11. Ferner heißt es: „Siehe, mit den
Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn usw. Ihm wurde Macht
u. Ansehen u. Herrschaft gegeben u. alle Völker u. Nationen u. Sprachen fürchteten
ihn" Dn7, lof. und: „Der Stein (= Messias), der das Bild traf, wurde zu einem
großen Fels a. füllte die ganze Erde" Dn 2, 35. II Eine weitere Stelle aus Midr Ps 2
§ 9 (14'') s. bei Mt 8, 17 S. 483«. — Auch Justin Dial. c. Tryph. 32 läßt den Trypho die
messian. Auslegung von Dn 7, 13 bezeugen.
Eine Polemik gegen den christlichen Menschensohn-Messias ohne Bezugnahme
auf Dn 7, 13 u. mit Anlehnung an Nu 23, 19 liegt vor pTafan 2, 65 b, .59; R. Abbahu
(um 300) hat gesagt: Wenn ein Mensch zu dir sagen sollte: „Ich bin Gott", so lügt
er; „ich bin der Menschensohn" c-'S p, so wird er es schließlich bereuen; „ich steige
zum Himmel empor", so hat er es gesagt, wird es aber nicht erfüllen. — Wie hier
„Menschensohn" eine Messiasbezeichnung ist, so versteht auch Targ Ps 80, 18 unter
dem „Menschenkind" (Ps 80, IH) den Messias: „Es sei deine Hand über dem Manne,
den du aufgestellt hast mit deiner Rechten, über dem Menschensohn v: -s, den du
dir hast erstarken lassen." — Wer dieser „Menschensohn" ist, sagt Vei'S 16: „Das
Reis, das deine Rechte gepflanzt hat (schaue an u. erbarme dich) über den König,
den Messias (Text wort ]z), den du dir hast erstarken lassen.
' Die früheste einzelpersönliche Ausdeutung von Dn 7, 13 f. findet sich Henoch 90, 37 ;
doch ist hier der Ausdruck „wie ein Menschensohn" unberücksichtigt geblieben.
MatthS, 21 487
Zum Schluß sei hingewiesen auf eine Auslegung der häufigen Anrede „duMenschen-
sohn" bei Ezechiel in LvR 2 (lo4l>): „Mensch" =-s, das Wort bedeutet Liebe, Brüder-
lichkeit, Freundschaft. Gott sprach zu Ezechiel: „Menschensobn", Sohn frommer
Menschen. Sohn Gerechter, Sohn derer, die Liebeswerke üben, Sohn derer, die sich
um der Ehre Gottes u. um der Ehre Israels willen täglich verachten lassen.
8, 21: Erlaube mir . . . meinen Vater zu begraben.
Die Bestattung eines Toten oder, wie der allgemeinste Ausdruck
lautete, „sich mit einem Toten zu befassen", a galt allgemein als Pflicht-
gebot, b Biblisch begründete man es aus Ex 18, 20 oder Micha 6, 8. c
Besonders deutlich trat das Pflichtmäßige der Totenbestattung dem
sog. „Pflichttoten" r-rrs^ r-2 gegenüber hervor. Man verstand darunter
einen Toten, der keine Angehörigen hinterließ, die ihm den letzten
Liebesdienst erweisen konnten; seine Bestattung wurde deshalb für
jedermanns Pflicht erklärt, der einen solchen Toten fand. Selbst einen
Hohenpriester oder einen Nasiräer, denen das Gesetz die Verunreinigung
sogar an der Leiche des eigenen Vaters ausdrücklich untersagte, ver-
pflichtete die pharisäische Auslegung von Lv 21, 11 u. Nu 6, 7 zur Be-
stattung eines Pflichttoten, d Auch in sonstigen Kollisionsfällen hatte
die Ausübung eines andren Pflichtgebotes hinter der Totenbestattung
zurückzustehen. e Dem gewöhnlichen Priester erlaubte Lv 21, 2 f., an
der Leiche eines Blutsverwandten (Eltern, Geschwister, Kinder) sich
zu verunreinigen. Rabbin. Auslegung hat diese Gesetzesbestimmung,
die im Sinne des „Dürfens" gemeint war, geradezu in ein „Muß" um-
gewandelt: ein Priester wurde unter Umständen gezwungen, sich
mit der Bestattung seiner Blutsverwandten zu befassen.* Um so mehr
lag diese Pflicht natürlich den nichtpriesterlichen Israeliten ob. — Neben
der Einschätzung der Totenbestattung als „Pflichtgebot" n-^^iio ging ihre
Wertung als „Liebes werk" cnon nb^'25 einher (s. schon Tob 1,17 f.;
2, 7; 12, 12 f.). Dabei wies man gern auf Gott, Abraham u. Mose hing
als Vorbilder. Als Liebeswerk ist die Beteiligung an einem Leichen-
begängnis in erster Linie wohl denen angerechnet worden, die dem
Toten ferner gestanden hatten. Als Liebeswerk gehörte endlich die
Totenbestattung zu den Handlungen, deren Lohn nach Pea 1, 1 der
Mensch zum Teil bereits in dieser Welt genießt, während ihm der Haupt-
?ohn für die zukünftige Welt anstehen bleibt, h Von der Verdiensthchkeit
u. dem Lohn der Teilnahme an Totenbestattungen wird auch sonst ge-
sprochen.!—Erwägt man diese Anschauungen, die im jüdischen Volk über
die Bestattung eines Toten u. noch dazu des eignen Vaters herrschten,
dann wird man sich den Eindruck vorstellen können, den Jesu Antwortge-
macht hat: Laß die Toten ihre Toten begraben — du aber folge mir nach!
a. M'^kh Ex 13, 19 (29''): Mose befafste sich mit Gebotserfüllungen r'^::':^ poiy
betreffs der Gebeine Josephs. . . . Mose befaßte sich -ot; mit den Gebeinen Josephs.
. . . Mit Mose (d. h. mit Moses Bestattung) befaßte sich -zvn die Gottheit. |l pPea
8, 21l>, 12 sagen R. Jochanan (f 279) u. Resch Laqisch (um 250) angesichts der Leiche
eines Armen: Wir wollen uns mit ihm in seinem Tode befassen --^^^-r:z --2. itK-:.
488 Matth8,21
b. MQ 27b: Rab J^lmda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Wenn ei»
Toter in einer Stadt ist, so ist es allen Einwohnern der Stadt verboten, Arbeit zu ver-
richten (weil alle an den Vorbereitungen zur Bestattung u. an dieser selbst teilzunehmen
haben). Als Rab Hamnuna (um '^90) nach Daroma kam, hörte er durch PosHunen-
schall verkündigen, dafä eine Leiche da sei. Er sah, wie die Leute dort ihre Arbeit
verrichteten. Er sagte zu ihnen: Diese Leute sollten in den Bann getan werden; ist
denn nicht eine Leiche im Ort? Man antwortete: Eine Genossenschaft ist am Ort.
Er sprach zu ihnen: Wenn dem so ist, so ist es euch erlaubt, t Der aus Freiwilligen
bestehende Verein zur Bestattung der Toten vertritt u. befreit seine Mitglieder von
ihren Verpflichtungen dem Toten gegenüber.)
c. M kh Ex 18,20 (ß7b): R. Ehazar aus Modisim (f um 135) hat gesagt: „Du
sollst ihnen kundtun" (Ex 18, 20), d. h. tu ihnen die Stätte des Lebens kund (nach
Raschi zu BQ 9yt» = Torastudium); „den Weg": das Besuchen der Kranken; „sie
sollen gehn": das Begraben der Toten --r^ r-iz-.; „auf ihm": die Liebeswerke; „u.
die Tat" : die Innehaltung der Linie des strengen Rechts (das Richten nach dem Ge-
setzesbuchstaben); „die sie tun sollen": das Richten nach innen zu von der Linie des
Rechts (Nachgiebigkeit, Nachsicht, die nicht auf dem Buchstaben des Rechts besteht). —
Dasselbe als tannaitische Tradition im Munde des Rab Joseph (f 3:^3) BQ 99 b. ]j
Sukka 49b: R. El?azar (um 270) hat gesagt: Was bedeutet: „Angesagt hat er dir usw.'
Micha 6, 8? „Recht üben", damit ist der Rechtsspruch gemeint; „Liebe üben": di&
-Liebeswerke, „u. still wandeln mit deinem Gott": das Hinausgeleiten des Toten rs::"!-
r!:n u. das Einführen der Braut in das Hochzeitsgemach.
d. SNu 6, 6 § 26 (9=*): Was will die Schrift sagen: „An seinem Vater u. an seiner
Mutter . . soll sich der Nasiräer bei ihrem Tode nicht verunreinigen" NuH,7? An
seinem V. u. an seiner M. soll er sich nicht verunreinigen, wohl aber soll er sich an
einem Pflichttoten verunreinigen. . . . |1 Nazir 47 b: An seinem Vater darf sich der Hohe-
priester nicht verunreinigen (s. Lv 21, 1 1), wohl aber darf er es an einem Pflichttoten. |]
SNu 6,6 §26 (9'): Wenn er ein gewöhnlicher Priester ist, so darf er sich an seiner
(verheirateten) Schwester nicht verunreinigen (vgl. Lv 21, 3). wohl aber darf er sich
an einem Pflichttoten verunreinigen.
e. B'^rakh 3, 1 : Wer seinen Toten vor sich liegen hat, ist frei von der Sch'^nia?-
Rezitation, vom (Achtzehn-)Gebet u. von den Gebetsriemen (u. von allen Pflichtgeboten,
die in der Tora genannt sind, B^'rakh IS'^). Die Träger der Bahre, ihre Ablösungs-
mannschaften . . . sind frei von der Sch'^maf -Rezitation u. vom Gebet. |l B rakh 14b [Jar:
Wer für einen Toten die Grube gräbt, ist im Grabe frei vom Rezitieren des Seh maf
u. vom Gebet u. von den Gebetsriemen u. von allen Geboten, die in der Tora genannt
sind. II M'^g 3'': Wenn es sich um das Torastudium u. um einen Pflichttoten handelt,.
so geht der Pfl. vor, weil es in einer Bar heißt: Man hört mit dem Torastudium auf,
um einen Verstorbenen hinaus u. eine Braut hineinzugeleiten (in das Hochzeitsgemach).
Wenn es sich um eine gottesdienstliche Handlung (wie Schlachten des Opfertieres,
Beschneidung usw.) u. um einen Pflichttoten handelt, so geht der Pfl. vor. — Ferner
s. Aboth RN 4; pChag 1,76^40; K'th 17» im Exkurs über Liebeswerke 4, IX, B;
M'^g 3b, 12 das. 4, IX, A (ein Pflichttoter geht der Verlesung der Estherrolle vor).
/. SLv 21, 3 (377a): „An ihr darf er sich verunreinigen" (Lv21,3), das ist ein
Pflichtgebot; will er sich nicht verunreinigen, so verunreinigt man ihn wider seinen
Willen (zwangsweise). Es geschah, daß die Gattin Josephs, des Priesters (noch zur
Zeit des Tempelbestandes) am Rüsttag auf ein Passahfest starb, u. er wollte sich nicht
verunreinigen. Da drängten ihn die Gelehrten u. verunreinigten ihn wider seinen
Willen. — Dasselbe Z'^^^b 100 a.
g. Belege s. im Exkurs Liebeswerke Nr. 3, o u. b: Nr. 4, IX Anf.
h. Pea 1,1: Dies sind die Dinge, deren Zinsen der Mensch in dieser Welt genießt,
während das Kapital (der Hmiptlohn) ihm für die zukünftige Welt anstehen bleibt:
Ehrfurcht vor den Eltern, Liebeswerke, Friedenstiften zwischen den Menschen u.
Torastudium vor allen.
Matth 8, 21. 22. 26 489
i. pP*^s 3, 30'', 42: R. Abbahu (um 300) schickte seinen Sohn R. Chanina nach Tibe-
lias, damit er sich im Gesetzesstndium vervollkommne. Man kam u. meldete dem
Vater: Er beschäftigt sich mit Liebeserweisen (speziell mit der Bestattung von Toten,
weil er dies für verdienstlicher hielt). Der Vater Heia ihm sagen: Gibt es etwa in
Cäsarea (Wohnsitz des R. Abbahu) keine Gräber, daß ich dich (deshalb) nach Tiberiaa
geschickt hätte? — Dasselbe pChag l,76'-, 42. ' Zu B^r 3, 1: ,Die Träger der Bahre
u. ihre Ablösungsmannschaften u. deren Ablösurgsmannschaften sind frei von der
Seh' maf -Rezitation" usw. bemerkt Bertinoro: Denn alle wollen durch das Gebot (der
Totenbestattung) Verdienst erwerben (vor Gott). Ij GnR 58 (37a): ^Wer der Wohltätig-
keit u. der Liebe nachjagt, wird Leben, Erbarmen u. Ehre ünden" (Spr. 21,21, so der
Midr). ,Wer der Liebe nachjagt"; Abraham hat an Sara ein Liebeswerk getan (gemeint
ist ihr Begräbnis u. die Trauer um sie Gn 23, 2. 19). „Der wird Leben ünden", s. Gn
25, 7: Die Lebensjahre Abrahams waren 175 Jahre. , Erbarmen u. Ehre": R. Sch^muel
b. Ji9chaq (um 3U0) hat gesagt:* Gott sprach zu Abraham: Ich bin meinem Handwerk
nach ein Vollbringer von Liebeswerken; du hast mein Handwerk ergriffen, komm u.
kleide dicli in mein Gewand, s. Gn24, 1: Abraham war alt, hochbetagt. (Nach den
weiteren Ausführungen ist das Gewand das Diadem des Greisenhaares, s. Spr 16,31 in
Verbindung mit Dn7,9.) 1| B-^rakh 18": Rachba (um 300) hat gesagt, Rab J^huda (f 299)
habe gesagt: Wer einen Toten (Leichenzug) sieht u. ihm nicht das Geleit gibt, der übertritt
Spr 17, 5: „Wer den Armen verachtet, beschimpft dessen Schöpfer." Wenn er ihm aber
das Geleit gibt, was ist sein Lohn? R. Asi (um 300) hat gesagt: Über ihn sagt die Schrift:
„Jahven leiht (-■-"; kann auch „begleiten" heißen), wer an dem Geringen Erbarmen übt"
Spr 19, 17; ferner: „Es ehrt ihn (Gott), wenn er an dem Armen Erbarmen übt" Spr 14, 31.
8,22: Laß die Toten ihre Toten begraben.
atfsq Tovg vsxQOvg ^äxpai rovg iavrah' vsxqovq. — Das erste vsxQovg
meint geistlich Tote, das zweite leiblich Tote. Auch das Rabbin. ge-
braucht rp im übertragenen Sinn = geistlich tot.
pB^rakh 2,4"^, 71: (R.Chijja, der Ältere, um 200, hat gesagt:) „Die Lebenden wissen,
daß sie sterben werden" Qoh 9, 5, das sind die Gerechten, die auch im Tode Lebende
heißen; „u. die Toten wissen von gar nichts" (das.), das sind die Gottlosen, die auch
im Leben Tote eti heißen. Woher, daß die Gottlosen auch in ihrem Leben Tote
heißen? s. Ezl8, 23 (33, 11): „Ich habe nicht Gefallen am Tode des Toten" (so wird
zitiert). Wie, stirbt denn ein Toter? Vielmehr sind damit die Gottlosen gemeint, die
auch in ihrem Leben „Tote" c-r- heißen. — Parallelstellen: B'rakh IS'*"- b (hier als
Beweisstellen: Ez 21, 30 u. Dt 17, 6); Midr Qoh 9, 5 (41^\ H GnR 39 (23-^): R. Ji^chaq (um
300) hat gesagt: . . . Die Gottlosen werden Tote ^-r^i in ihrem- Leben genannt. —
Weiteres s. bei 1 Tim 5, 6 ; ferner s. zu Lk 9, 60.
F. Perles, Zeitschrift f. neutest. Wissensch., 1919/20, S. 96, will die
Worte a(fsq Tovc rsxoovg ^di^iai rovg eavvon' vexQovg aus wörtlicher
Rückübersetzung ins Aramäische: 'inbiT nti^ "i2pn^ x'^n-'^b pinc er-
klären. Der griechische Übersetzer habe "izp-^b falsch als Inf. Pe^al ver-
standen "2pr5 statt als Part. Pa^el "^rp-'-: ,Laf3 die Toten ihrem Toten-
gräber.' Aber das zus. gesetzte Subst. „Totengräber" stammt erst von
Perles. Und löst man das Part, "irp-3 durch einen Relativsatz auf, so^
würde der aramäische Text deutsch lauten: „Überlaß die Toten dem, der
ihre (?) Toten begräbt." So wenig Sinnvolles hat Jesus nicht gesprochen.
8,26: Er bedrohte die Winde u. das Meer,
u. es entstand eine große Stille.
BM 59b: Rabban Gamliel (um 90) hatte sich auf ein Schiff begeben; es erhob sich
wider ihn ein ungestümes Meer, um ilm zu versenken. Er sprach: Es will mir scheinen,
490 Matth 8, 26. 28 (%)
daß dies nur wegen des R. Eli?ezer b. Hyrkanos geschieht (den er in den Bann getart
hatte). Er stellte sich auf seine Füße u. sprach: Herr der Welt, offenbar u. bekannt
vor dir ist, dafs ich es nicht zu meiner Ehre, auch nicht zur Ehre des Hauses meines
Vaters getan habe, sondern zu deiner Ehre, damit die Parteiungen in Israel sich nicht
mehren. Da beruhigte sich das Meer von seinem Toben. || Bß 7:^'"': Rabbah (f H30; ob
Rabbah bar bar Ghana, um 280, gemeint ist?) hat gesagt: Die Seefahrer haben mir
erzählt: Diese Welle, die ein Schiff versenkt, sieht aus wie ein weißer Feuerstrahl an
der Spitze, u. wir schlagen sie mit einer Stange, in die eingraviert ist: „Ich werde
sein, der ich sein werde, Jah, Jahve ^'^baoth, Amen, Amen! Sela", dann beruhigt sie
sich r:":i. II Eine weitere hierher gehörende Erzählung aus pB'^rakhJI, 13^,22 s. oben
S. 4ö2rf. II Von der Gewalt des R. Pin' chas b. Jair über das Wasser eines Stromes wird
folgendes erzählt. Chullin 7*: R. Pin^chas b. Jair (um 200) ging, um Gefangene aus-
zulösen. Er traf auf den Fluß Ginai (nach dem Zus.hang der Stelle jedenfalls in Galiläa):
er sprach zu ihm: Ginai, teile für mich deine Wasser, daß ich hindurchgehe! Er ant-
wortete: Du gehst, um den Willen deines Schöpfers zu tun, u. ich gehe, um den Willen
meines Schöpfers zu tun; von dir ist zweifelhaft, ob du ihn ausführen wirst oder nicht,
ich aber führe ihn mit Bestimmtheit aus! Jener sprach: Wenn du dich nicht teilst, so
verhänge ich über dich den Beschluß, daß nie mehr Wasser in dich hineinfließen. Da
teilte er sich für ihn. Es' war aber ein Mann dort, der Weizen zum Passahfest trug.
R. Pin^chas sprach zu dem Fluß: Teile dich auch für diesen, weil er mit einem Pflicht-
gebot beschäftigt ist! Er teilte sich für ihn. Es war auch ein Tajite (Araber) dort,
der sich jenen beiden zugesellt hatte. R. Pin'^chas sprach zu dem Flußr Teile dich auch
für diesen, damit er nicht sage: Handelt man so gegen Reisegefährten? Da teilte er
sich für ihn. Rab Joseph (f 33 >>) hat geskgt: Wieviel größer ist der Mann (R. P.) als
Mose u. die 60 Myriaden (für die Mose das Schilfineer teilte); denn dort (am Schilf-
nieer) erfolgte die Teilung Einmal u. hier dreimal (vgl. übrigens 2 Kg 2, 8. 14).
8, 28 5t: Als er an das jenseitige Ufer in das Land der Gada-
rener kam, eig rr^r fo^Qav xmv raSaQrjrwv. — Gadara inr«, zur Dekapolis
gehörig, südöstlich vom See Genezareth, von Josephus Antiq. 17, 11, 4-
u. Bell, Jud. 2, 6, 3 zu den hellenistischen Städten gerechnet, also ein Ort
mit vorwiegend nichtjüdischer Bevölkerung, s. Schürer* '2, 157 —161.
TRH 2, 2 (21ü): In früherer Zeit pflegte man (um den Beginn eines neuen Monats
anzukündigen) Signalfackeln auf den Spitzen der höchsten Berge anzuzünden, auf dem
Ölberg, bei Sartaba (so die Mischna RH 2, 4; Tos sz'srzz), bei s:-i— ; (Mischna s :-■:■-;),
auf dem Tabor, im Hauran u. bei Beth-Bilti (nach RH 23 ^ = Biram). R. Schimfon
b. Elfazar (um 190) öagte: Auch auf den Bergen von Machärus u. Gader (1. "n:^ -ina
-'-'i'). — Der Ausspruch des R. Schimfon b. E. als Bar in RH 231^; pRH 2, 58 ^ 17, hier
die Namensform -i-;. || fEr •^2'>: (Abaje, t 338/39, hat gesagt:) Die Leiter von Tyrus
schließt es (das Land Israel) von der einen Seite u. der Abhang von Gader von der
andren Seite ein. il Midr Esth 1, 3 (i^5bj: ^Die Fürsten der Landschaften waren vor ihm"
Esth 1,3. R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Wie im Archiv (Rathaus) von Gader, wo
der König beim Gericht oben (an erhöhter Stelle) sitzt, während alles Volk vor ihm
auf ier Erde sitzt. || Schwerlich ist unser Gadara gemeint RH 22* Bar: R. J^huda (der
Bäcker, im 2. Jahrh ) sagte: ^ Das sei ferne, daß R. ?Aqiba sie zurückgehalten hätte;
.Schazpar, das Obeihaupt von Gader, hatte sie zurückgehalten, u. Rabban Gamiiel sandte
hin u. ließ ihn von seiner Größe erniedrigen (d. h. aus seiner hohen Stellung entfernen).
In andrer Fassung pRH 1, 57 b, 59.
^ Nämlich mit Bezug auf die mischnische Tradition RH 1,6: Einmal zogen mehr
als 40 Paare (Neumondszeugen auf ihrer Reise nach dem Synedrialsitz in Jahne) durch.
u. R. eAqiba (f um l^iö) hielt sie in Lud (Lydda) zurück. Da ließ ihm Rabban Gamiiel
(IL, um 90) sagen: Wenn du die Menge zurückhältst, wirst du erfunden als einer, der
sie zur Sünde in der Zukunft verleitet (indem sie überhaupt nicht mehr kommen werden,
das Erscheinen des Neumondes zu bezeugen).
Matth 8, 28 («t. SB) 491
Wegen seiner starken Befestigung (s. Schürer a. a. 0.) scheint Gadara
auch den Namen Migdal-Gader(= Turm, FestungGader) geführt zu haben.
Tafan 20^^ Bar: . . . Einmal kam R. Schimfon b. Ehazar (um 19ü; so wird mit Bacher,
Tann. 2, 423 zu lesen sein statt R. Elfazar b. Schimfon) von Migdal-G'^dor aus dem Hause
seines Lehrers; er ritt auf einem Esel u. erging sich am Ufer des Flusses. (Die ganze
Stelle s. oben S. 285 f.) Der hier erwähnte Fluß würde der Scheriat el-Mandur = Jarmuk
gewesen sein, der nördlich an Gadara vorüberfloß. Die Parallelstellen Aboth RN41 u.
Derekh Ere? 3 haben statt Migdal-Gader irrtümlich Migdal-?Eder. das in der Nähe
-Jerusalems gelegen hat. Ferner lesen die Parallelen „Ufer des Meeres" statt ^üfer
des Flusses" ; mit dem „Meer" würde der See Genezareth gemeint sein.
Berühmt war Gadara wegen seiner heifsen Quellen, die sich nament-
lich nördlich vom Scheriat el-Mandur befanden. Die in der Nähe dieser
Quellen entstandene Ortschaft hieß nach den heifsen Wassern „Chamtha"
nran oder Nnsn, zur Unterscheidung von andren Orten auch „Chamtha
von Gader".
Sanh 108^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Drei von den heißen Quellen, die sich
bei der Sündflut öffneten, sind übriggeblieben: der Schlund von Gader, die Thermen
von Tiberias u. die große Quelle von Biram (wohl = Kallirrhoe östlich vom Toten
Meer, s. Neubauer 36 f.). Andersartig ist die Tradition in GnR 33 (20b). |1 Schab 109*
Bar: Man darf (am Sabbat) baden in den Wassern von Gader (1. --; statt i"»;), von
€hamthan (Emmaus in JudäaV), von fAsja (nach Neubauer 38 wahrscheinlich = Essa.
«stlich vom See Genezareth) u. von Tiberias. || M"g 6a: Raba (f 352) hat gesagt: „Cham-
math" (Jos 19, 36), damit sind die Thermen von Gader gemeint; „Raqqath" (Jos 19, 3(5)
Tiberias. || TfErO. 13 (146): Rabbi hat erlaubt, daß die Leute von Gader (am Sabbat)
nach Chamtha hinab- u. nach Gader hinaufgingen; aber die Leute von Chamtha durften
(am Sabbat) nicht nach Gader hinaufgehen. — Beide Ortschaften lagen also etwa einen
Sabbatweg (= 2000. Ellen) voneinander entfernt. Über die Gründe der Entscheidung
Rabbis wird debattiert p?Er 5, 22 ^^ 61 ; fEr 61 a. || pSchab 3, 5«', 25 u. pT^rum 2, 41 <=, 46:
R. Sch'^muel b. Nathan hat im Namen de*s R. Chama b. Chanina (um 260) gesagt: Ich u.
mein Vater (d. i. R. Chanina b. Chama, um 225) gingen nach Chamtha-Gader hinauf u.
man setzte uns Eier vor, die so klein wie Holzäpfel waren, deren Geschmack aber so
schön wie der von Pfirsichen war. || pQid Ü, 64*^, 55: R. Jonathan (um 220) ging mit dem
Patriarchen R. Juda (IL, um 250) hinauf nach Chamtha von Gader u. sie lehrten dort
usw. II p?AZ 2,42a, 10: R. Ammi (um 300) ging mit dem Patriarchen R. Judan (IL?, HL?)
hinauf nach Chamtha von Gader u. erklärte die von ihnen (den NichtJuden) eingerührte
Teigmasse für erlaubt.
8,28 25: Begegneten ihm zwei Besessene, die aus den (Fel-
sen-)Gräbern herauskamen, sehr schlimme, dvo öaiixovi^öiisvot,
sx Twv ixvii(.isiu)v e'^sQxofXivoi, xaXsnol Xiav.
pT'-'rum 1, 40^, 23: Die Kennzeichen eines Wahnsinnigen rtw-ai: wenn jemand des
Nachts hinausläuft, wenn er an einer Begräbnisstätte übernachtet, wenn er sein Ge-
wand zerreißt u. wenn er vernichtet, was man ihm gibt. Rah Huna (f 297, so lies mit
€hag3b statt Rabbi Huna) hat gesagt: Und zwar müssen alle diese Kennzeichen an
ihm sein; wenn es nicht der Fall ist (wenn der Betreffende nur das eine oder andre
Merkmal an sich hat), so würde ich sagen: Der des Nachts hinausläuft, ist ein Hund-
mensch (mit der Tollwut behaftet, lies c-i-—j":p, xvydvHQMnog, statt ciri-:;-:;); wer an
einer Begräbnisstätte übernachtet, der will den Dämonen opfern (die an unreinen Orten
hausen); wer sein Gewand zerreißt, ist gallsüchtig (%ohx6g, cip'^ir), u. wer vernichtet,
was man ihm gibt, ist tollwütig (lies "■•■^:" , xm'ixog, statt zi-'—^ip). R. Jochanan if 279)
hat gesagt: Auch bei einem von diesen (Kennzeichen hat man den Betreffenden für
■wahnsinnig zu halten). — Dasselbe pGit 7, 48^, 13. — Chag ob Bar: Wer ist ein Wahn-
492 Matth 8, 28 (SB). 8, 29. 30
sinniger? Wer allein des Nachts hinausläuft, wer an einer Begräbnisstätte übernachtet
u. wer sein Gewand zerreißt. Es ist gesagt worden: Rab Huna hat gesagt: (Der Be-
treffende gilt nicht eher als wahnsinnig, als) bis dies alles sich bei ihm zugleich findet.
R. Jochanan hat gesagt: Auch bei einem von diesen (Merkmalen). Auf welche Weise?'
Wenn er jene Dinge (so) vollführt, wie es bei (wirklichem) Wahnsinn zu geschehen
pflegt, so gilt er schon bei einem von ihnen als wahnsinnig; wenn er sie aber nicht
(so) vollführt, gilt er selbst bei allen diesen Merkmalen nicht als wahnsinnig. Mag er
immerhin jene Dinge nach Art wirklichen Wahnsinns vollführen u. an einer Begräbnis-
stätte übernachten, so könnte man doch sagen, er tue es, damit ein Geist der Unreinheit
(= ein unreiner Geist) auf ihm ruhe (um in dessen Kraft Zauberei zu treiben), u. wenn
er allein des Nachts hinausläuft, so könnte man sagen, Tollwut habe ihn erfaßt n—tr-s^
u. wenn er sein Gewand zerreißt, so könnte man sagen, er habe es in Gedanken getan,
(d.h. in Zerstreutheit; diesen Sinn dürfte das -i3xr;i zyj, wörtlich: „Herr der Gedanken",
hier haben). — Vgl. auch Sanh 65 »^ Bar: „VVer die Toten befragt" Dt 18, 11, das ist
derjenige, der sich selbst Hunger auferlegt u. geht u. zwischen den Gräbern übernachtet,
damit der Geist der "Unreinheit auf ihm ruhe. Wenn R. f Aqiba (f um 135) an diese
Stelle kam, pflegte er zu weinen: wenn auf dem, der sich Hunger auferlegt, damit der
Geist der Unreinheit auf ihm ruhe, der Geist der Unr. (wirklich) ruht, um wieviel mehr
müßte der Geist der Reinheit (^ der heilige Geist) auf demjenigen ruhen, der sich selbst
Hunger auferlegt, damit der Geist der Reinheit auf ihm ruhe! Aber was soll ich tun?
unsre Sünden haben es uns zugezogen, s. : „Eure Verschuldungen sind es, die da scheiden
zwischen euch u. euerm Gott" Jes 59, 2. (Raschi zu den Worten „daß der Geist der
Unr. auf ihm wohne" : Der Dämon der Begräbnisstätte soll sein Freund werden, der
ihm bei seinen Zaubereien beisteht.) Vgl. auch den Exkurs über altjüdische Dämonologie
Nr. 4, «. II Nidda 17=^: R. Schimfon b. Jochai (um 150) hat gesagt: Fünf Dinge gibt es,.
wer sie tut, verschuldet sich an seiner Seele (Leben) u. sein Blut ist auf seinem Haupte
(er ist verantwortlich dafür): wer abgeschälten Knoblauch, eine abgeschälte Zwiebel
oder ein abgeschältes Ei ißt (die über Nacht ohne Schale dagelegen haben), wer ver-
mischte Getränke trinkt, über die eine Nacht hingegangen ist (ohrre daß sie zugedeckt
waren), wer an einer Begräbnisstelle übernacjitet, wer seine Nägel abschneidet u. sie
in einen öfi'entlichen Bezirk wirft, u. wer sich zur Ader läßt u. (hinterher) sein Lager
bedient (den Beischlaf vollzieht). . . . Wer an einer Begräbnisstelle übernachtet, damit
ein Geist der Unreinheit auf ihm wohne; denn zu Zeiten bringen sie (die unreinen
Geister) ihn in Gefahr.
8, 29: Was haben wir u. du (= welcher Grund liegt vor), Sohn
Gottes, daß du hierher kamst vor der Zeit uns zu peinigen?
Tt T^fiiv xal aof; hierzu s. bei Joh 2, 4. || „Sohn Gottes" als Messias-
bezeichnung s. bei Rom 1,3. || ttqo xaiQuv ßaaavfacci i]f-iäq; zu der Er-
wartung, daß die Macht der Dämonen in der messian. Zeit werde ge-
brochen werden, s. den Exkurs über altjüd. Dämonologie Nr, 6, l.
8,30: Es weidete fern von ihnen eine Herde
zahlreicher Schweine.
ayiXri lOiQo^v noXXwv ßoaxof^uvvj. — Schweinezucht war nach der
Mischna den Juden verboten, a Man wird deshalb die Besitzer dieser
Schweineherde wohl unter den nichtjüdischen Bewohnern von Gadara
zu suchen haben. Eine Bar hat das Verbot der Schweinezucht mit
einem Vorfall während des Bruderkrieges zwischen Hyrkanus u. Ari-
stobul II. in Verbindung gebracht, b Danach würde das Verbot aus dem
Jahre 65 v.Chr. stammen; s. Schürer'' 1,294. Die älteste Autorität, die
Matth S, 30. 32. 9, 1 493
-das Verbot mit ihrem Namen deckt, ist, soweit wir sehen, R. J^huda
b. El?ai, um 150.c — Einige charakteristische Aussprüche über das
Schwein sind bereits zu Mt 7, 6 gebracht worden; wir fügen hier noch
mehrere andere hinzu, d
a. BQ7, 7: Man darf im Lande Israel kein Kleinvieh aufziehen (weil die Hirten
die Tiere auf fremden Grundstücken weiden lassen u. daher als des Diebstahls schuldig
gelten), wohl aber darf man solches in Syrien u. in den Steppen des Landes Israel
aufziehn. . . . Man darf an keinem Orte Schweine aufziehn. . . .
b. BQ 82'' Bar: Als die Hasmonäer sich untereinander befeindeten, befand sich
Hyrkanus innerhalb Jerusalems u. Aristobul (6 * — 63 v. Chr.) außerhalb. (Die beiden
Namen sind nach den Parallelherichten u. dem geschichtlichen Verlauf des Kampfes
umzustellen: Hyrkan war der Belagerer Jerusalems.) Täglich ließen sie ihnen in einem
Korbe Denare (von der Mauer) hinab u. sie (die Belagerer) ließen ihnen dafür die
Lämmer zu den Tamidopfern hinauf. Ein Alter war dort, der sich auf griechische
Weisheit verstand; der sprach zu ihnen: Solange sie (die Belagerten) sich mit dem
Opferdienst befassen, weiden sie nicht in eure Hand gegeben werden. Am nächsten
Tage ließen sie ihnen die Denare in dem Korb hinab u. sie ließen ihnen ein Schwein
hinauf. Als dieses bis zur halben Hölie der Mauer gekommen war, steckte es seine
Klauen in die Mauer, so daß das Land Israel in einem Umfang von 4U0 Quadrat-
parasangen erschüttert wurde. In jener Stunde hat man gesagt: Verflucht der iMann,
der Schweine züchtet, u. verflucht der Mensch, der seinen Sohn griechische Weisheit
lehrt! — Dasselbe M''n 64 '^ u. Sota 49''; s. auch Josephus. Antiq. '4, 2, 2. — pB^rakh 4,
7'', 22 u. pTa?an 4, ö'^", 26 verlegt R. Levi (um oUU) diesen Vorfall in die Zeit der Be-
lagerung Jerusalems durch die Römer.
C. N«'d49'': Ein Häretiker sagte zu R. J huda (b. Elfai): Dein Gesicht gleicht (an
Röte) entweder dem eines Wucherers oder dem eines Schweinezüchters. Er antwortete
ihm: Den Juden ist beides verboten. — Parallelen mit vielen Abweichungen: P'siq37'';
TanchB r-r. § 19 (.^8^'); Midr Qoh x, I (39"); in diesen Stellen begründet R. J'huda seine
Antwort mit Berufung auf den Mischnasatz BQ 7, 7, daß es dem Israeliten verboten sei,
Schweine zu züchten. Vgl. auch pSchab S, 1 1 ", H4; pP'^s lo, 37*^, 3U; pSch'^q :', 47'-', 2.
d. Ta?an2I'': Man sagte zu Rab .I'^huda if 299): Unter den Schweinen ist eine
Seuche ausgebrochen. Er ordnete ein Fasten an. Meinte Rab J'^'huda etwa, daß eine
Plage, die unter einer Art Vieh zum Ausbruch gekommen ist, auch unter allen (übiigen)
Arten zum Ausbruch kommen könnte lu. hat er zur Abwendung dieser Gefahr das
Fasten verordnet)? Nein; es verhält sich aber bei den Schweinen anders; denn deren
Eingeweide haben Ähnlichkeit mit denen des .Menschen (so daß die Übertragung der
Schweinepest auf Menschen zu befurchten ist). || pB'^rakh "2, 4'', 51 : Mar fUqba (wohl
der IL, um 270) hat gesagt: Das Schwein ist ein sich bewegender Abort (deshalb darf
man in seiner Nähe nicht beten).
8,32: Sie kamen heraus u. fuhren in die Schweine; u. siehe,
die ganze Herde . . . stürzte sich in das Meer.
€^tX&ovT€g. — In der Erzählung von Ben Telamjons Austreibung aus
der Kaisertochter in Rom M*^^?il 51''. (s. Exkurs zur altjüd. Dämonologie
Nr. 7Ji) als entsprechendes Verbum ps: = „er kam heraus".
ilg Tovg xoiQovq . . . dg rrv ^dlaaaav. — Dämonen weilen gern an un-
reinen Orten u. an Wasserstätten, s. den eben genannten Exk. Nr, 4, e u. /".
9, 1: Er kam in seine (eigene) Stadt.
€ig zrjv ISiocr noXiv, d. h. in die Stadt, deren Bürger er war. — Das
städtische Vollbürgerrecht wurde erworben durch einen Aufenthalt von
494 Matth 9, 1.2(31)
12 Monaten in einer Stadt. Die Stadt wird dadurch für den Betreffenden
zu „seiner" Stadt 'n--J, er selbst gehört zu den -i-^yn i:n oder i^yn iir:N, den
eigehthchen städtischen Bürgern. Diejenigen, die noch nicht 12 Monate
in einer Stadt weilen, bilden die Klasse der T^yn ^Tor, der städtischen
Einw^ohner. Sie gelten als städtische Halbbürger, die weder die vollen
Bürgerrechte genießen noch auch die vollen Kommunallasten zu tragen
haben; zu letzteren w^ird ein Halbbürger nur dann in vollem Maße wie
ein Vollbürger herangezogen, wenn er Grundbesitz erworben hat. Eine
dritte Kategorie bildeten die vorübergehend, d. h. weniger als 30 Tage
in einer Stadt Anwesenden; falls sie in dieser Zeit nicht Grundbesitzer
wurden, waren sie von allen ordentlichen Lasten frei. Vgl. Weinberg.
Die Organisation der jüdischen Ortsgemeinden in der talmudischen Zeit,
Monatsschrift für Gesch. u. Wiss. des Judentums, 1897, S. 639 ff.
BB 1, 5: Wie lange muß man in einer Stadt sein, um den 'Bürgern der Stadt gleich
zusein, --yr; -3;:sr'? Zwölf Monate. Hat man aber darin ein Wohnhaus gekauft, so ist
man sofort den Bürgern der Stadt gleich. || TN<^d '2, 10 (278) : Wenn einer gelobt, keinen
Nutzen von den Bürgern „seiner" Stadt, t—y '^z, haben zu wollen, u. es kommt ein
andrer u. wohnt dort :^0 Tage, so darf er von diesem Nutzen haben idenn dieser gehört
zu den -t-yr: -:c"-). Wenn er aber dem Nutzen von den Einwohnern „seiner" Stadt
1—5 «2r-" durch Gelübde entsagt hat, u. es kommt ein andrer u. wohnt dort 30 Tage,
so ist ihm ein Nutzen von diesem verboten. - Dasselbe pN'^d 5, 39^, 12; als Bar BB 8*^
in folgender Fassung: Wenn einer dem Nutzen von den Bürgern der Stadt — 'sn -tojs
durch Gelübde entsagt, so ist ihm jeder verboten, der dort 12 Monate weilt, von ihm
. Nutzen zu haben ; wer kürzere Zeit dort wohnt, ist ihm erlaubt. Wer aber dem Nutzen
von den Einwohnern der Stadt ^"yn "ax-v entsagt, dem ist jeder verboten, der dort
30 Tage weilt, um von ihm Nutzen zu haben; wohnt er aber kürzere Zeit dort, so ist
er ihm erlaubt. |1 TPea4, 9 (23): Wenn jemand 30 Tage in einer Stadt -wohnt, so gilt er
in bezug auf die Beisteuer zur Armenkasse r.t^p gleich den Bürgern jener Stadt "":s:
i-yrt rtr-s (d. h. er hat ebensoviel zu zahlen, wie jene); in bezug auf die Beisteuer zur
Armenbekleidungskasse (wird er den Vollbürgern gleich) nach sechs Monaten, u. in
bezug auf die Beisteuer zu den Palisaden (zur Befestigung) der Stadt nach zwölf
Monaten. Ähnlich pPea 8, 21 ^ 37 u. pBB 1, 12'^, 47. — Vollständiger BB 8» Bar: Nach
30 Tagen hat man beizusteuern zur Ortsarmenkasse (1. -t^.- statt 'in-sr), nach drei Monaten
zur Unterstützungskasse für durchreisende Arme (1. ■irrsr = Schüssel statt ~i"), nach
sechs Monaten zur Bekleidungskasse, nach neun Monaten zur Begräbniskasse (für Arme)»
nach zwölf Monaten zu den Palisaden der Stadt. üJBelege zu dem Ausdruck „seine"
Stadt. 3 Esra 5, 8: Sie kehrten nach Jerusalem u. dem übrigen Judäa zurück ein jeder
in seine Stadt sig ti]p iöinv nöXiv. |j Midr Qoh Anfang: R. Chanina b. Dosa (um 70) sah,
wie die Bürger seiner Stadt ■■^•y -:= Gelübde- u. freiwillige Opfer nach Jerusalem hinauf-
brachten. Er sprach: Alle bringen Gelübde- u. freiwillige Opfer nach Jer. hinauf, u.
ich bringe nichts hinauf (infolge meiner Armut). Was tat er? Er ging hinaus auf das
Triftland seiner Stadt i— y '•>•:: r-i^--:"^. . . . Ii GnR 9 (7^): R. Sch'^muel b. Nachman (um
260) hat erzählt: Ich ritt auf der Schulter meines Großvaters, der aus seiner Stadt
■)-^-yi nach K^phar-Chanan hinaufging. . . . |1 NuR 18 (12.5'*): R. Jannai (um 225) saß u.
trug am Tore seiner Stadt "i^-y Schriftdeutungen vor. . . .
9,2 51: Sei getrost, Kind, Tt'xrov. Die entsprechende hebr. Anrede
ist^:?, mein Kind, mein Sohn. Als Beispiel s. Schab 30 ''bei Mt 5,5 S. 198/:/;
Seder ElijR 18 bei Mt 9, 13 5t; Abdth RN 4 bei Mt 9, 13 23; Aboth RN 4 bei
Mt9,155(Anm./^;M^'g24''beiMt9,275t,Ende;TN'^g8.2(628)beiMtl0,l5(.
Matth 9, 2 (SB) 495
0,2!!B: Deine Sünden sind vergeben (erlassen), dcfferrai aov
at ccfxaQxicci. — Im Rabbin. sind die gebräuchlichsten Verba für „ver-
geben" n^c (schon im AT), bn^, prc.
Die Sündenfreiheit der messian. Heilsgemeinde gilt der älteren Zeit
meist als etwas Selbstverständliches. Der Messias ist an der Herbei-
führung dieses Zukunftsideals nach etlichen Stellen insofern beteiligt,
als er durch das Weltgericht die Gottlosen aus Israel vernichtet, die
Macht der dämonischen Gewalten beseitigt u. sein gerechtes Volk durch
sein Regiment vor Sünde bewahrt; s. die Belege bei Mt 1, 21 S. 67 ff. —
Auch der Gedanke findet sich, daß Israel auf Grund der Fürbitte u.
der Leiden des Messias Vergebung der Sünden erlangen werde, s Targ
Jes 53, 4 ff., oben S. 482; ferner bei Lk 24, 26 I, 3 u. 4 Anm. l—q. —
Dagegen ist uns keine Stelle bekannt, in der der Messias kraft eigner
Machtvollkommenheit einem Menschen die Vergebung der Sünden zu-
spricht. Die Sündenvergebung bleibt überall das ausschließliche Recht
Gottes; auch P^siq 149^ (s. gleich) macht keine Ausnahme.
Über den Zus.hang von Sünde u. Krankheit, bezw. von Genesung
u. Sündenvergebung orientieren zwei Aussprüche prinzipieller Art.
Schab hb'^: R. Ammi (um 300) hat gesagt: Es gibt keinen Tod ohne Sünde u. keine
Züchtigungen (Leiden) ohne Schuld. Es gibt keinen Tod ohne Sünde, s.: „Die Seele,
die da sündigt, die soll sterben; ein Sohn soll nicht die Schuld des Vaters tragen, noch
der Vater die Schuld des Sohnes tragen; die Gerechtigkeit des Gerechten wird über ihm
sein u. die Bosheit des Bösen wird über ihm sein" Ez 18, "20. Es gibt keine Züchtigungen
ohne Schuld, s.: „Ich will heimsuchen mit dem Stecken ihren Frevel u. mit Plagen
ihre Missetat" Ps 89, 3B. — Man wandte ein: Es sprachen die Engel des Dienstes vor
Gott: Herr der Welt, warum hast du den Tod über den ersten Menschen verhängt?
Er antwortete: Ein leichtes Gebot hatte ich ihm geboten u. er übertrat es! Sie sprachen:
Aber haben denn nicht Mose u. Ahron die ganze Tora gehalten u. sie sind gestorben?
Er antwortete: Ein Geschick trifft den Gerechten wie den Gottlosen (Qoh 9, 2). — Wer
(wie R. Ammi) sagt, stimmt überein mit einem Tannaiten. Denn in einer Bar ist gelehrt
worden: R. Schim?on b. Elfazar (um 190) sagte: Auch Mose u. Ahron sind der Sünde
wegen gestorben, s.: .Darum dafs ihr nicht an mich geglaubt habt' Nu 20, 12! Siehe.
wenn ihr an mich geglaubt hättet, so wäre eure Zeit, von der Welt zu scheiden, noch
nicht gekommen. — Man wandte ein: Vier sind infolge des Rates der Schlange ge-
storben (d. h. ohne durch eigene Sünde den Tod verschuldet zu haben): nämlicl\ Ben-
jamin der Sohn Jakobs, fAmram der Vater Moses, Isai der Vater Davids u. Kihab der
Sohn Davids. . . . Daraus entnehme ich, daß es einen Tod ohne Sünde u. Züchtigungen
ohne Schuld gibt. Aber der Einwand des R. Ammi bleibt (unwiderlegt) bestehn. —
Parallelstellen zu Ammis Ausspruch: LvR37 (133^); Midr Qoh 5, 4 (25 a); zu dem Wort
des R. Schimfon b. Elfazar: SNu 27, 14 § 137 (51b); zu der Ausführung über die vier
durch den Rat der Schlange Gestorbenen BB 17 a. || N^^d 41 a; R. Chijja b. Abba » (um 2>^0)
hat gejagt, R. Alexandrai (um 270) habe gesagt: Der Kranke steht von seiner Krankheit
nicht auf, bis man (= Gott) ihm alle seine Sünden vergeben hat, s.: „Der dir alle
deine Sünde vergibt, der Heilung schafft all deinen Gebrechen" Ps 103, 3 (also erst
Vergebung, dann Genesung). |1 P'^siq 149": Das Gewand, in das Gott dereinst den Messias
kleiden wird, wird hell u. immer heller leuchten von einem Ende der Welt bis zum
andren, s.: „Gleich einem Bräutigam, der den priesterlichen Kopfputz aufsetzt" Jes 61,10,
u. Israel wird sich seines Lichtes erfreuen. Dann wird man sagen : Heil der Stunde,
* So ist zu lesen; R. Chijja ist der Tradent.
496 Mattli 9, 2 (5öj. 9, A (21 1.2)
da der Messias geschaffen (geboren) ward; Heil dem Leibe, aus dem er hervorging;
Heil dem Geschlecht, das ihn sieht (r-s*.-' i:-; =' -r-s risi-^ i-s-y:; "'""); Heil dem Auge,
<ias gewürdigt ward, ihn zu schauen! Denn das Offnen seiner Lippen ist Segen u.
Frieden, sein Sprechen ist Erquickung des Geistes m- rr,:; Majestät u. Herrlichkeit
ruht auf seinem Gewand, Sicherheit u. Glück ist in seinem Wort, seine Zunge ist Ver-
gebung u. Verzeihung rrr-io-. nh'r-.-c nr-';, sein Gebet ein wohlgefälliger Duft u. sein
Flehen Heiligkeit u. Reinheit. Heil Israel über das, was ihnen aufbewahrt ist: ,Wie
grofs ist dein Gutes, das du birgst für die, so dich fürchten!" Ps 31, '20. — Parallelstelle
P'^siqR '-M (164*). — Wenn es oben heißt, daß des Messias Zunge Vergebung u. Verzeihung
sei, so hat man dabei nicht an eigentliche Sündenvergebung zu denken, sondern an
sein mildes Urteilen, das bereit ist, Unrecht überall zuzudecken u. zu vergessen.
9,3 51: Einige der Schriftgelehrten sprachen bei sich. —
Über yQaf.iiiaTsvq s. oben S. 79. Der Gelehrtenstand umfaßte die o-i-asn,
die c-'^rn "'■!"''2bn u. die ^in-i^bn.
1. Zu den Chakhamim, den Weisen, gehörten alle diejenigen, die
durch die Ordination hd^^p öffentlich als „Gelehrte" anerkannt waren.
Sie durften den Ehrentitel „Rabbi" führen, als Richter in Strafprozessen
fungieren, a gegebenenfalls auch rechtsgültig für sich allein Zivilklagen
entscheiden, b — Über die Ordination s. bei Apg6, 6; über den Titel
„Rabbi" bei Mt 23, 7.
a. Sanh 3^: Geldprozesse werden durch drei Laienrichter abgeurteilt. Beraubungen
aber u. Verwundungen durch drei anerkannte yn^'-o (ordinierte) Richter.
b. Sanh 41» Bar: Geldprozesse werden durch drei (Personen) abgeurteilt, u. wenn ein
öffentlich Anerkannter (Ordinierter) da ist, darf er auch allein entscheiden. Rab Nachman (t
32U) hat gesagt : Ich zß entscheide Geldprozesse allein ; ebenso hat R. Chijja (um 280) gesagt.
2. Ein Talmid-Chakham (wörtlich: Gelehrtenschüler) war ein Ge-
lehrter, der die Ordination noch nicht empfangen hatte, obwohl er den
traditionellen Stoff samt der halakhischen Methode so weit beherrschte,
daß er die religionsgesetzl. Bestimmungen auf die konkreten Einzel-
fälle, wie sie das tagtägliche Leben gerade zeitigte, richtig anzuwenden
vermochte. Die Gesamtheit dieser Nichtordinierten heißt im pT oft
xi;rnnn := die Genossen, der einzelne -inn, aram. x'n?n, zB Hoschafja, der
Genosse oder Kollege der Gelehrten i.-n-n -iin-^nn. Um in die Reihe der
Talmide-Chakhamim einzutreten, sollte der Betreffende vierzig Jahre
alt sein.a Wie es scheint, hat man sie gern in kleinere Gemeinden
entsandt, damit sie diesen mit ihrem Wissen u. Können als Leiter, Be-
rater, Prediger u.dgl. dienten. b Auch ein solch nichtordinierter Ge-
lehrter konnte selbständig zivilrechtliche Entscheidungen treffen, falls
die Parteien sich im voraus bereit erklärten, seinem Urteilsspruch sich
unterwerfen zu wollen, c
a. Sota 22'' Bar: Eine Jungfrau, die eine Betschwester ist, eine Witwe, die umher-
läuft (von Haus zu Haus) u. ein Kind, dessen Monate nicht voll sind (das nicht aus-
getragen ist), siehe, die richten die Welt zugrunde. . . . Was ist ein Kind, dessen
Monate nicht voll sind? Man hat es so gedeutet: Es ist ein Gelehrtenschüler (Talmid-
Chakham), der seine Lehrer verachtet (wörtlich: gegen sie ausschlägt). R. Abba (um 290)
hat gesagt: Es ist ein Schüler, Talmid, der noch nicht bis zum Lehren (Entscheiden)
gelangt ist u. (gleichwohl) lehrt (Entscheidungen trifft). Denn R. Abbahu (um 300) hat
gesagt, Rab Huna (f 2y7) habe gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Was bedeutet: ,Viel
Matth 9, 3 {% 2) 497
sind der Erschlagenen, die sie hingestreckt hat, u. verscMossen alle von ihr Getöteten"
Spr7,2HV (so der Midr). „Viel sind der Erschlagenen, die sie hingestreckt hat", da-
mit ist ein Geiehrtenschüler gemeint, der noch nicht bis zum Lehren (Entscheiden)
gelangt ist u. docli lehrt; ,u. verschlossen alle von ihr Getöteten", damit ist ein G.
gemeint, der bis zum Lehren (Entscheiden) gelangt ist, aber nicht lehrt (sondern seinen
Mund geschlossen hält). Und bis wie lange (darf man nicht lehren oder entscheiden)?
Bis man 40 Jahre alt ist. Aber Raba (f '■^b2) hat doch (früher) gelehrt! Ja, aber unter
Gleichen seine Kollegen waren weder älter, noch gelehrter als er).
b. Schab 114»; R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer ist ein solcher Gelehrten-
schüler, daß man ihn zum Leiter einer Gemeinde bestimmen kann? Derjenige, den
man nach etwas Halakhischem an jeder beliebigen Stelle (des Talmuds) fragt, u. er
sagt es, selbst aus dem Traktat Kalla (= Braut, junge Frau, einer der außerkanonischen
Traktate des Talmuds, der über eheliche Verhältnisse handelt u. in den Schulen wohl
selten besprochen wurde; Einl. 7^^). — Auch die rituelle Praxis sollte der Talmid-
Cliakham nach Chullin9'* auszuüben imstande sein: Rab J'^huda (f 299) hat gesagt,
Rab (t247) habe gesagt: Ein Geiehrtenschüler muß dreierlei lernen, das Schreiben,
das Schlachten (Schächten) u. das Beschneiden. Rab Chananja b. Sch'lamja (um 260)
hui im Namen Rabs t 247) gesagt: Auch auf den Knoten der Gebetsriemen u. den
Lobspruch über die Brautpaare u. die (^i^ith (Schaufäden) muß er sich verstehen. |]
P"s 11':^^ Bar: Siebenerlei hat R. fAqiba (f um 135) seinem Sohne R. J^hoschuaf be-
folilen: . . . Wohne nicht in einer Stadt, deren Haupt ein Geiehrtenschüler ist.' . . .
Raschi begründet diesen Ausspruch so: denn der G. wird sich mit dem Studium be-
schäftigen u. nicht mit den Angelegenheiten der Gemeinde. Dagegen ?Arukh ("Cs): den
Gelehrtenschülern gebricht es an Amtsautorität n-dij r-s-s zr.h ys n-isrr •«T'str». |1
Andersartig ist der Auspruch Rabs Schab 11» — Aus pJ b 12, I3a, 12 können wir ent-
nehmen, daß die Gemeinden, denen ein Talmid Chakham als Lehrer u. Leiter über-
wiesen werden sollte, diesen zuvor einer Art Probeaufstellung unterwarfen. Die Stelle
berichtet: Die Bewohner von Simonja (in Galiläa) kamen zu Rabbi; sie sprachen zu ihm:
Bitte, gib uns einen Mann als Prediger, Richter, Synagogenaufseher, Bibellehrer u.
Mischnalebrer u der uns alle uiisre Anliegen besorgt. Er gab ihnen den Levi bar Sisi.
Sie machten ihm eine große Rednerbühne u. setzten ihn darauf. Dann fragten sie ihn:
Womit soll eine Frau, die' nur einen Armstumpf hat (bei verweigerter Leviratsehe),
die Zeremonie des Scliuhausziehens vollziehen? Er konnte ihnen nicht antworten ii:"»
(Aphv. :i5). Wenn sie Blut speit? (fragten sie weiter, hat sie damit der Bestimmung
Dt;*-!, 9 genügt? Er konnte ihnen nicht antworten. Da sprachen sie: Vielleicht ist
er kein Kenner der Halakha. wir wollen ihn aus der Haggada befragen. Sie fragten:
Was bedeutet; ,Aber ich will dir verkünden, was aufgezeichnet ist in einer Schrift
der Wahrheit" Dni(i,2i? Wenn , Wahrheit", wozu dann noch „aufgezeichnet"? u.
wenn „aufgezeichnet", wozu dann noch „Wahrheit"? (Eins von beiden hätte genügt.)
Aber er konnte ihnen nicht antworten. Da sprachen sie zu Rabbi: Ist das der Er-
wünschte, um den wir dich gebeten hatten? Er antwortete: Bei eurem Leben, einen
Mann, der mir gleichkommt, habe ich euch gegeben! (Hinterher stellt sich dann heraus,
daß Levi b. Sisi vor lauter Hochmut nicht habe antworten können, worauf ihn Rabbi
an Spr 30, 32 erinnert! — Diese Erzählung auch GnR81(5r').
C. Sanh 5 ': Mar Zutra b. Nachnian (um 3U0) entschied (als einzelner) in einer (zivil-
rechtlichen) Klagesache u. irrte lin seiner Entscheidung). Er kam vor Rab Joseph (t333);
der sprach zu ihm: Wenn sie die Parteien) dich angenommen haben (als Richter mit
der Erklärung, sich deiner Entscheidung bedingungslos unterwerfen zu wollen), so
brauchst du dem Geschädigten) keinen Ersatz zu zahlen; wenn aber nicht, so geh u.
zahle! Daraus entnehme ich, daß. auch wenn der Gelehrte keine Autorisation erhalten
hat, sein Urteilsspruch doch gültig ist.
^ So die bessere Lesart statt: „deren Häupter Geiehrtenschüler sind", s. Bacher,
TannM,2ii9.
Strack u.Billerbeek. NT I. 32
498 Matth 9, 3 (31 3. SB). 9, 9. 10. 1 1
3. Ein Schüler ^^^■;^ endlich war derjenige, der sein Studium noch
nicht so weit absolviert hatte, daß er in die Reihe der Gelehrtenschüler
eintreten konnte.
D, 3 S: Dieser lästert, ßlaa(pri}.isi = r'^r.. Über Gotteslästerungen
s. bei Mt 25, 25.
9,9: Er sah einen Menschen an der Zollstätte sitzen
mit Namen Matthäus.
t6 TfXwYiov = 0?"?^ ni2. — In einem älteren Gleichnis heißt es:
Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der an einer Zollstätte vorüber-
ging; er sprach zu seinen Dienern: Gebt den Zöllnern den Zoll; s. Sukka
30=^ oben S. 379 y. — Mad-d-alov Xeyofx^vov, s. bei Mt 10, 3.
9,10: Als er in dem Hause zu Tische lag, siehe,
da kamen viele Zöllner u. Sünder.
avTov dvaxsiüs'vov. — Über Liegen u. Sitzen beim Essen usw. s. den
Exkurs: Ein altjüdisches Gastmahl.
TioXXol TsXvövm. — Über die Zöllner s. bei Mt 5, 46.
(xf.iaQZ(oXoi = z-^ii-jr. — Als notorische Sünder, die deshalb auch als
Richter u. Zeugen untauglich waren, galten nach Sanh 3, 3: Der Würfel-
spieler, der auf Zins Leihende, die, welche (im Wettsport) Tauben fliegen
lassen, u. die, welche mit dem Ertrag des Sabbatjahres handeln. — Sanh
25*^ Bar fügt hinzu: Die Räuber u. die Gewalttätigen ■prc'pnn'i Tr^Tivi. —
Eine andre Bar Sanh 25^^ nennt noch: Die Viehhirten, die Steuererheber
u. die Zöllner.
Die beiden Synonyma a-'m u. =ix-jn Gn 13, 13 erklärt Targ Onk so:
„Die Leute von Sodom waren böse (-(ir-n = d^"-i) mit ihren Gütern u.
sündig (schuldbeladen i^n-^n = c-^x-jn) durch ihre Leiber. " — GnR 4 1 (25 *=)
heißt es statt dessen: „Böse", einer gegen den andren; „sündig", durch
Unzucht; „gegen Jahve", durch Götzendienst; „gar sehr", durch Blut-
vergießen. — Targ Jerusch I: „Die Leute von Sodom waren schlecht mit
ihren Gütern der eine gegen den andren u. sündig mit ihren Leibern
durch Unzucht u. Vergießen unschuldigen Bluts, u. sie trieben Götzen-
dienst u. empörten sich gegen den Namen Jahves sehr.
9, 11: W^arum ißt euer Lehrer mit den Zöllnern u. Sündern?
B^rakh43^ Bar: Sechs Dinge gereichen dem Gelehrtenschüler zur Schande: er soll
nicht parfümiert auf die Straße hinaustreten, er soll nicht des Nachts allein ausgehn..
er soll nicht mit geflickten Schuhen ausgehn, er soll nicht mit einem Weibe auf der
Straße reden, er soll nicht in Gemeinschaft mit gesetzesunkundigen Leuten (?Am ha-
are<j, s. zu Joh 7,49) zu Tische liegen 3D^ 5s u. er soll nicht zuletzt in das Lehrhaus
eintreten. Einige fügen noch hinzu: er soll nicht große Schritte machen u. er soll
nicht in aufgerichteter Haltung einhergehn. ... Er soll nicht in Gemeinschaft mit
gesetzesunkundigen Leuten zu Tische liegen; weshalb? Er könnte sich von ihnen an-
gezogen fühlen (u. ihre Sitten annehmen). || TD*^mai 3, 6f. (49): Ein Chaber (Mitglied
des Pharisäerbundes) soll nicht dienen (aufwarten) bei der Hochzeitsfeier oder dem
Gastmahl eines f Am ha-are<;, es sei denn, daß alles unter seinen Händen ordnungs-
Matth9, 11.13(31. S3) 499
mäßig verzehntet worden ist, wäre es auch nur ein Heber (Saugapparat) zum Weiu.
Wenn daher ein Chaber bei der Hochzeitsfeier oder dem Gastmahl eines fAm ha-are^
zu Tische dient, so gilt dies als Beweis für richtige Verzehntung. Wenn ein Chaber bei
der Hochzeitsfeier oder dem Gastmahl -eines ?Am ha-ai'ec zu Tische liegt =c-:, so soll
er, auch wenn man ihn sieht, seine Hände abspülen u. sofort essen, abspülen u. sofort
trinken; aber dies gilt nicht als Beweis für richtige Verzehntung, er könnte ja in seinem
Innern verzehntet haben (indem er vor dem Essen bei sich selbst spricht: Für alles,
was ich essen werde, will ich morgen von einer andren Stelle her den Zehnten ab-
sondern). — Dasselbe mit Abweichungen als Bar pD^'mai 2, 22'^, 53. |i D'^mai2, 3: Wer
es auf sich nimmt ein Chaber zu sein, . . . soll bei einem ?Am ha-arep nicht als Gast
sein, noch einen solchen in seinem Gewand bei sich zu Gaste laden. — Anders in der
Parallelstelle TD«^mai 3, 2 (47). — SDt 1, I § 1 (U^): R. Schirafon b. Jochai (um 150)
sagte: Gleich einem, der Gelehrte u. Schüler (als Gäste bei sich) aufnahm, u. alle
priesen ihn glücklich. Da kamen Heiden, u. er nahm sie (gleichfalls) auf; u. die Leute
sagten: Es ist die Gewohnheit des NN jedermann aufzunehmen. So sprach. Mose zu
Israel: (Ihr habt) genügend Gold für die Wohnung (Stiftshütte) u. genügend Gold für
das Kalb. — Der Ortsname a-: -n Dt 1,1 wird gedeutet = 3-t -rr genug Gold.
9, 13 31: Hingehend a)3er lernet, noQevd^svreg d^ fiäd^srs. — Dieser
Redewendung entspricht der Schulausdruck n^b x-^ „geh hin u. lerne".
Seder ElijR 18: Einmal zog ich (der Prophet Elias) von Ort zu Ort; da traf mich
ein Alter, der zu mir sprach: Rabbi, warum sind die Hausväter Israels betrübt, wenn
sie keine Kinder haben? Ich antwortete: Mein Sohn, (daß sie keine Kinder empfangen,
geschieht,) weil Gott sie mit vollkommener Liebe liebt u. sich über sie freut u. sie
läutert (prüft), damit sie viel um Erbarmen vor ihm flehen. , Er sprach: Nicht viel-
mehr, weil (Geschlechts- jLust in ihrem Innern ist u. sie Weiber nehmen ohne (den
Gedanken an) Fortpflanzung? Ich antwortete: Mein Sohn, wir haben viele Hausväter,
die Eseltreiber sind ^ u. nur Ein Weib haben u. betrübt *ind, wenn sie keine Kinder
haben (auf sie trifft also dein Einwand nicht zu). Du kannst es erkennen, daß dem
so ist; geh hin, lerne -■;•; n:; es von unsrem Vater Abraham (u. Sara), die 75 Jahre
unfruchtbar waren; u. sie flehten viel um Erbarmen, bis Isaak kam, u. sie freuten
sich seiner. Geh hin, lerne es von Rebekka, die 20 Jalire unfruchtbar war, u. sie
flehte viel um Erbarmen, bis Jakob kam, u. sie freuten sich seiner. Geh hin, lerne
es von Rahel, die 14 Jahre unfruchtbar war usw. Geh hin, lerne es von Hanna, die
19 ^2 Jahr unfruchtbar war usw. !| NuR8(149"): In jener Stunde (da Gott das Recht
der Gibeoniter von Saul forderte) sprach David: Wie, wegen dieser Proselyteu tut
Gott seinem Volk also? Gott antwortete ihm: Wenn du die Fernen fernhältst, wirst
du schließlich auch die Nahen entfernen; geh hin u. lerne -'sVi ni: von deinem Lehrer
Josua! Denn als die Gibeoniter zu ihm sprachen: „Komm eilends zu uns herauf u.
rette uns u. steh uns bei" Jos 10,6, sprach Josua: Wie, wegen dieser Fremdlinge
(Proselyten) sollten wir die Gesamtheit (Gemeinde Israel) belästigen? Gott aber spracli
zu ihm: Josua, wenn du die Fernen fernhältst, wirst du schließlich auch die Nahen
entfernen; geh hin u. lerne, woher deine Pflanzung (Abstammung) ist; nicht von Fremden
(Proselyten)? s. Gn 46, 27 u. Nu 13, 8. || Im Plural steht die Wendung Aboth 2, 9: (Rabban
Jochanan b. Zakkai, t um 80, sprach zu seinen Schülern:) Geht u. seht -s-n ns-; welches
ist eine gute Handlungsweise? . . . Geht u. seht; welches ist eine schlechte Handlungs-
weise? . . . Vgl. W.Bacher, Terminologie 1,75.
^^13^: Barmherzigkeit will ich u. nicht Opfer, sleog O-äloi
xal ov d^vaiav. — Targ Hos 6, 6: An denen, die Barmherzigkeit üben^
ist Wohlgefallen vor mir mehr als am Altar.
1 Nach K^th 5, 6 sind Eseltreiber, weil sie häufig ihrem Hause fernbleiben müssen,
zur Ausübung der ehelichen Pflicht wöchentlich Einmal verbunden.
S2*
500 Matth d, 13 (SB). 9, 14. 15 (?l)
AbothRN4: (Zu dem Ausspruch des R. Scliim?on des Gerechten I., um 300 v. Chr.,
in Aboth 1,2: ,Aul' drei Dingen steht die Welt, auf der Tora, dem Opferdienst u. den
Liebeser Weisungen" heißt es:) „Auf den Liebeserweisungen" inwiefern? Siehe, es heißt:
„An Liebe habe ich Wohlgefallen u. nicht am Schlachtopfer" Hos 6, 6. Die Welt ist
von Anfang an nur durch Liebe erschaffen worden: „Ich sage: Liehe baut die Welt
auf Ps H9, 3 (so der Midr). Einmal war Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80 n.Chr.)
aus Jerusalem hinausgegangen u. R. J hoschuaf ging hinter ihm (folgte ihm als sein
Schüler), u. er sah das Heiligtum zerstört, die Stätte, da man für die Sünden Israels
Sühnung beschaffte. Er sprach zu ihm: Mein Sohn, es mißfalle dir nicht! wir haben
Eine Sühne, die jener gleicht; u. weiche das ist? Das sind die Liebeserweisungen,
s. Hos (),6 (wie oben), il Sukka49b: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Wer Wohltätigkeit
übt, ist größer, als alle Opfer, s.: „Daß man Wohltätigkeit (so der Midr) u. Gerechtig-
keit übe, ist Jahve lieber als Opfer* Spr 21,:-!. — In Midr Spr 21,H (4-^^) sagt R. Elfazar
b. Schimfon (um 18ü): Wer Wohltätigkeit übt u. Rerht, dem rechnet es die Schrift so
an, als' brächte er Brand- u. Schlachtopfer dar, s. Spr 21. 3. i| DtRö(201"^): „Daß man
Wohltätigkeit u. Gerechtigkeit übe, ist Jahve lieber als Opfer" Spr 21,:-!. Es heißt
nicht „ebenso lieb wie Opfer" n^Tr, sondern „lieber als Opfer" rr^.T*:. Inwiefern? Opfer
pflegten nur dargebracht zu werden, solange der Tempel stand; aber W. u. Recht sind
in Übung, solange der Tempel bestand u. zur Zeit, da er nicht besteht. Eine andre
Erklärung: Die Opfer sühnen nur den, der versehentlich gesündigt hat; aberW. u. Recht
gereichen zur Sühnung sowohl dem, der versehentlich, als auch dem, der vermessen
gesündigt hat. Eine andre Erklärung: Die Opfer sind in Übung nur bei den Unteren
(Menschen); W. u. Recht sowohl bei den Oberen (Engeln , als auch bei den unteren.
Eine andre Erklärung: Die Opfer sind nur in dieser Welt in Übung, W. u. Recht so-
wohl in dieser als auch in der zukünftigen Welt. II B^'rakh55": R. Jochanan (f 2T9)
«. R. Elfazar (um 27U) haben beide gesagt: Solange der Tempel bestand, verschaffte der
Altar Israel Suhnung, nhej: jetzt verschafft der Tisch des Menschen ihm Sühnung (d. h.
das Speisen der Armen).
*), 14: Warum fasten wir u. die Pharisäer? Zum Fasten speziell
der Pharisäer s bei Lk 18, 12.
9, 15: Können wohl die Söhne des Brautgemachs trauern,
solange der Bräutigam bei ihnen ist?
9, 15 31: ot vlol Tov rviKfonog ist Wiedergabe des rabbin. nsw "isa^ =
, Söhne des Brautgemaches" u. bezeichnet die zur Hochzeit geladenen
Freunde des Bräutigams. Ein allgemeinerer Ausdruck ist nin-iixa =
Gäste. — Von den nsin "^ra werden unterschieden die -piir^'-iirb (Sing.
Var'ii:;).^ deren es in älterer Zeit, wenigstens in Judäa, zweid. e gab. Es
waren dies die Brautführer, Tiayarv/jiqioi, wohl meist die vertrautesten
Freundet des Brautpaars, die den Geschlechtsverkehr des jungen Paars
zu überwachen hatten d u. auch sonst eine gewisse Vertrauensstellung
dem Eliepaar gegenüber einnahmen. e Im großen u. ganzen beruhte das
Verhältnis der nsin -^zi u. -prTr'"r zum Bräutigam auf Gegenseitigkeit:
man erwartete vom Bräutigam, daß er die Aufmerksamkeiten, die ihm
seine Hochzeitsfreunde durch ihr persönliches Erscheinen u. durch ein
Geschenk erwiesen hatten, später gleicherweise erwidern werde; ent-
1 Selten u. nicht ganz sicherer Deutung ist S33J ":a (njis? ".sa) fEr40ä; BB 14-5'';
die letztere Stelle s. Anm. f.
^ Wohl von Z2V „verbunden sein", s. Levy4, 526.
Matth 9, 15 (?l) 501 •
sprach er dieser Erwartung nicht, so konnte das ihm gemachte Hoch-
zeitsgeschenk, soweit es in barem Oelde bestanden hatte, sogar ge-
richtlich wieder eingefordert werden ; höchstens durfte er eine bestimmte
Summe für das, was der Freund an seiner Hochzeitstafel verzehrt hatte,
in Abzug bringen J — Eine Nr;'i3pc wird wohl nur Qid 81'' erwähnt.g —
Das Institut der Brautführer wird auf Gott zurückgeführt, h
a. LvR28(126b) s. SBAnm.i/.
b. Die ns-n -33 werden neben den y^'z-ura genannt, zB Sukka25'' u. Parallele»
s. S Anm. h.
C. Sanh 8,5: Der Freund u. der Feind (sind untauglich als Richter u. Zeuge zu
fungieren, nämlich wegen parteiischer Befangenheit). Wer ist der Freund'? Sein Braut-
führer t:-a-r"3;.
d. TK^th 1,4 (261) s. oben S. 45 f. Zwei Brautführer auch ExR 41 s. Anm. e Ende.'
e. ExR 46 (101''*): Mose sah, daß die Israeliten gesündigt hatten, u. zerbrach die
Tiifeln (des Gesetzes). Gleich einem König, der ein Weib nahm u. ihr die Hochzeits-
verschreibung schrieb, die er in die Hand des Brautführers yzv^-a legte. Nach etlicher»
Tagen ging ein übles Gerüclit über sie aus. Was tat der Brautführer? Er zerriß die
Hociizeitsversclireibung u. sprach: Es ist besser, daß sie als Ledige gerichtet wird
u. nicht als Eheweib. So hat auch Mose gehandelt. Er sprach: Wenn ich die Tafeln
nicht zerbreche, so gibt es für Israel keinen Fortbestand, s.: ,Wer den Göttern, außer
allein Jahve, opfert, soll gebannt werden" Ex 22, 19. Was tat er? Er zerbrach die
Tafeln. Er sprach zu Gott: Sie haben nicht gewußt, was auf ihnen geschrieben stand. ||
ExR 47 (101"): „Schreibe dir diese Worte auf Ex 34, 27. Gott sprach zu Mose: Die
ersten Tafeln hatte ich geschrieben (s. Ex :^1, 18); aber die zweiten schreibe du —
o daß ich doch meine Hand dazu hergeben könnte (aber ich gewinne es nicht über
mich)! Gleich einem König, der ein Weib nahm u. ihr den Ehevertrag aus seinem
eigenen Schreibmaterial schrieb. Nach einiger Zeit verging sie sich u. er jagte sie fort.
Ihr Brautführer kam u. söhnte sie mit dem König aus. Dieser sprach zum Br.: Siehe,
ich habe mich mit ihr ausgesöhnt, aber fertige den Eheveitrag aus — o daß ich doch
meine Hand dazu hergeben könnte! i| Tanch rt^-, (219^) u. NuR 1»^ (184*): „Mose sprach:
Daran sollt ihr erkennen, daß Jahve mich gesandt hat. . . . Wenn, wie alle Menschen
sterben, diese sterben , . ., so hat Jahve mich nicht gesandt" Nu 16, 28 f. Womit läßt sich
das vergleichen? Mit dem Brautführer einer Königstochter, deren Jungfräulichkeitsbeweise
sich in seiner Hand befanden. Da trat einer von den zu Tische Liegenden wider ihn
auf u. schmähte den Br. u. sprach zu ihm : Die Tochter des Königs hat die Jung-
fräulichkeit nicht besessen! Da trat der Br. vor den König u. sprach zu ihm: Wenn
du diesen nicht abführen läßt, daß man ihn vor allen (Gästen) tötet, siehe, so werde
ich selbst sagen, daß sich in der Tat die Jungfräulichkeitszeichen bei der Tochter des
Königs nicht vorgefunden haben. Sofort sprach der König: Es ist besser für mich, daß
ich jenen töten lasse, als daß der Br. ein übles Gerücht über meine Tochter aus-
bringt. — li DtR 1 (195l>): R. J' huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Womit läßt sich das-
vergleichen? Mit einem König, der über seine Gemahlin zürnte; er schlug sie u. ent-
fernte sie aus seinem Hause. Als die Brautführer davon hörten, sprachen sie zu ihm:
' Daß aus dem S. 46 Z. 12 erwähnten judäischen Brauch unordentliches Weseri
entstehn konnte u. auch entstanden ist, .bezeugen Aussprüche wie Schab i<8'' u. GitSH'^:
fUlla (um 2.>0| hat gesagt: Elend die Braut, die in ihrem Brautgemach buhlt (mit
dem Brautführer); inMidr HL >!, 6 ( ISI») R. Schinifon b. Chalaphta,'um 190, Autor.—
pK'^^tli '•'<, 27'', 63: Nicht gleicht eine, der auf dem Dunghaufen beigewohnt wird (= eine
Prostituierte) einer, der im Brautgemach (vom '-) beigewohnt wird. Ferner s. Kalla 18'>
oben S. 42. — Als jüdische Sitte wird unter Berufung auf Abrahams u. Isaaks Ver-
fahren u. unter Hinweis auf Dt 22, 15 in Pirqe R. El 16 (8^) registriert: Vsii-' vn -;r>
pEO ■>^^'■5 1N2"' ^~-s yaijs:: z'~:rz-r\ rs n--i-5 •;-;m:. '
502 Matth 9, 15 (51)
Mein Herr, verfährt ein Mensch so mit seinem Weibe? Vfas hat sie dir gett^n? Dann
sprachen sie zu ihr: Wie lange willst du ihn erzürnen? Ist es denn bloß dein ei-stes
oder dein zweites Mal? So hat aucli Mose, als er zu Gott ging, zu diesem gesagt:
^ Warum, Jahve, soll dein Zorn wider dein Volk entbrennen?" Ex 32, 11. Sind sie nicht
deine Kinder? Und als er zu den Israeliten kam, sprach er zu ihnen: Wie lange wollt
ihr ihn erzürnen? Ist es denn blofs euer erstes oder euer zweites Mal? i| Tauch i3-rsi 2"^:
Gleich einem König, der ein Weib nehmen wollte ;, er sandte seine Bevollmächtigten
aus, sie zu besehen, ob sie schön sei oder nicht. Sie besahen sie u. sprachen zum
König: Es ist keine so häßlich u. verächtlich wie sie. Sein Brautführer hörte es u.
sprach zu ihm: Nicht so, mein Herr; sondern kein AVeib ist schöner in der Welt als
sie! Da schickte er sich an, sie zu nehmen. Der Vater des Mädchens sprach zu den
Bevollmächtigten des Königs: Ich habe beim Leben des Königs geschworen, daß keiner
von euch hier eintreten soll, weil ihr sie vor dem König verächtlich gemacht habt.
Auch zum Brautführer sprach der Vater: Auch du sollst nicht eintreten! Der Er. ent-
gegnete ihm: Ich habe dem König, ohne sie gesehen zu haben, gesagt, daß keine
schöner in der Welt sei, während jene gesagt hatten, es gebe keine Häßlichere denn
sie; nun laß mich, daß ich sie sehe, ob es sich nach meinen Worten oder nach den
Worten jener verhalte. So hat auch Mose vor Gott gesagt: Mein Herr, die Kund-
schafter haben eine üble Rede über das Land ausgebracht . . ., aber ich habe es gelobt,
ohne es gesehen zu haben, u. nun möchte ich es sehen, ob es sich nach meinen oder
nach ihren Worten verhält, li ExR20(82'^): ,Es geschah (-n--:), als der Pharao das Volk
entließ" Ex 13,17. Wer hat „wehe!" gerufen (-n-;; wird ^= -in vae! gedeutet)? Mose.
Gleich einem, der für die Tochter des Königs Brautführer geworden war; er hatte
aber im Gestirn gesehen, daß er (nur) aus ihrem Vaterhaus (mit ihr) heraustreten
werde. Da fing er an zu weinen. Man sprach zu ihm: Weshalb weinst du? Er ant-
wortete: Ich weine, daß ich mich gemüht habe, sie hinauszugeleiten (aus ihres Vaters
Haus), u. daß ich nicht mit ihr in ihr Brautgemach kommen werde. So hat auch Mose
gesagt: Ich schreie, daß ich mich gemüht habe, Israel aus Ägypten zu führen, u. daß
ich nicht mit ihnen in das Land (Israel) kommen werde.
Zwei •j-j-ar'Ä-: ExR 41 (97^): „Zwei Tafeln der Bezeugung" Ex 31, 18. Warum
zwei? Entsprechend dem Himmel u. der Erde, oder der Braut u. dem Bräutigam, oder
den beiden Brautführern, oder dieser u. der zukünftigen Welt. Vgl. auch GnR 8 in Anm. /(.
/. BB9, 4: Wenn einige Brüder eine Hochzeitsgabe rr,:-^^-© zu Lebzeiten des
Vaters (u. aus dessen Mitteln) gegeben haben u. (nach des Vaters Tode) wird die
Hochzeitsgabe zurückgegeben, so wird sie in die Erbschaftsmasse gegeben, weil sie
gerichtlich eingetrieben werden kann. Wenn aber jemand einem andren (als Hochzeits-
gabe) Krüge mit Wein oder Öl sendet, so können diese nicht gerichtlich eingei rieben werden,
weil sie als Liebesgabe D":cn nV-T:; gelten (u. nicht als Darlehn wie ein bares Hoch-
zeitsgeschenk). II BB 145''*l> Bar: Fünferlei hat man von der Hochzeitsgabe gesagt: sie
kann gerichtlich eingetrieben werden, sie muß zur bestimmten Zeit (nämlich wenn ihr
Geber selbst Hochzeit macht) zurückgegeben werden, es trifft auf sie das Gesetz über
Zinsnahme nicht zu (d. h. wird eine H.gabe später mit einer größeren Gegengabe er-
widert, so wird das Mehr nicht als Ziusleistung angesehen), das Sabbatjahr (Dt 15.2)
hebt sie nicht auf u. der Erstgeborene empfängt von ihr nicht doppelten Anteil. »Sie
wird gerichtlich beigetrieben. Was ist der Grund? Sie gleicht einem Darlehn. Es trifft
auf sie das Gesetz über Zinsnahme nicht zu; denn in dem Sinne hat man sie nicht
gegeben. Das Sabbatjahr hebt sie nicht auf (läßt sie nicht verfallen); denn wir be-
ziehen nicht darauf die Worte: „er soll nicht drängen" Dt 15, 2. Und der Erstgeborene
empfängt von ihr keinen doppelten Anteil; denn sie ist für ihn nur ein in Aussicht
stehendes Gut, u. der Erstgeborene empfängt von einem erst in Aussicht stehenden
Gut nicht gleicherweise wie von einem bereits in Besitz genommenen. (Dieser Satz auch
BB55-^). Rah Kahana (wohl der Lehrer Aschis, um 37ö) hat gesagt: Eine allgemeine
Regel für die Hochzeitskameradschaft {srzi-zx-.v, d. h. für die Brautführer) ist folgende:
Ist er (der ehemalige Bräutigam an dem Tage, da sein Brautführer selbst Hochzeit
Matth 9, 15 (31) 503
macht) aü dem Orte anwesend, so muß er kommen (nämlich zur Hochzeitsfeier seines
Brautführers, auch ungeladen) u. zwar muß er kommen, wenn er den Paukenschlag
hört. (Unter Musik u. Paukenschlag wurde die Braut von ihrem Elternhaus nach der
Wohnung des Bräutigams geleitet; also auch an dem Hochzeitszuge seines Braut-
führers hatte er sich zu beteiligen.) Hört er aber den Pauken.schlag nicht, so muß er
(der jetzt Hochzeit haltende ehemalige Brautführer) es ihn (den früheren Bräutigam)
wissen lassen. (Hat er es ihn nicht wissen lassen,) so kann dieser über ihn murren,
gleichwohl muß er (die früher empfangene Hochzeitsgabe) zurückerstatten. Bis zu
welcher Höhe? Abaje (f 338/39) hat gesagt: „Die Söhne des Brautgemaches" (s::; -:a)
pflegen (eine Hochzeitsgabe zu geben) bis zu einem Zuz; was ein solcher in seiner
Hand gebracht hat, hat er mit seinem Magen verzehrt (an der Hochzeitstafel, ihm
braucht seine Hochzeitsgabe deshalb nicht erstattet zu werden); hatte er bis zu vier
Zuz gegeben, so erstattet man die Hälfte zurück (die andre Hälfte wird auf die ge-
nossenen Speisen verrechnet); von da an u. weiter wird jedem nach Maßgabe seiner
Würde abgezogen. (Voraussetzung hierbei ist, daß, je größer die Gabe des Hochzeits-
gastes war, desto wertvoller auch die Speisen waren, die man ihm reichte, s. Raschi.)
Bar: Hatte er mit ihm (dem ehemaligen Brautführer) in feierlichem Aufzuge gefeiert
u. will dieser jetzt mit ihm im stillen feiern, so kann er zu ihm sagen: In feierlichem
Aufzuge will ich mit dir feiern, wie du mit mir gefeiert hast. Hatte er mit ihm bei
einer .Tungfrau gefeiert u. will dieser jetzt mit ihm bei einer Witwe feiern, so kann
«r zu ihm sagen: Bei einer Jungfrau will ich mit dir feiern, wie du mit mir gefeiert
hast. Hatte er mit ihm bei einer zweiten Frau gefeiert u. will dieser jetzt bei der
ersten Frau mit ihm feiern, so kann er zu ihm sagen: Wenn du eine zweite Frau
nehmen wirst, will ich mit dir feiern. Hatte er mit ihm bei Einer Frau gefeiert u.
will dieser jetzt mit ihm bei zweien feiern, so kann er zu ihm sagen: Bei einer will
ich mit dir feiein, wie du mit mir gefeiert hast.
g. QidSl-': Rab Bebai (um '620) kam in das Haus des Rab Joseph (f 333). Nach-
dem sie gespeist hatten, sprach er zu ihnen: Nehmt die Leiter unter Bebai fort. (Man
hatte im Söller gespeist, in welchem B. zurückgeblieben war.) Aber Rabbah (f 330)
hat doch gesagt: Wenn der Ehemann in der Stadt ist, hegt man keine Besorgnis
wegen des Alleinseins (seiner Frau mit einem Manne, da seine Heimkehr jeden Augen-
blick erfolgen kann). Bei Rab Bebai verhielt sich die Sache anders; denn sie (die Ehe-
frau des Rab Joseph) war seine srrzrv:; u. (infolgedessen) war sie gegen ihn dreist.
h. GnR 18 (12''): R. Aibo (um 320) u. andre im Namen des R. Bannasa (um 220),
der es seinerseits als Bar im Namen des R. Schimfon b. Jochai, (um 150) gelehrt hat,
haben gesagt: Gott hat die Eva wie eine Braut geschmückt, u. darauf hat er sie zu
Adam geführt. Es gibt Orte, in denen man die Haarflechte {y", spy-p) „Gebäude"
(sr"3=) nennt. (Diese Bemerkung will das ',z- „er baute" Gn 2,22 erklären „er flocht
der Rippe, d. h. der Eva, das Haar".) R. Chama b. Chanina (um 260) hat gesagt:
Meinst du etwa, daß Gott die Eva unter einem Johannisbrotbaum oder unter einer
Sykomore hervor zu Adam geführt hat? Vielmehr hat er sie mit 24 Arten von Schmuck-
gegenständen ' geschmückt u. dann hat er sie zu ihm geführt. — Vgl. Midr Qoh7,2 (32''),
Autoren: R. Jochanan (f 279) u. R. Abbahu (um 300), letzterer allein TanchB •'-
§2 (58b); B'^'rakh61^ ?Er 18', Schab 95a u. Nidd45b R. Schimfon b. M'^nasja (um
180) Autor, in letzter Stelle Tradent R. Schimfon b. Laqisch (um 250); ganz kurz mit
R. Bannasa als Autor u. R. Jochanan als Tradenten pSchab 10, 12", 59. Anonym Aboth
RN4 in folgender Fassung: Wo finden wir, daß Gott sich mit einer Braut beschäftigt
1 Midr HL 4, ll (115^): R. Huna (um 350) u. R. Ghalaphta aus Cäsarea (um 27(3)
haben im Namen des R. Schimfon b. Laqisch (um 250 1 gesagt: Wie eine Braut mit
24 Schmuckgegenständen geschmückt wird, u. wenn einer davon fehlt, so ist es nichts:
so muß ein Gelehrtenschüler in den 24 Büchern (des Kanons) bewandert sein, u. wenn
eins davon fehlt, so ist es nichts. Dasselbe TanchB s-r " § 11 (56«); ExR 41 (97^).
Nach den Kommentaren sind die 24 Gegenstände berechnet aus Jes 3, 18 — 23 =
21 Gegenstände + 3 (Balsamduft, Gürtel, Batistkleid) in Vers 24.
504 Matth 9,15 (3i. 5B)
hat? Es heißt: ,Es flocht Jahve Elohim der Rippe (= Eva) das Haar" Gn 2, 22 (so
der Midr); denn in den Seestädten nennt man das Haargeflecht (1. v'-.- statt -V-) ein
, Gebäude", sr--::. Von hier lernen wir, daß Gott die Eva zubereitet u. geschmückt
hat wie eine Braut, u. dann führte er sie dem Adam zu, s. Gn 2,22: „Er brachte sie
zu Adam." Einmal hat Gott dem Adam als Brautführer "i-arir gedient, von da an u.
weiter erwirbt (wählt) sich der Mensch den Er. selbst, s.: ,Bein von meinem Gebein
u. Fleisch von meinem Fleisch" Gn 2, 2o. (Die Beweiskraft dieser Bibelstelle leuchtet
nicht ein; vielleicht gehört sie als Zitat zum nächsten Satz.) Einmal ist Eva von Adam
zum Weibe genommen worden (ohne Beleg); von da an u. weiter verlobt sich ein
Mensch mit der Tochter eines andren. |! Aboth RN4: Ein andermal saß R. J'huda
b. El?ai (um 150; so lies statt R. Elfai) u. lehrte seine Schüler. Es ging eine Braut
(d. h. ein Brautzug) an ihm vorüber. Er sprach: Was ist das? Sie antworteten: Eine
Braut geht vorüber. Er sprach zu ihnen: Meine Kinder, erhebet euch u. beschäftigt
euch mit der Braut; denn so finden wir es bei Gott, daß er sich mit einer Braut be-
schäftigt hat, s. : „Jahve Elohim flocht der Rippe (= Evai das Haar" (s. obem. Wenn
Er sich mit einer Braut beschäftigt hat, um wieviel mehr müssen wir es! || GnR^^ (6"):
R. Simlai (um 250) hat gesagt: Wir finden, daß <iott Brautleute (wörtlich: Bräutigame)
gesegnet, Bräute geschmückt, Kranke besucht u. Tote bestattet hat (das waren 4 Haupt-
Liebeserweisungen c"!cn r'.--iz-.); s. Gn 1,28: „Gott segnete sie . . : Seid fruchtbar";
Gn2, 22: „Jahve Elohim flocht der Rippe das Haar"; Gnl8, 1: „Jahve erschien dem
Abraham bei den Terebintbeu Marares" lum ihm einen Krankenbesuch nach der Be-
schneidung zu machen); Dt 34,6: „Gott begrub Mose im Tal, im Lande Moab." Das-
selbe anonym Midr Qoh 7, 2 (32a). _ Den gleichen Gedanken führt R B'rekhja (um
340) daselbst ein mit den Worten: „Liebeserweisungen finden sich in der Tora
am Anfang, in der Mitte u. am Ende"; dasselbe anonym TanchB s--- §4 (43b), ---
§2 (58a). li fEr 18b: „Gott brachte das Weib zu Adam" Gn 2, 22. Das lehrt, daß Gott
das Brautführergeschäft dem ersten Menschen gegenüber verrichtete; daraus ist zu
entnehmen mit Bezug auf einen Großen (Vornehmen), daß er die Brautführerschaft
bei einem Geringen übernehmen soll, ohne daß es ihm mißfalle. — R. Abin (wohl
der Jüngere, um 370) zieht aus Gn 2, 22 den Schluß: Wohl dem Städter, dessen Braut-
führer der König ist! GnR 18 (121»). In der Parallele TanchB —r, i? 2 (n8b) lautet der
Satz: R. Abin, der Levit u. Rabbinensohn, hat gesagt: Heil dem Städter, wenn ein
König es siebt u. sie (die Braut) bei der Hand faßt u. sie ihm idem Bräutigam) zu-
führt in das Haus, wie es heißt: „Er führte sie zu Adam" Gn 2, 22. — Vgl. auch den
Rat, den Rab Papa (f 376) J'^b 63* erteilt: Steige eine Stufe tiefer, wenn du ein Weih
nimmst; steige eine Stufe höher, wenn du den Brautführer wählst. || P^'siq 73«: R. Levi
(um 300) hat im Namen des R. Chama b. Chanina (um 260) gesagt: Dreizehn Braut-
gemächer r-i-r hat Gott dem ersten Menschen gezimmert (wörtlich: zusammengefügt^
^x-); s. : „In Eden, im Garten Gottes, bist du gewesen, allerlei Edelsteine umgaben
dich als (Braut-)Baldachine: Karneol, Topas u. Jaspis, Tar.->isstein, Onyx u. Beryll,
Saphir, Granat u. Smaragd u. Gold" Ez 28, 13 (so verbindet der Midr). Resch Laqisch
(um 250) hat gesagt: „Elf", die Rabbinen haben gesagt: „Zehn" (Brautgemächer
waren es), u. es liegt keine Meinungsverschiedenheit vor. Wer sagt: Dreizehn (Braut-
gemächer waren es), der läßt aus „allerlei Edelsteinen" drei verfertigt sein; wer sagt:
„Elf", der läßt daraus eins verfertigt sein ; wer sagt: „Zehn", der läßt keines daraus-
verfertigt sein (sondern zählt nur die in Ez 22, 13 genannten zehn Edelsteine als
Material für je ein Brautgemach). Parallelstellen: LvR 20 (119b); Midr Qoh 8, 1 (38b);
TanchB ■-- §2 (58b); pegjq r 14 (e2a); GnR 18 (12b); BB 75». - Abweichend GnR
8 (6*^): R. J«^huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Mikhael u. Gabriel sind die Braut-
führer des ersten Menschen (u. Evas) gewesen.
9, 15 93: ,«>; övravxai . . . nfvO^iiv; — Im Gegenteil bestand die Haupt-
pflicht der Freunde u. Hochzeitsgäste des Bräutigams darin, daß sie
zur Belustigung des Brautpaares während der Hochzeitsfeier beitrugen.
Matth 9, 15 (SB) 505
was nur immer in ihren Kräften stand. a Sie waren deshalb sogar von
einigen reh"giösen Pflichten ernsterer Art befreit, b Die Belustigung des
Brautpaares begann mit der Heimführung der feraut aus ihrem Eltern-
haus. Nachdem diese hier mit dem bräutlichen Schmuck geschmückt
war,c wartet sie der Stunde ihrer Heimholung. Sobald der Bräutigam
u. seine Hochzeitsfreunde erschienen sind, setzt sich der Hochzeitszug,
wohl meist nachdem der Vater der Braut ein kurzes Segenswort seiner
Tochter als Abschiedsgruß zugerufen hat,d unter Musik u. Pauken-
schlage in Bewegung. Der Bräutigam u. die Braut sind bekränzt;*
letztere — aber nur, wenn sie unbescholten war — wird in einer
Sänfte getragen, g die der Bräutigam mit seinen Freunden umringt.
Die Bewohner des Ortes eilen in Scharen herbei, dem Brautpaar ihre
Aufmerksamkeit zu erweisen; der Hochzeitspauke läuft auch noch die
Alte nach.h Denn es galt als ein hoch verdienstliches Werk, einer Braut
das Geleit zu geben. Selbst Rabbinen unterbrachen das Torastudiöni,
um mit ihren Schülern einer Braut diesen Liebesdienst zu erweisen.*
Köstliche Narde verbreitete ihren VVoJilgeruch inmitten des fröhlichen
Zuges, k Wein u. Öl ließ man in Röhren größeren Gefäßan entströmen,
dem Brautpaar damit einen Huldigungsgruß entbietend.' Dem Zuge
vorauf wurde hier u. da als S3nnbol der Fruchtbarkeit ein Hahn u. eine
Henne getragen, m manchmal ein Weinfaß, das, wenn es verschlossen
war, die Braut als eine Jungfrau, wenn offen, als eine Witwe charak-
terisierte." Unter die Menge wurden Nüsse u. dgl. geworfen, bei einer
jungfräulichen Braut auch geröstete Ähren, o Aus dem Zuge heraus
ertönten frohe Hochzeitslieder; man ließ es sich nicht nehmen, die
Anmut der Braut zu rühmen, auch wenn ihr jede Schönheit fehlte ;P
manche freilich, wohl mehr abseits stehend, gefielen sich darin, am
Brautpaar ätzende Kritik zu üben.q So sang u. scherzte u. tanzte man,
ein Myrtenreis in den Händen haltend, vor dem Brautpaar her,r bis
der Zug am Hause des Bräutigams, bezw. dessen Vaters, angekommen
war.s Von der Straße pflanzte sich der Jubel fort ins Haus: hier er-
reichte er an der Hochzeitstafel seinen Höhepunkt. Das Hochzeitsmahl,
bei dem Lichter brannten, t erhielt religiösen Charakter durch die r=-in
Bi:rr, d. h. durch den Segensspruch, der bei einem Becher Wein für das
Brautpaar gesprochen wurde." Der Bräutigam nahm an der Tafel den
obersten Platz ein,v während die Braut schamhaft an seiner Seite saß. w
Lieder wurden gesungenx u. Schwanke erzählt;y wenn der Wein seine
Wirkung übte, fehlte es auch wohl nicht an zweideutigen Bemerkungen :z
daß Teile des Hohenliedes in früherer Zeit an der Hochzeitstafel ge-
sungen worden sind, bezeugt ein'dagegen gerichtetes Verbot, aa Nahmen
Rabbinen an der Feier teil, so entzogen sie sich der Fröhlichkeit nicht:
Rabban Gamliel IL, um 90, kredenzt selbst den Gästen Weinbb u. R. ? Aqiba,
t um 135, trinkt wiederholt auf das Wohl seiner Kollegen. cc Aber sie
bemühen sich, die Ausgelassenheit einzudämmen: wir hören von zwei
506 Matth 9, 15 (93)
Rabbinen. die ein wertvolles Glas vor den Augen ihrer Gäste zerbrechen,
um sie ernst zu stimmen^ u. ein andrer zitiert zu gleichem Zweck eine
Totenklage. dd _ Die Hochzeitsfeier dauerte bei einer jungfräulichen
Braut sieben ee Tage, bei einer Witweff drei Tage oder noch kürzere
Zeit; täglich erschienen, wie man aus einigen Stellen schliefsen darf,
neue Hochzeitsgäste ;gg nur die Brautführer hatten die volle Woche
beim Brautpaar auszuharren, hh gewiß oftmals bis in die Nacht hinein."
Andre Hochzeitsbräuche, ferner die Bestimmungen über Verlobung,
Hochzeitsverschreibung u. dgl. s. bei Joh 2, 1.
a. Sprichwörtlich, um einen starken Kontrast auszudrücken, scheint man die
Redensarfc gebraucht zu haben: ,Wie ein Bräutigam unter Trauernden" u. „wie ein
Trauernder unter Hochzeitsleuten ". Schab 114^: R. Jannai (um 225) sagte zu seinen
Söhnen: Meine Kinder, beerdigt mich nicht in weißen u. nicht in schwarzen Gewändern:
(nicht) in weißen; denn vielleicht möchte ich nicht als gerecht erfunden werden (im
göttlichen Gericht) u. würde sein wie ein" Bräutigam unter Trauernden; (nicht) in
schwarzen; denn vielleicht möchte ich als gerecht erfunden werden u. würde sein wie
ein Trauernder unter Brautleuten. — Dasselbe Nidda 20 ä. |i B'^rakh 6^»: Rah Aschi
(t 427) hat gesagt: Das Verdienstliche der Teilnahme an einer Hochzeitsfeier liegt in
den Worten (die zur Erheiterung des Brautpaares gesprochen werden). . . . R. Chelbo
(um yOO) hat gesagt, Rab Huna (f 297) habe gesagt: Wer von dem Mahle des Bräuti-
gams genießt, ohne diesen zu erfreuen (belustigen), begeht eine Übertretung gegen
die fünf Stimmen: die Stimme des Jubels, der Freude, des Bräutigams, der Braut u.
dessen, der da sagt: „Preiset Jahve (^'^baoth" Jer 33, 11. Wenn er ihn aber erfreut,
was ist sein Lohn? R. J'-'hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Er erlangt Kenntnis
der Tora, die unter fünf Stimmen gegeben worden ist, s. Ex 19, 16. 19: „Am dritten
Tage, als es Morgen wurde, waren Stimmen (der Plural = 2 Stimmen) . . . u. die
Stimme der Posaune . . . u. die Stimme der Posaune wurde fortgehend stärker . . .
u. Gott antwortete mit der Stimme." R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Wer den
Bräutigam belustigt, wird angesehen, als hätte er ein Dankopfer dargebracht; s.: „(Die
Stimme) solcher, die ein Dankopfer ins Haus Jahves bringen" Jer 33, 11. Rab Nachman
b. Jicchaq (f 35H) hat gesagt: Er wird angesehen, als hätte er eine von den Ruinen
Jerusalems aufgebaut: s. : „Wiederbringen will ich die Gefangenschaft des Landes, wie
vormals, spricht Jahve" Jer 33, 11.
b. Sukka 25^: R. Abba b. Zabda (um 270) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt:
Der Bräutigam, die Brautführer yz-zz'^:; u. alle Hochzeitsgäste r-z^ri -:3 sind befreit
von (dem Wohnen in) der Laubhütte während der ganzen sieben Tage (der Hochzeits-
feier). . . . Bar: Der Bräutigam, die Brautführer u. alle Hochzeitsgäste -r-n -:= sind
befreit vom (Achtzehn-)Gebet (weil das Beten Andacht erfordert), u. von den Gebets-
rieraen, aber verpflichtet zum Rezitieren des Seh' maf (weil nur der 1. Vers dieses
Bekenntnisses mit Andacht gesprochen zu worden braucht). Im Namen des R. Schela
(wohl in der vorhadrianischen Zeit) hat man gesagt: Der Bräutigam ist befreit (am
Hochzeitstage vom Seh ma?), aber die Brautführer u. alle Hochzeitsgäste sind dazu
verpflichtet. — Die Bar findet sich TB^'rakh 2, 10 (4); der Ausspruch Rabs unter dem
Autoruamen des R. Abba b. Zabda pSukka 2,53'', 18.
C. Dem Schmücken gehen W^aschungen u. Salbungen vorauf; vgl. Schab 77 ^,27:
s^r-d-i bedeutet ein Becken, worin sich alles wäscht s*-: -"S":; u. sr-)':-^-: bedeutet
ein Becken, worin sich die Braut wäscht srV: s-m; ferner s. Aboth RN 41 in Aum. l. —
Über das Schmücken der Braut u. ihre 24 Schmuckgegenstände s. oben 31 Anm. h u.
uuteu Aboth RN41 in Ainn. j; zur Salbung s. 3 Makk 4,6ff. Anm./"u. AbothRN41 Anm./.
d. GuR 26 (16^): Dem R. Schim?on b. Rabbi (um 220) hatte seine Gemahlin ein
Mädchen geboren; es sah ihn R. Chijja, der Ältere (um 200) u. sprach zu ihm: Gott
hat angefangen dich zu segnen. Er antwortete : Woher hast du das? Er sprach: Weil
Mattli9, 15 (23) 507
Gn 6, 1 geschrieben steht: „Als die Menschen anfingen sich auf dem Erdboden zu ver-
mehren u. ihnen Töchter geboren wurden." (Die Verwirklichung des Segens: ;,Seid
fruchtbar u. mehret euch" hob mit der Geburt von Mädchen an.) Er ging zu seinem
Vater (Rabbi); dieser sprach: Hat dir der Babylonier (d.i. Chijja) seine Freude be-
zeugt (dich beglückwünscht)'? Er antwortete: So u. so hat er zu mir gesagt. Jener
sprach: Obwohl man des Weines bedarf u. auch des Essigs, so ist doch der Wein
nötiger als der Essig; obwohl man des Weizens bedarf u. auch der Gerste, so ist doch
der Weizen nötiger als die Gerste (so sind auch Söhne ein größerer Segen als Töchter).
Wenn ein Mensch seine Tochter verheiratet .u. seine Ausgaben für sie gemacht hat,
so spricht er zu ihr (am Hochzeitstage): Möge es dir nicht beschieden sein, hierher
(als Geschiedene oder Witwe) zurückzukehren! Als Rabban Gamliel (II., um 90) seine
Tochter verheiratete, sprach sie: Mein Vater, bete für mich (d. h. segne mich)! Er
sprach zu ihr: Möge es dir nicht beschieden sein, hierher zurückzukehren! Als sie
einen Knaben geboren hatte, sprach sie zu ihm: Mein Vater, bete für ihn (segne ihn)!
Er antwortete: Nie möge der Weheruf aus deinem Munde aufhören! Sie sprach: Mein
Vater, bei den beiden Freuden(festen), die mir gekommen sind, hast du mir geflucht!
Er antwortete: Beides war ein Segen: darum daß du glücklich sein mögest in deinem
Hause, möge es dir nicht beschieden sein, hierher zurückzukehren; u. darum, daß dein
Sohn am Leben bleibe, möge nie der Weheruf aus deinem Munde aufhören: Wehe,
mein Sohn hat nicht getrunken; wehe, mein Sohn hat nicht gegessen: wehe, mein
Sohn ist nicht in die Synagoge gegangen! — Der Anfang der Stelle auch in BB 16^;
doch tröstet hier Rabbi selbst seinen Sohn mit Gn 6, 1, während Bar Qappara den
Trost als einen leidigen darlegt. — Vgl. auch die Auslegung, die R. Schimfon b. Jochai
(um ]50) MQ 9'' dem Segenswunsch: ,Du mögest ausführen u. nicht einführen" gibt:
du mögest Töchter erzeugen, deren Männer nicht sterben mögen, daß jene zu dir
zurückkehren müssen!
e. BM (J, 1 : Wenn jemand einen Eseltreiber oder einen Fuhrmann mietet, um eine
Sänfte ' u. Flöten für eine Braut (für den Brautzug) oder einen Toten (zur Totenklage)
herbeizuschaffen usw. || P<^siqR 20 (95^): Gleich einem König, der für seine Tochter
■das Brautgemach herrichtete (= der seiner Tochter die Hochzeit ausrichtete); die Be-
wohner der Städte kamen nicht u. stimmten ihm keine Loblieder an; aber die Dorf-
bewohner kamen u. stimmten dem König Loblieder an mit Harfen u. Zithern u. allen
möglichen Gesängen. Da ging ein Herold vom König aus u. rief: Nach dem Brauch
•der Welt wäre es für die Stadtbewohner, die sich auf die Verrherrlichung des Königs
verstehen, schicklich gewesen, die Tochter des Königs zu preisen! || Schab HO": Als
■die Seele Rabs (f 2A1) zur Ruhe eingegangen war, verordnete Rab Jicchaq b. Bisna,
daß (als Zeichen der Trauer) niemand mit Myrten- u. Palmzweigen u. einer Pauke zur
Hochzeit kommen sollte. — Zur Pauke s'^-r'^ vgl. ferner BB 14S^ oben 31 Anm. f u.
waten Anm. h MQ 9b; zu oi—s u. n--:i3'l: s. Sota 9, 14 u, bSota 49b in Anm. f.
f. 8 Makk 4, Off.: Die jungen Frauen aber, die sich eben (d. h. am 1. Tage der
Hochzeitsfeier) zu ehelicher Lebensgemeinschaft ins Brautgemach nccaiöi zurück-
gezogen hatten, vertauschten die Freude mit Weherufen, u. während das von Salbe
triefende Haar mit Staub befleckt war, wurden sie unverschleiert eiuhergeführt u.
stimmten einmütig statt der Hochzeitsgesänge {i\u^y(cioi} Klagelieder an, als solche,
die durch heidnische Mißhandlungen gepeinigt wurden. Vor aller Augen gefesselt,
wurden sie mit Gewalt fortgeschleppt, bis man sie in das Schiff hineinstieß. Ihre
Gatten aber verbrachten mitten im frischen u. jugendlichen Alter, den Nacken mit
Stricken statt mit Kränzen (ais(pe(() umwunden, die übrigen (sechs) Tage der Hochzeits-
feier statt in Lust u. jagendlicher Fröhlichkeit in Klageliedern, indem sie schon die
Unterwelt (roV adijy) vor ihren Füßen liegen sahen. || Sota 9, 14: Im Kriege des Vespa-
sian (00—73 n. Chr.) erließ man das Verbot betreffs der Kränze der Bräutigame u.
' 1 i"is'is nach Levy 4, 114 == nsQKpooelov Sessel zum Herumtragen; nach Krauß,
Lehnwörter 2, 489 = cpuQsia'poQoi, Sänftenträger.
508 Matth 9, 15 (ß)
betreffs des cv— s; im Kriege des Lusius Quietus (lies "'-■- statt c-w-v; gemeint ist die-
Zeit Trajans 115 117 n. Chr., s. Schürer ^ I, 066 f.) erließ man das Verbot betreffs-
der Kränze der Bräute. — Sota4yb: Rab (f 247) hat gesagt, das (Verbot wegen der
Kränze der Bräutigame) hat man nur betreffs der Kränze aus (Stein-)Salz u Schwefel
gelehrt; dagegen ist ein Kranz aus Myrten oder Rosen erlaubt. Scb'"muel (f -'54)
sagte: Auch der aus Myrten oder Rosen ist verboten, der aus Rohr oder Schilf ist
erlaubt. Levi (b. Sisi, um 200) hat gesagt: Auch der aus Rohr oder Schilf ist ver-
boten. Ebenso hat Levi in seiner Mischnasammlung gelehrt: Auch der aus Rohr oder
Schilf ist verboten. — , Betreffs des c-'-n" (Sota 9, 14). Was ist ci--n? R. Elfazar
(um 270) hat gesagt: Eine Handpauke mit Einer Schlagfäche (?).> — Rabbah b. Rab
Huna (t -^^'i) machte seinem Sohne eine Laute s-n.yj lein Saiteninstrument, um darauf
Hochzeitsmusik zu machen). Sein Vater (Rab Huna, j 297) kam, zerbrach sie u. sprach:
Statt der Pauke mit Einer Schlagfäche geh u. mache es über der Öffnung eines Kruges-
oder eines Bechers. — Was ist mit den Kränzen der Bräute gemeint? Rabbah bar
bar Ghana (um 2^0) hat gesagt, R. Jochanan ,t 279) habe gesagt: Die Stadt von (iold
(ein goldenes Diadem, auf dem das Stadtbild Jerusalems eingraviert war, oder das-
nach Art der Mauerkronen der Römerinnen das Stadtbild Jerusalems selbst darstellte,
s. Krauß, Archäologie 1, 662 f.). Die Bar ebenso: WaS sind die Kränze der Bräute?
Die Stadt von Gold. — Aber man darf den Brautkranz nach Art eines wollenen Tur-
bans machen. — Bar: Auch in bezug auf das Brautgemach hat man ein Verbot er-
lassen. Was ist damit gemeint? Ein Brautgemach aus glänzendem ( Karmesin ■)Stoff
mit Gold Wirkerei. Die Bar ebenso: Damit ist ein Brautgemach aus glänzendem Stoff
mit Goldwirkerei gemeint. Aber man darf das Brautgemach aus Papyrus machen u.
daran alles hängen, was man will. — pSota i>, 24 ', 64: „Gefallen ist die Krone unseres
Hauptes' KL 5, IH; das bezieht sich auf die Kränze der Bräutigame, auf den gold-
veibrämten glänzenden Stoff (zum Brautgemach). R. Ba (um 290) hat im Namen Rabs
(t 247) gesagt: Damit ist der Kranz aus (Stein-)Salz u aus Schwefel gemeint. Rah
Jirm'^ja (b. Abba,- um 250) hat im Namen Rabs gesagt: Damit ist der Kranz aus
{Stein-)Salz u. der von Oliven gemeint. Rab Nachman b. Ja?iiqob (f 320) hat gesagt:
Auch der von Weiden (Schilf?). Rab Jirm'^ja umgab sich mit Myrtenzweigen u. legte
einen Kranz von Oliven an. Als Sch'^muel (f 254) es hörte, sagte er: Es wäre ihm
besser gewesen, wenn er enthauptet worden wäre, aber solches nicht getan hätte T
Und es geschah so, „wie der Fehlgriff i Irrtumssünde), der vom Machthaber ausgeht"
Qoh 10,5 (R. Jirm'^ja mußte seine Tat mit dem Tode büßen). Diese Erzählung auch
Midr KL 5, 16 (79'^); Midr Qoh 10,5 (47'). Es sind damit die Brautgemächer aus be-
malten Vorhängen gemeint, an die man goldene Zierate hängte. Bar: Wohl aber darf
man das Brautgemach aus Latten werk (von der Papyrusstaude > machen u. alles Be-
liebige daranhängen. „Und betreffs des ci^-s" (Sota H, 14); damit ist die rc-c- ge-
meint (nach Levy 4,457 u. den Kommentaren: ein musikalisches Instrument, das viel-
fach durchlöchert, gespalten ist; anders Krauß, Lehnwörter 2, 42). Mit den Kränze»
der- Bräute (in der Mischna) ist die Stadt von Gold gemeint. — TSota !■'», ^f. i8.:;2):
Jene Kränze der Bräutigame (in der Mischna Sota 9), das sind die von (Stein)-Salz:
u Schwefel; aber die von Rosen u. Myrten hat man ihnen erlaubt. Jene Kränze der
Bräute, das sind die von Gold; aber sie (die Braut) darf hervortreten mit einem Tur-
ban des Königs (-"-t hx, ob dafür zu lesen r'i-z '.z, von Wolle?). Jene Brautgemächer
(die verboten worden sind), das sind die aus goldverbrämten glänzenden Stoffen, aber
' N-s-s -r.-. sV^-j. — CT-s von den Kommentaren meist als Handpauke gedeutet;
vgl. Flei.scher bei Levy, Chald Wbch i, 426: „='"x, die bloß auf einer r^eite geschlagene
Handpauke . . . hat ihren sicher bezeugten Namen wahrscheinlich von ihrem Gebrauch
bei Verlobungen [talmudisch: ■;•:/.--;-] u. ähnlichen Familienfesten." — Raschi denkt
an eine Schelle mit Einem Klöppel 's ■;-:•" -u; ;it. Die Ableitung von aes, acris
, metallene Schelle" (Krauß, Archäologie 2, 40) ist unhaltbar.
2 So Frankel, Einl. in pT lOö".
Matth 9. 15 (SB) 509
«nan darf sie aus Lattenwerk machen u. alles Beliebige daran hängen. Zu den letzten
"Worten s. S^macholh ^! in Anm. o. II Git7'': Der Exilarch (sr-^j -i— <, Oberhaupt der
babylon. Judenschaft sprach zu Rab Huna (1297): Woher läfst sich das Verbot der
Kränze (der Bräutigame) aus der Schrift beweisen? Er antwortete: Es stammt von
<ien Rabbinen; denn wir haben gelernt: Im Kriege des Vespasian hat man das Ver-
bot erlassen in bezug auf die Kränze der Bräutigame usw. Inzwischen war Rab Huna
■aufgestanden, um sich zu entfernen; da sagte Rab Chisda (f :^(i9, der bisher in Gegen-
wart seines Lehrers Huna niciit gewagt hatte, das Wort zu nehmen) zu -dem Exilarchen:
In der Schrift heißt es: „So spricht Jahve: Fort muß der Kopfbund, hinweg der Kranz'
Ez2:l,:il. Was hat der Kopfbiind (ms^ speziell der hohepriesterl. Kopfschmuck) bei
•dem Kranz zu stehen? Um dir zu sagen: Solange der Kopfbund auf dem Haupte des
Hohenpriesters ist, so lange darf der Kranz auf dem Kopfe jedes Menschen sein;
weicht der Kopfbund vom Haupte des H., so weicht der Kranz vom Kopfe jedes
Menschen. Inzwischen war Rab Huna zurückgekommen; als er sie (beieinander) sitzend
fand, sprach er: Bei Gott, das Verbot stammt von den Rabbinen; aber Chisda ist dein
Name intd- = Anmut, Wohlwollen) u. Anmut sind deine Worte. — Rabina ill., f ^99)
traf den Mar b. Rab Asclii (um 450), wie er einen (Braut)Kranz für seine Tochter
flocht. Er sprach zu ihm: Meint es der Herr nicht, wie Ez 21,31: „Fort muß der
K"pfbund, weg der Kranz"? Er antwortete: Die Analogie mit dem Hohenpriester
trifft auf die Männer, aber nicIit auf die Frauen zu (also ist der Brautkranz in Ez 21, 81
nicht verboten L — Parallelen zu Rab Chisdas Schriftbeweis, aber in andrer Ein-
kleidung pS<.ta5),24 , 17; Midr Ruth i, 17(128").
g. Sota 9, 14: In> letzten Kriege (gegen Hadrian l;-t2 — 135 n.Chr.) erließ man die
Verordnung, dali die Braut nicht in einer Sänfte iv—ES HL H, 9 (pngeioy) durch die
■Stadt getragen werden sollte (wörtlich: ausgehn oder ihren Auszug halten sollte). Unsre
Lehrer aber haben es (in der Folgezeiti erlaubt, daß die Braut in einer Sänfte durch
•die Stadt getragen werde, j! Midr HL 4, 11 (1 15 '^): R. Chalaplita (= R Tachlipha aus
Oäsarea, um 270) hat im Namen des Resch Laqisch (um 2-')U) gesagt: Wie eine Braut
in der Sänfte (s--'ii = q)o()ftot') sitzt u sagt: Sehet, daß ich rein bin, u. dieses mein
Zeugnis zeugt für mich (das Sitzen in der Sänfte das Zeichen ihrer Jungfräulichkeit):
so darf an einem Gelehrtenschüler nichts Makel liattes sein. — In andrer Einkleidung
ExR 41 (97''); TanchB --- "SU (öö"^!; s. den folgenden Absatz.
Die Braut saß in der Sänfte mit losem, niederwallendem Haar u. unverhüllten An-
gesichts, so daß jedermann ihre Schönheit bewundern konnte. K4h2, 1: Wenn eine
verwitwete oder geschiedene Frau behauptet (ihrem Mann gegenüber): , Als Jungfrau
hast du mich gelieiratet", u. er erklärt: „Nein, sondern als Witwe habe ich dich ge-
heiratet", so beträgt, falls Zeuiren vorhanden sind, daß sie unter Hochzeitsgesang u.
mit entblößtem Kopf (--^z -..•<:-) ausgezogen (in ihrer Sänfte getragen) ist, ihre Hoch-
zeitsverschreibung 200 Zuz. — Hiernach fand Hochzeitsgesang u. Entblößung des Kopfes '
^ pK'th i, 26'*. 4 sagt R. Jochanan (f 279 1: „Daß sie mit entblößtem Kopf ausgezogen
ist": (Das geschieht) wegen jener, die am Versöhnungstage hinauszogen. — Dazu der
Kommentar -< *;-:;: „R. Jochanan erklärt den Grund der Sitte, daß man die Jungfrauen
mit entblößtem Kopf ausziehen läßt, u. dieser ist der Gedanke an die Trauer darüber,
daß die Freude von ihnen genommen ward. Denn sie pflegten am Versöhnungsta^e
hinauszuziehen u. sich an den Tänzen in den Weinl)ergen zu ergötzen, s. Knde des
Traktats 'i'a?anith. Und deswetien hat m.ui verordnet, daß die Jungfrauen zur Zeit ihrer
Hoclizeitsfreude ausziehen sollen mit entblößtem Kopf, wie Trauernde, gleichwie man
Asche auf das Haupt des Bräutigams tut an der Stelle, wo die Gebetsriemen aufliegen,
zui Erinnerunji; an die Trauer um .lerusalt^m " — Über die Tänze am Versöhnungstage
s. Tafan.l, •"<: Rabban Schimfon b. Gainiiel II. (um 140) hat gesagt: Keine schöneren
Festtage gab es für Israel, als den 15. Ab u. den Versöhnungstag; denn an ihnen zogen
die Töchter Jerusalems hinaus in weißen Kleidern, die geliehen waren, um denjenigen
keine Beschämung zu bereiten, die keins hatten; alle Kleider mußten gewaschen sein.
Und die Töchter Jerusalems zogen hinaus u. tanzten in den Weinbergen; u. was sauten
(sangen/ sie? , Jüngling, hebe deine Augen empor u. sieh, was du dir erwählest! Richte
510 Matth 9, 15 (i^)
nur bei Jungfrauen statt. Vgl. TanchB sbt -: § 11 (56'^): R. Levi (um 300, richtiger
wohl zu lesen -"^ = Resch Laqisch, um 200) hat gesagt: Was bedeutet irV;3 („als er
aufgehört hatte") Ex 31, 18? Wie eine Braut, solange sie im Hause ihres Vaters weilt»
sich sittsayi verbirgt, so daß niemand sie kennt, wenn sie sich aber anschickt, Hochzeit
zu halten {-z'-r'^ cim-r, wörtlich: „in das Brautgemach einzutreten"), ihr Angesicht
enthüllt, um damit zu sagen: Wer wider mich ein Zeugnis (abzulegen) weifs, der kommo
u. zeuge wider mich — so soll auch ein Gelehrtenschiiler sittsam sein wie eine Braut
usw. Ebenso in ExR 41 (97 d). |i NuR 12 (165 <^): R. J^^huda b. Elfai (um 150) hat gesagt:
Gleich einem König, der eine schöne, löbliche u. anmutige Tochter hatte. Er sprach:
Machet ihr eine treffliche (Braut-)Sänfte (=""", lies s*^?,— -s = (j)6Q7jfj.c( oder '''"^'z =
(pogeTof), damit die Schönheit meiner Tochter von der Sänfte aus gesehen werde. —
Dasselbe etwas breiter Midr HL 3, 10 (107 b), hier s?: — t.
Daß auch vornehme Männer sich am Tragen der Sänfte beteiligten, bezeugt R. Chama
b. Chanina (um 260) in folgendem Gleichnis. pSota 1, 17*^, 20: Gleich einem König, der
seinen Sohn verheiratete; es kam der Prälekt, um die Sänfte v'^''^^ tragen zu helfen;
aber man ließ es ihm nicht zu. Da sagte der König: Lasset ihn, morgen verheiratet
er seine Tochter u. dann ehre ich ihn, wie er mich geehrt hat. — Wenn die Lesart 1:3
richtig ist u. dafür nicht wie am Ende 'ra gelesen werden muß, so bezeugt die Stelle,^
daß es nicht unerhört war, auch den Bräutigam in einer Sänfte zu tragen. || Aus dem
Gleichnis P'^siqR 20 (95^) darf natürlich nicht geschlossen werden, daß es irgendwo
Sitte gewesen sei, die Braut auf einem Elefanten oder Roß im Hochzeitszuge einher-
zuführen. Die Stelle lautet: Gleich einem König, der seiner Tochter Hochzeit, nrir:,
machte. Einer von den Großen des Königs sprach: Schön wäre es für die Königstochter,^
wenn man sie auf einem Elefanten reiten ließe, wie wenn sie in einer Sänfte -iv-irx
säße, u. wenn man sie von allen Großen des Reiches preisen ließe. Ein andrer sprach:
Ein Elefant ist zu hoch, auch hat er keine Zierde u. keine Schönheit; aber schön wäre
es, wenn man sie auf einem Roß reiten ließe, daß ihre Schönheit von allen Großen des
Reiches gesehen würde. Da antwortete jemand: Der Elefant ist hoch u. das Roß ist
schön, aber sie haben keinen Mund zum Reden u. keine Hände zum Zusammenschlagen
u. keine Füße zum Tanzen; aber schön wäre es, wenn man sie auf den Schultern reiten
ließe, um ihre Schönheit zu zeigen. || Die faces nuptiales (vgl. Mt 25, 1 ff.) werden wohl
nur Einmal erwähnt P^siqR 43 (180'^): R. J^huda b. Z«bida (um 250) hat gesagt: fAmram
setzte die Jochebed (als er sie nach ihrer Entlassung wieder zu sich nabm) in eine
Sänfte (s^--r), Ahron ging an dieser u. Mirjam an jener Seite, sie trugen Fackeln u.
gingen (tanzten) vor ihr. — Die Parallelstellen Sota 12''>; BB 120=» u. ExR 1 {66"^) nennen
R. J*^huda b. Z^'bina (um 300) als Autor u. erwähnen die Fackeln nicht. — Ferner s. Midr
Esth 1 , 4 in Anm. /.
h. MQ5'^: (Rab Chisda, f 309, hat gesagt:) Die Leute sagen: Die Sechzig jährige
läuft dem Paukenschlag nach wie die Sechsjährige. — Chag 14 b: (Als R. J^hoschuaf ,
um 90, einen theosophischen Vortrag hielt) versammelten sich die Engel des Dienstes
u. kamen, um zuzuhören, gleichwie die Menschen sich versammeln u. kommen, um die
deine Augen nicht auf Schönheit, richte sie auf die Familie. Lug ist die Anmut, Nichtig-
keit die Schönheit; ein Weib, das Jahve fürchtet, das soll man rühmen. Gebt ihr von
der Frucht ihrer Hände u. ihre Werke sollen sie preisen in den Toren" (Spr 31, :!0f.).
Ferner heißt es HL 3, 11: Kommt heraus u. schaut an, ihr Töchter Zions, den König
Salomo mit dem Kranze, womit ihn seine Mutter bekränzt hat am Tage seiner Hochzeit
u. am Tage seiner Herzensfreude! „Am Tage seiner Hochzeit", das geht auf die Gesetz-
gebung; „u. am Tage seiner Herzensfreude", das geht auf den Bau des Heiligtums, das
eilends gebaut werden möge in unsren Tagen. Amen! — Über Asche für den Kopf des
Bräutigams s. BBGOb; Was heißt: „Wenn ich nicht Jerusalem auf das Haupt bringe
in meiner Freude"? Ps 1H7, 6 (so vermutlich der Midr). R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt:
Damit ist die Brandasche auf dem Kopf der Bräutigame gemeint. Rab Papa (f 376)
hat zu R. Abaje if 33s/3y) gesagt: Wohin tut man sie (die Asche)? Auf die Stelle der
Töphillin, s.: „Ihnen Schmuck (= Tephillin) anzulegen an der Stelle der Asche" Jes(Jl,3.
Matth 9, 15 (5B) 511
Belustigungen y"^^^^ * des Bräutigams u. der Braut mitanzusehen. — In der Parallel-
stelle pChag 2, 77", 49 heißt es: Die Engel hüpften vor ihnen, wie sich die Hochzeits-
gäste T-z^n 'zz vor dem Bräutigam freuen. — Aus dem großen Zulauf der Massen u.
dem dadurch entstehenden Gedränge erklärt sich wohl zum Teil die Bar K'^th 17 »: Man
biegt mit einem Toten vor einer Braut ab (d. h. wenn ein Leichenzug u. ein Brautzug
sich begegnen, so biegt der erstere vorher in eine andre Straße ein); jener wie dieser
Zug biegen vor einem König Israels ab. Vom König Agrippa (wohl der I., '41 — 44 n. Chr.)
hat man erzählt, daß er vor einer Braut abbog, u. die Gelehrten belobten ihn. daß er
schön gejiandelt habe. — Parallelstelle S'^'mach 11 mit der Motivierung: Die Ehre des
Lebenden geht der der Toten vor.
i. K'^th 17'^ Bar: Man unterbricht das Torastudium, um einen Toten hinauszugeleiteu
u. um eine Braut hineinzugeleiten (in das Haus des Bräutigams). So hat man von
R. J®huda b. Elfai (um 150) erzählt. Für welchen Fall gilt jene Bestimmung? Wenn
nicht so viele beteiligt sind, wie erforderlich sind (um den Toten zu bestatten); wenn
dies aber der Fall ist, so unterbricht man das Studium nicht. — Diese Bar auch M'^g
3b; 29a. Eine Parallelstelle aus AbothRN 4 s. 3t Anm. //. || AbothRN 41: Einmal saß
R. Tarphon (um 100) u. lehrte die Schüler; als eine Braut vor ihm vorüberzog, befahl
er, daß man sie in sein Haus führe; u. er sagte zu seiner Mutter u. zu seinem Weibe,
daß man sie baden, salben u. schmücken u. vor ihr tanzen solle, bis sie in das Haus
ihres Gatten käme. — Zur Verdienstlichkeit der Teilnahme an Hochzeitsfeiern vgl.
auch B'^rakh 6'* in Anm. a.
k. Von den hochzeitlichen Vergnügungen, die zur Zeit des Krieges gegen Hadrian
verboten wurden, heißt es TSota 15, 9 (:^22): Die Braut sollte nicht in der Sänfte v"""^!*
ausziehn durch die Stadt; auch betreffs des wohlriechenden Öles aus A^ardenblättern
[y^"\-z z= foliatuni) erließ (J^huda) ben Baba (getötet um 135) ein VerDot, aber man
(die Gelehrten) stimmten ihm nicht zu. — Von Rab Joseph, f 383, zitiert Schab 62b.
/. TSchab 7, iHf. (118): Man läßt Wein u. Öl in Rinnen (Röhren) vor den Braut-
paaren hinfließen, u. das gehört nicht zu den heidnischen Sitten (zu den Wegen der
Amoriter). Emmal kamen Jehuda (11., um 250) u. Hillel, die Söhne des Rabban Gamliel
(III., um 2-^0) nach Kabul; da ließen die Bewohner jener Stadt vor ihnen Wein u. Ol in
Rinnen hinfließen. ^ Die letzten Worte zeigen, daß die Sitte als ein Akt der Huldigung,
als Ausdruck der Hochachtung galt. — Der erste Satz als Bar in Berakh 50 i>, s. Anm. o;
eine Parallele zum Ganzen in Semach 8, s. Anm. o. Vgl. Midr Esth 1 , 4 (8») a) ; Bar Luphjani
hatte seine Tochter von Sepphoris nach ?Akko verheiratet; er stellte Läden (rv-i:-;
lies --■"=- - Fässer) mit gemischtem Wein auf von Sepphoris bis ?Akko u. goldene
Leuchter (vgl. die Fackeln in PesiqR 43 oben unter g) auf beiden Seiten (des Weges).
Man hat erzählt, daß man von dort (aus dem Hochzeitshause) nicht wich, bis er ihnen
Linsen von der Tenne zu essen u. Wein von der Kelter zu trinken gab (d.h. bis alle
Vorräte erschöpft waren). — Die Stelle ist zugleich ein Beleg dafür, daß, wenn eine
Tochter sich nach auswärts veriieiratete, die Hochzeitsfeier auch im Elternhaus der
Braut stattfinden konnte.
m. Git57a: Wegen eines Hahnes u. einer Henne wurde der „Königsberg" ("V':- --
oder sr"';': -v.2 nach Neubauer, Geographie S. 41 spätere Bezeichnung des Gebirges-.
Ephraim) verwüstet. Man pflegte nämlich, wenn man den Bräutigam u. die Braut hinaus-
geleitete (zum Hochzeitszuge) einen Hahn u. eine Henne vor ihnen herzutragen, um
damit auszudrücken: Seid fruchtbar -u. mehret euch den Hühnern gleich! Eines Tages-
zog (an einem solchen Hochzeitszuge) eine römische Kriegsschar vorüber, die sie ihnen
fortnahm. Da fielen die Juden über sie her u. schlugen sie. Das meldete man dem Kaiser.
n. pK^th •i,2(3b, 10 Bar: Abba Schaiul (um 150) hat gesagt: Auch die, vor der man
das ,Faß der frohen Botschaft" r-.'^rjz Vi- p-;r: einhergetragen hat (ist damit bezeugt
als eine, die als Jungfrau geheiratet worden ist). — K'^th 16b Bar: Hat sie ihre Hoch-
zeitsverschreibung verloren oder verlegt, oder ist die H.versclir. verbrannt — wen»
1 So H. L. Fleischer bei Levy 3, 307.
512 Matth 9, lö (S)
man vor ihr getanzt oder gescherzt oder den , Becher der frohen Botschaft" ''•-v c«5
--'vz oder das Tuch der Jungfräulichkeitszeichen einhergetragen hat, u. sie für eins
von alledem Zeugen hat, so beträgt ihre Hochzeitsverschreibung 200 Zuz. Was ist es
um den , Becher der frohen Botschnft"? Rab Adda b. Ahaba (um 250) hat gesagt: Einen
Becher mit T'rumawein (Wein, der als „Hebe" für die Priesterschaft ausgesondert
ist) trägt man vor ihr her, um damit zu sagen: Diese ist geeignet, von der Priester-
hebe zu essen (d. h. eine Priesterfrau zu vrerden; damit ist nach Lv21,7 ausgeschlossen,
daß sie eine Hure, eine Entweihte oder eine Geschiedene ist). Rab Papa (f 876) wandte
«in: Darf denn nicht eine Witwe von der Priesterhebe essen? (Da der gewöhnliche
Priester eine Witwe ehelichen darf, so wäre der „Becher der frohen Botschaft", falls
seine Deutung durch Rab Adda b. Ahaba richtig wäre, kein Beweis, daß die Braut
«ine Jungfrau u. keine Witwe war.) Vielmehr, hat Rab Papa gesagt, bedeutet der
Becher mit dem T^'rumawein: Diese (Braut) ist ein Ersthng (mit Bezug auf die Bei-
wohnung) wie die Hebe Erstling ist (von den geernteten Früchten). Bar: R. J^'huda
\um 150) hat gesagt: Ein Weinfaß trug man vor ihr her. Rab Adda b. Ahaba hat ge-
sagt: Wenn sie eine Jungfrau ist, so trägt man es verschlossen vor ihr her; war ihr
bereits beigewohnt, so trug man es offen vor ihr her.
O. K' th 2, 1 u. pKeth 2, 2tib, ^: R. Jochanan b. B^roqa (um 1 10) bat gesagt: Auch die
Austeilung gerösteter Ähren (beim Hochzeitszuge) dient als Beweis (daß die Braut eine
Jungfrau). — Dazu bKeth 17 b: Es ist gelehrt worden: In Judäa dient das als Beweis. Was
aber in Babel? Rab (f 247) hat gesagt: Das Salböl auf dem Kopf der teilnehmenden Rab-
binen (s. oben S. 427 Anm.b). Wie Verhaltes sich aber bei einer Witwe (als Braut)? Rab
Joseph (t383) hatte als tannaitische Tradition: Bei einer Witwe gibt es keine Verteilung
gerösteter Ähren. |i Berakh 50^ Bar: Man läßt Wein in Rinnen hinfließen vor dem
Bräutigam u. der Braut, man wirft vor ihnen (unter die Menge) geröstete Ähren u.
Nüsse während der Sommermonate (da die Erde dann trocken ist u. die hingeworfenen
Sachen nicht verunreinigt), aber nicht während der Regenperiode; dagegen verstreut
man keine Brötchen,^ sei es in der Sommerzeit, sei, es in der Regenperiode. || S^mach 8:
Man macht das Brautgemach für Brautpaare u. hängt daran sowohl Dinge, die man
zum Essen, als auch Dinge, die man nicht zum Essen gebracht hat. So R. Meir (um 150).
R. J^huda (um 150) sagte: Man hängt nur Eßbares daran. Folgende Dinge hängt man
daran: Nüsse die man nicht zum Essen gebracht hat, Brötchen die man nicht zum
Essen gebracht hat, Streifen von Purpurwolle u. eine Schale mit wohlriechendem Ol.
Folgende Dinge hängt man nicht daran: Nüsse die man zum Essen gebracht hat,
Granatäpfel die man zum Essen gebracht hat, Brötchen die man zum Essen gebracht
hat, eine Schale mit süßem Öl. Eiue allgemeine Regel hierüber lautet: Was ans Braut-
gemach gehängt ist, i^t zum Genuß verboten. Man verschenkt vor den Brautpaaren
Schnüre mit Fischen u. Fleischstücke während der Sommermonate, aber nicht während
der Regenperiode; dagegen verschenkt man keine Stücke von gekochten Fischen oder
Erdschwämme oder Sesamkörner, sei es während der Sommermonate, sei es während
der Regenperiode; aber geröstete Ähren u. Nüsse nimmt man u. verstreut sie. Die
allgemeine Regel hierüber lautet: Alles was verdirbt (durch die Berührung mit der
Erde) verschenkt man nicht vor ihnen. Man läßt vor den Brautpaaren hinfließen Röhren
mit Wein u. Röhren mit Öl, ohne sich deshalb Sorgen zu machen hinsichtlich heid-
nischer Gebräuche oder verbotener Speisen. || In fAZf^l» findet sich folgende Sitte er-
wähnt. Es wird gefragt: Von wann an ist es vor der Hochzeit in einem heidnischen
Hause verboten, einer Einladung des heidnischen Hochzeitsvaters zu einem Gastmahl
Folge zu leisten? Rab Papa if 876) hat im Namen Rabas (f 852) gesagt: -lyj ^^^ -='3
•r:-cs2. Raschi gibt davon zwei Erklärungen, a: \ on der Zeit an, da man Gerste im
Trog einweicht, um Rauschtrank daraus für die Hochzeit zubereiten; — ß: Von der
Zeit an, da man Erde in eine Mulde (Schale) tut, in die man vor der Hochzeit Gerste
1 r«s-oi^j = xöXh^, kleinere oder größere Brote aus feinem Mehl, s. Krauß,
Archäologie 1, 472 Anm. 485 f.
Matth 9, 15 (33) 513
sät. u. die man, wenn sie aufgegangen ist, vor das Brautpaar mit den Worten bringt:
,Seid fruchtbar u. mehret euch, wie diese Gerste, die am schnellsten aufgeht unter
•allen Getreidearten " — Die Tosaphisten entscheiden sich für die zweite Deutung, da
im ganzen Talmud die Bereitung von Rausclitrank aus Gerste niemals erwähnt werde. —
Jedenfalls handelt es sich nur um eine babylonische Sitte, von der dem Zus. hang der
Stelle nach auch nicht ohne weiteres angenommen werden darf, daß sie in judischen
Häusern üblich war. Parallelstelle: K thö''.
p. Der Hochzeitsgesang heißt «, stv, — . Danach wurde auch die ganze Feier ge-
nannt; zB N'^dnO'': Rabbi machte seinem Sohne R. Schimfon Hochzeit s-'^in r^-V nzs -i^;
vgl. auch sV«-:- -; „das Hochzeitshaus" in verschiedenen Zitaten oben. — ß, N-s-rn,
'durch Versetzung der Buchstaben aus (/«) vfj,f'iaiK entstanden. Einmal s:-,«;-n, s. pK*^th
l,2ö'', 20. — K*^th '2, I : Wenn sie Zeugen hat, daß sie unter Hochzeitsgesang ^'iii-na
hinausgezogen ist, so beträgt ihre Hoihzeitsverschreibung 2(J() Zuz; die ganze Stelle
s. oben Anm.pr. — Die Deutung des Wortes in den beiden Gemaren zeigt, daß man
den ursprünglichen Sinn nicht mehr verstanden hat. pK th"i,2Hb,3: N^s-z—a. In Baby-
lonieii sagt man, es bedeute -.•:•:: , Schlummerrolle" (von =:•:: schlummern). Die Rab-
binen Palästinas SHgten, es bedeute n":t--i , Sänfte". — Die letztere Erklärung sachlich
nicht ganz unrichtig, da die Hochzeitsgesänge ja eben an der Brautsänfte erklangen. —
bK th 17b: Was bedeutet n-:v--? Sorchah b. Papa (wann?! hat im Namen des Z^firi
{um 2)0) gesagt: Es bedeutet den „Backofen ans Myrten" .>!cs- N^ijr; R Jochanan
{f l'<9) hat gesagt: Es bedeutet die ■;--- , darin die Braut schlummert. — Zu 's- s--:p
bemerkt Rasclii: „eine Art runder Wölbung aus Myrten"; die Ähnlichkeit mit einem
gewöUtten Backofen würde hiernach die Bezeichnung >;-':r veranlaßt haben; wir werden
dabei an eine laubenartige Bedachung der Brautsänfte aus Myrtenzweigen zu denken
haben, so daß diese Erklärung sich mit <•; — i der palästinischen Gelehrten im pT
berührte. — Sachs, Beitiäge 1,8^^, ist geneigt statt s--:r zu lesen s:i-r = fi()6iog;
die Sänfte würde so der „Myrtenthron" heißen. — Zu sr-^- bemerkt Raschi: Ein
Schleier auf ihrem Kopf, der auf ihrf Augen herabfällt, u. manchmal mochte sie darin
schlummern, weil ihre Augen niciit enthüllt waren, u. deshalb wird der Schleier s~i-z-r.
genaimt wegen des Schlummers -tvr, vgl. die Erklärung der babyl. Gelehrten in pT. —
Levy erklärt 4, 8H0 s — - - gewölbte Trage, Baldachin, darin die Braut schlummert. —
Das schlummern in der Hochzeitssänfte inmitten einer jubelnden Menge ist doch etwas
schwer vorstellbar.
K'th itib Bar: Wie tanzt man vor der Braut? (d h. was singt u. sagt man tanzend
zu ihr?). Die Schule S<hammais sagte: Man redet die Braut dabei an je nach ihrer
Beschaffenheit. Die Schule Hillels sagte: iMan ruft ihr zu:) Schöne u. anmutige Braut!
Die Schule Schammais sagte zur Schule Hillels: Wenn sie nun lahm u. blind ist,
kann man zu ihr sagen: Schöne u. anmutige Braut? Die Tora sagt doch : Von einem
Wort der Lüge halte dich fern! Ex 2:^, 7. Die Schule Hillels antwortete: Wie ist es
nach euren Worten, wenn jemand einen schlechten Kauf auf dem Markt gemacht hat,
soll man ihn loben oder herabsetzen in seinen Augen? Man soll ihn doch wohl loben
in seinen Augen! Von hier aus haben die Gelehrten gesagt: Des Menschen Meinung
sei immer wohlgefällig in den Augen der Leute (Raschi: er handle jedermann zu Ge-
fallen). Als Rab Dimi lum S.'ii) kam ivon Palästina nach Babylonieni, sagte er: So
singt man vor einer Braut im Abendland ( — Palästina^i: „Nicht Schminke, nicht Puder,
nicht Lockengekräusel, u. doch eine Gemse voll Anmut!"
q MidrPs24 S I (I2(("): Manchen Jüngling gibt es von schöner Gestalt u. sein
häßliches u. unbeliebtes (-.■<':) Weib (hier = Braut) sitzt in der Kastensänfte. Das
Volk aber sagt: „Wer ist der Gatte dieser?" und man antwortet: „Dieser ist es",
u. man sieht ihn als schönen Jüngling. Dann sagt das Volk: „Soll der Jüngling an
diesem Kasten zugrunde gehn?" Und wenn die Braut --- schön ist u. ihr Gatte häßlich
u. klein, dann sagt das Volk: „Soll diese Braut zugrunde gehn an diesem Mann?" —
Hier sei auch auf das in Palästina übliche Scherzwort hingewiesen B"rakh8a: Wenn
im Abendland einer eine Frau nimmt, dann pflegt man zu ihm zu sagen: s.^^:? oder
Strack u Billerbeck, NTI. 33
514 Matth 9, 15 (SB)
s---? Das erstere nach Spr 18,22: Wer ein Weib gefunden su-:, hat Gutes gefunden.
Das letztere nach Qoh 7, 26 : Ich fand s^•■: bitterer als den Tod das Weib. — Der Sinn der
Frage an den Bräutigam ist also, ob seine Braut Spr 1 8,22 oder Qoh 7, 2ti entspreche.
r. Auch Rabbinen beteiligen sich an diesen Myrtentänzen. K th 17»: Von R. J^huda
b. Elfai (um 150) hat man erzählt, daß er einen Myrtenstengel nahm u. vor der Braut
tanzte u. sprach: Schöne u. anmutige Braut! R. Sch'muel b. Ji9(;haq (um 30(M tanzte-
mit drei (Myrtenstengeln, indem er einen hochwarf, den zweiten im Fallen auffing u,
den dritten wiederum hochwarf j. Da sagte R. Z'^fira (um 300): Der Alte macht uns-
Schande! Als seine (des R Sch'^muel b. J. ) Seele zur Ruhe eingegangen war, bihlete-
eine Feuersäule eine Scheidewand zwischen ihm (seiner Leiche) u. allen übrigen Menschen
(im Leichengefolge). Und wir haben doch gelernt, daß eine Feuersäule eine Scheide-
wand bildet nur bei jemandem, der einzig in seiner Generation ist, höchstens bei zweie»
in einer Generation (da kann also das Urteil des R. Z*^fira über Sch°muel b. J. nicht
zutreffen)! R. Z'^fira hat gesagt: Der Myrtenzweig i^T^••z^•6 hat dem Alten dazu ver-
helfen; andre sagten: Seine Narrheit s-rur, noch andere: Seine Art u. Weise sr--rj.
Rah Acha (um 320) ließ die Braut auf seinen Schultern reiten, während er tanzte. Da
sprachen die Rabbinen zu ihm: Dürfen wir also tun? Er antwortete: Wenn sie auf
euch wie ein Balken sind, dann wohlan! wenn aber nicht, dann nicht! — Das Verfahrea
des R.Sch'^muel b. J. wird noch erwähnt pPea 1, 15'^, 81 ; pf AZ 3,42 , 12; GnR59 (:!7").
S Nur ausnahmsweise wurde die Hochzeit im elterlichen Haus der Braut gefeiert,,
s. Midr Esth 1,4 (.^6 "j in Anm. l.
t. T'^rura 11,10: (Unrein gewordenes Hebeöl) darf man in einem (priesterlichen)
Hochzeitshaus (in den Lampen) verbrennen, aber nicht in einem (priesterlichen) Trauer-
haus. So R. J'^'huda (um 15U). R.Jose (um 15')) sagte: In einem Trauerhaus, aber nicht
in einem Hochzeitshaus. R. Meir (um 150) verbot es in beiden, R. Schimfon (um 150)
erlaubte es in beiden. — Dazu pT'^rum U,48'\ 29: Was ist der Grund des R. J'huda?
Weil man in einem Hochzeitshause reine Gewänder anlegt, darum befaßt man sich
mit dem Ol nicht (um es außerhalb des Priesterhauses zu benützen); in einem Trauer-
hause aber, wo man schmutzige Gewänder hat, befaßt man sich damit. Was ist der
Grund des R. Jose? Weil man in einem Trauerhaus niedergebeugt ist, darum befaßt
man sich nicht mit dem Ol; in einem Hochzeitshause aber, in welchem man aus-
gelassen ist, befaßt man sich damit. Was ist der Grund des R. Meir? Weil man in
einem Trauerhause schmutzige Gewänder trägt, darum befaßt man sich damit, u. weil
man in einem Hochzeitshause ausgelassen ist, befaßt man sich (gleichfalls) damit.
Was ist der Grund des R Schim?on? Weil man in einem Trauerhaus niedergebeugt
ist, darum befaßt man sich nicht damit, u. weil man in einem Hochzeitshaus reine
Gewänder hat, darum befaßt mau sich (gleichfalls) nicht damit.
tt. Keth 7b Bar: Man spricht den Lobspruch der Brautpaare in Gegenwart vo»
zehn Personen alle sieben Hochzeitstage hindurch. Rah Jehuda (f 299) hat gesagt: Und
zwar, wenn neue Personen (an der Hochzeitstafel der sieben Hochzeitstage) erscheinen.
Welchen Lobspruch spricht man? Rab Jehuda hat gesagt: „Gepriesen seist du, Jahve
unser Gott, König der Welt, der alles zu seiner Ehre geschaffen, u. Bildner des Menschen,,
der den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde der Ähnlichkeit seines Urbildes-
geschaffen u. aus ihm ihm einen Bau (nämlich das Weib) bis in alle Ewigkeit bereitet
hat. Gepriesen seist du, Jahve, Bildner des Menschen ! Mit großer Freude möge sieb
freuen u. frohlocken die Unfruchtbare (d. h. das seiner Kinder beraubte Zion), wenn
ihre Kinder sich um sie sammeln in Freude. Gepriesen seist du, Jahve, der du Zion
erfreust! Erfreue mit großer Freude dieses geliebte Paar, wie du dein Gebilde im
Garten «Eden vor alters erfreut hast. Gepriesen seist du, Jahve, der Bräutigam u. Braut
erfreut! Gepriesen seist du, Jahve unser Gott, König der Welt, der Wonne u. Freude,
Bräutigam u. Braut, Frohlocken, Jubel. Fröhlichkeit (-::t möglichenfalls auch Tanz),
Frohsinn, Liebe u. Brüderlichkeit u. Eintracht u. Freundschaft geschaffen hat. Eilends,
Jahve unser Gott, möge in den Städten Judas u. in den Gassen Jerusalems gehört
werden die Stimme der Wonne u. die Stimme der Freude, die Stimme des Bräutigams
Matth 9, 15 (83) 515
u. die Stimme der Braut, die Stimme des Jauchzens der Bräutigame aus ihrem Braut-
gemach u. die der Jünglinge von ihrem Hoclizeitsmahl" (er:-;: nr-c^n «vom Gelage
ihres Saitenspiels", wenig sinnvoll; crj-;: wird verderbt sein aus einer Form von sjisj
oder s;:;; dem entspricht die gegebene Übersetzung).
V. MQ 2Sb: R. Chama b. Chanina (um 26U) hat gesagt: Woher läßt es sich be-
weisen, daß der Bräutigam obenan sitzen soll (beim Hochzeitsmahl)? Weil es heißt:
, Gleich einem Bräutigam, der den priesterliclien Kopfputz aufsetzt" Jes61,10. Wie
der Priester überall der Erste ist (zB beim Vorlesen aus der Schrift, beim Sprechen
der Lobsprüche usw ), so auch der Bräutigam.
w. Pes7, 13: Eine Braut darf ihr Gesicht abwenden, wenn sie ißt. — Fes 86l>:
Was ist der Grund? R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe
gesagt: Weil sie sich schämt (vor den Augen der Männer zu essen, weil sie auf sie
blicken, Raschi). Vgl. Keth 17 a: R. Schemuel b.Nachman (um 260) hat gesagt, R.Jonathan
(um 220) habe gesagt: Es ist erlaubt, die ganzen sieben Hochzeitstage eine Braut an-
zublicken, um sie ihrem Gatten lieb zu machen; die Halakha ist aber nicht nach ihm.
X. TSota H,6f. i321): R. Schim?on b. Gamliel (um 140) hat gesagt: Es gibt keine
Not, die über die Gesamtheit kam, der entsprechend der Gerichtshof nicht eine Freude
abgeschafft hätte. Als das Synedrium aufhörte (mit dem Untergang Jerusalems!, hörte
der Gesang in den Hochzeitshäusern auf. ^ Dasselbe sagt pSota S>, 24 1>, 7 R. Jose b. ßun
(um 850) im Namen des R Huna. [i Git 7»; Man ließ den Mar fUqba fwohl den Jüngeren,
um 270) fragen: Woher wissen wir, daß der Gesang (in den Hochzeitshäusern seit der
Zerstörung Jer.s) verboten ist? Er zog Linien u. schrieb ihnen: „Freue dich nicht,
Israel, unter Jubel wie die Völker" Hos 9, 1. Er hätte es ihnen auf Grund von Jes 24, 9
mitteilen sollen: , Mit Gesang sollen sie nicht mehr Wein trinken, bitter wird der Met
seinen Trinkern sein!" Denn wenn es aus jener Stelle bewiesen wird, dann kann ich
sagen: Jene Worte beziehen sich nur auf das Spielen von Musikinstrumenten, aber Ge-
sang des Mundes ist erlaubt. — Das Verbot wurde später wohl nicht beachtet; vgl. pSota
5/, 24 1», 4 in Anm. z; ferner s. Anm. dd. \\ GnR 70 (45 '') : Den ganzen Tag hatten die von
Laban Geladenen Gn 29, 22 Jakobs Hochzeit gefeiert; als aber der Abend anbrach (u. sie
ihn noch immer weiter belustigten ^ sprach Jakob: Warum dies? Sie antworteten ihm:
Du hast uns durch dein Verdienst Wohltat erwiesen! Und sie sangen sein Lob vor ihm
u. sprachen (als Kehrvers) n"*: sn s-5 s-, womit sie meinten (ohne daß es Jakob ver-
stand) ns5 s-n ns^ s"n = das ist Lea, das ist Lea! (Der Kehrvers wird zu lesen sein:
s-'5 sr: s-'p S77 =: die ist es nicht, die ist es nicht, nämlich die Richtige.)
y LvR 28 (126 '^) u. Midr Qoh 1,3: R. Schimfon b. Rabbi (um 220) nahm ein Weib.
Rabbi befahl dazu alle Rabbinen, nur den Bar Qappara nicht. Dieser schrieb ihm an
die Tür seines Hauses: „Nach deiner Freude wirst du sterben; was für einen Gewinn
hast du von deiner Freude?" Als Rabbi herauskam u. es sah, sprach er: Wer ist dieser,
den wir nicht eingeladen haben, daß er diese Worte geschrieben hat? Man antwortete:
Bar Qappara! Er sprach: Morgen veranstalte ich für ihn (um seinetwillen) ein Früh-
mahl. Er bereitete ein Frühniahl u. lud ihn ein. Als nun die Gäste, ""'^"'n", gekommen
waren u. sich zum Essen niedergesetzt hatten, sagte Bar Qappara, sooft eine Speise
aufgetragen wurde, 300 Fabeln über den Fuchs dabei, so daß die Speise kalt wurde
u. die Gäste nichts davon kosteten. Rabbi sagte zu seinen Dienern: Warum kommen
die Speisen heraus, ohne daß man davon gekostet hat? Sie antworteten: Es ist dort
ein Alter, der, sooft eine Speise aufgetragen wird, 300 Fabeln über den Fuchs erzählt,
so daß die Speise kalt wird. Rabbi trat an ihn heran u. sprach: Warum tust du das,
daß du die Gäste nichts genießen lassest? Er antwortete: Damit du nicht meinen
möchtest, ich sei gekommen, um zu essen; vielmehr (bin ich unwillig), daß du mich
nicht zusammen mit meinen Kollegen eingeladen hattest.
Z. pKeth I, 25a, 25 u Midr Ruth 4,2: „Bofaz nahm zehn Männer von den Ältesten
der Stadt" Ruth 4, 2. R. Pinechas (um 360j hat gesagt: Hieraus lernen wir, daß der
Gerichtshof (lies r" r^--; statt nr-; r'z'^) Älteste in ihre Hochzeitshäuser beorderte
(damit keine leichtsinnigen Reden dort geführt würden, so riwa 'zt). — pSota J>, 24b, 4:
33*
516 Matth 9, 15 (SB)
Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Früher war die Furcht vor dem Synedrium auf ihnen,
so daß sie keine verwerflichen i leichtfertigem Worte im Liede vortrugen; aber jetzt
tragen sie verwerfliche Worte im Liede vor. — K^th 8t> u. Schab 33»: Rab Chanan
b. Rabbah (so lies statt ^-i -;, um 250) hat gesagt: Jeder weiß, wozu die Braut in das
Brautgemach eintritt; aber wer seinen Mund zu Schändlichem braucht u. schändliche
(schmutzige, leichtfertige) Worte aus seinem Munde hervorbringt, dessen Geschick wird,
auch wenn es ihm auf siebzig .Fahre zum Guten untersiegelt war, zum Bösen gewendet.
aa. TSanh li», 10 (433): R. fAqiba (f um 135) hat gesagt: Wer das Hohelied mit
vibrierender (singender) Stimme ' in Hochzeitshäusern vorträgt u. es zu einer Art (pro-
fanen) Gesanges macht, der hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt. — AbothRN36
nennt R. Jochanan b. Nuri, um 1 10, als Autor. || Sanh 101 a Bar: Wer einen Vers aus
dem HL zitiert u. es zu einer Art (profnnen) Gesanges macht, oder wer (irgend einen
Schriftvers zur Unzeit in einem Hochzeitshaus (oder auch allgemein: bei einem Gast-
mahl) zitiert, der bringt Unheil über die Welt. Denn die Tora gürtet Sacktuch (Trauer-
kleidung) um, tritt hin vor Nott u. spricht vor ihm: Herr der Welt, deine Kinder haben
mich gleichsam zu einer Zither gemacht, auf der die Gojim spielen! Dann sagt Gott
zu ihr: Meine Tochter, womit sollen .sie sich beschäftigen, wenn sie essen u. trinken?
Sie antwortet: Herr der Welt, wenn sie Kenner der Schrift sind, so mögen sie sich
mit der Tora, den Propheten u. den Hagiographen beschäftigen; wenn sie Kenner des
Traditionsstoffes sind, so mögen sie sich mit der Mischna, der Halakha u. der Haggada
beschäftigen; wenn sie Kenner des Talmuds (hier = halakhische Diskussion) sind, so
mögen sie sich am Passahfest mit den Satzungen des P., am Wochenfest mit den
Satzungen des W., am Hüttenfest mit den Satzungen des H. beschäftigen.
bb SDt 1 1, 10 § 38 (77 ^' ): Einmal lagen R. Elifezer (um 90 1, R. J^hoschuaf u. R. ^adoq
im Hochzeitshause des Sohnes des Rabban Gamliel 11. zu Tische. Rabban G. mischte
für R. Eli?ezer (der sein Schwager war) einen Becher; dieser aber wollte ihn laus Ehr-
erbietung gegen R. G. ) nicht annehmen; R. .1 hoschua? dagegen nahm ihn an. Da sai^te
R. Elifezer zu ihm: Was soll das, J hoschuaf, wir liegen zu Tische u. Rabban G. steht
u. dient! R. J^hoschuaf erwiderte: Laß ihn nur bedienen! Abraham, der Große der
Welt, hat die Engel bedient, während er meinte, daß es Araber, Götzendiener, seien,
s. Gn 18,2. Ist da nicht der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere berechtigt?
Wenn Abraham, der Große der Welt, die Engel bedient hat, während er annahm, daß
es Araber, Götzendiener, seien, sollte uns da Rabban G., der Rabbinensohn, nicht be-
dienen?! Es sprach R. ^adoq (so lies statt R. Jicjchaq) zu ihnen: Ihr lasset die Ehre
Gottes dahinten, u. beschäftigt euch mit der Ehre von Fleisch u. Blut! Der, welcher
sprach u. es ward die Welt, läßt Winde wehen u. hebt Dünste u. Wolken empor u.
läßt den Regen niederfallen u. die Gewächse wachsen u. deckt jedem einzelnen den
Tisch, da sollte Gamliel, der Rabbinensohn, uns nicht bedienen? — Dasselbe Qid 32^.
Hier geht folgende Erzählung; vorauf: Raba (t 352) schenkte bei der Hochzeit seines
Sohnes ein. Er füllte einen Becher für Rab Papa (f 376) u. Rab Huna b J'^hoschuaf
u. sie erhoben sich vor ihm; dann füllte er einen Becher für Rab Mari u. Rab Pin'^chas
b. Chisda, u. sie erhoben sich nicht vor ihm. Da ward er zornig u. sprach: Jene Rab-
binen sind Rabbinen u. diese Rabbinen sind keine Rabbinen. — Darauf wird Ähnliches
über Rab Papa, f 37(i, berichtet.
CC. TSchab 7,9 (118): Als R. fAqiba (f um 135) seinem Sohn Hochzeit machte,
sprach er bei jedem einzelnen Faß (Krug) Wein, das er öffnete: Der Wein für das
Leben der Rabbinen u. für das Leben ihrer Schüler! (wir würden sagen: Auf das
Wohl usw.). — Parallelsteilen: pB rakh «i, 10'^, 49; bSchabö?''.
dd. B^rakh 30*^: Mar b. Habina (gegen 400) machte seinem Sohne Hochzeit; er
sah, daß die Rabbinen sehr angeheitert^ waren. Er brachte einen Pokal, der 400 Znz
1 o'-i-rn -"Ba iV;p j-jv:-:-! = „wer seine Stimme im Hohenliede schüttelt* scheint
der oben gegebenen Übersetzung zu entsprechen.
2 Berakh 9* wird von zwei Rabbinen berichtet, die sich auf der Hochzeit eines
Sohnes des R. Jehoschuaf b. Levi, um 2o0, betrunken hatten; s. die Stelle bei Job 2, 10.
Matth 9, 15 (SB. 6) 517
wert war, u. zerbrach ihn vor ihnen. Da wurden sie betrübt. Rab Aschi (f 427) machte
seinem Sohne Hochzeit; er sah, daß die Rabbinen sehr angeheitert waren. Er brachte
einen Pokal von weißem Kristallglas u. zerbrach ihn vor ihnen; da wurden sie be-
trübt. (Die Tosaphisten bemerken dazu: Von daher ist es Brauch gewordeu, bei den
Hochzeiten Glasgeschirr zu zerbrechen.) Die Rabbinen sprachen zu Rab Hamnuna
dem Jüngeren bei der Hochzeit des Mar b. Rabina is. oben): Es gestatte uns der Herr,
ein Lied zu singen! Er antwortete: „Wehe uns, daß wir sterben müssen; wehe uns,
daß wir sterben müssen!" Sie sprachen: Was sollen wir darauf antworten? Er sprach:
Wo ist das Torastudium u. wo die Gebotserfüllung, die uns beschützen sollen?
ee. Das früheste Zeugnis dürfte Tob 11, 1>^ sein: x«( ??'/.''»; o ydfxog Tnoßtu just'
st'(pgoari'T]g snid ijusfjng. — pK*^th I, '2b''^, 23: Mose hat die siebentägige Hochzeitsfeier
u. die siebentägige Trauerzeit angeordnet; aber in bezug auf eine Witwe hat er nichts
verordnet. — N'^g 3, 2: Wenn an einem Bräutigam sich Aussatz zeigt, so gibt man ihm
die sieben Tage der Hochzeit frei (ohne ihn abzusondern). — Weitere Beispiele finden
sich hin u. her in vorstehenden Zitaten, zB Sukka 2t^ in Anm. b.
ff K'^th 5^: Die Gelehrten sind auf das Wohl der Töchter Israels bedacht (deshalb
haben sie als Hochzeitstag der Witwen den Donnerstag festgesetzt), damit er (der
Bräutigam) sich mit ihr drei Tage lang freue, am Donnerstag. Freitag u. Sabbat. Dazu
K*^th 7* die Spezialisierung: Wenn du willst, sage: Bei einem Witwer (der eine Witwe
heiratet) ein Tag für den Lobspruch (der Brautpaare) u. drei Tage zur Freude; u. wenn
du willst, sage: Bei einem Jüngling (der eine Witwe heiratet) sieben Tage für den Lob-
spruch u. drei zur Freude.
gg. Sieh zB K^th 7b in Anm. u.. hh. Sieh zB Sukka 25^ in Anm. h.
ii. B'^rakh 1,1: Einmal kamen des Rabban Ganiliel (um 90) Söhne von einem
Hochzeitsmahl (spät in der Nacht); sie sprachen zu ihm: Wir haben das (abendliche)
Sch'maf noch nicht rezitiert. Er antwortete: Wenn das Morgengrauen noch nicht
aufgestiegen ist, seid ihr noch zum Rezitieren verpflichtet. ll LvR 12 (113^): R. Judan
(um ;^50) hat gesagt: Jene ganzen sieben Jahre, in denen Salomo den Tempel erbaute,
hat er keinen Wein getrunken; als er ihn aber erbaut hatte u. die Bithja, des Pharao
Tochter, heiratete, in jener Nacht trank er Wein, u. es wurden zwei Festgelage daselbst
gehalten, ein Freudenfest wegen der Erbauung des Heiligtums u. ein Freudenfest zu
Ehren der Tochter des Ph. . . . R. Huna (um 350) hat gesagt: 80 Arten von Tänzen
tanzte die Tochter des Ph. in jener Nacht.
9,15 6: 0 rv[x<ffog. — Die Tage des Messias als Hochzeitsfeier gedacht.
ExR 15 (79''): , Dieser Monat sei euch" (im Sinn desMidr: „gehöre euch") Ex 12,2.
Gleich einem König, der sich ein Weib verlobte u. ihr wenige Gaben verschrieb: als er
kam, sie zu nehmen (heimzuführen), verschrieb er ihr als Gatte viele Gaben. Ebenso
war diese Welt die Verlobung! szeit) tc^">s, s. : ,Ich werde dich mir verloben auf immer"
Hos 2, 21, u. er übergab ihnen nur den Mond, s.: „Dieser Monat gehöre euch" Ex 12, 2.
Aber in den Tagen des Messias wird die Hochzeit ■-'"^^'^''^ sein, s. : „Denn dein Eheherr
ist dein Schöpfer" Jes54, 5; in jener Stunde übergibt er ihnen alles, s.: „Die Ver-
ständigen werden glänzen wie der Glanz des Firmaments, u. die viele zur Gerechtigkeit
geführt wie die Sterne immer u. ewig" Dn 12, 3. || LvR 1 1 (112*-"): R. Jona (um 350) hat
im Namen des R. Abba b. Jirm'^ja (um 270) die Stelle iSpr 9, 1 — 3) auf Gog in der zu-
künftigen Zeit ausgelegt: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut", damit ist das Heiligtum
gemeint, s. : „Durch Weisheit wird das Haus (= Tempel) gebaut" Spr 24, 3. „Ausgehauen
ihre 7 Säulen", das bezieht sich auf die 7 Jahre Gogs, s. Ez 39, 9. Jene 7 Jahre sind die
Vorhochzeit der Gerechten in der zukünftigen Zeit, u. als Merkzeichen dient: Wer die
Vorhochzeit mitfeiert (im elterlichen Haus der Braut), der genießt das Hochzeitsmahl j
pSch' bifith 4, SS"^, 25: R. Jona hat im Namen des R. Chama b. Chanina (um 26U) gesagt:
Wer in den 7 Jahren Gogs stirbt, der hat an der zukünftigen Zeit (= Tage des Messias)
keinen Anteil. Als Zeichen diene: Wer von der Vorhochzeit genießt, der genießt das
Hochzeitsmahl. Als R.Jose (um 350) das hörte, sagte er: Ist denn das richtig? Noch
518 Matth 9, 16 (21. fS). 9, 17
gibt es eine Wiederkehr (durch Auferstehung) in der zukünftigen Welt (hier = Tage
des Messias).
9, 16 %: Niemand setzt einen Flicken ungewalkten Zeugs
auf ein altes Kleid.
€7iißXr]iiia sTiißccXXsiv = riVj-3 nV^ einen Flicken aufflicken.
Kelira 26,2: Hat man auf ihn (den Beutel, e-s) einen Flicken unten geflickt -";•-:
r-V-.;»?;! rs 'r\v, so ist er verunreinigungsfähig. | Das. 28, 6: Ein Flicken, den man auf
einen Korb geflickt hat ^r--~ -J' -"v^-^ r-^::'3 . . ., hat man ihn auf ein Kleid geflickt
-.tzT, h'j -^vj. ... II Kelim 27, 12 spricht R. Elifezer (um 90) in sonst bedeutungsloser
Weise von einem „neuen Flicken" nm-n r-ii:^.
*>,16S3: Denns eine Ausfüllung(=Einsatz) reißt von dem Klei de ab.
Ti nXriQwiia^ hebräisch wiederzugeben mit xb^, xib^ (nicht mit ^'^t-o,
das als nomen act. „das Füllen" bedeutet), aramäisch mit nx^p oder
tfrib-q. Mit TrXrjQoj/ia oder der „Ausfüllung" ist der neue Flicken gemeint;
Lk 5, 36 setzt daher einfach t6 xaivov ein. — Die „Füllung" des Schöpf-
gefäßes, d.h. das, was seinen Inhalt bildet, wird pSukka 1,51*^,39 ixis^
-^bi V^^ genannt. — Die Worte: „der Erdkreis u. seine Füllung" (Ps 50, 12)
übersetzt der Targum mit: „die Erde u. ihre Füllung" nr':bo!i n^'^n.
9,17: Auch tut man nicht neuen Wein in alte Schläuche usw.
ovSii ßaXXovaiv oivov vtov elq daxovg naXaiovq etc.
Weit abseits liegt inhaltlich das mehrfach als Parallele beigebrachte Zitat Aboth
4, 20: Elischaf b. Abuja (der Apostat, um 120) sagte: Womit läßt sich der vergleichen,
der als Kind lernt? Mit Tiute, mit der man auf neuem Papier schreibt. Und womit
läßt sich der vergleichen, der als Greis lernt? Mit Tinte, mit der man auf Papier
schreibt, von dem die Tinte abgerieben ist. R. Jose b. J'^huda aus Babelsdorf' (ein Zeit-
genosse Rabbis) sagte: Mit wem läßt sich der vergleichen, der von Kindern lernt? Mit
einem, der saure Trauben genießt u. Wein aus seiner Kelter trinkt. Wer aber von Alten
lernt, mit wem läßt der sich vergleichen? Mit einem, der reife Trauben genießt u. alten
Wein -2;- r^ trinkt. Rabbi (R. Meir ist falsche Lesart, s. Strack z. St.) sagte: Blicke
nicht auf den Krug "jp. , sondern auf das, was in ihm ist; es gibt neue Krüge, die voll
alten Weines sind, u. es gibt alte Krüge, in denen selbst kein neuer w-- Wein ist.
Die Schläuche (nir,, m': hzi, baa, xir^v [nj^-^t], r-or, wNS]?!!^, t-^i^ bestanden
aus einer Tierhaut, die als Ganzes von einem Schaf oder einer Ziege
abgezogen war. Die am Hals u. an den Beinen dadurch entstehenden
Löcher wurden zugenäht oder, soweit sie als Füll- u. Ausgußöffnungen
benützt wurden, mit einem Riemen zugebunden. Zur größeren Dichtung
bestrich man die Schläuche innen auch wohl mit Pech. Das Einreißen
u. Platzen der Schläuche wird mehrfach erwähnt.
Chullin 9, 3: Wenn man das Fell von einem Haustier oder von einem Stück Wild
abzieht, von einem reinen oder unreinen, von einem kleinen oder großen, um eine Decke
daraus zu machen (in welchem Falle das Tier samt dem Fell unter dem Bauch auf-
geschlitzt wird), so ist es verunreinigungsfähig u. verunreinigend bis zu dem Maße, daß
man es anfassen kann (d.h. bis zu zwei Handbreiten nach den Kommentaren); zieht
man das Fell ab, um einen Schlauch r-ir; daraus /u machen (in welchem Falle das
Fell nicht aufgeschnitten, sondern als ein Ganzes abgestreift wird), so ist es ver-
X .:.
eine babylonische Kolonie in Palästina?
Matth9, 17. 18. 20 (Nr. 1) 519
«nreinigungsfähig u. verunreinigend, bis man (falls das Abziehen vom Halse aus seinen
Anfang nahm) die Brust abgezogen hat. Hat man aber (das Abziehen) von den Füßen
aus begonnen, so gilt das ganze Fell hinsichtlich der Verunreinigung als mit dem Fleische
verbunden, so daß es' verunreinigt werden u. verunreinigen kann. Von dem Fell am
Halse hat R. Jochanan b. Nuri (um 110) gesagt, daß es nicht als mit dem Fleisch ver-
bunden angesehen werde; die Gelehrten aber sagten, daß es als mit dem Fleisch vei--
bunden angesehen werde, bis man das ganze Fell abgezogen habe. |l Kelim 19, 8: Wenn
an einem Schlauch rir, an welchem die (mit abgezogenen) Hodenhäute sich mit füllen,
<iiese schadhaft geworden sind, so sind sie rein, weil sie sich nicht mehr wie gewöhnlich
(durch Aufblasen) füllen lassen. — Vgl. aber auch Kelim i!8, 5: Ein Schlauch r^r., den
man (durch Aufschneiden) zu einer Decke gemacht hat, u. eine Decke, die man (durch
2us.nähen) zu einem Schlauch gemacht hat, sind rein. i| Schab IS»** Bar (tradiert von
Rah, t '^47): Den Schlauch (-■;) mit dem Riemen (s;c-r) darf man am Sabbat neigen. ||
TfAZ 1, 10 (46): Rabban Schim?on b. Gamliel (um 140) hat im Namen des R. J'^hoschua?
h. 'SZZ1- (Q'^pusai?, um 120) gesagt: Aus den Schläuchen n-i: der Gojim darf man
nur Decken für die Tiere machen (vgl. aber weiter unten f AZ 82*). Schläuche der Gojim,
von denen das Pech abgekratzt ist, sind erlaubt; neue, die verpicht sind, sind verboten.
Wenn ein Goi einen Schlauch verfertigt u. verpicht, während der Israelit dabeisteht,
so darf man ohne Sorge Wein u. Ol hineintun. (Der Grund des Verbotes liegt nach den
Kommentaren in der Gewohnheit der Heiden, in die Schläuche Wein zu tun, solange
■das Pech noch warm ist, damit der Wein den Beigeschmack des Peches annehme. Da
nun der Wein möglichenfalls heidnischer Trankopferwein war, so ist zu besorgen, daß
^as Pech von Opferwein durchtränkt ist.) Parallelstellen: p?AZ -J, 41 ^ 40; bsAZ 88'\ |1
Chuliiu 14'^ sagen R. J^huda, R. Jose u. R. Schimfon (alle um 150) zu R. Me'ir (um 150):
Vielleicht könnte der Schlauch platzen, ~':r-, jt^t" »'"s-; die Stelle findet sich auch in
TDeniai S, 7 (Ö9). |j p? AZ 5, 4^a 13 u. pQid 1, (i0'\ 5: R. Ba (um 290) u. Rab Huna (f '-97)
haben im Namen Räbs if 247) gesagt: Wenn jemand einen Schlauch a-"' (mit Wein)
an sich zieht (um ihn zu kaufen) u. er zerreißt dabei in seiner Hand -—'z nvtz-^, so
ist er nicht ersatzpflichtig. |j ;AZ 30»; Der sehr scharfe Wein, der die Schläuche zerreißt
---t --ui-. Ferner s. fAZ6ö'^; Schab 154'^. |1 Über Flickarbeiten an einem geplatzten
Schlauch lesen wir fAZ 82^: R. Schimfon b. Gamliel (um 140) hat im Namen des
R. J^hoschua? b. "zz-p (?) gesagt: Aus Schläuchen der Gojim darf man keine Decken für
«inen Esel machen. . . . Raba (f 352) hat gesagt: Das ist verordnet worden, weil dem
Israeliten vielleicht sein Sciilauch platzen könnte (•"■;: "p-")> u dann könnte er die Decke
jdes Esels nehmen u. auf seinen Schlauch nähen, ■:-ir-- (wodurch der Vv'^ein des Israeliten
von dem früher im Schlauch enthaltenen heidnischen Wein Geschmack annehmen könnte).
9,18: Ein Oberster trat herzu, fiel vor ihm nieder.
dQXMv bedeutet nach Mk 5, 22 hier soviel wie (XQ^KTwccycoyoc (= agy^ov
r»;c avvayoiyic bei Lk8, 41), entspricht also dem hebr. rc:xn rx-. =
Synagogenvorsteher. Vgl. den Exkurs: Das Synagogeninstitut Nr. 6. —
Über den Namen 'lätigog s. bei Mk 5, 22.
nooat-xvi€i. — 7TQoffxvreTiLXXfürti'\r]i:r:::rt „sich niederwerfen", Zeichen
der Ehrfurcht u. Verehrung; vgl. S. 78 bei Mt 2, 2 35.
K*^th 6S^: (Als R. fÄqiba, f um 135, nach vieljähriger Abwesenheit in sein Haus
zurückkehrte) lief sein Weib ihm entgegen, fiel auf ihr Angesicht u. küßte seine Füße
n->--2'; n-T T-;:ir:': sp r-ts ■:" r.zzz. . . . (Dann kam auch ?Aqibas Schwiegervater) fiel
auf sein Angesicht u. küßte auf seine Füße.
9,20: Und siehe, eine Frau, die zwölf Jahre den Blutgang
hatte, rührte den Saum seines Kleides an.
1. yvvrj alf.ioQQoovaa. — Im Rabbin. nnj , eine an geschlechtlichen Aus-
520 Matth 9, 20(Nr. 1.2)
Aussen Leidende. Über die so entstehenden Verunreinigungen s. den
Mischnatraktat c-^^j Einl. 63. Hier kommen 2 Bestimmungen in Betracht.
Zabim 5, 1 : Wer einen mit Ausfluß Behafteten (oder eine ~z-t) berührt oder von
ihm berührt wird, wer einen Zäb in Bewegung setzt oder von ihm gerüttelt wird, ver-
unreinigt Speisen u. Flüssigkeiten, desgleichen Gefäße, die durch Untertauchen reia
werden, wenn er sie berührt? aber nicht, wenn er sie trägt lohne sie beim Tragen zu
beiühren). | 5, 6: Wer einen Zäb, eine Zaba, eine menstruierende Frau, eine Wöchnerin^
einen Aussätzigen, deren Lager u. deren Sitz berührt, verunreinigt zwei Grade (indem
das von einem solchen Berührte wiederum verunreinigt) u. macht das im dritten Grade-
Berührte untauglich (zum Genuß).
Heilmittel, wie sie die damalige ärztliche Kunst (vgl. Mk 5,26; Lk
8,43) gegen Blutfluß verordnet":
Schab 1 10a: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Man nehme alexandrinisches Gummi
im Gewicht eines Zuz, s--; s-2; (Aloe?, Alaun?) im Gewicht eines Zuz u. Gartenkrokus
im Gewicht eines Zuz, verreibe sie miteinander u. lasse die Blutflüssige (-it) diese drei
in Wein trinken; unfruchtbar wird sie dadurch nicht. — Oder man nehme drei Qapii
(Raschi: 1 Qapiz = o Logi persische Zwiebeln, koche sie in Wein, lasse es die Frau
trinken u. sage zu ihr: Steh auf aus deinem Blutfluß --z-^i (d. h. sei gesund)! — Oder
man setze sie an einem Scheideweg nieder u. lasse sie einen Becher Wein in ihre Hand
nehmen; dann komme (ohne daß sie es ahnt) jemand von hinten, erschrecke sie u.
sage: Steh auf aus deinem Blutfluß! — Oder man nehme eine Handvoll Kümmel, eine
Handvoll Krokus u. eine Handvoll Fönnkraut, koclie es in Wein, lasse es sie trinken.
u. sage zu ihr: Steh auf aus deinem Blutfluß! — Oder man nehme tiU Weinfaßspunde
(weiche sie ein), lasse sie den Abguß trinken u. sage zu ihr: Steh auf aus deinem
Blutfluß! — Oder man nehme das üy-^t genannte Kraut i?i, koche es in Wein, lasse
sie den Abguß trinken u. sage zu ihr: Steh auf aus deinem Blutfluß! — Oder mun
nehme die römische Brachendistel (?, vgl. Levy 1, 4')U'^. 495ai, verbrenne sie u. lasse
die Frau sie während des Sommers in einem Leinenlappen u. während des Winters in
einem Lappen von Baumwolle tragen. — Oder man grabe sieben Gruben u. verbrenne
in ihnen junge, noch nicht drei Jahre alte Weinreben (s. Einl. 8H, gOrla); darauf nehme
sie einen Becher Wein in ihre Hand. u. dann lasse man sie sich von der einen Grube
erheben u. an einer andren nledersiizen u. wiederum von dieser sich erheben u an
einer andren niedersitzen (u. so fort bei allen sieben Gruben) u bei jeder sage man zu
ihr (wohl in dem Augenblick, da sie sich erhebt): Steh auf aus deinem Bluttiuß! —
Oder man nehme feines Mehl u. bestreit he damit ihre untere Körperhälfte u. sage zu
ihr: Steh auf aus deinem Blutfluß! — Oder man nehme ein Straußenei, verbrenne es
(zu Asche) u. lasse die Frau es (die Asche) während der Sommerzeit in einem Leinen-
lappen u. während des Winters in einem Lappen von Baumwolle tragen. — Oder matt
öflfne ein Faß Wein in ihrem Namen (d. h. wohl, damit sie zuerst davon trinke). —
Oder man nehme ein Gerstenkorn, das sich in dem Kot eines weißen Maultiers vor-
findet. Wenn sie es einen Ta^ (in ihre Hand. Raschi) nimmt, hört der Blutfluß zwei
Tage auf; wenn sie es zwei Tage nimmt, hört er drei Tage auf, u. wenn sie es drei
Tage nimmt, hört er für immer auf.
2. iliparo Tov xQaanad'ov xov tuaiiov. — Über xgcxanaSov s. den
Exkurs „^'Q't^"- — '^^'^ Erfassen des Gewandes eines angesehenen
Mannes vgl. Tafan23'^: Wenn die Welt des Regens beduifte, pflegten
die Rabbinen zu Chanan (Chanin?) ha-Nechba Nsrin, dem Tochtersohne
Chonis, des Kreisziehers [h-^r. Einl. 36), Schulkinder zu schicken u. si&
faßten ihn an den Säumen seines Mantels n^-a-^b? ■'Vsca an u. sprachen
zu ihm: Vater, Vater, gib uns Regen! — Über diese Stelle s. den Exkurs:
„Fastenfeier" Nr. 9, p.
Matth9, 21.23 521
9,21: Denn sie sprach bei sich selbst: Wenn ich nur sein
Kleid anrühren werde, wird mir geholfen werden.
Von Abraham sagt R. Levi (um 300) GnR 39 (24''): Abraham betete
für die Unfruchtbaren u. sie wurden bedacht, u. für die Kranken u. sie
fühlten Erleichterung. R. Huna (um 350, so lies statt Rab Huna) hat
gesagt: Nicht nur wenn Abraham zu einem Kranken hinging, sondern
wenn der Kranke ihn nur sah, fühlte er Erleichterung n-^i^-a.
9,23: Als Jesus in das Haus des Obersten kam u.
die Flötenspieler u, den lärmenden Haufen sah.
xovg avlrjTag xal tov o^Xor ^OQvßov/iisrov. — Die Flötenspieler u. die
Klageweiber — die letztern sind nach Mk 5, 38 wohl ganz besonders
unter dem o'x^oc ^oQvßov/Äivog zu verstehen — gehörten zu den not-
wendigen Requisiten einer Begräbnisfeier. Selbst der ärmste Mann
kann gezwungen werden, bei der Bestattung seiner Frau mindestens
zwei Flötenspieler u. eine Klagefrau mitwirken zu lassen, u. fänden
sich solche in dem betreffenden Wohnort nicht, so sind sie aus einer
Nachbargemeinde herbeizuschaffen, a Aus den rabbin. Quellen hören wir
über die Flötenspieler nichts Näheres; doch ist einer gelegentlichen
Bemerkung des Josephus zu entnehmen, daß sie die Klagelieder ein-
leiteten, b Aus den Angaben über die Klagefrauen erhellt, daß sie
namentlich auf dem Wege vom Sterbehaus nach der Begräbnisstätte in
Tätigkeit traten, u. zwar besonders wann der Leichenzug haltmachte,
um die Träger der Bahre sich ablösen zu lassen, c Dadurch ist nicht
ausgeschlossen, daß sie auch im Sterbehause selbst ihre Klageweisen
vernehmen ließen, wie es Mt 9, 23 u. Mk 5, 38 vorausgesetzt wird.d Es
war entweder Chcu-gesang oder Wechselgesang; die letztere Weise
scheint stark erschütternd gewirkt zu haben; wenigstens wurde sie für
eine ganze Reihe von Feiertagen untersagt, damit die Festesfreude nicht
allzusehr gestört werde. e Der Gesang wurde durch das (rhythmische?)
Zusammenschlagen der Händef u. durch die Töne der Handpaukeg u,
der sog. Rebi?ithh begleitet. Von den Klageliedern selbst sind nur
dürftige Überbleibsel erhalten.»
a. K'th4, 4: Der Ehemann ist seiner Ehefrau gegenüber verpflichtet zum Unter-
halt, zur Loskaufung (falls sie in Gefangenschaft gerät) u. zur Bestattung. R. J'^huda
(um 150) hat gesagt: Auch der Ärmste in Israel stellt nicht weniger als zwei
Flöten(spieler) =---■;- i u. ein Klageweib -s:--":. — Ähnlich in S'^machoth 14. 11 BM tJ, 1:
Wenn einer einen Eseltreiber oder einen Fuhrmann gedungen hat, eine Sänfte oder
Flöten(spieleri a"V~T. für eine Braut oder für einen Toten herbeizuschaffen etc. — Schab
23, 4: Wenn ein Nichtisraelit an einem Sabbat Flöten (zur Trauerklage) herbeischafft, so
darf ein Israelit auf ilinen keine Klagemusik machen, es sei denn, daß sie aus einem
nahen Ort (innerhalb der Sabbatgrenzen = 2000 Ellen) gebracht werden.
b. Josephus, BellJ ;^, 9, .'S: Es wurde verbreitet, daß auch Josephus bei der Ein-
nahme (von Jotapata, im Juli 67 n. Chr.) getötet worden sei. Das erfüllte Jerusalem
mit der größten Trauer. In den einzelnen Häusern u. Verwandtschaften betrauerte
^ Flötenspieler genauer
522 Matth 9, 23
jeder seine Angehörigen oder Freunde unter den Umgekommenen; die Trauer um den
Anführer (nämlich Jos. selbst) wurde als Volkstrauer gehalten. Dreißig Tage lang
hörte das Wehgeklage in Jerusalem nicht auf; die meisten aber dingten Flötenspieler
avkTjrüg, die ihnen den Klagesang einleiteten oll ftQtjtioy sStJQx^*' ((i'^oTs.
C. MQ 3,8: Man setzt (an den Zwischenfeiertagen, d. h. an den Tagen zwischen
den beiden ersten u. letzten Feiertagen des Passah- u. des Hüttenfestes) die Bahre auf
der Straße nicht nieder, um nicht zum Wehklagen zu verleiten. (Daraus erkennt man,
daß die beim Niedersetzen der Bahre eintretende Pause für gewöhnlich der Zeitpunkt
war, an dem die Klageweiber besonders mit ihren Weisen einsetzten; vgl. Anm. ^.)
Aber die Bahre der Frauen setzt man niemals nieder aus Gründen des Anstandes
(wörtlich: der Ehre halber). Die Klagefrauen dürfen an einem Zwischenfeiertage laut
klagen r-.ir^, aber nicht in die Hände schlagen r'.r.ty,,-^. R. Jischmasel (f um \^h) hat
gesagt: Die der Bahre ganz nahe sind, dürfen in die Hände schlagen. — Ebenso über
das Niedersetzen der Leichen S'"mach 11. — Dagegen heißt es MQ 27'': In N'^hardefa
(in Babylonien) hat man gesagt: Daß Frauenleichen nicht niedergesetzt werden dürfen,
hat man nur von einer Wöchnerin gelehrt, aber die übrigen Frauen setzt man nieder.
R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Auch die übrigen Frauen setzt man nicht nieder.
(Es scheinen in diesem Punkt abweichende Sitten in Palästina u. Babylonien be-
standen zu haben.)
d. Ausdrücklich haben wir den Klagegesang in den Sterbehäusern nirgends er-
wähnt gefunden; aber das kann etwas Zufälliges sein. Doch liest man TMQ "J, 17 (2:U):
Man bringt (an den Zwischenfeiertagen) keine Flöten in ein Trauerhaus, wohl aber
in ein Hochzeitshaus. — Hieraus wird man auf Flötenspiel im Sterbehaus selbst
schließen dürfen.
e. MQ :^, 9: An den Neumondstagen, am Tempelweihfest -'^3~ u. am Purimfe.st
dürfen die Klageweiber laut klagen u. in die Hände schlagen, aber keine Klagelieder
anstimmen, r-::-p»2 sV. Wenn der Tote bestattet ist, dürfen sie nicht laut klagen
r-i-j-^, auch nicht in die Hände schlagen. Was ist Wehklage, -^i:;? Wenn alle zugleich
laut klagen. Was ist Klagelied -"- ? Wenn eine anhebt zu singen u. die andren antworten
nach ihr, s.: „Lehret eure Töchter Wehklage u. ein Weib das andre ein Klagelied r-.-.--"
Jer 9, 19. Aber von der Zukunft heißt es: „Verschlingen wird er den Tod auf immerdar
u. abwischen wird Jahve-Elohim die Träne von jeglichem Angesicht" Jes 2ö, 8.
/. Zum Zusammenschlagen der Hände s. oben MQ 3, 8. 9 in Anm. c u. e. Ferner
TMQ 2, 17 (231): Was ist mit dem Schlagen auf die Brust Jes 32, 12 gemeint? Das
Zusammenschlagen der Hände (man scheint also die Hände vor der Brust zus.geschlagen
zu haben). Was ist c-V— (Ausdruck für das Verherrlichen eines Toten seitens der
Männer im Trauergefolge)? Das Ausbreiten der Arme (wobei man wohl die Hände
rang). — Dagegen sagt fUlla (um 280) MQ 27'»: Das Schlagen auf das Herz Jes 32, 12
meint das Schlagen in die Hand (oder ,7riit der Hand") u. z^'-.-- ist das Aufstampfen
mit dem Fuß. Bar: Wer lobt (unter Aufstampfen des Fußes), der tue es nicht in
Sandalen (die dünn u. weich sind), sondern in (festen) Schuhen der Gefahr halber.
g. Über die cii-s genannte Handpauke s. zu 9, 15 S. 508«. — Ferner Kelim 15, (i:
E. J'huda (um 150) sagte: Die Handpauke c-'-s ist verunreinigungsfähig als Sitz,
weil die Klagefrau «r-vs sich daraufsetzt (nämlich wenn der Leichenzug eine Weile
anhält). — In TKelimBB 2,8 (592) findet sich sogar die Notiz, daß sich die Klage-
frauen auf die Bahre gesetzt hätten. Es heißt hier: Die Bahre, das Polster u. das
Kissen des Toten ist nach R. Meär nicht verunreinigungsfähig, die Gelehrten aber
sagten : Sie sind verunreinigungsfähig durch Druck, weil sich die Frauen darauf zu setzen
pflegen, wenn sie ihre Toten beweinen (nämlich sooft auf dem Gange nach der Be-
gräbnisstätte die Bahre niedergesetzt wird). — Diese Stelle gehört zugleich zu den-
jenigen, aus denen zu schließen ist, daß die Toten in offenem Sarg oder auf ihrem Sterbe-
lager selbst beigesetzt wurden, falls sie ihre Ruhestätte in einem Felsengrab fanden.
h. Kelim 16, 7: Das Spielinstrument r-v-z- der Klagefrau Nr->N: ist rein. — Nach
den Kommentaren sind mit r->-=- zwei mehr als 1 Elle lange Hölzer gemeint, die
Matth 9, 23. 24. 25 (Nr. 1. 2) 523
aneinander gesclilagen werden; Levy 4, 419'^ läßt die Rebifith „aus dünnen, viereckigen
Brettern zus.gesetzt" sein.
i. Allgemein heißt es TJ^'b 14, 7 (259), daß „die Stimme der Klagefrauen einen
unter den Toten erwähnt". — Genaueres MQ 28'^: Was sagten die Klagefrauen?
Rab (t 247) hat gesagt: Wehe um den Dahingegangenen! Wehe um den zugrunde Ge
gangenen! Raba (f H52) hat gesagt: Die Weiber von Seh khanQib (in Babylonien)
sagten ebenso Ferner hat Raba gesagt: Die Weiber von Seh. sagten: Schneide den
Zahn (Knochen) aus dem Gebiß, so dringt das Wasser in die Koehmaschine, d. h.
wenn der Zapfen von dem Boden des Wasserbehälters entfernt wird, so dringt das
Wasser in den Kohlenbehälter, wodurch das Feuer erlischt; ebenso verliert sich das
Leben, wenn der Lebensodem entschwindet (so Levy 1, lOB'"»). Ferner hat Raba ge-
sagt: Die Weiber von Seh. sagten: Verhüllt u. bedecket euch, ihr Berge; denn ein
Sohn Hoher u. ein Sohn Großer war er (der Tote)! Ferner hat Raba gesagt: Die
Weiber von Seh. sagten: Die Sch^ol (= Grabi ist ein feines Gewand dem Edlen, dem
die Wegzehrung ausgegangen (dem verarmten Reichen ist der Tod die beste Erlösung)!
Ferner hat Raba gesayit: Die Weiber von Seh. sagten: Es rennt u. stürzt hin der
Müßiggänger (so fArukh bei Levy 1,46'), u. an der Fähre nimmt er ein Darlehn auf
(hat nicht so viel erübrigt, daß ihm das Sterbegewand aus seinen eignen Mitteln ge-
kauft werden konnte)! Ferner hat Raba gesagt: Die Weiber von Seh. sagten: Unsre
Brüder, die Kaufleute, werden in bezug auf ihr Nest geprüft (ob sie in ihrem Laden =
Nest ehrlich gewesen in Handel u. Wandel). Ferner hat Raba gesagt: Die Weiber von
Seh. sagten: Ein Tod ist wie der andere, die Schmerzen sind die Zugabe! — Weiteres
über die Trauerklage s. im Exkurs „Liebeswerke" Nr. 4, IX, G.
9,24: Das Mägdlein ist nicht gestorben, sondern schläft.
xai^evSei. — Derselbe Tropus im rabbin. Ti?^- Davon xr-:'! der Ent-
schlafene, xr^=-2'i das Entschlafen. Beispiele p^AZ 3, 42'', 1 bei Mt 27, 45. —
Auch nri^, aram. n^:d liegen, schlafen wird für „sterben" gebraucht:
xnz'r der Entschlafene, die Leiche. GnR 96 (GO'^): Resch Laqisch (um
250) hat gesagt: Gott sprach zu Jakob: Bei deinem Leben, du wirst
schlafen s:vr, aber du wirst nicht sterben r^zl
9,25: Das Mägdlein stand auf.
riysQ&ij doppelsinnig wie "-er aufstehn u. auferstehn.
L Die Totenauferweckung eine Prärogative Gottes.
Tafan 2^: R. Joehanan (f 279) hat gesagt: Drei Schlüssel sind in Gottes Hand,
die in die Hand keines Bevollmächtigten gegeben werden, nämlich der zum Regen,
s. Dt 28, 12, der zum Mutterschoß, s. Gn 30,22. u. der zur Neubelebung der Toten, r"r,T
n"r":r!, s.: „Ihr werdet erkennen, daß ich Jahve bin, wenn ich eure Gräber öffne u. euch
aus euern Gräbern steigen lasse" Ez87, 18. — Dasselbe in mannigfachen Variationen
Sanh 118^; GuR73(46"); DtR7(204b); TanchB s::-i §16(78^); s-i ^35(58'^); Midr
Ps78§5(173'');TargJeruschlIzuGn30,22;TargJeruschlzuDt28, 12;PesiqR42(178'i).
2. Die Auferweckung der Toten erfolgt durch die Gerechten.
Pes68": Rab Chananäel (um 260) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Dereinst
werden die Gerechten die Toten lebendig machen; es heißt hier (Jes 5, IT): Es weiden
da Lämmer nach ihrem Wort (so der Midr); u. es heißt dort (Mich 7, 14): „Weiden
mögen sie Basan u. Gilead (so der Midr.), wie in alten Tagen." Mit Basan ist Elisa
gemeint, der aus Basan stammte, s.: „Schaphat in Basan" lChr5, 12 u „Eli&a der
Sohn Sehaphats" 2 Kg 3, 11. Mit Gilead ist Elias gemeint, s.: „Elias ausThisbe Gileads"
1 Kg 17, L (Beweis durch Analogieschluß aus „weiden" ; wie dieses von Elias u. Elisa,
die Tote auferweckt haben, gesagt wird, so deutet das Wort „weiden" Jes 5, 17 an,
524 Matth 9, 25 (Nr. 2—5). 9, 27 (31)
daß mit , Lämmern" Auferweckte gemeint sind, u. zwar durch ihr, der Gerechten,
Wort Auferweckte.) R. Schemuel (um -260) hat gesagt. R. Jonathan (um 220) habe ge-
sagt: Dereinst werden die Gerechten die Toten auferwecken, denn es heißt: „Wiederum
werden Greise u Greisinnen auf den Plätzen Jerusalems sitzen, ein jeglicher seinen
Stab in seiner Hand" Sach8,4, u.: , Halte meinen Stab an das Gesicht des Knaben"
2 Kg 4, 29. (Wie 2 Kg 4 der Stab das Mittel der Totenauf erweckung, so auch der Stab
der Alten iu Sach 8, 4. Vgl. Einl. 97, Nr. -M
3. Die Auferweckung der Toten ein VVerk des Messias.
So erst in den späten PirqeREl 82 (16''): Warum heißt des Messias Name Jinnon?
(■;-3'' Ps 72, 17). Weil er dereinst die im Staube Schlafenden wiid aufsprossen lassen
(•3-5 Tri- d. h. auferwecken). — Von hier in Midr Ps 93, 1 (nicht in ed. Buber).
4. Über Totenauferweckungen durch Rabbinen s. bii Mtl4, 2.
5. -i-:s-^ auf ersteh n; so nach Ün 12, ISzBSanh 91*^: (Die Toten) stehen
auf in ihren Leibesfehlern u (dann) werden sie geheilt ymtr.r-o-\ pi^a:: "i-nni:-.
9,27 21: Es folgten Jesu zwei Blinde.
Tvcflöc, hebr. -||r, N^io, ""i^d, aram, n'-cd oder n'^"'":;.
Zu dem Euphemismus s-^-n: s-;j: — „der viel Licht hat" s. pPea4, 19a, 22: „Ver-
rücke nicht uralte Grenze" aV'y 's-a; Spr2i;, 28. Rah Jirmeja um 320) u Rab Joseph
(t 3:')3). Der eine sagte: Das bezieht sich auf die, welche aus Ägypten heraufgezogen
sind {z-.'v -r-a; wird gedeutet = a-'Jiy v;; „die Grenze der aus Äg. Heraufgezogenen",
■wie sie durch Josua festgesetzt war). Der andre sagte: Damit sind die in ihrem Ver-
mögen Heruntergekommenen gemeint (=V«:r wiederum — :---i-, doch gegensinnig =
----© „die Heruntergekommenen" gedeutet; für diese Erklärungsweise folgen dann
zwei weitere Beispiele; das erste lautet:) Den Blinden nennt man f<--^-:i: s-r „stark
an Augenlicht". (Das zweite Beispiel:) R. Ji9chaq (um 800) hat gesagt: Es heißt: „Die
widersetzlichen Armen führe in dein Haus" Jes 58, 7. (Das Textwurt c'-^-"? von nn-i
„die Umgetriebenen" wird gedeutet c---^-, von "•"", die Widerspenstigen; gegen-
sinnig = die Gebeugten, die Demütigen, so daß Jes 5«, 7 gemeint sind die „beschei-
denen, verschämten Armen"). Das letztere Beispiel auch LvR 34 (181 '). || GnR80(18''):
„Noah war ein gerechter Mann in seinen Generationen" Gu H, 9. R. Jehuda (um 150)
hat gesagt: In „seinen" Generationen war er ein gerechter Mann; aber wenn er zur
Generation Moses oder Samuels gehört hätte, wäre er kein Gerechter gewesen. Auf
der Gasse sagt man zum Blinden „Hellsehender" "i--: n-jc. (Randglosse s-'cc.)
Das harte Los der Blindheit kennzeichnet treffend N'^d 64'' Bar:
Vier werden wie ein Toter geachtet: der Arme, s. Ex 4, 19; der Aus-
sätzige, s. Nu 12, 12; der Blinde xaic, s. KL 3, 3: „In Finsternisse setzte
er mich den uralten Toten gleich"; u. der, welcher keine Kinder hat,
s. Gn 30, L Vgl. Exkurs: Aussatz u. Aussätzige Nr. 1, n.
Heilmittel gegen Blindheit.
Git 69*: Gegen den Star nehme man einen Skorpion, der siebenfach gegliedert
ist (Raschi: siebenfarbig gesprenkelt i u. lasse ihn im Schatten (nicht in der Sonne)
austrocknen; dann pulverisiere man einen Teil von ihm u. zwei Teile Stibium u. tue
davon drei Schniinkstifte voll in jedes Auge, aber nicht mehr. Wenn man das nicht
beachtet, springt das Auge hervor (aus seiner Höhle). — Gegen die Blindheit, die
nachts entsteht s-'':--:- -~>--zv nehme man eine Haarschnur, binde das eine Ende an
sein (des Kranken) Bein u. das andre Ende an das Bein eines Hundes; dann lasse
man hinter ihm Kinder Scherben aufeinanderschlagen u. spreche s';'';:-r nc:s sa':; sex,
alter Hund, närrischer Hahn! Darauf hole man sieben Stücke Fleisch aus sieben
Häusern, die die Bewohner dieser Häuser (so nach Raschij in der Rinne unter der
Matth 9, 27 (?l. SB). 9, 28 (31. S) 525
(Hau3 )Tür^ niederlegen müssen, u. läßt sie auf den Dungstätten des Ortes zugrunde
gehn. Dann binde man die Haarschnur vom Kranken los u. spreche: Blindheit des u.
des, des Sohnes von der u. der, verlasse den u. den, den Sohn von der u der, u.
durchbohre den Hund in seinem Augapfel. — Gegen die Blindheit, die bei Tage ent-
steht, nehme man sieben Milzen aus dem Leib von Tieren u. brate sie im Napf eines
Aderiassers; dann setze man den Kranken im Hause nieder, während draufjen ein
andrer Mensch steht. Zu diesem sage der Blinde: Gib mir, daß ich esse! Der Sehende
(sr^-rr = dessen Auge aufgetan) antworte: Nimm, iß ('':-r-s =c)! Nachdem er dann
gegessen hat, zerbreche er den Napf; denn wenn er es nicht tut, kehrt die Krankheit
auf ihn zurück.
Erwähnt sei noch M''g24'' Bar: R. Jose (um 150) hat gesagt: Mein
lebelang habe ich mich mit dieser Schriftstelle abgequält: „Daß du am
Mittag tasten mußt, wie der Blinde im Dunkel" Dt 28, 29; was liegt
denn dem Blinden daran, ob es dunkel ist oder hell? — bis mir folgender
Vot fall begegnete. Einmal befand ich mich unterwegs in tiefster Nacht
u. Dunkelheit; da sah ich einen Blinden x-oio, der sich (ebenfall>) unter-
wegs befand, wie er eine Fackel in seiner Hand hatte. Ich sagte zu
ihm: Mein iSohn, was soll dir diese Fackel? Er antwortete mir: Solange
die Fackel in meiner Hand ist, sehen mich die Menschen u. hüten mich
vor Gruben, Dornen u. Nesseln.
i>, 27 23: Erbarme dich unser, Sohn Davids.
vlog Javti'tS, als Bezeichnung des Messias in der vorchristl. Zeit wohl
nur Ps Sal 1 7, 2 1: Sieh daiein, o Herr, u. laß ihnen erstehn ihren König,
den Sohn Davids, zu der Zeit, die du erkoren, Gott, daß er über deinen
Knecht Israel regiere. In der nachchristl. jüdischen Literatur ist -i'i'n -,3
allgemein gebiaiichliche Messiasbezeichnung. Besonders häufig fi^ndet
sich die Wendung: „Der Sohn Davids kommt" wsa "•;•!— ,?, zB Sanh 97 u. 98
in einer Bar; im Munde des R. J'huda (um 150), des R. N^'chemja (um
150). des R. N'^horai (um 150), des R. Jose b. Qisnia (um 110) u. seiner
Schüler, des R. El^azar b. Schim^on (um 180), Rabs (t2t7), des R. Cha-
nina(um225), desR.Chama b.Chanina(um260) u.des R. Jochanan (t297).
i), 28 %: Glaubt ihr, daß ich dieses zu tun vermag?
maii-vnt Uli di'naiiKxi loluo rroiPffui; — Die Erleuchtung des geistigen
Auges die Vorbedingung der Öffnung des leiblichen Auges.
GnR SB (84'): ,Gott tat ihre Augen auf Gn 21, 19. R. Binjamin (wohl b. Levi,
um '^'^^) hat gesatjt: Von allen gilt die Annahme, daß sie blind sind yc-z, bis Gott
ihre Augen erleuchtet; das folgt aus: „Gott tat ihre Augen auf."
9,28 23: Sie antworteten ihm: Ja, Herr.
xvoi€. — Aramäisches Äquivalent der Anrede xvgis ist ^-j-o „mein
Herr" oder, wenn es sich um mehr als Einen Redenden handelt: --i^
„unser Herr": ältere Form x^-a l Kor 16.22.
K th lO.S'': Wenn der König Josaphat von Juda einen Gelehrtenschüler sah, er-
hob er sich von seinem Thron, umarmte u. kiilate ihn u. redete ihn an: Mein Meister,
^ Unter < s-- ■- versteht man meist das Loch in den Türschwellen, in denen
sich der Tüizapfen dreht; schwerlich richtig; s. Krauß, Archäologie 1, 358 Anm.494.
526 Matth 9, 28 (95). 9, 30. 32. 34
mein Meister, mein Herr, mein Herr, -^^ —^ "3^ ""^. — So auch Sanh 98* in einem
Gespräch mit dem Messias: R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250i ging zu ihm (dem Messias
in Rom) u. sprach: Friede sei mit dir, mein Meister u. mein Herr --•:• --i. Er ant-
wortete ihm: Friede sei mit dir, Bar Levi! R. J'hoschuaf sprach zu ihm: Wann kommt
der Herr ^t? Er antwortete ihm: Heute! !| Die Form --"- oder o— p läßt sich aus
neutestamentl. Zeit noch nicht belegen, s. Dalman l,2ti8f.
9, 30: Ihre Äugen wurden aufgetan, ccrs(öxd-r^aciv avxMv ot otf^aXfiioi.
LvR 22 (121 '*) u. Midr Qoh 5, 8 (27»): Es geschah einmal, daß zwei Männer auf den
Wegen von Tiberias gingen; der eine war blind •";c u. der andre war sehend -rs«3
(geöffneten Auges), u. der Sehende s- ;"rr {= der Geöffnete) führte den Blinden. Sie
setzten sich nieder, um am Wege auszuruhen. Da ereignete es sich, daß sie von einem
Kraute aßen: der Blinde wurde sehend rrrrrs (geöffnet), u. der Sehende -'rz wurde
blind; u. nicht gingen sie von dort fort, bis jener Blinde den Sehenden führte. — ||
GnR 53 (33''): R. Schemuel b. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: Als unsre Mutter Sara be-
dacht wurde, wurden viele unfruchtbare Frauen mit ihr bedacht, viele Taube wurden
hörend, viele Blinde wurdend sehend ir-rrr] (— sie wurden aufgetan) u. viele Wahn-
sinnige wurden vernünftig.
9,32: Sie brachten zu ihm einen stummen Besessenen.
xoKföv. — 2^x „stumm", d-r „taub"; im Rabbin. ist ir^n häufig der
Taubstumme.
Chag 2'^ Bar u. Git 71a Bar: Wer reden kann, aber nicht hören, das ist ein Tauber
s-r.; wer hören kann, aber nicht reden, das ist ein Stummer =^s. Sowohl dieser, als
auch jener gelten in allen ihren Worten als vollsintiig (zurechnungsfähig, "--•:, wört-
lich: als solche, deren Sinne geöffnet sind). Woher, daß einer der reden, aber nicht
hören kann, ein Tauber x"--, einer der hören, aber nicht reden kann, ein Stummer
nVs, ist? Es heißt: „Ich bin wie ein Tauber ü-n, ich höre nicht, u. wie ein Stummer
ü'^s, der seinen Mund nicht auftut" Ps 3?<, 14. Wenn du willst, so sage, wie die Leute
(in sprichwörtlicher Redensart) zu sagen pflegen : (Ein Stummer ist einer,) dem die Sprache
genommen ist. (Nach Raschi ist =-s notarikonartig gedeutet = r!-ii';-3 tprrs. — ||
T^'rum 1,2: Der c:~, von dem die Gelehrten (in der Mischna) reden, ist überall einer,
der weder hören noch reden kann. — Mit Recht bemerkt aber R. Jona (um 3.^0)
pChag 1, 75'', 45. 50, daß diese Regel keine allgemein gültige sei, da es T'^rum 1,2 auch
heiße: Der x-r-, der reden, aber nicht hören kann, darf nicht Hebe absondern. —
Auch M'^g2,4 beweist, daß die Mischna unter Umständen unter dem i-n nicht den
Taubstummen, sondern nur den Tauben versteht; hier heißt es: Alle sind zum Vor-
lesen der Estherrolle (am Purimfest) geeignet mit Ausnahme des Tauben s-n, des
Irrsinnigen u. des Minderjährigen. |l Von der Heilung zweier Stummer durch das
Gebet Rabbis lesen wir Chag 3'^: Zwei Stumme waren in der Nachbarschaft Rabbis,
die Tochtersöhne des R. Jochanan b. Gudg^da (um 110), nach andren die Schwester-
söhne des R. Jochanan; sooft Rabbi in das Lehrhaus ging, gingen (auch sie) dorthin,
setzten sich vor ihn u. nickten mit ihren Köpfen u. bewegten ihre Lippen. Da flehte
Rabbi um Erbarmen für sie u. sie wurden geheilt. Es ergab sich, dab sie (in der Zeit
ihres Stummseins) Halakha, Siphra (den halakhischen Midr zu Lvi, Siphre (den halakh.
Midr zu Nu u. Dt) u. den ganzen Talmud (d. h. hier die halakh. Methode gelernt hatten.
9,34: Durch den Obersten der Dämonen treibt er
die Dämonen aus.
Hierzu s. bei Mt 12, 24; speziell zum „Obersten der Dämonen" s. den
Exkurs: Zur altjüd. Dämonologie Nr. 3, b. — Ein „Fürst der Geister"
xrrrnn •|itT'^">^ wird erwähnt LvR 5 (108 ■', s. diesen Exkurs Nr. 3, b gegen
Matth 9,37. 10,1 (511) 527
Ende) ; ferner ein „Herr der Geister" x-m-n iinnn pPea 8, 21'',23 = pSch^q
5, 49 '\ 2, s. daselbst Nr. 5, a; in beiden Fällen dürfte damit Aschm«'dai,
der „König der iJämonen" gemeint sein.
0,37: Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige.
Formell ähnlich, aber inhaltlich verschieden ist Aboth 2, 15: R. Tar-
phon (um 100) sagte: Der Tag (die irdische Lebenszeit) ist kurz, der
Arbeit ist viel risi-o, die Arbeiter c-^V^siEri sind träge, der Lohn ist gro&
u. der Hausherr ( = Gott) drängt.
10,1 51: Herbeirufend seine zwölf Jünger.
L ToiK /iia^r]Tdg avzov = T^n-^-abr. Die Schüler genossen nicht nur
den theoretischen Unterricht ihrer Lehrer, sondern befanden sich als
ihre Diener auch gern in ihrer Nähe, um so aus deren Tun u. Lassen
die Halakha möglichst durch die Praxis kennen zu lernen.
Aboth 6, 5: Torakenntnis wird durch 48 Dinge erworben, nämlich durch Studium,
durch Hören des Ohres, durch Zurüstung der Lippen . . ., durch Bedienen der Gelehrten
=-■::- zivsti:;. ji B rakh 7 '': R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schim?on b. Jochai
(um i'>0) gesagt: Größer (wichtiger) ist das Bedienen der Tora (d. h. ihrer Lehrer) als
ihr Erlernen, s.: ,Hier ist Elisa, der Sohn Schaphats, welcher Wasser auf die Hände
des Elias goß" 2 Kg o, 11. Welcher , lernte" heißt es nicht, sondern welcher „goß";
das lehrt, daß das Bedienen größer ist. || B'^rakh 47'^: Die „Andren" (="->•, nach
Hör IS'' die Schüler des R. Meir) haben gesagt: Selbst wenn einer die Schrift u.
die Miscbna (den traditionellen Lehrstoff) gelernt, aber nicht die Gelehrtenschüler
bedient hat r'sr, so ist er ein fAm ha-are9. Rab Huna (f 297) hat gesagt: Die
Halakha entspricht der Meinung der „Andren". Parallelstellen: LvR 3 (134*^); Sota
22^. II K^th 9ti'': R. J^hoschua? b. Levi lum 250) hat gesagt: Alle Arbeiten, die ein
Sklave seinem Herrn verrichtet, verrichtet ein Schüler seinem Lehrer, ausgenommen
das Auflösen (Ausziehen) des Schuhes. Raba (f 352) hat gesagt: Das hat man nur
für einen Ort angeordnet, wo man ihn nicht kennt (also aus dem Auflösen der Schuhe
schließen könnte, daß er tatsächlich ein Sklave sei, eine Annahme, der der Schüler
nicht ausgesetzt werden darf); aber wo man ihn kennt (also weiß, daß er ein Schüler
u. kein Sklave ist), kümmert man sich nicht darum (legt man keinen Wert darauf).
Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Auch für einen Ort, wo man ihn nicht kennt, hat man
dies nur bestimmt, falls er (als wäre er ein Sklave) keine Gebetsriemen angelegt hat;
hat er aber solche' angelegt (wodurch jedem erkennbar, daß er kein Sklave ist), so
kümmert man sich nicht darum (wenn er seinem Lehrer die Schuhe ablöst). ||
AbothRN36: R. f Aqiba (f um 185) hat gesagt: Wer den Gelehrten nichT als Schüler
dient, der hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt. — In Derekh Ere<; Z. 8 gegen
Ende lautet der Satz: Wer den Gelehrten nicht als Schüler dient, der ist des Todes
schuldig. II Sota21'': fUlla (um 280i hat gesagt: Ein schlauer Bösewicht ist derjenige,
der Schrift u. Mischna lernt u. den Gelehrtenschülern nicht dient. [1 K th 96"': R. Chijja
b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Wer es seinem Schüler
versagt, ihm zu dienen, der ist wie einer, der ihm Liebe versagt, s.: „Dem Verzagten
gebührt Liebe von seinem Freunde" Hi6, 14. Rab Nachman b. JiQchaq (f 35(i) sagte:
Auch wie einer, der die Gottesfurcht ihm nimmt, s.: „und die Furcht vor dem All-
mächtigen wird er aufgeben" Hi 6, 14.
Einige Beispiele, wie die Schüler aus dem Verhalten ihrer Lehrer
praktisch die Halakha erlernten.
TN''gS,2(t;28i: R. J^huda (um 150) sagte: Ich hatte meinen Sabbatsvortrag ge-
halten u. ging mit R. Tarphon (um 100) in sein Haus. Er sprach zu mir: J'huda, mein
528 Matth 10, 1 (51 1)
Sohn, gib mir meine Sandalen, u. ich gab sie ihm. Er streckte seine Hand aus nach
einem Fenster u. gab mir dies mit Siphra ■" statt ■-) von dort einen Stock. Er f-prach
zu mir: Mein Sohn, mit diesem Stock habe ich drei Aussätzige gereinigt. (R. Tarphon
war priesterlichen Geschlechts.) Ich (R. J''huda) habe daran sieben Haiakhoth (gesetz-
liche Bestimmungen! erlernt: das Holz (Lv 14,4j darf von einer Zypresse sein, seine
Spitze ist abgeschnitten (?•"-; Siphra liest: n-" = an seiner Spitze befindet sich Laub),
seine Länge beträgt eine Elle, seine Dicke den vierten Teil eines Bettfußes, der in
zwei u. diese (wieder) in vier Teile gespalten wurden (so nach Siphra); man bespritzt
damit einmal, auch zwei- u. dreimal (d. h. bis drei verschiedene Aussätzige), man er-
klärt für rein sowohl zu der Zeit, da der Tempel besteht, als auch zu der Zeit, da er
nicht besteht (denn so hat R. Tarphon, der nach der Zerstörung des Tempels wirkte,
gehnndelt), u. man erklärt (Aussätzigel für rein im Landesgebiet (d. h. außerhalb
Jerusalems). — Parallelstellen : SLv M, 4 (V69 " ) ; pSota -', 18-', ti als Bar. N d 7 '' : R. Abba
(um 29U) hat gesagt: . . . Rab Huna (t297) hörte, wie eine Frau den Gottesnamen un-
nütz n'^uaV aussprach. Er tat sie in den Bann, hob ilm aber sofort in ihrer Gegenwart
wieder auf. Daraus habe ich dreierlei entnommen. Erstens: Wer den Gottesnamen
aus dem Munde eines andren hört, muß diesen in den Bann tun. Zweitens: Hat er ihn
in seiner Gegenwart in den Bann getan, so kann er diesen nur in seiner Gegenwart
wieder lösen. Und drittens: Zwischen dem Bann u. seiner Aufhebung braucht nicht
die geringste Zeit zu liegen. Ü Chullin 106": Rabbah bar bar Ghana lum 2!s0) sagte es
(einen gewissen Ausspruch) vor R Ammi, u. R. Asi brachte vor ihn einen Korb mit
Früchten u. sie alJen, ohne ihre Hände zu waschen u. ohne mir i Rabbah b. b. Ch.)
davon zu geben; dann sprach jeder den Ldbspiuch für sich. Daraus habe ich dreierlei
entnommen. Erstens findet kein Abspülen der Hände für Früchte statt Zweitens: Man
vereinigt sich nicht zu gemeinsamem Dankgebet bei Früchten. Drittens: Wenn zwei
(zusammen) essen, gilt die Vorschrift, daß sie (in bezug auf den Lobspruch) getrennt
bleiben (jeder hat ihn für sich zu sprechen), li B^'rakh ö'i" wird erzählt, wie R. fAqiba
(tum lo.")) seinen Lehrer J'^hoschuaf u. ebenso wie Schimfon b. f Azzai (um 11<M den
R. ?Aqiba in seinem Verhalten auf dem Abort u. endlich wie Rab Kahaia lum 2.')0)
seinen Lehrer Rab (f 247) bei der Ausübung des Beischlafs heimlich beobachtete; als
ihnen dann das Unschickliche ihrer Handlungsweise vorgehalten wurde, erklärte jeder
von ihnen: Hier handelt es sich um Torakenntnis u. ich muß lernen!
Zu den Dienstleistungen des Schülers gehörte auch, daß er seinen
Lehrer auf dessen Ausgängen u. Reisen begleitete. Daher das unzählige-
mal wiederkehrende „Der u. der ging hinter dem u. dem her." Damit wird
der hinterher Gehende als Schüler desjenigen bezeichnet, dem er nach-
folgt. SelbstverständHch suchte der Schüler auch aus dem Verhalten des
Lehrers auf seinen Reisen halakhische Belehrung für sich zu gewinnen.
TP«'sl,27f. (1.^7): Es geschah einmal, daß Rabban Gamliel (um 90' u. R. Eifai
von fAkko nach K^zib gingen. Jener sah ein Brot lam Wege liegen) u. sprach zu seinem
Sklaven T bi: Nimm dieses Brot auf! Dann sah er einen NichtJuden (der ihnen ent-
gegenkam) u. sprach zu ihm: Mabgai, nimm dieses Brot hin! Es ging hinter ihm
R. Elfai; er sprach zu dem NichtJuden: Was ist es um dich (wer bist du)? Er ant-
wortete ihm: Ich bin aus den Stationsorten iOrtschaften, die mit Militärposten belegt
waren). Und wie ist dein Name? Er antwortete ihm: Mabgai ist mein Name. Er sprach
zu ihm: Hat dich Rabban Gamliel jemals keimengelernt? Er antwortete: Nein! Von
hier haben wir gelernt, daß Rabban Gamliel im heiligen Geist ikraft prophetischer
Begabungl geschaut hat (da er einen Unbekannten mit Namen nannte), u. aus seinen
Worten haben wir dreierlei gelernt: daß Gesäuertes der NichtJuden sofort nach dem
Passahfest erlaubt ist, daß man nicht vorübergeht an Eßbarem (ohne es aufzuheben)
u. daß man sich nach der Mehrzahl der Wanderer richtet id. h. wenn auf einem Wege
meist Heiden verkehren, so nimmt man an, daß das darauf Gefundene heidnischen
Matth 10, 1 (?11.2) 529
Ursprungs ist). Als er K'^zib erreicht hatte, kam einer u. bat ihn um Lösung seines
Gelübdes. Er fragte einen, der bei diesem war: Hat er etwa ein viertel Log italischen
Wein getrunken? Er antwortete: Ja! In diesem Fall, sprach er, muß er hinter uns
hergehn, bis sein Wein sich verloren hat. Er ging mit ihm, bis sie an die Leiter von
Tyrus kamen. Dann stieg er von seinem Esel, verhüllte sich u. setzte sich nieder u.
löste ihm sein Gelübde. Vielerlei haben wir an jenem Tage gelernt. Erstens daß ein
viertel Log Wein trunken macht; zweitens daß ein Marsch den Wein schwinden läßt;
drittens daß man keinen belehrt, der Wein getrunken hat, u. viertens daß man Ge-
lübde nicht löst beim Gehen, Reiten oder Stehn, sondern verhüllt u. im Sitzen. —
Parallelstellen: pfAZ l,40-\ 44; ?Er 64'>; LvR 37 (133''). II fAZ 43»; Rabbah bar bar
Chana (um 280) hat gesagt, R. J*^hoschuaf b. Levi (um 250) habe gesagt: Einmal ging
ich hinter R. Elfazar ha-Qappar dem Rabbinensohn (um 220) auf einem Wege einher;
er fand dort einen Ring, auf dem die Figur eines Drachen war; er traf einen kleinen
Goi, sagte aber zu diesem nichts; er traf einen erwachsenen Goi u. sprach zu ihm:
Mache den Ring samt Götzenbild gebrauchsunfähig! Er schlug ihn mit der flachen
Hand (gab ihm einen Backenstreich, weil er es nicht tun wollte); da machte er ihn
gebrauchsunfähig. Daraus entnahm ich dreierlei. Erstens daß ein Goi sein Götzenbild
oder das eines andren gebrauchsunfähig machen muß. Zweitens: Wer die Bedeutung
des Götzenbildes u. seinen Kultus kennt, muß es gebrauchsunfähig machen; wer das
nicht kennt (wie zB ein heidnisches Kind), hat es nicht gebrauchsunfähig zu machen.
Drittens: Ein Nicht Jude kann es (auch) gezwungenerweise gebrauchsunfähig machen. ||
Schab 40 '': Rab Ji^chaq bar Abdimi (gegen 300) hat gesagt: Einmal ging ich hinter
meinem Lehrer in ein Badehaus (u. zwar an einem Sabbat); ich wollte ihm eine (warm
gemachte) Flasche mit (Salb-)Ol in die Badewanne (oder in das Bassin, das aus einer
heißen Quelle gespeist wurde) legen (damit das Salböl warm bliebe). Er aber sagte
zu mir: Nimm ein zweites Behältnis u. tu (das Ol) hinein (damit es nicht noch mehr
erwärmt werde). Ich entnahm daraus dreierlei. Erstens: Das Öl unterliegt der Be-
stimmung betreffs des Heißmachens (am Sabbat, das nur in einem bestimmten Maße
erlaubt war, nämlich solange die Hand die Hitze ertragen konnte). Zweitens: Das
zweite Behältnis erhitzt nicht (noch mehr). Drittens: Das Laumachen (des Öls) ist sein
Heißmachen (hat die gleiche Bedeutung, wie das Heißmachen beim Wasser). — Ferner
s. bei Mt 4, 19 31 S. 187 f. u. AbothRN 4 bei Mt 9, 13 JB u. die Zitate.
2. Tovg doidsxa (xaif-rjxäg.
Fünf Schüler Jesu nennt Sanh 43 ^ Bar: Fünf Schüler hatte Jesus 'r-: Matthai,
Naqqai, Necjer, Buni (Bunai) u. Toda. — Die ganze Stelle s. bei Joh 3, 1 Nr. 2. — Die
Zwölfzahl der Apostel Jesu findet sich in der Petruslegende Beth ha-Midr 5, 60,
s. unten S. 531. — Allgemein wird von den Schülern Jesu (d. h. den Christen) geredet
Aboth 5, 19: Jeder, an dem drei Dinge sich finden, ist ein Schüler Abrahams; an dem
drei (andre) Dinge, ein Schüler Bil?ams (= Jesu). Ein wohlwollendes Auge, ein be-
scheidener Sinn u. ein demütiger Geist (das ist) ein Schüler Abrahams. Ein miß-
günstiges Auge, ein gieriger Sinn u. ein hochmütiger Geist (das ist) ein Schüler
Bil?ams ny-sa V-ü -t'o^p. Und welcher Unterschied ist zwischen den Schülern A.s u. den
Schülern B.s? Letztere fahren zum Gehinnom hinab, vgl.: „Du aber, o Gott, wirst
sie in die tiefste Grube hinabstürzen; Blutmenschen u. Betrüger werden ihre Tage
nicht auf die Hälfte bringen' Ps 55, 24. Aber die Schüler unsres Vaters Abraham
nehmen den Gan ?Eden in Besitz, vgl.: ,Um denen, die mich lieben, ein wirkliches
Gut zukommen zu lassen u. ihre Schatzkammern zu füllen" Spr. 8, 21. || Spöttisch wird
Jesu Lehrhalle s-iiscss (— i^Edga) erwähnt II. Targ Esth zu 7, 9: Als Haman sah,
daß seine Worte nicht gehört wurden, erhob er Klage u. Weinen über sich selbst in-
mitten des Schloßgartens: Höret mich, ihr Bäume u. alle Pflanzen, die ich gepflanzt
habe seit den Schöpfungstagen; denn der Sohn des Hamdatha ist im Begriff zur Lehr-
halle des Bar Pandera (= zum Kreuz Jesu) hinaufzusteigen. — Zu Bar Pandera s.
bei Mtl,16 S. 36 ff.
strack u. Billerbeck. NT I. 34
530 Matth 10, 1 (95 1-3). 10, 2 {%. 93 1. 2)
10, 1 23: Er gab ihnen Macht über unreine Geister, sie aus-
zutreiben u. zu heilen jede Krankheit u. jede Schwachheit.
1. nvsvßUTu dxäd^aqra = nsri!ic:n rrin^n „Geister der Unreinheit".
Zwei Beispiele (Chag 3''; Sanh 65'') s. oben S. 491 f.; das Nähere s. im
Exkurs: Zur altjüdischen Dämonologie Nr. 1,/",
Hier sei nur noch Sanh 91^ erwähnt: Was bedeutet .Geschenke" (die Abraham
nach Gn 25, 6 den Söhnen der Kebsweiber gab)? R. Jirm^'ja b. Abba (um 250) hat ge-
sagt: Das lehrt, dafä er ihnen den Namen der Unreinheit (d. h. der unreinen Geister
zwecks Zauberei) tradierte. — In der Parallele GnR 61 (38'') fehlt dieser Satz.
2. sxßaXXsiv avvä. — Allgemein wird für die messian. Zeit die Herr-
schaft der Frommen über die bösen Geister in Aussicht gestellt. Test
Lev 18: Er (der Hohepriester der Endzeit) wird seinen Kindern Gewalt
geben, auf die bösen Geister zu treten dwcrsi i^ovaiav zoTg. Tsxvoig avrov
TcarsTv snl xd novrjQa jtvsvfxaxa. — Vgl. den Exkurs: Zur altjüd. Dä-
monologie Nr. 7, Anm. fn. h.
3. ^sQarcsvsiv ndffav vdaov. — Von Krankenheilungen durch An-
hänger Jesu werden, soweit wir sehen, nur zwei* Fälle in der rabbin.
Literatur mitgeteilt, u. zwar TChullin 2, 22 f. (503) u. p? AZ 2 (40^^) nebst
Parallelen; s. oben S. 36 u. 38. Dagegen wird ganz allgemein davor ge-
warnt, sich von den Minim (= Judenchristen) heilen zu lassen TChull
2,21 (503): Man soll sich von ihnen nicht heilen lassen, sei es eine
Heilung von Verraögensstücken (wie Sklaven u. Vieh), sei es eine Heilung
von Personen mmsa rs-i^. — Etwas anders ?AZ 27^.
10, 2 51: Die Namen der zwölf Apostel sind diese.
cinöaToXog = n-ib©, mit Suffixen u. im Plural mbia, aram. xmbui, der
Abgesandte, der Beauftragte, der Bevollmächtigte. Belege s. bei Rom 1, 1.
— Tatsächlich werden Jesu Apostel cin^ibiz; genannt in der Petruslegende
Beth ha-Midr 5, 60, s. unten S. 530/.
10,2 23: Simon, der genannt wird Petrus, u. Andreas, sein Bruder.
1. 2ifi(ov verhält sich zu seiner Nebenform ^vfiscov, Apg 15, 14, wie
das gräzisierte •■^•^b zu "lir-pc {^= Erhörung). Im Rabbin. lautet der Name
meist ■('is^ia, nur in einigen Fällen ist die Form )^^^o üblich geworden:
so R. Tio-'D b. Pazzi (um 280) u. sein Sohn R. J'^huda b. -i?2-'D (um 320).
2. JlexQoq findet sich in dem Namen des R. Jose b. Petros, des um
200 lebenden Schwiegervaters des R. J^hoschua? b. Levi (um 250). Hier
wird der Name bald otos LvR 7 (109*^), bald cr^^s p^AZ 3, 42% 25; pMQ
3, 82*5, 59 (c^ii^-E P«siq 158^) u. bald on-w? GnR 92 (58''); 94 (59«); ExR
52 (104*') geschrieben. GnR 62 (39^^) s-jns, vielleicht nexQu zu lesen.
Eine jüdische Petruslegende.
Beth ha- Midr 5, 60. Erste Rezension : Nach diesen Begebenheiten entstand ein
' Die Erzählung von der Heilung eines Aussätzigen durch Petrus (s. Beth ha-
Midr 5, 60 unten S. 531 ß) gehört späterer Zeit an u. hat nicht den Wert einer selb-
ständigen Tradition.
]VIatth 10,2(S2) 531
großer Zwist zwischen den Christen =-"'::"::r; u. den Juden; denn wenn ein Christ einen
Juden sah, tötete er ihn, u. die Bedrängnis ward immer stärker dreißig Jahre lang.
Die Christen nahmen zu in die Tausende u. Mj'riaden u. verhinderten die Israeliten
zum Feste hinaufzuziehen (nach Jerusalem), u. die Bedrängnis ward groß in Israel,
wie an dem Tage, an dem das (goldene) Kalb verfertigt wurde, u. man wußte nicht,
was man tun sollte. Auch ihr Glaube Erivss (der der Christen) befestigte sich immer
mehr, u. zwölf Männer gingen aus u. zogen umher in zwölf Königreichen u. weissagten
im Lager (vgl. Nu 11, 26 f.") ihre Weissagungen, u. die Israeliten irrten ab ihnen nach.
Jene aber waren Männer von Namen u. befestigten den Glauben an Jesum vr- pj-din,
indem sie sagten, sie seien seine Apostel ^^-^'•i^•, u. es sammelte sich zu ihnen eine
große Menge Volks aus den Kindern Israel. Die Gelehrten sahen diese schlimme
Sache, u. sie mißfiel ihnen gar sehr, u. der eine sprach zum andren: Wehe uns! denn
wir haben gesündigt, weil dieses Schlimme sich in unsren Tagen in Israel zugetragen
hat, dergleichen wir u. unsre Väter nicht gehört haben, u. das drückte sie sehr. Sie
saßen u. weinten u. erhoben ihre Augen gen Himmel u. sprachen: Ach. Jahve, Gott
des Himmels, gib uns einen Rat, was zu tun ist; denn wir wissen nicht, was wir tun
sollen, u. auf dich sind unsere Augen gerichtet; denn unschuldiges Blut ist inmitten
deines Volkes Israel vergossen worden wegen jenes Mannes (nämlich Jesu). Bis wie-
lange soll uns dieser zum Fallstrick ^-'.^'•: dienen! Denn die Hand der Christen ist
mächtig über uns u. sie töten uns in sehr großer Menge, u. wir sind in geringer Zahl
übriggeblieben; aber wegen der Verführer deines Volkes, des Hauses Israel, ist solches
geschehen, u. du um deines Namens willen gib uns Rat, was wir tun sollen, damit
wir von der Gemeinde der Christen □-^::i:- r-.yz geschieden werden. Als sie auf-
gehört hatten zu reden, erhob sich einer von den Altesten mit Namen Schimfon Kepha
sE-3 lyoKJ, der sich einer Bath-Qol (Himmelsstimme) zu erfreuen gehabt hatte
(Anspielung auf 2Petrl,18?); der sprach zu ihnen (den Juden): Höret mich, meine
Brüder u. mein Volk! Wenn mein Wort in euren Augen gut ist, will ich jene Männer
(die Christen) trennen von der Gemeinde der Kinder Israel, daß sie kein Teil u. kein
Erbe in Israel haben sollen; aber nur wenn ihr die Verantwortung auf euch nehmt.
Sie antworteten alle: Wir wollen die Schuld auf uns nehmen; nur tu, wie du geredet
hast. Schimfon ben Kepha (so hier!f ging in den Tempel u. schrieb den großen Namen
(d. h. den Jahvenamen) auf; dann riß er sein Fleisch auf u. legte die Schrift hinein.
Er ging aus dem Heiligtum, brachte die Schrift (den aufgeschriebenen Jahvenamen)
hervor u. lehrte den Namen. Darauf ging er in die Hauptstadt der Christen (Rom)
u. rief mit lauter Stimme: Wer an Jesum glaubt vr-2 -j-^rs-r, der komme zu mir;
denn ich bin sein Apostel imvi-! Er sprach zu ihnen: Was für ein Zeichen begehrt
ihr von mir? Sie antworteten: Die Zeichen, die Jesus in seinem Leben getan hat,
die tu auch du uns! Er sprach: Bringet mir einen Aussätzigen! Sie brachten ihm
einen solchen. Er legte seine Hände auf, u. siehe, er war geheilt. Er sprach zu ihnen:
Bringet mir auch einen Toten! Sie brachten einen solchen vor ihn. Er legte seine
Hände auf ihn, u. er ward lebendig u. stellte sich auf seine Füße. Da fürchteten sich
jene Leute, fielen vor ihm nieder u. sprachen: In Wahrheit, du bist ein Apostel Jesu,
denn dieser hat uns ebensolches in seinem Leben getan. Schim?on Kepha sprach zu
ihnen: Ich bin ein Apostel Jesu, u. er hat mir befohlen, zu euch zu gehn; schwört
mir, daß ihr nach allem tun wollt, wie ich euch gebiete! Sie antworteten alle: Alles,
was du uns befehlen wirst, wollen wir tun. Schimfon Kepha sprach zu ihnen: Wisset,
daß Jesus ein Feind der Israeliten u. ihrer Tora war, wie Jesaja geweissagt hat: „Eure
Neumonde u. eure Feste hasset meine Seele" (Jes 1, 14), u. wisset weiter, daß er an
Israel kein Wohlgefallen hat, wie Hosea geweissagt hat: „Denn ihr seid nicht mein
Volk" (Hos 1, 9) u. (wisset) ferner, daß er es in seiner Hand hat, sie in einem Augen-
blick aus der Welt von jedem Orte weg zu vertilgen, aber er will sie nicht vernichten,
sondern er will sie am Leben lassen, damit seine Kreuzigung (wörtlich: Aufhängung
'.r^'hr) u. seine Steinigung (s. die nächste Anm.) den fernsten Geschlechtern in Er-
innerung bleibe, desgleichen die Menge seines großen Leidens; denn er hat alle
34*
532 Matth 10, 2 (© 2)
Strafen getragen, um euch aus dem Gehinnom zu erlösen. Und nun läßt er euch
warnen u. euch befehlen, daß ihr fernerhin kein Böses in bezug auf einen Juden tun
sollt, u. wenn ein Jude zu einem Christen sagt: Geh mit mir eine Parasange, so gehe
er zwei Parasangen mit ihm, u. wenn ein Jude auf seine linke Wange schlägt, so
neige er ihm auch die rechte Wange hin, damit sie (die Juden) ihren Lohn in dieser
Welt genießen u. in der zukünftigen Welt im Gehinnom gerichtet werden. Wenn ihr
also tut, so werdet ihr gewürdigt werden i:Tr, mit ihm (Jesus) in seiner Abteilung
ns'n^i zu sitzen. Und siehe, er befiehlt euch, daß ihr nicht (mehr) das Fest der süßen
Brote feiert, sondern den Tag seines Todes, u. anstatt des Wochenfestes sollt ihr den
vierzigsten Tag feiern, nachdem er gesteinigt ^ war u. hinterher gen Himmel auffuhr,
u. anstatt des Hüttenfestes sollt ihr den Tag seiner Geburt feiern u. am achten Tage
nach seiner Geburt den Tag, an welchem er beschnitten wurde. Sie antworteten alle :
Alles was du geredet hast, wollen wir tun, aber nur wenn du bei uns bleibst. Er
sprach: Ich will unter euch wohnen, wenn ihr mir tut, wie er (Jesus) mir befohlen
hat, nämlich daß ich keine Speise genieße außer Brot der Not u. Wasser der Trübsal
(vgl. 1 Kg 22, 27; Jes 30, 20). Ihr aber sollt mir einen Turm in der Stadt (Rom) er-
bauen, darin will ich bis an den Tag meines Todes wohnen. Sie antworteten: Wie
du gesagt, so wollen wir tun. Da bauten sie ihm einen Turm u. übergaben ihm den-
selben zur Wohnung, auch reichten sie ihm das Festgesetzte tagtäglich bis an seinen
Todestag, Brot u. Wasser, u. er wohnte daselbst. Er diente aber lim geheimen) dem
Gott unserer Väter Abraham, Isaak u. Jakob u. verfaßte Gedichte in großer Menge
(s. die nächste Rezension) u. sandte sie umher in dem ganzen Gebiet Israels, damit
es ihm zum Gedächtnis gereiche in jedem einzelnen Geschlecht. Und alle seine Ge-
dichte, die er verfaßte, sandte er an seine Lehrer. Schimfon aber wohnte sechs Jahre
in dem Turm; dann starb er, nachdem er befohlen hatte, ihn in dem Turm zu be-
erdigen, u. man tat also. Darauf bauten sie für ihn (oder über ihm?) ein häßliches
Gebäude, u. dieser Turm ist noch bis jetzt in Rom u. man nennt ihn (Sct-)Peter iu-e,
u. das ist der Name eines Steins (i2s = se-s ^= nsxqa, nexQog); denn dort hat er auf
einem Stein bis an seinen Todestag gesessen.
Beth ha-Midr Ö, 9 ff. Zweite Rezension: In dieser Zeit lebte in Israel einer, der
Schimfon Kepha genannt wurde, weil er auf dem'*Stein (t=x = ss'2) zu sitzen pflegte,
auf welchem, als er am Strom K^'bar lag, der Prophet Ezechiel geweissagt hat (vgl.
Ezl, 3; 3, 15.23; 10, 15.22; 43,3). Dieser Schimfon war das Haupt der Sänger
0-1-1O':, u. es pflegte für ihn eine (Himmels-)Stimme aus dem Stein auszugehn. Weil
er große Weisheit besaß, waren sie (die Christen) neidisch auf ihn, daß ein solcher
Mann sich in Israel fand. R. Schimfon aber wußte um den Neid; was tat er? Er
stieg zur Zeit des Laubhüttenfestes am Tage des großen Hosianna ^ zum Ölberg empor.
Die Christen begannen mit R. Schimfon zu sprechen; er aber überwand sie in jeder
Art von Weisheit, so daß sie ihm nicht zu antworten vermochten u. sich vor ihm
fürchteten. Da sie sahen, daß seine Weisheit groß war, berieten sie sich u. sprachen:
,Wir dürfen einen solchen weisen Mann nicht unter den Juden belassen, wir wollen
ihn von ihnen wegnehmen, denn in kurzer Zeit wird er unsre Lehre -:r-nr verächt-
lich machen." Unmittelbar darauf ergriffen sie ihn u. sprachen zu ihm: ,Wir wissen,
daß in Israel kein Weiser ist, der dir gleichkommt; in deiner Hand liegt die Macht
hinzuzufügen u. wegzunehmen, zu beseitigen, was getan ist, oder es zu bestätigen.
Aber Jahve hat Gnade vor Jesus va^ gegeben, unsre Religion n:n:; zu bekräftigen, u.
alle unsre Weisen sind Juden, u. da wir deine Taten sahen, sagten wir: ,Der ist be-
^ Daß hier u. auch schon weiter oben die Steinigung als Todesstrafe Jesu er-
scheint, hat seinen Grund darin, daß der Erzähler von seinem jüdischen Standpunkt
aus die an Jesu vollzogene römische Kreuzigungsart mit der jüdischfen Kreuzigungs-
strafe identifiziert hat, die nach Sanh 4 als Zusatzstrafe über diejenigen zu verhängen
war, die wegen Gotteslästerung u. Götzendienst gesteinigt wurden. Daß ein Gehängter
zuvor gesteinigt war, war einem Juden selbstverständlich.
"^ So hieß der siebente Tag des Laubhüttenfestes.
Matth 10,2 (<B2) 533
stimmt, unsre Religion zu bekräftigen'! Wir nehmen mit jedem Tage zu, u. die Juden
nehmen immer mehr ab; da ist es für einen Mann, wie du bist, nicht schicklich, zu
ihnen zu gehören; sondern schließe dich uns an, daß du uns gute Gebote u. Satzungen
lehrest u. uns die zukünftige Welt ererben lassest; so wollen wir dich zum höchsten
Haupt über uns setzen, u. niemand soll sein, der sagt, was du tun sollst." Er ant-
wortete: „Eure Worte sind gut, aber ich will meine Religion nicht verlassen." Sie
sprachen: „Wenn du zu unserer Partei ^:ri.3^. nicht übertrittst, so werden wir dich
u. alle Juden töten, daß auch nicht einer von ihnen am Leben bleibt." Er antwortete:
, Alles ist in der Hand des Himmels, u. Jahve wird uns helfen!" Da begannen sie
die Juden zu töten, daß alle zitternd u. bebend mit Flehen vor R. Schimfon kamen
u. zu ihm sprachen: ,Tu, was sie gesagt haben, u. errette uns aus ihrer Hand; auf
unsrer Seele sei diese Sünde, du aber handle nach deiner großen Weisheit." Und die
Gojira (hier — Christen) stahlen u. raubten die Juden u. verkauften sie für Ein Geld-
stück u. drei Juden um drei Geldstücke; denn so war Jesus verkauft worden.' Als
R. Schimfon solches sah, sprach er: ,Es ist besser, daß Schim?on verderbe u. hundert
seinesgleichen, als daß Eine Seele aus Israel verderbe!" Was tat er? Er erklärte,
daß er sich ihnen anschließen wolle. Und siehe, der Papst ^ u. der Bischof,* diese
zerbrochenen Unheilstafeln,** kamen zu ihm, u. er sprach zu ihnen: „Was wollt ihr
von mir? Wenn ihr die Juden vertilgen wollt, so will ich nicht bei euch wohnen;
aber wenn ihr tun wollt, was St. Paulus -^■se'o im Namen Jesu geboten hat, dessen
Worte gelten, so ist es dies, was ihr zu tun habt, daß ihr aufs neue die Bedingungen
übernehmt u. haltet, die er euch gesagt hat, daß ihr unterlasset die Juden zu steinigen,
u. daß ihr ihnen gestattet sich in ihren Häusern (= Synagogen) zu versammeln; so
werden [die Greuelhäuser?] verlassen werden, wenn ihr es wollt. Und ebenso müßt
ihr sie zu unseru^ Versammlungshäusern zulassen, damit auch sie zum Glauben an
Jesum kommen; denn wenn ihr nicht also tut, so werden die Juden sagen, daß ihr
sie verfolgtet, um nicht ihre eitlen u. trügerischen^ Werke zu sehen." Sofort nahmen
sie die Worte des R. Schimfon an, desgleichen auch der Papst, diese zerbrochene
Unheilstafel! Dann sprachen sie: „Alles, was du uns befehlen u. über uns bestimmen
wirst, das wollen wir tun." Es blieb damals bei dem Gebot, daß jeder Jude, der in
ihre Greuelhäuser komme wollte, es auch durfte. — Ferner sagte Schimfon zu ihnen:
„Ich befehle euch u. nehme es als ein Gelübde auf mich, daß ich in meinem ganzen
Leben am sechsten Tage (d. i. nach jüdischer Zählung am Freitag) kein Fleisch essen
will, w^eil an diesem Tage Jesus getötet ist; auch will ich mein lebelang keinen Wein
trinken, damit ich mich nicht erfreue, um der Liebe Jesu willen, u. ich will von allen
Menschen abgesondert allein in einem Hause sein, damit meine Augen nicht abirren,
u. um zu halten, was geschrieben steht: ,Von einer Lügensache halte dich fern'
(Ex 2B, 7), u. um als Bann auf mich zu nehmen, daß ich abgesondert sein will von
allen Menschen, um ihnen Satzungen u. Rechte zu verordnen u. euch die Geheimnisse
der Ewigkeit zu offenbaren, damit ihr die Wahrheit erkennet u. glaubet. Siehe, ich
befehle euch, einen hohen Turm zu bauen, damit ich alle Tage meines Lebens darin
wohne, damit ihr mich nicht schädigt u. verwirrt in meinem (Gottes-)Dienst u. meiner
Weisheit; denn ich nehme den Glauben nicht zum Bösen an, sondern ich weiß, daß
' Wohl Textverderbnis; man sollte erwarten: Sie verkauften die Juden für Geld,
u. zwar Einen Juden um 30 Geldstücke, denn so war Jesus verkauft worden.
^ Anachronismen, wie der vorliegende, der das Paf)sttum älter sein läßt als das
Apostolat Petri, finden sich auch sonst in der rabbin. Literatur.
^ Das Textwort lautet ■;2"p-o'i(r!:) vescobo = STtiaxonog.
* Der Text bietet die Abbreviatur s"5'i-, aufzulösen in iis r-ni"5 ^^sr. Als schibre
lüchoth, d. h. als „Bruchstücke der Gesetzestafeln", werden jüdische Gelehrte bezeich-
net, denen durch Alter oder Krankheit die Gesetzeskunde abhanden gekommen ist.
Dementsprechend werden hier die Leiter der Kirche unter Beifügung des Wortes ia.yen
(= Unheil) „Scherben der Unheilstafeln" genannt. Vgl. oben S. 241 Anm. 1 u. Strack,
Jesus S. 19* f.
^ ?ch. spricht hier bereits als Christ vom christl. Standpunkt aus.
584 Mattb 10, 2 (93 2)
dies der wahrhaftige Weg ist. Deshalb sollt ihr von nun an u. fernerhin niemand
mehr durch Zwang oder Zauberei (?) nötigen zu eurer Lehre überzutreten; vielmehr .
soll er aus seinem guten Willen kommen ; dann werdet ihr die Juden zu eurer Reli-
gion herzubringen u. sie einsehen lehren, dafs ihre ^ Religion nicht gut ist. Deshalb
soll jeder, welcher zur (christlichen) Religion übertreten will, auf Grund seines freien
Entschlusses übertreten. Ja selbst wenn er erklärt, daß er auf Grund seines freien
Entschlusses übertreten wolle, so wollen wir ihn trotz alledem nicht aufnehmen, bis
er dreißig Tage lang in dem Hause guter Leute geweilt hat; u. ein Kind, das noch
nicht neun Jahre alt ist, sollt ihr (überhaupt) nicht aufnehmen: denn ein Kind gibt
seine Erklärungen nicht mit Einsicht ab." — Sofort machten die Christen (Gojim) einen
großen Turm, damit er darin wohne; u. dies ist das Eine Papsttum (at"xtTi), das es
in der Welt gibt, das die Griechen "ns"-i^- {xh'jQog'?) nennen. Alles was Schimfon
tat, geschah mit großem Trug, um nicht ihre Speise von Gefallenem u. Zerrißsenem
zu essen u. um nicht vor ihren Bildern anzubeten. Er wohnte dort in dem Turm allein
u. ordnete viele Sachen an u. die Christen (Gojim) nahmen es als Bann auf sich. In
jener selben Zeit, in der er dort wohnte, verfaßte er große Lobgesänge (c":i>:t£ = xpaX^ol)
für Israel, die alle seit dieser Begebenheit unter seinem Namen fortbestehn. Auch
schrieb er: , Wissen sollt ihr, Haus Israel, die ihr an Jahve u. an seine vollkommene
Tora glaubt, weil sie die Tora der Wahrheit ist, u. die ihr sein Eigentum heißet: Ich.
Schimeon Kepha, der ich aus Liebe zu ihm all die schlimmen u. vielen Nöte ertrage,
weil ich die Wahrheit u. die Lüge kenne, siehe — ihr empfangt von mir die Ge-
dichte, die ich verfaßt habe, damit Er (Gott) mir u. euch vergebe; denn alles was
ich getan habe, habe ich für euern Frieden u. zu eurem Heil getan." Und sie empfingen
das Schreiben mit freudigem Herzen u. sandten es dem Exilarchen (srr,-; -j— i = Ober-
haupt der babylon. Juden) u. legten die Gedichte den Schulhäuptern u. dem Synedrium
zur Einsicht vor, welche sämtlich erklärten, daß sie schön u. lieblich seien u. wert,
daß die Aufseher sie in ihren Gebeten sprächen. Und noch bis heute pflegt man sie
Sabbat für Sabbat zu sprechen. Dieser Schimfon Kepha ist der, den die Christen
(Gojim) St. Peter, si'j"£'o, nennen. — Das von der Tradition (s. Jellinek, Beth ha-Midr
5,61; (5,11) dem Schim?on Kepha zugeschriebene, zur sabbatlichen Morgenliturgie ge-
hörende Gebetsstück Nischmath kol-chai lautet nach dem Machzor Sulzbach v. J. 1719
folgendermaßen: Die Seele alles Lebenden preise deinen Namen, Jahve, unser Gott,
u. der Geist alles Fleisches verherrliche u. erhebe dein Gedächtnis, unser König, immer-
dar. Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du König. Außer dir haben wir keinen König,
der erlöst u. hilft, der befreit u. rettet, der versorgt u. sich erbarmt in jeder Zeit der
Not u. Bedrängnis, niemand ist unser König, nur du allein, der Gott der Ersten u.
der Letzten, der Gott aller Geschöpfe, der Herr aller Geschlechter, der gepriesen wird
mit der Menge der Lobgesänge, der seine Welt leitet mit Gnade u. seine Geschöpfe
mit Erbarmen. Und Jahve schläft u. schlummert nicht. Er weckt auf die Schlum-
mernden u. ermuntert die Schlafenden, er macht die Stummen sprechend u. löst die
Gefangenen, er stützt die Fallenden u. richtet auf die Gebeugten. Dicli allein wollen
wir loben! Wenn unser Mund voll wäre von Liedern wie das Meer u. unsre Zunge
von Jubel wie das Rauschen seiner Wogen, u. unsre Lippen von Lob wie die Weiten
des Firmaments u. unsre Augen von Licht wie die Sonne u. der Mond u. unsre Hände
ausgebreitet wie die Adler des Himmels u. unsre Füße schnell wie die Hinden: so
könnten wir nimmer genugsam dich loben, Jahve unser Gott u. Gott unsrer Väter,
noch preisen deinen Namen für eins von dem tausendmal tausend- u. zehntausendmal
zehntausendfachen Guten, das du an unsren Vätern u. an uns getan hast. Aus
Ägypten hast du uns erlöst, Jahve unser Gott, u. aus dem Diensthaus uns befreit;
im Hunger hast du uns gespeist u. mit Überfluß uns gesättigt; von dem Schwert
hast du uns errettet u. der Pest uns entgehn lassen u. aus schlimmen u. schweren
Seuchen uns geholfen; bis hierher hat uns dein Erbarmen beigestanden u. deine Gnade
* Lies -zr- statt zzr- ,eure Religion".
Matth 10, 2 (SB 2. 3.61. 2). 10, 3 (Nr. 1) 535
uns nicht verlassen, u. nicht wirst du uns, Jahve unser Gott, verwerfen für immer.
Darum unsre Glieder, die du an uns verteilt, u. der Geist u. die Seele, die du in
unsre Nase gehaucht, u. die Zunge, die du in unsern Mund gelegt hast, siehe, sie
sollen rühmen u. preisen u. loben u. verherrlichen u. erheben u. fürchten u. heiligen
u. zum König ausrufen deinen Namen (= dich), unser König. Denn jeder Mund soll
<3ich bekennen u. jede Zunge dir schwören u. jedes Knie dir sich beugen u. jede Höhe
vor dir sich niederwerfen, u. alle Herzen sollen dich fürchten u. alle Eingeweide u.
Nieren deinem Namen singen, wie geschrieben steht: „Alle meine Gebeine werden
sprechen: Jahve, wer ist wie du, der den Elenden errettet von dem, der stärker ist,
als er, u. den Elenden u. Armen von seinem Räuber!" Ps 35, 10. i| Eine dritte Rezen-
sion, inhaltlich von den beiden obigen nicht verschieden, findet sich in Beth ha-Midr
(), 155. Hier erscheinen als vorpetrinische Vertreter des Christentums, die die neue
Tora u. den neuen Kultus miay gegeben haben. Jochanan = Johannes u. Abba
Schaäul ^ (offenbar verwechselt mit Saulus-Paulus). Petrus steht bei seinem Übertritt zum
Christentum bereits in einem Alter von 70 Jahren; der Name „Kepha* wird = Fels
y^c gedeutet, u. zwar nach dem Felsen, in welchem für Schim?on Kepha die Turm-
wohnung angelegt wird; der Name „Petrus" aber wird christlicherseits erklärt = ■*«■£
^Befreier", nämlich der Christen vom jüdischen Gesetz. || Das Verhalten des Apostels
Petrus ist in den drei Rezensionen der Legende das gleiche: nur zum Schein wird
er Christ, um durch seine Autorität die Christen von Judenverfolgungen zurückzuhalten.
Die Tendenz der Dichtung geht dahin, die kirchlichen Machthaber durch das Vorbild des
humanen Apostels zu gleich humanem Verhalten gegen die Juden zu bestimmen.
3. 'Ardgeag. — Der Name begegnet in der Form ■'N'^^sn pK'tli*), 33*, 15,
wo die Familie eines gewissen Bar Andrai erwähnt wird. — Ein R. Chi-
n^na b. Andrai ^i"'i3wX tradiert im Namen des R. Zakkai aus Kabul (im
3. Jahrh.)pM«g4, 75'\36.
10, 2 6: Jakobus, des ZebedäusSohn, u. Johannes, sein Bruder.
1. Tov Zaßedaiov. — ^na: (i^?t), n:;i2T, x-örr = „Geschenk Jahves",
schon im AT, u., nicht selten, auch in nachchristl. Zeit. Ein R. Zabdai
b. Levi lebte um 240; etwas jünger ist R. Abba b. Zabdai -^x^aT, oder
Zabda sint pB'^rakh 3, 6% 66. — In der 2. Hälfte des 4. Jahrh.s tradiert
R. Z'^badja b. Ja^aqob b. Zabdai im Namen des R. Jona, pBnakh 3, 6'', 69.
Ferners, bei Mt 4, 21 S. 188.
2. 'Iwävvvfi. — Der Apostel Johannes wird als i:nii neben Abba
Scha^ul (= Saulus-Paulus) Beth ha-Midr 6, 156 (s. oben S. 535«) erwähnt
als derjenige Apostel, der den Christen die neue Tora u. den neuen
Kultus n^nn minrni rr^irn gegeben hat.
10, 3: Philippus u. Bartholomäus, Thomas u. Matthäus
der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, u. Lebbäus
(genannt Thaddäus).
1. (PikuTvog, hebraisiert -iQi^ie oder iqi^ib. In pM'^^g 4, 75^*, 39 wird
ein -Eb-^s b. Pf'ruta als Zeitgenosse des R. Jona (um 350) erwähnt; in
pM^g 1, 70\ 14 lautet der Name NS^bs, in pTa'an 4, 68 '\ 6 nsr-^bs. — Der
GnR 71 (46 '0 genannte R. is^ba bar N^horai verdankt seine Existenz
einem Schreibfehler: man streiche la u. fasse ixmn; als Anrede: R. Phi-
lippos sprach: N^horai (um 150), aus welchem Grunde sagst du also?
* Abba Schaäul war ein um 150 lebender Rabbi.
536 Matth 10, 3 (Nr. 2—7)
2. ßaQ^oXofxatog = ^■qh^ ns. Der Name "^ribr, schon Nu 13, 22; 2 Sm
3, 3 (hier LXX ©oA^at), wird meist gedeutet = „ Furchenreicher " , „ Furchen-
zieher". Franz Delitzsch, Zeitschr. f. luth. Theol. u. Kirche 1876, S.597
faßt -i^bn = f rater uterinus, d. h. Bruder von ein u. derselben Mutter.
Dann wären Targ Jerusch I Gn49, 5: -j^-asbn -pnx ii^i ^ty-o'a nicht die
„kühnen" oder „verwegenen" {ToXixrjQoi) Brüder, sondern „die Brüder
von Einer Mutter". — Eine Nebenform von ■'ü^n nz dürfte •|i"'7:bFi ^r
sein; in P'^siqR 22 (112'") u. LvR 6 (109»^) (s. zu Mt 5, 34 S. 329 y) führt
ein Betrüger diesen Namen; in M^^ila 51 •* heißt ein Dämon -jr^abpi -,2,
s. Exkurs: Zur altjüd. Dämonologie Nr. 7, h. — Eigennamen rein genea-
logischer Bildung mit p oder -z finden sich schon frühzeitig, zB Ben
Sira; später: Ben Paturi (um 110), Ben Zoma (um HO), Ben «Azzai
(um 110); Bar Qappara (um 220), Bar P^daja (um 240), Bar N^'zira (im
3. Jahrb.), Bar Marina (um 300) usw.; im NT Barabbas, Barjesus, (Bar-
nabas), Barsabas, Bartimäus.
3. ©tojaac nach Job 11,16; 20, 24 = d'fdvfiog, d.h. „Zwilling"; hiernach
wäre 0. gräzisiert aus axrp oder Ds<n, vgl. die Schreibung cp-in (ohne s)
Gn25, 24; neuhebr. Nebenform dit, aram. xiaiin.
4. Mad^^aTog, rabbinisch "^n??, "^Nri:?, K;n^ oder n^n?a (Dalman: x^n-c,
n^ri-a), Verkürzung aus dem alttestamentl. n;nn^ oder ^in^nn-a = „Geschenk
Jahves". — Ein Mattai (andre Lesart: "^NnD) aus Arbel (um 110 v. Chr.)
pflegte nach Aboth 1, 7 zu sagen: Halte dich fern von einem bösen
Nachbar, habe nicht Gemeinschaft mit einem Gottlosen; gib den Ge-
danken an die (göttliche) Vergeltung nicht auf. || Sch®q 5, 1 erwähnt
einen Tempelherrn Mathja x^nTc b. Sch^muel, der über die Lose gesetzt
war. II In ^Eduj 2, 5 erklärt ein R. J^hoschua' b. Mathja drei Fragen, die
R. Jischma'el (f um 135) offengelassen hatte. — Ein öfters genannter
R. Mathja b. Cheresch (Charasch) hat vor dem Hadrianischen Kriege in
Rom gewirkt. — Ein Mattai ist Sanh 43^ unter den fünf Jüngern Jesu
aufgezählt, s. zu Mt 10, 1 S. 529 Nr. 2.
Mad^^aiog 6 relah'rjg. — „Zöllner" ori^, xDsi-a als Beiname auch im
Rabbinischen: Ma'jan der Zöllner, s. pChag 2, 77 «ä, 38 bei Lk 16, 24 gegen
Ende; Ba'ja der Zöllner Sanh 44 '\
5. 0 TOI 'Alifcäov. — 'AXcpaTog = xöb^x, -^sbiN, zB RH 17''. Eine andre
Namensform ist Ksb^n TMSch 4, 5 (93) oder ^"-elp^n pMSch 2, 49^ 41.
Hiernach bedeutet Alphäus „Ersatzmann", „Stellvertreter" (Sohn, der
einen verstorbenen Bruder ersetzt?).
6. AsßßttTog, etwa -i?^, wird meist mit z?, xa!?, n=?V = „Herz" in
Zus.hang gebracht u. soll dann bedeuten der „Beherzte" oder das
„Herzenskind". — Dalman, W^orte Jesu 1, 40, vergleicht Nabatäisches
-ixnV. Qid 72 a wird nach der Lesart in 'Arukh ein Ort xzb (in Babylonien)
erwähnt, dessen Bewohner MQ 1 1 '^ ixn^ heißen.
7. &tt66aiog = "rit: oder ^><^^,, nicht mit ^^n, x^^n, (weibliche) „Brüste",
zus.hangend, sondern griech. Osvdäg^ gtip, crnn. — Öfters im Rabbin.
Matth 10, 3 (Nr. 7j. 10, 4 (Nr. 1. 2) 537
Ein R. Jose b. Taddai aus Tiberias legt Derekh Ere9 1 (18'') dem R. Gam-
liel (wohl dem IL, um 90) eine eherechtliche Frage vor. || Nach dem
Tannaiten R. Eli<ezer b, ^xin wurde das Lied am Meer (Ex 15) so vor-
getragen, daß Mose die einzelnen Verse intonierte u. das Volk ihm mit
dem Schluß der Verse respondierte, s. M'^kh Ex 15, 1 (42^). Dieser Ge-
lehrte auch Schab 123'' (zweimal) ; in pSchab 3, 5<i, 62 u. 6% 1; pKil 1, 27 ^
36; T'^Er 7, 9 (146) heißt er R. El<azar (La^zar) b. Taddai. || pB^rakh 0,
lO'*, 45 tradiert ein R. "^N-in neben R. Simon (um 280) im Namen des
R. J«hoschua' b. Levi (um 250). — Zu xiir Sanh 43», vielleicht Anspielung
auf •'-ir, s. bei Joh 8, 1.
10,4: Simon der Eiferer u. Judas aus Karioth,
der ihn auch überlieferte.
1. ^{ficov 0 KavavaToc. — 'O Karavatog, Lk 6, 15 ^r^^oorrjc, entspricht
also dem Rabbin. -^Nip oder ]^:i^ = Eiferer. i| Über die Zelotenpartei
lesen wir Sanh 9,6: Wenn jemand die Opferschale entwendet ^ oder
mit einem Götzennamen flucht oder einer Aramäerin (^ Heidin) bei-
wohnt, so dürfen Eiferer über ihn herfallen (u. ihn niederstoßen, falls
sie ihn auf frischer Tat ertappen). — Aboth RN 6 (3^): Als der Kaiser
Vespasian im Begriff stand, Jerusalem zu zerstören, wollten Eiferer
all jenes Gut (Vorräte) mit Feuer verbrennen. Näheres bei Schürer ^
1,486 f. 573 f. 617 ff'. — SNu25,6§131 (48 ") wird Pin-^chas (Nu 25, 7)
genannt: „Eiferer, Sohn eines Eiferers" issp -p ix:p. — Die Erklärung
„Simon aus Kana" ist hiernach abzulehnen.
2. o'IffxaQicorrjc. — Lightfoot vergleicht a, st--j-iippiN , das bedeutet
aber „Lederrock": ß, n~?ps<, u. meint, der Beiname enthalte einen Hin-
weis auf den Tod des Judas durch Erhängen; aber 'x bedeutet den
Erstickungstod infolge der Bräune. — Die richtige Erklärung ist d-ix
ni^-^rp, „Mann aus Q^rijjoth" (eine judäische Ortschaft, Jos 15, 25), vgl.
schon Cod. Sin. zu Joh 6, 71 u. Cod. D zB zu Joh 12, 4 ano xagimrov ==
aus Q'^rijjoth. — Die nähere Bezeichnung eines Mannes ist mehrfach
mit ü^N nach seinem Geburts- oder Wohnort gebildet worden, zB ^py
xaD ^SD TüiN Ja'qob aus K^'phar-Sama oder K«'phar-S*'khanja, s. oben
S. 36 f. Ferner aus der tannait. Periode: iiv -iss u:^« rnini Sota 43'*;
snin-ia ;y^x iTrbs Aboth 3, 7 (um 110); ^^an i::\x onin Theudas aus Rom
(um 120?) pBe^aS, 61^ 56; R. Chalaphta aus K-^phar-Chananja nsD ©ix
n^3:n Aboth 3, 6; Abba Judan aus Sidon -p-j. ^\\ TJ'^b 14, 7 (259); R. Eli-
<ezer b. J^huda aus K<^phar-50b^]in -pbnix nss c-x TNidd9, 18 (652); Cha-
nanja aus Ono iiix ir-^x TSanh 2,13 (417); Jonathan b. Charscha aus
Genezareth ^oid-^s ^-^m; TBB 5,6 (595); Jose b. Jo<ezer aus ^^reda "i^-^x
n-T^-^:! u. Jose b. Jochanan aus Jerusalem olscni u:\\ Aboth 1,4; TBQ 8, 13
' Das Entwenden der n:c- dürfte von den Sadduzäern vollzogen worden sein,
welche das Gebot der Wasserlibation (die am Laubhüttenfest aus einer Schale erfolgte)
in Abrede stellten, Levy4, 345^.
538 Matth 10, 4 (Nr. 2). 10, 5 (31. S 1)
(362); Ja<aqob aus K^phar-Sikhnin "i-sdc "^zz 'ü-^ü s. oben S. 37; Nachum
(M'^nachem) aus Gimzo it^aa iü^n, ein Lehrer 'Aqibas TSch^bu 1, 7 (446);
R. Schim'on b. J-^huda aus K^phar-cAkko -ar nE2 «"^x TSotaS, 11 (311). —
Zu la für ir-'tt in 'laxagioj^ Ygl/'lazoßog = niü ©"^n (Mann aus Tob) bei
Josephus, Antiq. 7, 6, 1 (vgl. LXX 2 Sm 10, 6. 8) u. 1 Chr 7, 18 LXX 'laovd
= Tin 'r^x (Mann des Glanzes).
Aus Job 6, 71 geht übrigens hervor, daß 'laxccQtctktjg bereits der Bei-
name des Vaters des Judas gewesen ist.
10,5 31: Auf einen Weg zu Heiden bieget nicht ab.
?AZ 1,4: Wenn innerhalb einer Stadt ein Götze ist, so ist (vor seinem Fest oder
während desselben der Abschluß von Geschäften mit einem heidnischen Bewohner
jenes Ortes) außerhalb erlaubt; wenn der Götze außerhalb ist, ist es drinnen erlaubt.
Wie verhält es sich mit dem Dorthingehn? Wenn der Weg ausschließlich zu diesem
Orte führt, ist es verboten; aber wenn man darauf auch nach einem andren Ort gehn
kann, ist es erlaubt. Wenn in einer Stadt ein Götze ist u. in ihr bekränzte u. nicht
bekränzte Kaufbuden sind — dies war ein Vorkommnis in Beth-Sch*^san, u. die Gelehrten
haben gesagt: Die bekränzten sind verboten u. die nicht bekränzten sind erlaubt.
10, 5 S: In eine Stadt von Samaritanern gehet nicht hinein.
^cc/naQiTcov = nin!i3, Sing, -iws, nach 2 Kg 17, 24. 30; aram. nxMs,.
Plur. "^Nwa, oder nx-^-?'»^, '^'^t!?^"-
1. Die Stellung, die die alte Synagoge in religionsgesetzlicher Hin-
sicht den Samaritanern gegenüber eingenommen hat, ist nicht zu allen
Zeiten die gleiche gewesen. R. Eli'ezer b. Hyrkanos, um 90, der un-
entwegte Vertreter der älteren Tradition u. Praxis, stand ihnen schroff
ablehnend gegenüber; er erklärte sie auf Grund von 2 Kg 17, 25 ff. für
Löwenproselyten, d. h. für Leute, die aus Furcht sich nur äußerlich
dem Judentum angeschlossen hätten, innerlich aber Heiden geblieben
wären, u. die deshalb in ihren Beziehungen zu Juden u. zum Judentum
als Nichtisraeliten zu behandeln seien. Vgl. Chull 2, 7: Wenn man für
einen Samaritaner (^~^3^, so mit bChull 38 '^ zu lesen statt ^-iDib) schlachtet,
so ist sein Geschlachtetes brauchbar (für einen Israeliten), R. Eli'ezer
erklärte es für unerlaubt. Er sagte : Selbst wenn man es nur geschlachtet
hat, damit der Samaritaner davon das Lebernetz genieße, ist es un-
erlaubt, weil für gewöhnlich der Gedanke des Samaritaners (bei seinen
Schlachtungen) auf den Götzendienst gerichtet ist. R. Eli<ezer dürfte
damit die in Jesu Tagen herrschende Anschauung wiedergegeben haben;
seinen Standpunkt teilen in den nächstfolgenden Jahrzehnten R. Jisch-
ma<el, f um 135, u. R. J'^huda b. El<ai, um 150. — Der Antipode des
R. Eli'Gzer in diesem Stück war R. <Aqiba, f um 135; vielleicht verfolgte
dieser politische Pläne mit seiner freundlichen Stellungnahme, um die
Samaritaner für den Kampf gegen Rom zu gewinnen; jedenfaUs er-
klärte er die S. für Ganzproselyten n^s inij, womit ausgesprochen war,
daß sie als Israeliten anzusehen seien. Ebenso R. Schim'on b. Gamliel,
um 140: „Ein S. ist in jeder Hinsicht dem Israeliten gleich", zB pB'^rakh
Matth 10, 5 (SB 1. 2) • 539
7,11^12; pD«mai 0,25^45; pK«th3, 27% 55. — Beide Richtungen aber
erklärten das Konnubium mit den S. für unerlaubt.
pGit 1,43^ 61: Warum sind die S. illegitim (hinsichtlich der Eingehung einer Elie
mit ihnen)? R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Weil sie Löwenproselyten rr-iN •'•y sind
(u. deshalb den Nichtisraeliten gleichzuachten). Darin liegt eine Schwierigkeit (ein
Widerspruch): wenn einer nicht um Gottes willen (nicht aus lauteren Motiven) zum
Judentum übertrat, später aber es um Gottes willen tat, soll man den etwa nicht auf-
nehmen? (Ebenso, soll man den gegenwärtigen S. den Eintritt in Israel verweigern,
weil ihre Vorfahren nicht in reiner Absicht sich Israel anschlössen? Welchen Grund
hat also R. Jochanan, das Konnubium zu verbieten?) R. Jochanan hat im Namen des
R. Elifezer (um 90, so lies statt R. Ehazar) gesagt: Weil, wenn ein Nichtisraelit oder
ein Sklave einer Israelitin beiwohnen, das Kind ein Bastard -i.t.'o':^ ist. — Aber es
hat doch R. fAqiba (f um 135) gesagt: Die S. sind Ganzproselyten, -1:1 "^";. (Was hat
er also für einen Grund, die Ehegemeinschaft mit ihnen zu verbieten?) Weil sie nur
die verlobte Frau (eines verstorbenen Bruders) zur Leviratsehe annehmen, dagegen die
(wirklich) verheiratete Frau (des verstorbenen Bruders) entlassen (u. zwar ohne die
Zeremonie des Schuhausziehens). — Aber die Rabbinen haben doch gesagt, dafs ein
Mamzer die Leviratsehe nicht vollziehen darf (also kann deren Unterlassung seitens
der S. kein Grund sein, diese vom Konn. mit Israel auszuschließen; welchen Grund
haben nun die Rabbinen dafür?) Weil die S. nicht der Einzelbestimmungen betreffs
der Scheidebriefe kundig sind (wodurch ungesetzliche Ehen entstehen, aus denen
illegitime Kinder hervorgehn). Aber Rabban Gamliel (IL, um 90) hat sie doch für taug-
lich in bezug auf ihre Scheidebriefe erklärt (vgl. S. 54G;' Git 1,5; also müssen sie
in der Ausfertigung der Scheidebriefe Sachkunde besitzen; welchen Grund hat man
also, das Konn. mit ihnen zu untersagen?). R. Jafaqob bar Idi (um 280) hat im Namen
des R. Jochanan gesagt: Weil mit ihnen Höhenpriester verbunden sind, s. 2 Kg 17,32:
„Sie machten sich aus ihrer Mitte zr-'^-y Hohenpriester", d. h. sie machten einen Teil
des Volkes oyr; rap): zu Priestern. R. Heia (n'-s, um 310) hat gesagt: Aus den Dornen
(a-.ii-) u. den Unbrauchbaren im Volk (wählten sie ihre Priester). — Dasselbe mit Ab-
weichungen u. in breiterer Ausführung Qid75-'''; 76''. — Tr Kuthim, ed. Kirchheim
1 (31), gibt lediglich die geltende Halakha an: „Weder verheiratet man an sie noch
heiratet man von ihnen Frauen." Vgl. auch Tr Kuthim 2 (36).
2. Am korrektesten hat man das Verhältnis zu den S. in der Mischna
geregelt. Wie es scheint, hat man sich dabei von einer zwiefachen
Erfahrungstatsache leiten lassen. Die eine sprechen die Anfangsworte
des Traktates Kuthim aus: „Die Wege (d. h. das Verhalten) der S. sind
bald wie die der Nichtisraeliten (ni-is), bald wie die der Israeliten, meist
aber wie die der Israeliten." — Die andre hat Rabban Schim^on b. Gam-
liel, um 140, in die Worte gekleidet: „Mit jedem Gebot, an welchem
die S. festhalten, nehmen sie es weit genauer als die Israeliten" Qid 76=^;
TPesl,15{156);pP^sl,27^48; Git 10^ Chull4^ — Hiernach läßt die
Mischna u. die ihr folgende Praxis die S. überall da als Israeliten
gelten, wo ihr Verhalten den religionsgesetzlichen Anschauungen des
Pharisäismus entspricht; andernfalls sieht man sie als Nichtisraeliten
an. Folgende Beispiele zur Erläuterung.
1 Die gegenwärtigen S. sind, weil ihr Ursprung auf die eheliche Gemeinschaft
israelitischer Frauen mit nichtisraelitischen Männern zurückgeht, als Bastarde an-
zusehen, von denen es J^bS, 3 heißt: Mamzer . . . sind zur Ehe verboten, u. zwar für
immer (d. h. bis in ihre fernste Nachkommenschaft hinein), sowohl die männlichen als
auch die weiblichen Bastarde.
540 Matth 10, 5 (a5 2a)
a. Reinheitsgesetze.
TMiqvß, 1 (657): Das Land der S. ist rein; desgleichen sind rein seine Wasser-
ansammlungen (Teiche, Zisternen usw.), seine Wohnstätten u. seine Wege. Das Land
der Völker (auiserhalb Palästinas) ist unrein; desgleichen seine Wasseransammlungen,
seine Wohnstätteh u. seine Wege. — p?AZ5, 44'', 47: Dort (nämlich Miqv 8, 1) haben
wir gelernt: ^Das Land Israel ist rein u. seine Wasseransammlungen sind rein." —
Das Land der S. ist rein, desgleichen sind seine Wasseransammlungen u. seine Wohn-
stätten u. seine Wege rein. , Seine Wege", weil die Annahme berechtigt ist, daß sie
sich einen Weg nur auf reinem (nicht durch Gräber verunreinigten) Grund u. Boden
aussondern. „Und seine Wasseransammlungen"; R. Elfazar b. Jose (um 170) hat gesagt:
Was du da sagst (nämlich daß die Wasseransammlungen rein sind), gilt in der Hin-
sicht, daß wir sie für beglaubigt halten, daß sie nicht aus hineingeschöpftem Wasser
bestehen; aber es gilt nicht in bezug auf das Maß der 40Sea; denn sie erklären Lv 11, 36:
, Jedoch eine Quelle oder eine Zisterne, also eine Wasseransammlung soll rein sein"
so: Wie eine Quelle reinigt, sie mag viel oder wenig Wasser enthalten, so reinigt auch
eine Wasseransammlung, sie mag viel oder wenig Wasser enthalten. (Nach der Fest-
setzung der Mischna Miqv 1,7 muß eine Wasserans., die als Tauchbad benützt werden
soll, mindestens 40 Sea = 525 Liter Quell-, Fluß- oder Regenwasser [nicht geschöpftes]
enthalten; s. S. 108 f.) || Nidda 7, 5: Die S. sind glaubwürdig, wenn sie sagen: Wir haben
hier (an der oder der Stelle) Frühgeburten begraben oder nicht begraben. Sie sind
beglaubigt in bezug auf ein Tier auszusagen, ob es schon ein Erstgeborenes geworfen
hat oder nicht. Sie sind beglaubigt in bezug auf die Kenntlichmachung der Gräber.^
Aber sie sind nicht beglaubigt (in ihren Aussagen) in bezug auf Bäume oder aus einer
Mauer hervorspringende Steine, die ein Grab beschatten, auch nicht in bezug auf ein
umgeackertes Grab (denn in diesen Stücken nehmen sie es nicht genau). Dies ist die
Regel: In allen Dingen, in denen sie (mangelnder Sorgfalt) verdächtig sind, sind sie
nicht beglaubigt. (Etwas ausführlicher Tr. Kuthim 1.) — Nidda 57^ als Bar abweichend:
Wenn in einem Feldstück ein Grab unkenntlich geworden ist, so ist ein S. beglaubigt
zu sagen: Da u. da ist kein Grab, weil sich sein Zeugnis nur auf das Grab selbst be-
zieht (u. in diesem Stück sind sie gewissenhaft). Wenn ein Baum die Erde bedeckt,
so ist ein S. beglaubigt zu sagen: Unter ihm befindet sich kein Grab, weil sich sein
Zeugnis nur auf das Grab selbst bezieht. || Nidda 4, 1: Die Samaritanerinnen gelten von
ihrer Wiege an als Menstruierende. Die Samaritaner verunreinigen die untere Lage
des Lagers wie die obere (durch den an Samenfluß Leidenden verunreinigt wird; wie
die letztere nur Speisen u. Getränke verunreinigt, so verunreinigt auch die untere des-
jenigen, der einer Menstruierenden beiwohnt, nur Speisen u. Getränke Nidda 32^);
denn sie wohnen Menstruierenden bei, weil ihre Frauen wegen jeder Blutfarbe ab-
gesondert sitzen (u. die sieben Tage ihrer Absonderung nicht erst vom Eintritt des
Menstruums an zählen, sondern gegebenenfalls schon bei etwa vorangehenden ge-
schlechtlichen Absonderungen mit der Zählung der sieben Tage beginnen, so daß die
Bestimmung von Lvl5, 19 bei ihnen nicht voll zur Geltung kommt). Wenn jemand
in ihren Kleidern in das Heiligtum geht, so macht er sich dadurch nicht straffällig;
auch verbrennt man nicht die Hebe, mit der ihre Kleider in Berührung kommen, weil
die Unreinheit dieser zweifelhaft ist. — Der Anfang ähnlich in TNidda o, 1 (645). j
Nidda 7, 3 f.: Alle Blutflecke (zB an Kleidungsstücken), die aus Reqeni (= Petra?)
kommen, sind rein; R. J*^huda (um 150) hat gesagt: Sie verunreinigen, weil die Be-
wohner Proselyten sind u. leicht Irrtümer begehen. Die von Nichtisraeliteh herkommen,
sind rein; die von Israeliten u. S. herkommen, hat R. Meir (um 150) für unrein erklärt;
die Gelehrten erklärten sie für rein, weil sie betreffs ihrer Blutflecke nicht verdächtig
sind. (Diese Mischna ist verstümmelt; s. weiter unten Nidda 56*^.) Alle Blutflecke,
die an irgendeinem (von Israeliten bewohnten) Orte gefunden werden, sind rein, aus-
* Diese mußten von Zeit zu Zeit getüncht werden, damit die Priester sich nicht
aus Unkenntnis daran verunreinigten.
Matth 10, 5(95 2a.b) 541
genommen die, die in den inneren Räumen (in denen die Frauen zur Zeit der Men-
straation sich aufhalten) u. rings um die unreinen Hausräume gefunden werden. Die
(unreinen Hausräume) der S. verunreinigen als ^Bezeltung" (d. h. wie ein Raum, in
dem sich eine Leiche befindet), weil sie dort ihre Fehlgeburten begraben. R. J^huda
sagte: Sie pflegen sie nicht zu begraben, sondern werfen sie hin, daß das Wild sie ver-
schleppt. — Zur Mischna Nidda 7, 3 bemerkt Nidda 56'': Sie ist so gemeint: Die von
Israeliten u. S. herkommen, sind unrein; denn die S. sind Ganzproselyten r)3s -^j;
finden sie sich in Städten Israels, so sind sie rein, weil sie in betreff ihrer Blutflecke
nicht verdächtig sind u. sie (soweit sie von Menstruationsblut herrühren) sorgfältig
verwahren; finden sie sich in samaritanischen Städten, so hat sie R. Meir für unrein
erklärt, weil sie in betreff ihrer Blutflecke verdächtig sind; die Gelehrten erklärten
sie für rein, weil sie in betreff ihrer Blutflecke nicht verdächtig sind. — Die Mischna
als Zitat auch BQ 38''. || T'^haroth 5, 8 : Wenn sich eine blödsinnige Frau oder eine
Nichtisraelitin oder eine Samaritanerin in einer Stadt aufhält, so sind alle in der Stadt
gefundenen Speichelauswürfe unrein.
b. Speisegesetze.
pfAZ 5,44<^, 25 Bar: Anfänglich hat man gesagt: Warum ist der Wein aus äOgdor
(einer samaritanischen Stadt) verboten? Wegen K^phar- Pagasch (Ortschaft in der Nähe
von äOgdor, aber von Heiden bewohnt); der Wein aus Burg*'tha (samaritanisch) wegen
Birath-Söriqa (heidnischer Nachbarort von Burg^'tha); der aus fEn-Kuschith (sama-
ritanisch) wegen K^'phar-Schalem (heidnisch). Später sagte man: Der in offenen Fässern
dastehende Wein (eines S.) ist überall verboten, der in geschlossenen ist erlaubt. Der
angebohrte u. dann wieder verschlossene gilt wie der (immer) verschlossen gewesene.
R. Ji^chaq b. Chaqola (um 250) hat gesagt: Er gilt wie der offen dastehende. R. Chanina
(um 225) hat gesagt: Und ich kann es nachweisen (ob das Faß geöffnet u. dann wieder
verschlossen worden ist, oder nicht): wenn Wachs (Pech) darauf ist, so ist es nicht
geöffnet worden; wenn aber nicht, so ist es geöffnet worden. — In der Parallelstelle
$AZ 81 " schließt sich daran die Frage: Welcher Ansicht war man anfänglich u. welcher
Ansicht war man schließlich (später)? Anfänglich (als man den Wein ganzer sama-
ritanischer Ortschaften in heidnischer Umgebung verbot) war man der Meinung, daß
ein S. sich um die Berührung (seines Weines) durch einen Heiden nicht kümmere ohne
Unterschied, ob die Fässer offen oder geschlossen waren. Später aber war man der
Meinung, daß er sich nicht darum kümmere, wenn sie offen, wohl aber, wenn sie ge-
schlossen waren. — Die Bar auch Tr Kuthim 2 (36), hier mit dem Zusatz: R. Meir
(um 150) hat gesagt: All ihr Wein ist erlaubt, ausgenommen derjenige, der in offenen
Fässern auf den Straßen steht. . . . Ihre Krüge sind erlaubt, wenn sie neu sind; wenn
sie aber alt sind, so sind sie verboten (weil der früher darin gewesene samaritanische
Wein ip sie eingezogen sein könnte). Der letzte Satz gilt fAZ2,4 u. TfAZ4, 10 (467)
nur von den Krügen der Heiden; seine Anwendung auch auf die Weinkrüge der S.
dürfte erst in nachraischnischer Zeit erfolgt sein. — Ebenso gehört die Bemerkung
über den samaritan. Libationswein Nidda 57^ (s. die Stelle Anm. c) einer späteren Zeit
an. il ChullS'' Bar: Das rituelle Schlachten eines S. ist erlaubt. In welchem Fall gilt
dies? Wenn ein Israelit bei ihm steht. Aber kommt man dazu u. trifft ihn beim
Schlachten an, so schneidet man ein Stück wie eine Olive groß ab u. gibt es ihm; ißt
er es, so ist es erlaubt, von seinem Geschlachteten zu essen; wenn aber nicht, so ist es
verboten. Ebenso wenn man in seiner Hand zehn ^ Vögel findet, von denen der Kopf des
einen abgehackt ist, so gibt man ihm davon; ißt er es, so ist es erlaubt, von seinem
Geschlachteten zu essen; wenn aber nicht, so ist es verboten. — Ähnlich Tr Kuth2:
Man kauft kein Fleisch von einem samaritan. Schlächter, es sei denn solches, welches
1 -j—isu 5'xj s-iip- = decuria ^Zehnzahl", so Levy 1,421. Raschi erklärt das Wort
von ^p-i, durchbohren = riTi-n^s, Schnüre, an denen Vögel aufgezogen, aufgereiht sind.
Da die ^Zehnzahl" unmotiviert ist, wird Raschis Erklärung den Vorzug verdienen;
vgl. das oben folgende Zitat Tr Kuth 2.
542 Matth 10, 5 (SB 2b. c)
er selbst ißt; desgleichen keine an Schnüren aufgezogene Vögel, ^ c--5r:: i» r^'-", es
sei denn, daß er sie zuerst in seinen Mund steckt (u. davon ißt), aber nicht, wenn
er sie dem Israeliten gibt; denn sie sind längst verdächtig, daß sie einem Israeliten
Gefallenes zu essen geben. Vgl. ChuU b^; ferner ChuU 2, 7 unter Nr. 1. || pfAZ5,44'^, 22:
R. J*^huda b. Pazzi (um 320) hat im Namen des R. Ammi (um 300) gesagt: Ein von S.
gebratenes Ei ist erlaubt. R. Jafaqob b. Acha (um 300) hat im Namen des R. Elfazar
(um 270) gesagt: Die Speisen der S. sind erlaubt. Was du da sagst, gilt aber nur von
Speisen, in die man für gewöhnlich keinen Wein u. keinen Essig (der von Wein her-
stammt, s. über Wein oben) tut; wenn es aber feststeht, daß er (Wein u. Essig) hinein-
getan hat, so ist die Speise selbst zur Nutznießung (nicht bloß zum Essen) verboten. —
Tr Kuth 2: Der Käse der S. ist erlaubt. R. Schim?on b. Elfazar (um 190) hat gesagt: Der
von den (Land-)Besitzern selbst angefertigte ist erlaubt, dagegen ist der der Händler
verboten. Die von S. eingekochten oder eingelegten Speisen, in die man für gewöhn-
lich Wein u. Essig tut, sind verboten. || TP's 1. 13 f. (156): Von wann an nach dem
Passah sind gesäuerte Backwaren der S. (so nach den Parallelen zu lesen statt ,der
Heiden" a^i;) erlaubt? Die der Besitzer (die für den eigenen Hausbedarf backen) nach
drei Backwochen,- die der Bäcker in den Dörfern bis nach Verlauf von drei Tagen, die der
Bäcker in den Städten, nachdem drei Öfen voll abgebacken sind. R. Schim?on b. Elfazar
(um 190) sagte: Auch wenn man gesagt hat: „Die der Besitzer nach drei Backwochen" —
wenn der Besitzer (zB) seinen Sohn verheiratet u. drei Öfen an Einem Tage (zur Hochzeit)
abbäckt, so ist (sein Gesäuertes sofort) erlaubt. Und wenn man gesagt hat: , Die der
Bäcker in den Dörfern bis nach Verlauf von drei Tagen" — wenn er (zB) sich ge-
drängt sieht, drei Öfen hintereinander abzubacken, so ist (sein Gesäuertes sofort hinter-
her) erlaubt. R. Schim?on b. Elfazar hat ferner gesagt: Auch wenn man gesagt hat:
„Die der Bäcker in den Städten, nachdem drei Öfen voll abgebacken sind", so sind
sie doch bis nach Verlauf von drei Tagen verboten, wenn er (zB) früh' morgens den
Sauerteig für jenen ganzen Tag abgesondert hat (u. die Backwaren nicht sofort ver-
käuflich waren). Für welchen Fall gelten diese Bestimmungen? Wenn die S. ihr Passah
nicht zugleich mit Israel oder einen Tag früher halten. Aber wenn sie ihr Passah zu-
gleich mit Israel oder einen Tag später halten, so ist ihr Gesäuertes sofort nach dem
Passah erlaubt. (Grund der Bar: Beendigen die S. ihr Passah früher als Israel, so
macht der von ihnen am ersten Tage nach ihrem Passah zubereitete Sauerteig, weil
er noch während der jüdischen Passahfeier zubereitet ist, alles für Israel unbrauchbar,
in das er gemischt wird; erst vom vierten Backen an nach dem Passahfest gilt der
ungesetzliche Sauerteig für aufgebraucht.) — Dasselbe mit Abweichungen p?Orla 2,
62'', 56, wo die Bar inhaltlich auf R.Eli?ezer (um 90) zurückgeführt wird; TrKuth 2(35);
hier „Brot" statt „Gesäuertes". il Sch<^bi?ith 8, 10: Ferner sagte man vor R. ?Aqiba
(t um 185): R. Elifezer (um 90) hat gesagt: Wer Brot der S. ißt, ist wie einer, der
Schweinefleisch ißt. Er (R. f Aqiba) antwortete ihnen: Schweigt! ich sage euch nicht,
was R. Elifezer darüber gesagt hat. — Zu diesem Ausspruch des R. Elifezer liegen
pSch^'bifith 8,38'', 60 zwei Äußerungen erst aus späterer Zeit vor: R. Jose (um 350)
hat gesagt: Das will sagen, daß es verboten ist, die Tochter eines Gesetzesunkundigen
(fAm ha-are9) zu heiraten (also „Brot essen" euphemistisch — „Beischlaf vollziehen").
R. Chizqijja (um 350) hat im Namen des R. Acha (um 320) gesagt: R. Elifezer hat das
Gesäuerte der S. sofort nach dem Passah erlaubt (s. weiter oben).
c. Kultus.
Sch''ql,5: Obwohl man gesagt hat, daß man Frauen, Sklaven u. Minderjährige
nicht auspfänden dürfe, so nimmt man doch, wenn sie die Tempelsteuer (= ^j-i Scheqel)
entrichten wollen, diese aus ihrer Hand an. Wenn dagegen Nichtisraeliten ("^=3) u. S.
den Beitrag zahlen wollen, so nimmt man ihn nicht aus ihrer Hand an. Ferner nimmt
' Siehe Änm. auf voriger Seite.
* Eine Backwoche bezeichnet den Zeitraum, der zwischen zwei Backtagen liegt;
sie kann länger oder kürzer sein als eine Woche von sieben Tagen.
Matth 10, 5(332c) 543
man aus ihrer Hand keine Geflügelopfer für Männer u. Frauen, die mit geschlecht-
lichen Ausflüssen behaftet sind, u. für Wöchnerinnen an, auch keine Sund- u. Schuld-
opfer. Wohl aber nimmt man aus ihrer Hand an angelobte u. freiwillige Gaben. Dies
ist die Regel: alles was angelobt u. freiwillig gegeben wird, nimmt man aus ihrer Hand
an, u. alles was nicht angelobt u. freiwillig gegeben wird, nimmt man nicht aus ihrer
Hand an. Und so ist es durch Esra ausdrücklich erklärt worden: Nicht euch und uns
gebührt es, unsrem Gott ein Haus zu bauen Esra 4, 8. — Dasselbe auch Tr Kuth 1.
N'^d 3,10: Wer in einem Gelübde denen entsagt, die den Sabbat halten, dem sind die
Israeliten u. die S. untersagt (letztere halten also den Sabbat ebenso heilig, wie die
Israeliten); wer in einem Gelübde denen entsagt, die Knoblauch essen, dem sind die
Israeliten u. die S. untersagt; wer denen entsagt, die nach Jerusalem hinaufziehen,
dem sind die Israeliten untersagt u. die S. erlaubt (nämlich um von ihnen Genuß,
Vorteil usw. zu haben). || Zu den Worten von Nidda7, 5: ,Dies ist die Regel: In allen
Dingen, in denen sie (die Samaritaner) verdächtig sind (wegen mangelnder Sorgfalt),
sind sie nicht beglaubigt" (s. oben S. 540/S|, heißt es Nidda 57'': „Um mit einzuschließen
die Sabbatgrenzen u. den Trankopferwein. — Dazu Raschi: Die S. sind nicht beglaubigt
zu sagen: „Bis hierher reicht die Sabbatgrenze " ; denn die Bestimmung über die Sabbat-
grenzen ist eine rabbinische, der die S. nicht zustimmen. Und in bezug auf den Trank-
opferwein sind sie nicht beglaubigt, weil ein S. sich nicht um die Berührung (seines
Weines) seitens eines Nichtisraeliten kümmert. — fEr 31 ^ sagt Rab Chisda (f 309), daß
mit denen, die das ?Erubgesetz nicht anerkennen (s. Mischna 3,2; 6, 1), die Samaritaner
gemeint seien; vgl. auch Tr Kuth 1. || Daß die Festsetzung der Passahfeier seitens
der S. nicht immer mit derjenigen der Juden übereingestimmt hat, zeigt TP'^s l, 13f.
(s. oben S. 542«). — pP^'s 1,27'*, 45: Wenn die S. ihre Ma^Qoth zugleich mit den Israe-
liten herstellen, sind sie beglaubigt in betreff des Fortscliaffens des Gesäuerten ; wenn
sie sie aber nicht zugleich mit den Israeliten herstellen, sind sie in betreff des Fort-
schaffens des Gesäuerten nicht beglaubigt. R. Jose (um 150) hat gesagt: Was du da
sagst, gilt in bezug auf das Fortschafi'en des Gesäuerten in ihren Häusern, aber in
bezug auf das Fortschaffen in ihren Höfen sind sie verdächtig; denn sie erklären: Es
heißt Ex 12,9: In euren Häusern soll kein Gesäuertes gefunden werden; aber es
heißt nicht: In euren Höfen. Bar: Rabban Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte: Mit
jedem Gebot, das bei dön S. im Gebrauch ist, nehmen sie es genauer als die Israe-
liten. R. Schimfon (b. Jochai, um 150) hat gesagt: Was du da sagst, das gilt von der
früheren Zeit, als sie in ihren Dörfern (unvermischt mit Heiden) wohnten; aber jetzt,
wo sie kein Gebot u. keinen Überrest eines Gebotes mehr haben, sind sie verdächtig
u. entartet. (R. Schimfon vertritt, wie R. J'^huda den älteren Standpunkt des R. Elifezer:
Die S. sind wie Heiden.) || TP^'s 1, 15 (156): Der ungesäuerte Kuchen {~'i^) der S. ist
erlaubt u. man genügt damit (d. h. mit dessen Genuß) seiner Pflicht am Passahfest.
R. Elifezer (um 90, so lies statt R. Elfazar) verbot es, weil sie der Bestimmungen über
die ungesäuerten Kuchen nicht so kundig sind (lies i-s-pa statt -pTtp-'a) wie die
Israeliten. — Dasselbe als Bar Qid 76«; Chullin4'''; GitlO^ In Tr Kuth 2 ist R. Schimfon
genannt statt R. Elifezer, u. zwar mit folgender Motivierung des Verbots: „Weil sie
die ungesäuerten Kuchen nicht wie die Israeliten (vor der Gärung) zu bewahren ver-
stehen." Diese Motivierung stammt aus der Diskussion in Chull4^. || Sukka S** Bar:
Die Laubhütte der Nichtisraeliten (die diese für ihre Zwecke hergerichtet hatten), die
L. der Weiber, die L. für das Vieh, die L. der S., überhaupt jede L. ist brauchbar
(um von Israeliten am Hüttenfest benützt zu werden), wenn sie nur vorschriftsmäßig
bedeckt ist. Dasselbe M«n 42 '^. l| TfAZ :{, 12 f. (464): Ein Israelit darf einen Heiden mit
Rücksicht auf dessen Übertritt zum Judentum beschneiden ; aber nicht darf ein Heide
einen Israeliten beschneiden, weil sie (die Heiden) des Mordes verdächtig sind; das
sind Worte des R. Meir (um 150). Die Gelehrten aber sagten: Ein Nichtisraelit darf
einen Israeliten beschneiden, wenn andre bei ihm stehn; unter vier Augen dagegen ist
es verboten, weil sie des Mordes verdächtig sind. Ein Israelit darf einen S. beschneiden,
aber ein S. darf keinen Israeliten beschneiden, weil sie (die S.) im Hinblick auf (2*1;-,
544 Matth 10, 5(93 2c.d)
wörtlich : auf den Namen, s. bei 10, 41 ; 28, 19) den Berg G. beschneiden ; das sind Worte
des R. J^huda (um 150). R. Jose (b. Chalaphta) erwiderte ihm: Wo finden wir eine Be-
schneidung, die nicht mit Rücksicht auf den Bund (Gottes mit Abraham) erfolgte? Also
mag er im Hinblick auf den Berg Garizim beschneiden, bis seine Seele scheidet! —
Dasselbe als Bar pJ^b 8, 8'^', 63; pSchab 19, 17», 34; ?AZ 27 »; ähnlich auch Tr Kuth 1 ;
vgl. auch M<'n42* u. fAZ26''. I! Git45'': Rah Hamnuna b. Rabba aus Parschunja (so
lies statt P'^scharunja, wann?) hat als Bar gelehrt: Ein Torabuch, Gebetsriemen u. Tür-
pfostenkapseln, die ein Häretiker (Min), ein Verräter, ein Nichtisraelit, ein Sklave, eine
Frau, ein Minderjähriger, ein S. oder ein vom Judentum abgefallener Israelit geschrieben
hat, sind (zum Gebrauch) untauglich; denn es heißt Dt 6, 8 f.: „Binde sie an deine Hand ...,
schreibe sie auf die Pfosten deines Hauses", d. h. wer zum Umbinden verpflichtet ist
(nämlich ein Israelit), der ist zum Schreiben verpflichtet; wem aber das Umbinden
nicht obliegt (wie einer der genannten Personen), dem liegt auch das Schreiben
nicht ob. — Daselbe M'^n 42^; als Tradent der Bar erscheint hier Rah Chin'^na b. Rabba
aus ü'z-xt. II B^rakh 8,8: Man antwortet mit Amen, wenn ein Israelit einen Lobspruch
spricht; aber wenn ein S. den Lobspruch spricht, so antwortet man nicht Amen, bis
man den ganzen Lobspruch gehört hat (ob er auch der Vorschrift entspricht). — Das-
selbe TB<^rakh 3, 26 (8). In TB^rakh 5,21 (12) lautet die Tradition: Wenn ein Nicht-
israelit (-■!;) den Lobspruch mit Nennung des göttlichen Namens spricht, so antwortet
man hinterher mit Amen! wenn aber ein S. den Lobspruch mit Nennung des gött-
lichen Namens spricht, so antwortet man hinterher nicht mit Amen, bis man den ganzen
Lobspruch gehört hat. II B'^rakh 7, 1 : Wenn drei Personen gemeinschaftlich (d. h. an
Einem Tisch oder von Einem Brot) gegessen haben, so sind sie zum gemeinschaft-
lichen Lobspruch (nach dem Essen) verpflichtet. Wenn man Zweifelhaftes ^ (d. h. Früchte,
deren ordnungsmäßige Verzehntung zweifelhaft ist) oder ersten Zehnt, von welchem
die Zehnthebe (aber nicht die große Hebe) abgesondert ist, oder zweiten Zehnt u. Ge-
heiligtes, die ausgelöst sind (ohne daß das Zuschlagsfünftel gezahlt ist), gegessen hat
(was streng genommen unstatthaft ist), ferner wenn der zu Tische Dienende so viel
wie eine Olive oder wenn ein S. mitgegessen hat, so spricht man darüber (nach dem
Essen) den gemeinschaftlichen Lobspruch. Aber wenn man sicher Unverzehntetes ('jaü.)
oder ersten Zehnt, von welchem die Zehnthebe nicht abgesondert ist, oder zweiten
Zehnt u. Geheiligtes, die nicht ausgelöst sind, gegessen hat, oder wenn der zu Tische
Dienende weniger als eine Olive oder wenn ein Heide (Nokhri) mitgegessen hat, so
vereinigt man sich nicht zu gemeinschaftlichem Lobspruch. || Sanh 10, 1 : Abba Schaäul
(um 150) hat gesagt: Auch wer den Namen (Jahve) nach seinen Buchstaben (so wie er
geschrieben wird) ausspricht, hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt. — Dazu heißt
es pSanh 10, 28 '', 4: R. Mana (IL, um 370) hat gesagt: Wie zB die S., wenn sie schwören,
d. Abgaben an Priester, Leviten, Arme usw.
Pea 2, 7 : Ein Feld, das die S. (für sich) abernten ... ist frei (von der Bestimmung
betreffs des Ackerwinkels Lv 19, 9 f.; 23,22: nicht aber, wenn sie es für einen Israeliten
abernten pPea 2, 17*, 60). || Tr Kuth 1 (31): Man gewährt ihnen (den samaritan. Armen)
die Nachlese, das (auf dem Felde) Vergessene u. den (nicht abgeernteten) A.ckerwinkel;
auch sie haben (die Bestimmung über) Vergessenes u. Ackerwinkel. Sie (d. h. die sama-
ritan. Armen) sind beglaubigt in betreff der Nachlese, des Vergessenen u. des Acker-
winkels in deren Zeit u. in betreff des Armenzehnten in dessen Jahr (d. h. sie sind
beglaubigt, in der Erntezeit zu sagen, daß ihr Weizen usw. aus der Nachlese usw.
stamme, u. im dritten u. sechsten Jahr der Sch'^bifith-Periode, in denen der Armen-
zehnt entrichtet wird, ihren Vorrat an Früchten für Armenzehnt zu erklären). Pea 8, 2
wird dieses Recht den Israelit. Armen zugesprochen; in TPea4, 1 wird es den sama-
ritan. Armen zugesprochen u. den heidnischen Armen abgesprochen: ,Die Armen der
S. sind (was ihre Beglaubigung zu obigen Aussagen betrifft) wie die Armen Israels,
aber den Armen der Nichtisraeliten (s^i;) glaubt man in keiner Hinsicht." — Gleich-
1 'wn D*^mai. Über die Aussprache s. Einl. 33.
Matth 10, 5 (5ö2d. e) 545
"wohl ist auch den letzteren die Nachlese usw. auf israelitischen Feldern nicht verwehrt
worden, s. Git5, 8: Man verhindert das Sammeln der Nachlese, des Vergessenen u.
des Ackerwinkels durch die Armen der Nichtisraeliten (c-u) nicht um des Friedens
willen. II 'fr Kuth 1 (32): Ihre (der S.) Früchte gelten als unverzehntet (^='4), gleichwie
die Früchte der Nichtisraeliten.' (Diese Bar bezieht sich auf Früchte, die die S. an
Israeliten verkaufen, nicht auf solche, die sie in ihrem eigenen Haushalt verbrauchen;
denn in letzterer Hinsicht nehmen auch sie es mit der Verzehntung streng.) || D^mai 5, 9:
Man darf von dem Getreide eines Israeliten den Zehnt absondern für das einem Nicht-
israeliten abgekaufte Getreide, von dem einem Nichtisraeliten abgekauften für das
eines Israeliten, von dem eines Israeliten für das einem S. abgekaufte, von dem einem
8. abgekauften für das einem andren S. abgekaufte (weil das von einem S. gekaufte
Getreide als noch nicht verzehntet gilt). R. Elifezer (um 90) verbot von dem einem S.
abgekauften den Zehnt abzusondern für das einem S. abgekaufte (weil es möglichenfalls
bereits verzehntet war). II D'^mai 3, 4 : Wenn man Weizen zu einem samaritan. Müller
(zum Mahlen) bringt oder zu einem Müller, der ein fAm ha are^ ist (der vom Gesetz
nichts weiß), so darf von dem Weizen angenommen werdeq, daß er in betreff der Ver-
zehntung u. der Brachjahrbestimmungen in seiner Verfassung bleibt (nicht etwa mit
unverzehntetem usw. vertauscht oder vermischt wird). Bringt man ihn aber zu einem
nichtisraelitischen Müller, so gilt er hinterher als zweifelhaft verzehntet (u. der Hebe-
zehnt ist noch einmal abzusondern). |!T'rum3. 9: Die von einem Heiden (Nokhri) u.
einem S. (für ihr Eigentum) abgesonderte Priesterhebe gilt als Priesterhebe, ihre Zehnten
gelten als Zehnt, ihr Geheiligtes als Geheiligtes. (Die Auslegung dieser Mischna ist
jedoch kontrovers, s. die Kommentare u. TT^rum 4, 12 (31); 4, 14 (32).) || B'^rakh 47'^: Die
S. sondern die Zehnten ab, wie es sich gebührt; denn in bezug auf das, was in der Tora
geschrieben steht, sind sie äußerst vorsichtig; denn ein Autor (gemeint ist R. Schimfon
b. Gamliel, um 140, s. oben S.bB9y) hat gesagt: Mit jedem Gebot, daran die S. fest-
halten, nehmen sie es weit genauer als die Israeliten. || TD'^mai 3, 8 (49): Es darf ein
israelitischer Priester mit einem samaritan. Priester (die priesterlichen Bezüge innerhalb
des samaritan. Gebietes) teilen, weil er so (seinen Teil) aus der Hand jenes rettet;
aber nicht im Lande Israel, weil er dadurch den priesterlichen Rechtstitel jenes stärken
würde.- Auch im Lande Israel ist es erlaubt, einen Teil von ihm an dem Orte anzu-
nehmen, an dem von ihm bekannt ist, daß er ein S. ist (so daß die Usurpation der Würde
eines Israelit. Priesters seinerseits ausgeschlossen erscheint). Ähnlich Tr Kuth 2 (35).
e. Rechtliche Stellung.
Mak2, 3: Alle müssen wegen (unvorsätzlicher Tötung) eines Israeliten (in eine
Asylstadt) flüchten u. die Israeliten wegen ihrer (Tötung). Dazu Mak S^: ,Alle müssen
wegen eines Israeliten flüchten." Was schließt das Wort „alle" ein? Es will den
Sklaven u. den S. einschließen. Wir lernen in bezug hierauf, was die Rabbinen gelehrt
haben: Ein Sklave u. ein S. müssen flüchten u. werden gegeißelt wegen eines Israeliten,
u. ein Israelit muß flüchten u. wird gegeißelt wegen eines S. (u. eines Sklaven; letzteres
nach Handschr. Mü. zu streichen). Es ist richtig, daß ein Sklave u. ein S. wegen eines
Israeliten flüchten muß u. gegeißelt wird ; er muß flüchten, wenn er ihn getötet hat,
u. er wird gegeißelt, wenn er ihm geflucht hat. Aber muß denn ein Israelit flüchten
u. wird er gegeißelt wegen eines S.? Es ist richtig, daß er flüchten muß, wenn er ihn
getötet hat; aber wird er darum gegeißelt, daß er ihm geflucht hat? Es heißt doch
Ex 22, 27: „Einem Fürsten in deinem Volk sollst du nicht fluchen!" Das gilt von einem,
der den Brauch deines Volkes beobachtet! Vielmehr hat Rab Acha b. Ja?aqob (um 325)
gesagt: Damit ist einer gemeint, der zB ein Zeugnis wider ihn abgelegt hat u. des
Falscheides überführt wurde. || BQ 38 V Bar: Wenn der Ochse eines Israeliten den Ochsen
eines S. stößt, so ist man straffrei; wenn aber der Ochse eines S. den Ochsen eines
^ Dies gilt auch von dem Wein, den ein Israelit dem S. abkauft D<^mai 7, 4.
^ Vgl. K^th 25^*: Ein Beweis für die Zugehörigkeit zum Priesterstand ist die Zu-
erteilung der Tennenabgabe an ihn im Lande Israel.
Strack u. Billerbeck, NT I. , 35
546 Matth 10, 5(a3 2e)
Israeliten stößt, so muß man, wenn der Ochse fromm ist, den halben Schaden, u. wenn
er als stößig anerkannt ist, den ganzen Schaden ersetzen. R. Meir (um 150) sagte: Wenn
der Ochse eines Israeliten den Ochsen eines S. stößt, so ist man straffrei; wenn aber
der eines S. den Ochsen eines Israeliten stößt, so muß man, mag er fromm oder an-
erkannt stößig sein, den vollen Schadenersatz leisten. . . . R. Abbahu (um 300) hat gesagt:
Diese Strafe, die R. Meir festgesetzt hat, zielt auf ihr Geld, damit sie (die Israeliten)
sich nicht mit ihnen (den Samaritanern) vermischen (durch Heirat). — Die Bar stammt aus
TBQ 4, 3 (351), wo im Ausspruch des R. Meir ^Nichtisraelit" (Nokhri) statt ^Samaritaner"
gesetzt ist; vgl. auch BQ 4, 3: Wenn der Ochse eines Israeliten den Ochsen von Ge-
heiligtem (der zu Geheiligtem gehört) stößt oder der von Geheiligtem den Ochsen eines
Israeliten stößt, so ist man straffrei; denn es heißt Ex 21, 35: , Falls der Ochse jemandes
den Ochsen seines Nächsten stößt", den Ochsen seines „Nächsten", aber nicht den
Ochsen von , Geheiligtem". Wenn der Ochse eines Israeliten den Ochsen eines Nicht-
israeliten (Nokhri) stößt, so ist man straffrei; wenn aber der eines N. den Ochsen eines
Israeliten stößt, so muß man, mag er fromm oder anerkannt stößig sein, den vollen
Schadenersatz leisten. — Dazu pBQ 4,4'', 19: Rah (f 247) hat gesagt: Es heißt Hab 3, 6:
Er sah es u. gab die Heiden (Gojim = Nichtisraeliten) frei, d. h. das Geld der Heiden
gab er frei (nachdem er gesehen, daß sie die sieben noachischen Gebote nicht hielten).
Chizqijja (b. Chijja, um 240) hat gesagt: Es heißt Dt 33, 2: ,Er ließ aufstrahlen vom
Berge Paran", nämlich er ließ sein Angesicht wider die Völker der Welt aufleuchten
(nachdem sie die Tora nicht hatten annehmen wollen u. deshalb gab er ihr Vermögen
preis). — Dasselbe ausführlicher mit andren Autorennamen BQ 3S*. || Tr Kuth 2 (34):
Der S. ist in bezug auf alle Schäden, die in der Tora genannt werden, dem Israeliten
gleich: wenn ein Israelit einen S. oder ein S. einen Israeliten aus Versehen tötet, so
muß er flüchten; u. wenn absichtlich, so wird er getötet. Wenn der Ochse eines Israeliten
den Ochsen eines S. stößt, so ist man straffrei; wenn aber der Ochse eines S. den
Ochsen eines Israeliten stößt, so muß mau, wenn er fromm ist, die Hälfte des Schadens,
wenn er aber anerkannt stößig ist, den vollen Schaden ersetzen. R. Meir sagte: Wenn
der Ochse eines S. den Ochsen eines Israeliten stößt, so muß man, mag er fromm oder
anerkannt stößig sein, den vollen Schaden ersetzen, u. zwar von den besten Gütern
(während der vorher erwähnte halbe Schadenersatz nach dem Werte des stoßenden
Tieres berechnet wird, mit diesem also steigt u. fällt; mag der schädigende (fromme)
Ochse noch so geringwertig sein u. der durch ihn angerichtete Schaden noch so groß,
der Schadenersatz beträgt nie mehr als den halben Wert des stoßenden Tieres, s. BQ
1,4 Ende). 1| K'^th 3, 1: Wegen folgender Mädchen (n-yj im Alter von 12— I2V2 Jahr)
findet Geldstrafe statt (vgl. Dt 22, 28 f.; Ex 22, 15 f.): wer einer ßastardin, einer N'^thina
(Nachkömmling der Gibeoniten Jos 9, 3 ff.), einer Samaritanerin beiwohnt usw. — Das-
selbe als Zitat BQ 38''. || Git 1, 5: Jedes Dokument, auf dem ein S. als Zeuge sich findet,
ist ungültig, ausgenommen Scheidebriefe für Frauen u. Freilassungsbriefe für Sklaven.
Einmal brachte man vor R. Gamliel (um 90) nach K'^phar-fAvthanai den Scheidebrief
einer Frau, dessen Zeugen samaritanische Zeugen waren, u. er erklärte ihn für gültig. —
Hierzu pGit 1, 43", 51 : In bezug auf Geldangelegenheiten sind die S. verdächtig; deshalb
sind sie in Geldsachen (als Zeugen) ungültig; aber in bezug auf Inzestsünden sind sie
nicht verdächtig, u. Zeugen in Kriminalsachen sind wie Zeugen in Inzestsachen. Hier-
nach sollten auch beide Zeugen (auf einem Scheidebrief) S. sein dürfen! Das ist etwa»
andres, da sie mit den Einzelbestimmungen der Scheidebriefe nicht vertraut sind. Hier-
nach sollte auch Ein S. (als Zeuge auf einem Scheidebrief) untauglich sein! R. Abin
(wohl IL, um 370) hat gesagt: Man kann es damit erklären, daß ein Israelit-am Ende
unterschreibt (hierdurch ist die Korrektheit des Scheidebriefes hinlänglich sichergestellt).
— Parallelstelle in andrer Fassung Git 10^. In Qid 76^^ heißt es gleichfalls: Die S. sind
mit der Lehre über Verlobung u. Scheidung nicht vertraut. — In letzterer Hinsicht ist
bemerkenswert Qid 75'': Die S. vollziehen die Leviratsehe mit den verlobten Bräuten
(ihrer kinderlos verstorbenen Brüder) u. entlassen die verheirateten Frauen (ihrer kinderlos
verstorbenen Brüder, ohne sie zur Leviratsehe zuzulassen). Sie deuten Dt 25, 5: „Nicht
Matth 10,5 (SB2e.f) 547
soll das Weib des Verstorbenen auswärts einem fremden Manne zuteil werden" so: die,
welche auswärts (von ihrem Manne, also als dessen Verlobte in ihres Vaters Haus)
wohnt, soll nicht einem fremden Manne (sondern dem Levir) zuteil werden; dagegen
soll die, die nicht auswärts (sondern bei ihrem Manne als verheiratete Frau) wohnt,
einem fremden Mann (u. nicht dem Levir) zuteil werden. Dasselbe pJ'^b 1,3*, 30. Der
samaritan. Targum entspricht dieser Tradition, indem er n:sinn Dt 25, 5 adjektivisch
wiedergibt: ■«■'3 ^2;'5 np*s^a rn'^s rrs "hp s"5 = nicht soll die auswärtige Frau des
Verstorbenen einem auswärtigen Mann zuteil werden. — Die Parallelstelle pGit 1, 48'^, 61
s. oben S. 539 «. — Andersartig ist die Tradition Tr Kuth 1 (3H) : Ein S. entläßt seine
Schwägei'in durch die Zeremonie des Schuhausziehens, er gibt seiner Frau den Scheide-
brief u. er ist beglaubigt, den Scheidebrief von einem Israeliten aus dem Ausland zu
überbringen. || Qid 4, 3: Alle, die nicht in die Gemeinde (Israel) eintreten dürfen, dürfen
sich untereinander heiraten. R. J*^huda (um 150) verbot es. R. Elifezer (um 90) sagte:
Einer, dessen (illegitime oder sonst vom Eintritt in die Gemeinde ausschließende) Her-
kunft sicher feststeht, darf eine Person heiraten, von der das gleiche gilt; dagegen
dürfen Personen, deren (von der Gemeinde ausschließende) Abstammung sicher feststeht,
sich nicht mit Personen verheiraten, deren Abstammung zweifelhaft ist, ebensowenig
dürfen Personen, deren (beiderseitige) Abstammung zweifelhaft ist (hinsichtlich der
Legitimität), sich untereinander verheiraten. Bei folgenden Personen gilt die Abstammung
als ungewiß: bei dem, dessen Vater unbekannt ist, bei einem Findelkind (dessen Vater
u. Mutter unbekannt ist) u. bei einem S. — Auch diese Mischna schließt die legitime
Ehe zwischen Juden u. S. aus; s. oben S. 539«.
f. Handel u. Verkehr.
TfAZ 2,4 (462): Man verkauft ihnen (den Nichtisraeliten) keine Waffen u. keine
WafiFengeräte, auch schärft man ihnen die Waffen nicht (sie könnten sie gegen Isr. ver-
wenden); ferner verkauft man ihnen keine Holzblöcke (wie sie zu Hinrichtungen durch
das Beil oder zum Anschließen Gefangener benützt wurden), keine Stricke, keine Hals-
eisen (lies i^''^''p statt T'^tp) «• keine eisernen Ketten (alles eventuell Marterwerkzeuge
für Israeliten); auch keine (Tora-)Bücher oder Gebetsriemen oder Türpfostenkapseln,
gleichviel ob es sich um einen Nichtisraeliten (-•;) oder einen S. (als Käufer) handelt.
Dagegen darf man ihnen verkaufen unreif geschnittene Halmfrüchte, abgemähtes Ge-
treide u. umgehauene Bäume. R. J4iuda (um 150) sagte: Unreife Halmfrüchte zum
Schneiden unter der Bedingung, daß sie geschnitten werden, Getreide zum Mähen unter
der Bedingung, daß es gemäht werde. Bäume zum Fällen unter der Bedingung, daß
sie gefällt werden. — Tf AZ 3, 8: Man vermietet (oder verpachtet) ihnen keine Häuser,
Felder u. Weinberge, man gibt ihnen (als Lohn) keinen Anteil an Landertrag oder Vieh,
gleichviel ob es sich um einen Nichtisraeliten oder um einen Samaritaner handelt. —
Der Anfang von TfAZ2, 4 als Bar ?AZ 15'^ mit folgendem Zusatz: Warum (ist das auch
von den S. gesagt worden) ? Wenn man sagen wollte, weil sie des Blutvergießens ver-
dächtig seien, so könnte man erwidern: Sind sie denn dessen verdächtig? Man hat
doch gesagt: Man darf mit ihnen allein sein; vielmehr, weil er es an einen Nicht-
israeliten weiter verkaufen wird. Und wenn du sagen wolltest: Ein S. tut keine Buße
(läßt von dem Verbotenen nicht ab), ein Israelit aber tut Buße, hat nicht Rab Nachman
(b. Ja?aqob, f 320) gesagt, Rabbah b. Abuha (Schwiegervater des Vorigen, etwa um 270)
.habe gesagt: Wie man gesagt hat: ,Es ist verboten an einen NichtJuden zu verkaufen",
so ist es auch verboten an einen Israeliten zu verkaufen, der verdächtig ist an einen
NichtJuden weiterzuverkaufen? — Die weiteren Parallelstellen f AZ 1,8; pf AZ 2, 40*', 45;
bfAZ20'' erwähnen die S. nicht. H TfAZ 3, 1 (463): Man darf in die Herbergen der S.
Vieh einstellen, auch männliche Tiere bei weiblichen Herbergsbesitzern u. weibliche
Tiere bei männlichen Besitzern u. weibliche Tiere bei weiblichen Besitzern. Man übergibt
ihrem Hirten Vieh, u. man übergibt einem S. ein Kind, um es schreiben oder ein Hand-
werk zu lehren u. um mit ihm allein zu sein. Eine Tochter Israels darf einer Samaritanerin
Geburtshilfe leisten u. deren Kind säugen, u. eine Samaritanerin darf einer Tochter
548 Matth 10, 5 (83 2f. g)
Israels Geburtshilfe leisten u. deren Kind säugen (was alles dem Goi gegenüber teils
überhaupt nicht, teils nur mit Einschränkungen erlaubt ist, s. f AZ 2, 1 ; T?AZ 3, 2. 3). —
Die Stelle als Bar ?AZ 15''. || T?AZ 3, 5 (463): Wenn sich ein Israelit von einem Nicht-
juden (Goi) scheren läßt, so sieht er (dabei) in den Spiegel (um jede etwa gefährliche Hand-
bewegung rechtzeitig wahrnehmen zu können); wenn er sich von einem S. scheren läßt,
so sieht er nicht in den Spiegel. Den Familiengliedern des Rabban Gamliel (um 90)
erlaubte man es, in einen Spiegel zu blicken, weil sie der (heidnischen) Regierung nahe-
stehn. — Eine Zus. Stellung der hierher gehörenden Bestimmungen gibt Tr Kuth 1 (81):
Man läßt die S. nichts erwerben, was am Boden haftet; man verkauft ihnen keine
Schafe zum Scheren, kein Getreide zum Abmähen, keine Bäume, die in der Erde stehen,
wohl aber Vieh zum Schlachten. Man verkauft ihnen kein Großvieh, selbst dann nicht,
wenn es einen Bruch erlitten hat; auch keine Eselfüllen u. keine Kälber, wohl aber
verkauft man ihnen diese, wenn sie einen Bruch erlitten haben, der nicht mehr aus-
geheilt werden kann. Man verkauft ihnen keine Waffengeräte, überhaupt keinen Gegen-
stand, durch welchen der Menge Schaden entstehen kann. Man leiht ihnen u. von ihnen
gegen Zinsen.' . . . Eine Tochter Israels leistet einer Samaritanerin keine Geburtshilfe u.
säugt auch deren Kind nicht; aber eine Samaritanerin darf einer Tochter Israels Geburts-
hilfe leisten u. deren Kind mit deren Erlaubnis säugen. (Auch diese Bestimmung fixiert
späteres Recht.) . . . Man darf Vieh bei einem samaritan. Herbergsbesitzer einstellen u.
einen S. dingen, das Vieh zu treiben; man darf sein Vieh einem samaritan. Hirten über-
geben u. seinen Sohn einem S., ihn ein Handwerk zu lehren; man darf mit ihnen allein
sein u. sich mit ihnen an jedem Orte unterhalten {o—tc^, vielleicht verstümmelt aus
v'-izrz-i, so daß in diesem Wort ein Überrest aus der obigen Bar über das Haarschneiden
vorläge, s. Kirchheim z.St). . . . Folgende Dinge darf man ihnen nicht verkaufen: man
verkauft ihnen keine gefallenen u. zerrissenen, keine Greuel- u. Kriechtiere, keine Fehl-
geburt eines Tieres, kein unrein gewordenes Hebeöl (so nach der Vermutung Kirchheims),
kein Getränk, in das eine Maus gefallen ist. kein todkrankes Stück Vieh u. kein Junges,
das dem Leib des geschlachteten Muttertieres entnommen ist. Obwohl die Israeliten
ein todkrankes Stück Vieh u. ein dem Mutterleib entnommenes Tier essen dürfen (wenn
es den sonstigen rituellen Anforderungen entspricht), so verkauft man es doch nicht
den S., weil es ein auf Irrtum beruhender Kauf wäre; u. wie man diese Dinge ihnen
nicht verkauft, so kauft nian sie auch nicht von ihnen; denn es heißt: „Du bist ein
für Jahve deinen Gott heiliges Volk" Dt 14,21. Da du heilig bist, so mache nicht ein
andres Volk über dich hinaus heilig (was dadurch geschehen würde, daß Israel etwas
von den S. kaufte, was diese als unrein verabscheuen). — Diese Auslegung von Dt 14, 21
findet sich anonym bereits in SDt 14, 2 § 97 (94"): „Du bist ein für Jahve deinen Gott
heiliges Volk" Dt 14, 2. . . . Werde nicht für ein andres Volk die Veranlassung heilig zu
sein. — Als Erläuterung dazu heißt es dann SDt 14, 21 § 104 (95") : Heilige dich selbst!
Wenn dir erlaubte Dinge erlaubt sind, die andre nach ihrem Brauch als verboten an-
sehen, so bist du nicht berechtigt, vor ihren Augen von der Erlaubnis Gebrauch zu
machen. — Dieser Satz als Bar auch N'-d 15"; in P^s 50 ^ zitiert ihn Abaje, f 338/39,
während ihn Rab Ghisda, f 309, ebendas. 51" ausdrücklich mit Bezug auf die S. aus-
spricht: „Denn diese Menschen würden sich daran (an die Erleichterungen, die sie bei
den Juden gesehen haben) anklammern u. daran auch bei andren Dingen festhalten"
(nämlich um sich noch weitergehende Erleichterungen zu beschaffen).
g. Annahme als Proselyten.
Tr Kuth 2 (36): Von wann an nimmt man die S. als Proselyten auf? Wenn sie den
Berg Garizim verleugnen u. sich zu Jerusalem u. zur Auferstehung der Toten bekennen.
* Diese Bestimmung gehört in ihrer Allgemeinheit erst einer späteren Zeit an;
noch im :>. Jahrh. hat man nur von den S. in Cäsarea. die sich von den dortigen Nicht-
juden wohl in nichts mehr unterschieden, Zinsen genommen : R. Jafaqob b. Acba (um 300)
hat im Namen des R. Chanina (um 225) gesagt: Den S. in Cäsarea darf man gegen
Zinsen leihen pfAZ5,44^53.
Matth 10,5(SB2g) 549
Von da au u. weiter gilt: Wer einen S. beraubt, ist wie einer, der einen Israeliten be-
raubt (der S. ist in allen Stücken dem Israeliten gleich).
«. Garizim u. Jerusalem.
GnR 81 (52^): R. Jischmafel b. Jose (b. Chalaphta, um 180) ging hinauf nach
Jerusalem, um zu beten; er kam an einer Platane (auf dem Garizim) vorüber, wo
ihn ein S. ■s":':;:; erblickte, der zu ihm sprach: Wohin gehst du? Er antwortete ihm:
Ich gehe hinauf, um in Jer. zu beten. Jener sprach zu ihm: Wäre es nicht besser für
dich, auf diesem gesegneten Berge (= G.) u. nicht auf jenem Dunghaufen (srj'^pjsp =
Jerusalem) zu beten? Ich will euch sagen, erwiderte R. Jischmafel b. Jose, wem ihr
gleicht: einem Hunde, der gierig nach Aas schnappt. Weil ihr wißt, daß ein Götzen-
bild unter ihm (dem Garizim) verborgen ist, wie es heißt: , Jakob verbarg alle Götter
der Fremde unter der Terebinthe bei Sikhem" Gn 35, 4, deshalb .seid ihr so gierig
darauf. Da sprachen sie: Der will es (das Götzenbild) nehmen! Sie berieten sich
wider ihn, um ihn zu töten. Da stand er auf u. entfloh in der Nacht. — In der
Parallelstelle pf AZ 5, 44 '^, 34 lautet die Tradition: R. Jischmafel b. J. ging nach Neapolis
(= Sikhem). Es kamen S. zu ihm. Er sprach zu ihnen: Ich sehe, daß ihr nicht diesen
Berg verehrt, sondern die Götzenbilder unter ihm, wie es heißt Gn 35,4: Jakob ver-
barg usw. Da hörte er Stimmen, die sprachen: Wir wollen uns früh aufmachen u.
jene Dornen forträumen! Daraus entnahm er, daß jene ihn töten wollten. Er machte
sich früh auf u. entkam, j — Über die von Jakob verborgenen Götzenbilder heißt es
im Buch der Jubiläen 31, 1 f . : Am Neumonde des . . . Monats redete Jakob mit allen
Leuten seines Hauses, indem er sprach: Reinigt euch u. wechselt eure Kleider; (u.)
wir wollen uns aufmachen u. hinauf gen Bethel ziehen, wo ich an dem Tage, da ich
vor dem Angesicht meines Bruders Esau floh, ein Gelübde tat dem, der mit mir war
u. mich in dieses Land in Frieden heimkehren ließ. Schafft die fremden Götter hin-
weg, die unter euch sind! Und sie nahmen die fremden Götter, u. was au ihren Ohren
u. an ihrem Halse war, weg, u. die Götzen, die Rahel ihrem Vater Laban gestohlen
hatte, gab sie alle dem Jakob, u. er verbrannte, zerstieß, vernichtete u. verbarg sie
unter der Eiche, die im Lande von Sichem war. — Die LXX übersetzen Gn 35,4;
Kai xcasxQvipsy aviä laxioß vno xi]v xsQs'ßw'/oi' r»;V iy Irjxl/uois u. setzen dann hinzu:
xnl KTicöksasy ccvrd swg r/;s OijueQoy i^uagctg. — über die Götzenbilder vgl. weiter S. 553.
554 f. II GnR 32 (19''): R.Jonathan (b. El?azar, um 220) ging hinauf, um in Jerusalem
zu beten. Er kam an einer Platane vorbei, wo ihn ein S. —':"?» erblickte, der zu ihm
sagte: Wohin gehst du? Er antwortete ihm: Ich will hinaufgehn, um in Jer. zu beten.
Jener sprach zu ihm: Wäre es nicht besser für dich, auf diesem gesegneten Berge
u. nicht auf jener Dungstätte anzubeten? Er antwortete ihm: Inwiefern ist dieser
Berg gesegnet? Er antwortete: Weil er vom Wasser der Sündflut nicht überschwemmt
wovden ist (in der Parallele DtR 3 begründet mit Ez 22, 24). Es war verborgen vor
den Augen des R. Jonathan, so daß er ihm nicht antworten konnte. In dem Augen-
blick sprach sein Eseltreiber zu ihm: Rabbi, wenn du es mir erlaubst, so will ich ihm
antworten. Er sprach: Nun wohl! Darauf sagte der Eseltreiber: Wenn dieser zu den
hohen Bergen gehört, so steht geschrieben Gn 7, 19: ,AlIe hohen Berge unter dem
ganzen Himmel wurden (mit Wasser) bedeckt." Wenn er aber zu den niedrigen
Bergen gehört, so hat die Schrift keine Rücksicht auf ihn genommen u. ihn überhaupt
nicht beachtet (also kannst du deine Behauptung aus der Schrift nicht begründen).
Alsbald stieg R. Jonathan von seinem Esel u. ließ ihn drei Mil weit darauf reiten u.
wandte drei Schriftstellen auf ihn an: Dt 7, 14: , Weder bei dir wird ein Unfrucht-
barer oder eine Unfruchtbare sein, noch bei deinem Vieh" -,r>2r:2z-), d. h. selbst nicht
bei den Viehtreibern in eurer Mitte cds» -j-^p-az; HL 4, 3: „Wie ein Granatscheibchen
deine Wange ~r-,- hinter deinem Schleier hervor," d. h. der Leere (Unwissende 't-^-',
so zu lesen statt rp'~) in eurer Mitte ist voll von Antworten wie der Granatapfel
(voll von Kernen ist), u. Jes 54, 17: „Jede Waffe, die wider dich geschmiedet wird,
wird kein Glück haben, u. jegliche Zunge, die mit dir zum Rechten sich erhebt, wirst
550 MatthlO,5(a3 2g)
du überführen; dies ist das Erbteil der Knechte Jahves." — Parallelstellen Midr HL
4, 4(111 b); DtR3 (200'^).
Um dem Pochen der S. auf ihren „gesegneten Berg" Garizim den Schriftgrund
zu entziehen — offenbar stammt die Bezeichnung aus Dt 11, 29; 27, 12 — hatte die
ältere Exegese, deren Repräsentant R. Elifezer, um 90, ist, die Behauptung aufgestellt,
daß mit dem in den genannten Dt.stellen erwähnten Garizim nicht der bei Sikhem
gelegene, sondern ein andrer Berg dieses Namens gemeint sei. Die S. schoben, um
die Heiligkeit ihres , gesegneten Berges" sicher zu stellen, in Dt 11, 30 die Orts-
bestimmung „gegenüber von Sikhem" ein u. mußten sich nun gefallen lassen, daß
man sie im zweiten nachchristl. Jahrh. jüdischerseits der Torafälschung zieh; immer-
hin aber erreichten sie, daß die jüngere jüdische Exegese anerkannte, daß der Dt 11, 29
u. 27, 12 erwähnte Garizim mit dem bei Sikhem gelegeneu Berge dieses Namens iden-
tisch sei. SDt 11, 30 § 56 (87''): „Sind diese (nämlich der fEbal u. Garizim) nicht jen-
seits des Jordan" d. h. jenseits des Jordan u. weiterhin (weithin jenseits des Jordan)?
so hat R. J'huda (um loO) gesagt. „ Hinter dem Wege, auf welchem die Sonne kommt,"
hinter (d. h. westlich von) der Stelle, an der die Sonne aufgeht u. weiterhin? (Der
Standort der Israeliten zur Zeit von Dt 11, 30 war östlich vom Jordan; „weithin jen-
seits des Jordan* weist also tief ins Land Israel hinein westlich vom Jordan; eben-
dahin weist die zweite Ortsbestimmung: „Hinter dem Wege, auf welchem die Sonne
kommt" = weitweg dem Osten gegenüber.) Es heißt Gn 12, 6: „Abräm zog im Lande
umher bis zur Stätte von Sikhem bis zur More-Terebinthe" : wie die Terebinthe,
von der da die Rede ist, Sikhem bezeichnet, so bezeichnet die T., von der hier (Dt
11, 30: „nahe bei den Terebinthen von More") die Rede ist, Sikhem. (R. J'^huda ver-
tritt die spätere Exegese, die den Garizim Dt 11, 29 mit dem G. bei Sikhem identi-
fiziert; den gleichen Standpunkt vertritt der Nächstgenannte.) R. Elfazar b. Jose^
(b. Chalaphta, um 180) hat gesagt: Ich habe zu den Schriftgelehrten der S. gesagt: Ihr
habt die Tora gefälscht, ohne etwas davon zu haben ; denn ihr habt geschrieben: „Bei den
Terebinthen von More bei Sikhem" d5» n-i»; -jiis ';:::s Dt 11, 30. (Im samaritan.Targum
findet ebenfalls sich der Zusatz „gegenüber von Sikhem" ü2V Vap.) Auch wir räumen
ein, daß dies (die in Dt 11, 29 genannten G. u. ?Ebal) der Berg G. u. der Berg fEba!
ist, die im Gebiet der S. liegen. Wir lernen das aus der Wortanalogie (s. Einl. 97)
von Dt 11, 30 u. Gn 12, 6: wie die More-Terebinthe, die dort (Gn 12, ö) erwähnt wird,
Sikhem bedeutet, so bezeichnet auch die More-Terebinthe, die hier (Dt 1 1, 30) erwähnt
wird, Sikhem. Woraus aber lernt ihr es (die ihr die Deduktionen der jüdischen Ge-
lehrten ablehnt)? R. Eli?ezer (um 90) sagte: Dies (G. u. ?Ebal in Dt 11, 29) ist nicht
der Berg G. u. der Berg sEbal, die im Gebiet der S. liegen; denn es heißt Dt 11, 30:
„Sind diese nicht an der Seite des Jordan", d. h. dicht am Jordan? „Hinter dem
Wege, auf dem die Sonne kommt", hinter der Stelle, da die Sonne untergeht (also
ganz im Osten des Landes Israel dicht am Jordan)? „Im Lande des K'^naJaniters"?
Er aber (nämlich Sikhem) gehörte nur zu den Chivvitern (vgl. Gn 34, 2); „der in der
Ebene wohnt"; sie aber (nämlich die S.) wohnen nur in den Bergen; „gegenüber von
Gilgal", sie aber (die S.) können Gilgal nicht sehen (also wohnen sie nicht in der
Nähe von Gilgal u. der Berg G. ist nicht der in ihrem Gebiet gelegene Berg dieses
Namens). R. Eli?ezer b. Ja?aqob (wohl IL, um 150) sagte: Die Schrift wollte (in Dt
11, 30) ihnen nur zum zweiten Mal den Weg anzeigen (den die Israeliten ziehen sollten),
gleichwie sie es früher (bei der Entsendung der Kundschafter) getan hatte: auf diesem
„Wege" gehet u. nicht sollt ihr auf den Äckern gehn; „der wohnt" d. h. durch be-
wohntes Land ziehet u. nicht durch die Wüste; „in der Ebene" d. h. durch Flachland
ziehet u. nicht durch die Berge. — Die Parallele pSotaT, 21^18 lautet: Dt 11, 30:
„Sind diese nicht jenseits des Jordan", vom Jordan an u. weiterhin (weit westlich
1 Ebenso in der Parallelstelle Sota 33 '^ dagegen liest pSota7, 21« R. EUazar
b. Schimfon (um 180). Bacher, Tann. 2, 42:]. legt die Autorschaft dem R. Schim?on
b. El?azar (um 190j bei.
Matth 10, 5 (SB 2g) 551
vom Jordan)? , Hinter dem Weg, auf dem die Sonne kommt", hinter (westlich von)
der Stelle, da die Sonne aufgeht? „Im Lande des K'^nafaniters, der in der Ebene
wohnt, gegenüber von Gilgal, nahe bei den Terebinthen von More?" Das ist der
Berg G. u. der Berg ?Ebal, die im Gebiet der S. liegen. Das sind Worte des R. J'^huda.
R. Eli?ezer sagte: Das ist nicht der Berg G. u. der Berg ?Ebal der S.; denn es heißt
Dt 11, 30: „Sind diese nicht jenseits des Jordan", vom Jordan an u. weiter? „Hinter
dem Weg, auf dem die Sonne kommt", hinter der Stelle, da die Sonne untergeht?
„Im Lande des K'^nafaniters?" Diese aber (die S. in Sikhem) gehören zu den Chivvitern.
„Der in der Ebene wohnt?" Diese aber wohnen zwischen den Bergen; „gegenüber
von Gilgal"? Hier gibt es kein Gilgal. „Bei den Terebinthen von More"? Hier gibt
es keine Terebinthen von More. Wie versteht dann aber R. Elifezer „den Berg G."
u. „den Berg fEbal" in Dt 11, 29? Er sagt: Zwei Steinhügel haben die Israeliten
(dicht am Jordan) hergerichtet, von d^nen sie den einen „Berg G." u. den andren
,,Berg ?Ebal" nannten. Nach der Meinung des R. J*^huda sind die Israeliten an jenem
Tage (da sie durch den Jordan zogen bis hin zum G. u. fEbal im Gebiet der S., ge-
folgert aus Dt 27. 2 in Verbindung mit Vers 12) 120 Mil weit gegangen. Nach der
Meinung des R. Elifezer (der die künstlichen Berge ?Ebal u. G. dicht am Jordanufer
errichtet werden läßt^ haben sie sich nicht von der Stelle bewegt. Bar: R. Eli?ezer
b. Jafaqob sagte: Die Schrift wollte ihnen (den Israeliten in Dt 11, 30) lediglich den
Weg darlegen u. sagen: Auf dem Wege sollen sie gehn u. nicht auf den Äckern;
durch bewohntes Land sollen sie ziehen u. nicht durch die Wüste; in der Ebene sollen
sie gehn u. nicht durch die Berge. R. El?azar b. Schim?on hat gesagt: Ich habe zu
den Schriftgelehrten der S. gesagt: Ihr habt eure Tora gefälscht u. Habt euch selbst
nichts dadurch genützt; denn ihr habt in eurer Tora schreiben lassen (Dt 11, 30):
„Bei den Terebinthen von More bei Sikhem." Ist es denn nicht bekannt, daß damit
(nämlich mit „Ter. von More") Sikhem gemeint ist? Aber ihr kennt nur nicht die
Auslegung der Wortanalogie in Gn 12, 6 u. Dt 11, 30: wie dort mit den Ter. von More
Sikhem gemeint ist, so auch hier. — Die weitere Parallele Sota 33 "^ schließt sich
ziemlich eng an Siphre an. — Die Identifizierung des G. u. des fEbal in Dt 11, 29 mit
den gleichnamigen Bergen bei Sikhem ist kanonisiert worden durch Sota 7, 5: „Als
die Israeliten den Jordan überschritten hatten, kamen sie zum Berg G. u. zum Berg
fEbal, die in Samarien liegen, seitwärts von Sikhem, bei den Terebinthen von More,
s. Dt 11, 30 u. Gn 12, 6; wie dort (Gn 12, 6) die Ter. von More Sikhem bezeichnen, so
auch hier (Dt 11, 30). |l Josephus berichtet Ant. IS, 4, 1 von einem Betrüger zur Zeit
des Pilatus, der sich anheischig machte, den S. auf dem Berge G., den sie für den
heiligsten unter den Bergen halten, die heiligen Geräte zu zeigen, die dort auf Moses
Veranlassung vergraben worden seien: üvx äntjr^ccxTo <fs &oQvßov xal ro Itt/uaQeiou
iO^fog' avaxQSCfSL yc<Q avzovg avrJQ iv okiyco rd tpEvdog zi&t'ueyog, xal e(p' rj&ofrj rrjg
7jh]fhvog Ts/i'ciCcDf rd nccyra, xsksvcjf sni zo ragtCsir oQog ccvrw awaX^^stf, o ayvö-
xaiöv re aihoi'g oqlöi' vnsiXrjTfiai, lax^Qi^EXo ts nuQayevouivoig dsi^sty r« Isgct axsi'tj
rfjtfs xaroQWQvyfAEy«, Mawastog rrjde ccvTcöy noirjaafxsrov xatä&saip. — Ebenso sagt
Joseph. Bell. J. 3,7, 32 vom Berg G., daß er den S. heilig sei, 'öueq avToig sariv Ixyiov. —
Über die Gerichtsverhandlung vor Ptolemäus Philometor, betr. die Heiligkeit des
jüdischen u. des samaritan. Tempels s. unten Nr. 5 Joseph. Ant. 13, 3, 4. — Zum Fern-
bleiben von Jerusalem als Charakteristikum der S. s. N'^d 3. 10 oben in Nr. 2, c S. 543«.
^.DieSamaritaneralsLeugnerdesAuferstehungsglaubens,
Midr Qoh 5, 10(271^): Ein S. fragte den R. Meir (um 150) u. sprach zu ihm:
Werden die Toten wieder aufleben? Er antwortete ihm: Ja! Jener sprach: Lii ver-
borgenen oder frei öffentlich? Er antwortete ihm: Frei öffentlich. Jener sprach: Wo-
her kannst du mir das beweisen? Er antwortete ihm: Nicht aus der Schrift, auch
nicht aus der traditionellen Lehre (so hier nrs's). sondern aus einem Vorgang des ge-
wöhnlichen Lebens. In unsrer Stadt lebt ein vertrauenswürdiger Mann ; jeder legt bei
ihm im geheimen Deposita nieder u. er gibt sie ihnen frei öffentlich wieder. Da kam
552 Matth 10, 5 (S 2. 3)
einer u. deponierte etwas bei ihm frei öffentlich; wie wird er es ihm wiedergeben,
im geheimen oder frei öffentlich? Doch, wohl frei öffentlich? Jener sprach: Ganz
gewiß! R. Meir antwortete ihm: Wollen deine Ohren nicht hören, was dein Mund
spricht? Die Menschen legen bei ihren Frauen einen weißen (Samen- )Tropfen zur Auf-
bewahrung nieder u. Gott gibt ihnen diesen Tropfen frei öffentlich in der Gestalt
eines schönen u. vollkommenen Geschöpfes wieder. Sollte der Tote, der öffentlich
dahingeht, nicht vielmehr frei öffentlich wiederkehren? Wie er unter lauten Stimmen
(der Klage) dahingeht, so wird er auch mit lauten Stimmen (der Freude) wieder-
kommen. - Den gleichen Gedanken hat R. Joschijja (um 140) ausgesprochen B'rakh 15'^;
Sanh 92 ^ || Sanh 90'^: Der Patriarch der Saniaritaner ^ fragte den R. Meir (um 150)
u. sprach: Ich weiß, daß die Entschlafenen wieder aufleben werden; denn es heißt
Ps 72, 16: ,Sie werden hervoiblühen (d. h. auferstehen) aus der Stadt wie das Gras
der Erde." Aber wenn sie auferstehen, werden sie nackt oder 'werden sie in ihren
Kleidern auferstehn? Er antwortete ihm: Man kann vom Weizenkorn aus die Schluß-
folgerung vom Leichteren auf das Schwerere ziehen : wenn das Weizenkorn, das nackt
in die Erde gelegt wird, in wer weiß wie vielen Umkleidungen wieder hervorwächst,
um wieviel mehr gilt das dann von den Gerechten, die in ihren Gewändern begraben
werden! || SNu 15, 31 § 112 {'6Z^): , Ausgerottet, ja ausgerottet soll diese Seele werden,
ihre Sünde ist an ihr* Nu 15, 31. R. Schim?on b. Elfazar (um 190) hat gesagt: Von
dieser Schriftstelle aus habe ich die Bücher der S. der Fälschung geziehen; denn sie
pflegen zu sagen: Die Toten werden nicht wieder aufleben. Ich sprach zu ihnen:
Siehe, es heißt: Ausgerottet, ja ausgerottet soll diese Seele werden, ihre Sünde ist
(trotzdem die Ausrottung hier unten an ihr vollzogen ist, dennoch) an ihr! Die Worte:
,Ihre Sünde ist an ihr" wollen nur besagen, daß man dereinst wird müssen Rechen-
schaft ablegen am Tage des Gerichts (also müssen die Toten auferstehn, um vor
Gottes Gericht erscheinen zu können). — In Sanh 90'' lautet die Tradition so:
R. Elifezer b. Jose (1. R. Elfazar b. J., um 180) hat gesagt: Mit diesem Wort habe
ich die Bücher der S. n-ns ■'-e-c der Fälschung geziehen; denn sie pflegen zu sagen:
Es gibt keine Auferstehung der Toten nach der Lehre der Tora (hier im engern
Sinn = Pentateuch, den allein die S. als verbindlich anerkennen). Ich sprach zu ihnen:
Ihr habt eure Tora gefälscht, '^ ohne dadurch irgendeine Stütze füi- eure Behauptung
zu gewinnen, daß die Wiederbelebung der Toten sich nicht aus der Tora beweisen
lasse; denn es heißt ja Nu 15, 31 (wie oben); „ausgerottet, ja ausgerottet soll sie
werden", nämlich in dieser Welt; „ihre Sünde ist an ihr", wann denn? nicht in der
zukünftigen Welt (am Tage der Auferstehung)?
3. Gegen das Ende der mischnischen Periode setzte wieder eine
schärfere Stellungnahme gegen die S. ein.a Schon Rabbi erklärte, daß
sie in allen Stücken den NichtJuden gleichzuachten seien, b Später warf
man ihnen Taubenverehrung vor u. klagte sie des völligen Abfalls zum
Heidentum an unter Diokletian (284 — 305 n. Chr.). Etwa um 300 war
der völlige Bruch zwischen der Synagoge u. den S. zur vollendeten Tat-
sache geworden: von da an galten die letzteren als Heiden. c
O. pfAZo, 44^', 30: R. Schim?on b. Elfazar (um 190) ging in eine Stadt der S.
'^^•'-'■ovi ; es kam ein (samaritan.) Lehrer zu ihm, zu dem er sprach : Bringe mir einen
verschlossenen Krug (Wein) ! Er antwortete ihm: Siehe, ein Quell ist vor dir, trinke
1 So nach der ansprechenden Vermutung Bachers, Tann 2, 68, der statt des sinn-
losen sri'^s K-MEip ^= Königin Kleopatra zu lesen vorschlägt -npis- sp-iuE.
* Vermutlich hat man dabei an Dt 11, 9 zu denken, wo die S. das Wort , ihnen"
tilgten, aus welchem man jüdischerseits (zB Rabban Gamliel, um 90, Sanh HO'-*) einen
Schriftbeweis für die Auferstehung hernahm: es heißt nicht „euch" (den Lebenden)
zu geben, sondern „ihnen" (den verstorbenen Vätern) zu geben; also müssen diese einst
wiederkehren. Auch der samaritan. Targum hat „ihnen" in Dt 1, 8 u. 11, 9 getilgt.
Matth 10, 5 (» 3. 4) 553
aus ihm (u. nicht von dem Wein der Samaritaner, selbst wenn er in einem ver-
schlossenen Kruge sich befindet). Er bat ihn dringender; doch jener erwiderte: Siehe,
ein Quell ist vor dir, trinke aus ihm! Als er sah, dafs er ihn weiter dringend bat,
sprach er zu ihin: Wenn du Herr deiner Begierde bist, siehe, ein Quell ist vor dir,
trinke aus ihm; wenn aber deine Begierde dein Herr ist, „so setze ein Messer an
deine Kehle, wenn du ein Gieriger bist" (Spr 23, 2); schon sind die S. entartet (in
Götzendienst). Kürzer Chull 6^. — Vgl. auch das Urteil des R. Schim'on b. Jochai
(um löO) in pP^s 1,27'', 45 unter Nr. 2, c S. 543,1
b. TT''rum4. 14 (32): Ein S. ist wie ein Heide; das sind Worte Rabbis. — Dies
Urteil ist oft wiederholt worden, zB pB^rakh 7, 11 '', 12; pK'^th 3, 27^ 54; pD«'mai
<5. 25"' 44; pSch^ql, 46'', 8.
C. pcAZ 3, 44'', 39: R. Abbahu (um 300) hat den Wein der S. verboten (so daß
er wie der Wein der Heiden als Götzenopferwein galt), u. zwar auf eine Aussage des
R. Chijja (um 280), des R. Asi (um 300) u. des R. Ammi (um 300) hin. Diese waren
nämlich auf den Königsberg (Gebirge Ephraim) gegangen, wo sie einen Goi sahen,
der in bezug auf den Wein der S. sich verdächtig machte. Sie kamen u. sagten es
vor R. Abbahu. Dieser sprach zu ihnen: Das sollten wir nicht als Vorwand nehmen
(ihren Wein zu verbieten)? Andre wollen als Grund folgendes angeben: An einem
Sabbatvorabend fand sich einmal im ganzen samaritan. Lande -;; -u-'sp •sii kein Wein
vor; u. am Tag nach dem Sabbat war es voll von dem Wein, den die Heiden gebracht
u. die S. von ihnen gekauft hatten. Andre wollen folgenden Grund angeben: Als der
Kaiser Diokletian hierher kam, ordnete er an u. sprach: Alle Nationen sollen (ihren
Göttern) ein Trankopfer darbringen mit Ausnahme der Juden! Da brachten auch die
S. das (heidnische) Trankopfer dar, infolgedessen ihr Wein verboten wurde. Andre
wollen folgenden Grund angeben: Einen Götzen, der wie eine Taube aussieht, hatten
sie, u. dem brachten sie Trankopfer dar. Die S. von Cäsarea fragten den R. Abbahu
(dessen Wohnsitz Cäsarea war): Eure Väter haben von dem Unsren gegessen, warum
esset ihr nicht von dem Unsren ? Er antwortete ihnen : Eure Väter haben ihre Hand-
lungen (ihren Wandel) nicht verderbt, ihr aber habt eure Handlungen (heidnisch) ver-
derbt. — Im Parallelbericht Chull 6-' heißt es: Rab Nachman bar Ji9chaq (t 356) hat
gesagt: Ein Taubenbild hatten die S. auf dem Berg G. gefunden, u. das haben sie
verehrt (nach dem Zus.hang zur Zeit des R. Meir, um 150) . . . R. Abbahu hatte den
R. Ji^chaq b. Joseph (seinen Schüler) ausgesandt, Wein von den S. zu holen. Dieser
traf einen Alten, der zu ihm sagte: Hier gibt es keine Beobachter der Tora. R. Ji^chaq
kam u. erzählte dies vor R. Abbahu. Dieser ging u. erzählte es vor R. Ammi u. R. Asi,
u. sie rührten sich nicht von dannen, bis sie die S. zu völligen Nichtisraeliten '—33
•)->-ii'23 erklärt hatten. |1 Sauh 63 "^ s. unter der folgenden Nr. 4.
4. Zur Geschichte der Samaritaner.
Tanch ri-'i (43''): Die S. werden nicht zu den siebzig Völkern (der Erde) gerechnet,
sondern als Überbleibsel von den fünf Völkern, die der König von Assur gefangen
führte, s. 2 Kg 17, 24: Der König von Assur ließ Leute aus Babel, aus Kutha, aus
Avva, aus Chamath u. aus S'^pharvajim' kommen u. siedelte sie in den Städten Sama-
riens an. R. Jose (b. Chalaphta?, um 150) sagte: Er fügte zu ihnen noch vier hinzu,
so daß es neun wurden, s. Esra 4, 9: Die Dinäer, u. Apharsathkhäer, Tarp'läer, Aphar-
säer, Ark'^^väer, Babylonier, Schuschankhäer, D^'häer, «Elamäer (im Tanchumatext die
beiden letzten Namen: s—in u. •mr:'-:-^). Als die Israeliten aus Samarien fortgeführt
waren, sandte Sanherib seine Untergebenen u. siedelte sie in Samarien an, um der
Regierung Tribut zu zahlen. Gott sandte Löwen unter sie, s. 2 Kg 17, 25 f. Der König
ließ alle Ältesten Israels (im Exil) zusammenrufen u. sprach zu ihnen: Alle jene Jahre,
da ihr in euerm Land gewesen seid, hat euch kein Wild des Feldes gewürgt, warum
geschieht es denn jetzt? Sie dachten: Wir wollen ihm etwas sagen, ob er uns viel-
leicht nach unsrem Land wieder entläßt. Sie sprachen also zu ihm: Das Land nimmt
kein Volk an, wenn es sich nicht mit der Tora beschäftigt u. wenn es nicht be-
554 Matth 10, 5 (» 4)
sclinitten ist. Er antwortete ihnen : Gebt mir zwei aus eurer Mitte, daß sie dort hin-
gehen u. jene unterweisen; u. das Wort des Königs ist unwiderruflich. Alsbald sandten
sie den R. Dos'^thai b. Jannai u. den R. Sabaja ^ dorthin, die unterwiesen sie in einem
Torabuch mit samaritan. Schrift.- Gleichwohl fürchteten sie Jahve u. dienten (zugleich
auch) ihren Göttern (vgl. 2 Kg 17, 33), bis Esra aus Babel heraufzog u. Zerubbabel u.
Josua b. J'^ho^adaq, die mit dem Bau des Heiligturas begannen, s. Esra 5, 2. In jener
Zeit kamen die S. ■s'z'r.^v über sie zum Kampf, 180000 Mann stark. Aber waren es
denn S., waren es nicht vielmehr Kuthäer a—r-3? Allein sie nannten sich nach der
Stadt Samaria „Samaritaner". Auch suchten sie den Nehemia zu töten, s. Neh 6, 2,
u. unterbrachen die Arbeit am Hause Jahves zwei Jahre, s. Esra 4, 24. Was taten
Esra, Z'^rubbabel u. Josua? Sie versammelten die ganze Gemeinde zum Heiligtum
Jahves u. ließen 300 Priester u. 300 Posaunen u. 300 Torabücher u. 300 Kinder holen:
dann stieß man in die Posaune, während die Leviten sangen u. spielten, u. verhängte
über die S. a"rn: Acht u. Bann u. Exkommunikation durch das Geheimnis des deutlich
ausgesprochenen Jahvenamens vifo-n av u. durch eine Schrift, die auf die Tafeln ge-
schrieben war, u. durch einen Bann des obern (himmlischen) u. des untern Gerichts-
hofs dergestalt, daß niemand aus Israel das Brot eines S. ^r-3 essen sollte; von hier
aus hat man gesagt: ,Wer'das Brot eines S. ißt, ist wie einer, der Schweinefleisch
ißt"; u. daß kein S. ins Judentum aufgenommen werden u. daß sie keinen Anteil an
der Auferstehung der Toten haben sollten; denn es heißt Esra 4, 3: Nicht euch u. uns
gebührt es, das Haus Jahves unseres Gottes zu bauen (d. h. nach der Deutung in
Pirqe RE: weder in dieser, noch in der zukünftigen Welt) u. daß sie keinen Anteil
u. keinen Besitz (1. mit Jalqut u. Pirqe RE nVn: statt ~~.~'^) u. kein Gedächtnis in
Jerusalem haben sollten. Dann unterschrieben u. untersiegelten sie den Bann u. sandten
ihn an alle Israeliten in Babel; die fügten noch einen Bann hinzu, u. der König Koresch
verhängte über sie einen ewigen Bann, wie es heißt Esra 6, 12: Der Gott, welcher
seinen Namen dort wohnen läßt, stürze jeden König u. Volk, welches seine Hand aus-
streckt, um abzuändern, um zu schädigen dieses Gotteshaus in Jerusalem. — Parallel-
stellen: Pirqe RE 38 (21«); Jalqut zu 2 Kg 17, 24.
Sanh 63'^: Rab J'^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Es heißt
2Kgl7, 30f.: ,Die Leute von Babel machten sich die p-j:; r-rc." Was ist das?
Das ist eine Henne. „Die Leute von Kuth machten sich den -;■:." Was ist das?
Das ist ein Hahn. „Die Leute von Chamath machten sich die s-i-i-s." Was ist das?
Das ist ein kahler Bock srrip sn-ia. „Die cAvväer machten sich den rna: (der Text
in Sanh liest "a:) u. den pri""." Was ist das? Das ist ein Hund (Beller, von nz:
bellen) u. ein Esel. „ Die» S'pharväer verbrannten ihre Söhne u. Töchter in Feuer dem
Adrammelekh u. dem cAnammelekh, ~-'?.5?.j ~?.'r.""'5~i den Göttern von S^pharvajim."
Was ist das? Das ist ein Maultier u. ein Pferd; -psii-s, weil es seinen Herrn durch
das Tragen der Last ehrt (i-n, so nach Raschi); -^'o:?, weil es seinem Herrn im
Kampf antwortet ("jy, hier wohl = erhört, hilft). — Anders pcAZ S, 42'', 66: „Die Leute
von Babel machten sich die rizz msD*, d. i. eine Henne samt ihren Küchlein Nr^"i;:ir
n-rrns-i. ^Die Leute von Kuth (andre Ausgaben; Leute von Beth-Schemesch) machten
sich den h:.^:" (das ist die Figur eines Fußes V;i als Symbol des Glücksgottes, mit
Rücksicht auf) die Segensspuren Jakobs u. Josephs, wie es heißt Gn 30, 7 : Ich habe
durch Zeichendeutung wahrgenommen, daß Jahve mich um deinetwillen (i-'-ja = -7:^3)
gesegnet hat; u. Gn 39, 5 heißt es: Jahve segnete das Haus des Ägypters um Josephs
* Der Name Dos'thai stammt wohl aus der Erinnerung an den samaritan. Sekten-
stifter Dositheus; ein R. Dos*^thai b. Jannai lebte um 180; statt n--2C lie.st Jalqut sao;
Pirqe RE r"=T ''.
''■ Der Text lautet in Tanch: i-siai "i-p-^-j-iS t"z arra crrs •-'o'-'.; in Pirqe RE
D-:-!3i "iip-ii:!: sraa n-Tn -so onx •— tisV^ i^n:; Jalqut = Pirqe RE unter Fortlassung
von n-nav Wir folgen dem Text von Pirqe RE, halten Tp-^Lii: für Korruptel aus
■'p-'j-icc = samaritanisch, u. a^rnz" für eine erklärende Randglosse zu -p'-i-ic, ent-
standen aus =*r-:.
Mafcth 10, 5 (33 4) 555
willen.' ^ Die Leute von Chamath machten sich die Nfj-ms* (Talmudtexfc liest: n»3'rs),
das ist ein Lamm siys, wie es heißt Lv 5, 16: „Der Priester schaffe für ihn Sühnung
durch den Widder des Schuldopfers* oxxn h^s. ^Die cAvväer machten sich den pn:"
(so der Talmudtext statt Tan;), das ist ein Hund, „u. den -r'^n", das ist ein Esel si^an.
,Die S*^pharväer verbrannten ihre Söhne u. Töchter in Feuer dem Adrammelekh u.
dem cAnammelekh," das ist ein Pfau u. ein Fasan. — Damit ist der Ausspruch jenes
S. zu vergleichen, den der Patriarch Seduna von Gaza mitteilt, s. Heidenheim, Die
Samaritanische Pent. -Version, Genesis S.VHI Anm., u. welcher lautet: „Denn unsre
Väter haben die Tora Jahves verlassen u. haben dem Götzen V-j-iP (Hahn) gedient,
der in der samaritan. Sprache ,Nergal' heißt." — Über die Götzenbilder der S. vgl.
auch S. 549 u. 553. Il Über die Gründung des Tempels auf dem Garizim durch Sanballat
u. den Priester Manasse s. Joseph. Ant. 11, 8, 2—7. Il M'^g Tacan 9: Am 21. Kislev
(ungefähr Dezember) ist der Tag des Garizimberges; an ihm sind Trauerriten nicht
erlaubt. An diesem Tage erbaten sich die S. von Alexander dem Mazedonier (in Anti-
patris, s. unten) das Haus unsres Gottes, um es zu zerstören. Sie sprachen zu ihm:
Verkaufe uns ein Stück Land auf dem Berge Morijja in Größe von 5 Kor Aussaat.
Er gab es ihnen. Sie kamen u. taten es Schim<on, dem Gerechten (der aber zur Zeit
Alexanders des Großen nicht Hoherpriester war), kund. Was tat dieser? Er legte die
Priestergewänder an u. hüllte sich in sie ein; die Vornehmen Jerusalems u. tausend
Ratsherren begleiteten ihn, bedeckt mit weißen Gewändern; die junge Priesterschaft
aber schlug an die Dienstgeräte, während Feuerfackeln die ganze Nacht hindurch vor
ihnen leuchteten (man hatte sich also sofort auf den Weg zum König gemacht). Diese (die
Juden) zogen von der einen Seite u. jene (die nach Jerusalem gekommenen samaritan. Ab-
gesandten) von einer andren Seite (nach Antipatris in Alexanders Lager) [bis das Morgen-
grauen aufstieg. Als das Morgengrauen aufgestiegen war]^ sprach er (Alexander) zu
ihnen (den S. in seiner Umgebung): Wer sind jene? Es antworteten ihm die Verräter:
Das sind die Juden, die sich gegen dich empört haben. Als man nach Antipatris kam,
ging ihnen die Sonne auf; als man bis zum ersten Wachtposten gelangt war, trafen sie
(die Juden u. die samaritan. Abgesandten) zusammen. Mau sprach zu ihnen: Wer seid
ihr? Sie antworteten: Wir sind Männer aus Jerusalem u. sind gekommen, das An-
gesicht des Königs zu begrüßen. Als Alexander von Mazedonien Schinicon, den Ge-
rechten, erblickte, stieg er herab von seinem Wagen u. verneigte sich vor ihm. Man
sprach zu ihm: Ein großer König wie du soll sich vor diesem Juden verbeugen?!
Er antwortete: Das Bild dieses sah ich (in einer Vision), als ich zum Kampfe auszog
u. siegte. Er sprach zu den Juden: Zu welchem Zweck seid ihr gekommen? Sie ant-
worteten: Den Ort, an welchem wir für dich u. für deine Herrschaft beten, daß sie
nicht zerstört werde — sollten diese dich irreführen, daß du ihn ihnen gäbest? Er
sprach: Und wer wäre das? Sie antworteten: Die Samaritaner, die vor dir stehen.
Er sprach: Siehe, sie sind in eure Hand gegeben! Was machte man mit ihnen? Man
durchstach sie an ihren Fersen u. hängte sie an die Schweife ihrer Pferde u. schleifte
sie über Dornen u. Brennesseln, bis man zum Berge G. kam. Diesen pflügte man um
u. besäte ihn mit Wicken, gleichwie sie dem Hause unsres Gottes hatten tun wollen.
Und diesen Tag, an welchem man solches den S. getan hatte, machte man zu einem
Festtag. Dasselbe als Bar Joma 69 ^. — Diesen Vorfall, aber mit andrer Motivierung,
verlegt Joseph. Ant. 11, 8, 8 — 6 in die Zeit des Hohenpriesters Jaddua, des wirklichen
Zeitgenossen Alexanders des Gr. Wie der Name des Hohenpriesters, den die Bar nennt,
der geschichtlichen Situation nicht entspricht, so ist auch die Veranlassung der Gesandt-
schaft an AI. u. die Verwüstung des Berges G., von denen die Bar berichtet, eitel Legende.
Der Schluß der Geschichte wird herstammen aus Reminiszenzen an die Zerstörung des
1 <AZ o, 2: Wenn man die Figur einer Hand oder eines Fußes findet, siehe, so
sind diese (als Götzenbilder) verboten, weil dergleichen verehrt wird.
2 Die in eckige Klammer gesetzten Worte sind aus Joma 69='; der Text in M'^g
Ta<an hat eine störende Lücke.
556 Matth 10, 5 (5B 4. 5)
Tempels auf dem G. durch Johannes Hyrkan bald nach dem Tode des Antiochus VII.
Sidetes (f 128 v.Chr.), s. Joseph. Ant. 13, 9, 1 ; Bell 1, 2, 6. - Über die unter Antiochus
Ephiphanes (175 — 164 v. Chr.) erfolgte Umwandlung des samaritan. Heiligtums in
einem Tempel des Zst'g Senog s. 2 Makk 6, 2 u. Joseph. Ant. 12, 5, 5 (hier irrtümlich
Zsvg 'EXXijyiog). \\ Joseph. Ant. 12,4, 1: Ey tovtm xm X9°*''!' Ictf/agst^s ev TiQÜaaovisg
noAA« tovglov6cdovg ixäxwaav, n^vze ^cÜQuy avtiöy TSfiorrsg, xai awjuctTa dia^Tniactyreg'
eysvsTo de r«rr« ^n'i do)(iEQS(og 'Oulov (IL, zur Zeit des Ptolemäus III. Euergetes
247—222 V. Chr.). 1| Joseph. Ant. 13, 10, 2 f.: Kai aroaisvsi (Ygxayog, 185—104 v. Chr.)
inl ^üaftaQSiay nöhv 6}(vgo)iäTt]y . . . TiQoaßakojy d'at^trj qpiXonöytjg inoXiogxei, fxiao-
TJoyrjQwy lolg lufiuQEvaiy, imsQ lov MaQtaarjyovg, dnolxovg oyzag 'Jov&cdwy xni avfi-
udxovg, rjSlxrjaay, vnaxovoyisg xoTg xiov Ivgwy ßaatXevai . . . 'ygxccyog /uey ovv trjy
■nöhy iXwy, eyiavxiä nohoQxrjaag, orx tjgxsadt] fiöyo) xoi'xw, «AP.« xai ndaccv avirjy
rjq;üyiaEy, snixkvaroy xoig %sif^c<QQoi,g noiijaecg' diaaxdipag ycig avxrjy, wtxs si'g /«pa-
dgng juexansasiy, xd arjfisTn xoH ysyEa&nt tjots nöh.y Ki'x^y «qcft'Afro. || pTaEan 4, 68''55:
Drei u. ein halbes Jahr hat Hadrian Beth-ter (im Gebirge Ephraim) belagert, während
R. Elcazar aus ModiEim (der Onkel des Bar-Kokb^ba) in Sack u. Asche saß u. täglich
betete: Herr der Welten, sitze heute nicht zu Gericht (über uns), sitze heute nicht
zu Gericht! Schon wollte Hadrian abziehen; da sprach ein S. zu ihm: Ziehe nicht ab;
denn ich habe ersehen, was zu tun ist, daß die Stadt dir übergeben werde. Er ging
nun durch die Wasserleitung der Stadt hinein nach Beth-ter (um von niemand ge-
sehen zu werden). Als er hineingelangt war, fand er den R. Elcazar aus ModiHm im
Gebet stehend. Er stellte sich, als ob er ihm etwas in seine Ohren flüsterte. Die
Einwohner der Stadt bemerkten ihn, führten ihn zu Ben-Kozeba u. sprachen zu ihm:
Wir haben diesen Alten gesehen, wie er deinem Oheim etwas gesagt hat! Er sprach
zu ihm: Was hast du ihm gesagt u. was hat er dir geantwortet? Er sprach: Wenn
ich es dir sage, so tötet mich der König (Hadrian), u. wenn ich es dir nicht sage, so
tötest du mich; aber es ist besser für mich, daß mich der König tötet u. nicht du!
So sagte er ihm denn: Er (R. El'azar) hat mir gesagt: Ich werde die Stadt ausliefern.
Ben-Kozeba ging zu R. El'azar aus ModiHm u. sprach zu ihm: Was hat dir dieser
S. gesagt? Er antwortete: Gar nichts! Und was hast du zu ihm gesagt? Er ant-
wortete: Gar nichts! Da gab er (Ben-Kozeba) ihm einen Fußtritt u. tötete ihn. So-
fort ging eine Himmelstimme aus, welche sprach: Wehe, du nichtsnutziger Hirt, der
die Herde im Stich läßt! Schwert über seinen Arm u. sein rechtes Auge! Sein Arm
müsse gar verdorren u. sein rechtes Auge gar erblindeö! (Sach 11, 17). Du hast den
R. EUazar aus Modilim getötet, den Arm von ganz Israel u. das rechte Auge ; deshalb
soll der Arm dieses Mannes (d. h. dein Arm) gar verdorren u. sein rechtes Auge gar
erblinden. Alsbald wurde Beth-ter eingenommen u. Ben-Kozeba getötet. Man kam
mit seinem Kopf zu Hadrian. Er sprach: Wer hat diesen getötet? Ein S. antwortete:
Ich habe ihn getötet. Er sprach zu ihm: Zeige mir sein Glied (das membrum virile,
nach den Kommentaren hier = Leib). Er zeigte ihm sein Glied. Man fand eine
Schlange darum gewunden. Da sagte er: Wenn ihn nicht die Gottheit getötet hätte,
wer hätte ihn töten können! Dann wandte er auf ihn Dt 32, 30 an: Wenn nicht ihr
Fels sie verkauft u. Jahve sie ausgeliefert hätte! — Dasselbe mit Abweichungen Midr
KL 2, 2 (63"). !| pJ«'b S, 9^, 14: R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Dreizehn Städte haben
sich in den Tagen der Religionsverfolgung (unter Hadrian) mit den S. vermischt (sind
samaritanisch geworden).
5. Gehässigkeiten, Feindseligkeiten, Disputationen u. Neckereien.
Sir 50, 25 f. (nach dem hebr. Text): Gegen zwei Völker empfindet meine Seele Ekel
u. das dritte ist kein Volk: gegen die Bewohner von Se?ir u. Philistäa u. das törichte
Volk (-35 -ii, vgl. Dt 32,21), das in Sikhem wohnt. || Joseph. Antiq. 1S,2,2: Als Co-
ponius (der erste Prokurator Judäas, etwa 6 — 9 n. Chr.) Judäa verwaltete, der, wie ich
gesagt habe, mit Quirinius dorthin gesandt war, trug sich folgendes zu. Wenn das Fest
der ungesäuerten Brote, das wir Passah nennen, gefeiert wurde, hatten die Priester
Matth 10, 5 (SB 5) 557
•
die Gewohnheit, von Mitternacht an die Tore des Tempels zu öffnen. Kaum war da-
mals nun deren Öffnung erfolgt, da nahmen S., die heimlich nach Jerusalem gekommen
waren, eine Verstreuung menschlicher Geheine in den Tempelhallen vor (um das Heilig-
tum levitisch unrein zu machen). Infolgedessen verbot man allen (Samaritanern) das
Heiligtum, woran man früher nicht gedacht hatte. |! Joseph. Antiq. 20, 6, 1 : Den S. er-
wuchs Feindschaft gegen die Juden aus folgender Veranlassung. Die Galiläer hatten
die Gewohnheit, wenn sie zu den Festen nach der heiligen Stadt pilgerten, ihren Weg
durch das Gebiet der S. zu nehmen. Damals (etwa i. J. 52 n. Chr. zur Zeit der Statt-
halterschaft des Ventidius Cumanus) fingen etliche aus dem Dorfe Ginäa, das im Ge-
biet Samarias u. der großen Ebene liegt, unterwegs mit ihnen eine Schlägerei an, wobei
sie ihrer viele töteten. (Es folgt dann der ausführliche Bericht über die Rache, die
man jüdischerseits an den S. nahm, nachdem der von den letzteren bestochene Cumanus
die Bestrafung der Schuldigen abgelehnt hatte, über das Einschreiten des Cumanus
gegen die Juden, über die Verhandlungen der Juden mit Ummidius Quadratus, dem
Statthalter von Syrien, u. vor dem Kaiser in Rom, die endlich zur Verbannung des
Cumanus führten). — Ein Parallelbericht findet sich Joseph. Bell. 2, 12, 3 ff. Der Vorfall
ist ein Seitenstück zu Lk9, 52f. !| RH 2,2: Früher zündete man Signalfackeln an (auf
den Bergen, um den Anfang eines neuen Monats bekanntzugeben); als aber die S.
damit Unfug trieben (indem sie zur Irreführung der Juden ihrerseits Bergfeuer auf-
lodern ließen), bestimmte man, daß Boten ausgesandt würden (um die Meldung den
entfernt wohnenden Juden zu überbringen). Vgl. TRH 1, 2 (210). Nach pRH 2, 58=». 5 hat
Rabbi die Signalfackeln abgeschafft. pSchebifith 9, 88 '^ 29: (Als R. Schimfon b. Jochai,
um 150, mit seinem Sohne El?azar das dreizehnjährige Höhlenleben aufgegeben hatte)
sprach er: W^ir wollen Tiberias reinigen (durch Aufsammeln u. Entfernen von mensch-
lichen Gebeinen). Er nahm Lupinen (von Priesterhebe), zerschnitt sie u. warf sie umher.
Überall, wo sich ein Toter befand (in einem Acker), kam er zum Vorschein u. stieg
(durch ein Wunder) an die Oberfläche empor. (Dann kennzeichnete er die Stelle, damit
sich die Priester vor Verunreinigung hüten möchten.) Ein S. hatte ihn beobachtet u.
sprach: Ob ich nicht hingehn soll, um diesen Alten (^er Juden lächerlich zu machen?
Er nahm einen Toten, ging hin u. verscharrte ihn an einer Stelle, die jener gereinigt
hatte. Dann kam er zu R. Schimfon b. Jochai u. sprach zu ihm: Hast du nicht die u.
die Stelle gereinigt? Komm mit, so will ich dir dort einen Toten hervorholen. R. Schim?on
b. Jochai sah im heiligen Geist (d. h. durch prophetische Begabung), daß jener ihn dort
hingelegt hatte, u. sprach: Ich bestimme über die Oberen (— die auf der Erde leben),
daß sie hinabfahren (ins Grab), u. über die Unteren (= die in der Erde ruhen), daß
sie emporkommen (u. leben). Und so geschah es. (Der S. starb u. der von ihm Ver-
scharrte stand auf.) Dasselbe P'^siq 89'^; GnR 79 (51-'); MidrQoh 10,8 (47^); vgl. auch
Schab 34=*. InMidrEsth 1, 9 (89") fehlt dieser Abschnitt; desgl. in Midr Ps 17 § 13 (67''). j|
pMSch4, 55c, S: Ein S. sprach: Ich will gehn u. diesen Alten der Juden (gemeint ist
R. Jischmaf el b. Jose, um 180) lächerlich machen. Er kam zu ihm u. sprach zu ihm:
Ich habe im Traume vier Zedern, vier Sykomoren, ein Gestell u. das Fell einer Kuh
gesehen, u. dieser Mann (d. h. ich) saß u. trat darauf. Er antwortete : Möge der Geist
dieses Mannes (d. h. dein Geist) hinschwinden! Das ist gar kein Traum; aber trotzdem
sollst du nicht leer ausgehn: Die »vier Zedern" bedeuten die vier Seitenbretter des
Bettes; die „vier Sykomoren" die vier Füße des Bettes; „das Gestell" die Latten (die
den Boden des Bettes bilden), „das Fell" einen Tierbalg mit Stroh gefüllt (1. n^t statt
ü~z), „die Kuh" die Decke (die über die Strohunterlage gebreitet wird; so nach dem
Kommentar; Levy 3, 224 '»i sri-ir bedeutet die Latten, eig. Finger, über welche die Stricke
gezogen werden). „Dieser Mann saß u. trat darauf" bedeutet: Dieser Mann (= du)
wird darauf liegen u. weder leben noch sterben können. Und so geschah es ihm. —
Dasselbe mit Abweichungen Midr KL 1, 1 (47*'). Voraufgeht hier eine längere Erzählung,
wie R. Jischma?el b. Jose einen unwissenden samaritan. Traumdeuter rektifiziert, um
dessen Deutungen seine eigenen entgegenzusetzen. || pMQ '.i, SS**, 33: R. Schimfon
b. Laqisch (um 250) reiste auf einer Straße. Es gesellte sich ein S. zu ihm, der eme
558 Matth 10, 5 (33 5)
0
Gotteslästerung ausstieß, u. R. Scbimfon zerriß daiob sein Gewand; jener stieß aber-
mals eine Gotteslästerung aus, u. dieser zerriß wiederum sein Gewand. Dann stieg er
aber von seinem Esel u. gab dem S. einen Schlag auf das Herz u. sprach zu ihm:
Du Frevler, hat deine Mutter genug Kleider für mich (daß ich die meinigen deinet-
wegen zerreißen kann)? — Dasselbe pSanh 7, 23'^, 5. || pf AZ 3, 42', 19: Als R. Abbahu
(um 300) starb, weinten die Säulen von Cäsarea (Wohnsitz des R. Abbahu). Da sprachen
die (dort wohnenden) S.: Die (Säulen) lärmen vor Freude! Die Israeliten antworteten
ihnen: Sollten die Fernen (d. h. die Säulen) wissen, wie die Nahen (d. h. die S.) vor
Freude lärmen? (Über Abbahu als Gegner der S. s. oben S. 553 Anm. f.) Die Kommentare
bieten als zweite Erklärung: Sollten die Fernen (d. h. die S.) verstehen, wie die Nahen
(d.h. die Säulen) lärmen vor Trauer? — Der Parallelbericht inMQ25'\ der die Be-
merkung der S. nicht erwähnt, enthält nur die Worte: Als die Seele des R. Abbafhu
zur Ruhe einging, ließen die Säulen von Cäsarea Wasser (= Tränen) niederfallen. —
Vgl. die Erzählung des Eusebius, wie bei einer Christenverfolgung in Cäsarea die
dortigen Säulen Tränen über die vorgekommenen Greuel vergossen hätten, s. de Mart.
Palaest. 9, 12 (Hist. eccl. VIII, appendix). || pTa?an 3, 66'', 6: R. Acha (um 320) ver-
anstaltete dreizehn Fasten, aber es fiel kein Regen. Als er hineinging (in die Synagoge),
begegnete ihm ein S., der ihm zurief: Rabbi, Rabbi, drücke den Regen aus deinem
Mantel aus! Er erwiderte ihm: Beim Leben dieses Mannes (d.h. bei deinem Leben),
der Himmel wird Wunder tun u. das Jahr wird ein fruchtbares Averden; aber dieser
Mann (= du) wird nicht mehr zu den Lebenden gehören! Und der Himmel tat Wunder
u. das Jahr wurde ein fruchtbares; aber jener S. starb u. alle Leute sagten: Kommt,
seht die Sonnenbahre! (Das Wort ist ironisch wie das obige vom Ausdrücken des
Mantels.) || LvR 5 (108'') Bar: R. Judan (um 150) hat gesagt: Wie jene S., die zu betteln
verstehen. Da kommt einer von ihnen zu einer Frau u. sagt zu Uir: Wenn du eine
Zwiebel hast, gib sie mir! Wenn sie sie ihm gegeben hat, sagt er: Ist eine Zwiebel
etwas ohne Brot? Wenn sie ihm Brot gegeben hat, fährt er fort: Gibt es eine Speise
ohne Trank? So ißt u. trinkt er. |i Joseph. Antiq. 13, 3, 4: Unter den in Alexandria
wohnenden Juden u. S., die dep zur Zeit Alexanders ^ (des Großen) auf dem Berge G.
erbauten Tempel verehrten, war ein Streit ausgebrochen, u. zwar stritt man sich über
die beiderseitigen Heiligtümer zur Zeit eben dieses Ptolemäus (gemeint istPt. VI. Philo-
metor). Die Juden sagten, der Tempel zu Jerusalem sei der nach dem Gesetz Mosis
erbaute, u. die S. sagten, der auf dem G. sei es. Sie gingen also den König au, daß
er mit seinen Vertrauten die Verhandlungen hierüber in einer Gerichtssitzung anhören
u. die Unterliegenden mit dem Tode bestrafen möchte. Für die S. führten Sabbäus u.
Theodosius* das Wort, für die Jerusalemer aber u. die Juden Andronikus, der Sohn
des Messalamus. Sie schwuren aber bei Gott u. bei dem König, daß sie ihre Beweise
in Gemäßheit des Gesetzes vorbringen wollten; zugleich baten sie den Ptolemäus, daß
er denjenigen töten möchte, den er beim Eidbruch ertappen sollte. Nachdem der König
viele seiner Vertrauten zur Beratung herangezogen hatte, saß er zu Gericht, indem er
die Sprecher verhörte. Die in Alexandria sich aufhaltenden Juden waren aber wegen
der Männer äußerst besorgt, denen es beschieden war, die schwere Verantwortung für
den Tempel in Jerusalem auf sich zu nehmen; denn sie empfanden es schwer, wenn
einer an dem Ansehn dieses alten u. in der ganzen Welt so hochberühmten Heiligtums
rütteln sollte. Nachdem Sabbäus u. Theodosius eingewilligt hatten, daß Andronikus
zuerst das Wort nehme, begann dieser seine Beweisgründe aus dem Gesetz u. aus der
Aufeinanderfolge der Hohenpriester beizubringen: wie jeder von diesen die hohepriester-
liche Würde von seinem Vater her überkommen u. dem Heiligtum vorgestanden habe;
ferner wies er darauf hin, daß alle Könige Asiens das Heiligtum in Jer. mit Weih-
geschenken u. kostbaren Gaben geehrt hätten, während den Tempel auf dem G., als
1 Das ist ein Irrtum des Josephus; der Tempel des G. ist vermutlich schon in
den Tagen des Nehemia erbaut worden, s. Schürer'* 2, 21.
'■* Vgl. die beiden Namen Sabaja u. Dosethai Tanch zv. (43'') oben S. 553 f.
Matth 10, 5 (SB 5) 559
ob er gar nicht vorhanden gewesen wäre, niemand erwähnt, noch auf ihn Rücksicht
genommen hal&e. Während Andronikus dieses u. vieles andre dieser Art ausführte,
überzeugte er den König dermaßen, daß dieser entschied, daß das Heiligtum in Jer.
nach Maßgabe der Gesetze Mosis erbaut sei, u. daß Sabbäus u. Theodosius zu töten
seien. i| GnR4(4*): Ein S. sprach zu R. Meir (um 150): Ist es möglich, daß der, von
dem geschrieben steht Jer '2:5, 24: , Erfülle ich nicht den Himmel u. die Erde?" mit
Mose zwischen den beiden Stangen der Bundeslade geredet hatV Bringe mir, sagte
R. Meir, ein Vergrößerungsglas, u. nun schau dein Bild darin! Er sah es groß. Darauf
sprach R. Meü-: Bringe mir ein Verkleinerungsglas! Nachdem er es gebracht hatte,
sprach R. Meir: Schau dein Bild darin! Er sah es klein. — Wenn nun schon du, ver-
setzte R. Meir, der du Fleisch u. Blut bist, dich selbst verändern kannst in jede be-
liebige Größe, um wieviel mehr vermag das der, welcher sprach u. die Welt ward.
Wenn er will, heißt es von ihm: Erfülle ich nicht den Himmel u. die Erde? u. wenn
er will, redet er mit Mose zwischen den beiden Stangen der Bundeslade. || GnR4(4l'j:
Ein S. fragte den R. Meir: Ist es möglich, daß Gottes Brünnlein Wassers die Fülle
habe (Ps65, 10) noch von den sechs Schöpfungstagen her, ohne daß es irgendwie ab-
genommen hätte? Er antwortete: Geh hin u. nimm ein Bad; aber wiege dich vor u.
nach dem Bade ! Jener ging hin. Als er herauskam u. sich wog, hatte er um nichts
abgenommen. Da sprach R. Meir zu ihm: All jener Schweiß, der herausgetreten ist,
ist er nicht aus dir herausgetreten? Jener antwortete: Ja! — Wenn nun bei dir, er-
widerte R. Meir, der .du Fleisch u. Blut bist, dein Quell um nichts abgenommen hat,
um wieviel mehr wird dies vom Quell Gottes gelten! Da siehst du es: Gottes Brünnlein
hat Wassers die Fülle seit den sechs Schöpfungstagen u. hat um nichts abgenommen. ||
GuR4 (4*): Ein S. fragte den R. Meir: Ist es möglich, daß die oberen Wasser auf Grund
eines (göttlichen) Wortes schweben? (s. Gnl,t) — 8). Dieser antwortete: Ganz gewiß!
Bringe mir einen Trichter (wohl eine enge Röhre). Nachdem man ihm einen solchen ge-
bracht hatte, legte er eine Goldplatte darüber (über die obere Öffnung); aber das Wasser
stand nicht (sondern floß unten aus der Röhre ab); er legte eine Silberplatte darüber, aber
das Wasser stand nicht. Als er aber seinen Finger darauf legte, stand das Wasser. — Du
hast ja deinen Finger daraufgelegt! fiel der S. ein. Da sprach R. Meir: Wenn mein Finger,
der ich Fleisch u. Blut bin, das Wasser stehen läßt, sollte das der Finger Gottes nicht viel
mehr tun ? |1 GnR 94 (59 *=) : R. Meir sah einen S. "S'^?:» u. sprach zu ihm : Von wem stammst
du ab? Er antwortete: Von den Nachkommen Josephs. R. Meir sprach: Nein. Der
S. erwiderte: Von wem denn sonst? Er sprach: Von den Nachkommen Issakhars.
Jener sprach: Woher weißt du das? R. Meir entgegnete: Weil es heißt Gn 46, 13:
„Und die Söhne Issakhars waren Tola? u. Puvva u. Job u. Schimron" — das sind die
S. n;:~»?«j. Der S. ging zum Patriarchen (der S.) u. sprach zu ihm: Ein Alter der Juden
hat mir etwas gesagt, was mich in Erstaunen gesetzt hat. Er sprach: Was ist das?
Er antwortete: Er hat zu mir gesagt: Von wem stammt ihr ab? Ich antwortete: Von
den Nachkommen Josephs. Da sagte er zu mir: Nein, sondern von den Nachkommen
Issakhars; denn es heißt Gn46, 13: ,Und die Söhne Issakhars waren Tolaf u. Puvva
u. Job u. Schimron" — das sind die S. Der Patriarch antwortete: Bei deinem Leben, aus
den Nachkommen Josephs hat er dich herausgebracht u. in die Nachkommen Issakhars
hat er dich nicht hineingebracht. — Daß die S. unter gewissen Umständen ihre Her-
kunft von Joseph betont haben, bezeugt auch Josephus mehrfach, zB Antiq. }>, 14, 3:
oi xttin fisy ztjt' 'Eßgcdwy y'AuiiriKv XovHctioi (:= 'srir), xma Je rr]v 'EXXtJi^iou ^a/uKQSiTai.
oV TiQÖg fisrctßoktjf xal avyyiveuty oxay fisy £v ngchrovraq ßk6n(üat*rovg ^lovdaiovg
avyyevslg dnoxaXovaiv, tu? f| 'iwarjTiov qvvieg, xal jTJf dg/jjv ixsixtsy rrjg ngog ai'rovg
E^ofTsg oixstÖTtjzoc' oTctf ds maiaavxag ctftuaiy, ovSu^o^sv nvioig ngoaijxsiy Xs'yovaiv,
ovd' sivcti öixcaof ovJsy ccvioig svi'oiag rj ys'yovg, ak^cc fisioixovg dXkoE&ysTg dnoqpuifovaif
sai'Tovg. — Antiq. 11, 8, 6: Eiai yaQ oi Zn/uc<Qsig rotovroi, rrjf cpvaiv ... iv f^sv laig
avfi(poQmg ofiug tovg ^lovdniovg uQvovfiai avyysvstg e^eiy, o/nokoyovyrsg jors Ttjy
i'kfi&SOKy. oTccy de rt, tisqI ainoi'ig '/.n/UTjQoy tifwaiy ix Tv^rjg, sSc(l(pyt]g ernnr^dwaby nviajy
Tfl xoiycjylif, nQoarjxeiy aviolg i.Eyovxsg, xal ix iwy 'luxjtjnov y£ysa)^oyovyxeg nvxovg ex-
560 Matth 10, 5 (» 5). 10, 8 (31 1. 2)
yövuy 'E<pQatjuov xal Muvaaaov. \\ P"siq 98*: Ein S. fragte den R. Meir (um 150): Sagt
ihr nicht, daß Jakob, euer Vater, die Wahrheit ist? Er antwortete : Ja! denn es steht
geschrieben: Du wirst Jakob Wahrheit verleihen Micha 7, '20. Der S. sprach: Nun hat
Jakob den Stamm Levi ausgesondert (nämlich als Zehnt für Gott), also einen von zehn
Stämmen ; hätte er nicht auch noch von den übrigen zwei Stämmen aussondern (den
Zehnt geben) sollen? Du meinst, erwiderte R. Me'ir, daß ihrer zwölf waren; ich meine,
daß ihrer vierzehn waren; denn Ephraim u. Manasse, heißt es Gn 48,5, sollen mir wie
Rüben u. Simeon gehören. — Um so besser, versetzte derS.; unterstützest du damit
nicht meine Worte? Hast du Mehl hinzugetan, so tue auch Wasser dazu! (Waren es
14 Stämme, so mußte er sogar noch vier über zehn hinaus verzehnten). Gestehst du
mir zu, entgegnete R. Meir, daß es vier Mütter waren (jene Mütter der Söhne Jakobs)?
So gehen also von ihnen (den 14 Stämmen) vier Erstgeborene ab; denn ein Erst-
geborener wird nicht verzehntet, weil er schon als solcher heilig (Gotte angehörig) ist,
u. Heiliges löst Heiliges nicht aus (also blieben noch zehn Stämme zu verzehnten, u.
das hat Jakob voll geleistet mit der Aussonderung des einen Stammes Levi). Da rief
derS. aus: Heil deiner Nation, in deren Mitte du weilst! Parallelstellen: GnR 70 (45»);
TanchB nsi § 12 (12^). || Zwei weitere Gespräche des R. Me'ir mit Samaritanern über
die Auferstehung der Toten aus Midr Qoh 5, 10 \i. Sanh 90l> s. oben S. 551 f.
10,8 3t: Kranke heilet, Tote erwecket.
1. da&eyovyras &£Q«nEv£Ts. — Krankenheilungen durch Jesu Jünger s. bei 10,1.
2.1'exQovgiyeiQSTS. — Einigen Rabbinen werden Totenaufer weckungen zugeschrieben.
LvR 10(111''): „Nimm Ahron u. seine Söhne mit ihm" Lv8,2. Das meint auch
Spr 24, 1 1 : , Errette die, welche zum Tode geschleppt werden, u. wenn Leute zur Würgung
hinwanken, o tue Einhalt!" Antoninus (s. Einl. 133) kam zu Rabbi; er traf ihn, wie
er dasaß u. seine Schüler vor ihm. Ant. sprach zu ihm: Sind das die, von denen du
so rühmend sprichst? Er antwortete: Ja ■j-s! der Kleinste unter ihnen kann Tote er-
wecken. Nach einigen Tagen wurde ein Diener des Ant. zum Tode krank. Ant. ließ
Rabbi sagen: Sende mir einen von deinen Schülern, daß er mir diesen Toten wieder
lebendig mache ! Er sandte ihm einen von seinen Schülern ; einige sagen, es sei R. Schimf on
b. Chalaphta (um 190) gewesen. Dieser ging hin u. fand den Diener hingestreckt. Er
sprach zu ihm: Was liegst du hingestreckt, während dein Herr auf seinen Füßen steht?
Sofort bewegte er sich u. stand auf. II cAZ 10^: Ant. hatte einen unterirdischen Gang,
der von seinem Hause nach dem Hause Rabbis führte. Täglich nahm er zwei Diener
mit; den einen tötete er an der Tür von Rabbis Haus, den andren tötete er an der
Tür seines eigenen Hauses; er sagte zu Rabbi: Zu der Zeit, da ich komme, soll niemand
bei dir angetroffen werden (damit die Zus.künfte geheimbleiben). Eines Tages traf er
den R. Chanina b. Chama (um 225) bei ihm. Da sprach Ant.: Habe ich nicht zu dir ge-
sagt: Zu der Zeit, da ich komme, soll niemand bei dir angetroffen werden? Rabbi
antwortete: Dieser ist kein Mensch t):-s -3 (wörtlich: Sohn eines Menschen). Er sprach:
(Dann) sage dem Diener, der an der Tür liegt, daß er aufstehe u. komme. R. Chanina
b. Chama ging u. fand ihn tot vor. Da sprach er: Wie soll ich es machen? Wenn
ich gehe u. ihm sage, daß er tot ist, so soll man keine Unglücksbotschaft bringen;
lasse ich ihn u. gehe fort, so würden wir die Regierung geringschätzen. Da bat er um
Erbarmen für ihn u. machte ihn lebendig n-'-ns-: u. sandte ihn hinein. Da sprach Ant.:
Ich weiß wohl, der Geringste, der in eurer Mitte ist, macht Tote lebendig a-rn n^nö;
gleichwohl zu der Zeit, da ich komme, soll niemand bei dir angetroffen werden. |j
M'^g7b: Raba (f 352) hat gesagt: Der Mensch ist verpflichtet, sich am Purimfest zu
berauschen, bis er nicht zu unterscheiden weiß zwischen „verflucht sei Haman!" u.
„gesegnet sei Mardokhai!" Rabbah (f 330) u. R. Z'lira hielten miteinander das Purim-
mabl. Rabbah berauschte sich u. schlachtete den R. Z' cira. Am nächsten Tage bat er um
Erbarmen u. machte ihn (wieder) lebendig n-^rrsn. Nach einem .fahr sagte er zu ihm: Es
komme der Herr, daß wir das Purimmahl miteinander halten. Er antwortete ihm: Nicht
in jeder Stunde ereignet sich ein Wunder ! \\ Ferner s. pSch'^bicith 0, 38 '', 29 oben S. 557 ß.
Matth 10, 8 (SB) 561
10, 8 35: Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
Smqsccv = D3r(3). — Schon Hillel, der Alte (um 20 v. Chr.), hat davor
gewarnt, daß ein Gelehrter seine Torakenntnisse zum eignen Vorteil
ausnütze. Die gleiche Mahnung spricht R. Cadoq (um 50 n. Chr.) aus:
Die Tora sei kein Spaten, um damit zu graben, d. h. kein Mittel zum
Geldverdienen, a Dem entsprach die Forderung, daß der Unterricht den
Gelehrtenschülern unentgeltlich zu erteilen sei. Als Schriftbeweis diente
namentlich Dt 4, 5 ; doch auch andre Stellen, b Zu den Disziplinen, in
denen der Unterricht umsonst sein sollte, rechnete man nach N«d 4, 3
(s. in g): Midrasch, Halakhoth u. Haggadoth, die drei Hauptfächer der
Traditionswissenschaft. Der M. umfaßte die Auslegung der Tora zwecks
Darstellung der ihr zu entnehmenden gesetzlichen (halakhischen) Be-
stimmungen. Die literarischen Erzeugnisse dieser Tätigkeit waren die
sog. halakhischen Midraschim: M*^khiltha, Siphra u. Siphre (s. Einl.
Kap. 16). Unter „Halakhoth" verstand man die Einzelbestimmungen
des geltenden Rechts samt ihrer Begründung aus der Schrift, ihrer
Herleitung aus bereits anderweitig anerkannten halakhischen Sätzen u.
ihrer Anwendung in der juristischen Praxis. Mit „Haggadoth" endlich
wurde das übrige Traditionsmaterial bezeichnet, soweit sein Inhalt sich
nicht auf die Halakha bezog: vor allem die erbauliche Auslegung der
Oeschichtserzählungen des ATs, die Darlegung der religiös-sittlichen
Wahrheiten der Schrift, die Erörterung des Verhältnisses Israels zu den
übrigen Völkern, das unendliche Gebiet der Zukunftshoffnungen Israels
u. was man sonst an geschichtlichen, geographischen, ethnographischen,
naturkundlichen, philosophischen u. legendarischen Stoffen für mitteilens-
wert hielt. — Dagegen w^ar den Elementarlehrern, die die Kinder im
Lesen der Schrift u. in den Anfangsgründen des mündlichen Gesetzes
unterwiesen, die Annahme einer Bezahlung durchaus gestattet. c Sie
erhielten nicht bloß aus öffentlichen Gemeindemitteln ein bestimmtes,
freilich wohl nur niedrig bemessenes Gehalt, d sondern waren auch be-
rechtigt, von den Eltern der Kinder Schulgeld zu erheben u. Geschenke
entgegenzunehmen. e Auch hierfür diente Dt 4, 5 als biblische Recht-
fertigung, g Um aber den Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Unter-
richts auch in bezug auf den Elementarunterricht möglichst aufrecht-
zuerhalten, faßte man das Schulgeld nicht als Bezahlung für den Unter-
richt selbst auf, sondern als Entschädigung für den Verlust an Zeit u.
anderweitigem Verdienst, der dem Lehrer aus seiner Schultätigkeit er-
wachse. Andre sahen darin eine Vergütung des Lehrers für die Be-
aufsichtigung der Kinder während der Schulzeit, noch andre für seine
Mühe, den Kindern die richtige Abteilung der Verse u. Absätze bei-
zubringen.* Nachdem so den Kinderlehrern das Recht zuerkannt war,
sich den Unterricht in der Schrift bezahlen zu lassen, dehnte man diese
Bestimmung auf jeden Unterricht in der Schrift aus. Auch Erwachsene
sollten verpflichtet sein, für ihre Unterweisung in der Schrift u. im
strack u.Billerbeck, NT I. 36
562 Matth 10, 8 (SB)
Targum ihrem Lehrer eine Entschädigung zu gewähren, g Man wird
hierbei in erster Linie an die Unterweisung in der korrekten Verlesung
des Schrifttextes beim Gemeindegottesdienst zu denken haben. Zu dieser
Verlesung war ja jeder berechtigt, der dazu befähigt war; s. den Ex-
kurs: Der altjüd. Synagogengottesdienst. — So anerkannt der Grundsatz
der Unentgeltlichkeit des gelehrten Unterrichts gewesen ist — daß er
überall streng zur Durchführung gebracht worden ist, wird man nicht
sagen dürfen ; es fehlt nicht an Ausführungen, die jenem Grundsatz wider-
sprechen, h Doch das sind Ausnahmen, die die Regel selbst nicht aufheben.
a. Aboth 1, 13: Hillel pflegte zu sagen: . . . Wer sich der Krone (d. h. des Gesetzes-
studiums zu seinem eignen Vorteil) bedient, der schwindet dahin. — Das. 4, 5: R. Qadoq
(I., um 50) sagte: . . . Mache die Tora nicht zu einer Krone, um dich durch sie zu ver-
herrlichen, auch nicht zu einem Spaten, um damit zu graben. Und so pflegte Hillel
zu sagen: Wer sich der Krone bedient, schwindet dahin. Siehe, jeder, der die Worte
der Tora .sich zunutze macht, nimmt sein Leben aus der Welt fort. || N'^d 62*: Den
R. Tarphon (um 100) traf ein Mann zur Zeit, da die Feigenmesser bereits zus.gelegt
waren (die Feigenernte zu Ende ging), wie er (auf einem Grundstück dieses Mannes
Feigen) aß (was nach Beendigung der Feigenernte an sich nicht verboten war). Er
steckte ihn in einen Sack, nahm ihn u. trug ihn fort, um ihn in einen Fluß zu werfen.
Da rief Tarphon: Wehe dem Tarphon, daß dieser ihn tötet! Als dieser Mann das hörte,
ließ er ihn los u. entfloh. R. Abbahu (um 300) hat im Namen des R. Chanina b. Gamliäl
(um 120) gesagt: Sein lebelang hat dieser Gerechte (T.) hierüber Leid getragen. Er
sprach: Wehe mir, daß ich mich der Krone der Tora zu meinem eignen Vorteil bedient
habe! (Weil er ein Toralehrer war, war er ja von jenem Mann freigelassen woi'den.)
Rabbah bar bar Ghana (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Wer sich
der Krone der Tora zu seinem eignen Vorteil bedient, der wird aus der Welt gerissen.
Das läßt sich durch eine Folgerung vom Leichteren auf das Schwerere beweisen: wenn
BelschaQ^ar, weil er sich der heiligen Geräte bedient hatte, die doch profan geworden
waren — denn es heißt Ez7,22: , Meinen Schatz wird man entweihen u. Einbrecher
werden hineinkommen u. ihn entweihen", nachdem man frevlerisch au ihnen gehandelt,
waren sie profan geworden — aus der Welt gerissen wurde, s. Dn5, 30: um wieviel
mehr gilt das von dem. der sich der Krone der Tora, die lebt u. in Ewigkeit bleibt,
zu seinem eignen Vorteil bedient! Als R. Tarphon (jene Feigen) aß, waren schon die
meisten Feigenmesser zus.gelegt (so daß die noch an den Bäumen befindlichen Früchte
als Nachlese jedermann verstattet waren); warum quälte ihn also jener Mann? Weil
man jenem Manne das ganze Jahr hindurch seine Weintrauben gestohlen hatte, u. als
er nun den R. Tarphon ti-af, meinte er, dieser sei es gewesen, der jene gestohlen habe.
Wenn dem so ist, warum zermarterte denn R. T. sich selbst? Weil er ein großer Reicher
war u. jenen Mann mit Geld hätte besänftigen können (ohne sich gerade der Krone
der Tora zu seinem Vorteil zu bedienen). — Bar: ^ Es heißt Dt 30, 20: „Indem du Jahve
deinen Gott liebst, seiner Stimme gehorchend, u. ihm anhängst." Der Mensch soll nicht
sagen: Ich will die Schrift studieren, damit man mich einen Gelehrten nenne; ich will
die Mischna (den Traditionsstofi") studieren, damit man mich „Rabbi" nenne; ich will
die Mischna lehren, damit ich ein Altester ("t, ein Hauptlehrer) werde u. einen Sitz
in der Akademie erlange. Sondern man studiere aus Liebe (zur Tora u. zu dem, der
sie gegeben hat), dann wird schließlich die Ehre (von selbst) kommen, s. Spr 7, 3; 3, 17 f.
R. EUazar b. Qadoq (wohl der Sohn des obengenannten R. ^adoq, um 100) sagte: Tu
die Dinge um ihres Urhebers (Gottes) willen u. rede über sie um ihretwillen (ohne
selbstische Nebenzwecke); mache sie nicht zu einer Krone, um durch sie verherrlicht
zu werden, auch nicht zu einem Spaten, um damit zu gäten. (Dann folgt der Qal-Vachomer-
J Eine ähnliche Bar s. SDtll,13 §41 {79^).
Matth 10, 8 (S) 563
Schluß von Belscha99ar wie S. 562.) — Vgl. auch Jonathan b. ? Amram, den Schüler Rabbi
J-^hudasI. in BB8^
b. Derekh Ereij Zuta 41 : Mache deine Torakenntnis zu etwas Unentgeltlichem a;-^
u. nimm keine Bezahlung dafür; denn Gott hat sie (Tora) umsonst gegeben aana r.zr:;
deshalb soll man keine Bezahlung für die Worte der Tora nehmen; u. wenn du Bez. für
die Worte der Tora nimmst, so wirst du erfunden als einer, der die ganze Welt(ordnung)
zerstört, ij B^kh29''^: Woher läßt sich das (Nichtannehmen von Bez. aus der Schrift)
beweisen? Rab J'^huda (f '^99) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Weil die Schrift
sagt Dt 4, 5: , Siehe, ich habe euch Satzungen u. Rechte gelehrt", d. h. wie ich (Mose)
euch umsonst gelehrt habe, so sollt auch ihr umsonst lehren! Die Bar lautet ebenso:
,Wie Jahve mein Gott mir geboten hat" (Dt 4, 5), d.h. wie ich euch umsonst gelehrt
habe, so sollt auch ihr umsonst lehren! Parallelstellen: pN'^d 4, 38 '^, 5 1 ; bN^d 37%
s. unten Anm.^. \\ SDt 11,22 §48 (84 •■^): Die Worte der Tora werden (Sprö, 15f.) mit dem
Wasser verglichen. . . . Wie das Wasser umsonst a:- für die Welt da ist, so sind auch
die Worte der Tora umsonst für die Welt da. i| NuR 1 (135''): „Jah've redete zu Mose
in der Wüste Sinai" Nu 1, 1. Warum in der Wüste Sinai? Auf Grund dieser Stelle haben
die Gelehrten gelehrt: In drei Dingen ist die Tora gegeben worden: in Feuer, s. Ex 19, 18;
in Wasser, s. Ri 5, 4, u. in der Wüste, s. Nu 1 , 1. Warum wurde die Tora in diesen drei
Dingen gegeben? Wie diese Dinge für alle, die in die Welt kommen, umsonst vor-
handen (u. zu haben) sind, so sollen auch die Worte der Tora umsonst sein, s. .Jes 55, 1 :
,Ach, ihr Dürstenden alle, kommt zum Wasser! u. wer kein Geld hat, kommt, kaufet
u. esset! ja, kommt, kaufet ohne Geld u. ohne Zahlung Wein u. Milch."
C. pN^'d 4, 38'^, 54: Ebenso sehen wir, daß die Mischnalehrer (der Kinder, 1. i":"3r>2
oder s"':r^ statt ■j%-i'3r'2) ihre Bezahlung (für ihren Kinderunterricht) erhalten. Sieh
auch Anm. d u. e.
d. pPea 8, 21-'', 88: Zu den Palisaden (für die Stadt) u. zu den Almosensammlungen
ripn:: müssen alle beitragen, die 12 Monate lang in einer Stadt wohnen. AVas ist damit
gemeint (mit np"!::)? Das bezieht sich auf die Bezahlung der Bibel- u. Mischnalehrer. ^ —
Diese beziehen also ihr Gehalt aus der Gemeindealmosenkasse; das dürfte zugleich für
die Geringfügigkeit ihrer Bezüge bezeichnend sein. — Zur Besoldung aus der Gemeinde-
kasse s. auch LvR SO (127^) in Anm. f.
e. Tafan 24^: Rab (f 247) kam in einen Ort, in welchem er ein Fasten anberaumte;
aber es kam kein Regen. Da trat der Gemeindevorbeter vor die Lade. Er sprach die
Worte: „Der den Wind läßt wehen", da brauste der Sturm; er fuhr fort: „Der den
Regen läßt niederfallen" (beides sind Worte aus der 2. Bitte des Achtzehngebetes), da
kam Regen. Rab sprach zu ihm: Was ist deine Beschäftigung (daß dein Gebet sofort
Erhörung gefunden hat)? Er antwortete ihm: Ich unterrichte die Kinder in der Schrift,
u. ich unterrichte in der Schrift die Kinder der Armen wie die Kinder der Reichen,
u. wer dazu nicht imstande ist, von dem nehme ich auch nicht das geringste (als Be-
zahlung) an. — Der Verzicht auf Honorar bildet hiernach nur eine Ausnahme. — Über
Geschenke an die Lehrer s. LvR 30 (127'') Bar: Am Neujahrstage wird der Lebens-
unterhalt des Menschen (für das nächste Jahr von Gott) festgesetzt. Ausgenommen
ist das, was er für die Sabbate u. Festtage u. Neumondstage ausgibt; ferner das, was
die Kinder in das Haus ihres Lehrers (als Geschenk) bringen. Wenn er (in diesen
Fällen) reichlich gibt, gibt man (= Gott) ihm reichlich; wenn er wenig gibt, gibt man
ihm wenig. — Die Stelle ist zugleich ein Beleg für die Verdienstlichkeit der dem Lehrer
gemachten Geschenke. — Die parallele Bar Be^a 16'"' bezieht sich auf die Aufwendungen
des Vaters für das gelehrte Studium eines Sohnes; sie weiß daher nichts von Ge-
schenken, die in das Haus des Lehrers gebracht werden.
/. pN^d4,38'',54: R.Jischmafel(t.um 135) hat gesagt: (Die Mischnalehrer der Kinder)
empfangen (in ihrem Gehalt) eine Bezahlung für ihren Zeitverlust. — LvR 30 (127''):
R. B^rekhja (um 340) u. R. Chijja sein Vater ^ haben im Namen des R. Jose b. N^orai
' Zu , Bibel- u. Mischnalehrer" s. bei Mt 2, 4 S. 80 f.
^ In diesen Worten eine Textverderbnis, s. Bacher, Paläst. Amor. 3, 598. 2.
36*
564 Matth 10, 8 (SB). 10, 9
(um 250) gesagt: Es steht geschrieben Jer 30,20: , Heimsuchen will ich alle seine
Dränger", selbst die Almosenerheber, ausgenommen nur die Erheber der Besoldung der
Bibel- u. Mischnalehrer (der Kinder), die nur für den Zeitverlust Bezahlung erhalten. !
N'^dS?''': Rab (t 247) hat gesagt: Die (den Kinderlehrern gewährte Bezahlung) ist ein
Entgelt für die Beaufsichtigung der Kinder. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Ein Entgelt
für die Unterweisung in der Abteilung der Verse.
g. N''d4, 3: Wem durch Gelübde der Genuß (Nutzen) von einem andren verwehrt
ist, der darf diesen Midrasch, Halakhoth u. Haggadoth lehren (denn dieser Unterricht
erfolgt unentgeltlich, er hat also keinen Nutzen dadurch); dagegen darf er ihn nicht
die Schrift lehren (denn dieser Unterricht ist zu honorieren, so daß er Nutzen hätte) ;
wohl aber darf er seine Söhne u. Töchter die Schrift lehren (denn Bezahlung auf Grund
eines Pfiichtgebotes wird dem Empfänger nicht als Nutznießung gerechnet, s. Ber-
tinoro). — Die Mischna handelt von einem Erwachsenen, der Unterricht in der Schrift
erhält; daß er für den Unterricht zu zahlen hat, gilt als selbstverständlich u. all-
bekannt. II pN''d4,o8*=, 51: Es steht geschrieben : , Siehe, ich (Mose) habe euch Satzungen
u. Rechte gelehrt" Dt 4, 5, d. h. wie ich umsonst gelehrt habe, so sollt auch ihr um-
sonst lehren. Etwa auch die Schrift u. den Targum? Die Schrift sagt lehrend: , Satzungen
u. Rechte." Die Satzungen u. die Rechte (die Lehrgegenstände der höheren Schulen
sind) sollt ihr umsonst lehren, aber nicht sollt ihr die Schrift u. den Targum umsonst
lehren. — Weniger genau ist der Schriftbeweis in der Parallelstelle N'^'d 37"', insofern
aus Dt4, 5. 14 nur die Unentgeltlichkeit des Unterrichts im Midrasch gefolgert wird,
ohne daß auf den Unterricht in der Schrift Rücksicht genommen würde.
h. B'kh4, H: Wenn jemand Bezahlung annimmt, um als Richter zu fungieren, so
sind seine Entscheidungen ungültig; um als Zeuge zu fungieren, so ist sein Zeugnis
ungültig; um zu sprengen oder zu heiligen (zu entsündigen), so gilt sein Wasser als
Höhlenwasser (aber nicht als Lustrationswasser^ u. seine Asche als gewöhnliche Brand-
asche (aber nicht als Reinigungsasche). Wenn aber der Betreffende (der Richter oder
Zeuge) ein Priester ist, u. er wird (bei dem betreffenden Geschäft) unrein, so daß er seine
Hebe nicht essen kann, so muß man (d. h. derjenige, in dessen Angelegenheiten er sich
die Unreinheiten zugezogen hat) ihm Speise, Trank u. Salbung verabfolgen; oder wenn
der Betreffende ein Greis ist, so muß man ihn auf einem Esel reiten lassen, u. (über-
haupt) darf man jedfem (für etwaige Versäumnis in seinem eignen Beruf) eine Ent-
schädigung geben, die dem Tägeslohn eines Arbeiters entspricht. — Hierzu bringt
B'^kh 29^ zunächst aus Dt 4, 5 den Schriftbeweis bei, s. die Worte in Anm. 6. Dann
heißt es weiter: Woher aber daß, wenn man nicht umsonst lernen kann, man gegen
Bezahlung lernen darf? Die Schrift sagt lehrend Spr2D, 23: „Kaufe Wahrheit!"
Und woher, daß man nicht sagen darf: Wie ich sie (die Wahrheit — Tora) gegen Be-
zahlung gelernt habe, so will auch ich sie gegen Bez. lehren? Di^ Schrift sagt lehrend
Spr23,23: Kaufe Wahrheit, aber verkaufe sie nicht. — Die Stelle läßt keinen Zweifel
aufkommen, daß man sich hier u. da genötigt gesehen hat, den empfangenen Tora-
unterricht zu honorieren. — Von einem bestimmten Fall bezeugt das Sch'^muel (f 254) aus-
drücklich. pSch'■q4,48^ 16 :Rab.Jehuda(t299) hat im Namen Sch.s gesagt: Die Gelehrten-
schüler, die die Priester in den Halakhoth betreffs des Schlachtens, des Blutauffangens
u. des Sprengens unterwiesen, erhielten ihre Bezahlung aus der Hebe des Tempelschatzes.
10, 9: Erwerbet nicht Gold . . . für eure Gürtel.
^oh'in = Gürtel, Gurt, als Lehnwort ins Rabbinische übergegangen
in den Formen -,17, ijiT, ■p:'iT; selbst der Akkusativ ^covag findet sich als
Nominativform. Zu dem haggadischen Satze, daß Engel bei der Gesetz-
gebung die Israeliten mit "isi: geschmückt hätten, wird Midr HL 4, 4
(110'') gefragt: Was bedeutet ■^:^i? R. Huna, der Ältere, aus Sepphoris
(gegen 300) hat gesagt: Es bedeutet „Gürtel" d:it. — Der Gürtel diente
Matth 10,9. 10(21. S) 565
nicht nur zum Zus. halten des Ober- oder Untergewandes, sondern auch zur
Aufnahme von Geld u. sonstigen Wertsachen. Wie allgemein üblich letz-
teres war, erkennt man namentlich daraus, daß der Gürtel ungemein oft
geradezu x-ni^e, irnj^s oder nnsitsN, d.h. funda= Geldbeutel genannt wurde.
pRH '-*, ö7 '\ 60 : Zweihundert Zuz waren in meinem Geldgürtel -nr iS2 eingebunden.
Schab 10,8: Wer am Sabbat etwas hinausträgt auf der Rückseite seiner Hand, mit
.seinem Fuß, in seinem Munde, mit seinem Ellbogen, an seinem Ohr, an seinem Haar,
in seinem Geldgürtel -.p-3ir2, indem dessen Öffnung nach unten ist, zwischen seinem
Geldgürtel u. Unterkleid (p^'j- = Hemd), im Saum seines Unterkleides, in seinem Schuh,
in seiner Sandale, der ist frei (straflos), weil er auf ungewöhnliche Weise hinausträgt. ||
B®rakh9, ö: Man soll auf den Tempelberg nicht mit einem Stock, nicht in Schuhen,
nicht mit dem Geldgürtel •■n-.^itz, nicht mit bestaubten Füßen gehn. || Tß'rakh 7, 19 (17):
Man soll auf den Tempelberg nicht mit Geld gehn, das man sich in das (leinene) Hemde
gebunden hat, auch nicht mit Staub auf den Füßen, auch nicht mit dem Geldgürtel
-mj-^Ea, wenn man ihn außen (d. h. über dem Obergewand) umgebunden hat. — Daß
auch Früchte, wie Feigen, Weintrauben u. Zuckermelonen im Geldgürtel untergebracht
werden konnten, zeigt TT^'rum 1,14 (2ti); in Sanh 3,8 wird von jemand geredet, der ein
Beweisstück, etwa ein Dokument, aus seinem Geldgürtel hervorholt. Vgl. auch TKil
5,15 beiMtlO, 10 S S. 566.
10,10 51: Nicht einen Ranzen für eine Reise.
Tir'jQa entspricht dem hebr. biT^-in, b^i-o-i^in, aram. xbi^ü-in: wenn daneben
}i-^-q = Stock genannt, bedeutet 'r meist „ Hirtentasche " (zB Targ 1 Sm
17, 40 n^bip-in? = hebr. la^ipb^?); auch allgemein „Ränzel" oder „Tasche"
der Wanderer.
Kelim 24, 1 1 : Dreierlei Schläuche u. dreierlei Ranzen i^hj2-^"P sind zu unterscheiden:
die das angegebene Maß (von 5 Qab) halten, sind verunreinigungsfähig durch Druck;
die dies Maß nicht halten, durch einen Toten, u. die aus Fischhaut gemacht sind, sind
ganz rein. || .Pb 16,7: Einmal gingen Leviten nach der Palmenstadt ^ofar; unterwegs
wurde einer von ihnen krank u. sie brachten ihn in die Herberge. Bei ihrer Rückkehr
sprachen sie zu der Wirtin: Wo ist unser Genosse? Sie antwortete ihnen: Er ist ge-
storben u. ich habe ihn beerdigt. Man erlaubte (auf diese Aussage der Frau hin) seiner
Frau, sich anderweit zu verheiratan. Man (die Gelehrten) sagten zu ihm (zu R. ?Aqiba,
t um 135, der diese Erlaubnis auf die Aussage einer Frau hin nicht erteilt wissen
wollte): Sollte nicht eine Priesterfrau so viel gelten wie eine Wirtin? Er antwortete:
Wenn die Wirtin (als solche) beglaubigt wäre! (Das war sie aber nicht.) Die Wirtin
gab ihnen seinen Stock, seinen Ranzen i^s-sr-^r u. dasTorabuch heraus, die sich in seinem
Besitz befunden hatten (erst dadurch sind ihre Worte beglaubigt worden). || Schab .81":
(Ein Heide, der zum Judentum übertreten will, um einmal Hoherpriester zu werden,
liest Nu 1,51: , Der Fremde ^t [d. h. der Nichtlevit], welcher sich nähert, soll getötet
werden." Da zieht der Heide den Schluß:) Wenn solches schon von einem Israeliten
gilt, um wieviel mehr gilt das dann von einem gewöhnlichen Proselyten, der mit seinem
Stock u. seinem Ranzen ih.'-o^rz (ohne jedes Verdienst) eben erst in das Judentum ein-
getreten ist. II BB ISS"^" wird erzählt, wie Schammai (um 30 v. Chr.) mit Stock u. Ranzen
h'13-r zu Jonathan b. ?Uzziel kommt, um mit diesem wegen Nichtbeachtung eines Testa-
mentes zu rechten.
1<>, 10 ^: Auch nicht zwei Unterkleider.
Xitüh', hebr. np'ns, aram. Jtjws, xn^iiir.-'s, ist, wie die römische Tunika,
das Untergewand, das meist aus Wolle oder Leinwand verfertigt war u.
entweder auf der bloßen Haut oder über einem leinenen Hemd ("("»"lo.
566 Matth 10, 10 (JB. 6)
Npnp) getragen wurde. Ebenso trugen die Römer unter ihrer tunica
noch eine tunica interior oder subucula, das eigentliche Hemde in
unserm Sinn. — GnR 84 (54=») bemerkt zu Gn37,23: Als Joseph zu
seinen Brüdern gekommen war, „zogen sie ihm aus" den groben Ober-
niantel (ore = o"^:^? ^= (fsloviov, paenula, ärmelloser Mantel zum Schutz
gegen die Unbill der Witterung; s. Krauß, Archäol. 1,1691); „sein
Untergewand" nsinD, das ist der p^ibn (s. gleich); „das lange Ärmelkleid",
das ist der verbrämte Mantel (lisis, paragauda); „das auf ihm war", das
sind seine Beinkleider (N''3?:as = feminalia). — Hier wird die nana mit
dem p^hn identifiziert, u. in der Tat ist dies letztere Wort im Rabbin. die
herrschende Bezeichnungfür Untergewand oder Hemd (im weiteren Sinn).
M^kh Ex 22,26(1 02 '0: «Das allein ist seine Bedeckung" Ex 22, 26; damit ist der
Mantel (Oberkleid, ^''V^) gemeint; „das ist sein Gewand für seinen Leib", damit ist
das Unterkleid (pi^-) gemeint. — Vgl. Targ Jerusch I z. St. : „Dies ist sein Oberkleid
T'-'h-a, mit dem allein er sich bedeckt; das ist das Hemde piVn, sein anliegendes Ge-
wand, das auf seine Haut fällt." i| Be^a 32'' Bar: Dreier Leben ist kein Leben: wer auf
den Tisch eines andren sehen muß, über den seine Frau die Herrschaft führt u. der, über
dessen Leib die Leiden (Züchtigungen) herrschen. Einige sagen: Auch wer nur Ein
Hemde piVn hat.
Das Tragen von zwei u. mehr Untergewändern auf Einmal wird erwähnt zB TKil
5,15(80): Man darf zwei üntergewänder riptVn übereinander anziehen (ohne damit
eine Übertretung des Mischstoffgebotes zu begehen), selbst wenn man seinen Geld-
gürtel inr-: außen (oben über beiden Hemden) umgebunden hat; nur soll man die
Schnur (des Geldgürtels) zwischen den Schultern durchnehmen u. dort zus.binden. —
Hiermit vgl. SDt 22, 11 §2:^2(117"): Darf man etwa nicht anziehen ein Hemde aus
Wolle über einem Hemde aus Flachs oder ein Hemde aus Flachs über einem Hemde
aus Wolle? Die Schrift sagt lehrend Dt 22, 11: Zugleich ■"--- (d.h. ein u. dasselbe
Hemde darf nicht aus Mischstoffen bestehn). — Von Frauen, die mit drei, fünf, sieben
Hemden bekleidet sind, wird geredet Nidda 58 b; TNiddaS, 5 (643); 7, 2 (648); Git58'\ —
Weitere Stellen bei Krauß, Archäol. 1, 598 Anm.467.
10, 10 ^: Auch nicht Sandalen.
fividh vnodi'iiiiara. Rabbin. b^:ö, aram. x^^iö; davon i^^?o der San-
dalenmacher. Über die Beschaffenheit der Sandalen orientieren folgende
Stellen; s. auch bei Mk 6, 9.
J^b 102b: R. Elfazar (um 270) fragte Rab (f 247): Wenn die Sandale aus Leder
ist u. ihre Bänder (oder Schleifen) aus Haar sind, wie verhält es sich dann mit ihr
(für die Chali^a)? il Pb 102b Bar: Wenn die verwitwete Schwägerin die Zeremonie
der ChaliQa mit einem aufgetrennten Schuh vollzieht, der aber (noch) den größten Teil
des Fußes bedeckt, oder mit einer schadhaft gewordenen Sandale, die aber (noch) den
größten Teil des Fußes faßt, oder mit einer Sandale aus Kork oder mit einer Sandale
aus Bast oder mit dem Qab ' dessen, dem ein Fuß amputiert ist, oder mit einem Halb-
stiefel oder mit einer Fußstütze (eine Art Stelzfuß), oder mit einer Socke aus Leder;
ferner wenn sie die Chali^a an einem Erwachsenen vollzieht, mag dieser stehen oder
sitzen oder ausgestreckt daliegen, oder wenn sie die Ch. an einem Blinden vollzieht,
so ist ihr Schuhausziehen gültig. Aber wenn sie die Chali9a mit einem aufgetrennten
Schuh vollzieht, der nicht (mehr) den größten Teil des Fußes bedeckt, oder mit einer
^ Qab entweder — u. dafür spricht der Name ap — ein ausgehöhltes Holzstück zur
Aufnahme des verstümmelten Beines, also eine Holzkappe, oder auch der hölzerne Stelz-
fuß, s. Levy 4,233-'»; Krauß, Archäol. 1, 183.631 Anm.729.
Matth 10, 10 (6) 567
schadhaft gewordenen Sandale, die nicht (mehr) den größten Teil des Fußes faßt, oder
mit einer Handstütze (Art Handschuh?) oder mit einer Socke aus Kleidungsstücken ;
ferner wenn sie die Chaliga an einem Minderjährigen vollzieht, so ist ihr Schuhausziehen
ungültig. II J'^^h 102b: Rab J'^'huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Mit einer
Sandale, in die Leinenzeug hineingenäht ist (oder: die aus Flachssträhnen zus.genäht
ist, vgl. Raschi) darf man die Chali9a nicht vollziehen; denn es heißt Ez 16,10: Ich
beschuhte dich mit Tachasch(leder; also kann auch das Entschuhen nur mit Leder-
schuhwerk vorgenommen werden). || J'^b 12, 1 f.: Wenn die verwitwete Schwägerin die
Zeremonie des Schuhausziehens mit einer S. vornimmt, die einen -~y (Kommentare:
Hackenleder; Levy ;J, 682: Sohle; Krauß, Archäol. 1, 179: Absatz) hat, so ist es gültig;
wenn mit einer S., die keinen z-.y hat, so ist es ungültig. . . Vollzieht sie die Chali^a
mit einer S., die dem Schwager nicht gehört, oder mit einer S. aus Holz . . ., so ist
die Chali^a gültig. || J^b 102*: (Beim Schuh V^-:':) war das Oberleder oberhalb (des Fuß-
blattes) u. das Schnürwerk oberhalb des Oberleders (nicht auf dem bloßen Fußblatt);
in der Tora heißt es aber Dt 25,9: „Sie soll ihm den Schuh von seinem Fuß aus-
ziehen" u. nicht von oberhalb des Oberleders. (Hieraus sei zu folgern, daß die Chali(ja
nicht mit einem den ganzen Fuß bedeckenden Schuh hy:^ zu vollziehen sei. — Zugleich
■darf den Worten entnommen werden, daß die S. jedenfalls kein bis über den Spann
des Fußes reichendes Oberleder hatte, so daß ihr Schnürwerk nicht auf dem Oberleder,
sondern auf dem Fuße selbst zu liegen kam.) \\ J*^b 102'': Rab (f 247) hat gesagt: Wenn
ich nicht gesehen hätte, daß mein Oheim (R. Chijja, der Ältere, um 200) die Zeremonie
des Schuhausziehens mit einer S. vornehmen ließ, die Schnüre y4'j^ hatte, so würde
ich die Chali^a nur mit einer arabischen S. haben vollziehen lassen, die fest ansitzt,
während wir die unsrige, obwohl sie einen röhrenartigen Saum (sr^"3in zur Aufnahme
der Schnur, s. Krauß, Archäol. 1, 180) hat, mit einem Band verknoten, damit die Chali^a
untadelig vollzogen werde.
Einfacher als die Sandale war die o^f^'^Q (= solea mit Endung des
acc. plur., vgl. S. Deiy c:it) oder no-i^^-io genannte schlichte Sohle, die
unter dem Fuß mit Riemen oder Bändern befestigt wurde; zu ihrem
Unterschied von der S. wird bemerkt, dafs sie ohne einen ::;rr-, Hacken-
leder oder Absatz, gewesen sei,
Qid 14^ Bar: Es heißt Dt 25, 9: Sie soll , seinen" Schuh ausziehen. Da höre ich
nur „seinen" Schuh. Woher, daß es auch der Schuh jedes beliebigen Menschen sein
darf (mit dem die verwitwete Schwägerin die Chali^a vollzieht)? Die Schrift sagt
lehrend Dt 25, 10: Haus dessen, dem „der" Schuh ausgezogen ward. „Der" Schuh
schließt (jeden beliebigen Schuh) ein. Warum sagt dann aber die Schrift in diesem
Fall „seinen" Schuh? „Sein" Schuh bedeutet den Schuh, der für ihn geeignet ist
(ihm paßt); da ist also ausgeschlossen ein Schuh, der so groß ist, daß er in ihm nicht
gehen kann, oder der so klein ist, daß er nicht den größten Teil seines Fußes be-
deckt; ferner ist ausgeschlossen die „Sohle" (1. c^^'-sid? statt o"Vio'5''5 nach 'Arukb bei
Levy 3, 489^ u. Krauß, Archäol. 1, 622 Anm. 686), weil sie keinen Absatz zpv hat. —
An das Schuhwerk anknüpfende, sentenzenartige Aus-
sprüche.
Schab 152*: Ein Kastrierter (Eunuch) sprach zu R. J'^hoschua^' b. Qarcha (um 150):
Wie weit ist es von hier bis nach Qorchina? (Qorchina Anspielung auf Qarcha =
Kahlkopf j. Dieser antwortete ihm: Ebensoweit, wie von hier nach Guzneja (Anspielung
auf ~sj;; ■= Verschnittener; Levy 1, 310 gibt die Wortspiele wieder mit: Glatzia von
Glatze u. Kastratopol). Der Sektierer (d. h. der Kastrat, der ein Min war) sprach:
Ein kahler (abgeschorener) Bock kostet 4 Zuz, ein kastrierter Bock (aber immer noch)
8Zuz!^ Als er (der Sektierer) bemerkte, daß R. J^hoschua" b. Q. keine Schuhe an-
^ So lesen wir mit cArukh bei Levy 1,70* unter sp-s. Der Text hat: sn-p sn-i;
j<-:":r2 Si'Vx a~~'v n-V — ;s rty^-s:. Durch r—V -^"js werden die letzten Worte zu einer
568 Matth 10, 10 (ß)
gelegt hatte, sprach er zu ihm: Der auf einem Roß, ist ein König; der auf einem
Esel, ein freier Mann; wer Schuhe an seinen Füßen hat, ist ein gewöhnliches Menschen-
kind. Wenn jemand aber weder dieses, noch jenes hat, dann ist der Verscharrte u.
Begrabene besser daran, als er! Er antwortete ihm: Verschnittener, Verschnittener!
Dreierlei hast du mir gesagt, dreierlei sollst du hören: Der Schmuck des Angesichts
ist der Bart (u. der fehlt dem Entmannten); die Freude des Herzens ist ein Weib;
ein Erbteil Jahves sind Kinder (Ps 127, 3); gepriesen sei Gott, der dies alles dir ver-
sagt hat! Jener sprach: Du zänkischer Kahlkopf! Dieser erwiderte: Du impotenter
Eunuch, du hast ja den Zank begonnen! — Nach Midr Qoh 10,7 (47*^) hat sich eine
gleiche Neckerei zwischen R. ?Aqiba, f um 135, u. einem kaiserlichen Eunuchen in
Rom abgespielt. || P'^s \\Z^: Sieben sind vom Himmel in den Bann getan; diese sind:
wer kein Weib hat; wer ein Weib, aber keine Kinder hat; wer Kinder hat, sie aber
nicht für das Torastudium erzieht; wer keine Gebetsriemen auf seinem Kopf u. an
seinem Arme, keine (^'i^ith (Quasten) an seinem Kleid u. keine M'^zuza (Türpfosten-
kapsel) an seiner Tür hat u. wer seinen Füßen die Schuhe versagt. Einige fügen noch
hinzu: Wer nicht mit zu Tische sitzt als Mitglied einer (frommen) Genossenschaft,
die sich zur Ausübung eines Pflichtgebotes gebildet hat. || Schab 129»: Rah J'^huda
(t 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Immer verkaufe der Mensch die Balken
seines Hauses u. kaufe (für den Erlös) Schuhe für seine Füße (denn es gibt nichts
Schimpflicheres, als barfuß auf der Straße einherzugehen, Raschi). Wenn sich aber
einer zur Ader gelassen u. nichts zu essen hat, so verkaufe er seine Schuhe von
seinen Füßen u. verschaffe sich daraus die Bedürfnisse einer Mahlzeit. Was gehört
zu den Bedürfnissen der Mahlzeit (nach einem Aderlaß)? Rab hat gesagt: Fleisch;
Sch*'muel (f 254) hat gesagt: Wein. Rab hat gesagt: Fleisch; denn Leben ersetzt
Leben. Sch^muel hat gesagt: Wein; denn Rotes (= Wein) ersetzt Rotes (^= Blut). j|
Midr KL 1,7 (53''): ,Als ihr kein Helfer kam" KL 1,7. Die Rabbinen Babyjoniens
sagten: Wenn die junge Frau Schläge bekommt (lies Jisor statt 'lEor), erinnert sie
sich der sieben Hochzeitstage. Die Rabbinen Palästinas sagten: Wenn ein Sohn bar-
fuß gehen muß, erinnert er sich des Wohlbefindens im Hause seines Vaters. |1 Midr
Ruth 1, 19 (129''): ,Ist das Nofomi'?" Ruth 1, 19. . . . Vordem zog sie in ihren Sänften
aus, u. jetzt muß sie barfuß einhergehn! i| Joma 77»: Rab Nachman bar Ji^chaq (f 85ö)
hat gesagt: Es heißt Jer 2, 25: , Halte deinen Fuß zurück, daß er nicht barfuß werde,
11. deine Kehle, daß sie nicht durstig werde." Halte dich von dfer Sünde zurück, damit
dein Fuß nicht zur Barfüßigkeit (Zeichen des tiefsten Elends) komme; halte deine Zung^
von unnützen Worten zurück, damit deine Kehle nicht zur Verdürstung komme. j| TanchB
-rhvr.z § 16 (26 1>): R. JiQchaq b. Elfazar aus Cäsarea (um 340) hat gesagt: Was die Weis-
heit zur Krone für ihr Haupt gemacht hat, das hat die Demut zur Sohle (Sandale) für
ihren Fuß gemacht. Es heißt Ps 111, 10: Das Erste (im Sinn des Midr = das Höchste,
das Haupt) der Weisheit ist Gottesfurcht; u. dort (Spr22, 4) heißt es: Die Ferse der
Demut ist Gottesfurcht (so der Midr, der sps = „Ferse" deutet). — In Midr HL 1, 1 (80-'),
wo Rab Matf^na, um 270, als Autor genannt ist, steht „Sandale für ihre Ferse" statt „Sohle
für ihren Fuß". Weniger deutlich heißt es pSchab 1, 3'^, 15 statt dessen: „Ferse (-= Ab-
satz) für ihre Sohle" ; Krauß, Archäol. 1, 623 Anm. 687 will deshalb lesen: „Sohle für ihre
Ferse" rizj-'^h c-'Vic. In andrer Fassung u. auf die Tora bezogen Tanch r^vn^z 1 ''. — Der
Sinn des Ausspruchs: Wie die Weisheit sich mit der Gottesfurcht schmückt, wie mit
einer Krone, oder auch in der G. ihr höchstes Ziel erblickt, so macht die Demut die
G. zur sicheren Basis des Wandels. Vgl. das ebenfalls änigmatisch gemeinte Wort
GnR44 (27^): „Solange die Sandale an deinem Fuß ist, tritt das Dorngestrüpp nieder",
mit welchem nach R. Levi, um 300, Gott Abraham ermahnt, sein Verhalten nicht von
der Astrologie bestimmen zu lassen, sondern umgekehrt in Kraft seiner monotheistisclien
Gotteserkenntnis die astrologische Weisheit zuschanden zu machen. || Qid49»: Einen
Erwiderung des R. J'^hoschua^ b. Qarcha; dann hat man zu ry^-sa „SelaS" (1 S.
4 Zuz) zu ergänzen u. zu s'Jttra „Zuz".
Matth 10, 10 (6. 2). 6)- 10, H- 12 569
Schuh, der für meinen Fuß zu groß ist, mag ich nicht. (Eine sprichwörtliche Redensart
des Inhalts, daß ein Mann nicht gern eine Frau heiratet, die nach ihrer Abstammung
höher steht als er selbst.)
Über Auflösen der Schuhriemen s. S. 1 2 1 bei Mt 3, 1 1 . || Das Reisen ohne
Schuhe war etwas völlig Ungewöhnliches; selbst diejenigen Personen,
die pflichtmäßig barfuß zu gehen hatten, wie Fastende u. Trauernde,
waren auf einer längeren Wanderung von dieser Vorschrift frei.
TTafan2, 6 (215): Wem das Anlegen von Sandalen (an einem Fasttage) verboten
ist, darf, wenn er aus einer Stadt hinausgeht, solche anlegen; naht er sich einer Stadt,
so zieht er sie wieder aus; die gleiche Bestimmung gilt bei einem, der in den Bann
getan ist oder der trauert. || Ta?an 13*: Wenn man gesagt hat, daß das Anlegen von
Sandalen verboten sei (nämlich an einem Fasttage, s. Ta?an 1,6), so hat man das nur
(für das Gehen) in der Stadt gesagt; aber auf der Reise ist es erlaubt (Sandalen zu
tragen). Wie macht man es also? Geht er hinaus auf die Reise, so legt er sie an;
betritt er die Stadt, so zieht er sie aus. — pTaSan 1,64", 40 Bar: Ein Leidtragender u.
ein im Bann Befindlicher dürfen auf der Reise die Sandalen anlegen; wenn sie aber
in eine Stadt kommen, so ziehen sie sie aus. Dasselbe gilt (beim Fasten) am 9. Ab
(Tag der Zerstörung Jerusalems) u. bei einem Gemeindefasten.
Hiernach wird die Mahnung Jesu an seine Jünger, keine Sandalen
zu erwerben, dahin gehn, daß sie nicht mehr als ein Paar, das sie
gerade tragen, besitzen sollen.
10, lOS: Auch nicht einen Stab.
Hitjd^ QÜßöov. Der Wanderstab, h-^^q, neben andren notwendigen Reise-
ausrüstungsgegenständen erwähnt zB B^'rakh 9, 5, s. oben S. 565« bei Mt
10, 9; J«b 16, 7 u. BB ISS^ s. oben bei 31.
10,10(1: Denn der Arbeiter ist seiner Nahrung wert.
Vgl. die Zitate zu 1 Kor 9, 7. 9. 12. 14. — Tanch xan -^d 119\- Wer sich
mit der Tora beschäftigt, hat von ihr seinen Lebensunterhalt inc:"is.
10^ 11: Dort bleibet, bis ihr fortgeht.
cArakhin 16 b: Bis wann soll ein Mensch seine Herberge nicht ändern (gegen eine
andre aufgeben)? Rab (f 247) hat gesagt: Bis zum Schlagen (bis der Wirt ihn schlägt);
Sch^muel (f 254) hat gesagt : Bis man seine Sachen hinter ihm herwirft. Beim Schlagen
ist alle Welt nicht geteilter Meinung, beim Hinterherwerfen seiner Sachen ist alle Welt
gleichfalls nicht geteilter Meinung; wenn man geteilter Meinung ist, so ist es in dem
Fall, daß man seine Frau schlägt. Der eine Autor meinte : Da er ^hn selbst nicht be-
leidigt, was liegt ihm daran! Und der andre Autor meinte: Es kommt dahin, daß er
vertrieben wird. Und das alles warum? Weil ein Autor gesagt hat: Ein (seine Herberge
oft wechselnder) Gast tut Abbruch u. erleidet Abbruch (bringt seinen Wirt u. sich selbst
in Verruf). Rab J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Woher aus der
Tora, daß ein Mensch seine Herberge nicht ändern soll?, s. Gn 18, 3: „Abraham zog . . .
bis zu dem Orte, wo sein Zelt anfangs gewesen war." R. Jose b. Chanina (um 270) hat
gesagt: Von hier: , Abraham zog nach seinen Stationen" Gnl3, 3 (d.h. er zog immer
wieder dorthin, wo er früher geweilt hatte).
10, 12: Eintretend in das Haus grüßt es (mit d. Friedensgruß).
Über den Friedensgruß s. zu Mt 5, 47 S. 380 ff. — Ferner NuR 21 (190*^): „Siehe, ich
gebe ihm (dem Pin^'chas) als meinen Bund Frieden" Nu 25, 12. Groß ist der Friede,
den er dem Pin''chas gegeben hat; denn die Welt wird nur mit Frieden geleitet (regiert) u.
570 Matth 10, 14 {%)
auch die ganze Tora ist Friede, s. Spr3, 17: „Ihre Wege sind liebliche Wege u. alle
ihre Steige sind Friede." Wenn ein Mensch von der Reise kommt, so wünscht man
ihm Frieden (im Friedensgruß) u. ebenso grüßt man ihn des Morgens u. des Abends
mit dem Friedensgruß. Dasselbe Tanch onjE 238^,
10,14 %: Wer euch nicht aufnimmt.
SDt 11,22 §49 (85*): „Ihm anzuhangen" Dt 11,22. Ist es einem Menschen denn
möglich, zum Himmel emporzusteigen u. sich an ihn (Gott) zu hängen? Heißt es denn
nicht längst Dt 4, 24: „Jahve dein Gott ist ein verzehrendes Feuer"? u. Dn 7. 9: „Sein
Thron waren Feuerflammen, dessen Räder flammendes Feuer"? Vielmehr ist es so ge-
meint: Hänge dich an die Gelehrten u. an deren Schüler; so rechne ich (Gott) es dir
so an, als wärest du zum Himmel emporgestiegen u. hättest (dort die Tora) in Empfang
genommen. |' Midr HL 2, 5 (97*5): Am Ende der Religionsverfolgung (unter Hadrian) ver-
sammelten sich uusre Lehrer in Uscha (in Galiläa), u. zwar R. J'^^huda, R. N'^chemja,
R. Meir, R. Jose (b. Chalaphta), R. Schimfon b. Jochai, R. Elicezer b. Jose ha-6'^'lili, u.
R. Elicezer b. Jacaqob (IL, sämtlich um 150). Sie ließen den Ältesten in Galiläa melden:
Wer (Tora) gelernt hat, der komme u. lehre, u. wer nicht gelernt hat, der komme u.
lerne! Sie versammelten sich u. studierten u. taten alles Nötige. Als die Zeit herankam,
Abschied zu nehmen, sprachen sie: Den Ort, in welchem wir aufgenommen worden
sind ":t2 ".'-^-ry::, sollten wir leer (d. h. ohne Segen) zurücklassen? . . . Und nun trug
R. N^chemja öfi'entlich vor: Es heißt Dt 23, 4 f.: „Kein cAmmouiter u. Moabiter darf in
die Gemeinde Jahves eintreten . . ., dafür, daß sie euch nicht mit Brot u. Wasser ent-
gegenkamen." . . . Komm u. sieh, wie Gott diese beiden Völker gestraft hat! Es heißt
in der Tora: Kein 'Ammoniter u. Moabiter darf in die Gemeinde Jahves eintreten! Und
ihr, Bewohner von Uscha, seid unsren Lehrern entgegengekommen mit eurer Speise u.
eurem Trank u. euren Lagerstätten; Gott wird euch dafür guten Lohn geben! — Nach
ihm R. Meir: Es heißt 1 Kg 18, 11: Es wohnte ein alter Prophet in Bethel usw. . . .
Wenn nun dieser, der den zurückgeholten Propheten betrogen u. ihm Lügenbrot zu
essen gegeben hatte, gewürdigt ward, daß der heilige Geist auf ihm ruhte (vgl. 1.3, 20 ff.):
um wieviel mehr wird euch, ihr Bew. von Uscha, die ihr uusre Lehrer mit Speise der
Wahrheit u. mit Trank u. mit Lager aufgenommen habt crVapi?, Gott guten Lohn ver-
gelten! — Nach ihm R. Jose: Es heißt 2 Sm 6, 11 : Die Lade Jahves blieb im Hause cObed-
Edoms des Gathiters drei Monate, u. Jahve segnete den 'Obed-Edom u. sein ganzes
Haus. . . . Wenn er nun wegen der Ehre, die er der Lade Gottes erwies, die doch
weder aß noch trank noch redete, in der nur die beiden Steintafeln sich befanden u.
vor der er nur ein Licht anzündete, gewürdigt ward, gesegnet zu werden, um wieviel
mehr gilt das dann von euch, unsre Brüder, Bew. von Uscha! — Nach ihm R. Schiracon:
Es heißt 2 Kg 4, 8: Es geschah eines Tages, als Elisa an Sunem vorüberging, dawar
daselbst eine vornehme Frau, die hielt ihn fest zum Essen. . . . Wenn nun die Sunam-
miterin, weil sie den Elisa speiste, der Auferweckung ihres Sohnes gewürdigt ward,
um wieviel mehr 'gilt das dann von euch, ihr Bew. Uschas, die ihr (unsren Lehrern)
Liebe erwiesen habt! — Nach ihm R. Elicezer b. Jose ha-G'^lili : Es heißt 1 Sm 15, 6: Saul
sprach zu dem Qeniter (im Sinne des Midr = Jethro): Auf, ziehet fort, steigt herab
aus der Mitte der fAmaleqiter; sonst könnte ich dich zugleich mit ihm austilgen,
obwohl du doch Liebe geübt hast gegen alle Kinder Israel, als sie aus Ägypten
heraufzogen. Hat denn Jethro allen Israeliten Liebe erwiesen, hat er sie denn nicht
bloß Mose erwiesen? Das will dich lehren, daß es demjenigen, der einem der Großen
Israels Liebe erweist, so angerechnet wird, als wenn er sie allen Israeliten erwiesen
hätte. Um wieviel mehr gilt das dann von euch, unsre Brüder, ihr Bew. von Uscha! —
Nach ihm R. Elicezer b. JaEaqob: Es heißt Dt 27, 9: Mose u. die Priester u. Leviten'
sprachen zu ganz Israel: Schweige u. höre, Israel! an diesem Tage bist du zu einem
Volke Jahves, deines Gottes, geworden. Wie, empfingen sie denn an diesem Tage die
Tora, hatten sie sie denn nicht schon vor vierzig Jahren empfangen? Und du sagst:
Diesen Tag? Allein es will lehren, daß, weil Mose sie die Tora lehrte u. sie dieselbe
Matth 10, 14 [%. 93). 10, 15 (Nr. 1) 571
mit freudigem Angesicht annahmen, es ihnen die Schrift so anrechnete, als wenn sie
die Tora an diesem Tage auf dem Berge Sinai angenommen hätten. Deshalb heißt es:
An diesem Tage bist du zu einem Volke Jahves, deines Gottes, geworden. Und ihr,
unsre Brüder, Bew. von Uscha, die ihr unsre Lehrer mit freudigem Angesicht auf-
genommen habt crhzpv — um wieviel mehr gilt es von euch! — Dasselbe als Bar
mit mehrfachen Abweichungen B'^^rakhßS'^ s. bei 10,40. Noch andres daselbst u. im
Exkurs »Liebeswerke" Nr. 4, II.
10, 14 5B: Fortgehend aus jenem Haus oder Stadt
schüttelt d&n Staub von euren Füßen ab.
Das Land der Heiden galt als unrein, weil man überall Grabstätten
vermutete. Erdstaub, etwa mit ausländischen Bodenerzeugnissen nach
Palästina eingeführt, konnte levitisch reine Gegenstände unrein machen.
Bei einer Wanderung durch heidnisches Gebiet wird man also, bevor
man den Boden Palästinas betrat, sorgfältig allen Staub von Schuhwerk
u, Kleidung entfernt haben, um das Land Israel nicht zu verunreinigen.
Schüttelte man daher den Staub einer Stadt von den Füßen ab, so
drückte man damit aus, daß man den Ort dem Gebiet der Heiden
gleichstelle u. mit seinen Bewohnern keine Gemeinschaft habe. — Eine
andersartige Gedankenverbindung liegt der Symbolik des Ausschütteins
des Gewandes Neh 5, 13 u. Apg 18, 6 zugrunde.
TMiqv G, 1 (657): Das Land der Völker ist unrein; desgleichen seine Wasser-
ansammlungen (Zisternen, Teiche usw.), seine Wohnstätten u. seine Wege. || Sanh 12"
Bar: Man darf kein Grünkraut (wie Kohl u. dgl.) aus dem Auslande nach dem Land
(Israel) bringen; aber unsre Rabbinen erlaubten es. Welche Meinungsverschiedenheit
liegt dem zugrunde? R. .Firm'^ja (um 325) hat gesagt: Die Besorgnis wegen der Erd-
klöße (die mit dem Grünkraut eingeführt werden u. Verunreinigungen im Lande Israel
verursachen könnten) lag als Meinungsverschiedenheit zugrunde. || GitS-'^Bar: Der Erd-
staub Syriens ist unrein wie der des Auslandes. || Toharoth 4, 5 : In sechs Zweifelsfällen
verbrennt man die Priesterhebe (als möglichenfalls unrein geworden): wenn Zweifel
besteht, ob sie mit einer umgepflügten Grabstätte oder mit Erdstaub, der aus einem
Lande der Völker stammt, oder mit Kleidungsstücken eines EAm ha-are9 (der sich um
die Reinheitsgesetze nicht kümmert) oder mit vorgefundenen Gefäßen (deren Reinheit
ungewiß ist) oder mit Speichelauswurf oder mit menschlichem Urin in Berührung ge-
kommen ist, der zu gleichen Teilen in tierischen Urin gemischt ist. — Diese Mischna
wird zitiert zB Schab 15^. || Ohaloth2,3: Folgende Dinge verunreinigen durch Berühren
u. Tragen. . . . Ausländische Erde (die nach Palästina verschleppt wurde). || B'-rakh 19^ :
R. J®huda (t 299) hat gesagt, Sch*^muel (f 254) habe gesagt: Man bläst den Staub eines
Feldes, in dem menschliche Knochen ausgepflügt wurden, (von den Füßen) ab u. geht
von dannen (die Sache ist damit erledigt). — Dieser Satz ist oft wiederholt worden,
s. zB K^th 281^; Nidda 57-'. — Das allerdings anders gemeinte Staubabschütteln Jes 52, 2
hat R. Acha (um 320) einmal Midr HL 4, 8 (114^^) mit den Worten veranschaulicht: Wie
eine Henne, die die Asche von ihren Flügeln abschüttelt r.^vz'n. — Dasselbe GnR 75 (AS^). —
Sein Schüler R. Judan (um 350) hat das gleiche Bild Midr Ps 103 §8 (118=*) auf Hiob
angewandt: Wie ein Hahn (1. mit Buber ■^a; statt =-s) auf dem Dunghaufen sitzt u.
sich schüttelt '.^-^i' ^y:r:, so hat Hiob die Leiden von sich abgeschüttelt ly:»: u. ist
erneuert worden.
10,15: Es wird dem Lande von Sodom u. Gomorra
erträglicher ergehn am Tage des Gerichts.
1. Schandtaten der Bewohner von Sodom u. Gomorra.
572 Matth 10,15 (Nr. 1)
GnR41 (25'^): Rabbi sagte: Üuter den Städten gibt es keine schlimmere, als Sodom
war, gleichwie man einen bösen Menschen einen Sodomiter nennt; u. unter den Völkern
gibt es kein härteres, als die Einoriter, gleichwie man einen harten Menschen einen
Kmoriter nennt. R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sagte: Unter den Städten gibt es keine
schönere, als Sodom war; denn Lot durchzog alle Städte des Kreises u. fand keinen
schöneren Ort als Sodom war, u. zwar waren sie (die Sodomiter) die geachtetsten (oder
auch die achtbarsten) unter ihnen. (In TSchab 7, "231?. [119] wird Rabbis Ausspruch dem
R.Jose, der des R.Jose dem R. N*^horai, um 150, beigelegt; dann folgt noch ein Aus-
spruch des Rabban Schimfon b. Gamliöl, um 140: Unter den Völkern gibt es kein lang-
mütigeres ("ir«, vorsichtig, gelassen) als die Emoriter; denn so finden wir, daß sie
Gott glaubten u. nach Afrika auswanderten, u. Gott gab ihnen ein Land, das so schön
war, wie ihr (früheres) Land, u. auch das Land Israel wurde nach ihrem Namen be-
nannt.) — ,Die Leute von Sodom aber waren böse u. sündig vor Jahve gar sehr* Gn
13, 13: „böse", nämlich gegeneinander, „sündig", nämlich durch Unzuchtssünden, „vor
Jahve", nämlich als Götzendiener, ,gar sehr", d. h. in Sachen des Blutvergießens. —
.ähnliche Auslegungen von Gn 13, 13 finden sich Sanh 109^^: Rab J'-huda (t 299) hat
gesagt: „Sie waren böse", nämlich mit ihrem Leibe (in Unzuchtssünden), s. GnB9, 9:
„Wie sollte ich dieses große Unrecht (~>~) tun u. mich wider Gott versündigen!"
..Sündig", nämlich mit ihrem Hab u. Gut (ariis's), s. Dt 15, 9: „Daß es (unbarmherziges
Verfahren) eine Sünde(nschuld) an dir werde." „Vor Jahve", damit ist Gotteslästerung
gemeint; „gar sehr", d. h. sie sündigten absichtlich. In einer Bar ist gelehrt worden:
„Sie waren böse", nämlich mit ihrem Hab u. Gut, s. Dt 15, 9: „Daß dein Auge miß-
günstig (ny-') sei gegen deinen armen Bruder"; „sündig", nämlich mit ihrem Leibe,
s. Gn39, 9: Daß ich mich wider Gott versündigte!; „vor Jahve", damit ist Gottes-
lästerung gemeint; „gar sehr", das bezieht sich auf Blutvergießen, s. 2 Kg 21, 16: Auch
unschuldiges Blut vergoß Manasse „gar sehr" viel in Jerusalem. |; Sauh 109* Bar: Die
Leute von Sodom sind nur infolge des Guten übermütig (hoffärtig) geworden, das Gott
ihnen im Überfluß hatte zuteil werden lassen. Was steht doch von ihnen geschrieben?
Hi28, 5ff. : „Ein Land, aus dem Brot hervorwächst, u. unten wird es umgewühlt wie
von Feuer. Eine Fundstätte des Saphirs ist sein Gestein, u. Goldstufen hat es; den
Weg kennt der Adler nicht, noch erspäht ihn des Geiers Auge, ihn betreten nicht die
stolzen Raubtiere, noch schreitet der Leu über ihn hin." Sie sprachen nämlich: Da
aus der Erde Brot hervorwächst u. Goldstufen sich darin finden, was sollen uns da die
Wandrer, die nur zu uns kommen, um uns Mangel zu bereiten! Kommt, lasset uns
das Gesetz des Wanderers aus unserm Land vergessen machen, s. Hi 28, 4: Man bricht
einen Schacht, fern bleibt der Fremde, vergessen sind sie vom Wandrer. — Nach den
älteren Parallelstellen TSota 3, 11 f. (296); M'-^kh Ex 15, 1 (42''); SDt 11, 14 § 48 (81 ») ist
Hi 28, 4 als strafende Antwort Gottes gemeint: Gott sprach zu den Leuten von Sodom:
Für das Gute, das ich euch im Überfluß habe zuteil werden lassen, wollt ihr den
Wanderer aus eurer Mitte vergessen machen? Ich werde euch von der Welt vergessen
machen, wie es heißt Hi28, 4: Hervor bricht der Strom (von Feuer u. Schwefel, so
wird jetzt der Vers gedeutet), fernab bleibt der Fremde, vergessen sind sie vom Wandrer,
schweben fern von Menschen, schwanken! — Weitere Parallelen finden sich LvR 4
(107b);7(110'');MidrQoh2,2(r2b);NuR9(153d). [1 Sanh 109a:Raba(t 352) hat öffent-
lich vorgetragen: Was heißt Ps62, 4: „Wie lange wollt ihr anstürmen wider einen
Mann, ihn töten ihr alle, wie eine sinkende Wand, eine eingestoßene Mauer?" Das
lehrt, daß sie (die Sodomiter) ihre Augen auf die reichen Leute warfen; man setzte
einen solchen an einer sinkenden Mauer nieder u. stürzte diese dann auf ihn; darauf
kamen sie u. nahmen sein Vermögen fort. Ferner hat Raba öffentlich vorgetragen: Was
heißt Hi24, 10: „Man bricht bei Nacht in Häuser ein, sie, die bei Tage sich eingeschlossen
halten, da sie vom Licht nichts wissen wollen"? Das lehrt, daß die Sodomiter ihre
Augen auf die reichen Leute warfen; sie legten bei einem solchen Balsam als Depositum
nieder, den dieser dann in seiner Schatzkammer aufbewahrte. Am Abend kamen sie
u. gingen dem Duft des Balsams nach den Hunden gleich, s. Ps59, 7: „Am Abend
Matth 10, 15 (Nr. 1) 573
kehren sie wieder, knurren wie die Hunde u. laufen umher in der Stadt." So kamen sie
u. brachen dort (in die Schatzkammern) ein u. nahmen das Vermögen fort. \\ Sanh 109=*:
Die Sodomiter bestimmten: Wer einen Ochsen hat, der muß das (gesamte) Vieh einen
Tag auf die Weide treiben; wer keinen Ochsen hat, der muß es zwei Tage auf die
Weide treiben! Einem Waisenknaben, dem Sohn einer Witwe, übergaben sie die Ochsen
zum Weiden. Er ging hin, nahm die Ochsen u. tötete sie. Er sprach zu ihnen: Wer
einen Ochsen hat, nehme sich eine Haut; wer keinen Ochsen hat, der nehme sich zwei
Häute! Sie sprachen zu ihm: Was soll das? Er antwortete: Das Ende des Rechts muß
seinem Anfang entsprechen. Wie der Anfang des Rechts war: Wer einen Ochsen hat,
der muß das Vieh einen Tag auf die Weide treiben, u. wer keinen Ochsen hat, der muß
es zwei Tage auf die Weide treiben, so muß auch das Ende des Rechts sein: Wer einen
Ochsen hat, der nehme eine Haut; wer aber keinen Ochsen hat, der nehme zwei Häute!
Ferner hatten sie bestimmt: Wer in einer Fähre übersetzt, hat einen Zuz zu zahlen;
wer aber ohne Fähre übersetzt, zahlt zwei Zuz! — Wenn einer eine Reihe Ziegel hatte,
so kam jeder, nahm sich einen Ziegel u. sprach: Ich habe ja nur einen genommen (das
macht dich doch nicht arm)! Wenn einer Knoblauch oder Zwiebeln hinschüttete (etwa
zum Trocknen), dann kam jeder u. nahm sich eine Knolle u. sprach: Ich habe ja nur
eine genommen ! — Viererlei Richter waren in Sodom : Lügner, Verlogene, Fälscher u.
Rechtsverdreher. Wenn einer das Weib eines andren gestoßen hatte, daß sie eine Fehl-
geburt tat, so sprachen sie zu ihrem Mann: Gib sie ihm, damit er sie dir wieder schwanger
mache! Wenn einer dem Esel eines andren ein Ohr abgeschnitten hatte, so sprachen
sie zu dem Eigentümer: Gib ihm den Esel, bis das Ohr wiedergewachsen ist! Wenn
einer einen andren verwundet hatte, sprachen sie zu dem Verwundeten: Gib jenem Lohn
dafür, daß er dir Blut abgelassen hat! Wenn einer mit einer Fähre übersetzte, mußte
er 4 Zuz zahlen ; war er durch das Wasser gegangen, so zahlte er 8 Zuz. Einmal ging
ein Walker dorthin; als er dort angekommen war, sprachen sie zu ihm: Gib 4 Zuz! Er
antwortete ihnen: Ich bin durchs Wasser gegangen. Sie sprachen: Wenn dem so ist.
so hast du 8 Zuz zu zahlen, weil du durchs Wasser gegangen bist. — Einmal war
Elif ezer, der Vogt Abrahams, dorthin gekommen, u. man verwundete ihn. Er ging zum
Richter, der zu ihm sprach: Gib jenem (der dich schlug) Lohn dafür, daß er dir Blut
abgelassen hat! Da nahm Elif ezer einen Stein u. verwundete damit den Richter. Dieser
sprach: Was soll das? Jener antwortete: Den Lohn, der mir jetzt von dir zusteht, gib
jenem (der mich geschlagen hat); so bleibt mein Geld, wie es war! — Die Sodomiter
hatten ein Bett, auf welchem sie die Wanderer (Gäste) schlafen ließen. War einer zu
lang (für das Bett), so kürzten sie ihn; war er zu kurz, so streckten sie ihn. Einmal
war auch Eli?ezer, der Vogt Abrahams, dort hingekommen. Sie sprachen zu ihm : Auf,
lege dich in das Bett! Er antwortete: Ich habe seit dem Tage, da meine Mutter starb,
das Gelübde auf mich genommen, in keinem Bett zu schlafen. — Wenn ein Armer zu
ihnen kam, gab ihm jeder einen Denar, auf den er (der Geber) seinen Namen schrieb;
aber Brot ließen sie ihm nicht zukommen. Wenn dann jener (vor Hunger) starb, kam
jeder u. nahm seinen Denar wieder an sich. — Folgende Vereinbarung hatten sie unter-
einander getroffen: wer einen (fremden) Mann zu einer Hochzeit einlud, der mußte
seinen Mantel (Obergewand) ausziehen (zur Strafe). Als nun einmal Hochzeit war, kam
Elisezer dorthin u. man gab ihm kein Brot. Als sie das Mahl halten wollten, kam
Elif ezer u. setzte sich an das unterste Ende von allen. Sie sprachen zu ihm: Wer hat
dich hierher geladen? Er antwortete dem, der bei ihm saß: Du hast mich eingeladen!
Da nahm dieser seinen Mantel u. eilte hinaus (um der festgesetzten Strafe zu entgehen);
u. so machte er es mit allen, bis sie alle hinaus waren; dann verzehrte er die Mahl-
zeit. — Einmal ereignete es sich, daß ein Mädchen den Armen Brot in einem Wasser-
krug hinaustrug. Als der Vorfall bekannt wurde, bestrichen sie sie mit Honig u. legten
sie auf das Dach einer Mauer; da kamen Bienen u. verzehrten sie. Das meint Gn 18, 2U:
jJahve sprach: Wenn das Geschrei über Sodom u. Gomorra demjenigen über das
Mädchen entspricht, wahrlich, dann ist ihre Sünde gar schwer geworden (der Midr
deutet na-i = na"- „Mädchen"). Rah J^uda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt:
574 Matth 10, 15 (Nr. 1. 2). 10, 16 {%. SB)
(Das risr Gn 18, 20 bedeutet:) , wegen des Mädchens". — Parallelstellen zur Schluß-
erzählung: GuRiO (31l>), hier wird das Mädchen verbrannt; Targ Jeruschl zu Gn 18, 20 f.,
hier heißt das Mädchen P^letith r^^-hs . — Statt der vier Richter in Sanh 109''' werden
GnR50(32^) deren fünf genannt: Lügenverhreiter, Meister der Lüge, Meister der Ge-
heimnisse (Levy 4, 305 nach andrer Lesart: Rechtsverdreher), Meister der Schlechtigkeit
u. — i:b s5p (bisher ohne befriedigende Erklärung geblieben ; Levys Deutung 4, 305 =
xXeTTzäpdg« , Menschenräuber " ist unmöglich; Dalman = axoXons'i'tfga = Tausendfuß;
s. auch Krauß, Lehnw. 2, 541). || GnR 50 (32 '^j: R. M^nachema (um 350) hat im Namen des
R. Bebai (um 320j gesagt: Die Leute von Sodom hatten unter sich vereinbart: Jeden
Fremdling, der hierher kommt, wollen wir beschlafen u. ihm sein Geld abnehmen. |1
Aboth 5. 10: Viererlei Menscheuarten gibt es: Wenn man sagt: ,Das Meinige ist mein u.
das Deinige ist dein", so ist das die mittelmäßige Art; einige sagen: Es ist sodoraitische
Art. ,Das Meinige ist dein u. das Deinige ist mein", so sagt der ?Am haareQ. „Das
Meinige ist dein u. das Deinige ist dein", so sagt der Fromme. ,Das Deinige ist mein
u. das Meinige ist mein", so sagt der Frevler, ji Zu den Unzuchtssünden der Sodomiter
s. bei Judas 7.
2. Über das Erscheinen der Leute von Sodom u. Gomorra vor
Gottes Richterstuhl am jüngsten Tage waren die Meinungen im 2. Jahr-
hundert geteilt; jedoch nimmt die Mehrzahl an, daß sie im großen
Gericht Gottes stehen werden; darin liegt zugleich ihre Teilnahme an
der Auferstehung ausgesprochen.
Sanh 10, 3: Das Geschlecht der Flut hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt u.
sie stehen nicht im (großen) Gericht (damit ist auch ihre Auferstehung verneint); denn
es heißt Gn 6, 3: „Nicht soll richten mein Geist im Menschen (so der Midr) ewiglich."
Also weder ein Gericht (über sie) noch Lebensgeist (in ihnen). Das Geschlecht der
Zerstreuung hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt; denn es heißt Gn 11, 8: „Jahve
zerstreute sie von dort über die Oberfläche der ganzen Erde." „Jahve zerstreute sie",
nämlich in dieser Welt; „von dort", d. h. in der zukünftigen Welt. Die Leute von Sodom
haben keinen Anteil an der zukünftigen Welt; denn es heißt Gn 13, 13: „Die Leute
von Sodom waren böse u. sündig vor Jahve gar sehr." „Sie waren böse", nämlich in
dieser Welt, u. „sündig" in der zukünftigen Welt; aber sie stehen im (großen) Gericht.
R. N'^chemja (um 150) sagte: Weder jene noch diese stehen im (großen) Gericht; denn
es heißt Psl,5: „Darum werden die Gottlosen nicht bestehn im Gericht, noch die
Sünder in der Gemeinde der Gerechten." „Darum werden die Gottlosen nicht bestehn
im Gericht", das ist das Geschlecht der Flut; „noch die Sünder in der Gemeinde der
Gerechten", das sind die Leute von Sodom. Da sagten sie (die Gelehrten) zu ihm: Sie
stehen nicht in der Gemeinde der Gerechten, wohl aber stehen sie in der Gemeinde der
Gottlosen. — Der obige Schriftbeweis aus Gn 13, 13 als Bar Sanh 109^.
10, 16 51: Siehe, ich sende euch wie Schafe inmitten von Wölfen.
Tanch r'-'^^ir (32b): Hadrian sagte zu R. J'hoschuac' (um 90): Etwas Großes ist es
um das Schaf (d. h. Israel), das unter siebzig Wölfen (den siebzig Völkern der Welt)
bestehen bleibt. Er erwiderte: Groß ist der Hirte, der es errettet u. bewacht u. sie (die
Wölfe) vor ihnen (Israel) niederbricht; da darf man sagen: „Jeglich Zeug, das wider
dich geschmiedet wird, wird kein Glück haben" Jes 54, 17.
10,16 !ß: Werdet daher klug wie die Schlangen
u. ohne Falsch wie die Tauben.
Midr HL 2, 14 (lOH). Es heißt: „Meine Taube in den Felsenritzen" HL 2, 14.
R. J'^huda b. Simon (um 320) hat ge.sagt: Gott sprach in bezug auf die Israeliten: Bei
mir sind sie einfältig {z-c'^r, vollkommen, unschuldig), wie die Tauben n-:v:, aber
unter den Völkern der Welt sind sie listig, wie die Schlangen =-'an3: ci-ry; das meint
Matth 10, 16 (5B). 10, 17 (3t) 575
Dn 3, 16: „Da antworteten Schadrakh, Meschakh u. cAbed-Nego u. sprachen zum König
Nebukadne^ar." Wenn es heißt „zum König\ weshalb dann noch „NebukadncQar"?
Und wenn es heißt „Nebukadne^ar", weshalb dann noch ,zum König"? Allein so
sprachen sie zu ihm: Wenn es sich um Tribut, Kopfsteuern, öffentliche Abgaben u.
Leistungen handelt, so bist du König über uns. Das wollen die Worte besagen: ,Zum
König NebukadneQar."' Wenn es sich aber darum handelt, daß du uns befiehlst, dein
Götzenbild anzubeten, so bist du ein ^u:--:-^a3 u. Nebukadne9ar ist dein Name, d. h.
dieser Mann (= du) u. ein ßeller (= Hund) sind für uns ein u. dasselbe. Nebukadne^ar:
Belle {nzz = ^z:) wie ein Hund; blähe dich auf wie ein Weinschlauch (sn^^p = -3
„Krug"), zirpe ("':::) wie eine Grille! — Der Ausspruch des R. J'^huda b. Simon, aber
ohne Hinweis auf Dn S, 16, wird Midr Ps 119 § 1 (244b) von R. J^huda b. Schalom, um
370, tradiert; die Auslegung von Dn 3, 16 auch LvR 38 (130'') u. Midr Ps 28 § 2 (115^). ||
GnR 20 (13"): R. Elcazar (um 270) hat gesagt: Auch im Fluche Gottes liegt ein Segen.
Wenn Gott zur Schlange nicht gesagt hätte: ,Auf deinem Bauche sollst du kriechen*
Gn 3, 14, wie könnte sie nach der Wand fliehen u. sich retten, in ein Loch u. sich
retten? || Schab 49^*: Was ist für ein Unterschied zwischen den Flügeln der Taube u.
den übrigen Vögeln, daß die Gemeinde Israel mit einer Taube verglichen wird, wie es
heißt: „Die Flügel der Taube, mit Silber überzogen" Ps 68, 14? Wie die Flügel die
Taube schützen (durch ihre große Schnelligkeit), so schützen die Gebote Israel. |! GnR
39(24'"'): „Ich spreche: Ach, daß ich Flügel hätte wie die Taube, davonfliegen wollte
ich u. mich niederlassen!" Ps 55, 7. Warum „wie die Taube"? R. 'Azarja (um 380) hat
im Namen des R. Judan (um 350) gesagt: Während sich alle Vögel, wenn sie ermüdet
sind, auf einem Felsen oder auf einem Baum ausruhen, so zieht die Taube, wenn sie
fliegt u. ermüdet ist, den einen ihrer Flügel ein u. fliegt mit dem andren. (Dadurch,
daß sie nirgends Rast macht, entgeht sie ihren Feinden.) || ExR 21 (83"): „Meine Taube
in den Felsenritzen" HL 2, 14; die Schrift hätte sagen sollen: „Taube" in den Felsen-
ritzen, warum sagt sie „meine Taube"? R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gott sprach
zu Israel: Meine Taube, sieh, was geschrieben steht: ,Und es ward Ephraim einer
einfältigen Taube gleich ripii rir-=, ohne Einsicht (Herz)" Hos 7, 11. Gott sprach: Bei
mir sind sie wie eine einfältige Taube -r'.z r;:r:; alles was ich über sie beschließe,
tun sie u. gehorchen sie mir; aber bei den Völkern der Welt sind sie hart wie die
wilden Tiere, wie es heißt: „ Ein Löwenjunges ist J%uda" Gn 49, 9, „Benjamin ist ein
Wolf, der zerreißt" (das. Vers 27), „Es werde Dan eine Schlange am Wege" (das. Vers 17),
weil sie hart (fest) sind gegenüber den Völkern der Welt. Weil die Völker der Welt zu
ihnen sagen: Was wollt ihr von diesem Sabbat, den ihr beobachtet, von dieser Be-
schneidung, die ihr ausführt? — u. diese wollen ihnen die Gebotserfüllungen zunichte
machen — so werden sie hart (fest) ihnen gegenüber wie die wilden Tiere; aber bei
Gott sind sie wie eine fromme Taube r.yjr rin-r u. gehorchen ihm in allem, was er über
sie beschließt, s. Ex 4, 31 ; 24, 7; deshalb heißt es: „Meine Taube in den Felsenritzen."
10,17 51: Sie werden euch an liatsversammlungen ausliefern.
tlg avre^Qia, nr-inriiö, aram. i^-inso, Sing. •p'^i'inrD.
Neben dem großen, aus 71 Mitgliedern bestehenden Synedrium in
Jerusalem gab es nach Sanh 1, 6 in Städten, die mindestens 120 er-
wachsene männliche Mitglieder zählten, kleinere Gerichtshöfe, die mit
23 Personen besetzt waren, a An diese kleineren Gerichtshöfe, die
gleichfalls als ■p":']n:c bezeichnet wurden, b ist an unsrer Stelle zu
denken, wie der Plural avvtÖQiu zeigt. Über die Zuständigkeit der
Gerichtshöfe mit 23 Mitgliedern belehrt Sanh 1, 4. c
a. Sanh 1,6: Das große Synedrium hatte 71 Mitglieder, das kleine 23. Woher, daß
das große 71 hatte? Weil es Nu 11, 16 heißt: Sammle mir 70 Männer aus den Ältesten
Israels. Und Mose zu ihnen hinzu, siehe, das sind 71. (Mose hinzu, weil es Nu 11, 17
576 Matth 10, 17 (31)
heißt: Sie sollen „mit dir" tragen.) R. J%uda (um 150) sagte: 70 (er erklärte das „mit
dir" ^= „wie du", Sanh 17**). — Woher, daß das kleine 23 Mitglieder hatte? Weil es
Nu 35, 24 f. heißt: »Und die Gemeinde richte . . . u. die Gemeinde errette." Eine richtende
Gemeinde u. eine rettende Gemeinde, siehe, das sind 20. Und woher, daß eine „Ge-
meinde" aus 10 Personen besteht? Weil es Nu 14, '27 heißt: Wie lange soll es dieser
bösen „Gemeinde" beikommen, wider mich zu murren? Josuau.Kaleb sind ausgenommen.
(Man verstand unter der bösen „Gemeinde" speziell die Kundschafter, deren Zahl nach
Abzug von Josua u. Kaleb 10 betrug; also 1 Gemeinde = 10; die zweimalige Erwähnung
einer „Gemeinde" Nu 35, 24 f. fordert dann '20 Personen.) Und woher, daß man noch 3
hinzuzufügen hat? Daraus, daß es Ex 23, 2 heißt: „Du sollst nicht nach der (einfachen)
Majorität zum Schlimmen entscheiden" (so der Midr), entnehme ich, daß es zum Guten
(zum Freispruch) der Mehrzahl nur Eines bedarf. Wenn dem so ist, warum heißt es dann
Ex 28, 2 (noch einmal): „Nach der Majorität zu entscheiden" ? (Um zu lehren:) Nicht wie
deine Entscheidung zum Guten sei deine Entscheidung zum Schlimmen : deine Entscheidung
zum Guten kann erfolgen auf den Ausspruch Eines (d. h. mit 1 Stimme Majorität), aber
deine Entscheidung zum Schlimmen (zur Verurteilung) nur auf den Ausspruch zweier (mit
2 Stimmen Majorität; also sind zu den oben berechneten 20 Mitgliedern noch 2 hinzu-
zufügen). Kein Gerichtshof aber darf geradzahlig sein; so fügt man zu ihnen noch einen
hinzu; siehe, so sind hier 23. Wie viele (männliche Einwohner) müssen in einer Stadt
sein, daß diese für ein Synedrium geeignet sei? 120. R. N^chemja (um 150) sagte: 230,
entsprechend den Oberen über zehn. (Der Richter als ein Oberer muß mindestens
10 Mann unter sich haben; mithin muß eine Gemeinde mit 23 Dekadenführern wenigstens
230 Einwohner zählen. Die Halakha ist nicht nach R. N^chemja, s. Strack zu Sanh 1,6.) —
Die Berechnung der 120 Stadtbewohner ist nach Sanh 17l> im einzelnen folgende: 23 Mit-
glieder zählt der Gerichtshof; zur Gerichtsverhandlung gehören weiter 3 Reihen von
je 23 Gelehrtenschülern, aus deren Zahl der eigentliche Gerichtshof gegebenenfalls zu
ergänzen ist, sind zusammen 92 Personen; jede Gemeinde muß ferner 10 gottesdienst-
fähige Männer, die viri otiosi, haben, ergibt zusammen die Zahl 102; eine Gerichts-
verhandlung erfordert weiter 2 Schreiber, 2 Gerichtsdiener, 2 Prozessierende, 2 Zeugen,
2 Gegenzeugen, 2 Gegenzeugen gegen die letzteren, das sind zusammen 114 Personen:
ferner sollen in einer Stadtgemeinde vorhanden sein 3 Verwalter der Armenkasse, 1 Arzt,
1 Aderlasser, 1 Dokumentenschreiber, 1 Schlächter u. 1 Kinderlehrer; das wären zu-
sammen 122 Personen. Um die Zahl 120 zu erhalten, hat man anzunehmen, daß die
zuletzt genannten Obliegenheiten nicht in der Hand immer nur Einer Person zu
liegen brauchten.
b. zB Sanh 1,5: Gerichtshöfe r-^n-injc für die Stämme (das sind eben kleinere
avyiÖQia) setzt man nur durch das Gericht von 71 (das große Synedrium) ein. —
SLv 20, 4 (365*): Woher läßt sich beweisen, daß, wenn man in den (kleinen) Synedrien
rT^-itnjc Israels seine Augen (vor einem Molokhdiener) verschließt, schließlich auch
das große Synedrium nii-;; -^injc seine Augen vor ihm verschließen wird? . . . Weil
es heißt Lv 20,4: „Wenn das Volk des Landes seine Augen verschließend verschließt."
(Die doppelte Verbalform wird auf zwei Gerichtsinstanzen gedeutet.)
C. Sanh 1,4: Kapitalverbrechen werden durch dreiundzwanzig Personen abgeurteilt.
Das widernatürlich beiliegende oder zuni Beiliegen gebrauchte Vieh durch dreiundzwanzig;
denn es heißt Lv 20, 16: „Du sollst das Weib u. das Vieh umbringen"; ferner Lv20, 15:
„Und das Vieh sollt ihr umbringen." Das zu steinigende Rind durch dreiundzwanzig
Personen; s. Ex 21,29: „Das Rind soll gesteinigt werden, u. auch sein Herr soll ge-
tötet werden." Wie die Tötung des Herrn, so die Tötung des Rindes (wie ein Mensch
nur durch 23 Personen zum Tode verurteilt werden darf, so auch das Rind). Der Löwe,
der Bär, der Leopard, der Pardel u. die Schlange (wenn sie einen Menschen getötet
haben) — ihre Tötung erfolgt durch den Gerichtsspruch von 23 Personen. R. Elicezer
(um 90) sagte: Wer sie früher umbringt (bevor sie einen Menschen getötet haben), hat
sich verdient gemacht. R. 'Aqiba (f um 135) sagte: Ihre Tötung erfolgt durch den
Gericlitsspruch von 23 Personen.
Matth 10, 17 (S). 10, 18. 20. 23. 25 (31) 577
10,17 23: In ihren Synagogen werden sie euch geißeln.
Über die Geißelungsstrafe s. bei 2 Kor 11, 24. — Daß die Geißelung
in den Synagogen vollzogen wurde, sagt ausdrücklich wohl keine Stelle
der rabbin. Literatur; aber nach Mak 3, 12 vollstreckte der Synagogen-
diener PD33n -^n die Strafe. Ausdrückliche Zeugnisse bietet das NT; s.
außer Mt 10^ 17 besonders noch Mt 23, 34; Mk 13, 9: Apg 22, 19. — Über
Synagogen s. den Exkurs: Das Synagogeninstitut.
10,18: Zum Zeugnis ihnen u. den Völkern.
sig fXdQxvQiov, zum Ausdruck s. bei Mt 8, 4.
10,20: Der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet.
rd TTvsvfia rov rrargdg v}.mv = nxJinD n^n, Geist der Weissagung oder
der Inspiration, s. Exkurs: Die Inspiration der heiligen Schrift, Anm. 16.
Weitere Beispiele s. bei Mt 3, 17 S. 127 Anm. ^*; Lk 2, 25; Kol 2, 9.
10,21: Es wird ein Bruder einen Bruder zum Tode ausliefern usw.
Belege s. im Exkurs: Vorzeichen u. Berechnung der messian. Zeit I, a.
10,23: Fliehet in die andre.
Tanch -~-i (55'^): , Wohlan mein Volk, so geh in deine Kammern, . . . verbirg dich
auf einen kurzen Augenblick" Jes26. 20. Gott sprach: Ich habe zu euch gesagt, daß
ihr euch verbergen u. der Stunde Raum geben sollt (dem Verhängnis nicht widerstehn
sollt). Naboth gab der Stunde nicht Raum, deshalb steht von ihm geschrieben 1 Kg 2 1,14:
Naboth ist gesteinigt u. gestorben. Mardokhai widerstand der Stunde, u. er mußte dem
Bösewicht schmeicheln; u. weil er Haman, dem Bösewicht, ein wenig widerstand, wären
die Israeliten bald aus der Welt vernichtet worden. David dagegen floh u. rettete sich
vor Saul, u. ebenso floh er vor seinem Sohn Absalom. Ebenso tat auch Mose, s. Ex 2. 15:
,Mose floh vor dem Pharao." Ebenso floh Jakob vor Esau, s. Hos 12, 13: „Jakob floh
nach der Trift Arams." Und auch die Väter der Welt gaben der Stunde Raum u.
schmeichelten dem, in dessen Hand die Stunde gegeben war (dem das Geschick günstig
war). Abraham schloß sich an Sara an (als wäre er etwas Nebensächliches u. Sara die
Hauptperson), wie es heißt Gn 12, 13: , Damit es mir um deinetwillen wohl gehe."
Isaak schmeichelte dem Esau, s. Gn25,28: ,lsaak liebte den Esau." Und auch hier
(,Gn47,29) heißt es: Jakob rief seinen Sohn Joseph herbei (weil diesem das Geschick
günstig war). |! Eine weitere Stelle aus Tanch ^yo» (245 '*) s. bei Mt 24, 20 JB.
10, 25 51: Es ist genug . . ., wenn der Knecht ist wie sein Herr.
B^rakh 58^ Bar: Wer israelitische Häuser in bewohntem Zustande sieht, spricht
(als Lobspruch): Gepriesen sei, der die Grenze der Witwe feststellt (Spr 15,25); wer
sie in zerstörtem Zustande sieht, spricht: Gepriesen sei, der in Wahrheit richtet! Sieht
er die Häuser der Völker der Welt in bewohntem Zustande, so spricht er: Das Haus
der Stolzen reißt Jahve weg (Spr 15,2.t); sieht er sie in zerstörtem Zustand, so spricht
er: Als Gott der Rache, Jahve als Gott der Rache erschien (Ps94, l)! cülla (um 280)
u. Rab Chisda (f 309) gingen auf einem Wege einher; als sie an die Tür des Hauses
des Rab Ghana b. Chanilai (um 260) kamen, wandte sich Rab Chisda ab u. seufzte.
(Ulla sprach zu ihm: Warum seufzst du? Es hat doch Rab (t 247) gesagt: Ein Seufzer
zerbricht den halben Körper des Menschen, s. Ez 21, 11 : Du Menschenkind, seufze! In
Zerbrochenheit der Lenden u. Betrübnis sollst du vor ihren Augen seufzen. Und
R. Jochanan (t279) hat gesagt: Sogar der ganze Körper des Menschen wird zerbrochen,
s. das. Vers 12: Es soll geschehen, wenn sie zu dir sagen: Warum seufzst du? so sollst
du sprechen: Über die Kunde, weil sie eintrifft, u. es schmilzt jegliches Herz u. schlaff
strack n.Billerbeck. NT I. 37
578 Matth 10, 25 (3t. S). 10, 26
werden alle Hände u. stumpf jeglicher Geist u. alle Kniee zerlaufen zu Wasser! Rab
Chisda sprach: Wie sollte ich nicht seufzen? In diesem Hause waren 60 Bäckerinnen
bei Tage u. 60 Bäckerinnen in der Nacht, die für jeden Bedürftigen buken; auch nahm
er seine Hand nicht vom Beutel weg (d. h. er legte den Geldbeutel nicht aus seiner
Hand); denn er dachte, vielleicht möchte ein Armer kommen, ein Sohn aus guter
Familie, der möchte beschämt werden (wenn er warten müßte) bis ich ihm den Beutel
hole; — u. ferner waren vier Türen im Haus nach den vier Richtungen der Welt u.
wer hungrig eintrat, ging gesättigt von dannen; auch ließ er Weizen u. Gerste in den
Jahren der Hijngersnot draußen ausschütten, damit jeder, der sich schämte, etwas bei
Tage zu nehmen, käme u. in der Nacht nähme — u. nun ist dieses Haus zu einem
Schutthaufen zusammengefallen; da sollte ich nicht seufzen? fUlla antwortete ihm:
So hat R. Jochanan gesagt: Seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört wurde, ist der
Beschluß über die Häuser der Gerechten festgesetzt worden, daß sie zerstört werden
sollen, wie es heißt Jesö, 9: ,In meine Ohren (offenbarte) Jahve der Heerscharen:
Fürwahr, die vielen Häuser sollen zur Wüstenei werden, die großen u. schönen ohne
Bewohner." Und ferner hat R. Jochanan gesagt: Dereinst wird Gott sie (die Häuser
der Gerechten) wieder bewohnbar machen, s. Ps 125, 1: „Die auf Jahve vertrauen, sind
wie der Berg Zion." Wie Gott dereinst den Berg Zion wieder bewohnbar machen wird,
so wird Gott auch dereinst die Häuser der Gerechten wieder bewohnbar machen. Als
?ülla sah, daß das Gemüt des Rab Chisda sich nicht beruhigte, sprach er zu ihm: Es
ist genug für den Knecht, wenn er ist, wie sein Herr ii^= ar-rv -zy'-i '.'-.] (Ist Gottes
Haus zerstört, so wundere sich der Diener Gottes nicht, wenn sein eigenes Haus zer-
stört wird.) !! GnR49 (SO''): „Sein Geheimnis (so der Midr) gewährt Jahve denen, die'
ihn fürchten, u. seinen Bund, daß er ihnen denselben kundtue" Ps 25, 14. Was ist das
Geheimnis Jahves? Das ist die Beschneidung; denn er hat diese von Adam an bis hin
zur zwanzigsten Generation nicht geoffenbart, bis Abraham auftrat, u. dem hat er sie
gegeben, s. Gn 17, 2: Ich will meinen Bund zwischen mir u. dir machen (so der Midr).
Gott sprach zu ihm: Wenn du dich beschneidest, so sollst du das Geheimnis Jahves
empfangen. ... In welchem Verdienst? Im Verdienst der Beschneidung, s. Ps25, 14
(wie oben). Gott sprach zu Abraham: Es ist genug für den Knecht, wenn er ist, wie
sein Herr (eingeweiht in seines Herrn Geheimnis). \\ Tanch svr 'd (llö''): ,Da redete
Jahve zu Mose: Geh, steige hinab!" Ex 32, 7. Gott sprach zu Mose: Mich haben die
Menschen längst veranlaßt, von hier hinabzufahren, um nach der Verderbnis zu sehen,
s. Gn 11, 5f.; 18,21; so geh auch du u. steige hinab; es ist genug für den Knecht,
wenn er ist, wie sein Herr. || SLv 25,28 (436^): ,lhr mit mir" --i>- =rs (Lv 25,23); es
ist genug für den Knecht, daß er ist, wie sein Herr. || ExR42 (98"): „Geh, steige hinab"
(Ex 82,7). R. Abin (I., um 325; IL, um 370) hat gesagt: Gott sprach zu Mose: Es miß-
falle dir nicht, daß ich zu dir gesagt habe: ,Geh, steige hinab'! Denn siehe, zwei-,
dreimal bin ich gleichsam vom Himmel zur Erde niedergefahren, um die Verderbtheit
der Menschen zu sehen, wie es heißt (Gn 11,5): „Jahve fuhr hernieder, die Stadt u.
den Turm zu sehen"; „wohlan wir wollen hinabfahren" (das. Vers 7); „ich will doch
hinabfahren u. sehen" (das. 18,21); auch du, geh u. steige hinab, es ist genug für den
Knecht, seinem Herrn gleich zu sein ■t:-ip'5 nrn n-nV n=y-> i^-i. — Diese sprichwörtliche
Redensart findet sich weiter zB Midr Ps 27 §5 (113»'); TanchB -V -•= §23(40»^.
10,25 83: Wenn sie den Hausherrn Beelzebul genannt haben,
um wieviel mehr seine Hausleute!
noaw fxäXXov Schluß a minori ad majus s. zu Rom 5, 9. || BsekCsßov'X s. bei Mt 18, 24.
10,26: Nichts ist verhüllt, was nicht offenbar gemacht,
u. verborgen, was nicht bekannt werden wird.
TargQoh 12, 13f.: Schließlich wird eine Sache, die in der Welt im verborgenen
getan wurde, ganz bekanntgemacht u. von allen Menschenkindern vernommen werden;
deshalb fürchte das Wort Jahves u. beobachte seine Gebote, daß du dich nicht im ver-
Matth 10, '27 (311.2) 579
borgeneu schuLdig machst; u. wenn du dich schuldig machst, so sei darauf bedacht,
in Buße umzukehren; denn also soll der Weg eines jeden Menschen sein. Denn jedes
Werk wird Jahve vor den großen Gerichtstag bringen u. ein Ding bekanntmachen,
das vor den Menschenkindern verborgen war, ob gut, ob böse. 11 Aboth 2, 4'* Hillel
pflegte zu sagen: Sage nicht von einem Worte, daß es nicht möglich sei, es zu hören;
denn schließlich wird es doch (von andren) gehört werden. Vgl. noch Qoh 10,20.
10, 27 %: Was ihr ins Ohr hört.
0 elg t6 ovg axovsre. — Zur Erklärung dieser Wendung folgendes:
1. Es war Sitte, daß die gottesdienstlichen Redner ihre Sabbat-
oder Festvorträge nicht unmittelbar an die Menge richteten, sondern
"sich dazu eines besonderen Sprechers xn*,^« oder Dolmetschers ■j^sji^n,
i:Q!^"i!inp bedienten. Der Vortragende -dn^ saß, meist wohl auf einem
erhöhten Sitz, während sein Amora neben ihm stand, um das vom
Vortragenden ihm Zugeflüsterte laut an die Zuhörer weiterzugeben:
s. den Exkurs: Der altjüdische Synagogehgottesdienst C, 3.
2. Eine andre Sitte verbot, gewisse esoterische Lehren theosophischen
oder kosmogonischen Inhalts öffentlich zu besprechen. Der Lehrer, falls
er in diese Lehrstoffe eingeweiht war, übermittelte sie unter vier Augen,
auch wohl noch im Flüstertone, seinen vertrautesten Schülern, die sie
später unter gleichen Kautelen an ihre eigenen Schüler weitergaben.
Diese Lehren galten als Geheimlehren,
Chag 2, 1 : Man darf öffentlich nicht vortragen über die Blutschandegesetze vor drei
Personen, über das Schöpfungswerk nicht vor zwei Personen u. über die Wagenerscheinung
(Ezlu. 10) auch nicht vor einem einzelnen, es sei denn, daß dieser ein Gelehrter ist
u. ein selbständiges Urteil hat. — Die von der Wagenerscheinung handelnden Worte
bereits als Lehre der Gelehrten im Munde des Rabban Jochanan b. Zakkai, f "ro 80,
pChag 2, 7 7 '•', 45 ; als Lehre des Rabban Jochanan b. Z. selbst TChag 2, 1(233); Chag 14''.—
ParalleistellezurganzenMischnas.TChag2,l Anfang. || P^siqUS'^: R. SchimEon b. J'^ho-
9adaq (um 225) ließ den R. Sch^muel b. Nachman (um 260) fragen: Weil ich von dir
gehört habe, daß du ein Meister der Haggada bist, so sage mir, von wo das Licht in
die Welt ausgegangen ist. Er antwortete: Gott hüllte sich in ein weißes Gewand, u.
die ganze Welt leuchtete von dem Glanz seiner Herrlichkeit. Das sagte er ihm im
Flüsterton ^■v-rJ-iz. Jener erwiderte: Das sagt ja ein ganzer Schriftvers: ,Dich hüllend
in Licht, wie in ein Gewand, den Himmel ausspannend wie ein Zelttueh" Ps 104,2!
Und du sprichst zu mir im Flüsterton? Er sprach: Wie ich es im Fl. vernommen habe,
so habe ich es dir im Fl. gesagt. — Dasselbe GnR 3 (3^"); LvR 31 (129'*); Tanch hr,^^-.
(123-''); TanchB '^ti-,-^ § 7 (62*); Midr Ps 104 ^4 (220 1)); in ExR 50 (lOS'») fehlt der Passus
vom FL; in TanchB r-iis-13 § 10 (31^) ist R.Jonathan b.EUazar (um 220) der Fragende.
Aber auch andre Lehren, die nicht allgemein anerkannt waren oder die zu Be-
denken Veranlassung gaben, wurden im Fl. weitergegeben; zB ß*^rakh 22* Bar: Wenn
man auf einen, der eine nächtliche Pollution gehabt hat, 9 Qab Wasser gießt, so ist
er rein (dies war eine erleichternde Entscheidung). Nachum aus Gimzo (um 90) flüsterte
es nvnh dem R. cAqiba (f um 135) zu, R. cAqiba flüsterte es dem Ben < Azzai (um 110)
zu: Ben (Azzai aber ging hin u. lehrte es seine Schüler auf dem Markt pi^'3 (frei öffent-
lich). II pBeQa ],60^\(j4: R. HoschaSja der Ältere (um 225) fragte den R. Judan (IL), den
Patriarchen (um 250): Hast du von deinem Vater (Gamliel 111.) gehört, ob es erlaubt
sei, eine Henne (an den Zwischenfeiertagen) zu tragen? Wenn sie zum Schlachten be-
stimmt ist, so ist es erlaubt; wenn aber nicht, so ist es verboten. Sind denn nicht
alle Hennen zum Schlachten bestimmt? Deshalb muß es erlaubt sein, auch wenn keine
Bestimmung über sie getroffen ist. Das sagte er (R. Judan) ihm im Flüsterton T.-::^nhz.
37*
580 Matth 10, '27 (SB). 10, 28 (Nr. 1)
R. Hoschacja sprach zu ihm: Warum sagst du das im Fl. zu mir? Er antwortete: Wie
ich es im Fl. vernommen habe, so sage ich es dir im FI.
10,27 2?: Das sollt ihr auf den Dächern verkündigen.
xTjQv^aTs im twv dmpuxrwv. — Die Dächer kommen als die höchsten,
den Ton weithin tragenden Standörter in Betracht.
Tanch onjE (243 b): Es lehre uns unser Lehrer: Wie oft wird am Freitag abend
in die Posaune gestoßen, damit die Leute von der Arbeit ablassen? So haben uns
unsre Lehrer gelehrt: Dreimal wird am Freitag abend in die P. gestoßen. In welcher
Weise? Der Synagogendiener nimmt die P. u. steigt auf das höchste Dach der Stadt
u. stößt in die P. Wer fern von der Stadt (auf dem Felde) war, trennte sich von seiner
Arbeit u. kehrte heim. Beim zweitenmal gingen die Nahen zur Stadt zurück. Beim-
drittenmal bewahrte man die warmen Speisen (für den Sabbat) auf u. zündete das Licht
an. — Die zugrunde liegenden Stellen sind pSchab 17. 16-', 41; bSchab 2>b^. — Vgl. den
Gegensatz: „im Flüsterton sprechen" u. ,auf dem Markte lehren" B'^rakh 22'^ oben
unter 31. — Allgemeiner heißt es MQ 16b: Raba (f 352) hat gesagt: Wer sich mit der
Tora drinnen d-se^'s beschäftigt, den macht seine Lehre draußen yi-3»3 bekannt.
10, 28: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten,
aber die Seele nicht zu töten vermögen; fürchtet aber viel-
mehr den, der sowohl die Seele, als auch den Leib in der
Hölle zu verderben vermag.
1. Mit denen, „die den Leib töten, aber die Seele nicht zu töten
vermögen", sind Menschen gemeint; dabei kommt das Töten der Seele
als physisches Vernichten in Betracht; denn nur dieses geht über
Menschenkraft hinaus, während das sittliche Zugrunderichten einer
Seele durch ihre Verführung zur Sünde gar wohl in andrer Menschen
Macht liegt, a Dagegen ist der, welcher sowohl die Seele als auch den
Leib zu verderben vermag, Gott. An sich könnte das allerdings auch
von einer satanischen Macht ausgesagt sein,b aber der Zusatz iv yesvvi]
macht die Beziehung auf Gott notwendig. Auch im Kabbin. ist es nur
Gott, der das Urteil zum Gehinnom ausspricht, c
a. SDt 23, 8 §252 (120=*): R. Schimcon (um 150) sagte: Die Ägypter haben die
Israeliten ins Meer gesenkt u. die Edomiter sind den Israeliten mit dem Schwert ent-
gegengekommen; u. doch hat sie die Schrift nur auf 3 Generationen (vom Eintritt in
die Volksgemeinde Israel) ausgeschlossen. Die Ammoniter aber u. die Moabiter, weil
sie den Plan faßten, die Israeliten zur Sünde zu verführen, hat die Schrift mit ewiger
Ausschließung ausgeschlossen, um dich zu lehren, daß der, welcher einen Menschen
zur Sünde verführt, für ihn schlimmer ist als der, der ihn tötet. Denn der ihn tötet,
bringt ihn nicht aus dieser Welt u. (zugleich) aus der zukünftigen Welt; der ihn aber
zur Sünde verführt, bringt ihn aus dieser Welt u. (zugleich) aus der zukünftigen Welt. —
NuR21(191^): Der Mörder tötet in dieser Welt, aber er (der Ermordete) hat Anteil
an der zukünftigen Welt; der zur Sünde Verführende tötet in dieser Welt u. (zugleich)
für die zukünftige Welt. — Dasselbe Tanch =-:r 239*; TanchB cr;:s §4 (76^^). — Diese
Sätze entsprechen inhaltlich weder Mt 10,28'^ (denn sie reden nicht von der physischen,
sondern von der sittlichen Vernichtung der Seele), noch Vers 28'* (da sie nicht Gott,
sondern Menschen zum Subjekt haben); sie beweisen nur den Gedanken, für den sie
oben zitiert sind, nämlich daß Menschen durch ihre Verführungskünste Seelen ver-
derben können, so daß der Verführer mehr zu fürchten ist als ein Mörder.
b. Zur Zerstörung des Leibes u. der Seele durch satanische Mächte s. den Exkurs:
Zur altjüd. Dämonologie Nr. 6, c — g.
Matth 10, 28 (Nr. 1.2) 581
C. Zum Gehinnomgericht, d. h. zu dem göttlichen Urteilsspruch, der die Verdammten
in den Gehinnom verweist, s. den Exkurs: Sch'ol, Gehinnom u. Gan?Eden Nr. II, o. —
Ferner B^rakh 28'': Als Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) erkrankt war, gingen
seine Schüler zu ihm, um ihn zu besuchen. Als er sie sah, fing er an zu weinen. Seine
Schüler sprachen zu ihm: Leuchte Israels, rechte Säule (1 Kg 7, 21), starker Hammer,
warum weinst du? Er antwortete: Wenn man mich vor einen König von Fleisch u.
Blut führte, der heute hier u. morgen im Grabe ist, so wäre sein Zorn, falls er mir
zürnte, kein ewiger Zorn, u. falls er mich fesselte, wäre seine Fessel keine ewige
Fessel, u. falls er mich tötete, wäre sein Töten kein ewiges Töten; auch könnte ich
ihn mit Worten versöhnen u. mit Geld bestechen, u. trotzdem würde ich weinen.
Und jetzt führt man mich vor den König aller Könige, den Heiligen, gepriesen sei er!
der in alle Ewigkeiten lebt u. besteht. Falls er mir zürnt, ist sein Zorn ein ewiger
Zorn, u. falls er mich fesselt, ist seine Fessel eine ewige Fessel, u. falls er mich tötet,
ist sein Töten ein ewiges Töten. Auch kann ich ihn nicht mit Worten versöhnen noch
mit Geld bestechen; u. nicht bloß dies, es sind vor mir auch zwei Wege: der eine ist
der zum (himmlischen) Gan cEden u. der andre ist der zum Gehinnom, u. ich weiß nicht,
welchen man mich führen wird — da sollte ich nicht weinen? Sie sprachen zu ihm:
Unser Lehrer, segne uns! Er sprach zu ihnen: Es sei wohlgefällig (vor Gott), daß die
Furcht vor dem Himmel (= Gott) auf euch sei, wie die Furcht vor Fleisch u. Blut.
Seine Schüler sprachen zu ihm: So weit (nur soll die Furcht Gottes auf uns sein, wie
die vor Menschen auf uns ist)? Er antwortete: Wenn es doch so wäre (daß ihr Gott
ebenso fürchtetet wie die Menschen)! Wisset, wenn ein Mensch eine Sünde begeht,
sagt er: daß mich nur kein Mensch sieht! (Möchtet ihr euch nur ebenso vor dem Auge
Gottes fürchten!) — Dasselbe AbothRN 25 (7'')- II Sanh 91^: (Der Kaiser) Antoninus
sprach zu Rabbi: Leib u. Seele können sich vom (jüngsten) Gericht freimachen. Wie
denn? Der Leib kann sagen: Die Seele hat gesündigt; denn seit dem Tage, da sie
aus mir geschieden ist, siehe, liege ich wie ein Stein im Grabe da. Die Seele dagegen
kann sagen: Der Leib hat gesündigt; denn seit dem Tage, da ich aus ihm geschieden
bin, siehe, schwebe ich in der Luft wie ein Vogel! Rabbi erwiderte: Ich will dir ein
Gleichnis sagen. Ein König von Fleisch u. Blut hatte einen schönen Garten, in welchem
sich schöne Frühfeigen befanden. Er setzte zwei Wächter hinein, einen lahmen u. einen
blinden. Da sprach der Lahme zu dem Blinden: Ich sehe schöne Frühfeigen im Garten;
komm, laß mich (auf deinen Schultern) reiten, so wollen wir sie uns zum Essen holen!
So holten sie sie sich u. aßen sie. Nach einigen Tagen kam der Besitzer des Gartens
u. sprach zu ihnen: Wo sind die schönen Frühfeigen geblieben? Der Lahme antwortete:
Habe ich denn Füße, um gehn zu können? Der Blinde antwortete: Habe ich denn
Augen, um sehn zu können? Was tat der Besitzer? Er ließ den Lahmen auf dem
Blinden reiten u. richtete beide zusammen. So wird auch Gott die Seele bringen u.
sie in den Leib hineinstreuen (bei der Auferstehung) u. dann beide zusammen richten,
s. Ps 50,4: „Er ruft zum Himmel empor droben", das bezieht sich auf die Seele, „u. zur
Erde, um sein Volk zu richten", das bezieht sich auf den Leib. — Nach LvR4(107'')
ist R. Jischma'el (f um 135) der Autor; in Tanch s^p'^i 135^ als Bar; in TanchB s^p'^i
S 11 (4'') anonym; in M'^kh Ex 15, 1 (43'') nur der Anfang, u. zwar in andrer Fassung. ||
AbothRN 4(20''): Fürchte dich nicht vor einem untern Gerichtshof ; denn siehe, deine
Zeugen (= die gegen dich zeugen) lieben das Geld (können bestochen werden) ; vielmehr
fürchte dich vor dem oberen (himmlischen) Gerichtshof; denn sie werden droben gegen
dich zeugen, u. nicht bloß dies, sondern sie rufen Stunde für Stunde Streit wider dich aus.
2. lu^ (foßsla^s. Über die prinzipielle Stellung der alten Synagoge
zum Martyrium s. oben S. 221 ff.
Die gefeiertsten jüdischen Märtyrer, deren Ende ausführlicher be-
schrieben ist, waren Julianus u. Pappus zur Zeit des Trajanus, Ta^an
18'>: SLv 22, 32 (403«); M«g Ta^an 12; pTa^an 2, QQ-, 19; pM-g 1, 70% 44
582 Matth 10, 28 (Nr. 2). 10, 29 (31. fB l)
Midr Qoh 3, 17 (21 1'); S'^mach 8 (16'); Midr Qoh 9, 10 (42'^); SLv 26, 19
(452 ä); R. ?Aqiba, hingerichtet um 135 während der hadrianischen
Religionsverfolgung, B^rakhei''; p9, 14'\50; pSotao, 20^ 43; M''n29^
P«^s50-^; BB 10''; die beiden Brüder Sch'^^maf ja u. Achijja, Ta?an
18^11; ferner s. Raschi zu P's 50 u, BBIO''; R. Chananja b. T^radjün,
verbrannt um 135, AZ 18=^; S«^mach8 (16«); TrKalla 18- SDt32, 4 § 307
(133=0; J^huda b. Baba, f um 135, Sanh 14^ ?AZ 8''. — Eine öfters
gebrachte Märtyrerliste umfaßt 10 Namen; die älteste dürfte die in
Midr KL 2, 2 (62'^) sein: R. Jischma^el (f um 135), Rabban Gamliel
(sicher falsch), R. J'^schebab, R. J*huda b. Baba, R. Chu9pith der
Dolmetsch, R. J*^huda der Bäcker. R. Chananja b. T^radjon;
R. 'Aqiba, Ben ?Azzai u. R. Tarphon; für den letzten setzen andre
R. Elfazar Charsana ein. Dasselbe mit Abweichungen Midr Ps 9 § 13
(44''); Midr n^^tx r^hn in Beth ha-Midr2, 66; Midr von den 10 Märtyrern,
das. (>, 20. — Ein Teil dieser Berichte oben S. 223 bei Mt 5, 10.
10, 29 3t: Verkauft man nicht zwei Sperlinge für ein As?
1. dvo axQov^ict. — Nach Lv 14, 4 ff. gehörten zwei reine Vögel
ci'nQ:i zum Reinigungsopfer des Aussätzigen. Da nun -iei^j auch speziell
den Sperling bezeichnet (s. Lewysohn, Zoologie 187), so wäre es nicht
unmöglich, daß auch Sperlinge zu jenem Opfer verwendet worden sind.
In diesem Fall würde der Einkauf von Sperhngen nichts Ungewöhnliches
gewesen sein. Allerdings geben die LXX, die sonst -i^s:: mit aiQov^ior
übersetzen (zB Ps 11, 1; 84, 3; 104, 17; 124. 7), gerade Lv 14, 4 ff. das
Wort mit dem allgemeinen ogvi^iov wieder.
2. ccGGaqiov. — (xaaäQiov = -lö^x s. S. 291 bei Mt 5, 26. Die Gering-
fügigkeit des Wertes war sprichwörtlich.
Chull 12,5: Man soll nicht die Vogelrautter samt den Jungen nehmen (vgl. Dt 22, 6),
auch nicht um den Aussätzigen zu reinigen (wozu eseinesVogelopfersbedurfteLvl4,4ff.).
Wenn nun bei einem Gebote, das so geringfügig ist wie ein As ■'D^ss s-nir, die Tora
sagt: „Damit es dir wohl ergehe u. du lange lebest* Dt 22, 7, um wieviel mehr wird
solches dann gelten bei den schweren (wichtigen) Geboten in der Tora.
10, 29^: Und doch fällt nicht einer von ihnen
auf die Erde ohne euren Vater,
1. pSch^bifithi), 38^,22: R. Schim?on b. Jochai (um 150) hielt sich
13 Jahre lang in der Johannisbrothöhle von Gadara^ verborgen, bis
sein Körper mit Hautausschlägen überzogen war. Nach Verlauf der
13 Jahre dachte er, ob ich nicht hinaustrete u. sehe, was für Kunde
in der Welt ist? (Er war während der Religionsverfolgung geflüchtet
u. hofft jetzt auf günstige Botschaft.) Er trat hinaus u. setzte sich an
den Eingang der Höhle; er sah einen Jäger, der Vögel fing u. sein Netz
ausspannte. Sooft er eine Himmelsstimme hörte, welche „frei" rief, war
1 So nach Graetz, Gesch. d. Juden* 4, 478 statt nii-r-:; auch in den Parallelstellen
ist das Wort verderbt.
- Matth 10, 29 (S5 2. 3) 533
der Vogel gerettet (er wurde nicht gefangen). Da sprach er: Ein Vogel
geht nicht zugrunde ohne den Himmel (= Gott), um wieviel weniger
der Mensch ! — Parallelstellen : P^siq 88 ^ GnR 79 (5 1 =») : Schab 33 1> : Midr
Qoh 10, 8 (47 b) : Midr Esth 1, 9 (SO'') ; Midr Ps 17 § 13 (67 b).
2. Allgemeinere Sätze über die göttliche Vorsehung.
JomaSS'': Ben ' Azzai (um 110) hat gesagt: Mit deinem Namen wird man dich
rufen u. auf deinen Platz wird man dich setzen u. von dem Deinen wird man dir geben
(d. h. an dem dir von Gott Bestimmten können Menschen nichts ändern). Kein Mensch
darf etwas anrühren, das einem andren zugedacht ist, u. keine Herrschaft berührt sich
mit einer andren auch' nur um Haarbreite. (Der Nachfolger tritt das Amt erst au, wenn
der Vorgänger tot oder zurückgetreten ist.) || Chull 7'': Es heißt: „Jahve ist Gott, keiner
sonst außer ihm" Dt 4, 35. R. Chanina (um 225) hat gesagt: Auch die Zauberer sind
nichts ohne ihn. Ein Weib nahm immer wieder Erde unter dem Fuß des R. Chanina
fort. Er sprach zu ihr: Nimm nur fort, dein Vorhaben wird dir nicht gelingen; es steht
geschrieben: „Es ist keiner außer ihm." Aber R. Jochanan (f 279) hat doch gesagt:
Warum heißt ihr Name c-rx': Zauberer? Weil sie die obere Familie (den himmlischen
Gerichtshof samt seinen Beschlüssen) schwächen.' Bei R. Chanina verhielt es sich
anders, weil sein Verdienst sehr groß war. Ferner hat R. Chanina gesagt: Kein Mensch
verwundet seinen Finger hier unten, man hätte es denn oben über ihn ausgerufen;
s.Ps 37,28: „Von Jahve werden die Schritte des Mannes bestimmt" (so der Midr) u.
Spr20. 24: „Der Mensch, wie wenig hat er Einsicht in seinen Weg!" || Sanh 29^*: Rab
Aschi (t 427) hat gesagt: . . . Sieben Jahre kann die Pest dauern u. es stirbt doch
niemand, wenn nicht seine Zeit da ist. || Schab 107'': Rabbah (f 330) hat gesagt: Ein
Autor (Rab, s. 'AZ 3'') hat doch gesagt: Gott sitzt u. ernährt (die Welt) von den Hörnern
der Büffel an bis hin zu den Eiern des Ungeziefers. || BB91b: Rab (t247) hat gesagt:
Selbst den Brunnenaufseher setzt man vom Himmel aus (in sein Amt).
3. Göttliche Vorsehung u. menschliche Freiheit.
Aboth 3, 15 f.: (R. (Aqiba, f um 135, hat gesagt:) Alles ist (von Gott) vorhergesehen,
aber die Freiheit (der Entscheidung) ist dem Menschen gegeben; mit Güte wird die
Welt gerichtet, aber alles richtet sich nach der Mehrheit des (menschlichen) Tuns.
(Das Endurteil über den Menschen wird festgesetzt, je nachdem die Mehrzahl seiner
Werke gut oder böse ist.) Derselbe hat gesagt: Alles wird auf Pfand gegeben u. ein
Netz ist ausgebreitet über alle Lebenden (niemand kann sich der Verantwortlichkeit
u. der Rechenschaftsablegung entziehen). Der Kramladen ist geöffnet u. der Krämer
(Gott) leiht; aber auch die Schreibtafel ist aufgeschlagen u. die Hand schreibt; wer
borgen will, der komme u. borge; aber auch die Eintreiber (= Strafengel) gehen be-
ständig umher an jedem Tage u. fordern vom Menschen die Schuld ein, er mag es
wollen oder nicht; sie haben auch, worauf sie sich stützen (nämlich die Eintragungen
auf der Schreibtafel); das Gericht ist ein Gericht der Wahrheit u. alles ist für das
Mahl (in der seligen Ewigkeit) zubereitet. || B*^rakh33b: R. Chanina (um 225) hat ge-
sagt: Alles liegt in der Hand des Himmels (= Gottes) mit Ausnahme der Gottesfurcht.
s. Dt 10, 12: „Und nun Israel, was fordert Jahve dein Gott von dir, außer daß du Jahve
deinen Gott fürchtest! " — Dasselbe Meg25a; Nidda 16''. — Formell ähnlich ist BM 107b:
R. Chanina hat gesagt: Alles liegt in der Hand des Himmels mit Ausnahme der Er-
kältung u. der Erhitzung (wörtlich: der Eisschollen u. der Kohlen), s. Spr22. 5: „Eis-
schollen u. Kohlen (so der Midr) liegen auf dem Wege des Verkehrten; wer sein Leben
bewahren will, hält sich fern von ihnen." Ebenso BB 144b; fAZ 3b; als Bar: KethSO".!;
Tanch '-.^pt 127^: Wenn ein Mensch seiner Frau beiwohnt, winkt Gott dem Engel zu.
der über die Empfängnis gesetzt ist u. dessen Name Lajla (Nachtengel) ist, u. spricht
zu ihm: Wisse, daß in dieser Nacht ein Mensch aus dem Samen des u. des gebildet
' 3"ss3 wird als Notarikon (s. Einl. 107 Nr. 30) gedeutet = nVy-i hv si^»:e ■j^rä-nä«.
584 Matth 10, 29 (SB 3). 10, 80. 32
wird; behalte es u. habe acht auf diesen Tropfen; nimm ihn in deine Hand u. streue
ihn auf der Tenne aus in 365 Teile. Der Engel tut also, nimmt ihn sofort in seine
Hand u. bringt ihn vor den, der sprach u. es ward die Welt, u. spricht vor ihm: Ich
habe getan nach allem, was du rnir befohlen hast; was soll über ihn beschlossen
werden? Sofort beschließt Gott über den Tropfen, was er werden soll, ein Mann oder
eine Frau, ein Schwächling oder ein Held, arm oder reich, kurz (klein) oder lang,
häßlich oder schön, dick oder dünn, verachtet oder geehrt; u. ebenso beschließt er
über alles, was ihm begegnen soll. Aber ob er ein Gerechter oder ein Gottloser werden
soll, beschließt er nicht; das legt er in die Hand des Menschen allein, wie es heißt
Dt 30, 15: Siehe, ich lege dir heute vor das Leben u. das Heil, u. den Tod u. das Un-
heil. — Vgl. Sota 2«: Rah J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (1247) habe gesagt: Vierzig
Tage vor der Bildung des Kindes geht eine Himmelsstimme aus, welche ruft: Die
Tochter des u. des ist für den u. den bestimmt, das Haus des u. des für den u. den,
das Feld des u. des für den u. den. 1| Zu den Meinungsverschiedenheiten der Pharisäer
u. Sadduzäer über unsre Frage s. Josephus im Exkurs: Die Ph. u. die Sadd.
10,30: Auch die Haare eures Kopfes sind alle gezählt.
BB16* wird aus der Fürsorge Gottes für das menschliche Haar die für den
Menschen selbst veranschaulicht: Es heißt Hi 9, 17: „Er, der im Sturmesbrausen mich
zermalmte u. mehrte meine unverdienten Wunden." Rabbah (f 330) hat gesagt: Hiob
hat mit dem Wort n^yo (= Sturmesbrausen) gelästert u. mit dem Wort r^so (= Haar)
hat man (= Gott) ihm die Antwort gegeben. Mit dem Wort n-i-o hat er gelästert,
denn es heißt: ,Der im Sturmesbrausen mich zermalmte." Er sprach vor ihm: Herr
der Welt, vielleicht zog ein Sturmwind an dir vorüber u. es begegnete dir eine Ver-
wechselung zwischen -vn (Hiob) u. a-!s (Feind)! Mit dem Wort -nyo hat man ihm
die Antwort gegeben, denn es heißt Hi 38, Iflf. : „Es antwortete Jahve dem Hiob von
n-yo (nach dem Midr: vom Haar aus) u. sprach: Gürte doch, wie ein Mann, deine
Lenden! Ich will dich fragen u. du tu mir Bescheid!" Gott sprach zu ihm: Viele
Haare habe ich am Menschen geschaffen u. für jedes einzelne Haar habe ich ein Grüb-
chen für sich geschaffen, damit nicht zwei saugen möchten aus Einem Gr.; denn
wenn zwei Haare aus Einem Gr. saugen würden, so würden sie das Augenlicht des
Menschen dunkel machen. Zwischen dem einen Gr. u. dem andren ist mir keine Ver-
wechselung begegnet, zwischen Hiob u. einem Feind sollte mir eine Verw. begegnet
sein?! — || Ähnlich äußert sich R. Levi (um 300) TanchB y«-^Tn § 8 (IS^-b). Hier ist
noch Hi 38, 25 mit herangezogen: „Wer spaltet der Regenflut qi:':) Kanäle?" mit der
Bemerkung: In Arabien nennt man das Haar sr"j2i. Hiernach ist also Hi 38, 25 gedeutet
worden: Wer spaltet dem Haar seinen Kanal d. h. sein Grübchen? Zum Schluß heißt
es dann: Gott sprach zu Hiob: Auch dem Haar an dir habe ich sein Gr. geschaffen
u. ein (bestimmtes) Maß habe ich ihm gemacht, wie es heißt: Wer spaltet dem Haar
seinen Kanal? | Darauf folgt: Es geschah, daß ein Priester, der die Aussatzschäden
zu besichtigen pflegte, verarmte; er wollte deshalb ins Ausland gehn u. rief sein Weib
u. sprach: Weil die Leute zu mir zu kommen pflegen, um ihre Aussatzschäden be-
sichtigen zu lassen, so komm, daß ich dich unterweise, damit du die Aussatzschäden
besichtigen magst. Wenn du siehst, daß der Quell (das Grübchen) des Haares eines
Menschen vertrocknet, so wisse, daß er mit Aussatz geschlagen ist; denn jedem ein-
zelnen Haar hat Gott seinen Quell für sich geschafien, damit es daraus trinke; ver-
trocknet sein Quell, so vertrocknet das Haar. Da sprach sein Weib: Wie, wenn Gott
jedem einzelnen Haar einen Quell für sich geschaffen hat, daß es daraus trinke, sollte
dann Gott dir, der du ein Mensch bist u. der du sehr viele Haare an dir hast u. der du
deine Kinder ernähren sollst, nicht erst recht den Lebensunterhalt bestimmen ? Deshalb
ließ sie ihn nicht ins Ausland ziehen. — Dasselbe Tanch i''-=7r 154^- ''.
10,32: Jeder, der mich vor den Menschen bekennen wird.
Matth 10, 32. 33. 34 (Nr. 1. 2) 585
GnR 53 (34^): ,Iii Isaak soll dir Same genannt werden* Gn 21, 11, pn-j-s.
R. SAzarja (um 380) hat im Namen des Bar Chittaja (1. Hälfte des 4. Jahrh.) gesagt:
Das 2 (vor ?-s-) bedeutet zwei (Zahlenwert von a): in dem, der zwei Welten bekennt
r-iiasiy ':vz n-n^s (wird dir Same genannt werden). R. Judan b. Schalom (um 370) hat
gesagt: Es steht geschrieben Ps 105, 5: , Gedenket seiner Wunder, die er getan hat;
seine Zeichen (sind) auch Urteile seines Mundes" (so scheint der Midr zu deuten). Als
Zeichen habe ich (spricht Gott) gegeben, was einer mit seinem Munde ausspricht. Wer
zwei Welten bekennt, der wird dir (Abraham) Same genannt werden; wer aber nicht
zwei Welten bekennt, der wird dir nicht Same genannt werden. i| Femer s. pB'^rakh 9,
13b, 33 bei Mt 16,17.
10, 33: Wer mich aber verleugnen wird.
uarig d' ca> dovrar-rai fxs. — Rabbin. -E3, ^es.
Schab 116*: R. Tarphon (um 110) hat gesagt: Wenn jemand einen verfolgt, um
ihn zu töten, oder wenn eine Schlange heraneilt, ihn zu beißen, so laufe der Verfolgte
in einen Götzentempel, aber nicht in ein Haus dieser Minim (= Judenchristen). Denn
diese kennen (Gott) u. verleugnen -j-^eis ihn, jene aber kennen ihn nicht u. verleugnen
ihn; u. über sie sagt die Schrift Jes 57, 8: Hinter die Tür u. den Pfosten setztest du
dein Denkzeichen. („Hinter" die Tür, statt ,an" die Tür Dt 6, 9; 11, 20 als Zeichen
der Verachtung u. des Abfalls.) Dasselbe TSchab 13, 5 (129). I| P«"siq 163*': R. Juda
b. Simon (um 320) hat gesagt: Es heißt Hos 14. 2: Kehre zurück, Israel, zu Jahve
deinem Gott, d. h. selbst wenn du Gott verleugnet hast ^p-ya r~fs . \\ BB 154*^:
R. Z«^<'ira (um 300) hat gesagt: Wenn R. Jochanan (f 279) den R. El^azar (um 270),
seinen Schüler, verleugnen sollte 'a — td- (indem er eine Halakha desselben nicht an-
erkennt), wird er dann auch seinen Lehrer, den R. Jannai (um 225) verleugnen "ies"'
ider dasselbe gelehrt hat)? 1| (AZ46b: R. 'Aqiba (f um 135) sprach zu R. EliEezer (um
90): Rabbi, verleugne mich nicht •'Z^'Z^r Vs (zeihe mich nicht einer LügeJ im Augen-
blick einer logischen Schlußfolgerung; so habe ich es von dir (selbst) überkommen. |j
BM 71-' Bar: R. Jose (um 150) hat gesagt: Komm u. sieh die verblendeten Aug^n derer,
die auf Zins leihen! Wenn ein Mensch einen andren Frevler nennt, so geht er mit
ihm bis aufs Leben; u. diese (die Wucherer) bringen Zeugen u. einen Schreiber u. einen
Schreibstift u. Tinte herbei u. schreiben u. unterzeichnen: Dieser NN (d.h. der Wucherer)
hat den Gott Israels verleugnet is-c- -nVsa -fs. \\ Sanh 102^: R. Jochanan (f 279) hat
gesagt: Weil Ahab an die Tore Samariens schrieb: ,Ahab hat den Gott Israels ver-
leugnet" Vs^»^ Tisr -22, deshalb hat er keinen Teil am Gotte Israels.
10,34: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen,
sondern ein Schwert.
1,, uäx«'?«istin der Form ■p-'^=:5=/.tax«''o'ov ins Rabbin. übergegangen.
GnR 99 (63b): „Ihre Mord waffen"\--ri^=-? Gn 49, 5. R. Jochanan (f 279) hat
gesagt: Das ist das griech. Wort /uu^aiQiou ■j-"5»3; denn so nennen sie die Schwerter. —
Dasselbe anonym Tanch -n-! 57'^. || LvR 33 (130^): „Tod u. Leben ist in der Hand der
Zunge" Spr 18. 21. Aquilas hat übersetzt: Löffel u. Schwert uvatQov uct/cdgioy s-^-jü-d
--^•2'3; Tod auf der einen u. Leben auf der andren Seite. || GnR 88 (56"): Rab (f 247)
hat gesagt: Ein kurzes Schwert ■,"-2'3 hatten Bigthan u. Teresch, Esth. 2, 21, in ihre
Schuhe gesteckt.
2. Die Tage des Messias als eine Periode des Schwertes.
GnR 42 (26"): R. Elfazar b. Abina (um 340) hat gesagt: Wenn du siehst, daß ein
Reich sich wider das andre (zum Kampfe) erregt, dann sieh dem Kommen des Messias
entgegen. Wisse, daß dem so ist: denn siehe, weil in den Tagen Abrahams die Reiche
sich widereinander erregten, kam dem Abraham die Erlösung, s. Gn 14. i| Sanh 97'*
Bar: In der Jahrwoche, in welcher der Sohn Davids (= Messias) kommt, werden im
siebenten Jahr Kriege sein u. am Ausgang des siebenten Jahres kommt der Sohn
586 Matth 10, 34 (Nr. 2. 3). 10, 35
Davids.' || Daselbst 97l>: Rab Chanan b. Tachlipha ließ dem Rab Joseph (f 333) sagen:
Ich habe einen Menschen getroffen, in dessen Hand sich eine Rolle befand, die assurith
(Quadratschrift) u. in der heiligen Sprache geschrieben war. Ich sagte zu ihm: Woher
hast du diese? Er antwortete mir: Ich habe unter den Truppen Roms gedient u. fand
sie in einem römischen Archiv. Hierin stand geschrieben: Nach 4291 Jahren seit der
Weltschöpfung wird die Welt verwaist sein; einen Teil von ihnen (nämlich den Schluß-
teil) machen die Kriege der Seeungeheuer (der Weltreiche) u. die Kriege Gogs u. Magogs
aus, u. den Rest bilden die Tage des Messias. Erneuern aber wird Gott seine Welt
erst nach 7000 Jahren. — Ferner s. Exkurs: „Vorzeichen der messian. Zeit", Anfang.
3. ßaXsTv £iQ}]vrjr = ci^'ü b-^an „Frieden werfen" = Frieden stiften
oder bringen. '
LvR 9 (lll''j: Bar Qappara (um 220) hat gesagt: Groß ist der Friede; denn die
heiligen Schriften reden Erdichtetes in der Tora, um Frieden zu stiften ai'^io V'ort'-
zwischen Abraham u. Sara; vgl. Gn 18, 12: ,Da mein Herr alt ist" mit Vers 13: ,Da ich
alt bin." — Pea 1,1: Dies sind die Dinge, deren Zinsen (Früchte) der Mensch in dieser
Welt genießt, während ihm das Stammkapital (der eigentliche Lohn) anstehen bleibt
für die zukünftige Welt : Die Ehrfuixht gegenüber den Eltern, Liebeserweisungen, das
Friedenstiften cVic rsa- zwischen einem Menschen u. seinem Nächsten u. das Tora-
studium vor ihnen allen.
10,35: Ich bin gekommen, einen Menschen zu entzweien
mit seinem Vater usw.
Sota 9, 15: Kurz vor dem Auftreten des Messias wird die Unverschämtheit groß
werden u. der Druck (der Gewalthaber) zunehmen. Der AVeinstock gibt seine Frucht,
aber der Wein ist teuer. Die Regierung wendet sich zur Ketzerei u. es gibt keine
Zurechtweisung. Das Versammlungshaus wird zur Unzuchtsstätte, Galiläa wird ver-
wüstet u. Gablan (= Gebalene?) verheert werden u. die Einwohner des Grenzlandes
■jiijr! ziehen von Stadt zu Stadt u. finden kein Erbarmen. Die Weisheit der Gelehrten
wird stinkend, u. die sich vor der Sünde scheuen, werden verachtet u. die Wahrheit
wird vermißt. Jünglinge beschämen das Angesicht der Greise, Greise stehen auf vor
Knaben, der Sohn verunehrt den Vater, die Tochter lehnt sich wider ihre Mutter auf.
<lie Schwiegertochter wider ihre Schwiegermutter, die Feinde des Mannes sind seine
Hausgenossen (vgl. Micha 7, 6). Das Aussehen des Geschlechts (der dann lebenden
Generation) ist wie das Aussehen des Hundes, indem der Sohn sich nicht vor seinem
Vater schämt. Auf wen sollen wir uns stützen? Auf unsren Vater, der im Himmel
ist. — Nach der Bar Sanh 97" gehören die Anfangs- u. Schlußsätze dem R. N*^chemja,
der mittlere Passus dem R. J''huda an, die beide um 150 lebten. — In Derekh Ere«;
Zuta 6 wird die Ausführung des R. J^'huda dem Rabban Gamliel (um 90) u. in Midr HL
2, 13 (lOn) dem Resch Laqisch, um 250, beigelegt, während als Autor der Schluß-
sätze (Jünglinge beschämen das Angesicht der Greise usw.) R. N*^horai, um 150, ge-
nannt wird. II Aus den Pseudepigraphen gehören hierher Jubil 23, 19 : Sie werden streiten,
diese mit jenen, Jünglinge mit alten Leuten, alte Leute mit Jünglingen, der Arme
mit dem Reichen, der Niedrige mit dem Großen, der Bettler mit dem Mächtigen wegen
des Gesetzes u. wegen des Bundes. Denn sie haben Gebot u. Bund u. Fest u. Monat
u. Sabbat u. Jubiläen u. alle Rechtsbestimmung vergessen. || Henoch 100, 2: Ein
Mann wird seine Hand nicht mitleidig zurückhalten, seinen Sohn oder Enkel zu er-
schlagen: der Sünder wird seine Hand nicht zurückhalten, seinen verehrtesten Bruder
zu töten. II 4 Esra (\, 24: In jener Zeit werden Freunde einander als Feinde bekämpfen,
daß die Erde samt ihren Bewohnern sich davor entsetzt. — Vgl. auch Exkurs: Vorz.
der messian. Zeit Nr. I.
In Midr HL 2, 13 (101 =*) wird R. Jochanan, j 279, als Autor dieses Satzes genannt.
Matth 10, 37. 38. 39 587
10, 37: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
ist meiner nicht wert.
Die Liebe zu den Eltern steht gegenüber der Liebe zu Gott, zur
Tora u. zum Lehrer in zweiter Linie.
J^b 5^ Bar: Soll etwa die Ehufurcht gegen den Vater u. die Mutter den Sabbat
verdrängen? (Darf ein Kind aus Gehorsam gegen der Eltern Befehl den S. entheiligen?)
Die Schrift sagt lehrend: „Ein jeder hege Ehrfurcht vor seiner Mutter u. seinem Vater,
u. meine Sabbate sollt ihr beobachten: ich bin Jahve euer Gott" Lv 19, 3. Ihr alle
(Eltern u. Kinder) seid verpflichtet, mich (Gott) zu ehren. (Also geht die Ehrfurcht
gegen Gott der gegen die Eltern vor.) Vgl. BM 32=*. || BM 2, 11: Hat ein Mensch etwas
verloren u. ebenso sein Vater, so geht sein eignes Verlorenes vor; hat ein Mensch
etwas verloren u. ebenso sein Lehrer, so geht sein eignes Verlorenes vor; hat sein
Vater etwas verloren u. ebenso sein Lehrer, so geht das Verlorene seines Lehrers vor;
denn sein Vater hat ihn in diese Welt gebracht, aber sein Lehrer, der ihn Weisheit
lehrt, bringt ihn in das Leben der zukünftigen Welt. Wenn jedoch sein Vater ein
Gelehrter ist, so geht das Verlorene seines Vaters vor. — Wenn sein Vater u. sein
Lehrer eine Last tragen, so hilft er erst die seines Lehrers niederlegen u. hinterher
hilft er die seines Vaters niederlegen. Ist sein Vater u. sein Lehrer im Gefängnis, so •
löst er erst seinen Lehrer aus u. hinterher löst er seinen Vater aus. Wenn aber sein
Vater ein Gelehrter ist, so löst er erst seinen Vater aus u. hinterher seinen Lehrer. —
Hör 13" Bar: Wenn ein Mensch u. sein Vater u. sein Lehrer im Gefängnis sind, so
geht er seinem Lehrer u. der Lehrer seinem Vater vor; seine Mutter aber geht allen
vor (weil sie als Gefangene der Schändung preisgegeben ist). |1 Joseph. Ant. 11, 5, 4
wird von denen, die zur Zeit Esras ihre heidnischen Frauen u. deren Kinder entließen,
gesagt, daß sie die Beobachtung der Gesetze höher stellten als die Liebe zu jenen.
10,38: Wer sein Kreuz nicht nimmt.
Die Wendung gxuvqov kafißdrsir findet ihre Erklärung aus der Sitte,
daß der Verurteilte selbst sein Kreuz zur Richtstätte tragen mußte.
GnR 56 (36*^): „Abraham nahm das Brandopferholz ii. legte es auf seinen Sohn
Isaak" Gn 22, 6. Wie einer der das Kreuz zi^h-^ auf seiner Schulter trägt. — Ähnlich
P'^siq R ol (143'^). — Nichtjüdische Zeugnisse s. Cremer, Wörterbuch der neutestamentl.
Gräcität unter aravQÖc:; vgl. auch 0. Zöckler, Das Kreuz Christi, 1875, S. 102.
Die Redensart „das Kreuz auf sich nehmen" im Sinne von „den
Leiden sich unterwerfen" scheint in der älteren rabbin. Literatur sich
nicht zu finden: diese gebraucht dafür die Verbindung r"i*i3": hs.^ =
„Leiden oder Züchtigungen annehmen".
B-'rakh 5^: Raba (t 352) hat gesagt, Rab Chisda (f 309) habe gesagt, Rab Huna
(t 297) habe gesagt: Au wem Gott Wohlgefallen hat, den zerschlägt er mit Leiden,
s. Jes53, 10: „Jahve gefiel es ihn durch Krankheit zu zerschlagen." Auch wenn er
sie nicht aus Liebe hinnimmt (a'^iap)? Die Schrift sagt lehrend Jes 53, 10: „Wenn du
zum Schuldopfer seine Seele machst." Wie das Schuldopfer mit Wissen u. Willen, so
auch Leiden mit Wissen u. Willen. Wenn er sie hinnimmt (o'ssp), was ist sein Lohn?
Jes 53, 10: „So wird er Nachkommenschaft sehen, lange Tage leben"; u. nicht bloß
dies, sondern es wird auch sein Erlerntes in seinem Besitz sich erhalten, s. Jes 53, 10:
„Was Jahve wohlgefällt, wird in seiner Hand gelingen." ]i B'^rakh 62=': R. Ammi (um
300) u. R. Asi (um 300) sagten: Wir haben aus der Tradition gelernt: Die (richtige)
Hinnahme von Leiden -iic-t nV^p ist Schweigen u. Beten.
10,39: Wer seine Seele findet, wird sie verlieren, u. wer
seine Seele verliert um meinetwillen, der wird sie finden.
Tamid 66'' (andre Ausgaben 32=*): (Zehnerlei fragte Alexander von Mazedonien die
588 Matth 10,39.40(211)
Altesten des Südens:) . . . Was soll der Mensch tun, damit er lebe? Sie antworteten:
Er töte sich selbst! Und was soll der Mensch tun, damit er sterbe? Sie antworteten:
Er lebe sich selbst {'"c-^v ri n-n-; das Verbum ist im Hebr. transitiv gemeint: ,er
belebe sich selbst" ;= er gebe sich dem Wohlleben hin). j| B'"rakh 63'': Resch Laqisch
(um 250) hat gesagt: Woher, daß die Worte der Tora nur bei demjenigen Bestand be-
halten, der sich selbst um ihretwillen tütet? Es heißt Nu 19, 14: Das ist (rechtes) Tora-
studiuni, wenn der Mensch im Zelt (in den Hütten der Tora) stirbt (so der Midr). —
Dasselbe Schab 83b; Git57b. y Zu der Wendung „die Seele verlieren" vgl. AbothRN ed.
Schechter 39^: Wer ein Wort des Gesetzes bewahrt, bewahrt seine Seele ^■stc'? sin rczi,
u. wer ein Wort des Gesetzes zugrunde richtet, richtet seine Seele zugrunde s^.rt irs:
■i^s^. — Ferner TMSch 3, 18 (92): Es geschah einmal, daß Rabban Scbimfon b. GamliSl
(um 140), R. J^huda u. R.Jose (beide um 150) zu einem Besitzer in K'^zib gingen; sie
sprachen: Man hat keine Kenntnis davon, wie der Besitzer seine Früchte ordnungs-
mäßig verzehntet. Als er sie bemerkte, brachte er ihnen einen Kasten voll Golddenare.
Sie sprachen zu ihm: Wie verzehntest du ordnungsmäßig deine Früchte? Er antwortete:
Ich sage so: Der zweite Zehnt, der in Betracht kommt, der sei ausgelöst durch dieses
As "^s"x.! Sie sprachen: Geh u. iß dein Geld; du hast Geld gewonnen (verdient p^3P':;n),
aber 'du hast Seelen vertilgt (verloren) ricr: nr-a-s'^! || SNu 25, 1 § 181 (47=^): Ein
Gleichnis. Ein Centurio (Hauptmann i'^'J";?) vollendete seine Dienstjahre, ohne seinem
ersten Centurio zu dienen; vielmehr floh er u. machte sich davon. Der König ließ
ihn holen u. erklärte ihn für schuldig. Bevor er abgeführt wurde, um getötet zu
werden, sprach der König: Füllet ihm ein Maß mit Golddenaren u. bringt es zu ihm
hinaus. Man sagte zu ihm: Wenn du gehandelt hättest, wie deine Genossen gehandelt
haben, so würdest du das Maß Golddenare hingenommen haben u. deine Seele (dein
Leben) wäre dein; jetzt hast du deine Seele verloren --stz rs n^s u. hast dein Geld
verloren. Ebenso verhält es sich mit einer Priestertochter, die gehurt hat (u. zum Ver-
brennungstode abgeführt wird): der Hohepriester geht vor ihr einher u. sagt zu ihr:
Wenn du gehandelt hättest, wie deine Mütter gehandelt haben, so wärest du würdig,
daß aus dir ein Hoherpriester wie ich hervorginge; aber jetzt hast du dich selbst ver-
loren -■o-^y PS r-Ti.s u. hast deine Ehre verloren! || Das Substantivum ""sai: i:-,s-'s =
„Verlust, Einbüßung des Lebens" liest man zB BQ 15^: In dem einen Fall handelt es
sich um den Verlust des Lebens, in den beiden andren Fällen handelt es sich nicht um
den Verlust des Lebens. ;! Ein Ausspruch Hilleis (um 20 v. Chr.) lautet Aboth 1, 13:
Breitet der Name sich aus, geht der Name zugrunde nas. (Die Sucht, sich einen großen
Namen zu machen, führt leicht das Gegenteil herbei.) — Dazu heißt es AbothRN 12:
Das lehrt, daß man dem Menschen keinen (großen) Namen bei der Herrschaft (heid-
nischen Regierung) machen soll; denn wenn man ihm solchen Namen macht, richten
sie ihre Augen auf ihn, u. töten ihn u. nehmen ihm seine Habe.
10, 40 51: Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf.
1. Lob der Gastfreundschaft im allgemeinen.
Schab 127": Rabbi Jochanan (f 279) hat gesagt: Ebenso groß ist die Gastfreund-
schaft (wörtlich: die Aufnahme von Wanderern), wie der frühzeitige Besuch des Lehr-
hauses; denn es ist gelehrt worden Schab 18, 1: Man darf am Sabbat sogar vier oder
fünf Kästen mit Stroh oder Getreide wegräumen um der Gäste willen (um Platz für
deren Aufnahm'fe zu gewinnen) u. um Hindernisse im Lehrhaus zu entfernen (damit die
Schüler Raum haben). Rab Dimi von N'^hardefa (Schulhaupt in Pum B*^ditha 385 — 3S8)
hat gesagt: Die Gastfreundschaft ist größer als der Besuch des Lehrhauses in früher
Morgenstunde; denn es ist gelehrt worden Schab 18, 1: „Um der Gäste willen" u. dann
erst „um Hindernisse im Lehrhaus zu entfernen". Rab J'^huda (f 299) hat gesagt, Rab
(t 247) habe gesagt: Die Gastfreundschaft ist größer als die Begrüßung der Sch^khina
(Gottheit), s. Gnl8, 3: „0 Herr, wenn anders ich Gnade in deinen Augen gefunden
habe, so gehe nicht weiter." .(Der Midr deutet, als ob Abraham mit diesen Worten
Matth 10,40 (?t 1.2) 589
Gott aufgefordert habe, zu warten, bis er die drei Männer [Vers 2] als Gäste in sein
Haus eingeführt habe, s. Raschi.) || Schab 127 »: R. jefauda b. Schela^ hat gesagt, R. Asi
(um 300) habe gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Von sechs Dingen genießt der
Mensch die Früchte in dieser Welt, während das Kapital (der Hauptlohn) ihm anstehen
bleibt für die zukünftige Welt: Gastfreundschaft, Besuch der Kranken, Andacht im
Gebet (Harren auf die Gebetserhörung), Besuch des Lehrhauses in früher Morgenstunde.
Erziehung der Söhne für das Torastudium u. Beurteilung des Nächsten nach seiner
verdienstlichen Seite (zum Guten). — Mehr im Exkurs „ Liebeswerke " Nr. 4, II.
2. Verdienstlichkeit der den Gelehrten erwiesenen Gastfreundschaft
u. Aufmerksamkeit.
B^rakh 63'': R. N*^chemja (um 150) begann (seine Dankrede in Uscha) zum Lobe
der Gastfreundschaft: Was heifät 1 Sm 15,6: „Saul sprach zu dem Qeniter (= Jethro
im Sinn des Midr, vgl. Nu 10, 29 mit Ex 3, 1 u. Rieht 1, 16): Auf, ziehet fort, steigt herab
aus der Mitte des Amaleqiters, damit ich dich nicht mit ihm austilge, da du doch Liebe
geübt hast gegen alle Kinder Israel"? Gilt da nicht der Schluß vom Geringeren auf
das Wichtigere? Wenn solches schon von Jethro gilt, der Mose nur zu seiner eignen
Ehre in seiner Nähe weilen ließ, um wieviel mehr wird es dann von demjenigen gelten,
der einen Gelehrtenschüler in seinem Hause herbergen läßt n-^a^r., ihn speist u. tränkt
u. ihm Nutzen von seinem Vermögen gewährt! — Darauf begann R. Jose (um 150) zum
Lobe der Gastfreundschaft u. trug vor: Verabscheue keinen Edomiter, denn er ist dein
Bruder; verabscheue keinen Ägypter, denn du bist Fremdling in seinem Lande gewesen
Dt 23, 8. Gilt da nicht der Schluß vom Geringeren auf das Wichtigere? Wenn solches
schon von den Ägyptern gilt, die die Israeliten nur zu ihrem eigenen Vorteil in ihrer
Nähe wohnen ließen, s. Gn 47, 6, um wieviel mehr wird es dann von demjenigen gelten,
der einen Gelehrtenschüler in Seinem Hause herbergen läßt, ihn speist u. tränkt u. ihm
von seinem Vermögen Nutzen gewährt! — Nach ihm R. Elifezer b. Jose ha-G'^lili: Jahve
segnete den fObed Edom um der Gotteslade willen 2 Sm 6, 12. Gilt da nicht der Schluß
vom Geringeren auf das Wichtigere? Wenn von der Lade, die nicht aß u. trank, vor
der er nur fegte u. sprengte, solches gilt, um wieviel mehr gilt es dann von dem, der
einen Gelehrtenschüler usw. wie vorhin. — Die Parallelstelle aus Midr HL 2, 5 (97'^)
s. oben S. 570« bei 10, 14 51. |i K^th 111'': (R. Ehazar, um 270, hat gesagt:) Es heißt:
, Indem du Jahve deinen Gott liebst, seiner Stimme gehorchend, u. ihm anhängst"
Dt 30, 20. Ist es denn einem Menschen möglich, sich an die Sch^'khina (Gottheit) zu
hängen? Es ist so gemeint: Wer seine Tochter an einen Gelehrtenschüler verheiratet
u. für die Gelehrtenschüler Geschäfte besorgt u. den Gelehrtenschülern Nutzen von
seinem Vermögen gewährt, dem rechnet es die Schrift so an, als ob er der Sch^'khina
anhange. (Die gleiche Nutzanwendung macht derselbe Autor unmittelbar zuvor zu
Dt 4, 4.) — Dasselbe NuR 22 (192 <'). II LvR 34 (131''): „umherirrende Arme bringe in
dein Haus" Jes 58, 7. Das sind die Gelehrtenschüler u. ihre Schüler, die Israel über
Unreines u. Reines, über Verbotenes u. Erlaubtes belehren, u. die sie lehren den Willen
ihres Vaters im Himmel zu tun; deshalb heißt es: umherirrende Arme bringe in das
Haus. R. Abin (I. um 225; IL um 270) bat gesagt: Wer einen Gelehrtenschüler in seinem
Hause herbergen läßt, dem rechnet es die Schrift so an, als brächte er die Erstlinge
dar; es heißt hier (Jes 58, 7) , bringe" u. es heißt dort (Ex 23, 19): Die Erstlinge deines
Ackerbodens sollst du zum Hause Jahves deines Gottes , bringen". Wie hier von Erst-
lingen, so ist auch dort (Jes 58, 7) von Erstlingen die Rede. || Tanch -yc^ 245 fe: Warum
wurden alle Wüstenstationen dessen gewürdigt, daß sie in der Tora aufgezeichnet
wurden? Weil sie die Israeliten aufnahmen, wird Gott ihnen dereinst ihren Lohn geben,
s. Jes 35, 1 : , Lustig sein werden Wüste u. Öde, u. die Steppe wird frohlocken u. blühen
der Narzisse gleich. Blühend soll sie sicherlich aufgehn u. sich ermuntern mit Froh-
locken" usw. Wenn solches von der Wüste gilt, weil sie Israel aufnahm, um wieviel
1 Mehrfach Tradent des R. Asi, zB Schab 126 ^^ *>.
590 ^^atth 10, 40 (?l 2. 33). 10, 41 (Nr. 1)
mehr wird es von dem gelten, der einen Gelehrtenschüler in seinem Hause aufnimmt
'^a^wn! — Dasselbe NuR 23 (193*=). i| B^rakh lOb; R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt,
R. Elisezer b. Jafaqob (um 150) habe gesagt: Wer einen Gelehrtenschüler in seinem Hause
hei'bergen läßt u. ihm von seinem Vermögen Nutzen gewährt, dem rechnet es die Schrift
so an, als ob er die täglichen Opfer darbrächte. — Vgl. Joma 71^: R. B^rekhja (um 340)
hat gesagt: Wer ein Traakopfer auf dem Altar darbringen will, der fülle die Kehle
der Gelehrtenschüler mit Wein; denn es heißt Spr 8, 4: „An euch, ihr Männer (a-r'-s),
ergeht mein Ruf." (Nach Raschi ist der ungewöhnliche Plural a-s-s erklärt „Opfer"
von n:2s.) || M®kh Ex 18, 12 (67^): „Es kamen Ahvon u. alle Ältesten Israels, um vor
Gott zu essen"; warum sagt die Schrift „vor Gott"? Das lehrt: Wer die Gelehrten
begrüßt, ist wie einer, der die Sch^khina begrüßt. — Dieser letzte Satz begegnet mehr-
fach, zB Midr HL 2, b (97 b); Tanch s;Dr -r (118»). Vgl. auch B-^^rakh W: R. Abin, der
Levit (um 370), hat gesagt: Wer Genuß von einem Mahle hat, bei welchem ein Ge-
lehrtenschüler mit zu Tische sitzt, der ist wie einer, der von dem Glanz der Sch'^khina
Genuß hat, s. Ex 18, 12 (wie oben). Haben sie denn vor Jahve gegessen? Haben sie
nicht vor Mose gegessen? Allein es will lehren, daß wer Genuß voa einem Mahl hat,
bei welchem ein Gelehrtenschüler mit zu Tische sitzt, der ist wie einer, der von dem
Glanz der Sch%hina Genuß hat. |i Aboth 4, 12: R. Elfazar b. Schammua? (um 150) sagte:
Die Ehre deines Schülers sei dir so lieb wie deine eigne, u. die Ehre deines Genossen
wie die Ehrfurcht vor deinem Lehrer, u. die Ehrfurcht vor deinem Lehrer wie die
Ehrfurcht vor Gott. \\ Sanh 110-'': Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Wer seinem Lehrer
widerspricht, ist wie einer, der der Sch'^khinaf Gottheit) widerspricht, s. Nu 26, 9: „Welche
wider Mose u. Ahron haderten . . ., als sie wider Jahve haderten." R. Chama b. Chanina
(um 260) hat gesagt: Wer Streit mit seinem Lehrer beginot, ist wie einer, der ihn mit
der Sch%hina beginnt, s. Nu 20, 13: „Das ist das Haderwasser, wo die Kinder Israel
mit Jahve haderten" (während Vers 3 nur gesagt ist, daß sie mit Mose haderten).
R. Chanina b. Papa (um 300) hat gesagt: Wer wider seinen Lehrer murrt, ist wie einer,
der gegen die Sch*^khina murrt, s. Ex 16, 8: „Nicht gegen uns ist euer Murren, sondern
gegen Jahve." R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Wer über seinen Lehrer Arges denkt,
ist wie einer, der über die Sch^'khina Arges denkt, s. Nu 21, 5: „Das Volk redete wider
Gott u. wider Mose." — Dasselbe Tanch n-ip 220''*.
10,4023: Wer mi ch auf nimmt, nimmt den auf,der mich gesandt hat.
Ein häufig ausgesprochener Grundsatz lautet: Der Gesandte (d.h.
der Beauftragte, Bevollmächtigte) eines Menschen ist wie dieser selbst.
B^rakhS, 5: Wenn jemand betet u. dabei sich irrt, so ist das ein schlimmes An-
zeichen für ihn; u. wenn er der Beauftragte der Gemeinde (der Vorbeter) ist, so ist
das ein schlimmes Vorzeichen für seine Auftraggeber (Sender), weil der Gesandte eines
Menschen wie dieser selbst ist -ritss a^s^ia •im'-:*!^. |! Qid4l'*: R. J^hoschua? b. Qarcha
(um 150) hat gesagt: Woher, daß der Abgesandte eines Menschen wie dieser selbst ist?
Weil es Ex 12, 6 heißt: „Dann schlachte es (das Passahlamm) die Versammlung der
ganzen Gemeinde Israel zwischen den beiden Abenden." Wie, hat denn die ganze Ge-
meinde geschlachtet? Hat denn nicht bloß Einer geschlachtet? Vielmehr folgt hieraus,
daß der Beauftragte. (Abgesandte) eines Menschen wie dieser selbst ist. — Vgl. auch BQ
113^': Der Gesandte eines Königs ist wie der König selbst. — Ferner s. bei Joh 13, 16.
10,41: Wer einen Propheten aufnimmt auf eines Propheten
Namen, der wird eines Propheten Lohn empfangen.
1. sie. oroiiia ngocpr-Tov. — eig hvoijia = üxq}?, das sowohl finalen, als
auch kausalen Sinn hat. Im ersteren Fall bedeutet es: mit Rücksicht
darauf, daß etwas werden soll, im letzteren Fall: mit Rücksicht darauf,
daß etwas ist (= wegen oder um willen).
Matth 10,41 (Nr. 1.2). 10,42 (Nr. 1) 591
Beispiele für die finale Bedeutung. P^'sö, 2: Wenn man das Passah ge-
schlachtet hat ■tt»'? Sv^ü, ohne Rücksicht darauf (oder ohne den Gedanken daran), daß
es ein solches sein soll, u. wenn man sein Blut aufgefangen hat u. damit zum Altar
gegangen ist u. es gesprengt hat la^ati ahv, ohne Rücksicht darauf, daß es das Blut
des Passah sein soll, oder wenn man es getan hat zum Teil mit Rücksicht darauf
■i>3tr;"5 u. zum Teil ohne Rücksicht darauf ts:^-: ah^a, oder umgekehrt, so ist es ungültig.
Wie ist das zu verstehen: zum Teil mit Rücksicht darauf (nämlich, daß es ein P. sein
soll), u. zum Teil ohne diese Rücksicht? Man vollzieht die Opferhandlung zum Teil mit
dem Gedanken daran, daß es ein P. sein soll rcs; zvh, u. zum Teil mit dem Gedanken,
daß es ein Friedmahlopfer sein soll wwi:^ uvi). || Z*=b 4, 6: Mit Rücksicht auf (oder im
Gedanken an) sechs Dinge c—i^t r.xv uvh wird ein Opfer geopfert: mit R. darauf was
es für ein Opfer sein soll rrar üvh, mit R. auf den Opfernden nair a-:;V, mit R. darauf
daß es Gott dargebracht werden soll ="ijn ^vh, mit R. darauf daß es ein Feueropfer
sein soll =-r^N u-jh, mit R. darauf daß es zum Geruch sein soll n"i c^V, u. mit R.
darauf daß es zum Wohlgefallen sein soll m-'j zvh. Das Sund- u. Schuldopfer wird
geopfert auch noch mit R. auf die Sünde (derentwegen es dargebracht werden soll)
sün cvh. R. Jose (b. Chalaphta, um 150) hat gesagt: Auch wenn einer in seinem Herzen
keine Rücksicht auf diese Dinge genommen hat (an sie nicht gedacht hat), so ist das
Opfer gültig; denn es ist ein (stillschweigendes) gerichtliches Abkommen, daß der
Gedanke an jene Dinge sich nur nach dem diensttuenden Priester richtet (dieser muß
also jene sechsfache Intention bei seinem Opfern haben, sonst ist es ungültig). Ahnliche
Stellen P^s 13''; Z'^b 1, 1. — Ferner s. bei Mt28, 19.
Beispiele für die kausale Bedeutung. Sanh 99'*: R. Alexandrai (um 270) hat
gesagt: Wer sich mit der Tora um ihrer selbst willen ~^^'~ beschäftigt, der schafft
Frieden in der oberen Familie (= Engel weit) u. in der unteren Familie (= Israel). t|
P<^s 50'': Rab J«huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Immerhin beschäftige
sich der Mensch mit der Tora u. den Pflichtgeboten, auch wenn er es nicht um ihrer selbst
willen r.^-äh s'-:-v tut; denn dadurch, daß er es nicht um ihrer selbst willen tut, gelangter
dazu, es um ihrer selbst willen ntii-Vzutun. Dasselbe Sota 22 ''; 47 ^ ; Nazir 23''; Sanh 105'';
Hör 10''; fArakh 16 '^'. || Sehr oft begegnet die Verbindung a-i?-:; cv\ = um Gottes willen;
zB Aboth 2, 2: Rabban Gamliel (III. um 220) sagte: Die sich mit der Gemeinde beschäf-
tigen, sollen sich mit ihnen (den Gemeindegfiedern) um Gottes willen beschäftigen. —
Das. 2, 12: R. Jose (der Priester, um 100) sagte: All dein Tun geschehe um Gottes willen.
Die kausale Bedeutung liegt auch dem elg ovof.ia 7iQO(fi'jTov zugrunde:
wer einen Propheten aufnimmt mit Rücksicht darauf, daß er ein Prophet
ist. Ebenso bedeutet snl t<^ ovö/xarC fiöv Mtl8,.5 „um meinetwillen".
2. 0 ös^öfisvog nQocprjzrii' . . . fiia^ov nQüCfr^Tov krjixxpeTai.
Formell kann verglichen werden Sota 5'': R. J^hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt:
Wenn ein Mensch zur Zeit des Tempelbestandes ein Brandopfer darbrachte, so war der
Lohn des Br. n'-jiy is-j in seiner Hand; brachte er ein Speisopfer dar, so war der Lohn
des Sp. --3?i i:r in seiner Hand. || pB'^rakh {), 14*^, 3: R. Schim?on b. Jochai (um 150)
sagte: Wenn du siehst, daß die Menschen ihre Hände ganz u. gar von der Tora ab-
ziehen, so mache dich auf u. halte an ihr fest, so wirst du den Lohn aller =';ir i:w
empfangen. || Aboth 5,2: Zehn Geschlechter sind von Noah bis auf Abraham, um zu
zeigen, wieviel Langmut bei ihm (Gott) ist; denn alle Geschlechter erregten seinen
Unmut, bis unser Vater Abr. kam u. den Lohn aller (der für alle, wenn sie gerecht
gewesen wären, bestimmt war) empfing.
10,42: Wer einen dieser Kleinen mit einem Becher kühlen
Wassers tränken wird auf den Namen eines Jüngers hin,
wahrlich ... er wird seinen Lohn sicher nicht verlieren.
1. sva tm> fiixQwv tovzcov. — Dafür, daß das dem fiixQÖg entsprechende
592 Matth 10,42(Nr. 1— 3) *
yjp oder n-^yi, n'^v], ^bsolut gebraucht, „Schüler" oder „Jünger" be-
deute, haben wir keinen Beleg aus dem Rabbinischen. Mit den allenfalls
in Betracht kommenden Stellen verhält es sich anders.
Aboth 4, 20: R. Jose b. J%uda aus Babelsdorf (Zeitgenosse Rabbis) pflegte zu sagen:
Wer von den Kleinen d'ju;;.- lernt — wem gleicht der? Einem, der saure Trauben
ißt oder Wein aus seiner Kelter trinkt. Und wer von den Alten lernt — wem gleicht
der? Einem, der reife Trauben ißt oder alten Wein trinkt. — Die „Kleinen* sind hier
nicht einfach die Gelehrteuschüler, sondern „junge Gelehrte". Ebenso verhält es sich
mit pMQ 3, 82'', 22: Große (bedeutende Gelehrte) sind vor ihm, u. er befragt die Kleinen
s-'-i-yT (d. h. die Unbedeutenden)! || Sota 22-'' Bar: Eine Jungfrau, die eine Betschwester
ist, u. eine Witwe, die müßig herumläuft, u. ein Kleiner lüp, dessen Monate nicht voll-
endet sind (der nicht volle 9 Monate im Mutterschoß ausgetragen ist) — siehe, diese
richten die Welt zugrunde. . . . Wer ist mit einem Kleinen gemeint, dessen Monate
nicht vollendet sind? Man hat erklärt: Das ist ein Gelehrtenschüler, der wider seine
Lehrer ausschlägt (widerspenstig ist). R. Abba (um 290) hat gesagt: Das ist ein Schüler,
der es noch nicht erreicht hat, Entscheidungen treffen zu dürfen u. (trotzdem) solche
trifft. — Auch hier ist der „Kleine" nicht ein Schüler schlechthin, sondern ein „un-
reifer Schüler". || Ganz abseits liegt GnR 42 (25'^): Ebenso dachte der König Ahas in
seinem Sinn (mit der Verführung des Volkes bei den Kindern zu beginnen), indem er
sagte: Wenn es keine Kleinen D'jcp gibt, dann gibt es auch keine Schüler ü'-.^yzht^:
wenn keine Seh., dann auch keine Gelehrten; wenn keine G., dann auch keine Ältesten;
wenn keine Ä., dann auch keine Propheten; u. wenn keine Pr., dann läßt Gott seine
Sch%hina nicht auf ihnen ruhen (entzieht ihnen seine Gegenwart u. Hilfe). — Mit den
„Kleinen* sind in dieser Stelle überhaupt keine Schüler, sondern Kinder gemeint.
2, Wertlegung auf die Darreichung von Unterstützungen an die
Gelehrten.
B®rakh ö4b: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt:
Alle Propheten haben nur für den geweissagt (d. h. aller von den Propheten ia Aussicht
gestellte Endlohn gilt nur dem), der seine Tochter an einen Gelehrtenschüler verheiratet,
u. dem G.schüler seine Geschäfte besorgt u. dem G.schüler Nutzen von seinem Vermögen
gewährt. Aber betreffs des Lohnes der G.schüler selbst gilt Jes <U, 3: Kein Auge hat
es gesehen, Gott, außer dir, was bereitet ist dem, der harrt (so der Midr). — Dasselbe
Sanh 99=^. || P«s öob; R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer Ware in den Beutel der
Gelehrtenschüler wirft (d. h. durch Überlassung von Waren ihnen die Möglichkeit zum
Handel gibt), ist würdig, in der oberen (himmlischen) Akademie zu sitzen, s. Qoh 7, 12:
In den Schatten der Weisheit (in den Kreis der oberen Gelehrtenwelt) gelangt man
durch den Schatten des Silbers (durch den Schutz, den man den Gelehrten durch ihre
Versorgung gewährt; so der Midr). il K^'th 105l>: Wer einem Gelehrtenschüler ein Ge-
schenk bringt, der ist wie einer, der Erstlingsfrüchte darbringt. || K'^th lllb: (R. Elfazar,
um 270, hat einmal vor R. Jochanan, f 279, den Gesetzesunkundigen, den ? Amme ha-are?,
die Teilnahme an der Auferstehung abgesprochen.) Als er aber sah, daß R. Jochanan
sich deshalb grämte, sagte er zu ihm: Rabbi, ich habe für sie ein Heilmittel gefunden
auf Grund der Tora. Es heißt: „Ihr, die ihr an Jahve eurem Gott hinget, ihr alle seid
heute am Leben" Dt 4, 4. Ist es denn möglich, an der Sch^khina (Gottheit) zu hangen?
Allein es ist so gemeint: wenn einer (der ein ?Am ha-are^ ist) seine Tochter an einen
Gelehrtenschüler verheiratet u. für den G.schüler Handelsgeschäfte treibt u. den G.-
schülern von seinem Vermögen Genuß gewährt, so rechnet es ihm die Schrift so an,
als ob er der Sch'^^khina anhinge (u. so gewinnt er Anteil an der Auferstehung).
3. ov fiTj dTToXs'ffrj zov fiid^or amov. — Sehr oft wird die Treue u.
Zuverlässigkeit Gottes im Lohnzahlen hervorgehoben. „Gott kürzt den
Lohn keines Menschen" rr^-a bs isu: nspo id-^x r\^"pr\ ist zu einer stereo-
typen Wendung geworden, s. zB P«s 118"; Nazir 23''; BQ 38'*; u. die
Matth 10, 42 (Nr. 3). 11,5 (Nr. li 593
namentlich im Lv sich findenden Worte: „Ich bin Jahve" werden gern
durch die andren erläutert: Ich bin ein Richter-, um Rache zu nehmen,
u. zuverlässig ion3, den Lohn zu zahlen, s. zB SLv 18, 2. 3. 4 u. ö.
Abotli 2, 16: R. Tarphon (um 100) sagte: Zuverlässig ist dein Arbeitgeber, daß er
dir den Lohn für deine Arbeit zahlt. — M®n 44^*: (Gott spricht:) Ich bin es, der dereinst
bestraft, u. ich bin es, der dereinst den Lohn zahlt.
11, 5: Blinde sehen wieder u. Lahme gehen umher. Aussätzige
werden gereinigt u. Taube hören, u. Tote werden erweckt u.
Arme empfangen frohe Botschaft.
1. In der messian. Heilszeit erwartete man Heilung aller Krank-
heiten.» Man nahm an. daß der Messias seinem Volk Israel alle jene
Güter wiederbringen werde, die durch Adams Fall verloren gegangen
waren; dazu gehörte natürlich auch die Beseitigung von Krankheit u.
Tod.b Diese Erwartung hatte übrigens für das jüdische Denken nichts
Exorbitantes. Die Tage des Messias erreichten damit nur die Höhenlage
der Zeit der Gesetzgebung am Sinai; denn auch damals war Israel frei
vom Kranken u. Sterben, c
a. Jubil23.26 — 30: In jenen Tagen (der Heilsvollendung) werden die Kinder an-
fangen, die Gesetze zu suchen u. das Gebot zu suchen u. auf den Weg der Gerechtig-
keit umzukehren. Und die Tage werden anfangen, viel zu werden u. zu wachsen unter
jenen Menschenkindern von Geschlecht zu Geschlecht u. von Tage zu Tage, bis ihre
Tage nahe kommen an 1000 Jahre, u. [zwar] an mehr Jahre als die [frühere] Menge
der Tage. Und es gibt keinen Alten u. keinen, der seiner Tage satt ist, sondern sie
werden alle Knaben u. Kinder sein (d. h. jugendliche Frische behalten). Und alle ihre
Tage werden sie in Frieden u. Freude vollenden u. leben, indem es keinen Satan u.
keinen Bösen gibt, der [sie] verdirbt, sondern alle ihre Tage werden Tage des Segens
u. des Heils sein. Und dann wird Gott seine Knechte heilen, U; sie werden sich er-
heben u. werden tiefen Frieden schauen u. werden ihre Feinde vertreiben, u. die Ge-
rechten werden zuschauen u. danken u. sich freuen bis in alle Ewigkeit in Freude u.
werden an ihren Feinden all ihr Gericht u. all ihren Fluch sehen. |[ Henoch5, 8f. :
Danach (= am Ende der Tage) wird den Auserwählten Weisheit verliehen werden; alle
diese werden leben u. nicht mehr sündigen, weder aus Versehen noch aus Übermut,
u. in dem erleuchteten Menschen wird Licht u. in dem verständigen Verstand sein.
Sie werden sich nicht verschulden noch sich versündigen alle ihre Lebenstage u. auch
nicht durch die Zornglut [Gottes] sterben, sondern sie werden die Zahl ihrer Lebens-
tage vollenden. Ihr Leben wird in Frieden gedeihen, u. die Jahre ihrer Wonne werden
in ewigem Jubel u. Frieden während all ihrer Lebenstage viele sein. || Henoch25, 5 — 7:
Des Lebensbaumes Frucht wird den Auserwählten zum Leben [dienen], u. er wird zur
Speise an den heiligen Ort bei dem Hause Gottes, des Königs der Ewigkeit, verpflanzt
werden. Dann werden sie sich überaus freuen u. fröhlich sein u. in das Heiligtum ein-
gehen, indem sein Duft ihre Gebeine erfüllt. Sie werden ein längeres Leben auf Erden
führen, [als das] welches deine Väter gelebt haben, u. in ihren Tagen wird weder
Trübsal noch Leid oder Mühe u. Plage sie berühren. Da pries ich den Herrn der
Herrlichkeit, den König der Ewigkeit, daß er solches für die gerechten Menschen zu-
bereitet, solches geschaffen u. verheißen hat, [es] ihnen zu geben. || Henoch96, 3: Ihr
Leidenden, fürchtet euch nicht; denn Heilung wird euch zuteil werden (zur Zeit der
Erlösung); helles Licht wird euch scheinen, u. ihr werdet die Stimme der Ruhe vom
Himmel her hören. |1 Orac. Sib. :!, 367 ff.: Heitere Ruhe wird (in der Heilszeit) in das
Land Asien kommen. Europa wird dann glückselig sein, nährend der Himmel, viele
Jahre [u.] Gesundheit gebend. ; . . |1 4 Esra 7, 121: (Was hilft es uns), daß uns Stätten
Strack u.Billerbeck, NT I. 38
594 Matthll,5(Nr. 1)
voll Genesuug u. Frieden (in der Endzeit) bereitet sind, wenn wir im Elend dahin-
gegangen sind? . . . Daß das Paradies erscheinen soll, dessen Früchte ewig bleiben,
die Sättigung u. Heilung verleihen, wenn wir doch niemals hineinkommen, weil wir
an scheußlichen Orten verweilt haben? || 4Esra 8, 52ff.: Für euch (die Gerechten) ist
(in der Endzeit) das Paradies eröffnet, der Lebensbaum gepflanzt . . ., die Krankheit
vor euch getilgt, der Tod verborgen, der Hades entflohen, die Vergänglichkeit ver-
gessen, die Schmerzen vorüber; aber des Lebens Schätze sind euch am Ende offenbar, jj
Apoc. Bar. 29, 7: Winde werden von mir (Gott) ausgehen (in den Tagen des Messias),
um Morgen für Morgen den Duft der aromatischen Früchte mit sich zu führen, u. am
Ende des Tages Wolken, die heilungbringenden Tau herabträufeln. || Das. 73, 2 f.: Als-
dann (in den Tagen des Messias) wird Gesundheit herabsteigen im Tau u. Krankheit
wird sich entfernen. Und Sorge u. Trübsal u. Seufzer werden unter den Menschen
vergehen, u. Freude wird auf der ganzen Erde einherwandeln, u. es wird auch nie-
mand vorzeitig sterben. || P^'siq 76^*, 13: R. Acha (um 320) hat im Namen des R. Eli?ezer
b. Chalaphta (Zeit ungewiß) gesagt: Alles, was Gott dereinst tun u. in seiner Welt er-
neuern wird, das hat er zum Teil längst zuvor getan durch seine gerechten Propheten
in dieser Welt. Inwiefern? Gott sprach: Ich werde dereinst (in der messian. Zeit) die
Toten auferwecken; das hat er längst so getan durch Elias, Elisa u. Ezechiel. Gott
sprach: Ich werde dereinst das Meer trocken machen; das hat er längst so getan
durch Mose. Gott sprach: Ich werde dereinst die Augen der Blinden öffnen; das hat
er längst so getan, s. 2 Kg 6, 17. — Pai-allelstellen, auch mit andren Autorennamen:
LvR27 (125^): MidrQoh3,15 (201»); Tanchn:,:s 174b; TanchB -t:s §12 (46^'); vgl. auch
GnR77 (49«). || GnR20(13«): R. Levi (um 300) hat gesagt: In der Zukunft (= Tage
des Messias) wird alles geheilt werden mit Ausnahme der Schlange u. der Gibeoniten,
s. Jes 65,25 u. Ez48, 19. — Parallelstelle Midr Ps 1 §10 (5b); vgl. auch pQid 4,65b,50;
NuR8(149b); Midr Sm 28 §7 (67 b). || TanchB -J^^^yi §7 (24*): Alle mit Leibesfehlern
Behafteten werden in der zukünftigen Welt (den Tagen des Messias) geheilt werden;
aber die Schlange wird nicht geheilt werden. . , . Die Menschen werden geheilt werden,
s. Jes 35, 5 f.: Dann werden aufgetan werden die Augen der Blinden u. die Ohren der
Tauben geöffnet. Dann wird wie ein Hirsch springen der Lahme u. jubeln die Zunge
des Stummen. — Dasselbe Tanch v^^-s^z 159^; vgl. daselbst -i-j-i 53»; GnR 95 (60=^). ]|
Sanh91b: ReschLaqisch (um 250) stellte zwei Schriftstellen einander gegenüber. Jer31,8:
, Siehe, ich bringe sie her aus dem Nordland u. sammle sie aus den Winkeln der Erde,
darunter Blinde u. Lahme* usw.; u. Jes 35,6: „Dann wird wie ein Hirsch springen der
Lahme u. jubeln die Zunge des Stummen* usw. Wie ist das zu verstehn? Sie werden
(zunächst) dastehn in ihren Gebrechen (nach der Auferstehung in der messian. Zeit)
u. dann werden sie geheilt werden. — Zur Auferstehung der Toten in den Tagen des
Messias s. bei Offb 20, 5.
b. s. GnR 12 oben S. 19 bei Mt 1, 3 S.
C. M'^kh Ex 20, 18 (78b): R. Elifezer (um 90) sagte: Die Worte in Ex 20, 18 wollen
das Lob Israels verkündigen; denn als sie alle vor dem Berg Sinai standen, um die
Tora in Empfang zu nehmen (anzunehmen), gab es unter ihnen keinen Blinden: „Alles
Volk sah den Donner u. die Flammen.* Woher, daß auch Stumme nicht unter ihnen
waren? Es heißt Ex 19, 8: „Alles Volk antwortete.* Dieselbe Stelle lehrt auch, daß
Taube nicht unter ihnen waren: „Alles, was Jahve geredet hat, wollen wir tun* (also
müssen sie Jahves Wort gehört haben). Woher, daß auch Lahme nicht unter ihnen
waren? Es heißt Ex 19, 17: „Sie stellten sich unten am Berge auf.* Die Schrift lehrt
auch, daß Blöde nicht unter ihnen waren, s. Dt 4, 35: Dir ward solches gezeigt, damit
du einsehen möchtest, daß Jahve Gott ist (also mußten sie Verstand u. Überlegung
besitzen.) || SNu 5, 3 §1 (Ib): R. Jose der Galiläer (um 110) sagte: Komm u. sieh, wie
schwer die Macht der Sünde ist; denn solange die Israeliten ihre Hände nicht nach
der Sünde ausgestreckt hatten, waren Flußbehaftete u. Aussätzige nicht unter ihnen;
nachdem sie aber ihre Hände nach der Sünde ausgestreckt hatten (gemeint ist die An-
betung des Kalbes), waren Flußbehaftete u. Aussätzige unter ihnen. || LvR 18 (118'"'):
MatthlI,5(Nr. 1) 595
R. Schim?on b. Jocliai (um 150 j hat gelehrt: Als die Israeliten am Berge Sinai standen
n. sprachen: Alles was Jahve geredet hat, wollen wir tun u. darauf hi3ren Ex 24, 7,
war kein Flußbehafteter oder Aussätziger unter ihnen, auch kein Lahmer oder Blinder
oder Stummer oder Tauber oder Blödsinniger; in bezug auf jene Zeit heißt es HL 4, 7:
,Ganz schön bist du, meine Freundin, u. kein Fehl ist an dir." Als sie aber (mit dem
Kalbe) gesündigt hatten, vergingen nur wenige Tage, da fanden sich unter ihnen Fluß-'
behaftete u. Aussätzige; in bezug auf jene Zeit heißt es Nu 5, 2: ,Sie sollen jeden Aus-
sätzigen u. Flußbehafteten aus dem Lager schicken.'' — Dasselbe Midr HL 4, 7 (113*);
ähnlich anonym P'^siqR 7 (28*). 1 P«'siq SS'-i: R. Nachman (um 400) u. R. Elsazar b. Jose
(um 400) haben im Namen des R. Acha (um 320) gesagt; der eine: Gott sprach zu den
Israeliten (mit den Worten Ex 12,2: Dieser Monat sei euch as'^ mn •:j-,'-7i): Eine neue
Erlösung wird euch dereinst (in diesem Monat, dem Nisan) sein. Der andre sagte:
Neues von der zukünftigen Zeit bringt dieser Monat euch. Wie es von der (messian.)
Zukunft heißt Jes35, 5: ,Dann werden aufgetan werden die Augen der Blinden", so
heißt es auch hier (bei der Erlösung aus Ägypten) Ex 20, 18: „Alles Volk sah die
Donner u. die Flammen." Wie es von der Zukunft heißt Jes35, 5: ,Die Ohren der
Tauben werden geöffnet", so heißt es auch hier Ex 24, 7: , Alles was Jahve geredet
hat, wollen wir tun u. darauf hören" ; das lehrt, daß Taube nicht unter ihnen waren.
Wie es von der Zukunft heißt Jes3ö, 6: „Dann wird wie ein Hirsch springen der
Lahme", so heißt es auch hier Ex 19, 17: „Sie stellten sich unten am Berge auf."
Wie es von der Zukunft heißt Jes35, 6: „Die Zunge des Stummen wird jubeln", so
heißt es auch hier Ex 19, 8: „Alles Volk antwortete zugleich" usw. — Dasselbe.
P«siqR15(78ii); vgl. auch P'siq 107*. || NuR 7 (Anfang): Spr25, 4: Man entfernt die
Schlacken vom Silber, so entsteht für den Goldschmied ein Gerät daraus. R. Tanchuma
b. Abba (um 380) hat gesagt: Was heißt das: „Man entfernt die Schlacken vom Silber" ?
Solange das Untaugliche im Silber ist, zeigt dieses seine Schönheit nicht; wird es
aber von dem Untauglichen geläutert, so zeigt es sofort sein Lob. Man entfernt die
Schlacken vom Silber, u. danach heißt es: so entsteht für den Goldschmied ein Gerät
daraus. Wie? Als die Israeliten aus Ägypten zogen, waren sie der Mehrzahl nach mit
Gebrechen (Fehlern) behaftet, weil sie sich mit Lehm u. Ziegeln abmühen u. auf die
höchsten Stellen eines Baues emporsteigen mußten. Wenn nun einer beim Bauen be-
schäftigt war, so kam es vor, daß beim Emporsteigen zur Höhe des Bauwerks ein
Stein herabfiel u. seine Hand verwundete oder daß ein Balken oder Lehm in sein Auge
drang, so daß er erblindete. So waren sie mit Gebrechen behaftet worden. Als sie
nun in die Wüste Sinai kamen, sprach Gott: Ist das etwa ein Ruhm für die Tora,
wenn ich sie einem Geschlecht von Krüppeln gebe? Und wenn ich warte, bis andre
aufkommen, so verzögere ich die Gesetzgebung. Was tat Gott? Er befahl den Engeln,
daß sie zu den Israeliten hinabfahren u. sie heilen sollten. Wisse, daß dem so ist.
R. J%uda b. Simon (um 320) hat gesagt (so lies statt: R. J'^huda hat gesagt, R. Simon
hat gesagt): Woher, daß Lahme nicht unter ihnen waren? s. Ex 19,17: „Sie stellten
sich unten am Berge auf." Das Sichaufstellen geschieht aber nur mit den Füßen,
Woher, daß solche nicht unter ihnen waren, denen die Hand abgehackt war? s. Ex 19,8:
„Alles was Jahve geredet hat, wollen wir tun." Woher, daß Taube nicht unter ihnen
waren? s. daselbst 24,7: „Und darauf hören." Woher, daß Blinde nicht unter ihnen
waren? s. Ex 20, 18: „Alles Volk sah die Donner" usw. Woher, daß Stumme nicht
unter ihnen waren? s. Ex 19,8: „Das ganze Volk antwortete." Da findet man also,
daß sie alle geheilt waren. Und wenn du es nicht von hier lernen wolltest, so kannst
du es aus einer andren Stelle lernen; denn es heißt Ex 15, 26: „Jede Krankheit, die
ich den Ägyptern aufgelegt habe, will ich nicht auf dich legen." Da hast du, daß sie
geheilt waren. Aber als sie jene Tat mit dem Kalbe begangen hatten, kehrten sie zu
ihren Gebrechen zurück u. wurden Flußbehaftete u. Aussätzige, s. Ex 32, 25, wo s—z nach
Lv 13,45 „aussätzig" bedeutet. — Dasselbe unter dem Autornamen des R. J^'hoschua?
b. Levi, um 250, Tanch i-n^ SS»». — Weitere Parallelen: P''siq 106b (Autor: R. J^'huda
b. Sima, 1. Simon); TanchB i^r^ § 12 (38*j; hier R. J'huda b. Schalom, um 370, als Autor
38*
596 Matthll,5 (^Nr. 1.2). 11,7
genannt; in beiden Stellen geht ein Gleichnis vorauf. || LvR 18 (118'): R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Elisezer b. Jose ha-6^1ili (um 150) gesagt: Als die Israe-
liten am Berge Sinai standen u. sprachen: Alles was Jahve geredet hat, wollen wir
tun u. darauf hören (Ex 24, 7), rief Gott den Todesengel u. sprach zu ihm : Obwohl
ich dich zum Weltherrscher -iiä'^pi'sTip = xoafioygcirwQ über die Geschöpfe. gesetzt habe,
'so sollst du doch mit dieser Nation nichts zu schaffen haben; denn sie sind meine
Kinder, s. Dt 14, 1 : Ihr seid Söhne Jahves, eures Gottes. Ferner heißt es Dt 5,20: ,A]s
ihr die Stimme mitten aus der Finsternis heraus hörtet." Gibt es denn Finsternis oben?
Es heißt doch Dn 2, 22: „Licht hat bei ihm seine Wohnstätte " I Allein damit ist der
Todesengel gemeint, der Finsternis genannt wird. Das meinen auch die Worte Ex 32. 16:
„Die Tafeln waren ein Werk Gottes u. die Schrift war Schrift Gottes, r^.^n (eingegraben)
auf die Tafeln." Lies nicht riin, sondern r-^n (= „Freiheit" stand auf den Tafeln).
R. J'huda (um 150), R. N^'chemja (um 150, so zu lesen statt „Nachman") u. die Rabbinen.
R. J^'huda hat gesagt: Damit ist die Freiheit vom Todesengel gemeint. R. N^'chemja
sagte: Die Freiheit von den (Welt-)Reichen; die Rabbinen sagten: Die Freiheit von
Leiden. — Parallelstellen mit Abweichungen ExR 32 (93'^- ''); 41 (97«"); 51 (103^); NuR
16 (181 d); TanchB x-si §9 (13=0; Tanch -'s r.hv 214^; TanchB r,hv Nachtrag § 1 (38 *>). ||
?AZ 5" Bar: R. Jose (um 150) sagte: Die Israeliten haben die Tora nur empfangen, damit
der Todesengel keine Gewalt über sie haben sollte.
2. Deutung von Jes 35, 5 im geistlichen Sinn ist uns begegnet nur:
Aggad. B^resch. 69 § 1 (47'^): R. Aschjan (um 360) hat im Namen des R. Chilqijja
tum 320) gesagt: In dieser Welt verursachten es die Sünden, daß die Israeliten taub
gegen die Tora wurden ü. blind, daß sie die Sch'^khina nicht sahen, s. Jer 6, 10: „Siehe,
eine Vorhaut hat ihr Ohr, daß sie nicht aufmerken können." Deshalb wurden sie taub,
daß sie die Tora nicht lernten u. ihre Augen wurden verschlossen, daß sie die Sch'^khina
nicht sahen. Ebenso ruft auch Jesaja 42, 18: Ihr Tauben, höret, ihr Blinden, blicket
her! Sie aber antworteten ihm: Wir können nicht sehen; denn es heißt: „Tasten müssen
wir wie die Blinden an der Wand" Jes 59, 10. Auch können wir nicht hören, s.: „Ich
bin wie ein Tauber, ich höre nicht" Ps 38, 14. Was wird nun Gott in der Zukunft (in
der messian. Zeit) tun? Er wird sie zunächst auferwecken, u. dann öffnet er ihre Augen
u. Ohren, wie es heißt: „Dann werden aufgetan werden die Augen der Blinden u. die
Ohren der Tauben geöffnet" Jes 35, 5. Dann werden sie Worte Jahves hören, wie es
heißt: „Deine Ohren werden das Wort hören" Jes 30, 21; auch werden sie ihn (Gott)
sehen, wie er sie unterrichtet, s. : „Nicht mehr unsichtbar machen wird sich dein Lehrer,
sondern deine Augen werden deinen Lehrer sehen" (der Midr deutet -'^t: Jes 30, 20
singularisch auf Gott). In jener Stunde wird der Vers erfüllt sein: „Das hörende Ohr
u. das sehende Auge, die hat Jahve alle beide geschaffen" Spr 20. 12. Weder ein Engel
noch ein Seraph hat solches gemacht, sondern Jahve hat alle beide geschaffen. — Vgl.
aber auch Targ Jes 42, 6 f. oben S. 69 bei Mt 1, 21 a.
11, 7: Ein Rohr, vom Winde hin u. her bewegt,
Ta?an20'*: R.Jonathan (um 220) hat gesagt: Besser ist der Fluch gewesen, mit
dem Achijja, der Schilonite. Israel geflucht hat, als der Segen, mit dem sie Bil?am,
der Frevler, gesegnet hat. Achijja fluchte ihnen mit einem Rohr r.:p: „Jahve wird
(möge) Israel schlagen, wie das Rohr -:p im Wasser wankt" 1 Kg 14, 15. Wie das Rohr
am Ort des Wassers steht u. sein (Wurzel-)Stock wiederkommt u. seiner Wurzeln viele
sind, u. selbst wenn alle Winde in der Welt kommen u. wider es wehen, so können
sie es doch nicht von seiner Stelle rücken, sondern es bewegt sich mit ihnen hin u. her,
u. schweigen die Winde, so steht das Rohr an seiner Stelle. Aber Bilfam hat sie mit
einer Zeder gesegnet: „Gleich Zedern am Wasser" Nu 24, 6. Wie die Zeder nicht am
Ort des Wassers steht u. ihr (Wurzel- iStock nicht wiederkommt u. ihrer Wurzeln nicht
viele sind, selbst wenn alle Winde der Welt wider sie wehen, so können sie sie nicht
von ihrer Stelle rücken; wenn aber der Südwind gegen sie weht, so entwurzelt er sie
.Matthll,9. 10. 11 (51) 597
u. stürzt sie um. (So möge es auch Israel ergebn!) — Und nicht bloß dies, sondern
das Rohr wird auch für würdig erachtet, daß man von ihm das Schreibrohr (o-üinp
xdA««o?) hernimmt, um damit das Torabuch, die Propheten u. die Hagiographen zu
schreiben. — Unsre Lehrer haben gelehrt (als Bar): Immer sei der Menscli weich (nach-
giebig) wie das Rohr u. nicht sei er hart wie die Zeder.
11,9: Mehr als ein Prophet.
BB 12": R. Abdimi aus Chaipha (um 280) hat gesagt: Seit dem Tage, da das Heilig-
tum zerstört ward, wurde die Prophetie den Propheten genommen u. den Gelehrten
gegeben. So wäre also der Gelehrte (als solcher) kein Prophet? Er hat es so gemeint:
Obwohl sie von den Propheten genommen wurde, so ist sie doch nicht von den Ge-
lehrten genommen worden. Amemar (um 400) hat gesagt: Der Gelehrte ist mehr als
ein Prophet s^s:': ^r'y. denn es heißt Ps 90, 12: „Ein Prophet ist das weise Herz" (so
deutet der Midr die Worte nusn aaV s-an). Wer wird an wen gehängt? Doch wohl
der Kleine an den Großen! (Das Wesentliche ist das weise Herz, die Prophetie nur
Begleiterscheinung;' folglich steht der rsrr, der Gelehrte, höher, als der Prophet).
11,10: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her,
welcher deinen Weg vor dir bereiten wird.
Die Wiederkunft des Propheten Elias am Ende der Tage ist ein
feststehender Glaubensartikel der alten Synagoge gewesen, Älteste
Belegstelle Sir 48, 10 (hebr.): „Von dem (Elias) geschrieben ist, daß er
bereit steht für die festgesetzte Zeit, den Zorn zu beschwichtigen vor
dem Entbrennen, das Herz der Väter den Kindern wieder zuzuwenden
u. die Stämme Israels wiederherzustellen." — Hier folgen Stellen, in
denen Mal 3, 1 gedeutet wird.
Tanch -h r;5;ö 212'' u. NuR16(181^): Gott sprach zu den Israeliten: Weil in
dieser Welt meine Boten Fleisch u. Blut waren, wurde über sie beschlossen, daß sie
nicht in das Land (Israel) kommen sollten ; aber in der zukünftigen Welt sende ich
euch meinen Boten plötzlich, daß er den Weg vor mir bahne, s. Mal 3, 1. — Daß Elias
unter dem „Boten" zu verstehen ist, zeigt Targ .leruscb I zu Nu 25, 12, wo Pin*'chas-
Elias ausdrücklich als der ßundesengel von Mal -3, 1 bezeichnet wird : In einem Eide
sage ihm (dem Pin*^chas = Elias) in meinem Namen: Siehe, ich schließe mit ihm meinen
Friedensbund, u. ich will ihn zum Bundesengel (Mal 3, 1) machen, u. er wird leben in
Ewigkeit, um den Exulanten frohe Botschaft am Ende der Tage zu bringen. 1| ExR
32 (93''): Gott sprach zu Mose: Der, welcher die Väter behütet hat, wird auch die Kinder
behüten. Und so findest du es bei Abraham; als er seinen Sohn Isaak segnete, sprach
er zu ihm: „Jahve, der Gott des Himmels, der wird seinen Engel vor dir her senden"
Gn24, 7. Und was hat unser Vater Jakob zu seinen Söhnen gesagt?: „Der Engel, der
mich von allem Übel erlöste" Gn 48, 16. Gott sprach zu Mose: Auch jetzt wird der,
der die Väter behütet hat, die Kinder behüten, s. Ex 23, 20: „Siehe, ich sende einen
Engel vor dir her" . . . Und ebenso wird es in der Zukunft sein, wann er sich offen-
baren wird, dann kommt die Erlösung für Israel, wie es heißt Mal 3, 1 : Siehe, ich sende
meinen Engel usw.
11,1151: Unter von Weibern Geborenen ist kein Größerer
erstanden.
SV yevvYjToiq yvvaixm> = n^i'x i'h- .
AbothRN 2 (2*^^): Als Mose zur Höhe emporstieg, um die Gesetzestafeln in Empfang
zu nehmen, murrten die Engel hinter ihm drein u. sprachen: Was hat es mit dem von
einem Weibe Geborenen nax •:•!'■:- auf sich, daß er zur Höhe emporgestiegen ist? —
598 Matthll.ll (35). 11,12
In Schab 88^', wo R. J^hoschuaf b.Levi (um 250) als Autor genannt ist, sagen die Engel:
Was will der von einem Weibe Geborene r-.va -•'-- zwischen uns? \\ NuR4 (Mit«) sagt
R. Hoschafja (um 225) mit Bezug auf die Jakobsleiter: Heil dem vom Weibe Geborenen
n-i-K •:'!•:", der so den König u. seine Dienerschar hat bei sich stehen sehen! — Ähnlich
sagt derselbe Autor LvR 35 (132 b) mit Bezug auf die Gottesverheißung Gn 28, 15: Heil
dem vom Weibe Geborenen, der solches aus dem Munde seines Schöpfers hören darf!
11,11 ^: Der Kleinere im Himmelreich ist größer als er,
Vergleichen läßt sich M'^'kh Ex 15,2 (44'"»): , Dieser ist mein Gott, den will ich
rühmen" Ex 15, 2. R.Eli?ezer (um 90) sagte: Auf Grund welcher Stelle kann man sagen,
daß eine Magd am Schilfmeer gesehen hat, was nicht Ezechiel noch die übrigen Pro-
pheten gesehen haben? Von ihnen heißt es Hos 12,11: ,.Ich redete in Gleichnissen
durch die Propheten" ; u. Ez 1, 1 heißt es: Da wurden die Himmel aufgetan u. ich^ah
Erscheinungen Gottes (göttliche Visionen). (Am Schilfmeer aber sahen alle Gott von
Angesicht zu Angesicht.) Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der in eine Stadt
kommt, u. mit ihm ist das Gefolge, das ihn umringt; Mächtige sind zu seiner Rechten
u. zu seiner Linken u. Heerhaufen vor ihm u. hinter ihm. Alle fragen: Welches ist
der König? weil er ein Mensch ist gleichwie sie. Aber als Gott sich am Schilfmeer
offenbarte, hatte keiner zu fragen: Welches ist der König? sondern als sie ihn sahen,
erkannten sie ihn u. hoben alle an u. sprachen: „Dieser ist mein Gott, den will ich
rühmen!" — Ähnlich M*^kh Ex 19, 11 (72") zu den Worten: „Jahve wird auf den Berg
Sinai herabkommen vor den Augen des ganzen Volkes" Ex 19, II : Das lehrt, daß sie
in jener Stunde gesehen haben, was Ezechiel u. Jesaja nicht gesehen hat, s. Hos 12, 11. ||
ExR23(85*): R. B'rekhja (um 340) hat gesagt: Komm u. sieh, wie groß die sind, die
ins Schilfmeer hinabgestiegen sind! Wie oft hat .sich Mose niedergeworfen u. gefleht
vor Gott, bis er ihn sein Bild (seine Ähnlichkeit) sehen ließ: ,Laß mich doch deine
Herrlichkeit sehen!" Ex 33, IS. Und Gott sprach zu ihm: „Mein Angesicht kannst du
nicht schauen" Vers 20. Und endlich ließ er es ihn in einem Zeichen sehen, wie es heißt:
„Wenn dann meine Herrlichkeit vorüberzieht" Vejs22. Die Lebewesen, die den (gött-
lichen) Thron tragen, kennen Gottes Bild nicht; u. wenn ihre Zeit naht, daß sie ein
Lied (vor Gott j singen, sprechen sie: An welchem Ort er sich befindet, wir wissen es
nicht, ob er hier ist oder an einem andren Ort; aber an welchem Ort er sich auch
befinden mag, gepriesen sei die Herrlichkeit Jahves von ihrem Orte! (vgl. Ez 3. 12).
Aber von denen, die aus dem Schilfmeer heraufstiegen, zeigte jeder einzelne mit seinem
F'inger auf ihn u. sprach : Dieser ist mein Gott, den will ich rühmen ! |i Midr Ruth 1 , 1 7 ( 1 28 "j :
„Kleine u. Große sind dort, u. der Knecht ist seines Herrn entledigt" Hi 3, 19. R. Simon
(um 280) hat gesagt: Wer in dieser Welt klein ist, kann groß werden, u. wer groß
ist, kann klein werden ; wer aber in der zukünftigen Welt klein ist, kann nicht groß
werden, u. wer groß ist, kann nicht klein werden. „Und der Knecht ist seines Herrn
entledigt", das ist der, der den Willen seines Schöpfers i^::"!" tut u. seinen bösen Trieb
(statt i^si- ist offenbar zu lesen i-^::'') erzürnt; stirbt er, so geht er von dannen zur
Freiheit; wie es heißt: Der Knecht ist seines Herrn (d. h. des bösen Triebes) ent-
ledigt. — In P'siqR Anhang 3 (198 b) sagt R.Jonathan, um 220, mit Bezug auf Hi 3, 19:
Weiß denn nicht jedermann, daß dort Kleine u. Große sind? Die Stelle will lehren:
In dieser Welt wird nicht erkannt, wer klein u. wer groß ist. — Vgl. BM 85 b: R. Jirm'ja
(um 820) sprach zu R. Z'^f ira (um 300) : Was heißt Hi 3,19: Kleine u. Große sind dort usw. ?
Wissen wir denn nicht, daß Kleine u. Große dort sind? Vielmehr ist der Sinn: Wer sich
selbst um der Worte der Tora willen in dieser Welt klein macht (erniedrigt), der wird
in der zukünftigen Welt groß sein, u. wer sich selbst in dieser Welt um der Worte der
Tora willen einem Sklaven gleichmacht, der wird in der zuk. Welt ein Freier sein.
11,12: Von den Tagen Johannis des Täufers bis jetzt
leidet das Himmelreich Gewalt.
ßtä^erai. — Ein Gewaltanwenden gegen das Gottesreich, wenn auch
Matthll,l2 599
nicht im Sinne von Mt 11, 12, kennt auch die rabbin. Literatur. Man
versteht darunter den Versuch, den Anbruch der messian. Zeit in ge-
waltsamer Weise herbeizuführen.
Midr HL 2, 7 (99^): R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Zwei Beschwörungen
finden sich hier (HL 2, 7 u. o, 5), die eine (ist gerichtet) an Israel u. die andre an die Völker
der Welt. Gott beschwur die Israeliten, sich nicht gegen das Joch der Weltreiche zu em-
pören, u. er beschwur die Weltreiche, das Joch auf Israel nicht allzu schwer zu machen;
denn wenn sie das Joch auf Israel allzu schwer machten, würden sie veranlassen,
daß der Endtermin (•,•- = Tage des Messias) vor seiner bestimmten Zeit komme (da
Gott um seines Volkes willen die Tage der Bedrückung verkürzen würde, vgl. Mt
24, 22). . . . R. Chelbo (um 300) sagte: Vier Beschwörungen finden sich hier (HL 2, 7;
3, 5; 5, 8; 8, 4); Gott beschwur die Israeliten, sich nicht gegen die Weltreiche zu
empören; den Endtermin (= messianische Zeit) nicht gewaltsam herbeizuführen s's:»
y-r. hv i-n-:-; ihre Geheimnisse den Völkern der Welt nicht zu offenbaren u. nicht
als Mauer (d. h. in geschlossenen Reihen, in kompakten Massen) aus dem Exil hinauf-
zuziehen (nach Jerusalem; letzteres würde eben ein Versuch sein, die Tage des Messias
gewaltsam herbeizuführen). Wenn dem aber so ist, wozu dann der König, der Messias?
Er kommt, um die Exilierten Israels zu sammeln. R. Huna (s-:is = s"3in = srr,
um 350) hat gesagt: Mit vier Schwüren hat Gott sie beschworen entsprechend den
vier Generationen, die die festgesetzte Zeit (die Erlösungszeit) gedrängt haben •■•:.--. u.
dabei zu Falle gekommen sind. Diese sind: die Generation in den Tagen ?Amrams,'
ferner die in den Tagen des Dinai,* die in den Tagen des Ben Kozeba (= Bar Kokh^'ba)
u. endlich die in den Tagen des Schuthelach b. Ephraim» (vgl. Nu 26, 35; I Ohr 7, 20). —
Parallelstellen mit mannigfachen Abweichungen: Tanch z-'^z- 2"; TanchB a-'^ai §4(1^);
das. Zusätze zu z"':- § 3 (2'^). K'^th 111 •' heifst es: daß sie den Endtermin nicht ent-
fernen oder hinausschieben sollten :p-i* svj statt •---.' sH"; docii kennt Raschi auch
die letztere, jedenfalls richtige Lesart. |l LvR 19 (118'^'): „Saget zu den z-> —rö]"
Jes 35,4. R. Hoscha?ja, der Ältere (um 225), hat gesagt: Das sind die, die zerstörten
Herzens sind, s. Nah 2, 6: „Sie zerstören -nn»:- die Mauer" (so der Midr). R. J*^hoschua?
b. Levi (um 250) hat gesagt: Wie die, die den Endtermin drängen rp"*'" (den An-
bruch der messian. Zeit beschleunigen wollen), s. Gn 24, 4ti: „Sie ließ eilends "r^rr
ihren Krug herab."
Die Ankunft des Messias kann beschleunigt werden:
a. durch Buße. JomaSö'^: R. Jose der Galiläer (um 110, so ist zu lesen statt
R. Jonathan, s. Bacher, Tann.- 1, 362) hat gesagt: Groß ist die Buße; denn sie bringt
die (messian.) Erlösung herbei, li Midr HL 5, 2 (118«): u. P'siq 163b: R. Levi (um 300)
hat gesagt: Wenn die Israeliten auch nur Einen Tag Buße täten, so wüi-den sie so-
fort erlöst werden u. es käme sofort der Sohn Davids (der Messias), s. Ps 95, 7 ; in
pTaFan 1, 64'S 26 ist R. Tanchum b. Chijja, um 300, als Autor genannt. üpTaf an 1, 64", 20 :
Die Israeliten sprachen zu Jesaja (vgl. Jes 21, 11 f.): Unser Lehrer Jesaja, wieviel ist
uns von dieser Nacht (der gegenwärtigen Weltzeit) vergangen? Er antwortete: Wartet
auf mich, bis ich angefragt habe. Als er angefragt hatte, kehrte er zu ihnen zurück.
Sie sprachen: •:''.ii -n i>3Vi? d. h. was hat der Hüter der Welten gesagt -cvs h^-hiz r!>3
z-jVijT? Er antwortete: Der Hüter hat gesagt: Es kommt der Morgen u. auch die
^ Vielleicht ist hierbei an Sota 12^ gedacht, wonach fAmram u. seine Zeitgenossen
ihre Frauen entließen, um durch den Verzicht auf Fortpflanzung Israel aussterben zu
lassen u. so allem Jammer des Volks ein für allemal ein Ende zu machen.
2 Gemeint ist Elsazar b. Dinai, um 40 n. Chr., einer der Anführer der Zeloten, s.
Sota 9, 9; Joseph., Bell 2, 12, 4; Ant. 20, 6, I.
'^ In P'-'siq 85'' wird erzählt, daß die Kinder des Schuthelach die Erlösung aus
Ägypten 30 Jahre (so lies statt „80 Jahre") zu früh berechnet hatten u. deshalb auf
ihrem Zuge nach Kanafan umkamen: s. auch M'^kh Ex 15, 14 (50'^); Sanh 92''; ExR
20(82'^); Midr HL 2,7 (99 •'',).
600 ^latth 11, 12
Nacht. Sie sprachen: „Und auch die Nacht?" (Auf Erlösung folgt wiederum Knecht-
schaft?) Er antwortete: Nicht wie ihr es meint; vielmehr der Morgen (kommt) für
die Gerechten u. die Nacht für die Gottlosen, der Morgen für Israel u. die Nacht für die
Völker der Welt. Da sprachen sie: Wann denn? Er antwortete: Wann ihr wollt, will auch
er (Gott). Wenn ihr fragen wollt, fraget I Sie sprachen: Wer hält es denn zurück? Er
antwortete: Die Buße. Kelirt zurück (in Buße)! — Sanh 97b: R. Eli?ezer (ben Hyrkanos,
am 90) sagte: Wenn die Israeliten Buße tun, werden sie erlijst. Rab (f 247) sagte: Es
hängt von der Buße u. guten Werken ab. — Ferner s. oben S. 162 ff. bei Mt 4, 17 ?l.
b. durch Halten der Gebote. Schab 118^: R. Jochanan (f 279) hat im Namen
des R. Schim?on b. Jochai (um 150) gesagt: Wenn die Israeliten nur zwei Sabbate
vorschriftsmäßig hielten, so würden sie sofort erlöst werden; wie es heißt: „So spricht
Jahve zu den Verschnittenen, die meine Sabbate (Plural, also mindestens zwei) halten"
Jes 56, 4, u. hinterher heißt es (Vers 7): Die will ich zu meinem heiligen Berge ge-
langen lassen (in der messian. Zeit). 1| pTafan I, 64 a, 28: R. Levi (um 300) hat gesagt:
Wenn die Israeliten Einen Sabbat halten würden, wie sich's gebührt, so würde sofort
der Sohn Davids (= Messias) kommen. Welchen Schriftgrund gibt es dafür? Ex 16, 25:
Mose sprach: , Esset es heute; denn ein Ruhetag ist dieser Tag für .Jahve" — also
nur Ein Tag. Ferner heißt es Jes 30, 15: -(ly-i-TP rns-i T^zr::z. d. h. durch einen Sabbat-
tag ("i"») u. Ruhigbleiben werdet ihr erlöst werden. — Dasselbe, aber mit andrem
Schriftbeweis Midr Ps 95 §2 (210b). In LvR 3 (106'') u. Midr Qoh 4, 6 (23a) ^ird
R. Chijja b. Abba, um 280, als Autor genannt. || DtR 6 (2u3b): Wenn du dieses Gebot
(Dt 22, 6 f. betreffend Loslassen der Vogelmutter) hältst, so beschleunigst du das
Kommen des Königs, des Messias, von dem auch ein Loslassen ausgesagt wird, s.
Jes 32, 20: Wohl euch, die ihr (in den Tagen des Messias) loslassen könnt den Fuß
des Stieres und des Esels. || ExR 25 (87*): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gott
sprach zu den Israeliten: Da ich für das Ende (d. h. die Tage des Messias) eine be-
stimmte Zeit festgesetzt habe, an der es kommen soll, ob sie Buße tun oder nicht,
so kommt es zu seiner bestimmten Zeit; wenn sie aber Buße tun auch nur Einen
Tag, so lasse ich es außerhalb (vor) seiner bestimmten Zeit kommen, s. Ps 95, 7 :
, Heute, wenn ihr auf seine Stimme hört!" Und gleichwie wir finden, daß der Sohn
Davids wegen (der Beobachtung) aller Gebote kommt (vor der festgesetzten Zeit), so
kommt er auch (vorzeitig) wegen des Haltens Eines Sabbattages, weil der Sabbat alle
übrigen Gebote aufwiegt. || ExR 30 (91b): „Mein Heil ist nahe, zu kommen" Jes 56, 1.
Gott spricht: Ich bringe das Heil; denn es heißt: „Jahves ist das Heil!" Ps o, 9. Und
wer das Recht übt, von dem schreibe ich, daß er das Heil (d. h. die messian. Heilszeit)
nähert (beschleunigt). Vgl. den Ausspruch des R. Levi, um 300, in DtR 5 (202»).
C. durch Torastudium. Sanh 99b: R. Levi (um 300) hat gesagt: (Wer sich
mit der Tora um ihretwillen, ohne selbstische Nebenzwecke beschäftigt) der nähert
auch die (messian.) Erlösung, s. Jes 51, 16: „Ich will meine Worte in deinen Mund
legen ... u. zu Zion sage ich: Mein Volk bist du."
d. durch Wohltätigkeit. BB 10« Bar: R. J'huda (um 150) hat gesagt: Groß
ist die Wohltätigkeit, denn sie nähert (beschleunigt) die (messian.) Erlösung, s.: „Haltet
das Recht u. übet Wohltätigkeit (so der Midr); denn mein Heil ist nahe, zu kommen"
Jes 56, 1.
Umgekehrt kann der Anbruch der messian. Heilszeit durch
das Verhalten Israels verzögert werden.
Tanch a-as: 25'': Du findest, daß Israel erst erlöst werden wird (nämlich in den
Tagen des Messias), wenn sie alle eins sind (wörtlich: ein Bund), wie es heißt: ,In
jenen Tagen u. zu jener Zeit, ist Jahves Spruch, werden die Söhne Israels kommen,
sie u. die Söhne Judas zusammen (als ein Ganzes)" Jer 50, 4. — Dasselbe TanchB
D-3S3 §4 (25^). II Nidda 13*», 13 Bar: Die Proselyten u. die mit kleinen Mädchen
Scherzenden halten den Messias zurück. Betreffs der Proselyten stimmt es mit der
Meinung des R. Chelbo (um 300) überein. Denn R. Chelbo hat gesagt: Schlimm sind
Matth 11. 12. 18 (Nr. 1) 601
die Proselyten für Isi'ael wie Aussatz.* Aber was ist es um die mit kleinen Mädchen
Scherzenden? Wenn man sagen wollte, es handle sich dabei um unnatürliche Unzucht,
so würden sie ja die Steinigung verdient haben ; oder wenn es sich dabei um nichtigen
Samenerguß handelte, so würden sie ja die Flut verdient haben (d. h. sie würden von
Oott bestraft werden etwa durch Ertrinken; wie sollten also dergleichen Leute die
Ankunft des Messias verzogern können!) Vielmehr handelt es sich um solche, die
eine Unmündige (die noch nicht 12 Jahre alt ist) heiraten, mit der sie keine Kinder
zeugen können; denn R. .Tose (= R. Asi, um 300) hat gesagt: Der Sohn Davids
(Messias) kommt nicht eher, als bis alle Seelen, die inkorporiert werden sollen
r!^;:s n-ix-jr, 5=,'- zu Ende (tatsächlich inkorporiert) sind. (Indem also die Männer,
die Unmündige heiraten, keine Kinder erzeugen, verzögern sie die Inkorporierung der
Seelen u. damit die Ankunft des Messias.) Denn es heißt Jes 57, 16: Nicht auf ewig
will ich hadern u. nicht für immer zürnen; denn der Geist (= die Geister) u. die
Seelen, die ich geschaffen, würden vor mir hinschwinden (aus Trauer darüber, daß
sie nicht inkorporiert werden. So ist die Inkorporierung aller erschaffeneu Seelen ein
Zeichen, daß Gottes Zorn vorüber ist u. die messian. Erlösung anheben soll; wer daher
jene verzögert, der verzögert auch diese. Anders deuten Jes 57, 16 Raschi u. Bacher,
Amor 2, 172, s. bei Joh 1,1 fV ('(o/tj tjy 6 köyog C, 5). — Der Ausspruch des R. Chelbo auch
J^b47^109'5; K^U 70'^; der des R. Asi J^-b 62''; öS*»; fAZ5'\ Sanh 97«: Wenn R.Z'?ira
(um 300) die Rabbinen damit (mit der Frage, wann der Messias kommen werde) beschäftigt
fand, sprach er zu ihnen : Ich bitte euch, schiebt es nicht hinaus in die Ferne ; denn ich habe
gelernt: Drei kommen unerwartet, nämlich der Messias, ein Fund u. ein Skorpion.
11,13: Alle Propheten u. das Gesetz haben bis Johannes
geweissagt.
1. Tora u. Propheten, ihr Verhältnis zueinander.
M'^g 14" Bar: 48 Propheten u. 7 Prophetinnen haben den Israeliten ge weissagt,
n. sie haben nichts vermindert u. nichts vermehrt an dem, was in der Tora geschrieben
steht, ausgenommen die Verlesung der Estherrolle (am Purimfeste, wovon die Tora
noch nichts weiß). 1| Midr Ruth 2, 4 (130b): R. Chelbo (um 300) hat im Namen des
R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) gesagt: 85 Älteste, von denen 30 u. mehr Propheten
waren, waren in Nöten um diesen Vers: ,Dies sind die Gebote, welche Jahve dem
Mose geboten haf Lv 27, 34. „Dies sind die Gebote" (also gibt es keine andren);
man darf nicht hinzufügen u. man darf nicht wegnehmen, u. kein Prophet ist von da
an berechtigt, noch irgendetwas Neues (in der Tora nicht Enthaltenes) zu befehlen;
u. Mardokhai u. Esther fordern von uns, etwas Neues bei uns einzuführen?! (Gemeint
ist das Purirafest Esth 9, 20 ff.) — Dasselbe pM^g 1 . 70 '\ 40. |i ExR 42 (98 '') : R. J^hoschua?
b. Levi (um 250) hat gesagt: . . . Mose hat alle Worte der Propheten u. das Seine ge-
sagt; u. alles, was (später von einem Propheten) geweissagt worden ist, das stammte
aus der Prophetie Moses. ' Tauch -r- 89-^ u. ExR 28 (88^): R. Ji9chaq (um 300) hat
gesagt: Auch was die Propheten dereinst weissagen sollten, das haben sie alle vom
Berge Sinai empfangen; denn es heißt Dt 29, 13 f.: Nicht mit euch allein schließe ich
diesen Bund . . ., sondern „mit jedem, der heute mit uns hier vor Jahve steht", d. h.
mit dem, der bereits erschaffen ist u. in der Welt sich befindet; „u. mit jedem, der
heute nicht mit uns hier ist*, d. h. mit dem, der dereinst erschaffen werden wird. Es
' R. Chelbo erklärt --tz: Jes 14,1 nicht: es „werden sich eingliedern" die Fremd-
linge (Proselyten) in das Haus Jakobs, sondern: es werden zu rr.zz (= Ausschlag,
Aussatz, vgl. Lv 13, 2; 14, 56) die Proselyten für das Haus Jakobs, u. zwar weil sie
durch mangelhaftes Beobachten der Gebote die Ankunft des Messias aufhalten.
- Die Worte setzen die Präexistenz der Seelen voraus. Unter q-.- versteht man
meist (so auch Raschi) den Aufenthaltsort der präexistierenden Seelen. Man kommt
aber gar wohl mit der gewöhnl. Bedeutung „Körper" aus: ri^^sa r'^vz sind dann die
Seelen, die für den Körper, die Inkorporation bestimmt sind; vgl. Bacher, Pal. Amor. :^, 172.
602 Matthll,13(Nr. 1.2)
heißt nicht: Der heute nicht mit uns hier , steht", sondern: Der heute nicht mit uns
hier ^.ist". Damit sind die (präexistenten) Seelen gemeint, die dereinst erschaffen
(d. h. inkorporiert) werden sollen, von denen ein , Stehen" nicht ausgesagt werden
kann; denn auch sie sind in der (ohigen) allgemeinen Aussage mitenthalten. So heißt
es auch Mal 1, 1: Orakel, Wort Jahves an Israel, das in der Hand Maleakhis war.
Es heißt nicht: Wort Jahves ,an Maleakhi", sondern: ,Das in der Hand Maleakhis
war", um dich zu lehren, daß die Weissagung schon längst vom Berge Sinai her in
seiner Hand gewesen ist. Ebenso hat Jesaja gesagt: „Tretet her zu mir, höret solches;
nicht insgeheim habe ich von Anfang an geredet; von der Zeit her, da es ward, bin
ich dabei, u. nunmehr hat mich Jahve gesandt mit seinem Geiste" Jes48, 16. Jesaja
wollte sagen : Seit der Stunde, da die Tora gegeben wurde, habe ich diese Weissagung
empfangen; das meinen die Worte: Seit der Zeit, da die Tora ward, bin ich dabei;
allein nunmehr erst hat mich Jahve Elohim gesandt mit seinem Geiste; denn bis
jetzt war mir nicht die Erlaubnis erteilt worden zu weissagen. Und nicht die Pro-
pheten allein (haben ihre Prophetieu vom Sinai lier empfangen i, sondern auch alle
Weisen, die waren u. die dereinst sein werden (haben ihre Worte dort empfangen);
denn es heißt Dt 5, 19: Diese Worte redete Jahve zu eurer ganzen Gemeinde. — Der
Midr faßt ,eure ganze Gemeinde" im absoluten Sinn = Gemeinde Israel, die damals
war u. die im Lauf der Geschlechter sein wird. Die ganze Stelle aber will besagen,
daß die Gleichheit der Quelle, aus der die Worte der Propheten u. der Weisen zu-
gleich mit der Tora bei der Gesetzgebung geflossen sind, die Übereinstimmung ihres
Inhalts verbürge. ^ \\ Die Anwesenheit der präexistenten Menschenseelen bei der
sinaitischen Gesetzgebung hatte ähnlich, wie R. Ji^chaq, bereits R. Sch®muel b. Nachman
(um 260) aus Dt 29, 13 f. erwiesen, s. Tauch =-=•.:: crs 26''* u. TanchB 3-2s: §8 (25 b)
bei Joh 1, 1 iy (<QX!i V*' " ^öyng C, o. || SLv 27, 34: „Diese Gebote sind es, welche Jahve
dem Mose an die Kinder Israel am Berge Sinai geboten hat" Lv 27, 34. ,.Diese Gebote"
(also keine andren) : nicht ist ein Prophet berechtigt, von da an etwas Neues zu lehren. —
Dasselbe Schab 104='; M'g 3''; Joma SO'"*; T«m 116=^ (= 16a in andren Ausg.); s. oben
auch Midr Ruth 2, 4.
2. Die Frage, bis auf welche Zeit sich die Weissagungen der Pro-
pheten beziehen, wurde verschieden beantwortet, je nach dem Charakter,
den man den Tagen des Messias beilegte. Sah man in diesen eine Zeit
vollkommener irdischer Herrlichkeit, in der die Auferstehung erfolgt
u. der Tod ein Ende hat, so nahm man an, daß sämtliche Verheißungen
der alttest. Prophetie eben in der messian. Periode in Erfüllung gehen
würden. Man formte den Satz: Die Propheten haben nur auf die Tage
des Messias geweissagt. Dies war der Standpunkt der vorchristl. Syn-
agoge, für die „die Tage des Messias" u. „die zukünftige Welt" noch
in eins zus.fielen; desgleichen der Standpunkt hervorragender palä-
stinischer Gelehrter seit dem 3. nachchristl. Jahrb., die zwar die Tage
des Messias von der zukünftigen Welt begrifflich unterschieden, aber
jene in einer Weise idealisierten, daß sie kaum hinter dem Verklärungs-
zustand der letzteren zurückblieben. — Sah man dagegen in den Tagen
des Messias eine Zeit, die sich von dem gegenwärtigen Weltlauf nur
dadurch unterscheiden würde, daß die Knechtung Israels durch die
Weltreiche aufhörte, so erwartete man die Erfüllung der alttest. Ver-
heißungen nach ihrem vollen Umfang erst in der zukünftigen Welt.
B'^rakh 34b: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: Alle Propheten haben nur
in bezug auf den geweissagt, der seine Tochter an einen Gelehrtenschüler verheiratet
(u. diesem durch eine reiche Mitgift das Studium ermöglicht) oder für einen G.schüler
Matthll,]3{Nr. 2) 603
ein Geschäft betreibt oder einem G.schüler Genuß von seinem Vermögen gewährt;
aber in bezug auf die G.schüler selbst gilt Jes 64, 3: „Kein Auge hat gesehen, o Gott,
außer dir, was bereitet ist dem, der harrt" (so der Midr. Die Worte wollen besagen,
daß alle Verheißungen der Propheten nicht über den Lohn hinausgehen, den die
Wohltäter der Gelehrten in den Tagen des Messias zu erwarten haben ; daß dagegen
der Lohn, der den Gelehrten selbst für das Torastudium zugedacht ist, den Augen
der Propheten verhüllt geblieben ist, weil dieser Lohn erst in der zukünftigen Welt
ausgeteilt wird.) R. Chijja b. Abba hat gesagt: R. Jochanan habe gesagt: Alle Propheten
haben nur auf die Tage des Messias geweissagt; aber in bezug auf die zukünftige
Welt gilt Jes 64, 8 (wie oben). Verschieden davon ist die Meinung Sch*^muels (f 254);
denn Sch'^muel hat gesagt: Zwischen dieser Welt u. den Tagen des Messias ist kein
weiterer Unterschied, als der betreifs der Knechtung durch die Weltreiche (die in den
Tagen des Messias aufhört), wie es heißt Dt 15, 11: Es Avird nicht an Armen fehlen
mitten im Lande (auch nicht in den Tagen des Messias; also bringen nicht diese,
sondern erst die zukünftige Welt die Verwirklichung des prophetischen Zukunftsbildes).
R. Chijja b. Abba hat gesagt: R. Jochanan habe gesagt: Alle Propheten haben nur in
bezug auf die Bußfertigen geweis.sagt (u. deren Lohn); aber in bezug auf die voll-
kommenen Gerechten (u. deren Lohn) gilt Jes 64, 3 (wie oben). Verschieden davon ist
die Meinung des R. Abbahu (um 300). Denn R. Abbahu hat gesagt: An der Stelle,
an der die Bußfertigen stehen werden, können dereinst die vollkommenen Gerechten
nicht stehen (jene nehmen eine höhere Rangstufe ein, als diese); denn es heißt:
„Frieden, Frieden den Fernen u. den Nahen!" Jes 57, 19. Erst steht „den Fernen"
(d. h. denen, die sich durch Sünde von Gott entfernt hatten u. später Buße taten) u.
dann „den Nahen" (den vollkommenen Gerechten, die immer bei Gott geblieben).
R. Jochanan kann dir darauf erwidern: Wer ist unter einem „Fernen" zu verstehen?
Derjenige, der sich von Anfang an von einer Übertretung ferngehalten hat (also der
vollkommene Gerechte), u. wer ist unter einem „Nahen" zu verstehen? Derjenige, der
einer Übertretung nahe war u. sich nun von ihr entfernt hat (also der Bußfertige).
Was ist das, was ein Auge nicht gesehen hat (Jes 64. 3)? R. J'^'hoschuaf b. Levi (um
250) hat gesagt: Das ist der Wein, der in seinen Trauben seit den 6 Schöpfungstagen
aufbewahrt wird (für die Gerechten). R. Sch'^muel b. Nachraan (um 260) hat gesagt:
Das ist ?Eden, über das kein Menschenauge je Gewalt gehabt hat. Wenn du aber
sagen wolltest: Wo ist denn der erste Mensch gewesen? doch im Garten! u. wenn
du weiter sagen wolltest: der Garten u. fEden sind doch dasselbe, so sagt die Schrift
lehrend Gn 2, 10: Ein Fluß ging von ?Eden aus, den Garten zu tränken. Der Garten
für sich u". fEden für sich (also nicht identisch). — Dasselbe Sanh 99 a, nur daß zum
Schluß Resch Laqisch, um 250, statt des R. Sch^'muel b. Nachman als Autor genannt
ist; vgl. auch Schab 63»; 151b; peg ßga. || Jalqut zu Jes 64, 3: R. Acha (um 320) hat
gesagt: Alle Segnungen, Güter u. Tröstungen, die die Propheten gesehen haben, hat
Gott nicht umsonst (ohne Absicht) aufzeichnen lassen, um sie bekannt zu machen,
sondern damit sich die Israeliten mit der Tora beschäftigen u. Lohn empfangen möchten.
Wenn du sagen wolltest: Die Propheten haben den Lohn ganz gesehen, so s. Jes 64, 3
(wie oben). Ebenso aber ist es auch unmöglich zu sagen, daß sie ihn nur teilweise
gesehen hätten; denn es heißt: „Kein Ding tut Jahve Elohim, er habe denn seinen
Ratschluß seinen Knechten geoffenbart, den Propheten" Amos 3, 7. Wie haben sie ihn
nun gesehen? R. B^'rekhja (um 340) hat gesagt: Wie durch eine Faßritze. R. Chijja
(b. Abba, um 280) hat gesagt: Wie durch eine Türritze. R. Levi (um 300, so lies statt
„Rabbi") hat gesagt: Die Mahlzeit (das Freudenmahl) haben sie gesehen, den (vollen)
Lohn haben sie nicht gesehen. R. Jose (wohl der Amoräer um 350) hat gesagt: Weder
das Mahl noch den Lohn haben sie gesehen. — Die Stelle stammt aus Midr Qoh 1, 8 (9«),
wo der Text teils verstümmelt ist, teils andre Autoren nennt. Der Schluß lautet hier:
R. Schimfon b. Chalaphta (um 190) hat gesagt: Alle Güter, Segnungen u. Tröstungen, die
die Propheten in dieser Welt gesehen haben, haben sie in bezug auf die Bußfertigen ge-
sehen ; aber von dem, der sein lebelang keine Sünde geschmeckt hat, gilt Jes 64, 3 (wie oben /.
(304 Matth 11, 14. 15. 16. 17. 19(51. SB)
11,14: Er ist Elias, der da kommen soll. Sieh den betr. Exkms.
11, 15: Wer Ohren hat, der hörel
R. J'hoschuaf b. Qarcha (um 150) leitet seine Auslegung einer Schriftstelle, um
die Aufmerksamkeit der Höi-er zu gewinnen, mit den Worten ein: Daß das Ohr sich
spalten, d. h. ötfnen möchte -iT'n y-zp-i; -n=! So M^kh Ex 19, 5 (70^, s. bei Joh. 1, 11).
In der Parallelstelle P^'siqRll (46^) steht dafür v^ü^v '•suj -jTsr! ypsr srj-i) = vielleicht
möchte das Ohr des Hörenden sich spalten, d. h. öffnen! || R. Elifezer (um 90) gebraucht,
um die Aufmerksamkeit des R. f Aqiba auf eine bestimmte Schriftdeutung hinzulenken,
SLv7, 18 (159b) die Wendung: , Biege deine Ohren um, zu hören." || Chullin 89»:
R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Elfazar b. Schim?on (um 180) gesagt: Überall
wo du die Worte des R. Eli?ezer b. Jose ha-G'^lili in der Haggada findest, mache deine
Ohren einem Trichter gleich (damit dir nichts von ihnen verloren geht). Parallel-
stellen: pQid 1, 61 d, 38; P«siqR 10 (38b). || Midr KL Einl. 22 (34b) sagt Resch Laqisch
tum 250) zu den Worten Jes 5, 8: ,ln meine Ohren (offenbarte) Jahve Q^baoth": Wie
einer, der in die Ohren seines Nächsten schreit, u. zwar nicht bloß in eins, sondern
in beide — ebenso (offenbarte) Jahve Q^baoth in meine Ohren.
11, 16: Wem soll ich dies Geschlecht vergleichen?
. Über die Einleitungsformeln bei Gleichnissen s. unter Mk 4, 30.
11, 17: Wir flöteten euch, u. ihr habt nicht getanzt; wir
weinten, u. ihr habt euch nicht (zur Trauer) geschlagen.
Sanh 103»: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schim'on b. Jochai (um 150)
gesagt: Was heißt Spr 29, 9 : „Rechtet ein weiser Mann mit einem närrischen Mann,
ob er aufbraust oder lacht, es gibt keine Ruhe"? Gott sprach: Ich habe über Ahas
gezürnt u. habe ihn in die Hand der Könige von Damaskus hingegeben; da „opferte
er den Göttern von Damaskus, die ihn doch geschlagen, u. meinte: die Götter der
Könige Syriens, die leisten ihnen ja Hilfe, denen opfere ich, daß sie mir beistehen;
aber die gereichten ihm dazu, ihn u. ganz Israel zu Falle zu bringen" (2Chr28, 23).
Mit Amaga habe ich gelacht (gescherzt) u. gab die Könige von Edom in seine Hand;
da brachte er ihre Götter u. verehrte sie, wie es heißt: „Und es geschah, nachdem
Ama^ja von der Niederlage der Edomiter heimgekommen, brachte er die Götter der Söhne
SeUr mit u. stellte sie als Götter für sich auf, indem er vor ihnen niederfiel u. ihnen
räucherte" 2 Chr 25, 14. Rab Papa (f 376) hat gesagt: Das ist es, was die Leute (im Sprich-
wort) sagen : Ob man einem etwas vorweint, der nichts versteht, oder ob man einem zulacht,
der nichts versteht, wehe dem, der nicht zu unterscheiden weiß zwischen gut u. böse!
11,19 3t: Siehe, ein Fresser u. Weintrinkerl
oiVoTioTj;?. pSch^^qS, 47", 3: Eine Matrone sah den R. Jona (um 350), wie sein Ge-
sicht (rot) leuchtete. Sie sprach: Alter, Alter, eins von diesen drei Dingen findet sich
an dir: entweder bist du ein Weintrinker a^^n ^-irr, oder einer, der Geld auf Zins ver-
leiht, oder einer, der Schweine züchtet. — Die Antwort nebst Parallelen s. bei Lk 15, 15.
ffdyos. Targ Ri 14, 14: Vom Esser s"^?s?. kam Essen. i| pMaEaä 3, 50'', 41 wird von
R. Elcazar b. Schim'on (um 180) gesagt, er sei ein starker Esser i"^?s gewesen.
11,19 23: Die Weisheit ist gerechtfertigt worden.
sdixaio)^»]. p':i:i^ p"'":^^, Gottes Tun als gerecht u. richtig anerkennen.
SLv 10, 3 (188-'»): (Nach dem Tode des Nadab u. Abihu) ging Mose zu Ahron, um
ihn zu trösten. Er sprach zu ihm: Mein Bruder Ahron, vom Sinai wurde zu mir ge-
sagt: „Ich werde dieses Haus heiligen; durch einen großen Mann werde ich es
heiligen." Ich dachte, entweder durch mich oder durch dich würde das Haus ge-
heiligt werden. Jetzt sind deine Söhne als solche erfunden worden, die größer sind,
als ich u. du; denn durch sie ist das Haus geheiligt worden. Als Ahron solches ge-
Matth 11, 21 (9t. »). 11,22.23(31) 605
hört hatte, erkannte er das göttliche Gericht als gerecht an '--r; rs prr:; u. schwieg,
8. Lv 10,3: „Und Ahron schwieg." So pflegen die Gerechten die göttliche Entscheidung
(■)—!, Urteil, Gericht) als gerecht anzuerkennen (cp—is^s). Abraham erkannte das Urteil
als gerecht an (--'4), s.: , Obwohl ich Staub u. Asche bin" Gn 18,27. Jakob erkannte die
Entscheidung als richtig an, s.: ,Ich bin zu klein für all die Gnadenerweisnngen u. all die
Treue, die du an deinem Knecht getan hast" Gn 82, 11. David erkannte das Gericht als
gerecht an, s.: „Es stinken, eitern meine Wunden infolge meiner Torheit" Ps 38, 6.
11,2121: Wehe dir Chorazin, wehe dir Bethsaida!
Xoga^eiv, heut Chirbet Keräze, nördlich von Teil Chum, vielleicht
identisch mit dem M^'n 85"^ erwähnten c^^n-: Rabbi Jose (um 150) hat
gesagt: Auch vom Weizen aus 'd u. K'^phar-Achim würde man (für
Tempelzwecke) genommen haben, wenn sie näher bei Jerusalem ge-
legen hätten. — TM«n 9, 2 (525) c^-n^n statt '=.
Brid^aaidcc xn-^ij ir^s = Stätte des Fischfangs (Fischhausen) am Ost-
ufer des Jordans oberhalb seiner Einmündung in den See Genezareth.
Hier gründete der Tetrarch Philippus eine Stadt, der erzu Ehren der
Julia, der Tochter des Augustus, den Namen lovhdg gab, Mk 8, 22 ff.
u. Lk9, 10. Ob Mt 11, 21; Mk 6, 45 (vgl. Vers 53); LklO, 13: Johl,44:
12, 21 ein andrer Ort desselben Namens gemeint ist, ist streitig. Vgl.
Schürer 4 2, 208 f.
In pM**g 1, 70-', 52 wird ein Ort namens riv^Ti'-i oder 5<r-i-i:| erwähnt
u. mit npDn Jos 19, 33 identifiziert (auch die LXX [x«< Naßox] haben
apjn als besonderen Ort gefaßt). Vielleicht ist mit diesem nrii-^s das
galiläische B. gemeint.
11,21 33: In Sack u. Asche hätten sie Buße getan.
Über diese Sitte u. ihre Bedeutung s. Exkurs : Vom Fasten Nr, 3. —
Vgl, noch cnnax lon (Jalqut R'^ubeni zu Gn 33, 1 fol, 55*1): Was das An-
legen des Sackes betrifft, so wisse, wenn man den Sack anlegt, um
vor Gott zu beten, u, wenn man sein Anliegen von ihm erbeten hat,
so zerreißt man (^= Gott) alle bösen Verhängnisse, die es in der Welt
gibt, u, macht sie zunichte; u, das ist das Köstliche des Sackanlegens,
daß das Gebet des Menschen nicht leer zurückkommt.
11,22: Am Gerichtstag.
€v rjfisQo. xQiaswc. — ■ji'nri ci-", xri m'i „Tag des (göttlichen) Gerichts",
auch s<2^ x;iT ni"' „Tag des großen Gerichts"; Beispiele s. Exk. „Sch^ol"
usw. II, 10, a. b.
ll,23 2l:UndduKapernaum,bistdu nicht bis zum Himmel er höht
worden? Bis in die Unterwelt wirst du hinabgestoßen werden,
fir] sioq ovqavoi) vipco^Tjai]: ewc aSov xaTaßißaad^i]aij. Vgl. Jes 14,
13^15; Am 9, 2; Ob 4; Hab 2, 9; Ps 139, 8.
Chag 13 '^ Bar: Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) hat gesagt: Welche Antwort
hat die Himmelsstimme jenem Frevler (Nebukadne^ar) in der Stunde gegeben, da er
sprach Jes 14, 14: „Ich will auf Wolkenhöhen steigen, will dem Allerhöchsten mich
gleichstellen"? Eine H. ging aus, die zu ihm sprach: Du Frevler, Sohn eines Frevlers,
606 Matth 1 1 , 2ö (51. 35). 11, 25 (%. » 1)
-wieviel sind der Jahre des Menschen? 70 Jahre! Ist nicht von der Erde bis zum
Firmament ein Weg von 500 Jahren? Und die Dicke des Firmaments ist ein Weg von
500 Jahren u. ebenso der Zwischenraum von einem Firmament bis zum andren (deren
es 7 gibt): u. die Füße der heiligen Tiere haben eine Ausdehnung wie diese alle zumal,
u. ebenso die Knöchel u. die Unterschenkel u. die Oberschenkel u. die Hüften u. die
Leiber u. die Hälse u. die Häupter u. die Hörner der heiligen Tiere, u. über ihnen ist
der Thron der Herrlichkeit, u. seine Füße haben eine Ausdehnung wie diese allzumal . . .,
u. du sagst: Ich will auf Wolkenhöhen steigen? Fürwahr in die Sch^ol wirst du hinab-
gestürzt. — Einen Weheruf des Rabban Jochanan b. Z. über Galiläa s. oben S. 157;' (pSchab
1({, LS«*, 50). II P^siq 150'': R. Schemuöl b. Nachman (um 260) hat gesagt: (Das Auf- u.
Niedersteigen der Engel an der Leiter in Jakobs Traum) zeigt, daß Gott unsern Vater Jakob
die Engelfürsten der Völker sehen ließ. . . . Als der Engelfürst Edoms (= Roms) immer
höher u. höher stieg, da fürchtete sich unser Vater Jakob u. sprach: Vielleicht gibt es
für den kein Niedersteigeu ! Da sprach Gott zu ihm : Fürchte dich nicht, Israel (Jer 30, 10),
auch wenn du ihn bei mir würdest sitzen sehen, so stürze ich ihn (doch) von dort hinab
i-i^-.iTi -:s, s. Obadja 4. || pN'^d 3, 38'', 60: R. Huna (um 350) hat im Namen des R. Acha
(um 320; so ist zu lesen) gesagt: Dereinst wird sich Esau, der Frevler (hier das christ-
liche Rom gemeint), in seinen Gebetsmantel hüllen u. zu den Gerechten im Gan ?Eden
setzen in der zukünftigen Zeit. Aber Gott wird ihn von dort wegziehen u. hinausschaffen,
s. Obadja 4. Vgl. Tanch i:: 139'\
fc'öjc äöov. — adrjc nicht = nsn^j „Hölle", sondern = ^xd „Unterwelt";
s. Exkurs: „SclT^ol" usw. 1, 1 Ende; I, 3 Anm. 5.
11, 23 SB: Wenn in Sodom die Machttaten geschehen wären,
die in dir geschehen sind.
H €v 2o66iiioig iYsvtj^rjaav. Formell vergleichbar ist:
GnR 28 (17''): R. B'^rekhja (um 340) hat gesagt: Im Stamme Juda u. Benjamin ist
geschehen, was nicht bei den Sodomitern geschehen ist. Bei den S. steht geschrieben:
.Ihre Sünde ist wahrlich .sehr schwer geworden" Gnl8, 20. Und vom Stamm Juda
steht geschrieben: ,Die Schuld des Hauses Israel u. Juda ist sehr sehr groß" Ez 9, 9.
Und von jenen ist kein Rest übriggeblieben, aber von diesen ist ein Rest übriggeblieben.
Jenes (Sodom), ,das in Einem Augenblick umgekehrt wurde" (KL 4, 6), streckte seine
Hände nicht zu Almosen aus, „es bewegten sich keine Hände darin" (KL 4, 6); aber
diese (die Israeliten) streckten ihre Hände zu Almosen aus (deshalb blieb ein Rest
von ihnen übrig). — Ähnliches vor u. hinter dieser Stelle.
Über d.Sodomiteru. ihr Erscheinen zum jüngsten Gerichts, bei Mt 10, 15,
11,25 31: In jener Zeit antwortete Jesus u. sprach.
ccTcoxQi^elg . . . sine f. — Zu dieser Ausdrucksweise vgl. Midr Qoh 7, 2
(32''): Im Namen des R. Meir (um 150) ist gelehrt worden: Überall, wo
es (im AT) heißt: Er antwortete u. sprach so u. so (wie zB Hi 4, 1),
siehe, da hat der Betreffende im heiligen Geist (kraft prophetischer
Inspiration) geredet. — Die hinter „siehe" noch stehenden Worte: „in
der heiligen Sprache" sind aus einem ähnlichen hermeneutischen Grund-
satz (s. SNu 6, 23 § 39) irrtümlich eingedrungen.
11,25 93: Ich preise dich, Herr Himmels u. der Erde,
daß du dieses . . . den Einfältigen offenbart hast.
1. s^ofioloyui'inai aoi.
Kalla I8l>: (Als R. f Aqiba, t um 135, in einem bestimmten Fall den Beweis für
seine Behauptung erbracht hatte, daß ein Kind von frechem Aussehen ein illegitimes
Matth 11, 25 (SB 2. 8). 11, 26. 28 607
u. zur Zeit des Menstruums empfangenes Kind sei) sprachen R. Elifezeru. R. J'^hoschuaf
(beide um 90): Gepriesen sei Jahve, der Gott Israels, der sein Geheimnis dem R. f Aqiba
(ihrem Schüler) geoifenbart hat!
2. xvQis cov ovQavov xal rijg y/^g = abi:? ?ia •1:12- „Herr der Welt",
eine sehr häufige Anrede an Gott. Beispiele s. bei Lk 10,21 u. Hebr 1,2.
3. xal ansxäXvipac, aincl VTqnioic.
BB 12i>: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört
wurde, ist die Prophetie den Propheten genommen u. den Narren u. den Kindern ge-
geben worden. — Daselbst folgendes Beispiel einer Prophetie aus Kindermund: Das
Töchterchen des Rab Chisda (f 309) saß auf den Füßen ihres Vaters; es saßen aber
vor ihm (als seine Schüler) Raba (f 352) u. Rammi b.Chama (der etwas älter als Raba
war). Rab Chisda sprach zu seinem Töchterchen (scherzend): Wen von diesen beiden
willst du (als Mann) haben? Sie antwortete: Sie beide! Da sprach Raba: Und ich
will der letzte sein. (Dem entsprach die spätere Lebensgeschichte des Kindes: als
Witwe des Rammi b. Chama wurde sie die Gemahlin Rabas, der sie überlebt hat;
s. Bt'rakh56-'- oben S. 60 f.
11,26: Weil es so wohlgefällig vor dir war.
-j'jsV« ■(■i:^'^ Ti" sehr häufig in Gebeten: ,es sei wohlgefällig vor dir" = es sei dein
Wille; s. zB R^rakh 19'i oben S.455/. j| pB^rakh 4, 7'", 28: Was pflegte R. N<'chonja b. Ha-
qana (um 70) bei seinem Eintritt ins Lehrhaus zu sprechen? Es sei wohlgefällig vor
dir, Jahve, mein Gott u. Gott meiner Väter, daß ich nicht aufbrause gegen meine Ge-
nossen, u. meine Genossen niclit gegen mich aufbrausen; daß wir das Reine nicht für
unrein u. das Unreine nicht für rein erklären; daß wir das Erlaubte nicht verbieten u.
das Verbotene nicht erlauben, u. ich so beschämt erfunden würde in dieser u. in der
zukünftigen Welt. — Parallelstelle: B"rakh 28 1>. — Seltener ist das bloße ■ji::-' ■'n- ohne
-j-:e^»3, zB B'^rakh 28 b; (Rabban Jochanan b. Zakkai sprach zu seinen Schülern:) Es sei
wohlgefällig, daß die Furcht Gottes auf eucli sei, wie die Furcht vor Fleisch u. Blut. —
Die ungekürzte Stelle s. S. 581 «.
11,28: Her zu mir alle, die ihr mühselig u. beladen seid,
u. ich will euch erquicken (beruhigen).
uvanavam vfiuq. — Das besänftigende, erquickende Moment in der
Wirksamkeit des Messias wird im Rabbin. nur selten berührt.
Henoch 48,4: Er (der Menschensohn-Messias) wird ein Stab für die Gerechten u.
Heiligen sein, damit sie sich auf ihn stützen u. nicht fallen; er wird das Licht der
Völker u. die Hotfnung derer sein, die in ihrem Herzen betrübt sind. || P'siqR 37 (163''):
(Der Messias) wird zu ihnen sagen: Ihr Väter der Welt, alles, was ich getan habe, habe
ich nur euretwegen u. eurer Kinder wegen, zu eurer Ehre u. zur Ehre eurer Kinder
getan, damit sie von diesem Guten genießen, das Gott Israel reichlich gespendet hat.
Dann werden ihm die Väter der Welt antworten: Ephraim, unser gerechter Messias,
möge dein Sinn Beruhigung finden, denn du hast den Sinn deines Schöpfers u. unsern
Sinn beruhigt -.itv-.'. -:ip r;;- r-^ri-n rpy,- -ijn. ]| P^siq 149'"*: Die Israeliten werden
sich des Lichtes des Messias erfreuen u. sagen: Heil der Stunde, da der Messias er-
schaifen (= geboren) wurde; Heil dem Leibe, aus dem er hervorging; Heil dem Ge-
schlechte, das ihn sah; Heil dem Auge, das gewürdigt wurde, ihn zu schauen! Denn
das Öffnen seiner Lippen ist Segen u. Friede u. sein Reden Erquickung des Geistes
rm rr::; Majestät u. Hoheit ist in seinem Gewand (andre Lesart: in seinem Herzen)
n. Sicherheit u. Ruhe in seinem Wort, u. seine Zunge ist Vergebung u. Verzeihung,
n. sein Gebet ein wohlgefälliger (Opfei--)Duft, u. sein Flehen Heiligkeit u. Reinheit.
Heil den Israeliten wegen des, was ihnen verwahrt ist! s. Ps 31, 20. — Dasselbe
P'^siqR 37 (164'»).
608 Matthll,29(3l)
11,29 5t: Nehmet auf euch mein Joch.
agart tot 'Qvyöv fiov — i^si ^hz'p_. — bir „Joch, Last*" findet sich in übertra-
genem Sinn = „Obhegenheit, Verpflichtung" in folgenden Verbindungen.
a. =-"2^ n3b:2 bir ,Joch des Himmelreichs". Mit der Übernahme des
Jochs des H. ist die Anerkennung Gottes als des Königs u. Herrn von
Israel gemeint, oft auch das Bekenntnis zu ihm, als dem Einen u.
wahren Gott: u. da dieses Bekenntnis täglich zweimal bei der Rezitation
des Sch'^'ma? abgelegt wird, bedeutet die Wendung: „das Joch des H.
auf sich nehmen" nicht selten soviel wie: „das Sch<^ma? rezitieren". —
Beispiele s. bei c, im Exk. über das Sch'^maf u. bei Mt 4, 17 S. 176 f . Anm. l—n.
Hier noch zwei Stellen, die zeigen, daß man statt 'r '^ V.v h-yp ohne
Änderung des Sinnes auch einfach sagen konnte =i^ir ni^b^ ^ap.
B'^rakh 10'>: R. Ji^cliaq (um ;300) hat gesagt, R. Joclianan (f 279) habe gesagt,
R.Jose b. Chanina ^ (um 270) habe im Namen des R. Elifezer b. Ja?aqob (IL, um 150)
gesagt: Was heißt: ,Ihr sollt nicht essen um des Blutes willen" Lv 19,26? (so der
Midr). Ihr sollt nicht essen, bevor ihr gebetet, um eures Blutes (Lebens) willen. R. JiQchaq
hat gesagt, R. Jochanan habe gesagt, R. Jose b. Chanina ^ habe im Namen des R. Elifezer
b. Jafaqob gesagt: Wer ifst u. trinkt u. (erst) hinterher betet, von dem sagt die Schrift
1 Kg 14, 9: „Du hast mich hinter deinen Rücken geworfen." Lies nicht: Du hast mich
hinter deinen „Rücken" -",i geworfen, sondern: Du hast mich deinem Stolzen, -"^sj
(deinem Vollbauch), nachgesetzt. Gott sagt: Nachdem sich dieser stolz gebärdet (indem
er ohne Gebet aß), nimmt er (hinterher) das Himmelreich (die Gottesherrschaft) auf
sich ="wtc ri^Va vVy '53p. |! Seder Elij R 16 (82): (Ein Schüler) sprach zu mir (Elias):
Rabbi, worin unterscheidet sich Jesaja, der Sohn des AmoQ, von allen (übrigen) Pro-
pheten, die alles Gute u. alle Tröstungen den Israeliten geweissagt haben? Ich ant-
wortete ihm: Mein Sohn, darin, daß er die Gotteshenschaft (Himmelreich) mit Freude
auf sich genommen hat, s. Jes 6, 8 — 10.
b. mm hvj „Joch der Tora",-
Abotli 3, 5: R. N'^'chonja b. Ha-qana (um 70) sagte: Wer das Joch der Tora auf sich
nimmt, dem nimmt man (Gott) ab das Joch der Regierung^ u. das Joch der irdischen
Sorgen v.n t";:: Vi' (Joch der irdischen Beschäftigung); wer aber das Joch der Tora
von sich wirft "~"s~, dem legt man das Joch der Regierung u. das Joch der irdischen
Sorgen auf. || Sanli 94'^: Was heißt: In der ersten Zeit hat man es sich leicht gemacht
im Lande Zebuion u. im Lande Naphtali, aber der Spätere hat es sich schwer ge-
macht? (so der Midr Jes 8, 23). Nicht wie die Früheren (d. h. das Reich Israel), die sich
das Joch der Tora leicht machten; aber die Späteren (d.h. das Zeitalter des Hiskia)
machten sich das Joch der Tora schwer. || Tanch rri^an rsn 32^: Mose sprach vor
Gott: Herr der Welt, zwei Joche hast du auf deine Kinder gelegt, das Joch der Tora
u. das Joch der Knechtschaft unter den Weltreichen. Gott antwortete: Alle seine
Heiligen sind in deiner Hand Dt 33, 3. Wer sich mit der Tora beschäftigt, der bleibt
vor der Knechtschaft der Weltreiche bewahrt.
c. r^^^l12 bir „Joch der Gebote".'^
B^'rakh 2,2: R. J%oschua? b. Qarcha (um 150) hat gesagt: AVarum geht im Sch<^maf
^ Der Name ,R. Jose b. Chanina" an dieser Stelle der Traditionskette hat etwas
Auffallendes; nach Bacher, Pal. Amor. 1,421, ist der Text verderbt.
^ „Joch der Tora" nicht ohne weiteres identisch mit „Joch der Gebote": jenes
bedeutet in erster Linie die Verpflichtung zum Torastudium, dieses die Verpflichtung
zur praktischen Betätigung der einzelnen Vorschriften des Gesetzes.
' ^ Man hat dabei an die heidnische Weltmacht zu denken, die Steuern u. Fron-
dienste auferlegt.
Matthll,29(2l) 609
der Abschnitt Dt 6,4—9: „Höre, Israel" usw. dem Abschnitt Dtll, 13—21: „Wenn
ihr ernstlich auf meine Gebote hören werdet" usw. vorauf? Damit man zuerst das
Joch der Gottesherrschaft (des Himmelreichs) auf sich nehme u. hinterher das Joch
der Gebote (erst das Bekenntnis zu dem Einen Gott, dann die Willenserklärung, seine
Gebote zu halten). — Auch ,Joch des u. des Gebotes" kann gesagt werden, s. V-y
r^;-; „Joch des Wucher- oder Zinsverbotes" in dem Zitat SLv 25, 38 unter e. — Die
Targumim setzen für msa ''i^y das gleichbedeutende Nj-ips i^?. So Targ HL 1, 10; Wie
schön ist ihr (der Israeliten) Nacken, das Joch meiner Gebote zu tragen; u. es wird
auf ihnen liegen, wie das Joch auf dem Nacken des Ochsen, wenn dieser auf dem
Felde pflügt u. so für sich selbst u. für seinen Herrn den Unterhalt beschafft. — Targ
Ruths, 11: Und nun, meine Tochter, fürchte dich nicht! Alles was du sagst, will ich
dir tun; denn bekannt ist es vor allen, die an der Stätte (wörtlich: im Tor) des großen
Synedriums meines Volkes sitzen, daß du ein rechtschaffenes Weib bist, u. daß die Kraft
in dir ist, das Joch der Gebote Jahves zu tragen. — Targ KL 3, 27: Gut ist es für den
Mann, daß er sich gewöhne, das Joch der Gebote in seiner Jugend zu tragen.
d. naian b^ nbiy (nsw) „Joch der Buße".
fAZ 5'"': R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: R. Jonathan (um 220) habe
gesagt: Was heißt 2 Sm 23, 1: „Ausspruch Davids, des Sohnes Isais, u. Ausspruch des
Mannes, der hoch (hy) erhoben ward"? Ausspruch Davids, des Sohnes Isais, der das
Joch {hy — hv) der Buße aufgerichtet hat. — Dasselbe MQ 16''.
e. Nin "ii"!:: ••:i^-lpil bir bis „Joch des Heiligen, gepriesen sei er!" u.
damit gleichbedeutend n-^a^' bir „Joch des Himmels" = „Joch Gottes",
ExR 30 (89''): Weil die zehn Stämme das Joch des Heiligen, gepriesen sei er! nicht
auf sich nehmen wollten, kam Sanherib über sie u. führte sie fort ins Exil. || SLv 25, 38
(442 a): Dein Geld sollst du ihm nicht auf Zins geben. . . . Ich bin Jahve euer Gott
Lv 25, 37 f. Auf Grund dieser Stelle hat man gesagt: Wer das Joch des Zinsverbotes
auf sich nimmt, nimmt das Joch des Himmels (Gottes) auf sich ; u. wer das Joch des
Zinsverbotes von sich wirft (p-ittr.), wirft das Joch des H. von sich p-nE. |! Sota47'':
Als die sich mehrten, die die Person im Gericht ansahen, nahm: „Ihr sollt euch vor
niemand fürchten" Dt 1, 17 ein Ende. . . . Man warf das Joch des Himmels von sich,
u. man (Gott) legte auf sie das Joch von Fleisch u. Blut.
f. ml -lan bis- „Joch von Fleisch u. Blut" = menschliches Joch.
AbothRN 20 Anf. : R. Chananja, der Vorsteher der Priester (um 70), hat gesagt:
Wer die Worte der Tora zu Herzen nimmt, von dem weichen die (sorgenvollen) Ge-
danken an das Schwert, die (sorgenvollen) G. an den Hunger, die G. der Torheit, die
G. an Unzucht, die G. der Leidenschaft (des bösen Triebes), die G. an einen gottlosen
Mann,^ die G. an Eiteles, die (sorgenvollen) G. an das Joch von Fleisch u. Blut; denn
so steht im Psalmbuch von David, dem König Israels, geschrieben: „Die Befehle Jahves
sind rechtschaffen, erfreuend das Herz; das Gebot Jahves ist rein, erleuchtend die
Augen" Ps 19, 9. Wer aber die Worte der Tora nicht zu Herzen nimmt, dem gibt man
die (sorgenvollen) Gedanken an das Schwert, die (sorgenvollen) G. an den Hunger, die
G. der Torheit, die G. an Unzucht, die G. der Leidenschaft, die G. an ein gottloses
Weib, die G. an Eiteles, die (sorgenvollen) G. an das Joch von Fleisch u. Blut. Denn
so steht im Deuteronomium {7:-)ir< n}v^) von unsrem Lehrer Mose geschrieben: „Sie
(die Flüclie u. Strafgerichte) werden an dir zu einem Zeichen u. Wunder sein u. an
deinem Samen auf ewig. Dafür daß du nicht vor Überfluß an allem mit Freude u.
Herzenslust Jahve deinem Gotte dientest, wirst du deinem Feinde dienen, den Jahve
wider dich entsenden wird, in Hunger u. Durst u. Blöße u. Mangel an allem, u. er wird
deinem Halse ein eisernes Joch auflegen, bis er dich vernichtet hat' Dt 28, 46 — 48. —
Ferner 8. Sota 47 *> (oben bei e).
^ Die Worte y- -^j-s -^ir-- scheinen nach Analogie des parallelen ny- ncs 'r im
zweiten Satz auf Päderastie zu zielen.
Stvack u. Billerbeck, NT I. 39
610 Matth 11. 29 {%. SB). 11, 30. 12, 1 (Nr. 1)
g. nabo biy „Joch der (irdischen) Regierung" , s. Aboth 3, 5 oben S. 608.
h. y-ix 111 bis „Joch der weltlichen Beschäftigung, der irdischen
Sorgen", s. ebendaselbst.
i. bir absolut im Sinn von „Joch Gottes" oder von „Joch des Himmel-
reichs".
zB Sch^'bu IS'' Bar: Rabbi öagte: Für alle Übertretungen, die in der Tora erwähnt
werden, schafft der Versöhnungstag Sühnung, gleichviel ob man Buße tut oder nicht;
ausgenommen ist derjenige, der das Joch von sich wirft (der Gott verleugnet, Raschi),
der Deutungen der Tora kundgibt (die der Halakha nicht entsprechen, so nach einigen
Textzeugen zu Aboth 3, 11 ; dann allgemeiner: der mit frechem Sinn sich an die Worte
der Tora macht, Raschi) u. der den Bund am Fleisch (d. h. den Beschneidungsbund)
bricht (durch den inianceafiog; so nach pPea 1, \6^, 33). Tut ein solcher Buße, so schafft
der Versöhnungstag für ihn Sühnung; wenn aber nicht, so schafft der Versöhnungstag
für ihn nicht Sühnung. Was ist der Schriftgrund Rabbis? Was in einer Bar gelehrt
wird: , Das Wort Jahves hat er verachtet" Nu 15, 31, das ist der, welcher das Joch
abwirft u. halakhawidrige Deutungen in der Tora kundgibt; „u. sein Gebot hat er ge-
brochen", das ist der, welcher den Bund am Fleisch bricht; „ausgerottet, ja ausgerottet
soll diese Seele werden", „ausgerottet", nämlich vor dem Versöhnungstag; „ja aus-
gerottet", nämlich nach dem Versöhnungstag. Etwa auch, wenn er Buße getan hat?
Die Schrift sagt lehrend: „Ihre Sünde ist an ihr", da kann ich nur sagen, wenn ihre
Sünde an ihr ist (also wenn der Betreffende nicht Buße getan hat). — Dasselbe ohne
den Schriftbeweis Joma 85^. — In gleichem Sinn steht h^y absolut pPea 1, 161», 23. 32.
11,29 93: Ihr werdet Erquickung (Ruhe) finden für eure Seelen.
€VQrj(J€T€ aruTiavoiv raig ipvx<^ig v/ncov.
Rabbinische Wendungen: 'i-'hy rrs: rar. Midr HL 2, 2 (95^): Gott sah eine Rosen-
lilie, nämlich die Israeliten, u. er nahm sie u. roch äaran, als die Israeliten die 10 Ge-
bote ordneten; u. es beruhigte sich seine Seele i'hy vct: rzx', als die Israeliten sprachen:
Wir wollen tun u, gehorchen (Ex 24, 7). — Dasselbe LvR 23(121 ''). I| "inyn nr:; = „je-
mandes Sinn beruhigt sich". Schab 152^: Möge dein Sinn sich beruhigen, denn du hast
meinen Sinn beruhigt T>-T ns rnana Tryn nijp. Ferner s. P'^'siqR37 (IßS'**) bei Mt 11, 28. |i
'h m-i r-i nvy r= „jemandem Beruhigung des Geistes verschaffen". Chag 161»: R.Jose
(um 150) hat gesagt: Abba El?azar (?) hat mir erzählt: Einmal hatten wir ein Kalb
von den Friedmahlsopfern, u. wir schafften es in den Vorhof der Frauen, u. die Frauen
stemmten ihre Hände darauf; nicht daß die Handauflegung bei den Frauen üblich ge-
wesen wäre, sondern um den Frauen Beruhigung zu verschaffen a-r;-? mn rn; r-rj-'i.
11, 30: Meine Last ist leicht.
Wie umgekehrt Qorach einmal agitatorisch die drückende Schwere
des Gesetzes seinen Zeitgenossen klargemacht hat, s. bei Apg 15, 10.
12,1: In jener Zeit wanderte Jesus am Sabbat durch die
Saatfelder; seine Jünger aber hungerte, u. sie fingen an
Ähren auszuraufen u. zu essen.
1. ToTc aäßßaaiv. — r-zt, pl. Mnar, aram. xns:;, pl. "'rac. Hebr. rrr
wurde gräzisiert zu occßßaxov,^ das aram. xnaa; zu aäßßaza. Td aäßßaxa
ist erstens: „der Sabbat ",b zweitens: „die Sabbate ",c drittens (was
hier außer Betracht bleibt): „die Woche". Welche Bedeutung in den
einzelnen Fällen zutrifft, ergibt auch der Zus.hang nicht immer sicher,
s. zB Mt 12, 5. 10. Der Dativ von r« aäßßaxa heißt sowohl %oig aixßßaai,^
als auch roTg aaßßäxoig.e
. Matth 12, 1 (Nr. 1. 2) 611
a. Mtr2,2.5.8; 24,20; Mk2.27; 6,2; 16,1; Lk 6, 1.6.7; Joh 5,9. 10. 16. 18 u. ö.
Josephus Ant. 3, 10, 7: Die Schaubrote werden gebacken am Freitag rt] tiqo xov anßßdiov,
am Sabbat früh rw accßßaiM nowt werden sie gebracht u. auf den heiligen Tisch ge-
legt. . . . Dort bleiben sie bis zum nächsten S. t'wf xov stsqov aaßßniov. — c. Apion 2, 2
fünfmal, darunter die Wortdeutung: xo fiev ydo aüßßcaov xatd tj;V ^lovdalav (fidXexxou
(Ivdiinvalg ioiiy uno Tiavxog eqyov. — Bell. J. 2, 17, 10 Ende; Vita 32.
b. Mt 28, 1 oxps ar<ßß(<xoi)y = nach Ausgang des S.; Lk 4, 16 r;fxsQa xmu aaßßäxuiv
= Tag des S., ebenso Apg 13, 14; 16, 13; Josephus Ant. 12,6,2 aaßßnxfav fj/nsQn — am
Tage des S. — Das. 3, 6, 6: xi^y ydq kßSourjv ij^usguy adßßaxa xaXovusr. — Das. 3, 10, 1 :
xctxd ds £ß66fxi]y i][ieQ(cv, rjxig adßßnza xaXsixni.
C. Apgl7,2: (r«/J/}fa« r()/«. — LXX2Chr31,3; Jesl.lS; Ez46,3.
d. So durchgängig im NT, zB Mt 12, 1.5. 10. 11. 12. - lMakk2,38. — Josephus
Ant. 13, 8, 4: ovx eaxiv &s rjfxTv ovts sy xolg adßßaan', oilxs iy xf] eoQxrj oSeveu'. —
Vita 54: exr»; üjQa (12 Uhr mittags), xaf^' ijy xolg adßßccatv dQiaxonoist'a&eKi (Frühmahl
halten) vöfxi^ov sanv rjfxlu. — Bell. J. 1, 7, 3: vtieq uövov ydq xov aiöfMaxog dfxvvovxca
(verteidigen sie sich) xkI xolg adßßaaii'.
e. LXX Nu 28, 10 ; 2 Chr 2, 4. Josephus Ant. 3, 12, 6 : x«t xoig außßdxoig xcd xcctg Xo(-
nalg jj/usgaig. — Das. 11,8,7: x'tjg er xoTg aaßßdxoig nctQavofXLKg Gesetzesübertretung
an den Sabbaten.
2. Ol d^ f.ic{d^rjzal avrov insiraaav. — Der Hunger der Jünger am
Sabbat steht in eigentümlichem Kontrast mit der Bestimmung, daß der
S. durch gut Essen u. Trinken u. schöne Kleidung zu ehren u. zu heiligen
sei. — Vgl. hierzu auch das Stellenmaterial bei Lk 14, 1.
P^s 68 fe: R. J^hoschua? (um 90) hat gesagt: Die Freude an einem Festtag ist gleich-
falls ein Gebot; denn in einer Bar heißt es: R. Eli?ezer (um 90) sagte: Dem Menschen
liegt an einem Festtage nur ob, entweder zu essen u. zu trinken, oder zu sitzen u. zu
studieren. R. J^'hoschuaf hat gesagt: Man teile ihn, daß eine Hälfte auf das Essen u.
Trinken, u. die andre Hälfte auf das Lehrhaus kommt. R. Jochanan (f 279) hat gfesagt:
Beide haben dieselbe Schriftstelle (als Beweis für ihre Meinungen) ausgelegt. In einer
Stelle heißt es: „Versammlungsfeier für Jahve deinen Gott" Dt 16, 8, u. in einer Stelle
heißt es: , Versammlungsfeier für euch soll sein" Nu 29, 35. R. Eli?ezer meinte: Entweder
ganz für Jahve oder ganz für euch; dagegen meinte R. J'^'hoschua?: Man teile eine
Hälfte Jahve, die andre Hälfte euch zu. R. El?azar (um 270) hat gesagt: Alle stimmen
überein in bezug auf das Wochenfest (Pfingsten), daß wir da gleichfalls das ,für euch*
nötig haben, weil es der Tag ist, an dem die Tora gegeben wurde. Rabbah (f 380) hat
gesagt: Alle stimmen in bezug auf den S. überein, daß wir da gleichfalls das „für
euch" nötig haben; denn es heißt Jes 58, 13: ,Wenn du den S. eine Lust (ein Ver-
gnügen) nennst." Rab Joseph (f 333) hat gesagt: Alle stimmen in bezug auf das Purim-
fest überein, daß wir da gleichfalls das „für euch" nötig haben, denn es steht von
ihm geschrieben „Tage des Gelages u. der Freude" Esth 9, 22. — Die Meinung des
R. J^hoschua? anonym auch SDt 16, 8 § 135 (101b). n Midr HL 5, 16 (121 b): R. Acha
Cum 320) u. R. Tanchum b. Chijja (um 300) haben im Namen des R. Jochanan (f 279)
gesagt: Es heißt Ez 20, 20: „Und meine Sabbate heiligt!" Womit sollst du ihn heiligen?
Heilige ihn mit Essen u. Trinken u. mit reinem Gewand; denn es heißt daselbst: „Daß
.sie zum Zeichen seien zwischen mir u. euch, daß man erkenne, daß ich, Jahve, euer
Gott bin." Ich, Jahve, bin zuverlässig, daß ich euch guten Lohn zahle. — Dasselbe
unter Anlehnung an Lv 19, 3 in TanchB s-.i-i 22 (80b). i| DtR 3 (199 ^^): Du meinst (spricht
Gott), ich hätte dir den S. zu deinem Nachteil gegeben? Ich habe ihn dir nur zu deinem
Besten gegeben. Inwiefern? R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: Du heiligst den S.
durch Essen u. Trinken u. reines Geward u. bereitest dir selbst (dadurch) Genuß, u.
ich gebe dir (noch obendrein) Lohn dafür; denn es heißt Jes 58, 13: Wenn du den S.
eine Lust nennst usw. Was steht hinterher geschrieben? „Dann sollst du deine Lust
finden an Jahve u. er wird dir die Wünsche deines Herzens gewähren." (Jes 58, 14
39*
612 Matthl2, l.(Nr. 2)
mit Ps 37,4 verbunden.) 1' pSchab 15, lb'\ 48: R. Chaggai (um 330) hat im Namen des
R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) gesagt: Die Sabbate u. die Festtage sind nur zum
Essen u. Trinken gegeben worden; aber weil der Mund davon übelriechend wird, er-
laubte man ihm, sich an denselben mit den Worten der Tora zu beschäftigen. R. B^rekhja
(um 340) hat im Namen des R. Chijja bar Ba (um 280) gesagt : Die Sabbate u. die Fest-
tage sind nur gegeben worden, daß man sich an ihnen mit den Worten der Tora be-
schäftige. Die Bar (s. oben P'^'s68b) unterstützt sowohl diesen, wie jenen. Wie soll er
es machen? Soll er entweder den ganzen S. sitzen u. essen? oder soll er sitzen u.
sich mit den Worten der Tora beschäftigen? Eine Stelle sagt: Es ist ein S. für Jahve
Lv23, 3; u. eine andre sagt: Versammlungsfeier für Jahve deinen Gott Dt 16,8. (Ein
Zitat ist unrichtig; es fehlt ein solches, das die Bestimmung des S. ,,für euch* be-
weist.) Wie nun? Weise den halben (S. oder Festtag) dem Torastudium u. den halben
dem Essen u. Trinken zu. — Dasselbe in andrer Fassung unter Umkehrung der Autor-
schaft P'^siqR23 (121»). |1 B'^rakh 31b: R. Ehazar (um 270) hat im Namen des R.Jose
b.Zimra (um 220) gesagt: Wenn jemand am S. im Fasten sitzt, so zerreißt man (= Gott)
zwar einen seit siebzig Jahren über ihn gefaßten Gerichtsbeschluß; gleichwohl aber
verhängt man auch wiederum über ihn einen Urteilsspruch wegen Unterlassung des
Sabbatsgenusses. (Das sabbatliche Wohlleben ist also eine sittliche Pflicht ; das Fasten
am S. war nur in Ausnahmefällen gestattet; ein Beispiel s. oben S. 55.)
Schab \ll^ Bar: Wieviel Mahlzeiten ist der Mensch verpflichtet am S. zu genießen?
Drei. R. Chidqa (um 120) hat gesagt: Vier. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Beide (Bar
u. R. Chidqa) haben ein u. dieselbe Schriftstelle (als Beweis für ihre Meinung) ausgelegt,
nämlich Ex 16,25: ,Mose sprach: Esset es diesen Tag (heute); denn Ruhetag für Jahve
ist dieser Tag; diesen Tag werdet ihr es nicht auf dem Felde finden." R. Chidqa meinte:
Das sind drei Mahlzeiten an diesem Tage außer derjenigen am Vorabend (das dreimalige
n-:-- in Ex 16,25 wird als Hinweis auf die drei Sabbatmahlzeiten gedeutet); die Rab-
binen (die Autoren der Bar) meinten, es seien drei Mahlzeiten zusammen mit der-
jenigen des Vorabends. Wir haben gelernt (in Schab 16,2): , Kommt eine Feuersbrunst
am Abend zum S. aus, so rettet man Speise für drei Mahlzeiten" (die am Sabbattag
zu halten sind). Könnte das nicht heißen, wenn er noch nicht gegessen hat? Vielmehr-,
wenn er gegessen hat. „Kommt die Feuersbrunst des Morgens aus (also am Sonnabend),
so rettet man Speise für zwei Mahlzeiten." Könnte das nicht heißen, wenn er noch
nicht gegessen hat? Vielmehr, wenn er gegessen hat. „Kommt sie am Nachmittag aus,
so rettet man Speise für Eine Mahlzeit." Könnte das nicht heißen, wenn er noch nicht
gegessen hat? Vielmehr, wenn er gegessen hat. (Diese Deutung ist im Sinn des R. Chidqa,
der vier Sabbatmahlzeiten fordert.) Da es aber am Schluß der Mischna heißt: ,R. Jose
(um 150) sagte: Man rettet stets Speise für drei Mahlzeiten", so folgt daraus, daß der
erste Autor (von dem der Anfang obiger Mischna Schab 16, 2 stammt) drei Mahlzeiten
angenommen hat. Es ist also richtig, daß die Mischna nicht der Meinung des R. Chidqa
entspricht (sondern derjenigen der Rabbinen in der eingangs erwähnten Bar). — In
pSchab 1(J, 15^^, 1 vertritt R. Hundoqos = R. Chidqa u. in M^'h zu Ex 16, 25 (58l>) R.Z'^riqa,
wofür jedoch zu lesen ist ,R. Chidqa", die Meinung der Rabbinen, daß drei S.mahlzeiten
vorgeschrieben seien; s. hierzu Bacher, Tann. * 1,447 u. Krauß, Lehnwörter 2, 224. |j
M%hExl6, 25 (58b): R. Eli?ezer (um90, so lies statt „R. El?azar") sagte: Wenn es euch
gelingt (wörtlich: wenn ihr gewürdigt werdet), den S. zu beobachten, so werdet ihr
von drei Strafgerichten errettet: vom Tage Gogs u. Magogs, von den Wehen des Messias
u. vom Tag des großen Gerichts; deshalb heißt es Ex 16,25: Esset es diesen Tag. —
Mit der richtigen S.beobachtung sind die drei S.mahlzeiten gemeint, wie Schab 118^ be-
weist: R. Schim?on bei Pazzi (um 280) hat gesagt, R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) habe
im Namen des Bar Qappara (um 220) gesagt: Wer die drei Mahlzeiten am S. hält, wird
errettet von drei Strafgerichten: von den Wehen des Messias, vom Gehinnomgericht
u. von dem Kriege Gogs u. Magogs. — Der Schriftbeweis wird dann durch Analogie-
schluß geführt aus dem dreimaligen av in Ex 16, 25 u. demselben Wort in Mal 3, 23;
Zeph 1,15 u. Ez38, 18. || TB^rakh 5, 1 (11): Am Vorabend des S. soll man vom Nach-
Matth 12, 1 (Nr.2) 613
mittag an u. weiter nichts essen, damit man mit Verlangen (nämlich nach Speise) in
den S. eintrete; das sind Worte des R. J^huda (mn 150). R. Jose (um 150) sagte: Man
darf weiterhin essen, bis es dunkel wird. — Dasselbe pP'^s 10, 37 b, 32; p-^syQb, hier
neben dem S. auch die Festtage genannt. \\ Schab 11 Ob: R. Elfazar (um 270) hat gesagt:
Immer ordne der Mensch seinen Tisch am Vorabend des S., auch wenn er nur so viel
(Speise) nötig hat, wie eine Olive groß ist. R. Chaniua (um 225) hat gesagt: Immer
ordne der Mensch seinen Tisch beim Ausgang des S., auch wenn er nur so viel nötig
hat, wie eine Olive groß ist. Warmes Wasser zum Ausgang des S. ist ein Labsal;
warmes Brot zum Ausgang des S. ist ein Labsal. Für R. Abbahu (um 300) bereitete
man zum Ausgang des S. ein dreijähriges Kalb, von welchem er die Nieren zu essen
pflegte. Als sein Sohn Abimi herangewachsen war, sprach dieser zu ihm: Warum willst
du dies alles (nämlich das nicht genossene Fleisch des Kalbes) umkommen lassen?
Wir wollen doch die Nieren vom Vorabend des S. (für deine Mahlzeit am Ende des S.)
aufbewahren (so daß nur Ein Kalb geschlachtet zu werden braucht). Mau wollte es
tun; da kam ein Löwe u. fraß es (das gesparte Kalb, nämlich zur Strafe dafür, daß
man aus Sparsamkeitsgründen der Ehre des S. etwas entziehen wollte).
GnRH (8 b): ,Gott segnete den siebenten Tag" 6n 2, 3. Er segnete ihn für die
Ausgaben (die der S. hinsichtlich des Essens u. Trinkens erheischt). R. Levi (um oUO)
hat im Namen des R.Jose b. Chanina (um 270) gesagt: Für jeden Schöpfungstag, bei
welchem eine Abnahme (ein Hinschwinden de.s Erschaffenen) statthat, steht ein Segen
geschrieben, infolgedessen keine Abnahme eintritt. Am fünften Schöpfungstage wmden
die Vögel u. die Fische geschaffen, u. die Menschen schlachten die Vögel u. essen sie
u. fangen die Fische u. essen sie, u. bei ihm steht ein Segen geschrieben, so daß keine
Abnahme (der Vögel u. Fische) eintritt. Am sechsten Tage wurde der Mensch u. das
Vieh erschaffen, u. die Menschen schlachten das Vieh u. essen es, u. die Menschen
sterben, u. bei ihm steht ein Segen geschrieben, so daß keine Abnahme eintritt. Was
hast du nun in bezug auf den siebenten Schöpfungstag zu sagen (bei welchem gleich-
falls ein Segenswort steht)? R. Levi hat im Namen des R. Chama b. Chanina (um 260)
gesagt: (Der Segen steht beim siebenten Tag) um der (Sabbat-) Ausgaben willen (daß
sie keine Vermögensabnahme verursachen). R. Elfazar (um 270) hat im Namen des
R. Jose (b. Zimra?, um 220) gesagt: Um der Schwächlichen willen (daß die opulenten
.S.mahlzeiten ihrer Gesundheit nicht schaden). — Gott segnete den siebenten Tag mit
Wohlgeschmack. Unser Lehrer (Rabbi) bereitete dem (Kaiser) Antoninus an einem S.
ein Mahl. Er ließ ihm kalte Speisen vorsetzen. Er aß von ihnen u. es schmeckte ihm
gut. Darauf bereitete er ihm ein Mahl an einem Wochentag. Er ließ ihm warme Speisen
vorsetzen. Der Kaiser sprach zu ihm: Jene haben mir besser geschmeckt als diese.
Er antwortete : Diese ermangeln eines Gewürzes. Der Kaiser sprach : Wie, sollte dem
Keller des Königs etwas mangeln? Er antwortete ihm: Der S. mangelt ihnen; hast
du Sabbat? — R. Jischmafel b. Jose (um ISO) fragte Rabbi: In welchem Verdienst leben
die Kinder Babels (die babylonische Judenschaft)? Er antwortete ihm: Im V. der Tora
(d. h. des Torastudiumsj. Und in welchem V. die Kinder des Landes Israel? Er ant-
wortete: Im V. der (ordnungsmäßigen) Zehntabsonderung. Und die Leute im Ausland?
Weil sie die Sabbate u. Feiertage ehren (nämlich mit kostbaren Mahlzeiten). — R. Chijja ^
b. Abba (um 280) hat erzählt: Einmal lud mich ein Mann in Laodiceaein; man setzte
eine Tafel vor uns, die auf sechzehn Stützen ruhte, u. auf ihr stand von allem, was
in den sechs Schöpfungstagen erschaffen worden ist. Ein Kind aber saß an ihrer Mitte,
das laut verkündigte: ,Jahves ist die Erde u. ihre Fülle, der Erdkreis u. die darauf
wohnen* Ps24, 1. Warum dies alles? Damit das Herz des Hausherrn sich nicht stolz
erhebe. Ich sprach zu ihm: Mein Sohu, aus welchem Grunde bist du all dieser Herrlich-
keit gewürdigt worden? Er antwortete: Ich bin Fleischer gewesen, u. jedes schöne
Stück Vieh, das ich an allen Tagen der Woche zu Gesicht bekam, habe ich für den
S. ausgesondert. Da sprach ich zu ihm: Nicht umsonst bist du (jener Herrlichkeiten)
^ Nach D.O. Straschun ist zu lesen: Chanina.
614 Matth 12, 1 (Nr. 2)
gewürdigt worden. — R. Tanchuma (um 380) hat erzählt: Einmal geschah es in Rom
am Rüsttag auf das große Fasten (= Versöhnungstag), daß dort ein Schneider war;
der ging, um sich einen Fisch zu kaufen. Da traf es sich, daß er u. der Diener eines
Präfekten bei einem solchen standen. Sie trieben den Preis hoch, bis er auf zwölf
Denare zu stehen kam ; dafür erwarb ihn jener Schneider. Zur Essenszeit sprach der
Präfekt zu seinem Diener: Warum bringst du mir keinen Fisch? Er antwortete: Mein
Hen-, wie sollte ich es vor dir leugnen? Als ich danach ausging, war dort nur Ein
Fisch vorhanden; da traf es sich, daß ich u. ein Jude dabeistanden; dieser trieb den
Preis hoch u. ich trieb ihn auch hoch, bis er auf zwölf Denare zu stehen kam; würdest
du es wohl gewünscht haben, daß ich dir einen Fisch für zwölf Denare brächte? Er
sprach zu ihm: Wer war jener? Er antwortete: Der u. der. Er sandte nach ihm aus.
Als jener kam, fragte der Präfekt: Warum issest du, jüdischer Schneider, einen Fisch
für zwölf Denare? Er antwortete: Mein Herr, wir haben einen Tag, der schafft uns
für alle Sünden, die wir an allen Tagen eines Jahres begangen haben. Sühnung; müssen
wir den nicht, wenn er kommt, ehren? Der Präfekt sprach: Da du einen Beweis für
deine Sache beigebracht hast, so bist du entlassen. Wie lohnte Gott es dem Schneider?
Als dieser den Fisch aufriß, ließ ihn Gott darin eine kostbare Perle vorfinden. —
Parallelstellen Schab 119^^; P<^'siqR 23 (119-»). |, Über Joseph den S.verehrer s. bei 13, 46.
Schab 119**: Was man für den S. borgt, das bezahlt die Woche. |1 Be^a 16^ Bar: Von
Schammai dem Alten (um 30 v. Chr.) hat man erzählt: Sein lebelang hat er zu Ehren
des S. gegessen; fand er ein schönes Stück Vieh, so sagte er; Dies für den S.! Fand
er ein andres schöneres, so stellte er das zweite für den S. zurück u. verzehrte das
erste. Aber Hillel der Alte (um 20 v. Chr.) hatte ein andres Verfahren (eine andre
Regel), weil all sein Tun um Gottes willen geschah; denn er sagte: Gepriesen sei
Jahve Tag für Tag. Die Bar lautet ebenso: Die Schule Schammais sagte: Vom ersten
Tage deiner Woche an denke an deinen S. (ihn zu ehren mit Speise u. Trank). Und
die Schule Hilleis sagte: Gepriesen sei Jahve Tag für Tag. (Vgl. das nächste Zitat.) j|
P«siqR23 (115b): R. Simlai (um 250) hat gesagt: „Gedenke des S." Ex 20, 8, nämlich
ehe er kommt; „beobachte den S." Dt 5, 12, nämlich wenn er gekommen ist. Wie dies?
Kommt dir etwas Wertvolles (zB ein schönes Stück Vieh) vor, so bestimme es für den
S.; ein neuer Gegenstand, so bestimme ihn für den S. Schammai der Alte (s. das vorige
Zitat) pflegte vom ersten Tag der Woche an Holz (? c-sv) für den S. zu kaufen. Hillel
der Alte hatte eine andre größere Regel; er pflegte zu sagen: All dein Tun geschehe
um Gottes willen! R. Abbahu (um oOO) hat gesagt: Wenn dir etwas Wertvolles vor-
kommt, selbst am ersten Tage der Woche, so bestimme es für den S. R. Tanchuma
(um 380) hat erzählt: Wenn wir am vierten Wochentag (Mittwoch) Früchte aßen u. es
kam uns eine schöne Dattel vor, so sagten wir: „Sie seien für den S. ausgesondert!"
Schab 118 3; R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Jose (b. Zimra,i um 220)
gesagt: Wer den S. vergnügt begeht, dem gibt man (= Gott) grenzenlosen Besitz, s.:
„Dann sollst du deine Lust finden an Jahve, u.'ich will dich einherfahren lassen auf
den Höhen des Landes, u. ich lasse dich genießen das Erbteil Jakobs, deines Vaters"
Jes58, 14. Nicht wie der Besitz Abrahams war, von dem es heißt: „Auf, ziehe im
Lande umher nach seiner Länge u. Breite" Gn 13, 17; auch nicht wie das Gebiet Isaaks
war, von dem es heißt: „Dir u. deinem Samen werde ich alle diese Länder geben"
Gn 26, 3, sondern wie das Gebiet Jakobs ist, von dem es heißt: Du wirst dich aus-
breiten nach Westen u. Osten u. Norden u. Süden Gn28, 14. (Bei Jakob fehlt jede Be-
grenzung seines Gebietes.) Rab Nachman b. Ji(;chaq (f 356) hat gesagt: (Wer den S.
vergnügt begeht,) der wird vor der Knechtschaft der Weltreiche bewahrt; es heißt hier
Jes 58, 14: Ich lasse ihn auf den Höhen des Landes einherfahren, u. heißt dort Dt 33, 29:
Du wirst auf ihre Höhen treten. Rah J^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe ge-
sagt: Wer den S. vergnügt begeht, dem gewährt man (= Gott) die Wünsche seines
Herzens, s. : „Habe deine Lust an Jahve. so wird er dir geben, was dein Herz wünscht"
' So nach Bacher, Pal. Amor. 1, 111.
Matthl2, 1 (Nr. 2). 12,2 615
Ps87,4. Ich weiß nicht, was mit ^Lust" gemeint ist; da es aber heißt: ,Wenn du
den S. eine Lust heißest" Jes 58, 18, so sage: Damit ist die S.freude gemeint. Wodurch
macht man ihn zu einer Lust? Rab J^'huda b. Sch^muel b. Schelath (um 300) hat im
Namen Rabs gesagt: Durch ein Gericht aus Mangold, durch große Fische u. Knoblauch-
köpfe. — Eine Parallelstelle mit Abweichungen im einzelnen s. P*^siqR23(120^>; 12H). ||
Schab 118'': R. Jose (b. Chalaphta, um 150) hat gesagt: Möge mein Teil bei denen sein,
die am S. drei Mahlzeiten halten! || Über die sabbatliche Kleidung vgl. außer oben S.611 j'.
(MidrHL 5, 16 u. DtR 3) noch M^kh Ex 12, 16 (12^): Es soll am ersten Tage heilige Fest-
versammlung sein Ex 12, 16. Ihr sollt ihn heiligen durch Speise u. Trank u. reines Ge-
wand. — Dasselbe SLv 23, 35 (413''); P'^siqR 23 (115b). j, pPeaS, 21b, 1: R. Qhanina
(um 225) hat gesagt: Der Mensch muß zwei Gewänder haben, eins für die Woche u.
eins für den S. Denn es heißt Ruth 3,3: ,Und du bade u. salbe dich u. lege deine
Gewänder an." War sie denn nackt? Vielmehr sind damit die Sabbatkleider gemeint.
Als das R. Simlai (um 250) in der Gemeinde öffentlich vortrug, weinten die Genossen
vor ihm; sie sprachen zu ihm: Rabbi, wie unser Gewand in der Woche ist, so ist es
auch am S. Er sprach zu ihnen: Gleichwohl müßt ihr daran eine Veränderung (zu
Ehren des S.) vornehmen. — Dasselbe Midr Ruth 3, 3 (133b); pegiqR 23 (115b); vgl.
Schab 113b, wo R. Elifezer = R. Elfazar b. P^dath (um 270) Ruth 3, 3 auf die S.kleider
deutet. II P'^siqR23 (117 b): Rabbi hat gesagt: Heiligt den S. mit dem Gewand! R. Chanina
(um 225) hat gesagt: Man muß sich (zu Beginn des S.) einhüllen. R. Abbahu (um 300)
hat gesagt: Man muß (unter die Alltagskleidungsstücke ein besonderes für den S.)
mischen. Abin b. Chisdai (um 270) hat gesagt: Man muß (das Alltagskleid für den S.)
herunterlassen. — Parallelstelle mit andret Autorenangabe GnR 11 (8*). |1 Wie die heid-
nische Welt über diese Art der S.verehrung spottete, zeigt Midr KL Einl. Nr. 17 (33b j:
R. Abbahu (in Cäsarea, um 300) begann seinen Vortrag mit Ps 69, 13: „Es reden über
mich, die im Tore sitzen", das geht auf die Völker der Welt, die in den Theatern u.
Zirkussen sitzen, „u. Lieder singen, die Rauschtrank trinken"; sie sitzen u. essen u.
trinken, u. wenn sie berauscht sind, sitzen sie u. reden über mich u. verspotten mich
u. sagen: „Daß wir nur nicht Johannisbrot essen müssen, wie die Juden!" Ferner sagen,
sie zueinander: Wieviel Jahre willst du leben? Und man antwortet: So lange, wie ein
S.hemde der Juden! Dann führen sie ein Kamel in ihre Theater, das seine Decken
auf sich hat. Und man fragt einander: Warum trauert denn dies Kamel (daß es in
Decken gehüllt ist)? Man antwortet: Die Juden halten das Brachjahr. u. weil sie kein
Grünkraut haben (des Brachjahres wegen), so essen sie diesem seine Dornsträucher
ab : deshalb trauert es über sie. Dann lassen sie einen Mimen in ihr Theater kommen,
dessen Kopf kahl geschoren ist. Sie fragen einander: Warum ist denn dessen Kopf kahl
geschoren? Der Mime antwortet: Die Juden beobachten die Sabbate, u. alles, was sie
in den Wochentagen erarbeiten, essen sie am S. auf; u. weil sie (infolgedessen) kein Holz
zum Kochen haben, zerbrechen sie ihre Bettstellen, um damit zu kochen; darum müssen
sie dann auf der Erde schlafen, u. da sie dadurch voller Staub werden, müssen sie
sich mit Ol salben;- deshalb ist das Öl teuer (so daß ich mein Haar mußte abscheren
lassen). — Dasselbe anonym Midr KL 3, 14 (70a).
12,2: Deine Jünger tun, was nicht erlaubt ist
an einem Sabbat zu tun.
39 Hauptarbeiten niDx^^p nbwS waren am Sabbat verboten.» Angeblich
waren das diejenigen Arbeiten, die zur Herstellung der Stiftshütte nötig
gewesen waren. b Die Festsetzung ihrer Zahl auf 39 (vierzig weniger
eins) begründete man exegetisch mit Ex35, l.c Jede der 39 Haupt-"
arbeiten begriff eine Reihe von Unterarbeiten n-inbin unter sich. Im
3. Jahrh. treten Systematisierungsversuche hervor, jeder Hauptarbeit
sei es 6, sei es 39 Nebenarbeiten unterzuordnen. d Zu diesen Haupt- u.
6l6 Matthl2,2
Nebenarbeiten kam dann aber noch eine größere Anzahl anderweitiger
Tätigkeiten, die aus Gründen der Sabbatsruhe rabbinisch verboten
waren; auch sie hat bereits die Mischna im einzelnen festgesetzt. e —
Das nach Dt 23, 26 erlaubte Ausraufen von Ähren wurde als eine ünter-
arbeit des Erntens angesehen u. war als solche am S. verboten.* Unter
Umständen hätte die Tat der Jünger Jesu mit dem Steinigungstode
bestraft werden können. g
a. Schab?, 2: Hauptarbeiten (die am S verboten sind) gibt es vierzig weniger
eins. Wer ^sät u. -pflügt u. -^ erntet u. ''Garben bindet; wer ^drischt u. ^worfelt; wer
''Früchte reinigt; wer "^mahlt u. ^siebt u. ^^knetet u. ^^bäckt; wer ^^Wolle schert;
wer sie ■'■'wäscht u. sie ^^klopft (oder ausschüttelt) u. sie ^^färbt; u. wer ■'^spinnt u.
^7 webt u. ^*zwei Fäden (auf dem Webstuhl) aufzieht u. ^^zwei Fäden flicht u. ^Ozwei
Fäden trennt; wer ^'^ einen Knoten schürzt u. ^-^auflöst u. -^-^zwei Stiche näht; wer
^^ einen Riß macht, um mit zwei Stichen festzunähen; wer 25eine Gazelle fängt, sie
-^schlachtet u. sie -^^ enthäutet; wer sie -^^ einsalzt u. ^^ihr Fell zurichtet u. es •^'^ ab-
schabt u. es •'^ zerschneidet; wer ■5-^zwei Buchstaben schreibt u. •'■^ auslöscht, um zwei
Buchstaben zu schreiben; wer •'^baut u. -'^einreißt; wer (Feuer) '?<5 auslöscht u. ■5'' an-
zündet; wer 38mit dem Hammer schlägt, •'^wer aus einem Bereich ^ in einen andren
trägt — siehe, das sind Hauptarbeiten, vierzig weniger eins.
b. Schab 49 b; Wir haben gelernt (s. oben Schab 7, 2): Hauptarbeiten gibt es vierzig
weniger eins. Wem entsprechend (sind diese Hauptarbeiten festgesetzt worden)?
R. Chanina b. Chama (um 225) hat gesegt: Sie entsprechen den Arbeiten an der Stifts-
hütte. R. Jonathan b. EUazar (um 220) hat gesagt: So hat R. Schim'on b. Jose b. Laqonia
(gegen 200) gesagt: Sie entsprechen dem 39 maligen Vorkommen des Wortes „Arbeit"
rss^i in der Tora. (Die hier dann folgende Diskussion zeigt, daß die Zählung des Wortes
„Arbeit" nicht zutriffst; dann heißt es weiter:) Eine Bar lautet so, wie der, welcher
gesagt hat: Sie entsprechen den Arbeiten an der Stiftshütte; denn in einer Bar heißt
es: Man macht sich (der S. entheiligung) nur schuldig wegen einer Arbeit, die ihres-
gleichen bei der Stiftshütte hatte. Jene (die Verfertiger der Stiftshütte) säten (zur
Gewinnung von Pflanzen-Farbstofi"en, Raschi), " u. ihr sollt nicht säen (am S.); jene
ernteten, u. ihr sollt nicht ernten; jene hoben die Bretter vom Erdboden auf den
Wagen, u. ihr sollt nicht aus einem öffentlichen Bereich in einen Privatbereich hinein-
schaffen ; jene legten die Bretter vom Wagen auf die Erde, u. ihr sollt nicht aus einem
Privatbereich hinausschaffen in einen öffentlichen Bereich; jene luden von einem
Wagen auf den andren, u. ihr sollt nicht aus einem Privatbereich in einen andren
Privatbereich hinausschaffen. — Die obige Tradition des R. Jonathan in seinem eigenen
Namen pSchab 7, 9b 53. ü BQ 2a: Wir haben gelernt: Hauptarbeiten gibt es vierzig
weniger eins. Es heißt „Hauptarbeiten", weil es Unterarbeiten gibt; ihre Unterarbeiten
sind ihnen gleich. Es macht keinen Unterschied: eine Hauptarbeit (versehentlich am
S. verrichtet) erfordert ein Sündopfer, u. ebenso erfordert eine Unterarbeit ein Sünd-
opfer. Es macht keinen Unterschied : eine Hauptarbeit (absichtlich am S. verrichtet)
erfordert die Steinigung, u. ebenso erfordert eine Unterarbeit die Steinigung. Was ist
nun für ein Unterschied zwischen einer Hauptarbeit u. einer Unterarbeit? Es folgt
daraus, daß, wenn man zwei Hauptarbeiten oder zwei Unterarbeiten zusammen (zu
gleicher Zeit) vollbringt, man für jede einzelne sich schuldig macht. Wenn man aber
eine Hauptarbeit u. eine zu ihr gehörende Unterarbeit vollbringt, so macht man sich
nur Einmal (wegen der Hauptarbeit)' schuldig. Wenn nun aber R. Eli<ezer (um 90)
wegen einer Unterarbeit gelegentlich einer Hauptarbeit für schuldig erklärt hat (s.
K*^ 3, 10), warum nennt er die eine Arbeit „Hauptarbeit" u. die andre „Unterarbeit"?
Die, welche beim Bau der Stiftshütte erwähnt wird, nennt er Hauptarbeit, u. die.
' Über die einzelnen Sabbat-Bereiche s. Einl. S. 37 f.
Matthl2, 2 617
•welche beim Bau der Stiftshütte nicht erwähnt wird, nennt er Unterarbeit. i| Schab 73 1>:
Abaje (f 338/39) u. Raba (1352) haben beide gesagt: Alle Arbeiten, die beim Bau der Stifts-
hütte stattfanden, hat man als Hauptarbeit gerechnet, auch wenn eine einer andren ähn-
lich war (so daß sie als deren Unterarbeit hätte gewertet werden können).
C. M*kh Ex 35, 1 (110^): „Mose sprach zu ihnen: Dies sind die Dinge" o-'^atr! rtrs
Ex 35, 1. Rabbi sagte: Darin liegen die 39 Arbeiten, die ihnen Mose mündlich mit-
geteilt hat. — Wie das gemeint ist, zeigen folgende Stellen. Schab 97b Bar: Rabbi
sagte: ü-^^z-^ , ="i2-r:, 2"3-:n rt'rss, das sind die 39 Arbeiten, die dem Mose auf dem
Sinai gesagt worden sind. (Der Beweis ist so zu verstehen: ü^^z-. als Plural bedeutet
2 Dinge; dann bedeutet z—z-r. mit dem Artikel 3 Dinge; dazu kommt der Zahlenwert
von n^s mit 36, mithin D--:^ri nhtt ^ 36 + 3 = 39 Dinge.) — Dasselbe mit R. Nathan
(um 160) als Autor Schab 70 'K — In pSchab 7, 9 b, 63 sagt R. Chanina aus Sepphoris-
im Namen des R. Abbahu (um 300): Das s (in n5s) ist = 1, das '"= = 30, das n == 5,
•^z- (Singular) = 1, a-^sT (Plural) — 2; von hier aus sind die 39 Arbeiten in der Tora
erwiesen. Die Rabbinen von Cäsarea aber führten den Beweis nur aus dem Wort nVs:
s = 1, ^ = 30, n (= n) = 8; denn sie trugen kein Bedenken, n u. n ohne Unterscheidung:
auszulegen. (Die Buchstaben s, n, rr u. y können nach der haggadischen Hermeneutik
miteinander vertauscht werden.) — ^ Weitere Parallelen finden sich in Tanch --p 221»;
NuR18 (185 a).
d. pSchab 7, 9b, 67: R. Jochanan (f 279) u. R. Schim'on b. Laqisch (um 250) be-
schäftigten sich mit diesem Kapitel (Schab 7) 3\'2 Jahr lang, bis sie aus ihm 39 Unter-
arbeiten für jede einzelne Hauptarbeit hergeleitet hatten. Wo sie eine Unterarbeit an
eine Hauptarbeit anlehnen konnten, taten sie es; wo sie es nicht konnten, machten
sie die betreffende Arbeit zu einer Unterarbeit vom „Schlagen mit dem Hammer"
(s. Schab 7, 2 oben S. 616«). Die Söhne des R. Chijja des Älteren (J'^^huda u. Chizqijja,^
um 240) beschäftigten sich mit diesem Kapitel 6 Monate. Sie leiteten aus ihm sechs
Unterarbeiten für jede Hauptarbeit her. Die Söhne des R. Chijja des Alteren hielten
sich an die Regel ihres Vaters; denn R. Chijja (um 200) lehrte: Ernten, winzern,
Oliven pflücken, abschneiden, ausraufen (-Vr), Feigen pflücken — das alles (zusammen
6 Arbeiten) gehört zum Ernten.
e. Be^a 5, 2: Wegen folgender Beschäftigungen (macht man sich am Sabbat u.
an den Feiertagen schuldig) aus Gründen der Sabbatsruhe: man darf nicht auf einen
Baum steigen, nicht auf einem Tier reiten, nicht auf dem Wasser schwimmen, nicht
in die Hände klatschen, nicht auf die Hüfte schlagen (Zeichen der Erregung), nicht
tanzen. Wegen folgender Beschäftigungen macht man sich schuldig, obwohl sie an
sich freistehen (u. zum Teil auf einem Gebot beruhen) : man darf nicht Gericht halten,
sich nicht mit einer Frau verloben, nicht die Zeremonie des Schuhausziehens (bei
Verweigerung der Scliwagerehe) vornehmen, nicht die Schwagerehe vollziehen. Wegen
folgender Beschäftigungen macht man sich schuldig, obwohl sie auf einem Gebot be-
ruhen: man darf nichts heiligen, keine Abschätzung vornehmen, nichts als Banngut
bestimmen, auch nicht Hebe u. Zehnt absondern.
f. Zum Ausraufen ('^jt) von Ähren als Unterarbeit des Ernteus s. den Schlu&
von Anm. d. — Ferner vgl. Maimonides, Schab 8: Metens sabbato vel tautillum reus-
est. Et vellere spicas est species messionis. Et quicunque aliquid decerpit a ger-
minatione sua, reus est sub nomine metentis. || Auch die Verzehntung der ausgeriebeneu
Körner kam beim Essen der Jünger in Frage. 'Eduj 2, 6: Drei Dinge hat R. Jischmacei
(t um 135) gesagt, ohne daß ihm R. ( Aqiba (t um 135) zustimmte: Wer Knoblauch,
Herlinge u. Kornähren (am Freitag), solange es noch Tag ist, zerstückelt (zerreibt),
der darf, wie R. Jischmacei sagte, es nach Eintritt der Dunkelheit fertigmachen (um
es zu essen); aber R. S Aqiba sagte: Er darf es nicht fertigmachen. [1 Ma<as 4, 5: Wenn
einer Gerstenkörner abschält, so darf er sie einzeln abschälen u. essen (ohne sie ver-
zehnten zu müssen); wenn er sie aber abschält u. in seine Hand legt, so ist er (zur
Verzehntung) verpflichtet. Wenn einer Weizenähren ausreibt, so kann er sie von einer
Hand in die andre blasen (um die Spreu zu entfernen) u. essen (ohne verzehnten zu
618 Matthl2,2. 3
müssen); wenn er aber bläst u. in seinen Schoß fallen läßt, so ist er (zur Verzehntung)
verpflichtet. — ße^a 12b: Es erwiderte Abaje (f 338/39) dem Raba: Wer Ähren aus-
reibt am Rüsttag auf den S. für den folgenden Tag, darf es von einer Hand in die
andre blasen u. essen, aber nicht in einen Brotkorb u. nicht in eine Schüssel. Wer
Ähren ausreibt am Rüsttag auf einen Feiertag für den folgenden Tag, darf immer
auf die Hand blasen (Raschi : immer wenig) u. essen u. auch in einen Brotkorb u. in
eine Schüssel, aber nicht auf eine Platte u. nicht in eine Schwinge u, nicht in ein
Sieb. Vgl. auch Be9a 13b.
g. Sanh7, 4: Dies sind die, welche gesteinigt werden: wer der Mutter beiwohnt
oder dem Weibe des Vaters oder der Schwiegertochter; wer einem Männlichen bei-
wohnt oder einem Vieh, u. das Weib, das sich von einem Vieh beiwohnen läßt; u. der
(Gottes-)Lästerer u. der Götzendiener u. wer von seinem Samen dem Molokh gibt u.
der Totenbeschwörer u. der Wahrsager u. wer den Sabbat entweiht, wer seinen
Vater u. seine Mutter verflucht u. wer einem verlobten Mädchen beiwohnt u. wer (zum
Oötzendienst) verführt u. wer (von Gott) abwendig macht u. der Zauberer u. der un-
bändige u. widerspenstige Sohn. — Daselbst?, 8: „Wer den Sabbat entweiht" Nu 15, 35,
nämlich durch etwas, wofür man bei vermessenem Tun Ausrottung, bei uuvorsätzlichem
Tun ein Sündopfer schuldig ist. (Drei Strafen sind zu unterscheiden: S.schändung vor
Zeugen u. trotz vorhergegangener Verwarnung erfordert Steinigung; S.schändung ohne
Zeugen u. ohne Verwarnung bedingt Ausrottung durch Gottes Hand; versehentliche
S.schändung wird durch ein Sündopfer gesühnt.) — Ferner s. BQ 2 a in Anm. h.
12,3: Habt ihr nicht gelesen, was David tat,
als er hungrig war, u. die bei ihm?
Ti €TtoitjGav Javsid; — Die Behandlung des Vorfalls 1 Sm 2l, 2 — 7
in der rabbin. Literatur verfolgt meist den Zweck, Davids Verhalten
zu rechtfertigen.
M*'nll, 2: Sowohl bei den beiden Erstlingsbroten (Lv 23. 17), als auch bei den
Schaubroten geschieht ihr Kneten u. Aufmachen außerhalb (des Heiligtums), ihr Backen
aber innerhalb; auch verdrängen diese Tätigkeiten den Sabbat nicht. R. J^huda (um
150) sagte: Alles Tun an ihnen geschieht innerhalb (des Heiligtums); R. Schimcon
(um 150j sagte: Immer gewöhne dich daran, zu sagen: Die beiden Erstlingsbrote u.
die Schaubrote sind tauglich im Vorhof u. tauglich in Beth-Phage (sie dürfen auch
außerhalb des Tempelbezirks hergestellt werden). — Dazu bM'^^n'95b: R. Abbahu
fo. Kahana(?) hat gesagt: Beide (nämlich R. J^'huda u. R. SchimJon) haben ein u. die-
selbe Schriftstelle (als Beweis für ihre Meinung) ausgelegt, nämlich 1 Sm 21, 6: smi
-553 •^-;p-' nvn "s ?s 5in ---. R. J'^huda hat gemeint: David traf sie an einem Wochen-
tag (Freitag), wie sie (die Schaubrote) buken; er sprach zu ihnen: Nach Art profaner
Brote backt ihr; auch wenn das Brot heute durch die Gerätschaften (Backutensilien
bis hin zum Backofen) geheiligt wird, so wird es (bis zum Sabbat, an welchem es
auf den Schaubrottisch zu bringen ist) durch das Liegenbleiben über Nacht untauglich.
(Da die Backgerätschaften heiligen, müssen sie im Heiligtum sich befunden haben,
u. muß deshalb die Zubereitung der Brote, im Sinne des R. J'^huda, im Vorhof erfolgt
sein; R. J^huda faßt also 1 Sm 21, 6 so: „Das ist Profanes, auch wenn es (das Brot)
heute durch die Geräte geheiligt wird.") R. Schim'on meinte: David traf sie am
»Sabbat, wie sie die Schaubrote buken; er sprach zu ihnen: Ihr wolltet es nicht nach
Art profaner Brote herstellen (u. weil ihr fürchtetet, daß die Brote durch das Liegen-
bleiben über Nacht untauglich würden, so nahmt ihr das Backgeschäft am Sabbat
selbst vor; aber ganz unnötigerweise); der Ofen heiligt doch nicht, der Tisch ist es,
welcher heiligt. (Da die Backgerätschaften die Brote nicht heiligen, so kann deren
Herstellung auch außerhalb des fleiligtums erfolgen; R. Schim?on faßt 1 Sm 21, 6 so:
„Das ist Profanes; wird es denn etwa auch heute durch die Geräte geheiligt'?") —
Aber kann man denn sagen, daß David sie in der Stunde des Backens antraf? Es
Mattlil2. 3. 4 • 619
heißt doch lSm21, 7: „Da gab ihm der Priester Heiliges; denn es war dort kein
anderes Brot außer den Schaubroten, die vor Jahve weg entfernt (abgenommen) waren I"
(Also handelt es sich nicht um eben gebackene, sondern um solche Brote, die bereits
vom Schaubrottisch abgeräumt waren.)* Was wollen also die Worte „eine Art Profanes"
besagen, die er zu ihnen sprach? Sie hatten zu ihm so gesagt: Es ist kein Brot vor-
handen außer den Schaubroten, die vor Jahve weg entfernt sind. Da antwortete ihnen
David: Ohne Zweifel sind die Brote, sobald sie nicht mehr den Bestimmungen wegen
Veruntreuung (Vergreifung an Heiligem) unterliegen,' etwas Profanes. Aber selbst
wenn auch das zuträfe, daß sie heute durch die Geräte (durch die Auflegung auf den
Schaubrottisch) geheiligt wären, dennoch gebt sie mir, es handelt sich (bei mir) um
einen Gefährdeten (um einen vom Heißhunger Befallenen).'- lSm2I,6 wird jetzt so
gefaßt: Es (das Brot) ist ja eine Art Profanes; u. selbst wenn es heute durch die
Geräte geheiligt worden wäre — gebt es her, es liegt ein Notfall vor! 11 Jalqut zu 1 Sm
21, 5 (§ 180) aus J®lamni^denu: Der Priester sprach zu David: Weißt du nicht, daß, wer
ein Weib berührt hat. Heiliges nicht essen darf? David antwortete: Es sind nun drei
Tage, daß wir kein Weib erkannt haben, wie es heißt 1 Sm 21,6: „Wahrlich, ein Weib
war uns verschlossen seit gestern u. vorgestern u. die Sachen der Knaben waren heilig."
Es war aber Sabbattag, u. David sah sie, wie sie am S. die Schaubrote buken, wie es
Do6g sie gelehrt hatte. Da sprach David zu ihnen: Was macht ihr da! Ihr Backen
verdrängt den S. nicht, sondern nur ihr Aufschichten (auf den Schaubrottisch), wie es
heißt Lv24, 8: „Am S. soll er sie aufschichten." Da er dort nur die Schaubrote vor-
fand, sprach David zum Priester: Gib mir, damit wir nicht vor Hunger sterben, denn
Lebensgefahr verdrängt den S. Und wieviel aß David in jener Stunde? R. Huna (um 350)
hat gesagt: An die sieben Sea hat David gegen seinen Hunger gegessen, denn Heiß-
hunger befiel ihn. (Zur Herstellung der 12 Schaubrote wurden 24 Zehntel Epha gebraucht,
das waren genauer 7,2 Sea.) H Sanli 108b: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Jose
b. Qisma (Qosma? um 110) gesagt: Etwas Großes ist es um das Essen (Speise); denn es
hat zwei Geschlechter von Israel entfernt (die Ammoniter u. Moabiter nach Dt 23, 4 f.).
R. Jochanan hat in seinem eigenen Namen gesagt: Es entfernt die Nahen (Ammon u.
Moab), es nähert die Entfernten (Jethro, Ex 2,20 verglichen mit 1 Chr 2,55 u. Ri 1, 16).
es verbirgt die Augen vor den Frevlern (Mikha, vgl. Ri 17,10), es läßt die Sch^'khina
auf den Bafalspropheten ruhen (s. 1 Kg 13. 20) u. es rechnet ein Versehen als mut-
willigen Vorsatz an. Denn Rab J*^huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt:
Wenn Jonathan dem David zwei Brote mit auf den Weg gegeben hätte, dann würde
Nob, die Priesterstadt, nicht hingemordet, Doeg, der Edomiter, nicht verstoßen, Saul
u. seine drei Söhne nicht getötet worden sein (denn dies alles folgte aus dem Vorgang
in 1 Sm21). \\ M«n29a: R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Ein großes Wunder
geschah an dem Schaubrot: Es war bei seiner Entfernung wie es bei seinem Hinlegen
war (nämlich noch frisch u. warm), wie es heißt 1 Sm 21,7: „Indem er das Brot warm
hinlegte an dem Tage, da man es (vom Schaubrottisch) hinwegnahm" (so der Midrj. —
Dasselbe M'^n 96^; Chag 26; die letzte Stelle zeigt, daß dieses Wunder zu allen Zeiten
sich wöchentlich an den Schaubroten wiederholte.
Zum Gedanken Mt 12, 3, daß die Sabbatheiligung hinter der Erhaltung
des menschlichen Lebens zurückzustehen habe, s. bei Mt 12, 10.
12,4: Wie . . . sie die Schaubrote aßen, was zu essen ihm
u. den Seinen nicht erlaubt war außer den Priestern'?
Die Bestimmungen betreffs der Schaubrote s. bei Hebr 9, 2.
' Dieser Zeitpunkt tritt nach M^?il2, 7 nach Darbringung des Räucherwerks ein.
- Über einen solchen sagt Joma 8, 6: Wen Heißhunger (s'i'aiMs = ßoi^hfioc, ßovXifxiu)
befällt, dem gibt man (an dem großen Fasttage, dem Versöhnungstage) selbst Unreines
(gesetzlich verbotene Dinge) zu essen, bis sich seine Augen aufhellen (vgl. 1 Sm 14,27.29).
620 MatthI2, 5
12,5: Oder habt ihr nicht im Gesetz gelesen, daß am Sabbat
die Priester im Tempel den Sabbat entweihen u. (doch) un-
schuldig aind?
Alle Pflichtgebote, die von der Tora an eine bestimmte Zeit ge-
bunden sind, verdrängen den Sabbat, wenn ihre Zeit auf diesen fällt.
So heißt es oft: der Tempeldienst verdrängt den S. raujn rx nnii .-niz:r,
zB Schab 132'' (dreimal); J**b 7^ (zweimal); oder die Beschneidung nsi^a
verdrängt den Sabbat, zB N«d 3,11; Schab 1 32 ». || RH 1,4: Wegen zweier
Neumonde entheiligt man den S. ^ r^'zwji rx iibbira (= rd aäßßarov
ßsßtjXovaiv), wegen des Nisan u. wegen des Tischri (damit die Feste
dieser Monate an den von der Tora bestimmten Tagen gefeiert werden);
denn in diesen gehen die Abgesandten nach Syrien (um dort die Fest-
setzung des Neumonds u. der Feiertage zu melden) u. in diesen setzt
man die Feiertage fest. Als das Heiligtum noch stand, entheihgte man
den S. auch wegen aller übrigen Neumonde, um die Zeit für das (Neu-
monds-)Opfer richtig zu bestimmen. || Auch die rabbin. Verordnungen
betreffs der S.ruhe ma^ galten für den Tempeldienst nicht: mrr -i-^x
inp?2n, vgl. pJoma 1, 38 '\ 59.
R. Eli'ezer b. Hyrkanos, um 90, der Vertreter der älteren Praxis,
wollte das Recht der S.verletzung auch für sämthche Handlungen in
Anspruch nehmen, durch die die Ausführung der betreffenden Pflicht-
gebote am S. ermöglicht werde. Sein Grundsatz lautet Schab 131^:
r3ü:n rx "(TTn rfit^a -^ninD-a „was die Ausführung eines Pflichtgebotes
ermöglicht, verdrängt den S.". Diesen Grundsatz wandte er an auf die
Vorbereitung der beiden Erstlings- (Pfingst-)Brote, des Feststraußes,
der Festhütte, des Posaunenblasens u. der Beschneidung, das. 131*- ''. —
Die Meinung des R. Eli'ezer drang jedoch nicht durch; als Halakha
(gültige Norm) wurde vielmehr eine Regel des R. 'Aqiba (f um 135)
festgesetzt, nach welcher nur diejenigen Arbeiten zur Ausführung eines
Pflichtgebotes am S. vorgenommen werden sollten, die nicht bereits
tags zuvor geschehen oder auf den nächsten Tag verschoben werden
konnten. Einige Beispiele zur Erläuterung.
Schab 18, 3: Alles, was zur Beschneidung nötig, führt man am S. aus. | Schab 19, 1:
R. EliEezer sagte: Wenn man das Beschneidungsmesser nicht am Vortag des S. hin-
gebracht hat, so bringt man es am S. offen (unverdeckt) hin (damit jeder sehen kann,
was man am S. trägt). Zur Zeit der Gefahr (einer Religionsverfolgung) verdeckte man
es vor Zeugen. Ferner hat R. Elicezer gesagt: Man darf Holz zerschneiden, um Kohlen
daraus zu machen u. um ein eisernes Gerät (als Beschneidungsmesser) herzustellen.
Als allgemeine Regel hat R. 'Aqiba ausgesprochen: Jede Arbeit, die man am S.vortag
verrichten kann, verdrängt nicht den S.; die man aber am S.vortag nicht verrichten
kann, verdrängt den S. il P'^s 6, 1: Folgende Verrichtungen am Passahlamm verdrängen
den S.: Das Schlachten desselben, das Sprengen seines Blutes, die Reinigung seiner
inneren Teile u. die Opferung seiner Fettstiicke; dagegen verdrängen das Braten des-
* Die, welche das Erscheinen des Neumonds vor dem Gerichtshof bezeugen wollen,
dürfen am S. über die S.grenze hinausgehen.
Mattli 12, 5 Q21
selben u. das Abwaschen seiner Eingeweide den S. nicht; auch sein Auflegen auf die
Schulter u. sein Herbeibringen von einem Punkt außerhalb der S.grenze u. das Aus-
schneiden eines Geschwürs an ihm verdrängen den S. nicht (das Braten des Passah-
lammes geschah in diesem Fall erst nach Eintritt der Dunkelheit). R. Elicezer sagte:
Sie verdrängen ihn. — I 6,2: R. Elicezer hat gesagt: Ist da nicht die Schlußfolgerung
zu ziehen: Wenn das Schlachten, das (sonst) als Arbeit verboten ist, den S. verdrängt,
sollten da nicht diese Verrichtungen, die nur mit Rücksicht auf die S.ruhe (s. bei Mt 12, 2)
verboten sind, den S. verdrängen? R. J'^hoschua? (um 90) antwortete: Ein Feiertag
bringt den Gegenbeweis, an welchem man als Arbeit Verbotenes erlaubt u. wegen S.ruhe
Verbotenes verboten hat. R. Elicezer sprach zu ihm: Was soll das? Wie kann in das
freie Belieben Gestelltes einen Beweis abgeben in bezug auf ein Pflichtgebot? R. cAqiba
antwortete: Das Besprengen (eines an einer Leiche Verunreinigten, das am siebenten,
auf einen S. fallenden Tag unterbleibt) bringt den Gegenbeweis; denn obwohl es ein
Pflichtgebot u. nur wegen der S.ruhe verboten ist, verdrängt es dennoch nicht den S.
Auch du wundere dich nicht über jene (obigen) Verrichtungen, daß sie, obgleich sie
Pflichtgebote u. nur der vS.ruhe wegen verboten sind, den S. nicht verdrängen. Dagegen
R. Elicezer: Auch in bezug auf das Besprengen ziehe ich die Schlußfolgerung: Wenn
das Schlachten (des Passahlammes), das (sonst) als Arbeit verboten ist, den S. ver-
drängt, sollte dann das Besprengen, das nur der S.ruhe wegen verboten ist, nicht erst
recht den S. verdrängen? R. cAqiba antwortete: Oder umgekehrt: wenn das Besprengen,
das nur der S.ruhe wegen verboten ist, den S. nicht verdrängt, sollte dann das Schlachten,
das als Arbeit verboten ist, nicht erst recht den S. nicht verdrängen? R. Elicezer ant-
wortete: Du entwurzelst, was in der Tora geschrieben ist: „zwischen den beiden Abenden
zu seiner bestimmten Zeit* (vgl. Nu 9, 3), gleichviel ob an einem Wochentag oder an
einem S. R. cAqiba erwiderte: Rabbi (= mein Lehrer) bringe mir (aus der Tora) eine
bestimmte Zeitangabe für jene Verrichtungen bei, wie eine bestimmte Zeitangabe sich
für das Schlachten findet! Als allgemeine Regel hat R. cAqiba gesagt: Alle Arbeit,
die man am S.vortag verrichten kann, verdrängt den S. nicht; das Schlachten (des
Passahlammes), das man am S.vortag nicht ausführen kann, verdrängt den S. || Zu RH
1, 4 (oben S. 620«) heißt es in einer Bar RH 21 b: In der früheren Zeit hat man den S.
auch wegen aller übrigen Neumonde entheiligt; nachdem das Heiligtum zerstört worden
war, sagte Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80): Gibt es denn (noch) ein Opfer (am
Neumond, um dessentwillen vordem der S. entheiligt werden durfte)? Da verordnete
man, daß man ihn nur wegen des Nisan u. des Tischri entheiligen dürfe. || Weiter
seien angeführt cAZ 21^: Rabbah bar bar Ghana (um 280) hat gesagt, R. Jochanan
(t 279) habe gesagt: Eine Krankheit, derentwegen man den S. entheiligen darf, darf
man sich von ihnen (Nichtisraeliten) nicht heilen lassen. Einige sagen: Rabbah bar
bar Ghana hat gesagt, R. Jochanan habe gesagt: Eine innerliche Wunde hhr, 5-i- ns«
darf man sich von ihnen nicht heilen lassen. || GnR 7 (5''): (R. Chaggai, um o'jO) sagte:
Wenn ein Sohn der Völker (x'y'ss 12 —■ Nichtisraelit) zu dir käme u. zu dir sagte: Ich
möchte Jude werden unter der Bedingung, daß man mich am S.tag oder am Versöhnungs-
tag beschneidet, dürfte man sie seinetwegen entweihen? Entweiht man denn einen S.
oder Versöhnungstag nicht bloß wegen eines Sohnes einer Israelitin? || GnR 34 (211))
Bar: R. Schimcon b. EKazar (um 190) sagte: Wegen eines lebenden Kindes, das einen
Tag alt ist, darf man den S. entheiligen (zwecks Lebenserhaltung), aber wegen Davids,
des Königs von Israel, als er gestorben war, durfte man den S. niclit entheiligen.
Solange ein Mensch lebt, darf man seinetwegen den S. entheiligen; aber wenn er
gestorben ist, darf man seinetwegen den S. nicht entheiligen. — Die Bar findet sich
TSchab 17, 19 (137); in Schab 151b ist Rabban Schim'on b. Gamliel, um 140, irrtümlich
als Autor genannt. || TanchB 'sca § 1 (81a): Es lehre uns unser Lehrer: Wenn jemand
von einem Heerestrupp oder von Räubern verfolgt wird, darf er den S. entweihen
(um sich zu rettenj? So haben unsre Lehrer gelehrt (s. RH2, 5): Wer von einem
Heerestrupp oder von Räubern verfolgt wird, darf den S. entweihen u. sein Leben
retten; denn so finden wir es bei David: als Saul ihn töten wollte, floh er vor ihm u.
622 Matth 12, 5. 7. 8. 10 (Nr. 1)
entkam.^ ünsre Lehrer haben gesagt: Es geschah einmal, daß (an einem S.) schlimme
Schriftstücke von der (heidnischen) Regierung an die Großen von Sepphoris gelangten. Man
kam u. fragte den R. Elcazar b. P'-Yata (um 110): Schlimme Schriftstücke sind an uns von der
Regierung gelangt; sollen wir fliehen? Ertrug Bedenken zu sagen: .Fliehet am Sabbat!'
u. sprach: Da fragt ihr mich? Geht u. fragt Jakob u. Mose u. David! Von Jakob steht
geschrieben: „Geflohen ist Jakob nach der Trift Arams" Hos 12, 13; von Mose steht ge-
schrieben: „Da floh Mose vor dem Pharao" Ex 2, 15; von David steht geschrieben: „David
war geflohen u. entkommen" 1 Sm 19, 18. Ferner heißt es: „Wohlan mein Volk, so
geh in deine Kammern" Jes 26, 20. Dasselbe Tanch ^szm nVs Anfang; NuR 23 Anfang. ||
Schließlich sei auf etliche Verrichtungen hingewiesen, die nach cEr 10, 11 fi". im Tempel
am S. erlaubt, aber außerhalb des Tempels verboten waren: Mit einem (an einem Strick)
herabhangenden Riegel darf man (am S.) im Heiligtum zuschließen, aber nicht außerhalb
nr-rs^. Die untere Angel (einer Tür) darf man im H. wieder einbringen, aber nicht
außerhalb. Man darf ein Pflaster (einen Verband, der sich an einem Priester gelöst
hatte) im H. wieder anlegen, aber nicht außerhalb. Man darf eine (gesprungene) Saite
im H. wieder zus. knüpfen, aber nicht außerhalb. Man darf ein Geschwür (an einem
Opfertier) im H. entfernen, aber nicht außerhalb ; mit einem Instrument ist es hier u.
dort verboten. Wenn ein Priester sich den Finger beschädigt, so darf er ihn im H.
mit Bast umwickeln, aber nicht außerhalb. Man darf Salz auf die Altarrampe streuen,
damit die Priester nicht ausgleiten. Man darf am S. schöpfen aus dem Brunnen der
Exulanten u. aus dem großen Brunnen mit dem Rade u. aus dem Brunnen mit dem
kalten Wasser an einem Festtage (diese Brunnen befanden sich im Tempelbezirk). Ein
Reptil, das sich im H. vorfindet, darf ein Priester mit seinem Gürtel hinausschaffen,
um nicht das Unreine darin verweilen zu lassen. Das sind Worte des R. Jochanan
b. B'^roqa (um 110). R. J^huda (um 150) sagte: Mit einer hölzernen Zange, um nicht die
Unreinheit zu vermehren. Von welchen Steilen schafft man es hinaus? Aus dem
Tempelgebäude -:-- , aus der Vorhalle cv.s u. aus deni Raum zwischen Vorhalle u.
Brandopferaltar. Das sind Worte des R. SchimSon b. Nannos (um 110). R. (Aqiba (f um 135)
sagte: Von jeder Stelle schafft man es hinaus, durch deren absichtliches Betreten .sich
ein Unreiner der Ausrottung u. bei versehentlichem Betreten eines Sündopfers schuldig
macht; an allen übrigen Stellen aber deckt man einen Kessel darüber.
12,7: Erbarmen will ich u. nicht Opfer, eXsog ^sXco xal ov ^vaiccv.
Dazus. beiMt9, 13.
So würdet ihr die Schuldlosen nicht verurteilen.
Joma 19b: R. J%oschua< b. Levi (um 250) hat gesagt: Wer Rechtschaffene (Fromme)
in Verdacht hat, wird an seinem Leibe gestraft.
12, 8: Herr des Sabbats ist der Menschensohn.
Hierüber s. zu Mk 2, 28.
12,10: Ist es erlaubt am Sabbat zu heilen?
1. d e^sariv xolq aäßßaoiv; Ebenso fragt einmal R. Meir (um 150)
r^-i-fj nnr-n „ist der Sabbat dazu freigegeben" = ist es am S. erlaubt?
pBe^ao, 63 a, 34: Rabbi bereitete seinem Sohn Schimfon das Hochzeitsmahl, u. sie
klatschten auf die Rückseite ihrer Hände am S. R. Me'ir ging vorüber u. hörte ihren
Schall. Er rief: Meine Lehrer (Herren), ist es erlaubt am S. rzvr; n-inrs? Rabbi hörte
seine Stimme u. sprach: Wer ist das, der uns in unsrem Hause strafen will? Manche
sagen, so habe er gesagt : Wer ist das, der uns in unsrem Hause Zurückhaltung (Schweigen)
gebieten will? R. Me'ir hörte seine Stimme u. entfloh. Sie gingen hinaus u. liefen dem
' Zu der Annahme, daß Davids Flucht an einem S. erfolgte, s. M*^n 95*' u. Jalqufc
zu 1 Sm21,5beiMtl2, 3.
Matth 12,10 (Nr. 2) 623
Entlaufenden nach. Da wehte der Wind die Kopf binde vom Nacken des R. Meir. Rabbi
blickte aus dem Fenster u. sah den Nacken des R. Meir von hinten. Er sagte: Ich habe
Torakenntnis nur erlangt, weil ich den Nacken des R. Meir von hinten gesehen habe. |)
Be9a2'21' liest man die Wendung: p ri»:;"': -n^i rz-:.z „am S. darf man ebenso tun".
2. d s^saxiv Toig aüßßaaiv ^sQansvaai; — Die eigene Antwort der
Pharisäer würde gelautet haben: Das Heilen am S. ist bei drohender
Lebensgefahr erlaubt; aber wo keine Gefahr im Verzuge, ist es unbedingt
verboten.» — Im ersteren Fall durften Heilmittel angewandt werden,
wie sie die damalige ärztliche Kunst an die Hand gab:b auch sym-
pathetische Kuren u. dgl. waren angesichts drohender Gefahr am S.
nicht untersagt, c — Im letzteren Falle galten Dinge, die auch ein
gesunder Mensch als Nahrung genießt oder zur Pflege seines Körpers
verwendet, nicht als Heilmittel; sie durften daher auch einem -leicht
Erkrankten am S. gereicht werden, d — Der Kasuistik eröffnete die
Frage der S.heilungen ein weites Gebiet zur Betätigung, e In dem
Mtl2, lOif. vorliegenden Falle würde sie entschieden haben: da die
vertrocknete Hand eine unmittelbare Lebensgefahr für den Leidenden
nicht in sich schließt, ist die Heilung am S. nicht gestattet.
a. M'^khExSl, 13 (109a): Einmal befanden sich R.Jischma<el(t um 135) u.R. El'azar
b.cAzarja (um 100) u. R. cAqiba (f um 135) unterwegs auf einer Reise; Levi aber, der
Haarkräusler u. R. Jischma'el b. R. Elcazar b. t'^Azarja (um 130) gingen hinter ihnen her
(als Schüler). Vor ihnen wurde die Frage aufgeworfen : Woher läfst sich (aus der Schrift)
erweisen, daß die Rettung eines Menschenlebens «r: r-.-E den S. verdrängt? R. Jischmalel
antwortete: Wenn beim Einbruch der Dieb betroffen wird, u. er wird geschlagen, daß
er stirbt, so ist seinetwegen keine Blutschuld Ex 2"i^, 1. Siehe, da gilt der Schluß vom
Leichteren auf das Schwerere: wenn man da, wo es zweifelhaft ist, ob der Dieb kam,
um zu stehlen oder um zu töten, u. wo es sich um Blutvergießen handelt, das das
Land verunreinigt u. die Sch^khina (Gottheit) sich entfernen läßt, ein Menschenleben
verdrängen darf (um das eigene zu retten) — um wieviel mehr gilt dann von der
Rettung eines Menschenlebens, daß sie den S. verdrängt! R. Elcazar b.cAzarja ant-
wortete: Wenn die Beschneidung, die nur eins von den Gliedern des Menschen betriift,
den S. verdrängt, um wieviel mehr gilt das in bezug auf den ganzen übrigen Leib!
Man antwortete ihm: In deinem Falle müßte es sich, wie dort, so auch hier um Nicht-
zweifelhaftes handeln (von Zweifellosem, wie die Beschneidung ist, darf man nicht auf
Zweifelhaftes, wie die Lebenserhaltung ist, schließen). R. cAqiba sagte; Wenn die Hin-
richtung (eines Mörders, der ein Priester ist) den Opferdienst verdrängt, der den S.
verdrängt, um wieviel mehr gilt es dann von der Rettung des menschlichen Lebens,
daß sie den S. verdrängt! — R.Jose, der Galiläer (um 110) sagte: Wenn es heißt:
,Nur, -s, meine Sabbate sollt ihr beobachten!" Ex 31, 13, so will dieses „nur" einen
Unterschied machen: es gibt Sabbate, die du verdrängen darfst, u. es gibt Sabbate,
an denen du ruhen mußt. R. Schimcon b. M'^'nasja (um 180) sagte: Siehe, es heißt: „Be-
obachtet den Sabbat, denn er ist heilig für euch" Ex 31, 14, d. h. euch ist der S. über-
geben (ausgeliefert) u. nicht seid ihr dem S. übergeben (ausgeliefert). — R. Nathan *
sagte: Die Kinder Israel sollen den S. beobachten, indem sie den S. halten für ihre
Geschlechter Ex 31, 16, d. h.: entweihe Einen S. (um der Erhaltung deines Lebens
willen), damit du (wenn du dein Leben gerettet hast) viele Sabbate beobachten kannst! —
Parallelstellen mit zum Teil breiterer Beweisführung u. andren Autorennamen : TSchab
15,161(134); Joma85a, hier die Schlußbemerkung: Rab Phuda (t 299) hat gesagt,
' Gemeint ist der zur Schule des R. Jischmacel gehörende R. Jonathan (b. Joseph),
um 140; vgl. Bacher, Tann. 2,362.
624 Matth 12, 10 (Nr. 2)
Sch^'muel (f 254) habe gesagt: Wenn ich dort (bei den obigen Verhandlungen der
palästinischen Gelehrten) gewesen wäre, so würde ich als meine Meinung, die besser
ist als die jener, gesagt haben : Der Mensch soll durch die Satzungen der Tora leben
(vgl. Lv 18, 5), nicht aber soll er infolge derselben sterben! Raba (f 352) hat gesagt:
Oegen jene Autoritäten alle kann man Einwendungen erheben, ausgenommen Sch^'muSl,
gegen den es keine Einwendung gibt. — Die Ausführung des R. EUazar b. cAzarja auch
Schab 132a; TanchB zv-^ § 8 (91a) ; Tanch i^r- 88''; die des R. Schim'con b. M'^nasja M^kh
Ex 31, 14 (109b); die des R. Nathan (Jonathan) anonym Tanch i-r- 88b u. TanchB =«•''1
§8 (91a). R. Schimfon b. M<^nasja als Autor Joma 85b. || Der Ausspruch Sch^'muels ist
in TSchab 15, 17 (184) bereits in der Beweisführung desR. cAqiba enthalten; anonym
Tanch -yor 245 a; TanchB -yo« § 1. || TSchab 15, 17 (184): Es gibt nichts, was der Rettung
des menschlichen Lebens entgegensteht (auch kein S.), ausgenommen drei Dinge: Götzen-
dienst, Unzucht u. Blutvergießen (d. h. nicht darf man durch Begehung dieser Kardinal-
sünden das eigene oder fremdes Leben retten wollen. Einen Ausnahmefall auf Grund
von Er 22, 1 s. im vorigen Zitat). Dasselbe K^h 19a; Joma 82a. _ In pSchab 14. U^, 38
ist dieser Gedanke so ausgedrückt : R. Jataqob b. Idi (um 280) hat im Namen des R. Jochanan
(t 279; so wird zu lesen sein statt „R. Jonathan") gesagt: Man darf sich durch alles
heilen lassen, nur nicht durch Götzendienst, Unzucht u. Blutvergießen. || TanchB -'s ~[h
§20 (88b): Es lehre uns unser Lehrer: Ist es einem Menschen erlaubt, am S. zu heilen?
So haben unsre Lehrer gelehrt: Lebensgefahr verdrängt den S. ; wenn es aber zweifel-
haft ist, ob er gesund wird oder nicht, so verdrängt man (seinetwegen) den S. nicht;
^ber der Beschneidung wegen verdrängt man (in jedem Fall) den S. || Tanch -'■> -'•> 19 b:
Es lehre uns unser Lehrer: Ist es einem Menschen erlaubt, seine Plage (Krankheit)
am S. zu heilen? So haben unsre Lehrer gelehrt: Jede Lebensgefahr verdrängt den
S., die Beschneidung u. ihre Heilung verdrängt (gleichfalls) den S. || DtR 10 Anfang:
Wenn ein Israelit an seinem Ohr Schmerzen hat, darf er es am S. heilen? So haben
die Gelehrten gelehrt: Jede Lebensgefahr verdrängt den S., u. wenn die Ohrenplage
eine Gefahr ist, so darf man sie am S. heilen.
b. In welchen Fällen man Gefahr als vorliegend erachtete, zeigt folgende Stellen-
auswahl. — Joma 8,6: R. Mattja b. Cheresch (um 180) hat gesagt: Wenn jemand in
seiner Kehle Schmerzen hat, so darf man ihm ein Heilmittel am S. in den Mund geben,
weil das eine Lebensgefahr ist; u. jede Lehensgefahr verdrängt den S. — | Joma 8, 7:
Wenn über jemand ein Einsturz erfolgte u. es zweifelhaft ist, ob er sich darunter be-
findet oder nicht, ob er lebt oder tot ist, ob er ein Nichtisraelit -^23 ist oder ein Israelit,
so darf man (am S.) den Schutthaufen über ihm wegräumen; findet man ihn am Leben,
so räumt man weiter über ihm fort; wenn er aber tot ist, so läßt man ihn liegen. —
Dasselbe TanchB ar-- § 8 (91a). || Schab 18, 3: Es ist verboten, an einem Feiertage (u. erst
recht am S.) einem werfenden Tier Beistand zu leisten (durch Entnahme des Jungen),
wohl aber darf man es sonstwie unterstützen (durch äußern Druck u. dgl.). Einer Frau
leistet man am S. Geburtshilfe, man ruft für sie eine Sachverständige (Hebamme) auch
von ferne (wörtlich von Ort zu Ort) herbei, man entheiligt ihretwegen (durch allerlei
Dienstverrichtungen) den S., u. man bindet den Nabel (was als ein Knotenmachen am
S. eigentlich verboten wäre). R. Jose (um 150) sagte: Man darf ihn auch abschneiden.^ j
TSchab 15, 11 — 15(133): Mau darf am S.Veranstaltungen zur Rettung menschlichen
Lebens treffen, u. wer eifrig darin ist, verdient Lob u. braucht sich keine Genehmigung
* Betreffs des Versöhnungstages setzt Joma 8, 5 f. in Sonderheit fest: Wenn eine
schwangere Frau durch den Duft von Speisen nach diesen begierig wird, so gibt man
ihr zu essen, bis sie befriedigt ist. Einem Kranken reicht man Speise auf Grund des
Gutachtens von Sachverständigen; wenn Sachverständige nicht da sind, so reicht man
ihm Speise auf Grund seines eigenen Gutachtens, bis er sagt: „Genug!" Wenn je-
manden der Heißhunger packt, so reicht man ihm selbst unreine (nicht erlaubte) Dinge
als Speise dar, bis seine Augen sich erhellen. Wenn jemanden ein toller Hund ge-
bissen hat, so läßt man ihn den Leberlappen des Hundes nicht essen (weil es ein un-
wirksames Mittel ist). R. Mattja b. Cheresch (um 130) hat es erlaubt.
Matth 12, I0(Nr.2) 625
dazu vom Gerichtshof zu erbitten. Wenn zB einer ins Meer gefallen ist u. nicht heraus-
kann, oder wenn sein Schiff im Meer unterging u. er nicht herauskann, so steigt man
hinab u. holt ihn von dort heraus, u. man braucht sich dazu keine Genehmigung vom
Gerichtshof zu erbitten. — Fiel jemand in eine Grube u. kann nicht herauf, so reißt
man ihm eine Erdschichte los u. holt ihn von da herauf, u. man braucht sich dazu
keine Genehmigung vom Gerichtshof zu erbitten. — Wenn ein Kind in ein Haus
hineingeraten ist u. nicht herauskann, so zerbricht man ilim die Türen des Hauses,
selbst wenn sie von Stein wären, u. holt es herauf u. heraus von dort, u. man braucht
sich dazu keine Genehmigung vom Gerichtshof zu erbitten. Man löscht^ u. isoliert
eine Feuersbrunst am S., u. wer eifrig darin ist, verdient Lob u. braucht sich keine
Genehmigung dazu vom Gerichtshof zu erbitten. — Wenn einen eine Schlange ge-
bissen hat, so ruft man für ihn aus jedem beliebigen Ort (auch wenn dieser über die
S.grenze hinausliegt) einen Arzt herbei; man schlachtet auch eine Henne für ihn u.
schneidet Lauch für ihn ab, ohne dafs man diesen zu verzehnten braucht. Das sind
Worte Rabbis; R. Schim'on b. Elcazar (um 190) sagte: Man muß ihn verzehnten. —
Man darf am S. heißes Wasser für einen Kranken bereiten, sei es um es ihn trinken
zu lassen, sei es um ihn zu heilen; u. man sagt nicht: , Wartet es ab, ob er am Leben
bleiben wird", sondern seine Lebensgefahr verdrängt den S.. wenn sie auch nicht in
bezug auf den gegenwärtigen, sondern erst in bezug auf den nächsten S. besteht. Auch
hat man nicht bestimmt, daß etwas auf Grund des Gutachtens von Frauen oder von
Samaritanern vorgenommen werden dürfe; vielmehr zieht man zu ihnen die Ansicht
israelitischer Männer mit heran. — Teile hiervon als Bar in Joma 83''. 84^. || pSchab
14, 14 ^*, 12: R. Z' cira (um 300), R. Ba b. Zutra (um 270), R. Chanina {um 225) haben im
Namen Rabbis gesagt: Man darf am S. den Knochen des Kopfes (wenn er verrenkt
ist) wieder einbringen (in die Höhe richten). R. Chijja b. Marja (um 370), R.Jona (um 350),
R. Z'^^ira, R. Ba b. Zutra, R. Chanina haben im Namen Rabbis gesagt: Die Adern der
Ohren (? die nach Raschi sich senken, wodurch die Kinnladen lose werden ; anders
Levy 1,43 a u. 52a- 1") darf man am S. hochbringen. Dort (in Babylonien) hat man im
Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Ein Auge, das heraustritt, darf man am S.
heilen. R. Abbahu (um 3U0) hat im Namen des R. Jochanan gesagt: Die obere Seite
der Hände u. der Füße gilt (im Falle ihrer Verletzung) als (Lebens-)Gefährdung (ihre
Heilung ist daher am S. erlaubt). R. Abbahu hat im Namen des R. Jochanan gesagt:
Das Rote (in den Augen) gilt als Gefahr. R. Abun (1.? um 325; IL? um 370) hat ge-
sagt: Man darf für ihn (den Erkrankten als Heilmittel dagegen) Skorpionenstachel am
S. sammeln. . . . Die Rabbinen von Cäsarea sagten: Der Frosch (eine Krankheit unter
der Zunge) gilt als Gefahr. R. Chizqijja aus EAkko hat im Namen der Rabbinen von
Cäsarea gesagt: Die Spinne (krebsartiges Leiden?) gilt als Gefahr. R.Sch^muel b. Ji9chaq
(um 300) hat gesagt: Der Brand (an Wundstellen) gilt als Gefahr. R. Jirm'^^ja (um 320)
hat gesagt: Man legt Gesäuertes (selbst) am Passahfest auf. — Verschlucktes darf
man am S. herausholen. . . . R. Abbahu hat im Namen des R. Jochanan gesagt: Der
Scharbock gilt als eine Gefahr. — Dasselbe pcAZ 2. 40'', 14. Parallelstellen im bT zu
den einzelnen Sätzen JAZ 28»- b. 29». || Tanch -^t- 88»: Es lehre uns unser Lehrer: Wenn
jemand in seinem Munde Schmerzen hat, darf man ihn am S. heilen? So haben unsre
Lehrer gelehrt: Wer in seinem Munde Schmerzen hat, dem darf man am S. ein Heil-
mittel in seinen Mund legen der Lebensgefahr halber, u. jede Lebensgefahr verdrängt
den S. (s. oben JomaS, 6); denn die Tora sagt: Entheilige seinetwegen Einen S., damit
er viele Sabbate beobachte. (Es ist das kein biblisches Wort, sondern eine rabbin. Deutung
von Ex 31, 16, s. R. Nathan in M^kh Ex 31, 13 oben S. 623;-.) R. Jochanan (1279) hat ge-
sagt: Alles was von den Lippen an nach innen liegt, verdrängt (falls man Schmerzen
daran empfindet) den S. u. man darf es am S. heilen. — Der Ausspruch des R. Jochanan
1 Das steht im Widerspruch mit Schab 16, 5 f. u. TSchab 13,9; doch vgl. pSchab
16,7 (15'', 33) u. Raschi zu Joma 84b, der an eine Feuersbrunst denkt, bei der ein
Menschenleben gefährdet ist.
Straek u. Billerbeck, NT I. 40
626 Matth 1-2, lÜ(Nr. 2)
wird in pSchab 14, 14'', 9 dem R.Ba b.Zabda(üm 270) zugeschrieben u. dann dahin richtig-
gestellt: R. Z'^Hra (um 300) habe- im Namen des R. Ba b. Zabda gesagt: Alles, was von
der (Mund-)Höhlung •;•;- an nach innen zu liegt, darf man (falls es erkrankt) am S.
heilen. — Dasselbe p'AZ2,40'', 10. — Daher V-:r. 5» n:-: = innere Wunde. || cAZ28a:
Rab Zutra b. Tobijja (um 270) hat gesagt, Rab (t 247) habe gesagt: Wegen jeder Wunde,
die eine Abschätzung nötig macht (ob nämlich der Betreffende am Leben bleiben werde
oder nicht) entheiligt man den S. R. Schamman b. Abba (um 270) hat gesagt. R. Jochanan
(t 279) habe gesagt: Das hitzige Fieber ist wie eine innere Wunde u. man entweiht
seinetwegen den S. II EAZ 28 a: Sch'^muel hat gesagt: Eine (Schwert-)Wunde gilt als
Gefahr, u. man darf ihretwegen den S. entweihen. Welches Heilmittel ist dagegen?
Um das Blut zu stillen, Kresse in Essig; um (das Fleisch) heraufzubringen (d.h. um
die Wunde sich schließen zu lassen). Abgeschabtes von Gras u. Dornen oder Würmer
vom Dunghaufen (so Raschi, doch fast zu ungeheuerlich; ob xrp'i-pis s^p-: im Cod. M
^^ Fetzen, Charpie aus zilizischem Gewebe?). i| TanchB -yoM § 1 (81a): Es lehre uns
unser Lehrer: Wenn jemand von Kriegsscharen oder von Räubern verfolgt wird, darf
er den S. entweihen (durch Überschreiten der S.grenze auf der Flucht, durch Tragen
von Waffen u. dgl.) ? Die Fortsetzung der Stelle s. S. 62 1 7 bei Mt 12,5. — Zugrunde liegt
RH 2, ö: In früherer Zeit durften sich die Neumondszeugen den ganzen Tag über (falls
es ein S. war) von dort (einem bestimmten Gehöft in Jerusalem) nicht entfernen. Da
verordnete Rabban Gamliel, der Alte (um '60 — 40 n. Chr.), daß sie (auch am S.) 2000 Ellen
weit nach jeder Richtung hin gehen dürften (wenn sie von auswärts gekommen waren;
sie sollten also in diesem Stück als Einwohner Jerusalems gelten). Und nicht bloß
diese, sondern auch eine Hebamme, die zur Geburtshilfe kam, oder wer kam, um aus
einer Feuersbrunst oder vor einer Kriegsschar oder vor einem (ausgetretenen) Strom
oder aus einem Einsturz retten zu helfen, siehe, diese sind wie die Bewohner der (be-
treffenden) Stadt u. haben 2000 Ellen nach jeder Richtung (außerhalb der Stadtmauer;
kommen sie mit diesen 2000 Ellen dann an die S.grenze ihres eignen Wohnsitzes heran,
so dürfen sie auch noch diese Strecke gehn). Vgl. 'Er 4, 3 u. Maimonides zu EEf 44.
In diesen Zus. hang gehört auch die Frage, ob es erlaubt sei, am S. zu kämpfen.
Die ältere Zeit hat die Frage verneint. Jubil. 50, 12: Wer am S. fastet u. Krieg führt,
soll sterben. — Diesem Grundsatz getreu läßt sich 1 Makk2, 32ff. eine große Schar
lieber hinmorden, als daß sie zu den Waffen greift. Damals wurde aber auch auf Be-
treiben des Mattathias der Beschluß gefaßt, wenn nicht zum Angriff, so doch wenigstens
zur Verteidigung am S. zu kämpfen: näg lit^fi-Qwnog ög idv eXffrj ngdg rj/nug sig noXsfxov
ifi tjusoa TüJt^ anßßfcToji', no'A£/Li>jawuey xareretyri uvtov lMakk2,41. Mit Bezug hierauf
sagt JosephusAntiq. 12,6,2: x«t f<XQi dsvQO /uefEi 71 «0' »/jU/V x(u attßßchoig, elnors (fsrjasis,
fj(c%safi(ci. Also nur im Notfall ist von der Waffe am S. Gebrauch zu machen. — In
Übereinstimmung hiermit heißt es Antiq. 14, 4, 2: Wenn die Feinde (am S.) den Kampf
beginnen u. losschlagen, gestattet das Gesetz, sie abzuwehren; wenn sie aber etwas
andres ausführen, läßt das Gesetz die Abwehr am S. nicht zu. Ferner s. Bell. J. 1, 7, 3
oben S. 611. — Die spätere Zeit scheint aber auch der Offensive am S. nicht abgeneigt
gewesen zu sein. So lesen wir TcEr 4,5 — 8 (142): Wenn Gojim gegen die Städte Israels
heraufziehen, so zieht man wider sie mit W^affen aus u. entweiht ihretwegen den S.
In welchem Fall? Wenn sie der Menschen wegen kommen (um an ihnen Rache zu
nehmen oder um sie wegzuschleppen); kommen sie aber nicht der Menschen wegen
(etwa bloß um Vieh zu rauben), so zieht man nicht wider sie mit Waffen aus u. ent-
weiht ihretwegen nicht den S. Ziehen sie aber gegen Städte herauf, die dicht an der
Grenze liegen, auch nur um Stroh u. Stoppeln wegzunehmen, so zieht man mit Waffen
wider sie aus u. entweiht ihretwegen den S. In früherer Zeit legte man (am S.) die
Waffen in der Nähe der Stadtmauer nieder; einmal mußte man zu ihnen zurückkehren,
u. man drängte sich zum Ergreifen der Waffen also, daß man sich gegenseitig tötete.
Da verordnete man, daß ein jeder seine Waffen in sein Haus zurückbringe. Wenn ein
Heerlager zu einem freiwilligen (nicht von der Tora angeordneten) Kampfe auszieht,
80 beginnt man die Belagerung einer nichtisraelitischen Stadt mindestens drei Tage
Matth 12, 10 (Nr. 2) 627
vor dem S. ; wenn man sie aber begonnen hat, so unterbricht man sie auch am S.
nicht; u. so hat Hillel, der Alte (um 20 v. Chr.), vorgetragen: „Bis sie zu Falle kommt"
Dt 20, 20, u. wäre es auch an einem S. Wenn Gojim eine Stadt einschließen oder ein
Strom, desgleichen wenn ein Schiff Schiffbruch erleidet im Meer, desgleichen wenn ein
einzelner von Gojim oder von Räubern oder von einem bösen Geist verfolgt wird, siehe,
so dürfen sie ihretwegen den S. entweihen, um sich zu retten. — Als Bar in p5 Er 4,
2I"1, 56: JEr45a. ■
C. TSchab 7, 2.S (119): Man darf am S. einen Geheimspruch flüstern wegen des
bösen Blickes, wegen einer Schlange u. wegen eines Skorpions (d. h. zur Heilung der
von ihnen angerichteten Schäden; nach andrer Erklärung: damit sie keinen Schaden
anrichten); auch darf man über das Auge (einen kühlenden Gegenstand, zB von Metall)
führen. R. Schim'on b. Gamliel (um 140) sagte: Aber nur etwas, was man am S. von
seiner Stelle wegnehmen darf. Nicht darf man (am S.) einen Dämonenspruch flüstern
(so nach der handschriftl. Lesart d'tj "313). R. Jose (um 150) sagte: Auch an einem
Wochentag darf man keinen Dämonenspruch flüstern (d. h. keinen Spruch mit dem
Namen eines Sched). || pSchab 14, 14*=, 40: Man darf am S. einen Geheimspruch flüstern
betreffs des Auges, der Eingeweide, der Schlangen u. der Skorpionen; auch darf man
über das Auge führen. Einmal befiel den R. <Aqiba (f um 135) Augenschmerz; da führte
man darüber am S. Gegenstände (Geräte =-■;:) hinweg. — In Sanh 101 a Bar: Man darf
am S. den Unterleib salben u. reiben (befühlen); auch darf man eine Beschwörungs-
formel gegen Schlangen u. Skorpione am S. flüstern ; auch darf man am S. einen Gegen-
stand über das Auge führen. (Fortsetzung ähnlich wie oben in der Tosephta).
d. Schab 14,0: Man darf am S. keinen griechischen Ysop essen (angeblich ein
Mittel gegen Würmer), weil es keine Speise der Gesunden ist; dagegen darf man ^i;yi^
(Wasserminze?) essen u. Hirtenrohr trinken (weil diese auch von Gesunden genossen
werden). Alle (gewöhnlichen) Speisen darf man am S. zur Heilung essen (genauer:
als Nahrungsmittel müssen die Speisen gegessen werden, nicht als Heilmittel; als
letztere dürfen sie aber wirken B'^'rakh 88»); u. alle Getränke darf man trinken, aus-
genommen Palmen wasser u. den Becher der Unfruchtbarkeit, weil diese (Heilmittel)
gegen die Gelbsucht sind; wohl aber darf man Palmenwasser gegen den Durst trinken
u. sich mit Wurzelöl salben, weil es nicht zur Heilung dient. — Das. 14, 4 : Wer Zahn-
schmerzen hat, darf dagegen (am S.) keinen Essig einschlürfen, aber er kann, wie es
gewöhnlich geschieht, etwas in Essig eintauchen, u. wenn er so geheilt wird, dann
wird er geheilt (vgl. oben B'^rakh 38a). Wer Lendenschmerzen hat, darf sich nicht mit
Wein u. Essig salben (einreiben), wohl aber mit Öl (dem üblichen Salbungsmittel),
doch nicht mit Rosenöl (das, weil ein ungewöhnliches Salbungsmittel, als Heilmittel
angesehen werden müßte). Königskinder dürfen Rosenöl auf ihre Wunden streichen,
denn damit pflegen sie sich auch an Wochentagen zu salben. R. Schim<on (um 150)
sagte: Alle Israeliten sind Königskinder. — Ausführlicher TSchab 12,8(127): Man darf
am S. nicht Mastix (wohlriechendes Harz) kauen, wenn man Heilung damit beabsichtigt;
wenn es aber wegen des Mundgeruches geschieht, so ist es erlaubt. Man darf keine
trockene Spezerei auf die Zähne bringen, wenn man damit Heilung beabsichtigt; wenn
es aber wegen des Mundgeruches geschieht, so ist es erlaubt. — | Das. 12, 9: Wer Zahn-
schmerzen hat, der darf dagegen keinen Essig schlürfen u. ihn wieder ausspeien; wohl
aber darf er ihn einschlürfen u. herunterschlucken; auch darf er etwas, wie es üblich
ist, darin eintauchen, ohne sich deshalb Sorge zu machen. — | Das. 12, 1 0 : Wer Schmerzen
in seinem Halse hat. darf nicht mit Öl gurgeln, wohl aber darf er reichlich Öl in Fisch-
brühe tun, die mit Wein u. Salz vermischt ist, u. es herunterschlucken. - | Das. 12, 11:
Wer Kopfschmerzen hat, desgleichen wer mit Ausschlägen behaftet ist, darf sich mit
Öl einreiben, aber nicht mit Wein u. Essig, weil Öl gewöhnlich zum Salben, Wein u.
Essig aber nicht gewöhnlich zum Salben dienen. — | Das. 12, 12: Man darf sich Öl auf
eine Wunde streichen, nur soll man es nicht mit Werg oder Lappen aufnehmen u. es
auf die Wunde legen. Man darf einem Kranken eine Einreibung mit Liniment am S.
machen, wenn man es bereits am S.vortag (aus Wein u. Öl) zus.gerührt hatte; hatte
40*
628 Matth 12, 10 (Nr. 2)
man es aber nicht am S. Vortag zus.gerührt, so ist es verboten, weil man es nicht erst
eigens am S. zusammenrührt; auch rührt man nicht Wein u. Ol am S. für einen Kranken
zusammen. R. Schim'on b. EUazar (um 190) sagte im Namen des R. Meir (um 150): Man
darf Wein u. Öl für einen Kranken am S. zus. rühren. R. Schimton b. Elcazar hat erzählt:
Einmal war R. Meir erkrankt, u. wir wollten es ihm machen (nämlich Wein u Öl am
S. zus. rühren): aber er ließ es uns nicht zu. Wir sagten zu ihm: Rabbi, sollen wir
deine Worte, während du noch lebst, aufheben? Er antwortete: Wenn ich auch so
gesagt habe, so ist es mir doch mein lebelang nicht in den Sinn gekommen, die Worte
meiner Genossen (die in diesem Stück anders lehrten) zu übertreten. — | Das. 12, 1?.:
Man darf Pfützenwasser (?) u. stechendes Wasser (n^^pf "■n = Wasser, das die Galle
durchbohrt Schab 110») trinken; auch darf man das Gesicht, die Hände u. die Füße
hineinhalten, aber nicht eine Sandale darin abspülen; R. Jochanan, der Sandalenmacher
(um 140), erlaubte es. R. Schinicon b. Gamliel (um 140) sagte: Eine Frau darf ihr Kind
in Wein waschen, auch wenn sie fiir dasselbe damit Heilung beabsichtigt. Man darf
sich im Wasser (den warmen Quellen) von Tiberias u. im Weltmeer baden, aber nicht
in Wasser, worin man etwas eingeweicht hat, auch nicht im Meer von Sodom. wenn
man Heilung damit beabsichtigt; wenn man es aber tut, um aus Unreinheit zur Reinheit
zu gelangen, so ist es erlaubt. — I Das. 12, 14: Man darf kein Wasser auf einen trocknen
Schwamm gießen u. auf die Wunde legen; aber man darf es auf seine Füße gießen,
daß es auf den Schwamm abläuft. Man darf trocknes Werg u. einen trocknen Schwamm
auf seine Wunde legen, aber nicht trocknen Bast oder trockne (Zeug-)E'etzen (die zum
Heilen der Wunde beitragen). — Dasselbe zum Teil auch pSchab 14,14'^^, 55; Schab
lila. 134a. 109a; B'rakh86a; pB^rakh 1, 3a,9; vgl. pBe^a 1,60'', 18. || Schab 22,6: Man
darf sich (am S.) salben u. den Ceib reiben; aber man darf sich nicht mit Anstrengung
abreiben. Man darf in keine Schlammpfütze steigen (um zu baden, da ein etwaiges
Versinken schwierige Rettungsarbeiten nötig machen würde). Man bewirkt kein Er-
brechen am S.; man darf kein Kind strecken (um Verrenkungen zu beseitigen), man
darf keinen Bruch (an Arm oder Bein) einbringen. Wer sich die Hand oder den Fuß
verrenkt hat, soll sie nicht in kaltem Wasser schütteln, aber er darf sie wie gewöhnlich
waschen, u. wenn er dadurch geheilt wird, so wird er geheilt. — Sanh 101a Bar: Man
darf sich am S. salben u. den Leib reiben, nur darf man es nicht in der Weise machen,
in der man es an einem Wochentage macht. Wie soll man es. machen? R. Chama
b. Chanina (um 260) hat gesagt: Erst salbt man sich u. hinterher reibt man sich;
R. Jochanan (t 279) hat gesagt: Man salbt u. reibt sich zu gleicher Zeit. — Dasselbe
Schab 147'}. || Tanch n'i-ra 85»: Es lehre uns unser Lehrer: Darf man am S. ein Pflaster
auf eine Wunde legen? So haben unsre Lehrer gelehrt: Es ist verboten, am S. ein
Pflaster zum erstenmal auf eine Wunde zu legen; aber wenn man es am S.vortag getan
hat, so ist es erlaubt. — cEr 10,13 — 14: (Die im Dienst befindlichen Priester) dürfen
(ein abgefallenes) Pflaster im Heiligtum wieder auflegen, aber nicht außerhalb des
Tempels; zum erstenmal ein solches aufzulegen ist (am S.) verboten, hier wie dort. . . .
Wenn sich ein Priester den Finger verletzt hat, so darf er ihn (am S.) im Heiligtum
mit Bast umwickeln, aber nicht außerhalb des Tempelgebietes; wenn es geschieht, um
das Blut herauszupressen, ist es hier wie dort verboten. || pSchab 14, 14'\ 17: Rab (t247)
liat gesagt: Wein ist äußerlich für 'das Auge (am S.) erlaubt, für das Innere des Auges
verboten (dort gilt er als Salbungs-, hier als Heilmittel). Sch'^muel (f 254) hat gesagt:
Nüchternen Speichel (Sp. eines Menschen, der an dem betreffenden Tage noch nichts
genossen hat) am S. auf ein Auge zu legen ist verboten. Hieraus kannst du auch die
Bestimmung in bezug auf die Hautflechte entnehmen (d. h. auch für sie ist Speichel
am S. nicht erlaubt). — Dasselbe p'AZ2, 40'', 18; Schab 108b mit andrer Autorenangabe;
in TanchB rz §13(19») nur der zweite Ausspruch unter dem Namen des R. Chijja b. Abba
(um 280). II <Er 103 b Bar: Wenn an einem. Priester ein Geschwür entstanden ist, so darf
es ihm einer seiner Kollegen (am S.) mit seinen Zähnen abschneiden. Mit seinen Zähnen,
ja; mit einem Instrument, nein; sein Kollege, ja; er selbst, nein. (Das ungewöhnliche
Verfahren erscheint nicht als Heilungsverfahren.) |i 'Eduj2.5: Drei Dinge besprach man
Matth 12, 10 (Nr. 2). 12, 11 (^29
vor R. Jischmaiel (t um 135); aber er sagte von ihnen nicht, ob sie verboten oder er-
laubt seien. R. J^'hoschuac b. Mattja (in der 2. Hälfte des 2. Jahrh.s?) hat sie entschieden:
wenn jemand am S. ein Geschwür aufsticht, um eine Öffnung herzustellen, so ist er
(der S.Schändung) schuldig; wenn er es aber tat, um den Eiter herauszulassen, so ist
er frei. Ferner betreffs dessen, der eine Schlange am S. fängt: wenn er sich damit
befa&t, damit sie ihn nicht beiße, so ist er frei, wenn aber zu Heilungszwecken, so ist
er schuldig. — Die erste Entscheidung etwas ausfüiirlicher auch T<Eduj 1, 8 (455).
e. Beispiele bieten die Zitate in h — ä, überall.
12, 11: Welchen Menschen wird es unter euch geben, der Ein
Schaf haben u., falls dieses am Sabbat in eine Grube fiele,
es nicht erfassen u. aufbringen wird?
Die hierüber geltenden Bestimmungen lauten:
Schab 128b: Rah J'huda (f 299) hat gesagt, Rah (f 247) habe gesagt: Wenn ein
Stück Vieh (am S.) in einen Wassergraben gefallen ist, so bringt man Decken u.
Polster u. legt sie ihm unter. Kommt es herauf, so kommt es herauf (man braucht
sich keine Sorgen wegen etwaiger S.entheiligung zu machen). Man wandte ein: Wenn
ein Stück Vieh in einen Wassergraben gefallen ist, so versorgt mau es mit Futter an
seiner Stelle (an der es sich gerade befindet), damit es nicht sterbe. Mit Futter, ja;
mit Decken u. Polstern, nein! Es liegt hier kein Widerspruch vor: in dem einen Fall
ist die Versorgung mit Futter möglich, in dem andren Fall ist sie nicht möglich. Ist
sie möglich, ja (so beschafft man sie); ist sie aber nicht möglich, so bringt man Decken
u. Polster u. legt sie ihm unter. Aber das bedeutet doch ein Vernichten von Gegen-
ständen aus ihrem fertigen Zustand heraus (was als ein -rc, „Einreißen", am S. ver-
boten ist)! Man meinte, daß das Vernichten von Gegenständen aus ihrem fertigen Zu-
stande heraus ein rabbinisches, der Schmerz lebender Wesen (— Tierquälerei) aber ein
biblisches Verbot sei; da komme das biblische Verbot u. verdränge das rabbinische
Verbot. — In dieser Stelle kommen zwei Richtungen zu Wort: eine strengere, die
wohl das Füttern des Tieres in seiner gefährdeten Lage, aber nicht seine Rettung aus-
ihr erlaubt; u. eine freiere, die zur Vermeidung von Tierquälerei unter Berufung auf
die Tora — man wird an Ex 23, 5 zu denken haben — erlaubt, dem Tier die Be-
freiung zu ermöglichen. Aus dem Umstand, daß Jesus in unsrem Verse mit den Geg-
nern e concessis verhandelt, ist zu entnehmen, daß zu seiner Zeit die mildere Praxis
üblich war. jl Die beiden folgenden Stellen beziehen sich nicht auf den S., sondern auf
einen Festtag. Da die Bestimmungen über die Heilighaltung des S. u. des Festtags
sich nicht deckten — an einem Festtage war zB die Zubereitung der Speisen, nötigenfalls
sogar das Schlachten eines Tieres nachgegeben, s. Be^a 5, 2 u. 3, 3 — , so darf man
von der Festtagspraxis nicht ohne weiteres auf die sabbatliche Praxis schließen.
Immerhin sind die beiden Stellen auch für Mt 12, 11 lehrreich. Be^a 3,4: Wenn ein
erstgebornes Stück Vieh (an einem Feiertag) in eine Grube fällt, so soll, wie R. J'^huda
(um 150) sagte, ein Sachverständiger hinabsteigen u. es besichtigen. Wenn sich an
ihm ein Leibesfehler findet (der schon vor dem Hinabstürzen in die Grube an ihm
vorhanden war), so holt man es herauf -H- u. schlachtet es; wenn aber nicht, so
darf man es nicht schlachten. (Zur Verwendung eines mit einem Leibesfehler be-
hafteten erstgebornen Tieres im eignen Haushalt des Besitzers s. Dt 15, 21 f.) || TBe^a
3, 2 (205): Wenn ein Stück Vieh samt seinem Jungen (die an ein u. demselben Tage
nicht geschlachtet werden dürfen, an einem Feiertage) in eine Grube fällt, so holt
man nach R. EliSezer (um 90) das erste herauf unter der Bedingung, es zu schlachten,
u. dann schlachtet man es; das andre aber versorgt man mit Futter an seinem Ort,
damit es nicht sterbe. (R. EliJezer gestattet nach der strengen Observanz selbst an
einem Feiertage das Herausholen aus der Grube nur zwecks Schlachtung; folgt diese
nicht nach, so bleibt das Tier in der Grube.) R. J'hoschua' sagte: Man holt das erste
herauf unter der Bedingung es zu schlachten, u. hinterher schlachtet man es nicht
630 ^^I^tth 12, 12. 18—21
(etwa mit der Begründung, daß es zu mager sei). Dann handelt man schlau u. liolt
das zweite Tier herauf unter der Bedingung, es zu schlachten. Wollte er auch (früher,
ehe die Tiere in die Grube gefallen waren) das eine von ihnen nicht schlachten,, so
hat er (jetzt) die Berechtigung dazu in seiner Hand. — Als Bar in Be9a 87»; Schab lITb;
pP^s 3, 30-\ 59; pBecja 3, 62 a, 38.
12,12: Also ist es erlaubt am Sabbat Gutes zu tun.
Besonders auffallend tritt dieser Grundsatz in folgenden beiden Aussprüchen zu-
rück. Schab 12 a; R. Schim<on b. El'azar (um 190) sagte im Namen des R. Schimfon
b. Gamliel (um 140): Man tröstet nicht Trauernde u. man besucht nicht Kranke am
S.; das sind Worte der Schule Schammais; die Schule Hillels erlaubte es. — R. Chanina
(um 225) hat gesagt: Mit Mühe hat man es erlaubt, am S. Trauernde zu trösten u.
Kranke zu besuchen. (Grund: Die S.freude soll nicht gestört werden durch andrer
Leute Schmerz, Raschi. Nach dem weiteren Ausspruch des R. Chanina: „Mit Mühe
erlaubte man das Grüßen am S." pSchab lö, 15lJ, 2; P^siqR 23 [116^], könnte der
Grund auch in dem Bestreben liegen, am S. möglichst wenig zu sprechen.)' || TSchab
IG, 22 (136): R. Schim'on b, El'azar (um 190) sagte: . . . Man betet für einen Kranken
am S. nicht. Die Schule Hilleis hat es aber erlaubt, il Humaneren Geist atmet folgende
Stelle. Schab 30 »-b; Diese Frage wurde vor R. Tanchum aus Nave (wohl gleich
R. Tanchuma b. Abba, um 380) aufgeworfen: Darf man vor einem Kranken am S.
ein Licht auslöschen (das den Kranken belästigt)? W^as nun die Frage betrifft, die
ich vor euch gefragt habe (Höflichkeitsform statt: „die ihr vor mir gefragt habt"),
so wird eine Leuchte -;. genannt u. die Seele des Menschen wird gleichfalls ~; genannt
(vgl. Spr 20, 27: Eine Leuchte vor Jahve ist des Menschen Seele); da ist es besser,
daß die Leuchte von Fleisch u. Blut (d. h. die, welche ein Mensch anzündet) aus-
gelöscht werde vor der Leuchte Gottes. — Das Anzünden u. Auslöschen von Feuer u.
Licht gehört zu den für den S. verbotenen 39 Hauptarbeiten, s. oben S. 616. Doch
schon die Mischna läßt einige Ausnahmen zu: Wer ein Licht auslöscht, weil er sich
fürchtet vor Gojim, vor Räubern, vor einem bösen Geist, oder wenn er es wegen
eines Kranken tut, damit dieser einschlafe, ist straffrei, Schab 2, 5.
12,18—21: Das Propheten wort Jes 42, 1—4 wird vom Targum
auf den Messias gedeutet: „Siehe, mein Knecht, der Messias, den ich
herbeibringe, mein Erwählter, an dem mein Memra Wohlgefallen hat!
Meinen heiligen Geist werde ich auf ihn legen, mein Recht wird er
den Nationen kundtun. Nicht wird er schreien noch rufen noch seine
Stimme nach außen hin erheben. Demütige, die dem geknickten Rohr
gleichen, werden nicht zerbrochen; Dürftige, die wie verglimmende
Dochte sind, werden nicht erlöschen: getreulich wird er das Recht
hinaustragen. Er wird nicht ermüden noch ermatten, bis daß er
das Recht auf Erden einsetzt, u. seiner Lehre werden ferne Völker
harren."
Im übrigen ist die Verwendung dieser Prophetenworte in der rabbin.
Literatur selten u. ziemlich nichtssagender Art. B^'rakhSG^: R. J'^hoschua'
b, Levi (um 2.50) hat gesagt: Wer einen Rohrstab im Traum sieht, der
sage eilends Jes 42, 3: „Geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen",
bevor ihm noch der andre Yers einfällt 2 Kg 18, 21: Siehe, du vertraust
auf jenen geknickten Rohrstab, auf Ägypten, auf den sich einer stützen
will, u. dann geht er durch seine Hand u. durchbohrt sie. — Der letzte
Schriftvars würde dem Traum eine unheilvolle Bedeutung beilegen; des-
Matth 12, 22. 23. 24 (Nr. 1.2) Ö3 1
halb soll man schnell Jes42,3 mit seiner guten Vorbedeutung sprechen;
s. oben S. 55, m u. S. 62. Vgl. J«b 93 b.
12,22: Ein blinder u, stummer Besessener.
6aifiovi\^6f^evog, s. Exkurs: „Zur altjüd. Dämonologie." — xmcfüc, s. zu Mfc 9, 32.
12,23: Dieser ist doch nicht der Sohn Davids?
viög Javsld, s. ZU Mt 9, 27.
12,24: Dieser treibt die Dämonen nur durch Beelzebul,
den Fürsten der Dämonen, aus.
1. Jesus als Zauberer.
Justinus Martyr, Dial. c. Tryph. 69: Kai yrtg ^uäyov sirrti ctv'jof eiö^^uwi' 'Asysiv
xttl 'AKonXdvov (vgl. Joh 7, 12). — Pionius (als Märtyrer 250 n. Chr. in Smyrna ge-
storben), Acta Sanctorum, 1. Februar (bei Strack, Jesus S. 9*): Dicunt (Judaei) praeterea,
Christum necromantiam exercuisse ejusque vi post crucem fuisse suscitatum. — Origenes,
c. Celsum 1, 28 (bei Strack S. 9*): Oviug [Iqaovg] diu nsi'iat' si'i A'iyimiov fxtaffaQytjaag
xaxsi övvi'.fAEMv iiytaf nsigcc^f^elg, i(f' ccig Aiyvnjioi as^iPi'vovxca, snra'ijXSsf er mig
&vv(ifj.sai jusya (fQoriöv, xcä &i' ctvidg Üsof nviov eii'ijyöosvas. \\ Sanh 107'': Ein Autor
hat gesagt: Jesus hat Zauberei getrieben u. Israel verführt u. verleitet. — Dasselbe
Sota 47a. II Sanh 43«'' Bar: Am Rüsttag des Passah hat man Jesum gehängt, u. ein Aus-
rufer ging 40 Tage vor ihm her (u. rief): Er soll gesteinigt werden, weil er Zauberei
getrieben u. Israel verführt u. verleitet hat. Jeder, der eine Rechtfertigung für ihn
weiß, komme u. mache sie für ihn geltend! Aber man fand keine Rechtfertigung für
ihn u. so hängte man ihn am Rüsttag des Passah. — In einer Petruslegende (Beth
ha-Midrasch (J, 11, 18) sagen die Juden zu Schimeon Kepha. der scheinbar Christ wird,
um den Feindseligkeiten der Christen gegen die Juden ein Ende zu machen: Du mußt
in das Heiligtum gelin u. den Schem ha-m'^^phorasch (den deutlich ausgesprochenen
Jahvenamen) erlernen, wie Jesus getan hat, damit du alle beliebigen Zeichen voll-
bringen kannst u. sie dir Glauben schenken. H Ferner s. Sanh lu7b oben S. 84 f.;
TSchabll, 15 (126) nebst Parallelen oben S. 38 f.
2. €v 1(0 Btel^eßovX. — Die Lesart BssX'Qeßovß {= nrinr bya „Fliegen-
gott") ist, weil durch Rücksichtnahme auf 2 Kg 1, 2 ff. entstanden, mit
den besten handschriftl. Zeugen abzulehnen. Es bliebe auch unerklärlich,
weshalb man dem Obersten der Dämonen gerade den Namen jener
ekronitischen Gottheit von 2 Kg 1, 2 ff. gegeben hätte. Diese Schwierig-
keit würde allerdings durch die Annahme gehoben werden, daß die
aramäische Wiedergabe von n^^T bra, nämlich N^a"^^ bra, lautlich wie
xnn'n bsr? (d. h. Feind) geklungen habe, u. da letzteres eine passende
Bezeichnung für den „Feind" schlechthin, den Satan, gewesen sei, so
habe man dank jenes Wortspiels den Fliegengott, xnaii brr, zum hv-
xasn, zum Satan, dem Obersten der Dämonen, gemacht (s. Riehm,
Handwörterbuch des bibl. Altertums 1, 158). — Allein es ist doch mehr
als fraglich, ob man das hebr. mn: hvi aramäisch wirklich durch hvz
Nn::i-i wiedergegeben hat: der Targum behält 2 Kg 1 durchgängig das
hebr. n^n: b?a bei; u. die neutestamentl. \jes,Sivi BetX^eßovß, die ebenfalls
das hebr. s^at aufweist, spricht nicht dafür. || Das textkritisch allein
gesicherte BssX^eßovl erscheint im NT (Mt 10, 25; 12, 24. 27; Mk 3, 22;
Lk 11, 15. 18. 19) als Eigenname des Teufels. In der jüdischen Literatur
632 Matth 12, 24 (Nr. 2)
begegnet dieser Satansname nirgends. Die Erklärung des Namens ist
streitig. Man faßt BesX^sßovX entweder als eine rein lautliche, für
griechische Zungen leichter auszusprechende Umformung von BaeX^s-
ßovß, wie Ambakum statt Ambakuk (Habakuk) oder Beliar statt Belial.
oder wie Bab-el-Mandeb vulgär Bab-el-Mandel ausgesprochen wird. Bei
dieser Erklärung bleibt die Frage unbeantwortet, wie es kam, daß
gerade der Philistergott B. dem Satan seinen Namen gab. — Oder man
deutet BssXlsßovl = ^jqt ^5? „Herr der Wohnung", d. h. des Gebietes,
in welchem die Dämonen hausen. Diese Deutung hat für sich, daß sie
ein Zurückgreifen auf Beelzebub unnötig macht; gegen sie spricht, daß
b^2T im Rabbin. nur die Wohnung Gottes, den Himmel a oder den Tempel b
bezeichnet. Daß man aber jüdischerseits die Bezeichnung der heiligen
Gotteswohnung mit dem Namen des Teufels in Verbindung gebracht
hätte, ist schwer glaublich. — Oder man deutet BssX^sßovX = V^ait b3?2,
d.h. , Mistgott", u. beruft sich dafür auf die jüdische Gepflogenheit,
Gegenstände u. Handlungen, die mit dem Götzendienst etwas zu schaffen
hatten, durch leichte Umformung ihrer Bezeichnungen lächerlich u.
verächtlich zu machen. So habe man auch in diesem Fall durch Ver-
änderung des Namens Beelzebub (Fliegengott) in Beelzebul (Mistgott)
seinem Abscheu gegen den Götzendienst Ausdruck geben wollen. Mit
dieser jüdischen Gewohnheit, mißliebige Namen kakophemistisch um-
zuformen, hat es seine Richtigkeit ;c bedenklich bleibt nur, daß diese
Erklärung gleichfalls Beelzebub u. Beelzebul identifiziert, ohne die Um-
wandlung des Götzennamens Beelzebub in einen jüdischen Satansnamen,
irgendwie begreiflich zu machen. — Wir halten es deshalb für das
Richtige, daß man bei der Erklärung des Wortes BssX'QeßovXJQ^e Bezug-
nahme auf Beelzebub unterläßt u, sich lediglich an die Verwendung des
Verbums bnj u, seiner Derivate im rabbin. Sprachgebrauch hält. Hier zeigt
sich, daß h-2.\ (wörtlich „düngen") u, das Nomen h^z^\ das Darbringen
des götzendienerischen Opfers u, das Substantivum bs? (wörtlich „Dung")
das heidnische Opfer selbst, speziell das Opferblut bezeichnen, d Es
bedurfte auch in diesem Fall nur eines leichten Buchstabenwechsels
u. das solenne nnj „opfern" wurde zum verächtlichen bnj „düngen",
„Beelzebul" bedeutet also auch nach dieser Erklärung „Mistgott", aber
der Oberste der Dämonen trägt diesen Namen nicht in Anlehnung an
den Götzennamen Beelzebub, sondern weil ihm der biia-^T, das Düngen,
d. h. der gesamte götzendienerische Opferkultus galt. Analog bezeichnete
riNTpruin, wörtlich „die Unreinheit", alles was mit dem Dämonenwesen
in Verbindung stand, bezw. die Dß.monen selbst, e
a. zB Chag 12b: Sieben Himmel gibt es, u. diese heißen: ""V" — velum, Vor-
hang, "•-- Firmament, 3"~~» der Verdünnende, Mahlende (im Sinn des Midr), ^nat
Wohnung, ••r-c Wohnung, •■s'i Stätte u. r'zy:, (nach dem Midr wohl ^= das Dunkel)
. . . h^zi, darin befinden sich (das himmlische) Jerusalem, das Heiligtum u. ein er-
bauter Altar, u. Mikhael, der große Fürst, steht u. bringt auf ihm das Opfer dar usw.
(Die ganze Stelle bei 2 Kor 12, 2.)
Matth 12, 24 (Nr. 2) (533
b. zB BH 17 a; -r-sT bedeutet nichts andres als das Heiligtum, s. 1 Kg 8, 18: Gebaut
habe ich ein Haus als Wohnung "siaT dir. Siehe Exkurs: ^Sch^ol" usw. 11,2,«.
C. <AZ 3, 6: Wenn jemand ein Haus dicht neben einem Götzenhaus hat (der Art,
daß beide Gebäude die Scheidewand gemeinsam haben) u. sein Haus stürzt ein, so
ist es verboten, es (in der bisherigen Weise) wiederaufzubauen. Wie soll er es machen?
Er gehe (mit der Hausgrenze) vier Ellen zurück in seinen eigenen Bezirk u. baue
(damit ein Zwischenraum zwischen seinem Haus u. dem des Götzen entsteht). Gehört
er (der Grund u. Boden, auf dem die gemeinsame Wand stand) ihm u. dem Götzen,
so wird halb u. halb gerechnet (u. die ihm zustehende Hälfte darf auf jene vier Ellen
mit verrechnet werden). Die Steine, das Holz u. der Schutt dieser Wand verunreinigen
wie Kriechtiere, denn es heißt: , Verabscheuen sollst du es" Dt 7, 26 (alles was zum
Götzenbild gehört). R. <Aqiba (f um 135) sagte: Wie eine Menstruierende (ver-
unreinigen jene Wandüberreste), denn es heißt; „Wegwerfen wirst du sie wie eine
Menstruierende (der Midr deutet ni-i = m:); hinaus s::! wirst du ihm (dem Götzen-
bild) zurufen" Jes 30, 22. Wie eine Menstruierende durch ^rf^gung (als Last) ver-
unreinigt, so verunreinigt auch ein Götze (d. h. alles was zu ihm in Beziehung steht)
durch Tragung. — R. <Aqibas Satz auch Schab 9, 1 ; die ganze Ausführung ähnlich in
TZabim ö, e; (680). — Zu dieser Mischna bemerkt pEAZS, 43=\ 54: Was ist der Grund
für R. lAqiba? ,Für eitel Greuel sollst du es halten" Dt 7, 26, wie eine Menstruierende.
W^as ist der Grund der Rabbinen? „Durchaus verabscheuen sollst du es" Dt 7, 26,
wie ein Kriechtier. Wie erklären nun die Rabbinen den Schriftgrund des R. cAqiba:
,Für eitel Greuel sollst du es halten?" (Sie erklären:) Mache ihn (den Götzen) zu
Schmutz, mache ihn häßlich (verunstalte ihn)! Woher haben die Rabbinen dies: „Mache
ihn häßlich"? R. Sch'^muel (b. Jicchaq, um 300) u. R. Abbahu (um 300) haben im Namen
des R. EUazar (um 270) gesagt: Es heißt: „Schmutzig benenne ihn" Jes 30, 22 (so der
Midr, indem er su von sn:: oder -s:: „schmutzig, häßlich sein" herleitet». Nennen sie
(die Heiden) ihren Götzen „Gottesgesicht" niVs ':t, so sage man (der Israelit) dazu
„Hundsgesicht" a'ss 'zt; nennen sie ihn „Becherauge" eis ]">•, so sage man dazu
„Dornenauge" V'F T^l nennen sie ihn „Glücksgott" s--j, so sage man dazu „Lächer-
liches" (? s-V; = ys).ou<? oder Exkremente? s. Levy 1, 301 '■'■ u. 334 '^). — Dasselbe mit
geringen textlichen Abweichungen pSchab 5), 1 1 *ä, 18. || T'AZ (!, 4 (469): Allen Orten, die
zum Lobe eines Götzen benannt werden, gibt man Beinamen zum Schimpf: nennen
sie ihn „Gottesgesicht", so sagt man dazu „Hundsgesicht"; nennen sie ihn „Auge des
Alls" hz yy, so sagt man dazu „Dornenauge"; nennen sie ihn „Glücksgott" s-;-^;, so
sagt man dazu s-"*::. 1| 'AZ45'* Bar: R. EliEezer (um 90) sagte: Woher, daß der, welcher
einen Götzen vernichtet hat, ihn hinterher völlig ausrotten muß? Die Schrift sagt
lehrend: „Ihr sollt ihren Namen von .jenem Ort weg' austilgen" Dt 12, 3. R. 'Aqiba
(t um 135) sagte zu ihm: Heißt es denn nicht schon: „Gänzlich zerstören sollt ihr alle
Orte, wo die Heiden, die ihr verdrängt, ihre Götter verehrten" Dt 12, 2? Wenn dem so
ist, was will die Schrift lehrend sagen mit: Ihr sollt ihren Namen von jenem Ort weg
austilgen? Man soll den Namen umnennen (ändern). Etwa zum Lobe? Meinst du
wirklich zum Lobe? Aber vielleicht weder zum Lobe noch zum Schimpf! Die Schrift
sagt lehrend: „Ganz verabscheuen u. für eitel Greuel sollst du es halten" Dt 7, 26.
Wie zB? Nannten sie (den Götzentempel) „Glanzhaus" s^'-s; r-3 (so Levy 1,334'* von
(cyXttut, andre nach dem Syrischen = Versammlungshaus), so sagt man dazu s— 3 r-a
(Ferkelhaus oder Schandhaus von ^oi'qoc:); nannten sie den Götzen „Königsgesicht"
-i'i's 'zt, so sagt man dazu „Hundsgesicht"; nannten sie ihn „Auge des Alls", so sagt
man dazu „Dornenauge". ||GnR39: Von dort zog Abram nach dem Bergland östlich
von Beth-El Gn 12,8. Früher hieß der Ort Beth-El (Gottes Haus), jetzt heißt er
„Stätte des Unheils" -in r-2. R. Eli'ezer (um 90) hat gesagt: Da es (das Gotteshaus
der Christenheit) nicht verdient „Haus der Tugend" h^y- r-= genannt zu werden, so
nennt man es „Haus der Taufe i'syn r-a; dort (in Babylonien) nennt man einen guten
Arbeiter s'-rsy (tugendhaft, tüchtig) u. das Nachtgeschirr nennt man m^oy (= cifxidn,
boshaftes AV ortspiel zu --ly.. Taufe), s. Levy 1.492'' nach ed. Konstantinopel 1512. —
634 Matth 12,24 (Nr. 2. 3)
Dasselbe als Bar, aber mit korrumpiertem Text pSchab J>, 11'', 25; p'cAZ 3, 43*, 60. II
Hierher gehört auch die Veränderung des Wortes ivayyshov in V*V? r>' = ,Unheils-
rand" oder ••"5"; T'-:. = „ Sündenrand ". Schab 116": R. Meir (um 150) nannte es „Un-
heilsrand" (Unheilsschrift), R. Jochanan (f 279) nannte es ^Sündenrand" (Sünden-
schriftl. — Amolo, Erzbischof von Lyon 841— 852 (bei Strack, Jesus S. 15* f.): Sanctos
apostolos impie immutato vocabulo appellant apostatas, tamquam non missos a deo
sed refugas legis suae. Evangelium . . . ipsi propria lingua malitiosissime immutantes
vocant Havongalion, quod interpretatur Latine iniquitatis revelatio,^ asserentes videlicet
quod non in eo mysterium salutis humanae, sed iniquitas, qua totus mundus in errorem
mitteretur, fuerit revelata. 1| Endlich vgl. M'^g25l>: Rah Nachman (b. Ja<aqob, f 320)
hat gesagt: Jede Verspottung ist verboten, ausgenommen die Verspottung eines Götzen,
die erlaubt ist; denn es heißt Jes 46, 1 : Eingeknickt ist Bei, es duckt sich Nebo;
ferner das. Vers 2: Eingeknickt u. niedergeduckt sind sie allesamt, können die Last
nicht von sich gehen lassen (d. h. im Sinne des Midr: ihren Unrat, ob sie sich vor
Schmerzen winden u. ducken). R. Jannai (um 225) hat gesagt: Von dieser Stelle
(Hos 10, 5) ist der Beweis zu erbringen: „Für das Kälberstück von Beth-Aven sind
besorgt die Bewohner von Samarien; denn traurig ist seinethalben sein Volk, u. seine
Pfaffen schreien auf seinetwegen, wegen seiner Herrlichkeit, daß sie von ihm geht*
Lies nicht ma: , seine Herrlichkeit", sondern "-^'as , seine Schwere" (^ Last ■= Unrat,
wie vorhin). Rab Huna b. Manoach hat im Namen des Rah Acha b. Iqa (?) gesagt:
Es ist dem Israeliten erlaubt zu einem Goi zu sagen: Nimm den Götzen u. lege ihn
auf sein Schin-Tav (= r© Gesäß Jes 20, 4). — Parallelstelle, doch ohne den letzten
Satz, Sanh63l>. |l Aus dem AT vgl. schon Nu 32, 38 „geänderten Namens"; Psl6, 4
„nicht will ich ihreNamenauf meine Lippen nehmen"; Dn „cAbedN'^'go" für „Abed N^'bo".
d. TSAZ 2, 5 (462): Man darf in die Theater der Gojim des Götzendienstes wegen
nicht gehn; das sind M^'orte des R. Meir (um 150). Die Gelehrten sagten: Wenn sie
opfern, ist es des Götzendienstes wegen verboten; wenn sie aber nicht opfern, ist es
verboten, weil Spötter dort sitzen (vgl. Ps 1, 1). Die Ausgabe Zuckermandel liest beide
Male =-n3T'2 „opfern"; die Wiener Handschrift hat a-^aTi „düngen" = opfern. So auch
die Bar ?AZ IS^: In die Theater u. Zirkusse darf man nicht gehn, weil man dort den
Götzen den Dung düngt T"yV V-i3«t er a">V3T>20 ^zt-c; das sind die Worte des R. Me'ir.
Die Gelehrten sagten: Wo man opfert (=-V3t>3 = düngt), ist es verboten, weil man
in den Verdacht des Götzendienstes kommt; wo man aber nicht opfert r'^sar^s, ist es
verboten wegen des Sitzes der Spötter. || pB'rakh9, 13l>, 57: R. Jose b. Bun (um 350)
hat im Namen des R. Levi (um oOO) gesagt: Sieht man sie (die Heiden), wie sie den
Götzen opfern d-'sstö, so spricht man Ex 22, 19: Wer den Götzen opfert, sei gebannt. |j
Midr HL 1, 1 (78*): (Joseph) kam eines Tages in das Haus, um seine Arbeit zu ver-
richten Gn39, 11. R. J**huda (um 150) sagte: Ein Schand- u. Misttag war es ("-5ia-j ai-
^la-'Ti, d. h. der Ehren- u. Opfertag eines Nilfestes). — In P siqR 6 (23=*): Der Misttag
5^3"T a^- des Nils war es. In GnR 87 (55*^): Der Schandtag Via'j oi' des Nils war es.
Tanch ar-i 46* liest: Jener Tag war ein Opfertag des Nils z-h'i hx imat a-^-. ||
fAZ49'' Bar: Wenn ein Feld mit dem Mist '-2t (= Opferblut) eines Götzen gedüngt
worden ist, so darf das Feld (nach Einer Ansicht) besät werden.
e. Sanh 91 ^: R. Jirm^'ja b. Abba (um 250) hat gesagt: . . . Abraham übergab (den
Nachkommen seiner Kebsweiber) den Namen der Unreinheit (= Dämonennanien, durch
welche jene Zauberei trieben).
3. ccQxovTi TOiv dm/jioiiorr. — Als Haupt aller Satane erscheint
a, Sammael, s. oben S. 136 bei Mt 4, l. — \ ß, LvR 5 (108=») wird ein
„Fürst der Geister" Nrnm rn^"»» erwähnt. GnR 36 (22») liest dafür
der .Sched Sch^'madon'': dieser Name ist wohl = Aschm^dai, der
* Die Erklärung ,revelatio' ist unrichtig: ■■-'s-j geht nicht auf *-5 „kundtun, offen-
baren" zurück, sondern auf-?.? „leer sein", u. bedeutet den leeren Rand eines Schriftstückes.
Matth 12, 2".. 27.09. :^0 635
König der Dämonen; s. den Exkurs: Altjüdische Dämonologie Nr. 3. — 1
y, Beliar, s. bei 2 Kor 6, 15.
12, 25: Jedes Reich, das wider sich selbst gespalten ist, wird
verwüstet u. jede Stadt oder Haus, die wider sich selbst ge-
spalten, werden nicht bestehen.
Derekh Erep Zuta5: R. Elicezer {.sonst meist ElSazar) Ha-qappar (um 220) sagte:
Groß ist der Friede, aber verhaßt die Parteiuug. Groß ist der Friede, denn obwohl sie
Götzendienst trieben, konnte ihnen gewissermaßen die Sch'khina (Gottheit) nichts
anhaben, wie es heißt: „Versippt mit Götzen ist Ephraim — laß ihn in Ruhe!" Hos 4, 17.
Aber wenn unter ihnen Parteiung ist, wie heißt es da von ihnen? „Geteilt ist ihr Herz;
nunmehr werden sie es büßen" Hos 10, 2. Wie das? Ein Haus, in welchem Parteiung
ist, wird schließlich sicherlich zerstört ^2~^\ '^'° rpiVr;^ ^3 uj-r r-:. Und die Gelehrten
sagten: Ist Parteiung in einer Synagoge, so wird diese schließlich sicherlich losgerissen
-rrrn's T.fz. Wenn zwei Gelehrtenschüler in einer Stadt wohnen u. einen Gerichtshof
bilden u. zwischen ihnen ist Parteiung, so werden sie schließlich sicherlich sterben.
Abba Scha^ul (um 150) sagte: Parteiung in einem Gerichtshof bedeutet Zerstörung der
Welt. — Der Anfang auch SNu 6, 26 § 42 (12b); in GnR 38 (53») Rabbi als Autor genannt.
12,27: Durch wen treiben eure Söhne aus?
Hierzu s. Exkurs über Dämonologie Nr. 7, h.
12,27: Deshalb werden sie eure Richter sein.
Der Gedanke begegnet öfters in der rabbin. Literatur, daß der Mensch
im göttl. Gericht an seinesgleichen gemessen werde; s. bei Mt 12,41 93.
12, 29: Wenn er nicht zuvor den Starken gebunden hat.
J'»jö'?y. — Test Levi 18: Beliar wird von ihm (dem Hohenpriester der
messian. Endzeit) gebunden werden, u. er wird seinen Kindern Gewalt
geben, auf die bösen Geister zu treten.
12,30: Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.
0 /t/; (Tvväyon' fiei' s'ßov axogni^si. — Der Sinn der Worte ist klar:
wer nicht mit mir das Reich Gottes fördert, schädigt es. Ob dies die
genuine Bedeutung des Ausspruchs Jesu gewesen ist?
Jalqut zu Nu 27, 2 (1 § 773) bringt aus Siphre Zuta folgenden Ausspruch: So hat
Hillel (um 20 v. Chr.) gesagt: In einer Zeit, da man zerstreut (nämlich seine Wege,
d. h. da man von Gott abweicht, vgl. Jer3, 13), sammle (halte zurück) den Fuß; an
einem Orte, da niemand zuspringt (zu einer Ware, um sie zu erwerben), da kaufe; an
einem Orte, da es keine Männer gibt, bemühe dich ein Mann zu sein! — Die Redensart
vom Sammeln u. Zerstreuen des Fußes auch SDt 32, 25 § 321 (137b): Zur Zeit des Krieges
sammle den Fuß (halte ihn zurück, damit du nicht in die Gewalt des Feindes fällst);
zur Zeit der Hungersnot zerstreue den Fuß (mache der Wege viel, damit du Nahrung
kaufst). — Der Ausspruch Hillels ist später (so wohl auch Bacher, Tann.- 1,6) um-
gemodelt u. auf das Einsammeln u. Austeilen der Gotteslehre gedeutet worden. So
schon TB'^rakh 7,24 (17): Hillel, der Alte, sagte: Zur Zeit, da man sammelt, streue
aus; u. zur Zeit, da man ausstreut, sammle. Zur Zeit, da du siehst, daß die Lehre
beliebt bei Israel ist u. alle sich ihrer freuen, da streue sie aus, s. „Mancher streut
freigebig aus u. wird noch reicher" Spr 11, 24; u. zur Zeit, da du siehst, daß die Lehre
von Israel vergessen ist u. niemand nach ihr fragt, da sammle sie ein (halte sie zurück),
denn es heißt: „Zeit zu handeln ist es für Jahve, sie haben deine Lehre gebrochen"
636 Matth 12, 30. 32(Nr. 1)
Ps 119, 126. — Ebenso in Midr Spr 5, 16. — In pB'^rakh J), 14*', .5 zum Teil aramäisch:
Hillel, der Alte, pflegte zu sagen: Wenn man sammelt, streue aus; wenn man ausstreut,
fea.^.imle. Ebenso hat Hillel gesagt: Wenn du siehst, daß die Tora beliebt ist bei Israel u.
alle »ich ihrer freuen, streue aus; u. wenn nicht, sammle. — Ähnlich Midr Sm 1 (21 1>). —
Die Bar B'^rakh 63» schließt sich zunächst an die Tosephta an. Dann folgt: Bar Qappara
(um 220) hat ötfentlich vorgetragen: , Wird's billig, dann sammle, kaufe; an einem Ort,
da kein Mann ist, da sei du ein Mann", ein Ausspruch, der nach Siphre Zuta (s. oben)
Hillel angehört.
Dürfte man annehmen, daß die Worte vom Sammeln u. Zerstreuen in
Jesu Mund ursprünglich in der speziellen Bedeutung vom Zurückhalten u.
Gehenlassen des Fußes gemeint waren, so würde der Sinn von Mt 1 2, 30 "^
sein: Wer nicht bei mir ausharrt, der macht viele Wege u. verliert sich.
12, 32: Wer (ein Wort) wider den heiligen Geist redet, dem
wird nicht vergeben werden, weder in dieser Welt noch in
der zukünftigen Welt.
I.Sünden, die auf Grund ihrer Sühnung in dieser Welt vergeben werden.
TJomaö, 6 ff. (190): R. Jischniacel (t um 135) sagte: Eine vierfache Sühnung gibt
es. Wer ein Gebot übertritt u. Buße tut, geht nicht von dannen, ohne daß man (= Gott)
ihm vergibt, s.: „Kehret wieder (in Buße), ihr abtrünnigen Söhne, ich will eure Ab-
irrungen heilen" Jer 3, 22. — Wer Verbote übertritt u. Buße tut, der bleibt in der Schwebe
lohne sofortige Vergebung u. Bestrafung), bis der Versöhnungstag Sühnung schafft, s.:
„An diesem Tage wird man für euch Sühnung schaffen, um euch zu reinigen; von
allen euren Sünden sollt ihr vor Jahve rein werden" Lv 16, 30. — Wer Übertretungen
begeht, auf die Ausrottung oder gerichtliche Todesstrafen gesetzt sind, u. Buße tut,
den hält diese u. der Versöhnungstag in der Schwebe, u. (erst) Leiden schaffen (volle)
Sühnung, s.: „Ich will heimsuchen mit dem Stecken ihren Frevel u. mit Plagen ihre
Missetat" Ps 89, 33. — Aber wenn der Name Gottes durch einen entheiligt worden ist
u. er dann Buße getan hat, so hat weder die Buße Kraft (die Strafe) hinauszuschieben,
noch der Versöhnungstag ihm Sühnung zu verschaffen, sondern die Buße u. der Ver-
söhnungstag schaffen ein Drittel S., u. die Leiden an den übrigen Tagen des Jahres
schaffen ein Drittel S.. u. der Todestag schafft volle S., s.: „Nimmer gesühnt werden
soll euch dieser Frevel, bis daß ihr sterbet" Jes 22, 14. — Diese Ausführung auch M®kh
Ex 20, 7 (76 a); pJoma s, 45 b, 60; pSanh 10, 27 «, 47; pSch^bu 1, 33 b, 52; Joma 86 a; Aboth
RN 29; Midr Spr 10 § 1 (33a). || joma 8, 8 f.: Sündopfer u. Schuldopfer füi- bewußte Sünden
schaffen Sühnung. Der Tod u. der Versöhnuugstag schaffen S. in Verbindung mit der
Buße. Die Buße schafft S. wegen leichter Übertretungen von Geboten u. Verboten ; bei
schweren Übertretungen schiebt sie (die Bestrafung) hinaus, bis der Versöhnungstag
kommt u. S. schafft. Wer spricht: „Ich will immer weiter sündigen u. immer wieder
Buße tun", dem gibt man (Gott) keine Gelegenheit, Buße zu tun; (wer spricht:) „Ich
will sündigen u. der Versöhnungstag wird S. schaffen", dem schafft der Versöhnungstag
keine S. Die Sünden eines Menschen gegen Gott sühnt der V.tag; die Sünden eines
Menschen gegen seinen Nächsten sühnt der V.tag erst, wenn er diesen ausgesöhnt hat.
Dies hat R. EUazar b. cAzarja (um 100) vorgetragen: „Von allen euren Sünden vor Jahve
sollt ihr rein werden" Lv 16, 30, d. h. die Sünden eines Menschen gegen Gott sühnt der
V.tag; die Sünden aber eines Menschen gegen seinen Nächsten sühnt der V.tag erst,
wenn er diesen ausgesöhnt hat. — Dazu wird Joma 87» gefragt: Warum heißt es: Ich
will sündigen u. Buße tun? Es ist, wie Rab Huna (f 297) im Namen Rabs (f 247)
gesagt hat. Rab Huna hat gesagt, Rab habe gesagt: Wenn ein Mensch Einmal, zweimal
eine Übertretung begangen hat, so ist sie ihm erlaubt. Meinst du wirklich, sie ist ihm
erlaubt? Vielmehr sie wird ihm so, als ob sie ihm erlaubt wäre. Vgl. die schärfere
Fassung AbothRN 39 Anfang: Für fünf gibt es keine Vergebung: wer viel bereut (weil
Matth 12, 32 (Nr. 1—4) 637
or immer weiter sündigt); wer viel sündigt; wer in einem frommen Zeitalter sündigt;
wer sündigt mit dem Gedanken, Buße zu tun, u. wer sich der Entheiligung des gött-
lichen Namens schuldig macht. — Bacher, Tann.* 1, 279 ist geneigt, diesen Ausspruch
dem R.cAqiba (tum i:->5) zuzuschreiben. || TJomaö, 9 (190): Das Sündopfer, das Schuld-
opfer, der Tod u. der Versöhnungstag, sie alle sühnen nur in Gemeinschaft mit Buße;
s. Lv23, 27: „.Jedoch -s am 10. dieses 7. Monats" usw. (-;s hat einschränkende Be-
deutung:) Wenn er Buße tut, wird ihm Sühnung zuteil, wenn nicht, so wird ihm keine
Sühnung zuteil. R. El'azar (b. Scharnrnua', um 150) sagte: Es heißt: „Und er vergibt"
Ex 84, 7, er vergibt den Bußfertigen, aber nicht den Unbußfertigen. R. J^'huda (um 150)
sagte: Der Tod u. der Versöhnungstag sühnen in Verbindung mit der Buße. Die Buße
sühnt in Verbindung mit dem Tode u. der Todestag durch Buße. (Der Text ist hier
schwerlich in Ordnung.) — Der anonyme Eingangssatz kürzer in SLv 2-^, 27 (412») ; der
AusspruchdesR.ElcBzar ausführlicher Joma 86 a. \\ JomaHS^'Bars. unt'erNr.4. |j Sanh44b
Bar: Einmal wurde ein Mensch zur Hinrichtung abgeführt; er sagte: Wenn diese Schuld
(derentwegen er verurteilt war) auf mir liegt, so möge mein Tod nicht die Sühne für alle
meine Verschuldungen sein; wenn aber diese Schuld nicht auf mir liegt, so möge mein
Tod die Sühne für alle meine Verschuldungen sein u. der Gerichtshof u. ganz Israel
soll schuldlos (an meinem Tode) sein; den Zeugen aber soll keine Vergebung in Ewig-
keit zuteil werden. Als die Gelehrten das hörten, sagten sie: Ihn zurückzuführen ist
nicht möglich, da der Gerichtsbeschluß bereits gefaßt ist. also werde er hingerichtet;
aber das Eisen hange am Halse der Zeugen (sie haben die Verantwortung zu tragen)! —
Die Bar findet sich TSanh 9, 5 (429).
2. Sünden, die in der zukünftigen Welt vergeben werden sei es auf
Grund ihrer Sülinuiig durch das Feuer des Gehinnoms, sei es auf Grund
der göttlichen Gnade.
Hierüber s. Exkurs: Sch^ol, Gehinnom u. Gan JEden II, 5 u. 6. — Hier sei nur noch
auf Targ Jernsch II zu Gn4, 7 verwiesen: Wenn du dein Tun gut (schön) machst in
dieser Welt, wird dir vergeben u. erlassen werden in der zukünftigen Welt; wenn du
aber dein Tun nicht gut machst in dieser Welt, so wird dir deine Sünde behalten (auf-
bewahrt zur Bestrafung) für den Tag des großen Gerichts (am jüngsten Tage).
3. Sünden, die in der zukünftigen Welt nicht vergeben werden, weil es
für sie niemals eine Sühnung gibt. — Hierzu s.Exk. „Sch'ol* usw. II, 5. 6.
4. ^ic 6' ay sTTTfi xaroc tov ursv/uuToc rov ayiuv. — Das rabbin. Juden-
tum verstand unter dem heiligen Geist den Geist der Prophetie u. In-
spiration, „Wider den heihgen Geist reden" würde also soviel gewesen
sein wie: „frech wider die Tora reden". Diese Sünde wurde zu den
unvergebbaren Sünden gerechnet.
Aboth 3, 1 1 : R. EI<azar aus Moditim hat gesagt: Wer die heiligen Gaben (wie Opfer,
Geweihtes) entheiligt, wef die Feiertage verachtet, wer seinen Genossen öffentlich
beschämt, wer den Bund unsres Vaters Abraham (durch Wiederherstellung der Vorhaut)
zunichte macht, wer das Gesicht wider die, Tora aufdeckt rf^ira d'je n?;??- (r= wer
frech gegen die Tora redet), der hat, auch wenn (sonst) gute Taten in seiner Hand sind,
keinen Anteil an der zukünftigen Welt (weil diese Sünden nicht vergeben werden). —
Parallelstelle SNu 15,31 § U2^33a). — Anders urteilt Jonia85b Bar: Rabbi sagte: Alle
Übertretungen, die es in der Tora gibt, gleichviel ob man Buße getan hat oder nicht,
sühnt der Versöhnungstag, ausgenommen wer das Joch ider Gottesherrschaft) von sich
wirft (d. h. Gott verleugnet) u. wer das Gesicht wider die Tora aufdeckt u. wer den
Fleischesbund bricht (die Besclineidung verachtet). Wenn ein solcher Buße tut, schafft
der V.tag Sühne; wenn er aber nicht Buße tut, schafft der V.tag keine Süline. — Ebenso
Sch'^bu 13a; K^rith 79 » (andre Ausgaben 7a) ; mit Abweichungen pJoma N, 45 ^, 54 ; pSch'^bu
1. H:-!^), 46 ; Joma 87 =1. |! Sanh 10. 1 : Dies sind die, welche keinen Anteil an der zukünftigen
638 Matth 12. 32 (iNr. 4. 5). 12, 33 (i\r. 1)
Welt haben: wer sagt: ,Es gibt keine Auferstehung der Toten" u.: ,Die Tora ist nicht
von Gott" u. der Freidenker. |l Sanh 99 « Bar: „Das Wort Jahves hat er veraclitet . , .,
ausgerottet soll diese Seele werden" Nu 15, 31, das geht auf den, welcher sagt: Die
Tora stammt nicht von Gott. Und auch wenn er sagt: Die ganze Tora stammt von
Gott mit Ausnahme dieses Verses, den nicht Gott, sondern Mose aus seinem eignen
Munde gesagt hat, ist ein solcher, von welchem gilt: Das Wort Jahves hat er verachtet.
Und auch wenn er sagt: Die ganze Tora stammt von Gott mit Ausnahme dieser
Forschung (dieser oder jener von den Rabbinen aus der Tora hergeleiteten Lehre),
dieser Schlußfolgerung aus dem Leichteren auf das Schwerere, dieses Analogieschlusses,
so ist er ein solcher, von welchem gilt: Das Wort Jahves hat er verachtet!
5. fu'ff SV lovco) T(Tj alüui ovTs ir zro ixi-Xkom. — Über diese u. die
zukünftige Welt s. den entsprechenden Exkurs.
12,33: Denn aus der Frucht wird der Baum erkannt.
1. ^ns, Frucht, als Bezeichnung der Folge eines Gedankens oder
einer Handlung bereits im AT: Jes3, 10; 10,12; Jerl7, 10; Hos 10, 13;
Spr 1,31 u. ö. Ebenso bezeichnet im Rabbin. -^^s «, die Folge, die aus
dem Gedanken oder der Handlung eines Menschen erwächst; ß, die
Folge, die Gott sei es als Lohn, sei es als Strafe über einen Menschen
bringt. Im letzteren Fall ist -^-e oft der einzelne Lohn oder die einzelne
Strafe, gewissermaßen die Zins- oder Abschlagszahlung; dann be-
zeichnet i-p das Stammkapital, d. h. den vollen Lohn u. die volle Strafe,
die dem Menschen erst bei der Endabrechnung in der zukünftigen Welt
ausgezahlt werden. Vgl. auch S. 466 bei Mt 7, 16 5t.
Ein klassischer Beleg, der zugleich die Frage beantwortet, inwieweit Gott den
Menschen für seine Gedanken verantwortlich macht, findet sich TPeaI,2 — 4 (18):
Wegen folgender Dinge wird ein Mensch in dieser Welt bestraft, während das Stamm-
kapital '-- ihm in der zukünftigen Welt anstehen bleibt: Götzendienst, Unzucht, Blut-
vergießen u. Verleumdung, die so schwer wiegt wie alle übrigen zusammen. Das Ver-
dienst (= verdienstliche Handlung) hat ein Stammkapital u. auch Zinsen r-"E, wie es
heißt Jes 3, 10: „Saget vom Gerechten, daß er es gut haben werde (in der zukünftigen
Welt bei Austeilung des "t), daß sie die Frucht "-z ihrer Taten genießen werden"
(als Zinsen oder Abschlagszahlung in dieser Welt). Die Übertretung (abgesehen von
den vier oben erwähnten Sünden) hat ein Stammkapital u. keine Zinsen,^ wie es heißt
Jes 3, 11: ,Wehe dem schlimmen Frevler; denn was seine Hände vollbracht haben,
wird ihm angetan werden" (so der Midr, um im Gegensatz zu Vers 10 oben nur Eine
Strafandrohung zu gewinnen, die dann auf die zukünftige Welt bezogen wird). Wie
halte ich dann aber aufrecht: ,Sie sollen essen von der Frucht ihres Weges u. von
ihren Ratschlägen satt werden" Spr 1,31? (Hier wird ja von den Zinsen der bösen
Werke, also von irdischen Strafen gehandelt neben dem Sattwerden, der vollen Strafe
in der zuk. Welt!) Es ist so gemeint: Eine Übertretung, die Früchte trägt (weitere
Übertretungen veranlaßt), hat Früchte (empfängt ihre Strafe in dieser Welt), u. die
keine Früchte trägt, hat keine Früchte. (Hiernach werden in der gegenwärtigen u. in
der zuk. Welt bestraft «, die zuerst genannten vier Kardinalsünden, ß, sämtliche Sünden,
aus denen neue Sünden hervorwachsen; nur in der zuk. Welt diejenigen Sünden, die
auf Erden ohne weitere Sündenfolge blieben.) Eine gute Absicht rechnet Gott als Tat,
eine böse Absicht rechnet Gott nicht als Tat; denn es heißt: „Wenn ich Bosheit in
meinem Herzen beabsichtigt hätte, so würde Jahve nicht darauf achten' Ps 66, 18.
^ Gott läßt den Sünder in dieser Welt oft unbestraft, damit dessen Strafe um so
größer ist in der zukünftigen Welt.
Matth 12, 83 (Nr. 1.2). 12, 84. 36 (Nr. 1) 639
Wie halte ich dann aber aufrecht: „Siehe, ich bringe Unheil über dieses Volk als
Frucht (Straffolge) ihrer Gedanken" Jer6, 19? Es ist so gemeint: Eine gute Absicht,
die Gutes wirkt, zählt Gott zu den Werken, u. die kein Gutes weiter wirkt, zählt er
nicht als Werk (ebenso verhält es sich mit einer bösen Absicht: sie wird nur dann
bestraft, wenn aus ihr Unheil hervorgeht). Parallelstellen mit einzelnen Abweichungen
Qid 40" u. pPea 1, 16'', 1 : in letzterer Stelle folgt: Was du da sagst, gilt von Israel;
aber bei den Gojim gilt das Umgekehrte: Die gute Absicht rechnet Gott nicht (als
Tat), denn es heißt: ,Bis zum Sonnenuntergang war er darauf bedacht, ihn zu retten"
Dnti, 15, u. nicht steht geschrieben: „Und er rettete ihn". Die böse Absicht aber
rechnet er als Tat, denn es heißt: „Wegen der Tötung, wegen der Gewalttat an deinem
Bruder Jakob" Obadja9f. (so der Midr). Aber hat denn Esau den Jakob getötet?
Allein weil er beabsichtigte ihn zu töten, rechnet es ihm die Schrift so an, als ob er
ihn getötet hätte.
2. ex TOI' xagnoi' i6 d't'rdQoi' yivMaxerm, ohne Bild: Die Absicht (der
Gedanke) eines Menschen wird aus seinem Tun erkannt = rnsi? irn^n^a
T^iTi'^ -irr Chull IS** (zweimal).
12, 34: Otterngezüchte. Zu ysfi'tjuteia f/nfi'wf s. Mt 3, 7.
12,34: Aus dem Überfluß (Überschwang) des Herzens
redet der Mund.
Midr Ps 9 §2 (40"^): R. Sch'^mueP hat als tannaitische Tradition im Namen des
R. J^huda (um 150) gelehrt: Wenn dir jemand sagen will, wann der Erlösungstermin
(= messianische Zeit) anbrechen wird, so glaube ihm nicht, weil es heißt: „Der Rache-
tag ist in meinem Herzen" Jes63,4. Das Herz hat es dem Munde nicht kundgetan,
wem könnte es der Mund kundtun! — In Midr Qoh 12, 9 (54'') ist der Schlußsatz, wohl
irrtümlich, von seiner Stelle gerückt u. einem Ausspruch des R. J^'hoschuaf b. Levi über
die Begräbnisstätte Moses angehängt worden. ]| GnR 84 (53'^'): „Seine Brüder haßten
ihn u. vermochten nicht freundlich mit ihm zu reden" Gn 37, 4. R. Ahaba b. Z'^fira
(gegen 350) hat gesagt: Aus der Schande der Stammväter erfährst du ihr Lob. Dort
(2Sml3, 22) heißt es: „Absalom redete mit Amnon weder Böses noch Gutes; denn
Absalom haßte den Amnon"; was in seinem Herzen war, blieb in seinem Herzen
n-a-'Ta r;"3'Vs '-. Aber hier (Gn 37,4) heißt es: Sie vermochten nicht freundlich mit
ihm zu reden ; was in ihren Herzen war, war auch in ihrem Munde i'miia "jirrs-iVa --:. —
In der Parallelstelle Midr Ps 28 §4 (115 '') heißt es von den Stammvätern s-siEa sa-^^a-; u.
von Absalom s»3"ie3 s's ss-'-sst = was im Herzen, (war) im Munde, bezw.: nicht im Munde.
12,36: über jedes unnütze Wort . . . werden sie am Tage
des Gerichts Rechenschaft ablegen.
1. n(iy ^tjfia ttQyöf. pChag2, 77'', 22: „Siehe, der Bildner der Berge u. Schöpfer des
Geistes u. der dem Menschen ansagt, was dessen Reden" (Sinnen) Am 4, 18. Dies ist eine
von den sechs Schriftstellen, bei denen Rabbi, wenn er sie las, zu weinen pflegte. . . . Auch
die Worte, in denen keine Sünde ist, werden dem Menschen auf seine (himmlische)
Tafel geschrieben. — Etwas abweichende Parallelstellen: Midr KL 3, 29 (71 b); Midr
Qoh 12, 14(55''). 11 ChagSb: Was heißt in Am 4, 13: „Dessen Reden"? Rab (f 247) hat
gesagt: Auch das überflüssige Reden --t-« nn-o des Mannes mit seiner Frau wird
man ihm in seiner Sterbestunde (vor Gottes Richterstuhl) kundtun. — LvR26(124'^)
wird an einen Ausspruch des R. Jafbe^ (gegen 300) der Satz angeschlossen: Selbst
die Worte, die keinen wesentlichen Inhalt haben x-^sa nna V'*-» selbst ein leichtfertiges
Gespräch n^j? rsn-r, das ein Mann mit seinem Weibe führt, werden auf die Tafel des
^ Lies nach Midr Qoh: R. Schaiul aus Nave, im 4. Jahrb., falls identisch mit Schela
aus Nave; Bacher, Pal. Amor. 3, 749.
640 Matth 12. 36 (Nr. 1. 2,i. 12, 38
Menschen geschrieben, u. in seiner Sterbestunde liest man sie ihm vor. ij Ta?an 11 ^ :
Man hat gesagt: Wenn ein Mensch in die Ewigkeit hinübergeht, so gehen alle seine
Werke vor ihm her u. sagen zu ihm: So u. so hast du getan an dem u. dem Ort u.
an dem u. dem Tag; sagt er dann: Ja (so ist es), so spricht man zu ihm: Untersiegle,
untersiegle! s. Hi37, 7: , Durch die Hand eines jeden Menschen untersiegelt er." Und
nicht nur dies, sondern der Mensch erkennt das Gericht auch als gerecht an u. sagt
zu ihnen: Ihr habt mich recht (wörtlich: schön) gerichtet, s.: ,Auf daß du recht be-
haltest in deinem Reden, rein seiest in deinem Richten" Pst1,6. || f AZ IS-*^: R. Schimfon
b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Was bedeutet: „Die Sünde meiner Fersen umgibt
mich"? Ps 49, 6. Die Sünden, auf die ein Mensch in dieser Welt mit seinen Fersen
getreten (d. h. die er für nichts geachtet) hat, umringen ihn am. Tage des Gerichts. |!
Joma77 ': „Nimm deinen Fuß in acht vor dem Barfußwerden u. deine Kehle, daß sie
nicht durstig werde" Jer 2, 25. Rab Nachman b. JiQchaq (f o5ti) hat gesagt: Halte dich
von der Sünde zurück, damit dein Fuß nicht in Gefahr komme, barfuß gehen zu müssen
(hinaus ins Exil, so Raschi). Halte deine Zunge fern von unnützen Worten, d-^m:? n—2-,
damit deine Kehle nicht dem Durst anheimfalle (im Gehinnom?). || TargQoh5, 2:
Törichtes Geschwätz kommt bei einer Menge unnützer Worte ••^;w3 l""?:'"?:;. II GuRÖ^SS"):
R. Chanina (um 225) u. R. MarinoS haben beide im Namen des Abba N^horai (um 150j
gesagt: Wenn jemand ein wohlbegründetes Wort -pinia "z-, vor R. Tarphon (um 100)
sagte, so pflegte dieser zu sagen (um seinen Beifall auszudrücken): »Knauf u. Blüte"
(s. Ex 25, 33)! Wenn aber jemand ein Wort der Nichtigkeit ^v»?-' ''■'' ''^" sagte, so
pflegte er zu sagen: „Mein Sohn wird nicht mit euch hinabziehen!" (s. Gn 42, 38).
Das. 91 (öS'*): (Die Söhne Jakobs sprachen zu ihrem Vater, s. Gn 43, 3 ff.:) Jener (Joseph)
hat Worte der Wahrheit zu uns geredet, u. wir sollten ihm Worte der Nichtigkeit
nVü3 "5» c-^3T antworten? . . . R. Levi (um 300) hat im Namen des R. Chama b. Chanina
(um 260) gesagt: Niemals hat unser Vater Jakob ein Wort der Nichtigkeit n'iua hv -z--
geredet. . . .
2. Dem duodoiaovffiv . . Köyov entspricht das häufige -iis^jn"! "pn ipi? T'l"'nr.
GnR 26 (17''): R. Acha (um 3J0) hat gesagt: Auch die unfruchtbaren Bäume werden
(am Tage des Gerichts) Rechenschaft u. Rechnung abzulegen haben 'm ^t ir--: i^Try.
Die Rabbinen sagten es auf Grund der Stelle Dt 20, 19: „Wie der Mensch ist der
Baum des Feldes" (so der Midn: wie der Mensch R. u. R. abzulegen hat, so auch die
Bäume. || Aboth4, 22: (R. Elfazar Ha-qappar, um 180) sagte: Ohne deinen Willen bist
du geschaffen, u. ohne deinen Willen bist du geboren, u. ohne deinen Willen lebst du,
u. ohne deinen Willen stirbst du, u. ohne deinen Willen wirst du R. u. R. abzulegen
haben vor dem König aller Könige, gepriesen sei er! |! Aboth 3, 1 : f Aqabja b. Mahalahei
(um 70) pflegte zu sagen: Achte genau auf drei Dinge, u. du wirst nicht in die Gewalt
der Sünde kommen. Wisse, woher du gekommen bist (aus einem übelriechenden Tropfen ).
u. wohin du gehst (zu Maden u. Würmern), u. vor wem du R. u. R. abzulegen haben
wirst; nämlich vor dem König der Könige, gepriesen sei er! — Zum Gericht in der
Sterbestunde s. Exkurs: „Sch*^ol" usw. 11,8.
12, 38: Wir wünschen von dir ein Zeichen zu sehen.
Zeichenforderung zur Beglaubigung von Worten u. Personen.
Sanh 98": Den R. Jose b. Qisma (um 110) fragten seine Schüler: Wann kommt der
Sohn Davids (= Messias)? Er antwortete: Ich fürchte, ihr könntet von mir ein Zeichen
rix fordern. Sie sprachen: Wir werden von dir kein Zeichen fordern. Er sprach:
Wenn dieses Tor (von Cäsarea? oder von Tiberias?, s. Bacher, Tann.^ 1, 3y8f.) wird
eingestürzt u. aufgebaut sein u. wiederum eingestürzt u. aufgebaut sein wird u. wiederum
eingestürzt u. aufgebaut sein wird (so nach der richtigen Lesart) u. wiederum eingestürzt
sein wird, dann wird der Sohn Davids kommen, noch bevor man es wieder aufgebaut
hat. Da sprachen sie: Unser Lehrer, gib uns ein Zeichen! Er sprach zu ihnen: Habt
ihr nicht also zu mir gesagt, daß ihr kein Zeichen von mir fordern wollt? Sie ant-
Matth 12,38.39(911.2) 641
worteten: Gleichwohl! Er sprach: So mögen sich die Wasser der Grotte von Pameas
(Quellort des Jordans) in Blut verwandeln! Da verwandelten sie sich in Blut. — Ähn-
lich TanchB -^vi §8 (83b). || Vgl. ferner das Zitat aus BM 59 b hei Mt 3, 17 S. 127 y. |]
Sanh 9;3b: Bar Kozeba (= Bar Kokh^ba) regierte 3\/2 Jahre. Er sprach zu den Rabbinen:
Ich bin der Messias. Sie antworteten: Von Messias steht geschrieben, daß er riecht
u. richtet (nach dem Geruch richtet ohne nähere Untersuchung, vgl. -rr^irti Jes 11,3); .
wir wollen sehen, ob er riecht u. richtet! Als sie nun sahen, daß er nicht riechen u.
richten konnte, töteten sie ihn. (Daß die Juden Bar Kokh'^'ba getötet hätten, ist un-
historisch.) il P''siqR36(162''^): Unsre Lehrer haben gelehrt: Wenn der König, der Messias
sich offenbaren wird, wird er kommen u. auf dem Dach des Heiligtums stehen. Dann
wird er den Israeliten verkündigen u. ihnen sagen: Ihr Geplagten, die Zeit eurer Er-
lösung ist da; u. wenn ihr es nicht glaubt, so sehet auf mein Licht, das über euch
aufstrahlt, s. : „Stehe auf, werde Licht; denn dein Licht kommt u. die Herrlichkeit
Jahves strahlt auf über dir" Jes 60, 1. — Hier bietet der Messias den Juden selbst
ein Zeichen an. 1| ExR9(73b): R. J'^huda b. Schalem (um 370) hat gesagt: Mit Recht
hat der Pharao gesagt: „Gebet für euch (zu eurer Beglaubigung) ein Zeichen* rfc
Ex 7,9. Ebenso findest du es bei Noah. Nach all den Zeichen (Wundern d-?:), die ihm
Gott in der Arche getan hatte, führte er ihn heraus u. sprach zu ihm: „Nicht mehr
soll eine Sündflut kommen, um alles Fleisch ^ zu vernichten." Da fing Noah an, ein
Zeichen (^="0, Gt]fxsioi) zu fordern, bis Gott zu ihm sprach Gn9, 13: „Meinen Bogen
gebe ich im Gewölk." Wenn nun Noah, der Gerechte, ein Zeichen gefordert hat, um
wieviel mehr gilt das dann von dem gottlosen Pharao. Ebenso findest du es bei Hiskia.
Als Jesaja kam u. zu ihm sagte 2 Kg 20, 5: Sa hat Jahve gesagt: . . . „Siehe, ich heile
dich, am dritten Tage wirst du in das Haus Jahves hinaufgehn", fing er an, ein Zeichen
l^'ü zu fordern, wie es heißt das. Vers 8: Es sprach Hiskia: Was ist das Zeichen r-s
dafür, daß ich in das Haus Jahves hinaufgehen werde? und wenn Hiskia, der Ge-
rechte, ein Zeichen forderte, mußte es nicht erst recht der Frevler Pharao? Als Chananja,
Mischael u. fAzarja in den Feuerofen hinabstiegen, stiegen sie nur auf ein Zeichen hin
hinab. Wie denn? „Nicht uns, Jahve, nicht uns" (Ps 115, 1) hat Chananja gesprochen;
„deinem Namen gib Ehre" (das.) hat Mischael gesprochen; „ob deiner Gnade, ob deiner
Wahrheit" (das.) hat sAzarja gesprochen. Und (der Engel) Gabriel hat nach ihnen ge-
antwortet: Warum sollen die Heiden sagen: „Wo ist doch ihr Gott?" (das. Vers 2).
Nachdem das die ganze Nacht hindurch in ihrem Munde geläufig gewesen war, em-
pfingen sie jenes Zeichen p'o u. stiegen hinab. LTnd wenn du es nicht von dieser Stelle
lernen willst, so lerne es von einer anderen Stelle; denn es heißt: „Höre doch, Josua,
du Hoherpriester, du u. deine Genossen, welche vor dir sitzen, denn Männer eines
Wunderzeichens rsis sind sie" Sach 3,8. Und wer waren sie? R. J^huda b. Schalom hat
gesagt: Es waren Chananja, Mischael u. ?Azarja, denen dieses Zeichen p'O geschah.
Und wenn nun die Gerechten ein Zeichen fordern ]^'Z) n'vpz'c, um wieviel mehr dann die
Gottlosen. || Weiteres bei Mt 16, 1 u. 1 Kor 1, 22; ferner Sanh 90» bei Mt 7, 15 S. 465.
12,39 51: Ein böses u. ehebrecherisches Geschlecht
verlangt ein Zeichen.
1. ysvsd novTjQÜ = sü^n wsni Targ Onk Gn 6, o. — Solch ein Geschlecht
sollte nach allgemeiner Annahme die Generation sein, in der der Messias
erscheinen würde; s. den Exk.: Vorzeichen der messian. Zeit usw. I, a.
2. yevsd . . . ij,oixccXig, wohl bildlich gemeint = Geschlecht, das treulos
Gotte abtrünnig geworden ist, nach der bekannten alttest. Auffassung
von dem Bundesverhältnis zwischen Gott u. Israel als einem Ehebund;
vgl. Jes 57, 3: n:Tm cix;^ yiT; Vers 4: ip\r ^^t :->r2 •^ih-'. — Faßt man y. ii.
^ So wird Gn9, 11 zitiert,
strack u.Billerbeck. NT I. 41
642 Matth 12,39(?l 2. 83 1)
im eigentlichen Sinn als Geschlecht, dessen charakteristische Sünde die
Unzucht ist, so würden die geschichtlichen Zeugnisse dem nicht gerade
widersprechen.
Die diesbezüglichen Zitate aus den Pseudepigraphen s. bei Rom 2, 22. Aus der
rabbin. Literatur sei auf den klassischen Beleg verwiesen Sota 9, 9: Seitdem die Ehe-
brecher sich mehrten, hörte das Trinken der bitteren Wasser (des Eiferwassers) auf,
u. zwar machte ihm Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) ein Ende, weil es heißt
Hos 4, 14: Nicht heimsuchen will ich eure Töchter, wenn sie buhlen, u. eure Bräute,
wenn sie ehebrechen. — Dazu bemerkt pSotaJ>, 24'', 20: Denn es steht geschrieben: ,Denn
sie selbst gehen mit den Huren abseits" Hos 4, 14; ferner s. Nu 5,27: ,Das Weib wird
zu einer Verfluchung werden inmitten ihres Volkes", nämlich wenn ihr Volk vollkommen
ist, nicht aber, wenn ihr Volk unzüchtig ist. Und Nu 5, 31 heißt es: „Und der Mann
ist frei von Verschuldung." Wann wird das Weib seine Verschuldung tragen (Nu 5, 31)?
Wenn der Mann rein von Schuld ist. — Dies besagt: Weil das ganze Volk u. insonderheit
die Männerwelt der Unzucht frönte, wollte Rabban Jochanan b. Z. auf Grund von Hos
4,14''' nicht die Frauenwelt allein bestraft wissen. — Farblos Sota47'': Als die sich
mehrten mit dem emporgereckten Halse u. den lüstern blickenden Augen (vgl. Jes 3, 16),
da mehrte sich das Trinken des Eiferwassers; aber es wurde dann abgeschafft.
Doch ist darauf hinzuweisen, daß das Judentum selbst für die schlimm-
ste Volkssünde der .Jahrzehnte vor der Tempelzerstörung nicht die Un-
zucht gehalten hat, sondern die im geheimen schleichende Gehässigkeit.
TM<^nl3,22(533): R. Jochanan b. Tortha (um 110) hat gesagt: Warum ist Schilo
zerstört worden? Wegen der Verachtung der heiligen Opfer, die sich darin vorfand.
Warum ist Jerusalem, der erste Bau, zerstört worden? Wegen des Götzendienstes,
der Unzucht u. des Blutvergießens in seiner Mitte. Aber während des letzten Baues
wissen wir doch von ihnen (den Israeliten), daß sie sich mit dem Torastudium mühten
u. sorgfältig auf die Zehnten achteten — warum sind sie in die Verbannung gezogen
(nach der Zerstörung i. J. 70 n. Chr.)? Weil sie den Mammon liebten u. sich unter-
einander haßten, um dich zu lehren, daß der gegenseitige Haß schlimm ist vor Gott
u. daß ihn die Schrift gleichsetzt dem Götzendienst, der Unzucht u. dem Blutvergießen. —
Ähnlich pJoma 1,38°, 48; stark erweitert auch durch biblische Belegstellen Joma 9^'^;
ein Bruchstück auch NuR 7 (148'^).
12, .39^: Es wird ihm kein Zeichen gegeben werden,
außer dem Zeichen des Propheten Jona.
Der Prophet Jona in der jüdischen Haggada.
1. Jonas Herkunft.
GnR 98 (62 *) : R. J^huda b. Nachman (um 2ö0) u. R. Levi (um 300) erhielten an jedem
Sabbat zwei Sela?, um die Gemeinde des R. Jochanan (bis zu dessen Vortrag durch
ihre eigenen Vorträge) zusammenzuhalten.' R. Levi sprach: Jona war vom Stamm
Zebuion, s. Jos 19, 10. 13: Da wurde das dritte Los für die Söhne Zebuions gezogen . . .,
u. ihre Grenze geht ostwärts nach Gath-Chepher. Und 2 Kg 14, 25 heißt es: ,Jona,
Sohn Amittais, der aus Gath Chepher (also dem Stamm Zebuion) stammte." Das sind
die Bergrücken von Sepphoris. Darauf trug R. Jochanan vor: Jona war aus dem Stamme
Ascher, s. : „Ascher verdrängte nicht die Bewohner von fAkko u. die Bewohner von
(^idon" Ri 1,31; u.: „Stehe auf, ziehe nach (^arpath, welche zu (^idon gehört" 1 Kg 17,9.
(Die Stellen sind beweiskräftig nur unter der Voraussetzung, daß R. Jochanan den von
Elias auferweckten Sohn der Witwe von (^arpath mit dem Propheten Jona identifiziert
hat, s. die nächsten Zitate.) R. Levi sagte zu R. J^'huda (so lies mit pSukka statt
,R. Jochanan"): Obgleich der (nächste) Sabbat dir (zum Vortrag) gehört, so nimm die
^ sri-.iiV; über r^'^u — zusammenhalten s. Bacher, Pal. Amor. 1,217. 3.
Matth 12, 39(951.2) Ö43
beiden Selaf u. laß mich (zum Vortrag an deiner Stelle) eintreten. Dann sprach er:
Obwohl uns R. Jochanan am vergangenen Sabbat gelehrt hat, daß Jona vom Stamm
Ascher war, so ist doch vielmehr sein Vater vom Stamm Zebuion u. seme Mutter vom
Stamm Ascher gewesen; denn es heißt: , Zebuion, seine Hüfte (so der Midr) ist gegen
(^idon" Gn49, 13; d.h. die Hüfte, aus der .Jona hervorging (also sein Vater) ist von
(Jidon (Zebuion) gewesen. — Dasselbe mit Vertauschung der Autorennamen pSukka
."), .55^44. — II Midr Ps 26 §7 (110 '0: Der Sohn der Witwe von ^arpath ist Jona, der
Sohn des Amittai gewesen. ]| PirqeREl 33: Elias ging nach (^arpath, wo ihn eine Witwe
mit großen Ehren aufnahm; das war die Mutter des Jona.
2. Jonas Berufung u. die Motive seiner Flucht.
pSukka 5, 55*, 54: R. Jona (um 350) hat gesagt: Jona, der Sohn des Amittai, ge-
hörte zu den Festpilgern, u. als er zu der Freude in der Halle der Wasserlibation (am
Abend des zweiten Tages des Laubhüttenfestes) kam, ruhte der heilige Geist auf ihm
(ward ihm die Weissagung zuteil, s. Jona 1, If.). Das will dich lehren, daß der heilige
Geist (Geist der Prophetie) nur auf einem fröhlichen Herzen ruht. j| M%h zu Ex 12, 1 (1 b);
Wisse, daß die Sch'^^khina (Gottheit) sich nicht im Auslande offenbart (nämlich nach
der Besitznahme Kanaans durch Israel); s. : ,Da machte sich Jona auf, um nach
Tarschisch zu fliehen" Jona 1,3. Wie, vor Gott wollte er fliehen? Heißt es denn nicht
längst: „Wohin soll ich gehn vor deinem Geist. . . . Wenn ich aufsteige zum Himmel,
.so bist du da. . . . Flöge ich mit Flügeln der Morgenröte . . ., so würde auch dort deine
Hand mich führen"? Ps 139, 7 ff. Ferner s.: ,Die Augen Jahves schweifen über die
ganze Erde" Sach4, 10; „An jeglichem Ort sind die Augen Jahves, beobachtend die
Bösen u. die Guten" Spr 15,3; „Wenn sie in die Unterwelt durchbrächen . . . u. wenn
sie in den Himmel hinaufstiegen . . . u. wenn sie sich versteckten auf dem Gipfel des
Karmel, so will ich sie von dort greifen u. holen" Amos 9, 2 f. ; „Es gibt keine Finsternis
noch Todesschatten, darin sich verbergen könnten die Übeltäter" Hi 34, 22. Vielmehr
sprach Jona: Ich will in das Ausland gehn, an einen Ort, an dem die Sch'^khina nicht
weilt u. sich nicht offenbart; denn die Gojim nähern sich (leicht) der Buße, damit sie
Israel (in seiner Unbußfertigkeit) nicht schuldig erscheinen lassen. Gleich dem Knecht
eines Priesters, der seinem Herrn entlaufen war. Er sprach: Ich will auf einen Be-
gräbnisplatz gehen, an einen Ort, an den mein Herr mir nicht folgen darf. Sein Herr
aber sprach zu ihm: Ich habe deinesgleichen (die dir folgen u. dich zurückbringen
können)! So sprach Jona: Ich will ins Ausland gehn, an einen Ort, an dem die Sch%hina
sich nicht offenbart; denn die Nichtisraeliten nähern sich (leicht) der Buße, damit sie
Israel nicht schuldig erscheinen lassen. Da sprach Gott zu ihm: Ich habe Boten, die
deinesgleichen sind (die zu dir passen), s.: „Jahve warf einen großen Wind auf das
Meer" Jona 1,4. || pSanh 11,30b, 45: R. Jona (um 350) hat gesagt: Jona, der Sohn des
Am., ist ein Prophet der Wahrheit gewesen. Du findest, als Gott zu ihm sprach:
„Mache dich aufi gehe nach Ninive, der großen Stadt, ü. predige wider sie; denn ihre
Bosheit ist vor mein Angesicht aufgestiegen" Jona 1,2, da sprach Jona: Ich weiß, daß
die Nichtisraeliten sich (leicht) der Buße nähern; u. siehe, wenn ich nun hingehe u.
wider sie weissage u. sie dann Buße tun, so wird Gott an den gottlosen Israeliten (die
in Unbußfertigkeit verhan-en) Rache nehmen. Was liegt mir also ob zu tun? Ich
werde fliehen! Da machte sich Jona auf um nach Tarschisch zu fliehen vor dem An-
gesichte Jahves Jona 1,3. — Der Gedanke, daß Jona im Interesse seines Volkes ge-
flohen sei, tritt hervor auch M®kh Ex 12, 1 (2'^): R.Jonathan (gemeint ist der um
140 n. Chr. lebende Vertreter der Schule Jischmafels) sagte: Jona ist weggegangen,
nur um sich selbst im Meer dem Untergang zu weihen; denn er sprach zu ihnen:
„Hebet mich auf u. schleudert mich ins Meer" Jona 1, 12. Ebenso findest du es" bei
den Vätern (Israels) u. den Propheten, daß sie sich selbst für Israel dahingaben. —
Als Beispiele werden dann genannt Mose nach Ex 32,32; Nu 11, 15 u. David nach
2Sm 24, 17. — Vgl. auch M^kh Ex 12, 1 (2^): Man kann sagen, daß von drei Propheten
der eine die Ehre des Vaters (Gottes) u. die Ehre des Sohnes (Israels) gesucht hat.
41*
644 Matth 12,39 (5Ö2. 8)
Der zweite suchte die Eine des Vaters, aber nicbt die Ehre des Sohnes. Der dritte
suchte die Ehre des Sohnes, aber nicht die Ehre des Vaters. Jeremia suchte die Ehre
des Vaters u. die Ehre des Sohnes, s. KL 3,42: Wir waren abtrünnig u. widerspenstig
(diese Worte haben die Ehre des Vaters im Auge); du hast nicht vergeben (diese
Worte suchen Israels Ehre). Deshalb wurde (zum Lohn dafür) sein Weissagen ver-
doppelt, s. Jer36, 32: Es wurden noch viele Worte gleicher Art „hinzugefügt". Elias
suchte die Ehre des Vaters, aber nicht die Ehre des Sohnes, s.: ,1m Eifer habe ich
geeifert um Jahve, den Gott der Heerscharen; denn die Kinder Israel haben deinen
Bund verlassen" usw. 1 Kg 19, 14. Und wie heißt es darauf? Da sprach Jahve zu ihm:
Geh hin, kehre auf deinen Weg zurück . . . u. Elisa sollst du zum Propheten salben
an deiner Statt. Mit den Worten „an deiner Statt" sollte dem Propheten nichts andres
gesagt werden als: Ich mag deine Prophetie nicht (zur Strafe für das einseitige Suchen
der Ehre Gottes). Jona suchte die Ehre des Sohnes, aber nicht die Ehre des Vaters. Darum
heißt es: „Es erging das Wort Jahves an Jona zum zweitenmal also" (Jona 3,1). Zum
zweitenmal wurde mit ihm geredet, aber nicht zum drittenmal (zur Strafe für das ein-
seitige Suchen der Ehre Israels). — Der den Propheten Jona betreffende Ausspruch
ist nach J'^b 98'' von R. f Aqiba, f um 135. i| PirqeREl 10 Anf. : An einem fünften Wochen-
tag (Donnerstag) ist Jona vor Gott geflohen. Warum ist er geflohen? Das erste Mal
hatte Gott ihn gesandt (mit der Weissagung), daß Jarobfam das Gebiet Israels wieder-
gewinnen werde, u. seine Worte erfüllten sich, s. 2 Kg 14,25. Ein zweites Mal hatte
er ihn nach Jerusalem gesandt (mit der Androhung), daß dieses zerstört werden sollte.
Weil .sie aber Buße taten, handelte Gott nach der Fülle seiner Gnade u. ließ sich des
Unglücks gereuen, so daß es nicht zerstört wurde. Da nannten die Israeliten den Jona
einen falschen Propheten. Das dritte Mal sandte er ihn nach Ninive. Da zog Jona
bei sich selbst diese Schlußfolgerung: Ich weiß, daß dieses Volk sich leicht der Buße
nähert; wenn sie nun jetzt Buße tun, so wird Gott seinen Zorn über Israel senden,
u. nicht genug, daß mich die Israeliten einen falschen Propheten genannt haben, sondern
auch die Völker der Welt werden es tun. Siehe, so will ich an einen Ort fliehen, von
dem nicht gesagt wird, daß Gottes Herrlichkeit daselbst sei (so daß sich Gott mir
dort nicht offenbaren wird). Sowohl vom Himmel heißt es, daß Gottes Herrlichkeit
daselbst sei, s. Ps 113,4, als auch von der Erde heißt es, daß Gottes H. daselbst sei,
s. Jes 6, 3. Deshalb ging Jona nach Joppe hinab (um aufs Meer zu gelangen, von dem
nicht gesagt wird, daß Gottes H. daselbst sei).
3. Jona auf dem Meere.
PirqeREl 10: Jona ging hinab nach Joppe, fand aber dort kein Schiff, in das er
hätte steigen können; u. das Schiff, in das er (später) stieg, war von Joppe zwei Tage-
reisen entfernt. Was tat Gott, um ihn zu versuchen? Er ließ über das Schiff" einen
Sturmwind im Meer hereinbrechen, der es nach Joppe zurückbrachte. Als Jona das
sah, freute er sich in seinem Herzen u. sprach: Jetzt erkenne ich, daß meine Reise
Glück haben wird. Er sprach zu ihnen: Ich will mit euch ziehen! Sie antworteten:
Wir fahren nach der Küste (oder Inseln) des Meeres von Tarschisch. Er sprach: Ich
komme mit euch. Auf allen Schiffen war es üblich, daß man, wenn man es verließ, den
Fahrpreis bezahlte; Jona aber in der Freude seines Herzens bezahlte den Preis im
voraus, s. Jona 1,3.' Als sie eine Tagereise weit vom Lande entfernt waren, erhob sich
wider sie ein Sturmwind im Meer rechts u. links, während die Fahrt aller übrigen
Schiffe, die ausfuhren u. einfuhren, glücklich bei ruhiger See vor sich ging. Das Schiff,
in welches Jona gestiegen war, befand sich in großer Not, wie es heißt: „Das Schiff
wollte scheitern" Jona ), 4. R. Chananja ^ sagte: Aus allen 70 Sprachen befanden sich
* N«'d 38" dient die Stelle als Beweis für Jonas Reichtum. R. Jochanan (f 279)
sagte: Er bezahlte den Fährlohn (^oder den Wert?j des ganzen Schiffes. R. Romanos
(um 200) hat gesagt: der Fährlohn (oder der Wert?) des Schiffes betrug 4000 Golddenare.
^ Die Autornamen sind in PirqeREl meist fingiert u. deshalb für die Bestimmung
der Zeit eines Ausspruchs wertlos.
Matth 12, 39 (© 3) 645
Leute auf dem Schiff u. jeder hielt sein Götzenbild in seiner Hand, wie es heißt: ,Da
fürchteten sich die Seeleute u. schrien jeder zu seinem Gott" Jona 1, 5; u. sie warfen
sich nieder u. sprachen: Wir wollen jeder zu seinem Gott rufen, u. der Gott, der hören
u. uns aus dieser Not erretten wird, soll (der wahre) Gott sein! Da schrien sie jeder
zu seinem Gott; aber es half ihnen nichts. Und Jona war vor Betrübnis seiner Seele
in tiefen Schlaf gesunken. Da trat der Befehlshaber der Schiffsmannschaft an ihn
heran u. sprach zu ihm: Siehe, wir stehen zwischen Tod u. Leben, u. du liegst in
tiefem Schlafe da! Aus welchem Volk bist du? Er antwortete: Ich bin ein Hebräer.
Jener sprach: Haben wir nicht gehört, daß der Gott der Hebräer groß ist? Steh auf
u. rufe zu deinem Gott! vielleicht wird Gott Bedacht auf uns nehmen u. ein Wunder
an uns tun, wie er euch am Schilfmeer getan hat. Jona sprach: Ich will euch nicht
verhehlen, daß diese Not meinetwegen über euch gekommen ist; nehmt mich u. werft
mich ins Meer, so wird das Meer stille werden um euch her, s. Jona 1, 12. R. Schimfon
(der Name pseudepigraphisch) sagte: Die Leute nahmen es nicht an, ihn ins Meer zu
werfen, sondern warfen die Lose über sich; da fiel das Los auf Jona, s. Jona 1, 7. Was
taten sie? Sie nahmen die Gerätschaften, die sich im Schilf befanden, und warfen sie
ins Meer, um das Schiff zu erleichtern; aber es nützte nichts. Sie beabsichtigten zurück
ans Pestland zu gelangen; aber sie vermochten es nicht. Was taten sie? Sie nahmen
den Jona u. traten in das Hinterteil des Schiffes u. sprachen: Ewiger Gott, Jahve, laß
nicht unschuldiges Blut über uns kommen: denn wir wissen nicht, von welcher Be-
schaffenheit dieser Mann ist (d. h. welche Bewandtnis es mit ihm hat). Jona sprach
zu ihnen: Um meinetwillen ist diese Not über euch gekommen; nehmt mich u. werfet
mich ins Meer. Alsbald nahmen sie ihn u. ließen ihn (ins Meer) hinab bis an seine
Knie. Da stand das Meer von seinem Brausen ab. Sie nahmen ihn wieder zu sich (ins
Schiff zurück); da tobte das Meer um sie her. Sie ließen ihn hinab bis an seinen
Nabel; da stand das Meer von seinem Brausen ab. Sie zogen ihn herauf zu sich, da
tobte das Meer weiter um sie her. Sie ließen ihn hinab bis an seinen Hals, da stand
das Meer von seinem Brausen ab; u. noch einmal zogen sie ihn empor zu sich, da
tobte das Meer weiter um sie her. Dann ließen sie ihn ganz hinab, u. sofort stand
das Meer von seinem Brausen ab. — R. Tarphon (der Name pseudepigraphisch) sagte:
Seit den sechs Schöpfungstagen war jener Fisch dazu bestimmt, den Jona zu ver-
schlingen,^ s. : , Und Jahve bestimmte einen großen Fisch, den Jona zu verschlingen"
Jona 2, 1. Erging in seinen Rachen hinein, wie wenn ein Mensch in eine große Synagoge
eintritt u. darin steht. Die beiden Augen des Fisches waren wie Fenster (1. r'-tir^rs
^= Ejucfdifiazci, Krauß, Lehn w. 2, 61), die dem Jona leuchteten. R. Meir (Name pseud-
epigraphisch) sagte: Eine Perle hing im Innern des Fisches, die dem Jona leuchtete,
wie die Sonne, wenn sie zu Mittag leuchtet, u. sie ließ ihn alles sehen, was im Meer
u. in den Urtiefen ist, u. darauf bezieht sich: , Licht ist gesät für den Gerechten"
Ps97, IL — Der Fisch sprach zu Jona: Weißt du nicht, wann mein Tag kommt, im
Maul des Liyjathan verspeist zu werden? Jona antwortete: Bring mich hin zu ihm.
Dann sprach er zum Livjathan: Deinetwegen bin ich (hierher) herabgekommen, um die
Stätte deiner Wohnung zu sehen; denn ich werde dereinst die Schlinge an deine Zunge
legen, um dich hinaufzuziehen u. zu schlachten für das große Mahl der Gerechten (in
der zukünftigen Welt, s. Exkurs: Sch'ol usw. III gegen Ende). Da zeigte ihm Jona das
Siegel Abrahams (d.h. die Beschneidungsstelle) u. sprach zu ihm: Siehan den Bund!
Und der Livjathan blickte hin u. floh vor Jona zwei Tagereisen weit. Da sprach Jona
zu dem Fisch: Siehe, ich habe dich aus dem Maul des Livjathan errettet; nun laß
mich alles sehen, was im Meer u. in den ürtiefen ist. Da zeigte ihm der Fisch den
großen Strom der Wasser des Ozeans, s.: ,Der Abgrund umringte mich" Jona 2, 6.
> Vgl. GnR5 (4''): R. Jirm'^ja b Eifazar (um 27'0) hat gesagt: Mit allem, was Gott
in den sechs Schöpfungstagen geschaffen hat, hat er eine Vereinbarung getroffen (be-
treffs der Wunder, die an einem bestimmten Geschöpf oder durch dasselbe geschelien
sollten). Als Beleg wird auch der Fisch Jonas genannt.
646 Matth 12,39 (83 3)
Ferner zeigte er ihm das Schilfmeer, durch welches die Israeliten hindurchgezogen sind,
s.: , Schilfgras war um mein Haupt gewunden." Er zeigte ihm den Ort, aus dem die
Brandungen des Meeres u. seine Wogen hervorbrechen; er zeigte ihm die Säulen der
Erde u. ihre Grundfesten, s. : ,Die Erde, ihre Riegel schlössen sich hinter mir auf
immer"; er zeigte ihm den Gehinnom, s.: ,Du brachtest aus der Grube herauf mein
Leben, Jahve mein Gott"; er zeigte ihm die unterste Sch'^ol, s. : „Aus dem Bauche
der Sch*^ol habe ich geschrien, du hast meine Stimme vernommen"; er zeigte ihm den
Tempel Gottes, s.: ,Zu den Enden (Ausläufern) der Berge bin ich hinabgefahren"
(2, 3 — 7). Von hier aus lernen wir, daß Jerusalem auf sieben Bergen steht. Er zeigte
ihm den Grundstein, der auf den Urtiefen befestigt ist unterhalb des Tempels Jahves,
u. auf welchem die Söhne Qorachs stehen u. flehen. Da sprach der Fisch zu ihm:
Jona, siehe, du stehst unterhalb des Tempels Jahves; bete, so wirst du erhört werden.
Jona sprach zum Fisch: Stehe still an dem Ort, da du stehst, denn ich will beten.
Der Fisch stand still, u. Jona begann vor Gott zu beten u. sprach: Herr der Welt, du
wirst genannt der, welcher erniedrigt u. erhöht: ich bin erniedrigt, so erhöhe mich!
Du wirst genannt der, welcher tötet u. lebendig macht: .siehe, meine Seele ist dem
Tode nahe, so mache mich lebendig! Aber er wojrde nicht erhört, bis aus seinem
Munde dieses Wort kam, daß er sprach: „Was ich gelobt habe, das will ich erfüllen"
{s. 2, 10); ich habe gelobt, den Livjathan heraufzuholen u. vor dir zu schlachten; ich
will es erfüllen am Tag der Errettung Israels. Alsbald gab Gott dem Fisch einen
Wink, daß er den Jona ausspie. — Es sahen die Seeleute (von Jonas Schiff) alle diese
Zeichen u. großen Wunder, die Jahve an Jona tat. Sofort standen sie auf u. warfen
ein jeder seinen Götzen ins Meer, s. 2, 9: „Die da warteten nichtiger Eitelkeiten, ver-
ließen ihre Schande" (— Götzen, so der Midr). Dann kehrten sie nach Joppe zurück
u. zogen hinauf nach Jerusalem, um das Fleisch ihrer Vorhaut beschneiden zu lassen.
S.Jon 1, l(i: „Es fürchteten die Seeleute Jahven gar sehr u. schlachteten Jahve Opfer."
Wie, ein Opfer hätten sie geschlachtet? Man nimmt doch kein Opfer von einem Götzen-
diener an! ' Allein es ist damit das Blut des Bundes (das Beschneidungsblut) gemeint,
das wie Opferblut ist. Und sie gelobten (vgl. Jona 1, 16), daß ein jeder sein Weib u.
alles, was er hatte, anleiten wolle, den Gott Jonas zu fürchten. Und was sie gelobt
hatten, erfüllten sie; u. in bezug auf sie, die Proselyten, die Proselyten der Gerechtig-
keit (d.h. Vollproselyten) heißt es: „Sprechen mögen es die den Herrn fürchten
(^Proselyten); denn seine Gnade währet ewiglich!" Ps 118,4.- — Jalqut zu Jona 1
§ 550 bringt obigen Abschnitt aus den PirqeREl mit größeren Einschaltungen: Jona
geht aus dem Leib des ersten Fisches in den eines zweiten Fisches über, in dessen
Enge er endlich beten lernt; das Gebet selbst ist wesentlich erweitert. Mit Jalqut
stimmt der Midrasch Jona überein. || Midr Ps 26 § 7 (110''): Der Sohn der Witwe von
(j^arpath, das ist Jona, der Sohn des Amittai, war ein vollkommner Gerechter; er
wurde geläutert im Schlund der Fische (Plural wie im Jalqut s. voriges Zitat) u. in
den Wogen der Meere; aber er starb nicht, sondern Jahve gebot dem Fjsche, daß er
Jona aufs trockne Land spie Jona 2. 11, u. während seines Lebens ist er wegen seiner
Ehre in den Gan ?Eden eingegangen. — Unter den neun Personen, die nach der
Tradition (in Derekh Ere^ Zuta 1 Ende) lebendig ins Paradies eingegangen sind, wird
Jona nicht aufgezählt. Die Meinung wird wohl dahin gehn, daß Jona im Fische den
Gan fEden gesehen habe, gleichwie er nach PirqeREl den Gehinnom erblickt hat.
Zu letzterer Meinung vgl. auch ?Er 19^: R. Jirm'^ja b. Elafzar (um 270) hat gesagt: Drei
Eingänge hat der Gehinnom, einen in der Wüste, einen im Meer u. einen in Jerusalem.
In der Wüste: „So fuhren sie (Qorach u. sein Anhang) lebendig in die Sch'^ol (= Ge-
hinnom) hinab" Nu 16, 33. Im Meer: „Aus dem Bauche der Sch^'ol habe ich geschrien,
du hast meine Stimme vernommen" Jona 2, 3. In Jerusalem: „Jahve, der seine lichte
^ Dieser Satz entspricht in seiner Allgemeinheit nicht der Halakha.
^ So nach der Parallelstelle Midr Jona (Beth ha-Midrasch 1, 99). Oder es ist mit
den Worten p-s ■--; u^^ir, hy der Anfang der 13. Bitte des Achtzehn-Gebetes zitiert.
Matth 12, 39 (S 3. 4) 647
Flamme hat auf Zion u. seinen Feuerofen zu Jerusalem" Jes31,9. — Die Lage des
Gan ?Eden hätte man sich in diesem Fall, wie auch sonst (s. Exkurs: Sch*^ol usw.
III, 2,. f), am äußersten Ende des Ozeans gedacht. |j Jalqut zu Jos 2, 16 § 12 (ausGnR56):
Gott läßt die Gerechten nicht länger als drei Tage in Not. Als Beweisstellen werden
dann beigebracht Hos 6, 2; Gn 42, 18; Jona 2, 1 : Jona war in den Eingeweiden
des Fisches drei Tage u. drei Nächte; Esra 8, 15; Esth 5, 1. — Die einleitenden
Worte fehlen jedoch in GnR 56 (35*^); dagegen finden sie sich GnR91 (öT^) in dieser
Fassung: Niemals läßt Gott die Gerechten drei Tage lang in Not; so lernen wir es
von Joseph (vgl. Gn 42, 17), von Jona, von Mardokhai u. von David; desgleichen aus
Hos 6, 2; s. die"^ ungekürzte Stelle bei Mt 16, 21. || pB rakh 0, 13», 42: R. Judan (um 350)
hat im Namen des R. Ji^chaq (um 300) gesagt: Ein Mensch hat einen Schutzherrn
(Patron); man meldet diesem: Dein Schützling ist ergriffen worden! Er antwortet: Ich
werde für ihn eintreten. Man meldet ihm: Siehe, er wird zur Verurteilung abgeführt!
Er antwortet: Ich werde für ihn eintreten. Man meldet ihm: Siehe, er ist ins Wasser
gestürzt worden! Wo ist nun der Schützling u. wo sein Schutzherr'? Aber Gott errettete
den Jona aus dem Innern des Fisches, s. Jona 2, 11. — Eine ähnliche Ausführung wird
dem R. Elfazar (um 270) zugeschiieben pBerakh 1), 13'\ 15.
4. Ninives Buße.
GnR 37 (22"): „Er baute Ninive . . . u. Resen, zwischen Ninive u. Kelach; das ist
die große Stadt" Gn 10, Uf. Wir wissen nicht, ob Resen oder ob Ninive ,die große
Stadt" ist. Aber aus „Ninive war eine große Stadt vor Gott" Jona 3, 3 ist zu entnehmen,
daß Ninive mit der großen Stadt (in Gn 10) gemeint ist. || Jalqut zu Jona 3, 3 § 550
(aus einem „Midrasch"): Ninive hatte einen umfang von drei Tagereisen. Es gab in
Ninive 12 Straßen, u. in jeder von ihnen wohnten 12000 Menschen; jede Straße
hatte 12 Durchgänge (zu den einzelnen Häuserkomplexen), iu jedem Durchgang waren
12 Höfe, jeder Hof hatte 12 Häuser, in jedem Haus wohnten 12 Helden u. jeder
Held hatte 12 Söhne. Als Jona auf dem Markte predigte, wurde seine Stimme eine
Strecke von 40 Tagereisen weit gehört, u. man hörte seine Stimme in jedem einzelnen
Haus. In jener Stunde gelangte die Angelegenheit vor Asnappar, den König von Ninive
(vgl. Esra 4, 10). \\ PirqeREl43: R. N'^chonja b. Ha-qana (der Name ist pseudepigraphisch)
sagte: Willst du die Kraft der Buße kennen lernen, komm u. sieh es an dem Pharao,
dem König von Ägypten, der sich gar sehr gegen den höchsten Fels {y~" ~'-i, eine
auffällige Gottesbezeichnung) empört hatte: Wer ist Jahve, daß ich auf seine Stimme
hören sollte? Ex 5, 2. Und mit demselben Ausdruck, mit welchem er gesündigt hatte,
tat er Buße: „Wer ist wie du unter den Göttern, Jahve?" Ex 15, 11 (der Midr legt
dies Wort dem Ph. in den Mund). Und Gott errettete ihn aus dem Tode. Woher läßt
es sich beweisen, daß der Pharao nicht starb? Weil es heißt: „Denn sonst liätte ich
meine Hand ausgestreckt u. dich . . . geschlagen, u. du wärest von der Erde weggetilgt
worden" Ex 9, 15. Gott ließ ihn aber inmitten der Toten am Leben, damit er die Kraft
seiner Stärke erzähle. Und woher, daß er ihn am Leben ließ? „Aber um deswillen
ließ ich dich am Leben, auf daß ich dich meine Kraft sehen ließe" Ex 9, 16.^ Der
Pharao ging u. wurde König von Ninive. Die Leute von Ninive erließen Bedrückungs-
edikte (vgl. Jes 10, 1) u. beraubten einander u. kamen in unnatürlicher Unzucht über-
einander, u. was dergleichen böse Werke mehr waren. Als nun Gott den Jona sandte,
wider die Stadt zu weissagen, daß sie zerstört werden sollte, hörte es der Pharao u.
erhob sich von seinem Thron u. zerriß seine Gewänder u. kleidete sich in Sack u.
Asche u. ließ in seinem ganzen Volke ausrufen, daß sein ganzes Volk drei Tage lang
fasten sollte; jeder aber, der nach diesen Worten nicht tun würde, sollte mit Feuer
verbrannt werden. Was tat er? Er stellte die Männer auf die eine Seite u. die Frauen
auf die andre Seite (jedes Geschlecht sollte für sich Buße tun). Desgleichen stellte
er alle reinen Tiere auf die eine Seite, alle unreinen auf die andre u. auch ihre Jungen
1 M^khEx 14,28(39'') vertritt R. N'chemja (um 150) auf Grund von Ex 9, 16 die
Meinung, daß der Pharao am Leben geblieben sei.
648 Matth 12, 39 (So 4. 5)
(abgesondert) auf eine Seite. Und die Jungen sahen die Euter der Muttertiere u. wollten
saugen, u. die Muttertiere sahen ihre Jungen u. wollten sie säugen u. schrieen. Es
waren ihrer aber mehr als 12 Myriaden Menschen (s. Jona 4, 11); u. Jahve ließ sich
des Unheils gereuen, das er geredet hatte (3, 10). Vierzig Jahre hielt er ihnen seinen
Zorn auf entsprechend den vierzig Tagen (3, 5). die er Jona nach Ninive gesandt hatte;
nach Verlauf von vierzig Jahren kehrten sie zu ihren früheren Werken gar sehr zurück;
da wurden sie als Tote verschlungen in die unterste Sch*^ol, s. : ,Aus der Stadt ächzen
Sterbende" Hi 24, 12 (der Midr liest c-r-: statt =^-;). 1| pTafan 2, 65'', 27: R. Schimfon
b. Laqisch(uni 250) hat gesagt: Eine trügerische Buße r^'-^- vr nzTirr haben die Leute von
Ninive getan. Was haben sie getan? R. Huna (um 850) hat im Namen des R. Schimfon
b. Chalaphta (um 190) gesagt: Sie stellten die Kälber nach innen u. ihre Muttertiere
nach außen hin auf u. ebenso die Eselsfüllen nach innen u. ihre Muttertiere nach
außen; die einen brüllten hier u. die andren brüllten dort. Da sprachen die Niniviten
(zu GottJ: Wenn man (Gott) sich nicht über uns erbarmt, so erbarmen wir uns nicht
über diese. Das meint Joel 1, 18: Wie stöhnt doch das Vieh, sind verwirrt die Rinder-
herden, weil sie keine Weide haben; auch die Schafherden müssen büßen. R. Acha
(um 320) hat gesagt: In Arabien macht man es so. — ,Es sollen sich in Sacktuch
hüllen die Menschen u. das Vieh u. zu Gott rufen mit Gewalt" np^tr:; Jona 3, 8. Was
heißt , mit Gewalt"? R. Schimfon b. Chalaphta hat gesagt: Der Unverschämte besiegt
den Schlimmen,^ um wieviel mehr den Allgütigen der Welt. — ,Es soll umkehren
ein jeder von seinem schlimmen Wege u. von dem Frevel, der an seinen Händen*
Jona 3, 8. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Was sie (an Geraubtem) in ihrer Hand
hatten, gaben sie (infolge ihrer Büßfertigkeit) zurück; aber was sie in den Kisten u.
Kästen u. Türmen hatten, gaben sie nicht zurück. — Dasselbe P^'siq 161 ''; stark ab-
weichend u. anonym Ta?an 16*; hier zum Schluß statt der Meinung des R. Jochanan
diejenige des Babyloniers Sch'^muel (f 254): Selbst wenn er einen Balken geraubt u.
in einem Palast verbaut hatte, riß er den ganzen Palast ein u. gab den Balken an
dessen Eigentümer zurück.^ \\ RH 16'': R. Ji^chaq (um :-iOO) hat gesagt: Vier Dinge zer-
reißen den (göttlichen) Gerichtsbeschluß über einen Menschen: Almosen, s.: „Almosen
retten vom Tode" Sprll,4 (so der Midr); Gebetsschrei, s.: ,Sie schrieen zu Jahve in
ihrer Not, u. aus ihren Ängsten führte er sie heraus" Psl07, 28; Namensänderung,
s. Gn 17 15 f.; Änderung der Handlungsweise, s.: ,Da sah Gott . . ., daß sie umkehrten
von ihrem schlimmen Wege, u. es reuete Gott des Übels" Jon 3, 10. Einige fügen noch
hinzu die Änderung des Wohnsitzes, s. Gn 12, 1 f. — Den gleichen Gedanken vertreten
R. Elfazar (um 270) u. Rah Joseph (f 333) GnR 44 (27*^); P^siqR Zusätze 4 (200''); P^siq
191 a; s. auch pTafan 2, 65b, 3; MidrQoh 7, 14 (^Ö'^). — H Ferner s. Midr KL Einl. Nr.31
bei Mt 12, 41 SB (Nr. 2) u. Tafan 2, 1.
5. Jonas Mißmut.
Jalqut zu Jona 4: Als Gott von den Leuten Ninives sah, daß sie umkehrten (in
Buße) von ihrem W(^ge, ließ er ab von seinem Zorn. Er erhob sich von dem Thron
des strengen Rechts u. setzte sich auf den Thron der Barmherzigkeit; ausgesöhnt
sprach er: Ich habe vergeben. Alsbald fiel Jona auf sein Angesicht u. sprach: Hei;r
der Welt, ich weiß, daß ich vor dir gesündigt habe, vergib mir meine Missetat, daß
ich auf das Meer geflohen bin, denn ich kannte nicht die Kraft deiner Stärke; nun
aber habe ich sie kennen gelernt: „Ich habe erfahren, daß du bist ein Gott gnädig
u. barmherzig" Jona 4, 2. — Gott sprach zu ihm: Du hast meine Ehre geschont, da
du vor mir auf das Meer entflohst; auch ich habe deine Ehre geschont, da ich dich
1 scz-, so lies mit Pesiq 161 * u. Jalqut Jona 3, 8 statt s— rsV. Zur Sentenz vgl.
Sanh. 105^: Die Unverschämtheit nützt auch Gott gegenüber. Vgl. bei Lk 11,8.
^ Diese Praxis entsprach der Ansicht der Schule Schammais; nach der Hillels
wäre nur der Wert des gestohlenen Balkens dem Bestohlenen zu ersetzen gewesen u.
zwar yz'sr r:pp c-r-i, d.h. damit die Bußfertigen nicht in ihrer Existenz gefährdet werden,
s. Git5, 5;pGit5, 47-\58; pBQ9, 6'i,24; Git55''; TBQ 10, 5 (367); BQ66'\
Matth 12, 39 (SB 5). 12, 40. 41 (?l) 649
aus dem Bauch der Seh' ol errettete. Von der großen Hitze aber im Innern des Fisches
war sein Kleid u. sein Mantel u. sein Haar verbrannt; u. die Fliegen u. Mücken u.
Ameisen u. Flöhe setzten sich auf ihn u. peinigten ihn, bis daß seine Seele zu sterben
begehrte, s.: „Da wünschte er seiner Seele zu sterben" Jona 4, 8. Auf Grund dieser
Stelle hat man gesagt: Wer die Möglichkeit hat, für einen andren um Erbarmen zu
bitten oder ihn zur Buße zu führen, u. es nicht tut, der gerät in Not. Was tat Gott?
Er ließ zu Häupten des Jona über Nacht eine Rizinusstaude aufwachsen u. am Morgen
traten daran 275 Blätter hervor u. der Schatten eines jeden Blattes betrug vier Spannen
u. eine Handbreite; vier Männer konnten sich in den Schatten unter der Rizinusstaude
setzen, um die Sonnenhitze abzuschwächen. Da bestimmte Gott einen Wurm; der stach
den Rizinus, daß er vertrocknete u. abstarb; u. die Fliegen u. Mücken setzten sich
auf Jona u. peinigten ihn auf allen Seiten, bis seine Seele zu sterben begehrte. In
jener Stunde ließen seine Augen Tränen fallen dem Regen gleich vor Gott, der zu
ihm sprach: Jona, warum weinst du? Empfindest du Betrübnis über diesen Rizinus,
den du nicht großgezogen, den du nicht gedünget, den du nicht mit Wasser getränkt
hast? Auf den, der in einer Nacht entstand u. in einer Nacht vertrocknete, bist du
also bedacht, u. ich sollte nicht auf Ninive, die große Stadt bedacht sein? In jener
Stunde fiel Jona auf sein Angesicht u. sprach: Leite deine Welt mit dem Maß des
Erbarmens, wie es heißt: „Jahve unser Gott ist barniheizig u. vergebend" Dn 9, 9. ||
Git Hl '': Es heißt: ,Es geschah, als die Sonne aufging, da besteilte Gott einen schwülen
r*i--- Ostwind" Jona 4, 8. Was bedeutet '-? Rab J'^huda (t 299) hat gesagt: Wenn er
weht, macht er Furche an Furche im Meer (der Midr bringt '- in Verbindung mit
vi~ „pflügen"). Rabbah (t 330) sprach zu ihm: Wie könnte es dann aber heißen: »Die
Sonne stach auf Jonas Haupt, daß er verschmachtete?" Jona 4, 8. (Jener Wind würde
ja Kühlung bringen.) Vielmehr, sprach Rabbah, wenn er weht, bringt er alle Winde
vor sich zum Schweigen (er erklärt 'r von tri-.- „schweigen"). [| Schab 21": Rabbah bar
bar Ghana (um 280) hat gesagt: Ich selbst habe den Rizinus des Jona gesehen; er
gleicht dem (jJ'loliba (Rizinusart), er wächst an Wassersümpfen, man zieht ihn über
den Eingang eines Kramladens hin u. von seinen Körnern bereitet man ein Öl, u.
unter seinen Zweigen ruhen alle Kranken (1. -n—D statt --^12) Palästinas aus.
12,40: Drei Tage u. drei Nächte.
Zu dem dreitägigen i^ufenthalt Jonas im Innern des Fisches s. GnR
91; Jalqut zu Jos2, 16 § 12 oben S.647« u. GnR 56 Anfang bei Mt 17,23. —
Betreffs der Zählung der drei Tage hat man zu beachten, daß selbst
bei halakhischen Festsetzungen der Teil eines Tages als ganzer Tag
gerechnet worden ist. pSchab 9, 12*, 15. 17: R. Jischma'el (f um 135)
behandelte den Teil einer rr.-j (hier = 12 Stunden) als ganze 'Ona (als
12 Stunden). ... In einer Bar ist gelehrt worden: R. El'azar b. <Äzarja
(um 100) sagte: Ein Tag u. eine Nacht bilden eine 'Ona (hier =
24 Stunden), u. der Teil einer 'Ona gilt als ganze 'Ona. — P'^s 4»: Der
Teil eines Tages gilt als ganzer Tag. (Entsprechendes gilt vom Teil
eines Monats u. eines Jahres.)
12,41 51: Leute von Ninive werden aufstehen im Gericht
mit diesem Geschlecht.
avaarrjaovxai sv rfi xQiaei. Sanh 10, 3 : Das Geschlecht der Flut hat keinen Anteil an
der zukünftigen Welt u. sie stehen nicht im (großen) Gericht auf "-2 ""•?■? TS^; denn
es heißt: „Nicht soll richten mein Geist über den Menschen ewiglich" Gn 6, 3. Die
Leute von Sodom haben keinen Anteil an der zuk. Welt; aber sie stehen im (großen)
Gericht auf •■-? ■;—:■!:•. R. N'^chemja (um 150) sagte: Weder jene noch diese stehen
650 Matth 12,41 (83 1)
im (großen) Gericht auf; Psl,5: „Darum werden die Gottlosen nicht stehn im Ge-
richt", das bezieht sich auf das Geschlecht der Flut; ,noch die Sünder in der Gemeinde
der Gerechten", das bezieht sich auf die Leute von Sodom. Da sagte man zu ihm: In
der Gemeinde der Gerechten stehen sie nicht auf, wohl aber in der Gemeinde der Gottlosen.
12,41 23: Und werden es verurteilen, weil sie Buße taten
auf die Predigt des Jona.
1, xal xataxQivovaiv avTi]v. Daß das bußfertige Verhalten der Nini-
viten nicht zu einer Anklage wider das unbußfertige Israel werden
möchte, war das Hauptmotiv zu Jonas Flucht, s. oben S. 64B f.
Der Gedanke, daß der Mensch im göttl. Gericht an seinesgleichen werde gemessen
u. so durch seinesgleichen werde gerichtet werden, begegnet P''siqR 35 (161a): „Juble
u. freue dich, Tochter ZionI . . . Und anschließen werden sich viele Heidenvölker
Jahven an jenem Tage" usw. Sach 2, 14 f. R. Chanina b. Papa (um 800) hat gesagt:
Die Schriftstelle redet ausschließlich von jener Stunde, da Gott alle Völker der Welt
in der Zukunft richten wird. In jener Stunde läßt Gott alle Proselyten, die in dieser
Welt zum Judentum übergetreten sind, kommen u. richtet alle Völker in deren Gegen-
wart. Wenn er dann zu den Völkern sagen wird: Warum habt ihr mich verlassen u.
den Götzen gedient, an denen nichts Wesenhaftes ist, so werden sie antworten: Herr
der Welt, wenn wir an deine Tür gekommen wären, so hättest du uns nicht auf-
genommen. Dann wird er sagen: Die Proselyten aus eurer Mitte sollen wider euch
zeugen. Sofort läßt er alle Proselyten kommen, die übergetreten sind, u. diese richten
(verurteilen) c*:- jene u. sagen zu ihnen: Warum habt ihr ihn verlassen u. den Götzen
gedient, an denen nichts Wesenhaftes ist? War Jethro nicht ein Götzenpriester? Als
er aber an die Tür Gottes kam, hat dieser ihn aufgenommen. Sind nicht auch wir
Götzendiener gewesen? Als wir aber an die Tür Gottes kamen, hat er uns aufgenommen.
Sofort werden alle Gottlosen infolge der Antwort (oder der Bekehrung?) der Pro-
selyten zuschanden. Und Gott fällt das Urteil u. sie verschwinden aus der Welt, s.:
Mit einem Male werden sie zu Narren u. zu Toren werden; gezüchtigt sind die Eitel-
keiten, Holz ist das! Jer 10, 8. — Eine ähnliche Ausführung von R. Alexandrai (um 270)
in P^siqR40 (167b); vgl. auch Midr Ps 9 § 11 (44a). l| Joma35b Bar: Der Arme, der
Reiche u. der Frevler werden in das (große) Gericht kommen. Man sagt zum Armen:
Warum hast du dich nicht mit der Tora beschäftigt? Wenn er dann sagen wird:
Ich bin arm gewesen u. mußte mich um meinen Lebensunterhalt bemühen, wird man
zu ihm sagen: Bist du etwa ärmer gewesen als Hillel? Zu dem Reichen wird man
sagen: Warum hast du dich nicht mit der Tora beschäftigt? Wenn er dann sagen
wird: Ich bin reich gewesen u. mußte mich um meine Güter bemühen, wird man zu
ihm sagen: Bist du etwa reicher gewesen als R. Elfazar b. Charsom (zur Zeit des
Tempelbestandes)? Zu dem Gottlosen wird man sagen: Warum hast du dich nicht
mit der Tora beschäftigt? Wenn er dann sagen wird: Ich bin schön gewesen u. wurde
umgetrieben von dem bösen Triebe (der Wollust), wird man ihm antworten: Bist du
etwa schöner gewesen als Joseph? So wird Hillel erfunden werden als derjenige, der
die Armen als schuldig erscheinen läßt a-'-n»;; R. Elfazar b. Charsom als derjenige,
der die Reichen als schuldig erscheinen läßt, Joseph als derjenige, der die Gottlosen
als schuldig erscheinen läßt. i| Aboth RN6: Tag für Tag brachte R. ?Aqiba (während
seiner Studienzeit) ein (von ihm selbst) gesammeltes Bund Stroh. Die eine Hälfte ver-
kaufte er, um seinen Lebensunterhalt davon zu bestreiten, u. die andre machte er für
sich selbst zurecht. Seine Nachbarn traten zu ihm u. sprachen: ?Aqiba, du richtest
uns mit dem Rauch (vom Stroh) zugrunde; verkaufe es an uns u. kaufe dir dafür Ol
u. studiere beim Licht der Lampe. Er antwortete: Große Vorteile genieße ich davon:
ich studiere dabei; ich wärme mich daran u. ich kann darauf schlafen. Dereinst wird
R. ?Aqiba alle Armen im (jüngsten) Gericht schuldig erscheinen lassen; denn wenn
man (Gott) zu ihnen sagen wird: Warum habt ihr nicht (Tora) gelernt? u. sie ant-
Matth 12, 41 (33 1. 2j. 12, 42 (21. ») 651
Worten werden: „Weil wir arm waren", wird man zu ihnen sagen: Ist niclit R. ?Aqiba
überaus arm u. bedürftig gewesen? Und wenn sie dann sagen werden: ,Weil wir
eine große Familie hatten", wird man ihnen antworten: Hatte nicht auch R. f Aqiba
Söhne u. Töchter? Daß er aber seinen Studien nachgehn konnte, kam daher, daß sein
Weib Rahel tugendhaft war. || TanchB rw^r S 3 (45 ''j: In der zukünftigen Welt wird
Gott jeden einzelnen Menschen mit seinen Berufsgenossen richten, u. der Gerechte
wird mit den Treuen leben (Anspielung auf Hab 2, 4). — Dasselbe Tanch r>:iT 100 •*. |
Aus den Apokryphen vgl. Weish 4, 16.
2. ort ^£iev6i]ac(v si'g t6 xtJQvy/uu 'lotva. Midr KL Einl. Nr. 31: Einen Propheten
habe ich nach Ninive gesandt, u. er hat sie zur Umkehr in Buße gebracht; u. wie
viele Propheten habe ich an diese Israeliten in Jerusalem gesandt! s. 2 Kg 17, 13. —
Zur Buße Ninives s. oben S. 647 f. Nr. 4.
12, 42 3C: Eine Königin des Südens.
ßaaihaacc vörov. — Ganz vereinzelt ist, wohl um das Anstößige
eines Frauenbesuches am Hofe Salomos zu beseitigen, die „Königin"
von Saba (1 Kg 10, 1) umgedeutet worden in die „Regierung" von Saba,
worunter man dann etwa einen königlichen Gesandten zu verstehen hat.
BB 15'': R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt, R. Jonathan (b. Elfazar.
um 220) habe gesagt: Wer sagt, daß mit sar rrVy eine Frau gemeint sei, der irrt.
'v r^'-T's bedeutet die Regierung von Saba s:w- srirt-:.
12, 42 ^: Um die Weisheit Salomos zu hören.
Midr Spr 1, 1 (20''): „Aber die Weisheit — von wo erlangt man sie"? Hi 28, 12.
Das bezieht sich auf die Königin von Saba. Als sie von Salomos Weisheit hörte, sprach
sie: Ich will gehn u. sehen, ob er weise ist oder nicht. Woher, daß sie von seiner
Weisheit gehört hatte? Es heißt 1 Kg 10, 1: „Die Königin von Saba hörte von dem
Ruf Salomos u. kam, um ihn mit Rätselfragen zu prüfen." Was heißt mit Rätselfragen?
R. Jirm^ja b. Schalom ^ hat gesagt: Sie sprach zu ihm: Bist du Salomo, von dem u.
von dessen Regierung u. von dessen Weisheit ich gehört habe? Er antwortete: Ja!
Sie sprach: Wenn ich dich etwas frage, wirst du mir antworten? Er antwortete:
Wenn Jahve Weisheit gibt, aus seinem Mund stammt Erkenntnis u. Einsicht Spr 2, 6.
Sie sprach: Was ist dies: „Sieben gehen fort, neun kommen an, zwei schenken ein
u. einer trinkt?" Er antwortete ihr: Fürwahr, die sieben Tage der Menstruation gehen
fort, die neun Monate der Schwangerschaft kommen an, die beiden Brüste schenken
ein u. das Kind trinkt.- Sie sprach: Ein großer Weiser bist du; aber wenn ich dich
noch etwas frage, wirst du mir antworten? Er antwortete: Wenn Jahve Weisheit gibt.
Sie sprach: Was ist dies: „Ein Weib spricht zu ihrem Sohn: dein Vater ist mein
Vater, dein Großvater ist mein Mann, du bist mein Sohn u. ich bin deine Schwester?"
Er antwortete: Fürwahr, das sind die beiden Töchter Lots! — Noch eine Probe machte
sie. Sie ließ Kinder von gleicher Gestalt u. in gleicher Kleidung vor ihn bringen u.
sprach: Sondere die Knaben u. Mädchen voneinander ab! Er winkte seinen Eunuchen,
daß sie ihm Nüsse u. geröstete Ähren brächten. Dann begann er diese vor sie hin
zu streuen. Die Knaben, weil sie sich nicht schämten, legten sie in ihre (aufgehobenen)
Kleider; die Mädchen, weil sie sich schämten, legten sie in ihre Tücher. Salomo
sprach: Das sind Knaben u. das sind Mädchen! Sie antwortete: Mein Sohn, ein großer
Weiser bist du! — Noch'eine Probe machte sie. Sie ließ Unbeschnittene u. Beschnittene
kommen u. sprach: Sondere mir die Beschnittenen von den Unbeschnittenen aus! Als-
bald winkte er dem Hohenpriester, daß er die Lade des Bundes öffnete. Die Be-
^ Ein Amoräer unbestimmter Zeit, Bacher, Pal. Amor. 3, 766.
- Dieses Rätsel ist in etwas abweichender Gestalt Midr KL 1. 1 einem Athener
vorgelegt, dem R. Jochanan, f 279, die Auflösung vermittelt.
652 Matth 12, 42 (SB). 12, 43. 44. 49
schnittenen unter ihnen neigten sich mit ihrer halben Gestalt (knieten nieder, ohne
den Oberkörper auf die Erde zu werfen), u. nicht bloß dies, sondern auch ihr An-
gesicht ward erfüllt vom Glanz der Sch'khina (Gottheit); u. die Unbeschnittenen unter
ihnen fielen auf ihr Angesicht nieder. Alsbald sprach er: Das sind Unbeschnittene
u. das sind Beschnittene! Sie sprach: Woher hast du das? Er antwortete: Von Biham,
wie es heißt Nu 24,4: „Welcher ein Gesicht schaut seitens des Allmächtigen, nieder-
fallend u. geöffneter Augen.'' AVenn er nicht niedergefallen wäre (mit dem ganzen
Körper auf die Erde), so hätte er (als Unbeschnittener) überhaupt nichts geschaut.
Und wenn du es nicht von Bilfam lernen willst, so komm u. lerne es von Hiob. Als
die drei Freunde Hiobs kamen, um ihn zu trösten, sprach er zu ihnen: „Auch ich
habe ein Herz, wie ihr; aber ich falle nieder aus eurer Mitte" Hi 12, 8 (so der Midr),
d. h. ich (der ich ein Beschnittener' bin) falle nicht (mit dem ganzen Körper zur Erde)
nieder gleichwie ihr. In jener Stunde sprach sie zu Salomo: Ich glaubte den Reden
nicht, bis daß ich kam u. meine eignen Augen es sahen usw. 1 Kg 10, 7 ff.
12,43: Durchwandert er wasserlose Stätten.
Vgl. den Exkurs über Dämonologie Nr. 4 u. die Auslegung von Joel
2, 20: ,Ich will den Nordländer (= den Heimlichen, Versteckten, d.h.
den bösen Trieb oder Satan) nach einem Lande der Dürre u. Einöde
wegtreiben " Sukka 52 "^ im Exk. : „ Der gute u. der böse Trieb " Nr. 4, b.
12,44: Ich will in mein Haus zurückkehren,
aus dem ich gegangen bin.
• Vgl. im Exkurs über Dämonologie Nr. 7, h Joseph. Ant. 8, 2, 5 (ein
Dämon wird beschworen, nicht mehr, in den betreffenden Menschen
zurückzukehren) ; Nr.6,/'Chulll05^ (der Dämon der Armut sagt: „Wehe,
er hat mich aus meinem Hause vertrieben." Dieselben Worte spricht
der Satan Git 52 » : rx^r'^-y^ x^::^ xinnb n^psN "^ni, s. oben S. 2 1 7 « bei Mt 5, 9).
12,49: Siehe, meine Mutter.
Gott nennt Israel „Mutter",
Midr HL 8, I 1( 1Ü8>'): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: R. Schim?on b. Jochai (um
150) fragte den Elfazar b. Jose (um 180) u. sprach zu ihm: Hast du vielleicht von
deinem Vater (R. Jose b. Chalaphta, um 150) gehört, was die Worte: „Mit dem Kranze,
mit welchem ihn (Salomo) seine Mutter bekränzt hat" HL 8, 1 1 bedeuten? Er ant-
wortete: Ja. Damit verhält es sich, wie mit einem König, der eine einzige Tochter
hatte, die er über alles liebhatte. Er nannte sie „meine Tochter" u. ließ nicht nach,
sie zu lieben, bis er sie „meine Schwester" nannte, u. er ließ nicht nach, sie zu lieben,
bis er sie „meine Mutter" nannte. So hat auch Gott Israel über alles" lieb u. er nennt
sie „meine Tochter": „Höre, Tochter" Ps 45, 11. Und nicht läßt er nach sie zu lieben,
bis er sie „meine Schwester" nennt: „Tu mir auf, meine Schwester, meine Freundin"
HL 5, 2; u. nicht läßt er nach sie zu lieben, bis er sie „meine Mutter" nennt, s.
Jes 51, 4: „Lauschet auf mich, mein Volk, u. was meine Mutter betrifft ("«sV), so
höret auf mich" (so deutet der Midr -ssV „mein Volk"). Da erhob sich R. Schimfon
b. Jochai, küßte ihn auf sein Haupt u. sprach: Wenn ich nur gekommen wäre, um
diesen Grund zu hören, so wäre es genug! R. Chanina b. Jipchaq (um 825) hat gesagt:
Wir sind die ganze Schrift durchgegangen u: haben nicht gefunden, daß Bathschebaf
ihrem Sohn Salomo einen Kranz gemacht hat, u. du sagst: „Mit dem Kranze, mit
welchem ihn seine Mutter bekränzt hat" HL 3, 1 1 ! Vielmehr wie eine Krone gefaßt
' Hiob gilt der Mehrzahl der Tannaiten als ein Israelit, BB 15 1>.
Matth 12, 50. 13, 3 (Nr. 1. 2) 653
wird in Edelsteine u. Perlen, so war die Stiftshütte ausgezeichnet durch blauen Pur-
pur, roten Purpur, Karmesin u. Byssus (vgl. Ex 26, 1). — Hiernach besagt HL 3, 11,
daß die Gemeinde Israel, bildlich die Mutter, den Salomo, d. h. den Gott, dessen der
Friede ist, umkränzt hat mit den Teppichen der Stiftshütte, in der Gott wohnte.
Parallelstellen: P'^siq4«; ExB52(I040; NuR 12 (leß«-); TanchB -ips §8(67^')-
12, 50: Wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.
SDt 11, 12 §40 (79a): R. Schinifon b. Jochai (um 150) sagte: Gleich einem König,
der viele Söhne u. Sklaven hatten, u. sie wurden unter seiner Hand ernährt u. versorgt:
aber der Schlüssel zur Vorratskammer war in seiner Hand. Wenn sie seinen Willen
tun -:^::- c-n-, öffnet er die Vorratskammer, u. sie essen u. sättigen sich; wenn sie
aber seinen Willen nicht tun, schließt er die V. zu, u. sie müssen vor Hunger sterben.
Ebenso wenn die Israeliten Gottes Willen tun aipia Vr i:i::- c-ian- =ro-:, „wird dir
Jahve seinen guten Schatz, den Himmel, auftun* Dt 28, 12; wenn sie aber Gottes
Willen nicht tun, dann „entbrennt der Zorn Jahves gegen euch, u. er verschliel.-t den
Himmel, daß kein Regen fällt" Dt 11, 17. |i ExR 21 (83b): Wer den Willen Gottes tut
cipwn 7::- r-ciy u. sein Herz im Gebet zur Andacht richtet, den erhört er (Gott) in
dieser Welt u. ebenso in der Zukunft, s. Jes 65, 24. — Vgl. auch oben S. 219 u. 220 bei
Mt 5, 9. ferner Midr Qoh 5, 11 (28 a) bei Mt 13, 18.
13,3: Er sprach zu ihnen vieles in Gleichnissen.
€v naQaßolatg. — Hebr. ^t^-c (Plur. c^irp) = Darstellung. bu:a ist
a, die kurze u. körnige Darstellung eines Gedankens durch Sentenz u.
Sprichwort; ß, die mehr oder minder ausführliche Darstellung eines Ge-
dankens unter Benützung eines Bildes, eines Vergleichs, einer Fiktion;
dann bedeutet biro : Bild, Allegorie, Parabel, Fabel, Erdichtetes, Analogen.
1. Einleitungsformeln, naii inin rnab h^^ -jb bi^ij^x = ich will dir ein
Gleichnis sagen. Womit läßt sich das vergleichen? — nmn n^h h'c-o -b^-a
n-ain = man sagte ein Gleichnis; womit läßt sich das vergleichen? —
niaii i2in ~i2h = womit läßt sich das vergleichen? — Kürzer: 'h h^r^ --=
ein Gleichnis von dem u. dem; oder auch bloß cisb „gleich einem
Menschen"; -^uh „gleich einem König". Belege s. bei Mk 4, 30.
2. Wertschätzung des Maschal.
?Er21i>: Rab Hamnuna (um 290) hat gesagt: Was heißt das: ,Es redete (Salomo)
dreitausend Sprüche (•sr^a) u. seiner Lieder waren tausendundfünf 1 Kg 5, 12V Das
lehrt, daß Salomo zu jedem Wort der Tora 8000 Sprüche (Gleichnisse) u. zu jedem
Wort der Schriftgelehrten 1005 Gründe beigebracht hat Raba if 352) hat öffentlich
vorgetragen: Was heißt: „Abgesehen davon, daß Qoheleth ein Weiser war. lehrte er
auch das Volk Erkenntnis, er prüfte i-ts u. forschte u. stellte viele Sprüche {z-:-v^)
auf Qoh 12,9? Er lehrte das Volk Erkenntnis, d. h. er belehrte es durch Merkmale
für die Gründe der Gesetze (oder: durch Akzentzeichen?) u. gab Verständnis durch
Beibringung von Analoga. „Er prüfte, forschte u. stellte viele Sprüche auf." ?UlIa
(um 280) hat gesagt, R. Elfazar (um 270, so lies statt R. EIi?ezer) habe gesagt: An-
fänglich glich die Tora einem Korb, der keine Henkel (Griffe) hatte, bis Salomo kam
u. Henkel (d-:ts, Deutung des ■•I'?) daran machte. (Durch seine Sprichwörter u. Gleich-
nisse machte Salomo das Schwerverständliche für das Volk faßbar.) — Der letzte Satz
auch J'^b21a; ferner vgl. das nächstfolgende Zitat. || Midr HL 1, 1 (79a): Es heißt:
„Zumal da Qoheleth ein Weiser war" Qoh 12, 9 (so der Midr). Wenn ein andrer Mensch
sie (die 3 Bücher Salomos) gesagt hätte, so müßtest du deine Ohren neigen, um diese
654 Matth 18, 3 (Nr. 2. 3)
Worte zu hören; um -wieviel mehr da sie Salomo gesagt hat. Wenn er sie aus seinen
eignen Gedanken heraus gesagt hätte, so müßtest du deine Ohren neigen, um sie zu
hören; um wieviel mehr, da er sie im heiligen Geist (d. h. durch Inspiration) gesagt
hat, u. um wieviel mehr, da Qoheleth auch ein Weiser gewesen ist, der das Volk Er-
kenntnis lehrte u. prüfte ■•"'< u. forschte u. viele Sprüche (Gleichnisse) aufstellte. Er
prüfte die Worte der Tora u. erforschte sie, d. h. er machte Henkel (=-:ts) für die Tora.
Du findest, daß es vor dem Auftreten Salomos kein Gleichnis (s-crnr = (fstyfj.a) ge-
geben hat. Rab Nachman' hat zwei Erklärungen gegeben. Erstens: Gleich einem
großen Palast, der viele Eingänge hatte; wer hineinging, irrte vom Eingangs-
wege ab. Da kam ein Schlaukopf u. nahm ein Knäuel (Bindfäden) u. knüpfte es
an den Eingangsweg; jeder konnte nun hinein- u. herausgehn vermittelst des
Knäuels (vgl. die griechische Sage vom Ariadnefaden). So konnte vor dem Auftreten
Salomos niemand das Wort der Tora verstehn; als aber Salomo aufgetreten war, be-
gannen alle Einsicht in die Tora zu gewinnen. Zweitens: Gleich einem Rohrdickicht,
in das niemand einzudringen vermochte. Da kam ein Schlaukopf u. nahm eine Sichel u.
hieb ab (so daß ein Weg entstand); nun begannen alle hineinzugehn u. herauszukommen.
Ebenso tat Salomo (indem er durch seine Gleichnisse das Toradickicht gangbar machte).
R. Jose (vermutlich der Amoräer um 350) hat gesagt: Gleich einer großen Kiste, die
mit Früchten angefüllt ist, aber keinen Handgriff, its, hat, so daß sie nicht fort-
bewegt werden kann. Da kam ein Schlaukopf u. machte ihr Handgriffe; nun begann
man sie durch die H. fortzubewegen. So konnte niemand vor dem Auftreten Salomos
die Worte der Tora verstehen ; als aber Salomo auftrat, begannen alle Einsicht in die
Tora zu gewinnen. — R. Schela (aus K^phar-T^marta?, um 280) hat gesagt: Gleich
einem großen Gefäß, das mit kochendem Wasser angefüllt ist u. keinen Handgriff hat,
daran man es fortbewegen kann. Da kam einer u. machte einen H. daran, nun be-
gann man es an seinem H. fortzubewegen. R. Chanina (um 22.5) hat gesagt: Gleich
einem tiefen Brunnen, der voll Wasser ist u. dessen Wasser kühl u. angenehm u. gut
sind; aber kein Mensch vermochte davon zu trinken. Da kam einer u. band Strick
an Strick u. Seil an Seil, bis er daraus schöpfen konnte; da begannen alle zu schöpfen
u. zu trinken. So gelangte Salomo von Wort zu Wort, von Gleichnis zu Gleichnis zum
Geheimnis der Tora, vgl.: „Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von
Israel, welche dazu dienen, daß m.an die Weisheit (= Tora) erkenne" usw. Spr 1, If.
Durch die Sprüche (Gleichnisse) Salomos gelangte man zum Verständnis der Worte
der Tora. — Die Rabbinen sagten: Nicht sei das Gleichnis etwas Geringes in deinen
Augen, denn durch ein Gl. kann der Mensch zum Verständnis der Worte der Tora ge-
langen. Gleich einem I^önig, der ein Goldstück in seinem Hause oder eine kostbare
Perle verloren hat; kann er sie nicht durch einen Docht im Werte eines Asses wieder-
finden? So sei auchi ein Gl. nichts Geringes in deinen Augen, denn durch ein Gl. kann
ein Mensch zum Verständnis der Worte der Tora gelangen. Wisse, daß dem so ist;
denn siehe, Salomo ist durch das Gl. zu den Feinheiten der Tora gelangt. — Parallel-
stellen zu Einzelheiten s. GnR 12 (S*'); zu Rab Nachmans Gleichnissen Midr Qoh 2, 12
(14-^); zu R. Chaninas Gleichnis GnR 93 (58'')-
3. Das Gleichnis ist in den palästin. Schulen eins der beliebtesten
Darstellungsmittel gewesen: auffallend selten aber wird es von den
babylon. Gelehrten angewendet. — Aus vorchristl. Zeit ist uns in der
rabbin. Literatur nur ein Gleichnis Hillels (um 20 v. Chr.) begegnet.
LvR 34 (130''): Es heißt: , Seiner eignen Seele tut wohl der Liebreiche" Spr 11, 17.
Das geht auf Hillel, den Alten. Wenn er von seinen Schülern sich verabschiedete,
pflegte er weit u. immer weiter mit ihnen zu gehen. Seine Schüler sprachen zu ihm:
Rabbi, wohin gehst du? Er antwortete: Um eine Gebotserfüllung zu vollbringen. Sie
^ Trotz des babylonischen Titels „Rab" ist hier mit Rab Nachman der um 400
lebende palästinische Träger dieses Namens gemeint.
• Matth 13, 3(Nr. 3). 13,4. 5. 8 655
sprachen: Was ist das für eine Gebotserfüllung? Er antwortete: Ich will im Bade-
haus ein Bad nehmen. Sie sprachen: Ist das eine Gebotserfüllung? Er antwortete:
Ja! Wenn der, welcher über die Bildsäulen der Könige gesetzt ist, die man in den
Theatern u. Zirkussen aufstellt, diese abwischt u. abspült u. man ihm seinen Unterhalt
dafür gibt, u. nicht bloß dies, wenn er auch noch mit den Großen des Reiches geehrt
wird: um wieviel mehr muß ich das tun, der ich nach Gottes Bild u. Ähnlichkeit ge-
schaffen worden bin, s. Gn 1, 26. Wenn Hillel sich von seinen Schülern verabschiedete,
pflegte er weit u. immer weiter mit ihnen zu gehn. Seine Schüler sprachen zu ihm :
Rabbi, wohin gehst du? Er antwortete: Um ein Liebeswerk an einem Gast im Hause
zu vollbringen. Sie sprachen: Hast du täglich einen Gast? Er antwortete : Ist denn nicht
diese arme Seele ein Gast im Körper? Heute ist sie hier, morgen ist sie nicht mehr hier!
In der mischnischen Periode war es namentlich R. Mei'r (um 150),
der als Gleiehnisredner Ruf hatte.
Sanh 38*^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wenn R. Meir einen Lehrvortrag hielt,
so trug er ein Drittel hindurch halakhische Tradition vor, ein Drittel hindurch Haggada
u. ein Drittel hindurch Gleichnisse. R. Jochanan hat gesagt: 300 Fuchsfabeln standen
dem R. Meir zur Verfügung, u. wir haben nur eine davon (so die richtige Lesart statt
„drei"; s. Bacher, Tann. 2, 7). — Vgl. Sota 9, 15: Als R. Meir starb, hörten die Gleichnis-
redner auf. (Die Worte wollen nicht besagen, daß mit dem Tode des R. Meir die
Gleichnisse außer Übung gekommen seien, sondern nur, daß sich in der ersten Zeit
nach seinem Tode niemand als Gleichnisredner mit R. Meir habß messen können.
Eine Zus.stellung der Meirschen Gleichnisse gibt Bacher, Tann. 2, 57—60.)
13,4: Den Weg entlang.
Betreffs der die Felder begrenzenden u. schneidenden Wege u. Fuß-
steige hat die Mischna Pea 2, 2 festgesetzt, daß sie als Trennungen
anzusehen seien, die zum Stehenlassen des Ernterandes auf dem be-
treffenden Feldstück verpflichten: Folgende Dinge bilden eine Trennung,
so daß die Pea (s. Lv 19, 9) zu entrichten ist: ein Fluß, ein Teich, ein
Privatweg, ein öffentlicher Weg, ein öffentlicher Fußsteig, auch ein
Privatfußsteig, der während des Sommers u. des Winters liegen bleibt,
ferner ein Brachfeld, ein Neubruch u. eine andre Fruchtgattung.
13,5: Auf das Felsige.
Daß man unter Umständen Felsboden besät hat, zeigt pKil 1, 27^,
47: R. Schim'on b, Laqisch (um 250) hat eingeräumt, daß derjenige,
welcher längs des Meeres oder auf einen Felsen n7j^ö oder auf Steine
ni"bD oder auf harten Boden Diir-np sät, frei ist (von den die Mischsaat
betreffenden Bestimmungen, weil das Gesetz ein so ungewöhnliches
Aussäen nicht im Auge gehabt hat). — Steinigtes u. deshalb schlechtes
Land heißt ri-iist. — Git 5, 1: Schadenersatz schätzt man (dem Be-
schädigten) vom besten Felde n-'i"'? (des Ersatzpflichtigen) ab, die
Schuldforderung eines Gläubigers vom mittelmäßigen u. die Hochzeits-
verschreibung einer Frau vom schlechtesten ni-nnT. — Das. 5, 2: Aus
den Gütern der Waisen wird Zahlung nur von pi-iint geleistet.
13,8: Das eine hundertfältig, das andre sechzigfältig,
das andre dreißigfältig.
Die Fruchtbarkeit Palästinas wird serühmt:
656 Matth 13,8 «
pPea 7,20*, 53: Einmal gingen R. Abbaliu (um 300) u. R. Jose b. Chanina (um 270)
u. R. Schimfon b. Laqisch (um 250) durch den Weinberg von Varon. Der Pächter brachte
ihnen einen Pfirsich; sie aßen davon u. ihre Eseltreiber, u. es blieb noch etwas übrig;
man schätzte seine Größe gleich einer Pfanne von K^'phar-Chananja, die ein Sea Linsen
faßt. Nach einiger Zeit gingen sie dort abermals vorüber; der Pächter brachte ihnen
zwei oder drei Pfirsiche in der Hand. Sie sprachen zu ihm: Von jenem Baum (von
welchem du uns das vorige Mal gegeben hast) möchten wir haben. Er antwortete:
Von dem sind diese. Sie bezogen darauf den Schriftvers: ,Gott machte Fruchtlan'd
zur Salzsteppe wegen der Bosheit der darin Wohnenden" Ps 107,34. — R. Chanina
(um 225) hat gesagt: Als ich (aus Babylonien) hierher (nach Palästina) heraufzog, nahm
ich meinen u. meines Sohnes u. meines Eseltreibers Gurt, um sie um den Stamm eines
Johannisbrotbaumes des Landes Israel zu legen, aber sie reichten nicht zu. Ich schnitt
eine Frucht vom Johannisbrotbaum ab, da floß so viel Honig heraus, daß meine Hände
davon voll waren. * R. Jochanan ( f 279) hat gesagt : Schöner war eine (schlecht schmeckende)
Spätfeige in unsrer Kindheit, als die Pfirsiche, die wir in unsrem Alter aßen; denn,
in seinen Tagen hatte sich die Welt geändert. R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt:
Ein Sea Weizen aus Arbela (bei Sepphoris) brachte ein Sea Feinmehl, ein Sea gewöhn-
liches Mehl, ein Sea Kleie, ein Sea Schrot u. ein Sea Hülsen; jetzt aber kaum ein Sea
Mehl.'' — R. Huna (um 350) hat im Namen des R. Abun (1., um 825) gesagt: Zimt
diente als Ziegenfutter u. die Israeliten bauten ihn an. R. Huna hat im Namen des
R. Abin gesagt: Die beiden Lämmer, die man täglich als Tamidopfer darbrachte, legte
man auf ein Kamel u. ihre Füße reichten bis auf die Erde. R Huna hat im Namen
des R. Idi (wohl der II. gemeint, um 310) gesagt: Einmal hatte jemand eine Ziege an
einen Feigenbaum gebunden; als er hinkam, fand er Honig (von den Feigen) u. Milch
(aus dem Euter der Ziege) miteinander vermischt. — Rabbi sagte zu R. P^rida: Kannst
du mir nicht jene (allbekannten) Traubenkämme in deinem Weinberg zeigen? Er ant-
wortete: Ja. Er ging mit ihm hinaus, um sie zu zeigen. Als Rabbi noch in einiger
Entfernung war, erblickte er etwas wie einen Ochsen. Er sprach zu R. P^rida: Ver-
wüstet der Ochse nicht den Weinberg? Dieser erwiderte: Das, was du für einen Ochsen
hältst, ist ein Traubenkamm. Da zitierte Rabbi den Schriftve'rs : „Solange der König
an seiner Tafel, gab meine Narde ihren Duft" HL 1, 12. Das Heiligtum ist zerstört u.
du stehst da in deiner Kraft? Man suchte nach ihnen u. fand sie nicht. (Das Wort
Rabbis hatte als Fluchvvort gewirkt.) — Man brachte vor Rabbi zwei Rettiche aus der
Zeit zwischen Neujahr u. dem großen Fasttage (= Versöhnungstag), u. zwar nach dem
Ausgang eines Brachjahres, u. sie erforderten, daß man sie auf ein Kamel lud. Rabbi
sprach: Sind diese nicht verboten? Sind sie nicht Nachwuchs aus dem Brachjahr?
Man antwortete ihm: Nach Ausgang des Neujahrstages sind sie gesät worden. In jener
Stunde erlaubte Rabbi, daß man nach Ausgang des Brachjahres Grünkraut (Kohl, Ge-
müse) kaufe. Alsbald warf man vor ihm die Frage auf: Was bedeutet: „Es verfaulen
die Früchte, statt daß man sie zusammenbringt" Joel 1, 17? (so der Midr). Er ant-
wortete: Statt daß wir sonst den Honig zus. scharrten, scharren wir jetzt Fauliges
(Morsches) zusammen (s. Bacher, Tann. 2, 480). — Jemand besaß einmal eine Reihe
von Feigenbäumen; als er hinkam, fand er eine Scheidewand aus Honig rings um
sie. — Ein Mensch besäte ein Feld mit Rüben, u. (sofort) konnte er sie aushacken
u. verkaufen. — Einmal kam ein Fuchs u. machte sich sein Lager im Kopfende einer
Rübe zurecht (so groß war sie). — In Sichin (th-zj bei Sepphoris) war einmal ein Senf-
strunk, an dem drei Stengel sich befanden; als der eine von ihnen abspaltete, bedeckte
man damit eine Töpferhütte u. fand daran drei Qab Senf. — R. Schimfon b. Chalaphta
(um 190) hat gesagt: Ein Senfstengel hat auf meinem Besitztum gestanden, auf den ich
hinaufgestiegen bin, wie man auf die Spitze eines Feigenbaumes steigt. — Jemand
' Dieser Ausspruch des R. Chanina auch NuR9(154'»); Midr Sm 13 §7.
^ Die Aussprüche des R. Chanina, des R. Jochanan u. des R. Chijja b. Abba auch
pSota 1, 17'', 16; die des R. Jochanan u. des R. Chijja b. Abba ferner pSota J>, 24b, 49.
Matth 13, 8 657
hatte einmal ein Sea Bohnen gesät, u. sie brachten 300 Sea. Da sagte man zu ihm:
Gott hat angefangen dich zu segnen. Er erwiderte ihnen: Geht ab, es ist ja böser Tau
darauf gefallen; andernfalls wäre das Doppelte daraus geworden! — R. Schim?on
b. Chalaphta hat erzählt: Einmal sagte R. J'^huda (um 150) zu seinem Sohn in Sikhnin:
Steige empor (zum Söller) u. hole uns Feigen aus den Fässern. Er stieg empor u.
streckte seine Hand aus u. fand (das Paß) voll Honig. Er sprach: Vater, es ist voll
Honig. Dieser antwortete: Stecke nur deine Hand tief hinein u. du wirst Feigen herauf-
holen. — Einmal sagte R. Jose (um 150) zu seinem Sohn in Sepphoris: Steige empor u.
hole Feigen vom Söller. Er stieg hinauf u. fand, daß der Söller von Honig schwamm. —
Einzelnes aus den Schlußsätzen auch K^'th 111b; SDt 32, 18 §316 (135^). || K^th lllb;
R. Chijja b. Ad(d)a (um 250) unterwies die Kinder des Resch Laqisch in der Schrift;
er hatte drei Tage versäumt u. kam nicht wieder. Als er zurückkam, sprach Resch
Laqisch zu ihm: Warum hast du so lange versäumt? Er antwortete: Mein Vater hat
mir einen Weinstock hinterlassen, von welchem ich am ersten Tage 300 Trauben ab-
geschnitten habe, von denen jede ein Faß Wein bringt; am zweiten Tage habe ich
300 Trauben abgeschnitten, von denen je zwei ein Faß bringen; am dritten Tage habe
ich 300 Trauben abgeschnitten, von denen je drei ein Faß bringen, u. dabei habe ich
mehr als die Hälfte für herrenloses Gut erklärt. Er sprach zu ihm: Wenn du nicht
jene Tage verabsäumt hättest, so würde er noch mehr gebracht haben. — Rammi
b. J'^^chezq^el (wann?) kam nach B^'ne-Baraq (südöstlich von Jaffa); er sah Ziegen, die
unter Feigenbäumen fraßen, u. Honig tropfte von den Feigen u. Milch tropfte von den
Ziegen, u. beides vermischte sich miteinander. Da sagte er: Das ist es, was geschrieben
steht: Von Milch u. Honig fließend (zB Ex 3,8). R. Jafaqob b. Dosethai hat gesagt: Von
Lud bis Ono sind drei Mil. Einmal hatte ich mich früh des Morgens aufgemacht; da
ging ich bis an die Knöchel im Honig der Feigen. Resch Laqisch (um 250) hat ge-
sagt: Ich selbst habe gesehen, wie es von Milch u. Honig floß bei Sepphoris u. zwar
16 Mil im Geviert. Rabbah bar bar Ghana (um 280) hat gesagt: Ich selbst habe ge-
sehen, wie das ganze Land Israel von Milch u. Honig floß, u. zwar in einer Aus-
dehnung, wie die von Be-Mekhse bis zur Burg von Tolbanqe [^--zz'^'.r, s. Neubauer
S. 352; beide Örtlichkeiten liegen in Babylonien), 22 Parasangen lang u. 6 Para-
sangen breit. — R. Chelbo (um 300), R. Avira u. R. Jose b. Chanina (um 270) kamen
an einen Ort, an welchem man ihnen einen Pfirsich vorsetzte, der so groß war wie
eine Pfanne aus K'^phar-Hino. Wie groß war eine Pfanne aus K''phar-Hino? Fünf Sea
(fassend). Von dem Pfirsich aßen sie ein Drittel, ein Drittel erklärten sie für herren-
loses Gut u. ein Drittel legten sie ihrem (Reit-)Tier vor. Nach Verlauf eines Jahres
kam R. El?azar (um 270) dorthin; man brachte ihm einen Pfirsich, den er in seine
Hand fassen konnte. Da sprach er (Ps 107,34): ,Gott machte Fruchtland zur Salz-
steppe wegen der Bosheit der darin Wohnenden." — R. J'^hoschuaf b. Levi (um 250)
kam nach Gabla, wo er Trauben sah, die wie Kälber dastanden. Er sagte: Sind da
Kälber zwischen den Weinstöcken? Man antwortete: Es sind Weintrauben. Da sprach
er: Land, Land, halte deine Früchte zurück! Für wen bringst du deine Früchte hervor?
Für diese Gojim, die sich um unsrer Sünden willen wider uns erheben? Im nächsten
Jahr kam R. Chijja (b. Abba, um 280) dorthin. Er sah die Trauben wie Ziegen dastehn
(sie waren also kleiner als im Vorjahr). Er sprach: Sind da Ziegen zwischen den Wein-
stöcken? Sie antworteten ihm: Geh u. tu uns nicht wie dein Genosse! (Das Wort des
R. J'^hoschua? b. Levi hatte nach ihrer Meinung als Fluchwoit gewirkt.) — Bar: Wenn
das Land Israel gesegnet wird, bringt ein Fleck von 1 Sea Aussaat 5 Myriaden Kor.^
Als ^ofan bewohnt war, brachte eine Fläche von 1 Sea Aussaat 70 Kor; denn nach
^ Nach Raschi zu BM 105b rechnete man auf 1 Kor (= 30 Sea) Aussaat eine Acker-
fläche von 1500 Ellen Länge u. 50 Ellen Breite. Hiernach würde zur Aussaat von 1 Sea,
die Elle = 0,44 m (Krauß, Arch. 2, 389.391) gerechnet, eine Fläche von 2500x0,44
X 0,44 = 484 qm (rund 500 qm) nötig gewesen sein. Daß ein solches Feldstück
50000 Kor, d. h. anderthalbmillionenfache Frucht gebracht habe, sucht der Text durch
die folgende exegetische Spielerei zu zeigen.
Strack u. Billerbeck, NT I. 42
658 Matthl3,8
einer Bsr hat R. Me'ir (um 150) gesagt: Ich habe gesehen, daß im Tal Beth-Sch^'an
(— Skythopolisi ein Feldstück von 1 Sea Aussaat 70 Kor^ gebracht hat. Unter allen
LäncTern gilit es nun kein vorzüglicheres, als das Land Ägypten; denn es heißt: „Wie
der Garten Jahves, wie das Land Ägypten" Gnlo, 10; u. im ganzen Lande Ägypten
gibt es nichts Vorzüglicheres als ^o?an (= Tanis in Unterägypten); denn dort weihte
man die Könige, wie es heißt: „Denn in ^o?an Sind seine (Israels) Fürsten eingetroffen"
Jes 30,4 (um dem dortigen König zu huldigen, s. Raschi). Und im ganzen Lande Israel
gibt es keine felsigere Gegend als Hebron, denn man pflegte dort die Entschlafenen
zu bestatten; u. trotzdem ist Hebron siebenmal mehr angebaut gewesen als (^o?an, wie
es heißt: , Hebron war siebenfach angebaut vor (j)o?an Ägyptens" Nu 13, 22 (so der
Midr). Was heißt „gebaut"? Wenn du sagen wolltest, es bedeute „erbaut" im eigent-
lichen Sinn, wäre es denn möglich, daß ein Mensch seinem jüngsten Sohn ein Haus
baute, bevor er ein solches seinem älteren Sohn erbaut hätte? Denn es heißt: Die
Söhne Harns waren Kusch, Mi9rajim, Put u. K<=nafan GnlO, 6. (Wenn also Nu 13,22
besagen sollte, daß Hebron in Kanaan sieben Jahre vor ^o^an in Ägypten erbaut worden
sei, so wäre für Harns jüngsten Sohn Kanafan der Wohnsitz früher bereitet worden als
für den älteren Mi9rajim.) Vielmehr will Nu 13,22 besagen, daß Hebron siebenmal
mehr angebaut gewesen sei als Co?an. (Also brachte I Sea Aussaat in Hebron 490 Kor,
d. h. siebenmal mehr als in ^o?an.) Und das gilt vom felsigen Boden cl--u; aber auf
nichtfelsigem Boden brachte 1 Sea Aussaat 500 Kor; u. das gilt wiederum für den Fall,
daß das Jahr kein besonders gesegnetes war; aber von einem gesegneten heißt es:
„Isaak säte in diesem Lande u. erntete in diesem Jahr hundertfältig; denn Jahve
segnete ihn" Gn 26, 12. (So bringt in einem gesegneten Jahr 1 Sea Aussaat 100 x 500
oder 5 Myriaden Kor, was zu beweisen war.) — Bar: R. Jose (um 150) hat gesagt:
1 Sea (Weizen) in Judäa brachte 5 Sea (Mehl): 1 Sea gewöhnliches Mehl, 1 Sea Fein-
mehl, 1 Sea Kleie, 1 Sea Schrot u. 1 Sea Hülsen. — Ein Sektierer sagte zu R. Chanina
(um 225): Mit Recht lobt ihr euer Land. Mein Vater hinterließ mir ein Stück Land
von 1 Sea Aussaat; davon habe ich Öl, Wein, Getreide, Hülsenfrüchte, u. davon weiden
meine Herden. — Ein Emoriter fragte einen Bewohner des Landes Israel: Wieviel
habt ihr von jener Dattelpalme, die am Jordanufer steht, abgepflückt (an Datteln ge-
erntet)? Er antwortete: 60 Kor.- Jener sprach: Noch seid ihr kaum ins Land hinein-
gekommen,^ da habt ihr es auch schon verwüstet; wir haben 120 Kor davon gepflückt.
Er antwortete: Auch ich habe nur von Einer Seite (des Baumes) zu dir geredet. —
Rab Chisda (f 309 j hat gesagt: Was bedeutet: „Ich will dir ein liebliches Land geben,
ein Besitztum der Zierde "zu" Jer 3, 19? Warum wird das Land Israel mit einer Gazelle
{'2-4 heißt auch Gazelle) verglichen? Um dir zu sagen: Wie bei einer Gazelle die (ab-
gezogene) Haut ihr Fleisch nicht (mehr) umspannt, so faßt auch das Land Israel seine
Früchte nicht. Eine andre Erklärung: Wie die G. schneller ist als alle übrigen Tiere
des Feldes, so ist das Land Israel vor allen übrigen Ländern schnell, seine Früchte
zur Reife zu bringen. Wenn du aber sagen wolltest: „Wie die G. schnell u. ihr Fleisch
nicht fett ist, so ist auch das Land Israel zwar schnell, seine Früchte zur Reife zu
bringen, aber seine Früchte sind nicht fett", so sagt die Schrift lehrend: „ein Land,
das von Milch u. Honig überfließt" Ex 3, 8, d.h. seine Früchte sind fetter als Milch
u. süßer als Honig.'' || P*^s 87 '^ sagt R. Elfazar (um 270) beiläuflg: Sät denn nicht ein
Mensch 1 Sea aus, nur um etliche Kor einzuernten? (Wenn er nur 2 Kor erntete, so
bedeutete das eine HOfältige Frucht.) '.] DtR 3 (200=^): Die Rabbinen haben gesagt: Von
der Redlichkeit (1. ip:->:.s statt ir-iii-s) eines Menschen lerne verstehen die Redlichkeit
1 Das wäre eine 2 100 fache Frucht gewesen.
' l Sea = 13,131 Liter; 1 Kor = 30 Sea = 393,93 Liter; 60 Kor ^- 23H,4 Hektoliter.
ä Das Gespräch hätte hiernach zur Zeit der Besitzergreifung des Landes durch die
Israeliten stattgefunden.
* Parallelstellen zu Einzelheiten finden sich M'gtj^': Sota 34b; NuR 16 (181b);
SDtll,10§37 (75b.7*;b).
MatthlS, 8. 11 659
(Treue, Zuverlässigkeit) Gottes. Als R. Pin''chas b. Jair (um 200) in einer Stadt des
Südens wohnte, geschah es, daß Leute dorthin kamen, um ihren Lebensunterhalt da-
selbst zu suchen. Sie besaßen 2 Sea Gerste, die sie ihm zur Aufbewahrung übergaben;
sie vergaßen sie aber, als sie weiterzogen. R. P. säte sie in jedem Jahre aus, brachte
sie auf die Tenne u. .sammelte sie in die Kornkammer ein. Nach sieben Jahren kamen
jene Genossen wiederum dorthin, um jene zwei Sea einzufordern. R. P. erkannte sie
sogleich wieder u. sprach: Kommt u. empfanget eure Schatzkammern ( Magazine K Siehe,
von der Redlichkeit eines Menschen lerne ei-kennen die Redlichkeit Gottes. || SLv
26,4(448*): ,Ich gebe euch eure Regengüsse zu ihrer Zeit" Lv 26, 4, d. h. in den
Sabbatnächten. In den Tagen des Schimfon b. Schatach (um 90 v.Chr.) u. in den Tagen
der Königin ''z'i^hv ' geschah es, daß die Regengüsse regelmäßig in den Sabbatnächten
niederfielen, bis die Weizenkörner so groß wurden wie Nieren u. die Gerstenkörner
wie Olivenkerne u. die Linsen wie Golddenare. Die Gelehrten wickelten davon ein u.
legten sie als ein Beweisstück für die kommenden Geschlechter nieder, um kundzutun,
was die Sünde verursacht, um zu bestätigen, was geschrieben steht: „Eure Verschul-
dungen brachten diese (die Zeiten des Regens u. der Ernte) aus der Ordnung, u. eure
Sünden hielten das Gute von euch zurück" Jer 5, 25. — Dasselbe auch Tafan2;^*. ;i
Weiteres bei Mt 4,12 S. 154 if. - Ein begeistertes Loblied auf das Land Israel liest
man SDt 1 1, 10—15 § 37—43.
13,11: Die Geheimnisse des Himmelreichs.
/.ivavrjQiov im Rabbinischen: -p-iiLJOri u. "pnipip^.
Allgemein ist von den Geheimnissen Israels die Rede ExR 19 (81 *^): ,Er tut sein
Wort Jakob kund, Israel seine Satzungen u. Rechte" Ps 147, 19. Gott sprach zu ihnen:
Keine andre Nation soll sich mit Israel vermischen, noch seine Geheimnisse riTcn
kennen lernen; sondern ihr sollt für euch allein sein in dieser Welt.
Im einzelnen werden als Geheimnis bezeichnet
a. Die traditionelle Lehre Israels. P siqR 5 (141»): R. J^huda b. Schalom
(um 370) hat gesagt: Mose wünschte, daß die Mischna (d. h. die traditionelle Lehre)
schriftlich gegeben würde; Gott aber sah voraus, daß die Völker die (schriftliche) Tora
übersetzen u. sie griechisch lesen würden (nämlich in den LXX) u. sagen: Nicht diese
sind (das wahre) Israel! Gott sprach zu ihm: Siehe, Mose, die Völker werden dereinst
sagen: Wir sind (das wahre) Israel, wir sind die Kinder Gottes! Und die Israeliten
werden sagen: Wir sind die Kinder Gottes! Und jetzt halten sich die Wagschalen
das Gleichgewicht. Dann sagt Gott zu den Völkern: Wie sagt ihr, daß ihr meine Kinder
seid? Ich weiß nur, daß der, der mein Geheimnis ^''v i-i^-l^o« in seiner Hand hat, mein
Sohn ist. Sie sprechen: Und was ist dein Geheimnis? Er antwortet: Das ist die Mischna
(die traditionelle Lehre). — Dasselbe ExR47 Anfang; Tanch s—i 22b; sar -s 120b;
TanchB s-^^i §6 (44b). Vgl. auch R. Chelbo (um 300) Midr HL 2, 7 (99»): Gott beschwur
Israel, daß sie ihr Geheimnis nicht den Völkern der Welt offenbaren sollten.
ö. Die Beschneidung. TanchB -5 -V §23 (40^): „Das Geheimnis Jahves 'n -io
gehört denen, die ihn fürchten, u. sein Bund, um ihnen denselben kundzutun" Ps25, 14.
Und was ist das Geheimnis -tc Gottes? Das ist die Beschneidung; denn Gott hat das
Geheimnis i^-i-joa der Beschneidung nur Abraham kundgetan. — Parallelstellen: Tauch
-• -h 20'' ; GnR 49 (30 '^) ; Aggad B'resch 16 § 2 ( 1 6 -').
C. Die Zeit des Anbruchs der Tage des Messias. Tanch --'^ 56=*: Isaak u.
Jakob wollten beide das Geheimnis ]'-"jC': Gottes offenbaren. Von Isaak steht ge-
schrieben: „Er rief seinen älteren Sohn Esau" Gn 27, 1 ; er wollte ihm das Ende (y-^ "J*,
d.h. den Beginn der messian. Zeit) offenbaren, aber Gott verbarg es vor ihm. Jakob
1 LvR35(132'^) ns'i-j-a. Gemeint ist die Gemahlin des Alexander Jannäus, die
Königin Alexandra Salome, die nach dem Tode ihres Gemahls die Herrschaft führte
von 78— (i9 v. Chr. — SDt 1 1 , 14 S 42 (80 •') nennt die Königin -:•;-- ; das wäre die Königin
Helena von Adiabene, um 45 n. Chr.
42*
660 Matth 13, 11. r2i?l)
wollte seinen Söhnen das Ende ypr: rs offenbaren: denn es heißt: „Und Jakob berief
seine Söhne" Gn49, 1.
d. Die Monatseinschaltung (Kalenderberechnung). pRH 2, ö8b, 22:
R. Ehazar (um 270) hat gesagt: „Und es kommt meine Hand über die Propheten, die
Eitles schauen u. lügnerisch wahrsagen: im Geheimnis -"C meines Volkes werden sie
nicht sein" Ezl3,9; damit ist das Geheimnis der Monatseinschaltung ^is^yn tid ge-
meint. — Ebenso deutet R. Ehazar Ez 13,9 K^th 112^. |1 ExR 15 (79a): Gott hat das
Geheimnis -iio des Mondes (d. h. der Rechnung nach Mondjahren) den Israeliten über-
geben, damit sie danach zählen, während die Völker nach der Sonne zählen.
e. Gewisse Stoffe der Tora, besonders die „Gründe der Tora" r;-»n -'pj.-i: u.
die kosniologischen u. theosophischen Geheimlehren r-rs-a r;-i;i';>5 u. "^s"*?. ""i^S'?. —
AbothR, 2: (R. Me'ir, um 150, sagte:) Die Tora gibt ihm (dem sich mit ihr um ihrer
selbst willen Beschäftigenden) Königswürde u. Herrschaft u. Erforschung des Rechts,
u. man offenbart ihm die Geheimnisse der Tora --n-r -t-. || Chag 14a: Rab Nachman
b. JiQchaq (f 356) hat gesagt: Die Worte: „Die da weggerafft wurden" Hi 22, 16 sind
zum Segen geschrieben. Damit sind die Gelehrtenschüler gemeint, die sich wegen der
Worte der Tora in dieser Welt einschränken; Gott aber wird ihnen in der zukünftigen
Welt das Geheimnis (der Tora) -'c offenbaren, s. Hi22, 16: „Wie ein Strom ist hin-
gegossen ihr (der Tora) Geheimnis" (so der Midr). || P''s 119a: Was bedeutet nssttV
p^riy (zu stattlicher Bekleidung Jes 28, 18)? Das ist der, der die Dinge bedeckt nssan
(geheimliält), die der „Alte an Tagen" (i'tt'i"' P'p? Dn 7,9) bedeckt hat. Und was sind
das für Dinge? Das sind die Geheimnisse der Tora n-»r --rc (Raschi: :T3^-^^: r-.-wc
r-rs-3 r-i-i-3i); andre sagen: Das ist der, der die Dinge bekanntmacht, die der Alte
der Tage bedeckt hat. Was sind das für Dinge? Das sind die Gründe der Tora "n^'a
r!-ir (die Gründe, die für die Festsetzung der einzelnen Gesetzesbestimmungen maß-
gebend gewesen sind, zB für die Durchlochung des Ohrs des Sklaven Ex 21, 6 oder
für die Ausschließung des Eisens vom Altarbau Dt 27, 5, s. TBQ 7,5.6). || Sanh 21 b;
R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: Warum sind die Gründe der Tora n^r •■oi-a nicht
bekanntgemacht worden? Siehe, in zwei Schriftstellen sind ihre Gründe bekannt-
gemacht worden; da ist durch sie ein Großer der Welt zu Falle gekommen. Es steht
geschrieben: „Er halte sich nicht viele Weiber, daß sein Herz nicht abtrünnig werde"
Dt 17, 17; Salomo sprach: Ich werde viele halten u. nicht abtrünnig werden. Ubd es
steht geschrieben: „Und es geschah in der Zeit, da Salomo alt geworden, wendeten
seine Weiber sein Herz ab zu anderen Göttern" 1 Kg 11,4. Ferner steht geschrieben:
„Er halte sich nicht viele Pferde" Dt 17, 16; aber Salomo sprach: Ich werde viele
halten u. doch das Volk nicht nach Ägypten zurückführen. Und es steht geschrieben :
,Es kam ein Gespann herauf aus Ägypten für 600 Sekel Silbers u. ein Pferd für 150"
1 Kg 10, 29. II Neue P''siqtha (Jellinek, Beth ha-Midr G, 47): ünsre Rabbinen haben ge-
lehrt: In der Zukunft wird Gott dasitzen u. ihnen die Gründe der Tora n-i<r -ayts ent-
hüllen, weshalb er uns das Schwein (s. Dt 14, 18) u. Blut u. Fett (s. Lv 7,22 — 27) u.
Fleisch in Milch (s. Ex 23, 19) verboten hat. ... — Die ganze Stelle s. im Exkurs:
„Sch*^ol" usw. 111,4, m Ende. — Zu den kosmologischen u. theosophischen Geheimlehren
vgl. Exkurs: „Memra Jahves" Nr.2,d; Exk.: „Sch«ol" usw. III. 3,f (pChag 2, 77^,57).
13, 12 51: Wer da hat, dem wird gegeben werden.
Vgl. Spr 1,5; 9,9. — B'^rakh 55»: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gott gibt Weis-
heit nur dem, der Weisheit besitzt, s. Dn 2, 21 : „Er gibt Weisheit den Weisen u. Wissen
den Einsichtigen. " Rab Tachlipha b. Ma? araba hörte es u. sagte es vor R. Abbahu (um 300).
Dieser sprach zu ihm: Ihr lehrt es auf Grund jener Stelle; wir lehren es, weil es heißt:
„In das Herz aller, die weisen Herzens sind, habe ich Weisheit gegeben" Ex 31,6.!!
M^kh Ex 15, 26 (53**): „Wenn du hörend hören wirst" Ex 15,26. Von hier aus hat man
gesagt: Wenn ein Mensch auf Ein Gebot hört, so läßt man (= Gott) ihn auf viele
Gebote hören, s.: Hörend wirst du hören (so der Midr). Wenn ein Mensch Ein Gebot
vergißt, so läßt man ihn viele Gebote vergessen, s. : „Wenn du vergißt, so wirst du
Matth 13, 12 (3t. 5B) 661
Jahve vergessen" Dt 8, 19 (so der Midr). Diese Auslegung scheint nach 54''* R. J'^hoschuaf,
um 90, zur seinigen gemacht zu haben. — Parallelstellen: M'^'kh Ex 19, 5 (70 "^j ; in andrer
Form SDt 12, 28 § 79 (91 '■^). Zwei ähnliche Aussprüche von Schim?on b. f Azzai (um 110)
in M^-kh Ex 15,26 (54a- b). || ß^rakh 40=^: R. Z'^fira (um 300), nach andren R. Chanina
b. Papa (um 300) hat gesagt: Komm u. sieh, daß Gottes Art nicht ist wie die Art von
Fleisch u. Blut. Bei den Menschen ist es so, daß ein leeres Gefäß etwas aufnimmt,
aber nicht ein volles Gefäß; aber bei Gott ist es nicht also; bei ihm nimmt ein volles
Gefäß auf, aber kein leeres; s.: , Hörend wirst du hören* Ex 15,26, d. h. wenn da
hörst, so wirst du (weiter) hören; wenn aber nicht, so wirst du nicht hören. Eine
andre Erklärung: Wenn du auf Altes hörst, wirst du auf Neues hören; wenn sich aber
dein Herz abwendet, so wirst du nichts mehr hören. — Parallelstelle: Sukka 46 ^ j
BQ 92'': Raba (f 352) fragte den Rabbah b. Mari: Woher läßt sich das Wort beweisen,
das die Leute zu sagen pflegen: Den Armen verfolgt die Armut? Er antwortete: Aus
dem, was wir gelernt haben (Bik3, 8): Die Reichen brachten ihre Erstlinge dar in
silbernen u. goldenen Körben, u. die Armen in Rutenkörben aus abgeschälten Weiden-
trieben; diese Körbe u. die Erstlinge wurden den Priestern gegeben. (Die Armen mußten
ihre Körbe abgeben, während die Reichen sie behielten). Er sprach zu ihm: Du sagst
es auf Grund dieser Stelle, ich sage es auf Grund dieser Stelle: (Der Aussätzige)
rufe: Unrein, unrein! (Lv 13,45.) (Zu seinem Elend hat der Aussätzige selbst noch
diesen Schimpf zu fügen.) Das Sprichwort wird auch Chull 105'' zitiert, i] Aboth 1, 13:
Hillel, um 20 v. Chr., pflegte zu sagen: Wer sich einen (großen) Namen machen
will, verliert seinen Namen, u. wer nicht (zu seinem Wissen) hinzufügt, der macht
(seinem Wissen) ein Ende. || BB 12'': Wem man {— Gott) Unheil sendet, dem sendet
man nicht alsbald Glück, u. wem man Glück sendet, dem sendet man nicht alsbald
Unheil. — Nur der erste Teil des Sprichworts in BQ 78"^. || Midr Qoh 1, 7: Eine Matrone
fragte den R. Jose b. Chalaphta (um 150) u. sprach zu ihm: Was bedeutet: ,Er gibt
Weisheit den Weisen u. Wissen den Einsichtigen" Dn2, 21? Hätte die Schrift nicht
sagen sollen: Er gibt Weisheit den Nichtweisen u. Wissen den Nicht einsichtigen? Er
antwortete: Ein Gleichnis. Wenn zu dir zwei Menschen kommen, um von dir Geld zu
borgen, einer ist reich u. der andre ist arm, wem von ihnen leihst du, dem Reichen
oder dem Armen? Sie sprach: Dem Reichen. Er sprach: Und warum? Sie antwortete:
Wenn der Reiche mein Geld verliert, so hat er, wovon er bezahlen kann; aber wenn
der Arme mein Geld verliert, wovon soll er mir zahlen? Er sprach zu ihr: Und wollen
deine Ohren nicht hören, was du mit deinem Munde aussprichst? Wenn Gott Weis-
heit den Törichten gäbe, so würden sie sitzen u. davon sprechen in den Aborten u.
Theatern u. Badeanstalten; allein Gott hat Weisheit den Weisen gegeben, u. diese
sitzen u. sprechen davon in den Synagogen u. Lehrhäusern. || Ferner s. bei Mt 25, 29.
13, 12 $B: Wer nicht hat, von dem wird genommen werden,
was er hat.
GnR20(13^): R. Acha (um 320) u.R. Asi (um 300) haben im Namen des R. Hoscha ja
(um 225; so lies; Bacher, Pal. Amor. 1, 102. 3) gesagt: Gott sprach zur Schlange: Ich
hatte dich zum König über das Vieh u. das Wild gemacht, aber du hast nicht gewollt;
ich hatte dich geschaffen, daß du in aufrechter Haltung einhergehen solltest wie der
Mensch, aber du hast nicht gewollt, so wirst du auf deinem Bauche einhergehn; ich
hatte dich geschaffen, daß du Speisen wie der Mensch essen solltest, aber du hast nicht
gewollt, so wirst du Staub alle Tage deines Lebens essen. Du wolltest Adam töten
u. die Eva heiraten; bei deinem Leben! ,Ich werde Feindschaft setzen zwischen dir u.
dem Weibe" (Gn 3, 15). Hierauslerne: was sie begehrte, wurde ihr nicht gegeben, u.
was in ihrer Hand war, wurde von ihr genommen i^v-o 5ü-d n*3a nni. Ebenso finden
wir es bei Qain, Qorach, Bilfam, Doeg, Achithophel, Gehazi, Absalom, Ädonijjahu,
?Uzijjahu u. Haman: was sie begehrten, wurde ihnen nicht gegeben, u. was in ihrer
Hand war, wurde von ihnen genommen. Parallelstellen: TSotai, 17 — 19 (301); Sota9''. ||
TSota4, 16 (301): Wie (die ehebrecherische Frau) dem Ehemann verboten ist (zur Fort-
662 xMatth 13, 13. 14f.
Setzung der Ehe), so ist sie dem Buhlen verboten (zur Eingehung der Ehe), weil sie
ihre Augen auf einen gelenkt hat, der ihr nicht bestimmt ist. Was. sie begehrte, wird
ihr nicht gegeben, u. was sie in ihrer Hand hatte, wird von ihr genommen. — Dasselbe
als Bar Sota 9'' mit dem Zusätze: Denn von jedem, der seine Augen auf etwas lenkt,
was ihm nicht gehört, gilt: was er begehrt, gibt man (= Gott) ihm nicht, u. was in
seiner Hand ist, nimmt man von ihm.
13,13: Weil sie sehend nicht sehen u. hörend nicht hören
noch verstehen.
Chagl2''Bar: R. Jose (um 150) sagte: Wehe den Menschen, die sehen u. nicht
wissen, was sie sehen; die stehen und nicht wissen, worauf sie stehen! 1| GnR 91 (57*=):
„Jakob sah, daß Getreide in Ägypten war" Gn 42, 1. Wie, war denn Jakob in Äg.,
daß er das Getreide in Äg. sah, weil die Schrift sagt: Er sah, daß Getreide in Äg.
war? Und hat er nicht zu seinen Söhnen gesagt: , Siehe, ich habe gehört, daß Getreide
in Äg. ist" Gn42, 2? Allein von dem Tage an, da Joseph gestohlen war, war der
heilige Geist (^= Geist der prophetischen Begabung) von Jakob gewichen, so daß er
sah u. nicht sah, hörte u. nicht hörte !•?:■•:; ■u'si yij";»'! ns-i^ i:'si nsi-.
13, 14f.: Jes6, 9f. in der rabbinischen Literatur.
M^kh Ex 19, 2(69''): R. El?azar b. Jose (um 180) trug öffentlich vor: , Sooft man
sie bedrängte, empfand er (Gott) selbst Bedrängnis" Jes63, 9; u. er sprach: „Doch
mein Volk sind sie" Jes 63, 8. Wie, war es denn nicht vor ihm offenbar, daß sie ihn
täuschen würden? Die Schrift sagt lehrend: „dennoch" is; es war ihm offenbar. Und
was wollen nun die Worte sagen: „Ich will ihnen zum Helfer werden"? (so zitiert der
Midr Jes63, 8). Er will sagen: Nicht wie Menschenkindern, die Verdruß bereiten werden,
will ich ihnen helfen, sondern wie M., die dereinst in Ewigkeit nicht an ihm treulos
handeln werden. (Gott errettet also Israel in der Gegenwart trotz aller Untreue, weil
er auf die zukünftige Treue hinausblickt.) Ebenso heißt es: „Sie beredeten ihn mit
ihrem Munde, mit ihrer Zunge logen sie ihm. Ihr Herz war aber nicht fest an ihm
u. sie hielten nicht treu an seinem Bund" Ps78, 3Hf. Und trotzdem heißt es daselbst
(Vers 38): „Aber er ist barmherzig, sühnt Missetat" (wiederum weil er die spätere
Umkehr sieht). Ferner heißt es: „Mache das Herz dieses Volkes stumpf u. beschwere
seine Ohren u. verstreiche seine Augen, daß es nicht sehe mit seinen Augen u. mit
seinen Ohren höre u. sein Herz Einsicht gewinne; kehrt es aber um, so wird ihm
Heilung" Jes 6, 10 (so der Midr). Kehrt es in Buße um: die Worte wollen bewirken,
daß es umkehrt u. ihm Heilung wird. |l RH 17'': R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Groß
ist die Buße, denn sie zerreißt den Gerichtsbeschluß (Gottes) über einen Menschen;
s.: „Mache das Herz dieses Volkes stumpf usw. . . ., u. kehrt es um (in Buße), so wird
ihm Heilung" Jes H, 10. Rab Papa (f 376) sagte zu Abaje (f 338/39): Vielleicht bezieht
sich das auf die Zeit vor der Fassung des (göttlichen) Gerichtsbeschlusses. Er ant-
wortete: Es steht geschrieben: „und es wird ihm Heilung (Milderung)". Was bedarf
der Milderung? Sage: Das ist der Gerichtsbeschluß (also war er bereits gefaßt). ||
M®gl7'': Aus welchem Grunde hat man die Benediktion r.zwr („Buße", die 5. Bitte
des Achtzehn-Gebets) nach der Benediktion -r: (Erkenntnis, Einsicht) gesagt? Weil
es heißt: „Sein Herz wird Einsicht gewinnen, daß es umkehrt u. ihm Heilung wird"
Jes 6, 10. Wenn dem so ist, dann sollte man die Benediktion nsiE- „Heilung" (Nr. 8)
gleich nach r,zrvr sagen. Meine das nicht; denn es heißt: „Er soll umkehren zu Jahve,
80 wird er sich sein erbarmen, u. zu unsrem Gott, denn er will reichlich vergeben"
Jes 55, 7. Aber warum stützest du dich gerade auf diese Stelle? Stütze dich auf jene,
Jes ß, 10. An einer andren Stelle steht geschrieben: „Der dir alle deine Sünde vergibt,
der Heilung schafft all deinen Gebrechen, der ausder Grube dein Leben erlöst" Ps 103, 3 f.;
man sollte also nVris? „Erlösung" (Nr. 7) u. hn-e-^ (Nr. 8) nach der rrn-^o „Vergebung"
Nr. 6) sagen. Aber es heißt: „Er kehrt um u. es wird ihm Heilung" Jes 6, 10. Diese
Heilung (in Jes 6, 10) meint nicht eine H. der Krankheiten (wie die naiB-), sondern
Matth 13, 14f. 16 663
eine H., die in der Vergebung rtn^Vo besteht. || Seder ElijR 16 (82): (Ein Gelebrten-
schüler fragt den im großen Lehrhaus zu Jerusalem erscheinenden Propheten Elias:)
Rabbi, wodurch unterscheidet sich Jesaja, der Sohn des Amo9, von allen übrigen Pro-
pheten, die alle Güter u. Tröstungen Israel ge weissagt haben? Ich (Elias) antwortete
ihm: Mein Sohn, weil er die Herrschaft des Himmels (Gottes) mit Freude auf sich
genommen hat, vgl. Jes 6, 8ff.: „Da hörte ich die Stimme Jahves sprechen: Wen soll
ich senden u. wer wird ausgehen? Da sagte ich: Siehe, da bin ich, sende mich! Und
er sprach: Gehe hin u. sage zu diesem Volke da: Höret nur immerzu u. versteht's
nicht, u. sehet immerfort, aber merket's nicht. Mache das Herz dieses Volkes stumpf
u. beschwere seine Ohren u. verstreiche seine Augen, daß es nicht sehe mit seinen
Augen u. mit seinen Ohren höre u. sein Herz verstehe, so daß es umkehrte (in Buß-
fertigkeit) u. ihm Heilung würde." — Wie, wolltest du etwa meinen, daß Gott kein
Wohlgefallen an der bußfertigen Umkehr Israels habe (wie es die Schlußworte der
J^sajastelle zu besagen scheinen)? Das sei ferne. Gleich einem König von Fleisch u.
Blut, dessen einziger Sohn in einer Provinz weilt. Er schickt einen Gesandten an ihn
u. läßt ihm sagen: Schlachte viele Ochsen, iß Fleisch u. viele Lämmer u. trinke viel
Wein! Da fing er (der Sohn) an zu schlafen u. wurde träge in der Bearbeitung der
Äcker u. Rieselfelder. Und das alles (war vom König befohlen worden doch nur)
damit der Sohn des Königs hinausgehe, um mit ihm (dem Gesandten) die Arbeit auf
dem Felde zu verrichten, u. damit sein Vater käme u. an ihm Befriedigung fände.
Allein Gott weiß, daß Jesaja die Antwort nicht an ihrer (richtigen) Stelle wiedergegeben
hat. In der Tat, von denen, über die es heißt: „Frei offen soll Jerusalem liegen vor
Menge an Menschen u. Vieh in ihrem Innern; u. ich will ihr sein zur feurigen Mauer
ringsum" Sach2, 8f.; über die es weiter heißt: „Wiederum werden sitzen Greise u.
Greisinnen auf den Plätzen Jerusalems" Sach 8, 4 — von denen sollte Gott auf die
Frage: „Bis wie lange, Jahve?" Jesu, 11 gesagt haben: „Bis daß die Städte verheert
sind bewolmerlos u. die Häuser menschenleer"?! Fürwahr der Mensch muß wissen,
vor wem er steht, u. was er sagen soll vor dem, der größer ist als er selbst! Die
Gelehrten haben gelehrt (Aboth 4, 18): „Suche deinen Genossen nicht zu besänftigen
in der Stunde seines Verdrusses." — Die Meinung der Stelle geht dahin, daß Jes. Gott
mißverstanden u. Gottes Worte in ihr Gegenteil verkehrt habe, gerade so wie es der
Gesandte im Gleichnis mit den Worten des Königs tat: während Gottes Auftrag an.
Jes. die Herbeiführung bußfertiger Gesinnung auf selten Israels bezweckte, verkehrte
Jes. durch Mißverständnis der göttlichen Antwort (in Vers 11) Gottes Worte dahin,
daß die Verstockung Israels in Unbußfertigkeit als beabsichtigter Zweck (in Vers 10)
erscheint. || Diese Stellen zeigen, daß die alte Synagoge Jes 6, 10 nicht von einem
Gottesgericht zur Verstockung Israels verstanden hat; das letzte Zitat polemisiert aus-
drücklich gegen solche Auffassung. Dementsprechend wird der mit seinem n-:-*- an
u. für sich zweideutige Targum zu Jes 6, 10 so wiederzugeben sein: Mache stumpf das
Herz dieses Volkes u. schwer seine Ohren u. dunkel seine Augen, ob sie nicht viel-
leicht s'^Vri mit ihren Augen sehen u. mit ihren Ohren hören u. mit ihrem Herzen
aufmerken u. umkehren möchten, daß ihnen vergeben werden könnte.
13,16: Selig eure Augen, daß sie sehen, u. eure Ohren.
daß sie hören.
Man preist selig den, der Großes sieht, Herrliches erlebt, Schönes
sagt, Segen wirkt u. dgl,
PsSal4, 23: Selig fiaxägioi, die den Herrn in ihrer Unschuld fürchten. |ö, 16:
Selig fxuxÜQiog, dessen Gott in hinreichendem Maße gedenkt. | 6, 1 : Selig fiaxdQiog der
Mann, dessen Sinn bereit ist, des Herrn Namen anzurufen. | 17,44: Selig uccxagtog,
wer in jenen (messianischen) Tagen leben wird u. schauen darf das Heil Israels.
Ähnlich 18, 6; s. auch 10, 1. — H Als R. El?azar b. gArakh (um 90) u. R. J%oschua?
b. Chananja (um 90) unter Anteilnahme der oberen Welt einen Vortrag über die Vv^'agen-
664 ^latth 13, It). 17. 18
ersclieinung Ezechiels gehalten haben, ruft ihr Lehrer Rabban Jochanan b. Zakkai
tt um 80) Chag 14 '^ aus: Heil dir t^»s, Abraham, unser Vater, daß El'azar b. cArakh
aus deinen Lenden hervorgegangen ist! Heil euch u. Heil eurer Mutter! Heil meinen
Augen, daß sie solches sahen is- ']5iä -j-y — üs =:r-:"':v — rsi s:— i's! || Joma 8, 9:
R. cAqiba (tum 135) hat gesagt: Heil euch =:--ün, Israel! vor wem steht ihr rein da
u. wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel. || 'Er öS'': (R. J*'hoschuaJ. um 90,
küßt einen Knaben, der eine kluge Rede geführt hat, mit den Worten:) Heil euch,
Israeliten! denn ihr seid alle große Gelehrte von den Gro(^en an bis hin zu den Kleinen. ||
Joma87^: Heil den Gerechten c^p'nu'; sn^i^s! Nicht genug, daß sie selbst Verdienste
besitzen, sie erwerben auch Verdienste für ihre Kinder u. Kindeskiuder bis ans Ende
aller Geschlechter. . . . Wehe den Gottlosen a*y;a-'"5 an'5 --s! Nicht genug, daß sie sich
selbst verschulden, sie laden auch Schuld auf ihre Kinder u. Kindeskinder bis ans Ende
aller Geschlechter. || Nach der Bar JomaSrt'* sagen die Leute von einem wohlgesitteten
Torabeflissenen: Heil seinem Vater, der ihn Tora lernen ließ; Heil seinem Lehrer, der
ihn Tora lehrte! |i Apok Bar 54, 10: Heil meiner Mutter unter denen, die geboren haben,
u. gepriesen sei unter den Weibern sie, die mich geboren hat. i| TanchB "-z-'^iz § 14 (7 a):
,Er umgab ihn, hatte auf ihn acht, behütete ihn wie seinen Augapfel" Dt 32, 10. Was
heißt: ,er umgab ihn"? Er umringte ihn mit den Wolken der Herrlichkeit; „er hatte
auf ihn acht", er gab ihnen Einsicht in die Worte der Tora; ,er behütete ihn", selig
die Ohren, die hörten. — Ferner s. bei Mt 5, 3 Nr. 1 ; Lk 1 1, 27.
13, 17: Viele Propheten u. Gerechte begehrten zu sehen . . .
u. haben nicht gesehen.
M''kh Ex 15,2(44a): , Dieser ist mein Gott, den will ich rühmen" Ex 15,2. R. Eli?ezer
(um 90) sagte: Woher kann man sagen, daß eine Magd am Meer gesehen hat, was
weder Ezechiel noch alle übrigen Propheten gesehen haben? Weil es von diesen heißt:
,In Gleichnissen redete ich durch die Propheten" Hos l'i, 11 ; u. ferner heißt es: „Der
Himmel tat sich auf u. ich sah göttliche Gesichte" Ez 1, 1. Gleich einem König von
Fleisch u. Blut, der in eine Stadt kam; ein Kreis von Menschen umgab ihn, Helden
zu seiner Rechten u. zu seiner Linken, Truppen vor ihm u. hinter ihm; alles fragt:
Welches ist der König? Denn er ist Fleisch u. Blut wie jene (die ihn umgeben u. ohne
weiteres nicht von diesen zu unterscheiden). Aber als sich Gott am Meer offenbarte,
hatte keiner von ihnen zu fragen: Welches ist der König? Sondern als sie ihn sahen,
erkannten sie ihn, u. alle hoben an u. sprachen: »Dieser ist mein Gott, den will ich
rühmen!" — Eine ähnliche Ausführung liest man von R. Hoscha?ja (wohl der IL ge-
meint, um 300) DtR 7 (204 <^) u. von R. B^reklija (um 340) ExR 23 (85«). ü Targ Jerusch I
Nu24, o: Ausspruch Bilfams, Sohns des B"^?or, u. Ausspruch des Mannes, der geehrter
ist als sein Vater: denn die verborgenen Geheimnisse, was vor den Propheten verhüllt
war, wurde ihm offenbart. — Ähnlich'so das. Vers 4 u. 15. |j M^'kh Ex 19, 1 1 (72^): ^Am
dritten Tage wird Jahve vor den Augen des ganzen Volkes herabkommen" Ex 19, 11,
das lehrt, daß sie in jener Stunde gesehen haben, was Ezechiel u. Jesaja niclit gesehen
hat; s. Hos 12,11: „In Gleichnissen redete ich durch die Propheten."
13,18: Ihr nun höret das Gleichnis vom Säemann.
. Trotz der großen Fülle von Gleichnissen in der rabbin. Literatur
wird eine ausdrückliche Auslegung der einzelnen Züge eines Gleich-
nisses verhältnismäisig sehr selten gegeben. Meist begnügt man sich
damit, den Hauptgedanken der Parabel bei der Anwendung nachklingen
zu lassen, indem man die Einzeldeutung dem Hörer überläßt.
Ausgeführte Beispiele: MidrQohö, 11: R. B'rekhja (um 340) hat gesagt: Ein
Gleichnis. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem König, der einen Garten hatte,
den er seinem Solin übersah. Wenn sein Sohn seinen Willen tat, achtete der König
Mattli 13, 18. 19 (Sl. JB) 665
darauf, wo sich eine schöne Pflanze in der Welt befand; sie pflanzte er dann im Garten
seines Sohnes an. Wenn aber sein Sohn nicht seinen Willen tat, achtete er darauf,
welche Pflanze schön u. henlich im Garten war; die riß er dann aus. Der König, das
ist Gott; der Garten, das ist die Welt, nach andren Israel. Wenn diese den Willen
Gottes tun, achtet er darauf, wer ein Gerechter unter den Völkern der Welt ist, wie
zB Jethro, Rahab, Ruth u. Antoninus (der Freund Rabbis); einen solchen bringt er
dann u. schliefat ihn (als Proselyten) an Israel an. Wenn diese aber nicht seinen Willen
tun, hat er darauf acht, wer ein Gerechter in Israel ist, u. den nimmt er dann von
ihnen (durch den Tod). — pB'^rakh 2, 5'', 65 verwendet bereits Resch Laqisch (um 250)
dies Gleichnis in einer Leichenrede auf R. Chijja b. Ad(d)a, den Nefi"en des Bar Qappara.
NuR 16 (180'^): R. Acha, der Ältere,^ eröffnete seinen Vortrag mit: , Verdorrt ist
das Gras, verwelkt die Blume; aber das Wort unseres Gottes wird ewiglich bestehn*
.fes 40, 8. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem Könige, der einen Freund hatte.
Er vereinbarte mit ihm u. sprach: Geh mit mir, so wei-de ich dir ein Geschenk geben.
Er ging mit ihm, starb aber. Der König sprach zu dem Sohn seines Freundes: Obwohl
dein Vater gestorben ist, so will ich doch von dem Geschenk, das ich ihm versprochen
habe, nicht zurücktreten; komm u. nimm du es in Empfang. Ebenso verhält es sich
hiermit (oder: so ist die Bedeutung -'^-•n -,d): der König, das ist der König aller Könige,
u. der Freund ist Abraham, s. Jes 41,8; Gott sprach zu ihm: Komm, gehe mit mir, s.
Gn 12, 1 ; er vereinbarte mit ihm, ihm ein Geschenk zu geben, s. Gn 13, 15. 17. Gott
sprach zu Mose (= Sohn im Gleichnis): Obwohl ich mit den Vätern vereinbart habe,
ihnen das Land zu geben, u. sie gestorben sind, so trete ich doch nicht zurück, vielmehr
, das Wort unsres Gottes wird ewiglich bestehn" Jes 40, 8. j! Midr Qoh 5, 10 (28*): Der
Patriarch R. J'huda (I. oder IL?) sagte ein Gleichnis. Womit läßt sich das vergleichen?
Mit einem König, der einen Weinberg hatte, den er einem Pächter übergab. Der König
sprach zu seinen Knechten: Geht, leset meinen Weinberg u. nehmt meinen Teil u. legt
den Teil des Pächters an seinen Ort! Sie gingen sofort u. taten nach dem Wort des
Königs. Da fing jener Pächter an zu schreien u. zu weinen. Der König sprach zu ihm:
Habe ich denn irgendetwas von dem Deinigen genommen? Habe ich denn nicht von
dem Meinigen genommen? Er antwortete: Mein Herr König, solange dein Teil bei
meinem Teil war, war mein Teil gesichert vor Raub u. Diebstahl; jetzt da du dein Teil
dahingenommen hast, siehe, liegt mein Teil da zu Raub u. Diebstahl. Der König, das
ist der König aller Könige, Gott; der Pächter, das ist der Vater u. die Mutter eines
Menschen. Solange die Seele (= Gottes Anteil) im Menschen ist, bleibt dieser erhalten;
wenn er aber stirbt, siehe, so ist er für die Made u. das Gewürm da, s. Hi 25, 6. || Weitere
Beispiele P'^siqR 10 (35b); ExR 20 (82a); ferner s. TanchB m^j^a § 10 bei Mt 13, 38; Tanch
-i'sN 178a bei Mt 18,27; Tanch srr -r 110» im Exkurs: Gleichnis von den Arbeitern im
Weinberg Nr. 8.
1'^, 19 91: Jeder der das Wort vom Reiche hört. . . .
Zu den vier Klassen von Hörern in Mt 13, 19 — 23 vgl. Aboth 5, 15:
Vier Arten gibt es unter den vor den Gelehrten (als Schüler) Sitzenden:
Schwamm, Trichter, Seiher u. Sieb. Dem Schwamm gleicht, wer alles
aufsaugt; dem Trichter, wer auf der einen Seite aufnimmt u. auf der
apdren hinausläßt; dem Seiher, wer den Wein hinausläM u. die Hefe
zurückbehält; dem Sieb, wer das Staubmehl hinausläßt u. das Kraft-
mehl zurückbehält.
13,19 35: Kommt der Böse.
0 TTovrjQÜg = isj-in; dies war im Rabbin. keine gangbare Bezeichnung
des Satans; s. S. 422 f. bei Mt 6, 13.
1 Wohl der um 320 n. Chr. lebende Gelehrte, Bacher, Pal. Amor. 3, 157.
666 Matth 13,21.22
13, 21 31: Er hat keine Wurzel in sich.
Sir 40, 15 (hebr.): Die Wurzel des Ruchlosen liegt auf einer Felsen-
klippe (u. vergeht), rbo -(Tü h-j r;2n tuiiü:. Vgl. auch Sir 23, 25; Weish 4, 3.
13,21 Sß: Wenn Trübsal oder Verfolgung um des Wortes
willen entsteht, nimmt er sofort Anstoß.
NuR 16 (ISl'^): In bezug auf jenes Geschlecht (von Nu 14,1) hat Jesaja gesagt:
,Am Tage deines Pflanzens umzäuntest du es, u. am Morgen brachtest du deine Saat
zur Blüte" Jes 17, 11, d. i. an dem Tage, da er gedachte euch in das Land zu pflanzen,
seid ihr zu Schlacken a";-c (Deutung von 'i-visr Jes 17, 11) geworden; ,u. am Morgen
brachtest du deine Saat zur Blüte", bevor die Hitze a^aj kam, blühtet ihr. . . .
13,22: Die Sorge der Weltzeit u. der Betrug des Reichtums
erstickt das Wort.
Be^a 15b Bar: Einmal saß R. Elifezer (um 90) u. trug den ganzen Tag hindurch die
den Festtag betreffenden Halakhoth vor. Die erste Schar (seiner Zuhörer) ging fort
(weil ihnen der Vortrag zu lang wurdej. Er sprach: Das sind die Besitzer von Tonnen.
Als die zweite Schar fortging, sagte er: Das sind die Besitzer von Fässern. Von der
dritten Schar sagte er: Das sind die Besitzer von Krügen; von der vierten Schar sagte
er: Das sind die Besitzer von Flaschen; von der fünften Schar sagte er: Das sind die
Besitzer von Bechern. Als auch die sechste Schar fortzugehn anfing, sagte er: Das
sind die Besitzer des Fluches (der Armut). Er richtete seine Augen auf seine Schüler,
deren Mienen sich zu verändern anfingen, u. sprach: Meine Kinder, nicht von euch rede
ich, sondern von denen, die fortgegangen sind, die das Leben der Ewigkeit dahinten
lassen, um sich mit dem Leben der flüchtigen Stunde zu befassen. (Je mehr Wohl-
habenheit im Hause, desto früher verläßt man die gottesdienstlichen Vorträge, um das
festliche Mahl daheim zu bereiten u. die bVeuden derTafel zu genießen.) — Die Wendung:
„Das Leben der Ewigkeit dahinten lassen, um sich mit dem Leben der flüchtigen Stunde
zu befassen" findet sich im Munde des R. Schim?ou b. Jochai (um 150) Schab 33'^; im
Munde des R. Jochanan (f 279) Tafan 21«; im Munde Rabas (t 352) Schab lO'*. — Den
Gegensatz von c^'-j -'- u. ~yv --n verwendet auch R. Schim?on b. Gamliel (um 140)
pB^rakh 3, 6^, 17. — R. Pin^chas b. Jair i (um 200) stellt Midr HL 1, 1 (79'^) gegenüber:
„Das Leben der flüchtigen Stunde dieser Welt" u. „Das Leben der zukünftigen Welt". |j
Git7C: Von 8 Dingen ist ein großes Maß schädlich u. ein geringes Maß zuträglich:
Wandern, Beischlaf, Reichtum, Arbeit, Wein, Schlaf, warmes Wasser (als Bad u. Trank)
u. Aderlaß. — Raschi bemerkt in bezug auf großen Reichtum: er läßt das Torastudium
vernachlässigen u. macht das Herz hochmütig. ll Joma35'': Der Arme u, der Reiche
kommen in Gottes Gericht. Beide fragt man : Warum hast du dich nicht mit der Tora
beschäftigt? Antwortet der Arme: Ich mußte mich um meinen Lebensunterhalt be-
mühen, so verweist man ihn auf Hillel u. dessen Armut. Antwortet der Reiche: Ich
mußte mich um meine Güter bemühen, so verweist man ihn auf R. Elfazar b. Charsom u.
dessen Reichtum. — Die ganze Stelle s. S.650 bei Mt 12,41. |i ExR 31 (91^j: Als Salomo
den Tempel erbaut hatte, sprach er in seinem Gebet zu Gott: Herr der Welt, wenn
ein Mensch zu dir betet, daß du ihm Vermögen, '•'r:^, geben möchtest, u. du weißt, daß
es ihm schädlich ist, so gib es ihm nicht. Wenn du aber siehst, daß einem Menschen
sein Reichtum zuträglich ist, so gib ihm. i; Aboth 4,9: R. Jonathan ^ sagte: Wer die Tora
in Armut hält, wird sie schließlich in Reichtum halten; wer die Tora im Reichtum
vernachlässigt, wird sie schließlich in Armut (d. h. vor Armut) vernachlässigen.
* Bacher, Tann. 2, 499. 2; Amor. Ü, 335. 9 will Pin'^'chas b. Chama (um 360) lesen.
2 Es scheint der um 140 n.Chr. le.bende Schüler des R. Jischma^el gemeint zu sein;
s. Bacher. Tann. 2, 354. 2.
Matth 13, 25. 27 667
13, 25 5t: Während die Leute schliefen, kam sein Feind.
M^kh Ex 17, S (tiH): R. jehoschua? (um 90) u. R. El?azar Chisma (um 110) haben
gesagt: Weil sich die Israeliten von den Worten der Tora abgesondert hatten, kam
?Amaleq wider sie; denn der Feind kommt nur wegen der Sünde u. Übertretung. —
Andre sagten: Rephidim Ex 17, 8 bedeutet das Erschlaffen der Hände d-t "vb^; ^ weil die
Israeliten ihre Hände von den Worten der Tora abgezogen hatten, kam der Feind wider sie;
denn der Feind kommt nur wegen des Abziehens der Hände von der Tora, s 2 Chr 1 2, 1 f.
eX^QÖ? = s:vr , Bezeichnung des bösen Triebes = Satan; s. Exkurs: Der gute u. der
böse Trieb Nr. 4, h (Sukka 52»); Nr. 6, f (AbothRN 16; SDt 11, 18 §45); Nr. 7, d (GnR 54).
13,25 S: Er säte Lolch inmitten des Weizens.
Zi^äviov, Lolch oder Tollkorn, lolium temulentum, eine Grasart, die
etwa 0,60 Meter hoch wird u. schwärzliche Körner bringt, die den
Weizenkörnern an Größe nachstehen. Die im Altertum verbreitete
Meinung, daß der Lolch entarteter Weizen sei, begegnet auch im
Rabbin. in jener haggadischen Etymologie, die den hebr. Namen -sit,
aram. nj^it, mit dem Verbum n:j „buhlen" in Verbindung bringt.
Kil 1,1: Weizen u. Lolch tj^t gelten nicht als Mischsaaten untereinander (sie werden
also nicht als verschiedene Fruchtarten gerechnet). ]i T°rum2, H: Bei allem, was nicht
Mischsaat untereinander ist, darf man die Hebe vom Besseren für das Schlechtere
absondern, aber nicht vom Schlechteren für das Bessere. Wenn man aber (aus Ver-
sehen) die Hebe vom Schlechteren abgesondert hat, ist die Hebe gültig, nur nicht,
wenn man sie von Lolch •^':^^ für Weizen abgesondert hat, da jener nicht zur Speise
dient (ungenießbar ist). 11 GnR 28 (18a): R. ?Azarja (um 380) hat im Namen des R.Phuda
b. Simon (um 320) gesagt: Alles hatte zur Zeit des Flutgeschlechts sein Tun verderbt.
Der Hund begattete sich mit dem Wolf u. der Hahn mit dem Pfau; das meint: „Alles
Fleisch hat seinen Weg verderbt" Gn6,12. Alle „Menschen" haben ihren Weg verderbt,
steht nicht geschrieben, sondern alles „Fleisch" (also auch die Tierwelt) hat seinen
Weg verderbt. R. Lulianai b. Tabrinai (um 330) hat im Namen des R. Ji9chaq (um 300)
gesagt: Auch die Erde buhlte nn:*:; hatte man Weizen in sie gesät, so brachte sie Lolch
■j'jflT hervor. Dieser Lolch wächst seit der Zeit des Flutgeschlechts. || pKil 1, 26*^, 84:
R. Ba b. Zabda (um 270) hat gesagt: An einigen Orten läßt man ihn iden Lolch) für
die Tauben stehn. R. Jona (um 350) hat gesagt: Der Lolch ist eine Art Weizen; aber
auch die Früchte buhlen, s.: „Damit nicht die Erde buhle" Lv 19, 29 (so der Midr); aus
dieser Stelle sieht man, daß die Früchte buhlen. 1| NuR 4 (141t>): Gott sprach: „Teuer
bist du in meinen Augen" Jes43, 4. Allen Völkern der Welt habe ich keine Zählung
gegeben, aber dir (Israel) habe ich eine Zählung gegeben. Gleich einem' König, der
viele Tennen hatte, u. alle waren befleckt u. voll von Lolch c-:it, darum achtete er
nicht auf ihre Zählung; u. er hatte Eine Tenne; er sah, daß sie schön war; er sprach
zu seinem Hausvogt: Jene Tennen sind befleckt u. voll von Lolch, deshalb achtete ich
nicht auf ihre Zählung; aber bei dieser nimm zur Kenntnis, wieviel Kor sie enthält,
wieviel Säcke, wieviel Scheffel. . . .
13,27: Die Knechte (Sklaven) des Hausherrn.
olxo6sa7i6Ti]g = n":2n bra, meist der Haus- oder Grundbesitzer.
Pea4, 1: Der Feldrand wird gegeben von dem, was am Boden haftet. Vom auf-
gezogenen Wein u. von der Palme nimmt der Besitzer n-:n '^ya ab u. verteilt es an
die Armen. | 5, 7: Eine Garbe, die die Arbeiter (auf dem Felde) vergessen haben, aber
nicht der Besitzer r'ZT. 'sya, oder die der Besitzer vergessen hat, aber nicht die Arbeiter,
oder vor welche sich die Armen gestellt haben oder die sie mit Stoppeln bedeckt
^ Notarikondeutung, s. Einl. 107 Nr. SO.
668 Matth 13,29.30.31 (3t)
haben, siehe, die gilt nicht als Vergessenes. — D'^mai 5, 7: Wer vom Besitzer kauft u.
dann noch einmal etwas von ihm kauft, darf von dem einen für das andre verzehnten.
13,29: Damit ihr nicht, wenn ihr den Lolch sammelt,
zugleich damit den Weizen ausreißet.
BQ 92^: Raba (t 352) sagte zu Rabbah b. Mari (um 820): Aus welcher Schrift-
stelle läßt sich das Sprichwort beweisen: Mit der Unkrautsstaude wird der Kohl ge-
züchtigt (= ausgerissen; Sinn: der Unschuldige muß mit dem Schuldigen leiden)'? Er
antwortete: Weil geschrieben steht: , Warum hadert ihr wider mich? Ihr alle habt
an mir gefrevelt!" Jer 2, 29. („Ihr alle", also auch der Prophet.) Er sprach zu ihm:
Du sagst es auf Grund dieser Schrittstelle ; ich sage es auf Grund von: „Wie lange
weigert ihr euch meine Gebote u. meine Weisungen zu beobachten?" Ex 16, 28. («Ihr",
also auch Mose u. Ahron werden zu den Widerspenstigen gezählt.) i] BM 83 '^ s. S. 672
bei Mt 13, 39 93.
13, 30: Bis zur Ernte. Vgl. Midr Ps 8 § 1 (37^) u. Midr HL 8, 14 Ende bei Vers 41 .
13, 30: Meine Scheuer. Hierzu s. bei Mt 3, 12.
13,31 3t: Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn.
^('rairi, aivamg „Senf, hebr. b'i-in, aram. xb'^i-ir;.
Die Mischna kennt zwei Senfsorten. Kil 1,1: Der (gewöhnliche) Senf u. der ägyp-
tische Senf gelten nicht als Mischsaaten untereinander. || Als heterogen werden Senf u.
ein Kraut namens icsV (= '/.«ipüi^?], lapsana, Andorn) angesehen. Kil 1,5: Der Senf u.
der "Ci', obgleich sie einander ähnlich sind, sind Mischsaaten untereinander.
Der Senf wurde teils als Körnerfrucht, teils als Gemüse angebaut; s. zB TMafas
3, 7 (84): Hatte man den Senf der Körner wegen ausgesät u. sah man ihn dann als Ge-
müse (Grünkraut) an, so müssen die Körner u. das Kraut verzehntet werden. |! Die
Körner wurden durch Einlegen oder Versüßen schmackhaft gemacht; als besonderer
Leckerbissen galt Ochsenzunge in S. bereitet. Doch wird vor häufigem Genuß des S.
gewarnt. Auch als Taubenfutter fanden die Körner Verwendung. Von der Senfstaude
wurden namentlich die Blütenknospen als menschliche Speise hergerichtet. Die Blüten
selbst hatten als gefürchtetes Bienenfutter Ruf. TSchab 8, 9 (120): (Wer am Sabbat
aus einem Bezirk in den andren hinausträgt) Lauch, Senf, Lupinen u. alles, was sonst
eingelegt wird, sei es nachdem, sei es bevor man es süß gemacht hat, in der Größe
einer getrockneten Feige (der macht sich der Sabbatentheiligung schuldig). Vgl. TMSch
!, 13 (87). !| Schab 134'' Bar: Man darf (am Sabbat) den S. nicht in seinem Siebe sieben,
man darf ihn nicht durch eine Holzkohle süß machen. Aber in einer Bar ist doch ge-
lehrt worden: Man darf ihn durch eine Kohle süß machen! Das ist kein Widerspruch.
In dem einen Fall handelt es sich um ein glühendes Metallstück als Kohle u. in dem
andren um eine Holzkohle. Vgl. TJom tob 3, 15 (206). \\ NuR 13 (169^): (R. Sch^muel
b. Nachman, um 260, hat gesagt:) Alles, was in den sechs Schöpfungstagen geschaffen ist,
bedarf der Zubereitung, der Senf zB. bedarf der Versüßung. — Derselbe Satz im Munde
des R. Hoschafja (um 225) einem Philosophen gegenüber GnR 11 (8'=). 11 BM 86^: Warum
holte Abraham drei' Rinder? Es wäre doch an einem genug gewesen! Rab Chanan
b. Rabba (um 250) hat gesagt: Um ihnen (den drei Männern Gn 18, 1 f.) drei Zungen
mit Senf als Speise vorzusetzen. In ChuUin 13:)'^ sagt Raba, f 352: Wir wollen eine
Zunge in S. essen. || B'^rakh40*: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer S. alle dreißig
Tage einmal zu essen pflegt, hält Krankheiten von seinem Hause fern, aber nicht,
wer ihn täglich ißt, weil er schädlich ist in bezug auf Schwächung des Herzens. ||
TSchab 14,8 (131): Man darf (am Sabbat) den S. von einer Stelle nach einer andren
schaffen, weil er Futter für die Tauben ist. — Dasselbe als Bar pSchab 18, 16", 27;
Schab 128». i| TMafa§:^,7 (84): R. J^hoschuaf (um 90) hat gesagt: Mein lebelang hat
' Die Zahl drei wird gefolgert aus den 3 Adjektiven Gnl8, 7.
\
Matth 13, 31 (31. S). 13, 32. .33 (Nr. 1) 669
sich mein Herz nicht erdreistet, einem Menschen zu sagen: Geh, pflücke dir die Senf-
knospen ab u. lege sie ein, u. du bist frei von der Absonderung der Zehnten. || Ma?as
4,6: Rabban Gamliel (um 90) sagte: Die Blütenknospen des S. sind zehntpflichtig. ||
BB 2, 10: Man muß Senfaussaaten von Bienenstöcken fernhalten (weil Bienen, die auf
Senfblüten gehen, ihren eignen Honig verzehren, Raschi). R. Jose (um l-^iO) erlaubte
es nach BB IS'"*, weil der Besitzer des Senffeldes zu dem der Bienen sagen konnte:
Statt daß du zu mir sagst: , Entferne deinen S. von meinen Bienen", entferne du deine
Bienen von meinem S. ; denn sie kommen u. verzehren die Blüten meines S. — Dass. BB 2b •'.
13,31 23: Er säte es auf seinen Acker.
Der Senf wird auch von der Mischna zu den Feldfrüchten u. nicht
zu den Gartenfrüchten gerechnet: sein Anbau auf Gartenbeeten war
geradezu untersagt.
Kil3, 2: Alle Arten Feldsämereien sät man nicht auf ein (Garten-)Beet u. alle
Arten Gemüse (Grünzeug) sät man auf ein (Garten-)Beet. Der Senf u. die kleinen
Erbsen sind Feldsämereien, die große Erbse ist eine Gemüseart. |i TKil *2, 8 (75): Auch
wenn man den Senf aussät, um ihn als Gemüse zu verwenden, sät man ihn doch nicht'
auf ein (Garten-)Beet.
13, 32 51: Das zwar das Icleinste ist unter allen Samenkörnern.
Die geringfügigste Quantität pflegte man mit der Größe eines Senf-
kornes zu bezeichnen.
pB<^rakh 5, 8'^, 36: Wenn eine Frau einen Tropfen (Blut) wahrnimmt so groß wie
ein Senfkorn, sitzt sie u. wartet die sieben Tage der Reinigung ab; ----- -j^v: ns'i:,
dafür B'-rakh 31 ''^: h-.^no d- rs-j — ein Blutstropfen wie ein Senfkorn. 1, Lv R ol (129'') :
R. Hoscha?ja b. Schammai aus Cäsarea (um 370) hat im Namen des R. Jicchaq b. Z'^fira
(im 4. Jahrh.) gesagt: Nie geht das Sonnenrad unter, bevor es nicht geworden ist wie
ein Senfkorn Blut. (Beweis durch Analogieschluß aus ^-l■l^s Ps 19, 6 u. Gn 18, 1 1.) j|
Nidda 5, 2: (Geschlechtliche Ausflüsse beim Mann) verunreinigen, so gering sie auch sein
mögen, selbst bei so wenig wie ein Senfkorn ■j-'-nn yj-zz, u. noch weniger als das.
13,32 93: Ist es größer als die Kräuter u. wird ein Baum.
1. fui^or T(Jör Äaxccvcor. — Daß der Senf, auch wenn er in erster
Linie der Körner wegen angebaut wurde, doch auch zum Grünzeug
(rä läxara = p-,;;, aram. n^'i;:) gerechnet werden konnte, zeigen die
Zitate TMa<as 3, 7 u. TKil 2, 8 bei Vers 3151 u. ^.
2. yivexai dirÖQOV.
Siehe pPea 7, 20", 53 bei Vers 8. — Aus K'^th 111 '' stehe hier folgendes: Als Bar
hat Rah Joseph (f 333) vorgetragen: In Sichin yr^-^v wurden einmal einem Manne von
seinem Vater drei Senfstangen hinterlassen; die eine von ihnen brach ab, u. man fand
an ihr 9 Qab Senf u. mit ihrem Holz deckte man eine Töpferhütte.
Zu dem ganzen Parabel wort Vers 31 f. vgl. Ta'an 4*: Raba (f 352)
hat gesagt: Ein Gelehrter gleicht dem Korn unter der Erdscholle; wenn
er einmal emporgeschossen ist, schießt er immer weiter empor.
13,33: In drei Sea Weizenmehl, bis alles durchsäuert war.
1. GccTov = riNO, Plur. -i^xo u. nixc, aram. n^io, determ. Nrxo. — Von
dem später gebräuchlichen Seamaß nahm man an, daß es um ^'s größer
^ Die Negation fehlt im Text, ist aber notwendig.
670 Matth 13, 33 (Nr. 1. 2). 18, 35 {%)
sei als das biblische, a — Drei Sea rechnete man auf das Bath oder
Epha;b nach unten setzte man 1 Sea = 24 Log oder 6 Qab.c Nimmt man
an, daß 1 Sea = 13,131 Liter war, so betrug 1 Qab 2,1885 Liter, 1 Log
0,547 Liter, 1 Epha oder 1 ßath 39,393 Liter. — Der Preis für 1 Sea Brotmehl
wird öfters mit V* Sela' = 1 Zuz oder 1 Denar (etwa 65 ^) angegeben. d
a. M'^n 7, 1 : Fünf jerusalemische Sea sind sechs Wüstensea.
b. M*'n 77^: Wie 1 Bath ;3 Sea enthält, so enthält auch 1 Epha 3 Sea. || Targ Onk
Exl6, 3H: 1 fOmer ist der 10. Teil von 3 Sea. (Statt ,3 Sea" hat der Grundtext
„1 Epha", also ist 1 Epha = 3 Sea gesetzt)
c. pT'^rura 10, 47 "','20: Wieviel beträgt 1 Sea? 24 Log. \] Para 1, 1 entsprechen 3 Bröt-
chen, die aus 1 Qab Mehl gebacken sind, 18 Brötchen, die aus 1 Sea gebacken sind;
also 1 Sea = 6 Qab.
d. Pea 8, 7 : Man gibt einem Armen, der von Ort zu Ort wandert, nicht weniger
(^aus der Armenkasse) als ein Brot für ein 1 Pondion (bei einem Preise) von 4 Sea
(Mehl) für 1 Sela?. Die gleiche Preisbestimmung ?Er 8, 2. — Da 1 Selaf 4 Denare oder
4 Zuz betrug, so kostete 1 Sea Brotmehl (= 13,13 Liter) 1 Zuz oder 1 Denar = rund
65 Pf. — 1 Pondion (= 2 As) war der 48. Teil von 1 Selaf oder der 12. Teil von 1 Zuz,
also rund = 5,5 Pf. Für 5,5 Pf. erhielt man mithin ein Brötchen, das aus dem 12. Teil
von 18, 18 Liter Mehl, d. h. aus rund 1,1 Liter Mehl bereitet war.
2. €cog ov et.v}-i(äit-r^ oXov.
Betreffs der Zeit, die der Teig zur Durchsäuerung nötig hatte, liest man pMSch
o, 56^ 15: Die Töchter von Lydda kneteten ihren Teig, gingen hinauf (nach Jerusalem),
beteten u. kamen wieder hinab, ehe er noch durchsäuert war. — Wohl nur auf die
beginnende Durchsäuerung bezieht sich R. Schim?on b. Laqisch (um 250) P^'s46^: So-
lange ein Mensch gebraucht, um von Migdal-Nunja nach Tiberias 1 Mil zu gehen. (1 Mil
erforderte etwa 18 Minuten Marschzeit, s. Krauß, Archäol 2, 891.)
13,85 51: Das durch den Propheten [Jesaja] Gesagte.
'Haatov ist als Glosse zu tilgen, „Prophet" steht in weiterem Sinn,
wie im Rabbin. Qoheleth ein Prophet genannt wird, oder wie die Ge-
schichtsbücher des ATs zu den prophetischen Schriften gerechnet
werden, a Als Prophet konnte jeder bezeichnet werden, durch den der
heilige Geist, d. h. der Geist der Inspiration, der prophetischen Be-
gabung, redete, b In diesem Sinn wird Asaph, dem das Zitat hier an-
gehört (s. Ps 78, 2), schon 2 Chr 29, 30 nfn „Seher" = Prophet genannt."
a. Midr Qoh 1, 1 (4^): Bei drei Propheten wurde ihre Prophetie, weil diese Worte
der Kränkungen (Strafen) enthielt, an ihren Namen geknüpft: Worte Qoheleths (Qoh 1, 1),
Worte des Arnos (Am. 1, 1), Worte des Jeremia (.Jer 1, 1). ü BB 14'^ Bar: Die Reihen-
folge der Propheten (der prophetischen Bücher im Kanon) ist: Jos, Ri, Sm, Kg, Jer,
Ez, Jes u. die zwölf (kleinen Propheten). || BB 12'': R. Abdimi aus Chaipha (um 280)
hat gesagt: Seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört ward, ist die Prophetie von den
Propheten genommen u. den Gelehrten gegeben worden. So wäre also der Gelehrte
(vordem) kein Prophet gewesen? Er hat es so gemeint: Obwohl sie von den Pro-
pheten genommen worden ist, ist sie von den Gelehrten nicht genommen worden.
Targ Qoh 1, 1: Worte der Prophetie, die Qoheleth geweissagt hat -2:r,>:-.
b. Genau so, wie es von einem Ausspruch des Propheten Jes oder Jer heißen
kann: „Das ist im heiligen Geist durch Jes, durch Jer gesagt worden" (zB P'siqR
158*; 162'^; 198'''), wird von einem Wort Davids oder Salomos gesagt: „Das ist im
heiligen Geist durch David, durch Salomo gesagt worden", zB P^'.siqR 161" mit Bezug
auf Ps SC, 10; 160-'' mit Bezug auf HL 8. 9; Midr Qoh 1, 1 mit Bezug auf Spr 22,29.
Matth 13, 35 (SB). 13, 38. 39 (31) 671
Damit werden sämtliche alttest. Autoren mit den Propheten im engern Sinn auf gleiche
Linie gestellt.
13,35 23: Ich will in Gleichnissen meinen Mund öffnen, will
seit Grundlegung (der Welt) Verborgenes verkündigen.
Midr Ps 78, 2 (172'^) gibt folgende Auslegung dieses Verses: Damit man dir nicht
sage: Die Psalmen sind keine Tora (Lehre), so wisse: auch sie sind Tora; u. auch die
Propheten sind Tora; deshalb heißt es Ps 78, 1 : , Vernimm, mein Volk, meine Tora."
Und nicht die Worte allein, sondern auch die Rätsel nt-rtn u. die Gleichnisse nVra
sind Tora. Ebenso hat Gott zu Ez gesagt: „Du Menschenkind, bilde ein Rätsel u.
sprich ein Gleichnis zum Hause Israel" EzlT, 2; ebenso hat Salomo gesagt: „Daß
man verstehe Gleichnisspruch u. schwierige Rede, die Worte der Weisen u. ihre Rätsel"
Sprl,6. Darum sagt Asaph: „Auftun will ich in Gleichnisrede meinen Mund, will
aussprechen Rätsel aus der Vorzeit" Ps 78, 2. Man sagte zu Asaph: Woher weißt du
das, hast du es etwa gesehen? Er antwortete: Durch Hörensagen weiß ich es, wie es
heißt (Vers 3): „Was wir hörten, so daß wir es wissen, u. unsere Väter uns erzählten." ||
Targ Ps 78, 2 hat die rin-n „Rätsel" verwandelt in ii^r; „Freuden": Ich will in Gleichnis-
rede meinen Mund auftun, ich will Freuden (Freudiges) aussprechen aus der Vorzeit.
13,38: Der Acker ist die Welt.
In einigen jüdischen Gleichnissen wird die Welt mit einem Garten verglichen;
s. Midr Qoh 5, 11 (28'-^) S.664f. bei Vers 18. — Ferner TanchB r-:v.' ij 10 (3''): R- Jannai
(um 225) hat gesagt: „Jahve ist in seinem heiligen Tempel, Jahve, der im Himmel
seinen Thron hat — seine Augen sehen, seine Wimpern prüfen die Menschenkinder"
Psll,4. Womit läßt .sich das vergleichen? Mit einem König, der einen Garten hatte,
in den er Arbeiter brachte; am Eingang des Gartens aber befand sich ein Schatzhaus
voll von allem Guten. Der König sprach: Wer seine Arbeit von ganzer Seele tun
wird, der soll seinen Lohn von hier empfangen; wer aber seine Arbeit nicht von ganzer
Seele tun wird, den lasse ich in meinen Palast kommen, um ihn zu richten. Wer ist
dieser König? Das ist der König aller Könige, Gott; u. was ist der Garten? Das ist
diese Welt. Gott hat die Menschenkinder hineingesetzt, daß sie die Tora beobachten,
u. hat mit ihnen vereinbart u. zu ihnen gesagt: Wer die Tora in Wahrheit beobachtet,
siehe, vor dem liegt der Gan ?Eden (~ Schatzhaus im Gleichnis); wer aber die Tora nicht
in Wahrheit beobachtet, siehe, vor dem liegt der Gehinnom. Gott sprach: Obwohl es so
scheint, als ob ich meine Sch*^khina (göttliche Gegenwart) von dem (zerstörten) Heiligtum
nach oben zurückgezogen habe, so sehen doch meine Augen ! Parallelstelle : ExR 2 (68 '').
13,39 %: Die Ernte ist die Vollendung (das Ende) der Weltzeit.
ovvxiXeia alwvoq. — Entsprechende Ausdrücke finden sich:
Assumptio Mosis 12,4: usque ad exitum saeculi. — 4Esra7,113: finis temporis
hujus. — Apok Bar 27, 15 u. 30, 3: finis temporum; 29,8: ad finem temporis; 54,21:
in fine saeculi vindicta erit de iis, qui improbe egerunt; 69,4: in fine saeculi; 83,7:
consummatio vero saeculi tuno ostendet virtutem magnam gubernatoris eius, quando
omnia venient ad Judicium. — Ass Mos 1, 17: in consummatione exitus dierum. —
Dnl2, 4: v;; rv -iv, LXX: ew? xaigov avyieXsiag; 12,13: !"■;■" X~.-< LXX: avyiekeia
ijfxsQiöy; 7,26 aram.: sr-o -^y, LXX: ew? iskov?, vgl. das bloße Yp\ 12, 13. • — Die
Targumim geben das alttest. =""3:;~ ~"""~S3 wieder mit s^-iv r\'.zz = „am Ende der
Tage", zB Onk u. J^rusch 1 Gn 49, 1. — Im Rabbin. bezeichnet das ungemein häufige
Ti?.~ (eigentlich: bestimmte Zeit, Termin) das Ende, d. h. den Anbruch der messian.
Zeit, zB. Derekh Ere9 10: R. Jose (um 150) sagte: Wer das Ende 7p~ (= Tage des
Messias I angibt (berechnet), hat keinen Teil an der zukünftigen Welt. — Sachlich nicht
verschieden davon ist z-yz riioa „am Ende an der Ferse" = ganz am Ende, zB Midr
HL 1, 8 (89 1'), s. oben S. Sü bei Mt 2, 15.
672 Matth 13,39(8). 13,41
13, 39S: Die Schnitter sind Engel.
Gott als Vertilger der Dornen in seinem Weinberg BM 8Z'^: R. El?azar b. Schimfon
(um 180) nahm (in römischen Diensten) Diebe fest. Da ließ ihm R. J'^hoschna? b. Qarcha
(um 150) sagen: Essig, Sohn des Weines (unedler Sohn eines edlen Vaters, nämlich
des R. Schimfon b. Jochai), wie lange willst du das Volk unsres Gottes zur Tötung
preisgeben? Er ließ ihm sagen: Dornen vertilge ich aus dem Weinberg! Er ließ ihm
sagen: Da möge der Herr des Weinbergs (= Gott) kommen u. seine Dornen vertilgen!
13,41: Der Menschensohn wird seine Engel senden.
Die von der Mitwirkung der Engel beim Endgericht handelnden
Stellen aus den Pseudepigraphen s. bei Mt25, 31. Aus der rabbin.
Literatur kommt hier in Betracht:
Midr Ps 8 § 1 (37"): ,Dem Musikvorsteher n-r;r! hy, ein Psalm von David" Ps 8, 1.
Das meint die Schriftstelle: „Schlaget die Sichel au, denn ausgereift ist die Ernte!
Kommt, tretet, denn voll ist die Kelter* Joel 4, 13. Zu wem wird Gott sagen: „Schlaget
die Sichel an"? R. Pin'^chas (um 860) hat im Namen des R. Chilqijja (um 320) gesagt:
Zu den Engeln. Die RabBinen aber sagten: Zu den Israeliten;' denn diese singen
weder bei der Getreideernte ^-::- noch bei der Weinlese -"ria noch beim Olivenpflückeu
(p"!c»;, man erwartet das Subst. p^c^a), sondern nur an der Kelter, wie es heißt: „Dem
Musikvorsteher nach dem Keltergesang (so scheint der Midr r'nr. zu fassen), ein Lied
von David" Ps 8, 1. „Getreideernte", das geht auf Babel s. Jer 51, 33; „Weinlese",
das geht auf Griechenland s. Sach 9, 13 (diese Stelle ist ohne Beweiskraft; man wird
Vers 15 heranzuziehen haben); „Olivenpfiücken*, das geht auf Medien s. Esth 7, 10
(der Midr scheint bei „Baumstamm" an einen Olivenbaum gedacht zu haben); „Kelter",
das geht auf Edom (= Rom) s. Jes H3, 3. — Du findest die Erlösung an vier Wörter
gehängt: „Weinlese", „Getreideernte", „Gebärerin" u. „Balsam", u. wenn sie vor ihrer
Zeit losgerissen werden, haben ihre Besitzer keinen Nutzen von ihnen. Das meint die
Stelle: „Schlaget die Sichel an, denn ausgereift ist die Ernte" (hier ist die Erlösung
an das Wort „Getreideernte" ^■'::p geknüpft). An „Weinlese", s. : „Wenn Winzer a-isia
über dich kommen, werden sie keine Nachlese lassen" Jer 49, 9; an „Gebärerin", s.:
„Er wird sie hingeben bis zu der Zeit, da die Gebärerin geboren hat" Micha 5, 2. An
„Balsam", s.: „Flieh, mein Lieber, u. mach' dich der Gazelle gleich oder dem Jungen
der Hirsche auf den Balsambergen!" HL 8, 14. — Im Anschluß an diese allegorisch
auf die Enderlösung ausgelegte Stelle HL 8, 14 sei verwiesen auf Midr HL 8, 14 Ende:
Mit viererlei wird die Erlösung (inii";«;) Israels verglichen: mit der Getreideernte, der
Weinle.se, Balsam u. der Gebärerin. Mit der Getreideernte: wenn ein Feld vor der
Zeit abgeerntet wird, ist selbst das Stroh nicht gut; wenn zur rechten Zeit, so ist es
gut; das meint: „Schlaget die Sichel an, denn ausgereift i.st die Ernte" Joel 4, 13. —
Mit der Weinlese: wenn man in einem Weinberg die Weinlese hält vor der Zeit,
ist selbst der Essig nicht gut; wenn zur rechten Zeit, so ist er gut. So heißt es:
nh ijy ".•an n^3 Jes 27, 2, das will sagen: Lst der Weinberg zu Wein geworden
(völlig ausgereift), dann schneide ihn (nh lar doppelsinnig: „schneide ihn" oder „be-
singe ihn"). — Mit Balsam: wenn ßalsamstauden abgepflückt werden, solange sie
weich u. frisch sind, so verbreitet sich kein Duft von ihnen; wenn sie aber trocken
sind u. dann abgepflückt werden, verbreitet sich Duft von ihnen. — Mit der Gebärerin:
wenn ein Weib vor der Zeit gebiert, so kann das Kind nicht leben; wenn aber zur
rechten Zeit, so bleibt es am Leben. Darum steht geschrieben: „Er wird sie hingeben
' P'^siq 187'' fragen die Israeliten Gott: Wie wird das Gericht (über die Völker)
zur Ausführung gelangen? Werden sie in die Hand der Engel gegeben werden oder
werden sie im Gehinnom bestraft werden? Gott antwortet: Alles hängt von euch ab
u. die Vollmacht liegt in eurer Hand, sie zu töten mit jeder beliebigen Todesart: der
Bluträcher soll den Mörder töten Nu 35, 21; ferner s. Ez 25. 14.
Matth 13,41.42.43 573
bis zu der Zeit, da die Gebärerin gebiert* Micha 5, 2. — Die Tendenz der Stelle geht
darauf, daß Israel die Zeit der Erlösung nicht drängen, nicht mit Gewalt herbeibringen
soll. — Der Gedanke an eine Mitwirkung der Engel beim Endgericht klingt nur leise
an. Tanch D-üsia 16 »: Wenn Gott die Völker richten wird (am jüngsten Tage), richtet
er ihre Götter (d. h. ihre Engelfürsten) mit ihnen, s. Jes 66, 16 (hierzu s. Midr HL 2, 1
[95a] im Exkurs: Gerichtsgemälde usw.). Wenn sie im Feuer nicht bestehen können,
fliehen sie, u. Gott sitzt u. sendet wider sie Engel mit Halseisen u. Ketten, u. sie werfen
sie ins Feuer, s. Mal 3, 19. — Dasselbe TanchB d^-je-iü § 10 Anfang. I! Midr Ruth 1, 1 (s.
Exkurs: Gerichtsgemälde usw.) wird ausgeführt, daß der Engel Mikhael, statt Israel
zu verteidigen, wegen ihrer Sünden im jüngsten Gericht verstummen werde. — Gibt
es weitere hierher gehörende rabbin. Ausspräche?
13,42: Sie werden sie in den Feuerofen werfen.
Dort wird sein Heulen u. Zähneknirschen.
1. xfe|Utvog Tov TcvQog, ebenso Mt 13, 50; xa/^uvog fxsyäkrj Offb 9, 2.
- Henoch 98, 3 : Weil ihnen (den Toren) Wissen u. Weisheit fehlt, werden sie zusammen
mit ihren Schätzen, mit all ihrer Herrlichkeit u. Eine untergehn u. in Schmach, durch
Mord u. in großer Armut in den Feuerofen geworfen werden. — Die rabbin. Gelehrten
haben den Gehinnom als Feuerofen bezeichnet auf Grund des Ausdrucks -"r = „Ofen*
in Jes 31, 9 u. Mal 3, 19. M'^kh Ex 20, 18 (78^): R. Nathan (um 160) sagte: Woher kann
man sagen, daß Gott unsrem Vater Abraham den Gehinnom gezeigt hat? Weil es heißt:
,Als aber die Sonne untergegangen u. dichte Finsternis eingetreten war, siehe da —
ein Ofen" -nsr Gn 15, 17; damit ist der G. gemeint, s.: „Er hat einen Ofen T:n in
Jerusalem" Jes 31,9. (Nach dieser Stelle nahm man an, daß der Eingang zum G. dicht
bei Jerusalem liegen werde.) — Als weitere Belege s. GnR26 (I7a); Midr Ps 21 §5 (90'-);
?AZ 3"^; GnR 78 (20a); ExR 15 (79aj im Exkurs Sch'^ol usw. 11, 10, k; ferner fEr 19»
u. P^siq 186b das. Ill, 10, bb. — Der Ausdruck „Ofen der Gehenna" auch 4Esra 7,36,
s. genannten Exk. II, 8, b. \\ Statt „Feuerofen" findet sich „Feuerpfuhl" Xifxyr] lov nvgög
Offb 19,20; 20, 10. 14. 15; 21,8; Hen 90, 26 f., s. Exk. Sch^^ol usw. 111, 8, b. — Andre Be-
zeichnungen: loderndes Feuer Hen 100,9; hellbrennende Feuerflammen Hen 108, 4f.;
schmerzhaftes Feuer Hen 102,1; Flammenfeuer Ps Sali 2, 4; ewiges Feuer (außer Mt 18,8;
25, 41 ; Brief Jud 7) Test Seb 10; 4 Makk 12, 12 u. gr. Baruchapok 4, sämtliche Stellen s.
in Exk. Sch'^ol usw. II, 8, d. — Über die Feuerstrafe im G. handeln Exk. II, 8, b u. (/ — i.
2. ßaXovGiv. Hehr. T^-iin, i-:: (aram. t^^w) u. -r:.
ExR 19 (81 "): Gott verwirft die Unbeschnittenen u. läßt sie hinabfahren (oder stürzt
sie hinab) dt-^iö in den Gehinnom. — GnR 55 (35 b): R. J^hoschuaf b. Levi (um 250) hat
gesagt: Von dort (vom Berge Morijja) wird Gott die Völker der Welt schleudern u. in den
G. stürzen •;-!-ii':. — P^siq 186b: R. Sch^muel b.Nachman (um 260) hat gesagt: Der G.
befindet sich bei Jerusalem, u. Gott wird sitzen u. sie (die Völker) für schuldig erklären
u. sie hinabstürzen -j-i^^i« in den G. |! Qid40b: R. El?azar b. (^adoq (um 100) hat gesagt:
Gott vergilt reichlich Gutes den Gottlosen in dieser Welt, um sie (in der zukünftigen
Welt) hinauszustoßen "^vj-s u. die unterste Stufe einnehmen zu lassen. || Midr HL 2, 1
(95a): Die Gemeinde Israel spricht: Wenn ich hingegeben bin r;:ir3 in die Tiefen des G.
3. o xXavi^fxog. — Geschrei u. Wehklage im G. wird äußerst selten
erwähnt, s. Hen 108, 3 ff. im Exkurs: Sch'^ol usw. H, 8, d.
4. ßQvyf.ing tmv odovzwv. — „Mit den Zähnen knirschen" = t^^ü pnn
als Ausdruck der Wut u. der Verzweiflung der Verdammten, s. Midr Qoh
1, 15 (IIa) im Exkurs: Sch'^ol usw. H, 3, d.
13,43: Die Gerechten werden leuchten wie die Sonne.
Grundstelle Dnl2,3. — Rabbin. Parallelen: SDt 1, 10 § 10 (67a) nebst Parallel-
stellen im Exkurs: Sch-^ol usw. III, 3, m Ende; — GnR 12 (9«) oben S. 19. || Midr Qoh
strack u.Billerbeck, NT I. 43
(574 ^'^latth 13,43.44
1, 7 (8a): R. Jirm'^ja b. EUazar (um 270) hat gesagt: Dereinst wird Gott das Licht (den
Glanz) des Angesichts der Gerechten erneuern in der Zukunft, wie es heißt: , Die ihn
lieben, sind wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht" Ri 5,81. !| Sanh 100»: R. J'^huda
b. Simon (um 320) hat öffentlich vorgetragen: Wer sein Angesicht um der Worte der
Tora willen in dieser Welt schwarz werden läßt (infolge von Entbehrungen), dessen
(Angesichts-)Glanz wird Gott in der zukünftigen Welt leuchten lassen, s.r ,Sein An-
blick wie der Libanon" HL 5, 15. (Vermutlich ist mit , Libanon", wie oft, der Tempel
gemeint.)
13,44 31: Gleich einem im Acker verborgenen Schatz.
^rjaavQog xsxQV}.i}ievog = nnjs pii's-j^, s. P''sll9='.
LvR 5(108''): Nach etlichen Tagen ging Abba Judan (in Antiochia, um 90), um
auf der andren Hälfte seines Feldes zu pflügen. Während er pflügte, öffnete sich die
Erde vor ihm u. seine Kuh stürzte dort hinein u. erlitt einen Bruchschaden. Er stieg
hinab, um sie heraufzuholen; da erleuchtete ihm Gott seine Augen u. er fand dort
einen Schatz -^a-c. Er gprach: Zu meinem Besten ist das Bein meiner Kuh gebrochen!
(Die ganze Stelle s. im Exkurs: Altjüdische Privatwohltätigkeit Nr. 4, /.) Parallelstelle
pHor;J,48a,39. || MidrHL4,18(116a): R. Schimfon b.Jochai (um 150) hat gelehrt: Gleich
einem Menschen, dem an einem Ort voller Unrat ein Erbe zufiel. Der Erbe war träge u.
ging hin u. verkaufte es für eine geringe Kleinigkeit. Der Käufer aber ging hin u. grub
emsig darin u.fand darin einen Schatz s";-c. Davon baute er einen großen Palast. Dann ging
der Käufer auf den Markt, u. Sklaven gingen hinter ihm her, die er von jenem Schatz
gekauft hatte. Als das der Verkäufer sah, grämte er sich u. sprach: Wehe, was habe
ich da eingebüßt! Parallelstellen mit Abweichungen M%h Ex 14, 5 (:5'2a); P^siq 84». —
In ExR 20 (82') ist an die Stelle des Schatzes im Acker eine in ihrem Wert verkannte
Perlenschnur getreten. || pBM 'J, 8*^,39: Alexander von Mazedonien zog hinauf zum König
QaQJa (wohl besser Ländername: s;eue Kaania). Dieser zeigte ihm viel Gold u. Silber.
Alexander sprach zu ihm: Deines Goldes u. deines Silbers bedarf ich nicht; ich bin
nur gekommen, um euer Verfahren kennen zu lernen, wie ihr verkauft u. richtet.
Während er so mit ihm verhandelte, kam ein Mensch, der mit einem andren eine
Rechtssache hatte ('"s-). Der letztere hatte nämlich von ihm ein Feldstück gekauft, u.
als er es umgrub, fand er darin einen Schatz si-o von Denaren. Der Käufer nun sagte:
Den Unrat (auf dem Felde) habe ich mitgekauft, aber den Schatz habe ich nicht ge-
kauft. Der Verkäufer sagte: Den Unrat u. alles, was sicTi darin befindet, habe ich ver-
kauft. Während sie so miteinander verhandelten, sprach der König zu dem einen von
ihnen: Hast du einen Sohn? Er antwortete: Ja-j-s! Darauf sprach er zu dem andren :
Hast du eine Tochter? Er antwortete: Ja i's! Da sprach der König: So verheiratet
sie miteinander u. der Schatz gehöre ihnen beiden! Alexander begann zu lachen. Der
König sprach: Warum lachst du? habe ich nicht schön entschieden? Wenn nun diese
Rechtssache bei euch vorgelegen hätte, wie würdet ihr entschieden haben? AI. ant-
wortete: Man hätte diesen u. jenen getötet, u. der Schatz wäre dem König zugefallen. —
Parallelen: P^siq 74'^; GnR 33 (20"!; LvR 27 (125''); TanchB •^•'os §9(441^); Tanch
-'■i'js 173''. !| Die Frage nach dem Eigentumsrecht an dem im Acker gefundenen Schatz
ist juristisch nicht nach dem jüdischen Fundrecht zu beurteilen, sondern nach den
zivilrechtlichen Bestimmungen über den Verkauf von Liegenschaften. BB4,8f. setzt
darüber fest: Wenn jemand ein Feld verkauft, hat er (zugleich) die Steine verkauft,
die für dasselbe nötig sind (um eine Mauer daraus zu errichten). Aber nicht hat er
(zugleich) die Steine verkauft, die für dasselbe nicht nötig sind. . . . Wenn er aber
zu ihm gesagt hat: Es selbst (das Feld) u. alles, was darin ist, siehe, so ist dies
alles verkauft. •
13,44 23: Er verkauft alles, was er hat.
ib r-r nr hz —-2, s. zB ?'s 49 '^ bei Joh 2, 1 Nr. 3, o.
Matth 18,46.47 (575
13,46: Als er eine kostbare Perle fand.
fxagyaQiTTjg (fiaQyaQhig, fxaQys'XXior) rabbinisch = öi-J^bj-iri, sr-'sa-i^,
N;r>-:-g, r-^VsTg, sn-'bs'i-?.
Schab ] 19^: Joseph, der die Sabbate ehrte {-zvi "-^'.-o, Sabbatverehrer, Beiname des
in Rede stehenden Joseph), hatte in seiner Nachbarschaft einen Goi, der sehr viele Güter
hatte. Zu diesem hatten Wahrsager "s-Vs gesagt: Alle deine Güter wird Joseph, der
S.verehrer, verzehren. Da ging er hin. verkaufte alle Güter u. kaufte für sie eine Perle
tir'Zi-^12, die er an seine Mütze setzte (durch Festnähen). Als er einmal in einer Fähre
über ein Wasser fuhr, entriß ihm der Sturm seine Mütze u. warf sie ins Wasser, u.
ein Fisch verschlang sie. Man zog (später) den Fisch aus dem Wasser u. brachte ihn
an einem Freitag gegen Abend (in die Stadt). Man sagte: Wer wird ihn denn jetzt
kaufen (so unmittelbar vor Sabbatanbruch j? Man sprach zu ihnen: Geht u. bringt ihn
zu Joseph, dem S.verehrer, der zu kaufen pflegt. Sie trugen ihn dorthin u. er kaufte
ihn. Als er ihn aufrifs, fand er die Perle darin, die er für 13 Maß (sp-5-i-) Golddenare
verkaufte. — Vgl. die Geschichte von dem jüdischen Schneider in Rom, GnRH bei
Mt 12,1 S. 613f. |] ExR30(9l''): Gleich einem Kaufmann, der unterwegs übernachten
wollte. Er hörte, daß Räuber sich auf dem Wege aufhielten. Was tat er? Er nahm
seine Waren u. machte sie (durch Tausch) zu Edelsteinen u. Perlen rv-rrn-:; dann begab
er sich auf die Reise. Als ihn die Räuber ergriffen, sprachen sie zu ihm: Was hast du
in deinem Besitz? Er antwortete ihnen: Glaswaren. Sie sprachen zu ihm: Wieviel
sind sie wert? Er antwortete: Zwei oder drei Stück für ein Selaf. Sie sprachen unter-
einander: Deswegen sollten wir ihn töten? Sie ließen ihn los. Er kam in die Stadt
uü begann seine Behälter zu öffnen u. setzte sich nieder zum Verkauf. Als jene Räuber
dorthin kamen, sahen sie ihn, wie er saß u. verkaufte. Sie sprachen zu ihm: Wieviel
kostet dies? Er antwortete: Das kostet '20 Goldstücke u. das 30 Goldstücke. Sie
sprachen: Hast du uns nicht auf dem Wege gesagt: Zwei oder drei für ein Selaf? Er
antwortete: Ja! allein in jener Stunde war ich an einem Ort des Todes; jetzt aber,
wenn ihr mir seinen Preis nicht zahlen wollt, dürft ihr es nicht nehmen. So weiß ein
Israelit, der ein Gebot erfüllt, in dieser Welt nicht den Lohn dafür, aber in der zuk.
Welt, wenn sie den Lohn für die Gebotserfüllungen sehen werden, werden sie staunen. ;|
Über , Perle" zur Bezeichnung eines schönen Ausspruchs s. bei Mt 7, 6 S. 447 f.
13,47: Gleich einem Netze, das . . . von allerlei Art
z u s a ni m e n b r i n g t .
Chullin 63'': Abimi b. Abbahu (um 33U) hat als Bar gelehrt: 700 Fischarten gibt es,
SOO Arten von Heuschrecken u. Vögel ohne Zahl. Ji Über die Vergleichung der Menschen
mit den Fischen sagt ?AZ 3b. 4^: Rab J'^huda (f 299) hat gesagt, Sch'^muel (f 2ö4) habe
gesagt: Was heißt: ,Du machst Menschen den Fischen des Meeres gleich, dem Ge-
würm, das keinen Herrscher über sich hat" Hab 1,14? Warum werden die Menschen
mit den Fischen des Meeres verglichen? Um dir zu sagen: Wie die Fische, die im
Meer leben, wenn sie aufs Trockene kommen, sofort sterben, so sterben auch alsbald
die Menschen, wenn sie sich von den Worten der Tora u. von den Gebotserfüllungen
scheiden.* Eine andre Erklärung: Wie die Fische, die im Meer leben, sofort sterben,
wenn die Sonne sie sticht, so sterben alsbald die Menschen, wenn die Sonne sie sticht.
Eine andre Erklärung: Wie von den Fischen im Meer der, welcher größer ist als der
andre, diesen verschlingt, so würde auch unter den Menschen, wenn nicht die Furcht
vor der Regierung da Vpäre, der, welcher größer ist als der andre, diesen verschlingen. |
Eine Charakterisierung der Gelehrtenschüler nach vier Klassen von Fischen durch
Gamliel, den Alten, s. bei Apg 5, 34 Anm. f.
(TayrjVT] = n-in „Schleppnetz", zB BQ 80"^ nebst Parallelen S. 185 f.
* Diesen Gedanken hat bereits R. ?Aqiba (f um 135) in seinem Gleichnis von dem
Fuchs u. den Fischen dem Pappos b. J^'huda gegenüber ausgeführt, Bar B*^rakh 61^.
43*
676 Matth IH, 51. f)2 (21. JB 1. 2)
13, 49 f., dazu s. 13, 39—42.
13,51: Sie sprachen zu ihm: Ja!
Dem vai entspricht im Eabbin. -in, aram. -jix.
Beispiele: pBM 2, 8^ 39 S. 674; LvR 10 S. 560. 1| Wa 10, 3: (Beim Schneiden der
Erstlingsgarbe Lv23, 10) sagt man (zur Volksmenge): Ist die Sonne untergegangen?
Sie antworten: Ja in (— i'-)! Ist die Sonne untergegangen? Sie antworten: Ja "jn!
Ist dies die Sichel? Sie antworten: Ja ■]-! Ist dies der Kasten? Sie antworten: Ja ]-. |i
Ferner s. S. 336 f. bei 5,37.
13, 52 %: Je'der Schriftgelehrte, der zum Jünger gemacht ist
für das Himmelreich.
YQCcfjtfiarevg [la^Tqxsvd^atg rrj ßaoilsia rm' ovQavcov. — Nach Dalman,
Worte Jesu 1, 87 könnte man im Jüdisch-Aram. dafür setzen: «•so bs
Ni^;::n i<r'i:bo(=)b T^abr i<^n^, jeder Schriftgelehrte, welcher Schüler des
Gottesregiments ist, — Vgl. auch ips „erfahren, kundig", das freilich
etymologisch nicht entspricht.
Qid 10b: Du bist kundig in den internsten Dingen der Tora n-nn i-nna ■'pa nns;
pK'th 5, 29*^, 56 dafür: Du bist kundig in den Geheimnissen der Tora rs^tr "ir'«D3. ||
Joma 49 a: R. Chanina (um 225) hatte Kenntnisse in der Heilkunde rixisia yz. || Git 86 b:
Unsre Lehrer, die erfahren waren in der Halakha n':''^rt ^ata ■j-'X"par!.
13. 52 S8: Ein Hausherr, der seinem Schatze Neues u. Altes
entnimmt.
1. olxodsarcoTrjg = n-^an b^%, s. bei 13, 27.
2. £x zov &rj<savQOV amov.
Git 67 a wird R. fAqiba mit einer vollen Schatzkammer, on'is "'^'^s/ verglichen.
Bar: Isi b. J'^huda (um 170) hat das Lob der Gelehrten aufgezählt. (Er sagte:) R. Meür
(um 150) ist ein Gelehrter u. ein (Dokumenten-)Schreiber. R. J^huda (um 150) ist ein
Gelehrter, wenn er will. ^ R. Tarphon (um 100) ist ein Nußhaufen. R. Jischmafel (fum 135)
ist ein gefüllter Kramladen. R. fAqiba (fum 135) ist eine volle Schatzkammer. R. Jochanan
b. Nuri (um 110) ist ein Korb der Spezereikrämer. R. Ehazar b. sAzarja (um 100) ist
ein Korb mit Gewürzen. Die Mischna des R. Elifezer b. Jafaqob ([. um 90; 11.^ um 150)
ist ein Qab (d. h. wenig umfangreich), aber rein (gediegen). R. Jose (b. Chalaphta,
um 150) hat die Rechtskunde bei sich (er ist die Rechtskunde in Person). R. Schimfon
(b. Jochai, um 150) mahlt viel (studiert viel) u. läßt nur wenig heraus. Es ist gelehrt
worden: Er vergißt wenig, u. was er herausläßt, lär3t er nur als Kleie (Unbrauchbares)
heraus. — Als Erläuterung dient eine Charakterisierung, die nach AbothRN 18 Anfang
Rabbi über etliche Gelehrte gegeben hat: Den R. Tarphon nannte er einen Steinhaufen,
nach andren einen Nußhaufen; wenn man eine von ihnen wegnimmt, dann fallen sie
alle klappernd die eine auf die andren. Dem ähnlich verhielt es sich mit R. Tarphon:
wenn ein Gelehrtenschüler zu ihm kam u. zu ihm sagte: Unterweise mich! dann brachte
er herbei Schrift, Mischna (Traditionsstoff), Midrasch (Schriftbeweis), Halakhoth (fest-
gesetzte Rechtsnormen) u. Haggadoth (nichthalakhische Lehren); u. wenn er von ihm
ging, war er des Segens u. alles Guten voll. Den R. ?Aqiba nannte er einen vollen
Schatz, DiVa isin.^ Wem glich R. ?Aqiba? Einem Arbeiter, der seinen Korb nimmt u.
auf den Acker geht. Findet er Weizen, so legt er ihn hinein, ebenso Gerste, Spelt.
' So wird mit Levy 1, 235 » zu lesen sein statt oi-^a '::is (verschlossene Schatzkammer).
- Raschi : Wenn er gelassen u. ruhig in seinen Worten sein wollte, war er ein Gelehrter.
2 Die Erwähnung des R. Elifezer b. J. neben den Schülern ?Aqib^ läßt an den
Jüngeren dieses Namens denken; doch gilt J^b 49^ obige Charakteristik dem Älteren.
Matth 13, 52 (83 2. 3). 13, 54 (?l) 677
Bohnen u. Linsen. Wenn er aber nach Hause kommt, dann sucht er auseinander den
Weizen für sich u. ebenso die Gerste u. den Spelt u. die Bohnen u. die Linsen. So
hat es auch R. f Aqiba gemacht: er machte die ganze Tora (Lehre) zu lauter Ringen.
(Durch feste Gliederung u. sichere Abgrenzung der einzelnen Disziplinen machte er
die Lehre handlich; ähnlich hat man das Gleichnis einen Handgriff oder eine Ose für
die Tora genannt, s. S. 653 bei Vers 3.) Den R. El?azar b. f Azarja nannte er einen Korb
der Spezereikrämer. Wem glich R. Elfazar? Einem Krämer, der seinen Korb (oder
Kasten) nimmt u. damit in eine Stadt zieht. Die Leute der Stadt kommen u. fragen
ihn: Hast du feines Öl, hast du Balsam bei dir? So verhielt es sich auch mit
R. Elfazar b. f Azarja: wenn Gelehrtenschüler zu ihm kamen u. ihm eine Frage aus
der Schrift vorlegten, so antwortete er (aus der Schrift) u. ebenso wenn sie ihm eine
Frage vorlegten aus der Mischna oder dem Midr oder den Halakhoth oder den Hag'ga-
doth (im Unterschiede von R. Tarphon, der seine Antworten aus allen möglichen
Disziplinen hernahm). — Im Anschluß an diese Ausführung wird dann der obige Aus-
spruch des Isi b. J^'huda in knapperer Form u. mit mehrfachen Abweichungen gebracht.
3. xaivd xal naXaiä.
AbothRN 18: Als R. J*^hoschuaf (b. Chananja, um 90) alt geworden war, kamen
seine Schüler, um ihn zu besuchen. Er sprach zu ihnen: Meine Kinder, was Neues
üjnn-n nia gab es für euch im Lehrhaus? — Fortsetzung bei Mt 7,6 S.447 f. aus Chag 3&.
— In der Parallelstelle M'^kh Ex 13, 2 (23a) sagt R. J'hoschuaf zu den Schülern: Wäre
es möglich, daß R. Elfazar b. ? Azarja dort den Sabbatvortrag gehalten hätte, ohne euch
etwas Neues zu sagen ^a-: csV rnn s';-? Als er dann von dem Inhalt des Vortrags ge-
hört hat, sagt er: Gibt es etwas, was neuer wäre als dies? Siehe, ich bin ein Siebzig-
jähriger, u. erst heute bin ich gewürdigt worden, dies Wort zu hören. Weitere Paral-
lelen finden sich TSota 7,9 (307); pChag 1, 75'', 34; Chag 3-\ || Jad 4, 3: R. Jose, der Sohn
der Damaszenerin (um 130) kam zu R. Elifezer (um 90) nach Lud; dieser sprach zu
ihm: Was hattet ihr heute Neues sii::- im Lehrhaus? Er antwortete: Man hat ab-
gestimmt u. festgesetzt, daß f Ammon u. Moab (d. h. die Israeliten östlich vom Jordan)
im Brachjahr den Armenzehnt abzusondern haben. Da weinte R. Elifezer u. sprach:
,Das Geheimnis Jahves gehört denen, die ihn fürchten, u. sein Bund, daß er ihnen
denselben kundtue" Ps 25, 14. Geh u. sage ihnen: Macht euch keine Sorge (wegen
eurer Abstimmung und eures Beschlusses); denn ich habe es von Rabban Jochanan
b. Zakkai (f um 80) empfangen, u. dieser hatte es von seinem Lehrer u. sein Lehrer
wiederum von seinem Lehrer gehört u. so fort, daß es eine Halakha von Mose vom
Sinai her ist, daß f Ammon u. Moab im Brachjahr den Armenzehnt abzusondern haben. —
R. Elifezer leugnet damit, daß jene Festsetzung etwas Neues sei. Parallelstellen: TJad
■2,16(683); Chag 3'' als Bar mit einzelnen Ausschmückungen, ebenso Midr Ps 25 § 13
(107'^). II fEr21'^: „Neue, auch alte (Edelfrüchte), die habe ich, mein Lieber, dir auf-
bewahrt* HL 7, 14. Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt, viele Vor-
beugungsbestimmungen habe ich über mich selbst festgesetzt (das sind die neuen Edel-
früchte), mehr als du über mich festgesetzt hast (= alte Edelfrüchte), u. ich habe sie
gehalten. Rab Chisda (f 309) sprach zu demjenigen unter unsren Rabbinen, der die
Aggada vor ihm ordnete ^-^co (— vortrug): Ist dir vielleicht zu Ohren gekommen, was
,neue, auch alte" bedeutet? Er antwortete ihm: Das eine sind die leichten Gebote,
das andre die schweren. Er sprach zu ihm: Ist denn die Tora zu verschiedenen Malen
(nach u. nach) gegeben worden (daß die einen Gebote älter sind als die andren)? Viel-
mehr redet das eine von den Worten der Tora (= alte Früchte) u. das andre von den
Worten der Schriftgelehrten (— neue Früchte).
13, 54 5t: Er lehrte sie in ihrer Synagoge.
eSidaaxsv ccvTovg iv xfi (Tvraycoyfj avxwv. — Die Berechtigung zum
Lehren stand jedem zu, der dazu befähigt war; s. Exkurs: Der alt-
jüdische Synagogengottesdienst.
678 Matth 13, 54 (J8). 13, 55. 57
13, 54^: Woher kommt diesem diese Weisheit u. die Kräfte?
Da nach allgemeiner Annahme die Weisheit nur in den Schulen der
Weisen u. durch den Umgang mit den Gelehrten erworben werden
konnte, so schien die Frage, woher Jesu Weisheit stamme, berechtigt,
da man von dessen Aufenthalt in einer Gelehrtenschule nichts gehört
hatte. Der Gedanke an die ärmlichen Verhältnisse, aus denen Jesus
stammte, hat jene Frage nicht eingegeben, da es ja sattsam bekannt
war, daß den Kindern armer Eltern die Lehrhäuser nicht verschlossen
waren; vgl. bei Mt 10,8 58.
. N'^dSl'': Man schickte von dort (Palästina) die Botschaft (an die babylonischen
Gelehrten): Seid vorsichtig in bezug auf die Vernachlässigung (des Haares, der Kleidung
u. der Körperpflege, weil dadurch allerlei Krankheiten entstehn können), seid vorsichtig
in bezug auf die Genossenschaft (weil nur das im Kreise gleichgesinnter Genossen be-
triebene Studium fruchtbar ist) u. seid vorsichtig in bezug auf die Kinder armer Leute,
weil von diesen die Tora ausgeht, wie es heißt Nu 24, 7: Wasser (häufiges Bild für
Tora) fließt aus seinen (Israels) Geringen (der Midr liest Tsns; statt i''~~^ = „aus seinen
Rinnen"). Warum findet man nicht, daß aus den Kindern der Gelehrtenschüler Gelehrten-
schüler hervorgehn? Rab Joseph (f 333) hat gesagt: Damit man nicht sage, die Lehre
(Tora) sei ein Erbgut für diese. Rab Schescheth b. Idi (um 350) hat gesagt: Damit sie
nicht stolz auf die Gemeinde herabblicken. Mar Zutra (gegen 400) sagte: Weil sie sich
der Gemeinde (anmaßend) bemächtigen. Rab Aschi (f 427) sagte: Weil Sie zu den
Leuten „Esel" sagen. ... |; In der Bar Sanh 1071» erscheint Jesus als Schüler des
R. J'hoschuaf b. P^'rachja, der etwa ll'O Jahre vor Jesu gelebt hat; s. oben S.84f.
13.55 91: Ist dieser nicht des Zimmermanns Sohn?
Origenes, Contra Celsum 1,28 (den giiech. Text s. bei Strack, Jesus, S. 9*): Er
(ein Jude) sagt, daß sie (Jesu Mutter) von ihrem Gatten, der seinem Handwerk nach ein
Zimmermann zexküv gewesen, verstoßen worden sei, nachdem sie als. Ehebrecherin
überführt war. Ferner sagt er, daß sie von ihrem Mann vertrieben ehrlos herumgeint
sei u. Jesum heimlich (im Dunkeln) geboren habe, i Ferner s. Sanh 106-' oben S. 43ff
u. das zu „Naggar" Bemerkte S. 41;/.
13, 55iö: Heißt seine Mutter nicht MariaV
Die im rabbin. Schrifttum vorliegenden Erinnerungen an Maria, die Mutter Jesu,
sind durchweg gehässiger Art. Doch darf nicht übersehen werden, daß es bei einem
Teil der Stellen zweifelhaft ist, ob sie überhaupt von Jesu Mutter handeln. Außer
den Zitaten hier % s. Kalla 18 '^ J'b 4. 13; P'^siqR 21 {100"; 101") oben S.42f.;
Schab 104 b oben S.39 y; TSotaö, 9 (:-!02) oben S.40 «; Chag 4^ oben S. 147. — Zu Mirjam.
Tochter des fEli Boglim (B'^'Qalim), s. bei Eli Lk 3, 23.
13,57: Ein Prophet ist ungeehrt nur in seiner Vaterstadt.
Andersartig ist Schab 1451»: Warum sind die Gelehrtenschüler in Babylonien (durch
schöne Kleidung) gekennzeichnet? Weil sie nicht Kinder ihres Ortes sind (sondern
von außerhalb zugezogen); denn die Leute pflegen zu sagen: In meinem üeimatsort
ist es mein Name (der mir Ehre einträgt), außerhalb meines Heimatsortes aber
meine Kleidung. 1| Näher kommt an Mt 13, -il heran pTafan 4, 08^,24: Als Rabbi
starb, befahl er seinem Sohn u. sprach: Mache es nicht so (wie ich es gemacht habe,
der ich jährlich zwei Gelehrte ordinierte), sondern ordiniere sie alle auf Einmal u. den
R. Chanina b. Chama (um 225, so ist zu lesen statt „R. Chama b. Chanina) ordiniere zu-
erst. Warum hatte er diesen nicht ordiniert? R. Darösa hat gesagt: Weil man in
Sepphoris wider ihn als Sepphorenser Geschrei erhob. (Grund: weil er als Sepphorenser
in Sepphoris nichts galt.) Doch ist der Text unsicher.
Matth 14, 2. 3 679
14,2: Er ist von den Toten auferstanden.
Daß man die Wiederbelebung eines Toten bereits in der gegen-
wärtigen Zeit (nicht bloß erst nach Anbruch der Tage des Messias
oder der zukünftigen Welt) für möglich gehalten hat, beweist LvR 10
(llld); JAZ 10^ u. M^g 7b; s. S. 560 bei Mt 10, 8 31 Nr. 2.
14,3: Herodes hatte den Johannes ergriffen, gebunden
u. ins Gefängnis gelegt.
1. Herodes. Josephus Ant. 18, 5,2: Einige der Juden meinten, daß
das Heer des Herodes (Antipas, 4 v. Chr. bis 39 n-. Chr.) von Gott ver-
nichtet worden sei (nämlich in dem Krieg des Herodes gegen den
Araberkönig Aretas, dessen Tochter er um der Herodias willen ver-
stoßen hatte), u. zwar habe Gott diese gar gerechte Strafe über ihn
gebracht wegen der Tötung des Johannes, der den Beinamen „der
Täufer" führte. Her. hatte nämlich diesen töten lassen, der ein treff-
licher Mann war u. den Juden befahl, sith der Tugend zu befleißigen u.
Gerechtigkeit aneinander u. Frömmigkeit gegen Gott zu üben u. dann
zur Taufe zu kommen. Denn in dieser Weise werde die Taufe Gott
angenehm erscheinen, wenn man sie nicht zur Sühnung (Abbitte)
einiger Sünden anwende, sondern zur Reinigung des Körpers, nachdem
nämlich bereits zuvor die Seele durch Gerechtigkeit gereinigt worden
sei. Als nun auch andre sich ihm zuwandten (denn durch das Hören
seiner Worte fühlten sie sich gar sehr gehoben), befürchtete Herodes,
es möchte das überaus große Vertrauen, das J. bei den Leuten genoß,
zu einem Aufstand führen; denn es hatte den Anschein, als ob sie
alles auf seinen Rat hin ausführen würden. Er hielt es deshalb für
richtiger, J. vorher beiseite zu schaffen, ehe er noch Neuerungen ins
Werk gesetzt, als hinterher nach geschehenem Umsturz das Hinein-
geraten in schwierige Verhältnisse bereuen zu müssen. So wurde J.
infolge jenes Argwohns des Her, gefangen genommen u. nach der
(zuvor erwähnten) Festung Machärus gebracht, in der er getötet wurde.
Die Juden aber meinten, daß, um diesen zu rächen, das Verderben
über das Heer (des Her.) hereingebrochen sei, indem Gott dem Her.
übelwollte, — Hierzu s. Schürer ^ 1, 436 f.
2. cpi'Xaxr, rabbin, "'p^'^Q.
LvR 30 (128b): Nach einigen Tagen wurde jener Räuber eingefangen -!''%-'::s u. im
Gefängnis gebunden "p'i'S- canrsi {-= ins Gefängnis gesperrt). - Autor R.Levi, um 300.
Purallelstelle P'^siq 182 a; -p'-j-ea 2n"«-r-N-i = er wurde ins Gefängnis gelegt, ü In einer
Ausdeutung der 10 ägyptischen Plagen sagt R. ßerekbja (um 340) P'siqR 17 (89l>):
Darauf band er die Ägypter in Gefängnissen n-p^-ra "i^a-, in Finsternis. — Parallel-
stelle P'^siq 67a: Er warf sie in Gefängnisse r'.'phzz cs":-i. || Meist heißt das Gefängnis
D--^,csr r-z oder auch ^'ii'-~ r'z. B^rakh 9^: Ein Gleichnis. (Gleich) einem Menschen,
der im Gefängnis gebunden war c'^icsn r^^a »lan n-ni;; es sagten die Leute zu ihm:
Morgen wird man dich aus dem Gef. ="'^cx:r r-<z'o herauslassen u. dir viel Geld geben.
Er sprach zu ihnen: Lasset mich, bitte, heute heraus, ich begehre gar nichts! |j B'^rakh 61b:
Wenige Tage darauf ergriffen sie den R. ^Aqiba (f um 185) u. warfen ihn ins Gef.
680 Matth 14, 4. 6 (31)
^"'ics- r-sa iniran-, il pj<^b 1*2, 12'^, 55: R. Jochanan, der Sandalenverfertiger, ging an
dem Gef. rir'sn r-a des R. fAqiba vorüber.
14,4: Es ist dir nicht erlaubt sie zu haben.
SLv20, 21 (373a): ,Wenn ein Mann das Weib seines Bruders ehelicht, so ist das
abscheuliche Unreinheit --:; die Blöße seines Bruders hat er aufgedeckt: kinderlos
sollen sie sein" Lv 20,21. Wenn ein .Mann", damit ist ein Minderiähriger (der noch
nicht 13 Jahre alt ist) ausgeschlossen, ,das Weib seines Bruders ehelicht": vom Weibe
des Bruders väterlicherseits redet die Schrift. Oder redet sie von dem Weibe des Bruders
auch mütterlicherseits? Und zwar könnte man diese Schlußfolgerung ziehen: die Schrift
hat verboten die Schwester seiner Mutter u. die Schwester seines Vaters (vgl. Lv 20, 19),
u. desgleichen hat sie verboten das Weib seines Bruders; wie nun die Schwester seines
Vaters u. die Schwester seiner Mutter, ob väterlicherseits oder mütterlicherseits, ver-
boten ist, so ist auch das Weib seines Bruders verboten sowohl väterlicherseits, als
auch mütterlicherseits. Die Schrift sagt lehrend Lv 20, 21: „Nidda ist es." Da rede ich
nur von dem Weibe eines Bruders, mit der es sich verhält wie mit einer Menstruierenden
(n-:): wie diese zeitweise verboten u. dann wieder erlaubt ist, so handelt es sich auch
um das Weib eines Bruders, das bald verboten, bald erlaubt ist. Und welches Weib
des Bruders ist bald verboten, bald erlaubt? Das ist das Weib des Bruders väterlicher-
seits. Wenn sie Kinder hat (beim Ableben ihres Manues), so ist sie verboten; wenn
sie keine Kinder hat, so ist sie erlaubt (für die Eingehung der Leviratsehe mit ihr).
, Kinderlos sollen sie sein" : wenn sie Kinder haben, so werden sie ihre Kinder begraben;
wenn sie keine Kinder haben, so werden sie ohne Kinder sterben. Vgl. J'b55a; Leq tob
zu Lv20, 21 (•_', 57a). || K'-r 1, 1 : In 36 Fällen ist die Strafe der Ausrottung (durch Gottes
Hand) in der Tora festgesetzt: . . . Wenn jemand dem Weibe seines Bruders beiwohnt. . . .
. 14,6 51: Am Geburtstage des Herodes.
ysvsain ist als vV'^p-'^r., x^o-^rs u. n;'Cv:? ins Rabbin. übergegangen. —
Der pT versteht 'AZ 1. 3: a-^rr-^ Vr xiois^ ciii vom „Geburtstag" der
Könige u. der bT vom Tag des „Regierungsantritts" der Könige. Die
Midraschim u. Targumim dürften durchgängig dem pT folgen.
fAZ 1,3: Dies sind die Feste der Heiden (vor denen es drei Tage lang verboten
ist, mit ihnen Geschäfte zu machen): Die Kaienden, die Saturnalien (vom 17. — 24. De-
zember), die Q'^^ratisim,' der G'^nusjatag der Könige, der Geburtstag n-;'r:n =•- u. der
Todestag (jedes Heiden). So R. Meir (um 150). Die Gelehrten aber sagten (erleichternd):
Bei jedem Todesfall, bei dem Verbrennen stattfindet, ist Götzendienst;^ bei welchem
aber kein Verbrennen stattfindet, ist kein Götzendienst. |l p?AZ 1, 39*^, 37: Vr s-3-:; ni'
u^zh-o, der Geburtstag der Könige, s. Gn 40, 20: Am dritten Tage, am Geburtstage =•-
r-i?r des Pharao, veranstaltete dieser ein Gastmahl. „Geburtstag u. Todestag": bis
hierher (d. h. bis zu diesen Worten redet die Mischna von Festen) für die Gesamtheit,
von da an u. weiter (von Festen) für den einzelnen. (Während mit dem G'^nesjatag
der Geburtstag der Könige gemeint ist, bezieht sich -ii~: c" auf den Geburtstag der
einzelnen Heiden, mit denen der Jude in Verkehr stand ; vgl. weiter unten die Diskussion
im bT.) i! pRH :i, 59", 16: R. J''hoschuaP b. Levi (um 250) hat gesagt: fAmaleq ist ein
Zauberer gewesen. Was tat er? Er stellte seine Leute an ihrem Geburtstage s-o-:-; ova
auf (zum Kampf), indem er sagte, daß nicht leicht ein Mensch an seinem Geburtstag
fallen werde. Was tat Mose? Er brachte die Gestirne in Unordnung, s. Hab 3, 11 u. 10.
1 c-c"^-- , von xoäxog mit hebr. Pluralbildung, andre Lesart c-c-u^- — xorirrjOLg.
fAZ8'': jSch'^muel (f 254) sagte: Das ist der Tag, an welchem Rom die Herrschaft
erlangte." (Wohl Jahrestag der Schlacht bei Actium, 2. Sept. 31 v.Chr.)
^ Bei der Crematio wurde Wein auf den Holzstoß gegossen; darin säTi man jüdischer-
seits eine götzendienerische Weinlibation.
Matth 14, 6 (3i) 681
?AZ lOa; Was ist der s-d-^jj ov der Könige? Rab J<^huda (f 299) hat gesagt: Der
Tag, an welchem sie den König einsetzten (also Tag des Regierungsantritts). Aber in
einer Bar heißt es doch: ,Der s-ci:3 nv u. der Tag, an welchem sie den König ein-
setzten!" (Da beide Tage nebeneinander genannt u. so voneinander unterschieden werden,
kann die sie identifizierende Meinung nicht richtig sein.) Das ist keine Widerlegung:
mit dem einen Ausdruck (s-o-:.i ni-) ist seine (des Königs) Einsetzung gemeint u. mit
dem andren (,Tag, an welchem sie den König einsetzten") ist die Einsetzung seines
Sohnes (als Mitregent) gemeint. Aber stellen sie (die Römer) denn als König den Sohn
des Königs auf? Rab Joseph (f 333) hat doch als Bar gelehrt: Es heißt Obadja 2»
, Siehe, gering habe ich dich (Edom = Rom) gemacht unter den Nationen", weil sie
nämlich zum König nicht den Sohn des Königs (sondern irgendeinen Günstling der
Legionen) einsetzten; ^ „verachtet bist du gar sehr", weil sie nämlich keine eigne Schrift
u. Sprache haben. (Der Babylonier Joseph urteilt ohne Kenntnis von Rom.) — Vielmehr
was ist der ncij-j dv (sic!)?^ Es ist der Geburtstag r.i^hn av. Aber in einer Bar heißt
es doch: sei:-: r— (sie!) u. rt— Vn ci- (beide Ausdrücke nebeneinander genannt, also
nicht einerlei)! Das ist keine Widerlegung: der erste Ausdruck bezeichnet seinen (des
Königs) Geburtstag, der andre den Geburtstag seines Sohnes. Aber in einer Bar heißt
es doch: „Sein G^^nusatag u. der G'^nusatag seines Sohnes, sein Geburtstag {■rr-h'n nv)
u. der Geburtstag seines Sohnes" (also kann „Genusatag" u. „Geburtstag" nicht ein u,
dasselbe sein)! Vielmehr was ist der G^nusatag? Es ist der Tag, an welchem sie den
König einsetzten, u. es liegt kein Widerspruch vor (wenn es in der Bar oben heißt:
„Der G'^nusatag u. der Tag, an welchem sie den König einsetzten): der erste Ausdruck
bezieht sich auf seine u. der andre auf seines Sohnes Einsetzung. Und wenn dir das
als eine Widerlegung erscheinen sollte, daß man ja (in Rom) nicht den Sohn des Königs
als König einsetzt, so setzt man ihn doch auf Grund einer Anfrage (beim Senat) ein,
wie zB Severus, der Sohn des Antoninus, König geworden ist. (Der bT hält hiernach
an der Erklärung des Rab J^huda fest, daß der G^nesjatag den Tag des Regierungs-
antritts bedeutet.)
GnRy8(56«): „Am dritten Tage" Gn 40, 20, das war der Geburtstag des Pharao
't ■■5-' -s-3-:; CT (entsprechend dem textlichen: nv^s-rs r^ri^'n o"). || P*^siqR 28/24 (121 >>) :
(R. M'^nachem, um 350, hat gesagt:) Als Gott sprach: „Gedenke des Sabbats, daß du
ihn heiligest" Ex 20, 8, sagten die Völker der Welt: Welcher König wünscht, daß man
(seinen) Geburtstag s-c-:-; cv nicht ehre? Und Gott wünscht, daß die Israeliten den
Sabbattag ehren! — In der Parallelstelle NuR 8 (149*) ist der Text korrumpiert: statt
r:^-n c" lies s-c^:-) ni". 1| Abba Gorjon 1 (4''): Warum veranstaltete Achaschverosch ein
Festmahl (vgl. Esth 1,3)? Einige sagen: Die Provinzen hatten sich wider ihn erhoben
u. er hatte sie besiegt. Andre sagen: Sein Geburtstag war -•- i'^'i" s-c-rj 3V. !l ExR 15
(76*'): „Dieser Monat sei euch erster Monat" Ex 12, 2. Gleich einem König, dem ein
Sohn geboren ward u. der (darob) einen Festtag veranstaltete. Dieser Sohn wurde ge-
fangen genommen u. blieb daselbst lange Zeit. Nach einiger Zeit wurde jener Sohn
ausgelöst u. der König machte ihm diesen Tag zum Geburtstag s-c^:; c-- (ließ ihn
fortan als G. des Sohnes feiern). So auch zählten die Israeliten, bevor sie nach Ägypten
hinabgezogen waren, nach einer früheren Zeit (lies iai"i;'r; das textliche -'^zv-ch = „nach
der Knechtung" gibt keinen Sinn). Nachdem sie aber hinabgezogen u. dort in Knecht-
schaft geraten waren, tat Gott ihnen Wunder, so daß sie erlöst wurden. Da fingen sie
an nach den Monaten zu zählen, wie es heißt: „Dieser Monat sei euch erster Monat." ||
Targ Jeruschl Ga40, 20: Am dritten Tage war der Geburtstag des Pharao nc:i:; =i-
nv-^s-t. Targ Onk setzt dafür •r.y^t-i a-.'-'-r-2 s':v. || Targ Esth 3,8 wirft Haman den
Juden unter andrem vor: Unser Brot u. unsre Speise essen sie nicht, uusren Wein
trinken sie nicht, unsre Geburtstage {sih --; s-cijj '•C'-) beobachten sie nicht.
^ Man erkennt hieraus, wie die ungeordnete, dem Zufall überlassene Thronfolge
Rom in den Augen der Provinzialen verächtlich gemacht hat.
2 sc-:-; SV ist als Singularform gedacht; das beweist, daß man s-c-:-; in der Ver-
bindung s*c-:-; z',', dem griechischen ysfeaia entsprechend, als Plural gemeint hat.
682 Matth 14, 6 (SB)
14, 6 S: Tanzte die Tochter der Herodias in (ihrer) Mitte.
Der Tanz ist eine viel geübte Kunst gewesen; denn das Rabbin, hat
für „tanzen" eine ganze Reihe von Ausdrücken: b^ina = sich drehen;
yspb hüpfen, springen; n;3-ic hüpfen, tanzen. Der Tanz, ein Zeichen
fröhlicher Stimmung, dient vor allem der Belustigung andrer. In erster
Linie sind es Männer, die am Tanz teilnahmen; selbst hochangesehene
Rabbinen verschmähen das Tanzen nicht ;d auch Engel führen Reigen-
tänze auf;e sogar von Gott erwartet man, daß er dereinst in der
Vollendungszeit vor den Gerechten einen Reigen anführen werde.*
Seltener werden tanzende Frauen erwähnt. g Den gemeinsamen Tanz
beider Geschlechter miteinander scheint man nicht gekannt zu haben.
a. 5nn s. GnR 74 in Anm. e; Ta?an 4, 8 in Anm. g.
b. r^r^ s. pChag 2, 77 a, 49 jn Anm. e.
C. i(ji. Be9a5, 2: Aus Gründen (sabbatlicher) Ruhe darf man (an einem Sabbat
oder Feiertag) nicht auf einen Baum steigen, nicht auf einem Tier reiten, nicht auf
dem Wasser schwimHien, nicht in die Hände klatschen, nicht auf die Hüfte schlagen
u. nicht tanzen T-p->'3 s^i. — Dasselbe TSchab Ende (138). || TSchab 6, 2 (117): Wenn
man vor einer Feuerflamme auf die Hüften schlägt u. in die Hände klatscht u. tanzt
-tpi^sm, siehe, so gehört das zu den emoritischen (heidnischen) Gebräuchen. !| Über den
Unterschied von vep u. -pi heißt es pBe9a 5, 63 a, 41 : R. Jirm^ja (um 320) u. R. Z'^fira
(um 300) haben im Namen des Rab Huna (f 297) gesagt: Bei dem v^^-p genannten
Hüpfen oder Tanzen reißt man beide Füße zugleich (vom Boden) los; bei dem •'^p'":
genannten reißt man einen Fuß los u. setzt den andren nieder. — Weiter s. pChag 2,
77b, 34; Midr Qoh 3, 2 in Anm. d; GnR 74 in Anm. e; LvR 12 u. Qid 63a in Anm.^.
d. pChag '2, 77 b, 34: Nachdem sie (die Großen Jerusalems bei der Beschneidungs-
feier des Elischaf b. Abuja, um 120) gegessen u. getrunken hatten, fingen sie an, in die
Hände zu klatschen u. zu tanzen ■j'np-''ii (so lies statt Tpnp^'c). || Rabbinen tanzen zur
Belustigung von Brautpaaren, s. K'^th 17a S. 514« bei Mt 9, 15. |i Fromme Männer, unter
ihnen auch R. Schim?on (I.) b. Gamliel (f um 70), tanzen am Laubhüttenfest im Weiber-
vorhof vor der Volksmenge, s. Sukka 5. 1 — 4; TSukka4, Iff. im Exkurs: „Das Laub-
hüttenfest" Nr.V. |i Midr Qoh 3, 2 (16b): R. Schim?on b. Chalaphta (um 190) zog (mit den
Leuten von ?En T'^^ena zu einer Beschneidungsfeier nach Sepphoris) hinauf. Als sie an
das Tor kamen, trafen sie auf den Lärm von Jünglingen, die zu ihm sagten: Du darfst
dich von hier nicht wegrühren, bis du uns ein wenig vorgetanzt hast '^':> -r-,~>z pst -ty.
Er antwortete ihnen: Das paßt nicht zu mir, denn ich bin ein alter Mann. |l Ein Heide
tanzt vor Juden Sunh 104 b.
e. GnR 74 (48a): „Jakob zog seines Weges, u. es begegneten ihm Engel Gottes'
Gn 32, 2. Wie viele Engel tanzten u. hüpften a'npi'st D-'sn vor unsrem Vater Jakob her,
als er in das Land (Israel) eintrat? R. Huna (um 350) h'at im Namen des R. Aibo (um
320) gesagt: 60 Myriaden Engel tanzten c-'jn damals vor unsrem Vater Jakob her. Die
Rabbinen sagten: 120 Myriaden. |i pChag 2, 77a, 49; Dienstengel hüpften i-iis-r; vor ihnen
(R. Jochanan b. Zakkai, f um 80, u. R. El?azar b. ?Arakh nach einem Vortrag des letzteren
über die Wagenerscheinung Ez 1 ), wie Hochzeitsgäste sich vor dem Bräutigam freuen.
/. Tafan 31a: Dereinst wird Gott den Gerechten einen Reigentanz veranstalten
h'.r.n r'vsh- s. die ganze Stelle nebst Parallelen im Exkurs „Sch'^ol" usw. 111,4,«. In
einer der letzteren: ,Gott tanzt mit ihnen" nnTjy Vn.
g. LvR 12 (113'^): R. Huna (um 350) hat gesagt: 80 Arten von Tänzen hat die
Tochter des Pharao in jener Nacht (da sie Salomo geheiratet hat) getanzt ttp"^ "=■'2 '2
~-p-'. II Ta?an 4, 8: (Am 15. Ab u. am Versöhnungstag) zogen die Töchter Jerusalems
hinaus u. tanzten r-V^rr in den Weinbergen. — Die ganze Stelle s. bei Joh 2, 1 Nr. 3, l. \\
In der Bar Qid 63a gagt einer zu einer Frau, die er sich angeloben will: „Sitze bei mir
Matth 14, 7. 10. 11.17 (Nr. 1.2) 683
zu meiner Gesellschaft, so will ich dich mir angeloben, spiele vor mir, tanze tip-' vor
mir, mache (Kunststücke) wie in jener Rennbahn!" (lies oio-it statt o-^'o-'n).
14, 7: Er bezeugte mit einem Schwur.
Über den unbedachtsam entfahrenen Schwur -^r^^ ry^nuj s. bei Mt 5,33
S. 321; über dabei übliche Schwurformeln bei 5,36 S. 334.
14,10: Er ließ den Johannes im Gefängnis enthaupten.
Vgl. Josephus Ant. 18 oben S. 679. || Sanh 7, 1 : Vier Todesarten sind dem Gerichtshof
übergeben: Steinigung t^\'~.'^, Verbrennung ^t-.V , Enthauptung j-n u. Erdrosselung psn.
— Das. l,"-i: Das gesetzliche Verfahren für die, welche enthauptet werden: man schlug
ihm den Kopf mit dem Schwert ab. wie es die (römische) Regierung tut. Das Weitere
S: S. 270« bei Mt5, '21. || Sanh 9, 1 : Und dies sind die, welche enthauptet werden •;-;';:n3n :
der Mörder (s. Lv 26, 25) u. die Einwohner einer abwendig gemachten Stadt (s. Dt 13, 16).
14,11: Sein Haupt wurde auf einer Schüssel gebracht.
Midr Esth 1, 19 (QU): (M®mukhan) sprach zu ihm: Mein Herr König, laß ein Wort
aus deinem Munde gehn, so bringe ich ihr (der Vaschti) Haupt auf einer Schüssel oipsq
(= (ft'ffxoc Scheibe, Schüssel). — Das. zu 1,21 (91 a): ,Es dünkte das Wort gut in den Augen
des Königs u. der Fürsten": der Befehl erging, u. er brachte ihr Haupt auf einer Schüssel.
14, 17: Wir haben hier nur fünf Brote u. zwei Fische.
1. Die häufigsten Bezeichnungen für „Brot" sind: cnb, aram. xrr-b,
PB, xr,i5, Nns-''!, "123 (speziell rundes Brot) u. (nur im bT) X'on?,
Wenn von „Brot" rt schlechthin die Rede ist, heißt es pChalla 1, 57", 47, so ist
damit ausschließlich das aus Weizen oder Gerste gemeint. Doch wird alsbald hinzu-
gefügt: Wo man Brot aus allem ißt, wird mit „Brot" schlechthin lediglich das aus den
fünf (im Lande Israel wachsenden) Getreidearten ' bezeichnet. — Oft aber setzte man
die Getreideart hinzu, aus der es bereitet war. „Gerstenbrot* (Joh 6, 9 bei der Speisung
der Fünftausend) hieß ''"y'v rc, zB Sch^bu 3,2, im babylon. Dialekt '^y::i s'inj, zB
Schab 140b: Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Wer Gerstenbrot essen kann (weil er es
verträgt) u. Weizenbrot (trotzdem) ißt, der übertritt das Verbot: „Du sollst nicht ver-
derben" Dt 20, 19. — Hiernach galt Weizenbrot gewissermaßen als Luxus. — Brot aus
Spelt ■j-'sDir PE (Schebu 3, 2) hielt man für wohlschmeckender als Gerstenbrot; gleichwohl
erfreute sich letzteres im Benediktionsritus eines gewissen Vorzugs vor dem ersteren:
„Ist Weizenbrot yi:'- rt u. Gerstenbrot da, so spricht man den Lobspruch (s. bei Mt 14, 1 9)
über ersterem. Ist ein angebrochenes Weizenbrot da u. ein ganzes Gerstenbrot, so spricht
man den Lobspruch über ersterem. Ist Gerstenbrot u. Speltbrot da, so spricht man den
Lobspruch über ersterem. Ist Speltbrot nicht schmackhafter? Aber (so tat man) weil
die Gerste zu den sieben Fruchtarten (von Dt 8, 8) gehört, während der Spelt nicht zu
ihnen gehört." TBerakh4, 11 (9); pßerakh G, 10b, 41 als Bar.
2. Die verschiedenen Zubereitungsarten der Fische zählt N'^d 20''
auf: Fleisch, das aus dem Fleischerladen kommt, ißt man, je nachdem
man will, in Salz (d. h. gepökelt) oder gebraten oder gekocht oder
gebrüht; dasselbe gilt vom Fisch, der aus dem Fischladen kommt. —
Besonders beliebt war der mit Salz eingelegte Fisch, a „Eingesalzenes"
nibp schlechthin bezeichnet deshalb meist den eingepökelten Fisch. b
Die Lake, die aus Fischsaft u. Salz bestand, hieß "f:?;«^ vor dem Genuß
des Fisches wurde sie durch mehrfaches Ausdrücken entfernt, d Daß
' Diese 5 Arten sind: nun Weizen, •n-^'isv Gerste, rasna, pl. """is^s Emmer (Spelt),
^sn» rh'zv Kolbenhirse u. ys'p Hafer (Mischna P'^s 2, 5).
684 Matth 14, 17 (Nr.2)
Pökelfische nicht als ärmliche Kost galten, erkennt man daraus, daß
sie angesehenen Gästen vorgesetzt wurden, e Selbst beim Mahle der
Gerechten in der Zukunft wird der Livjathan in gepökeltem Zustande
als Leckerbissen gereicht werden.* In einer diätetischen Regel wird
das Wasser als bester Trunk zum Fisch empfohlen, g — Bei der hervor-
ragenden Bedeutung gerade der eingelegten Fische für die Ernährung des
jüdischen Volkes liegt es nahe, an solche in erster Linie Mt 14, 17 zu denken.
a. Berakh 44»: Rab (f 247) hat gesagt: Ein Mahl, bei welchem es keinen ein-
gelegten Fisch ^ gibt, ist kein Mahl. || BB 74 b: Eingelegter Fisch schmeckt gut.
b. Ned 6, 3: Wer sich durch ein Gelübde ,das Eingesalzene" --'^sn versagt, dem ist
nur Salzfisch ;i hv r.^h-oTi verboten; (wer aber bei seinem Gelöbnis sagte:) , Eingesalzenes
n-^'3 will ich nicht essen!" dem ist alles Eingesalzene verboten. || B^rakh 6, 7 : Bringt man
zu Anfang (vor Beginn des eigentlichen Mahles) vor ihn (den Gast) eingelegten Fisch
ri'hn nebst Brot, so spricht er den Lobspruch über den eingelegten Fisch u. läßt das Brot
(von einem Lobspruch) frei; denn das Brot ist dabei nur Nebensache. — Ferner s. Anm. a.
C. Terum 10,8: Wenn man unreinen Fisch zusammen mit reinem Fisch eingelegt
hat, so ist die Lake ^■'is des ganzen zwei Sea enthaltenden Fasses verboten, falls sich
darin unreiner Fisch im Gewicht von 10 Zuz in Judäa, gleich 5 Selaf in Galiläa, be-
findet. R. Jehuda (um 150) sagte: Ein Viertel (Log unreine Lake) in zwei Sea (Lake
überhaupt). R. Jose (um 150) sagte: (Wenn) der sechzehnte Teil darin (unreine Lake)
ist, so ist die ganze Lake unrein. Vgl. Ghullin 99^; R.Jose b. Chanina (um 270) hat
gesagt: Nicht alle Maße sind (in bezug auf das Geschmackverleihen) gleich; denn
siehe, das Maß der Fischlake beträgt fast zweihundert (erst wenn der 200. Teil einer
Flüssigkeit Fischlake ist, schmeckt das Ganze nach dieser). Denn wir haben gelernt:
Die Lake eines unreinen Fisches ist verboten; R. Jehuda (um L50) sagte: Ein Viertel
Log in 2 Sea (das ist der 192. Teil). Aber R. Jehuda hat doch gesagt: Art in Art vergeht
nicht (also verliert unreine Fischlake niemals ihren Geschmack in reiner Fischlake)!
Bei der Fischlake verhält es sich anders, denn sie ist bloß eine Ausschwitzung (sie
enthält nur Fischsaft ohne kompakte Fischbestandteile; deshalb verliert sich ihr Ge-
schmack mit der Zeit in größeren Mengen andrer Fischlake).
d. Vgl. das nächste Zitat.
e. MQ 1 1 a: (Raba, f 352, hatte erlaubt, an den Zwischenfeiertagen Fische zu fangen
u. einzulegen.) Abaje (f 338/39) sagte zu ihm: Wir haben aber doch gelernt (MQ 1, 10):
Alles Einlegbare, davon man noch an den Zwischentagen selbst essen kann, darf man
(an den Zwischentagen) einlegen (die Fische aber sind wegen der Salzmenge in so kurzer
Zeit noch nicht genießbar). Er antwortete: Auch diese können wegen des Ausdrückens
(des Salzes) gegessen werden. So hat man für Sch'^'muel (f 254) sechzig Auspressungen
gemacht u. er aß. Raba kam in das Haus des Exilarchen u. man machte für ihn sechzig
Auspressungen u, er aß. Rab (f 247) kam in das Haus des Rab Schappir; man setzte ihm
einen Fisch vor, von d em ein Drittel gekocht, ein Drittel eingelegt u. ein Drittel gebraten war.
/. BB 74b: (Rab J'^huda, f 299, hat gesagt, Rab, f 247) habe gesagt: Gott hat das
Weibchen (des Livjathan) getötet u. es für die Gerechten in der Zukunft eingesalzen.
Hierzu s. Exkurs: „Sch^ol" usw. 111, 4, j:) — x.
g. MQ 11 a; Rab (f 247) hat gesagt: Der Fischer Ada (Adda) hat mir gesagt:
Erstens, der Fisch ist am besten kurz zuvor, ehe er übelriechend wird. Zweitens: Den
Fisch brate mit seinem Bruder (d. h. mit Salz, das wie die Fische aus dem Meerwasser
entsteht, Raschi), lege ihn ein mit seinem Vater (d. h. mit Wasser), iß ihn mit seinem
Sohne (d. h. mit der Lake, die von ihm kommt) u. trinke dazu seinen Vater (d. h. Wasser).
Drittens: Fische, Kresse u. Milch soll der Körper, aber nicht das Bett tragen (d.h. nach
ihrem Genuß soll man sich bewegen, aber nicht ruhen). Viertens: Nach Fisch, Kresse
u. Milch Wasser, aber nicht Rauschtrank; Rauschtrank, aber nicht Wein.
^ Lies mit Handschrift München u. fArukh -"^^ statt n^*: = Salz.
Matth 14, 19 (3t. 5B 1) 685
14,19 51: Zum Himmel aufblickend sprach er.
Das Aufblicken zum Himmel beim Gebet war, wenigstens später,
nicht allgemein üblich; s. zu Lk 18, 13.
14,19 93: Sprach den Lobspruch u. (das Brot) brechend
gab er die Brote den Jüngern.
1. svkoyrjasv, hebr. -"^s = er sprach eine ßenediktion, einen Lob-
spruch. Es war eine schöne Sitte im jüdischen Volk, daß man keine
Speise aß, ohne vor u. nach ihrem Genuß Gott dafür zu danken. a Den
Schriftbeweis fand man in Lv 19, 24. b Sämtliche Lobsprüche, die vor
dem Genuß über Speise u. Trank zu sprechen waren, begannen mit
den Worten: „Gepriesen seist du, Jahve unser Gott, König der Welt."
Die Fortsetzung lautete dann verschieden je nach der Speise, die man
aß. Beim Brot zB: „Der du das Brot aus der Erde lassest hervor-
gehn." Vgl. den Exkurs: Ein altjüdisohes Gastmahl Nr. 6.
Umfangreicher waren die Benediktionen nach dem Genuß einer
Speise oder eines Trankes. Die Halakha unterscheidet hier drei Fälle.
1. Nach dem Genuß von Brot (aus den fünf Getreidearten), das als
Hauptspeise galt, während alles dazu Genossene, wie Fleisch, Fisch, Ge-
müse usw., nur als Zukost angesehen wurde u, ohne besondere Benediktion
blieb, hatte man das eigentliche Tischdankgebet -iiTjan rsia zu sprechen,
das anfänglich aus zwei, später aus drei u. endlich aus vier Gebeten
bestand, die nach ihrem Inhalt genannt wurden iTn r=-in (Benediktion:
„der speist"), ■j^Nn 'i (B. für das Land Israel), .-idis '- (B.: „der Jerusalem
erbaut") u. a'^^Lp^ni ni-L:n 'n (B.: „der Gute u. der Gutes erweist"). Biblisch
begründet sah man dies Dankgebet besonders in Dt 8, 10. c Ausführ-
licheres s. im Exkurs: Ein altjüdisches Gastmahl Nr. 11. — || 2. Nach
Speisen, die aus den fünf Getreidearten (S. 685()') nicht als Brot
zubereitet waren, ferner nach dem Genuß der in Dt 8, 8 genannten
Baumfrüchte (Weintrauben, Feigen, Granatäpfel, Oliven u. Dattelhonig),
desgleichen nach dem Trinken von Wein: ein Lobspruch dreifachen
Inhalts, dessen Anfang u. Schluß je nach der Art des Genossenen sich
richtete, s. den genannten Exkurs Nr. 12, e, ß. — || 3. Nach allen übrigen
Speisen, auch nach Wasser, das man zur Stillung des Durstes trank,
sprach man: Gepriesen seist du, Jahve unser Gott, König der Welt, der
viele belebte Wesen erschuf u. ihren Bedarf für alles, was er erschaffen.
Gepriesen sei der ewig Lebende! Vgl. denselben Exkurs Nr. 12, e, y.
a. B'^rakli 35^: Es ist dem Menschen verboten, irgend etwas von dieser Welt ohne
Benediktion zu genießen. Die Bar fügt hinzu: Wer etwas von dieser Welt ohne ß.
genießt, der begeht die Sünde der Veruntreuung (gegen Gott). Was für eine Abhilfe
gibt es? Er gehe zu einem Gelehrten. . . . Raba (f 852) hat gesagt: Er gehe frühzeitig
zu einem Gelehrten, damit dieser ihn die Benediktionen lehre, auf daß er nicht der
Sünde der Veruntreuung anheimfalle. Rab J'huda (f 299) hat gesagt, Sch<^muel (f 254)
habe gesagt: Wer von dieser Welt ohne B. etwas genießt, der ist wie einer, der von
Gott Geheiligtem genießt, s.: „Jahves ist die Erde u. ihre Fülle" Ps 24, 1. R. Levi
(um 300) stellte einander gegenüber Ps 24, 1 u. Ps 115, 16; ,Der Himmel ist Himmel
686 Matth 14, 19(©1)
für Jahve, aber die Erde hat er den Menschenkindern gegeben." Darin liegt kein
Widerspruch: jenes gilt vor der Benediktion, dieses nach ihr. R. Chanina b. Papa (um
lOO) hat gesagt: Wer von dieser Welt etwas ohne B. genießt, der ist wie einer, der
Gott u. die Gemeinde Israel beraubt, s. : „Wer Vater u. Mutter beraubt u. sagt: 'Es ist
keine Sünde-, der ist ein Genosse dessen, der zugrunde richtet" Spr 28, 24. Mit , Vater"
ist Gott gemeint, s.: Ist nicht er dein Vater, der dich erschaffen hat? Dt 32, 6. „Mutter"
ist die Gemeinde Israel, s.: „Höre, mein Sohn, auf die Zucht deines Vaters u. laß nicht
fahren die Unterweisung deiner Mutter" Spr I, 8. Was ist gemeint mit „Genosse dessen,
der zugrunde richtet"? R. Chanina b. Papa hat gesagt: Der ist ein Genosse des
Jarobfam ben Nebat, der die Israeliten zugrunde gerichtet hat für ihren Vater im
Himmel. || B'^rakh lO**: R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe ge-
sagt, R, Jose b. Chanina' (um 27o) habe im Namen des R. Elifezer b. Jafaqob (IL,
um 150) gesagt: Was heißt: „Dir sollt nicht essen um des Blutes willen" Lv 19,26?
(so der Midr). Ihr sollt nicht essen, bevor ihr gebetet, um eures Blutes (Lebens)
willen.* R. Ji^chaq hat gesagt, R. Jochanan habe gesagt, R. Jose b. Chanina habe im
Namen des R. Eli?ezer b. Jafaqob gesagt: Wer ißt u. trinkt u. hinterher (erst) betet,
von dem sagt die Schrift: ,Du hast mich hinter deinen Rücken geworfen" 1 Kg 14, 9.
Lies nicht -"■; = deinen Rücken, sondern --n; = deinen stolzen (Vollbauch). Gott
spricht: Nachdem sich dieser stolz erhoben hat (essend ohne Gebet), nimmt er die
Gottesherrschaft (im Gebet hernach) auf sich!
b. SLv 19, 24 (357"): „Alle ihre Frucht sei eine Weihung zu Lobeserhebungen für
Jahve" Lv 19, 24; das lehrt, daß (jede Frucht) einer Benediktion vorher u. nachher (d. h.
vor u. nach ihrem Genuß) bedarf (denn es steht der Plural „Lobeserhebungen"). Von
hier aus hat R. f Aqiba (f um 135) gesagt: Der Mensch soll nichts schmecken (essen), be-
vor er den Lobspruch gesprochen hat. — Dasselbe als Bar B'^rakh 35 '\
C. TB'-rakh 7, 1 (14): Die Benediktion bei der Aufforderung zu gemeinsamem Tisch-
dankgebet i-s'-Tn rs-s (s.: „Ein altjüdisches Gastmahl" Nr. 11) ist aus der Tora, s.:
„Wenn du gegessen hast u. satt bist, so preise" Dt 8, 10; das ist die B. bei der
Aufforderung zu gemeinsamem Tischdankgebet; „Jahven deinen Gott" (das.), das ist
die B. 1 (-jin 'z); „für das Land", das ist die (2.) B. für das Land (r^s^ i'^^^); «das
gute", das bezieht sich auf Jerusalem (— 3. B., npz 'z); ebenso heißt es Dt 3, 25:
Diesen guten Berg u. den Libanon (-— Bei;g Zion u. Tempel, letzterer wird oft unter
Libanon verstanden); „das er dir gegeben hat" Dt 8, 10, das ist die B.: „Der Gute u.
der Gutes tut" (die 4. B^rakha 3".:'2.-i aiun r^^z). Woher, daß man, wie man hinter-
her, so auch vorher eine B. zu sprechen hat? Die SchTift .sagt lehrend: „das er dir
gegeben hat", d. h. von dem Augenblick an, da er dir etwas gibt (also noch bevor
das Gegebene genossen ist). — Ähnlich in M'^kh Ex 13,3 (23*^). Hier schließt sich
folgende Ausführung an: Da höre ich nur in bezug auf das Tischgebet, daß man zu
einem Lobspruch nach dem Essen verpflichtet ist; woher, daß man auch vorher vec-
pflichtet ist? R. Jischmafel (f um 135) lehrte es durch einen Schluß vom Leichteren
auf das Schwerere: wenn man zu einem Lobspruch verpflichtet ist, nachdem man sich
satt gegessen hat, um wieviel mehr gilt das dann, wenn man nach Speise Verlangen
trägt! R. Nathan (um 160) sagte: Siehe, es heißt: „Wenn ihr in die Stadt geht, werdet
ihr ihn antreffen, ehe er zur Bama zum Essen hinaufgeht; denn das Volk ißt nicht,
bevor er kommt; denn er selbst soll das Schlachtopfer segnen; erst darnach essen die
Geladenen" 1 Sm 9,13. R. Ji^chaq (um 150) sagte: Es heißt: „Verehret Jahve euren
Gott, so wird er dein Brot u. dein Wasser segnen" Ex 23, 25. Wann ist es dein Brot?
Bevor du es gegessen hast. — Beide Stellen als Bar mit Abweichungen im einzelnen
* Daß R. Jochanan als Tradent des R. Jose b. Chanina erscheint, ist auffallend,
nicht gerade unmöglich. Wir wissen auch sonst von R. Jose b. Ch., daß er vor
R. Jochanan tannaitische Traditionen vorgetragen hat; s. Bacher, Pal. Amor. 1, 421. Von
einer solchen Tr. kann R. Jochanan mit Berufung auf R. Jose b. Ch. gesprochen haben.
* Bacher, Tann. 2, 285 deutet das zz^:-. hy. Esset nicht, bevor ihr „für euer
Blut" gebetet.
Matth 14, 19 (!B 1— 3j. 14,20 (Nr. 1—3) 687
pB'^rakh 48''. Nach pB'^rakh 7, 1 1 =*, 41 gehört der oben aus der Tosephta gebtachte
Schriftbeweis für das Tischdankgebet dem R. Jischma?el (f um 135) an; die aus der
M'^khiltha beigebrachten Sätze finden sich, mit zum Teil andren Autorennamen, in
pB-^-rakh 7, 11 •% 55. II TanchB yp': § 14 (99^): Es lehre uns unser Lehrer: Auf Grund
welcher Stelle hat man angeordnet, über die Speise einen Lobspruch zu sprechen?
Weil es heißt: „Wenn du gegessen hast u. satt bist, so preise" Dt 8, 10. Siehe, man
soll hinterher preisen; woher, daß man es auch vor dem Essen soll? R. Chijja (um 200)
hat im Namen des R. fAqiba (f um 135) gelehrt: Es heißt: ,Eine Weihung zu Lobes-
erhebungen für Jahve" Lv 19,24; das lehrt, daß man vorher u. nachher zu einer Be-
nediktion verpflichtet ist. (Der Beweis liegt in dem Plural , Lobeserhebungen".)
2. Wie streng man schon in frühester Zeit auf die Speisebenediktionen
gehalten hat, zeigt die Kontroverse der Schule Schammais u. Hillels
über die Frage, was man zu tun habe, falls man sie vergaß,
B^'rakh 8,7: Wer gegessen hat u. vergaß, die Benediktionen zu sprechen, der soll
nach den Worten der Schule Schammais an seinen Platz zurückkehren u. die B.
sprechen. Die Schule Hillels sagte: Er soll sie an der Stelle sprechen, an der ihm
die Erinnerung kommt (daß er das Gebet unterlassen habe). Bis wie lange ist man
zur B. (nachträglich) verpflichtet? Bis die Speise im Magen verdaut ist. || B rakh 50^:
Rab J''huda (f 299) hat gesagt: Wenn man (die B. vor dem Essen) vergessen u. die
Speisen in den Mund gebracht hat ohne B., so bringe man sie auf die eine Seite (des
Mundes) u. spreche die B. ; die eine Bar lautet: Man schlucke sie herunter, u. eine
andre: Man speie sie aus, u. noch eine lautet: Man bringe sie auf die eine Seite des
Mundes. Darin liegen keine Widersprüche: die eine Bar, daß man sie herunterschlucken
soll, bezieht sich auf Getränke; die andre, daß man sie ausspeien solle, bezieht sich
auf etwas, was dadurch nicht widerlich wird (u. hinterher wieder in den Mund ge-
steckt u. gegessen werden kann), u. die dritte Bar, daß man sie auf die eine Seite des
Mundes bringen soll, bezieht sich auf etwas, was (durch Ausspeien) widerlich wird. ||
pB'^'rakh 6, 10b, i ; Rab Huna (f 297) hat gesagt: Wer etwas in seinen Mund genommen
u. vergessen hat, die B. zu sprechen, der soll es, falls es ein Getränk war, ausspeien,
u. falls es Speise war, an die Seiten (des Mundes) bringen (u. dann die B. sagen).
R. JiQchaq b. Mari hat vor R. Jose b. Abin (um 350) im Namen des R. Jochanan (f 279)
gesagt: Auch Speisen soll man ausspeien; denn es heißt: ,Mein Mund ist von deinem
Ruhme (u. nicht von etwas andrem) voll " Ps 7 1 , 8. — Der letzte Ausspruch auch B^rakh 5 1 *.
3, xXäaag. — In der Regel war es der Hausvater, der mit der
Benediktion über das Brot (N'':j'i5:n rs-is „der das Brot läßt hervorgehn")
die Mahlzeit eröffnete, um den Tischgenossen davon zu reichen; s. das
Nähere im Exkurs: „Ein altjüdisches Gastmahl" Nr. 7, m — p.
, Brechen" des Brotes wird meist durch y^z ausgedrückt, zB Chullin 7^; B'^rakh 46»;
47 a; seltener »•s]^, zB pB^rakh (>, IQa, 57; bisweilen auch c^e, zB RH 29l>.
14,20: Sie hoben das Übriggebliebene an Brocken auf,
zwölf volle Körbe.
1. Über die Pflicht, die während des Essens auf die Erde gefallenen
Brocken aufzusammeln, s. den Exk.: „Ein altjüd. Gastmahl" Nr. 10, d.
2. x6(pivog, hebr. ns^ip, zB B^rakh 32^: In der Schule des R. Jannai
(um 225) sagte man: Der Löwe brüllt nicht bei einem Korb voll Stroh,
sondern bei einem Korb voll Fleisch (Sinn : Der Überfluß macht übermütig}.
3. Beispiele wunderbarer Segnungen:
Joma 39a Bar: In den 40 Jahren, in denen Schimfon der Gerechte (I., um 300;
IT., um 200) (als Hoherpriester) fungierte, kam das Los (am Versöhnungstage, s. Lvl6, 8)
688 Matth 14, 20 (Nr. 3). 14, 25
in der Rechten herauf; von da an u. weiter kam es bald in der Rechten, bald in der
Linken herauf, u. der glänzende Streifen iZeug, der am V.tage am Eingang des Tempels
angebracht war) wurde weiß (zum Zeichen der Sündenvergebung); von da an u. weiter
wurde er bald weiß u. bald nicht. Die auf der Westseite (des siebenarmigen Leuchters
befindliche) Lampe brannte (ohne je zu erlöschen) ; von da an u. weiter brannte sie bald,
u. bald erlosch sie. Das Feuer des Holzstoßes (auf dem Brandopferaltar) war mächtig
(erhielt sich brennend), u. die Priester hatten nicht nötig Holz zum Holzstoß herbei-
zuschaffen außer den beiden Holzscheiten (die zur Erhaltung der Flamme regelmäßig
für die Nacht hinzugefügt wurden), die zur Erfüllung der Gebote betreffs des Holzes
dienten; von da u. weiter war es bald mächtig, bald nicht, so daß die Priester nicht
unterlassen durften den ganzen Tag Holz heranzuschaffen. Segen wurde auf die Erst-
lingsgarbe (Lv 23, 9) u. auf die beiden Brote (Lv 23, 17) u. auf die Schaubrote gelegt,
u. jeder Priester, auf den davon soviel wie eine Olive kam, aß es u. wurde teils satt,
teils aß er u. ließ noch übrig; von da an u. weiter wurde Fluch auf die Erstlingsgarbe
u. die beiden Brote u. auf die Schaubrote gelegt, u. auf jeden Priester kam soviel wie
eine Bohne. Die Bescheidenen zogen ihre Hände zurück, u. die Gierigen nahmen u.
aßen. I| Hör 11 ^ Bar: In dem Salböl, das Mose in der Wüste bereitet hat, hat man die
Wurzeln gekocht (die zu seiner Herstellung dienten); das sind Worte des R. J%uda
(um löO). R. Jose (um 150) sagte: Es würde ja nicht einmal gereicht haben, um die
Wurzeln zu bestreichen! Vielmehr hat man die Wurzeln in Wasser eingeweicht, dann
ließ man das Ol darüber fließen, daß es den Geruch anziehe u. abschwäche. R. .l^huda
antwortete: Wie, ist denn nur Ein Wunder an dem Salböl geschehen? War es nicht
von vornherein nur 12 Log? Und davon ist gesalbt worden die Stiftshütte u. ihre Ge-
räte, Ahron u. seine Söhne die ganzen sieben Einweihungstage, u. das Ganze ist (un-
vermindert) noch für die Zukunft vorhanden, wie es heißt: „Ein mir heiliges Salböl
soll dies sein für eure Geschlechter" Ex 30,31. — Dann folgt eine ähnliche (ausführ-
lichere) Bar. Parallelstellen: K^'rS-'; LvR10(112''); pSota 8, 22«, 18; pSch'^^q 6, 49^47.
GnR 11 (8=*): R. Eli?ezer (unj 90) sagte: Gott hat den 7. Tag mit Licht gesegnet (vgl.
Gn 2, 3). Es geschah einmal, daß ich die Lampe am Sabbatabend anzündete, u. als
ich wiederkam, fand ich sie am Ausgang des Sabbats brennend, u. es fehlte nichts
(das Ol hatte nicht abgenommen!. || Schab 21 ^' Bar: . . . Als die Griechen in den Tempel
eindrangen, verunreinigten sie alles Öl im Tempel, u. als die Herrschaft der Hasmonäer
erstarkte u. jene besiegte, suchte man u. fand nur Einen Krug mit Ol, der unter dem
Siegel (Verschluß) des Hohenpriesters dalag; es war aber darin nur für Einen Tag zu
brennen. Da geschah ein Wunder u. man brannte davon acht Tage.
14,25: In der vierten Nachtwache.
Ri 7, 19 wird „die mittlere Nachtwache" nj-iDirn nnb^^^xn, Targ:
xr?!"i^p ixrjTJ?, erwähnt. Also war die Nacht in drei Nachtwachen
(nn^?ai;-x) von je vier Stunden eingeteilt. — Die dritte Nachtwache heißt
Ex 14.24 u. 1 Sm 11, 11 „die Morgen-Nachtwache" -j^ian nnöi^x, Targ:
x-?^ ry^^. Wenn die M'^kh zu Ex 14, 24: „Es geschah in der Morgen-
Nachtwache", bemerkt: „Das war zugleich mit dem Aufstrahlen der
Sonne" nann -pn oy nin nt, so will sie damit sagen, daß das Eingreifen
Gottes in der letzten Minute der Morgen-Nachtwache erfolgte. Diese
selbst reichte also bis zum Aufgang der Sonne, — Mit ri-i^aii-x mn KL
2,19 ist aber nicht, wie gewöhnlich erklärt wird, die „erste der Nacht-
wachen", sondern der Anfang der einzelnen Nachtwachen gemeint. —
Auch Babylonien u. das ältere Griechenland zählten drei Nachtwachen.
Dagegen teilten die Römer die Nacht in vier Nachtwachen von je drei
StundenDauer. deren Beginn durch Trompetensignaleangekündigt wurde.
Matth 14, 25 689
Aus dem römischen Heerwesen übernahmen auch die herodianischen
Truppen die Einrichtung der vier Nachtwachen; das beweisen die vier
Wachtposten von je vier Mann Apg 12, 4: jedem der vier Posten lag
der Wachtdienst während einer Nachtwache ob. — Josephus ist die
Vierteilung der Nacht so geläufig, daß er sie ohne weiteres auf die
alttestamentl. Zeit überträgt. So sagt er Antiq. 5, 6, 5, daß Gideon sein
Heer um die vierte Nachtwache heranführte xard terdQrrjv (fvXaxrjv.
Auch Antiq. 18, 9, 6 erwähnt er die (fvlaxi] xsxäQxri. — Das NT, das
ebenfalls vier Nachtwachen annimmt, setzt die Einbürgerung der
römischen Sitte im jüdischen Volk voraus. Die öevxsQa u. xQixrj (fvXaxij
wird Lk 12, 38, die xsxäqxrj Mt 14, 25 u. Mk 6, 48 genannt; populäre
Bezeichnungen der vier Nachtwachen Mk 13,35: oxps, f.i€aovvxxiov,
dXsxxoQO(f(oviaq (um den Hahnenschrei) u. ngooL
Für die Synagoge in Jesu Tagen hatte die Frage, ob drei oder
vier Nachtwachen anzunehmen seien, praktische Bedeutung nur in
bezug auf den nächtlichen Wachtdienst im Tempel. Die Mischna Mid
1, 1. 2 sagt über diesen Punkt nichts. Doch wird man aus dem Um-
stände, daß die Tradition gerade einen der angesehensten Lehrer der
älteren Zeit, nämlich den R. Eli<ezer (um 90), die Dreiteilung wider-
spruchslos vertreten läßt, wohl folgern dürfen, daß im Tempeldienst
die alten drei Nachtwachen beibehalten worden sind. Erst ein volles
Jahrhundert nach der Zerstörung des Tempels hören wir von einer
Kontroverse zwischen R. Nathan (um 160) u. Rabbi über die Frage, ob
drei oder vier Nachtwachen zu zählen seien, wobei Rabbi die letztere
Meinung vertritt. Ein origineller Versuch im pT, die beiden Einteilungen
in Einklang zu bringen, meinte, auch in früherer Zeit sei die Nacht
immer in vier Nachtwachen geteilt worden, doch habe man nur ihrer drei
gezählt, da während der ersten die Leute noch nicht geschlafen hätten.
Lightfoot zu Mt 14, 25 (2, 330) sagt: ,Die Juden erkennen nur 8 Nachtwachen an;
denn dies ist bei ihnen ein gewöhnliches Wort (nam hoc apud eos tritum): piiaos
Tih-h hv sn w^-s-i' Vigilia est tertia pars noctis." — Das hat man vielfach so verstanden,
als ob das von Lightfoot Angeführte ein gang u. gäber altrabbinischer Ausspruch
sei. Daher sagen Win er, Realwörterbuch ^ 2, 131 ; Riehm, Handwörterbuch des Bibl.
Altertums, 1884, S. 1050 irrig, die Talmudisten hätten nur 3 Nachtwachen gezählt.
a. R. Elifezer (um 90) als Vertreter der Dreiteilung der Nacht. B'^rakh 1, 1: Von
wann an rezitiert man das Sch'^ma? am Abend? Von der Stunde an, da die (unrein
gewesenen) Priester eintreten, um ihre Hebe zu essen, bis zum Ende der ersten Nacht-
wache n:^4Js-n r-bTcs- qio ly. Das sind Worte des R. Eli?ezer. — Hierzu bB'^rakh 3^:
Was hat R. Elifezer gemeint? Wenn er gemeint hat: Drei Nachtwachen ni-^sB^s
(Sing. n->3«j':) hat die Nacht, so hätte er sagen sollen: Bis 4 Uhr (d. h. bis 10 Uhr
abends liest man das Sch^'ma?); u. wenn er gemeint hat: Vier N. hat die Nacht, so
hätte er sagen sollen: Bis 3 Uhr (d. h. bis 9 Uhr abends liest man das Sch'^maf).
Immer hat er gemeint: Drei N. hat die Nacht, u. das können wir daraus entnehmen:
wie es N. im Himmel gibt, so gibt es N. auf Erden. Denn in einer Bar heißt es:
R. Elifezer sagte: Drei N. hat die Nacht, u. in jeder einzelnen sitzt Gott u. brüllt wie
ein Löwe, wie es heißt Jer 25, 30: Jahve brüllt von der Höhe u. von seiner heiligen
Wohnung läßt er seine Stimme schallen; brüllend brüllt er über seine Flur. (Das
Strack u.Billerbeek, NT I. 44
690 Matth 14, 25
dreimalige Brüllen entspricht den drei N.) R, Ji^chaq b. Sch^muel (um 250) hat im
Namen Rabs (f 247) gesagt: Drei N. hat die Nacht, u. in jeder einzelnen N. sitzt Gott
u. brüllt wie ein Löwe u. sagt: Wehe, daß ich mein Haus zerstört u. meinen Tempel ver-
brannt u. meine Kinder unter die Völker der Welt in die Verbannung geführt habe!
b. Die Kontroverse zwischen R. Nathan u. Rabbi. — TB^rakh 1, 1 (1): Rabbi sagte:
Vier N. r^r-^vn sind in der Nacht. . . . R. Nathan (um 160) sagte: Drei N. sind in der
Nacht; denn es heißt: ^Zu Anfang der mittleren N." Ri 7, 19, u. es gibt eine , mittlere*
nur, wenn es eine vor ihr u. nach ihr gibt. || pB^rakh 1, 2^", 9: Rabbi sagte: Vier Wachen
gibt es bei Tage u. vier Wachen in der Nacht. R. Nathan sagte: Drei, s.: „Zu Anfang
der mittleren N." Ri 7, 19. R. Zeriqan (um 300) u. R. Ammi (um 300) haben im Namen
des R. Schim?on b, Laqisch (um 250) als Schriftgrund Rabbis genannt: ,üm Mitter-
nacht stehe ich auf, dich zu preisen ob der Rechtssprüche deiner Gerechtigkeit'
Ps 119,62. Und ferner steht geschrieben das. Vers 148: Zuvorkamen meine Augen
den N. (r^^i^jics schließt als Plural mindestens zwei N. in sich; diese decken sich mit
der Vers 62 genannten Zeit „um Mitternacht"; sind aber um Mitternacht zwei N. ver-
gangen, so besteht eine ganze Nacht aus vier N.). R. Chizqijja (um 350) hat gesagt:
R. Zeriqan (um 300) u. R. Ba (um 290); der eine hat den Schriftgrund Rabbis (Ps 1 19, 62),
u. der andre den Schriftgrund des R. Nathan (Ri 7, 19) gesagt. Wie erklärt nun R. Nathan
die Schriftstelle Rabbis: „Um Mitternacht"? Bald (traf bei David zu) „um Mitternacht"
u. bald (traf zu) „meine Augen kamen den N. zuvor". Wie das? Wenn David ein Mahl
der Könige veranstaltete (das sich lange hinzog), dann galt: „Um Mitternacht" (stehe
ich auf, dich zu preisen); u. wenn »er ein Mahl für sich allein hielt (das nur kurze
Zeit währte), dann galt: „Meine Augen kamen den N. zuvor" (noch ehe die zweite N.
anbrach, stand ich auf. Die Zeitangaben in Ps 119, 62 u. 148 decken sich also nicht;
darum darf man daraus keinen Schluß ziehen in bezug auf die Anzahl der N.). Wie
erklärt Rabbi die Schriftstelle des R. Nathan: „Zu Anfang der mittleren N."? R. Huna
(um 350) hat gesagt: Das Ende der zweiten u. der Anfang der dritten N. bilden (bei
Annahme von vier N.) die Mitte der Nacht. (Rabbi deutet also Ri 7, 19: Zu Anfang
der die Mitte der Nacht bildenden N., d. h. zu Anfang der dritten N.; dann liegen je
zwei N. vor u. nach Mitternacht, d. h. es gibt auch nach Ri 7, 19 vier N.). R. Mana
(um 370) hat gesagt: Ist das richtig? Steht denn Ri 7, 19 geschrieben: „Die mittleren"
(ni:^3T, Plural)? steht nicht geschrieben „die mittlere* (hjist, Sing.)? Die erste
wurde nicht mitgezählt; denn bis dahin sind die Menschen noch wach. (Obwohl in
Wirklichkeit Ri 7, 19 vier N. anzunehmen sind, werden doch nur die drei letzten ge-
zählt, weil die Zeit der ersten noch nicht als Nacht empfunden wurde. Darum bedeutet
die „mittlere" N. die „dritte" N., u. nicht die „zweite*. Diese Deutung rührt nicht
von R. Mana her, sondern von R. Huna, der damit den Einwurf Manas entkräften will.) ||
B^rakh 3'^ Bar: Vier N. n^soa hat die Nacht. Das sind Worte Rabbis. R. Nathan
hat gesagt: Drei. Was ist der Schriftgrund des R. Nathan? Weil geschrieben steht
Ri7, 19: „Zu Beginn der mittleren N." Es ist gelehrt worden: Es gibt eine mittlere
nur dann, wenn es eine vor ihr u. eine nach ihr gibt. Was bedeutet nach Rabbi die
mittlere? Eine mittlere unter den mittleren. Und R. Nathan? (Er erwiderte:) Steht
denn geschrieben: Eine mittlere unter den mittleren? „Die mittlere* steht geschrieben.
Was ist der Schriftgrund Rabbis (für seine vier N.)? R. Zeriqan (um 300) hat gesagt,
R. Ammi (um 300) habe gesagt, R. Jehoschuaf b. Levi (um 250) habe gesagt: Eine
Schriftstelle lautet: „Um Mitternacht stehe ich auf, dich zu preisen ob der Rechts-
sprüche deiner Gerechtigkeit* Ps 119,62, u. eine andre lautet: „Zuvorkamen meine
Augen den N." das. Vers 148. Wie das? Vier N. hat die Nacht. (Zu diesem Beweise
s. oben.) Und R. Nathan verstand das nach R. Jehoschuag (um 90); denn wir haben
gelernt (s. Berakh 1, 2): „R. Jehoschuaf sagte: Bis um 9 Uhr (wörtlich: bis zur Stunde 3,
darf man des Morgens das Schema? rezitieren); denn so ist es die Weise der Könige,
um 9 Uhr aufzustehen." Sechs Stunden der Nacht (von Mitternacht bis 6 Uhr früh)
u. zwei Stunden vom Tage (von 6 Uhr bis zu Beginn der 9. Stunde), das sind zwei N.
(also eine N. = vier Stunden). Der Gegenbeweis gegen Rabbi ist hier anders geführt
Matth 14, 25. 26. 36. 15, 1. 2 (31 1) 69 1
als oben im pT; er beruht darauf, daß R.Nathan unter den N., denen Davids Augen
zuvorkamen, nicht, wie Rabbi, die Zeit vor Mitternacht versteht, sondern die acht Stunden
(= zwei N.) nach Mitternacht, die andre Könige länger als David schliefen). Rab
Aschi (t 427) hat gesagt: Auch eine u. eine halbe N. nennt man „Nachtwachen" (als
ob es zwei volle wären). — Rab Aschi will sagen, daß die sechs Stunden bis Mitter-
nacht Ps 119, 62 gar wohl Ps 119, 148 „Nachtwachen" genannt werden könnten, ohne
daß man daraus, wie Rabbi, folgern müßte, daß schon sechs Stunden zwei volle N.
ausmachten, oder anders ausgedrückt, daß die Nacht in vier N. zerfalle. Denn wenn
jene sechs Stunden streng genommen auch nur 1 ^ji N. wären, so könnte der gewöhn-
liche Sprachgebrauch sie doch schon als (zwei) , Nachtwachen" bezeichnen, da die an-
gefangene zweite N. als volle N. angesehen werde.
14,26: Sagend, daß es ein Gespenst sei.
Der Volksglaube erzählt mehrfach von v*^imderbaren Erscheinungen
auf dem Meer.
BB 73a: Rabbah (bar bar Ghana, um 280) hat gesagt: Seefahrer haben mir erzählt:
Als eine Welle das Schiff zum Sinken bringen wollte, erschien etwas wie ein weißer
Feuerstrahl an ihrer Spitze (Raschi: das war ein Engel des Verderbens) ; u. wir schlugen
mit einer Stange nach ihm, auf der die Worte eingraviert waren: „Ich bin, der ich bin,
Jah, Jahve (^«baoth, Amen, Amen, Sela!" Da ward es still. !| Das. 74b Bar: R. Eli?ezer
(um 90) u. R. J%oschua? fuhren einmal auf einem Schiff. R. Elif ezer schlief u. R. J^'hoschua?
war wach. Da fuhr R. J'^hoschuaf zusammen, so daß R. E^lifezer erwachte. Da sprach
dieser: Was ist das, J^'hoschua«, warum fuhrst du zusammen? Er erwiderte: Ich habe
ein großes Licht im Meer gesehen. Jener sprach: Vielleicht hast du die Augen des
Livjathan gesehen, wie es heißt: „Seine Augen sind wie die Wimpern der Morgen-
röte" Hi41, 10. II Vgl. M^g 3a: R. jehoschua' b. Levi (um 250) hat gesagt: Es ist dem
Menschen verboten einem andren in der Nacht den Friedensgruß zu entbieten, denn
man hat zu befürchten, daß es ein Sched (Dämon) sei. — Sanh44a ist R. Jochanan
(t 279) als Autor angegeben.
14,38: Du bist der Sohn Gottes. &eov viog, s. bei Rom 1,3.
14,34: Nach Genezaret. revvi^auQet, s. S. 154 ff. bei Mt4, 12 u. S. 184.
14:, 36: Daß sie nur die Quaste: seines Kleides berührten.
xQccaTtsöov, s. den Exkurs: Qi^ith. — Zum Erfassen des Gewandes
eines angesehenen Mannes vgl. Ta<an 23'' S. 520/ bei Mt 9, 20.
15,1: Pharisäer u. Schriftgelehrte aus Jerusalem.
Das große Ansehen der jerusalemischen Gelehrten bezeugt Midr
KL 1, 1 (44»): R. Huna (um 350) hat im Namen des R. Jose (— Rab
Joseph, f 333) gesagt: Überall, wohin einer von den Jerusalemern nach
der Provinz kam, stellte man ihm einen Sessel hin, sich darauf zu
setzen, damit man seine Weisheit höre.
15, 2 51: Warum übertreten deine Jünger die Überlieferung
{naqüdooig) der Ältesten (Alten)?
1. In welcher Achtung die c-'DpT insn oder n'^jp: rh.-^-q standen, er-
kennt man aus folgenden Stellen:
pB«^rakh 1, 3b,47: Mischna: R. Tarphon (um 100) hat gesagt: Ich befand mich
unterwegs u. streckte mich (des Abends) nieder, um das Sch^mac nach den Worten
der Schule Schammais (im Liegen) zu rezitieren, u. ich brachte mich selbst da-
44*
692 Matth 15,2(511)
durch in Gefahr vor den Räubern. Man antwortete ihm: Du hättest es verdient, dir
selbst Strafe zuzuziehen, weil du die Worte der Schule Hillels übertreten hast (die
das Liegen beim Rezitieren des abendlichen Schema? nicht für nötig hielt). Gemara:
(Die Genossen) haben im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Nahe verwandt o-'i'in
sind die Worte der Schriftgelehrten (d. h. die mündl. Tora) den Worten der schriftl.
Tora u. ebenso beliebt (wertvoll) wie die Worte der Tora, s. HL 7, 10: Dein Gaumen
(= mündl. Tora oder Worte der Gelehrten) ist wie der beste Wein (= Wein der schriftl.
Tora). Schimton b. Va (— Abba, um 280) hat im Namen des R. Jochanan gesagt:
Nabe verwandt sind die Worte der Schriftgelehrten den Worten der Tora u. beliebter
(wertvoller) als die Worte der Tora, s. HL 1, 2: Köstlicher sind deine Geliebten (= Worte
der Schriftgelehrten) als der Wein (der schriftl. Tora). R. Ba bar Kohen (um 350) hat
im Namen des R. Juda b. Pazzi (um 320) gesagt: Hieran kannst du erkennen, daß die
Worte der Schriftgelehrten beliebter sind als die Worte der Tora: siehe, wenn R. Tarphon
das Schema? (überhaupt) nicht rezitiert hätte, so hätte er lediglich ein Gebot über-
treten; weil er aber die Worte der Schule Hillels übertrat, machte er sich des Todes
schuldig; denn es heißt: „Wer die Mauer (der Satzungen der Schriftgelehrten) durch-
bricht, den beißt die Schlange" (d. h. den trifft der Bann u. der Tod) Qoh 10, 8.
R. Jischmafel (f um 135) hat gelehrt: Die Worte der Tora enthalten Verbotenes u. Er-
laubtes, leichte u. schwere Gebote; aber die Worte der Schriftgelehrten sind alle schwer
(wichtig). Daran kannst du erkennen, daß dem also ist: Dort (Sanh 11,3) haben wir
gelernt: Wer sagt: „Um die Gebetsriemen ist es nichts", um die Worte der Tora zu
übertreten, ist straffrei; (sagt er aber:) „Fünf Fächer (müssen sie haben)", um zu den
Worten der Schriftgelehrten hinzuzufügen, so macht er sich schuldig. (Zur Erklärung
s. oben S.82 bei Mt2,4.) R. Chananja b. Ad(d)a ^ hat im Namen des R. Tanchum b. Chijja
(um 300) gesagt : Wichtiger sind die Worte der Ältesten, als die Worte der Propheten ;
s.: „,Predigt doch nicht!' predigen sie. Nicht predigen soll man auf solches hin? Nicht
weichen sollen die Schmähungen?" Micha 2, 6. Ferner s. : „Ich will dir predigen zu
Wein u. Rauschtrank", das. Vers 11. (Diese Stellen sollen beweisen, daß es falsche
Propheten gibt.) Prophet u. Ältester, wem gleichen sie? Einem König, der zwei Ge-
heimschreiber ^ in eine Provinz (oder Stadt) entsendet; betreffs des einen von ihnen
schreibt er: Wenn er euch nicht meine Unterschrift u. mein Siegel zeigt, so glaubt
ihm nicht. Betreffs des andren aber schreibt er: Wenn er euch auch nicht meine Unter-
schrift u. mein Siegel zeigt, so glaubt ihm auch ohne Unterschrift u. Siegel. Ebenso
heißt es betreffs eines Propheten: „Wenn er dir ein Zeichen oder Wunder gibt" Dt 13, 2
usw. Aber hier (d. h. betreffs der Ältesten) heißt es: „Nach Maßgabe der Belehrung,
die sie dir erteilen, u. nach der Rechtsentscheidung, die sie dir sagen werden, sollst
du handeln; weiche von dem Spruch, den sie dir verkündigen werden, nicht rechts noch
links ab" Dt 17, 11. — ParallelstellenpSanh 11, 30^51 ; pf AZ2, 4P,40; MidrHL 1,2 (SS^). ,
f AZ 2, 6: (R. J^hoschua?, um 90) sprach zu ihm: Mein Bruder R. Jischmafel (f um 135),
wie liesest du HL 1,2: „Köstlicher sind Tj-'i'in als Wein"? oder: „Köstlicher sind '^•^T'
als Wein"? (Das Maskulinum zeigt, daß die Worte eine Anrede Israels an Gott sind:
Köstlicher sind deine Lieben, d. h. die Worte der schriftl. Tora, als Wein. Das Femininum
im zweiten Fall macht die Worte zu einer Anrede Gottes an die Gemeinde Israel:
Köstlicher gind deine Lieben^ d. h. die Worte deiner Gelehrten oder die Worte der
mündl. Tora, als der Wein der schriftl. Tora.) R. Jischmafel antwortete: Köstlicher sind
~-y-. Jener sprach: So verhält es sich nicht; denn siehe, der nächste Vers enthält
darüber Belehrung: „Zu riechen sind deine Salben köstlich . . . Darum lieben dich
Jungfrauen" (wie hier unter „Jungfrauen" die Gemeinde Israel zu verstehen ist, so
ist diese auch Vers 2 als Sprecherin zu denken). Die Stelle findet sich auch TPara
1 Wenn identisch mit Chanina b.Idi (vgl. Bacher, Pal. Amor. 3, 555), etwa um 300.
2 ■j-^U'sVe, andre Ausgaben ■['•»ür'i^E; nach Krauß, Lehnw. 2, 459 = diplomatarius ;
andre erklären das Wort = nolefxoyoräQtog (?), Kriegsnotar, oder = frumentarius,
Proviantmeister, Furier, oder = protonotarius.
Matth 15, 2(3t 1.2) 693
10, 3 (639). — Vgl. ?AZ 85=': Als Rab Dirai (um 820) kam (nämlich aus Palästina nach
Babylonien), sprach er: Die Gemeinde Israel hat vor Gott gesagt: Herr der Welt, lieb-
licher sind mir die Worte deiner Lieben (d. h. der Schriftgelehrten), als der Wein der
(schriftl.) Tora. — Diese Stelle zeigt, daß man auch bei maskulinischer Fassung des
-fmi die Meinung des R. Jischma?el in HL 1, 2 hineinlegen konnte. || fEr 21 ^ s. S. 677/
beiMtl3,52. II 8Er21'': Raba (t 352) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt: ,Und
übrigens, mein Sohn, laß dich warnen; kein Ende ist des vielen Büchermachens"
Qoh 12,12? Mein Sohn, sei vorsichtiger bei den Worten der Schriftgelehrten, als bei
den Worten der Tora; denn in den Worten der Tora gibt es Gebote u. Verbote (u. nur
wegen Übertretung der letzteren macht man sich des Todes schuldig); aber bei den
Worten der Schriftgelehrten gilt, daß, wer sie übertritt, des Todes schuldig ist. Wenn
du aber sagen wolltest: Wenn diese so Wesentliches enthalten, warum sind sie nicht
aufgeschrieben worden? (so wisse:) Kein Ende ist des vielen Büchermachens; u. viel
Studieren ist Ermüdung des Leibes. Rab Papa b. Acha b. Ad(d)a (um 350) hat im Namen des
Rab Acha b. ?ülla (um 300) gesagt: Das lehrt, daß jeder, der über die Worte der Ge-
lehrten lacht,' in siedendem Kot gerichtet (bestraft) wird. Ij Tanch soj 202'''^: Nicht soll
der Mensch sagen : Die Gebote der Ältesten halte ich nicht, weil sie nicht zur Tora
gehören. Gott spricht: Meine Kinder, ihr habt kein Recht, also zu sprechen ; vielmehr,
was sie über euch festsetzen, habt ihr zu halten, s. : Handle nach Maßgabe des Spruchs,
den sie dir verkündigen werden Dt 17, 10. Weshalb? Denn auch ihren Worten stimme
ich zu, s.: , Beschließest du etwas, so kommt's zustande" Hi 22, 28. Du kannst es
daraus entnehmen: siehe, als Jakob den Manasse u. Ephraim segnete, was steht da
geschrieben? Er setzte Ephraim dem Manasse vor Gn48, 20, er bevorzugte also den
Jüngeren vor dem Alteren, u. Gott bestätigte seine Entscheidung. Wann denn? Bei
den Opfern der Stammfürsten; denn der Stamm Ephraim brachte zuerst sein Opfer
dar u. dann Manasse, s. Nu 7, 48. 54. || Mak22'': Raba (f 352) hat gesagt: Wie dumm
sind doch die andren Menschen, die vor einer Torarolle aufstehen, aber vor einem
großen Mann (Gelehrten) nicht aufstehn; denn siehe, im Torabuch steht geschrieben:
, Vierzig Schläge lasse er ihm geben" Dt 25, 3. Da kamen die Rabbinen u. zogen einen
Schlag ab. (Das Wort der Gelehrten ist also maßgebend.) || K'^th 83^: Die Gelehrten
haben für ihre Worte (Verordnungen) eine größere Stützung (Befestigung, p^.^n) ge-
macht als für die Tora. || fEr 3''^: Rabina (I., f 422; IL, f 500) hat gesagt: Das Gesetz
betreffs der Festhütte ist biblisch, es bedarf keiner Stützung; dasjenige betreffs des
Durchgangs "ia^ ist rabbinisch, es bedarf einer Stützung. || Z*'b 101 »: Rabbi sagte: Das
Trauern in der Nacht stammt nicht aus den Worten der Tora, sondern aus den Worten
der Soph^rim (Schriftgelehrten). Immer stammt es von den Rabbinen, u. die Gelehrten
haben für ihre Worte eine größere Stützung gemacht als für die Tora. Weiter s. S. 81 f.
beiMt2,4.
2. Die Bedeutung, die man den väterlichen Überlieferungen beimaß,
erhellt aus folgenden Stellen:
AbothS, 13: Derselbe (nämlich R. ?Aqiba, t«ml35) pflegte zu sagen: Die Über-
liefemng ist ein Zaun für die Tora n^-rV ;;p r^it-z. — R. ?Aq. will damit sagen, daß
die Überlieferungen der Alten (das mündl. Gesetz) die Übertretung des schriftl. Ge-
setzes verhindern sollen. Das galt besonders von den rabbin. Vorbeugungsverordnungen
i^'lh pl- ^■^^^■)• B®rakhl,l: Von wann an rezitiert man das Schema? am Abend?
Von der Stunde an, da die (rein gewordenen) Priester sich anschicken, ihre Hebe zu
essen, bis zum Ende der ersten Nachtwache. Das sind Worte des R. Elifezer (um 90).
Aber die Gelehrten sagten: Bis Mitternacht. Rabban Gamliel (IL, um 90) sagte: Bis
das Morgengrauen aufsteigt. Und nicht allein dies, sondern in bezug auf alles, wovon
die Gelehrten gesagt haben: ,Bis Mitternacht", gilt das Gebot: „Bis das Morgengrauen
1 ;r!5 , eifrig studieren" Qoh 12, 12 wird = :y5 „verlachen" gedeutet; nach Git57%
wo obige Auslegung des Rab Acha b. ?ü. wiederholt wird, ist siedender Kot Strafe' Jesu
iu der Hölle.
694 Matth 15, 2 (« 2-4)
aufsteigt." Wenn dem so ist, wozu haben die Gelehrten gesagt: ,ßis Mitternacht"?
Um den Menschen von der Übertretung fernzuhalten. (Die strengere Vorschrift der
Gelehrten soll die Versäumung des letzten zulässigen Termins unmöglich machen u.
so ein schützender Zaun für diesen sein.) i| Schab 13-": Nicht soll ein mit Ausfluß be-
hafteter Pharisäer r-iis zusammen mit einem mit Ausfluß behafteten ?Am ha-are9 essen,
damit er sich nicht an ihn (an sein Tun u. Treiben) gewöhne. . . . Abaje (f 338/39) hat
gesagt: Es ist ein Vorbeugungsverbot ni^::, damit er ihm nicht unverzehntete Dinge
zum Essen gebe. (Damit letzteres unbedingt vermieden werde, wird jedes Zus.essen
mit einem ?Am ha-are^ verboten.) |1 Beca 2^: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Was ist der
Grund, daß (am Sabbat) vom Baum abgefallene Früchte am Sabbat nicht gegessen
werden dürfen? Es ist ein Vorb. verbot, damit nicht einer (auf den Baum) emporsteige
u. pflücke. (Das Abpflücken der Früchte an einem S. war als eine Art des Emtens Über-
tretung eines biblischen Verbotes; diese zu verhüten, wird um das biblische Verbot
wie ein schützender Zaun das rabbin. V.verbot gestellt, daß am Sabbat abgefallenes
Obst am S. zum Genuß verboten sei.) || Lv 18,6 — 18 werden die Verwandtschaftsgrade
aufgezählt, welche ein Ehehemmnis bilden. Um dieses Verbot gegen Übertretungen zu
hüten, fügten die Gelehrten den verbotenen Graden je einen Grad nach oben oder unten
hinzu. So wird zur Mutter Lv 18, 7 hinzugefügt die Großmutter väterlicher- u. mütter-
licherseits, zum Weibe des Vaters Vers 8 das Weib des Großvaters väterlicher- u. mütter-
licherseits, zur Schwiegertochter Vers 15 die Schwiegertochter des Sohnes u. der Tochter
usw., s. J®b 2P.
3. Den Schriftbeweis für die vorbeugende Gesetzgebung fand man
in Lv 18, 30.
J'^b 21": Rab Kahana (um 250) hat gesagt: , Beobachtet das mir gegenüber zu
Beobachtende", Lv 18, 30, d.i. machet eine Bewachung :^";'?.'4'? für das mir gegenüber
zu Beobachtende. — Diese Erklärung deckt sich mit dem Satz der Männer der Großen
Synagoge Aboth 1,1: Machet einen Zaun für die Tora n'^'ir; j^p vjy. — In MQ 5=*
findet sich die Erklärung des Rab Kahana im Munde des Rab Aschi (t427). In Wirklich-
keit ist sie älter als beide Autoren; s. SLv 18, 30(342''): , Beobachtet das mir gegen-
über zu Beobachtende", hütet (schützt) mir das zu Beobachtende.
4. Damit die rabbin. V.verbote sich in angemessenen Schranken
hielten, bestimmte man, daß ein solches Verbot weder die Gemeinde
allzusehr belasten, noch selbst wieder durch ein weiteres V.verbot ge-
stützt werden dürfe.
BQ79'': Man legt der Gesamtheit kein V.verbot rt-i-^Tj auf, es sei denn, daß die
•Mehrzahl der Gesamtheit dabei bestehen kann. |; Be9a3a: Errichtet u. beschließt man
denn ein V.verbot für ein andres V.verbot niT;V n-irj? (Die Antwort ist: Nein!) — Im
pT sagt man dafür: Gibt es denn einen Zaun für einen Zaun -i-i;'i -ns ■i-TpPesl,27'', 52;
pSanh5,22'i,57.
Besonders hat sich R. Chijja (um 200) gegen das Überwuchern der V.verbote ge-
wandt. GnR 19 (12''): ,Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen"
Gn3. 2. Das ist es, was geschrieben steht: ,Füge nicht hinzu zu seinen Worten: er
würde dich überführen u. du stündest dann als Lügner da" Spr 30, 6. R. Chijja hat
gelehrt: Du sollst den Zaun itjn nicht allzuhoch machen um die Hauptsache, damit
er nicht umfalle u. die Pflanzen zerknicke (laß die V.Verbote nicht das eigentliche
Gottesgebot überwuchern). So hat Gott gesagt: „Denn an dem Tage, da du von ihm
issest, wirst du gewißlich sterben" Gn 2, 17, Eva aber sagte nicht also, sondern auch,
daß Gott gesagt habe: ,Und ihr sollt ihn auch nicht anrühren" Gn3, 3. Als nun die
Schlange die Eva vor dem Baum vorübergehn sah, nahm sie diese u. stieß sie gegen
ihn u. sprach zu ihr: Siehe, du bist nicht gestorben! u. wie du nicht durch sein Be-
rühren gestorben bist, so wirst du auch nicht sterben durch das Essen von ihm, sondern
Gott weiß: an welchem Tage ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan usw.
Matth 15, 2 (3t 4. S 1. 2) 695
Gn3,ö. (Der menschliche Zaun: „Ihr sollt ihn auch nicht anrühren" um das eigent-
liche Gottesgebot: ,Du sollst nicht von ihm esseu" hat den Sündenfall veranlaßt.) —
AbothRN 1 : Welches ist der Zaun j-c, den der erste Mensch für seine Worte gemacht
hat? Siehe, es heißt: „Und Jahve-Elohim gebot dem Menschen also: Von allen Bäumen
des Gartens darfst du essen; aber von dem Baum des Erkennens von Gut u. Böse,
von dem sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, wirst du
gewißlich sterben." Der erste Mensch mochte aber zu Eva nicht so sagen, wie Gott
zu ihm gesagt hatte, sondern sagte so zu ihr, indem er einen Zaun für seine Worte
machte weit über das hinaus, was ihm Gott gesagt hatte: „Aber von den Früchten
des Baumes, welcher inmitten des Gartens", hat Gott gesagt, „von denen sollt ihr
nicht essen u. sollt ihn nicht berühren, damit ihr nicht sterbet" ; denn er wollte sich
u. Eva vor dem Baum selbst durch eine Berührung hüten. In jener Stunde hatte die
Schlange, der Bösewicht, einen Plan in ihrem Herzen gefaßt; sie sprach: Da ich den
Menschen (Adam) nicht zu Falle zu bringen vermag, so will ich gehn u. Eva zu Falle
bringen. Sie ging u. setzte sich zu ihr u. machte des Geschwätzes viel mit ihr: Wenn
betreffs des Anrührens uns Gott nach deinen Worten Befehl gegeben hat, siehe, so
will ich ihn anrühren u. werde nicht sterben ; auch du wirst nicht sterben, wenn du
ihn anrührst. Was tat die Schlange, der Bösewicht, in jener Stunde? Sie stand auf
u. berührte den Baum mit ihren Händen u. Füßen u. schüttelte ihn, bis seine Früchte
zur Erde fielen. Was hat nun die Veranlassung zur Berührung (des Baumes) gegeben?
Der Zaun, den der erste Mensch errichtet u. für seine Worte gemacht hat. Von hier
aus hat man gesagt: Wenn ein Mensch für seine (Gottes) Worte einen Zaun macht,
so wird er nicht in seinen Worten (selbst) bestehen können. Von hier aus hat man ge-
sagt: Es soll der Mensch nicht zu den Worten hinzufügen, die er gehört hat, vgl. Spr 30, 6.
15,2 35: Denn sie spülen nicht di eH an de ab, we 11 nsieBrotessen.
1. Das gewöhnliche Waschen der Hände hieß nii-^nn (von yn-^ waschen,
baden). Die Untertauchung der Hände, die vor dem Genuß von Heiligem
(wie Opferfleisch) nötig war u. die eine Wassermenge von 40 Sea er-
forderte, wurde mit nV^n-j (von ba-j untertauchen) bezeichnet. Die rituelle
Abspülung (nicht Waschen) der Hände, um die es sich Mt 15, 2 handelt,
nannte man rih-^-ci oder o^i^ nbiLi? (von bc: erheben, hinaufbringen). Das
Verbum b-j; selbst wird entweder absolut gebraucht u. bedeutet dann:
, hinauf bringen",, nämlich Wasser auf die Hände = „die Hände durch
Begießen abspülen", oder es wird elliptisch mit c^^^, auch c^Tb ver-
bunden, während die Wendung vollständig etwa gelautet haben würde:
ö"i*!i br n";?2 b::: „Wasser auf die Hände bringen oder gießen". bT ver-
wendet statt bo: häufig ^lya, xiäri.
2. Die Sitte des Händeabspülens wird vereinzelt auf Salomo zurück-
geführt ;a die gewöhnliche Meinung aber geht dahin, daß sie auf einer
Anordnung der Schriftgelehrten beruhe. b Offen bleibt nur die Frage,
ob man die c^n^ nb^-jj auf Grund einer Schriftstelle c oder ohne Rücksicht-
nahme auf eine solche aus bestimmten anderweitigen Motiven eingeführt
habe, Die erstere Annahme sah Lv 15, 11 als Schriftgrund an (in einem
speziellen Fall auch Lv 20, 7) ; die andre erklärte die Anordnung des
Händeabspülens aus dem Bestreben, die Bestimmungen über das Essen
der profanen Speisen denjenigen anzunähern, die für das Essen der
Hebe seitens der Priester bestanden, d Und in der Tat stand in der
Praxis die ="^'t' rb^-j; in engster Beziehung zum Essen: sie sollte sowohl
696 Matth 15, 2 (» 2)
vor Tisch als auch nach Tisch ausgeführt werden, möglichst auch noch
während der Tafel, falls das Mahl aus mehreren Gängen bestand.«
Nach jüdischer Anschauung bildete das Brot den Hauptbestandteil einer
Mahlzeit; was sonst noch aufgetragen wurde, galt als Zukost.* Wenn
daher Mt 15, 2 über die Jünger Klage geführt wird, daß sie das Ab-
spülen der Hände beim Essen des „Brotes" unterließen, so ist damit
jenes Begießen der Hände mit Wasser gemeint, wie es vor u. nach
Tisch üblich war. — Auch beim Genuß von Früchten empfahl man
jenes Abspülen der Hände aus Gründen der Reinlichkeit, doch waren
die Meinungen hierüber geteilt, g Sonst wurde es noch ausgeführt be-
sonders des Morgens unmittelbar nach dem Aufstehn (hier zum Teil
aus abergläubischen Motiven) h u. wohl auch vor dem Gebet.»
a. Schab 14b : R^b J^huda (f 299) hat gesagt, Schcmuel (f 254) habe gesagt: A1&
Salomo die fErubin (wörtlich: , Vermischungen", s. Einl. S. 38f.) u. das Abspülen der
Hände a-T' rh^vs anordnete, ging eine Himmelsstimme aus, welche rief: „Mein Sohn,
wenn dein Herz weise wird, dann wird auch mein Herz sich freuen" Spr 23, 15, u. :
„Werde weise, mein Sohn, u. erfreue mein Herz, damit ich demjenigen, der mich
(deinetwegen) schmäht, Antwort erteilen kann" Spr 27, 11. — Dasselbe ?Er2l'^.
b. pSchab 1, 3 ^', 40 : Hillel (um 20 v. Chr.) u. Schammai (um 30 v. Chr.) trafen Fest-
setzungen über die Reinheit der Hände. R. Jose b. Abin (um 350) hat im Namen des
R. Levi (um 300) gesagt: Man hatte die Halakha (auch früher) besessen, aber man
hatte sie vergessen; da traten sie beide auf u. trafen (mit ihrer Meinung) zusammen
mit der Ansicht der Früheren. — Parallelstelle Schab 14t>; ferner s. Chullin 106-^ in
Anm. d. \\ Der älteren Zeit, da die Sitte des Händeabspülens sich durchzusetzen be-
gann, gehört auch f Eduj 5, 6. 7 an: Wen hat man in den Bann getan? Den Elifezer
b. Chanokh, der an dem Abspülen der Hände, n—;'' r'i-i;: (so Cod. München), gerüttelt
hat. Und als er gestorben war, schickte der Gerichtshof u. ließ einen Stein auf
seinen Sarg legen; das lehrt, daß man, wenn einer in den Bann getan ist u. im
Bann stirbt, seinen Sarg mit Steinen belegt. In seiner Sterbestunde sagte, er zu
seinem Sohn : Mein Sohn, tritt zurück von den vier Dingen, die ich gesagt habe. Er
antwortete: Und warum bist du nicht zurückgetreten? Er sprach: Ich habe (meine
Lehre) aus dem Munde einer Mehrheit vernommen, u. jene (meine Gegner) haben aus
dem Munde einer Mehrheit vernommen; ich bestand auf meinöu Überlieferung u. jene
bestanden auf ihrer Überlieferung. Aber du hast aus dem Munde eines einzelnen u.
aus dem Munde einer Mehrheit vernommen; da ist es besser, die Worte des einzelnen
zu lassen u. sich an die Worte der Mehrheit zu halten. Er sprach : Mein Vater, empfiehl
mich deinen Genossen ! Er antwortete : Ich werde dich nicht empfehlen. Er sprach zu
ihm: Hast du vielleicht ein Unrecht an mir gefunden? Er antwortete: Nein! Deine
Taten werden dich nähern u. deine Taten werden dich entfernen.
C. Vgl. den Beweis aus Lv 15, 1 1 in Anm. d u. aus Lv 20, 7 in Anm. e. — Das Ab-
spülen der Hände gehört zu den 7 MiQvoth d^'rabbanan, welche den 613 alttestament-
lichen Geboten u. Verboten später hinzugefügt worden sind. Die Benediktion: „Ge-
priesen seist du, Jahve unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gebote geheiligt
u. uns das Gebot gegeben hat betreffs der a^T^ n's-ü:" beruht auf den allgemeinen Sätzen
Dt 17,11; 32, 7, aus denen man die göttl. Autorität auch der traditionellen Lehre ableitete.
d. Chullin 106*: Rah Idi b. Abin (um 310) hat gesagt, Rab Ji^chaq b. Aschjan (wohl
um 300, vgl. Sukka42ä) habe gesagt: Das Abspülen der Hände beim Genuß profaner
Speisen geschieht wegen Annäherung an die Hebe u. ferner wegen eines Gebotes.
Was ist das für ein Gebot? Abaje (f 338/39) hat gesagt: Es ist das Gebot gemeint,
daß man auf die Worte der Gelehrten hören muß (u. die a---' rh^-jiz beruht auf solchen
Worten der Gelehrten j. Raba (f 352) hat gesagt: Es ist das Gebot gemeint, daß man
Matth 15,2 (SB 2) 697
auf die Worte des R. Elfazar b. ?Arakh (um 90) hören muß; denn es heißt: „Jeder,
den der mit einem Ausfluß Behaftete berührt, ohne daß er seine Hände in Wasser ab-
gespült hat, der soll seine Kleider walken!' Lvl5, 11 usw. R. Elfazar b. fArakh hat
gesagt: Auf diese Stelle haben die Gelehrten das Abspülen der Hände aus der Tora
gestützt (begründet). — Der Ausspruch des R. El?azar b. fArakh auch SLv 15,11 (295 a). —
Zur „Annäherung an die Hebe" vgl. pBik 2, 64'^^',45; pChag 2, 78^», 34; ferner Chag2, 5:
Man muß die Hände abspülen zum Genuß von profanen Speisen, von Zehnt u. von Hebe;
zum Genuß von Heiligem muß man sie (in 40 Sea Wasser) untertauchen ";^-?'2-^tt . —
Diese Mischna wird zitiert pBik 2, 64*^, 36.
e. Hierher gehörende Belege (aus B^rakh 46b; Chullin 104M05a- b; B«rakh8,2;
Joma30a; pB'^rakh 8, 12«, 48) s. im Exkurs: Ein altjüd. Gastmahl ^x.l,g—i; Nr.9,&.c;
Nr. 10, e — g; ferner vgl. die vorige Anm. d. — ChuUin 105» wird die Regel aufgestellt:
„Das erste u. das letzte Wasser (d. h. die Händeabspülung vor u. nach Tisch) ist Pflicht,
das mittlere Wasser (d. h. die Händeabspülung während des Essens) ist Sache des freien
Beliebens." Dieser Regel entsprach die Praxis. Abweichend davon lautet eine Bar
pB^'rakh S, 12», 28; pChalla 2,58*^,35: Das Wasser vor der Mahlzeit ist Sache des freien
Beliebens; aber das Wasser nach der Mahlzeit ist Pflicht. Die Bar findet sich TB^rakh
5, 13 (12). Aber schon die Ausdeutung u. Umdeutung, die diese Bar im pT u. in
Chullin 105 a erfahren hat, zeigen zur Genüge, daß diese abweichende Tradition für
die Praxis bedeutungslos gewesen ist. Auffallend bleibt allerdings, daß jene Bar in
späteren Midraschwerken - Tanch pV= 236 b; TanchB p"'3 §24 (73=1); NuR 20 (190 a) _
sich wie die allein gültige Norm einführt. — |I Chullin 107 b : Der Vater Sch^'muels fand
Sch^muel (f 254), als er weinte; er sprach zu ihm: Warum weinst du? Weil mich
mein Lehrer geschlagen hat. Weshalb denn? Er sagte zu mir: Du hast meinem Sohne
zu essen gegeben u. hast dir nicht deine Hände abgespült Trxii n^i ! Aber warum hast
du sie nicht abgespült? (fragte der Vater). Schemuel antwortete: Er ißt u. ich soll mir
die Hände abspülen? Er antwortete ihm: Nicht genug, daß er (der Lehrer) nicht ge-
lernt hat, er schlägt auch noch! Die Halakha ist: Der Essende bedarf, wenn ihm ein
andrer zu essen gibt, der Abspülung der Hände; nicht aber der, welcher zu essen gibt. ]|
Der Schriftbeweis für das Begießen der Hände vor u. nach dem Essen wird aus Lv20, 7
geführt Berakh53b: Rab Jehuda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt — u.
andre haben gesagt, in einer Bar werde gelehrt: „Zeigt euch heilig" Lv20, 7, damit
ist das erste Wasser (die Händeabspülung vor Tisch) gemeint; „u. seid heilig" (das.),
damit ist das zweite Wasser (nach Tisch) gemeint.
/. Vgl. hierzu den Exkurs: „Ein altjüd. Gastmahl" Nr. 3.
g. Chullin 106»: R.Hoschafja (um 225) hat gesagt: Das Händeabspülen beim Genuß
von Früchten hat man nur der Reinlichkeit wegen verordnet. . . . Rab Nachman (t320)
hat gesagt: Wer seine Hände beim Genuß von Früchten abspült, ist einfach ein Hoch-
mütiger. — Dieser Ausspruch des Rab N. auch Chag 18 b. — Ebenso erklärt Rabbah bar
bar Ghana auf Grund der Praxis des R. Ammi u. des R. Asi: „Es findet kein Abspülen
der Hände für den Genuß von Früchten statt" Chullin 106 a, s. oben S. 528/?. — Eine
andersartige allgemeine Regel liest man pB^rakh 8, 12 a, 40: R. Huna (um 350) hat ge-
sagt: Das Abspülen der Hände findet nur für das Essen von Brot statt. R.Hoschafja
(um 225) hat gelehrt: Bei allem (Eßbaren), woran die Feuchtigkeit eines Getränkes haftet.
R.Zegira (um 300) hat gesagt: Auch wer Lupinen abschneidet, soll seine Hände abspülen.
h. Berakh51a: R. Jischmafel b. Elischa? (f um 135) hat gesagt: Dreierlei hat mir
Suriel, der Engel des Angesichts, gesagt: Nimm des Morgens dein Hemd nicht aus
der Hand des Dieners, um es anzuziehen (sondern nimm es selbst von seinem Ort);
laß dir (des Morgens) deine Hände nicht abspülen von einem, der seine eigenen Hände
nicht abgespült hat, u. reiche den Becher mit Spargeltrank ^ nur dem zurück, der ihn
dir gegeben hat, weil die Takhsephith (Name einer Dämonenschar) — einige sagen,
weil eine Schar der Engel des Verderbens den Menschen belauern u. sagen: Wann
ci^icps, s. aber Krauß, Lehnw. 2, 93f.
698 Matth 15, 2 (33 2. 3)
wird der Mensch einem von diesen drei Dingen anheimfallen, daß er gefaßt werden
kann? — In den folgenden Worten berichtet dann R. Jehoschua? b. Levi (um 250), daß
die beiden ersten Verhaltungsmaßregeln ihm vom Todesengel mitgeteilt seien. || Joma??^:
Von Schammai, dem Alten (um 30 v. Chr.) hat man erzählt, daß er (seinem Kinde am
Versöhnungstage, an welchem das Waschen des Körpers verboten war) auch nicht mit
Einer Hand (weil sie unabgespiilt war) zu essen geben wollte; da verordnete man,
daß er mit beiden Händen zu essen geben sollte. Aus welchem Grunde (handelte
Schammai also)? Abaje (f 338/39) hat gesagt: Wegen des Dämons Schibbetha (der
auf den Händen ruht, die man des Morgens nicht gewaschen hat, u. wenn diese Hände
eine Speise berühren, so bringt der Genuß derselben Gefahr, Levy 4, 507). Dasselbe
Chullin 107b; vgl. auch die Erzählung Tafan 20^, wie Rab Huna (f 297) einen Krug
mit Wasser an der Tür seines Hauses anbrachte, aus welchem die Eintretenden zur
Abwehr der Schibbethagefahr ihre Hände zuvor abspülen mußten. ll Schab 108'' : R. Muna
(um 180) pflegte zu sagen: Die Hand, die (des Morgens, bevor sie mit Wasser ab-
gespült ist) das Auge oder die Nase oder den Mund oder das Ohr oder die Aderlaß-
stelle oder die Geschlechtsteile oder den After oder den Krug berührt, die werde ab-
gehauen: die Hand macht blind, die Hand macht taub, die Hand bringt Polj^pen hervor.
Bar: R. Nathan (um 160) sagte: Es gibt eine Dämonin Bath-Chorin (die „Freie", die
an den des Morgens nicht gewaschenen Händen haftet), die genau darauf achtet, bis
man (des Morgens) seine Hände dreimal wäscht (yir;— r).
i. B^rakh 14 b; R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer das Joch des Himmelreichs
(der Gottesherrschaft) vollkommen auf sich nehmen will, der verrichte (des Morgens)
seine Notdurft u. spüle seine Hände ab u. lege die Gebetsriemen an u. rezitiere das
Schemac u. bete (das Achtzehn-Gebet) — das ist die vollkommene Gottesherrschaft.
R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: R. Jochanan habe gesagt: Wer seine Notdurft
verrichtet u. (des Morgens) seine' Hände abspült u. die Gebetsriemen anlegt u. das
Schema' rezitiert u. betet (das Achtzehn-Gebet), dem rechnet es die Schrift so an, als
wenn er den Altar erbaut u. ein Opfer darauf dargebracht hätte, s. : „Ich wasche meine
Hände in Reinheit u. will deinen Altar umgeben, o Jahve" Ps26,6. — Vgl. Schab 50b Bar:
Man wäscht "'ni-i sein Gesicht, seine Hände u. seine Füße täglich um seines Schöpfers
willen; denn es heißt: „Alles hat Jahve seinetwegen gemacht" Spr 16,4. — Das früheste
Zeugnis für das Waschen der Hände vor dem Morgengebet ist wohl der Brief des
Aristeas § 304—306: In der Frühe aber erschienen sie (die Übersetzer der LXX) täglich
bei Hofe, machten dem König ihre Aufwartung u. gingen dann zu ihrer Stätte fort.
Wie es aber Sitte aller Juden ist, wuschen sie im Meer ihre Hände, u. wenn sie dann
gebetet hatten, widmeten sie sich der Lektüre u. der Übersetzung des einzelnen. Ich
stellte aber auch die Frage, warum sie die Hände waschen u. dann erst beten. Und
sie erklärten, es sei ein Zeugnis, daß sie nichts Übles getan hätten (denn jede Tätigkeit
geschieht durch die Hände), indem sie in schöner u. frommer Weise alles auf Ge-
rechtigkeit u. Wahrheit bezogen.
3. Das Abspülen der Hände erfolgte durch ein zweimaliges Be-
gießen, das erste u. das zweite Wasser ^ genannt, a Jeder Guß erforderte
1/4 Log Wasser (etwa 0,137 Liter), doch genügte unter Umständen auch
ein geringeres Quantum, b Zum Begießen bediente man sich eines Ge-
fäßes; die hohle Hand dazu zu benützen, war verboten. c Jeder konnte
das Abspülen seiner Hände selbst vornehmen: man nahm das Wasser-
gefäß etwa zwischen die Knie, neigte es zur Seite u. ließ seinen Inhalt
über die Hände fließen ;d dabei durfte man beide Hände zu gleicher
^ Die Ausdrücke bezeichnen auch das Abspülen der Hände vor Tisch u. nach
Tisch (s. den Exkurs: „Ein altjüd. Gastmahl" Nr. 7 u. Nr. 10); vor Verwechselungen
muß man sich also hüten.
Matth 15,2 (5B3) 699
Zeit oder auch die eine nach der andren überströmen lassen. Im letztern
Fall war aber Vorsicht geboten, damit die reine Hand nicht wieder
durch die andre unrein wurde, e Der Bequemlichkeit halber wird man
das Begießen wohl meist durch eine andre Person haben ausführen
lassen: tauglich zu diesem Geschäft war jedermann; selbst ein Affe
konnte es vornehmen.* Das zu verwendende Wasser mußte natürlich
rein sein u. sollte noch nicht zu andren Zwecken gedient haben, g Das
von den Händen abfließende Wasser fing man entweder in einem unter-
gestellten Gefäß auf oder man ließ es auf die Erde laufen, h Es war
auch nicht verboten, zwischen derp ersten u. zweiten Guß den Standort
zu wechseln, so daß das erste Wasser in diesem u. das zweite Wasser
in jenem Winkel ablaufen konnte, i Bei Gastmählern, die eine größere
Anzahl von Personen zus.führten, wird es vorgekommen sein, daß
mehrere zu gleicher Zeit ihre Hände neben- oder übereinander zum
Abspülen hingestreckt haben. Die Mischna hat dies ausdrücklich ge-
billigt, k — Damit die Hände durch das Abspülen wirklich rituelle
Reinheit gewannen, hatte man besonders auf folgendes zu achten.
Erstens: Beim erstmaligen Begießen darf sich nichts an der Hand be-
finden, was etwa das Herankommen des Wassers an irgendeine Stelle
der Hand verhinderte.! Zweitens: Derjenige, der seine Hände abspült
oder abspülen läßt, muß mit seiner Intention das begleiten, was an
ihm geschieht."» Drittens: Nach der Theorie erstreckt sich die Un-
reinheit der Hand bis an das Handgelenk; das erste auf die Hand
gebrachte Wasser nimmt die Unreinheit von der Hand, wird aber selbst
dadurch unrein ; der zweite Wasserguß reinigt nicht die Hand (sie ist
bereits durch das erste Wasser rein geworden), sondern vielmehr das
erste an der Hand zurückgebliebene Wasser, aber nur bis hin zum
Handgelenk, nicht darüber hinaus. Daraus ergab sich, daß das erste
Wasser die ganze Hand bis zum Handgelenk überströmen mußte;
andernfalls blieb sie unrein. Falls das erste Wasser über das Hand-
gelenk hinaus auf den Unterarm geflossen war, lag die Möglichkeit
nahe, daß es nach erfolgtem zweiten Wasserguß, zumal wenn auch
dieser über das Handgelenk hinausgegangen war, auf die rein ge-
wordene Hand zurückfloß u. diese abermals unrein machte. Um ein
solches Zurückfließen zu verhindern, wurde empfohlen, die Hände beim
Abspülen so zu halten, daß die Fingerspitzen nach oben zeigten u. das
Handgelenk unten lag. n In dieser Haltung mußten die Hände dann natür-
lich bleiben, bis man sie nach dem zweiten Guß abgetrocknet hatte, o
a. Siehe TJad 1, 1 — 2 in Anm. h; Jad 2, 3 in Anm. e. ti; Jad 2, 2 in Anm. /. /.
b. Jad 1, 1 Mit einem Viertel Log Wasser spült man die Hände eines, auch zweier
ab, mit einem halben Log die von drei, auch von vier Personen, mit einem Log die
von fünf, von zehn u. von hundert Personen; R. Jose (um 150) sagte: Nur darf es beim
letzten unter ihnen nicht weniger als ein Viertel Log betragen. (Nach den Kommentatoren
bezieht sich diese Mischna nicht auf die Menge des ersten, sondern des zweiten Wassers;
das erste Begießen erfordere für jeden einzelnen ein Viertel Log u. nicht weniger.) Beim
700 .Matthl5,2(a5 3)
zweiten Begießen darf man nachgießen, aber nicht beim ersten. || TJad 1, 1 — 2 lautet
die Bestimmung so: Mit einem Viertel Log Wasser begießt man die Hände eines, aber
nicht zweier; mit einem halben Log die von drei, aber nicht von vier Personen; mit
einem Log die von fünf, aber nicht von zehn oder von hundert Personen. Beim ersten
Begießen darf man nachgießen, aber nicht beim zweiten; das sind Worte des R. Meir
(um 150). R.Jose sagte: Mit einem Viertel Log Wasser begießt man die Hände auch
von zwei Personen, mit einem halben Log die von drei, auch von vier Personen, mit
einem Log die von fünf, von zehn u. von hundert Personen. Beim zweiten Begießen
darf man nachgießen, aber nicht beim ersten. Auf welche Weise? Wenn jemand das
erste Wasser auf die Hände gegossen u. sie abgewischt hat, u. hinterher gießt er das
zweite Wasser auf sie, ohne daß dieses genügt, bis an das Handgelenk zu reichen, so gießt
er nach. (Die Halakha richtet sich nicht nach den Worten des R. Jose, Maimonides zu
Jad 1, 1.) Gleichviel ob man eine Hand oder bei3e Hände abspült, ob man die Hand eines Er-
wachsenen oder eines Minorennen abspült: zum Begießen ist ein Viertel Log Wasser nötig.
C. Jad 1, 2: Man darf die Hände aus jeder Art Gefäß abspülen, selbst aus Gefäßen
von Kuhdünger, Steinen u. Erde. Man spült die Hände nicht ab aus Seitenstücken von
Gefäßen (die zerbrochen sind), auch nicht aus Bodenstücken eines Hohlgefäßes, auch
nicht aus dem Deckel eines Gefäßes; auch darf man die Hände eines andren nicht aus
der hohlen Hand abspülen; denn man schöpft, heiligt u. sprengt Entsündigungswasser
u. spült die Hände ab nur mit Gefäßen. — Sehr ausführlich handelt hierüber TJad 1,
6 — 9. I Das Verbot, die Hände eines andren aus der hohlen Hand abzuspülen, findet
sich auch TJad 2, 7 (682).
d. Jad 1,5: Man darf ein Faß (Gefäß) zwischen seine Kniee nehmen u. so die
Hände abspülen; man darf ein Faß (Gefäß) auf die Seite neigen u. so die Hände ab-
spülen. Selbst ein Affe darf die Hände abspülen. R. Jose (um 150) erklärte dies beides
für verwerflich. || TJad 1, 14 (681): Man darf den Wärmekessel öffnen u. daraus die
Hände abspülen; oder wenn man aus einer Wasserröhre (Rinne, Kanal), die ein Viertel
Log faßt, die Hände abgespült hat, so sind diese rein. R. Jose sagte: Seine Hände
.sind unrein ; doch gab R. Jose zu, daß die Hände rein seien, wenn man sie zwischen
die Kniee oder Ellbogen nehme u. (aus einem zwischen den Knieen oder unter dem
Ellbogen gehaltenen Gefäß) abspüle.
e. Jad 2, 3: Spült man mit dem ersten Wasser jede Hand für sich ab (d.h. nicht
beide Hände durch Einen Guß), u. hinterher spült man mit dem zweiten Wasser beide
Hände (zugleich) ab, so sind sie unrein. (Durch das gemeinsame zweite Wasser gelangt
das unrein gewordene 6rste Wasser von der einen Hand auf die andre u. macht sie so
wieder unrein.) Spült man dagegen mit dem ersten Wasser die beiden Hände (zugleich)
ab, u. hinterher spült man mit dem zweiten Wasser jede Hand für sich ab, so ist diese
rein. Hat man die eine Hand abgespült u. reibt sie dann mit der andren (nicht ab-
gespülten) ab, so ist sie unrein (weil die Unreinheit der nicht abgespülten Hand durch
das Reiben auf sie übergeht). Reibt man die abgespülte Hand an seinem Kopf oder
an einer Wand ab, so ist sie rein. — Die Parallelstelle TJad 2,4 (682) redet ausdrücklich
vom Abspülen jeder Hand für sich ntt:s>'''5 in miav? it. Der letzte Mischnasatz lautet
in TJad 1,3 (681): Wer seine Hände abspült, muß sie abreiben. Reibt er sie an der
andren ab, so ist sie unrein ; hat er sie am Kopf oder an einer Wand abgerieben u.
hinterher berührt er diese (Stellen am Kopf oder an der Wand) wieder, so ist sie unrein
(denn das am Kopf u. an der Wand abgewischte Wasser des ersten Gusses war unrein).
/. Jad 1, 5: Alle sind tauglich, einem andren die Hände abzuspülen, auch ein Taub-
stummer, ein Schwachsinniger u. ein Minorenner (d.h. einer, der noch nicht 13 Jahre
alt ist). . . . Selbst ein Affe darf die Hände abspülen. (Die Meinung des R. Jose über
den letzten Punkt s. in Aum. d.) Parallelstelle: TJad 1, 12 (681).
g. Jad 1, 3 ff. : Wasser, das zum Tränken des Viehs ungeeignet geworden ist, ist,
wenn es sich in Gefäßen befindet, (zum Abspülen der Hände) ungeeignet, wenn es sich
in Erdvertiefungen befindet, geeignet. Ist Tinte, Gummiharz u. Vitriol hineingefallen u.
dadurch das Aussehen (die Farbe des Wassers) verändert worden, so ist es ungeeignet.
Matth 15, 2 (SB 3) 701
Hat man mit dem Wasser bereits eine Verrichtung ausgeführt oder Brot darin ein-
geweicht, so ist es ungeeignet. Schimfon aus Teman (um 110) sagte: Wenn man
beabsichtigt hatte, es darin einzuweichen, u. es fiel in ein andres Wasser, so ist es
(ersteres) geeignet. Hat man darin Gefäße ausgespült oder Maße (Gewichte u. dgl.)
abgewaschen, so ist es ungeeignet. Hat man darin ausgespülte Gefäße nachgespült oder
neue ausgespült, so ist es geeignet. R. Jose (um 150) erklärte es für ungeeignet, wenn
es mit neuen Gefäßen geschah. Wasser, in das der Bäcker Brote getaucht hat, ist
ungeeignet; wenn er seine Hände darin abgespült hat, ist es tauglich. — Parallelstelle:
TJad 1, 10 f. (681). — Über die Verwendung von kaltem u. warmem Wasser zur Hände-
abspülung s. Chull 105'' im Exkurs: „Ein altjüd. Gastmahl" Nr. 10, f.
h.. Siehe Chull 105» im genannten Exkurs Nr. 7, h u. Nr. 10, f.
i. Jad 2, 2 : Hat man die Hände mit dem ersten Wasser an der einen Stelle be-
gossen u. mit dem zweiten Wasser an einer andren Stelle, u. es fällt dann Brot von
Hebe auf das erste Wasser, so ist das Brot unrein (denn das erste Wasser hat die
Unreinheit der Hände aufgenommen); fällt das Brot aber auf das zweite Wasser (das
keine Unreinheit der Hände aufnimmt), so ist es rein. Hat man die Hände mit dem
ersten u. zweiten Wasser an ein u. derselben Stelle abgespült, u. es fällt dann Brot von
Hebe hinein, so ist es unrein (denn es kommt mit dem ersten Wasser in Berührung).
k. .Jad 2, 3 : Es dürfen vier oder fünf Personen ihre Hände nebeneinander oder
übereinander abspülen lassen; nur müssen sie voneinander los sein, damit das Wasser
(überall) auf sie kommt. || TJad 2, 7 (682): Es dürfen vier oder fünf Personen ihre Hände
nebeneinander abspülen lassen, ohne daß sie sich um viererlei Sorge zu machen brauchen,
nämlich: daß sie unrein würden (durch das von der Hand des andren abfließende oder
abspritzende Wasser), daß mit dem Wasser bereits eine Verrichtung ausgeführt sei
(insofern es zur Reinigung der Hände des Vordermanns diente), daß ihre Hände nicht
aus einem Gefäß abgespült würden (sondern durch Wasser, das von den Händen eines
andren abfließt), u. daß ihre Hände nicht mit einem Viertel Log Wasser abgespült würden.
/. Jad 2, 2: Befindet sich (beim Begießen mit dem ersten Wasser) ein Holzsplitter
oder ein Steinchen auf den Händen, so sind diese unrein, weil das zweite Wasser nur
das auf der Hand befindliche (erste) Wasser (nicht die Hände selbst) reinigt. R. Schim?on
b. Gamliel (um 140) sagte: Wenn etwas, was zu den Wassererzeugnissen gehört, auf
der Hand sich befand, so ist sie rein. |i TJad 1,4 (681): Alles, was am Körper eine
Scheidung macht (zwischen ihm u. dem Wasser im Tauchbad), macht auch eine Scheidung
beim Abspülen der Hände u. bei der Heiligung der Hände u. Füße im Tempel (ähnlich
in der Bar Chull 106*^). — Das. 2, 3 (682): Rabban Schimfon b. Gamliel sagte: Wenn man
die Hände mit dem ersten Wasser abgespült hat u. hinterher findet sich auf seinen
Händen ein Insekt, dessen Entstehen vom Wasser herrührt, so sind seine Hände rein. —
Vgl. auch Jad 2, 3 in Anm. k.
tn. TJad 2, 3 (682): Wenn der, welcher seine Hände abspült, dies mit aufmerksamer
Absichtlichkeit tut, so sind seine Hände rein; wenn aber nicht, so sind seine Hände
unrein. Dasselbe als Bar Chag 18 '\ — Das. 1, 13 (681): Wenn beim Abspülen der Hände
der, welcher sich die Hände abspülen läßt, seine Gedanken darauf gerichtet hält, der
aber, welcher sie abspült, nicht; oder wenn der, welcher sie abspült, seine Gedanken
darauf gerichtet hält, der aber, welcher sie abspülen läßt, nicht, so sind seine Hände
rein. R.Jose (um 150) sagte: Seine Hände sind unrein. Vgl. auch TJad 2, 4 (682).
n. Jad 2, 3: Die Hände werden unrein u. rein bis an das Handgelenk pr.vTi "i?. Wie
dies? Hat er die Hände mit dem ersten Wasser bis an das Handgelenk abgespült u.
mit dem zweiten Wasser über das Handgelenk hinaus, u. es läuft dann etwas wieder
auf die Hand zurück, so ist diese rein (denn das zurücklaufende Wasser stammt von
dem zweiten Wasser, welches rein ist)-. Hat er die Hände mit dem ersten u. zweiten
Wasser über das Handgelenk hinaus abgespült, u. hinterher läuft dann etwas auf die
Hand zurück, so ist diese unrein (denn das zurücklaufende Wasser stammt zum Teil
von dem durch die Unreinheit der Hand unrein gewordenen ersten Wasser u. „das
zweite Wasser reinigt [wie es Jad 2, 2 heißt] nur das [erste] Wasser, das sich auf der
702 Matth 15, 2 (S5 3. 4)
Hand befindet"). || TJad 2, 4 (682): Wenn man seine Hände abspült u. das Wasser (d. li.
sowohl das erste, als auch das zweite) läuft bis an das Handgelenk, so sind die Hände
rein; wenn es aber nicht so weit läuft, so sind sie unrein; ist es zweifelhaft, ob es so
weit gelaufen ist, so sind sie rein. R.Jose (um 150) sagte: Seine Hände sind unrein. ||
TJad 2, 2 (682) : Wer seine Hände mit Wasser abspült, muß seine Hände in die Höhe
richten, es möchte sonst das über das Handgelenk hinausgeflossene Wasser wieder
zurückfließen u. die Händö unrein machen. — Dasselbe als Bar Sota 4*^. Hier fordert Rab
(t 247) das Hochrichten der Hände speziell beim Abspülen der Hände vor Tisch: Rab
Chijja bar Aschi (um 270) hat gesagt, Rab habe gesagt: Beim ersten Wasser (d. h. hier
beim Händeabspülen vor der Mahlzeit) muß man die Hände in die Höhe richten (damit
das zurücklaufende Wasser die Hände nicht aufs neue verunreinige); beim letzten Wasser
(d. h. beim Händeabspülen nach dem Essen) muß man seine Hände nach unten richten
(damit der durch das Essen mit den Fingern an die Hände gekommene Schmutz nicht
über das Handgelenk hinaus auf den Unterarm gelange, sondern auf die Erde oder iu
das untergestellte Gefäß ablaufe). || Eine abweichende Tradition über die Frage, wie weit
das Wasser die Hände überströmen müsse, findet sich pB^'rakhS, 12", 37: R. Jose (um 350)
hat im Namen des R. Chijja b. Aschi (um 270), u. R. Jona (um 350) u. R. Chijja b. Aschi
haben im Namen Rabs (f 247) gesagt: Das Abspülen der Hände muß für den Genuß
von Hebe bis an das Handgelenk u. für den Genuß der gewöhnlichen Speise bis an die
Stelle geschehen, an der die Finger mit der Hand verbunden sind, jl Chull 106^ Bar:
Das Abspülen der Hände für den Genuß der gewöhnlichen Speise geschieht bis an das
Gelenk piEn ->• (d. h. bis an das 2. Gelenk in der Mitte der Finger); für den Genuß von
Hebe bis an das Gelenk p^E- -ty (d. h. bis an die Stelle, an der die Finger mit der
Hand verbunden sind); die Heiligungswaschung der Hände u. Füße (aus dem ivs. vgl.
Ex 30, 18 ff.) im Tempel bis an das Gelenk p-en -.'j (d. h. bis an das Handgelenk).
O. Sota 4**: R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Wer Brot ißt, ohne die Hände ab-
getrocknet zu haben, der ist wie einer, der unreines Brot ißt, s.: ,Jahve sprach: Also
werden die Kinder Israel das Brot unrein essen" Ez4, 13. (Wie hier das verächtlich
zubereitete Brot „unreines" Brot heißt, so ißt der unreines Brot, der es in verächtlicher
Weise, ohne zuvor die Hände abzutrocknen, verzehrt, Raschi.)
4. Urteile über das Händeabspülen.
fEr 21*' Bar: Als R. f Aqiba (f um 135) gebunden im Gefängnis lag, war R. J°hoschua?
der Gräupner sein Diener. Täglich brachte man ihm Wasser nach Maß. Eines Tages
traf ihn (den R. J^hoschua?) der Aufseher des Gefängnisses; dieser sprach zu ihm:
Heute ist dein Wasser zu viel; du sollst wohl damit das Gefängnis durchbrechen?!
Damit goß er die Hälfte fort u. die andre Hälfte gab er ihm. Als er zu R. ?Aqiba kam,
sagte dieser zu ihm: J*'hoschuaf, weißt du nicht, daß ich ein Greis bin, u. daß mein
•Leben an deinem Leben hängt? Da erzählte er ihm jenen Vorfall. ?Aqiba sprach zu
ihm: Gib mir Wasser, daß ich meine Hände abspüle. Er antwortete ihm: Zum Trinken
reicht es nicht zu; zum Händeabspülen sollte es zureichen? Er sprach zu ihm: Was
soll ich tun, da man sich deshalb des Todes schuldig macht? Es ist besser, ich sterbe
den Tod durch mich selbst, als daß ich mich über die Meinung meiner Genossen
hinwegsetze (indem ich die Satzungen der Gelehrten betreffs des Händeabspülens über-
trete). Man erzählt: ?Aqiba aß nichts, bis er (J'^hoschuaf) ihm Wasser brachte u. seine
Hände abspülte. Als die Gelehrten davon hörten, sagten sie: Wenn er so (handelt)
in seinem Alter, um wieviel mehr in seiner Jugend ; wenn so im Gefängnis, um wie-
viel mehr, wenn nicht im Gefängnis! || B'^rakh 19*'': R. J^'hoschuaf b. Levi (um 250) hat
gesagt: In 24 Stellen tut der Gerichtshof in den Bann wegen der Ehrfurcht vor dem
Lehrer u. sie alle haben wir in unsrer Mischna gelernt. Es sprach zu ihm R. Elfazar
(um 270): Wo denn? Er antwortete ihm: Suche u. du wirst finden. * Er ging hinaus,
prüfte u. fand drei: Wer das Abspülen der Hände verachtet, wer hinter der Bahre der
Gelehrtenschüler Schlechtes (über den Verstorbenen) redet u. wer sich hoffärtig gegen
' Über r,svr\ '="'5 vgl. Einl. 13;'.
Matth 15,2 (33 4) 703
Gott benimmt (der wird in den Bann getan). Wer das Abspülen der Hände verachtet.
Wie verhält es sich damit? Wir haben gelernt (nämlich ?Eduj 5, 6): R. J'^huda (um
150; so lies statt R. Jose) hat gesagt: Das sei ferne, daß fAqabja b. Mahalalsel (um
70) in den Bann getan wäre; denn der Vorhof schloß sich (am Rüsttag auf Passab,
vgl. P'^s 5. 5) hinter keinem in Israel, der an Weisheit u. Reinheit u. Sündenscheu dem
fAqabja b. Mahalabel gleichgekommen wäre. Vielmehr wen hat man in den Bann ge-
tan? Den Elfazar b. Chanokh usw., s. oben S. 696. || B*^rakh 47'' Bar: Wer ist ein
f Am ha-are9? Wer seine profanen Speisen nicht in Reinheit (d. h. nicht mit abgespülten
Händen) ißt. Das sind Worte des R. Meir (um 150). 1| Sota 4'': Rab f Avira (um 380)
hat öffentlich vorgetragen, u. zwar hat er es bald im Namen des R. Ammi (um 300)
u. bald im Namen des R. Asi (um 300) gesagt: Wer Brot ohne Händeabspülung ißt,
ist wie einer, der einer Hure beiwohnt; denn es heißt Spr 6, 26: Durch ein buhlerisches
Weib verschuldet sich (zur Strafe), wer an sein Brot kommt ohne Abspülung der
Hände (so der Midr) ^ R. Z«'riqa (um 300) hat im Namen des R. Elfazar (um 270)
gesagt: Wer das Abspülen der Hände geringschätzt, wird aus der Welt gerissen. 1|
Schab 62*^: R. Abbahu (um 300) hat gesagt, andre haben gesagt, in einer Bar werde
gelehrt: Drei Dinge bringen den Menschen in Armut, nämlich: wer vor seinem Bett
nackt uriniert, wer das Abspülen der Hände geringschätzt, u. den seine Frau ins An-
gesicht verwünscht (weil er nicht genügend für ihren Putz sorgt). Wer das Abspülen
der Hände geringachtet. Raba (t 352) hat gesagt: Das hat man nur von dem ge-
sagt, der seine Hände überhaupt nicht abspült; wenn sie aber jemand abspült u. nicht
abspült (d. h. nicht gründlich dabei verfährt), so kümmert man sich nicht darum. Das
ist aber nicht richtig; denn Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Ich habe sie abgespült
mit beiden Händen voll Wasser u. man (d. h. Gott) gab mir dafür beide Hände voll
Gutes. II Derekh EreQ Zuta 8 (fehlt in der Ausg. Amsterdam 1644 ff.): Ein Gelehrten-
schüler, der das Abspülen der Hände geringachtet, siehe, der ist verächtlich. !| pB^rakh
8, 12^31: R. Jafaqob b. Idi (um 280) hat gesagt: Wegen des ersten Wassers (d. h.
wegen Unterlassung des Händeabspülens vor dem Essen) wurde Schweinefleisch ge-
gessen. Wegen des zweiten Wassers (d. h. wegen Unterlassung des Händeabspülens
nach dem Essen) wuide eine Frau aus ihrem Hause entlassen. Ebenso pChalla 2, 58 ^', 39. —
Dasselbe sagt Rab Dimi (um 320) ChulllOö^ als Bar angeführt Joma SS*» mit der
Abweichung: Das zweite Wasser tötete ein Menschenleben; (vgl. Rabin CliuUin 106^
Anfang). Was mit den Worten gemeint ist, zeigt TanchB p'-2 §24(73=*): Zur Zeit der
Religionsverfolgung (unter Kaiser Hadrian) kochte ein israelitischer Händler reines
Fleisch u. Schweinefleisch u. verkaufte es, damit man nicht merken sollte, daß er ein
Jude sei. Und so war sein Brauch: wer in seinen Laden trat u. sich die Hände nicht
abspülte, von dem wußte er, daß er ein Götzendiener war, u dem setzte er Schweine-
fleisch vor. Wer aber seine Hände abspülte u. die (Tisch-)Benediktion sprach, von dem
wußte er, daß er ein Jude war, u. dem reichte er reines Fleisch als Speise. Einmal
trat ein Jude ein, um dort zu speisen. Da er die Hände nicht abspülte, nahm er an,
daß er ein Götzendiener sei; er setzte ihm Schweinefleisch vor; er aß, ohne die Bene-
diktion zu sprechen; er kam, um mit ihm wegen des Brotes u. des Fleisches Rech-
nung zu machen; das Schweinefleisch wurde aber zu einem höheren Preis verkauft.
Er sprach zu dem Gast: Meine Forderung an dich beträgt so u. so viel für das Fleisch,
das du gegessen hast; denn das Stück hat einen Wert von 10 Minen. Er antwortete
ihm: Gestern hast du es mir für 8 gegeben u. heute willst du 10? Der Händler
sprach: Es war vom Schwein, was du gegessen hast! Als er so zu ihm sprach,
richteten sich diesem die Haare auf, u. er wurde bestürzt u. zitterte; er sprach: Im
geheimen bin ich ein Jude u. du hast mir Schweinefleisch gegeben! Da antwortete
* Zu dieser Auslegung, der Raba (f 352) daselbst widerspricht, vgl. die Deutung von
Spr 6, 26 durch R. Elfazar, um 270: Wer verursacht es ihm, daß er an einem buhlerischen
Weib zu Falle kommt? Dies, daß er ein Laib Brot aß, das nicht verzehntet war,
LvR15(115d).
704 Matth 15,2(93 4. 6)
jener: Möge dein Geist ausgehn! Da ich sah, daß du ohne Händeabspülung u. ohne
ßenediktion aßest, nahm ich an, daß du ein Götzendiener seiest. Von hier haben die
Gelehrten gesagt: Das erste Wasser hat zum Genuß von Schweinefleisch geführt; das
letzte Wasser aber hat ein Menschenleben getötet. Einmal aß ein Mensch Hülsen-
früchte, ohne sich (hinterher) die Hände abzuspülen. Er ging hinab auf die Straße,
während seine Hände von den Hülsenfrüchten besudelt waren. Es sah ihn ein andrer;
dieser ging hin u. sagte zu der Frau jenes Mannes: Dein Mann läßt dir als Zeichen
sagen, daß er eben Hülsenfrüchte gegessen hat, du sollst ihm den u. den Ring schicken.
Nach einiger Zeit kam ihr Mann; er sprach zu ihr: Wo ist der Ring? Sie sprach zu
ihm: Es kam einer unter Angabe deiner Zeichen, u. dem habe ich ihn gegeben. Da
ward er voll Zorns u. erhob sich u. erschlug sie. Deshalb ist derjenige, der sich nach
dem Essen nicht die Hände abspült, wie einer, der ein Menschenleben tötet. — Parallel-
stelle: Tanch p'53 236''. |1 pSchab 1, S«', 32: In einer Bar ist im Namen des R. Me'ir
(um 150) gelehrt worden: Wer im Lande Israel seinen festen Wohnsitz hat u. seine
profanen Speisen in Reinheit (mit abgespülten Händen) ißt u. die heilige Sprache
spricht u. das Schema' am Morgen u. am Abend rezitiert, der kann sich darauf ver-
lassen, daß er dem Leben der zukünftigen Welt angehört. — Dasselbe pSch'^'q 3, 47*^, 62.
In SDt 32, 43 § 333 (140*') fehlen die Worte vom Essen der profanen Speisen in Rein-
heit. II pB^'rakh 8, 12=^, 23: R. Chijja (um 280) hat im Namen des R. Schim.on b. Laqisch
(um 250) gesagt: Um die Teighebe abzusondern (in Reinheit) u. um die Hände ab-
zuspülen, muß der Mensch 4Mil gehn (bis er Wasser findet). R. Abbahu (um 300) hat
im Namen des R. Jose b. Chanina (um 270) gesagt: Das gilt aber nur für die Richtung
nach vom; zurückzugehen aber den Weg (um 4 Mil) bemüht man ihn nicht. — Das-
selbe pChalla 2, 58«, 31.
In den babylon. Schulen scheint man der d^i^ nb^-js weniger Bedeutung
beigelegt zu haben. Vgl. zB Rabs Meinung, daß nur das Abspülen der
Finger nötig sei, pB'^rakh 8, 12^, 37 in Nr. 3, Anm, w, ferner Rabas Urteil
über das oberflächliche Abspülen der Hände Schab 62'' in Nr. 4,
Weiter gehören hierher pßerakh 8, 12^,42: Rab (f 247) hat gesagt: Wer seine
Hände des Morgens abgespült hat, den belästigt man damit nicht in der Dämmerung. ||
Chull 106^: Rab hat gesagt: Wenn ein Mensch des Morgens seine beiden Hände ab-
gespült hat, so kann er dabei (in seinen Gedanken) ausmachen, daß dies für den
ganzen Tag gelten soll. R. Abina (L? f etwa 420; IL? f 499) sagte zu den Leuten in
der Ebene von <Araboth (in der Nähe von Sura): Ihr zB, die ilir kein Wasser habt,
möget euch eure Hände des Morgens früh abspülen u. dabei (in euren Gedanken) aus-
machen, daß dies für den ganzen Tag gelten soll. Einige sagen: In der Zeit der Not,
ja (darf man so verfahren)! aber in einer Zeit, da keine Not ist, nein! Das weicht ab
von der Meinung Rabs. Einige aber sagen: Auch in der Zeit, da keine Not ist, darf man
es. Das entspricht der Meinung Rabs. — Den gleichen Rat, wie oben den Bewohnern der
Ebene von cAraboth, erteilt R. Abina den Eseltreibern pßerakh 8, 12», 42.
15, 2 6: „Brot essen" agtov iaO^Uiv = tin^ b?« oder xtisi"! T\1'^ (wört-
lich: Brot wickeln, zusammenrollen) allgemein üblicher Ausdruck für
„eine Mahlzeit halten". Das hing damit zus., daß das Brot als der Haupt-
bestandteil eines, Mahles galt, s. den Exkurs: „Ein altjüd. Gastmahl"
Nr. 3, e u. /" u. bei Mk 3, 20.
0-5 -srN; zB Gn 31, 54; 37, 25; 43, 25; Ex 2, 20; 18, 12 u. ö., aram. s^n; "^^s^, zB
mehrmals B^rakh 42'': Wir wollen gehn u. das Brot dort u. dort essen = Mahlzeit
halten s'sn'j h-i'z^i. || Sanh 100'': Womit soll ich das Brot essen san^ ^-is's 'S'ia? —
Gleichbedeutend s«n: ^ss, zB BM 1131': Schemuel (f 254) hat gesagt: Gegen alles weiß
ich ein Heilmittel, ausgenommen diese drei Fälle: . . .; u. wer Brot gegessen hat 'jisst
S!:n3 {— sein Mahl gehalten hat) u. nicht vier Ellen weit (hinterher) gegangen ist.
Matth 15, 4 m) 705
srt:--! ^T-^s zB ß^rakh 22 b; Rab Papa (f 376) u. Rab Huna b. J^hoschua' u. Rabba
b. Sch'^muel aßen npe^^ 13113 miteinander. || TaEan 23'^: Als die Rabbinen (bei Abba
Cliilqijja, um 50 n. Chr.) eintraten, saß er u. speiste srB-'i -j-i3, u. er sagte nicht zu
den Rabbinen: Kommt, esset ein Stückchen Brot srs-i ihs ^3113.
15,4 31: Ehre den Vater u. die Mutter,
Das Gebot: ,Du sollst deinen Vater u. deine Mutter ehren" wird
einmal als das schwerste unter den schweren Geboten bezeichnet, wohl
weil kein Mensch imstande ist, es seinem ganzen Inhalt u. Umfang
nach zu erfüllen. Über die Wertschätzung u. Tragweite, die man dem
4. Gebot beigelegt hat, geben die nachfolgenden Zitate Aufschluß.
pPea 1,15^', 13: R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Die Schrift stellt das
leichteste unter den leichten Geboten dem schwersten unter den schweren Geboten
gleich. Das leichteste unter den leichten Geboten ist das, welches das Freilassen der
Vogelmutter betrifft Dt 22, 6 f., u. das schwerste unter den schweren Geboten ist das,
welches die Ehrfurcht vor den Eltern betrifft Ex 20, 12; u. bei beiden steht geschrieben
(u. darin besteht ihre Gleichstellung) : „ Damit du lange lebest. " — Dasselbe pQid 1 , 61 '', 58.
In P^siqR 23/24 (121 ^j; Tanch 2py 6"; TanchB zpy §3 (9'\) ist die Ausführung dem
R. Schimcon b. Jochai (um 150) zugeschrieben; DtR 6 (203") fehlt der Name des Autors, [j
M®kh Ex 20; 12 (77»): ,Du sollst deinen Vater u. deine Mutter ehren." Da höre ich,
daß es mit Worten zu geschehen habe. Die Schrift sagt lehrend: ,Ehre Jahve von
deiner Habe" Spr 3, 9; (ebenso ehre die Eltern) mit Speise u. Trank, mit Kleidung u.
Reinigung. Eine andre Erklärung: , Du sollst deinen Vater ehren." Da es heißt: „Der
Mann (^= jeder) hege (Ehr-)Furcht vor seiner Mutter u. seinem Vater" Lv 19, 3, so höre
ich nur. daß das Gebot dem Manne gilt. Woher, daß es auch der Frau, dem Tumtom *
u. dem Mannweib gilt? Die Schrift sagt lehrend: ,Ehre deinen Vater" (ganz allgemein).
Wie beim Ehren kein Unterschied ist zwischen Frau u. Mann, so hat man auch bei
der (Ehr-)Furcht keinen Unterschied gemacht zwischen Mann u. Frau. Das sind Worte
des R. Jischmafol (f um 135). R. J'^huda b. Bathyra (um 110) sagte: Siehe, es heißt:
,Der Mann (= jeder) hege (Ehr-)Furcht vor seiner Mutter u. seinem Vater, u. meine
Sabbate sollt ihr beobachten" Lv 19, 3. Wie beim Sabbat kein Unterschied ist zwischen
Mann u. Frau u. Tumtom u. Mannweib, so sollst du auch bei der (Ehr-)Furcht keinen
Unterschied machen zwischen Mann u. Frau, zwischen Tumtom u. Mannweib. Rabbi
sagte: Die Ehrerbietung gegen den Vater u. die Mutter ist vor dem, welcher sprach
u. die Welt ward, so beliebt, daß er die Ehrerbietung u. Ehrfurcht vor jenen der Ehr-
erbietung u. Ehrfurcht vor ihm gleichstellt, desgleichen die Verwünschung jener seiner
eignen Verwünschung. Es steht geschrieben: „Ehre deinen Vater u. deine Mutter"
Ex 20, 12, u. in bezug auf Ihn steht geschrieben : ,Ehre Jahve von deiner Habe" Spr 3, 9.
Er stellt (hier also) die Ehrerbietung gegen den Vater u. die Mutter der Ehrerbietung
gegen Gott gleich. — Es heißt: „Ein jeder hege Ehrfurcht vor seiner Mutter u. seinem
Vater" Lv 19,3, u. in bezug auf Ihn steht geschrieben: „Jahve deinen Gott sollst du
fürchten" Dt 6, 13. Er stellt (hier also) die Furcht vor dem Vater u. der Mutter der
Furcht vor Gott gleich. — Es heilH: „Wer seinen Vater u. seine Mutter verwünscht"
Ex 21, 17, u. in bezug auf Ihn heißt es: „Falls irgend jemand seinen Gott verwünscht"
Lv 24, 15. Er stellt (hier also) die Verwünschung des Vaters u. der Mutter der Ver-
wünschung Gottes gleich. Komm u. sieh den Lohn. Es heißt: „Ehre .Jahve von deiner
Habe" Spr 3, 9, u. dementsprechend heißt es: „So werden deine Speicher sich füllen
mit Überfluß" das. Vers 10. Ferner heißt es: „Ehre deinen Vater u. deine Mutter"
Ex20, 12, u. dementsprechend heißt es: „Damit deine Tage lang werden" daselbst. „Jahve
' =i*j?3-t:, eig. der Verstopfte, d. h. diejenige Abnormität, bei welcher die Geschlechts-
teile eines Menschen dermaßen mit einer Haut überzogen sind, daß das Geschlecht
nicht zu erkennen ist, Levy 2, 165 '\
strack u. Billerbeck, NT I. 45
706 " Matth 15, 4 (51)
deinen Gott sollst du fürchten" Dt 6, 13, u. (dementsprechend heißt es:) ^Aufgehn
wird euch, die ihr meinen Namen fürchtet, die Sonne der Gerechtigkeit" Mal 3, 20.
„Ein jeder hege Ehrfurcht vor seiner Mutter u. seinem Vater, u. meine Sabbate sollt
ihr beobachten." Wie heißt es vom Sabbat? „Wenn du zurückhältst vom Sabbat deinen
Fuß . . ., dann sollst du deine Lust finden an Jahve, u. ich will dich einherfahren
lassen auf den Höhen des Landes" Jes58, 13 f. — Parallelstellen: Qid 30^ (zweimal). 32»;
SLv 19,3 (343a zweimal); pPeal, 15^53; pQid 1, 6l'\40; P''siqR23/24 (122b). || K'^r6,9:
R. Schimcon (um 150) sagte: „Vater" steht (in der Schrift) überall vor „Mutter". Soll
die Ehrerbietung vor dem Vater größer sein als die vor der Mutter? Die Schrift sagt
lehrend: „Ein jeder hege Ehrfurcht vor seiner Mutter u. seinem Vater" Lv 19, 3 (hier
steht „Mutter" vor „Vater"). Das lehrt, daß beide gleichwertig sind. Aber die Ge-
lehrten sagten: „Vater" steht überall vor „Mutter", weil er (der Sohn) u. seine Mutter
verpflichtet sind zur Ehrerbietung gegen seinen Vater. — Parallelstellen : M'^kh Ex 20, 1 2
(77 b); die Mischna wird zitiert SLv 1 9, 3 ( 343 a). Vgl. P^siqR 23/24 ( 122 a). || Mekh Ex 20, 1 2
(77b): R. Elifezer (um 90) sagte: Offenbar u. kund war es vor dem, welcher sprach
u. es ward die Welt, daß der Mensch seine Mutter mehr ehrt als seinen Vater, weil
sie ihm mit Worten gut zuredet; deshalb läßt er bei der Ehrerbietung das Wort „Vater"
voraufgehn. Und es war vor dem, welcher sprach u. es ward die Welt, offenbar u.
kund, daß sich der Mensch vor seinem Vater mehr fürchtet als vor seiner Mutter,
weil jener ihn die Tora lehrt; deshalb läßt er (Lv 19, 3) das Wort „Mutter" dem
Wort „Vater" voraufgehn. (Die Textworte ds's as D-'-tpn sind umzustellen: as a-Tpr;
as'-;). — In der Bar Qid 30b wird Rabbi als Autor genannt. Vgl. Qid 31»: Der Sohn
einer Witwe fragte den R. Elifezer: Wenn mein Vater u. meine Mutter (zu gleicher
Zeit) zu mir sagen: „Gib mir Wasser zu trinken", wer von ihnen geht voran? Er
antwortete: Laß die Ehre deiner Mutter u. erweise deinem Vater Ehre; denn du u.
deine Mutter seid zur Ehrerbietung gegen deinen Vater verpflichtet. Darauf ging er
zu R. Jehoschua? (um 90); dieser gab ihm dieselbe Antwort. Da sprach er: Rabbi,
wie aber, wenn sie (die Mutter) entlassen (geschieden) ist? Er antwortete: An deinen
Augenbrauen (d. h. an deinen infolge vielen Weinens ausgefallenen Wimpern) wird er-
kannt, daß du der Sohn einer Witwe bist (also in Wirklichkeit nie vor eine solche
Entscheidung gestellt wirst; deshalb höre eine Scherzantwort:) Gieß ihnen Wasser in
ein Becken u. dann locke sie, wie man Hühner lockt. !! SLv 19,3 (343a): Worin be-
steht die Ehrfurcht vor dem Vater? Man setze sich nicht auf seinen Platz, man rede
nicht an seiner Stelle u. man widerspreche seinen Worten nicht. Worin besteht die
Ehrerbietung: Man speist u. tränkt ihn, man kleidet u. bedeckt ihn, man führt ihn ein
u. aus. — TQidl, 11 (336): Welches sind die Pflichten des Kindes gegenüber dem
Vater? Man speist u. tränkt ihn, man kleidet u. bedeckt ihn, man führt ihn ein u.
aus, man wäscht ihm sein Gesicht, seine Hände u. seine Füße, gleichviel ob Sohn oder
Tochter (wörtlich: ob Mann oder Weib). Nur daß der Mann die Möglichkeit in seiner
Hand hat, also zu tun, während die Frau unter der Gewalt ihres Mannes steht. —
Weitere Parallelstellen: pQid 1, 61 b, 44; pPea 1, 15", 58, hier mit dem Zusatz: Wenn
sie (die Tochter) aber verwitwet oder geschieden ist, so gilt sie als eine, die die
Möglichkeit dazu m ihrer Hand hat; Qid 31b; PegiqR 23/24 (122a). |i Qid 30b Bar:
Drei vereinigen sich zur Bildung des Menschen: Gott, sein Vater u. seine Mutter. Wenn
ein Mensch seinen Vater u. seine Mutter ehrt, spricht Gott: Ich rechne es ihnen so
an, als ob ich in ihrer Mitte wohnte u. sie mich ehrten. Ein Mischnalehrer trug vor
Rab Nachman (f 3'20) als Bar vor: Wenn ein Mensch seinen Vater u. seine Mutter be-
trübt, spricht Gott: Ich habe recht getan, daß ich nicht in ihrer Mitte wohne; denn
wenn ich in ihrer Mitte wohnte, so hätten sie mich betrübt. |i Pea 1,1: Folgendes sind
die Dinge, von denen der Mensch die Zinsen (Früchte) in dieser Welt genießt, während
das Kapital (der Hauptlohn) ihm für die zukünftige Welt anstehen bleibt: die Ehr-
erbietung gegen den Vater u. die Mutter, die Erweisung von Liebeswerken, das Frieden-
stiften zwischen einem Menschen u. seinem Nächsten u. das Torastudium, das so
schwer wiegt, wie diese alle. || pPea 1, 15 ^ 14: R. Abbahu (um 300) hat im Namen des
Matth 15, 4 (?l) 707
R. Jochanan (f 279) gesagt: Man fragte den R. Elifezer (um 90): Wieweit reicht die
Ehrerbietung gegen den Vater u. die Mutter? Er antwortete: Mich fragt ihr danach?
Geht u. fragt den Dama b. N^thina (s. die weitere Erzählung bei Rom 1, 30). Die Mutter
des R. Tarphon (um 100} war hinabgegangen, um sich an einem Sabbat im Hof zu
ergehn. R. Tarphon ging u. legte seine beiden Hände unter ihre Füße, u. sie ging über
sie hin, bis sie ihr Ruhebett erreichte. Als er einmal erkrankt war, gingen die Ge-
lehrten, um ihn zu besuchen. Sie sprach zu ihnen: Bittet für meinen Sohn Tarphon;
denn er hat mir Ehre erwiesen mehr als recht ist. Sie sprachen zu ihr: Was hat er
dir getan? Und sie erzählte ihnen jenen Vorfall. Da antworteten sie: Wenn er das
auch tausendmal tausendmal getan hätte, hätte er noch nicht die Hälfte von der Ehr-
erbietung erreicht, von der die Tora spricht. — Die Mutter des R. Jischma?el if um 18.5)
kam u. beklagte sich über ihn bei unsren Lehrern. Scheltet meinen Sohn Jischmafel,
denn er erweist mir keine Ehre. In jener Stunde erbleichten die Angesichter unsrer
Lehrer. Sie sprachen: Wäre es möglich, daß R. Jischmafel seinen Eltern keine Ehre
erwiese? Was hat er dir getan? Sie erzählte ihnen: Wenn er aus dem Versammlungs-
haus kommt, will ich ihm seine Füße abspülen u. von dem Wasser trinken, u. er ge-
stattet es mir nicht. Da sagten sie zu ihm: Weil es ihr Wunsch ist, so ist es ihr&
Ehre! R. Mana (wohl der Jüngere, um 870) sagte: Schön haben die Müller (im Sprich-
wort) gesagt: Jeder Mensch hat sein Verdienst im Korbe (d. h. verschieden sind die
Verdienste verteilt: anders war es bei R. Tarphon u. anders bei R. Jischmacel). Die
Mutter des R. Tarphon sagte so zu ihnen, u. sie erwiderten ihr so; die Mutter des
R. Jischmacel sagte so zu ihnen, u. sie erwiderten ihr so. — R. Z'^'ira (um .300) betrübte-
sich u. sprach: 0 daß ich doch einen Vater u. eine Mutter hätte, die ich ehren könnte,
damit ich den Gau (Eden ererbte! Als er aber jene beiden Traditionen hörte, sprach
er: Gepriesen sei der Barmherzige, daß ich weder Vater noch Mutter habe! So wie
R. Tarphon hätte ich nicht tun können u. so wie R. Jischmacel hätte ich nicht auf mich
genommen! R. Abun (der Jüngere, um 370) sagte: Ich bin frei von der Ehrerbietung
gegen die Eltern. Man erzählte: Als seine Mutter mit ihm schwanger ging, starb sein
Vater, u. als sie ihn gebar, starb sie. — Es kann einer seinem Vater gemästete Hühner
(Kapaune) zu essen geben u. doch den Gehinnom erben; u. es kann ein andrer ihn an
die Mühle bringen u. doch den Gan cEden erben. Wie zB jenes? Ein Mensch pflegte
seinen Vater mit gemästeten Hühnern zu speisen. Einmal sprach sein Vater zu ihm :
Mein Sohn, woher hast du diese? Er antworte: Alter, "Alter, iß u. schweige; denn
Hunde fressen u. schweigen! So ward er erfunden als einer, der seinem Vater gemästete
Hühner zu essen gab u. doch den Gehinnom erbte. Wie kann einer seinen Vater an
die Mühle bringen u. doch den Gan cEden erben? Ein Mensch mahlte an der Mühle;
da lief ein Befehl ein, die Müller zusammenzuberufen. Er sprach : Vater, komm u.
mahle für mich; wenn es Beschimpfung gibt, so ist es mir lieber, ich werde davon
betroffen u. nicht du, u. wenn es Schläge gibt, so ist es mir lieber, ich werde davon
betroffen u. nicht du. So ward er erfunden als einer, der seinen Vater an die Mühle
brachte u. doch den Gan fEden erbte. — R. Abbahu (um 300) hat im Namen des
R. Jose b. Chanina (um 270) gesagt: Woher, wenn sein Vater zum Sohn sagt: Wirf
die Börse (voll Geldes) ins Meer! daß er ihm zu gehorchen hat? Dies gilt in dem
Falle, daß er noch eine andre Börse (mit Geld) hat u. daß er dadurch den Sinn seine»
Vaters beruhigt. — Dasselbe pQid 1, 6 1 ", 67 ; einzelnes daraus mit Abweichungen Qid 3 1 ^ • "^ ;
pesiqR 23/24 (122^-124 ^')- H pPea 1, 15^2 Bar: R. Schimton b. Jochai (um 150) hat
gesagt: Groß ist die Ehrerbietung vor dem Vater u. der Mutter; denn Gott hat sie
höher gestellt als die Ehrerbietung vor ihm. Es heißt: ,Ehre deinen Vater u. deine
Mutter" Ex 20, 12, u. es heißt: „Ehre Jahve von deiner Habe" Spr 3, 9. Wodurch ehrt
man ihn von der Habe? Man sondert ab die Nachlese, die vergessene Garbe u. die
Ackerecke; man sondert ab die Hebe, den ersten Zehnt, den zweiten Zehnt, den
Armenzehnt u. die Teighebe; man macht eine Festhütte, einen Feststrauß, eine Posaune,
Gebetsriemen u. Kleidertroddeln; man speist die Armen u. die Hungrigen u. man tränkt
die Durstigen: wenn du etwas hast, bist du zu alledem verpflichtet; wenn du aber
45*
708 Matth 15,4(51)
nichts hast, bist du zu keinerlei davon verpflichtet. Aber wo er zu der Ehrerbietung
vor den Eltern kommt, heißt es: Gleichviel ob du Vermögen besitzest oder nicht: ,ehre
deinen Vater u. deine Mutter", auch wenn du an den Türen bettelnd herumgehen
mußt! — Dasselbe pQid 1, 61b, 47; P'siqR 23/24 (r22b). || Qid 31^; R. Abbahu (um 300)
hat gesagt: Mein Sohn Abimi zB hat das Gebot der Ehrerbietung (gegen die Eltern) ge-
balten. Fünf ordinierte Söhne hatte Abimi zu Lebzeiten seines Vaters. Wenn R. Abbahu
zu ihm ging u. an der Tür rief, dann ging Abimi eilends, um ihm zu öffnen, u. rief:
Ja. ja! bis er dorthin kam. (Der Sohn meldete sich drinnen, damit der Vater draußen
nicht unnötigerweise mehrmals zu rufen brauchte.) Eines Tages sagte Abbahu zu ihm,
daß er ihm Wasser zu trinken geben möchte; während er es ihm brachte, war Abbahu
«ingeschlummert; gebückt blieb er bei ihm stehn, bis er erwachte. Es gelang dem
Abimi. ,Ein Psalm von Asaph" Ps 79 auszulegen (was ihm vorher nicht geglückt war;
das war sein Lohn für die dem Vater erwiesene Pietät. Die Auslegung selbst ist
nicht mitgeteilt. Raschi erwähnt die Meinung, daß die Deutung dem Worte ^i^t*
^Lied* gegolten habe, an dessen Stelle man nach dem Inhalt des ganzen Psalms
hätte ^Klagegesang" ~:'- erwarten sollen. Die von Abimi gefundene Deutung wäre
gewesen: Gott ließ seinen Zorn am Tempelgebäude aus, um Israel selbst zu schonen;
deshalb , Freudenlied " berechtigt statt „Trauerlied^ vgl. Midr Ps 79 § 3). Rah Jafaqob
b. Abuha sagte zu Abaje (f 338/39): Wie zB soll ich mich verhalten? Wenn ich aus
dem Lehrhaus komme, reicht mir mein Vater den Becher u. meine Mutter mischt ihn
mir. Er antwortete: Von deiner Mutter darfst du es annehmen, aber nicht von deinem
Vater; denn weil dieser ein Sohn der Tora (ein Gelehrter) ist, könnte sein Sinn des-
wegen schwach (verdrießlich) werden. Wenn Rab Joseph (f 333) die Fußtritte seiner
Mutter hörte, sprach er: Ich will aufstehn vor der Sch«^khina (Gottesgegenwart), welche
kommt. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wohl dem, der sie (seine Eltern) nicht ge-
sehen hat (weil es nicht möglich ist, die ihnen gebührende Ehre in vollstem Maße
ihnen zu erweisen, u. man so ihretwegen Strafe zu erwarten hat, Raschi). Als die
Mutter des R. Jochanan mit ihm schwanger ging, starb sein Vater; als seine Mutter
ihn gebar, starb sie. Ebenso war es bei Abaje (f 338/39). Aber Abaje pflegte doch
zu sagen: , Meine Mutter hat mir gesagt* (also kann sie doch nicht bei der Geburt
gestorben sein)! Es ist damit die gemeint, die ihn groß gezogen hat (Stiefmutter). R. Asi
(um 300) hatte eine alte Mutter, die zu ihm sagte: Ich will Schmucksachen haben.
Er tat ihr den Willen. Sie sprach: Ich will einen Mann haben. Er antwortete: Ich
•will darüber nachdenken. Sie sprach: Ich will einen Mann haben, der so schön ist.
wie du! Da verließ er sie u. ging nach dem Lande Israel. Als er hörte, daß sie ihm
folgte, ging er zu R. Jochanan u. sprach zu ihm: Wie verhält es sich mit dem Weg-
gang aus dem Lande (Israel) ins Ausland? Er antwortete ihm: Ein solcher ist ver-
boten. Aber wie verhält es sich damit, wenn man einer Mutter entgegengehen will?
Er antwortete ihm: Das weiß ich nicht. R. Asi wartete (nach der Lesart n-^rs statt
rrr- = „er brauste auf) ein wenig; dann ging er noch einmal zu ihm. R. Jochanan
sprach zu ihm: Asi, wenn du ziehen willst, so möge dich Gott in Frieden zurück-
führen. . . . Inzwischen erfuhr R. Asi, daß der Sarg (seiner eben verstorbenen Mutter)
ankäme (nämlich aus Babylonien). Da sagte er: Wenn ich das gewußt hätte, wäre
ich nicht fortgegangen. — Bar: Man hat den Vater während er lebt zu ehren u. man
hat ihn im Tode zu ehren. Auf welche Weise während seines Lebens? Hört man auf
das Wort seines Vaters an einem Ort (weil er daselbst in Ansehen steht), so soll der
Sohn (zu den Ortsbewohnern) nicht sagen: Entsendet mich um meinetwillen, macht
mir eilends dies oder das um meinetwillen, entlasset mich um meinetwillen; sondern
in allen diesen Fällen sage er: Um meines Vaters willen. In welcher Weise im Tode?
Wenn er eine Tradition aus dem Munde seines Vaters mitteilt, so soll er nicht sagen :
,So hat mein Vater gesagt", sondern: „So hat mein Vater, mein Herr (oder mein
Lehrer) gesagt; siehe ich will die Sühne für sein Lager sein!" (Raschi erklärt die
letzten Worte : Über mich möge alles Unheil kommen, was bestimmt ist, über seine
Seele zu kommen.) Diese Worte sage er aber nur während der (ersten) zwölf Monate
Matth 15. 4 (51. SB) 709
(nach seines Vaters Tode; denn das Gericht über die gottlosen Israeliten im Gehinnom
dauert nur zwölf Monate, Raschi). Von da an u. weiter sagt er: Sein Gedächtnis sei
zum Segen für das Leben der zukünftigen Welt! || Qid 32*: Man fragte den R. Elifezer
(um 90): Wieweit geht die Ehrerbietung vor dem Vater u. der Mutter? Er antwortete:
So weit, daß, wenn er eine Börse (voll Geldes) nähme u. würfe sie in Gegenwart seines
Sohnes ins Meer, dieser ihn nicht beschämt (durch ein Wort des Vorwurfs oder Tadels). \\
Qid 32'* Bar: Wenn sein Vater die Worte der Tora übertritt, so soll der Sohn nicht
zu ihm sagen: Mein Vater, du hast die Worte der Tora übertreten, sondern er sagt
zu ihm: Mein Vater, steht also in der Tora geschrieben? , Steht also in der Tora ge-
schrieben?" auch mit diesen Worten könnte er ihn betrüben (denn sie besagen nichts
andres als: Du hast die Tora übertreten); vielmehr sagt er zu ihm: Mein Vater, eine
Stelle steht in der Tora geschrieben, die lautet (u. wenn der Sohn die Stelle zitiert
hat, überläßt er es seinem Vater, seinen Fehltritt einzusehn). R. Ji^chaq b. Schela hat
gesagt, Rab Matf^na (um 275) habe gesagt, Rab Chisda (f 309) habe gesagt: Wenn
ein Vater auf die ihm gebührende Ehre verzichtet, so ist darauf verzichtet (d. h. er
darf verzichten); wenn dagegen ein Lehrer auf die ihm gebührende Ehre verzichtet,
so ist darauf nicht verzichtet id. h. der Schüler hat trotz des Verzichtes seinem Lehrer
alle Ehre zu erweisen). 1| SLv 19, 3 (344*): Wenn etwa ein Vater oder eine Mutter ihrem
Sohn befehlen, eins von allen in der Tora aufgezeichneten Geboten zu übertreten, soll
er auf sie hören? Die Schrift sagt lehrend: , Meine Sabbate sollt ihr beobachten, ich
bin Jahve" Lv 19, 3, ihr alle seid zu meiner Verehrung verpflichtet (der Sohn hat Gott
zu gehorchen). — Dasselbe als Bar J^b 6*. || pPea 1, 15^60 wird mit Bezug auf die
Bestimmung, daß der Sohn den Vater zu speisen u. zu tränken habe (s. SLv 19, 3 oben
S. 706), gefragt: Aus wessen Mitteln? Huna b. Chijja (gegen 300?) sagte: Aus den
Mitteln des Alten (des Vaters); einige sagen: Aus seinen (des Sohnes) Mitteln. —
Dasselbe P'^siqR 23 24 (122-'). Die gleiche Frage wird Qid 32* aufgeworfen. Hier ant-
wortet Rab J'='huda (t299): ,Aus den Mitteln des Sohnes", während R.Nathan b.Hoscha?ja
(um 270) sagt: „Aus den Mitteln des Vaters." Die weitere Diskussion im bT zeigt, daß die
Halakha der Meinung des R. Nathan b. Hoschafja entspricht. — Selbstverständlich war
der Sohn zur Erhaltung des Vaters verpflichtet, wenn der letztere ohne eigenes Ver-
mögen war. Vgl. außer pPea 1, 15'^^, 2 oben S. 707 ^^ noch pPea 1, 15*', 23: R. Jonathan
(um 220) u. R. Jannai saßen beieinander. Es kam ein Mann u. küßte die Füße des
R. Jonathan. R. Jannai sprach zu ihm: Welche Wohltat hat dir dieser heute zu ver-
gelten? R. Jonathan antwortete: Einmal klagte er bei mir über seinen Sohn, daß
dieser ihn ernähren sollte. Ich sagte zu ihm: Geh, versammle die Gemeinde wider
ihn u. beschäme ihn (vor allen Leuten durch Vorbringung deiner Klage). R. Jannai
sprach: Warum hast du ihn denn nicht gezwungen (zur Unterstützung seines Vaters
durch einen Gerichtsbeschluß)? R. Jonathan antwortete: Kann man ihn denn dazu
zwingen? Jener sprach: Das ist dir noch fraglich? Da änderte R. Jonathan seine
Meinung u. setzte die Tradition (Halakha) in seinem (des R. Jannai) Sinn fest. Da
kamen R. Jafaqob b. Acha (um 300) u. R. Sch^'muel b. Nachman (um 260) u. sagten im
Namen des R Jonathan, daß man den Sohn zwingen dürfe, den Vater zu ernähren.
R. Jose b. Bun (um 350) hat gesagt: 0 daß mir doch alle Traditionen so klar wären,
wie diese, daß man den Sohn zwingen darf, den Vater zu ernähren! Parallelstellen:
pQid 1, 61 ^ 3; P'^siqR 23/24 (122b). Iq andrer Fassung u. mit Einführung des R. Chanina
(um 225) an Stelle des R. Jannai K''th49b.
15, 4 23: Wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben.
Sanh 7, 8: „Wer seinen Vater oder seine Mutter verwünscht" Lv 20, 9, ist schuldig
erst, wenn er sie mit einem Gottesnamen verwünscht. Hat er sie mit einem Beinamen
verwünscht, so erklärte ihn R. Meir (um 150) für schuldig, die Gelehrten aber für frei.
(Die eigentlichen Gottesnamen sind nach Sch'"bu35=*: ■;n, a-nVs. mn^, »j-s, r-, ^-ir u.
nisa:i. — Alle übrigen Namen sind Beinamen oder Nebenbezeichnungen.) 1| Sch'^^bu4, 13:
Wenn jemand sagt: Ich beschwöre euch bei Adonai, bei Jahve, bei Schaddai, bei
710 Matth 15, 4 (SB)
<^'^baoth, beim Gnädigen u. Barmherzigen, beim Langmütigen, bei dem, der groß ist
an Huld, oder bei allen übrigen göttlichen Beinamen, so sind sie schuldig (der Be-
schwörung Folge zu leisten). Wer mit Nennung eines von allen diesen Namen Gott
verwünscht (s. Lv24, 15 f.), der ist schuldig. Das sind Worte des R. Meür; die Gelehrten
aber erklärten ihn (bei Gebrauch eines Beinamens) für frei. Wer seinen Vater oder
seine Mutter mit Nennung eines von allen diesen Namen verwünscht, ist schuldig.
Das sind Worte des R. Meir; die Gelehrten aber erklärten ihn (beim Gebrauch eines
Beinamens) für frei. (Die Halakha richtet sich nach der Meinung der Gelehrten.) ||
SLv 24, 16 (424'""): „Wenn er den Namen lästert, soll er getötet werden" Lv 24, 16.
R. M^'nachem b. Jose (um 180) hat gesagt: Die Worte wollen den mit einschließen, der
seinen Vater oder seine Mutter verwünscht, daß er nämlich erst schuldig sei, wenn
er sie mit einem (eigentlichen) Gottesnamen verwünscht (nicht mit einer umschreiben-
den Nebenbenennung). — Diese Auslegung des R. M'^nachem b. J. wird Sch^bu36* so
zitiert: Wer sind die Gelehrten (die im Gegensatz zu R. Me'ir in Sch'^'bu 4, 13 frei-
sprechen)? Es ist R. M^'nachem b. Jose. Denn in einer Bar heißt es: Wenn er den
Namen lästert, soll er getötet werden Lv 24, 16. Was. will die Schrift lehrend mit dem
Wort „Namen" sagen? Sie will damit eine Lehre geben in bezug auf den, der seinen
Vater oder seine Mutter verwünscht, daß er nämlich erst schuldig sei, wenn er sie
mit einem (eigentlichen) Gottesnamen verwünscht. — Dasselbe Sanh66a. — Ferner
vgl M^kh Ex 21, 1 7^(88 a). |1 SLv 20, 9 (365'^): „Jeder -j-s iü-s, der seinen Vater u. seine
Mutter verwünscht, soll getötet werden; seinen Vater u. seine Mutter hat er verwünscht:
seine Blutschuld haftet an ihm" Lv 20, 9. „Ein Mann" "ii-N bedeutet nur einen Mann;
woher, daß auch eine Frau (eine die Eltern verwünschende Tochter) gemeint ist? Die
Schrift sagt lehrend: tti^x w'"s, d. h. jeder (mit Einschluß der Frau). „Der seinen Vater
verwünscht", aber nicht den Vater seines Vaters; „u. seine Mutter", aber nicht den
Vater seiner Mutter. „Seinen Vater", d.h. seinen wirklichen Vater, nicht aber seinen
angeblichen (zweifelhaften); „seine Mutter", d. h. seine wirkliche Mutter, nicht aber
seine angebliche (zweifelhafte). „Seinen Vater u. seine Mutter hat er verwünscht";
was will damit die Schrift lehrend sagen? Da es heißt: „Wer seinen Vater u. seine
Mutter verwünscht, der soll getötet werden" Ex 21, 17, so könnte damit gemeint sein,
daß man erst schuldig sei, wenn man beide zusammen verwünscht hat. Da sagt die
Schrift lehrend: „Seinen Vater u. seine Mutter hat er verwünscht" Lv 20, 9, d. h. seinen
Vater hat er verwünscht, seine Mutter hat er verwünscht, auch wenn er nur einen
von ihnen beiden verwünscht hat (ist er schuldig). Ist denn nicht ein Proselyt schuldig
wegen (Verwünschung) seiner Mutter, ohne daß er schuldig wird wegen (Verwünschung)
seines Vaters? ^ Das sind Worte des R. Jose, des Galiläers (um 110). R. f Aqiba (f um 135)
sagte: „Seinen Vater u. seine Mutter hat er verwünscht": wer wegen seines Vaters
schuldig ist, ist schuldig wegen seiner Mutter; u. wer nicht wegen seines Vaters
schuldig ist, ist nicht wegen seiner Mutter schuldig. (Also die Verwünschung allein
der Mutter macht nicHt schuldig.) R. fAqiba gab aber zu, daß ein ^—ri-^ (d. h. jemand,
dessen Vater unbekannt ist) schuldig werde wegen (Verwünschung) seiner Mutter, auch
wenn er sich wegen seines Vaters nicht schuldig machen könne. — Parallelstellen:
M'^kh Ex 21, 17 (88a); Sanh 66»; 85^ || Sanh 11. 1: „Wer seinen Vater oder seine Mutter
schlägt" Ex 21, 15, ist schuldig erst, wenn er ihnen eine Wunde beigebracht hat. Dies
ist das Schwerere bei dem Verwünschenden gegenüber dem Schlagenden, daß der,
welcher nach dem Tode verwünscht, schuldig ist, aber der, welcher nach dem Tode
schlägt, frei (denn einen Toten kann man nicht mehr verwunden). || SLv 20, 9(365''):
„Seinen Vater u. seine Mutter hat er verwünscht" Lv 20, 9, auch nach deren Tod kann
es geschehen. Aber könnte man nicht folgern: weil der (die Eltern) Schlagende u.
ebenso der sie Verwünschende sich schuldig macht, so kann, gleichwie der Schlagende
sich nur an den Lebenden schuldig macht, auch der Verwünschende sich nur an den
1 Wegen der Zuchtlosigkeit heidnischen Ehelebens galt es der Synagoge als aus-
gemachte Sache, daß kein Proselyt seinen wirklichen Vater kenne.
Matth 15, 4 (58). 15, 5 (Nr. 1) 711
Lebenden schuldig machen? Die Schrift sagt lehrend: , Seinen Vater u. seipe Mutter
hat er verwünscht", auch nach ihrem Tode kann es geschehen. — Parallelstellen:
M'^kh Ex 21, 17 (88a); Sanh85^ [1 Sanh 7,4: Folgende werden gesteinigt: . . . Wer seinen
Vater oder seine Mutter verwünscht. || SLv 20, 9 (36!^ a); ^Seine Blutschuld haftet an
ihm", d. h. mit Steinigung wird er bestraft. |1 M^kh Ex21, 17 (88»): „Wer seinen Vater
oder seine Mutter verwünscht, soll getötet werden" Ex 21, 17, nämlich durch Steinigung.
Du sagst: „Durch Steinigung"; oder nicht vielmehr durch irgendeine der Todesstrafen,
•die in der Tora genannt werden? Siehe, du hast zu folgern: Es heifst hier: „Seine
Blutschuld haftet an ihm" Lv 20,9, u. es heißt dort: „Ihre Blutschuld haftet an ihnen"
Lv 20, 27. Wie in letzterer Stelle Steinigung gemeint ist, so auch in ersterer. — Das-
selbe Sanh 66 a; SLv 20,9 (368a).
15, 5: Ihr aber sagt: Wer zum Vater oder zur Mutter sagt: „Eine
Opfergabe sei jeder Genuß, den du von mir haben könntest",
der darf seinen Vater oder seine Mutter durchaus nicht ehren.
SwQov 6 sccv s'^ £f.iov diifeXrjd^f^g.
1. Man versteht diese Wendung meist so, daß der Sohn durch sie
das dem Vater oder der Mutter Zustehende als Opfergabe dem Heilig-
tum geweiht habe, um es so den empfangsberechtigten Eltern zu ent-
ziehen. Das letztere ist richtig: die Eltern sollen ihrer Subsistenz-
mittel beraubt werden; aber unrichtig ist, daß dieser Zweck durch
Umwandlung der Bezüge der Eltern in eine Weihegabe an den Tempel
erreicht worden sei. Dieser Zweck wurde viel billiger erreicht: Der
Sohn erklärte einfach in der Form eines Gelöbnisses, daß jeder Genuß,
den die Eltern von ihm haben könnten, für sie wie eine Opfergabe
sein solle, dann war ihnen jeder Nießbrauch am Vermögen des Sohnes
ebenso versagt, wie es jedermann verboten war, von einer Opfer- oder
Weihegabe an den Tempel irgendwelchen Nutzen zu haben. Der Sohn
behielt auf diese Weise das Seine, ohne irgend etwas an den Tempel
abgeben zu müssen, u. die Eltern waren ihrer Ansprüche an den Sohn
beraubt. — Die Worte dcÖQor o sdv s'§ ifxov w(fsXrj^jjq\ entsprechen genau
der Gelöbnisformel, die man zB N'^d 8, 7 liest: "-h nin: nriNn ü:ip. Dabei
ist das Wortunding cj-ip, wofür auch niip oder ojip gesagt wird, eine
absichtliche Verstümmelung von -s-^p = „ Opfergabe" , äwoov (die Parallel-
stelle Mk 7, 11 hat den Terminus xoqßäv beibehalten), u, die Formel ist
zu übersetzen: „Opfergabe (oder: wie Opfergabe) sei, was du von mir
genießen könntest"; darin liegt, daß jeder Genuß oder Nutzen, den der
Angeredete von dem Gelobenden haben könnte, dem ersteren verwehrt
u. entzogen sein solle wie eine Gott geweihte Opfergabe. — Wenn der
Gelobende seinerseits auf jeden Nutzen von dem Angeredeten ver-
nichten will, lautet die Gelöbnisformel: r|^ npn? "^jn^ cjip = „eine Opfer-
gabe sei, was ich von dir genießen könnte". — Im Laufe der Zeit, als
mit dem Tempel der Opferkultus untergegangen war, trat der ursprüng-
liche Gedanke, daß etwas wie eine Opfergabe sein sollte, mehr u. mehr
in den Hintergrund; -p-p = nrp wurde zu einem gewöhnlichen Schwur-
oder Beteuerungswort; statt des früheren -ib nsns ^rNd ddp konnte man
712 Matth 15,5(Nr. 1-3)
jetzt auch sagen: -\h nsn; ■':\viy t:3p = „ich gelobe, daß ich keinen
Nutzen von dir haben will". Auch diese Abänderung der Gelöbnisformel
zeigt, wie wenig bei der ursprünglichen Formel an eine Umwandlung
eines versagten Gegenstandes in eine wirkliche Opfergabe zu denken
ist. Das zeigt sich weiter, wenn man die sonst gebräuchlichen Ge-
löbnis- u. Entsagungsformeln vergleicht.
2. Die gebräuchUchsten Gelöbnis- u. Entsagungsformeln.
N^d 1,1: Alle Nebenbenennungen (Umschreibungen) der Gelübde gelten den Gelübden
gleich. Wenn jemand zu einem andren sagt: Ich bin durch Gelübde dir versagt, von
dir getrennt, von dir entfernt, daß ich von dem Deinigen nichts esse, daß ich von dem
Deinigen nichts koste, so ist es (das Essen, Kosten usw.) verboten. (Das Gelübde ist
gültig.) II Das. 1,2: Wenn man zu einem andren sagt: orp, -j-p, orip, so gilt das als
Nebenbenennung für -js^p = Opfer. || Das. 1,3: Wenn jemand sagt: Nicht profan soll
sein, was ich von dem Deinigen essen könnte, oder: nicht geeignet, nicht makellos,
nicht rein, unrein, übriggebliebenes Heiliges, Verwerfliches soll es sein, so ist der
Genuß verboten. Sagt er: Wie ein Opferlamm, wie die Tempelhallen, wie Altarholz,
wie Altarfeuer, wie der Altar, wie das Heiligtum, wie Jerusalem (soll mir das u. das
sein), oder gelobt er mit (bei) irgendeinem der Altardienstgeräte, siehe, so hat dieser,
auch wenn er das Wort „Opfer" -z^p nicht erwähnt hat, doch mit ^z^p gelobt. R. Jehuda
(um 150) sagte: Wer bloß „Jerusalem" sagt (statt „wie" Jer.), der hat nichts gesagt
(sein Gelübde ist ungültig), jj Das. 1,4: Wenn einer sagt: Opfer ■ja'^p, Ganzopfer, Speis-
opfer, Sündopfer, Dankopfer, Friedensopfer sei, was ich von dem Deinigen essen könnte,
90 ist der Genuß verboten; R. Jehuda erlaubte ihn (er forderte auch hier, wie vorhin
bei Jerusalem, ein „wie" vor dem Gelöbniswort). Wenn man sagt "?■';>" (das Opfer),
'z-jp^t (wie ein Opfer) oder iz" (Opfer) sei, was ich von dem Deinigen essen könnte,
so ist der Genuß verboten. Sagt er: „Zum Opfer l^-^pV, ich will nichts essen von dem
Deinigen!" so ist nach R. Meir (um 150) der Genuß verboten. Wenn jemand zu einem
andren sagt: orp sei mein Mund, der mit dir spricht, meine Hand, die mit dir arbeitet,
mein Fuß, der mit dir geht, so ist es (das Sprechen, Arbeiten. Gehn mit dem andren)
verboten. || Das. 2, 1 : Wenn einer sagt: nj-p (hier allgemein = ich gelobe), daß ich nicht
schlafen, daß ich nicht reden, daß ich nicht gehn will; oder wenn einer zu seiner
Frau sagt: n:"p, daß ich dir nicht beiwohnen will, so gilt diesem: „Er soll sein Wort
nicht entweihen; gemäß allem, was aus seinem Munde geht, soll er tun!" Nu 30, o.
Wenn jemand sagt: Schwur ny^z'4, daß ich nicht schlafen, daß ich nicht reden, daß
ich nicht gehn will, so ist es ihm verboten. || Das. 2, 2: (In andren Fällen) ist es mit
Gelübden strenger zu nehmen, als mit Schwüren. Wenn zB jemand sagt: Qonara, wenn
ich eine Laubhütte baue, wenn ich einen Feststrauß nehme, wenn ich die Gebetsriemen
anlege, so ist es (das Bauen einer Laubhütte usw.) ihm verboten, da er einen Gelübde-
ausdruck i'zyp) gebraucht hat; gebraucht er aber einen Schwurausdruck (zB ny^.a'r),
so ist es ihm erlaubt, weil man nicht schwören kann, die Gebote zu übertreten (ein
solcher Schwur wäre ein nichtiger Schwur, s. zu Mt5, 33 S. 322«), — Wenn also Mt 15, 5
der Sohn statt JioQoy eine Wendung mit öqxos gebraucht hätte, hätte er nichts gesagt.
3. Nichtige Gelöbnisse.
Ned3, 1: Viererlei Gelübde haben die Gelehrten für nichtig erklärt: «, Ansporn-
gelübde. Es verkauft zB jemand einen Gegenstand u. sagt: Qonam (= allgemein: ich
gelobe), daß ich dir von einem Sela? nichts ablasse! Und der andre (der Käufer) sagt:
Qonam, daß ich dir zum Scheqel nichts zulege! während doch beide zu drei Denaren
bereit sind. R. Elifezer b. Jafaqob (wohl der II., um 150) sagte: Auch wenn einer einen
andren durch ein Gelübde nötigen will, daß er bei ihm essen soll (so gilt dies als ein
Ansporngelübde u. ist ungültig). Man kann erklären: Jedes Gelübde, das ich geloben
werde, ist ungültig (dann ist es ungültig); nur muß man dieser Erklärung in dem
Augenblick des Gelübdes eingedenk sein. \\ ß, N^d 3,2: Übertreibungsgelübde. Es sagt
Matth 15, 5 (Nr. 8. 4) 713
jemand: Qonani, wenn ich nicht auf diesem Wege (dieser Reise) so viel Menschen ge-
sehen habe, wie einst aus Ägypten gezogen sind! wenn ich nicht eine Schlange ge-
sehen habe, die so groß war, wie ein Preßbalken! !| y, Auf, Irrtum beruhende Gelübde.
(Es sagt jemand: Qonam,) wenn ich gegessen, wenn ich getrunken habe! u. hinterher
erinnert er sich, daß er gegessen u. getrunken hat. (Oder: Qonam,) daß ich nicht
essen, daß ich nicht trinken werde! u. hinterher vergaß er. sein Gelübde u. aß u. trank.
Oder es sagt jemand: Qonam, daß meine Frau keinen Genuß von mir haben soll, weil
sie meinen Geldbeutel gestohlen u. weil sie meinen Sohn geschlagen hat! u. es wird
bekannt, daß sie ihn nicht geschlagen u. daß sie ihn nicht gestohlen hat. Oder es
sieht jemand, wie Leute seine Feigen verzehren, u. er ruft: Diese seien euch Qorban! '
u. dann ergibt sich, daß es sein Vater u. seine Brüder waren, bei denen noch andre
sich befanden. Die Schule Schammais sagte: Jene dürfen weiter essen (Vater u. Brüder
waren von dem Gelobenden nicht gemeint); aber denen, die sich bei ihnen befinden,
ist es verboten. Die Schule Hillels sagte: Diese wie jene dürfen weiter essen (nach
dem Grundsatz: Ist ein Gelübde zum Teil aufgehoben, so ist es ganz aufgehoben). ||
d, Ned3.3: Infolge einer Zwangslage nicht ausführbare Gelübde, zB jemand hat einen
andren durch ein Gelübde genötigt, bei ihm zu speisen, u. dieser (der Geladene) oder
sein Sohn erkrankt, oder es hält ihn ein Strom zurück. (Zu beachten ist, daß die durch
ein Gelübde erzwungene Annahme einer Einladung hier nicht, wie R. Elifezer b. Ja?aqob
oben wollte, zu den von vornherein ungültigen Ansporngelübden gezählt wird.) || Ned o, 4:
Man darf Mördern, Räubern u. (willkürlich fordernden) Zöllnern durch ein Gelübde
versichern, daß etwas Hebe sei, auch wenn es keine Hebe ist; daß etwas der Regierung
gehöre, auch wenn es ihr nicht gehört. Die Schule Schammais sagte, man könne diese
Versicherung mit jedem Gelübdeausdruck abgeben, nur nicht mit dem Wort „Schwur";
die Schule Hillels sagte: Auch mit dem Wort , Schwur". Die Schule Schammais sagte:
Man soll (gegenüber den Räubern usw.) nicht selbst mit einem Gelübde anfangen
(sondern es erst auf eine Aufforderung hin aussprechen); die Schule Hillels sagte: Man
darf damit anfangen. Die Schule Schammais sagte: Das (in solcher Lage gesprochene)
Gelübde darf sich nur auf das beziehen, was man ihn durch Gelübde versichern läßt;
die Schule Hilleis sagte: Auch auf etwas, was man ihn nicht durch Gelübde versichern
läßt. Sagt man zB zu ihm: „Sprich: „Qonam, daß meine Frau keinen Genuß von mir
haben soll (wenn dies oder das nicht Hebe, königliches Gut oder dergleichen ist)", u.
er sagt: „Qonam, daß meine Frau u. meine Kinder keinen Genuß von mir haben
sollen", so ist es nach der Schule Schammais der Frau erlaubt (von ihm Genuß zu haben),
aber seinen Kindern verboten. Die Schule Hilleis sagte: Beiden Teilen ist es erlaubt.
4. Beispiele von Gelöbnissen, durch die der Gelobende entweder
selbst Verzicht leistet oder andre zum Verzicht nötigt.
N'^d 3, 10: Wer durch Gelübde denen, die den Sabbat halten, entsagt (d. h. auf
Nutzen von ihnen verzichtet), dem sind die Israeliten u. die Samaritaner verboten;
wer den (am Sabbatvorabend) Knoblauch Essenden entsagt, dem sind die Israeliten u.
die Samaritaner verboten ; wer den nach Jerusalem Hinaufziehenden (Festpilgern) ent-
sagt, dem sind die Israeliten verboten, dagegen die Samaritaner erlaubt. il Das. 3, 1 1 :
Wer sagt: „Qonani, daß ich keinen Nutzen von den Kindern Noahs haben will!" dem
sind die Israeliten erlaubt u. die Völker verboten; „daß ich keinen Nutzen vom Samen
Abrahams haben will", dem sind die Israeliten verboten u. die Völker erlaubt; „daß
ich keinen Nutzen von den Israeliten haben will", der muß zu einem höheren Preis
kaufen u. zu einem niedrigeren Preis verkaufen. (Wer sagt: „Qonam,) daß die Israeliten
keinen Nutzen von mir haben sollen!" der muß zu einem niedrigeren Preise kaufen
u. zu einem höheren Preis verkaufen, wenn die andren auf ihn hören wollen. (Sagt
er: , Qonam,) daß ich iceineu Nutzen von ihnen haben will, u. daß sie keinen Nutzen
von mir haben sollen", so darf er von den Völkern (p-xj-s, Nichtisraeliten) Nutzen
^ Qorban hier genau so gebraucht wie tfiögoy 15, 2 u. xoQßär Mk 7, 11.
714 Matth 15, 5(Nr.4. 5)
haben. „Qonara, daß ich von Unbeschnittenen keinen Nutzen haben will!" so sind ihm
unbeschnittene Israeliten erlaubt u. Beschnittene unter den Völkern verboten. ,Qonam,
daß ich von Beschnittenen keinen Nutzen haben will", so sind ihm unbeschnittene
Israeliten verboten u. Beschnittene unter den Völkern der Welt erlaubt; denn der Name
, Vorhaut" dient nur zur Bezeichnung dieser, s.: „Alle Heiden sind unbeschnitten u.
das ganze Haus Israel ist unbeschnittenen Herzens" Jer9, 26; ferner s. lSml7, 36;
2 Sm 1, 20. ll N^d 4, 1 : Zwischen jemandem, dem der (= jeder) Genuß von einem andren
durch Gelübde versagt ist, u. jemandem, dem nur Speise von einem andren durch Ge-
lübde versagt ist, ist kein weiterer Unterschied als der, daß der letztere das Recht hat,
die Grundstücke (des Versagenden) zu betreten u. dessen Gefäße zu benutzen,^ soweit
man in ihnen keine Nahrungsmittel zubereitet. Wenn jemandem durch Gelübde Speise
von einem andren versagt ist, so darf dieser (der Versagende) jenem kein großes u.
kein kleines Sieb leihen, auch keine Mühlsteine oder einen Backofen; wohl aber darf
er ihm ein Hemd, einen Ring, einen Mantel u. Oiirringe (Nasenringe) leihen, überhaupt
alles, womit man nicht Nahrungsmittel bereitet. An einem Orte aber, an dem man
dergleichen gegen Geld verleiht, darf er ihm auch diese nicht leihen (er würde ihm
dadurch Geldausgaben ersparen, was dem, dem die Speise versagt ist, zur Beschaffung
seines Unterhalts zugute käme). || Das. 4, 2 f.: Wem der (= jeder) Genuß von einem
andren durch Gelübde versagt ist,^ für den darf der Versagende die Scheqelabgabe
entrichten, auch darf er für ihn eine Schuld bezahlen, ferner muß er ihm Verlornes
(das der Versagende gefunden hatte) zurückgeben. An einem Ort. an welchem man
dafür (für die Ablieferung eines Fundes) Lohn empfängt, fällt der Nutzen dem Heiligtum
zu. Er darf auch für ihn seine Hebe u. seine Zehnten mit seinem Wissen u. Willen
absondern; (wenn der Versagende ein Priester ist) darf er auch für ihn die Vogelopfer
der mit Ausfluß behafteten Männer u. Frauen u. die der Wöchnerinnen darbringen,
ferner die Sund- u. Schuldopfer; auch darf er ihn Midrasch (Auslegung), Halakhoth u.
Haggadoth lehren, aber nicht die Schrift; wohl aber darf er die Schrift dessen Söhne
u. Töchter lehren (s. hierzu bei Mt 10,8 f8,g S. 564); fei-ner darf er seine Frau u. seine
Kinder ernähren, obgleich jener zu deren Unterhalt verpflichtet ist; doch darf er nicht
sein Vieh, weder das unreine, noch das reine, mit Futter versorgen. . . . Das. 4, 4: Wenö
jemandem der (=; jeder) Genuß von einem andren durch Gelübde versagt ist, u. dieser
(der Versagende) kommt, um ihn (in einer Krankheit) zu besuchen, so darf er bei ihm
stehen, aber nicht bei ihm sitzen; auch darf er ihm selbst Heilung zuteil werden lassen,
aber nicht seinein Besitz (wie Vieh u. Sklaven). Er darf mit ihm in einer großen Wanne
baden, aber nicht in einer kleinen (in dieser würde das Wasser wesentlich steigen, so
daß der andre dadurch Nutzen hätte); er darf mit ihm in Einem Bett schlafen. R. J'^huda
(um 150j sagte: Im Sommer, aber ijicht in der Regenzeit (= Winter), denn in letzterer
würde er ihm (durch Erwärmung) Nutzen gewähren. Er darf mit ihm auf Einem Polster
zu Tische liegen; er darf mit ihm an Einem Tische essen, aber nicht aus Einer Schüssel;
wohl aber aus einer Schüssel, die herumgereicht wird. Nicht darf er mit ihm aus dem
großen Napf essen, den man den Arbeitern vorsetzt; auch soll er nicht mit ihm (auf
dem Felde) in einer Reihe arbeiten; das sind Worte des R. Meir (um 150); die Ge-
lehrten sagten: Er darf es in einiger Entfernung von ihm. |1 Das. 4,6: Wenn jemandem
der Genuß von einem andren durch Gelübde versagt ist, so darf er ihm nichts leihen
u. auch nichts von ihm borgen, ihm kein Darlehn gewähren u. keins von ihm nehmen,
ihm nichts verkaufen u. nichts von ihm kaufen.
5. Vorstehende Zitate zeigen zur Genüge, welche Tragweite die
Worte: du)QOY o idv i's, ef-iov o)(f8h]^i]g für den davon betroffenen Vater
hatten, zumal dieser durch sie deutlich gekennzeichnet wird nicht als
^ Beides wäre den Eltern Mtl5,5 versagt gewesen.
* Die hier folgenden Zitate zeigen, was den Eltern Mt 15, 5 versagt u. was ihnen
zu gewähren war.
Matth 15, 5 (Nr. 5. 6) 715
«ein Vdn-ü "in-a (dem der Lebensunterhalt durch ein Gelübde versagt ist),
-•sondern als ein nxDii ^n-a (dem jeder Genuß von dem Versagenden ent-
:zogen ist). Dergleichen aus Haß u. in Feindschaft ausgespiochene Ge-
lübde, die die Schädigung eines andren bezweckten, konnten durch
Auflösung unwirksam gemacht werden. Der, welcher das Versagungs-
gelübde ausgesprochen hatte, begab sich (nach einer Bar in Gemein-
schaft mit dem davon Betroffenen) zu einem Gelehrten, um die Auf-
hebung des Gelübdes nachzusuchen, i^i: br bNc:; diese konnte von dem
■Gelehrten ausgesprochen werden, sobald ein triftiger Grund vorlag.
N'^d9, 4: Ferner hat R. Meir (um 150) gesagt: Man eröffnet dem Gelobenden eine
Möglichkeit (die Rücknahme des Gelübdes zu begründen) aus Stellen, die in der Tora
geschrieben stehn. Man sagt zu ihm: Wenn du gewußt hättest, daß du (mit deinem
■Gelübde) übertreten würdest die Worte: „Du sollst nicht Rache ausüben noch Zorn
nachtragen; du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen; du sollst deinen
Nächsten lieben, wie dich selbst" Lvl9, 17f., u. „Dein Bruder soll neben dir leben"
Lv 25, 86; denn vielleicht verarmt er, u. du hättest dann (infolge deines Gelübdes) keine
Möglichkeit ihn zu versorgen (dann würdest du das Gelübde gewiß nicht ausgesprochen
iaben)! Sagt er dann: „Wenn ich gewußt hätte, daß dem so ist, hätte ich das Gelübde
nicht getan", so wird das Gelübde für gelöst erklärt.' || N'^d65*Bar: Wenn jemandem
■der Genuß von einem andren durch Gelübde versagt ist, so löst man dem Gelobenden
-das Gelübde nur in Gegenwart jenes (des davon Betroffenen); anders TN^d 2, 10 (278).
6. Aber auch ohne dafä das Gelübde aufgelöst wurde, gab es Mittel
u. Wege, seine drückendsten Härten zu beseitigen. Die Mischna be-
stimmt hierüber:
N'='d 4, 7 u. 8: Wenn jemandem der Genuß von einem andren durch ein Gelübde
versagt ist, so daß er nicht hat, was er essen soll, so kann er (der Gelobende) zu
■einem Krämer gehn u. sagen: Dem u. dem Mann ist meinerseits ein Genuß von mir
durch Gelübde versagt worden, u. ich weiß nicht, was ich tun soll (um ihn nicht um-
kommen zu lassen); dann darf der Krämer jenem geben u. kommen, um von diesem
■die Bezahlung zu empfangen. Oder ist sein (des durch das Gelübde Geschädigten) Haus
zu bauen, seine Mauer auszubessern, sein Feld abzuernten, so kann er (der Gelobende)
zu Arbeitsleuten gehen u. sagen: Dem u. dem Mann ist meinerseits ein Genuß von
inir durch Gelübde versagt worden, u. ich weiß nicht, was ich tun soll. Dann können
«diese bei jenem (dem Geschädigten) arbeiten u. kommen, um von diesem (dem Ge-
lobenden) den Lohn in Empfang zu nehmen. Reisen beide (der Gelobende u. der vom
OelUbde Betroffene) miteinander u. er (der letztere) hat nicht, was er essen kann, so
kann jener einem andren etwas als Geschenk geben, u. dann ist es ihm erlaubt (davon zu
essen). Wenn kein andrer bei ihnen ist, so legt er es auf einen Stein oder auf eine
Mauer u. sagt: Das ist öffentliches Gut für jeden, der es haben will. Dann darf der
•andre davon nehmen u. essen (denn das Genossene ist ja jetzt nicht mehr Eigentum
•des Gelobenden). R. Jose (um 150) verbot es (den letztern Modus).
' In der Allgemeinen Evang. -Luth. Kirchenzeitung, 1921 Nr. 38 u. 39, spricht
Heinr. Laible- Rothenburg o. Tbr. in einem Aufsatz über „Korban" (Mk 7, 10 — ^13 =
Mt 15,4 — 6) Sp. 613 die Meinung aus, daß man in Jesu Tagen die Auflösung der Ge-
lübde noch nicht gekannt habe, da sonst die Pharisäer darauf würden hingewiesen
haben. — Aber schon der noch vor der Zerstörung Jerusalems i. J. 70 wirkende R. ^adoq
XL. der eifrigste Vertreter der alten Traditionen R. Elifezer (um 90) kennen sie u. reden
von ihr wie von einer altgewohnten Einrichtung, s. N'^d 9, 1 in Nr. 8. Oder sollte sich
die Meinung des R. Qadoq u. des R. Elifezer ei'st unter dem Einfluß des Protestes Jesu
Mtl5, 3ff. herausgebildet haben? — Im übrigen decken sich Laibles Ausführungen
meist mit den vorstehenden.
716 Matth 15, 5 (Nr. 7. 8)
7. Ein geschichtliches Beispiel für das von Jesu Mt 15, 5 gerügte
Vorgehn eines Sohnes gegen seine Eltern bietet:
N'^d 5,6: Einmal hatte jemand in Beth-Choron (nordwestlich von Jerusalem) seinem
Vater jeden Genuß von ihm durch ein Gelübde versagt. Als er seinem Sohn Hochzeit
machte, sprach er zu einem andren: Hof u. Gastmahl seien dir als Geschenk gegeben,
aber sie gehören dir nur. damit mein Vater komme u. mit uns beim Hochzeitsmahl
esse. Jener antwortete: Wenn sie mir gehören, so sind sie Gott geheiligt! Er sagte
zu ihm: Ich habe dir das Meinige nicht geschenkt, damit du es Gotte heiligen solltest.
Jener antwortete: Du hast mir das Deinige nur geschenkt, damit du u. dein Vater
miteinander essen u. trinken u. ihr euch untereinander aussöhnen könnt u. die Schuld
(durch Gelübde Versagtes genossen zu haben) auf seinem (des Vaters) Haupt liege.
Als die Sache vor die Gelehrten kam, erklärten sie: Jedes Geschenk, das, wenn mau
(der Empfänger) es heiligt, nicht geheiligt werden darf, ist kein Geschenk. (Dieser
Weg, das Gelübde zu umgehen, war also nicht gangbar,)
8. Daß Feindschaft zwischen den Eltern u. Kindern gerade nicht
selten zu Versagungsgelübden, sei es des Vaters zuungunsten eines
Kindes, sei es des Sohnes zuungunsten der Eltern, geführt hat, zeigt
die Mischna mit folgenden Bestimmungen.
BQ9, 10: Wenn jemand zu seinem Sohne sagt: ,Qonam, du sollst keinen Genuß
von dem Meinigen haben", so beer'bt der Sohn den Vater, wenn dieser stirbt. (Setzte
aber der Vater hinzu, daß das gelten solle) bei seinem Leben u. nach seinem Tode,
so beerbt der Sohn den Vater nicht, wenn dieser stirbt; aber er kann es seinen Kindern
oder seinen Brüdern zuwenden. Und wenn er nichts (zum Leben) hat, so kann er ein
Darlehn aufnehmen, u. die Gläubiger kommen u. fordern die Schuld ein (von seinem
Erbschaftsanteil). || N'^d 9, 1: R. Elifezer (um 90) sagte: Man gibt einem Menschen Ge-
legenheit (die Bereuung u. Rücknahme eines Gelübdes zu begründen) durch den Hinweis
auf die Ehre seines Vaters u. seiner Mutter. (Man sagt ihm etwa : Wenn du gewußt
hättest, daß deine Eltern durch deine leichtfertigen Gelübde in üble Nachrede bei den
Leuten kommen würden, würdest du dann das G. ausgesprochen haben? Sagt er dann:
,Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich das G. nicht ausgesprochen", so darf der Ge-
lehrte das G. lösen.) Die Gelehrten aber verboten dies; R. (^adoq (wohl der Altere,
um 60) sagte: Statt daß man ihm einen Ausweg eröffnet durch die Ehre seines Vater»
u. seiner Mutter, eröffne man ihm. einen solchen lieber mit dem Hinweis auf die Ehre
Gottes. (Man sage ihm: Wenn du gewußt hättest, daß du vor Gott ein Böser würdest
genannt werden, würdest du dann das G. ausgesprochen haben?) Wenn so (wie R. Elifezer
will), hören die G. auf (man würde der Eltern wegen sagen, daß man das G. bereue,
während man es vielleicht nicht bereut. Die Deutung der Worte ist kontrovers, s. N'^d 64 '^
u. die Kommentare). Doch gaben die Gelehrten dem R. Elifezer zu, daß man, falls es
sich um eine Sache zwischen einem Sohn u. seinen Eltern handle (falls zB der Sohn
wie Mt 15,5 seinen Eltern den Genuß von dem Seinigen durch ein G. entzogen habe),
ihm einen Ausweg durch den Hinweis auf die den Eltern gebührende Ehrerbietung^
eröffnen dürfe. — Die letzten Worte sind bedeutsam in bezug auf Mt 15,5: Die Ge-
lehrten geben zu, daß die durch ein G. herbeigeführte Ausschließung der Eltern vom
Genuß des Vermögens des Sohnes eine Verletzung der Ehrerbietung gegen Vater u.
Mutter, also eine Übertretung eines Gottesgebotes sei. Gleichwohl gilt es ihnen unter
dem Zwange der von ihnen selbst festgestellten Satzungen über das Gelübdewesen als aus-
gemachte Sache, daß das durch kein Gottesgebot zu begründende u. inhaltlich unsittliche
G. dem 4. Gebot gegenüber so lange zu Recht bestehe, bis seine lediglich durch Menschen-
satzung eingeführte Aufhebung ' durch einen Gelehrten ausgesprochen ist. Diese Misclma
' Vgl. Ghag 1,8: Die Auflösung der Gelübde schwebt in der Luft. u. es ist nichts
da (in der Schrift), worauf sie sich stützen könnte. Die Halakhoth über den Sabbat,
die Festopfer u. die Vergreifung an Geheiligtem gleichen Bergen, die an einem Haar
Matth 15,6(Ni-. 1.2) 717
ist mithin ein vollgültiger Beweis für die Berechtigung der Anklage in Mtl5,6: Ihr habt
das Gesetz Gottes um eurer Überlieferung willen außer Gültigkeit gesetzt.
15,6: Ihr habt das Gesetz Gottes wegen eurer Überlieferung
ungültig gemacht.
1. Speziell das 4. Gebot hat nach rabbin. Auffassung zurückzustehen
gegenüber den Pflichten, die die Satzungen über das Gelübdewesen, a
<3ie Sabbatheiligungb u. andre Pflichtgebote c auferlegen.
a. Siehe bei Mt 15. 5 Nr. 7 u. 8.
b. i^h h^ Bar: Soll etwa die Ehrerbietung gegen den Vater u. die Mutter den Sabbat
■verdrängen? Die Schrift sagt lehrend: „Ein jeder hege Ehrfurcht vor seiner Mutter u.
seinem Vater u. meine Sabbate sollt ihr beobachten" Lv 19, 3. Ihr alle seid zur Ehr-
erbietung gegen mich verpflichtet (hinterher kommt die Eiirerbietung gegeneinander).
C. Qid 82'^: El?azar b. Mattja (um 120) sagte: Wenn mein Vater zu mir sagt: „Gib
mir Wasser zum Trinken" u. ein Pflichtgebot (wie Bestattung eines Toten, Raschi) ist
TM üben, so lasse ich die Ehre meines Vaters u. tue das Pflichtgebot; denn ich u. mein
Vater sind zu einem solchen verpflichtet. Isi b. J*^huda (um 170) sagte: Wenn man das
Pflichtgebot durch andre kann üben lassen, so soll man es durch andre üben lassen
u. selbst einhergehn in der Ehrerbietung gegen den Vater.
2. Aufhebung einzelner alttest. Gesetze durch rabbin. Autoritäten.
Sota 9,9: Seitdem die Mörder sich mehrten, hörte das Kalb auf nVt^a, dem das
Oenick gebrochen ward (d. h. das Gesetz Dt 21, 1 — 9 wurde aufgehoben). Das war, als
Elfazar b. Dinai^ auftrat u. T'^china b. P^rischa. Ben P'rischa hiels er ursprünglich, dann
nannte man ihn Ben Harapchan (Mörder). || TSota 14, 1 (320 1: R. Jochanan b. Zakkai
(t um 80) sagte: Als die Mörder sich mehrten, hörte das Kalb auf, dem das Genick
gebrochen wurde; denn das Kalb, dem das Genick zu brechen war, kam nur in Zweifels-
fällen zur Verwendung; jetzt aber mordet man öffentlich. — Dasselbe als Bar Sota 47''. 1|
Sota 9, 9: Als die Ehebrecher sicli mehrten, horten die Bitterwasser auf -ppr (d. h. das
'Gesetz Nu 5, 11 ff. wurde aufgehoben). Und zwar war es Rabban Jochanan b. Zakkai
(t um 80), der sie abschaffte "-"=•:-, weil es heißt: „Nicht heimsuchen will ich es an
«uren Töchtern, daß sie huren, u. an euren Schwiegertöchtern, daß sie die Ehe brechen;
denn sie selbst gehen mit den Huren abseits" Hos 4, 14. || TSota 14,2 (320): Als die
Ehebrecher sich mehrten, hörten die (Bitter-) Wasser auf -per, die man nur in Zweifels-
fällen trinken ließ. Ij Sota 9, 10: Der Hohepriester Jochanan (d. h. Johannes Hyrkanus
135 — 104 V. Chr.) hat das Bekenntnis in bezug auf den Zehnten (d. h. die Vorschrift
Dt 26, 12— 15) abgeschafft ^-aj;-. — Dasselbe xMSch 5, 15. — TSota 18, 10 (320) wird
diese Neuerung auf Rabban Jochanan b. Zakkai zurückgeführt, der durch Kommissionen,
die das Land bereisten, in Erfahrung gebracht hatte, daß die Zehnten nicht mehr so gegeben
würden, wie das Bekenntnis in Dt 26, 1 2 ff. voraussetzt. — Die gleiche Motivierung der Auf-
hebung des Zehntbekenntnisses durch den Hohenpriester Jochanan Sota 47 '^ ; pSota 9, 24 »,
42; pMSch 5, 56^', 19. — Das Nähere s. im Exk.: Abgaben von den Bodenerzeugnissen.
hangen; denn Schriftstellen für |je sind wenige vorhanden, aber Halakhoth in Menge.
Die Rechtsordnungen aber u. die Kultusgesetze, die Reinheits-, Unreinheits- u. Blut-
schandebestimmungen haben, worauf sie sich stützen können (in der Schrift); diese sind
der Kern (die Hauptsache) der Tora. — Dasselbe mit Abweichungen TChag 1,9(233).
- Ein Führer der Zelotenpartei um 40 n. Chr.; vgl. Joseplj. Ant. 2i5, ti, I ; Bell. 2, 12, 4.
•' "5-3T-^-; oder '"ap--? nach Schürer* 2, 427 f. = ngotjßo'Äij, das Hinbringen, Über-
geben, nämlich einer Deklaration. || Krauß, Lehnw. "2, 482 = viooßohj = nugdßoXov,
Sukkumbenzgeld, jüd. Appellation. || Levy 4, 106 — ngog ßovh]: in diesem Falle wäre
das Wort auszusprechen -i-zi'^t , vgl. für diese Deutung Git 36'*: Was bedeutet •513D:ib?
Rab Chisda (f 309) hat gesagt: -tsiai ■'iiaci-E (1. -osb-ia ons) — ngö? ßovXsvtcdg ,vor
den Ratsherren" abgegebene Erklärung. — Es wird mit Pr. die gerichtliche Erklärung
eines Gläubigers bezeichnet, durch welche das Verfallen einer Schuldforderung während
des Sabbatjahres ausdrücklich ausgeschlossen wird.
718 Matth 15, 6 (Nr. 2). 15, 7. 8. 9. 11 (Nr. 1)
Schebifith 10, 8 ff.: Der Prosbol^ hebt die Verpflichtung des Schulderlasses (inii
ßrachjahr Dt 15, 1 ff.) auf. Dies ist eins von den Dingen, die Hillel der Alte (um 20 v. Chr.>
angeordnet hat. Als er nämlich sah, daß die Leute sich weigerten, einander Geld zu'
leihen u. so zu übertreten, was in der Tora geschrieben steht: „Hüte dich, daß nicht,
bei dir ein Gedanke aufkomme, ein nichtswürdiger, nämlich: es naht das siebente Jahr,,
das Erlaßjahr, u. dann dein Auge deinen armen Bruder scheel ansehe, u. du ihm nichts,
gebest" Dt 15, 9 — da verordnete Hillel den Prosbol. Das ist der wesentliche Inhalt,
eines Pr. : „Ich, der u. der, jibergebe euch, den Richtern in dem u. dem Ort, (hiermit die-
Erklärung), daß ich jede mir zustehende Schuldforderung zu jeder Zeit, da ich will
(also auch im Schemittajahr) eintreiben darf. Die Richter unterschreiben es dann oder
die Zeugen." (Tatsächlich war damit das Gesetz Dt 15, 1 ff. beseitigt.) — Wenn einer von.
fünf Personen Geld entleiht, so muß man für jeden einzelnen einen Prosbol schreiben.
Wenn aber fünf von einem entleihen, so schreibt man nur Einen Pr. für alle. Mani
schreibt einen Pr. nur in bezug auf Grund u. Boden; besitzt der Schuldner solchen
nicht, so läßt ihn der Gläubiger von seinem Grundstück etwas, u. wäre es noch so-
wenig, erwerben. |! Git4, 3: Hillel ordnete den Prosbol des allgemeinen Wohles halber
an (wörtlich : wegen Erhaltung der Welt).
15,7: Heuchler, schön (= richtig, treffend) hat über euch
geweissagt.
xaköjg i7iQ0(frjTsvaev. — Im Rabbin. entspricht das häufige ""sxj? "i"sr
= er hat schön (richtig) gesagt. || vnoxQnai s. bei Mt 23, 3.
Midr Esth 1, 3 (X5''): R. Nathan (um 160) hat gesagt: Zehn Teile Heuchelei gibt es-.
in der Welt, neun in Jerusalem u. einen in der ganzen (übrigen) Welt. — Die Parallel-
stellen AbothRN 2» Anfang u. Qid 49 b enthalten diesen Satz nicht.
15, 8: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, ihr Herz
aber hält sich fern von mir (Jes 29, 13).
Targ Jes 29, 13: Ihr Herz hält sich fern pr-rs von der Furcht vor mir. || Schön
sagt Raba (f 352) einmal Sanh 106 1>: Gott will das Herz '>-a s=''5 r.z"pr,, s. 1 Sm 16, 7:
Jahve verlangt das Herz.
15,9: Umsonst aber ehren sie mich, indem sie als Lehren
Menschengebote lehren.
Zu diesem Zitat aus Jes 29, 13 s. bei Kol 2, 22.
15, 11: Nicht was in den Mund eingeht, macht den Menschen
gemein (unrein), sondern was aus dem Munde ausgeht, das.
macht den Menschen gemein.
1. Die halakhische Ausdeutung von Lv 17, 15.
SLv 17, 15 (335^): „Jeder, der Gefallenes oder Zerrissenes ißt, der walkfe seine
Kleider u. bade sich in Wasser; u. er wird bis zum Abend unrein sein, dann aber rein"
Lv 17, 15. Verunreinigt es (das von Gefallenem usw. Genossene) etwa die Kleider,^
während es in den Eingeweiden ist? Die Schrift sagt lehrend: „Er walke seine Kleider
u. bade sich in Wasser, u. er wird bis zum Abend unrein sein, dann aber rein." Es
verunreinigt die Kleider nicht, während es in den Eingeweiden ist. (Denn angenommen,
jemand äße Gefallenes erst gegen den Abend hin, so würde er doch, falls er die Kleider
gewaschen u. ein Bad genommen hat, am Abend wieder rein sein, obwohl er das vom
Gefallenen Genossene noch bei sich hat; also kann dieses, während es in den Eingeweiden
ist, die Kleider nicht verunreinigen.) Vielleicht verunreinigt es die Kleider nicht, während
es in den Eingeweiden ist, wohl aber während es im Munde ist?! Die Schrift sagt
lehrend: „Jede Seele" Lvl7, 15 (= jeder Lebende = jeder): an der Stelle, wo das Lebert
Matth 15, 11 (Nr. 1-4) 719
(die Seele) ist (d. h. im Schlund), macht es (das vom Gefallenen Genossene) unrein,
nicht in den Eingeweiden u. nicht im Munde. So macht es vielleicht, wenn er es aus-
speit, die Kleider unrein durch das Herausgehn (aus dem Munde nrs-::'' -^-)?! Die
Schrift sagt lehrend: Jede Seele, welche „ißt": beim Essen macht es unrein, aber nicht
beim Herausgehn. ... — Im physischen Sinn gilt also die Umkehrung von Jesu Wort:
■was in den Menseben durch den Schlund eingeht, macht unrein, aber nicht was beim
Ausspeien aus seinem Munde herausgeht.
2. ov To siasQxöiisvoV slg t6 at6/,ia xoivoT xov ccvd-QcoTTov.
Sehr frei hat in diesem Stück Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) geurteilt.
Pesiq40l>: (Rabban Jochanan b. Z. sprach zu seinen Schülern:) Bei eurem Leben, nicht
der Tote verunreinigt u. nicht das Wasser macht rein, aber es ist eine Verordnung des
Königs aller Könige; Gott hat gesagt: Eine Satzung habe ich festgesetzt, eine Verordnung
habe ich angeordnet; kein Mensch ist berechtigt, meine Verordnung zu übertreten; denn
es heißt: „Dies ist die Satzung der Tora, die Jahve geboten hat" Nu 19, 2. — Dasselbe
TanchB rp- §26 (60a); Tanch rpr. 226»; NuR 19 (186b); PegiqR 14 (65a).
3. xoirovv, gemein, unrein machen, in eigentlicher u. übertragener
Bedeutung. „Rein" nin-L: (Verb. nn-L:) u. „unrein" a-cr^ (Verb, n^-j, aram.
n-d:?) in ethischem Sinn findet sich im Rabbin. verhältnismäßig selten.
JornaSSb; Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Was bedeutet: „Wie Gott der
Spötter spottet, so gibt er den Demütigen Gnade"? Spr 3, 34. Wer sich verunreinigen
will (durch Sünde), dem gibt man (Gott) Gelegenheit; wer sich rein halten will, dem
verhilft man (Gott) dazu. In der Schule des R. Jischmafel (j um 135) hat man gelehrt:
Gleich einem Menschen, der Naphtha u. Balsam verkauft. Soll er (das übelriechende)
Naphtha einmessen, so sagt man zu ihm: ,Miß du selbst!" Soll er aber Balsam ein-
messen, so sagt man zu ihm: „Warte, daß ich mit dir gemeinsam messe, damit wir
beide duften." In der Schule des R. Jischma?el ist gelehrt worden: Die Sünde verstopft
das Herz des Menschen, wie es heißt: „Nicht sollt ihr euch durch sie verunreinigen,
daß ihr durch sie unrein werdet" Lvll,4S. Lies nicht (d.h. erkläre nicht): daß ihr
unrein werdet ar'2t:2i, sondern a-j?3ü:i (von Ow-ii;), daß ihr verstopft werdet. — Bar:
„Nicht sollt ihr euch durch sie verunreinigen, daß ihr durch sie unrein werdet" Lv 11, 43:
Wenn sich jemand ein wenig verunreinigt (durch Sünden), so verunreinigt man (Gott)
ihn viel (gibt ihm reichliche Gelegenheit dazu); verunreinigt er sich auf Erden, so
verunreingt man ihn auch vom Himmel; verunreinigt er sich in dieser Welt, so ver-
unreinigt man ihn auch in der zukünftigen Welt. — Der Ausspruch des Resch Laqisch
auch M'^n 29"^; Schab 104»; fAZ 55«. || Schab 152b Bar: „Der Geist kehrt zu Gott zurück,
der ihn gegeben hat" Qoh 12, 7. Gib, wie er ihn dir in Reinheit gegeben hat, auch du
ihm ihn in Reinheit. — Einen ähnlichen Ausspruch überliefert R. Sch*^muel b. Nachman,*
um 260, im Namen des R. Abdimi aus Chaipha (um 280) Midr Qoh 12, 7 (53 b); LvR 18
(117''). I! pM^g 1, 71 ^ 36: R. Jafaqob b. Abaje hat im Namen des R. Acha (um 320) ge-
sagt: Hab auf dich acht, damit du, wenn du in das Haus Gottes abberufen wirst, rein
u. unschuldig bist. (Doch ist die Erklärung streitig, s. die Kommentare.) || B®rakh 17'':
R. Mei'r (um 150) pflegte zu sagen: (Gott spricht:) Entschließe dich mit ganzem Herzen u.
mit ganzer Seele, meine Wege zu erkennen u. an den Türen meiner Tora zu wachen (vgl.
Spr 8, 34); bewahre meine Tora in deinem Herzen u. vor deinen Augen stehe meine Furcht;
hüte deinen Mund vor jeder Sünde u. reinige u. heilige dich von aller Schuld u. Sünde.
4. Ein Ausspruch des Inhalts, daß ein unreines, unsittliches Wort,
das über die Lippen eines Menschen geht, diesen gemein u. unrein
mache, ist uns in der rabbin. Literatur nicht begegnet. Ein „unreines
^ Ob R. JiQchaq b. Nachman (um 280) zu lesen ist? In LvR 18 heißt der Tradent
R. Jischmafel b. N.; R. Jischmafel vermutlich falsche Auflösung der Abkürzung ^"i =
R. JiQchaq.
720 Matth 15, 11 (Nr. 4). 15, 13
Wort" würde ein Wort sein, das Unreines bezeichnet oder von Un-
reinem handelt, während ein „reines Wort" ein W^ort ist, das von An-
stößigem dezent redet,
GnR 32(19'): R. Judan (um 350) hat im Namen des R.Jochanan (f 279), R.ß'^rekhja
(um 340) im Namen des R. El?azar (um 270) u. R. Ja?aqob aus K'^^phar Chanin (um 280}
im Namen des R. J'^hoschua? b. Levi (um 250) gesagt: Wir finden, daß Gott zwei u.
drei Wörter in der Tora gewunden wiedergegeben hat. um kein unreines Wort ns'svj -i^-:
aus seinem Munde gehn zu lassen. Es heißt Gn 7, 2: „Von allem reinen Vieh sollst du
dir je sieben nehmen, ein Männchen u. sein Weibchen." Dann heißt es weiter aber
nicht: ,u. von dem , unreinen' Vieh", sondern: „u. von dem Vieh, welches .nicht rein'
ist" usw. — Diese Ausführung sehr oft, mit Abweichungen im einzelnen, zB LvR 26
(124^); NuR19 (ISö-^); pesiq 30b; Tanch r:,- 223b; TanchB r-n §6 (53^); P^siqR 14'
(57b); MidrPs 1 S 3 (2-'^); 12 §4 (54*); P^s3a). jl PesS-i Bar aus der Schule desR.Jisch-
ma?el (f um 135): „Immer spreche ein Mensch in reinen Ausdrücken n— p: •jic'ia; denn
siehe, bei dem mit Fluß behafteten Mann heißt es (Lv 15, 9): Jeder „Reitsitz" . . . soll
unrein sein; bei der Frau aber heißt es „Sitz" (Reitsitz würde unziemlich sein)^ || GnR 86
(55 b): Er überließ alles, was ihm gehörte, der Hand Josephs, nur nicht das Brot, welches
er aß Gn 39, 6. Das ist eine reine Ausdrucksweise -73 'fi-v'^ (d. h. „das Brot, das er aß",
ist euphemistische Bezeichnung für „sein Weib").
15,13: Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht
gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.
Die Gemeinde Israel, insonderheit die Frommen in ihrer Mitte,
nicht selten als eine Pflanzung Gottes gedacht.
Jubill,16: Ich werde sie (Israel) umändern zu einer Pflanze der Gerechtigkeit. 1
16,26: Er (Abraham) wußte u. erkannte, daß von ihm die Pflanze der Gerechtigkeit
(d. h. Israel) ausgehn würde. | 21, 24: Er wird dich (Isaak) segnen in all deinem Tun u.
wird aus dir eine Pflanze der Gerechtigkeit (^ Israel) erwecken auf der ganzen Erde
durch alle Geschlechter der Erde. | 36,6: Gedenkt, meine Söhne (Esau u. Jakob), des
Gottes Abrahams, auf daß er euch pflanze im Land als eine Pflanze der Gerechtigkeit,
die nicht ausgerottet wird für alle Geschlechter in Ewigkeit. — |l Henoch 10,16: Er-
scheinen soll die Pflanze der Gerechtigkeit u. der Wahrheit (d.h. Israel). | 62,8: Die
Gemeinde der Heiligen u. Auserwählten wird gesäet werden (nämlich in den Tagen des
Messias). | 84, 6 schließt Henoch ein Gebet mit den Worten: Und nun, mein Herr, ver-
tilge von der Erde das Fleisch, das dich erzürnt hat; aber das Fleisch der Gerechtigkeit
u. Rechtschaff"enheit richte auf als eine ewige Samenpflanze u. verbirg nicht dein An-
gesicht vor der Bitte deines Knechtes, o Herr! \ 93, 2: Henoch sprach: Betreffs der
Kinder der Gerechtigkeit, betreffs der Auserwählten der Welt u. betreffs der Pflanze der
Gerechtigkeit u. Rechtschaffenheit — davon will ich zu euch reden. | 93, 5: Danach
wird am Ende der dritten (Welt-)Woche ein Mann als Pflanze des Gerichts erwählt
werden (damit ist Abraham gemeint), u. nach ihm wird die ewige Pflanze der Gerechtig-
keit (d.h. Israel) kommen. | 93,10: Am Ende der 7. Weltwoche werden die auserwählten
Gerechten der ewigen Pflanze der Gerechtigkeit auserwählt werden, um siebenfache
Belehrung über seine ganze Schöpfung zu empfangen. — | Ps Sal 14, 3 ff.: Des Herrn
Fromme werden in ihm ewiges Leben haben; des Herrn Paradies, die Bäume des Lebens,
sind seine Frommen. Ihre Pflanzung cpvxEia ist festgewurzelt in Ewigkeit; sie werden
flicht ausgerottet werden ovx sxtilKrjaovTai,, solange der Himmel steht: denn Gottes Teil
u. Erbe ist Israel. — || Weish 4, 3 ff. wird das Bild in bezug auf die Gottlosen durch-
geführt: Die kinderreiche Schar der Gottlosen aber wird (ihnen) keinen Nutzen stiften,
u. als aus unechten Schößlingen (hervorgegangen) wird sie keine Wurzel in die Tiefe
treiben, noch wird sie es zu einem festen Grunde bringen. Und wenn sie auch eine
Zeitlang in Zweigen hochschießt, so wird doch das unsicher Emporgekommene vom
Matth 15, 13. 14. 19 721
Winde liin u. lier bewegt u. durch die Gewalt der Stürme (zuletzt) entwurzelt werden
sxQtCM,9i^aETfii. Ringsum werden die unentwickelten Äste abgeknickt werden, u. ihre
Fracht wird unbrauchbar, unreif zum Essen u. zu nichts zu gebrauchen sein. Denn die
aus ungesetzlichem Beischlafe gezeugten Kinder werden Zeugen sein der Schlechtigkeit
wider ihre Eltern bei ihrer (letzten) Prüfung (am Gerichtstage). || Im Rabbin. ist das
Bild nur selten verwertet worden. JomaSS'^: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt,
R. Jochanan (t 279) habe gesagt: Gott sah, dafs der Gerechten wenige sein würden; da
erhob er sich u. pflanzte sie hinein in die einzelnen Generationen, s. lSm2, 8: Dem
Jahve gehören die Grundsäulen der Erde (bikllich = die Gerechten) u. er baute auf sie
den Weltkreis. (Weil die Gerechten den Weltbestand sichern, verteilte sie Gott auf die
einzelnen Perioden der Weltzeit.) Das „Pflanzen" bedeutet hier soviel wie: „erzeugt
werden lassen*; so auch Sanh87'': Sch'altiel (vgl. 1 Chr3, 17) hieß er, weil Gott ihn
pflanzte (erzeugt werden liefä) nicht nach Art der (übrigen) Gepflanzten: denn es ist
traditionell, daß eine Frau im Stehen nicht schwanger wird, sie aber (die Mutter des
Sch'^altiel) ist im Stehen schwanger geworden, s. oben S. 35. Vgl. auch pJ'^b 1, 2'\ 9:
R. Jose b. Chalaphta (um 150) pflanzte fünf Pflanzungen, d. h. er erzeugte fünf Söhne. |!
Jalqut zu Ps 1, 3 werden die Psalmworte: „Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasser-
bächen" gedeutet: auf Adam, „den Gott in den Gan ?Eden pflanzte"; auf Noah, „den
Gott in die Arche pflanzte"; auf Abraham, „den Gott in das Land Israel pflanzte, nach
andren in den Gan fEden", u. auf den Stamm Levi, „den Gott in das Land Israel
pflanzte". || In der bekannten Stelle pChag 2,77^,5; Chag 14l>: „Vier sind in den Pardes
(Paradies) eingegangen" usw. wird über Acher, d.h. Elischaf b. Abuja, um 120, gesagt:
, Er hieb die Pflanzungen ab" ris'u:3 v^'P- Wenn mit dem „Paradies", wie man meist
annimmt, die theosophisch-kosmogonische Gnosis gemeint ist, so dürfte das „Abhauen
der Pflanzungen" seitens Achers sich auf die Verwüstungen beziehen, die dieser jüdische
Apostat mit seinen Lehren u. seinen Taten in Israel anrichtete. |1 Midr HL 6, 2 (122 =») =
pßerakh 2, 5^ 2 s. oben S. 21 Anm. c.
15, 14: Blinde Blindenführer sind sie.
Vgl. die sprichwörtliche Redensart BQ 52": Wenn ein Hirt über seine
Herde ziirnt. macht er den Leithammel bhnd (wörtlich: zur Blindheit).
15, 19: Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Morde, Ehe-
bruch e, Hurereien, Diebstähl e.falscheZeugnisse, La Störungen.
pB*^rakh 1,3*^,18: „Du sollst nicht ehebrechen. Daß ihr nicht eurem Herzen u.
euren Augen nachschweift, denen ihr nachbuhlt" Nu 15, 39. R. Levi (um 300) hat gesagt:
Das Herz u. das Auge sind die beiden Mittler der Sünde. Es heißt: „Gib, mein Sohn,
dein Herz mir u. deinen Augen laß meine Wege Wohlgefallen" Spr 23, 26. Gott spricht:
Wenn du mir dein Herz u. dein Auge gibst, so weiß ich, daß du mir angehörst. — In
TanchB r:;» § 31 (37 1>), NuR 17 (182'^) anonym: Das Herz u. die Augen sind die Mittler
für den Leib, denn sie verführen den Leib zur Buhlerei ":!':; Tanch n';r (216") liest
wohl infolge eines Versehens s-r-: statt a-:?-:; ebenfaHs anonym steht der Ausspruch
NuR 10 (157«'). II Midr Qoh 1, 16 (IIb): Jch sprach mit (=") meinem Herzen" Qoh 1, 16.
Das Herz sieht, Qoh 1, 16;^ört, 1 Kg 3, 9; redet, Qoh 1. 16; geht, 2 Kg 5, 26; fällt, 1 Sm
17, 32; steht, Ez 22, 14; freut sich, Ps 16, 9; schreit, KL 2, 18; wird getröstet, Jes 40, 2;
betrübt sich ij-js's, Dt 15, 10 ; wird verhärtet. Ex 9, 12 ; wird weich. Dt 20. 3 ; betrübt sich
2usr-, Gn 6, 6; bebt, Dt 28, 67; wird zerbrochen, Ps51, 19; erhebt sich stolz, Dt 8, 14;
ist widerspenstig, Jer 5, 23; ersinnt, 1 Kg 12, 33; hat arge Gedanken tn-irn:, Dt 29, 18;
walltauf, Ps 45, 2; denkt, Spr 19, 21 ; begehrt, Ps21, 3; schweift ab, Spr 7, 25; buhlt,
Nu 15, 39; wird gestärkt, Gn 18, 5; wird gestohlen, Gn 31, 20; wird gebeugt, Lv 26, 41;
wird überredet, Gn 34, 3; taumelt, Jes 21, 4; ängstigt sich, 1 Sm 4, 13 ; wacht, HL 5, 2;
liebt. Dt 6, 5; haßt, Lv 19, 17; eifert, Spr 23, 17; wird geprüft, Jer 17, 10; wird zerrissen,
Joel2, 13; sinnt, Ps49, 4; ist wie Feuer, Jer 20, 9; ist wie ein Stein, Ez36, 26; kehrt
Strack 11. Billerbeck, NT I. 46
722 Matth 15, 19. 26
um in Buße, Jer 24, 7; entbrennt, Dt 19, 6; stirbt, 1 Sm 2ö, 37; zerfließt, Jos 7, 5; nimmt
Worte auf. Dt 6, 6; nimmt Furcht auf, Jer 32, 40; rühmt, Ps 1 11, 1 ; gelüstet, Spr 6, 25 ;
wird verhärtet, Spr 28, 14; tut sich gütlich, Ri 16,25; bereitet Trug, Spr 12,20; redet
in seinem Innern, 1 Sm 1,13; liebt Geschenke, Jer 22, 17; schreibt Worte auf, Spr 3, 3;
bereitet Unheil, Spr 6, 14; nimmt Gebote an, Spr 10, 8; übt Vermessenheit, Jer 49, 16;
macht Ordnungen (Pläne), Spr 16, 1 ; brüstet sich, 2 Kg 14, 10. |1 Derekh EreQ Zuta 6 (fehlt
in Ausg. Amsterdam): Der Anfang der Sünde sind die argen Gedanken des Herzens
aVn •nr-'rt, das zweite danach ist Spötterei, das dritte Hochmut, das vierte Härte
(ünbarmherzigkeit), das fünfte Müßiggang, das sechste grundloser Haß u. das siebente
das neidische Auge. Das ist es, was Salomo gemeint hat: „Wenn er (der Hassende)
seine Stimme lieblich macht, glaube ihm nicht; denn sieben Greuel sind in seinem
Herzen" Spr 26, 25. j! GnR 67 (43^): ,Esau sprach in seinem Herzen" Gn27, 41. Die
Gottlosen befinden sich in der Gewalt ihres Herzens: Der Tor spricht in z seinem
Herzen Ps 14, I ; Esau sprach in seinem Herzen Gn 27, 41 ; Jarobfam sprach in seinem
Herzen 1 Kg 12,26 u. Haman sprach in seinem Herzen Esth 6, 6. Aber die Gerechten
haben ihr Herz in ihrer Gewalt: Hanna redete zu ~y ihrem Herzen 1 Sm 1, 13; David
redete zu -x seinem Herzen 1 Sm 27, 1 ; Daniel nahm es auf iy sein Herz Dn 1,8. Sie
gleichen damit ihrem Schöpfer, von dem es heißt: ,Jahve sprach zu •sx seinem Herzen"
Gn 8, 21. (Das ~y oder Vx läßt den Menschen gegenüber dem Herzen als den Befehlenden
erscheinen, während das 2 der ersten Zitatenreihe die Gefolgschaft, die Hörigkeit aus-
drückt, in der der Mensch sich seinem Herzen gegenüber befindet.) |! pJoma S, 45'', 51:
Das Brandopfer schafft Sühnung für den argen Gedanken des Herzens a^rs i^.riiri hy. \\
Joma29'*: Die Gedanken an die Sünde ^-^~y '"i^"" (= unkeusche Phantasiebilder)
sind schlimmer als die Sünde selbst. H Midr Qoh 7, 2 (32''): Warum schlägt man sich
(bei einem Trauerfall) auf das Herz? Um (damit) zu sagen, daß alles von dort kommt
(die Sünde, die den Tod verursacht). — Vgl. auch bei Mk 7, 21 f.
15,26: Das Brot der Kinder zu nehmen u. den Hündlein
hinzuwerfen.
Der Hund sbr, aram. xabs, der nicht den eigentlichen Haustieren,
ri^Tiz, sondern den in Freiheit lebenden Tieren, rrn, zugezählt wurde, a
galt, wenn auch gelegentlich seine Brauchbarkeitb u. Treue c anerkannt
wird, als das verachtetste, frechste u. elendeste Geschöpf, d Es prägte
sich deshalb die gehässigste Verachtung darin aus, wenn man einen
Menschen einen Hunde nannte, oder wenn man einem Hunde den
Namen eines verhaßten Menschen beilegte, f — xvvÜQia würde wieder-
zugeben sein hebr. mit c^nbrn i-ri:., aram. mit Nri-"jp xni-^-^-.g
a. Kil 8, 6: Der Hund gehört zur Kategorie der wilden Tiere, n-rr. R. Meir (um 150)
sagte: Zur Kategorie der Haustiere, niana.
b. BQ 80* u. 80'': R. Jischmafel (f um 135) sagte: Man darf aufziehen Dorf hunde,*
Katzen,^ Affen u. Wiesel, die sich in Dornhecken aufhalten, weil diese Tiere zum Rein-
halten des Hauses (durch Verzehren der Abfälle u. durch Vertilgung der Mäuse usw.)
geeignet sind. — || P'^s 113*: Rah (f 247) sagte zu Rab Asi:* Wohne nicht in einer
Stadt, in der kein Pferd wiehert u. in der kein Hund bellt. (Der Hund schlägt an,
wenn Diebe nahen, u. das Pferd dient zu deren Verfolgung.) i[ Sanh 105* Bar: Ein
• y-fz n-aVs. Raschi erklärt «, kleine Hunde, ß, große Jagdhunde, die keinen
Schaden anrichten. — Die Mischna bestimmt über das Aufziehen von Hunden: Man soll
keinen Hund aufziehen, es sei denn, daß er an eine Kette gelegt ist, BQ 7, 7.
^ Eine andre Norm über die Katzen' hat Rab, f 247, aufgestellt: Die Katze darf
man töten, u. es ist verboten, sie am Leben zu erhalten. BQ SO**.
2 Jedenfalls nicht der aus Babylonien stammende u. später in Palästina lebende
Rabbi Asi (um 300), s. pSch<;q 1, 47*, 37.
Matth 15, 26 723
Gleichnis. (Gleich) zwei Hunden, die bei einer Herde waren u. sich gegenseitig anbellten.
Als ein Wolf über den einen kam, dachte der andre: Wenn ich ihm nicht helfe, so tötet
der Wolf heute diesen u. morgen mich. Da machten sich beide auf u. töteten den V/olf.
C. P^siq 79*^: Hirten hatten einmal gemelkt; es kam eine Schlange u. fraß von
der Milch. Der Hund (der die Schlange beobachtet hatte) sah, daß die Hirten sich
niederließen, um (von der Milch) zu genießen; er begann sie anzubellen, sie aber
achteten nicht darauf; zuletzt flachte er sich auf, fraß (von der Milch) u. starb. Sie
begruben ihn u. setzten ihm (für seine Treue) ein Denkmal. Bis heute heißt dieses
,das Denkmal des Hundes'* ss'^s-: sri:. — Dasselbe, doch ohne den Schlußsatz, pT®r N,
46'^, 28. I! Hör 13=*: Den R. Elfazar (b. gadoq I.V um 100; der IL? um 150) fragten seine
Schüler: Warum kennt der Hund seinen Herrn u. warum kennt die Katze ihren Herrn
nicht? (Der Hund bewahrt dem Menschen, die Katze dem Hause Anhänglichkeit.) Er
antwortete: Wenn der, welcher etwas ißt, wovon eine Maus gegessen hat, vergeßlich
wird, um wieviel mehr gilt das von der Katze, die die Maus selbst frißt!
d. Be^a 25'': R. Schimfon b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Drei Hartnäckige (Un-
beugsame, yiy) gibt es; das ist Israel unter den Nationen, der Hund unter den Tieren
u. der Hahn unter den Vögeln; einige fügen auch noch hinzu die Ziege unter den Haus-
tieren u. noch andre den Kaperstrauch unter den Bäumen. — Die Parallelstelle ExR4'2
(99*): R. Jaqim* (um 350) hat gesagt: Drei Starrsinnige (Unverwüstliche oder auch
Freche, o-E'sn) gibt es: Der Starrsinnige unter den Tieren ist der Hund, unter den
Vögeln der Hahn u. unter den Nationen Israel. R. Ji9chaq b. R®dipha (um ;->30) hat im
Namen des R. Ammi (um 300) gesagt: Meinst du etwa, daß dies zum Schimpf gereicht?
Nein, vielmehr zum Ruhm: entweder Jude oder gekreuzigt, 3-v.i is --:n- -s! || Sota 9, 15
heißt es von der Frechheit der vor Anbruch der messian. Zeit lebenden Generation: Das
Aussehen des Geschlechts gleicht dem Hunde! || Schab 155l> Bar: Man darf dem Hunde
(am Sabbat) Futter vorlegen, aber nicht dem Schwein. Was für ein Unterschied ist
zwischen beiden? Die Erhaltung des einen (des Hundes) liegt dir ob, die des andren
aber nicht. (Raschi: Verflucht der Mensch, der Schweine aufzieht.) — R. Jona (um 350>
trug am Eingang des Patriarchenhauses vor: Was bedeutet: „Der Gerechte kennt die
Angelegenheit der Geringen" Spr29, 7? Gott weiß vom Hunde, daß seine Speise eine
geringe ist; deshalb hält seine Nahrung in seinem Leibe drei Tage lang vor. — Rab
Hamnuna (um 290) hat gesagt: Daraus (nämlich aus Gottes Fürsorge für den Hund)
entnehme ich, daß es eine gute Sitte («y^s t^-s) ist, dem Hunde ein Stück rohes
Fleisch hinzuwerfen. Und wie groß soll es sein? Rab Mari (um 850) hat gesagt: In
der Größe seines Ohres; u. hinterher der Stock (damit der Hund sich nicht an diese
Stelle hingewöhne). Diese Worte gelten vom Weideplatz, aber nicht von der Stadt, denn
hier würde er sich (dem mitleidigen Geber) anschließen. Rab Papa (f 370) hat gesagt;
Es gibt keinen, der ärmer wäre, als der Hund (dem nur wenige etwas reichen), u.
keinen, der reicher wäre, als das Schwein (das seine Nahrung in Hülle u. Fülle erliält). —
In der Bar zu Anfang dieser Stelle handelt es sich um einen Hund, der das Eigentum
eines bestimmten Besitzers ist u. deshalb auch von seinem Herrn sein Futter empfängt;
in den folgenden Sätzen ist von herrenlos umherschweifenden Hunden die Rede, die
von mitleidigen Menschen vielleicht etwas Speise erhalten, um dann möglichst schnell
wieder verscheucht zu werden. Daß der Besitzer für das Futter seiner Hunde sorgte,
erkennt man auch aus Challa 1,8: Der Teig für die Hunde unterliegt der Teighebepflicht,
wenn die Hirten davon essen; wenn aber die Hirten nicht davon essen, so unterliegt
er nicht der Teighebepflicht. — Die Hirten buken also besonderes Brot für ihre Hunde.
Daß man andrerseits den Hunden gab, was sonst nicht zu verwerten war, zeigt die
Redensart: „Man wirft es den Hunden hin." M^kh Ex 22, 30 (103b): ,Dem Hunde sollt
ihr es vorwerfen" Ex 22, 30. „Dem Hunde", d.h. als ob es ein Hund wäre (sollt ihr
auf dem Felde Zerrissenes fortwerfen). Du sagst: „Als ob es ein Hund wäre"; oder
nicht doch vielmehr dem Wortlaut gemäß „dem Hunde" sollt ihr es hinwerfen? Die
* Nach Bacher, Pal. Amor. 1, 371 ist der Name verderbt aus R. Schimson b. Laqisch.
46*
724 Matth 15,26
Schrift sagt lehrend: „Gefallenes (~;33, verschieden von "i—j, Zerrissenes) sollt ihr
überhaupt nicht essen; dem Fremdling in deinen Toren magst du es geben, daß er
es esse, oder es dem Ausländer verkaufen" Dt 14, 21. Gilt da nicht der Schluß voni
Leichteren auf das Schwerere? Wenn Gefallenes, das durch Tragen (den Träger) unrein
macht, zum Nießbrauch (zB zum Verkauf an NichtJuden oder als Speise für Sklaven)
erlaubt ist, wäre ^s da nicht recht, daß Zerrissenes, welches durch Tragen nicht unrein
macht, zum Nießbrauch erlaubt wäre? Was will da d\p Schrift lehrend sagen mit den
Worten: „Dem Hunde sollt ihr es vorwerfen"? Sie will dich lehren, daß der Hund
geehrter ist als der Sklave; denn Zerrissenes für den Hund u. Gefallenes für den
Sklaven; ferner will sie dich lehren, daß Gott keinem Geschöpf den Lohn kürzt. Da
-es heißt: „Gegen die gesamten Kinder Israel soll kein Hund seine Zunge spitzen"
Ex 11, 7, so hat Gott gesagt: Gib ihm seinen Lohn (nämlich mit dem Wort: „Dem
Hunde sollt ihr es vorwerfen" Ex22, :-iO). — Dasselbe zum Teil in ExR81 (92'"^); vgl.
auch die Kontroverse zwischen R. Mei'r u. R. J'^'huda (um 150) in P's 21b. || Chullin 4, 2:
Wenn einem Tier, das zum erstenmal wirft, das Gebären schwer wird, so darf man
das .Junge gliederweise zerschneiden u. es den Hunden hinwerfen. || P'^s 118^*: Rab
Schescheth (um 2tJ0) hat im Namen des R. Ehazar b. f Azarja (um 100) gesagt: Wer eine
Verleumdung ausspricht u. wer eine Verleumdung annimmt u. wer ein falsches Zeugnis
gegen einen andren ablegt, der- ist wert, daß man ihn den Hunden vorwirft; denn es
■heißt: „Dem Hunde sollt ihr es vorwerfen" Ex 22, 80, u. unmittelbar darauf folgt: „Du
sollst kein falsches Gerücht aussprechen" Ex 23,1. 11 Das Ärgste, was Goliath als Strafe
für seine Lästerungen treffen konnte, faßt der Midrasch in die Worte: „Er starb wie
ein Hund", ExR 81 (91 «^i. H BQ 92b: Raba (f 352) sagte zu Rabbah b. Mari: Woher läßt
sich das Sprichwort: „ Kin Hund verschlingt vor Hunger Exkremente" aus der Schrift
lieweisen? Er antwortete: Aus Spr 27, 7.
e. „Hund" als Bezeichnung für einen unwissenden Menschen LvR 9
(110^): R. .Jannai (um 225) befand sich einmal unterwegs. Er sah einen Menschen, der
gar schön gekleidet war. R. Jannai sprach zu ihm : AVill uns der Herr die Aufmerksamkeit
erweisen, bei uns einzukehren. Er antwortete: Ja. Er führte ihn in sein Haus u. speiste
u. tränkte ihn. Er prüfte ihn in der Schrift, fand aber nichts; in der Mischna, fand
aber nichts; in der Haggada. fand aber nichts: im Talmud (Halakha), fand aber nichts.
Er sprach zu ihm: Nimm (den Becher), sprich das Tischgebet! Er antwortete: Möge
es Jannai in seinem Hause sprechen! R. Jannai sprach zu ihm: Vermagst du nach-
zusprechen, was ich dir sagen werde? Er antwortete: Ja! So sprich: Ein Hund hat
das Brot (Jannais) gegessen. Da erhob sich der Gast, faßte ihn an u. sprach zu ihm:
Wie, mein Erbteil befindet sich bei dir, u. du willst es mir vorenthalten? Er antwortete:
Was ist denn dein Erbteil bei mir? Er sprach: Einmal ging ich an einem Schulhaus
vorüber u. hörte die Stimmen der Kinder, welche sagten: „Gesetz trug uns Mose auf
als Erbteil der Gemeinde Jakobs" Dt 33, 4. Als Erbteil „für Jakob" steht hier nicht
iieschrieben, sondern als Erbteil der „Gemeinde Jakobs". (Gemeinsames Erbteil Israels
ist die Tora; indem du mich „Hund" nennst, schließt du mich aus der Gemeinde Israel
aus u. bringst mich damit um mein Erbteil.) R. Jannai sprach zu ihm: Durch welches
Verdienst bist du gewürdigt worden, an meinem Tisch zu speisen? Er antwortete: Mein
lebelang habe ich kein böses Wort gehört u. es seinem Urheber (Herrn) zurückgegeben,
u. nie habe ich zwei miteinander zanken sehen, ohne Frieden zwischen ihnen zu stiften.
Er sprach zu ihm: All diese gute Sitte ist dir eigen, u. ich habe dich „Hund" genannt!
„Hund" als Bezeichnung der Gottlosen. ExR 9 (73'^): „Den Stab deiner
Macht wird Jahve ausstrecken von Zion aus" Ps 110, 2. Gott schlägt die Gottlosen nur
mit einem Stabe. Weshalb? Weil sie den Hunden gleichen, s. : „Sie kehren wieder am
Abend, knurren wie die Hunde" Ps 59, 7. Wie es bei dem Hunde Brauch ist, daß er
mit einem Stock geschlagen wird, so werden auch die Gottlosen geschlagen; deshalb
heißt es: „Den Stab deiner Macht" usw. Ps 110,2.
„Hund" als Bezeichnung der Heiden. Midr Ps4 § 11 (24^): „Du hast Freude
in mein Herz gegeben, mehr als ihnen in der Zeit, da ihres Kornes u. Mostes viel ist"
Matth 15,26 725
Ps4, 8. Die Israeliten sprachen (zu Gott): Wenn du den Völkern der Welt darum, daß
sie sieben (die sog. noachischen) Gebote gehalten haben, Gutes in dieser Welt im Überfluß
als Lohn darreichst, um wieviel mehr wirst du uns, denen Hl 3 Gebote befohlen sind,
Gutes im Überfluß gewähren in der zukünftigen Welt. Wenn wir deshalb den Wohlstand
der Völker der Welt sehen, so freuen wir uns, wie es heißt: Du hast Freude in mein
Herz gegeben, sooft (so scheint der Midr ry?: Ps 4, 8 zu fassen) ihres Kornes u. Mostes
viel ist. R. .J'^'hoschuH? b Levi (um 2.50) sagte: Gleich einem König, der ein Mahl ver-
anstaltete u. die Gäste eintreten u. an dem Eingang seines Palastes sich niedersetzen
ließ. Als diese sahen, wie die Hunde herauskamen mit Fasanen u. Kapaunen- u. Kalbs-
köpfen in ihrem Maul, fingen sie an zu sagen: Wenn für die Hunde solches, um wieviel
mehr beim Gastmahl selbst! Und die Völker der Welt ="';-:.t; n-.?3is * gleichen den Hunden,
wie es heißt: ,Die Hunde sind gar gierig" Jes 56, 11. Wenn diese in Wohlbehagen sich
befinden in dieser Welt^ wird es nicht mit Israel um so mehr der Fall sein in der
Zukunft? II GnR 81 (52='): R. .lischmacel b. Jose (um 180) ging hinauf, um in Jerusalem
zu beten. Er kam an einer Platane vorüber, wo ihn ein Samaritaner erblickte, der zu
ihm sprach: Wohin gehst du? Er antwortete: Ich gehe hinauf, um in Jerusalem za
beten. Jener sprach: Wäre es dir nicht besser, auf diesem gesegneten Berge (d. h. den*
Garizim) zu beten, als auf jenem Misthaufen? Er antwortete: Ihr, wem gleicht ihr?
Dem Hunde, der gierig ist auf Aas. Ebenso weil ihr wißt, daß unter ihm (dem Garizim)
ein Götzenbild verborgen ist, wie es heißt: „Jakob verbarg sie unter der Terebinthe
bei Sikhem" Gn 35, 4, darum seid ihr so gierig darauf. || pSchab J), 11 '', 23: (Einen
Götzen), den sie (die Heiden) „Angesicht des Königs" nennen, nennt man (Israel)
„Angesicht des Hundes". Dasselbe ?AZ 46**. || M^'g 7'^: „Es soll heilige Festversammlung
für euch sein" Ex 12,16; für euch, u. nicht für die Fremden (die Nichtisraeliten); für
euch, u. nicht für die Hunde ( — Nichtisraeliten). || PirqeREl 29: Wer mit einem Götzen-
diener zusammen ißt, ist wie einer, der mit einem Hunde zusammen ißt; wie der
Hund unbeschnitten ist, so ist auch der Götzendiener unbeschnitten. || LvR33 (130''): „Sie
sprachen zum König Nebukadnegar" Dn 3, 16. Wenn „König", wozu „Nebukadnepar"?
wenn „Nebukadne^ar", wozu „König"? Allein sie sprachen: In bezug auf die Abgaben
u. die Naturalleistungen u. die Strafgelder u. die Kopfsteuern bist du König über uns;
aber in bezug auf diese Sache, von der du zu uns sprichst (Anbetung des Götzenbildes),
bist du Nebukadne9ar u. Nebukadne^ar ist dein Name; du u. ein Hund, ihr seid für uns
gleich. — Dasselbe NuR 15 (179b); Midr Ps 28 § 2 (115'').
/. fAZ54b: Ein Philosoph fragte den Rabban Gamliel (IL, um 90): In eurer Tora
steht geschrieben: „Jahve dein Gott ist ein verzehrendes Feuer, ein eifriger Gott''
Dt 4, 24. Weshalb eifert er gegen die Verehrer eines Götzen u. nicht gegen diesen selbst?
Er erwiderte ihm : Ich will dir ein Gleichnis sagen. Ein König von Fleisch u. Blut hatte
einen Sohn. Dieser hatte sich einen Hund aufgezogen, dem er einen Namen nach dem
Namen seines Vaters beilegte; u. sooft er schwur, sagte er: Beim Leben des Hundes
„Abba" (= „mein Vater"). Als der Vater das hörte, über wen wird er gezürnt haben,
über den Sohn oder über den Hund? Doch wohl über den Sohn! . . . || Tanch n^jT-r 100^ :
Der Tyrann Rufus (Tinejus Rufus, 182 n. Chr. Statthalter von Judäa) fragte einmal den
R. f Aqiba (f um 135): Warum halst Gott uns, wie es heißt: „Esau hasse ich" Mal 1, 3?
Er antwortete: Morgen will ich dir die Antwort geben. Am nächsten Tage sprach
Rufus zu ihm: R. f Aqiba, was hast du in dieser Nacht geträumt u. was hast du (im
Traum) gesehen? Er antwortete: „Ich hatte im Traum in der Nacht zwei Hunde, der
eine hieß Rufus u. der andre Rufina." Alsbald ward der Statthalter zornig u. sprach:
Du hast die Namen deiner Hunde nach meinem Namen u. nach dem Namen meines
Weibes genannt; du bist des Todes schuldig. R. ? Aqiba antwortete: Was ist denn für
ein Unterschied zwischen dir u. ihnen (den Hunden)? Du issest u. trinkst, jene essen
. ^ So richtig ed. Venedig 1546; falsch unter dem Druck der russ. Zensur ed. Warschau
1875 s"i:yn n-ais-, u. Buber zus.hangswidrig: „Die Gottlosen unter den Israeliten"
Vsi',c' 'sv^', ohne eine abweichende Lesart zu erwähnen!
726 Matth 15,26.27.28. 16,1
u. trinken; du bist auf Fortpflanzung bedacht, jene sind auf Fortpflanzung bedacht; du
stirbst u. jene sterben. Weil ich nun ihre Namen nach deinem Namen genannt habe,
zürnst du; u. während Gott den Himmel ausspannt u. die Erde gründet, tötet u. lebendig
macht, nimmst du ein Stück Holz u. nennst es ^Gott" nach seinem Namen; muß er
euch da nicht hassen?
g. LvR 19 (119 '"'J: Das Sprichwort sagt: Ein gutes Junges -^■- von einem bösen
Hund ziehe nicht auf, ein böses Junges von einem bösen Hund erst recht nicht. |1
K^'th 61b wird von einer Frau geredet, die mit Hündchen sr";up sr">n?j (wörtlich: mit
kleinen Hunden) oder Brettspiel (^-;u-'-: lies —:>--:, Raschi = r"--px!-s == echecs =^
Schach) spielt. || Schab 155 b heißen Hündchen oder kleine Hunde ^-'j-t xrs"*;*:n5.
15,27: Die Hündchen essen von den Brocken,
die vom Tisch ihrer Herren fallen.
BB8^: Rabbi öffnete in den Jahren einer Hungersnot seine Speicher. Er sprach:
Es mögen eintreten die Kenner der Schrift, der Mischna, des Talmuds, der Halakha u.
der Haggada; aber die Gesetzesunkundigen sollen nicht eintreten. Da drängte sich
R.Jonathan b. fAmram herzu u. trat ein u. sprach: Rabbi, ernähre mich! Er sprach
zu ihm: Hast du die Schrift studiert? Er antwortete: Nein! (Über den Grund dieser
Leugnung s. hernach.) Hast du die Mischna gelernt? Er sprach: Nein! Wenn dem
so ist, erwiderte Rabbi, wie kann ich dich ernähren? Jener sprach: Ernähre mich wie
einen Hund oder einen Raben (von den Abfällen). -Da versorgte er ihn. Als er hinaus-
gegangen war, grämte sich Rabbi u. sprach: Wehe mir, daß ich mein Brot einem
?Am ha-are(; gegeben habe! Da sprach sein Sohn R. Schimfon zu ihm: Vielleicht ist
es dein Schüler Jonathan b. ?Amram gewesen, der niemals einen Genuß (Vorteil) von
der Ehre der Tora haben wollte (u. der deshalb seine Gesetzeskenntnis verleugnet hat).
Man forschte nach u. fand es also. Da sprach Rabbi: Es sollen alle eintreten. i| Vgl.
auch das Gebet der Hanna B'rakh 31'': R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Seit dem
Tage, da Gott seine Welt geschaffen, hat es keinen Menschen gegeben, der Gott
,(^"baoth'' genannt hätte, bis Hanna kam. Sie sprach vor Gott: Herr der Welt, von
all den vielen Scharen r-^sa-.: -sau, die du in deiner Welt geschaffen hast, sollte es in
deinen Augen zu schwer sein, mir Einen Sohn zu schenken? Womit läßt sich die
Sache vergleichen? Mit einem König von Fleisch u. Blut, der seinen Knechten ein
Mahl veranstaltete. Ein Armer kam, stand an der Tür u. sprach: Gebt mir ein Stück-
chen Brot; aber man nahm auf ihn keine Rücksicht. Da drängte er sich herzu, trat
zum König u. sprach: Mein Herr König, von depi ganzen Mahl, das du veranstaltet
hast, sollte es zu schwer in deinen Augen sein, mir ein Stückchen Brot zu geben?
V'X'«, Brocken = 'ry^'z,, zB TBn-akh 6, 4 (13); B^rakh 52'^; seltener
a-;y± ChuU 105 "^i s. Exk.: Ein altjüdisches Gastmahl Nr. 10, d; dort auch
Aberglaube, der sich an die vom Tisch fallenden Brocken knüpfte.
15,28: Groß ist dein Glaube.
M^kh Ex 14, 31 (40''): Groß war der Glaube nr»isn rtV:-:;, mit welchem die Israeliten
an den glaubten, der da sprach u. es ward die Welt; denn zum Lohn dafür, daß die
Israeliten an Jahve glaubten, wohnte der heilige Geist (= Geist der Inspiration oder
Prophetie) auf ihnen, daß sie ein Lied sangen, s. : „Sie glaubten an Jahve u. an seinen
Knecht Mose" Ex 14, 31, u. dann heißt es: , Damals sangen Mose u, die Kinder Israel
Jahve dieses Lied."
15, 32—38, s. dazu das bei Mt 14, 16 ff. Bemerkte.
16,1: Sie forderten ihn auf, ihnen ein Zeichen
vom Himmel zu zeigen.
SDt 13, 2 § 83 u. 84 (92»): ,Wenn mitten unter dir ein Prophet oder Träumer auf-
tritt u. dir ein Zeichen oder Wunder gibt" Dt 13, 2. ,E^jl Zeichen", nämlich am Himmel,
Matth 16, 1. 2. 3 727
■wie es heißt: ,Sie (die Lichtkörper am Himmel) sollen dienen zu Zeichen" Gn 1, 14;
,ein AVunder*, nämlich auf Erden, s.: ,Wenn auf der Schur allein Tau u. auf dem
ganzen Boden es trocken sein wird" Ri 6, 37; ferner daselbst (Vers 40): Gott bewirkte
es so in jener Nacht usw. — „Und das Zeichen u. Wunder trifft ein, das er dir ver-
heißen" Dt 13, 3. R. Jose, der Galiläer (um 110) hat gesagt: Sieh, wie weit die Schrift
auf die letzten Gedanken der Götzendiener n^T m'ay eingeht u. ihnen Macht beilegt;
selbst wenn er die Sonne u. den Mond, die Sterne u. Tierkreisbilder zum Stillstehn
bringt, so sollst du auf sie nicht hören. Weshalb? „Denn Jahve euer Gott versucht
euch, um zu erfahren, ob ihr Jahve euren Gott liebt" Dt 13, 4. R. f Aqiba (f um 135)
hat gesagt: Das sei ferne, daß Gott die Sonne u. den Mond u. die Tierkreisbilder den
Götzendienern stillstehn ließe; die Worte reden vielmehr von solchen, die anfänglich
Propheten der Wahrheit waren u. hinterher Propheten der Lüge wurden, wie Ghananja
b. ?Azzur (vgl. Jer 28, 1). — Die Kontroverse zwischen R. Jose u. f Aqiba als Bar in
Sanh 90^*. II Sanh 90»: R. Abbahu (um 300) hat gesagt, R. Jochanan (t 279) habe ge-
sagt: Sooft dir ein Prophet sagen sollte: „Übertritt die Worte der Tora", höre auf ihn,
ausgenommen Götzendienst; selbst wenn er dir die Sonne stillstehn ließe in der Mitte
des Firmaments, so sollst du nicht auf ihn hören. — Ein ähnlicher Satz in SDt 18, 15
§ 175 (107b); jeb 90 b. II SDt 18, 19 S 177 (108^): Wenn ein Prophet anfängt zu weis-
sagen u. ein Zeichen u. Wunder gibt, so hört man auf ihn; wenn aber nicht, so hört man
nicht auf ihn. — Dasselbe pSanh 11, 30^ 38. || Weiteres s. bei Mt 12, 38. — Ein Zeichen
vom Himmel a^-o-c- '^^ bietet R. Eli?ezer (um 90) seinen halakhischen Gegnern an zum
Beweis, daß seine Entscheidung richtig sei BM 59 b, s. S. 127;' bei Mt3, 17.
16, 2: Heiteres Wetter (gibt es), denn feurig rot ist der Himmel.
BB 84*: Rab Papa (f 376) hat gesagt: Daraus (nämlich aus einer Bestimmung
in BB 5, 6) entnehme ich, daß die Sonne rot ist. Du kannst es daran erkennen, daß
sie des Morgens u. des Abends rot erscheint; wenn wir sie aber nicht den ganzen
Tag hindurch so sehen, so liegt es daran, daß unsre Augen nicht kräftig genug sind. —
Die weitere Ausführung über den Grund der Röte der Sonne in BB 84 ** s. im Exkurs:
,Sch''ol" usw. II, 9 hinter Anm. c.
16,3: Das Angesicht (Aussehen) des Himmels
versteht ihr zu beurteilen.
Einige rabbinische Wetterregeln.
Tafan 9b: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Ein Anzeichen von Regen sind lichte
(durchschimmernde) Wolken r-n--s. Was sind lichte Wolken? Rab Papa (f 376) hat
gesagt: Eine dünne Wolke unterhalb einer dicken Wolke. Rab J'^huda (f 299) hat ge-
sagt: Fällt Staubregen (Sprühregen) vor heftigem Regen, so kommt heftiger Regen; fällt
er nach heftigem Regen, so hört der heftige Regen auf. Fällt er vor heftigem Regen,
so kommt heftiger Regen; dafür diene dir als Merkmal das Sieb (aus welchem erst
■das feine, dann das grobe Mehl fällt); fällt er nach heftigem Regen, so hört der
heftige Regen auf, dafür diene dir als Merkmal der Kot der Ziegen (erst groß, dann
klein). ?Ulla (um 280) kam nach Babylonien; er sah lichte Wolken u. sprach: Schaffet
die Geräte fort, denn jetzt kommt heftiger Regen. Aber es kam kein heftiger Regen.
Da sagte er: Wie die Babylonier trügen, so trügen auch ihre Regengüsse. || pTafan
2, 65b, 8: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Weht der Nordwind, decke deine Ziegel
ab (es bleibt trocknes Wetter). — In Sepphoris gab es Alte, die, wenn der erste Früh-
regen fiel (im Monat Marcheschvan, November), den Erdstaub berochen u. die Feuchtig-
keit des (nächsten) Jahres vorherzusagen verstanden. i| Joma 21b: R, Ji(jchaq b. Abdimi
.(lim 300) hat gesagt: Am. Ausgang des letzten Feiertags des Laubhüttenfestes schauten
alle auf den Rauch der Altarholzschicht: neigte er sich nach Norden, so freuten sich
^ie Armen, während die Besitzer sich betrübten; denn dann waren die Regengüsse
des (nächsten) Jahres zahlreich u. die Früchte wurden faulig (sie hielten sich nicht u.
mußten billig verkauft werden). Neigte er sich nach Süden, so betrübten sich die
728 ^^latth 16,3.6
Armen, während die Besitzer sich freuten; denn dann waren die Regengüsse des
(nächsten) Jahres nicht zahlreich, u. die Früchte konnten aufbewahrt werden (sie
hielten sich lange, infolgedessen ihr Preis stieg). Neigte er sich nach Osten, so freuten
sich alle (der Westwind verbürgte ein normales Jahr); neigte er sich nach Westen,
so betrübten sich alle (der Ostwind brachte Dürre u. Mifsernte). Stieg er aber gerade
auf wie eine Palme, um sich (allmählich) zu zerstreuen, so war daraus nichts zu ent-
nehmen (statt — z-k: wird zu lesen sein ^-z'12). (Zum Verständnis der Stelle ist zu
bemerken, daß nach RH 1, 2 am Laubhüttenfest der göttliche Gerichtsbeschluß über
die Regenverhältnisse des nächsten Jahres festgesetzt wird ; deshalb glaubte man am
letzten Tage des L. in der Rauchsäule über dem Brandopferaltar eine Andeutung über
den Ausfall des Gerichtsbeschlusses lesen zu dürfen.) Der Autor sagt: „Neigt er sich
nach Osten, so freuen sich alle; neigt er sich nach Westen, so betrüben sich alle."
Man wandte ein: Der Ostwind ist immer gut; der Westwind ist immer schädlich; der
Nordwind ist für den Weizen gut, wenn dieser den dritten Teil seiner Reife erlangt
hat, u. schädlich für die Oliven zu der Zeit, da sie Knospen treiben; der Südwind ist
für den Weizen schädlich, wenn dieser den dritten Teil seiner Reife erlangt hat, u.
gut für die Oliven zu der Zeit, da sie Knospen treiben. Und Rab Joseph (f 333), nach
andren Mar Zutra (um 300) hat gesagt: Als Merkmal diene dir: der Tisch (mit den
Schaubroten) auf der Nordseite (im Heiligen) u. der Leuchter auf der Südseite; jener
(der Nordwind) macht des Seinigen (des Brotes) viel u. dieser (der Südwind) macht
des Seinigen (des Olivenöles) viel. Es liegt hier kein Widerspruch vor: der Inhalt der
letzten Sätze gilt für uns (in Babylonien), die von R. Ji^chaq b. Abdimi vertretene
Überlieferung gilt für sie (im Lande Israel). — Dasselbe Bß 147"; hier schließt sich
noch folgender Satz an: Bar: Abba Schaml (um 150) sagte: Ist der Feiertag des
Wochenfestes (= Pfingsten) klar (heiter), so ist das ein schönes Zeichen für das ganze
Jahr. R. Z^bid (um 330) sagte: Das gilt vom ersten Tage des Neujahrs; ist dieser
warm, so ist das ganze Jahr warm ; ist er aber kalt, so ist das ganze Jahr kalt.
IG, 3: Die Zeichen der Zeiten.
Über die Vorzeichen der Tage des Messias s. den diesbezügl. Exkurs.
1(», 4; dazu s. bei Mt 12,39.
16, 6: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer u. Sad du zäer.
Die Jünger verstanden das Wort zunächst in dem Sinne, in welchem
man auch sonst von dem „Gesäuerten des u. des" redete, a u. meinten^
daß Jesus sie warnen wolle, Brot von den Pharisäern u. Sadduzäern
anzunehmen. Erst hinterher kommt ihnen die Erkenntnis, daß unter
dem S. der Ph. u. Sadd. deren Lehre zu verstehen sei. In der rabbin,
Literatur die einer Lehre zugrunde liegende treibende Kraft „S." ge-
nannt wohl nur pChag '2, 76% 37: R. Chijja b. Ba (um 280) hat gesagt:
Hätten sie (Isr.) mich verlassen (spricht Gott), so würde ich Nachsicht
üben, vielleicht daß sie meine Tora beobachteten (vgl. Jerl6, 11)! Denn
wenn sie mich verließen, aber meine Tora beobachteten, so würde der
S. darin n^t^ ^iscn sie mir (wieder) nahebringen. — Dasselbe P'^siq 121";
dagegen liest Midr KL Einl. Nr. 2 (29 '^) : n^^:j mx^n „ das Licht in ihr" . —
Im Rabbin, bezeichnet sonst „S." ^'iNb, nixi-c:, nixö, "i.xio, x'^'^n^ö, -io
im bildlichen Sinn entweder den bösen Trieb y-^n nij-b im Menschen
oder die schlechte Art u. Gesinnungc eines Menschen. In ähnlichem
Sinn wird auch „Essig" bildlich gebraucht ;d dagegen ist „etwas zu
Essig" oder „sauer werden lassen" gleich „etwas hinausschieben". e
Matth 16, G. 13. 14 729
a. pSch'^^bifith 8, 38 1>, 61 : R. Elfazar (um 270) erlaubte das Gesäuerte der Samaritaner
sofort nach dem Passah. \\ Chullin 4": Das Gesäuerte derer, die eine Übertretung begehen
(u. das Gesäuerte vor dem Passah aus ihren Häusern nicht fortschaffen) ist nach dem
Passah sofort erlaubt. b. Beispiele s. im Exk. : „Der gute u. der böse Trieb" Nr. 4, c.
C. p?AZ 2, 4P, 8: Ein Proselyt war Haarschneider u. Astrolog; in seiner Astrologie
hatte er geschaut, daß die Juden sein Blut vergießen würden; das bezog sich aber nur
auf seinen Übertritt zum Judentum (d. h. auf seine Beschneidung). Er wurde Jude; kam
aber einer zu ihm, um sich die Haare schneiden zu lassen, so tötete er ihn. Wie viele
von solchen hat er getötet? R. EI?azar b. Jose (der Jüngere, gegen 400 n. Chr.) hat
gesagt: Achtzig; R. Jose b. Bun (um 350) hat gesagt: Dreihundert. Schließlich betete
man für ihn, u. er kehrte zu seinem Sauerteig (früheren Art -^i-s-c) zurück (er wurde
wieder Heide). — In einer Bar ist gelehrt worden: Wenn ein NichtJude (heilige) Bücher,
Gebetsriemen, Türpfostenkapseln verkauft, so kauft man solche nicht von ihm. Aber
in einer Bar ist doch auch gelehrt worden: Es geschah einmal, daß ein NichtJude in
Sidon (heilige) Bücher, Gebetsriemen u. Türpfostenkapseln verkaufte; als die Sache vor
die Gelehrten kam, sagten sie: Es ist erlaubt, von ihm zu kaufen. R. Sch'^muel b. Nathan
(gegen 300) hat im Namen des R. Chama b. Chanina (um 260) gesagt: Es handelte sich
um einen Proselyten, der zu seiner (früheren) Art ^^is-c zurückgekehrt war. || BM 59 *>
Bar: R. Elifezer der Altere (um 90) sagte: Warum ermahnt die Tora an 36 Stellen,
oder, wie andre sagen, an 46 Stellen zur Vorsicht in bezug auf den Proselyten (daß
man ihn nicht kränken solle u. dgl.)? Weil seine Art ii'c (sein Sauerteig) böse ist (u. er
leicht ins Heidentum zurückfällt). || GnR 70 (45-'): Man hat gesagt: Wenn R. J'^hoschua?
(um 90) nicht so langmütig mit dem (Proselyten) 'Aqilas umgegangen wäre, so wäre dieser
zu seiner (früheren) Art i^ic zurückgekehrt (wieder Heide geworden). — In der Parallel-
stelle Midr Qoh 7, 8 (ed. 1519) steht ^-is^r statt i^ic. — Über <Aqilas s. zu 1 Kor 16, 19.
d. BM 83 1«: R. .l'^hoschua! b. Qarcha (um 150) ließ dem R. EHazar b. SchimEon (der
den Römern Schergendienste leistete) sagen: Essig, Sohn des Weines (]'"' "ja V'^in, d. h.
entarteter Sohn eines braven Vaters), wie lange willst du das Volk unsres Gottes zur
Hinschlachtung ausliefern? — In der Parallelstelle aramäisch: s-^sr; 12 sVn pMa'as 8,
50*^, 47. il Chullin lOö'' findet sich zweimal die Redensart: In dem u. dem Stück bin ich
im Vergleich mit meinem Vater s^i^r -«3 ahn = Essig, Sohn des Weines (der Vater
beobachtete eine strengere Gesetzespraxis als der Sohn). || RH 3i>. 4» beseitigt R. Ji9chaq
(um 300) einen Widerspruch zwischen mehreren Aussagen über den König Darius mit
den Worten: Da liegt kein Widerspruch vor; in dem einen Fall handelt es sich um die
Zeit, bevor er sauer (gottlos) geworden war •;"^~~'^ s-;ip, u. in dem andren um die
Zeit, nachdem er sauer geworden war. Rab Kahana (um 300) warf ein: Ist er denn sauer
geworden v"'''^'^ "'s!? Woher läßt sich beweisen, daß er sauer geworden ist \-aT.^-.'>
e. M^'khEx 12, 17 (13a): „Beobachtet die ungesäuerten Brote" Ex 12,17. R. Joschijja
(um 140) sagte: Lies nicht so rvii'?-, sondern r-:;»jrT „die Gebote": wie man das un-
gesäuerte Brot nü^ nicht sauer werden läßt, so soll man auch ein Pflichtgebot n^i:»?
nicht sauer werden lassen (auf die lange Bank schieben) ; sondern wenn ein Pfl. in
deine Hand kommt, so tue es sofort. || Sanh 35»; Raba (f 352) sagte: yi^sr; i— i-s Jes 1, 17
bedeutet: Heil dem Richter, der seine Prozeßsache sauer werden läßt (die Urteilsfällung
bis zum nächsten Tage hinausschiebt).
16,13: Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei?
vioq zov avi^Qomov als Messiasbezeichnung s. bei 8, 20 (S. 485) u. 24, 30.
16, 14: Andre (sagen:) Elias, noch andre aber: Jeremias
oder einer der Propheten.
'HXsiuv. — Über die an Elias geknüpften messian. Erwartungen u.
die Vorläufer des Messias s. den Exkurs: Der Prophet Elias nach seiner
Entrückung u. bei seiner Wiederkehr.
730 Matth 16, 14. 17 (3t. SB)
'l£Q€/j.iar. — Das Erscheinen des Jeremia vor Anbruch der messian.
Zeit wird erwartet:
4 Esra 2, 17 ff. : Noli timere, mater filiorum, quoniam te elegi, dicit dominus. Mittam
tibi adiutorium pueros iiieos Isaiam et Jeremiani, ad quorum consilium sanctificavi et
paravi tibi arbores duodecim giavatas variis fructibus, et totidem fontes fluentes lac et
mel, et montes immensos Septem habentes rosam et lilium, in quibus gaudio iniplebo
filios tuos. — Die Stelle stammt von einer christlichen Hand u. verdankt ihren Ursprung
wohl erst einer Reflexion über Mt 16, 14.
In der altjüdischen Literatur erscheint Jeremia nirgends als Vor-
läufer des Messias. Auch in den Legenden 2Makk2,4ff. ; 15, 13 ff., aus
denen nach Bertholdt, Keil, Nösgen u. andren dieVorstellung in Mt 16,14
geflossen sein soll, hat Jer. nichts mit der messian. Zeit zu schaffen,
2Makk2, 4ff. : 'Es stand in der Schrift, wie der Prophet (Jer.) auf erhaltenen
Gottesbefehl das Zelt u. die Bundeslade sich nachtragen ließ. Wie er aber an den Berg
kam, von wo herab Mose Gottes Erbteil geschaut hatte, da ging Jer. hin u. fand eine
höhlenartige Behausung: dahinein brachte er das Zelt u. die Lade u. den Räucheraltar
u. verwahrte den Zugang. Später kamen etliche von seinen Begleitern, um sich den
Weg zu bezeichnen, u. konnten ihn nicht finden. Da Jer. das erfuhr, sprach er tadelnd :
Der Ort soll unbekannt bleiben, bis dafj Gott sein Volk wieder versammelt u. ihm Gnade
erweist. — Bertholdt, Christologia Judaeorum S. 67 f. bringt hierzu aus Josephus Gorio-
nides einen Parallelbericht, an dessen Schluß Jer. sagt: ,Nemo hominum seiet locum,
donec venero ego et Elias" ; aber die auf Jer. bezüglichen Worte fehlen wenigstens in
unsrer Ausgabe des Josippon, Amsterdam 1728, Blatt lob. jj 2 Makk 15, 12 ft'.: Das darin
(in einem Traum des Judas Makkabäus) enthaltene Gesicht war aber dieses: Onias
(der III.), der einstige Hohepriester, habe mit ausgestreckten Händen für das ganze
Gemeinwesen der Juden gebetet. Dann sei ihm ebenso ein Mann erschienen, durch
graues Haar u. Würde ausgezeichne't u. um denselben eine wunderbare u. hochherrliche
Majestät. Onias aber habe angehoben u. gesagt: Dieser ist der Freund seiner Brüder, der
viel betet für das Volk u. die heilige Stadt, Jeremia, der Prophet Gottes. Jer. aber habe
mit ausgestreckter Hand dem Judas ein goldenes Schwert gegeben u. dabei gesagt: Nimm
das heilige Schwert als ein Geschenk von Gott; durch es wirst du die Feinde vernichten!
fV« rujy ■nQ0(f7]Tiöi'; s. hierzu bei Joh 6, 14 u. Apg 3, 22.
16, 16: Du bist der Christ, der Sohn des lebendigen Gottes.
Zu 6 XQiaiög s. S. 6 ff. u. zu d viSg rov f^eov bei Rom 1, 3.
16, 17 51: Barjona.
BaQicovä = xji^ i2. Solche Abkürzung, aus -^zrrr (•rrt'i'i) Joh 1,42;
21,15 ist sonst nicht nachweisbar (Dalman, Gramm.- S. 179).
16,17 23: Fleisch u. Blut.
accQ^ xal aijjia. — d'iT -iizj2 häufige Umschreibung für „Mensch",
meist, wie auch hier, im Gegensatz zu dem unvergänglichen Gott.
Sir (hebr.) 14, 18: Wie die Blattknospe am grünen Holz: die eine wird welk u. die
andre sproßt — so sind die Geschlechter von Fleisch u. Blut: das eine stirbt u. das
andre kommt zur Reife. || B*'rakh28b: Als Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) er-
krankt war, besuchten ihn seine Schüler. Als er sie sah, fing er an zu weinen. Sie
sprachen zu ihm: Leuchte Israels, rechte Säule (vgl. 2 Chr 3, 17), fester Hammer, warum
weinst du? Er antwortete: Wenn man mich vor einen König von Fleisch u. Blut führte,
der heute hier ist u. morgen im Grabe — wenn er über mich zürnte, so wäre sein Zorn
kein ewiger Zorn, u. wenn er mich fesselte, so wäre seine Fessel keine ewige Fessel,
Matth 16, 17 (58). 16, 18 (Nr. 1) 731
n. wenn er mich tötete, so wäre sein Töten kein ewiger Tod; auch könnte ich ihn mit
Worten besänftigen u. mit Geld bestechen — so würde ich gleichwohl weinen. Und
jetzt, da man mich vor den König aller Könige, den Heiligen, gebenedeiet sei er! führt,
der da lebt u. bleibt in alle Ewigkeiten — wenn er über mich zürnt, ist sein Zorn ein
«wiger Zorn; wenn er mich fesselt, ist seine Fessel eine ewige Fessel; wenn er mich
tötet, ist sein Töten ein ewiger Tod ; auch kann ich ihn nicht mit Worten besänftigen
-u. mit Geld bestechen; u. nicht bloß dies, es sind auch zwei Wege vor mir, der eine
ist der zum Gan fEden u. der andre der zum Gehinnom, u. ich weiß nicht, welchen
man mich führen wird — da sollte ich nicht weinen? Sie sprachen: Unser Lehrer,
«egne uns! Er antwortete: Möchte es (Gottes) Wille sein, daß die Furcht vor Gott bei
•euch sei so, wie die Furcht vor Fleisch u. Blut.^ Die Schüler sprachen: Weiter nicht?
Er antwortete: Wenn es doch so wäre (daß der Mensch Gott so fürchtete wie die
Menschen)! Wisset, wenn ein Mensch eine Übertretung begeht, sagt er: Daß mich nur
nicht ein Mensch sieht! || GnR 1 (2''): ,Denn du bist groß u. wundertätig, du bist Gott
Allein" Ps 86, 10. Wie es auf Erden Brauch ist, wird ein König von Fleisch u. Blut in
■einer Stadt (oder Provinz) gepriesen u. die Großen der Stadt (Provinz) werden mit ihm
gepriesen; denn sie tragen mit ihm seine Last. Aber Gott nicht also: er hat allein die
Welt geschaffen, er wird allein in der Welt gepriesen, er wird allein in seiner Welt
verherrlicht, ij GnR 1 (2'^): Wie es auf Erden Brauch ist, wird ein König von Fleisch u.
Blut in einer Stadt (Provinz) gepriesen, bevor er ihr öffentliche oder Privat-Bäder erbaut
•hat; zuerst erwähnt er seinen Namen u. schließlich sein Werk. Aber der Einzige der
Welt wirkt zuerst u. hinterher wird er gepriesen. Schimfon b. fAzzai (um 110) sagte:
Deine Herablassung macht mich groß (2 Sm 22, .36). Fleisch u. Blut erwähnt (zuerst)
seinen Namen u. dann seinen Titel (wörtlich: sein Lob): NN Augustalis; NN ngoiriaiog
(oder nowKtToi, der Vornehme). Aber Gott nicht also: erst nachdem er die Bedürfnisse
seiner Welt erschaffen hatte, erwähnt er hinterher seinen Namen, s. Gn 1,1: ,1m Anfang
■erschuf, u. dann folgt: „Gott", 11 fEr 19": R. Jirm'*ja b. Elfazar (wohl der Jüngere,
«ra 270) hat gesagt: Komm u. sieh, daß nicht wie Gottes Art die Art von Fleisch u.
Blut ist. Die Art von Fl. u. Bl. ist es, daß man, wenn ein Mensch den Tod durch die
Regierung verdient hat, ihm einen Knebel (Stück Holz) in den Mund legt, damit er
<lem König nicht fluche; Gottes Art aber ist es, daß der Mensch, wenn er den Tod
durch Gott verdient hat, schweigt, s. Ps 65,2: Dir gegenüber ist Schweigen usw. ||
Weitere Beispiele s. pB^rakh 1>, 13», 27: Fl. u. Bl. hat einen Schutzherrn. — Das. Z. 31:
Kann denn FI. u. Bl. der Regierung entfliehen? — Das. 13^, 1: Wenn der, welcher sich
•an Fl. u. Bl. hängt, gerettet wird, um wieviel mehr der, welcher sich an Gott hängt! —
Das. Z. 4: Wenn der, dessen Name lautet wie der von Fl. u. Bl. (wie der eines Menschen)
gerettet wird, um wieviel mehr der, dessen Name wie der Name Gottes ist! — Das.
Z. 33: Fleisch u. Blut (= ein Mensch) hat einen Verwandten; wenn es (Fl. u. Bl. = der
betreffende Mensch) reich ist, bekennt sich dieser zu ihm, u. wenn es arm ist, ver-
leugnet es dieser; aber Gott nicht also. . . . || „König von Fleisch u. Blut" = mensch-
licher König im Gegensatz zum König aller Könige zB B'^rakh 28^ (s. oben), Midr Ps 21
§2 bei Hebr2,7; Sanh91aim Exk.: Allgemeine Auferstehung? Nr.4 E; IkZh^^; Wrakh.
31b; ExR43 (99a) oben S. 725. 726 u. 141;'. H Bloß -:r2 in der Verbindung -ia '}z. Sa
im cAlenu-Gebet: „Alle Kinder des Fleisches (Menschen) werden deinen Namen an-
rufen." — Weitere Belege s. bei 1 Kor 3, 1. 3.
10, 18: Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, u. auf diesem
Pelsen will ich meine Gemeinde bauen, u. die Pforten der
Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
1. xccyu) dt Goi /fc'yotj oti av si JIstqoc, xal sm ravTi] tj] ntToa. — Im
griech. Text bilden die Worte öv ii Tlktooc einen selbständigen Satz;
* -Furcht vor Menschen* cti ira '::s rtiiij zweimal in Nazir 9, 5.
732 Matth 16, 18(iNr. 1.2)
das beweist vor allem das öxi, das eine direkte Rede einführt, u. die
Korrespondenz, die zwischen dem ov si 6 Kgiaroq Vers 16 u. dem av sC
IlicQoc besteht. Der ganze Satz ist dann so zu deuten : Aber auch ich
sage dir: Du bist Petrus, du hast dich als Felsenmann bewährt,^ indem
du als erster meine Messiaswürde u. meine Gottessohnschaft gläubig
bekannt hast, u. auf diesem Felsen, d. i. auf dieser von dir gläubig
bekannten Tatsache meiner Messiaswürde u. meiner Gottessohnschaft,
will ich meine Gemeinde bauen. — Aber eine andre Frage ist, ob dieser
Text auch wirklich dem Wortlaut der Rede in Jesu Mund voll entspricht.
Jesus wird gesagt haben (aramäisch): cin-je nx -b --on n:« rix (= hebr. :
01— l;s nnx ?;b -i^x i3x es). In diesen Worten hat der Übersetzer pn (nri5<)
als erstes Wort einer direkten Rede gedeutet: „Du bist Petrus", als
ob Jesus gesagt hätte: 's x^in nx. In Wirklichkeit aber ist t^x lediglich
betonende Wiederholung des in -? liegenden Pronomens der 2. Person,
vgl. Hag 1,4: orx csl: = „euch, ja euch", s. Strack, Gram. §81, Ges.
§ 135, 2. Jesu Worte sind also zu übersetzen: Auch ich sage dir, ja dir,
Petrus (sage ich es, weil du als erster meine Messiaswürde u. meine
Gottessohnschaft bekannt hast): Auf diesem Felsen (auf der Tatsache
meiner Messiaswürde u. meiner Gottessohnschaft) will ich meine Ge-
meinde bauen. — Das xuyM 6s aoi /.t'ya) tritt damit an die Seite der
dem Petrus gewordenen Gottesoffenbarung: Gott hat dir meine Messias-
würde u. meine Gottessohnschaft offenbart, u. ich füge dir, Petrus, gegen-
über hinzu: Auf dem Felsengrund dieser Wahrheit will ich meine Ge-
meinde bauen. — Diese Fassung der Worte Jesu empfiehlt sich wegen
ihrer Einfachheit von selbst: vor allem beseitigt sie jeden Zweifel
darüber, was unter dem Felsen der Gemeinde Jesu zu verstehn ist.
2. sTii laviij %fi näxQu oixodo}.i)]öO!i f.iov xijv exxh^aiar. — Das Bild
vom Bauen begegnet oft in der rabbin. Literatur; schon der alttestam.
Ausdruck „Haus Israel" legte es nahe, vgl. zB Ruth 4, 11 f. So erscheint
Gott als Baumeister der W'elt; an andren Stellen wird die Tora als Bau-
meisterin der Welt bezeichnet, auch als Schöpfungsplan u. Schöpfungs-
werkzeug wird sie angesehen, s. Beispiele bei Joh 1 , 1 —4 Nr. 4. — Häufig
wird über den Grund reflektiert, der es Gott ermöglicht hat, seine Welt
zu schaffen. Als solcher wird genannt: «, die Tora; so R, Banna>a(um 220)
GnR 1 (2«), R. Acha (um 320) GnR 1 (2^"), R. J'^huda b. Simon (um 320)
LvR 23 (121''), R. Judan (um 350) GnR 12 (8^'), anonym Tanch i-r^ 89'\ \
fi, Abraham; so R. J'^hoschua'^ b. Qarcha (um 150) GnR 12 (9^), R. Levi
(um 300) GnR 12 (8^"), R. Chalaphta b. Kahana (ein Amoräer ungewisser
Zeit) Tanch B r-^ -r § 6 (60"), R. Judan (um 350) Midr Ps 104 § 15 (222 "),
R, Tachlipha (wann?) TanchB r-^Trx-n § 16 (6*). | y, Jakob; so R, Abbahu
^ Es handelt sich hier nicht um die Beilegung des Namens Petrus, die war ja
nach Joh 1, 42 bereits bei der Berufung des Apostels erfolgt, sondern um das Zeugnis,
daß der Apostel durch das eben abgelegte Bekenntnis seinen Beinamen als Felsenmann
bewährt habe.
Matth U>, 18 (Nr. 2. 3) 733
<um 300) LvR 36 (133'^), R. Chanina b. Ji9chaq (um 325) LvR 36 (133^). \
J, Mose; so R. Acha (um 320) LvR 36 (133 '0. \ f, die Gerechten; so R. Jose
b. Chanina (um 270) Midr Ps 45 § 9 (107"). | s, Israel. Belege s. im Ex-
kurs: „Diese Welt" usw. II, 2, u. — In diesen Stellen heißt es überein-
stimmend, daß die Welt nur um Abrahams oder um Moses oder um
Israels willen erschaffen worden sei. Darin liegt, daß die Verdienste
der Genannten Gott eine Bürgschaft gewesen seien, daß das Ziel des
göttl. Weltplanes werde erreicht werden, u. eben weil Gott die Ver-
wirklichung des Weltzwecks durch die Genannten im voraus gesichert
sah, darum können sie selbst als der Grund angesehen werden, auf
den hin die Welt ins Dasein gerufen wurde, oder als die sichere Grund-
lage, auf der Gott seine Welt erbaute.
GnR66 (42b): R. Huna (um 350) eröffnete im Namen des R. Acha (um 320) seinen
Vortrag mit Ps 75,4: ,0b auch die Erde zerfließt mit all ihren Bewohnern . . ., ich,
ich habe (ihre Säulen) festgestellt." Jch": als die Israeliten (am Sinai) die Worte auf
sich nahmen: ,lch bin Jahve dein Gott" Kx 20,2, da „habe ich (der Erde) Säulen fest-
gestellt. Sela", u. die Welt wurde (durch dieses Verdienst Israels) fundamentiert (lies
ccan: statt zzzr:). li GnR 14(10^): R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Für ge-
wöhnlich wenn ein Mensch (ein Bauherr) einen mächtigen Balken hat, wohin wird er
•den legen? Doch in die Mitte des Speisesaales, damit er die Balken vor ihm u. hinter
ihm trage. Ebenso warum hat Gott den Abraham in der Mitte der Geschlechter er-
schaffen? Damit er die Geschlechter vor ihm u. nach ihm trage. — Parallelstelle:
MidrQoh:^, 11 (19*). || Besonders eng berührt sich mit Mt 16, 18 folgende Stelle aus
J'^lamm'^'denu in Jalqut 1 §766: ,Vom Gipfel der Felsen :— •:: seh' ich ihn" Nu 23, 9.
Ich sehe jene, die der Weltschöpfung vorhergegangen sind. Gleich einem König, der
«inen Bau aufführen wollte. Immer tiefer ließ er graben u. suchte das Fundament
(den Grundstein ci--*?."?^. = .VfufAto?) zu legen; aber er fand Wassersümpfe; u. ebenso
an vielen (andren) Stellen. Da ließ er nur noch an Einer Stelle graben, u. er fand in
der Tiefe einen Felsen s;-^-: [ueTgr.}. Da sprach er: Hier will ich bauen! Und er legte
■das Fundament u. baute. So suchte Gott die Welt zu erschaffen, u. er saß u. dachte
nach über das Geschlecht des Enosch u. das Geschlecht der Flut. Er sprach: Wie
kann ich die Welt erschaffen, da diese Gottlosen erstehn u. mich ärgern werden! Als
aber Gott auf Abraham schaute, der erstehn sollte, sprach er: Siehe, ich habe einen
Felsen s-^-^z gefunden, auf dem ich die Welt bauen u. gründen kann. Deshalb nannte
er Abraham einen Felsen, ~-^, s. Jesöl, 1: „Blicket auf den Felsen, aus dem ihr ge-
hauen seid." Auch die Israeliten nennt er Felsen a—i-- (als Belegstelle ist wohl Nu 23, 9
gedacht). — Eine ganz ähnliche Stelle, in der aber „die Väter" statt Abrahams genannt
sind, findet sich ExR 1.5 (76'). — i| Zu Gott als Baumeister der Welt s. auch M'^kh Ex
15, 11 (49'') u. GnR 1 (2").
3. ri]r exxhjaiar. — f'xy.Xr^ffi'a bezeichnet seiner Etymologie nach
zunächst die Gesamtheit aller durch das Evangelium zu Christo Be-
rufenen, also die neutestamentl. Heilsgemeinde, die Kirche ; so Mt 1 6, 1 8 ;
Apg 5. 11; 9, 31; Rom 16, 23: 1 Kor 6, 4; sodann die Einzelgemeinde
in ihrer örtlichen Begrenzung; so Apg 8, 1; 13, 1; 14 27; Rom 16, 1; 1 Kor
4,17; IThessl.l. — Das AT gebraucht zur Bezeichnung der israe-
litischen Volksgemeinde bnjr (LXX sxxlijai'a u. aviaYMYij) u. nn" (LXX
(Tvrayujyti). — Die Rabbinen verwenden bnp u. mr nur selten; jenes
zur Bezeichnung größerer.» dieses meist zur Bezeichnung kleinerer Ge-
meinschaften b (Einzelgemeinde, Gerichtskollegium usw.). Der eigent-
734 Matth 16, 18 (Nr. 3)
liehe rabbinische Ausdruck für die israelitische Gesamt- u. Einzel-
gemeinde ist ^!i3u, aram. x-^sia^, = Haufen, Gesamtheit, im Gegensatz,
zum einzelnen i"'r.';.c Daneben erscheint sehr häufig die Wendung no:?;
hitr^^i = „Gemeinde Israel", eine Personifizierung des gläubigen Gesamt-
israels, das gleichsam als Mutter den einzelnen Gliedern des Volkes als-
den Kindern gegenübergestellt werden kann; vergleichen läßt sich das-
alttestamentl. Ti'':i zB Jes49, 14 oder auch der mni 152? bei Deutero-
jesaja, soweit er das ideale Israel bezeichnet. Doch scheint der Ausdruck;
bx^iri rczz jüngeren Datums zu sein; er findet sich zuerst im Munde^
des R. Jehoschua< b. Levi u. des R. Schim'on b. Laqischd (beide um 250),.
in einer anonymen Ausführung auch schon M'kh Ex 15, 2 (44'^) u. SDt
32, 1, § 306 (130'') zweimal. Die frühere Zeit sagte statt bx-ia-' ro^s
einfach bNnc^ so SDt 33, 2 §343 (143=»).
a. -"i^. — Hör ],5: Entschied ein Gericlitshof (irrtümlich) u. die ganze Gemeinde
hr-pri 5a oder ihi-e Mehrzahl handelte nach seinem Wort, so bringt man einen Farren.
(als Sttndopfer) dar. . . . Das sind Worte des R. Meir (um 150). R. J'^^huda (um 150) sagte:
Die zwölf Stämme bringen zwölf Farren dar. . . . || pHor 1,46**, 54: R. Meir sagte: Alle
Stämme werden ( zusammen) eine Gemeinde h'np genannt. R. J^'huda sagte : Jeder einzelne
Stamm wird eine Gemeinde -np genannt. || Hör b'^ Bar:' R. Schimfon b. Elfazar (um 190)
sagte in seinem eigenen Namen: Wenn sechs Stämme gesündigt haben u. sie sind die-
Mehrzahl der (ganzen) Gemeinde hr-, oder wenn sieben gesündigt haben, auch wenn
sie nicht die Mehrzahl der (ganzen) Gemeinde Vn- sind, so bringen sie einen Farreni
dar. II pjeb8,9b,49: R.jehuda(um 150) sagte: Vier Gemeinden r-^r^ gibt es (Dt 23, 3.4):
Die Gemeinde hnp der Priester, die Gemeinde der Leviten, die Gemeinde der (übrigen)
Israeliten u. die Gemeinde der Proselyten. . . . Die Rabbinen sagten: Drei Gemeindea
r'-:-np sind es (nämlich die drei zuerst genannten). — In der Bedeutung „Gemeinde-
versammlungen" steht r-''>" zB B'^'rakh 61b: R. sAqiba (f um 135) hatte 'p zus.berufen.
b. --y. — -r-v — Gesamtgemeinde M'^kh Ex 14, 15 (35-^): R. Meir (um 150) sagte-
(Gott sprach zu Mose:) Dem ersten Menschen, der ein einzelner war, habe ich trocknes
Land bereitet (s. Gn 1,9), u. der Gemeinde dieser Heiligen (o^r:^p ny = Israel) sollte-
ich kein trocknes Land (zum Durchzug durch das Meer) bereiten? — my als Bezeich-
nung kleinerer Gemeinschaften zB B'rakh 6-': R. Jicjchaq (um 300) hat gesagt: Woher
läßt sich beweisen in hetug auf zehn Personen, welche beten, daß die Sch'^khina (Gott-
heit) unter ihnen weilt? s. Ps 82, 1: ,Gott steht da in der Gemeinde Gottes" -s nsa
(also bilden schon zehn Personen eine ~~y, vgl. das nächste Zitat). i| Sanh 1,6: Woher,,
daß eine Gemeinde --,y aus zehn Personen besteht? s. Nu 14,27: „Wie lange soll es
dieser bösen Gemeinde . . .?" Josua u. Kaleb sind ausgenommen. — Nu 14,27 wird
auf die Kundschafter gedeutet; da deren Anzahl zwölf, also ohne Josua u. Kaleb zeha
betrug, u. diese zehn Nu 14, 27 eine n-j- heißen, so folgt daraus, daß zu einer my
(mindestens) zehn Personen gehören. || pMSch 2, 53*^, 2 wird „eine heilige Gemeinde"
nx-rp r.-.v erwähnt, mit der R. Jose b. M'^schullam u. R. Schimfon b. M'^nasja (beide-
um 180) gemeint sind. — In bezug auf sie wird Midr Qoh9,9(42^) gefragt: Warum
nennt Rabbi sie „heilige Gemeinde"? . . . Weil sie den Tag drittelten: ein Drittel für
die Tora, ein Drittel für das Gebet u. ein Drittel für die Arbeit. Einige sagen: Sie be-
schäftigten sich mit der Tora in den Wintertagen u. mit der Arbeit in den Sommer-
tagen. II BQgub wird mehrfach der Ausspruch des R. Schimfon aus Teman (um 110>
zitiert, daß die Faust, die geschlagen hat, dem Gerichtskollegium u. den Zeugen n-y'5
c^-y^i zu übergeben (vorzulegen) sei.
C. "i::::, meist = Einzelgemeinde. B'rakh 8b : R. J^'hoschuac b. Levi (um 550) hat
gesagt: Es ist dem Menschen verboten, hinter der Synagoge vorüberzugehn zu der Zeit,
da die Gemeinde -i:u- (darin) betet. || TB'rakh 3, 5 (6): R. J'huda (um 150) hat gesagt:
Matth 16, 18 (Nr. 3) 735
Wenn R. cAqiba (f um 135) mit der Gemeinde i-^san as betete, so machte er es kurz
der Gesamtheit wegen. || Aboth 2, 2: Rabban Gamliel, der Sohn des Patriarchen R. J'^huda,
(um 220) sagte: . . . Alle, die sich mit der Gemeinde ^^zli^r\ dv abmühen, sollen sich
mit ihnen (den Gemeindegliedern) um Gottes willen (u. nicht aus selbstischen Neben-
absichten) abmühen. |i Joma22b: Sch*^muel (f 254) hat gesagt: Wenn ein Mensch zum
Vorsteher über die Gemeinde -i3-.i:^ hy gesetzt wird, wird er reich. . . . R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Schinicon b. J'^ho^adaq (um 225) gesagt: Man stellt als
Vorsteher über die Gemeinde nur einen an, dem eine Butte mit Kriechtieren hinten
herunterhängt: denn wenn sein Sinn stolz wird, sagt man zu ihm: Wende dich rück-
wärts (u. sieh, was dir anhängt: Familienmakel). || RH 17»: Rab J'^huda (f 299) hat
gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Jeder Gemeindevorsteher, der übertriebene Furcht
nicht um Gottes willen über die Gemeinde ^laun hy bringt, sieht keinen Sohn als
Gelehrtenschüler. . . .
-?.2i: = Gesamtgemeinde. Aboth 2, 4: Hillel (um 20 v. Chr.) pflegte zu sagen: Sondre
dich nicht von der Gemeinde (ii:::n ^■o = von der Gesamtheit) ab. || Ta'an IIa Bar:
Wenn die Israeliten sich in Not beiinden u. es sondert sich einer von ihnen ab, dann
kommen die beiden Dienstengel, die den Menschen geleiten, u. legen ihm ihre Hände
auf sein Haupt u. sagen: Dieser NN, der sich von der Gemeinde -laun ^yj (= von der
Gesamtheit) abgesondert hat, soll den Trost der Gemeinde -iz-s nicht sehen! (Die Fort-
setzung der Stelle bei Lk 12, 19). || RH 17a (Bar): Die sich von den Wegen der Gemeinde
-^as (= Gesamtheit) absondern, . . . die stürzen in den Gehinnom hinab. || Joma7,5:
Man befragte die Urim u. Tummim nicht für einen Privatmann, sondern nur für einen
König u. für einen Gerichtshof u. für einen, dessen die Gemeinde -ii3::n (= Gesamt-
heit) bedurfte. || BQ 79 b Bar: Man erläßt keine Verordnung für die Gemeinde ~y
"■lasn (= für die Gesamtheit), es sei denn, daß die Mehrzahl der Gemeinde dabei
bestehen kann.
-^z-s als Gegensatz von t":- — SNu 10, 10 § 77 (19b): , Stoßet in die Trompeten
zu euren Brandopfern u. zu euren Friedmahlsopfern " Nu 10, 10. Von den Opfern der
Gemeinde iias (= Gesamtheit) redet die Schrift. Du sagst: von denen der Gemeinde
.redet die Schrift; oder nicht vielmehr sowohl von denen der G. als auch von denen des
einzelnen -^--? Wovon handelt die (ganze) Stelle? Von der G. R. Schinicon b. cAzzai
(um 110) sagte: Von denen der G. redet die Schrift; oder sowohl von denen der G.
als auch von denen des einzelnen? Die Schrift sagt lehrend: ,Zn euren Brandopfern
u. zu euren Friedmahlsopfern." . . . Ii Joma2, 6 stehen die Gemeindeopfer -la:: r^zz^p
den Opfern eines einzelnen th^ ruaip gegenüber. || Zur Ausgleichung einander wider-
sprechender Sätze dient RH 18 a die Formel: Dort handelt es sich um einen einzelnen
Tn-«, hier um die Gemeinde -nau {-= Gesamtheit).
d. -ia-j^ roja. — P^^s 118^: R. Schimcon b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Was be-
deutet Ps 113,9: n'an n-ipy "»a-i-Ta (seßhaft machte er die Unfruchtbare des Hauses)?
Die Gemeinde Israel hn'Z'^ rziz sprach vor Gott: Herr der Welt, deine Kinder (sach-
lich = meine Kinder, die einzelnen Israeliten gegenüber der 'r^ 'a) haben mich dem
Wiesel gleichgemacht, das am , Grunde des Hauses" (r-an r~py) wohnt. — Ein Klage-
wort der Gemeinde Isr. über ihre Kinder, die durch ihre Sünden es veranlaßt haben,
daß sie in «der Tiefe weilen muß; s. Bacher, Pal. Amor. 2, 370, wo jedoch die Angabe
der Fundstelle (P'^s IIS^J) fehlt. || B'^rakh 32'»: „Zion spricht: Verlassen hat mich Jahve
u. Jahve hat mich vergessen" Jes49, 14. Resch Laqisch (= R. Schim'on b. L.) hat ge-
sagt: Die Gemeinde Israel 'r^ '33 (entspricht genau dem iru Jes49, 14) sprach vor
Gott: Herr der Welt, wenn ein Mensch eine Frau zu seiner ersten Frau hinzunimmt,
so gedenkt er des Tuns der ersten; aber du hast mich verlassen u. mich vergessen! —
Sieh auch die dem R. Schimcon b. L. zugeschriebene Auslegung von HL 8, 10 in BB 7 '^
bei Mt 17, 26. 1| Schab 88^: R. J^^hoschuac b. Levi (um 250) hat gesagt: Was bedeutet
HL 1,13: „Das Myrrhenbündlein ist mir mein Lieber, das zwischen meinen Brüsten
ruht"? Die Gemeinde Israel 'v^ ':a sprach vor Gott: Herr der Welt, auch wenn er
mir Angst u. Bitterkeit bereitet (-5 la^ai -i::-'« zur Deutung von ^Tsn ii^s), weilt mein
736 Matth 16, 18 (Nr. 4. 5). 16, 19 {%)
Lieber an meinem Busen. || Ungemein häufig wird so die 'c ro:: redend eingefülirt
in den Midraschim; 9. zB Midr HL 1,4 ((S6'') zweimal, Autoren: R. Judan, um 3.50. u.
R. ^ Azarja, um 380 ; 1 , 5 (87 b), anonym ; 1 , (i (SS"), R. Simon, um 280 ; 1 , 14 (93 "), R. B-^rekhja,
um 340: 2, 1 (94l>), anonj'm; 2,4(97'*), K. Levi, um 300; 2,.5(97a) zweimal, anonym;
2, 9 (99b), R. Ji^chaq, um 300; 2, 9 (100»), anonym; 3. 1 (103b), R. Levi, um 300:
-5,2(118»), anonym; 6,1(122»), anonym.
4. nvXai ccdov.
iuh^g = vsr wird im NT noch streng unterschieden von ysEiia. = z\-rrz , aram.
-;~"f.: jenes bezeichnet das Totenreich, dieses die Hölle. Erst im rabbin. Schrifttum
ist die Sch^'ol völlig vom G. verdrängt worden: beide Größen bedeuten für das rabbin.
Judentum die Hölle, d. h. «, den zwischenzeitlichen u. ß, den endzeitlichen Strafort der
Gottlosen; s. Exkurs: „Sch^ol, Gehinnom u. Gan 'Eden* 1 u.U. \\ m^^nt udov — Tore
oder Pforten der Unterwelt. Der Ausdruck stammt aus Jes38, 10: '•;:s*i? 'y^v; Targ:
--s"i 'y?r, LXX: nv'Aai üdov. Weish Hi, 13: ov ydg Cw/;? >ta< Unvciiov i'iovaltti' s'/sig.
xcä xmicysig eis nvXag üdov xnl rlfüysig. — 3Makk5, 51: ui'6ßöi]ac(v g^ioi^rj usyaXrj
üfföÖQK rot' TTJg dnüay^g Svväuewg 6vvüaii]i' ixersvovxsg, oiy.reiQcti /usia inicpayeing
avToig rj&i] ngog 7ii''/.{(ig ädov xctflearwiag. — Ps Sal 16, 2: avvsyyvg (nahe) nt/doi'
<i(hv. — Die rabbin. Stellen s. im Exkurs: „Scli'^ol" usw. II, 9, h u. i. || Von den Toren
oder Pforten z'-yx des Gehinnoms unterscheidet das rabbin. Schrifttum die Eingänge
=--rir des G.; auch Apoc Bar 59, 9 redet vom os gehennae = Öffnung oder Eingang
des G.; s. genannten Exkurs II, 9, e — g.
5. ov xaiioxvaovGir avir^c.
x«r«ff;Ki'f'»' = überwältigen, besiegen zB LXX 2Chr8, 3: x(d rj'li^e 2"«A<ij,mw»' sig
lhcta(i)ß(( xcä xrcTia/vasi' avTtjy (~--y 'i~i'). -7 Weish 7,30: Keine Bosheit überwältigt
die Weisheit, aocpUtg de ot' xcttia/vsi (andre Lesart: ovx c(yTia;(t<si) xnxla. — Das. 10, 11 :
Da man ihn (Jakob bei Laban) aus Habgier vergewaltigte xcciia^fvöi'Twr, stand sie (die
Weisheit) ihm bei. — TestRub4: Denn wenn die Hurerei den Sinn nicht überwältigt
(bezwingt), wird euch auch Beliar nicht überwältigen, s(h' yaQ ^1] xccTia^fiiar, 1) noqveln
rrjy syroiar (andre Lesart: r^c sri'oiag), ords o Bsklcep xnzia^i^aei v/uiüy. — Rabbin.
•j-r = über jemanden Gewalt bekommen, ihm etwas anhaben. 'Er 19»; Chag27'^: Resch
Laqisch (um 250) hat gesagt: Das Feuer des Gehinnoms hat den Frevlern unter den
Israeliten nichts an ^ kann ihnen keinen Schaden zufügen, sie nicht vernichten, i's
■-s— j- 'yriEs ruVi;:; sjn-; '•:■:: ms; Chag27a: R. EUazar (um 270) hat gesagt: Den Ge-
lehrtenschülern tut das Feuer des Gehinnoms nichts an p- raVir -j's. Siehe Exkurs:
^Sch^ol" usw. II, 4, a u. II, 5 (vor Anm. 39).
Daß die Pforten der Unterwelt keine Gewalt über die Gemeinde
Jesu haben werden Mt 16, 18, sagt, daß diese von ewiger Dauer
sein wird.
10, 19 %: Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben.
Das Schlüsselbild schon Jes 22, 22 : Ich lege den Schlüssel des Hauses
Davids auf seine Schulter (vgl. Jes 9,5), daß er öffne u. niemand* schließen
könne, u, schließe u. niemand öffnen dürfe. Targ: Ich werde den Schlüssel
des Heiligtums u. die Herrschaft des Hauses Davids in seine Hand geben,
u. er wird öffnen u. es ist niemand da, der zuschließt, u. er wird zu-
schließen u. es ist niemand da, der öffnet, LXX: xai Swao) avtf^ Tr]v
xXtTöa oi'xov /lavid sm voi o^iko avvov' xai avoi'Sei xai ovx aarai o ano-
xXiiwv, xai xXeCcsei xai ovx s'arai 6 avoiycav. — Die Übergabe der Schlüssel
symbolisiert die Übertragung der Macht auf den Hausverwalter, a Von
letzterem gilt dann der Satz: Der Beauftragte ist wie sein Auftrag-
Matth 16, 19 (31) 737
geber.b Umgekehrt bedeutet die Rückgabe der Schlüssel an den Haus-
herrn die Niederlegung des Haushalteramtes, c — Einmal wird bildlich
mit dem „Öffnen" u. „Schließen" auch die Lehrgewalt der Schriftgelehrten
bezeichnet, d — |I Was es um die Schlüsselgewalt ist, besagt der Schluß-
satz; s. bei 16, 19 23.
a. Sanh 113a: Elias der Tisbite, von den Beisassen GiUads, sprach zu Ahab: So
wahr Jahve, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe, es soll diese Jahre weder Tau
noch Regen kommen 1 Kg 17,1. Da bat er um Erbarmen, u. man (= Gott) gab ihm
die Schlüssel des Regens (so dafs er als Gottes Bevollmächtigter über das Kommen
u. Ausbleiben des Regens gebieten konnte). . . . Und es geschah nach diesen Dingen,
daß der Sohn der Frau, der Besitzerin des Hauses, erkrankte 1 Kg 17, 17. Da bat Elias
um Erbarmen, daß man (Gott) ihm den Schlüssel zur Wiederbelebung der Toten gebe.
Man sprach zu ihm: Drei Schlüssel werden keinem Beauftragten, ~"V^> gegeben: der
zur Geburt (zum Schwangerwerden), der zum Regen u. der zur Wiederbelebung der
Toten; soll man etwa sagen: Zwei sind in der Hand des Schülers (des Elias) u. (nur)
einer in der Hand des Lehrers (Gottes)? Bringe jenen (den ihm bereits gegebenen zum
Regen) u. nimm diesen (den zur Totenauferweckung). |1 Tacan 2^: R. Jochanan (f 279)
hat gesagt: Drei Schlüssel sind in der Hand Gotte.s, die in die Hand keines Beauf-
tragten gelegt werden, nämlich der zum Regen, der zur Geburt (Empfängnis) u. der
zur Wiederbelebung der Toten. Der Schlüssel zum Regen, s. Dt 28, 12: Jahve (also
kein andrer) wird dir seinen guten Schatz auftun, den Himmel, den Regen zu seiner
Zeit. Der Schlüssel zur Geburt, s. Gn 30,22: Da gedachte Gott an Rahel u. erhörte sie
u. öffnete ihren Mutterschoß. Der Schlüssel zur Wiederbelebung der Toten, s. Ez 37, 13:
Ihr werdet erkennen, daß ich Jahve bin, wenn ich eure Gräber öffne. Im Abendland
{— Palästina) fügte man noch den Schlüssel der Ernährung hinzu, wie es heißt Ps 145, 16:
Du tust deine Hand auf u. sättigst alles Lebende mit Erwünschtem. Aus welchem
Grunde hat R. Jochanan diesen nicht mitgezählt? Er meinte, der zum Regen sei der-
selbe wie der zur Ernährung. — Parallelstellen: GnR73(46'') mit R. Bebai (um 320)
als Autor; in DtR7 (204b) u. Midr Ps 78 § 5 (173b) R. Jonathan (um 220) als Autor;
anonym P«siqR 42 (178»). Vier Schlüssel zählt Targ Jerusch I Dt 28, 12 u. Targ Jerll
Gn30,22. || Schab 31a: Rabbah b. Huna (um 300) hat gesagt: Wer Torakenntnis be-
sitzt, aber keine Gottesfurcht, der gleicht einem Schatzmeister, dem man die inneren
Schlüssel übergab, ohne ihm die äußeren Schlüssel zu übergeben. Wie soll er hinein-
kommen? || P^'siq 53b: R. JiQchaq (um 300) hat gesagt: Gleich einem König, der viele
Schatzkammern hatte, u. zu jeder einzelnen besaß er den Schlüssel; als aber sein Sohn
auftrat, übergab er ihm die Schlüssel. — Dasselbe P^siqR 15 (77 a), vgl. pRH 1,57^,24. ]!
Git56a: Rab Chisda (f 309) pflegte alle Schlüssel seinem Diener zu übergeben, aus-
genommen den zum Holzvorrat.
b. Der häufig wiederholte Satz lautet B^rakh 5,5: -n'.ni: a^s hv •-rr-r, der Be-
auftragte (Bevollmächtigte, wörtlich: Abgesandte) eines Menschen ist wie er selbst.
C. Apok Bar 10,18: Ihr aber, ihr Priester, nehmt die Schlüssel des Heiligtums u.
werft sie empor zur Höhe des Himmels u. gebt sie dem Herrn hin u. saget: Bewache
du dein Haus; denn siehe, wir sind (wie es die Zerstörung des Tempels beweist) als
trügerische Haushalter erfunden worden! — AbothRN4: Öffne, Libanon (= Tempel),
deine Pforten, daß Feuer deine Zedern verzehre Sach li, 1. Damit sind die Hohen-
priester im Heiligtum gemeint, die ihre Schlüssel in ihrer Hand hatten u. sie (bei der
Zerstörung des Tempels) in die Höhe warfen u. vor Gott sprachen: Herr der Welt,
hier sind deine Schlüssel, die du uns übergeben hast; denn wir sind nicht zuverlässige
Verwalter gewesen, das Werk des Königs zu tun u. vom Tisch des Königs zu essen. —
Parallelen mit ausschmückenden Erweiterungen: pSch^q G, 50», 48; Tatan29a (s. bei
Mt4,5S. 151); LvRl9(119a).
d. SDt 32, 25 s. bei Mt 16, 19 33, Anm. c.
Straek u.Billerbeck, NT I. ' 47
738 Matth 16, 19 (SB 1)
16, 19 SB: Was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel
gebunden sein, u. was du auf Erden lösen wirst, das wird im
Himmel gelöst sein.
1. o sdv ^t'^(Tr]g . . . o idv kvarjg. — Kraft der ihm übertragenen
Schlüsselgewalt darf Petrus „binden" u. „lösen". Die Parallele Mt 18, 15 ff,
läßt keinen Zweifel, daß mit dem „Binden" die Ausschließung aus der
Gemeinde durch Bannspruch u. mit dem „Lösen" die Aufhebung des
Bannes gemeint ist. Bei dieser Erklärung des Bindens u. Lösens wird
allerdings den beiden griechischen Verben dssiv {6hv) u. Xvsn' eine
Bedeutung beigelegt, die sie an sich nicht haben. Diese Schwierigkeit
schwindet aber, wenn man annimmt, daß deeiv u. Xiifiv nur eine wört-
liche Wiedergabe ihrer aramäischen Äquivalente '^ön u. n-^tt (hebr. -dx
u. i^n) sind. Auch diese Verben bedeuten zunächst wörtlich „binden*
u. „lösen", werden dann aber speziell gebraucht, um das Verhängen
u. Aufheben des Bannes auszudrücken, a Wie nahe es übrigens dem
griechisch redenden Juden gelegen hat, das Verhängen u. Lösen des
Bannes gerade durch ds'siv u. ?<.v€iv auszudrücken, zeigt Bell. Jud. 1, 5, 2.
Josephus berichtet hier, wie es die Pharisäer verstanden hätten, sich
in die Gunst der Königin Alexandra (78 — 69 v. Chr.) einzuschleichen
u. allmählich alle Gewalt an sich zu reißen; dabei sagt er von ihnen
wörtlich: „Sie vertrieben u. führten zurück, wen sie wollten; sie lösten
u. banden", d. h. sie hoben den Bann auf u. verhängten ihn, diwxeiv ts
xal xaräyeiv ovg ii^eXoisv, Xvsiv ts xal 6sTv. Josephus gebraucht also
6t'8iv u. Xvsiv ohne jede nähere Hinzufügung, genau wie sie Mtl8, 18
gebraucht sind, ein deutlicher Beweis, wie wenig mißverständlich die
beiden griechischen Verben als Fachausdrücke auch einem griechischen
Ohr gewesen sind, wenn man nur die Schulausdrücke ""cx u. xn^j (i''~f^)
kannte.
Sachlich folgt aus Mt 18, 18 für 16, 19, daß zu der dem Petrus über-
tragenen Schlüsselgewalt jedenfalls die Ausübung der Disziplinargewalt
bis hin zur Verhängung des Bannes gehört hat. Verkehrt aber würde
es sein, wenn man aus 18, 18 folgern wollte, daß de'siv u. Xvsiv 16, 19
lediglich das Verhängen u. Lösen des Bannes bedeuten könne, woraus
dann weiter folgen würde, daß die Schlüsselgewalt des Apostels nur
in seiner Disziplinargewalt bestanden hätte. Man darf nicht übersehen,
daß es sich 18, 15 ff. um einen Straffall handelt; in einem solchen Zus.-
hang können dtsiv u. Xv6l^' naturgemäß nur Akte der DiszipHnargewalt
bezeichnen. 16, 19 aber liegt eine Beschränkung auf u. durch einen
bestimmten Einzelfall nicht vor; wenn da also ganz allgemein von
einem „Binden" u. „Lösen" geredet wird, so darf jedenfalls von vorn-
herein nicht die Möglichkeit in Abrede gestellt werden, daß mit diesem
Binden u. Lösen außer der Bannverhängung u. Bannaufhebung auch
noch etwas andres gemeint sein könne, falls eine anderweitige in den
Zus.hang passende Bedeutung des Bindens u. Lösens nachweisbar ist.
Matth 16, 19 (SB 1) 739
Hier ist noch einmal auf denrabbin. Sprachgebrauch zurückzugreifen.
-DN u. ^inn (xiü;) bedeuten nicht bloß „den Bann verhängen", bezw. „auf-
heben", sondern vor allem auch (in halakhischen Lehrentscheidungen)
„verbieten" u. „erlauben". Die Schriftgelehrten „binden", bezw. „lösen",
d. h. sie erklären etwas für verboten, bezw. für erlaubt, b Es liegt kein
Grund vor, diese Bedeutung dem däsir u. Xvsiv Mtl6, 19 zu versagen.
Wenn Petrus als Gottes Hausverwalter berufen war, die Disziplinar-
gewalt im Hause Gottes auszuüben, so mußte er auch in der Lage sein,
in jedem Fall autoritativ zu entscheiden, was nach der göttlichen Haus-
ordnung im Reiche Gottes Rechtens u. was nicht Rechtens sei, was als
erlaubt u. was als verboten zu gelten habe. Die Disziplinargewalt des
Apostels hatte damit seine Lehrgewalt zur unbedingten Voraussetzung;
erst die Vereinigung beider Gewalten in seiner Hand machte die Schlüssel-
gewalt aus, die ihm übertragen war. Bedeutsam für den vorliegenden
Zus. hang ist auch dies, daß die Lehrentscheidungen der Rabbinen einmal
bildlich geradezu als ein „Öffnen" u. „Schließen" bezeichnet werden. c
Man erkennt daraus, wie n.ahe es der jüdischen Anschauung gelegen hat,
bei demSchlüsselbilde gerade an dieLehrgewaltmenschlicher Autoritäten
zu denken, u. wie wenig angebracht es deshalb ist, in der Lehrgewalt des
Petrus nicht einen wesentlichen Teil seiner Schlüsselgewalt zu sehen.
Hiernach bezeichnen die beiden Verba hier erstens Akte der Lehr-
gewalt („verbieten" u. „erlauben"); zweitens Akte der Disziplinargewalt
(„den Bann verhängen" u. „den Bann aufheben").
a. ^ZK u. K-^v MQ 16»: Scli'^muel (f 254) hat gesagt: Ein Posaunenstoß verhängt
den Bann (verkündet seine Verhängung) u. ein P. hebt ihn auf (verkündet seine Auf-
hebung), d. h. auf die Verhängung des Bannes kann sofort seine Aufhebung folgen;
--r lan-ii "icx 012. (Über dies Posaunenblasen s. den Exkurs: „DerSynagogenbann" B, 2.) j
Die Tosaphisten zu M'^n 34l> u- bringen zu MQ 16 a eine Erklärung, in der ziz = „zwei*
gedeutet wird: Zwei Gelehrtenschüler verhängen den Bann "j-^-Cis u. zwei andre können
ihn lösen ^th^. — Andre Stellen für ^os in der Bedeutung ,den Bann verhängen*
haben wir nicht gefunden; doch vgl. die oben mitgeteilte Äußerung des Josephus über
die Pharisäer: 'Xvsiv re xnl dsty\ || ^cs bedeutet auch „durch Zauberspruch binden oder
festmachen" : Schab 81 ^■. Rab Chisda (f 309) u. Rabbah b. Rab Huna (f 322) waren auf
ein Schiff gegangen. Eine Matrone sprach zu ihnen: Lasset mich bei euch sitzen (lies
•nan-s statt pns)! Sie ließen sie nicht sitzen. Da sprach jene etwas u. bannte das
Schiff fest rr-ics. Es sprachen jene etwas u. lösten es s-r,■^'-r■. Weitere Belege: Targ
Jerusch I Dt 18, 11 ; 24, 6; Targ Ps 58, 6; Targ Jerusch II Dt 24, 6. — 1| Für gewöhnlich
ist bannen = in den Bann tun hebr. nn: u. c"}~-, aram. •'-5, a--, s'^-x u. r-srj. Da-
gegen wird für das Lösen des Bannes allgemein i-nn, aram. N~r gebraucht.
b. "CS, aram. 'cx = verbieten, "r-, aram. s';«; = erlauben ; daher --s"« Verbot,
Verbotenes, ir- Erlaubnis, Erlaubtes. Die beiden Verba stehen entweder absolut« oder
mit dem Akkusativ einer Persona oder Sache./
«. T*'r 5,4: Wenn 1 Sea unreine Hebe in 100 Sea r^ine Hebe gefallen ist, hat die
Schule Schammais (alles) verboten ■,'-c":n u. die Schule Hillels erlaubt ^iTtt. || TJ'^b
1,11 (242): Obwohl die Schule Schammais verbot ■j-'-'Cis u. die Schule Hillels erlaubte
•j^^T«, hinderte sie das doch nicht, bei Reinem sich gegenseitig behilflich zu sein
(indem sie zB Gefäße einander liehea, s. Raschi J'='b IS^). || pSchab 1,4a, 59: Man über-
sendet keine Briefe durch einen Nichtisraeliten am Rüsttag des Sabbats u. auch nicht
47*
740 Matth 16, 19 (93 1)
am 5. Wochentag (Donnerstag). Die Schule Schamniais verbot i'-cik auch am 4. ^\''ochen-
tag; die Schule Hillels aber erlaubte y^rii. . . . Man tritt keine Seereise an am Rüst-
tag des Sabbats u. auch nicht am 5. Wochentag. Die Schule Schammais verbot ■j-io-'x
auch am 4. Wochentag; aber die Schule Hilleis erlaubte •'"'-r>:. || V^s 4,5: Die Gelehrten
sagten: In Judäa arbeitet man an den Rüsttagen des Passahfestes bis mittags, in
Galiläa arbeitet man gar nicht. Was die Nacht (zum Rüsttage) betrifft, so verbietet
"]"iois die Schule Schammais (den Galiläern), aber die Schule Hillels erlaubt y^'rn
bis zum Aufstrahlen der Sonne. H Pea 6, 11 : Wenn jemand Früchte in Syrien verkauft
u. sagt: ,Sie sind aus dem Lande Israel", so muß man sie verzehnten (während die
in Syrien selbst gewachsenen Früchte der Zehntpflicht nicht unterlagen). Sagt er weiter:
„Sie sind verzehntet", so ist er beglaubigt; denn der Mund, der (zuerst) verbot -iDs,
derselbe Mund hat (hinterher) erlaubt ""rn (war sein erster Ausspruch glaubwürdig,
dann auch der zweite). || TJ*^b4,6(245): Ein Gelehrter, der eine Prozeßsache entscheidet,
der für unrein u. rein erklärt, der verbietet u. erlaubt --r-i -os || P^sß, 2: R.J'^hoschua'
(um 90) sprach zu ihm: Der Festtag entscheide (sei Beweis): an ihm hat man mit Rück-
sicht auf die Arbeit erlaubt — "rn u. mit Rücksicht auf das Feiern (aus Gründen der
Ruhe) verboten -cn. || pJom Tob 1,60a, 53: R. Jochanan (f 279) ging von Sepphoris
hinab nach Tiberias; er sprach: Warum bringt ihr diesen Alten (= Gelehrten) zu mir?
Denn ich erlaube (erkläre für erlaubt) "-r S3s, u. er verbietet "Cs; ich verbiete u. er
erlaubt. 11 pSchab 19, 16*^,46: An Bar Marina (um 300) trat der Fall heran (nach einer
Regel des R. J'^hoschuaf b. Levi, um 250, zu handeln). Er fragte den R. Simon (um 280),
u. dieser erlaubte sir; er fragte den R. Ammi (um 300), u. dieser verbot ^cs. Da
brauste R. Simon auf. Aber ist denn nicht so in einer Bar gelehrt worden: Hat man
sich bei einem Gelehrten erkundigt u. dieser erlaubte i'rn, so darf man einen andren
Gelehrten befragen, ob der vielleicht verbietet los' (weshalb also das Aufbrausen des
R. Simon)? R. Judan (wohl = R. Jehuda b. Simon, um 320) hat gesagt: Die Sache war
so: er fragte den R. Ammi, u. dieser verbot ihm n^ls -ds; er fragte den R. Simon, u.
dieser erlaubte stj; . Da brauste R. Ammi auf entsprechend dem, was in einer Bar
gelehrt ist: Hat man sich bei einem Gelehrten erkundigt, u. dieser verbot ^os, so soll
man keinen andren Gelehrten fragen, ob der vielleicht erlaubt "<-r". Vgl. Bar <AZ 7 a. ]
pSchab 6, T'^, 41: R. Z^cira (um 300) antwortete: Verbiete nicht u. erlaube nicht sV
^ir^r sVt i^ot . Man soll am Sabbat nicht in einen Spiegel sehen. Wenn er an der
Wand befestigt ist, so erlaubte it« Rabbi, die Gelehrten aber verboten "'^ois.
ß. Jeb 1,4 u. (Ed4,8: Die Schule Schammais erlaubte i'-i-r« den Brüdern die Neben-
frauen (der verbotenen Verwandtschaftsgrade zur Leviratsehe); die Schule Hillels ver-
bot ^"DiK. II Ned9, 5: (Ein Mann hatte durch ein Gelübde jedem Genuß von seiner
Frau entsagt u. sollte sie unter Auszahlung der ihr zustehenden Hochzeitsverschreibung
entlassen. Da er nicht zahlen konnte, ging er den R. 'Aqiba, f um 185, um Auflösung
des Gelübdes an u. erklärte:) Wenn ich gewußt hätte, daß es sich damit so verhält,
60* hätte ich kein Gelübde abgelegt. Da erklärte R. cAqiba sie (die Frau) für erlaubt
wn-pn (zu fernerem Genuß; das Gelübde war also aufgehoben). |! Jeb2, 10: Wenn ein
Gelehrter eine Frau infolge eines Gelübdes als verboten für ihren Mann erklärt hat
10K (so daß sie nun von ihrem Mann entlassen werden muß), so darf dieser (Gelehrte)
sie nicht heiraten. Parallelstelle: TJ^b 4, 6 (245). i| Besonders häufig ist in diesem Fall
die persönliche passive Konstruktion. N^d 3, 6: Wer durch ein Gelübde den Seefahrenden
(d.h. dem Nutzen von ihnen) entsagt, dem ist erlaubt "^r-^, (Genuß oder Nutzen zu
haben) von den auf dem Festlande Wohnenden. Wer den Bewohnern des Festlandes
entsagt, dem ist verboten "^os (Genuß zu haben) von den Seefahrenden, weil diese
mitenthalten sind in dem allgemeinen Begriff , Festlandsbewohner ". Ähnliches 3, 7. 8. 10. !|
Das. 7,9: (Wenn der Ehemann zu seiner Frau sagt: Ich gelobe,) daß du von mir keinen
Genuß haben sollst bis zum Passahfest, wenn du bis zum Laubhüttenfest in das Haus
deines Vaters gehst, so ist, wenn sie vor dem Passahfest hinging, ihr verboten n'^r.os,
von ihm bis zum Passahfest Genuß zu haben; geht sie nach dem Passahfest hin, so
gilt Nu 30, 3: ,Er soll sein Wort nicht entweihen." (Sagt er: Ich gelobe.) daß du von
Matth 16, 19(931.2) 741
mir bis zum Laubhüttenfest keinen Genuß haben sollst, wenn du bis zum Passahfest
in das Haus deines Vaters gehst, so ist, wenn sie vor dem Passahfest hinging, ihr
verboten n~ios, von ihm bis zum Laubhüttenfest Genuß zu haben; es ist ihr aber
erlaubt mni)3 nach dem Passahfest hinzugehn. || Das. 3,2: Sieht einer, wie Leute seine
Feigen essen, u. er ruft: ,Sie sind Opfer für euch" (euch verboten), u. es findet sich
dann, daß es sein Vater u. seine Brüder sind, bei denen sich noch andre befinden, so
ist es nach der Schule Schammais jenen (seinen Angehörigen) erlaubt -j^^rntt (weiter
zu essen); aber denen, die sich bei ihnen befinden, verboten ■j^iiss. Die Schule Hillels
sagte: Jenen wie diesen ist es erlaubt •fin»;.
/. pB'^rakh 4, 7 *■, 28 : (Beim Eintritt in das Lehrhaus pflegte R. N^chonja b. Haqana,
um 70, zu beten:) Es sei wohlgefällig vor dir, Jahve, mein Gott u. Gott meiner Väter,
daß ich nicht aufbrause gegen meine Kollegen, u. daß meine Kollegen nicht aufbrausen
gegen mich; daß wir das Reine nicht für unrein u. das Unreine nicht für rein erklären;
daß wir das Erlaubte nicht verbieten u. das Verbotene nicht erlauben rs 110x3 s^*:;
iiDsn rs 1T3 s'*;! iniort. I] p'Orla 1, ßl^, 27: R. Chijja (um 200) lehrte: Alles was ich
dir an einer andren Stelle verboten habe, erlaube ich dir hier zip-o^ -;h t-ühv r.-o V=
■)S3 -^h -n-irn ^ns. — Das ~>2 53 entspricht dem o Mt 16, 19 u. dem o'act Mt 18; 18. ||
pSchab 3,6^21: Man verbot i'^os ihnen das Baden (am Sabbat in den warmen Bädern
von Tiberias) u. erlaubte in-rn ihnen das Schwitzen. Man verbot ""'os ihnen (später)
das Baden u. das Schwitzen. || Sanh99b: Raba (t 352) hat gesagt: Wie zB jene aus
dem Hause des Binjamin, des Arztes, die sagten: Was nützen uns die Rabbinen?
Niemals haben sie uns einen Raben (zum Essen) erlaubt "i^'i" oder eine Taube uns ver-
boten ".-Ds! Wenn sie vor Raba aus dem Hause des Binjamin, des Arztes, Verletztes
(Schadhaftes hs"-"^) brachten u. er daran einen Grund zur Erlaubnis si-r^n^ sah,
sprach er zu ihnen: Da seht ihr, daß ich euch einen Raben erlaube s:^i»; wenn er
daran einen Grund zum Verbot siid-s5 sah, sprach er zu ihnen: Da seht ihr, daß ich
euch eine Taube verbiete s2ios. || Tanch n^rx^^ 2^: R. Chanina (um 225) hat gesagt:
Nur mit Mühe (d. h. ungern, so scheint pnn»2 hier gemeint zu sein) hat man den Gruß
am Sabbat erlaubt i^t-. || Beispiele passiver Konstruktion s. Be9al,4; cEduj4,2; 5,1.
C. SDt32,25 §321 (138'"^): Es heißt 2 Kg 24, 16: , Schmiede •:;-r;r! u. Schlosser "^icwn,
tausend, alles tüchtige u. kriegsgeübte Männer, u. der König von Babel brachte sie
als Verbannte nach Babel." (Die Worte werden allegorisch auf die exilierten Schrift-
gelehrten gedeutet.) «i-;- (= Schmied): einer redet u. alle (übrigen) schweigen (wie
Stumme, »7", Deutung von 'ä-~); ^jo^sm (^ der Schlosser = der Verschließende); alle
sitzen vor ihm u. lernen von ihm; nachdem er geöffnet, schließt niemand zu (bei seiner
Lehrentscheidung behält es sein Bewenden), um zu erfüllen, was gesagt ist Jes 22,22:
Er öffnet u. niemand schließt zu, er schließt zu u. niemand öffnet. (Die Schlüssel-
gewalt Jes 22, 22 schließt die Lehrgewalt in sich. — Parallelstellen: Sanh S8^; Git88*;
Tanhns 9a; y^^ijn i56b.
2. £<JTtti dsd€[X£voi' . . . iarai XsXvfxävov iv roTg ovgavoTg. — „Im
Himmer ist in diesem Zus.hang soviel wie „vor Gott";» die Worte
bedeuten also, daß die Entscheidungen vor Gott werden Geltung haben,
von Gott werden anerkannt werden. — Die gleiche Stellung nimmt
nach rabbin. Anschauung Gott den halakhischen Entscheidungen gegen-
über ein, die die Rabbinen treffen. Mit der Tora ist auch deren theo-
retische Auslegung u. praktische Anwendung in Israels Hand gelegt
worden. „Nicht im Himmel ist das Gebot" (Dt 30, 12) ruft R. J-^hoschua'
(um 90) aus, als eine Himmelsstimme eine halakhische Entscheidung
im Sinne des R. Eli'ezer (um 90) herbeizuführen versuchte. Er wollte
damit sagen: Nachdem die Tora Israel übergeben worden ist, steht
auch die Entscheidung darüber, was nach der Tora Rechtens ist, aus-
742 Matth 16, 19 (» 2)
schließlich Israel zu; u. Gott unterwarf sich der Entscheidung des
rabbin. Gerichtshofes, s. BM 59'^ oben S. 127 f.i — Aus Moses Tätigkeit
werden drei Anordnungen genannt, die er nach eigenem Gutdünken
traf u. die Gott hinterher stillschweigend anerkannte: er fügte den
beiden Ex 19, 10 genannten Tagen noch einen dritten hinzu, er hielt
sich von seinem Weibe fern u. er zerbrach die Gesetzestafeln. In einer
andren Stelle wird gesagt, daß Mose viele Dinge über Gott beschlossen
habe u. daß seine Beschlüsse von Gott bestätigt worden seien. b —
R. J^hoschua' b. Levi (um 250) zählt drei Fälle auf, in denen der obere
Gerichtshof, d. h. Gott u. sein Engelrat, c den Anordnungen des unteren
Gerichtshofs zugestimmt habe; diese drei Fälle betrafen die Verlesung
der Estherrolle, die Entbietung des Friedensgrußes mit dem Gottes-
namen u. die Zehntablieferung NehlO, 40.d — Speziell wird von der
Bannverhängung gesagt, daß sie im Himmel anerkannt werde, u. hinzu-
gefügt, daß Gott die Dauer des Bannes sogar noch verlängere, e Der
himmlische Ger. verschärft also unter Umständen die Strafen des
irdischen, in andren Fällen mildert er sie aber auch herab. * — Ganz
besonders ist es die Kalenderordnung u. die damit zus.hangende Fest-
setzung des Festzyklus, über die der untere Ger. ganz selbständig zu
befinden hat. Während vor der sinaitischen Gesetzgebung Gott das
Kalenderwesen geordnet u. geregelt hat, ist dieses seit der Gesetz-
gebung so völHg in Israels Hände übergegangen, daß der obere Ger.
nur hinnehmen kann, was der untere darüber bestimmt hat.g Aller-
dings wird diese schroffe Meinung hier u. da durch die Annahme ab-
geschwächt, daß Gott bei der Festsetzung der Kalenderordnung im
Rate Israels gegenwärtig sei, um die Gelehrten vor Irrtümern zu be-
wahren, h — Am allgemeinsten lautet das Urteil in dem freilich späten
Targum zum HL 8, 13: Salomo sagt am Ende seiner Weissagung (d, h.
am Schluß des HLs) : Dereinst wird der Herr der Welt zur Gemeinde
Israel sagen: . . . Laß mich hören die Lehre, die Stimme deiner W^orte;
wenn du sitzest freizusprechen u. zu verurteilen; so werde ich allem
zustimmen, was du getan hast.
In den bisher besprochenen Stellen ist es immer die geordnete
Obrigkeit Israels, deren Entscheidungen Geltung vor Gott zuerkannt
wird. Daneben fehlt es aber auch nicht an Stimmen, die jedem Ge-
rechten die Macht beilegen wollen, durch seine Entscheidungen Gottes
Verordnungen u. Beschlüsse aufzuheben, so daß nicht Gottes, sondern
des Gerechten Wort gilt.» Mit dergleichen Anschauungen hat die Zu-
sage an Petrus Mt 16, 19 nichts gemein.
a. GnR75 (48«): Heil den Gerechten, denn sie werden auf Erden -(-sa u. im
Himmel c-^isra gesegnet; u. so ist es die Regel, s. Jes 65, 16: „Wer auf der Erde ge-
segnet -wird, wird gesegnet von dem Gott der Treue" (so der Midr), um dir kund-
zutun, daß all den Segnungen entsprechend, mit denen Isaak den Jakob gesegnet hat,
1 Die Parallelen s. im Exkurs: „Der Synagogenbann " B, 6 Anm. «.
Matth 16, 19 (SB 2) 743
ihn auch Gott von oben gesegnet hat. — wovz ,im Himmel* entspricht hier genau
dem ii« Tibsa Jes 65, 16. || P^s 113^: Sieben sind vom Himmel (= von Gott) in den
Bann getan: wer kein Weib hat; wer ein Weib, aber keine Kinder hat; wer Kinder
hat, sie aber nicht für das Torastudium erzieht; wer keine Gebietsriemen an seinem
Kopf u. an seinem Arm hat u. keine Quasten an seinem Kleid u. keine Türpfosten-
kapsel an seinem Eingang u. wer Schuhe seinen Füßen vorenthält. Einige fügen noch
hinzu: wer nicht in einer Genossenschaft für Gebotserfüllung zu Tische liegt. — Für
n-':«"? i'^i^ »vom Himmel Gebannte" wird Ta'an 1, 7 gesagt nipa'i i'sits = ,von Gott
{wörtlich ,vom Ort") Gebannte*. || Tacan 14^: Wie Menschen, die von Gott in den Bann
getan sind mp'sV T'Bits, bis man sich über sie vom Himmel o-wm i'j erbarmt = bis
sich Gott ihrer erbarmt. — Weitere Beispiele für „Himmel" = Gott s. bei Mt 4. 17 S.
b. Schab 87a Bar: Dreierlei hat Mose nach seinen eigenen Gedanken getan, u.
Gott stimmte ihm bei. Er fügte einen Tag nach seinen Gedanken hinzu. Welche
Forschung stellte «r an? Es heißt Ex 19, 10: „Heute u. morgen*; der heutige Tag
also soll sein wie der morgende Tag; wie der morgende Tag seine Nacht bei sich
hat, so soll auch der heutige Tag seine Nacht bei sich haben; die Nacht von heute
aber ist (bereits) vergangen (der Tag hebt ja mit dem Vorabend an); daraus entnehme
ich. daß zwei Tage gemeint sind außer dem gegenwärtigen (also eigentlich drei Tage;
daher Moses Anordnung Ex 19, 15: Seid auf drei Tage bereit!). Woher, daß Gott ihm
beigestimmt hat? Weil die Schekhina (Gottheit) erst in der Frühe des Sabbats gegen-
wärtig war. [Zugrunde liegt hier die Annahme, daß der dritte Tag ein Sabbat war u.
Ex 19, 10 am voraufgehenden Mittwoch gesprochen worden ist. Andersartig ist die
Tradition M^kh Ex 19, 10 (71 b).] Er sonderte sich von seinem Weibe (dauernd) ab.
Welche Forschung stellte er an? Eine Schlußfolgerung vom Leichteren auf das Schwerere.
Er sagte: Wenn die Tora zu den Israeliten, mit denen die Schekhina nur eine Stunde
sprach u. denen er (Gott) die Zeit dafür festbestimmt hat, sagt: „Seid auf drei Tage
bereit, nahet euch nicht dem Weibe" Ex 19, 15 — um wieviel mehr gilt das dann von
mir, mit dem die Schekhina zu jeder Stunde spricht, ohne daß er mir dafür die Zeit
fest bestimmt hat! Woher, daß Gott ihm beigestimmt hat? Weil es Dt 5, 27 heißt:
Geh u. sprich zu ihnen: „Zieht euch zu euren Zelten (im Sinn des Midr = zu euren
Weibern) zurück", u. darauf heißt es Vers 18: Du aber bleibe hier bei mir (also auch
weiterhin von deinem Weibe abgesondert). Er zerbrach die Tafeln. Welche Forschung
stellte er an? Er sprach: Wenn in bezug auf das Passahopfer, das nur eins ist von
den 613 Geboten, die Tora sagt: Kein Sohn der Fremde soll davon essen Ex 12, 43 —
um wieviel mehr gilt es dann in bezug auf die ganze Tora u. für die abtrünnigen
Israeliten (daß sie an den Toratafeln keinen Anteil haben sollen)! Woher, daß Gott
ihm beigestimmt hat? Weil es heißt Ex 84, 1: Welche du zerbrochen hast (so sagt
Gott, ohne Mose deshalb zu tadeln; also hat er ihm beigestimmt). — Dasselbe J^b 62a;
in ExR46 (101 a) ist die erste Anordnung Moses durch eine andre ersetzt. || Jalqut
Schim 1 §729 aus J^amm'^denu: Du findest viele Dinge, die Mose über Gott beschlossen
hat u. dieser bestätigte seinen Beschluß. Es heißt Ex 11,4: Mose sprach: So hat Jahve
gesprochen: „Um Mitternacht ziehe ich aus mitten durch Ägypten." Und Gott hatte
ihm nur'gesagt: „Ich werde das Land Ägypten in dieser Nacht durchziehen" Ex 12, 12.
Und Ex 12,29 heißt es: „Und in der Mitte der Nacht, da hatte Jahve alles Erstgeborene im
Lande Ägypten erschlagen" (also hatte sich Gott nach Moses Wort Ex 11,4 gerichtet).
C. Der obere Gerichtshof ■V?;'? '"^ r~ ^'s steht dem untern Ger. -"J"? h-ö ■;■'- n-'a
gegenüber; jener bezeichnet den Engelrat Gottes, dieser das Synedrium Israels. Für
„oberen Ger." kann unter Umständen auch gesagt werden die „obere Familie" n^'^^e
nVi-5: hv = Engelwelt, während die „untere Familie" n-j^s h-^ 's eine Bezeichnung für
Gesamtisrael, speziell für die Gelehrten ist. — GnR55(35a): R. El<azar (um 270) hat
gesagt: „Und Gott" o^n'jsni Gn 22, 1, das ist er (Gott) u. sein Gerichtshof ^:''-t r^si sin.
(Das n hat einschließende Bedeutung, es fügt zu Gott noch seinen Gerichtshof hinzu.) |j
pSanhl, 18a, 48: R. J'^huda b. Pazzi (um 320) hat gesagt: Auch Gott richtet nicht als
«inzelner (d. h. nicht für-sich allein), s.lKg22,19; aber er untersiegelt allein, s.DnlO,21.
744 Matth 16, 19 (JB 2)
R. Jochanan (f 279) bat gesagt: Niemals tut Gott etwas in seiner Welt, bis er sich
mit dem oberen Ger. beraten bat, s. Dn 10, 1. — Die Parallelstelle Sanh 38 b bringt*
Dn4, 14 als Belegvers u. setzt für , oberen Ger." ein „die obere Familie"; beide Aus-
drücke bedeuten also hier einunddasselbe, nämlich den Engelrat Gottes. || Der obere
u. der untere Ger. nebeneinander genannt zB Mak 28 1»; pB*^rakh 9, 14'', l'i in Anm.rf;
pRH2, 58b,26 in Anm.7(. jl Die obere u. untere Familie nebeneinander Sanh9Sl>: Was
bedeutet Jer30, 6: ,Alle Gesichter verwandeln sich in Blässe"? R. Jochanan (f 279)
hat gesagt: Damit ist die obere Familie (= Engelwelt) u. die untere Familie (= Israel)
gemeint, nämlich in der Stunde, da Gott sagen wird: Jene (die Heidenvölker) sind ein
Werk meiner Hände u. diese (Israeliten) sind ein Werk meiner Hände; wie kann ich
jene wegen dieser vernichten? (Vor Entsetzen über diese Worte verwandeln sich die
Angesichte der Engel u. der Israeliten in Totenblässe.) — Das. 99 b; R. Alexandrai
(um 270) hat gesagt: Jeder, der sich mit der Tora um ihretwillen beschäftigt, stiftet
Frieden in der oberen u. der unteren Familie, s. Jes 27, 5: , Befaßte er sich mit meiner
Macht (= Tora), so würde er mir Frieden schaffen, ja Frieden würde er mir schaffen"
(so der Midr, der zugleich das zweimalige Frieden auf die Engel u. Israel, hier wohl
speziell auf die Gelehrtenwelt deutet).
d. Mak 23b: R. J<^hoschuac b. Levi (um 250) hat gesagt: Dreierlei hirt der untere
Gerichtshof getan u. der obere (himmlische) Ger. stimmte ihnen bei: betreffs der Ver-
lesung der Estherrolle, betreffs der Entbietung des Friedensgrußes (mit dem Gottes-
namen) u. betreffs der Darbringung des Zehnten. Die Verlesung der Estherrolle, s.
Esth9, 27: ,Man bestätigte u. die Juden nahmen es an"; man bestätigte droben nVj;';i,
was sie unten n-j-;-: * angenommen hatten. Die Entbietung des Friedensgrnßes, s.
Ruth 2, 4: Siehe, Bocaz kam aus Bethlehem u. sprach zu den Schnittern: ,Jahve sei
mit euch!" (Da der Jahvename nicht ausgesprochen werden durfte, bedeutet seine
Verwendung in jenem Gruß nach späterer Anschauung eine Neuerung, die der Be-
stätigung von oben bedurfte.) Und es heißt Ri 6, 12: (Der Engel) sprach zu ibm: „Jahve
mit dir, du starker Held." Was wollen diese Worte (Ri 6, 12)? Wenn du sagen wolltest:
Bo'az hat das (Grüßen mit dem Jahvenamen) nach seinem eigenen Gutdünken getan,
ohne daß man ihm vom Himmel x-o-:;^ beistimmte, so komm u. höre: Jahve mit dir,
du starker Held. (Diese Worte im Munde eines Engels bedeuten die Bestätigung der
Grußformel des BoEaz.) Die Darbringung des Zehnten (in der Neb 10, 39 f. festgesetzten
Weise), s. Mal 3, 10: Bringet den ganzen Zehnten zum Schatzhause usw. — Die Parallele
pB'^rakhJ), 14'^, 13, deren Eingangsworte lauten: , Drei Dinge beschloß i^t: der untere
Gerichtshof u. der obere stimmte ihnen bei", erwähnt nicht die Zehntablieferung, sondern
setzt dafür die Bannung Jerichos ein. Andre Parallelen mit vielen Abweichungen s.
MidrRuth2,4(130b); MidrPs57 §2 (148b); Tanch-^-1 56b; TanchB -n- §10(109a).
e. Seder ElijR 27 : Wer von unten n-j-iV? (vom unteren Gerichtshof auf Erden) für
Einen Tag gebannt ist, für den gibt es, auch wenn man ihn gelöst hat iV i^-rn, keine
Lösung von oben r^'-^y^zh,^ (vom Himmel, vom oberen Ger.) vor 3 Tagen; wer für 3 Tage
von unten gebannt ist, für den gibt es, auch wenn man ihn gelöst hat, keine Lösung von
oben vor 7 Tagen; wer für 7 Tage von unten gebannt ist, für den gibt es, auch wenn man
ihn gelöst hat, keine Lösung von oben vor 30 Tagen ; wer für 30 Tage von unten gebannt ist,
für den gibt es, auch wenn man ihn gelöst hat, keine Lösung von oben in alle Ewigkeiten.
/. Ganz allgemein wird die obere Strafgerechtigkeit im Vergleich mit der unteren
als hart hingestellt GnR 35 (21*^): ,Wenn der Bogen im Gewölk ist, so werde ich ihn
sehen, zu gedenken an die ewige Bestimmung, welche gilt zwischen Gott u. allen
lebendigen Wesen" Gn9, 16. Zwischen „Gott", damit ist die obere Strafgerechtigkeit
gemeint; u. „allen lebendigen Wesen", damit ist die untere Str. gemeint. Die obere
Str. ist hart (streng) u. die untere ist milde (schlaff). — Die Autorschaft ist ganz un-
sicher. — Milder als die untere Str. erscheint die obere pBik 2, 64*^, 43: «(Wer im Alter
von 50 Jahren stirbt, stirbt durch Ausrottung.) R.Abin b.Tanchumb.T^riphon(= TQvg^ojy,
' Dieses nVy^sV u. r.'j:^h entspricht dem tV ror? oigrd'oi'g u. etjl ifjg yf^s Mt 16, 19.
Matth 16, 19 (JB 2) 745
wann?) entnahm den Schriftbeweis dafür von Ps90, 10: ,ünsre Lebenszeit umfaßt
siebzig Jahre"; von ihnen gehen 20 Jahre (die Jugendzeit) ab, in denen der obere Ge-
richtshof nicht straft u. ausrottet, folglich kann man sagen: Wer im Alter von 50 Jahren
stirbt, stirbt durch Ausrottung. — Die Strafmündigkeit eines Israeliten trat hiernach
für den oberen Ger. erst nach Vollendung des 20. Lebensjahres ein; der untere Ger. da-
gegen ließ sie für das männliche Geschlecht bereits nach vollendetem Id. Lebensjahre
eintreten (vgl. hierzu bei Lk 2,42); urteilte also in diesem Fall strenger. — Der Satz,
daß der obere Ger. den Menschen in semen ersten 20 Lebensjahren nicht bestrafe,
auch pSanh 11, 30 b. 29; ferner s. Schab 89 b oben S. 120; vgl. auch MQ 28 a.
g. P''siq43b: R. Simon (um 280) hat gesagt: „Deine Berechnungen sind bei uns"
(so deutet der Midr Ps 40, 6): jene ganzen 2448 Jahre, bevor die Israeliten aus Ägypten
zogen, hatte Gott dagesessen u. Berechnungen vorgenommen u. Schaltjahre festgesetzt
u. die Jahre geheiligt u. die Monate erneuert; als aber die Isr. aus Äg. auszogen, über-
gab er dies alles ihnen, s. Ex 12, 1: ,ünd Jahve sprach zu Mose u. Ahron im Lande
Ägypten also." Was heißt „also"? Er sprach zu ihnen: Von hier an u. weiter, siehe,
ist jenes euch übergeben, s. Ex 12, 2 : Dieser Monat sei euch (für eure weiteren An-
ordnungen in Sachen des Kalenderwesens) erster Monat. — Dasselbe P'^siqR 15 (67 b). ||
P'='siq53b: R. Hoschafja (um 225) hat als tannaitische Tradition gelehrt: Wenn der
untere Gerichtshof beschlossen u. gesagt hat: , Heute ist Neujahr", so spricht Gott zu
den Engeln des Dienstes: Stellet den Richterstuhl auf u. auch den Verteidiger u. An-
kläger (s. zu den Lesarten Buber); denn der untere Ger. hat beschlossen u. gesagt:
Heute ist Neujahr. (Am Neujahrstage sitzt Gott zu Gericht über die Welt.) Verzögert
sich die Ankunft der Neumondszeugen, oder entschließt sich der (untere) Ger. (den
Neujahrstag) um einen Tag hinauszuschieben, so spricht Gott zu den Engeln des Dienstes:
Entfernet den Richterstuhl u. den Verteidiger u. den Ankläger, denn der untere Ger.
hat beschlossen u. gesagt: Morgen ist Neujahr. Und was ist der Schriftgrund? Ps81,5:
„Denn die Satzung (Festsetzung) für Israel ist (geltendes, bindendes) Recht für den
Gott Jakobs" (so der Midr). R. Pin^chas (um 860) u. R. Chilqijja (um 320) haben im
Namen des R. Simon (um 280) gesagt: Sofort versammeln sich alle Engel des Dienstes
vor Gott u. sagen: Herr der Welt, wann ist Neujahr? Und er antwortet: Mich fragt
ihr? Ich u. ihr, wir wollen den unteren Gerichtshof fragen. Das meint Dt 4, 7: „Wie
Jahve unser Gott bei all unsren Zusammenberufungen zu ihm" (so der Midr); denn
„unsre Zus.berufungen" bedeutet nichts andres als die Festzeiten, s. Lv23, 4: „Dies
sind die Festzeiten Jahves, heilige Festversammlungen, welche ihr ausrufen sollt.'
R. Krusp*^dai (um 300) hat im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Für die Ver-
gangenheit (Zeit vor der Gesetzgebung) gilt: „Dies sind die Festzeiten Jahves, heilige
Festversammlungen", von da an u. weiter gilt: „Die ihr ausrufen sollt", d. h. wenn
ihr sie ausgerufen habt, sind es Festzeiten Jahves; wenn nicht, so sind es keine Fest-
zeiten Jahves. — Dasselbe mit vielfachen Abweichungen pRHl,57^, 12; P^siqR 15(77");
DtR2 (198'"*). — Der Satz: „Wenn ihr sie ausgerufen habt, sind es Festzeiten; wenn
nicht, sind es keine Festzeiten" bereits mehrfach SLv 23,4 (404 •''). |1 ExR15(76a): Die
Dienstengel sprachen vor Gott: Herr der Welt, wann wirst du die Festzeiten bestimmen,
wie es heißt Dn4, 14: „Auf der Wächter Beschluß ruht die Sache"? Er antwortete:
Ich u. ihr, wir werden dem beistimmen, was die Israeliten beschließen u. wie sie die
Schaltjahre anordnen, s. Ps57, 3: „Ich will ausrufen für Gott, den Höchsten (Fest-
versammlungen), für Gott, der mit mir beschließt" (so der Midr); ferner s. Lv23, 4:
„Dies sind die Festzeiten Jahves, heilige Festversammlungen, welche ihr ausrufen sollt."
Nur jene, ob zur Zeit oder zur Unzeit, sind für mich Festzeiten. Gott sprach zu den
Israeliten: Früher lag es in meiner Hand, s. Ps 104, 19: „Er machte den Mond für die
Festzeiten"; aber von hier an u. weiter, siehe, ist es in eure Hand, in eure Macht ge-
geben: wenn ihr sagt: Ja! so ist es ja; wenn ihr sagt: Nein! so ist es nein; jeden-
falls soll dieser Monat euch gehören; u. nicht bloß dies, sondern wenn ihr ein Jahr
zum Schaltjahr machen wollt, siehe, so bin ich mit euch einverstanden. Deshalb heißt
es Ex 12,2: „Dieser Monat .sei euch." || Vgl. auch Pirqe REIS.
746 Matth 16, 19 (SB 2)
h. P^'siqlSlb; „Wohl dem Volk, das sich auf das Posaunenblasen (am Neujahrs-
tag) versteht* (so deutet der Midr Ps 89, 16). R. Abbahu (um 300) hat die Schriftstelle
auf die fünf Ältesten ^ gedeutet, die zus. zutreten pflegten, um ein Jahr zum Schaltjahr
zu machen. Was tut Gott? Er verläßt den oberen Rat u. steigt hernieder u. zwängt
seine Sch®khina zwischen sie unten, u. die Dienstengel sprechen : Ist das der Starke,
ist das der Starke, ist das Gott, ist das Gott, von dem geschrieben steht Ps89, 8:
Gott, schrecklich im Rate der Heiligen gar sehr? Den oberen Rat verläßt er u. steigt
hernieder u. zwängt seine Sch*5khina unten zusammen! Warum das alles? Wenn sie
in einer Sache irren, erleuchtet Gott ihr Angesicht in der Halakha, s. Ps 89, 16: ,Jahve,
im Lichte deines Angesichtes entscheiden sie die Halakha* (so dürfte der Midr ]^■i\-'
gefaßt haben). — Parallelstellen: LvR29(127b); Midr Ps 81 §4 (123b); vgl. auch
PirqeRE18. i| ExR 15(77'^): Die Anordnung eines Schaltjahres geschieht durch zehn
Älteste. Wenn unsre Lehrer sich versammelten, um ein Schaltjahr anzuordnen, ver-
sammelten sich zehn erfahrene Älteste im Lehrhause u. der stellvertretende Vorsitzende
des Synedriums gehörte zu ihnen. Sie schlössen die Türen u. verhandelten über die
Sache die ganze Nacht. Um Mitternacht sprachen sie zu dem stellvertretenden Vor-
sitzenden: Wir wollen das Jahr zu einem Schaltjahr machen, so daß dieses Jahr
13 Monate hat; beschließest du es mit uns? Wenn er dann sagte: Was eure Meinung
ist, damit stimme auch ich überein — dann ging ein Licht aus vom Lehrhaus u. kam
vor sie, u. sie wußten, daß Gott ihnen beistimmte, s. Psll2, 4: ,In der Finsternis
strahlt ein Licht auf den Rechtschaffenen.* Was sie beschließen, beschließt Gott mit
ihnen, s. P3 57,3: „Ich will ausrufen für Gott, den Höchsten (Festversammlungen),
für Gott, der mit mir beschließt* (so der Midr). || Einen etwas abweichenden Stand-
punkt scheint R. El'azar b. ^adoq (wohl der IL, um 150) zu vertreten, wenn er pRH 2, 58 •>, 27
sagt: Wenn der obere Gerichtshof sieht, daß der untere Ger. ihn (den Monatsanfang)
nicht heiligt, so heiligt er ihn.
i. MQ 16^: , Gesagt hat zu mir der Gott Israels, geredet der Fels Israels: Ein
Herrscher über Menschen, gerecht, ein Herrscher voll Gottesfurcht* 2 Sm 23, 3. Was
meint er damit? R. Abbahu (um 300) hat gesagt: So meint er es: Gesagt hat zu mir
der Gott Israels, geredet der Fels Israels: Ich (Gott) herrsche über den Menschen;
wer herrscht über mich? Der Gerechte. Denn ich treffe eine Verordnung u. er hebt
sie auf. . . . „Tachk^moni* 2 Sm 23,8 (das Wort wird auf David gedeutet). Rab (f 247)
hat gesagt: Gott sprach zu ihm: Weil du dich selbst erniedrigt hast, sollst du sein
wie ich 'i'.'o's snr; denn ich treffe eine Verordnung u. du hebst sie auf. Vgl. DtR
10 (206b). II Schab 63*: R. Asi (um 300) oder, wie auch gesagt worden ist, R. Chanina
(um 225) hat gesagt: Selbst wenn Gott eine Bestimmung getroffen hat, er (der Ge-
rechte) hebt sie auf, s. Qoh8,4f. || pTa'an 3,67», 14: (Chonja, der Kreiszieher, f um
65 v.Chr.) ließ ihm (dem Schimcon b. Schatach) sagen: Gott hebt seine Entscheidung
auf wegen der Entscheidung eines Gerechten; aber nicht hebt Gott die Entscheidung
eines Gerechten auf wegen der Entscheidung eines andren Gerechten. . . . R. ß^rekhja
(um 340), R. Abba b. Kahana (um 310) u. R. Z^Hra (um 300) haben im Namen des Rab
Chisda (f 309), nach andren im Namen des Rab Matt^na (um 270) gesagt: Es heißt
Hi22,28: , Beschließest du etwas, so kommt es zustande.* Was will die Schrift lehrend
sagen? Auch wenn er (Gott) so sagt u. du sagst so, so gilt dein Wort u. mein Wort gilt
nicht. ,Wenn sie (die Wege) abwärts führen, so sprichst du: Empor* das. Vers 29,
d. h. wenn ich (Gott) sagte: Sie sollen abwärts führen, u. du sagst: Sie sollen zur
1 Ebenso in der Parallele LvR 29. Genauer Sanh 1,2: Die Einschaltung (eines
Tages) beim Monat geschieht durch drei (Gelehrte), die Einschaltung (eines Monats)
beim Jahr durch drei. So R. Meir (um 150). Rabban Schim'on b. Gamliel (um 140) sagte:
Mit drei beginnt man, mit fünf verhandelt man u. mit sieben beschließt man ; wenn
man aber mit drei (gleich zu Anfang einstimmig) beschlossen hat, so ist die Ein-
schaltung gültig. — Nach ExR 15 (s. oben im Text) gehörten zur Anordnung eines
Schaltjahres zehn Älteste, nach Pirqe REl 8 drei: doch wird hinzugefügt: R. El'azar (?)
sagte: Sie geschieht durch zehn.
Matth 16,21.22(«1.2) 747
Höhe führen — so gilt dein Wort u. mein Wort gilt nicht. „Dem Niedergebeugten hilft er
auf das. Vers29, d. h. wenn ich sie niederzubeugen gedachte durch Unglück, u. du gedenkst
ihnen aufzuhelfen, ao gilt dein Wort u. mein Wort gilt nicht. Wenn ich sagte: , Gerettet
soll er werden, wenn er rein (unschuldig) ist" (so der Midr das. Vers 30), u. du sagst: Er soll
gerettet werden, auch wenn er nicht rein ist — so gilt dein Wort u. mein Wort gilt nicht.
16, 21 5t: Daß er vieles werde leiden müssen u, getötet werden.
Zum leidenden Messias der alten Synagoge s. bei Lk 24, 26.
16,21 S: Und am dritten Tage auferweckt werden.
Der Gedanke, daß die Auferstehung der Toten am dritten Tag nach
dem Weltende erfolgen soll, wird auf Grund von Hos 6, 2 an folgenden
Stellen ausgesprochen.
Pirqe RE151: Alle Bewohner der Erde werden den Tod zu schmecken bekommen,
wie es heißt (?): Tage werden sein, da es keine Seele eines Menschen oder eines
Tieres auf der Erde gibt. s. Jes 51,6: Ihre Bewohner werden wie Mücken sterben.
Und am dritten Tage wird er sie erneuern u. sie lebendig machen u. sie vor sich stellen,
s. Hos 6,2: Er wird uns lebendig machen innerhalb zweier Tage, am dritten Tage wird
er uns auferwecken, daß wir leben vor seinem Angesicht.^ || GnR91 (57*^): Niemals
läßt Gott die Gerechten (länger als) drei Tage in Not; so lernen wir es von Joseph
(vgl. Gn42, 17), von Jona, von Mardokhai u. von David. Ferner s. Hos 6, 2: Er wird
uns lebendig machen usw. || Sanh97'*: Rab Qattina (um 270) hat gesagt: 6000 Jahre
wird die Welt bestehn u. 1000 Jahre wird sie zerstört sein: s. Jes 2, 11: Jahve allein
wird erhaben dastehn an jenem Tage (u. 1 Gottestag ist nach Ps 90, 4 = 1000 J.). Abaje
(t 338/39) hat gesagt: 2000 Jahre (wird sie zerstört sein); denn es heißt Hos 6, 2 : Er
wird ims lebendig machen innerhalb zweier Tage u. am dritten Tage wird er uns auf-
erwecken (u. 2 Gottestage sind = 2000 J.). — Dasselbe RH 31».'— Ferner s. bei Mt 12,
39. 40 S. 647. 649 u. bei Mt 17, 23 S. 760.
16,22 31: Fing an ihn zu bedrohen.
1. iJQ'^azo = b^nrn, aram. ■^-oy, häufig abundierend gebraucht.
Dalman, Worte 1, 21 verweist zB auf pB<^rakh 1,2<=, 17: R. Huna (um 350) hat ge-
sagt: Man kann es aus der gewöhnlichen Umgangssprache lernen: Der König begann
'^v hinauszugehn; auch wenn er (noch) nicht hinausging, sagt man, daß er hinaus-
ging. Dagegen sagt man: ,Er begann ■'i-i; einzutreten" erst in dem Augenblick, da er
eintritt. \\ Das. 9, 14l>, 51 : R. cAqiba (f um 135) begann — s das Sch^^mac zu rezitieren
u. lachte. || Das. 4,7*^,5: Man sagte zu R. Zinon (Zenon?, um 90), dem Aufseher der
Akademie: Sprich (d. h. schließe die Versammlung) ! Er begann '■:)-'r[rr, u. sprach; u.
alles Volk fing an n'i'nrn u. erhob sich usw. || Das. 8, 12 b, 34: Die ganze Welt fing an
hT,rr, ein Lied anzustimmen. |1 Das. 9,13^,24: Jeder fing an, seinen Götzen in seine
Hand zu nehmen u. ihn anzurufen; aber es nützte nichts. — pP'^sö, 33^, 11: Er fing
an vnrn ihnen Forschungen vorzutragen. — MidrQoh5, 10: Da fing der Pächter an
iTTrn zu schreien u. zu weinen.
2. sniriiim^LXX Gn37,10; Sach3,2; Ps68,30; 119,21; Ruth 2, 16
= 155 „anfahren, bedrohen"; aram. irr«.
Eine gute Parallele zu Mt 16, 22 ist GnR 56 (35'=): Abraham sprach zu Isaak: Möge
er (Gott) jenen Mann betrüben, der ihn angefahren hat ■'Sj (nämlich den Satan, der
den Isaak von der Opferung abzumahnen versucht hatte; wie das "ly: hier beim Ab-
mahnen von Leiden gebraucht ist, genau so das inLxifu'.v Mtl6, 22).
» Auch nach 4 Esra 7, 29 ff. werden am Ende dieses Äons alle sterben, die Menschen-
odem in sich haben, mit Einschluß des Messias; die Auferstehung erfolgt aber erst
nach sieben Tagen.
748 Matth 16,22 (85). 16,23
16,22 23: Gnädig sei er (Gott) dir (= „Behüte Gott!").
ll€(xk aoi. — Die LXX geben 2 Sm 20, 20; 23, 17; 1 Chr 11, 19 mit
l'lewg r^\-hr\ (= fern sei esl) wieder; wie das gemeint ist, zeigt die
weitere Übersetzung des r-i^-^T, mit /t/y yevono LXX Jos 22, 29; 24, 16;
Gn 44, 7. 17; ilsooq also = Gott bewahre! Sämtliche Targume zu diesen
Stellen ersetzen nb-^bn mit d- = „ Fernhaltung " oder „Schonung". Im
Rabbin. steht dafür die vollere Formel n'ibd'i cn „Erbarmen u. Heil" =
Gott behüte, das sei ferne!
Beispiele: Schab 138 1» Bar: Dereinst wird die Tora von Israel vergessen sein, s.
Am8, llf. R. SchimJon b. Jochai (um 150) sagte: Das sei fern n^h•ü^ ort, daß die T.
von Isr. vergessen würde, s. Dt 31, 21: „Sie wird aus dem Munde seines Samens nicht
vergessen werden." li'Edujö, 6: R. J^huda (um 150) sagte: Das sei fern, daß cAqabja
(um 70) in den Bann getan worden wäre. — pP'^s (5, 33'', 57: Das sei fern ni^»i o-,
daß er (R. J'^hoschua't b. Qaposai, Dalnian: "c-sp, um 120) nach Herrschaft getrachtet
hätte. II Targ Jerusch I Nu 31, 50: Es sei ferne von uns i^ on, daß wir auf alles dies
(die Beutestücke) die Augen gelenkt u. eins davon angeblickt hätten, damit wir uns
nicht durch eins davon schuldig machten u. den Tod sterben müßten, in welchem
die Gottlosen in der zukünftigen Welt sterben; u. das möge uns (zum Guten) ge-
dacht werden am Tage des großen Gerichts, um für unsre Seelen vor Jahve Sühnung
zu beschaffen!
16,23: Du hast nicht im Sinn das, was Gottes,
sondern das, was der Menschen ist.
rd Tov O^sov . . . Tci zwv avd^Qomoiv. — Ähnliche Gegensätze sind im
Rabbinischen :
a. ~'-c~ -''-^ „eigene Angelegenheiten" u. s;««i7 ""-•; „Gottes Angelegenheiten". —
B'^rakh 7^: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schim'on b. Jochai (um 150)
gesagt: Man darf sich über die Gottlosen entrüsten in dieser Welt, s. Spr28, 4. Aber
R. Ji^chaq (um 300) hat doch gesagt: AVenn du siehst, daß dem Gottlosen die Stunde
lächelt, so entrüste dich nicht über ihn, s. Ps 10, 5. Das ist kein Widerspruch: in dem
einen Fall (beim Ausspruch des R. Ji^chaq) handelt es sich um eigene Angelegen-
heiten, in dem andren um göttliche Angelegenheiten. — Dasselbe M*^g 6^.
b. ~"4.%~. „deine Geschäfte" u. D^^sj '^t- „Geschäfte Gottes". — Schab 113**:
Deine Geschäfte sind (am Sabbat) verboten, aber Gottes G. (d. h. Gott wohlgefällige Hand-
lungen, wie Festsetzung von Almosen u. dgl.j sind erlaubt. 1| Schab 114^: R. Jochanan
(t 279) hat gesagt: Wer ist ein Gelehrtenschüler'? Derjenige, welcher sein Geschäft
^■it- dahinten läßt u. sich mit den Geschäften Gottes bemüht.
C. D'n5x — 3-i „Worte, Angelegenheiten Gottes" u. •,":s ^-;- „weltliche Beschäfti-
gung". — AbothRNl: R. Mattja b. Cheresch (um loO) sprach zu R. Joschijja: Rabbi,
was hast du, daß du die Worte des lebendigen Gottes verläßt u. dich in die weltliche
Beschäftigung vertiefst? || Dasselbe in anderer Wendung Beija IS*»: (R. Elicezer, um 90,
sagte von gewissen Leuten, die seinen Lehrvortrag verließen:) Sie lassen das ewige
Leben dV's -;- dahinten u. beschäftigen sich mit dem Leben der Stunde -yv '^r;, s. die
ganze Stelle bei Mt 13, 22 S. (366. — Der gleichen Wendung bedienen sich R. Schim'on
b. Jochai (um 150) Schab 33b; R. SchimSon b. Garaliel (um 140) pMQ 3, 82b, 59;
R. Jochanan (f 279)TaJan 21 a; Raba(t 352) Schab 10^; s. diese Stellen bei Mt 19, 16Nr.2.
16, 24: Er nehme sein Kreuz.
uQÜXti) x6v atavQov avrov; s. bei Mt 10, 38 S. 587.
16, 25: Wer sein Leben retten will usw.; s. bei Mt 10, 39.
Matth 16, 26 (2t. 33) 749
16,26 5t: Denn was wird ein Mensch für Nutzen haben?
ri yctQ wqishid^r^asTai ccv^qcottoc: — Vgl. die Frage Qoh 1,3: "(inni n^
öin)!. — Im Rabbin.: ib 'r-i (n-^^jn) nxjn rt'z „welchen Nutzen hat man?"
oder: a-^^ri^ n-a „was nützt es?"
MidrQoh 1, 3 (5a): R. Levi (um 300) hat gesagt: Was für einen Nutzen, nsjn,
haben die Menschen davon, daß sie sich einen Schatz sammeln an Gehotserfüllungen
u. guten Werken? Es ist genug für sie (an Lohn, spricht Gott), daß ich ihnen die
Sonne aufgehen lasse. Die Rabbinen sagten: Was für einen Nutzen, nsir,, haben die
Gerechten davon, daß sie sich einen Schatz sammeln an Gebotserfüllungen u. guten
Werken? Es ist genug für sie, daß ich dereinst ihr Angesicht erneuern werde dem
Rad der Sonne gleich, s. Ri 5, 31. — Dasselbe, doch nicht in Frageform, P'^siqBO*;
LvR 28 (126 1>). |] GnR 10 (7 c): Alles Verlangen des Menschen ist nur auf die Erde ge-
richtet. Und welchen Nutzen, n-'sn, hat er davon? s. Hi 7, 1': Wie die Tage eines Tage-
löhners sind seine Tage. || Ta'an 8»: Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Was heißt
Qoh 10, 11: „Wenn die Schlange beißt, wo die Beschwörung versäumt ist, so hat
keinen Nutzen der Beschwörer (wörtlich: der Mann der Zunge --.^hr. hyz)'} In der Zu-
kunft (d. h. in der messianischen Z^jt) werden sich alle Tiere versammeln u. zur
Schlange kommen u. sagen: Der Löwe erdrosselt u. frißt, der Wolf zerreißt u. frißt;
aber welchen Nutzen, nssn, hast du (von deinem Beißen)? Dann wird sie antworten:
Auch der Mann der Zunge (der Verleumder) hat keinen Nutzen. || pB'rakh 2, 4^*, 42:
Was nützt ihm das, n'h N-ani 's^c,' daß seine Aussprüche in seinem Namen tradiert
werden? |i LvR 20 (101'=): R. Abba b. Kahana (um 310) eröffnete seinen Vortrag mit
Qoh 2, 2: Zum Lachen sprach ich: Es ist unsinnig, u. zur Freude: Was schafft die da?
Wenn das Lachen gemischt ist (mit Trauer), was nützt da die Freude s''"3n»3 smn n~.
16, 26 23: Wenn er die ganze Welt gewinnen,
seine Seele aber einbüßen würde.
€cxr Tov xoüfiov oXor xsQdr'jar^.
pBM 2, 8"=, 26: Schimcon b. Schatach (um 90 v. Chr.) wollte lieber das „Gepriesen
sei der Gott der Juden!" (im Munde der Heiden) hören, als den Gewinn dieser ganzen
Welt s-s'"^? -p-nn ^ •^;s-:. || MidrQoh 5, 14 (29a): Im Namen des R. Mefr (um 150) ist
gelehrt worden.- Wenn der Mensch in die Welt kommt, sind seine Hände zusammen-
gezogen (geschlossen), als ob er sagen wollte: Die ganze Welt ist mein; ich will sie
in Besitz nehmen! Und wenn er aus der Welt scheidet, sind seine Hände ausgestreckt
(geöffnet), als wollte er sagen: Ich habe auch nicht das geringste von dieser Welt in
Besitz genommen o^Vs T.t-r. aViyn '^^^ T^rrj ^5'5, s. Qoh 5, 14. ü "~riar; u. t2S = „gewinnen
u. verlieren" nebeneinander TMSch 3, 18 (92): Geld hast du gewonnen, aber Seelen
hast du verloren (s. bei Mt 10, 39 S. 588).
Ti]v de ipvxTjv avTov ^rjfiKüi^f^: — Zu der Wendung „die Seele ein-
büßen, verlieren" s. bei Mt 10, 39. — Nicht um den unersetzhchen Ver-
lust einer Menschenseele, wie in Mt 16,26, sondern um den unendlichen
W^ert eines Menschenlebens handelt es sich in folgenden Stellen.
Sanh 4, 5: (Bei der Verwarnung der Zeugen sagt man:) Wisset, daß nicht wie Geld-
prozesse Kriminalprozesse sind. Bei G. kann ein Mensch geben, u. es wird ihm
Sühnung; aber bei K. haftet sein (des Hingerichteten) Blut u. das Blut seiner (möglich
gewesenen, durch die Hinrichtung aber unmöglich gewordenen) Nachkommen an ihm
bis ans Ende der Welt. Denn so finden wir es bei Kain, der seinen Bruder tötete;
denn es heißt Gn 4, 10: „Die Blute" (Plural) deines Bruders schreien zu mir. Es heißt
nicht „das Blut" deines Bruders, sondern „die Blute" -^-, nämlich sein Blut u. das Blut
* In den Ausgaben Venedig und Krakau fehlt -s":
750 Matth 16, 26 (SB. 6 1)
seiner Nachkommen . . . Deshalb wurde Adam als einziger geschaffen, um dich zu
lehren, daß man (Gott) es jedem, der Eine Seele (= Ein Menschenleben) ^ vernichtet,
so anrechnet, als ob er eine ganze Welt vernichtet hätte, u. daß man es jedem, der
Eine Seele ^ erhält, so anrechnet, als ob er eine ganze Welt erhalten hätte. || AbothRN 31 :
Durch zehn Worte ist die Welt erschaffen worden. Wozu brauchen das die zu wissen,
die in die Welt kommen? Es will lehren, daß es die Schrift jedem, d.er Ein Gebot er-
füllt u. der Einen Sabbat beobachtet u. der Eine Seele (am Leben) erhält, so anrechnet,
als ob er die ganze Welt erhielte, die durch zehn Worte erschaffen wurde. Und jedem,
der Eine Übertretung begeht u. der Einen Sabbat entweiht und der Eine Seele ver-
nichtet, rechnet man es so an, als ob er die ganze Welt vernichtete, die durch zehn
Worte erschaffen wurde. ^ Denn so finden wir es bei Kain, der seinen Bruder Abel
tötete; denn es heißt Gn 4, 10: Horch, ,die Blute" deines Bruders usw. Ein Blut hatte
er vergossen, von vielen Bluten wird geredet. Das lehrt, daß das Blut seiner Kinder
u. seiner Kindeskinder u. aller seiner Nachkommen bis ans Ende aller Generationen,
die bestimmt waren, aus ihm hervorzugehn — daß diese alle standen u. schrien vor
Gott. Da lernst du, daß Ein Mensch soviel wert ist wie das ganze Schöpfungswerk.
R. N^chemja (um 150) sagte: Woher (läßt es sich beweisen), daß Ein Mensch soviel
wert ist wie das ganze Schöpfungswerk? Weil es Gn 5, 1 heißt: Dies ist die Urkunde
der ToPdoth (Erzeugungen) Adams. Und doft (Gn 2, 4) heißt es: ,Dies sind die
ToFdoth des Himmels u. der Erde, als sie geschaffen wurden." Wie es sich dort um
Erschaffung u. Herstellung handelt, so handelt es sich auch hier um Erschaffung u.
Herstellung (d. h. der gleiche Ausdruck Tol^'doth, der in beiden Stellen die gleiche Be-
deutung hat, will den Menschen als der ganzen Welt gleichwertig bezeichnen).
Zur ganzen Sentenz Mt 16, 26 vgl. Aboth 2, 1: Rabbi sagte: Sei auf
ein leichtes Gebot bedacht, wie auf das schwere; denn du kennst den
Lohn der Gebote nicht. Berechne den Verlust bei einer Gebotserfüllung
gegenüber ihrem Lohn u. den Vorteil bei einer Übertretung gegenüber
ihrem Schaden. || N''d41«: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Arm ist nur
derjenige, der arm an Wissen ist. Im Abendland (Palästina) sagt man:
Wer dieses hat, hat alles; wer dieses nicht hat, was hat er? Erwarb
er dieses, was mangelt? Erwarb er dieses nicht, was erwarb er? —
Parallelstellen: LvR 1 (105-^); NuR 19 (185 «J); Midr Qoh 7, 23 (37«).
16,26 6: Oder was wird ein Mensch geben als Entgelt
für seine Seele?
1. avxttXXay^a bedeutet: «, den Kaufpreis, der als Entgelt gezahlt wird. So LXX
1 Kg2I,2: dwau) aoi uQyvQiov ('.vrä'k'Aayp.a, i^na, cifj.nehöv6g aov roiJroj;. ||Sir 6, 15: ,Fiir
einen treuen Freund gibt es keinen Preis" ; hebr. --rjM, griech. urxnl'Aayy.a. — Das.
26, 14: Für eine wohlerzogene Seele ist kein Preis, «Vr., (zu hoch).
ß, Ersatz, Ersatzmann. — Sir 44, 17: Noah, der Gerechte, wurde fromm erfunden;
zur Zeit der Vernichtung (der Menschheit durch die Flut) wurde er der Ersatzmann
^"'^~~; griech. «Vr. Das Wort q^^~r, das man weder im AT, noch in der rabbin.
Literatur liest, findet sich im hebr. Sirach in der Bedeutung , Ersatz" noch 46, 12 u.
48,. 8. Der griech. Text hat 46, 12 t(vrlXK^a)laaa6f^Evor, 48, 8 Siado^ovg Nachfolger. j|
^ Die Worte ,aus Israel" sind ein irrtümlicher Zusatz.
2 Vgl. Aboth 5, 1 : Durch zehn Worte (d. h. durch das zehnmalige ,Gott sprach"
im Schöpfungsbericht) ist die Welt erschaffen worden. Was will die Schrift lehrend
damit sagen? Hätte sie denn nicht durch Ein Wort erschaffen werden können? (Sie will
lehren,) daß man die Gottlosen strafen wird, die die Welt verderben, die durch zehn Worte
erschaffen ist, u. daß man guten Lohn den Gerechten geben wird, die die Welt erhalten,
die durch zehn Worte erschaffen ist. (Die zehn Worte verzehnfachen Strafe u. Lohn.)
Matth 16, 26 (6 1. 2). 16, 27. 28 751
Äquivalente für tivxdX'krcyfxu in seiner ersten Bedeutung im Rabbin.: ^"2- = Preis, Wert,
oder "isis, li'"? = Lösegeld, oder "'ip'/S, 'sk'I''^, x=i^"?^£ = Loskaufung. Targ Ps 49, 8f. :
Seinen Bruder, der gefangen ist, kann ein Mann nicht loskaufen mit seinem Vermögen,
nicht kann er Gott eine Loskaufung für ihn n"3;:i^2 geben. Zu teuer ist seine Los-
kaufung r;"'3|5'^n-:. || Zur Wiedergabe von ehr. in seiner zweiten Bedeutung bieten sich
dar: n-nwr u. q"'?'r; oder ""?"Vt.- — Sanh 22»: R. Sch^muel b. Nachman (um 260) hat
gesagt : Für alles gibt es einen Ersatz, r^^'.^r, nur nicht für das Weib der Jugend. ||
pB^rakh 2, 5^, 25: Als R. Simon b. Z^bid (gegen 300) entschlafen war, kam R. s;^
(= Heia, um 310) u. hielt über ihn die Abschieds-(Trauer-)Rede: Vier Gebrauchs-
gegenstände der Welt gibt es u. für sie alle, wenn sie verloren gehn, ist Ersatz "("E*^-
vorhanden, s. Hi 28, If. : „Für Silber gibt es einen Fundort u. eine Stätte für das
Gold, das man ausschmilzt. Eisen entnimmt man dem Erdreich u. Gestein schmelzt
man zu Kupfer." Wenn diese verloren gehen, so gibt es für sie Ersatz "'E^^n. Aber
wenn ein Gelehrtenschüler stirbt, wer bringt uns einen Ersatz für ihn irE-^r;, wer
bringt uns einen Austausch für ihn ir'^i'sr? s. Hi 28, 12 ff.: Weisheit — von wo erlangt
man die usw. — Parallelstellen mit mehrfachen Abweichungen pHor 3, 48 b, 43; GnR 91
(58a); MidrHL6, 2(122b); Midr Qoh 5, 11 (28^').
2. Zu dem Gedanken, daß niemand u. nichts die Seele eines Menschen
aus dem Gericht Gottes erretten kann, s. die Belege im Exkurs: Sch'^ol
usw. II, 3, c. d. — Hier sei nur noch hingewiesen auf:
Apok Bar 85, 12 f.: (Beim Endgericht ist) nicht eine Gelegenheit fürs Gebet u. nicht
eine Entsendung von Bitten u. nicht Erlangen von Erkenntnis u. nicht Hingabe von
Liebe u. nicht Gelegenheit für die Reue der Seele u. nicht Fürbitten für Vergehungen
u. nicht Gebet der Väter und nicht Flehen der Propheten u. nicht Hilfe der Gerechten.
Es ist dort aber der Urteilsspruch zum Verderben u. der Weg zum Feuer u. der Pfad,
der zur Gehenna heranführt. ,
16,27: Er wird vergelten einem jeden nach seinem Tun.
Zu diesem Zweck werden alle Werke des Menschen nach altjüdischer
Lehre in den himmlischen Büchern aufgezeichnet; darum wird keine
seiner Taten vergessen. In der Gerichtsstunde kommen alle Werke des
Menschen herbei, um diesem zur Anerkennung einzeln aufgezählt zu
werden. Der Richterspruch erfolgt dann nach der Mehrzahl der Werke.
Die Belege hierzu s. im Exkurs: Sch^ol usw. II, 3, b u. e — h.
16,28: Die den Tod nicht schmecken werden.
ysvaad-ai ^aväiov.
4Esra6, 26: Da erscheinen die Männer, die einst emporgerafft sind, die den Tod
nicht geschmeckt haben seit ihrer Geburt (wie Henoch u. Elias). || GnR 9 (7'^): R. Chama
b. Chanina (um 260) hat gesagt: Der erste Mensch hatte den Geschmack des Todes
nicht schmecken sollen (nr-Ji zvc ns-j-' sVw-). (Warum wurde der Tod über die Frommen
u. über die Gottlosen verhängt?) R. Schim?on b. Laqisch (um 250) hat gesagt: Um
jenen doppelten Lohn zu geben u. -um diese doppelt zu strafen. Um den Gerechten
Lohn zu geben dafür, daß sie (eigentlich) den Geschmack des Todes nicht hatten
schmecken sollen u. (gleichwohl) den Geschmack des Todes auf sich nahmen; deshalb
heißt es Jes61,7: Sie werden deshalb in ihrem Lande doppelten Besitz erlangen.
Um die Gottlosen aber zu strafen, weil die Gerechten den Geschmack des Todes nicht
hatten schmecken sollen u. den Tod um ihretwillen (der Gottlosen wegen) auf sich
nahmen; deshalb heißt es Jerl7, 18: Mit zwiefältigem Zerbrechen zerbrich sie(ai3r;
der Midr liest irrtümlich vi— ,sie sollen erlangen"). !| GnR 21 (14''): R. B^'rekhja
(um 340) hat im Namen des R. Cbanina (um 225) gesagt: Wie Elias den Geschmack
752 Matth 16, 28. 17, 2
des Todes nicht geschmeckt hat (rn: aya cyi; s'is), so hatte auch Adam den Geschmack
des Todes nicht schmecken sollen. |i Targ Jerusch I Dt 32, 1: Mose sprach in seinem.
Herzen: Ich will als Zeugen für dieses Volk nicht Zeugen nehmen, die den Tod in
dieser Welt schmecken srir^»: -j'^syt:!; siehe, ich will als Zeugen solche Zeugen nehmen,
die nicht den Tod in dieser Welt schmecken (gemeint sind Himmel u. Erde). || Joma78'':
Sch*^muel (f 254) hat gesagt: Wer den Geschmack des Todes schmecken will,
srir-»3- is^yj Byj'';'; 'yzr is's -sn, der ziehe Schuhe an u. schlafe (er schlafe in
Schuhen). i| Midr Qoh 12, 5 (53"): Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Obwohl alle den
(gleichen) Tod schmecken, so hat doch (hinterher) jeder eine Welt für sich. —
Dasselbe LvR 18 (IIT*-"), s. die ganze Stelle im Exkurs: „Sch'^ol" usw. HI, 3, q. —
Ferner s. bei Joh 8, 52.
17,2 3t: Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne.
Dereinst werden die Angesichter der Gerechten zu siebenfacher
Herrlichkeit, zum Glanz der Sonne, des Mondes, der Sterne, der Blitze
usw., verklärt werden.
Siphre zu Dt 1, 10 § 10 (67 ») s. im Exkurs: „Sch^ol' III, 3, m. || Henoch 38, 4: Von
nun an werden die, welche die Erde besitzen, nicht mehr mächtig noch erhaben sein,
u. sie werden das Antlitz der Heiligen nicht anzuschauen vermögen, weil der Herr
der Geister sein Licht auf das Angesicht der Heiligen u. auserwählten Gerechten
strahlen läßt. |j ApokBar5I,3: Auch die herrliche Erscheinung derer, die jetzt auf
Grund meines Gesetzes gerecht gehandelt haben. ... — deren Glanz wird alsdann
in verschiedener Gestalt erstrahlen, u. das Aussehen ihrer Angesichter wird sich ver-
wandeln in ihre leuchtende Schönheit, so daß sie annehmen und empfangen können
die unsterbliche Welt, die ihnen alsdann verheißen ist. Il 4Esra 7, 97: Die sechste
(Freude der Gerechten in der Sterbestunde ist), daß ihnen gezeigt wird, wie ihr Antlitz
einst wie die Sonne leuchten soll, u. wie sie dem Sternenlichte gleichen sollen. |]
Henoch 104,2: Ihr werdet wie die Lichter des Himmels leuchten und scheinen.]!
slaw. Henoch 66, 7: Selig sind die Gerechten, weil sie leuchten werden mehr denn die
Sonne siebenfach. — Weiter s. Henoch 39, 7; 51, 5; ApokBarSl, 10; 4Esra7, 125;
Midr Qoh 1, 7 bei 17, 2 SB; Midr Qoh 1, 3 bei 16, 26 9t. — Mose leuchtete wie die Sonne,
s. DtR 1 1 (207 <=) bei Mt 4, 1 S. 146.
17,2 ^: Seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Auch die Kleider der Herrlichkeit gehören zu den Heilsgütern der
Zukunft.
Henoch 62, 15 f.: Die Gerechten und Auserwählten werden sich von der Erde er-
heben u. aufhören, ihren Blick zu senken, u. werden mit dem Kleid der Herrlichkeit
angetan sein. Und dies soll euer Kleid sein, ein Kleid des Lebens bei dem Herrn
der Geister; eure Kleider werden nicht veralten u. eure Herrlichkeit wird nicht ver-
gehen vor dem Herrn der Geister. || slaw. Henoch 22, 8: Der Herr sprach zu Mikhael:
Tritt herzu u. entkleide Henoch von seinen irdischen Kleidern u. salbe ihn mit meiner
schönen Salbe u. kleide ihn in die Kleider meiner Herrlichkeit. ll Midr Qoh 1,7: R. Jirm^ja
b. Elfazar (um 270) hat gesagt: Dereinst wird Gott das Licht (den Glanz) des An-
gesichtes der Gerechten in der zukünftigen Zeit erneuern,^ s. Ri 5, 31 : ,Die ihn lieben,
sind wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht." Wie er ihr Angesicht erneuert, so
erneuert er auch ihre Kleider: heute halbseidene, morgen ganzseidene. — Vgl. die
„Röcke von Licht" GnR 20 (14=") oben S. 97. |1 Speziell vom Messias heißt es P'^siqR 37
(163^): R. Schimfon b. Pazzi (um 280) hat gesagt: In jener Stunde (seines öffentlichen
Hervortretens) wird Gott den Messias bis an den höchsten Himmel erhöhen u. über
' Der Glanz des Angesichtes gehört zu den sechs Dingen, die infolge der Sünde Adams
verloren gingen u. vom Messias wiedergebracht werden, s. GnR 12 (9'') bei Mt 1,3 S. 19.
Matth 17, 2. 3 (Nr. 1) 753
ihn ausbreiten von dem Glanz seiner Herrlichkeit vor den Völkern der Welt, vor den
gottlosen Persern (= Römern?). Dann wird er zu ihm sagen: Ephraim (ein Kose-
name), Messias unsrer Gerechtigkeit (= unser gerechter Messias), richte über diese
u. verfahre mit ihnen, wie es deiner Seele beliebt. || NuR 15 (179'^): Den König, den
Messias, bekleidet Gott mit seinem (Gottes) Gewand, s. Ps 21, 6: Majestät u. Herrlich-
keit legst du auf ihn. — Genauer sagt R. Simon (um 280) Midr Ps 21 §2 (89b): Die
Krone eines Königs von Fleisch u. Blut darf man nicht aufsetzen; aber Gott wird seine
Krone dem König, dem Messias, gelien, wie es heißt Ps21, 4: Du setzest auf sein
Haupt eine Krone von Gold. Den Purpur eines Königs von Fleisch u. Blut darf man
nicht anlegen; aber Gott gibt ihn dem König, dem Messias, s. Ps21,6: Majestät u.
Herrlichkeit legst du auf ihn.
17,3: Und siehe, ihnen erschien Mose u. Elias.
1. Die Frage, ob Mose wie Elias u. Henoch, ohne den Tod zu
schmecken, im Jenseits Aufnahme gefunden habe, ist wenig erörtert
worden. Zwar schon Josephus scheint sie verneinen zu wollen ;a in
einer Bar wird sie bejaht, b Dies hat aber keine allgemeinere An-
erkennung gefunden, c Den meisten gilt als selbstverständlich, dafs
Mose gestorben sei.d u. zwar weil Gott den Tod über alle Menschen
gleicherweise verhängt habe.e Höchstens wird hier u. da die Ansicht
ausgesprochen, daß Moses Seele nicht in die Hand des Todesengels ge-
geben, sondern unmittelbar von Gott durch einen Kufs hinweggenommen
sei,^ u. daß über seinen Leichnam die Verwesung keine Gewalt gehabt
habe.g Selbst in den jüngeren Midraschwerken, die Moses Ende aus-
führlich behandelt u. mit Sagen ausgeschmückt haben, h tritt nirgends
der Gedanke hervor, daß Mose lebend ins Jenseits hinübergegangen sei.^
Trotzdem hat man es nicht für unmöglich gehalten, daß Mose aus der
andren Welt auf Erden erscheinen könne.' Mtl7,3 setzt also nicht die
Annahme voraus, daß er einst lebend entrückt sei.
a. Joseph. Ant. 4, 8, 48 Ende: Als er (Mose) noch Eleazar u. Josua umarmte u. mit
ihnen redete, wurde er, indem plötzlich eine Wolke über ihm stand, in ein Tal hinab
dem Anblick entzogen. In den heiligen Büchern aber schrieb er, daü er gestorben
sei, weil er befürchtete, man möchte sich erkühnen zu sagen, daß er wegen seiner
überragenden Tugenden sich empor zur Gottheit zurückgezogen habe. — Über ander-
weitige Besorgnisse vor dem Mißbrauch des Leichnams u. des Grabes Moses vgl.
Vassiliev, Anecdota graeco-byzantina 1,258 bei Lueken, Michaels. 121 (Sammael = Satan
will das Volk zur Anbetung des toten Mose verführen); ferner Leqach tob zu Dt 34, 6
(•_', 68a): Warum ist das Grab Moses nicht bekanntgegeben worden? Damit die Israe-
liten nicht dort ein Heiligtum gründeten u. dort opferten u. räucherten. Ferner damit
die Völker der Welt sein Grab nicht verunreinigten mit ihren Götzenbildern u. Greueln. —
Bacher, pal. Amoräer 1, 474 führt folgenden Ausspruch des R. Chanina (um 260) aus
Sota 14a (?) an: „Warum wurde das Grab Moses jedem menschlichen Auge verborgen?
Damit nicht Israel, wenn das Heiligtum zerstört u. das Volk aus seinem Lande ver-
bannt ist, zur Grabstätte Moses käme, um dort weinend zu verharren u. zu Mose zu
flehen: 0 Mose, unser Lehrer, tritt im Gebet für uns ein! Moses würde für sie ein-
treten u. das Verhängnis zunichte machen; denn die Frommen sind im Tode Gott noch
werter als während ihres Lebens."
* Nicht hierher gehört natürlich die oft ausgesprochene Meinung, daß Mose zur
Empfangnahme der Tora aus Gottes Hand zum Himmel aufgefahren sei.
strack 11. Billerbeck, NT I. 48
754 Matth 17, 3 (Nr. 1)
b. SDt 34, 5 §357 (149b): Etliche sagen: Mose ist nicht gestorben, sondern er
steht u. dient ohen. Es heißt hier (Dt34, 5): ,dort", u. es heißt dort (Ex 34, 28): Er
war „dort* bei Jahve. — Diese Bar wird auch Sota 13 ^ gebracht, mit der Schluß-
folgerung: Wie er dort (Ex 34, 28) stand u. diente, so steht er auch hier (Dt 34, 5)
u. dient (vor Gott). — Leqach tob zu Dt 34, 5 (2, 67 b) felilen die Eingangsworte: „Mose
ist nicht gestorben"; als Schlußbemerkung wird hinzugefügt: „Das lehrt, daß die Ge-
rechten nicht sterben." Die Bar ist also umgedeutet auf das Fortleben der Seelen
vor Gott; vgl. Leqach tob zu Dt 34, 7 (2, 68a).
C. Auch die Assumptio Mosis kennt schwerlich die Himmelfahrt Moses. 1, 15 u.
10, 14 spricht Mose von seinem Hingang zur Ruhe seiner Väter; damit ist sein Tod
gemeint. Dagegen heißt es 10, 12: Erunt enim a morte receptionem mea usque ad
adventum illius tempora CCL (250 Zeiten). Das 'receptionem', wie es dasteht, spottet
jeder Deutung; faßt man es als eine in den Text gedrungene Randbemerkung, so
kennt auch diese Stelle nur den Tod Moses. Es wäre doch auch seltsam, wenn eine
Schrift, aus der vermutlich das Zitat des Briefes Judas Vers 9 über den Streit um
Moses Leichnam stammt, die Himmelfahrt Moses als Ausgang seines Lebens an-
genommen hätte.
d. zB R. Elifezer (um 90) SDt 34, 5 § 357 (149 b) = Sota 13 b; R. Elfazar aus Modinm
ff um 135) SNu31,5 § 157 (59b); R.Meir (um 150)DtRll (207a; dasselbe anonym
Tanch -snan rsr 31b); R. Schimson b. Jochai (um 150) SDt 31, 14 §304 u. 305 (I29^aj;
R. Jehuda b. Elfai (um 150) SNu 12, 15 § 106 (28b); R. Jose b. J^uda (um 180) TSota
11, 10 (315); R.Jonathan b. EKazar (um 220) B'-rakh 18b; R. Jochanan (t279) Sota 13b;
R. Chama b. Chanina (um 260) Sota 14 a ; R. Elf azar b. PMath (um 270) MQ 28 a = BB 17 a,
s. die Stelle in Anm. /"; R. Ji(jchaq (um 300) Tanch ns^an psti 31b = DtR 11 (207a);
R. Levi (um 300) DtR 9 (206a); s. die Stelle in Anm. e; R. Abin (L um 325; 11. um 370)
P^siq 198b; dasselbe anonym Tanch ns^sn pstj 31a. Endlich s. auch Sota 1, 9: Wer
ist uns größer als Mose, mit dem sich nur Gott (bei seinem Tode) befaßte? s. Dt 34, 6:
Er begrub ihn im Tal.
e. DtR 9 (205 '\): Mose sprach: Herr der Welt, nach all den vielen Ehren, die
meine Augen gesehen haben, soll ich sterben? Gott antwortete: Mose, wer ist der
Mann, der da lebt u. den Tod nicht sieht? (vgl. Ps 89, 49). Was heißt das: Wer ist
der Mann usw.? R. Tanchuma (um 380) hat gesagt: Wer ist ein Mann wie Abraham,
der in den Feuerofen (Nimrods) hinabstieg u. gerettet wurde? Und hinterher heißt es
Gn 25, 8: Abraham verschied u. starb. Wer ist ein Mann wie Isaak, der seinen Hals
auf dem Altar hinstreckte? Und hinterher heißt es Gn 27, 2: Ich bin alt geworden
u. weiß den Tag meines Todes nicht. Wer ist ein Mann wie Jakob, der mit dem Engel
rang? Und hinterher heißt es Gn 47, 29: Es nahten die Tage Israels zu sterben. Wer
ist ein Mann wie Mose, der mit seinem Schöpfer von Angesicht zu Angesicht redete?
Und hinterher heißt es Dt 31, 14: Siehe, genaht sind die Tage, da du sterben mußt. . . .
R. Levi (um 300) hat gesagt: Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem schwangeren
Weibe, die ins Gefängnis geworfen war; dort gebar sie einen Sohn u. zog das Kind
auf. Als der König an dem Gef. vorüberging, fing jenes Kind an zu rufen: Mein Herr
König, warum muß ich im Gef. liegen? Der König antwortete ihm: Wegen der Sünde
deiner Mutter befindest du dich hier. So sprach Mose: Herr der Welt, 36 Verbote
mit der Ausrottungsstrafe gibt es; wenn ein Mensch eins von ihnen übertritt, ist er
des Todes schuldig. Habe ich vielleicht eins derselben übertreten? Warum verhängst
du über mich den Tod? Gott antwortete: Wegen der Sünde des ersten Menschen
mußt du sterben, der den Tod über die Welt gebracht hat. — In der Bar BB 17a;
•Schab 55b, die vier Menschen nennt, die infolge des Rates der Schlange, d. h. infolge
der durch die Schlange veranlaßten Sünde Adams starben, fehlt Moses Name. Der
Gedanke an Stellen wie Nu 20, 12; 27, 13 f.; Dt 82, 50 f. ließ es wohl nicht zu, Mose
von eigener Sünde freizusprechen. Vgl. Schab 55b Bar: R. Schim'on b. Elfazar (um 190)
hat gesagt: Auch Mose und Ahron sind infolge von Sünde gestorben, s. Nu 20, 12. —
Die letzte Bar auch in SNu 27, 14 § 137 (51b).
Matth 17,3 (Nr. 1) 755
/. BB 17a Bar: Über sechs hat der Todesengel keine Gewalt gehabt (d. h. ihre
Seele wurde von Gott selbst hinweggenommen); diese sind: Abraham, Isaak, Jakob,
Mose, Ahron u. Mirjam. Abraham, Isaak u. Jakob, weil es von ihnen heißt: Mit , allem"
hatte Jahve Abraham gesegnet Gn 24, 1, von „allem" aß ich (Isaak) Gn 27, 33, , alles"
habe ich (Jakob) ja Gn 33, 11. („Alles" Gute besaßen sie, also auch die Freiheit vom
Todesengel.) Mose, Ahron u. Mirjam, weil es von ihnen heißt Nu 33, 38 u. Dt 34, .5:
nr^ -E hs (^ auf Jahves Geheiß, vom Midr gedeutet = am Munde, d. h. durch einen
Kuß Jahves). Aber bei der Mirjam steht doch nicht geschrieben 'n "s hv ! R. Elcazar
(um 270) hat gesagt: Auch Mirjam starb durch einen Kuß np-^iüja; das folgt aus der
Analogie des Wortes „dort" bei Mirjam Nu 20, 1 u. bei Mose Dt 34, 5. (Die Gleichheit
eines Woi-tes in verschiedenen Stellen gestattet die ganze Situation der einen Stelle
in die andere einzutragen, so in diesem Fall das 'r, -s hy; vgl. Einl. S. 97, Nr. 2.) Aber
warum ist denn bei der Mirjam nicht gesagt worden „am Munde Jahves"? Weil es un-
geziemend gewesen wäre, das zu sagen (da es sich um eine Frau handelt). — R. ElEazars
Ausspruch noch MQ 28»; die Deutung des ^s hy „Kuß" auch Targ Jerusch I Dt 34, 5.
g. BB 17a Bar: Über sieben hat Wurm u. Verwesung keine Gewalt gehabt; diese
sind: Abraham, Isaak u. Jakob, Mose, Ahron u. Mirjam u. Benjamin, der Sohn Jakobs.
Abr., Is. u. Jakob, da es von ihnen lieißt: Mit allem, von allem, alles, s. das vor. Zitat;
Mose, Ahron, u. Mirjam, weil es von ihnen heißt: Am Munde Jahves, s. das vor. Zitat.
Von Benjamin, dem Sohne Jakobs, heißt es Dt 33, 12: Der Liebling Jahves wohnt
sicher bei ihm (auch im Grabe sicher vor Verwesung). Einige fügen noch David hinzu,
s. Ps 16,9: Auch mein Fleisch wird sicher wohnen. 1| PesiqR 21 (102a): R. Schim'on
b. Jochai (um löO) hat gesagt: Wenn aus dem Grabe Moses ein kleines Loch sich
öffnete, so würde die ganze AVeit vor seinejn (des Loches) Licht (= Glanz) nicht be-
stehen können. Wenn so das Loch, wie erst das (ganze) Grab! Und wenn so das
Grab, wie erst Mose! (Die Meinung ist, daß Moses Leiche der Strahlenglanz verblieben
ist, s. Friedmann z. St.) || SDt 84, 7 § 357 (150a): „Es war nicht gewichen nnV" Dt 34, 7.
R. EliJezer b. Ja'aqob (um 150) hat gesagt: Lies nicht ""V,^ sondern nrr"';., „die Feuchtig-
keit (= Saft, Frische) war nicht gewichen". Wenn man jetzt das Fleisch (den Körper) Moses
berühren könnte, so würde seine Frische dahin u. dahin (nach allen Seiten) hervortreten.
h. Es sei verwiesen auf DtR9(205<^); 11 (207a— 208b Ende; s. oben S. 146f.);
Tanch i:-rsi 3b— 5^; ^=^2- rsr 31a_32b; TanchB ^arrs^ § 6 (ob— 7b; Targ Jerusch I
zu Dt 34, 5 ff. ; Midr vom Ableben Moses bei Jellinek, Beth ha-Midr 1, 1 1 5— 1 29 ; G, 7 1 —78.
i. Midr KL Einl. Nr. 24 (38a): (R. Schemuel b. Nacbman, um 260, hat gesagt:
Als das Heiligtum zerstört war), hob Mose an u. sprach : Herr der Welt, bin ich nicht
ein treuer Hirt gewesen über Israel 40 Jahre lang u. vor ihnen hergelaufen wie ein
Roß durch die Steppe (vgl. Jes 63, 13)? Und als die Zeit herannahte, daß sie in das
Land (Kanaan) einziehen sollten, hast du über mich beschlossen, daß in der Wüste
meine Gebeine fallen sollten — u. jetzt, wo sie in die Verbannung gezogen, hast du
mich holen lassen, über sie zu klagen u. zu weinen — gerade so, wie die Leute im
Sprichwort sagen: Aus dem Glück meines Herrn kommt kein Glück mir, aber aus
seinem Unglück erwächst auch mir Unglück. In jener Stunde sprach Mose zu Jeremia:
Geh vor mir her, denn ich will gehn u. sie geleiten u. sehen, wer seine Hand auf sie
gelegt hat. Jeremia erwiderte: Unmöglich ist es des Weges zu ziehen vor Erschlagenen!
Trotz alledem, entgegnete Mose. Sofort gingen sie bis an die Ströme Babels. Als die
Exulanten Moses ansichtig wurden, sprachen sie untereinander: Der Sohn (Amrams
ist aus seinem Grabe gekommen, um uns aus der Hand unsrer Dränger zu erlösen.
Da ging eine Himmelsstimme aus, welche rief: Unabänderlicher Beschluß ist es vor
mir! Alsbald sprach Mose zu ihnen: Meine Kinder, euch zurückzuführen ist nicht mög-
1 Welche Erklärung des nhV mit dieser Bemerkung abgelehnt wird, ist nicht
recht ersichtlich. Vielleicht hat man an die Deutung „seine Kinnbacke, seine Wange"
(von ■^nV) zu denken, wie Targ Jerusch I übersetzt: Es fielen nicht aus die Zähne
seiner Kinnbacke r-PC'^. Vgl. auch LXX Dt 34, 7.
48*
756 Matth 17, 3 (Nr. 2)
lieh, denn schon ist der Beschluß beschlossen; aber mijge euch Gott zurückführen in
Bälde! und damit verließ er sie. . . . |1 Wie R. Schemuel b. Nachman hier den Mose
aus seinem Grabe an den Wassern Babylons erscheinen läßt, ebenso dichtet er im An-
fang dieser Legende, daß auch Abraham in das zerstörte Heiligtum eingetreten sei,
um vor Gott zu klagen. Man erkennt daraus, daß das Erscheinen Verstorbener aus
ihren Gräbern dem jüdischen Denken keine besonderen Schwierigkeiten bereitet hat.
2. Neben Elias oder in Verbindung mit dem Messias wird Mose in
der älteren jüdischen Literatur nicht erwähnt. Mt 17, 3 steht in dieser
Hinsicht beispiellos da. Als Vorläufer oder Mitarbeiter des Messias
werden in den Pseudepigraphen genannt: Henoch, Elias, Esra, Baruch
u. der Hohepriester der messian. Zeit;a in der rabbin. Literatur außer
Elias besonders der Messias ben Joseph oder ben Ephraim, vereinzelt
auch der Kohen Qedeq (der Hohepriester der Messiaszeit) u. ein Messias
ben Manasse.b Moses Name begegnet hier nirgends. Erst der spät
(um 900?) entstandene Midrasch zum 5. Buch Mose D^barim Rabba
(s. Einl. 206 f.) hat Mose einmal mit Elias in Verbindung gebracht u.
ihn so unter die Vorläufer des Messias eingereiht, c Dieser eine, noch
dazu anonym ^ überlieferte Ausspruch ist natürlich nicht geeignet, uns
über die Anschauungen der früheren Zeit zu belehren. Allerdings hat
auch diese dem Mose eine ganz bestimmte Aufgabe für die Endzeit
zugewiesen; aber sein Verhältnis zum Messias wird dabei nirgends be-
rührt: wie nämlich Mose bei den in der Wüste Gefallenen begraben
worden ist, um deren Sünde zu sühnen, d so soll er dereinst bei der
Auferstehung der Toten das Wüstengeschlecht durch sein Verdienst
wiederbringen u. an ihrer Spitze seinen Lohn empfangen, e — Zu Orac.
Sibyll. 5, 256 — 259, wo möglichenfalls Mose vom Flimmel her als Messias
erwartet wird, s. bei Mt 1, 1 S. 12 f.
a. Henoch 89, 52: Eins von ihnen (nämlich Elias) rettete sich u. wurde nicht ge-
tötet, entsprang u. schrie über die Schafe (^^ Israeliten), u. sie wollten es töten, aber
der Herr der Schafe {= Gott) rettete es aus der Gewalt der Schafe, brachte es zu mir
(Henoch) herauf (in den Himmel) u. ließ es (da) wohnen. | 90, 31 : Darauf nahmen mich
(Henoch) jene drei weiß Gekleideten (= Engel), die mich zuvor hinaufgebracht hatten,
bei der Hand, u. indem die Hand jenes Böckchens (= Elias) mich ergriff, brachten
sie mich hinauf (nach dem neuen Jerusalem) u. setzten mich (samt Elias) inmitten
jener Schafe nieder, bevor das Gericht begann. 4 Esra 14, 9: Du (Esra) sollst aus den
Menschen entrückt werden u. wirst fürderhin bei meinem Sohn (dem Messias) u. bei
deinen Genossen (im Himmel oder im Paradies) verweilen, bis die Zeiten um sind
(die messian. Zeit anbricht). | 14, 49: Damals ist Esra entrückt u. an die Stätte seiner
Genossen aufgenommen worden, jj Apok Bar 13, 3: Du (Baruch) sollst bestimmt auf-
bewahrt werden bis zum Ende der Zeiten, damit du dann da seiest, um Zeugnis ab-
zulegen. I 76, 2: Du (Baruch) wirst allerdings von dieser Erde fortgehen, aber nicht
zum Tode, sondern aufbewahrt zu werden für das Ende der Zeiten. Ij 4 Esra 6, 26: Da
(vor Beginn der Heilszeit) erscheinen die Männer, die einst emporgerafft sind, die den
Tod nicht geschmeckt haben seit ihrer Geburt (wie Henoch, Elias, Baruch, Esra). | 7, 28:
Denn mein Sohn, der Christus, wird sich offenbaren samt allen bei ihm (wie zB Henoch,
' Volz, Jüd. Eschatologie, S. 191, verleitet durch ein voranstehendes Wort des
Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80), hat ohne Grund auch unsern Ausspruch diesem
Autor beigelegt.
Matth 17, 3 (Nr. 2) 757
Elias usw.) u. wird den Übriggebliebenen Freude geben, 4Ö0 Jahre lang. |i Test Levi 18:
Dann wird der Herr dem Priestertum einen neuen Priester (den Hohenpriester der
niessian. Heilszeit) erwecken, welchem alle Worte des Herrn werden enthüllt werden.
Und er selbst wird ein Gericht der Wahrheit halten auf der Erde in einer Menge von
Tagen . . . wie ein König. . . . Dieser wird leuchten wie die Sonne auf der Erde u.
jedes Dunkel von der Erde wegnehmen, u. es wird Friede auf der ganzen Erde sein. . . .
Die Himmel werden sich öffnen u. aus dem Tempel der Herrlichkeit wird über ihn
Heiligkeit kommen mit väterlicher Stimme. . . . Und die Herrlichkeit des Höchsten
wird über ihn gesprochen werden, u. der Geist des Verstandes u. der Heiligung wird
auf ihm ruhen. ... Er wird keinen Nachfolger haben bis in die fernsten Geschlechter
bis in Ewigkeit. Und zur Zeit seines Priestertums wird jede Sünde vergehen, u. die
Gottlosen werden aufhören Böses zu tun. . . . Und er selbst wird die Türen des Para-
dieses öffnen u. er wird wegstellen das gegen Adam drohende Schwert u. wird den
Heiligen zu essen geben von dem Holz des Lebens, u. der Geist der Heiligkeit wird
auf ihnen sein. Und Beliar wird von ihm gebunden werden, u. er wird seinen Kindern
Gewalt geben, auf die bösen Geister zu treten. . . .
b. Die Belege s. im Exkurs: „Elias" II, 2, k.
C. DtR3(201'^): Gott sprach: Mose, bei deinem Leben, wie du dein Leben für
Israel in dieser Welt dahingegeben hast, so sollt ihr in der Zukunft, wenn ich ihnen
den Propheten Elias kommen lasse, beide zusammen kommen. Woher läßt sich das
beweisen? Es steht geschrieben Nah 1,3 f.: Jahve ist langsam von Zorn, aber groß
an Kraft, u. ungestraft läßt er sicher nicht ausgehn. Jahve im Schilf (der Midr deutet
-i^,o Sturm = qno Schilf) u. im Wetter ist sein Weg usw. Im , Schilf, das bezieht
sich auf Mose, s. Ex2, 3: Sie setzte ihn ins Schilf; u. im , Wetter", das geht auf
Elias, s. 2 Kg 2, 1 1 f. In jener Stunde aber (bei seiner dereinstigen Wiederkehr) wird
er kommen u. euch trösten, s. Mal 3, 23 f.
d. Sota 14»; R. Chamab. Chanina (um 260) hat gesagt: Warum ist Mose bei Beth-P'^for
begraben worden? (s. Dt 34, 6). Damit er für die Tat mit dem Pejor (Nu 25) Sühnung schaffe.
e. Tanch •;:r;rNi 5'': Warum ist Mose im Auslande begraben worden? Damit die
im Auslande Gestorbenen durch sein Verdienst Wiederaufleben (auferstehn). || P'^siqR
Zusatz 3 (199-''): Warum ist Mose in der Wüste gestorben? Damit das Geschlecht der
Wüste durch sein Verdienst wiederkehre u. auferstehe. — Parallelstelle: P'='siq 159^. ij
DtR2(197''): Gott sprach zu Mose: Wenn du hier bei ihnen (den in der Wüste Ge-
storbenen, lies 1'-^ statt f^us) begraben wirst, so werden diese durch dein Verdienst
mit dir kommen (bei der Auferstehung). R. Levi (um 300) hat gesagt: Womit läßt sich
das vergleichen? Mit einem, dessen Geld an einem finstern Ort verstreut worden war.
Er sagte: Wenn ich sage: Leuchtet mir, daß ich meine (kleinen) Geldmünzen sammle,
dann kümmert sich kein Mensch um mich. Was tat er? Er nahm ein Goldstück u.
warf es dazwischen; dann fing er an zu schreien und sprach: Leuchtet mir! ich hatte
Ein Goldstück, das ist mir hier weggefallen! Da leuchtete man ihm. Was tat er,
nachdem er das Goldstück an sich genommen hatte? Er sprach zu ihnen: Bei eurem
Leben! wartet auf mich, daß ich die Geldmünzen aufsammle, und er sammelte sie auf.
So wurden durch das Verdienst des Goldstücks die Geldmünzen aufgesammelt. Ebenso
hat Gott zu Mose gesagt: Wenn du bei ihnen in der Wüste begraben wirst, so werden
sie durch dein Verdienst kommen u. du wirst an ihrer Spitze kommen, s. Dt 33, 21:
Er kommt an der Spitze des Volkes (so der Midr). — In ExR2(68'^) sagt R. Levi:
Gott sprach zu Mose: Dies Zeichen sei dir: in der Wüste ließest du sie u. aus der
Wüste wirst du sie in der Zukunft herausbringen, s. Hos 2, 16: Deswegen siehe, will
ich sie locken u. in die Wüste schaffen. i| Tanch rpn 227'': , Deshalb sollt ihr diese
Versammlung nicht in das Land bringen" Nu 20, 12. Gott sprach zu Mose: Mose, wie
willst du denn in das Land kommen? Gleich einem Hirten, der auszog, um die Herde
des Königs zu weiden, u. die Herde wurde gefangen fortgeführt. Da wollte der Hirt
den Palast des Königs betreten. Der König sprach zu ihm: Man wird sagen, daß du
die Herde der Gefangennahme überlassen hast (u. davongelaufen bist). Ebenso sagte
758 Matth 17, 3 (Nr. 2). 17, 15. 17
Gott zu Mose: Mose, wäre das ein Ruhm für dich, daß du 60 Myriaden ausgeführt u.
in der Wüste begraben hast u. ein andres Geschlecht (in das Land Kanaan) einführst?
Jetzt wird man sagen: Die in der Wüste Gestorbenen haben keinen Teil an der zu-
künftigen Welt! Vielmehr bleibe an ihrer Seite und dann komme in Gemeinschaft mit
ihnen, s. Dt 33, 21: Er kommt an der Spitze des Volkes (so der Midr). — Parallelen:
TanchB r-n § 32 (61b); NuR 19 (186«=). II Tanch a^--' 133 1>: Gott sprach zu Mose: In
dieser Welt habe ich dich zum Haupt über ganz Israel gemacht, u. in der zukünftigen
Welt, wenn die Gerechten kommen werden, ihren Lohn in Empfang zu nehmen, sollst
du an der Spitze von ihnen allen kommen, s. Dt 33, 21: Er kommt an der Spitze des
Volkes. — Dasselbe TanchB n"-i §6 (3«).
'HleU'.g. — Über Elias im gegenwärtigen Äon u. über seine Aufgabe bei Anbruch
der messian. Zeit s. den Exkurs: Elias I u. II.
17,5: Eine Stimme aus der Wolke. — Dazu vgl. bei Mt3, 17.
17,12: So steht auch dem Menschensohn bevor von ihnen zu leiden.
Über den leidenden Messias der Synagoge s. bei Lk 24, 26.
17,15: Er ist mondsüchtig.
Die Krankheit wird Vers 18 auf einen bösen Geist, daiixovior =
nr^ nr,, zurückgeführt; sie äußert sich, wie aus den Worten: „Oft
fällt er ins Feuer u, oft ins Wasser" Vers 15'' zu entnehmen ist, in
epileptischen Anfällen; das oeXr^ricc^sTai endlich bezeugt den Einfluß
des Mondes auf die Krankheit. Ungewiß bleibt, ob der Mond als natür-
licher Krankheitserreger in Betracht kommt, oder ob die Periode des
Mondscheins als die Zeit gedacht ist, in der der böse Geist seine Wirk-
samkeit ausübt. In letzterer Hinsicht wäre zu verweisen auf Targ
Ps 121, 6: Bei Tage, wenn die Sonne herrscht, sollen dich die Morgen-
dämonen nicht schlagen, noch die Nachtgespenster, wenn der Mond
in der Nacht herrscht, 1| P«^s 111«: R. JiQchaq (um 300) hat gesagt: Was
bedeutet Ps 23,4: „Auch wenn ich wandle im Tale der Schatten (so der
Midr), so fürchte ich kein Unheil; denn du bist bei mir"? Das bezieht
sich auf den, der im Schatten einer alleinstehenden Palme u. (über-
haupt) im Mondscheinschatten schläft. (Im Mondscheinschatten hausen
gern die Dämonen, s. Raschbam. Daß diese Meinung alt ist, beweist die
auf R. Ji9chaqs Ausspruch folgende, fast wörtlich gleichlautende Bar.)
Die Epilepsie sieht der Talmud meist als Strafe für eine gegen den
Anstand verstoßende Ausübung des Beischlafes an. So Bar P's 112'^;
K'^th 60'\ — Auf dämonische Einflüsse wird die Epilepsie zurückgeführt
in der Bar Git 70*: Wer vom Abort kommt, soll sein Bett nicht be-
dienen (den Beischlaf nicht vollziehen), bis er so lange Zeit gewartet
hat, wie nötig ist, um ein halbes Mil (1 Mil := 2000 Ellen) zu gehen,
weil der Dämon des Aborts ihn begleitet, u. wenn er den Beischlaf
gleich vollzieht, werden ihm epileptische Kinder ■■'e:: ni:^. || Über die
Dämonen als Erreger von Krankheiten s. den Exk. : Dämonologie Nr. 6, e.
17,15: Oft fällt er ins Feuer u. oft ins Wasser. — Hierzu s. bei Mk 9, 18.
17, 17: 0 ungläubiges u. verkehrtes Geschlecht.
o) ysvhcc . . . dieatoafint'vr.. So LXX für Vnbrs ... in Dt 32, 5.
Matth 17, 17.20.21 759
SDt §308 (133b): Mose sprach zu den Israeliten: Verkehrt seid ihr. verdreht s-'i-inVrE
seid ihr, ihr geht (gehört) nur ins Feuer. Gleich eitiem, der einen krummgebogenen Stock
in seiner Hand hat, den er einem Handwerker übergibt, um ihn geradezurichten. Er sucht
ihn im Feuer geradezurichten; wenn er nicht gerade wird, so sucht er ihn durch eine Walze
geradezumachen; wenn er (dann noch) nicht gerade wird, klopft er ihn mit einem Beil u.
legt ihn ins Feuer. Ebenso heißt es Ez 2 1 , 36 : Ich will dich in die Hand von Brandmenschen
legen, von Schmieden des Verderbens. — Eine andre Erklärung: Ein verkehrtes u. ver-
drehtes Geschlecht. Mose sprach zu den Israeliten: Mit dem Mafse, mit welchem ihr
messet, messe ich euch. Ebenso heißt es 2 Sm 22,27: Gegen den sich rein Bewahrenden
hältst du dich rein u. gegen den Verdrehten lassest du dich verkehrt finden.
17,20: Wie ein Senfkorn. Hierzu s. bei Mt 13, 32.
17,20: Ihr werdet zu diesem Berge sprechen:
Versetze dich von hier dorthin!
, Berge entwurzeln" oder „ausreißen" ist eine sprichwörtliche Wendung, die soviel
bedeutet wie: „unmöglich Scheinendes möglich machen". Sanh24^: fUlla (um 280)
hat gesagt: Wenn man den Resch Laqisch (um 250) im Lehrhaus sah, so erschien er
wie einer, der Berge entwurzelte u. sie aneinander zerrieb -r.-i^ ht i^n^'^:! c^n ^piy -isss
(d. h. er verstand alle halakhischen Schwierigkeiten durch seineu Scharfsinn zu be-
seitigen). Rabina (1. ?, f um 420, II. ?, f 499) hat gesagt: Erschien denn nicht R.Meir
(um 150), wenn man ihn im Lehrhaus sah, wie einer, der Berge von Bergen (die aller-
größten Berge) entwurzelte u. sie aneinander zerrieb? — Mit „ Bergentwurzeier '
a—n -pi» bezeichnete man also einen Gelehrten, der scharfsinnig zu disputieren ver-
stand, während man denjenigen, der diese Gabe nicht besaß, aber über eine umfassende
Kenntnis des gesamten halakhischen Traditionsstoffes verfügte, „Sinai" nannte. Der
letzteren Bezeichnung lag die Anschauung zugrunde, daß das ganze halakhische Material
bereits Mose auf dem Sinai offenbart worden sei. Horaj 14'^: R. Jochanan (f 279) hat
gesagt: Rabban Schim?on b. Gamliel (um 140) u. die Rabbinen waren darüber ver-
schiedener Meinung. Der eine sagte: Ein „Sinai" ist vorzüglicher, u. die andren sagten:
Ein „Bergentwurzeier" ist vorzüglicher. Rah Joseph (f 333) war ein „Sinai", Rabbah
(t 380) war ein „Bergentwurzeier". Man ließ (aus Babylonien, als die Wahl zum
Schulhaupt von Pumb^ditha zwischen Rah Joseph u. Rabbah schwankte) dort (in
Palästina) anfragen: „Wer von ihnen verdient den Vorzug?" Man antwortete ihnen :
der „Sinai" ist vorzüglicher; denn ein Autor hat gesagt: Alle haben den Weizen-
.besitzer nötig (die Kenntnis der Halakhoth ist das erste Notwendige). Gleichwohl
nahm Rab Joseph die Wahl nicht an usw. — Parallelstelle: B'^rakh 64a. || Von der
weltlichen Obrigkeit sagt Sch^muel (f 254) BB 3^: Wenn die Obrigkeit sagt: „Ich
reiße Berge aus", so reißt sie sie aus u. wird nicht andrer Meinung (d.h. sie nimmt
ihre Entscheidungen nicht zurück, auch nicht unter den schwierigsten Verhältnissen,
also lehne dich nicht gegen sie auf). i| Im eigentlichen Sinn wird die Wendung ge-
braucht Sota9'>: Es heißt Ri 13, 24: „Der Geist Jahves fing an, ihn (Simson) zu drängen
im Lager Dans, zwischen (^or?a u. Eschtaol." R. Asi (um 300) hat gesagt: (^orfa u.
Eschtaol waren zwei große Berge, u. Simson entwurzelte sie und zerrieb sie aneinander. |i
LvR 8 (110^) : Was heißt „zwischen Qor^a u. Eschtaol" Ri 13, 25? R. Sch^muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt: Das lehrt, daß er zwei Berge nahm u. sie aneinander schlug,
wie wenn ein Mensch zwei Steine (Erdschollen) nimmt u. sie aneinander schlägt.
R. Elifezer, um 90, befahl einmal einem Johannisbrotbaum, sich mit seinen Wurzeln
aus dem Erdreich loszureißen. Das Wunder sollte als Gottesentscheidung die Richtigkeit
einer von ihm vorgetragenen Meinung beweisen, s. die Stelle im Exkurs: „Der Synagogen-
bann" B, 6 Anm. «; ein Teil davon (BM 59 b) auch bei Mt 3, 17 S. 127 Anm. d.
IT, 21: Diese Art fährt nicht aus außer durch Gebet u. Fasten.
ixnoQsvsTCii = N:i;; oder pSD.
760 Matth 17, 21. 23. 24 (Nr. 1)
M*?ila 51l> (= fol 17b in andren Ausgaben): R. Schimron b. Jochai (um 150) sprach:
Ben T'^'lamjon (Name eines Dämons), fahre aus s::, Ben T'lamjon! Als er ihn anrief, kam
er heraus pr: u. hob sich davon. — Die ganze Stelle s. im Exkurs: „Altjüd. Dämonologie"
Nr. 7, h. — Josephus Ant N, 2, 5 gebraucht das Verbum SQis'i'rci, s. die Stelle ebenda.
£v TTQoaevxJ]' Als besonders wirksam gegen die bösen Geister galt
das Rezitieren des Schema?, des 3. u. des 91. Psalms; letzterer wurde
deshalb geradezu „das Lied gegen die Plagegeister (Dämonen)" ge-
nannt. — Belege s. im Exkurs über Dämonologie Nr. 7, c.
xal vr^arsia. — Das Fasten als Abwehrmittel gegen böse Geister,
Tafan 22'' Bar: Wenn Nichtisraeliten oder ein Strom (durch Ausuferung) eine
Stadt eingeschlossen haben, wenn ein Schiff auf dem Meer treibt, wenn ein einzelner
von Nichtisraeliten oder Räubern oder einem bösen Geist (der in ihn gefahren ist,
Raschi) verfolgt wird (so wird deshalb Lärm geblasen). Wegen aller dieser Vorfälle
darf sich der einzelne durch Fasten kasteien. R. Jose (um 150) sagte: Der einzelne darf
sich nicht durch Fasten kasteien, er möchte dadurch der Menschen (u. ihrer Unter-
stützung) benötigt werden u. die Menschen möchten sich seiner nicht erbarmen.
Das Fasten als wirksame Unterstützung des Gebetes.
pB'^rakh 4, 8», 1 : ,Jahve wird dich erhören am Tage der Bedrängnis" Ps 20, 1. Von
hier aus hat man gesagt: Wer betet, ohne erhört zu werden, der soll fasten. — Der
Midr deutet „Tag der Bedrängnis" = „Tag des Fastens". — Dasselbe pTafan 2, 65"^, 4.
l/,23: Am dritten Tage wird er auferstehen.
tJi tqi'ti] rfUQfc, s. bei Mtl2, 40 u. 16,21. Vgl. noch:
GnR 56 Anfang : Am 3. Tage, da erhob Abraham seine Augen Gn 22, 4. Es steht
geschrieben Hos 6, 2: Er wird uns lebendig machen in zwei Tagen; am 3. Tage wird
er uns auferwecken, daß wir vor ihm leben. — Vom 3. Tage der Stämme steht ge-
schrieben Gn42, 18: Joseph sagte am S.Tage zu ihnen. — Vom 3. Tage der Kund-
schafter Jos 2, 16: Haltet euch dort drei Tage verborgen. — Vom S.Tage der Gesetz-
gebung Ex 19, 16: Und am 3. Tage waren Donner und Blitze. — Vom 3. Tage Jonas
Jona 2, 1: Es war Jona in den Eingeweiden des Fisches drei Tage u. drei Nächte. —
Vom 3. Tage der aus dem Exil Heraufziehenden Esra 8, 15: Wir lagerten daselbst
drei Tage. — Vom 3. Tage der Wiederbelebung der Toten Hos 6, 2 (s. oben). — Vom
3. Tage der Esther Esth 5. 1 : Am 3. Tage legte Esther das Königtum an (so der Midr),
das Königtum des Hauses ihres Vaters. In welchem Verdienst (ist der 3. Tag ein»
Rettungstag)? Die Rabbinen sagten: Im Verdienst des 3. Tages der Gesetzgebung,
s. oben Ex 19, 16. R. Levi (um 300) sagte: Im Verdienst des 3. Tages unsres Vaters
Abraham, s. oben Gn 22, 4.
17,24: Die, welche die Doppeldrachme einnahmen.
Nach Ex 30, 11 ff. war eine Musterungssteuer in Höhe eines halben
Scheqels von jedem zwanzigjährigen Israeliten zu entrichten ; der Ertrag
der Steuer diente zur Bestreitung der Kultusbedürfnisse. Nach dem
Vorbild dieser Abgabe wurde in den Tagen des Nehemia eine Kopf-
steuer in Höhe eines Drittel-Scheqels eingeführt, die gleichfalls Kultus-
zwecken dienen sollte, s.Neh 10, 33 f. Identisch mit dieser Kopfsteuer
ist die zur Zeit Jesu wiederum einen halben Scheqel betragende Tempel-
steuer, die jeder zwanzigjährige Jude zu zahlen hatte.
1. Höhe der Steuer. Die Mischna nennt die Tempelsteuer hp,^_,
Plural f^b-r, faßt aber das Wort nicht im Sinn von „Scheqelmünze"
(^ 1 Sela? = 4 Drachmen oder 4 Denare), sondern im Sinn von „Scheqel-
Matth 17, 24(Nr. 1.2) 761
abgäbe"; dabei setzt sie die Höhe der Abgabe, die '/2 Münzscheqel oder
1/2 Sela? (= 2 Drachmen, didgaxi-iov, oder = 2 Denare, etwa= 1,30 JS)
betrug, als bekannt voraus.
Bemerkenswert ist die Tradition Sch«q2, 4: R. J*^huda (um 150) sagte: Auch die
Scheqelabgabe a-'^p-i- hatte keine festbestimmte Höhe. Als die Israeliten aus dem Exil
heraufgezogen waren (Zeit der Perserherrschaft), zahlten sie {ch-r::) in Dareiken (einer
persischen Münze); dann in S'^lacim (1 Selac = 4 Drachmen), noch später in T<^baEim
(1 Tebac = V2 Sela*), u. endlich wollte man sie in Denaren (1 Denar = 1 Drachme
^= ^4 Selac) entrichten. — Dazu pSch'^q '2, 46'^', 10: Als die Israeliten aus dem Exil herauf-
zogen, entrichteten sie die Scheqelabgabe in Dareiken, das ist in (Gold-)Denaren; dann
in S'^'laHm, das ist zu verstehen, wie das Wort lautet; dann in T'^bafin, d. h. in halben
S^^IaEim; endlich versuchten sie sie in Denaren zu entrichten, das ist in Viertel-S^laHm.
Aber man nahm das nicht an, weil es Neh 10,33 heißt: Wir stellten uns Gebote auf,
die Scheqelabgabe h--ar. in drei Teilen während eines Jahres zu entrichten (der Midr
gewinnt durch diese Deutung von n^r'i-i; die Möglichkeit, die Scheqelabgabe zur Zeit
des Nehemia nicht einen Drittel-, sondern einen halben Münzscheqel betragen zu lassen).
R. Chilqijja (um 320) hat im Namen des R. Acha (um 820) gesagt: Aus dieser Stelle
folgt, daß man seine Scheqelabgabe iV-r in drei Teilen dreimal im Jahr entrichten
muß; ferner, daß man die Gesamtheit nicht öfter als dreimal in einem Jahr bemühen
darf. R. Abin (1.?, um 325, II.?, um 370) hat gesagt: Aus dieser Stelle ergeben sich
die drei Sea, die drei Kasten u. das dreimalige Absondern (von denen Mischna Sch'^q 3
die Rede ist, s. die Stelle bei Nr. 5, d — g). — Es heißt Ex 30, 13: Dies sollen sie geben,
jeder, der zu den Gemusterten hinübertritt: einen halben Scheqel (hier als Münz-
bezeichnung gemeint). R. J^huda (um 150) u. R. Nechemja (um 150). Der eine hat ge-
sagt: Weil sie in der Hälfte (Mitte) des Tages gesündigt haben, sollen sie die Hälfte
eines Scheqels entrichten. Der andre: Weil sie in der sechsten Tagesstunde (mittags
12 Uhr) * gesündigt haben, sollen sie die Hälfte eines Scheqels entrichten, die sechs
Skrupel ("'P'?""', 1 Skrupel = 1,137 Gramm) beträgt. R. Jehoschua' b. Nechemja (um 350)
hat im Namen des R. Jochanan b. Zakkai (f um 80) gesagt: Weil sie die 10 Worte
(Gebote) übertreten haben, soll jeder einzelne 10 Gera (= V* Scheqel nach Ex 30, 13)
geben. . . . R. Pin^chas (um 360) hat im Namen des R. Levi (um 300) gesagt: Weil sie
den Erstgeborenen der Rahel für 20 Silberlinge verkauft haben, von denen auf jeden
unter ihnen 1 Teba' (= 2 Silberlinge = '/^ Sela' oder ^'2 Scheqel) entfiel, deshalb soll
jeder von ihnen als seine Scheqelabgabe "ih-v einen Tebac entrichten. — Zwei Zeug-
nisse des Josephus über die Höhe der Scheqelabgabe s. bei Nr. 3 u. Nr. 7, b.
2. Der Erhebungstermin.
Scheq 1,1 u. 3: Am 1. des Monats Adar (des letzten Monats des gottesdienstl.
Jahres, das mit dem Nisan begann) erläßt man die öffentliche Bekanntmachung be-
treffs der Scheqelabgabe a^5p-an hy. — Am 15. Adar stellten die Geldwechsler'"' ihre
Tische im Lande' auf, am 25. im Heiligtum.^ Sobald sie sie im Heiligtum aufstellten,
begann man zu pfänden (d. h. die Säumigen zwangsweise zur Zahlung anzuhalten, näm-
lich im Lande, vgl. Nr. 4, «). |1 TSch^q 1, 6 (174): Sobald die Geldwechsler im Heiligtum
sich niederließen, begann man zu pfänden. Die Israeliten wurden aber wegen ihrer
Scheqelabgaben p-"5p-:) h>- gepfändet, damit die Opfer für die Gesamtheit von den Scheqel-
abgaben im Heiligtum dargebracht würden. Womit läßt sich das vergleichen? Mit
' Die Sünde mit dem goldenen Kalb begann mittags 12 Uhr, s. Schab 89* bei
Mt 4, 1 S. 140 y. II Parallelen: GnR 18 (12'); ExR 41 (98*); Tanch a-ar '= 115b; TanchB
N-i!r -2 § 13 (56 b).
^ Die Tempelsteuer wurde nach der alten (heiligen) Währung entrichtet. Die Geld-
wechsler gaben gegen eine geringe Vergütung dergleichen Münzstücke ab, s. Nr. 4.
^ Die Ausdrücke rr.^-.-sz u. w""^? werden von den Kommentaren verschieden ge-
deutet: ((, = in Jerusalem u. im Heiligtum, ß, = im Lande u. in Jerusalem, y, wie oben.
762 Matth 17, 24 (Nr. 2. 3)
einem, der eine Wunde an seinem Fuß hatte u. den der Arzt am Fuß verband u. schnitt,
um ihn zu heilen (so Wiener Handschrift). So hat auch Gott gesagt: Die Israeliten
sollen wegen ihrer Scheqelabgabe gepfändet werden, damit die Opfer für die Gesamt-
heit von ihnen dargebracht werden können, weil die Opfer für die Gesamtheit Ver-
söhnung u. Sühne schaffen zwischen Israel u. ihrem Vater im Himmel. Und ebenso
finden wir es bei der Scheqelhebe, die die Israeliten in der Wüste entrichteten, s.
Ex 30, 16: Nimm das Versöhnungsgeld von den Kindern Israel u. gib es für den Dienst
am Offenbarungszelt, damit es den Kindern Israel zum Gedenken bei Jahve diene, um
für eure Seelen Deckung zu bewirken. || pSch^'q 1,45'-, 23: Warum am Ersten im Adar?
Damit die Israeliten ihre Scheqelabgaben in der dafür festgesetzten Zeit entrichten,
u. damit die Hebe der Schatzkammer aus der neuen Scheqelabgabe zu ihrer bestimmten
Zeit am Ersten im Nisan erhoben werden kann. R. Sch^'muel b. Ji^chaq (um 300) hat
gesagt: Die Hebe der Schatzkammer soll sein wie zu Anfang; denn es heißt Ex 40, 17:
^Im 1. Monat im 2. Jahr am 1. des Monats (d. h. am 1. Nisan) wurde die Wohnung
aufgerichtet", u. in einer Bar ist gelehrt worden: An dem Tage, da die Wohnung auf-
gerichtet ward,. an demselben Tage wurde die Hebe entrichtet. . . .
3. Die zur Tempelsteuer verpflichteten Personen. Ver-
pflichtet zur Seh. abgäbe war jeder zwanzigjährige männliche Israelit,
gleichviel ob er in Palästina oder im Ausland wohnte. Nur die Priester
erhoben den Anspruch, von dieser Steuer frei zu sein; ein Anspruch,
der von den Schriftgelehrten allerdings bestritten wurde. Frei von der
T., aber zur Zahlung berechtigt waren Frauen, Sklaven u. Minorenne
(unter 20 Jahren). Wenn ein Vater angefangen hatte, für seinen noch
unmündigen Sohn zu zahlen, war er fortan dauernd dazu verpflichtet.
Sch'^q 1,3 — 5: Wen pfändete man? Leviten, Israeliten, Proselyten u. freigelassene
Sklaven; aber nicht Frauen, Sklaven u. Minorenne (a-süp). Ein Minorenner, dessen
Vater angefangen hatte, für ihn die Scheqelabgabe zu entrichten, darf es hinterher
nicht mehr unterlassen. Ferner pfändet man die Priester nicht um des lieben Friedens
willen. (Die der Pfändung Unterworfenen sind die rechtlich Verpflichteten.) — R. J'^huda
(um 150) hat gesagt: Ben Bukhri hat in Jahne (Sitz des Synedriums nach der Zer-
störung Jerusalems) bezeugt, daß ein Priester, der die Scheqelabgabe entrichtet, damit
keine Sünde begeht. Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) antwortete ihm: Nicht also;
sondern ein Priester, der die Scheqelabgabe nicht entrichtet, begeht eine Sünde. Nur
daß die Priester diese Schriftstelle zu ihrem Vorteil auslegten: „Jedes Speisopfer eines
Priesters soll ganz (in Rauch) aufgehn, es soll nicht gegessen werden" Lv 6, 16. Wenn
nun (sagten sie) die Pflichtgarbe u. die beiden Erstlingsbrote u. die Schaubrote unser
sind (insofern sie aus den auch von uns gezahlten Geldern der T. angeschafft werden),
wie dürften wir sie essen?! (Nun dürfen wir sie aber essen, folglich haben wir zu
ihren Anschaffungskosten aus der T. nicht beizutragen.) — Wenn man auch gesagt
hat: Man pfändet nicht Frauen, Sklaven u. Minorenne (weil sie nicht zu den Ver-
pflichteten gehören), so nimmt man doch die Scheqelabgabe, falls sie sie entrichten,
aus ihrer Hand an. Wenn aber ein Nichtisraelit oder ein Samaritaner die Scheqel-
abgabe entrichten will, so nimmt man sie nicht aus ihrer Hand an. .... So ist es in
Esra4, 3 ausdrücklich erklärt worden: Nicht euch u. uns gebührt es, unsrem Gotte
ein Haus zu bauen. Il pSch-^q 1,46'\63: R. B'^rekhja (um 340) hat gesagt: Der Schrift-
grund des Rabban Jochanan b. Zakkai war Ex 30, 13: „Dies (ht) sollen sie geben",
d. h. 12 (Zahlenwert von r."i) Stämme (also auch die Priester) sollen geben R. J'^huda
(um 150) u. R. N*^chemja (um 150). Der eine sagte (mit Bezug auf die Worte Ex 30, 14:
n'Tiper! hs -aivr; Vs): Jeder, der durch das (Rote) Meer gezogen ist (^ayt), soll (den
Scheqel) entrichten (also auch die Priester). Der andre sagte: Jeder, der zu den Ge-
musterten übertrat, soll ihn entrichten (also nicht die Priester u. Leviten, die nach
Nul,47ft\ nicht zu den Gemusterten gehörten). Der, welcher sagt: Jeder, der durch
Matth 17,24 (Nr.3.4) 763
das Meer gezogen ist, soll geben, ist eine Stütze für Rabban Jochanan b. Zakkai; der,
welcher sagt: Jeder, der zu den Gemusterten übertrat, soll geben, ist eine Stütze für
Ben Bukhri. |1 Über die Verpflichtung der jüdischen Diaspora zur T. belehren folgende
Stellen. Philo, De monarchia 2 § 3 (Mang 2, 224) : Einkünfte hat das Heiligtum nicht
nur aus Landerträgen, sondern noch viel größere andre, die zu keiner Zeit zugrunde
gehn werden. Denn solange das Menschengeschlecht dauern wird, werden immer auch
die Einkünfte des Heiligtums erhalten bleiben, da sie ewig fortdauern mit der ganzen
Welt. Denn es besteht die Vorschrift, daß alle vom 20. Lebensjahr an eine Spende
entrichten. Die Abgaben aber werden ^Lösegelder", ?.vr()c(, genannt. Deshalb gibt man
auch die Spenden bereitwilligst, fröhlich u. guter Dinge, als ob man zugleich mit ihrer
Ablieferung sollte Erlösung aus Knechtschaft oder Heilung von Krankheiten finden u.
die sicherste Freiheit zugleich mit allgemeinster Wohlfahrt ernten. Da das Volk gar
sehr zahlreich ist, so sind auch die Spenden, wie es billig ist, überaus reichlich.^ Fast
in jeder Stadt befindet sich eine Schatzkammer für die heiligen Gelder, zu denen die
Einkünfte zu fließen pflegen, u. zu bestimmten Zeiten werden als Überbringer der
heiligen Gelder Männer aus den vornehmsten Familien erkoren. Aus jeder Stadt werden
die Angesehensten gewählt, um die Hoffnung der einzelnen unversehrt hinaufzubringen;
denn auf den gesetzlichen Spenden ruhen die Hoffnungen der Frommen. i| Josephus,
Antiq 18, 9, 1 : Die Juden pflegten im Vertrauen auf die natürliche Sicherheit jener
Örtlichkeiten (gemeint sind die Städte N'^harde'a u. Nisibis) die T., t6 didgcexf^ov, die
jeder einzelne Gotte zu zahlen pflegt, dort zu deponieren, desgleichen auch was sonst
an Weihgeschenken vorhanden war. Sie bedienten sich jener Städte gewissermaßen
als Schatzkammer. Von dort aber wurde das Geld zur bestimmten Zeit nach Jerusalem
hinaufgesandt, indem viele Tausende von Menschen an der Überbringung desselben
teilnahmen, da man die Räubereien der Parther fürchtete, denen Babylonien zins-
pflichtig war. — Rabbinische Zeugnisse s. unter Nr. 5; ebenda auch über die Zeiten
zur Abführung der eingekommenen Gelder.
4. Die Erhebung der Tempelsteuer. — Die Einziehung der T.
wird im Mutterlande in ähnlicher Weise erfolgt sein, wie sie Philo
(s. oben S. 763) für die Diaspora voraussetzt, d. h. jede Ortsgemeinde
wird bestimmte Personen mit der Entgegennahme der Scheqelabgabe
für ihren Bezirk beauftragt haben (vgl. ot rd öidQccyjia XaaßärovTsg
Mt 17, 24). In einem Einzelfalle hören wir, daß die Familienglieder
Gamliels I. (um 30 — 40 n. Chr.) ihren Scheqel unmittelbar an einen
Beamten im Heiligtum selbst abgeliefert haben, weil sie wünschten, daß
ihr Geld sofort zur Befriedigung von Kultusbedürfnissen Verwendung
finden möchte. a Zur Aufnahme der eingehenden Scheqelgelder dienten
sog. „Posaunen" riisiir, d. h. posaunenartige Behälter, die oben an ihrer
Einwurfsstelle eng geformt waren u. nach unten hin sich erweiterten.
Ihre Form sollte nach den Kommentaren Sicherheit gegen diebische
Hände bieten. Dergleichen Behälter waren nicht blofs im Heiligtum,
sondern auch in den Ortschaften des Landes im Gebrauch, b — Da die
Geldwechsler, welche vollgültige Münzsorten zum Umtausch bereit
hielten, naturgemäß nicht in allen Ortschaften zu finden waren, so
* Auch rabbinische Quellen reden von dem Reichtum der Scheqelbeiträge aus der
entfernteren Diaspora. TSch<'q2, 4 (175): (Die dritte Hebe, die 15 Tage vor dem Laub-
hüttenfest aus den Scheqelgeldern der fern liegenden Länder abgehoben wurde, s.
Nr. 5 d — (/) war die reichste von allen, weil sich darin Goldstatere snr hv nx"j".:-s
u. Golddareiken vorfanden. Dasselbe als Bar pSch^qS, 47*^, 42.
764 Matth 17, 24 (Nr. 4)
kamen die Erheber der T. gewiß oft genug in die Lage, nicht vor-
schriftsmäßiges Geld annehmen zu müssen. Um den Tempelschatz vor
Einbuße zu bewahren, war für diesen Fall die Bezahlung eines geringen
Aufgeldes in Höhe von etwa 2, P/o festgesetzt worden. Unter Um-
ständen konnte sich das Aufgeld aber auch verdoppeln. Wenn zB
einer zur Bestreitung seiner Abgabe einen Sela', der 2 Doppel drachmen
wert war, hingab u. das zuviel gezahlte eine Didrachmon in Gestalt
eines halben Münzscheqels zurückerhielt, so hatte er nicht bloß für
das minderwertige Sela', sondern auch noch für das herausgezahlte
vollwichtige (heilige) Scheqelstück ein Aufgeld zu entrichten. Frei
hiervon waren diejenigen, die ihre Steuer in vorschriftsmäßiger Münze
zahlten; die andre Meinung des R. Meir (um 150) hat nie halakhische
Anerkennung gefunden. Ferner waren davon frei alle diejenigen Per-
sonen, die die T. gaben, ohne dazu verpflichtet zu sein, also Frauen,
Sklaven u. Minorenne. (Über weitere Befreiungen geben die unten
folgenden Zitate Aufschluß.) c Wie es scheint, wurde das vereinnahmte
Aufgeld von den Steuereinnehmern hinterher zur Umwechslung der
minderwertigen Münzsorten gegen vollwertige bei den Geldwechslern
verwandt. Daraus würde man schließen dürfen, daß auch die letzteren
2,l°/o Aufgeld bei ihren Wechselgeschäften erhoben. Doch werden auch
andre Verwendungszwecke für das Aufgeld namhaft gemacht. Die ver-
schiedenen Angaben über diesen Punkt beweisen, daß man sich schon
zu Anfang des 2. Jahrh. über die Sache nicht mehr klar war.d
a. Sch'q 3,3: Die Familienglieder des Rabban Gamliel (I.) pflegten (in das Heilig-
tum) zu kommen mit ihrer Scheqelabgabe in den Fingern; sie legten sie vor denjenigen
hin, der das Abheben der Gelder (aus dem Tempelschatz, s. Nr. 5) besorgte.' Dieser
tat sie dann eilends absichtlich in den Kasten (in welchem die dem Tempelschatz ent-
nommenen Gelder sich befanden, vgl. Nr. 5). Es gewährte ihnen innere Beruhigung,
heißt es pSch*'q 3, 47"=, 40, daß die Opfer zuerst von dem Ihrigen dargebracht würden.
b. Sch'^q 2, 1 : Wie posaunenartige Behälter im Heiligtum waren, so waren solche
auch im Lande (in denen die eingehenden Scheqelabgaben aufgesammelt wurden, bevor
sie in die Tempelschatzkammer abgeführt wurden). i| Das. 6, 1.5: Dreizehn , Posaunen"
waren im Heiligtum. Auf ihnen befand sich die Aufschrift: „Neue Scheqelabgaben"
"'■?■'" r"p. rA-lte Scheqelfibgaben" •'-.'r.y r'""", , Geflügelopfer", „Tauben-Ganzopfer",
„Holz", „Weihrauch", „Gold zu Sprengbecken"; (die übrigen) sechs waren für frei-
willige Spenden. (Hiernach dienten nur zwei dieser r:^EVj zur vorläufigen Aufnahme
der Scheqelgelder.) ,Neue Scheqelabgaben" waren die, welche jedes Jahr (d. h. für
das laufende Jahr) einkamen; alte waren diejenigen, welche jemand nicht im vorigen
Jahr ("E'v^'!^.) entrichtet hatte u. (nun nachträglich) im folgenden Jahr entrichtete. —
Der letzten Bemerkung darf man entnehmen, daß das Pfändungsrecht gegenüber
säumigen Zahlern nicht sehr streng gehandhabt worden ist, oder auch, daß es nicht
schwer fiel, sich der Steuer unbemerkt zu entziehen.
' Das geschah zum 1. Nisan, s. Nr. 5. Dies würde also der Tag gewesen sein, an
welchem das Haus Gamliel seine Tempelsteuer entrichtete. Da ein Rabban Gamliel seiner
Pflicht gewiß nicht verspätet nachgekommen ist, kann sich die Notiz, daß am 25. Adar
die Pfändungen begannen (s. Nr. 2), nicht auf Jerusalem, sondern nur auf das Land be-
ziehen. Wie die Bewohner des Landes eine zehntägige Frist zum Zahlen hatten, so wird
man auch den Jerusalemern eine ähnliche Frist vom 2ö. Adar an eingeräumt haben.
•" Matth 17, 24(Nr.4.5) 765
C. Scli*^q 1,6 f.: Folgende sind zu Aufgeld (•"3'?"p = xö'AXvßoy) verpflichtet: Leviten,
Israeliten, Proselyten u. freigelassene Sklaven, aber nicht (Priester), Frauen, Sklaven
u. Minorenne. Wenn jemand die Scheqelabgabe für einen Priester, für eine Frau, für
einen Sklaven, für einen Minorennen entrichtet, so ist er (vom Aufgeld) frei. Wenn
jemand für sich selbst u. für einen andren die Scheqelabgabe entrichtet, so ist er zu
Einem Aufgeld verpflichtet; R. Meir sagte zu doppeltem Aufgeld. Wer einen Selac gibt u.
ein Scheqelstück (= ^/2 Scheqel) zurückerhält, ist zu zweifachem Aufgeld verpflichtet. —
Wer für einen Armen, einen Nachbar, für einen Landsmann (geschenkweise) die Scheqel-
abgabe entrichtet, ist (vom Aufgeld) frei; wenn er es aber ihnen nur leiht, so ist er
dazu verpflichtet. . . . Wie hoch ist das Aufgeld? Eine Silbermaca (auf 1 Selac; da
1 MaJa = V^* Selac ist, so würde das Agio 4,16, rund 4,2 "/o betragen); das sind Worte
des R. Me'ir; die Gelehrten sagten: Eine halbe Mafa (also 2,1 %). || TSch^'q 1,8 (174):
Wenn Vormünder für Mündel die Scheqelabgabe entrichten, so sind sie zum Aufgeld
verpflichtet. Wer einen Scheqel (geraeint ist ein Scheqelstück im Wert eines halben
Scheqels) entrichtet, ist zum Aufgeld verpflichtet, das sind Worte des R. Meir; die
Gelehrten sagten: AVer einen Scheqel (wie oben) entrichtet, ist frei vom Aufgeld. Wer
2 Denare (= ^s Scheqel) entrichtet, ist zum Aufgeld verpflichtet. Gab man einen Seja?,
um einen (halben) Scheqel zurückzuerhalten, so ist man zu zweifachem Aufgeld ver-
pflichtet; das sind Worte des R. Me'ir; die Gelehrten sagten: Zu einem Aufgeld (hier
weicht die Tosephta von der Mischna ab). Wie hoch ist das Aufgeld? Eine Silber-
maca (oder) ',21 von 1 Selac Silber, das sind Worte des R. Me'ir; die Gelehrten sagten:
Die Hälfte einer 4 As geltenden Ma?a (also 2 As; da 1 Selaf = 96 As ist, so betragen
2 As-_: - oder 2,12, abgekürzt 2,1 "/o, wie nach der Mischna).
d. TSch^'q 1,8 (174): Wozu gebrauchte man die Aufgelder? Sie fielen den Erträgen
der Scheqelabgaben zu, das sind Worte des R. Me'ir (um 150); R. Ehazar (b. Scham-
mua?, um 150) sagte: Sie fielen den freiwilligen Spenden zu; R. Schim?on aus Schizor
(gleichfalls ein Tanna'it) sagte: Man verwandte sie zu Goldplatten zum Belegen (der
Wände u. des Fußbodens) des Allerheiligsten (vgl. Sch*'q4,4 unter Nr. 6). Schimfon
b. ?Azzai (um 110) sagte: Die Wechsler empfingen sie als ihren Lohn. — Die Stelle
findet sich auch pSch*^q 1 Ende mit dem Zusatz: Einige sagen: c'2"!t rs::"r!3, d.i. nach
Levy 1,460'': , Zur Bestreitung der Wegebaukosten". Die Kommentatoren teils: «, ,Die
Wechsler saßen am 15. Adar im Lande u. am 25. im Heiligtum, u. dies (das Aufgeld)
war ihr Lohn. Nachdem sie anfänglich im Lande waren, gingen sie hintei'her nach
dem Heiligtum; das ist gemeint mit 3'3-t rs::"inV, d. h. die Wechsler empfingen das
Aufgeld als , Reiseunkosten', aber nicht als ihren Lohn" (wie Ben ?Azzai in der Tosephta
meint), teils: ß, ,Die Wechsler erhoben die Scheqelabgaben im Lande, wie Moses Mai-
monides (1135 — 1204) geschrieben hat; sie empfingen das Aufgeld als Lohn, rxa-r-s
DT-n, d.h. „für das Hinschaffen der Scheqelabgaben nach Jerusalem". — Beide Er-
klärungen gehen von der Annahme aus, daß die Geldwechsler yz-'v:- die offiziell mit
der Einziehung der T. Beauftragten gewesen seien. Davon wissen die alten Quellen
nichts. Vermutlich haben die Steuererheber das eingegangene Kleingeld, um die Über-
führung nach Jerusalem zu erleichtern, bei den Geldwechslern gegen Großgeld um-
getauscht u. die Wechslergebühr aus den eingegangenen Aufgeldern bestritten, so daß
Schim?on b. fAzzai mit Recht sagen kann, daß die Wechsler das Aufgeld als ihren Lohn
empfangen hätten. Weiter wird man anzunehmen haben, daß auch die Kosten, die durch
die Ablieferung der Steuer an den Tempelschatz entstanden, aus den Aufgeldern gedeckt
worden sind. Darauf wird sich beziehen a'2~"! rx::ir!5 = für Wege- oder Reiseausgaben.
5. Ablieferung der Steuererträge an den Tempelschatz. —
Zur Erleichterung des Transports der eingegangenen Scheqelgelder
nach Jerusalem 'war deren Umwechslung in Goldmünzen gestattet.»
Die Ablieferung selbst erfolgte zu drei verschiedenen Zeiten im Jahr:
Palästina lieferte ab einen halben Monat vor dem Passahfest, also bis
766 Matth 17,24(Nr. 5)
zum 1. Nisan, damit die Gemeindeopfer im neuen gottesdienstl. Jahr
sofort aus den neuen Scheqelerträgen dargebracht werden könnten.
Für das nahe Ausland, wie Moab u. Ammon, lief der Termin einen
halben Monat vor dem Wochenfest ab. Aus den. ferner liegenden
Ländern erwartete man die Gelder spätestens einen halben Monat vor
dem Laubhüttenfest, d Dies war das Fest, zu welchem die meisten
Festpilger aus der Diaspora nach Jerusalem zu wallfahrten pflegten.
Unter ihrem Schutz konnten Geldtransporte am sichersten erfolgen;
redet doch Josephus (s. oben S. 763) von vielen Tausenden von Menschen,
die an der Überbringung der Gelder teilnahmen. Im Mutterland ließen
die einzelnen Ortschaften die Gelder durch bezahlte Kräfte überbringen,
die, eben weil sie Bezahlung erhielten, für etwaige selbstverschuldete
Verluste ersatzpflichtig waren. Ging ein Geldtransport durch höhere Ge-
walt zugrunde, etwa infolge eines Schiffbruches oder eines räuberischen
Überfalls, so waren die bezahlten Überbringer nicht ersatzpflichtig,
sobald sie die wirkliche Ursache des Verlustes eidlich erhärteten. In
diesem Falle hatte entweder der Tempelschatz oder diejenige Gemeinde,
aus der die Sendung stammte, den Verlust zu tragen. Der Tempelschatz
dann, wenn die anderweitig abgelieferten neuen Scheqelabgaben zur Zeit
des Eintritts jenes Verlustes tatsächlich bereits für Kultusbedürfnisse
abgesondert u. damit in Gebrauch genommen waren (s. nächsten Absatz).
Mit diesem Augenblick galt der Tempelschatz als Eigentümer aller,
auch der noch nicht abg'elieferten Gelder. War die Sendung aber vor
der Aussonderung der neuen Steuererträge für gottesdienstliche Zwecke
zugrunde gegangen, so hatte die absendende Gemeinde als Besitzerin
für den Schaden aufzukommen, b Immer aber hatte die Ursprungs-
gemeinde Ersatz zu leisten, falls sie die Gelder durch nicht bezahlte
Boten übersandte, c
Die abgelieferten Steuererträge wurden in der Tempelschatzkammer
deponiert, um von hier an drei bestimmten Terminen unter Beobachtung
eines gewissen Zeremoniells zur Verwendung für den Kultus entnommen
zu werden. Die drei Termine waren ein halber Monat vor dem Passah-,
Wochen- u. Laubhüttenfest, so daß jede der drei Erhebungen (nr^ir)
aus der Schatzkammer aus neu eingelieferten Geldern erfolgen konnte, d
Der die Erhebung vornehmende Beamte (c-i'rn) ging unter Anwendung
aller Vorsichtsmaßregeln, die seinen ehrlichen Namen zu schützen im-
stande waren, in die Schatzkammer e u. füllte hier drei Kasten (na^ip) mit
Scheqelgeldern an. Die Kasten faßten je drei Sea (1 Sea = 13,13 Liter)
u. waren durch die hebräischen Buchstaben x, r, : gekennzeichnet, nach
einer andren Tradition durch die griechischen «, ß, y. Nach der Reihen-
folge der Buchstaben wurden die Kasten u. ihr Inhalt in Gebrauch ge-
nommen. ^ — Die erstmalige Füllung der Kasten (15 Tage vor Passah)
geschah mit der Erklärung: „Dies ist aus dem Lande Israel für ganz
Israel, für das, was (bereits) eingezogen ist, u. für das, was noch ein-
Matth 17, 24(Nr.ö) 767
gezogen werden soll." g Mit dieser Erklärung ging die gesamte Tempel-
steuer des laufenden Jahres rechtlich in das Eigentum des Tempels
über, u. alle Kultusbedürfnisse, obwohl sie zu Anfang des neuen Jahres
in Wirklichkeit nur erst aus den Scheqelerträgen des Mutterlandes be-
stritten wurden, wurden nunmehr so angesehen, als ob sie aus den
Beiträgen der gesamten Judenschaft auf dem ganzen Erdkreis gedeckt
wären. Jeder Israelit durfte sich jetzt sagen, daß die Opfer, die für
die Gesamtheit u. damit auch für ihn täglich im Tempel dargebracht
wurden, dargebracht würden aus seinen eignen Mitteln. — Bevor der
Beamte die Schatzkammer verließ, breitete er über die. nicht ab-
gehobenen, dort zurückbleibenden Scheqelgelder Felldecken, auf welche
dann die bis zum zweiten Erhebungstermin (15 Tage vor dem Wochen-
fest) eingehenden Beträge geschüttet wurden. Es geschah dies, damit
die Neueingänge nicht mit dem Gelde vermischt würden, von dem
bereits eine Erhebung stattgefunden hatte. — In gleicher Weise verfuhr
man am zweiten u. dritten Hebetermin, nur daß die Eingangsworte der
zu sprechenden Erklärung nicht auf das Land Israel, sondern auf die
näher, bezw. auf die entfernter liegenden Länder Bezug nahmen. Ferner
unterblieb beim drittenmal das Bedecken der Geldreste, g
a. Sch'^q 2, 1 : Man darf die Scheqelgelder umwechseln gegen (Gold-)Dareiken der
Last wegen auf der Reise.
b. Sch*^q 2, 1 : Wenn die Einwohner einer Stadt ihre Scheqelabgaben durch (be-
zahlte) Boten übersenden u. die Gelder gestohlen werden oder zugrunde gehen, so
müssen die Boten, falls die Hebe (aus der Tempelschatzkammer bereits) erhoben ist,
den Tempelschatzmeistern o""'3t:. den Eid (betreffs der Ursache des Verlustes) leisten ;
wenn sie aber noch nicht erhoben war, leisten sie den Eid den Einwohnern der Stadt,
u. diese haben die Scheqelabgabe (noch einmal) an Stelle der in Verlust geratenen zu
leisten. Werden die Gelder wiedergefunden oder geben die Diebe sie zurück, so gelten
beide (Aufbringungen) als Scheqelabgaben, u. es wird ihnen nichts davon für das nächste
Jahr zugute gerechnet. — Über die verschiedene Auffassung dieser Stelle s. pSch^'q
2, 46 ", 25 nebst Kommentatoren.
C. Rambam zu vorstehender Mischna: Wenn die Einwohner einer Stadt ihre Scheqel-
abgaben durch nicht bezahlte Hüter gesandt haben, so sind sie verpflichtet, in jeder
Hinsicht Ersatz zu leisten, auch wenn die Erhebung (aus der Tempelschatzkammer)
bereits erfolgt war, weil sie sich mutwillig an ihnen versündigt haben, indem sie sie
durch nicht bezahlte Hüter übersandten.
d. Sch*^q 3, 1 : Zu drei Zeiten im Jahre erhebt man die Scheqelgelder aus der Tempel-
schatzkammer (nsi'V): in der Hälfte (o^'s) vor Passah, in der Hälfte vor dem Wochen-
fest u. in der Hälfte vor dem Laubhüttenfest. 1| TSch*^q 2, 1 (175): Was bedeutet „die
Hälfte vor Passah, die Hälfte vor dem W. u. die Hälfte vor dem L."? R.Jose b. J®huda
(um 180) sagte: Nicht weniger als 15 Tage vor dem (betrefienden) Fest (also „die Hälfte
vor" = „\'s halben Monat vor"). || pSch'-q 3,47'', 8: R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Wie
wir gelernt haben: die bedeutet „Hälfte", nämlich die Hälfte von 30 Tagen vor dem
Feste, in welcher man die das Fest betreifenden Bestimmungen vorträgt.
e. Sch^q3, 2 u. 3: Der erhebende Beamte geht nicht in die Schatzkammer hinein
mit einem Umwurf, der Unterärmel hat, nicht in Schuhen oder Sandalen, nicht mit
den Gebetsriemen, nicht mit einem Amulett: er möchte vielleicht verarmen u. dann
würde man sagen: „Wegen Versündigung gegen die Schatzkammer ist er verarmt";
oder er möchte vielleicht reich Averden, u. dann würde man sagen: „Von der Hebe
768 Matth 17,24(Nr. 5)
aus der Schatzkammer ist er reich geworden"; denn der Mensch muß den Pflichten
gegenüber den Menschen ebenso nachkommen, wie er den Pflichten gegenüber Gott
nachkommt; wie es heilst: Ihr werdet rein sein vor Jahve u. vor Israel (Nu 32, 22.
also vor beiden gleicherweise); ferner s. Spr3, 4: Dann wirst du Gnade u. feinen Ver-
stand gewinnen in den Augen Gottes u. der Menschen. . . . Der Erhebende erhebt (die
Gelder) nicht eher, als bis er (die ihn Begleitenden) gefragt hat: Soll ich erheben?
u. diese ihm dreimal geantwortet haben: Erhebe, erhebe, erhebe! || TSch'-'q 2, 1 (175):
Wenn der Erheber hineingeht, um aus der Schatzkammer (Scheqelgelder) zu erheben,
so befühlt (untersucht) man ihn bei seinem Hineingehn u. bei seinem Herauskommen;
auch spricht man mit ihm von dem Augenblick an, da er hineingeht, bis zu dem Augen-
blick, da er herauskommt (damit er kein Geld in seinem Mund verberge), um zu er-
füllen, was gesagt ist Nu 32, 22 (s. oben); ferner s. Dt (5,18: So tue denn was recht
u. gut ist in Jahves Augen, d. h. was gut ist in den Augen Gottes u. was recht ist
in den Augen der Menschen; das sind Worte des R. ?Aqiba (f um 135). Ferner heißt
es Spr3,4 (s. o.). || pSch'^q :5, 47^ 30: R. Jischma?el (f um 135) hat gelehrt: Ein Voll-
haariger soll des Verdachtes halber die Erhebung nicht vornehmen. In einer Bar ist
gelehrt worden: Die Schatzmeister rieben ihm mit groben Tüchern die Haare aus-
einander; ferner ist in einer Bar gelehrt worden: Sie redeten mit ihm von dem Augen-
blick an, da er hineinging, bis zu dem Augenblick, da er herauskam. Dann hätte er
doch lieber seinen Mund mit Wasser füllen sollen! R. Tanchuma (um 380) hat gesagt:
Des Lobspruches halber (den er zu sprechen hatte, konnte das nicht geschehen).
/. Sch^'qS, 2: In drei Kasten von je drei Sea Inhalt erhebt man die Scheqelgelder
aus der Schatzkammer; auf ihnen war geschrieben: Aleph, Beth, Gimel. R. Jischma?el
(f um 135) sagte: Griechisch war auf ihnen geschrieben: Alpha, Betha,Gamla(= Gamma). Ij
TSch^qS, 1 (175): Warum hatte man auf die Kasten ein Aleph, ein Beth u. ein Gnnel
geschrieben? Weil man anfing aus dem ersten Kasten das Geld (zur Bestreitung der
Ausgaben) herauszunehmen. Wenn der erste ganz aufgebraucht war, bezahlte man aus
dem zweiten; wenn der zweite ganz aufgebraucht war, bezahlte man aus dem dritten;
wenn alle drei ganz aufgebraucht waren u. der Termin war da, eine (neue) Erhebung
vorzunehmen, so nahm man sie aus den neuen (inzwischen eingegangenen) Scheqel-
geldern vor; wenn aber der Termin dazu noch nicht da war, so erhob man von den
alten Scheqelgeldern (aus denen die letzte Erhebung erfolgt war). HpSch^'q 3, 47*^,47:
Warum stand auf ihnen ein Aleph, Beth u. Gimel? Um zu sagen, daß man den Inhalt
des ersten Kastens vor dem des zweiten verwendet u. den des zweiten vor dem des
dritten. (Die beiden Negationen ^s u. «^ des Textes sind zu streichen.)
g. Sch'^qS, 4: Wenn er die erste Erhebung vorgenommen hatte (vor dem Passah),
bedeckte er (das in der Schatzkammer verbleibende Scheqelgeld) mit einer Unterlage
(aus Fell); wenn er die zweite vorgenommen hatte (vor dem Wochenfest), deckte er
eine Unterlage darüber; bei der dritten (vor dem Laubhüttenfest) deckte er keine
darüber; denn das Bedecken geschah nur, damit er nicht aus Versehen eine Hebe nehme
von etwas, von dem sie bereits genommen war. Die erste Erhebung vollzog er im
Namen des Landes Israel, die zweite im Namen der Städte in seiner nächsten Um-
gebung u. die dritte im Namen Babels u. Mediens u. der entfernten Länder. || TSch'^q
2,3(175): Bei der ersten Erhebung sprach der erhebende Beamte: „Siehe, das ist aus
dem Lande Israel für das gesamte Israel", dann deckte er eine Unterlage darüber,
weil die Leute aus Syrien ihre Scheqelgelder darauf legen sollten. Bei der zweiten
sagte er: , Siehe, das ist aus Ammon u. Moab u. den Städten, die um das Land Israel
liegen (für das gesamte Israel)"; dann deckte er eine Unterlage darüber, weil die Leute
aus Babel ihre Scheqelgelder darauf legen sollten. Bei der dritten sagte er: „Siehe,
das ist im Namen Babels u. Mediens u. der entfernten Länder für das gesamte Israel";
u. dann deckte er nichts darüber. . . . Riß er die Unterlage fort (lies -ir statt •>:-o-z),
so daß die Überreste miteinander vermischt wurden, so vermischt er sie nicht mit den
vorjährigen; denn vielleicht müßte einer noch eine Erhebung vornehmen (weil die Gelder
der früheren nicht zureichten) u. dann würde er erfunden als einer, der von altem Geld
Matth 17, 24 (Nr. 6. 7) 769
eine Hebe nimmt. — Man macht die Erhebung „für Gepfändetes u. für Scheqelgeld.
das noch erhoben werden soll", das sind Worte des R. Me'ir (um 150;; R.Jose (um 150)
sagte: Man macht die Erhebung „für bereits erhobene u. für noch zu erhebende Scheqel-
abgaben". — Nach den Kommentaren galt R. Joses Meinung; seine Worte sind des-
halb oben S. 766 f. in die Erklärungsformel eingefügt worden. — Die Erhebungsformel
der Tosephta als Bar in pSch'q 3,47^40.
6. Verwendung der Scheqelgelder.
Sch*'q 4, 1 —4 ; Was machte man mit der Hebe (von den Scheqelgeldern) ? Man
kaufte dafür die Tamidopfer, die Zusatzopfer (an den Festtagen) u. ihre Trankopfer,
die Pflichtgarbe, die beiden .(Erstlings-)Brote, die Schaubrote u. alle Gemeindeopfer.
Auch die Wächter der Nachwüchse im Brachjahr (aus denen die Pflichtgarbe zu nehmen
war) erhielten ihren Lohn aus dem aus der Schatzkammer Erhobenen. R. Jose (um 150)
sagte: Wenn es jemand als freiwilliges Gelübde geloben will, darf er sie unentgeltlich
bewachen. Man antwortete ihm: Auch du sagst ja, daß sie (die Pflichtgarben) nur aus
Gemeindemitteln dargebracht werden (also darf keinerlei persönliche Leistung an ihnen
haften). Die rote Kuh, der (am Versöhnungstage in die Wüste) zu entsendende Bock
u. der Streifen von glänzendem Stoff' wurden von dem aus der Schatzkammer Er-
hobenen bestritten. Der Steg für die rote Kuh,'-' der Steg für den in die Wüste zu
sendenden Bock,' der Streifen von glänzendem Stoff zwischen seinen Hörnern,'' der
Wasserkanal (des Tempelberges), die Stadtmauer (Jerusalems) u. ihre Türme u. (über-
haupt) alle Stadtbedürfnisse (wie Erhaltung der Wege u. Zisternen, Besoldung der Stadt-
wächter) wurden aus den Überresten in der Schatzkammer (aber nicht aus dem für
die Opferbedürfnisse in den drei Kasten Erhobenen) bestritten. — Was machte man
mit dem, was von den Überresten in der Schatzkammer übrigblieb? Man kaufte dafür
Wein, Ol u. Mehl (zum Wiederverkauf an diejenigen, die dergleichen zu ihren Privat-
opfern gebrauchten), u. der Gewinn daraus gehörte dem Heiligtum. Das sind Worte
des R. Jischmasel (f um 135). R. fAqiba (f um 135) sagte: Man zieht keinen Gewinn
aus. Geheiligtem (wie die Scheqelgelder solches sind) u. aus Armengeldern. — Was
machte man mit dem Überrest der Hebe (d. h. des in den drei Kasten Erhobenen)?
(Man ließ daraus anfertigen) Goldplatten zum Belegen (der Wände u. des Fußbodens) des
AUerheiligsten. — Noch andre Verwendungszwecke Sch'^q 4, 4 f.; pSch^'q 4, 48% 16.
7. Die Scheqelsteuer hörte nach der Mischna mit der Zerstörung
des Tempels auf. a Das ist richtig, soweit es sich um ihre Verwendung
für jüdische Kultuszwecke handelte. In Wirklichkeit ist sie auf An-
ordnung der römischen Behörden auch später noch entrichtet W(frden;
nur wurde sie jetzt als fiscus Judaicus an den Tempel des Jupiter
' Nach den Kommentaren ist ein karmesinroter Streifen gemeint, der in den Brand
der roten Kuh geworfen wurde, s. Nu 19,6.
^ Auf diesem wurde die Kuh vom Tempelberg nach dem Ölberg geschafft, s. Para 3, 6.
^ Joma 6,4: Einen Steg machte man (für den Bock u. seinen Treiber vom Heilig-
tum an bis hinaus ins Freie) der Babylonier wegen, die den Bock an seinem Haar
rissen u. riefen: ,Ninim mit (unsre Sünde) u. geh hinaus, nimm mit u. geh hinaus I"
(Der erhöht angelegte Steg sollte diese Zudringlichkeiten verhindern.) Nach der Bar
Joma 66'^ riefen sie: ,Was zögert dieser Bock, während die Schulden des Geschlechtes
groß sind?!" Vgl. pJoma <>. 48^'. 14.
' Joma 4, 2: Man band einen Streifen von glänzendem (Purpur-) Stoff an den Kopf
des zu entsendenden Bockes. — Das. 6, 6 (Der Treiber) teilte den Streifen von glänzen-
dem Stoff: die eine Hälfte band er an den Felsen u. die andre zwischen seine Hörner,
dann stieß er ihn rücklings hinab. — Die Tradition redet noch von einem andren
Streifen glänzenden Stoffes, der, wie R. Jischma^el, f um 135. Joma 6, 8- sagt, an die
Tür des Tempels geknüpft wurde; sobald der Bock die Wüste erreicht hatte, wurde
dieser Streifen weiß, s. Jesl,18: Wenn eure Sünden wie Scharlach wären, sollen sie
weiß werden wie Schnee.
Strack u. Billerbeck, NT I. 49
770 ^atth 17, 24 (Nr. 7). 17, 25
Capitolinus in Rom abgeliefert, b Bemerkenswert ist die Notiz, daß,
als es unter Hadrian zum Wiederaufbau des Tempels schien kommen
zu sollen, zwei angesehene, später als Märtyrer gefeierte Männer,
namens Pappos u. Julianus, alsbald wieder Geldwechslertische für die
aus der Diaspora nach Palästina Wallfahrenden aufstellen ließen ;c doch
wohl im Gedanken an die Tempelsteuer.
a. Sch^qS, 8: Die Scheqelabgaben u. die Erstlinge sind in Gebrauch nur zur Zeit
des Tempelbestandes.
b. Josephus, BellJud 7,6,6: Den Juden, wo sie sich auch befinden mochten, legte
er (der Kaiser Vespasian) eine Steuer auf, indem er befahl, daß jedermann jährlich
zwei Drachmen (= V« Scheqel) an das Kapitol abführen sollte, wie sie es vordem an
den Tempel in Jerusalem gezahlt hatten. — Zeugnisse nichtjiidischer Schriftsteller
s. bei Schürer" 2,315; 3, 117 f.
C. GnR64(40''): In den Tagen des R. J'hoschuaf b. Chananja (um 90) erließ die
frevlerische Regierung (d. h. Rom) ein Edikt, daß das Heiligtum erbaut werden sollte.
Es stellten Pappos u. Lulianus (= Julianus) Wechslertische {yrs--. = TQciTieCc<) von
sAkko bis Antiochia auf, die die aus der Verbannung Heraufziehenden mit Silber u.
Gold u. allem Bedarf versehen sollten.
17,25: Zölle oder Steuern.
Ts'Xog = or'D, nc=-? bezeichnet den Zoll, der für ein- oder ausgeführte
Handelsartikel, wie Getreide, Öl, Vieh, Sklaven, Perlen, Kleiderstoffe usw.,
an den Grenzen der Zollgebiete oder an Brückenübergängen zugunsten
des kaiserlichen Fiskus oder autonomer Stadtbezirke erhoben wurde ;
s. bei Mt 5, 46. || xtjvaog bezeichnet die eigentlichen Steuern, die als
Personal- u. Realabgaben erhoben wurden. || Die Steuern im allgemeinen
heißen im Rabbin. -psp, von d^ = Abgabe, Tribut; rc^s, wohl zus.-
hangend mit di-q (Los), etwa = Auflage. Spezielle Steuerarten: Per-
sonalsteuern: p^ä>a = Kopfsteuer; x^pia-^n , J?/,aocrm = fiskalische Abgabe.
Realsteuern: xjii'iit, wohl dasselbe wie Nj-isx (annona) = Jahresabgabe an
Naturalien, N|^p-j = Grundsteuer; x^'jr.^x (ayya^jfm) = Frondienst.
LvR 33 (130"=): R. Sch-^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Nebukadne^ar sprach
zu Daniel: Hat euch Mose nicht also in der Tora geschrieben: Ihr werdet dort Göttern
dienen, dem Werk von Menschenhand, Dt 4, 28? (was soll also deine Weigerung, mein
Götzenbild anzubeten?) Er antwortete: Mein Herr König, nicht vom Anbeten (handelt
jene Stelle), sondern vom Dienstbarsein mit Abgaben (i"cy) u. Naturallieferungen
(r-r:i:-s) u. Strafgeldern (r-,-»:-T = C»?,"'«) u. Kopfgeldern (rr^jiij). Denn R. Sch^muel
b. Nachman hat gesagt: Dort (in Rom) nennt man die Könige , Götter" (solche Götter
hat Mose Dt 4, 28 gemeint). || pPea 1, 15'', 51. R. Abba (um 290) hat gesagt: Wenn
du Almosen aus deinem Beutel gibst, wird dich Gott bewahren vor Auflagen (r="s)
u. Strafgeldern u. Kopfgeldern u. Naturallieferungen. — In GnR 1 (3«) ein R. di'ji^ss *
als Autor genannt. i| P*^siq 11 b: R. Ja'aqob (b. Acha, um 300) begann seinen Vortrag
(im Namen des R. Jonathan aus Beth-Gubrin, um 270) mit Spr 15, 19: „Des Faulen
Weg ist wie eine Dornhecke. " „Der Weg des Faulen", das bezieht sich auf Esau,
den Frevler (= Rom); „wie eine Dornhecke"; denn einem Dorngestrüpp gleicht jener:
wenn du es hier losmachst, so hängt es sich dort an; so wendet sich auch Esau,
der Frevler, überallhin (fordernd): Bringe deine Kopfsteuern, bringe deine fiskalischen
Abgaben {-rc-i-^^-), bringe deine Naturallieferungen ! Und wenn er nichts hat, bestraft
* c"nsi":3s = EvSfjfxog; s. aber auch Einl. S. 145 Anm. 1.
Matth 17, 25. 26 771
er ihn u. läßt ihn schwören. — Eine ähnliche Ausführung in P^'siqR 10 (33 1>) u. Tanch
NXT -= 109 1>. II pSch^bicith 4, 35 b, 32: R. Chanina b. Papa (um 300) u. R. Schemuel
b. Nachnian (um 260) gingen einmal in einem Brachjahr an einem (Nichtisraeliten)
vorüber, der ackerte. R. Sch^muel b. N. sprach zu diesem: Glück zu! R. Chanina
b. Papa sprach zu ihm: Hat uns nicht der Lehrer (d. h. du) also gelehrt: ,Und die
Vorübergehenden werden nicht sprechen: der Segen Jahves komme über euch!" Ps 129, 8,
von hier aus sei es verboten, den im Brachjahr Ackernden zuzurufen: Glück zu? Er
antwortete: Du verstehst zu lesen, aber auszulegen verstehst du nicht! „Und nicht
werden die Vorübergehenden sprechen", das bezieht sich auf die Völker der Welt, die
aus der Welt dahinschwinden werden; sie sagten zu Israel nicht: „Der Segen Jahves
komme über euch!" Was sagt Israel zu ihnen? „Wir segnen euch im Namen Jahves"
Ps 129,8. Nicht genug, dafs alle Segnungen um unsretwillen in die Welt kommen, ohne-
daß ihr zu uns sagt: „Kommt u. nehmet für euch von diesen Segnungen", sondern
ihr wälzt auch noch auf uns Auflagen ("D'e) u. Strafgelder, Kopfsteuern u. Natural-
lieferungen! || MidrKLS, 7 (69'^): „Er machte meine Fessel schwer" KL 3, 7, d.h. er legte
drückend auf mich Naturalabgaben, fiskalische Steuern u. Kopfgelder. il LvR23(122^):
R. Chanina b. Abba ^ (?) hat gesagt: . . . Obwohl man von den Israeliten beitreibt Natural-
abgaben u. Frondienste (n-'-jss), ist ihr Herz gerichtet auf ihren Vater im Himmel,
s. Ps25, 15. — Dasselbe Midr HL 2,2 (95 b) unter dem Autornamen des R. Huna, um 350;
statt rv- 1J3S = Frondienste liest diese Stelle ri"iit-i'.2, von Krauß, Lehnw. 2, 298
emendiert in i"i"?"C"'"?" = xQvaäQyvQov = Gold- u. Silbermünze ; so hieß eine den
Innungen auferlegte Gewerbesteuer, die in Zwischenräumen von vier Jahren erhoben
wurde, s. Levy 2, 413^ || BM 73'': Das Land ist der Grundsteuer (spci:) unterworfen, u.
der König sagt: Wer die Grundsteuer entrichtet, der soll den Nutzen vom Lande haben.
17,26: So sind also die Söhne frei.
Ein ähnlicher Gedanke, der aber aus bestimmten Gründen abgelehnt
wird, liegt vor Sukka 30^: R. Jochanan (f 279) hat im Namen des
R. Schim'on b. Jochai (um 150) gesagt: Was bedeutet Jes 61, 8: „Ich,
Jahve, liebe das Recht, hasse bübischen Raub"? Gleich einem König
von Fleisch u. Blut, der an einem Zollhaus vorüberging. Er sagte zu
seinen Dienern: Gebet den Zöllnern den ZollI Sie antworteten ihm:
Gehört dir denn nicht der ganze Z'oll? (Also sind wir doch davon frei!)
Er sprach zu ihnen: Von mir sollen alle Vorübergehenden lernen, daß
sie sich nicht dem Zoll entziehen dürfen. Auch Gott hat gesagt: Ich
hasse bübischen Raub; von mir sollen es meine Kinder lernen, daß
sie sich von Raub fern halten.
Freiheit von der Tempelsteuer nahmen die Priester für sich in
Anspruch auf Grund von Lv 6, 16 ; s. Sch'^q 1, 3—5 bei Mt 17, 24 Nr. 3. —
Mehrfach hören wir auch, daß die Rabbinen das Privilegium der Ab-
gabenfreiheit für sich forderten; allerdings fiel der Nachweis ihres
Rechtsanspruches etwas gewunden aus.
BB7'': R. J'^huda IL, der Patriarch (um 250) legte die Kosten einer Mauer den
Rabbinen auf. Resch Laqisch (um 250) sprach: Die Rabbinen bedürfen keines Schutzes
(also sind sie zum Bau einer Schutzmauer nicht beitragspflichtig); s. Ps 139, 18: „Will
ich sie zählen, so ist ihrer mehr, denn des Sandes." „Will ich sie zählen", wen denn?
Wenn du es von den Gerechten sagen wolltest, daß sie zahlreicher seien als der Sand,
^ Der Name wird Korrupte! sein aus R. Chunja b. Abin; dann ist damit der in der
Parallelstelle Midr HL 2, 2 genannte R. Huna gemeint. An den babyl. Amora Chanan
b. Abba, um 250, ist schwerlich zu denken.
49*
772 Matth 17,26
so steht ja von ganz Israel Gn 22. 17 geschrieben: , Dem Sande gleich am Ufer des
Meeres"; können da die Gerephten selbst (die doch nur ein Teil vom ganzen Israel
sind) zahlreicher sein als der Sand? Vielmehr so ist es gemeint: AVill ich sie, nämlich
die Werke der Gerechten zählen, so, ist ihrer mehr denn des Sandes. Da gilt der Schluß
vom Leichteren auf das Schwerere: Wenn der Sand, der geringer ist an Zahl, schützt
(wie eine Mauer) wider das Meer, sollten da nicht die Werke der Gerechten, die
größer sind an Zahl, sie viel mehr schützen? Als er zu R. Jochanan (f 279) kam, sagte
dieser zu ihm: Warum hast du ihm (dem Patriarchen) nicht von dieser Stelle aus ge-
antwortet: „Ich bin eine Mauer, u. meine Brüste Türmen gleich" HL 8, 10? „Ich bin
eine Mauer", damit ist die Tora gemeint, ,u. meine Brüste Türmen gleich", damit sind
die Gelehrtenschüler gemeint. Und Resch Laqisch hat die Stelle verstanden, wie sie
(später) Raba (f 352) ausgelegt hat: „Ich bin eine Mauer", das geht auf die Gemeinde
Israel, „u. meine Brüste Türmen gleich", das geht auf die Synagogen u. Lehrhäuser. —
Rab Chanan (= Nachman) b. Chisda (um 300) legte den Rabbinen eine Kopfsteuer
(s;-i2 = dem palästinischen r"~jV:) auf; da sprach Rab Nachman b. Jicchaq (f 356) zu
ihm: Du hast (damit) die Tora, die Propheten u. die Hagiographen übertreten. Die
Tora, s. Dt 33, 3: „Ja er liebte Völker, alle seine Heiligen sind in deiner Hand." Mose
sprach vor Gott: Herr der Welt, auch wenn du die Völker liebst (u. Israel ihnen unter-
wirfst), so werden (oder „mögen") doch alle seine (Israels) Heiligen in deiner Hand
(unter deinem Schutz) sein! „Und sie sind gelagert i:r zu deinen Füßen" Dt 33, 3.
Rab Joseph (f 333) hat als tannaitische Tradition gelehrt: Damit sind die Gelehrten-
schüler gemeint, die sich ihre Füße wund laufen (i-rnr'i) von einer Stadt zur andren
u. von einem Land zum andren, um Tora zu lernen. ,Es empfängt aus deinen Worten"
(das.), d. h. um zu nehmen u. zu geben aus den Worten Gottes (=^ um in Rede u.
Widerrede über die Tora zu debattieren; die Wendung ist aus der Handelssprache her-
genommen).^ — Die Propheten, s. Hos 8, 10: Ja, wenn sie lernen unter den Völkern,
so will ich sie nun sammeln, u. wenn es wenige sind, so sollen sie los sein von der
Steuer des Königs u. der Fürsten (so der Midr). fUUa (um 280) hat gesagt: Dieser
Vers ist in der aramäischen Sprache gesagt worden: wenn sie alle studieren {i:r zur
Erklärung des Textwortes 13^-), so will ich sie nun sammeln (so hat das Exil ein
Ende), u. wenn wenige von ihnen (studieren), so sollen sie (diese wenigen, also die
Gelehrtenschüler) los sein von der Steuer des Königs u. der Fürsten. — Die Hagio-
graphen, s. Esra7,24: Niemand soll ermächtigt sein ihnen aufzulegen Steuer, Abgabe
u. Zoll. Rab J'^huda (f 299) hat gesagt: „Steuer" n-i^, das ist die Abgabe an den König
(-Visn r:»:); „Abgabe" ihj, das ist das Kopfgeld (rV.-.b; res) u. „Zoll" ~5n, das sind
die Naturallieferungen (s;i3-n). || BßS^: Rab J'^huda (t 299) hat gesagt: Alle müssen
beitragen zu den Kosten der Stadttore, auch Waisenkinder; aber die Rabbinen bedürfen
des Schutzes nicht. Alle müssen beitragen zum Ausgraben eines (öffentlichen) Brunnens
(so Raschi), auch die Rabbinen; aber das haben wir nur für den Fall gesagt, daß die
Stadtbewohner nicht selbst als Arbeiterschar hinausziehen (sondern bloß mit ihren
Geldbeiträgen sich daran beteiligen); wenn sie aber als Arbeiterschar selbst hinaus-
ziehen, so sind die Rabbinen nicht solche, die als Arbeiterschar hinausziehen. (Hier
werden Frondienste einfach als uiclit standesgemäß abgelehnt.) Dasselbe BM lOS".
Aus dem Beweis, den Jesus für sein Freisein von der Scheqelabgabe
führt, folgt, daß er sich eine Stellung zu Gott beigelegt hat. wie sie
sonst keinem Israeliten eignet. Diese Folgerung kann nicht beseitigt
werden mit dem Hinweis darauf, daß ja auch Petrus an der Steuer-
freiheit teilnehme; denn diese genießt Petrus nicht unmittelbar wegen
seiner Stellung zu Gott, sondern mittelbar wegen seiner Stellung zu
^ Die Meinung ist vermutlich diese: Da die Gelehrtenschüler sich nur um die An-
gelegenheiten Gottes bemühen, sollen sie mit den Angelegenheiten der Welt, also auch
mit deren Steuerauflagen, verschont bleiben.
Matth 17,27. 18,1.3 773
Jesu: weil Petrus zu den Angehörigen des Sohnes zählt, darum ist er
in dessen Steuerprivilegiuni miteingeschlossen.
17,27 51: Den Fisch, der zuerst emporsteigt.
Tur uraßccvia = n'~'rr;.
GnR 5 (4<^): ,Die Ansammlung der Wasser nannte er Meere* c-w (Plur.) Gn 1,10.
R. Jose b. Chalaphta (um 1501 hat gesagt: War es denn nicht (bloß) Ein Meer? Was
will die Schrift lehrend sagen mit , Meeren"? Allein ein Fisch, der bei ?Akkb empor-
steigt r;5n" (= herauskommt), gleicht dem Geschmack nach nicht einem, der bei Sidon
oder bei Apamea emporsteigt nV'y.
TTOODTOV = "irCN".
Nazir 5, 2: (Wenn einer gelobt:) Der Golddenar, der zuerst in meine Hand kommt
(wörtlich: emporkommt) ivi-s-i -T'a n^y-r, siehe, der soll Geheiligtes sein! u. es kommt
einer aus Silber liinein rVi", so sagte die Schule Schammais: Es ist Geheiligtes; aber
die Schule Hilleis sagte: Es ist nicht Geheiligtes. (Gelobt er:) Das Faß Wein, das
zuerst in meine Hand kommt r:rus- —z r-y^-jr-::, siehe, das soll Geheiligtes sein! u.
es kommt eins mit Ol hinein, so sagte die Schule Schammais: Es ist Geheiligtes; aber
die Schule Hilleis sagte: Es ist nicht Geheiligtes.
17,27 23: Du wirst einen Stater finden.
Gtavu'iQ findet sich im Rabbin. in der Form «""inox oder n^^j:»«; Bei-
spiele s. bei Mt 5, 26 u. 17, 24 S. 763 J. — Seinem Werte nach betrug
der Stater 1 Sela< = 4 Denare = 2 öiögay^iia', er genügte also zur Ent-
richtung der Tempelsteuer für zwei Personen.
Ein Schneider in Rom, der den Versöhnungstag ehrt, u. Joseph, der Sabbatverehrer,
■werden von Gott dadurch belolmt, daß jeder eine kostbare Perle in einem Fisch findet,
s. GnR 11 (8'^) oben 8.614« u. Schab 119^' oben S. 675«.
18,1: Wer ist ein Größerer im Himmelreich?
Zu dieser Frage s. bei Mt 5, 19 JB. — Die jüdischen Gelehrten haben
die Frage verschieden beantwortet. Auf Grund von Ps 11, 7 meinte
man, dafs die Klasse der Rechtschaffenen n-^-c;-' die höchste Abteilung
vor Gott bilde; andre ließen die erste Abteilung gebildet werden von
denen, die sich auf ihre Torakenntnis u. guten Werke stützen könnten,
oder auch von den Schrift- u. Mischnalehrern, die die Kinder treulich
oder wahrheitsgemäß unterrichteten. Noch andre stellten die Ältesten
u. Lehrer am höchsten, die viele zur Gerechtigkeit angeleitet hätten.
Allgemeinere Anerkennung hat wohl der Satz gefunden, daß den Mär-
tyrern der erste Platz vor Gott zukomme. Belege s. im Exkurs: „Sch'^ol,
Gehinnom u. Gan <Eden" III, 3, n.
18, 3: Wie die Kindlein.
Das Kind als Bild der Sündenreinheit P''siq61'*: „Zwei einjährige
Lämmer" ni-c^s Nu 28, 3. Die Schule Schammais sagte: d^Ct^» denn sie
drücken die Schuld Israels nieder -"^ly^is, s, Micha 7, 19: „Er wird nieder-
drücken ii"i22- unsre Verschuldungen." Die Schule Hillels sagte: Alles
was niedergedrückt wird, schwimmt schließhch oben; vielmehr o^r^?,
weil sie die Schuld Israels abwaschen •"£?=•? u. .sie (die Isr.) machen
774 Matth 18, 4. 5
wie ein eiiijähriges Kind, das rein von jeder Sünde ist. — Parallel-
stelle P^siqR 16 (84»).
18,4: Wer sich nun s elbst erniedrigen wird.. .der ist derGrößere.
Siehe die Zitate bei Mt5, 19 u. 23, 12; ferner ?Er 54=' bei Mt 5.3 S.192f. 1| LvR 1(105') :
So bat Hillel (um 20 v.Chr.) gesagt : Meine (Selbst-)Erniedrigung ist meine Erhöhung, meine
(Selbst-)Erhöhung ist meine Erniedrigung, s. Ps 113, 5 f.: „Der in der Höbe thront, der in
die Tiefe blickt. " — Über Hillels Auffassung dieser Psalmworte vgl. ExR45 ( 100 '^) : R. Tan-
chuma b. Abba (um 380) eröffnete seinen Vortrag mit Spr 25, 7 : Denn besser ist es, daß man
zu dir sage: „Rücke herauf hierher I", als daß man dich erniedrige. Hillel sagte: Meine
(Selbst-)Erniedrigung, das ist meine Erhöhung u. meine (Selbst-)Erhöhung ist meine Er-
niedrigung. Es ist besser für einen Menschen, daß man sage: „Steige erapornach oben", als
daß man zu ihm sage: „Steige hinab nach unten." David bat gesagt Ps 113, 5: rzivh 'r.'zi'zr..
d. h. wenn ich mich selbst erhöhe, so erniedrigt man meinen Sitz, das meinen die Worte
Ps 113,5: „Mein mich selbst Erhöhen^ (führt) zum Niedersitzen"; u. wenn ich mich
selbst erniedrige, so erhöht man mich, wie es heißt Ps 113, 6: „Mein mich selbst Er-
niedrigen^ (führt) zum Fürchten." ^ Was hat es mir verursacht, daß alle Länder sich
fürchten, wie es heißt 1 Chr 14, 17: Der Name Davids ging aus in alle Lande, u. Jalive
legte die Furcht vor ihm auf alle Völker? Weil ich mich selbst erniedrigt habe. |!
Sota 10'': „Von David ein d~?'?" Ps56, 1. Wie David in seiner .lugend sich selbst er-
niedrigt hat i'^-pn (wörtlich: klein gemacht hat) bei dem, der größer war als er, um
Tora zu lernen, so auch nachdem er groß geworden war. — arri ist als Notarikon
(s. Einl. S. 107 Nr. 30) gedeutet := T? „niedrig" u. ar „unversehrt", also Ps 56, 1: Von
David, dem „dauernd (in der Jugend wie im Mannesalter) Niedrigen", sich selbst Er-
niedrigenden. — Zu Davids Selbsterniedrigung s. auch MQ 16'' bei Mt 16, 19 S. 746.
18,5: Wer ein einziges solches Kind auf Grund
meines Namens aufnimmt, nimmt mich auf.
Zum ganzen Satze s. bei Mt 10,40. 'j Verdienstlichkeit der Versorgung
von Waisenkindern:
M'^g 13'': AVer einen Waisenknaben oder ein Waisenmädchen in seinem Hause auf-
zieht, dem rechnet es die Schrift so an, als ob er sie erzeugt hätte. — Dasselbe Sanh 19''
auf Grund einer längeren Reihe von Belegstellen. |; K'^'thöO": „Wohl denen, die das
Recht beobachten, dem, der Wohltätigkeit übt zu jeder Zeit" (so der Midr Ps 106,3).
Kann man denn zu jeder Zeit Wohltätigkeit üben? . . . R. Sch'^'muel b. Nachman (um 260)
hat gesagt: Damit ist derjenige gemeint, der einen Waisenknaben oder ein Waisen-
mädchenin seinem Hause aufzieht u. sie verheiratet. || K'=^thl03'': Als R. Chanina (um 225)
u. R. Chijja (um 200) miteinander stritten, sagte R. Chanina zu R. Chijja: Mit mir willst
du streiten? Wenn, was Gott verhüten wolle! die Tora von Israel vergessen würde,
so wollte ich sie durch mein scharfsinniges Disputieren wiederherstellen. R. Chijja ant-
wortete: Ich habe bewirkt, daß die Tora von Israel nicht vergessen wird; ich liabe
Flachs genommen u. gesponnen u. flocht Schlingen u. fing Gazellen u. ernährte mit
dem Fleisch Waisenkinder u. bereitete Pergamentrollen aus den Fellen der Gazellen
zu u. ging in einen Ort, in welchem es keine Kinderlehrer gab, u. schrieb die fünf
Torarollen für fünf Kinder auf u. lehrte die sechs Mischnaordnungen sechs Kinder,
indem ich zu jedem Kinde sagte: Lehre deine Ordnung deinen Genossen! Das ist es.
was Rabbi gesagt hat: AVie groß sind die AVerke Chijjas! — Dasselbe BM 85''. Vgl.
auch bei Mt 18, 10 31. || snl rw ovo^axi ixov = -?tt?5, s. bei Mt 10,41.
' In -n"3;>;n ist ■ am Ende als Pronomen suffixum gedeutet = der mich Erhöh^de
= ich, wenn ich mich erhöhe = mein mich selbst Erhöhen. Ebenso -h-zv^r, = der mich
Erniedrigende = wenn ich mich selbst erniedrige =^ mein micli selbst Erniedrigen.
2 n':x-5 nach Analogie von rs'j- Ez 33. 12 u. rs'-s-: Lv 8, 33 gefaßt = s-V = x-!'"::,
vgLlSm 18.29.
Matth 18, 6 {%. SB. 6 1) 775
18, 6 51: Wer einen dieser Kleinen ärgern wird.
(jxardaXt^eii' = dem kausativen bjrrx (bibl. b^r=n); zB TargMal2,8:
Ihr habt vielen zum Anstoß gereicht (d. h, viele zu Falle gebracht iwbprx,
Textwort: =nb-i«=n) durch die Lehre. — Ferner s. bei Mto,29 6 S.303.
18,6 23: Dem frommt es.
avfuji-Qfi avTO) ■^= ib ri:, es wäre ihm besser.
?Er IS'* Bar: 2'/2 Jahr waren die Schule Schammais u. die Schule Hillels geteilter
Meinung; die einen sagten: Es wäre besser für den Menschen (o^sV ih r.'.z), wenn er
nicht erschaffen wäre, als daß er erschaffen wurde. Die andren sagten: Es ist besser
für den Menschen, daß er erschaffen worden ist, als wenn er nicht erschaffen worden
wäre. Sie stimmten ab u. beschlossen: Es wäre besser für den Menschen, wenn er
nicht erschaffen wäre, als daß er erschaffen wurde ; nun aber, da er erschaffen worden
ist, soll er seine Werke prüfen. || K'^thO?'': R. Jochanan (f 279) hat im Namen des
R. Schimfon b. Jochai (um 150) gesagt: Es wäre besser für den Menschen, daß er sich
selbst in einen Feuerofen würfe, als daß er das Angesicht eines andren öffentlich be-
schämt. — Dasselbe Sota 10'\ || pB'^rakh 1, 3'^ 25: Wer lernt, um nicht danach zu
handeln, dem wäre es besser, wenn er nicht geboren wäre. R. Jochanan (f 279) hat
gesagt: Wer lernt, um nicht danach zu handeln, dem wäre es besser, wenn sich seine
Nachgeburt um sein Gesicht gewendet hätte, so daß er nicht zur Welt gekommen
wäre. — Dasselbe LvR 35 (132«); vgl.pSchab 1, 3^ 8. H Ferner s.p?AZ2(40^) oben S.38;
TanchB pia §2 bei Mt 18, 8 f.
Aramäisch sagt man -■'h a-j ,es wäre ihm besser"; s. bei Mt 5, 29 S S.302f. ; u.
Targ Jerusch I Gn 38, 25 bei Mt 18, 8 f.
18,6 6: Daß ein Eselsmühlstein um seinen Hals gehängt
u. er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.
1. iivXog orixög. — -r Vd c-^nn = „Handmühle" u. -."i^ar; bd c-n* =
„ Eselsmühle " werden einander gegenübergestellt, a Die erstere wird
auch =nx bd =-::;■; „Menschenmühle" genannt. b Die Bezeichnungen legen
es nahe, als das unterscheidende Merkmal beider Arten von Mühlen
die sie bewegende Kraft anzusehen. Auch bezeugen einige talmudische
Stellen ausdrücklich die Verwendung von Eseln für den Betrieb von
Mühlen, c Gleichwohl ist diese Erklärung des Namens „Eselsmühle'"
nicht allseitig anerkannt. Es wird nämlich eine Unterlage erwähnt,
auf der die größeren Mühlen so befestigt wurden, daß sie nicht von
ihrer Stelle entfernt werden konnten, während der Transport der
leichteren, sog. „Handmühlen" keine Schwierigkeit verursachte. Und
da diese Unterlage den Namen mrr; = „Esel" führte (wir würden in
diesem Fall von einem „Bock" sprechen), so seien die auf einem solchen
Untergestell befestigten Mühlen „Eselsmühlen" genannt worden. So
namentlich R. Chanan^eld in den Tosaphoth zu BB 20^. Jedenfalls werden
mit „Eselsmühlen" die größeren u. schwereren Mühlen bezeichnet, auch
wenn sie nicht durch Esel in Bewegung gesetzt wurden, e — Bei beiden
Arten von Mühlen bildeten die beiden übereinander befindlichen Mühl-
steine die Hauptbestandteile. Bei der Handmühle hieß der untere Stein
{vgl. „untere Scheibe" r^rirn nbs Hi 41,16) nsd^ = der „Liegende", f
^ So vokalisiert Krauß, Archäol. 1,96; Dalman u. Levy4, 551: a:^.
776 Matth 18,6(61)
oder auch schlechthin n-n-,g welches Wort eigentlich die beiden Steine
oder die ganze Mühle bezeichnet, zB Ex 11, 5; Nu 11, 8; Jes 47, 2. Aus
seiner Mitte ragte ein Zapfen h x:-:i-2 empor, um den der obere, in ihn
eingelassene Stein wie um seine Achse sich drehte. Der obere Stein
selbst hieß „Reiter" oder „Läufer"! :;-i (vgl. Ri9,53; 2Smll,21 u.
Dt 24, 6: die LXX zur letzten Stelle geben 3=n mit emavhov wieder).
In der Mitte des oberen Steins befand sich eine trichterartige Öffnung,
die Einschüttstelle für die Gretreidekörner, u. gegen seinen Rand hin
ein Handgriff (wohl eine Art Pflock), an dem er um den Zapfen des
unteren Steines im Kreise gedreht wurde. Nach einer Angabe der
Mischna wäre der Radius des oberen Steines eine Handbreit kleiner
gewesen als der des unteren Steines.» — Bei den größeren Mühlen
(Eselsmühlen) war der untere Stein an seiner oberen Fläche konvex aus-
gearbeitet; er verjüngte sich also nach oben hin; von dieser seiner Ge-
stalt führte er den Namen b^^in-üx oder rirhvpN = aroößilog „Kreisel".
Der obere Stein war dementsprechend an seiner unteren Fläche konkav
gehalten, so daß er mantelartig den unteren Stein fest überdeckte. Er
glich so durchaus keiner Scheibe oder runden Platte, sondern vielmehr
einem großen flachen steinernen Eimer, der über den kreiseiförmigen
unteren Stein gestülpt war. Nach dieser seiner Form hieß er r";;r (nach
Krauß = xokXccd^oc „ Fruchteimer "). Auch bei den größeren Mühlen war
der Radius des unteren Steines um eine Handbreit größer als der des
oberen Steines, k Zum Ganzen s. Krauß, Arcliäol. 1, 95 — 97.
Mit dem „Eselsmühlstein" tiv/Mg ovixoq bei Mt u. Mk 9, 42, bezw. mit
dem lid^oc fivhxög bei Lk 17, 2 ist jedenfalls der obere Stein der größeren
Mühlen, der rbp, gemeint: nur dieser war durchlocht, so daß er an
etwas gehängt werden konnte, u. nur dieser war transportabel.!
a. jHandmühle" -■ hv =■-- zB ZabimS, 2: Wenn ein mit Ausfluß Behafteter u.
ein Reiner, sei es stehend, sei es sitzend, zusammen weben oder mahlen (so wird der
Reine dadurch unrein). R. Schim?on (um 150) erklärte ihn in allen diesen Fällen für
rein, ausgenommen, wenn sie zus. an der Handmiihle mahlen, i P'^s 11-': Das Mahlen
auf der Handmühle t- s---3 n:i--j. || K'^th 59*^ wird zu der Mischna (K'^th 5, 5), daß
die Frau verpflichtet sei, für den Mann Mehl zu mahlen, bemerkt: Meinst du, daß sie
(selbst) mahlen muß? Vielmehr sage: Sie muß mahlen lassen. Oder wenn du willst,
sage: Auf der Handmühle {a-\^-. z^rr^z) muß sie es (aber nicht auf einer großen u.
schweren). — Hand- u. Eselsmühle nebeneinander erwähnt: TKel bab. m. 2, 14 (580):
Ein Nagel, den man in eine Handmühle oder eine Eselsmühle ="-^3 ix -f h-a a-rr^^a
-^■c- Vr steckt, ist verunreinigungsfähig. i| TBB 1,3 (398) s. Anm. /.-.
b. Ohal8,3: Folgende Dinge tragen Unreinheit weiter, ohne davor zu schützen:
. . .; außerdem noch die ^Menschenmühle" =-s h-v n-TT-r;. ßertinoro: Damit ist die trag-
bare Handmühle gemeint, um auszuschließen die nicht tragbare Tiermühle n^rr^- a--^.
C. MQ lO'*: R. Meir (um 150) hat gesagt: Einem Pferde, auf welchem man reitet,
u. einem Esel, auf welchem man reitet, darf man an den Zwischenfeiertagen die Hufe
beschneiden, aber nicht einem Esel der Mühle (= der eine Mühle treibt). Rah J'^huda
(t 299) erlaubte es, von den Hufen eines Esels der Mühle etwas abzunehmen. |! f AZ Iß^:
Abaje (f 338/39) hat gesagt: Mar J^'huda hat mir erzählt, daß die Leute des Mar Jochani
1 Krauß a. a. 0. liest :=--, vgl. 1 Kg 22, 34 u. 2 Kg 9, 17.
Matth 18, 6 (6 1) 777
mit Wildeseln an der Mühle mahlten. |1 Tanch r-jsi?«: 99*: R. Levi (um 300) hat gesagt:
Die bösen Geister haben eine Maske vor ihrem Gesicht, wie die Esel der Müller (die
mit verbundenen Augen an der Mühle gehen). ^
d. Die Worte des R. Chananiel (b. Chuschiel, etwa 990—1050, s. Einl. S. 160) lauten:
Die jEselsmühlen" verursachen keine Erschütterung (s. Anm. /u. A); denn nicht ein
Esel mahlt daran, sondern der hölzerne Unterbau, der die Mühle trägt, heißt „Esel"
^•i-o-, wie auch sonst Traghölzer «Esel" genannt werden. So Kell8, 6: Die beiden
Stangen des Bettes u. der Eselsuntersatz ^i-sr: sind rein. Ebenso das Holzgestell, das
einen Kasten, eine Lade, einen Schrank trägt, s. (TKel bab. m. 8, 3): Das Esels-
gestell ""'S- unter dem Rahmen der Bettstelle u. die Holzstücke unter den Füßen sind
rein. Ebenso wird das Holzgestell, auf das sich der Sehmied stützt, „Esel" genannt,
s. (Kell4, 3): Das Eselsgestell -Ti- der Schmiede ist verunreinigungsfähig. So wurde
auch für die Mühle eine Art Lager zurechtgemacht, auf das der (untere) Mühlstein,
'5-a-.ti:sx , gelegt wurde, u. ein Mensch saß gegenüber auf einem erhöhten Platz, während
seine Füße nach unten gespreizt waren, u. er drehte die Rundung (pihi d. h. den oberen
Stein) mit seinen Füßen u. mahlte. — In der Mischna wird das Eselsgestell '^'.^r. der
Mühle erwähnt Zabim 4, 2 f . : Wenn ein mit Ausfluß Behafteter an den unteren Mühl-
stein, l5'ai^-j::s, oder an das Eselsgestell der Handmühle schlägt (oder stößt), so ist
es (das infolge des Stoßes Herunterfallende) rein; schlägt (oder stößt) er an den obei-en
Mühlstein, r^'-;'^ , so ist es unrein. (Grund: Der obere Mühlstein ist beweglich, der untere
aber nicht.) — Diese Stelle lehrt, daß auch größere Mühlen — denn um eine solche
handelt es sich wegen Erwähnung ihres Eselsgestells u. ihres "i'ai^u-.:« — mit der Hand
in Bewegung gesetzt wurden u. ebendeshalb „Handmühlen", i^ hv a-n-, genannt werden
konnten. Ferner zeigt sie, daß auch bei einer Handmühle, die nicht von einem Esel
getrieben wird, dennoch von einem „Esel" -••^•cr. gesprochen wird, ein starkes Zeugnis
für die Meinung, daß die „Eselsmühle" ihren Namen von dem Eselsgestell u. nicht von
dem sie treibenden Esel hatte.
e. s, Zabim 4, 2 f in Anm. d. f. s. BB 2, 1 in Anm. i; TBB 1, 3 in Anm. k.
g. Dt 24, 6 heißt es: Man pfände nicht Mühle u. (oberen) Mühlstein as-; c"--,
d. h. weder die ganze Mühle noch einen Teil von ihr. Dagegen deuten die alten jüdischen
Ausleger: Nicht den unteren (a^"^) u. nicht den oberen Mühlstein (aa^); zB SDt24, 6
>5 272 (123'"'): Man pfände nicht aa"n aT-i . . . Warum wird gesagt aaii a^ni? Wie
die besonders genannten a-rri u. as^ zwei Gerätschaften sind, die Eine Arbeit voll-
bringen, u. wie man sich für die Pfändung des einen für sich u. für die Pfändung des
andren für sich schuldig macht, so macht man sich überall bei zwei Geräten, die zur
Verrichtung Einer Arbeit dienen, für die Pfändung des einen für sich u. für die Pfändung
des andren für sich schuldig. — Die Bezeichnung „zwei Gerätschaften" für a--n u.
aai zeigt, daß man unter diesen die beiden Mühlsteine verstanden hat. || BM 9, 13:
Wer die Mühle (a-n-, d.h. die ganze Mühle) pfändet, übertritt ein Verbot u. macht
sich wegen zweier Geräte schuldig, s. Dt 24, 6: Man pfände nicht den unteren u. den
oberen Mühlstein. — Ebenso deuten Rab Huna (f 297) u. Rab J'-huda (f 299) BM 115'\
Nach dieser traditionellen Auslegung wird auch Targ Onk u. Targ Jerusch I.: saaii s"n^
zu verstehen sein. Nur die LXX zu Dt 24, 6 denken mit ihrem fxx<Xor ovds enifxvhov,
wie das ovöe fordert, bei {iv'Aou an die ganze Mühle u. bei sniinvhoy speziell an den
oberen Mühlstein.
h. Vgl. P'^s94'': s--— : sru-aa wie der Zapfen im Mühlstein.
i. BB 2, 1 : Eine (Hand-)Mühle muß man (von der Wand des Nachbarn) drei Hand-
breiten vom unteren Mühlstein, aar , an, das sind vier Handbreiten vom oberen Mühl-
stein, aa-, an fernhalten. — Die Worte lehren zugleich, daß der äußere Rand des
unteren Mühlsteins ringsum eine Handbreit über die Peripherie des oberen Steines
hinausreichte. — Eine Parallelstelle s. in Anm. A-. — Als Grund für die Mischna wird
* fAZ 16^ redet R. Jochanan (f 279) von einem Pferde, das man in der Mühle
mahlen läßt.
778 Matth 18, 6 (6 1—3). 18, 7 (?l)
BB 20'^ die durch die Bewegung der Handmühlen entstehende Erschütterung (z-v7
s— ^— j) angegeben.
k. TBB1,3(398): Man muß eine Haudmühle (von der Mauer des Nachbarn) drei
Handbreiten vom z2v an, vierH. vom 231 an fernhalten; Eselsmühlen drei Handbreiten
vom ^-si-w^j-s au, vier H. vom rhp an. — Der die Eselsmühlen betreffende Satz als
Bar in BB20l> mit der Bemerkung, daf3 das Geräusch der Eselsmlihlen der Grund für
ihr Fernhalten sei (sVp airi). Eine Erschütterung wurde durch sie nicht verursacht,
•da sie auf einem festliegenden Untergestell befestigt waren.
/. BB4, 3: Wenn jemand ein Haus verkauft, so hat er den '^zi^u-j-s mitverkauft,
aber nicht den r::-. — Jener, weil unbeweglich festgemacht, gilt als Zubehör des Hauses ;
•dieser", weil transportabel, wird zum Mobiliar gerechnet, das ohne nähere Abmachung
nicht ohne weiteres mit dem Haus in den Besitz des Käufers übergeht. — Dasselbe in der
Bar BB 65b. |] Ferner vgl. Zabim 4, 2 f. in Anm. d. || GnR 28 (17 <=) : R. Levi (um 300) hat
im Namen des R. Jochanan {f 279) gesagt: Selbst der kreiseiförmige Stein der Mühle
(□-!-!-! ^u i-i-i-^'L;^») wurde (durch die Sündfiut) weggewischt (obgleich er so unerschütter-
lich festliegt); s.Gn6,7; 7,4. — Parallelstellen: LvRSl (riO'-); Midr HL 4, 1 (109^).
2. fjLvXoc oiixog TitQi töv TQaxrjXor. — Der „Mühlstein auf dem Hals"
scheint eine sprichwörtliche Redensart gewesen zu sein zur Bezeichnung
drückendster Sorge u. Not.
Qid 29 b Bar: (Ein Vater) hat (seinen Sohn) Tora zu lehren u. ihm ein Weib zu
nehmen. Er soll ihn (zuerst) Tora lehren u. hinterher ihm ein Weib nehmen; u. wenn
es ihm nicht möglich ohne Weib, so soll er ihm ein Weib nehmen u. ihn hinterher
Tora lehren. Rab J''huda (f 299) hat gesagt, Sch'muel (f 254) hat gesagt: Die Halakha
ist: er nimmt ihm ein Weib u. hinucrher läßt er ihn Tora lernen. R. Jochanan (f 279)
hat gesagt: Ein Mühlstein auf dem Halse ■"isi::3 c-^n-^ u. er soll sich mit der Tora
beschäftigen? Es liegt keine Meinungsverschiedenheit vor: Das eine (die Meinung
Sch'^muels) gilt bei uns(in Babylonien), u. das andre bei ihnen (in Palästina). || Sanh93t':
Es heißt Jesll,3: 'n rNi-;: in—r:-! (sein Wohlgefallen hat er an der Furcht Jahves).
R. Alexandrai (um 270) hat gesagt: Das lehrt, daß man ihn (den Messias) mit Geboten
u. Leiden belastet wie mit Mühlsteinen (aTt^-r). — Der Midr bringt '.r^^r: in Verbindung
mit -r:-i „zerreiben", dem Stammwort zu =■■": . — Vgl. auch P'^^siqR 36 (162-'): Man hat
gesagt: In der Jahrwoche, in welcher der Sohn Davids (= Messias) kommt, wird man
eiserne Balken bringen u. ihm auf seinen Hals legen, bis seine Gestalt niedergebeugt
ist. — In demselben Zus.hang ist vorher von einem eisernen Joch, iT^a ;•><, die Rede,
unter das man den Messias bringen werde, s. das. 161 b.
3. Zum xararcorciafiog vgl. Josephus, Antiq. H, 15, 10: Nachdem die
Oaliläer von ihren Machthabern abgefallen waren, versenkten sie die An-
hänger des Herodes in den See (Genezareth). Ferner Contra Apion. 1, 34:
Die Aussätzigen (unter den Juden) ließ der ägyptische König Bokchoris
an Bleiplatten binden u. in das Meer werfen. || Die Beschwerung eines
in den Euphrat zu werfenden Buches mit einem Stein schon Jer 51, 63.
18, 7 %: Wehe der Welt . . .; wehe dem Menschen.
Oval = lix, "»^ .
BB 91 ": Rab Chanan b. Rabba (um 250) hat gesagt, Rab (t 247) habe gesagt; An dem
Tage, da unser Vater Abraham aus der Welt schied, standen die Großen der Welt in der
Trauerreihe u. sprachen: Wehe der Welt a'sisV 15 ^is, die ihren Führer verlor, u. wehe
dem Schiff, das den Steuermann verlor! j| P'^siq 72*"': Haman sprach: Wehe diesem Mann
s^i; -'z s^rtrr"- :-.•<'■> ■<-i (d. h. mir), der Schloßhauptmann [xö/ut]? ncdcaiojf) u. comes curator
(Leiter der Volksernährung) war u. nun Bademeister u. Barbier geworden ist! — Parallel-
stellen LvR 28 (126''); Midr Esth 6, 10 [99''); P^'siqR 18 (93^K — Über die verschiedenen
Matth 18,7(33.6). 18, 8 f. 779
Lesungen u. ihre Bedeutung s. ßuber zu P'^siqTä^; Friedmann zu P'^^siqR 93 ^ ; Levy
4, 266* u. Krauß, Lelinw. 2, .509. |i GnR 10 (8-^): Wehe der Welt wegen seiner Gerichte
1-r-:^ uh'r/'i -:s! — Die ganze Stelle s. im Exkurs „Sch^'o!" usw. 11, 9, e. |1 Ferner s.
Tafan2la bei MtlS, 8f.
18, 7 ®: Wegen der Ärgernisse.
ccno con oxaröäXon'. — Das alttestamentl. brrr! = Anstoß, Ärgernis
wird von Targ Onk u. Targ Jerusch I zu Lv 19, 14 wiedergegeben mit Nbjrri ,
bezw. i<bp!in. Ebenso setzt Targ Jonathan Nbpn für h^zi-c Jer 6, 21; Ez 7, 19;
14, 3; 18, 30; 44, 12. — Im Rabbin. wird in diesem Sinn nbprn gebraucht.
B'^r'^kh 4, 'J: (R. N^'chonja b. Ha-qana, um 70 n. Chr.) sprach zu ihnen: Wenn ich
(in das Lehrhaus^ eintrete, bete ich, daß kein Anstoß -Vpn durch mich kommen möge, jj
Sanh 7, 4: Wer ei ;r Mannspersoa oder einem Vieh beiliegt u. das W;-;b, da:; ein Vieu
beiliegen läßt (die verden gesteinigt). Wenn der Mv.<'sch gesün • . I.at, wjs hat das
Vieh gesündigt (daß es getötet werden soll, Lv 20, 1.5 f.)? Allein weil dem Meuschen
durch es n^pr, Anlaß zur Sünde, gekommen ist, deswegen hat die Schrift gesagt: Es
soll gesteinigt werden. Eine andre Erklärung: Damit nicht das Vieh auf dem Markt
vorübergehe u. man dann sage: Das ist dasjenige (Tier), dessentwegen der u. der ge-
steinigt worden ist. — Vgl. auch das nächste Zitat.
18,7 6: Durch den das Ärgernis kommt.
Sank 55*: Rab Schescheth (um 260) hat gesagt: Ihr habt es gelernt: Wenn von
den Bäumen, die weder essen noch trinken noch riechen, die Tora sagt: Vernichte,
verbrenne u. vertilge sie (vgl. Dt 12, 2 f.), weil dem Mensel -u Jurcli sie ein Anlaß zur
Sünde kam •-- Vy nipr d-:s^ s21 ";-sin, um wieviel mehr gilt das dann von dem, der
einen andren von den Wegen des Lebens verleitet (nyrrir!) zu den Wegen des Todes.
18, 8 f.: Wenn aber deine Hand oder dein Fufs dich ärgert, so
haue ihn ab . . .; es ist dir besser ins Leben verstümmelt oder
lahm einzugehn, als zwei Hände oder zwei Füße habend ins
ewige Feuer geworfen zu werden.
Zum ganzen Satze s. Mt 5, 29 f.
Tanchß pVa §2 (67 a): „Balaq sah' Nu 22, 2. Es wäre besser für die Gottlosen
(a-yr--; rsi:), wenn sie blind wären; denn ihre Augen bringen den Fluch in die Welt.
Vom Flutgeschlecht heißt es Gn6, 2: Es sahen die Söhne Elohims, daß die Töchter
der Menschen schön waren. Ferner s. Gn9, 22: Da sah Ham, der Vater Kanaans, die
Blöße seines Vaters. Gn 12, 15: Es sahen sie (Sara) die Hofleute des Pharaos. Gn 34,2:
Da sah sie (Dina) Sikhem, der Sohn Chamors. Ebenso heißt es hier (Nu 22, 2): Balaq
sah. — Dasselbe Tanch -hz 231 a; NuR 20 (188^). i| Tafan 21a: Von Nachum aus Gimzo
(um 90 n. Chr.) hat man erzählt, daß er auf beiden Augen blind u. an beiden Händen
verstümmelt u. an beiden Füßen amputiert u. am ganzen Körper voll Aussatzes war.
Er lag in einem Haus, das einzustürzen drohte, u. die Füße seines Bettes standen in
Becken mit Wasser, damit nicht die Ameisen zu ihm emporkriechen möchten. Einmal
wollten seine Schüler ^ sein Bett u. hinterher die (übrigen) Gerätschaften hinausräumen
(aus dem baufälligen Hause wegschaffen). Er sprach zu ihnen: Meine Kinder, räumet
(erst) die Geräte u. hinterher mein Bett hinaus; denn ich gebe euch die Versicherung,
daß, solange ich im Hause bin, das Haus nicht einstürzt. Sie räumten die Gerätschaften
hinaus u. hinterher sein Bett; dann stürzte das Haus ein. Da sprachen sie zu ihm:
Rabbi, wenn du ein so vollkommener Gerechter bist, warum ist solches (die Verstümm-
lung deines Körpers) über dich gekommen? Er antwortete: Meine Kinder, das habe
^ Zu den Schülern dieses Nachum gehörte auch R. f Aqiba, f um 135.
780 Matth 18,8f. 10(31)
ich mir selbst verursacht; denn einmal befand ich mich auf dem Wege nach dem
Hause meines Schwiegervaters u. bei mir war eine Ladung für drei Esel; die eine
enthielt Speise, die andre Getränke u. die dritte allerlei Kostbarkeiten. Da kam ein
Armer u. trat mir in den Weg u. sprach: Versorge mich mit Speise! Ich antwortete:
Warte, bis ich den Esel abgeladen habe. Ich hatte den Esel noch nicht abgeladen,
als seine Seele schon ausging. Da fiel ich auf sein Angesicht u. sprach: Meine Augen,
welche sich deiner Augen nicht erbarmten, mögen erblinden; meine Hände, die sich
deiner Hände nicht erbarmten, mögen verstümmelt werden; meine Füße, die sich deiner
Füße nicht erbarmten, mögen abgehauen werden; u. mein Sinn beruhigte sich nicht,
bis ich sprach: Mein ganzer Körper möge voll Aussatzes sein! Seine Schüler sprachen:
Wehe uns 1:5 -:s, daß wir dich so sehen müssen! Er antwortete: Wehe mir "V "is,
wenn ihr mich nicht so sehen würdet (denn dann stände mir die Strafe für meine
Unbarmherzigkeit noch in der zukünftigen Welt bevor, während die gegenwärtigen
Leiden bereits jetzt die Sühne sind für meine Sünde)! Warum nannte man ihn Nachum
aus Gimzo -t =;? Weil er bei allem, was ihm begegnete, sprach: Auch dies -t d-i möge
zum Guten (Segen) sein! || Targ Jerusch I Gn 38, 25: (J%uda sprach:) Es ist mir besser
-V z'^ (s. bei 18, 6 Sß), ich werde in dieser Welt beschämt, die eine vergängliche Welt
ist, als daß ich vor meinen gerechten Vätern in der zukünftigen Welt beschämt werde;
es ist mir besser ■'5 n-c, daß ich in dieser Welt in erlöschendem Feuer brenne, als daß
ich in der zukünftigen Welt in verzehrendem Feuer gebrannt werde.
18, 10 5t: Seh et ZU, daß ihr nicht einen dieser Kleinen verachtet.
Wertschätzung der Kinder, insonderheit der Schulkinder.
Schab llO"^: Rab Hamnuna (um 290) hat gesagt: Jerusalem ist nur zerstört worden,
weil sie darin die Schulkinder müßig gehen ließen (statt sie in die Schule zu schicken);
denn es heißt Jer 6, II: (Der Zornglut Jahves bin ich voll). . . . Gieß (sie) aus über das
Kind auf der Straße usw. Was ist der Grund des Ausgießens? Weil das Kind auf der
Straße ist (statt in der Schule). . . . Rab J^'huda (f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe
gesagt: Was bedeutet: , Tastet meine Gesalbten nicht an u. tut meinen Propheten
kein Leid" Ps 105, 15? , Tastet meine Gesalbten nicht an", damit sind die Schulkinder
gemeint; ,u. meinen Propheten tut kein Leid", damit sind die Gelehrtenschüler gemeint.
Resch Laqisch (um 250) hat im Namen des Patriarchen R. J^'huda (IL, um 250) gesagt:
Die Welt besteht nur wegen des Hauches der Schulkinder. Rab Papa (f 376) sagte zu
Abaje (f 388/39): Was ist (dann erst) mein u. dein Hauch! Er antwortete ihm: Nicht
gleicht der Hauch, darin Sünde ist, dem Hauch, darin keine Sünde ist. Ferner hat
Resch Laqisch im Namen des Patriarchen R. J'^huda IL gesagt: Man läßt die Schulkinder
selbst zum Bau des Heiligtums nicht (aus der Schule) frei, und Resch Laqisch hat zu
dem Patriarchen R. J'^huda II. gesagt: So habe ich es von meinen Vätern — oder, wie
andre sagen, von deinen Vätern empfangen: Jede Stadt, in der es keine Schulkinder
gibt, zerstört man. Rabina (I. ?, t um 420; IL ?, f 499) hat gesagt: Man tut sie in den
Bann. |1 N'^d 81 »: Man ließ von dort (von Palästina nach Babylonien) sagen: Habt acht
auf die Kinder der Armen (nehmt euch ihrer besonders an) ; denn von ihnen wird
Tora ausgehen, s. Nu 24, 7: Wasser (= Tora) rinnt aus seinen Geringen (Niedrigen,
Armen; so der Midr). — Ahnliches wird Sanh 96 * dem R. J^huda b. Bathyra in Nisibis
(um 110) in den Mund gelegt: Habt acht auf die Kinder der ?Amme ha-areg (der un-
wissenden Leute), denn von ihnen wird Tora ausgehn. — Vgl.BMSöi^: Rab J'^'huda
(f 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt; nach andren hat R. Chijja b. Abba (um 280)
gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt; nach andren hat R. Sch'muel b. Nachman
(um 260) gesagt, R. Jonathan (um 220) habe gesagt: Wer den Sohn seines Genossen Tora
lehrt, der ist würdig in der oberen Akademie zu sitzen, s. Jer 15, 19: „Wenn du wieder-
kehrst, will ich dich wiederkehren lassen; vor meinem Angesicht sollst du stehn"
(das gilt erst recht vom Lehrer, der andre zur Umkehr veranlaßt). Wer aber den Sohn
eines ? Am ha-are^ Tora lehrt, dessentwegen hebt Gott sogar einen gefaßten Beschluß
Matth 18, 10 (31. 5B,) " 781
auf, s. das.: ,Und wenn du Edles hervorbringst aus Verächtlichem, wie mein Mund
sollst du sein" (auch Beschlüsse aufheben, die aus meinem Mund gegangen sind; vgl.
bei Mt 16, 19 SB S. 742. 0- II Midr Qoh 10. 7 (47'^) sagt R. fAqiba (f um 135): Eine Gabe
(wörtlich: ein Erbe) Gottes sind Kinder. || Midr KL 1, 6 (53»): ;Von der Tochter Zion
wich alle ihre Herrlichkeit" KL 1,6; mit , Herrlichkeit" sind die Kinder gemeint. R. J^huda
(b. Simon um 320) hat gesagt: Komm u. sieh, wie lieb die Kinder vor Gott sind: das
Synedrium zog in die Verbannung, aber die Sch*^khina (Gottheit) zog nicht mit ihnen;
die Priesterabteilungen zogen in die Verb., aber die Sch*^khina zog nicht mit ihnen.
Als aber die Kinder in die Verb, zogen, zog die Sch^'khina mit ihnen, s. KL 1, 5: „Ihre
Kindlein zogen in die Verbannung, gefangen vor dem Dränger her", u. sofort folgt
Vers 6: Von der Tochter Zion wich all ihre Herrlichkeit.!! Midr HL 2, 4 (97»): R. Issakhar
(aus K'^phar Mandu? um 350?) hat gesagt: AVenn ein Kind für Mose liest ,Mase*,
für Ahron „Ahran", für fEphron ,?Ephran", spricht Gott: Auch sein Stammeln ist
mir lieb! — Vgl. auch bei Mt 18. 5.
18,10 5B: Ihre Engel.
Ol ayytkoi ainmv. — Zu den Schutz- u. Geleitsengeln eines Menschen
s.bei Apg 12, 15 u. 1 Kor 11, 10. Hier noch einige Stellen.
TSchab 17, 2f. (136): R.Elieezer b. Jose Ha-g^ili (um 150) sagte: Wenn du siehst,
daß sich ein Gerechter auf den Weg (auf eine Reise) begibt, u. du beabsichtigst dieselbe
Straße zu ziehen, so beschleunige deine Reise um seinetwillen drei Tage oder verzögere
sie um seinetwillen um drei Tage, damit du in seiner Gemeinschaft reisen kannst:
denn Engel des Dienstes geleiten ihn, s. Ps 91, 11: „Denn seine Engel wird er dir ent-
bieten, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen." Und wenn du siehst, daß sich
ein Gottloser auf den Weg begibt, u. du beabsichtigst dieselbe Straße zu ziehen, so
beschleunige deine Reise um seinetwillen drei Tage oder verzögere sie um seinetwillen
drei Tage, damit du nicht in seiner Gemeinschaft reisen mögest; denn die Engel des
Satans begleiten ihn, s. Ps 109,6: , Bestelle wider ihn den Bösen u. der Satan stehe
gegen seine Rechte" (so der Midr). — Dasselbe T?AZ 1, 17f. (461), nur daß statt
, Dienstengel" gesagt ist „Engel des Friedens"; Tanch n-:?!": 40''. || Schab 119'': Rab
Chisda (f 309) hat gesagt. Mar ?Uqba (L, um 220) habe gesagt: Wenn jemand am Abend
vor Sabbat betet u. spricht Gn 2, 1 : „So wurden vollendet der Himmel u. die Erde* usw..
so legen die beiden Dienstengel, die den Menschen begleiten, ihre Hände auf sein
Haupt u. sprechen zu ihm: Deine Verschuldung ist gewichen u. deine Sünde ward ge-
sühnt (Jes6,7j! Bar: R.Jose b. J'^huda (um 180) sagte: Zwei Dienstengel begleiten den
Menschen am Abend vor Sabbat aus der Synagoge in sein Haus; der eine ist ein guter
u. der andre ein böser Engel. Wenn er in sein Haus kommt und findet die (Sabbat-)
Lampe angezündet u. den Tisch gedeckt u. sein Lager zurechtgemacht, dann spricht
der gute Engel: Möge es am nächsten Sabbat ebenso sein! Und der böse Engel ant-
wortet gezwungen: Amen! Wenn aber nicht, dann spricht der böse Engel: Möge es
am nächsten Sabbat ebenso sein! u. der gute Engel antwortet gezwungen: Amen! j!
Tanch n-jsa-: 99'i: (R. Jicchaq, um 800, eröffnete seinen Vortrag mit)^ Ps§l, 11: Seine
Engel wird er dir entbieten, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Vollbringt
der Mensch Eine Gebotserfüllung, so übergibt man (= Gott) ihm Einen Engel; vollbringt
er zwei Gebotserfüllungen, so übergibt mau ihm zwei Engel; vollbringt er alle Gebote,
so übergibt man ihm viele Engel, wie es heißt: „Seine Engel wird er dir entbieten."
Wer sind diese Engel? Das sind die, die ihn vor den bösen Geistern (i"-';-; = Schäd-
lingen) behüten, wie es heißt Ps91,7: Zufallen (^ie"') werden dir zu deiner Seite
tausend u. zehntausend zu deiner Rechten (so der Midr). Was bedeutet sii-? Daß sie
mit dem Menschen Frieden machen, s. lChrl2, 19: Von Manasse fielen etliche dem
David zu (i^ss); ferner s. das. Vers 20: Als er nach Ciqlag zog, fielen sie ihm von
^ Die eingeklammerten Worte sind zu ergänzen, s. Bacher, pal. Amor. 2^. 219.
782 Matth 18, 10 (SB)
Manasse zu ("'s:), ^ünd zehntausend zu deiner Rechten." Warum zur Linken (= "•^'^
Ps 91, 7) tausend u. zur Rechten zehntausend? Weil die Linke keiner Engel bedarf;
denn der Name Gottes (d. h. der Jahvename) steht auf den Gebetsriemen geschrieben
u. diese befinden sich auf der Linken, s. Dt 6, 8: Binde sie zum Zeichen an deine Hand
(-" — linke Hand). R. Chanina (b. Abbahu, um 340) erwiderte ihm: Es steht hier nicht:
Es werden ^sein" zu deiner Seite tausend, sondern: es werden , fallen" h',t' (so jetzt
der Midr). Weil die Linke nicht ausgestreckt wird zur Vollbringung von Pflichtgeboten,
darum fällt sie (r-s):) nur tausend böse Geister; u. weil die Rechte ausgestreckt wird
zur Vollbringung von Pflichtgeboten, darum fällt sie zehntausend büse Geister. —
R. J*'hoschuaf b. Levi (um 250) hat gesagt: Was heißt Ps91, 7: Zufallen werden dir
zu deiner Seite tausend? Gott übergibt jedem einzelnen Israeliten zehntausend u. tausend
Engel, daß sie ihn behüten u. ihm den Weg bahnen; u. einer von ihnen ruft vor ihm
aus u. spricht: Gebt Ehre dem Ebenbild Gottes! Denn die ganze Welt ist voll von
(bösen) Geistern u. Schädlingen ("i'p^T« = Dämonen). R. J^'huda b. Schalom (um 370)
hat im Namen des R. Levi (um 800) gesagt: Im Hohlraum der Welt gibt es keinen
Fleck in der Größe von einem Viertel Qab Aussaat, an dem sich nicht neun Qab
Mazziqin befänden. Wie sind sie beschaffen? R. Levi (um 300) hat gesagt: Eine Maske
(s-i-iiE = forma) haben sie vor ihrem Gesicht, wie die Esel der Müller (die mit verbun-
denen Augen in der Mühle gehen), u. wenn die Sünden (des betreffenden Menschen)
dazu Veranlassung geben, wird die Maske weggenommen u. der Mensch wird verwirrt
(irrsinnig). Wenn aber der Engel vor ihm ausruft, so bleibt der Mensch in Frieden;
schweigt er, so wird der Mensch beschädigt u. der Engel spricht: Wir wollen den u.
den hingeben, s. Hi33, 22: ,Es naht sich seine Seele der Grube u. sein Leben den
Tötenden." Es heißt hier nicht , den Toten", sondern den Tötenden, d. h. jenen Engeln
des Verderbens, denen er übergeben ward. Woher, daß der Engel vor ihm ausruft?
Weil es heißt das. Vers 23 f.: ,Wenn für ihn da ist ein fürsprechender Engel, einer
unter tausend", d. h. wenn unter jenen Tausenden einer ist, der vor ihm ausruft, „um
dem Menschen zu verkündigen seine Rechtschaffenheit" — in jener Stunde „erbarmt
er sich seiner u. spricht: Erlöse ihn vom Hinabsinken in die Grube, ich habe Sühnung
gefunden". Sage also: Wenn er viele Gebotserfüllungen hat, behüten ihn zehntausend
u. tausend Engel, u. wenn er vollkommen ist in Torakenntnis u. in guten Werken, so
behütet ihn Gott, wie es heißt Ps 121,5: Jahve ist dein Hüter, Jahve ist dein Schatten
über deiner rechten Hand. Und so findest du es bei Jakob, von dem es heißt Gn 25,27:
Jakob war ein frommer Mann, einer der in Zelten wohnte; „ein frommer Mann" durch
gute Werke, „der in Zelten wohnte", der mit der Tora sich beschäftigte u. sehr viele
Gebotserfüllungen hatte; deshalb wurden ihm Lager von Engeln überwiesen, die ihn
behüten sollten, s. Gn 32, 2 ff. : Jakob zog seines Weges u. es begegneten ihm Engel
Gottes. Da sagte Jakob, als er sie gesehen hatte: Das Heerlager Gottes ist dies. Und
er nannte den Namen dieses Ortes Machanajim (Lager). Ferner s. Gn 28, 12 f.: Siehe,
die Engel Gottes stiegen an der Leiter auf u. ab. Und siehe, Jahve stand bei ihm u.
sprach : Ich bin Jahve usw. Siehe, ich bin mit dir u. werde dich behüten überall, wo
du gehst (das. Vers 15). R. Hoschafja (um 225) hat gesagt: Wohl dem Weibgeborenen,
welcher sient, wie der König aller Könige samt seiner Familie (= Engelwelt) ihn be-
hütet, u. welcher Engel in seiner Sendung senden darf, wie es heißt Gn 32, 4: Jakob
sandte Engel (so der Midr) vor sich her zu seinem Bruder Esau. Ebenso heißt es
Gn48, 16: Der Engel, der mich von allem Übel erlöste. Die Schrift hat gesagt Spr
20,7: Wer in seiner Unsträflichkeit dahinwandelt als ein Gerechter — Heil seinen
Söhnen nach ihm! — Parallelstellen zu einzelnen Ausführungen: iVIidr Ps9I §4 (199'');
17 §8 (65''); NuR12 (165^); LvR 35 (132''); DtR4(20r^). || Midr Qoh 10, 20 (49''):
„Die Geflügelten verraten die Rede" Qoh 10,20. R. Bun (= Abin L, um 325, IL,
um 370) hat gesagt: Wenn der Mensch schläft, sagt es (was der Mensch tut oder läßt)
der Leib der Seele (nsc:), diese dem Geist (vt:), dieser dem Engel (Schutzengel dieses
Menschen), dieser dem Kerub, dieser dem Geflügelten. Wer ist das? Das ist der Seraph.
Und der Seraph bringt das Wort u. verkündigt es vor dem, welcher sprach u. es ward
Matth 18, 10 (5B. 6) 783
die Welt. — Dasselbe LvR 32 (129 «J); ähnlich R. Acha, um 320, in P»^siqR 8 (29'*). |1
GnR 59 (87^): Jahve wird seinen Engel vor dir her senden Gn 24, 7. R. Dosa (um 300)
hat gesagt: Das ist der dafür bestimmte Engel. Als unser Vater Abraham sagte: Er
wird seinen Engel vor dir her senden, bestimmte ihm Gott zwei Engel; den einen,
um die Rebekka (an den Brunnen) hinauszuführen, u. den andren, um den Elifezer
zu geleiten. — Vgl. Targ Jerusch I zu Gn 24, 7. 1| Chag 16«: R. Z<^riqa (um 800) hat ge-
sagt: Die beiden Engel des Dienstes, die den Menschen begleiten, legen Zeugnis von
ihm ab, s. Ps91,ll: Seine Engel wird er vor dir entbieten, daß sie dich beobachten
(so der Midr) auf allen deinen Wegen. — Dasselbe als Tradition aus der Schule des
Rab Schela (um 220) Tafan 11=*. || Ta?an 11'' Bar: Wenn die Israeliten sich in Not be-
finden u. einer sondert sich von ihnen ab, dann kommen die beiden Dienstengel, die
den Menschen begleiten, u. legen ihre Hände auf sein Haupt u. sagen: Dieser N N,
der sich von der Gemeinde abgesondert hat, soll den Trost der Gemeinde nicht sehen. |[
B'^rakh60'': Wer auf den Abort geht, spricht: Seid geehrt, ihr Geehrten, ihr heiligen
Diener des Höchsten (Raschi: das sind die Engel, die den Menschen begleiten), gebet
Ehre dem Gott Israels; lasset ab von mir, 'bis ich eingetreten bin u. meine Absicht
ausgeführt habe und wieder zu euch komme. Abaje (f 338/39) hat gesagt: Der Mensch
sage nicht also; vielleicht könnten sie (die Geleitsengel) ihn verlassen u. von dannen
gehn; vielmehr sage er: Behütet mich, behütet mich; helft mir, helft mir; stützt mich,
stützt mich; wartet auf mich, wartet auf mich, daß ich hineingehe u. Avieder heraus-
komme. II TanchB y.-^^ § 2 (22''): ,Sage nicht vor dem Gottesboten (isi': = Priester),
daß es Übereilung war" Qoh 5. 5, d. h. sage nicht vor dem Engel ~shv, der über dich
gesetzt ist || Sanh 20 '^: Was bedeutet c:-- (= Divan, Sanh 2, 3)? sUlla (um 280)
hat gesagt: Das Ruhelager des Scbutzgeistes sn;.
18,10 6: Sehen allezeit das Angesicht meines Vaters.
Die rabbin. Gelehrten vertreten vielfach die umgekehrte Meinung,
daß die Engel das Angesicht Gottes nicht schauen können: nur die
höchsten Engel weilen in der M^chi^a (Abteil) Gottes: alle übrigen
empfangen ihre Befehle hinter dem Vorhang -rirrs hervor.
SLv 1, 1 (7 b): R. Dosa (1. ?, um 90; II. ?, um 180) sagte: Siehe, es heißt Ex 33, 20:
, Nicht wird ein Mensch mich sehen u. leben bleiben" "-;. Während ihres Lebens
sehen sie (die Menschen) mich nicht; aber in ihrem Tode werden sie mich sehen.
Ebenso heißt es Ps 22, 30: Vor ihm werden sich beugen alle, die in den (Grabes-)Staub
sinken usw. R. ?Aqiba (f um 135) sagte: Auch die heiligen Lebewesen (rvn = -m in
Ex 33, 20), die den Thron der Herrlichkeit tragen, sehen die Herrlichkeit (Gottes)
nicht. R. Schimfon (b. ?Azzai, um 110, s. Bacher, Tann^ 1, 419) sagte: Nicht als ob ich
auf die Worte meines Lehrers (d. h. f Aqibas) etwas erwidern wollte, aber hinzufügen
möchte ich etwas: Nicht wird ein Mensch mich sehen, noch ein (ewig) Lebender (so
jetzt "-1 gedeutet), d. h. auch die Engel, die ein ewiges Leben leben, sehen nicht die
Herrlichkeit (Gottes). — Die Parallelstelle SNu 12, 8 § 103 (27'') lautet: , Nicht wird
ein Mensch mich sehen tti." R. ?Aqiba sagte: ,Ein Mensch", das ist wörtlich zu ver-
stehn; ^'m", damit sind die Dienstengel gemeint (wieR.Schimfon b. f Azzai). R. Schim?on
aus Teman (um 110) sagte: Nicht als ob ich die Worte des R. ?Aqiba beseitigen wollte,
aber hinzufügen möchte ich etwas: ,Ein Mensch", das ist wörtlich zu verstehn, „"~"i",
damit sind die heiligen Chajjoth, die Dienstengel gemeint. R. Elfazar b. Jose (um 180)
sagte: Nicht bloß, daß sie ihn nicht sehen, sie hören ihn auch nicht, s. Ez 3, 12: Da
hob mich der Geist weg u. ich hörte ein mächtig lautes Getöse hinter mir: Gepriesen
sei die Herrlichkeit Jahves an seiner Stätte!^ Und was will die Schrift lehrend mit
1 Die Stelle beweist nicht, daß die Engel Gottes Stimme nicht hören, sondern
daß sie Gottes Aufenthaltsort nicht kennen; deshalb ihr Lobspruch: »Gepriesen sei
die Herrlichkeit Jahves an seiner Stätte", d. h. wo auch immer er sich befinden mag;
s. S. 784 das Zitat ExR 23.
784 Mattli 18, 10 (ß). 18, 12 (91)
den Worten sagen: , Nicht wird ein Mensch mich sehen „*"■'''? Solange erlebt, sieht
er mich nicht; aber er wird mich in der Sterbestunde sehen, s. Ps22, 30: Vor ihm
werden sich beugen alle usw. |1 ExR 28 (85''): R. B'rekhja (um 340) hat gesagt: Komm
u. sieh, wie groß die gewesen sind, die in das (Rote) Meer hinabgingen. Wie oft hat
sich Mose niedergeworfen u. gefleht vor Gott (mp^r; 'ish), bis er das Abbild sah, wie
€s heißt Ex 33, 18: Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen! Gott antwortete ihm: Du
kannst nicht mein Angesicht schauen (Vers 20), u. zuletzt ließ er ilin ein Zeichen sehen,
s. Ex 33, 22 f. Die Chajjoth, die den Gottesthron tragen, kennen nicht die Erscheinung
Gottes, u. wenn ihre Zeit naht, ihm ein Lied zu singen, sagen sie: Welches ist seine Stätte?
Wir wissen nicht, ob er hier ist oder an einer andren Stätte, vielmehr an jeder Stätte, da
er ist, sei gepriesen die Herrlichkeit Jahves an seiner Stätte (Ez 3, 12)! Aber die in das
(Rote) Meer hinabgingen, wiesen ein jeder mit dem Finger hin u. sprachen: Dieser da
ist mein Gott, den will ich rühmen Ex 15,2. |j Chag 12^: Dort (in lAraboth, im siebenten
Himmel) sind die Ophannim (Radengel) u. Seraphim, die heiligen Chajjoth u. die
Engel des Dienstes und der Thron der Herrlichkeit, auf welchem der König, der ewig
bleibende Gott, hoch u. erhaben thront in cAraboth. . . . Und Finsternis u. Gewölk u.
Dunkel umgeben ihn, s. Ps 18, 12: Er machte Finsternis zu seiner Hülle, rings um sich
her zu seiner Hütte Wasserdunkel, Dunstgewölk. Aber gibt es denn vor Gott s-^3 ^^-
Finsternis? Es heißt doch Dn 2, 22: Er offenbart Tiefes u. Verborgenes; weiß, was in
Finsternis ist, u. Licht wohnt bei ihm! Das ist kein Widerspruch: die eine Stelle be-
zieht sich auf die inneren u. die andre auf die äußeren Gemächer Gottes (in den
inneren Gemächern wohnt Gott unnahbar u. unsichtbar). || Pirqe REl 4: Ein Vorhang
r:-!^t ist vor ihm (Gott) ausgebreitet, u. sieben Engel, die zuerst erschaffen wurden
(die 7 Erzengel), dienen vor ihm innerhalb des Vorhangs, u. dies ist der sogenannte
Pargod (Vorhang). . . . Und die Chajjoth stehen am Thron seiner Herrlichkeit, u. sie
wissen die Stätte seiner Herrlichkeit nicht, antworten u. sagen: An jeder Stätte, da
seine Herrlichkeit ist, sei gepriesen die Herrlichkeit Jahves an seiner Stätte! |! Tharg
Hi2H,9: Er erfaßt (sich damit umhüllend) das Dunkel von seinem Thron, damit die
Engel ihn nicht schauen; er breitet wie einen Vorhang (n--;-!?) darüber aus die Wolken
seiner Herrlichkeit. \\ Chag 16* Bar: Sechserlei hat man von den Schedim (Dämonen)
gesagt: 'in drei Stücken sind sie wie die Dienstengel u. in drei Stücken wie die
Menschenkinder. In drei Stücken wie die D.: sie haben Flügel, sie fliegen von dem
einen Ende der Welt bis zum andren, u. sie wissen, was zukünftig sein wird. Sie
wissen? Meinst du wirklich? Vielmehr sie hören es hinter dem Vorhang hervor -^"irts-:
r-i-zr,, wie die D. . . . |'i Targ Jerusch I Gn 37, 17 sagt Gabriel zu Joseph : Ich habe hinter
dem Vorhang hervor gehört, daß mit diesem (dem heutigen) Tage die ägyptische
Knechtschaft ihren Anfang nimmt. II Sanh89b: Als Satan sah, daß Abraham auf ihn
nicht hörte, sprach er zu ihm: Zu mir stahl sich ein Wort (Hi 4, 12), so habe ich hinter
dem Vorhang hervor gehört: Ein Lamm zum Brandopfer u. nicht Isaak zum Brandopfer!
18, 12 5(: Hundert . . . eins . . . neunundneunzig.
Dieses Zahlenverhältnis wird öfters angewandt.
Pea4, If. : Die Ackerecke wird gegeben von dem, was am Erdboden haftet. Bei
hochgezogenem Wein u. bei der Dattelpalme nimmt der Besitzer (die als Pea bestimmten
Früchte) ab u. verteilt sie an die Armen. R. Schim'on (um 150) sagte: Auch bei den
glatten Nüssen. Selbst wenn 99 (Arme) sagen, daß man (die Früchte) verteilen solle,
u. Einer sagt, daß man sie aufraffen wolle (nachdem der Besitzer sie hingeworfen),
so hört man auf diesen einen, weil er gesagt hat, wie die Halakha (die gesetzliche
Norm) ist. Bei dem hochgezogenen Wein u. der Dattelpalme ist es nicht so: selbst
wenn 99 sagen, man wolle aufraffen, u. Einer sagt, man solle verteilen, so hört man
auf diesen, weil er gesagt, wie die Halakha ist. || pSchab 14, H*^^, 42: Rab (t 247) u.
R. Chijja, der Ältere (um 200), haben beide gesagt: 99 sterben infolge des (bösen)
Blicks u. Einer durch die Hand Gottes (a-iD ^-rz). R. Chanina (um 225) u. Sch'muSl
Matth 18, 12 (31. SB). 18, 13. 14 (31) 785
(t 254) haben beide gesagt: 99 sterben infolge von Erkältung u. Einer durch die Hand
Gottes. ... R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat im Namen des R. Jonathan (um 220)
gesagt: 99 sterben infolge von Erhitzung u. Einer durch die Hand Gottes. Die Rabbinen
sagten: 99 sterben infolge von Fahrlässigkeit u. Einer durch die Hand Gottes. R. Elcazar
(um 270) hat gesagt: 99 sterben an der Galle u. Einer durch die Hand Gottes. —
Dasselbe LvR 16 (116'i); vgl. BM 107b. || Verschärft ist das Zahlenverhältnis pQid
1,61^', 34: Wenn 999 Engel gegen einen Menschen Schuld geltend machen u. Einer
macht für ihn Verdienst geltend, so läßt Gott die Wagschale des Verdienstes sinken
(d. h. er entscheidet zugunsten des Menschen), s. Hi 33, 23 f. R. Jochanan (f 279) hat
gesagt: R. EliEezer b. Jose Ha-g®lili (um 150) habe gesagt: Selbst wenn 999 Engel gegen
ihn Schuld geltend machen u. Ein Engel macht für ihn Verdienst geltend, so läßt Gott
die Wagschale des Verdienstes sinken; u. das gilt nicht bloß, wenn dieser Engel ganz
(ungeteilt) Verdienst geltend macht, sondern selbst wenn 999 Teile (der Aussagen)
jenes Engels Schuld geltend machen u. ein Teil Verdienst, so läßt Gott die Schale des
Verdienstes sinken. Welches ist der Schriftgrund? Es heißt Hi 33, 23 nicht: Wenn
für ihn ein Engel ist von tausend, sondern: Wenn für ihn ein Engel ist, ein Teil von
tausend {^ha -:»3 -r.a), d. h. ein Teil von tausend Teilen jenes Engels. . . . Was du da
sagst, das gilt von dieser Welt (von den Entscheidungen Gottes während des irdischen
Lebens des betreffenden Menschen); aber in der zuk. W. (im göttlichen Gericht) erwirbt
die Mehrzahl der Verdienste den Gan 'Eden. — Parallelen: Schab 32»; PesiqR 10 (38b).
18,12^: Geht er nicht hin, die neunundneunzig
entlassend . . ., u. sucht das verirrte?
Durch ein ähnliches Gleichnis wird das liebevolle Achten Gottes auf einen Ge-
fährdeten veranschaulicht GnR 86 (55b): Jahve war mit ihm (mit Joseph, Gn 39, 2).
Siehe, mit den übrigen Stammvätern war er nicht? R. Judan (um 350) hat gesagt:
Das ist gleich einem Viehtreiber, der zwölf Tiere vor sich hatte, die mit Wein beladen
waren. Eins von ihnen lief in das Warenlager eines Nichtisraeliten hinein. Da ließ
er die elf zurück u. ging jenem nach. Man sagte zu ihm: Was lassest du die elf zu-
rück u. gehst dem einen nach? Er antwortete ihnen: Jene befinden sich in einem
öffentlichen Bezirk (unter aller Menschen Augen) u. ich brauche nicht zu besorgen, daß
aus dem Wein (heidnischer) Libationswein gemacht wird. So sind jene (11 Brüder
Josephs) groß u. im Machtbereich ihres Vaters; aber dieser (Joseph) ist klein u. sich selbst
überlassen (in seiner eigenen Macht); deshalb heißt es: Jatve war mit Joseph.
18,13: Er freut sich über das eine mehr als über
die neunundneunzig nicht verirrten.
Unter dem Gesichtspunkt des Lohnes sagt R. Abbahu (um 300) von den bußfertig
Umkehrenden B'rakh 37 b ; An dem Platze, an welchem die Bußfertigen einst stehen
werden, werden selbst die vollkommenen Gerechten nicht stehen können (jene nehmen
also eine höhere Rangstellung ein als diese); s. Jes 57, 19: , Frieden, Frieden den
Fernen u. den Nahen"; den , Fernen" (die vor ihrer Buße fern waren in Sünden) zuerst
u. hinterher den , Nahen" (die sich in Sünden nie entfernt hatten). Dasselbe Sanh 99 a.
18,14 21: So ist es nicht Wille vor eurem himmlischen Vater.
Aus Scheu vor Anthropomorphismen vermied man es gern, Gott
Tätigkeiten unmittelbar zuzuschreiben; man bediente sich statt dessen
umschreibender Wendungen, die das Betreffende „vor Gott" geschehen
ließen; s. zB im NT Mt 11,26: svdoxia syävsTo ^\u7TQoai/-sr aov. Lk 12,6:
xal &v i^ avTO)} ovx earir iniXeXr^ai^uvor svwniov xov ^sov. Vgl. auch
Lkl5, 7. 10.
strack u.Billerbeck, NT I. 50
786 -"^atth 18, 14 (51. 33)
Dem x^eh]uct tunQoad^fy lov nccTQÖg t'/naif entspricht das targumische ""; d~ s;>;-^=
,es ist Wille vor Jahve". Targ Ril3, 23: Wenn es Wille vor Gott wäre, daß wir
sterben sollen nsw. pt^:-; ""^ u-.p s-y-> i'ss. || 1 Sm 2, 25: Es ist Wille vor Jahve sie
zu töten. Weitere Beispiele s. Targ HL 2,7; 3, 5; Jes 53, 10; Hos 8, 13; Jona 1, 14;
s. auch bei Lk 12, 6. — Im Rabbin. ungemein häufig als Gebetsanfang: -;':e5« -jnsi --"
-'^ r= es sei Wille vor dir, Jahve, es sei dir wohlgefällig; zB B'^rakh 16^ (mehrmals);
] 7 » (mehrmals) ; pB^'rakh T^,49; 8 ^ 45.
18,14^: Daß eins dieser Kleinen verloren gehe.
Teilnahme der Kinder an der zukünftigen Welt.
TSanh 13, 1 f. (434) : Die Kinder der Gottlosen im Lande (Israel) haben keinen
Teil an der zukünftigen Welt (d. h. sie werden nicht auferweckt, sondern vergehen);
s. Mal 3, 19: Siehe, der Tag kommt, brennend wie ein Ofen; u. es werden alle Über-
mütigen u. wer immer Gottlosigkeit verübt, zur Spreu, u. verbrennen wird sie der Tag,
der da kommt, spricht Jahve der Heerscharen, so daß er ihnen weder Wurzel noch
Zweig wird lassen. Das sind Worte des Rabban Gamliel (um 90). R. J'^hoschuac (um 90)
sagte: Sie kommen in die zukünftige Welt (sie werden auferweckt zur Seligkeit). Es
heißt hier Ps 1 16, 6: Jahve behütet die Einfältigen (= Kinder), u. es heißt dort Dn 4, 20:
Haut den Baum ab u. vernichtet ihn, doch seinen Wurzelstock laßt in der Erde. Rabban
Gamliel sagte: Wie halte ich dann aufrecht Mal 8, 19: „daß er ihnen weder Wurzel
noch Zweig wird lassen"? (, Wurzel" bedeutet nach R. G. die gottlosen Väter u. „Zweig"
deren Kinder; beide wird der Tag Jahves vernichten.) R. J'^hoschuac antwortete ihm:
Gott wird ihnen keine Gebotserfüllung u. keinen Rest einer Gebotserfüllung, sei es
von ihnen selbst, sei es von ihren Vätern her, belassen (auf die hin sie Lohnansprüche
könnten geltend machen. R. J'^^hoschuac deutet also „Wurzel" u. „Zweig" auf das
Verdienst der Väter u. das der Gottlosen; die Kinder der letzteren kommen für ihn in
Mal 3, 19 überhaupt nicht in Betracht). Eine andre Erklärung: „Wurzel" ist die Seele;
„Zweig" der Leib (auch nach dieser Erkl. ist Mal 3, 19 nur von den Gottlosen selbst,
nicht von ihren Kindern die Rede). Die Kinder der Gottlosen unter den Nichtisraeliten
L-t; werden weder auferweckt noch gerichtet. — Dasselbe mit einigen Änderungen
als Bar Sanh not»; in AbothRN 36 erweitert noch durch eine neue Erklärung. Kurz
pSch'^bi'ith 4, 35*^, 29: Die Rabbinen von Cäsarea sagten: Die Kinder der Nichtisraeliten
c'i; u. die Heerhaufen des Nebukadne^ar werden weder auferweckt noch gerichtet, u.
von ihnen heißt es Jer 51, 89: Daß sie einschlafen zu ewigem Schlafe, um nicht zu
erwachen. |1 pSch'bifith 4, 35'=, 81: Von wann an (d. h. von welchem Lebensalter an)
werden die Kinder der Israeliten auferweckt? R. Chijja, der Ältere (um 200) u.
R. Schim'on b. Rabbi (um 220). Der eine sagte: Von da an, da sie geboren wurden.
Er beruft sich auf: „Kommen werden sie u. seine Gerechtigkeit kundtun dem Volk,
das geboren ward, daß er es vollbracht hat* Ps 22, 32. Der andre sagte: „Von da an,
da sie sprachen." Er beruft sich auf: „Die Nachkommenschaft, der man erzählen wird
von Jahve, wird ihm dienen in alle Geschlechter" Ps 22, 31 (so der Midr). Im Namen
des R. Meir (um 150) ist gelehrt worden: Von da an, wo ein Kind versteht, in der
Synagoge mit „Amen" zu antworten, s. Jes 26, 2: Tuet die Tore auf, daß ein gerechtes
Volk einziehe, das die „Amen" n^:'3S beobachtet (oder sagt; so der Midr). Dort (in
Babylonien) sagte man: Von da an, da sie beschnitten wurden, s. Ps88, 16: Elend
bin ich u. verscheidend von Jugend an, ich trage die Furcht vor dir (an mir, in der
Beschneidung). Die Rabbinen von hier (Palästina) sagen: Von da, da sie geboren
wurden, s. Ps 87, 5: Zu Zion wird man sagen: Jeder, der darin geboren ward, den
stellt der Höchste sicher (so der Midr). R. Elcazar (um 270) sagte: Selbst die Fehl-
geburten (werden auferweckt werden); s. Jes 49, 6: Daß du mir wiederbringest die
(als Embryo) Gebildeten (also noch nicht Gehörnen) in Israel (so der Midr). — Parallel-
stelle Sanh 110^. || Zu dem allgemeinen Gedanken: Gott will nicht, daß jemand verloren
gehe, s. bei 2 Petr 3, 9.
Matth 18, 15 787
18,15: Wenn dein Bruder sündigt,^ so geh hin u. weise
ihn zurecht zwischen dir u. ihm allein.
f^kkyxfir = ■n'^z'^n. — Die Pflicht, den irrenden Nebenmenschen durch
Vorhaltung u. Rüge seiner Sünde auf den rechten Weg zurückzubringen,
hat die alte Synagoge aus Lv 19, 17 hergeleitete Mehrfach wird auf den
Segen, bezw. Unsegen hingewiesen, der aus der Übung, bezw. Unter-
lassung dieser Pflicht hervorgeht.» Im großen u. ganzen aber scheint
man das Zurechtweisen eines andren für sehr schwierig u. undankbar
gehalten zu haben. Aus dem Anfang des 2. Jahrh. n. Chr. liegt ein Aus-
spruch angesehener Schriftgelehrter vor, der eigentlich nichts andres
als eine Bankrotterklärung des damaligen Judentums auf dem Gebiet
brüderlicher Zuchtübung bedeutet. Das machte die pharisäische Selbst-
gerechtigkeit, die vielleicht in jener Zeit besonders empfindlich gewesen
ist: man war weder geneigt, einem andren das Recht der Kritik ein-
zuräumen, noch auch willens, sich seiner Kritik zu unterwerfen, b Damit
dürfte es zus. hangen, daß die Synagoge so eingehende Bestimmungen
über das Zuchtverfahren, wie sie Jesus Mt 18, 15 ff. für seine Gemeinde
getroffen hat, überhaupt nicht kennt; außerdem erwecken die Bestim-
mungen, die man in dieser Hinsicht wirklich aufgestellt hat, den Ein-
druck, daß sie mehr der Theorie gedient als in der Praxis Anwendung
gefunden haben. Aus Lv 19, 17 hatte man den Grundsatz entwickelt,
daß man die Zurechtweisungen zwar immer wieder erneuern dürfe,
aber auch daß man sich versündige, sobald man durch sie den Zurecht-
gewiesenen (öffentlich) beschäme ;c u. aus 1 Sm 20, 30 f. entnahm man
weiter, daß die Rügen einzustellen seien, falls der davon Betroffene sie
mit Schlägen, Flüchen u. anschreienden Worten (Drohungen) erwidere, d
Diese ganz verständigen Bestimmungen mußten aber für die Praxis
gegenstandslos werden, seitdem man anfing, die bequeme Theorie aus-
zubilden, daß die bescheidene Zurückhaltung, die das Zurechtweisen
unterläßt, noch vorzüglicher sei als das Zurechtweisen selbst. Wer
wird rügende Worte sprechen, wenn das Schweigen als größere Tugend
giltle — Genauer geregelt war das brüderliche Zuchtverfahren speziell
für die Fälle, in denen es sich um die Versöhnung eines Beleidigten
durch den Beleidiger handelte, s. darüber bei Mt 18, 21.
a. Aboth RN 29: Einige sagen (R. Me'ir, um 150, habe gesagt): Hast du Genossen,
von denen ein Teil dich zurechtweist ttt'si-s u. ein Teil dich lobt, so liebe den, der
dich zurechtweist, u. hasse den, der dich lobt; denn der dich zurechtweist, bringt dich
ins Leben der zukünftigen Welt, u. der dich lobt, bringt dich aus der Welt. |1 Tamid 62"^
(in andren Ausgaben fol. 28-^) Bar: Rabbi sagte: Welches ist der gerade Weg, den
sich der Mensch erwählen soll? Er liebe die Zurechtweisungen r-nr-nr^; denn so-
lange es Zur. in der Welt gibt, kommt Zufriedenheit (ri^ rr;: = Gemütsruhe, Befriedi-
gung) in die Welt, Glück u. Segen kommen in die Welt u. Unheil verschwindet aus
der Welt, s. Spr 24, 25 : Denen, die zurechtweisen, geht es wohl, u. über sie kommt
Segnung mit Gutem. R. Sch^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt, R. Jochanan
^ Die Worte sig ae hinter ('(uagrijarj sind wohl zu tilgen.
788 Matth 18, 15
(t 279; ob R. Jonathan, um 220, zu lesen?) habe gesagt: Wer einen andren um Gottes-
willen (d. h. aus lauteren Zwecken, ohne Nebenabsichten) zurechtweist n-si'sn, der er-
langt das Abteil Gottes (kommt in die nächste Gottesnähe); s. Spr 28, 23: Wer einen
Menschen zurechtweist, der ist (kommt, unmittelbar) nach mir (so deutet der Midr
^^ns). Und nicht bloß dies, sondern man (= Gott) zieht auch über ihn den Faden
der Huld (Anmut), s. Spr 28, 23: Er findet Huld mehr als der Zungenglätter. — Das-
selbe Tanch c.zzvn 94 '^ mit geringen Abweichungen ; statt R. Jochanan hier R. Jonathan. ||
DtR 1 (195'^): Woher, daß derjenige, der die Zurechtweisung annimmt, Segen erlangt?
Weil Salomo ausdrücklich also sagt: Denen, die zurechtweisen, geht es wohl u. auf
sie (die Zurechtgewiesenen) kommt Segnung mit Gutem Spr 24, 25. || Schab 119'':
R. cAmram b. Schinicon b. Abba (um 320) hat gesagt, R. SchimEon b. Abba (um 280)
habe gesagt, R. Chanina (um 220) habe gesagt: Jerusalem ist nur zerstört worden,
weil der eine den andren nicht zurechtgewiesen hat in-sin, s. KL 1,6: ,lhre Fürsten
wurden Widdern gleich, die keine Weide finden." Wie von den Widdern der eine seinen
Kopf an die Schwanzseite des andren legt, so senkten auch die Israeliten, die zu jener
Generation (zur Zeit der Tempelzerstörung) gehörten, ihr Angesicht zur Erde, ohne daß
einer den andren zurechtwies.
b. SDt 1, 1 § 1 (64^): R. Tarphon (um 100) hat gesagt: Beim Tempeldienst, ob es
einen gibt in dieser Generation, der imstande ist, eine Zurechtweisung hinzunehmen?
R. cAqiba (f um 135) hat gesagt: Beim Tempeldienst, ob es in dieser Generation
einen gibt, der weiß, wie man zurechtweist (nämlich so, daß man ihn nicht beschämt)?
R. Jochanan (b. Nuri, um 110) hat gesagt: Ich nehme für mich Himmel u. Erde zu
Zeugen, daß dem R. t Aqiba mehr als fünfmal meinetwegen von Rabban Gamliel (IL,
um 90) Vorwürfe gemacht worden sind, weil ich mich über ihn beschwert hatte, in-
folgedessen Rabban Gamliel ihm Vorwürfe machte (ihn bestrafte). Aber ich weiß von
ihm (R. (Aqiba), daß er mir um so mehr seine Liebe geschenkt hat, um zu erfüllen,
was geschrieben steht Spr 9, 8: Weise nicht den Spötter zurecht, damit er dich nicht
hasse; weise den Weisen zurecht, u. er wird dich lieben. — Dasselbe mit Änderungen
als Bar <Arakh 16'^; hier zu dem Ausspruch des R. 1 arphon der Zusatz: ,Auch wenn
er zu ihm sagt: Nimm den Splitter (c?."';^.) zwischen deinen Augen weg, antwortet er
ihm: Nimm den Balken (n';ip) zwischen deinen Augen weg!" — Die genaueste Wieder-
gabe der verschiedenen Aussprüche dürfte SLv 19, 17 (352''') vorliegen: R. Tarphon hat
gesagt: Beim Tempeldienst, ob in dieser Generation einer zurechtweisen kann? (d.h.
berechtigt ist zurechtzuweisen? Wenn er zu ihm sagt [so würde aus der Bar 'Arakh
zu ergänzen sein]: ,Nimm den Splitter zwischen deinen Augen weg, so kann er ihm
antworten: Nimm den Balken zwischen deinen Augen weg", d. h. deine größeren
Sünden lassen dich nicht berechtigt erscheinen, andren Leuten Rügen zu erteilen).
R. Elcazar b. cAzarja (um 100) hat gesagt: Beim Tempeldienst, ob in dieser Generation
einer eine Zurechtweisung annehmen kann? R. c Aqiba hat gesagt: Beim Tempeldienst,
ob in dieser Generation einer weiß, wie man zurechtweist (nämlich ohne den Zurecht-
gewiesenen zu beschämen)? R. Jochanan b. Nuri hat gesagt: Ich nehme Himmel u.
Erde für mich zu Zeugen, daß cAqiba mehr als vier- oder fünfmal meinetwegen vor
R. Gamliel gestraft (geschlagen) worden ist, weil ich mich über ihn beklagt hatte;
aber trotzdem habe ich gewußt, daß er mir größere Liebe zuwenden würde, um zu
erfüllen, was geschrieben steht Spr 9, 8, s. oben.
C. SLv 19, 17 (352^): ,Du sollst deinen Bruder nicht hassen" Lv 19, 17. Etwa du
sollst ihm nicht fluchen, du sollst ihn nicht schlagen, du sollst ihm keinen Backen-
streich geben? Die Schrift sagt lehrend: ,In deinem Herzen" Lv 19, 17. Ich soll es
nur vom Haß im Herzen verstehn (sagen). Und woher, daß man, wenn man ihn vier-
oder fünfmal zurechtgewiesen hat, ihn immer wieder zurechtweist? Die Schrift sagt
lehrend: , Zurechtweisend weise ihn zurecht" Lv 19, 17 (d. h. immer aufs neue, s. Einl.
S. 109 a). Sollst du ihn etwa auch zurechtweisen, daß sein Angesicht sich verändert
(infolge Beschämung)? Die Schrift sagt lehrend: Du sollst seinetwegen nicht Sünde
zu tragen haben (was durch die Bloßstellung des andren geschehen würde). — In
Matth 18, 15 789
cArakh 16'' als Bar: Du sollst deinen Bruder in deinem Herzen nicht hassen. Etwa:
du sollst ihn nicht schlagen, du sollst ihm keinen Backenstreich geben, du sollst ihm
nicht fluchen? Die Schrift sagt lehrend: In deinem Herzen. Den Haß, der im Herzen
ist, meint die Schrift. Woher, daß man, wenn man etwas Unziemliches an einem andren
sieht, verpflichtet ist, ihn zurechtzuweisen? Weil es heißt: Du sollst ihn zurechtweisend
zurechtweisen {r.^iir ~:'~). AVenn man ihn zurechtgewiesen hat u. er nimmt es nicht
an, woher, daß man ihn wiederum zurechtweisen soll? Die Schrift sagt lehrend: „Du
sollst ihn zurechtweisen", ganz allgemein (ohne Einschränkung, also immer wieder).
Etwa auch, wenn sein Angesicht sich verändert? (Raschi: Wenn man ihn öffentlich
zurechtweist, um ihn zu beschämen.) Die Schrift sagt lehrend: Du sollst seinetwegen
nicht Sünde zu tragen haben. — Kürzer BM 31 '■^. \\ B^'rakh 31 b leitet R. El'azar (um 270)
die Pflicht der Zurechtweisung aus 1 Sm 1, 14 her.
d. cArakhl6'^: Bis wohin die Zurechtweisung? (Wie lange soll man mit der
Zurechtweisung fortfahren?) Rab (f 247) hat gesagt: Bis zum Schlagen (d. h. bis der
Zurechtgewiesene den Zurechtweisenden mit Schlägen abweist). Sch*^muel (f 254) hat
gesagt: Bis zum Fluchen. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Bis zum Anschreien:
{te-'t:, häufig Bezeichnung des niedrigsten Banngrades). Das entspricht der Meinung
der Taimaiten: R. Eli?ezer (um 90) hat gesagt: Bis zum Schlagen; R. J^'hoschuaf (um
90): Bis zum Fluchen; Ben ?Azzai (um 110): Bis zum Anschreien. Rab Nachman
b. Jicjchaq (f 356) hat gesagt: Alle drei haben einunddieselbe Schriftstelle (zugunsten
ihrer Meinung) ausgelegt. Es heißt 1 Sm 20, 30: Da entbrannte der Zorn Sauls gegen
Jonathan u. er sprach zu ihm: Du Sohn verdrehter Empörung, weiß ich nicht, daß du
dem Sohne Isais den Vorzug gibst zum Schimpf für dich u. zur Schande für deine
Mutter? Ferner heißt es das. Vers 33: Und Saul ergrifl' den Speer wider ihn, um ihn
zu schlagen (treffen). Für den, welcher sagt: ,Bis zum Schlagen", spricht, daß es
heißt: ,Um ihn zu schlagen". Für den, welcher sagt: „Bis zum Fluchen", spricht,
daß es heißt: „Zum Schimpf für dich u. zur Schande für deine Mutter". Für den,
welcher sagt: „Bis zum Anschreien", spricht, daß es heißt: „Da entbrannte der Zorn
Sauls". Wenn man sagt: „Bis zum Anschreien", so redet die Stelle (doch auch) vom
Schlagen u. Fluchen (also ist für die Meinung: „bis zum Anschreien" kein Beweis aus
ihr herzunehmen). Es ist hier (in diesem Fall) anders: denn wegen der außerordent-
lichen Liebe, die Jonathan zu David besaß, gab er gar sehr sein Leben preis (d. h.
wegen seiner Liebe zu David brach Jonathan seine Zui'echtweisungen nicht sofort beim
ersten Anschreien seitens Sauls ab, sondern fuhr darin fort bis zum Fluchen u. Schlagen;
deshalb ist aus diesem ungewöhnlichen Fall kein Beweis gegen die Meinung: „bis
zum Anschreien" herzuholen).
e. ?Arakhl6'': Es fiagte ihn (wen?)* R. J'^huda b. Schim?on:' Zurechtweisung,
die um ihrer selbst willen (ohne Nebenabsichten, um Gottes willen) geübt wird, u.
Demut (die aus Bescheidenheit einen andren nicht zurechtweisen will), die nicht um
ihrer selbst willen (sondern zur Erreichung andrer Zwecke, zB um nicht Feindschaft
zu erregen) geübt wird — welche von ihnen ist vorzüglicher? Er antwortete: Räumst
du nicht ein, daß Demut, um ihrer selbst willen geübt, vorzüglicher ist? Denn ein
Autor hat gesagt: Die Demut ist die größte unter ihnen (den Tugenden) allen.' So
ist sie auch, nicht um ihrer selbst willen geübt, vorzüglicher. Denn Rab J'^huda (f 299)
hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Immer beschäftige sich der Mensch mit der
^ Der Text scheint fehlerhaft zu sein: Wer ist der Gefragte? Ist mit R. J^huda
b. Schimfon R. J'^huda b. Simon, um 320, gemeint?
' Vgl. ?AZ 20b, 31: (R. Pin'-chas b. Jair, um 200, hat gesagt:) Die Frömmigkeit
r^-.'zr._ ist die größte unter allen (Tugenden), s. Ps 89, 20: Damals redetest du durch
Gesicht zu deinen Frommen (nur zu diesen; also stehen sie Gott am nächsten). Andrer
Meinung war R. J<^hoschua; b. Levi (um 250); denn dieser hat gesagt: Die Demut ist
die größte von allen, s. Jes61,l: Jahve hat mich gesalbt, frohe Botschaft zu ver-
kündigen den Demütigen. „Den Frommen" ist nicht gesagt, sondern „den Demütigen";
da lernst du, daß die Demut die größte von allen ist.
790 Matth 18, lö. 16
Tora u. den Gebotserfüllungen, auch wenn es nicht um ihrer selbst willen geschieht;
denn daraus, daß es nicht um ihrer selbst willen geschieht, kommt (mit der Zeit),
daß es um ihrer selbst willen geschieht. Welcher Art ist die Zurechtweisung, die um
ihrer selbst willen geübt wird, u. die Demut, die nicht um ihrer selbst willen geübt
wird? Wie die des Rab Huna (f 297) u. des Chijja b. Rab (um 260). Als sie beide
vor Sch^muel (f 254) saßen, sprach Chijja b. Rab zu diesem: Es sehe der Herr, wie
er (Huna) mich quält (schlägt).' Da nahm er (Huna) es auf sich, daß er ihn nicht
mehr quälen wollte. Als Chijja b. Rab hinausgegangen war, sagte Huna zu Scli'^muel :
So u. so hat er getan. Dieser antwortete: Warum hast du es ihm nicht in seiner
Gegenwart gesagt? Er sprach: Das sei ferne, daß der Same Rabs durch mich beschämt
werden sollte! — (Obgleich die bescheidene Zurückhaltung Hunas nicht um ihrer selbst
willen erfolgte, sondern aus Ehrerbietung gegen Rab, so ist ihr doch der Vorzug ein-
zuräumen vor einer etwaigen Zurechtweisung, die den Chijja b. Rab hätte beschämen
können. Mit diesem Grundsatz konnte natürlich die Unterlassung jeder Zurechtweisung
gerechtfertigt werden.) — Daß es an Zuchtübung vielfach gefehlt hat, kann man auch
aus K'^th 105'^ entnehmen: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Wenn die Leute einer Stadt
einen hervorragenden Gelehrten (i:=i'3 sa-n:: Einl. S. 2) lieben, so geschieht das nicht,
weil er so gar vorzüglich ist, sondern weil er sie in den himmlischen (göttl.) Dingen
nicht (strafend) zurechtweist s'n^r -V^sa ^n'^ r;:v: sV-.
18,16: Damit auf zweier oder dreier Zeugen Mund
jedes Wort gestellt werde.
Grundstellen: Nu 35, 30; Dt 17, 6; 19, 15. — SNu 85, 30 § 161 (62'^): ,Ein Zeuge
kann nicht gegen eine Person aussagen" Nu 35, 30. Dies ist die Hauptstelle (nach
der andre, minder bestimmte, zu deuten sind): jede Stelle, in der das Wort „Zeuge"
gesagt ist, ist nach der allgemeinen Regel von zwei Zeugen zu verstehen, bis dir die
Schrift speziell von Einem Zeugen redet. — Parallelstelle Sanh 30*. I! Sota 1, 1: Wenn
ein Mensch auf seine Frau eifersüchtig wird, so verwarnt er sie, wie R, Elicezer (um
90) sagte, in bezug auf seine Eifersucht auf die Aussage zweier Zeugen hin; dann
kann er sie auf die Aussage Eines Zeugen hin oder auch auf seine eigene Aussage
hin (das Eiferwasser) trinken lassen. R. J'^hoschuac (um 90) sagte: Er verwarnt sie
in bezug auf seine Eifersucht auf die Aussage zweier Zeugen hin u. läßt sie trinken
auf die Aussage zweier Zeugen hin. — Das. 1,2: Wie verwarnt er sie in bezug auf
seine Eifersucht? Hat er ihr vor zwei Zeugen gesagt: Du sollst mit dem u. dem
Manne nicht sprechen u. sie spricht (hinterher doch) mit ihm, so ist sie ihrem Mann
noch immer zum ehelichen Umgang erlaubt ; auch darf sie (wenn sie die Frau eines
Priesters ist) Hebe essen. Ging sie aber mit ihm (dem verbotenen Manne nach ihrer
Verwarnung) im geheimen in ein Haus (Gemach) u. verweilte dort mit ihm so lange,
daß sie verunreinigt sein konnte, so ist sie (fortan ihrem Mann) zum ehelichen Um-
gang verboten; auch darf sie nicht Hebe essen. Und wenn er (ihr Ehemann vor Aus-
trag der Sache) stirbt, so hat sie (gegebenenfalls an den Brüdern des Mannes) die
Zeremonie des Schuhausziehens vorzunehmen, darf aber nicht die Schwagerehe ein-
gehen. II pt^sllS'': Drei liebt Gott: wer nicht zornig wird, wer sich nicht berauscht
ü. wer nicht starrsinnig ist. Drei haßt Gott: wer mit dem Munde so sagt u. im Herzen
anders; wer für einen andren Zeugnis abzulegen weiß u. es nicht tut, u. wer etwas
Schändliches an einem andren sieht u. als einziger wider ihn Zeugnis ablegt, wie in
jener Geschichte des Tobijja. Dieser hatte gesündigt u. es kam Ziggod als einziger
u. legte wider ihn vor Rab Papa (f 376) Zeugnis ab. Da ließ dieser den Z. geißeln.
Z, sprach zu ihm: Tobijja hat gesündigt u. Z. bekommt die Schläge? Er antwortete:
Ja, denn es steht geschrieben Dt 19, 15: Nicht soll ein einzelner Zeuge gegen jemand
auftreten. Und du willst allein wider ihn zeugen? Einen bösen Ruf hast du über ihn
in der Welt ausgebracht. — Die sprichwörtlich gewordene Redensart von Tobijja u.
Ziggod auch Mak 11». |i Mak 1.7: „Auf die Aussage zweier Zeugen oder dreier Zeugen
Matth 18, 16. 17 791
soll der zu Tötende getötet werden" Dt 17, 6. Wenn das Zeugnis durch zwei fest-
gemacht wird, wozu hat die Schrift noch besonders , durch drei" gesagt? Um drei
Zeugen zweien gleichzustellen: wie drei zwei als falsche Zeugen erklären, so können
zwei drei als falsche Zeugen erklären. Und woher (daß sie) sogar hundert (als falsche
Zeugen erklären können)? Die Schrift sagt lehrend (zweimal) Zeugen. (Daraus wird
geschlossen, daß „zweier Z. oder dreier Z." nur der Anfang einer beliebig fortzusetzenden
Reihe sei.) R. Schinicon (um 150) sagte: Wie zwei erst, nachdem sie beide als falsche
Zeugen dastehen, getötet werden, so werden drei, nachdem sie drei als falsche Z. da-
stehen, getötet. Und woher (daß) sogar hundert (erst nachdem sie alle als falsche
Z. dastehen, getötet werden)? Die Schrift sagt lehrend: , Zeugen". R. 'Aqiba (f um 135)
sagte : Der dritte kommt nur vor, damit man gegen ihn streng verfahre u. das Urteil
über ihn gleich dem über jene mache. (Die an sich überflüssige Erwähnung des dritten
Z. soll andeuten, daß die Bestrafung dieses u. aller weiteren falschen Z. ebenso streng
sein soll wie die der beiden ersten falschen Z.) Wenn nun die Schrift den, der sich
den Übertretern zugesellt, ebenso straft wie die Übertreter, um wieviel mehr wird sie
dem, der sich den Gebot Ausübenden zugesellt, Lohn vergelten (auszahlen) gleichwie
den Gebot Ausübenden! — Dasselbe SLv 5, 17 (120 ^j.
18, 17 3(: Sage es der Gemeinde.
Daß anrüchige Personen der Gemeinde öffentlich bekannt gegeben
wurden, zeigen folgende Stellen:
Sanh 26'': R. Abbahu (um 300) hat gesagt, R. Elfazar (um 270) habe gesagt: Alle
(die als Zeugen untauglich sind) ^ müssen durch den Gerichtshof öffentlich bekannt gemacht
werden. Betreffs des Hirten waren Rab Acha (b. Raba, f 419) u. Rabina (I., f uni 420)
geteilter Meinung. Der eine hat gesagt: Er bedarf der öffentlichen Bekanntmachung
(falls er als Zeuge untauglich sein soll); der andre hat gesagt: Er bedarf ihrer nicht
(da er von vornherein im Verdacht steht, daß er sein Vieh auf fremde Felder treibt
u. dadurch Raub begeht). Zugunsten dessen, der gesagt hat: „Er bedarf der Bekannt-
machung nicht", ist dies, daß Rab J%uda (t 299) gesagt hat, Rab (f 247) habe ge-
sagt: Ein Hirt, von dem nichts (Ungünstiges) bekannt geworden ist, ist (als Zeuge)
untauglich ^ (weil er trotzdem verdächtig ist). Aber nach der Meinung dessen, der ge-
sagt hat: „Er bedarf der (ausdrücklichen) Bekanntmachung" (falls er als Zeuge un
tauglich sein soll), was soll da (jenes Wort): „Ein Hirt, von dem nichts (Ungünstiges)
bekannt geworden ist, ist (gleichwohl als Zeuge) untauglich"? (Muß er erst als un-
tauglich bekannt gemacht werden, so ist er doch nicht von vornherein untauglich bloß,
weil er Hirt ist!) Es will sagen, daß man ihn bekannt macht, auch wenn nichts (Un-
günstiges) über ihn verlautet. — Auf einer Schenkungsurkunde waren zwei Räuber
(als Zeugen) unterschrieben. Rab Papa b. Sch^muel (um 340) gedachte sie (die Urkunde)
für gültig zu erklären, weil man sie (die Unterzeichner) nicht (als untaugliche Zeugen)
bekannt gemacht hatte. Da sagte Raba (f 352) zu ihm : Wenn wir bei denen, die nach
der Meinung der Rabbinen Räuber sind, die öffentliche Bekanntmachung fordern, müssen
wir darum die ö. B. bei denen fordern, die nach der Tora Räuber sind? |1 K'^th49'':
Wenn ein solcher (d. h. ein Vater, der seine Kinder nicht ernähren wollte) vor Rab
Chisda (f 309) kam, sagte dieser: Kehrt einen Mörser in der Gemeindeversammlung
um. daß er (entweder dieser Vater oder der Synagogendiener, s. Raschi) sich hinauf-
stelle u. sage (öffentlich bekanntmache): Der Rabe liebt seine Jungen, aber dieser
Mann liebt seine Kinder nicht! 1| Qid 81": Mar Zutra (t417) ließ (einen Mann, der mit
der Ehefrau eines andren allein zusammengewesen war) geißeln u. öffentlich kekannt
^ Nach RH 1,8 u. Sanh 3,3 waren als Zeugen untauglich: Der Würfelspieler, der
auf Zins Leihende, die, welche Tauben (im Wettspiel) fliegen lassen, die mit dem Ertrag
des Sabbatjahres Handeltreibenden u. die Sklaven. — Die Bar Sanh 25 ^ fügt noch hinzu :
Die Räuber u. die Gewalttätigen, ferner die Hirten, die Steuererheber u. die Zöllner.
* Dieser Ausspruch findet sich Sanh 25 '\
792 ^»latth 18, 17. 18
machen (aus welchem Grunde er gegeißelt sei, nämlich, weil er des Ehebruchs ver-
dächtig, aber nicht des Ehebruchs überführt sei). Rab Nachman aus Parhetja sagte zu
RabAschi(t 427): Der Herr möge gleichfalls geißeln u. öffentlich bekannt machen
lassen! Er antwortete: Man könnte es in dem einen Fall hören u. in einem andren
nicht, il Joma86'': Zwei gute Führer (Versorger) sind den Israeliten erstanden, Mose
u. David. Mose sprach: Meine Sünde möge aufgesehrieben werden (in der Schrift), s.
Nu 20, 12: Jahve sprach zu Mose u. zu Ahron: „Weil ihr an mich nicht geglaubt habt,
daß ihr mich vor den Augen der Kinder Israel geheiligt hättet, deswegen sollt ihr
diese Versammlung nicht in das Land bringen." David sagte: Meine Sünde möge nicht
aufgeschrieben werden, s. Fso2, 1: ,Wohl dem, dem die Übertretung verziehen, dem
die Sünde bedeckt ist." Womit läßt sich das Verhalten Moses u. Davids vergleichen?
Mit zwei Frauen, die vom Gerichtshof bestraft (gegeißelt) wurden. Die eine hatte Un-
zucht getrieben (sie wünschte nicht, daß der Grund ihrer Bestrafung bekannt gemacht
würde; ihr glich David); u. die andre hatte unreife Feigen vom Brachjahre gegessen.
Diese sprach zu den Richtern: Ich bitte euch, gebt bekannt, weshalb ich bestraft
worden bin, damit man nicht sage: Weswegen jene bestraft ist, ist (auch) diese be-
straft worden. Da brachte man unreife Feigen vom Brachjahre, hängte sie an ihren
Hals u. ließ vor ihr öffentlich ausrufen u. sagen : Des Brachjahres wegen ist sie be-
straft worden. Parallelstellen: SDt3,2o §26 (70^); NuR 19 (ISÖ-^); nach LvR31 (129»)
ist R. Jimda (um 150) der Autor der Ausführung. i| MQ 16-': (Raba, f 352, hat gesagt:)-
Woher läßt es sich aus der Schrift beweisen, daß man seine (des mit dem Bann Be-
straften) Verfehlungen einzeln in der Gemeinde angibt? Weil es heißt Ri 5,23: Weil
sie Jahve nicht zu Hilfe kamen. (Diese Worte geben nach Raba den Grund des Bann-
spruchs über Meroz ausdrücklich an.) i| Ferner s. pPea 1, lo*^", 23 bei Mt 15, 4 S. 709.
18,17 SB: Er sei dir wie der Heide u. der Zöllner.
wansQ 6 id^vixöq. — Über das Verhalten des Juden gegen Heiden
s. den Exkurs: „Die Stellung des Judentums zum Heidentum." — Die
Wendung: „Er sei dir wie der Heide" auch Schab 105'' Bar: R. Schim^on
b. El^azar (um 190) sagte im Namen des Chilpha b. Agra (um 150), der
es im Namen des R. Jochanan b. Nuri (um 110) sagte: Wer seine Kleider
im Zorn zerreißt, wer seine Gefäße im Zorn zerbricht, wer sein Geld im
Zorn verstreut — der sei in deinen Augen wie der Götzendiener. Denn
so ist es der Kunstgriff (wörtlich: das Handwerk) des bösen Triebes:
heute sagt er zu ihm: „Tue das" u. morgen sagt er zu ihm: „Tue das",
bis er zu ihm sagt: „Diene dem Götzen", u. er geht hin u. dient.
xal {olffiiso) 0 Tskmi^q — hierzu s. bei Mt 5, 46.
Über die Verpflichtungen, die im Verkehr mit einem Gebannten zu
beobachten waren, s. den Exkurs: „Der Synagogenbann" B, 3. 4 u. C.
18,18: Was auch immer ihr auf Erden binden werdet, wird
im Himmel gebunden sein, u. was auch immer ihr auf Erden
lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein.
6rj(TriT€ . . . Xvoi]Ts. — Der Zus. hang fordert die Bedeutung „den
Bann verhängen" u. „den Bann lösen"; vgl. bei Mtl6, 19^. Hier sei
darauf hingewiesen, daß auch die Synagoge den Bann als Abschluß eines
förmlichen Disziplinarverfahrens gekannt hat. Wenn zB ein Schuldner
von einem Gerichtshof zur Zahlung seiner Schuld verurteilt war, sich
aber weigerte zu zahlen, forderte ihn der Gerichtshof durch einen
Matth 18, 18. 19 793
Gerichtsdiener auf, an einem der drei nächsten Gerichtstage ^ an der
Gerichtsstätte zu erscheinen. Die Vorladung hatte genau die Sache zu
bezeichnen, um die es sich handelte, u, den Richter namhaft zu machen,
in dessen Hand die Angelegenheit gelegt war. Erschien der Schuldner
u. erkannte er nunmehr das Urteil an, so war die Sache erledigt. Er-
schien er aber nicht oder erklärte er dem Gerichtsdiener, daß er der
Vorladung nicht Folge leisten würde, so wurde er nach Ablauf der
ihm gesetzten Frist vom Gerichtshof mit dem Bann belegt, u, zwar
zunächst für die gewöhnliche Dauer des Bannes, d. h. auf 30 Tage.
Ließ der Schuldner diese Zeit verstreichen, ohne in sich zu gehen, so
wurde der Bann auf weitere 30 Tage verlängert. Vergingen auch diese
fruchtlos, so sprach der Gerichtshof den schärferen Bann D'^n über ihn
aus, der auf ihm blieb, bis er seinen Gläubiger befriedigte u. beim
Gerichtshof die Lösung des Bannes nachsuchte. Starb er im Bann, so
ließ der Gerichtshof einen Stein auf den Sarg legen zum Zeichen, daß
er die Steinigung verdient habe. — Siehe den Exkurs: „Der Synagogen-
bann" B, 1, o; B, 8, c.
l'arai ^sdej-ura si' ovqavoi^ s. bei Mt 16, 19 S Nr. 2. — Bemerkenswert
ist, daß sich unter den altsynagogalen Bannformeln auch diese findet:
^siiü"i inbxT Nrnairn '^inib = „er sei im Bann des Gottes Israels"; es
scheint darin zu liegen, daß der betreffende Bann im Namefl Gottes u.
mit Wirkung für Gott ausgesprochen werde.
ChuUin 132 b : Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Ein Priester, der (als Fleischer oder Vieh-
besitzer) die (Priester-)Gaben nicht absondert (um sie an einen andren Priester zu ent-
richten), der sei im Bann des Gottes Israels. || ?AZ 25" sagt Rab M*^nasse (um 300) zu Dieben:
Möge es (Gottes) Wille sein, daß diese Menschen (= ihr) in seinem Bann seien!
18, 19: Wenn zwei von euch übereinstimmen auf Erden über
irgendeine Sache, die sie erbitten werden, so wird sie ihnen
zuteil werden.
Zur Kraft des gemeinsamen Gebetes s. :
B^'rakh 8'"^: R. Acha b. Chanina (um 300) hat gesagt: (Daß die Gebete in der Syn-
agoge zur Zeit, da die Gemeinde darin betet, erhört werden) folgt aus Hi 36, 5: Gott
wird die vielen (die in der Syn. beten) nicht verachten (so der Midr); ferner s. Ps55, 19:
Er erlöst in Frieden meine Seele vom Kriege wider mich; denn die Menge (der beten-
den Gemeinde, in deren Mitte er selbst betet) war um mich (so dürfte der Midr die
Stelle gefaßt haben). Eine Bar lautet ebenso: R. Nathan (um 160) hat gesagt: Woher,
daß Gott das (gemeinsame) Gebet der vielen nicht verachtet? s. Hi 36, 5 u. Ps 55, 19.
Gott spricht: Wer sich mit der Tora beschäftigt u. mit Liebeswerken, u. wer zusammen
mit der Gemeinde betet, dem rechne ich das so an, als ob er mich u. meine Kinder
aus den Völkern der Welt heraus erlöst hätte. — Die Bar in SNu 27, 12 § 135 (5H). ||
Midr KL 3,8 (69 fe): R. Acha (um 320) hat gesagt: Mit wem läßt sich der vergleichen,
der mit der Gemeinde betet? Mit Menschen, die dem König eine Krone machten. Da
kam ein Armer u. gab seinen Teil dazu. Wie, wird der König etwa sagen: Weil dies
ein Armer ist, nehme ich sie nicht an? Sofort nimmt er sie an u. setzt sie aufsein
Haupt. Ebenso wenn zehn Gerechte im Gebet stehen u. ein Gottloser steht unter ihnen,
^ Gerichtstage Avaren der Montag u. Donnerstag jeder Woche.
794 Watth 18, 20
soll daGottsageu: Weil dies ein Gottloser ist, nehme ich ihr GeLet nicht an? ||DtR2(19S'*):
„Ich lichte mein Gebet zu dir, Jahve, zur Zeit des Wohlgefallens" Ps 69, 14. Weil
David ein einzelner war (für sich allein betete), sagte er: ,Zur Zeit des Wohlgefallens";
aber das Gebet der Gesamtheit (Gemeinde) kommt niemals leer zurück.
18,20: Wo zwei oder drei auf meinen Namen versammelt
sind, da bin ich mitten unter ihnen.
Aboth 3,2: R. Chanina b. T'^'radjon (f um 135) sagte: Wenn zwei (zusammen) sitzen,
ohne daß Worte der Tora zwischen ihnen (Gesprächsstoff) sind, so ist das ein Sitz der
Spötter, s. Ps 1, 1 : „Auf dem Sitz der Spötter sitzt er nicht." Aber wenn zwei (beieinander)
sitzen u. Worte der Tora sind zwischen ihnen, so weilt die Sch'^khina (Gottheit) unter
ihnen, s. Mal 3, 16: „Da besprachen sich die Gottesfürchtigen der eine mit dem andren
(also zwei), u. es horchte Jahve u. hat's gehört, u. es wurde ein Gedenkbuch geschrieben
vor ihm für die Gottesfürchtigen u. die da achten sginen Namen." — Da höre ich nur
von zweien; woher, daß auch, wenn nur Einer sitzt u. sich mit der Tora beschäftigt,
Gott ihm seinen Lohn bestimmt? s. K,L 3,28: Er sitze allein u. schweige, denn er
empfängt (so der Midr). |! Aboth 3,6: R. Chalaphta b. Dosa aus K'^phar-Chananja* (in
Galiläa) sagte: Wenn zehn sitzen u. sich mit der Tora beschäftigen, so weilt die
Sch%kina unter ihnen, s. Ps 82, 1: Gott steht da in der Gemeinde {~--j) Gottes (u. zu
einer n-:'j gehören nach Nu 14,27, wo die zehn widerspenstigen Kundschafter eine my
genannt werden, zehn Personen). Woher auch bei fünf ? Es heißt Am 9, 0: Seine Ver-
einigung hat er auf Erden begründet (so der Midr).'^ Woher auch bei dreien? Weil
es Ps 82, 1 heißt: Inmitten der Götter (= Richter, u. ein Gerichtshof wird von drei
Personen gebildet) hält er Gericht. Und woher auch bei zweien? s. Mal 3, 16 (wie im
vorigen Zitat). Und woher auch bei Einem? s. Ex 20, 24: An jedem Ort, wo ich ein
Gedächtnis meines Namens stiften werde, will ich zu dir (also dem einzelnen) kommen
u. dich segnen. — Dasselbe anonym M'^kh Ex 20, 24 (80 1>); in B^'rakh 6" R. Ji9chaq
(um 300) als Autor genannt; in diesen beiden Stellen fehlt der auf fünf Personen be-
zügliche Passus. — Vgl. auch AbothRNS Anf. : J^'hoschuaf b. P^'racbja (um 110 v. Chr.j
sagte: Verschaffe dir einen Lehrer u. erwirb dir einen Studiengenossen u. beurteile
jedermann zum Guten (wörtlich: nach der Wagschale des Verdienstes hin). Erwirb dir
einen Studiengenossen. Wie ist das gemeint? Es will lehren, daß sich der Mensch
einen Genossen erwerben soll, mit dem er gemeinsam ißt, trinkt, die Schrift u. die
Tradition studiert, schläft u. ihm alle seine Geheimnisse, das Geheimnis der Tora u.
das Geheimnis der Sitte offenbart; wenn sie sitzen u. sich mit der Tora beschäftigen
u. einer von ihnen irrt sich in der Halakha oder über den Anfang eines Kapitels, oder
wenn er Unreines für rein u. Reines für unrein erklärt, woher, daß sie, wenn sein
Genosse ihn zurechtbringt, guten Lohn für ihre Arbeit haben? Weil es heißt Qoh4, 9:
Besser sind zwei als Einer, sie haben guten Lohn für ihre Mühe. Wenn drei sitzen
u. sich mit der Tora beschäftigen, so rechnet es ihnen Gott so an, als ob sie eine Ver-
einigung m*;« vor ihm geworden wären, s. Am 9, 6 (wie oben). Wenn zwei sitzen u.
sich mit der Tora beschäftigen, so wird ihr Lohn droben angenommen, s. Mal 3, 16
(wie oben). „Die Jahve fürchten", das sind die, welche eine Entschließung fassen u.
sagen: Wir wollen gehn u. die Gebundenen lösen u. die Gefangenen loskaufen; ihnen
gibt Gott reichliche Gelegenheit dazu u. sie führen es alsbald aus. „Die auf seineu
Namen achten", das sind die, die in ihrem Herzen erwägen u. sagen: Sollen wir gehn
u. die Gebundenen lösen u. die Gefangenen loskaufen? Denen gibt Gott keine Ge-
legenheit dazu u. ein Engel kommt u. schlägt sie zu Boden. Wenn ein einzelner sitzt
u. sich mit der Tora beschäftigt, so wird sein Lohn droben angenommen, s. KL 3, 28
' Um 180, wenn identisch mit Abba Chalaphta aus K*'phar- Chananja, der BM94^
im Namen des R. Meir tradiert.
* Inwiefern die „Vereinigung" r;-::;x gerade die Fünfzahl erfordern soll, ist nicht
klar; etwa nr«;« = etwas, was man mit den fünf Fingern fassen kann?
Matth 18, 20.21 795
(wie oben). |t Sanli 39'': Der Kaiser (wohl Hadrian) sprach zu Rabban Gamliel
(um 90): Ihr sagt: Überall, wo zehn versammelt sind, weilt die Sch®khina. Wie viele
Sch*^khiuas gibt es denn? Da rief er den Diener (des Kaisers) u. schlug ihn gegen
den Hals. Er sprach zu ihm: Wozu das? (Er antwortete:) Die Sonne scheint in das
Haus des Kaisers hinein (das hätte der Diener verhindern sollen)! Er sprach: Die Sonne
ist in der ganzen Welt. Rabban Gamliel erwiderte: Wenn die Sonne, die doch nur
einer von den tausendmaltausend Myriaden von Dienern vor Gott ist, in der ganzen
Welt ist, um wieviel mehr gilt das dann von der Sch'^khina! || B'^rakh 5 '^: Abba Binjamin
(ein Tannait unbestimmter Zeit) sagte: Wenn zwei (in die Synagoge) kommen, um zu
beten, u. der eine von ihnen wird früher mit seinem Gebet fertig u. wartet nicht auf
den andren u. geht fort, so zerreißt man (= Gott) sein Gebet vor ihm, s. Hi 18,4:
Du, der sich selbst zerreifät in seinem Zorn, soll deinetwegen verödet werden das Land?
Und nicht bloß dies, sondern er veranlaßt auch die Sch'^khina, daß sie sich von Israel
entfernt, s. das.: Soll wegrücken der Fels von seinem Ort? Denn der »Fels" ist nichts
andres als Gott, s. Dt 32, 18: ,Du versäumtest den Felsen, der dich geboren." Und
wenn er auf ihn wartete, was ist sein Lohn? R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt:
Er ist würdig der Segnungen Jes 48, 18 f.: Wenn du wolltest lauschen auf meine Ge-
bote, da wird wie der Sand dein Same u. deines Leibes Sprossen wie seine Körner
usw.; da würde dem Strome gleich deine Wohlfahrt u. deine Gerechtigkeit gleich den
Meereswogen. (Der Text hat die beiden Verse in umgekehrter Reihenfolge.) || Midr
Ps 90 §10 (196='): Warum heißt Gottes Name S'^p« = Ort? Weil an jedem Ort, an
welchem Gerechte stehn, er sich dort bei ihnen befindet, s. Ex 20, 24: ,An jedem Ort,
wo ich ein Gedächtnis meines Namens stiften werde, werde ich zu dir kommen u. dich
segnen." Ferner s. Gn28, 11: „Er traf auf Gott sipiss u. übernachtete daselbst." —
Die Stelle stammt aus PirqeREl 35. |i Ferner s. Qid 30 b bei Mt 15, 4 31 S. 706.
18, 21: Wie oft darf mein Bruder gegen mich sündigen
u. soll ich ihm vergeben? Bis siebenmal?
Der, welcher einem andren ein Unrecht zugefügt hat, ist verpflichtet,
den Gekränkten durch Abbitte zu versöhnen; nur unter dieser Be-
dingung vergibt Gott das Unrecht, a Die Abbitte erfolgt in Gegenwart
von Zeugen, braucht aber nur dreimal wiederholt zu werden, falls der
Beleidigte unversöhnlich bleibt. b Die Meinung (Lightfoot, Schöttgen,
Keil usw.), daß nach pharisäischer Lehre der Beleidigte nur dreimal
nötig habe, einunddemselben Beleidiger Verzeihung angedeihn zu lassen,
ist aus dem rabbin. Schrifttum nicht belegt. Die dafür beigebrachten
Stellen sind unrichtig aufgefaßt. Höchstens könnte man aus dem Satz,
daß Gott einem Menschen dieselbe Sünde nur zwei- bis dreimal ver-
gebe, folgern, daß auch der Mensch seinem Nächsten gegenüber zu
keinem andren Verhalten verpflichtet sei; diese Folgerung aber ist
nirgendwo tatsächlich ausgesprochen, c
a. Belege s. bei Mt 5, 24 u. 6, 14 f. — Ferner vgl. Joma 8, 9: Für Versündigungen
des Menschen gegen Gott schafft der Versöhnungstag Sühnung; ' für Versündigungen
des Menschen gegen seinen Nächsten schafft der Versöhnungstag keine Sühnung, bis
er seinen Nächsten versöhnt hat. Das hat R. Elfazar b. ?Azarja (um 100) erklärt aus
den Worten. Lv 16, 30: „Von allen euren Sünden vor Jahve sollt ihr rein werden" (so
der Midr): für die Versündigungen des Menschen gegen Gott schafft der Versöhnungs-
^ Dabei bleibt die Frage offen, ob die sühnende Kraft des Versöhnungstages wirk-
sam wird nur in Verbindung mit der Buße des Menschen, so R. Jischmasel, f um 135
TJom5, 7(190) u. Parallelen, oder auch ohne sie, so Rabbi Joma 87".
796 -^^atth 18, 21
tag Sühnung; für die Versündigungen des Menschen gegen seinen Nächsten schafft der
V.tag keine Sühnung, bis er seinen Nächsten versöhnt hat. |i Joma87'': Rah Joseph
b. ',zr, (= -an?) warf vor R. Abbahu (um 300) die Frage auf: Es heißt (in vorstehender
Mischna) : Für Versündigungen des Menschen gegen seinen Nächsten schafft der V.tag
keine Sühnung, bis er seinen Nächsten versöhnt hat (also gibt es doch eine Vergebung).
Steht denn aber nicht geschrieben lSm2, 25: Wenn ein Mensch gegen einen andren
sündigt, so richtet ihn (""'Vi) Gott? Was ist Gott? Ein Richter (ist er in diesem Fall,
u. nicht ein Vergeber). In diesem Fall müßte ich den Schluß der Schriftstelle deuten:
Wenn sich aber ein Mensch gegen Jahve versündigt, wer wollte Richter für ihn sein?
(Die Antwort müßte lauten: , Niemand"; u. doch hat Gott viele Rächer zur Hand;
folglich ist die Deutung nicht richtig.) Vielmehr ist es so gemeint: Wenn sich ein Mensch
gegen einen andren versündigt u. ihn (begütigend) bittet (I'-e), so vergibt ihm Gott; wenn
sich aber ein Mensch gegen Jahve versündigt, wer bittet für ihn? Buße u. gute Werke.
b. pJoma 8, 45'', 19: Sch'^muel (f 254) hat gesagt: Der, welcher gegen einen andren
gesündigt hat, muß zu ihm sagen: „Ich habe mich verschuldet gegen dich." Wenn
jener es annimmt, so ist es gut; wenn aber nicht, so bringe er Männer herbei u. ver-
söhne ihn in deren Gegenwart, s. Hi33, 27: ,Er mache eine Reihe* samt den Männern"
(so der Midr); er bilde eine Reihe aus den Männern u. sage: „Ich habe gesündigt u.
Gerades krumm gemacht, u. es ward mir nicht vergolten" Hi 33,27. Wenn er also tut,
dann sagt die Schrift über ihn Hi 38, 28 : Erlöst hat er seine - Seele vom Hingang in
die Grube u. sein'^ Leben freut sich am Licht. Ist er (der Beleidigte) gestorben, so
muß er ihn an seinem Grabe versöhnen u. sagen: „Ich habe mich gegen dich ver-
schuldet." II Joma 87'"': R. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: Wer seinen Nächsten auch nur
mit Worten gekränkt hat, muß ihn versöhnen, s. Spr 6, 1 ff.: „Mein Sohn, wenn du für
deinen Nächsten Bürge geworden bist u. für einen andren deinen Handschlag gegeben
hast, wenn du verstrickt bist durch die Worte deines Mundes (durch die du jemand
gekränkt hast, Raschi), so tue doch dieses, mein Sohn, damit du dich rettest" : wenn
du Vermögen besitzest, so öffne ihm die Handfläche, u. wenn nicht, so mache der Freunde
(.Fürsprecher) viele bei ihm. Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Er muß ihn in drei Reihen
zu je drei Mann (u. zwar dreimal in je einer Reihe) versöhnen, s. Hi 33, 27 : Er mache
eine Reihe' samt den Männern u. sage: Ich habe gesündigt u. Gerades krumm ge-
macht, u. es ward mir nicht vergolten. R. Jose b. Chanina (um 270): Wer Verzeihung
bei seinem Nächsten nachsucht, der suche sie nicht öfter als dreimal nach, s. GnöO, 17:
„.\ch bitte, vergibt doch ... u. nun vergib doch" (3 Bittworte, ein Hinweis auf drei-
maliges Bitten). Wenn er (der Beleidigte) aber gestorben ist, so schaffe er zehn Männer
herbei u. stelle sie an seinem Grabe auf; dann soll er sagen: Ich habe gesündigt an
Jahve, dem Gott Israels, u. an diesem NN, den ich verletzt habe. — Der Ausspruch
des R. Jose b. Chanina ist zitiert Joma 87"^. — Die Parallelstelle aus P^siqR 38 (164'^)
s. bei Mt 6, 14 f. S. 425. — Über Abbitte am Grabe vgl. Chag 22 b, oben S. 285;'.
C. Schöttgen verweist auf den Ausspruch des R. Jose b. Chanina Joma 87"'-'^ (s.
Anm.h); aber das Wort handelt nicht davon, wie oft man vergeben solle, sondern wie
oft man um Vergebung bitten müsse. — Lightfoot zitiert Joma 86 b Bar: R. Joseb.J'^huda
(um 180) sagte: Wenn ein Mensch eine Übertretung Einmal begeht, so vergibt man
ihm; wenn zum zweitenmal, so vergibt man ihm; wenn zum drittenmal, so vergibt
man ihm; wenn zum viertenmal, so vergibt man ihm nicht, s. Am 2,4: So spricht
Jahve: Um dreier Missetaten Judas (der Talmudtext liest: Israels), ja um vierer willen
wende ich es nicht mehr ab; ferner s. Hi33, 29: Siehe, dies alles tut Gott zweimal,
dreimal dem Mann. Was soll die zweite Stelle? Wenn du sagen wolltest, jene Worte
(Am 2) beziehen sich auf die Gesamtheit, aber nicht auf den einzelnen, so komm u.
höre: „Siehe, dies alles tut Gott zweimal, dreimal dem Manne (also dem" eineelnen);
von da an u. weiter vergibt man ihm nicht mehr, s. Am 2, 4 : Um dreier Missetaten
1 -»B' wird abgeleitet von r.-'x = Reihe.
» Der Talmudtext gibt das Q'^re.
Matth 18, 22. 23. 25 {«) 797
Judas willen usw. — Die Stelle handelt nicht vom Vergeben seitens eines Menschen,
sondern von dem Vergeben seitens Gottes; das unbestimmte „man* ist, wie ungezählte
Male im Rabbin., Ersatz für den gern vermiedenen Gottesnamen. Daß allein von Gott
die Rede ist, beweisen auch genügend die beiden Schriftzitate.
18,22: Siebenzigmal sieben, ißdo/j^rixorräxig friTci.
Gn4, 24: „Siebenfach wird Kain gerächt, aber Lemekh siebenund-
siebzigmal." Die letzte Zahl in Test Benj 7 umgewandelt in ißäof.irjxoriaxic
smci u. die erste in inraxomoi: In 700 Jahren wurde Kain gerichtet,
Lamech aber in 70 mal 7 (Jahren). Die Vergröfaerung der ersten Zahl
auf 700 beweist klar, daß die Testamente ^ßSoi^irixorraxig tmä nicht =
77 mal, sondern = 70mal 7 verstanden wissen wollen. — Wie die LXX
ihr iß6of.ii.xorTccx(c tmä Gn 4, 24 gemeint haben, bleibt ungewiß. —
Targ Onk u, Jerusch I haben die Zahlen des Grundtextes beibehalten.
18,23: Gleich einem menschlichen König, der mit seinen
Knechten abrechnen wollte.
dv&Qojno} ßaai'/.sT a-^i ira -^h■o »König von Fleisch u. Blut" = menschlicher König;
Gegensatz: der König aller Könige = Gott. Beispiele s. bei Mt 16, 17 SB. || avyägai "käyor
= ■j'^;:«?- n-by oder 7-ü~ (a»") a^-. \\ pBQ 10, 7 '»,52: Wir wissen nicht, ob unser Vater
zuletzt (vor seinem Tode) Abrechnung gehalten hat -iz-ar, nvv. — Dieselben Worte
daselbst noch öfters. || BB 78lJ: Kommt, wir wollen eine gewöhnliche Abrechnung halten
18,25 51: Da er nicht hatte zu bezahlen, befahl der Herr,
daß er verkauft werde.
Der Fall ist zu beurteilen nach Ex 22, 2: „Er (der Dieb) muß Ersatz
geben. Wenn er nichts hat, so werde er um sein Gestohlenes verkauft."
Dazu heißt es Josephus, Antiq. 16, 1, 1: 'ExäXavov ydq ol vofioi xejQa-
nXÜGiov xccraßakeTv vor xXsTivrjv, ovx s^ovra 6t jiinQÜaxsG^ai fih', dXk'
oini ys ToTg dXXocfvXoig, ovo' mcts 6irp'€xf^ rr^r SovXsfar vTtofJLSisiv edtt
yc(o difeialhai iisxd l'^aaxiar. (Vorher u. nachher ist die Rede von der
Verschärfung des Gesetzes durch Herodes I. dahin, daß der Verkauf
des Diebes auch ins Ausland erlaubt wurde.)
Die traditionelle Auslegung des Gesetzes.
M'^kh Ex 22, 2 (95b): ,Wenn er nichts hat, so werde er um sein Gestohlenes ver-
kauft." Wenn ich daraus entnehmen wollte, daß er für immer verkauft werde, so sagt
die Schrift lehrend Ex 21, 2: Sechs Jahre soll er dienen u. im siebenten soll er frei
ausgehn. „Er werde verkauft um sein Gestohlenes" : für nicht weniger u. für nicht
mehr. R. J^iuda (um 150) sagte: Wenn er weniger gestohlen hat, als er wert ist,
so wird er nicht verkauft; wenn aber mehr, als er wert ist, so hat der Bestohlene
n3-:;r! Vsa die freie Wahl: wenn er ihn verkaufen will, so darf er es; wenn nicht, so
schreibt er (der Schuldner) ihm eine (Schuld-)Urkunde. R. Eli;ezer (um 90) sagte: Hat
er weniger gestohlen, als er wert ist, so wird er nicht verkauft; wenn aber mehr, als
er wert ist, so muß er (der Bestohlene) sich daran genügen lassen, wenn er sich (durch
den Verkauf des Diebes) zur Hälfte bezahlt macht u. zur Hälfte Verlust erleidet. —
Der letzte Satz schließt den nochmaligen Verkauf des Diebes nach Ablauf seiner sechs-
jährigen Sklavenzeit aus. Dazu vgl. pSota 3, 19'^ 54: Der Mann wird wegen seines Ge-
stohlenen verkauft, aber nicht wegen des doppelten Ersatzes (s. Ex 22, 3); wegen seines
Gestohlenen, aber nicht wegen Überführung als falscher Zeuge (u. der damit unter
798 ^tatth 18, 25 (31. SB). 18, 27
Umständen verbundeneu Verpflichtung zur Ersatzleistung) ; wegen seines Gestohlenen
wird er nicht zum zweitenmal verkauft. Aber liegt ihm nicht die Ersatzpflicht ob?
Daraus ist zu entnehmen, daß dies bei einunddemselben Diebstahl gilt, aber bei zwei
(verschiedenen) Diebstählen wird er zum zweitenmal verkauft. Dasselbe als Bar Qid IS'^. —
Abweichend lautet eine andre Bar Qid IS'*: Beträgt sein Gestohlenes 1000 (Zuz), u. hat
er (der Dieb) einen Wert von 500, so wird er verkauft u. abermals verkauft; beträgt sein
Gestohlenes 500, u. hat er einen Wert von 1000, so wird er überhaupt nicht verkauft,
R. Elifezer sagte: Wenn sein Gestohlenes seinem Kaufpreis entspricht, wird er ver-
kauft, sonst nicht. || Der Verkauf des Diebes erfolgte auf gerichtlichem Wege. M'^kh
Ex 21,2 (81b): „Falls du einen hebräischen Knecht kaufst" Ex 21, 2; will die Schrift-
stelle von einem durch einen Gerichtshof Verkauften sagen, daß er ihm (dem Käufer)
u. dessen Sohn dienen muß, oder redet sie nur von einem, der sich selbst (wegen Ver-
armung, s. Lv25,39; Dt 15, 12) verkauft hat? Wenn es Lv25,39 heißt: „Falls dein
Bruder neben dir verarmt u. sich dir verkauft, so ist von einem, der sich selbst ver-
kauft, die Rede; was will da die Schrift lehrend sagen mit den Worten Ex 21, 2: „Falls
du einen hebräischen Knecht kaufst"? Die Stelle will von dem, der durch einen Ge-
richtshof wegen seines Gestohlenen verkauft wird, sagen, daß er ihm (seinem Käufer)
u. dessen Sohn zu dienen hat (also beim Tode des Käufers nicht freizulassen ist, sondern
in den Besitz des Sohnes, als des Erben, übergeht); vgl. Qid 17b. || SDtl5,12 §118 (98b):
Woher, daß, wenn ein Gerichtshof ihn verkauft, man ihn nur an dich (einen Israeliten)
verkaufen soll? Die Schrift sagt lehrend Dt 15, 12: Falls dein Bruder an dich verkauft
wird (an dich, also einen Israeliten).
18, 25S: Und das Weib u. die Kinder.
Die Halakha kennt den Verkauf der Frau nicht:
Sota 3, 8: Die Frau wird für ihr Gestohlenes nicht verkauft. — TSota 2,9 (295):
Die Frau wird nicht verkauft oder zum zweitenmal verkauft. — Die Frau folgt aber
dem Mann in die Sklaverei (Ex 21, 3) u. wird von dem Herrn ihres Mannes ernährt.
M%hEx 21, 3 (82b): „Sein Weib geht mit ihm aus" Ex 21, 3. R. Ji^chaq (um 150?)
sagte: Ist denn von einem „Kommen" die Rede, da die Schrift von einem „Ausgehen"
redet? Was will die Schrift lehrend sagen mit den Worten : „Sein Weib geht mit ihm
aus* ? Das zeigt, daß er (der Käufer ihres Mannes) zu ihrem ünterlialt u. zum Unter-
halt seiner Kinder verpflichtet ist. Vgl. Qid 22^
Verkauf der Kinder (vgl. 2 Kg 4, l).
Ganz allgemein heißt esGit4, 9: Wenn einer sich selbst u. seine Kinder ":2 an
Fremde n^irj (= Nichtisraeliten) verkauft, so löst man ihn nicht aus. — Die Mischna
unterscheidet nicht zwischen Söhnen u. Töchtern; sie nimmt an, daß Kinder beiderlei
Geschlechts vom Vater verkauft werden können. Dagegen wird M'^'kh Ex 21, 7 (84.*) zu
den Worten: „Falls jemand seine Tochter verkauft" Ex 21, 7 ausdrücklich bemerkt:
Seine Tochter darf er verkaufen, aber seinen Sohn darf er nicht verkaufen. — Ebenso
liest man wenige Zeilen weiter: Den Sohn zu verkaufen ist der Vater nicht berechtigt. —
Ein Gläubiger verkauft die Kinder seines Schuldners genau so, wie es in Jesu Gleichnis
geschieht, SDt3,23 §26 (70 b): Gleich einem, der vom König 1000 Kor Weizen in einem
Jahr entlieh. Alle sagten: Unmöglich kann dieser auf jene 1000 Kor zu stehn kommen!
Der König pfändete ihn u. schrieb ihm eine Quittung (Erlassungsurkunde). Einmal
sandte er u. ließ ihm nichts übrig. Der König kam in sein Haus u. nahm seine Söhne
u. seine Töchter u. stellte sie auf den Verkaufsstein (auf dem die Sklaven u. Sklavinnen
bei ihrem Verkauf zu stehen pflegten). In jener Stunde wußte man, daß nichts mehr
in seinem Besitz war (die Kinder das letzte, was er besaß).
18,27: Und er erließ ihm die Schuld (wörtlich: Darlehn).
Tanch ■-'itts HS'': Ihr sollt euch am ersten Tage (des Laubhüttenfestes) prächtige
Baumfrüchte nehmen Lv 23, 40. Ist es denn der erste Tag? Ist es nicht der fünfzehnte
Matth 18,27. 2S (31) 799
Tag? u. du sagst: ,am ersten Tage"? Allein es ist der erste Tag für die Sünden-
rechnung. R. Mani (um 370) u. R. J*^hoschuac von Siklinin (um 330) haben im Namen
des R. Levi (um 300) gesagt: Womit läßt sich das vergleichen? Mit einer Stadt, die
dem König Steuerreste schuldig war. Der König hatte hingesandt, sie einzutreiben;
aber die Stadt gab nichts, da der Schuldbrief -co groß war. So das erstemal. Als er
nun zum zweitennlal hingesandt hatte, um die Schuld einzutreiben, u. man (wiederum)
nichts gab, was tat da der König? Er sprach zu seinem Hofstaat: Auf! wir wollen
gegen sie ziehen! Als sie etwa 10 Mil weit gezogen waren, hörten es die Bewohner
jener Stadt, u. die Großen der Stadt begannen dem König entgegenzuziehen. Er sprach
zu ihnen: AVer seid ihr? Sie antworteten: Wir sind Leute aus der u. der Stadt, nach
der du gesandt hast, um Steuern von uns einzutreiben. Er sprach : Und was begehrt
ihr? Sie antworteten: Wir bitten dich, übe Barmherzigkeit an uns; denn wir haben
nichts zu geben. Er sprach: Euretwegen will ich euch die Hälfte erlassen n'S's. Während
er weiterzog, machten sich die Angehörigen der Mittelklassen ^ der Stadt auf u. traten
vor ihn in einer Entfernung von etwa 5 Mil. Er sprach zu ihnen: Wer seid ihr? Sie
antworteten: Leute aus der u. der Stadt, nach der du gesandt hast, um Steuern ein-
zutreiben, u. wir haben keine Möglichkeit zu bestehen, vielmehr bitten wir dich: Er-
barme dich über uns! Er sprach zu ihnen: Schon habe ich die Hälfte erlassen ^r-:n,
u. um euretwillen will ich genau die Hälfte (der noch verbliebenen Hälfte) erlassen!
Während er weiterzog, machten sich alle Stadtbewohner zu ihm auf, die Großen u.
die Kleinen. Er sprach zu ihnen: Was begehrt ihr? Sie antworteten: Unser Herr König,
wir haben keine Möglichkeit zu geben, was wir dir schuldig sind "'s z'z^'n '.la-i; n's .
Er sprach: Schon habe ich die Hälfte u. (nochmals) genau die Hälfte erlassen, u. um
euretwillen will ich das Ganze erlassen n'j-s; aber von hier an u. weiter hebt der
Anfang der (neuen) Rechnung an. Der , König" ist der König aller Könige, der Heilige,
gepriesen sei er! Die , Bewohner der Stadt" sind die Israeliten, die alle Tage des Jahres
Sündenschulden aufhäufen. Was tut Gott? Er sagt zu ihnen: Tut Buße von Neujahr
(1. Tischri) an! Und sie demütigen sich^ u. gelangen zum Versühnungstag (10. Tischri)
u. fasten an ihm u. tun Buße, u. Gott vergibt '•^n^.'o ihnen. Und was tun sie? Am
Vortage von Neujahr fasten die Großen des Zeitalters, u. Gott erläßt ^t}'^ ihnen ein
Drittel ihrer Schulden; u. von Neujahr an bis zum Versöhnungstage fasten einzelne
(aber immer noch Angesehene, der Mittelklasse im Gleichnis entsprechend), u. Gott
erläßt ein Drittel ihrer Schulden ; u. am Versöhnungstag fasten alle Israeliten u. bitten
um Erbarmen, Männer u. Frauen u. Kinder, u. Gott erläßt ihnen alles, s. Lv 16,30:
Denn an diesem Tage wird man für euch Sühnung schaffen. Was tun die Israeliten?
Sie nehmen ihre Feststräuße am ersten Feiertage des Laubhüttenfestes u. loben u.
preisen vor Gott; u. Gott erweist sich ihnen gnädig u. vergibt ihnen u. spricht: Siehe
ich habe euch alle eure früheren Schulden erlassen "r-m-i , aber von jetzt an hebt der
Anfang einer (neuen) Rechnung an. Deshalb heißt es: Nehmet euch am ersten Tag
Lv 2o, 40, nämlich am ersten Tag für die (neue) Sündenrechnung. — Dasselbe TanchB
-'i'3S §30(51»); P''siql82b; LvR 30 (128''); Midr Qoh 9, 7 (41''); in den drei letzten
Stellen R. Mani aus Sch'^eb (um 350) als erster Tradent.
18, 28 5t: Er würgte, enriyev.
?AZ4": R. Abbahu (um 800) hatte den Minim (hier = Judenchristen) gegenüber
den Rab Saphra (um 300) als einen bedeutenden Menschen gerühmt. Sie erließen ihm
die Steuern für 13 Jahre (13 als runde Zahl). Eines Tages trafen sie ihn u. sprachen
zu ihm: Es heißt Am 3, 2: ,Nur euch habe ich erkannt von allen Geschlechtern des
Erdbodens; deswegen will ich heimsuchen an euch alle eure Verschuldungen." Gibt
es denn einen, der seinen Zorn gegen seinen Freund ausläßt? Er schwieg u. antwortete
ihnen nicht das geringste. Da warfen sie ihm ein Tuch um seinen Hals u. quälten
ihn ri"'5 n-iysw (würgten ihn).
' Lies mit den Parallelen -:i:-2 statt •2i"'^3.
* Lies i-j::: mit TanchB statt reis:.
800 Matth 18, 28 (SB). 18, 32. 33
18, 28 S8: Wenn du was schuldig bist.
Tanch 3-'as»«3 97^: Komm u. sieh, was für ein Unterschied zwischen dem Tun der
Menschenkinder u. dem Tun Gottes ist. Wenn ein Mensch einem andren 200 oder
10000 oder 300 (Zuz) schuldet u. dieser zu ihm sagt: „Gib mir das Meine" 'hv rx -^h -r
u. jener ihm antwortet: „Ich besitze nichts", so heben sie sofort Streit an u. beschimpfen
sich imtereinander. Gott aber nicht also. Du findest, daß im Sommer der Tag von der
Nacht (Zeit) entleiht, von der Sonnenwende im Tebeth (Dezember) an bis hin zur
Sonnenwende im Tammuz (Juli); u. von der Sonnenwende im Tammuz an bis hin zur
Sonnenwende im Tebeth entleiht die Nacht vom Tage. Da gibt es nicht Rede u. da
gibt es keine Worte, nicht wird ihre Stimme gehört (Ps 19, 4). Deshalb warnte Gott
Mose, daß er zu den Israeliten sagen sollte Ex 24, 22: „Wenn du meinem Volk Geld
leihst", so sollst du nicht in verächtlicher Weise mit ihm umgehn, denn es ist mein
Volk. — Dasselbe Tanch o-üsictt § 7 (42''). 1| LvR 5 (109*) sagt ein Pächter zum Grund-
herrn: Kannst du mir wohl zehn Denare geben? Er antwortete ihm: Geh, erfülle (be-
stätige), was ich bei dir habe = was ich von dir zu foi'dern habe -35 -"h r-s-; n^j. 1| Midr Ps
45 § 5 ( 136 ''') : Gleich einem, der zur Gerichtsstätte hinaufging ; es traf ihn sein Gläubiger,
der zu ihm sagte: Gib mir, was du mir schuldig bist -'5 i'-r; nrs» ri3 ^'5 ',r ! Er antwortete
ihm: Wenn ich jetzt von der Gerichtsstätte weggehen werde, werde ich es dir geben.
18,32: Böser Knecht.
dotde novt^Qs, aramäisch = x;i": x'^=".
68 4*^: Eines Tages kam Herodes zu Baba b. Buta (den er hatte blenden lassen)
u. setzte sich vor ihn; er (Herodes) sprach zu ihm: Sieh, Herr, was dieser böse Knecht
st;"'3 s-!2» ■'sr getan hat! (So nennt sich Herodes selbst, um den Baba b. Buta, der
nicht weiß, daß H. vor ihm sitzt, zu einer offenen Aussprache über den König listig
zu bewegen.) || GnR 6 (5^^): R. Ji(;chaq (um 300) hat gesagt: Josua sprach zur Sonner
Du böser Knecht si)"'a snay, bist du nicht an meinen Ahn (nämlich Joseph) verkauft
worden? Hat dich nicht mein Ahn also im Traum gesehen: Und siehe, die Sonne u.
der Mond u. elf Sterne verneigten sich vor mir Gn37, 9? Sofort stand die Sonne
still u. der Mond blieb stehn Jos 10, 13. — Dasselbe GnR 84 (53''); 97 (61-''). 1| Midr
KL Einl. Nr. 28 (35'^): Rabbi hat gesagt: Zehn Jahre lang war eine Himmelsstimme im
Palast des Nebukadnepar ausgegangen, welche sprach: Böser Knecht xcn sna?, geh,
zerstöre das Haus deines Herrn (= Gottes). || Zu dem Vorwurf: „Böser Knecht" vgl.
Tanch rp- 229*: Woher läßt es sich beweisen, daß, wenn einer gegen einen andren
gesündigt hat u. zu ihm sagt: „Ich habe gesündigt", er (der Beleidigte) ein „Sünder"
genannt wird, wenn er jenem nicht vergibt? Weil es 1 Sm 12,23 heißt: Und auch ich,
fern sei es von mir, daß ich an Jahve „sündigen" sollte, indem ich abließe für euch zu
beten. — Dasselbe NuR 19 (187b).
18,33: Hättest du dich nicht auch deines Mitknechts er-
barmen müssen, wie auch ich mich deiner erbarmt habe?
Tanch a't::^': 97b: Wenn du das Gewand deines Nächsten als Pfand nimmst,
sollst du es ihm bis zum Sonnenuntergang zurückgeben Ex 22, 25. Gott spricht: Wieviel
bist du mir schuldig! Du sündigst vor mir u. ich habe Geduld mit dir -5 i'P"?'? "3»,
u. deine Seele steigt täglich Abend für Abend zu mir empor (wenn du schläfst), um
Rede u. Antwort zu stehen (über die Taten des Menschen am vergangenen Tage), u.
ob sie sich gleich verschuldet hat, so gebe ich dir deine Seele (jeden Morgen) wieder,
der du mir verschuldet bist: so sollst auch du, obgleich er dir verschuldet ist, ihm
bis zum Sonnenuntergang zurückgeben, wenn du ihn gepfändet hast. Dasselbe TanchB
z'vzvr. §9 (43a). II ExRSl (91b): Es gibt keinen Menschen, der Gott nicht schuldig
wäre; aber er ist gnädig u. barmherzig u. vergibt alles Frühere, s. Ps79, 8: Gedenke
nicht unserer früheren Sünden (so der Midr). Gleich einem, der sich von einem Geld-
verleiher Geld borgte u. es vergaß (zurückzuzahlen). Nach einiger Zeit kam er u. trat
Matth IS, 33. 19,3.4 801
vor ihn hin u. sprach: Ich weiß, dal3 ich dir schuldig bin. Er antwortete: Wozu ge-
denkst du der früheren Schuld, sie ist längst aus meinem Herzen geschwunden! So
auch der Herr der Welt: die Menschen sündigen vor ihm, u. er sieht, dal3 sie nicht
Buße tun, u. er erläßt ihnen alles Früliere; u. wenn sie dann umkehren u. kommen,
um der Sünde zu gedenken, die sie früher getan haben, sagt er: Gedenket nicht der
früheren Sünden! Auf Grund welcher Schriftstelle aber kann man sagen, daß, wenn
ein Mensch umkehrt u. Buße tut, auch wenn viele Sünden an ihm sind, Gott ihm
diese als Verdienst auslegt'? Weil es Ez 33, 19 heißt: „Wenn der Gottlose umkehrt von
seiner Gottlosigkeit u. Recht u. Gerechtigkeit übt, so wird er ihretwegen leben." Alle
seine Freveltateu, die er vollbracht hat, sollen ihm nicht gedacht werden.' Deshalb warnt
er betreffs des Armen, du sollst ihm nicht wie ein Wucherer sein Ex 22, 24 u. ihn nicht
nackt hinstellen. (Zu dieser Auslegung von Ez 33, 19 s. Joma S6^; TanchB .x:i'-, § 22 (80 1>.)
1 S, 35 : We nn ihr nicht vergebt ein jeder seinem Bruder.
Siehe bei Mt 6, 14 f.
19, 3: Ob man sein Weib zufolge jeden Grundes entlassen dürfe.
Die Frage wurde von der Schule Hillels bejaht, s. bei Mt 5, 32. Aus
di'eser Frage in Verbindung mit der andren in Vers 7 darf gefolgert werden,
daß die Pharisäer in Vers 3 zu den Hilleliten gehört haben; s. bei Vers 7.
1*.>, 4: Als ein Männliches u. Weibliches hat er sie gemacht.
Gn 1, 27'' u. 5, 2'' nach hag'gadischer Deutung.
M-^khEx 12, 40 (19'''): Die Wohnzeit der Kinder Israel, die sie in Ägypten u. im
Lande Kanaan u. im Lande Goseu gewohnt hatten, war 430 Jahre. Das ist eins von
den Dingen, die man dem König Ptolemäus geschrieben hat [d. h. eine von deu Stellen,
die die LXX' abweichend übersetzt haben: /;'»' yMnöxr^acw si' yfj AiyvnTM xui eV yf
Xc'.vKdi', während der masoret. Text liest: die sie „in Ägypten" gewohnt hatten]. Ebenso
schrieben sie für ihn: , Gott schuf im Anfang" Gn 1, 1 [statt: , Im A. schuf Gott". Un-
richtig. LXX haben : f''('<QXli enou]aEf Öeoc]. (Ferner schrieben sie:) „Ich will den Menschen
machen als Bild u. Ähnlichkeit" Gn 1,26. [Auch das trifft nicht zu; LXX: noniawfAH'
ui'Ü^wnof xta^ tixofu ijuetf'gccy xiei x«.^' o/btoiwatr.] (Ferner:) ,Den Mann u. seine
Öffnungen ^'z-"^i schuf er sie Gn 1,27; 5,2 [gleichfalls nicht richtig, LXX an beiden
Stellen: t'<()a£f xcu firj'/.v inoirjaey (o'iovi]. Die Parallelstellen geben die angebliche
Änderung der LXX in Gn 1, 27, bezw. 5, 2 so wieder: pM'g 1, 71 '", 42 u. GnPu 8 (Ö'-):
üs-^3 raipr i:t = M^kh; dagegen M''g9'', Sepher Tora 1 § 9 u. Tanch r'.^v 65*: -:t
is^2 nap:-i ^ Mann u. Weib (d. h. als Mannweib) schuf er ihn. In TanchB rusi; § 19
(6») u. TraktSoph 1,8 ax^2 Tizj>i^ ^3t wird man nacli M'^'g9'' vs^a lesen müssen. —
Zur Erklärung der auffallenden Erscheinung, daß deu LXX Worte zugeschrieben werden,
die sie nicht enthalten, haben Weiß (M'kh zu Ex 12, 40) u. andere jüdische Gelehrte
nach dem Vorgang von Z. Frankel, Vorstudien zu der Septuag. S. 81, angenommen, daß
es sich uicht um die LXX handle, sondern um einen hebr. Pentateuch-Kodex, der dem
König Ptolemäus für seine Bibliothek verehrt worden sei; die Veränderungen aber
seien an diesem Kodex vorgenommen worden, um im voraus „jedes Mißverständnis,
im Falle Ptolemäus oder einer seiner Nachfolger ihn übersetzen lassen wollte, zu ent-
fernen". Ein harmonistischer Notbehelf! Wahrscheinlich sind einzelne haggadische Aus-
legungen von Pentateuchstellen, die von einem abweichenden hebr. Text auszugehn
schienen, mit gleichfalls vom masoret. Text abweichenden griech. Übersetzungen ver-
mengt u. allmählich ebenfalls den LXX zugeschrieben worden. So auch die haggad.
Deutungen von Gn 1, 27 u. 5, 2. Vielleicht wollte man die Schwierigkeit beseitigen, daß
nach Gn 1 von vornherein ein Menschenpaar geschaffen zu sein schien, während nach
Gn 2 Gott zunächst den Mann u. erst später ans ihm das Weib bildete.
^ Vgl. Exkurs: Stellung des Judentums zum Heidentum Nr. 4, B, m, //, o.
strack U.Bill orbock, NT I. 51
802 -^latth 19,4.5
Deutung von ~:: u. -z-z — , Mannweib" : GnR 8 ('v''): R. Jirm''ja b. ElSazar (um 270)
hat gesagt: Als Gott den ersten Menschen schuf, erscliuf er ihn als Mannweib cij-;-.-!-:»,
c'yjgoyvi-oc. Das meinen die Worte Gn 5, 2: Als Mann u. Weib schuf er sie. R. Sch'^muel
b. Nachman (um 260) hat gesagt: Als Gott den ersten Menschen schuf, erschuf er
ihn als Doppelmenschen (mit zwei Angesichtern); dann zersägte er ihn u. machte ilim
zwei Rücken, den einen auf dieser Seite u. den andren auf der andren Seite. Man
antwortete ihm: Es steht doch aber geschrieben Gn2, 21: Er nahm eine von seinen
Rippen (y'-u)! Er sprach: (Das will sagen:) Eine von den beiden (auseinandergesägten)
Seiten, s. Ex 26, 20: Für die zweite Seite vVs der Wolmung. — Parallelstellen mit zum
Teil andren Autorennamen: Brakhöl'''; 5Er IS-^; LvR 14 (114^'); Midr Ps 139 §5 (264'^;
265 a); vgl. auch GnR 17 (12;^).
J'^b63a: R. El'azar (um 270) hat gesagt: Wer kein Weib hat, ist kein Mensch;
denn es heißt Gn 5, 2: Als ein Männlein u. ein Weiblein schuf er sie; u. er segnete
sie u. nannte ihren Namen Mensch (also nicht der Eine Teil heifjt , Mensch", sondern
beide Teile zusammen werden , Mensch" genannt). Vgl. GnR 17(11''): R. Chijja b. Gamda
(3. Jahrh.) hat gesagt: (Wer kein Weib hat) ist auch kein vollständiger Mensch, s.
Gn 5, 2 (wie vorhin); das will sagen: Sie beide zusammen heißen „Mensch".
U), 5: Gn 2, 24 in der Halakha.
Sanh 58a Bar: , Darum soll der Mensch (der. zum Judentum übertretende Noachide)
seinen Vater u. seine Mutter entlassen" (so der Midr Gn 2, 24). R. Elicezer (um 90) sagte:
, Seinen Vater", d. h. die Schwester seines Vaters (falls er diese vor seinem Übertritt
zum Judentum geheiratet hatte); „seine Mutter", d. h. die Schwester seiner Mutter.
R. (Aqiba (tum 135) sagte: „Seinen Vater", d.h. das Weib seines Vaters; „seine Mutter",
d.i. seine Mutter im eigentlichen Sinn: „und er schließt sich mit seinem Weib zu-
sammen" Gn 2, 24, u. nicht mit einem Mann; mit „seinem" Weib, u. nicht mit dem
Weib eines andren; „u. sie werden zu Einem Leib", damit sind die gemeint, die Ein
Leib werden; es sind also ausgeschlossen Vieh u. Wild, die (mit dem Menschen bei
widernatürlicher Unzucht) nicht Ein Leib werden. — Der Autor hat gesagt: R. Elicezer
sagte: „Seinen Vater", d. h. die Schwester seines Vaters. Oder soll ich sagen, damit
sei sein Vater im eigentlichen Sinn des Wortes gemeint? Das wäre ja dasselbe wie:
„Er schließt sich zusammen", aber nicht mit einem Mann (also auch nicht mit seinem
Vater). Oder soll ich sagen, damit sei das Weib seines Vaters gemeint? Das wäre ja
dasselbe wie: An „seinem" Weibe (wird er hangen), aber nicht an dem Weibe eines
andren. Oder soll ich sagen, daß die nach dem Tode (des Vaters) erfolgte Verheiratung
mit der Mutter gemeint sei? Dagegen spricht die Analogie mit dem Wort „seine
Mutter": wie mit „seine Mutter" eine nicht auf der Ehe beruhende Verwandtschaft
gemeint ist („seine Mutter" soll ja die „Schwester seiner Mutter" bedeuten), ebenso
muß auch mit dem Wort „seinen Vater" eine nicht auf der Ehe beruhende Verwandt-
schaft gemeint sein (nämlich die Schwester des Vaters). (R. Eli'ezer sagte:) „Seine
Mutter", d. h. die Schwester seiner Mutter. Oder soll ich sagen, damit sei seine Mutter
im eigentlichen Sinn des Wortes gemeint? Das wäre ja dasselbe wie: An „seinem"
Weibe (soll er hangen) u. nicht an dem Weibe eines andren. Oder soll ich sagen, daß
die nach dem Tode (des Vaters) erfolgte Verheiratung mit der Mutter gemeint sei?
Dagegen spricht die Analogie mit dem Wort „seinen Vater": wie mit „seinen Vater"
nicht sein wirklicher Vater (sondern die Schwester seines Vaters) gemeint ist, so
auch mit „seine Mutter" nicht seine wirkliche Mutter (sondern die Schwester seiner
Mutter). — R. cAqiba sagte: „Seinen Vater", d.h. das Weib seines Vaters. Odersoll
ich sagen, damit sei sein Vater im eigentlichen Sinn des Wortes gemeint? Das wäre
ja dasselbe wie: „Er schließt sich zusammen", aber nicht mit einem Mann (also auch
nicht mit seinem Vater). In diesem Fall würde ja aber „das Weib des Vaters" auch
dasselbe sein wie: An „seinem" Weibe (soll er hangen) u. nicht am Weibe eines andren
(also auch nicht an dem seines Vaters). Die Heirat nach dem Tode (des Vaters) ist
gemeint. (R. 'Aqiba hat gesagt:) „Seine Mutter", d.h. seine Mutter im eigentlichen
Matth 19, 5. 6 303
Sinn des Wortes. Aber das wäre doch dasselbe wie: An „seinem" Weibe (soll er hangen),
u. nicht am Weibe eines andren (also auch nicht an dem seines Vaters). , Seine Mutter"
bedeutet die von seinem Vater Genotzüchtigte (die wohl seine Mutter, aber nicht Ehe-
weib seines Vaters genannt werden kann). — Worin liegt ihre Meinungsverschieden-
heit? R. EliEezer meinte, die Analogie, die zwischen den Ausdrücken „seinen Vater"
n. „seine Mutter" bestehe, u.die Analogie, die zwischen den Ausdrücken „seine Mutter"
u. „seinen Vatei" bestehe, komme zu ihrem Recht nur bei der Auslegung auf die
Schwester (des Vaters, bezw. der Mutter). Dagegen meinte K. <Aqiba, es sei richtiger,
den Ausdruck „seinen Vater" auf das Weib des Vaters zu beziehen, weil diese „Blöfse
seines Vaters" genannt werde (vgl. Lv 18, 7 f.), u. es nicht auf die Schwester seines
Vaters zu beziehen, weil diese „Blutsverwandte seines Vaters", aber nicht „Blöße
seines Vaters" (vgl. Lv 18, 12) genannt werde. || Sanh -58'^: R. Elfazar (um 270) hat ge-
sagt, R. Chanina (um 229) habe gesagt: Wenn ein Noachide seiner Frau auf unnatür-
liche Weise beiwohnt, ist er straffällig, weil es heißt Gn2, 24: „Er wird sich an-
schließen", aber nicht auf unnatürliche Weise. Raba (f 352) hat gesagt: Gibt es denn
etwas, wofür ein Israelit nicht straffällig, während der Nichtisraelit dafür straffällig
wäre (wie R. Chanina meint)? Vielmehr hat Raba gesagt: Wenn ein Noachide dem
Weibe eines andren auf unnatürliche Weise beiwohnt, bleibt er straffrei. Weshalb? Es
heißt: An „seinem" Weibe (soll er hangen), aber nicht am Weibe eines andren; „er
soll hangen", nicht aber auf unnatürliche Weise. || pQid 1, 58'', 8: R. Elfazar hat im
Namen des R. Chanina gesagt: Woher läßt es sich beweisen, daß unzüchtige Gedanken
hegende Noachiden wegen Unzucht verwarnt sind gleichwie die Israeliten ? Die Schrift
sagt lehrend Gn 2, 24: An „seinem" Weibe wird er hangen, aber nicht am Weibe eines
andren; an seinem „Weibe" wird er hangen; aber nicht an einem Männlichen oder an
einem Stück Vieh. R. Sch'^muel,' R. Abbahu (um 300), R. Ehazar (um 270) haben im
Namen des R. Chanina (um 225) gesagt: Wenn ein Noachide seiner Frau auf unnatür-
liche Weise beiwohnt, wird er getütet. Weshalb? Es heißt Gn 2, 24: „Er wird an seinem
Weibe hangen u. sie werden zu Einem Leib", an der Stelle (soll er an ihr hangen),
an der sie Einen Leib bilden. — Parallelstelle: GnR18(12'').
10, 6: Was nun Gott zusammengefügt hat.
P'^siq 11^: Eine Matrone fragte den R.Jose b. Chalaphta (um 150): In wieviel
Tagen hat Gott seine Welt geschaffen? Er antwortete: In sechs Tagen, s. Ex 31, 17:
In sechs Tagen hat Jahve den Himmel u. die Erde gemacht. Sie sprach : Und was
tut er seitdem? R.Jose antwortete: Er bringt die Ehepaare zusammen: die Tochter
von dem u. dem soll dem u. dem, das Geld von dem u. dem soll dem u. dem, das
Weib von dem u. dem soll dem u. dem gehören! — Das kann ich auch, versetzte
die Matrone. Wie viele Knechte u. Mägde habe ich! aber in einer kleinen Stunde kann
ich sie miteinander verbinden! R. Jose sprach: Mag dies leicht sein in deinen Augen,
vor Gott ist es so schwer wie das Spalten des Schilfmeeres. Darauf verließ er sie
u. ging fort. Was tat die Matrone? Sie nahm 1000 Knechte u. 1000 Mägde, stellte
sie reihenweise auf u. sprach: Der u. der soll die u. die heiraten; u. so verband sie
sie in Einer Nacht. Am nächsten Morgen kamen sie zu ihr: dem war der Kopf zer-
spalten; dem das Auge ausgerissen, dem der Fuß gebrochen; der sagte: Die will ich
nicht; u. die sagte: Den will ich nicht. Da sandte die Matrone hin u. ließ den R. Jose
b. Chalaphta kommen. Sie sprach zu ihm: Eure Tora ist Wahrheit, schön u. löblich
ist sie; alles, was du gesagt hast, hast du schön gesagt! — Habe ich es dir nicht
gesagt, entgegnete R. Jose, wenn es auch leicht ist in deinen Augen, vor Gott ist es
so schwer wie das Spalten des Schilfmeers! Parallelstellen: GnR 68 (43 1>); LvR8 (1 IQb);
NuR3 (139^'); TanchB ^z-.^z § 18 (8 b); Midr Sm 5 i? 13 (31b). |1 MQ 18^: Rab J^'huda
(t 299) hat gesagt, Sch<^muel (f 254) habe gesagt: Tag für Tag geht eine Himmels-
' Nach Bacher, pal. Amor.], 17, vermutlich = R. Sch^muel b. Chijja (b. J''huda,
um 300).
51*
804 Matth 19, 6. 7 (Nr. 1)
stimme aus, welche ruft: Die Tochter von dem u. dem soll dem u. dem, das Feld von
dem u. dem soll dem u. dem gehören. Aber vielleicht kommt ihm ein andrer mit
seinem Gebet zuvor?! So hörte einst Raba (f 3-52), wie ein Mann betete u. sprach:
Möge mir die u. die beschieden sein! Er sprach zu ihm: Bitte nicht also; wenn
sie dir bestimmt ist, so entgeht sie dir nicht; wenn aber nicht, so könntest du
Jahve verleugnen (weil er das Gebet nicht erhört hat). Nach diesem hörte er
ihn. wie er (im Gebet) sprach: Möge entweder er (sein Nebenbuhler) vor ihr oder
sie vor ihm sterben! Da sprach er zu ihm: Habe ich dir nicht gesagt, daß du
nicht also deswegen beten sollst? Rab (f 247) hat im Namen des R. Rauben
b. Aristobulos (um 150; s. Einl. 131 «) gesagt: Aus der Tora u. aus den Propheten u.
aus den Hagiographen läßt es sich beweisen, daß von Jahve das Weib dem Manne
wird. Aus der Tora, s. Gn 24, 50: Da antworteten Laban u. Bethuöl u. sprachen: „Von
Jahve ist dies au.sgegangen." Aus den Propheten, s. Ril4,4: „Sein Vater u. seine
Mutter merkten nicht, daß es von Jahve war." Aus den Hagiographen, s. Spr 19, 14:
„Haus u. Habe ist Erbteil von den Vätern, aber von Jahve kommt ein verständiges
Weib.« — Teilweise Parallelstelle GnR 68 (43b). \\ Sota 2^: R. Sch''muel b. Jicchaq
(um 300) hat gesagt: Wenn Resch Laqisch (um 250) den Abschnitt von der ver-
dächtigen Frau (Nu 5, 11 ff.) zu erklären begann, sagte er also: Man (d. h. Gott) gesellt
dem Menschen die Frau zu nur nach seinem Tun, s. Ps 125,3: Nicht wird ruhen die
Familie (Stamm) des Frevlers auf dem Erbteil der Gerechten. Rabbah bar bar Ghana
(um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 27'») habe gesagt: Sie zu verbinden, ist ebenso
schwer wie das Spalten des Schilfmeeres, s. Ps-68, 7: „Gott verhilft den Einsamen
zum Hausstand, er führt die Gefangenen zur Freiheit hinaus." (Der Midr denkt beim
letzten Satz an die Befreiung Israels aus Ägypten u. folgert daraus, daß neben diesem
Satz der andre steht, der von der Begründung der Familie handelt, daß beides, die
Stiftung einer Ehe u. das Spalten des Schilfmeers, gleich große Gotteswerke sind.)
Ist es denn so? Es hat doch Rab J'huda (f 299) gesagt, Rab (f 247) habe gesagt:
Vierzig Tage vor der Bildung des Kindes (im Mutterleib, also im Augenblick der
Empfängnis) geht eine Himmelsstimme aus, welche spricht: Die Tochter von dem u.
dem ist bestimmt für den u. den, das Haus von dem u. dem für den u. den, das Feld
von dem u. dem für den u. den! (Wie kann da also gesagt werden, daß der Mann
die Frau empfange nach dem Wert seiner Handlungen?) Das ist kein Widerspruch:
das eine (die Zuweisung der Frau durch die Bath-Qol in der Stunde der Empfängnis)
bezieht sich auf die erste Gattin; das andre (die Zuweisung der Frau nach Maßgabe
der Würdigkeit des Mannes) bezieht sich auf die zweite Gattin. Vgl. J^b 63'"*: R. El'azar
(um 270) hat gesagt: Was heißt Gn 2, 18: „Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm
entspricht"? Verdient er es, so hilft sie ihm; verdient er es nicht, so ist sie gegen
ihn. Einige sagen: R. EUazar warf die Frage auf: Es steht geschrieben Gn 2, 18:
';-;:2, u. wir sprechen es -n::: : verdient er es (ist er würdig), so ist sie ihm entsprechend
(ihn ergänzend, '-::':); verdient er es nicht (ist er unwürdig), so ist sie wie seine Geißel
(■r;j£ = •p-??': die ihn geißelt). Dasselbe zum Teil u. anonym GnR 17 (11'').
10, 7: Wozu nun hat Mose geboten, einen Scheidebrief
zu geben u. (sie) zu entlassen?
1. AVie hier die Anordnung des Scheidebriefes Dt 24, 1 als Beweis-
mittel gegen den Grundsatz der Unauflösbarkeit der Ehe verwandt
wird, so haben die Hilleliten ihre erleichternde Ehescheidungspraxis
gleichfalls auf Grund von Dt 24, 1 ff. den Schammaiten gegenüber zu
rechtfertigen versucht; vgl. Git9,10; SDt 24,1 §269 (122^'); pGit9,50",
27; bGitQO'' bei Mt5,32 S. 313f. Man darf daraus schHeßen, dafs die
Jesum Mt 19, 3 versuchenden Pharisäer zu den Anhängern Hillels
gehört haben. — Über Scheidebriefe s. beiMt5, 31.
Matth 19, 7 (Nr. 2. 3). 19, 8. 10. 12 0«) 805
2. Der Scheidebrief als göttliche Institution.
pQid 1, 58<^, 18: R. Jochanan (= Chanin oder Chanan) von Sepphoris (um 300)
[R. Acha R. Chanina]' hat im Namen des R. Sch'muel b. Nachman (um 260) gesagt:
Es heifst Mal 2, 16: ,Tch hasse Scheidung, spricht Jahve, der Gott Israels." Für Israel
habe ich die Ehescheidung eingesetzt, aber nicht für die Völker der Welt. R. Chananja '
liat im Namen des R. Pin''chas ' gesagt : Im ganzen Abschnitt r,-D-z (d. h. im ganzen Pro-
phetenbuch Maleachi) steht (immer) geschrieben: , Jahve der Heerscharen" (womit der
Gott der ganzen Welt bezeichnet wird), u. hier (Mal 2, 16) steht geschrieben: „Der Gott
Israels", um dich zu lehren, daß Gott seinen Namen nur mit den Ehescheidungen in
Israel verbunden hat (diese sanktionierend). Der letzte Satz mit den richtigen Namen:
„R. Acha im Namen des R. Chanina b. Papa" auch GnR 18 (12'^), s. bei Mk 10, 12.
3. Daß unter Umständen auch die jüdische Frau das Recht hatte, sich
von ihrem Manne scheiden zu lassen, s. bei Mt 5, 32 S. 318 u. Mk 1@, 12.
19,8: Mose hat erlaubt mit Rücksicht auf eure Hartherzigkeit.
1. Das Wort konnte, sobald ein Gegensatz zwischen Mose u. Gott
darin gefunden wurde, gar sehr zum Schlimmen ausgelegt werden.
SanhlO,!: Und dies sind die, welche keinen Anteil an der zukünftigen Welt
haben: wer sagt: Es gibt keine Auferstehung der Toten, und: Die Tora ist nicht von
Gott, u. der Freidenker (Epikureer). — Dazu Sanh 99 '^ Bar: „Das Wort Jahves hat er
verachtet . . . ausgerottet, ja ausgerottet werden soll diese Seele" Nu 15, 31; das ist
der, welcher sagt: Die Tora ist nicht von Gott (wörtlich: vom Himmel); u. selbst wenn
er sagte: Die ganze Tora ist von Gott mit Ausnahme dieses (oder jenes) Verses, den
nicht Gott, sondern Mose aus seinem eigenen Munde gesprochen hat, so gilt von ihm :
Das Wort Jahves hat er verachtet. Und selbst wenn er sagt: Die ganze Tora ist von
Gott mit Ausnahme dieser (oder jener) rabbinischen Forschung (Festsetzung), mit Aus-
nahme dieses (oder jenes) Schlusses vom Leicliteren auf das Schwerere, mit Ausnahme
dieses (oder jenes) Analogieschlusses, so gilt von ihm : Das Wort Jahves hat er verachtet.
2. Von einer ähnlichen Nachgiebigkeit der Tora gegenüber mensch-
licher Leidenschaft redet:
Qid21b Bar: Es heißt Dt 21, 11: „Wenn du unter den Gefangenen siehst", zur
Zeit der Gefangenschaft, „ein Weib", selbst auch ein verheiratetes, „von schöner Ge-
stalt"; die Tora sagt das lediglich mit Rücksicht auf den bösen Trieb (die geschlecht-
liche Leidenschaft): es ist besser, daß die Israeliten Fleisch von Tieren essen, die vor
dem Verenden abgeschlachtet wurden, als daß sie das Fleisch von verendetem Aas
essen. (Die Tora wählt von zwei Übeln das kleinere.)
1S>, }>: Wer sein Weib entläßt außer auf Grund von Hurerei . . .,
der bricht die Ehe, s. bei Mt5, 32.
11), 10: Es frommt nicht zu heiraten.
Das Ungewöhnliche dieses Wortes wird am besten empfunden, wenn
man bedenkt, daß die alte Synagoge das Heiraten des Mannes für ein
Pflichtgebot erklärt hat, s. bei Joh 2, 1 Nr. 1,
19, 12 5(: Es gibt Verschnittene, welche von Mutterleibe
so geboren sind.
svvovxoi sx xoiXiag jLit^iQog. — hn Rabbin. wird ein solcher nan o^-:p
genannt: „von der Sonne an kastriert, d. h. der schon von seiner Geburt
* Die Namen in der eckigen Klammer sind zu streichen; sie gehören in den nächsten
Satz, wo zu lesen ist : R. Acha (um 320) hat im Namen desR. Chanina b. Papa (um 300) gesagt.
806 Matth 19, 12 {%. »I
an Eunuch war", Levy-, 69'\ Nach andren rührt die Bezeichnung
daher, daß der Betreffende durch Hitze oder Fieber impotent wurde.
Gleichbedeutend mit rrcn oi-d ist a-^^^t; o-^no vom Himmel, d. h. von Gott
verschnitten J^b 75 '\ 80''; Raschi zur ersteren Stelle gibt unter andren
die Erklärung: verschnitten „vom Mutterleibe an" "idx •'s^^. Gegensatz:
der durch Menschen Verschnittene cnx öi"tf), s. 19, 12$B.
p.T'b 8, 9<^, 17: Wer ist ein von der Sonne an Verschnittener? R. Chijja (um 280)
bat im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Jeder, den die Sonne auch nicht eine
Stunde in Tüchtigkeit (Zeugungskraft) gesehen (beschienen) hat. || J^b 79^^: Wie ver-
hält es sich mit dem von der Sonne an Verschnittenen? Rab Ji^chaq b. Joseph (um
330) hat gesagt, R. Jochanan habe gesagt: Das ist der, der nicht eine Stunde in .seiner
Tüchtigkeit erlebt hat. Woran erkennt man es? Abaje (f 338/39) hat gesagt: Wenn
jemand uriniert, ohne dabei einen Bogen zu machen (d. h. ohne daß der AVasserstrahl
bogenförmig von ihm geht). Woher kommt das? Daher, daß seine Mutter in der
Mittagssonne Brot buk n. ein ungemischtes starkes Getränk trank. — J'^b 80'^ u. TJ®b
10, 6 (252) Bar: Wer ist ein von der Sonne an Verschnittener? Wer 20 Jahre alt ist,
ohne die beiden Haare (als Pubertätszeichen) gebracht zu haben; u. wenn er sie aucli
hinterher bringt, so gilt er doch in jeder Hinsicht als Verschnittener. Und das sind
die Merkmale: wer keinen Bart hat, u. dessen Haar dünn ist, u. dessen Körper glatt
(= unbehaart) ist. Rabban Schinvon b. Gamliel (um 140) sagte im Namen des R. J4iuda
b. Jair: Dessen Urin keinen Schaum macht. Andre sagen: Wer uriniert, ohne dabei
einen Bogen zu machen; andre: Dessen Samenausfluß matt (nicht zusammenhangend)
ist (s.Levy 1,517 sit); andre: Dessen Urin nicht übelriechend wird; andre: Wer in
der Regenzeit läuft, ohne daß sein Körper eine Ausdünstung hervorbringt. R. Schinvon
b. EHazar (um 190) sagte: Dessen Stimme schwach (fein) ist, so daß man nicht erkennen
kann, ob sie die eines Mannes oder einer Frau ist. — J^'b 80 fe: Der (von der Sonne an)
Verschnittene gleicht der Unfruchtbaren: wie die Unfruchtbare durch Gottes Hand
(unfruchtbar geworden ist), so auch der Verschnittene durch Gottes Hand.
19, 12 23: Verschnittene, welche von den Menschen
verschnitten wurden.
ivvovxoi vno Tö3r dv^Qomior. — Rabbin. r^x C"~p.
J^'bS, 4: R. J%oschuaE (um 90) sagte: Ich habe gehört, daß ein Verschnittener
die Zeremonie des Schuhausziehens an sich darf vollziehen lassen, u. daß man sie seine
Frau (an seinen Brüdern) vollziehen läßt; u. (wiederum habe ich gehört), daß weder
er sie an sich vollziehen lassen darf, noch daß man sie seine Frau vollziehen läßt;
u. ich weiß das nicht zu erklären. Da sprach R. fAqiba (f um 135): Ich will es er-
klären: ein von Menschen Verschnittener darf die Z. des Seh. an sich vollziehen lassen
u. man läßt sie seine Frau (an seinen Brüdern) vollziehen, weil er eine Zeit der (ge-
schlechtlichen) Tüchtigkeit gehabt hat (bevor er verschnitten wurde); ein von der
Sonne an Verschnittener läßt die Z. des Seh. nicht an sich vollziehen u. auch seine
Frau läßt man sie nicht vollziehen, weil er niemals eine Zeit (geschlechtlicher) Tüchtig-
keit gehabt hat. R. Elifezer (um 90) sagte: Nicht so; vielmehr der von der Sonne an
Verschnittene läßt die Z. des Seh. an sich vollziehen u. ebenso läßt man .sie seine Frau
vollziehen, weil es für ihn (vielleicht) eine Heilung gibt; der von Menschen Ver-
schnittene läßt die Z. weder an sich vollziehen, noch läßt man sie seine Frau voll-
ziehen, weil es für ihn keine Heilung gibt. Es bezeugte R. Jehoschuac b. Bathyra
(wann?) betreffs des Ben N^gussath, daß dieser als ein von Menschen Verschnittener
in Jerusalem gelebt, u. daß man seine Frau zur Leviratsehe zugelassen habe. Das
dient zur Bestätigung der Worte des R. lAqiba. |1 Zab 2, 1 : Durch geschlechtlichen Aus-
fluß werden alle unrein, auch Proselyten, auch Sklaven, sowohl freigelassene, als auch
nicht freigelassene, der Taubstumme, der Irrsinnige, der Minderjährige, der von Menschen
xMattL 19, 12 (SB. 6). 19, 13 (31) 807
Verschnittene, der von der Sonne an Verschnittene usw. — Eine ähnliche Aufzählung
in TMeg i?, 7 (223) : Alle sind zum Lesen der (Esther-) Rolle verpflichtet: Priester,
Leviten, Israeliten, Pioselyten, freigelasssene Sklaven, Entweihte (d. h. Söhne, die aus
der illegitimen Ehe eines Priesters stammten u. deshalb zum Priesterdienst nicht zu-
gelassen wurden), Tempelsklaven, Bastarde, ein von Menschen Verschnittener, ein von
der Sonne an Verschnittener usw. |i Das Verbot der Kastrierung fand man Lv 22, 24
ausgesprochen: Ein Tier, dem die Hoden zerquetscht, zerschlagen, abgerissen oder ab-
geschnitten sind, sollt ihr Jahven nicht darbringen. Dazu heißt es SLv 22, 24 (399-^):
,lhr sollt nicht darbringen"; da höre ich nur, dafs man es nicht darbringen soll (als
Opfer). Woher, daß man es nicht machen (die Kastrierung nicht ausführen) soll? Die
Schrift sagt lehrend Lv 22, 24: „In eurem Lande sollt ihr es nicht machen.* Da höre
ich nur von unversehrten Tieren, woher auch in bezug auf fehlerhafte? Die Schrift
sagt lehrend (ganz allgemein): „Ihr sollt nicht machen." Da höre ich nur vom Vieh
(= Haustiere), woher auch in bezug auf Wild u. Geflügel? Die Schrift sagt lehrend:
„In eurem Lande" (d. h. an allen Tieren, die in eurem Lande leben). Da höre ich nur
vom Lande (Israel), woher auch in bezug auf das Ausland? Die Schrift sagt lehrend
(ganz allgemein): „Ihr sollt nicht machen." Woher auch in bezug auf den Menschen?
Die Schrift sagt lehrend: „an euch", so nach den Worten des Ben Chabina (?). —
Wie die Schlußworte gemeint sind, zeigt Schab 110'* Bar: Woher, daß die Kastrierung
an einem Menschen verboten ist? Die Schrift sagt lehrend Lv22, 24: „In eurem
Lande sollt ihr es nicht machen", d. h. an euch sollt ihr es nicht machen; das sind
Worte des R. Chanina (?). („In eurem Lande" = an allem in eurem Lande, also auch
nicht an Menschen.)
19, 12 6: Verschnittene, die sich selbst um des Himmelreichs
willen verschnitten haben.
So blieb um der Tora willen einst Ben <Azzai (um 110) unverraählt. TJ'^b 8, 4 (250):
Ben EAzzai sagte: Wer sich nicht mit der Fortpflanzung befaßt, dem rechnet es die
Schrift so an, als ob er das (göttliche) Ebenbild verminderte; s. Gn 9, 6: In seinem
Bilde hat Gott den Menschen gemacht (u. darauf folgt Vers 7:) Ihr aber seid frucht-
bar u. mehret euch. Da sprach R. EUazar (b. t Azarja, um 100) zu ihm: Schön sind
Worte, wenn sie aus dem Munde ihrer Täter kommen; mancher trägt schön vor u.
hält (das Vorgetragene auch seinerseits) schön; Ben c'Azzai trägt schön vor, hält aber
nicht schön (da er unverheiratet bleibt)! Er antwortete: Was soll ich tun? Meine
Seele hängt an der Tora (u. der Beschäftigung mit ihr; da bleibt für die Ehe keine
Zeit); mag die Welt durch andre erhalten werden! — Dasselbe als Bar J'^b ßo^,
ferner GnR 34 (21 ^j.
1*), 13 51: Kindlein wurden zu ihm gebracht, damit er
ihnen die Hände auflegte u. betete.
Kinder treten vor ihren Vater, Schüler vor ihren Lehrer mit der
Bitte, daß er für sie bete, sie segne. Die Handauflegung dient dabei
zur Übermittlung des Segens.
Gn 20 (It)"'): Rabban Gamliel (um 90) verheiratete seine Tochter. Sie sprach zu
ihm: Mein Vater, bete für mich *;y -lu sax! Er sprach zu ihr: Möge es dir nicht
beschieden sein, hierher (in dein Elternhaus) zurückzukehren! Sie gebar einen Sohn;
sie sprach zu ihm: Mein Vater, bete für ihn •'isy '"^s. Er sprach zu ihr: Möge nie
der Weheruf in deinem Munde aufhören! Sie sprach zu ihm: Mein Vater, bei zwei
Freuden, die mir gekommen sind, hast du mir geflucht! Er antwortete: Zwei Gebets-
wünsche sind es gewesen: weil du dich wohlfühlen möchtest in deinem Hause, darum
(mein Wunsch:) möge es dir nicht beschieden sein, hierher (als geschiedene Frau)
zurückzukehren; u. weil dein Sohn am Leben bleiben möchte, darum (mein Wunsch:)
möge nie der Weheruf in deinem Munde aufhören: Wehe, daß mein Sohn nicht ge-
808 Matth 19, 13 («. SB). 19, 16 (Nr. 1. 2)
trunken hat! welie, Jafs mein Sobn nicht gegessen hat! wehe, daß mein Sohn nicht
in die Synagoge gegangen ist! i| Midr Ps 20 §9 (88'^): Rabban Gamliel (um 90) ging
einmal zu R. Chilpha b. Qaroja; der sprach zu ihm: Bete für mich "Vy '^VErr! Er
antwortete: Er gebe dir nach deines Herzens Wunsch, Ps 20, 5! || B^rakh 28'': Als
Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) erkrankt war, gingen seine Schüler zu ihm,
um ihn zu besuchen. . . . Sie sprachen zu ihm: Unser Lehrer, segne uns •:r"'a "j-s-!
Er antwortete ihnen: Es möge (Gottes) Wille sein, daß die Furcht vor Gott c"'^» k^ii
auf euch sei, wie die Furcht vor Fleisch u. Blut (— vor Menschen)! Seine Schüler
sprachen: Nur bis daliin (soll die Furcht vor Gott bei uns reichen u. nicht weiter)?
Er antwortete: 0, daß es so sein möchte! Wisset, wenn ein Mensch eine Übertretung
begeht, sagt er: Daß mich nur kein Mensch sieht! || M*'g 28''': Zur Zeit des Ablebens
des R. J^'hoschuac b. Qarcha sprach Rabbi zu diesem: Segne mich ":3"'i ! Er antwortete:
Es sei (Gottes) Wille, daß du die Hälfte meiner Lebenstage erreichst. (Jener sprach:)
Sie ganz nichtV Er antwortete: Sollen, die nach dir kommen, das Vieh weiden? (Wenn
du so alt würdest wie ich, würden deine Söhne zu spät zur Patriarchenwürde ge-
langen.) II Im Siddur S'^phath Emeth, Rödelheim 188ö, S. 44 heißt es: Der Minhag
(= Brauch) ist, am Sabbat u. Festtag (vor der Abendmahlzeit) seine Kinder (unter
Handauflegung) zu segnen, wobei man zu den Söhnen spricht: ^Es mache dich Gott
wie Ephraim u. Manasse" (vgl. Gn 48, 20), u. zu den Töchtern: „Es mache dich Gott
wie Sara, Rebekka, Rahel u. Lea!" Vgl. auch Trakt Soph 18, 5 bei Lk 2, 28. || Über das
Auflegen der Hände bei der Ordination der jüdischen Gelehrten s. bei Apg 6, (5 Nr. 1 u. r,.
19,13^: Diie Jünger aber schalten (bedrohten) sie.
K^th 6-3" u. N'd 50-': (Als R cAqiba nach vieljähriger Abwesenheit von seinem
Hause mit einer großen Schar von Schülern heimkehrte, gbig ihm seine Frau entgegen)
•fiel auf ihr Angesicht u. küßte seine Füße. Da wollten seine Diener (Jünger) sie fort-
stoßen. Er aber sprach zu ihnen: Lasset sie; das Meine u. das Eure. ist das Ihre (was
ich bin u. was ihr seid, verdanken wir ihr)!
19,14: Denn solcher ist das Himmelreich.
Zur Teilnahme der Kinder an der zukünftigen Welt s. bei Mt 18, 14 iB.
19,16: Wel ch esG u te SO 1 1 ich tun,damitjchewigesL eben erlange?
1. Berakh 28^ Bar: Als R. Elicezer (um 90) erkrankte, kamen seine Schüler, um
ihn zu besuchen. Sie sprachen zu ihm: Rabbi, lehre uns die Wege des Lebens, daß
wir auf ihnen das Leben der zuk. Welt erlangen ssn aV-yn —r:'? pa rrT:\ Er ant-
wortete : Geht behutsam um mit der Ehre eurer Genossen, haltet eure Kinder vom (bloßen)
Lesen (der Schrift) zurück u. lasset sie sitzen zwischen den Knieen der Gelehrtenschüler
(Selbststudium ohne die leitende Hand eines Lehrers führt leicht irre); u. wenn ihr
betet, wisset, vor wem ihr steht! So werdet ihr das Leben der zuk. Welt erlangen.
2, ^oyrj alohiog. — Die entsprechenden rabbin. Ausdrücke sind:
a. aV-y -;;rr (s. schon Dn 12, 2) = ewiges Leben ; Gegensatz r.yv -f- = Leben der flüch-
tigen Stunde, zeitliches Leben. Bepa \b^ sagt R. Elicezer (um 90) von denen, die die Lehr-
vorträge verlassen: ,Sie lassen das ewige Leben, um sich mit dem Leben der Stunde zu
beschäftigen." — Ebenso urteilt R. SchimJon b. Jochai, um 150, über Leute, die er mit
Landarbeit beschäftigt sieht Schab 33 1>; desgleichen Raba (f 352) über Rab Hamnuna
(um 290), als dieser lange Zeit im Gebet verweilt, statt sich mit der Tora zu be-
schäftigen Schab lO». — R. Jochanan (f 279) legt dies Urteil zwei Engeln in den Mund,
als er sich mit seinem Genossen llpha anschickt, das Torastudium aufzugeben Ta?an 21 =*;
doch ist hier ohne Änderung des Sinnes zu o'^iy hinzugefügt san, so daß der Gegen-
satz: „Leben der Stunde" u. „Leben der zukünftigen Welt" entsteht. — |i pMQ 3, 82 b, 59
folgert Rabban SchimSon b. Gamliel, um 140, aus der Berechtigung des Leidtragenden,
an der Sabbatmahlzeit teilzunehmen, dessen Verpflichtung, am Sabbat alle Gebote zu
Matth 19, 16 (Nr. 3). 19, 17 (?l. 8. g) 809
beobachten: „Das Leben der flüchtigen Stunde hast du ihm gestattet, mußt du ihm das
Leben der Ewigkeit (das in der Beobachtung der Tora liegt) nicht erst recht gestatten?"
b. Kzr: D^iy "i^r; = , Leben der zuk. Welt"; Gegensatz -jn nvy -^r; , Leben dieser
Welt". Beispiele im Exkurs: , Diese Welt, Tage des Messias u. die zuk. Welt."
3. nc( ax'l' Cf'^'i»' f^iohior. — Rabbinisch: xin üh'.v i^nb nzr; s. oben
.B«rakh 28''. — In demselben Sinn: N2n obirb r,z;: zB BB 10 ^' Bar: Wer
sagt: Dieser Sela? sei zu Almosen bestimmt, damit meine Kinder am
Leben bleiben u. damit ich die zukünftige Welt erlange Nnn zh'-jb i-!=it<c,
der ist ein vollkommener Gerechter. — Die Parallelstelle RH 4" liest
N^n abni-n "^nb; P's S": ., Damit ich ein Sohn der zukünftigen Welt werde."
11), 17 %: Was fragst du mich über das Gute?
Der Vers wird so zu deuten sein : Was fragst du mich noch nach dem
Guten ? Einer ist der Gute I Also ist die Befolgung seines Willens das Gute,
das du zu tun hast; — willst du zum Leben eingehn, halte die Gebote!
Die Tora u. ihre Beobachtung als das Gute schlechthin, zB AbothG, .3: Die Un-
sträflichen werden Gutes besitzen Spr28, 10. , Gutes" meint nichts andres als die Tora,
s. Spr4, 2: Einen guten Kauf habe ich euch gegeben, meine Tora verlasset nicht (so
der Midr). |1 B'Yakh 5^: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wenn es jemand möglich ist,
sich mit der Tora zu beschäftigen, u. er tut es nicht, so bringt Gott häfsliche u. ihn
erregende Leiden über ihn, s. Pso9, 3: Ich verstummte in Stille, ich schwieg vom Guten.
da ward mein Schmerz aufgeregt. Das „Gute" meint nichts andres als die Tora, s.
Spr4, 2 (wie oben). |! ?AZ 19'^: R. Alexandrai (um 270) rief aus: Wer wünscht Leben,
wer wünscht Leben? Da versammelten sich alle zu ihm u. sprachen: Gib uns Leben!
Er antwortete: Wer ist der Mann, der Leben begehrt? Behüte deine Zunge vor Bösem.
Weiche vom Bösen u. tue das Gute Ps 34, 13 — 15. Wenn etwa einer sagen wollte: Ich
habe meine Zunge behütet vor Bösem u. meine Lippen, daß sie nicht Trug redeten, nun
will ich mich dem Schlaf ergeben! so sagt lehrend die Schrift: Er weiche vom Bösen
u. tue das Gute! L"nd das „Gute" meint nichts andres als die Tora, s. Spr4, 2 (wie oben).
10, 17 23: Einer ist der Gute.
B^rakh 9.2: Über Regenfälle u. gute Nachrichten spricht man den Lobspruch: Ge-
priesen sei der Gute u. der Gütige s-va-i =vjr. || pChag 2, 77'", 5: (Als R. Meir, um 150,
die Nachricht erhielt, daß das Grab seines Lehrers, des Apostaten R. Elischa? b. Abuja,
in Flammen stehe, ging er hinaus u.) nahm seinen Mantel u. breitete ihn darüber u.
sprach (mit Ruth 3, 13): „Bleib diese Nacht hier", bleib in dieser Welt, die der Nacht
gleicht; „u. am Morgen", das ist die zukünftige Welt, die ganz Morgen ist; „wenn dich
der Gute erlösen will, so erlöse er" (so der Midr), das geht auf Gott, der gut ist, s.
Psl45, 9: Gut ist Jahve gegen alle. „Wenn er aber nicht Lust hat dich zu erlösen,
so werde ich dich erlösen, so wahr Jahve lebt!" Da erlosch das Feuer. — Dasselbe
Midr Ruth 3, 13 (135«); Midr Qoh 7, 8 (34='). || M'^n 53'^: (R. fEzra, um 400?, hat gesagt:)
Es komme der Gute u. empfange das Gute von dem Guten für die Guten. „Es komme
der Gute", das ist Mose, s. Ex 2,2: Sie sah, daß er schön (gut) war; „u. empfange das
Gute", das ist die Tora, s. Spr4, 2 (wie oben); „von dem Guten", das ist Gott, s.
Ps 145, 9 (wie oben); „für die Guten", das sind die Israeliten, s. Ps 125,4: Tue Gutes,
.Tahve, den Guten. || P^siq I6H: R. Schim?on b. Chalaphta (um 190) hat gesagt: Der
Freche besiegt (durch sein unaufhörliches Bitten) den Bösen, um wieviel mehr den
Guten der Welt (d. h. Gott). — pTafan 2, 65 b, 32 liest „die Güte der Welt".
19, 17(?: Wenn du willst in das Leben eingehn.
f^c r/r uj)i'i !-irrfk^(-n< = xnn zh-sh xi^. aram. irNi x-sbrV srN.
810 Mattli 19, 17 (0". 2)). 19, 18 (5( 1. 2)
Sanli QS'"^ fragt R. J'hoschuaf b. Levi (um 250) den Propheten Elias: a^'->:;h kj-px
-rs- „werde ich in die zukünftige Welt kommen?" — Hebräisch heißt es: z'^iyh y^z ]r.
ttzn , diese kommen in die zuk. Welt", zB Sanh 110l> (7 mal). ll Targ Ps 40, 8: ",-;V hhy
«•:'?>• = in das ewige Leben eintreten. Hebräisch o;::. So Aboth 4, 16: R. Ja?aqob (um
170) sagte: Diese Welt gleicht einem Vorzimmer vor der zuk. Welt; rüste dich im Vor-
zimmer, damit du in den Speisesaal (d.h. die zuk. Welt) eingehen mögest "?.:!?iö.
19,17 2): Halte die Gebote.
Über die Anzahl der Gebote (613) u. deren Einteilung in 365 Ver-
bote u. 248 Gebote s. den Exkurs: Was hat die alte Synagoge über den
göttl. Ursprung ihrer kanonischen Bücher gelehrt? Anm. 10.
1{), 18: Du sollst nicht töten (s. bei Mt 5,21).
1J>, 18: Du sollst nicht ehebrechen (s. bei Mt 5,27. 28; Rom 2.22).
19, 18 5(: Du sollst nicht stehlen.
1. Man unterschied drei Kategorien von Diebstählen, Erstens:
Täuschung (rrn rsn^:.-, wörtlich: „das Stehlen der Gedanken"), gleich-
viel ob der Täuschende dadurch Vermögensvorteil hatte oder nicht. —
Zweitens: Sachdiebstahl (fünf Unterabteilungen nach Maßgabe der
Straf höhe). — Drittens: Menschenraub.
TBQ 7,8 (358): Sieben Arten Diebe gibt es. Der erste von allen ist derjenige,
welcher die Gedanken der Menschen stiehlt (durch Täuschung), wer (zB) in einen andren
dringt, ihn als Gast bewirten zu dürfen, u. dabei gar nicht die Absicht hat, ihn ein-
zuladen ; oder wer ihm viele Geschenke macht u. dabei weiß, daß jener sie nicht an-
nimmt; wer für ihn (Wein-)Fässer aufmacht (um dem andren damit zu zeigen, wie sehr
er ihn ehre), obgleich sie (bereits) an den Händler verkauft sind (ihm also gar nicht
mehr gehören); wer unrecht handelt mit Maßen u. trügerisch mit Gewichten; oder wer
Rohr (lies rn-; statt m-;) mischt unter Fönnkraut u. Essig unter Öl. . . . Und nicht
bloß dies (daß er Menschen täuscht), man sieht ihn auch als einen solchen an, der,
wenn er den Höchsten täuschen könnte, es tun würde; denn jeder, der Menschen
täuscht, wird ein Dieb genannt, s. 2 Sm 15,7: ,So stahl Absalom das Herz der Israe-
liten" (d. h. er täuschte sie, führte sie hinter das Licht). — (Das. §11 u. 12:) Über
diesen (die mit Täuschung umgehen) steht (als ärgerer Dieb) «, der, welcher zum Nieß-
brauch Verbotenes stiehlt; er ist frei von Ersatzleistung; ß, wer Dokumente, Grund-
stücke u. Geheiligtes stiehlt; er bezahlt nur das Grundkapital (d. h. den Wert des ge-
stohlenen Gegenstandes ohne weiteren Zuschlag); ;', wer Vieh, Wild, Geflügel, Kleidung,
Früchte, geheiligte Gerätschaften oder das Erstgeborene eines Esels stiehlt; er zahlt
doppelten Ersatz (vgl. Ex 22, 3); cT, wer ein Rind stiehlt, es schlachtet u. verkauft;
er bezahlt das Fünffache; s, wer ein Schaf stiehlt; er bezahlt das Vierfache; s. Ex 21, 37:
Falls jemand ein Rind oder ein Schaf stiehlt u. schlachtet oder es verkauft, so soll
er fünf Stück Rindvieh statt des Rindes erstatten u. vier Stück Kleinvieh statt des
Schafes. — (Das. §13:) Über diesen steht derjenige, der andrer Leute Kind stiehlt;
denn er wird deshalb an seinem Leben bestraft (s. weiter unten). — Dasselbe mit Ab-
weichungen M%h Ex 22, 8 (95b). Die für „Täuschungen" beigebrachten Beispiele rühren
nach Chullin 94^* von R. Meir, um 150, her; anonym liest man sie pD'^mai 4, 24 ■', 52 ;
pfAZ 1,39^46. — Chullin94'* findet sich auch der Ausspruch Sch'^muels (f 254): Das
Täuschen der Menschen ist verboten, auch das Täuschen der Nichtisraeliten.
2. Die ältesten rabbin. Auslegungen, die wir vom 7. Gebot haben,
zeigen, daß man Ex 20, 15: „Du sollst nicht stehlen" nicht auf Sach-
diebstähle, sondern auf Menschenraub bezogen hat. Der Wortlaut nötigte
Matth 19, 18 (1t 2) 811
nicht dazu; er ist so allgemein gehalten, daß er Diebstahl jeglicher
Art unter sich befassen kann. Die Beschränkung auf Menschenraub
dürfte deshalb einer halakhischen Theorie zuliebe erfolgt sein. Wie ein
Israelit nur bestraft werden konnte, wenn die Tora für sein Vergehn
ausdrücklich eine Strafe festgesetzt hatte u. wenn er vor Begehung
seiner Tat ihretwegen verwarnt worden war, so forderte die Theorie
auch für die Verbote selbst den Nachweis aus der Tora, einmal, daß sie
in der Form einer Verwarnung, also als Verbote ausgesprochen seien,
u. sodann daß ihnen eine Straf bestimmung beigegeben sei. Nun findet
sich die Festsetzung der Strafe für Menschenraub Ex 21,16 u. Dt 24, 7;
aber für das ausdrückliche Verbot des Menschenraubes in Form der
Verwarnung schien die Tora keinen Beleg zu bieten. So entschloß man
sich, Ex 20,15 zu dieser Verwarnung zu machen; damit war dann die
Beschränkung von Ex 20, 15 auf Menschenraub von selbst gegeben. Da-
gegen sah man die Verwarnung betreffs des Sachdiebstahls in Lvl9,ll
u. die dazu gehörenden Straf bestimmungen Ex 21, 37 ff. gegeben.» —
Die Deutung von Ex 20, 15 auf Menschenraub läßt sich bis ins erste nach-
christl. Jahrh. zurückverfolgen. Denn sie tritt bereits im NT hervor,
nämlich 1 Tim 1,10, wo zwischen den Übertretern des 6. Gebotes {ttöqvoic,
aoGei'oxoicaic) u. den Übertretern des 8. Gebotes {ifi^vacaig, stiiöqxoiq) als
Übertreter des 7. Gebotes nur der Menschenräuber u. Menschenverkäufer,
aydQaTTodiaci]c, genannt wird.^ — Doch ist die Auslegung von Ex 20, 15
auf Menschenraub durchaus nicht die im Rabbinischen einzig u. allein
anerkannte gewesen. Die Haggada, die sich in freieren Formen als die
Halakha bewegt, hat die Stelle auch vom Sachdiebstahl verstanden, b
a. Wk\\ Ex 20, 15 (77b): ,üu sollst nicht stehlen" Ex 20, 15. Warum whd das ge-
sagt? Wenn es Ex 21, 16 heifst: „Wer einen Menschen stiehlt u. ihn verkauft, der soll
getötet werden", so hören wir von der Strafe. Woher läßt sich die Verwarnung (vor
Menschenraub) erweisen? Die Schx-ift sagt lehrend : Du sollst nicht stehlen! Siehe das
ist die Verwarnung für den Menschendieb (wörtlich: für den Seelendieb vzz a:-:;). Du
sagst für den M.dieb; oder nicht vielmehr für den Dieb von Geld? Wenn es Lvl9, 11
heißt: „Ihr sollt nicht stehlen", so ist das die Verwarnung für den Gelddieb; was will
also die Schrift lehrend sagen mit: „Du sollst nicht stehlen" Ex 20, 15? Die Schrift
redet vom M.dieb. Oder wäre etwa diese Stelle die Verwarnung für den Gelddieb u.
jene (Lv 1^, 11) die Verwarnung für den M.dieb? Wenn du es meinen wolltest, so geh
w. lerne es aus den 13 (exegetischen) Regeln (vgl. weiter unten). Drei Gebote sind an
dieser Stelle gesagt (nämlich: morden, ehebrechen, stehlen Ex 20, 13 — 15); zwei davon
sind (früher) erklärt u. das eine ist nicht erklärt; da lernen wir das nicht erklärte aus
dem erklärten: wie das erklärte (5. u. 6. Gebot) ein Gebot ist, dessentwegen man sich
der gerichtlichen Todesstrafe schuldig macht, so ist auch das nicht erklärte (das 7. Ge-
bot) ein Gebot, dessentwegen man sich der gerichtl. Todesstrafe schuldig macht. Darum
mußt du sagen, nicht wie es in dem letzten Ausspruch, sondern wie es in dem ersten
Ausspruch heißt: Diese Stelle (Ex 20, 15) ist die Verwarnung für den M.dieb u. jene
Stelle (Lv 19, 11) ist die Verwarnung für den Gelddieb. — Dasselbe mit geringen Ab-
weichungen M'kh Ex 21, 16 (87b); als Bar Sanh 86='; hier geht vorauf: Woher läßt sich
' Der Verfasser des 1. Timotheusbriefes ist hiernach jedenfalls ein Mann mit
rabbin. Schulung gewesen.
812 Matth 19, 18 (21 2)
die Verwarnung für den M.dieb erweisen? R.. Joschijja (IL, am 280) hat gesagt: Aus
den Worten: Du sollst nicht stehlen Ex 20, 15. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Aus
den Worten: Sie sollen nicht verkauft werden, wie man einen Sklaven verkauft Lv 25, 42.
Damit sind sie aber nicht verschiedener Meinung: der eine denkt an das Verbot des
Stehlens (Ex 21,16 u. findet die Verwarnung in Ex 20, 15), u. der andre denkt an das
Verbot des Verkaufens (Ex 21, 16 u. findet die Verwarnung in Lv 25, 42). — Mit den
18 Regeln, die oben erwähnt werden, sind die von R. Jischma?el (f um 135) für die
Auslegung des ATs aufgestellten 13 Normen (Middoth) gemeint, die eine Erweiterung
der 7 Middoth Hillels^ darstellen. Von diesen 13 Regeln ist es die 12., auf die das
obige M'kh.zitat Bezug nimmt; sie entspricht der 7. Regel Hillels u. lautet: -':"9- "^a-
-:-;v'3 „etwas, was aus seinem Zusammenhang zu erlernen ist". Diese Regel, auf Ex 20, 1 5
angewandt, ergibt folgende Schlußfolgerung: Ex 20, 15 steht im Zus. hang mit Ex 20,
13 u. 14. Die Übertretungen der Verbote in Ex 20, 13 f. werden mit dem Tode bestraft;
folglich muß auch Ex 20, 15 von einem Diebstahl handeln, auf den Todesstrafe gesetzt
ist. Das ist aber nicht der Gelddiebstahl, sondern nur der Menschendiebstahl nach
Ex 21, 16 u. Dt 24, 7. — Mit derselben Regel wird dann in der Bar Sanh 86 '^ bewiesen,
daß die Verwarnung betreffs des Gelddiebstahls in Lv 19, 11: „Ihr sollt nicht stehlen"
enthalten sei. Von dem Gelddieb redet die Stelle. Du sagst: Vom Gelddiebe; oder
nicht vielmehr vom M.dieb? Sage: Geh u. lerne von den 13 Regeln, nach denen die
Tora erklärt wird: „Etwas, was aus seinem Zus. hang zu erlernen ist"; wovon redet
die Schrift (Lv 19, 11)? Von Geld. Auch hier (in den Worten: Ihr sollt nicht stehlen
Lv 19,11) handelt es sich um Geld. — Kürzer SLv 19,11 (348 '^j: „Ihr sollt nicht stehlen"
Lv 19, 11. Was will die Schrift lehrend damit sagen? Da es heißt, daß man Gestohlenes
doppelt zu ersetzen habe, s. Ex 22, 3, so lernen wir daraus die Strafe. Woher die Ver-
warnung? Die Schrift sagt lehrend Lv 19, 11 : „Ihr sollt nicht stehlen!" Ihr sollt nicht
stehlen, um (den Bestohlenen nur) zu ärgern; ihr sollt nicht stehlen, auch nicht in der
Absicht, um doppelten oder um vier- u. fünffachen Ersatz zu leisten (also handelt
Lvl9, 11 vom Gelddiebstahl). — Die letzten Sätze auch pSanh 8, 261', 7; 11,30-', 15.
Voran geht in diesen Stellen folgende Frage: Woher läßt sich die Verwarnung in bezug
auf den ersten Diebstahl entnehmen? (Erster Diebst. ist der in der Tora zuerst Ex 20, 15
envähnte, d. h. Menschenraub.) Aus den Worten: „Du .sollst nicht stehlen" Ex 20,15.
Woher läßt sich die Verwarnung in bezug auf den zweiten Diebstahl (d. h. den Geld-
diebst.) entnehmen? Aus den Worten: „Ihr sollt nicht stehlen" Lv 19,11. || Ein Bei-
. spiel für die Deutung von Ex 20, 15 auf Menschenraub in der haggadischen Literatur
findet sich Pi^siqR 21 (107"): „Du hast mich beredet, Jahve, u. ich ließ mich über-
reden; du hast mich erfaßt u. wurdest übermächtig Jer 20, 7. Die Gemeinde Israel
sprach vor Gott: Herr der Welt, du hast mich beredet, bevor du mir die Tora gabst;
dann hast du das Joch der Gebote auf meinen Hals gelegt u. ich bin durch sie in Strafe
geraten. Wenn ich die Tora nicht angenommen hätte, wäre ich wie eine der Nationen,
ohne Lohn u. ohne Strafe. (Nun folgt die Anwendung dieser Gedanken auf jedes einzelne
Gebot; beim 7. Gebot heißt es dann:) Du hast mir gut zugeredet am Sinai:"" „Du sollst
nicht stehlen" Ex 20, 15, u. du hast mich erfaßt u. bist übermächtig geworden: „Wer
einen Menschen stiehlt . . ., der soll getötet werden" Ex 21, 16. (Auch hier sind Ex 20, 15
u. 21, 16 als zus gehörig gedacht wie Verwarnung u. Strafe.)* — AusTargOnk, Jeruschl
u. II läßt sich über die Auffassung von Ex 20, 15 u. Lv 19, 1 1 nichts entnehmen.
b. PesiqR21 (106'>): Warum wurden die 10 Gebote in der Einzahl gesprochen?
Weil die einzelnen sie verabsäumen (unbeachtet lassen). ... So hat das Gebot: „Du
sollst nicht stehlen" Akhan verabsäumt. (Das Gebot: „Du sollst nicht stehlen' wird hier
zu den 10 Geboten gerechnet, also handelt es sich um Ex 20, 15; Akhans Diebstahl
war nach Jos 7. 21 ft'. ein Sachdiebstahl; folglich hat man unsre Stelle Ex 20, 15 nicht
auf Menschenraub, sondern auf gewöhnlichen Diebstahl bezogen.) || PesiqR 21 (108'):
1 Vgl. Einl. S. 96— 100.
2 Ein weiteres Beispiel aus der Haggada s. Seder ElijR 24.
Mattli 19, 18 (312. 83) 813
Die 10 Gebote sind entsprechend den 10 Worten gesagt worden, durch die die Welt
geschaffen worden ist. (Es folgt der Nachweis im einzelnen; betreffs des 7. Gebotes
liiutet die Ausführung:) ,Du sollst nicht stehlen' Ex 20, 15 entspricht den Worten
Gn 1,29: „Siehe, ich gebe euch alle Samen tragenden Pflanzen" usw. Gott sprach:
Niemand unter euch soll seine Hand nach Diebstahl ausstrecken u. nach dem Geld des
andren, sondern nur nach dem, was zum herrenlosen Gut gehört, wie diese Pflanzen.
Auch hier ist das Verbot des Sachdiebstahls in den 10 Geboten, also in Ex 20, 15 aus-
gesprochen gefunden. II PesiqR21 (108 b): Die 10 Gebote sind entsprechend den 10 Piagen
gesagt worden, die Gott über die Ägypter in Ägypten gebracht hat. (In der Einzel-
ausführung heißt es dann zum 7. Gebot:) Das Verbot: „Du sollst nicht stehlen" ent-
spricht der Heuschreckenplage. Es heißt (von den Heuschrecken Joel2, 9): „Durch
die Fenster dringen sie ein, wie der Dieb." || Seder ElijR 24 (131): „Du sollst nicht
stehlen" Ex 20, 15; das hat Joseph gehalten, wie es heißt Gn 47, 14: Joseph brachte
alles Geld . . . zusammen für das Getreide . . . u. Joseph brachte das Geld in das Haus
des Pharaos. Eine andre Erklärung: „Du sollst nicht stehlen", das haben die Stamm-
väter gehalten; denn es heißt Gn44, 8: Wie sollen wir Silber oder Gold aus dem Hause
deines Herrn stehlen? j! pB^rakh 1, S*^, 9: Warum werden diese (Schemaf-)Abschnitte
täglich rezitiert? R. Levi (um 300) hat gesagt: Weil die 10 Gebote in ihnen enthalten
sind. . . . „Du sollst nicht stehlen", dem entspricht Dt 11,14: Du wirst „dein" Korn
einsammeln; aber nicht das Korn eines andren. || Aus der haggadischen Ausführung
Mekh Ex 20, 16 (78^) geht nicht mit Bestimmtheit hervor, ob Ex 20, 15 auf Sach- oder
Menschen-Diebstahl bezogen ist.
1*), 18 lö: Du sollst nicht falsches Zeugnis reden.
Mekh Ex 20, 16 (77l>j: „Du sollst gegen deinen Nächsten nicht als falscher Zeuge
aussagen" Ex 20, 16. Warum wird das gesagt? Wenn es Dt 19, 19 heißt: „Ihr sollt
ihm (dem Lügenzeugen) antun, wie er gedachte seinem Bruder es anzutun", so hören
wir die Strafe, aber die Verwarnung hören wir nicht. Da sagt die Schrift lehrend: Du
sollst gegen deinen Nächsten nicht als falscher Zeuge aussagen. |i Targ Jerusch I Ex 20, 1 6 :
Mein Volk, itir Kinder Israel, leget kein Zeugnis gegen eure Nächsten als Zeugen der
Lüge ab, nicht als Genossen u. nicht als Verbündete derer, die als Zeugen der Lüge
Zeugnis ablegen. Nicht sollen in der Gemeinde Israel Leute gesehen werden, die als
Zeugen der Lüge Zeugnis ablegen, damit nicht eure Kinder nach euch sich aufmachen
u. gleichfalls sich gewöhnen Gemeinschaft zu haben mit denen, die als Zeugen der
Lüge Zeugnis ablegen; denn wegen der Zeugen der Lüge entweichen die Wolken,
so daß kein Regen niederfällt, u. Dürre kommt über die Welt. — Dasselbe Targ
Jerusch II, doch mit den Schlußworten: Denn wegen der Zeugen der Lüge wird die
Regierung erregt gegen die Menschenkinder u. kommt Verbannung über die Welt. |i
P^siqR 21 (107 b): Die 5 letzten Gebote sind entsprechend den 5 ersten Geboten ge-
sagt worden: . . . Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen entspricht dem Gebot:
Gedenke an den Ruhetag, daß du ihn heiligest.' Gott spricht: Wenn du ein falsches
Zeugnis gegen deinen Nächsten ablegst, so rechne ich es dir so an, als ob du über
(gegen) mich bezeugtest, daß ich meine Welt nicht in sechs Tagen erschaffen u. am
siebenten nicht geruht habe. — Parallelstelle M'-'kh Ex 20, 16 (78«). i| P''siqR21 (108 '):
Die 10 Gebote sind entsprechend den 10 Worten gesagt worden, durch die die Welt
erschaffen wurde. . . . „Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen" entspricht dem
Wort: Gott sprach: Wir wollen Menschen machen Gnl,26. Gott sprach: Siehe, ich
habe dir deine Genossin (d. h. deine Seele) nach meiner Ähnlichkeit geschaffen, u. du
bist (mit ihr) verbunden worden, daß du meinem Bilde gleichst, so bezeuge wider
deinen Nächsten kein falsches Zeugnis! || P^siqR21 (!08b): Die 10 Gebote sind ent-
sprechend den 10 Plagen gesagt worden, die Gott über die Ägypter in Ägypten ge-
bracht hat. ... „Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen" entspricht der Finsternis-
plage. Gott sprach: Wenn dir dein Zeugnis nicht klar ist wie dieses Licht, so bezeuge
es nicht, j! P'^siqR 24 (125''): Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen. R. Sch^'muel
814 Matth 19, 18 (58). 19, 20 [%)
b. Nachman (um 260) hat gesagt: Wir finden, dafs Gott alles in seiner Welt erschaffen
hat mit Ausnahme der Lüge, die er nicht geschaffen, u. mit Ausnahme der Falschheit,
die er nicht gemacht hat. Vielmehr die Menschen haben sie in ihrem Herzen ersonnen,
s. Jes 59, lo: ,In sich aufnehmen u. ausstoßen aus dem Herzen Reden der Lüge." ||
Seder ElijR 24: „Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen"; haltet es, ,so seid ihr
meine Zeugen u. ich bin Gott" Jes 43, 12; übertretet ihr es aber, „was soll ich dir be-
zeugen, was soll ich mit dir vergleichen?" KL2, 13. \\ pB*'rakh 1, 3^,9: Warum werden
diese (Sch^maf-)Abschnitte täglich rezitiert? R. Levi (um 300) hat gesagt: Weil die
10 Gebote in ihnen enthalten sind. ... ,Du sollst gegen deinen Nächsten nicht als
falscher Zeuge aussagen", dem entspricht Nu 15, 41 : Ich bin Jahve euer Gott, u. Jer 10, 10:
Jahve Elohim ist Wahrheit (so der Midr). || Über die Ausfragung der Zeugen u. die Be-
strafung der falschen Zeugen s. bei Mt 26, 59.
19, 19: Ehre den Vater u. die Mutter (s. bei Mt 15,4; Eph 6, 2).
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (s. bei Mt5,43).
19, 20 5t: Dies alles habe ich beobachtet.
€(fv'lc('§cc = ^^i, aram. -rj;.
Daß der Mensch die Fähigkeit besitze, die Gebote Gottes restlos zu
erfüllen, stand den rabbin. Gelehrten so fest, daß sie allen Ernstes von
Leuten redeten, die die ganze Tora von A — Z gehalten hätten.
Aboth 3, 15: (R. fAqiba, f u»i 135, hat geöfigt:) Alles ist (von Gott) zuvorversehen,
die Freiheit ist (dem Menschen) verliehen (so daß er, wenn er will, Gottes Willen er-
füllen kann). i| GnR22(15"): R. Chanina b. Papa (um 300) hat gesagt: . . . Wenn du
sagen wolltest, der böse Trieb sei nicht in deiner Gewalt, so sagt die Schrift lehrend
Jes 26, 3: ,Er ist dir anvertraut" (so der Midr). Ferner habe ich dir längst in der Tora
geschrieben Gn4,7: Du sollst über sie (die Sünde) Herr sein. — Dasselbe mit fast
gleichen Worten unmittelbar darauf R. Simon (um 280). ü Joma 38 1>: R. Cliijja b. Abba
(um 2b0) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Wenn die Mehrzahl der Lebens-
jahre eines Menschen dahingegangen ist, ohne daß er gesündigt hat, so sündigt er
weiter nicht mehr; s. lSm2, 9: Die Füße seiner Frommen behütet er (Gott). In der
Schule des R. Schela lum 220) sagte man: Wenn die Gelegenheit zu einer Übertretung
dem Menschen Einmal, zweimal kommt u. er sündigt nicht, so sündigt er weiter nicht
mehr, s. (wie oben) 1 Sm 2, 9. Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Was heißt Spr3, 34:
,Wenn er (Gott) der Spötter spottet, so gibt er den Demütigen Gnade"? Will sich
einer verunreinigen, so eröffnet man (= Gott) ihm dazu die Möglichkeit; will einer
rein sein, so unterstützt man ihn dabei. — Joma 39-' Bar: „Ihr sollt euch nicht durch
sie (Kriechtiere) verunreinigen, so werdet ihr nicht verunreinigt werden" Lv 11,43.
Wenn sich ein Mensch ein wenig verunreinigt, so verunreinigt man (Gott) ihn viel;
wenn unten, so verunreinigt man (Gott) ihn von oben; wenn in dieser Welt, so ver-
unreinigt man ihn in der zukünftigen Welt. Bar: „Heiligt euch, so werdet ihr heilig
sein" (so der Midr Lv 11,44). Wenn sich ein Mensch ein wenig heiligt, so heiligt man
(Gott) ihn viel; wenn unten, so heiligt man ihn von oben; wenn in dieser Welt, so
heiligt man ihn in der zukünftigen Welt. — Der Ausspruch des Resch Laqisch auch
Schab 104^ fAZ55^ M*^n29''.
Schab 55=': R. Acha b. Chanina (um 300) hat gesagt: Gott sprach zu Gabriel: Geh
u. mache auf die Stirn der Gerechten ein Tav (Zeichen in Kreuzform) von Tinte, da-
mit die Engel des Verderbens über sie keine Gewalt bekommen, u. auf die Stirn der
Gottlosen ein Tav von Blut, damit die Engel des Verderbens über sie Gewalt be-
kommen (vgl. Ez9, 4). Da sprach die Eigenschaft der göttl. Gerechtigkeit vor Gott:
Herr der Welt, inwiefern sind denn diese von jenen verschieden? Er antwortete: Jene
sind vollendete Gerechte u. diese sind vollendete Gottlose. ... Es heißt Ez9, 6: „An
meinem Heiligtum sollt ihr den Anfang machen." . . . Rab Joseph (f 333) hat als
Matth 19,20(51) 815
tannaitische Tradition gelehrt: Lies nicht: „an meinem Heiligtum", sondern ,an meinen
Heiligen", das sind die Menschenkinder, die die ganze Tora gehalten haben vom Aleph
bis zum Tav (von A bis Z). . . . Und was bedeutet das Tav? R. Sch^'muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt: Das sind die Menschenkinder, die die ganze Tora gehalten haben
vom Aleph bis zum Tav. — Die Erklärung : vollkommene Gerechte sind die, welche die Tora
vom Aleph bis zum Tav gehalten haben, findet sich öfters, zB fAZ 4^*; Midr KL2, 1 (62-'').
Als solche, die die ganze Tora gehalten haben u. sündios durch das Leben ge-
gangen sind, galten die Erzväter, Elias, Hiskia, auch wohl Mose u. Ahron. Qid4, 14:
Von unsrem Vater Abiaham, Friede über ihn! heißt es Gn24, 1: Er war alt, hoch-
betagt u. Jahve hatte ihn mit allem gesegnet. Wir finden, daf3 Abraham, unser Vater,
die ganze Tora gehalten hat, ehe sie gegeben war, wie es heißt Gn 26,5: Zum Lohn
dafür, daß Abr. auf meine Stimme gehört u. das mir gegenüber zu Beobachtende be-
obachtet hat, meine Gebote, meine Satzungen u. meine Anweisungen. — lnJoma2Sb
Rab (t 247) als Autor. H BB 17'': Über drei hat der böse Trieb keine Gewalt gehabt:
über Abraham, Isaak u. Jakob; denn es heißt von ihnen: „mit allem" (segnete ihn
Jahve Gn 24,1), „von allem" (aß Isaak Gn 27,33) u. „alles" (hatte Jakob Gn 83, 11). (Der
Besitz von „allem" schließt auch die Freiheit vom bösen Triebe in sich.) || LvR27 (125'):
R. J'^huda (um 150) sagte: Wenn jemand zu dir sagen sollte: „Wenn der erste Mensch
nicht gesündigt u. von jenem Baum nicht gegessen hätte, würde er ewig am Leben
geblieben sein?" so antworte ihm: Das ist längst geschehen. Weil Elias nicht gesündigt
hat, lebt er fort in Ewigkeit. — Dasselbe Midr^Qoh 3, 15 (20^). j| pB'^rakh 4, 81^, 38:
, Hiskia wandte sein Angesicht zur Wand" Jes38, 2. Nach welcher Wand erhob er
seine Augen? Die Rabbinen sagten: Nach den Wänden seines Herzens (s. Jer4, 19)
erhob er seine Augen. Er sprach vor Gott: Herr der Welt, ich bin die 248 Glieder
durchgegangen, die du an mir gebildet hast, u. ich habe nicht gefunden, daß ich dich
mit einem von ihnen erzürnt habe; um wieviel mehr wirst du mir meine Seele (Leben)
schenken ! Parallelstellen : pSanli 10, 28 ", 1 2. 28 ; Midr Qoh 5, 6 (26 ») ; in B rakh 1 0 b fehlen
die Worte des Hiskia an Gott. II Schab 55'': R. Ammi(um 300) hat gesagt: Es gibt keinen
Tod ohne Sünde u. keine Leiden (Züchtigungen) ohne Schuld. „Keinen Tod ohne Sünde",
s. Ez 18,20: „Die Seele, die da sündigt, die soll sterben; ein Sohn soll nicht die Schuld
des Vaters tragen, noch der Vater die Schuld des Sohnes tragen; die Gerechtigkeit des
Gerechten wird über ihm sein u. die Bosheit des Bösen wird über ihm sein." „Keine
Leiden ohne Schuld", s. Ps 89, 38: „Ich will heimsuchen mit dem Stecken ihren Frevel u.
mit Plagen ihre Schuld." [Bis hierher auch in LvR 37 (133'^'.)] Man entgegnete: Die Engel
des Dienstes haben vor Gott gesagt: Herr der Welt, warum hast du den Tod über den
ersten Menschen verhängt? Er antwortete: „Ich habe ihm ein leichtes Gebot gegeben
u. er hat es übertreten! Sie sprachen: Sind denn nicht Mose u. Ahron, die die ganze
Tora gehalten haben, gestorben? Er antwortete: Ein Geschick trifft den Gerechten
wie den Gottlosen Qoh 9, 2. — Diese Antwort entspricht der Meinung jenes Mischna-
lehrers; denn in einer Bar heißt es: R. Schimfon b. EUazar (um 190) sagte: Auch Mose
u. Ahron sind wegen ihrer Sünde gestorben, wie es heißt Nu 20, 12: „Darum, daß ihr
nicht an mich geglaubt habt." Siehe, hättet ihr an mich geglaubt, so wäre eure Zeit
noch nicht gekommen von der Welt zu scheiden. — Man entgegnete: Vier sind infolge
des Rates der Schlange gestorben (nicht wegen ihrer eignen Sünde, sondern wegen des
durch die Schlange über die Menschheit gekommenen Todesgeschicks), nämlich: Ben-
jamin, der Sohn Jakobs, gAmram, der Vater Moses, Isai, der Vater Davids, u. Kiliab,
der Sohn Davids. Bei allen ist es traditionell mit Ausnahme Isais, des Vaters Davids,
von dem es die Schrift deutlich (ausdrücklich) sagt; s. 2Sm 17,25: „Absalom hatte den
f Amasa an Stelle Joabs über das Heer gesetzt, u. ?Amasa war der Sohn eines Mannes,
der Jithra der Israelit hieß, der zu Abigal, der Tochter des Nachasch, der Schwester
(y rujas, der Mutter Joabs, eingegangen war." Aber war sie denn die Tochter des
Nachasch? war sie nicht die Tochter Isais, s. 1 Ohr 2, 16: „Ihre (Davids u. seiner Brüder)
Schwestern waren y ruja u. Abiga'il"? Allein (die Stelle 2Sm 17,25 ist so gemeint:)
sie war die Tochter desjenigen, der infolge des Rates der Schlange (i'":) starb (d. h. sie
816 Matth 19, 20 (5t. SB). 19, 21 (?t)
war in Wirklichkeit die Tochter Isais, der 2 Sni 17, 25 aus dem angegebenen Grunde
•sT-.z genannt wird). Wessen Meinung ist das? W^enn du willst, sage: Die jenes Mischna-
lehrers über die Dienstengel, u. sie bezieht sich auf Mose u. Ahron. Aber nicht ent-
spricht es der Meinung des R. Schimfon b. Elfazar. Es ist daraus zu entnehmen, daß
63 einen Tod ohne Sünde u. Leiden ohne Schuld gibt. Der Einwand des R. Ammi
(s. oben) aber bleibt bestehn (ist nicht widerlegt). — Die Bar über die vier infolge des
Schlangenrates Gestorbenen auch BB 17". 1| Vgl. Midr Qoh 1, 8 (91'): R. Schim?on b. 0ha-
laphta (um 190) hat gesagt: Alle Güter, Segnungen u. Tröstungen, die die Propheten
in dieser Welt geschaut haben, haben sie für die Bußfertigen geschaut (nämlich, daß
diese sie dereinst empfangen sollen); dem aber, der nie eine Sünde sein lebelang ge-
sclimeckt hat, gilt Jes 64, 3: Kein Auge (auch kein Prophetenauge) hat gesehen, o Gott,
außer dir, was bereitet ist denen, die harren (so der Midi-). || Chag4'J: R. EUazar
(um 270) püegte zu weinen, wenn er an die Stelle kam: „Samuel sprach zu Saul:
Warum hast du mich aufgestört, mich heraufkommen zu lassen"?'' lSm28, 15. Wenn
Samuel der Gerechte sich vor dem Gericht fürchtete (da er meinte, vor den Richter-
stuhl Gottes zitiert zu Averden), um wieviel mehr gilt das dann von uns! Wie verhielt
sich das mit Samuel? Es heißt 1 Sm 28, 13: Das Weib sprach zu Saul: , Göttliche Er-
scheinungen aTt":5s sehe ich, wie sie heraufkommen." Wie „sie" heraufkommen; daraus
ist zu entnehmen, daß es zwei waren. Der eine war Samuel, u. der andre? Samuel
war nämlich gegangen u. brachte Mose mit sich. Er sprach zu ihm (Mose): Vielleicht,
was Gott verhüten wolle, werden wir vors Gericht gefordert; stehe bei mir, denn es
gibt kein Wort, das in der Tora geschrieben steht, das du nicht gehalten hast!
K«th 77 b: R. Chanina b. Papa (um 300) war des Todesengels Freund. Als seine
Seele zur Ruhe eiugehn sollte, sagte er zu diesem: Bringe das Torabuch u. sieh zu,
ob irgend etwas darin geschrieben steht, was ich nicht gehalten habe; s. die ganze
Stelle bei Mt 4, 1 S. 148 «. || In der Erzählung SanhlOl" (s. bei Mt 6, 2 S. 390) fragt
R. Eli?ezer (um 90) den R. ?Aqiba (f um 135): Habe ich irgend etwas von der ganzen
Tora nicht gehalten, so daß es durch Leiden gesühnt werden müßte? || T'^mura 115 "^
wird von einem Frommen erzählt, daß er nur Eine Sünde auf sich gehabt habe, die
darin bestand, daß er gegen die Worte der Gelehrten Kleinvieh (eine Ziege) im Lande
Israel gehalten hatte. || pTa?an 3, 66*', 35: Als feindliche Streifscharen in seine Stadt
kamen, nahm Levi b. Sisi (um 200) ein Torabuch, stieg zum Dach (Söller) empor u.
sprach: Herr der Welten, wenn ich Ein Wort von diesem Torabuch nicht befolgt habe,
so mögen sie eindringen; wenn aber nicht, so mögen sie abziehn! Alsbald wurde nach
ihnen geforscht, aber sie wurden nicht angetroffen.
10,20 58: Was fehlt (mangelt) mir noch?
Die Frage erinnert an jenen Sota 22'' charakterisierten Pharisäer,
welcher spricht: Was ist meine Pflicht, daß ich sie tue? u. dessen
eigentliche Meinung dann dahin gedeutet wird: Was ist noch meine
Pflicht, dafs ich sie tue niarxi in -^n^in rr:? Gut Raschi: „Was ist noch
zu tun, was ich nicht getan hätte? Er gibt sich selbst damit den
Anschein, als hätte er alles erfüllt" (die ganze Tora gehalten). Die
ganze Stelle s. im Exkurs: Die Pharisäer u. Sadduzäer Nr. 2, D, b.
10, 21 3(: Wenn du vollkommen sein willst.
-•^i "■'■:», vollendeter oder vollkommener Gerechter, häufig Gegensatz
zum vollkommenen Gottlosen n:-:;. rr-^. Jener ein Mensch, der die ganze
Tora von Aleph bis Tav gehalten habe; s. bei Mt 19, 20 51. Beispiele: RH
16'' (s. bei Mt 1. 19 S.50/) : ferner B«^rakh 7 ^> (mehrmals); 61 "^ (mehrmals) ;
lEr 21''; RH 17'' (mehrmals) ; Git 68'' ; Qid 40'' (mehrmals) ; ?AZ 4« ; Chul 89».
Matth 19, 21 (SB) 817
10,21 ^: Verkaufe deine Habe u. gib den Armen.
Das Darangeben der Habe als Prüfstein der Gottesliebe:
B®rakh61b Bar: R. Elifezer (um 90) sagte: Wenn es Dt 6, 5 heißt: So liebe denn
Jahve ,von deiner ganzen Seele", warum dann noch ,mit aller deiner Kraft"? Und
wenn es heißt ,mit aller deiner Kraft", warum dann noch „von deiner ganzen Seele"?
Allein wenn du einen Menschen hast, dem sein Leib (seine Person) lieber ist als sein
Geld, so heißt es „von deiner ganzen Seele" ; u. wenn du einen Menschen hast, dem
sein Geld lieber ist als sein Leib (seine Person), so heißt es „mit aller deiner Kraft"
{^ Habe). — Dasselbe P'-s 25».
Beispiele für die Hingabe des Vermögens um der Tora oder der
Armen willen.
P'^siq 178^: R. Jochanan (t 279) ging von Tiberias hinauf nach Sepphoris, indem er
sich auf die Schulter des R. Chijja b. Abba stützte. Sie kamen an ein Feldstück. Er
sprach: Das hat mir gehört, u. ich habe es verkauft, um mich mit der Tora beschäftigen
zu können. Sie kamen an ein Olivenfeld. Er sprach: Dies Olivenfeld hat mir gehört, u.
ich habe es verkauft, um mich mit der Tora beschäftigen zu können. Da fing R. Chijja
b. Abba an zu weinen u. sprach: Ich weine, weil du dir nichts für dein Alter gelassen
hast. Er antwortete: Chijja, mein Sohn, Chijja, mein Sohn, ist das gering in deinen
Augen, daß ich etwas verkauft habe, was in sechs Tagen erschaffen worden ist, s.
Ex 31, 17, u. dafür etwas erworben habe, was in 40 Tagen u. 40 Nächten gegeben worden
ist? s. Ex 34, 28: „Er war dort bei Jahve 40 Ta?8 u. 40 Nächte." Als R. Jochanan ent-
schlafen war, hat sein Zeitalter auf ihn HL 8, 7 angewandt: „Wenn einer den ganzen
Reichtum seines Hauses um die Liebe gäbe", mit welcher R. Jochanan die Tora geliebt
hat, „nur verachten würde man ihn"! — Dasselbe erweitert durch Hinzufügung eines
Weinbergs als dritten Verkaufsobjektes LvR 30 (127^); Midr HL 8, 7 {rSV>}; ExR 47
(102^); TanchB s-rn -r § 19 (60'^). H LvR 37 (138 <^): Es war einmal ein Mann, der zwei
Söhne hatte. Der eine von ihnen gab Almosen u. der andre nicht. Jener verkaufte sein
Haus u. alles, was er hatte, u. gab es weg als Almosen. Einmal gab ihm seine Frau
am Hoschasnatage (dem 7. Tag des Laubhüttenfestes) zehn Obolen, "'öVie, u. sprach:
Kaufe dafür deinen Kindern etwas vom Markt. Dort begegneten ihm die Almosen-
einnehmer. Sie sprachen: Siehe, da kommt der Almosenfreuud! Und zu ihm sprachen
sie: Gib deinen Teil für diese Almosensammlung; denn wir wollen ein s'^ip ' für eine
Waise kaufen. Er gab ihnen die zehn Obolen. Da er sich schämte nach Hause zu
gehn, ging er in die Synagoge. Dort sah er Überbleibsel von den Orangen (Ethrogim),
die die Kinder am Hoscha?natage zu zerbröckeln pflegen, wie wir gelernt haben (Sukka
4, 7): Sofort warfen die Kinder ihre Feststräuße (a'^'-) hin u. aßen ihren Ethrog. Er
nahm davon, füllte es in einen Sack u. trat eine Seereise an, bis er in die Hauptstadt
eines Königs kam. Dort traf es sich gerade, daß der König an Unterleibsbeschwerden
litt. Man sagte ihm als Heilmittel: Iß von jenen Orangen, mit denen die Juden am
Hoschasnatage beten, so wirst du genesen. Damals durchsuchte man alle Schiffe u. alle
Städte, fand aber dergleichen nicht. Man ging u. fand diesen Mann, wie er auf dem
.Sack .saß. Man sprach zu ihm: Hast du etwas bei dir? Er antwortete: Ich bin ein
armer Mann u. habe nichts zu verkaufen. Sie suchten im Sack nach u. fanden darin
von jenen Orangen. Sie fragten: Woher rühren diese? Er antwortete: Von denen, mit
welchen die Juden am Hoscha?natage beten. Man lud den Sack auf u. brachte ihn vor
den König. Der König aß jene Orangen u. genas. Darauf leerte man den Sack u. füllte
ihn mit Denaren. Der König sprach zu ihm: Sprich noch eine Bitte für dich aus, ich
will sie gewähren! Er antwortete: Ich bitte, daß mein Hab u. Gut (das ich verkauft
habe) mir wieder zuteil werde, u. daß alles Volk (meines Wohnortes) mir entgegenkomme
(bei meiner Rückkehr). Man tat ihm also. Als er nach jener Stadt kam, ging ein Herold
* Nach Matt. K'^hunna ein Schmuckgegenstand; Dalman will lesen aV-p = xoXoßiov,
eine Art Unterkleid.
strack u. Billerbeck, NT I. 52
818 Matth 19, 21 (SB). 19, 22 (Nr. 1)
vor ihm her, u. alles Volk zog ihm entgegen, auch sein Bruder u. dessen Kinder. Als
diese einen Fluß durchschritten, gerieten sie in eine Flußströmung, die sie fortschwemmte
(u. umkommen ließ). So kam es,^ daß er in sein Haus eintrat u. den Besitz seines
Bruders erbte, um zu erfüllen, was gesagt ist Hi 34, 11 : Des Menschen Tun vergilt er
ihm. II fAZ 64''»: Vor Rabbah b. Abuha (um 270) kamen einst Leute, zu denen er sagte:
Geht u. verkauft alles, was ihr habt, i:V p-^st ms Vr, u. dann werdet Proselyten. ||
Weitere Beispiele großer Wohltätigkeit s. im Exkurs: Die private Wohltätigkeit Nr. 3;
ebendaselbst Nr. 3 u. 4 auch über die Maximalhöhe der Almosen u. über den Lohn u. die
Verdienstlichkeit der Wohltätigkeit.
10,21: Du wirst einen Schatz im Himmel haben (s. bei Mt6, 19f. u. 1 Tim 6,19).
10,22: Er ging betrübt davon, denn er hatte viele Besitztümer.
1. Armut nach altjüdischer Anschauung ein sehr schweres Leiden.
ExR 31 (92^): Es gibt nichts Schwereres in der Welt als Armut; denn sie ist das
schwerste unter allen Leiden in der Welt, ünsre Lehrer haben gesagt: Alle Leiden
auf die eine Seite (gelegt) u. die Armut auf die andre Seite (so halten sie sich die
Wage). Willst du es erkennen, so komm u. sieh: als Satan Hiob vor Gott verklagte,
sprach er zu ihm 1, 9ff. : Du hast ihm Vermögen u. Kinder geschenkt u. du verschonst
sie. Hast du nicht selbst einen Zaun gezogen um ihn u. um sein Haus u. um alles
was er hat? Aber strecke doch deine Hand aus u. taste an alles was er hat! Da
sprach Gott zu Hiob: Was willst du, Armut oder Leiden? Hiob antwortete: Herr der
Welt, ich will alle Leiden, die es in der Welt gibt, auf mich nehmen, nur nicht Armut,
daß ich, wenn ich auf den Markt ginge, keine P^'ruta (kleinste Münze) in meiner Hand
hätte, um zu kaufen, was ich essen möchte. Als er nun mit Leiden gezüchtigt wurde,
was steht fla geschrieben? Er fing an zu schreien gegen die göttliche Gerechtigkeit,
s. Hi23, 3: 0 daß ich ihn doch anzutreffen wüßte! Da sprach Elihu zu ihm: Was
schreist du? Hast du nicht gesagt, daß du nicht Armut, sondern Leiden wolltest? Bist
du es nicht, der sich Leiden erwählt hat?, s. 36, 21 : ,Hüte dich, wende dich nicht zum
Unrecht, denn dies hast du erwählt vor Armut." Also ist die Armut das schwerste
unter allen Leiden. |[ BB 116^: R. Pin'^chas b. Chama (um360) hat öffentlich vorgetragen:
Schwerer ist Armut im Hause eines Menschen, als 50 Plagen; denn es heißt Hi 19, 21 :
, Erbarmt euch mein, erbarmt euch mein, ihr Freunde! Denn die Hand Gottes hat mich
getroffen." Da sprachen seine Freunde: „Hüte dich, wende dich nicht zum Unrecht,
denn dies hast du erwählt vor Armut" 36, 21. — Der Beweis ist so gedacht (s.Raschi):
die 10 Plagen sind durch Gottes , Finger" (Ex 8, 15) über Ägypten gebracht worden;
Gottes „Hand" mit 5 Fingern lastet dann auf Hiob so schwer wie 50 Plagen; u. doch
hat Hiob diesen den Vorzug gegeben vor der Armut, also diese noch ärger als 50 Plagen. i|
N^d64'^Bar: Vier werden einem Toten gleichgeachtet: der Arme, der Aussätzige,
der Blinde u. der, welcher keine Kinder hat. Der Arme, s. Ex 4, 19: Es sind gestorben
alle Männer, die nach deinem Leben trachteten. (Diese Männer sollen Dathan u. Abiram
gewesen sein; da diese aber noch zur Zeit Qorachs .lebten (Nu 16, 1), so erklärte man:
das „Sterben" wolle ausdrücken, daß sie in ihren Vermögensverhältnissen herunter-
gekommen waren, arm also = tot; so Resch Laqisch, um 250, N''d 64''.) Der Aussätzige,
s. Nu 12, 12: Nicht möge sie (Mirjam in ihrem Aussatz) gleich dem Toten werden. Der
Blinde, s. KL 3, 6: In Finsternisse setzte er mich, den ewig Toten gleich. Der, welcher
keine Kinder hat, s. Gn 30, 1: Gib mir Kinder; wenn nicht, so bin ich eine Tote (so
der Midr). — Parallelstelle: <AZ5'>. Ferner s. N^d 7b bei Nr. 3 Anm. c. || Be^a 32b:
Nathan b. Abba (um 270) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Wer auf den Tisch
andrer sehen muß, um den ist die Welt finster geworden, s. Hi 15,23: Er schweift
umher nach Brot: wo ist es? Er weiß, bereitsteht ihm zur Hand ein finsterer Tag.
* Matt. Kehunna vermutet nsrcs: = „er wurde erfunden als" (= so kam es, daß)
für "sras^ = so wurde er belohnt.
Matth 19,22 (Nr. 1—3) 819
Rab Chisda (t 309) hat gesagt: Auch sein Leben ist kein Leben. Bar: Dreier Leben
ist kein Leben; diese sind: wer auf den Tisch eines andren sehen mufs, über den sein
Weib herrscht u. über dessen Leib Leiden herrschen. Einige sagen : Auch der, der nur
Ein Hemde hat (u. infolgedessen von Ungeziefer geplagt wird). Und der erste Lehrer
meint: Er kann sein Gewand nachsehen (u. es von Ungeziefer säubern; deshalb ist der
Besitzer nur Eines Hemdes nicht zu denen zu rechnen, deren Leben kein Leben ist). ||
fEr41feBar: Drei Dinge lassen den Menschen sich hinwegsetzen über die eigne Meinung
u. über die Meinung seines Schöpfers (d. h. sie können ihn zur Verzweiflung bringen):
die Nichtisraeliten d-i;, ein böser Geist (Melancholie, Jähzorn u. dgl.) u. aufreibende
(den Menschen zermürbende) Armut. In bezug worauf folgt hieraus etwas? In bezug
darauf, daß man für sie um Erbarmen (vor Gott) flehen soll. Drei erblicken das An-
gesicht des Gehinnoms nicht: die durch Armut Zermürbten, die Unterleibsleidenden u.
die von der (heidnischen) Obrigkeit Verfolgten (so die Tosaphisten; Raschi: ,der, welcher
Gläubiger T'ta'is hat"). Einige sagen: Auch der, welcher ein böses Weib hat. Dereine
(der das böse Weib hier nicht in Betracht zieht) meint, es sei Pflichtgebot, ein böses
Weib (durch Scheidebrief) zu entlassen; u. der andre meint es für den Fall, daß die ihr
auszuzahlende Hochzeitsverschreibung sehr groß ist, oder auch, daß er Kinder von ihr
hatu. sie (deshalb) nicht entlassen mag. In bezug worauf folgt hieraus etwas? In bezug
darauf, daß man (jene Leiden) aus Liebe hinnehmen soll (als Sühnemittel, vgl. Raschi).
2. Eine gewisse innere Freiheit gegenüber äußerer Armut tritt in
folgenden Stellen hervor.
N*'d4n: Abaje (t 388/39) hat gesagt: Wir haben als Tradition überkommen : Es
gibt keinen Armen außer dem, der arm ist an Wissen. Im Abendland (= Palästina)
sagt man: Hat er dieses, hat er alles; hat er dieses nicht, was hat er? Erwarb er
dieses, was mangelt ihm? Erwarb er dieses nicht, was hat er erworben? — Das
palästinische Sprichwort in der Fassung: ,Hast du Wissen erworben, was mangelt dir?
Mangelt dir Wissen, was hast du erworben?" im Munde R. Levis (um 300) P'^siq 33*>;
NuR19(185'^); Midr Qoh 7, 23 (^T'*); TanchB rpn § 10 (Sö^*). || LvR 1 (105^): R. Tan-
chuma (um 380) eröffnete seinen Vortrag mit Spr 20, 15: ,Man hat Gold u. viele Perlen;
aber ein kostbar Gerät sind Lippen der Erkenntnis." Wie es auf Erden zu sein pflegt,
kann ein Mensch Gold u. Silber, Edelsteine u. Perlen u. alles Begehrenswerte u. Gute
in der Welt besitzen; hat er aber kein Wissen, welchen Besitz hat er? Das Sprichwort
sagt: Hast du Wissen erworben usw. — Dasselbe gekürzt TanchB s^p-'i § 2 (2"). i|
Midr Qoh 9, 16 (45b): Ich sprach: Besser ist Weisheit als Stärke; aber die Weisheit des
Armen ist verachtet Qoh 9, 16. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: War denn die Weis-
heit des R. fAqiba (f um 135), weil er arm war, verachtet? Vielmehr ist damit ein
Ältester (Gelehrter) gemeint, der dasitzt u. seine Worte armselig macht; ^ wie zB ein
Ältester, der sitzt u. vorträgt: „Ihr sollt die Person nicht ansehn im Gericht" Dt I, 17,
u. er selbst sieht die Person an; ,du sollst kein Geschenk annehmen" Dt 16, 19, u.
er selbst nimmt ein solches an; ,du sollst nicht auf Zins leihen" Lv 25, 37, u. er
selbst leiht auf Zins. . . . Daraus ist erwiesen, daß niemand arm ist, es sei denn
der, der seine Worte armselig macht (oder gefährdet). — In der Parallelstelle Midr
Ruth 1, 2 (124l>) wird der „Arme" erklärt: „das ist der, der sich durch seine Worte ver-
ächtlich macht" ■^T2. II Sanh 76'': Rab Kahaua (um 250) hat im Namen des R. fAqiba
(t um 135) gesagt: Du hast keinen Armen in Israel außer dem schlauen Bösewicht u.
dem, der seine mannbare Tochter warten läßt (ohne sie zu verheiraten, um ihre Arbeits-
kraft für sich selbst auszunützen). So wäre also der, der seine m. T. warten läßt, kein
schlauer Bösewicht? Abaje (f 338/39) hat gesagt: So hat er es gemeint: Welcher Arme
ist ein schlauer Bösewicht? Der, welcher seine m. T. warten läßt.
3. Abgesehen von etlichen abergläubischen Vorstellungen über das
Verarmen eines Menschen, a hat man die Armut meist für eine Schickung
1 Matt K*h ■SC'; ; Bacher, pal. Amor. 1, 236 vokalisiert ]tz-^ = „er bringt in Gefahr"
52*
820 Matth 19, 22 (Nr. 3)
Gottes b gehalten, die den Menschen trifft entweder als Strafe für be-
stimmte Übertretungen c oder zu seiner Prüfung u. Läuterung, d
a. P'slll^: Ein Haken (zum Daranhängen) im Haus ist schlimm für die Armut
(begünstigt das Verarmen), wie es im Sprichwort heißt: Wer den Brotkorb hochhängt,
hängt seine Nahrung hoch (verursacht sich selbst Mangel). Aber das hat man nur be-
treffs des Brotes gesagt; dagegen kommt bei Fleisch u. Fischen nichts darauf an, weil
es da üblich ist. Kleie im Haus (achtlos verschüttet) ist schlimm für die Armut; Brot-
krumen im Haus (achtlos umhergeworfen) sind schlimm für die Armut; in den Nächten
zu den Sabbaten u. zum Mittwoch weilen die Dämonen darauf. Der Engelfürst der
Nahrung führt den Namen Naqid (der Reine), der Engelfürst der Armut heißt Nabel
(der Schmutzige). Eine Schüssel auf der Öffnung eines Fasses ist schlimm für die
Armut. II Chul 10515 handelt speziell von umherliegenden Brotbrocken als Ursache der
Verarmung; s. im Exkurs über Dämonologie Nr. 6 Anm./". j. Schab 62b: K. Abbahu
(um 300) hat gesagt, nach andren hat man es in einer Bar gelehrt: Dreierlei bringt
den Menschen in Armut, nämlich wenn er vor seinem Bett nackt uriniert, wenn er
das Abspülen der Hände geringschätzt, u. wenn die eigene Frau ihm ins Gesicht flucht.
Wenn er vor seinem Bett nackt uriniert: Raba (f 352) hat gesagt: Das hat man nur
für den Fall gesagt, daß er sein Gesicht seinem Bett zuwendet; aber wenn er es nach
außen hin (d.h. vom Bett abgewandt) tut, so kommt nichts darauf an; u. auch von
dem, der sein Gesicht seinem Bett zuwendet, hat man es nur gesagt, wenn er auf die
Erde uriniert; aber wenn er ein Gefäß benützt, so kommt nichts darauf an. Wenn er
das Abspülen der Hände geringschätzt: Raba hat gesagt: Das hat man nur gesagt,
wenn er seine Hände überhaupt nicht wäscht; aber wenn er sie wäscht u. nicht wäscht
(d.h. nur so obenhin), so kommt nichts darauf an. Aber das ist doch nicht richtig!
Denn Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Ich wasche mich mit beiden Händen voll Wasser,
u. man (= Gott) hat mir beide Hände voll Gutes gegeben. Wenn die eigene Frau ihm ins
Gesicht flucht: Raba hat gesagt: Ihrer Schmucksachen wegen. Das gilt aber nur, wenn er
es dazu hat (ihr solche zu kaufen) u. es nicht tut. (Zugrunde liegt der Gedanke: Schmutz
macht arm; denn der Dämon der Armut heißt Schmutz '^2: u. haust im Schmutz.)
b. Qid4, 14: R. Meir (um 150) sagte: Immer lasse der Mensch seinen Sohn ein rein-
liches u. leichtes Handwerk lernen u. flehe zu dem, dem (aller) Reichtum u. (alles) Ver-
mögen gehört; denn es gibt kein Handwerk, in dem nicht Armut u. Reichtum sich findet;
denn die Arm^^t hängt nicht vom Handwerk ab u. auch der Reichtum hängt nicht vom
Handwerk ab, vielmehr richtet sich alles nach des Menschen Würdigkeit. — Parallel-
steilen: TQid 5,15(343); pQid4,66b,35; bQid 82l>.;ipesiq IIb. 12a: Eine Matrone fragte
den R. Jose b. Chalaphta (um 150). Was tut Gott seit der Weltschöpfung V R. B'rekhja
(um 340) hat gesagt, R. Jose b. Chalaphta habe ihr geantwortet: Er sitzt u. macht
Leitern; den einen läßt er emporsteigen u. den andren herab, den einen macht er
gering (arm) u. den andren reich; denn Gott ist ein gerechter Richter, den einen er-
niedrigt u. den andren erhöht er Ps 75, 8. — Parallelstellen: GnR68(43b); LvR 8
(UOb; HOC); NuR3 (139«'); TanchB rna« §9 (81»). — Der gleiche Gedanke TanchB
b"lSE»»: §8 (43a): Gott spricht (zum hartherzigen Reichen): Wisse, daß ich es bin, der
jenen arm u. dich reich gemacht hat; ich kann dich auch wieder einmal arm machen.
R. Nachman (um 400) hat gesagt: Sieh, was geschrieben steht Dt 15, 10: Geben sollst
du ihm, u. dein Herz sei nicht verdrießlich, indem du ihm gibst. Darauf aber heißt
es nicht: , damit (ii''3') Jahve dich segne", sondern: „Jahve wird dich segnen '^Vja
nrn "ia-ir." Was bedeutet V-^iz? Wisse, daß damit ein Rad "';:';? gemeint ist: ich habe
jenen arm u. dich reich gemacht; veranlasse mich nicht, das Rad zu drehen, daß ich
dich arm mache {r,Tn -zr-r, V';;:^: am Rade hängt diese Sache). — ExR31 (91*^): Ein
Rad ist in der Welt; nicht wer heute reich ist, ist auch morgen reich, u. wer heute
arm ist, ist nicht auch morgen arm ; vielmehr den einen bringt es hinab u. den andren
empor, s. Ps75, 8: Gott ist ein Richter, den einen erniedrigt er u. den andren erhöht
er. — Die Deutung des '-'-:z Dt 15, 10 auf das in der Welt sich drehende Glücksrad
Matth 19, 22 (Nr.3) 821
ist alt, sie wird bereits der Schule des R. Jischina?el (f um 135) zugeschrieben. So
Schab 151"^ Bar: R. Elfazar lia-Qappar (um 180) sagte: Immer bitte der Mensch um Er-
barmen gegen dieses Geschick (der Verarmung); denn wenn er selbst nicht hineingerät,
gerät sein Sohn hinein, u. wenn dieser nicht, so sein Sohnessohn; denn es heifst Dt 15, 10:
,Am Rade hängt die Sache" (so der Midr). In der Schule des R. Jischma?el ist ge-
lehrt worden: Ein Rad ist da, das sich in der Welt dreht. Rab Joseph (f 333) hat gesagt :
Wir haben durch Tradition empfangen, daß ein hervorragender Gelehrter iia^»: sa-is
nicht verarmt. Aber wir seilen es doch, daß (auch) ein solcher verarmt! Dann aber
geht er doch nicht (bettelnd) an den Türen umher. R. Chijja (wohl der Altere um 200)
sagte zu seiner Frau: Wenn ein Armer kommt, geh ihm mit Brot entgegen, damit
man deinen Kindern (gleicherweise) entgegenkomme. Sie spi'ach: Du fluchst ihnen!
Er antwortete: Es heißt Dt 15, 10: Am Rade hängt die Sache, u. in der Schule des
R. Jischmafel ist gelehrt worden: Ein Rad ist da, das sich in der Welt dreht. —
Parallelstellen zu den Aussprüchen des R. Elfazar ha-Qappar u. des R. Nachman: LvR 34
(131 "; 131''); Midr Ruth 2, 19 (133^). — Anders gewandt ist das Bild vom Rade LvR34
(131*^):. R. Nachman hat gesagt: Es heißt Dt 15, 10: ,Am Rade hängt die Sache.'' Diese
Welt gleicht einem Schöpfrade: das volle Gefäß wird geleert, das geleerte wird ge-
füllt. — Ebenso Midr Ruth 2, 19 (133»). || Über Reichtum als eine Gabe Gottes s. auch
bell Tim 6, 17.
C. Schab 33''' Bar: Vier Kennzeichen ■j-s's-o gibt es. Das Kennzeichen der ünzuchts-
sünde ist Wassersucht (d.h. diese ist die Strafe für jene); das Kennzeichen des grund-
losen Hasses ist Gelbsucht; das Kennzeichen des Hochmuts ist Armut, das Kennzeichen
der Verleumdung ist Bräune. || N*^d 7b: Rab (f 247) hat gesagt: Wer die Erwähnung des
göttlichen (Jahve-)Namens aus dem Munde eines andren hört, muß diesen in den Bann
tun, u. wenn er es nicht tut, so soll er selbst wie ein Gebannter sein; denn überall,
wo sich die Nennung des göttlichen Namens findet, da findet sich Armut, u. Armut
ist dem Tode gleich, wie es heißt Ex 4, 19: Es sind gestorben alle Männer, die nach
deinem Leben trachteten (s. N'd 64 b oben Nr. 1). |] Git 38^: Rabbah (f 330) hat gesagt:
Wegen dieser drei Dinge kommen Besitzer in ihren Vermögensverhältnissen herab:
wer seine Sklaven zur Freiheit entläßt (vgl. Lv 25, 46: Auf ewig a'-;^? mögt ihr durch
sie, d. h. die nichtjüdischen Sklaven, Sklavenarbeit tun lassen; ihre Freilassung wider-
spricht also dieser Anordnung). Ferner diejenigen, die am Sabbat ihre Güter durch-
suchen (mustern, was als Übertretung des Sabbatgebotes galt) u. diejenigen, die ihre
Sabbatmahlzeit ansetzen zur Zeit des Vortrages im Lehrhause (statt ins Lehrhaus zu
gehn). II LvR34 (131^): „Arme, Heimatlose führe in dein Haus" Jes58, 7; das sind
Besitzer, die in ihrer Ehre u. ihrem Vermögen heruntergekommen sind. Was hat es
ihnen verursacht, daß sie arm geworden sind? Weil sie nicht ihre Hände (^barmherzig)
den Armen entgegengestreckt u. weil sie nicht den Willen ihres Vaters im Himmel getan
haben. || Tanch c-üEr": 97 b; R. Schela (aus K'^phar T^marta, um 280) hat gesagt:
Komm u. sieh, was geschrieben steht: Verhärte dein Herz nicht u. verschließ deine
Hand nicht vor deinem armen Bruder Dt 15, 7. Was bedeutet „vor deinem Bruder''?
Es heißt nicht „vor dem Armen'', sondern „vor deinem Bruder"; beide (Reiche u. Arme)
sind gleich; verursache es dir also nicht selbst, daß du werdest, wie er ist. (Hart-
herzigkeit führt zur Armut.) || Midr Ps 7 § 1 1 (34i>j: R. Levi (um 300) hat gesagt: Als
Gott zu Noah sprach: Nimm zu dir immer zwei von jeder Art in den Kasten, da
kamen sie alle u. gingen hinein in den Kasten, s. Gn7, 15. Als sie zu Noah kamen,
gingen sie hinein, jedes mit seiner Genossin. Da kam die Lüge und wollte eintreten.
Noah sprach zu ihr: Du kannst nicht eintreten, es sei denn, daß eine Genossin mit
dir kommt. Die Lüge ging u. suchte eine Genossin. Da begegnete sie der Verarmung.^
Diese sprach zu ihr: Woher kommst du? Sie antwortete: Von Noah; denn ich ging u.
wollte in den Kasten eintreten, aber er ließ es nicht zu, es sei denn, daß ich eine
Genossin hätte; willst du, so sei meine Genossin! Die Verarmung sprach zur Lüge:
1 ^~~z , vgl. dazu Bacher, pal. Amor. 2, 308.
822 Matth 19, 22 (Nr. ?,. 4)
Was gibst du inir? Diese sprach: Ich will mit dir festsetzen, daß du alles in Empfang
nehmen sollst, was ich erwerbe. Danach gingen sie beide in den Kasten. Als sie aus
dem Kasten gegangen waren, brachte die Lüge zusammen u. die Verarmung nahm eins
nach dem andren in Empfang, aber nichts verblieb, auch nicht das geringste. Da ging
die Lüge zur Verarmung u. sprach: Gib mir, was ich erworben habe! Sie antwortete:
Haben wir nicht also miteinander vereinbart, daß ich alles, was du zusammenbringst,
empfangen soll? Sie konnte nichts dagegen vorbringen. Darum sagt das Sprichwort:
Was die Lüge erzeugt, das nimmt die Verarmung weg! — Die Schlußworte nach Raschi
zu Ps 7, 15. II Hierher gehört auch P'^siq 117»: R. Acha (um 320) hat gesagt: Die Israe-
liten müssen Johannisbrot nötig haben; dann tun sie Buße. R. fAqiba (f um 135) hat
gesagt: Schön ist die Armut für die Tochter Jakobs, wie ein roter Riemen am Halse
des Schimmels. — Erst die härteste Strafe, wie Armut, bringt Israel zur Besinnung
u. Umkehr; deshalb steht ihm Armut schön. Das Wort ist oft wiederholt, zB Chag 9l>;
LvR13(114b); 35(132^); Midr HL 1, 4 (86b).
d. Ex 31 (Gl'^): Wohl dem Menschen, der in seiner Versuchung besteht; denn es
gibt keinen Menschen, den Gott nicht versuchte. Den Reichen versucht er, ob seine
Hand den Armen sich öffne, u. den Armen versucht er, ob er Leiden (Züchtigungen)
hinnehme ohne Murren, s. Jes58, 7: „Arme, Heimatlose führe in dein Haus." Wenn
der Reiche in seiner Versuchung besteht u. Wohltätigkeit übt, so genießt er seinen
Reichtum in dieser Welt, während das Stammkapital (der Hauptlohn) ihm anstehen
bleibt für die zukünftige Welt. u. Gott bewahrt ihn vor dem Gehinnomgericht, s. Ps41,2:
„Wohl dem, der gegen den Elenden billig handelt, am Tage des Unglücks (nach dem
Midr = am Gerichtstage) wird ihn Jahve erretten." Und wenn der Arme in seiner Ver-
suchung besteht u. sich nicht auflehnt, so empfängt er in der Zukunft Doppeltes,
8. Ps 18, 28: „Dem armen Volk hilfst du." Von wem lernst du das? Von Hiob, der
in dieser Welt gezüchtigt wurde, u. Gott ersetzte ihm Doppeltes, s. Hi 42, 10. Aber
wenn des Reichen Auge mißgünstig ist, so schwindet er u. sein Vermögen aus dieser
Welt, s. Qoh 5, 18: „Es geht zugrunde solcher Reichtum durch einen schlimmen Zufall",
weil sein Auge mißgünstig ist gegenüber den Almosensammlern. — Dasselbe Tanch
n-uEcis 94b. Ij Midr Ps 5 § 2 (26a): R. Chanin b. Ada (Adda) » hat gesagt: Die Tora sagt:
„Länge der Tage ist in ihrer Rechten, in ihrer Linken Ehre u. Reichtum" Spr 3, 16.
Wenn die Söhne der Armen sich in ihrer Armut mit der Tora beschäftigen, so lasse
ich sie 310 Welten besitzen, s. Spr 8, 21 : „Um denen, die mich lieben, reelles Gut (».":)*
zukommen zu lassen u. ihre Schatzkammern zu füllen." Und warum sind sie arm in dieser
Welt? Damit sie sich nicht mit eitlen Dingen befassen u. (darüber) die Tora vergessen;
denn man muß sein Handelsgeschäft dahintenlassen u. sich mit der Tora beschäftigen,
da die Tora allem voraufgegangen ist, s. Spr. 8, 22: „Jahve hat mich (Weisheit = Tora)
geschaffen als den Anfang seines Weges, als frühestes seiner Werke, vorlängst.
4. Bei der Einschätzung der Armut als drückendste Last kann es
nicht überraschen, wenn häufig die Frage in den Vordergrund sich
schiebt, wie der Mensch der Armut entgehn u. zu Reichtum gelangen
mag. In welcher Richtung sich dabei die Gedanken bewegt haben,
zeigen die nachfolgenden Stellen.
LvR22 (120"^): „Das Überflüssige der Erde gehört mit zum Weltall" (so der Midr
Qoh 5, 8). R.J^'huda (um 150) hat gesagt: Selbst die Dinge, die du als überflüssig für
die Welt ansiehst, auch sie gehören zum Weltall, zum Bestände' der Welt: der Bast,
um Stricke daraus zu machen; die Blätter (der Palme), um Siebe'' daraus zu flechten.
* Wenn = Chanina b. Idi, dann gegen 300; s. Bacher, pal. Amor. 3, 555.
* D-, dem Zahlenwert nach = 310, wird hier, wie auch sonst mehrfach, = 310 Welten
gedeutet.
' Lies mit Midr Qoh 5, 8 ir^'in statt •r'"ir.
* Vgl. hierzu Bacher, Tann. 2, 265.
Matth 19, 22 (Nr. 4) 823
,Ein König ist dem Felde dienstbar" (das.): selbst wenn einer ein König wäre u. von
einem Ende der Welt bis zum andren herrschte, dem Felde ist er dienstbar. Hat das
Land Ertrag gebracht, so ergeht es ihm gut; hat es keinen Ertrag gebracht, so hat er
nichts. Deshalb: ,Wer Silber liebt, wird Silbers nicht satt" (das. Vers 9); wer den
Mammon liebt, wird des Mammons nicht satt; denn wer nach dem Mammon rennt u.
jagt u. keinen Landbesitz hat, was hat er für Nutzen? — R. Jischma?el (Sch®muel)
b. Tanchum u. R. Chanin b. ß^rekhja haben im Namen des R. Jirm^ja (um 320) gesagt:
Es heißt Ez27, 29: „Absteigen werden von ihren Schiffen alle, die das Ruder hand-
haben; die Seeleute, alle Segler des Meeres werden aufs Land treten." Wissen wir
denn nicht, daß sie ans Land treten (wozu muß das erst gesagt werden)? Allein es
ist so gemeint: Wenn das Schiff eines Menschen im Meer untergegangen ist u. er hat
Landbesitz, so kann er sich auf die Erde stellen (hat an seinem Lande eine sichere
Existenzbasis); hat er aber keinen Landbesitz, so gibt es keine größere Nichtigkeit als
diese. — Dasselbe mit Abweichungen im einzelnen Midr Qoh 5, 8 (26*). Vgl. auch J'^b 63* :
R. EUazar (um 270) hat gesagt: Wer keinen Landbesitz hat, ist kein Mensch, s. Psll5, 16:
Der Himmel ist Himmel für Jahve u. die Erde hat er den Menschenkindern gegeben. . . .
R. Elfazar hat gesagt: Dereinst werden alle Gewerbetreibende sich auf Landbesitz
stellen, s. Ez 27,29 (wie oben). — Ein andres Urteil des R. Elfazar über die Einträglichkeit
der Landwirtschaft s. im nächsten Zitat. || J'^b 63^*: R. Elfazar hat gesagt: Es gibt kein
weniger einträgliches Gewerbe, als der Landbau ist; denn es heißt Ez27, 29 (s. oben):
,Sie werden herunterkommen" (so der Midr ifi^i). R. Elfazar sah ein Feld, auf welchem
Kohl der Breite nach (auf den Beeten) gepflanzt war; er sprach: Auch wenn man dich
der Länge nach pflanzte, das Betreiben eines Handelsgeschäftes ist besser als du! —
Rab (t 247) ging zwischen Ährenfeldern ; er sah, wie sie wogten; er sprach: Wenn du
auch noch so sehr wogst, das Betreiben eines Handelsgeschäftes ist besser als du! —
Raba (f 352) hat gesagt: Bei lOOZuz in einem Handelsgeschäft gibt es täglich Fleisch
u. Wein; bei 100 Zuz im Landbau gibt es Salz (oder Melde) u. Grummet; u. nicht bloß
dies, es läßt ihn auch auf der Erde schlafen (zur Bewachung der Früchte) u. verursacht
ihm Händel. ^ Rab Papa (f 376) hat gesagt: Säe (selbst aus) u. kaufe (deine Nahrungs-
mittel) nicht; auch wenn es sich gleichbliebe (die Selbstgewinnung der Früchte sich
nicht billiger stellte, als ihr Einkauf auf dem Markt), es haftet ein Segen daran. Ver-
kaufe (was du hast u. treibe mit dem Erlös Handelsgeschäfte), so wirst du nicht
herunterkommen. Das bezieht sich auf Polster; aber ein Mantel möchte für ihn nicht
mehr angetroffen werden (darum verkaufe man einen solchen, der das Ehrenkleid ist,
nicht). Stopfe zu (ein Loch in der Wand), aber nimm keinen Reparaturbau vor; nimm
einen Reparaturbau vor (wenn es nicht anders möglich ist), aber keinen Neubau; wer
sich auf Bauen einläßt, verarmt. Springe zu u. kaufe Land; aber zögere, wenn du ein
Weib nimmst. Steige eine Stufe herab, wenn du ein Weib nimmst; steige eine Stufe
empor, wenn du einen Freund wählst. — Der Satz: „Bauen macht arm" auch Sota 1 1 -'. ||
Sanh58b: R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Der Landbesitz (u. seine Bewirtschaftung)
ist den Männern des Arms verliehen, s. Hi 22, 8: Der Mann des Arms — ihm gehört
das Land! Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Was besagt Spr 12,11: „Wer seinen
Acker bebaut taiy, wird reichlich Brot haben"? Wenn sich der Mensch selbst gleichsam
zum Sklaven nass seines Landes macht, wird er reichlich Brot haben; wenn aber nicht,
wird er nicht reichlich Brot haben. — Beide Worte wollen die Unverträglichkeit des
Landbaues, der einen ganzen Mann erfordert, mit dem Torastudium hervorheben. ||
LvR 3 (106*^): R. Ji^chaq (um 300) eröffnete seinen Vortrag mit Qoh 4, 6: „Besser eine
Hand voll Ruhe, als beide Fäuste voll Mühe u. windigen Strebens." Besser daran ist
der, der zehn Goldstücke hat u. damit Handel treibt u. sich davon ernährt, als der,
welcher hingeht u. auf Zins entleiht. Im Sprichwort sagt man: Wer ein Darlehn gegen
Zinsen nimmt, verliert das Seine u. auch das, was ihm nicht gehört (sondern dem
Gläubiger). Vielmehr „windiges Streben" ist sein Wunsch, Geschäftsmann genannt zu
werden. — Besser daran ist der, welcher hingeht u. arbeitet u. Almosen von dem
Seinigen gibt, als der, welcher hingeht u. raubt u. erpreßt u. Almosen gibt von dem,
824 Matth 19,'82 (Nr.4)
was andren Leuten gehört. Im Sprichwort sagt man: Sie buhlt für Äpfel u. verteilt
(den Buhlerlohn) an Kranke. Vielmehr , windiges Streben" ist sein Wunsch, ein Barm-
herziger (Bar-Mi^va hier = Almosenspender) genannt zu werden. — Besser daran ist
der, welcher einen Garten hat u. ihn düngt u. behackt u. sich von ihm nährt, als der,
welcher die Gärten andrer um die Hälfte (des Ertrags) übernimmt. Im Sprichwort sagt
man : Wer Einen Garten pachtet, kann Vögel (Geflügel) essen, wer aber (viele) Gärten
pachtet, den essen die Vögel. Vielmehr , windiges Streben" ist sein Wunsch, ein Besitzer
von Anwesen genannt zu werden. — Dasselbe anonym mit Abweichungen Midr Qoh 4, 6
(23"). II Chul 84": R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer reich werden will, befasse sich
mit Kleinvieh. Rab Ciiisda (f 309) hat gesagt: Was besagt Dt 7, 13: „Die Anzucht
ri-irv-j deiner Schafe"? Daß sie ihre Besitzer reich machen, n^»yi2. || Daselbst 84 '^:
R. Jochanan hat gesagt: Wenn einer, dem sein Vater Geld hinterließ, es durchbringen
will, so kleide er sich in Gewänder von Leinwand u. bediene sich gläserner Gefäße u.
miete Arbeiter u. weile nicht bei ihnen. || Nidda 70 ^ Bar: (Zwölf Fragen legten die Leute
von Alexandria dem R. Jehoschuaf b. Chananja, um 90, vor; davon lautet die eine:) Was
soll der Mensch tun, damit er reich werde? Er antwortete: Er treibe viel Handel u.
kaufe u. verkaufe in Redlichkeit! Man sprach zu ihm: Viele haben also getan u. es hat
nichts geholfen; vielmehr er bitte um Erbarmen den, dem der Reichtum gehört, s. Hag
2, 8: „'Mßin ist das Silber u. mein das Gold." Was will uns das lehren? Daß das eine
ohne das andre nicht genügt. (Bete und arbeite!) || BM42''': R. Jicchaq (um 300) hat
gesagt: Immer finde sich das Geld des Menschen in seiner Hand, s. Dt 14,25: , Fasse
das Geld in deiner Hand zusammen." Ferner hat R. Jicchaq gesagt: Immer drittele der
Mensch seine Gelder: ein Drittel für Landbesitz, ein Drittel für Handelsgeschäfte u. ein
Drittel sei unter seiner Hand (jederzeit ihm zur Verfügung stehend). Vgl. BM 107":
(R. Jochanan, f 279, hat gesagt:) „Gesegnet bist du auf dem Felde" Dt 28, 3; deine
Güter sollen gedrittelt sein; ein Drittel in Getreide, ein Drittel in Olivenbäumen u. ein
Drittel in Weinstöcken (schlägt die eine Fruchtgattung fehl, so gleichen die andren den
Schaden aus). 1! P'^s 49": R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wenn eine Priestertochter einen
(gewöhnlichen) Israeliten heiratet, so gilt ihre Verbindung nicht als schön. Wie verhält
es sich damit? Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Sie wird entweder eine Witwe oder eine
Geschiedene, oder sie bleibt ohne Nachkommen. In einer Bar ist gelehrt worden: Er
begräbt sie oder sie begräbt ihn oder bringt ihn in Armut. Wirklich? R. Jochanan hat
doch gesagt: Wer reich werden will, der hänge sich an den Samen Ahrons; um so mehr
werden ihn Torastudium u. Priesterscliaft reich machen. Das ist kein Widerspruch: in
dem einen Fall handelt es sich um einen Gelehrtenschüler, in dem andren um einen
fAm ha-are9 (Gesetzesunkundigen). . . . Rab Papa (t 376) hat gesagt: Wenn ich nicht
eine Priestertochter geheiratet hätte, wäre ich nicht reich geworden. || BM 59": R. Ghelbo
(um 300) hat gesagt: Immer sei der Mensch bedacht auf die Ehrung seines Weibes;
denn es findet sich Segen im Hause des Menschen nur wegen seiner Frau, s. Gn 12, 16:
Abram tat er Gutes um ihretwillen. Das ist es, was Raba (f 352) den Leuten von
Machuza gesagt hat: Ehret eure Frauen, damit ihr reich werdet, jj Sanh 92": R. El?azar
(um 270) hat gesagt: Jeder Mensch, der Wissen hat, wird schließlich reich werden, s.
Spr 24, 4: Durch Wi.ssen werden die Kammern gefüllt mit allerlei kostbarer u. lieblicher
Habe. || BB25'^: R. Ji9chaq (um 800) hat gesagt: Wer weise werden will, der wende
sich (beim Gebet) nach Süden, u. wer reich werden will, wende sich nach Norden. Als
Merkmal können dir dienen der Tisch (im Heiligen des Tempels) im Norden u. der
Leuchter im Süden. R. J^ioschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Immer wende man sich
nach Süden; denn dadurch, daß man weise wird, wird man reich, s. Spr 8, 16: In ihrer
(der Weisheit) Linken ist Ehre u. Reichtum. i| Aboth 4, 9: R. Jonathan (um 140) sagte:
Wer die Tora in Armut hält, wird sie schließlich in Reichtum halten, u. wer die Tora
im Reichtum vernachlässigt, wird sie schließlich vor Armut vernachlässigen. — Parallel-
stelle: AbothRNSO Anfang, ij Schab 119": Rabbi fragte den R. Jischma?el b. Jose (um
ISO): Wodurch haben die Reichen im Lande Israel (ihren Reichtum) erlangt? Er ant-
wortete ihm: Weil sie (ordnungsmäßig) ihren Zehnten geben: s. Dt 14, 22: „Verzehntend
Matth 19,22 (Nr. 4. 5) 825
verzehnte allen Ertrag deiner Aussaat", d. li. v^rzehnte lir, damit du reich werdest
-irsrrr. Wodurch haben ihn die in Babel erlangt? Er antwortete: Weil sie die Tora
ehren. Und wodurch die in den übrigen Ländern? Er antwortete: Weil sie den Sabbat
ehren. Denn R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: Einmal war ich bei einem Haus-
besitzer in Laodicea als Gast. Man brachte einen goldenen Tisch vor ihn, an dem
sechzehn Menschen zu tragen hatten, u. sechzehn silberne Ketten waren daran befestigt
u. Schüsseln u. Becher u. Krüge u. Flaschen befanden sich darauf, sowie alle Arten von
Speisen u. alle Arten von köstlichen Früchten u. Vv'^ohlgerüchen. Als sie ihn hingestellt
hatten, sprachen sie: Jahven gehört die Erde u. ihre Fülle (Ps 24, 1); u. als sie ihn ent-
fernten, sprachen sie: Der Himmel ist Himmel für Jahve u. die Erde hat er den Menschen-
kindern gegeben Ps 115, 16. Ich sprach zu ihm: Mein Sohn, wodurch hast du dies alles
erlangt? Er antwortete: Ich bin Fleischer gewesen, u. bei jedem Stück Vieh, das schön
war, sagte ich: Das soll für den Sabbat sein! Da sprach ich zu ihm: Gepriesen sei
Gott mp'sn, der dich dies alles hat erlangen lassen! — Parallelstellen: GnR 11 (8^);
P-^siqR 23 (119''). Vgl. das sprichwortartige Wort im Munde eines Alten Schab 119«:
Was man für den Sabbat borgt, bezahlt der Sabbat. ll Ta?an 8*^: R. Jochauan (f 279) hat
gesagt: Verzehntend verzehnte. Dt 14,22; verzehnte, damit du reich werdest. || B'rakh «l-S'"* :
Rab Nachman b. Ji^chaq (t 3.56) hat gesagt: Wer (die Abgaben an die Priester richtig)
abgibt, wird schließlich reich werden; denn es heißt Nu 5, 10: „Wer dem Priester gibt,
dem soll zuteil werden" (so der Midr), dem soll Vermögen zuteil werden. Ij pSchab (>, 8*^^, 63 :
Als R. Jochanan (f 279) einmal über einen Markt ging, sah er einen, der einige Honig-
kuchen verkaufte. Er sprach zu ihm: Davon ernährst du dich? Er antwortete: Ja! Er
verließ ihn u. ging weiter. Nach einer Weile ging er wiederum an ihm vorüber. Da
sprach dieser zu ihm: Rabbi, bete für mich; denn von der Stunde an (da du fortgingst)
habe ich nichts mehr verkauft. Er antwortete: Verändere deinen Platz; denn manchmal
veranlaßt die Veränderung des Namens u. manchmal die Veränderung des Ortes (die
Aufhebung eines bösen Verhängnisses). — Die Kraft, ein schlimmes Verhängnis auf-
zuheben, wird GnR 44 (27 '^j noch beigelegt dem Gebet, den Almosen, der Buße, den
guten Werken u. dem Fasten. |l Schab 1-56 •': R. Chanina (um 225) sagte: Das Gestirn (die
Konstellation) macht weise u. das Gestirn macht reich, u. es gilt das Gestirn (auch) für
Israel; R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Es gilt das Gestirn nicht für Israel, s. Jer 10, 2. —
Schab löö**: Auf der Schreibtafel des R. J'^hoschua? b.Levi (um 250) stand geschrieben:
Wer am 8. Wochentag (= Dienstag) geboren ist, wird ein reicher u. wollüstiger Mann.
Weshalb? Weil an ihm die Kräuter erschaffen wurden (die sich schnell vermehren).
Es sprach R. Chanina: Geht u. sagt dem Bar Levi: Nicht das Gestirn des Tages ist der
Veranlasser, sondern das Gestirn der (Geburts-)Stunde. Wer unter der Herrschaft der
Venus geboren wird, wird ein reicher u. wollüstiger Mann, weil ihm das Feuer angeboren
ist. (Die Stundenherrschaft üben die Gestirne, bei der Sonne angefangen, in dieser
Reihenfolge aus: Sonne, Venus, Merkur, Mond, Saturn, Jupiter, Mars; dann hebt die
Reihe immer wieder von vorn an. Die Sonne regiert am Sonntag früh von 6—7 Uhr,
dann regiert in derselben Stunde am Montag der Mond, am Dienstag Mars, am Mittwoch
Merkur, am Donnerstag Jupiter, am Freitag Venus, am Sonnabend Saturn. Die früh von
6 — 7 Uhr herrschenden Gestirne sind die Gestirne der betreffenden Tage; von ihnen
rühren die Namen der Wochentage in den einzelnen Sprachen her.) |j Über Almosen als
Quelle des Reichtums s. im Exkurs: „Die Privatwohltätigkeit" Nr. B (Tasan 24^*); Nr. 4
Anm. nLvR5) u. Nr. 5.
5. Aussprüche verschiedenen Inhalts.
LvR 34 (131 ■'): Acht Namen gibt es für den Armen: -jy, ■•i":s, ".C", '■Z'";,'-", ~~,
'"0, l-~. Er heißt ":y im gewöhnlichen Sinn; "vas, weil er nach allem Verlangen hat
asr-s; 'pzfi, weil er jedermann verächtlich ist 'iTa, s. Qoh 9, 16: Die Weisheit des
Armen ist verachtet; uj- ist der an Gütern Arme, V- ist der in seinem Vermögen
Heruntergekommene (Geschwächte --^m»?), --; ist der Zerknirschte ~~""'"; : er sieht
etwas u. kann es nicht essen, er sieht etwas u. kann es niciit kosten u. trinken; -":,
826 Mattli 19, 22 (Nr. 5). 19, 23 (Nr. 1.2)
weil er sich vor jedermann beugt, er ist wie zur Unterschwelle geworden (auf die
jeder Fuß tritt). Zu -hr. (vgl. ns-:- Ps 10, 8. 10. 14) fehlt die Erklärung; andre Aus-
gaben lesen übrigens -Vn. 1| BQ 92''': Im Sprichwort heißt es: Dem Armen läuft die
Armut nach. — Dasselbe BB 174b; Chul 105 b. |! Qid49b: Zehn Maß (Qab) Reichtum
sind über die Welt herabgekommen; neun erhielten die Römer u. eins die ganze übrige
Welt. Zehn Maß Armut sind über die Welt herabgekommen; neun erhielt Babel u.
eins die ganze übrige Welt. (Die Armut Babels wird dann gedeutet auf die „Armut
an Tora".) — Nach Midr Esth 1, 3 (SS**) gehört diese Ausführung dem R. Nathan, um
160, an; hier werden die 9 Maß Armut -ih beigelegt, d. h. entweder Lydda oder Lydien.
Vgl. AbothRN 28. |1 Pes HS": R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Drei macht Gott täglich
(rühmend im Himmel) bekannt: Den Unverheirateten, der in einer Großstadt wohnt u.
nicht sündigt (in ünkeuschheit); den Armen, derVerlornesseinemBesitzer wieder zustellt,
u. den Reichen, der seine Früchte im verborgenen verzehntet. |j Pes 113b Bar: Vier kann
der Verstand nicht fassen. Diese sind: Ein hochmütiger (stolzer) Armer, ein (infolge
seines Geizes) abmagernder Reicher, ein Alter, welcher hurt, u. ein Gemeindevorsteher,
der sich eitler Weise über die Gemeinde stolz erhebt. Einige fügen noch den hinzu, der sein
Weib einmal, zweimal (durch Scheidung) entlassen hat u. sie (trotzdem) wiederninlmt.
19, 23: Ein Reicher wird schwer in das Himmelreich eingehn.
1. Wer ist reich?
pPea 4, 18*, 60: (1 Chr 22, 14: Siehe, in meiner Armut habe ich für das Haus Jahves
gerüstet 100000 Talente Gold usw.) R. Abin (I„ um 325; 11., um 370) hat gesagt:
Was bedeutet „in meiner Armut" ("'•'JJ'a, so der Midr)? Daß es keinen Reichtum vor
dem gibt, welcher sprach u. es ward die Welt. (Reichtum ist also stets ein relativer
Begriff.) Dasselbe pGit 8, 49 '^^, 6; pBM 1,7«', 59. |1 Schab 25b Bar: Wer ist reich? Wer
an seinem Reichtum Befriedigung findet; das sind Worte des R. Meir (um 150). R. Tarphon
(um 100) sagte: Wer 100 Weinberge, 100 Feldstücke u. 100 Sklaven hat, die darin
arbeiten. R. f Aqiba (f um 135) sagte: Wer ein Weib hat, das schön an Werken ist.
R. Jose (der Galiläer?, um 110, oder b. Chalaphta?, um 150) sagte: Wer einen Abort
in der Nähe seines Tisches hat. Aboth 4, 1: Ben Zoma (um 110) sagte: . . . Wer ist
reich? Der, welcher sich seines Loses (Teiles) freut, s. Ps 128,2: Wenn du von der
Arbeit deiner Hände dich nährst, woiil dir u. du hast es gut (so der Midr): „wohl dir"
in dieser Welt, „u. du hast es gut" in der zuk. Welt. — Parallelstelle: AbothRN 23. ||
Tamid 66'': (Alexander der Gr. fragte die Ältesten des Südens:) Wer wird wohl reich
genannt? Sie antworteten: Wer ist reich? Der, welcher sich seines Loses freut.
2. Der Reichtum, wenn er recht gebraucht wird, gereicht dem
Gerechten zum Schmuck u. Segen ;a die Frommen lieben deshalb ihr
Geld mehr als ihren Leib, b
a. TSanhll,8 (432): R. Schimfon b. J'^^huda (aus K<^phar Ikos, s. Einl. 131) hat
im Namen des R. Schimfon (b. Jochai, um 150) gesagt: Schönheit, Kraft, Weisheit,
Reichtum, Alter, Ehre (u. Ruhm) u. Kinder sind ein Schmuck für die Gerechten selbst
u. auch ein Schmuck für die Welt, s. Spr 16,31: Ein herrliches Diadem ist Greisen-
haar; Sprl7, 6: Ein Diadem für Greise sind Kindeskinder; Spr 20, 29: Der Jünglinge
Schmuck ist ihre Kraft, u. der Greise Schmuck ist das graue Haar; Jes 24, 23: Vor
seinen Ältesten ist Ehre. R. Schimfon b. M'^nasja (um 180) sagte: Das sind die sieben
Eigenschaften (Kennzeichen, wörtlich: Maße), die die Gelehrten an den Gerechten auf-
gezählt haben, u. alle waren vorhanden bei Rabbi u. seinen Söhnen. — Parallelstellen:
Aboth 6, 8; pSanh 11, 30^ 43. |l Schab 92 *: Ein Autor hat gesagt: Die Sch^'khina
(göttliche Gegenwart, hier speziell der Geist der Prophetie) ruht nur auf einem Weisen,
einem Starken, einem Reichen u. einem Mann von schöner Gestalt. — N®d 38*:
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gott läßt seine Sch*^khina nur auf einem Starken,
einem Reichen, einem Weissen u. einem Demütigen ruhen, u. sie alle lassen sich von
Matth 19, 23 (Nr. 2. 3j 827
Mose her beweisen (folgt umständlicher Schriftbeweis). — R. Jochanan hat gesagt:
Alle Propheten sind reich gewesen. Woher wissen wir das? Von Mose, Samuel, Arnos
u. Jona (folgt Schriftbeweis), ü Segen des zum Wohltun verwandten Reichtums s. ExR 31
(91'^) oben S. 822, ferner Exkurs über private Wohltätigkeit Nr. 4.
b. Sota 12*: Sie nahm einen Kasten aus Papyrus für ihn Ex 2, 3. Was hat es
mit dem Papyrus auf sich? R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Daraus ergibt sich, daß
die Gerechten ihr Geld lieber haben als ihren Leib (als sich selbst); u. dies alles, weil
sie ihre Hände nicht nach Raub ausstrecken (u. deshalb wissen, wie schwer Vermögen
zu erwerben ist). — Vgl. zur Psychologie der Reichen Chul 46*: ■;-::'3p»3 •{•-'■vy, die
Reichen sind sparsam (wörtlich: scharren zusammen).
3. Der Reichtum hat seine großen Gefahren :a er führt leicht zur
Gleichgültigkeit u, Auflehnung gegen Gottb u. bringt mancherlei ün-
segen über seinen Besitzer, falls dieser in Unbarmherzigkeit seine Hand
gegen die Armen verschließt, c
a. ExR 31 (91'^): Als Salomo den Tempel gebaut hatte, sprach er in seinem Gebet
zu Gott: Herr der Welt, wenn ein Mensch vor dir beten sollte, daß du ihm Vermögen
Ti^i3 geben möchtest, u. du weißt, daß es ihm schädlich sein wird, so gib ihm nicht;
wenn du aber siehst, daß einem Menschen sein Reichtum wohlansteht, so gib ihm;
s. 2 Chr 6, oÜ: Du wollest einem jeden geben nach all seinen Wegen, wie du sein Herz
kennst. Dasselbe Tanch a-UEto^s 95=*. — || GittinTO-"': Von acht Dingen ist ein Über-
maß schädlich, aber ein bescheidenes Maß schön; diese sind: Reisen (zu Fuß), Beischlaf,
Reichtum, Arbeit, Wein, Schlaf, warmes Wasser (als Trank u. Bad) u. Aderlaß.
b. GnR 28 (17^'): R. ?Aqiba (f um 135) hat gesagt: Alle (Propheten) haben ihren
Unwillen über das Silber u. Gold ausgesprochen, das mit ihnen (Israel) aus Ägypten
gekommen ist, s. Jesl,22: Dein Silber ist zu Schlacken geworden; Hos 2, 10: Des
Silbers u. des Goldes schaffte ich ihr viel, für den Ba?al haben sie es verwendet; das.
8, 4: Ihr Silber u. ihr Gold machten sie sich zu Bildsäulen, damit es ausgerottet werde, jj
Pirqe REl 25 (12''): Die reichsten Leute der Welt sind die Sodomiter gewesen infolge
des guten u. fetten Landes, in welchem sie wohnten. . . . Sie vertrauten nicht auf den
Schutz ihres Bildners, sondern auf die Menge ihres Reichtums; denn der Reichtum
treibt von seinen Besitzern die Gottesfurcht weg, da sie auf ihre eigene Kraft ver-
trauen. II Joma 35 '^ Bar: Der Arme, der Reiche u. der Gottlose kommen ins Gericht.
Zum Armen wird man (Gott) sagen: Warum hast du dich nicht mit der Tora be-
schäftigt? Wenn er dann sagen wird: Ich bin arm gewesen u. war mit meinem Unter-
halt beschäftigt, so wird man ihm sagen: Bist du etwa ärmer gewesen, alsHillel
(um 20 V. Chr.)? . . . Zum Reichen wird man sagen: Warum hast du dich nicht mit
der Tora beschäftigt? Wenn er dann sagen wird; Ich bin reich gewesen u. war mit
meinem Vermögen beschäftigt, dann wird man ihm sagen: Bist du etwa reicher ge-
wesen, als R. Elfazar (b. Charsom, ein Priester zur Zeit des Tempelbestandes)? . . .
Zum Gottlosen wird man sagen: Warum hast du dich nicht mit der Tora beschäftigt?
Wenn er dann sagen wird: Ich bin schön gewesen u. war umgetrieben von dem bösen
Triebe, dann wird man ihm sagen: Bist du etwa schöner gewesen, als Joseph? . . .
B-^rakh 32'«: Was heißt Di-Zahab (Dt 1, 1)? In der Schule des R. Jannai (um 225) hat
man gesagt: So hat Mose vor Gott gesprochen: Herr der Welt, das Silber u. Gold,
das du den Israeliten in Überfluß gegeben hast, bis sie sagten: Es ist genug (■-, Di-
Zahab also = genug Gold!), hat es verursacht, daß sie das Kalb verfertigt haben. In
der Schule des R. Jannai hat man gesagt: Der Löwe brüllt nicht bei einem Korb voll
Stroh, sondern bei einem Korb voll Fleisch. R. Hoschafja (um 225) hat gesagt: Gleich
einem Menschen, der eine magere, aber starkknochige Kuh hatte; er fütterte sie mit
Wicken, da schlug sie gegen ihn aus. Er sprach zu ihr: Was ist der Grund, daß du
gegen mich ausschlägst? Nur die Wicken, mit denen ich dich gefüttert habe. R. Chijja
b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (t 279) habe gesagt: Gleich einem Menschen,
der einen Sohn hatte; er badete u. salbte ihn, er gab ihm Speise u. Trank, er hängte
828 Matth 19,23 (Nr. 8). 19,24
ihm einen Beutel (voll Geld) um seinen Hals u. setzte ihn an die Tür der Buhldirnen.
■Was sollte nun der Sohn tun, um nicht zu sündigen? Rab Acha b. Huna hat im
Namen des Rab Schescheth (um 260) gesagt: Das ist es, was die Leute zu sagen
pflegen: Der volle Bauch ist von böser Art; s. Hos 13, 6: Da sie satt geworden, über-
hob sich ihr Herz; deshalb haben sie mich vergessen. — Parallelstelle: Sanh 102". |
Daß das Flutgeschlecht, die Leute von Sodom, die Generation des Turmbaues u. des
Wüstenzuges, die Kinder Hiobs u. die zehn Stämme sich nur infolge ihres Wohlstandes
u. Überflusses gegen Gott empört haben, wird ausführlich dargelegt SDt 32, 15 §318
(136"), zum Teil auch Sanh 108''; 109''».
C. Siehe den Exkurs über private Wohltätigkeit Nr. 5. — Ferner Be^a 32"^: Rab
Nathan b. Abba (um 270) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Die Reichen Babels
fahren hinab in den Gehinnom. Als Schabb'thai b. Marinos nach Babel kam, bat er
sie um Beschäftigung, aber sie gaben ihm keine; um Nahrungsmittel, aber auch da-
mit versahen sie ihn nicht. Da sprach er: Diese stammen von dem „großen Gemisch"
lEx 12,38) ab; denn es heißt Dt 13. 18: , Damit Jahve dir Erbarmen schenke (im,
Sinne des Midr: gegen andre) u. sich dein erbarme." Wer sich über die Menschen er-
barmt, von dem ist gewiß, daß er zum Samen unsres Vaters Abraham gehört; wer
sich aber nicht über die Menschen erbarmt, von dem ist gewiß, daß er nicht zum
Samen unsres Vaters Abraham gehört.
19,24:Leichteristes, dafseiiiKameldurcheinNadelöhreingeht.
B^'rakh 55 1^: R. Sch<=muel b. Nachman (um 260) hat gesagt, R. Jonathan (um 220)
habe gesagt: Mau (Gott) läßt den Menschen (im Traum) nur die Gedanken seines
Herzens sehen; s. Dn 2, 29. Raba (t 352) hat gesagt: Du kannst es auch daraus er-
kennen, daß man keinen Menschen (im Traum) sehen läßt eine Palme aus Gold oder
einen Elefanten, der durch ein Nadelöhr n-j-^^t sr^ip geht. (An dergleichen denkt nie-
mand, deshalb träumt er nicht davon.) || BM 38 b: (Rab Schescheth, um 260, sagte zu
Rab ?Amram, als dieser eine spitzfindige Einwendung machte:) Du bist wohl aus
Pumb'ditha, wo man einen Elefanten durch ein Nadelröhr nü-ij- sEipa gehen läßt! ij
Eine ähnliche sprichwörtliche Redensart findet sich Jeb45''': Das Kamel in Medien
tanzt in einem Qab (Maß) herum.
Kamel als Maßbestimmung BB 2 Ende: Wenn ein Baum in einen öfl'entlichen
Bezirk hinüberhängt, so darf man so viel wegschneiden, daß ein Kamel u. sein Reiter
(darunter) vorübergehen kann. R. .Jehuda (um 150) sagte: Ein Kamel, das mit Flachs
oder mit Kebenbündeln beladen ist.
Zur sprichwörtlichen Verwendung des Nadelöhrs s. auch Midr HL 5, 2 (IIS-'^):
,Tu mir auf, meine Schwester" HL 5, 2. R. so^ (= Jose, um 350) hat gesagt: Gott
sprach zu den Israeliten: Tut mir auf eine Öffnung der Buße so groß wie ein Nadel-
öhr u-i: h-j: n-iriD, so will ich euch Türen öffnen, in die Wagen u. Karren hinein-
können. — Dasselbe P^siq 163^, wo statt n-!i-3 das gleichbedeutende nninr, s. bei
Mt 4, 17 S. 168. — !| GnR 1 (2"): R. Tanchum (um 380) hat gesagt: Wenn in einem
Schlauch ein Loch ist wie eine Nadelspitze urr^i hv rt-in:, so geht alle seine Luft
hinaus; u. der Mensch ist voll von Höhlungen u. Öffnungen, u. seine Luft (sein Geiste
geht nicht von ihm. (Der ganze Absatz nicht bei Theodor.)
IJ», 27— 30, S.Exkurs: Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
19,28: Bei der Wiedergeburt.
if Trj Tia'Aiyyst'saUc. — Zur Welterneuerung s. bei Offb 21, 1.
19,28: Auf dem Thron seiner Herrlichkeit, s. bei Mt25,'3i.
19,28: Richtend die zwölf Stämme Israels.
Zur Teilnahme der Gerechten am Endgericht s. Exkurs: Scheol usw. II, 10 d u. m.
Die. Gerechten als Vollstrecker des göttlichen Gerichtsurteils s. daselbst II, 10.
Matth 19, 29 («. 83) 829
19,29 31: Wird vielfältig (andre Lesart: hundertfältig) empfangen.
Pesiq 126t>: R. Jehoschuaf b. Nechemja (um 350) hat gesagt: Wie dem Hiob, der
doppelt gezüchtigt wurde, doppelter Lohn c:5E33 t^v gegeben worden ist, so wird auch
Jerusalem mit Doppeltem getröstet werden, s. Jes40, 1: „Tröstet, tröstet (zweimal!)
mein Volk." II Targ HL 8,7: Der Herr der Welt sagte zu seinem Volk, dem Hause
Israel: Wenn ein Mann den ganzen Reichtum seines Hauses hingibt, um Weisheit
(hier = halakhische Kenntnisse) im Exil zu erwerben, so gebe ich ihm Doppeltes >-e;s
wieder in der zukünftigen Welt, u. alle Beute, die man von den Heerlagern Gogs er-
beuten wird, wird ihm gehören.
19,29 2^: Er wird ewiges Leben erlangen (ererben).
Co)rjv aimiov xhjQovoiir^asi. — Frühester Beleg für diese Wendung
wohl Henoch40, 9: Der vierte (Thronengel), der über die Buße u.
die Hoffnung derer gesetzt ist, die das ewige Leben ererben, heißt
Phanuel. — Das Rabbinische hat dafür folgende Verbindungen:
a. san cVnyn tß-i- „die zukünftige Welt in Besitz nehmen (ererben)". Qid 40*^:
R. Elfazar b. Qadoq (1. um 100) hat gesagt: . . . Gott bringt Züchtigungen über die Ge-
rechten in dieser Welt, damit sie die zuk. Welt in Besitz nehmen.
b. san oViyn -'- u;-- „das Leben der zuk. Welt in Besitz nehmen". pP'^s 6, SS", 50:
Drei haben ihre Krone in dieser Welt niedergelegt u. das Leben der zuk. Welt in Be-
sitz genommen. Diese sind Jonathan, der Sohn Sauls, Elfazar b. fAzarja (um 100, der
dem Rabban Gamliel II. wieder wich) u. die Ältesten der Familie Bathyra (die Hillel
den Platz räumten).
C. Tiy ■; Tii-'^ „den Gan fEden in Besitz nehmen". pB*^rakh 4, 7 '', 28. 34 : (Beim
Verlassen des Lehrhauses betete R. N^chonja b. Ha-qana, um 70:) . . . Ich mühe mich,
um den Gan fEden in Besitz zu nehmen. — Aramäisch: ■^y ■]; r~-. pPea 1, 15*^^, 42:
R. Z'^fira (um 300) sprach: 0 dai3 ich doch Eltern hätte, daß ich sie ehren könnte, um
den Gan fEden in Besitz zu nehmen '>' '; n-ji.
d. San oV-yr; ir;; „die zuk. Welt erlangen oder in Besitz nehmen". Abothö, 19:
Die Jünger unsres Vaters Abraham . . . nehmen die zuk. Welt in Besitz i"'5~i:, . . .
die Jünger Bilfams (= Jesu) ererben den Gehinnoni zzm --a;-";".
e. «an n'siyr! ^t; ^nj „das Leben der zuk. Welt in Besitz nehmen". Sota 7'': (Wer
sich nicht schämt, ein Sündenbekenntnis abzulegen, was ist sein Ende?) Er nimmt
in Besitz V-j das Leben der zuk. Welt.
/. py p Vnj. Tauch '■^••av 152^: Wer sich mit der Tora beschäftigt u. mit Gottes
Geboten, der wird den Gan fEden in Besitz nehmen '•}-r.-r.
g. San n^iy^ nsj „die zuk. Welt erlangen, ihrer gewürdigt werden". fAZ 4*: (Gott
spricht:) Ich will sie (Isr.) durch ihr Geld in dieser Welt erlösen, damit sie die zuk.
Welt erlangen, san d'sis^ i3T"tt>.
h. San n^iyn ^^rS nar. Tanch ■:: 144*^: Wegen des Geldes . . . erlangt er das
Leben der zuk. Welt san 'yn ^-^nV naiT.
i. -rs-: s'9":y -cn „die zuk. Welt in Besitz nehmen". Targ. Ruth 2, 13: Du hast
mir die Zusicherung gegeben, daß ich die zuk. Welt in Besitz nehmen werde.
k. San c^n-n -'n -n^p^ „das Leben der zuk. Welt erwerben". Aboth2, 7: Hillel
pflegte zu sagen : . . . Wer sich die Worte der Tora erworben hat, hat sich das Leben
der zuk. Welt erworben n;;;.
Anm.: Ob r-;^, r";i-', ^nj, icn mit „ererben" oder mit „erlangen, in Besitz nehmen"
zu übersetzen ist, muß der jedesmalige Zus. hang ergeben; an u. für sich liegt die Be-
deutung „ererben" nicht in den Verben; da jedoch Jesu Jünger im Kindesverhältnis
zu Gott stehen, ist in Stellen wie Mt 19, 29 die Wiedergabe des ihnen entsprechenden
xXt]Qoi'ouE?i' durch „ererben" nicht unberechtigt.
830 ^fatth 19,30. 20,1.2(91)
19, 30: Viele Erste werden Letzte u. Letzte Erste sein.
BB 10^: R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Man fragte Salomo: Wer ist ein Sohn
der zukünftigen Welt? Er antwortete ihnen: Der, von dem es Jes 24, 23 heißt: Seinen
Ältesten gegenüber Ehre! — Das entspricht jenem Vorfall mit Joseph, dem Sohn des
R. J'hoschuaf (b. Levi, um 250). Als dieser nämlich krank war, wurde er entrückt
(im Fiebertraum). Sein Vater sprach (hinterher) zu ihm: Was hast du gesehen? Er
antwortete ihm : Eine umgekehrte Welt habe ich gesehen, die Obersten zu unterst u.
die Untersten zu oberst. Er sprach zu ihm : Eine lautere Welt hast du gesehen (d. h.
eine Welt, in der der wirkliche Wert eines Menschen in die Erscheinung tritt). Uns aber,
wie hast du uns (dort) gesehen? Er antwortete: Wie wir hier geachtet sind, so sind wir
auch dort geachtet. Ich hörte aber, wie man (dort) sagte: Wohl dem, der hierher kommt
u. hat sein Gelerntes bei sich. Weiter hörte ich, wie man sagte: In dem Abteil der von
der (heidnischen) Regierung Getöteten (d. h. der Märtyrer) kann kein (andrer) Mensch
bestehen (die Märtyrer nehmen die höchste Rangstufe in der jenseitigen Welt ein).
20, 1 — 16: Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, s.
dazu u. besonders über die altsynagogale Lohnlehre den gleichnamigen
Exkurs. Hier nur Bemerkungen zu Einzelheiten.
20, 1: Er ging mit dem frühen Morgen aus, Arbeiter zu mieten.
Die Arbeitszeit gemieteter Arbeiter begann mit dem Aufstrahlen
der Sonne u. endete mit dem Erscheinen der Sterne, a Entscheidend
war im einzelnen Fall die Ortssitte, b Dabei galt als Regel, daß der
Weg zur Arbeitsstätte innerhalb der Arbeitszeit zurückgelegt wurde,
nicht aber die abendliche Heimkehr des Arbeiters, c Wollte ein Haus-
herr, olxodsaTTÖrrjc, r^'^zn bvz, also des Morgens seine Arbeiter dingen
-izlL-, so mußte er in aller Frühe zur Stelle sein, d Je nach der Art der
Arbeit wurden die Arbeiter für den Tag oder die Nacht gemietet; auch
das Mieten für einzelne Stunden, desgleichen das für längere Zeiträume
bis hin zu sieben Jahren wird erwähnt, e
a. Die Tosaphisten bemerken zu BM83^ hy.i: „Die Arbeitszeit währt vom Auf-
strahlen der Sonne 7?.->2 bis zum Aufgang der Sterne, aber nicht von dem (früher er-
scheinenden) Grauen des Morgenrots an." Vgl. Joma28'', s. Anm. c?.
b. BM 7, 1 : Wenn jemand Arbeiter mietet u. zu ihnen sagt, daß sie des Morgens
früh anfangen u. des Abends spät aufhören sollen, so ist er an einem Ort, wo man
nicht frühmorgens anzufangen u. spätabends aufzuhören pflegt, nicht berechtigt, sie zu
zwingen. . . . Alles nach der Ortssitte.
C. BM83''': Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Bei seiner Heimkehr nimmt der
Arbeiter von seiner Zeit (die nach Schluß der Arbeitszeit beginnt); bei seinem Ausgang
(zur Arbeit) von der des Hausherrn; s. Ps 104, 22 f.: Aufgeht die Sonne, sie (die wilden
Tiere) ziehen sich zurück u. legen sich in ihr Lager; ausgeht der Mensch (mit auf-
gehender Sonne) an sein Werk u. an seine Arbeit bis zum Abend (der mit dem Er-
scheinen der Sterne beginnt).
d. Joma28^: R. J^huda b. Bathyra (um 110) sagte: Ist die ganze Ostseite (des
Himmels) hell geworden bis nach Hebron hin, dann geht alles Volk an sein Geschäft.
(Raschi: Diese Worte beziehen sich nicht auf die Arbeiter, sondern auf den Hausherrn,
der sich gar früh aufmachen muß, um Arbeiter zu finden, die er mieten kann.)
e. Siehe BM 9, 1 1 bei Vers 8.
20,2 51: Nachdem er mit den Arbeitern übereingekommen war.
Die mündliche Verabredung war für beide Teile bindend.
Matth 20, 2 {%. 33). 20, 3 (?l. SB) 831
BM6, If. : Wenn jemand Handwerker mietet, u. sie täuschen sich gegenseitig, so
steht ihnen nur gegenseitige üble Nachrede (keine gerichtliche Klage) zu. Mietete jemand
einen Eseltreiber oder einen Fuhrmann, um einen Tragsessel u. Flöten für eine Braut
oder einen Verstorbenen herbeizuschaffen, oder (mietete er) Arbeiter, um seinen Flachs
aus dem Waschteich (in welchem er eingeweicht wurde) herauszuholen, oder für sonst
eine Sache, die verderben kann, u. diese werden andrer Meinung (stehen von der Arbeit
ab), so kann er (der Arbeitgeber) an einem Ort, an welchem niemand (für den mit den
wortbrüchigen Arbeitern verabredeten Lohn zu haben) ist, andre auf ihre Kosten mieten
oder sie (die ersten Arbeiter durch Bietung eines höheren Lohnes) täuschen (ohne dafs
er gerichtlich genötigt werden kann, den höheren Lohn wirklich zu zahlen). Wenn
jemand Handwerker mietet u. diese stehen von der Arbeit ab, so haben sie die Unter-
hand (d. h. das Recht des Arbeitgebers geht vor). Wenn der Hausherr zurücktritt (von
der Vereinbarung), so hat er die Unterhand. Jeder, der (an der Verabredung) etwas ändert,
hat die Unterhand; ebenso jeder, der zurücktritt.
20,2 23: Um einen Denar für den Tag.
Auch Tob 5, 14 wird eine Drachme = 1 Denar (s. S. 291 u. 293) als Tagelohn ver-
einbart, il GnR()l (38*^) wird erzählt, wie. die Ismafeliter, Kana?aniter u. Ägypter ihre
Streitsachen wider die Juden vor Alexander den Großen bringen. Der Anwalt der
letzteren ist ein gewisser G^bia? b. Qosem = „Buckliger, Sohn eines Wahrsagers"
(Sanh 91''' Bar: G^bicha b. P^sisa). Die Ägypter sagten: Auf Grund ihrer Tora kommen
wir gegen sie; 60 Myriaden sind von uns fortgezogen, beladen mit silbernen u. goldenen
Gerätschaften, s. Ex 12, 36: „Sie leerten die Ägypter aus"; sie sollen uns unser Silber
u. unser Gold wiedergeben! Es sprach G. b. Q. zu Alexander: Mein Herr, 60 Myriaden
Menschen haben bei ihnen 210 Jahre gearbeitet; was sie von ihnen an Silber u. Gold
mitgenommen haben, das haben sie als ihren Lohn mitgenommen, einen Denar für den
Tag. Die Philosophen saßen u. rechneten nach, u. sie waren noch nicht bis zu 100 Jahren
gekommen, als sich ergab, daß das ganze Land Ägypten hätte konfisziert werden
müssen. || BB 86'': Wenn jemand einen Arbeiter mietet, mit ihm auf der Tenne zu
arbeiten, den Tag für einen Denar. . . . || ?AZ 62''' Bar: Wenn jemand zu einem Arbeiter
sagt: Hier hast du diesen Denar u. sammle für mich Grünkraut heute. . . .
Geringer war der tägliche Arbeitsverdienst Hillels gewesen. Joma35'': Man hat
von Hillel dem Alten erzählt, daß er (anfänglich) Tag für Tag (als Arbeiter) arbeitete
u. 1 Tropa'ik (= '/2 Denar, s. S. 294) verdiente; die Hälfte davon gab er dem Wärter
des Lehrhauses u. die Hälfte davon für seinen u. seiner Hausgenossen Lebensunterhalt. ||
R. Meir (um 150) verdiente als Dokumentenschreiber wöchentlich 12 Denare, also täglich
2 Denare. Midr Qoh 2, 18 (15"): R. Meir war ein ganz auserlesener Schreiber u. hatte
für seine Arbeit wöchentlich 3 Selaf (= 12 -Denare); für einen Teil (d.h. für 1 Drittel)
aß u. trank er; für einen Teil kleidete er sich u. mit dem letzten versorgte er (arme)
Gelehrte. Seine Schüler sagten zu ihm: Rabbi, was tust du für deine Kinder? Er
antwortete: Wenn sie gerecht (fromm) sind, wird ihnen geschehen nach dem, was David
gesagt hat: Nie habe ich den Gerechten verlassen gesehen oder seinen Samen nach
Brot suchen Ps 37,25; wenn aber nicht, wozu sollte ich das Meinige den Feinden
Gottes hinterlassen? s. Qoh2, 18f.
20,3 31: Um die dritte Stunde.
Über das Mieten von Arbeitern für einige Stunden des Tages s. BM 9, 11 bei Vers 8. —
Zur jüdischen Stundenzählung in Vers 3. 5 u. 6 s. bei Job 4, 52 u. 11,9.
20,3 S: Er sah andre auf dem Markt müßig stehen.
Sprichwörtlichen Charakter scheint das Wort zu haben: Geh hinaus u. sieh, wie
viele Nichtstuer gibt es auf dem Markt spira s:"'» '.^V^? ^^^ ''" P'-' P''s55a; 51'';
B'='rakh 17''. || Von Leuten, die an den Straßenecken herumsitzen nu^p -aci", Ecken-
stehern, redet R. N'^chonja b. Haqana (um 70) B^rakh 28''; s. bei Mt 6, 5 S. 401 «.
832 Matth 20, 8. 12
20,8: Als es aber Abend geworden.
Dieser häufig wiederkehrende Zug (s. Exkurs Nr. 8) hängt wohl mit
den Bestimmungen Lv 19, 13 u. Dt 24, 15 zus., nach denen der Lohn dem
Arbeiter am Tage der Arbeit selbst auszuzahlen war; in der Praxis
galt diese Bestimmung aber nur für den Fall, daß der Arbeiter die
sofortige Auszahlung seines Lohnes ausdrücklich beanspruchte. Auch
blieb der Arbeitsherr straffrei, wenn er dem Arbeiter eine Anweisung
auf Auszahlung seines Lohnes übergab, die ein Dritter begleichen sollte.
Entstand Streit darüber, ob der Lohn gezahlt oder nicht gezahlt war,
so brauchte der Arbeiter, wenn der gesetzliche Löhnungstag noch nicht
.verstrichen war, nur einen Eid abzulegen, daß er ohne Löhnung ge-
blieben sei, u. seine Forderung galt ohne weiteres als gerichtlich an-
erkannt. Hatte er aber den gesetzlichen Löhnungstag vorübergehen
lassen, so hatte er Zeugen für die Rechtmäßigkeit seiner Forderung
beizubringen. Es lag also im Interesse des Arbeiters selbst, seinen Lohn
sofort nach beendeter Arbeit sich zu erbitten.
BM 9, 11: Der für die Tageszeit gemietete Arbeiter fordert (— darf fordern) seinen
Lohn die ganze folgende Nacht hindurch ein; der für die Nachtzeit gemietete fordert
ihn den ganzen folgenden Tag hindurch ein; der für einige Stunden gemietete fordert
ihn den ganzen folgenden Tag oder die ganze folgende Nacht hindurch ein (je nach-
dem er für die Tageszeit oder für die Nachtzeit gemietet war); der für eine Woche
oder für einen Monat oder für ein Jahr oder für eine Siebenheit von Jahren gemietete
fordert ihn, wenn er bei Tage aus dem Dienst tritt, den ganzen Tag hindurch ein, u.
wenn er in der Nacht aus dem Dienst tritt, die ganze Nacht u. den ganzen folgenden
Tag. (Die hier genannten Forderungszeiten sind die gesetzlichen Ablöhnungstermine.) |{
Das. 9, 12: Sowohl betreffs des Lohnes für Menschen, als auch betreffs des Lohnes für
Vieh oder Geräte gilt Dt 24, 15: „An seinem (Arbeits-)Tage gib ihm seinen Lohn", u.
Lv 19,13: „Nicht soll der Lohn des Tagelöhners bis zum Morgen bei dir bleiben." In
•welchem Fall gilt dies? Wenn er seinen Lohn verlangt; verlangt er ihn aber nicht,
so begeht er (der Hausherr mit der Nichtauszahlung) keine Übertretung; verweist er
ihn an einen Kaufmann oder Geldwechsler, so begeht er keine Übertretung. Ein ge-
mieteter Arbeiter schwört zu seiner (lechten) Zeit (falls ihm der Lohn voi-enthalten
■wird), u. empfängt ihn dann. War aber seine (rechte) Zeit (zur Forderung) verstrichen,
so schwört er nicht, um zu empfangen. Hat er jedoch Zeugen, daß er zu seiner Zeit
gefordert hat (ohne seinen Lohn zu empfangen), so schwört er u. empfängt. In betreff
eines Beisassen macht man sich strafbar wegen Dt 24, 15: „An seinem Tage gib ihm
seinen Lohn"; aber man macht sich nicht straTbar wegen Lv 19,13: „Nicht soll der
Lohn des Tagelöhners bis zum Morgen bei dir bleiben." (Grund: Lv 19, 13 handelt vom
„Nächsten" = Israelit; der Beisaß gilt als Nichtisraelit; übrigens gehen die Meinungen
über Lv 19, 13 auseinander, s. BM 111''.) — Die exegetische Begründung vorstehender
Mischnasätze s. SLv 19, 13 (349^') u. SDt 24, 15 § 278 (123'^). — Eine Parallelstelle zur
Mischna mit Erweiterungen bietet TBM 10,2-6 (398); vgl. pBMD, 12^ 60; BM 110''.
20,11: Sie murrten wider den Hausherrn.
Vgl. pB'-rakh 2, S«-, 15; s. Exkurs Nr. 8.
20,12: Diese Letzten haben Eine Stunde gearbeitet,
u. du hast sie uns gleichgemacht.
fAZ 10'': Wie verhält es sich mit Q*'tifah b. Schalom (Schallum?)? Ein Kaiser
(Hadrian?), der die Juden haßte, sprach zu den Großen des Reiches: Wenn jemandem
Matth 20, 12. 14. 15 833
ein Geschwür am Fuß entsteht (er meinte damit die Juden als Krebsschaden am römischen
Volkskörper), soll er es wegschneiden, um am Leben zu bleiben, oder soll er es lassen
IT. Pein leiden? Sie antworteten: Er schneide es weg, damit er lebe. Da sprach zu
ihnen (besser: zu ihm) Q^tifah b. Schalom: Erstens wirst du nicht imstande sein, sie
alle auszurotten; denn es heißt Sach 2, 10: Habe ich euch doch wie die vier (so nach
der Lesart ra-sa) Winde des Himmels zerstreut! Was ist damit geraeint? Wenn man
sagen wollte „nach" den vier Winden, so steht doch „wie" die vier Winde; „in" die
vier Winde müßte es heißen! Allein es ist so gemeint: Wie die Welt nicht ohne die
Winde sein kann, so kann die Welt nicht ohne Israel bestehn. Und sodann würde man
dich eine verstümmelte Herrschaft heißen. Der Kaiser erwiderte: Ein schönes Wort
hast du gesprochen; gleichwohl, wer den König besiegt, den wirft man in die Gemonien
(gemoniae scalae, ein Abhang in Rom, von dem die Hingerichteten gestürzt wurden).
Als man ihn abführte, sprach eine Matrone zu ihm: Wehe dem Schiff, das ohne Zoll-
schein fährt! (Bildlich für: Wehe dem, der ins Jenseits hinübergeht, ohne den Zoll
der Beschneidung entrichtet zu haben !) Da fiel er auf die Spitze seiner Vorhaut u.
schnitt sie so ab (nach dem Münchener Codex beugte er sich nieder u. biß die Vor-
haut mit seineu Zähnen ab) u. sprach: Ich habe meinen Zoll entrichtet. Als man ihn
hinabstürzte, sprach er: All mein Vermögen soll dem R. ?Aqiba (f um 135) u. seinen
Genossen gehören! Da ging R. fAqiba hinaus u. trug vor: „Es soll Ahron u. seinen
Söhnen gehören" Lv 24, 9; die Hälfte Ahron u. die Hälfte seinen Söhnen. Eine Himmels-
stimme aber ging aus u. rief: Q'^tifah b. Schalom ist bestimmt für das Leben der zu-
künftigen Welt! Rabbi weinte (als er diese Geschichte hörte) u. sprach: Mancher er-
wirbt seine Welt in Einer Stunde u. mancher erwirbt seine Welt in vielen vielen
Jahren! — Denselben Ausspruch tat Rabbi, als er von dem bußfertigen Tode des
R. Elf azar b. Durd'^ja u. dem freiwilligen Tode des Henkers des R. Chananja b. T'Yadjon
(t um 135) hörte, s. fAZ 17''' u. 18».
sTioi'riacir absolut = rr^- „sie haben gearbeitet".
Tanch s-:;r -3 110^: Gleich einem König, der Arbeiter für seine Arbeit mietete.
Während sie arbeiteten yv^■s , nahm der König einen von ihnen u. erging sich mit ihm.
Am Abend kamen die Arbeiter, um ihren Lohn zu empfangen. Könnte der König zu
jenem sagen: Du hast mit ihnen nur zwei Stunden gearbeitet r-ui-, empfange nach
dem, was du gearbeitet hast r-ri-ü? s. im Exkurs Nr. 8.
20,14: Nimm das Deine.
aqov t6 aar == -b\L;-rx bi::, zB BM 6, 6.
20,15: Ist dein Auge mißgünstig?
6 bffd^aXixog novrjQog == n;*"^ yx „das böse Auge": Mißgunst, Neid,
dem andren Böses Gönnen; vgl. 'i':^: v^_ „der Mißgünstige" Spr23, 6;
28,22. — nzi-j -,■;? „das gute Auge": Wohlwollen, das andren Gutes
gönnt, vgl. ■,'^y nro „wer gütigen Blickes ist" Spr 22, 9.
Aboth 2,9: Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) sprach zu seinen Schülern: Geht
hinaus u. sehet zu, welches der gute (rechte) Weg sei, an den sich der Mensch halten
soll. R. Elifezer (um 90) sagte: Das gute Auge. R. J^oschua?: Ein guter Genosse
(Studienfreund). R. Jose der Priester: Ein guter Nachbar. R. Schimfon b. N'^thanäel:
Wer auf die Folgen blickt. R. Elfazar b. ?Arakh: Ein gutes Herz. Er antwortete: Ich
gebe den Worten Elfazars den Vorzug vor euren Worten; denn in seinen Worten sind
eure Worte mitenthalten. — Er sprach zu ihnen: Geht hinaus u. sehet zu, welches
der böse Weg sei, von dem sich der Mensch fernhalten soll. R. Eli?ezer sagte: Das
böse Auge. R. J'^hoschua?: Ein böser Genosse. R. Jose: Ein böser Nachbar. R. Schim?on:
Wer entleiht u. nicht bezahlt. . . . R. El?azar sagte: Ein arges (böses) Herz. Er ant-
wortete: Ich gebe den Worten EUazars den Vorzug vor euren Worten; denn in seinen
Strack u. Billerbeck, NT l. - 53
834 ^atth 20, 15
Worten sind eure Worte mitenthalten. i| Aboth 2, 11: R. J<^hosclma5: (um 90) sagte: Ein
böses Auge (= Neid) u. der böse Trieb u. der Hafs gegen die Menschen bringen einen
Menschen aus der Welt (verkürzen sein Leben). |i Aboth 5, 19: Wer ein gütiges Auge
u. einen demütigen Geist u. eine gelassene Seele hat, der gehört zu den Schülern
unsres Vaters Abraham. Wer aber ein böses Auge u. einen hochmütigen Geist u. eine
aufgeblasene Seele hat, der gehört zu den Schülern des Frevlers Bilfam (= Jesu). ||
BB64'': R. fAqiba (f um 135) meinte: Ein Verkäufer verkauft mit wohlwollendem
Auge, he; "1'=, deshalb muß zB der Verkäufer eines Hausgrundstücks, der einen dazu
gehörenden Brunnen für sich zurückbehalten hat, den Zugang zum Brunnen erst wieder
dem Käufer des Hausgrundstücks abkaufen, da nach dem Grundsatz vom günstigen
Auge des Verkäufers anzunehmen ist, daß alles, was nicht ausdrücklich vorbehalten
worden ist, in den Besitz des Käufers übergeht. Die Rabbinen aber meinten: Ein Ver-
käufer verkauft mit mißgünstigem Auge nyi -j-ya (deshalb gelte der Zugang zum
Brunnen von vornherein als nicht mitverkauft). |1 Aboth 5, 13: Vier Arten gibt es bei
denen, die ein Almosen geben: wer will, daß er selbst gebe, aber andre nicht geben,
dessen Auge ist mißgünstig -y^ auf die Habe andrer; wer will, daß andre geben, aber
er selbst nicht gebe, dessen Auge ist mißgünstig auf die eigne Habe; daß er selbst
gebe u. andre geben, das ist ein Frommer; daß er selbst nicht gebe u. andre (gleich-
falls) nicht geben, das ist ein Gottloser. |j AbothRN40: Vier Sinnesarten gibt es unter
den Schülern: wer will, daß er selbst lerne u. andre (gleichfalls) lernen, der ist ein
wohlwollendes Auge n^-j ■)-?; (wer will,) daß er selbst lerne, andre aber nicht lernen,
der ist ein mißgünstiges Auge nsi -j-y; daß andre lernen, er selbst aber nicht lerne,
der ist von mittelmäßiger Art (andre sagen, das sei sodomitische Art) ; daß er selbst
nicht lerne u. andre (auch) nicht lernen, das ist ein vollendeter Gottloser. || SLv25, 23:
„Denn mir gehört das Land", nicht soll dein Auge darin mißgünstig sein na -:-y y-r 3n. j|
BM84'': R. Jochanan (t279) pflegte sich an die Türen des Tauchbades zu setzen. Er
sagte: Wenn die Töchter Israels aus dem Pflichtbade steigen, so sollen sie mir be-
gegnen, damit sie Söhne haben so schön wie ich, u. die die Tora lernen wie ich. Die
Rabbinen sagten zu ihm: Fürchtet sich der Herr nicht vor einem bösen Auge sj-y:
sü-z? Er antwortete: Ich bin vom Samen Josephs abstammend, über den das böse
Auge keine Gewalt hatte, s.Gn 49,22: „Ein junger Fruchtbaum ist Joseph, ein junger
Fruchtbaum an einer Quelle" yy -hs . Und R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Lies nicht
"1"? ^r". an einer Quelle, sondern ']'^y '•'-^y = die das (böse) Auge übersteigen (ihm nicht
unterworfen sind). R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Von hier ist der Schrift-
beweis zu entnehmen: „Sie mögen sich wie Fische vermehren auf Erden" Gn48, 16;
wie über die Fische, die das Wasser im Meer bedeckt, das Auge keine Gewalt hat,
so hat auch über den Samen Josephs das (böse) Auge keine Gewalt. — Parallelstellen
B"rakh20^ ohne Bezugnahme auf R. Jochanan B«rakh 55^; Sota 36''; BB 118^;
GnR 97 (61 =*). || T^r 4, 3: Das Maß der (Priester-)Hebe: ein wohlwollendes Auge ns; -,:>:
gibt \'4o, die Schule Schammais sagte: Vso; ein mittelmäßiges (gibt) Väo u. ein miß-
günstiges ns-ni '/eo. |1 pBB 4, 14'^, 10: V/er ein Geschenk gibt, soll mit einem wohl-
wollenden Auge r.s' yy geben; auch wer etwas weiht (heiligt), soll mit wohlwollendem
Auge weihen. || ExR 31 (91''): Wenn ein Reicher mißgünstigen Auges r,y^ yy ist, so
geht er u, seine Habe ui':^ aus dieser Welt dahin, wie es heißt: „Es geht solcher
Reichtum verloren durch einen schlimmen Unfall" y -'sya Qoh5, 13, weil sein Auge
mißgünstig ist nyi i]-y^ gegenüber dem Almoseneinnehmer. H SotaSS**: R. J^hoschuaf
b. Levi (um 250) hat gesagt: Man gibt den Becher des Segens, um (nach Tisch) den
Lobspruch zu sprechen, nur dem der wohlwollenden Auges ist yy aia';, s. Spr22, 9r
„Wer gütigen Auges ist, der wird gesegnet T^'a:; denn er gibt von seinem Brot dem
Geringen." Lies nicht ^''<", sondern ^:.a- = ersoU segnen (den Lobspruch sprechen). |1
Targ Jerusch I Gn 42, 5 : Es kamen die Söhne Israels jeder durch je ein Tor, damit
der böse Blick sic'a sr-y nicht über sie herrsche. | Das. zu Ex 33, 8: Sooft Mose aus
dem Lager ging nach dem Zelt, machten sich alle Gottlosen des Volkes auf u. stellten
sich jeder an den Eingang seines Zeltes u. blickten mit bösem Auge sia-a ss'ya hinter
Matth 20, 19.21 835
Mose her, bis er zum Zelte kam. | Das. zu Nu 33, 55: Und es wird, was ibr von ibnen
übriglaßt, zu solchen werden, die mit einem bösen Auge auf euch sehen.
20,19: Sie werden ihn den Heiden übergeben
zum Verspotten u. Geißeln.
Von einer Gefangensetzung U.Verspottung des Messias durch d. Heiden
wird erst P^^siqR 34—37 (wohl aus dem Anfang des 10. Jahrh .s) gesprochen.
P''siqR37(162i>): Dereinst werden die Väter der Welt (Ehrenbezeichnung der Patri-
archen) im Nisan hintreten u. zum Messias sagen: Ephraim (ein Kosename), unser ge-
rechter Messias, obgleich wir deine Väter sind, bist du doch größer als wir, weil du
die Sünden unsrer Kinder getragen (d. h. unter ihnen gelitten) hast. Und über dich
sind schwere Strafen ergangen, wie sie nicht über die Früheren u. über die Späteren
ergangen sind ; du bist zum Gelächter u. Gespött unter den Völkern der Welt Israels
wegen geworden u. saßest in Finsternis u. Dunkel, u. deine Augen sahen kein Licht.
Deine Haut zog sich über deinen Knochen zusammen u. dein Leib ward trocken (dürr)
wie Holz; deine Augen wurden dunkel vom Fasten u. deine Kraft vertrocknete wie
ein Scherben — all dieses wegen der Sünden unsrer Kinder. (Die Meinung ist, daß
der Messias durch Israels Schuld in die Hände der Heiden gerät.) Willst du nun, daß
unsre Kinder von diesem Guten genießen, das Gott (in der angebrochenen messian.
Zeit) den Israeliten reichlich gespendet hat? Vielleicht hast du kein Wohlgefallen an
ihnen wegen der Not, die du ihretwegen über die Maßen ausgestanden hast, u. weil
man dich in den Kerker geworfen hat. Dann wird er ihnen antworten: Väter der Welt,
alles, was ich getan habe, habe ich nur euertwegen u. eurer Kinder wegen getan u.
zu eurer Ehre u. zur Ehre eurer Kinder, damit sie von diesem Guten genießen, das
Gott den Israeliten reichlich gespendet hat. Die Väter der AVeit werden zu ihm sagen:
Ephraim, unser gerechter Messias, mögest du in deinem Innern Befriedigung empfinden,
der du deinem Schöpfer u. uns Befriedigung bereitet hast! — Über den leidenden
Messias s. bei Lk 24, 26.
20,19: Am dritten Tage wird er auferweckt werden (s. S. 649. 747. 760).
20,21: Einer zu deiner Rechten u. einer zu deiner Linken.
Beim Vorhandensein von drei Personen schrieb die Sitte vor, daß
der Vornehmste seinen Platz in der Mitte, der Zweitgrößte zu seiner
Rechten u. der Dritte zu seiner Linken einnehme.
Joraa3, 9: Der Hohepriester begab sich (am Versöhnungstage) auf die Ostseite
nördlich vom Altar, der Segen ]:". (Schürer* 2, 321 : Tempelhauptmann) zu seiner Rechten
u. das Haupt der diensttuenden Priesterabteilung zu seiner Linken; dort befanden sich
die beiden Böcke usw. ■ — Dazu .Jonia37^: Rab J"^huda (f 299) hat gesagt: Wer zur
Rechten seines Lehrers geht, der ist ein ungebildeter Mensch; wir haben gelernt: Der
Segen zu seiner Rechten u. das Haupt der diensttuenden Priesterabteilung zu seiner
Linken. — Bar: Wenn drei auf einem Wege (nebeneinander) gehen, so geht der Lehrer
(Größte) in der Mitte, der Größere (Altere von den beiden andren) rechts u. der Kleinere
(Jüngere) links. Und so finden wir es bei den drei Dienstengeln, die zu Abraham
kamen: Mikhael in der Mitte, Gabriel rechts u. Raphael links. — Wer genau ander
Seite seines Lehrei-s geht, ist ein ungebildeter Mensch, wer hinter seinem Lehrer geht,
ist ein hochmütiger Mensch; denn seitwärts (d. h. halbrechts, bezw. halblinks nach
hinten) soll er gehn. — Die zuerst angeführte Bar auch ?Er54''. ü TSanh 8, 1 (427):
Der Gerichtshof (Sanhedrin) war geordnet wie der Halbkreis einer Tenne, damit sie
einander sehen könnten. Der Nasi s-r: (Fürst) saß in der Mitte u. die Ältesten saßen
rechts u. links. R. Elfazar b. Qadoq (um 150) hat gesagt: Wenn Rabban Gamliel (um 90)
in Jahne den Vorsitz führte, saß mein (Groß-)Vater u. noch ein andrer rechts u. die
(übrigen) Altesten links. Und warum saß noch einer bei dem Altesten rechts? Wegen
53*
836 Matth20,21.22 (?t. Sj
der Ehre des Ältesten. || ?Er 54'': R. J'liuda (um löO) sagte: Immer ist Ahron zur
Rechten Moses einhergegangen. \\ Midr PslS §29 (79*): R. Judan (um 350) hat im Namen
des R Chama (um 260) gesagt: In der Zukunft wird Gott den König, den Messias, zu
seiner Rechten sitzen lassen, s. Ps 110,1, u. Abraham zu seiner Linken, u. das An-
gesicht Abrahams wird sich entfärben u. er wird zu Gott sagen: Mein Enkel sitzt zur
Rechten u. ich zur Linken? L^nd Gott wird ihn begütigen u. zu ihm sagen: Dein Enkel
zu meiner Rechten u. ich zu deiner Rechten, s. das. Yers 5 : Der Herr zu deiner Rechten —
er zerschmettert Könige.
20, 22 9(: Ihr wisset nicht, was ihr bittet.
Beispiele unbesonnenen u. verkehrten Bittens Ta?an4^: R. Sch'muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt, R. Jonathan (um 220) habe gesagt: Drei haben in unrichtiger Weise
gebeten; zweien hat man (= Gott) in richtiger (gewünschter) Weise geantwortet u.
einem hat man in nicht gewünschter Weise geantwortet. Diese sind: Elifezer der Knecht
Abrahams, Saul vSohn des Qisch, u. Jephtah der Gileadit. Eli?ezer der Knecht Abrahams:
,Es möge nun geschehen: das Mädchen, zu welchem ich sage: , Neige, bitte, deinen
Krug, damit ich trinke' . . ., das hast du für deinen Knecht, für Isaak, bestimmt" Gn 24, 14.
Es hätte auch eine Lahme oder eine Blinde sein können! Man (^ Gott) antwortete
ihm aber in erwünschter Weise, u. es wurde ihm Rebekka bestimmt (oder zugesellt). —
Saul Sohn des Qisch: „Der Mann, der ihn (Goliath) schlägt, den wird der König sehr
reich machen, u. seine Tochter wird er ihm zum Weibe geben" lSml7, 25. Es hätte
auch ein Sklave oder ein Bastard sein können! Man antwortete ihm aber in erwünschter
Weise, u. es wurde ihm David bestimmt. — Jephtah der Gileadit: „Es soll geschehen,
das Herauskommende, was aus den Türen meines Hauses heraus mir entgegenkommen
wird, . . . das soll Jahve gehören" Ri 11,81. Es hätte auch etwas Unreines sein können.
Man antwortete ihm in nicht erwünschter Weise; es wurde ihm seine Tochter be-
stimmt. . . . R. B"rekhja (um 340) hat gesagt: Auch die Gemeinde Israel hat nicht
richtig gebeten, u. Gott hat ihnen in erwünschter Weise geantwortet: „Lasset uns er-
kennen, danach trachten, daß wir erkennen Jahve: wie Morgengrauen sicher ist sein
Aufgang, u. kommen wird er wie der Regengufs zu uns" Hos 6, 8. Gott antwortete:
Meine Tochter, du bittest um etwas, was manchmal begehrenswert u. manchmal nicht
begehrenswert ist; aber ich will dir etwas sein, was immer begehrenswert ist: Ich
werde wie der Tau sein für Israel Hos 14,6. Und ferner bat die Gemeinde Israel nicht
richtig, indem sie vor ihm sprach: „Herr der Welt, lege mich wie einen Siegelring an
dein Herz, wie einen Siegelring an deinen Arm" HL 8, 6. Gott antwortete ihr: Meine
Tochter, du bittest um etwas, was manchmal gesehen u. manchmal nicht gesehen wird;
aber ich will etwas mit dir machen, was immer gesehen wird: „Siehe, auf die Hände
habe ich dich gezeichnet" Jes 49, 16. — Der Ausspruch des R. Jonathan anonym u.
erweitert durch Kalebs Gelübde Ril,12 auch GnR60(37f).
20, 22®: Könnt ihr den Kelch trinken?
10 non'^Qior = ois „Kelch", bereits dem AT geläufiger Ausdruck
für Geschick (Freude oder Leid).
Maityr Jes 5, 13: Den Propheten, die bei ihm waren, sagte Jesaja, bevor er zersägt
wurde: Geht in die Gegend von Tyrus u. Sidon; denn mir allein hat Gott den Becher
gemischt. [! pP<^s 10, 37*^, 5: (Wo ist der Schriftbeweis für die 4 Becher Wein der Passah-
feier?) Die Rabbinen sagten: Sie entsprechen den 4 Bechern der Strafe msy-ir hv riDi:,
die Gott dereinst die Völker der Welt wird trinken lassen, s. Jer 25, 15: So hat Jahve,
der Gott Israels, zu mir gesprochen: Nimm diesen Becher des Zornweins aus meiner
Hand u. gib ihn zu trinken allen Völkern; Jer 51, 7: Ein goldner Becher war Babel
in Jahves Hand, der die ganze Erde trunken machte; von ihrem Wein haben die Nationen
getrunken, deshalb wurden rasend die Nationen; Ps75, 9: Ein Becher ist in Jahves
Hand . . . fürwahr seine Hefen müssen schlürfen, austrinken alle Gottlosen der Erde;
Matth 20, 22 (SB) 837
u. Ps 11, 6: Er lasse regnen über die Gottlosen Schlingen, Feuer u. Schwefel u. Glut-
wind sei ihr Becherteil. Was bedeutet „ihr Becherteil "? R. Abin (I. um 325, II. um 370)
hat gesagt: Einen Doppelbecher (■;"~"j's -Ve-t = din^ovy noTt^Qioy), wie der Doppel-
becher nach dem Bade. Und ihnen entsprechend wird Gott dereinst die Israeliten
4 Becher der Tröstungen ri's-: Va rici: trinken lassen, s. Ps 16,5: Jahve ist mein
Besitz u. mein Becherteil; Ps23, 5: Du salbest mein Haupt mit Ol, mein Becher hat
Überfluß; u. Ps 116, 13: Ich will den Becher der Heilstaten erheben. Das {r^'S-w, Heils-
taten) sind zwei. (Ps 116,13 mithin Beweisstelle für den 3. u. 4. Becher des Trostes.)
Parallelstellen mit Abweichungen: GnRS8(56"); Midr Ps 75 ^5 4 (170*), hier mit der
Einleitung: Du findest, daß es 4 Becher zum Guten u. 4 Becher zum Schlimmen gibt, j
Chul 92'^: (An dem Weinstock waren drei Ranken Gn 40, 10.) R. Jirm'^ja b. Abba (um 250)
hat gesagt: Cer Weinstock bedeutet Israel, s. Ps80, 9: , Einen Weinstock versetztest
du aus Ägypten." Die drei Ranken sind die drei Feste, an denen die Israeliten in jedem
Jahr (nach Jerusalem) hinaufzogen. „Und während er im Sprossen war, trat auch schon
seine Blüte hervor" (Gn40, 10): es kam die Zeit für die Israeliten, daß sie sich ver-
mehren sollten, s. Ex 1,7: Die Kinder Israel waren fruchtbar u. nahmen überhand. „Es
trat seine Blüte hervor": es kam die Zeit für die Israeliten, daß sie erlöst werden
sollten, s. Jes63, 3: Ihr Saft spritzte auf meine Kleider u. alle meine Gewänder habe
ich besudelt. „Seine Kämme ließen Trauben reifen" (Gn40, 10): es kam die Zeit für
Ägypten, den Taumelkelch zu trinken. Das ist es, was Raba (f 352) gesagt hat: Warum
die drei Becher, die von Ägypten gesagt werden (Gn 40, 11)? Der eine ist der, den es
in den Tagen Moses getrunken hat; der andre der, den es in den Tagen des Pharaos
N 'kho getrunken hat, u. der dritte ist der, den es dereinst trinken wird mit allen
Völkern^ — Rabas Ausspruch auch Sota9a. :| SDt 32, 34 §324 (138b): Jst dies nicht
bei mir verborgen o-,';;? Dt 32,34." R. Elifezer b. Jose Ha-g'^lili (um 150) sagte: Ein
Becher, der verborgen ist u. dem etwas mangelt, ist vielleicht matt (wenig stark)?
Die Schrift sagt lehrend Ps75, 9: „Denn ein Becher ist in der Hand Jahves u. er
schäumt von Wein." Vielleicht ist nur seine Hälfte darin? Die Schrift sagt lehrend
Ps75,9: „Er ist voll von Mischtrank." Vielleicht daß auch nicht Ein Tropfen fehlt?
Die Schrift sagt lehrend (das.): „Er schenkt ein davon." Von jenem Tropfen haben
die Leute des Flutgeschlechts u. die Leute des Geschlechts der Zerstreuung u. die Leute
von Sodom u. Gomorra u. der Pharao u. seine ganze Streitmacht, Sis^'ra u. seine ganze
Menge, Nebukadnegar u. seine ganze Sti-eitmacht, Sanherib u. seine ganzen Kriegsheere
getrunken, u. von jenem Tropfen werden dereinst alle trinken, die in die Welt kommen,
bis ans Ende aller Geschlechter; u. ebenso heißt es (Jes 25,6): „Herrichten wird Jahve
(^^baoth allen Völkern auf diesem Berge ein Mahl von fetten Bissen, ein Mahl von
Hefenweinen, von fetten Bissen, die markvoll, von Hefenweinen, die durchgeseiht." ^
Vielleicht Hefenweine, die noch etwas nötig haben? Die Schrift sagt lehrend: „Hefen-
weine, die durchgeseiht", Hefenweine, in denen nur noch Bodensatz vorhanden ist. Ferner
beißt es (Jer 51, 7): „Ein goldener Becher war Babel in Jahves Hand" ; ferner (Ez23, 32):
„Den Becher deiner Schwester sollst du trinken, der da tief u. weit — zum Gelächter
u. Gespött wirst du werden — , der da reichlich zu fassen vermag." Wie es die Art
des Goldes ist, daß, nachdem es zerbrochen ward, eine Wiederherstellung möglich, so
wird die Strafe, wenn sie von den Völkern abgelassen hat, dereinst wieder zu ihnen
zurückkehren; wenn sie aber Israel erreicht, was sagt da die Schrift? „Und trinken
sollst du ihn u. ausschlürfen u. seine Scherben benagen" (das. Vers 34). Wie es die
Art eines irdenen Gerätes ist, daß es, nachdem es zerbrochen ward, keine Wieder-
herstellung für dasselbe gibt, so wird auch die Strafe, wenn sie von Israel abgelassen
hat, dereinst nicht mehr zu ihnen zurückkehren. i| Midr Ps 75 § 4 (170*): „Denn ein
Becher ist in der Hand Jahves" Ps 75, 9. Vielleicht ist er leer? Die Schrift sagt lehrend
(das.): „Er ist voll von Mischtrank"; vielleicht ist er kahmig? Die Schrift sagt lehrend
(das.): „Er schäumt", weil er gegoren hat u. alt ist. R. Judan u. R. Chania u. R. Ji^chaq
' Siphre hat Jes 25, 6 etwas abweichend zitiert.
838 Matth 20, 22 (93). 20, 23. 26. 27
haben im Namen des K. Cliijja (diese Tradenten- u. Autorenangabe ist ganz unsicher)
gesagt: In der Zukunft wird Gott zum Pharao sagen: „Trinke deinen Becher", u. dieser
wird ihm antworten : Herr der Welt, ich habe meinen Becher bereits in dieser Welt
getrunken. Gott wird zu ihm sagen: Was du getrunken hast, das war nur wie ein
Tröpfchen (vgl. Buber, Anm. 14), s. Ps 95,9: „Er schenkt ein davon." Aber jetzt (heißt
es das.): „Fürwahr seine Hefen müssen aussaugen, trinken alle Gottlosen der Erde";
du hast ihn getrunken, aber nicht ausgesogen, wie es heißt (Jes 29,9): Trunken sind
sie, doch nicht von Wein, taumeln, doch nicht von Met. R. Elifezer b. Jose Ha-g^liJi
(um 150, vgl. das vorige Zitat) sagte: „Ist dies nicht verborgen o^»:: bei mir? (Dt 32, 84)"
für die Verworfenen e-o^s'55? R. Acha (um 320) hat gesagt: Und aus welchem Becher
(werden sie trinken müssen)? Das wird ein Becher aus Tiberias sein, weil dieser nicht
ganz u. gar gleichmäßig ist, daß man ihn ganz auf einmal ausgießen Ifann, sondern
wie eine Flasche (1. snspjp statt sr^pV^p), die unten weit u. oben eng ist, s. Ez23, 32:
Den Becher deiner Schwester sollst du trinken, der da tief u. weit. (Hier folgt die
eingangs zitierte Parallelstelle zu pP^s 10, 37'-,5.) || SDt33,8 §349 (144'^): „Und von
Levi sprach er" Dt 33, 8. Warum wird von ihm geredet (während Schimf on unerwähnt
bleibt)? Weil Schim?on u. Levi aus Einem Becher getrunken haben (d. h. das gleiche
Geschick haben), s. Gn 49, 7: „Verflucht sei ihr Zorn, daß er heftig, u. ihr Grimm, daß
er schwer war! Ich will sie zerteilen in Jakob u. zerstreuen in Israel." — Leqach tob
zu Dt 33, 8 (64»): R. Schim?on b. El?azar (um 190) hat gesagt: Überall wo die Schrift
den Namen Schimfons u. Levis zusammen erwähnt, trinken beide aus Einem Becher
(haben beide das gleiche Schicksal), s. Gn49, 7: „Verflucht sei ihr Zorn" usw.
20,23: Denen es von meinem Vater bereitet (bestimmt) ist.
rJToiiiaaTai = )iz}, )z^T-i, "isn, aram. nnrrs; alle mit der Doppel-
bedeutung: „bereiten" (bereitstellen) u. „bestimmen"; s. bei Mt25,34.
20,26: Wer unter euch groß werden will, soll euerDiener sein.
Qid32^: R. Elifezer (um 90) u. R. J*^hoschua? u. R. Qadoq lagen einmal zu Tische im
Hochzeitshause des Sohnes des Rabban Gamliel (II.) u. Rabban Gamliel stand u. schenkte
ihnen ein. Er gab den Becher dem R. Elifezer, aber er nahm ihn nicht an. Da gab er
ihn dem R. J'^^hoschuaf u. dieser nahm ihn an. R. Elifezer sprach zu ihm: Was ist das,
J%oschuaf, wir sitzen u. Rabban Gamliel, der Rabbinensohn (eine Ehrenbezeichnung),
steht u. schenkt uns ein?! Er erwiderte ihm: Wir finden einen Größeren, als wir sind,
der zu Tische gedient hat. Abraham war gröfser, als wir sind, u. er hat zu Tische
gedient, s. Gn 18, 8: „Er stand vor ihnen" ; u. wenn ihr etwa sagen wolltet, daß sie ihm
wie Engel des Dienstes erschienen wären, so glichen sie ihm nur Arabern, u. da sollte
bei uns Rabban Gamliel, der Rabbinensohn, nicht stehn u. uns einschenken?! R. ^!adoq
sprach zu ihnen: Wie lange laßt ihr die Ehre Gottes dahinten u. beschäftigt euch mit
der Ehre von Menschen? Gott läßt die Winde wehen u. die Wolken aufsteigen u. den
Regen niederfallen u. die Erde grünen u. deckt den Tisch vor jedermann — u. da sollte
bei uns nicht Rabban Gamliel, der Rabbinensohn, stehn u. uns einschenken?!
20, 27: Wer unter euch Erster sein will, soll euer Diener sein.
Hör 10 '^ Bar: „Wenn ein Fürst sündigt" Lv4, 22; ausgenommen ist ein Kranker
(ein solcher Fürst braucht das Lv 4, 23 vorgeschriebene Opfer nicht darzubringen). Wird
er denn darum, daß er krank ist, aus seiner Fürstenwürde verstolsen? Rah Abdimi
b. Chama^ hat gesagt: Ausgenommen ist ein mit Aussatz behafteter Fürst; s. 2 Kg 15,5:
Jahve schlug den König u. er war aussätzig bis an den Tag seines Todes u. wohnte in
dem Haus der BVeiheit, u. Jotham, der Sohn des Königs, war über das Haus (gesetzt).
Es heißt: „in dem Haus der Freiheit" r-tü"?nn r-<z, weil er bis dahin (als Träger der
Königswürde) ein Knecht war. Es verhält sich damit, wie mit jenem Erlebnis des
* Ein Amoräer aus unbestimmter Zeit; Bacher, pal. Amor. 3, 757.
Matth 20, 27. 21, 1 {%) 839
Rabban Gamliel (um 90) u. des R. J'^hoschua?, die einmal gemeinschaftlich auf einem
Schilf reisten. Rabban Gamliel hatte Brot bei sich, R. J'^hoschua? Brot u. Mehl. Als
•das Brot des Rabban Gamliel aufgebraucht war, mußte er sich auf das Mehl des
R. J*^hosc]iuaf verlassen. Er sprach zu ihm : Woher wußtest du denn, daß uns allen
diese Verzögerung entstehen würde, daß du Mehl mitnahmst? Er antwortete: Ein Stern
geht nach 70 Jahren (d.h. alle 70 Jahre) auf u. führt die Schiffer irre; da dachte ich:
Vielleicht geht er auf u. führt uns irre. R. G. sprach: Das alles weißt du, u. du mußt
zu Schiffe gehn (um dir den Lebensunterhalt zu erwerben)? Er antwortete: Während
du dich über mich wunderst, wundere ich mich über zwei Schüler, die du auf dem
Lande hast, nämlich R. Ehazar Chisma (?) u. R. Jochanan b. Gudgada, die zu berechnen
{abzuschätzen) verstehn, wieviel Tropfen im Meer sind; u. doch haben sie kein Brot
zu essen u. kein Kleid anzuziehen. Da richtete Rabban Gamliel seine Gedanken darauf,
sie an die Spitze (einer Gemeinde) zu stellen. Als er ans Land gegangen war, schickte
er nach ihnen; sie kamen aber nicht; als er abermals schickte, kamen sie. Er sprach
zu ihnen: Ihr meint wohl, daß ich euch Herrschaft verleihen will? Dienstbarkeit will
ich euch verleihen, s. 1 Kg 12, 7: Sie redeten zu ihm u. sprachen: Wenn du heute zum
Diener dieses Volkes wirst u. ihnen dienst u. ihnen dich fügst u. freundliche Worte zu
ihnen redest, so werden sie dir alle Tage Diener sein.
21,1 31: Bethphage.
B>ji/(fay)] =^ -ijNr r^^i oder i;s n-^a „ Feigenstätte " wird halakhisch
zu Jerusalem gerechnet, u. zwar als entlegenster Stadtteil.
M'^n 11,2: Sowohl bei den beiden Broten (Lv 23, 17), als auch bei den Schaubroten
findet das Kneten u. Zurichten außerhalb (des Vorhofes), aber ihr Backen innerhalb (des
Vorhofes) statt, u. nicht verdrängen diese Arbeiten den Sabbat (d. h. ihretwegen darf
der S. nicht entheiligt werden). R. J'^huda (um 150) sägte: Alle Verrichtungen an ihnen
«rfolgen innerhalb (des Vorhofes). R. Schimfon (um 150) sagte: Immer gewöhne dich
daran, zu sagen: Die beiden Brote u. die Schaubrote sind tauglich im Vorhof (hergestellt)
u. tauglich in Bethphage (hergestellt). Parallelstelle: TM^n 11, 1 (529). — Das vom
entferntesten Stadtteil Gesagte gilt erst recht vom übrigen Jerusalem. — i| M'^n 7, 3:
Wer das Dankopfer innerhalb (des Vorhofes) schlachtet u. das dazu gehörige Brotopfer
(Lv 7, 13) außerhalb der Mauer bereitet, heiligt damit nicht das ßrotopfer. — Dazu
M^'n 78'^: Was heißt: „außerhalb der Mauer" ? R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Außerhalb
der Mauer Bethphages (d. h. außerhalb des äußersten Umkreises Jer.s); u. Resch Laqisch
(um 250) hat gesagt: Außerhalb der Mauer des Vorhofes. . . . Die Bar stimmt mit
R. Jochanan überein: Wer das Dankopfer innerhalb (des Vorhofes) schlachtet u. das
dazu gehörige Brotopfer außerhalb der Mauer von Bethphage bereitet, heiligt damit
nicht das Brotopfer. — Diese Bar findet sich TM^nS, 18 (524); die Kontroverse zwischen
R. Jochanan u. Resch Laqisch auch P'"s63t>. — \\ P^sS, 6: Der Leidtragende (vor dem
sein Toter liegt), der den Schutthaufen (unter dem ein Mensch verschüttet liegt) Weg-
räumende, der, welchem man die Freilassung aus dem Gefängnis zugesichert hat, ferner
der Kranke u. der Greis, welche soviel wie eine Olive essen können — für die schlachtet
man (das Passahlamm); aber für sie alle schlachtet man nicht besonders; denn sie
könnten das Passahopfer zur Untauglichkeit bringen (da sie es vielleicht doch nicht
essen könnten; sie haben sich deshalb einer Passahgenossenschaft anzuschließen). —
Dazu P'^s 91": Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Was man da gesagt hat, gilt von einem
heidnischen Gefängnis nur, wenn es sich außerhalb der Mauer von Bethphage (von
Groß- Jerusalem) befindet; aber wenn es sich innerhalb der Mauer von B. befindet, so
schlachtet man für ihn (den Gefangenen) besonders, weil man es ihm hintragen kann,
damit er es esse. (Außerhalb Jer.s durfte das Passahlamm überhaupt nicht gegessen
werden; in B. war also sein Genuß noch erlaubt.) || Sanh 14b u. Sota 45'': Wenn er (der
s-i5:73 "ipT, der gegen eine Synedrialentscheidung sich auflehnende Gelehrte) sie (die
Synedristen) in B. antrifft u. sich (dort) wider sie auflehnt, zB wenn sie ausgegangen
840 ^latth 21, 1 [^. SB)
waren zur Abmessung (der Wegstrecke) anläßlich des Kalbes, dem das Genick zu
brechen ist (Dt 21,1 ff.), oder zur Hinzufügung (eines Bezirkes) zur Stadt oder zu den
Vorhöfen: so könnte man meinen, daß seine Auflehnung als (wirkliche u. deshalb
strafbare) Auflehnung anzusehen sei. Darum sagt die Schrift lehrend Dt 17, 8: Mache
dich auf u. ziehe zu der Stätte hinauf, die Jahve erwählen wird (=^ zum Tempelbezirk).
Das lehrt, daß es der Ort zustande bringt. (Nur am Sitz des Synedriums in der Quader-
halle, nicht in B. oder sonstwo in Jer., wird die Auflehnung des Zaqen Mamre zu
einer strafbaren Handlung.) — Auch in den Worten: „Wenn jemand innerhalb der
Mauer von B. drischt" BM 90* bezeichnet B. (pars pro toto) den ganzen Umkreis Jer.s. |1
Anders verhält es sich mit SNu 29,35 § 151 (bb^): Am achten Tage soll euch Ver-
sammlungsfeier r^-ii' sein Nu 29, 35. Zurückhalten ^^y will ihn (den Festpilger) die
Schrift, daß er nicht hinausgehe (aus Jer.). Siehe, wenn er sein Geheiligtes von B.
nach Jer. gebracht hat, so könnte ich annehmen, daß er es in Jer. verzehren u. in B.
übernachten dürfe. Da sagt die Schrift lehrend: Am achten Tage soll euch ri:ii- (im
Sinne des Midr: Zurückhaltung in Jer.) sein. Zurückhalten will ihn die Schrift, daß er
nicht hinausgehe. (Diese Deutung erwähnt auch Raschi zu Nu 29, 35.) — Hier steht B.
im Gegensatz zu Jer., ist also nicht zu diesem gerechnet worden.
21,1 S: Ölberg.
TÖ oQog xMv iXaiMv. — Dieser Name auch Mt 24, 3; 26, 30; Mk 11, 1;
13,3; 14,26; Lk 19,37; 22,39; Job 8,1; dagegen Lk 19,29; 21,37 kurz-
weg 0 'EXaio'}}', Genitiv 'Elamvog Apg 1, 12. (In LXX o skaiMv appella-
tivisch „Olivenplantage" Ex 23, 11; Dt 6, 11; Jos 24, 13; Neh 9, 25.) —
Das AT redet vom Ölberg, ohne ihn zu nennen, Ez 11, 23: „Der Berg,
der gegen Morgen von der Stadt", Targ xniT -^-j. Ausdrücklich wird der
Ö. im AT nur Sach 14,4 genannt, u. zwar als c'in^;tri nn, Targ xn^T n-j,
LXX To oQog TMv iXamv. N^niT -si-j (Plural von ^tp]) im Targum zu
2 Sm 15, 30 u. zu 2 Kg 23, 13; an letzterer Stelle wird das textliche
r^r-ä^sn -ir; (Berg des Verderbers, vgl. 1 Kg 11,7) ersetzt durch Nni^pKr: -^n
= Ölberg. (Auch Schab 56'' Bar zitiert R. Jose [um 150] 2 Kg 23, 13 mit
r;r-r^!-; -n statt r.^n-ü-or, -n; vermutlich hat man das letztere nur für eine
kakophemistische Umformung des ersteren gehalten.) ^ || xn^^-? ^"j
„Berg des Öles", in den Targumen zB Jerusch I zu Gn 8, 11: Es kam
die Taube zu Noah zur Abendzeit, u. siehe, ein aufgenommenes Öl-
baumblatt, das abgebrochen war, lag in ihrem Schnabel; sie hatte es
vom Ölberg xriUJiTD -ivj genommen. (Diese Tradition vertritt GnR 33 [20 '^J
R. Levi, um 300, s. S. 841.) jj Targ HL 8, 5: Salomo hat als Prophet gesagt:
Wenn die Toten Wiederaufleben, wird sich der Ö. xrit-Q ^i-j spalten u. alle
Toten Israels werden unterhalb von ihm hervorkommen; u. au.ch die Ge-
rechten, die in der Verbannung gestorben sind, werden durch Höhlungen
unterhalb der Erde kommen u. unterhalb des Ö. snu:^ -.ii: hervorkommen.
Josephus hat Antiq. 7, 9, 2 die Genitivform öid xov 'Elaimoq oqoik\
für ihn hieß also der Berg o 'Elaiwr, wie Lk 1 9, 29 ; 2 1 , 37. So wohl auch
in Verbindungen wie ttqoc ijgog t6 nQoaayoqsvöi-Uvuv^EXaiwv Knt\(\. 20,8,6
oder xuTcc To'Elcaon' xaXov^ierov oqoq Bell. J. 5, 2, 3 (also nicht '£/la'wi'
von iXaia). Nach B. J. lag der Ö. 6 Stadien (1110 m) östlich von Jer.,
durch das Kidrontal von der Stadt getrennt; nach Antiq. 20, 8, 6 nur
5 Stadien (925 m); nach Apg 1, 12 einen Sabbatweg (2000 Ellen).
Matth 21, 1 (SB) 841
Erwähnungen in der tabbin. Literatur. ParaS, 6f. : Man machte (sooft eine rote
Kuh — s. Nu 19 — verbrannt werden sollte) eine Brücke vom Tempelberg (über das
Kidrontal hinweg) nach dem 0. nnii^an irt, Gewölbe über Gewölbe, u. zwar das (obere)
Gewölbe gegenüber dem massiven Unterbau (des unteren Gewölbes), wegen der Gräber
der Tiefe; auf dieser Brücke gingen der Priester, der die Kuh verbrennen sollte, u. die
Kuh u. die Teilnehmer zum Ö. r-.r.vor, it- hinaus. (Die Brücke verhütete, daß man sich
auf dem Wege nach dem 0. au unbekannterweise vorhandenen Gräbern verunreinigte.) . . .
Die Ältesten des Volkes waren schon vorher nach dem Ö. nntü^sn ^n hinausgegangen. |
Para 3, 11 : Man teilte (die von der roten Kuh gewonnene Asche) in drei Teile: der eine
wurde niedergelegt im Chel (einer schmalen Terrasse dicht aufserhalb der den innern
Vorhof umgebenden Mauer), der andre auf dem Ö. nnatsn ^n, u. der dritte wurde an
alle Priesterabteilungen verteilt. Diese Mischna ist fast wörtlich wiederholt SNu 19,9
§ 124 (43l>) mit dem Zusatz: , Außerhalb des Lagers" Nu 19, 9, d. i. auf dem Ö. r.nv-ir, -n.
(Ebenso werden SNu 19, 3 § 123 (42b) die Worte: „Man führe sie (die rote Kuh) hinaus
vor das Lager" Nu 19, 3 erklärt: nach dem Ö. nnr^n in.) — TParaiJ, 14 (633) ergänzt
die Mischna in folgender Weise: Von dem Teil, der an alle Priesterabteilungen verteilt
wurde, besprengte man die Israeliten (in den einzelnen Ortschaften des Landes, damit
sie nicht nötig hätten, nach Jer. hinaufzuziehen, Bertinoro) ; von dem, der auf dem Ö.
niedergelegt wurde, heiligte (besprengte) man die (Hohen-)Priester (für die andren Kühe,
Raschi zu Nu 19, 9), u. den Teil im Chel bewahite man auf, s. Nu 19, 9: Es diene der
Gemeinde der Kinder Israel zur Aufbewahrung. Vgl. auch Targ Jerusch I zu Nu 19,9. ||
RH 2, 4: Von wo begann man mit dem Anzünden der Signalfackeln (zur Verkündigung
des Neumondstages)? Vom Ö. '^"•ü'cn ^- nach Sartaba hin usw. — Parallelstelle: TRH
3, 2 (210). ii pTaf an 4, 69^*, 37: Zwei Zedern standen auf dem Ö. ni-irtin ~r, usw.; s. bei
Mt 21,12 Anm.d. \\ ^ch^bu 16=*: AbbaSchaiul (um 150) hat gesagt: ZweiTeiche waren auf
dem Ö. nn-ü'sn -n usw.; s. die Stelle im Exkurs: „Abgaben von den Bodenerzeugnissen '
Nr. 5 gegen Ende. |j GnR 33 (20*^): Von wo brachte die Taube das Ölbaumblatt? R. Abba
b. Kahana (um 310) hat gesagt: Von den Scliößlingen im Lande Israel brachte sie es.
R. Levi (um 300) hat gesagt: Vom 0. rtr.xyor] -n brachte sie es; denn das Land Israel
war von der Sündflut nicht überschwemmt worden; das ist es, was Gott zu Ezechiel
sagte: Das Land, das nicht gereinigt, das nicht überschwemmt wurde zur Zeit des Zorns
Ez 22,24. — Parallelstellen mit Abweichungen LvR 31 (129=); Midr HL 1, 15 (94«); 4, 1
(109^). II Leqach tob Nu 24, 17 (2, 129»): R. Levi (um 300) hat gesagt: Gott wird ausziehen,
um mit ihnen (Gog u. Magog) zu kämpfen, s. Sachl4, 3: „Ausziehen wird Jahve u.
streiten mit diesen Völkern"; u. die Berge werderi weichen u. die Hügel wanken u. der 0.
c"f"!r! ^~ wird sich spalten von seiner Mitte an; u. Gott fährt auf ihn herab u. die
Israeliten fliehen u. werden errettet, s. Sach 14,5: Ihr werdet fliehen ins Tal meiner
Berge. || RH 31 •'^: Rab J'^huda b. Idi (wann?) hat gesagt, R. Jochanan (t 279) habe gesagt:
Zehn Stationen hat die Sch*^khina (Gottheit) bei ihrem Abzug (aus dem Tempel) nach
der Schrift gemacht: . . . Von der Kapporeth (Sühndeckel) auf den Kerub, vom Kerub
auf den (andren) Kerub, vom (andren) Kerub auf die Unterschwelle, s. Ex 25, 22; 2 Sm
.22, 1 1 ; Ez 10, 4; von der U. in den Vorhof, s. Ez 10, 4; vom V. auf den Altar, s. Am 9, 1 ;
vom A. auf das Dach, s. Spr 21,9 (wo unter dem Weib die Gemeinde Israel zu verstehen
ist); vom Dach auf die Mauer, s. Am 7, 7; von der Mauer nach der Stadt, s. Micha 6, 9;
von der Stadt auf den Berg, s. Ez 11,28: Es erhob sich die Herrlichkeit Jahves aus
der Stadt u. nahm ihren Stand auf dem Berge, der gegen Morgen von der Stadt (d. h. auf
dem Ö.; so auch Targum zu Ez 11,23); vom Berg nach der Wüste, s. Spr 21, 19 (wo
Weib = Gemeinde Israel), u. von der Wüste erhob sie sich u. ließ sich nieder an ihrem
Ort (im Himmel), s. Hos 5, 15. — Dasselbe Midr KL Einl. Nr. 25 (39=*); P^siq lU^: in
beiden Stellen wird der ="r:t~ "~ ausdrücklich genannt; vgl. auch Targ Ezll,23. |!
P^siqll5«: R. Jonathan (um 220) hat gesagt: 3V2 Jahr (so nach den Parallelstellen
statt 13\'2 J.) verweilte die Sch*^khina (nach ihrem Scheiden aus dem Tempel) auf dem Ö.
DTTn "ir, dreimal verkündigend u. rufend: Ich will gehn u. an meinen Ort zurückkehren,
bis daß sie es büßen u. mein Angesicht suchen; in ihrer Bedrängnis werden sie nach
842 Matth21,2. 5
mir ausspähen. — Parallelstellen: Midr KL Einl. Nr. 25(39^); pesiqR31 (US*^); Midr
Ps 10 § 2 (46"^), liier ohne Nennung des Ülbergs.
21,2: Eine Eselin angebunden u. ein Füllen bei ihr.
oioy . . . xai n(t)Xor. — Sach 9, 9: m:rx— ,2 ^•^v-h•J^ '^^•orrh^ = „auf
einem Esel u. auf einem Füllen, dem Jungen von Eselinnen". LXX zu
Sach 9,9: imol^vYiüv xai nwXov rtov. — BB 5,3: Wenn jemand eine
Eselin -renn rj< verkauft, so hat er das Füllen n-t? mitverkauft. —
BB 78'': Warum heifat das Eselsfüllen 0:^0? Weil es dem sanften Zureden
nn-ip folgt. — Nach dem griechischen ya'vöaQor heißt pBMO, 11=', 24 das
Eselsfüllen auch ■::;; "i'i'r^'^J, der kleine oder junge Esel.
Über das Mieten u. Vermieten von Eseln bestimmt die Mischna zB BM 6, 3: Wenn
jemand einen Esel mietet zu einer Reise im Gebirge, u. er läßt ihn durch eine Tal-
gegend ziehen oder umgekehrt, so ist er, selbst wenn jede Strecke zehn Mil beträgt
(also beide Wege gleich weit sind), falls der Esel stirbt, ersatzpflichtig. — Wenn jemand
einen Esel mietet u. dieser erblindet, oder er wird zum Frondienst (für die Regierung)
herangezogen, so kann er (der Vermieter) zu ihm (dem Mieter) sagen: Hier hast du
das Deine vor dir (dein Geld zurück)! (Die vis maior hebt den Mietsvertrag ohne Ent-
schädigungsanspruch auf.) Stirbt der Esel aber oder bricht er ein Bein, so muß der
Vei-mieter ihm einen andren Esel stellen. — Wenn jemand einen Esel mietet zu einer
Reise im Gebirge, u. er läßt ihn durch eine Talgegend ziehen, u. der Esel gleitet aus
(u. verunglückt), so ist er frei von Ersatz; wenn sich aber der Esel erhitzte (u. in-
folgedessen starb), so ist der Mieter ersatzpflichtig. Hatte er ihn 'jedoch gemietet zu
einer Reise durch eine Talgegend, u. er läßt ihn durch ein Gebirge ziehen, so ist er,
wenn er ausgleitet, ersatzpflichtig, u. wenn er sich erhitzt, frei von Ersatz; erhitzte
er sich aber infolge des Steigens, so ist er ersatzpflichtig. — BM6, 5: Wenn jemand
einen Esel mietet, um ihn mit Weizen zu beladen, u. er belädt ihn mit Gerste, so ist
er (falls der Esel verunglückt) ersatzpflichtig. Mietete er ihn, um ihn mit Getreide zu
beladen, u. er belädt ihn mit Stroh, so ist er ersatzpflichtig (im Fall eines Unglücks),
weil der große Umfang die Fortschaffung erschwert. Mietete er ihn, um einen Lethekh
(ö Epha, etwa 197 1) Weizen zu holen, u. er ließ ihn einen L. Gerste holen, so ist er
frei von Ersatz (weil das Gewicht der Gerste geringer ist); wenn er aber zu seiner
(gewöhnlichen) Last hinzufügt, so ist*ersatzpflichtig. Wieviel muß man zu seiner (gew.
Last) hinzugefügt haben, um ersatzpflichtig zu sein? Symmachus (b. Joseph, um 180)
sagte im Namen des R. Meir (um 150): Ein Sea (= 13,181 1) bei einem Kamel, drei
Qab (= V'ä Sea) bei einem Esel.
21,5: Sach 9, 9 in der rabbin. Literatur.
In den Pseudepigraphen wird auf Sach 9, 9 nirgends Bezug ge-
nommen; dagegen ist in der rabbin. Literatur die Deutung der Stelle
auf den Messias gang u. gäbe.
GnR 75 (48*^): (Es ward mir Stier u. Esel Gn 32, 6:) Die Rabbinen (Zeitgenossen des
R. J*^huda u. R. N*^chemja, also um 150) sagten: Mit „Stier" ist der Kriegsgesalbte (d.h.
der Messias b. Joseph oder b. Ephraim s. bei Lk 24, 26) gemeint; denn es heißt Dt 33, 17 :
,Sein erstgeborner Stier (= Ephraim), prachtvoll ist er." Mit „Esel" ist der König,
der Messias (Ben David), gemeint; denn es heißt Sach 9, 9: Arm u. reitend auf einem
Esel usw. Parallelstellen: Tanch nVr-'i 38«; TanchB ni-^^i § 5 (82''). II GnR 98 (62 «) :
„Er bindet an den Weinstock seinen Esel u. an die Edelrebe sein Eselsfüllen. Er
wäscht in Wein sein Gewand u. in Traubenblut seinen Mantel" Gn 49, 11. Die Rabbinen
(Zeitgenossen des J^'huda u. N'^chemja, um 150) haben gesagt: Ich (Gott) bin gebunden an
den Weinstock (d.h. an Israel) u. an die Edelrebe seiner Stadt (= Jerusalem, -•;> = "i^y).
Matth21,5 843
u. „sein Esel" bedeutet: wenn der kommen wird, von dem es Sach 9, 9 heißt: Arm u.
reitend auf einem Esel usw. „Er wäscht in Wein sein Gewand", denn er (der Messias)
macht ihnen (den Israeliten) die Worte der Tora klar (lies ^iir:^ statt larrTj); „u. in
Traubenblut seinen Mantel", denn er berichtigt ihre Irrtümer (nnio nach r-crt „in
Irrtum verleiten" gedeutet). — Parallelstelle: GnR 99 (63«). In Tanch -n-i 57 ^ fehlt die
Bezugnahme auf Sach9, 9. j] Sanh 98=*: R. Alexandrai (um270) hat gesagt: R. J^'hoschua?
b. Levi (um 250) hat gegenübergestellt Dn 7, 13: „Siehe, mit den Wolken des Himmels
kam einer, wie ein Menschensohn", u. Sach 9, 9: „Arm u. reitend auf einem Esel."
V/enn sie (Israel) Verdienste haben (dessen würdig sind), kommt er mit den Wolken
des Himmels; wenn sie keine Verdienste haben, (kommt er) arm u. reitend auf einem
Esel. Der König Schabor (I.) sagte zu Sch®muel (f 254): Ihr sagt, der Messias werde
auf einem Esel kommen; ich will ihm ein schimmerndes Pferd (Schimmel) senden, wie
ich es besitze. Er antwortete ihm : Hast du denn eins von tausend Farben (wie sein
Esel tausendfarbig sein wird)'? || Sanh 99a: R. Hillel (wenn der Sohn des R. Sch^muel
b. Nachman, dann um 300) sagte: Es gibt für die Israeliten keinen Messias (mehr),
denn sie haben ihn bereits in den Tagen des Hiskia genossen. Rab Joseph (f 333) hat
gesagt: Möge es dem R. Hillel sein Herr (Gott) verzeihen! Wann lebte Hiskia? Zur
Zeit des ersten Tempels. Und siehe, Sacharja hat zur Zeit des zweiten Tempels ge-
weissagt u. gesprochen: Frohlocke gar sehr, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem I
Siehe, dein König kommt zu dir — gerecht u. heilvoll ist er, arm u. reitend auf einem
Füllen, dem Jungen von Eselinnen Sach 9, 9. Il Midr Qoh 1, 9 (9 '^) : R. B'^'rekhja (um 340)
hat im Namen des R. Ji9chaq (um 300) gesagt: Wie der erste Erlöser (Mose), so der
letzte Erlöser (der Messias): wie es vom ersten Erlöser heißt Ex 4, 20: „Es nahm Mose
sein Weib u. seine Sühne u. ließ sie auf einem Esel reiten" — so vom letzten Erlöser
Sacli 9, 9 : Arm u. reitend auf einem Esel. — Dasselbe unter dem Autornamen des
R. Levi (um 300) Midr Sm 14 § 9 (45 •>). \\ B'^rakh 56^': Wer einen Esel im Traum sieht,
darf auf das (messian.) Heil hoffen: s. Sach 9, 9. || Tanch r-ias^a 2»; So hat der Prophet
Jesaja gesagt (32,20): „Wohl euch, die ihr säet au allen Wassern" ; damit sind die
gemeint, die sich mit der Tora beschäftigen, die dem Wasser verglichen wird, s. Jes 55, 1 :
Auf, ihr Dürstenden alle, kommt zum Wasser. „Die ihr freien Lauf lasset dem Fuße
des Stieres", damit ist der Messias Ben Joseph gemeint, der mit einem Stier verglichen
wird (vgl. Dt 33, 17) „u. (dem Fuß) des Esels", damit ist der Messias Ben David ge-
meint, s. Sach 9, 9. — Vgl. DtR 6 (203 1>): Was bedeutet Dt 22, 7 : „Laß die Vogelmutter
los"? Wenn du dieses Gebot erfüllst, so beschleunigst du das Kommen des Königs,
des Messias, von dem (gleichfalls) ein Freilassen geschrieben steht, s. Jes 32, 20: „Die
ihr freien Lauf lasset dem Fuß des Stiers u. des Esels." (Die nähere Auslegung dieser
Worte ergänze nach Tanch n-:;s-.= 2«.) || Midr Ps 60 §3 (153a): „Mein ist Gilead"
Ps 60, 9. Ich bin es, der dem Giieaditen Jephtah ein Zeichen getan hat, u. ich bin es,
der dem Gideon, Sohn des Joasch, aus dem Stamm Manasse ein Zeichen getan hat:
aber seine Hilfe war eine Hilfe für einen Augenblick (vorübergehender Art); in der
Zukunft jedoch werde ich euch helfen durch den Messis^ Ben Ephraim (= Ben Joseph)
u. durch den Messias Ben David aus dem Stamm Juda. „Ephraim der Schutz meines
Hauptes" Ps 60, 9; denn er (Messias Ben Ephraim) übernimmt das Joch der Herrschaft
zuerst; u. hinterher „Juda. mein Herrscherstab" (das.); damit ist der Messias Ben David
gemeint. „Moab ist mein Waschbecken" (das. Vers 10); s. Jes 11, 14: „Sie fliegen auf
die Schulter der Philister meerwärts, zusammen plündern sie die Morgenländer, Edom
u. Moab werden von ihrer Hand in Beschlag genommen." Das meinen die Worte:
„Moab ist mein Waschbecken": ein Mensch wäscht seine Füße in einem Becken u.
dabei tritt er es nieder. „ Auf Edom werfe ich meinen Schuh" Ps 60, 10, um es zu zer-
treten, s. Jes 26, 6: „Es zertritt sie der Fuß." Das ist der Fuß Gottes, s. Jes 63, 3:
„So trat ich sie in meinem Zorn u. stampfte sie in meinem Grimm." „Es zertritt sie
der Fuß, ja die Füße des Armen" Jes 26, 6, damit ist der König, der Messias, gemeint,
s. Sach 9, 9: Arm u. reitend auf einem Esel, jj TanchB '-'ns § 18 (o6a): R. Abbahu(um 300)
liat gesagt: Alle Hilfe, die Israel kommt, ist eine Hilfe für Gott, s. Ps91, 15 f.: „Ich
844 " Matth2I,5. 8
(Gott) bin mit ihm in Not . . ., ich will ihn sehen lassen meine Hilfe (im Sinne des
Midr: die mir, nämlich Gott, zuteil wird). . . . R. B^rekhja, der Priester, der Rabbinen-
sohn (um 340) hat gesagt: Siehe, was geschrieben steht Sach 9, 9: , Frohlocke gar sehr,
Tochter Zion .. . gerecht u. einer, dem Hilfe wird, ist er." „Der hilft" s-v.'c, heißt
es nicht, sondern „dem geholfen wird" yx^i. — Der gleiche Gedanke in breiterer Aus-
führung u. anonym ExR30(9lb). || Midr HL 1, 4 (87a): „Wir wollen frohlocken u.
deiner uns freuen" HL 1,4. Gleich einer Matrone, deren Gemahl, der König, samt
seinen Söhnen u. Schwiegersöhnen in ein fernes Land gezogen war. Man kam u. sagte
.zu ihr: Deine Söhne sind gekommen! Sie sprach: Was habe ich davon? meine Schwieger-
töchter mögen sich freuen! Als ihre Schwiegersöhne kamen, sagte man zu ihr: Deine
Schwiegersöhne sind gekommen! Sie sprach: Was habe ich davon? Meine Töchter
mögen sich freuen! Man sagte ihr: Der König, dein Gemahl, ist gekommen! Sie sprach:
Das ist eine vollkommene Freude, Freude über Freude! So werden in der Zukunft (in
der messian. Zeit) die Propheten kommen u. zu Jerusalem sagen: „Deine Söhne kommen
von ferne her" Jes60, 4! Und sie antwortet ihnen : Was habe ich davon?" Und deine
Töchter werden an der Seite getragen" (das.); sie antwortet: Was habe ich davon?
Wenn man aber zu ihr sagt: „Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht u. heilvoll"
Sach 9, 9, dann sagt sie: Das ist eine vollkommene Freude, s. Sach 9, 9: „Frohlocke
gar sehr, Tochter Zion!" ]! DtR4Ende: „Wann Jahve, dein Gott, dein Gebiet erweitern
wird" Dt 12, 20. Die Rabbinen sagten: Das redet von Jerusalem; wer wird das Wohl-
ergehen Jer.s sehen können, wenn Gott es erweitert? . . . Dann gehen die Worte in
Erfüllung Mal 3, 4. 23. 24; 3, 1; Sach 1, 16. 17 u. Sach 9, 9: Frohlocke gar sehr, Tochter
Zion! Jauchze, Tochter Jer.! Siehe, dein König kommt zu dir usw. || GnR 56 (35''):
R. JiQchaq (um 300) hat gesagt: Es wird der Ort (Jerusalem) dereinst ferne von seinen
Besitzern (den Israeliten) sein (nämlich während der Exilszeit). Etwa für immer? Die
Schrift sagt lehrend Ps 132, 14: „Das ist meine Ruhestätte in Ewigkeit, hier will ich
wohnen", wenn jener kommen wird, von dem geschrieben steht Sach 9, 9: Arm u.
reitend auf einem Esel." 1| Pirqe REl 31: „Araham machte sich früh am Morgen auf u.
machte seinen Esel zurecht" Gn 22, 3. Das war der Esel, auf welchem Mose ritt, als
er nach Ägypten kam, s. Ex 4, 20, u. dieser Esel wird es sein, auf welchem dereinst
der Sohn Davids (= Messias) reiten wird, s. Sach 9, 9. ü P^'siqR 34 (159''): „Gerecht u.
heilvoll ist er" Sach 9, 9; das ist der Messias, denn er erkannte das Gericht über
Israel als gerecht an, als man über ihn lachte u. er im Gefängnis lag, und (deshalb)
heißt er „gerecht". Warum heißt er „heilvoll"? Wenn er das Gericht über sie als
gerecht anerkannt hat, wird er zu ihnen sagen: Seid ihr nicht alle meine Kinder?
Fürwahr, ihr werdet alle Heil erfahren durch Gottes Erbarmen. „Niedrig u. reitend
auf einem Esel"; das ist der Messias. Und warum wird er „niedrig" genannt? Weil
er alle jene Jahre erniedrigt wurde im Gefängnis u. die Frevler aus Israel über ihn
lachten. „Reitend auf einem Esel", um der Gottlosen willen, die kein Verdienst haben,
macht er sich auf u. erinnert (mit seinem Reiten auf einem Esel) an das Verdienst der
Väter* (eines Abraham, der i\ji Gehorsam gegen Gottes Gebot sich aufmachte, selbst
seinen Esel zu gürten Gn 22, 3). — Zum mangelnden Verdienst der Gottlosen s.
Sanh98a oben S.843«.
21,8: Breiteten ihre Kleider auf den Weg.
Jalqut zu Ex 2, 15 (1, § 168): Eilends zogen die Kuschiten ein jeder sein Kleid aus
u. legten es auf die Erde u. errichteten eine große Tribüne u. setzten Mose darauf;
stießen in die Posaunen u. riefen: Es lebe der König! Es lebe der König! Vgl. auch
2 Kg 9, 13. II K®th 66 •> Bar: Von Naqdimon b. Gorjon (um 50 n. Chr.) hat man erzählt:
Wenn er von seinem Hause nach dem Lehrhaus (in Jerusalem) ging, breitete man
wollene Zeuge unter ihm aus (denn er war sehr reich); u. dann kamen die Armen u.
legten sie hinter ihm zusammen. (Die ganze Stelle s. bei Joh 3, 1.) || Midr KL 1, 16 (57 a):
1 Der Text ist hier schwerlich in Ordnung, s. Friedmann.
Matth 21,8. 9 (3t 1) 845
Es geschah, daß J'^'hoschuaf b. Gamliel sich die Mirjam,' die Tochter des Boethos,
verlobte, u. der König setzte ihn als Hohenpriester ein. Einmal ging sie, um zu-
zuschauen; sie sprach: Ich will gehn u. ihn sehen, wenn er am Versöhnungstag im
Heiligtum vorliest. Man schaffte für sie Teppiche hinaus von der Tür ihres Hauses
bis zur Tür des Heiligtums, damit ihre Füfse nicht die Barfüßigkeit empfänden (denn
am Vers.tage hatte alles barfuß zu gehen), u. trotzdem empfanden sie sie. |1 Midr KL
Einl. Nr. 25 (39^): Die Rabbinen sagten: Sie (die Trauernden) breiteten ihm (zu Ehren
des verstorbenen Königs Hiskia) Teppiche aus von der Tür ihrer Häuser bis zu den
C4räbern der Söhne Davids; u, das alles warum? Damit ihre Füße die Barfüßigkeit
nicht empfänden (denn Leidtragende gingen barfuß einher), u. trotzdem empfanden ihre
Füße sie. Da sprach Jeremia zu ihnen: Wenn eure Füße zu der Zeit, da ihr Teppiche
von der Tür eurer Häuser bis zu den Gräbern der Söhne Davids ausgebreitet habt, die
Barfüßigkeit empfanden, um wieviel mehr wird es der Fall sein, wenn eure Füße sich
stoßen werden an den Bergen des Dunkels (s. Jer 13, 16)! || Targ Esth 8, 15: Als
Mardokhai aus der Tür des Königs ging, waren die Straßen mit Myrten bestreut.
21, 9 ?(: Hosianna dem Sohne Davidsl
1. coffarrd^ Nji'irin, xj-j^rin = x: nr-^din „hilf doch" Psll8,2o. Der
H.ruf war als Bestandteil des Hallel jedermann in Israel geläufig; es
hat darum nichts Auffallendes, wenn nach Mt 21, 15 auch die Kinder
in denselben einfielen. — Die alte Synagoge unterschied zwischen dem
großen Hallel u. dem Hallel schlechthin. Ersteres umfaßte die Psalmen
120 — 136, nach andrer Tradition die Psalmen 135 u. 136, oder auch
bloß den 136. Psalm; »letzteres die Psalmen 118—118. Nach einer alten
Tradition sind die Hallelpsalmen 113 — 118 bereits von Mose u. den
Kindern Israel am Roten Meer gesungen worden ; ^ andre Überlieferungen
brachten sie mit sonstigen wunderbaren Errettungen in der Geschichte
des jüd. Volkes in Verbindung. b Jedenfalls nahmen die Hallelpsalmen
113 — 118 schon zur Zeit des Tempelbestandes eine hervorragende
Stellung im Ritus der einzelnen Feste ein, eine Stellung, die sie auch
später in der synagogalen Festliturgie behauptet haben, — Das Hallel
wurde rezitiert: 1, bei der Schlachtung der Passahlämmer im Tempel
am Nachmittag des 14. Nisan;c 2. bei der häuslichen Passahfeier am
Abend des 14. Nisan;d 3. am 1. Passahtag (15. Nisan), am 1. Pfingsttag,
an den acht Tagen des Laubhüttenfestes u. an den acht Tagen des
Tempelweihfestes (Chanukka) nach der Darbringung des Morgen-
tamids.e Besonders feierlich gestaltete sich der Vortrag des H. am
Laubhüttenfest, indem die im Tempel anwesende Menge bei bestimmten
Psalmversen den Feststrauß in ihren Händen schüttelte. Nach Dar-
bringung der Zusatzopfer des Laubhüttenfestes zogen die Priester
Einmal (am siebenten Tag des Festes siebenmal) um den Brandopfer-
altar, den Ruf PsllS, 25 wiederholend: Jahve, hilf doch; Jahve, laß
es gelingen! Das Volk aber rief: „Schönheit dir, o Altarl" oder: „Gott
u. dir, 0 Altar!" Vgl. den Exkurs: Das Laubhüttenfest.
1 J-^b6, 4 heißt sie Martha. Vgl. Schürer-« 2, 273.
" Hiermit hängt zusammen, daß das Hallel B'rakhSß''^ das „ägyptische H." ge-
nannt wird: Raba (f 352) sagte zu dem Traumdeuter: Ich ließ im Traum das äg. H.
vorlesen. Er sprach zu ihm (den Traum deutend) : Es werden dir Wunder geschehen.
346 Matth 21,9 (511)
a. P^s HS'': Von wo an beginnt das grofse Hallel? R. J'huda (um 150) sagte: Von
, danket Jahve" Ps 136, 1 bis „an den Strömen Babels" Ps 137, 1; R. Jochanan (f 279)
sagte: Von „Stufenlied" Ps 120, 1 bis „an den Strumen Babels"; Rab Acha b. Jafaqob
(um 325) hat gesagt: Von „denn Jakob hat sich Jahve erwählt" Ps 135, 4 bis „an den
Strömen Babels". Warum heißt es das „große Hallel"? R. Jochanan hat gesagt: Weil
Gott in der Höhe der Welt wohnt u. allen Geschöpfen Speise zuteilt, vgl. Ps 136, 25. —
Dasselbe Midr Ps 136 § 1 (260*). |1 Tafan 3, 9: Einmal hatte man in Lydda ein Fasten
angeordnet, u. es fielen Regengüsse, bevor es Mittag war. Da sprach R. Tarphon
(um 100) zu ihnen: Geht u. esset u. trinket u. machet einen Feiertag (das Fasten
wurde also aufgehoben)! Und sie gingen u. aßen u. tranken u. machten einen Feiertag;
dann kamen sie zwischen den beiden Abenden (in der Dämmerung) u. lasen das große
Hallel. — Dazu pTafan 3, 67», 52: Welches ist das große Hallel? R. Parnakh (um 270)
hat im Namen des R. Chanina (um 225) gesagt: „Danket dem Gott der Götter, denn
seine Gnade währet ewiglich! Danket dem Herrn der Herren, denn seine Gnade währet
ewiglich" (d.h. Ps 136). R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Nur daß man anhebt mit: „Die
ihr steht im Hause Jahves" (d.h. mit Ps 135). Warum (besteht das große H.) aus diesen
beiden Abschnitten (nämlich aus Ps 135 u. 136)? R. Z'^dra (um 300), R. Abbahu (um 300)
haben im Namen des R. Sch^muel b. Nachman (um 260) gesagt: Weil das Niederfallen
der Regengüsse darin enthalten ist. Das trifft zu nach der Meinung des R. Jochanan ;
denn es heißt Ps 135, 7: Der die Dünste aufsteigen läßt vom Ende der Erde usw. Aber
wie trifft es zu nach der Meinung des R. Chanina (der das große H. nur aus Ps 136
bestehen läßt)? Darum daß es Psl36, 25 heißt: Der Speise gibt allem Fleisch, denn
seine Gnade währet ewiglich! (Der allen Geschöpfen gedeckte Tisch setzt das recht-
zeitige Niederfallen des Regens voraus.) R. Ba (um 290) u. R. Simon (um 280) haben
beide gesagt: (Das Ta?an 3, 9 erwähnte große H.) ist das unsre (d.h. das H., das wir
an den Festtagen beten, also = Ps 113—118). R. J^hoschua? b.Levi(um250) hat gesagt:
Es ist das unsre. Bar Qappara (um 220) hat gesagt: Es ist das unsre. Bar Qappara
folgte dabei seiner (auch sonst bezeugten) Ansicht; denn wir haben dort (P^s 5, 7) ge-
lernt: Ihr lebelang ist die dritte Abteilung (vgl. hierzu Anm. c) nicht bis zu „Liebe be-
wegt mich, weil Jahve hört" Ps 116, 1 gelangt, weilihreTeilnehmer nicht zahlreich waren.
Bar Qappara lehrte (als tannait. Tradition): Das ist das große H. (also = Ps 113— 118).
Ein Vorbeter ^ trat vor die Lade (um an einem Fasttage nach eingetretenem Regen das
große H. zu beten); er sprach zu ihnen (zur versammelten Menge): Sprecht mir nach,
was ich sage! Das besagt doch, daß es (das große H.) nicht das unsre ist (d.h. das
die Psalmen 113— 118 umfassende; denn dann hätte er es ihnen nicht vorzusprechen
brauchen; also ist mit dem großen H. Ps 135 f. gemeint). R. Mana (wohl IL, um 370)
hat gesagt: Es ist das unsre damit gemeint: es war nämlich ein großes Wunder ge-
schehen; deshalb sagte der Vorbeter zu ihnen: Sprecht mir nach, was ich sage! (damit
sie es alle wie aus Einem Munde sprächen, oder auch, weil sich unter ihnen Leute
befanden, die die Hallelpsalmen 113 — 118 nicht auswendig wußten). Parallelstelle
pP'^sö, 32'', 47. Man sieht aus diesen Stellen, daß die Bezeichnung „großes H." bereits
im 3. Jahrhundert umstritten war.
b. P^sin»: Rab J^'huda (t 299) hat gesagt, Sch^'muel (f 254) habe gesagt: Das
Lied in der Tora (Ex 15) haben Mose u. die Israeliten in der Stunde gesungen, da sie
aus dem Meer emporstiegen. AVer aber hat das H. (Ps 113 — 118) gesagt? Die Propheten,
die unter ihnen waren, haben es für die Israeliten festgesetzt, daß sie es zu jeder Zeit
u. in bezug auf jede Not sagen sollten, damit diese nicht über sie käme, u. wenn sie
Erlösung gefunden, sollten sie es wegen ihrer Erlösung sagen. . . . Wer hat das H.
gesagt (= verfaßt)? R.Jose (um 150) sagte: Mein Sohn El?azar (b. Jose, um 180) sagte:
Mose u. die Israeliten haben es in der Stunde gesagt, da sie aus dem Meer empor-
stiegen. Aber seine Genossen sagten, daß es David gesagt habe. Jedoch scheinen seine
1 "3S "3 -n „ein Sohn des Betens", s. dazu Z. Frankel, EinL in d. Jerus. Talmud
70a, Levyl,9''.
Matth21,9(9ll) §47
(R. Elf azars) Worte den Vorzug vor ihren Worten zu verdienen : sollte es möglich sein,
daß sie ihre Passahlämmer geschlachtet u. ihre Feststräuße genommen hätten (in der
Zeit vor David), ohne ein Lied (nämlich das H.) zu singen? . . . Bar: Wer hat das H.
(Ps 113 — 118) gesagt? R. Elifezer (um 90) sagte: Mose u. die Israeliten haben es gesagt.
Als sie nämlich am Meer standen, sprachen sie: Nicht uns, Jahve, nicht uns Ps 115, 1,
u. der heilige Geist (s. bei Lk 2, 25 6 4) antwortete ihnen: Um meinetwillen will ich es
tun! (vgl. Jes 48, 11). R. J'huda (lies: R. J'hoschua?, um 90) sagte: Josua u. die Israe-
liten haben es gesagt. Als nämlich die Könige Kana?ans wider sie auftraten, sprachen
sie (Josua u. seine Zeitgenossen): Nicht uns, Jahve! u. es antwortete der heilige
Geist usw. R. El?azar aus Modifim (f um 1.35) sagte: D^bora u. Baraq haben es gesagt.
Als nämlich Sis*^ra wider sie auftrat, sprachen sie: Nicht uns, Jahve! u. der heilige
Geist antwortete ihnen: Um meinetwillen, um meinetwillen will ich es tun! R. Elfazar
b. fAzarja (um 100) hat gesagt: Hiskia u. sein Anhang haben es gesagt. Als nämlich
Sanherib wider sie auftrat, sprachen sie: Nicht uns, Jahve! u. der heilige Geist ant-
wortete usw. R. f Aqiba (f um 135) hat gesagt: Chananja, Mischael u. fAzarja haben
es gesagt. Als nämlich Nebukadnecjar, der Frevler, wider sie auftrat, sprachen sie:
Nicht uns, Jahve! u. der heilige Geist usw. R. Jose der Galiläer (um 110) sagte:
Mardokhai u. Esther haben es gesagt. Als nämlich Haman, der Frevler, wider sie
auftrat, sprachen sie: Nicht uns, Jahve! u. der heilige Geist usw. Die Gelehrten sagten:
Die Propheten in ihrer Mitte haben es für die Isi'aeliten festgesetzt, daß sie es zu jeder
Zeit u. in bezug auf jede Not sagen sollten, damit sie nicht über die Israeliten käme,
u. sooft sie Erlösung gefunden, sollten sie es sagen ihrer Erlösung wegen. — || P'^s 118»:
Da es ein großes H. gibt (Ps 135 f.), warum sagen wir (in bezug auf jede Not u. Er-
rettung) dieses (die H.psalmen 113 — 118)? Weil in diesem fünferlei enthalten ist: der
Auszug aus Ägypten, die Spaltung des Schilfmeeres, die Gesetzgebung, die Auferweckung
der Toten u. die Wehen des Messias. Der Auszug aus Ägypten, s. Ps 114, 1: Da Israel
aus Ägypten zog. Die Spaltung des Schilfmeeres, s. Ps 114,3: Das Meer sah es u.
floh. Die Gesetzgebung, s. Psll4,4: Die Berge hüpften wie Widder. Die Auferweckung
der Toten, s. Ps 116, 9: Ich werde wandeln vor Jahve in den Landen der Lebendigen.
Die Wehen des Messias, s. Ps 115, 1: Nicht uns, Jahve, nicht uns! R. Jochanan (f 279)
hat gesagt: Die Worte: , Nicht uns, Jahve, nicht uns!" beziehen sich auf die Knech-
tung (Israels) unter die Reiche (der Welt). Nach andren hat R. Jochanan gesagt: Die
Worte: , Nicht uns, Jahve, nicht uns!" beziehen sich auf den Krieg Gogs u. Magogs. —
Rab Nachman b. Ji^chaq (f 356) hat gesagt: (Das H. wird gesagt,) weil darin von der
Errettung der Seelen der Gerechten aus dem Gehinnom die Rede ist, s. Ps 116, 4: Ach,
Jahve, errette meine Seele. Chizqijja (um 240) hat gesagt: Weil darin von dem Hinab-
steigen der Gerechten in den Feuerofen u. von ihrem Heraufsteigen aus ihm die Rede
ist. Von ihrem Hinabsteigen, s. Ps 115, 1: „Nicht uns, Jahve, nicht uns", das sagte
Chananja; , sondern deinem Namen gib Ehre" Ps 115, 1, so sagte Mischael; „ob deiner
Gnade u. ob deiner Wahrheit (das.) sagte ?Azarja; „warum sollen die Heiden sagen:
Wo ist doch ihr Gott?" Ps 115, 2, das sagten alle drei. In bezug auf ihr Heraufsteigen aus
dem Feuerofen heißt es: „Rühmet Jahven alle Völker" Ps 1 17, 1, das sagte Chananja;
„preiset ihn, alle Nationen" (das.), so sprach Mischael; „denn überreichlich ist gegen uns
seine Gnade" Ps 117,2 sagte fAzarja; „u. ewig besteht Jahves Wahrheit, Hallelujah!"
(das.) sagten alle drei. (Folgen andre ähnliche Auslegungen von Ps 1 17, 2.) — |! pB°rakh 2,
.4'', 52: R. Abin (I., um 325; IL, um 370) hat gesagt: Auch das H. ist in (zeitlicher)
Reihenfolge gesagt: „Da Israel aus Ägypten zog" (PslH) geht auf die Vergangen-
heit; „Nicht uns, Jahve, nicht uns!" (Ps 115) auf die gegenwärtigen Geschlechter;
„Liebe bewegt mich, weil Jahve meine Stimme hört" (Ps 116) auf die Tage des Messias;
„Bindet das Festopfer mit Seilen" (Ps 118,27) auf die Tage Gogs u. Magogs (deren
Scharen gemeint sind mit Ps 118, 10); „Mein Gott bist du u. ich danke dir" (Ps 118,28)
auf die Zukunft (hier = zukünftige Welt, f Olam der Vollendung). — Dasselbe pM«'g 2,
73a, 21; LvR30(128b); P^'siqlSlb; Midr Ps 26 § 6 (109b).
C. P^'s 5, 5: Das Passahofer wird in drei Abteilungen geschlachtet, s. Ex 12,6:
848 • Matth 21,9(911)
, Schlachten soll es die ganze Versammlung der Gemeinde Israel": „Versammlung",
„Gemeinde'^, „Israel" (also drei Abteilungen). . . . Das. 5,7: Ist die erste Abteilung
herausgekommen (aus dem Tempelvorhof), so i.st die zweite eingetreten; ist die zweite
herausgekommen, so ist die dritte eingetreten. Wie das Tun der ersten war, so das
Tun der zweiten u. dritten. Man (die Leviten) hat (dabei) das H. (Ps 113—118) rezitiert.
Hat man (das H.) vollendet, so hat man es wiederholt u., wenn man es wiederholt
hat, zum drittenmal rezitiert, obgleich sie es ihr lebelang nicbt zum drittenmal (bis
zu Ende) rezitiert haben. R. J^'huda (um 150) sagte: Ihr lebelang ist die dritte Ab-
teilung nicht bis zu den Worten Ps 116, 1 gelangt: „Liebe bewegt mich", weil ihre
Teilnehmer nicht zahlreich waren. Vgl. auch P'^s 9, 3 in Anm. (/.
d. P'-'s 10, 6: Wie weit sagt man das H. nach Füllung des zweiten Bechers beim
Passahmahl? Die Schule Schammais sagte: Bis Ps 113,9: „Die Mutter der Kinder
freut sich." Die Schule Hillels sagte: Bis Ps 114, 8: „Kiesel zu einer Wasserquelle". —
P^slO, 7: Man hat ihm den dritten Becher eingefüllt, u. er spricht den Segen über
seine Mahlzeit (das Schlußtischgebet). Den vierten; er vollendet das H. u. spricht den
Segen über den Gesang. — || P^s 9, 3: Das erste Passah verpflichtet zum H. bei seinem
Essen, das zweite (im Monat Ijjar, s. Nu 9, 1 ff.) verpflichtet nicht zum H. bei seinem
Essen; aber dieses wie jenes verpflichtet zum H. bei seiner Darbringung (im Tempel,
s. Anm. c). — Hierzu P's 95'*: Das erste Passah verpflichtet zum H. bei seinem Essen
usw. Woher diese Worte? R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schimfon
b. J^ho^adaq (um 225) gesagt: Die Schrift sagt Jes 30, 29: „Das Lied wird euch sein
wie in der Nacht, da das Fest eingeweiht wird." Die Nacht, die für das Fest geweiht
ist, verpflichtet zum H.; die Nacht, die nicht für ein Fest geweiht ist (wie der Abend
des 14. Ijjar, auf den kein Festtag folgt) verpflichtet nicht zum H. „Dieses aber wie
jenes verpflichtet zum Hallel bei seiner Darbringung." Weshalb? Wenn du w-illst,
sage: „Die Nacht" schliefst aus, aber der Tag (an dem die Lämmer für das zweite
Passah geschlachtet werden) schließt nicht aus. Wenn du willst, sage: Ist es möglich,
daß die Israeliten ihre Passahopfer schlachten u. ihre Feststräuße (am Laubhüttenfest)
nehmen sollten, ohne das H. zu singen?
e. fArakh 10'': R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schim?on b. J"^ho9adaq
(um 225) gesagt: An 18 Tagen (im Jahr) sagt der einzelne das ganze H. (Ps 113 — 118):
an den 8 Tagen des Laubhüttenfestes, an den 8 Tagen des Tempelweihfestes (Chanukka
im Monat Kislev, etwa Dezember), am ersten Feiertag des Pussahfestes u. am ersten
Feiertag des Pfingstfestes. (Ähnlich bereits in TSukka 3, 2.) In der Diaspora aber an
21 Tagen: an den 9 Tagen des Laubhüttenfestes, an den 8 Tagen des Tempelweih-
festes, an den beiden (ersten) Feiertagen des Passahfestes u. an den beiden Feiertagen
des Pfingstfestes.' Was ist für ein Unterschied, daß wir das H. am Laubhüttenfest an
jedem Tage, u. daß wir es am Passahfest nicht an jedem Tage sagen? Die (Tage) des
Laubhüttenfestes unterscheiden sich voneinander durch ihre Opfer, die des Passahfestes
unterscheiden sich nicht durch ihre Opfer. Dann sollte man das H. am Sabl^at sagen,
der sich durch seine Opfer (von den übrigen Tagen) unterscheidet! Dieser wird nicht
-yia „Festtag" genannt. Dann sollte man es am Neumondstage sagen, der „Festtag"
genannt wird! (Vgl. Sch'^bu 10^, wo auf KL 1, 15 als Beleg verwiesen ist.) Dieser ist
nicht geheiligt durch das Verbot der Verrichtung einer Arbeit; denn es heißt Jes 30, 29:
„Das Lied (Hallel) wifd euch sein wie in der Nacht, da das Fest eingeweiht wird."
Die Nacht, die für das Fest geheiligt ist, verpflichtet zum Lied (Hallel), die aber nicht
für das Fest geheiligt ist, verpflichtet nicht zum Lied. Dann sollte man es sagen, am
Neujahrstag u. am Versöhnungstag, die „Festtag" genannt werden u. die geheiligt sind
durch das Verbot der Verrichtung einer Arbeit! Da geschieht es nicht wegen dessen,
was R. Abbahu (um 300) gesagt hat. Denn dieser hat gesagt: Die Dienstengel sprachen
* Die Auslandsgemeinden feierten (u. feiern) wegen möglichen Zweifels über die
richtigen, im Mutterland festzusetzenden Neumondstage an den drei großen Festen
(Passah, Pfingsten, Laubhütten) zwei erste Feiertage, auch zwei Neujahrstage.
Mafcth 21,9 (^t 1.2) 849
vor Gott: Herr der Welt, warum sagen die Israeliten vor dir kein Lied (Hallel) am
Neujahrstage u. am Versöhnungstage? Er antwortete: Der König sollte auf dem Ge-
richtsthron sitzen, während die Bücher der Lebendigen u. der Toten vor ihm auf-
geschlagen liegen, u. die Israeliten sollten vor mir ein Lied singen?! Aber beim Tempel-
weihfest trifft doch weder das eine noch das andre zu (es heißt weder „Festtag",
noch ist es geheiligt durch die Arbeits verböte), u. doch sagt man das Hallel! Es ge-
schieht des Wunders wegen. Dann sollte man es am Purimfest sagen, an welchem
(gleichfalls) ein Wunder geschah! R. Ji9chaq (um 300) hat gesagt: (Es unterbleibt
am Purimfest,) weil man kein Lied wegen eines Wunders sagt, das sich im Ausland
zutrug. Rab Nachman b. Jipchaq (f 356) wandte ein: Siehe, der Auszug aus Ägypten
war ein Wunder, das sich im Ausland zugetragen hat, u. doch sagte man das H.! Es
verhält sich damit, wie es in einer Bar heißt: Solahge die Israeliten nicht in das Land
(Israel) eingezogen waren, waren alle Länder tauglich, daß man in ihnen ein Lied
(Gotte) sang; seitdem sie aber in das Land eingezogen sind, sind nicht alle Länder
tauglich, daß man in ihnen ein Lied singe. Rab Nachman (f 320) hat gesagt: Das
Lesen (der Estherrolle am Purimfest) vertritt das H. Raba (f 352) hat gesagt: Wohl,
dort (beim Auszug aus Ägypten) waren jene Israeliten Knechte Jahves u. nicht Knechte
des Pharaos; waren sie auch hier (bei ihrer Errettung vor Haman) Knechte Jahves
u. nicht Knechte des Achaschverosch? Wir sind ja noch immer Knechte des Achasch-
verosch! Und mit Bezug auf Rab Nachman, der gesagt hat, das Lesen (der Esther-
rolle) vertrete das H., gilt ja die Bar: Seitdem die Israeliten in das Land eingezogen
waren, waren nicht alle Länder tauglich, daß man in ihnen ein Lied sang; nachdem
sie aber (wiederum) in die Verbannung gezogen sind, hat man sie (die außerpalästinischen
Länder) wieder freigegeben (zum Gesang nach einem Wunder), wie vordem. — Teil-
weise parallel M^g 14^ u. Tafan 28''. Die zuletzt genannte Stelle bringt zunächst den
Ausspruch des R. Schim?on b. J'^hopadaq über die 18, bezw. 21 Tage, an denen das^
ganze H. zu sprechen ist. Darauf folgt: Als Rab (f 247) nach Babel kam, sah er,
wie sie das H. am Neumondstage rezitierten (was nach obigen Stellen in Palästina
nicht geschah); da wollte er sie unterbrechen. Als er aber sah, daß sie (bei der
Rezitation des H.) Stellen überschlugen, sagte er: Daraus ist zu entnehmen, daß dieser
Brauch von ihren Vätern her sich bei ihnen findet. — Die babylonische Sitte hat sich
später wohl überall eingebürgert. Nach den jüdischen Gebetbüchern wird daher das
H. gegenwärtig, allerdings mit Auslassung von Ps 115, 1 — 11; 116, 1 — 11, auch an den
Neumondstagen u. an sämtlichen Tagen des Passahfestes rezitiert. ^
2. waavvd TO) vUo Javeiö. Der Hosiannaruf erscheint hier auf das
engste mit den messian. Hoffnungen verknüpft, deren ErfüUung die
Menge von Jesu erwartet hat. Daß man auch sonst, wenigstens in der
nachtannai'tischen Periode, gewisse Verse der Hailelpsalmen mit dem
messian. Gedanken in Verbindung gebracht hat, beweist P^s 118» u.
pBn-akh 2, 4^ 52 in Nr. 1 Anm. b. Weiteres s. bei Lk 22, 19.
Eine Deutung von Ps 118, 21 ff. auf David bietet Pes 119*: R. Schßmuel b. Nachman
(um 260) hat gesagt, R. Jonathan (um 220) habe gesagt: Jch danke dir, denn du er-
hörtest mich" Ps 118,21, hat David (bei seiner Erwählung) gesagt. „Der Stein, den
die Bauleute verworfen, ist zum Hauptstein der Ecke geworden" Vers 22, hat Isai ge-
sagt (mit Bezug auf den zunächst übersehenen David). „Von Jahve ist das geschehen"
Vers 23, das haben Davids Brüder gesagt. „Dies ist der Tag, den Jahve gemacht hat"
1 Nicht gehört hierher der Ausspruch des R.Jose, um 150: Möge mein Teil mit
denen sein, die das H. täglich ganz rezitieren. Wirklich? Ein Autor hat doch aber
gesagt: Wer das H. täglich rezitiert, der ist wie einer, der schmäht u. lästert! Wie
wir gesagt haben, sind damit die Psalmverse (mit t's^n, d. h. Ps 148 u. 150) gemeint
Schab 118 b. — Nach Tr. Soph'^rim 19 (13'') beziehen sich die Worte des R. Jose auf
die sechs täglich zu betenden Psalmen, d. h. auf Ps 145 — 150.
strack n.Billerbeck, NTI. 54
850 Matth 21,9 (312. 33. ß). 21,12
Vers 24, hat Samuel gesagt. ,Ach Jahve, hilf doch !" Vers 25, haben seine Brüder ge-
sagt. ,Ach Jahve, laß doch gelingen!" Vers 25, hat David gesagt. , Gesegnet sei, der
da kommt, im Namen Jahves!" Vers 26, hat Isai gesagt. ,Wir segnen euch vom Hause
Jahves" Vers 26, hat Samuel gesagt. „Jahve ist Gott, u. er leuchtete uns!" Vers 27,
haben sie alle gesagt. „Bindet das Festopfer mit Seilen" Vers 27 hat Samuel gesagt.
„Mein Gott bist du u. ich will dir danken" Vers 28 hat David gesagt. „Mein Gott,
ich will dich erhöhen Vers 28, haben sie alle gesagt. — Ähnlich Targ Ps 118, 22 — 29,
s. bei xMt2I,42Nr. 2 S. 876.
Wie eng übrigens im Bewußtsein des jüd. Volkes der Hosiannaruf
mit dem Palmzweig verknüpft war, so daß das Ergreifen eines solchen
(s. Joh 12, 13) in einem Augenblick, wie der Mt 21, 1 ff.- geschilderte war,
gar wohl unwillkürlich das Hosianna auf aller Lippen legen konnte,
erkennt man am besten daraus, daß der Laubhüttenfeststrauß, dessen
Hauptstück ja ein Palmzweig war u. mit dessen Schütteln man den fest-
lichen Hosiannaruf begleitete, selbst geradezu „Hosianna" x;?^3in ge-
nanntwurde. Sukka37'': Rabbah (fSSO) hat gesagt: Man stecke nicht den
Palmzweig (nachträglich von oben aus) in den Hoscha?na (Feststrauß)
hinein (sondern binde ihn von vornherein mit den Myrten- u. Bachweiden-
zweigen zusammen). Andre Beispiele: Sukka Sl''; 34»; ST^* (mehrmals).
21,9 93: Gesegnet sei, der da kommt, im Namen des Herrn!
Eine Deutung dieser Worte aus Ps 118, 26 auf David Pes 119» s. S. 850«. — Eine
andre Deutung auf die messian. Enderlösung s. Midr Ps 118 §22 (244»): „Dies ist der
•l'ag, den Jahve gemacht hat" Ps 118,24. Alle Erlösungen, die den Israeliten in der
Vergangenheit gekommen sind, hatten nacji sich (neue) Knechtschaft; aber von jetzt
an u. weiter (nach der messian. Enderlösung) folgt keine Knechtschaft mehr, s. Jes
12, 5f. „Ach Jahve, hilf doch" Ps 118, 25. Die Leute von Jerusalem werden von drinnen
sagen: Ach Jahve hilf doch! u. die Leute Judäas werden von draußen sagen: „Ach
Jahve, gib doch Gelingen" (das.). Die Leute Jer.s werden von drinnen sagen: „Gesegnet
sei, der da kommt, im Namen Jahves!" (Vers 26), u. die Leute Judäas werden von
draußen sagen: „Wir segnen euch vom Hause Jahves" (das.). Die Leute Jer.s werden
von drinnen sagen: „Jahve ist Gott u. er leuchtete uns" (Vers 27), u. die Leute Judäas
werden von draußen sagen: „Bindet das Festopfer mit Seilen bis zu den Hö/nern des
Altars" (das.). Die Leute Jer.s werden von drinnen sagen: „Mein Gott bist du, ich will
dich preisen" (Vers 28), u. die Leute Judäas werden von draußen sagen: „Mein Gott,
ich will dich erhöhen" (das.). Die Leute Jer.s u. die Leute Judäas werden ihren Mund
auftun u. Gott loben u. sagen: „Danket Jahve, denn er ist gütig, denn auf ewig (währt)
seine Gnade!" (Vers 29).
21,9 6: Hosianna in den Höhen.
Targ Ps 148, 1 : Hallelujah! Preiset Jahven, heilige Wesen, vom Himmel aus; preiset
ihn, alle Kräfte der Engel der Höhe!
21,12: Alle, welche im Heiligtum verkauften u. kauften.
Den Verkauf des Trankopferweins hatte das Tempelärar in eigene
Regie übernommen ;a auch Geflügelopfer, wie Tauben, 'konnten jederzeit
im Heiligtum von der Tempel Verwaltung gekauft werden, b Es war
aber niemand verwehrt, seinen Bedarf an Opfertieren freihändig bei
Viehhändlern zu decken; letztere werden Sch^'q 7, 2 ausdrücklich er-
wähnt, c Ein besonders schwunghafter Handel mit Oofertieren scheint
Matth21,12 851
in der Nähe des Tempels am Ölberg getrieben zu sein;d doch fehlt
es auch nicht an Andeutungen, daß die Händler ihre Ware auf dem
Tempelberg selbst feilboten, e
a. ScheqS, 3: Vier Siegel(niaiken) gab es im Heiligtum, mit den Aufschriften:
Kalb, Widder, Böcklein, Sünder. Ben ?Azzai (um 110) sagte: Fünf mit aramäischen
Aufschriften: Kalb, Widder, Böcklein, armer Sünder u. reicher Sünder. Das Siegel mit
jKalb" diente (zum Ankauf des Weines) zu den Trankopfern bei Rinderopfern; es
mochten diese groß oder klein, männlich oder weiblich sein. Das mit »Böcklein" diente
zu den Traukopfern bei den Kleinviehopfern, großen u. kleinen, männlichen u. weib-
lichen, mit Ausnahme der Widderopfer. Das mit , Widder" diente lediglich zu den
Trankopfern bei Widderopfern. Das mit „Sünder" diente zu den Trankopfern bei den
drei Tieropfern der Aussätzigen. — Scheq 5, 4: Wer Trankofer wünschte, ging zu
Jochanan, der über die Siegel gesetzt war; er gab Geld u. empfing von ihm das (be-
treifende) Siegel. Er ging damit zu Achijja, der über die Trankopfer gesetzt war, u.
empfing von ihm dafür das (betreifende) Trankopfer. Am Abend kamen beide zu-
sammen: Achijja holte die Siegel heraus u. empfing (von Jochanan) das Geld. War
mehr Geld vorhanden (als die Marken erforderten), so gehörte es zum Geheiligten
(Tempelschatz); war weniger vorhanden, so hatte Jochanan es zu ersetzen; denn das
Geheiligte hatte die Oberhand (das Vorrecht). — Scheq 5^ 5; Wenn jemand sein Siegel
verlor, ließ man ihn bis zum Abend warten; fand sich dann so viel (Geld mehr) vor,
wie sein Siegel betrug, so gab man ihm (sein Trankopfer) ; wenn aber nicht, so gab
man es ihm nicht. Auch stand der Name des Tages (auf den Siegeln) geschrieben
der Betrüger wegen.
b. Scheq 6, 5: Dreizehn posaunenartige Behälter (Geldbüchsen) waren im Heilig-
tum; auf ihnen stand geschrieben: Neue Scheqelabgaben (s. bei Mt 17, 24), alte Scheqel-
abgaben, Geflügelopfer, Tauben zu Ganzopfern, Holz, Weihrauch, Gold zu Sprengbecken;
sechs waren für freiwillige Gaben. . . . „Geflügelopfer" bedeutete Turteltaubenopfer;
, Tauben zu Ganzopfern" bedeutete die Opfer von jungen Tauben, u. alle waren Ganz-
opfer. So R. Jehuda (um 150). Die Gelehrten aber sagten: „ Geflügelopfer " dienten
sowohl zu Sündopfern, als auch zu Ganzopfern; „Tauben zu Ganzopfern" dienten nur
zu Ganzopfern. — Über diese für uns belanglose Meinungsverschiedenheit s. pScheq
<>, 50 b, 21 u. die Kommentare.
C. Scheq 7, 2 u. TScheq 3, 9 (178): Geld, das (in Jerusalem) vor dem Stand der
(Opfer-) Viehhändler gefunden wird, gilt stets als zweiter Zehnt (bestimmt zu Friedmahls-
opfern).— Speziell auf den Handel mit Geflügelopfern bezieht sich Kr 1,7: Es trug
sich einmal zu, daß die Geflügelopfer in Jerusalem auf einen Golddenar zu stehen
kamen. Da sprach R. Schimfon b. Gamliel (I., gegen Ende des Tempelbestandes): Bei
diesem Tempel! Ich will in der Nacht nicht schlafen, bis sie für (Silber-)Denare zu
haben sind. Da ging er in den Gerichtshof u. lehrte: Wenn eine Frau fünf zweifel-
lose Geburten oder fünf zweifellose Blutausflüsse gehabt hat, so bringt sie Ein Opfer
(von Geflügel), u. dann darf sie am Opferschmaus teilnehmen, während sie für die
übrigen (vier) Fälle nicht zu einem Opfer verpflichtet ist. (Nach der Halakha wäre sie
zu fünf Opfern verpflichtet gewesen; die Entscheidung des R. Schimfon b. G. stellt einen
Ausnahmefall dar, der in der herrschenden Teuerung begründet war.) Da kamen die
Geflügelopfer an demselben Tage auf einen viertel (Silber-)Denar zu stehn.
d. pTafan 4, 1)9», 87: Zwei Zedern standen auf dem Ölberg. Unter der einen von
ihnen verkauften vier Kaufhallen Reines (zum Reinigungsopfer Gehöriges), u. von der
andren holte man monatlich 40 Sea ' junge Tauben herunter, von denen man Geflügel-
opfer an alle Israeliten zur Genüge abgeben konnte.
e. Mit Bezug auf ße9a2, 4: „Die Schule Schammais sagte: Man darf Friedens-
opfer (an einem Feiertage) darbringen, aber nicht die Hände auf sie aufstemmen; da-
1 1 Sea = 13, 131 Liter.
852 Matth 21, 12.13 (91 1.2)
gegen darf man (der einzelne) keine Ganzopfer (an einem Feiertage) darbringen; die
Schule Hillels sagte: Man darf Friedensopfer u. Ganzopfer darbringen u. die Hände auf
sie aufstemmen" — wird pJom tob 2, 61^, 13 berichtet, dafs die Schule Schammais, als
sie einmal die Oberhand gewann, versucht habe, die Halakha nach ihrer Meinung fest-
zulegen. Dann heißt es: Es war daselbst Baba b. ßuta (Zeitgenosse Herodes des
Großen) von den Schülern der Schule Schammais; der wußte, daß die Halakha war
wie die Meinung der Schule Hillels. Einmal betrat er den Vorhof u. fand ihn verödet
(weil niemand mehr auf Grund der schammaitischen Lehrmeinung an einem Feiertag
ein Opfer darbrachte). Da sprach er: Mögen veröden die Häuser derer, die das Haus
unsres Gottes verödet haben! Was tat er? Er ließ 3000 Stück Kleinvieh vom Klein-
vieh Qedars kommen u. untersuchte sie betreffs (etwaiger) Leibesfehler u. stellte sie
auf dem Tempelberg auf. Er sprach zu den Israeliten: Höret mich, meine Brüder,
Haus Israel; wer will, bringe Ganzopfer, bringe sie u. stemme seine Hände auf; (wer
will,) bringe Friedensopfer, bringe sie u. stemme seine Hände auf. In jener Stunde
wurde die Halakha festgelegt nach der Meinung der Schule Hillels, u. niemand sagte
ein Wort. — Ähnlich in TChag 2, 11 (236). || Schab 15a: Vierzig Jahre vor der Zerstörung
des Tempels wanderte das Synedrium (aus der Quaderhalle) aus u. nahm seinen Sitz
in den Kaufhallen (auf dem Tempelberg, in denen vermutlich Opferbedürfnisse feil-
geboten wurden). — Diese Nachricht tradiert R. Jischma?el im Namen seines Vaters,
des R. Jose, um 150. Später wird die Übersiedelung des Synedriums aus der Quaderhalle
in die Kaufhallen von R. Jochanan (f 279) erwähnt RH 31=*-'^. — Ganz gelegentlich
spricht von diesen Kaufhallen auch Abba b. Kahana (um 310), indem er Midr KL 4, 4
(75a) sagt, daß von ihnen ein Wasserkanal seinen Ausgang genommen habe.
21, 12: Die Tische der Wechsler (s. bei Mt 17, 24).
21,13 5t: Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden.
1. 0 olxög fxov. — „Haus Jahves" 1^^1^•^ n^a bereits 1 Sm 1, 7. 24; 3, 15;
der Targ stets: iin xir^p-a nia = Heiligtum Jahves; LXX überall oixog
xvQi'ov „Haus des Herrn". Der letztere Ausdruck dann auch in den
Apokryphen, zB 3 Esra 5, 57. 60; 6, 20. 22. 24. 26. 27. 28; 8, 46. — n-s
c-^nbxn „Haus Gottes" = Tempel zB ExR 52 (104^=).
2. ohoc uooaevxrjC- — Grundstelle Jes 56, 7: nsstn n-^z; Targ: ^h's r^a
„Haus des Betens"; LXX: o oixog ^.lov oi'xog nQoaevxr^c xh]0^t'^(Tsrai.
Jes 56, 7 in der rabbin. Literatur: Berakh7a: R. Jochanan (f 279) hat im Namen
des R.Jose (um 150) gesagt: Woher, daß Gott betet? s,: ,Ich will sie zu meinem
heiligen Berge bringen u. will sie fröhlich machen im Hause meines Gebetes" Jes 56, 7 ;
„ihres Gebetes" heißt es nicht, sondern „meines Gebetes"; hieraus folgt, daß Gott
betet. Was betet er? Rab Zutra b. Tobijja (um 270) hat gesagt, Rab (t 247) habe ge-
sagt: Es sei Wille vor mir (d. h. es möge mein Wille sein), daß mein Erbarmen meinen
Zorn unterdrücke u. mein Erbarmen über meine Strafgerechtigkeit triumphiere, u. daß
ich mit meinen Kindern nach dem Maß des Erbarmens verfahre u. sie eintreten lasse
nach innen zu von der Linie des strengen Rechts (d. h. daß ich sie milder beurteile,
als es nach dem Buchstaben des strengen Rechts geschehen müßte). |! In einer Bar
über die Reihenfolge der einzelnen Benediktionen im Achtzehn-Gebet heißt es Meg
17b. iga; Wenn Jerusalem erbaut ist (Benediktion 14), dann kommt David (= Messias),
s. Hos 3, 5: Nachher werden wiederkehren die Kinder Isr. u. suchen nach Jahve, ihrem
Gott, u. nach David, ihrem König (15. Bened. nach der babyl. Rezension); u. wenn David
gekommen ist, dann kommt das Gebet (16. Bened.), s. Jes 56, 7: Ich will sie zu meinem
heiligen Berge bringen u. in meinem Bethaus fröhlich machen; u. wenn das Gebet ge-
kommen ist, dann kommt der Opferdienst (17. Bened.) . . . || pBerakh 4, 8b, 62 Bar:
Der Blinde u. wer die Himmelsrichtungen nicht genau bestimmen kann, die beten nach
oben (zum Himmel) hin, s. 1 Kg 8, 44: ,Sie beten zu Jahve." Die, welche stehen u.
Matth21, 13 [%2. S). 21, 15 853
beten im Auslande, wenden ihr Angesicht nach dem Lande Israel hin. Weshalb? ,Sie
beten zu dir in der Richtung nach ihrem Lande, das du ihren Vätern gegeben hast"
(das. Vers 48). Die, welche stehen u. beten im Lande Israel, wenden ihr Angesicht
nach Jerusalem hin. Weshalb? „Sie beten zu dir (Text: mn-i ha) in der Richtung der
Stadt, die du erwählt hast" (das. Vers 44). Die, welche stehen u. beten in Jerusalem,
wenden ihr Angesicht nach dem Tempelberg hin: Sie beten ... in der Richtung des
Hauses, welches ich deinem Namen gebaut habe (das. Vers 44). Die, welche stehen
u. beten auf dem Tempelberg, wenden ihr Angesicht nach dem Allerheiligsten. Wes-
halb? „Was sie beten nach diesem Orte hin, das höre du hin zum Orte deines Wohnens
zum Himmel u. erhöre u. vergib" (das. Vers 30; doch ist das Zitat ungenau). Somit
wenden die im Norden Stehenden ihr Angesicht nach Süden, die im Süden Stehenden
nach Norden, die im Osten Stehenden nach Westen u. die im Westen nach Osten. So-
mit betet ganz Israel nach Einem Ort; das meint Jes56, 7: Mein Haus wird heifsen
Bethaus für alle Völker. || Pesiq 100 »: R. Luljanus (= Julianus) aus Südjudäa hat im
Namen des R. Juda b. Simon (um 320) gesagt: Gott spricht: Du hast vier Hausgenossen:
Sohn, Tochter, Knecht u. Magd; auch ich habe vier: Leviten, Fremdling, Waise u.
Witwe, u. alle in Einem Verse: „Sei fröhlich an deinem Feste, du u. dein Sohn u.
deine Tochter u. dein Knecht u. deine Magd u. der Levit u. der Fremdling u. die Waise
u. die Witwe in deinen Toren" Dt 16, 14. Gott spricht: Ich habe dir gesagt, daß du
den Deinen u. den Meinen erfreuen sollst an den Festtagen, die ich dir gegeben habe;
wenn du also tust, so erfreue auch ich den Deinen u. den Meinen, diese wie jene
werde ich dereinst in dem Hause der Erwählung n-'nan r'z (d. h. im Tempel) erfreuen,
s. Jes5G, 7: Ich werde sie erfreuen in meinem Bethaus. — Parallelstellen: Tanch ns^
13b; TanchBns^ §17 (14«).
21, 13 $8: Ihr aber macht es zu einer Räuberhöhle.
üTTT^Xaiov hjaiMv. — Grundstelle Jer 7, 11: Ist denn eine Räuberhöhle
ci:j"ie r^yj-c dieses Haus geworden ? — Targ : Ist denn gleich einer Versamm-
lungsstätte von Gottlosen dieses Haus geworden? — LXX: {xr; aTn]Xaiov
kjiaxMv ö ot'xögfxov . . .,•= „doch nicht eine Räuberhöhle ist mein Haus. . .?!"
Zu dem Urteil Jesu vgl. P^s 57» = TM^n 13, ISff. 21 bei Joh 18, 13 Anm. bu.c —
Ferner Pes 57a Bar: Vier Rufe hat der Vorhof ausgestoßen. Zuerst: Gehet hinaus von
hier, ihr Söhne fEIis; denn ihr habt den Tempel verunx-einigt. Ferner: Geh hinaus
von hier, Issakhar^ aus Kephar-Barqai, der sich selbst ehrt u. die heiligen Opfer
Gottes entweiht; denn er pflegte seine Hände mit feiner Seide zu umwickeln u. so den
Opferdienst zu verrichten. Drittens: Erhebet, ihr Tore, eure Häupter, daß Jischmafel
b. Phiabi (wohl der Jüngere, etwa 59—61 n. Chr. Hoherpriester), der Schüler des
Pinechas (s. Nu 25, 7ff".) eintrete u. das Hohepriestertum verwalte. Viertens: Erhebet,
ihr Tore, eure Häupter, daß Jochanan b. Nidbai ^ (so lies statt "'ss":), der Schüler des
"s-.:e (?), eintrete u. seinen Bauch von den heihgen Opfern Gottes fülle!
21, 15: Die Kinder, die im Heiligtum, riefen u. sprachen:
Hosianna dem Sohne Davids!
Die Kinder wurden möglichst früh daran gewöhnt, ihren Feststrauß
zu schütteln, sobald sie am Laubhüttenfest beim Hallelgesang im Tempel
die Worte x: nr^i^in „ach hilf doch" (Ps 118,25) vernahmen. — Sukka
3, 15 u. TChag 1, 2 (232): Ein Kind, das zu schütteln versteht, ist zum
Nehmen des Feststraußes verpflichtet ;s.Exk.: „Das Laubhüttenfest." —
^ Nach dem Zusammenhang ein Hoherpriester.
2 Der Hohepriester Ananias, Sohn des Nedebaios (47—59 n. Chr.), der wegen seiner
Habgier verrufen war, s. Joseph. Ant. 2^', 9, 2 bei Joh 18, 13 Anm. b.
854 Matth 21,15. 16
Außerdem folgt aus der Tosephta, daß die Kinder schon frühzeitig in
der Schule im Vorlesen oder Rezitieren des Hallel geübt wurden, so
daß ihnen der Hosiannaruf nichts Unbekanntes sein konnte.
TSota(>,2f. (303): R. $Aqiba (f um 135) hat öffentlich vorgetragen: Als die Israe-
liten aus dem Meer emporstiegen, wohnte der heilige Geist auf ihnen, u. sie sprachen
das Lied (Ex 15, 1 ff.), wie wenn ein Kind das Hallel (d. h. Ps 113 — 118) im Sclmlhaus
vorliest u. man ihm jeden einzelnen Satz nachspricht. Mose sagte: „Singen will ich
Jahven" Ex 15,1, u. die Israeliten sagten: „Singen will ich Jahven." Mose sagte:
„Meine Stärke u. Sang ist Jahve" Ex 15,2, u. die Isr. sagten: „Meine Stärke u. Sang
ist Jahve." R. Elifezer b. Jose Ha-g®lili (um 150) sagte: (Sie sprachen das Lied) wie
wenn ein Erwachsener das Hallel in der Synagoge vorliest (rezitiert) u. man ihm mit
dem ersten Wort (d.h. mit Halleluiah! PsllB, 1 nach jedem Satz) antwortet. Mose
sagte: „Singen will ich Jahven", u. die Israeliten sagten: „Singen will ich Jahven."
Mose sagte: „Meine Stärke u. Sang ist Jahve", u. die Isr. sagten; „Singen will ich
Jahven" (so ist zu lesen). R. N'^chemja (um 150) sagte: (Sie sprachen das Lied) wie
wenn Leute das Sch*^ma? (gemeinschaftlich in der Synagoge) rezitieren; denn es heißt
Ex 15,1 : „Sie sprachen sprechend", das lehrt, daß Mose zuerst anhob, u. die Israeliten
fuhren sprechend nach ihm fort bis zum Ende (des Satzes). Mose sagte: „Damals sang
Mose", u. die Isr. sagten: „Singen will ich Jahven." M. sagte: „Meine Stärke u. Sarig
ist Jahve", u. die Isr. sagten: „Dieser ist mein Gott, den will ich rühmen" Ex 15,2.
M. sagte: „Jahve ist ein Kriegsmann", u. die Isr. sagten: „Jahve ist sein Name"
Ex 15,8. — Dasselbe mit Abweichungen pSotao, 20^6; als Bar Sota 30'*. — Vgl.
SukkaS, 10: Wenn ein Sklave oder eine Frau oder ein Kind jemand das Hallel vor-
lesen (rezitieren), so spricht er ihnen (Satz für Satz) nach, was sie sagen, u. das ge-
reicht ihm zur Schande (denn er sollte es selbst können). Wenn es ihm aber ein Er-
wachsener vorliest, so antwortet er ihm (nach jedem Satz) mit Hallelujah!
21,16: Aus dem Munde von Unmündigen u. Säuglingen
hast du dir ein Lob bereitet.
Ps 8, 3 in der rabbin. Literatur.
M'^^kh Ex 15, 1 (42^): R. Jose, der Galiläer (um 110) sagte: Siehe, es heißt Ps 8, 3:
„Aus dem Munde der Kinder u. Säuglinge hast du Ruhm^ begründet." Aus dem Munde
der „Kinder" z^hhiy , das sind die im Mutterleib, s. Hi3, 16: Oder verscharrter Fehl-
geburt gleich wäre ich nicht, gleich Kindern z'hhy , die das Licht nie sahen. „Säug-
linge" a-pjT sind die an der Mutterbrust Saugenden, s. Joel2, 16: Versammelt die
Kinder u. die an der Brust Saugenden "-v -pr-. Rabbi sagte: „Kinder" sind die Kinder
auf der Gasse, s. Jer 9,20: Auszurotten das Kind hh^.s von der Gasse. Ferner s. KL 4, 4:
Die Kinder a-'Vbiy verlangten Brot. „Säuglinge" sind die an der Mutterbrust, s. Joel 2, 10.
Diese wie jene taten ihren Mund auf u. sprachen ein Lied vor Gott (am Schilfmeer),
s. Ex 15, 1: „Singen will ich Jahven." R. Meir (um 150) hat gesagt: Auch die Frucht
im Mutterleib tat ihren Mund auf u. sprach ein Lied vor Gott, s. Ps 68, 27 : In Gemeinde-
versammlungen priesen sie Gott den Herrn von der Quelle Israels an. — Ahnlich in
Midr Ps 8 § 5 (39 ») ; Tanch nh^z 80 '* ; abweichend TSota 6, 4 (303) ; pSota 5, 20 ^ 1 1 ; als
Bar Sota 30'*; s. auch bei Lk 1, 15 6. || Midr HL 1,4 (85''): R. Meir (um 150) hat gesagt:
Als die Israeliten vor dem Berge Sinai standen, die Tora zu empfangen, sprach Gott
zu ihnen: Sollte ich euch die Tora umsonst geben? Vielmehr bringet mir gute Bürgen,
daß ihr sie beobachten wollt, so will ich sie euch geben. Sie sprachen: Herr der Welt,
unsre Väter sollen Bürgen für uns sein. Er antwortete: Eure Väter bedürfen (selbst)
der Bürgen. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem, der ging, um vom König
ein Darlehn zu nehmen. Dieser sprach zu ihm: Bringe mir einen Bürgen, so will ich
dir das Darlehn geben. Jener ging u. brachte ihm einen Bürgen. Der König sprach
1 So der Midr für rr. LXX ratoy, danach Mt 21, 16. — Targ N:ry = Macht.
Matth 21, 16. 17 855
zu ihm: Dein Bürge bedarf (selbst) eines Bürgen. Er ging u. brachte einen zweiten
Bürgen. Der König sprach: Dein Bürge bedarf eines Bürgen. Als er ihm den dritten
Bürgen brachte, sprach er: Wisse, daß ich dir um dieses willen das Darlehn geben
will. So sprach Gott zu den Israeliten, als sie dastanden, die Tora zu empfangen: Ich
will euch meine Tora geben; bringet mir gute Bürgen, daß ihr sie beobachten wollt,
so will ich sie euch geben. Sie sprachen: Unsre Väter sollen Bürgen für uns sein.
Gott antwortete: Gegen eure Väter habe ich etwas. Gegen Abraham habe ich, daß er
gesagt hat: Woran soll ich erkennen, daß ich es in Besitz nehmen werde? Gn 15,8.
Gegen Isaak habe ich, daß er Esau geliebt hat, während ich ihn haßte, s. Mal 1,3:
Und Esau haßte ich. Gegen Jakob habe ich, daß er gesagt hat: Verhüllt ist mein Weg
vor Jahve u. an meinem Gott geht mein Recht vorüber Jes 40, 27. Allein bringet mir
gute Bürgen, so will ich sie euch geben. Sie sprachen: Herr der Welt, unsre Propheten
sollen Bürgen für uns sein. Er antwortete: Ich habe etwas gegen sie, s. Jer2,8: Die
Hirten frevelten an mir u. die Propheten prophezeiten durch Ba?al; u. s. Ez 13,4: Wie
Füchse in den Ruinen sind deine Propheten geworden. Vielmehr bringet mir gute Bürgen,
so will ich sie euch geben. Sie sprachen: Siehe, unsre Kinder sollen Bürgen für uns
sein. Gott antwortete: Wahrhaftig, das sind gute Bürgen; ihretwegen will ich euch
die Tora geben! Das meint Ps8, 3: Aus dem Munde der Kinder u. Säuglinge hast du
dir Macht begründet (so jetzt der Midr). Und mit , Macht" ist nichts andres gemeint
als die Tora, s. Ps 29, 11: Jahve wird seinem Volk „Macht" (= Tora im Sinn des Midr)
geben. Wenn nun der Schuldner zur Rückzahlung aufgefordert wird u. er hat nichts
zu bezahlen, wer wird angefaßt? Nicht der Bürge? Daraus ist zu verstehen Hos 4, 6:
Du hast der Tora deines Gottes vergessen, so will auch ich deiner Kinder vergessen. —
Parallelstellen: Midr Ps 8 §4 (38'0; Tanch •:;;-i bO^.
21, 17: Bethanien.
ßri^avi'a wird nach dem Vorgang Lightfoots (2, 202) meist identifiziert
mit dem tahnudischen ^rn r^z, angeblich == „Dattelstätte", indem man
"i;-in mit ifj"'"^ in Verbindung bringt, das ,dactyIos palmarum, ad ma-
tiiritatem non perductos' bezeichnen soll. Aber Nmx ist die unreife
Feige, s. Levy 1, 35=*. Jedoch wissen wir nichts Genaueres über die
Lage jenes ■'rn ni^; auch lautet der Name des Ortes in den palästin.
Quellen wesentlich anders.
P'^'s 53''': Man darf (im Brachjahr in den Häusern aufgesammelte) getrocknete
Feigen essen, bis die (unreifen) Feigen von Beth-Hini (an den Bäumen) nicht mehr
vorhanden sind. R. J^huda (um 150) sagte: Die Feigen von Beth-Hini u. die unreifen
Feigen (■j'ns) von Tubänja werden (in der Halakha) nur in bezug auf die Verzehntung
(nicht in bezug auf das Brachjahr) erwähnt; denn wir haben gelernt (in einer Bar):
Die Feigen von Beth Hini u. die unreifen Feigen von Tubänja sind zehntpflichtig. —
$Arukh liest statt -:-r; n-; hier "jnr r-3 u. die Münchener Handschrift -jr'^a. — Die
Parallelstelle fEr 28*^ bietet zweimal die Form -jvr-s (Taubenhaus); hier Handschrift M.
das zweite Mal -jsi n-a. — Dagegen lautet die Stelle in TSch<^bifith 7, 14(71): Man
ißt von den Feigen, bis die Feigen von -ps:r-a' zu Ende sind. R. J'^huda hat gesagt :
Die Feigen von •:^-_:^'z ^ werden nur in bezug auf die Verzehntung erwähnt: Die Feigen
von -;-:p-=i u. die unreifen Feigen (-:'r!s) von Tubänja sind zehntpflichtig. — Als Varianten
erscheinen hier: -r r-a oder -rs. |l BM 88^ Bar: Warum sind die Kaufläden von Beth-
Hino (so!) drei Jahre vor Jerusalem zerstört worden? Weil sie ihre Worte (nur) auf
die der Tora gründeten; denn sie sagten: Es heißt Dt 14, 22 f.: „Du sollst genau ver-
zehnten . . . u. sollst essen", (also der Essende, der Konsument soll verzehnten.) aber
nicht der Verkäufer; „den Ertrag deiner Aussaat", also (der Produzent) nicht der
' Die Vokalisierung so in der Erfurter Handschrift.
856 Matth21,17. 19 (3tl)
Käufer. — Statt im r-a lesen die palästin. Schriftwerke entweder "jn -ja = ^Söiine
Chanan% so SDt 14, 22 § 105 (95**), oder ^jn -:= = , Söhne Chanon", so pPea 1, 16^48. —
Lightfoot (2, 409 f.) bringt diese Kaufläden von Beth-Hino mit den pTafan 4,69^, 37 er-
wähnten Kaufhallen auf dem Olberg in Verbindung (s. bei Mt21,r2 Anm.cZ S. 851) u.
folgert dann, daß unser Bethanien, weil gleichfalls am Olberg, mit Beth-Hino, bezw.
Beth-Hini identisch sein müsse; s. bei Joh 18, 13 Anm. (Z. || Chul53*: Als Rab Dimi
(um 320) kam (nämlich von Palästina nach Babylonien), sagte er: Einmal trug es sich
zu, daß ein Fuchs ein Lamm erdrosselte im Bade von Beth-Hini. Die Sache kam vor
die Gelehrten, u. sie erklärten: Es gibt eine Erdrosselung noi^-i (durch einen Fuchs). —
Unmittelbar darauf wird dieser Vorfall noch einmal erzählt, aber mit der Folgerung:
Es gibt keine noii- (durch einen Fuchs). — Lightfoot: Hier im Bade von Beth-Hini
konnten die Unreinen das Tauchbad nehmen, u. nachdem sie dann dort in den nahen
Kaufläden (von Beth-Hini, s. die vorige Stelle) das zur Reinigung Nötige eingekauft
hatten, sich nach Jerusalem begeben, um sich im Tempel reinigen zu lassen. — Ein
Beweis für die Identität von Bethanien u. Beth-Hini ist damit natürlich nicht erbracht.
21,19 21: Einen Feigenbaum sehend ging er auf ihn zu
u. fand an ihm nur Blätter.
1. Über die Entwicklungsphasen der Bäume u. speziell der Feigen-
bäume (j-irxn) während eines Jahres sagt TSch'^bifith 4, 20 (67): Wenn
bei einem Baume Fruchtansatz vor dem 15. Sch'^bat (11. Monat, ungefähr
Februar) erfolgt ist rn'n-'s irjDr.u: -(b^x hz, so gehören die (daraus sich
entwickelnden) Früchte (was ihre Verzehntung anlangt) zum vorher-
gehenden Jahr; erfolgt der Fruchtansatz nach dem 15. Sch'bat, so ge-
hören sie zum folgenden Jahr.^ R. N'^chemja (um 150) hat gesagt: Für
welchen Fall hat man dies gesagt? Mit Bezug auf einen Baum, der
zwei Triebe macht (in Einem Jahr u. der also zwei Ernten gibt; ein
solcher Baum heißt x'^B'i'^^, xnsi'n = di(poQog); aber ein Baum, der nur
Einen Trieb macht, wie der Ölbaum u. die Dattelpalme u. der Johannis-
brotbaum, wird, auch wenn Fruchtansatz vor dem 15. Sch^bat erfolgte,
angesehen, als ob der Fruchtansatz nach dem 15. Sch^bat erfolgt wäre.
(Der Feigenbaum gehörte nicht zur letztgenannten, sondern zu der
erstgenannten Kategorie von Bäumen, er machte also zwei Triebe.)
R. Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte: Vom Treiben der Blätter (beim
Feigenbaum) bis zum Erscheinen der unreifen Feigen dauert es 50 Tage;
von den unreifen Feigen (a^^s), bis sie Fallobst (notreifes, zuerst ab-
fallendes) werden, 50 Tage; von da an bis zu den (guten reifen) Feigen
50 Tage. Rabbi sagte: In allen (Stadien) immer 40 Tage, u. alle Früchte,
die vor dieser Zeit da sind, gehören (in bezug auf ihre Verzehntung)
dem vergangenen Jahr an; die nach dieser Zeit da sind, gehören dem
kommenden (neuen) Jahr an. — Dasselbe als Bar pSch'^bifith 4, 35'^, 11;
bRH15''. — -jir; (vgl. HL 2, 13) kann als Subjekt sowohl den Baum
haben (pT), als auch die Frucht (Tos u. bT), vgl. im Deutschen: „der
Baum setzt an" u. -die Frucht setzt an". Schon diese Konstruktion
• Nach RH 1,1 ließ die Schule Hillels das Jahr für die Bäume mit dem 15. Sch^bat,
die Schule Scbamniais mit dem 1. Sch'^bat beginnen. Solche Festsetzung war nötig, da die
Früchte des einen Jahres nicht durch Früchte eines andren verzehntet werden sollten.
Matth 21, 19 (511.2J 857
des Verbums -j:r; verbietet seine Wiedergabe durch , Knospen treiben"
(so Levy 2, 81). Richtig wohl die Glosse zu pSch^bi^ith -4, 35*^, 40: nbnrrt
c-^:Nrb n-j:n N-n -piEn, der Anfang der unreifen Feigen (ihr Fruchtansatz),
wird bei den Feigen als n-jsn bezeichnet. — Wenn nun zwischen dem
(nach Raschi u. Bertinoro zur Mischna im Nisan erfolgenden) Hervor-
treten der Feigenblätter u. dem Erscheinen der ersten jungen Früchte
CJE erfahrungsmäßig 50 oder doch mindestens 40 Tage liegen sollen,
so konnte Jesus an diesen jungen Trieben selbstverständlich in der
Passahwoche noch keine Frucht zu finden hoffen, auch wenn der Baum
im Blätterschmuck prangte; Mk 11, 13: o ydo xaiqog ovx ijv avxcor. Aber
die Tos redet auch von Bäumen — u. der Feigenbaum gehörte in erster
Linie zu ihnen — , an denen sich Fruchtansatz bereits vor dem 15. Sch^bat,
also mindestens 45 Tage vor dem 1. Nisan fand. Das waren Früchte,
die in der letztjährigen Vegetationsperiode angesetzt hatten, aber im
Vorjahre nicht mehr zur Entwicklung gelangt waren. (Wird doch von
einigen Feigenarten ausdrücklich berichtet, daß ihre Früchte erst im
zweiten oder dritten Jahr am Baum zur Reife gelangten.) a Wenn dann
im folgenden Frühjahr die Natur zu neuem Leben erwachte u. der Saft
anfing in die Bäume zu steigen, begann auch für diese alten Frucht-
ansätze eine neue Entwicklungsperiode. Eine solche Frucht konnte Jesus
in der Passahwoche, also etwa 55 Tage nach dem 15.Sch^bat, gar wohl
erwarten, zumal an einem Baum, dessen volles Laub seine Kraft u.
Gesundheit zu verbürgen schien.
a. Seh' bifith 5, 1 : Die -vr r-:^ genannte (weiße) Feigenart hat ihr Brachjahr im
zweiten Jahr (der neuen Jahrwoche), weil sie nach drei Jahren Frucht bringt. R. J^'huda
fum 150) sagte: Die persischen Feigen haben ihr Brachjahr in dem auf das Er. folgenden
Jalir, weil sie nach zwei Jahren Frucht bringen. Man antwortete ihm: Man hat es nur
von den weißen Feigen rr.v nj: gesagt. — Nach TSch*^'bifith 4, 1 (65) antwortete man
dem R. J'huda: Siehe, die bei dir in Tiberias tragen doch nur einjährige Früchte! In
pSch'^bifith 5, 35'^', 41 lautet die Antwort: Siehe, sie sind bei dir in Tiberias u. tragen
Frucht nach Einem Jahr! Er sprach zu ihnen: Siehe, sie sind bei euch in Sepphoris
u. tragen Frucht nach zwei Jahren. — Zu obiger Mischna bemerkt pSch^'biath 5, 35 '^', 8:
Welches ist die rm; rt:z genannte Feigenart? Die kleienfarbige [n^^'Z't = tiixvqIi;).^
Bringen diese in jedem Jahre Frucht oder Einmal in drei Jahren? Sie bringen in jedem
Jahre Frucht; nur daß sie ihre Früchte erst nach drei Jahren voll zur Reife bringen.
Woher weiß man denn (aus welchem Jahre die Frucht stammt)? Daher, daß man
einen Faden daran bindet, hat R. Jona (um 350) gesagt. Sch'^'muel (f 254) hat als
tanna'itische Tradition gelehrt: Man steckt Spänchen hinein. — Nach diesen Stellen
würde die betreffende Feigenart niemals ohne Fruchtbehang gewesen sein. — Josephus
versichert Bell Jud 3, 10, 8 von der Gegend am See Genezareth, daß sie die königlichen
Früchte, Weintrauben u. Feigen, zehn Monate hindurch ohne Unterbrechung dargeboten
habe, s. bei Mt4, 12 S. 154. Ferner s. bei Mk 11, 13.
2, Gleichnisartige u. symbolische Verwendung des Feigenbaums.
fEr 54": R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jocbanan (f 279) habe gesagt,
was bedeutet: ,Wer den Feigenbaum hütet, wird seine Frucht essen" Spr 27, 18?
Warum werden die Worte der Tora mit einem Feigenbaum verglichen? Wie ein Mensch
an einem Feigenbaum, sooft er ihn durchsucht, Feigen findet, so findet auch ein Mensch
^ So Dalman, Wtb.; da allerdings auf eine Olivenart bezogen.
858 Mattb 21, 19 (3t 2. SB)
an den Worten der Tora Genuß, sooft er über sie nachsinnt. 1| MidrQolio, 11 (28^):
Was ist für ein Unterschied zwischen dem Tode der Jünglinge u. dem Tode der Alten?
R. J'^huda u. R. N*^chemja (beide um 150). R. J'^huda sagte: Wenn eine Leuchte von
selbst erlischt, so ist das gut für sie u. für den Docht; u. wenn sie nicht von selbst
erlischt, so ist das schädlich für sie u. für den Docht. R. N^'chemja: Wenn, eine Feige
zu ihrer Zeit gepflückt wird, so ist das gut für sie u. für den Feigenbaum; u. wenn
sie nicht zu ihrer Zeit gepflückt wird, so ist das schädlich für sie u. für den Feigen-
baum. R. Chijja der Altere (um 200) u. seine Schüler, nach andren R. Schimfon b. Cha-
laphta (um 190) u. seine Schüler, nach andren R. fAqiba (f um 135) u. seine Schüler
salsen einmal unter einem Feigenbaum Schriftforschungen vortragend. Der Besitzer des
Feigenbaums aber pflegte sich frühe aufzumachen u. seinen Feigenbaum abzusammeln.
Da sprachen sie: Wir wollen unsren Platz verändern, vielleicht hat er uns in Verdacht
(wir könnten ihn seiner Feigen berauben). Sie ließen sich an einem andren Ort nieder.
Als sich der Besitzer des Feigenbaums am nächsten Morgen früh aufmachte, seinen
Feigenbaum abzusammeln, u. jene nicht antraf, ging er ihnen nach u. fand sie u.
sprach zu ihnen: Meine Lehrer, eine Wohltat hattet ihr mir erwiesen; sie wollt ihr
mir entziehen? Sie sprachen: Das sei ferne! Er antwortete: Warum habt ihr euch an
einer andren Stelle niedergelassen? Sie sprachen: Wir dachten: Vielleicht hat er uns
in Verdacht! Er antwortete: Das sei ferne! Ich will euch aber sagen, warum ich mich
früh aufmachte u. den Baum absammelte: wenn nämlich die Sonne die Früchte be-
strahlt, so bekommen sie Maden. ... Da sprachen sie: Schön kennt der Besitzer des
Feigenbaums die (rechte) Stunde seines Feigenbaums; wenn es richtig ist, daß er ab-
gesammelt wird, dann sammelt er ihn ab. So weiß auch Gott, wann die Stunde des
Gerechten da ist, u. dann nimmt er ihn (aus der Welt) weg. — Dasselbe mit zum Teil
nndren Autorennamen Midr HL 6,2 (122^); GnR 62 (39a); ohne die einleitende Kontro-
verse^zwischen R. J*huda u. R. N''chemja auch pB^rakh 2, 5*=, 8. |! Chag 5'': R. Jochanan
(t 279) weinte, wenn er an die Stelle Hi 15, 15 kam: „Siehe, auf seine Heiligen traut
er nicht." Wenn er auf seine Heiligen nicht traut, auf wen soll er trauen? Eines
Tages ging er auf einem Wege; da sah er einen Mann, der Feigen abnahm; die, welche
zur Reife gelangt waren, ließ er zurück (am Baum) u. die, welche nicht zur Reife ge-
langt waren, nahm er. Er sprach zu ihm: Sind jene nicht viel besser? Er antwortete:
Wir wollen sie für die Reise; diese halten sich, jene halten sich nicht. Da sagte
R. Jochanan: Das ist es, was geschrieben steht: „Siehe, auf seine Heiligen traut er
nicht!" (Gott nimmt Fromme in der Jugend hinweg, damit sie nicht Sünder werden.) j|
Eine haggadische Deutung GnR 19(1 3^): „Sie nähten Feigenblätter n:sr n;^; zusammen"
(Gn3, 7). R. Schimfon b. Jochai (um 15ö) hat gesagt: Blätter, die Trauerklage -:(«"r
in die Welt gebracht. — Zugrunde liegt die Meinung, daß die verbotene Frucht die
Feige war, s. GnR 15 (ll-').
21,19 23: Nimmermehr soll aus dir eine Frucht
hervorgehn in Ewigkeit!
Wie dem Blick (s. bei Apg 13, 9), so wurden auch dem Wort dos
Menschen unheilvolle Kräfte zugeschrieben.
BQ93'^: R. Ji(;chaq (um 300) hat gesagt: Nie sei der Fluch eines gewöhnlichen
(sclüichten) Menschen gering in deinen Augen; denn siehe, Abimelekh fluchte der Sara,
u. es erfüllte sich an ihrer Nachkommenschaft, s. Gn 20, 16: Das sei dir zur Ver-
hüllung der Augen! Er sprach zu ihr: Weil du es vor mir verheimlicht u. nicht kund-
getan hast, daß er dein Mann ist, u. mir so diesen Schmerz verursacht hast, so möge
es Gottes Wille sein, daß dir Kinder werden, die verhüllt (umflort) an den Augen sind!
und es erfüllte sich an ihrer Nachkommenschaft, s, Gn27, 1: Als Isaak alt u. seine
Augen trübe geworden waren usw. — Dasselbe kürzer M'^g 28»; in M'^g 15 a R. Chanina,
um 225, als Autor; vgl. GnR 52 (33 b). — || Besonders galt das strafende Fluchwort der
Rabbinen als todbringend. Aboth2, 10 (auch AbothRN 15): R. Elifezer (um 90) sagte:
Matfch 21, 19 (So). 2!, 23 (Nr. 1) 859
Wärme dich am Feuer der Gelehrten, gehe aber behutsam mit ihren Kohlen um, damit
du dich nicht verbrennst; denn ihr Beißen ist das Beißen eines Fuchses u. ihr Stechen
das Stechen eines Skorpions u. ihr Zischeln das Zischehi einer Giftschlange, u. alle
ihre Worte sind wie Feuerkohlen. || Schab 110*: Abaje (f 338/39) sprach zu ihnen: Viel-
leiclit hat ihn die Schlange der Rabbinen gebissen, gegen die es keine Heilung gibt;
s. Qoh 10,8: Wer den Zaun (der rabbin. Satzungen) einreißt, den beißt eine Schlange.
(„Schlange der Rabbinen", entweder das bannende Slrafwort der Rabbinen oder, so
Raschi, eine Schlange, die auf das Wort der Rabbinen hin den Betreffenden gebissen hat.)
Beispiele: pB^'rakh 1,3*, 25: R. Schim?on b. Jochai (um 150) sah einen, der die
Nachwüchse im Brachjahr einsammelte. Er sprach zu ihm: Ist das nicht verboten?
Und sind das nicht Nachwüchse? Er antwortete: Bist du es nicht, der es erlaubt hat?
Er sprach: Sind denn nicht meine Genossen andrer Meinung gewesen als ich? Dann
wandte er auf ihn Qoh 10,8 an: Wer den Zaun (der rabbin. Satzungen) einreißt, den
beißt eine Schlange. Und so geschah es jenem. — Parallelstellen: pSch^bidth J), 38**, 19;
Pesiq 90'^; GnR 79 (51»). 1| Tafan 23"^: R. Mani (IL, um 870) pflegte sich vor R. Jiijchaq
b. Eljaschib (um 350) einzufinden. Er sprach zu ihm: Die Reichen aus dem Hause
meines Schwiegervaters ärgern mich! Da sprach R. Ji9chaq b. E.: Sie mögen verarmen!
Da verarmten sie. Er sprach zu ihm: Sie bedrängen mich (wegen ihrer Verarmung)!
Da sprach R. Ji^chaq b. E.: Sie mögen reich werden! Da wurden sie reich. Er sprach:
Die Menschen in meinem Haus (damit ist speziell seine Gattin gemeint) gefallen mir
nicht. Er sprach zu ihm: Wie ist ihr Name? (Antwort:) Hanna. So möge Hauna schön
werden! Und sie ward schön. Er sprach zu ihm: Sie überhebt sich (wegen ihrer Schön-
heit) gegen mich! Er antwortete: Wenn dem so ist, so möge Hanna zu ihrer (früheren)
Schwärze (Häßlichkeit) wieder zurückkehren! Da kehrte Hanna zu ihrer Schwärze
wieder zurück. |i Schab 80'': Es kam jemand vor Rabbi u. sagte zu ihm: Dein Weib
ist mein Weib u. deine Kinder sind meine Kinder. Rabbi antwortete ihm: Willst du
einen Becher Wein trinken? Er trank u. platzte auf. Einer kam vor R. Chijja (wohl
der Ältere, um 200) u. sagte zu ihm: Deine Mutter ist mein Weib u. du bist mein
Sohn. Er antwortete: Willst du einen Becher Wein trinken? Er trank u. platzte auf. Ji
fEr63*: R. Elifezer (um 90) hatte einen Schüler, der eine halakhische Entscheidung
vor ihm traf. R. Elifezer sagte zu seinem Weibe Imma Schalom: Es soll mich wundern,
wenn dieser sein (angefangenes) Jahr zu Ende brächte! Und er brachte es nicht zu
Ende. Sie sprach zu ihm: Bist du ein Prophet? Er antwortete ihr: Ich bin kein Prophet
u. auch kein Prophetensohn; aber so habe ich es durch Tradition überkommen: Wer vor
seinem Lehrer eine halakhische Entscheidung trifft, ist des Todes schuldig. — Dasselbe
SLvl0,l(189'');pSch<^bifith6,36«,7;pGitl,43^29;P''siql72a;LvR20(119'^). |1 Schab
108»: Rah (f 247) fluchte u. sprach: Wer uns geärgert hat (gemeint ist Sch^muel, f 254 J,
dem möge man keine Söhne erstehn lassen! Und so geschah es. Vgl. auch Rabs Aus-
spruch Sanh90'^: Der Fluch eines Gelehrten, selbst wenn grundlos ausgesprochen, kommt
(geht in Erfüllung). || M'^g b^: Rab (f 247) sah einen Mann, der am Purimfest Flachssamen
säte; da fluchte er ihm u. der Flachs ging nicht auf. I! Ta?an 24-^ wird erzählt, wie ein
Feigenbaum auf Befehl eines Rabbinensohnes zur Unzeit Früchte hervorbringt, damit
dessen Arbeiter ihren Hunger stillen können ;s. bei Mk 11, 13. \\ pTaf an 3, 66 ''j 6, s. S.8647.
21,21: Wenn ihr zu diesem Berge sagen werdet: Hebe dich weg!
(s. bei Mt 17,20 S. 759).
21, 22: Was ihr im Gebete glaubend bitten werdet, werdet ihr empfangen
(s. beiMtl8, 19 S.793).
21,23: In was für Macht tust du dieses u, wer hat dir
diese Macht gegeben?
1. Die Vollmacht zum selbständigen Lehren u. Entscheiden wurde
durch die Ordination erteilt, s. bei Apg 6, 6 Nr. 1 u. 5, — Ferner:
860 Matth 21,23 (Nr. 1.2)
Sota22'' Bar: Eine betende Jungfrau, eine müßig herumgehende Witwe u. ein Kind,
dessen Monate nicht voll sind (das nicht ausgetragen ist), die verderben die Welt. . . .
Was ist ein Kind, dessen Monate nicht voll sind? Man hat es so erklärt: Das ist ein
Gelehrtenschüler, der seine Lehrer verachtet (wörtlich: gegen sie ausschlägt). R. Abba
(wohl der I., um 290) hat gesagt: Das ist ein Schüler, der es nicht bis zum Lehren
(Entscheiden) gebracht hat u. (doch) lehrt. Denn R. Abbahu (um 300) hat gesagt, Rab
Huna (t 297) habe gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Was heißt: „Viel sind der Er-
schlagenen, die sie hingestreckt hat, u. groß die Summe der von ihr Erwürgten"
Spr7, 26? „Viel sind der Erschlagenen, die sie hingestreckt hat", damit ist ein Ge-
lehrtenschüler gemeint, der es nicht bis zum Lehren (Entscheiden) gebracht hat u. (doch)
lehrt. „Und groß ist die Summe der von ihr Erwürgten", damit ist ein Gelehrten-
schüler gemeint, der es bis zum Lehren (Entscheiden) gebracht hat u. nicht lehrt. Und
bis wie lange (dauert es, bis man selbständig lehren u. entscheiden darf)? Bis zum
40. (Lebens-)Jahr. — Der 2. Teil auch fAZ 19 '\
2. Die Frage an Jesum in Mt21,23 war geeignet, der Ausgangspunkt
einer gerichtlichen Untersuchung gegen ihn zu werden. Es würde seinen
Gegnern gewiß nicht schwer geworden sein, in seinem Auftreten im
Tempel irgend etwas zu entdecken, was gegen die Halakha verstieß. In
diesem Falle würde vermutlich das gegen den x-p?? -pj , den dissentieren-
den Lehrer, übliche Verfahren gegen Jesum zur Anwendung gekommen
sein, vorausgesetzt, daß man ihm die Autorität eines selbständigen
Lehrers zuerkannt hätte. — Das Verfahren selbst beschreibt:
Sanh 11, 1.2 u. 4: Dies sind die, welche erdrosselt werden: wer seinen Vater oder
seine Mutter schlägt u. wer eine Person aus Israel stiehlt u. der Gelehrte, welcher
sich gegen den (obersten) Gerichtshof auflehnt s'^'aia •jpr, u. der falsche Prophet u. wer
im Namen eines Götzen weissagt u. wer einem Eheweibe beiliegt. . . . „Der Gelehrte,
welcher sich gegen den Gerichtshof auflehnt", s. Dt 17, 8 — 13: Wenn dir eine Sache
zu schwierig zur Entscheidung zwischen Blut u. Blut, zwischen Rechtshandel u. Rechts-
handel usw. — Drei Gerichtshöfe waren dort: einer saß am Eingang des Tempelberges
(wohl am Osttor des Frauenvorhofes, 23 Mitglieder, Bar Sanh 88'^) u. einer am Eingang
des Vorhofes (der Israeliten, gleichfalls 23 Mitglieder, Sanh 88'') u. einer in der „Quader-
halle ^ (71 Mitglieder, Sanh 88''). Man kam zu dem, welcher am Eingange des Tempel-
berges war, u. er (der angefochtene Gelehrte) sagte: So habe ich gedeutet u. so haben
meine Genossen gedeutet, so habe ich gelehrt u. so haben meine Genossen gelehrt.
Wenn sie (die Mitglieder des ersten Gerichtshofes) eine Überlieferung (betreffs der
streitigen Frage) hatten, sagten sie sie ihnen; wenn aber nicht, so gingen sie zu dem
Gerichtshof, welcher am Eingang des Vorhofes war. Und er sagte: So habe ich ge-
deutet u. so haben meine Genossen gedeutet, so habe ich gelehrt u. so haben meine
Genossen gelehrt. Wenn sie eine Überlieferung hatten, sagten sie sie ihnen; wenn aber
nicht, kamen diese u. jene (die beiden Parteien u. die beiden ersten Gerichtshöfe) zu
dem großen Gerichtshof, welcher in der „Quaderhalle" saß (nach Sanh 88'' an den
Sabbaten u. an den Festtagen im Chel, d. h. auf der schmalen Terrasse, die sich außen
um die Mauer des innern Vorhofes herumzog); denn von dort ging die Tora für ganz
Israel aus, vgl. Dt 17, 10: Von jenem Orte, welchen Jahve erwählen wird. (Ihnen wurde
die Frage vorgelegt; wenn sie eine Überlieferung hatten, so sagten sie sie ihnen, wenn
aber nicht, so erhoben sie sich zur Abstimmung: waren zB die für unrein Erklärenden
in der Majorität, so erklärte man (die fragliche Sache) für unrein; waren die für rein
Erklärenden in der Majorität, so erklärte man für rein, Sanh88b). Kehrte er (der ver-
klagte Gelehrte) zu seiner Stadt zurück u. lehrte wieder, wie er gewohnt war, so war
^ r'Tjn rsr': „Halle am Xystos", nach Schürer* 2, 263 ff. wahrscheinlich an der
westlichen Grenze des Tempelberges; nach W. Bacher innerhalb der Tempelarea.
Matth21,23 (Nr.2). 21,24 861
er frei (blieb straflos); wenn er aber anwies, so (wie er lehrte) zu handeln, war er
schuldig; denn es heißt Dt 17, 12: „Aber der, welcher in Vermessenheit handelt."
Er ist also schuldig erst, wenn er anweist zu handeln. Ein (Gelehrten-)Schüler, der
angewiesen hat zu handeln, ist frei (denn er hatte gar nicht das Recht, selbständig
zu lehren u. zu entscheiden). Man tijtet ihn nicht durch den Gerichtshof in seiner Stadt
u. nicht durch den. Gerichtshof in Jahne (Sitz des Synedriums nach der Zerstörung
Jerusalems), sondern man bringt ihn (nur) hinauf zu dem großen Gerichtshof in Jer.
u. verwahrt ihn (dort) bis zum (nächsten) Feste u. tötet ihn während des Festes; denn
es heißt Dt 17, 13: Ganz Israel soll es hören u. sich fürchten. Das sind Worte des
R. fAqiba (f um 135). R. J^'huda (um 150) sagte: Man verschiebt seine Bestrafung nicht,
sondern tötet ihn sofort; dann schreibt man (Briefe) u. schickt sie an alle Orte: Der
u. der, Sohn des u. des, ist durch den Gerichtshof zum Tode verurteilt worden (denn
es heißt nicht: Ganz Israel soll es , sehen" u. sich fürchten, sondern es „hören" u.
sich fürchten, SanhSQa).
21,24: Fragen will auch ich euch ein Wort.
Die Gegenfrage als Antwort auf eine Frage mehrfach in Religions-
gesprächen.
P<'siq40a: Ein Heide fragte den Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80): Was ihr
da (mit der Asche von der roten Kuh) macht, erscheint mir wie eine Art Zauberei.
Man bringt eine Kuh, schlachtet u. verbrennt sie; dann zerstößt man sie u. nimmt
ihre Asche auf, u. wenn einer von euch durch einen Toten unrein geworden ist, dann
spritzt man davon zwei- oder dreimal auf ihn u. sagt zu ihm: Du bist rein! Dieser
antwortete: Ist noch niemals der Geist der Verwirrung (Besessenheit) in diesen Menschen
(d. h. in dich) gefahren? Er antwortete: Nein! R. Jochanan b. Z. sprach: Hast du noch
nie einen Menschen gesehen, in den der Geist der Besessenheit gefahren war? Er ant-
wortete: Ja! Und was macht ihr mit einem solchen? Er antwortete: Man nimmt
Wurzeln u. räuchert sie unter ihm u. spritzt Wasser auf ihn; dann flieht der böse Geist.
R. Jochanan b. Z. sprach zu ihm : Wollen deine Ohren nicht hören, was dein Mund
geredet hat? Ebenso ist auch dieser Geist ein Geist der Unreinheit, s. Sach 13,2. Man
spritzt auf ihn Reinigungswassef, so flieht er. — Dasselbe TanchB r-- §26 (59b);
P'^'siqR 14 (65a). || Ta?an 7»: Die Tochter des Kaisers (Hadrian) sagte zu R. J^'hoschua?
b. Chananja (um 90): Ei, so herrliche Weisheit in einem so häßlichen Gefäße! (R. J<"ho-
schuaf soll nicht schön gewesen sein.) Er sprach zu ihr: Tut dein Vater den Wein
in irdene Gefäße? Sie antwortete: In welche sonst tut man ihn denn? Er sprach:
Ihr, die ihr so angesehene Leute seid, solltet ihn in goldene u. silberne Gefäße tun!
Sie ging u. erzählte es ihrem Vater. Darauf ließ sie den Wein in goldene u. silberne
Gefäße füllen, u. — er wurde sauer. Man kam u. teilte es dem Kaiser mit. Er sprach
zu seiner Tochter: Wer hat dir das gesagt? Sie antwortete: R. J''hoschua? b. Chananja.
Er ließ diesen kommen u. sprach zu ihm: Warum hast du ihr dies gesagt? Wie sie
zu mir gesprochen hat, versetzte R. J^hoschuaf, so habe ich ihr geantwortet. Aber,
sprach sie, es gibt doch auch schöne Männer, die gelehrt sind! Wären sie häßlich,
entgegnete R. J'^hoschua?, so wären sie noch gelehrter. (Eitelkeit kostet Zeit, die dem
Studium verloren geht.) li Sanh 65 b: Der Tyrann Rufus, der Frevler, (= Tinejus Rufus,
132 n. Chr. Statthalter von Judäa) fragte den R. ?Aqiba: Was ist denn für ein Unter-
schied zwischen dem einen Tag (Sabbat) u. den übrigen Tagen? R. fAqiba antwortete:
Was ist denn für ein Unterschied zwischen dem einen Mann (Rufus) u. andren Männern?
Rufus entgegnete: Mein Herr (der Kaiser) wollte es so! R. fAqiba sprach: Auch be-
treffs des Sabbats wollte es mein Herr (Gott) so! 1| TanchB y-'s §9 (97a): Eine Matrone
fragte den R.Jose b. Chalaphta (um 150) u. sprach zu ihm: Ist das das ganze Lob
Gottes, daß er den Weisen Weisheit gibt, wie es heißt Dn 2,21 : Er gibt Weisheit den
Weisen? Müßte es nicht vielmehr heißen: Er gibt den Toren Weisheit? Er antwortete
ihr: Besitzt du einen Schmuck? Sie sprach: Ja! — Wenn nun jemand kommt, um
862 Matth 21,24. 25
sich deinen Schmuck zu borgen, wirst du ihn ihm leihen? Sie sprach: Wenn es ein
vermögender Mann ist, würde ich ihm meinen Schmuck leihen. Da sprach R. Jose:
Du also leihst deinen Schmuck nur einem vermögenden Mann, u. Gott soll die Weis-
heit Toren geben? — Dasselbe in breiterer Ausführung Midr Qoh 1, 7 (7b). || TanchB
r--L'N^: §2 (Ib): Eine Matrone fragte den R.Jose b.Chalaphta (um 150): In wieviel Tagen
hat Gott seine Welt geschaffen? Er antwortete ihr: Am ersten Tage. Woher kannst
du mir das beweisen? Er sprach zu ihr: Hast du jemals ein Mahl gegeben? Sie ant-
wortete: Ja! Wie viele Gänge ließest du auftragen? Sie sprach: So u. so viel. Hast
du alle auf einmal deinen Gästen vorsetzen lassen? Nein, sprach sie; ich habe alle
Speisen auf einmal kochen lassen, aber vorsetzen ließ ich Gang für Gang. (So auch
die Schöpfung: am ersten Tage wurde alles auf einmal geschaffen; an den folgenden
Tagen trat dann das Erschaffene einzeln in der gottgewollten Reihenfolge in die Er-
scheinung.) Il GnR 27 (17^'): Ein Heide fragte den R. J'^hoschuaf b. Qarcha (um 150) u.
sprach zu ihm: Sagt ihr nicht, daß Gott das Zukünftige sieht? Er antwortete: Ja. Da
sagte jener: Es steht doch aber geschrieben: Gott betrübte sich in sein Herz hinein
(darüber, daß er Menschen geschaffen) Gn6, 6! R. J^hoschuaf sprach: Ist dir einmal
ein Knabe geboren worden? Jener sprach: Ja! — Was tatest du da? Ich habe mich
gefreut u. habe alle Welt erfreut. — Hast du denn aber nicht gewußt, sprach R. Jeho-
schuaf, daß dein Sohn schließlich sterben wird? Jener sprach: Zur Zeit der Freude
Freude, zur Zeit der Trauer Trauer! — So ist es auch bei Gott, sprach R. Jehoschuar.
21,25: Vom Himmel oder von Menschen?
f^ ovQavov = tri-qt{r^ '^-q. — Man vermied gern den Gebrauch der
eigentlichen Gottesnamen u. ersetzte sie durch Umschreibungen ;i zu
diesen gehört auch tr,-q-c, aram. n- •?;;', Himmel = Gott; so schon Dn 4,23.
In sprachlicher Hinsicht ist bemerkenswert, daß Diau; als Gottesbezeich-
nung fast nie den Artikel vor sich hat, weil es eben für das Sprach-
gefühl zu einem Eigennamen geworden war, daß es dagegen in der
Verbindung mit der Präposition -'2 den Artikel behält. Der Gedanke an
die ursprüngliche lokale Bedeutung des q^^"^ macht sich hier noch so
stark geltend, daß die Sprache ein f^m'n "ip (= von Gott) verträgt.
Sanh 10, 1: Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt (Äon der absoluten
Vollendung, anhebend mit der Auferstehung der Toten); denn es heißt Jes60, 21:
„Dein Volk, allesamt sind sie Gerechte; für immer werden sie das Land besitzen."
Und dies sind die, welche keinen Anteil an der zuk. Welt haben: wer sagt: Es gibt
keine Auferstehung der Toten u. die Tora ist nicht von Gott c-^s-lti p u. der Epikureer
(Freidenker). || N'^'d 10, 6: Einer Frau, die auf die Leviratsehe wartet, mag es sich um
Einen Schwager oder um zwei handeln, darf der Schwager nach R. Eli?ezer (um 90)
ein Gelübde zunichte machen. R. J'hoschua? sagte: Wenn es sich um Einen Schwager
handelt, aber nicht bei zweien. R. ?Aqiba sagte: Weder bei einem, nocli bei zweien.
R. Eli?ezer sagte: Wenn bei einer Frau, die er sich selbst erwirbt, der Ehemann ihre
Gelübde zunichte machen darf, sollte es da nicht recht sein bei einer Frau, die man
ihn von Gott her, n-'s-rn -j»;, erwerben läßt, daß er ihre Gelübde zunichte macheu darf?
R. fAqiba erwiderte: Was du von einer Frau sagst, die der Ehemann sich selbst er-
wirbt u. auf die andre kein Recht haben, darfst du nicht von einer Frau sagen, die
man ihn von Gott her, c-i-i-rt -ji, erwerben läßt u. auf die andre (die übrigen Schwäger)
ein Recht haben. — || Sanh 99''' Bar: „Das Wort Jahves hat er verachtet u. sein Gebot
gebrochen" Nu 15, 31, das bezieht sich auf den, welcher sagt: Die Tora ist nicht von
Gott a-ttrn p. . . . Auch wenn einer sagt: Die ganze Tora ist von Gott D"tt-:;n p mit
Ausnahme dieses Verses, den nicht Gott, sondern Mose aus seinem eignen Mund ge-
^ Siehe den Exkurs: Memra Jahves Nr. 3.
Matth 21, 25 863
sagt hat, so gilt von einem solchen: Das Wort Jahves hat er verachtet. Und selbst
wenn einer sagte: Die ganze Tora ist von Gott wazn -ji; ausgenommen diese Subtilität,
dieser Schluß vom Leichtern auf das Schwerere, dieser Analogieschluß — so gilt von
einem solchen: das Wort Jahves hat er verachtet. || SDt 13, 18 § 96 (93'^): Rahban
Gamliel, der Rabbinensohn (IL, um 90) sagte: Solange du dich über die Menschen
erbarmst, erbarmt man sich über dich seitens Gottes s-iswT! ■j'i. — Dasselbe Schab 151''
als Bar; vgL auch TBQ 9, 30 (366) u. pBQ 8, ö^, 19.
Andre Verbindungen, in denen d-«-:; „Gott" bedeutet. BQ 6, 4: Wenn jemand einen
Brand (eine brennende Fackel) durch einen Taubstummen, einen Blödsinnigen oder ein
unmündiges Kind übersendet (u. dadurch einen Brand verursacht), so ist er frei nach
menschlichem Recht c-s "r-a., aber schuldig nach göttlichem Recht z-'c-o ^:—.z . \ Mak 9" :
Raba (t 352) erwiderte dem Rab Chisda (1^809): Es heifst Gn20, 3: „Siehe, du mufst
sterben wegen des Weibes, das du genommen hast." Könnte man nicht meinen durch
die Hände eines Menschen ms ^--z? Nein, vielmehr durch die Hände Gottes c^-v -t^:. ||
Joma 22'^: (Hos 2, 1 heißt es einmal: Die Zahl der Kinder Israel wird sein wie der
Sand des Meeres — also zählbar oder meßbar, im Sinne des Midr; u. darauf heißt
es: „Der nicht zu messen u. nicht zu zählen ist"). . . . Rabbi hat im Namen des Abba
Jose b. Dos^thai (um 160) gesagt: Darin liegt kein Widerspruch; hier (unzählbar) durch
Menschen dis ^i'z; dort (zählbar) durch Gott n'!;-i? •'t'2. || Tanch p^z 2S1^: Siehe, ein
Mann von den Kindern Israel kam herein Nu 25, 6. Zu welchem Zweck tat er das?
Um dich zu lehren, daß er weder Gott c'üvh, noch den Menschen rr^;V Ehre erwies.
In bezug auf ihn ist gesagt worden: „Ein aufgeblasener Frecher wird Spötter genannt"
Spr21,24.j|DtR3(20ib): Man fragte den Rabban Jochanan b. Zakkai (fumSO): Warum
waren die ersten (Gesetzes-)Tafeln ein Werk Gottes D"?3r n-üy«, u. die zweiten ein
Werk von Menschen e-s nrs):? — || Sanh27a: Raba (f 352) kann sagen: R. Me'ir
(um 150) redet dort (wo er sagt, daß ein überführter falscher Zeuge bei allen Gesetzen
in der Tora als Zeuge untauglich sei Sanh27a) nur von einem, der als falscher Zeuge
in einem Geldprozeß überführt wurde; denn ein solcher ist schlecht gegen Gott c-':tt)'5
u. schlecht gegen die Menschen rv-aV. Aber hier, wo es sich um jemanden handelt,
der schlecht gegen Gott z'Kzh , aber nicht schlecht gegen die Menschen rr^z"; ist
(nämlich um einen Apostaten, der rituell verbotenes Fleisch ißt), hat es R. Meir nicht
so gemeint. || Aboth 1, 3: Antigonus aus Sokho (angeblich ein Schüler des Schim?on des
Gerechten) hat gesagt: Die Furcht Gottes a^ar s^t»: sei bei euch! [j Aboth 4, 12: R. Elfazar
b. Schammuaf (um 150) sagte: Es sei dir die Ehre deines Schülers so lieb wie deine
eigene Ehre u. die Ehre deines Nächsten wie die Ehrfurcht vor deinem Lehrer u. die
Ehrfurcht vor deinem Lehrer wie die Ehrfurcht vor Gott n-wr siitts. |1 Aboth 1, 11;
Abtaljon (um 50 v. Chr.) sagte: Ihr Gelehrten, seid vorsichtig mit euren Worten, ihr
möchtet euch verschulden mit einer Verschuldung, die zur Verbannung führt, u. hinaus-
ziehen müssen an einen Ort schlechten Wassers (schlechter Lehre), u. die Schüler, die
nach euch kommen, würden davon trinken u. sterben, u. die Folge wäre, daß der
Name Gottes z-ov ü-j entheiligt würde, ü Aboth 4, 4: R. Jochanan b. B^roqa (um HO)
sagte: Wer den Namen Gottes z^^v =r im geheimen entheiligt, der wird bestraft
öffentlich; bei der Entweihung des göttlichen Namens ist es gleichviel, ob einer es
unvorsätzlich oder in Vermessenheit tut. 11 Aboth 2, 2: Rabban Gamliel b. J®huda ha-
Na§i (um 220) sagte: Alle, die sich mit der Gemeinde (u. deren Angelegenheiten) be-
schäftigen, sollen sich mit ihnen beschäftigen um Gottes willen z-ov zvh. Aboth 2, 12:
R. Jose, der Priester (um 100), sagte: ... All dein Tun geschehe um Gottes willen
c-?2tt; zxh. II Aboth 4, 11: R. Jochanan, der Sandalenmacher (um 140), sagte: Jede Ver-
einigung, die um Gottes willen z'tiv e-:;V erfolgt, wird bestehen bleiben; die aber nicht
um Gottes willen z-^v a-a; erfolgt, wird nicht bestehen bleiben. |i Das. 5, 17: Jeder
Streit, der um Gottes willen n-ar uv-: geführt wird, wird bestehen bleiben (hat bleibenden
Erfolg), der aber nicht um Gottes willen geführt wird, wird nicht bestehen bleiben.
Welches ist ein Streit um Gottes willen? Der Streit Hilleis u. Schammais (um 30 v. Chr.).
Und einer nicht um Gottes willen? Das ist der Streit Qorachs u. seiner ganzen Rotte, jj
864 Mattb2I,25
B'rakh 16b: Rab (f 247) pflegte nach seinem Gebet zu sagen: Es sei woblgefällig vor
dir, Jabve unser Gott, dafs du uns gebest ein langes Leben . . ., daß in uns sei Liebe
zur Tora u. Furcht Gottes a-ar rsi-. || B°rakh 33b: R. Chanina (um 225) hat gesagt:
Alles steht in Gottes Hand a'^sr '•i'z, ausgenommen die Gottesfurcht u^'ov rs-i-. —
Dasselbe M<^g25a; Nidda 16b. || Schab 113^: Deine Angelegenheiten sind am Sabbat
verboten, Gottes Angelegenheiten a-^sr -::En sind erlaubt. i| B"rakh7b: R. Jochanan
(t 279) hat im Namen des R. Schimfon b. Jochai (um 150) gesagt: Man darf sich über
die Gottlosen in dieser Welt entrüsten. . . . R. Ji^chaq (um 800) hat gesagt: Wenn du
siehst, daß einem Gottlosen die Stunde lächelt, so entrüste dich nicht wider ihn. . . .
Es liegt kein Widerspruch vor: in dem einen Falle handelt es sich um die eigenen
Angelegenheiten h-i^t •''-■'as, im andren um Gottes Angelegenheiten s-'orT '^h^'az (u.
wo es sich um göttliche Dinge handelt, darf man sich wider die Gottlosen entrüsten).
fEr 13a: (R. Me'ir, um 150, hat erzählt:) Als ich zu R. Jischmafel (f um 135) kam, sagte
er zu mir: Mein Sohn, was ist deine Beschäftigung? Ich antwortete: Ich bin ein
(Torarollen-)Schreiber {-^hz'-s = libellarius\ Er sprach zu mir: Mein Sohn, sei vorsichtig
bei deinem Werk, denn dein Werk ist ein Gotteswerk a-wr rrsi'^; vielleicht möchtest
du einen Buchstaben auslassen oder einen Buchstaben zuviel setzen, u. dann würdest
du erfunden als einer, der die ganze Welt zerstört. |lBrakh53b: (Nach der Schule
Schammais soll jemand, der das Tischgebet nach dem Essen vergessen hat u. von
dannen gegangen ist, umkehren u. es nachholen; nach der Schule Hillels soll er es
an der Stelle sprechen, an der er sich seiner Unterlassung bewußt wird B^'rakhS, 7.
Hierzu folgende Bar:) Die Schule Hilleis sagte zur Schule Schammais: Nach euren
Worten müßte also jemand, der oben auf einer Burg gegessen hat u. aus Vergeßlich-
keit herabging, ohne den Lobspruch zu sprechen, auf die Höhe der Burg zurückkehren
u. den Lobspruch sprechen? Die Schule Schammais antwortete: Nach euren Worten
müßte jemand, der den Geldbeutel oben auf einer Burg vergaß, nicht wieder empor-
steigen u. ihn an sich nehmen! Der eignen Ehre halber soll man emporsteigen, nicht
viel mehr um der Ehre Gottes willen a'^'sr m^s'';? || P'^s 57»: Ferner rief der Vorhof
(des Tempels) aus: Geh hinaus von hier, Issakhar aus K^phar-Barqai, der sich selbst
ehrt u. die heiligen Opfer Gottes a-ttr ^z-.p entweiht! — Derselbe Ausdruck w^v "^v-ip
folgt dann wenige Zeilen später noch einmal. Die ganze Stelle s. bei Mt21, 18 SB. ||
P'^s57a: (Als die Hohenpriester die den Priestern zustehenden Häute von den Opfer-
tieren sich mit Gewalt aneigneten) erhoben sich deren Besitzer u. heiligten sie Gotte
ü'-^^h üvsi^-.prt. — Diese Wendung das. noch einmal. Ausführlich findet sich das Zitat bei
Job 18, 13, u. zwar nach der Parallelstelle TM'^n 13, 18 ff. (533). Auch in dieser Tosephta-
stelle zweimal die Wendung z->2-::h ara-rpn. 1| Berakh ob: Gibt es denn einen Zweifel
vor Gott s-«-- '^p sp-EO S3-X -n? !| K^'th 105b: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Wenn
einen hervorragenden Gelehrten die Einwohner seiner Stadt lieben, so geschieht das nicht,
weil er so gar vorzüglich ist, sondern weil er sie in den göttlichen Dingen n-wx^t 'h-^yiz
nicht strafend zurechtweist. |1 Joma86a: Abaje hat gesagt: Wie es in einer Bar heißt:
„Du sollst Jabve deinen Gott lieben" Dt 6, 5, d.h. es soll der Name Gottes a"ar es
um deinetwillen geliebt werden, jl Chag 12 b: Gibt es denn Finsternis vor Gott s-^s-j "»sp? j|
pSch'^'bifith y, 88'^, 25: (R. Schimfon b. Jochai, um 150, hat gesagt:) Ein Vogel geht nicht
zugrunde ohne Gott s-i» •'lylsa»:, um wieviel weniger ein Mensch. |1 Sanh 105«: Rab
Nachman (f 320) hat gesagt: Die Unverschämtheit hilft selbst Gotte gegenüber irVa
n-r.'s . II pTa?an 3, 66 '^, 6 : R. Acha (um 320) veranstaltete dreizehn Fasten, ohne daß Regen
fiel. Als er hinging, begegnete ihm ein Samaritaner; der sprach zu ihm (höhnend):
Rabbi, Rabbi, drück deinen Mantel vom Regen aus! Er antwortete ihm: Beim Leben
dieses Mannes! Gott s-ar wird Wunder tun u. das Jahr wird ein glückliches werden;
aber dieser Mann (^ du) wird es nicht erleben. Und Gott tat Wunder -"o-j s-atü Tnayi,
u. das Jahr wurde ein glückliches, u. jener Samaritaner starb. i| Ned 11, 12: Gott d'kv
sei Richter zwischen mir u. dir! I| Gaben des Himmels '-o r-^^r): werden erwähnt Tanch
r-'j^ 244b. II In allen diesen Stellen, abgesehen von ''^^n -ji:, erscheint 'lo ohne Artikel;
nur zweimal ist uns 'lün begegnet, u. zwar erstens im Munde des R. Elif ezer, um 90,
Matth21,25.28 865
der pJonia 6, 43*^, 41 sagt: So möge es den Feinden Gottes ergehn D-»:rr! -a-is -rt" ■:!
u. zweitens Derekh Erep Zuta 2 Anf., wo es heißt: All dein Tun geschelie um Gottes
willen a-'T'j uv'--. liefeeGott D-»stür; rs u. fürchte dich vor Gott a-^sn •;':. — Nicht hierher
gehört die Beteuerungsformel c'^^'i" (bei Gott), wo der Artikel offenbar gebraucht wird,
um die Formel dem sonst üblichen !3-nVsr; (bei Gott) gleichzugestalteu. TChul 2, 24 (508):
(R. Elifezer, um 90, sagte zu R. ?Aqiba, f um 1:35:) Bei Gott =-';-i;n, du rufst eine Er-
innerung bei mir wach. — Parallelstelle Midr Qoh l,8(8b). || SDt 33, 19 §354 (147a):
R.Jose (um 150) hat erzählt: Einmal ging ich von K^'zib nach Tyrus'; ich traf einen
Alten u. entbot ihm den Fried ensgrufs. Ich sprach zu ihm: Woraus nimmst du deinen
Lebensunterhalt? Er antwortete mir: Aus der Purpurschnecke. Ich sprach zu ihm:
Wird sie denn gefunden? Er antwoitete mir: Bei Gott a-'arr!, es gibt eine Stelle im
Meer, die auf Bergen liegt, u. Eidechsen umringen sie, u. kein Mensch kommt dahin,
den die Eidechsen nicht bissen, so daß er stirbt u. an seinem Ort verwest. Ich sagte:
Bei Gott n-irn , daraus erkennt man, daß es (was im Meere umkommt) aufbewahrt
wird für die Gerechten in der zukünftigen Welt. (Vorher war ausgeführt, daß das
Weltmeer alle darin versunkenen Schätze in das Meer von Joppe ausspeit, wo sie für
die Gerechten aufbewahrt werden.) — o'nVsn (bei Gott) findet sich zB Chul54a: Rab
Nachman (f 320) hat gesagt: Bei Gott, Rab (f 247) hat darüber gelehrt. — Wenige
Zeilen weiter sagt dasselbe R. Chijja b. Joseph, um 260. — Ebendaselbst versichert
R. Jochanan (t279): Bei Gott, alle jene Jahre, die jener (Rab) als Schülerin der Akademie
(Rabbis) diente, habe ich stehend zugehört. || Weitere Beispiele des metonymischen
Gebrauchs von a-'a-i- für Gott s. noch Joma 14^: Beugung durch die Hände des Himmels
u. durch Menschenhände a-ar — i-a -•:•,' u. ats --'a '>•. | Sukka9a: z^i2v ao = der
Name Gottes. BQ 22»: Frei von menschlichen Gerichten ats 'z'fo, aber schuldig der
göttlichen Gerichte a-o-i> -:--!. — N^dS^: Den Namen Gottes a'»:» üv zu Nichtigem
aussprechen. — Neg 11,3: Die durch Gottes Hände vo-n --i-a gefärbten Häute (die von
Natur farbigen Felle) werden unrein, die durch Menschen Hände b-:n ---a gefärbten werden
nicht unrein. — Targ Ruth 1, 1: Zehn große Hungersnöte sind vom Himmel s;';tü -^ be-
schlossen worden. — Targ Qoh 8, 15: Was ihm vom Himmel s^jsb •'; gegeben worden ist.
Beispiele zu c'_-qvi md^^o Reich Gottes s. bei Mt 4, 17 S. 172 ff.
21,28: Ein Mensch hatte zwei Söhne usw.
ExR27(88a): Die Rabbinen (Zeitgenossen des R. N^chemja um 150) sagten: Mit
den Worten Spr 6, 1 : „Mein Sohn, wenn du für deinen Nächsten Bürge geworden bist"
sind die Israeliten gemeint; denn sie sind Bürgen zwischen sich u. Gott (nämlich einer
für den andren). . . . Wie war es mit ihrer Bürgschaft? Als Gott die Tora geben wollte,
nahm sie kein einziges Volk an, sondern nur Isi-ael. Gleich einem König, der ein Feld
hatte, das er Pächtern (Kolonen) zu überlassen wünschte. Er rief den ersten u. sprach:
Willst du dieses Feld übernehmen? Er antwortete: Dazu habe ich nicht die Kraft, es
ist zu schwer für mich. Ebenso fragte er den zweiten, dritten u. vierten; aber sie
übernahmen es nicht. Da rief er den fünften u. sprach zu ihm: „Willst du dieses Feld
übernehmen?" Er antwortete: Ja! „Unter der Bedingung, daß du es bestellst?" Er ant-
wortete: Ja! Als er es aber angetreten hatte, ließ er es brach liegen. Über wen wird
der König aufgebracht sein, über jene, die sagten : 'Wir können es nicht übernehmen',
oder über den, der es übernahm u., nachdem er es übernommen u. angetreten hatte,
es brach liegen ließ? Nicht über den, der es übernahm? Ebenso als sich Gott am
Berg Sinai offenbarte, ließ er keine Nation dahinten, bei der er nicht anklopfte; aber sie
wollten es nicht auf sich nehmen, sie (die Tora) zu beobachten; als er aber zu den
Israeliten kam, sagten sie: 'Alles was Jahve geredet hat, wollen wir tun u. gehorchen'
Ex 24, 7. Darum ist es in der Ordnung, daß ihr gehorchet; das meint auch Jer2, 4:
'Höret Jahves Wort, Haus Jakobs!' Wenn aber nicht, so werdet ihr der Bürgschaft
wegen bestraft werden; das meint Spr 6,1: Mein Sohn, wenn du für deinen Nächsten
Bürge geworden bist. || In gewisser Hinsicht kann auch verglichen werden Tanch
Strack u.Billerbeck, NTI. 55
866 Matth 21, 28. 29. 31 («. SB). 21, 32
■'3-2» 150^: Gleich den Schreiben eines Königs, die in die Provinzen (Städte) des König-
reichs gebracht wurden. In allen Städten stand man u. entblößte die Häupter u. las
sie mit Furcht u. Zittern u. Beben. Als sie aber in die Stadt des Königs gebracht
wurden, zerriß u. verbrannte man sie. So haben auch die Israeliten gehandelt. Als
Gott seinen Gesandten an die Völker der Welt schickte, taten diese Buße, hüllten sich
in einen Sack u. fasteten. So taten die Leute von Ninive, s. Jona 3, 7 f. . . . Und die
Völker der Welt fürchteten sich vor Gott u. nahten sich der Buße. Aber Israel hatte
einen harten Nacken, s. Jer 36, 23: Sobald Jehudi drei oder vier Seiten gelesen hatte,
schnitt er (der König) es weg . . . u. warf es ins Feuer.
21,29: Ich will nicht.
ov ^äXcü, etwa nriii li^x; zB B^rakh 7* Bar im Namen des R. J^hoschua?
b. Qarcha (um 150): So sprach Gott zu Mose: Als ich wollte (nämlich
mich dir offenbaren), wolltest du nicht (vgl. Ex 3,6); jetzt, da du willst,
will ich nicht .1:111 13\^< n^iin nrxir i^irrr (vgl. Ex 33, 18. 20). — Die Parallel-
stelle ExR45 (101^) verwendet dasVerbum uijss.
21,29: Ich will nicht ... u. er ging hin.
Vgl. das öfters zitierte Wort BM87a: Es heißt Gn 18,5: „Ich will einen Bissen
Brot holen", u. hinterher (Vers 7): Abraham lief zu den Rindern usw. R. El?azar
(um 270) hat gesagt: Hieraus erhellt, daß die Gerechten wenig sagen (versprechen)
u. viel tun. Die Gottlosen aber sagen viel u. tun gar nichts. Woher dies? Von Ephron,
s. Gn23, lOff. — Dasselbe mit Abweichungen Tanch s^^i 22b; p^a 234a; NuR 20
(189b); DtRl (195").
21,31 51: Wer von den beiden hat den Willen des Vaters getan?
Dergleichen Fragen sind auch in rabbin. Gleichnissen üblich.
DtR 7 (204a): R. Schimfon b. Chalaphta (um 190) hat gesagt: Wer die Worte der
Tora lernt, sie aber nicht hält, dessen Strafe ist schwerer, als dessen, der überhaupt
nicht lernt. Womit läßt sich das vergleichen? Mit einem König, der einen Baumgarten
hatte; er setzte zwei Kolonen (Pächter) hinein: der eine pflanzte Bäume u. hieb sie
(wieder) ab, u. der andre pflanzte überhaupt nicht, hieb aber auch nicht ab. Über wen
wird der König zürnen? Nicht über den, der gepflanzt hatte u. sie (wieder) abhieb?
Ebenso wer die Worte der Tora lernt usw. — Weitere Beispiele ExR 27 oben S. 865 ;
TBQ7,2 bei Mt 22, 8 S. 880.
21,31 33: Die Zöllner u. die Huren kommen vor euch
in das Reich Gottes.
Nach pharisäischer Anschauung galt eijie wirksame Buße u. Umkehr
der Zöllner oder Räuber für ungemein schwer, insofern dazu die Rück-
gabe des erpreßten Gutes an die Eigentümer gehörte, eine Bedingung,
deren Erfüllung ja einfach unmöglich war, wenn man den geschädigten
Eigentümer gar nicht kannte. Über erleichternde Bestimmungen für
derartige Fälle s. das Gleichnis vom Pharisäer u. Zöllner Lk 18, 14.
21,32: Johannes kam zu euch auf (mit) einem Weg
der Gerechtigkeit.
o^og dixaioavvYjg = ni^iri rp^. Spr 16, 31, „Weg der Gerechtigkeit", ist
entweder ein Weg, der der Gerechtigkeit entspricht, oder ein Weg, der
die Gerechtigkeit fordert. — Im ersteren Sinn LXX Spr 8, 20: ev oöoTg
Matth21,32.33(3ll.2) 867
dixaioavvrjg = np-i:i mxn nsQinaxw. 16, 31: iv ds odoig dixaioavvijg =
npn:! -;-iin svQiaxszai. 21,16: civr]o nXarc6}.i€vog i^ d6ov dixaioavvi^q =
^s^rn r^T}.^' Ii^ letzteren Sinn an unsrer Stelle. — Ähnlich wie von
Johannes hier gesagt wird, daß er auf oder mit einem Wege kam, der
Gerechtigkeit forderte, wird Dn 12, 3 von solchen geredet, „die die
Menge zur Gerechtigkeit anleiten" c-^nnn ip^-i::7:.
Ferner s. Abothö, 18: Wer die Menge zum verdienstlichen Handeln anleitet "ST^sn,
über den kommt keine Sünde; wer aber die Menge zur Sünde verführt, dem gibt man
(Gott) nicht die Möglichkeit, Buße zu tun. Mose hat verdienstlich gehandelt n:t u. hat
die Menge zum verdienstlichen Handeln angeleitet nsr, u. das Verdienst der Menge
wurde ihm als eigenes zugerechnet, s. Dt 33, 21: „Die Gerechtigkeit Jahves hat er
geübt u. seine Rechte gemeinsam mit Israel" (also Israels gerechtes Tun zugleich
Moses Tun). Jarobfam hat gesündigt u. die Menge zur Sünde verführt, u. die Sünde
der Menge wurde ihm zugerechnet, s. 1 Kg 15, 30.
21, 33 3(: Er pflanzte einen Weinberg u. umgab ihn mit einem
Zaun u. grub in ihm eine Kelter u. baute einen Turm.
1. Die Aufzählung der einzelnen Arbeiten soll die Sorgfalt ver-
anschaulichen, die auf den Weinberg verwandt worden ist; ebenso in
der Grundstelle Jes 5, 1 f.
Von sieben Schülern des R. f Aqiba (t um 135) wird uns pChagS, 78'', 13. 21 er-
zahlt, daß sie gelegentlich einer Zusammenkunft in der Ebene Rimmon je sieben ver-
schiedene Deutungen von Jes 5, 1 vorgetragen haben, von denen die des R. Schimfon
b. Jochai das meiste Lob ernteten. Die Auslegungen selbst sind uns nicht überliefert
worden. Vielleicht gehört die Sukka 49 a mitgeteilte Auslegung des R. Jose, eines Teil-
nehmers an jener Versammlung, zu ihnen. R. Jose (b. Chalaphta, um 150) sagte: Die
Schithin' sind hohl u. reichen hinab bis zur ürtiefe (T^hom), wie es heißt Jes 5, If. :
,Ich will singen von meinem Herzensfreund, ein Lied meines Freundes von seinem
Weinberg: Einen Weinberg hatte mein Herzensfreund auf fettem Berggipfel; er be-
hackte ihn, reinigte ihn von Steinen, bepflanzte ihn mit Edelreben u. baute einen Turm
hinein u. hieb auch eine Kelter darin aus." „Edelreben", der Tempel; „Turm", der
(Brand opf er-) Altar; „Kelter*, die Schithin. — In den Parallelstellen steht richtiger der
Sing r-v, so TSukkaS, 15 (197); TMefil 1, 16 (558); pSukka4, 54^ 1.
2. Die Umzäunung der Weinberge ist wohl allgemein üblich
gewesen, s. außer Jes 5, 5 noch Nu 22, 24; Ps 80, 13.
Kil 4, 2 ff. : Was versteht man unter dem Umgang h'.n^z des Weinbergs? Den Raum
zwischen dem Weinberg (d. h. seinem bepflanzten Teil) u. dem Zaun (oder Mauer, ^-:). . . .
R. Jehuda (um 150) sagte: Dies (d. h. dieser Zwischenraum) ist nur die Umzäunung des
Weinbergs. Was versteht man aber unter dem Umgang des Weinbergs? Den Raum
zwischen zwei Weinbergen (von denen der eine reihenweise von Osten nach Westen
u. der andre von Norden nach Süden bepflanzt ist). Was ist ein Zaun? der 10 Hand-
breiten hoch ist. . . . Eine Scheidewand von Rohrstäben, wenn zwischen den einzelnen
Stäben nicht ein Zwischenraum von drei Handbreiten ist, so daß ein Böcklein hindurch
kann, siehe, die gilt als Scheidewand. || TQid 1,11 (336): Rabban Gamliel (um 90) sagte:
Wer ein Handwerk ausübt, womit läßt sich der vergleichen? Mit einem Weinberg,
der von einer Mauer umgeben ist . . ., in den Vieh u. Wild nicht eindringen können,
1 Der r-iü oder r-r „Grund, Fundament" war ein 1 Kubikelle großer Hohlraum
unter der südwestlichen Ecke des Brandopferaltars, in den der Trankopferwein abfloß.
Nach der Schule des R. Jischma?el (fum 135) gehörte der Schith zu den Urschöpfungen :
r'BS"'3 (Gn 1, 1) = r^v s-ia „er schuf den Schith", Sukka 49».
55*
868 Matth 21,33(5(3)
u. die Vorübergehenden essen nicht, was darin ist, u. sehen nicht, was darin ist. Wer
aber kein Handwerk ausübt, wem gleicht dieser? Einem offen daliegenden W., in den
Vieh U.Wild eindringen können, u. die Vorübergehenden esseUj was darin ist, u. sehen,
■was darin ist. (Ein Handwerk die sicherste Existenzgrundlage.)
3. Zum Turm vgl. Midr Spr 16 § 11 (41b): R.Jose der Galiläer (um 110) hat ge-
sagt: Gleich einem König von Fleisch u. Blut, der einen grofsen Baumgarten hatte, u.
er baute einen großen Turm hinein. . . . u. mietete Arbeiter u. trug ihnen auf, sich mit
ihrer Arbeit zu befassen. Da machte sich der König auf u. stieg empor zur Spitze des
Turmes; er sah jene, sie aber sahen ihn nicht. . . . |! ExR 2 (6(Sb): R. Jannai (um 225)
hat gesagt: Obwohl seine Schekhina (Gottheit) im Himmel weilt (seitdem das Heilig-
tum zerstört ist), so sehen (doch) seine Augen, seine Wimpei'n prüfen die Menschen-
kinder Ps 11,4. Gleich einem König, der einen Baumgarten hatte, u. er liefj Arbeiter
hineinschaffen u. baute auch einen hohen Turm darin. Die Parallelstelle TanchB ri-cv
§ 10 (3^) gedenkt des Turmes nicht, läßt aber den König am Eingang des Gartens
ein Schatzhaus errichten. || In einem andren Gleichnis wird die obere Welt mit einem
Söller verglichen, der über einem Baumgarten erbaut ist; beide, das soll der Mensch
wissen, sind nur zum Ansehen da. TChag2, 6 (234): (Als R. Jehoschuaf, um 90, den
Ausspruch des durch seine metaphysischen Spekulationen von Sinnen gekommenen
Ben Zoma gehört hatte, daß zwischen den oberen u. unteren Wassern kaum ein Zwischen-
raum von einer Handbreite sei) sagte er: Ein Gleichnis. Womit läßt sich das ver-
gleichen? Mit dem Baumgarten eines Königs, über dem ein Söller erbaut ist. Was
liegt dem Menschen in bezug auf diesen ob? Allein daß er hinsieht u. nur daß er seine
Augen nicht von ihm abzieht. — In pChag 2, 77"=, 61 : Man soll auf ihn blicken, aber
ihn nicht berühren (d. h. sich nicht mit ihm befassen). || Besonders aber diente der
Turm wegen des weiten Ausblicks, den er gewährte, den Wächtern des Weinbergs
zum Aufenthaltsort; meist mußten sie sich allerdings an einer Wächterhütte (Jes 1,8)
genügen lassen. ExR 20 (82 b): Es geschah, ---i, als der Pharao das Volk entließ
Ex 13, 17. Das ist es, was geschrieben steht HL 4, 13: Deine Entlassenen* — ein
Baumgaiien von Granaten. R. Levi (um 300) hat gesagt: Gleich einem, der ein Feld
besaß, in welchem sich ein Steinhaufen befand; er machte sich auf und verkaufte es.
Der Käufer entfernte den Steinhaufen u. fand unter ihm eine Quelle. Da pflanzte er
Weinstöcke, Reihe um Reihe, auch allerlei Arten von Gewürzbäumen u. Granatbäume,
stellte sie aufrecht an Pfählen, baute einen Turm u. setzte einen Wächter hinein. Wer
vorüberging, rühmte es. Auch jener Mann, der es verkauft hatte, ging vorüber u. sah
es voll von allem Guten. Da sprach er: Wehe mir, daß ich solches verkauft habe;
wehe mir, daß ich solches meinen Händen entgehen ließ! So waren die Israeliten in
Ägypten ein Steinhaufen, s. HL 4, 12: Ein verschlossener Garten ist meine Schwester
Braut, ein verschlossener Haufen (so der Midr), ein versiegelter Quell. Als sie aber aus-
zogen, wurden sie ein Baumgarten von Granaten, wie ein Weinstock, s. Ps 80,9: „Einen
Weinstock versetztest du aus Ägypten" ; wurden sie lauter Reihen, Reuben, Schimfon,
Levi u. Jehuda, u. ebenso alle übrigen. Er pflanzte darin allerlei Arten von Gewürz-
bäumen, s. HL 4, 14: Narde u. Krokus, Kalmus u. Zimt; er pflanzte darin Apfelbäume,
s. HL 8, 5: Unter dem Apfelbaum weckte (erregte) ich dich. Er stützte sie mit Stäben
(Röhren); damit sind die Röhren des (siebenarmigen) Leuchters gemeint; er fand darin
lebendiges Wasser, s. HL 4, 15: Ein Quell der Gärten, Brunn lebendigen Wassers; er
baute darin einen Turm, s. Jes 5, 2: Baute einen Turm hinein u. hieb auch eine Kelter
darin aus; er setzte einen Wächter hinein, s. Ps 121, 5: „Jahve ist dein Hüter, Jahve
dein Schatten über deiner rechten Hand." Alle Zeit, da die Menschen die Israeliten
sahen, rühmten sie sie. Und wer hat sie gerühmt? Bilfam, der Frevler, s. Nu 24, 5 f.:
Wie schön sind deine Zelte, Jakob. . . . Gleich bewässerten Tälern, die sich weithin
ausdehnen. Biham sah sie u. staunte; der Pharao sah sie Reihe für Reihe, Priester,
* ^-nbio wird erklärt nach nica Ex 13, 17. Diese Deutung ist alt, schon bei R.Jose
dem Galiläer, um 110; s. M^kh Ex 14, 5 (32a).
Matth21,33(3t3.4. SBl) 869
Leviten u. (gewöhnliche) Israeliten, Fahnen um Fahnen — da hob er an zu schreien u. sprach :
Wehe diesem Mann (d.h. mir), der solche aus seiner Hand entließ! Deshalb heißt es Ex
13, 17: Ein Wehe entstand, als der Pharao das Volk entließ. — Der Midr deutet "r^i =
■'~!i ■'■'I „wehe u. ach!"; s. Rab (f 247) M^g II ». || Eine Wächterhütte im Weinberg rr^'^VJ
D'^Sitü, die eine Höhe von zehn u. eine Breite von vier Handbreiten bat, erwähnt Kil5,3.
4. Kelter im Weinberg. Kil5,3: In eine Kelter im Weinberg 2^:3-u Pi" , wenn
sie zehn Handbreiten tief u. vier breit ist, darf man, wie R. Elifezer (um 90) sagte,
säen; die Gelehrten aber verboten es (wegen des Mischsaatengesetzes).
21,33 50: Er gab ihn an Landarbeiter (Weingärtner) aus.
1. Die entsprechende hebräische Wendung lautet in der Bar P^siq-
tha 99=^: »■^■ixb nim: xin, „er (der Besitzer) gibt es (ein Feld) an einen
Landmann (Kolonus) aus" (s. das Zitat Anm. a). Umgekehrt sagte man
vom Pächter: „Er übernimmt ein Feld, eine Plantage, einen Weinberg
usw. von einem andren" ninn^ c-: -ib-^xn n-^z mo h2.p_^. Demgemäß:
„Pächter" -^zj: (der Übernehmende), „Pacht" oder „Pachtung" rn;b?f?
(Übernahme). — Je nach der Art der Pachtzahlung unterschied man:
Erstens: eine Pachtung, für welche ein bestimmter Bruchteil (die
Hälfte, ein Drittel, ein Viertel usw.) des jedesmaligen Ernteertrages an
den Grundherrn abzuführen war, hieß r^oi^x oder r^io-i-iy, der Pächter
c-i-N oder o-^yj (wir übersetzen „Kolonus"). — Der Pachtzins stieg
oder fiel je nach der Güte der Ernte. || Zweitens: eine Pachtung, für
welche ein fest bestimmtes Quantum von Getreide, Öl, Wein usw. zu
leisten war: n-^rn, r^nisn, n^=n; der Unternehmer ^--in, T^zn, n-izn, von n=n
„pachten" (wir übersetzen „Pächter"). |1 Drittens: eine Pachtung, für
die eine festgesetzte Geldsumme als Pachtpreis gezahlt wurde: r^-^:'.;-;
der Unternehmer n:fi^ (wir übersetzen „Mieter" ).a
nio-i-ix u. m-ii=n werden häufig nebeneinander genannt, wo man
den Begriff „Pachtung" möglichst umfassend ausdrücken will.b —
Das Verbum bap ist von so allgemeiner Bedeutung, wie unser ^über-
nehmen", konnte also vom Eingehn jeder Art Pachtung gebraucht
werden. Meist folgt daher das genauere Verbum i=n oder nzir.c Folgt
ein solches Verbum nicht, so darf man annehmen, daß es sich um einen
c^^K, Kolonus, handelt. So gewinnt mrbsp unter Umständen die spezielle
Bedeutung von --c-^n u. bap ist Ersatz für das fast ungebräuchliche
^yj, pachten. id _ Ähnlich kann ^diü als der weitere Begriff den ^=-n
unter sich befassen, e An einigen Stellen werden neben den Kolonen
u. Pächtern noch die •pibsp u. neben Pachtverträgen eines Kolonus ---j-a
nTio-^iN die der mab^p erwähnt; da halte man sich gegenwärtig, daß
■bnp den Übernehmer u. r^.:h-:.p die Übernahme nicht bloß einer Pachtung,
sondern auch jeder beliebigen Verpflichtung bezeichnen kann.^
a. Pesiq 99»: Im Namen des R. Nechemja (um 150) ist als tannaitische Tradition
gelehrt worden: Im gewöhnlichen Leben ist es so, daß, wenn ein Mensch ein Feld hat,
er es an einen Kolonus d-^s ausgibt gegen die Hälfte, das Drittel oder das Viertel (des
gesamten Ernteertrages); aber Gott verfährt nicht also; sondern er läßt die Winde
1 TChaila 2, 5 (99). c^s ist „verloben^
870 Matth21,33(S8l)
wehen u. die Wolken aufsteigen u. die Regengüsse niederfallen u. den Tau hervor-
brechen u. die Gewächse groß u. die Früchte fett werden, u. er hat uns befohlen, vor
ihm nur ein Zehntel abzusondern; deshalb ermahnt Mose die Israeliten: Du sollst
pünktlich verzehnten Dt 14, 22. — Dasselbe im Namen des R. Chijja (um 200) Tanch
nsi 13a. In breiterer Ausführung ExR41 (97^); hier der Anfang: Ein Mensch gibt
sein Feld einem Kolonus in Pacht (nc-sV) u. dieser gibt die Aussaat u. stellt die
Arbeitskraft, u. dann teilt er mit ihm zu gleichen Teilen. 1| TD'maiG, 2 (56): Was ist
der Unterschied zwischen einem Mieter ":"r u. einem Pächter "3"~? Der Mieter (mietet)
für Geld, der Pächter (pachtet) für Früchte. — In pD'^maiG, 25», 57 noch hinzugefügt: Und
der „Übernehmende" '^sp^n (hier = Kolonus) für die Hälfte, das Drittel oder das Viertel
(des ganzen Ernteertrags). Vgl. auch die Zitate bei c.
b. TPea 3, ] (20): Wenn jemand das Abmähen eines Feldes übernimmt, so darf
sein Sohn nicht hinter ihm Nachlese halten. R. Jose (um 150) sagte: Sein Sohn darf
hinter ihm Nachlese halten. Aber ein Sohn der Kolonen u. Pächter niirnni •j-c-'^sr!
oder (der Sohn) eines, der sein Getreide an einen andren zum Abmähen verkauft hat,
darf hinter ihm Nachlese halten. || TT'^rum 2, 11 (27): Wenn ein Israelit ein Feld in
Syrien erwirbt, so ist dieses, auch wenn er es wieder an einen Nichtisraeliten ver-
kauft hat, der Zehnt- u. Brachjahrspflicht unterworfen, weil es vorher (als jüdischer
Besitz) derselben unterworfen war. Aber bei (in der Hand von) Kolonen u. Pächtern
■j-'^rinn-, -j-c— xn u. Erbpächtern, oder wenn ein Nichtisraelit seiu Feld einem Israeliten
verpfändet hat, auch wenn der Israelit nach den gesetzlichen Bestimmungen mit ihm
verfährt, ist es von der Zehnt- u. Brachjahrspflicht frei. |1 Bikl,2: Die Kolonen u.
Pächter niisrrni -i-c^-isr;, die Sikarier u. Räuber bringen aus demselben Grunde (die
Erstlingsfrüchte) nicht dar, weil es heißt Ex 23, 19: Das Erste, die Erstlinge „deines*
Ackerbodens (u. ihnen gehört der Ackerboden nicht eigentümlich). — Bik 1, 11 : R. J%uda
(um 150) sagte: Auch die Inhaber einer Kolonusstelle oder einer Pachtung ric-^s ">5y3
m^^r-1 bringen die Erstlinge dar u. legen das Bekenntnis (Dt 26, 5ff.) ab. — Näheres
über diese Kontroverse s. pBik 1 Ende.
C. BM 9, 2: Wenn jemand ein Feld von einem andren übernimmt ^z'^.'o-n, u. dieses
ist ein künstlich bewässertes oder ein Baumfeld (Plantage), so darf er, wenn eine
Quelle versiegt oder ein Baum abgehauen wird, dem Verpächter von seinem Pachtzins
iii2rT nichts abziehen. Hatte der Pächter aber gesagt: Verpachte "^i:- mir „dieses"
künstlich bewässerte Feld oder „dieses" ßaumfeld, .'^o darf er, wenn eine Quelle ver-
siegt oder ein Baum abgehauen wird, ihm von seinem Pachtzins i"i:r; abziehen. —
Bik 9, 4: Wenn einer ein Feld von einem andren übernimmt '•>z--:r. u. das Unkraut
nicht beseitigen Avill u. zu dem Verpächter sagt: Was geht das dich an, da ich dir ja
die Pacht rr-izr, gebe! so hört man nicht auf ihn, weil er (der Verpächter) zu ihm
sagen kann: Morgen trittst du heraus aus der Pachtung, u. dann bringt mir das Feld
Gras! — Bik 9, 6: Wenn einer ein Feld von einem andren übernimmt "^rap^in, u. die
Heuschrecken fressen es ab, oder es wird durch Unwetter verwüstet, so darf der
Pächter, wenn es sich um eine (allgemeine) Landplage handelt, dem Verpächter von
seinem Pachtzins ^^is- abziehen; wenn es sich aber nicht um eine Landplage handelt,
so darf er ihm von seinem Pachtzins nicht abziehen. R. J'^huda (um 150) sagte: Wenn
er es von ihm für Geld übernahm ni-^aa i:»3-n -'-iz-p ns, so darf er ihm in keinem Fall
von seinem Pachtzins abziehen. -;— Bik 9, 7: Wenn einer ein Feld von einem andren
übernimmt '->z-.-c- für 10 Kor Weizen jährlich u. das Korn fällt schlecht aus, so gibt
er ihm (den Pachtzins) von diesem (schlechten). Ist aber sein Weizen gut, so darf er
nicht zu ihm sagen: „Siehe, ich will dir (das ausbeuungene Korn) vom Markte kaufen",
sondern er muß ihm von jenem (guten) geben. — Bik 9, 10: Wenn einer ein Feld von
einem andren übernimmt '-z-^n auf „eine Jahrwoche" für 700 Zuz, so ist das Brach-
jahr darin miteinbegriffen. Übernahm er es aber von ihm auf „sieben Jahre" für 700 Zuz,
so ist das Brach jähr nicht darin miteinbegriffen.
In allen diesen Stellen erhält hz-^r^ seinen konkreten Inhalt erst aus dem Zus.hang.
Die Derivata von -:- u. die festbestimmte Höhe der Naturalabgabe (10 Kor Weizen)
Matth21,33 (331. 2) 871
zeigen, daß es sich um eine nii^sn, Pachtung gegen festen Fruchtzins handelt, während
die Erwähnung der Geldahgabe, bezw. der 700 Zuz es unzweifelhaft macht, daß von
einer n-^'sj die Rede ist. — Der Vollständigkeit halber möge auch ein Beispiel folgen,
in welchem das unbestimmte iap^sn seine nähere Bestimmung durch ein späteres c-s
erhält. TBM 9, 14 (392): Wenn jemand ein Feld von einem andren übernimmt hzi'p-^r.,
so mäht er, bindet die Garben (oder: macht Getreidehaufen) u. worfelt. Dann kommen
die Feldmesser, die Feldgräber, der Aufseher u. der Ökonom (das alles sind Gemeinde-
beamte) u. nehmen (ihren Anteil) mitten daraus (d. h. von der gesamten Masse, bevor
sie zwischen Verpächter u. Unternehmer geteilt ist); aber der Brunnengräber u. der
Bademeister, der Haarschneider u. der Schiffer nehmen, wenn sie kommen auf Grund
eines Anspruchs an den Besitzer, vom Anteil des Besitzers, u. wenn sie auf Grund
eines Anspruchs an den Kolonus c-'y kommen, vom Anteil des Kolonus (d. h. nach-
dem die Ernteerträge zwischen Verpächter u. Kolonus geteilt sind).
d. TD'^maiG, 1 (56): Wer ein Feld von einem Nichtisraeliten ■'ij übernimmt hzip^sn
(nämlich als Kolonus), nimmt den Zehnten (vom ganzen Ernteertrag) ab u. gibt dem
Verpächter seinen Anteil. Rabban Schim?on b. Gamliel (um 140) hat gesagt: Wie aber,
wenn der Nichtisraelit seine Früchte nicht verzehnten will? Vielmehr teilt man sie
(unverzehntet) u. legt sie vor ihn hin. — D^mai 6, 1; Wer ein Feld von einem Israeliten,
einem Samaritaner oder einem Nichtisraeliten übernimmt h^'p^on (nämlich als Kolonus),
teilt vor ihren Augen (den ganzen Ernteertrag, ohne diesem zuvor den Zehnten zu ent-
nehmen); wer aber ein Feld von einem Israeliten pachtet (für ein bestimmtes Quantum
Getreide als "^air;), nimmt die Priesterhebe ab u. dann gibt er ihm (sein Quantum). —
In BM 101a wird einmal gesagt, daß der "'sap^s dem i:"- gleiche, u. ein andermal, daß
der Vap« nicht dem -^'^n gleiche. In beiden Fällen ist mit dem hzpn der Kolonus o-^s
gemeint. Ebenso heißt es BM 104», daß, was von der sn-jj^ap gelte, nicht von der
sr^3i3rt gelte, u. ebenso umgekehrt; auch hier bezeichnet sris'^ap das Pachtverhältnis
des Kolonus im Gegensatz zu dem des ^sin.
e. TBM 9, 8 (891): Wenn jemand ein Feld von einem andren liiietet ^s/iu u. er
hatte in dem einen Jahr es urbar gemacht u. im andren Jahr besät, so darf der Ver-
pächter zur Zeit der Tenne (des Dreschens) nicht zu ihm sagen: ,Gib mir meinen
Pachtzins -^irn für beide Jahre", sondern er gibt ihn für jedes Jahr besonders. — Das
"■i:- u. die Situation der Tenne zeigen, daß es sich nicht um eine Pachtung gegen bares
Geld handelt, sondern um eine ni'sn, eine Pachtung gegen feste Naturalabgaben.
/. MQ 11 fe; (Rabban Schim?on b. Gamliel, um 140, hat gesagt:) Für Kolonen
"j-D-^Nn u. Pächter -i"^""::::: u. solche, die eine Arbeit übernommen haben ■j-'j'japn, sollen
(zur Zeit einer Familientrauer) andre ihre Arbeit verrichten. — Raschi denkt bei ■j-j^apn
speziell an bezahlte Feldhüter. \\ BB 10, 4: Man schreibt Pacht- u. sonstige Übernahme-
verträge rn3V:;p.i r?,D"-is. ^"^{ii-d nur mit Vorwissen beider, u. der Übernehmer hat die
Kosten zu tragen, 'p"" '«« """-^ auch pMQ3, 82a, 46.
2. Die Verwendung des Wortes yswQyog Mt 21, 33 ff. macht es un-
zweifelhaft, daß das im Gleichnis Jesu vorausgesetzte Pachtverhältnis
das von Kolonen i-iöi-ix gewesen ist. Auch mancherlei Einzelzüge im
Gleichnis finden ihre Erläuterung in dem, was uns in den rabbin.
Schriften über die -po^^x mitgeteilt wird. So hören wir hier, daß die
Kolonen nicht bloß Ländereien, sonderh auch Plantagen u. Weinberge
übernahmen;» daß nicht bloß Ein Kolonus, sondern auch mehrere an
einer Pachtung beteiligt sein konntenb (vgl. den Plural yswQyoi); daß
mit den Kolonen nicht bloß kurzfristige, sondern auch langfristige
Pachtverträge bis hin zu Erbpachtverträgen abgeschlossen wurden, c
Erst ein längere Zeit währender Pachtbesitz macht es verständlich,
daß in den yswQyoi die Hoffnung aufkommen konnte, sie würden nach
872 Matth 21, 33 (SB 2)
Beseitigung des Erbsohnes in den Eigentumsbesitz des Weinbergs ge-
langen (Mt 21, 38). — Die Pflichten des Kolonus waren genau um-
schrieben, teils durch Vertrag, d teils durch Gewohnheitsrecht u. örtliche
Sitte, e Der Anteil des Grundherrn an den Ernteerträgen wird wohl
regelmäßig im Pachtvertrag festgelegt worden sein.d Für die Ver-
pachtung von Weinbergen galten einige besondere Bestimmungen, f Da
die Weinberge nicht bloß mit Weinstöcken, sondern auch mit allerlei
Fruchtbäumen, selbst mit Getreide bestanden waren, g so fiel dem Ver-
pächter selbstverständHch sein vertragsmäßiger Anteil auch aus diesen
Erträgen des Weinbergs zu. Das hat man besonders bei Mt21,34 im
Auge zu behalten, um die dort erwähnten Früchte nicht etwa auf die
der Weinkulturen zu beschränken. — Das Verhältnis der Gutsherren
zu ihren Kolonen ist nicht immer friedlich u. freundHch gewesen. Es
gab träge Kolonen, die unordentlich wirtschafteten u. das Land ver-
wildern ließen ; dann verminderten sich die Einkünfte der Grundherren
aus ihrem Ernteanteil, was unliebsam empfunden wurde, h Andre Kolonen
kamen u. bettelten den Besitzer um bare Geldvorschüsse an.i Auch
Klagen über diebische Kolonen fehlen nicht, k Andrerseits hören wir aber
auch, daß es kein Schimpf für einen Grundherrn sei — u. wäre es auch
der König — , mit seinem Kolonus zu sprechen, u. ferner wie ein König es
nicht verschmäht, mit einem seiner Kolonen sich in seinem Baumgarten
zu ergehn, als wäre er einer seinesgleichen.! — Zwei Gleichnisse, die in
einzelnen Zügen an Mt 21, 33 ff. erinnern, seien zum Schluß beigefügt. m
a. TBM 9, 20 (392): Wenn einer ein Feigenfeld von einem andren (als Kolonus)
übernimmt '"^zpiz- ^ so hat er, wo es üblich ist, die Früchte zu Feigenklumpen zu ver-
arbeiten, sie zu solchen zu verarbeiten; wo es üblich ist, getrocknete Feigen daraus
herzustellen, hat er solche daraus herzustellen; wo es üblich ist, Feigenkuchen daraus
zu machen, hat er solche daraus zu machen, u. man ändert nichts an der Sitte des
Ortes. (Von diesem ortsüblichen Produkt der Feigenzubereitung erhielt dann der Ver-
pächter seinen festgesetzten Anteil). || Zur Verpachtung eines Weinbergs an einen Kolo-
nus s. die Zitate unter f. Ferner vgl. DtR 7 bei Mt 21, 31 51 S. S66.
b. Peaö, 5: Wenn zwei Kolonen ein Feld in Pacht n-D^isa genommen haben, so
können sie sich gegenseitig (falls sie arm sind) ihren Anteil am Armenzehnt geben. ||
D*^mai6, 8: Wenn zwei Kolonen ein Feld in Pacht ric--'!s-3 genommen haben . . ., so
kann der eine zum andren sagen: Nimm du den Weizen an dieser Stelle, u. ich nehme
ihn an jener; nimm du den Wein an dieser Stelle, u. ich nehme ihn an jener. Aber nicht
darf er zu ihm sagen: Nimm du den Weizen u. ich die Gerste, nimm du den Wein u. ich
das Öl. — Ferner s. SDt 32, 9 in Anm. m u. DtR 7 bei Mt 21,31 S. 866.
C. BM9, 9: Wer ein Feld von einem andren (als Kolonus) übernimmt '-^z-^r. auf
wenige Jahre, darf es nicht mit Flachs besäen (weil dieser das Land zu sehr aus-
saugt), auch stehn ihm keine Aste von den Sykomoren zu (daß er diese stutzen dürfte).
Übernahm er es aber auf sieben Jahre, so darf er es im ersten Jahr mit Flachs be-
säen, auch stehen ihm die Aste der Sykomoren zu (weil diese in sieben Jahren wieder
neue starke Äste getrieben haben). — Über Erbpächter vgl. BB 46 b; (Ein Kolonus hat
kein Ersitzungsrecht BB 3, 3). R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Das gilt von den Erb-
pächtern r-3s -.-3 -c-is (die ein Grundstück dauernd in Pacht haben u. das Pachtrecht
auf ihre Kinder vererben). — In pBik 1, 64'', 55 die Gegenüberstellung: ein Kolonus
auf (kurze) Zeit u. ein K. für immer (= Erbpächter) üh','/-> c^-s . . . r,>-äh d^-n.
Matth 21, 33(83 2) 873
d. Zu den Pachtverträgen n^c-s. •'^cr vgl. Nr. 1 Anm. f. — Der Wortlaut eines
solchen Vertrages war nach TBM 9, 13 (392) : Ich (der Kolonus h^i'y^T^) will urbar machen,
säen, jäten, mähen u. die Getreidehaufen vor dir aufstellen; dann kannst du kommen
u. die Hälfte fortnehmen vom Getreide u. vom Stroh, u. ich für meine Arbeit u. meinen
Kostenaufwand die andre Hälfte. — Etwas ausführlicher bei der Aufzählung der dem
Kolonus obliegenden Feldarbeiten BM 105 -i. Vgl. auch EM 9, 3 in Anm. //. — In obigem
Vertrag ist jedem der beiden Kontrahenten die Hälfte des Ernteertrags ausbedungen;
daß dem Kolonus auch weniger, ein Drittel oder ein Viertel auferlegt wurde, zeigt
P''3iq99a in Nr. 1 Anm. a.
e. Einige Beispiele zur Erläuterung. BM 9, 5: Wenn einer ein Feld von einem andren
(als Kolonus) übernimmt u. dieses nicht zuträgt, so ist er verpflichtet, wenn so viel
darauf ist, daß man einen Getreidehaufen daraus ei-richten kann, sich weiter damit zu
befassen. R. Phuda (um 150) sagte: Was Bestimmtes hat denn ein Getreidehaufen!
Vielmehr wenn soviel darauf ist, wie die Aussaat betrug. — Dasselbe TBM 9, 13 (391). ||
TBM 9, 16 (392): Wenn jemand von einem andren ein Feld (als Kolonus) übernommen
hat u. es das erste Jahr besäte, aber es ging nichts auf, so zwingt man ihn, es auch
im zweiten Jahr zu besäen; hatte er es im zweiten Jahr besät, ohne daß etwas auf-
ging, so zwingt man ihn nicht, es im dritten Jahr zu besäen. |1 BM9, 8: Wenn einer
ein Feld von einem andren (als Kolonus) übernommen hat, um es mit Gerste zu be-
säen, so darf er es nicht mit Weizen besäen ; um es mit Weizen zu besäen, so darf er
es mit Gerste besäen (weil diese den Boden weniger aussaugt, Bertinoro). R. Schim?on
b. Gamliel (um 140) verbot es. Vgl. TBM 9,32. || BM 9, 1: Venn einer ein Feld von
einem andren (als Kolonus) übernimmt, so muß er, wo es üblich ist, das Getreide zu
mähen, es mähen ; wo es üblich ist, es auszureißen, muß er es ausreißen ; wo es üblich
ist, hinterher zu pflügen, muß er es pflügen; alles nach dem Brauch des (betreffenden)
Ortes. Vgl. auch TBM J>, 20 in Anm. a.
f. TBM 9, 19 (392): Wer einen Weinberg von einem andren (als Kolonus) über-
nimmt, muß sich mit ihm befassen, bis er aus seinem Ertrag Wein gemacht hat;
Oliven, bis er sie in Haufen gebracht hat; Flachs, bis er Bündel daraus gemacht hat.
Dann teilt er u. gibt ihm (dem Besitzer); dieser schafft seinen Teil in die Stadt u.
jener schafft seinen Teil in die Stadt. (Man beachte, wie hier Oliven u. Flachs als Er-
träge eines Weinbergs aufgeführt werden.) || BM 9, 1 : Wie sie (der Besitzer u. sein
Kolonus) sich das Getreide teilen, so teilen sie auch (untereinander) das Stroh u. die
Stoppeln, Wie sie (bei der Verpachtung eines Weinbergs) den Wein teilen, so teilen
sie auch die abgeschnittenen Reben u. die Stützpfähle, u. beide haben die Stützpfähle
zu beschaffen, il Chag 25 1«: (Abaje [f 338/39] hat gesagt:) Dem Kolonus liegt es ob,
70 Tage vor dem Keltern um die Krüge (Fässer) sich zu bemühen.
g. Krauß, Archäologie 2, 228: „Weinberge in dem heutigen Sinne des Wortes gab
es eigentlich in Palästina nicht, sondern nur Obstgärten, in denen allerlei Fruchtbäume
nebeneinander standen." — Vgl. LvR 23 in Anm. h u. TBM 9, 19 in Anm. f. — Kil 5, 8:
Alle Arten Feldsaaten gelten nicht als Kihajim (Mischsaaten, Heterogenes) in einem
Weinbei'g (falls sie nur die vorschriftsmäßige Entfernung von den Weinstöcken haben).
h. LvR 23 (121 f'): R. fAzarja (um 380) hat im Namen des R. J<^huda b. Simon
(um 320) gesagt: Gleich einem König, der einen Baumgarten hatte, in den er eine
Reihe Feigenbäume u. eine Reihe Weinstöcke u. eine Reihe Granatapfelbäume u. eine
Reihe Apfelbäume pflanzte. Dann überließ er ihn an einen Kolonus u. ging davon.
Nach einiger Zeit kam der König, um den Baumgarten zu besichtigen, um zu wissen,
was aus ihm geworden sei. Da fand er ihn voll von Dornen u. Disteln. Er ließ Holz-
hauer kommen, die ihn niederhauen sollten. Da blickte er auf jene Dornen u. sah
darin eine Rosenblüte; er nahm sie u. roch daran; da beruhigte sich sein Gemüt. Der
König sprach: Um dieser Blume willen soll der ganze Baumgarten erhalten bleiben.
(So ist um Israels willen die Welt erhalten geblieben.) — Dasselbe Midr HL 2, 2 (95b). j|
BM9,3: Wenn jemand ein Feld von einem andren als Kolonus übernimmt u. es un-
bebaut liegen läßt, so schätzt man es ein, wieviel es hätte bringen können, u. er gibt
874 Matth21,33(SB2)
ihm (dem Verpächter den ihm davon zustehenden Anteil) ; denn so schrieb er ihm (im
Pachtvertrag): Wenn ich es unbebaut liegen lasse u. nicht bestelle, so will ich aufs
beste (nach der höchsten Schätzung) bezahlen. — Dasselbe erweitert TßM 9, 12 (391). —
Vgl. ferner ExR 27 bei Mt 21, 28 S. 865 y.
i. LvR5 (lOS'i): R. Chanina (um 225) hat gesagt: Mancher Kolonus versteht zu
bitten u. mancher K. versteht nicht zu bitten. Der, welcher zu bitten versteht, wenn
er sieht, daß er in seiner Pachtung hei-unterkoramt, zeigt guten Mut, kämmt sein
Haar, säubert seine Kleidung, nimmt mit heiterer Miene einen Stock in seine Hand
u. einen Ring an seine Finger u. geht zu seinem Arbeitsherrn. Dieser spricht zu ihm:
Sei gegrüßt, mein lieber Kolonus! Wie geht es dir? Er antwortet: Gut! Und wie
steht es um das Land? (Er antwortet:) Du wirst so glücklich sein, dich an dem BVucht-
ertrag zu sättigen. Was machen die Ochsen? Du wirst so glücklich sein, dich an
ihrem Fett zu sättigen. Was machen die Ziegen? Du wirst so glücklich sein, dich an
ihren Böckleiu zu sättigen. Da sagt er zu ihm: Was ist dein Begehr? Er antwortet
ihm: Ist es dir möglich, mir zehn Denare zu geben? Er spricht zu ihm: Wenn du
zwanzig haben willst, nimm sie dir! — Der aber, welcher nicht zu bitten versteht,
geht mit struppigem Haar, mit besudelten Kleidern u. mit verdrießlichem Gesicht zu
seinem Arbeitsherrn. Wenn dieser ihn fragt u. zu ihm sagt: Wie steht es mit dem
Lande? dann antwortet er: Wenn es nur soviel brächte, wie wir hineingesteckt haben!
Was machen die Ochsen? Er antwortet: Sie sind mager. Jener spricht: Was ist dein
Begehr? Er antwortet: Ist es dir möglich, mir zehn Denare zu geben? Dann sagt
jener: Geh, bezahle, was ich von dir zu fordern habe.
k. B*^rakh 5b: Dem Rab Huna (f 297) wurden 400 Faß Wein sauer. Da gingen
Rab J'^'huda, der Bruder des Rab Salla des Frommen, u. die Rabbinen zu ihm — nach
andren Rab Adda b. Ahaba u. die Rabbinen — ; sie sprachen zu ihm: Es wolle der
Herr (prüfend) achthaben auf seine Sachen (ob nicht ein böses Werk als Ursache seines
Verlustes darunter)! Er antwortete: Bin ich verdächtig in euren Augen? Sie sprachen:
Ist etwa Gott verdächtig, daß er ein Urteil fälle ohne Recht (strafe ohne Ursache)?
Er antwortete: Wenn einer da ist, der etwas über mich gehört hat, so sage er es!
Sie sprachen : Es ist uns zu Ohren gekommen, daß der Herr die Weinranken seinem
Kolonus nicht gegeben habe (vgl. BM 9, 1 in Anra. f). Er antwortete: Hat er mir denn
irgend etwas von ihnen gelassen? Er hat ja alles gestohlen! — Vgl. auch SDt 32, 9
in Anm. in.
l. LvR 1 (105^): Gott rief Mose Lv 1,1. Hat er nicht auch Adam gerufen?, s.: „Gott
rief Adam" Gn 3, 9. Allein es ist keine Schande für einen König, mit seinem Kolonus
zu sprechen. (Adam als Bebauer des Paradieses als Gottes K. gedacht. Ebenso wird
weiterhin Noah Gottes Viehhirt u. Abraham Gottes Gastwirt genannt ) || SLv 26, 12 (451 a) :
,Ich wandle in eurer Mitte" Lv 26, 12. Gleich einem König, der ausging, um mit
seinem Kolonus im Baumgarten zu lustwandeln. Jener aber verbarg sich vor ihm.
Da sprach der König: Warum verbirgst du dich vor mir? Siehe, ich bin deinesgleichen.
So wird Gott dereinst in der Zukunft mit den Gerechten lustwandeln im Gan ?Edenusw.
m. SDt32, 9 §312 (134b): „Jahves Anteil ist sein Volk" Dt 32, 9. Gleich einem
König, der ein Feld hatte, das er Kolonen übergab. Diese fingen an, fortzunehmen u.
zu stehlen. Da nahm er es ihnen ab u. übergab es ihren Söhnen. Die fingen an noch
schlechter zu sein. Als ihm ein Sohn geboren wurde, sprach er zu ihnen: Entfernt
euch aus dem Meinen; es ist nicht möglich, daß ihr darinnen seid; gebt mir meinen
Teil (den im Pachtvertrag festgesetzten), daß ich ihn mir ersehe (auswähle)! Ebenso
als unser Vater Abraham in die Welt gekommen war, ging aus ihm Verwerfliches her-
vor: Ismafel u. die Söhne der Q^tura. Dann kam unser Vater Isaak in die Welt u. es
ging Verwerfliches aus ihm hervor, Esau u. die Stammhäupter Edoms; sie fingen an
schlechter zu sein als die Früheren. Als aber Jakob kam, ging aus ihm nichts Ver-
werfliches hervor, sondern alle seine Söhne wurden tauglich geboren, gleichwie er,
s. Gn25, 27: Jakob war ein Mann ohne Fehl, in Zelten wohnend. Woher ersah sich
Gott seinen Teil? Aus Jakob, s. Ps 135, 4. || TanchB n^iü3 § 7 (29a): Es geschah -n-i,
Matth 21, 33 (93 2). 21, 34. 35. 41. 42 (Nr. 1) 875
da der Pharao das Volk entließ. Wer hat wehe!^ gerufen? Die Kanajaniter haben
wehe! gerufen. Gleich einem König, der einen kleinen Sohn hatte, auch hatte er ein
Besitztum (s-ois = ovaia = Anwesen). Da der König in ein fernes Land zu ziehen
wünschte, sprach er zu einem Kolonus, er solle das Besitztum hüten u. von seinen Er-
trägen genießen, bis sein Sohn erwachsen sei; darauf übergab er es ihm. Als der Sohn
des Königs erwachsen war, verlangte er das Besitztum; sofort fing der Kolonus an
wehe! zu rufen. Ebenso als die Israeliten in Ägypten wohnten, wohnten die Kana?aniter
im Lande Israel u. behüteten es u. aßen seine Früchte; als sie aber hörten, daß die
Israeliten aus Ägypten ausgezogen wären, fingen sie an wehe! zu rufen.
21,34: Seine Früchte.
Daß mit den Früchten des Weinbergs nicht bloß die Erträge der Weinstöcke ge-
meint sein müssen, s. bei Mt 21, 33 S. 873f. Anm.^r.
21,35: Die Weingärtner nahmen seine Knechte, schlugen
den einen, töteten den andren, steinigten den dritten.
LvR 11 (118^): Gleich einer Provinz, die dem König Steuerreste schuldete. Der
König sandte den Schatzmeister. Was taten die Bewohner der Provinz? Sie machten
sich auf u. erhängten u. brandschatzten jenen. || P*'siq 125'^: R. fAzarja (um 380) hat
im Namen des R. Judan b. Simon (um 320) die Stelle (Ps 45, 8) auf Jesaja ausgelegt.
Jesaja sagte: Ich erging mich in meinem Lehrhause; ,da hörte ich die Stimme Jahves
sagen: Wen soll ich senden u. wer wird für uns gehen?" Jes 6, 8. Ich habe f Arnos
gesandt u. sie haben ihn „Stammler" genannt. R. Pin*^chas (um 360) hat gesagt:
Warum wird sein Name ?Amos genannt? Weil er ein Stammler C'.'j-cs (= ipsXXdg) an
seiner Zunge war. Sie sagten: Gott hat seine ganze Welt gelassen, um seine Sch'^khina
auf diesem Stammler ruhen zu lassen, auf diesem mit der verstümmelten Zunge! Da
habe ich den Mikha gesandt, u. sie haben ihn auf die Wange geschlagen, „mit dem
Stecken schlagen sie auf die Wange den Richter Israels" Micha 4, 14. Wen soll ich
von nun an senden u. wer wird für uns gehen? Und ich (Jesaja) sprach: „Siehe, da
bin ich, sende mich" Jes 6, 8. Gott antwortete: Jesaja, mein Sohn, sie sind wider-
spenstig, sie sind belästigend; nimmst du es auf dich, dich von ihnen schlagen u. ver-
achten zu lassen? Er sprach: Auch unter dieser Bedingung. „Meinen Rücken biete ich
dar den Schlagenden u. meine Wangen den Raufenden" Jes 50, 6; u. (auch so) bin ich
nicht wert, daß ich in deiner Sendung zu deinen Kindern gehe! Da sprach Gott zu
ihm: Jesaja, „-du liebst Gerechtigkeit u. hassest Gottlosigkeit" Ps 45, 8, du liebst es,
meine Geschöpfe für gerecht zu erklären, u. du hassest es, sie für schuldig zu er-
klären; „darum hat dich Gott gesalbt mit Freudenöl vor deinen Genossen" (das.). Was
heißt „vor deinen Genossen"? Gott sprach zu ihm: Bei deinem Leben, alle Propheten
weissagen, der eine immer aus dem Munde des andren, der Geist des Elia ruhte auf
Elisa, s. 2Kön2,15, der Geist Moses ruhte auf den 70 Ältesten, s. Nu 11,25; aber
du wirst weissagen aus dem Munde der Allmacht (des Allmächtigen), „der Geist des
Allherrn Jahve ruht auf mir" usw. Jes 61, 1. Ferner s. Midr KL Einl. 31 bei Mt 12,41
S. 651 u. bei 23, 37 5t Nr. 2.
21,41: Er wird den Weinberg an andre Weingärtner ausgeben.
Vgl. SDt 32, 9 bei Mt 2 ] , 33 S. 874 ;- Anm. m.
21,42: Ein Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
l.Psll8,22f. wird gedeutet«, auf Abraham. PirqeREl 24: Abraham,
der Sohn Terachs, ging an ihnen (den Erbauern des babyl. Turmes)
1 Zur Deutung des -n-i = -ni ^^i s. ExR 20 (82b) bei Mt 21, 33 S. 868.
876 Matth 21, 42 (Nr. 1—3). 21, 43
vorüber u. sah sie, wie sie die Stadt bauten; da fluchte er ihnen im
Namen seines Gottes, s. Ps 55, 10. Sie aber verachteten sein Wort wie
einen Stein, der zur Erde geworfen ist. Und legt man denn nicht jeden
auserlesenen u. kostbaren Stein nur an die Ecken des Hauses? Und in
bezug auf ihn (Abraham) sagt die Schrift Ps 118, 22 f.: Der Stein, den
die Bauleute verworfen haben usw. — || ß, auf David. P^s 119*, s. bei
Mt21,9S.849y. II TargPsll8,22ff, s. die folgende Nr.2.— || y, auch die
messian. Deutung ist nicht unbekannt gewesen, s. Raschi zu Micha 5,1:
„Aus dir soll mir hervorgehn"; damit ist der Messias, der Sohn Davids,
gemeint; ebenso heißt es Ps 118,22: Der Stein, den die Bauleute usw.
2. Ol oixoöof^Lovvreq = -ji-]:?; letzteres in übertragener Bedeutung
öfters = Gelehrte.
pJoma 3, 40*^, 26: R. Z'='?ira (um 300) lobte den R. Heia u. nannte ihn Baumeister
der Tora sr-^-s-: n-33. || Schab 114^: Was bedeutet ■i"s:a (in Miqv9,7)? R. Jochanan
(t 279) hat gesagt: Damit sind die Gelehrtenschüler gemeint, die sich ihr lebelang mit
der Erbauung der Welt beschäftigen (indem sie die Tora studieren u. auslegen). ||
B'^rakh 64^; R. Elfazar (um 270) hat gesagt, R. Chanina (um 225) habe gesagt: Die
Gelehrtenschüler mehren den Frieden in der Welt, s. Jes54, 13: Alle deine Erbauer
(= Gelehrtenschüler) werden Jünger Jahves sein u. groß wird der Friede sein, den
deine Erbauer bringen (so der Midr). Lies nicht -'iz deine Söhne, sondern "iz deine
Erbauer. || Midr HL 1,5 (87"^): „Töchter Jerusalems" HL I, 5. Die Rabbinen sagten: Lies
nicht r-:^ „Töchter" Jerusalems, sondern t-z-z „Erbauer" Jer.s; damit ist das große
Synedrium Israels gemeint, welche sitzen u. sie erbauen [y^z^, so ExR23 wohl richtiger,
als y-'z'^ = sie machen einsichtig) durch jede Frage U.Entscheidung. — Parallelstelle
ExR 23 (85 b). II Targ Ps 11 8, 22 - 29 : Einen Jüngling (gemeint ist David) ließen die Bau-
meister (d. h. Samuel u. sein Gerichtshof) dahinten; er war unter (lies "j-2 statt 'iz)
den Söhnen Isais u. er erlangte es, zum König u. Herrscher (Wiedergabe von njs ^-s-)
ernannt zu werden. „Von Jahve ist das geschehen", das haben die Baumeister gesagt.
„Das ist wunderbar vor uns" haben die Söhne Isais gesagt. „Diesen Tag hat Jahve
gemacht" haben die Baumeister gesagt. „Lasset uns freuen u. fröhlich darin sein"
haben die Söhne Isais gesagt. „Ach bitte nun, Jahve!" haben die Baumeister gesagt.
„Ach bitte, Jahve, gib nun Gelingen!" haben Isai u. sein Weib gesagt. „Gepriesen sei,
der da kommt im Namen des Memra Jahves!" haben die Baumeister gesagt. „Preisen
soll man euch (die ihr) vom Heiligtum Jahves" (seid, d. h. die Baumeister), hat David
gesagt. „Gott Jahve erleuchtet uns" haben die Stämme des Hauses Juda gesagt. „Bindet
das Lamm zum Festopfer mit Ketten (Seilen), bis ihr es opfert u. sein Blut ausschüttet
am Hörn des Altars", hat Samuel, der Prophet, gesagt. „Mein Gott bist du, u. ich will
dir danken, mein Gott, ich will dich rühmen" hat David gesagt. Samuel antwortete
u. sprach: „Preiset, Gemeinde Israel, danket vor Jahve; denn er ist gütig, denn ewig
ist seine Güte." Vgl. hierzu P'^s 119« bei Mt 21,9 S.849;'.
3. siq HecfaXrji' yo)riag. — nrö cNi = Eckstein Ps 118,22 ist vom
Targum bildlos gedeutet = „König u. Herrscher" yJb^^-i -^^?2,s.inNr.2. —
N'^g 13,2 heißt der Eckstein ri"ij2d i^xn = der Stein, der sich an der
Ecke befindet; vgl. auch PirqeREl 24 oben Nr. 1.
21,43: Von euch wird das Reich Gottes genommen u. einem
Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.
Dem Ausdruck nach ist vergleichbar Chag5'>: (Meine Seele wird weinen wegen
n-j, Jer 13, 17.) Was heißt „wegen rt-j"? R. Sch<^muel b. Ji9chaq (um 300) hat gesagt:
Wegen der „Hoheit" Israels, die von ihnen genommen u. den Völkern der Welt ge-
Matth21,43.44.45 877
geben worden ist a?i>'n ri'sis'^ r.:r:i crt's nits-jr ha^z^ h-a ■;rvx; -^rE-s. (Die unverkürzte
Steiles, bei Llc 15, 10.) — Vgl. auch 1 Sm 15,28. — |i Midr Esth 1, 2 (85a): R. Aibo (um 320)
hat gesagt: Es heißt Ps22, 29: „Denn Jahves ist das Reich u. er herrscht über die
Völker" u. du sagst (Esth 1,2): „Auf dem Thron seines Reiches"? Aber in der Ver-
gangenheit war das Reich (die Herrschaft) bei Israel gewesen; als sie aber sündigten,
wurde das Reich von ihnen genommen u. den Völkern der Welt gegeben; das meint
Ez 30, 12: „Ich habe das Land in die Hand böser Leute verkauft" — R. JiQchaq (um 300)
sagte: In die Hand böser Verwalter — ; morgen, wenn Israel Buße tut, nimmt Gott
das Reich von den Völkern der Welt u. gibt es den Israeliten wieder. Wann? „Und
heraufziehen werden Befreier. . . u. es wird das Reich Jahve zufallen", Obadja21.j
Midr Ps 75 §5 (170l>): Als die Israeliten gesündigt hatten, wurden (die 10 ihnen in der
Schrift beigelegten Hörner) von ihnen genommen u. den Völkern der Welt gegeben,
s. Dn 7, 7: (Das 4. Tier) hatte 10 Hörner. . . . Solange die Hörner der Gottlosen Bestand
haben, sind die Hörner Israels abgehauen, s. KL 2, 3. Wenn er aber die Hörner der
Gerechten erhöhen wird, werden die Hörner der Gottlosen abgehauen, s. Ps 75, 11 :
„Alle Hörner der Gottlosen werde ich abhauen", u. sofort (Vers 12): „Die Hörner des
Gerechten werden erhöht werden."
21,44: Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen;
auf welchen er aber fällt, den wird er zerstäuben.
Midr Esth 3, 6 (94 1>): R. Schim?on b. Jose b. Laqonia (gegen 200) hat gesagt: In
dieser Welt werden die Israeliten mit den Felsen, s. Nu 23,9; Jes 51, 1, u. mit den
Steinen, s. Gü49, 24; Psll8, 22, verglichen; u. die Völker der Welt werden mit Scherben
verglichen, s. Jes 30, 14. Fällt der Stein auf den Topf, wehe dem Topf! Fällt der Topf
auf den Stein, wehe dem Topf; so oder so, wehe dem Topf! Ebenso auch nimmt jeder,
der sich mit den Israeliten einläßt, sein Teil unter ihren Händen hin. Und ebenso heißt
es im Traume des Nebukadne^ar Dn2, 45: Ein Stein riß sich vom Felsen los u. zer-
schmetterte das Eisen, Erz usw. — Dieser Stein in Dn 2, 34. 45 wird meist auf den
Messias gedeutet; s. zB TanchB rrs^-r §6 (46b): (Daniel) hat den König, den Messias,
geschaut, s. Dn2, 34: „Du warst im Schauen, bis daß ein Stein losgerissen wurde."
Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Das ist der König, der Messias. „Der traf (schlug)
das Bild an seine Füße" (das.), d. h. alle Reiche, die sich am Bilde befanden. Und in
welchem Verdienst wird der König, der Messias, mit einem Stein verglichen? Im Ver-
dienste Jakobs, s. Gn 49,24: Von dort der Hirt, der Stein Israels (nach dem Midr
= Jakob). „Vom Felsen riß sich der Stein los" Dn2, 45, denn er wird die ganze Welt
vernichten, s. Jes 11,4: Er schlägt die Erde mit dem Stab seines Mundes. In jener
Stunde werden die Israeliten in Ruhe u. Sicherheit wohnen, s. Ez28, 26: Sie werden
ungestört (auf ihrem Boden) wohnen u. Häuser bauen usw.
21,45: Sie erkannten, daß er über sie spreche.
Diese Erkenntnis konnte ihnen nicht schwer fallen, da seit Jes 5
der „Weinberg" als Bild des Volkes Israel den Juden geläufig war.
Sukka49a s. bei Mt21,33 S.867. || Tanch ':-^-s 151 a; Gleich einem Könige, der
einen Weinberg hatte. Er hatte aber drei Feinde. Was taten sie? Der eine riß die
Ranken ab, der andre schnitt die Traubenkämme ab u. der dritte entwurzelte die Wein-
stöcke. Der König, das ist der König aller Könige, Gott; sein Weinberg, das ist Israel,
s. Jes 5,7: „Der Weinberg Jahves der Heerscharen ist das Haus Israel." Ihre drei
Feinde sind der Phsiao, Nebukadnegar u. Haman. Der Pharao riß die Ranken ab, s.
Ex 1,22: „Jeden neugeborenen Sohn sollt ihr in den Nil werfen." Nebukadnegar schnitt
die Traubenkämme ab, s. Jer29, 2: „Nach dem Wegzuge der Schmiede u. Schlosser."
Haman der Frevler entwurzelte die Weinstöcke, s. Esth 3, 13: „Zu vernichten, zu morden
u. umzubringen alle Juden, vom Knaben bis zum Greise, Kindlein u. Weiber an Einem
Tage." — Parallelstelle: GnR42(26a).
878 Matth 22, 2—14
22,2 — 14: Gleichnis vom hochzeitlichen Kleide.
Rabbinische Gleichnisse, in denen einzelne Gedanken anklingen.
Schab 153»: Dort (Aboth 2, 10) haben wir gelernt: R. Elifezer (um 90) sagte: Be-
kehre dich (in Buße) einen Tag vor deinem Tode. Seine Schüler fragten den R. Elifezer:
Weiß denn der Mensch, welchen Tag er sterben wird? Er antwortete: Um so mehr
tue er es heute, vielleicht könnte er morgen sterben; so wird er sein lebelang in Buße
erfunden werden. Und auch Salomo in seiner Weisheit hat gesagt: Zu aller Zeit seien
deine Kleider weiß u. deinem Haupt mangle nie das Öl! Qoh 9, 8. R. Jochanan b. Zakkai
(t um 80) hat gesagt: Gleich einem König, der seine Knechte zu einem Gastmahl ein-
lud i'jT, ohne ihnen eine bestimmte Zeit festzusetzen. Die Klugen unter ihnen putzten
sich und setzten sich am Eingang des Palastes nieder. Sie sagten: Sollte irgend etwas
dem Haus des Königs mangeln? (In seinem Haushalt ist alles stets vorhanden, also
kann das Mahl jeden Augenblick beginnen.) Die Törichten unter ihnen gingen an ihre
Arbeit. Sie sagten: Gibt es irgendein Gastmahl ohne mühsame Vorbereitung? Plötzlich
verlangte der König nach seinen Knechten. Die Klugen unter ihnen traten vor ihn hin,
wie sie waren, geputzt; die Törichten traten vor ihn hin, wie sie waren, besudelt. Der
König freute sich über die Klugen u. zürnte über die Törichten. Er sprach: Diese, die
sich zum Mahle geputzt hatten, sollen sitzen u. essen u. trinken; jene aber, die sich
zum Mahle nicht geputzt hatten, sollen stehn u. zusehen. Der Schwiegersohn des
R. Meir hat im Namen des R. Meir (um 150) gesagt: Auch sie würden so als Diener
erscheinen (ihre Strafe muß aber eine größere sein)! Vielmehr diese wie jene sitzen
(zu Tisch) ; aber diese essen u. jene hungern, diese trinken u. jene dürsten ; s. Jes 65, 1 3 f. :
So spricht Jahve: Siehe, meine Knechte werden essen, ihr aber hungrig bleiben; siehe,
meine Knechte werden trinken, ihr aber durstig sein; siehe, meine Knechte werden
Freude haben, ihr aber verzweifeln. Siehe, meine Knechte werden jubeln vor Herzens-
lust, ihr aber werdet aufschreien vor Herzenspein u. vor Gebrochenheit des Geistes
heulen. — Mehrfach abweichend Midr Qoh 9, 8 (42 ''): Zu aller Zeit seien deine Kleider
weiß u. deinem Haupt mangle nie das Öl Qoh 9, 8. R. Jochanan b. Zakkai hat gesagt:
Wenn die Schrift von weißen Kleidern spräche, wieviel weiße Kleider haben die Völker
der Welt! Und wenn die Schrift von guten Ölen spräche, wieviel gute Öle haben die
Völker der Welt! Siehe, sie spricht aber nur von Gebotserfüllungen u. guten Werken
u. Torastudium. R. J'^huda der Fürst sagte ein Gleichnis: Gleich einem König, der ein
Gastmahl veranstaltete u. (Gäste) einlud "ifT. Er sprach: Geht, badet euch, säubert
euch, salbet euch, waschet eure Kleider u. bereitet euch zum Gastmahl! Er setzte
ihnen aber keine bestimmte Zeit fest. Die Klugen gingen am Eingang des Palastes
auf u. ab; sie sagten: Sollte der Palast des Königs an irgend etwas Mangel haben?
Die Törichten aber bekümmerten sich nicht um das Wort des Königs. Sie sprachen :
Schließlich werden wir vom Gastmahl des Königs doch etwas merken! Gibt es denn
irgendein Gastmahl ohne Mühe u. Pestsetzung der Tischordnung? (so Matt. K®hunna).
Da ging der Kalkanstreicher zu seinem Kalk, der Töpfer zu seinem Lehm, der Schmied
zu seiner Kohle, der Walker nach seinem Waschhaus. Plötzlich befahl der König, alle
sollten zum Mahl kommen. Man trieb sie zur Eile an: die einen kamen in ihrem
Schmuck u. die andren in ihrer Häßlichkeit. Da freute sich der König über die Klugen,
daß sie das Wort des Königs beachtet u. auch den Palast (durch saubere Kleidung)
in Ehren gehalten hatten. Über die Törichten aber zürnteer. Der König sprach: Die,
welche sich für das Mahl bereit gehalten haben, sollen kommen u. vom Mahl des
Königs essen, u. die, welche sich nicht bereit gehalten haben, sollen nicht vom Mahl
des Königs essen. Sollten sie sich etwa aufmachen u. sich entfernen? Da sprach noch
einmal der König: Nein! sondern die einen sollen zu Tische liegen u. essen u. trinken;
u. die andren sollen auf ihren Füßen stehen u. leiden u. zusehen u. Qual empfinden.
So wird es auch sein in der Zukunft. Das ist es, was Jesaja gesagt hat 65, 13: Siehe,
meine Knechte werden essen usw. Zivtai (^smt , wohl der Schwiegersohn des R. Meir)
hat im Namen des R. Meir gesagt: Die einen lagen zu Tische, aßen u. tranken, u. die
Matth22, 2— 14. 22,2 879
andren lagen zu Tische, ohne zu essen u. zu trinken. Nicht gleicht der Schmerz dessen,
welcher steht (u. andre essen sieht), dem Schmerze dessen, der zu Tische liegt (u. nicht
essen darf). Der welcher steht, ohne zu essen u. zu trinken, gleicht dem, der zu Tische
dient; wer aber zu Tische liegt u. nicht ißt, dessen Schmerz ist doppelt u. verdoppelt,
u. sein Angesicht wird gelb. Das ist es, was der Prophet sagt Mal 3, 18: Und wiederum
werdet ihr den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten u. Gottlosen. ... Es ist
gelehrt worden: Bekehre dich (in Buße) einen Tag vor deinem Tode. Seine Schüler
fragten den R. Elifezer: Rabbi, weiß denn ein Mensch, wann er sterben wird, daß er
(einen Tag zuvor) Buße tue? Er antwortete: Muß er da nicht um so mehr heute Buße
tun, da er ja am folgenden Tag sterben könnte? Und so würde er sein lebelang im
Stand der Buße erfunden werden. Deshalb heißt es: Zu jeder Zeit seien deine Kleider
weiß usw. — Eine weitere Parallelstelle s. Midr Spr 16, 11 (42*). || Midr Qoh 3,9(17''):
R. Pin^'chas (um 360) hat im Namen des R. Rauben (gegen 300) gesagt: Gleich einem
König, der ein Gastmahl veranstaltete u. dazu Gäste (oder auch Wanderer) einlud -st.
Der König befahl: Jeder soll mitbringen, worauf er sich (bei Tisch) niederlegen kann.
Die einen brachten Decken, die andren Matratzen, andre Bettpolster, andre Sessel,
andre Stühle, andre Holzklötze u. noch andre Steine. Der König sah es sich an u.
sprach: Jeder soll sich auf dem niederlassen, was er mitgebracht hat. Die, welche auf
den Hölzern u. Steinen saßen, murrten wider den König u. sprachen: Ist das eine Ehre
für einen König, daß wir auf Hölzern u. Steinen sitzen sollen? Als es der König hörte,
sprach er zu ihnen: Ist es nicht genug, daß ihr den Palast, der mir so viele Ausgaben
gemacht hat, mit Steinen u. Holzklötzen schändet, daß ihr euch auch erdreistet, gegen
mich Anklagen vorzubringen? Eure Ehrung habt nur ihr selbst euch bereitet! So
werden dereinst in der Zukunft die Gottlosen im Gehinnom gerichtet (bestraft) werden;
da werden sie murren gegen Gott: Siehe, wir hatten auf das Heil Gottes gewartet u.
nun kommt solches über uns?! Dann wird Gott ihnen antworten: Seid ihr nicht in
der Welt, in der ihr wäret, die Urheber von Parteiung u. Verleumdung u. allen Schlech-
tigkeiten, die Urheber von Zwistigkeiten u. Gewalttätigkeiten gewesen? Das meint
JesöO, Jl: „Siehe, ihr alle seid Brandstifter u. gürtet euch mit Flammenpfeilen ";
deshalb , gehet hin in die Glut eures Feuers u. an euren Brandpfeilen sollt ihr ver-
brennen", damit ihr nicht saget: „Von meiner Hand ward euch solches"; nein, sondern
ihr selbst habt es euch bereitet. Deshalb „zur Peinigung sollt ihr euch hinlegen", von
eurer Hand ward euch solches.
22,2: Gleich einem König, der seinem Sohne Hochzeit machte.
enoirjaEv yccfxovg reo vtal avxov = -;3 nrioia misD -nw s. Midr Qoh 1,3 (5'') bei
Lk 14, 12. Aramäisch B^'rakh 3P: n^ia^ nViV- izy ^va ai Rab Aschi (f 427) machte
seinem Sohne Hochzeit. — Andre Bezeichnungen für Hochzeitsfeier u. Hochzeitsmahl
waren: nn'^-b = Freudenfest, zB DtR 9 (205*^): Unsre Lehrer haben erzählt: Es geschah
einmal, daß R. Schim?on b. Chalaphta (um 190) zu einem Beschneidungsfest ging, u. es
bereitete ihnen der Vater des Kindes ein Mahl u. ließ sie Wein trinken, der sieben
Jahre alt war. Er sprach zu ihnen: Von diesem Wein werde ich alt werden lassen für
die Hochzeitsfeier meines Sohnes "^33 hv inniori. — Ferner sni^r; (ebenfalls = Freuden-
fest), zBGit68'': (Der Dämonenfürst Aschm^'dai) sah eine Hochzeitsfeier, snnn, bei
der man sehr fröhlich war. Da weinte er. . . . Man sprach zu ihm: Warum hast du
geweint, als du die Hochzeitsfeier sahst? Er antwortete: Der Mann muß innerhalb von
30 Tagen sterben u. sie muß (zur Vollziehung der Leviratsehe) auf einen unmündigen
Schwager 13 Jahre lang warten. — | Am häufigsten: nrco (eigentlich „das Trinken"),
aram. sn-ni:?'? oder sp^.r'i-'?. pK'^th 1, 25*, 23: Mose hat die siebentägige Hochzeits-
feier angeordnet nrttJ'sr; "c rsz-c. | GnR 3 (3''): -nr-j-'j-: s^^oi^ rsz^-vh npt^ sjn "5vp
„das u. das will ich für die sieben Tage meiner Hochzeit aufbewahren". | pB^rakh
6, 10", 47: R.Jona (um 350) u. R.Jose gingen zur H. des R. Chanina aus Anath
880 Matth 22, 3 (3t. SB). 22, 4
22, 3 5(: Die Geladenen zur Hochzeit zu rufen.
xaXsaai, hebr. n;;?, arara. riii, u. -{n^; für besonders dringliches Ein-
laden: :-jC, :"~p.
TBQ 7, 2 (357) : R. Meir (um 150) sagte im Namen des Rabban Gamliel (um 90)
folgendes Gleichnis: Gleich zweien Menschen, die in einer Stadt ein Hochzeitsmahl
r,r-::'2 veranstalteten. Der eine lud die Einwohner der Stadt ein s^p, aber den König
lud er nicht ein. Der andre lud weder den König, noch die Einwohner der Stadt ein.
Wessen Strafe wird die größere sein? Der die Bewohner der Stadt, aber nicht den
König einlud s^p. — BQ TQ'' bringt dies Gleichnis als Bar, setzt aber überall v?.' für
N-'p. II LvR 28 (126'^): Rabbi lud (zur Hochzeit seines Sohnes Schimfon) alle Rabbinen
ein ms, aber nicht den Bar Qappara. Da schrieb ihm dieser an seine Haustür: Nach
deiner Freude mußt du sterben; welchen Gewinn hast du von deiner Freude? Als
Rabbi dies erblickte, sprach er: Wer ist es, den wir nicht eingeladen haben "irniiu,
daß er diese Worte schrieb? Man sagte ihm: Bar Qappara. Er antwortete: Morgen
veranstalte ich ein Frühmahl ■i-i;^"??. (= itQiaiov, s. bei Lk 14, 12) für ihn. Er veranstaltete
ein Frühmahl iitic-s u. lud ihn ein -•:::. — Eine Parallelstelle aus MidrQohl,3 s.
bei Lk 14, 12. |1 TBQ 7,8 (358): Sieben Diebe gibt es: der erste unter allen ist der, der
die Menschen täuscht: wer (zB) einen andren dringlich einlädt ^ic;-, daß er sein Gast
sein möchte, u. in seinem Herzen hat er (gar) nicht die Absicht ihn einzuladen in«-pV. ||
Chul 94" Bar: R. Meir (um 150) hat gesagt: Man lade einen andren nicht zum Gast-
mahl dringend ein an^c ts, wenn man weiß, daß jener nicht daran teilnimmt. —
Die Parallelen s. bei 22, 3 SB.
22,3^: Sie wollten nicht kommen.
Über einen Zöllner Bar Mafjan wird pSanh 6, 23^ 33 = pChag 2, 77*^,45 berichtet:
Einmal bereitete er ein Frühmahl i-^uo^-is für die Ratsherren; aber sie kamen nicht.
Da sagte er: Die Armen sollen kommen u. es verzehren, damit es nicht umkomme. —
Der Bericht sieht dies als das einzige Verdienst an, das sich Bar Ma?jan in. seinem
Leben vor Gott erworben hatte. Damit er seinen Lohn dafür nicht erst im Jenseits,
sondern bereits in dieser Welt erhalte, fügte es Gott, daß bei seinem Begräbnis alle
Leute seines Wohnortes von der Arbeit feierten, um ihn zu Grabe zu geleiten. Damit
hatte er seinen Lohn dahin. Im Jenseits aber mußte er an dem Ufer eines Stromes
stehen u. sich vergeblich abmühen, an das Wasser zu gelangen; s. die ganze Stelle
unter Lk 16,24 6. jj Das Ablehnen einer Einladung scheint nicht gerade selten gewesen
zu sein. Sanh 23" Bar: So verfuhren diejenigen, die reiner Gesinnung in Jerusalem
waren: . . . Sie gingen zu einem Gastmahl nur dann, wenn sie wußten, wer mit ihnen
zu Tische liegen würde. (Andernfalls lehnten sie also ab. Vgl. auch B''rakh43t> Bar:
Sechs Dinge sind eine Schande für einen Gelehrtenschüler: ... Er liege nicht zu Tische
in der Gesellschaft der gesetzesunkundigen Leute f Amme ha-are9. . . .) || TBB G, 14 (406) :
R. Meir (um 150) pflegte zu sagen: Man soll einen andren nicht nötigen a^c-, bei ihm
zu speisen, wenn man von ihm weiß, daß er es nicht tut. — Dasselbe als Bar Chul 94";
anonym Derekh Ere? 7 ; in andrer Fassung M^'kh Ex 22, 3 (95 b). || N'^d 8, 7 : Wenn jemand
in einen andren dringt ="'?, bei ihm zu speisen, u. dieser sagt: Ich gelobe, daß ich
nicht in dein Haus komme, daß ich keinen Tropfen Kaltes bei dir koste! so darf er
doch sein Haus betreten u. Kaltes bei ihm trinken; denn er hatte (bei seinem Gelübde)
nur ein ordentliches Gastmahl (förmliches Essen u. Trinken) im Auge.
22, 4: Wiederum sandte er andre Knechte.
Wenn wir einer Nachricht in Midr KL 4,2 (74") Glauben schenken dürfen, wäre
ein zweimaliges Einladen der Gäste, wenig.stens in Jerusalem, allgemeine Sitte gewesen.
Es heißt hier zu KL 4, 2: „Zions Söhne, die teuersten": Worin bestand ihr hoher Wert
-P'-^p-? Wenn ein Provinziale eine Jerusalemerin heiratete, so schenkte er ihr ihr Ge-
wicht (soviel sie wog) in Gold, u. ebenso wenn ein Jerusalemer eine Provinzialin
Matth 22, 4. 7. 9 881
heiratete, so schenkte man ihm sein Gewicht in Gold. — Oder worin bestand ihr hoher
Wert? Wenn einer von ihnen eine Frau heiratete, die vornehmer als er war, so ließ
er Tische {für die Hochzeitstafel) herrichten, die die Ausgaben für das Hochzeitsmahl
überstiegen (um anzudeuten: wie das Untergeordnete — die Tische — wertvoller als
die Hauptsache — das Mahl, so die dem Mann untergeordnete Frau vornehmer als ihr
Herr). War sie aber von niedrigerer Herkunft als er, so ließ er die Ausgaben für das
Hochzeitsmahl die für die Tische übersteigen (die Hauptsache wertvoller als das Neben-
sächliche; die Hauptperson, der Mann, vornehmer als die Frau). — Oder worin bestand
ihr hoher Wert? Keiner von ihnen ging zu einem Gastmahl n-iyc, bevor er nicht
zweimal gerufen (eingeladen) war n:'j3» s-'-:v ly.
22,4: Mein Mahl habe ich bereitet.
iiQiaxov s. das Nähere bei Lk 14, 12.
22,4: Meine Stiere ii. mein Mastvieh ist geschlachtet
u. alles bereit.
1. Die Worte drücken aus, daß alle Vorbereitungen zur Hochzeit beendet sind, u,
daß deshalb das Mahl unaufschiebbar ist. ÄhnlichK''th3'^ u.4^: Sein (des Veranstalters
des Hochzeitsmahles) Brot ist gebacken, sein Schlachtvieh ist geschlachtet n-ato iria-j
u. sein Wein ist gemischt. 11 Zum Einschlachten von Vieh für eine Hochzeitsfeier vgl.
Schebifith7, 4: Wenn einer ein erstgeborenes Stück Vieh (das Fehler hat u. deshalb
nicht geheiligt werden kann) zum Hochzeitsmahl seines Sohnes 1:2 n.— i)^5 oder zu
einem Fest gekauft hat u. dessen nicht bedarf, so darf er es verkaufen. |i K'-'r 3, 7 :
R. fAqiba (f um 135) hat gesagt: Ich habe den Rabban Gamliel (um 90) u. den R. J^ho-
schua? (um 90) auf dem Markt von Emmaus gefragt, wohin sie gegangen waren, um
ein Stück Vieh zum Hochzeitsmahl des Sohnes des Rabban Gamliel zu kaufen, usw.
2. xal ncivra sTOitiu = •pir'o brti.
Aboth 3, 16 sagt R. fAqrba (f um 135): Alles ist zum Mahle (in der zukünftigen
Welt) bereitet ^■;nycV '^■^r-o hz-.
22,6: Sie griffen seine Knechte, verhöhnten u. töteten sie (s. bei 21, 35).
22, 7: Der König ward zornig, sandte seine Heere aus . . . '
u. zündete ihre Stadt an.
' Tanch irTsn 29»; R. Sch^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Ein Gleichnis.
Womit läßt sich das vergleichen ? Mit einem König, der in einer Stadt wohnte, deren
Bewohner ihn geärgert hatten. Der König ärgerte sich u. zog daraus etwa zehn Mil
fort, dann machte er halt. Es sah ihn jemand, der zu den Einwohnern der Stadt sagte:
Wisset, daß euch der König zürnt, u. er will seine Legionen gegen die Stadt schicken,
um sie zu zerstören; geht u. versöhnt ihn, daß er zu euch zurückkehre. . . . || GnR51
(32*^): Gleich zwei Städten, die sich gegen den König empörten. Der König sprach:
Die eine soll mit ihrem eignen Feuer verbrannt werden u. die andre soll auf Kosten
des Staatsschatzes verbrannt werden. So auch dort Jes34, 9: „Da wandeln sich ihre
Bäche zu Pech u. ihr Staub zu Schwefel", aber hier Gn 19, 24: „Jahve ließ über Sodom
u. über Gomorra Schwefel u. Feuer regnen."
22,9: Geht an die Durchgänge der Wege (= Kreuzwege)
u. rufet zur Hochzeit, soviele ihr findet.
dis^odoi TCöv oöwv, etwa = ni^Tn m'ü'^E.
-' ' ■ T : T T
GnR22(15a): Gleich einem Räuber, der an einem Scheideweg =-5-t r-j-iE3 saß
(s. die Stelle im Exkurs: Der gute u. der böse Trieb Nr. 7 Anm. c). || P^s 111^: Wenn
zwei Frauen an einem Scheideweg a-s^-i r'v-tz sitzen, die eine auf dieser Seite der
Straße u. die andre auf jener Seite, u. ihr Gesicht einander zugewandt haben, so ist es
strack u Billerbeck. NT I. 56
882 Matth22, 9. 11.13
sicher, daß sie mit Zaubereien beschäftigt sind. (Exk.: Zur altjüd. Dämonologie Nr. 3
Anm. c Ende.) |1 Sanh 13*^ pvrn -;pT „Alte von der Strafse" sind gewöhnliche Alte, wie
sie gerade von der Straße aufgelesen sind.
Daß es wirklich vorgekommen ist, daß an Stelle der ursprünglich
Geladenen allerlei andres Volk das hergerichtete Mahl verspeiste, zeigt
die Geschichte vom Zöllner Bar Ma^jan, s. bei 22, 3$ö S. 880.
22, 11: Der nicht mit einem hoch zeitlichen Kleid bekleidet war.
(Öl, das zur priesterlichen Hebe gehört u. unrein geworden ist, darf in einem
priesterl. Hoclizeitshaus in den Lampen verbrannt werden, aber nicht in einem priesterl.
Trauerhaus. So R. Jehuda, um 150, Terumll,10.) Dazu pTerum ll,48i>, 29: Was ist
der Grund des R. J^huda? Weil ihre Kleider in einem Hochzeitshaus rein sind, darum
befassen sie sich nicht damit (das Öl mitzunehmen u. es aufaerhalb des Priesterhauses
zu verwenden). — Die ganze Stelle s. bei Mt9, 15 S. 514 Anm. t.
Daß man von den Gästen nicht bloß an der Hochzeitstafel, sondern bei jedem
Gastmahl ein Erscheinen in angemessener u. sauberer Kleidung erwartete, zeigen die
oben S. 878 f. gebrachten Gleichnisse. — Außerdem sei auf ein beißendes Wort verwiesen,
das Jalta, die Gemahlin des Rab Nachman b. Ja?aqob (f 320), dem sUlla entbieten ließ,
als sie sich durch diesen gekränkt fühlte. Berakhöl^: ?Ulla kam in das Haus des
Rab Nachman, um das Biot zu brechen (als Gast bei ihm zu speisen). Er sprach den
Tischsegen (das Dankgebet nach Schluß der Tafel) u. gab den Becher des Segens dem
Rab Nachman. Rab Nachman sagte zu ihm: Es möge der Herr den Becher des Segens
der Jalta übersenden. (Frauen beteiligten sich für gewöhnlich nicht an einem Gast-
mahl; um sie zu ehren, übersandte man ihnen den Becher des Segens mit dem darin
enthaltenen Wein.) Er antwortete: So hat R. Jochanan (f 279) gesagt: Die Frucht des
Schoßes der Frau wird nur gesegnet durch die Frucht des Leibes des Mannes; s.
Dt 7, 13: ,Er wird segnen die Frucht deines (des Mannes) Leibes." „Ihres Leibes"
heißt es nicht, sondern „die Frucht deines Leibes". Die Bar lautet ebenso. ... In-
zwischen hatte Jalta davon gehört. Sie stand im Zorn auf u. ging in den Weinspeicher
u. zerbrach 400 Fässer Wein. Rab Nachman sagte zu ihm: Es möge ihr der Herr einen
andren Becher übersenden! Er (tat es u.) ließ ihr sagen: Dieser ganze Pokal ist von
dem Wein des Segens. Sie ließ ihm sagen: Von Herumläufern kommt Gerede u. von
Fetzen (Lumpen) Ungeziefer! — Aus dieser Antwort darf man entnehmen, daß sich f Ulla
nicht bloß gern unangemeldet als Gast an der Tafel seiner Standesgenossen einstellte,
sondern auch dabei in einem Anzug erschien, der zu Beanstandungen Veranlassung bot.
22,13: Werfet ihn hinaus.
exßccXers ccvior. — Rabbin. -lyj, aram. nn-j ^= hinausstoßen.
Chagl5*: Elischa? b. Abuja (der oft genannte Apostat, um 120) sagte: Weil ich
(wörtlich: dieser Mann) aus jener Welt hinausgestoßen bin -i— j'x, so will ich gehn,
um diese Welt zu genießen. || Qid 31 *; Abimi b. Abbahu (um 330) hat als tannaitische
Tradition gelehrt: Es kann einer seinem Vater Fasanen als Speise reichen, u. man
stößt ihn doch aus der (zukünftigen) Welt hinaus 1-"-^-; u. ein andrer kann seinen
Vater an der Mühle mahlen lassen, u. man bringt ihn doch in das Leben der zuk. Welt. 1|
Qid 4013: (R. El?azar b. Qadoq, um 100, hat gesagt:) Gott gibt Gutes' den Gottlosen im
Überfluß in dieser Welt, um sie hinauszustoßen "i-t^-u'- (aus der zuk. Welt) u. erben
zu lassen die unterste Stufe (im Gehiunom), s. Spr24, 12: Manch ebener Weg liegt
vor einem Mann, u. das Ende davon sind Wege zum Tode. j| BB 15^: Gott hat ihm (Hiob)
seinen Lohn verdoppelt in dieser Welt, um ihn aus der zuk. Welt hinauszustoßen i-f-'; .
Wie schwer die Weg weisung von einer Tafel als Kränkung empfunden
wurde, zeigt Git 55 b; Wegen QamQa u. Bar Q. ist Jerusalem zerstört worden. Ein
Mann, der mit Qam9a befreundet, aber mit Bar Q. verfeindet war, veranstaltete ein Gast-
Matth 22, 13. 14. 15. 16 883
mahl. Er sprach zu seinem Diener: Geh, hole mir den Qam9a! Er ging u. holte (in-
folge Verwechslung der Namen) den Bar Qam^a. Er (der Gastgeber) kam u. fand diesen
dasitzend. Er sprach zu ihm: Da du mein Feind bist (wörtlich: da dieser Mann dieses
Mannes Feind ist), was willst du hier? Steh auf u. geh hinaus! Er antwortete: Weil
ich gekommen bin, so laß mich hier; ich will dir den Wert dessen bezahlen, was ich
esse u. trinke. Jener sprach: Nein! Er antwortete: Ich will dir den Wert deines halben
Mahles bezahlen. Jener sprach: Nein! Er antwortete: Ich will dir den Wert deines
ganzen Mahles bezahlen. Jener sprach: Nein! Er faßte ihn bei der Hand, ließ ihn auf-
stehn u. schaffte ihn hinaus n-prs". Da sprach Bar Qam9a (bei sich selbst): Weil die
Rabbinen dagesessen haben, ohne jenem zu wehren, so kann ich daraus entnehmen,
daß es ihnen genehm gewesen ist. Er sprach weiter: Ich werde gehn u. sie beim
König verleumden. Er ging u. sprach zum Kaiser: Die Juden haben sich gegen dich
empört! Er antwortete: Kann man das sagen? Er sprach: Sende ihnen ein Opfer, so
siehst du, ob sie es opfern werden. Er ging u. sandte durch ihn ein dreijähriges Kalb.
(Bar Qam^a brachte dem Tier dann einen Fehler bei, so daß seine Opferung unzulässig
wurde. Das wurde die Veranlassung zum Kriege.) — Dasselbe Midr KL 4, 2 (74'"').
22, 13: In die äußerste Finsternis; dort wird Heulen u.
Zähneknirschen sein (s. bei 8, 12 S. 478;').
22, 14: Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.
4:Esra8, 3: Viele sind geschaffen, wenige aber gerettet. — Nach
Dalman, Worte Jesu 1, 97 würde der Ausspruch aramäisch in Jesu Mund
gelautet haben: )^tT'^ "P"''^!'! TV^] ''"^^':^'
In der rabbin. Literatur wird die Frage, ob einst viele oder wenige
werden selig werden, verschieden beantwortet, je nachdem die Frage
auf die zwischenzeitliche oder auf die endgeschichtliche zukünftige Welt
bezogen wird. Denkt man an die erstere, also an die himmlische Selig-
keit zwischen Tod u. Auferstehung, so fehlt es nicht an Stimmen, nach
denen es verhältnismäßig nur wenige sein werden, die sofort zur vollen
Seligkeit des Himmels eingehn dürfen, ohne zuvor dem Läuterungs-
feuer des Gehinnoms anheimzufallen. a Denkt man dagegen an
die endgeschichtliche zuk. Welt nach der Auferstehung der Toten, so
gilt der Satz, daß ganz Israel an der zuk, Welt Anteil haben wird.b
a. Men 29^: R. Jehuda (um 150) hat gesagt: Warum ist die zuk. W. (= himmlische
Welt der Seelen) durch den Buchstaben Jod (den kleinsten) erschaffen worden? Weil der
Gerechten darin wenige sind (s. bei 5, 18 S. 247 f. u. im Exk.: „Scheol" usw. III, 3, ic). \\
Sanh 97b nebst Parallelen s. bei 5,8 S.21lf. u. in demselben Exk.: „Scheol" usw. III, 3, o.
b. Sanh 10, 1: Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt (nach der Auferstehung
der Toten), s. Jes60, 21: „Und dein Volk, die sind allesamt Gerechte; für immer werden
sie das Land besitzen. — Über die wenigen Ausgeschlossenen s. denselben Exk. II, 5.
22,15: Um ihn in einem Wort zu fangen.
7r«ytJ£iifn'fr2öyf-),etwa = n?^i^:5,s.GnR37(22^);63(40'^)bei4,19$ßS.188.
22, 16: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist usw.
Keth 50 b liest man folgende captatio benevolentiae: R. Schimfon b. Eljaqim sagte
vor R. Elfazar (um 270): Meister, ich weiß von dir, daß du nicht nach dem Maß des
strengen Rechtes verfährst, sondern nach dem Maß der Barmherzigkeit; aber die
Schüler möchten es sehen u. die Halakha (in der abweichenden Form) für alle Zukunft
festsetzen.
56*
884 Matth 22, 17. 20
32, 17: Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht?
xi]r(Toc in diesem Zus.hang = tributum capitis. — Unter welchem
Gesichtspunkt weite Kreise des jüdischen Volkes diese römische Steuer-
auflage betrachtet haben, zeigt am besten Josephus, Antiq. 18, 1, 1:
'lovdag di ravXaviTrjC arijQ, ix TtoXscog ovof.ia FäfiaXa, 2d6dovxov (fUQiaaiov
TTQockaßiifierog, r^TTsfyero stcI anoaxüasi, rr^v xs cmoTi'f.irjatv (Steuerein-
schätzung) ovdh' aXXo rj avrixQVg dovXelav STiKfSQSiv Xeyomg xal tr^g
iXsvO^eqiag in' uriiXi'jipei naQaxaXovvxeg ro sd^vog. Bell. Jud. 2, 8, 1: ^Enl
Tovrov (unter Coponius) rh oirr^Q FaXiXaTog ^lovdag ovojna dg ccTToataair
irrjys xovg iicixoJQiovg, xaxi^cor, ei (föoov xa "^Pcojiiaiotg xsXstv VTTOixivovai^
xal fAsxd xov d^eör oi'aovai ^vrjxoig'dsanoxag. — Das. 2, 17, 8:'Öc {'lovöag
ra?uXaTog) r^v ao(fiaxi]g Seivöxaxog xal ircl Kvqtjviov ttox^ ^lovöaiovg
ovsiöiaag, ort "^Pay/iafoig vnsxäaoovxo fxsxd xov ^eöv.
22, 20: Wessen ist dieses Bild u. die Aufschrift?
Als allgemein anerkannter Grundsatz galt: das Herrschaftsgebiet
eines Königs deckt sich mit dem Gültigkeitsgebiet seiner Münzen.
pSanh 2, 20'', 17: Abigail erblickte den David 1 Sm 25, 23. Sie sprach zu ihm:
Mein Herr David, was habe ich (Übles) getan, was meine Söhne u. was mein Vieh?
Er antwortete: Dein Mann Nabal hat die Königsherrschaft Davids beschimpft Vsp . Sie
sprach: Bist du ein König? Er antwortete: Hat mich nicht Samuel zum König ge-
salbt? Sie sprach: Bis jetzt gilt noch die Münze {-'^'i'.^, moneta) unsres Herrn Saul! —
In der Parallelstelle M^g 141»: Noch ist Saul am Leben, u. deine Münze, -vau, ist nicht
ausgegangen in die Welt. || GnR 39 (24^): Die Leute sagen (im Sprichwort): Von einem
Haus in ein andres (umziehen) kostet ein Hemd, von einer Stadt in eine andre einen
Teil des Lebens. Du aber (sprach Gott zu Abraham Gn 12, 1 ff.) sollst keine Einbuße
erleiden weder am Leben noch am Gelde. R. B^reklija (um 340) hat im Namen des
R. Chelbo (um 300) gesagt: (Gott sagte dem Abraham mit dem Wort: Ich will dich
zu einem großen Volk machen usw.,) daß seine Münze in die Welt ausgehen werde
(seine Herrschaft Anerkennung finden werde). Vier Männer gibt es, deren Münze in
die (ganze) Welt ausgegangen ist (überall gangbar u. gültig war): Abraham, s.Gn 12,2:
„Ich will dich zu einem großen Volk machen"; seine Münze ist ausgegangen (anerkannt
worden u. damit auch seine Herrschaft). Welcher Art war seine Münze? Ein Greis
u. eine Greisin (= Abraham u. Sara) auf der einen Seite, ein Jüngling u. eine Jung-
frau (Isaak u. Rebekka) auf der andren. — Josua, s. Jos 6, 27: „Jahve war mit Josua
u. sein Ruf ging über die ganze Erde"; es ging seine Münze aus in die Welt. Welcher
Art war sie? Ein Stier auf der einen Seite, eine Antilope auf der andren (vgl. Dt 33, 17). —
David, s. 1 Ohr 14, 17: „Der Name Davids ging aus in alle Länder"; es ging seine
Münze aus in die Welt. Welcher Art war seine Münze? Ein Stab u. eine Tasche (vgl.
1 Sm 17, 10) auf der einen Seite u. ein Turm auf der andren (vgl. HL 4, 4). — Mar-
dokhai, s. Esth 9,4: „Mardokhai war groß im Hause des Königs u. sein Gerücht ging
hinaus in alle Länder"; seine Münze ging aus. Welcher Art war seine Münze? Ein
Sack u. Asche auf der einen Seite, eine goldene Krone auf der andren (vgl. Esth 4, 1 ;
8,15). — Nach Midr Esth 8, 15 (100^) zeigte Mardokhais Münze ihn selbst auf der
einen, Esther auf der andren Seite. — Vgl. Sanh 104'': „Als zu leicht erfand (beim
Wiegen) Jahve meine Starken in meiner Mitte" KL 1, 15, wie wenn einer zum andren
sagt: Diese Münze ist ungültig (weil zu leicht). — Wie Münzen nach dieser Stelle
außer Kurs gesetzt werden können, wenn sie nicht mehr das volle Gewicht haben, so
können auch diejenigen eines früheren Herrschers beim Thronwechsel durch seinen
Nachfolger für ungültig erklärt werden ; mit der Herrschaft steht u. fällt das Münz-
Matth 22, 20. 21 {%. SB), 22, 23 885
recht. BQ9, 2: Wenn einer eine Münze stahl u. sie wurde (nach dem Diebstahl) un-
gültig, so kann der Dieb zu dem Bestohlenen sagen: Hier liegt das Deine vor dir (er
braucht ihm keine gangbare Münze als Ersatz zu geben). Dazu BQ 97^: Sie wurde un-
gültig, d. h. die Regierung erklärte sie (bei einem Thronwechsel) für ungültig. — Wie
sehr das populäre Empfinden geneigt war, einen Beweis für die Herrschaft eines Königs
im Kursieren seiner Münzen zu sehen, ergibt sich besonders daraus, daß die Macht
eines Herrschers geradezu seine , Münze" genannt wird. ExR 15 (79*) wird den Fröschen
folgendes Wort an die Ägypter in den Mund gelegt: Die Münze (= Kraft, Macht) eures
Gottes (des Nils) ist dahin, u. die eure sollte Bestand behalten? Deshalb heißt es
Ps78, 45: Die Frösche verderbten sie (die Ägypter).
22,2151: Sie sagten: Des Kaisers.
?AZ6^: Ein Sektierer sandte an seinem Festtage dem Patriarchen J^huda (IL, um 250)
einen Kaiserdenar (einen Denar mit dem Kaiserbild, vgl. bei Mt 5, 26, 51, 2; um eine
solche Münze handelt es sich auch Mt 22, 19). Resch Laqisch (um 250) saß vor dem
Patriarchen. Dieser sprach: Was soll ich machen? Nehme ich ihn an, so geht er u.
dankt dafür (seiner Gottheit); nehme ich ihn nicht an, so entsteht mir Feindschaft.
Resch Laqisch sprach: Nimm u. wirf ihn in seiner Gegenwart in eine Grube. Er ant-
wortete: Dann hegt er erst recht Feindschaft. Ich meine (sagte Resch L.), wie mit
der Rückseite der Hand (in ungewöhnlicher Weise) soll es geschehn.
22,2123: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,
u, Gotte, was Gottes ist.
pSch*^q 3, 47 ", 33 (in Erweiterung von Sch-^q H, 2) : R. Schemuel b. Nachman (um 260)
hat im Namen des R. Jonathan (um 220) gesagt: Wir finden in der Tora, in den Pro-
pheten u. in den Hagiographen, daß der Mensch seinen Pflichten gegen die Menschen
naclikommen muß, wie er denen gegen Gott nachkommen muß. In der Tora, s. Nu 32, 22:
Ihr sollt rein sein vor Jahve u. vor Israel. In den Propheten, s. Jos 22, 22: Der Herr
Gott Jahve, der Herr Gott Jahve, der weiß es, u. Israel, das soll es wissen! In den
Hagiographen, s. Spr3, 4: Dann wirst du Gnade u. feinen Verstand gewinnen in den
Augen Gottes u. der Menschen. |[ Aboth 3, 7: R. EUazar b. J'^huda aus Bartotha (um 110)
sagte: Gib ihm (Gott) von dem Seinen; denn du u. das Deine gehört ihm. Und so heißt
es bei David: Denn von dir (Gott) kommt alles, u. aus deiner Hand haben wir es dir
gegeben 1 Chr 29, 14. — Über die Zitationsformel „bei David" s. bei Rom 1 1, 2 u. Mk 12, 26.
22, 23: Di e Sa ddazäer, welche sagen, es gebe keine Auferstehung.
Die Zeugnisse des Josephus s. im Exkurs: „Die Pharisäer u. die Sadd."
Nr. 4 A. II Die rabbin. Tradition führt die Leugnung der Auferstehung auf
die Schüler des Antigonus von Sokho (um 150 v. Chr.?) zurück, s. AbothRN
5 Anf. in demselben Exkurs Nr. 3, a. — Die Sadd. erscheinen als Leugner
der Auferstehung Sanh 90 '\ s. bei Mt 22, 32 Nr. 2, A. — Lightfoot 2, 355^
zitiert aus Tanch fol. 3=^: Sadducaei negant dicuntque (s. Hiob 7, 9): De-
ficit nubes atque abit; sie descendens in sepulchrum non redit.
In den Apokryphen u. Pseudepigraphen werden als Leugner der Auferstehung
allgemein die Gottlosen (Libertinisten) genannt. Weish 2, 1 ff. : Sie (ol aasßsi'g) sprechen
bei sich selbst, verkehrt urteilend: Kurz ist u. traurig unser Leben, u. nicht gibt es
ein Heilmittel beim Tode des Menschen, u. nicht hat man gehört von einem Befreier
aus der Unterwelt. Denn durch Zufall sind wir entstanden, u. darnach werden wir sein,
als wären wir nie gewesen. Denn Dunst ist der Hauch in unsrer Nase, u. das Denken
ein Funke in der Bewegung unsres Herzens, nach dessen Erlöschen der Leib zu Asche
wird u. der Atem {nysi'/ua) wie feine Luft verfliegt. . . . Nicht gibt es eine Wieder-
holung unsres Endes, weil es versiegelt ist u. keiner wiederkehrt. || Henoch 102, 6ff. :
886 Matth 22, 23. 24
Wenn ihr (Gerechten) sterbt, so sprechen die Sünder über euch: »Wie wir sterben,
so sterben die Gerechten. Was haben sie für Nutzen von ihren (guten) Taten gehabt?
F Siehe, wie wir, so sterben sie in Kummer u. Finsternis. Was ist ihr Vorzug vor uns?
Von jetzt an sind wir gleich. Was werden sie empfangen u. schauen in Ewigkeit?
Denn siehe, auch sie sind tot, u. von jetzt an schauen sie nicht (mehr) das Licht bis
in Ewigkeit. || Eine Leugnung der Auferstehung bei gleichzeitiger Betonung des Fort-
lebens des Geistes liegt vor Jubil 23, 31 : Ihre (der Gerechten) Gebeine werden Inder
Erde ruhen (zur Zeit der Heilsvollendung), u. ihr Geist wird viel Freude haben, u. sie
werden erkennen, daß Gott es ist, der Gericht hält u. Gnade übt an Hunderten u.
Tausenden, u. (zwar) an allen, die ihn lieben.
22,24: Wenn einer stirbt, ohne Kinder zu haben, so soll sein
Bruder sein Weib als Schwager heiraten u. seinem Bruder
Samen erwecken.
Das Leviratsgesetz Dt 25, 5 nach rabbin, Auslegung.
SDt25, 5 § 288 (125^).- „Wenn Brüder beisammen wohnen" Dt 25, -5. Ausgenommen
ist sein (des Verstorbenen) Bruder, der nicht mit ihm (dem Verstorbenen zugleich) in
seiner Welt war. Auf Grund dieser Stelle hat man gesagt (J*^b 2, 1): Wenn zwei Brüder
vorhanden sind u. der eine von ihnen stirbt (kinderlos unter Hinterlassung seiner
Witwe), u. dann wird ihnen noch ein Bruder geboren, u. darauf nimmt der zweite die
Frau seines Bruders zur Schwagerehe u. stirbt: dann ist die erste Witwe (die des
zuerst verstorbenen Bruders) frei (von der Verpflichtung zur Leviratsehe), weil sie die
Frau eines Bruders war, der nicht zugleich mit ihm (dem dritten Bruder) in der Welt
war; die zweite aber ist frei (dem dritten Bruder gegenüber) als Nebenfrau der ersten
(beide waren nebeneinander in der Ehe mit dem zweiten Bruder). — Wenn Brüder
, beisammen" wohnen: da sind ausgenommen (von der Pflicht zur Leviratsehe) Brüder
müttlicherseits. Da wir aber in der Tora von Brüdern finden, daß der Bruder mütter-
licherseits gleich ist dem Bruder väterlicherseits, so könnte es sich in diesem Falle
ebenso verhalten! Die Schrift sagt lehrend i^-r:-' (in jeder Hinsicht eins u. gleich); da
sind ausgenommen seine (des Verstorbenen) Brüder mütterlicherseits. „Und einer von
ihnen stirbt" Dt 25, 5: da höre ich nur, wenn es zwei sind u. einer von ihnen stirbt.
Woher, daß dies auch gilt, wenn ihrer mehrere sind? Die Schrift sagt lehrend: „Und
einer von ihnen (ganz allgemein, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Zahl) stirbt."
Woher (daß Dt 25, 5 gilt), auch wenn alle sterben? Die Schrift sagt lehrend: „Nicht
soll das Weib des Verstorbenen auswärts eines fremden Mannes werden." Und warum
wird gesagt: „einer von ihnen"? Das Weib (die Witwe) „eines" wird zur Schwagerehe
genommen, aber nicht das Weib von zweien. Auf Grund dieser Stelle hat man gesagt
(nämlich J®b 3, 9): Wenn drei Brüder mit drei untereinander nicht verwandten Frauen
(r-^-3:) verheiratet sind und einer von ihnen stirbt, u. der zweite gibt ihr (der Witwe)
seine Zusage u. darauf stirbt er: so haben beide Witwen die Zeremonie des Schuh-
ausziehens vorzunehmen, werden aber nicht zur Leviratsehe zugelassen; denn es heißt:
wenn „einer" von ihnen stirbt . . ., soll der Schwager zu ihr eingehn, d. h. zu einer,
die an Einen Schwager u. nicht die an zwei Schwäger gebunden ist.^ — „Nicht soll
das Weib des Verstorbenen auswärts eines fremden Mannes werden" Dt 25, 5. Wozu
habe ich diese Worte nötig? Weil wir dort gesagt haben: „Die Frau (Witwe) 'eines'
wird zur Leviratsehe genommen, aber nicht die Frau von zweien", so könnte das viel-
leicht auch in diesem Falle gelten (nämlich daß der dritte Bruder sie nicht als Levir
heiraten dürfe, wenn der zweite die Leviratsehe mit ihr vollzogen hatte u. dann starb).
Die Schrift sagt lehrend : Nicht soll das Weib des Verstorbenen auswärts eines fremden
Mannes werden. Wie macht er (der dritte Bruder) es? Entweder vollzieht sie die
^ Da der Schwager die L.ehe mit ihr noch nicht vollzogen hat, gilt sie noch als
Witwe ihres verstorbenen Mannes; durch das Ehe versprechen seitens des Schwagers
ist sie aber auch an diesen gebunden.
Matth 22, 24. 25. 28 887
Zeremonie des Schuhausziehens oder sie wird zur L.ehe genommen. — , Ein es 'fremden
Mannes." Wenn jemand seiner Schwägerin den Scheidebrief gibt, so macht er sie
untauglich (zur Ehe) für ihn selbst u. für die Brüder. Aber vielleicht möchte der
Scheidebrief sie freigeben (zur anderweitigen Ehe) u. man könnte die Schlußfolgerung
ziehen: Wenn die Zeremonie des Schuhausziehens, welche eine (Ehe-)Frau nicht frei-
gibt, die Schwägerin freigibt, sollte da der Scheidebrief, der eine (Ehe-)Frau freigibt,
nicht erst recht die Schwägerin freigeben? Die Schrift sagt lehrend: „Nicht soll das Weib
des Verstorbenen auswärts eines fremden Mannes werden", es sei denn auf Grund des
Vollzugs des Schuhausziehens. — Wer seiner Schwägerin das Eheversprechen gegeben
hat, der hat sie für sich selbst erworben, aber untauglich gemacht für die Brüder
(wenn er nämlich hinterher sein Wort nicht hält). Macht etwa das Eheversprechen die
L.ehe perfekt? Die Schrift sagt lehrend: „Ihr Schwager soll ihr beiwohnen", also die
Beiwohnung macht sie perfekt, nicht aber das Eheversprechen. — „Ihr Schwager soll
ihr beiwohnen", gleichviel ob er es versehentlich oder absichtlich, gezwungen oder
freiwillig tut, selbst wenn sie es versehentlich u. er absichtlich oder er es versehentlich
u. sie absichtlich tut. — ,Und er soll sie sich zum Weibe nehmen u. die Schwagerehe
mit ihr schließen" Dt 25, 5; er soll nehmen, u. zwar soll er sie nehmen; er soll die
Schwagerehe eingehen, u. zwar soll er sie mit ihr eingehen. Damit sind ausgeschlossen
(von der L.ehe) die Nebenfrauen aller wegen Blutschande verbotenen Frauen. Und so
bat man (J'^b 1, 1) gesagt: Fünfzehn Kategorieen von Frauen befreien (zugleich mit sich
selbst) ihre Nebenfrauen u. deren Nebenfrauen von der Zeremonie des Schuhausziehens
u. von der L:ehe bis ins unendliche, nämlich (wenn des Verstorbenen Frau ist des
Levirs) Tochter oder Tochtertochter oder Sohnestochter oder Tochter seiner Frau usw. —
„Und der Erstgeborene, den sie gebiert, soll auf den Namen seines verstorbenen
Bruders zu stehen kommen" Dt 25, 6; soll er etwa, wenn sein Name Jose (=; Joseph) ist,
Jose, oder wenn sein Name Jochanan ist, Jochanan heißen? Die Schrift sagt lehrend:
„auf den Namen seines Bruders", ganz allgemein (ohne Ausnahme). Warum wird ge-
sagt: „Der Erstgeborene"? Das will lehren, daß dem ältesten Bruder die Pflicht der
L.ehe obliegt.^ — nDen sie gebiert", das schließt (von der L.ehe) aus die Unfrucht-
bare u. die nicht mehr zum Gebären fähig ist. „Er soll zu stehen kommen auf den
Namen seines Bruders", u. nicht auf den Namen der Brüder des Vaters. — Seines
„verstorbenen" Bruders: weil dort (s. oben) gesagt ist: „die Frau (Witwe) eines u.
nicht die Frau von zweien wird zur L.ehe genommen" ; woher, daß, wenn der erste
Bruder starb, der zweite die L.ehe vollziehen soll, u. daß, wenn der zweite starb, der
dritte die L.ehe vollziehen soll? Die Schrift sagt lehrend: seines „verstorbenen"
Bruders. Mit dem Wort „verstorben" (weil es ganz allgemein, ohne nähere Zusatz-
bestimmung gesagt ist) erweitert die Schrift (den Kreis derer, die zur L.ehe verpflichtet
sind). „Nicht soll sein Name aus Israel ausgelöscht werden" Dt 25, 6; das schließt
den Verschnittenen aus; denn sein Name ist ausgelöscht (vgl. Dt 23, 2; mit der Witwe
eines Verschnittenen sollte also die Leviratsehe nicht vollzogen werden). — Ausführlich
handelt von der L.ehe der Traktat J'^bamoth.
22,25: Bei uns waren sieben Brüder.
pj^b 4, 6*>, 35 wird erzählt, wie einer von 13 Brüdern auf dem Wege
der Leviratsehe die 12 Witwen seiner verstorbenen 12 Brüder geehelicht
hat, s. die Stelle bei 1 Tim 3, 2 Anm. m.
22,28: Wessen Weib von den sieben wird sie sein?
Die Frage will den Auferstehungsglauben ins Lächerliche ziehen;
^ J^b 2, 8 heißt es genauer: Das Gebot, die Leviratsehe zu vollziehen, gilt dem Älte-
sten; wenn ihm aber ein jüngerer Bruder zuvorkam, so besitzt sie dieser (rechtsgültig).
888 Matth 22, 28
in dieser Hinsicht kann sie mit jener andren verglichen werden, die
einmal in Alexandria an R. J^hoschua? (um 90) in bezug auf die Auf-
erstandenen gerichtet worden ist.a Dagegen berechtigt nichts zu der
Annahme, daß auch die der Frage zugrunde liegende Vorstellung von
der Wiederaufnahme des ehelichen Lebens seitens der Auferstandenen
lediglich als eine Frucht sadduzäischen Spottes anzusehen sei. Im
Gegenteil, soweit man in der alten Synagoge an die Auferstehung der
Toten geglaubt hat — u. das ist sicherlich bei der großen Mehrzahl
des Volkes der Fall gewesen — , hat man es wohl für selbstverständlich
gehalten, daß das eheliche Leben bei den Auferstandenen genau so in
Geltung u. Übung sein werde wie vordem während des gegenwärtigen
Äons. Nur so erklärt sich die ohne Widerspruch gebliebene Annahme,
daß die Auferweckten Ezechiels (Ez 37, 1 ff.) nach ihrer Wiederbelebung
Söhne u, Töchter gezeugt hätten, b Ausdrückliche Zeugnisse für das
eheliche Leben der Auferstandenen in der zuk. Welt liegen allerdings
nicht vor; denn die wenigen Stellen, die von der Kindererzeugung in
der Zukunft handeln, sind nicht eindeutig; sie scheinen sich mehr auf
die Tage des Messias als auf die eigentliche zukünftige Welt nach
der Auferstehung zu beziehen, c Nur Eine Stelle ist uns aus der späteren
Zeit bekannt geworden, die den Geschlechtsverkehr in der Zukunft für
verboten erachtet ;d aber auch hier ist weniger an die Zeit nach der
Auferstehung als an die Tage des Messias gedacht. Namhafte Vertreter
des mittelalterlichen Judentums, zB Maimonides (1185 — 1204), haben
das geschlechtliche Leben der Auferstandenen für das Normale an-
gesehen, u. zwar mit der Begründung, daß die Organe des menschlichen
Leibes zur Benützung gegeben seien, e Sie haben damit nur die Ge-
danken ausgesprochen, von denen wir annehmen dürfen, daß sie auch
in der alten Zeit maßgebend gewesen sind. Nichts hat mit unsrer Frage
der Satz des Babyloniers Rab (f 247) zu schaffen, nach welchem es in der
zuk. Welt kein Essen u. Trinken u. keine Fortpflanzung gibt. Denn mit
der zuk. Welt ist hier die himmlische Welt der Seelen, also die Zeit vor
der Auferstehung gemeint; s. B^rakh 17 '» bei Mt 5, 8 S. 2 10 u. 22, 30 %.
a. Nidda 70^: (Die Leute von Alexandrien fragten den R. J°hoschuaf b. Chananja:)
Bedürfen die Toten (bei der Auferstehung) in der Zukunft der Besprengung (mit dem
Reinigungswasser) am 3. u. am 7. Tage (Nu 19, 12), oder bedürfen sie deren nicht? Er
antwortete: Wenn sie aufleben werden, werden wir es über sie wissen.
b. Sanh 92 b; R. Elifezer b. Jose Ha-g'^Iili (um 150) sagte: Die Toten, die Ezechiel
wiederbelebt hat, sind nach dem Lande Israel heraufgezogen u. haben Weiber genommen
u. Söhne u. Töchter gezeugt. Es trat R. J'^huda b. Bathyra auf seine Füße u. sprach:
Ich gehöre zu ihren Enkelkindern, u. dies sind die Gebetsriemen, die mir der Vater
meines Vaters von ihnen hinterlassen hat. j] Seder ElijR 5: „So spricht der Allherr Jahve:
Von den vier Winden komm heran, o Geist, u. blase diese Gemordeten an" (Ez 37, 9);
das lehrt, daß sie NebukadneQar, der König von Babel, getötet hatte. Und schließlich
wurden sie wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße u. vermehrten sich (pflanzten
sich fort). — Vgl. auch Pirqe REl 33: „Und als sie die Schar erblickten, warfen sie
den Mann in das Grab des Elisa. Da kam der Mann in Berührung mit den Gebeinen
Matth 22, 28. 29. 30 («) 889
des Elisa u. ward wieder lebendig" (2 Kg 13, 21), u. darnach erzeugte er den Cliananiäel
b. Schallum (s. Jer 32, 7. 9).
C. Midr Ps 73 §4(168''): R. Simon, der Fromme (um 210), hat gesagt: In dieser
Welt geht ein Mensch, um (am Sabbat) Feigen zu sammeln, u. der Feigenbaum sagt
nichts; aber in der Zukunft -Tvh geht ein Mensch, um eine Feige am Sabbat zu
pflücken, u. sie ruft ihm zu : Es ist Sabbat! In dieser Welt geht ein Mensch, um seiner
menstruierenden Frau beizuwohnen, u. sein Lager hindert ihn nicht daran; aber in der
Zukunft will ein Mensch gehn, während seine Frau eine Menstruierende ist, da ruft
ihm der Stein zu: Sie ist eine Menstruierende! — Ältere Ausgaben fügen als Beleg-
stelle hinzu Hab 2, 11: Der Stein aus der Wand wird schreien usw. || Midr Ps 146 §4
(268«): Was bedeutet: „Er erlaubt Verbotene" Psl46, 7? (so deutet der Midr: „Er
löst Gebundene"). Nichts ist mehr verboten als eine menstruierende Frau; denn eine
Frau, die Blut (an sich) wahrnimmt, hat Gott ihrem Manne verboten; aber in der Zu-
kunft s"a'^ Try- erlaubt er sie, „und auch die (Lügen-)Propheten u. den Geist der Un-
reinheit will ich aus dem Lande vergehen lassen" Sach 13,2, u. mit „Unreinheit" ist
nichts andres als die (Menstruations-)Absonderung gemeint, s. Lv 18, 19: „Einem Weibe
in der Absonderung ihrer Unreinheit sollst du nicht nahen." — Die Vorstellung geht
also dahin, daß in der Zukunft die Menstruation aufhören wird u. die Frau deshalb zu
jeder Zeit dem Mann erlaubt ist. |i Schab 30'': Rabban Gamliel (um 90) trug vor: Der-
einst wird die Frau jeden Tag gebären, s. Jer 31, 8: „Schwangere u. Gebärende zu-
gleich" (schwanger werden u. gebären fällt in eins zusammen). In dieser Hinsicht,
meint Rabban G., sei die Henne ein Analogen im gegenwärtigen Äon. — Vgl. Henoch
10, 17. — Was diese Zitate für die Zukunft in Aussicht stellen, geht allerdings über
die Ordnung des gegenwärtigen Weltlaufs hinaus; deshalb könnte man geneigt sein,
sie auf die zuk. Welt nach der Auferstehung zu beziehen. Gleichwohl glauben wir sie
auf die messiauische Periode deuten zu sollen, da deren Verhältnisse u. Zustände auch
sonst in überschwenglicher Weise idealisiert werden. Dazu kommt, daß wenigstens
die letzte Stelle (Schab 30'') schon von den rabbin. Gelehrten auf die Tage des Messias
bezogen worden ist, s. Kalla R4a bei Mt 22,30 51.
d. Midr Psl46 §4(268^): Einige sagen: Auch der Beischlaf ist in der Zukunft
verboten. Wisse, daß dem so ist. Denn an dem Tage, da sich Gott auf dem Berge
Sinai offenbarte, um Israel die Tora zu geben, verbot er den Beischlaf drei Tage lang,
s. Ex 19, 15: „Seid auf drei Tage bereit, nahet euch nicht dem Weibe" ; wenn er ihnen
aber da, als er sich ihnen Einen Tag offenbarte, den Beischlaf drei Tage lang verbot,
sollte es ihnen nicht dann in der Zukunft sia': -^'rvh verboten sein, wenn die Sch^'khina
(göttliche Gegenwart) unter ihnen (dauernd) weilt? — Da das Verweilen der Sch^khina
unter Israel sowohl in der messian. Zeit als auch in der zuk. Welt erwartet wurde,
so bleibt die Beziehung der Worte unsicher; da aber die Stelle sachlich mit den in
Anm. c aus Midr Ps 146 § 4 gebrachten Zitaten zus.gehört, verstehen wir sie wie diese
von den Tagen des Messias.
e. Die Belege s. bei Eisenmenger 2, 943 — 948.
22,29: Ihr versteht die Schriften nicht.
Vergleichen läßt sich die Wendung: Du verstehst (wohl die Schrift
nach ihrem Wortlaut) zu lesen, aber du verstehst sie nicht zu erklären,
zB pB^rakh 2, 4^, 2 bei Mt 22, 32 S. 892.
22,30 5t: Bei der Auferstehung freien sie nicht,
noch werden sie gefreit.
Diese Worte dürften den landläufigen Anschauungen zur Zeit Jesu
durchaus widersprochen haben; s. zu 22, 28. — Keine eigentlichen Par-
allelen zu Jesu Ausspruch bilden diejenigen ähnlichen Stellen, die sich
890 Matth 22, 30 (3t)
auf die himmlische Welt der Seelen, also auf die Zeit vor der Auf-
erstehung beziehen. Solche Stellen sind:
B^^rakh 17*'^: Ein Gewohnlieitsspruch f<;:.-'>; im Munde Rabs (f 247): In der zuk.
Welt (= Welt der Seelen) gibt es nicht Essen u. Trinken, nicht Zeugung u. Fort-
pflanzung, nicht Handel noch Wandel, nicht Neid noch Feindschaft noch Streit; sondern
die Gerechten sitzen da mit ihren Kronen auf ihren Häsptern u. laben sich an dem
Glanz der Sch'^khina, vgl. Ex 24, 11: ,Sie schauten Gott, u. (so) aßen u. tranken sie." —
Zur Deutung dieser Stelle auf den zwischenzeitlichen ?01am ha-ba, d. h. auf die Welt
der Seelen vgl. bei Mt 5, 8 S. 210, ferner Kalla Rabbathi (ed. Coronel, Wien 1864)
4* Bar: In der zuk. Welt sin a"^"y gibt es nicht Essen u. Trinken, nicht Zeugung u.
. Fortpflanzung; sondern die Gerechten sitzen da mit ihren Kronen auf ihren Häuptern
u. laben sich an dem Glanz der Sch^khina, s. Ex 24, 11 (wie oben). Man erwiderte:
(Es heißt K^'th 1 1 1 '' :) „Es wird Überfluß an Getreide im Lande sein, auf dem Gipfel
der Berge" Ps72, 16; dazu hat man gesagt: Nicht wie diese Welt ist die zuk. Welt
(hier = Tage des Messias): in dieser Welt gibt es Mühe beim Keltern u. beim Trauben-
lesen; in der zuk. Welt läßt Gott einen Wind aus seinen Vorratskammern ausgehn, der
weht über sie hin u. läßt sie zur Erde fallen; der Mensch geht auf das Feld, holt die
Fülle seiner Früchte (soviel er nötig hat); davon hat er seinen Unterhalt u. den Unter-
halt seiner Hausgenossen. — Wenn du also meinst, wie es in der Bar heißt (daß es
in der zuk. Welt kein Essen u. Trinken gebe), wozu brauchen sie dann Lebensunterhalt?
Ferner steht geschrieben Jer31,8: „Schwangere u. Gebärende zugleich", es wird die
Frau an jedem Tage gebären nach dem Schluß aus dem Leichteren auf das Schwerere
(von der Henne s. Schab 30'' bei Mt 22, 28 Anm. c. — Wie kann da also in der Bar
gesagt werden, in der zuk. Welt gebe es keine Zeugung u. Fortpflanzung?). Allein das,
was in der Bar gelehrt wird, bezieht sich auf die Zeit vor der Wiederbelebung der
Toten (also auf die himmlische Welt der Seelen), u. dort (K^h 111'^ u. Schab 30 b) be-
zieht sich das Gesagte auf die Tage des Messias. || Aboth RNl: Am siebenten Tag
(— Sabbat), was sangen die Leviten beim Tempelgottesdienst? „Ein Psalm, ein Lied
auf den Sabbattag" Ps 92, 1, d. h. auf den Tag, der ganz Sabbat ist; denn an ihm gibt
es kein Essen u. Trinken, auch nicht Handel u. Wandel, sondern die Gerechten sitzen
da mit ihren Kronen auf ihren Häuptern u. laben sich am Glanz der Sch^khina, s. Ex
24, 11: „Sie schauten Gott u. (auf diese Weise) aßen u. tranken sie", wie die Engel
des Dienstes. — Der Tag, der ganz Sabbat ist, bedeutet den Ruhetag der Seelen in
der himmlischen Welt zwischen Tod u. Auferstehung. || Jalqut 1 § 111 zu Gn 25, 31:
„Verkaufe mir jetzt ai-3 deine Erstgeburt." Man hat gesagt: Als Jakob u. Esau im
Leibe ihrer Mutter waren, sprach Jakob zu Esau: Mein Bruder, zwei Welten liegen vor
uns, diese Welt u. die zuk. Welt. In dieser Welt gibt es Essen u. Trinken, Handel u.
Wandel, Heiraten nrs v.v-h u. Kindererzeugen; aber in der zuk. Welt gibt es alle jene
Dinge nicht. Willst du, so nimm du diese Welt, u. ich werde die zuk. Welt nehmen,
wie es heißt: „Verkaufe mir jetzt av: deine Erstgeburt", nämlich wie an jenem Tage
(arn insa Deutung des a-i-a in Gn 25, 31), da sie im Leibe ihrer Mutter waren. Sofort
verleugnete Esau die Auferstehung der Toten, s. Gn25, 32: Da sagte Esau: Siehe, ich
gehe zum Tode (u. damit ist mein Leben für immer beendet). In jener Stunde nahm Esau
als seinen Teil diese Welt hin, u. Jakob nahm als seinen Teil die zuk. Welt hin (die im
Himmel beginnt als Welt der Seelen u. nach der Auferstehung offenbar wird als escha-
tologischer fOlam ha-ba). Und als Jakob aus dem Hause Labans kam, u. Esau seine
Söhne u. Töchter, Knechte u. Mägde sah, sprach dieser zu ihm: Jakob, mein Bruder, hast
du nicht so zu mir gesagt, daß du die zuk. Welt nehmen wolltest, während ich diese Welt
nehmen sollte? Woher hast du diese ganze Habe, deren du dich erfreuen kannst?
Esau dachte bei sich: Wenn ihm Gott diese Welt, die nicht sein Teil ist, als seinen
Lohn gegeben hat, wieviel mehr wird das dann von der zuk. Welt gelten, die sein Teil ist!
Sofort sprach Esau: Wenn du willst, so komm, so wollen wir eine Genossenschaft (ein
Kompagnongeschäft) bilden: nimm du die Hälfte dieser Welt u. die Hälfte der zuk. Welt.
Matth 22, 30 (SB) 891
22, 30 ^: Sie sind wie die Engel im Himmel.
Henocb 51,4: Alle (die Auferstandenen u. Gerechten in der messian. Zeit) werden
Engel im Himmel werden. — 104, 6: Ihr (die Gerechten) sollt Genossen der himm-
lischen Heerscharen werden. — Apok Bar 51,10: In den Höhen jener Welt werden sie
(die Gerechten nach der Auferstehung u. dem Gericht) wohnen u. den Engeln gleichen
u. den Sternen vergleichbar sein. Und sie werden verwandelt werden zu allen mög-
lichen Gestalten, die sie sich (nur) wünschen: von der Schönheit bis zur Pracht u. von
dem Lichte bis zum Glänze der Herrlichkeit. \\ P*"siqR 43 (179'^): (Hanna) gelobte ein Ge-
lübde u. sprach: Jahve der Heerscharen 1 Sm 1,11. Was heifät ,Jahve der Heerscharen"
((j3*^baoth) '? R. J'^huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Hanna sprach vor Gott: Herr der
Welt, es gibt ein Heer oben u. es gibt ein Heer unten. Die Angehörigen des oberen
Heeres essen u. trinken nicht, sie pflanzen sich nicht fort u. sterben nicht, sondern
leben in Ewigkeit. Und die Angehörigen des unteren Heeres essen u. trinken u. pflanzen
sich fort u. sterben. Ich aber weiß nicht, zu welchem Heer ich gehöre (da ich zwar
esse, aber doch nicht gebäre) usw. — Dasselbe kürzer im Namen Rabs, f 247, IVIidr
Sm 2 § 4 (24*^). || Chag 16''' Bar: Sechs Dinge werden von den Dämonen (Schedim) aus-
gesagt. In dreien gleichen sie den Dienstengeln: sie haben Flügel wie die D. u. fliegen
von einem Ende der Welt bis zum andren wie die D., u. sie wissen, was zukünftig
sein wird, wie die D. Meinst du wirklich: sie wissen es? Vielmehr sie hören es hinter
dem Vorhang hervor (der Gott verbirgt), wie die D. Und in dreien gleichen sie den
Menschenkindern: sie essen u. trinken wie die M., sie pflanzen sich fort wie die M.
u. sie sterben wie die M. — Sechs Dinge hat man von den Menschenkindern ausgesagt;
in dreien gleichen sie den Dienstengeln: sie haben Verstand wie die D., u. sie gehen
in aufrechter Haltung einher wie die D., u. sie sprechen in der heiligen Sprache wie
die D. In dreien gleichen sie den Tieren: sie essen u. trinken wie die Tiere, sie
pflanzen sich fort wie die Tiere u. sie sondern Exkremente aus wie die Tiere. Parallel-
stelle: Aboth RN 37. — Eine ähnliche Ausführung in GnR 8 Iß') u. 14 [10"). Vgl. auch
GnR 8 (6'^'): R. Taphrai hat im Namen des R. Acha (um 320) gesagt: Die Oberen
(Engel) sind im Bild u. in der Ähnlichkeit (Gottes) geschaffen worden u. sie pflanzen
sich nicht fort; die Unteren (Tierwelt) pflanzen sich fort, sind aber nicht im Bild u.
in der Ähnlichkeit geschaffen worden. Da sprach Gott (bei der Erschafl'ung des
Menschen): Siehe, ich will ihn im Bild u. in der Ähnlichkeit schaffen nach Art der
Oberen, u. er soll sich fortpflanzen nach Art der Unteren. R. Taphrai hat im Namen
des R. Acha gesagt: Gott sprach: Wenn ich ihn (nur) nach Art der Oberen schaffe,
so stirbt er nicht; wenn (nur) nach Art der Unteren, so stirbt er u. bleibt nicht am
Leben. Vielmehr' siehe, ich will ihn nach Art der Oberen u. nach Art der Unteren er-
schaffen: sündigt er, so muß er sterben, sündigt er nicht, so soll er leben. — Das-
selbe GnR 14 (10*=). IITanch cr.z-s 241'': R. Ji^chaq (um 300) hat gesagt: Es heißt
Nu 28, 2: „Meine Opfergabe, meine Speise zu meinen Feueropfern. " Wenn du sagen
wolltest, daß es vor mir Essen u. Trinken gebe, gibt es denn vor mir Essen u. Trinken?
Lerne es von den Dienstengeln Ps 104, 4: , Seine Diener flammendes Feuer." Wovon
nähren sie sich? R. Judau b. Ji^chaq (lies: R. Judan, um 350, im Namen des R. Ji9chaq)
hat gesagt: Vom Glänze der Sch%hina (Gottheit) nähren sie sich, s. SprlÖ, 15: Im
Licht des Angesichtes des Königs ist Leben(sunterhalt). R. Schimfon b. Laqisch (um
250) hat gesagt: Es heißt Nu 28, 6: „Das fortwährende Brandopfer, das auf dem Berg
Sinai hergerichtet wurde." Hat man denn ein Brandopfer auf dem Berg Sinai her-
gerichtet? Allein wenn du sagen wolltest, es gebe vor ihm (Gott) Essen u. Trinken,
so lerne es von unsrem Lehrer Mose. Wie heißt es von ihm? „Und er war dort bei
Jahve 40 Tage u. 40 Nächte, ohne Brot zu essen u. ohne Wasser zu trinken" Ex 34, 28.
Wenn es vor mir Essen u. Trinken gäbe, so würde er von dem gegessen u. getrunken
haben, wovon ich aß u. trank; u. wenn Mose, der in meiner Sendung (Auftrag) ging,
40 Tage u. 40 Nächte kein Brot gegessen u. kein Wasser getrunken hat, um wieviel mehr
gilt das dann von Gott! Parallelstellen: P^siqö?«; P-^siqR 16 (80^); NuR21 (192^).—
Zu dem Satz: Vor Gott gibt es kein Essen u. Trinken, s. schon SNu 28, 8 § 143 Ende.
892 Matth 22, 32 (Nr. 1)
22,32: Ich bin der Gott Abrahams. . . . Nicht ist er
ein Gott Toter, sondern Lebender.
1. Den Gedanken, daß Gott zu den Verstorbenen in einem nahen Ver-
hältnis stehe, diese also für ihn nicht tot sind, sondern leben, finden wir:
Tanch r-,^Vip SS'*: R. Schim?on b. Jochai (um 150) hat gesagt: Gott verbindet
seinen Namen (u. damit sich selbst) mit den Gerechten nicht während ihres Lebens,
sondern erst nach ihrem Tode, s. Psl6, 3: „Mit den Heiligen, die in der Erde sind"
(so der Midr). Wann sind sie „Heilige"? Wenn sie in der Erde begraben sind; denn
solange sie noch am Leben sind, verbindet Gott seinen Namen nicht mit ihnen darum,
daß Gott nicht das Vertrauen zu ihnen hat, daß sie der böse Trieb nicht verführt.
Wenn sie aber gestorben sind, verbindet Gott seinen Namen mit ihnen. Aber siehe,
wir finden doch, daß Gott seineu Namen mit Isaak, dem Gerechten, während seines
Lebens verbunden hat; denn so spracl> er zu Jakob: Ich bin Jahve, der Gott deines
Vaters Abraham u. der Gott Isaaks Gn 28, 13 (hier ist der Gottesname in Verbindung
mit Isaak, obwohl dieser damals noch am Leben war). R. B'^'rekhja (um 340) u. die
Rabbinen. Die Rabbinen sagten: Er (Gott) sah seine (Isaaks) Asche gleichsam zu-
sammengebracht auf dem Altar (d. h. weil Isaak als Opfer dargebracht worden war,
galt er vor Gott als ein Verstorbener). R. B^rekhja hat gesagt: Weil er auf seinen
Augen erblindet war, galt er als tot; denn er war in seinem Hause verborgen, u. der
böse Trieb hatte von ihm abgelassen. — Eine ähnliche Ausführung in Midr Ps 16 §2
((50''); hier der Schluß: R. Pin^chas (b. Chama, um 360) hat gesagt: Wenn die Väter
der Welt (die Patriarchen) gewollt hätten, daß ihre Wohnung oben (im Himmel) sein
sollte, so hätten sie es gekonnt; gleichwohl wurden sie erst Heilige genannt, nach-
dem sie gestorben waren u. der Felsblock (vor der Grabhöhle) verrammelt war. —
In diesen Zus.hang gehört auch pB'^rakh 2, 4^', 1 : (R. Chijja, der Ältere, um 200, hatte
dem R. Jonathan, um 220, wegen Hinwegschreitens über Grabhügel Vorhaltungen ge-
macht;) R.Jonathan 'erwiderte: Wissen sie (die Toten) denn etwas? Steht nicht also
geschrieben Qoh 9, 5: „Die Toten wissen von gar nichts"? Er sprach zu ihm: Zu lesen
(die Schrift) verstehst du, auszulegen verstehst du nicht. „Denn die Lebenden wissen,
daß sie sterben werden" Qoh 9, 5, damit sind die Gerechten gemeint, die auch in ihrem
Tode Lebende genannt werden. „Und die Toten wissen von gar nichts", damit sind
die Gottlosen gemeint, die auch während ihres Lebens Tote genannt werden. Woher,
daß die Gottlosen auch während ihres Lebens Tote genannt werden? s. Ezl8, 32:
Ich habe nicht Gefallen am Tode des Toten. Wie, stirbt denn der Tote? Allein da-
mit sind die Gottlosen gemeint, die auch während ihres Lebens Tote genannt werden.
Und woher, daß die Gerechten auch in ihrem Tode Lebende genannt werden? Siehe
Dt 34, 4: Jahve sprach zu ihm: „Dies ist das Land, das ich Abraham, Isaak u. Jakob zu-
geschworeu habe, sagend." Was will die Schrift lehrend sagen mit dem Wort „sagend"
(das an sich überflüssig ist u. deshalb etwas Besonderes enthält)? Gott sprach zu
Mose: Geh u. sage (dies enthält das -'na'') den Vätern (den genannten drei Patriarchen):
Alles, was ich (Gott) mit euch vereinbart habe, das habe ich euren Kindern nach euch
getan. (Daraus, daß Gott mit diesen Gerechten während ihres Todeszustandes also
verhandelt, folgt, daß sie Gotte als Lebende gelten.) Parallelstelle mit andrem Schrift-
beweis B<^rakh IS'*-''. || ExR 44 (100**): „Gedenke an Abraham" usw. Ex 32, 13. Warum
erwähnt hier Mose die drei Väter? R. Abin (I. um 325; II. um 370) hat gesagt: Gott
sprach zu Mose : Ich fordere von dir, wie ich von Sodom zehn gefordert habe ; stelle
mir von ihnen zehn Gerechte, so will ich sie (die Israeliten) nicht vertilgen. Er ant-
wortete: Herr der Welt, ich will sie dir stellen; siehe, ich, Ahron, Ehazar, Ithamar,
Pin^'chas, Josua u. Kaleb. Gott sprach zu ihm: Siehe, das sind sieben, wo sind die
drei (übrigen)? Mose wußte nicht, was er tun sollte. Dann sprach er zu ihm: Herr
der Welt, leben sie, die Toten? Er antwortete ihm: Ja! Er sprach: Wenn die Toten
leben, so gedenke an Abraham, an Isaak u. an Israel (— Jakob), siehe, so sind es zehn.
Darum hat er die drei Väter erwähnt.
Matth 22, 32 (Nr. 2) 893
2. Die rabbin. Gelehrten haben die Auferstehung der Toten begründet
teils durch einzelne Schriftworte, teils durch die alttest. Erzählungen von
bereits erfolgten Totenauferweckungen, teils durch Vernunftschlüsse.
A. Beweise aus einzelnen Schriftstellen.
Sanh 90^: Die Sadduzäer fragten den Rabban Gamligl (um 90): Woher läßt sich
beweisen, daß Gott die Toten wieder beleben wird? Er antwortete: Aus der Tora u.
aus den Propheten u. aus den Hagiographen. Sie aber nahmen es von ihm nicht an
(sprachen seiner Beweisführung die Beweiskraft ab). Aus der Tora, s. Dt 31, 16: ^Jahve
sprach zu Mose: Siehe, du legst dich nun zu deinen Vätern u. wirst auferstehn." ' Sie
erwiderten ihm: Aber vielleicht ist zu lesen: „Und dieses Volk wird aufstehen ^ u.
fremden Göttern nachhuren. " — Aus den Propheten, s. Jes26, 19: „Leben werden deine
Toten, meine Leichen werden auferstehn. Wachet auf u. jubelt, Bewohner des Staubes;
denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, u. die Erde wird die Schatten herausgeben."
(Man erwiderte:) Aber vielleicht handelt es sich (hier) um die Toten, die Ezechiel
wieder belebt hat (vgl. Ez 37, u. dann hat Jes 26 keine Beweiskraft in bezug auf die
Totenauferweckung am Ende der Tage). — Aus den Hagiographen, s. HL 7, 10: „Deine
Gaumen wie der beste Wein, der meinem Lieben glatt eingeht u. die Lippen der
Schlafenden (= Toten im Sinn des Midr) murmeln läßt." (Man erwiderte:) Aber
vielleicht bewegten sich ihre Lippen in gewöhnlicher Weise. Das entspricht der Meinung
des R. Jochanan (f 279) ; denn dieser hat im Namen des R. Schim?on b. J^hoQadaq (um 225)
gesagt : Wenn eine Halakha in eines Verstorbenen Namen in dieser Welt gesagt wird, so
bewegen sich seine Lippen im Grabe, wie es heißt: Er läßt die Lippen der Schlafenden
(= Toten) sich bewegen (murmeln). (Diese Auslegung nach R. Jochanan entspricht der
Meinung der Sadduzäer schwerlich ; sie werden bei ihrer Erwiderung wohl an Schlafende,
aber nicht an Tote gedacht haben.) Endlich nannte er ihnen diese Schriftstelle: „Das
Land, das Jahve euren Vätern geschworen hat, ihnen zu geben" Dt 11, 9 (vgl. 1, 8).
„Euch" zu geben, heißt es nicht, sondern „ihnen". (Da die Väter gestorben sind, ist_
ihr Auferstehn notwendig, wenn Gottes Zusage Wirklichkeit werden soll.) Von dieser
Stelle aus läßt sich die Auferstehung der Toten aus der Tora beweisen. Einige sagen:
Von folgender Schriftstelle aus hat er ihnen geantwortet: „Ihr aber, die ihr an Jahve
eurem Gott hinget, seid allesamt heute am Leben" Dt 4, 4. Die Worte sind doch selbst-
verständlich: Ihr seid allesamt „heute" am Leben; vielmehr wollen sie besagen: Selbst
an dem Tage, da alle Welt tot ist, werdet ihr am Leben sein; wie ihr alle heute am
Leben seid, so werdet ihr auch in der zuk. Welt (infolge der Auferstehung) alle am
Leben sein. — Die Römer fragten den R. J^oschua? b. Chananja (um 90): Woher läßt
sich beweisen, daß Gott die Toten wieder beleben wird, u. daß er weiß, was zukünftig
sein wird? Er antwortete ihnen: Beides folgt aus dieser Stelle: Jahve sprach zu Mose:
Siehe, du legst dich nieder zu deinen Vätern u. wirst auferstehn; dieses Volk aber wird
fremden Göttern nachhuren Dt 81, 16. Aber vielleicht ist zu lesen: Und dieses Volk
wird aufstehn u. fremden Göttern nachhuren (s. oben Z. 11). Er antwortete: Nehmt
wenigstens die Hälfte an, nämlich daß er weiß, was zukünftig sein wird. — Es ist
auch gesagt worden, R. Jochanan habe im Namen des R. Schim?on b. Jochai (um 150)
gesagt: Woher, daß Gott die Toten wieder beleben wird, u. daß er weiß, was zukünftig
sein wird? s. Dt 31, 16: Siehe, du legst dich nieder usw. — Bar: R. Eli?ezer b. R. Jose
(um 150) hat gesagt: Bei diesem Wort (nämlich Dt 11, 9: Das Land, das Jahve euren
Vätern geschworen hat, ihnen zu geben) habe ich die Bücher der Samaritaner Lügen
gestraft; denn sie behaupten, daß die Wiederbelebung der Toten sich nicht aus der
1 Nach R. Isi b. J'^huda, um 170, gehört Dt 31,16 zu den fünf Stellen der Tora, in
denen die Beziehung eines Wortes zum Vorhergehenden oder zum Nachfolgenden zweifel-
haft ist, s. M^kh Ex 17, 9 (61 b) u. Parallelen. Während nun R. Gamliel das Wort cpi zum
Vorhergehenden zieht u. so einön Beweis für die Auferstehung gewinnt, verbinden es
die Sadduzäer mit dem Nachfolgenden u. entkräften so die Beweisführung des R. G.
894 Matth 22, 32 (Nr. 2)
Tora beweisen lasse. ^ Ich habe ihnen geantwortet: Ihr habt eure Tora gefälscht,'^ ohne
dadurch irgendeine Stütze für eure Behauptung zu gewinnen, daß die Wiederbelebung
der Toten sich nicht aus der Tpra beweisen lasse; siehe, es heißt ja Nu 15,31 : „Aus-
gerottet, ja ausgerottet soll diese Seele werden, ihre Sünde ist an ihr." „Ausgerottet,
ja ausgerottet soll sie werden", nämlich in dieser Welt (durch frühzeitigen Tod); „ihre
Sünde ist an ihr", wann denn? nicht in der zuk. Welt (bei der Auferstehung)? — In
SNulö,31§112 EndeR.Schinuon b.Elfazar, um 190, Autor. 11 GnR20(14a): „Erde bist
du u. zu Erde sollst du wiederkehren" Gn 3, 19. R. Schim?on b. Jochai (um 150) hat ge-
sagt: Von hier ist ein Hinweis auf die Wiederbelebung der Toten aus der Tora zu ent-
nehmen. „Erde bist du u. zur Erde sollst du gehn" itp, heißt es nicht, sondern „du
sollst wiederkehren" z-wr. (Der lebende Mensch ist Erde; soll er zu solcher Erde
zurückkehren, so muß er aufs neue belebt werden.) jl Sanh 91 *> Bar: „Ich töte u. ich
mache lebendig" Dt 32, 39; etwa so, daß der Tod sich bei dem einen u. das Leben bei
einem andren findet, wie es in der Welt zu sein pflegt? Die Schrift sagt lehrend: „Ich
habe zerschlagen u. ich werde heilen" Dt 32, 39: wie das Zerschlagen u. das Heilen bei
einunddemselben stattfindet, so auch das Töten u. Beleben bei einunddemselben. Von
hier aus hat man eine Antwort für die, welche sagen, die Wiederbelebung der Toten
sei nicht aus der Tora (erweisbar). Bar: R. Mei'r (um 150) hat gesagt: Woher ist die
Wiederbelebung der Toten aus der Tora zu erweisen? s. Exl5, 1: „Da wird Mose u.
die Kinder Israel Jahve dieses Lied singen." Es heißt nicht: „er sang" ^r, sondern
„er wird singen" "i'^r-. Von hier aus hat man einen Beweis für die Wiederbelebung
der Toten aus der Tora. Ebenso Jos 8, 30: „Da wird Josua Jahve, dem Gott Israels,
einen Altar bauen." Es heißt nicht: „er hat gebaut", sondern „er wird bauen" ria-.
Von hier aus hat man einen Beweis für- die Wiederbelebung der Toten aus der Tora
(Tora hier im weitern Sinn = heilige Schrift). . . . R. J*-'hoschuaF b. Levi (um 250) hat ge-
sagt: Woher läßt sich die Wiederbelebung der Toten aus der Tora beweisen? s. Ps84, 5:
„Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; noch werden sie dich preisen. Sela." Es
heißt nicht: „sie haben dich gepriesen", sondern „sie werden dich preisen". Von hier
■ aus hat man einen Beweis für die Wiederbelebung der Toten aus der Tora {— Schrift).
R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279) habe gesagt: Woher läßt
sich die Wiederbelebung der Toten aus der Tora erweisen? s. Jes 52, 8: „Horch, deine
Späher, sie erheben ihre Stimme allesamt, sie werden jauchzen." Es heißt nicht: „sie
jauchzten", sondern „sie werden jauchzen". Von hier aus hat man einen Beweis für
die Wiederbelebung der Toten aus der Tora (= Schrift). — Die 1. Bar auch P''s68'*. |1
Sanh 90b: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Woher läßt sich die Wiederbelebung der
Toten aus der Tora beweisen? s. Nu 18, 28: „Gebt davon die Hebe für Jahve an den
Priester Ahron." Wie, lebt denn Ahron in Ewigkeit — er ist ja nicht einmal in das
Land Israel hineingekommen — , daß sie ihm die Hebe geben sollen? Allein es will
lehren, daß er dereinst leben u. Israel ihm die Hebe geben wird. Von hier aus hat
man einen Beweis für die Wiederbelebung der Toten aus der Tora. || Sanh 92^: Raba
(t 352) hat gesagt: Woher läßt sich die Wiederbelebung der Toten aus der Tora be-
weisen? s. Dt 33, 6: „Es lebe Rüben u. sterbe nicht." „Es lebe Ruhen" in dieser Welt
,u. sterbe nicht" in der zuk. Welt. — Rabina (wohl der I., f um 420) hat gesagt: Von
hier aus: „Und viele, die im Erdenstaub schlafen, werden erwachen, die einen zum
ewigen Leben, die andren zur Schmach u. ewigen Verdammnis" Dn 12, 2. Rah Aschi
(t 427) hat gesagt: Von hier aus: Du aber geh zum Ende; ruhe u. steh auf zu deinem
Lose am Ende der Tage Dn 12, 13. |i Sanh 90^ Bar: R. Simai (um 210) sagte: Woher
' Diese Behauptung zu stützen, hatten sie das Wort „ihnen" Dt 11,9 gestrichen;
ebenso hat es der samaritanische Targum Dt 1, 8 u. 11,9 getilgt.
2 Von einer andren Fälschung berichtet R. El?azar b. Schimfon, um 180: Ich habe
zu den Schriftgelehrten der Samaritaner gesagt: Ihr habt eure Tora gefälscht, ohne euch
dadurch zu nützen; denn ihr habt in eurer Tora geschrieben Dt 11, 30: Nahe bei den
Eichen von More, Sikhem. (Auch der samaritanische Targum liest den Zusatz: „gegen-
über von Sikhem".) Ist es denn nicht bekannt, daß dies Sikhem ist? pSota 7, 21 ^ 29.
Matth 22, 32 (Nr. 2) 895
läßt sich die Wiederbelebung der Toten aus der Tora beweisen? s. Ex 6, 4: ,Auch habe
ich meinen Bund mit ihnen errichtet, ihnen das Land Kana?an zu geben." Es heißt
nicht ,euch", sondern „ihnen". — Vgl. SDt32, 2 § 306 (132«): So hat R. Simai gesagt:
Es gibt keinen Abschnitt (in der Schrift), in welchem nicht die Wiederbelebung der
Toten angedeutet wäre; nur daß wir nicht die Kraft besitzen, sie (in diesem Sinn) zu
deuten. Denn es heißt Ps 50,4: „Er ruft zum Himmel empor droben u. zur Erde, um
sein Volk zurichten." ,Er ruft zum Himmel empor droben", das bezieht sich auf die
Seele, „u. zur Erde, um sein Volk zu richten", d. h. den, mit dem er rechten will (nämlich
den Körper nach der Auferstehung; der Midr deutet i'jv „sein Volk" = -•sy „mit ihm").^
Und woher, daß die Stelle (Dt32, 1) nur von der Wiederbelebung der Toten spricht?
Weil es Ez 37, 9 heißt: Von den vier Winden komme heran, o Geist, u. blase diese
Gemordeten an usw.
B. Die früheren Totenauferweckungen verbürgen die Auferstehung
in der zukünftigen Welt.
TanchB sr: §30 (21*): Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Wenn die Sektierer zu
dir sagen, daß Gott die Toten nicht wiederbeleben wird, so antworte ihnen: Siehe,
Elias bezeugt es, durch den er einen Toten wiederbelebt hat. — Parallelstellen:
' Tanch s^-: 201«; NuR 14 (172*^); Aggad. B'resch. 52 Anfang R. B^'rekhja, um 340, als
Autor. II P'^siq 76«: R. Acha (um 320) hat im Namen des R. Eli?ezer b. Chalaphta (wann?)
gesagt: Alles, was Gott dereinst tun u. erneuern wird in seiner Welt in der Zukunft,
das hat er zum Teil schon vorher getan in dieser Welt durch seine gerechten Propheten.
In welcher Weise? Gott hat gesagt: Ich werde die Toten wiederbeleben; längst aber
hat er also getan durch Elias u. Elisa u. Ezechiel Parallelstellen LvR 27 (125^); Midr
Qoh 3, 15 (20^); in Tanch m>:s Mi^' u. TanchB -^-.■a» § 12 (46«) R. Sch^muel b. Nachman,
um 260, Autor; in GnR 77 (49 "} R. J'^'huda b. Simon, um 320, Autor. || P^'siqR Zusätze 1(192'*):
„Was sein wird, war schon längst" Qoh 3, 15. Gott sagt: Ich habe gesagt, daß ich die
Toten in der Zukunft wiederbeleben werde, u. die in die Welt kommen, fragen ver-
wundert: Sollte er sie wohl wiederbeleben können? Gott antwortet ihnen: Was wundert
ihr euch darüber, daß ich die Toten wiederbeleben will? Habe ich nicht längst Tote in
dieser Welt wiederbelebt durch Elias u. Elisa u. Ezechiel? Was sein wird, war schon längst
in dieser Welt. — Nach P«siq 76« geht dieser Ausspruch zurück auf R. J'^huda, um 150.
C. Vernunftschlüsse.
Sanh91«: Ein Sektierer sagte zuG'^biha b.P'^sisa:^ AVehe euch, ihr Schuldbeladenen,
die ihr sagt: Die Toten werden wieder aufleben! Wenn die Lebenden sterben müssen,
sollten die Toten wieder aufleben können? Er erwiderte: Wehe euch, ilu- Schuld-
beladenen, die ihr sagt: Die Toten werden nicht wieder aufleben! Wenn die, die nicht
waren, leben, dann sollten die, die waren, nicht wieder aufleben? Der Sektierer sprach:
Einen Schuldbeladenen nennst du mich? Wenn ich aufstehe, gebe ich dir einen Fuß-
tritt u. mache dir deinen Höcker ^ gerade! Dieser antwortete: Wenn du das tun wirst,
dann wirst du ein geschickter Arzt genannt werden u. großen Lohn empfangen. |
Sanh90'*: Der Kaiser (Hadrian) sagte zu Rabban Gamliel (IL, um 90): Ihr sagt, daß
die Entschlafenen wieder aufleben werden; sie sind doch zu Staub geworden, u. kann
Staub wieder aufleben? Da sprach Gamliels Tochter zu ihrem Vater: Laß ihn, ich
werde ihm antworten! In unsrer Stadt, sprach sie, gibt es zwei Töpfer; der eine bildet
(die Gefäße) aus Wasser u. der andre aus Lehm. Welcher von ihnen verdient das
größere Lob? Der Kaiser antwortete: Der, welcher aus Wasser bildet. Sie sprach:
Wenn er (Gott) aus Wasser (dem menschlichen Samentropfen) einen Menschen schafft,
um wieviel mehr kann er es aus Lehm (dem Grabesstaub)! || GnR 14 (10^): Einem
* Diese Deutung von Ps 50, 4 vertritt auch Rabbi dem Antoninus gegenüber
Sanh 91a. b^ s. den Exkurs: Allgemeine Auferstehung der Toten? Nr. 4, E.
- Nach Sanh 91« ein Zeitgenosse Alexanders d. Gr.?!
3 KT,"-: = s>"-=5, der Name des Mannes, bedeutet: „der Bucklige",
896 Matth 22, 32 (Nr. 2)
Mann in Sepphoris war sein Sohn gestorben; nach einigen saß ein Sektierer bei
ihm. R. Jose b. Chalaphta (um 150) ging zu ihm, um ihn zu begrüßen. Als man den
R. Jose lachend dasitzen sah, fragte man ihn: Warum lachst du? Er erwiderte: Wir
haben das Vertrauen zu dem Herrn des Himmels, daß du sein (des verstorbenen Sohnes)
Angesicht wiedersehen wirst in der zuk. Welt. Jener Sektierer sprach zu ihm: Hat
dieser Mann denn nicht genug an seinem Schmerz, daß du kommst, ihn noch mehr
zu quälen? Kann man Scherben wieder zusammenleimen? Heißt es nicht (Ps2, 9):
Wie ein Töpfergefäß sollst du sie zerschmeißen? R. Jose antwortete: Ein irdenes Gefäß
empfängt seine Bildung durch Wasser u. man macht es fertig im Feuer; ein Glasgefäß
empfängt seine Bildung durch Feuer u. man macht es fertig im Feuer. Wenn nun jenes
zerbrochen wird, gibt es etwa für dasselbe eine Wiederherstellung? Wenn aber dieses
zerbrochen wird, gibt es etwa für dasselbe keine Wiederherstellung? Jener erwiderte :
Allerdings, u. zwar weil das letztere durch Blasen gebildet wurde. R. Jose sprach:
Mögen deine Ohren hören, was dein Mund spricht! Wenn es für das, was durch das
Blasen eines Menschen gebildet wurde, eine Wiederherstellung gibt, um wieviel mehr
wird es eine solche geben für das, was durch das Einblasen seitens Gottes (s. Gn 2, 7)
gebildet war. — Dasselbe MidrPs 2 §11 (15 '*).'[[ Sanh91 "^: In der Schule desR. Jischma?el
(t um 135) hat man eine Schlußfolgerung vom Leichteren auf das Schwerere von Glas-
gefäßen aus gelehrt: Wenn es für Glasgefäße, deren Herstellung durch den Odem (das
Blasen) eines Menschen erfolgt, falls sie zerbrochen werden, eine Wiederherstellung
gibt, um wieviel mehr gilt das dann vom Menschen, der durch den Odem Gottes ent-
steht! II SanhQH: Ein Sektierer sagte zu R. Ammi (um 300): Ihr sagt, daß die Ent-
schlafenen wieder lebendig werden. Sie sind doch zu Staub geworden, u. kann Staub
wieder aufleben? Er antwortete: Ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit läßt sich
die Sache vergleichen? Mit einem König von Fleisch u. Blut, der seinen Dienern befahl:
Geht u. baut mir einen großen Palast an einer Stelle, an welcher weder Wasser noch
Erde (als Baumaterial) vorhanden ist. Sie gingen hin u. bauten ihn; aber nach einigen
Tagen fiel er wieder ein. Er- sprach zu ihnen: Baut ihn noch einmal an einer Stelle
auf, an welcher Erde u. Wasser ist. Sie antworteten: Wir können es nicht. Da ward
er zornig auf sie u. sprach: An einer Stelle, an der es keine Erde u. kein Wasser gab,
habt ihr gebaut, um wieviel mehr müßt ihr es jetzt vermögen an einer Stelle, an der
es Wasser u. Erde gibt! (Die Folgerung aus dem Gleichnis fehlt: wenn Gott den
Menschen aus nichts entstehen ließ, um wieviel mehr wird er ihn neu erstehn lassen
aus dem Staub der Verwesung.) Und wenn du es nicht glaubst (sprach R. Ammi zu
dem Sektierer), so geh hinaus in das Tal u. betrachte die Maus, die heute zur Hälfte
Fleisch u. zur Hälfte Erde ist, morgen aber regt sie sich u. ist ganz Fleisch geworden.^
Wolltest du aber sagen, daß das erst nach langer Zeit geschehe, so steige auf einen
Berg u. sieh, wie heute dort nur Eine Schnecke ist, morgen aber, wenn der Regen
niedergegangen ist, ist er ganz voll Schnecken. || Midr Qoh 5, 10 (27 ^) : Ein Samaritaner
fragte den R. Meir (um 150): Werden die Toten wieder aufleben? Er antwortete: Ja!
Werden sie im verborgenen oder frei öffentlich auf erstehn? R. Meir sprach: Frei öffent-
lich. Woher kannst du mir das beweisen? R. Me'ir sprach : Nicht aus der Schrift, auch
nicht aus der mündlichen Lehre, sondern aus einem Vorgang des gewöhnlichen Lebens
will ich dir antworten. In unserer Stadt lebte ein vertrauenswürdiger Mann; alle Welt
legte im verborgenen bei ihm Wertgegenstände zur Verwahrung nieder, u. er gab sie
ihnen frei öffentlich wieder zurück. Da kam einer u. legte etwas öffentlich bei ihm
nieder; wie wird er es diesem zurückgeben? Doch wohl öffentlich? Ganz gewiß (ant-
wortete der Samaritaner). R. Me'ir sprach: Sollten deine Ohren nicht hören, was dein
Mund spricht? Die Männer legen bei ihren Frauen einen weißen (Samen-)Tropfen zur
Aufbewahrung nieder, u. Gott gibt ihnen diesen Tropfen in Gestalt eines schönen voll-
kommenen Geschöpfs öffentlich zurück. Sollte der Tote, der öffentlich dahingeht, nicht
vielmehr öffentlich wiederkommen? Wie er mit lauten Stimmen (der Klage) dahingeht,
' Über dieses Tier s. Lewysohn, Zoologie d. Talmuds, §494.
Matth 22, 32 (Nr. 2). 22, 34 (51) 897
so wild er auch mit lauten Stimmen (der Freude) wiederkommen (bei der Auferstehung). ||
Sanh92a: R. T^bi (Tabai?) hat gesagt, R. Joscbijja (IL, um 280) habe gesagt: Was
bedeutet Spr 30, 16: „Die Sch*='olu. die Verschlossenheit des Mutterleibes, die Erde, welche
des Wassers nicht satt wird"? Was hat die Sch'^ol inhaltlich neben dem Mutterschoß
zu schaffen? Um dir zu sagen: Wie der Mutterschoß aufnimmt u. herausgibt, so nimmt
auch die Sch^ol auf u. gibt wieder heraus. Gilt da nicht der Schluß vom Leichteren
auf das Schwerere? Wenn der Mutterschoß, der im verborgenen aufnimmt, von sich
gibt unter lauten Stimmen (voll Freude u. Schmerz), ist es da nicht in der Ordnung,
daß die Sch'^ol, die aufnimmt unter Stimmen (der Klage) wieder herausgibt unter lauten
Stimmen (der Freude?)' Von hier hat man eine Antwort für die, welche sagen, die
Wiederbelebung der Toten lasse sich nicht aus der Tora beweisen. — Dasselbe B'^rakh 15'^;
in Midr Qoh 3, 2 ( 1 6 «) u. 5, 10 (27 '^) R. Jonathan aus Beth-Gubrin, um 270, Autor, jj Sanh 90 ^ :
Die Königin Kleopatra (lies mit Bacher, Tann 2, 68: „Der Patriarch der Samaritaner")
fragte den R. Meir (um 150): Ich weiß, daß die Entschlafenen wieder aufleben werden,
wie es heißt Ps 72, 16: Sie werden hervorblühen aus der Stadt wie das Gras der Erde.
Aber wenn sie auferstehn, werden sie nackt auferstehn oder in ihren Kleidern? Er
antwortete: Hier ist vom Weizenkorn aus die Schlußfolgerung vom Geringeren auf das
Wichtigere zu ziehen: wenn das Weizenkorn, das nackt in die Erde kommt, in wer
weiß wie vielen Umkleidungen wieder hervorwächst, um wieviel mehr gilt dann von
den Gerecliten, die in ihren Gewändern begraben werden, daß sie auch in ihren Ge-
wändern wieder auferstehn werden. — Dasselbe Midr Qoh 5, 10 (27lj); in K^thlll'j
wird diese Schlußfolgerung dem R. Chijja b. Joseph, um 260, beigelegt. — Rabbi be-
weist das Auferstehn^in Kleidern aus Hi 38, 14, s. pK^th 12, 35«, 1 1 ; pKil 0, 32 b, 3; vgl.
Midr Qoh 5, 10 (27b). || Midr Ps 25 §2 (105b): R. Alexandrai (um 270) hat gesagt: Bei
Fleisch u. Blut legt man Neues zur Verwahrung nieder, u. wenn es einige Zeit bei ihm
gelegen hat u. er es zurückgibt, so ist es abgenützt u. alt geworden. Aber wenn man
bei Gott Abgenütztes u. Verbrauchtes zur Verwahrung niederlegt, so gibt er es neu
zurück. Das kannst du an Folgendem erkennen. Siehe, wenn ein Arbeiter den ganzen
Tag hindurch Arbeit verrichtet hat, so ist seine Seele müde in ihm u. abgenützt; u.
wenn er dann schläft, so ist er abgemüht u. gibt seine Seele hin, u. sie wird in die
Hand Gottes zur Verwahrung gelegt. Am Morgen aber kehrt sie als ein neues Geschöpf
in seinen Leib zurück, wie es heißt KL 3, 23: „Die alle Morgen erneuten (Seelen) —
groß ist deine Treue." R. Schimfon (?) sagte im Namen des R. Simon (um 280): Daraus,
daß du uns des Morgens erneuerst, glauben u. erkennen wir, daß du uns unsre Seelen
wiedergeben wirst bei der Wiederbelebung der Toten. — Kürzer in GnR78(49'^) u.
Midr KL 3,23 (71b). || MidrPs 19 § 1 (81 1^): R. Abbahu (um 300) hat gesagt: Zweierlei
leugnen die Völker der Welt nicht; sie geben zu, daß Gott die Welt in sechs Tagen
geschaffen hat, u. daß er die Toten wiederbeleben wird. Inwiefern? Wenn einer hin-
geht u. einen Totengeist oder einen Wahrsagegeist oder einen Toten durch Zauberei
heraufbeschwört, so mag es ihm alle Tage der Woche gelingen, ihn heraufzubeschwören,
aber am Sabbat- gelingt es ihm nicht, ihn heraufzubeschwören. Das Vieh aber läßt
sich auch an einem Wochentag nicht heraufbeschwören (wörtlich: steigt nicht herauf),
weil es in der Zukunft nicht wiederbelebt wird. (Die Seele des Tieres dauert nach dem
Tode nicht fort; deshalb kann sie nicht heraufbeschworen werden; umgekehrt bezeugt
das Heraufbeschwören einer Menschenseele deren Fortdauer nach dem Tode u. damit
die dereinstige Wiederbelebung der Toten.)
22,34 31: Daß er den Sadduzäern den Mund gestopft habe.
(fi[i6o) = cor. Dt 25, 4: cbnr xb, LXX: ov (fiimasiq ßovv aXocorza
-du sollst dem dreschenden Ochsen nicht das Maul verbinden*. —
^ Raschi denkt bei den lauten Stimmen an die große Posaune des Gerichtstages.
- Diese Auszeichnung des Sabbats rührt davon her, daß Gott an ihm nach dem
sechstägigen Schöpfungswerk geruht hat, vgl. Sanh 65 b; GnRH (8 b).
Strack u.Billerbeck, NTI. 57
898 Matth 22, 34 (31. 33). 22, 35
Im übertragenen Sinn: jemand den Mund stopfen = ihn zum Schweigen
bringen.
Sota 85^ sagt Kaleb: Wenn ich rede, so werden (die murrenden Israeliten) auch
gegen mich etwas sagen u. mir den Mund stopfen '^ 7>2Cn. || Sanh 82 1>: Wie sagt man
(zu den Zeugen in Geldprozessen, um die Wahrheit ihrer Aussagen zu prüfen)? Rab
J'^huda (t 299) hat gesagt: So sagt man zu ihnen: Wer sagt denn, daß es so ist, wie
ihr gesagt habt? fUlla (um 280) erwiderte: Siehe, da binden wir ihnen ja den Mund
zu •-'■; -jz-oD-! (Durch Anzweifelung ihrer Aussagen bringen wir sie dahin, daß sie
überhaupt kein Zeugnis ablegen.) Binde man ihnen nur den Mund zu '»acr:--:"! Heißt
es denn nicht in einer Bar: R. Schimfon b. El?azar (um 190j sagte: Man läßt die Zeugen
von Ort zu Ort gehn, damit ihr Sinn (falls sie unrichtige Aussagen gemacht haben)
verwirrt werde u. sie ihre Aussagen zurücknehmen?
22,34^: Sie traten zusammen.
avvrjxOrjaav im to aviö. So haben die LXX "ri^ s-iöi'd Ps2,2 wieder-
gegeben; Targ Ps2, 2: x'^ns ■ii^snn': = sie gesellten sich zusammen.
22,35: Ein Rechtskundiger (Schriftgelehrter), roixixog.
Gewöhnlich heißen die Schriftgelehrten im NT yQu^pLatsTc^ im
Rabbinischen c'-Eio oder D-ipzn; s. bei Mt 2, 4 S. 79. Wenn nun, ab-
gesehen von Mt 22, 35, besonders Lk (7, 30; 10,25; 11,45.46.52; 14,3)
die Schriftgelehrten als voi^iiy.oi bezeichnet, so wäre es an sich möglich,
daß er dabei eine bestimmte Kategorie von Schriftgelehrten im Auge
gehabt hätte. In der späteren Profan gräzität war ja ro/^iixog geradezu
zum terminus technicus für „Jurist" geworden (s. Schürer* 2, 374); so
könnte auch Lk, dem sonst ygai^ifiarsig durchaus geläufig ist (s. 5,21;
6, 7; 9, 22; 11, 53; 15, 2; Apg 4, 5; 6, 12; 23, 9 u. ö.), durch rontxdg
haben andeuten wollen, daß in den betreffenden Fällen diejenigen
gemeint seien, deren Spezialfach die Gesetzeskunde, das Recht war:
die „Halakhisten". Je nach den Spezialfächern Schrift-, Mischna-,'^
Halakha-, Haggada-kundige usw. zu unterscheiden war den Rabbinen
nicht fremd, a Wahrscheinlich aber hat Lukas durch den Ausdruck rofiixög
seinen nichtjüdischen Lesern lediglich klarmachen wollen, daß sie bei den
jüdischen Schriftgelehrten stets an Gesetzeskundige u. Gesetzesausleger
zu denken hätten; einen bestimmten Unterschied aber zwischen yoain-
liartTc u. vofuxoi zu machen hat ihm wohl fern gelegen. Dazu kommt,
daß voi-uxog im NT geradezu als Standesbezeichnung erscheint (vgl.
auch Tit3, 13); das war angängig, wenn es nur ein andrer Ausdruck
für YQ- war. Auch beweist Aggadath B'^reschith 36, daß man vofnxog
im allgemeinen Sinn =^ „Schriftgelehrter" gefaßt hat.b
a. Sanh 101'^ Bar: Wer einen Vers des Hohenliedes zitiert u. ibn zu einer Art
Gesang macht oder wer einen (Bibel-)Vers bei einem Gastmahl zur Unzeit (bei un-
passender Gelegenheit) zitiert, der bringt Unheil in die Welt. Denn die Tora umgürtet
sich mit einem Sack (Trauergewand) u. tritt hin vor Gott u. spricht zu ihm: Herr der
Welt, deine Kinder haben mich einer Zither gleichgemacht, auf der die Heiden spielen!
Gott antwortet: Meine Tochter, wenn sie essen u. trinken, womit sollen sie sich be-
schäftigen? Sie antwortet: Herr der Welt, wenn sie Kenner der Schrift s';-'^ """.?, so
mögen sie sich mit der Tora (^ Pentateuch), den Propheten u. den Hagiographen be-
Matth 22, 35 899
schäftigen; wenn sie Kenner der Mischua r:r-; -'^-Jz (Kenner des traditionellen Lehr-
stoifes) sind, so mögen sie sich mit Midrasch ^ (Auslegung der Schrift, hier speziell ihrer
gesetzlichen Teile), den Halakhoth (den einzelnen Gesetzesbestimmungen, wie sie von
den Schriftgelehrten für die Praxis festgesetzt sind) u. den Haggadoth (den Schrift-
auslegungen nichthalakhischen Inhalts) beschäftigen; u. wenn sie Kenner des Talmuds
rT^Vr ^hi-2 (der dialektischen Begründung u. Erörterung der Halakhoth) sind, so mögen
sie sich am Passahfest mit den das F. betreffenden Halakhoth u. am Pfingstfest mit
den das Pf. betreffenden Halakhoth u. am Laubhüttenfest mit den das L. betreffenden
Halakhoth beschäftigen. || LvR36(133''): Wie es am Weinstock Weintrauben u. Rosinen
gibt, so gibt es unter den Israeliten Kenner der Schrift, Kenner der Mischna, Kenner
des Talmuds u. Kenner der Haggada. i| BM 33^: R. J^huda b. El?ai (um 150) hat öffent-
lich vorgetragen: Was bedeutet: , Höret das Wort Jahves, die ihr euch fürcmet in
betreff seines Wortes" Jes 66, 5? Damit sind die Gelehrtenschüler gemeint (die in sämt-
lichen Disziplinen des Torastudiums bewandert sind); „gesagt haben eure Brüder", das
sind die Kenner der Schrift; „eure Hasser", das sind die Kenner (nur) der Mischna;,
„die euch verstoßen haben", das sind die gesetzesunkundigen Leute. . . . il Chag 14»:
Es heißt Jes 3, 1 : .Tahve wird . . . wegnehmen „Stab", das sind die Kenner der Schrift;
„Stütze", das sind die Kenner der Mischna . . .; „jeglichen Stab des Brotes", das sind
die Kenner des Talmuds . . .; „u. jeglichen Stab des Wassers", das sind die Kenner
der Haggada . . .; „den Helden", das ist der Kenner der Traditionen, il ?Er2lb: (Raba,
t 352. hat öffentlich vorgetragen: Was bedeutet:) „Laß uns früh aufbrechen zu den
Weinbergen" HL 7, 13? Damit sind die Synagogen u. Lehrhäuser gemeint; „schauen,
ob die Rebe aufsproßte", die Kenner der Schrift; „aufgegangen sei die Blüte", die
Kenner der Mischna; „zur Blüte die Granaten kamen", die Kenner der G^'mara. 1| LvR 'S
(106"=): R. JiQchaq (um 300) eröffnete seinen Vortrag mitQoh4, 6: „Besser eine Hand
voll Ruhe, als beide Fäuste voll Mühe u. windigen Strebens." Besser ist der daran, der
zwei Mischnaordnungen lernt u. in ihnen bewandert ist, als der, welcher Halakhoth
lernt u. in ihnen nicht bewandert ist; nur windiges Streben ist sein Begehr, ein
Halakhakundiger -ph^r. -3 genannt zu werden. Besser ist der daran, der Halakhoth lernt
u. in ihnen bewandert ist, als der, welcher Halakhoth u. die Normen der halakhischen
Schriftauslegung lernt u. in ihnen nicht bewandert ist; nur windiges Streben ist sein
Begehr, Kenner der Normen •sV-r'a -3 genannt zu werden. Besser ist der daran, der
Halakhoth u. die Normen der hal. Schriftauslegung lernt u. in ihnen bewandert ist, als
derjenige, der Halakhoth u. die Normen der hal. Schriftauslegung u. Talmud lernt u. in
ihnen nicht bewandert ist; nur windiges Streben ist sein Begehr, ein Kenner der Lehre
(der talmudischen Diskussionen ■jeVin -o) genannt zu werden. — Ein Teil hiervon auch
Midr Qoh 4, 6 (2S''). \\ GnR 12 {9^): R. J''huda (II.), der Patriarch (um 250), fragte den
R. Sch'^'muel b. Nachman (um 260): Da ich von dir gehört habe, daß du ein Kenner der
Haggada (n-;r; hyj, ein Haggadist) bist, (so sage mir:) was bedeutet Ps 68, 5: Machet
Bahn dem, der in den Steppen daherfährt, "cv n-2'?
b. Aggad B*^resch 36: Wo ist der Schreiber -e-s Jes 33, 18, d. h. wo sind ihre Schrift-
gelehrten -^p?:3- (= ol fofj.ixol)'? — Git 67''^ (u. Parallelen) ist -ipTs-: yofzixrj [eniairjfx^])
„Gesetzeskunde". Bar: Isi b. J^huda (um 160) hat das Lob der Gelehrten aufgezählt:
R. Meir (um 150) ist ein Gelehrter u. ein Schreiber (von Torarollen); R. J*^"huda (um 150)
ist ein Gelehrter, wenn er will; R. Tarphon (um 100) ein Nußhaufen (der zusammenfällt,
wenn eine Nuß weggenommen wird; so brachte R. Tarphon auf jede Frage, die angeregt
wurde, sofort aus allen Gebieten der Torawissenschaft eine Antwort); R. Jischmasel
(tum 135) ein gefüllter Kramladen; R. sAqiba (f um 135) eine verschlossene (nach
andrer Lesart: eine volle) Schatzkammer; R. Jochanan b. Nuri (um HO) eine Krämer-
büchse (in der alles enthalten ist); R. El?azar b. fAzarja (um 100) eine Gewürzbüchse;
die Mischna (der Traditionsstoff) des R. Elifezer b. Jafaqob (I., um 90, s. Bacher, Tann.^
1, 62) ist ein Qab, aber rein (klein an Umfang, aber zuverlässig): R. Jose (um 150) hat
^ Über den vorauszusetzenden Text s. Bacher, Tann. '^1,187 u.477.
57*
900 Matth22, 35.36 (Nr. 1)
die Gesetzeskunde bei sich '^v 'P'^"-, d. h. die einsclilägigen Gesetzesbestimmungen
sind ihm stets gegenwärtig. — Das Bereithaben des Wissens wird mehrfach gerühmt, s.
P-^s 59»; BB 10b;^Midr Qoh 9. 10 (42b); K'th 77b u. MQ 28» der Satz: Selig der Mensch,
der hierher (ins Jenseits) kommt u. sein Wissen in seiner Hand hat i--^ i---::r-. — Eine
Parallelstelle zu Git 67 a s. AbothRN 18 (6b), hier ••:>• -p-T:. Der Ausspruch über R. Jose
findet sich noch fErl4b; Git 67»; BQ24a, hierüberall -^y •-•-:-:; B"='kh 37» -,-j- --.-:;
fEr 51» Tsy ipi":;.
2'2, 36: Welches Gebot ist groß im Gesetz?
1, Anzahl der Gebote. Die alte Synagoge hat 613 Einzelsatzungen
riijpfSing. n;^^) in der Tora gezählt, u. zwar 248 Gebote (nbr rrj.-Q =
Tu-Gebote, oder kurz n'q'j = tu) u. 365 Verbote [ri^yr ^^ -"i^'r ^^ Tu-
nicht-Gebote, oder kurz nir-n nh, oft auch bloß -xb = nicht, Plur. 7";X^).
Wie alt diese Zählung ist, läßt sich nicht feststellen. Von den 365 Ver-
boten hat unsres Wissens zuerst R. Schim?on b. fAzzai (um 110) u. von
der Gesamtzahl 613 zuerst R. Schim^on b. El^azar (um 190) gesprochen,
aber so, daß man daraus erkennt, daß diese Zahlen zu ihrer Zeit bereits
allgemein bekannt gewesen sind.a Die Begründung der Zahl 613 aus,
dem Zahlenwert des Wortes n-^v wird in den palästinischen Quellen
auf R. Simlai oder auf R. J«hoschua? b. Levib (beide um 250), in den
babylonischen auf Rab Hamnunac (um 290) zurückgeführt. Auch die
Parallelisierung der 248 Gebote mit den 248 Gliedern des menschlichen
Körpers u. der 365 Verbote mit den 365 Tagen des Sonnenjahrs knüpft
sich an den Namen des R, Simlai ;d später ist sie dem R. Abba (um 290)
u. dem R. Judan b. Simon (um 320) beigelegt worden, e
a. Die Ausführung des R. Schim?on b. f Azzai in SDt 12, 23 § 76 s. bei Nr. 2 Anm. b. \\
M®kh Ex 20, 2 (74»): R. Schimfon b. El?azar hat gesagt: Gleich einem König, der zwei
Aufseher einsetzte; den einen setzte er über den Strohvorrat u. den andren über den
Silber- u. Goldschatz. Der über das Stroh Gesetzte machte sich der untreue verdächtig
u. murrte darüber, dafa man ihn nicht über den Silber- u. Goldschatz gesetzt hatte. Da
sprach der über das Silber u. Gold Gesetzte zu ihm: Du Narr s-^-7. (^=: (>"k^'- Mt 5, 22),
Stroh hast du hinterzogen, hättest du es beim Silber u. Gold nicht erst recht getan?
Gilt da nicht der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere? Wenn die Noachiden in
den sieben Geboten (die ihnen befohlen waren u. die sie auf sich genommen hatten)
nicht haben bestehn können, um wieviel weniger hätten sie es vermocht in bezug auf
die 613 Gebote in der Tora.
b. ExR 33 (94*=): R. Simlai hat öffentlich vorgetragen: 613 Gebote sind den Israeliten
durch Mose gegeben worden, denn soviel beträgt der Zahlenwert von :^-t. Aber dieser
beträgt ja nur 611! Woher die beiden (fehlenden)? Die Rabbinen haben gesagt: „Ich
bin der Herr dein Gott* u.- „nicht sollst du einen andren Gott außer mir haben" haben
sie aus dem Munde der Allmacht (selbst) gehört, u. 611 hat ihnen Mose gesagt. |!
P'^siqR 22 (111»): Wieviel Worte (^ Gebote) haben die Israeliten aus dem Munde der
Allmacht (selbst) vernommen? R. J'^hoschuaf b. Levi hat gesagt: Zwei Worte; u. die
Rabbinen sagten: Alle (zehn) Worte. Wie steht doch hinter allen Worten geschrieben?
Sie sprachen zu Mose: Rede du mit uns, u. wir wollen hören; aber nicht möge Gott
mit uns reden, damit wir nicht sterben Ex 20, 19. (Diese Worte hinter den 10 Geboten
ein Beweis, daß das Volk zuvor bereits sämtliche Gebote aus Gottes Mund gehört hatte.)
Was hat R. J^hoächua? b. Levi darauf geantwortet? Er war andrer Meinung: ^ weil es
^ Der obigen Übersetzuna; liegt ein leicht verbesserter Text zugrunde.
Matth 22, 36(Nr.l.2) 901
nämlich kein Früher oder Später in der Tora gibt/ könne man sagen, daß sie schon
nach 2 oder 3 Worten zu Mose sprachen: Rede du mit uns! (d. h. Ex 20, 19 gehört sachlich
hinter 20, 3). R. sAzarja (um 380) u. R. J^huda b. Schim?on (um 320) u. R. Schimfon (=
Simon, um 280) haben im Namen des R. J'hoschua? b. Levi gesagt: Es heißt Dt 33, 4:
„Die Tora hat uns Mose befohlen als Besitztum der Gemeinde Jakobs." Die ganze Tora
umfaßt 613 Gebote, der Zahlenwert aber von n—r kommt nur auf 611 zu stehn; 611 Ge-
bote (= m-r Dt 33, 4) hat also Mose zu uns geredet, (die beiden an 613 fehlenden, näm-
lich:) „Ich bin Jahve dein Gott" u.: „Nicht sollst du einen andren Gott außer mir haben"
(nach jüdischer Zählung das 1. u. 2. Gebot) hat Mose nicht zu uns gesagt (sondern vielmehr
Gott). — Parallelstellen: Midr HL 1 , 2 (82=*, zweimal) ; PirqeREl 41 gegen Ende ; ExR42 (98'^i).
C. Mak 23'': Rah Hamnuna (um 290) hat gesagt: Welche Schriftstelle gibt es (für
die Gebotsanzahl 613) V Dt 33,4: „Die Tora hat uns Mose befohlen als Besitztum." Das
Wort n—.r beträgt seinem Zahlenwert nach 611. (Diese 611 Gebote umfaßt die von
Mose befohlene Tora Dt 33,4.) Aber: „Ich bin der Herr dein Gott" u. : „Nicht sollst du
einen andren Gott außer mir haben" (d. h. die beiden an 613 fehlenden Gebote) haben
sie (nicht von Mose, sondern) aus dem Munde der Allmacht (selbst) vernommen.
d. Mak 23b: R. Simlai hat öffentlich vorgetragen: 613 Befehle sind Mose gesagt
worden: 365 Verbote ■■is"'; nach der Zahl der Tage eines Sonnenjahrs u. 248 Gebote n-i-y
entsprechend den Gliedern eines Menschen.
e. P''siq 10 1 ''^: (R. Judan b. Simon) hat gesagt: Dir (Israel) sind am Sinai 613 Befehle
gegeben worden, 248 Gebote u. 365 Verbote. Die 248 entsprechend den 248 Gliedern,
die an einem Menschen sind. Jedes einzelne Glied spricht zum Menschen: Ich bitte
dich, tu durch mich dieses (oder jenes) Gebot! Die 365 Verbote entsprechen den Tagen
des Sonnenjahrs. Jeder einzelne Tag spricht zum Menschen: Ich bitte dich, begeh an
mir nicht diese (oder jene) Übertretung! — R. Abba (um 290) als Autor genannt in
Tanchß N::r §2 (17^); ebenso wird zu lesen sein Tanch s::n -; 19'' statt R. Ad(d)a;
anonym steht die Ausführung in Midr Spr31 §29 (55b).
2. Einteilung der 613 Gebote. Die sämtlichen Gebote der Tora hat
man eingeteilt in leichte Gebote nir;? ni:^^ (Sing. Ji\p_ n^ifr) u. in schwere
Gebote rn^^on r'i:j-a (Sing, n-^i^n '-2).^ Doch drücken diese Benennungen
nicht immer ein u. dasselbe aus. Man nannte „leichte Gebote" erstens
solche, die an die Kraft oder den Besitz des Menschen nur geringe
Anforderungen stellten; schwere dann diejenigen, die viel Geld er-
forderten oder wohl gar mit Lebensgefahr verknüpft waren. In diesem
Sinn wurde zu den leichten Geboten gezählt zB Dt 12, 23 (Verbot des
Blutgenusses), Lv 23, 42 (Laubhüttengebot), Dt 22, 7 (Gebot der Frei-
lassung der Vögelmutter), Gn 2, 17 (Essen der verbotenen Frucht);b zu
den schweren Geboten zB Ex 20, 12 (du sollst deinen Vater u. deine
Mutter ehren), Gn 17, 10 (ßeschneidungsgebot).c — Es lag ja nun nahe,
je nach den geringeren oder höheren Anforderungen, die ein Gebot an
einen Menschen stellte, den Wert u. die Bedeutung des Gebotes selbst
einzuschätzen. So kam es, daß man zweitens unter einem schweren
Gebot ein „wichtiges" Gebot u. unter einem leichten Gebot ein minder-
wichtiges oder „geringes" Gebotd verstand, nni^n iti^jts war dann soviel
wie r^Y" rT-::-2 oder ns- '^ „ein großes Gebot" = svxoXi] ixsyähi Mt 22, 36,
u. nhp niü-ü wurde jetzt gleichbedeutend mit x-;^'^:i:t n'-jj-o dem „kleinen"
1 --.^^zi ^ms'^1 =-:pii3 -j-s, s. Einl. S. 108 Nr. 32; d. h. die Abschnitte in der Tora sind
nicht streng chronologisch geordnet, so daß aus dem Nachstehn von Ex 20, 19 hinter Ex
20,2—17 nicht die zeitliche Priorität von Ex 20,2— 17 vor Ex 20, 19 gefolgert werden darf.
902 Matth 22, 36 (Nr. 2)
oder „geringen" Gebot,e vgl. die irvoXal släyiazai Mt5,19. Die Frage,
welche Gebote zu den schweren oder wichtigen ii. welche zu den leichten
oder geringen gehören, wird von einer Bar dahin beantwortet, daß zu
den letzteren alle diejenigen Gebote zu rechnen seien, deren Übertretung
die Buße für sich allein sühne, u. zu den ersteren alle diejenigen, auf
deren Übertretung die Ausrottung oder die gerichtliche Todesstrafe
gesetzt seiJ In einer andren Ausführung hören wir, daß leichte oder
geringe Gebote solche seien, um die sich die Menschen nicht viel zu
kümmern pflegen, g Dem subjektiven Ermessen war hier jedenfalls viel
freier Spielraum gelassen. Im einzelnen wird als ein leichtes oder ge-
ringes Gebot einmal die nach jüdischer Weise vorzunehmende Verknotung
der Schuhriemen bezeichnet. h Als schwere oder wichtige Gebote galten
nach allgemeinster Annahme die betreffs des Götzendienstes, der Un-
zucht, des Blutvergießens, der Entheiligung des göttlichen Namens,
der Sabbatheiligung, der Verleumdung des Nächsten, des Torastudiums
u. der Auslösung von Gefangenen.» Auch das Schaufäden- (^i^ith-) Gebot
wird an einer Stelle dahin gerechnet. k
a. Einige Beispiele s. bei Mt 5, 19 5t S. 249. || Ferner s. die nachfolgenden Zitate.
b. SDt 12,23 § 76 (9015): R Schinifon b. ?Azzai(um HO) hat ge.sagt: Wenn dich die
Schrift beim Blutgenuß, dem gegenüber es unter allen Geboten kein leichteres i:'a'3 ;p
gibt, also warnt (nämlich mit: „Nur bleibe fest" Dt 12,23), um wieviel mehr gilt diese
Warnung dann bei allen übrigen Geboten. — Hier heißt das Gebot Dt 12, 23 das
leichteste unter allen Geboten, weil seine Beobachtung keine besonderen Anforderungen
an die Kraft des Menschen stellt. — Vorauf gehen die Worte: R. Schimcon b. cAzzai hat
gesagt: Siehe, 365 Verbote n-ryn sV sind in der Tora; aber bei keinem heißt es wie bei
.diesem: Bleibe fest! ||cAZ3^: (Am Gerichtstage werden die Völker der Welt zu Gott
sagen:) Herr der Welt, gib uns die Tora noch einmal (wie du sie uns seinerzeit am
Sinai angeboten hast), so wollen wir sie halten! Gott wird ihnen antworten: Ihr größten
Narren in der Welt, wer am Rüsttag auf Sabbat gearbeitet hat, der kann am Sabbat
essen; wer aber am Rüsttag auf Sabbat nicht gearbeitet hat, wovon will der am Sabbat
essen? Aber gleichwohl ein leichtes Gebot nVp rnü»: habe ich u. „Sukka" (Laubhütte)
ist sein Name, geht u. haltet es! . . . Warum nennt man es ein leichtes Gebot? Weil
damit kein Verlust am Geldbeutel verbunden ist. (Die Autorschaft schwankt zwischen
R. Chanina b. Papa, um 300, u. R. Simlai, um 250, s. 'cAZ 2».) |1 Chullin 12, 5: Man darf
die Vogelmutter samt den Jungen nicht nehmen, selbst nicht, um einen Aussätzigen zu
reinigen (Lv 14, 4 ff.). Wenn nun aber die Tora bei einem so leichten Gebot nVp m::«,
bei dem es sich um den Wert eines As (etwa 3 r)) handelt, sagt: damit es dir wohl
ergehe u. du lange lebest Dt 22, 7, um wieviel mehr wird das dann von den schweren
Geboten n-ii- r-u-3 in der Tora gelten! Vgl. pQid 1, 61 '^ 58 in Anm. c. || Schab 55b:
Die Engel des Dienstes sprachen vor Gott: Herr der Welt, warum hast du den Tod
über den ersten Menschen verhängt? Er antwortete: Ein leichtes Gebot -i- --j-s hatte
ich ihm befohlen, u. er hat es übertreten. Vgl. Tanch y.r.r^^ 4^: Mose sprach zu Gott:
Der erste Mensch verdiente es zu sterben; denn ein leichtes Gebot hattest du ihm
befohlen, u. er hat es übertreten.
C. pQid 1, 61 b, 58: R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Die Schrift macht das
leichteste unter den leichten Geboten -r-'-i-.-:: -Vp --^''. dem schwersten unter den
schweren Geboten ■r',^-.-c-T\ ■j's r;-^-»:-! gleich. Das leichteste unter den leichten Geboten
ist das Freilassen der Vogelmutter Dt 22, 7, u. das schwerste unter den schweren Ge-
boten ist die Elirfurcht vor den Eltern; u. bei beiden steht geschrieben: Damit du lange
lebst. - Parallelstelle: DtR 6 (203»). — Das 4. Gebot heifst das schwerste unter den
Matth 22, 36 (Nr. 2) 903
schweren Geboten, weil der kindlichen Pietät keine Grenze im Gesetz gezogen ist, u.
deshalb kein Kind seinen Pflichten gegen die Eltern voll genügen kann; zugleich stellte
dies Gebot unter Umständen die höchsten Anforderungen an das Vermögen des Sohnes. —
Unter einem ganz neuen Gesichtspunkt wird dann das 4. Gebot von R. Abin (I., um 325)
betrachtet. Es heißt weiter: R. Abin hat gesagt: Wenn bei einer Sache, die einer
Schuldabtragung gleicht, geschrieben steht: „Damit es dir wohl ergehe u. du lange
lebest" (vgl. Dt 5, 16), muß das dann nicht um so mehr gelten bei einer Sache {— Gebot),
mit der Geldverlust u. Lebensgefahr verbunden ist? — R. Abin zählt das 4. Gebot
nicht zu den schweren Geboten: alle Leistungen des Kindes an die Eltern bedeuten
lediglich eine Rückgabe dessen, was das Kind zuvor von diesen empfangen hatte; da
das 4. Gebot somit streng genommen dem Kinde keine Einbuße an seinem eigenen
Vermögen zumutet, so gehört es nach R. Abin zu den leichten Geboten u. kann als
solches nunmehr den schweren gegenübergestellt werden, mit denen Geldverlust, bezw.
Lebensgefahr verbunden ist. Der Kommentar P*'ne Mosche fügt hinzu, daß unter den
Geboten mit Geldverlust zu verstehen seien die Hebe- u. Zehntabgaben u. dgl., u. unter
denen mit Lebensgefahr zB die Beschneidung. — Diese Gebote gehören also unter
allen Umständen zu den schweren Geboten, u. zwar weil sie besondere Anforderungen
an den Menschen stellen. — Zum Beschneidungsgebot vgl. auch N'^d 32^: Groß ist die
Beschneidung, denn sie wiegt alle übrigen Gebote in der Tora auf, s. Ex 34, 27. —
Doch bringen diese Worte weniger die Schwere als die Wichtigkeit des Beschneidungs-
gebotes zum Ausdruck.
d. J''b47^ Bar: Wenn ein Proselyt in dieser Zeit zum Judentum übertreten will,
... so macht man ihn mit einem Teil der leichten (minderwichtigen) u. mit einem Teil
der schweren (wichtigen) Gebote bekannt. \\ Tafan 1 1^: Wie man (= Gott) den Gerechten
den Lohn in der zukünftigen Welt auszahlt auch für ein leichtes (geringes) Gebot, das
sie getan haben, so zahlt man den Gottlosen den Lohn aus in dieser Welt auch für
ein leichtes Gebot, das sie getan haben (damit sie in der zuk. Welt keinen Lohn mehr
zu beanspruchen haben). || Tanch pVa 236 b: Gott ermahnt die Israeliten, daß sie sich
auch nicht gegen die leichten (geringen) Gebote verfehlen sollen, s. Dt 32, 47: „Denn
«s ist kein leeres Wort für euch, sondern es ist euer Leben." Auch wenn du irgendein
Gebot für leer u. leicht ansiehst, ist doch Leben darin u. Länge der Tage, s. Dt 32, 47 :
Durch dieses Wort werdet ihr lange auf dem Boden wohnen. || cEr 21l>: Rab Chisda
(t 309) sagte zu jenem Gelehrten, der die Haggada vor ihm zu ordnen (vorzutragen)
pflegte: Hast du vielleicht gehört, was mit „den neuen, auch alten" HL 7, 14 gemeint ist?
Er antwortete: Damit sind die leichten u. die schweren Gebote gemeint. II SDt 12,28 § 79
(91a): „Halte diese Worte, die ich dir gebiete" Dt 12,28; es soll dir ein leichtes Gebot so
lieb (wertvoll) sein wie ein schweres (wichtiges) Gebot (denn Gott hat sie beide geboten).
e. n'ii-i; n-:i":. DtR 6 (203»): R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Du sollst
nicht sagen: Weil dieses Gebot ein großes ist nv,-;; -nr, r.'.-^^r., will ich es tun, weil
sein Lohn zahlreich ist; u. weil dieses Gebot gering nVp ist, will icli es nicht tun. ||
r^.z-' niu":. BB 8=^: Iphra Ormuzd, die Mutter des Königs Sehabor, schickte einen Beutel
mit Denaren an Rab Joseph (f 333) u. ließ ihm sagen: „Für ein großes Gebot" n-i:i'25
na-! Rab Joseph saß u. sann darüber nach, was mit dem großen Gebot gemeint sein
möchte. Da sagte Abaje (f 338/39) zu ihm: Aus dem, was Rab Sch*^muel b. J'^huda
{um 280) als tannaitische Tradition gelehrt hat, nämlich daß man Waisenkinder nicht
zu Wohltätigkeitsabgaben heranziehe, selbst nicht zur Auslösung von Gefangenen, ent-
nehme ich, daß die Auslösung von Gefangenen ein großes Gebot r.z-' r.-^^ ist. Raba
(t 352) sagte zu Rabbah b. Mari (um 320): Woher dies,, was die Rabbinen gesagt haben,
daß die Auslösung von Gefangenen ein großes Gebot ist? Er antwortete: Weil es heißt
Jer 15, 2: Geschehen soll es, wenn sie zu dir sagen: Wohin sollen wir hinausziehen?,
so sollst du zu ihnen sagen: So hat Jahve gesprochen: Wer dem Tode verfallen ist,
zum Tode; u. wer dem Schwert, zum Schwert; u. wer dem Hunger, zum Hunger; u.
wer der Gefangenschaft, zur Gefangenschaft. (Beweis: Die Aufzählung eine Klimax,
deren letzte Stufe die schlimmste; deshalb Auslösung aus der Gefangenschaft ein
904 Matth 22, 36 (Nr. 2)
großes Gebot.) || AbotliRN 2: Eile zu einem geringen Gebot -;- n-:;«:, denn es führt
dich zu einem großen Gebot rjzi 'k. \\ s^-j-t msi. Targ Jerusch II Nu 13,1: Für eio
kleines Gebot s^-yr 'i (so lies mit Levy, Chald. Wörterb. 2, 61'i), das ein Mensch tut,
empfängt er großen Lohn.
/. Sch'^bu 39»: (Bei der Eidesvermahnung sagen die Richter zu dem Schwörenden:)
Wisse, daß die ganze Welt erbebte, als Gott sprach: Du sollst den Namen Jahves
deines Gottes nicht zu Nichtigem aussprechen Ex 20, 7, Aus welchem Grunde (erbebte
die Welt)'? Wenn man sagen wollte, weil jenes Gebot vom Sinai gegeben wurde, so
wurden die 10 Gebote doch auch (von dort) gegeben. Oder wenn man sagen wollte,
weil (jenes Gebot) ein wichtiges s^-ir; war, war es denn (vor allen andren) wichtig?
Wir haben doch in einer Bar gelernt: Mit den Übertretungen (die die Buße für sich
allein sühnt) sind die leichten (geringen) Gebote u. Verbote gemeint, ^ mit Ausschluß
von: „du sollst den Namen Jahves nicht zu Nichtigem aussprechen" (also wird dieses
Gebot doch eigentlich zu den leichten Geboten gerechnet)! Mit den schweren aber
sind diejenigen gemeint, auf welche Ausrottung u. gerichtliche Todesstrafe gesetzt ist,
mit Einschluß von: „du sollst den Namen Jahves nicht zu Nichtigem aussprechen".
Vielmehr ist der Grund, wie man gelehrt hat: Von allen Übertretungen in der Tora
heißt es: Er vergibt (läßt ungestraft), hier aber heißt es: Er wird nicht ungestraft
lassen Ex 20, 7. — Die zitierte Bar findet sich TJom 5, 5 (190); Bezug wird auf sie ge-
nommen Jörn 85 b. _ Zu den wichtigen Geboten, auf deren Übertretung die Ausrottung
gesetzt ist, werden zB das Beschneidungs- u. das Passahgebot gezählt. SLv 4,2 ((ig»):
Wenn jemand in Schwachheit sich versündigt gegen eins von allen Verboten Jahves
Lv4, 2; soll ich die Gebote ausschließen, derentwegen man sich nicht der Ausrottung
schuldig macht, aber soll ich nicht das Passah- oder das Beschneidungsgebot aus-
schließen, derentwegen man sich der Ausrottung schuldig macht?
g. Tanch zt-y b'^: „Warum muß ich mich fürchten in den Tagen des Unglücks?
Die Schuld meiner Fersen umgibt mich" (so der Midr Ps49, 6). Gepriesen sei der Name
Gottes, der Israel die Tora gegeben hat, in der 613 Gebote enthalten sind; u. es sind
darunter geringe u. wichtige n-i':--! r^'p■, u. eben weil es darunter geringe Gebote
gibt, um die die Menschen sich nicht kümmern, sondern die sie unter ihre Fersen
(Füße) werfen, weil sie gering sind, deshalb fürchtete sich David vor dem Tage des
Gerichts (= des Unglücks) u. sprach: Herr der Welt, ich fürchte mich nicht wegen
der wichtigen (schweren) Gebote in der Tora, weil sie wichtig sind. Weswegen fürchte
ich mich? Wegen der geringen Gebote; vielleicht möchte ich eins von ihnen über-
treten haben, sei es, daß ich es ausführte, sei es, daß ich es nicht ausführte, weil es
ein geringes war; u. du hast doch gesagt: Sei vorsichtig bei einem leichten Gebot wie
bei einem schweren Gebot! (Dieses Zitat stammt aus Aboth 2, 1 ; man beachte, wie
hier ein Miscbnawort genau so als ein Gotteswort zitiert wird, wie sonst ein Schrift-
wort.) Parallelstelle: TanchB zpy § 1 (8b).
h. Sanh 74a: Was ist ein leichtes Gebot? Raba b. Ji^chaq hat gesagt, Rab (f 247)
habe gesagt: Auch eine Veränderung am Schuhriemen (die ein Jude gegen die jüd.
Sitte vornimmt, um der Verfolgung zu entgehen); s. oben S. 222 f.
/. Zu Götzendienst, Unzucht u. Mord s. bei Mt 5, 10 (S. 221—223); ferner s. einige
unter den nachfolgenden Zitaten.
Götzendienst. pN'^d 3,38'^, 12: Götzendienst ist die schwerste unter allen Sünden. 1|
Hör 8«: Welches ist das Gebot, das alle (übrigen) Gebote aufwiegt? Sage: das ist der
Götzendienst.
Blutvergießen. SDt 19, 11 § 187 (108b): Wenn jemand ein leichtes Gebot übertritt,
so wird er schließlich ein schweres Gebot übertreten . . ., bis er zum El. gelangt (das
als schwerste Sünde gedacht ist).
1 Joma 8, 8 sagt hierüber: Die Buße schafft Sühnung für leichte Übertretungen
von Geboten u. Verboten, u. bei den schweren hält sie (die Strafvollstreckung) in der
Schwebe, bis der Versühnungstag kommt u. Sühnung schafft.
Matth 22, 36 (Nr. 2. 3). 22, 37 905
Entheiligung des göttlichen Namens. pN'^d 3,38^ 13: R. Judan b. Pazzi (um 320)
hat gesagt: Die Enth. des göttl. N. ist die schwerste unter allen Sünden, s. Ez 20,39.
Sabbatheiligung. pN'^d 3, 38^, 4: In der Tora, den Propheten u. den Hagiographen
finden wir, daß das Sabbatgebot so schwer wiegt, wie alle (übrigen) Gebote in der Tora
(zusammen). In der Tora s. Ex 16, 28 f., in den Proph. s. Ez 20,21, in den Hagiographen
s. Neh 9, 13. 14. (Beweis: Erwähnung des Sabbats neben den übrigen Geboten.) pB'^rakh
1, 3*^, 14: , Damit ihr an alle meine Gebote gedenket" Nu 15,40. Rabbi hat gesagt: Damit
ist das Sabbatgebot gemeint, das alle (übrigen) Gebote in der Tora aufwiegt, s. Neh 9, 14:
„Du tatest ihnen deinen heiligen Sabbat kund u. befählest ihnen Gebote u. Satzungen
u. Gesetz", um dich wissen zu lassen, daß das S. gebot die Gebote der Tora aufwiegt. ||
pN''d 3, 38t>, 8: R. El<azar b. Abina (um 340) hat gesagt: Das Wort n-iif? bei „Sabbat"
Neh 9, 14 ist plene geschrieben, um dich wissen zu lassen, daß das S.gebot so schwer
wiegt, wie alle (übrigen) Gebote der Tora (zusammen). || AbothRN 38: R. Schimcon
b. Gamliel (um 140) saß voller Entsetzen da u. sprach: Wehe uns, daß wir getötet
werden wie Sabbatschänddr u. Götzendiener u. Blutschänder u. Blutvergießer! (Hier
steht die Sabbatschändung auf einer Linie mit den drei oft genannten Hauptsünden.)
Verleumdung des Nächsten. 'Arakhin 15^ Bar aus der Schule des R. Jischmacel
(t um 135): Wer Verleumdungen redet, begeht Sünden, die so schwer wiegen wie di&
drei Sünden des Götzendienstes, der Blutschande (Unzucht) u. des Blutvergießens; s.
bei Mt5, 11 SB, Nr. 2. || TPeal,2(18): Wegen folgender Dinge wird der Mensch in dieser
Welt bestraft, während ihm das Kapital (die Hauptstrafe) anstehn bleibt in der zuk.
Welt: wegen Götzendienstes, wegen Unzucht, wegen Blutvergießens u. wegen Ver-
leumdung, die so schwer wiegt wie jene alle. — Dasselbe pPea 1, 15"^, 55. || LvR37 (133"^^):
R. Sch'^muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Wer ein Gelübde tut u. sein Gelübde
(d. h. seine Erfüllung) verzögert, der gerät schließlich in Götzendienst, Unzucht, Blut-
vergießen u. Verleumdung. (Beachte, wie hier überall die Verleumdung neben den drei
Hauptsünden genannt wird.)
Torastudium. Pea 1,1: Folgende sind die Dinge, deren Früchte ein Mensch in dieser
Welt genießt, während ihm das Kapital (der Hauptlohn) anstehn bleibt für die zuk. Welt:
Ehrfurcht gegen die Eltern, Erweisung von Liebeswerken, Friedenstiften zwischen einem
Menschen u. seinem Nächsten u. Torastudium, das so schwer wiegt wie jene alle.
Auslösung von Gefangenen, s. BB8^ in Anm. e.
k. WA 25 »: Ein Autor hat gesagt: Das Schaufädengebot wiegt alle übrigen Gebote
in der Tora auf. — Ähnlich die Bar M'^n 43 b. || Anders ist die Wertung des Schau-
fädengebotes M'^n 44a Bar: R. Nathan (um 160) hat gesagt: Es gibt kein leichtes Gebot
in der Tora, das ohne Lohn wäre in dieser u. in jener Welt; nur weiß ich nicht, wie
groß er ist. Geh u. lerne es vom Schaufädengebot. (Es folgt dann eine Erzählung,
nach der ein Jude durch die Schaufäden vor Unzucht bewahrt bleibt.) Hier ist das-
Schaufädengebot zu den leichten Geboten gerechnet.
3. Der Frage des Schriftgelehrten: „Welches Gebot ist groß im
Gesetz?" entspricht am meisten die Frage in Hör 8"; s. Nr. 2 Anm. i.
22,87: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben in deinem ganzen
Herzen u. in deiner ganzen Seele u. in deinem ganzen Denken.
Dt 6, 5 nach altjüdischer Auslegung.
Targ OnkDt 6, 5: Du sollst Jahve deinen Gott lieben ari-^r mit deinem ganzen
Herzen u. mit deiner ganzen Seele u. mit all deinen Gütern (Vermögen). |1 Targ Jerusch I:
Mose, der Prophet, sprach zum Volk, dem Haus Israel: Befolgt den wahren Gottes-
dienst eurer Väter u. liebet -ji^r^r Jahve euren Gott mit den beiden * Trieben eures
Herzens u. auch wenn er eure Seele (euer Leben) wegnimmt, u. mit all eurem Geld
■;i::t?2»3. |1 B*^rakh61b Bar: R. Elicezer (um 90) sagte: Wenn es Dt 6, 5 heißt: „mit deiner
^ Deutung der beiden z in zzi-, s. weiter unten.
906 Matth22, 37
gauzen Seele", warum lieifst es dann noch: „mit all deinem Vermögen"? Und wenn
es heißt: „mit all deinem Vermögen", warum heißt es dann noch: „mit deiner ganzen
Seele"? Aber da manchem Menschen sein Leib (u. Leben) lieber ist, als sein Geld
irnis, deshalb heißt es: „mit deiner ganzen Seele" (— mit deinem ganzen Leben); u.
da manchem Menschen sein Geld lieber ist, als sein Leib (u. Leben], deshalb heißt
es: „mit all deinem Vermögen" (-;-!is'i also im Sinn von Geld u. Gut gefaßt). R. c Aqiba
(t um 135) sagte: „Mit deiner ganzen Seele", auch wenn er deine Seele nimmt (= Targ
Jerusch I). . . . Als man den R. (Aqiba zur Tötung abführte, war die Zeit der Sch^mac-
rezitation. Man kämmte ihm sein Fleisch mit eisernen Kämmen ab u. er nahm das
Joch der Herrschaft des Himmels auf sich (d. h. er rezitierte das Sch''ma(). Es sprachen
seine Schüler zu ihm: Unser Lehrer, bis hierher (d. h. es ist genug, höre hier auf)!
Er antwortete ihnen: Mein lebelang bin ich in Sorge gewesen um diesen Vers: „mit
deiner ganzen Seele", auch wenn er die Seele nimmt; ich sprach: Wann wird es
mir möglich sein, es zu erfüllen? Und jetzt, da es mir möglich ist, sollte ich es
nicht erfüllen? (Fortsetzung s. oben S. 224.) — Die Auslegung des R. Elicezer auch
P^'s 25-\- in SDt 6,5 § 32 (73a) dem R. Eli'<ezer b. Ja^aqob (II., um 150) beigelegt. ||
SDt 6, 5 §82 (73a): „Du sollst Jahve deinen Gott lieben" Dt 6, 5. Handle aus Liebe.
Die Schrift macht einen Unterschied zwischen einem, der aus Liebe handelt, u.
«inem, der aus Furcht handelt. Wer aus Liebe handelt, dessen Lohn ist doppelt u.
verdoppelt, s. Dt 10, 20: Jahve deinen Gott sollst du fürchten u. ihn verehren u. an
ihm hangen (in Liebe; das letztere schließt das Fürchten u. Verehren in sich u. empfängt
deshalb dreifachen Lohn). Manch einer, wenn er sich vor einem andren fürchtet u.
von diesem belästigt wird, verläßt ihn u. geht von dannen; aber du handle aus Liebe;
denn nirgends gibt es Liebe da, wo Furcht ist, u. Furcht da, wo Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 18),
ausgenommen allein in dem Verhältnis zu Gott. — Eine andre Erklärung: „Dusollst
Jahve deinen Gott lieben", d. h. mache ihn bei allen Menschen beliebt,^ wie dein Vater
Abraham, s. Gn 12,5: „Abraham nahm sein Weib . . . u. alle Seelen, die sie gemacht
hatten in Charran." Nicht wahr, wenn alle, die in die Welt kommen, sich zusammen-
täten, um Eine Mücke zu schaffen u. ihr Leben einzuflößen, so würden sie sie nicht
•erschaffen können; was will da die Schrift lehrend sagen mit den Worten: „u. die
Seelen, die sie in Charran gemacht hatten"? Es will lehren, daß unser Vater Abraham
sie zu Proselyten gemacht u. unter die Flügel der Sch'^khina (Gottheit) gebracht hat.
{Das war der Weg, auf dem Abraham Gott bei den Menschen beliebt machte.) —
„Mit deinem ganzen Herzen", d. h. mit deinen beiden Trieben, mit dem guten Trieb
u. mit dem bösen. — Eine andre Erklärung.- „Mit deinem ganzen Herzen", daß dein
Herz nicht geteilt sei gegen Gott. — „Und mit deiner ganzen Seele", auch wenn er
deine Seele nimmt (vgl. oben R. cAqibas Deutung). Und ebenso heißt es Ps 44,23:
,Um deinetwillen werden wir gemordet den ganzen Tag, sind wir wie Schlachtschafe
geachtet." R. Schim'on b. M*'nasja (um 180) sagte: Kann denn ein Mensch an jedem
Tage gemordet werden? Allein Gott rechnet es den Gerechten so an, als ob sie an
jedem Tag gemordet würden (um seinetwillen). Schimfon b. cAzzai (um HO) sagte: „Mit
deiner ganzen Seele", liebe ihn bis zum Auspressen der Seele (bis hin zum letzten
Blutstropfen, vgl. Bacher, Tann. ^ 1,418). (Hier folgt unter dem Autornamen des R.EliJezer
b. Ja'aqob der Ausspruch des R. Elicezer oben in B^rakhGl''). R. 'Aqiba (f um 135;
so zu lesen statt R. Ja'aqob) sagte: Wenn es heißt: „mit deiner ganzen Seele", dann
doch selbstverständlich erst recht „mit deinem ganzen Vermögen" "n-cl (Wozu also
wird letzteres noch besonders hervorgehoben?) Allein es will sagen: Für jedes Maß,
welches er dir zumißt, sowohl für das Maß der Güte, als auch für das Maß der Strafe,
liebe ihn. (Der Midr deutet -;s': Kraft, Vermögen = "v, Maß.) . . . R. Meir (um 150)
sagte: Siehe, es heißt: „Du sollst Jahve deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen",
liebe ihn mit deinem ganzen Herzen, wie unser Vater Abraham, s. Gn 18, 19: „Ich habe
ihn erkoren, daß er seinen Kindern u. seinem Hause nach ihm anbefehle" usw. Des-
^ Man erwartet irzrisrr statt :r:ir;s.
Matth22, 37.40(Nr. 1.2) 907
halb heißt es: Du sollst Jalive deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen. „Und
mit deiner ganzen Seele", wie Isaak, der sich selbst auf dem Altar band, ,u. mit all
deinem Dank" (so der Midr, -s»: = r-iti deutend), danke ihm, wie Jakob, s. Gn32, 11:
Ich bin zu klein für all die Gnadenerweisungen u. all die Treue, die du an deinem
Knecht getan hast usw. Parallelstellen: TB^rakh?, 7(15): B^rakh 54a; pB^rakhÖ, 14b,38.
Zugrunde liegt allen diesen Stellen B*^rakh 9, 5 : Man muß für das Schlimme danken,
wie man für das Gute dankt, s. Dt 6, 5: Du sollst Jahve deinen Gott lieben usw. „Mit
deinem ganzen Herzen", mit deinen beiden Trieben, mit dem guten u. mit dem bösen.
„Und mit deiner ganzen Seele", auch wenn er deine Seele nimmt; „u. mit deinem
ganzen Vermögen", mit deinem ganzen Geld (v':'2). Eine andre Erklärung: „mit deinem
ganzen Vermögen" -ts-i-Vra, für jedes Maß, das er dir zumißt, für- alles danke ihm
mit Kraft gar sehr! (Im Hebr. ein schönes Wortspiel: -V ^l^'a N^.nu; r;-'?! n--3 V::;
-s-2 -S-: -"5 n-i': ^in 51:5. — Die Deutung des doppelten 3 in zzh auf den guten u. bösen
Trieb des menschlichen Herzens gehört nach TB'^rakh 7, 7 (15) dem R. Me'ir, um 150,
an.) |! Joma86-i: Abaje (f 338/39) hat gesagt: In der Bar heißt es: „Du sollst Jahve
deinen Gott lieben", es soll der Name Gottes um deinetwillen geliebt werden. || LXX
Dt 6, 5: xc.l dyctnjjasig xvqiov roV Usov aov iS o'/.?]<; rijq diavolag aov xcd e| oA?/f r}]g
xpv^fjg aov xal iS okijg xrjg dv^äfiEcug aov.
22,39: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (s. bei Mt 5, 43).
22,40: In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz
u. die Propheten.
1. Versuche innerhalb der alten Synagoge, die gesamten Einzel-
forderungen der Tora auf einige große Grundprinzipien zurückzuführen.
a. Hillel, um 20 v. Chr.: Was dir unliebsam ist, das tu auch du deinem
Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora, das andere ist ihre Auslegung;
s. bei 5,43 S. 357 Anm. 6-.
b. R. fAqiba, f um 135: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich
selbst Lvl9,18; das ist ein großer allgemeiner Grundsatz in der Tora
n-:inr bn: hh:; ni; s. S. 357 f.
c. Ben ?Äzzai, um HO: Als Gott Adam erschuf, machte er ihn nach
der Ähnlichkeit Gottes Gn 5, 1; das ist ein größerer allgemeiner Grund-
satz als jener (des R. ^Aqiba) nto bin: hh^ ht; s, bei 5, 43 S. 358 e u. f.
d. Bar Qappara, um 220. B^rakh fe-'': Bar Q. hat öffentlich vor-
getragen: Welches ist der kleinste Schriftabschnitt, an welchem alle
wesenthchen Bestimmungen (die Hauptsachen) der Tora hangen ^nrrn
nn -p^^br n-,ir -^si: bD->:; tiy^p rrjns? „Auf allen deinen Wegen erkenne ihn,
so wird er deine Pfade ebnen" Spr 3, 6.
e. R. Simlai, um 250. TanchB a^-jsiuj § 10 (16'^): R. Simlai hat gesagt:
613 Gebote sind dem Mose auf dem Sinai gesagt worden; dann kam
David u. brachte sie auf elf, s. Ps 15,2—5. Jesaja brachte sie auf sechs,
s. Jes 33, 15. Mikha brachte sie auf drei, s. Mich 6, 8. Amos brachte sie
auf zwei, s. Am 5,4: Suchet mich u. lebet! Habakuk brachte sie auf
eins, s. Hab 2,4: Der Gerechte soll kraft seiner Glaubenstreue leben. —
Dasselbe mit mehrfachen Abweichungen Mak 23 '\ s. bei Gal 3, 11.
2. xQ£i.iaTai, ihm entspricht genau das von Bar Qappara (s. oben
bei d) gebrauchte ^^br = angehängt, hangend. Wie der Ausdruck ge-
908 Matth 22, 40 (Nr. 2. 3)
meint ist, erhellt aus Chag 1,8: Die Auflösung der Gelübde schwebt in
der Luft ^^ix:; ■,'^nT:3 (hat keinen Halt an ausdrücklichen Bestimmungen
der schriftlichen Tora) u. hat nicht, womit man sie stützen kann. Die
Halakhoth betreffs des Sabbats, der Festfeiern u. der Veruntreuungen
an Geheiligtem, siehe, die sind wie Berge, die an einem Haar hangen
n7:;-r? i'^^s^ri, denn für sie gibt es wenig Schrift{belege), aber viele
Halakhoth (traditionelle Bestimmungen der mündlichen Tora). Die
Rechtssachen u. die Kultusangelegenheiten u. die Bestimmungen über
(levitische) Reinheit u. Unreinheit u. über die verbotenen Ehen, die
haben, womit man sie stützen kann, sie sind die Hauptsachen (der
wesentliche Inhalt) der Tora. — Diese Mischna stammt, wie aus den
Parallelstellen T^Er 11, 23 f. (154) u. TChag 1, 9 (233) entnommen werden
kann, aus der Zeit des R. J^hoschua?, um 90. — Das Haar, an dem
Berge hangen, bedeutet den schwachen Halt, den gewisse Halakhoth
an der Schrift haben; die Wendung will also sagen, daß der Haken der
biblischen Gesetzesbestimmungen, an den die Schriftgelehrten die un-
gezählten Halakhoth über Sabbat- u. Festfeier usw. gehängt haben, nur
sowenig Tragfähigkeit besitze wie etwa ein Haar, das Berge halten
soll. Gleicherweise will Bar Qappara in seinem Ausspruch (s. oben d)
sagen, daß Spr 3, 6 ein fester Haken sei, an den alle Hauptbestimmungen
der Tora gehängt werden könnten, d. h. in einem andren Bilde ge-
sprochen, daß Spr 3, 6 ein sicheres Fundament sei, auf das alle Haupt-
bestimmungen der Tora gestellt werden könnten, insofern diese Schrift-
stelle einen Grundsatz ausspreche, auf den schließlich alle Bestimmungen
der Tora sich zurückführen oder aus dem sie sich herleiten ließen.
Ebenso bezeichnet Jesus die Liebe zu Gott u. zum Nächsten als die-
jenigen Gebote der Schrift, an die alle übrigen Gebote gehängt, d. h. auf
die sie zurückgeführt oder aus denen sie abgeleitet werden können. —
Sachlich dasselbe ist es, wenn R. ?Aqiba u. Ben fAzzai in ihren Aus-
sprüchen (s. oben b u. c) das Gebot der Nächstenliebe Lv 19, 18 als einen
großen allgemeinen Grundsatz b^s in der Tora bezeichnen; auch sie
sprechen damit aus, daß das Gebot der Nächstenliebe dasjenige Gebot
sei, in welchem alle übrigen Gebote der Tora prinzipiell mitenthalten
seien. — Zu diesem hhz des R. fAq. u. Ben ?Az. vgl. M*^kh Ex 15,26 (54"):
R. El^azar aus Modi^im (f um 135) sagte: (Wenn du) „hörend" (hörst)
Ex 15,26; ist es vielleicht etwas Freigestelltes? Die Schrift sagt lehrend:
Wenn du hörend „hörst"; Pflicht ist es u. nicht etwas Freigestelltes.
Wenn du „hörst", das ist der allgemeine Grundsatz bbrn, in welchem
die (ganze) Tora enthalten ist i= r^h'hz mirnu.-. — R. El. will sagen, das
Anhören der Schrift sei prinzipiell die erste Pflicht des Isr., denn von
ihrer Erfüllung hange schließlich das Halten der Tora ab; vgl. Rom 10, 17:
aqa /; TiiffTig s'^ äxotjg.
3. 0 ro/uioc xal ot nqocfijcai. Zur Zweiteilung des Kanons s. bei Mt5, 1 7 %
(oben S. 240).
Matth 22, 43. 46. 2.3, 2. 3 (51) 909
22,42: Sie sagen zu ihm: Davids (Sohn).
Zu dieser Antwort s. bei Mt 1, 1 (6 1) S. 11 ff. — Zur Bezeichnmis; des Messias als
,Ben David* s. bei Mt 9, 27 S S. 525.
22,43: Wie nennt nun David ihn im Geist einen Herrn?
SV nvfvaaTi = ty^-^r} r.'^r'z = im Geist prophetischer Begabung oder
im Geist der Inspiration, s. bei Lk 2, 25 (f (Nr. 1 — 4).
lArakh 15b: R. Acha b. Chanina (um 300) sagte: Für den Verleumder gibt es keine
Wiederherstellung (Rettung), denn schon hat ihn David im heiligen Geist ausgerottet,
s. Psl2, 4: Ausrotten wird Jahve all die glatten Lippen, die Zunge, die da Großes
redet. — Weiteres s. im Exk.: Die Inspiration der heiligen Schrift Anm. 18—22.
22,44: Es sprach der Herr zu meinem Herrn.
Hierzu s. den Exkurs: Der 110. Psalm in der altrabbin. Literatur.
22,46: Niemand konnte ihm ein Wort antworten.
M'^gTaian 8: Die Sadduzäer verzehrten das Speisopfer bei den Tieropfern (gemeint
sind die Sp., die in Verbindung mit Trankopfern namentlich bei den Brandopfern dar-
zubringen waren u. die die Mischna M'^u 6, 2 ganz dem Altar zuweist). Da machte sich
Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) an sie u. sprach zu ihnen : Ihr Toren, woher habt
ihr das? Und es war niemand unter ihnen, der ihm ein Wort erwiderte zr.z r-rr. sV-
-z- iV —Tn-ir -:rTs außer Einem Ältesten usw., s. die ganze Stelle im Exkurs: Die
Pharisäer u. die Sadduzäer Nr. 4 B, b, s. — Eine ähnliche Erzählung über Rabban
Jochanan b. Z. u. die Boethosäer in M^nöS», hier: ■3"r'3 rj-rt':; -r:s cts n-n sV- „u. es
war kein Mensch da, der ihm geantwortet hätte" ; s. die Stelle bei Mt 5, 22 S. 280«.
23,2: Auf Mos es Stuhl sitzen dieSchriftgelehrtenu.d. Pharisäer.
snl xr^Q MwvGewc xa^s'ÖQag = ."lüiTan N~~ir;Tr.
Mit den Worten: „sie sitzen auf Moses Stuhl" werden die Schrift-
gelehrten als Inhaber der Lehrgewalt bezeichnet. — Durch einen
Gelehrten aus dem Anfang des 4. Jahrh.s erfahren wir, daß es eine
besondere Art von Lehnstühlen (wohl Sesseln für die Schulhäupter)
gegeben hat, welche man „Mose-Stuhl" nir^n i<->-rp nannte.
P'^siq 7l>: „Einen runden Kopf hatte der Thron nach hinten zu" 1 Kg 10, 19. R. Acha
(um 320) hat gesagt: Wie ein Mosestuhl. — Vgl. Bacher, pal. Amor. 3, 138; Krauß,
Archäol.<J,208. — In der Parallelstelle Midr Esth 1,2 (85 a) ist der Text verderbt.—
Anders verhält es sich mit der s-^-^r- Moses ExR 43 (99t>): „Ich saß auf dem Berge
40 Tage u. 40 Nächte" (so der Midr Dt 9, 9). Ist es denn möglich, daß Mose saß, während
Gott stand? R. Darosai (im 4. Jahrb.) hat gesagt: Einen Lehnstuhl r-.—.r- machte ihm
Gott nach Art des Lehnstuhls eines Advokaten; wenn diese vor einen Herrscher treten,
so scheinen sie zu stehen, während sie lediglich sitzen. Und auch hier (in Moses Fall)
war es so: um ein Sitzen handelte es sich, das wie ein Stehen erschien.
23,3 5t: Alles nun, was sie euch sagen, das tut.
Die Rabbinen forderten unbedingten Gehorsam gegen die Lehr-
entscheidungen der geordneten Instanzen auf Grund von Dt 17, 10 f.
Umgekehrt sicherten sie demjenigen Schuld- u. Straffreiheit zu, der im
Gehorsam gegen eine falsche Entscheidung eines Gerichtshofs tat-
sächlich eine Gesetzesübertretung begangen hatte.
910 Matth 23, 3 (5i. SB)
SDt 17, 10 § 154 (lOö'"^): „Du sollst nach dem Wort tun, das sie dir verkündigen
werden von jenem Ort aus, den Jahve erwählen wird" (also von Jerusalem aus) Dt 17, 10.
Wegen (Nichtachtung) einer Entscheidung des großen Gerichtshofes in Jerusalem macht
man sich des Todes schuldig; aber nicht macht man sich des Todes schuldig wegen
(Nichtachtung) einer Entscheidung des Gerichtshofes in Jahne (weil Dt 17, 10 nur von
Jer. handelt). „Nach der Tora, die sie dich lehren" Dt 17, 11: wegen der Worte der
Tora (u. ihrer Nichtbeachtung) macht man sich des Todes schuldig; aber nicht macht
man sich des Todes schuldig wegen der Worte der Soph^rim (der Schriftgelehrten
früherer Zeit). „Und nach der Rechtsentscheidung, die sie dir sagen werden, sollst
du tun": das bezieht sich auf die Gebote; „weiche nicht von der Tora, die sie dir
verkündigen werden" : das bezieht sich auf die Verbote; „nach rechts oder nach links" :
auch wenn sie in deinen Augen nach links zeigen, während es rechts ist, oder nach
rechts, während es links ist, höre auf sie. — Parallelstelle Sanh 86*^; zum Teil auch
Midr HL 1, 2 (84'"'). || Hör 1,1: Wenn ein Gerichtshof (von Gelehrten) entschieden hat,
eins von allen in der Tora genannten Geboten zu übertreten, u. ein einzelner geht
dann hin u. tut aus Irrtum nach ihrem Ausspruch — gleichviel ob sie es taten u. er
zugleich mit ihnen, oder ob sie es taten u. er nach ihnen, oder ob sie es nicht taten
u. er (allein) tat es — , so ist er frei (von Schuld u. Strafe), weil er dem Gerichtshof
gefolgt ist. — Vgl. pB'^rakh 1 , 3 '', 58 : R. Chananja b. Ad(d)a hat im Namen des R.Tanchum
b. Chijja (um 300) gesagt: Gewichtiger sind die Worte der Ältesten (Gelehrten), als-
die Worte der Propheten. . . . Prophet u. Ältester, wem gleichen sie? Gleich einem
König, der zwei von seinen Geheimschreibern ^ in eine Provinz (oder Stadt) entsandte;
über den einen von ihnen schrieb er: Wenn er euch nicht meine Unterschrift u. mein
Siegel zeigt, so glaubt ihm nicht. Und über den andren von ihnen schrieb er: Auch
wenn er euch nicht meine Unterschrift zeigt, so habt ihr ihm zu glauben ohne Unter-
schrift U.Siegel. Ebenso heißt es über den Propheten Dt 13, 2: „Wenn er dir ein
Zeichen u. Wunder gibt"; dagegen heißt es hier Dt 17, 11: Nach der Tora, die sie
(die Ältesten = Gelehrten) dich lehren . . . sollst du tun. — Dasselbe pSanh 11, 30 '^ 1 ;
p?AZ 2,41^49; Midr HL 1,2 (84"). || P-^siqR 3 (7'^: Man sage nicht: Ich erfülle die
Gebote der Ältesten nicht, weil sie nicht aus der Tora stammen. Gott sagt zu einem
solchen: Nein, mein Sohn, sondern alles, was sie über dich verordnen, erfülle. Dt 17, 11:
Nach der Weisung, die sie dir erteilen usw.
23, 3 S: Nach ihren Werken aber tuet nicht;
denn sie sagen es u. tun es nicht.
Diesbezügliche ungünstige Urteile über die Pharisäer s. im Exkurs:
Die Phar. u. die Sadduzäer Nr. 2. — Daß Theorie u. Praxis bei den Ge-
lehrten häufig auseinandertielen, erkennt man an den diese Erscheinung
bekämpfenden Aussprüchen.
SLv 26, 3 (448'''): „Wenn ihr in meinen Satzungen wandeln u. meine Gebote be-
obachten und sie tun werdet" Lv26, 3; damit ist der gemeint, welcher lernt, um da-
nach zu tun; nicht aber der, welcher lernt, um nicht danach zu tun; denn wer lernt,
um nicht danach zu tun, dem wäre es besser, wenn er nicht geboren wäre. || LvR 35
(132'^): R. Chijja (um 2G0) hat gelehrt: Wer lernt, um nicht danach zu tun, dem wäre
es besser, wenn er nicht geboren wäre. R. Jochanan (t 279) hat gesagt: Wer lernt,
um nicht danach zu tun, dem wäre es besser, wenn sich seine Nachgeburt um ihn
geschlungen hätte u. er nicht an die Luft der Welt herausgetreten wäre. — Parallel-
stelle pB'^^rakh 1,3 b, 24. |! DtR 7 (204-'') s. bei Mt 21, 31 31. j| B'^rakh 17 » : Ein Gewohnheits-
spruch im Munde Rabas (f 352): Der Endzweck der Weisheit ist Buße u. gute Werke;
^ ■;"13':Ve, Krauß, Lehnwörter, denkt an diplomatarius = Sekretär, Bewahrer der
kaiserlichen Geheimschriften; andere an nowTovotÜQios oder no'Asf^oyoTägiog oder
frumentarius (Proviantmeister).
Matth 23, 3 (SB). 23, 4 (51) 9 H
es soll der Mensch nicht die Schrift u. die Mischna studieren u. seinen Vater oder
seine Mutter oder seinen Lehrer oder einen, der gröfser als er ist an Weisheit u. Zahl
{y.'i, Alter?), verachten; vgl. Ps 111, 10: „Der Weisheit Anfang ist die Furcht Jahves;
gute Einsicht haben alle, die sie (die Gebote) tun." Die sie „lernen", heifst es nicht,
sondern die sie „tun", die sie um ihrerselbstwillen tun, aber nicht, die sie nicht um
ihrerselbstwillen tun; wer sie nicht um ihrerselbstwillen tut, dem wäre es besser, da&
er nicht erschaffen wäre. 1| Joma 72 1»; Von innen u. von aufsen sollst du sie (die Bundes-
lade mit Gold) überziehen Ex 25, 11. Raba (f 352) hat gesagt: Ein Gelehrtenschüler,
dessen Inneres nicht ist wie sein Äußeres (der anders denkt als er handelt), ist kein
Gelebrtenschülev. Abaje (f 338/89^ nach andren Rabbah b. fUlIa? (um 400 oder Rabba
b. fUlla? um 300) hat gesagt: Ein solcher wird ein Abscheulicher genannt, s. Hi 15, 16. ]]
ExR43(991j): Wenn ein Ältester (Gelehrter) eine Entscheidung trifft u. will, da&
andere seine Entscheidung annehmen, so muß er selbst sie zuerst halten. Autor:
R. Ji^chaq, um 300. !| Aboth 1, 15: Schammai (um 30 v. Chr.) sagte: Mache dein Tora-
studium zu einer festgestellten Pflicht (zu einer festen Einrichtung); sprich wenig, aber
tu viel. II TJ^bS, 4 (250): Ben fAzzai (um 110) sagte: Wer sich nicht mit der Fort-
pflanzung befaßt (= unverheiratet bleibt), dem rechnet es die Schrift so an. als ob
er das (göttliche) Ebenbild verminderte; s. Gn 9, 6f. : Denn in seinem Bilde hat Gott
den Menschen gemacht (u. unmittelbar darauf folgt:) Ihr aber seid fruchtbar u. mehret
euch! Da sagte R. Elfazar (b. ?Azarja) zu ihm: Schön sind Worte, wenn sie aus dem
Munde ihrer Täter kommen; mancher trägt schön vor u. hält (auch das Vorgetragene)
schön; Ben ?Azzai trägt schön vor, hält aber nicht schön (denn er war unbeweibt ge-
blieben). Er antwortete ihm: Was soll ich tun? Meine Seele hängt an der Tora; so
mag die Welt durch andere erhalten werden! — Parallelstellen: J^'b 6'6^; GnR 34 (21*^). }|
Targ Jeruscli I Nu 23, 19: Nicht wie die Worte eines Menschen ist das Wort des
lebendigen u. ewig bleibenden Gottes, des Herrn aller Welten, Jahves ; denn ein Mensch
sagt (etwas) u. (dann) weigert er sich (es zu tun). Und auch seine Werke gleichen
nicht den Werken der Kinder des Fleisches, die beraten u. dann wieder zurücktreten
von dem, was sie beschlossen haben. Aber der Herr aller Welten, Jahve, hat zugesagt,
dieses Volk so zahlreich zu machen wije die Sterne des Himmels u. sie in Besitz,
nehmen zu lassen das Land der Kana?aniter; sollte er, was er gesagt hat, nicht tun?
u. was er geredet, sollte er es nicht halten? || Chag 15b ga^t eine Tochter des Apostaten
Acher (= Elischa? b. Abuja, um 120) zu dem Patriarchen J^'huda I. in bezug auf ihren
Vater: „Gedenke seiner Torakenntnis u. gedenke nicht seiner Taten!"
23,4 91: Sie binden schwere Lasten u. legen sie
auf die Schultern der Menschen.
Bei diesen drückenden Lasten a wird man in erster Linie an die
kleinlich genauen halakhischen Bestimmungen zu denken haben, mit
denen die rabbinische Auslegung die einzelnen, in das Leben des Volkes
tief eingreifenden Gebote belastet hatte, wie zB die Gebote über Rein-
heit u. Unreinheit, über Zehnten u. Heiliges, über Fasten u. Beten, über
Heiligung der Sabbat- u. Feiertage u.dgl.; sodann aber auch an die
sog. n'i^K>, Verhütungsvorschriften, mit denen man die biblischen Ge-
bote wie mit einem Zaun umgeben hatte, um sie so vor Übertretung
zu sichern. So fügte man zB den Lv 18, 6 ff. zur Ehe verbotenen Ver-
wandtschaftsgraden überall nach oben u. unten noch einen zweiten Grad
hinzu (J'b 21»); um die Mischehen mit Heiden zu verhindern, unterband
man durch die 18 auf dem Söller des Chananja b. Chizqijja b. Garon
gefaßten Beschlüsse überhaupt jeglichen Verkehr mit Nichtisraeliten
912 Matth 23, 4 (?t)
(s. Exk. : Stellung des Judentums zur nichtjüdischen Welt Nr. 3 Anm. b u.
Nr. 5E). Diese Vorbeugungstheorie wird bereits von den „Männern der
Oroßen Synagoge" ^ empfohlen ;b befolgt ist sie von der alten Sjmagoge
wohl zu allen Zeiten, je nachdem die Verhältnisse dazu Anlaß boten. c
Ihrer Überspannung hatte man zwar gewisse Schranken gezogen, d Doch
war es einem ungelehrten Juden, der für sich u. die Seinen das zum
Leben Nötige ehrlich erwerben, zugleich seinem Gott in treuer Frömmig-
keit dienen wollte, einfach unmöglich, die schier zahllosen Sätze der
Schriftgelehrten zu kennen, geschweige denn zu beobachten. Wenn man
aber die Befolgung dieser rabbinischen Satzungen der der biblischen
Gebote gleichwertig machte, waren schwere Gewissenskonflikte gerade
für zartere religiöse Gemüter unvermeidlich. e
a. Vgl. den oft vorkommenden Ausdruck ---r '-.•: „Joch der Tora" oder r-::-? ;-.•
„Joch der Gebote". Aboth 3, 5: R. N'^chonja b. Ha-qana (um 70) pflegte zu sagen:
Wenn jemand das Joch der Tora auf sich nimmt, so wird ihm das Joch der Regierung
u. das Joch der weltlichen Beschäftigung abgenommen. || Sanh 94 b wird von den
Früheren (den 10 Stämmen) gesagt: Sie machten sich das Joch der Tora leicht =
warfen es von sich -^in "s-y an-Vy^s i;-n u. von den Späteren (Generation des Hiskia):
Sie machten sich das Joch der Tora schwer 'r Vny ■a-r.-^hv ■!--=:-. |j B'^rakh 2, 2:
R. J^hoschuas b. Qarcha (um 150) hat gesagt: Warum geht (im Sch*^maf) Dt 6, 4 — 9
dem Abschnitt Dt 11, 13 — 21 vorauf? Damit man zuerst das Joch der Gottesherrschaft
auf sich nehme u. hinterher das Joch der Gebote. Vgl. bei Mt 11, 29 5i. Speziell von der
mündlichen Tora, d. h. von der traditionellen Gesetzesauslegung der Rabbinen, heißt
€S Tanch -; S^-b; Die mündliche Tora ist schwer zu erlernen u. es gibt bei ihr grofse
Not. ... Es gibt bei ihr Subtilitäten (a'p^'P") der leichten u. schweren Gebote, u. sie
ist hart wie der Tod (vgl. HL 8, 6).
b. Aboth 1,1: (Die Männer der Großen Synagoge ri'^i-;- rzzt) haben 3 Worte
gesagt: Seid vorsichtig beim Richten, stellet viele Schüler auf u. machet einen Zaun
;-~ um die Tora. — Vgl. B^'rakh 1,1: Von wann an liest man das Schema? am Abend?
Von der Zeit an, da die (unrein gewesenen) Priester wieder (in das Heiligtum) ein-
treten dürfen, um ihre Hebe zu essen (d. h. vom Erscheinen der Sterne an) bis hin
zum Ende der ersten Nachtwache (etwa abends 10 Uhr). Das sind Worte des R. Elifezer
(um 90). Die Gelehrten sagten: Bis hin zur Mitternacht; Rabban Gamliel (um 90)
sagte: Bis zum Emporsteigen des Morgengrauens. . . . Und nicht bloß hierbei, sondern
bei allem, wovon die Gelehrten „bis Mitternacht" gesagt haben, gilt, daß der gesetz-
lichen Pflicht genügt werden darf, bis das Morgengrauen emporsteigt. Wenn aber dem
so ist, warum haben dann die Gelehrten gesagt: „bis Mitternacht"? Um den Menschen
von der Übertretung fernzuhalten. (Man fordert erschwerend „bis Mitternacht", um
so die Erfüllung bis zum Morgengrauen ganz sicherzustellen.) — Den Zweck, den die
Gelehrten bei ihrer Entscheidung im Auge hatten, bezeichnet die Bar B^'rakh 4^ bildlich
mit den Worten: Die Gelehrten haben einen Zaun für ihre Worte gemacht.
C. Die biblische Begründung für die r-^v;, zB für das Kenntlichmachen der Grab-
stellen, für Ausdehnung der Blutschandegesetze auf die zweiten Grade, hat man mehr-
fach in Lvl8, 30 gefunden: „Beobachtet das mir gegenüber zu Beobachtende." Rab
Aschi (t 427) hat gesagt: Machet einen Schutz {r~^x-!2) um das mir gegenüber zu Be-
obachtende MQ 5^. |] Die gleiche Erklärung von Lv 18, 30 gibt Rab Kahana, um 375,
J'^b 21^*. — Dasselbe meint auch Avohl SLv 18, 30 mit den Worten: „Beobachtet das mir
' Nach der Tradition ein Kollegium von 120 Männern, die in der Zeit nach Esra
bis hinab auf Schimson den Gerechten (I., um 300) die religiösen Angelegenheiten
regelten und entschieden; s. Einl. S. 7. 117.
Mattb 23, 4 (5t. S) 913
gegenüber zu Beobachtende", das will den Gerichtshof in bezug hierauf ermahnen (näm-
lich Vorbeugungsmaf3regeln gegen die Übertretung der Gebote zu treffen).
d. BQld^ Bar: Obgleich man gesagt hat, dafs man kein Kleinvieh im Lande '
Israel aufziehe (s. BQ 7, 7), so zieht man doch Großvieh auf, weil man ein Verhütungs-
verbot r-.-7; nur in dem Fall für die Gemeinde anordnet, daß die Mehrzahl der Ge-
meinde dabei bestehen kann. |! Beca '2b: (Rabbah, f 330, hat gesagt:) Für etwas un-
gewöhnliches haben die Rabbinen kein V.verbot erlassen. || Be^a 3=^: (Abaje, f 388/39,
hat gesagt:) Wir würden ja ein V.verbot für ein V.verbot erlassen 7-:-i:~h r-r; ^^r;3!
(was nicht statthaft ist). Ähnlich pP''sl,27<' (2mal): t';"' "^; lu", gibt es denn einen
Zaun für einen Zaun? 1! GnR 19 (12''): Von den Früchten des Baumes, welcher inmitten
des Gartens, hat Gott gesagt, von denen sollt ihr nicht essen u. sollt auch nicht
daran rühren Gn 3, 3. Das meint auch Spr 30, 6: Füge nicht hinzu zu seinen Worten:
er würde dich überführen u. du stündest dann als Lügner da. R. Chijja (um 200) hat
als tannaitische Tradition gelehrt: Mache den Zaun nicht hoch über das eigentliche
Verbot hinaus, damit er nicht einfalle u. die Pflanzungen umbreche. So hatte Gott
gesagt Gn 2, 17 : „Denn an dem Tage, da du von ihm issest, wirst du gewißlich sterben,"
Sie (Eva) sagte aber nicht so, sondern auch, daß Gott gesagt habe: Ihr sollt auch
nicht daran rühren Gn 3, 3. Da nun die Schlange sah, wie sie (Eva) au dem Baum
vorüberging, nahm sie sie, stieß sie gegen den Baum u. sprach: Siehe, du stirbst nicht!
Wie du nicht durch sein Berühren gestorben bist, so wirst du auch nicht durch das
Essen von ihm sterben! — Daß die Meinungen über den Wert einiger rabbinischer
Verhütungsverbote gar geteilt waren, zeigt pSchab 1, 3<=, 26: Jener Tag (an welchem
die 18 Beschlüsse auf dem Söller des Chananja b. Ghizqijja b. Garon gefaßt wurden)
war für Israel schlimm, wie der Tag, an welchem das (goldene) Kalb gemacht wurde.
R. Elisezer (um 90, Anhänger der Schule Schammais) sagte: An jenem Tage machte
man dem Maß einen Haufen. R. J'hoschua? (um 90, Anhänger der Schule Hillels)
sagte: An jenem Tage strich man es ab. R. Eli?ezer sagte zu ihm: Wenn dem Maß
(der biblischen Satzungen) etwas mangelte u. man machte es voll (durch jene 18 rabbi-
nischen Beschlüsse), so tat man doch recht daran! Gleich einem Faß, das voll von
Nüssen ist; soviel Sesam (Mohn) du auch hineintust, es faßt ihn (denn er füllt nur
die Lücken zwischen den Nüssen aus; so waren auch jene 18 Bestimmungen eine
nützliche Ergänzung der biblischen Satzungen). R. J^^hoschua? sagte zu ihm: Wenrr
es voll war u. man machte, daß ihm etwas mangelte, das wäre recht? Gleich einem
Faß, das voll von Öl ist; soviel Wasser du hineintust, soviel Öl verschüttet es (so
haben jene 18 Bestimmungen die biblischen Satzungen nicht verbessert, sondern ver-
wässert). Parallelstelle: Schab 153^.
e. Vgl. die Zitate bei Mt 2, 4 S. 81 f. u. bei 15, 2 51 S. 691 ff.
23,4S8: Sie selbst aber wollen si 6 mit ihr eniFinger nicht bewegen.
pSotaS, 19^ 16: R. Z<^riqa (um 300) hat im Namen des Rab Huna (f 297) gesagt:
Der, weicher für sich selbst in erleichterndem Smn u. in bezug auf andre in er-
schwerendem Sinne entscheidet (ist ein schlauer Gottloser). — Dafür Sota 21'': Der
es sich selbst leicht macht u. andren schwer. |1 B«rakh 22« sagt R. J^huda, um 150,
von sich: Wenn ich auch bei andren erleichternd entscheide, so entscheide ich in be-
zug auf mich selbst in erschwerendem Sinn. || Chul 4315: Wer tun will nach den Worten
der Schule Schammais, der darf es; wer nach den Worten der Schule Hillels, der
darf es; wer nach den Erleichterungen der Schule Schammais u. nach den Erl. der
Schule Hilleis (d. h. wer in jedem Einzelfall immer der erleichternden Schule folgt),
der ist ein Gottloser; wer nach den Erschwerungen der Schule Schammais u. nach
den Erschw. der Schule Hilleis, über den sagt die Schrift Qoh 2, 14: Der Tor wandelt
in Finsternis. — Dasselbe als Bar fEr tJb; RH 14^. || R. Me'ir (um 150) sagt von sich:
Wenn ich auch für andre in erleichterndem Sinn entschieden habe, so entscheide ich
in bezug auf mich selbst in erschwerendem Sinn; s. pB'^'rakh 1, 3=*, 9 nebst Parallelen
strack u. Billerbeck, NT I.
58
914 Matth 23, 5. 6 (51)
bei Mk 6, 13. || Sukka 29b s. bei 5, 5 S. 199. || Dem cl"«xn'Aw x/rf/V entspricht einiger-
maßen das hebr. yi::s.2 >■;:. Abotli RN 2 sagt eine Frau von ihrem Mann: ^Selbst
mit seinem kleinen Finger hat er mich nicht angerührt."
23,5 51: Alle ihre Werke tun sie, um von den Menschen
gesehen zu werden,
pB'^rakhO, 14 '^ 40: Sieben Klassen von Pharisäern gibt es: Der SchuUerpharisäer. . . .
Der Schulterpharisäer trägt seine Gebotserfüllungen auf der Schulter (d. h. allgemein
zur Schau). — Die ganze Stelle im Exkurs: Die Pharisäer u. die Sadd. Nr. 2. — Vgl.
die Warnung Hillels (um 20 v. Chr.) Aboth 1, 13: Wer sich einen Namen machen will,
verliert den Namen; wer nicht hinzufügt, macht aufhören; wer nicht (Tora) lernt, ist
des Todes schuldig, u. wer sich der Krone (der Torakenntnis) zu seinem eignen Vorteil
bedient, der geht zugrunde. — Ferner Aboth 4, 5: R. (^adoq (um 70 n. Chr.) sagte: . . .
Mache (die Torakenntnis) nicht zu einer Krone, um damit großzutun, auch nicht zu
einem Grabscheit, um damit zu graben (Geld zu verdienen). Und so hat Hillel gesagt:
Wer sich der Krone (der Torakenntnis) zu seinem eigenen Vorteil bedient, der geht
zugrunde. Siehe, da lernst du: Wer von den Worten der Tora Nutzen zieht, der bringt
sein Leben aus der Welt. — Vielfach hat besonders der Wohltätigkeitsbetrieb dem
Zwecke gedient, „um von den Menschen gesehen zu werden", s. den Exkurs über die
private Wohltätigkeit; ferner s. bei Mt 6, 2. 5.
23.5 23: Sie machen ihre Denkzettel (Gebetsriemen) breit.
Über die Phylakterien oder T'^phillin s. den betreffenden Exkurs. —
Das Breitmachen war möglich, weil deren Grüßenverhältnisse von der
Halakha nicht normiert waren, s. Exk. Nr. 3 A. — Da die Stelle, an der
die Kopft^philla getragen wurde, für zwei T'^phillinkapseln Platz bot, hielt
es Fl. Chaggai (um 330) sogar zulässig, zwei Kopft^phillin anzulegen.
pfEr 10, 26'\ 34: Will jemand (am Wochentag zwei Kopft^'phillin) anlegen, so tue er
es. — Zum ostentativen Tragen der Ph. seitens Scheinheiliger s. Exkurs Nr. 6 Anm.«.
23,5 6: Sie machen ihre Kleiderquasten groß.
Nur das Mindestmaß der Schaufäden hatte die Halakha festgesetzt;
sie konnten also nach Belieben vergrößert werden ; s. Exk. über die 9i9ith.
23.6 31: Sie lieben den ersten Platz bei den Gastmählern.
Um 300 n. Chr. war es üblich, die Rangordnung bei Tisch nach dem
Alter der-Geladenen festzusetzen. BB 120=*: R. Amrai (um 300) hat ge-
sagt: In der Akademie geht es nach der Gelehrsamkeit (der Gelehrteste
sitzt obenan), bei Tisch aber nach dem Alter (der Älteste sitzt obenan). —
In der älteren, für Mt23,6 maßgebenden Zeit galten andre Grundsätze.
TB'rakho, 5 (12): Wie war die Ordnung (Reihenfolge) beim Zutischeliegen? Wenn
zwei Speisepolster da waren, lag der Angesehenste C-i";)^ am Kopfende des ersten
Polsters u. der zweite nach ihm unterhalb von ihm (d. h. auf dem zweiten Polster so,
daß sein Kopf sich etwa in Brusthöhe des Angesehensten befand). Wenn drei Polster
da waren, lag der Angesehenste am Kopfende des mittleren Polsters; der zweite nach
ihm oberhalb von ihm (d. h. hinter dem Angesehensten so, daß des letzteren Kopf sich
in Brusthöhe des zweiten befand); der dritte nach ihm unterhalb von ihm (dem An-
gesehensten, so wie es beim Vorhandensein von zwei Polstern üblich war). So ordnete;
' *;•-; hier nicht der „Älteste", sondern der Angesehenste, wie in den §§ 6 u. 7.
Matth 23, 6 (51. JB) 915
man immer weiter (d. h. der vierte hatte seinen Platz neben dem zweiten, der fünfte
neben dem dritten, der sechste neben dem vierten usw.; vgl. den Exkurs: Ein alt-
jüdisches Gastmahl Nr. 4). — Dasselbe als Bar pTafan 4, 68^, 51; B rakh46b. — Vgl.
auch Hör 13^ Bar: Wenn der s^-i: (Präsident des Synedriums, Oberhaupt der Akademie)
eintritt, steht alles Volk (die ganze Versammlung) u. setzt sich erst, wenn er zu ihnen
sagt: Setzt euch! Wenn der ]"'n r->z ns (der Vizepräsident) eintritt, bildet man für ihn
eine Reihe auf dieser Seite u. eine Reihe auf jener Seite, bis er (durch diese beiden
Reihen von Stehenden hindurchschreitend) sich auf seinen Platz gesetzt hat. Wenn
der 33-^ (der , Gelehrte") eintritt, bleibt die eine Reihe sitzen, während die andre
steht, bis er sich auf seinen Platz gesetzt hat. Die Söhne von Gelehrten u. die Ge-
lehrtenschüler dürfen, wenn die Mehrzahl ihrer bedarf, über die Köpfe des Volkes hin-
wegschreiten (um nach vorn zu gelangen). . . . Die Söhne der Gelehrteuschüler, deren
Väter zu Gemeindevorstehern ernannt sind, dürfen, wenn sie Kenntnis besitzen, um
zuzuhören, eintreten u. vor ihren Vätern Platz nehmen, während ihr Rücken dem Volk
zugewandt ist. Wenn sie aber keine Kenntnis besitzen, um zuzuhören, so dürfen sie
eintreten, müssen aber vor ihren Vätern so Platz nehmen, daß ihr Angesicht dem Volk
zugewandt ist. R. Ehazar b. (^ado(i (1. um 100, 11. um 150) sagte: Auch bei einem Gast-
mahl macht man sie zum Anhängsel (ihrer Väter, sie sitzen also bei diesen oben-
an). . . . Raba (f 352) hat (mit Bezug auf den letzten Satz) gesagt: Bei Lebzeiten
ihrer Väter, in Gegenwart ihrer Väter (um diese damit zu ehren).
Da also für die Tischordnung in der älteren Zeit das Ansehen der
Gäste maßgebend gewesen ist, wie hätten sich da nicht Eitelkeit u.
Ehrgeiz hervorwagen sollen? Vgl. auch den nächsten Abschnitt.
23, 6 ^: Die ersten Sitze in den Synagogen.
Elbogen, Die Religionsanschauungen der Pharisäer S. 38f. schreibt:
„Im Evangelium des Mt wird gegen die Schriftgelehrten der Vorwurf
erhoben, daß sie auf besondere Ehrungen in den Synagogen Anspruch
erhoben (23, 6). An diesem Punkte können wir nun die Strafrede des
Evang. kontrollieren u. feststellen, daß nach allen sonstigen Berichten
über die Synagogen gerade das Gegenteil sich als wahr erweist. Das
sollte der Geschichtsforschung ein wichtiger Fingerzeig sein für den
Grad der Glaubwürdigkeit, die wir der Polemik des Evang. beimessen
dürfen." In einer Anm.rügtE., daßSchürer^ 2, 317 sogar verallgemeinernd
schreibe: „Überhaupt machten dieRabbinen überall auf den ersten Rang
Anspruch" u. er behauptet: „Bei Gastmählern saß man nach dem Alter,
s. BB 120'\" — Aber der letzte Satz ist irreführend, da man in der älteren
Zeit nach dem Ansehn zu Tische gelegen hat (s. oben), u. auch die ersten
Sätze sind nicht richtig. TM^g 4, 21 (227) heißt es: Wie saßen (in den
Synagogen) die Ältesten {ü^:pi = Gelehrte)? Ihr Angesicht war dem
Volke zugewandt u. ihr Rücken dem Heiligen (d. h. dem Toraschrank). —
Die Gelehrten haben hiernach in den Synagogen nicht inmitten des
übrigen „Volkes" gesessen, sondern haben bevorzugte Plätze inne-
gehabt. Vielleicht hat das Streben nach Ehrenplätzen in den Synagogen
erst in Jesu Tagen seinen Anfang genommen; die Tosephtastelle würde
* Der Chakham (identisch mit dem a'-:t^,-o = Vorzüglichster des Gelehrtenkollegiums)
ist der Referent, bezw. der Diskussionsleiter.
58*
9 1 6 Matth 23, 6 (S). 23, 7 (Nr. 1 )
dann beweisen, dafs dies Streben von Erfolg gewesen ist. Wenn aber
Mt über eine geringfügige Einzelheit, die selbst jüdische Gelehrte von
Ruf heute noch in Abrede stellen, sich genau unterrichtet erweist, darf
man auch der ganzen Polemik in Kap. 23 Vertrauen entgegenbringen.
pPea 8, 2 1 1», 44 : Ein Blinder kam nach dem Wohnort des R. Elicezer b. Jacaqob
(um 150). R. El. setzte sich unter ihn. Man dachte: „Wenn das nicht ein angeseliener
Mann wäre, so hätte sich R. El. b. J. nicht unter ihn gesetzt", u. so sorgte man in
ehrenvollster Weise für seine Verpflegung. Er sprach: Warum dies? Sie antworteten:
R. El. hat sich unter dich gesetzt. Da betete er dieses Gebet für ihn: Du hast Liebe
erwiesen einem, der gesehen wird u. nicht sieht (vgl. pSch'q 5, 49b, 18); der, welcher
sieht u. nicht gesehen wird (d. h. Gott), nehme deine Freundlichkeit (wörtlich: Be-
sänftigung) an u. vergelte dir Liebe! — Ob der Vorfall in einer Synagoge oder in einem
Lehrhaus sich zugeti'agen hatV Jedenfalls zeigt die Stelle, daß die Menge daran ge-
wöhnt war, aus der Platzordnung, die die Gelehrten beobachteten, auf deren Ansehn
zu schließen. Die Platzfrage kann also mindestens keine nebensächliche Frage für die
jüd. Gelehrten gewesen sein. || Wie sehr die Rüge Jesu am Platze war, beweist auch
folgender Ausspruch des Schinicon b. cAzzai (um 110) AbothRN 25: Rücke von deinem
(dem dir zukommenden) Platz zwei oder drei Stufen hinunter. Es ist dir besser, daß
man zu dir sage: , Rücke herauf, als: „Rücke hinunter!" s. Spr25, 7: Besser ist es,
daß man zu dir sage: „Rücke herauf"! als daß man dich erniedrige vor einem Vor-
nehmen, den deine Augen gesehen haben. — Die Parallelstelle LvR 1 (105*^) bei
Mt 18, 4. — Wenn die gewünschte Bescheidenheit immer geübt worden wäre, hätte
Ben tAzzai sie in dieser Weise nicht zu fordern brauchen. || Tacan21t': Rab Nachman
b. Chisda (um 800, der ein allgemeines Fasten angeordnet hatte) sagte zu Rab Nach-
man b. Ji^chaq (f o56, der beim Fastengottesdienst unter den gewöhnlichen Leuten saß,
vgl. Rasclii): Es stehe doch der Herr auf u. komme zu uns! Er antwortete: Wir haben
gelernt: R. Jose (um 150) hat gesagt: Nicht der Platz (Ort) eines Menschen ehrt diesen,
sondern der Mensch ehrt seinen Platz. Denn so finden wir es beim Berge Sinai: so-
lange die Sch^khiua (Gottheit) auf ihm weilte, sagt die Tora Ex 33, 3: Auch das Klein-
vieh u. das Rindvieh darf nicht gegen diesen Berg hin weiden. Als aber die Sch'^khina
sich von ihm entfernt hatte, sagt die Tora Ex 19, 13: Wenn man das Widderhorn bläst,
sollen sie an den Berg emporsteigen. Ebenso finden wir es bei der Stiftshütte in der
Wüste: solange sie aufgeschlagen war, sagt die Tora Nu 5, 2: Sie sollen jeden Aus-
sätzigen . . . aus dem Lager fortschicken. Waren aber die Vorhänge (der Stiftshütte)
zusammengerollt, dann durften mit Fluß Behaftete u. Aussätzige dort hineinkommen.
Da sagte er zu ihm: Wenn dem so ist, dann wollen wir aufstehn u. zu dem Herrn
kommen. Man antwortete ihm (dem Rab Nachman b. Chisda): Es ist besser, daß die
Mine,' die von einer halben Mine ' stammt, zur Mine, die von einer ganzen Mine stammt,
geht, als daß die Mine, die von einer ganzen Mine stammt, zur Mine, die von einer
halben Mine stammt, geht. — Auch diese Stelle zeigt, daß die Gelehrten in den gottes-
dienstlichen Versammlungen bevorzugte Plätze innehatten.
23,7: „Rabbi" genannt werden.
1. 'Paßßst, ir- „mein Herr", „mein Lehrer", y-j in der Bedeutung
„Lehrer" schon im Munde des um 110 v. Chr. lebenden J^hoschua?
b. Pn-achja: Schaffe dir einen Lehrer nn u. erwirb dir einen Studien-
genossen -an Aboth 1,6. — Gegen Ende des 1. Jahrb. s n. Chr. wird ist
Titel der palästinischen Gesetzeslehrer, wobei das Personalsuffix seine
1 o-r •]3 r.:-2 wörtlich: Mine, Sohn der Hälfte; „Mine" bildliche Bezeichnung eines
anerkannten Gelehrten, „halbe Mine" Bezeichnung eines mittelmäßigen Gelehrten. Beide
Rab Nachman sind Minen, aber Chisda, der Vater des einen, ist größer als Ji^chaq,
der Vater des andren.
Matth 23, 7 (Nr. 1 . 2j. 23, 8 (?lj 9 1 7
ursprüngliche Bedeutung verlor (vgl. „monsieur"); ^ in Babylonien be-
diente man sich des Titels ::n. || -z-: „unser Lehrer" findet sich als ehrender
Titel des Jochanan b. Zakkai, f um 80, u. einiger Nachkommen Hillels
(s. Einl. 120(J), ist nach Dalman, Worte Jesu 1, 273, „die ältere jüdische
Bezeichnung des von der römischen Regierung anerkannten Hauptes der
Juden" (doch wird schon Gamliel I. Rabban genannt). Das T^Eduj 3, 4
(360) über den Unterschied von Rabbi u. Rabban Gesagte ist nicht von
Belapg. Gamliels III. Vater, J'^huda L, heißt kurzweg „Rabbi", ■äi^j^ri ^lai
„unser heiliger Lehrer", oder x-rrri „Fürst, patriarcha", welcher Titel
auch seinen Nachfolgern eignete.
2. Im NT ist „Rabbi" ehrende Anrede „mein Herr, mein Meister".
Ebenso wird Hillel LvR34 (130'^^) zweimal angeredet (s. bei Mtl3,3
S. 654 f.), u. die Schüler des Nachum aus Gimzo (um 90) fragen ihren
Meister, obgleich er den Titel „Rabbi" nicht führte, mit der Anrede
„Rabbi" , s. Ta^an 21^ Ferner s. Mak 24^ bei Mt 23,9 S. 919 ; AbothRN 14
bei Mt 25, 14 ff. Nr. 2.
23,8 51: Ihr aber sollt euch nicht „Rabbi" nennen lassen.
Warnung vor Ehrsucht.
Abotli 1, 13: Hillel (um 20 v. Chr.) pflegte zu sagen: Wer sich eiuen Namen machen
will, büßt den Namen ein . . . u. wer sich der Krone (des Torastudiums für selbstische
Zwecke) bedient, schwindet dahin. — Aboth 4, 5 s. bei 23, 5 5t. || Das. 6, 4 : Suche
nicht Größe für dich u. verlange nicht nach Ehre. Über dein Lernen hinaus handle
(gute Werke gelten mehr als das Studium) u. laß dich nicht gelüsten nach den Tischen
der Könige; denn dein Tisch ist größer als ihr Tisch u. deine Krone größer als ihre
Krone, u. zuverlässig ist dein Arbeitsherr (Gott), daß er dir den Lohn deiner Arbeit
auszahlen wird. — SDt 11,22 §48 (84b): „.Jahve euren Gott zu lieben" Dt 11,22. Viel-
leicht möchtest du sagen : Siehe, ich will Tora lernen, damit ich ein Gelehrter heiße,
damit ich einen Sitz in der Akademie erlange, damit ich lange lebe in der zukünftigen
Welt; darum sagt die Schrift lehrend: „Zu lieben Jahve euren Gott." Lerne überall
(ohne Nebenabsichten), schließlich wird (auch) die Ehre kommen. Und so heißt es
Spr 4, 22 : Leben sind die Worte der Tora für jeden, der sie erlangt, u. seinem ganzen
Leibe Heilung. Und 3, 18: Ein Lebensbaum ist sie denen, die sie ergreifen, u. wer sie
festhält, ist glückselig. Und 4, 9: ,Sie wird deinem Haupte einen anmutigen Kranz
verleihen; sie wird dich mit einer prangenden Krone beschenken", „einen anmutigen
Kranz" in dieser Welt, „mit einer prangenden Krone wird sie dich beschenken" in der
zukünftigen Welt. Und 3, 16: „Dauer der Tage ist in ihrer Rechten", nämlich in der
zukünftigen Welt, „u. in ihrer Linken Ehre u. Reichtum", nämlich in dieser Welt.
R. El'azar b. ^adoq (I., um 100) sagte: Übe die Worte der Tora um ihrer Ausübung
willen, rede von ihnen um ihrer selbst willen. Und also pflegte er zu sagen: Wenn
das Leben BelsaQars, weil er sich der Geräte des Heiligtums bediente, die doch profane
Geräte waren, aus dieser Welt u. aus der zukünftigen Welt entwurzelt wurde — um
wieviel mehr gilt dann von dem, der sich des Gerätes, durch welches diese u. die zuk.
Welt erschaö"en wurde (d. h. der Tora) bedient (für selbstische Zwecke), daß sein Leben
aus dieser u. der zuk. Welt entwurzelt werde! — Dasselbe mit Erweiterungen als Bar
N*^d 62-'»; hier als Anfangsworte: Es soll der Mensch nicht sagen: Ich will die Schrift
studieren, damit man mich einen Gelehrten nenne; ich will den Traditionsstoff (Mischna)
^ Später wurde der Titel „Rabbi" durch Ordination verliehen; Nichtordinierte
wurden bei ihrem bloßen Namen genannt.
918 Matth 23, 8 (51. SB. 6). 23, 9 (Nr. 1. 2)
studieren, damit man mich „Rabbi" nenne, damit ich ein Altester "t werde u. einen
Sitz in der Akademie erlange u.sw. — Den Gedanken, den R. ElEazar b. (^adoq aus
Belsa^ars Geschick gefolgert hat, spricht fast mit denselben Worten R. Jochanan, f 279,
aus Wä 62a. \\ SDt 11, 13"§41 (79^): Jahve euren Gott zu lieben" Dt 11, 13. Vielleicht
möchtest du sagen: Siehe, ich will die Tora studieren, damit ich reich werde u. damit
ich „Rabbi" genannt werde u. damit ich Lohn empfange; deshalb sagt die Schrift
lehrend: „Zu lieben Jahve euren Gott." Alles was ihr tut, sollt ihr nur aus Liebe tun.
23,8 S: Einer ist euer Lehrer, v^nwi- o 6i6ccaxa?.oc, aram. = ■'idsi':!.
In formeller Hinsicht ist vergleichbar Aboth4, 8: R. Jischma^el
b. Jose, um 180, pflegte zu sagen: Sei nicht allein Richter; denn allein
richtet nur einer (nämlich Gott) nns xbx in-in'' -i ■|"'5<ir.
23,8 (f: Ihr alle seid Brüder,
Zur Anrede: „mein Bruder", „unsre Brüder" s. bei Apg 23, 1 u. bei Mt 5,22 SB.
23,9: Einen Vater von euch sollt ihr nicht auf Erden nennen.
1. Nach Bn^akh 16'' Bar sollen nur die drei Patriarchen Abraham,
Isaaku, Jakob „Väter" genannt werden: Man nennt „Väter" t'idn nur die
drei, u. man nennt „Mütter" r^rtizii nur die vier (Sara, Rebekka, Lea u.
Rahel). — Unter dem Ehrennamen „Väter" oder „Väter der Welt" wird
denn auch tatsächlich oftmals von den drei Stammvätern Israels geredet.
Brakh'iet»: R. Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Die Gebete (d. h. das drei-
malige Beten morgens, nachmittags u. abends) haben die Väter angeordnet. — Wer
hier unter den „Vätern" zu verstehen ist, zeigt die dann folgende Bar: Abraham hat
das Morgengebet angeordnet; Isaak das Nachmittagsgebet; u. Jakob das Abendgebet. ||
RH 10 b Bar: R. Elicezer (um 90) sagte: Im Tischri wurden die Väter (Abraham u. Jakob)
geboren, im Tischri sind die Väter gestorben; am Passahfest wurde Isaak geboren. . . .
R. J'^hoschua« sagte: Im Nisan wurden die Väter geboren, im Nisan sind die Väter ge-
storben; am Passahfest wurde Isaak geboren. Weitere Beispiele s. M^hEx 16, 10(56t>);
17,9(61b); 17,12(62a). SLv 26,42 (458a); TK'^r 4, 15 (567). || „Väter der Welt" zB
Midr Ps 8 §4 (38bj: Als Gott Israel die Tora geben wollte, sprach er zu ihnen: Stellet
mir Bürgen, daß ihr die Tora halten werdet! Sie sprachen zu ihm: Siehe, die Väter
der Welt aViyn n^as sind Bürgen für uns. — In MidrHL 1,4 (851»), wo R. Meir, um 150,
als Autor, steht dafür „unsre" Väter"; in Tanch it-J'i 50l> werden auch die Namen der
drei Erzväter genannt. || TanchB t->3 §11 (98*): So haben unsre Lehrer gelehrt: Man
betet nicht mehr als die drei Gebete, die die Väter der Welt angeordnet haben. —
Ferner s. Tanch yp^s 49*; Midi- Ps 55 § 1 (146a); aramäisch a-ihy rr.z^^ TargJeruschl
Dt 28, 15; TargPs68, 16; 99,6.
2. Die Bar in Nr. 1 ist nicht ein striktes Verbot. Schon der Name des
Mischnatraktats rinx beweist, daß :n, determiniert n^n kein seltener Ehren-
name Gelehrter oder sonst angesehener Männer gewesen ist. Vgl. ferner:
(Eduj 1,4: Warum werden die Worte Schammais u. Hillels zwecklos erwähnt (da
die Halakha in den vorliegenden Fällen sich nicht nach ihnen gerichtet hat)? Um die
künftigen Geschlechter zu lehren, daß ein Mensch nicht auf seinen Worten bestehen
soll; denn siehe, die „Väter der Welt" (d. h. Seh. u. H.) haben auf ihren Worten nicht
bestanden. — Auch R. Jischma<el u. R. cAqiba werden „Väter der Welt" genannt
pRH 1,56^21 u. pScheq3,47b,22: R. Jirm^ja (um 320) u. R. Meascha (IL, um 320) haben
im Namen des R. Sch'muel b. Ji^-chaq (um 300) gesagt, daß über den Zeitpunkt der
Viehverzehntung die Väter der Welt verschiedener Meinung gewesen seien. Wer waren
jene Väter der Welt? R. Jona (um 350) hat vor R. Jirm'^ja als tannaitische Tradition
gelehrt: R. Jischmacel u. R. tAqiba (waren es). — Weitere Beispiele s. bei Mk 11, 10. —
Matth 23, 9 (Nr. 2. 3). 23, 10 919
Das Ehrenprädikat „Abba" ist einer großen Anzahl von Namen beständig vorangesetzt,
so daß es mit diesen allmählich wie zu einer Einheit verwachsen erscheint. Beispiele
aus älterer Zeit: Abba Chilqijja (um 50 n. Chr.), Abba Scha'ul b. Batnith (um 70), Abba
Jose b. Jochanan aus Jerusalem (um 70), Abba Chanin (um 140), Abba Chalaphta (um 120),
Abba Jose aus Machoz (um 140), Abba SchaJul (um 150), Abba Kohen aus Bardala
(um 150?), Abba Jose b. Dos'^thai (um 160), Abba Jose b. Chanin (um 180), Abba Gorjon
aus Sidon (um 180?), Abba Eltazar b. Gamla (um 200), Abba Binjamin u. Abba Doresch
(zwei Tannaiten unbestimmter Zeit). — Eine Bar B'^rakh Ißt» verbietet die Verwendung
der Ehrenbezeichnung „Abba" nur in bezug auf Sklaven, u. selbst dies hat Rabban
Gamliel in seinem Hause nicht beobachtet. Die Bar lautet: Sklaven u. Sklavinnen nennt
man nicht „Vater" NN u. „Mutter" NN; aber die des Rabban Gamliel (um 90) nannte
man „Abba" NN u. „Imma" («T^^) NN. Das ist ja ein Vorfall, der (die Bar) aufhebt!
Es geschah, weil sie angesehen waren. — Parallelstelle pNidda 1,49^, 43.
3, Als Anrede an Gelehrte ist ^::n mein Vater, aram. nsn, nicht
üblich gewesen.
Mak 24»: Wenn der König Josaphat einen Gelehrtenschüler sah, stand er von seinem
Thron auf, umarmte u. küßte ihn u. redete ihn an „mein Vater mein Vater, mein Lehrer
mein Lehrer, mein Herr mein Herr", ■-'o -t's ^z- 'z^ '-s '=s. Die Worte -as "sx stehen
weder in der Handschrift München noch in der Parallelstelle K^'th 103 b. Und auffallend
ist, daß da, wo das AT selbst gerade zu dieser Anrede aufforderte (2Kg2, 12; 5,13;
6,21; 13, 14) der Prophetentargum für -ns setzt -a^ „mein Lehrer" oder ^^^ „mein
Herr". Auch 1 Sm 24, 12 ist -as übersetzt mit -:•-•: = mein Herr.
23,9: Einer ist euer Vater der himmlische, s. bei 6, 4.
23, 10: Au ch sollt ihr euch nicht Führ er x«r>?^yi^Ta/'nennen lassen.
Durch Lightfoot (zu 23, 7) ist es übljch geworden, n-\iy2 als das
rabbinische Äquivalent von xa^rjyrjrrjg anzusehen. Aber wo der gegen-
wärtige Talmudtext die Anrede ini-a hat, ist zu lesen ^y2 „mein Herr".
Daraus hat Dalman, Worte Jesu 1, 276, den Schluß gezogen, daß Mt 23, 10
nur eine andre Rezension von Vers 8 sei, u. daß ein besonderes semitisches
Äquivalent zu xft^/yy/yrj^'g nicht gesucht zu werden brauche. Will man
ein solches, so kann man an D3"3, sö3"5 oder an rrn?^ denken.
a. z:-t. B'Yakh28a: R. J^hoschuac (um 90) sagte zu Rabban Gamliel (IL): Wehe
dem Zeitalter, dessen Führer c:-e (Versorger, Vorsteher) du bist, der du die Not der
Gelehrtenschüler nicht kennst bei dem, womit sie sich erhalten u. ernähren. |1 <Arl7a:
Geteilter Meinung waren über ■r-'^ ^-i Ps 24, 6 der Patriarch R. J'huda IL (um 250)
u. die Rabbinen. Der eine (wohl die letzteren) sagte: Eine Generation entspricht dem
Führer zi-t; u. der andre sagte: Der 'z entspricht seiner Generation. 1| Ta<an 9»: R.Jose
b. J^'huda (um 180) sagte: Drei gute wc:-z sind den Israeliten erstanden, nämlich Mose,
Ahron u. Mirjam, u. drei gute Gaben sind durch sie (oder ihretwegen) gegeben worden:
der Brunnen (der Israel durch die Wüste begleitete), die Wolke u. das Manna. — Sehr
häufig ist '•: Bezeichnung des Gemeindevorstehers. pPea 8, 21», 31 : Man wollte
den R. 'Aqiba zum ': ernennen; da sagte er zu ihnen: Ich will mich (erst) mit meiner
Frau beraten. || Sanh 92 a; R. ElSazar (um 270) hat gesagt: Jeder 't, der die Gemeinde
mit Sanftmut geleitet hat ;"n:':, der ist würdig, daß er sie in der zukünftigen Welt
leitet, s. Jes 49, 10. || pPea 8, 21 a, 17: R. Chelbo (um 300) hat im Namen des R. Ba bar
Zabda (um 270) gesagt: Man stellt als Parnasin nicht weniger als drei an. . . . R. Jose
(b. Chanina, um 270) hat im Namen des R. Jochanan (t279) gesagt: Man stellt zwei
Brüder nicht (zu gleicher Zeit) als P. an.
b. :--:a. BB 91 a; Rab Chanan b. Rabba sa^ (um 250) hat gesagt, Rab (t 247) habe
gesagt: An jenem Tage, da unser Vater Abraham von der Welt schied, stellten sich
920 Mattli23, 10. 11
alle Großen der Völker der Welt in der Traaerreihe auf u. sprachen: Wehe der Welt,
die ihren Führer ij-n:-: verlor, u. wehe dem Schiff, das seinen Steuermann verlor! ||
ExR40 (97 a): Gott holte dem Mose das Buch des ersten Menschen u. zeigte ihm (darin)
alle Geschlechter, die auftreten werden von der Weltschöpfung an bis hin zur Auf-
erstehung der Toten, jedes Geschlecht samt seinen Königen, jedes Geschlecht samt
seinen Führern v;-n:>3, jedes Geschlecht samt seinen Propheten. Ähnliche Aufzählungen
s. pesiqR23(115a); TanchB i^r^rsi §6(6b). || Gott als Führer der Welt GnR 39 {2S''):
Jahve sprach zu Ahram: „Geh aus deinem Lande" usw. (Gn 12, 1). ... R. Ji9chaq
(um 300) hat gesagt: Gleich einem, der von Ort zu Ort zog u. eine Burg brennen sah;
er sprach (bei sich selbst): Man möchte meinen, daß diese Burg ohne Führer ;-r!;^3 s;a
ist. Da blickte der Herr der Burg auf ihn u. sprach zu ihm: Ich bin der Herr der
Burg! Ebenso als unser Vater Abraham dachte, man könnte meinen, daß diese Welt
ohne Führer ;-r:'3 sVa sei, blickte Gott auf ihn u. sprach zu ihm: Ich bin der Herr
der Welt! 1| Tanch d-:e 2401»: Mose sprach zu Gott: Wenn du einen Führer j-nj*; über
sie (Israel) setzen willst, so setze einen Menschen über sie, der jeden nach seiner
Sinnesart verträgt. — Als Anrede wird weder ~^~t noch ;-n:"3 gebraucht.
23,11: Der Größere von euch soll euer Diener sein.
Von einem Schüler verlangte man wohl, daß er seinem Lehrer diene ;a
er sollte so durch den täglichen Umgang, durch das Vorbild seines Lehrers
praktisch in die geltende Halakha eingeführt werden, b Aber daß ein
Größerer der Diener eines Geringeren sei, hat man wohl nie gefordert.
Und als Rabban Gamliel (um 90) tatsächlich einmal bei Tisch seinen
Gästen dienen wollte, rief das mehr Staunen als Anerkennung hervor, c
a. B^rakh 7 b : R. Jochanan (f 279) hat im Namen des R. Schimcon b. Jochai (um 150)
gesagt: Wichtiger ist das Bedienen der Tora {—■ der Toralehrer) als ihr Studium; s.
2 Kg 3, 11 : Hier ist Elisa, der Sohn Schaphats, welcher Wasser auf die Hände des Elias
goß. Der , gelernt" hat, heißt es nicht, sondern der „gegossen" hat. Das lehrt, daß
ihre Bedienung wichtiger ist als ihr Studium. |1 B'^rakhi?'» Bar: Wenn einer auch die
Schrift u. den Traditionsstoff (Mischna) studiert, aber nicht die Gelehrtenschüler be-
dient hat (im tagtäglichen Umgang mit ihnen), so ist er ein cAm ha-are9 (ein Gesetzes-
unkundiger). II K'th96-a: R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt, R. Jochanan (f 279)
habe gesagt: Wer seinen Schüler hindert, ihm zu dienen, ist wie einer, der ihm die
Liebe versagt, s. Hi 6, 14: Der seinem Freunde Liebe entzieht (so der Midr, vgl. Raschi).
Rab Nachman b. Jipchaq (f 356) sagte: Er ist auch wie einer, der die Gottesfurcht von
sich wirft; s. Hi das.: Und die Furcht vor dem Allmächtigen wird er aufgeben. i| Ferner
s. Sota 21b bei Mt 10,1 S. 527. || Derekh Ere? Zuta 8: (R. <'Aqiba, f um 135) pflegte zu
sagen: Wer die Gelehrten nicht bedient, ist des Todes schuldig.
b. Abothö,5: Durch 48 Dinge wird Torakenntnis erworben: . . . durch Studium,
durch Hören des Ohrs, durch Zurüstung der Lippen, durch Einsicht des Herzens, durch
Angst, durch Furcht, durch Demut, durch Freude, durch Reinheit, durch Bedienen der
Gelehrten usw. — Geschichtliche Beispiele bei Mt 10, I S. 527 f.
C. SDt 11 , 10 § 38 (77 a): Einmal lagen R. Elifezer (um 90) u. R. J^hoschuac u. R. ^adoq
zu Tische bei dem Hochzeitsmahl eines Sohnes des Rabban Gamliel. Rabban G. mischte
dem R. EliEezer einen Becher; aber dieser wollte ihn (aus Ehrfurcht vor Rabban G.)
nicht annehmen. R. J'^hoschuac nahm ihn an. R. Eli'ezer sprach zu ihm: Was soll das,
J^hoschuac, daß wir zu Tische liegen u. Rabban G. steht u. bedient! R. J'^^hoschuac ant-
wortete: Laß ihn nur bedienen! Abraham, der Größte der Welt, hat die Dienstengel
bedient (Gn 18, 2 ff.). Gilt da nicht der Schluß vom Größeren auf das Geringere? Wenn
Abraham, der Größte der Welt, die Dienstengel bedient hat, obwohl er sie für götzen-
dienerische Araber hielt, sollte da Rabban G. nicht uns bedienen? Da sprach zu ihnen
R. Qadoq (so lies statt R. Ji^chaq): Ihr laßt die Ehre Gottes dahinten u. befaßt euch
Matth23, 11.12. 13 (511) 921
mit der Ehre von Fleisch u. Blut: Der, welcher sprach u. es ward die Welt, läßt die
Winde wehen u. die Dünste u. Wolken aufsteigen u. die Regengüsse niederfallen u.
das Aufsprießende wachsen u. richtet den Tisch her für jedermann — da sollte uns
Gamliel, der Rabbinensohn, nicht bedienen? — Parallelstellen mit Abweichungen
M^kh Ex 1 8, 1 2 (67 a) s. bei Lk 22, 27 ; Qid 32 b. In Midr Spr 9, 2 (3 1 b) ist T^'bi, der Sklave
des Rabban G., für diesen genannt, u. R. EUazar b. cAzarja (um 100) sagt, daß er wohl
eigentlich den T^bi bedienen müßte.
23, 12: Wer sich selbst er höhen wird, derwird erniedrigt werden,
u. wer sich selbst erniedrigen wird, der wird erhöhet werden.
!Er 13 b, 35: Wer sich selbst erniedrigt, den wird Gott erhöhen, u. wer sich selbst
erhöht, den wird Gott erniedriegen. Wer der Größe nachläuft (d. h. nach Ehren strebt),
vor dem flieht die Größe; u. wer vor der Größe flieht, dem läuft sie nach. Wer die
Stunde (das Geschick) drängt, den drängt die Stunde; u. wer von der Stunde sich
drängen läßt, dem steht die Stunde bei. — (Die 3. Sentenz auch sonst mehrfach, zB
B'^rakh 64 a im Munde des R. Abin I., um 325, IL, um 370.) H Derekh EreQ Zuta 9: Wenn
du dich selbst erniedrigst, so wird dich Gott erhöhen; aber wenn du dich selbst groß
machst vor deinen Genossen, so wird dich Gott erniedrigen. (In Ausg. Amsterdam I
Kap. 5 fehlt der erste Satz.) || Tanch s^p^-i 133»; Des Menschen Hochmut wird ihn er-
niedrigen; aber der Demütige wird Ehre erlangen, s. Spr 29, 23. Wer der Herrschaft
(dem Herrschenwollen) nachläuft, vor dem flieht die H. ; wer aber vor der Herrschaft
flieht, dem läuft die H. nach. (Geschichtliche Beispiele: Saul u. Mose einerseits; Abi-
melekh, Sohn des Jerubba'al, andrerseits. || Sanh 17 *: Jahve sprach zu Mose: Ver-
sammle mir siebzig Männer Nu 11, 16. Da sprachen Eldad u. Medad: Wir sind nicht
geeignet zu jener Größe (Würde). Gott sprach: Weil ihr euch selbst gering gemacht
habt, siehe, so will ich Größe zu eurer Größe hinzufügen. 1| AbothRN 11: R. Jose (um 150)
sagte: Steige hinab empor u. steige empor hinab. Wer sich selbst erhöht wegen der
Worte der Tora, den wird man (= Gott) schließlich erniedrigen, u. wer sich selbst
wegen der Worte der Tora erniedrigt, den wird man schließlich erhöhen. |1 Ferner s.
bei Mt5,3 Nr. 8 S. 192 ff.; 5, 19 S. 249 f. u. 18,4 8.774.
23, 13 31: Wehe aber euch, ihr Schriftgelehrten u. Pharisäer,
ihr Heuchler.
1. Rabbinische Zeugnisse über heuchlerische Pharisäer s. im Exkurs;
„Phar. u. Sadd." Nr. 2. — Wir fügen hier hinzu:
pJ^'b 13, 13 ^ 33: Es kam einmal eine Chali9a- Angelegenheit (Vermeidung der
Leviratsehe durch die Zeremonie des Schuhausziehens) vor R. Chijja b. Abba (um 280).
Er sprach zu dem Levir: Mein Sohn, diese Frau (die Schwägerin) will sich mit dir
nicht auf dem Wege der Leviratsehe verehelichen; laß sie also die Zeremonie des
Schuhausziehens vornehmen u. nimm ihre Verpflichtung dir gegenüber von ihr; so kann
sie sicli auf dem Wege (nicht erzwungener) Verheiratung mit dir vermählen. (So sagte
R. Chijja b. Abba, um die Verheiratung zu hintertreiben; denn er wußte, daß der von
ihm empfohlene Weg nicht gangbar sei.) Nachdem der Levir sie die Zeremonie des
Schuhausziehens hatte vornehmen lassen, sprach R. Chijja b. A. zu ihm: Wenn Mose
U.Samuel kämen, könnten sie es nicht erlauben (daß sie deine Frau wird)! Da rief
jener über ihn aus: Weise sind sie, um Übles zu tun; aber Gutes zu tun verstehen
sie nicht (Jer 4, 22). Vgl. J'^b 106=*. || Midr Esth 1, 3 (85 b). (Bar im Namen des R. Nathan,
um 160:) Zehn Teile (Portionen) Heuchelei sind in der Welt, neun (davon) sind in
Jerusalem u. einer in der ganzen übrigen Welt, s. Jer 23, 15: Von den Propheten
Jerusalems ist Heuchelei (so heid- im Sinn des Midr) ausgegangen ins ganze Land. —
In der Parallele Qid 49b fehlt dieser Satz; dagegen findet sich hier eine Zwischen-
bemerkung des R. Jochanan (f 279) über den Scheffel Schlechtigkeit Sach 5, 8ft'. : Das
ist die Heuchelei u. der Hochmut, die auf Babel herabgekommen sind. — Die Aus-
922 Matth 23, 13(311.2)
legung des R. Jochanan findet sich auch in AbothRN 28: Du findest keine Heuchelei,
die der H. von Babel gleicht, s. Sach 5, 11: Um ihr ein Haus zu bauen im Lande
Sinfar. — Zwar hat R. Jonathan (b. El?azar, um 220) auf Grund von Jes 33, 14 den
exegetischen Kanon aufgestellt, daß ~t^:- in der Schrift immer r-.:-^ = „Häresie"
(so lies statt "i":'^) bedeute, s. GnR48 (30^); doch ist, wie „Hochmut" neben "ntM- be-
weist, dieser Kanon in obigen Stellen nicht berücksichtigt worden; 'r. bedeutet an ihnen,
wie fast durchgängig im Rabbiuischen, „Heuchelei". — Vgl. auch Midr Qoh 4, 1 bei Nr. 2.
2. Verurteilung der Heuchelei.
B^'rakh 28'"^: Rabban Gamliel II. (um 90) hatte öffentlich verkündigt: Ein Schülei-,
dessen Inneres nicht wie sein Äußeres ist (der sich anders stellt, als er denkt), soll
nicht in das Lehrhaus eintreten. || Joma 72b: Raba (f 352) hat gesagt: Ein Gelehrten-
schüler, dessen Inneres nicht seinem Äußeren entspricht, ist kein Gelehrtenschüler. ||
P's 1131»: Drei haßt Gott: Wer eins mit dem Munde redet u. eins mit dem Herzen
(anders spricht, als er denkt); wer ein Zeugnis für einen andren weiß u. es nicht für
ihn ablegt; wer etwas Schändliches an einem andren wahrnimmt u. wider ihn als ein-
ziger ein Zeugnis ablegt. (Das Zeugnis ist für die Sache zwecklos, da zweier Zeugen
Aussage nötig ist, aber nachteilig für die beschuldigte Person.) || Joma 86 b: Die Heuchler
muß man öffentlich bekannt machen um der Heiligung des göttlichen Namens willen.
(Raschi: Die Leute lernen von den Taten eines solchen, da sie ihn für einen Gerechten
halten; u. ferner, wenn über ihn Strafe kommt, sagen die Leute: Was hat dem sein
Verdienst [seine Tugend] genützt?!) 1| Sota 411': R. El?azar (um 270) hat gesagt: Ein
Mensch, in welchem Heuchelei ist, bringt Zorn in die Welt, s. Hi 36, 13: Die heuch-
lerischen Herzens schaffen Zorn (so der Midr). Und nicht allein dies, auch ihr Gebet-
wird nicht erhört, s. das.: Sie flehen nicht; denn er verwehrt es ihnen (so der Midr). . . .
Ferner hat R. Elfazar gesagt: Einen Menschen, in dem Heuchelei ist, verwünschen
selbst die Embrj-os im Schoß ihrer Mutter, s. Spr 24, 24: „Wer zum Schuldigen spricht:
Du hast recht, den verwünschen Völker, verfluchen Nationen." Unter „verwünschen"
ist nichts andres als „Fluch" zu verstehen, s. Nu 23, 8, u. mit „Nationen" ist nichts
andres als „Embryos" gemeint, s. Gn 25, 23. Ferner hat R. Elfazar gesagt: Ein Mensch,
in welchem Heuchelei ist, fällt in den Gehinnom, s. Jes 5, 20: Wehe denen, die das
Böse gut u. das Gute bös nennen usw. Was steht hinterher geschrieben? „Darum
gleichwie des Feuers Zunge Stoppeln verzehrt u. Heu in der Flamme verbrannt wird,
soll ihre Wurzel wie Moder sein" usw. Jes 5, 24. Ferner hat R. Elfazar gesagt: Wer
seinem Nächsten gegenüber heuchelt, fällt schließlich in seine Hand; u. fällt er nicht
in seine Hand, so fällt er in die Hand seiner Söhne, u. fällt er nicht in die Hand
seiner Söhne, so fällt er in die Hand seiner Enkel, s. Jer 28, 6 : Jer. sprach zu Chananja:
Amen, so soll Jahve tun, es erfülle Jahve deine Worte. Und Jer 37, 13 f. heißt es:
Und er (Jer.) kam ins Benjamintor; dort aber war ein Befehlshaber der Wache namens
Jir^ijja, Sohn Schelemjas, des Sohnes Chananjas, u. der ergriff den Propheten Jer. u.
führte ihn zu den Fürsten. Ferner hat R. Elfazar gesagt: Jede Gemeinde, in der
Heuchelei ist, ist verachtet wie eine Menstruierende, s. Hi 15,34: Eine heuchlerische
Gemeinde ist gemieden -nas;; denn man pflegt in den Seestädten eine Menstruierende
eine „Gemiedene" "-.^^ zu nennen. Was bedeutet m«;;? Eine die von ihrem Mann
gemieden wird. Ferner hat R. Elfazar gesagt: Eine Gemeinde, in der Heuchelei ist,
zieht schließlich in die Verbannung. Es steht hier (Hi 15, 34) geschrieben: Eine heuch-
lerische Gemeinde ist gemieden; u. es steht dort (Jes 49, 21) geschrieben: Du wirst
in deinem Herzen sprechen: Wer hat mir diese geboren, da ich doch verwaist u. ge-
mieden (r.-.'.^h:), ins Exil gezogen u. verstoßen war? Rab Jirm<^ja b. Abba (um 250)
hat gesagt: Vier Klassen dürfen das Angesicht der Sch'^khina nicht begrüßen (können
Gott nicht schauen): die Spötter, die Heuchler, die Lügner u. die Verleumder. Die
Spötter, s. Hos 7,5: Er zieht seine Hand zurück vor den Spottenden (so der Midr);
die Heuchler, s. Hil3, 16: Nicht darf vor ihm ein Heuchler erscheinen; die Lügner,
s. Ps 101,7: Wer Lügen redet, wird nicht bestehn vor meinen Augen; die Verleumder,
Matth23, 13 {% 2. SB) 923
s. Ps 5, 5. — Der Ausspruch des Jirm'^'ja h. Abba auch Sanh 103'^; anonym Midr Ps 101
§ 3 (214'')- !1 Midr Qoh 4, 1 (22^*): „Wiederum sah ich alle Bedrückungen, welche ver-
übt werden unter der Sonne" Qoh 4, 1. R. Binjamin (b. Levi, um 325) hat die Stelle
auf die Heuchler des Torastudiums ausgelegt. Alle Welt meint, daß ein solcher ein
Schriftkundiger sei, während er kein Sehr, ist, daß er ein Mischnakundiger sei, während
er kein M. ist. Er hüllt sich in seinen Mantel u. hat die T'^phillin (Gebetsriemen) auf
seinem Kopf— „u. siehe da, Tränen der Bedrückten u. haben keinen Tröster" (Qoh 4, 1).
Da spricht Gott: An mir ist es, sie zu bestrafen, s. Jer48, 10: Verflucht sei, wer das
Werk Jahves mit Trug treibt (so der Midr). — Eine ähnliche Warnung vor heuch-
lerischem Torastudium leitet R. Binjamin aus Qoh 5, 5 ab, s. Midr Qoh 5, 5 (26'5). —
Ein geschichtl. Beleg pB'^'rakh "i, 4<", 6 im Exkurs über die T'^phillin Nr. 6 Anm. n.
23,1393:Weilihr das Himmel reich vor den Menschen verschließt.
Zu den „Schlüsseln des Himmelreichs" s. bßi 16, 19 5t u. ^; über
„aufschließen" u. „zuschließen" als Bezeichnung der Lehrgewalt der
Schriftgelehrten s. 16, 19 S. 741 Anm. c.
Sanh 4415: R.Jose b. Chauina(um270) hat gesagt: Drei Namen hat der Engel Gabriel:
■;--p-2 (der harte Worte Sprechende), v^V'^ (der Verstopfende) u. "j-^ry (der Verschlie-
ßende). "'p5"E, weil er ein hartes Urteil gegen Gott aussprach (nämlich wegen des
Gottesspruchs Ezl6, 8); "i^j'^-s, weil er die Sünden Israels verstopft (nicht vor Gott
kommen läßt); "^^''S, weil, wenn er zuschließt (die Pforte der himmlischen Barm-
herzigkeit), niemand wieder öffnen kann. Über die r-;ipCE nii vgl. auch Tanch pst-
r!3-2n 32a u. TanchB -^=^n §5 (28b). || Als Beleg für das „Zuschließen des Himmel-
reichs" seitens der Schriftgelehrten kann in gewissem Sinn die genaue Feststellung
derjenigen Personen dienen, die an der zukünftigen Welt keinen Anteil haben. Sanh
10, 1 : Ganz Israel hat Anteil an der zuk. Welt; s. Jes 60, 21 : Und dein Volk sind alle-
samt Gerechte; für immer werden sie das Land besitzen. — Und dies sind die, welche
keinen Anteil au der zuk. Welt haben: wer sagt: Es gibt keine Auferstehung der
Toten, u. : Die Tora ist nicht vom Himmel (= von Gott), u. der Epikureer (Freidenker,
der verächtlich von der Tora u. den Gelehrten spricht). R. fAqiba (f um 135) sagte:
Auch wer in den nichtkanonischen Büchern liest u. wer über einer Wunde (Zauber-
sprüche) flüstert u. sagt: Alles Leiden, das ich den Ägyptern auferlegt habe, werde
ich nicht auf dich legen Ex 15, 26. Abba Schasul (um 150) sagte: Auch wer den (Jahve-)
Namen mit seinen Buchstaben ausspricht. — Sanh 10,2: Drei Könige u. vier Privat-
leute haben keinen Anteil an der zuk. Welt. Drei Könige: Jarobsam u. Ahab u. M^^nasse.
R. J'^huda (um 150) sagte: M<^nasse hat Anteil an der zuk. Welt; s. 2 Ghr 33, 13: Er
betete zu Ihm; da ließ Er sich von ihm erbitten u. hörte sein Gebet u. brachte ihn
zurück nach Jerusalem zu seinem Königreich. Da erwiderten die Gelehrten ihm: Zu
seinem Königreich hat er ihn zurückgebracht, aber nicht zum Leben der zuk. Welt.
Und vier Privatleute: Bilfam (vgl. Nu 31, 8. 16) u. Doeg (vgl. 1 Sm 21 f.) u. Achithophel
{vgl. 2 Sm 15) u. Gechazi (vgl. 2 Kg 5, 20). — Sanh 10, 3: Das Geschlecht der Flut hat
keinen Anteil an der zuk. Welt u. sie stehen nicht Itu (End-)Gericht; s. Gn 6, 3: Nicht
soll richten mein Geist über den Menschen in Ewigkeit: weder Gericht noch Geist
(gibt es für sie in der Ewigkeit). — Das "Geschlecht der Zerstreuung hat keinen An-
teil an der zuk. Welt; s. Gn 11,8: Jahve zerstreute sie von dort über die Oberfläche
der ganzen Erde. „Jahve zerstreute sie", in dieser Welt, „u. von dort zerstreute sie
Jahve", in der zuk. Welt. — Die Leute von Sodom haben keinen Anteil an der zuk.
Welt; s. Gn 13, 13: Die Leute von Sodom waren böse u. sündig vor Jahve gar sehr. „Sie
waren böse", in dieser Welt, „u. sündig", in der zuk. Welt. Aber sie stehen im Gericht.
R. N^chemja (um 150) sagte: Weder diese noch jene stehen im Gericht; denn es heißt:
Darum werden die Gottlosen nicht stehen im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde
der Gerechten Ps 1, 5. „Darum werden die Gottlosen nicht stehn im Gericht", das ist
das Geschlecht der Flut; „noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten", das sind
924 Matth 23, 13 (S). 23, 15 (?l)
die Leute von Sodom. Man antwortete ihm: Nicht werden sie in der Gemeinde der
Gerechten stehn, wohl aber in der Gemeinde der Gottlosen. — Die Kundschafter
haben keinen Anteil an der zuk. Welt; s. Nu 14,37: Es starben die Männer, welche
üble Nachrede über das Land ausgebracht hatten, durch eine Plage vor Jahve. „Sie
starben", in dieser Welt; „durch eine Plage", in der zuk. Wjelt. — Das Geschlecht der
Wüste hat keinen Anteil an der zuk. Welt, u. sie stehen nicht im Gericht; denn es
heißt Nu 14, 35: In dieser Wüste sollen sie aufgerieben werden, u. da sollen sie sterben.
Das sind Worte des R. ?Aqiba (f um 135). R. Elifezer (um 90) sagte: Von ihnen heißt
es Ps 50, 5: Versammelt mir meine Frommen, die den Bund mit mir beim Opfer
schlössen. — Die Rotte Qorach wird nicht (wieder) heraufkommen; s. Nu 16, 33: ,Da
bedeckte sie die Erde", in dieser Welt, „u. sie verschwanden aus der Versammlung",
in der zuk. Welt. Das sind Worte des R. f Aqiba. R. Eli?ezer sagte: Von ihnen heißt
es 1 Sm2, 6: Jahve tötet u. macht lebendig, er stürzt hinab in die Sch*^ol u. er führt
herauf. || Sanh 103b Bar: R. Meir (um 150) sagte: Absalom hat keinen Anteil an der
zuk. Welt; s. 2 Sm 18, 15: Sie erschlugen den Absalom u. töteten ihn. ,Sie erschlugen
ihn", in dieser Welt; „u. sie töteten ihn", in der zuk. Welt. Bar: R. Schimfon
b. Elfazar (um 190) sagte im Namen des R. Meir: Achaz u. Achazja u. alle Könige
* Israels, von denen geschrieben steht: „Sie taten, was böse war in Jahves Augen",
leben nicht wieder auf u. werden nicht gerichtet. || Sanh 104^: Wer hat sie (die von
der zuk. Welt Ausgeschlossenen) aufgezählt? Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Die
Männer der Großen Synagoge (in der Zeit nach Esra) haben sie aufgezählt. Rab J'huda
(t 299) hat gesagt, Rab (f 247) habe gesagt: Sie wollten noch einen (nämlich Salomo)
hinzuzählen. Da erschien aber das Bild seines Vaters u. streckte sich vor ihnen nieder
(um Mitleid bittend) u. sie beachteten es nicht. Da kam Feuer vom Himmel u. das
Feuer leckte an ihren Sesseln, u. sie beachteten es nicht. Da ging eine Bath-Qol
(Himmelsstimme) aus, welche zu ihnen sprach Spr22, '^19: Sahst du einen Mann, der
hurtig war in seinem Werk? Vor Königen soll er stehn, aber nicht vor Niedrigen!
Der, welcher mein Haus vorangehen ließ seinem Haus, u. nicht nur dies, der auch
mein Haus baute in sieben Jahren, während er sein Haus in dreizehn Jahren baute,
der soll vor Königen stehn, aber nicht vor Niedrigen! u. sie beachteten es nicht. Da
ging eine Bath-Qol aus, welche rief Hi34, 33: Soll er nach deinem Sinn Vergeltung
üben, wenn du verwirfst, wenn du erwählst u. nicht ich?
23,15 51: Ihr umfahret das Meer u. das Trockne,
Einen Proselyten zu machen.
Über die einzelnen Kategorien von Proselyten s. bei Apg 13, 16. —
Über die Aufnahme der Pr. durch Beschneidung, Tauchbad u. Opfer-
darbringung s. bei Mt 3, 6.
In der Zeit nach der Zerstörung des 2. Tempels hat die Synagoge
eine besondere Rührigkeit zur Gewinnung von Proselyten nicht ent-
faltet. Im allgemeinen stand man den Pr. freundlich gegenüber. Der
universalistische Grundsatz, daß allen Heiden zu jeder Zeit der Eintritt
ins Judentum offenstehe, a wurde festgehalten; es blieb im großen u.
ganzen auch Glaubenssatz, daß in der messian. Zeit alle Völker den
Anschluß an Israel vollziehen würden, b Man gewann der Zerstreuung
des jüdischen Volks über die Erde hin den tröstlichen Gedanken ab,
daß die göttl. Vorsehung dabei die Mehrung der Pr. im Auge habe.c
Man sah in der Bekehrung einzelner Heiden den Tatbeweis, daß Gott
Israel lieb habe.d Man schrieb das Fortbestehen der in Sünde ver-
sunkenen heidnischen Welt dem Verdienst der aus ihrer Mitte hervor-
Matth23, 15 (31) 925
gehenden Pr. zu.e Diesen Anschauungen entsprach das Verhalten gegen
die Pr. Der Pr., der durch seinen Übertritt zum Judentum einem neu-
gebornen Kinde gleich geworden istj soll dem Israeliten gleichgestellt
werden ;g man soll ihn nicht mit Worten kränken; man soll ihn viel-
mehr liebhaben, gleichwie auch Gott die Pr. liebe. h — Aber aus dem
allem hat die Synagoge in der Zeit, von der wir hier sprechen, keinen
Antrieb hergenommen, nun auch tatsächlich irgendwie in intensiver
Weise für das Judentum Propaganda zu machen. Man verharrte in
Passivität; die Initiative sollte von der andren Seite ausgehen; der
Heide soll von selbst kommen u. um Einlaß bitten;« u. selbst wenn er
freiwillig kommt, wird ihm die Tür nicht sofort weit aufgetan. Man
weist ihn auf das Verantwortungsvolle seines Schrittes hin in einer
Zeit, die so ernst u. trübe für Israel geworden ist;k man prüft seine
Beweggründe;! man stößt ihn mit der einen Hand zurück, um ihn mit
der andren festzuhalten ;m ja erst wenn er dreimal um Aufnahme nach-
gesucht hat, so fordert eine Stimme, soll man ihm seinen Wunsch er-
füllen." Zwar wird einmal auf Grund von Lv 5, 1 Gott das Wort an
Israel in den Mund gelegt: Wenn ihr meine Gottheit nicht den Völkern
der Welt kundtut, strafe ich euch! Dieses Wort scheint ja der Synagoge
ihre Missionspflicht auf das Gewissen zu binden; allein in Wirklichkeit
ist dem nicht so; denn sofort wird die Aufgabe, den Namen Gottes der
Welt zu verkündigen, auf den Fall beschränkt, daß die Heiden den
Israeliten die Verleugnung des göttl. Namens zumuten; in solchem Falle
ist den Heiden gegenüber der Name des wahren Gottes laut zu be-
kennen u. nicht zu verleugnen. Das Wort zielt also nicht auf die Ge-
winnung der Heiden für Israels Glauben, sondern auf die Selbstbehauptung
Israels inmitten der Heidenwelt, o
Man wird diese passive Haltung der nachchristl. Synagoge aus der
geschichtlichen Lage zu begreifen haben, in der sich das jüdische Volk
nach dem Fall Jerusalems u. später nach dem verunglückten Aufstand
unter Bar Kokh^ba befand. Den Führern des Volks kam damals alles
darauf an, die Massen bei der jüdischen Fahne festzuhalten u. mit dem
selbstbewußten Gedanken zu erfüllen, daß Israel, auch wenn es die
Freiheit verlor, dennoch ein Volk sei, u. zwar das einzige Volk, das
eine Verheißung u. darum eine Zukunft habe. Wie hätte man da, wo
der innere Auf- u. Ausbau des jüdischen Gemeindewesens alle Kräfte
vollauf in Anspruch nahm, Neigung haben sollen. Außenstehende an
sich zu ziehen, die bei der ersten besten Gelegenheit vielleicht wieder
abtrünnig wurden! — Dazu kam, daß die ernsteren Kreise der Heiden-
welt, aus denen früher die jüdischen Pr. hervorgegangen waren, je
länger je mehr der jungen Kirche sich zuwandten. Schon um 150 n. Chr.
hatte eine erste Autorität unter den jüdischen Schriftgelehrten, R. N^-
chemja, klar erkannt, daß die Zukunft im römischen Weltreich dem
Christentum gehöre. P Wie hätte man da an eine schon verloren ge-
926 Matth 23, 15 (31)
gebene Sache noch Mühe wenden sollen! — Endlich mußte auf den
jüdischen Missionseifer lähmend das große Mißtrauen einwirken, das
man den Pr. trotz aller Betonung der Liebespfiicht gegen sie vielfach
entgegenbrachte. So spricht R. Eli?ezer b. Hyrkanos, um 90, es als Er-
fahrungssatz aus, daß die Pr. leicht in ihr altes heidnisches Wesen
zurückfielen. q Noch in der messian, Zeit, so fürchten andre, würden
sie dem Judentum den Ptücken kehren, um mit Gog u. Magog, den
Feinden des Messias, gemeinschaftliche Sache zu machen.»* Lehrreich
sind in dieser Hinsicht die Antworten auf die Frage, warum über die
Pr. so viele Nöte zu kommen pflegten. Alle Antworten spiegeln das
geringe Vertrauen wider, das man sei es in das frühere, sei es in das
gegenwärtige sittliche Verhalten der Pr. gesetzt hat.s Was aber das
Schlimmste: man meinte, unter den Sünden der Pr. müsse Israel selbst
leiden: Unglück kommt über den, der Pr. aufnimmt, t ja ganz Israel
sieht die Erfüllung der messian. Hoffnung um ihretwillen in die Ferne
gerückt; denn die Pr. halten das Kommen des Messias auf,« sie sind
gefährlich für Israel wie Aussatz, v Wie hätte man aus solchen Stim-
mungen heraus Freudigkeit haben sollen, siegesgewiß Mission zu treiben !
Aber aus dieser Haltung der Synagoge seit dem Ende des 1. nach-
christl. Jahrh.s darf man nicht schließen auf die vorhergegangene Zeit.
Jesu Ausspruch 23, 15 bezeugt den Eifer des Judentums seiner Zeit in
der Proselytenmacherei auf das deutlichste. Daß wir ein ähnliches be-
stimmtes Zeugnis im rabbin. Schrifttum nicht finden, darf nicht wunder-
nehmen: geschichtliches Material aus der Zeit Jesu bietet diese Literatur
ja überhaupt nur spärlich: u. was hätten die Späteren für Grund gehabt
festzustellen, daß die frühere Zeit in einem so wichtigen Stück einen
wesentlich andren Standpunkt eingenommen hätte, wie sie selbst, die
Späteren! Gleichwohl steht Jesu Wort nicht vereinzelt da. Die ungemein
rührige Missionstätigkeit, die die jüdische Diaspora zum Teil bereits
in vorchristl. Zeit entfaltet hat, wird durch die auf dem Boden des
hellenistischen Judentums erwachsene Propagandaliteratur bewiesen,
s. Schürer* 3, 553 ff. Daß der Erfolg kein geringer gewesen ist, bezeugt
nicht bloß Josephus, sondern auch Seneca u. Dio Cassius, s. daselbst
S. 164 ff. Vor allem aber beachte man die Tatsache, daß in der Apg
überall Pr. als Mitglieder der jüdischen Diasporagemeinden erscheinen
(13,16.26.43.50; 16,14; 17,4.17). Sollte wirklich das pharisäische
Judentum des Mutterlandes zu diesen Erfolgen nicht mitgewirkt haben?
Das ist schwer glaublich. In einem Falle wenigstens, gelegentlich des
Übertritts des Königshauses von Adiabene zum Judentum (um 50 n. Chr.),
berichtet Josephus, Antiq. 20, 2, 4, ausdrücklich, daß ein palästinischer
Jude namens El^azar^ den König Izates zur Annahme der Beschneidung
u. damit zum vollen Anschluß an das Judentum bestimmt habe. Und
^ Die Aussage des Jos. ,n('(pv ttsqI rd ndxQia &oxiöy ccxQißijg siycet' charakterisiert
ihn unzweideutia; als einen Pharisäer.
Matth 23, 15 (91) 927
dieser Fall ist gewiß nicht der einzige gewesen. Außerdem werden
zwei Bestimmungen der Schule Hillels erwähnt (s, bei Mt 3, 6 Nr. 2 — 4
S. 102 ff.), die die Tendenz verraten, den Pr. den Übertritt zu erleichtern.
An Hillel selbst wird rühmend hervorgehoben, daß er durch seine milde
Freundlichkeit Heiden für das Judentum gewonnen habe, die sich durch
Schammais Barschheit abgestoßen fühlten, w
a. Midr Ps 100 § 1 (212b): ,Ein Psalm zum Lobpreis rir-rV. Jauchzet Jahve, alle
Lande" Ps 100, 1. R. Jafaqob b. Abaje (um 340, so lies mit Bacher, pal. Amor. 3, 122)
hat im Namen des R. Acha (um 320) gesagt: Ein Psalm zum Bekenntnis (so wird
nip'i gedeutet). Gott sprach: Bekennen mögen sich "m^ zu mir alle Völker; so nehme
ich sie an (nämlich als Proselyten); s. Jes45, 23: „Bei mir habeich geschwoi-en, aus
meinem Munde ist Richtiges hervorgegangen . . ., daß mir sich beugen wird jegliches
Knie, mir schwören jegliche Zunge." Wenn sich mir jegliches Knie beugen, jegliche
Zunge schwören wird, nehme ich sie an. |1 M'kh zu Ex 17, 16 (64-''): (Er sprach: Wahr-
lich, die Hand zum Throne Jahs, Krieg hat Jahve gegen f Amaleq von Geschlecht zu
Geschlecht Ex 17, 16). R. Eli?ezer (um 90) sagte: Geschworen hat Gott beim Thron
seiner Herrlichkeit, wenn einer von allen Völkern kommt, so sollen sie ihn (als Pr.)
annehmen, ?Amaleq aber u. sein Haus sollen sie nicht annehmen; s. 2 Sm 1, 13: David
sprach zu dem Knaben, der ihm berichtet hatte: Woher bist du? Er antwortete: Der
Sohn eines famaleqitischen Pr. (so der Midr) bin ich. In jener Stunde erinnerte sich
David dessen, was unsrem Lehrer Mose gesagt worden ist: Wenn von allen Völkern
in der Welt einer kommt, um Pr. zu werden, so sollen sie ihn annehmen; aber wenn
er aus fAmaleqs Hause ist, sollen sie ihn nicht annehmen. Sofort sprach David zu
ihm das. Vers 16: Dein Blut komme auf dein Haupt; denn dein Mund hat Zeugnis
gegen dich abgelegt. Parallelstellen: P'^siq 28b; p<^'siqR 12 (51-^); Tanch s::r '3 23*;
TanchB siir § 18 (22^). || ExR 19 (81b): „Nicht sage der Sohn der Fremde, der sich
an Jahve angeschlossen hat, also: Gewißlich absondern wird mich Jahve von seinem
Volk" Jes 56, 3. Hieb hat gesagt: Nicht soll draußen der Pr., ger, übernachten (so
der Midr Hi31,32). Gott erklärt niemand für verwerflich, sondern jeden nimmt er
an (als Pr.), die Tore sind zu jeder Stunde geöffnet, u. wer eintreten will, darf ein-
treten. Deshalb heißt es: Draußen soll der Pr. nicht übernachten. Die ganze Stelle
s. bei Apg 10, o5. i| LvR2(184b): (R. Schimfon b. Gamliel, um 140, sagte zu einem
Heiden:) Mein Sohn, so haben die Gelehrten in der Mischna (d. h. als Tradition) gelehrt:
Wenn ein Fremdling kommt, um Pr. zu werden, so streckt man ihm die Hand entgegen,,
um ihn unter die Flügel der Sch'^khina zu bringen (zu dieser Wendung vgl. Ruth 2, 12).
b. zB fAZ24^: R. Eli?ezer (um 90) hat gesagt: Alle werden in der Zukunft (d. h.
in der messian. Zeit) sich aufdrängende Proselyten sein. Welche Schriftstelle besagt
das? Zeph3, 9: Dann will ich zuwenden den Völkern gereinigte Lippe, daß sie alle
den Namen Jahves anrufen. — Wenige Zeilen vorher bringt Rab Joseph (f 333) Zeph 3, 9
als Schriftbeweis. 1! ?AZ 3b Bar: R. Jose (um 150) sagte: In der Zukunft (d. h. in den
Tagen des Messias) werden die Völker der Welt kommen, um Pr. zu werden. || p?AZ
2,40^, 13. 19: Rab (f 247) hat gesagt: „Sie wogen meinen Lohn dai-, dreißig Silberlinge"
Sachll,12. Das sind die dreißig Gebote, die dereinst die Noachiden auf sich nehmen
werden. . . . R. Chijja b. Lulianai (um 360) hat im Namen des R. Hoschafja (um 225)
gesagt: Alle Gebote werden dereinst die Noachiden auf sich nehmen (sie werden
also VoU-Proselyten sein). Und welches ist der Schriftgrund? s. Zeph 3, 9 (wie oben). —
Zur entgegengesetzten Meinung, daß in den Tagen des Messias keine Pr. angenommen
werden, s. Anm. r.
C. V^B 87 b; R. El?azar (um 270, so lies statt R. Elifezer) hat gesagt: Gott hat die
Israeliten mitten unter die Völker in die Verbannung geführt, nur damit Pr. zu ihnen
hinzugefügt würden, s. Hos 2, 25: „Ansäen will ich sie mir auf der Erde." Sät denn
ein Mensch ein Sea aus zu andrem Zweck, als um sehr viele Kor dafür einzubringen?
928 Matth 23, 15 (5t)
d. MidrHL6,2 (122^) = Midr Qoli 5, 11 (28''); pB'^rakh 2, 5«, 2, s. bei Mt 1,5 S.21.
e. GnR28(17''): R. Chanin (um 300) hat gesagt: In den Seestädten sind Dinge
geschehen, wie sie nicht im Flutgeschlecht geschehen sind, s. Zeph2, 5: „Wehe, Be-
wohner des Striches am Meer, Volk der c^r^s" (Kreter), d. h. Volk, das Ausrottung r-3
verdient. Durch welches Verdienst bestehen sie fort? Durch das Verdienst Eines Heiden
u. durch das Verdienst Eines Gottesfiirchtigen, den sie in jedem Jahre (als Pr.) stellen.
/. J'^b48l': R. Jose (um 150) sagte: Ein Pr., der zum Judentum übergetreten ist,
ist wie ein Kind, das (eben) geboren ist -^iri) "up^- — Dem Zus. hang nach (s. Anm. s)
besagen die Worte: ein Pr. wird durch seine Bekehrung frei von früherer Sündenscliuld
u. Sündenstrafe. — Der Grundsatz: „ein Pr. gleicht dem neugebornen Kinde" ist später
auch halakhisch verwertet worden; s. dazu Job 3, 3 Nr. 2.
g. J''b 4715: Hat der Pr. das Tauchbad genommen (nach der Beschneidung) u. ist er
herausgestiegen (aus dem Bade), siehe, so ist er in allen Dingen wie ein Israelit.
A.'" Belege s. bei Mt 5,43 bes. S. 355 f. — Ferner s. Midr Ruth 1,18 (129b): „Als
sie sah, dafs Ruth fest entschlossen war, mit ihr zu ziehen, hörte sie auf, ihr zuzureden"
Ruth 1, 18. R. J*'huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Komm u. sieh, wie beliebt vor
Gott die Proselyten sind: als sie (Ruth) ihren Sinn daraufgerichtet hatte, zum Juden-
tum überzutreten, stellt die Schrift sie der Naemi gleich. (Nach dem Kommentar Matt
K^unna liegt der Beweis in den Worten: „So zogen die beiden dahin.") || TanchB -V -fi
§6 (32^): Resch Laqisch (um 250) hat gesagt: Geliebt (vor Gott) ist ein Pr., der über-
getreten ist, mehr als die Israeliten, da sie am Berge Sinai standen. Weshalb? Wenn
diese nicht die Donnerstimmen u. die Blitze u. die erbebenden Berge u. den Ton der
Posaunen wahrgenommen hätten, so würden sie die Tora nicht angenommen haben;
u. jener, der nichts davon wahrgenommen hat, kommt u. gibt sich selbst an Gott hin
u. nimmt die Gottesherrschaft (Himmelreich) auf sich. Hast du einen, der mehr ge-
liebt wäre als dieser? Es geschah einmal, daß Onkelos, der Pr. (um 120, d.i. Aquila, der
das AT ins Griechische übersetzte), einen Gelehrten (Altesten) fragte: Inwiefern liebt
denn Gott den Pr., da e*s heißt Dt 10, 18: „Er hat den Pr. (so der Midr) lieb, ihm Brot
u. Kleidung zu geben"? Siehe, ist das alles, Brot u. Kleidung? Er antwortete ihm:
Hat denn nicht unser Vater Jakob nur um dieses gebeten, da es heißt Gn 28, 20: Wenn
Gott mir Brot zu essen u. Kleidung anzuziehen gibt? Unsre Lehrer haben gesagt:
Geliebt ist der Pr., da Gott von sich selbst schreiben ließ Jer 14,8: Warum willst du
wie ein Fremdling Ger (= Proselyt) im Lande sein? — Dasselbe Tanch ^V -V IT''. —
Nach GnR 70 (44 d), Midr Qoh 7,8 (34"^) richtete Onkelos seine Frage an R. Eli?ezer,
um 90. II Chag 5*: Resch-Laqisch (um 250) hat gesagt: Wer das Recht eines Pr. Ger
beugt, ist wie einer, der das Recht oben (d. h. das Recht Gottes) beugt, s. Mal 3, 5.
/. Midr Qoh 8,10 (40"): (Der Vers Qoh 8, 10) redet von den Pr., die kommen u.
Buße tun; „u. von heiliger Stätte gingen sie aus", weil sie an heiliger Stätte wandelten,
d. h. in den Synagogen u. Lehrhäusern; „u. wurden vergessen in der Stadt", es wurden
die bösen Werke vergessen; „die da recht gehandelt", es fanden sich ihre guten Werke,
die sie in der Stadt getan haben. „Auch das ist eitel." R. Ji9chaq (um 300) hat ge-
sagt: Das ist nicht eitel (daß sie sich bekehrt haben), aber das ist eitel, wemi sie
nicht von selbst kamen. R. Bun (I., um 325, IL, um 370) hat gesagt: Die Gerechten
(Israeliten) gingen dorthin (wo Proselyten erstehn sollten) u. (dann) kamen sie (Pr.);
so ging Joseph zur Asnath (vgl. Gn 41,45; 46, 20), Josua zur Rahab, Bo?az zur Ruth,
Mose zu Chobab (vgl. Nu 10, 29). R. Acha (um 320) hat gesagt: Das ist nicht eitel,
vielmehr dies, dar3 die Menschen, rrian, nicht (freiwillig) kamen, um sich unter den
Flügeln der Sch%hina heiligen zu lassen.
k. J^b 47 a ; s. die Stelle bei Mt 3, 6 S. 1 10 y. \\ J^bam 47 1^ : R. Elf azar (um 270) hat
gesagt: Es heißt Ruth 1, 18: Als Naemi sah, daß sie fest entschlossen war, mit ihr
zu ziehen, hörte sie auf, ihr zuzureden. Sie sprach: Es ist uns verboten die Sabbat-
grenze (zu überschreiten). (Ruth sprach:) „Wohin du gehen wirst, da werde ich hin-
gehen!" Es ist uns das Alleinsein (mit einem Manne) verboten. (Ruth:) „Wo du ver-
weilen wirst, werde ich weilen!" Es sind uns 613 Gebote aufgetragen worden. (Ruth:)
Matth23, 15 (3t) 929
, Dein Volk mein Volk!" Es ist uns Götzendienst verboten. (Ruth:) ^Dein Gott mein
Gott!* Viererlei Todesstrafen sind dem Gerichtshof übeigehen. (Ruth:) ,Wo du sterben
wirst, werde ich sterben!" Zweierlei Gräber (für die Hingerichteten) sind dem Gerichts-
hof übergeben. (Ruth:) „Und daselbst werde ich begraben werden!" (Ruth 1,16 f.)
Sofort heifst es: Als sie sah, daß sie fest entschlossen war usw. Die Parallelstelle
Midr Ruth 1, 16 (128") mit vielen Abweichungen s. bei Mt 1,5 S. 25 Anm. c.
/. M'^n44'*: (R. Chijja, um 200, sprach zu einer Heidin, die zum Judentum über-
treten wollte:) Meine Tochter, hast du etwa deine Augen auf einen von den Gelehrten-
schülern geworfen? (Siehe Exk. über (^'iQith Nr. 5.) — Ferner s. J'-b 24'' bei Apg 18, 16.
m. pSanh 10, 29'^ 31: R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Nicht soll draußen weilen
der Proselyt, meine Tür öffne ich dem Wanderer Hi 31,32. Hieraus folgt, daß man
(den Fr.) mit der Linken fortstößt u. mit der Rechten herzubringt; nicht wie Elisa
getan hat, der den Gechazi mit seinen beiden Händen fortstieß (vgl. 2 Kg 5, 27). — Der
Satz: „Stets soll die Linke wegstoßen u. die Rechte (wieder) heranziehen" als Bar
Sota 47a u. Sanh 107 '\ — R. Jochanans Auslegung dem R. Ji^chaq (um 300) beigelegt
MidrRuth 1,11 (127 'J).
n. Midr Ruth 1,11 (127 '0= R- Schemuel b. Nachman (um 260) hat im Namen des
R. Judan b. Chanina ^ gesagt: An drei Stellen steht hier geschrieben: „Kehret heim"
(Ruth 1,8. 11. 12), entsprechend den drei Malen, die man einen Pr. wegstößt (abweist);
quält er aber darüber hinaus, so nimmt man ihn auf.
O. LvR 6 (109*^): „Wenn er nicht Anzeige macht u. seine Verschuldung trägt"
Lv5, 1. (Gott sprach zu den Israeliten): Wenn ihr meine Gottheit den Völkern der Welt
nicht verkündigt, siehe, so bestrafe ich euch. Wann? „Wenn sie zu euch sagen werden:
Befraget die Totengeister" usw. Jes8, 19.
p. Sanh 97a Bar: R. N'chemja (um 150) sagte: In dem Zeitalter, in welchem der
Ben David (— Messias) kommt, . . . wird sich die ganze Regierung (d. h. das römische
Weltreich) der Häresie minüth (dem Christentum) zuwenden u. kein Rügen wird statt-
finden. Das ist eine Stütze für R. Ji^chaq (um 300); denn er hat gesagt: Ben David
kommt erst, wenn die ganze Regierung sich der Häresie zugewandt hat. — R. N'^chemjas
Ausspruch auch Midr HL 2, 13 (101 ") u. Derekh Erep Zuta 10; in Sota 9, 15 anonym.
^. M^kh Ex 22, 20 (101 a) s. bei Mt 5, 43 S. 355.
r. J^'bam 241» Bar: In den Tagen des Messias nimmt man keine Pr. auf. Ebenso
hat man auch in den Tagen Davids u. Salomos keine Pr. aufgenommen (weil nur die
äußere glückliche Lage Israels für ihren Übertritt bestimmend gewesen wäre). R. El?azar
(um 270) hat gesagt: Welche Schriftstelle gibt es dafür? Jes 54, 15: Siehe, Pr. soll
man werden ohne mich (d. h. zu der Zeit, da Gott nicht mit Isr. ist); wer Pr. wird
bei dir (in deiner gegenwärtigen gedrückten Lage), der wird dir zufallen (dein glück-
liches Los in der Zukunft teilen), aber kein andrer. || fAZ 3l> Bar: R. Jose (um 150)
sagte: In der (messian.) Zukunft werden die Völker der Welt z'^s-n. r-mis kommen,
um Pr. zu werden. Aber nimmt man denn von ihnen (in der Zukunft Proselyten) auf?
In einer Bar ist doch gelehrt worden: Man nimmt in den Tagen des Messias keine
Pr. auf, gleichwie man in den Tagen Davids u. Salomos keine Pr. aufgenommen hat!
Allein (R. Jose wollte damit sagen,) daß sie Pr. sein würden, die sich von selbst auf-
drängen; u. sie werden T'^phillin an ihren Köpfen u. an ihren Armen, Schaufäden an
ihren Kleidern, eine Türpfostenkapsel an ihren Türen anbringen; wenn sie aber den
Krieg Gogs u. Magogs sehn werden, werden sie zu diesen sagen: Gegen wen seid ihr
gekommen? Dann wird man ihnen antworten : Gegen ihn (Gott) u. gegen seinen Messias,
s. Ps2, 1: Warum toben die Heiden u. sinnen die Nationen Eitles? Dann wird jeder
seine Gebote (d. h. die T'^phillin usw.) abreißen u. sich davon machen, s. Ps 2, 3 : Lasset uns
zerreißen ihre Bande. Und Gott sitzt u. lacht, s. das. Vers 4: Der im Himmel thront, lacht.
S. Jeb48b Bar: R. Chananja b. Gamliel (um 120) sagte: Weshalb sind die Pr. in
dieser (gegenwärtigen) Zeit gedrückt u. kommen Leiden über sie? Weil sie die sieben
' R. J«^huda b. Chananja (Chanina) ein Tannait, s. Bacher, Tann. 2, 555.
strack u. Billerbeck, NT I. 59
930 Matth 23, 15 {%)
Gebote der Noacbiden (vor ihrem Übertritt zum Judentum) nicht gehalten haben. R. Jose
(um 150) sagte: Ein Pr., der übergetreten ist, gleicht einem (eben) geborenen Kinde
(er hat für frühere Verfehlungen nicht zu büßen); vielmehr weshalb sind sie gedrückt?
Weil sie sich nicht auf die Einzelheiten der Gebote so verstehn, wie die Israeliten.
Abba Chanan (Chanin, um 140) sagte im Namen des R. Elifezer (um 90): Weil sie nicht
aus Liebe (zu Gott), sondern aus Furcht handeln. Die andren sagten: Weil sie ge-
zögert hatten, sich unter die Flügel der Sob'^khina zu begeben. R. Abbahu (um 300)
oder, wie auch gesagt worden ist, R. Chanina (um 225) hat gesagt: Welche Schrift-
stelle gibt es dafür? Ruth 2, 12: Jahve vergelte dein Tun u. vollkommen werde dein
Lohn von selten Jahves, des Gottes Israels, unter dessen Flügel dich zu bergen du
(eilends, ohne Verzögerung) gekommen bist.
t. Jeb 109b: R. Ji<;chaq (um 300) hat gesagt: Was heißt Spr 11, 15: ,Gar übel er-
geht es dem Menschen, der sich für einen andren verbürgt" ? Unglück über Unglück
kommt auf die, welche Pr. annehmen. (Der Midr deutet -7 a^y -2 = ^s^iü-3 z'-<t s^yart
,wer Fremde, d. h. Pr., unter die Israeliten mischt".)
U. Nidda 13^ Bar: Die Proselyten . . . verzögern das Kommen des Messias (indem sie
durch ihre Sünden das für die Ankunft des Messias notwendige Verdienst Israels mindern).
V. Qid70b: R. Chelbo (um 300) hat gesagt: Schlimm wie Aussatz r-rc sind die
Pr. für Israel; s. Jes 14, 1 : Der Fremdling (= Pr.) wird sich an sie anschließen u.
sie werden am Hause Jakobs zum Aussatz (so faßt der Midr ?-Ecr). Es heißt hier
•r.zz:^ u. es heißt dort Lv 14, 56: „In bezug auf den Aussatz", r-ss"-. — Dieser Aus-
spruch des R. Chelbo auch J'b 109b; 47 b; Nidda 13 b.
w. Schab 31 a Bar: Einmal kam ein Heide vor Schammai (um 30 v. Chr.) u. sprach
zu ihm: Wie viele Toroth habt ihr? Er antwortete ihm: Zwei, die schriftliche u. die
mündliche Tora. Er sprach zu ihm : In bezug auf die schriftliche schenke ich dir Ver-
trauen, nicht aber in bezug auf die mündliche; nimm mich als Pr. an unter der Be-
dingung, daß du mich die schriftliche Tora lehrst. Da fuhr ihn Schammai an u. ließ
ihn mit einem Verweis gehen. Er kam vor Hillel, der ihn als Pr. annahm. Am ersten
Tag sagte ihm Hillel das Alphabet (-:"; ="s); am nächsten Tage kehrte er es um (sagte
die Buchstaben in andrer Reihenfolge). Jener sprach: Siehe, hast du es mir gestern
nicht so gesagt? Er antwortete: Hast du dich nicht auf mich verlassen (da du die
am ersten Tage gelehrte Reihenfolge der Buchstaben als richtig annahmst)? So verlaß
dich auch in bezug auf die mündliche Tora auf mich! — Ein andermal kam ein Heide
vor Schammai u. sprach zu ihm: Nimm mich als Pr. an unter der Bedingung, daß du
mich die ganze Tora lehrst, während ich auf Einem Bein stehe. Da stieß er ihn mit
einem Maßstock fort, den er in seiner Hand hatte. Er kam vor Hillel, der ihn (unter
der gestellten Bedingung) als Pr. annahm. Hillel sprach zu ihm: Was dir unlieb ist,
das tu auch deinem Nächsten nicht; das ist die ganze Tora u. das andre ist ihre Aus-
legung; geh hin u. lerne das! — Ein andermal war ein Heide hinter einer Synagoge
(Schulhaus) vorübergegangen u. hörte, wie der Lehrer die Worte sprach Ex 28,4: „Dies
sind die Kleider, welche sie machen sollen: einen Brustschmuck u. ein Schulterkleid."
Er fragte: Für wen sind diese? Man antwortete ihm: Für den Hohenpriester. Da sprach
jener Heide bei sich selbst: Ich werde gehen u. Pr. werden, damit sie mich zum Hohen-
priester machen. Er kam vor Schammai u. sprach zu ihm: Nimm mich als Pr. an unter
der Bedingung, daß du mich zum Hohenpriester machst. Er stieß ihn mit einem Maß-
stock fort, den er in seiner Hand hatte. Er kam vor Hillel, der ihn als Pr. annahm.
Hillel sprach zu ihm: Stellt man einen als König auf, der nicht die Einrichtungen (Ver-
ordnungen) der Regierung kennt? Geh u. lerne die Einrichtungen der Regierung. Er
ging u. las in der Schrift. Als er an die Worte Nu 1,51 kam: „Der Fremde ^i {= Nicht-
Levit), welcher sich nähert, soll getötet werden", sprach er zu ihm: Über wen ist diese
Schriftstelle gesagt? Er antwortete ihm: Selbst über David, den König Israels. Da
zog jener Pr. bei sich selbst den Schluß vom Größeren auf das Geringere: wenn in
bezug auf die Israeliten, die Kinder Gottes genannt werden u. von denen es wegen
der Liebe, mit der Gott sie liebt, in der Schrift heißt Ex 4, 22: „Mein erstgeborner
Matth 23, 15 (5(. 23). 23, 16 (Nr. 1) 931
Sohn ist Israel!" geschrieben steht: „Der Fremde, welcher sich nähert, soll getötet
werden" — um wieviel mehr gilt das dann von einem geringen Pr., der mit seinem Stab
u. seiner Tasche kam (ohne Gebotserfüllungen u. gute Werke)! Er kam darauf vor
Schammai u. sprach zu ihm: War ich denn überhaupt imstande, Hoherpriester zu werden?
Steht denn nicht in der Tora geschrieben: Der Fremde, welcher sich nähert, soll ge-
tötet werden? Dann kam er vor Hillel u. sprach zu ihm: Du sanftmütiger Hillel, mögen
Segnungen auf deinem Haupte ruhen dafür, daß du mich unter die Flügel der Sch'^khina
gebracht hast! — Nach einiger Zeit trafen sich jene drei (Proselyten) an einem Orte;
sie sprachen: Das Aufbrausen Schammais wollte uns aus der Welt bringen, die Sanft-
mut Hilleis hat uns unter die Flügel der Sch'khina gebracht. — Vgl. die Bar Schab 30 b:
Immer sei der Mensch sanftmütig wie Hillel, u. nicht sei er aufbrausend wie Schammai.
23, 15 ^: Kind der Hölle, viov yeewrfi = crri-r--?-
RH 17a sngt Raba (f 352), daß die Bewohner von Machuza (am Tigris) =:-!•; -la
Kinder des Gehinnoms genannt würden. || B rakh 10 ^ deutet B'rurja, die Gemahlin des
R. Meir (um 150) Jes54, 1: die Gemeinde Israel gleicht einem unfruchtbaren Weibe, weil
sie keine Kinder für den G. geboren hat. — Die ganze Stelle s. im Exkurs: „Sch''ol"
usw. II, 7, d. II Joma 72'': Raba (f 352) sagte zu den Rabbinen: Ich bitte euch, erwerbt
euch nicht einen zwiefachen G. D:n-j T^r ■ini-'r h^ (indem ihr einmal von dieser Welt
nichts habt, weil ihr dem Torastudium obliegt, u. indem ihr weiter des ewigen Lebens
verlustig geht, falls euch bei all eurem Studium die wahre Gottesfurcht fehlt). —
Über viög u. ■:; zur Bezeichnung der Zugehörigkeit s. beiMtS, 12.
23,16: Blinde Führer (vgl. hierzu bei Mtl5, 14).
23,16: Wenn jemand beim Tempel schwört, so ist das
nichts; wer aber beim Golde des Tempels schwört, der
ist schuldig (verpflichtet),
1. Schwur beim Tempel: als Beispiele s. Qid 71^; K'^r 1, 7; K^'th 2, 9
bei Mt 5, 36 S. 334 /. — Gelübdeformeln mit dem Wort „Tempel" oder
Altar galten als verbindlich. N'^dl,3: (Wer sagt: dies oder das soll
mir sein) wie ein Opferlamm, wie die Tempelhallen, wie Altarholz, wie
Altarfeuer, wie der Altar, wie der Tempel, wie Jerusalem; oder wer
mit (bei) irgendeinem der Altardienstgeräte gelobt, siehe, so hat dieser,
auch wenn er das Wort p-p (Opfer) gar nicht erwähnt hat, doch mit
(bei) p-ip gelob't. R. J^huda (um 150) sagte: Wer sagt „Jerusalem" (soll
mir dies oder das sein, statt „wie" Jerusalem), der hat überhaupt nichts
gesagt (sein Gelübde ist unverbindlich). — Parallelstelle TN^d 1, 3 (276) ;
hier lautet der Ausspruch des R. J'^huda: Wer sagt „Jerusalem", der
hat überhaupt nichts gesagt, weil er nur mit dem Wort -nip (Opfer)
selbst zu geloben beabsichtigte, — Aus der Bemerkung des R. J4iuda,
der häufig Vertreter älterer Traditionen ist, wird man schHeßen dürfen,
daß die frühere Zeit tatsächlich dergleichen Unterschiede bei den Ge-
lübdeformeln gemacht hat, wie sie die Worte Jesu Mt 23, 16 u, 18 beim
Schwur bezeugen. Allerdings lassen sich die von Jesu angeführten
Unterscheidungen zwischen Beteuerungen „beim Tempel" u, „beim Gold
des Tempels", „beim Altar" u. „bei der Altargabe" aus den rabbinischen
Schriften nicht belegen; aber auf gleicher Linie mit ihnen liegt die Bar
N«d 14'': Wer bei der Tora gelobt, hat überhaupt (gar) nichts gesagt;
59*
932 Matth 23, 16 (Nr. 2). 23, 17. 18. 19. 23 (31)
wer aber bei dem in ihr Geschriebenen gelobt, dessen Worte gelten,
s. S. 335i. Als Grund dieser Bar wird dann unter andrem angegeben,
daß der allgemein „bei der Tora" Gelobende vielleicht nur bei ihrem
Pergament, nicht bei ihrem Inhalt gelobt habe. — Weitere subtile Unter-
scheidungen bei den Gelübdeformeln s. in den Zitaten zu Mt 15, 5.
2. ovdsv iariv: im Rabbinischen lautet die entsprechende Formel:
„Er hat nichts gesagt" üi^d ^^n xb, s. in Nr. 1 den Ausspruch des
R. J^'huda u. die Bar N'^d li^\ — Dem ogefkei entspricht 2^n, zB N-^d 2, 3:
Es gibt ein Gelübde in einem (andren) Gelübde, aber es gibt keinen
Schwur in einem (andren) Schwur. Wie dies? Sagt einer: „Siehe, ich
will ein Naziräer sein, wenn ich esse; siehe, ich will ein Naziräer sein,
wenn ich esse!" u. er ißt dann, so ist er für jedes einzelne Gelübde
schuldig ::in (er muß zweimal dreißig Tage lang Naziräer sein u. zwei-
mal das Opfer des Naziräers darbringen). Sagt er aber: „Schwur, daß
ich nicht esse, Schwur, daß ich nicht esse"^ u. er ißt dann, so ist er
nur Einmal schuldig -^r (ein Opfer zu bringen).
23, 17: W^er ist größer, das Gold oder der Tempel?
Diese Frageformel ist bei Diskussionen nicht unbeliebt gewesen.
Einige Beispiele s. bei Lk 22, 27 Nr. 3.
23, 18: Wer schwört beim Altar . . ., bei der Gabe auf ihm.
Vgl. das bei 23, 16 Bemerkte. — Aus den Beispielen S.335 Anm.^ er-
kennt man, daß nicht bloß beim Altar im allgemeinen geschworen wurde,
sondern auch speziell beim inneren Altar, bezw, bei dessen Hörnern.
23, 19: Der Altar, der die Gabe heiligt.
Z«^b9, 1: Der Altar heiligt das, was für ihn bestimmt ist. — Das. 9, 7: Gleichwie
der Altar das für ihn Bestimmte heiligt, so heiligt auch die Rampe (die zum Altar
empor führt). Gleichwie der Altar u. die Rampe das für sie Bestimmte heiligen, so
heiligen auch die (Tempel-)Gefäße (das in sie hinein Getane). Die Gefäße für Flüssiges
heiligen das Flüssige u. die Maße für Trockenes heiligen das Trockene; aber nicht
heiligen die Gefäße für Flüssiges das Trockene, u. nicht die Maße für Trockenes das
Flüssige. Heilige Geräte, die durchlöchert worden sind, heiligen, wenn sie noch teil-
weise den Dienst verrichten, den sie verrichteten, als sie unversehrt waren; wenn aber
nicht, so heiligen sie nicht. Alle aber heiligen nur im Heiligtum. — M®n 12, 1: Wenn
Speis- u. Trankopfer unrein wurden, bevor man sie durch die Gefäße geheiligt hatte,
so findet bei ihnen die Auslösung statt; nachdem man sie durch die Gefäße geheiligt
hatte, findet bei ihnen keine Auslösung statt.
23,22: Wer beim Himmel schwört, schwört beim Throne Gottes
u. bei dem darauf Sitzenden (s. bei Mt 5, 34 S. 331— 334).
23,23 51: Ihr verzehntet Minze u. Dill u. Kümmel.
Der Verzehntung unterlagen nachDt 14, 22 f. dieErträge an Korn, Most
u. Öl. Die rabbin. Auslegung hat den Kreis der zehntpflichtigen Boden-
erzeugnisse namentl. durch Einbeziehung der Hülsenfrüchte u. Grünkräu-
ter erweitert, s. den Exk. über Abgaben von den Bodenerzeugnissen Nr. 3.
Matth 23, 23 {%. 58). 23, 24 933
1. i'jdvoa/uof Minze. Das Blattwerk der M. s:-:- ist nach Scli'bi?itli 7, 1 genießbar
für Menschen u. unterliegt dem Brachjahrgesetz. — Schab 128''' wird sr;-:s. Minze durch
NV-:, s-r: erklärt. — Git69'^: Gegen Herzklopfen nehme man drei Eier mit s--:-3 u.
ein Ei mit Kümmel sr-ss u. ein Ei mit Sesam u. esse es. Auch fAZ29'^ ist s-:-: ein
Heilmittel gegen Herzbeschwerden. — Ein ausdrückliches Zeugnis für die Verzehn-
tung der M. ist uns nicht bekannt.
2. uvrj&oy Dill, hebr. rz,'v. Über die Verzehntung besagt Ma?as4, 5: R. Eli?ezer
(um 90) sagte: Am Dill wird verzehntet der Same, das Kraut u. die Samenbehälter.
Die Gelehrten aber sagten: Same u. Kraut werden nur an Kresse u. Rauke verzehntet
(also ist das Dillkraut der Verzehntung nicht unterworfen). In ?AZ 7 ^ wird die Meinung
des R. Elifezer bereits von Nachum dem Meder (um 70) vertreten. || fUqQin 3,4: Wenn
Dill rata im Topf seinen Geschmack mitgeteilt hat, so kommt er nicht mehr als Hebe
in Betracht (so daß ein Nichtpriester, der davon genießt, straffrei bleibt); auch ist er
(einmal abgekocht) nicht als Speise verunreinigungsfähig (weil er nicht mehr als Speise
angesehen wird).
3. xv^ivop Kümmel, hebr. yi^'q, aram. sr'ss. D'^mai 2, 1: Folgende Dinge werden
als D'mai (zweifelhaft verzehntet) überall (auch im Ausland) verzehntet: Feigenkuchen,
Datteln, Johannisbrot, Reis u. Kümmel. ||T'^'rum 10, 4: Wenn man einen Ofen mit Kümmel
von Priesterhebe geheizt u. dann Brot darin gebacken hat, so ist das Brot (dem Nicht-
priester zum Genuß) erlaubt, weil es nicht den Geschmack des Kümmels, sondern nur
den Geruch des Kümmels hat. — Nach fEduj 5, 3 forderte die Schule Hillels (nicht
die Schammais) Verzehntung des Schwarzkümmels n^- .
23,23 23: Das Schwerere (Wichtigere) des Gesetzes, das Ge-
richt u. die Barmherzigkeit u. die Treue, lasset ihr dahinten.
Vgl. die Stellen bei Mk 12, 40.— Über die Verwerflichkeit der Heuchelei
s. bei Mt 23, 13 31 Nr. 2. — Zu den drei Werken, die Jesus fordert, s. Targ
Micha 6, 8: Soll dir ein Mensch ansagen, was gut ist u, was Jahve von
dir fordert? Nur ein Gericht der Wahrheit halten u. Liebeswerke gern
haben u. sei demütig, zu wandeln in der Furcht deines Gottes. || In
bezug auf die Rechtspflege heißt es TSota 14, 3 (320) : Seitdem sich die
Lüstlinge mehrten, hörte die Ehre der Tora auf u. das Recht wurde
verderbt; seitdem sich die Einflüsterer von Einflüsterungen beim Rechts-
verfahren mehrten (die die Richter im geheimen beeinflußten), kam
heftiger Zorn in die Welt, u. die Sch^'khina entfernte sich von Israel.
23, 24:DiedieMücke durchsei hen,dasKamel aber verschlucken.
Wohl sprichwörtliche Redensart. Die von Wettstein irrig angeführte
Stelle B°rakh 63-'^ ts^-ü^n yaipi d-^dü ^ny^ bedeutet: „Er richtete Schaltjahre
ein u. setzte Schaltmonate fest." — Die Mücke, t^tr^ wird öfters als
Repräsentantin der geringfügigsten Geschöpfe genannt.
SDt 6, 5 § 32 (73'*^): Wenn alle, die in die Welt kommen, sich vereinigen wollten,
um eine einzige Mücke zu schaffen u. in sie eine Seele zu bringen, so würden sie dazu
nicht imstande sein. Was will da die Schrift lehrend sagen Gn 12,5: «Alle Seelen,
die sie in Charran gemacht (erworben) hatten?" Das will lehren, daß unser Vater
Abraham sie zum Judentum bekehrt u. unter die Flügel der Sch^'khina gebracht hat. —
Dieser mehrfach wiederholte Satz ist später dem R. Jose b. Zimra, um 220, beigelegt
worden, s. pSanh 7, 25«>, 48; GnR 39 (24«); P^sigR 43 (181«) u. ö. || Git 56^: (Als Titus
Gott verhöhnte, sprach dieser:) Ein geringfügiges Geschöpf nVp n-"ia habe ich in meiner
Welt, „Mücke" ist sein Name, mit dem sollst du Krieg führen. (Eine Mücke soll
934 Mattli23,24. 25(Nr. 1)
dann ins Gehirn des Titas eingedrungen sein u. die Ursache seines Todes geworden
sein.) Parallelstelle LvR 18 (ISö"^). || Sanh 38'^ Bar: Der Mensch ist am Freitag er-
schaffen worden. Warum? Damit, wenn er in seinem Innern sich stolz erhebt, man
zu ihm sagen könne: Die Mücke ist dir beim Schöpfungswerk vorangegangen.
Dem divki^etv entspricht das hebr. -io = durchseihen.
Schab 20, 2 : Man darf (am Sabbat) den Wein durch Tücher oder durch ein Weiden-
geflecht seihen "::z^. — Davon r^^c-? der Seiher. || Chulü?'': „Und alles Gewimmel,
das auf der Erde wimmelt, ist ein Greuel, soll nicht gegessen werden" Lv 11,41, das
will die --v;-!-!:- einschließen, die man seiht (beim Seihen im Seihtuch zurückbehält). —
Die •,-x;'ir!3-' sind Insekten, die als „Wasserschlängelchen" oder „ Kellerfliegen " erklärt
werden, s. Levy 2, 215'^; Raschi versteht darunter kleine Mücken, die sich zwischen
den Weinfässern aufhalten. |1 Über das verschiedene Verhalten der Menschen zu In-
sekten, die mit Getränken in Berührung kommen, s. TSota 5, 9 (302) bei Mt 1, 16 S. 40 «. \\
Hör 11^: Hat einer Einen Floh oder Eine Mücke rip' gegessen (um Gott damit zu
ärgern, also aus Trotz), siehe, so ist er ein Abtrünniger ■"3«{;:.
Über das Kamel vgl. bei Mt 19, 24. — Vgl. noch Schab 12=^ Bar:
R. Elifezer (um 90) hat gesagt: Wer eine Laus am Sabbat tötet, ist
wie einer, der ein Kamel tötet (denn töten ist töten).
23,25: Ihr reinigt das Äußere des Bechers u. der Schüssel.
1. Einige Mischnasätze mögen die peinliche Genauigkeit beleuchten,
mit der man auf die Reinheit von Geräten (Gefäßen) achtete.
Kelim2, 1: An hölzernen, ledernen, knöchernen u. gläsernen Geräten gelten ihre
glatten (platten) Teile für rein, ihre vertieften (die Inhalt aufnehmen können) als ver-
unreinigungsfähig. Wurden sie zerbrochen, so gelten sie (die Bruchstücke) für rein
(weil sie nicht mehr verwendbar sind). Macht man aus ihnen wieder Geräte, so nehmen
sie von da an u. weiter vrieder Unreinheit an. Irdene Gefäße u. solche aus Laugensalz
(^ri) sind in bezug auf ihre Unreinheit gleich: sie werden unrein u. verunreinigen in
ihrem Luftraum (ohne daß tatsächliche Berührung erforderlich ist); sie werden unrein
an ihrer (ausgehöhlten) Unterseite, aber nicht an ihrer Außenseite. Und ihre Zer-
brechung ist ihre Reinigung. — Das. 2, 7: Verunreinigungsfähig unter den irdenen Ge-
fäßen sind: eine Platte (Tafel), die einen Rand hat, eine ganze (unversehrte) Kohlen-
pfanne u. eine Platte (Tafel), die aus lauter schüsselartigen Abteilungen besteht. Wird
eine von diesen (Abteilungen) durch ein Kriechtier verunreinigt, so sind nicht alle ver-
unreinigt. Wenn die Platte aber einen hochstehenden Rand hat (der ihre einzelnen
Abteilungen überragt), so sind, wenn eine von den Abteilungen verunreinigt wurde,
alle verunreinigt (weil der Luftraum über der Platte durch deren hochstehenden Rand
allen Plattenabteilungen gemeinsam geworden ist). — Das. 11, 1: An den metallenen
Geräten sind ihre glatten (platten) u. ihre vertieften Teile verunreinigungsfähig. Wurden
sie zerbrochen, so gelten sie für rein; macht man aus ihnen wieder Geräte, so kehren
sie zu ihrer früheren Unreinheit wieder zurück. R. Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte:
Nicht zu jeder Unreinheit, sondern nur zu der, die von einem Toten herrührte. —
Das. 25, 3: Bei den Wein- u. Ölmaßen, beim Gabellöffel (einem Gerät, das aus Gabel
u. Löffel bestand), beim Senfsieb u. beim Weinseiher ist die Außenseite von der Innen-
seite zu unterscheiden. So R. Me'ir (um 150). R. J^huda (um 150) sagte: Man braucht
sie nicht zu unterscheiden. R. Schimfon (um 150) sagte: Man hat sie zu unterscheiden:
sind sie an ihrer Außenseite verunreinigt worden, so ist das, was in ihnen ist, rein,
obwohl man (das ganze Gerät behufs Reinigung) untertauchen muß. — Das. 25, 6: Die
Fußgestelle der Gefäße u. ihre Ränder u. ihre Henkel u. die Griffe der zum Aufnehmen
geeigneten Gefäße trocknet man ab, wenn unreine Flüssigkeiten darangekommen sind,
so sind sie rein. Alle andren Gerätschaften aber, die nicht Granatäpfel halten können
u. die keine Rückseiten u. kein Inneres haben, sind, wenn unreine Flüssigkeiten an
Mattli23, 25 (Nr. 1.2) 935
einen Teil von ihnen gekommen sind, ganz unrein. Wenn an einem Gefäß die Außen-
seiten durch unreine Flüssigkeiten unrein geworden sind, so sind die Außenseiten un-
rein, dagegen sind sein Inneres, sein Rand, sein Henkel u. seine Griffe rein. Sobald
das Innere unrein geworden ist, ist alles unrein. — Das. 25, 7 f.: Bei allen Gefäßen
sind zu unterscheiden die Außenseiten, das Innere u. der Henkel (wörtlich: Stelle des
Anfassens). R. Tarphon (um 100) sagte: Das gilt in hezug auf einen großen hölzernen
Trog; R. fAqiba (f um 185) sagte: (Auch) in bezug auf die Becher. R. Me'ir (um 150)
sagte: In bezug auf unreine u. auf reine Hände. R,. Jose (um 150) sagte: Man hat es
nur in bezug auf reine Hände gesagt. Wenn zB die Hände rein sind u. die Außen-
seiten eines Bechers unrein, u. man faßt den Henkel an, so hat man nicht zu be-
fürchten, daß die Hände durch die Außenseiten des Bechers unrein werden. Hat man
aus einem Becher, dessen Außenseiten unrein sind, getrunken, so hat man nicht zu
befürchten, daß das Getränk im Munde durch die Außenseiten des Bechers unrein
wird u. wiederum seinerseits den Becher unrein macht. — Das. 30, 1 : Von den gläsernen
Gerätschaften sind die flachen rein u. die vertieften (wörtlich: die etwas aufnehmen
können) verunreinigungsfähig. Wurden sie zerbrochen, so sind sie rein; machte man
aus ihnen wieder Geräte, so nehmen sie von da an u. weiter wieder Unreinheit an.
Eine Platte u. (glatte) Schüssel von Glas sind rein; wenn sie einen Rand haben, sind
sie verunreinigungsfähig. Der Boden einer (zerbrochenen) Schale oder einer (zerbrochenen)
Schüssel von Glas gilt, wenn man ihn in Gebrauch nimmt (weil er noch etwas fassen
kann) als rein; wenn man sie aber mit Kreide abi'ieb oder mit einer Feile glättete,
so sind sie verunreinigungsfähig. — Das. 30, 3 : Ein Becher, dessen größerer Teil be-
schädigt ist, gilt als rein; sind drei schadhafte Stellen an ihm in seinem größeren
Teil, so gilt er als rein. R. Schim?on (um 150) sagte: Wenn er den größeren Teil des
(hineingefüllten) Wassers verschüttet (durch die schadhaften Stellen abfließen läßt),
gilt er als rein. Hat er ein Loch bekommen u. man besserte ihn mit Zinn oder mit
Pech aus, so gilt er als rein. R. Jose (um 150) sagte: Wenn mit Zinn, so ist er ver-
unreinigungsfähig; wenn mit Pech, so ist er rein. — Zum Verständnis dieser Stellen
s. das. 25, 9: Alle Gegenstände kommen zu ihrer Verunreinigungsfähigkeit durch ihre
Bestimmung; aber sie verlieren ihre Verunreinigungsfähigkeit nur durch eine Verände-
rung an ihrer Herrichtung; die (neue) Herrichtung hebt die (alte) Herrichtung auf u.
(zugleich) die (frühere)- Bestimmung; eine neue Bestimmung aber hebt weder die
(frühere) Herrichtung noch die (frühere) Bestimmung auf. (Ein Mensch trägt zB einen
Ring an seiner Hand; durch diese Bestimmung, als Fingerreif zu dienen, wird der
Ring verunreinigungsfähig. Später wird derselbe Ring bestimmt, irgendwie an einem
Tier Verwendung zu finden; am Tier würde der Ring der Theorie nach nicht ver-
unreinigungsfähig sein; gleichwohl behält er die Fähigkeit dazu, da die bloße neue Be-
stimmung des Ringes die frühere nicht aufhebt. Soll der Ring die Verunreinigungs-
fähigkeit im Dienst des Tieres verlieren, so ist am Ringe selbst eine Veränderung vor-
zunehmen; diese Veränderung an der Form des Ringes hebt dann die ursprüngliche
Bestimmung u. damit zugleich die Verunreinigungsfähigkeit auf.)
2. über die Reinigung der Geräte s.:
fAZ 5, 12: Wenn man einen Gebrauchsgegenstand von einem Heiden kauft (diese
Gegenstände gelten als unrein), so soll man das, was man unterzutauchen pflegt,
untertauchen; was man auszubrühen pflegt, ausbrühen; was man mit der Flamme aus-
zuglühen pflegt, ausglühen. Den Bratspieß u. den Rost glüht man mit der Flamme aus;
das Messer schleift man ab, so ist es rein. (Vgl. Lv 6, 21; Nu 31, 22 f. u. Siphre zur
letztren Stelle § 158.) |1 Miqv 10, 1: Wenn man ein Gefäß mit der Öffnung nach unten
untergetaucht hat, so ist es, als hätte man es nicht untergetaucht. Hat man es ordnungs-
mäßig untergetaucht, aber ohne den Henkel, (so genügt das erst,) bis man es auf die
Seite geneigt hat. Ein Gefäß, das an beiden Enden eng u. in der Mitte weit ist, ist nicht
eher rein, als bis man es auf die Seite geneigt hat. Eine Flasche, deren Mündung (nach
innen) umgebogen ist, ist nicht eher rein, als bis man sie an der Seite durchlöchert.
936 Matth 23, 25 (Nr. 2). 23, 27
Über das zum Untertauchen geeignete Wasser s. bei Mt3, 6 S. 108f.
Nur auf die spezielle Vorschrift Lv 6, 21: ,Das eherne Gefäß (in welchem der
priesterliche Auteil am Sündopfer gekocht ist) werde abgerieben u. mit Wasser ab-
gespült", bezieht sich Z'bll,7: Das Abreiben ist wie das Abreiben des Bechers (s.
w. u.) u. das Abspülen ist wie das Abspülen des Bechers. Das Abreiben geschieht mit
heißem Wasser u. das Abspülen mit kaltem Wasser. Den Bratspieß u. den Bratrost
spült man mit heißem Wasser ab. — Ausführlicher SLvti, 21: Das Abreiben ist wie
das Abreiben des Bechers u. das Abspülen geschieht wie das Abspülen des Bechers.
Das Abreiben u. das Abspülen geschieht mit kaltem Wasser. Den Bratspieß u. den Brat-
rost spült man mit heißem Wasser ab. . . . Soll etwa das Abspülen auch hier mit 40 Sea
Wasser (wie sonst üblich) geschehen? Die Schrift sagt lehrend Lv 6, 21 : ,Mit Wasser" ;
mit Wasser, soviel es ist; mit Wasser, aber nicht mit Wein oder mit gemischtem Wein;
mit Wasser, um alles Wasser für tauglich zu erklären u. erst recht das Wasser im
(großen Tempel-)Becken "v:. — Mit dem oben erwähnten „Becher" ist der Becher ge-
meint, über dem der Lobspruch beim Tisch-Schlußgebet gesprochen wurde. Von diesem
Becher, heißt es B rakh 51^, seien zehn Dinge gesagt worden, zu denen auch dies ge-
hört, daß er abzuwischen u. abzuspülen sei: „Das Abwischen nn-.n geschieht von innen
u. das Abspülen r-.t-j:-:: von außen."
23,25: Inwendig sind sie voll von Raub u. Unenthaltsamkeit.
Belege s. bei Mk 12, 40; ferner s. TM'^n 1.'^ 22 (583) bei Mt23, 28.
23,27: Ihr gleichet übertünchten Gräbern.
Die Gräber wurden im Frühjahr mit Kalk getüncht, damit sie
jedermann als solche kenntlich würden. Praktische Bedeutung hatte die
Einrichtung namentlich für Priester, indem sie ihnen die Möglichkeit
bot, sich von Gräbern als Stätten der Unreinheit fernzuhalten.
Sch*^q 1, 1: Am 15. Adar (etwa März) . . . macht man sich an das Herstellen (Aus-
bessern) der Wege u. der Straßen u. der Wasseransammlungen . . ., auch kennzeichnet
man die Gräber n-apr; rs ■i':';:i'in. — TSch'^ql,4: Am 15. des Monats (Adar) gehen
die vom Gerichtshof Beauftragten aus u. kennzeichnen den Ort der Unreinheit (= Gräber),
damit die Menge nicht dadurch strauchle (in Sünde gerate). \\ MSch 5, 1 : Eine vierjährige
Weinpflanzung (deren Frucht auszulösen war) macht man durch (herum)gelegte Erd-
schollen kenntlich, eine Stelle mit fOrlaanpflanzungen (1 — 3 jährigen Pflanzungen, s.
Lvl9, 23) durch Töpferlehm, eine Stelle mit Gräbern durch Kalk, u. zwar löst man
diesen (im Wasser) auf u. gießt ihn hin. — In einer Besprechung dieser Misclina in
BQ 69^ heißt es: Der Kalk diente als Zeichen, weil er weiß ist, wie die Totengebeine,
u. man löste ihn auf u. goß ihn (um das Grab) aus, damit er noch weißer würde. ||
MQ 1, 2: Man darf (an den Zwischenfeiertagen) . . . die Gräber kennzeichnen. — Dazu
pSch^q 1, 46", 22: Hat man sie denn nicht schon im Monat Adar gekennzeichnet? Du
kannst es so erklären, daß ein heftiger Regenguß niederfiel, der es (gemeint ist die
Kalktünche) wegspülte. . . . Woher läßt sich der Schriftbeweis für das Kennzeichnen
der Gräber beibringen? R. B'Yekhja (um 840) hat gesagt, R. Jafaqob, der Tochtersohn
Jafaqobs (um 320) habe im Namen des R. Huna aus B'^rath-Chauran (um 230) gesagt —
nach R. Jose (um 350) hat es R. Ja?aqob b. Acha (um 300) im Namen des R. Huna
aus B rath-Chauran gesagt; nach R. Chizqijja (um 350) hat es R. fUzziel b. Huna von
Beth-(B''rath-)Chauran (um 270) im Namen des R. Huna aus Beth-(B'^rath)-Ghauran ge-
sagt — : Es heißt Lv 13,45: „Das Unreine soll .unrein'! rufen" (so der Midr); die Un-
reinheit soll dir mit ihrem Munde (d. h. mit ihrer Kalktünche) zurufen u. zu dir sagen:
Bleibe fern! R. Heia (um 310) hat im Namen des R. Sch'^'muel b. Nachman (um 260)
gesagt: (Der Schriftbeweis sei zu führen aus Ez 39, 15:) Wandrer wandern im Lande
umher, u. sieht einer ein Menschengebein, so errichtet er daneben ein Kennzeichen.
„Gebein", daraus ist zu entnehmen, daß man über Gebeinen ein Kennzeichen macht;
Matth 23, 27. 28. 29 (Nr. 1) 937
„von einem Menschen", daraus ist zu entnehmen, daß man über einem Rückgrat (Rumpf)
u. über einem Schädel ein Kennzeichen macht; „u. errichtet", daraus ist zu entnehmen,
daß man auf einem festliegenden Stein ein Kennzeichen macht. Wenn du sagen wolltest:
,Auf einem lose daliegenden Stein", so könnte dieser wandern u. an einer andren
Stelle etwas als unrein bezeichnen (was doch nicht unrein ist); „daneben", d. h. an
reiner Stelle (die den Fundort des Toten oder des Grabes umgibt); „ein Kennzeichen",
hieraus ist die Pflicht der Kennzeichnung zu entnehmen. Parallelstellen : pMSch 5, 55 '', 39 ;
pMQ 1, 80^, 60; vgl. MQ 5:\ II Übrigens wurden Gräber, die als solche jedermann kennt-
lich waren, nicht getüncht. MQ b^ Bar. Man kennzeichnet nicht zweifellose, wohl aber
zweifelhafte Grabstellen; u. dies sind zweifelhafte: die von Gebüsch verdeckt oder von
Mauerteilen überragt sind, ferner ein umgepflügtes Gräberfeld.
Daß auch Rabbinen sich an der Kennzeichnung von Gräbern be-
teiHgten, zeigt das Beispiel des R. Banna^a, um 220, u. des R. Schim?on
b. Laqisch, um 250; s. BQ 58"; BM 85 b.
23,28: So erscheinet auch ihr äußerlich den Menschen
gerecht, inwendig aber seid ihr voll Heuchelei u. Gesetz-
losigkeit (Ungerechtigkeit).
Beleges, im Exkurs überPharisäer u.SadduzäerNr. 2 u. bei Mk 12,40;
Lkl6, 14; ferner s. pJ^bl2,13%33 bei Mt23, 13 5( S.921. — Besonders
wird den letzten Ge.schlechtern vor der Zerstörung Jerusalems im
Jahre 70 Geldliebe u. Haß zum Vorwurf gemacht.
TM'^^n 13, 22 (533): R. Jochanan b. Tortha (um HO) hat gesagt: Warum ist Schilo
zerstört worden? Wegen der darin herrschenden Verachtung des Heiligen. Warum ist
der erste Tempelbau Jerusalems zerstört worden? Wegen des Götzendienstes, der Un-
zucht u. des Blutvergießens, die darin herrschten. Aber von denen zur Zeit des zweiten
Tempels wissen wir doch, daß sie sich mit der Tora beschäftigten u. sorgfältig waren
bei den Zehntabgaben; warum sind sie in die Verbannung geführt worden? Weil sie
das Geld (Mammon) liebten u. sich untereinander haßten. Das &0II dich lehren, daß
gegenseitiger Haß schlimm ist vor Gott, u. daß die Schrift ihn gleichsetzt dem Götzen-
dienst, der Unzucht u. dem Blutvergießen. — Parallelstellen pJoma 1, 38*^, 48 ; Joma 9"
(s. oben S. 366 Nr. 3); 9'\ — Vgl. auch BM 73 '^ bei Lk 16, 14. 1| Joma 72'^: Raba (f 352)
hat gesagt: Jeder Gelehrtenschüler, dessen Inneres nicht wie sein Äußeres ist, ist
kein Gelehrtenschüler. Abaje (f 338/39), nach andren Rabbah b. ?Ulla (um 400?) hat
gesagt: Er wird ein Abscheulicher genannt, s. Hil5, 16: „Vollends der Abscheuliche
u. Verdorbene, der Mann, der wie Wasser Frevel trinkt."
23,29: Ihr bauet die Gräber der Propheten u. schmücket
die Denkmäler der Gerechten.
1. Monumentale Grabdenkmäler werden erwähnt (vgl. schon Jes22, 16
Schebna) 1 Makk 13, 27ff. : Simon setzte einen Bau auf das Grab seines
Vaters u. seiner Brüder, so hoch, daß man ihn weithin sehen konnte,
auf der Rückseite u. der Vorderseite aus polierten Steinen, u. stellte
darauf sieben Pyramiden, eine der andren gegenüber, für seinen Vater,
seine Mutter u. seine vier Brüder (die siebente für sich selbst). An
diesen aber ließ er Kunstwerke anbringen, indem er große Säulen
umhersetzte, u. an den Säulen brachte er Waffenrüstungen an zu ewigem
Gedächtnis, u. neben den Waffenrüstungen waren Schiffe eingemeißelt,
damit sie von allen gesehen würden, die das Meer befuhren. So war das
938 Matth 23, 29 (Nr. 1—3)
Orabmal (o tdcfog), das er in Modei'n errichtete; es befindet sich dort bis
auf den heutigen Tag. — Eine einfache Stele in Pyramidenform wird das
Denkmal {^arr^/iu) gewesen sein, das Herodes d. Gr. am Eingang zu den
Oräbern Davids u. Salomos errichten ließ, nachdem er diese zuvor ihrer gol-
denen Schmucksachen u. Kleinodien beraubt hatte. Joseph. Antiq. l(>, 7, 1 :
j-ur^iiia Xevxr^q nergag enl to) (TTOf.itfp xarsaxsväaazo noXvxeXtQ Trj öancirr^.
2. Etwas Seltenes können Grabmäler bei den Juden kaum gewesen
sein. So vertritt R. Nathan (um 160) die Ansicht, daß, wenn Gelder
zur Bestattung eines Toten gesammelt worden seien, ein etwa ver-
bleibender Rest zur Aufstellung eines Grabmals verwendet werden
dürfe, a Hier wird also auch dem Ärmsten unter Umständen ein Denk-
stein oder dergleichen nicht versagt. Umgekehrt macht R. Schim^on
b. Gamliel (um 140), wohl um Luxusausgaben dem gerade nicht mit
Reichtümern gesegneten Gelehrtenstand zu ersparen, den Grundsatz
geltend, daß die Gerechten der Denkmäler nicht bedürfen, da ihre
Worte das Gedächtnis ihres Namens sicherten. b Selbst einem Hunde
ist ein Grabmal zuteil geworden, c
a. Sch®q2, 5: Der Rest des für Arme Gesammelten gehört den Armen; der Rest
des für einen bestimmten Armen Ges. gehört diesem Armen; der Rest des für Ge-
fangene Ges. gehört den Gefangenen; der Rest des für einen bestimmten Gefangenen
Ges. gehört diesem Gefangenen; der Rest des für Tote Ges. gehört den Toten; der
Rest des für einen bestimmten Toten Ges. gehört seinen Erben. R. Me'ir (um 150)
sagte: Der Rest des für einen bestimmten Toten Ges. soll liegenbleiben, bis Elias
kommt (u. Entscheidung darüber trifft); R. Nathan (um 160) sagte: Von dem Rest des
für einen bestimmten Toten Ges. baut man diesem ein Denkmal '■äzi über (oder: bei)
seinem Grabe. || pSch'q 2, 47*, 6: Im Namen des R. Nathan hat man gelehrt: Von dem
Rest des für einen bestimmten Toten Ges. soll man diesem ein Denkmal lar: über
(oder: bei) seinem Grabe erbauen u. ein Sprengen (wohlriechender Essenzen) an seinem
Totenbett vornehmen. — Statt -rj in der Parallelstelle GnR 82 (52 d) r-a = Haus, Bau;
in Sanh48*'^ cii2'- = domus.
b. pSch®q 2, 47% 8: Rabban Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte: Den Gerechten
errichtet man keine Denkmäler rvi's:, ihre Worte (Aussprüche) sind ihr Gedächtnis
ir^=7. — Dasselbe GnR 82 (52'').
C. P*^siq 79'^: Wenn Jahve Wohlgefallen hat an den Wegen eines Mannes, bewirkt
«r, daß auch seine Feinde mit ihm Frieden halten Sprl6, 7. R. Me'ir (um 150) sagte:
Damit ist der Hund gemeint. Hirten hatten einmal Milch gemelkt; es kam eine (giftige)
Schlange u. fraß davon; der Hund hatte es gesehen. Als sie sich nun setzten, um zu
essen, fing er an, sie anzubellen; sie aber achteten nicht darauf; schließlich machte
er sich auf u. fraß u. starb. Da begruben sie ihn u. errichteten ihm ein Denkmal s-^-ej;
bis jetzt wird es das Grabmal des Hundes saV:-: xrE; genannt. — Dasselbe, aber ohne
den Schlußsatz, pT^rum 8, 46 % 27.
3. Im einzelnen werden folgende Grabmäler erwähnt:
a. na^-jx \r??. , nach Levy3, 426=* „ein geschlossenes Denkmal am
Grabe, d. h. das keine Öffnung zum Eingang hat"; nach Krauß, Archäol.
2, 80 „massive Blöcke oder Monolithe, die nur als Denksteine dienten".
In Verbindung mit einem solchen Monument erscheinen Hsp, Hütten
oder Schuppen, die vorübergehend als Aufenthaltsorte dienen konnten.
Ohal 7, 1 : Wer ein massives Grabmal r:<2rL:N ;üe3 an den Seiten berührt, ist rein,
weil die Unreinheit senkrecht auf u. nieder durchdringt. (Vorausgesetzt scheint zu sein,
Matth 23, 29 (Nr. 0). 23, 32 939
daf3 das Grabmal nicht auf dem Grabe selbst, sondern seitwärts davon steht.) Wenn
aber die Stelle der Unreinheit (über welcher das Grabmal steht) so groß ist, wie eine
Handbreite im Geviert, so ist der, welcher irgendeine Stelle (des Monuments) berührt,
unrein; denn es ist, wie das geschlossene Grab (dessen Berührung verunreinigt). Ver-
bindet man unmittelbar mit ihm (dem Grabmal über einer unreinen Stelle) Hütten
(Lauben, Schuppen, n:c), so sind diese unrein. R. J'^huda (um 150) erklärte sie für
rein. (Die Halakha ist nicht nach ihm.)
b. Ein aufzwei Seiten durchbrochenes (auf Säulen ruhendes?) Grabmal
n^mm^ ^rr^ nii-src; •::z:. Das Charakteristische dieser Monumente war,
daß sie keinen Aufenthaltsraum für Menschen boten; s. T?Er (>, 4f.'bei c.
c. Grabmäler mit u. ohne einen Aufenthaltsraum für Menschen.
fErö, 1: Wie erweitert man Städte (durch Einbeziehung von Ausbauten zwecks
Festsetzung der Sabbatgrenze)? Wenn ein Haus (an der Stadtgrenze) zurücksteht u.
ein andres vorspringt, . . . wenn Brücken u. Grabmäler rmt: da sind, in denen sich
ein Aufenthaltsraum n-^-r befindet, so läßt man das Maß von ihnen ausgehn u. bildet
daraus eine viereckige Fläche, damit man die Winkel gewinne. |1 Tf Er (5, 4 f. (144):
Folgende Baulichkeiten werden (in den Stadtbezirk) miteinbezogen: ein Grabmal -iit:,
das vier Ellen im Geviert groß ist. R. J^huda (um 150) sagte: Seine Wände u. Gesimse
werden miteinbezogen. Ferner eine Grabanlage (iz". = tdcfog) u. eine Brücke, die
einen Aufenthaltsraum ---- r-z enthalten, ein Götzentempel, in dem sich ein Auf-
enthaltsraum für Priester befindet, Stallungen u. Speicher auf dem Felde, die einen
Aufenthaltsraum haben . .-., die werden miteinbezogen (in die Stadt). Folgende Baulich-
keiten werden nicht miteinbezogen: ein Grabmal •:;t:, das auf zwei Seiten hierhin u.
doithin durchbrochen ist, eine Grabanlage -•z- u. eine Brücke ohne einen Aufenthalts-
raum, ein Götzentempel ohne einen Aufenthaltsraum für Priester, Stallungen u. Speicher
auf dem Felde, die keinen Aufenthaltsraum haben . . ., die werden nicht miteinbezogen.
(Die Nennung der auf zwei Seiten durchbrochenen Grabmäler neben solchen Baulich-
keiten, die ohne einen Aufenthaltsraum für Menschen sind, beweist, daß jene Grabmäler
selbst zu dieser Kategorie von Baulichkeiten gehört haben.) — Dasselbe als Bar ?Er 55 ^.
d. Grabmäler, die zur Beisetzung von Leichen benützt wurden.
TAhillO, 7 (607j: Wenn der Sarg hineingebaut ist in die Wand eines Grabmals
Tt's:, so ist, wenn derselbe auch noch so wenig im Innern des Grabmals sichtbar
wird, der, welcher in dieses eintritt, unrein; wenn der Sarg aber nicht sichtbar wird,
so wird der Eintretende unrein nur gegenüber von dessen Bedeckung. Hat man ein
Grabmal ':itj über dem Sarge erbaut, so ist es wie ein geschlossenes Grab u. ver-
unreinigt ringsum von allen Seiten. |j Sanh48''': Wenn man ein Grabmal 'i-r: für einen Leben-
den erbaut hat, so ist es zum Nießbrauch gestattet; hat man aber Eine Steinschicht
im Namen eines Toten (für einen T.) hinzugefügt, so ist es zam Nießbrauch verboten.
Um welchen Fall handelt es sich hier? Wenn man einen Toten hineingelegt hat. ||
TAhil 17, 4, (615): Von den Grabmälern rvaz^ im Lande Israel darf man annehmen, daß
sie rein sind (weil für gewöhnlich keine Leichen darin beigesetzt werden); ausgenommen
sind nur diejenigen, die (durch Kalktünche als wirkliche Gräber) gekennzeichnet sind.
23,32: Machet das Maß eurer Väter voll.
fArakhin 15'': „So finden wir, daß der Gerichtsbeschluß über unsre Väter in der
Wüste nur wegen der bösen Zunge (Verleumdung) besiegelt worden ist" f Arakh 3, 5.
Aus welchem Grunde? Etwa weil bis dahin ihr Maß nicht voll war "irso ah'^ s':;?
Denn Rab Hamnuna (um 290) hat gesagt: Gott straft einen Menschen nicht, bevor
sein Maß voll ist ^rso a'^^rrv -.y, s. Hi 20, 22: Wenn voll ist seine Menge (die Menge
seiner Sünden), kommt die Not über ihn (so der Midr). Resch Laqisch (um 250) hat
gesagt: Die Schrift sagt Nu 14, 22: „Sie haben mich nun schon zehnmal versucht."
Deswegen wurde der Gerichtsbeschluß untersiegelt. — Der Ausspruch des Rab Hamnuna
940 Matth 23, 33. 35 (Nr. 1)
auch Sota 9^. || Aus dem AT kann verglichen werden Crn 15,16; Targ Onk u. Jerusch I
übersetzen die Stelle wörtlich.
23,33: Ihr Schlangen, ihr Otterngezücht (s. bei Mt 3, 7).
Im Rabbin. findet sich syjg als or:^: u. sxiSru als x;=s5, Np?y.
M^kh Ex 15, 22 (52»^): „Otter u. geflügelter Drache" Jes 30,6. nyes (Otter) be-
deutet nichts andres als c:v e/t? = Otter. Man hat gesagt: Wenn die Otter den
Schatten eines Vogels sieht, der in der Luft fliegt, u. wenn sie (dann) den Vogel sieht,
so wird dieser an seinen Schatten gebannt u. seine Glieder fallen ihm ab. — Der schwer-
lich korrekte Text lautet in den Parallelen sehr verschieden, s. Tanch r'^xz Sßi^; TanchB
r:Vr3 § 17 (32b); Leqach tob Ex 15, 22 (50b). || BM 84b: (Als man den R. Elfazar
b. Schimfon, um 180, in der Grabeshöhle seines Vaters beisetzen wollte), fand man eine
Otter S3:>', die sich um die Höhle gelegt hatte. Man rief ihr zu: Otter, Otter, öffne
deinen Mund (laß deinen Schwanz aus deinem Munde los), daß der Sohn zu seinem
Vater komme!. Da gab sie ihnen den Eingang frei.
23,33: Vor dem Gericht der Hölle.
Siehe Exkurs: „Sch^ol" usw. II, Nr. 3 gegen Ende; vgl. auch bei Mt 3,7 S. 115 f.
23,34: Ihr werdet in euren Synagogen geißeln (s. bei Mtl0,17).
23,35: Bis zum Blut des Zachar ia, des Sohn es des Bar ach ja,i den
ihr zwischen dem Tempel(hausj u. dem Altar gemordet habt.
1. Die Ermordung des Z^kharja b. J'^^hojada? 2 Chr 24, 20ff. in der
rabbin. Überlieferung.
Ältester Bericht pTa?au 4,69'\56: R. Jochanan (t 279) hat gesagt: 80000 junge
Priester sind wegen des Blutes des Z'^kharja getötet worden. R. Judan (um 350) fragte
den R. Acha (um 320): Wo hat man den Z'^kharja getötet? Im Vorhof der Weiber oder
im Vorhof der Israeliten? Er antwortete: Weder im Vorhof der Israeliten noch im Vor-
hof der Weiber, sondern im Vorhof der Priester (also in der Nähe des ßrandopfer-
altars); u. nicht ging man mit seinem Blut um, wie mit dem Blut eines Widders u.
wie mit dem Blut einer Gazelle. Dort (Lv 17, 13) steht geschrieben: „Er soll sein Blut
ausgießen u. es mit Erde bedecken"; aber hier hieß es: Ihr Blut ist in ihrer Mitte,
auf nackten Felsen (vgl. Ri 9, 5) hat sie (die Blutstadt Jerusalem) es fließen lassen,
nicht es auf die Erde gegossen, daß der Staub es zudeckte Ez 24,7. Das alles warum?
Um Grimm heraufzubriugen, um gewaltige Rache zu nehmen, habe ich ihr Blut auf
nackten Felsen geraten lassen, daß es nimmer zugedeckt werde Ez 24, 8. Sieben Über-
tretungen begingen die Israeliten an jenem Tage (der Ermordung Z'^^^kharjas): sie töteten
einen Priester u. Propheten u. Richter, sie vergossen unschuldiges Blut, sie ver-
unreinigten den Voihof,- u. es geschah an einem Sabbat u. Versöhnungstag. Als N'^bu-
zar^adan hierher heraufzog, sah er, wie das Blut aufwallte zz^r.- Er sprach zu ihnen:
AVas ist das mit diesem? Sie antworteten: Es ist das Blut von Stieren u. Lämmern
u. Widdern, die wir auf dem Altar als Opfer dargebracht haben. Sofort ließ er Stiere
1 Baouxiov beruht wohl auf einer Verwechselung des Vaternamens des Z'kharja
2 Chr 24, 20 ft'. mit dem des Propheten Z'^^kharja Sach 1,1; Jes 8, 2 ; s. aber auch die Zitate
TargKL 2, 20 u. Josippon 80 S. 94 1 f. -
- Zugrunde liegt der Glaube, daß das Blut eines Ermordeten sich in Bewegung
befinde, bis der Mord durch die Hinrichtung des Mörders Sühnung gefunden habe.
DtR2 (198'^'): Es geschah einmal bei zwei Brüdern, daß der eine von ihnen den andren
tötete. Was machte ihre Mutter? Sie nahm einen Becher u. füllte ihn mit seinem Blut
an u. stellte ihn in einen Turm (= Vorratsraum). Täglich ging sie hinein u. fand jenes
Blut, wie es aufwallte ocir. Einmal ging sie hinein u. blickte es an u. fand es schweigend
(nicht in Bewegung). In jener Stunde wußte sie, daß ihr andrer Sohn getötet sei.
(,Vgl. schon Gn 4, 10.)
Matth 23,35 (Nr. I) 941
11. Widder u. Lämmer bringen u. darüber schlacbten, aber noch immer wallte das Blut
auf. Da sie es ihm nicht bekannten, hängte man Stricke (•""-r --r?'?) an der Richt-
stätte auf 1 (um die Priester aufzuhängen). Da sprachen sie: Gott gefällt es, sein Blut
von unsren Händen zu fordern! Sie sprachen zu N'^buzarsadan: Es ist das Blut eines
Priesters u. Propheten u. Richters, der wider uns das alles geweissagt hat, was du uns
getan hast, u. wir erhoben uns gegen ihn u. töteten ihn. Sofort ließ er 80000 junge
(d. h. dienstfähige) Priester bringen u. darüber (über dem Blut Z'^kharjas) schlachten;
aber noch immer wallte das Blut auf. In jener Stunde beschalt er es u. sprach: Willst
du etwa, daß dein ganzes Volk um deinetwillen vernichtet werde? Sofort ward Gott
von JVlitleid erfüllt u. sprach: Wenn dieser, der Fleisch u. Blat u. grausam ist, von
Mitleid mit meinen Kindern erfüllt wird, um wieviel mehr muß das dann von mir
gelten, von dem geschrieben steht Dt 4, 81 : Jahve dein Gott ist ein barmherziger Gott;
er wird nicht von dir lassen, noch dich verderben, noch des Bundes mit deinen Vätern
vergessen, den er ihnen zugeschworen. Sofort gab er dem Blut einen AVink, da ward
es an seiner Stelle verschlungen. 1| Die Parallele bGit 57*^: R. Chijja b. Abin (ein Zeit-
genosse Rabas, also etwa um 330) hat gesagt, R. J'^hoschua? b. Qarcha (um 150) habe
gesagt: Ein Alter von den Bewohnern Jerusalems hat mir erzählt: In diesem Tal (ge-
meint ist Biqsath-Jadajim bei Bethter) hat N'buzariadan, der Oberste der Leibwache,
211 Myriaden getötet u. in Jerusalem hat er 94 Myriaden auf Einem Stein getötet, bis
ihr Blut kam u. das Blut Z'kharjas berührte, um zu erfüllen, was gesagt ist Hos 4, 2:
Blut berührt sich mit Blut. Er fand das Blut des Z*^kharja, wie es aufwallte u. sich
erhob. Er sprach: Was ist das? Sie antworteten: Es ist Blut von Schlachtopfern, das
ausgegossen worden ist. Er ließ solches bringen: aber es glich jenem nicht. Er sprach
zu ihnen: Wenn ihr es mir sagt, so ist es gut; wenn aber nicht, so lasse ich euch
euer Fleisch mit eisernen Kämmen abkämmen. Sie sprachen: Was sollen wir dir sagen?
Ein Prophet war unter uns, der uns (strafend) zurechtwies in göttlichen Dingen; da
erhoben wir uns gegen ihn u. töteten ihn, u. siehe, wer weiß wie viele Jahre sind es,
daß sich sein Blut nicht beruhigt. Er antwortete: Ich will es beruhigen. Er nahm das
große Synedrium u. das kleine Synedrium u. tötete sie über ihm (dem Blut Z^kharjas) ;
aber es beruhigte sich nicht. Er nahm Jünglinge u. Jungfrauen u. tötete sie darüber,
aber es beruhigte sich nicht. Er nahm Schulkinder u. tötete sie darüber, aber es be-
ruhigte sich nicht. Da sprach er zu ihm: Z'^kharja, Z'^kharja, die Besten unter ihnen
habe ich vernichtet; willst du, daß ich sie alle vernichte? Als er also sprach, be-
ruhigte sich das Blut. In jener Stunde dachte er in seinem Innern an Buße. Er sprach:
Wenn es diesen wegen Eines Menschenlebens also erging, um wieviel mehr wird es
dann diesem Mann (d. h. mir) so ergehn, der alle diese Menschenleben getötet hat!
Da machte er sich davon; er sandte sein Testament (sr-j-s ^lir) an seine Familie u.
trat zum Judentum über. In einer Bar ist gelehrt worden: Nafaman (2 Kg 5) war ein
Beisaßproselyt arir ";; N^buzariadan war ein wirklicher Proselyt ~^~'-j. ";. — Ebenso
mit geringen Abweichungen Sanh96''. || In der Midraschliteratur schließt sich der Be-
richt P'^siq 122* eng an den pT an; eine Verbindung der Überlieferung beider Talniude
liegt vor MidrKL 2,2 (64^); 4, 13 (76=»); Midr Qoh 3, 16 (21 a); Midr KL Einl. Nr. 23 (36»)
u. Midr Qoh 10, 4 (46'-); an den beiden letzten Stellen wird die Tötung des Z^lftrja
zum Teil mit dessen Hochmut begründet. — In Midr KL Einl. Nr. 5 (30'^) findet sich
nur die Frage des R. Judan an R. Acha betreffs der Stelle, an der Z^kharja erschlagen
wurde. || TargKL 2,20: Ihr habt den Z<'kharja, den Sohn des flddo,'^ den Hohenpriester
u. zuverlässigen Propheten, im Heiligtum Jahves am Versöhnungstage getötet, weil er
euch (strafend) zurechtgewiesen hat, daß ihr nicht tun solltet, was böse vor Jahve. —
Ausführlicher Targ 2Chr 24, 20 f.: Der Geist der Prophetie von Jahve her wohnte (ruhte)
auf Z'^kliarja b. J^bojadaf, dem Priester. Als er die Sünde des Königs u. des Volkes
' P'^siq 122* liest: y-.-y^ "isVn -j^kd „er nahm sie u. hängte sie an der Rieht statte auf*.
2 Hier ist, wie in Mt 23, 35, an Z'kharja, den Sohn B*^rekhjas, des Sohnes fiddos
(Sach 1,1) gedacht ; auch ?Er 21 ^ wird der Prophet Sacharja kurz als Sohn fiddos bezeichnet.
942 Matth23,35(Nr. 1.2)
sah, wie man dem Götzenbilde Räuclierwerk anzündete im Heiligtum Jalives auf dem
Altar am Versöbnungstage u. wie die Priester Jahves es unterließen, Brand- u. Trank-
opfer u. das Opfer des Tages samt den Zusatzopfern darzubringen, wie es im Buch
der Tora Moses vorgeschrieben ist, trat er vor das Volk hin u. sprach: So spricht
Jahve: Warum übertretet ihr die Gebote Jahves, daß ihr kein Glück mehr habt? Weil
ihr den Dienst Jahves verlassen habt, wird er euch verlassen. Und sie empörten sich
gegen ihn u. steinigten ihn nach dem Befehl des Königs im Vorhof des Heiligtums
Jahves. || Josippon 80: Vor dem heiligen Tempel in deiner Mitte wurde hingeschlachtet
•jnr: der gerechte u. fromme Prophet Z^harja; u. er lag da ohne Grab, u. die Erde
bedeckte sein Blut nicht, sondern noch immer steigt es empor u. schreit (wörtlich:
zirpt) in deiner Mitte. — Wahrscheinlich ist hier an den Sach 1, 1 genannten Propheten
Sach., Sohn B^rekhjas, gedacht. Ferner s. Midr KL 2, 20.
2. Anderweitige Mordtaten im Heiligtum.
Joseph. Antiq. 11, 7, 1 : Als der Hohepriester Eljaschib verstorben war, überkam
sein Sohn Juda das Hohepriestertum. Nach diesem empfing dessen Sohn Johannes die
hohepriesterliche Würde, dessentwegen Bagoses, der Feldherr des zweiten Artaxerxes,
den Tempel entheiligte u. den Juden einen Tribut auferlegte: sie sollten vor Dar-
bringung der täglichen (Tamid-)Opfer für jedes Lamm aus dem Tempelschatz 50 Drachmen
entrichten. Die Ursache hiervon war diese: Johannes hatte einen Bruder Jesus; diesem
hatte, da er sein P reund war, Bagoses das Hohepriestertum versprochen. Im Vertrauen
darauf reizte Jesus im Tempel seinen Bruder so, daß dieser ihn tötete. . . . Als Bagoses
dies erfuhr, sprach er voll Zorns: ,In eurem Tempel habt ihr gewagt, einen Mord zu
begehn?" u. drang sogar in den Tempel ein. || TJoma 1, 12 (181): Es geschah einmal
bei zwei Priestern, daß sie gleich schnell die Rampe (zum Brandopferaltar) hinauf-
liefen (um das Vorrecht zu erlangen, die Asche wegzuräumen); da stieß der eine von
ihnen seinen Genossen vier Ellen zurück; der aber nahm ein Messer u. bohrte es jenem
in das Herz. Da kam R. (^adoq (um 60, selbst ein Priester) u. stellte sich an den Ein-
gang zur Vorhalle (des Tempelgebäudes) auf dem Tempelberg u. sjjrach: Höret mich,
unsre Brüder, Haus Israel! Es heißt Dt 21, 1 f.: „Wenn ein Erschlagener auf dem Boden
gefunden wird, den Jahve dein Gott dir zur Besitznahme geben will, auf dem Felde
liegend, ohne daß man in Erfahrung gebracht hat, wer ihn erschlagen hat, so sollen
deine Altesten u. Richter hinausgehen u. bis zu den Städten hinmessen, die rings um
den Ermordeten liegen." Kommt u. laßt uns messen, wem es obliegt das Kalb zur
Stelle zu schaffen, dem Tempel oder dem Vorhof! Da brach alles Volk in Weinen aus.
Darauf kam der Vater u. sprach: Noch zuckt mein Sohn (ist noch am Leben) u. das
Messer ist nicht (durch Berührung mit einem Leichnam) unrein geworden! Das lehrt,
daß die Unreinheit des Messers sie schlimmer dünkte als das Blutvergießen. — Parallel-
stellen: TSch^bl, 4 (446); SNu 35, 34 § 161 (62^); pJoma 2,39^ 13; Joma23M! Hier
mag auch der Bericht des Josephus über die Ermordung des Z-kharja b. Barukh Platz
finden, auf welche einige Ausleger Mt 23, 35 beziehen. BelIJ4, 5, 4: Sie (die Zeloten
zu Anfang des jüdischen Krieges gegen Rom) hatten sich vorgenommen, einen der an-
geseiiensten Männer, den Z'^kharja b. Barukh, zu töten. Es ärgerte sie, daß der Mann
alles böse Wesen gar sehr haßte u. die Freiheit liebte; auch war er reich, so daß sie
nicht bloß hoffen durften, sein Vermögen an sich zu reißen, sondern auch sich einen
Mann vom Halse zu schaffen, der imstande war, zu ihrer eignen Beseitigung bei-
zutragen. Sie beriefen siebzig gewöhnliche Leute als Richterkollegium u. klagten den
Z'^kharja ohne Beweis an, daß er das Land an die Römer vei'rate. Er aber entkräftete
mit mutigen Worten die wider ihn vorgebrachten Anklagen u. zieh seine Gegner ihrer
zahlreichen Gesetzwidrigkeiten. Trotz dem Toben der Zeloten sprachen die Richter ihn
frei. Da fielen zwei der Zeloten mitten im Tempel über den Zekharja her u. töteten
ihn, indem sie ihm höhnend zuriefen: „Da hast du auch unsre Stimme u. eine zu-
verlässigere Freisprechung!" Darauf warfen sie ihn aus dem Heiligtum hinab in den
dabeiliegenden Abgrund.
Matth 23, 35 (Nr. 3. 4). 23, 37 (3t. 33). 23, 38 943
3. Die Worte „vom Blute Abels an bis hin zum Blute des Z'^kharja"
Mt 23, 25 erwecken den Eindruck, als ob die Tötung des Z^kbarja als
letzter Prophetenmord gemeint sei, von dem das AT berichtet. Das würde
voraussetzen, daß bereits in Jesu Tagen das Buch der Chronik am Ende
des Kanons gestanden habe. Vgl. den Exk.: Der alttestamentl. Kanon.
4. Zwischen dem Tempel (j'«oc) u. dem Brandopferaltar. Die Entfernung
vom Br. bis zur Tempelvorhalle n^six betrug (nach Middoth 5, 1) 22 Ellen.
23, 37 3(: Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten
u. steinigst die zu dir gesandt sind.
1. Die Wiederholung eines Namens in der Anrede ist ungemein
häufig (vgl. schon Gn 22, 11; Ex 3, 4), s. Git 57»^ bei Mt 23, 35 S. 941
(Z'^kharja, Z'-kharja); pB^'rakh 2, 5=*, 16: Jude, Jude, spanne deine Kuh
aus! (s. bei Mt 2, 5 S. 83). — pSchab 8, 11% 35: Alter, Alter (sagte eine
Matrone zu R. J^huda, um 150), entweder bist du ein Weintrinker oder
ein Wucherer oder ein Schweinezüchter. — LvR 25 (123 '^): Alter, Alter,
hättest du es früh (in deiner Jugend) getan, so brauchtest du es nicht
spät zu tun. — Midr Qoh 5,14 (29'"^): Weinberg, Weinberg, wie schön
bist du! — Mak 24^ s. bei Mt 23, 9 S. 919. — Sukka 56^ bei Mt 7, 15 (^
S. 466«. Zur Verdoppelung des Anrufs s. bei Lk 22, 31.
2. Alttestamentliche Beispiele von Prophetenmorden s. 1 Kg 18, 4. 13;
19,10; 2 Chr24,20ff. (Z^kharja); Jer 26, 20ff. (Urijja); vgl. auch 2 Kg
21, 16; 24, 4. — Die rabbin. Schriften erwähnen besonders die Tötung
des Jesaja u. des Z^'kharja; s. bei Hehr 11, 37 u. Mt 23, 35. — Raschi
belegt die Worte: „u. nun Mörder" Jesl,2l mit der Ermordung des
Urijja u. des Z'kharja; ähnlich Jer 2, 30 mit der Tötung des Z'^kharja u.
des Jesaja. Z'^kharja u. Urijja nebeneinander auch Midr Qoh 3, 16 Anfang.
— Ferner s. bei Mt2I,35. || P^siqR 26 (129«): Jeremia sprach zu Gott:
Ich kann nicht wider sie (die Israeliten) weissagen; welcher Prophet
wäi*e ihnen erstanden, den sie nicht zu töten gesucht hätten?!
23,3733:Wie eine Henne ihre Küchlein sammeltunterihre Flügel.
LvR 25 (123''): Eine Henne, wenn ihre Jungen klein sind, sammelt sie u. nimmt
sie unter ihre Flügel u. erwärmt sie u. pickt vor ihnen her. Wenn sie aber grofs ge-
worden sind u. eins von ihnen sich ihr nähern will, pickt sie auf seinen Kopf u. sagt
zu ihm: Geh, picke in deinem Duughaufen. Ebenso als die Israeliten in der Wüste
waren, war 40 Jahre lang das Manna herabgefallen u. der Brunnen aufgestiegen; u.
die Wachteln fanden sich für sie ein u. die Wolken der Herrlichkeit umgaben sie u.
die Wolkensäule ging vor ihnen her; als sie aber in das Land (Israel) einziehen wollten,
sprach Mose zu ihnen: Jeder von euch nehme seine Hacke u. gehe hinaus u. pflanze
sich Anpflanzungen, s. Lvl9,23. — Zu den „Flügeln* Gottes als Bild des Schutzes
s. Psl7,8; 36,8; 57,2; 61,5; 63,8; 91,4; Dt3?, 11; Ruth 2, 12. Auf Grund der letzten
Stelle wird dann im Rabbin. das Aufnehmen eines Proselyten ins Judentum bezeichnet
mit: „unter die Flügel der Sch^khina bringen" ; Beispiele s. bei Mt 3, 6 ; 23, 15 ; Apg 13, 16.
23,38: Euer. Haus.
n:?, Haus, absolut = Tempel, zB l Kg 6, 2 ff. ; 2 Chr 3, 6 ff. Ebenso im
944 ' ^Jatth 23, 38. 24, 1 . 2 (Nr. 1)
Rabbin., zB in den Verbindungen nisn ^h = Tempelberg (schon Mi 3, 12)
Mid 1, 1 u. oft. r-^ari i:sn nVüi n-^an ■':£a = wenn der Tempel besteht u,
wenn der T. nicht besteht zB Chul 5, 1. — Wo n^" in der Bedeutung
„Tempel" ein Suffix bei sich hat, bezieht sich dieses immer auf Gott.^
M^'g 12''': Rab Nachman b. Cliisda (um 300) hat öffentlich vorgetragen: Was heißt
Jes 45, 1 : So spricht Jahve zu seinem Gesalbten, zu Koresch — den ich festhalte an
seiner Rechten usw.? Ist denn Koresch der Messias gewesen? Vielmehr hat Gott zu
dem Gesalbten (dem Hohenpriester) gesagt: Ich muß bei dir Klage führen über Koresch;
ich hatte gesagt, daß er mein Haus -p-3 bauen (vgl. Esra 1,2; 2 Chr 36, 28) u. meine
Verbannten sammeln sollte, u. er sagt: Wer unter euch ist von seinem ganzen Volk . . .,
der ziehe hinauf . . . u. baue das Haus Jahves (Esra 1, 3). |j TSukka4,3(198) u. SukkaSS-"^
Bar: Hillel der Alte (um 20 v. Chr.) sagte: (Gott spricht:) An den Ort, den mein Herz
liebt, bringen mich meine Füße; wenn du in mein Haus ^r^zh (= Tempel) kommst,
so will ich in dein Haus kommen; u. wenn du nicht in mein Haus kommst, so werde
ich nicht in dein Haus kommen; s. Ex 20, 24: An jedem Ort, wo ich ein Gedächtnis
meines Namens stiften werde (= den mein Herz liebt), werde ich zu dir (=:= in dein
Haus) kommen u. dich segnen. — M^h Ex 20, 24 (SO"^) R. Eli?ezer b. Jafaqob (um 90)
als Autor. Vgl. auch AbothRN 12. |! Sanh 104'' rühmt Gott von Salomo: Er hat mein
Haus seinem Hause vorangehen lassen; er hat mein Haus in sieben Jahren erbaut u.
sein Haus hat er in dreizehn Jahren erbaut. — Ein weiteres Beispiel s. Sanh 96''.
Danach ist „euer Haus" Mt23,38 nicht der Tempel, sondern „euer
Gemeinwesen".
23,39: Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn (s. bei 21, 9 SB).
24,1: Die Bauten (Baulichkeiten) des Heiligtums.
Sukka 51 '' Bar u. BB 4=*: Wer die Freude des Wasserschöpfens (am Laubhüttenfest)
nicht gesehen hat, der hat sein Lebtag keine Freude gesehen. Wer nicht Jerusalem in
■seiner Herrlichkeit gesehen hat, hat niemals eine liebliche Stadt gesehen. Wer nicht das
Heiligtum in seiner Bauausführung ir333 gesehen hat, der hat niemals einen Pracht-
bau isiii2 ■;;?? gesehen. Was ist damit gemeint? Abaje (f 338/39), nach andren Rab
Chisda (f 309) hat gesagt: Damit ist das Bauwerk des Herodes gemeint. Woraus hatte
er es erbaut? Raba (f 352) hat gesagt: Aus Alabaster u. Marmor; andre sagen: Aus
Alabaster, stibiumfarbigen Steinen u. Marmor. Den einen Rand (der Steinschicht) ließ
er hervor- u. den andren zurücktreten zwecks Aufnahme des Kalks. Er wollte es mit
Gold überziehen; aber die Rabbinen sprachen zu ihm: Laß es, denn so ist es sehr schön;
denn es gewährt einen Anblick wie die Meereswogen (nämlich in seinen verschieden-
farbigen Steinschichten). || Über die Möglichkeit vom Ölberg aus die Tempelbaulich-
keiten zu sehen s. bei Mk 13,3.
24,2: Nicht wird hier ein Stein auf dem andren gelassen
werden, der nicht niedergerissen würde.
Zur Tempel zerstörung (s. Josephus, Bell.6,4.5. Schürer^ 1,630 ff.).
1. Am 8. Ab (etwa August) des Jahres 70 n. Chr. wurden die Tore
zum äußeren Tempelplatz verbrannt. Am 9. Ab beschließt Titus, das
eigentliche Tempelgebäude zu schonen. Da aber die Juden am folgenden
Tage zwei Ausfälle vom inneren Vorhofe aus machten, legten die Soldaten
neue Feuerbrände an, u. das herrliche Bauwerk ging in Flammen auf.^
' Git 56^^.57'' neben ij'^rsT! 1. -ij-ra „unsre Häuser", nicht ',:'r*z.
2 Nach der jüdischen Tradition am 9. Ab u. (s. Seder f OlamR) im J. 68 n. Chr.
Matth 24, 2 (Nr. 2) 945
2. Rabbinische Überlieferungen.
Ta?an4,6 u.M^'g Ta?anith Ende: Fünf Dinge begegneten unsren Vätern am 17.Tam-
muz (4. Monat, etwa Juli) u. fünf am 9. Ab (5. Monat, etwa August). Am 17. Tammuz
wurden die (ersten) Gesetzestafeln zerbrochen, hörte das tägliche (Morgen- u. Abend-)
Opfer auf, wurde die Stadt erbrochen, verbraunte Apostumos die Tora u. stellte man
ein Götzenbild im Tempel auf. Am 9. Ab wurde über unsre Väter beschlossen, daß sie
nicht in das Land (Israel] einziehen sollten (wegen ihres Ungehorsams auf dem Wüsten-
zuge), wurde das Haus (d. i. der Tempel) zum ersten u. zum zweiten Male zerstört,
wurde Beth-ter eingenommen u. die Stadt (Jerusalem) gepflügt. — || Das Aufhören des
Tamidopfers, spöe'Aexiauög, am 17. Tammuz bezeugt auch Josephus Bell. G, 2, 1. Mit dem
„Spalten" oder „Aufbrechen" der Stadt (der Ausdruck stammt aus Jer 39, 2 ^= Jer52, 7;
2 Kg 25, 4) scheint die Eroberung der Burg Antonia gemeint zu sein Joseph. Bell. 6, 2, 1. 1|
Die Späteren fügen den uns hier interessierenden Sätzen der Mischna folgende Er-
läuterungen hinzu: pTa?an 4, 68 "^'j 26 u. pB'rakh 4-, 7'^, 22: R. Levi (um 300) hat gesagt:
(Die .Belagerten ließen den Belagernden) zwei Kisten mit Gold (an der Mauer) hinab
u. diese zogen ihnen dafür zwei Böckchen (zu den Tamidopfern) hinauf. Einmal zogen
sie ihnen zwei Schweine hinauf. Diese waren noch nicht bis zur halben Höhe der Mauer
gekommen, als ein Schwein sich gegen die Mauer stemmte u. 40 Parasangen weit vom
Lande Israel wegsprang. In jener Stunde brachten es die Sünden dahin, d^ß das täg-
liche Opfer aufhörte u. das Haus (d. i. der Tempel) zerstört wurde. — (Ähnliche Ge-
schichten aus den Zeiten der Griechen u. der späteren Makkabäer s. pTafan 4,68*^^,21 ;
pB^rakh4,7*\18; Mön64i^; BQ82''; Sota49^)i| TTafan 4, 10(220): „Am 9. des Monats
(Tammuz) wurde die Stadt erbrochen" (Jer 39, 2; 52,6.7), nämlich das erste Mal (in
der babylonischen Periode); aber das zweite Mal (in der römischen Zeit) am 17. Tammuz.
Dasselbe Seder ^OlamR 80; als Bar Tagan28''. || pTafan 4,68=,66: (Am 17. Tammuz)
hat Apostumos die Tora verbrannt. Wo hat er sie verbrannt? R. Acha (um 320) hat
gesagt: An der Furt von Lydda. Die Rabbinen sagten: An der Furt von Tarlosa. „Man
stellte ein Götzenbild im Tempel auf." Ein Tanna'it hat gelehrt: „Es war aufgestellt
worden" (muß es heißen u. nicht: „Man stellte auf"). Wer sagt: „Es war aufgestellt
Würden", bezieht die Worte auf das Götzenbild des Manasse (also auf die Zeit des
I.Tempels); wer aber sagt: „Man stellte auf", meint das Götzenbild des Apostumos,
s. auch bei Mt 5, 4 S. 196 Anm. c. !| Tasan28'^: Durch Tradition haben wir überkommen,
daß Apostumos die Tora verbrannt hat. Woher läßt es sich (aus der Schrift) beweisen,
daß er ein Götzenbild aufgestellt hat? s. Dn 12, 11: „Von der Zeit, da das Tamidopfer
abgeschafft u. der verwüstende Greuel aufgestellt wird"; es war also Einer. Dagegen
heißt es Dn9, 27; Auf dem Flügel verwüstende Greuel (Mehrzahl). Raba (t 352) hat
gesagt: Zwei sind es gewesen, aber der eine war auf den andren gefallen u. hatte ihn
zerbrochen. Man fand (auf dem unversehrten Götzenbilde) geschrieben: Du wolltest
das Haus (den Tempel) zerstören; deshalb habe ich an deiner Hand Vergeltung geübt
(indem ich sie dir abgebrochen habe). — Den Stellen kann man entnehmen, daß ihre
Autoren über Apostumos u. das Götzenbild Genaueres nicht gewußt haben.
TTa?an 4, 9 (220): R. Jose (um 150, der Hauptredaktor der offiziellen Chronologie
der alten Synagoge) sagte: Man (= Gott) wälzt Verdienst auf einen verdienstlichen
Tag u. Schuld auf einen schuldbeladenen Tag. Denn als das Haus (der Tempel) zum
ersten Male zerstört wurde, geschah es an einem Sonntag raü ■'s:i:a, ferner im ersten
Jahr einer (siebenjährigen) Brachperiode, die Priesterabteiluug des J^hojarib hatte den
Tempeldienst u. es war der 9. Ab. Und ebenso war es bei der Zerstörung des 2. Tempels
(auch sie geschah an einem 9. Ab, der ein Sonntag war u. dem 1. Jahr einer Brachjahr-
periode angehörte).^ Die Leviten standen auf ihrem Dukhan (einer Estrade östlich vom
Altarj u. sangen: „Und er läßt ihr Unheil auf sie zurückkehren" usw. Ps 94, 23. (Die
letzte Bemerkung ist zu beanstanden: am Sonntag wurde von den Leviten Ps 24 ge-
sungen, während Ps 94 der Mittwochspsalm war, s. Tamid 7, 4.) — Dasselbe Seder
* Das Jahr zuvor 68,69 n. Chr. war tatsächlich ein Brachjahr oder Sabbatjahr.
Strack u.Billerbeck, KT I. 60
946 Matth 24, 2 (Nr. 2)
fOlamR 30; als Bar pTafan 4, 68'^, 25; ?Arakh 1 1 b. — Ausführlicher in Ta?an 29 »: ,, Am
9. Ab wurde das Haus (Tempel) zum ersten u. zum zweiten Male zerstört. Es heilst;
2 Kg 25, 8 f.: Im 5. Monat (Ab), am 7. Tage des Monats, das war das 19. Jahr des Königs
Nebukadne9ar, kam N^'buzar'adan u. verbrannte das Haus Jahves usw. Dagegen heifst
es Jer 52, 12: Im 5. Monat, am 10. Tage des Monats. In einer Bar heißt es: Man kann
nicht sagen: „am 7. Tage des Monats", da es schon heißt (Jer 52): „am 10. Tage des
Monats"; u. man kann nicht sagen: „am 10. Tage des Monats", da es schon heißt
(2 Kg 25): „am 7. Tage des Monats". Wie also? Am 7. Tage des Monats drangen die
Fremden in den Tempel ein u. aßen u. buhlten den 7., den 8. u. den 9. Tag, u. kurz
vor dem Dunkelwerden (am 9. Tag) zündeten sie darin das Feuer an, das den ganzen
folgenden Tag immer weiter brannte,^ wie es heißt Jer 6, 4: Wehe uns, denn es neigt
sich der Tag, es dehnen sich die Abendschatten. Und dies ist es, was R. Jochanan
(t 279) gesagt hat: Wenn ich in jener Generation gelebt hätte, so hätte ich den Fast-
tag auf den 10. Ab festgesetzt, weil an ihm der größte Teil des Tempels verbrannt
ist. Und die Rabbinen (haben den 9. Ab als Fasttag bestimmt), weil der Beginn der
Strafe das Schwerste ist. Woher, daß das Haus zum zweiten Male am 9. Ab zerstört
worden ist? In einer Bar heißt es: Man wälzt Verdienst auf einen verdienstlichen Tag
u. Schuld auf einen schuldbeladenen Tag. Man hat gesagt: Als das Heiligtum zum
ersten Ma4e zerstört wurde, war jener Tag der Vorabend des 9. Ab (also der 8. Ab),
ferner war es ein Sonntag im ersten Jahr einer Brachjahrperiode u. die Priesterabteilung
des J*'hojarib versah den Dienst, die Leviten aber sangen ein Lied u. standen auf ihrem
Dukhan. Welches Lied haben sie gesungen? Ps94, 23: „Er läßt ihr Unheil auf sie
zurückkehren, durch ihre eigene Bosheit wird er sie vertilgen." Und noch nicht hatten
sie gesagt: „Vertilgen wird sie Jahve unser Gott" (das.), da kamen schon die Fremden
u. überwältigten sie. Und ebenso war es bei der Zerstörung des 2. Tempels. — Auf-
fallend ist, daß hier der 8. Ab als Tag der Zerstörung erscheint. Wenn der Ausdruck
3sa nya.-i a-^y (Vortag zum 9. Ab) nicht versehentlich, sondern mit Bedacht gesetzt
ist, würde die Einäscherung der äußeren Tempeltore, die ja auch nach Josephus (s. oben)
am 8. Ab erfolgte, als Anfang der Zerstörung angesehen sein.
pJomal,38'^,57: Man fragte den R.Eli'ezer (um 90): Waren die späteren Geschlechter
(die zur Zeit des 2. Tempels) frömmer als die früheren (zur Zeit des I.Tempels)? Er
antwortete: Euer Zeuge, der Tempel, möge den Beweis liefern!. Unsre Väter (zur Zeit
des 1. Tempels) haben das (Dach-)Gebälk beseitigt, s. Jes 22, 8 : „Er hat die Decke Judas
gelüftet"; aber wir haben die Wände zerschlagen (bis auf den Grund), s. Ps 137, 7:
„Die da riefen: Reißt nieder, reißt nieder, bis auf den Grund reißt sie nieder!" — Parallel-
stellen: Joma9b; MidrPs 137 §10 (263 b).
SDt32,38 §328 (139b): R. Nediemja (um 150) sagte: Titus, der Sohn der Gattin
des Vespasian (also des letztern Stiefsohn), ging in das Allerheiligste u. zerschnitt den
Vorhang mit dem Schwert u. sprach: Wenn er ein Gott ist, so komme er u. hindre
es! — Parallelstellen: LvR 20 (llO'^^); 22 (120"); NuR 18 (185^); Midr Qoh 5, 8 (26b). j|
Git56^: Vespasianus Cäsar kam u. belagerte Jerusalem drei Jahre. . . . Abba Siqra
(sicarius, der eigentliche Name war Ben Battiach), das Oberhaupt der Zeloten (wört-
lich: der Zügellosen ^:^^-?) in Jerusalem, war der Sohn der Schwester des Rabban
Jochanan b. Zakkai (f um 80). Dieser ließ ihm sagen: Komm heimlich zu mir! Als er
kam, sprach Rabban Joch, zu ihm: Wie lange wollt ihr also handeln u. das Volk durch
Hunger töten? (Die Zeloten hatten die Getreidevorräte verbrannt.) Er antwortete: Was
soll ich tun? Denn wenn ich ihnen etwas sage, so töten sie mich. Rabban J. sprach
zu ihm: Ersieh für mich ein Mittel, daß ich hinauskomme (aus Jerusalem); vielleicht
gibt es noch eine geringe Rettung. Abba Siqra sprach zu ihm: Stelle dich, als wärest
du krank, u. die Leute mögen kommen u. sich nach dir erkundigen. Dann laß etwas
Übelriechendes in deine Nähe legen u. man sage, daß du gestorben seist. Endlich
sollen deine Schüler zu dir kommen (um dich hinauszutragen), aber kein andrer Mensch,
1 Ähnlich in pTafau 4, 69^, 63.
Matth 24, 2 (Nr. 2) 947
damit man nicht merke, daß du leicht bist; denn jene wissen, daß ein Lebender leichter
ist als ein Toter. Er tat so, u. R. Eli'ezer ging auf der einen Seite, R. J^hoschuac auf
der andren. Am Tore wollten die Wächter in den Sarg stechen (um das Hinausschaffen
eines Lebenden zu verhindern); aber Abba Siqra sprach: Soll man etwa sagen: Selbst
ihren Lehrer haben sie durchbohrt? Da wollten sie ihn stoßen (ob er vielleicht einen
Schmerzenston ausstoßen würde). Er sprach zu ihnen: Soll man etwa sagen: Ihren
Lehrer haben sie gestoßen? Man öffnete das Tor, so daß er hinausgelangte. Als er
zu Vespasian kam, sprach er: Friede über dich, König! Friede über dich, König! Dieser
antwortete: Zwiefachen Todes bist du schuldig; einmal weil ich nicht König bin u.
du mich König genannt hast; u. sodann, wenn ich König bin, warum bist du nicht
früher zu mir gekommen? Rabban J. sprach: Wahrlich, du bist König; denn wenn du
nicht ein König wärest, würde Jerusalem nicht in deine Hand gegeben werden; denn
es steht geschrieben: „Der Libanon fällt durch einen Herrlichen" Jes 10,34. Mit „Herr-
licher" ^'Ts ist ein König gemeint, s. Jer30, 21; u. „Libanon" bedeutet nichts andres
als das Heiligtum, s. Dt 3, 25. Wenn du aber gesagt hast: „Wenn ich ein König bin,
warum bist du nicht früher zu mir gekommen?" so haben es die Zeloten bei uns nicht
zugelassen. Er antwortete: Wenn man ein Faß mit Honig hat u. eine Schlange ist
herumgewunden, würde man das Faß nicht der Schlange wegen zerbrochen haben?
(Ihr hättet Jerusalem sollen wehrlos machen, dann waren die Zeloten ungefährlich.)
Da schwieg Rabban J. Rab Joseph (f 333), nach andren R. cAqiba, hat auf ihn an-
gewandt: „Die Weisen läßt er den Rückzug antreten u. ihr Wissen macht er töricht"
Jes 44, 25. Er hätte ihm antworten sollen: Man nimmt eine Zange, u. man nimmt die
Schlange u. tötet sie; aber das Faß läßt man bestehn! — Inzwischen kam ein Ge-
sandter aus Rom zu ihm, der zu ihm sprach: Auf, der Kaiser ist gestorben, u. die An-
gesehenen von Rom sind willens, dich an die Spitze zu stellen. — Vespasian hatte
gerade einen Schuh angezogen; er wollte den andren anziehen, aber er kam nicht
hinein. Er wollte den ersten wieder ausziehen, aber er ging nicht ab. Er sprach : Was
hat das zu bedeuten? Rabban J. sagte: Sorge dich nicht! Eine gute Botschaft ist dir
gekommen; da heißt es: Gute Botschaft macht die Knochen markig Spr 15,30. Er
sprach: Welche Abhilfe gibt es? Rabban J. erwiderte: Laß einen Menschen kommen,
mit dem du unzufrieden bist, daß er an dir vorübergehe; denn es heißt Spr 17,22: Ein
niedergeschlagenes Gemüt macht das Gebein trocken (dürr). Er tat also u. er kam
hinein (in den Schuh). Er sprach zu ihm: Da ihr so gar weise seid, warum bist du
nicht früher zu mir gekommen? Er antwortete: Habe ich es dir nicht gesagt? Jener
sprach: Ich habe es dir auch gesagt. Darauf fuhr er fort: Ich gehe fort u. sende einen
andren Mann hierher; aber erbitte etwas von mir, was ich dir geben soll. Er sprach
zu ihm: Gib mir Jahne samt den Gelehrten darin, ferner die Familienglieder des Rabban
Gamliel u. Arzte, die den R. (^'adoq heilen können. — Da wandte Rab Joseph, nach
andren R. [Aqiba, auf ihn an: „Er läßt die Weisen den Rückzug antreten u. ihr Wissen
macht er töricht." Er hätte ihm sagen sollen: Laß diesmal von Jerusalem ab! Aber
Rabban J. meinte, daß er dies alles nicht gewähren würde, u. daß es dann auch keine
geringe Rettung gebe. . . . Als Vespasian fortgegangen war, sandte er den Titus. Es
heißt Dt 32, 37: Wo sind ihre Götter, der Fels, auf den sie trauten? Das geht auf
Titus, den Frevler, der Gott schmähte u. lästerte. Was tat er? Er ergriff eine Buhlerin
mit seiner Hand, ging in das Allerheiligste des Tempels, breitete eine Torarolle aus
u. beging auf ihr die Sünde (mit der Buhlerin). Darauf nahm er ein Schwert u. zer-
schnitt den Vorhang. Es geschah aber ein Wunder: es spritzte Blut (aus dem Vor-
hang) hervor; u. Titus meinte, er habe ihn selbst (Gott) getötet, wie es heißt Ps74, 4:
Es brüllten deine Widersacher mitten in deinem Tempel, setzten ihre Zeichen zu Zeichen
ein. . . . Was tat Titus? Er nahm den Vorhang u. machte daraus -eine Art Korb u.
holte alle Geräte, die im Tempel waren, u. legte sie hinein; dann ließ er sie auf ein
Schiff bringen, um sich in seiner Stadt verherrlichen zu lassen' (im Triumph), wie es
^ Von den nach Rom geschafften Tempelgegenständen sind später dort noch ge-
60*
948 Matth 24, 2 (Nr. 2)
heißt Qoh 8, 10: Dann habe ich Frevler gesehen in Haufen u. sie kamen u. zogen fort
von heiliger Stätte u. ließen sich verherrlichen in der Stadt, daß sie solche Taten getan
(so der Midr). Lies nicht n"-3p „Begrabene", sondern a-ii-ap „Zusammengebrachte" (in
Haufen); lies nicht '.r.^rv". „sie wurden vergessen", sondern irt^no^-i „sie ließen sich
verherrlichen". Einige scgen, es sei d-i"i3- „Begrabenes", im eigentlichen Sinn gemeint;
denn selbst Dinge, die verborgen (vergraben) waren, wurden ihnen entdeckt. (Dann
ist die Qohelethstelle so gefaßt: Ich habe Frevler gesehen — Vergrabenes, u. es kam
zum Vorschein — die zogen fort usw.) Es erhob sich wider Titus ein Ungestüm auf
dem Meer, um ihn zu verschlingen. Er sprach: Es will mir scheinen, als ob der Gott
dieser (Juden) seine Stärke nur im Wasser habe: es kam der Pharao, er ließ ihn ver-
sinken in Wasser; es kam Sis'^ra, er ließ ihn versinken in Wasser. Auch gegen mich
erhebt er sich, um mich in Wasser versinken zu lassen. Wenn er ein Held ist, so
komme er aufs Festland, mit mir Krieg zu führen. D.a ging eine Himmelsstimme aus,
die ihm zurief: Frevler, Sohn eines Frevlers, Kindeskind des Frevlers Esau! Ein ge-
ringes Geschöpf habe ich in meiner Welt, Mücke ist sein Name; steige ans Land u.
führe mit ihr Krieg! Als er ans Land gestiegen war, kam eine Mücke u. drang in
seine Nase u. bohrte sich nach seinem Gehirn durch sieben Jahre lang. Eines Tages
ging er an der Tür einer Schmiede vorüber, da hörte die Mücke den Ton des Hammer-
schlags u. schwieg (ward ruhig). Er sprach: Es gibt ein Heilmittel. Alle Tage ließ
er einen Schmied kommen, der mußte vor ihm hämmern; einem NichtJuden gab er
dafür vier Zuz; war es aber ein Israelit, so sagte er zu ihm: Du hast genug daran,
daß du es an deinem Feinde siehst (er erhielt also nichts). Dreißig Tage tat er so,
von da an u. weiter blieb die Mücke daran gewöhnt, nachdem sie sich einmal daran
gewöhnt hatte. (Ihr Bohren begann auf neue.) Bar: R. Pin^^chas b. cAroba hat gesagt:
Ich befand mich unter den Großen Roms, u. als Titus starb, spaltete man sein Gehirn
u. fand darin (die Mücke) so groß wie eine Schwalbe im Gewicht von zwei Selac. In
einer Bar ist gelehrt worden: So groß wie eine einjährige Taube im Gewicht von zwei
Pfund. Abaje (f 338/39) hat gesagt: Wir haben durch Tradition überkommen, daß der
Mund jener Mücke von Erz war u. ihre Nägel von Eisen. Als Titus starb, befahl er,
daß man ihn verbrennen u. seine Asche auf sieben Meere ausstreuen solle, damit der
Gott der Juden ihn nicht fände u. ins Gericht bringe. — Diese Erzählungen von Titus
sind oft in den Midraschwerken wiederholt, zB GnR 10 (7''); LvR 20 (119^); 22 (120 ^'j;
NuR 18 (185''); Midr Qoh 5,8 (26'^); Tanch r-r. 222«; TanchB rp- § 1 (50")- — Über die
Errettung des Rabban Jochanan b. Zakkai u. seine Verhandlung mit Vespasian liegen
mehr oder weniger abweichende Berichte vor in Midr KL 1, 5 (51 '^) u. AbothRN 4. Wir
heben daraus hervor Midr KL 52 1>: Als Vespasian Jerusalem erobert hatte, verteilteer
die vier Mauern an die vier Heerführer (die er unter sich hatte). Das Westtor fiel dem
Pangar (einem Araber) zu. Im Himmel aber hatte man (Gott) beschlossen, daß es in
Ewigkeit nicht zerstört werden sollte, weil die Sch'khina im Westen wohnt. (Im Westen
des Tempels lag das Allerheiligste). Jene nun zer.störten ihren Teil, dieser aber (Pangar)
zerstörte seinen Teil nicht. — Die Worte scheinen sich auf die sogenannte Klage-
mauer zu beziehen. I! AbothRN 4 s. bei 16, 19 S. 737 Anm. c.
sehen worden der Tempelvorhang u. das hohepriesterliche Stirnblech. TJomaS, 8 (186):
R. Jose (um 150) hat gesagt: Ich habe den Vorhang in Rom gesehen u. es waren viele
Blutstropfen darauf. Man sagte mir: Diese rühren von dem Blut des Versöhnungs-
tages her. — Die Parallelstellen pJoma 5,42'', 3; Joma57'''; M'^cilaöl'' (= fol. 17'' in
andren Ausgaben); ExR 50 fl03'') lesen R. ElSazar b. Jose (um 180) statt R. Jose. — |!
Schab 63*' Bar: Das Stirnblech •,— .i glich einer Goldplatte; es war zwei Finger breit
u. reichte von einem Ohr bis zum andren. Es stand darauf in zwei Reihen geschrieben:
„Jahve" auf der oberen Zeile u. „Heilig dem" auf der unteren Zeile. (Rechts auf der
unteren Zeile war begonnen mit ^ z;-p ; da wo das '■> aufhörte, stand darüber in der
oberen Reihe nin^; letzteres Wort schwebte also über seiner eigentlichen Stelle.)
R. El'azar b. Jose hat gesagt: Ich habe es in Rom geselren; es stand darauf nr-; -n-p
in Einer Reihe. -- Dasselbe etwas ausführlicher pJoma 4, 41°, 12.
Matth 24, 3 (Nr. 1—3). 24, 6 (?l. SB. 6) 949
2-1-, 3: Wann wird dieses sein, u. was ist das Zeichen
deiner Ankunft u. der Vollendung der Weltzeit?
1. Die Frage setzt auf seiten der Jünger den Gedanken voraus
«, daß der messian. Herrlichkeitszeit eine Drangsalsperiode voraufgeht,
in der selbst der Tempel in Trümmer sinken kann; ß, dafs die Zeit des
Anbruchs der Tage des Messias im göttlichen Weltplan feststeht u, Jesu
bekannt ist; y, daß das Herannahen der messian. Periode durch be-
stimmte Vorzeichen angekündigt wird; d', daß der Beginn der Messias-
zeit das Ende des gegenwärtigen Weltlaufs bedeutet oder, anders aus-
gedrückt, daß „die Tage des Messias" niir^Dn m^i identisch sind mit
der eschatologischen „zukünftigen Welt" xsn cb-ir. — Zu « — y s. den
Exkurs: Vorzeichen u. Berechnung der messian. Zeit; zu f^ s. Exkurs:
Diese Welt, die Tage des Messias u. die zukünftige Welt.
2. avvisXsia rov alwvoq (vgl. bei 13, 39).
LXX Dn 12,4: smq xcciqov awisleiKg = yp ps ny. — Dn 12,13: e^V avureXsiaf
fjueqüJi' ■= •■''^-n Yp?. — Test Levi 10: enl awrelsiu xiäv auovaoy. — ApocBar: 59,8:
finem saeculorum.
3. Zur Frage selbst Mt24,3 vgl. die ähnlichen Fragen Dn8, 13; 12,6.
Ferner 4 Esra 4, 33. 35: Ich (Esra) antwortete u. sprach: Wie lange noch (bis
dieser Äon vergeht), wann soll das geschehen? . . . Diese deine Frage haben schon
die Seelen der Gerechten in ihren Kammern getan, die sprachen: Wie lange sollen
wir noch hier bleiben? — 6, 11 f.: Wenn ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe,
so zeige deinem Knecht die letzten deiner Zeichen (gemeint sind die Zeichen der letzten
Zeit). — Apoc Bar 21, 18f.: Laß mich wissen . . . bis wie lange das Vergängliche be-
stehen bleibt. — 81, 2 f.: Ich flehte um Gnade zum Höchsten u. sprach: Wie lange
bleibt dies für uns bestehn (die mit der Zerstörung des Tempels angebrochene Not)? —
4 Esra 6, 7: Ich antwortete u. sprach: Wie wird die Scheidung der Zeiten geschehen?
wann wird das Ende des ersten Aons sein u. der Anfang des zweiten? || Sanh 96 b;
■'?£: ^3 "^rs ntt-"N Wann' kommt der Messias? (s. oben S. 66;'). || MidrPs45 §3: Herr
der Welt, wann wirst du uns erlösen i35S")i rrs t^^s? || Sanh98'': Wann kommt der
Sohn Davids sa -"t i- "nsi-s? || P'^siqR 1 (41^): Wann kommt der König, der Messias
S2 rr-a-or, -;■;>: "r»:-s? || Sanh 99^: Wann kommt der Messias r;-;^': -pn 'n»2"'N?
24-, 6?l: Ihr werdet hören müssen von Kriegen u. Kriegsgerüchten.
ZudenKriegens. Henoch99,4; 4 Esra 4, 5 1 ff. ; 8, 63 ff.; Apoc Bar 48, 30 ff. ; 70, 2 ff.;
OracSib2,153ff.; Sanh 97»; M«^gl7b; GnR 42(26»); P*^siqR36(162'>) im Exkurs: Vorz.
u. Ber. der messian. Zeit I.
24,65B: Erschrecket nicht, s. P'^siqR 36 (162») ebendaselbst.
2-lr, 6 6: Das Ende, ro rilXoq = yp^ Ende, Endtermin.
In der vorchristl. Zeit ging die allgemeine Anschauung dahin, daß
der Messias den Äon der absoluten Heilsvollendung heraufführen werde,
d. h. im Sinne der späteren Zeit: man hatte die Tage des Messias mit
der eschatologischen zukünftigen Welt xrn cri^" identifiziert. Nach dieser
alteren Anschauung bedeutet dann -jt? das Ende des gegenwärtigen Äons,
des !-!Tn cVy, oder den Anbruchstermin der zukünftigen Welt, so Dn 12, 4.
9. 13. Ebenso ist to tsIoc Mt 24, 6 gemeint. — Die nachchristl. Synagoge
hat die Tage des Messias u. die (eschatologische) zukünftige Welt von-
950 Matth 24, 6 (6). 24, 7. 8
einander unterschieden. Infolgedessen bezeichnet nun -j-p; nicht mehr den
Anbruchstermin der zuk. Welt, sondern den Ankunftstermin des Messias.
Sanh97b im Exkurs: Vorz. u. Ber. der messian. Zeit II, A, 3; Midr Ps 9 §2 (41»)
das. ü,a; Tanch ---i 56»; TancliB -n'i § 8 (108b); GnR98(61b); Midr Qoh 12, 9 (54 b)
das. D, h; Derekh Ere9 10 (20b) das. D, c; Sanh97b das. D, rf. — Dieses absolut ge-
brauchte vp zur Bezeichnung des Anbruchs der messian. Zeit findet sich ungemein
häufig in der rabbin. Literatur. Gleichbedeutend damit ist das vollere w^-o yp (An-
kunftstermin des Messias), s. zB M'^g S-"* in gen. Exkurs II, D, h, ferner n-:is:n yp (Er-
lösungstermin), zB Midr Ps 9 §2 (40b) das. D, a, u. ■j-'sti yp (Ende der Tage der gegen-
wärtigen Welt, nach Dn 12, 13), zB P°s 56'' das. D, h.
24-, 7: Es werden sein Hungersnöte u. Erdbeben.
Zu h^ol s. ApocBar25, 1 ff.; OracSib 2, loBff. ; Sanh 97 ■'' (zweimal) im Exkurs: Vorz.
u. Ber. der messian. Zeit I. — Zu asiofxoi s. Apoc Bar 70, 2 ff.; P^'siqR 1 (4b) ebendaselbst.
24,8: Alles dieses aber ist Anfang von Wehen.
(tidlrsg = n^bsn „ Wehen " . Der entsprechende rabbin. Terminus kommt,
von einer zweifelhaften Stelle abgesehen, a nur im Singular vor als 'ib^n
rj-^'c^ bei, aram. Tj'^'4'>^^. f^^^^r? = „die Wehe des Messias". Darunter ver-
stand man aber nicht die Wehen oder Leiden, die etwa den Messias
treffen, sondern nach Stellen wie Jes 26, 17; 66,8; Jer22,23; Hos 13,13;
Micha 4, 9 f. die Wehen, aus denen die messian. Zeit herausgeboren
werden soll. Der Ausdruck wird schon von R. Eli'ezerb (um 90) ver-
wandt, kann also in Jesu Zeit gar wohl bekannt gewesen sein.
a. K'^th 111 '1: Abaje (f 338/39) hat gesagt: Wir haben durch Tradition überkommen,
daß Babylonien die Wehen des Messias ~'iV2- ^;n- (Plural) nicht sehen wird. — Aber
Codex München, die ältesten Talmuddrucke u. cEn Jacaqob lesen singularisch "^^^r;.
'«-. Vgl. auch Tancli n: (9'i): Barmherzigkeit hat Gott an Israel getan, daß er die mit
J^khonja in die Verbannung Geführten vor den mit (^'idqijja Fortgeführten ins Exil
ziehen ließ, damit die mündliche Tora von ihnen nicht vergessen würde u. damit sie
in Babel in ihrer Lehre blieben von jener Zeit an bis heute. Und über sie hat weder
Edom (Rom) noch Griechenland Gewalt gehabt, auch hat man über sie keine Religions-
verfolgung verhängt. Und auch in den Tagen des Messias werden sie die Wehen des
Messias '« '» 'b^n (Sing.) nicht sehen.
b. M%h Ex 16,29 (59a): R. Elicezer (um 90) sagte: Wenn ihr den Sabbat (recht)
beobachtet, so werdet ihr vor drei Strafen bewahrt (oder: aus ihnen errettet) werden:
vor den Wehen des Messias '^ 'a lisar:« u. vor dem Tage Gogs u. vor dem Tage des
großen Gerichts. — M<^kh Ex 16, 25 (58b) irrtümlich R. Elcazar. — Einen andren Aus-
spruch des R. Elifezer s. Sank 98 b im Exk.: Vorz. u. Ber. der messian. Zeit 1, h. || Andre
Stellen. Schab 118»: R. Schinicon b. Pazzi (um 280) hat gesagt, R. J%oschuac b. Levi
(um 250) habe im Namen des Bar Qappara (um 220) gesagt: Wer drei Mahlzeiten am
Sabbat hält, der bleibt bewahrt vor drei Strafen: vor den Wehen des Messias '?2 '» 'hzr.,
vor dem Gehinnomgericht u. vor dem Kriege Gogs u. Magogs. Vor den Wehen des
Messias: es heißt hier (Ex 16,25) „Tag" u. es heißt dort (Mal 3, 23): Siehe, ich will
euch den Propheten Elia senden, bevor der „Tag" Jahves kommt, der große u. schreck-
liche. (Zu dieser Beweisart s. Einl. S. 97 Nr. 2.) Vor dem Gehinnomgericht, s. Ex 16, 25
u. Zeph 1, 15 f.; u. vor dem Kriege Gogs u. Magogs, s. Ex 16,25 u. Ez 38, 18. || Pes 118»:
Warum sprechen wir das Hallel (Ps 113—118 beim Passahmahl)? Weil darin diese
fünf Dinge enthalten sind: der Auszug aus Ägypten, s. Ps 114, 1 ; das Spalten des Schilf-
meeres, s. Ps 114,3; die Gesetzgebung, s.Ps 114,4; die Auferweckung der Toten, s.
Psll6, 9 u. die Wehen des Messias 'a 'v iVan, s. Psll5, 1: Nicht uns, Jahve, nicht
uns, sondern deinem Namen gib Ehre ob deiner Gnade, ob deiner Wahrheit.
Matth 24,9.10.11.12.13. 14. 15. IG 951
24,9: Sie werden euch überantworten in Trübsal.
Zu den Verfolgungen in der letzten Zeit vgl. im Exkurs: ,Vorz. der messian.
Zeit" I,rt: .Jubil 2.8,22 ff.; ApocBar 25, 1 ff.; 70, 2 ff.; Sanh96T>; 98-Mzweimal}; Kfthll2b.
24, 10: Sie werden einander ausliefern u. einander hassen.
Vgl. Henoch 100,1 ff.; 4 Esra 6, 18 ff.; ApocBar 48, 30 ff.; 70, 2 ff.; Sann 97«; Sota 9, 5;
Sanli 97* im Exk.: „Vorz. der messian. Zeit" I,«.
24,11: Viele falsche Propheten werden . . . viele irreführen.
Von einem falschen Propheten, durch den viele den Tod in den
Flammen des Tempels fanden, erzählt Josephus Bell. 6, 5,2. Vgl. auch
Apoc Bar 48, 30 flf. im Exk.: „Vorz. der messian. Zeit" I, a: Es werden
viele Nachrichten u. nicht wenige Gerüchte entstehen, u. Phantasiegebilde
werden verbreitet werden. Und es werden nicht wenige Verheißungen
erzählt werden: einige wertlos, u. einige werden sich bewahrheiten.
24,12: Darum daß die Ungerechtigkeit (Gesetzlosigkeit)
sich mehrt.
Die vormessianische Zeit wird als eine Zeit der Ungerechtigkeit u. Zuchtlosigkeit,
als eine Zeit der Umkehrung aller sittlichen Ordnungen geschildert in 4 Esra 4, 51 ff. ;
Apoc Bar 25,1 ff.; 48, 30 ff.; 70, 2 ff.; Sanh97^' mehrf^ich; Midr HL 2, 13 (101a); Midr
Ps 92 §10; Exk.: „Vorz. der messian. Zeit" I,«.
24,13: Wer ausharrt bis ans E*nde.
Vgl. 4 Esra 6, 18 ff.; Apoc Bar 25, 1 ff.; Midr HL 2, 13 (100b); ApocBar28; 4 Esra
13, 16ff.; Sanh 97b im Exk.: Vorz. der messian. ZeitI, a u. h; II, D, d.
24,14: Dieses Evangelium . . . wird verkündigt werden . . .,
u. dann wird das Ende kommen.
In formeller Hinsicht kann verglichen werden die Wendung: der Messias kommt
nicht eher, als bis das oder das geschehen ist; s. Sanh 38»; 97* (zweimal); 983' (drei-
mal); 98b; Jt'b 62a ini'Exk.: „Vorz. der messian. Zeit" l,a.
24,15: Greuel der Verwüstung.
To ßdsXvYi.ia x/~c sQijiaißeoK. Dnll,31: n^bp y^p'ä „verwüstender
Greuel"; LXX: ßösXvy^ia i](paviaf.iei'ov. — Dnl2, 11: c^r "^pa; LXX:
ßdäXvYi.ia iQrji.i(X)aswg. Dn 9, 27 (wohl versehentlich) der Plural: n'^ri^pu^
c-ob'-?; LXX: ßdsXvyfxa xoiv sQiqfxwaswv. Aus den LXX ist der Ausdruck
ßdsXvyiiia sQrji.io')(f€coc übergegangen in IMakk 1,54, wo damit der Götzen-
altar bezeichnet wird, den die Syrer am 15. Kislev 145 (aer. Sei. =
Dezember 168 v. Chr.) auf dem Brandopferaltar des Tempels errichtet
hatten, u. auf welchem am 25. desselben Monats das erste heidnische
Opfer dargebracht wurde 1 Makk 1,59; vgl. 1 Makk 6, 7. — Die spätere
Zeit hat bei dem ßdeXvyf^ia trjg igr^ficoascog an ein Götzenbild gedacht,
das im Tempel aufgestellt worden sei, s. Ta'an 4, 6; pTa^an 4, 68"^, 67;
Ta<an28'^ bei Mt 24, 2 S. 945.
24,16: Die in Judäa sollen auf die Berge fliehen.
Leqach tob zu Nu 24, 17 (129b): Sie (die Gelehrten) sprachen zu R. Chijja (um 200):
Mein Herr, wohin sollen wir uns retten (in der vormessiau. Leidenszeit)? Er antwortete:
952 Matth 24, 17. 19. 20 (?l. S8)
Nach Ober-Galiläa; denn es heißt Joel 3,5: Auf dem Berge ^ion u. in Jerusalem wird
es eine entronnene Schar geben. (Von Ober-Galiläa führt dann der Messias ben Joseph
die Isr. nach Jerusalem, s. Leqach tob zu Nu 24, 17 bei Mt 3,3 (S. 96) u. 4, 15 (S. 161). —
Über die Wüste Juda als Bergungsstätte s. Midr Ruth 2, 14 bei Mt 2, 15 S. 86 f.
24,17: Der auf dem Dach Befindliche.
Das platte Dach :,:., soweit es nicht zum Aufbau des Söllers n^Vr be-
nützt war, diente zum Trocknen der Früchte, aber auch zum Studieren,
Essen u. dgl.
TMa'as Rischon 2, 19 (84) redet von einem, der Zwiebeln, getrocknete Feigen u.
Johannisbrot auf seinem Dache hat. i| Macas 3,6: Die Dächer r-.-:- machen (die auf
ihnen befindlichen Früchte) nicht zehntpflichtig. || TMafas Rischon 2, 10 (83): Hatte
jemand Feigen vom Felde gebracht, um sie auf seinem Dach zu essen. . . . || Selbst
das Passahmahl durfte auf einem Dach gefeiert werden. TP*^s 0, 11 (166): Sie dürfen
(das Passah) in ihren Höfen u. auf ihren Dächern essen; was will da lehrend sagen
Ex 12, 46: „In Einem Hause soll es gegessen werden" ? In Einer Genossenschaft (Ge-
sellschaft) soll es gegessen werden. || <Er 10, 3: Wenn einer auf dem Dache las u. die
Torarolle (wörtlich: das Buch) rollte sich auf aus seiner Hand weg, so darf er sie (an
einem Sabbat), wenn sie noch nicht 10 Handbreiten (in einen öffentlichen Bezirk) ge-
rollt ist, wieder an sich rollen. || Als Zufluchtsstätte kommt das Dach in Betracht
B^rakh 33a Bar u. P^s ! 12 1> im Namen des R. Me'ir (um 150): Ist der Kopf des Stiers in
der Raufe (zum Fressen), so steige (doch) aufs Dach n-j;n u. wirf die Leiter unter dir weg.
24, 19: Wehe den -Schwangeren u. Säugenden in jenen Tagen!
Tanch -n-^ 55 a; Unser heiliger Lehrer (Rabbi) litt dreizehn Jahre an Zahnschmerzen,
u. jene ganzen dreizehn Jahre hindurch starb keine Wöchnerin im Lande Israel u. kein
schwangeres Weib im Lande Israel hatte eine Fehlgeburt (die sühnende Kraft der
Leiden Rabbis kam ihnen zugute). Es zürnte Rabbi auf R. Chijja den Älteren (um 200).
Da trat (der Prophet) Elias, es werde seiner zum Guten gedacht! bei unsrem Lehrer
in der Gestalt des R. Chijja ein u. legte ihm seine Hand auf .seinen Zahn, u. sofort war
er geheilt. Am nächsten Tage trat R. Chijja bei ihm ein. Er sagte zu ihm: Rabbi;
was macht dein Zahn? Er antwortete ihm: Von der Stunde an, da du gestern deine
Hand auf ihn gelegt hast, ist er geheilt. Da sagte R. Chijja: Wehe euch Wöchnerinnen
im Lande Israel, wehe euch Schwangern r-^3i:> c^'-> -s . . . r'-n 3:5 -n im Lande Israel!
Als ihm R. Chijja sagte: Ich bin es nicht gewesen, der seine Hand auf deine Zähne
gelegt hat, wußte Rabbi, daß es Elias gewesen war. Seitdem fing er an, dem R. Chijja
Ehre zu erweisen, Parallelstelle: pKil {>, 32b, 35; pK'^th 12, 35 a, 48.
24,20 5t: Betet, daß eure Flucht nicht geschehe des Winters.
XSijuwrog. — Tanch y—fr 156b: Eine große Güte hat Gott Israel erwiesen. Inwie-
fern? Am 10. Tebeth (etwa Januar) hatten die Israeliten von Jerusalem weg in die
Verbannung ziehen sollen, s. Ez 24, 1 f . Was tat Gott? Er sprach: Wenn sie jetzt in
der Kälte ausziehen, werden sie sterben. Was tat er? Er wartete mit ihnen u. ließ
sie im Sommer (10. Ab) in die Verbannung ziehen. — Derselbe Gedanke etwas aus-
führlicher Midr KL 1, 14 (56 a).
24,20 58: Auch nicht an einem Sabbat.
Der ältere Standpunkt, am Sabbat sich lieber töten zu lassen, als
durch Kampf den S. zu entheiligen, wurde bereits in der Makkabäerzeit
aufgegeben, s. 1 Makk 2, 32 ff. — Diese freiere Stellung dem S. gegen-
über hat die spätere Synagoge auch da. wo es galt, durch die Flucht
das Leben zu retten, gebilligt. Vgl. bei Mt 12, 10 S. 626 f.
Matth 24, 20 (83). 24, 21. 22 (%. SB). 24, 24 953
Tancli "J'C^ 245»: Es lehre uns unser Lehrer: wenn einer von einem Heerhaufen
oder einem Räuber verfolgt wird, darf er den S. entheiligen? So haben uns unsre Lehrer
gelehrt: Wenn einer von einem Heerhaufen oder von Räubern verfolgt wird, darf er
den S. entheiligen, um sein Leben (durch die Flucht) zu retten ; denn so finden wir
es bei David: als Saul ihn töten wollte, floh er u. entkam. Die Rabbinen seligen An-
gedenkens haben erzählt: Einmal kamen schlimme Verfügungen von der (römischen)
Regierung an die Großen von Sepphoris an einem S. Sie kamen u. fragten den
R. El<azar b. P^rata (um 110); sie sagten zu ihm: Schlimme Verfügungen sind an uns
von der Regierung gekommen; was meinst du? sollen wir fliehen? Er fürchtete sich,
ihnen (geradezu) an einem S. zu sagen, daß sie fliehen sollten. Er antwortete ihnen
andeutungsweise: Mich fragt ihr? Geht u. fragt Jakob u. Mose u. David! Jakob s.
Hos 12, 13: Geflohen ist Jakob nach der Trift Arams. Mose s. Ex 2, 15: Mose floh vor
dem Pharao. David s. 1 Sml9, 18: David war geflohen u. entkommen. Und so heifat
es Jes26,20: Wohlan mein Volk, so geh in deine Kammern u. schließe deine Tür
hinter dir zu. — Dasselbe NuR 2.S (lOSl'); TanchB -yC's § 1, hier: Er fürchtete sich zu
ihnen zu sagen: , Fliehet am Sabbat." |] Über die Länge des S.weges s. bei Apg 1, 12.
24-, 21: Es wird eine große Drangsal (^Arj//tc) sein, wie sie
nicht gewesen ist vom Anfang der Welt an bis jetzt.
Dn 12, 1 : Es wird eine Zeit der Drangsal r-.--^ sein, wie sie nicht gewesen ist seit
dem Dasein eines Volkes bis zu dieser Zeit. — LXX: xcd earcd, xcciqSs ^'^'/.Ixpsto^, ^'/Sxjjig
n'in ov yiyorep ctcp' ov y(yti'i]Tca sf^rog iv rf] yrj sto? tov xraoov ixsii'ov. \\ 1 Makk 9, 27:
Es ward eine große Drangsal H'/u4ni; ueyälr] in Israel, dergleichen keine gewesen ist
seit dem Verschwinden der Propheten bei ihnen. |i Ass Mos 8, 1 : Da wird Rache u. Zorn
über sie hereinbrechen, wie sie unter ihnen nicht dagewesen sind von Ewigkeit her.
24,22: Wenn jene Tage nicht verkürzt würden.
51: Eine Verkürzung der letzten Drangsalsperiode kennt auch die
jüdische Eschatologie.
Midr HL 2,7 (99 a); R.Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: Zwei Beschwörunge»
stehen hier (nämlich HL 2,7 u. 3,5): eine an die Israeliten u. eine an die Völker der
Welt. Er beschwur die Israeliten, daß sie sich nicht gegen das Joch der Weltreiche
auflehnen sollten, u. er beschwur die Weltreiche, daß sie das Joch auf Israel nicht
schwer machen sollten; denn wenn sie das Joch auf Israel schwer machten, würden
sie das Kommen des Endes (des messianischen 7-, s. bei 24,6 6 S. 949 f.) vor seiner
Zeit veranlassen. — Parallelstelle mit Abweichungen K'^'th 111*. 1 BM 85 1>: Elias (der
Prophet) pflegte .sich in der Akademie Rabbis einzufinden. Eines Tages — es war der
Neumondstag — verspätete er sich u. kam nicht. Rabbi sprach zu ihm: Was hat dem
Herrn die Verspätung verursacht? Er antwortete: Ich habe Abraham aufgerichtet u.
seine Hände gewaschen u. nachdem er gebetet, wieder niedergelegt; ebenso Isaak u.
ebenso Jakob. Er hätte sie zu gleicher Zeit aufrichten sollen! Man meint, sie würden so-
mächtig werden in ihrem Flehen, daß sie den Messias vor seiner Zeit herbeibringen würden.
33: sxokoßo}^rj(rar, etwa = -^^, aram. -SiT.
LvR21 (120^): Weil die Hohenpriester (des 2. Tempels) ihr Amt für Geld kauften,,
wurden ihre (Amts-)Jahre verkürzt p-,"spr>: (daher die große Zahl der Hohenpriestei*
während des Bestandes des 2. Tempels). || Ps 89,46: Du hast die Tage seiner Jugend
verkürzt T^^':i-,r--. Targum «^'■■.:- ■ II Targ Jerusch I Gn 28. 10: Dem Jakob wurde die Zeit
des Tages verkürzt —^-ra , indem die Sonne vor ihrer Zeit unterging.
24,24: Zeichen u. Wunder.
arjiisTa xal TSQara; die hebr. Äquivalente sind rvs u. rs-ir; über deren
Unterschied heißt es:
954 Matth 24, 24. 27
Leqach tob zu Ex 3. 12 (9^): Das Zeichen ns geht auf die folgende Zeit, s. Ex
■8, 19; Jes 38, 22; 7, 11. 14. Jedes Zeichen geht auf die folgende Zeit u. gilt nur dem,
2U dem man es sagt, u. keinem andien Menschen. Das Wunder rt'.ii aber tritt sofort
€in, s. Ex7, 9: Wenn der Pharao so zu euch sagen wird: „Verrichtet für mich ein
Wunder", so sollst du zu Ahron sagen: Nimm deinen Stab u. Avirf ihn vor den Pharao
hin; er soll zu einer großen Schlange werden. Das sollte sofort eintreten. — Ähnlich das.
2U Ex 7, 9 (17 b). II Über Zeichen zur Beglaubigung einer Person s. bei Mt 12, 38.
24, 26: Siehe, in der Wüste ist er . . .; siehe, in den Kammern ist er.
Vgl. Midr Ruth 2, 14 (132b) bei Mt 2, 15 S. 86 f.
^4,27: Wie der Blitz ausgeht vom Aufgang u. scheint bis zum
Niedergang, also wird die Ankunft des Menschensohnes sein.
Der Vergleichungspunkt ist hier nicht die Plötzlichkeit^ der Ankunft
des Messias, sondern die bei seinem Kommen jedermann unwiderstehlich
«ich aufdrängende Sichtbarkeit- seiner richterlichen Machtfülle. Diese
Vorstellung ist in der altjüdischen Literatur selten, a Meist muß der
Messias die Israeliten erst mühsam überreden, daß sie ihn als ihren
König u. Erlöser anerkennen, b Nach einer andren Tradition soll es
2;u den Obliegenheiten des Elias gehören, den bis dahin unbekannten
Messias seinem Volke bekanntzugeben. c
a. Apoc Bar 53, 1 ff.: Ich (Barukh) sah ein Gesicht: u. siehe, eine Wolke stieg
empor aus einem sehr großen Meer. Und ich sah auf sie hin, u. siehe, sie war voll
von weißem u. schwarzem Wasser; u. viele Farben waren an diesem Wasser. Und
etwas einem großen Blitz Ähnliches war an ihrem oberen Rand zu sehen. , . . Und
ehe die Wolke verschwand, siehe, da regnete sie schwarzes Wasser ... u. Feuer ver-
mischte sich damit, u. wo das Wasser herabstrümte, brachte es Verderben u. Vernich-
tung hervor. Und darnach sah ich, wie der Blitz, den ich am oberen Rand der Wolke
gesehen hatte, die Wolke packte u. zur Erde herabschleuderte. Um so heller aber
leuchtete der Blitz, so daß er die ganze Erde erleuchtete; u. er heilte die Länder, wo
das letzte Wasser herabgeströmt war u. Verwüstung angerichtet hatte. Und er nahm
die ganze Erde in Besitz u. herrschte über sie. . . . Höre aber auch betreffs des hellen
Blitzes, der am Ende nach dem schwarzen Wasser kommen soll. Damit hat es folgende
Bewandtnis. . . . Wenn die Völker in Verwirrung gesetzt werden u. die Zeit meines
Messias kommen wird, da wird er (der Messias) alle Völker berufen u. einige wird
er am Leben erhalten u. einige töten. (Folgt Schilderung der messian. Segensfülle;
dann das Schlußwort:) Das ist der helle Blitz, der nach dem letzten schwarzen Wasser
gekommen ist. || Agad Schir ha-Schirim 6, 10: Wie der Kreislauf von Sonne u. Mond
sich öffentlich vollzieht, so wird die Herrschaft des Messias, wenn sie erscheint, öffent-
lich der Welt erscheinen.
b. P'^siqR 36 (162a): Unsre Lehrer haben gelehrt: Wenn sich der König, der
Messias, offenbaren wird, wird er kommen u. auf dem Dach des Heiligtums stehn. Er
wird den Israeliten verkündigen: Ihr Gebeugten, herangekommen ist die Zeit eurer
Erlösung, u. wenn ihr es nicht glaubt, so seht auf mein Licht, das über euch auf-
gegangen ist, s. Jes60, 1: Stehe auf, werde Licht; denn dein Licht kommt u. die
* Die Plötzlichkeit des Kommens des Messias kennt allerdings auch die alte
Synagoge; zB Sanh 97 a, s. Exk.: Vorzeichen der messian. Zeit 11, D, a Ende.
2 LvR31.(129b): R. Abina (I., um 310) hat gesagt: (Gott sprach zu Israel:) Der
Blitz ist eins von den Erzeugnissen des oberen Feuers u. er läßt sein Licht leuchten
von dem einen Ende der Welt bis zum andren; da sollte ich deines Lichtes (des
Tempelleuchters) bedürfen '?
Matth 24, 87. 28. 29 (31) 955
Herrlichkeit Jalives geht auf über dir. Aber nur über euch geht es auf u. nicht über den
Völkern der Welt, s. Jes 60, 2. In jener Stunde läßt Gott das Licht des Königs, des
Messias, u. Israels aufleuchten. |1 P''siqR 15 (71^): R. Judan (um 350) u. R. Chama (?)
haben im Namen des R. Eli'ezer b. Jose Ha-g'^lili (um 150) gesagt — u. R. Huna (um
350) hat im Namen des R. Eli'ezer b. Ja'aqob (um 150) gesagt: „Horch mein Lieber!
Siehe, da kommt er" HL 2,8; damit ist der König, der Messias, gemeint. Wenn er
kommt u. zu den Israeliten sagt: „In diesem Monat werdet ihr erlöst werden", dann
werden sie zu ihm sagen: Unser Herr König, Messias, wie können wir erlöst werden !
Hat nicht Gott also gesagt, daß er uns allen siebzig Völkern (der Welt) unterjochen
werde? (Und das ist noch nicht geschehen.) Dann wird er ihnen zwei Antworten geben:
Wenn einer von euch in die Verbannung zieht in die Berberei u. ein andrer von euch
zu den Sarmaten, so ist das, als ob ihr alle (dorthin) gezogen wäret. Und nicht bloß
dies, sondern wenn die Regierung Truppenaushebungen in allen Völkern vorschreibt,
u. es kommt dann Ein Nichtisraelit (wörtlich: ein Samaritaner) u. knechtet euch, so
ist das, als ob dessen ganzes Volk euch knechtete. So könnt ihr in diesem Monat er-
löst werden. — Dasselbe Midr HL 2,8 (99''); in P«'siq47'^ fehlt die zweite Antwort
des Messias. Il Auch Midr Ruth 2, 14 (132'', s. bei Mt 2, 15 S. 86 f.) versagen viele dem
Messias den Glauben.
C. Justinus Martyr Dial. c. Tryph. 8 führt als jüdische Meinung an: Wenn auch
der Messias geboren ist u. sich irgendwo aufhält, so ist er doch unbekannt u. weiß
selbst nicht von sich (daß er der Messias ist) u. hat auch keine Gewalt, bis Elias
kommt u. ihn salbt u. allen bekanntmacht. — Diese Tradition begegnet ausdrücklich
in der altjüdischen Literatur nirgends, aber darum ist sie noch nicht zu beanstanden;
s. den Exk. über Elias gegen Ende.
24-, 28: Wo das Aas ist, da werden sich die Adler sammeln.
LXX Hi 39,30: {'AstoI,) ov 6'äv codi rs^iewtec, Tcaga^Qf/iia svQiaxovxai.
2-i:, 29 21: Die Sonne wird verfinstert werden
u. der Mond seinen Schein nicht geben.
Die Parallelen 4 Esra 4, 51 ff.; Apoc Bar25, Iff.; Orac Sib:3,796ff.; Henoch 80, 2 ff.,
s. Exk.: „Vorz. der messian. Zeit" I, o.^ — In der rabbin. Literatur scheinen trotz alt-
testamentlichen Vorlagen wie Jes 24, 23; Joel 3, 4; 4, 15 Veränderungen in der Sternen-
welt nicht als Vorzeichen des Endes gedeutet zu werden. Auch Sanh 91 1) (= P'^söSa)
gehört nicht hierher: Rab Chisda (f 309) stellte einander gegenüber: Es heißt Jes 24, 23:
Es errötet der Mond u. es schämt sich die Sonne; denn König ward Jahve Q°baoth.
Und es heißt Jes 30,26: Das Licht des Mondes wird sein gleich dem Sonnenlicht, u.
das Licht der Sonne wird siebenfältig sein wie das Licht von sieben Tagen. Das ist
kein Widerspruch: in dem einen Fall (Jes 30, 26) handelt es sich um die Tage des
Messias, in dem andren (Jes 24, 23) um die zukünftige Welt (wo die Sonne erbleichen
wird vor dem Licht der Gerechten). Auch nach der Meinung Sch'^muels (f 254), der
gesagt hat: „Zwischen dieser Welt u. den Tagen des Messias gibt es weiter keinen
Unterschied, als daß die Knechtschaft (Israels) unter den Reichen der Welt aufhört",
liegt kein Widerspruch vor: in dem einen Fall (Jes 30, 26) handelt es sich dann um
das Lager (— Wohnungen) der Gerechten u. in dem andren Fall (Jes 24, 23) um das
Lager der Sch'^'khina (vor deren Glanz die Sonne erbleicht). — Von Vorzeichen des Endes
ist hi«r nicht die Rede. 11 Allgemein u. ohne Beziehung auf die Endzeit wird Sukka 29 »
gesagt: Wenn das Aussehen der Sonne dem Blut gleicht, dann kommt das Schwert
in die Welt; wenn einem Sack, dann kommen die Pfeile des Hungers in die Welt;
wenn jenem u. diesem, dann kommen das Schwert u. die Pfeile des Hungers in die Welt.
^ Auch Henoch 102, 2 gehört hierher: Alle Lichter werden von großer Furcht er-
schüttert werden; die ganze Erde wird erschrecken, zittern u. zagen.
956 ^iatth 24, 29 (2Ö). 24, 80 (5t. ö 1)
24,29 23: Die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Mit dl övici/^uig xdiv ovQccvöJr geben LXX Jes 34, 4 c"^ot^n xnii wieder
u. verstehen darunter die Sterne; der Targum setzt dafür x^^^j ^Vri-
Sonst bedeutet das targumische x-'-c-^ -«b^n meist die Engel, zB 1 Kg 22, 19 :
„Alle Mächte des Himmels standen vor ihm." — Targ Ps96, 11: „Freuen
werden sich die Mächte des Himmels" xi-2ü:t 'o^r (Grundtext bloßes
c--rn). — Targ Ps 148, 1 -^P^rx ^b^n = Engelmächte. — Mt 24, 29 sind
unter at övrcciitiq twv ovqavwv dem Zus.hang nach weder die Sterne,
noch die Engel, sondern die die obere Welt tragenden u. bewegenden
kosmischen Potenzen, die Naturkräfte des Himmels zu verstehen.
•24, 30 5t: Dann wird das Zeichen des Menschensohnes
am Himmel erscheinen.
In P'^^siqR 36 (162») erscheint nach Jes 60, 1 das Licht als Zeichen des
Messias, s. bei Mt 24, 27 Anm. b. — Ebenso P^siqR 36(161«), s. bei Mt 4, 16
S. 161.
24,30^: Sie werden den Menscherisohn kommen sehen
auf den Wolken des Himmels.
1. Dn 7, 13f. ist von der alten Synagoge nirgends kollektiv auf das
„Volk der Heiligen" (= Israel, Dn7,27), sondern durchgängig individuell
auf den Messias gedeutet worden.
Henoch 90, 37 lieifBt es vom Messias, dem weifaen Farren, der mit grofsea Hörneru
geboren wurde: Alle Tiere des Feldes u. alle Vögel des Himmels (= Völker der Welt)
fürchteten ihn u. flehten ihn an alle Zeit. — Diese Worte gehn auf Dn 7, 14 zurück u.
bezeugen durch ihre Beziehung auf den Messias die individuelle Fassung von Dn 7, 13. Ij
Henoch 46, Iff.: Ich (Henoch) sah dort den, der ein betagtes Haupt hat, u. sein Haupt
war weiß wie Wolle; bei ihm war ein andrer, dessen Antlitz wie das Aussehen eines
Menschen war, u. sein Antlitz war voll Anmut gleichwie eines von den heiligen Engeln.
Ich fragte den Engel, der mit mir ging u. mir alle Geheimnisse zeigte, über jenen
Menschensohn, wer er sei, woher er stamme u. weshalb er mit dem betagten Haupte
gehe. Er antwortete: Dies ist der Menschensohn, der die Gerechtigkeit hat, bei dem
die Gerechtigkeit wohnt, u. der alle Schätze dessen, was verborge» ist, offenbart; denn
der Herr der Geister hat ihn auserwählt, u, sein Los hat vor dem Herrn der Geister
alles durch Rechtschaffenheit in Ewigkeit übertroffen. Dieser Menschensohn, den du
gesehen hast, wird die Könige u. die Mächtigen von ihren Lagern u. die Starken von
ihren Thronen sich erheben machen; er wird die Zügel der Starken lösen u. die Zähne
der Sünder zermalmen usw. — Die Anfangsworte dieser Stelle gehen auf Dn 7, 9 u. lo
zurück, il 4 Esra 13, Iff.: Ich träumte des Nachts einen Traum: siehe, da stieg ein ge-
waltiger Sturm vom Meere auf u. erregte alle seine Wogen. Ich schaute, siehe, da
führte jener Sturm aus dem Herzen des Meeres etwas wie einen Menschen hervor;
ich schaute, siehe, dieser Mensch flog mit den Wolken des Himmels, und wohin er
sein Antlitz wandte u. hinblickte, da erbebte alles, was er anschaute usw. — Dies die
älteste Stelle, in der vom Messias nach Dn 7, 13 ausdrücklich ausgesagt wird, daß er
mit den Wolken des Himmels einherfliegt. || Trypho erklärt dem Justinus gegen-
über (Dial. c. Trj'ph. 32), daß das jüdische Volk den Messias, der wie ein Menschen-
sohn vom Alten der Tage die Herrschaft empfangen solle (Dn 7, 13 f.), als einen Großen
u. Herrlichen erwarte. || Sanh 98 a; R. Alexandrai (um 270) hat gesagt, R. J%oschuaf
b. Levi (um 2.50) habe einander gegenübergestellt Dn 7, 13: Siehe, mit den Wolken
des Himmels kam ein Menschensohn-ähnlicher, u. Sach 9,9: Niedrig u. reitend auf einem
Matth 24, 30 (5B 1. 2) 957
Esel. Wenn sie (Israel) Verdienste haben, kommt er (der Messias) mit den Wolken
des Himmels; wenn sie keine Verdienste liaben, kommt er niedrig u. reitend auf einem
Esel. ilTanchB n-'vn § 20 (70b): Wer ist c'Anani (1 dir 8,24)? Das ist der König,
der Messias, s. Dn 7, 13: Siehe, mit den Wolken (^::y) des Himmels kam ein Menschen-
solin-ähnlicher. — Parallelen s. oben S.67 «. || NuR 13 (170^): Woher läßt sich beweisen,
daß der König, der Messias, über die Meere herrschen wird? s. Ps 72, 8: Er herrsche
von Meer zu Meer u. vom (Euphrat-)Strom bis an die Enden der Erde. Woher, daß
er auch über die Erde herrschen wird? s. Ps 72. 11: Huldigen müssen ihm alle Könige,
alle Völker ihm dienen. Ferner s. Dn7, 13f.: Siehe, mit den Wolken des Himmels
kam ein Menschensohn-ähnlicher. . . . Ihm wurde Macht u. Ansehen u. Herrschaft ge-
geben usw. II Aggad B'^resch 14 (14a): Auch den Erlöser, der deine (Abrahams) Kinder
erlösen wird, werde ich deinen Kindern in einem Gesicht zeigen, s. Dn 7, 13: Ich war
im Schauen meiner Naclitgesichte, u. siehe, mit den Wolken des Himmels kam ein
Menschensohn-ähnlicher usw. || Aggad B'^'resch 23 (20»): Schauen werdet ihr u. euer Herz
wird sich freuen Jes 66, 14. Schauen werden sie den Messias, der aus den Toren Roms
aufsprossen wird, dann werden sie sich freuen; denn so sagt Daniel: Siehe mit den
Wolken des Himmels usw. Dn 7,13. i| Zweifelhaft sind folgende Stellen. Midr Ps 2
§ 9 (14b): Melden will ich von einer Festsetzung: Jahve hat zu mir gesagt: Mein Sohn
bist du Ps 2, 7. Gemeldet ist das in je einer Festsetzung der Tora, der N'^bi'im u. der
Hagiographen. Tora: Mein erstgeborener Sohn ist Israel Ex 4, 22. N'^bi^im: Siehe,
trefflich fahren wird mein Knecht Jes 52, 13, u. hinterher heißt es: Siehe, mein Knecht,
den ich aufrecht halte, mein Erkorener, an dem meine Seele Lust hat Jes 42, 1. Hagio-
graphen: Spruch Jahves an meinen Herrn: Setze dich zu meiner Rechten Ps 110,1.
Ferner: Jahve hat zu mir gesagt: Mein Sohn bist du Ps 2, 7. (Ein Hinweis auf Dn 7, 13
hier wird nach Jalqut zu Ps 2 zu tilgen sein.) || Midr Ps 21 § 5 (90 a): Du ergötzest ihn
mit Freude vor deinem Angesicht Ps 21,7. R. B'^rekhja (um 340) hat im Namen des
R. Sch^'muel (b. Nachman, um 260) gesagt: In einer Stelle heißt es: Er gelangte vor
den Alten der Tage u. man brachte ihn vor ihn Dn 7, 13, u. in einer andren Stelle
heißt es: Ich lasse ihn herzutreten, daß er sich zu mir nahe Jer30, 21. Wie dies?
Die Engel lassen sie bis in ihren Kreis (Bezirk) eintreten, u. dann streckt Gott seine
Hand aus u. läßt sie iris in seine Nähe kommen. Deshalb heißt es: Ich lasse ihn
herzutreten. — Während die Schriftbelege von einer Einzelpersönlichkeit (Messias)
handeln, denkt die Auslegung an eine Mehrheit (Israel). Lies "r-^s (ihn) für •jris.
2. Der Menschensohn. — Die S. 956 aus den Bilderreden ^ des
Buches Henoch (46, 1 ff.) zitierte Stelle zeigt, daß ihr Verfasser den
Ausdruck „Menschensohn" als Bezeichnung oder Titel des Messias ge-
braucht. Auffallendervveise verändert er dabei den Ausdruck mehrfach.
Er sagt „Sohn des Menschen" oder „jener (dieser) Sohn des Menschen"
46,2. 3. 4; 48,2; „Sohn des Mannes" 62,5; 69,29 (an beiden Stellen lesen
einige Handschriften „Weibessohn"); 71,14; „jener Sohn des Mannes"
69.29; „Sohn der Nachkommenschaft der Mutter der Lebendigen" 62,7;
„jener Sohn der Nachkommenschaft der Mutter der Lebendigen" 62, 9. 14 ;
63.11; 69,26.27; 70,1; 71,17. Der Verfasser dieser Reden hat darüber
reflektiert, wie Daniels i^'jx -.53 7, 13 als Bezeichnung für den Messias
geeignet erscheine. Das Ergebnis liegt in den beiden zuletzt gebrachten
Umschreibungen vor. Mit der „Mutter der Lebendigen" kann im Munde
eines Juden nur Eva gemeint sein; wenn dann weiter in einem Zus. hange,
» Die Bilderreden Hen 37, 1 — 38, 6; 39, 3—54, 6; 55, 3—59, 3; Gl, 1—64, 2; 69,
26 — 70,4 sind vorchristlich; fraglich, ob schon vor 64 v.Chr. geschrieben oder bald
nach dem Einfall der Parther in Palästina (40—38 v. Chr.), vgl. Schürer* 3, 279—281.
958 Matth 24, 30 (99 2)
in welchem es sich um einen Messiasnamen handelt, der „Nachkommen-
schaft" oder des Samens Evas Erwähnung geschieht, so drängt sich
unabweislich der Gedanke an den ^'it des Weibes Gn 3, 15 auf; u. wenn
endlich der Messias als „Sohn" oder „jener Sohn" des Samens Evas
bezeichnet wird, so erkennt man deutlich den Versuch, den Ausdruck
„Menschensohn" bei Daniel aus dem Protevangelium zu verstehen: der
Messias soll „Menschensohn" heißen, weil er derjenige Sproß der Nach-
kommenschaft der Mutter aller Lebendigen ist, den Gn 3,15 weissagend
in Aussicht gestellt hat.^ — Daß der Messias in gewissen apokalyptischen
Kreisen in der vorchristl. Zeit den Namen „Menschensohn" erhalten hat,
kann hiernach nicht in Abrede gestellt werden ; aber die Bezeichnung
ist nie allgemein gebräuchlicher geworden; sie findet sich eben nur in
den Bilderreden des Buches Henoch. 4 Esra 13, 3. 12 läßt sich nicht
vergleichen. Wenn hier vom Messias kurz gesagt wird „dieser Mensch"
oder „jener Mensch", so weisen diese Bezeichnungen einfach auf 13, 3
zurück u. können deshalb 13,12.25,32.51 ersetzt werden durch die
ausführlichere Wendung: der Mensch oder Mann, der aus dem Meer
emporgestiegen ist.
^ Die Umschreibung des Ausdrucks „Menschensohn" mit ,filius prolis matris vivi
(viventium)' beweist, daß auch die individuelle messian. Deutung des Protevaugeliums
dem vorchristl. Judentum bekannt gewesen ist. Wenn das nachchristl. Judentum diese
Deutung aufgegeben hat, so wird das im Gegensatz gegen die christl. Wertung von
Gn 3, 15 geschehen sein. Die drei Targumim paraphrasieren Gn 3, 15 in allgemein
messian. Sinn. Targ Onk: Feindschaft werde ich anstiften zwischen dir u. dem Weibe
u. zwischen deiner Nachkommenschaft u. ihrer Nachkommenschaft; diese wird dir ge-
denken, was du ihr vordem getan hast, u. du wirst ihr aufbewahrt werden für das
Ende. — Targ Jerusch I: Feindschaft werde ich anstiften zwischen dir u. dem Weibe,
zwischen dem Samen deiner Nachkommenschaft u. dem Samen ihrer Nachkommen-
schaft. Und wenn die Nachkommen des Weibes die Gebote der Tora beobachten werden,
so werden sie darauf bedacht sein, dich auf deinen Kopf zu schlagen, u. wenn sie die
Gebote der Tora dahintenlassen, wirst du darauf bedacht sein, sie in ihre Ferse zu
beißen. Aber für sie wird es eine Heilung geben u. für dich wird es keine Heilung
geben, u. dereinst werden sie Frieden schaffen am Ende in den Tagen des Königs,
des Messias. Ähnlich auch Targ Jerusch 11. — || Im Midr sind uns nur zwei flüchtige
Bezugnahmen auf Gn o, 15 begegnet, beide ohne messian. Gehalt. «) Die Schlange
sprach: Ich will gehn u. Adam töten u. sein Weib heiraten; dann werde ich König
über die ganze Welt sein u. mit aufrechter Gestalt einhergehn u. alle Wonnen der Welt
genießen. Gott antwortete: Du sagst: ,lch will Adam töten u. die Eva heiraten";
deshalb will ich Feindschaft setzen. Du sagst: „Ich werde König sein über die ganze
Welt"; deshalb verflucht seiest du vor allen Tieren! AbothRNl; hier Autor R. Jose
b. Chalaphta, um 150; nach GnR 20 (13^) Autor R. Acha, um 320, oder richtiger (s.
Bacher, pal. Amor. 1, 102) R. Hoschacja, um 225; anonym TSota 4, 17f. (301); als Bar
Sota 9a. II ß) pSAZ 1, 39^ 6: (Dies sind die Feste der Heiden: die Kaienden usw.). Rab
(t 247) hat gesagt: Die 5-:'tp (Calendae) hat der erste Mensch angeoi-dnet. Als er
sah, daß die Nacht (nach der Tag- u. Nachtgleiche im Herbst) lang ward, sprach er:
Wehe mir, vielleicht ist das der, von dem es heißt: Du wirst ihm die Ferse treffen
Gn 3,15; vielleicht kommt er, um mich zu beißen. Da sagte er: Ja, Finsternis wird
mich treffen Ps 139, 11. Als er dann aber sah, daß der Tag wieder lang ward, sagte
er: c-!:'-3p, d. h. „schön ist der Tag" 's-- y'-- (wahrscheinlich = xaXov dies). Vgl. Bar
<AZ 8». — Dasselbe in einer längeren Dichtung über das Ur- u. Sabbatlicht, die R. Levi,
um 300, im Namen des Bar N*^zira (3. Jahrh.) tradiert, pB'rakh 8, 12b, 31 ; GnR 11 (8a);
12 (9a); 82 (53a); Midr Ps 92 § 4 (202b) ; pesiqR23 (118a); vgl.Bar JAZS«; PirqeRE120.
Matth 24, 30 (SB 2). 24, 31 (Nr. 1. 2) 959
Dem rabbin. Judentum ist der Messiasname „Menschensohn" gleich-
falls fremd. Nur Einmal findet er sich hier, offenbar der christl. Rede-
weise entlehnt, in einem gegen das Christentum polemisierenden Aus-
spruch: R. Abbahu, um 300, hat im Anschluß an Nu 28, 19 gesagt: Wenn
jemand zu dir sagt: „Ich bin Gott", so lügt er; „Ich bin der Menschen-
sohn", so wird er es schließlich bereuen; „Ich fahre auf gen Himmel"^
der hat es gesagt, wird es aber nicht zustande bringen (ausführen),
pTa<an 2, 65 b, 59.
24-, 31: Er wird seine Engel mit großer Posaune senden u. sie
werden seine Auserwählten aus den vier Winden von einem
Himmelsende bis zum andren sammeln.
1. Die Sammlung der Zerstreuten vollbringt nach der altjüd,
Literatur Gott oder der Messias oder Mose oder Elias. Eine Anspielung
auf die Mitwirkung der Engel dabei liegt vor:
Henoch 61,1.5: Ich sah, wie in jenen Tagen jenen Engeln lange Schnüre gegeben
wurden, u. sie nahmen sich Flügel, flogen u. wandten sich nach Norden zu. . . . Diese
Maße (die zuvor erwähnten Schnüre) werden alle Geheimnisse in der Tiefe der Erde
offenbaren u. die, welche in der Wüste umgekommen sind oder von den Fischen des
Meeres u. von den Tieren verschlungen wurden, damit sie wiederkehren u. sich auf
den Tag des Auserwählten (= Messias) stützen; denn keiner wird vor dem Herrn der
Geister umkommen u. keiner wird umkommen können.
2. Zur Posaune vgl.:
Schimone fEsre 10 (nach pal. Rezension): Stoße in die große Posaune zu unsrer
Befreiung u. richte ein Panier auf, unsre Verbannten zu sammeln. Gepriesen seist du
Jahve, der die Vertriebenen seines Volkes Israel sammelt! (Nach der babyl. Rezension:}
Stoße in die große Posaune zu unsrer Befreiung u. richte ein Panier auf, alle unsre
Verbannten zu sammeln von den vier Flügeln der Erde hin nach unsrem Land. Ge-
priesen seist du usw. || Ps Sal 11, If. : Posaunet in Zion mit der Lärmposaune für die
Heiligen, laßt in Jerusalem des Siegesboten Stimme hören, denn Gott hat sich Israels
erbarmt, es heimgesucht! Tritt hin, Jerusalem, auf eine Warte u. sieh deine Kinder^
vom Aufgang u. Niedergang zusammengebracht vom Herrn! || 4 Esra (J, 23 : Die Drommete
wird laut erschallen; alle Menschen vernehmen sie plötzlich u. erbeben. (Diese Posaune
gehört zu den Vorzeichen der messian. Zeit; zu den Vorzeichen desEndesOracSib4, 173f. :
Schwerter, Trompeten mit dem Aufgang der Sonne; die ganze Welt wird ein Gebrüll
u. einen schrecklichen Schall hören.) H pTafan 2, 65^', 8: „Abraham erhob seine Augen
u. sah, u. siehe, ein Widder hatte sich hinten (ins) im Dickicht mit seinen Hörnern
verfangen" Gn 22, 13: Was heißt ^ns? R. J^huda b. Simon (um 320) hat gesagt: Nach
allen Geschlechtern (sprach Gott zu Abraham) werden deine Kinder von Sünden erfaßt
u. in Nöte verwickelt werden; aber zuletzt werden sie durch die Hörner dieses Widders
(d. h. durch die Posaune) erlöst werden, s.Sach9, 14: Jahve Elohim wird in die Posaune
stoßen u. einherfahren auf Südstürmen. R. Huna (um 350) hat im Namen des R. Chin^'na
(Chanina) b. Ji9chaq (um 325) gesagt: Jenen ganzen Tag hat Abraham gesehen, wie
der Widder sich in einem Baum verfing u. wieder herauslöste, wie er in einem Ge-
strüpp sich verfing u. wieder herauslöste, wie er sich in einem Dickicht verfing u.
wieder herauslöste. Gott sprach zu Abraham: So werden deine Kinder von Sünden
erfaßt u. in die Weltreiche verwickelt werden: von Babel in Medien, von Medien in
Griechenland, von Griechenland in Edom (Rom). Abraham sprach: Herr der Welt, wird
das so sein bis in Ewigkeit? Gott antwortete: Zuletzt werden sie durch die Hörner
dieses Widders erlöst werden, s. Sach 9, 14. — Dasselbe teils mit Erweiterungen, teils-
960 Matth24, 31 (Nr. 2. 3)
mit andren Autorennamen P^siq 154'^; GnR 56 (36»); LvR 29 (127<=).||PesiqR 40 (172--»):
Gott sprach: In dieser Welt habe ich mich wegen der Posaune über euch erbarmt,
u. auch in der Zukunft (in der messiau. Zeit) werde ich mich über euch durch die
Posaune erbarmen u. eure Verbannten herbeiholen. Woher? Weil man in der Propheten-
stelle (der Haftara) gelesen hat: Stoßt in die Posaune auf ^ion . . . denn gekommen
ist der Tag Jahves, denn er ist nahe (Joel 2, 1). || pesiqR41 (173^) u. LvR 24 (122''):
(R. Levi, um 300, hat gesagt:) Das Blasen der Posaune, durch welche Gott die Ver-
bannten Israels herbeiholen wird, geht von (jJion aus, s. Joel 2, 1 (wie oben). — Vgl.
auch bei 1 Kor 15,52 u. 1 Thess 4, 16. || Die Stelle der Posaune vertreten Himmels-
stimmen Leqach tob zu Nu 24, 17 (ISO")-" Am Ende der 45 Tage (die Israel vor der
Offenbarung des JVlessias b. David in der Wüste zubringen soll) wird eine Himmels-
stimme ihnen zurufen: Ziehet hinab nach Babel, s. Micha 4, 10: Du wirst bis Babel
gelangen, dort wirst du befreit werden. — Und die Himmelsstimme wird zum zweiten-
mal schmetternd ertönen: Ziehet gegen Edom (Rom) u. führet dort meine Rache aus!
s. Ez 25, 14: Ich habe meine Rache an Edom in die Hand meines Volkes Israel ge-
legt. Wenn dann die Israeliten nach Rom gekommen sind, geht eine Himmelsstimme
zum drittenmal aus: Tut an Rom, was Josua an Jericho getan hat! Und sie umringen
die Stadt u. stoßen in die Posaunen u. beim siebentenmal erheben sie das Kriegs-
geschrei: Höre, Israel, Jahve unser Gott ist Ein Jahve Dt 6, 4! Dann stürzt die Mauer,
der Stadt u. sie dringen ein u. finden ihre (der Stadt) Jünglinge tot in ihren Gassen,
vgl. Jer. 49, 26: Deshalb werden ihre Jünglinge fallen in ihren Gassen usw. Darauf
bringen sie alle Beute zusammen, u. die Israeliten suchen ihren Gott u. ihren König
David (d. h. den Messias). Sofort offenbart er sich ihnen, der König, der Messias, u.
sagt zu ihnen: Ich bin der König, der Messias, auf den ihr gehofft habt! Ferner sagt
er zu ihnen: Nehmt das Silber u. düs Gold! Und sie laden es auf u. ziehen damit
hinauf (nach Jerusalem), s. Jes 60, 5 f.: Es wälzt sich dir zu der Reichtum des Meeres,
die Schätze der Heiden kommen dir herbei. Die Masse der Kamele wird dich be-
decken usw. Eine vierte H. geht aus u. ruft: Die Stimme eines, welcher ruft in der
Wüste Jes 40, R. Eine fünfte Stimme ruft Jes 35, 9: Keinen Löwen wird es dort geben.
Eine sechste Stimme ruft Jes 41, 19: Ich will in der Wüste hinstellen Zeder, Akazie
u. Myrte. Eine siebente Stimme verkündet Jes 40, 1 : Tröstet, tröstet mein Volk. Dann
bringt Elias Israel die Freudenbotschaft Jes 52, 7: König ward dein Gott! Eine achte
H. verkündet u. ruft Jes 40, 2: Redet Jerusalem zu Herzen. Eine neunte H. ruft
Jes 26, 2: Tuet die Tore auf, daß ein gerecht Volk einziehe. Die zehnte Stimme ruft
Ps24,7: Erhöhet, ihr Tore, eure Häupter. Dann leben die Toten auf, s. Jes 26, 19:
Leben werden deine Toten, meine Leichen werden aiiferstehu. Und dann versammeln
sich die Verbannten, s. Jes 27, 13: Und geschehen wird es an jenem Tage, da stößt
man in die große Posaune, u. herankommen werden die Verlorenen im Lande Assurusw.
und dann erfüllt sich Nu 24, 17: Hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob. Und so möge es
wolilgefällig sein vor unsrem Vater im Himmel, daß sich dieser Vers erfülle (Jes 11, 12):
„Er wird ein Panier aufrichten den Heiden u. die Verbannten Israels sammeln" in
unsren Tagen u. in den Tagen von ganz Israel. — Als Autor dieser Ausführung ist
R. Levi, um 300, genannt.
3. Von den vier Winden, ninn rs^xo Ez37, 9; LXX: ex vöjy
leaaccQMV Tcrev^iärwr. Targ: N^nn rz-:x-2, — Von einem Himmels-
ende bis zum andren, a-^r'i-n r^-s^: nr-i tri-q-dt} naj?-?!: Dt 4, 32; LXX:
iril To axQov tov ovQaiov s(aq rov axQov lov ovquvov. Targ Onk u.
Jerusch I: X'j-2'w' is-p nr-. n^t^'ä is^s^ab.
24, 32: Wenn sein Zweig schon saftig geworden ist u. die Blätter hervor-
sprießen.
Zu den Entwicklungsphasen des Feigenbaums s. bei Mt21, 19; daselbst auch über
seine gleichnisar^ige Verwendung.
Matth 24, 35. 36. 38 W 961
24,35: Der Himmel u. die Erde werden vergehen,
meine Worte aber werden nicht vergehen.
Zum Untergang von Himmel u. Erde s. bei Offb21, 1. — Schöttgen u. Wünsche
bringen zu dem parallelen Herrn wort Lk21,33 folgende Stelle bei: So wurden der
Himmel u. die Erde u. all ihr Heer vollendet Gn 2, 1. Es steht geschrieben Ps 119, 96:
„Für alles Vollendete habe ich ein Ende gesehen; aber dein Gebot reicht sehr weit."
Für alles gibt es Maße (Grenzen a-c^p^o — trt/xo'?); der Himmel u. die Erde haben
Malae, nur Ein Ding gibt es, das keine Maße hat. Und welches ist das? Das ist die
Tora, s. Hi 11, 9: Länger als die Erde ist ihr (der Weisheit = Tora) Maß u. weiter ist
sie als das Meer, GnR 10 Anfang. — Aber die Stelle handelt nicht vom Vergehen des
Himmels u. der Erde u. der ewigen Dauer der Tora, sondern davon, daß, während
alles Erschaffene seine bestimmten Maße u. Grenzen hat, es für die Tora (u. die Be-
schäftigung mit ihr) solche nicht gibt. Vgl. Pea 1, 1 : Folgendes sind die Dinge, für
die es kein Maß ^^.yc gibt: der Ackerwinkel (für die Armen), die Erstlinge, die Fest-
wallfahrt, die Liebeswerke u. das Torastudium. — Zum ewigen Bestand der Tora s.
bei Mt 5, 18 S. 245 ff.
24,36: Über jenen Tag u. Stunde weiß niemand,
auch nicht die Engel des Himmels.
Belege im Exk.i „Vorz. der messian. Zeit" H, D, « u. ^; speziell zu
den Engeln Sanh 99« das. H, D, a. — Die Vorstellung, daß die Engel das
den Menschen Verborgene wüßten, liegt zB vor Sanh 38"^: R. Jochanan
(t 279) hat gesagt: Gott tut nichts, es sei denn, daß er sich mit der
oberen Familie (den Engeln) beraten hat, s. Dn 4, 14: Auf der Wächter
Beschluß ruht das Edikt, ein Wort der Heiligen ist der Befehl. — In
der Pai-allelstelle pSanh 1, 18=*, 51 „oberer Gerichtshof" statt „obere
Familie"; als Schriftbeleg Dn 10, 1. || Umgekehrt erwartet man, daß in
der seligen Vollendungszeit die Gerechten mehr wissen werden als die
Engel ; s. DtR 1 (196^) u. Tanch pb- 236'^ im Exk. : „Sch^ol" usw. III, 4, m.
24, 38 51: Wie sie in den Tagen vor der Sündflut waren.
Charakterisierung des Flutgeschlechts in der rabbin. Literatur.
GnR 28 (18»): R. fAzarja (um 380) hat im Namen des R. J^huda b. Simon (um 320)
gesagt: Alle hatten im Flutgeschlecht ihr Tun verderbt. Der Hund begattete sich
mit dem Wolf, der Hahn mit dem Pfau. Das meinen die Worte Gn 6, 12: Denn auf
Erden hatte alles Fleisch seinen Weg verderbt. Es steht nicht geschrieben: Jeder
„Mensch" hatte verderbt, sondern alles „Fleisch". R. Lulianai (= Julianus) b. Tabrinai
(um 330) hat im Namen des R. Jicjchaq (um 300) gesagt: Auch die Erde buhlte: hatte
man sie mit Weizen besät, so brachte sie Lolch hervor. Seit dem Flutgeschlecht wächst
der Lolch. || GnR 30 (18'^): Das Streben des Flutgeschlechts ging nur auf Anpflanzung
von Weinbergen. || GnR 31 (18<=): Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Weil sie der
Unzucht ergeben waren, wurden sie aus der Welt vertilgt. R. Aibo (um 320) hat ge-
sagt: Weil sie der Unzucht u. dem Raube ergeben waren, wurden sie aus der Welt
vertilgt. II GnR 31 (18<3): „Die Erde ist voll von Gewalttat 02-, die von ihnen aus-
geht" Gn 6, 13. Was bedeutet Gewalttat u. was bedeutet Raub in? R. Chanina (um 225)
hat gesagt: Gewalttat liegt vor, wenn der Gegenstand den Wert einer P''ruta (kleinste
Scheidemünze) hat; Raub, wenn der Gegenstand auch nicht den Wert einer P^ruta hat
Und so verfuhren die Leute des Sündflutgeschlechts: wenn einer seine Kiste mit
Lupinen hinausstellte, kam der eine u. nahm davon weniger, als eine P^ruta wert ist,
u. es kam ein jeder u. nahm davon (gleichfalls) weniger, als eine P^ruta wert ist,
strack u.Billerbeck, NTI. 61
962 Matth 24, 38 (51)
so daß er es von ihm vor Gericht nicht wieder beitreiben konnte. Da sprach Gott:
Ihr habt getan, was nicht recht ist rr^irr sVs; auch ich will mit euch nicht nach
Recht verfahren; s. Hi4, 21 u. 20: „Ist's nicht so? Wird ausgerissen ihr Zeltseil an
ihnen, so sterben sie u. nicht in Weisheit", d. h. ohne die Weisheit der Tora; „vom
Morgen bis zum Abend werden sie zerschellt, ohne dafs ein Richter da ist (so deutet
der Midr C"*»';), für immer gehen sie zugrunde". Mit n-r?: (= einer, der darauf achtet)
ist nichts andres als ein Richter gemeint, s. Ex 21, 1: Dies sind die Rechtsvorschriften,
die du ihnen vorlegen sollst (^"'■■i'r, nämlich als Richter). — Eine andre Erklärung.
Die Erde ist voll von Gewalttat Gn 6, 13. R. Levi (um 300) hat gesagt: „Gewalttat",
damit ist Götzendienst, Unzucht, Blutvergießen gemeint. Götzendienst, s. Gn 6, 13: Die
Erde ist voll von Gewalttat. Unzucht, s. Jer 51, 35: Meine Mißhandlung (-csn) u. mein
Fleisch komme über Babel. Blutvergießen, s. Joel 4, 19: Wegen der Gewalttat an den
Söhnen Judas, daß sie unschuldig Blut vergossen in ihrem Lande. || GnR 32 Anfang
(19'^): „Du vertilgst, die Lügen reden" Ps5,7. Die Stelle handelt vom Sündflutgeschlecht :
sie u. ihr Reden war Lüge; R. Pin'^chas (um 360) hat gesagt: Sie u. ihr Verhalten
(■;ri^3-:'3 ^= aram. Nrij';'^-:'?) waren Lügen. „Den Mann der Blutschuld" (Ps 5,7), wie es
heißt Hi 24, 14: Beim Morgengrauen erhebt sich der Mörder, schlägt nieder Arme u.
Elende, u. bei Nacht treibt er's wie Diebe. ^ (Den Mann) „des Betruges" (Ps 5, 7),
wie es heißt Gn 6, 13: Die Erde ist voll von Gewalttat. „Verabscheut Jahve" (Ps5, 7),
denn die Leute des Flutgeschlechts werden weder wieder aufleben (bei der Toten-
auferstehung), noch auch gerichtet werden (s. weiter unten Sanh 10, 3 nebst Parallelen. ||
Sanh 108* Bar: Di^s Flutgeschlecht ist nur wegen des Guten hochmütig geworden, das
ihnen Gott im Überfluß zuteil werden ließ. Was steht von ihnen geschrieben? Ihre
Häuser sind Friede ohne Schrecknis, u. nicht kommt Gottes Geißel über sie Hi "21, 9;*
das. Vers 10: Sein Stier bespringt u. befruchtet, seine Kuh kalbt leicht u. wirft nicht
fehl; Vers 11: Sie lassen los wie eine Herde ihre Buben, u. ihre Kinder hüpfen umher;
Vers 12: Sie singen zur Pauke u. Zither u. freuen sich beim Klange der Schalmei;
Vers 13: Sie genießen in Wohlsein ihre Tage [u. ihre Jahre in Annehmlichkeiten],*
u. in einem Augenblick (ohne Krankheit u. Qual) sinken sie zur Unterwelt hinab.^
Und dies ist die Veranlassung geworden, daß sie zu Gott sprachen Hi 21, 14 f. : Weiche
von uns; nach Erkenntnis deiner Wege verlangt uns nicht. Was ist der Allmächtige,
daß wir ihm dienen sollten, u. was nützt es uns, daß wir ihn angehen? Sie sprachen:
Haben wir ihn denn auch nur für einen Tropfen Regen nötig? Wir haben Flüsse u.
Quellen, die wir verwenden können. Gott sprach: Infolge des Guten, was ich ihnen
im Überfluß habe zuteil werden lassen, ärgern sie mich; so will ich sie damit richten,
wie es heißt Gn 6, 17 : Siehe, ich werde die Flut, Wasser über die Erde, herbeibringeu. —
R. Jose (um 150) hat gesagt: Das Flutgeschlecht ist hochmütig geworden nur wegen
des Augapfels,* der dem Wasser gleicht; deshalb hat er (Gott) sie mit Wasser ge-
richtet (bestraft), das dem Augapfel gleicht, s. Gn 7, 11: Es öffneten sich alle Quellen
der großen Wassermasse u. die Schleusen des Himmels wurden aufgetan. R. Jochanan
(t 279) hat gesagt: Das Flutgeschlecht sündigte durch „groß" u. wurde durch „groß"
gerichtet (bestraft). Durch „groß" hat es gesündigt; s. Gn6, 5: Jahve sah, daß die
Schlechtigkeit der Menschen „groß" war; u. durch „groß" ist es gerichtet worden,
s. Gn 7, 11: Es öff'neten sich alle Quellen der „großen" Wassermasse. R. Jochanan hat
gesagt: Drei (Quellen) sind davon übrig geblieben (ohne sich wieder zu schließen):
der Schlund von Gader, die warmen Wasser von Tiberias u. die große Quelle von
Biram. — „Alles Fleisch auf Erden hatte seinen Weg verderbt" Gn 6, 12. R. Jochanan
hat gesagt: Das lehrt, daß sie die Haustiere mit dem Wild u. das Wild mit den Haus-
' Das Buch Hieb, wie hier, oft auf die vorisraelitische Menschheit gedeutet.
2 Eine andre Auslegung von Hi 21, 9 s. im Exk. : Zur altjüd. Dämonologie Nr. 3, b-
(GnR 36).
^ Diese Worte sind aus Hi 36, 11 hier eingedrungen.
* „Wegen des Augapfels", d.h. sie sahen ihr Glück unversehrt u. erhoben darob-
stolz ihre Augen u. wandelten treulos ihren Augen nach, Raschi.
Matth 24, 88 (51) 953
tieren u. alle mit den Menschen u. die Menschen mit jenen allen sich paaren ließen.
R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Alle Tiere haben sich (nach der Sündflut)
gebessert mit Ausnahme des Tuschlami.^ ,Gott sprach zu Noah: Das Ende alles
Fleisches ist herbeigekommen vor mich" Gn 6, 13. R. Jochanan hat gesagt: Komm u.
sieh, wie groß die Macht der Gewalttat O'on ist; denn siehe, das Flutgeschlecht hatte
alle Übertretungen begangen, aber der Gerichtsbeschluß über sie wurde nicht eher
untersiegelt (u. damit für vollstreckbar erklärt), als bis sie ihre Hände nach Raub
ausstreckten, s. Gn6, 13: „Die Erde ist voll von Gewalttat, die von ihnen ausgeht;
siehe, so will ich sie samt der Erde verderben"; ferner s. Ez 7, 11: „Die Gewalttat
erhob sich zur Zuchtrute des Frevlers: da war nichts mehr von ihnen u. nichts von
ihrer Masse u. nichts von ihrer Menge (?) u. kein Klagelaut über sie!" R. Elfazar
(um 270) hat gesagt: Das lehrt, daß die Gewalttat sich gerade aufrichtete wie ein
Stab u. vor Gott hintrat u. zu ihm sprach: Herr der Welt, nichts von ihnen u. nichts
von ihrer Masse u. nichts von ihrer Menge (?) (soll übrig bleiben) u. kein Klagelaut
über sie (soll gehört werden)! Selbst über Noah war der Gerichtsbeschluß untersiegelt
worden; denn es heißt: Auch Noah ist nichts unter ihnen (so der Midr Ez 7, 11 ri
„Klage" = ni). In der Schule des R. Jischmaf el (f um 135) ist gelehrt worden: Auch
über Noah ist der Gerichtsbeschluß untersiegelt worden, aber er fand Gnade in den
Augen Jahves, s. Gn 6, 7 f. j| Sanh 108^: R. Jose aus Cäsarea (im 4. Jahrh.) hat öffentlich
vorgetragen: Was heißt: „Leicht ist er auf der Oberfläche des Wassers, zum Fluch
gemacht wird ihr Los auf Erden" Hi24, 18? (so der Midr.) Das lehrt, daß Noah, der
Gerechte, sie gestraft hat; er sprach zu ihnen: Tuet Buße! wenn aber nicht (sagte er),
dann werde Gott eine Flut über sie bringen u. ihre Leichname wie Schläuche auf dem
Wasser schwimmen lassen, wie es heißt: Leicht ist er auf der Oberfläche des Wassers.
Und nicht bloß dies, sondern man werde auch von ihnen einen Fluch hernehmen für
alle, die in die Welt kommen, wie es heißt: Zum Fluch gemacht wird ihr Los auf
Erden. „Nicht mehr soll er den Weg zu den Weinbergen einschlagen" Hi 24, 18*^; das
lehrt, daß sie den Weg zu den Weinbergen einzuschlagen pflegten. Sie antworteten:
Wer hindert ihn denn? (mag Gott es doch tun, wenn er's kann!) Gott sprach: Ein
Täubchen (nämlich Methusalem) habe ich erst noch aus eurer Mitte zu nehmen (durch
den Tod)! Sie antworteten: Wenn dem so ist, so werden wir uns nicht von dem Wege
zu den Weinbergen abwenden (wir bleiben die Alten)! Raba (f 352) hat vorgetragen:
Was heißt: „Eine verachtete (weggeworfene) Fackel ^ nach der Meinung des Sicheren,
bereitgestellt für die, deren Fuß wankt" Hi 12, 5? Das lehrt, daß Noah, der Gerechte,
sie gestraft hat u. zu ihnen Worte sprach, die so schlimm wie Fackeln waren. Sie
aber verachteten ihn u. sprachen: Alter, was soll diese Arche? Er antwortete: Gott
wird über euch eine Flut bringen. Sie sprachen: Eine Flut wovon denn? Wenn eine
Flut von Feuer, so haben wir etwas (ein Schutzmittel dagegen) u. n-"«;!; (oder Nn-"-s)
ist sein Name;^ u. wenn er eine Flut von Wasser bringt, so haben wir, falls er sie
aus der Erde bringt, eiserne Platten, mit denen wir die Erde zudecken; falls er sie
aber vom Himmel bringt, so haben wir etwas dagegen u. z'-v, nach andren uipi- ist
sein Name.'* Er antwortete ihnen: Zwischen den Fersen 'z-^y eurer Füße wird er sie
hervorbrechen lassen, wie es heißt: „Bereitgestellt für die, deren Fuß wankt." — Eine
Parallelstelle zu R.Joses Auslegung von Hi 24, 18 s. GnR 30 (IS''). ll__GnR 30 (ISi^):
„Noah ist ein gerechter, unsträflicher Mann --s gewesen" Gn6, 9. Überall (in der
Schrift), wo das Wort ffi"s „Mann" steht, wird damit ein Gerechter u. Bewährter be-
zeichnet. Denn alle jene 120 Jahre (s. Gn 6, 3) hatte Noah Zedern gepflanzt u. gefällt.
Da sprachen sie zu ihm: Was soll das? Er antwortete: So hat der Herr der Welt
^ Lewysohn, Zoologie d. Talmuds, S. 181 denkt an die Steppenlerche.
^ Oder: Dem Unglück Verachtung usw.
^ sp^"':y, ein fabelhaftes Tier, welches Feuer auslöscht u. vor dem das Feuer flieht,
s. Lewysohn, Zoologie d. Talmuds, S. 351.
* Ein Schwamm, der den Regen aufsaugt oder den man auf den Kopf legt, um
nicht naß zu werden, s. Lewysohn, Zoologie, S. 343.
61*
964 Matth 24, 38 (?l. SB)
gesagt, daß er eine Flut über die Welt bringen werde. Sie antworteten: Es wird
keine Flut kommen, oder sie wird nur über das Haus dieses Mannes (d. h. dein Haus)
kommen. Als nun Methusalem starb, sagten sie zu ihm : Siehe, die Flut ist nur über
das Haus dieses Mannes (dein Haus) gekommen. Das meint Hi 12, 5: Ein verachteter
Herold an die eiserne Härte des Sicheren (oder: ein Herold, verachtet von der eisernen
Härte des Sicheren), der bereitet ist für zwiefaches Wanken des Fußes (so der Midr).
R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Einen Herold hatte Gott im Flutgeschlecht,
das war Noah; dort (in Babylonien) sagt man für: r.^h T1-2 (= „verkündige ihm")
rrh --e': (in der gleichen Bedeutung als Erklärung des teV in Hi 12, 5); „verachtet",
weil sie ihn (Noah) verachteten u. ihn den verächtlichen Alten nannten; „von der
eisernen Härte des Sicheren" ]:av rim-'s, weil sie hart wie Eisenplatten pt-jj-d waren;
„der bereitet ist für zwiefaches Wanken (Plural: '-vi^h) des Fußes", weil sie bereitet
waren für ein zwiefaches Unglück, für das Unglück von oben (Gewässer des Himmels)
u. für das Unglück von unten (Gewässer der Tiefe). || Sank 10, 3: Das Geschlecht der
Flut hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt u. sie stehen nicht im (End-)Gericht;
s. Gn 6, 3 : Nicht soll richten mein Geist über den Menschen ewiglich. pSanh 10, 29 '', 48 :
Das Flutgeschlecht hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt u. sie sehen nicht die
Zukunft (werden nicht auferweckt). Weshalb? Es heißt Gn7, 23: „Er wischte alles
Bestehende hinweg", nämlich in dieser Welt, „u, sie wurden weggewischt von der
Erde" (das.), nämlich in der Zukunft. Bar: R. N^'chemja (um 150) sagte: Das läßt sich
aus Gn 6, 3 entnehmen: Nicht soll richten mein Geist über den Menschen in der Ewig-
keit (also stehen sie nicht im jüngsten Gericht). R. J'^^huda (um 150) sagte: Nicht wird
ihn richten mein Geist; denn ich werde in sie (die Leute des Flutgeschlechts) nicht
meinen Geist geben, wenn ich meinen Geist in die (übrigen) Menschenkinder gebe.
R. Schim?on (um 150) sagte: Nicht wird ihn richten mein Geist; denn ich werde in
sie meinen Geist nicht geben, wenn ich den Lohn der Gerechten austeilen werde. Die
andren sagten: Nicht wird ihn richten mein Geist; denn ich lasse ihn nicht zurück-
kehren in seine Scheide (= Körper; ^\^-\^ Gn 6, 3 wird erklärt aus "j „Scheide",
„Futteral"). — Parallelstellen: TSanh 13, 6 (434); Sanh 108^; GnR26(16d). _ Eine
abweichende Meinung vertritt R. Jochanan (f 279) GnR 28 (18^): R. Jochanan hat ge-
sagt: Das Gericht über das Flutgeschlecht hat 12 Monate gewährt, damit haben sie
ihre Strafe empfangen, u. sie werden Auteil an der zukünftigen Welt haben. Denn
R. Jochanan hat gesagt: Jeden einzelnen Tropfen, den Gott auf sie niederfallen ließ,
hatte er im Gehinnom siedend gemacht, u. dann nahm er ihn heraus u. ließ ihn auf
sie niederfallen, das meint Hi 6, 17: „Zur Zeit, da siedendes Aufwallen sie traf, wurden
sie endgültig bestraft" (so der Midr), das siedende Aufwallen der Fluten war für
immer (deshalb, weil sie zur Zeit der Flut ihre definitive Strafe bereits empfangen
haben, können sie an der zuk. Welt Anteil haben). „Sowohl ihre Liebe", mit der sie
ihre Götzen liebten, „als auch ihr Haß", mit dem sie Gott haßten, „als auch ihr
Eifern", mit dem sie Gott durch ihre Götzen in Eifer brachten, „ist längst dahin;
keinen Teil mehr haben sie an der Welt", d. h. „an irgend etwas, was unter der Sonne
geschieht" Qoh 9, 6 (wohl aber an der zuk. Welt). — Nach dieser Stelle hat man pSanh
10, 29 b, 55 u. Midr Qoh 9, 6 (41 =*) zu verstehn.
24-, 38 S: Sie aßen, sie tranken, sie freiten u. ließen freien.
<Er54=i: Sch^muel (f 254) sagte zu Rab J^huda (f 299): Scharf-
sinniger (?x3pü, s. Einl. 139), eile u. iß, eile u. trink; denn die Welt,
aus der wir gehen, gleicht einem Hochzeitshause ah^krt inlp (so Hand-
schrift München, die Ausgaben : N^ibna = wie eine Hochzeitsfeier). —
Der Vergleichungspunkt ist die Vergänglichkeit: wie ein Hochzeitshaus
heute an Essen u. Trinken die Fülle bietet, u. morgen ist alles vorüber,
so auch diese Welt; darum eile u. iß, eile u. trink!
Matth 24, 38 (6). 24, 39 (^K) 965
24,38 6: Bis zu dem Tage, da Noah in die Arche ging.
GnR 32 (IQ'^): An eben diesem Tage kam Noah ... in den Kasten
Gn 7, 13. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Gott sprach: Wenn Noah in
der Nacht in den Kasten geht, dann werden alle seine Zeitgenossen
also sagen: Wir haben nicht darum gewußt; wenn wir aber darum
gewußt hätten, so würden wir ihn nicht haben hineingehen lassen.
Deshalb ging Noah an diesem Tage selbst (d. h. am hellen lichten Tage)
hinein; wer es merkte, sollte reden. — Eine ähnliche Ausführung anonym
SDt32,48 §337 (Ul").
24,39 5t: Bis die Sündflut kam u. alle hinwegnahm.
GuR 28(17'^): „Gott sprach: Wegwischen will ich die Menschen, die ich gemacht
habe" Gn 6,7. R. Levi (um 300) hat im Namen des R. Jochanan (f 279) gesagt: Selbst
die Mühlsteine wurden weggewischt (vernichtet). R. J^huda b. Simon (um 320) hat im
Namen des R. Jochanan gesagt: Selbst der Staub (Asche) des ersten Menschen wurde
weggewischt. Als R. J'^huda das in Sepphoris in der Gemeinde öffentlich vortrug, ver-
warf man es. R. Jochanan hat im Namen des R. Schim'on b. J'^hoQadaq (um 22.5) ge-
sagt: Selbst der Knochen Luz an der Wirbelsäule, aus welchem Gott in der Zukunft
den Menschen neu schafft, wurde weggewischt (aufgelöst). !l GnR 31 (18'*): Gott sprach:
. . . Ich will sie verderben samt der Erde Gn 6, 13. R. Huna (um 350) u. R. Jirm'^ja
(um 320) haben im Namen des Rab Kahana b. Malk^ja (uni 270) gesagt: Selbst die
drei Handbreiten, über die der Pflug in der Erde Gewalt hat, wurden weggewischt
(weggeschwemmt). Gleich einem Königssohn, der einen Erzieher hatte; sooft er Böses
tat, wurde sein Erzieher bestraft. Oder gleich einem Königssohn, der eine Amme hatte;
sooft er Böses tat, wurde seine Amme bestraft. So sprach auch Gott: Ich will sie
verderben samt der Erde; siehe, ich will sie verderben u. ich will die Erde mit ihnen
verderben. II GnR 32 (19*^): ,Gott sprach: Ich wische alles Bestehende mp-n hinweg"
Gn 7, 4. R. B'^'rekhja (um 340) hat gesagt: Das was auf der Erde Bestand hat. R. Abin
(I., um 325; IL, um 370) hat gesagt: Die bewohnte Welt •.:""•"" (= oixovfÄSvi]). R. Levi
(um 300) hat im Namen des Resch Laqisch (um 250) gesagt: Damit ist Qain gemeint
(der sich gegen seinen Bruder Abel erhob, cii/'i Gn4, 8); er hatte in der Luft ge-
schwebt, bis die Flut kam u. ihn wegschwemmte; s. Gn7,23: Er wischte alles Be-
stehende (Dip-) hinweg. || GnR 32 (19^1): , Alles, was im Trocknen lebt, starb" Gn 7,22,
ausgenommen die Fische. Einige sagen: Auch sie waren in die Regel (des allgemeinen
Untergangs) eingeschlossen; allein sie flohen ins große Meer, den Ozean (u. blieben
so erhalten). Vgl. Sanh 108-'*. || Sanh lOS'': Gott wischte alles Bestehende weg, das auf
der Oberfläche des Erdbodens war Gn 7, 23. Wenn der Mensch gesündigt hat, was hat
das Tier gesündigt (daß es mit dem Menschen bestraft wird) ? Im Namen des R. J^hoschuac
b. Qarcha (um 150) ist gelehrt worden: Gleich einem Menschen, der seinem Sohn das
Brautgemach herstellte u. allerlei Speisen zum Hochzeitsmahl zurichtete. Nach etlichen
Tagen starb sein Sohn. Da erhob sich jener u. warf das Brautgemach über den Haufen;
er sprach: Habe ich es denn nicht bloß wegen meines Sohnes gemacht? Jetzt, wo er
tot ist, was soll mir das Brautgemach? Auch Gott sprach: Habe ich denn das Vieh
u. das Wild nicht bloß des Menschen wegen geschaffen? Jetzt, wo der Mensch ge-
sündigt hat, was soll mir das Vieh u. das Wild? |1 Nach der Tradition ist außer Noah
u. seiner Familie auch 'Og, der König von Baschan (Nu 21,33) der Sündflut entronnen.
Nidda61^: „Es kam ein Entronnener u. meldete es dem Hebräer Abram* Gnl4, 13.
R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Das war 'Og, der vom Geschlecht der Flut entronnen
war. II PirqeRBI23 (11 ''): ,Er wischte alles Bestehende weg, das auf der Oberfläche
des Erdbodens war" Gn 7, 23, ausgenommen Noah u. alles, was mit ihm in dem Kasten
war (s. Gn 7,23), u. ausgenommen cOg, der König von Baschan; denn dieser setzte sich
auf ein Holz (Brett) von den Leitern (Treppen) des Kastens u. schwur dem Noah u. dessen
966 Matth 24, 39 («Bj. 24, 40. 41 (Nr. 1. 2)
Söhnen, daß er ihnen ein immerwährender Sklave sein wolle. Was tatNoah? Er bohrte ein
Loch in die Arche u. reichte ihm täglich seine Nahrung hinaus; so blieb auch dieser übrig.
24-,39^:So wird auch die Wiederkunft des Menschensohns sein.
Zum plötzlichen Kommen des Messias s. Sanh97ä im Exk.: „Vorz,
der messian. Zeit" II, D, a Ende.
24-, 4:0: Dann werden zwei auf dem Felde sein; der eine
wird angenommen u. der andre gelassen.
In formeller Hinsicht kann verglichen werden RH 18^ Bar: R. Meir (um 150) hat
gesagt: Zwei legten sich auf das Lager u. ihre Kranklieit war die gleiche; ebenso zwei
gingen hinauf zur Richtstätte u. ihre Rechtssache war die gleiche: der eine stand
wieder auf (von seinem Lager) u. der andre nicht, der eine wurde freigesprochen u.
der andre nicht. Der eine betete u. wurde erhört, u. der andre betete u. wurde nicht
erhört. Warum wurde der eine erhört u. der andre nicht? Der eine betete ein voll-
kommenes (ein mit Andacht verrichtetes, Raschi) Gebet, er wurde erhört; der andre
betete kein vollkommenes Gebet, er wurde nicht erhört.
24,41: Zwei mahlen an der Mühle; die eine wird
angenommen u. die andre gelassen.
1. Das Mahlen als Frauenarbeit.
K^thö, 5: Dies sind die Arbeiten, die die Frau ihrem Mann verrichtet: sie mahlt
r:--::, sie bäckt, sie wäscht, sie kocht, sie säugt ihr Kind, sie macht ihm das Bett
u. arbeitet in Wolle (spinnt, webt usw.). Hat sie ihm Eine Sklavin miteingebracht, so
bi'aucht sie nicht zu mahlen, nicht zu backen u. nicht zu waschen. Hat sie zwei mit-
■eingebracht, so braucht sie nicht zu kochen u. nicht ihr Kind zu säugen. Hat sie drei
niiteingebracht, so braucht sie ihm nicht das Bett zu machen u. auch nicht in Wolle
zu arbeiten. Hat sie vier miteingebracht, so kann sie im Sessel sitzen (braucht nichts
zu tun). R. Elicczer (um 90) sagte: Auch wenn sie ihm 100 Sklavinnen miteingebracht
hat, kann er sie zwingen, in Wolle zu arbeiten; denn das Nichtstun führt zur Unzucht.
R. Schim'on b. Gamliel (um 140) sagte: Auch wenn jemand durch ein Gelübde seiner
Frau untersagt hat, irgendeine Arbeit zu tun, muß er sie (durch einen Scheidebriefj
entlassen u. ihr ihre Hochzeitsverschreibung auszahlen: denn das Nichtstun führt zur
Geistesverwirrung. — pK'^th 5, 30^, 50 sagt R. Bun (wohl Abin IL, um 370) mit Bezug
auf die in obiger Mischna genannten Frauenarbeiten: Weil jene Dinge verächtlicher
Art sind, hat man sie an die Sklavin gehängt. — K'th59'^: , Sie mahlt." Meinst du
das wirklich? Vielmehr sage: Sie läßt mahlen (sie schüttet das Korn ein u. nimmt
das Mehl fort, Raschi), oder wenn du willst, sage: Sie mahlt auf der Handmühle.
2. Zwei Frauen an der Mühle.
Sch'^'bicith 5,9: Es darf eine Frau einer andren, die wegen Übertretung des Brach-
jahrgesetzes verdächtig ist, ein Mehlsieb, ein Kornsieb, eine Handmühle u. einen Back-
ofen leihen; aber nicht darf sie in Gemeinschaft mit ihr auslesen u. mahlen. — Die
Frau eines Chaber (der sich zur Beobachtung der Zehnt- u. Reinheitsbestimmungen im
Sinn der pharisäischen Satzungen verpflichtet hat) darf der Frau eines < Am ha-areg;
(Ge.setzesunkundigen) ein Mehlsieb u. ein Kornsieb leihen, auch darf sie mit ihr aus-
lesen, mahlen u. sieben; aber nachdem sie das Wasser (auf das Mehl) gegossen hat
(womit die Gefahr der Verunreinigung beginnt), darf sie nichts mehr anrühren. ||
Toharoth7,4: Wenn die Frau eines Chaber die Frau eines 'Am ha-areg, die in ihrem
(der ersteren) Hause mahlt, verläßt, so gilt das Haus für unrein, sobald die Mühle
stillstand ; stand sie nicht still, so ist es nur so weit unrein, als jene ihre Hand aus-
strecken u. etwas berühren kann. Waren aber zwei solcher Frauen (an der Mühle) da,
so ist, ob die Mühle stillstand oder nicht, das Haus unrein; denn die eine mahlt u.
Matth 24 42. 43. 45 (Nr. 1) 967
die andre faßt (alles mögliche) an. So R. Meir (um 150). Die Gelehrten aber sagten:
Es ist nur so weit unrein, als jene ihre Hände ausstrecken u. etwas berühren können. ||
Nidda 60'' Bar: Wenn zwei Frauen an einer Handmühle mahlen, u. es findet sich Blut
(des Menstruums) unter derjenigen, die nach innen (dicht neben der Mühle) steht, so
sind sie beide unrein; findet es sich unter der nach außen Stehenden, so ist die nach
außen Stehende unrein u. die nach innen Stehende rein; fand es sich zwischen beiden,
so sind sie beide unrein. Die Bar stammt aus TNidda 7, 3 (649).
24,42: Wachet also, denn ihr wißt nicht, an welchem Tage
euer Herr kommt.
Nach älteren Traditionen wird der Messias am 14. Nisan kommen;
nach andren nicht an einem Sabbat oder Festtage, bezw. nicht an
deren Rüsttagen; s. ExR 18 (81*); pP«s3, 30'\ 25; bP^s 13^ 'Er 43''* im
Exk.: „Der Prophet Elias nach seiner Entrückung" usw. II, 3, B.
24,43: Daß in sein Haus eingebrochen würde.
dioQvotaw, ^nn (s. Hi 24, 16), aram. inn, das zunächst „durchbohren,
durchgraben" u. dann „einbrechen" bedeutet.
GnR 63 (39*^): Isaak flehte zu Jahve ... u. Jalive ließ sich von ihm erflehen iryi
Gn 25,21. R. Levi (um 300) hat gesagt: Gleich einem Königssohn, der bei seinem Vater
einbrach -^r-;-, um eine Litra Gold wegzunehmen; da hat der eine (der Vater) von innen
(die Wand) durchbohrt ^n-, u. der andre (der Sohn) von außen (beide begegneten sich
in ihren Wünschen); denn in Arabien nennt man den Durchbruch (oder Einbruch,
SP-'.--) sr— ry. (Gn25, 21 will also besagen, daß Gott dem Gebet Isaaks gegenüber
den Himmel durchbohrte, um das Gebet zu hören u. zu erhören). — Vgl. pSanhlO, 28°, 59;
LvRSO (128'-'); DtR 2 (leS'^); P^siq 162b; MidrRuth2, 16 (132b). || GnR 27 (17b): Es
heißt Hi24, 16: ,Man bricht im Dunkeln in Häuser ein" ^rr; weshalb? Weil „man
sie sich bei Tage gekennzeichnet hatte" (so der Midr Vers 16b). Was taten sie (die
Leute von Sodom, auf welche die Hiobstelle bezogen wird)? Sie nahmen Balsam u.
strichen ihn auf die Steine (an die Häuser der Reichen), u. dann kamen sie in der
Nacht u. rochen den Balsam u. brachen ein n'^n-. — Parallelstellen: Sanh 109 ^ hier
Raba, t 352, als Autor genannt; in pMSch 5, 55'^, 55 R. Chanina (b. Ghama, um 225)
Autor, mit Deutung der Hiobstelle auf das Flutgeschlecht. 1| Sanh 109»: R.Jose (um 150)
trug (die im vorigen Zitat gebrachte Auslegung von Hi24, 16b) in Sepphoris vor; da
wurden in jener Nacht 300 Einbruchsdiebstähle in Sepphoris ausgeführt rVn . . . pirns
sr-rni ns>2. Man kam u. peinigte ihn. Er antwortete: Habe ich denn gewußt, daß
Diebe kommen würden? — In pMSch 5,55*^,57 u. GnR 27 (17^) knüpft sich dieser Vor-
fall an den Namen des R. Chanina, um 225.
24-, 45: Wer also ist der treue u. kluge Knecht, den der Herr
über sein Hausgesinde gesetzt hat . . .?
1. Der Hausvogt, eine Art Obersklave, heißt im Rabbin. nach Gn 15,3
r-^s 1? (dieser Ausdruck bezeichnet unter Umständen auch das Kind
oder den Sohn des Hauses; zB pSanh 10, 28^, 10).
F^'siqR 10 (35b): R. Levi (um 300) hat gesagt: Warum wird die Gemeinde Israel
mit dem Weizen verglichen? Ein Hausherr hat einen Hausvogt n^a p; wenn er mit
ihm rechnen will, was berechnet er? Sagt er etwa zu ihm: Habe acht, wie viele Körbe
voll Stroh du in die Scheune schaffst, oder wie viele Körbe von Stoppeln oder Dornen
du in die Scheune schaffst? . . . Aber was sagt er zu seinem Hausvogt m-^a p? Habe
acht, wieviel Weizen du in die Vorratskammer schaffst! Weshalb? Weil dieser der
Unterhalt der Welt ist. So ist Gott ein Hausherr; denn die ganze Welt ist sein, s.
968 Matth 24, 45 (Nr. 1 . 2). 24, 48
Ps24, 1; u. sein Hausvogt ist Mose, s. Nu 12,7: In meinem ganzen Hause ist er be-
währt. (Weitere Ausführung: dem Mose ist nicht befohlen worden, die Völker zu zählen,
die dem Stroh usw. gleichen, sondern die Israeliten soll er zählen, die dem Weizen
gleichen). Ähnlich so, aber anonym NuR4 (141^). 1| ExR 15 (77*'): Um wessen willen
hat sich Gott (in Ägypten) offenbart? Um seinetwillen. Gleich einem Hausvogt n^a p,
der durch seinen Arbeitgeber ergriffen u. gefangen gesetzt wurde. (Hier ist voraus-
gesetzt, daß der Vogt vorübergehend noch fremde Dienste übernommen hat.) Da sprach
sein (eigentlicher) Herr zu ihm: Fürchte dich nicht, ich werde kommen u. dich be-
freien! Da sandte der Herr seinen Knecht, ihn zu befreien; aber der Wirt (jener Arbeit-
geber) wollte ihn nicht loslassen. Der Herr sprach: Der Wirt hat recht gehandelt, denn
ich hatte gesagt, ich würde ihn befreien. (So hatte Gott zu Abraham gesagt Gn 15, 14,
daß er selbst Ägypten richten wolle; deshalb offeabarte er sich daselbst, nachdem
der Pharao sich geweigert hatte, auf die Sendung Moses hin Israel ziehen zu lassen). !}
LvR 12(113'^): R. Pin^chas (um 360) hat im Namen des R. Levi (um 300) gesagt: Gleich
einem König, der einen treuen Hausvogt, •■sx: r^a ]2 hatte. Er fand ihn an der Öffnung
der (Wein-)Fässer 1 stehend u. ließ ihn im geheimen enthaupten u. setzte einen andren
Hausvogt an seine Stelle. Wir wissen nicht, weshalb er den ersten töten ließ; aber daraus,
daß er dem zweiten befahl u. sprach: Geh nicht an die Öffnung der (Wein-)Fässer (s. die
vorige Fußnote) erfahren wir, daß er ebendeshalb den ersten töten ließ. (So lehrt Lv 10, 9,
daß der Weingenuß die Ursache des Todes Nadabs u. Abihus war Lv 10,2.)
2. 0 niarog dovXog = yom rin "p, s. LvR 12 in Nr. 1. || 6ovXog (fQÖvii.iog
= nn'S ^^, s. Schab 153« bei Mt 22, 2 S. 878.
24,48: Wenn aber der böse Knecht in seinem Herzen spricht.
6 xaxög SovXog = ynrr lay, aram. s^i^n x^ns".
ExR 43 (99 c): R. Jehuda b. Schalom (um 370) hat im Namen des R. J^^huda b. Simon
(um 320) im Namen des R. Levi b. P^rata (gegen 300) gesagt: Gleich einem, der einen
Sklaven kaufen wollte. Er sprach zu dessen Herrn: Ist dieser Sklave, den du ver-
kaufen willst, von schlechter Art^ oder von guter Art? ^ Er antwortete ihm: Er ist
von schlechter Art u. darum verkaufe ich ihn. Jener kaufte ihn u. brachte ihn in sein
Haus. Einmal hatte sich jener Sklave vergangen; da fing sein Herr an ihn zu schlagen. . . .
Der Sklave sprach: Mein Herr, wie hast du mich gekauft? als einen guten Sklaven
ait2 -z'S oder als einen schlechten Sklaven yi 'y? Er antwortete: Als einen schlechten
Sklaven. Jener erwiderte: Als einen schlechten Sklaven hast du mich gekauft u. du
suchst in mir einen guten Sklaven? |! Tanch y^ 1:213 160^: Gleich einem schlechten Sklaven
yi 'y , der zum Verkauf dastand. Der Herr, der ihn kaufte, wußte, daß es ein schlechter
Sklave war; er nahm Fesseln u. Peitschen mit sich, um ihn damit, wenn er sich ver-
ginge, zu züchtigen. Als er sich verging, holte er die Fesseln u. fesselte ihn, die Peitschen
u. schlug ihn. Es sprach der Sklave zu ihm: Hast du nicht gewußt, daß ich ein schlechter
Sklave bin, warum hast du mich gekauft?! Er antwortete: Weil ich gewußt habe,
daß du schlimm bist, habe ich für dich Fesseln u. Peitschen besorgt, um dich mit
ihnen, wenn du dich vergingest, zu züchtigen. 1| BB4* nennt sich Herodes selbst vor
dem von ihm geblendeten Baba b. Buta „einen schlechten Knecht" sa^a ^<^3y, s. bei
18,32 S. 800. Ebenda heißt es in einem römischen Edikt an Herodes in bezug auf den
Tempelbau: Wenn du den Tempel noch nicht eingerissen hast, so reiße ihn nicht ein;
wenn du ihn eingerissen hast, so baue ihn nicht auf; wenn du ihn aber eingerissen u.
wieder aufgebaut hast, so ist das ein schlechter Knecht s^'a xr^y ; holt man Rat ein, nach-
dem man gehandelt hat? || MidrKL Einl.23 (35'^): Rabbi hat gesagt: Achtzehn Jahre lang
^ So der Text: rran nrs 5y; der Kommentar Matth^'noth K^hunna will lesen:
Pi^jn nrs Vy = an der Tür der Weinschenken.
^ l'^D'^'ijpNp u. Tom^sp nach Krauß, Lehnwörter 1, 273 f. ^= xccxrj a't'()saig u. xuh"
al'Qsaig; vgl. auch Krauß, Archäol. 2, 88.
Matth 24, 51 (%. So 1.2). 25, 1. 2. 5 969
war eine Himmelsstimme (Bath-Qol) im Palast des Nebukadne^ar ausgegangen, welche
rief: Böser Knecht sr"; snai', geh, zerstöre das Haus deines Herrn (Gottes)!
24,5151: Er wird ihn in zwei Teile zerschneiden (aufspalten).
6ixoTOf.i)'jCf£i, x'nptpj rr^b ii^", bezeichnet das Aufspalten des Leibes-
mit dem Schwert im Gegensatz zum Abhauen des Kopfes, s. Sanh 521^
im Exk. über das altjüd. Sklavenwesen B, 4, b.
Der von Schöttgen, Horae S. 215 aus cArakh 14^ zitierte Mischnasatz: ,Si quis.
Optimum vel pessimum servuni interficit, is dat triginta Selaim' bezieht sich auf de»
Fall, daß ein stößiger Ochse einen Sklaven tötet.
24,5123: Er wird sein Teil mit (bei) den Heuchlern setzen;
dort wird Heulen u. Zähneknirschen sein.
1. Daß die Heuchler für den Gehinnom bestimmt sind, wird ausge-
sprochen Sota 4 l'J;s. bei Mt 23,13 S. 922; ferner s. Exk. „Sch^ol" usw. 11,7, L
2, To fjisQog avTov . . . ^i](T€t = phr^ ■n: oder pbn niir.
pB'^rakh 4, 7^, 31 sagt R. N^chonja b. Ha-qana (um 70) in einem Gebet: „Ich danke
dir, Jahve, mein Gott u. Gott meiner Väter, daß du mir mein Teil gegeben hast rr^v
'phn von dem derjenigen, die im Lehrhaus u. in den Synagogen sitzen, u. daß du mir
mein Teil nicht in den Theatern u. Zirkussen gegeben hast. — In der Parallelstelle
B'rakh 28'^ steht 'pVn rnvv . Vgl. auch die Gebetswünsche des R.Jose (um 150)
Schab 118'^, die sämtlich beginnen: „Möge mein Teil sein" 'phr, arr .
25,1: Das Himmelreich gleich zehn Jungfrauen,
welche ihre Lampen nahmen.
Dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen ähneln in etlichen Zügen»
zwei rabbin. Gleichnisse, die die Sterbensbereitschaft einschärfen; s.
Schab 153^^ u. Midr Qoh 9, 8 (42-'') bei Mt 22, 2 ff. S. 878. || Zum Vergleich
der messian. Zeit mit einer Hochzeitsfeier s. bei Offb 19, 7. || Über die-
Heimführung der Braut s. bei Mt 9, 15 ^; ebenda Anm. g S. 510 über die
faces nuptiales.
Betreffs der letzteren sei hier Raschi zu Kelim2, 8 angeführt: Im Lande Ismael
ist es Sitte, daß man die Braut aus dem Hause ihres Vaters in das Haus ihres Mannes-
während der Nacht führt vor ihrem Eintritt in das Brautgemach. Man trägt vor ihr her
etwa zehn Stangen, an deren Spitze sich eine Art Schale aus Kupfer befindet, in die man-
Kleiderfetzen samt Ol u. Baumharz tut. Das zündet man an u. leuchtet damit vor ihr her.
€ig vrtdvTrjüiv rov wj^icfiov. — Umgekehrt: „der Braut entgegen"
M<^kh Ex 19,17 (721»): R. Jose (um 150) hat gesagt: „Jahve vom Sinai
kam" Dt 33, 2, um Israel zu empfangen, wie ein Bräutigam, der der
Braut entgegengeht nV; rxnp? x:i'Ti xinc. Vgl. PirqeREl 41 bei Vers 6.
25,2: Fünf von ihnen waren töricht u. fünf klug.
IxcoQog uis-j, (fQovifiog nps.
25,5: Alle nickten ein u. schliefen.
ivvaxa^av . . . xai ixdS^svdov.
P''sl0,8: Sind einige (während der Passahmahlzeit) eingeschlafen issJ-, so darf
man.(weiter)essen; wenn alle, so dürfen sie nicht (weiter)essen (weil die Speisen mög-
lichenfalls unrein geworden). R. Jose (um 150) sagte: Waren sie (nur) eingenickt ?.'a?"c:r3^
-970 Matth 25, 6. 12. Uff. (Nr. 1)
«0 dürfen sie (weiter)essen; waren sie fest eingeschlafen "'s--?, so dürfen sie nicht
(weiter)essen. ^ Dazu bP'sl20'^: Was bedeutet „einnicken"? Rab Aschi (f 427) hat
gesagt: Man schläft u. man schläft nicht, man wacht u. man wacht nicht; man ruft
ihm zB etwas zu u. er antwortet, weiß aber nichts Vernünftiges zu erwidern; wenn
man ihn jedoch an etwas erinnert, so erinnert er sich dessen. — Die gleiche Wort-
■erklärung auch M'^'g IS"^.
25,6: Um Mitternacht ward ein Geschrei: Siehe,
der Bräutigam! Geht aus, ihm entgegen!
PirqeRE141: Mose ging (am Tage der Gesetzgebung) hinaus ins Lager der Israe-
liten u. weckte sie aus ihrem Schlaf: Steht auf aus eurem Schlaf; schon kommt der
Bräutigam (Gott) u. verlangt nach der Braut (Israel), um sie in das Brautgemach eia-
zuführen, u. wartet auf sie, um ihnen die Tora zu geben. Es kam der Brautführer
(Mose) u. führte die Braut heraus, wie ein Mensch, der des Brautführeranits bei einem
andren wartet, s. Ex 19, 17: Mose führte das Volk Gott entgegen aus dem Lager. Und
der Bräutigam ging aus, der Braut entgegen, um ihnen die Tora zu geben, s. Ps 68,8:
Oott, da du auszogst vor deinem Volk her.
25,12: Ich kenne euch nicht (s. bei 7,23).
Zu dem „Zu spät" unsres Gleichnisses lassen sich folgende sprich-
wörtliche Wendungen stellen. BQ 80^': Die Tür, die geschlossen wurde,
wird nicht so bald geöffnet nran ii^n-oi nh nbi-ssn rbi (= eine verpaßte
<5elegenheit kehrt nicht so leicht wieder). H Midr Qohll,9 (52 b).: „Doch
wisse, daß um alles dieses dich Gott ins Gericht bringen wird" Qoh 11,9.
■Gleich einem, der Äcker u. Weinberge hatte, aber die Hebe u. Zehnten
nicht absonderte. Er wurde alt u. kam in seinem ganzen Vermögen
herunter. Da sagte er: Wenn ich Äcker u. Weinberge hätte, würde ich
nicht Hebe u. Zehnten absondern? Man sagte zu ihm: Jetzt (gilt:) was
gewesen ist, das ist gewesen (auch die besten Vorsätze einer späteren Zeit
können die versäumte Pflicht früherer Tage nicht wieder gutmachen).
25, 14ff.: Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden.
1. Die in Betracht kommenden rechtlichen Verhältnisse. Ein Bankier
■darf Gelder, die ihm als offenes Depositum übergeben sind, in seinem
Interesse geschäftlich ausnützen; für Verluste muß er einstehn. Sind
ihm die Gelder nicht als offenes Depositum übergeben worden, so darf
•er sie nicht nützen, ist aber bei ihrem Verlorengehn nur dann ersatz-
pflichtig, wenn er sie nicht in gebührender Weise sicher verwahrt
hatte. — Einer, der nicht berufsmäßiger Bankier ist, darf ihm an-
vertraute Gelder unter keinen Umständen verwerten; auch er kann
regreßpflichtig gemacht werden nur, falls er es an der nötigen Vorsicht
bei ihrer Aufbewahrung hat fehlen lassen.» — Anders ein Sklave: er ist
wie sein Herr;b er darf deshalb von seinem Herrn ihm übergebene Gelder
nutzbringend verwenden ; jedoch gehört der erzi elte Gewinn seinem Herrn ;
denn alles, was der Sklave erwirbt, erwirbt er für seinen Herrn, c
a. BM3, lOf.: Wenn jemand Geld einem andren zur Aufbewahrung übergibt u.
•dieser bindet es ein u. läßt es auf seinem Rücken herabhangen oder übergibt es seinem
unmündigen Sohn oder seiner unmündigen Tochter oder verschließt es nicht gehörig
Matth 25, 14 ff. (Nr. 1. 2). 25, 18 971
vor diesen, so ist er ersatzpflichtig, weil er es nicht verwahrt hat, wie man es zu ver-
wahren pflegt; wenn er es aber verwahrt hat, wie man es zu verwahren pflegt, so ist
er straflos. — Wenn jemand Geld bei einem Bankier -j-Vvii deponiert, so darf dieser es,
wenn es eingebunden war, nicht benützen; deshalb ist er, wenn es verloren geht, nicht
zu Ersatz verpflichtet; war es aber offen, so darf er es benutzen; deshalb ist er, wenn
es verloren geht, zu Ersatz verpflichtet. Hat er es sonst einem Besitzer (Hausvater)
übergeben, es sei eingebunden oder offen, so darf dieser es nicht benützen; deshalb
ist er, wenn es verloren geht, nicht zu Ersatz verpflichtet. — Von einem Kaufmann gilt,
was von einem Besitzer (Hausvater) gilt, so R. Meir (um 150); R. J%uda (um 150) sagte:
Vom Kaufmann gilt, was vom Bankier gilt. — Ähnlich M'^Ul 6,5; TM'Hl 2, 11 (560).
b. BQ 21^: Sein (des Herrn) Sklave ist wie er selbst. || MSch4, 4: Ihre (der kanaa-
näischen Sklaven u. Sklavinnen) Hand ist wie seine (des Herrn) Hand. — Ahnlich
öfters zBpQid 1,60^,23. 38. 39: 12^ n-3 ^2>' ^-.
C. Qid 23'^ (zweimal): Der Sklave erwirbt nichts außer für seinen Herrn. |1 Qid23'^
^ P^s 88b: Was der Sklave erwirbt, erwirbt sein Herr. || M'^g 16 b; Wenn ein Sklave
Vermögen erwirbt, wem gehört der Sklave u. wem das Vermögen? (Die Antwort würde
lauten: seinem Herrn.) So auch Sanh9H; 105'. || TBQ 11, 2 (370): Wenn ein Sklave
Handel treibt mit dem Vermögen seines Herrn . . ., so gehört das Erworbene dem
Herrn. — Diese Sätze gelten übrigens nur von dem „kanaanäischen" Sklaven, d. h.
einem Sklaven, der von Geburt ein Nichtisraelit war; ein Sklave, der ein geborener
Jude war — der sogenannte „hebräische* Sklave — war wesentlich besser gestellt,
er konnte auch für sich Vermögen erwerben.
2. Formell ähnliche, in ihrer Tendenz aber abweichende rabbin.
Gleichnisse.
LvR 18 bei Mt 5, 8 S.205f.; Schab 152b im Exk. „Sch-^ol" 11,4. |1 AbothRN 14: Als
ein Sohn des Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) gestorben war . . ., ging R. El'azar
b. c Azarja (andre Lesart: b. c Arakh) zu ihm (um ihn zu trösten). Als er ihn erblickte, sprach
er zu seinem Diener: Nimm meine Kleider u. folge mir zum Badehaus; denn er (R. EI.)
ist ein angesehener Mann u. ich mag (so in Trauer) vor ihm nicht stehn. Er trat ein
u. setzte sich vor ihn. R. El. sprach zu ihm: Ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit
läfst sich die Sache vergleichen? Mit einem Menschen, bei dem der König etwas zur
Verwahrung niederlegte. An jedem Tage weinte u. schrie er u. sagte: W^ehe mir, wann
werde ich (endlich) dieses Depositums in Frieden ledig gehn! Auch du, mein Lehrer
(Rabbi), hattest einen Sohn; er hat die Schrift' studiert, die Tora,' die Propheten u.
die Hagiographen, die Mischna, die Halakhoth u. die Haggadoth (die nichthalakhischen
Schriftauslegungen) u. dann ist er aus der Welt geschieden ohne Sünde. [„Du'^ darfst
die Tröstung annehmen, nachdem du das dir Anvertraute unversehrt zurückgegeben
hast."] Er antwortete: R. Elcazar, mein Sohn, du hast mich getröstet, wie Menschen
(nur immer) trösten können.
25,18: Er grub Erde auf u. verbarg das Geld seines Herrn.
Vergraben von Geld zur Sicherung vor Dieben bezeugt:
Schab 102'^: R. Jirm«^ja (um 320) hat gesagt: So gräbt ein Armer eine Grube, um
darin seine P'^ruten (Pfennige) zu verbergen. |1 BM42*: Sch^muel (f 254) hat gesagt:
Für Geld gibt es eine (sichere) Aufbewahrung nur in der Erde. . . . Und jetzt, wo es
Erdaufwühler gibt (die nach vergrabenen Schätzen suchen), gibt es eine Aufbewahrung
nur hoch oben im (Dach-)Gebälk. Und jetzt, wo es Aufbrecher (der Balken) gibt, gibt
es eine Aufbewahrung nur zwischen den Steinschichten. Raba (f 352) hat gesagt: Und
Sch^'muSl hat beigestimmt in bezug auf die Steinschichten in der Wand. Und jetzt,
' Der Text liest erst n-in u. dann is^pa (Schrift); die Worte sind umzustellen;
dann wird das allgemeine s"^p»3 zerlegt in r-nr, a's^a:, D-2ir:.
2 Dieser Satz, wohl infolge Irrtums, nicht in allen Zeugen.
972 Matth 25, 18. 21 (21. »)
wo es Klopfer gibt (die durch Klopfen HoLlräume in der Wand feststellen), gibt es
(in einer Wand) eine Aufbewahrung nur eine Handbreite über der Erde oder eine Hand-
breite unter der Höhe des (Dach-)6ebälkes. || slav. Heuoch 51,1 f.: Reichet dar eure
Hände den Armen nach eurem Vermögen. Verberget nicht eure Schätze in die Erde. il
BM42^: Sch^muel hat gesagt: Für Geld gibt es eine (sichere) Aufbewahrung nur in
der Erde. Raba hat gesagt: Sch^'muel hat aber eingeräumt, daß die Rabbinen am Rüst-
tag auf den Sabbat während der Dämmerung jemanden nicht damit behelligt haben
(nämlich ein ihm anvertrautes Depositum zu vergraben, so daß «r also nicht ersatz-
pflichtig ist, wenn das Depositum in der Nacht zum Sabbat gestohlen wird). Wenn er
aber nach Ausgang des Sabbats so lange Zeit damit gezögert hatte, wie zum Ver-
graben nötig ist, ohne es zu vergraben, so ist er (falls es gestohlen wird) ersatz-
pflichtig. — Diese Stelle zeigt, daß der Knecht in Mt 25, 18 genau so gehandelt hat,
wie es die Halakha von einem gewissenhaften Verwahrer eines Depositums erwartete. —
Zum Nachgraben der Diebe vgl. auch Mt 6, 19 S. 431 u. 24, 43 S. 967.
25,2151: Wohl, du guter u. getreuer Knecht, über wenigem
warst du treu, über vieles will ich dich setzen.
ExR 2 (68''): Mose war Hirt des Kleinviehs Ex 3, 1. Das meint Spr 30, 5: , Jeg-
liche Rede Gottes ist geläutert." Gott gibt einem Menschen erst dann Größe, wenn
er ihn bei einer kleinen Sache erprobt hat; darauf erst erhebt er ihn zur Größe. Siehe,
du hast zwei Große der Welt, die Gott bei einer kleinen Sache erprobt hat, u. als sie
treu a-;^s: erfunden waren, erhob er sie zur Größe. Er erprobte David beim Klein-
vieh: dieser führte sie nur in die Wüste, um sie fernzuhalten vom Raube (denn in
der Wüste konnten sie nicht fremder Leute Äcker abweiden). So sprach auch Eli^ab
zu David 1 Sm 17, 28: Wem hast du das wenige Kleinvieh in der Wüste anvertraut?
Das lehrt, daß David (den Mischnasatz) beobachtet hat: „Man züchtet kein Kleinvieh
im Lande Israel" BQ 7, 7. Da sprach Gott zu ihm: Du bist treu erfunden worden beim
Kleinvieh, komm u. weide meine Schafe, s. Ps 78, 71 : „Hinter den Säugenden weg holte
er ihn." Ebenso heißt es von Mose Ex 3, 1 : „Er trieb das Kleinvieh hinter die Wüste",
um sie vom Raube fernzuhalten. Da nahm ihn Gott, daß er Israel weidete, s. Ps 77, 21 :
Du führtest wie Sohafe dein Volk durch die Hand Moses u. Ahrons. — Etwas breiter
Tanch ri'cT 61^. || Tanch a-ij-^i 45^: Es lehre uns unser Lehrer: Wer ist der Größte
unter den Treuen d^j'sss? Drei Treue gibt es: ein Besitzer (Hausvater), der seine
Zehnten aussondert, wie es sich gebührt, u. sich nicht verdächtig macht in bezug auf
Hebe u. Zehnt; kein Treuer ist größer als dieser. Ferner ein Armer, bei dem man
etwas zur Verwahrung niedergelegt hat u. der sich nicht verdächtig macht in bezug auf
das Niedergelegte; kein Treuer ist größer als dieser. Endlich ein Unverheirateter, der
in einem Dorf in der Nachbarschaft von Buhlerinnen wohnt u. nicht sündigt; kein
Treuer ist größer als dieser. || B^'rakh 16*^ Bar: Für (verstorbene) Sklaven u. Sklavinnen
hält man keine Klagefeier ab. R. Jose (um 150) sagte: Wenn es ein frommer ("^rs)
Sklave war, sagt man über ihn: Wehe, ob des guten u. getreuen psji zii: Mannes,
der sich seiner Arbeit erfreuen durfte.
25,21 23: Gehe ein zu deines Herrn Freude.
XaQCi = ririTüb, aram. xiin, Nriiin; diese bedeuten jedoch nicht nur
„Freude", sondern auch „Freudenfest", insonderheit „Hochzeit". Also
kann x«C« hier im Sinne von „Freudenmahl" gemeint sein; vgl. Dalman,
Worte Jesu 1, 96.
DtR 9 (205'^ zweimal): Unsre Lehrer haben gesagt: Es geschah einmal, daß
R. Schimgon b. Chalaphta (um 190) zu einem Beschneidungsfest ging u. dort speiste.
Der Vater des Kindes kredenzte ihnen sieben Jahre alten Wein u. sprach: Von diesem
Wein werde ich liegen lassen zur Hochzeit meines Sohnes ^33 hv ^rrt'avh. ... — Ij
LvR 28 (126''): R. Schimfon b. Rabbi (um 220) nahm ein Weib; Rabbi lud alle Rabbinen
Matth 25, 21 (S). 25, 24. 27. 31 (?l 1) 973
ein, nur den Bar Qappara nicht. Da schrieb dieser ihm an die Haustür: Nach deinem
Freudenmahl Tjr?- rb (Hochzeit) stirbst du, was für einen Gewinn hast du von deinem
Freudenmahl? |1 Git 68'': Aschm*^dai (Fürst der Dämonen) sah eine Hochzeit sm^-;-,
auf der man sehr fröhlich war; da weinte er. „Warum hast du geweint?" Er ant-
wortete: Der Mann muß in dreifaig Tagen sterben, u. dann wird sie dreizehn Jahre
lang auf einen minorennen Schwager (zwecks Eingehung der Leviratsehe) warten
müssen. || ExR 18 (80^^): Gleich einem König, der seinem Sohn ein Freudenmahl n-^v
(= Hochzeit) machte u. seine Feinde tötete. Der König sprach: Wer mich erfreut hat,
der komme zum Freudenmahl meines Sohnes, wer mich aber haßt, der soll mit den
Feinden getötet werden. So bereitete Gott Israel ein Freudenfest, als er sie (aus
Ägypten) erlöste. Gott sprach: Wer meine Kinder liebt, der komme u. freue sich mit
meinen Kindern! Da kamen die Frommen unter den Ägyptern u. hielten das Passah
mit den Israeliten u. zogen mit ihnen herauf, s. Ex 12, 38.
25,24: Erntend, wo du nicht gesät hast.
Das Gegenteil Micha 6, 15 : Du wirst säen u. nicht ernten.
25,27: Du hättest das Geld den Wechslern hingeben sollen,
u. ich kommend hätte das Meine mit Gewinn erhalten.
Man übergab dem Bankier irnbvr Geld zur Ausnützung in seinem
Geschäft u. erhielt dafür einen kleinen Gewinnanteil; vgl, bei Mt25, 14 fp.
TMSch 1, 1 (86): Man darf (zweiten Zehnt) nicht dem Wechsler übergeben, um
Nutzen davon zu erzielen ana nar:-'?. || BM48^: Weil (der W. von einem offenen De-
positum) Nutzen hat, so gewährt er Nutzen (Gewinnanteil) njn^s riDnr V-sir:.
25,29: Jedem, welcher hat, wird gegeben werden (s. bei 13, 12),
25,31—46: Das Weltgericht
(s. den Exk.: Gerichtsgemälde aus der altrabbin. Literatur).
25,31 %: Alle Engel mit ihm,
1. Die Engel begleiten Gott bei seinem Erscheinen zum Gericht.
Henoch 1, 3ff. : Der große Heilige wird von seinem Wohnort ausziehen u. der Gott der
Welt wird von da auf den Berg Sinai treten, mit seinen Heerscharen sichtbar werden
u. in der Stärke seiner Macht vom Himmel der Himmel her erscheinen. Da werden
alle Menschen sich fürchten, die Wächter (vgl. Dn 4, 10. 14. 20) werden erbeben, u.
große Furcht u. Angst wird sie bis an die Enden der Erde erfassen. Die hohen Berge
werden erschüttert werden, fallen u. zergehen, die ragenden Hügel sich senken u, in
der Flamme wie Wachs vor dem Feuer schmelzen. Die Erde wird gänzlich zerschellen
u. alles auf ihr Befindliche umkommen, u. ein Gericht wird über alle stattfinden. Mit
den Gerechten aber wird er Frieden schließen u. die Auserwählten behüten. Gnade
wird über ihnen walten, u. sie werden alle Gott angehören. Sie werden sein Wohlgefallen
haben u. gesegnet sein, u. das Licht Gottes wird ihnen scheinen. Und siehe, er kommt
mit Myriaden Heiliger (= Engel), um über alle Gericht zu halten, u. er wird alle Gott-
losen vernichten u. alles Fleisch zurechtweisen wegen all der gottlosen Werke, die
die gottlosen Sünder begangen, u. wegen all der heftigen Eeden, die sie gesprochen,
u. wegen all dessen, was sie über ihn Übles geredet haben.
Eine Begleitung des Messias durch die Engel (vgl. im NT. außer Mt 25, 31
noch 1 Thess 8, 13; 2 Thess 1,7) scheint die altjüdische Literatur nicht zu kennen. Die
Stelle 4 Esra 7, 28: „Mein Sohn, der Christus, wird sich offenbaren samt allen bei ihm",
die man (zB Gunkel z. St.) für diese Vorstellung in Anspruch genommen hat, besagt
etwas andres, nämlich daß die bei Leibesleben ins Jenseits entrückten Männer (wie
Henoch, Elias, Esra, Barukh) zugleich mit dem Messias auf der Erde wieder erscheinen
werden. Der Messias hält wohl Gericht über alle Engelmächte u. wird dabei von diesen
gepriesen (Henoch 61, 6 ff.), aber als Gefolge des Messias treten sie nirgends hervor.
974 Mattb 25,31 (512. SB 1)
2. Das Mitwirken der Engel beim Gericht wird in den Pseudepigraphen
oft erwähnt. Henoch 53, 3 ff.: Ich habe gesehen, wie die Plageengel sich dort aufhielten
u. allerlei Marterwerkzeuge dem Satan zurechtmachten. Da fragte ich den Engel des
Friedens, der mit mir ging: Für wen bereiten sie jene Marterwerkzeuge? Er sagte
zu mir: Jene sind für die Könige u. die Mächtigen der Erde, dafs sie damit vernichtet
werden. — Das. 54, 6: Mikhael, Gabriel, Raphael u. Phanuel werden sie (die gefallenen
Engel) an jenem großen Tage packen u. an jenem Tage in den brennenden Feuerofen
werfen, damit der Herr der Geister Rache nehme für ihre Ungerechtigkeit, dafür, daß
sie dem Satan Untertan wurden u. die Erdenbewohner verführten. . . . (55,3:) Dann
geschieht es auf meinen Befehl, wenn ich wünsche, daß sie durch die Hand der Engel
gepackt werden am Tage der Trübsal u. des Leidens, infolge dieses meines Zorns u.
Strafgerichts, so wird mein Zorn u. Strafgericht über ihnen bleiben, spricht Gott, der
Herr der Geister. — Das. 56, Iff. : Ich sah dort Scharen von Strafengeln einhergehn
u. Peitschen u. Ketten von Eisen u. Erz halten. Ich fragte den Engel des Friedens,
der mit mir ging, indem ich sagte: Zu wem gehen diese, die da Peitschen tragen?
Er sagte zu mir: Ein jeder geht zu seinen Auserwählten u. Geliebten, damit sie in
den tiefsten Abgrund des Tals geworfen werden. — Das. 62, 11: Die Strafengel worden
sie (die Könige u. Mächtigen u. Hohen) in Empfang nehmen, um an ihnen Rache da-
für zu nehmen, daß sie seine (Gottes) Kinder u. Auserwählten mißhandelt haben. —
Das. 63, 1: In jenen Tagen werden die Mächtigen u. die Könige, die das Festland be-
sitzen, seine Strafengel, denen sie überliefert sind, anflehen, daß man ihnen ein wenig
Ruhe gewähre. — Das. 100, 4 f.: In jenen Tagen werden die Engel in Verstecke herab-
steigen u. alle Helfer der Sünde an Einen Ort zusammenbringen; der Höchste wird
sich an jenem Tage des Gerichts aufmachen, um das große Gericht unter d«n Sündern
zu halten. Über alle Gerechten u. Heiligen wird er heilige Engel zu Wächtern ein-
setzen, daß sie sie wie einen Augapfel bewachen, bis er aller Schlechtigkeit u. aller
Sünde ein Ende gemacht hat. — Ferner s. Henoch 10, 16ff. ; Assumptio Mosis 10, 2. J
In der rabbin. Literatur treten die Engel beim Endgericht so gut wie gar nicht her-
vor; s. die wenigen Stellen bei Mtlo, 41.
25,31 33: Dann wirdersitzen auf dem Thronseiner Herrlichkeit.
1 . Der Thron der Herrlichkeit gehört zu den vorweltlichen Schöpfungen.
P«s 54* Bar: Sieben Dinge sind geschaffen worden, bevor die Welt erschaffen
ward: die Tora, die Buße, der Gan ?Eden, der Gehinnom, der Thron der Herrlichkeit
-■32- SS?, das (himmlische) Heiligtum u. der Name des Messias. ... — Der Thron
der Herrlichkeit s. Jer 17, 12: Du Thron der H., erhaben vor dem Anbeginn (der Welt,
so der Midr). — Dasselbe N'^d 89'', nur daß als Belegstelle für die Vorweltlichkeit
des Thrones der H. angeführt wird Ps93, 2: Gegründet ist dein Thron von jeher. —
Abweichend GnR 1 (2'^): Sechs Dinge gingen der Weltschöpfung vorauf; einige von
ihnen wurden (wirklich) erschaffen u. einige von ihnen stiegen in (Gottes) Gedanken
auf, um (dereinst) erschaffen zu werden. Die Tora u. der Thron der H. wurden (wirk-
lich) erschaffen; die Tora, s. Spr8, 22; der Thron der H., s. Ps 93, 2 (wie oben in
N'^d 89 b). Die Väter u. Israel u. das (untere) Heiligtum u. der Name des Messias stiegen
in Gedanken auf, um erschaffen zu werden. . . . Aber ich weiß nicht, was von ihnen
früher da war, ob die Tora dem Thron der H. oder ob der Thron der H. der Tora
voraufgegangen ist. R. Abba b. Kahana (um 310) hat gesagt: Die Tora ist dem Thron
der H. voraufgegangen ; s. Spr 8, 22 : Jahve hat mich geschaffen als den Anfang seines
Weges, d. h. vor dem, von dem es heißt Ps 93, 2: Gegründet ist dein Thron seit da-
mals (nämlich nach der Zeit, von der Spr 8, 22 redet). — Von den zahlreichen Parallel-
stellen schließen sich an das in GnR 1 Gesagte an: Tanch sri 197^; TanchB x-:;: § 19
(17b); Midr Ps 93 § 3 (207 1>); der Bar im bT folgen: Seder ElijR 29 (160); Midr Spr 8
§9 (30*); PirqeREl 3 u. Midr Ps 90 § 12 (196»). Die letzte Stelle bietet etliche be-
merkenswerte Einzelheiten : Sieben Dinge gingen 2000 Jahre der Welt vorauf : die
Mattli 25, 31 (S81.2) 975,
Tora, der Thron der H., der Gan fEden, der Gehinnom, die Buße, das obere Heiligtum
u. der Name des Messias. Worauf stand die Tora geschrieben? Mit schwarzem Feuei
auf weißem Feuer, u. sie lag auf Gottes Knie u. Gott saß auf dem Thron der H. u.
der Thron der H. stand durch die Gnade Gottes auf dem Firmament, das über den
Häuptern der heiligen Tiere (Chajjoth) ist (vgl. Ez 1, 22 — 26; 10, 1); aber die heiligen
Tiere waren in jener Stunde noch nicht. Und der Gan fEden befand sich zur Rechten
Gottes u. der Gehinnom zu seiner Linken u. das Heiligtum war vor ihm errichtet u.
der Name des Messias war eingraviert in einen Edelstein über dem Altar (des Heilig-
tums), eine Himmelsstimme aber verkündete: Kehret um, ihr Menschenkinder. AUes-
wurde getragen von der Kraft Gottes; u. als Gott seine Welt schuf, schuf er die heiligen
Tiere u. befestigte das Firmament (s.. oben) samt jenem allem über ihren Hörnern,,
s. Ez 1,22. R. Huna (um 350) hat gesagt, R. Schirafon b. Laqisch (um 250) habe ge-
sagt: 2000 Jahre sind diese Dinge mit der Tora der Weltschöpfung voraufgegangen;
denn es heißt Spr 8, 30: Ich (Weisheit = Tora) war bei ihm Werkmeisterin u. eitel
Entzücken Tag für Tag m^ n-. Ein Tag Gottes sind 1000 Jahre, s. Ps 90, 4 (also sind
cv er, zwei Tage = 2000 Jahre). — Diesen Spekulationen. liegt der Gedanke zugrunde,,
daß der Weltplan Gottes bis hin zum Weltgericht samt den Stätten der Belohnung u^
der Strafe im voraus von Gott unabänderlich festgesetzt worden ist.
2. Beschreibungen des göttlichen Thrones sind in der älteren jiid.
Literatur verhältnismäfsig selten, a Das hängt jedenfalls damit zu-
sammen, daß dieser Stoff zu den theosophischen Geheimlehren der
Wagenerscheinung Ez 1 u, 10, nins-i:? oder nas-i?? n=w^;?2 gehörte, deren
öffentliche Besprechung untersagt war.b
a. Henoch 14, Off. : Wolken u. Winde trugen mich (Henoch) hinein in den HimmeL-
Ich trat ein, bis ich mich einer Mauer näherte, die aus Kristallsteinen gebaut u. vo»
feurigen Zungen umgeben war; u. sie begann mir Furcht einzujagen. Ich trat in die
feurigen Zungen hinein u. näherte mich einem großen aus Kristallsteinen gebauten
Hause. . . . Seine Decke war wie die Bahn der Sterne u. Blitze, dazwischen feurige
Kerube, u. ihr Himmel bestand aus Wasser. Ein Feuermeer umgab seine Wände, u.
seine Türen brannten von Feuer. Ich trat ein in jenes. Haus, das heiß war wie Feuer
u' kalt wie Schnee. Da war keine Lebenslust vorhanden; Furcht umhüllte mich u.
Zittern erfaßte mich. Erschüttert u. zitternd fiel ich auf mein Angesicht u. schaute
folgendes im Gesichte: Siehe, da war ein andres Haus, größer als jenes; alle seine Türen
standen vor mir offen, u. es war aus feurigen Zungen gebaut. In jeder Hinsicht, durch
Herrlichkeit, Pracht u. Größe zeichnete es sich so aus, daß ich euch keine Beschrei-
bung von seiner Herrlichkeit u. Größe geben kann. Sein Boden war von Feuer; seinen
oberen Teil bildeten Blitze u. kreisende Sterne, u. seine Decke war loderndes Feuer.
Ich schaute hin u. gewahrte darin einen hohen Thron. Sein Aussehen war wie Reif;
um ihn herum war etwas, das der leuchtenden Sonne glich u. das Aussehen von Keruben
hatte. Unterhalb des Thrones kamen Ströme lodernden Feuers hervor, u. ich konnte
nicht hineinsehen. Die große Majestät saß darauf; sein Gewand war glänzender als
die Sonne u. weißer als lauter Schnee. Keiner der Engel konnte in dieses Haus ein-
treten u. sein Antlitz vor Herrlichkeit u. Majestät schauen. Kein Fleisch konnte ihn
sehen. Loderndes Feuer war rings um ihn; ein großes Feuer verbreitete sich vor ihm,,
u. keiner (der Engel) näherte sich ihm. Ringshei'um standen zehntausendmal Zehn-
tausende vor ihm, u. alles, was ihm beliebt, das tut er. Und die Heiligsten der Heiligen,,
die in seiner Nähe stehen, entfernten sich nicht bei Nacht oder bei Tage, noch gingen sie-
wenig von ihm. — Eine ähnliche Schilderung Henoch 71, 5 ff. u. slav. Henoch 20 — 22.
Chag IS'"* Bar: Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80) hat gesagt: Welche Antwort
erteilte die Himmelsstimme jenem Gottlosen (Nebukadne9ar), als er sprach (Jes 14, 13)r
„In die Himmel will ich aufsteigen, über den Sternen Gottes meinen Thron erhöhen"
usw.? Es ging eine Himmelsstimme aus, die ihm zurief: Frevler, Sohn eines Frevlers-
976 Matth 25, 31 (SB 2)
Enkel des gottlosen Ninirod, der die ganze Welt gegen ihn (Gott) in seinem Reiche
zur Empörung gebracht hat, wie viele sind der Jahre des Menschen? Siebzig Jahre,
s. Ps 90, 10. Und nicht wahr? von der Erde bis zum Firmament ist ein Weg von
500 Jahren u. die Dicke des Firmaments ist ein Weg von 500 J. u. ebensoviel beträgt
der Zwischenraum zwischen den einzelnen Firmamenteu (deren es sieben gibt). Über
ihnen sind die heiligen Chajjoth : die Fußsohlen der Ch. sind so hoch, wie jene (zuvor-
genannten) alle zusammen; -die Knöchel der Ch. sind so hoch, wie jene alle zus.; die
Unterschenkel der Ch. so hoch, wie jene alle zus.; die Kniee der Ch. so hoch, wie jene
alle zus.; die Lenden der Ch. so hoch, wie jene alle zus.; der Leib der Ch. ist so groß,
wie jene alle zus.; der Hals der Ch. ist so groß, wie jene alle zus.; die Köpfe der Ch.
so groß, wie jene alle zus.; die Hörner der Ch. so groß, wie jene alle zus. Über ihnen
ist der Thron der Herrlichkeit: Die Füße des Thrones der H. sind so hoch, wie jene
alle zus.; der Thron der H. (selbst) ist so hoch, wie jene alle zus.; der König, Gott,
der ewig Lebende u. Bleibende, hoch u. erhaben thront auf ihm - — u. du sagst: „Ich
will auf Wolkenhöhen steigen, will dem Allerhöchsten mich gleichstellen"!? Fürwahr
zur Hölle sollst du hinabfahrgn, in die finstersten Winkel der Grube Jes 14, 14 f.
Chag 12*^: Im (7. Himmel, genannt) fAraboth sind die Gerechtigkeit u. das Recht
«. das Erbarmen, die Schätze des Lebens u. die Schätze des Friedens u. die Schätze
des Segens, die Seelen der (verstorbenen) Gerechten u. die Geister u. Seelen, die der-
einst geschaffen (d. h. inkorporiert) werden sollen,* u. der Tau, durch welchen Gott der-
einst die Toten auferwecken wird. . . . Dort sind die Ophannim (Radengel) u. Seraphim,
die heiligen Tiere (Chajjoth) u. die Engel des Dienstes u. der Thron der Herrlichkeit.
Der König aber, der lebendige Gott, hoch u. erhaben, thront über ihnen im ?Araboth,
s.: „Machet Bahn dem, der im fAraboth einherfährt, Jahve ist sein Name!" Ps 68, 5.
Und Finsternis u. Gewölk u. Wolkennacht umringen ihn, s.: „Er machte Finsternis
zu seiner Hülle" usw. Ps 18, 12. Aber gibt es denn Finsternis vor Gott n'-cv •■■op (wört-
lich: vor dem Himmel)? Es heißt doch: „Er offenbart Tiefes u. Verborgenes . . . u.
Licht hat bei ihm seine Wohnstätte" Dn 2, 22! Darin liegt kein Widerspruch: das eine
{Dn 2) gilt von den Innern Gemächern (in denen Gott selbst weilt) u. das andre (Ps 18)
von den äußeren Gemäcliei'n (die die inneren, wohl konzentrisch, umgeben). — Das den
Thronsitz Gottes umgebende Wolkendunkel dürfte identisch sein mit dem öfters er-
wähnten -!■;-;£, dem Vorhang, der Gott von seiner Umgebung trennt; vgl. Targ Hi 26, 9:
Er hält fest (um sich gezogen) das Dunkel, das seinen Thron n'C'^s umgibt; damit
ihn die Engel nicht sehen, breitet er über ihn wie einen Vorhang s--;-i| die Wolke
seiner Herrlichkeit. || Targ Jerusch I Ex 24, 10: Es erhoben Nadab u. Abihu ihre Augen
u. sahen die Herrlichkeit des Gottes Israels, u. unter dem Schemel seiner Füße, der
sich ausdehnte unter seinem Thron, war es wie ein Werk von Saphirsteinen zur Er-
innerung an die Knechtschaft, in der die Ägypter die Kinder Israel knechteten mit
Lehm u. Ziegeln, u. in der die Frauen den Lehm treten (stampfen) mußten in Gemein-
schaft mit ihren Männern.* Es war aber dort eine zarte junge Frau, die schwanger
ging, u. sie abortierte ihre Leibesfrucht, u. diese wurde zusammengestampft mit dem
Lehm. Da kam der Engel Gabriel herab u. maclite daraus einen Ziegelstein u. trug
ihn hinauf in den höchsten Himmel u. brachte ihn als Unterlage unter dem Fußschemel
des Herrn der Welt an. Es war aber sein Glanz wie ein Werk von Edelstein u. wie
die Gewalt der Schönheit des Himmels, wenn dieser klar von Wolken ist. — Ähnlich
wie hier ein Ziegelstein an Gottes Thron als Erinnerungszeichen dient, ist nach GnR 82
(52'^) daran Jakobs Bild abgebildet gewesen: Gott erschien dem Jakob abermals bei
seiner Rückkunft aus Paddan Aram u. segnete ihn (Gn 35, 9). R. Jipchaq (um 300)
eröffnete seinen Vortrag mit Ex 20,24: Einen Altar von Erde magst du mir machen
usw. Siehe, da ist der Schluß vom Leichteren auf das Schwerere berechtigt: wenn ich
* Die Worte ruhen auf der Annahme der Präexistenz der Seelen.
^ Das ist als Anklage gegen die Ägypter gemeint: die Frauen mußten Männer-
arbeit verrichten.
Matth 25, 31 (5B 2) 977
mich dem, der meinem Namen einen Altar erbaut, offenbare, um ihn zu segnen —
um wieviel mehr gilt das dann dem Jakob gegenüber, dessen Bild an meinem Thron
angebracht ist! R. Levi (um 300) eröffnete seinen Vortrag mit Lv9, 4: (Nehmt) ein
Rind u. einen Vfidder zu einem Friedmahlsopfer usw. Siehe, da ist der Schluß vom
Leichteren auf das Schwerere berechtigt: wenn ich mich dem, der meinem Namen
einen Widder opfert, offenbare, um ihn zu segnen, um wieviel mehr gilt das dann dem
Jakob gegenüber, dessen Bild an meinem Throne angebracht ist! — Jakobs Bild an
Gottes Thron wird noch erwähnt GnR 78 (50-'); 68 (44 ^j; Midr KL 2,1 (61*^); Tanch
i2-:533 191-''; TanchB ^z-.KZi §22(10''), endlich in einer Bar Chul 91 '^; zu dieser Stelle
bemerkt Raschi: „Das Menschenantlitz an den vier Chajjoth (den Trägern des göttl'.
Thrones) war nach dem Bilde Jakobs." — Man wird in dieser Legende von Jakobs
Bild den plastischen Ausdruck für die Idee von der vorweltlichen Existenz Israels zu
sehen haben, vgl. GnR 1 (2 b) S. 974. || Targ Jerusch I Ex 31, 18: Gott gab dem Mose,
als er aufgehört hatte mit ihm zu reden auf dem Berge Sinai, die beiden Tafeln des
Zeugnisses, Tafeln aus Saphirstein vom Thron der Herrlichkeit s'^;^-^ -tpiis';. 1| Targ
Jerusch I Gn 27, 1 : Isaaks Augen waren dunkel geworden, weil er, als sein Vater ihn
band, auf den Thron der Herrlickheit geblickt hatte. |! Schab 152'^: R. Elifezer (um 90)
sagte: Die Seelen der (verstorbenen) Gerechten werden unter dem Thron der Herrlich-
keit aufbewahrt, s. 1 Sm 25, 29. — Wenige Zeilen weiter stellt ein Häretiker dies dem
R. Abbahu (um 300) gegenüber als allgemeine Ansicht der Juden hin; vgl. auch oben
S. 976 Chagl2'\ II Sota 17«: R. Meir (um 150) hat gesagt: Das Pnrpurblau gleicht
dem Meer u. das Meer gleicht dem Firmament u. das Firmament gleicht dem Thron
der H., s. Ex 24, 10 u. Ez 1, 26. ii GnR 78 (49*^): Der Kaiser Hadrian, mögen seine Ge-
beine zermalmt werden! fragte den R. J^hoschuaf b. Chananja (um 90): Ihr sagt: Keine
obere Abteilung (der Engel) singt ihr Loblied zweimal, sondern täglich erschafft Gott
eine Abteilung neuer Engel,' u. wenn sie ihr Lied vor ihm gesungen hat, so gehen sie
dahin. Er antwortete: Ja i^n! Jener sprach: Wohin gehen sie? Er antwortete: Dahin,
woraus sie geschaffen wurden. Jener: Woraus werden sie denn geschaffen? Er ant-
wortete: Aus dem Feuerstrom ^in ■in: Dn 7, 10. Jener sprach: Welche Bewandtnis
hat es mit dem Feuerstrom? Er antwortete: Damit verhält es sich, wie mit diesem
Jordan, der nicht zu fließen aufhört bei Tage oder in der Nacht. Jener sprach: Woher
kommt der Feuerstrom? Er antwortete: Von dem Schweiß der Chajjoth, den diese ver-
gießen, weil sie den Thron Gottes tragen. Vgl. Chag IS^ u. 14*.
b. Chag 2, 1 : Über die Blutschandeverbote trägt man nicht vor drei Personen
öffentlich vor, über die Schöpfungsgeschichte ^ nicht vor zwei Personen, über die Mer-
kaba (die Wagenerscheinung Ez 1 u. 10) auch nicht vor einem einzelnen, es müßte denn
sein, daß dieser ein Gelehrter ist u. ein selbständiges Urteil hat (das ihn befähigt, das
Gelehrte nach seinen Folgen durchzudenken u. zu einem Ganzen zu verbinden). Wer
über vier Dinge Betrachtungen anstellt, dem wäre es besser, wenn er nicht in die
Welt gekommen wäre, nämlich über das, was oben (im Himmel) u. was unten (unter
der Erde) ist, was vorher (vor der Weltschöpfung) war, u. was nachher (nach dem Ende
der Welt) sein wird. — Dasselbe in breiterer Fassung TChag2, 1.7. — Für den Ge-
meindegottesdienst wird M^g4, 10 Ende bestimmt: Man läßt die Geschichte von der
Wagenerscheinung nicht als Haftare (Schlußlektion) verlesen. R. J'^huda (um 150) er-
laubte es. — TM^g 4, 34 (228) folgt der Meinung des R. J®huda: Die Wagenerscheinung
darf man öffentlich vorlesen. (Aber wohlgemerkt, nur vorgelesen wird sie, jedoch nicht
ins Aramäische übertragen.) |i Chag 13=^: R. Chijja (um 200) hat gelehrt: Man tradiert
ihm (dem einzelnen, der ein Gelehrter ist usw.) die Hauptlehren eines Abschnitts
(wörtlich: die Anfänge tsi, hier wohl im Sinne von „Hauptsachen"). R. Z^'fira (um
300) hat gesagt: Man überliefert die Hauptlehren eines Abschnitts nur einem Gerichts-
oberhaupt "i""' ^^'3 2t< U- demjenigen, dessen Herz besorgt ■i3':f;3 sxin 12?^^ (nicht leicht-
1 r-irs-o nby;2, Schöpfungsgeschichte, umfaßt (neben dem nas^a n:yytti) das zweite
Gebiet der Geheimlehren, die Kosmogonie.
strack u.Billerbeck, KT I. 62
978 Matth 25, 31 (58 2. 3)
fertig) ist. R. Amnii (um 300) hat gesagt: Man überliefert die Geheimnisse der Tora
nur einem, der fünf Eigenschaften hat: der ein Hauptmann über fünfzig ist, ein Hoch-
angesehener, ein Ratsherr, ein Kenner von Zaubersprüchen u. ein Zauberkundiger; vgl.
Jes 3, 3. — Chag 14^: , Hauptmann über fünfzig" ü-icirt ^» = T^-^j^irr -^v, einer der in
den fünf Büchern der Tora heimisch ist, oder einer, der ein Alter von 50 Jahren hat.
Der „Hochangesehene" ist derjenige, um dessentwillen Gott oder die weltl. Obrigkeit
Rücksicht auf seine Zeitgenossen nimmt. Der „Ratsherr" ist derjenige, der sich auf
die Schaltjahre u. die Schaltmonate versteht. Der o^ionn nsr; ist ein Gelehrter, vor
dessen Darlegungen alle verstummen ■j-'B^rt:. Der mnh pa: ist ein solcher, der würdig
ist, daß man ihm diejenigen Lehren der Tora überliefert, die im Flüsterton (d. h. als
Geheimlehrenj überliefert zu werden pflegen. || Als besondere Kenner der Merkaba
werden genannt Rabban Jochanan b. Zakkai (um 80), R. El?azar b. f Arakh (um 90),
R. J^hoschuaf b. Chananja (um 90), R. f Aqiba (f um 135), Chananja b. Chakhinai (um
120) s. TChag 2, 1.2; bChag 14 b, hier auch noch R. Jose der Priester (um 100). Ferner
R. Jochanan (f 279), R. Asi (um 300) u. Rab Joseph (f 333) s. Chag 13^. Auch Rah
(t 247) u. Raba (f 352) gehören hierher, s. Bacher, Babyl. Amor. 16ff. u. 130.
3. Ein Sitzen des Messias auf dem Thron der göttl. Herrlichkeit
kennen nur die der vorchristl. Zeit angehörenden Bilderreden des
Buches Henoch.a Analoge Aussagen der Rabbinen in bezug auf Salomo
u. die Gerechten besagen etwas andres ;b als aber R. ? Aqiba (f um 135)
einmal im eigentlichen Sinn von einem Sitzen Davids auf dem göttl.
Thron sprach, erklärte man das als eine Profanierung der Gottheit,
s. Chag 14 a bei Joh 1, 1 sv aQyrfj rjv u loyoc B, b, y.
a. Hen 45, 3: An jenem Tage wird mein Auserwählter (= Messias) auf dem Thron
der H. sitzen u. unter ihren (der Menschen) Taten eine Auslese treffen u. ihre Woh-
nungen werden zahllos sein. 1| Das. 51, 3: Der Auserwählte (= Messias) wird in jenen
Tagen auf meinem (Gottes) Throne sitzen u. alle Geheimnisse der Weisheit werden
aus den Gedanken seines Mundes hervorkommen. || Das. 55, 4: Ihr Könige u. Mächtigen,
die ihr auf dem Festlande wohnen werdet, ihr sollt meinen Auserwählten sehen, wenn
er auf dem Throne meiner H. sitzen u. den Asasel, seine ganze Genossenschaft u. alle
seine Scharen im Namen des Herrn der Geister richten wird. || Das. 61, 8: Der Herr
der Geister setzte den Auserwählten auf den Thron seiner H., u. er wird alle Werke
der Heiligen (= Engel) oben in den Himmeln richten u. mit der Wage ihre Taten
wägen. II Das. 62, 2: Der Herr der Geister setzte ihn (den Auserwählten = Messias)
auf den Thron seiner H. Der Geist der Gerechtigkeit war über ihn ausgegossen; die
Rede seines Mundes tötete alle Sünder, u. alle Ungerechten wurden vor seinem An-
gesicht vernichtet. — Gleiches 62,3.5; 69,27.29.
b. Midr Ps 21 § 2 (89*): Jahve, in deiner Kraft freut sich der König Ps 21, 2. Das
meint die Schrift Ps 24, 10: Wer ist der König der Ehre? R. Simon (um 280) hat ge-
sagt: Wer ist der König der Ehre? Das ist der König, der von seiner Ehre (Herrlich-
keit) mitteilt denen, die ihn fürchten, Jahve Q'^baoth, er ist der König der Ehre Ps 24, 10.
Unsre Lehrer haben gelehrt (Sanh 2, 5): „Man darf nicht reiten auf eines menschlichen
Königs Roß, nicht sitzen auf seinem Thron, nicht seines Zepters (Stabes) sich be-
dienen." Aber Mose hat sich des Zepters Gottes bedient, s. Ex 4, 20: „Mose nahm den
Stab Gottes in seine Hand." Elias ritt auf seinem (Gottes) Roß. Wer ist das Roß
Gottes? Sturm u. Windsbraut, s. Nah 1, 3. Und von Elias heißt es 2 Kg 2, 1: „Jahve
entrückte den Elias im Sturmwind gen Himmel." Eines menschlichen Königs Krone
darf man nicht aufsetzen, u. Gott gibt seine Krone dem König, dem Messias, s. Ps 21, 4:
Du setzest auf sein Haupt eine Krone von Gold. (Die Parallelstellen Tanch s-'ni 69''
u. ExR schieben hier zum Beweis, daß die Krone Gottes gemeint ist, die Belegstelle
HL 5, 11 ein). Man darf den Purpur eines menschl. Königs nicht anlegen, u. Gott gibt
ihn dem König, dem Messias, s. P8 21,6: Majestät u. Herrlichkeit legst du ihm an.
Matth25,31 (SB 3). 25,32 979
Man darf nicht sitzen auf dem Thron eines menschl. Königs, u. von Salomo steht ge-
schrieben 1 Chr29, 23: Salomo setzte sich auf den Thron Jahves . . . Parallelstellen:
Tanchs-^si 69^; TanchB s^s-, § 7 (11 '^); ExR8(73«). In Tanch sr: 2021^ wird R. Chanina
(um 225), in NuR 14 (173«^) u. TanchB sc: § 34 (22'^) R. Abin (um 370) als Autor an-
gegeben; einzelne Sätze auch in NuR 14 (173^); 15 (179b); MidrPs24 § 11 (105«). —
Wie man das Sitzen Salomos auf Gottes Thron verstanden hat, zeigt Midr HL 1, 1 (80 b):
Es heißt lChr29, 23: S. setzte sich auf den Thron Jahves. R. Ji^chaq (um 300) hat.
gesagt: Ist es denn möglich, daß sich ein Mensch auf den Thron Jahves setzt, von
dem geschrieben steht Dt 4, 24: ,Jahve dein Gott ist ein verzehrendes Feuer"? Ferner
s. Dn7, 9f. : „Sein Thron waren Feuerflanimen. . .. Ein Feuerstrom flutete vor ihm
hin u. her." Und du sagst: S. setzte sich auf den Thron Jahves? Vielmehr ist es so
gemeint: Wie der Thron Gottes herrscht von einem Ende der Welt bis zum andren,
so herrschte auch der Thron Salomos von einem Ende der Welt bis zum andren. Wie
der Thron Jahves richtet ohne Zeugen u. ohne Verwarnung, so richtete auch der Thron
S.s ohne Zeugen u. Verwarnung. (Beweis: 1 Kg 3, 16 ff.) — Thron also Metapher für
Herrscher- u. Richtergewalt. — Parallelstellen: Midr Ps 72 §2 (162b); ExR 15 (78^'). ||
NuR 11 (162^): Es heißt Spr3, 35: „Ehre werden die Weisen zum Besitz erhalten."
Damit sind die Israeliten gemeint, die „Weise" genannt werden, wenn sie die Tora
u. die Gebote halten; s. Dt 4, 6: ,So haltet u. übet es; denn dies ist eure Weisheit u.
euer Verstand vor den Augen der Völker." Und wenn die Israeliten die Tora in ihrer
Mitte halten, wird Gott ihnen den Thron der Herrlichkeit zum Besitz geben, s. 1 Sm 2, 8:
„Den Thron der H. läßt er sie als Besitz erlangen" (so der Midr). Denn dereinst wird
Gott den Israeliten die Herrschaft wiedergeben, s. Dn7, 27: Herrschaft u. Macht u.
Stärke der Reiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen gegeben
werden. — Auch hier ist Thron bildlicher Ausdruck für Herrschaft. Nach diesen beiden
Stellen hat man auch Targ Ps 45, 7 zu verstehen nach der Lesart der Münchener Hand-
schrift: arrvo S2^"3 rjs fn:"';?! i-jr: ",*-'^r r-s^ts yohy '■ahyh s-'sra srt^s -f—o-ir: Dein
Gottesthron im Himmel (d. h. dein Tliron von Gott im Himmel) währt in alle Ewig-
keit, eine gerechte Herrschaft ist das Zepter deines Regiments, du, o König, Messias! —
„Thron" auch hier Umschreibung für „Herrschaft". Der gewöhnliche Targumtext läßt
den ganzen Vers sich auf Gott beziehen.
25,32: Alle Völker werden versammelt werden.
Die alte Synagoge hat einerseits gewisse Generationen, die ihre
volle Strafe bereits empfangen haben, vom jüngsten Gericht aus-
genommen ;a andrerseits hat sie dieses aber auch wieder ausgedehnt
selbst auf die Tiere u, die unfruchtbaren Bäume. b
a. SanhlO, 3: Das Geschlecht der Flut hat keinen Anteil an der zukünftigen
Welt u. sie stehen nicht im (End-)Gericht; s. Gn6, 3: Nicht wird richten mein Geist
über den Menschen ewiglich (d. h. in der Ewigkeit beim jüngsten Gericht, s. bei
Mt24, 38 S. 964). — Die Leute von Sodom haben keinen Anteil an der zuk. Welt; aber
sie stehen im Gericht. R. N^chemja (um 150) sagte: Weder jene noch diese stehen
im Gericht; denn es heißt Ps 1, 5: „Darum werden die Gottlosen nicht stehen im Ge-
richt, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten." „Die Gottlosen", das ist das
Geschlecht der Flut; „die Sünder", das sind die Leute von Sodom. Da sagte man zu
ihm: In der Gemeinde der Gerechten werden sie nicht stehn, aber sie werden in der
Gemeinde der Gottlosen stehn. — Das Geschlecht der Wüste hat keinen Anteil an
der zuk. Welt, u. sie stehen nicht im Gericht; denn es heißt Nu 14,35: In dieser
Wüste sollen sie aufgerieben werden (in dieser Welt), u. da sollen sie sterben (für die
zuk. Welt). So R. f Aqiba (f um 135). R. Elifezer (um 90) sagte: Vielmehr heißt es von
ihnen Ps 50, 5: Versammelt mir meine Frommen, die den Bund mit mir (in der Wüste
Sinai) beim Opfer schlössen. — Die Rotte Qorach wird nicht wieder heraufkommen;
denn es heißt Nu 16, 33: Da bedeckte sie die Erde (in dieser Welt), u. sie verschwanden
62*
980 Matth 25, 32. 33
mitten aus der Versammlung (für die zuk. Welt). So R. f Aqiba. R. Elifezer sagte: Über
sie heißt es lSm2, 6: Jalive tötet u. macht lebendig, läfst in die Sch'^ol hinabfahren
u. führt herauf. i| TSanh 13, 2 (484): Die (unmündigen) Kinder der Gottlosen unter den
Nichtisraeliten werden weder auferweckt noch gerichtet. Parallelstellen: TSanh 13,
6— 12; pSanhlO,29b, 48— 29^24;Sauhl08^— 11015; AbothRNSeipSch^^bicith 4,35^29.
Aus vorchristlicher Zeit s. Hen. 22, 13: (Die 4. Abteilung in der Sch'^'ol) ist so geschaffen
für die Geister der Menschen, die nicht gerecht, sondern Sünder, ganz u. gar gottlos
u. Genossen der Bösen waren; ihre Geister werden am Tage des Gerichts nicht be-
straft werden, aber sie werden auch nicht von hier mit auferweckt werden. — Siehe
Exk.: .Sch^ol" usw. I, 2, e.
b. GnR26(17''): R. Elfazar (um 270) hat gesagt: Es gibt niemand, der sich an
einem Menschen verschuldet, es sei denn ein Mensch, gleich wie jener. R. Nathan
(gegen 350?) sagte: Auch ein Wolf u. Hund.^ R. Huna b. Gorjon (wann?) sagte: Auch
ein Stock u. ein Riemen, s. Jes9,3: Das Joch seiner Bürde u. den Stecken seines
Nackens, die Rute seines Treibers hast du zerbrochen wie am Tage Midians y~^,
d.h. wie am Tage des Gerichts ^^nn di-3. R. Acha (um 320) hat gesagt: Auch die
unfruchtbaren Bäume werden dereinst Rede u. Rechenschaft geben müssen. Die Rabbinen
sagten es auf Grund dieser Schriftstelle: Wie der Mensch, so der Baum des Feldes
(so deutet der Midr Dt 20, 19). Wie der Mensch Rede u. Rechenschaft geben wird (im
göttlichen Gericht), so werden auch die Bäume Rede u. Rechenschaft geben. — Parallel-
stelle mit zum Teil andren Autorenamen Midr Qoh 8, 9 (40*).
25,33: Zu seiner Rechten ... zu seiner Linken.
Die rechte Seite galt als die vorzüglichere a u. deshalb als die be-
vorzugte, b Etwas „rechts" oder „links" tun bedeutete geradezu etwas
gründlich, bezw. oberflächlich treiben ;c daher auch rechte Seite ==
Glücksseite, linke = Unglücksseite, d
a. Hör 12" Bar: Es heißt Lv 6, 15: „Der gesalbte Priester" n^rttn psn. Der „Ge-
salbte", vielleicht ist der König damit gemeint; die Schrift sagt lehrend: „der Priester" ;
vielleicht ist der damit gemeint, der durch die größere Zahl der (acht) Kleider zum
Hohenpreister geweiht ist? Die Schrift sagt lehrend: der „gesalbte" (Priester); wenn
der gesalbte (Priester), so ist damit vielleicht der zum Krieg gesalbte Priester gemeint;
die Schrift sagt lehrend: „der gesalbte Priester", der keinen (andren) Gesalbten über
sich hat. (Der bestimmte Artikel bezeichnet den Gesalbten x«r' i^oxi'jy, d.h. den
Hohenpriester.) Was lehrt das? Das was Raba(t 352) gesagt hat: „Die Hüfte (Gn 32,33),
das ist die vorzüglichste (wörtlich: die rechts liegende) unter den Hüften; ebenso hier:
„der" Gesalbte, das ist der vorzüglichste (i's^^^sn. der rechte) unter den Gesalbten. —
Die Bar mit andren Schlußworten in SLv 6, 15 (142*). — Der Kanon Rabas auch
Qid21b; Chul91='; 134b.
b. Midr Ps 1 8 § 29 (79 ^) : R. Judan (um 350) hat im Namen des R. Chama (b. Chanina,
um 260) gesagt: Dereinst wird Gott den König, den Messias, zu seiner Rechten sitzen
lassen, s. Ps 110, 1: „Spruch Jahves an meinen Herrn: Setze dich zu m.einer Rechten",
u. Abraham zu seiner Linken. Da wird Abrahams Angesicht erbleichen (vor Ärger)
u. er wird zu ihm sagen: Mein Enkel sitzt zur Rechten u. ich zur Linken?! Aber
Gott wird ihn besänftigen u. zu ihm sagen: Dein Enkel an meiner Rechten u. ich an
deiner Rechten, s. PsllO, 5: Der Herr zu deiner Rechten. || GnR4I (25b): Abraham
sprach zu Lot: . . . Wenn nach der linken Seite, so will ich nach rechts gehn; u. wenn
nach der rechten Seite, n>-K»3-:;s'i. R. Chanina b. Ji^chaq (um 32ö) hat gesagt: Es steht
hier nicht geschrieben: nVs'siosi „so will ich nach links gehn", sondern ni-S'Ji-si, d.h.
in jedem Fall bringe ich ihn auf die linke Seite.
^ Zu ergänzen ist: machen sich schuldig u. müssen darüber Rechenschaft ablegen,
wenn sie einen Menschen ohne göttliches Geheiß beschädigt haben.
Matth 25, 33. 34 (5t. 5B) 981
C. Schab 63'^: Rabba b. Schela (um 340), nach andren Rab Joseph b. Ghama (um 290)
hat gesagt, Rab Schescheth (um 260) habe gesagt: Was heißt Spr 3, 16: Dauer der
Tage ist in ihrer (der Tora) Rechten u. in ihrer Linken Ehre u. Reichtum? Ist etwa
in ihrer Rechten Dauer der Tage, aber nicht Ehre u. Reichtum? Vielmehr ist es so
gemeint: Wer sich gründlich mit ihr beschäftigt d"'3^>3^-»3';, dem wird Dauer der Tage
zuteil u. recht erst Reichtum u. Ehre; wer sich aber oberflächlich mit ihr beschäftigt
ü^h's^v'ah, dem wird Reichtum u. Ehre zuteil, aber nicht Dauer der Tage. || Schab 88 b;
Raba (f 352) hat gesagt:. Wer sich mit der Tora gründlich beschäftigt '^z^'o^^nh , dem ist
sie ein Heilmittel zum Leben; wer sich aber oberflächlich mit ihr beschäftigt '^h^ayivoh ,
dem ist sie eine Arznei zum Tode. '
d. Midr HL 1 , 9 (90") : Ich sah Jahve auf seinem Thron sitzen u. das ganze Himmels-
heer stand um ihn zu seiner Rechten u. zu seiner Linken 1 Kg 22, 19. R. Simon
(um 280) hat gesagt: , Thron", welcher scheidet zwischen Tod u. Leben; „u. alles
Himmelsheer" usw.; gibt es denn eine linke Seite oben? ist nicht alles rechte Seite,
wie es heißt Ex 15, 6: Deine Rechte, Jahve, der du dich verherrlicht hast durch Kraft,
deine Rechte, Jahve, zerschmettert den Feind? Was will die Schrift lehrend sagen
mit den Worten: ,zu seiner Rechten u. zu seiner Linken"? Es besagt: Die einen (von
den Engeln) gaben ihr Urteil nach rechts u. die andren nach links ab D^r>3^^i3 ibs
ü^h-^if^v^ lisi; die einen drückten die Schale des Verdienstes nieder (sprachen frei) u.
die andren die Schale der Schuld (verurteilten). Ähnlich R. J'^huda b. Simon (um 320)
pSanh 10, 18", 48. |1 Midr Ps 90 § 12 (196''): Der Gan fEden war zu Gottes Rechten u.
der Gehinnom zu seiner Linken. (Die ganze Stelle s. bei Mt 25, 31 S. 974 f.) |1 NuR 22
(193b): ,Das Herz des Weisen ist nach seiner Rechten u. das Herz des Toren nach
seiner Linken gerichtet" Qoh 10, 2. „Nach seiner Rechten", das ist der gute Trieb,
der sich auf seiner rechten Seite befindet; „nach seiner Linken", das ist der böse
Trieb, der sich auf seiner linken Seite befindet. Eine andre Erklärung: „Nach seiner
Rechten", das geht auf die Gerechten, die ihr Herz auf die Tora richten, die zur
Rechten (Gottes) war, s. Dt 33, 2: „Zu seiner Rechten das Feuer des Gesetzes" ; „u. das
Herz des Toren nach seiner Linken", das geht auf die Gottlosen, die ihr Herz auf
den Reichtum richten, s. Spr 3, 16: „lia ihrer Linken Reichtum u. Ehre" (so!).
25,34 51: Ererbet (nehmt in Besitz),
xlriQovonslv = „in Besitz nehmen", „erben" im Rabbin. üj-i-^ (r"!*^), bnj
u. lön; s, bei Mt 19, 29 5ß. Hier seien noch erwähnt:
Joma72b: Raba (f 352) hat zu den Rabbinen gesagt: Ich bitte euch, nehmt nicht
zweimal den Gehinnom in Besitz -(iriT v-h (nämlich einmal, indem ihr euch durch
unfruchtbares, totes Studium eine Hölle auf Erden bereitet, u. sodann in Wirklichkeit
nach dem Tode). || B^rakli51": R.Jose b. Chanina (um 270) hat gesagt: (Wer über den
vollen Becher den Lobspruch spricht,) der ist würdig, daß er zwei Welten in Besitz
nimmt ''-.-^i, diese Welt u. die zuk. Welt. I Targ HL 1,3: Die Gerechten wandeln gern
nach dem Wege deiner Güte, um diese u. die zuk. Welt in Besitz zu nehmen •ji^on^i V^i3.
25,34 23: Das Reich, das euch bereitet (bestimmt) ist.
Die dem £ioif.i(x^sir entsprechenden Verba -pD, )pr, ■,-3T u. np" drücken
sämtlich nicht notwendig ein wirkliches Fertig- u. Bereitstellen aus,
sondern können ebensogut ein gedankenmäßiges, beabsichtigtes Her-
stellen bezeichnen, gleichbedeutend mit „bestimmen" . Über die wirkliche
Bedeutung kann mir der Zus. hang entscheiden. — Auch wS-a kann im
Sinn des beabsichtigten oder beschlossenen Schaffens gebraucht werden.
ipr, von tatsächlicher Zubereitung E?tR 30 (89^'): R. Abbahu (um 300) hat
im Namen des R.Jose b. Chanina (um 270) gesagt: Gott sprach zu Israel: Ehe ich
diese Welt schuf, habe ich die Tora fertiggestellt Tjprr, s. Spr 8, 30: Ich war bei
982 Matth 25, 34 (SB)
ihm Weikmeisterin. — Die vorweltliclie reale Präexistenz der Tora ist allgemeine An-
nahme des alten Judentums gewesen; s. bei Mt 25, 31 SB Nr. 1 u. bei Job 1,1 — 4. |j TanchB
rr^r § 27(86^): Abraham sprach zu Gott: Kann ich denn von hier ohne Opfer fortgehn?
Gott antwortete: Siebe, dein Opfer ist bereitgestellt "'^"^ seit den sechs Schöpfungs-
tagen. — Der Widder Abrahams gehört zu den 10 Dingen, die in der Dämmerung des
sechsten Schöpfungstages erschaffen worden sind ; seitdem war er vorhanden, s. Aboth 5, 6 ;
F's 54a; Tanch s^-, 20^; NuR 17 (182 <^); PirqeREl 17 Anfang; 31. M^kh Ex 16, 32 (59b)
fehlt der Widder Abrahams. || TanchB sisi §20 (18^): Siehe, ich lasse um diese Zeit
morgen einen sehr schweren Hagel regnen, desgleichen nicht gewesen ist Ex 9, 18.
, Desgleichen nicht gewesen ist", aber in der Zukunft den Völkern sein wird; für Sanherib
ist er bereitet ""ir^:; so R. Simon (um 280). R. Chanina (wohl b. Papa, um 300) hat ge-
sagt: Für die Niederlage Gogs u. Magogs war er bereitet ""in«, s. Ez38, 22: Ich will
mit ihm rechten mit Seuche u. Blut u. will auf ihn regnen lassen schwemmenden Guß-
regen u. Hagelsteine. Vgl. Tanch xisi 73*; ExR 12 (75*). — Die Bedeutung des -pir^s
ergibt sich aus TanchB s^si § 22 (19*): Wo blieb der Hagel (von Ex 9, 18)? ünsre
Lehrer haben gesagt: Er wurde in dem freien Weltenraum aufgehängt bis zur Ankunft
Gogs u. Magogs, s. Ez 38, 22. Parallelstellen: Tanch s^s^ (78*); ExR 12 (75b); vgl.
B''rakh54b. || Tanch sr: 197b: (Gott sprach:) Wegen der Liebe zu euch verlasse ich
das obere Heiligtum, das bereitet ist "irKi, bevor die Welt erschaffen war, u. ich fahre
nieder u. will in eurer Mitte wohnen, s. Ex 29, 45; 25,8. — Das obere Heiligtum ge-
hört zu den vorweltlichen Dingen, s. bei Mt 25, 31 SB Nr. 1. || ExR 45 (101*): Gott zeigte
dem Mose alle Schätze des Lohnes, die für die Gerechten bereitet sind i'spir's. —
Dasselbe Tanch avr. >= 118b; TanchB s-i;n -: § 16 (58b); vgl. Midr Ps 25 § 9 (107*).
Ein bloßes Zuvorbestimmen ist gemeint Midr Esth 1, 1 (82*): (R. B'^rekhja,
um 340, hat gesagt:) Vom Anfang der Weltschöpfung au hat Gott jeden zu dem bereitet,
l'prn, was ihm ersehen war "^is^: Adam (hat er bereitet ^ bestimmt) zum Ersten der
Erschaffenen, Qain zum Ersten der Mörder, Abel zum Ersten der Ermordeten, Noah
zum Ersten der Geretteten, Abraham zum Ersten der Beschneidenden, Isaak zum
Ersten der Gebundenen (nämlich bei seiner Opferung), Jakob zum Ersten der Red-
lichen, Juda zum Ersten der Stämme, Joseph zum Ersten der Frommen, Ahron zum
Ersten der Priester, Mose zum Ersten der Propheten, Josua zum Ersten der Sieger,
fOthniel zum Ersten der Teilenden (vgl. Jos 15, 17; Ri 1, 13), Samuel zum Ersten der
Salbenden, Saul zum Ersten der Gesalbten, David zum Ersten der Saitenspieler, Salomo
zum Ersten der Bauenden, Nebukadne^ar zum Ersten der Zerstörer usw. — Dergleichen
Sätze auch Tanch nsst; 63 b ; ExR 2 (69 *). || ExR 40 (97 *) : Gott sprach : Seit der Schöpfung
habe ich ihn (Be^aliel) bereitet (= bestimmt iTsprn) die Wohnung zu verfertigen. —
Parallelstellen: Tanch srr "= 113b; ExR 40 (97*). Tanch j-^i::': 160b: Ehe Gott den
Menschen schuf, bereitete (= bestimmte T'prn) er ihm alle Züchtigungen; denn er wußte,
daß der Trieb des menschl. Herzens böse ist von seiner Jugend an. Deshalb bereitete er
l'prn ihm dies alles usw. || TanchB s^^i § 18 (48*): Jahve ließ über Sodom u. Gomorra
Schwefel u. Feuer regnen Gn 19, 24. Das meint Psll,6: Er lasse regnen über die
Gottlosen Schlingen; Feuer u. Schwefel u. Glutwind sei ihr Becherteil! Dieses Teil
war ihnen zugedacht rjpir« (wörtlich: bereitet), ehe die Welt erschaffen wurde. ||
Tanch ^p^; 227*: Seit Ewigkeit war Mose dazu bereitet (= bestimmt Tpir«), wegen des
Haderwassers bestraft zu werden. || Midr Esth 5, 3 (99*): Eine Himmelsstimme ant-
wortete dem Haman: Schön ist der Baumstamm (Galgen) für dich, für dich ist der
Baumstamm bereitet (— bestimmt "pirn) seit den sechs Schöpfungstagen. Vgl. auch
Assumptio Mosis 1, 14. || Zweifelhaft bleibt Aboth 3, 16: R. f Aqiba (f um 135) hat gesagt:
. . . rmyD5 ipir^s Van = alles ist für das Mahl vorgesehen oder zubereitet. || GnR 67 (42*'):
Ich (Isaak) aß von allem Gn 27, 33. R. J^huda (um 150) sagte: Von allem, was in den
sechs Schöpfungstagen geschaffen worden ist. R. N®chemja (um 150) sagte: Von allem
Guten, was für die Zukunft )p^m „bereitet" oder auch , vorgesehen" ist.
■"IT. Targ Ps 72, 17: Bevor die Sonne war, war sein (des Messias) Name bereitet
l'sT-a, — Über die Präexistenz des Messiasnamens s. bei Mtl,21 S. 64; 25,31 Nr. 1
Matth 25, 34 (33. 6). 25, 37. 41 (51. JB) 983
u. Job 1, 1 iv f(Qxn V*' o ^o'/of A, a u. B, a. \\ fAZ 17 a; Eine Himmelsstimme ging aus,
welche rief: R. Elfazar b. Durd''jai ist bestimmt i'oit^s für das Leben der zuk.Welt. ||
TargHi2, 11: In diesem Verdienst (daß Eliphaz, Bildad u. (^ophar sich aufmachten,
um Hiob zu besuchen) wurden sie bewahrt vor der Stätte, die im Gehinnom für sie
bereitgehalten war '^■^^n.
-r-j. Targ Ps 50, 10: Ich habe für die Gerechten im Gan fEden bereitgestellt r-ry
die reinen Tiere (Livjathan u. B^hemoth). — Da die genannten Tiere nach der son-
stigen jüdischen Tradition bereits gegenwärtig an einem verborgenen Ort existieren,
so ist ihre Bereitstellung in wörtl. Sinn zu verstehen; vgl., das nächste Zitat. H Targ
HL 8, 2: (Die Gemeinde Israel wird zum Messias sagen:) Wir wollen dich, König,
Messias, geleiten u. dich hinaufführen nach dem Heiligtum, u. du sollst mich lehren,
Gott zu fürchten u. auf seinen Wegen zu wandeln. Und da wollen wir das Mahl des
Livjathan halten u. alten Wein trinken, der seit dem Tage, da die Welt erschaffen
wurde, in seinen Trauben aufbewahrt wird, u. (essen) von den Granatäpfeln, von den
Früchten, die bereitgestellt sind i-rjTS-; für die Gerechten im Gan fEden. — Auch
hier nötigt der Zus.hang an ein reales Bereitstellen zu denken, j] Targ Jeruschl Dt 32, 35:
Nahe ist der Tag ihres Verderbens zu kommen, u. beschleunigt wird das Unheil, das
■ihnen bereitet (= bestimmt) ist -^"r.h s-ryttt.
j<"i3. Midr Ps 74, 2 (ältere Ausgabe): , Gedenke deiner Gemeinde, die du erworben
hast r-sp in der Vorzeit" Ps 74, 2. Das lehrt, daß er Israel erschaffen hat s^n, ehe
die Welt geschaffen war, s. Ps 90, 1 f. : Jahve, Obdach bist du uns gewesen von Ge-
schlecht zu Geschlecht, ehe die Berge hervorgeboren waren. — Die Bubersche Aus-
gabe hat statt N^3 das Textwort ■^ip beibehalten; beide Verba drücken die ideelle Prä-
existenz Israels im göttlichen Weltplan aus.
25,34 6: Seit der Grundlegung der Welt.
Ähnliche Zeitangaben in den bei 25, 34 SB gebrachten Zitaten. —
Über die vor der Welt erschaffenen Dinge s. bei Joh 1, 1 iv ccqxIi V^
6 Uyog A, au.B,a u. bei Mt 25, 31 ^ Nr. 1.
25, 35 f. (Zu den hier genannten Werken s. den Exk.: „Liebeswerke".)
25,37: Dann werden die Gerechten sagen: Wann sahen
wir dich hungrig u. nährten dich usw.?
BM 87'^: „Ich will einen Bissen Brot holen" Gn 18, 5, u. das. Vers 7:
„Abraham lief zu den Rindern u. nahm ein zartes Rind." R. El^azar
(um 270) hat gesagt: Hieraus lernt man, daß die Gerechten wenig
reden, aber viel tun (statt des angekündigten Bissens Brotes richtet
Abraham tatsächlich ein ganzes Rind her u. Brotkuchen). Die Gottlosen
dagegen reden viel u. tun selbst das wenige nicht (Beweis: Ephron Gn 23).
25, 415(: In das ewige Feuer (s. Exkurs: „Scheol" usw. II, 6 u. 8).
25,4123: Das bereitet ist dem Teufel u. seinen Engeln.
Ausdrücke wie „Engel Satans", „Engel" oder „Geister des Teufels"
begegnen in der altjüdischen Literatur selten, a Die Entstehung solcher
Ausdrücke erklärt sich am einfachsten aus den Erzählungen über den
Engelfall. Sammael (= Satan), ursprünglich einer der Engelfürsten im
^ Der Satz stammt aus einer Bar; R. El^azar b. D. muß also ein Tannait ge-
wesen sein.
984 Matth25,41 (©)
Himmel, begibt sich zur Verführung Adams rnit der ihm unterstellten
Engelabteilung auf die Erde; hier gelingt ihm sein Vorhaben durch den
Dienst der Schlange. Zur Strafe wird er dann samt seiner Engelschar
von Gott aus der Stätte seiner früheren Heiligkeit hinabgestürzt; s.
PirqeREl 13 u. 27 bei Mt 4, 1 S. 137 Anm. a u. S. 139 Anm. ^. — Daß es
nahelag, eine Engelschar, die bereits früher dem Sammael untergeordnet
war, jetzt nach ihrer u, ihres Führers Vertreibung aus dem Himmel
einfach als Satans (Sammaels) Engel zu bezeichnen, leuchtet von selbst
ein. b Von einem zweiten Engelfall berichtet Henoch 6 — 11. Zweihundert
Engel verlassen mit ihrem Obersten Semjasa (Asasel) den Himmel, um
sich fleischlich mit den Menschentöchtern zu vermischen (vgl. Gn 6, 1 ff.)
u. die Menschen zu unzähligen andren Sünden zu verleiten. Ihre end-
gültige Bestrafung wird bis zum Tage des großen Gerichts hinaus-
geschoben; dann wird an ihnen Rache genommen werden „dafür, daß
sie dem Satan Untertan wurden u. die Erdenbewohner verführten",
Henoch 54, 6. — Hier ist es die freiwillige Unterstellung der gefallenen
Engel unter die Herrschaft Satans, die ihren Namen „Engel des Satans"
erklärlich macht. Zugleich erkennt man, wie eng dieser Name mit
der Vorstellung von einem organisierten Reiche Satans zus. hängt:
indem die gefallenen Engel dem Satan Untertan werden, erkennen
sie diesen als ihr Oberhaupt an, dem sie zu dienen haben. c Vgl.
S. 136 ff.
a. Test Asser 6: Das Ende der Menschen erweist ihre Gerechtigkeit, indem sie
die Engel des Herrn u. des Satans kennen lernen yrcugit^ofTsg roi>g ayyslovg xvqIov
xal tov aaravü. || slav Hen 29, 4 f. s. bei h. \\ Test Dan 6: Fürchtet den Herrn, meine
Kinder, u. hütet euch vor dem Satan u. seinen Geistern 7iQoas%sTs savroTg änd xov
aaxavcl xcd nof nrsvfj.äxwf ccvtov. Vgl. auch Test Dan 3: Dieser Geist (des Zorns) geht
immer mit der Lüge zur Rechten des Satans (d. h. sie sind seine bevorzugten Engel). ||
ExR20 (82^') u. TSchabl7, 2f. (136) s. oben S. 139 Anm. h. — Dagegen gehört der
Aggad B^reschith 50 zweimal erwähnte p»n -ahis nicht hierher: der Ausdruck be-
deutet nicht „Engel Satans", sondern bezeichnet den „Engel Satan" selbst.
b. slav Hen 29, 4 f.: Einer aber von der Ordnung der Erzengel, sich abgewandt
habend mit der Ordnung, welche unter ihm, und empfangen habend einen unmög-
lichen Gedanken, daß er setze seinen Thron höher denn die Wolken über der Erde,
damit er gleich werde der Ordnung (dem Range) meiner (Gottes) Kraft; u. ich warf
ihn hinab von der Höhe mit seinen Engeln. Und er war fliegend in der Luft beständig
über dem Abgrund. .
C. Vgl. Jubil 10, 7 — 11 : Der Herr, unser Gott, befahl uns (den guten Engeln), daß
wir sie alle (die bösen Geister) binden sollten. Und der Fürst der Geister, Mastema
(= „Anfeindung" oder „Ankläger", ein Name Satans) kam u. sprach: 0 Herr, Schöpfer,
laß (einige) von ihnen übrig vor mir, daß sie auf meine Stimme hören u. alles tun,
was ich ihnen sage; denn wenn nicht für mich (einige) von ihnen übrigbleiben, kann
ich die Herrschaft meines Willens an den Menschenkindern nicht ausüben. Denn sie
sind zum Verderben u. zum Verführen vor meinem Gerichte; denn groß ist die Bosheit
der Menschenkinder. Und er sprach: Es soll vor ihm der zehnte Teil von ihnen übrig-
bleiben, u. neun Teile soll man hinabbringen an den Ort der Verdammnis. . . . Und
wir taten gemäß allen seinen Worten; alle Bösen, die ungerecht waren, banden wir
an dem Ort der Verdammnis, u. den zehnten Teil von ihnen ließen wir übrig, daß sie
vor dem Satan auf der Erde dienten.
Mattli 25, 46. 26, 2. 3 (51. 33). 26, 4. 5 985
25,46: In die ewige Strafe.
Die alte S3magoge nimmt verschiedene Länge der Höllenstrafe an
je nach der Schuld der Verdammten; s. Exk.: „Sch'^ol" usw. II, 6.
2(>, 2: Das Passah (die Passahfeier).
i-iGE, aram. ^ntps (daraus das griechische näßxa) bedeutet 1. das am
Abend des 14. Nisan zu essende „Passahlamm" (Passahopfer) a u. 2. das
ganze siebentägige „Passahfest" ;b in letzterer Bedeutung steht dann
ncE für r'^a^sn .in = toQTri xwv a^vficov. Joseph. Antiq. 18, 2, 2 : Toov d^vf.io)i'
TTJg ioQtrjg ayofis'vrjg, r^v näaxa xaXovf.i6V. — Das. 18, 4, 3: Kai rjv avxoTg
soQtrj' naaxa 6h xaXsnai.
a. P'^s2, 8: Man kocht das Passahlamm ~x:zr\ rx nicht in Flüssigkeiten, auch
nicht in Fruchtsaft. || P'^sS,?: Wer auf dem Wege ist, sein Passahlamm incc rs zu
schlachten. || Pes 5,2: Das Passahopfer -csn, das man nicht auf seinen Namen hin
(d. h. als solches) geschlachtet hat, ... ist untauglich. — Weitere Beispiele: Pes 5, 1.4.
5.10; 6,1.5; 7,1.2.4.7.9.11; 8, 2. 3. 7. 8; 9,4. 6. 7.8. 9. 10. 11 ; 10,3.6.8.9.
b. zB Pes 2, 2. 3. 4. 5; 3,1; 4,1.4.5; 5,1; 8,8; 9,5: nya-u ^2 ;m: n^n noB das
Passahfest der (nach dem Auszug aus Ägypten lebenden) Geschlechter dauert ganze
7 Tage (im Gegensatz zu der Passahfeier in Ägypten, die nur eine Nacht währte) ; 10, 1. 5.
26,3 9t: Im Gehöft des Hohenpriesters; avli] = n:in Hof, Gehöft.
Über das offizielle Sitzungslokal des großen Synedriums s. bei Mt 26, 57.
20, 3 S: Kaidcfag. — Kaiphas, dessen eigentlicher Name Joseph
war, wurde durch Valerius Gratus etwa 18 n. Chr. Hoherpriester, mußte
etwa im Jahre 36 unter dem Landpfleger Vitellius sein Amt seinem
Schwager Jonathan, dem Sohn des Ananos (= Hannas), überlassen, a
In der rabbin. Überlieferung wird K. Einmal erwähnt, als Vater (genauer
wäre Großvater) des späteren Hohenpriesters Elionaios q^isn— ,3 ^rriiT'bx,
der nach Josephus ein Sohn des Kantheras war.b
a. Joseph. Antiq. 18, 2, 2 ; 4, 3.
b. Jos. Ant. lf>, 8, 1 Ende. Para3,5: Wer hat (eine rote Kuh für das Lustrations-
wasser) zubereitet? Die erste hat Mose zubereitet, die zweite Esra; von Esra an u.
weiter sind fünf zubereitet worden; so R.Me'ir (uml50). Die Gelehrten sagten: Sieben von
Esra an u. weiter. Und wer hat diese zubereitet? Schimcon der Gerechte (I., um 300 v. Chr.)
u. der Hohepriester Jochanan (135 — 105 v. Chr.) haben je zwei zubereitet; Eljehocenai,
Sohn des Kajjaph, u. Chanam'el, der Ägypter,* u. Jischmacel b. Phiabi -^x-r^ haben
je eine zubereitet.
26,4: Sie hielten Rat, um Jesus mit List zu greifen u. zu töten.
Ein Ben Stada wurde in Lydda durch List der Verleitung zum
Götzendienst überführt u. hinterher gesteinigt, s. bei Mt 1 , 16 S. 38 Nr. 4.
Die Identifizierung dieses Ben Stada mit Jesus ist historisch wertlos.
26,5: Sie sagten: Nicht im Fest, damit nicht
ein Aufruhr im Volk entsteht.
Die Festzeit als solche scheint also kein Hinderungsgrund gewesen
* Wahrscheinl.Ananel, der 37—36 u.34ff. v.Chr. Hoherpriester war, Schürer'' 2, 269.
^ Wohl der Jüngere dieses Namens, etwa 59 — 61 n. Chr.
986 Matth 26, 7 (31. »). 26, 8. 9. 11
zu sein; nur der Gedanke an die Festmenge, die vielleicht für Jesum
Partei ergreifen könnte, gebietet Vorsicht.
26,75(:Ein Alabasterfläschchen mit sehr kostbarem Myrrhenöl.
cYkdßaaxQor [j,vqov = ';i::i;biQ br -"^nib:?, Fläschchen mit Nardenöl,
Midr HL 1, 3 (85 a): R. Jochanan (f 279) hat HL 1, 3 auf unsren Vater Abraham ge-
deutet. Als Gott zu ihm sagte : Zieh du aus deinem Lande u. aus deiner Verwandt-
schaft Gnl2, 1, wem glich da Abraham? Einem Alabasterfiäschchen mit Nardenöl,
das in einem Winkel lag u. dessen Duft sich nicht verbreitete. Da kam einer u. nahm
es fort von seiner Stelle, u. sein Duft verbreitete sich. So hat Gott auch zu Abraham
gesagt: Abraham, du hast viele gute Werke u. du hast viele Gebotserfüllungen, begib
dich hinaus in die Welt u. dein Name wird groß werden in meiner Welt. — In der Parallel-
stelle GnR39(23*^, hier R. ßerekhja, um 340, als Autor) steht iiwo^-'Eiss hv n-rriVs,
Fläschchen mit Balsam, onoßdXaafxov. — Ein ähnliches Gleichnis von der hv tta^-z
TC^Ve hat R. Hoschacja (wohl der Altere, um 225) Sanh 108» auf Noah angewandt. —
Zu cf'AdßttaTQoy /uvqov s. weiter bei Mkl4, 3.
26,7 93: Und goß es auf sein Haupt.
Zum Salben im allgemeinen s. bei Mt 6, 17. — Speziell dem Gaste Salböl zu reichen
ist wohl allgemeine Sitte gewesen. Chul94aBar: R. Meir (um 150) hat gesagt: Der
Mensch soll einen andren nicht zum Mahle bei sich nötigen, wenn er von ihm weiß,
daß er nicht mitspeist; ... er soll nicht zu ihm sagen: „Salbe dich mit Öl", wenn
die Flasche leer ist (u. wenn er weiß, daß jener das Salben ablehnt); wenn er es aber
sagt, um jenen zu ehren, so ist es erlaubt. — In TBE (>, 14 (406) fehlt die Aufforde-
rung zum Salben. — K^th 17b erwähnt Rab (f 247) als babylonische Sitte, daß bei
der Hochzeit einer Jungfrau den anwesenden Rabbinen Salböl auf das Haupt geträufelt
wurde, u. aus der weiteren Ausführung des Abaje (f 338/39) erhellt, daß auch Frauen
diese Sitte an Rabbinen übten; s. bei Mt6, 17 S. 427 Anm.b.
26,8: Wozu dieser Verlust?
dnwXsia = "iDfiri (nösn) = Verlust.
Aboth 2, 1: Rabbi pflegte zu sagen: Berechne den Verlust bei einer Gebotserfüllung
r.'.^^ iDEn gegenüber ihrem Gewinn (Lohn n^:^) u. den Gewinn bei einer Übertretung
gegenüber dem Verlust dabei. || Aboth 5, 11 s. bei Mt 5, 22 S. 276 ;'.
26,9: Es konnte dies teuer verkauft u. Armen gegeben werden.
Vgl. pScheq .=), 49 1>, 29: Einmal waren R. Chama b. Chanina (um 260) u. R. Hoscha'ja
(wohl der Ältere, um 225) in die Synagogen von Lydda gegangen. R. Gh. sagte zu
R. H.: Wieviel Geld haben meine Väter hier hineingesteckt ny;;«;! Er antwortete ihm:
Wieviel Seelen haben deine Väter hier hineingesteckt! Hat es denn keine Menschen
gegeben, die sich (wenn sie mit den vertanen Baugeldern unterstützt worden wären)
mit dem Torastudium hätten befassen können? R. Abin (IL, um 370) ließ Tore für das
große Lehrhaus (in Tiberias) anfertigen. Als R. Mani (IL, aus Sepphoris) zu ihm kam,
sprach er zu diesem: Sieh, was ich habe machen lassen! Dieser antwortete: „Und
vergessen hat Israel seines Schöpfers u. hat Paläste erbaut" Hos 8, 14. Hat es keine
Menschen gegeben, die sich (bei Unterstützung aus den Baugeldern) hätten mit dem
Torastudium befassen können? — In bSch'q8''^ einige erleichternde Wendungen.
26,11: Arme habt ihr allezeit bei euch.
SDtl5, 11 §118(98''): „Es wird nicht an Armen fehlen im Lande" Dt 15, 11; u.
dort (Dt 15,4) heißt es: „Nur daß kein Armer bei dir sein soll." Wie sind diese beiden
Stellen (nebeneinander) aufrechtzuerhalten? Wenn ihr den Willen Gottes tut, sind die
Armen bei den andren (Nichtisraeliten) ; wenn ihr aber Gottes Willen nicht tut, sind
Matth 26, 1 1. 12. 13. 15. 17 (51) 987
die Armen bei euch. — Dasselbe SDtl5,4 §114(98«). 1| Targ Jeruschl Dt 15, 4. 11: Nur
wenn ihr euch mit den Geboten der Tora beschäftigen werdet, wird unter euch kein
Armer sein. . . . Weil ihr nicht hört, Haus Israel, auf die Gebote der Tora, werden
Arme nicht aufhören im Lande. || Schab ßS'*: Sch^muel (f 254) hat gesagt: Zwischen
dieser Welt u. den Tagen des Messias ist weiter kein Unterschied, als daß die Knech-
tung durch die Reiche aufhört, s. Dt 15, 11 (als Beweis, daß dann nicht jede Not,
sondern nur die der Fremdherrschaft beseitigt sein wird).
26,12: Um mich zur Bestattung zu salben.
Zur Salbung der Leichen s. Schab 23, 5 : Man darf (am Sabbat) alles tun, was bei
einem Toten nötig ist: man darf ihn salben yDZi u. waschen; nur darf man ihm kein
Glied bewegen. || Ta'anö*^: (R. Jipchaq, um 300, sagte zu Rab Nachman, f 320): So
hat R. Jochanan (t 279) gesagt: Unser Vater Jakob ist nicht gestorben. Er antwortete
ihm: Haben denn unnützerweise die Trauerredner ihm die Trauerrede gehalten u. die
Einbalsamierenden ihn einbalsamiert Ni-iKan iu:r! u. die Totengräber ihn begraben?
26,13: Zu ihrem Gedächtnis.
fxvrjfj.öavvov = -ji-iST. — pSch^'q 2, 47^ 8 s.bei Mt23,29 Nr.2, b. — Aram.: sj'^pin,
zB Targ Spr 10, 7: Das Gedächtnis der Gerechten ist zum Segen. || Targ Ps 112,6: Zum
ewigen Gedächtnis nVy psn^ sei der Gerechte! — Häufiger Verbalkonstruktionen:
Joma 3,9: Ben Gamla (wohl Hoherpriester um 63 — 65 n. Chr.) machte die beiden Lose
(des Versöhnungstages) aus Gold, u. man gedenkt es ihm zum Lobe r.ztih ir-s •)^-i^3t-3\ —
Dieselbe Wendung das. 3, 10. — Passivisch: a-ita-j ^ü'sn ims "nsr es sei jenes Mannes
zum Guten gedacht zB BB 21 »; Sanh 13^. —Vgl. sqIiou Neh 5, 19; 13,14.22.31.
26, 15:'Sie wogen ihm 30 Silberlinge dar.
Dreißig Scheqel Silber war nach Ex 21, 32 der Ersatzpreis für einen getöteten
Sklaven. BQ 4,5: Wenn ein Ochse einen Sklaven oder eine Sklavin stößt (so daß diese
sterben), so zahlt der Besitzer des Ochsen 30 Selac (= 30 heilige Scheqel), mag der
Sklave 100 Minen (1 Mine = 25 Sela') oder 1 Golddenar ^ wert sein. || cArakh 3,3: Ob
der Ochse den schönsten oder den häßlichsten unter den Sklaven tötet, der Eigen-
tümer bezahlt 30 Sela<; tötet er aber einen freien Mann •^"lin ■]3, so zahlt der Eigen-
tümer dessen Wert (vgl. Lv 27, 3 ff.).
26,17 51: Am ersten (Tage) der ungesäuerten Brote {von' d^vf^icor).
Das „Fest der ungesäuerten Brote" heißt nach Ex 23, 15; 34, 18;
Lv 23, 6 im Rabbin. nia^sn 5r,a aram. N^'n"''^^B"! xsn;b bei den LXX soqti]
rwv cc^vßcor, zB Ex 23, 15; 34, 18; Lv 23, 6, ebenso bei Josephus, Antiq.
2, 15,1; 3,10,5; 9,13,3; 18, 2, 2; Bell. Jud. 2, 1, 3 u. im NT Lk22,l. —
Wie Mk 14,1; 3 Esra 1,10 beweist, sagte man auch kurz: zd a^v/^ia „die
ungesäuerten Brote"; daher Apg 12, 3; 20,6 riisqai räir d^i\ao}v; vgl.
Mt26,17;Mkl4,12; Lk 22, 7.
Von dem „Fest der ungesäuerten Brote", das 7 Tage (vom 15. bis
21, Nisan) währte, wurde, wo man genau sprechen wollte, nach dem
Vorgange von Nu 28, 16 f. u. 2 Chr 35, 17 unterschieden das „Passahfest"
noQ, aram, Nnpö, das am Abend des 14. Nisan bis hinein in die ersten
Stunden des 15. Nisan gefeiert wurde, c Der Volksmund unterschied
jedoch nicht so genau, sondern nannte beide Feste zusammen entweder
1 So Codex Cambridge, die Münchener Handschrift u. pT (1 G. = 25 Silberdenare
= V* Mine).
988 Matth 26, 17 (51. SB)
„Passahfest" d oder, seltener, „Fest der ungesäuerten Brote". e Im letz-
teren Falle konnte dann auch wohl gesagt werden, dafa das Fest der un-
gesäuertenBrote 8 Tage langgefeiert würde; f dabei zählteman den Passah-
tag, also den 14. Nisan, selbstverständlich als den 1. Tag der ungesäuerten
Brote, so Mt 26, 17; Mk 14, 12 ; s. den Exk. über den Todestag Jesu, A.
a. M^kh Ex 23, 14(107'»): Drei Feste sollst du mir im Jahre feiern Ex 23, 14 (so
der Midr). Warum wird es gesagt? Wenn es Ex 23, 17 heißt: , Dreimal im Jahre soll
all dein Männliches vor dem Herrn Jahve erscheinen", so entnehme ich daraus: zu
jeder Zeit, wann man will. Da sagt die Schrift lehrend: Am Fest der ungesäuerten
Brote rvj^an jna, am Wochenfest u. am Hüttenfest. Oder (ist etwa gemeint): Am Fest
^der ungesäuerten Brote dreimal u. am Wochenfest dreimal u. am Hüttenfest dreimal?
Die Schrift sagt lehrend: Drei Feste sollst da mir im Jahre feiern.
b. Targ Onk u. Jerusch I zB Ex 23, 15 u. Lv 23, 6.
C. Jubil 49, 1.22: Gedenke des Gebots, das Gott dir geboten hat in betreff des
Passah, daß du es haltest am 14. des 1. Monats, daß du es schlachtest, ehe es Abend
wird, u. daß man es esse in der Nacht, am (Vor-) Abend des 15. von der Zeit des
Sonnenuntergangs an. . . . Du aber, Mose, gebiete den Kindern Israel, sie sollen die
Passahordnung halten. Wie dir befohlen ist, sage ihnen sein Jahr je nach dem Jahr
u. seinen Tag je nach den Tagen, u. das Fest des ungesäuerten Brots, daß sie 7 Tage
unges. Brot essen. 1| LXX Nu 28, 16 f.: Im 1. Monat am 14. Tage des Monats ist Passah
■nüay^a für den Herrn; u. am 15. Tag dieses Monats ist Festtag: 7 Tage sollt ihr unges.
Brote essen. — Das. 2Chr 85, 17: Und die Kinder Israel, die da waren, hielten in jener
Zeit das Passah (rö rpuaiy. = näax«) u. das Fest der unges. Brote rrjv ioQitjy riöf
ül^v/xixiv sieben Tage. — Fast wörtlich ebenso 3Esra 1, 17: ijydyoauv . . . t6 näa^a xai
T?yf soQxr^v xwy ('d^i'fxwy . . . \\ Targ Onk Nu 28, 16 f. : Im 1. Monat am 14. Tage des Monats
ist Passah nhce vor Jahve, u. am 15. Tage dieses Monats ist Festtag, sieben Tage soll
unges. Brot i-'^is gegessen werden. — Ähnlich so Targ Jerusch I. 1| Targ 2 Chr 35, 17:
Die Kinder Israel, die treu erfunden wurden, feierten das Passah srtcE vor Jahve zu
jener Zeit am Abend u. das Fest der unges. Brote s-'^^tiiT ssn sieben Tage. || Joseph.
Antiq. 3, 10,5: Am 15. (Nisan) folgt auf den Tag des Passah irjv rov näax« das Fest
der unges. Brote rj xmp äCi\u(oy soQtrj, das sieben Tage dauert. || Mk 14, l: tji^ de t6
7id(S](K y.cn tu ul^vfxa.
d. Lk2, 41: eoQxrj rov nüax«. — 22,1: rj eoQirj nHv a^i'nwv rj Xsyo^eyrj nüaxf'-
Ferner Joh2, 13.23; 6,4; 11,55; 12,1; 13,1; 18,39; Apgl2,4. — 3 Esra 1, 18f.: xcd
ovx rJx^V ^° Tiuaxa xoiovxov if xio lagatjX ano xcoy jpöt'wi^ Zc<fA.ovrjX xov TiQocptjxov' xal
Tidvxsg oi ßaaiXs?? xov 'laQctijX ovx ■^ydyoanv 7idaxc( xoiovxoy, oiov rjyctysy 'itoaiug. ... —
Joseph. Bell. Jud. 2, 1,3: xcd dtj xrjg xwy äCt'f^wy syaxäarjg ioQxrjg, qp«<T/« (= näax«)
nc(Qce xoTg'lovdaloig xaXsiiao. — Antiq. 14, 2, 1 : xaxd xoy xuiQÖy xtjg xwy d^vfxcoy eooxtjg,
rjy cpäaxn {— ndaxcc) Xe'yofAsy. Ferner s. Antiq. 18, 2, 2 u. 18, 4, 3 bei Mt 26,2; ebenda
Anm. b die rabbin. Belege.
ß. Lk 22, 7: rj^Osy de rj rj^eQa xioy (c^t'/uay, iy rj tdsi S^vsa>^c<t, xd ndax"- — Ferner
Mt26, 17; Mk 14, 12; Apg 12,3; 20,6; Joseph. Bell. Jud. 5, 3, 1: xijg xwy cKvfXMy eyaxdarjg
ijf^egag xeaaaQsaxnidsxäxrj S.av8ixov fxijvög (= Nisan).
f. Joseph. Antiq. 2, 15, 1: o&sy eig /nyjjuyjy xijg xöxs ifdsiug (= Mangel) soQXijy
äyofxsy icp' ij^isgag oxxai, xijy xujy äCvf^wy Xeyo^e'y^y.
Zur Zählung der Passahfesttage s. den Exkurs: Die Angaben der vier Evangelien
über den Todestag Jesu in ihrem Verhältnis zur Halakba, A.
26, 17^: Wo willst du, daß wir dir das Passahmahl
zu essen bereiten?
Was zum ivoi/^iä^siv t6 näaxct gehörte, s. im Exk.: „Die Passah-
feier". — Zur Frage rcov &tXeig; vgl. Joma 12'': Jerusalem ist nicht
Matth 26, 17 (SB). 26, 23. 24 • 989
unter die Stämme verteilt worden (sondern gemeinsamer Besitz von
ganz Israel geblieben); denn in einer Bar heißt es: Man darf die Häuser
in Jer. nicht vermieten, weil sie ihnen (den Jerusalemern) nicht ge-
hören. R. El^azar b. ^adoq (wohl der Ältere, um 100) sagte: Auch nicht
die Lagerstätten (an die Festpilger) ; deshalb nehmen die Wirte (Gast-
freunde) die Häute der Festopfer (der bei ihnen wohnenden Festpilger)
mit Gewalt (als ihre Entschädigung in Anspruch). — Dasselbe M^g 26='. —
Die Festpilger waren hiernach berechtigt, jedermann um Überlassung
eines Raumes zur Passahfeier anzugehn.
26,20: Als esAbend geworden war, legte er sich mit denzwölfJüngeru
zu Tische. Siehe den Exk.: „Die Passahfeier ".
26,23: Der mit mir die Hand in die Schüssel getaucht hat,
der wird mich verraten (den Feinden überliefern).
Das Essen aus einundderselben Schüssel wird bezeugt:
B'^rakh47^: Zwei warten aufeinander an einer Schüssel (aus der sie gemeinsam
essen; u. zwar wartet der Geringere, bis der Größere genommen hat); drei warten
nicht aufeinander. Wer das Brot bricht (das ist der, welcher zu Beginn des Mahles
den Lobsprach über das Brot gesprochen hat), streckt zuerst seine Hand aus; wenn
er aber seinem Lehrer oder einem, der größer als er selbst ist, Ehre erweisen u. dieses
Vorrecht überlassen will, so darf er es. — Diese Bar auch Git 59^, 22. || N'^d 4, 4: Wenn
jemand der Genuß (Nutzen) von einem andren durch ein Gelübde versagt ist . . ., so
darf er mit diesem auf dem Polster zu Tische liegen u. mit ihm am Tische essen,
aber nicht aus der (gemeinsamen) Schüssel; wohl aber darf er aus der Schüssel (mit
ihm) essen, wenn diese herumgeht. ,
Mt 26, 23 setzt voraus, daß in jenem Augenblick eine gemeinsame
Schüssel benützt wurde. Nach der Halakha sollte beim Essen des Haupt-
gerichts (Brot, Lattich, Fruchtmus u. Passahlamm) jeder seine Schüssel
Fruchtmus für sich allein haben, s. Exk.: „Die Passahfeier". Daraus würde
zu folgern sein, daß der Vorfall in Mt26,23 während des Essens des Vor-
gerichtes sich zugetragen hat. In der Schüssel würde sich dann entweder
Fruchtmus oder nach andrer Tradition Salzwasser befunden haben.
26,24: Es wäre jenem Menschen besser,
wenn er nicht geboren wäre.
Parallelen s. bei Mt 18, 6. 8 f. ; vgl. auch zu Mt 5, 29 2) S. 303. — Ferner Hen 38, 2 :
Wenn der Gerechte (= Messias) vor den auserwählten Gerechten erscheinen wird, deren
Werke vor dem Herrn der Geister aufbewahrt sind, u. das Licht den auf dem Fest-
lande wohnenden auserwählten Gerechten leuchten wird, — wo wird dann die Wohnung
der Sünder u. wo die Ruhestätte derer sein, die den Herrn der Geister verleugnet
haben? Es wäre ihnen besser, sie wären nie geboren worden. |! Chag 2, 1 : Wer über
vier Dinge Betrachtungen anstellt, dem wäre es besser; wenn er nicht in die Welt ge-
kommen wäre =V-,>-5 sa n""; "lis: ■i's i -ip^: nämlich über das, was oben (im Himmel)
u. was unten (unter der Erde) ist, was vor der Welt(schöpfung) war u. was nachher
sein wii-d; u. wer die Ehre seines Schöpfers nicht schont, dem wäre es besser, wenn
er nicht in die Welt gekommen wäre. |1 B®rakh l?-'^: Raba, f 352, hat gesagt: Wer
die Gebote nicht um ihrerselbstwillen erfüllt, dem wäre es besser, wenn er nicht er-
* Cod. Cambridge u. pT; ^isi erleichternde Lesart.
990 Matth 26, 25
schaffen wäre s^23 tihv ''•> n-j. || ExR 40 (96^'): R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Wer
die Tora kennt u. sie nicht tut, dem wäre es besser 15 2I3T3, wenn er nicht zur Welt
gekommen wäre, sondern die Nachgeburt sich um sein Gesicht gewendet hätte. — Die
Parallelstelle LvR 35 (132«) s. bei Mt 18,6. || pcAZ 2,40^ 35 s. bei Mt 1,16 S.88.
2(;, 25: Du hast es gesagt.
Das als Bejahungsformel gemeinte <Jv sinag = „du hast es gesagt"
findet sich in Jesu Mund noch 26,64. — Mt27,ll (vgl. Johl8,37) steht
dafür das gleichbedeutende av Is'ystg „du sagst es" = wie du sagst, so
ist es. Vergleichen läßt sich Ex 10,29: rns^ is „du hast recht geredet",
ich werde dein Angesicht nicht wieder sehn. Im Rabbin. wäre für (Tv
sinaq [Xeysiq) vorauszusetzen i?"^?«. Doch kennt man (s. Dalman, Worte
Jesu 1,254) nur Einen Beleg für dieses m^x. TKelim BQ1,6 (569):
Zwischen die Vorhalle (des Tempels) u. den (Brandopfer-)Altar dürfen
(die Priester) hineingehen, ohne (vorher) die Hände u. Füße gewaschen
zu haben. So R. Mei'r (um 150). Die Gelehrten aber sagten: Sie dürfen
nicht hineingehen. Schim^on, der Sittsame mr^tn, erzählte vor R. Eli^ezer
(um 90): Ich bin hineingegangen zwischen die Vorhalle u. den Altar
ungewaschen an Händen u. an Füßen! Er antwortete ihm: Wer ist
beliebter (angesehener), du oder der Hohepriester? Da schwieg er.
R. Eli'ezer aber sprach zu ihm: Du schämst dich wohl zu sagen, daß
(selbst) der Hund des Hohenpriesters beliebter ist als du? Jener sprach:
Rabbi, du hast es gesagt^ mai< (= du hast recht, so ist es)! Er ant-
wortete ihm: Beim Tempeldienst, selbst einem Hohenpriester hätte man
mit Holzscheiten die Hirnschale gespalten (wenn er ungewaschen dort-
hinein gegangen wäre)! Was willst du machen (wenn man auch über
dich herfiele)? Denn dich hat (nur) der Aufseher nicht angetroffen. —
Aber auch dieses eine Beispiel genügt als Beweis, daß die Worte: „du
hast es gesagt" oder „du sagst es" in Jesu Mund soviel bedeuten, wie:
„du hast recht", „wie du es sagst, so ist es". Nur muß man sich hüten,
das n-i^x in diesem Sinn als eine allgemein gebräuchliche Wendung an-
zusehn. Für gewöhnlich hat man jedenfalls einfach -pn (in) oder i-^x =
ja! gesagt; s. als Beispiele GnR 78 (49^) bei Mt25,3i S.977; LvR 27
(125b) bei Mt 5, 45 S. 375f.; Midr Qoh 5. 10 bei Mt 6, 4 S. 396.
Keine Parallele zu dem av £/;i«f Mt 26, 25 enthält pKil 9, 32'', 9: Die Leute von
Sepphoris (wo Rabbi wohnte) sagten : Wer uns mitteilt, daß Rabbi entschlafen ist, den
töten wir. Bar Qappara blickte (nach erfolgtem Ableben Rabbis) auf sie, sein Haupt
bedeckt mit zerrissenen Gewändern; er sprach zu ihnen: „Gewaltige (d. h. die Frommen
auf Erden) u. Gotteslöwen (d. h. die Engel im Himmel) erfaßten die Tafeln des Bundes
(d. h. Rabbi), u. die Hand der Gotteslöwen war stärker u. sie rissen die Tafeln an sich."
Man sagte zu ihm: Rabbi ist entschlafen?! Er antwortete ihnen: Ihr habt es gesagt
■;ir-'^)3S "jiriN. — Die letzten Worte wollen aber nicht besagen: ,Ja, so ist es, wie ihr
gesagt habt"; wie sie gemeint sind, zeigt Midr Qoh 7, 11 (35''), wo die Antwort des
Bar Qappara lautet: ,lhr habt es gesagt, ich habe es nicht gesagt" kj-'js sb sss.
* H. Laible, Allg. Evang.-Luth. Kirchenzeitung 1920 Spalte 460 faßt dies ri»s als
rhetorische Frage des Unwillens = „das (so ein hartes Wort) sagst du?" Aber dann
hätte p oder pst vor r-^-is nicht fehlen dürfen.
Matth 26,26.28 991
Wegen der obigen Drohung der Sepphorenser richtet Bar Qappara es so ein, daß die
erste Kunde von Rabbis Tod nicht durch ihn, sondern durch die Sepphorenser selbst
laut wird. — Weitere Parallelen: pK'^th 12,35'^, 18; bK^th 104«; Midr Qoh 9, 10 (48'^);
in den beiden letzten Stellen die Antwort des Bar Qappara mit dem Zusatz: ,Ich habe
es nicht gesagt."
26,26: Während sie aßen, nahm Jesus Brot usw.
Wann die Einsetzung des heiligen Abendmahls vermutlich erfolgt ist, s. im Exk. :
,Die Passahfeier ".
26,28: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele
zur Vergebung der Sünden vergossen wird.
Die Worte weisen zurück auf Ex 24, 8. Um die Sühnkraft des Blutes
hervorzuheben, übersetzt Targ Onk nicht: „Mose schwenkte das Blut
auf das Volk", sondern: „Mose nahm das Blut u. sprengte es auf den
Altar, um für das Volk Sühnung zu schaffen, u. er sprach: Siehe, das
ist Blut des Bundes, den Jahve mit euch auf Grund aller dieser Worte
geschlossen hat." — Fast wörtlich ebenso Targ Jerusch I.
Sonst haben wir Ex 24, 8 noch erwähnt gefunden LvR6(109b): R. Jochanan (t 279)
hat gesagt: Sie (Gott u. Israel) trafen Verabredungen untereinander, daß er sie nicht
verleugnen wolle u. daß sie ihn nicht verleugnen sollten. R. Ji^chaq (um 300) hat ge-
sagt: Wenn ein König seine Legionen schwören läßt, so läßt er sie nur beim Schwerte
schwören, um damit zu sagen, daß, wenn einer die Vereinbarungen übertritt, das Schwert
auf seinen Hals kommen soll. So nahm Mose die Hälfte des Blutes Ex 24, 6. Woher
hat Mose (gerade genau) die Hälfte des Blutes gekannt? R. J^'huda b. El'ai (um l-'SO)
hat gesagt: Das Blut hat sich von selbst (in zwei gleiche Teile) geteilt; R. Nathan
(um 160) hat gesagt: Sein Aussehn veränderte sich; eine Hälfte wurde schwarz, die
andre rot. Bar Qappara (um 220) hat gesagt: Ein Engel kam in der Gestalt Moses
herab u. teilte es. R. Ji9chaq hat gesagt: Eine Himmelsstimme ging aus vom Berge
Horeb, welche rief: Bis hier ist die Hälfte des Blutes. R. Jischma'el (f um 135) hat
gelehrt: Mose war mit den Halakhoth (Regeln) des Blutes vertraut u. teilte es. —
,Und er tat es in Becken" Ex 24, 6. R. Huna (um 350) hat im Namen des R. Abin
(um 325) gesagt: Es steht geschrieben riss:; (ohne • in der Endung): dieses war nicht
größer als jenes u. jenes war nicht größer als dieses. Mose sprach vor Gott: Was
soll mit deinem Teil geschehen? Er antwortete: Schwenke ihn auf das Volk. Und was
soll mit ihrem Teil geschehen? Er antwortete: Schwenke ihn an den Altar. R. Berekhja
(um 340) u. R. Chijja (um 280) haben im Namen des R. Jose b. Chanina (um 270) ge-
sagt: Er schwur ihnen, s. Ez 16, 8: Ich schwut dir u. trat in einen Bund mit dir, ist
der Spruch Jahve-Elohims. Und sie schwuren ihm, s. Dt 29, 11: Daß du in den Bund
u. Eidschwur Jahves deines Gottes eintretest. |i Jeb46t): Mose nahm das Blut u. schwenkte
es auf das Volk; u. es ist traditionelle Lehre, daß es kein Sprengen (des Blutes) gibt
ohne Tauchbad (deshalb bedarf auch der Proselyt außer der Beschneidung des Tauch-
bades). Vgl. KerSl^ (andre Ausgaben 9a): Rabbi sagte: Wie eure Väter in den Bund
eingetreten sind (am Sinai) nur durch Beschneidung, Tauchbad u. gnädige Annahme
des Blutes, so sollen auch die Proselyten in den Bund eintreten nur durch Beschneidung,
Tauchbad u. gnädige Annahme des Blutes (s. beiMt3, 6 S. 105 ff.).
Für gewöhnlich verstand man unter „Blut des Bundes" n^in ci das
Beschneidungsblut.
pJebS, 9 a, 5: Wer die Vorhaut vorgezogen hat (u. dadurch die Beschneidung un-
kenntlich gemacht hat), wer beschnitten geboren ist u. wer sich vor seinem Übertritt
zum Judentum hat beschneiden lassen, von dem muß man Blut des Bundes (durch
Einritzen der Beschneid ungsstelle) tröpfeln lassen. R. Schim'on b. EKazar (um 190) hat
992 Matth 26, 28. 29. 30. 34 (31 1 )
gelehrt: Nicht darüber sind die Schulen Schammais u. Hillels verschiedener Meinung
gewesen, daß man von dem, der beschnitten geboren worden ist, Blut des Bundes
muß tröpfeln lassen, weil dessen Vorhaut niedergedrückt ist. Verschiedener Meinung
waren sie in betreff des Proselyten, der beschnitten zum Judentum übertritt; denn die
Schule Schammais sagte, man müsse von ihm Blut des Bundes tröpfeln lassen, während
die Hillels sagte, man brauche das nicht zu tun. — Parallelstellen: TSchab 15,9(133);
pSchab 15), 17a,39;bSchabl35a; JebTla; GnR4G(29b).
26,29: Nicht mehr werde ich von nun an von diesem Gewächs
des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, da ich es mit euch
neu trinken werde in dem Reich meines Vaters.
Über das Mahl der Gerechten in der Vollendungszeit s. Exk.: „Sch^ol"
usw. III, 4, 0 — //; daselbst (Anm. o) auch die Stellen, in denen bildlich
von einem Mahl zur Bezeichnung der Freuden der Seligkeit gesprochen
wird. — Sanh 99-'^ u. B''rakh34'^: „Kein Auge hat es gesehen" usw.
Jes 64, 3. R. J*^hoschua? b. Levi (um 250) hat gesagt: Damit ist der Wein
gemeint, der seit den sechs Schöpfungstagen in seinen Trauben auf-
bewahrt wird (für das Mahl der Gerechten in der zuk. Welt).
26,30: Als sie den Lobgesang gesprochen,
gingen sie hinaus an den Ölberg.
Mit dem „Lobgesang" ist der zweite Teil des Hallel gemeint, der
beim vierten Becher Wein gesungen wurde, s. Exk,: „Die Passahfeier". —
Das Hinausgehen an den Ölberg in der Passahnacht war kein Verstoß
gegen die Halakha, s. Exk. über den Todestag Jesu C, Nr. 6.
26,34 5(: Ehe der Hahn kräht.
1. Die in Palästina schon in Jesu Zeit allgemein übliche Hühner-
zucht war nur in Jerusalem untersagt, u. zwar weil man befürchtete,
daß durch das Kratzen der Hühner verunreinigendes Gewürm ans
Tageslicht gebracht werden könnte. Aus dem gleichen Grunde war
der Priesterschaft das Halten von Hühnern auch außerhalb Jerusalems
verboten. a Doch galt, wie die Tosephta zeigt, ersteres Verbot nur in
dem Fall, daß dem Hühnervolk keine Gelegenheit zum Scharren in
einem Garten oder auf einem Dunghaufen gegeben war.b Auch wird
ausdrücklich von einem Hahn in Jerusalem erzählt, der dort ein Kind
durch sein Picken getötet habe.c
a. BQ 7, 7: Man zieht in Jer. keine Hühner auf wegen der heiligen Dinge (zB Opfer-
fleisch von Friedmahlsopfern, das in den IJäusern verzehrt werden durfte); die Priester
aber dürfen sie auch nicht im Lande Israel aufziehen aus Gründen der Reinheit. ||
BQ 82b: Zehnerlei hat man von Jer. ausgesagt: Es verfällt darin kein Haus (dem
Gläubiger, denn Jer. gilt als jüdischer Nationalbesitz), es stellt kein Kalb, dem das
Genick zu zerbrechen ist (vgl. Dt 21, 1 ff.), es wird keine Stadt, die mit dem Bann zu
belegen ist, es wird nicht unrein durch Aussatz, man baut darin keine hervorspringenden
Gesimse u. Balkone, man legt darin keine Dunghaufen an, man legt darin keine Schmelz-
öfen (für Töpfer, Glaser, Metallarbeiter usw.) an; man legt darin keine Gemüse- u.
Obstgärten an, abgesehen von den Rosengärten, die seit den Tagen der früheren Pro-
pheten vorhanden sind; man zieht darin keine Hühner auf; man läßt darin keinen
Matth26,34(5tl.2) 993
Toten über Nacht. — Dasselbe mit Abweichungen im einzelnen AbothRN 35 ; in der
Parallelstelle TNegU, 1 f. (625) fehlt die Bemerkung über Hühnerzucht.
b. TBQ 8, 10 (361): Man zieht in Jer. wegen der heiligen Dinge keine Hühner auf;
wenn diese einen Garten oder Misthaufen vor sich haben, siehe, so ist es erlaubt.
C. cEduj 6, 1: R. Jehuda b. Baba (f um 135) hat fünf Dinge bezeugt: . . . Daß ein
Hahn in Jer. gesteinigt worden ist, weil er ein menschliches Wesen getötet hat. — Diese
Mischna wird zitiert B^akh 27 ^ u. p'Er 10, 26 ''', 36 ; an der letzteren Stelle mit dem Zusatz :
Der Hahn sah, wie die Schädeldecke eines Kindes vibrierte, ging hin u. durchpickte sie.
v 2. „Hahnenschrei" -15?«^ nx'inp als Bezeichnung der frühen Morgenzeit.
Joma 1,8: An jedem Tage räumt man die Asche vom Brandopferaltar ab zur Zeit
des Hahnenschreis oder dicht um diese Zeit, sei es vorher oder nachher, am Ver-
söhnungstage aber um die Mitternachtsstuude u. an den Feiertagen von der ersten
Nachtwache an (d. h. abends 9 Uhr, bezw. 10 Uhr, je nachdem man 4 oder 3 Nacht-
wachen annimmt, s. TB^'rakh 1,1(1); pB^rakh J, 2^, 9. 14; B^rakh 3'^ bei Mt 14, 25). Und
noch ehe der Hahnenschrei heranrückte, war schon (an den Festtagen) der Vorhof von
Israeliten angefüllt. H Tamid 1,2: Wer die Asche vom Brandopferaltar wegzuräumen
wünschte, stand früh auf u. nahm ein Tauchbad, bevor der darüber gesetzte Aufseher
kam. Aber wußte er denn, zu welcher Stunde der Aufseher kam? Nicht alle Zeiten
waren (in dieser Hinsicht) gleich: manchmal kam er zur Zeit des Hahnenschreis, oder
auch dicht um diese Zeit, vorher oder nachher (wegen der Ungewißheit der Zeit seines
Kommens mußte daher der Priester, der die Abräumung des Altars vornehmen wollte,
schon früh aufstehn). || Zu Joma 1,8 wird Joma 20''. 21*'^ gefragt: Was bedeutet ns-^-ip
i3;n? Rab (f 247) hat gesagt: Der Mann (12; , nämlich der damit beauftragte Priester)
hat gerufen; Rab Schela (um 220) hat gesagt: Der Hahn (s^i;3^n = n:?) hat gerufen.
Rab kam nach dem Wohnort des Rab Schela (d. h. nach N'^harde'a). Da kein Dolmetscher
(für den hebr. Vortrag des Rab Schela) da war, stand ihm Rab zur Seite u. erklärte:
"i3;n rs-ip „Der Mann hat gerufen". Rab Schela sagte zu ihm: Der Herr hätte sagen
sollen: Der Hahn hat gerufen. Er antwortete ihm: Die Flöte ist Fürsten ein liebliches
Spiel, Weber freilich wollen nichts von ihr wissen! Als ich bei R. Chijja (um 200,
Rabe Oheim) auslegte „Der Mann hat gerufen", sagte er zu mir nicht das geringste,
u. du willst zu mir sagen: Sage: „Der Hahn hat gerufen"? Rab Schela (der Rab bis
dahin nicht kannte) sprach: Der Herr ist wohl Rab? Dann möge der Herr (als mein
Dolmetsch) stille sein! Jener antwortete: Im Sprichwort heißt es: Hast du dich einem
verdungen, so schüttle auch seine Wolle aus (verrichte den geringsten Dienst). Einige
sagen: So hat er ihm geantwortet: Man erhöht an Heiligkeit, aber man erniedrigt
nicht (als wollte er sagen, wenn ich jetzt einem Geringeren, als ich bin, den Platz
räumte, so wäre das eine Erniedrigung für den Lehrvortrag). Eine Bar entspricht der
Meinung Rabs: Was sagte der Herold G'-'bini (der frühmorgens die Priester zum Dienste
rief)? Tretet an, ihr Priester, zu eurem Dienst u., ihr Leviten, auf eurer Estrade u.,
ihr Israeliten, an eurem Standort! . . . Eine andre Bar entspricht der Meinung des Rab
Schela: Wer sich vor dem Hahnenschrei auf den Weg begibt, dessen Blut kommt auf
sein Haupt (der trägt selbst die Verantwortung für etwaiges Unheil). R. Joschijja
(um 140) sagte: Bevor er zum zweitenmal gekräht hat; andre sagen: Bevor er zum
drittenmal gekräht hat. Und von welchem Hahn hat man es gesagt? Von dem Durch-
schnittshahn (der nicht allzu früh u. nicht allzu spät kräht). — Kurz wird diese Kontro-
verse berührt pSukka 5, 55 *", 18: Rab verdolmetschte vor der Schule des Rab Schela
die Worte s^aj xip mit: „Gerufen hat der Herold." Man sagte ihm: Gerufen hat der
Hahn. Er antwortete: Siehe, wir haben gelernt: ^zi la = Sohn des Mannes; kann man
auch sagen: s'iji:-:n ia = Sohn des Hahnes? || Aus dem Lobspruch, der beim Hören des
Hahnenschreis zu sagen war, erkennt man, daß unter der Zeit des Hahnenschreis im all-
gemeinen die Grenzzeit zwischen Nacht u. Tag verstanden worden ist. B 'rakh 60 ^ : Wenn
man das Krähen des Hahnes hört, so sage man: Gepriesen sei der, der dem Hahn, '"siü
(Hi 38, 36), die Einsicht gegeben hat, prüfend zu unterscheiden zwischen Tag u. Nacht!
Strack u. Billerbeck. NTI. 63
994 Matth 26, 34 (SB). 26, 35. 40. 41. 42
26, 34^: Wirst du mich dreimal verleugnen.
dnaQveia^ai ? na^; zB LvR 6 (lOQ»^) bei Mt 26, 28 S. 991.
26, 35: Wenn ich auch mit dir sterben müßte,
will ich dich doch nicht verleugnen.
P'^siqR 18 (93 •■^): Als Mardokhai sah, daß Haman zu ihm l?^m mit einem Pferd
an seiner Hand, sprach er: Es sclieint, daß dieser Frevler mich zu töten kommt. Da
sagte er zu seinen Schülern: Flüchtet euch, damit ihr nicht an meiner Kohle verbrannt
werdet! Sie antworteten: Sowohl zum Leben als auch zum Sterben sind wir mit Alf
26,39: Dieser Kelch, s. bei 20, 32.
Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst, s. bei 6, 10 SB S. 419 f.
26, 40: So vermochtet ihr nicht Eine Stunde mit mir zu wachen?
Tamid 62a (andere Ausgaben fol. 28»): R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt:
Wenn R. Jochanan (f 279) an diese Mischna kam (Mid 1, 2, wonach der revidierende
Tempelhauptmann den schlafenden Friesterposten mit einem Stock zu schlagen u. seine
Kleider anzubrennen pflegte), sagte er also: Heil den Früheren (Alten), die solches taten,
wo der Zwang des Schlafes vorlag; um wieviel mehr würden sie es getan haben, wo kein
Zwang des Schlafes vorlag! II Zum Ausdruck „Eine Stunde" s. GnR21 (14^): Siehe, Adam,
du konntest auch nicht Eine Stunde rns r,s-a iV-ex in deinem Befehl bestehen!
26,41: Wachet u. betet.
B^rakh 5^: R. Levi b. Chama (lies mit Bacher, pal. Amor. 1, 354: b. Lachma, um 260)
hat gesagt, R. Schim?on b. Laqisch (um 250) habe gesagt: Immer reize der Mensch den
guten Trieb wider den bösen Trieb; denn es heißt Ps4, 5: „Erreget euch, damit ihr
nicht sündigt." Wenn er ihn (auf die Weise) besiegt, so ist es gut; wenn aber nicht,
so beschäftige er sich mit der Tora, s. das.: „Saget in eurem Herzen" (d.h. redet bei
euch selbst = studieret die Tora). Wenn er ihn besiegt, so ist es gut; wenn aber nicht,
so rezitiere er das Sch'^maf, s. das.: „Auf eurem Lager" (unter der Sch'^maf-Rezitation
schlief man gern ein). Wenn er ihn besiegt, so ist es gut gut; wenn aber nicht, so
denke er an den Tag des Todes, s. das.: „Und schweiget. Sela."
26,41: Daß ihr nicht in Versuchung hineingeratet;
der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Zu TTSigaofiög s. bei Mt 6, 13; zu nyevjua u. ac(Q^ im Exk.: Der gute u. der böse Trieb.
26,42: Wiederum ging er zum zweitenmal hin u. betete.
Über das Wiederholen des Gebetes s. B'rakh 32 b; R. Chama b. Chanina (um 260)
hat gesagt: Wenn ein Mensch sieht, daß er betet, ohne erhört zu werden, so bete er
immer aufs neue, s. Ps 27, 14: Harre auf Jahve, sei stark u. dein Herz beweise Kraft,
ja harre auf Jahve. || Midr Ps 27 §7 (114 1^): R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt:
Wenn du gebetest hast u. noch einmal gebetest hast, dann sei versichert, daß dein
Gebet erhört ist, u. er wird deine Bitte erfüllen, s. Ps27, 14: Harre auf Jahve, sei
stark, so wird er dein Herz stärken wegen des „Harre auf Jahve" (so scheint der
Midr zu deuten). — Ähnlich mit R. Chijja, dem Älteren (um 200), als Autor DtR 2
(198*). 1! Selbst in hoffnungsloser Lage soll der Mensch anhalten am Gebet. B^'rakh lO":
Hab Hamnuna (um 290) hat gesagt: (Hiskia sprach zu Jesaja:) So habe ich es aus
meinem Vaterhaus überkommen: Auch wenn (bereits) ein scharfes Schwert auf dem
Halse eines Menschen liegt, soll er sich nicht enthalten, um Erbarmen zu flehen. Es
ist auch gesagt worden: R. Jochanan (f 279) u. R. Elfazar (um 270) haben beide gesagt:
Auch wenn ein scharfes Schwert auf dem Halse eines Menschen liegt, soll er sich
Matth 26, 42. 47. 49 (Nr. 1. 2) 995
nicht enthalten, um Eibarmen zu flehen; s.Hi 13,15: Siehe, ob er mich töten will,
ich hoffe auf ihn (nach dem Q*^re i;). R. Chanan (um 300) hat gesagt: Selbst wenn
der Traumdeuter zu einem Menschen sagte: „Morgen wirst du sterben^ so soll er
sich nicht enthalten, um Erbarmen zu flehen, s. Qoh 5, 6 : Bei vielen Träumen gibt's
auch Eitelkeiten usw. || DtR2 (197«): Jch flehte zu jener Zeit zu Jahve, sagend"
Dt 3, 23. Was heißt „sagend"? R. f Azarja (um 380) hat gesagt: „Sagend" den nach-
folgenden Geschlechtern, daß sie in der Stunde der Not beten sollen; denn siehe,
obgleich dem Mose gesagt war: „Du wirst diesen Jordan nicht überschreiten" Dt 8, 27.
fing er doch an zu flehen. — Ferner s. bei Mt 6, 9 S. 408 Nr. 2.
26,47: Mit Schwertern u. Stangen.
Schab 6, 4: Der Mann soll (am Sabbat) nicht ausgehn mit einem Schwert t\ "??, u.
nicht mit einem Bogen rtopa, u. nicht mit einem Schild o^-r^a, u. nicht mit einer Holz-
stange n^s3 (Knüttel, Kolben), u. nicht mit einem Spieß n^aina, |] pSchab G, 8^, 37: Was
ist eine Holzstange nVs-? . . . Eine Art Spitzpfahl i^p-'^T = d'lxQavov (vgl. Krauß,
Lehnw. 2, 193f.).
26,49: Und küßte ihn.
xaTS(pilrj(T£v = p^;, aram. pa: küssen; np^iy?, Nnpir^i: Küssen, Kuß.
1. Erlaubtes u. nicht erlaubtes Küssen.
GnR70(45'^): Alle Küsse dienen der Ausgelassenheit (Unsittlichkeit u. sind deshalb
verboten), mit Ausnahme von drei Küssen: dem Huldigungskuß (wörtlich: Kuß der
Hoheit, Größe), dem Kuß beim Wiedersehn nach längerer Trennung u. dem Abschieds-
kuß. Der Huldigungskuß, s. 1 Sm 10, 1: Da nahm Samuel die Ölflasche u. goß sie über
sein Haupt u. küßte Saul. — Der Kuß nach längerer Trennung, s. Ex 4, 27 : Ahron
ging u. traf Mose am Berge Gottes u. küßte ihn. — Der Abschiedskuß, s. Ruth 1, 14:
f Orpa küßte ihre Schwiegermutter. — R. Tanchuma (um 380) hat gesagt : Auch der
Kuß der Verwandtschaft (gehört zu den erlaubten Küssen), s. Gn 29^ 11: „Jakob küßte
die Rahel", denn sie war seine Verwandte; „u. er erhob seine Stimme u. weinte".
Warum hat er geweint? Er sah, wie sich die Leute untereinander zuraunten, weil er
sie geküßt hatte: Will der etwa bei uns etwas Unzüchtiges neu einführen? Denn seit
der Zeit, da die Welt im Sündflutgeschlecht gestraft war, machten sich die Völker der
Welt auf u. hielten sich von der Unzucht zurück; das besagt, daß sich die Morgen-
länder von der Unzucht fernhalten. — Parallelstelle Midr Ruth 1, 14 (128'').
Der Kuß als Ehrenbezeugung war unter den Rabbinen gang und gäbe. RH 2, 9:
Rabban Gamliel (um 90) stand auf u. küßte den R. J%oschua? auf sein Haupt u. sprach:
Komm in Frieden, mein Lehrer u. mein Schüler; mein Lehrer in Gelehrsamkeit u.
mein Schüler, weil du meine Worte angenommen hast. jjR. Jochanan b. Zakkai, t um 80,
küßt seinen Schüler R. Elcazar b. cArakh auf das Haupt, um ihm seine Freude über
einen wohlgelungenen Merkaba- Vortrag zu bezeugen Chag 14'\ || Schimcon der Gerechte
(? um 300 V. Chr.) küßt einen Nasiräer auf sein Haupt, der seine Eitelkeit Gotte zum
Opfer dargebracht hat SNu 6, 2 § 22 (7'') = TNaz4, 7 (289). |1 R. J'^'hoschua.^ (um 90) küßt
ein Kind auf das Haupt, das ihm eine kluge Antwort gibt cEr53i>. || Über den König
Josaphat dichtete man, daß er, sooft er einen Gelehrtenschüler sah, von seinem Thron
sich erhob u. jenen umarmte u. küßte u. ihm zurief: Mein Lehrer mein Lehrer, mein
Herr mein Herr! K^'th 103b.
2. Die Kußstelle. Als solche galt in erster Linie der Kopf, s. die
Stellen in Nr. 1; sodann die Hand, der Mund, das Knie u. der Fuß.
Die Hand. Berakh8bBar: R. cAqiba (f um 135) hat gesagt: In drei Dingen liebe
ich die Meder: wenn sie Fleisch schneiden, schneiden sie es nur auf dem Tisch (nicht
etwa in der Hand); wenn sie küssen, küssen sie nur auf die Hand, u. wenn sie eine
Beratung halten, so halten sie sie nur auf freiem Felde. || ?AZ 17''' u. Schab IS'^: Wenn ■
?Ulla (um 280) aus dem Lehrhaus kam, pflegte er seine Schwestern auf ihre Hände
63*
996 Matth 26, 49 (Nr. 2. 3). 26, 51
zu küssen; andre sagen: Auf ihren Busen. || Der Mund. pB'^rakh 1, 3^', 20: Clianan
b. Ba (um 250) hat zu den Studiengenossen gesagt: Ich will euch etwas Schönes er-
zählen, was ich Rah (f 247) habe tun sehn,' u. als ich es vor Sch*muel (f 254) erzählte,
stand er auf u. küßte auf meinen Mund. !l Midr HL 1, 2 (83a): Wenn du dich mit den
Worten der Tora beschäftigst, daß deine Lippen (beim Forschen) fest aneinander ge-
drückt sind, dann werden dich schließlich alle (in Verehrung) auf deinen Mund küssen.
Knie u. Fuß. Raschi zu cAZ 17''*: Man pflegt, wenn man aus der Synagoge kommt, als-
bald seinen Vater u. seine Mutter u. den, der älter ist, als man selbst, auf das Knie
oder auf seine Hand(fläche) zu küssen. || Sanh 2713: Bar Chama (der wegen Mordes an-
geklagt war) erhob sich u. küßte dem Rab Papi (um 360, dem er seine Freisprechung
verdankte) die Füße u. übernahm für ihn die Kopfsteuer während seines ganzen
Lebens. || pPea 1, 15"^', 23: R. Jonathan (um 220) u. R. Jannai saßen beieinander; da kam
ein Mensch u. küßte (aus Dankbarkeit) die Füße des R. Jonathan. — Dasselbe pQid 1,
61«, 3; pesiqR23— 24 (122b). — Weitere Beispiele s. K'^th63a; BB 16a.
3. Als Kuß der Falschheit wird, wenigstens von einigen Autoren,
der Bruderkuß Esaus (Gn 33, 4) gedeutet.
GnR 78 (50b): Esau lief ihm entgegen . . . u. küßte ihn inp/sJi (Gn 33, 4). Darüber
ist punktiert. R. Schimfon b. Elfazar (um 190) hat gesagt: In jeder Schriftstelle, wo
du mehr (Buchstaben) findest als Punkte, da lege die Schriftzeichen aus (unter Nicht-
beachtung der punktierten Buchstaben); wo aber mehr Punkte als Buchstaben sind,
da lege das Punktierte aus (unter Nichtbeachtung der unpunktierten Buchstaben). Hier
ist des Geschriebenen nicht mehr als des Punktierten u. des Punktierten nicht mehr
als des Geschriebenen; das lehrt, daß Esaus Liebe in jener Stunde entbrannte, so daß
er ihn von ganzem Herzen küßte (sein Kuß war also aufrichtig gemeint). R. Jannai
(um 225) antwortete: Wenn dem so wäre, warum ist darüber punktiert? Vielmehr
lehrt das, daß er ihn nicht küssen T'"-"^";, sondern daß er ihn beißen wollte irr:'':. Und
es wurde der Hals unsres Vaters Jakob von Marmor u. die Zähne jenes Frevlers wurden
stumpf; u. was will die Schrift lehrend sagen m.it: „u. sie weinten" (das.)? Der eine
weinte wegen seines Halses u. der andre weinte wegen seiner Zähne. R. Abbahu (um 300)
hat im Namen des R. Jochanan (f 279) den Beweis für R. Jannai von hier erbracht:
Dein Hals ist wie ein Turm aus Elfenbein HL 7, 5. — In der Parallelstelle Midr HL 7, 5
(r27a) sind die beiden Deutungen zu Einer im Sinne des R. Jannai verarbeitet worden. ||
ExR5 (71b): Ahron küßte seinen Bruder Mose (s. Ex 4, 27). R. Sch'"muel b. Nachman
(um 260) hat gesagt: Gleich einem Goldarbeiter, dem man eine Münze überbrachte;
er sah, daß sie inwendig von Lehm u. auswendig von Gold war. Nach einiger Zeit
überbrachte man ihm eine Münze, die ganz von Gold war. Er sagte zu ihnen: Die
erste war Lehm u. mit Gold überzogen, aber diese ist ganz von Gold. So war auch
der Kuß, den Esau seinem Bruder Jakob schenkte, nur Schlacke, vgl. Spr 26, 23:
, Schlackensilber, gezogen über eine Scherbe." Und was war das Ende? „Glühende
Lippen u. ein böses Herz" (das.); denn er wollte ihn nicht küssen, sondern beißen.
Aber der Kuß Ahrons u. Moses war ein Kuß der Aufrichtigkeit r-ss rij np-r:; u. in
bezug auf sie heißt es Ps85, 11: Liebe u. Wahrheit begegnen einander. || SNu 9, 10
§69(18''^): Das Wort inp'j-^i Gn 33, 4 ist punktiert, weil er ihn nicht von ganzem
Herzen geküßt hat. R. Schimfon b. Jochai (um 150) sagte: Es steht klärlich fest, daß
Esau den Jakob geküßt hat; aber in jener Stunde regte sich seine Liebe u. er küßte
ihn von ganzem Herzen. || Targ Jerusch I Gn 33, 4: Er küßte ihn u. weinte. Esau weinte
wegen des Schmerzens seiner Zähne, die wacklig geworden waren, u. Jakob weinte
wegen des Schmerzens seines Halses (s. oben R. Jannai).
26, 51: Er zog sein Schwert.
Das Tragen von Waffen war nicht gerade selten.
Schab 6,4: Der Mann soll (am Sabbat) nicht ausgehn mit einem Schwert oder
mit einem Bogen oder mit einem Schild oder mit einer Keule oder mit einem Spieß;
Matth 26, 51. 53. 55. 56. 57 (Nr. 1) 997
u. wenn er damit (versehentlich) ausgegangen ist, ist er zu einem Sündopfer verpflichtet.
R. Eli?ezer (um 90) sagte: Sie dienen ihm als Schmucksachen (u. deshalb darf man
damit an einem Sabbat ausgehn). Die Gelehrten erwiderten: Nur zur Schande dienen
sie, s. Jes 2, 4 : Sie werden ihre Schwerter umschmieden zu Pflugmessern u. ihre Spieße
zu Winzerhippen; nicht mehr wird Volk wider Volk das Schwert erheben, noch werden
sie fürder zum Kriege sich üben. — Bar Schab öS'*: Die Gelehrten sagten zu R. Eli?ezer:
Wie, wenn sie ihm als Schmucksachen dienen, warum hören sie in den Tagen des Messias
' auf? Er antwortete: , Weil sie nicht nötig sind, s. Jes 2, 4: , Nicht mehr wird ein Volk"
usw., u. sie werden bloß zum Schmuck dienen. . . . Einige sagen: Die Gelehrten sagten zu
R. Elifezer: Wie, wenn sie ihm als Schmucksachen dienen, warum hören sie in den Tagen
des Messias auf? Er antwortete: Auch in den Tagen des Messias hören sie nicht auf.
2G, 53: Zwölf Legionen Engel,
P.fy/ojj', ■pi.nb, pl. -pDi-i^b oder nisiii^b. — Engellegionen zB:
NuR 11, s. bei Gal 3, 19. — Ferner TSota 3, 14 (297): Sis^ra hat sich vor Gott nur
seiner Legionen gebrüstet, die keinen Sold erhielten, s. Ri5, 19: „Es kamen Könige,
kämpften . . .; ein Stück Silber erhielten sie nicht." Auch Gott nahm an ihnen Rache
nur durch Legionen, die keinen Sold empfangen, s. Ri 5, 20: Vom Himmel her kämpften
sie usw. — Parallele: NuR 9 (153^). [j LvR 16 (116^^): Gott ruft seine Legionen (= Engel)
zus. u. spricht zu ihnen: Nicht ohne Grund habe ich ihn (den Aussätzigen) geschlagen,
sondern „Avegen der Schuld seiner Habgier lyna bin ich zornig geworden u. habe ihn
geschlagen" (Jes 57, 17). || Engelmyriaden s. bei Mt 14, 6 S. 682 Anra. e.
26,55: Täglich habe ich im Tempel gesessen lehrend.
Der Lehrer u. Vortragende pflegte zu sitzen.
MidrHL 1, 3 (85''): Das Lehrhaus des R. Elifezer (um 90) in Lydda war wie eine
Rennbahn (Stadion) gemacht, u. ein Stein las befand sich daselbst, der für ihn als
Sitz bestimmt war. Einmal kam R. J^hoschuaf (um 90) hin u. begann jenen Stein zu
küssen u. sprach: Dieser Stein gleicht dem Berge Sinai, u. der auf ihm saß, glich der
Bundeslade, i! LvR 16 (116'^): Als Ben ?Azzai (um 110) einmal saß arv u. öffentlich
vortrug ir-in, züngelte rings um ihn Feuer. | Midr HL 1, 10 (91 ^): R. Abbahu (um 300)
saß u. trug öfi"entlich vor •o^-'m nttjr rrn, u. Feuer flammte rings um ihn (beide Stellen
im Exk. über den altjüd. Synagogen-Gottesdienst C 2). i| B'-'rakh27b: Rabban Gamliel
(IL, um 90) saß u. trug vor r^m an-i r>'':^ , u. R. J'^hoschuas stand auf seinen Füßen,
bis alles Volk murrte. Dasselbe B^kh 36=»; pB^rakh 4, 7 ^^, 4 ; pTa?an 4, 67^', 20. ExR 8
{12)^)\ Dein Bruder Ahron wird dein Prophet sein Ex 7, 1. Wie der Vortragende sitzt
u. vorträgt »im aiüi" u. der Amora (Sprecher, Dolmetsch) vor ihm steht, so sollst du
alles sagen, was ich dir befehlen werde, u. Ahron soll es zum Pharao sagen. || Aboth
RN4: Wenn der Gelehrte sitzt u. vorträgt :ü-m 2'av in der Gemeinde, so rechnet es
ihm die Schrift an, als ob er Fett u. Blut auf dem Altar darbrächte. || Mehrfach werden
Polster u. Sessel als Sitze der Gelehrten erwähnt, s. Aboth RN 6; M*^'g2la u. MQ 161^
bei Apg 22, 3. — Auch ein Krug oder ein Korb werden als Sitzgelegenheit genannt, s.
N®d 49b bei Apg 18, 3. — Zum Sitzen der Schüler während des Unterrichts s. bei Apg 22, 3.
26,56: Da verließen ihn alle Jünger u. flohen.
Schab 32'"»: Rab Papa (t 376) hat gesagt: An der Tür des Kramladens (wo hin u.
wieder etwas verteilt wird) gibt es viele Brüder u. Freunde; an der Tür des Gefäng-
nisses ' gibt es keine Brüder u. Freunde.
26,57: Sie führten ihn zum Hohenpriester Kaiphas, wo die
Schriftgelehrten u. die Ältesten zus.gekommen waren.
1. Das eigentliche Versammlungslokal des großen Synedriums (bei
^ So Levy 1, 529 s:"t -3 2zs statt -:v7a :3S (Tür der Verachtung).
998 Matth 26, 57 (Nr. 1)
Josephus ßovh'j oder ßovXevri^Qior) lag am östlichen Ende der ersten
oder ältesten Mauer, die die Nordseite Jerusalems schirmte. Diese
Nordmauer hegann im Westen am Turm Hippikus, zog sich dann ost-
wärts beim Xystus (o Svcrrog) u. dem Rathaus (/; ßovh]) vorüber u.
endigte an der die Westseite des Tempelberges umschheßenden Säulen-
halle, Der Xystus scheint ein freier, von Säulengängen eingeschlossener
Platz gewesen zu sein, der zu Wettspielen u. zu Volksversammlungen
(s. Bell. Jud. '2, 16, 3) diente; von ihm führte eine Brücke über das
Tyropöon hinüber auf den Tempelberg. Und hier an der Südwestecke
des Tempelplatzes wird die ßovh'j gelegen haben; jedenfalls außerhalb
der Oberstadt; denn bevor diese in die Hände der Römer fiel, hatte
Titus das Rathaus bereits zerstören lassen (Jos, Bell. Jud. 6, 6, 3).
Joseph. Bell. Jud. 5, 4, 2 {Tmv xqiwv rsi/cäp t6 fxsv dQ/aioy) c(Q)(6[j.epov de xard
ßoQQÜv f(7i6 rov Inmxov xaXovf^syov nx'Qyov xa'i (^tuTeh'ov in'i röv Svarov Xeyöfxevov,
ensiXK TTJ ßotiXfj awänroi', im rrir sansQiov rov IsQov arodv c<7I7]qtICeto. \\ Bell. Jud. 2,
16,3: TTf offx«A£<T«^f j'o? (Agrippa II. 50 — 100 n. Chr.) dt] eig top Svatdv ro TiXrjfiog xcd
nc(QccaT7]ad/Ltsyog iv nsoiöniM xrjv ci^sXrfrjv Hsgi'lxtji' ini rrjg 'AanfAMvcäüiu oixlccg, avTr/.
ydg ijy endvw rov Evaxov ngög ro nsoaf ri^g «Vw nöXawg xcd yscpvQu (Brücke) riö
Svario ro ?fpoV avr7]nrEv, l'Ae|e romcTe. || Bell. Jud. 6, 6, 3 : ToTg de aTQ«rntJrc<ig ifj.ni-
■noilvai xal diagniCety ixe?.6vas {Tirog) ri^p nöliv . ol d'ixeli'7]u /usr insa^ov rrjv rjuigctv.
rrj d'iiareQal<x rö re dg^feToi' (Archiv) xcd Xrjv "Jxgar xcd ro ßovXevrTJQtoi' xcd rov
OcfXäv (das Ophel-Viertel südlich vom Tenipelberg) xaXovuevov vcj^fjxpar, xcdi nQovxotps
ro tii'q fJixQ' ^^*' 'Eksr7]g ßacJiXeuoy, tc cT?; xctra niatjp njy "Axoccv (Unterstadt) ?;»'.
Nach der Mischna war das Versammlungslokal des Synedriums in
der niTsh rsiyb (Quaderhalle), einer Baulichkeit im Innern Vorhof.
Mid5, 4: Auf der Südseite (des inneren Vorhofs) befand sich die Holzkammer,
die Kammer derer vom Auslande u. die p-T;n rsaV. Die Holzkammer: R. Elifezer
b. Jafaqob (wohl der IL, um 150) hat gesagt: Wozu sie gedient hat, habe ich ver-
gessen. Abba Scha^ul (um 150) hat gesagt: Es war die Halle des Hohenpriesters, u.
sie lag hinter den beiden andren, aber alle drei hatten ein gemeinsames Dach. Die
Kammer derer vom Auslande: dort hatten die aus dem Exil Zurückkehrenden einen
bleibenden Brunnen angelegt, u. ein Rad war darüber angebracht, u. von dort ver-
sorgte man den ganzen Vorliof mit Wasser. Die r-T;n ratuV: dort tagte das große
Synedrium Israels u. beurteilte die Priesterschaft (betreffs der Legitimität ihrer Ab-
stammung). Wenn an einem Priester etwas Verwerfliches gefunden wurde, so zog
er Trauergewänder an u. ging davon; der aber, an dem nichts Verwerf liebes gefunden
"wurde, legte weiße Gewänder an, ging hinein u. verrichtete den Dienst mit den
Priestern, seinen Brüdern, jl Sanh 11, 2: Drei Gerichtshöfe waren dort (in Jerusalem):
einer saß am Eingange des Tempelberges u. einer am Eingang des Vorhofs u. einer
in der Quaderhalle. |1 Vgl. Pea 2, 6: Man ging hinauf zur Quaderhalle u. fragte an (beim
großen Synedrium); ähnlich ?Eduj7, 4: Es kam die Sache vor die Q. (d. h. vor den
dort tagenden Gerichtshof). || Tamid 2, 5: Man ging hinab u. begab sich in die Q. (um
hier die Priester losen zu lassen, wer schlachten, wer das Blut sprengen sollte usw.) —
Tamid 4 Ende : (Die Priester) gingen hinab u. begaben sich in die Q., um das Sch^'maf
zu rezitieren. || Joma 25^ Bar (s. TJoma 1, 10 [181]): Die Q. glich einer großen Basilika;
das Verlosen (der Priesterfunktionen) fand im Osten statt, während ein Ältester (des
Gerichtshofes, der sie über die Ordnung des Verlosens unterwies, Raschi) im Westen
saß, die Priester aber standen rings herum nach Art eines Schneckengewindes. Der
Aufseher kam u. nahm die Mütze (Turban) vom Kopfe des einen von ihnen; damit
wußten alle, daß das Verlosen bei diesem seinen Anfang nahm . . . Abaje (f 338/39)
Matth 26, 57 (Nr. 1) 999
hat gesagt: Daraus entnehme ich, daß die Q. zur Hälfte im Heiligen (im Innern Vor-
hof) lag u. zur Hälfte im Profanen (im äußern Vorhof); ferner entnehme ich daraus
daß die Q. zwei Eingänge hatte: der eine stand offen nach dem Heiligen u. der andre
stand offen nach dem Profanen. Denn wenn man annehmen wollte, daß sie ganz im
Heiligen lag, so saß doch ein Ältester im Westen; u. ein Autor hat doch gesagt
(s. TSanh 4, 4), daß es im (innern) Vorhof nur für die Könige aus dem Hause Davids
ein Sitzen gab. Und wenn man annehmen wollte, daß sie ganz im Profanen lag, so
fand doch das Verlosen im Osten statt; u. siehe, wir haben gelernt Ps 55, 15: Wir
zogen zum Hause Gottes im lauten Getümmel, was in diesem Falle (wenn das Ver-
losen im Profanen u. nicht im Heiligen vorgenommen wurde) nicht zutraf. Vielmehr
entnehme ich daraus, daß die Q. zur Hälfte im Heiligen u. zur Hälfte im Profanen
lag. Und wenn man annehmen wollte, daß sie (nur) Einen Eingang hatte u. daß dieser
nach dem Heiligen hin offen war, so saß doch ein Ältester im Westen, u. wir haben
doch gelernt (vgl. P*^s 86'i; Z<^b56a): Die Hallen (Kammern), die im Profanen erbaut
sind u. nach dem Heiligen hin offen stehen, deren Inneres ist heilig. Und wenn man
annehmen wollte, daß die Q. nach dem Profanen hin offen gestanden hat, so fand
doch das Verlosen im Osten statt, u. wir haben gelernt: (Die Hallen,) die im Heiligen
erbaut sind u. nach dem Profanen hin offen stehen, deren Inneres ist profan (u. in
einem profanen Raum hätte das Verlosen der Priesterfunktionen nicht stattfinden können).
Also entnehme ich daraus, daß die Q. zwei Eingänge gehabt hat, von denen der eine im
Heiligen u. der andre im Profanen offen stand. Vgl. TJoma 1, 10 (181); TSukka i, 16 (199).
Schürer 2*, 263 ff. folgt den Angaben des Josephus: „Vermutlich
wolle der Name n-^tsn r^irb, entgegen der gewöhnlichen Meinung, nicht
besagen, daß jene Halle aus Quadersteinen {r^n) gebaut war — was
kein charakteristisches Merkmal wäre — , sondern dafe sie am Xystos
lag (n^vj = ^"i'ö-Toc, wie LXX 1 Chr 22,2; Amos 5,11): Die Halle am
Xystos." Jüdischerseits hält man an der Lage der Quaderhalle innerhalb
der Tempelarea fest, s. Strack zu Sanli 11,2.
Nichts hat mit dem Versammlungslokal des großen Synedriums zu
schaffen die mehrfach erwähnte (■■'^iribsj) "p"ifi'^a r?P^. Diese war viel-
mehr mit der „Halle des Hohenpriesters" (s. oben Mid 5,4) identisch;
letzterer Name stammt davon, daß der Hohepriester sieben Tage vor
dem Versöhnungsfest in ihr seine Wohnung nahm.
Jonia 1,1: Sieben Tage vor dem Versöhnungstage sonderte man den Hohenpriester
von seinem Hause ab hin nach der Halle der ^-^nnis oder = tiqosSqoi „Vorsitzenden"
s. Schürer'* 2, 254. || TJom 1, 1 (180): R. J'^huda (um 150) pflegte sie (die Halle der Vor-
sitzenden) zu nennen „Halle der Ratsherren ", -j-un^a 'h = ßovXsvTcä. \\ Joma 8^ Bar:
R. J'^huda (um 150) hat gesagt: War es denn die Halle der Vorsitzenden, war es nicht
vielmehr die Halle der Ratsherren "LSii^a? Allein anfänglich pflegte man sie die Halle
der Ratsherren zu nennen; doch weil sie für das hohepriesterliche Amt Geld gaben u.
darin alle 12 Monate wechselten, wie die Vorsitzenden (in Staatsbehörden), die alle
12 Monate in ihrem Amt wechseln, deshalb nannte man sie Halle der Vorsitzenden.
(Die Stelle ist im Sinne des Tadels gemeint: während früher die Hohenpriester für ihre
ganze Lebenszeit Ratsherren, d. h. Mitglieder des großen Synedriums waren, sind sie
infolge Käuflichkeit des hohenpriesterl. Amtes zu bloßen Vorsitzenden [nicht Beisitzern
TiägsdQot] des Synedriums geworden, die alle 12 Monate den Präsidentensitz einem
andren überlassen müssen. Das prägt sich auch in dem Namen der „Halle des Hohen-
priesters" aus: erst hieß sie Halle der Ratsherren, später Halle der Vorsitzenden.)
Parallelstelle pJoma 1, 38*^, 35. — In bJoma 9^^ folgt dann noch die Frage: Was be-
deutet ■j—nn-'E? (Antwort:) 'O^-'e. — Dies Wort erklärt Raschi durch „königliche Be-
amte" "i^ttn ■'T-e; andre: := ecpogoi.
1000 Matth 26, 57 (Nr. 2)
2. Eine Tradition, die sich an den Namen des R. Jose b. Chalaphta,
um 150, knüpft, weiß zu berichten, daß 40 Jahre vor der Zerstörung
des Tempels das Synedrium seine Sitzungen aus der Quaderhalle nach
einer Kaufhalle verlegt habe.
f AZ 8'': Rab Kaliana (um 250) hat gesagt: Als R. Jischmafel b. Jose (b. Chalaphta,
um 180) erkrankte, ließ man ihm sagen: Sage uns zwei oder drei Worte, die du uns
im Namen deines Vaters (R. Jose, um 150) gesagt hast. Er antwortete: 180 Jahre,
bevor das Haus (= Tempel) zerstört wurde, dehnte sich die frevlerische Herrschaft
(Roms) über Israel aus; 80 Jahre, bevor das Haus zerstört wurde, verhängte man
(als Vorbeugungsmaßregel) Unreinheit über das Land der Völker u. über Glasgefäße;
40 Jahre, bevor das Haus zerstört wurde, wanderte das Synedrium (aus der Quader-
halle) aus u. tagte in einer Kaufhalle, r^:r^z. In bezug worauf ist das von Belang?
Rab Ji9chaq b. Abdimi (um 300) hat gesagt: Es will besagen, daß sie nicht mehr in
Strafgeldsachen richteten. . . . Rab Nachman bar Ji^chaq (f 356) hat gesagt: Sage nicht:
in Strafgeldsachen, sondern daß sie nicht mehr in Kriminalprozessen aburteilten. Was
war der Grund? Als sie sahen, daß sich die Mörder mehrten, so daß sie sie nicht
aburteilen konnten, sagten sie: Es ist besser, wir wandern von Ort zu Ort, damit wir
nicht zu verurteilen brauchen; denn es heißt Dt 17, 10: Handle nach Maßgabe des
Spruchs, den sie dir verkündigen werden von jenem Ort aus, den Jahve erwählen wird.
Das lehrt, daß es (das rechtsgültige Urteilen) vom Ort (von der Gerichtsstätte) abhängt,
(Darum verließ also das Synedrium seinen alten Gerichtssitz, um keine Todesurteile
mehr fällen zu können.) Dasselbe etwas kürzer Schab 15*, hier statt r^:n2 der Plural
^^''l:-:; als Bar in Sanh 4H. |1 RH 31^: Rab J^huda b. Idi hat gesagt, R, Jochanan
(t 279) habe gesagt: Zehn Stationen hat die Sch^khina (Gottheit) auf Grund der Schrift
(beim Verlassen des ersten Tempels) gemacht. Ihnen entsprechend (also auch zehn-
mal) ist auf Grund der Tradition das Synedrium gewandert . . . von der Quaderhalle
nach der Kaufhalle nijn, von der Kaufhalle nach Jer., von Jer. nach Jahne, von Jahne
nach iUscha, von iUscha nach'Sch'^pharsam, von Sch'pharfam nach Beth-Sch*'?arim,
von Beth-Sch*^farim nach Sepphoris, von Sepphoris nach Tiberias, u. Tiberias ist das
tiefste von allen, s. Jes 29,4: Tief unten von der Erde wirst du reden u. gedämpft
aus dem Staube wird deine Rede kommen. . . . R. Jochanan hat gesagt: Und von dort
(Tiberias) werden sie dereinst (in der messian. Zeit) erlöst werden; s. Jes 52,2: Schüttle
ab den Staub, stehe auf. || Die Kommentatoren nehmen an, daß mit der „Kaufhalle"
eine der Hallen gemeint sei, in denen auf dem Tempelberg Opferbedarf verkauft
wurde. — Chwolson, Das letzte Passahmahl Christi S. 123, identifiziert die „Kaufhalle"
mit den angeblich der Familie des Hohenpriesters Hannas gehörenden Kaufhallen, die
am Ölberge gelegen waren (s. hierzu bei Johl8, 13 Anm. d). Dorthin sei etwa um
30 n. Chr. der Sitz des Synedriums verlegt worden, dorthin sei auch Jesus zuerst nach
seiner Gefangennehmung abgeführt worden; vgl. Joh 18, 13.
Schürer'^ 2, 265 verwirft die Tradition über die Verlegung der
Synedrialsitzungen nach einer Kaufhalle als unhistorisch, zumal die
Mischna augenscheinlich voraussetze, „daß das Synedrium gerade in
der letzten Zeit vor der Zerstörung des Tempels sich in der Lischkath
ha-gazith versammelt habe". Da nach einer anderweitigen Tradition dem
Synedrium ebenfalls 40 Jahre vor der Tempelzerstörung das Richten
über Leben u. Tod abgenommen sei, so habe man daraus gefolgert, daß
auch die Sitzungen des Synedriums nicht mehr in dem früheren Amts-
lokal stattgefunden haben könnten,
Synedrialsitzungen im Hause des Hohenpriesters werden in der
rabbin, Literatur, soweit wir sehen, nicht erwähnt. Die Quaderhalle,
Matth 26, 57 (Nr. 2j. 26, 60 (Nr. 1—3) 1001
falls sie im Tempelbezirk lag, kam als Stätte der V^erhandlung gegen
Jesum schon der nächtlichen Stunde wegen nicht in Betracht, da die
Tore des Tempelbergs in der Nacht geschlossen waren.
Mid 1,1: An drei Stellen hielten die Priester im Heiligtum Wache: im Hause des
Abtinas (des Herstellers des heiligen Räucherwerks), im Funkenhaus (?) u. im Brand-
hause (wo beständig Feuer unterhalten wurde); die Leviten an 21 Stellen: 5 an den
5 Toren des Tempelberges, 4 an den 4 inneren Ecken, 5 an den 5 Toren des (inneren)
Vorhofs, 4 an den 4 äußeren Ecken (des inneren Vorhofs), 1 in der Opferkammer, 1 in
der Vorhangskammer u. 1 hinter der Stätte der Kapporeth (= dem Allerheiligsten).
26,60: Obwohl viele falsche Zeugen herzutraten.
ipsvdoixÜQTVQsq „falsche Zeugen" (nicht ■pis^'it wyj = Z., die als
falsche Zeugen überführt sind, sondern:) np^ •^yj =^ Zeugen, die Falsches
aussagen, sei es wissentlich, sei es irrtümlich.
1. Personen, die als Zeugen unzulässig waren.
Sanh 3,3—5; Sch^bu4, 1; SDt 19, 17 (109'^); RH 1,8 u. Sanh27'^ s. bei Mt5, 21
S. 267 f. II TSanh 5, 5 (423): Zu ihnen (den in Sanh 3, 3—5 genannten Personen) hat
man hinzugefügt: die Räuber u. die Hirten u. die Gewalttätigen u. alle, die in Geld-
sachen verdächtig sind — deren Zeugnis ist untauglich. || Sanh 25b Bar: Man hat noch
hinzugefügt die Hirten (von Kleinvieh, weil sie ihre Herden auf fremde Grundstücke
treiben), die Steuererheber u. die Zöllner. . . . Von den Steuererhebern u. Zöllnern hatte
man anfänglich angenommen, daß sie nur das nähmen, was ihnen vorgeschrieben war;
als man aber wahrnahm, daß sie mehr nahmen, erklärte man sie (als Zeugen) für untauglich.
2. Die Verwarnung der Zeugen in Kriminalprozessen.
Sanh 4, 5 s. bei Mt 5, 21 S. 267 Anm. c. — Fortsetzung der Stelle: Denn so finden
wir es bei Kain: „Das mehrfache Blut ('•:-, Plur.) deines Bruders schreit zu mir von
der Erde" Gn 4, 10. Es heißt nicht: „das Blut" (Sing.) deines Bruders, sondern das
„mehrfache Blut" deines Bruders, sein Blut u. das Blut seiner (etwaigen) Nachkommen. . . .
Deshalb ist ein einziger Mensch in der Welt geschaffen worden, um zu lehren, daß
jedem, der eine Seele [„aus Israel" ist zu tilgen. Strack zur Stelle] vernichtet, man
es anrechnet, als ob er eine ganze Welt vernichtet hätte, u. jedem, der eine Seele [aus
Israel] erhält, man es anrechnet, als ob er eine ganze Welt erhalten hätte. . . . Und
vielleicht werdet ihr sagen: Was soll uns diese Bedrängnis (die wir als Zeugen haben)?
Fürwahr, es heißt schon Lv 5, 1 : „Er war Zeuge, sei es daß er es gesehen oder er-
fahren hat; wenn er dann nicht Anzeige macht u. er infolgedessen Verschuldung trägt."
Und vielleicht werdet ihr sagen: Was sollen wir uns in bezug auf das Blut dieses ver-
schulden? Fürwahr, es heißt schon Spr 11, 10: „Und wenn die Frevler zugrunde gehn,
herrscht Jubel." || Beispiel einer Zeugenaussage, die auf Vermutung beruht: TSanh 8,3
(427): Man soll nicht sagen: Wir haben ihn (den Angeklagten) gesehen, wie er hinter
dem andren herlief u. ein Schwert in seiner Hand hatte, er (der Verfolgte) ging vor
ihm in einen Kramladen u. dieser ging nach jenem in den Kramladen, u. wir gingen
nach ihm hinein u. fanden jenen getötet u. das Schwert war in der Hand des Mörders
u. triefte von Blut — ihr möchtet vielleicht sagen; Wenn nicht (die&er), wer hat ihn
(sonst) getötet? (Die Vermutung mag also noch so begründet sein, zur Bezeugung der
Täterschaft genügt sie nicht.) — Die Parallele Sanh 37 b s. bei Mt 5, 21 S. 267 Anm. c.
3. Zu rechtsgültigem Zeugnis gehörte die Aussage von 2 Zeugen.
SNu 35, 30 §161 (621», 3): „Ein Zeuge kann nicht gegen eine Person aussagen,
daß sie sterbe" Nu 35, 30; wohl aber darf Ein Zeuge zugunsten des Angeklagten aus-
sagen. ... „Ein Zeuge"; diese Stelle enthält die Hauptnorm:' überall wo ->; „Zeuge"
* Zur exegetischen Regel des as i^jz (Hauptnorm) s. Einl. S. 97 f.
1 002 Matth 26, 60 (Nr. 3—5)
in der Schrift steht, sind damit allgemein zwei Zeugen gemeint, bis dir die Schrift
ausdrücklich angibt ^Ein" Zeuge. || SDt 17,6 § 150 (104b): Woher, daß Ein Zeuge nichts
zuungunsten des Angeklagten vorbringen darf? Die Schrift sagt lehrend Dt 17, 6: Er
darf nicht auf die Aussage Eines Zeugen getötet werden. — Weitere Belege s. bei
Mt 5, 21 S. 267 Anm. b. — Über Zeugengruppen s. ebenda S. 266.
4. Ausfragung n^^ni u. Ausforschung rT^1pn der Zeugen.
Schriftgrund: Dt 13, 15. Die n-iipn galt als das Wichtigere; sie bezog
sich auf die Zeit u. den Ort des Geschehnisses. Die n^'-^ni (wofür auch
njrii'ia = Untersuchung, Prüfung) richtete sich mehr auf Nebenumstände.
Wenn ein Zeuge eine Ausforschungsfrage nicht beantworten konnte,
so wurde sowohl seine, als auch des zweiten Zeugen Aussage ver-
worfen; dagegen behielt bei der d«rischa oder b'^diqa in diesem Fall
das Zeugnis beider seine Gültigkeit. Widersprachen sich die beiden
Zeugen, sei es bei den Ausforschungs-, sei es bei den Prüfungsfragen,
so war ihr Zeugnis ungültig. Der letztere Fall war es — vgl. Mkl4,56:
xal l'aai al fxaqTVQiai ovx rjüar u. das. Vers 59: ovSt ovTMg iGi] rjv rj
jiiaQTVQia avTMv — , der das Verhör der gegen Jesum aufgestellten
Zeugen ergebnislos verlaufen ließ.
Sanh 4, 1 : Vermögensstreitigkeiten u. Kapitalprozesse sind gleich in bezug auf Aus-
fragung u. Nachforschung, s. Lv 24, 22: Einerlei Recht soll euch sein. || Sanh 5, 1 : Man
prüfte sie (die Zeugen) durch 7 Nachforschungsfragen: in welcher Jahrwoche (der
49jährigen Jobelperiode)? in welchem Jahre (der betreffenden Jahrwoche)? in welchem
Monat? am wievielsten Tage *im Monat? an welchem (Wochen-)Tage? in welcher
Stunde? an welchem Ort? R.Jose (um 150) sagte: (Man fragte nur:) An welchem
Tage? in welcher Stunde? an welchem Ort?^ — (Man fragte ferner als Prüfungs-
fragen:) Kennt ihr ihn (zB den Ermordeten)? Habt ihr ihn (den Angeklagten vor der
Begehung der Tat) gewarnt?^ Bei jemand, der Götzendienst trieb (fragte man außer-
dem): Wem hat er gedient? u. womit hat er (dem Götzen) gedient? | Sanh 5,2: Wer
viel prüft, ist lobenswert. Einmal geschah es, daß der Sohn Zakkais (d. i. Rabban
Jochanan b. Z. f um 80) über die Stiele der Feigen prüfte (als ein Mord unter einem
Feigenbaum verübt war). Und was ist der Unterschied zwischen Nachforschungsfragen
u. Prüfungsfragen (b^'diqoth)? Nur dies, daß bei N.fragen, wenn einer (der beiden Zeugen)
gesagt hat: „Ich weiß es nicht", beider Zeugnis ungültig ist. Bei Pr.fragen — wenn
einer gesagt hat: „Ich weiß es nicht" u. sogar wenn beide sagen: „Wir wissen es nicht",
ist ihr Zeugnis gültig. Sowohl bei N.fragen als auch bei Pr.fragen ist, wenn sie (die
beiden Zeugen) einander widersprechen TttJ^-se, ihr Zeugnis ungültig. | Sanh 5, 3: Sagt
einer: „Am zweiten des Monats" u. einer: „Am dritten", so ist ihr Zeugnis gültig;
denn dieser hat um die Einschaltung (eines Tages) beim (letztvergangenen) Monat ge-
wußt, jener aber nicht (sie können also denselben Tag meinen u. bezeugen). Sagt einer:
„Am dritten" u. einer „Am fünften", so ist ihr Zeugnis ungültig. Sagt einer: „In der
2. Stunde" u. einer: „In der 3.", so ist ihr Zeugnis gültig. Sagt einer: „In der 3." u.
einer: „In der 5.", so ist ihr Zeugnis ungültig. R. J'^huda (um 150) sagte: Es ist gültig.
Sagt einer: „In der 5." (vorm. 11 Uhr) u. einer: „In der 7." (nachm. 1 Uhr), so ist ihr
Zeugnis ungültig; denn in der 5. ist die Sonne im Osten u. in der 7. im Westen (ein
Irrtum also ausgeschlossen).
5. Falsche Zeugen.
Makl,4: Die Zeugen werden zu falschen "'^'^»a'iT erst dann, wenn sie sich selbst
als falsche erweisen. Auf welche Weise? Haben sie gesagt: „Wir bezeugen gegen den
' Die Halakha ist nicht nach R. Jose.
"" Zur Verwarnung s. bei Mt 5, 21 S. 261 Nr. 1.
Matth 26, 60 (Nr. 5—7). 26, 61 (5t j 1003
u. den Mann, daß er jemand getötet hat", u. andre haben (dann) zu ihnen gesagt:
„Wie könnt ihr bezeugen? Denn siehe, dieser Getötete oder der Tötende ist an dem-
selben Tage mit uns an dem u. dem Ort gewesen", so sind sie nicht falsche Zeugen
T^'i'siT. (Ihr Zeugnis ist objektiv falsch u. deshalb wertlos; aber es kann auf einem
Irrtum über den Getöteten oder den Mörder beruhen; deshalb gelten sie wohl als --v
"•■pv, aber nicht als ■j-'ö^sit a"ty; sie bleiben in diesem Fall straflos.) Haben andre aber
zu ihnen gesagt: „Wie könnt ihr bezeugen? Denn siehe, ihr selbst seit mit uns an
demselben Tage an dem u. dem Ort gewesen" (könnt also von der Tat nichts gesehen
haben), dann sind sie falsche Zeugen t^'s'sit u. werden auf die Aussage jener getötet.
(Sie haben jetzt über sich selbst ein falsches Zeugnis abgelegt u. damit sich selbst als
T^iiT erwiesen.) ] Makl,5: Sind andre (Zeugen gegen den angeblichen Mörder) ge-
kommen u. jene (die gegen das 1. Zeugenpaar bereits aufgetretenen Zeugen) haben (auch)
diese als falsche erklärt, sind (noch) andre (Zeugen) gekommen u. jene haben (auch)
diese als falsche erklärt, sogar hundert (Zeugenpaare), so sollen sie alle getötet werden.
R. J*^huda (um 150) sagte: Das (ein solches alle übrigen Zeugen als falsche erklärendes
Zeugenpaar) wäre eine 2'E-l:ös (Aufrührerbande?). Nur das erste Paar (falscher Zeugen)
wird getötet. — Wesentlich anders die Parallele TMak 1, 10 (439). Mak 1, 6: Die falschen
Zeugen werden getötet erst, nachdem das Urteil gefällt ist. Denn siehe, die Sadduzäer
r".^~^~ sagten: Erst wenn er (der Angeklagte u. Verurteilte) getötet worden ist, s. Dt
19, 21: „Leben um Leben". Die Gelehrten aber sagten ihnen: Es heißt doch Dt 19, 19:
„Ihr sollt ihm tun, wie er seinem Bruder zu tun gedachte." Also siehe, sein Bruder
muß noch am Leben sein. Wenn dem so ist, warum heißt es denn: Leben um Leben?
Man könnte meinen: Von der Stünde an, da man ihr Zeugnis angenommen hat, sollen
sie getötet werden. Aber die Schrift sagt lehrend: Leben um Leben. Also werden sie
getötet erst, nachdem das Urteil gefällt worden ist. (Mit dem Urteil wird dem Delin-
quenten das Leben abgesprochen; darum haben falsche Zeugen mit demselben Augen-
blick ihr Leben verwirkt.) — Mak 5'> s. bei Mt 5, 38 S. 338; über anderweite Strafen
der falschen Zeugen s. bei Mt 5,38 S. 337 f.
6. Die Zeugen wurden einzeln vernommen.
Sanh 3, 6: (Nachdem man den Zeugen Furcht eingeflößt, d. h. sie verwarnt hatte)
ließ man sie hinausgehn u. behielt (nur) den Angesehensten hi—n unter ihnen zurück.
Man sprach zu ihm: Sage, wieso weißt du, daß dieser diesem schuldig ist? (Diese
Frage beispielsweise bei Vermögensstreitigkeiten.) . . . Man führte den zweiten (Zeugen)
herein u. prüfte ihn. (Dieser Satz auch Sanh 5,4 in bezug auf Kriminalprozesse; an
letzterer Stelle folgt dann:) Wurden ihre Worte übereinstimmend gefunden, so begann
man mit (Gründen für) Freisprechung.
7. Über gedungene falsche Zeugen sagt
Sanh 29»: Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Nathan bar Mar Zutra hat zu mir gesagt:
Man sagt zu den Zeugen (bei ihrer Verwarnung) : Falsche Zeugen sind ihren Lohngebern
verächtlich; s. 1 Kg 21, 10: Setzet zwei nichtswürdige Männer ('"ly^'^a -33, in dieser Be-
zeichnung liegt die Verächtlichkeit) ihm gegenüber, daß sie wider ihn zeugen u. sagen:
Naboth hat Gott u. dem König geflucht (so zitiert derMidr mit Heranziehung von Vers 13).
26,61 51: Der Tempel u. der Messias.
Solange das Heiligtum stand, also bis zum Jahre 70 n. Chr., hat man
wohl allgemein erwartet, daß die messian. Heilszeit die Herrlichkeit des
Tempels ebenso mehren werde wie die Schönheit u. Pracht Jerusalems,
vgl. Tob 13, 9 ff.; U,4f.; Henoch 90, 28f.; 91, 13; Bar 5, 1 ff. Dagegen
dürfte Orac. Sib. 3, 652—660 nicht auf die Zeit des Messias sich be-
ziehen, sondern auf eine frühere Periode des Glücks u. Wohlstandes,
die etwa der Zeit vor dem Völkersturm Ez 38 entspricht. Seit dem
1004 Matth26,61 (3t)
Jahre 70 wandelte sich diese Erwartung dann zu der Hoffnung, daß in
den Tagen des Messias der Tempel in unbeschreiblicher Herrlichkeit
neu erstehen werde, um nie mehr zu vergehen, a Meist wird dabei Gott,b
seltener der Messias c als der Erbauer des neuen Tempels verherrlicht.
a. Sch'^moue ?Esre 14 (paläst. Rezension): Erbarme dich, Jalive, unser Gott, in deiner
großen Barmherzigkeit über Israel, dein Volk, u. über Jerusalem, deine Stadt, u. über
Zion, die Wohnung deiner Herrlichkeit, u. über deinen Tempel u. über deine Wohnung
u. über das Königtum des Hauses David, des Messias deiner Gerechtigkeit. Gepriesen
seist du Jahve, Gott Davids, der du Jerusalem erbaust! — Ferner s. die 14. u. 17 Be-
nediktion in der babyl. Rezension. — Im Habinenu-Gebet, einem Auszug aus dem
Sch'^'mone ?Esre, der von Sch'^muel (f 254) herrührt, heißt es nach der paläst. Rezension:
Freuen mögen sich alle, die auf dich vertrauen, an dem Bau deiner Stadt u. an der
Erneuerung deines Heiligtums u. an dem Sproß deines Knechtes David (= Messias. ||
P'-'s b^ Bar aus der Schule des R. Jischma?el (f um 135): Zum Lohn für drei „Erste"
(nämlich für die ersten Feiertage der drei Hauptfeste Lv 23, 7. 35. 40) erlangten die
Israeliten drei „Erste" (in der messian. Zeit), nämlich die Ausrottung des Samens Esaus
(Roms), den Bau des Heiligtums u. den Namen des Messias (d. h. den Messias). Die
Ausrottung des Samens Esaus, s. Gn 25, 25: „Da kam der erste ■jitüx^r! heraus, rötlich,
ganz wie ein Haarmantel "; u. den Bau des Heiligtums, s. Jerl7, 12: „Der Thron der
Herrlichkeit in der Höhe, von zuerst an iiajNia die Stätte unsres Heiligtums", u. den
Namen des Messias, s. Jes41,27: „Der Erste ■;vi;s"' für Zion, siehe, siehe, da ist es
nun." Vgl. P^siq 185 -"^ nebst Parallelen in Anm. h. || SDt 33, 12 § 352 (145b). ^Er wohnt
sicher bei ihm" Dt 33, 12, das geht auf den ersten (Tempel-) Bau; „er schirmt über ihm
den ganzen Tag" (das.), das geht auf den letzten (= zweiten) Bau, ,u. zwischen seinen
Schultern wohnt er" (das.), r^ämlich erbaut u. vollendet in der Zukunft (= in der messian.
Zeit). Und ebenso findest du es bei Abraham, daß er es (das Heiligtum) erbaut gesehen
hat, u. daß er es zerstört gesehen hat, u. daß er es (wieder) erbaut gesehen hat, s. Gn
22, 14: „Und Abraham nannte den Namen dieses Orts , Jahve erscheint'", siehe, da ist
es erbaut; „so daß heutzutage gesagt wird: Auf dem Berge", siehe, da ist es zerstört;
„wo Jahve erscheint", siehe, da ist es erbaut u. vollendet in der Zukunft. — Dann folgt
dieselbe Ausführung in bezug auf Isaak u. Jakob auf Grund von Gn27,27, bezw.Gn28, 17.
— Parallelstellen: GnR56 (36=»); 65 Ende; 69 (44 1^); Bar Z^b 118^. || pfsiq 145 -^ R. Chijja
(um 200) hat gelehrt: Von Anfang der Weltschöpfung an hat Gott das Heiligtum erbaut,
zerstört u. (wieder) erbaut gesehen. „Im Anfang schuf Gott Himmel u. Erde" Gn 1,1,
siehe, da ist es erbaut, „u. die Erde war Tohu u. Bohu" (das. Vers 2), siehe, da ist es
zerstört; „u. Gott sprach: ,Es werde Licht', u. es ward Licht" (das. Vers 3), siebe, da
ist es erbaut u. vollendet in der Zukunft. — Dasselbe GnR 2 (3«). || GnR98(61b): „Was
euch am Ende der Tage begegnen wird" Gn 49, 1. . . . R. J'^'huda (?) hat gesagt: Den
Bau des Heiligtums (in den Tagen des Messias) hat er ihnen gezeigt, s. Micha 4, 1 :
Und geschehen wird es am Ende der Tage, emporragen wird der Berg des Hauses
Jahves zu Häupten der Berge.
b. P'^siq 185*: R. B*^rekhja (um 340) hat im Namen des R. Abba b. Kahana (um 310)
gesagt: Im Verdienst des Gebotes Lv 23, 40: „Nehmet euch am ersten Tage prächtige
Baumfrüchte" erscheine ich euch als der Erste -j-^csn u. räche euch an dem Ersten u.
baue euch den Ersten u. bringe euch den Ersten. Ich erscheine euch als der Erste, das
ist Gott, s. Jes41,4: „Ich, Jahve, bin der Erste"; u. räche euch an dem Ersten, das
ist Esau (Rom), der Frevler, s.Gn 25,25: „Es kam der Erste heraus, rötlich"; u. ich
baue euch den Ersten, das ist das Heiligtum (der messian. Heilszeit), s. Jer 17, 12: „Der
Thron der Herrlichkeit in der Höhe, von zuerst an -jirs"»: die Stätte unsres Heiligtums" ;
u. ich bringe euch den Ersten, das ist der Messias, s. Jes 41, 27: „Der Erste für Zion,
siehe, siehe, da ist es nun, u. an Jerusalem sende ich frohe Botschaft." — LvR 30 (128'^')
R. Levi, um 300, u. GnR 63 (39 ^) R. Ji9chaq als Autor; mit Abweichungen anonym ExR 1 5
(76=*). li Midr HL 4, 4 (112b): Gott wird dereinst den Tempel bauen u. seine Sch^'khina
Matth 26, 61 (31. SB). 26, 62 (51. 33). 26, 63 (51) 1005
in ihm wohnen lassen. || Midr Ps 22 § 9 (98"): „Wache auf Ps 57, 9, während der Zer-
störung des ersten Hauses (= Tempels), das wiedererbaut werden soll durch Esra;
„wache auf (das.), während der Zerstörung des zweiten Hauses, das durch dich (Gott)
wiedererbaut werden wird als ein vollkommener Bau, s. Psl47,2: „Jahve baut Jerusalem,
die Verstoßenen Israels sammelt er. " Midr Ps 90 ij 19 ( 1 98 ") : Gott sprach zu den Israeliten :
Weil in der Vergangenheit das Heiligtum durch Fleisch u. Blut erbaut worden ist, darum
ist es zerstört u. verwüstet worden, u. ich habe meine Sch'^khina daraus hinweggenommen;
aber in der Zukunft werde ich es bauen u. meine Sch'^khina darin wohnen lassen ; dann wird
es in Ewigkeit nicht zerstört werden. — Derselbe Gedanke auch P'^siqR 26 ( 1 32" ) ; 28 ( 1 35").
C. Orac. Sib. 5, 420 ff. : Und die Stadt, nach welcher Gott Verlangen trug, die machte
er (der Messias) glänzender als die Sterne u. die Sonne u. den Mond, u. Schmuck legte
er (darin) nieder u. machte ein heiliges Haus (= Tempel), ein im Fleische vorhandenes,
. . ., wunderschönes, u. bildete viele Stadien weit einen großen u. unendlichen Turm
(= Tempel), der die Wolken selbst berührt u. allen sichtbar ist. || LvR 9 (111"): Der
König, der Messias, der sich im Norden befindet, wird kommen u. das Heiligtum bauen,
das sich im Süden befindet, s. Jes41,25. — Dasselbe NuR 13 (168^); Midr HL 4, 16 (117b).
26, 61 25: Den Tempel niederreißen u. . . . aufbauen.
Zum Ausdruck s. BB 4": (Als Baba b. Buta Herodes I. den Rat gegeben hatte, den
Tempel zu erneuern) antwortete Herodes: Ich fürchte mich vor der (römischen) Re-
gierung. Jener sprach: Schicke eine Gesandtschaft (nach Rom), die reise ein Jahr u.
die verweile ein Jahr (in Rom) u. die kehre ein Jahr zurück; inzwischen reiße ihn (den
Tempel) ein u. baue ihn auf n-'^sai n^iro. Er tat so. Da ließ man ihm (aus Rom) sagen:
Wenn du nicht eingerissen hast, so reiße nicht ein ^inon bs riro sb; wenn du aber ein-
gerissen hast, so baue nicht auf ":an Vs n'^nc; u. wenn du eingerissen u. aufgebaut hast
r"':ai r-ro, so bist du ein böser Knecht; holt man Erlaubnis ein, nachdem man gehandelt?
26, 62 51: Sitzordnung im Synedrium.
Sanh 4, 3: Das Synedrium war gleich der Hälfte einer runden Tenne (also halbkreis-
förmig), damit man einander sehen könnte. Und zwei Gerichtsschreiber standen vor
ihnen, einer zur Rechten u. einer zur Linken, u. schrieben die Worte der Freisprechenden
u. die Worte der Verurteilenden auf. R. J'^huda (um 150) sagte: Drei waren es; einer
schrieb die Worte der Verurteilenden, u. einer schrieb die Worte der Freisprechenden,
u. der dritte schrieb die Worte der Freisprechenden u. der Verurteilenden (zur Kontrolle
der beiden andren Schreiber; die Halakha ist nicht nach R. J'^huda). — TSanh 8, 1 (427)
fügt hinzu: Der Vorsitzende s-^bj- (= Fürst) saß in der Mitte u. die Ältesten a'?p.? saßen
zu seiner Rechten u. zu seiner Linken. | Sanh 4, 4: Drei Reihen Gelehrtenschüler saßen
vor ihnen; jeder einzelne kannte seinen Platz. Sah man sich genötigt zu ordinieren (um
den Gerichtshof zu ergänzen), so ordinierte man aus der ersten Reihe. Einer aus der
zweiten Reihe kam dann in die erste u. einer aus der dritten kam in die zweite, u. man
erwählte noch einen aus der Gemeinde (aus den Umstehenden) u. setzte ihn in die
dritte Reihe; er saß aber nicht auf dem Platz des Früheren, sondern auf dem Platz,
der ihm gebührte. Vgl. TSanh 8, 2 (427).
26, 62 ^: Antwortest du nichts auf das,
was diese wider dich bezeugen?
Sanh 5, 4: Auch wenn er selbst (der Angeklagte) gesagt hat: Ich kann in bezug
auf mich selbst Freisprechung begründen, hört man auf ihn; nur daß an seinen Worten
etwas Erhebliches sein muß.
26,63 51: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott.
Eine Beschwörung sollte erfolgen beim Namen Gottes oder bei einer
seiner Nebenbenennungen, s. bei Mt 5, 34 S. 330 ff. — Die ältere Halakha
1006 Matth 26, 68 (31. 85). 26, 64
kennt (von dem späteren sog. rabbin. Eide rsin nr^::d wird hier ab-
gesehen) eine Beschwörung in drei Fällen: a. beim Zeugniseid nriiaa
n-ivr}, d. h. bei der Aufforderung an Zeugen, in irgendeiner Angelegen-
heit eine Zeugenaussage vor Gericht zu machen; b. beim Depositeneid
-,i-i;3Qn r?i:;vp, der beim Mangel von Zeugen u. andren Beweismitteln
als Reinigungseid zu leisten war, falls der Beschuldigte leugnete, ein
anvertrautes oder gestohlenes oder gefundenes Gut zu besitzen, eine
israelitische Tochter verführt u. geschändet, einem andren eine Körper-
verletzung beigebracht oder irgendeinen Schaden durch eins seiner
Tiere verursacht zu haben; c. beim richterlichen Eid cio^nn ny^is^-, der
von einem Schuldner zu schwören war, der seinem Gläubiger einen
Teil von dessen Forderung ableugnete, oder von einem Arbeiter, der
von seinem Herrn zurückbehaltenen Lohn einklagte, oder von einem
Beraubten, der vom Diebe Ersatz forderte, oder von einem Verletzten,
der vom Verletzer Entschädigung beanspruchte, oder von einem Kauf-
mann, der auf Grund seiner Geschäftsbücher eine Forderung erhob,
oder von einer Frau, die eine Restforderung aus ihrer Hochzeits-
verschreibung einklagte, oder von demjenigen, dessen Prozefsgegner
wegen Falscheides verdächtig war. Das Nähere bei Mt5,33 S. 322 ff.
Die Jesu abgeforderte eidliche Erklärung würde sich formell am
ehesten unter die sch*^bu<oth ha-<eduth einreihen lassen, hat aber, da
sie in Jesu eigener Angelegenheit abzugeben war, jedenfalls etwas
Ungewöhnliches an sich.
26, 63 5ö:Ob du bist derChristus(derMessias), derSohnGottes.
Wenn die Worte „der Sohn Gottes" vom Hohenpriester gebraucht
worden sind — Lk 22, 66 fehlen sie — , so sind sie von ihm sicherlich ge-
meint gewesen im Sinne des vorhergehenden 6 Kgiarög. — Zu viog xov ^soi
als Bezeichnung des Messias s. bei Rom 1, 3 ; zu XQiaTÖg bei Mt 1,1 S. 6 — 11.
26, 64: Du sagst es.
Zu av siTtag = „wie du sagst, so ist es", s. bei Mt 26, 25. — Da
diese Antwort Jesu auf Grund einer Beschwörung abgegeben worden
ist, so hat sie selbst die Bedeutung einer eidlichen Erklärung; als
solche beweist sie, daß Jesus den von der Obrigkeit geforderten Eid
als zu Recht bestehende Einrichtung anerkannt hat.
26,64: Sitzen zur Rechten der Allmacht
(s. Exk.: Der 110. Psalm im altjüd. Schrifttum).
Auf den Wolken des Himmels (s. bei Mt 24, 30).
26,64: rrjg 6vvdi.i€cog = n-siasn, aram. xr-in?, „Allmacht", als Ersatz
für den Gottesnamen.
SNu 15,31 § 112 (33^): R. Jischmafel (f um 135) sagte: Vom Götzendiener redet die
Schrift, wenn es heißt Nu 15, 31 : , Das Wort Jalives hat er verachtet"; denn er ver-
achtet das erste Wort, das zu Mose aus dem Munde der Allmacht (= des Allmächtigen)
rt^-iain ^z-o geredet wurde: Ich bin Jahve, dein Gott, . . . Nicht sollst du einen andren
Matth 26, 64. 65 (21) 1007
Gott außer mir haben. i| Hör 8^: R. Jischma?el hat gelehrt: „Ich bin Jahve, dein Gott"
u. „Nicht sollst du einen andren Gott außer mir haben", das haben wir aus dem Munde
der Allmacht gehört. || f Er 54 ^ Bar : In welcher Reihenfolge wurde die mündliche Tradition
gelernt? Mose lernte sie aus dem Munde der Allmacht; dann trat Ahron ein u. Mose
lehrte ihn seinen Abschnitt. || J^'b 105 b; (R. Jischmafel b. Jose, um 180, sagte:) War denn
Mose würdig, die Tora aus dem Munde der Allmacht zu lernen? || Sota 37": (R. Me'ir,
um 150, sagte: Weil der Stamm Benjamin zuerst in das Rote Meer hinabgestiegen ist),
darum wurde B., der Gerechte, gewürdigt, daß er der Wirt für die Allmacht wurde
n-najis i^riipris nvjy:i ^ (insofern das AUerheiligste des Tempels im Gebiet des Stammes
B. lag). II Sciiab87^: (R.Jose b. Jehuda, um 180, hat gesagt:) Was hat Mose vor der
Allmacht ii->->:i:r: -:zh geantwortet? || Schab 88b erklärt R. Jochanan (f 279) Ps 68, 12
durch die Worte: Jedes einzelne Wort, das (bei der Gesetzgebung) aus dem Munde der
Allmacht n^iain ■»eö hervorging, teilte sich in siebzig Sprachen (entsprechend der Zahl
der Völker). — Unmittelbar darauf wird statt „aus dem Munde der Allmacht" gesagt:
„aus dem Munde des Heiligen, gepriesen sei er!", 'j also lediglich eine Umschreibung
des Gottesnamens.
26,65 51: Da zerriß der Hohepriester seine Kleider.
MQ 25 b Bar: Dieses sind die Risse "j^yip, die nicht wieder zusammengenäht werden:
wer (seine Kleider) einreißt :>"iipn wegen (Ablebens) seines Vaters u. wegen seiner Mutter
u. wegen seines Lehrers, der ihn Tora gelehrt hat, u. wegen des Nasis (Patriarchen) u.
wegen des Vizepräsidenten y- r^a as des Synedriums u. wegen schlimmer Nachrichten
u. wegen Gotteslästerung a-w-n rsia u. wegen eines Torabuches, das verbrannt wurde, u.
wegen der Städte Judas u. wegen des Heiligtums u. wegen Jerusalems, u. zwar reißt
man wegen des Heiligtums ein u. auch wegen Jerusalems (Ein Riß für beide genügt
nicht). Woher, daß man wegen seines Vaters u. seiner Mutter u. seines Lehrers, der
ihn Tora gelehrt hat, die Kleider einreißt? Weil es heißt 2 Kg 2, 12: „Als es Elisa sah,
rief er: Mein Vater, mein Vater, Wagen Israels u. seine Reiter!" „Mein Vater, mein
Vater", das beweist wegen seines Vaters u. seiner Mutter, „Wagen Israels u. seine
Reiter", das beweist wegen seines Lehrers, der ihn die Tora gelehrt hat. Was ist
daraus zu entnehmen? Es ist so, wie Rab Joseph (f 333) die Stelle im Targum^ wieder-
gegeben hat: Mein Lehrer, mein Lehrer, der besser war für Israel mit seinem Gebet
als Kriegswagen u. Reiter. — Und woher, daß der Riß nicht wieder zusammengenäht
wird? Weil es heißt (das.): „Er erfaßte seine Kleider u. zerriß sie in zwei zerrissene
Stücke." Weiß ich denn nicht daher, daß es heißt: „Er zerriß sie", daß sie in zwei
Stücke zerrissen waren? (weshalb also der Zusatz: „in zwei zerrissene Stücke"?). Allein
es will lehren, daß sie zerrissen wurden, um zwei Stücke für immer zu bleiben. . . .
Woher, daß man wegen desNasiiä u. wegen des Vizepräsidenten des S. u. wegen schlimmer
Nachrichten die Kleider zerreißt? s. 2 Sm 1, 1 1 f. : „Da faßte David seine Kleider u. zerriß
sie, u. auch alle Männer, die bei ihm waren (taten also), u. sie klagten u. weinten u.
fasteten bis zum Abend um Saul u. um seinen Sohn Jonathan u. um das Volk Jahves
u. um das Haus Israel, daß sie durch das Schwert gefallen waren." — „Saul", das geht
auf den Nasis, „Jonathan" auf den Vizepräsidenten des S., „um das Volk Jahves u. um
das Haus Israel", damit sind schlimme Nachrichten gemeint. . . . Wegen Gotteslästerung
woher? s. 2 Kg 18, 37 : „Und Eljaqim, der Sohn des Ghilqijja, der Hausoberste, u. Schebna,
der Schreiber, u. Jo^ach, der Sohn des Asaph, der Kanzler, kamen herein zu'Hiskia mit
zerrissenen Kleidern u. berichteten ihm die (Laster-) Worte des Rabschaqe. — Bar: Ob man
selbst (die Gotteslästerung) hört oder ob man sie aus dem Munde eines Hörers hört,
man ist zum Zerreißen verpflichtet; aber die Zeugen sind nicht zum Zerreißen verpflichtet
(nämlich später bei der gerichtlichen Verhandlung der Sache), denn sie haben bereits
> Diese Worte auch AbothRN 35.
* Rab Joseph, der den von der älteren Tradition (M^g 3^) dem Jonathan b. ?Uzziel,
einem Schüler Hilleis, zugeschriebenen Targum zu den Propheten öfters zitiert u. für
die babylonischen Schulen bearbeitet hat, galt später als dessen Verfasser.
1008 Matth 26, 65 (3t. SB)
den Riß gemacht, als sie die Gotteslästerung hörten. Vgl. 2 Kg 19, 1: ,Als der König
Hiskia es hörte, zerriß er seine Kleider." Also der König zerriß, aber sie (die Über-
bringer der Nachricht) zerrissen nicht (noch einmal). Woher, daß sie nicht wieder
zusammengenäht werden? Das folgt (durch Analogieschluß, s. Einl. S. 97 Nr. 2) aus dem
gleichen Wort „zerreißen" (2 Kg 18, 87 bei einer Gotteslästerung u. 2 Kg 2, 12 bei einer
Trauerkunde: wie hier der Riß ein bleibender — s. die Beweisführung oben — , so auch
dort; so nach Sanh 60 a, wo R. Abbahu, um 300, als Autor genannt wird). Wegen eines
verbrannten Torabuches woher? s. Jer 36, 2o f. — Parallelstellen: pMQ 3, 83 1>, 6; Sanh
6Ua. II Sanh 60'-»: Rah Jehuda (f 299) hat gesagt, Schemuel (f 254) habe gesagt: Wer
den Gottesnamen (d. h. dessen Lästerung) aus dem Munde eines NichtJuden, Goi, hört,
ist zum Zerreißen seiner Kleider nicht verpflichtet; u. wenn du sagen wolltest: „Bei
Rabschaqe war es doch der Fall", so war dies ein abtrünniger Israelit. Ferner hat Rab
Jehuda gesagt, Schemuel habe gesagt: Man zerreißt die Kleider nur wegen (Lästerung)
des ausgezeichneten Gottesnamens (des Jahvenamens); ausgeschlossen ist eine Neben-
benennung Gottes (wie Allmächtiger, Barmherziger usw.), wo das Zerreißen nicht statt-
findet. Er weicht aber in beiden Stücken von der Meinung des R. Chijja (b. Abba?,
um 280) ab; denn R. Chijja hat gesagt: Wer in der gegenwärtigen Zeit die Lästerung
des Gottesnamens hört, ist nicht zum Zerreißen der Kleider verpflichtet; denn wenn
du nicht so sagen wolltest, so würde (wegen der gegenwärtigen Häufigkeit der Gottes-
lästerungen) das ganze Kleid voller Risse sein. Von wem (sollte die Gotteslästerung
aber ausgehn)? Wenn man sagen wollte: „Von einem Israeliten", sind diese denn aber
so frech? Vielmehr ist klar, daß sie von einem NichtJuden ausgeht. Ferner wenn es
sich um den ausgezeichneten Gottesnamen handelte, kennen sie (die NichtJuden) denn
den? Vielmehr ist also gemeint, daß man bei der Lästerung einer Nebenbenennung
(Gottes) die Kleider nicht zerreiße. Entnimm daraus, daß es in der gegenwärtigen Zeit
so ist, daß man die Kleider nicht zu zerreißen braucht; früher aber war man dazu
verpflichtet (sowohl wenn die Lästerung bei einer Nebenbenennung geschah, als auch,
wenn sie von einem Nichtisraeliten ausging). || pSanh 7, 25a, 65: Wie verhält es sich mit
dem Zerreißen der Kleider wegen Lästerung des Jahvenamens aicn nV-j?? Wir können
es aus dieser Stelle entnehmen: Als der König Hiskia (die Worte des Rabschaqe) hörte,
zerriß er seine Kleider 2 Kg 19, 1. Wie verhält es sich mit der Gotteslästerung eines
NichtJuden? Nach dem, welcher sagt, Rabschaqe sei ein NichtJude gewesen, muß man
(ihretwegen) die Kleider zerreißen; nach dem, welcher sagt, er sei eiin Israelit gewesen,
braucht man sie nicht zu zerreißen (da 2 Kg 19, 1 nunmehr auf einen Nichtisraeliten
nicht zutriff't). R. Hoschafja (um 225) hat gelehrt: Gleichviel ob man die Gotteslästerung
von einem Israeliten oder aus dem Munde eines Nichtisraeliten hört, immer ist man
verpflichtet, die Kleider zu zerreißen, s. Jer 32,26: „Ich bin Jahve, der Gott alles
Fleisches." Wie verhält es sich mit dem Zerreißen der Kleider in der Jetztzeit? R. Jose
(um 350) hat im Namen des R. Jirmeja (um 320) im Namen des R. Chijja b. Abba (um 280)
gesagt, u. R. Chizqijja (um 350) hat es im Namen des R. Jirmeja im Namen des R. Jo-
chanan (f 279) gesagt: Seitdem die Gotteslästerer D-<5£--;n überhandgenommen haben,
hat man aufgehört, die Kleider zu zerreißen. Wie verhält es sich mit dem Zerreißen
der Kleider wegen Lästerung der Nebenbenennungen Gottes in der Jetztzeit? Das
können wir hieraus entnehmen: R. Schimfon b. Laqisch (um 250) befand sich unterwegs,
es begegnete ihm ein Samaritaner, welcher Gott lästerte; da zerriß er (R. Seh.) seine
Kleider; er'lästerte weiter u. er zerriß (abermals) seine Kleider. Dann stieg er herab
von seinem Esel, gab dem Samaritaner einen Faustschlag auf sein Herz u. sprach zu
ihm: Du Samaritaner, hat deine Mutter Kleider genug, sie mir zu geben!? Das sagt
uns, daß man die Kleider wegen Lästerung der Nebenbenennungen Gottes zerreißt (denn
der Samaritaner nennt den Jahvenamen nicht) u. ferner, daß man sie in der Jetztzeit
zerreißt. — Dasselbe pMQ 3, 83b, 28. || Ferner s. Sanh 7, 5 unter Mt 26, 66 Nr. 3.
26, 65 f&: Er hat Gott gelästert, eßkaacptiaijasv = ti^ia, aram. ci^^a.
Halakhisches über Gotteslästerung.
Matth 26,65(851) 1009
1. Ex 22, 27: „Die Gottheit sollst du nicht verwünschen nb c^nbs
bbpr u. einem Fürsten in deinem Volk sollst du nicht fluchen" -\-o-j^ N^'r:i
^xn a.h. — Die ältere Auffassung negiert die Beziehung des ersten Satzes
auf den Einen Gott u. versteht unter cinbx entweder die heidnischen
Gottheiten oder die israelitische Obrigkeit (Richter). Erst seit R. ?Aqiba
läßt sich die Deutung der Stelle auf Gotteslästerung nachweisen.
LXX Ex 2*2, 28: Oeovg ov xnxo'Aoyijaeig xkI aQ-/oi'icc rov 'Accov aov ov xcexiög iosi'g. —
Ob die LXX f^sovg = Götter oder = Richter gefaßt haben, ist ungewiß; Philo u. Josephus
nehmen das erstere an. Philo, Quaest. in Exod. 2 §5: Cur dicit: Deos ne blasphemes
(Ex 22, 28) ? . . . Ecce enim non solum affirmationem praestat heterodoxis pro adraissione
et honore eorum, quos a principio existimarunt deos esse, verum etiam discipulos suos
coercet, non permittens libera lingua eis detrahere, melius ratus bonae famae laudem. . . .
Itaque quibus insit mentibus cura dignitatis, coerceant se ipsos de detractione aliorum
deorum, utpote veri entis virtus acunctisoribus laude celebretur. — Joseph. Antiq. 4, 8, 10:
Bk{<a(pt]fJSLTw Ö€ fj7](fslg x^sovg, oi'g nöksig cc'A'Aca yo/uiCovai. \\ Targ Onk Ex 22, 27: Den
Richter sollst du nicht verwünschen ''y,r s' s:-t u. den Fürsten sai in deinem Volk
sollst du nicht verfluchen. — Targ Jerusch I: Mein Volk, ihr Söhne Israels, eure Richter
■;"'3-r"i sollt ihr nicht verwünschen u. die Lehrer (oder auch die , Großen" ■"3='^), die
zu Führern in deinem Volk bestellt sind, sollt ihr nicht verfluchen. || M%h Ex 22, 27
(102'^): „Die Gottheit sollst du nicht verwünschen"; warum ist es gesagt worden?
Wenn es Lv24, 16 heißt: „Wer den Namen Jahves lästert ap*:, soll getötet werden", so
vernehmen wir die Strafe; die Verwarnung (d.h. das bloße Verbot ohne Strafandrohung)
haben wir nicht vernommen. Deshalb heißt Ex 22, 27 ganz allgemein: Die Gottheit
sollst du nicht verwünschen. Das sind Worte des R. ?Aqiba (f um 135). R. Jischmafel
(t um 135) sagte: Von den Richtern redet die Stelle (Ex 22, 27), s. Ex 22, 8: Die An-
gelegenheit beider soll vor die Gottheit (nach R. Jischmaf el = vor die Richter) kommen. —
„Elohim sollst du nicht verwünschen", da höre ich nur vom Richter •■^•^i ; betreffs des
Fürsten woher? Die Schrift sagt lehrend: Und dem Fürsten in deinem Volk sollst du
nicht fluchen. Wenn ich (bloß) lesen würde: „Und dem Fürsten in deinem Volk sollst
du nicht fluchen", so läge (ja schon beides) darin, sowohl der Fürst, als auch der
Richter; was will die Schrift lehrend sagen mit: Den Richter (a-nl;s) sollst du nicht
verwünschen? Sie will für straffällig erklären wegen dieses für sich u. wegen jenes
(des Fürsten) für sich. (In den Worten Ex 22, 27) höre ich nur vom Richter u. vom
Fürsten; woher in bezug auf alle übrigen Menschen (daß man sie nicht verwünschen
darf)? Die Schrift sagt lehrend: „in deinem Volk sollst du nicht fluchen", ganz allgemein.
Von hier aus hat man gesagt: Es kann einer Ein Wort sagen u. sich dadurch in vier-
facher Hinsicht strafbar machen: der Sohn eines Fürsten . . . wegen des Fürsten u. des
Vaters u. des Richters u. Avegen „in deinem Volk sollst du niemand fluchen". R. J^huda
b. Bathyra (um 110) sagte: „Den Richter (a-nVs) sollst du nicht verwünschen u. dem
Fürsten in deinem Volk sollst du nicht fluchen" ; soll ich daraus entnehmen, daß man
sich straffällig macht erst, wenn jener Richter u. (zugleich auch) Fürst ist? Die Schrift
sagt lehrend: „Den Richter sollst du nicht verwünschen", um seinetwegen, weil er
Richter ist, für straffällig zu erklären; „u. dem Fürsten in deinem Volk sollst du nicht
fluchen", um seinetwegen, weil er Fürst ist, für straffällig zu erklären; u. was will die
Schrift lehrend sagen mit: „in deinem Volk"? Solange sie (Richter u. Fürst) den Brauch
deines Volkes üben (nach dem Gesetz Israels sich halten). — Zu den Schlußworten
vgl. die Auslegung Rabas (f 352) BM48'': Man flucht dem, der sein Wort nicht hält;
s. Ex 22, 27: „In deinem Volk", das gilt von dem, der das Tun deines Volkes übt. ||
Sanh66a Bar: n-nis Ex 22, 27 ist profan (d.h. es bezeichnet den Richter); das sind
Worte des R. Jischmafel. R. ?Aqiba sagte: B-n-:« ist heilig (d.h. es bedeutet „Gott").
Ferner heißt es in einer Bar: R. Eli?ezer b. Ja?aqob (um 150) hat gesagt: Woher läßt
sich die Verwarnung erweisen, daß man dem (Jahve-)Namen nicht fluchen darf? Die
Strack u.Billerbeck, NT I. 64
1010 Matth 26, 65 (35 1. 2)
Schrift sagt lehrend Ex 22, 27: Die Gottheit sollst du nicht verwünschen.* . . . Nach dem,
welcher sagt, o-nVs sei profan, lernt man das Heilige vom Profanen (dmch den Schluß
a minori ad majus: ist die Verwünschung des Richters verboten, um wieviel mehr dann
die der Gottheit); nach dem, welcher sagt, vnha sei heilig, lernen wir das Profane vom
Heiligen (durch den umgekehrten Schluß a majori ad minus). Zugunsten desjenigen, der
sagt, D'nVs sei profan, ist, daß man Heiliges aus Profanem lernt (folgert); aber in bezug
auf den, welcher sagt, a-nss sei heilig, gilt: lernt man denn Profanes von Heiligem?
(Die Schlußfolgerung aus Göttlichem auf Menschliches, von Gott auf den Richter ist
unstatthaft.) Vielleicht warnt also die Stelle (Ex 22, 27 vor Lästerung) in bezug auf das
Heilige, aber nicht in bezug auf das Profane? In diesem Fall müßte die Stelle schreiben
'■i-,r S5 (Hiphil), du sollst nicht verunehren; was bedeutet also hhpr s"';? Ich entnehme
daraus beides (die Verwünschung der Gottheit u. des Richters). — Im Traktat Soph'^rim 4, 5
wird die letzte Folgerung so ausgedrückt: In Ex 22, 27 dient a^nis als heilig u. als
profan (bezeichnet sowohl die Gottheit, als auch den Richter); R. Schimfon (b. Jochai,
um 150, ein Schüler des R. ?Aqiba) sagte: Es ist heilig. — Dasselbe in Sepher Tora 4, 5,
nur daß für R. Schimfon irrtümlich gesagt ist: R. Jischma?el.
2. Nu 15, 30 f.: „Die Seele, welche mit hoher Hand (in frecher Ver-
messenheit) etwas tut, von den Eingeborenen u. von den Fremdlingen,
die lästert qn:;^ Jahve, u. diese Seele soll aus ihrem Volk ausgerottet
werden. Denn das Wort Jahves hat er verachtet u. sein Gebot ge-
brochen; ausgerottet, ja ausgerottet werden soll diese Seele: ihre Sünde
ist an ihr." — Eine dreifache Erklärung von q'i:?? läßt sich nachweisen.
Es wird darunter verstanden: a, ein Gotteslästerer im weiteren Sinn,
d. h. einer, der sich freche Reden gegen die Tora u. damit gegen Gott
erlaubt. Die Halakha hat diese Erklärung unberücksichtigt gelassen.
ß, Ein Götzendiener. So R. Jischmafel (f um 135) u. fast allgemein zu
seiner Zeit. Die Halakha führt aus Nu 15, 30 f. den Schriftbeweis für
die Meinung, daß ein Israelit, der absichtlich, aber .un verwarnt Götzen-
dienst getrieben hat, der Ausrottungsstrafe n^s verfallen sei. y, Ein
Gotteslästerer im engeren Sinn des Wortes, d. h. einer, der den Jahve-
namen verwünscht. So namentlich R. fAqiba (f um 135) u. Rabbi. Mit
dem Eintreten Rabbis für diese Deutung wird es zus. hangen, daß t^n:^,
obwohl Nu 15, 30 (sonst nicht in der Tora) fast allgemein im Sinne von
„Götzendiener" gefaßt, bereits in der Mischna u. später ziemlich durch-
gängig zur Bezeichnung des Gotteslästerers verwandt worden ist.
a. SNu 15, 30 f. § 112 (33a): ^Die Seele, welche mit hoher Hand etwas tut" Nu 15, 30,
damit ist derjenige gemeint, der in frecher Weise gegen die Tora (oder von der Tora)
spricht,^ wie Manasse, der Sohn des Hiskia, der dasaß u. (das Gesetz) bespöttelnde
Haggadoth vor Gott vortrug. Er sagte: Hatte er denn nichts andres in der Tora zu
schreiben als: „Ruhen ging in den Tagen der Vv'^eizenernte aus u. fand Mandragoren"
(Liebesäpfel Gn 30, 14)? Oder nichts andres als: , Die Schwester Lotans warTimna?"
(Gn86, 22)? Auf ihn ist durch Tradition gedeutet worden PsöO, 20f.: „Du sitzest u.
1 Mit Ex 22, 27 hat man später mehrfach die Warnung vor Gotteslästerung be-
gründet; in allen diesen Fällen ist c^-hn selbstverständlich = Gottheit gedeutet worden;
s. zB Sanh 56a in Nr. 4 S. 1014; pSanh 7, 25a, 41 in Nr. 4 S. 1015.
^ Dies ist jedenfalls der ursprüngliche Sinn der Redensart --^'!^z a-:£ n?;^-;
Targ Onk setzt dafür: ,wer mit aufgedecktem Haupte handelt". Der spätere Zusatz
n:"^-: sstti, durch den die Wendung die Bedeutung gewinnt: „halakhawidrige Deu-
tungen der Tora vortragen", findet sich zum Teil schon in Aboth3, 11.
Matth 20, 65 (SB 2) 1011
redest wider deinen Bruder, auf den Sohn deiner Mutter bringst du Schimpf. Solches
tatest du u. ich schwieg; du meintest, ich sei wirklich wie du." Denkst du etwa, wie
die Wege von Fleisch u. Blut seien Gottes Wege? „Ich werde dich überführen u. will
dir's vor Augen stellen" (das.). Es kam Jesaja u. deutete durch Tradition: Wehe denen,
welche die Missetat ziehen an Stricken der Gottlosigkeit u. wie an Wagenseilen die
Sünde, Jes 5, 18! Der Anfang der Sünde gleicht dem Faden der Spinne u. zuletzt wird
die Sünde wie Wagenseile. — Parallelstelle Sanh 99^; vgl. Sukka 52 a.
b. SNu 15,31 § 112 (33«): R. Jischma'cel sagte: Die Schriftstelle Nu 15, 31 redet
vom Götzendiener; denn es heifst: „Das Wort Jahves hat er verachtet"; denn über das
erste Wort hat er sich verächtlich hinweggesetzt, das zu Mose aus dem Munde der
Allmacht geredet wurde: „Ich bin Jahve dein Gott. . . . Nicht sollst du einen andren
Gott außer mir haben" Ex 20, 2 f. Dasselbe Sanh 99'"*; vgl. Hör 8». — Diese Deutung
des R. Jischmacel spiegelt sich auch in der Paraphrase des Targ Jerusch I wider: Ein
Mensch, der freventlich handelt, von den Eingeborenen oder von den Fremdlingen, u.
nicht umkehrt von seiner Schlechtigkeit (in Buße), der hat vor Jahve zum Zorn ge-
reizt, u. ausgerottet soll jener Mensch aus seinem Volke werden; denn das erste Wort,
das Jahve auf dem Sinai befohlen hat (d. h. das Verbot des Götzendienstes) hat er
verachtet u. das Beschneidungsgebot hat er verworfen; ausgerottet soll jener Mensch
werden in dieser Welt, ausgerottet in der zuk. Welt; denn er wird wegen seiner Sünde
Rechenschaft geben müssen am Tage des großen Gerichts. — Die Auffassung des
Targ Onk, der das Textwort ri^;« wie der Targ Jerusch 1 mit „erzürnen" t:.i)? wieder-
gibt, ist ungewiß. || pSanh 7, 25^', 9: Woher läßt sich die Warnung vor dem Götzen-
dienst (d. h. das bloße Verbot ohne Strafandrohung) aus der Schrift beweisen? Aus
Ex 20,5: „Du sollst ihnen nicht dienen." Die Strafe der Ausrottung (durch Gottes
Hand, die erfolgt, falls die Tat absichtlich, aber ohne Zeugen u. ohne Verwarnung be-
gangen wurde) woher? Aus Nu 15, 30: Die Seele, welche mit hoher Hand etwas tut . . .,
die q^;>: Jahve, u. diese Seele soll aus ihrem Volk ausgerottet werden. Aber steht
denn nicht qn;'3 geschrieben (u. das bedeutet doch „lästern" ^ u. nicht Götzendienst
treiben", wie kann also die Stelle den Schriftbeweis für Ausrottung des Götzen-
dieners erbringen)? Es verhält sich damit wie mit einem Menschen, der zu einem
andren sagt: Du hast die ganze Schüssel ausgekratzt u. gar nichts darin zurückgelassen.
R.Schimcon b. EUazar (um 190) sagte: Gleich zweien Menschen, die dasaßen u. eine
Schüssel mit Graupen zwischen sich hatten. Der eine streckte seine Hand aus u. kratzte
die ganze Schüssel aus, ohne darin etwas übrigzulassen. So läßt der Lästerer q-i^s u.
der Götzendiener n-iT mia:» naiyn kein Gebot hinterher übrig. (Der Gotteslästerer u,
der Götzendiener gleichen einander darin, daß sie schließlich das ganze Gesetz ver-
werfen; deshalb kann von dem einen ein Beweis hergenommen werden für den andren;
die Gleichheit beider wird auch sonst betont, s. in Nr. 3 SDt21,22. — Zu dem Bild
von der ausgekratzten Schüssel vgl. auch bei c.) Die Strafe (für den Götzendiener)
woher? Aus Dt 17,5: So führe jenen Mann oder jene Fi'au, welche diese Schlechtigkeit
begangen haben, zu deinen Toren hinaus . . . u. steinige sie zu Tode. ll K'^r 79'': Eine
andre Bar: (Die Seele) lästert Jahve Nu 15,30. R. Elcazar b. cAzarja (um 100) sagte:
Die Stelle redet vom Götzendiener.
C. K®r79'': R. <Aqiba (f um 135) sagte zu den Rabbinen: Ihr habt gesagt (s. K'^r 1,2
Ende): Beim Gotteslästerer T^m'o handelt es sich um kein Tun (sondern um Worte).
Was bedeutet qi;^ Nu 15, 30? Den, der den Jahvenamen verflucht rivn ns -;i3»3. ||
P''s 93*^: Rabbi meinte: ^-^i^ Nu 15,30 bezeichne den, der den Jahvenamen verflucht. ||
K«'r 79b Bar : (Die Seele) lästert Jahve Nu 15, 30. Isi b. J«huda (um 170) sagte: Wie einer,
der zum andren sagt: Du hast die Schüssel ausgekratzt u. (von der Schüssel selbst
noch) etwas abgeschabt. Er meinte: q-;« bezeichnet den, der den Jahvenamen ver-
flucht. R. EUazar b. cAzarja (um 100) sagte: Gleich einem, der zum andren sagt: Du
' Diese Frage zeigt, daß der spätere Sprachgebrauch mit R. (Aqiba u. Rabbi unter
ri-Tjia den Gotteslästerer verstanden hat; s. bei c.
CA*
1012 Matth 26, 65 (83 2. 3)
hast die Schüssel ausgekratzt, aber (von der Schüssel selbst) nichts abgeschabt. Er
meinte: cinj>a bezeichnet den Götzendiener. (Sinn: Der Götzendienst ist minder schwer
als Gotteslästerung. Der Götzendiener verachtet die Gebote Gottes, ohne vielleicht
damit Gott selbst leugnen zu wollen; der Gotteslästerer aber setzt sich nicht bloß über
Gottes Gebote hinweg, er greift in bewußter Weise Gott selbst an.) — In der Parallele
SNu 15, 30 § 112 (33 a) der Ausspruch des Isi b. J«*huda dem R. Elcazar b. cAzarja u. der
des letztren dem Isi b. cAqabja, um 150, beigelegt. || q-;;»: in der Sprache der Mischna
= Gotteslästerer zB K'^r 1, 1 : Sechsunddreißig Fälle der Ausrottungsstrafe ^ gibt es in
der Tora: wenn einer seiner Mutter beiwohnt oder dem Weibe seines Vaters (Stief-
mutter) oder der Schwiegertochter oder einem Männlichen oder einem Stück Vieh; ferner
eine Frau, die sich von einem Stück Vieh beiwohnen läßt; wer einer Frau u. deren
Tochter beiwohnt oder einer verheirateten Frau oder seiner Schwester oder der Schwester
seines Vaters oder der Schwester seiner Mutter oder der Schwester seiner Frau oder der
Frau seines Bruders oder der Frau des Bruders .seines Vaters oder einer Menstruierenden;
der Gotteslästerer ^~yo; der Götzendiener; wer von seinem Samen dem Molokh übergibt
(s. Lv20,2); der Totenbeschwörer (sis h-Jz, s. Lv 20,27); wer den Sabbat entweiht (s.
Nul5,35); derUnreine, derHeiligesißt; wer unrein ins Heiligtum kommt; wer genießt Fett
ah- oder Blut oder Übriggebliebenes (von Opfern über die Essensfrist hinaus) oder unwürdig
Gewordenes (von Opfern); wer schlachtet u. opfert außerhalb (des Tempels); wer Ge-
säuertes am Passah ißt, wer ißt oder eine Arbeit am Versöhnungstag verrichtet; wer das
heilige Salböl (für seinen eigenen Bedarf) zubereitet; wer das Räucherwerk (für sich) zu-
bereitet; wer sich mit dem heiligen Salböl salbt; u. bei Geboten: wer das Passah u. die
Beschneidung nicht beobachtet. K^r 1,2: Wegen dieser Übertretungen macht man sich
bei Vorsätzlichkeit (bei vermessenem Handeln, doch ohne vorhergegangene Verwarnung)
der Ausrottung schuldig u. bei unvorsätzlichem Handeln (aus Schwachheit, Übereilung,
Versehen) eines Sündopfers u. in dem Falle, daß man es nicht bestimmt weiß (ob man
die Übertretung begangen hat oder nicht), eines Schuldopfers wegen Zweifels "nVr; niüs.
Ausgenommen (von der letzteren Bestimmung) ist derjenige, der das Heiligtum u. sein
Heiliges (wie Speisen) verunreinigt, weil er ein steigendes u. fallendes Opfer dar-
zubringen hat (vgl. Lv 5); das sind Worte des R. Me'ir (um 150). Die Gelehrten sagten:
Auch der Gotteslästerer nij>3 (ist ausgenommen), weil es heißt Nu 15,29: „Ein Gesetz
soll euch sein, für den, der in Schwachheit etwas tut." Da ist ausgenommen 'der
Gotteslästerer, weil er (mit dem Munde lästernd) kein Werk tut. (Ein in Schwachheit
sündigender Gotteslästerer hat kein Sündopfer, gegebenenfalls auch kein "^1?^ üv» dar-
zubringen. Andrer Meinung war allerdings R. cAqiba, der unter dem r|"i;>3 Nu 15, 30
den Gotteslästerer verstand — s. oben — u. aus Nu 15,27 dessen Opferpflicht folgerte,
s. K''r 79*.) 11 Weitere Beispiele für q-^'c ^= Gotteslästerer s. oben in b. pSanh 7,25'', 9;
in Nr. 3 SDt2 1,22 §221 (114''); Sanh6,4; in Nr. 4 Sanh 7, 5.
3. Dt 21, 22 f.: Wenn an jemand ein todes würdiges Vergehen ist, u,
er wurde getötet, u. du hängtest ihn ans Holz, so darf sein Leichnam
nicht über Nacht am Holze bleiben, sondern begraben sollst du ihn
am selben Tage; denn ein Gottesfluch ainbx nb^sp ist der Gehängte.
Sanh 6, 4 : Alle Gesteinigten werden gehängt; das sind Worte des R. Eliiezer (um 90).
Die Gelehrten aber sagten: Nur der Gotteslästerer q-;»3 u. der Götzendiener werden
gehängt. . . . Sein Leichnam soll nicht über Nacht am Holze bleiben, sondern begraben
sollst du ihn am selben Tage; denn ein Gottesfluch ist der Gehängte Dt 21, 23. Als
ob man sagte: Weshalb ist dieser gehängt? Weil er den (Jahve-)Namen verflucht hat
asn rs ""'2«;; u. so (durch das längere Verbleiben des Gehängten am Holz) würde der
Name Gottes als entheiligt erfunden werden. (Der Midr faßt o^nVs in dti5s rhhp nicht
als genetivus subjectivus, sondern als gen. objectivus: ein Fluch gegen Gott ist der
^ Die Ausrottungsstrafe durch Gott, r':;2 , erfolgt in dem Fall, daß jemand in Ver-
messenheit, aber ohne von Zeugen vor der Tat verwarnt zu sein, das Verbrechen begeht.
Matth 26, 65 (58 3. 4) 1013
Gehängte; darum dauert der Fluch gegen Gott an, solange der Gehängte sichtbar bleibt.) jj
SDt21,22§22I (I14b): „Und du hängtest ihn ans Holz" Dt21,22; sollen etwa alle
Hingerichteten gehängt werden? Die Schrift sagt lehrend: Denn ein Fluch gegen Gott
(gen. obj.) ist der Gehängte. Nachdem die Schrift erst in einschließender Weise ge-
redet hat (ihn, an dem ein todeswürdiges Vergehen ist, hast du gehängt), redet sie in
ausschließender Weise (nur von c-nVs rVV-); da lernen wir es vom Gotteslästerer rjTj's:
wie der Gotteslästerer speziell einer ist, der seine Hand nach der Hauptsache (^i?'?
= Gott) ausstreckt u. als solcher gehängt wird, so wird jeder gehängt, der seine Hand
nach der Hauptsache ausstreckt (ein solcher ist außer dem Gotteslästererer noch der
Götzendiener, s. oben Sanh6, 4). R. Elicezer (um 90) sagte: Wie der Gotteslästerer
speziell einer ist, der gesteinigt wird u. als solcher gehängt wird, so werden alle Ge-
steinigten gehängt. (Die Halakha ist nach den Gelehrten, s. nvi2 ^zs zu pSanh 6, 6.)
Parallelstellen: pSanh 6, 23'=, 19 u. in breiterer Ausführung Sanh45b. || Sanh 46t):
(Sanh 6,4 — s. oben — heißt es:) ,Als ob man sagte: Weshalb ist dieser gehängt?
Weil er den (Jahve-)Namen verflucht hat; u. so würde der Name Gottes als entheiligt
erfunden werden." ' Bar: R. Meir (um 150) sagte: Man hat ein Gleichnis gesagt: Womit
läßt sich die Sache vergleichen? Mit zwei Zwillingsbrüdern, die in einundderselben
Stadt waren; den einen setzte man als König ein u. der andre ging unter die Räuber.
Der König befahl, ihn aufzuhängen. Wer ihn sah, sagte: Der König ist gehängt. Da
befahl der König, daß man ihn herabnehmen sollte. ^ (So würde der Mensch, der nach
dem Bilde Gottes geschaffen ist, falls er lange Zeit am Holze bliebe, zu einer Ent-
ehrung Gottes werden.) || Targ Jerusch 1 Dt 21, 22 f.: Wenn an einem Manne eine Schuld
ist, auf die die Todesstrafe gesetzt ist, u. er wird zur Steinigung verurteilt, so sollt
ihr iTin hinterher an das Holz hängen. Nicht soll sein Leichnam am Holz über Nacht
bleiben, sondern begraben sollt ihr ihn an demselben Tage; denn eine Geringschätzung
gegen Gott ist es, einen Menschen aufzuhängen; allein seine Sünden haben es ihm
zugezogen; u. weil er in dem Bilde Gottes geschaffen worden ist, so sollt ihr ihn be-
graben mit dem Untergehn der Sonne. (Der Targ Jerusch I folgt der Meinung des
R. Eli'ezer in Sanh 6, 4.)
4. Lv 24, 11 ff.: Der Sohn des israelitischen Weibes lästerte den
Namen u. verwünschte ihn bbp-ii t:u:n nx . . . ap^i. Und Jahve redete zu
Mose also: Führe den Verwünscher hhp-ort hinaus vor das Lager, u. alle,
welche es hörten, sollen ihre Hände auf sein Haupt stemmen u. die
ganze Gemeinde soll ihn mit Steinen tot werfen. Aber zu den Kindern
Israel sollst du also reden: Falls irgend jemand seinen Gott verwünscht,
i-inVx hhp'', so soll er seine Sünde tragen. Wer aber den Namen Jahves
lästert nirT« no np:, soll getötet werden: mit Steinen soll ihn die ganze
Gemeinde tot werfen. Der Fremdling wie der Eingeborene, wenn er
den Namen lästert c;u i2p22, soll getötet werden.
SLv 24, 11 ff. (422='): Der Sohn des israelitischen Weibes lästerte den Namen; damit
ist der deutlich ausgesprochene (Jahve-)Name ttj^is^ar; diu. gemeint, den er am Sinai
gehört hatte (im 1. Gebot: Ich bin Jahve dein Gott). . . . „Und Jahve redete zu Mose
also: Führe den Verwünscher hinaus vor das Lager": das lehrt, daß die Gerichtsstätte
innerhalb (des Lagers) u. die Steinigungsstätte außerhalb des Lagers war. „Und welche
es hörten, sollen aufstemmen", damit sind die Zeugen (der Verwünschungsworte) ge-
meint. „Alle, die es hörten", damit sind die Richter gemeint. „Ihre Hände", d. h. die
Hände jedes einzelnen. „Ihre Hände auf sein Haupt" : indem sie ihre Hände auf ihn
stemmen, sagen sie zu ihm: „Dein Blut ist auf deinem Haupt, denn du hast es also
veranlaßt!" „Und es soll ihn mit Steinen werfen" u. nicht sein Gewand (d. h. ohne
1 Dieser Satz auch in SDt21,23§221 ( 1 14 T^, zweimal).
2 Die Bar findet sich TSanh 9, 7 (429).
1014 Matth 26, 65 (SB 4)
Gewand = nackt soll er gesteinigt werden); „die ganze Gemeinde": steinigte ihn denn
die ganze Gemeinde? Warum heißt es dann aber ,die Gemeinde"? Es sind die Zeugen
gemeint in Gegenwart der ganzen Gemeinde. Vielleicht war es eine Entscheidung für
die (damalige) Stunde (d.h. eine vorübergehende Anweisung)? Die Schrift sagt lehrend:
,Und zu den Kindern Israel sollst du also reden", d. h. es soll Brauch in den folgenden
Generationen sein. , Falls ein .Mann" io-s:' warum sagt die Schrift lehrend mit (zwei-
maligem) »"s ©"s (irgend ein Mann)? Sie will die NichtJuden (Gojim) miteinschließen,
daß sie wegen Verwünschung des (Jahve-)Namens getötet werden sollen gleichwie die
Israeliten. Aber sie (die NichtJuden) werden nur mit dem Schwert gerichtet (durch
Enthauptung), weil den Noachiden als Todesstrafe nur die Strafe des Köpfens zu-
gewiesen ist. „Falls er seinen Gott verwünscht" : was will die Schrift lehrend damit
sagen? Wenn es heißt: „Wer den Namen Jahves lästert, soll getötet werden", so
könnte ich daraus entnehmen, daß man sich des Todes schuldig mache nur wegen des
einzigen (Jahve-)Namens. Woher, daß auch die Nebenbenennungen (Gott, (^"^baoth, der
Allmächtige usw.) miteingeschlossen sind? Die Schrift sagt lehrend: „Falls er seinen
Gott (vnVs, nicht mn^) verwünscht"; das sind Worte des R. Me'ir (um 150). Die Ge-
lehrten aber sagten: Bei dem einzigen (Jahve-)Namen wird man mit dem Tode bestraft
u. bei allen übrigen Bezeichnungen auf Grund der Warnung (mit Geißelhieben; doch s.
den folgenden Ausspruch des R. J*^huda u. weiter unten, wonach auf Verwünschung der
Nebenbezeichnungen die Ausrottungsstrafe folgt. Die Halakha ist nicht nach R. Meir).
„Er soll seine Sünde tragen": R. J%uda (um 150) sagte: Es ist hier vom Tragen der
Sünde die Rede u. es ist dort (nämlich Nu 9, 13)* vom Tragen der Sünde die Rede; wie
mit dem dort erwähnten Tragen der Sünde die Ausrottung gemeint ist, so ist auch hier
(Lv 24, 15) die Ausrottung gemeint. „Wer aber den Namen Jahves lästert, soll gStötet
werden: mit Steinen soll ihn die ganze Gemeinde totwerfen": die ganze Gemeinde soll
wie Feinde gegen ihn sein. „Der Fremdling", das ist der Fremdling (= Proselyt), „wie"
der Fremdling, das will die Frauen der Fremdlinge (Proselyten) miteinschließen. „Der
Eingeborene", das i.st der Eingeborene, „wie" der Eingeborene, das will die Frauen der
Eingeborenen miteinschließen. „Wenn er den (Jahve-)Namen lästert, soll er getötet
werden": R. M*^nachem b. Jose (um 180) hat gesagt: Es will den Verwünscher seines
Vaters u. seiner Mutter miteinschließen, daß er erst straffällig wird, wenn er jene mit
dem (Jahve-)Namen verwünscht. || Sanh 7, 5: Der Gotteslästerer rin;>3 ist straffällig erst,
wenn er den (Jahve-)Namen (bei seinen Lästerungen) deutlich ausspricht. || Sch^b 4, 13:
Wenn jemand sagt: „Ich beschwöre euch", „ich befehle euch", „ich binde euch", so
sind sie verpflichtet (ihre Zeugenaussage vor Gericht zu leisten). Sagt er: „Bei Himmel
u. Erde", so sind sie frei (von jener Verpflichtung). Beschwört er sie bei i"» (d.h. mit
dem Gottesnamen "sis), bei n"^ (= o-i-), bei dem „Allmächtigen", bei „^''baoth", bei
dem „Gnädigen u. Barmherzigen", bei „dem, der langmütig u. groß an Güte ist", oder bei
allen sonstigen Nebenbenennungen, so sind sie verpflichtet (der Beschwörung Folge zu
leisten). Wer bei all diesen Bezeichnungen (Gott) verwünscht, ist (des Todes) schuldig;
das sind Worte des R. Me'ir (um 150). Die Gelehrten aber sprachen ihn (von dieser
Strafe) frei. || Sanh 56* Bar: (Der Gotteslästerer ist straffällig) erst wenn er dem (Jahve-)
Namen durch einen (andren) Namen (d.h. durch einen Götzennamen) flucht. Woher dies?
Sch^'muel (t 254) hat gesagt: Weil die Schrift sagt Lv24, 16: „Und wer den Namen
Jahves lästert SjTJ"]." . . . durch sein Lästern mit einem (andren) Namen, „der soll
getötet werden". Woher, daß dieses Lästern (apia) gleichbedeutend mit „fluchen" ist?
Weil es heißt Nu 23, 8: Was soll ich verfluchen aps, den Gott nicht verflucht hat rra- ?
Und die Warnung (vor Gotteslästerung, d. h. das bloße Verbot ohne Beifügung der Strafe)
' Diese Ausführung als Bar auch Sch*^bu36*u. Sanh 56*.
* Nu 9, 13: Aber der Mann, der rein ist u. nicht auf einem Wege gewesen ist, u.
(dennoch) unterlassen hat, das Passah zu halten: ausgerottet werden soll diese Seele
aus ihren Volksgenossen; denn das Opfer Jahves hat er nicht zu seiner bestimmten
Zeit dargebracht, seine Sünde soll selbiger Mann tragen.
Matth 26, 65 (SB 4) 1015
ist von hier (Ex 22,27) zu entnehmen: Die Gottheit sollst du nicht verwünschen (vgl.
M^kh Ex 22, 27 ohen in Nr. 1). — Oder soll ich sagen, daß mit =-: ein Durchstechen
T-^a'« gemeint ist,^ wie es heißt 2 Kg 12, 10: Er bohrte 3-^1 ein Loch in ihre TürV Und
die Warnung davor würde von hier (Dt 12, 3 f.) zu entnehmen sein: „Ihren (der Götzen)
Namen sollt ihr von jenem Ort vernichten, aber Jahven eurem Gott sollt ihr nicht also
tun." Aber wir lehren ja, daß der (Jahve-)Name durch einen (andren) Namen zu lästern
sei, was (in diesem Falle des Durchstechens) nicht zutrifft (denn nur Ein Name, der
Jahvename, käme hierbei in Betracht). — Oder soll ich sagen, wenn man zwei Namen
(den Jahvenamen u. einen Götzennamen) aufeinanderlegt u. sie durchsticht? Aber so
würde er selbst ja (der Mensch) durchbohren u. dann noch einmal (den zweiten Namen)
durchbohren (das hieße doch nicht den Jahvenamen durch einen andren Namen durch-
bohren u. lästern). — Oder soll ich sagen, wenn man einen (andren) Namen in eine
Messerschneide eingraviert u. damit (den Jahvenamen) zerteilt? Aber da würde es ja
die Schärfe des Messers (u. nicht der andre Name) sein, der zerteilt. — Oder soll ich
sagen, daß (mit dem 3p:, dem Lästern) das deutliche Aussprechen des Jahvenamens
gemeint sei, wie es heißt Nu 1,17: Da nahmen Mose u. Ahron diese Männer, die mit
Namen genannt worden waren ?.3~3? Und die Warnung davor würde von hier (Dt 6, 13)
zu entnehmen sein: Jahve deinen Gott sollst du fürchten. (Der Beweis liegt wohl erst
in den Schlußworten des Verses: ,u. bei seinem Namen schwören", sonst ihn aber nicht
aussprechen.) Aber einmal lehren wir ja, daß der (Jahve- )Name durch einen (andren)
Namen zu lästern sei, was hier nicht zutrifft, u. sodann läge (in den Worten: Jahve
deinen Gott sollst du fürchten usw.) eine Warnung in der Form eines Gebotes vor, u.
eine Warnung in der Form eines Gebotes heißt nicht Warnung (denn diese wird immer
in der Form eines Verbotes ausgesprochen). Oder wenn du willst, so sage ich: Die
Schriftstelle Lv 24, 15. 16 sagt: „Er verwünscht" u. „er lästert"; das will besagen, daß
er (der Gotteslästerer) durch eine Verwünschung lästert. Aber vielleicht erst, wenn er
beides getan (sowohl eine Verwünschung als auch eine Lästerung ausgesprochen) hat?
Das meine nicht;, denn es heißt Nu 24, 14: „Führe den Verwünscher hinaus", u. nicht
heißt es: „Führe den Lästerer u. den Verwünscher hinaus"; entnimm daraus, daß beides
einunddasselbe ist. (Das Ergebnis dieser Diskussion ist, nachdem auf Grund der zu
Anfang gebrachten Bar verschiedene Umdeutungeu des apia abgelehnt sind, folgendes:
Die Lästerung oder, was dasselbe ist, die Verwünschung Gottes besteht darin, daß der
deutlich ausgesprochene Jahvename mit dem Namen einer heidnischen Gottheit gelästert
oder verwünscht wird. Als Beispiel bietet Sanh 7, 5 — s. die Stelle bei Mt26, 66 — unter
Verwendung gleichgültiger Namen die Formel: „Jose schlage den Jose!" Das erste
Jose vertritt den Götzennamen u. das zweite den Jahvenamen.) || pSanh 7, 25^, 41 : Die
Warnung für den Gotteslästerer q-tj^a woher? Aus Ex 22, 27: Die Gottheit sollst du
nicht verwünschen. Die Ausrottungsstrafe woher? Aus Lv 24, 15: Falls irgend jemand
seinen Gott verwünscht, so soll er seine Sünde tragen (u. das Tragen der Sünde be-
deutet auf Grund von Nu 9,13 die Ausrottungsstrafe; letztere tritt an die Stelle der
Todesstrafe in dem Fall, daß ein vermessener Sünder vor Begehung der Tat nicht durch
Zeugen verwarnt worden ist). Die Todesstrafe woher? Aus Lv 24, 16: Wer den Namen
Jahves lästert, soll getötet werden. — Und nach der Meinung des R. Jischmaf el (f um 1 35) ?
Denn R. Jischma?el hat gesagt: Von den Richtern redet die Stelle (nämlich Ex 22, 27,
s. oben Nr. 1). Wenn sie aber betreffs der Richter (vor deren Verwünschung) warnt,
dann nicht vielmehr betreffs der göttl. Nebenbenennungen? Wenn betreffs der Neben-
benennungen die Ausrottungsstrafe verhängt ist (s. Lv 24, 15), dann nicht vielmehr
wegen des einzigen (Jahve-)Namens? (Man beachte, wie hier im Unterschied von den
„Rabbinen" in SLv24, llff. — s. oben — auf die Lästerung der göttl. Nebenbenennungen
die Ausrottungsstrafe gesetzt wird.) — Ein Mischnalehrer hat gelehrt: Wegen der Neben-
benennungen erfolgt die mit der Warnung gegebene Strafe (d. h. Geißelung) u. die Aus-
' Das in Lv 24, 16 gerügte Vergehen würde sich dann darauf beziehen, daß jemand
die Stelle eines Pergaments, auf der der Jahvename geschrieben steht, durchlöchert.
1016 Matth 26, 65 (93 4. 5)
rottungsstrafe (uicht die Todesstrafe seitens eines menschlichen Gerichts, weil diese in
der Tora nicht festgesetzt ist), u. wegen des einzigen (Jahve-)Namens die Todesstrafe.
Ein andrer Mischnalehrer (er vertritt die Meinung der ^Rabbinen" oben in SLv24, llff.)
hat gelehrt: Wegen der Nebenbenennungen erfolgt die mit der Verwarnung gegebene
Strafe (d. h. Geißelung) u. wegen des einzigen (Jahve-)Nainens die (gerichtliche) Todes-
strafe u. die Ausrottungsstrafe (durch Gottes Hand, falls der Täter nicht durch Zeugen
verwarnt worden war). Der, welcher gesagt hat: Wegen der Nebenbenennungen erfolgt
die mit der Warnung gegebene Strafe u. die Ausrottung, beweist dies aus Ex 22, 27 :
„Die Gottheit sollst du nicht verwünschen" u. ferner aus Lv 24, 15 : „Falls irgend jemand
seinen Gott verwünscht" ; u. wegen des einzigen (Jahve-)Namens die Todesstrafe auf
Grund von Lv 24,16: Wer den Namen Jahves lästert, soll getötet werden. — Der,
welcher gesagt hat: Wegen der Nebenbenennungen erfolgt die mit der Warnung gegebene
Strafe, beweist dies aus Ex 22, 27 (wie vorhin), u. wegen des einzigen (Jahve-)Namens
die Todesstrafe u. die Ausrottung auf Grund von Lv 24, 16 u. Lv 24, 15 (wie vorhin). —
Hiernach herrscht, wenn man von R. Meir in SLv 24, 11 fif. absieht, Übereinstimmung in
der Annahme, daß die gerichtliche .Todesstrafe nur bei Lästerung des Jahvenamens,
aber nicht bei derjenigen der göttlichen Nebenbenennungen Platz greift. Damit stimmt
auch Targ Jerusch I Lv 24, 11 u. 13 — 16 überein: Als er von der Gerichtsstätte hinweg-
ging, nachdem er für schuldig erklärt war, sprach der Sohn des israelitischen Weibes
den großen u. ehrwürdigen (Jahve-)Namen, den er am Sinai hatte aussprechen hören
(beim 1. Gebot), deutlich aus u. schmähte ihn u. reizte vermessen zu Zorn (t-j^s Ersatz
für das Textwort ^!;p^^ „er verwünschte"). . . . Und Jahve redete mit Mose also: Führe
den Versvünscher STj-^ia (den zum Zorn Reizenden) zum Lager hinaus, u. alle Zeugen,
die seine Verwünschung n-piTjis gehört haben, u. die Richter sollen ihre Hände auf
sein Haupt stemmen u. die ganze Gemeinde soll ihn mit Steinen totwerfen. Und mit
den Kindern Israel sollst du also reden: Ein junger oder ein alter Mann, der einen
Beinamen seiner Gottheit verwünscht T;n- u. schmäht, soll seine Sünde tragen (= der
Ausrottungsstrafe verfallen sein). Aber der, welcher den Namen Jahves deutlich aus-
spricht u. schmäht, soll getötet werden, totwerfen mit Steinen soll ihn die ganze Ge-
meinde, sowohl Fremdling wie Eingeborener, wenn er den einzigen (Jahve-)Namen
schmäht, soll getötet werden. || Targ Onk findet in Lv 24, llff. lediglich das Verbot, den
Jahvenamen auszusprechen; er vertritt also eine der Meinungen, die in Sanh56'* —
s. oben — als unzutreffend abgelehnt werden. Targ Onk : Der Sohn des israelitischen
Weibes sprach den (Jahve-)Namen deutlich aus u. reizte zum Zorn.* . . . Jahve sprach
mit Mose also: Führe den zum Zorn Reizenden hinaus zum Lager, u. alle, die es gehört
haben, sollen ihre Hände auf sein Haupt legen, u. die ganze Gemeinde soll ihn steinigen.
Und mit den Kindern Israel sollst du also reden : Wer vor seinem Gott zum Zorn reizt,
soll seine Sünde tragen u. wer den Namen Jahves deutlich ausspricht, der soll getötet
werden, steinigen soll ihn die ganze Gemeinde; sowohl der Fremdling, als auch der
Eingeborene soll, wenn er den (Jahve-)Namen deutlich ausspricht, getötet werden. —
Auch die LXX u. Philo, Vita Moys. 3 § 25 (Mang. 2, 166), verstehen das nn^ u-v api
Lv 24, 16 nur vom Aussprechen des Jahvenamens.
5, Einige der oben angeführten Stellen lassen erkennen, daß es an
Ansätzen nicht gefehlt hat, dem Begriff Gotteslästerung eine weite
Fassung zu geben. Nach SNu 15, 30 f. (s. Nr. 2, a) gilt als Gotteslästerer
der, welcher freche Reden gegen die Tora führt. In SDt 21, 22 (s. Nr. 3)
wird der Gotteslästerer charakterisiert als einer, der seine Hand nach
Gott ausstreckt. In diesem Stück wird er mit dem Götzendiener auf
eine Linie gestellt (das. u. pSanh 7, 25 ^, 9 in Nr. 2, b) ; doch wird zugleich
* Tj^s. Dies Verbum verwendet zwar auch Targ Jerusch I an vorliegender Stelle,,
aber es fügt regelmäßig das Verbum „schmähen" hinzu; das geschieht bei Onk nicht.
Matth 26, 65 (93 5) ^ 1017
in einer Gleichnisrede angedeutet, da& die Sünde des Gotteslästerers
weiter greife, als die des Götzendieners: während der letztere die
Schüssel zwar auskratzt, diese selbst aber intakt läßt, nimmt der erstere
auch von der Schüssel selbst noch etwas hinweg (s. K^r 79'' in Nr. 2,c;
vgl. auch pSanh 7, 25 ^ 9 in Nr. 2, b). Der Götzendiener setzt sich über
Gottes Gebote hinweg, ohne damit gerade notwendig — namentlich in
den leichteren Fällen des Götzendienstes, da man vor einem Götzen
singt oder tanzt — Gott selbst verleugnen zu wollen. Der Gotteslästerer
dagegen verwirft nicht bloß Gottes Gebote, er tastet in Vermessenheit
Gott selbst an, entzieht ihm Anerkennung u. Ehre. — Diese weitere
Fassung des Begriffs Gotteslästerung tritt im NT hervor Mt9, 3; Joh
10, 30flP. u. Mt26,65. In der ersten Stelle wirft man Jesu vor, daß er
Sünden vergibt; in der zweiten, daß er mit seinem Ausspruch: „Ich u.
der Vater sind eins" sich selbst zu Gott gemacht habe. In beiden Fällen,
so meint man, liege eine Gotteslästerung vor: indem Jesus die göttliche
Prärogative der Sündenvergebung für sich in Anspruch nehme, u. indem
er, der Mensch, sich selbst göttliches Wesen beilege, habe er seine Hand
nach Gott ausgestreckt, Gott um Ehre u. Achtung gebracht, die Gott-
heit in verletzender Weise herabgezogen ins Menschliche. — Auf der
gleichen Linie liegt die Erklärung des Hohenpriesters: Er hat (Gott)
gelästert . . , siehe, jetzt habt ihr die Lästerung gehört! Mt 26, 65. Nicht
darin hat der Hohepriester die Gotteslästerung gefunden, daß Jesus
die Frage, ob er der Messias sei, bejaht, sondern darin, daß Jesus von
jetzt an im eigentlichen Sinn des Wortes seinen Platz einnehmen will
zur Rechten der Allmacht. Der Gedanke, daß der von Gott zum Messias
Bestimmte sich selbst als Messias bekennen u. zum Messias erklären
werde, ist für das Judentum nicht anstößig gewesen. Zwar wird die
Meinung ausgesprochen, daß der wiedererscheinende Prophet Elias den
Messias bekannt geben u. einführen werde ;a aber daneben geht auch
die andre Anschauung einher, daß der Messias sich selbst als solchen
offenbaren werde, b Eine Gotteslästerung konnte deshalb der Hohe-
priester in dem diesbezüglichen Selbstzeugnis Jesu nicht sehen. Ja selbst
das Sitzen zur Rechten Gottes c oder auf Gottes Thron d war auf Grund
von Ps 110, 1 ein Zug, den das Judentum in dem Herrlichkeitsbilde
seines Messias nicht hat fehlen lassen. Aber man erwartete, daß die
Inthronisierung des Messias vor aller Augen sichtbar in der irdischen
Sphäre u. zwar auf Gottes Geheiß hin erfolgen werde, d Daß im Gegen-
satz hierzu Jesus scheinbar aus eigener Machtvollkommenheit heraus
u. ohne göttliche Autorisation in der übersinnlichen Welt den ihm ge-
bührenden Platz zur Rechten der Allmacht einnehmen u. von dort aus
überweltlich, kommend auf den Wolken des Himmels, seine Herrschaft
als Messias ausüben will — das ist es, was dem Hohenpriester als eine
Antastung der göttlichen Majestät erscheint u. ihn zu dem Urteil ver-
anlaßt: Er hat (Gott) gelästert. — Das Urteil war vorschnell aus-
1018 ' Matth 26, 65 (S 5. 6)
gesprochen. Der Hohepriester, in jener Stunde Richter über Leben u.
Tod, hatte die Pflicht, Jesu messianischen Anspruch auf Grund des
Zeugnisses seiner Werke objektiv zu prüfen. Daß er diese Prüfung auch
nicht einmal versucht hat, bleibt seine Schuld. (Zum Schuldkonto des
Hohenpriesters s. weiter in Nr. 6 u. bei Mt 26, 66 Nr. 6.)
a. Justinus, Dial. c. Tryph. 8: Xgiarög öe si xcä yeyei'7]T(a xai eaxi nov, ilyvinaTÖg
iaxi xcci ovds cevrög tko iavroy sniaruiKi ovds s/ei övyauiy riva, fie^Qi? ay iXSujy
^HXlag XQ^'^H «rroV xcd <paveQov nciOL noirjarj (deutsch bei 24, 27, s. S. 955). Vgl. auch
daselbst 49: Kcd ycig ndyrsg rjfxelg röv Kgiaroy uvSQdjnoi' ec'av&Qcönui}/ nQoaäoxuifxev
yeyTJaeox^cd xctl roV 'Hi.'iav ^giaca nvTOi' fASoVr«.
b. Leqach tob Nu 24, 17 (130^): (R. Levi, um 300, hat gesagt:) Darauf (nachdem Rom
in die Hände der Israeliten gefallen sein wird) werden sie alle Beute zusammenbringen u.
die Israeliten werden ihren Gott u. ihren König David suchen. Sofort wird sich ihnen der
König, der Messias, (in Rom) offenbaren u. sagen: Ich bin es, der König, der Messias, auf
den ihr gehofft habt. || Ferner s. P'-siqR 36 (162 a); 15 (71 b) bei Mt 24,27 Anm. h S. 954.
C. Midr Ps 18 § 29 (79 a): R. Judan (um 850) hat im Namen des R. Chama (b. Cha-
nina, um 260) gesagt: In der Zukunft wird Gott den König, den Messias, zu seiner
Rechten sitzen lassen, s. bei Mt 25, 33 Anm. h S. 980.
d. Sieh bei Mt 25, 31 Nr. 3 S.978; vgl. auch P^siqR 37 (163a) bei Mt 17,2 SB S.752.
6. Die in der nachchristl. Zeit geltende Halakha ist bemüht, durch
engste Fassung des Begriffs Gotteslästerung ein Todesurteil wegen
dieses Vergehens so gut wie unmöglich zu machen: die Lästerung muß
gegen den deuthch ausgesprochenen Jahvenamen gerichtet sein, sie
muß durch einen Götzennamen erfolgen, u. ihr muß die Verwarnung des
Lästerers durch zwei Zeugen unter Hinweis auf die strafrechtlichen
Folgen seines Tuns voraufgegangen sein (s. Sanh 7, 5 u. Sanh56^ in
Nr. 4, ferner K^r 1, 1 in Nr. 2, c). Traf eine dieser Bestimmungen nicht
zu — u. das wird ja meist der Fall gewesen sein — , so konnte die
Todesstrafe (Steinigung, s. bei Mt 26, 66) nicht verhängt werden. Dem-
gemäß wurde eine Gotteslästerung, die unter Aussprechen einer der
göttl. Nebenbenennungen erfolgte, durch Geißelung, nach andren durch
Ausrottung bestraft (s. SLv 24, 11 ff. u. pSanh 7, 25% 41 in Nr. 4), u. der
vermessene Lästerer des Jahvenamens, der seine Tat ohne Verwarnung
begangen hatte, fiel der Ausrottung durch Gottes Hand anheim (K^r 1, 1
in Nr. 2, c). — Wir wissen nicht, ob, bezw. wie weit diese Bestimmungen
zur Zeit des Prozesses Jesu zu Recht bestanden haben. Wenn ja, durfte
über Jesum kein Todesurteil gefällt werden. Den Jahvenamen hat Jesus
in jener Stunde nicht in den Mund genommen u. von einer Lästerung
dieses Namens durch irgendeinen Götzennamen kann vollends nicht die
Rede sein. Jesus hat Mt 26, 64 von Gott nur unter der Nebenbenennung
„Allmacht" geredet; wollte also der Hohepriester Jesu Worte durchaus
zu einer Gotteslästerung stempeln, so hätte das Urteil nur auf Geißelung
lauten dürfen, oder die Strafe hätte (nach einer andren Meinung) der
rächenden Gotteshand überlassen werden müssen. Die Verhängung der
Todesstrafe über Jesum wegen Gotteslästerung aber war eine Rechts-
beugung seitens des Synedriums. Dagegen durfte das Synedrium im
Matth 26, 65 (5B 6. 6) 1019
Falle Jesu von der Verwarnung absehen. Denn diese war nur bei Personen
erforderlich, die die Verwerflichkeit u. Strafbarkeit ihrer Handlung nicht
kannten; sie konnte deshalb bei einem Gesetzeskundigen — u. als solcher
galt Jesus — in Fortfall kommen. Sanh41'* Bar u. Mak6^: R.Jose
b. J-^huda (um 180) sagte: Ein Chaber (hier = Gesetzeskundiger) bedarf
der Verwarnung nicht, weil die V. nur gegeben ist, damit man prüfend
unterscheide zwischen einem, der unvorsätzlich, u. einem, der vorsätzlich
(in Vermessenheit) handelt.
26, 65 (i: Was bedürfen wir noch der Zeugen? Siehe,
jetzt habt ihr die Gotteslästerung gehört!
Ein Urteilsspruch in Kriminalprozessen erforderte mindestens zweier
Zeugen Aussage ; eine Verurteilung zum Tode ohne Bezeugung des todes-
würdigen Vergehens durch mindestens zwei Personen war nicht möglich ;
s. bei Mt26,60 Nr. 3. Wenn der Hohepriester Mt 26, 65 sagt: ri eti
XQfiar sxoßsv nagrvQwv, so will er damit nicht sagen, daß es in dem
vorliegenden Prozesse keiner Zeugen bedürfe, sondern daß die Mit-
gheder des Synedriums als Hörer der Gotteslästerung nunmehr selbst
Zeugen seien. Da aber die Richter nicht als Zeugen u. die Zeugen nicht
als Richter auftreten durften, a u. doch Zeugen neben u. außer den
Richtern vorhanden sein mußten, b so hätten nun wenigstens zwei von
den anwesenden Mitgliedern des S. aus dem Gerichtskollegium aus-
treten müssen, um als Zeugen zu dienen. Dadurch verlor der Gerichtshof
zwei stimmberechtigte Mitglieder; es hätten also, da das S. nur bei
Anwesenheit von mindestens 23 Mitgliedern verhandlungsfähig war,e
bei Eröffnung der Verhandlung wenigstens 25 Mitglieder zur Stelle sein
müssen. Ob dies der Fall war, wissen wir nicht; denn die Worte ,to
ovräÖQiov okov^ Mt26,59 meinen das ganze S., soweit es eben zur Stelle
war. Ebensowenig liegt eine Andeutung vor, ob zwei der Synedristen
als Zeugen aufgestellt worden sind; die Worte Mk 14, 64: ,ot St ndvTeg
xaTi-xQivav avrör'^ sprächen nicht dagegen; denn mit tcüvtsq könnten
eben alle diejenigen gemeint sein, die ein Votum abzugeben hatten.
a. Sank 5, 4: Hatte einer von den Zeugen gesagt: „Ich kann in bezug auf ihn (den
Angeklagten) Freisprechung begründen", ... so hieß man ihn schweigen (s. die ungekürzte
Stelle unter Mt26, 66 Nr. 2). — [Ein Zeuge durfte in die Verhandlung selbst weder ent-
lastend noch belastend eingreifen; noch viel weniger konnte er an der Urteilsfällung
beteiligt sein; er hatte lediglich seine Zeugenaussage zu machen.]
b. SNu 35,30 § 161 (62a): „Wenn irgend jemand eine Person erschlägt, so soll man
den Totschläger nach Aussage von Zeugen töten" Nu 35, 30. Warum ist das gesagt?
Wenn es Nu 35, 19 heißt: „Der Bluträcher, der soll ihn töten", so höre ich daraus, daß
er ihn unter vier Augen töten soll. Da sagt die Schrift lehrend: Wenn irgend jemand
eine Person erschlägt, so soll man den Totschläger nach Aussage von Zeugen töten. Das
zeigt an, daß man ihn nur durch Zeugen töten darf. Das sind Worte des R. Joschijja
(um 140). R. Jonathan (um 140) hat gesagt: „Wenn irgend jemand eine Person erschlägt"
usw. Nu 35, 30; warum ist es gesagt? Wenn es heißt Nu 35, 12: „Der Totschläger soll
nicht sterben, ehe er vor der Gemeinde zum Gericht gestanden hat", so höre ich daraus,
daß man ihn durch den Gerichtshof, aber nicht durch Zeugen tötet. Da sagt die Schrift
1020 Matth 26,66 (51. SÖ1.2)
lehrend: „Wenn irgend jemand eine Person erschlägt, so soll man den Totschläger nach
Aussage von Zeugen töten" ; das zeigt an, daß man ihn nur durch den Gerichtshof u. durch
Zeugen tötet (Zeugen dürfen also bei der Verhandlung neben den Richtern nicht fehlen).
C. TSanh 7, 1 (425): Das große Synedrium hatte 71 Mitglieder, doch durften nicht
weniger als 23 da sein. Mußte einer von ihnen hinausgehn, so sah er zu, ob 23 da
waren; dann ging er hinaus; wenn aber nicht (so viele anwesend waren), so ging er
nicht hinaus, bis 23 dort waren.
26, 66 5(: Was dünket euch?, tC vf.uv doxu;
Tanch ^mpe 126»: Zwei oder drei Angesehene von den Richtern gehen hinaus u.
fragen die Zeugen aus, u. wenn sie von der Ausforschung zurückkommen (das Zeugen-
verhör beendet ist), sagt (der Vorsitzende) zu (den Richtern): Wollen die Herren ihre
Meinung sagen ■j^'s ""lao? Und diese sagen entweder: Zum Leben, oder: Zum Tode. —
Eine Glosse bemerkt zu ^lac: das bedeutet: Wie meinet ihr c-^aio cns -'s?
26, 66 93: Sie antworteten . , .: Er ist des Todes schuldigl
1. Allgemeine Regeln über Kapitalprozesse.
Sanh 4, 1 : Welcher Unterschied ist zwischen Vermögensstreitigkeiten u. Kapital-
prozessen? V.Streitigkeiten werden durch drei abgeurteilt, K.prozesse durch dreiund-
zwanzig. Bei V.Streitigkeiten kann man (die Verhandlung) sowohl (mit Gründen) für die
Freisprechung als auch (mit Gründen) für die Schuld beginnen; bei K.prozessen be-
ginnt man (mit Gründen) für die Freisprechung, aber nicht (mit Gründen) für die Schuld.
Bei V.Streitigkeiten entscheidet man auf die Stimme Eines sowohl für die Freisprechung
als auch für die Schuld; aber bei K.prozessen entscheidet mau auf die Stimme Eines
für die Freisprechung u. auf die Stimme zweier für die Schuld (d.h. eine Verurteilung
kann nur bei einer Majorität von mindestens 2 Stimmen erfolgen, s. Sanh 5, 5 in Nr. 2).
V.Streitigkeiten kann man wieder aufnehmen sowohl für die Freisprechung als auch
für die Schuld; aber K.prozesse nimmt man wieder auf nur für die Freisprechung, aber
nicht für die Schuld.' Bei V.Streitigkeiten können alle'^ die Freisprechung u. die Schuld
begründen; aber bei K.prozessen können alle die Freisprechung begründen, aber nicht
alle die Schuld. Bei V.Streitigkeiten kann, wer die Schuld begründet hatte, (später) die
Freisprechung begründen, u. wer die Freisprechung begründet hatte, kann (später) die
Schuld begründen; bei K.prozessen kann, wer die Schuld begründet hatte, (später) die
Freisprechung begründen; aber wer die Freisprechung begründet hatte, darf nicht um-
gekehrt die Schuld begründen.^ V.Streitigkeiten kann man am Tage beurteilen u. in
der Nacht (durch Fällung des Urteils) beenden ; aber K.prozesse beurteilt man am Tage
u. beendet man am Tage. V.streitigkeiten kann man an demselben Tage sowohl zur
Freisprechung als auch zur Schuld beenden; aber K.prozesse kann man an demselben
Tage zur Freisprechung beenden, aber erst am folgenden Tage zur Schuld. Deshalb be-
urteilt man sie weder am Rüsttage des Sabbats, noch am Rüsttage eines Feiertages (damit
man nicht gezwungen sei, am Sabbat oder Feiertag das Urteil zu fällen u. zu vollstrecken).
2. Verhandlung u. Urteilsspruch in Kriminalprozessen.
^ Sanh 83 fe Bar: Woher, daß, wenn einer von der Gerichtsstätte verurteilt hinweg-
geht u. einer sagt: „Ich kann für ihn Freisprechung begründen", man die Verhandlung
wieder aufnimmt? Die Schrift sagt lehrend: Den Unschuldigen sollst du nicht töten
Ex 23, 7. Und woher, daß, wenn einer freigesprochen von der Gerichtsstätte hinweggeht
u. einer sagt: „Ich kann für ihn Schuld begründen", man die Verhandlung nicht wieder
aufnimmt? Die Schrift sagt lehrend: Den, der gerechtfertigt worden ist (vor dem
Gerichtshof, so der Midr), sollst du nicht töten Ex 23, 7.
^ Auch die als Zuhörer ohne Stimmrecht anwesenden Gelehrtenschüler.
^ Vgl. Sanh 34^: Rab (f 247) hat gesagt: Das hat man nur für die Zeit der (eigent-
lichen) Verhandlung gelehrt ; aber bei der Schlußabstimmung kann der, der Freisprechung
begründet hatte, hinterher Schuld begründen.
Matth 26, 66 (SB 2) 1021
(Über die Sitzordnung im Synedrium s. bei Mt 26, 62, über die Ver-
warnung, Ausforschung u. Vernehmung der Zeugen bei Mt 26, 60.)
Sanh 5, 4: Wurden ihre (der Zeugen) Worte übereinstimmend gefunden, so begann
man mit (Gründen für) Freisprechung. Hatte einer von den Zeugen gesagt: „Ich kann
in bezug auf ihn Freisprechung begründen' oder einer von den Gelehrtenschülern:
„Ich kann in bezug auf ihn Schuld begründen", so hieß man ihn schweigen.^ Hatte
einer von den Gelehrtenschülern gesagt: „Ich kann in bezug auf ihn Freisprechung
begründen*, so führten sie ihn hinauf (zu den Plätzen der Richter) u. setzten ihn neben
sich, u. er kam den ganzen Tag nicht von dort herunter (seiner Ehre halber). Wenn
an seinen Worten etwas Erhebliches war, hörte man auf ihn. Auch wenn er (der An-
geklagte) sagte: „Ich kann in bezug auf mich Freisprechung begründen", hörte man
auf ihn; nur mußte an seinen Worten etwas Erhebliches sein. | Sanh 5, 5: Wenn sie für
ihn die Freisprechung (begründet) gefunden hatten, entließen sie ihn; wenn nicht, so
verschoben sie sein Urteil bis auf den nächsten Tag u. kamen paarweise zusammen,
aßen wenig u. tranken keinen Wein während des ganzen Tages u. verhandelten über
die Sache die ganze Nacht. Und am folgenden Tage kamen sie früh in das Gerichts-
haus. Der Freisprechende sagte: Ich sprach frei u. ich spreche frei, auf meinem Stand-
punkt bleibend. Und der für schuldig Erklärende sagte: Ich erklärte für schuldig u.
erkläre für schuldig, auf meinem Standpunkt bleibend. Wer die Schuld begründet
hatte, durfte (bei dieser zweiten Verhandlung) die Freisprechung begründen; aber wer
die Freisprechung begründet hatte, durfte nicht umgekehrt die Schuld begründen (war
aber für die Schlußabstimmung damit nicht gebunden, s. Sanh 34'' S. 1020 Anm. 3). Und
wenn sie in etwas geirrt hatten, erinnerten die Gerichtsschreiber sie (s. Sanh 4, 3 bei
Mt26, 62). Wenn sie für ihn die Freisprechung (begründet) gefunden hatten, entließen
sie ihn; wenn nicht, veranstalteten sie die Abstimmung.^ |1 Sanh 4, 2: Bei Prozessen über
Vermögenssachen, Reinheit u. Unreinheit beginnt man (bei der Abstimmung) von dem
Größten; aber bei Kapitalprozessen beginnt man von der Seite (wo die Jüngeren, weniger
Kenntnisreichen saßen; diese sollten also durch die Abstimmung der älteren Mitglieder
des Synedriums nicht beeinflußt werden). |1 Sanh 5, .5: Sprechen zwölf frei u. elf schuldig,
so ist er frei. Sprechen ihn zwölf schuldig u. elf frei — u. auch wenn zweiundzwanzig
freisprechen oder schuldigsprechen u. Einer sagt: „Ich weiß nicht", muß man die Richter
vermehren ^ (aus der Zahl der zuhörenden Gelehrtenschüler, s. Sanh 4, 4 bei Mt 26, 62 31).
Bis auf wie viele vermehrt man sie? Je zwei bis auf einundsiebzig. Wenn sechsunddreißig
' Ein Zeuge durfte auch nicht Schuld begründen, Bertinoro. — Der Zeuge hatte
nur auszusagen, was er gesehen oder gehört hatte; Schlußfolgerungen dai'aus zu ziehen
war nicht seine Aufgabe.
2 Nach einer Bar Sanh 46'-' erfolgte die Fällung des Todesurteils erst gegen Abend
des zweiten Verhandlungstages: Man hält ihn hin bis nahe zum Sonnenuntergang, dann
fällt man das Urteil u. tötet ihn (sofort).
' Die Verurteilung zum Tode mußte mit mindestens 2 Stimmen Majorität erfolgen,
s. Sanh 4, 1 in Nr. 1. Daher wählte man erforderlichenfalls aus der Zahl der zuhörenden
Gelehrtenschüler Richter hinzu. Sanh 17''^: Wenn elf freisprechen u. zwölf schuldig-
sprechen, so ist doch jetzt nur Eine Stimme Majorität; wenn zehn freisprechen u. drei-
zehn schuldigsprechen, sind drei Stimmen Majorität. R. Abbahu (um 300) hat gesagt:
Das (eine Mehrheit von zwei Stimmen) kann nur vorhanden sein, wenn man (Richter)
hinzufügt. . . . Ferner hat R. Abbahu gesagt: Wenn man hinzufügt, so bilde man den
Gerichtshof von vornherein aus einer geraden Zahl. Das ist selbstverständlich! Aber
man könnte meinen, daß der, welcher sagt: „Ich weiß nicht" (= „Ich enthalte mich
der Abstimmung") als anwesend gelte (mitzuzählen sei) u., wenn er etwas sagt, man
darauf höre; so lehrt er uns, daß der, welcher sagt: „Ich weiß nicht", nicht als an-
wesend gilt u., wenn er eine Begründung beibringt, man auf ihn nicht hört. — Die
Kooptation von zwei Richtern erfolgte bei Einer Stimmenthaltung, weil der Gerichtshof
nicht mehr 23 Mitglieder zählte u. weil mit Rücksicht auf die Bestimmung, daß die
Verurteilung eine Majorität von mindestens 2 Stimmen nötig mache, eine gerade Zahl
von Richtern erforderlich war.
1022 Matth 26, 66 (JB 2. 3)
freisprechen u. fünfunddreißig schuldigsprechen, so ist er frei. Wenn sechsunddreißig
schuldigsprechen u. fiinfunddreißig freisprechen, so debattieren sie gegeneinander, bis
einer von den Schuldigsprechenden die Worte der Freisprechenden billigt. — Hierzu
Sanh 42*: Wenn sie sie aber nicht billigen, was dann? R. Acha (um 320) hat gesagt:
Man läßt ihn frei. Und ebenso hat R. Jochanan (f 279) gesagt: Man läßt ihn frei. Rab
Papa (t 376) hat zu Abaje (f 338/39) gesagt: Dann sollte man ihn von vornherein frei-
lassen (ohne erst durch langes Debattieren einen von der Gegenseite umstimmen zu
wollen)! Er erwiderte ihm: So hat R. Jochanan gesagt: (Das geschieht nicht,) damit
sie nicht von der Gerichtsstätte mit ungeklärter Meinung hinweggehn. || Ganz vereinzelt
steht da die Meinung des Rab Kahana (I.? um 250, IL? um 375) Sanh 17": Wenn im
Synedrium alle auf schuldig erkennen, so läßt man ihn (den Angeklagten) frei. Weshalb?
Weil wir die traditionelle Lehre haben, daß man das Urteil eine Nacht verschiebt, um
etwas zu seiner Freisprechung herauszufinden, u. siehe, (in diesem Fall) sucht man
solches nicht weiter für ihn auf. || Sanh 42 '"^ Bar: War die Sache beendet (das Urteil
festgesetzt), so ließ man sie (die Parteien) eintreten. Der Größte unter den Richtern
sprach: Du, NN, bist freigesprochen; du, NN, bist für schuldig erklärt worden.
3. Spezielles über die Verhandlung gegen einen Gotteslästerer.
Sanh 7, 5: Der Lästerer n-s^sn ist schuldig erst, wenn er den (Jahve-)Namen deut-
lich ausspricht. R. J^hoschuaf b. Qarcha (um 150) hat gesagt: An allen Tagen ver-
nahm man die Zeugen mit einer Umschreibung (ohne sie den Jahvenaraen, den sie aus
dem Munde des Angeklagten gehört haben, wiederholen zu lassen): „Es schlage Jose
[als GötzennameJ den Jose [= Jahve]"; nachdem aber die Verhandlung vollendet war,
sprach man das Todesurteil nicht auf die Umschreibung hin (die die Zeugen bis dahin
angewandt hatten), sondern man ließ alle Leute hinausgehn, ließ nur den Größten
unter ihnen (den Zeugen) zurück u. sagte zu ihm: Sprich, was du gehört hast, deut-
lich aus. Und er sagte es (jetzt also unter Nennung des gelästerten Jahvenamens).
Die Richter aber standen (aus Ehrfurcht) u. zerrissen ihre Kleider (aus Schmerz über
die gehörte Lästerung) u. nähten sie nicht wieder zusammen. Und der zweite Zeuge
sagte: Auch ich habe gehört wie dieser. Und der dritte sagte: Auch ich wie dieser
(diese sprachen also den Jahvenamen nicht wieder aus). — Dasselbe mit dem Zusatz:
„Die Zeugen brauchten ihre Kleider (vor dem Gerichtshof) nicht zu zerreißen, da sie
sie bereits seit der Zeit zerrissen haben, da sie (die Gotteslästerung) hörten" in SLv
24, 1 1 (423'''). II Sanh 60»: R. Acha b. Ja?aqob (um 325) hat gesagt: Man wird nur dann
straffällig, wenn Inan den Namen mit vier Buchstaben (das Tetragramm mn-) gelästert
hat; das will den mit zwei Buchstaben (d. h. -;) ausschließen, daß man dafür nicht
straffällig werde. Selbstverständlich, wir haben ja in der Mischna gelernt: „Es schlage
Jose den Jose" (u. die 4 Buchstaben von "cr entsprechen den 4 Buchstaben rin-).
Man könnte meinen, daß das Wort (Jose) nur als gewöhnliches Beispiel gewählt sei;
darum läßt er es uns hören. Einige sagen: Rab Acha b. Jasaqob hat gesagt: Daraus
(aus Sanh 7, 5) ist zu entnehmen, daß der Name mit vier Buchstaben gleichfalls ein
(eigentlicher) Gottesname ist. Selbstverständlich, wir haben ja in der Mischna gelernt:
„Es schlage Jose den Jose" (das vierbuchstabige Jose setzt ja den vierbuchstabigen
Jahvenamen voraus). Man könnte meinen, daß man erst wegen des großen Gottes-
namens (von 42 Buchstaben) * straffällig werde, u. daß das Wort (Jose) nur als ge-
wöhnliches Beispiel gewählt sei; darum läßt er es uns hören. — Nach dieser Stelle
ist der Name „Jose" in der Lästerungsformel gebraucht, weil er aus 4 Buchstaben
besteht, wie der Name r.-.rr; es bleibt aber auffallend, daß der zur Lästerung dienende
Götzenname gleichfalls „Jose" heißt. — Ob bei dem ersten Jose an Jesus gedacht ist?
' Unter dem 42buchstabigen Gottesnamen sind nach Bacher, Babyl. Amor. 17f.
die 10 göttlichen Potenzen zu verstehn, durch die nach Rab, t 247, die Welt erschaffen
worden ist. Diese 10 Potenzen sind: n)i:n, n;iap, ryt (Spr3, 19f.), ns, r,'\-\2i (Ps65, 7),
r-i-j (Strenge Hi 26,11), p-::, ueiü« (Ps 89,15), icn u. c-'ini (Ps25, 6); zusammen
38 Buchstaben -f 4 von n-n- = 42 Buchstaben.
Matth 26, 66 (ö 3— 5) . 102;$
Levy 2, 351 '"^ schreibt: Zur Zeit des Autors unsrer Mischna, R. Josua b. Qorcha (um 150),
nahmen die Judenchristen überhand u. sie stellten die Macht des Sohnes, Jesu, höher,
als die des „Gottvaters"; mit ihnen habe R. Josua öfter religiöse Disputationen geführt,
zB GnR 13. 27. Man habe beim Zeugenverhör verblümt gefragt: Sagte etwa der Gottes-
lästerer, daß -ov (Jesus, der Sohn) mächtiger sei als ■sr (Joseph, sein Vater)? Die Richter
aber hätten ebenso wie die Zeugen unter dem zweiten 'cv den „Vater", d. h. den Gott
Israels verstanden. Die Verwendung des gleichen Namens für Gott u. für Abgott würde
ja so verständlich; aber die ganze Erklärung ist viel zu gekünstelt.
4, Jesus ist wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt worden
(Mt 26, 65 f.; Mk 14, 63 f.; vgl. Joh 19, 7). Nach jüdischem Recht hätte
die Todesstrafe an ihm als Steinigunga mit nachfolgender Aufhängung
am Holzb vollzogen werden müssen. Daß es nicht geschah, hing mit der
Übergabe Jesu an den römischen Landpfleger zusammen. Dieser ließ^
allerdings auf Verlangen der Juden (Mt27,22; Mkl5,13; Lk 23, 21. 23;
Joh 19, 6. 15; vgl. Apg 2, 36; 5, 30), an ihm die römische Strafe der
Kreuzigung vollstrecken,
a. Sanh 7, 4: Dies sind die, welche gesteinigt werden: wer der Mutter beiliegt, . . .
u. der Lästerer — Ferner s. SLv 24, 11 ff. bei Mt 26, 65 23 Nr. 4 S. 1013 ff. — Über
den Vollzug der Steinigung s. bei Apg 7, 58 Nr. 1 u. 2.
b. Über das Aufhängen am Holz s. bei Mt 26, 65 Nr. 3 ; Mt 27, 26 Nr. 2 u. Apg 7, 58 Nr. 2.
5. Nach der jüdischen Überlieferung ist Jesus, wenn man von der
unechten oder doch stark interpolierten Stelle bei Josephus absieht, a als
Zauberer u.Volksverführer hingerichtet worden ;b vgl. Mt27, 63; Joh 7,12.
a. AntiqlS, 3, 3: Zu jener Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn anders man
ihn einen Menschen nennen darf. Denn er war ein Vollbringer wunderbarer Werke,
ein Lehrer von Menschen, die mit Freude die Wahrheit annehmen. Und viele Juden,
aber auch viele aus der griechischen Welt zog er an. Dieser war der Messias. Und
als ihn Pilatus auf die Anklage unsrer ersten Männer mit dem Kreuze bestraft hatte,
hörten doch nicht auf (ihn zu lieben) die, welche ihn zuerst geliebt hatten. Denn er
erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, nachdem die göttl. Propheten dieses u.
tausenderlei andres Wunderbare über ihn gesagt hatten. Noch bis jetzt hat das Ge-
schlecht [ro qv'Aoi') derer nicht aufgehört, die nach ihm Christen genannt werden. —
Gegen die Echtheit Schürer ^ 1, 544 — 549. Andrerseits F. C. Burkitt, Josephus and Christ,
in: Theologisch Tijdschrift 1913, 135 — 144; Adf. Harnack, in: Internationale Monats-
schrift für Wissenschaft, Kunst u. Technik 7, Sp. 1037 — 1068.
b. Justin. Mart., Dial. c.Tryph. 69: Kai yicQ /uäyoy aJvui kvxou sröX/ucof (die Juden)
f.iyeiv Xttl 'k«on).nvov. — Das. 108: "Ay^Qag /stQOTOPtjaccyTS? ix'/.6XToi^g elg näaay ri'jy^
niy.ovf.tEvrji> ineuxpnis, xtjgvaaovTsg du a'i'gsalg rig udsog xal äyo/uog sytjysQTcci cina
hjiroii xivog FaXilcdov n'Adyov, öp axnvQbiduvxwv rjfxwv (die Juden) oi fxc<ßt]xcä avxov
x'Ae'üiCKPXsg (dhof dno xov nifrjfiuxog rvxxög, onöSer x«Tcre'.V»; dcfrjXbji^slg äno xov
axavQov, nlc<pwai xotg ävdQMnovg ?.£yoyxeg sytjysQf^ctL fcvxoy ix i'sxgwi' xcä sig ovQciyov^
('.ysh^h^fiei'cd. \\ Sanh 43^ Bar: Am Rüsttage des Passah hat man Jesum gehängt, u.
ein Ausrufer ging vor ihm her 40 Tage (welcher rief) : Er soll zur Steinigung abgeführt
werden, weil er Zauberei getrieben u. verführt u. Israel abwendig gemacht hat. Jeder,
der für ihn eine Rechtfertigung weiß, komme u. mache sie für ihn geltend. Aber man
fand für ihn keine Rechtfertigung, u. so hängte man ihn am Rüsttage des Passah.
fUlla (um 280) hat gesagt: Meinst du denn, daß er einer war, für dessen Rechtferti-
gung man sich verwendet? Er war ja ein Verführer u. der Allbarmherzige hat gesagt
Dt 13,9: Du sollst dich nicht erbarmen u. nicht (Schuld) an ihm zudecken. Allein bei
Jesu war es etwas andres; denn er stand der Regierung nahe. — Diese Behauptung hat
ihren Anlaß vielleicht darin, daß Pilatus sich sträubte, Jesum hinrichten zu lassen
1024 Matth 26, 66 (SB 6). 26, 67
(Joh 18, 38— 19, 16). — Die Worte: „Jesus hat Zauberei getrieben, verführt u. Israel
abwendig gemacht" als Zitat auch Sanh 107^ u. Sota 47^; an letzterer Stelle noch mit
dem Zusatz: „u. zur Sünde verleitet".
6. Das Todesurteil über Jesum im Lichte der Halakha.
Falls das aus der mischnisch-talmudischen Periode uns bekannte
jüdische Recht bereits zur Zeit Jesu gegolten hat, ist das Todesurteil
über Jesum nur unter arger Rechtsbeugung gefällt worden.
A. Ungewiß ist, ob die zur Verhandlung notwendige Zahl von 23 Mit-
gliedern des Synedriums an der Gerichtssitzung teilgenommen hat;
ferner ob mindestens zwei der Synedristen formell als Zeugen der Gottes-
lästerung wider Jesum aufgestellt worden sind u. als solche sich hinterher
der Stimmabgabe enthalten haben; s. bei Mt 26, 65 S. 1019. Eine eigent-
liche Gerichtsve'rhandlung hat offenbar überhaupt nicht stattgefunden.
B. Fraglich ist, ob die Prozeßordnung dem Hohenpriester das Recht
gab, Jesum in eigener Angelegenheit durch Beschwörung zu einer Aus-
sage zu nötigen, s. bei Mt 26, 63 S. 1005 f. — Ein Verstoß gegen die Prozeß-
ordnung war die Verurteilung Jesu während der Nachtzeit u. die Be-
endigung des Prozesses in Einer Verhandlung, s. Sanh 4, 1 u. 5, 5 oben
in Nr. 1 u. 2, Dagegen spricht nicht die Mt 27, 1 erwähnte zweite Ver-
sammlung des Synedriums, die etliche Stunden später in der Morgen-
frühe stattfand. Denn das Todesurteil war bereits in der Nacht gefällt
worden (Mt26,66), den Verhandlungsgegenstand der zweiten Versamm-
lung bildete nur die Ausführung des gefaßten Beschlusses. Aber auch
wenn man dem Berichte des Lukas folgt, der die entscheidende Ver-
handlung erst während der Sitzung in den Morgenstunden stattfinden
läßt (Lk22, 66 ff.), bleibt der Verstoß bestehn, daß der Prozeß sofort bei
der ersten Beratung zu Ende geführt wurde, während nach Sanh 4, 1 u.
5, 5 das Endurteil erst am nächsten Tage nach einer zweiten Beratung
festgestellt werden mußte.
C. Eine Verletzung des materiellen Rechts lag in dem Todesurteil
selbst. Die angebliche Gotteslästerung Jesu hätte nach der Halakha nie
mit dem Tode bestraft werden dürfen; sie war entweder mit Geißelung
zu ahnden oder ihre Bestrafung fiel Gotte anheim, s. bei Mt26,65 Nr. 6
u. oben Nr. 3. — In eine Prüfung des messian. Anspruches Jesu ist das
Synedrium überhaupt nicht eingetreten. Das war eine Verkümmerung
des dem Angeklagten nach Sanh 5,4 (s. oben Nr. 2) zustehenden Rechts.
D. Keine Rechtsbeugung dagegen war das Unterbleiben der Ver-
warnung, s. bei Mt 26, 65 23 Nr. 6.
26, 67: Da spieen sie in sein Angesicht u. schlugen ihn
mit Fäusten, andre aber gaben ihm Backenstreiche.
Das Anspeien p^^, pp'n war ein Ausdruck der Verachtung (vgl. Nu
12,14; Dt 25, 9; Jes 50, 6 ; Hi 30, 10), während das Schlagen mit der
Faust yjrn u. mit der flachen Hand {ins Angesicht) n-jo als Beschimpfung
galt, s. "besonders BQ 8, 6 u. TBQ 9 § 31 bei Mt 5, 39 S. 342.
Matth 26, 67. 73. 75. 27, 2 (31) 1025
Ferner B^akh 9, 5: Man gehe nicht auf den Tempelberg mit seinem Stock, nicht
in seinen Schuhen, nicht mit seinem Geldbeutel, nicht mit Staub auf seinen Füßen,*
auch mache man ihn nicht zu einem Richtweg (um einen Weg abzukürzen), u. noch
viel weniger speie man darauf aus. — Dazu pSanh !), 14'', 9: Wenn du sagst, daß das
Anziehen von Schuhen, das zur Ehre gereicht, verboten ist, um wieviel mehr gilt das
dann vom Ausspeien 'rsp^p'', das zur Verachtung dient. || pSota 1, 16 '^ 87 sagt ein Mann
zu seiner Frau, die ihm zu lange in einem Sabbatvortrag geblieben war: Du kommst
mir nicht in das Haus, bevor du nicht hingehst u. dem Vortragenden in sein Gesicht
speist! s. bei Mt5, 9 S. 216.
26, 73: Deine Sprache macht dich kenntlich.
Über Besonderheiten der galiläischen Sprechweise s. bei Mt4, 12 S. 156f.
26,75: Er weinte bitterlich.
Jes33, 7: Die Friedensboten weinen bitterlich -(i^Dni na, LXX: mxQwg
xkatoireg, Targ: irs3 "ii-!ra 'pa, in Bitterkeit (mit Verbitterung) der Seele.
27,1: Als es Morgen geworden, hielten alle Hohenpriester
u. Ältesten des Volks eine Beratung.
Vgl. bei Mt 26, 66 Nr. 6 B S. 1024.
27,2: Sie führten ihn abu.übergabenihndemStatthalterPilatus.
%: neiXccTO). — Über die Amtsführung u. den Charakter des Pontius
Pilatus s. Schürer 3 1,487 — 493. || Besonders lehrreich ist das Zeugnis,
das Herodes Agrippa I. (37 — 44 n. Chr.) dem Landpfleger in einem von
Philo, De legatione ad Cajum § 38 Mang. 2, 590 mitgeteilten Briefe aus-
gestellt hat. Bei Erwähnung der dringenden Vorstellungen, die die Juden
dem P. P, wegen Aufstellung einiger Weiheschilde in Jerusalem machten,
heißt es in diesem Brief:
ÜTSQQuis de (Uikdrov) dyTiXsyoyrog — ■^f yuQ jrjv cpiOLv ccxa^nrjg (unbeugsam) x«t
fxexa rov ccv&cidovg ccfxsikixxog (rücksichtslos hart) — (<ysß6t]ac(V Mrj araaiaCs, ^V
Tioi-s/uoTiolei, fxrj xaxdXvs rtjf eigtjytjy. Ovx eativ chifXLK vöfxwv (Iqj^cümv aihoxQctroQog
tifATJ, firj TiQÖfpaaig xi]g eig ro s&pog enrjQsiag (Erbitterung) saxu) aoi. TißsQiog ovdsy
id^s'Asi xioy T^fxexeqoyv xaxa'Avsa&ui. Ei de <pßg ctvxög, ini&si^oy rj dicixcty^icc ?}' iniaxohjy
i] XI ofioiöxQOTioy, i'pct navaäfisvoi xov aot, di£yo/Xsiy (belästigen) ngsaßeig kXöfxevob
Seiofxs&u xov deanöxov (Kaiser Tiberius).^ To xeXevxcdov xovxo /uc'chaxcc «t)roV üexQÜ^vus
(verdroß), xaxaösiaavxcc fuj xc3 öyxc nQsaßevaäfisyot xai xfjg äkXrjg uvxov iniXQonfjg
i^sksy^wai r«? tfwpocToxf'«?, xdg vßgsig, rclg ägnayäg, rag aixiag (Mißhandlungen),
xdg int]Q£iag, xoiig ccxQiXovg xai snaXktjkovg cpöyovg, ZTJy dyijyvxoy xai aQyrcXewTäxtjy
w/xöxrjxn (unnütze u. unerträgliche Grausamkeit) disSe'A(^6yxsg.
In der rabbin. Literatur erscheint Pilatus unter den Ahnen Hamans,
s. bei Mt 1 , 1 6 Nr. 6 S. 40 f. || Vielleicht liegt eine Erwähnung des P. P. vor :
Sanh 106^': Ein Häretiker s3-»3 sagte zu R. Chanina (um 225): Hast du vielleicht
gehört, wie alt Bilfam (= Jesus; s. Strack, Jesus S. 26) geworden ist? Er antwortete:
Eine Schrift ist (darüber) nicht geschrieben, aber daraus, daß geschrieben steht Ps 55, 24:
, Blutmenschen u. Betrüger werden ihre Tage nicht auf die Hälfte bringen", sage: 33
oder 34 Jahre ist er alt geworden. Er sprach: Du hast recht geredet; denn von mir
selbst wurde eine Tafel (Chronik) Bil?ams gesehen, in der geschrieben stand: 38 Jahre
war Bilfam, der Lahme, als ihn Pin^chas Listasa tötete. — Levy 2, 503'' hält nsuois,
^ Derselbe Kunstgriff, den man Joh 19, 12 anwandte.
Strack u.Billerbeck. NTl. 65
1026 Matth 27, 2 (JB. ß)
wie uns scheint mit Recht, für eine Abkürzung von rts'jD^5s = Pilatus; s. Strack 42*. —
betreffs der jüdischen Tradition über die Lahmheit Jesu vgl., daß nach ToPdoth Jeschu
Jesus bei einem Flugversuch einen schweren Fall getan hat.
27,2 25: rjeficor, statt des genaueren sniTQOTiog,^ = procurator, im
NT durchgängig Bezeichnung des Statthalters, zB Mt 27, 2. 11. 14. 15.
21. 27; 28, 14; Lk 20, 20 (vgl. 3, 1); Apg 23, 24. 26. 33; 24, 1. 10; 26, 30.
Auch Josephus verwendet i]Y- gerade mit Bezug auf Pilatus, Antiq. 18, 3, 1.
— Im Rabbin. 'i^i^n, aram. Nji^^n «, „Statthalter", ß, „Befehlshaber".
27, 2 6: ant^yayov xal Tragedcoxar. — Mit der Unterstellung der
Provinz Judäa unter römische Verwaltung im Jahre 6 n. Chr. wurde die
gewöhnliche Rechtspflege sowohl in Strafsachen, als auch in Zivilsachen
den einheimischen Behörden nicht entzogen. ^ Zwar lag die Entscheidung
über Leben u. Tod, das jus gladii oder die potestas gladii, in der Hand
des Prokurators. So sagt Josephus, Bell. J. 2, 8, 1 ausdrücklich: „Als
das Gebiet des Archelaus (d. h, Judäa) in eine (römische) Provinz um-
gewandelt wurde, wurde als Prokurator {sTiiTQonog) ein Mann aus dem
römischen Ritterstande, Coponius, entsandt, dem vom Kaiser Vollmacht
bis zum Recht über Leben u. Tod übertragen war." Aber damit war
den jüdischen Gerichten die Kriminalrechtspflege durchaus nicht ge-
nommen. Sie konnten Vergehen, auf die nicht die Todesstrafe gesetzt
war, ohne weiteres endgültig aburteilen. Ja selbst auf Todesstrafe durfte
erkannt werden ; nur mußte das Urteil dem Prokurator zur Bestätigung
u. Vollstreckbarkeitserklärung unterbreitet werden. Selbstverständlich
hatte der Prokurator das Recht, da, wo er es für zweckdienlich hielt,
einen Kriminalfall sofort vor sein Forum zu ziehen, gleichwie um-
gekehrt die jüdischen Behörden allezeit in der Lage waren, eine ihnen
vielleicht mißliebige Strafsache von vornherein vor den Richterstuhl
des Prokurators zu bringen; in letzterer Hinsicht vgl. zB das Verfahren
mit jenem Wahnsinnigen, der zur Zeit des Statthalters Albinus (62 — 64
n. Chr.) fortwährend seine Weherufe über Jerusalem u. den Tempel aus-
stieß, Josephus, Bell. J. <>, 5, 3. — Daß die Juden trotz der klaren Regelung
der Kompetenzfrage hin u. wieder versucht haben, Hinrichtungen ohne
Genehmigung der römischen Oberbehörde vornehmen zu lassen, beweist
die Steinigung des Stephanus Apg 7 u. des Jakobus, des Bruders Jesu,
Josephus, Antiq. 20, 9, 1 (s. bei Gall,19). — Zweifelhaft ist, ob eine
Kompetenzüberschreitung seitens der jüdischen Behörden auch in den
folgenden Fällen vorliegt.
Erstens Sanh7,2: R. Elfazar b. (^adoq (um 100) hat gesagt: Einmal trug es sich
zu, daß eine Priestertochter Unzucht getrieben hatte; man umgab sie mit Rebenbündeln
u. verbrannte sie (also von außen statt, wie Sanh 7, 2 vorschreibt, durch Eingießen von
heißem Blei in den Rachen). Da sagten sie zu ihm: Das geschah, weil der Gerichts-
hof in jener Zeit (als sadduzäisch) nicht gesetzeskundig gewesen ist. — TSanhO, 11 (429)
versichert R. Elfazar b. 9-) daß er selbst als Kind den Vorgang mit angesehen habe;
> Als Beispiel s. im Abschnitt 6 das Zitat Bell. Jud. 2,8,1.
2 Das Nähere s. bei Schürer M, 466 ff; * 2, 260 ff.
Matth 27, 2 (6). 27,5 1027
der Vorfall gehört also sicherlich der Zeit nach dem Jahre 6 n. Chr. an. Weitere Paral-
lelen: pSanh7,24b,45; Sanh 52'\ || Zweitens TSanhlO, 11 (431): Gegen alle Todes-
schuldigen, die in der Tora vorkommen, legt man keinen Hinterhalt, außer bei dem,
welcher (zum Götzendienst) verführt. Auf welche Weise? Man bringt zwei Gelehrten-
schüler in das innere Haus, während er im äußeren sitzt, u. zündet für ihn ein Licht
an, so daß sie ihn sehen u. seine Stimme hören. Und so hat man in bezug auf Ben
Stada in.Lydda gehandelt. Zwei Gelehrtenschüler waren gegen ihn im Hinterhalt, u.
man brachte ihn vor den Gerichtshof u. steinigte ihn. — Nach TSchab 11, 15 (126) u.
Parallelen (s. bei Mt 1, 16 S. 38 f.) hat man anzunehmen, daß auch diese Hinrichtung in
der Periode erfolgt ist, da Judäa unter römischen Prokuratoren stand. — Die Darstellung
schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, daß diese Hinrichtungen erst vorgenommen
worden sind, nachdem der römische Statthalter seine Genehmigung gegeben hatte.
Es entsprach durchaus den tatsächlichen Verhältnissen, wenn Joh
18,31 die Juden erklären: )]f.ih' ovx s^saviv anoxTeTvai ovSäva. Ihre Be-
rechtigung, eine Todesstrafe zu vollstrecken, hing eben ab von der
Zustimmung des Prokurators. Eine Erinnerung an diesen Sachverhalt
tritt in der Bar pSanh 1, 18*, 37 hervor: Vierzig Jahre vor der Zer-
störung des Tempels wurde die Kriminalgerichtsbarkeit den Israeliten
abgenommen. — Dasselbe pSanh 7, 24 '\ 43. — Die Zeitangabe in dieser
Bar triift allerdings nicht zu. Aber das 40. Jahr vor der Zerstörung
des Heiligtums erscheint auch sonst als das Jahr der bösen Omina,'
u. so wird es gekommen sein, daß man diesem Unheilsjahr auch den
Verlust der Kriminalgerichtsbarkeit glaubte zuschreiben zu dürfen.
27,5: Ging hin und erhängte sich.
Das Verbot des Selbstmordes hat die alte Synagoge in Gn 9, 5 gefunden.
GnR34(21'^): , Jedoch -s euer Blut, das eurer Seelen ns^rius:^, will ich fordern"
(Gn 9, 5). *7S , das will den miteinschließen, der sich selbst erwürgt i«:iy psinn (durch
Erhängen). — Gn 9, 5 ist in diesem Falle so gedeutet worden: „Jedoch euer eigen Blut
will ich von euch selbst fordern", falls ihr als Selbstmörder Hand an euch selbst
legt. — BQ 91*» diese Auslegung im Munde des R. El?azar b. ?Azarja (um 100): „Jedoch
euer Blut will ich fordern n3"n»E3y (Gn 9, 5); R. El?azar (b. $Azarja) sagte: „Aus der
Hand eurer Seelen (d. h. von euch selbst) will ich euer Blut fordern."
Die Durchschnittsmeinung über die Verwerflichkeit des Selbstmordes
spricht am deutlichsten Josephus, Bell. Jud. 3, 8, 5 aus:
Der Selbstmord, rj ca'To%Eigia, ist sowohl der allgemeinen Naturanlage aller Lebe-
wesen fremd als auch eine Gottlosigkeit gegen den Gott, der uns geschaffen hat. . . .
Meint ihr nicht, daß Gott darüber zürnt, wenn ein Mensch sein (Gottes) Geschenk
freventlich verachtet? Denn sowohl das Sein haben wir von ihm empfangen, als auch
das Nicht-mehr-sein müssen wir ihm anheimstellen. . . . Dazu kommt, daß, wenn je-
mand eines Menschen Depositum abhanden kommen läßt oder schlecht darüber ver-
fügt, er böse u. untreu zu sein scheint; wenn aber jemand das Depositum Gottes (die
Seele) aus seinem eigenen Leibe vertreibt, meint er, daß er dem verborgen bleibe, den
er beleidigt hat? . . . Deren Hände gegen das eigene Leben gewütet haben, deren Seelen
wird der dunkelste Hades aufnehmen, u. Gott ihr Vater wird die Schuld der Übeltäter
heimsuchen an ihren Nachkommen. Darum ist dieses (das Verbrechen des Selbstmordes)
verhaßt bei Gott, u. bei dem weisesten Gesetzgeber ist es mit Strafe belegt; wenigstens
hat man es bei uns für gut befunden, die Selbstmörder bis zum Untergang der Sonne
1 Siehe pJoma 6,43<-,61 bei Mt 27, 51 S. 1045 f AZ 8^ bei Mt 26, 57 Nr. 2 S. 1000.
65*
1028 Matth27,5.6
unbeerdigt liegen zu lassen, obwohl man selbst die Feinde zu begraben für recht er-
achtet. Bei andren Völkern aber hat man sogar befohlen, die rechten Hände solcher Toten
abzuhauen, mit denen sie gegen sich selbst zu Felde gezogen sind, indem man meint,
daß, wie der Leib von der Seele, so auch die Hand vom Leibe getrennt sein müsse. . . .
Die Trauer um Selbstmörder ist im Traktat S'^machoth 2 (Anfang)
in folgender Weise geregelt:
Wer sich selbst mit Bewußtsein das Leben nimmt ry-h ■nssi" -as^sn, mit dem befaßt
man sich in keiner Hinsicht (um ihn öffentlich zu betrauern). R. Jischmafel (f um 135)
sagte : Mau ruft über ihn aus : Wehe, ob des Schweren, wehe, ob des Schweren ! (Wir
lesen s^t?3 statt des unverständlichen nVtjj.) »Es sagte R. fAqiba (f um 135) zu ihm:
Laß jede Bemerkung über ihn; ehre ihn nicht u. fluche ihm nicht. Man zerreißt um
ihn nicht das Gewand, man entblößt um ihn nicht die Schulter u. man beklagt ihn
ni«ht öffentlich; wohl aber darf man seinetwegen in der Reihe stehen (durch die die
Trauernden unter tröstenden Zusprüchen des Gefolges hindurchgehen) u. den Lobspruch
der Trauernden sprechen (s. hierzu im Exk. über Liebeswerke), weil dies zur Ehrung
der Lebenden dient. Die allgemeine Regel hierüber ist: in allem, was zur Ehrung der
Lebenden dient, darf man sich mitthm (dem Selbstmörder) beschäftigen; aber in allem,
was nicht zur Ehrung der Lebenden dient, darf sich die Menge nicht mit ihm be-
schäftigen. Wer ist einer, der sich selbst mit Bewußtsein das Leben nimmt? Nicht
der, welcher auf die Spitze eines Baumes steigt u. herabfällt u. stirbt, oder der auf
die Spitze eines Daches steigt u. herabfällt u. stirbt; vielmehr der, welcher sagt: Siehe,
ich steige auf die Spitze des Daches oder auf die Spitze des Baumes u. stürze mich
hinab, daß ich sterbe; u. dann sah man ihn, wie er auf die Spitze des Baumes stieg
u. herabfiel u. starb — siehe, bei dem besteht die Annahme, daß er sich selbst mit
Bewußtsein das Leben genommen hat, u. wer sich mit Bewußtsein selbst das Leben
nimmt, mit dem beschäftigt man sich (hinsichtlich der Trauer) in keiner Beziehung.
Fand man ihn erwürgt pi:n u. an einem Baume hangend ]^^Na ■'i^n, (mit dem Schwerte)
erschlagen ;i^n u. beim Schwerte hingestreckt, siehe, so besteht bei diesem die An-
nahme, daß et sich selbst ohne Bewußtsein ry-a ahv das Leben genommen hat u.
man enthält ihm keinerlei (hinsichtlich der Trauer) vor. 1| Zum Schluß sei noch auf ein
späteres Wort verwiesen. TanchB ss'^'i §6 (74'^): Es lehre uns unser Lehrer: Was ist
für ein Unterschied zwischen dem Tode der Gerechten u. dem der Gottlosen? R. Justai
b. Schunem (um 400) hat im Namen des R. J^hoschuaf aus Sikhnin (um 380) gesagt:
Der Tod der Gottlosen ist weder auf Erden noch im Himmel, denn so steht von Achithophel
geschrieben (2Sm 17,23): „Er bestellte sein Haus u. erhängte sich." Und ebenso war
Haman weder auf Erden noch im Himmel, s. Esth 7, 10: „Da hängten sie den Haman
an den Baumstamm", u. ebenso seine Söhne (das. 9,25): „Man hatte ihn u. seine Söhne
an den Baum gehängt." Aber um den Tod der Gerechten ist etwas im Himmel u. auf
Erden, s. ISm 25,29: „Die Seele meines Herrn wird eingebunden sein in den Bund
der Lebendigen." Und auf Erden woher? s. 2Chr 32,33: Man begrub ihn (den Hiskia)
an dem Steige zu den Gräbern des Hauses David, u. Ehre erwiesen ihm bei seinem
Tode ganz Juda u. die Bewohner Jerusalems.
27,6: In den Tempelschatz, dg rör xoQßarär.
xoqßaväg, gräzisiertes Kaa"!!^, = Geschenk, Geweihtes.
Xuch Josephus verwendet das Wort Bell. Jud. 2, 9, 4: Darauf erregte Pontius Pilatus
einen andren Tumult, indem er den Tempelschatz, der x. genannt wird, zu einer Wasser-
leitung verwendete rov IsQOf HtjauvQÖv, xaXstTcei de xoQßurüg, eig xaTaybjyrjv vdc'cxutv
i^c(ya'/.laxci)y. Nach diesen Worten des Josephus müßte man erwarten, daß '- eine all-
gemein gebrauchte Bezeichnung für den Tempelschatz gewesen wäre; das trifft aber
nicht zu: wenigstens findet sich das Wort in dieser Bedeutung in der rabbin. Literatur
nirgends. Dagegen lesen wir Sch®q6,5: Dreizehn trompetenförmige (oben enge) Be-
hälter waren im Heiligtum, auf denen geschrieben stand: „Neue Scheqel", „alte Scheqel",
Matth 27, 7. 8. 9 f. (Nr. 1) 1029
„Geflügelopfer", „Tauben zu Ganzopfern", „Holz", „Weihrauch", „Gold zu Belagplatten " *
u. sechs für freiwillige Gaben ns-r:^. — Vermutlich hat man diese „freiwilligen Gaben"
im Volksmund p^ip (= Geschenk) genannt u. diesen Namen dann auf den Tempel-
schatz selbst übertragen.
27, 7: Sie kauften dafür den Acker des Töpfers
zur Beerdigung für die Fremden.
Einen ähnlichen Ausweg sehen wir die Gelehrten Qid 59 =* einschlagen: Rab Giddel
hatte sich um einen Acker bemüht. R. Abba (um 290) kaufte ihn (unter der Hand
jenem weg). Rab G. ging u. beklagte sich bei R. Z'^fira (um 300), der es dem R. Ji^chaq,
dem Schmied, sagte. Dieser sprach: Warte, bis er zu uns zum Feste kommt. Als er
gekommen war, sprach er zu ihm: Wenn ein Armer sich um einen Kuchen müht (ihn
hin u. herwendet) u. dann kommt ein andrer u. nimmt ihn ihm weg, was ist das für
einer? R. Abba antwortete: Der wird ein Frevler genannt! Aber warum hat denn der
Herr (^ du) also gehandelt? Er antwortete: Ich habe es nicht gewußt (daß Rab Giddel
bereits darum handelte). So möge der Herr es ihm auch jetzt noch überlassen! Er
antwortete: Verkaufen möchte ich es nicht, denn es ist das erste Stück Land (das
ich gekauft habe); es wäre von keiner guten Vorbedeutung. Wenn er es aber als Ge-
schenk will, so mag er es hinnehmen. Rab Giddel ging darauf nicht ein; denn es steht
geschrieben Sprl5,7: Wer Geschenke haßt, wird leben. Da sie sich nicht einigten,
wurde er der Acker der Rabbinen genannt (herrenloses Gut zugunsten der Gelehrten,
Raschi). — Vgl. auch Be^a 29"'' Bar: (Abba Scha^ul b. Batnith, um 70 n. Chr.) sammelte
300 Krüge voll von dem Schaum der Maße (beim Einmessen) u. seine Genossen sammelten
300 Krüge voll Ol von dem, was in den Maßen zurückblieb. (Was die Käufer infolge
des Schäumens des Weines u. des Zurückbleibens von Öl in den Maßgefäßen zu wenig
erhielten, sammelten hinterher die Verkäufer aus Gewissenhaftigkeit auf, da sie meinten,
es gehöre ihnen nicht.) Sie brachten es zu den Schatzmeistern (des Tempels) in Jerusalem.
Diese sagten: Dazu seid ihr nicht verpflichtet. Sie antworteten: Auch wir haben keinen
Gefallen daran. Da sprachen jene: AVeil ihr in bezug auf euch selbst erschwerend ent-
schieden habt, so befriedigt damit öffentliche Bedürfnisse (die jedermann, also auch euren
nach eurer Meinung zu kurz gekommenen Geschäftskunden zugute kommen). Denn in einer
Bar heißt es : Wenn einer etwas geraubt hat u. nicht weiß, wen er beraubt hat, so befriedige
er damit öffentliche Bedürfnisse. Was ist damit gemeint? Rab Chisda (f 309) hat gesagt:
Gruben, Zisternen u. Höhlen (zu Wasseransammlungen). — Die letzte Bar auch BQ 94^.
27,8: Blutacker.
Apg 1, 19 nennt als einheimischen Namen dieses Ackers 'AxsXSa}.ic(x
oder axskdai^idx. Die von Mt u. Lk (Apg 1,19) übereinstimmend an-
gegebene Bedeutung ayQog ai).iaTog oder xwQiov ai'fxatog nötigt, AxeX-
(Saßäx als Transkription des aramäischen ntü^ bf^n = „Blutacker" an-
zusehen. Das X am Ende bezeichnet das Wort als im Griechischen nicht
deklinierbar, vgl. ^eigdx = i^T^, 'I(^(TrjX = "^o^"' (Lk 3, 26).
hpn auch in dem Ortsnamen nrp «no h~_- „Rotes Feld " pSanh 2, 20'', 61 = Ephes-Dammim.
27, 9f.: Da wurde erfüllt das vom Propheten Jeremia Gesagte,
welcher spricht: „Und sie nahmen dreißig Silberlinge, den
Wert des Wertgeschätzten, den sie von Israels Söhnen ge-
wertet hatten, u. gaben sie für den Acker des Töpfers, wie
mir der Herr geboten hat."
1. Das Zitat stammt aus Sachll,12f. Wenn der Name Jeremia
^ So nach TSch'^q 3, 6 (178), nach der gewöhnlichen Erklärung: „Gold zu Opferschalen".
1030 Mattli27, 9f. (Nr. 1. 2)
hier nicht irrtümlich genannt ist, so hat der Evangelist mit „Jeremias,
dem Propheten" ganz allgemein die eigentlich prophetischen Schriften
bezeichnet, an deren Anfang das Buch Jer. in alter Zeit stand. Ähnlich
steht Lk 24, 44 iliaXf.ioi für die dritte Abteilung des alttest. Kanons, die
K^thubim oder Hagiographen. Hiernach würde rd grj^h' 6icc'l€QSf.iiov tov
7ioo(frjVov soviel sein, wie t6 Qijd^tr Sic< rwr nQOifYjzwv^ eine Zitierungs-
formel, die sich auch Mt 2, 23 findet.
Über die alte Reiheafolge der alttest. Bücher s. BB 14^ Bar: Die Reihenfolge der
Propheten (prophetae priores et posteriores) ist: Josua, Richter, Samuel, Könige; Jeremia,
Ezechiel, Jesaja u. die zwölf (kleinen Propheten). . . . Die Reihenfolge der K'^thubim
ist: Ruth, Ps, Hi, Sprüche, Qoh, HL, KL, Dn, Esth, Esra, Chr. — Das Büchlein Ruth ist
gewissermaßen ein genealogisches Vorwort zu den Psalmen. R. Jochanan (f 279) hat
gesagt daselbst: Warum heißt sie Ruth? Weil David aus ihr entstand, der Gott mit
Liedern u. Lobgesängen labte (sättigte, inT^-s).
2. Sachll,12f. in der altjüdischen Literatur,
LXX Sach 11, 12 f.: Kai sqm ngog cnhovg' Ei x«AoV ifuiniov vfxwv iari, 66x6 xov
juta&oy f^ov, rj Kneinaa^e. xal sarrjacty toV fxiG&öv fxov XQidy.opta uQyvQov;. Kai eins
xvqiog TiQÖg fxe' Ka&sg (nhovg sig ro %ü)ysvT7]Qiot/ (Schmelzofen), xai axeipoucti si
Söxiuöv iariy, of rQÖnov sdoxificcad^?]^ vnsQ athojy. xai tXccßoy rovg tQiäxovxa dgyvQovg
xai aysßakof avrovg sig roy oixov xvqIov eig ro x^^'^^'^VQ''^^-
Targ Sach 11, 12f. : Ich sprach zu ihnen: Wenn es recht in euren Augen ist, so
tut meinen Willen; wenn aber nicht, so haltet euch zurück (unterlasset es). Und es
taten meinen Willen einige wenige Männer (= 30 Silberlinge). Und Jahve sprach zu
mir: Schreibe das Andenken ihrer Taten auf Schreibpergament u. wirf es in das Heilig-
tum u. wirf es unter die Hand des Tempelvorstehers, weil meine Verehrung teuer war
in ihren Augen. Und ich schrieb das Andenken ihrer Taten auf Schreibpergament u.
warf es in das Heiligtum Jahves unter die Hand des obersten Tempelvorstehers. —
Der Targum deutet die Stelle auf etliche fromme Männer in Israel, deren Gottesfurcht
vor Gott unvergessen bleiben soll; ihre Taten, auf Pergament verzeichnet, werden
deshalb im Tempel aufbewahrt. — Diese Deutung läßt sich seit dem 3. Jahrhundert
mit den Namen ihrer Vertreter belegen. Eine andre Deutung bezieht die Verse auf die
Völker der Welt. || GnR98(62»): R. Chanin (um 300) hat gesagt: Die Israeliten be-
dürfen der Lehre des Königs, des Messias, nicht in der Zukunft, s. Jesll,10: „Nach
ihm werden die Völker fragen (suchen)", aber nicht die Israeliten. Wenn dem so ist,
warum kommt denn der König, der Messias? u. um was zu tun, kommt er? Um die
Exulanten Israels zusammenzubringen u. um den Völkern 30 Gebote zu geben; das
meint Sach 11, 12: Ich sprach zu ihnen: Wenn es gut ist in euren Augen, so gebet
mir meinen Lohn . . . u. sie wogen als meinen Lohn dar 30 Silberlinge (d. h. 30 Ge-
bote). Rah (t 247) hat gesagt : Damit sind die 30 Helden (Frommen, s. Targ oben) ge-
meint. R. Jochanan (f 279) hat gesagt: Damit sind die 30 Gebote gemeint (die dereinst
die Völker auf sich nehmen werden). Man sagte zu R. Jochanan: Sollte denn Rab nicht
der Meinung gewesen sein, daß die Stelle nur von den Völkern der Welt redet? Nach
der Meinung Rabs wird, wenn die Israeliten Verdienste haben, die Mehrzahl von
ihnen (den 30 Gerechten) im Lande Israel sein, die kleinere Zahl in Babel. — Anders
die Autorschaft p?AZ 2, 40S 13: Rab Huna (f 297) hat im Namen Rabs gesagt: Sie
wogen mir 30 Silberlinge dar Sach 11, 12, damit sind die 30 Gebote gemeint, die die
Noachiden dereinst auf sich nehmen werden (= Meinung Jochanans oben). Die Rab-
binen aber sagten: Damit sind die 30 Gerechten gemeint, deren die Welt nie entbehrt.
Denn R. Nachman (um 400) hat im Namen des R. Mana (IL, um 370) gesagt: Die Welt
kann bei weniger als 30 Gerechten, die wie unser Vater Abraham sind, nicht bestehn.
Was ist der Schriftgrund? Es heißt Gn 18, 18: Abraham soll gewißlich zu einem großen
Volk werden rrn"« T>n; der Zahlenwert von n^rt" beträgt 30. Bald ist die größere Zahl
Matth 27, 9 f. (Nr. 2. 3). 27, 15. 16. 19 (51) 1031
von ihnen in Babel u. die kleinere im Lande Israel, bald ist die größere Zahl von
ihnen im Lande Israel u. die kleinere in Babel; es ist ein gutes Zeichen für die Welt,
wenn ihre größere Zahl im Lande (Israel) ist. — Ähnliche Ausführungen s. Midr Ps 2
§5(13i^); 5§5(26'J); 21 §1(89-''); GnR49 (Sl-t). || Chull 92 a: Jch kaufte sie mir für
1 Chomer (= 30 Sea) Gerste u. 1 Lethekh (= 15 Sea) Gerste" Hos 3, 1 ; damit sind die
45 Gerechten gemeint, derentwegen die Welt bestehen bleibt. Aber ich weiß nicht, ob
die 30 hier (in Babel) u. die 15 im Lande Israel sind, oder ob die 30 im Lande Israel
u. die 15 hier sind. Da es nun heißt Sach 11,13: Ich nahm die 30 Silberlinge u. warf
sie ins Haus Jahves zum Töpfer, so sage: 30 sind im Lande Israel u. 15 hier. Abaje
(t 338/39) sagte: Die Mehrzahl von ihnen (den 30 in Palästina, Raschi) findet sich in der
Synagoge, die unter dem Anbau ist. Und das ist es, was geschrieben steht Sach 11, 12:
Ich sprach zu ihnen: Wenn es gut ist in euren Augen, so gebet mir meinen Lohn;
wenn aber nicht, so lasset es. Und sie wogen als meinen Lohn dar 30 Silberlinge.
Rab J'^huda (f 299) hat gesagt: Das sind die 30 Gerechten unter den Völkern der Welt,
derentwegen die Völker der Welt erhalten bleiben. fUlla (um 280) hat gesagt: Das sind
die 30 Gebote, die die Noachiden auf sich genommen u. von denen sie nur drei gehalten
haben: das eine, daß sie den Männlichen keine Hochzeitsverschreibung verschreiben (sie
nicht in förmlicherWeise zur Päderastie ehelichen); das andre, daß sie kein Leichenfleisch
im Fleischladen auswiegen (keine Menschenfresser sind) u. das dritte, daß sie die Tora
ehren. || Diesen Deutungen hat sich auch Raschi zu Sach 11, 12 f. angeschlossen; er ver-
sichert aber, daß er noch viele andre gesehen habe, von denen er jedoch keine mitteilt.
3. 30 Scheqel Silber als Ersatzpreis für einen Sklaven s. bei Mt26, 15.
27,11: Du sagst es, <ji' ^eyeig, s. bei Mt 26, 25.
27, 15: Während des Festes pflegte der Statthalter
dem Volk Einen Gefangenen freizugeben.
„Die aus den Evangelien bekannte Tatsache, daß der Prokurator
von Judäa zum Passahfeste einen Gefangenen freizugeben pflegte, be-
ruhte wohl auf einer Spezialermächtigung des Kaisers. Denn das Recht
der Begnadigung kam sonst den Statthaltern nicht zu", Schürer ^ 1,
469. — Anderweitige Belege für diese Sitte gibt es nicht.
27,16: Barabbas, Bagaßßäv.
Bar Abba xsx '^z „Sohn Abbas", häufiger Personenname.
B^rakh 18 'J: Bei dem Vater Sch'^'muels (f 254) hatte man Waisengelder deponiert.
Als seine Seele zur Ruhe einging, war Sch'^rauel nicht bei ihm; man nannte ihn einen
Sohn, der Waisengelder (aus dem Depositum) verzehrt. Er ging hinaus zu seinem Vater
auf den Friedhof. Er rief ihnen (den Toten) zu: Ich suche Abba (so hieß sein Vater).
Sie antworteten: Abbas gibt es viele hier. Er rief: Ich suche Abba bar Abba! (Sch^muels
Großvater hieß also auch Abba.) Sie antworteten: Auch Abbas bar Abba gibt es viele
hier. Er rief: Ich suche Abba bar Abba, den Vater Sch^'muels, wo ist er? Sie ant-
worteten: Er ist in die himmlische Akademie hinaufgegangen usw.
27,19 31: Als er auf dem Richtstuhl enl rov ßijfxaTog saß.
rra-ia «, jeder zum Reden erhöhte u. eingerichtete Ort, Redner-
tribüne; ß, Gerichtsstätte, Richterstuhl.
pRH 1, 57^, 10: (R. Hoscha?ja, wohl der Ältere, um 225; s. Bacher, pal. Amor. 3, 565)
hat gesagt: Wenn im gewöhnlichen Leben ein Fürst sagt: „Das Gericht findet heute
statt" u. ein Räuber sagt: „Morgen findet das Gericht statt", auf wen hört man? Doch
auf den Fürsten. Gott nicht also. Wenn der Gerichtshof (das irdische Synedrium) gesagt
hat: „Heute ist Neujahr!" so spricht Gott zu den Dienstengeln: Stellet den Richterstuhl
1032 Matth 27, 19 (?l. SB). 27, 24 (3t. 93)
ny-3 auf (im Himmel; denn Gott hält zu Neujahr Gericht über die Menschen), hintreten
sollen die Verteidiger, hintreten sollen die Ankläger; denn meine Kinder (Israel) haben
gesagt: Heute ist Neujahr! Wird der Gerichtshof (auf Erden) dann andrer Meinung,
es auf den nächsten Tag hinauszuschieben, so sagt Gott zu den Dienstengeln: Schaffet
die n?3''3 zur Seite, u. abtreten sollen die Verteidiger u. die Ankläger; denn meine Kinder
haben beschlossen, es auf den nächsten Tag hinauszuschieben. || SDt3, 24 § 27 (71"):
Wenn sich ein König von Fleisch u. Blut auf seine rus-a setzt, so muß er sich vor dem
Rhetor (Advokaten) fürchten, daß dieser ihn widerlegen möchte. Du (Gott) aber, bei
dem es keinen Rhetor gibt, warum willst du mir (Mose) nicht vergeben? || LvR 13 (1 14*^):
Das Reich Edom (= Rom) erhebt sich, übt Gewalttat u. Raub u. dabei stellt es sich, als
ob es die na^a aufschlüge (d. h. als ob es gerecht richtete, nur nach dem Gesetz verführe).
27,19 95: Ließ ihm sein Weib sagen: Habe nichts mit jenem
Gerechten zu schaffen; denn viel habe ich heute im Traum
seinetwegen gelitten.
Eine ähnliche Botschaft entbietet Ta^an 24 '^ Iphra Ormuzd ihrem
Sohn, dem König Schabor, als dieser sich zur Bestrafung des jüdischen
Gelehrten Raba (f 352) anschickte: Habe du nichts mit den Juden zu
schaffen ixTini iinn o-'nai pos -\h iinib it.b; denn alles, was sie von ihrem
Herrn (Gott) erbitten, gibt er ihnen. || Ebenfalls während einer Gerichts-
verhandlung, die gegen Rab J^'huda (f 299) vor Rab Nachman (f 320)
anstand, ließ des letzteren Gemahlin Jalta diesem sagen: Sprich ihm
sein Urteil (laß ihn frei von dir ausgehn), damit er dich nicht als
einen fAm ha-are^ (unwissenden Menschen) hinstelle I Qid 70'' oben.
Über Träume u. ihre Wertung s. bei Mt 1, 20 S. 53 ff.
27, 24 91: Er nahm Wasser u. wusch seine Hände vor dem Volk.
Die Sitte des Händewaschens als Zeichen, daß man an einem be-
stimmten Verbrechen unschuldig sei, findet sich auch bei den Griechen.
Die Kommentare verweisen auf Herodot 1, 35; Vergil Aen. 2, 719; Soph.
Ajax 654. — Die entsprechende jüdische Sitte — u. sie ahmt Pilatus
nach, um Eindruck auf die Menge zu machen — ruht auf Dt 21, 6 ff.
Sota 9,6: Die Altesten jener Stadt (in deren Bezirk ein Erschlagener gefunden
ward) waschen ihre Hände mit Wasser an der Stelle, an der dem Kalb das Genick
gebrochen wurde, u. sagen: ,Unsre Hände -haben dieses Blut nicht vergossen u. unsre
Augen haben (den Mord) nicht gesehen." Wie, sollen wir denn meinen, daß die Ältesten
des Gerichtshofs Blutvergießer seien? Vielmehr ist es so gemeint: Wir haben ihn nicht,
als er zu uns kam, ohne Speise fortgeschickt, wir haben ihn nicht gesehen u. ohne
Begleitung gelassen (auch jede mittelbare Schuld an seinem Geschick wird abgelehnt).
Und die Priester sagen Dt 21, 8: „Sühne dein Volk Israel, das du erlöst hast, Jahve,
u. lege nicht unschuldiges Blut mitten in dein Volk Israel." Aber nicht brauchen sie
(die folgenden Worte) zu sagen: „Es wird ihnen das Blut gesühnt sein"; vielmehr ver-
kündigt dies der heilige Geist (d.h. sie enthalten die göttliche Verheißung der Vergebung):
wenn ihr also tun werdet, wird ihnen das Blut vergeben werden. Vgl. SDt 21, 6 ff. § 209
u. 210; Sota 46'^. Ferner Ps 26,6; 73,13.
27,24 35: Ich bin unschuldig an dem Blute dieses; sehet ihr zu!
Zur Deutung der symbolischen Handlung des Händewaschens vgl.
Brief des Aristeas 306: Ich stellte auch die Frage, warum sie (die
Matth 27, 24 (SB). 27, 25. 26 (Nr. 1) 1033
Juden) die Hände waschen u. dann erst beten. Und sie erklärten, es
sei ein Zeugnis, daß sie nichts Übles getan hätten (denn jede Tätigkeit
geschieht durch die Hände), indem sie in schöner u. frommer Weise
alles auf Gerechtigkeit u. Wahrheit bezogen. || Git 56 « : Er (nämlich Nero,
der angeblich gegen Jerusalem gesandt war) sagte: Gott will sein Haus
(Tempel) zerstören u. er will seine Hand an diesem Mann (= an mir)
abwischen (d. h. mir die Schuld zuschieben).
27,25: Sein Blut komme über uns u. über unsre Kinder.
Die Worte besagen: Die Verantwortlichkeit u. Schuld treffe uns u.
unsre Kinder!
f AZ 12'' Bar: Der Mensch trinke kein Wasser in der Nacht — u. wenn er trinkt,
so kommt sein Blut über sein Haupt (d. h. die Schuld an seinem Unglück hat er sich
selbst zuzuschreiben). |1 Joma21^ Bar: Wer sich vor dem Hahnenschrei auf den Weg
begibt, dessen Blut kommt auf sein Haupt (er hat selbst die Verantwortung u. Folgen
zu tragen). || SLv 24, 14 (424^*): Sie (die Zeugen der Gotteslästerung) sollen ihre Hände
auf sein (des Lästerers) Haupt stemmen (Lv 24, 14) u. sagen: ,Dein Blut ist auf deinem
Haupt; denn du hast es also veranlaßt" (dir selbst zugezogen). || f AZ 30* : Bei gekochtem
Wein kommt das Verbot wegen Offenstehens nicht in Betracht. Man sagte: Können wir
uns darauf verlassen? R. Jannai b. Jischma?el (um 300) deutete ihnen durch eine Hand-
bewegung an: auf mich u. meinen Hals komme es (ich übernehme die Verantwortung). ||
pSanh 6, 23 **, 46 : Einmal geschah es, daß einer zur Hinrichtung hinausgeführt wurde.
Man sagte zu ihm: Sprich (als Sündenbekenntnis): „Mein Tod sei Sühnung für alle
meine Sünden." Er aber sagte: „Mein Tod sei Sühnung für alle meine Sünden, außer
dieser Sünde (derentwegen ich verurteilt bin); wenn ich sie getan habe, so soll mir
nicht vergeben werden, aber der Gerichtshof Israels soll unschuldig sein!" Als das vor
die Gelehrten kam, tränten ihre Augen. Sie sprachen: Ihn zurückzuführen ist nicht
möglich, dann nähme die Sache kein Ende. Siehe, sein Blut hange an dem Hals der
(falschen) Zeugen! 1| Sanh 4, 5: (Man flößt den Zeugen Furcht ein mit den Worten . . .:)
Wisset, daß nicht wie Vermögensstreitigkeiten Kapitalprozesse sind. Bei V.streitigkeiten
kann ein Mensch Geld geben u. es wird ihm Sühnung; aber bei K.prozessen haftet sein
(des Hingerichteten) Blut u. das Blut seiner (möglichen) Nachkommen an ihm bis ans
Ende der Welt. (Die ganze Stelle s. bei Mt 5,21 S.267u. Mt 26,60 8.1001.) !| PirqeREl 10:
(Als die Schiffsgenossen Jona ins Meer werfen wollten) sprachen sie: Gott der Welt,
Jahve, bringe nicht auf uns unschuldiges Blut; denn wir wissen nicht, was es mit diesem
Mann auf sich hat. — Die Verbindung: „sein Blut kommt auf sein Haupt" i^as^a tst
ferner in pB^rakh 7, U', 61; P^'s 111-^; 112^ (zweimal); Niddal7*.
27,26: Jesum Heß er geißeln u. übergab ihn,
daß er gekreuzigt werde.
1. Die römische Sitte, der Kreuzigung die Geißelung voraufgehen
zu lassen, bezeugt Josephus:
Bell. J. 2, 14, 9 : Die römischen Soldaten ergriffen viele der guten Bürger (in Jerusalem)
u. führten sie vor Florus (L J. 66 n. Chr.), der sie zuvor mit Geißeln mißhandeln u. dann
kreuzigen ließ, ovg /nüati^i nQocaxiaccfxst'og aysarcevgaxjsy. Was nämlich zuvor niemand
gewagt hatte, das wagte damals Florus, daß er Männer ritterlichen Standes vor der
Gerichtsstätte geißeln u. ans Kreuz heften ließ, ^aanyo'iaai nqo rov ßtjf^caog xai arttvQol
7iQoar]Xwaai. || Das. 5, 11, 1 : Nachdem sie (die zur Zeit der Belagerung Jer.s Gefangenen)
gegeißelt u. vor der Hinrichtung mit allerlei Mißhandlungen gemartert worden waren,
wurden sie vor der Mauer gekreuzigt, /xaaTiyov/usfoi ärj xal rtQoßaacwil^öfisyoi rov
&ttfcuov nctauv aixlap uveaiavQovvio rov tsi^^ovs uyriXQv.
1034 Matth 27, 26 (Nr. 2)
Über die jüdische Geißelstrafe s. bei 2 Kor 11. 24 u, Mt 10, 17.
2. Die Kreuzigungsstrafe war eine römische Strafe; ebenso wie die
Geißelung durfte sie nur an Personen vollstreckt werden, die nicht das
römische Bürgerrecht besaßen. Vgl. in Nr. 1 die Klage über Florus. Die
Juden kannten zwar auch ein Ans-Holz-Hängen; aber diese Strafe hatte
mit der römischen Kreuzigungsstrafe nichts gemein. Sie wurde nur
an denen vollzogen, die wegen Götzendienstes u. Gotteslästerung zur
Steinigung verurteilt waren, u. zwar als Zusatzstrafe nach deren
Tötung.
Sanh 6, 4 : Alle Gesteinigten werden gehängt, das sind Worte des R. Eli?ezer (um 90) ;
die Gelehrten aber sagten: Nur der (Gottes-)Lästerer nri;,>?n u. der Götzendiener wird
gehängt (so ist die Halakha, Bertinoro). Den Mann hängt man mit dem Gesicht nach
dem Volk hin u. die Frau mit dem Gesicht nach dem Holz hin ; das sind Worte des
R. Elifezer; die Gelehrten aber sagten: Der Mann wird gehängt u. die Frau wird (über-
haupt) nicht gehängt. (Die Halakha ist nicht nach R. Eli?ezer, Bertinoro). R. Elifezer
hat gesagt: Es geschah einmal, daß Schim?on b. Schatach (um 90 v. Chr.) Frauen in
Askalon hängte. Man antwortete ihm: Achtzig Frauen hat er gehängt (Zauberinnen
waren es gewesen) u. man richtet (doch) nicht zwei Personen an einunddemselben Tage
(sein Verfahren war also ordnungswidrig u. hat deshalb keine Beweiskraft). Wie hängt
man ihn (nach jüd. Sitte)? Man senkt einen Balken in die Erde, von dem ein (Quer-)Holz
ausgeht, u. man bringt seine (des Hingerichteten) Hände aneinander u. hängt ihn (an
den Händen) auf (also ohne die Arme nach beiden Seiten auszuspannen). R. Jose (um 150)
sagte: «Den Balken lehnte man an eine Wand u. dann hängte man ihn daran, wie die
Schlächter aufhängen." Man macht ihn aber sofort wieder los (um ihn zu beerdigen).
Fortsetzung der Stelle bei Mt 26, 65 S.1012. — Parallel SDt21,22 §221 (114b). || SDt
21,22 § 221 (114b): Soll man ihn (den Götzendienern. Gotteslästerer) etwa bei lebendigem
Leibe aufhängen, wie es die (heidnischen) Behörden tun? Die Schrift sagt lehrend
Dt 21, 22: „Und er wurde getötet* (dann erst folgen die Worte: Und du hängtest ihn
ans Holz, also nach seiner Tötung). „Und du hängtest ihn ans Holz" : „ihn", aber nicht
seine Kleidungsstücke (also ist er nackt ans Holz zu hängen); „ihn", aber nicht seine
(falschen) Zeugen; „ihn", aber nicht die, die seine Zeugen als falsche überführten u.
dann selbst durch andre als falsche Zeugen überführt wurden (so nach Friedmann);
„ihn" (Singular), das lehrt, daß man nicht zwei Personen an einunddemselben Tage
richtet. „An das Holz", d.h. an einen abgehauenen Baumstamm, nicht an einen solchen,
der in der Erde steht. . . . Wie verfährt man mit ihm? Man wartet mit ihm, bis es
dunkelt; dann hängt man ihn auf u. macht ihn (sofort) wieder los. || Sanh 46^: „Der
Mann wird gehängt u. die Frau wird (überhaupt) nicht gehängt" (s. oben Sanh 6, 4).
Was war der Schriftgrund der Rabbinen? Die Schrift sagt: „Und du hängtest ihn"
Dt 21, 22, „ihn" (den Mann), aber nicht „sie" (die Frau). Und R. Elifezer (nach welchem
auch die Frau aufzuhängen war)? Er sagte: „Ihn", d. h. ohne seine Kleidung. Und die
Rabbinen? In der Tat so ist es auch, aber Dt 21, 22 sagt: „Wenn an einem Mann ein
todeswürdiges Vergehen ist", an einem „Mann", aber nicht an einer Frau. || Sanh 46b
Bar: Wenn es Dt 21, 22 hieße: „Wenn an einem Mann ein todeswürdiges Vergehen ist
u. du hängtest ihn", so würde ich sagen: Man hängt ihn jbei lebendigem Leibe) u.
hinterher läßt man ihn sterben, wie es die (römische) Regierung tut. Die Schrift sagt
aber lehrend Dt 21, 22: „Und er wurde getötet u. du hängtest ihn", d. h. man tötet ihn
u. hinterher hängt man ihn. Auf welche Weise? Man hält ihn hin bis nahe zum Unter-
gang der Sonne, dann fällt man das Urteil über ihn u. tötet ihn u. darauf hängt man
ihn; einer knüpft ihn an u. einer macht ihn (sofort) wieder los, um das Gebot des Auf-
hängens zu erfüllen. (Das Aufhängen ist hiernach eine bloße Formalität, die erfüllt
wird, weil es die Tora eben vorschreibt.) — Bar: „An ein Holz (Baum)" Dt 21, 22. Da
Mafcth 27, 26 (Nr. 2). 27, 27 (Nr. 1. 2) 1035
höre ich, gleichviel ob an ein abgehauenes oder an ein in der Erde wurzelndes. Die
Schrift sagt lehrend Dt 21, 23: „Sondern begraben sollst du ihn." ^ Da ist (ein Holz)
gemeint, bei dem nur noch das Begraben aussteht; ausgenommen ist also ein Holz, bei
dem das Abhauen (weil es noch in der Erde wurzelt) u. das Begraben aussteht. R. Jose
(der das Anlehnen des Holzstammes an eine Wand forderte) sagte: Da ist ein Holz
gemeint, bei dem nur noch das Begraben aussteht; ausgenommen ist also ein Holz, bei
dem das Ausgraben, das Herausziehen (weil es in die Erde eingesenkt worden war) u.
das Begraben aussteht. Die Rabbinen aber sagten: Das Herausziehen ist überhaupt
nichts (wird nicht als besondere, dem 'd widerstreitende Verrichtung angesehen). 1| Zu
den Beweisstellen dafür, daß nur Götzendiener u. Gotteslästerer an das Holz gehängt
wurden: Sanh 6, 4 u. SDt 21, 22 § 221 (114b), s. auch bei Mt 26, 65 S. 1012 Nr. 3.
27,27: In das Prätorium, slg to tcquixwqiov.
1. Praetorium, ursprünglich das Feldherrnzelt im römischen Lager,
heißt später das Hauptquartier jedes Provinzialstatthalters. Es diente
also in erster Linie dem Statthalter u. seiner Umgebung, einschließlich
seiner Leibgarde (cohors praetoria), als Wohnung, daneben aber auch
als Gerichtsstätte a u, Untersuchungsgefängnis, b
a. Josephus, Bell. Jud. 2, 14, 8: i-Xwqog (der letzte Prokurator, 64 — 66 n. Chr.) 6e
TÖis jui»' iy roig ßaaiXeioig (Palast des Herodes) cwT^l^siui, rfi 6s vatsQuiu ßij^ua (Richter-
stuhl) TiQo avrdjy &sfxsyog xa&el^erca, xal nQoasX96yTSg oi' re ckqxisqsis xkI Svvaroi, r6,T6
yvojQiuMxatov xrjg nöXsiog nüv 7iaQeati]ac(v zw ßTJfiari. b. Apg 23, 85.
2. Der Prokurator von Judäa hatte für gewöhnlich seinen Wohnsitz
in Cäsarea. In Jerusalem pflegte er an den großen Festen anwesend
zu sein; hier residierte er in dem früheren Palast des Königs Herodes
an der Nordwestgrenze der Oberstadt. Dieser Palast, der in seinen aus-
gedehnten Baulichkeiten genug Raum bot auch zur Unterbringung der
cohors praetoria, OTceiQa Mt 27, 27 u. Mk 15, 16, ist mit dem nqaiTwqiov
gemeint, in welchem Jesus vor dem Richterstuhl des Pontius Pilatus
stand. Allerdings wird mehrfach die Meinung vertreten, daß die Ver-
handlung gegen Jesum in der Burg Antonia (nördlich vom Tempelberg)
stattgefunden habe. Allein diese Burg enthielt nur die Kaserne {TiaQSfx-
ßoXri) der ständig in Jer, garnisonierenden Kohorte, a während als
Hauptquartier des Prokurators, d. h. als uQaiTcoQiov, regelmäßig der
Palast des Herodes (t« ßaaiXeia) erscheint, b
* Aus der Gerundivkonstruktion , begrabend sollst du begraben" Dt 21, 23 wird
gefolgert, daß mit dem Hingerichteten auch der Holzstamm zu begraben sei; ferner
wird aus dem -'s = , sondern" geschlossen, daß weiter nichts als nur noch das Begraben
mit dem Gehängten vorzunehmen sei. — Zum Verscharren der Hinrichtungswerkzeuge
mit dem Hingerichteten s. Sanh 45 b Bar: Sowohl der Stein, mit dem einer gesteinigt, als
auch das Holz, daran einer gehängt, als auch das Schwert, mit dem einer hingerichtet,
als auch das Tuch, mit dem einer erdrosselt war — sie alle wurden mit ihm begraben.
Das war aber nur in dem Falle nötig, wenn man andre (Hinrichtungsmittel, nur für den
gerade vorliegenden Fall bestimmte) hergerichtet u. zur Stelle gebracht hatte anstatt
jener (die sonst dauernd dazu benützt wurden). Wurden sie denn mit ihm begraben?
In einer Bar heißt es doch : Sie wurden nicht mit ihm begraben ! Rab Papa (f 376) hat
gesagt: Was heißt ,mit ihm"? Mit ihm in seinem Besitzteil (also nicht in seinem Grabe
selbst, wohl aber in dessen unmittelbarster Nähe; denn dem Toten gehört an der Stelle,
wo er ruht, eine Fläche von 4 Ellen Länge u. Breite; innerhalb dieses seines Besitzes
sind die Hinrichtungswerkzeuge, vorausgesetzt, daß sie speziell für ihn zubereitet waren,
zu vergraben).
1036 Matth 27, 27 (Nr. 2. 3). 27, 29. 31
a. Josephus, Bell. Jud. 5, 5, 8: xid^fjaro yag äsl in' cevrrjg (d. i. rtjg 'Aprutving) luyfxa
'Püjfucdwy. — rciy/uK „Kohorte" wie Ant. 20, 6, 1. — Die Kaserne (in der Burg A.) wird
erwähnt Apg 21, 34. 37; 22,24; 23,10.16.32.
b. Außer Bell. Jud. 2, 14, 8 ist besonders lehrreich 2, 15, 5. Hier wird berichtet, wie
sich Florus eines Tages bemühte, mit den Mannschaften seiner cohors praetoria nach
dem Tempel u. der Burg Antonia vorzudringen, aber von der Menge umstellt u. gedrängt
u. von den Dächern mit Wurfgeschossen überschüttet sich genötigt sah, den Rückzug
in sein im Palast des Herodes befindliches Lager anzutreten: wv (rot; rs iegov xal rijg
'Apxfüving) xal 4''/.cjQog scfisf^spog Hijyaysp sx ttjg ßaaihxtjg avh]g {= Palast des Her.)
Tovg avf ((VKO xcd ngog x6 cpgovQiov iX&sif tjyoivl^^sro. dirjf^KQiE ys /iit]P riig STiißokijg.
6 yc(Q (frjfxog äyriXQvg EniaxQaqielg s^gys r»;»' oQfxrjv, xal diaarccfTeg irji rwy reyiöv rovg
'Püj/ualovg sßaXXop. xaxanovovfxevoi di] xolg vnsgd^e ßsksai, xal diaxoxpai x6 xovgaxEvojTiovg
eficpQÜ^ay 7i'/.ij&og äaf^eytjaayxsg, dyB/uiQovy eig xo nQog xoTg ßaadeioig (Palast des Her.)
axQttXoneSoy. — Speziell über die Zeit des Pontius Pilatus haben wir ein Zeugnis in
dem Brief des Herodes Agrippa I. (37 — 44 n. Chr.) bei Philo, De legatione ad Cajum
§ 38: nlXaxog t]y xioy {'naQ^wy enixQonog (inods&siyf^eyog xrjg lofdcdag, Ovxog ovx inl
xtfifi TißsQiov ^('ikXoy, ?j e'ysxa xov XvnrjaaL xo nlrji^og, dynxi&rjaiy sy xoTg xaxu xrjv
[sQÖnohy 'HQiödov ßaaiXeioig iniXQi'Oovg danldag, fX7]xe fxogcptjy s/ovaag, /utJxs dXko xt
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(lyadeyxa xal vrieg ov t) dyd&eaig. Wenn hier P. P. Weiheschilde im Palast des Her.
aufstellen ließ, so geschah das natürlich nur, wenn u. weil der Palast ihm u. seinem
Hauptquartier während seines Aufenthaltes in Jer. als Wohnung diente.
3. Das Wort ngaiTcogiov findet sich als '("'"irj^s oder "jini-oba häufig
auch im Rabbin., nur daß es hier die allgemeine Bedeutung „Palast"
angenommen hat, zB Sanh 2,3: Ist ihm (dem König) jemand gestorben,
so geht er nicht aus der Tür seines Palastes i-iTial^s hinaus (um sich nicht
öffentlich in Trauer zu zeigen). — Stellen bei Krauß, Lehnwörter 2, 455 f.
27,27: Die ganze Kohorte, öXt]y xtjy anejQay, s. bei Joh 18,3.
27,29: Sei gegrüßt, König der Juden!
XaTge 6 ßaaikei'g. — TancliB "-»; § 11 (98 ''): Antoninus fragte unseren heiligen Lehrer:
Wie verhält es sich mit dem Beten zu jeder Zeit? Er antwortete ihm: Das ist ver-
boten. Er sprach zu ihm: Weshalb? Er antwortete: Damit man nicht leichtfertig mit
dem Allmächtigen (wörtlich: Allmacht n^i^;) umgehe. Jener stimmte nicht zu. Was
tat Rabbi? Er kam frühmorgens zu ihm u. sprach: s';;?.* ^T'i< = xvgts /«rpe ,Herr,
sei gegrüßt!" Nach einiger Zeit trat er wieder ein u. sprach: Imperator! Wieder nach
einiger Zeit sprach er: Friede sei mit dir, o König! Dieser sprach zu ihm: Willst- du
etwa die Regierung (d. h. den König) verächtlich machen? Er antwortete ihm: Mögen
deine Ohren hören, was du mit deinem Munde aussprichst! Wenn du, der du Fleisch
u. Blut bist, zu dem, der dich alle Augenblicke grüßt, also sprichst, um wieviel mehr
gilt das dann von dem, der den König aller Könige, den Heiligen, gepriesen sei er! ver-
ächtlich behandelt, daß er ihn nicht zu jeder Zeit belästigen darf! — Dass.Tanch •|'ptt49^.
27,30: Sie spieen ihn an (vgl. bei Mt 26, 67).
27, 31: Sie führten ihn fort zur Kreuzigung.
Die Vollstreckung der vom Prokurator gefällten Todesurteile erfolgte
in der Regel durch römische Soldaten (s. Schürer ^ 1, 470 ff.); in diesem
Falle kamen natürlich die Vorschriften des jüdischen Rechts betreffs
Abführung eines Delinquenten zur Richtstätte (s. bei Apg 7, 58) nicht
* So liest Buber; fArukh: "i"3 ■'-i'p.'
Matth27, 32.33. 34(Nr. 1.2) 1037
zur Anwendung. — Eine jüdische Tradition über Jesu Wegführung aus
Sanh 43^ s. bei Mt 26, 66 S. 1023 y.
27,32: Sie trafen einen Mann aus Cyrene mit Namen Simon;
diesen zwangen sie, sein Kreuz auf sich zu nehmen (zu tragen).
Vgl. Exk. über den Todestag Jesu 6, 2. — Zu Cyrene s. bei Apg 2, 10; zu dyya-
Qsveiv bei Mt 5, 41 S. 344. — Über die Sitte, daß der Verurteilte sein Kreuz selbst zur
Richtstätte trug, s. bei Mt 10, 38.
27,33: Golgatha, das ist Schädelstätte.
Nach der beigefügten Deutung xquviov rönog kann nicht bezweifelt
werden, daß das Wort Fokyo^ä aus dem aramäischen xpi^abr, (hebr. nbjbs)
= „Schädel", „Kopf entstanden ist; dabei ist im Griechischen zwecks
bequemerer Aussprache das letzte h ausgestoßen. Woher der Ort seinen
Namen hat, ist ungewiß; die ansprechendste Vermutung geht dahin,
daß er nach seiner Gestalt benannt worden sei. Als Hinrichtungsstätte
lag er nach Nu 15, 35 außerhalb der Stadt, s. Sanh 42'^ bei Apg 7, 58.
27,34: Sie gaben ihm Wein zu trinken,
der mit Bitterem gemischt war.
1, XoXrj, wie nn^, nicht bloß = Galle, sondern allgemein = Bitteres;
vgl. LXX Spr 5,4; KL 3,15, wo xo^ für njrb = „Wermut«. — Mk 15,23
genauer ia^xvQVian^vov oivov „Wein, der mit Myrrhen vermischt war".
Über die bitter machende Kraft der Myrrhe s. Midr HL 3, 6 (105^): Wie
bei jedem, der Myrrhe sammelt, die Hände bitter werden, so hat sich unser
Vater Abraham selber Bitterkeiten u. Qualen auferlegt durch Leiden.
2. Daß man Jesu ein bitteres, Betäubung bezweckendes Getränk
vor der Kreuzigung reichte, entsprach jüdischer Sitte.
Sanh 43": Rab Chisda (f 309) hat gesagt: Dem, der hinausging, um hingerichtet
zu werden, gab man ein Stückchen Weihrauch in einem Becher mit Wein, um ihm
das Bewußtsein zu nehmen; s. Spr 31, 6: „Gebet Rauschfcrank dem, der dem Unter-
gang geweiht ist, u. Wein denen, die in ihrer Seele verbittert sind." In einer Bar
heißt es: Angesehene Frauen in Jerus. pflegten ihn (den Wein) freiwillig zu spenden
u. zu senden. Wenn ihn aber die angesehenen Frauen nicht freiwillig spendeten, auf
wessen Kosten wurde er dann beschafft? Das ist sicherlich klar, daß es auf Kosten
der Gesamtheit (der Gemeinde) geschieht, da es Spr 31, 6 heißt: „Gebet", nämlich auf
eure Kosten. — || S^'mach 2 § 9: Man läßt sie (die zur Hinrichtung Abgeführten) mit
ihren Brüdern u. Verwandten reden, nur daß keine Verzögerung dadurch eintritt; u.
man gibt ihnen Wein mit Weihrauch zu trinken, damit sie sich nicht quälen (infolge
Betäubung den Schmerz nicht empfinden), u. man lehrt sie ein Bekenntnis abzulegen,
denn wer ein Bekenntnis ablegt, hat Anteil an der zukünftigen Welt. || NuR 10 (158'^):
Allen, die durch den Gerichtshof hingerichtet wurden, gab man ungemischten Wein
■*- ■j^-' zu trinken, damit ihm das Bewußtsein genommen würde, um zu erfüllen: „Gebet
den Rauschtrank dem, welcher dem Untergang nahe ist . . ., daß er trinke u. sein
Elend vergesse" Spr 31, 6 f. || Vgl. auch Midr Ruth 2, 14 (132''): (R. Jonathan, richtiger:
R. Jochanan, f 279, hat Ruth 2,14 auf sechsfache Weise ausgelegt; die 5. Auslegung
ist folgende:) Die Stelle redet vom König, dem Messias. „Tritt hierher", nähere dich
der Königsherrschaft; „u. iß von dem Brote", das ist das Brot der Königsherrschaft;
„u. tauche deinen Bissen in den Essig", das geht auf die Leiden, s. Jes 53, 5: Und er
1038 Matth 27, 35. 37. 38 (Nr. 1)
ist durchbohrt wegen unsrer Sünden; ,u. sie setzte sich seitwärts von den Schnittern",
denn seine Königsherrschaft wird zeitweise von ihm genommen werden, s. Sach 14,2:
„Ich will versammeln alle Heidenvölker wider Jerus. zum Kampfe u. erobert wird die
Stadt" usw.; „u. er reichte ihr geröstete Ähren hin", denn (die Herrschaft) wird zu
ihm zurückkehren, s. Jes 11,4: „Er schlägt die Erde mit dem Stab seines Mundes."
27,35: Sie teilten seine Kleider, indem sie das Los warfen.
Das Verteilen der Kleider setzt voraus, daß Jesus unbekleidet ge-
kreuzigt worden ist. Das entsprach auch jüdischer Sitte.
Sanh6, 3: War (der zur Steinigung Verurteilte) vom Steinigungsort 4 Ellen ent-
fernt, so zog man ihm seine Kleider aus. Den Mann bedeckt man vorn, das Weib
aber von vorn u. von hinten. So R. J'^huda (um 150). Die Gelehrten aber sagten: Der
Mann wird nackt gesteinigt, aber das Weib wird nicht nackt gesteinigt. — Der Götzen-
diener u. der Gotteslästerer wurden nach der Steinigung auch nackt ans Holz gehängt,
während an Frauen diese Zusatzstrafe überhaupt nicht vollzogen wurde, s. Sanh 6,4;
SDt 21, 22 § 221; Sanh 46^ bei Mt 27, 26 S. 1034. || Zur Verteilung u. Verlosung der Kleider
Jesu s. bei Joh 19, 24.
27,37: Sie brachten zu seinen Häupten seine Schuld an:
Dieser ist Jesus, der König der Juden.
Todesurteile sollten unter Angabe des Grundes u. der Zeugen öffent-
lich bekannt gemacht werden.
Sanh 6, 1 Ende: Ein Ausrufer ging vor ihm (dem Delinquenten auf dem Wege zur
Richtstätte) her: NN, Sohn des NN, wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er die
u. die Sünde begangen hat. Und NN u. NN sind die Zeugen gegen ihn. Und jeder,
der Freisprechung für ihn weiß, komme u. tue es kund. (Das Gerichtsverfahren konnte
zugunsten des Verurteilten noch in der letzten Minute wieder aufgenommen werden,
s. Sanh 6, 1 bei Mt 5, 21 S. 270 Nr. 5.) |1 Sanh 11, 4: Man tötet ihn (den widerspenstigen
Gelehrten) nicht durch den Gerichtshof in seiner Stadt u. nicht durch den Gerichtshof
in Jahne (Lehrstätte des Rabban Jochanan b. Zakkai, f um 80), sondern man bringt
ihn hinauf zu dem großen Gerichtshof in Jerusalem u. bewahrt ihn (dort) bis zum
(nächsten) Fest u. tötet ihn während des Festes; denn es heißt: Ganz Israel soll es
hören u. sich füi'chten Dt 17, 13. Das sind Worte des R. fAqiba (f um 135). R. J^huda
(um 150) sagte: Man schiebt die Bestrafung eines solchen nicht hinaus, sondern man
tötet ihn sofort u. schreibt es auf u. sendet damit Boten in alle Ortschaften: NN, Sohn
des NN, ist vom Gerichtshof zum Tode verurteilt worden. 1| Sanh 89^ Bar: Vier be-
dürfen der öffentlichen Bekanntmachung: Der Verführer (zum Götzendienst), der wider-
spenstige Sohn, der widerspenstige Gelehrte u. falsche (d"'«»:!:, des Alibi überführte)
Zeugen. Von ihnen steht geschrieben Dt 13, 12; 21, 21 ; 17, 13: Alles Volk u. ganz Israel
sollen es hören u. sich fürchten. Bei den falschen Zeugen aber steht geschrieben
Dt 19,20: „Die übrigen sollen es hören u. sich fürchten", weil nicht jedermann zum
Zeugnis geeignet ist. (Die zum Zeugnis Ungeeigneten, wie Spieler, Diebe, Wucherer
usw., bedürfen der Abschreckung nicht, da sie ja als Zeugen nicht zugelassen werden;
darum heißt es Dt 19, 20 nicht „alle", sondern „die übrigen" sollen es hören usw.) —
Ferner s. die Tradition über Jesu Hinausführung in Sanh 43* bei Mt 26, 66 S. 1023>'.
27,38: Da wurden mit ihm zwei Räuber, hjavai, gekreuzigt.
1. Atjöt/^'c, oft im Rabbin. o'^-jp-ib (o^-job); sogar Neubildungen: nx-jpib
= Räuber; wjtDib u. Mi-jc-ib = Räuberei; o-jpl: = rauben, x^ppib ist
unmittelbar zu Xr^aieia „Räuberei" zu stellen. ]| Über das Treiben der
Räubern, der Sikarier (der fanatischen Partei der Patrioten (Ttxtt^xo/jsicarii,
■p"?i^"p) zur Zeit der römischen Prokuratoren s. Schürer ^ 1, 573 f. 580. 584.
Matth 27, 38 (Nr. 2. 3). 27, 89. 40. 42 1039
2. Nach jüdischem Recht sollten nicht zwei Verurteilungen u. Hin-
richtungen an einunddemselben Tage vorgenommen werden, s. Sanh 6, 4,
S. 1034: Man richtet nicht zwei Menschen an Einem Tage. — Dagegen
erzählt Josephus mehrfach von Massenhinrichtungen durch die Prokura-
toren. Bell. Jud. 2, 13, 2 nahm der Landpfleger Felix (52—60 n. Chr.) den
Räuberhauptmann Eleazaros, der zwanzig Jahre lang das Land aus-
geplündert hatte, u. viele von dessen Leuten lebendig gefangen u.
schickte sie nach Rom. Die Menge aber der von ihm gekreuzigten
Räuber u. derjenigen, die er bestrafte, weil sie in deren Gemeinschaft
erwischt wurden, war unermeßlich. — Davon sticht merkwürdig ab
Makl,10: Ein Synedrium, das in einer Jahrwoche (von 7 Jahren) Einen
iiinrichten läßt, wird ein verderberisches genannt; R. El^azar b. ?Azarja
(um 100) sagte: Einen in siebzig Jahren. R. Tarphon (um 100) u. R, fAqiba
(t um 135) sagten: Wenn wir im Synedrium gewesen wären, so würde
niemals ein Mensch durch es hingerichtet worden sein.i Rabban Schim^on
b. Gamliel (um 140) sagte: Auch diese würden (durch ihre Milde) die
Blutvergießer in Israel vermehrt haben,
3. Als Kreuzigungsstätte für Räuber erscheint in einer sprichwört-
lichen Redensart der Ort, an dem sie ihr Handwerk trieben. Midr Esth
1, 12 (90«) : R. Schemuel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Da, wo der
Räuber geraubt hat — da wird er gekreuzigt. — Der Ausspruch als
Sprichwort bezeichnet in TanchB r!i:jn §7 (50*^).
27, 39: Die Vorübergehenden . . . schüttelten ihre Köpfe.
Das Kopfschütteln nach Jes 37, 22 ; Jer 18, 1 6 ; Ps 22, 8 ; 44, 15 ; 109, 25 ;
Hi 16, 4 ein Ausdruck des Hohnes.
Sir 12, 18: Den Kopf wird er schütteln ys^ »si u. seine Hand schwingen. — Das.
13,7: Mit seinem Kopf wird er wider dich schütteln "fVs yj^ iws^av || Über den ins
Gefängnis geworfenen Messias heifst es P^siqR 37 (163^): Tag für Tag haben die Völker
der Welt mit ihren Zähnen geknirscht u. mit ihren Augen gewinkt u. mit ihren Köpfen
geschüttelt on^csia c^yjyj«^ u. ihren Mund weit aufgesperrt, s. Ps 22, 8.
27,40: Wenn du derSohnGottes bist, so steige herab vom Kreuz.
Weish 2, 13. 16flf. 20: Er (der Gerechte) nennt sich ein Kind des Herrn. ... Er
prahlt mit Gott als seinem Vater. Laßt uns sehen, ob seine Worte wahr sind, u. er-
proben, welchen Ausgang er nimmt. Denn wenn der Gerechte Gottes Sohn vl6g dsov
ist, so wird Er sich seiner annehmen u. ihn aus der Hand der Widersacher erretten. . . .
Zu schmachvollem Tode laßt uns ihn verurteilen, denn es wird ja seine Errettung
stattfinden nach seinen Worten.
27,42: Andren hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen.
Tanch n"'3S3 ans 26^ sagt R. Elfazar umgekehrt zu Gn 31,30 („Warum hast du
meine Götter gestohlen?"): Sich selbst kann (der Götze) nicht retten vor Diebstahl, wie
könnte er andre retten? h^imh n^isi ■j'^sn n^^nxV najjn p ^-sn? nbis"' nj^s nsssK
Dasselbe TanchB ciu: §8(25^).
^ Trotz der im AT nicht gerade selten festgesetzten Todesstrafe! Man sieht, was
aus dem Gesetz gemacht werden konnte, wenn dessen Pfleger, die Schriftgelehrten,
es wollten.
1040 Matth 27, 43. 45 (Nr. 1)
27,43: Denn er sprach: Gottes Sohn bin ich.
pesiqR21 (100'^): R. Chijja b. Abba (um 280) hat gesagt: Wenn der Sohn der
Hure (^ Jesus) zu dir sagt: „Es gibt zwei Götter", so antworte ihm: Ich bin der vom
(Schilf-)Meere, ich bin der vom Sinai (immer einundderselbe Gott). — Nach diesem
Ausspruch des R. Chijja wird Midr Ps 22 §16 (94**) das Doppelte „mein Gott, mein
Gott" Ps22, 2 gedeutet: „Mein Gott" am Schilfmeer, „mein Gott" am Sinai. || P^'siqR 21
(101*): R. Chijja b. Abba hat gesagt: Wenn der Sohn der Hure zu dir sagt: „Es gibt
zwei Götter", so antworte ihm: Es steht nicht geschrieben Dt 5, 4: Von Angesicht
zu Angesicht „redeten Götter", sondern „redete Jahve" mit euch.
27, 45: Von der sechsten Stunde an ward eine Finsternis
über das ganze Land bis zur neunten Stunde.
1. Wunderbare Geschehnisse beim Tode von Rabbinen.
p?AZ 3, 42", 1: Als R. Nachum b. Simai (um 260) entschlafen war, verhüllte man
die Bildsäulen mit Decken. Man sagte: Wie er sie während seines Lebens nicht an-
gesehen hat (wegen Ex 20, 4 usw.), so soll er sie auch nicht in seinem Tode ansehen.
Aber wissen sie (die Toten) denn irgend etwas? R. Schimfon b. Laqisch (um 260) hat
gesagt: Zwischen uns (den Lebenden) u. den Gerechten (die entschlafen sind) ist der
einzige Unterschied das Sprechen des Mundes. R. Z'^fira (um 300) hat gesagt: Der Tote
hört sein Lob ähnlich wie im Traum. R. Aschjan (um 360) hat gesagt: Der Tote hört
sein Lob ähnlich wie im Traum. Und warum wurde Nachum (b. Simai) der „aller-
heiligste Mann" genannt? Weil er sein lebelang kein Bild auf einer Münze angesehen
hat. Und warum wird unser Lehrer (Rabbi) der „Heilige" genannt? Weil er sein lebe-
lang seine (Beschneidungs)stelle nicht angesehen hat. — Als R. Acha (um 320) ent-
schlief, wurden die Sterne zur Mittagszeit sichtbar. Als R. Chanan (um 300) entschlief,
stürzten die Statuen um. Als R. Jochanan (f 279) entschlief, stürzten die Bildsäulen
um. Man sagte: Weil kein Bildnis so schön war wie er. Als R. Chanina von B'^rath
Chavran (Hauran?) i^Tin r^a entschlief, spaltete sich das Meer von Tiberias. Man
sagte: Als er einmal hinaufzog zur Bestimmung eines Schaltjahres, hatte sich das
Meer vor ihm gespalten. Als R. Hoscha?ja (IL, um 300) entschlief, fiel das Schand-
haus "ji^p von Tiberias ein.^ Als R. Ji^chaq b. Eljaschib (um 350) entschlief, lösten
sich siebzig Schwellen aus Häusern in Galiläa. Man sagte: AVeil diese durch sein
Verdienst gehalten worden waren (man hat also an baufällige Häuser zu denken, die
bei seinem Tode einstürzten). Als R. Sch®muel b. Jipchaq (um 300) entschlief, wurden
Zedern im Lande Israel entwurzelt. Man sagte: Weil er ein Reis zu nehmen u. damit
vor der Braut (bei deren Einholung) einherzutanzen pflegte. Und die Rabbinen murrten
deshalb wider ihn (weil sein Benehmen seines Standes unwürdig sei); da sagte R. Z*^?ira
zu ihnen: Laßt ihn, dieser Alte weiß nicht, was er tut! Als er entschlafen war, fiel
eine Feuergarbe vom Himmel u. bildete eine Scheidewand zwischen seiner Totenbahre
u. dem Trauergefolge, u. drei Stunden lang gingen Donner u. Blitz durch die Welt.
Ei (lies s-i- statt s^-n), das hat diesem Alten das Reis bewirkt! Und eine Himmels-
stimme ging aus, welche rief: Wehe, entschlafen ist Sch^'muel b. Jigchaq, der Voll-
bringer von Liebeswerken! Als R. Jose b. Chälaphta (um 150) entschlief, ließen die
Kanäle in Laodicea Blut entströmen. Man sagte: Weil er sein Leben für die Beschnei-
dung hingab. Als R. Abbahu (um 300) entschlief, weinten die Säulen von Cäsarea.^
^ Vermutlich ist Hoschafja, der Genosse der Gelehrten, um 300, gemeint, dessen
Keuschheit gerühmt wird; dann ist bei „Schandhaus" an ein Dimenhaus zu denken.
* Joel, Blicke in die Religionsgeschichte 1, 8 zitiert hierzu als Parallele die be-
kannte Erzählung bei Eusebius, De martyr. Palaest. 9 fin., daß bei einer grausamen
Christen Verfolgung in Cäsarea viele Säulen der dortigen öffentlichen Hallen Tränen
vergossen u. daß Straßen u. Plätze auf unerklärliche Weise bewässert wurden. Man
habe diese Erscheinung als Trauer der Steine über die vorgefallenen Grausamkeiten
gedeutet, wo Menschenherzen ungerührt u. teilnahmlos blieben.
Matth27,45(Nr.l.2) 1041
Die Kuthäer st")3 (hier wohl = Christen) sagten: Die lärmen nur vor Freude. Die
Israeliten antworteten: Sollten die Fernen (ihr Kuthäer) wissen, wie die Nahen lärmen
(nämlich vor Trauer)? — Die Angabe über R. Sch^muel b. Ji^chaq auch pPea 1, 15*^, 31;
bK'^th 17». II MQ 25'^: Als die Seele des R. Abbahu (um 300) zur Ruhe einging, ließen
die Säulen von Cäsarea Wasser (Tränen) niederfallen; als die des R. Jose (b. Chalaphta,
um 150, zur Ruhe einging), strömte aus den Rinnen von Sepphoris Blut; als die des
R. Ja?aqob (b. Idi?, um 280), wurden die Sterne bei Tage sichtbar; als die des R. Asi
(um 300), wurden alle Bäume entwurzelt; als die des R. Chijja (um 280), fielen Steine
von Feuer vom Himmel; als die des R. M^nachem b. Jose (um 180), wurden die Statuen
plattgerieben, so daß sie zu Matten s-'-^'ssn« (? entstellt, vgl. LevyS, 80^) wurden.
Als die des R. Tanchum b. Chijja (um 300), wurden alle Statuen zertrümmert; als die
des R. Eijaschib, wurden siebzig Einbrüche (von Dieben) in N'^hardefa ausgeführt; als
die des Rab Hamnuna (um 290), fielen Hagelsteine vom Himmel; als die des Rabbah
(t 330) u. die des Rab Joseph (f 333), stießen die Ufer (-e-3 oder Steine?) des Euphrat
aneinander; als die des Abaje (f 338/39) u. die des Raba (f 352), stießen die Ufer des
Tigris aneinander. Als die Seele des R. M^'scharsch^ja (um 350), trugen die Dattel-
palmen Dornen. || Man beachte, wie in pf AZ 3 das Wunderzeichen meist einem hervor-
stechenden Zug im Wesen oder Leben des Verstorbenen entspricht.
2. Als ein wunderbares Ereignis ist auch die das ganze jüdische
Land {yrj = y^a. = Palästina) deckende Finsternis in der Sterbestunde
Jesu gemeint. An eine Sonnenfinsternis kann schon aus dem Grunde
nicht gedacht werden, weil das jüdische Passahfest in die Vollmondszeit
fiel, also in eine Zeit, in der eine Sonnenfinsternis nicht eintritt.
Über die an eine Sonnen- u. Mondfinsternis sich knüpfenden abergläubischen Vor-
stellungen s. Sukka 29 '^ Bar: Wenn die Sonne verdunkelt wird ("p")-), so ist das ein
schlimmes Zeichen für die ganze Welt. Womit läßt sich die Sache vergleichen? Mit
einem König von Fleisch u. Blut, der seinen Knechten ein Mahl bereitete u. ihnen eine
Leuchte hinsetzte. Er ärgerte sich über sie u. sprach zu seinem Knechte: Nimm die
Leuchte vor ihnen weg u. laß sie im Finstern sitzen! — Bar: R. Meir (um 150) sagte:
Sooft die Himmelslichter verdunkelt werden (d. h. eine Sonnen- oder Mondfinsternis
eintritt), ist das ein schlimmes Zeichen für die Hasser Israels (euphemistisch = für
die gottlosen Israeliten, vgl. S. 133 (f), weil diese an Schläge gewöhnt sind. Gleich
einem Kinderlehrer, der in die Schule mit dem Riemen in seiner Hand eintritt. Wer
. fürchtet sich? Wer daran gewöhnt ist, Tag für Tag Schläge zu bekommen, der fürchtet
sich. — Bar: Wenn die Sonne verdunkelt wird, so ist das ein böses Zeichen für die
Völker der Welt; wenn der Mond verdunkelt wird, so ist das ein böses Zeichen für
die Hasser Israels (wie oben), weil die Israeliten nach dem Monde u. die Völker der
Welt nach der Sonne (ihre Jahre) rechnen. Wird die Sonne im Osten verdunkelt, so
ist das ein schlimmes Zeichen für die im Osten Wohnenden; wenn im Westen, so ist
das ein schlimmes Zeichen für die im Westen Wohnenden; wenn in der Mitte des
Firmaments, so ist das ein schlimmes Zeichen für die ganze Welt. Ist ihr Aussehen
wie Blut, so kommt das Schwert (Krieg) in die Welt'; ist es wie ein Sack (schwarz),
so kommen die Pfeile der Hungersnot in die Welt; gleicht es diesem u. jenem, so
kommen das Schwert u. die Pfeile der Hungersnot in dife Welt. Wenn die Verfinste-
rung bei ihrem Untergang eintritt, so zögert die Strafe «u kommen; wenn bei ihrem
Aufgang, so eilt sie zu kommen. Einige sagen, die Sache verhalte sich umgekehrt.
Und du findest kein Volk, das gestraft würde, ohne daß seine Gottheit zugleich mit
ihm gestraft wird; vgl. Ex 12, 12: „An allen Göttern Ägyptens werde ich Strafgerichte
üben." Wenn die Israeliten den Willen Gottes tun, so brauchen sie sich vor allem
diesem nicht zu fürchten, s. JerlO, 2: „Also spricht Jahve: Den Weg der Heiden ge-
wöhnt euch nicht an u. vor den Zeichen des Himmels erschrecket nicht, weil die
Heiden vor jenen erschrecken", die Heiden sollen davor erschrecken, aber nicht die
Strack u.Billerbeck, NT I. 66
1042 Matth 27, 45 (Nr. 2. 3). 27, 46. 47. 49. 50
Israeliten. — Bar: Aus vier Gründen wird die Sonne verfinstert: wegen eines Akademie-
vorsitzenden, der starb, aber nicht gebührend betrauert wurde; wegen eines verlobten
Mädchens, das in der Stadt (bei ihrer Vergewaltigung) schrie, ohne daß man ihr half
(vgl. Dt 22, 23 if.); wegen Beiliegens bei einem Männlichen u. wegen zweier Brüder,
deren Blut zu gleicher Zeit (auf Einmal) vergossen wird. Aus vier Gründen werden
(beide) Hinimelslichter verfinstert: wegen der Urkundenfälscher, wegen der falschen
Zeugen, wegen der Kleinviehzüchterei im Lande Israel u. wegen solcher, die gute
(fruchttragende) Bäume umhauen. — Die ersten drei oben anonym gebrachten Baraithas
werden in M^kh Ex 12, 2 (3'^) Rabbi, R. Jose (um 150) u. R. Jonathan (um 140) zu-
geschrieben. — Die Schluß-Bar auch Derekh Ereg 2.
3. Zur Bedeutung der Finsternis in Mt 27,45 vgl. Midr KL 3, 28 (71'^):
R. Sch<=muel b. Nachman (um 260) hat gesagt: Gott rief die Dienstengel
u. sprach: Wenn ein König von Fleisch u. Blut trauert, was tut er? Sie
antworteten: Er kleidet sich in schwarze Gewänder u. verhüllt sein
Haupt mit Sacktuch. Er sprach: Auch ich werde so tun; das meint
Jes50, 3: „Ich kleide die Himmel in Schwärze u. mache Sacktuch zu
ihrer Hülle." Und weiter fragte er: Wenn ein König von Fleisch u.
Blut trauert, was tut er? Sie antworteten: Er löscht die Lampen aus.
Er sprach: Auch ich werde so tun; das meint Joel2,10: Sonne u. Mond
werden schwarz u. die Sterne ziehen ihren Glanz ein.
27,46: ?;A£t rjXal Xeixd aaßax^avd; das ist: Mein Gott,
mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Der Text. rec. liest: rjll r^li. Diese Form hat auch der Targum zu
Ps22,2 gebraucht: i3F)I?3^ n^ brjp "^bN "^bx. Sieht man vom Fragewort
no ?iDo (= x^> „warum?") ab, so hätte hiernach Jesus das Psalmwort
genau so gesprochen, wie es im Targum vorliegt. — Die Deutung der
Worte durch: S^sä /.lov ^ss f^iov, Iva xi ^xs iyxarsXiTieQ; entspricht den
LXX. — Auslegungen von Ps 22, 2 auf Israel u. Esther s. bei Job 19, 24 ;
eine weitere Auslegung des doppelten „mein Gott" s. bei Mt27,43.
nbx „mein Gott" Ps22,2 wird M«kh Ex 15, 2 (44^) als Beweis für
die Regel angeführt, daß bx den barmherzigen Gott (nicht den strengen
Richter) bezeichne: „Dieser ist mein Gott" ^1?n Ex 15, 2; mit mir ver-
fährt er nach dem Maß der Barmherzigkeit (als barmherziger Gott),
aber mit meinen Vätern verfuhr er nach dem Maß des strengen Rechts
(denn es heißt Ex 15, 2: -^nx ^ibs); denn ^bx „mein Gott" bedeutet nur das
Maß der Barmherzigkeit, s. Ps 22, 2 ; ferner Nu 12, 13 n? bx u. Ps 118, 27.
27, 47. 49: Er ruft den Elias. . . . W^ir wollen sehen,
ob Elias kommen wird, um ihn zu retten.
Die Worte sind als Hohn gemeint; zugrunde aber liegt ihnen der
Volksglaube, daß es mit zu den Aufgaben des Elias gehöre, aus dem
Jenseits zu erscheinen, um Frommen Errettung aus ihrer Not zu bringen.
Belege s. Exk. über Elias I, 3.
27,50: Er gab den Geist auf.
Der Todestag Jesu war ein Freitag. Vom Tode an einem Freitag
Matth27,51 (5U-3) 1043
heißt es K'^th 103'': Stirbt einer am Rüsttag auf den Sabbat (^ Freitag),
so ist das ein gutes Zeichen für ihn. — Raschi: Denn er geht sofort
zur Ruhe ein. — Parallelstelle: AbothRN 25.
27,51 51: Der Vorhang des Tempels zerriß,
To xatankTaa(.iu tov vaov ea^ir^^'j-
1. Über die Vorhänge des Heiligtums im allgemeinen.
K'th 106 f*: R. Z^'fira (um 300) hat gesagt, Rab (f '247) habe gesagt: Dreizehn Vor-
hänge pis'iD waren im zweiten Heiligtum: sieben entsprechend den sieben Toren (des
Vorhofes), einer für den Eingang zum Heiligtum (d. h. zum Heiligen des Tempels),
einer für den Eingang zur Tempelvorhalle n"5l^8 , zwei vor dem Allerheiligsten u. zwei
diesen entsprechend auf dem Söller (zwischen den Räumen, die sich über dem Heiligen
u. Allerheiligsten befanden). Parallele: Joma 54^ — Die Stelle wird verdächtig durch
die Zahl 13, die auch sonst gern als runde Summenzahl bei Tempelgerätschaften ge-
nannt wird, u. durch den anderweitig nirgends erwähnten Vorhang vor der Vorhalle. !|
Sch'qS, 1: (Der Priester) El?azar stand den Vorhängen vor. — pSch'^q 5, 49^^,28 fügt
hinzu: Er war über die Weber der Vorhänge gesetzt. 1| TSch'^q 2,6 (175): Frauen webten
die V^orhänge . . .; sie erhielten ihren Lohn aus der Hebe der Tempelhalle (d. h. aus
den Erträgen der Scheqelsteuer). — pSch'q4, 48^, 22: Sch^muel (f 254) hat gesagt:
Die Frauen, die die Vorhänge webten, erhielten ihren Lohn aus der Hebe der Tempel-
halle. Rab Huna(t 297) hat gesagt: Aus der Hebe für Tempelreparaturen. — In K'^^thlOö'*
vertritt Rab (f 247) die Meinung Sch*^'muels u. Rab Nachnian (f 320) die des Rab Huna.
2. Der Vorhang vor dem Heiligen.
Josephus, Bell. Jud. 5, 5, 4: (Das Heilige des Tempels) hatte goldene Türen, 55 Ellen
hoch u. 16 Ellen breit; vor ihnen befand sich ein gleichgroßer Vorhang xaTccnsraa^irt,
babylonisches Gewebe, kunstvoll gewirkt aus blauem Purpur, Byssus, Karmesin u.
rotem Purpur (vgl. LXX Ex 26, 36), bewundernswert gearbeitet, nicht eine gedanken-
lose Stoffverbindung enthaltend, sondern gleichsam ein Abbild des Alls. Denn der Vor-
hang schien mit dem Karmesin das Feuer anzudeuten, mit dem Byssus die Erde, mit
dem blauen Purpur die Luft u. mit dem roten Purpur das Meer,' indem bei einem
Teil von ihnen die Farbe, beim Byssus aber u. bei dem roten Purpur die Herkunft
die Veranlassung zur Vergleichung bot; denn jenen (den Byssus) erzeugt die Erde u.
diesen das Meer (durch Lieferung der Purpurschnecke). || Tamid 7, 1 : Wenn der Hohe-
priester (selbst mit dem Räucherwerk in das Heilige) hineinging, um sich niederzuwerfen
(zum Gebet), faßten ihn drei Priester (beim Hinaufsteigen auf den zwölfstufigen Tenipel-
aufgang) an, der eine bei seiner Rechten, der andre bei seiner Linken, der dritte bei
den Edelsteinen (des Ephod). Wenn der Vorsteher (der Priester) die Tritte des Hohen-
priesters vernahm, daß dieser wieder herauskommen wollte, dann hob er ihm den Vor-
hang (der das Heilige von der Vorhalle trennte) in die Höhe; darauf ging er selbst
(der Priestervorsteher) hinein, warf sich nieder u. kam heraus. Dann gingen seine Brüder,
die Priester, hinein, warfen sich nieder u. kamen heraus.
3. Der Vorhang vor dem Allerheiligsten,
Josephus Bell. Jud. 5, 5, 5: Der innerste Teil des Tempels (d. h. das AUerheiligste)
war 20 Ellen groß u. wurde gleicherweise durch einen Vorhang xnransTccafXKn gegen
den äußeren Teil (d. h. das Heilige) abgeschlossen. || Sch'^q8, 5: Rabban Schimfon
b. Gamliel (um 140) sagte im Namen des R. Schimfon, des Vorstehers: Die Dicke des
Vorhangs betrug eine Handbreite; auf 72 (Aufzugs-)Fäden (oder Schnüren) ward er ge-
webt u. zu jedem Faden gehörten 24 (Einzel-)Fäden. Seine Länge betrug 40 Ellen, seine
Breite 20 Ellen, u. aus 82 Myriaden ^ (Fäden) war er hergestellt. In jedem Jahre fertigte
• Die Stoffe des Vorhangs also ein Abbild der vier Weltelemente.
^ xia-i Myriade = 10000; Raschi erwähnt eine andre Lesart: riai-i; dann ist zu
übersetzen: Von 82 Mädchen wurde er hergestellt.
66*
1044 Matth 27, 51 (« 3. 4)
man zwei an, u. 300 Priester tauchten ihn unter (im Falle seiner Verunreinigung). — Der
letzte Satz scheint Sch*^muel (f '254) zu der Bemerkung veranlaßt zu haben (s. Chul dO^),
daß sich die Gelehrten in dieser Mischna einer Übertreibung schuldig gemacht hätten. —
Raschi, zu Chul, deutet diese Stelle wohl mit Recht auf den Vorhang vor dem Alier-
heiligsten, teilt aber auch mit, daß andre sie auf den Vorhang vor dem Heiligen be-
zögen, vgl. TSch^qg, 13ff. (178). — Parallelen: Tamid ß^b; ExR 50 (103b); NuR 4
(142 b). II Joma 5, 1 : Er (der Hohepriester am Versöhnungstage) nahm die Kohlenpfanne
in seine rechte Hand u. den Löffel (mit dem Räucherwerk) in seine linke Hand u.
schritt durch den Tempel (das Heilige), bis er zwischen die beiden Vorhänge kam, die
das Heilige vom Allerheiligsten trennten. Zwischen ihnen aber war ein Zwischenraum
von einer Elle. R. Jose (um 150) sagte: Es war dort nur Ein Vorhang, s. Ex 26, 83:
Es scheide der Vorhang (also nur einer) für euch zwischen dem Heiligtum u. dem
Allerheiligsten.^ Der äußere (d. h. der vordere Vorhang) war an der Südseite auf-
geheftelt,^ der innere an der Nordseite. Er ging zwischen ihnen hin, bis er an die
Nordseite kam ; dann wandte er sein Angesicht (nachdem er hinter den zweiten Vor-
hang getreten war) nach Süden, ging weiter, indem er den Vorhang an seiner linken
Seite hatte, bis er an die Lade kam (usw., s. die Fortsetzung bei Rom 3, 25). |1 Joma 5, 4:
(Der Hohepriester am Vers.tage) nahm das Blut des Farren u. setzte das Blut des
Bockes nieder u. spritzte von jenem gegen den Vorhang vor der Lade von außen (d. h.
vom Heiligen aus) Einmal nach oben u. siebenmal nach unten. . . . Dann nahm er das
Blut des Bockes u. setzte das Blut des Farren nieder u. spritzte von jenem gegen den
Vorhang vor der Lade von außen. Einmal nach oben u. siebenmal nach unten. || Git56b:
Titus nahm ein Schwert u. zerschnitt den Vorhang. Und es geschah ein Wunder: Blut
spritzte empor u. Titus meinte, daß er ihn selbst (nämlich Gott) getötet habe. . .'.
Dann nahm er den Vorhang u. machte eine Art Korb daraus, ließ alle Tempelgeräte
hineinlegen u. auf ein Schiff schaffen, um damit in seiner Stadt zu triumphieren. ||
TJomaS, 8 (186): R. Elfazar b. Jose (um 180, so zu lesen statt „R. Jose") hat gesagt:
Ich habe ihn (den Vorhang) in Rom gesehen, u. es befanden sich daran sehr viele
Blutstropfen. Man sagte mir: Die rühren von dem Blut des Vers.tages her. — Das-
selbe pJomao,42t', 3rbJoma57^ II Joma54a: Rab Qattina (Q^tina? um 270) hat ge-
sagt: Wenn die Israeliten zum Fest (nach Jerusalem) hinaufgezogen waren, rollte man
ihnen den Vorhang zusammen u. zeigte ihnen die Kerube, wie sie aneinander hingen;
u. man sagte zu ihnen: Sehet eure Liebe bei Gott, wie die Liebe des Mannes u. des
Weibes!^ (Im folgenden wird dann darüber verhandelt, ob sich die Stelle auf das
1 . oder auf das 2. Heiligtum beziehe.)
4, Welcher Vorhang- ist Mt 27, 51 gemeint?
1 Makk 4, 51 werden die Vorhänge im Heiligtum allgemein xara-
nsraai-iaTa genannt. — Josephus nennt sowohl den äußeren Vorhang
(vor dem Heiligen) als auch den inneren (vor dem Allerheiligsten)
xaransraoiia, s. oben Nr. 2 u. 3. — Der Hebräerbrief hat nur den Vor-
hang vor dem Allerheiligsten im Auge, s. 6, 19; 9, 3; (10, 20); er nennt
ihn aber den zweiten, tu ö'svtsqov xaraneTacrixa 9,3. Aus dem Ausdruck
xaTaTtäracTfxa ergibt sich also keine bestimmte Antwort auf die Frage,
ob Mt27,51; Mk 15,38 u. Lk 23, 45 der Vorhang vor dem Heiligen oder
vor dem Allerheiligsten gemeint ist. — Auch die beiden von christlicher
Hand stammenden Einschübe in Test Levi u. in Test Benj, in denen auf
' Die Begründung der Meinung lediglich durch ein Schriftzitat beweist, daß R. Jose
keine sichere Tradition über den wirklichen Sachverhalt gehabt hat.
" So daß er leicht beiseite geschoben werden konnte.
^ Ähnlich zeigte man nach Joma 21b den Festpilgern den Schaubrottisch mit den
Worten: Seht eure Liebe bei Gott (d. i. wie Gott euch liebt).
' Matth 27, 51 (« 4. 5) 1045
das Zerreißen des Vorhangs Bezug genommen ist, führen in unsrer
Frage nicht weiter; doch sind sie wegen der Deutung, die sie dem Z.
des Vorh. gegeben haben, bemerkenswert.
Test Levi 10: Ihr (Söhne Levis) weidet gottlos handeln mit (samt) Israel, so daß
Jerusalem es nicht aushält angesichts eurer Schlechtigkeit, sondern ^ daß der Vorhang
des Tempels zerreißt, so daß er eure Schande nicht verhüllt, xal ayo^itjaeis avv xw
^laQaijX, üjars fxrj ßctatäaui leQovaKlrjfx clno ngoauinov (= 'jsö um . . . willen) novrjQiag
vfibjy «AA« ^ axiotti xo h'Svfia (Verhüllung = Vorhang) xov vaov, wais fj,r] xaxctxaXvnxeiy
aiaxtjfioavyrjf v^iöv. \\ Test Benj 9 : Er (der gottgesandte Eingeborene ^= Jesus Christus)
wird hineingehen in den ersten ^ Tempel, u. dort wird der Herr geschmäht u. verachtet u.
am Holz erhöht werden. Und der Vorhang des Tempels wird zerreißen, u. der Geist Gottes
wird auf die Heiden herabsteigen wie ausgegossenes Feuer. . . . xcd eiaelevaexm elg
xov TiQwxoy rctoy xcu sxei xvQtog vßQiaf^rjasxcti xai eni |i;'Xoi; t'ifxo&tjasxcci' xctl eaxcti x6
anXüifitt (Vorhang) xov yaov a/iCof^eyoy, xal fxsxaßijasxai xo TjysvfXK xov &sov sni r«
e,9yi] (J? TivQ sx%v6/usyoy. — Die erste Stelle sieht in dem Z. des V. ein Zeichen, daß
die Zeit des entarteten jüdischen Priestertums vorbei sei; die zweite zieht aus ihm die
Folgerung, daß das Reich Gottes zu den Heiden übergehen werde. — Diese Deutung
konnte sowohl dem Z. des V. vor dem Heiligen als auch dem Z. des V. vor dem Alier-
heiligsten gegeben werden.
Also können bei der Frage, ob Mt27,51 der äußere oder der innere
Vorhang gemeint sei, nur theologische Gründe den Ausschlag geben;
u. diese entscheiden angesichts der kultischen Bedeutungslosigkeit des
äußeren Vorhangs u. der hohen kultischen Bedeutung des inneren Vor-
hangs für den letzteren,
5. Jüdische Traditionen.
pJoma 6, 43'', 61 Bar: Vierzig Jahre vor der Zerstörung des Heiligtums ist die west-
liche^ Lampe (auf dem siebenarmigen Leuchter im Heiligen) erloschen, ist der karmesin-
farbige Streifen (den man am Vers.-tage über dem Tempeleingang befestigte) rot ge-
blieben (während er sonst, sobald der Sündenbock die Wüste erreicht hatte, zur Er-
füllung von Jes 1,18 weiß wurde, s. Joma 6 Ende), ist das für Jahve bestimmte Los
(am Vers. tage) in der linken Hand (aus der Urne) heraufgekommen (während es sonst
immer in der rechten, der vorzüglicheren, heraufgekommen war). Ferner hatte man die
Türen des Tempels am Abend verschlossen, u. als man frühmorgens hinkam, fand man
sie offen. Da sagte Rabban Jochanan b. Zakkai (f um 80): 0 Tempel, warum beunruhigst
du uns? Wir wissen, daß du schließlich wirst zerstört werden, s. Sach 11,1: Tue auf,
o Libanon (= Tempel, so häutig im Midr), deine Türen, daß Feuer deine Zedern fresse! —
Parallele: Joma 39"^. — Man hat vielfach angenommen, daß die Nachricht vom Auf-
springen der Tempeltüren eine Erinnerung an das Ereignis in Mt 27, 51 widerspiegele.
Zwar entspricht die Zeitangabe ungefähr dem Todesjahr Jesu; dagegen spricht aber
folgende Angabe des Josephus: Bell Jud 6, 5, 3: An demselben Fest (Passahfest vor
Ausbruch des Krieges i. J. 66 n. Chr.) sah man, wie das Osttor des inneren Vorhofs,
das aus Erz u. gewaltig fest war, das des Abends kaum von zwanzig Menschen ge-
schlossen werden konnte, . . . sich in der Nacht um die sechste Stunde von selbst
öffnete. Die Tempelwachen liefen, um es dem Tempelhauptmann, rw axQaxrjyM, zu
' Hier beginnt das christliche Einschiebsel.
* Der „erste Tempel" steht im Voraufgehenden im Gegensatz zum Zukunftstempel
der messian. Zeit, wird also vom christlichen Interpolator mit Recht gedeutet auf den
Tempel in Jesu Tagen.
* Der Leuchter stand auf der südlichen Seite des Heiligen (dem Eintretenden also
zur Linken) u. zwar so, daß die Lampen von Osten nach Westen aufeinander folgten.
Die östlichste Lampe wurde als erste gezählt M'^n 86 **.
1046 Matth 27, 51 (31 5. fS). 27, 52. 56 (Nr. 1)
melden, u. dieser vermochte es kaum wieder zu schließen. Das erschien nun wiederum
(wie in den vorher erzählten Fällen) den Ungelehrten roTg i<fitörcag als ein gar schönes
Wunder, nämlich dafs ihnen Gott das Tor zu allerlei Gutem aufgetan habe. Die Ver-
ständigen aber erkannten, daß die Sicherheit des Tempels von selbst entschwunden
u. das Tor den Feinden aus freien Stücken geöffnet sei ; sie sprachen es auch bei sich
selber aus, daß jenes Zeichen deutlich auf die Zerstörung ziele. — Wenn, wie doch
wohl anzunehmen ist, Josephus u. die Bar pJoma 6 ein u. dasselbe Geschehnis im
Auge haben, dann verdient die Zeitangabe des ersteren (66 n. Chr.) jedenfalls mehr
Glauben. Die Bar wird das Ereignis in das 40. Jahr vor der Tempelzerstörung ver-
legt haben, weil dieses auch sonst als das Jahr des Unheils u. der schlimmen Omina
galt — u. sagt R. Jose, der Chronologe der alten Synagoge (um 150), man wälzt Heil-
volles ("Verdienstliches) auf einen Tag des Heils u. Unheilvolles (Schuldvolles) auf einen
Tag des Unheils, TTafan 4,9 (220) S.945; fArakhin IIb. 12«; anonym Tafan 29 '\ —
Die schlimmen Vorzeichen des 40. Jahres vor der Tempelzerstörung führt die Bar pJomaG
selbst auf; in demselben Jahr wurde den Israeliten die Kriminalgerichtsbarkeit ge-
nommen, s. pSanh I, 18", 37 bei Mt27,2 Ende; gab das Synedrium sein altgewohntes
Versammlungslokal in der Quaderhalle auf, s. ?AZ8b bei Mt 26, 57 S. 1000«; begann
R. 9adoq (1., um 70) sein 40jähriges Fasten, um die Zerstörung Jerusalems abzuwenden,
8. Git 56 » im Exk. über das Fasten Nr. 6, b.
27,51 ^: Die Erde wurde erschüttert.
pB'^rakh 9, 13", 33: Elias gesegneten Angedenkens fragte den R. N*^horai (um 150):
Weshalb kommen Erdbeben in die Welt? Er antwortete: Wegen der Versündigung bei
der Hebe- u. Zehntabsonderung. Vgl.: „Ein Land, auf das die Augen Jahves deines
Gottes beständig gerichtet sind" Dt 11, 12, u.: „Er blickt das Land an, so zittert es;
er rührt die Berge an, so rauchen sie" Ps 104,32. Wenn Israel den Willen Gottes tut
u. seine Zehnten ordnungsmäßig aussondert, sind die Augen Jahves deines Gottes be-
ständig darauf gerichtet vom Anfang des Jahres bis zum Ende des Jahres, u. es wird
nicht im geringsten geschädigt. Wenn die Israeliten aber nicht den Willen Gottes tun
u. ihre Zehnten nicht ordnungsmäßig absondern, dann blickt er das Land an, daß es
bebt. Er antwortete: Mein Sohn, bei deinem Leben, so würde es sich damit auf Grund
einer Schlußfolgerung verhalten; aber der eigentliche Grund der Sache ist dieser: wenn
Gott die Theater u. Zirkusse ansieht, wie sie in Sicherheit u. Ruhe u. Behaglichkeit
daliegen, während sein Heiligtum zerstört ist, so droht er seine Welt zu zerstören;
das meint Jer25, 30: „Fürwahr er brüllt über seine Wohnung", d. h. wegen seiner
Wohnung. R. Acha (um 320) hat gesagt: (Die Erdbeben kommen in die Welt) wegen
Beiliegens bei Männlichem. Gott spricht: Du erregst dein Glied wegen etwas, was
nicht dein ist; bei deinem Leben, ich werde meine Welt erbeben lassen (erregen) wegen
dieses Mannes! Und die Rabbinen sagten: Wegen der Parteiungen (Spaltungen), s.
Sach 14,5: Ihr werdet fliehen ins Tal meiner Berge . . ., gleichwie ihr geflohen seid
vor dem Erdbeben. (Vorher ist von der Spaltung des Olbergs die Rede.) R. Sch*^muel
(b. Nachman, um 260) hat gesagt: Das Erdbeben kommt nur wegen Aufhörens eines
Reiches, s. Jer. 51,29: Es erbebt die Erde u. windet sich; denn zustande kommt wider
Babel, was Jahve geplant hat. — Parallelstellen, zum Teil stark abweichend: Midr
Ps 18 §12 (71"); 104 §25 (224"); TanchB n-L-s^a § 12 (4bj.
27, 52: Viele Leiber der entschlafenen Heiligen
wurden auferweckt.
Zur Auferstehung der Gerechten in den Tagen des Messias s. Exk.: Auferstehung
der Toten, allgemeine oder teilweise?
27,56: Maria Magdalene.
1. Der Beiname r) MaydaXrivi] besagt, daß die in Rede stehende Maria
aus Magdala stammte. Eine chronologisch ganz verworrene jüdische Tra-
Matth 27, 56 (Nr. 2). 27, 57 1 047
dition kennt eine Mirjam xb'isp „die Frauenhaarflechterin", die mit Jesu
Mutter identifiziert wird ; s. Schab 1 04"^ oben S. 39y u. Chag 4^ oben S. lilß.
2. Magdala xb^sia , n^^st? , N^'n5!i?3 in der Nähe von Tiberias, s. pSch^bifith
9, 38 ^ 34; pMa?as 3, 50% 17; pfErub 5, 22 d, 58.
Midi- KL 2, 2 (64''): Drei Städte pflegten ihre Abgaben (in einem Wagen) nach
Jerusalem hinaufzuschaffen, Kabul, Sichin u. Magdala. Und weshalb ist Kabul zerstört
worden? Wegen der Parteiungen (seiner Bewohner untereinander); Sichin wegen Zaube-
reien u. Magdala wegen Unzucht. — pTafan 4, 69='', 42 liest aber genauer s-'ji^au Vn?»?
{— das Magdala der Färber); es handelt sich also in dieser Stelle nicht um unser
Magdala. — Auch MidrKLS, 9 (69t>) bezieht sich auf Migdal (^abba?ajja: Ein Synagogen-
diener von Magdala ordnete seine Lampen an jedem Rüsttag auf den Sabbat, dann
ging er hinauf (nach Jerusalem), betete (hier zu Ehren des Sabbats) u. ging hinab u.
zündete die Lampen an. — Aus dem galiläischen Magdala stammten einige jüdische
Gelehrte, zB R. Ji9chaq ns^sn;,'? (Nom. patron. von s\-^^), etwa um 300, u. R. Judan
ns^ijia, um 310, ein Schüler des R. Simon (um 280).
27,57: Als es Abend geworden.
Die Bestattung der Toten am Sterbetage selbst war allgemeiner
Brauch;» nur wo die Beschaffung der Totengewänder oder des Sarges
nicht mehr möglich war, wurde das Begräbnis auf den nächsten Tag ver-
schoben, b Die damit verknüpfte Gefahr, daß ein Scheintod unentdeckt
blieb, wurde wesentlich durch die Sitte gemildert, die Toten über der
Erde in Höhlen oder Felsengräbern beizusetzen. Hier wurden sie von
ihren Angehörigen während der ersten Tage nach ihrem Begräbnis be-
sucht, oder man ließ Hüter an ihrem Grabe wachen, c — Die sofortige
Beerdigung Hingerichteter war Dt 21, 23 geboten. d
a. Die biblische Begründung der Sitte fand R. Elfazar, um 270, in Nu 20, L —
MQ 28''': R. El. hat gesagt: Auch die andren Frauen (nicht bloß Kindbetterinnen, setzt
man bei ihrer Beerdigung nicht auf der Bahre auf die Erde nieder); s. Nu 20, 1 : „Dort
starb Mirjam u. wurde dort begraben", d. h. unmittelbar an den Tod schließt sich das Be-
gräbnis. Vgl. auch SDt§221 in Anm.i.
b. S'^machoth 11 Anfang: Wenn in einer Stadt zwei Tote (an Einem Tage) sind, so
trägt man den ersten hinaus u. läßt ihn nicht über Nacht stehen, u. dann trägt man
den zweiten hinaus, weil man gesagt hat: Wer seinen Toten über Nacht stehen läßt,
der schändet ihn. (Die schnell eintretende Verwesung entstellt den Toten, verunehrt
ihn also.) Wenn es aber geschieht, um für ihn erst ein Grab zu graben oder um Leichen -
gewänder für ihn herbeizuschaffen oder damit seine Verwandten aus einem andren
Ort herbeikommen können, so ist dagegen nichts einzuwenden. Handelt es sich um
einen Gelehrten u. um einen Schüler, so trägt man den Gelehrten (zuerst) hinaus; um
einen Schüler u. einen ungelehrten Mann (fAm ha-are9), so trägt man den Schüler
(zuerst) hinaus; sind beide Gelehrte, beide Schüler, beide ungelehrte Leute, so trägt
man den ersten (den zuerst Verstorbenen) hinaus; handelt es sich um einen Mann u.
eine Frau, so trägt man die Frau (zuerst) hinaus, weil die Frau der Verunehrung näher
ist. 11 SDt 21,23 §221 (114b): Woher (läßt sich aus der Schrift beweisen), daß der,
welcher seinen Toten über Nacht stehen läßt, ein Verbot übertritt? Die Schrift sagt
lehrend Dt 21, 23: Sein Leichnam darf nicht über Nacht am Holze bleiben. (Die Stelle
wird verallgemeinert, als ob sie von allen Toten gelte.) Läßt man ihn aber über Nacht
stehen seiner Ehre halber, um einen Sarg oder Totengewänder für ihn herbeizuschaffen,
darf man da seinetwegen das Verbot übertreten? Die Schrift sagt lehrend Dt 21, 23:
„Am Holz". Wie das Holz speziell etwas ist, was ihm zur Schändung gereicht, so be-
zieht sich das Verbot (den Toten über Nacht stehen zu lassen) auf alles, was dem
1048 Matth 27, 57. 59. 60 (31)
Verstorbenen zur Schändung gereicht (aber nicht auf das, was seiner Ehre wegen
geschieht). — Kürzer Sanh 6,5: Wer seinen Toten über Nacht stehen läßt, übertritt in
bezug auf ihn ein Verbot; hat er ihn aber über Nacht stehen lassen seiner Ehre halber,
um für ihn einen Sarg oder Totengewänder herbeizuschaffen, so übertritt er nicht. —
Die Begründung der Beerdigung eines Toten am Sterbetage aus Dt 21,23 gehört nach
Sanh 46^ dem R. Schim?on b. Jochai (um 150) an. Eine weitere Parallele s Sanh 47 '\
C. S'^machoth 8 Anfang: Man geht zur Begräbnisstätte hinaus u. besichtigt (be-
sucht T~pi^) die Toten bis zu drei Tagen, ohne daß man sich deshalb Sorge machen
müßte hinsichtlich heidnischen Brauches (als ob man damit heidnische Sitte befolgte).
Es trug sich einmal zu, daß man einen besichtigte (der scheintot war) u. er lebte noch
25 Jahre u. darauf starb er; u. ein andrer (der auch scheintot gewesen) zeugte noch
fünf Söhne u. darauf starb er. || B^rakh 18" Bar: Wer einen Toten bewacht, auch wenn
es nicht sein (eigener) Toter ist, ist frei von der Sch'maf-Rezitation u. vom (Achtzehn-)
Gebet u. von den Gebetsriemen u. von allen Pflichtgeboten, die in der Tora erwähnt
werden. „Wenn er ihn bewacht, auch wenn es nicht sein Toter ist"; auch, wenn es
sein Toter ist, obgleich er ihn nicht bewacht? Wenn es sein Toter ist u. wenn er ihn
bewacht, ja; aber wenn er an die Begräbnisstätte (bloß) hingeht (ohne dauernd dort
zu wachen), dann ist er nicht davon befreit. . . . Wer einen Toten bewacht, auch wenn
es nicht sein Toter ist, der ist frei von der Sch'^maf-Rezitation u. vom (Achtzehn-)
Gebet u. von den Gebetsriemen u. von allen Geboten, die in der Tora erwähnt werden:
sind es ihrer zwei (die ihn bewachen), dann bewacht ihn der eine u. der andre re-
zitiert das Sch*'ma?; dann bewacht ihn der andre, u. der erste rezitiert das Sch*^maf. —
Daß es sich um ein Bewachen am Grabe handelt (nicht im Sterbehaus), folgt aus den
Worten: Wenn er an die Begräbnisstätte (nur ab u. zu) hingeht usw.
d. SDt21,23 §221 (114^): ,Es soll seiu Leichnam nicht über Nacht am Holze
bleiben" Dt 21, 2.3; das ist ein Verbot. , Sondern begraben sollst du ihn" (das.), das
ist ein Gebot. Wie verfährt man mit ihm? Man wartet mit ihm (dem Hingerichteten)
bis zum Dunkelwerden, dann hängt man ihn auf u. macht ihn (sofort) wieder los;
wenn man ihn aber über Nacht hangen läßt, so übertritt man in bezug auf ihn ein
Verbot; denn es heißt: Sein Leichnam soll nicht über Nacht am Holze bleiben.
27, 59: Wickelte ihn in reine Leinwand.
Mit den Sterbegewändern, r?"^":??:!, n^n -id-^^dp, wurde in älterer Zeit
großer Luxus getrieben. Die spätere Zeit dankte es dem Rabban Gamliel
(IL, um 90), daß auf seine Initiative sieh die Sitte bildete, die Toten
im schlichten Linnengewand ■p'iD, aram, xr-ii?, zu bestatten.
K'^thS^'Bar: Früher waren die Ausgaben für einen Toten für seine Verwandten
drückender als sein Tod, so daß sie ihn liegen ließen u. sich davon machten, bis Rabban
Gamliel kam u. in schlichter Weise mit sich selbst verfahren ließ. Man trug ihn in
leinenen Gewändern irtos ■«'sd hinaus, u. ihm nach befolgte das ganze Volk die Sitte
(die Toten) in leinenen Gewändern hinauszutragen. — Die Bar stammt aus TNidda
9, 17 (651) u. findet sich noch in MQ 27 1>. — Aus K^h 8 b erfahren wir auch noch, daß
dem Gedächtnis des Rabban Gamliel zum Dank für sein vorbildliches Vorgehen ein
Becher bei den Leichenschmäusen geweiht wurde. || pKil9, 32^68 u. pK^th_12, 35% 8:
Rabbi wurde in einem leinenen Gewand y^z beerdigt. 1| pT^rumS, 46^, 49: R.Asi (um 300)
wurde ins Gefängnis geworfen; da sagte R. Jochanan (f 279, so lies statt R. Jonathan):'
Man wickle den Toten in seine Linnen la^ioa n»3n 1-13-. — Diese, wie es scheint,
sprichwörtliche Redensart = ,um den ist es geschehen", zeigt, daß auch im S.Jahr-
hundert eine leinene Hülle das gewöhnliche Sterbekleid war.
27,60 21: Legte ihn in seinem neuen Grabe nieder.
Über das Begräbnis Hingerichteter bestimmt
Matth 27, 60 (31. S3) 1049
Sanh 6, 5 f. : Man pflegte sie nicht in den Gräbern ihrer Väter zu begraben, sondern
zwei Gräber waren dem Gerichtshof bereitgestellt, eins für Gesteinigte u. Verbrannte,
u. das andre für Enthauptete u. Erdrosselte. Wenn das Fleisch verwest war, sammelte
man die Gebeine u. begrub sie an ihrem Ort (bei den Gräbern ihrer Familie). Dann
kamen die Verwandten u. boten den Friedensgruß den Zeugen, desgleichen den Richtern,
um damit zu sagen: Wir haben in unsrem Herzen nichts gegen euch, denn ihr habt ein
gerechtes Urteil gefällt. Auch hielt man keine öffentliche Trauer (mit Leichenzug,
Trauerrede); aber man durfte Leid tragen, da das Leidtragen nur im Herzen geschieht. —
Hierzu Sanh 47": „Man pflegte sie nicht in den Gräbern ihrer Väter zu begraben."
Warum das alles? Weil man einen Gottlosen nicht neben einem Gerechten begräbt;
denn R. Acha b. Chanina (um 300) hat das begründet aus 2 Kg 13, 21 : „Es geschah, daß
sie gerade einen Mann begruben, u. als sie die (Moabiter-)Bande erblickten, warfen sie
den Mann in das Grab des Elisa u. gingen davon. Wie aber der Mann mit den Gebeinen
Elisas in Berührung kam, wurde er wieder lebendig u. erhob sich auf seine Füfse"
(damit Elisa vor dem Ruhen an dessen Seite bewahrt bliebe). . . . Wie man einen Gott-
losen nicht neben einem Gerechten begräbt, so begräbt man auch nicht einen Gottlosen
schwerster Art neben einem Gottlosen leichterer Art (daher die in der Mischna er-
wähnten zwei Gräber für die Hingerichteten; dabei gelten die Gesteinigten u. Verbrannten
als schlimmere Verbrecher). Dann hätten vier Gräber bereitgestellt werden sollen! Zwei
Gräber hat man aus der Tradition gelernt. . . . Abaje (f 338/39) sagte zu Raba (f 352):
Wie kannst du von der (heidnischen) Regierung Getötete (d. h. unschuldige Märtyrer)
vergleichen mit denen, die von dem (jüdischen) Gerichtshof (als Verbrecher) hingerichtet
werden! Die von der (heidnischen) Regierung Hingerichteten haben, da sie ohne Recht
getötet werden, (an ihrem Tod) eine Sühne (für ihre Sünden); aber die von dem (jüdischen)
Gerichtshof Hingerichteten haben, da sie nach dem Recht getötet werden, keine Sühne
(an ihrem Tod). Du kannst das daraus entnehmen, daß wir in der Mischna gelernt
haben: Man begrub ihn nicht in den Gräbern seiner Väter. Wenn du nun meinen wolltest,
daß er, nachdem er getötet wurde, Sühne habe (an seinem Tode), so sollte man ihn
doch (in den Gräbern seiner Väter) begraben! (Antwort:) Tod u. Begräbnis sind er-
forderlich (zur Sühnung). Es erwiderte Rab Ada b. Ahaba (um 250):^ „Man hielt keine
öffentliche Trauer, aber man durfte Leid tragen, da das Leidtragen nur im Herzen ge-
schieht.* Wenn du nun meinen, wolltest, daß er, nachdem er begraben war, Sühne habe
(an seinem Tod u. seiner Beerdigung), so sollte man ihm doch eine öffentliche Trauer
halten! (Antwort:) Es ist auch die Verwesung des Fleisches (zur vollen Sühnung) erforder-
lich. Das erweist auch, daß es in der Mischna heißt: Ist das Fleisch verwest, so sammelt
man die Gebeine u. begräbt sie an ihrem Ort. || Über das Vergraben der Hinrichtungs-
werkzeuge an der Seite des Hingerichteten s. bei Mt 27, 26 S. 1035 Anm.
27, 60 23: Welches er in dem Felsen ausgehauen hatte.
Die Grabstätten wurden gern als Familiengräber auf dem der
Familie gehörenden Grund u. Boden angelegt, a Innerhalb Jerusalems
waren Grabanlagen verboten, sie sollten mindestens 50 Ellen von der
Stadt entfernt sein.b Besonders beliebt zur Herrichtung von Familien-
begräbnisstätten waren Felsenhöhlen oder Felsenspalten, die durch
Aushauen künstlich vertieft u. erweitert wurden, bis sie die gewünschte
Größe erlangt hatten. Die Form der Anlage richtete sich natürlich,
wie auch Rabban Schimfon b. Gamliel, um 140, ausdrücklich versichert,
nach der Beschaffenheit der Felspartie, die gerade zur Verfügung stand.
^ Rab Ada b. Ahaba kann aus chronologischen Gründen an der Diskussion zwischen
Abaje u. Raba nicht teilgenommen haben. Seine Meinung wird hier nur eingeflochten,
weil sie die vorliegende Frage betrifft.
1050 Matth 27, 60 (39)
Immerhin wird man annehmen dürfen, daß die Felsengräber im großen
u. ganzen den Angaben entsprochen haben, die die Mischna BB 6, 8
darüber gemacht hat.c Hiernach sollte der Höhlengang 4 Ellen breit u.
6 Ellen lang sein. An jeder Längsseite wurden 3 Nischen {ry\^, Plur.
■j-^Diis) u. an der dem Eingang gegenüberliegenden Breitseite 2 Nischen
aus dem Felsen ausgehauen, so daß im ganzen 8 Nischen vorhanden
waren. Jede von ihnen hatte eine Tiefe von 4 Ellen, eine Breite von
6 Handbreiten u. eine Höhe von 7 Handbreiten. In sie wurden die Leichen
sei es mit Sarg, sei es ohne Sarg hineingeschoben. Vor dem Höhlen-
gang, aber immer noch im Felsen, war ein etwas größerer Raum her-
gestellt, der 6 Ellen lang u. 6 Ellen breit sein sollte, so daß er Platz bot
für die Bahre u. ihre Träger. Das war der „Hof" der Grabanlage nan
n^n^r!, auch „Kufe" rr-d genannt. Dieser Normaltyp eines Felsengrabes
konnte mehrfache Erweiterungen erfahren. Wenn der Höhlengang auf
6 Ellen Breite u. 8 Ellen Länge ausgearbeitet wurde, bot er Raum für
13 Grabnischen : jede Seitenwand erhielt dann deren 4, die Hinterwand 3,
während je 1 rechts u. links vom Eingang ausgehauen wurde; doch gehen
über die Anbringung dieser beiden letzten die Meinungen weit aus-
einander; s. BB 101" nebst Kommentaren u. pBB 6 Ende. — Vom „Hofe"
aus konnte nach verschiedenen Seiten hin noch ein zweiter (ja wohl
auch dritter u. vierter) Höhlengang ausgebrochen werden.
Außer den Nischengräbern, von denen die Mischna spricht, gab es
längs der Felswand in der Höhle auch noch Bank- oder Auflegegräber,e
Krauß, Archäol. 2, 76. Von dieser Art dürfte auch die Ruhestätte ge-
wesen sein, die man Jesu vorläufig an seinem Todestage in dem
Felsengrab Josephs von Arimathia bereitet hat.
a. Vgl. 1 Makk 2, 70; 9, 19; Tob 14, 12; ferner Sanh 6, 5 f. oben S. 1049. |1 BB 100*^
Bar: Wenn jemand seine Grabanlage, den Weg zu ihr, den Platz, an dem man sich
(zur Tröstung) aufstellt, u. die Stätte, da man die Trauerrede hält, verkauft, so kommen .
die Familienglieder u. begraben ihn (in diesem Familiengrab) wider den Willen des
Käufers, weil es ein Schimpf für die Familie ist. || pMQ 2, 81^ 44: Man darf einen Toten
u. seine Gebeine nicht aus einem prachtvollen Grab in ein andres prachtvolles Grab
fortschaffen, auch nicht aus einem geringen in ein andres geringes, auch nicht aus
einem geringen in ein prachtvolles u. vollends nicht aus einem prachtvollen in ein
geringes; aber in seiner eigenen Grabanlage (d. h. innerhalb des Familiengrabes) selbst
aus einem prachtvollen in ein geringes: es ist dem Menschen lieb, wenn er neben
seinen Vätern ruhen kann.
b. TN^'gß, 2 (625): Man läßt darin (in Jerusalem) keinen Toten über Nacht u. man
stellt darin keine menschlichen Gebeine auf . . . u. man errichtet darin keine Grab-
anlagen außer den Gräbern des Hauses David u. dem Grabe der Prophetin Hulda, die
sich dort seit den Tagen der früheren Propheten befunden haben. || BB2, 9: Schinder-
stätten, Grabanlagen u. Gerbereien muß man von einer Stadt (u. besonders von Jer.)
50 Ellen entfernt halten.
c. BB 6, 8: Wenn jemand einem andren einen Platz verkauft, um sich eine Grab-
anlage herzurichten, oder von einem andren den Auftrag übernimmt, für ihn eine Grab-
anlage herzurichten, so macht er das Innere der Grabhöhle 4 Ellen breit u. 6 Ellen lang
u. bricht in ihrem Innern 8 Nischen ■|-'3i3 aus, 3 auf dieser u. 3 auf jener Seite u. 2
(dem Eingang) gegenüber. Die Länge (Tiefe) der Nischen beträgt 4 Ellen, ihre Höhe
Matth 27, 60 (93. 6). 27, 62. 28, 1 (31) 1051
7 Handbreiten u. ihre Breite 6 Handbreiten. R. Schimfon (um 150) sagte: Er macht das
Innere der Grabhöhle 6 Ellen breit u. 8 Ellen lang u. bricht in ihrem Innern 13 Nischen
aus, 4 auf dieser u. 4 auf jener Seite u. 3 (dem Eingang) gegenüber, ferner 1 rechts
vom Eingang u. 1 links vom Eingang. Vor dem Eingang zur Höhle macht man einen
Hof i:in, 6 Ellen im Geviert, entsprechend dem Raum, den die Bahre u. die Begräbnis-
mannschaft füllt. Man bricht auch im Innern 2 Grabhöhlen aus, die eine auf dieser
Seite u. die andre auf jener Seite (des Hofes, so dats dieser beiden Höhlen als Vorraum
dient). R. Schim?on sagte: 4 Grabhöhlen nach seinen (des Hofes) vier Seiten. Rabban
Schimfon b. Gamliel (um 140) sagte: Alles nach Maßgabe des Felsens yVon •'th 53n. |1
TBB 6, 22 f. (406) : Die Höhe der Grabhöhle betrug 4 Ellen u. die Höhe der Nischen
7 Handbreiten u. 1 Handbreite für die Wölbung nt^o (der oberen Nischenfläche). Wer
einen Hof am Eingang der Grabhöhle macht, macht ihn 6 Ellen im Geviert, soviel
Raum die eine Bahre gebraucht auf dieser Seite u. soviel Raum die andre Bahre ge-
braucht auf der andren Seite, u. bricht darin 2 Grabhöhlen aus (auf den gegenüber-
liegenden Seiten des Hofes). R. J^'huda (um 150) sagte: Wenn ein Felsen sich seitwärts
ausdehnt, bricht man. sie beide auf Einer Seite (des Hofes) aus. Man erwiderte ihm:
Das ist nicht möglich (denn die Seite des Hofes beträgt nur 6 Ellen).
d. TAhiloth 15, 7 (612): Was ist der „Hof einer Grabanlage lapn i:in? Das ist
die Kufe r;n, nach der hin die Grabhöhlen geöffnet sind.
e. TAhiloth 2, 3 (598) u. pNazir 7, 56b, 59; Welches ist ein Toter, bei- dem es ap^-p
(Fäulnis, Verwestes ohne Zusatz von Erde, Holz, Kleiderüberresten) gibt? Einer, der
nackt in einem Steinsarg, auf dem Estrich oder auf einer Marmorplatte begraben (bei-
gesetzt) ist; aber wer in seiner Bekleidung oder in einem Holzsarg oder auf der (bloßen)
Erde begraben (beigesetzt) ist, bei dem gibt es keinen Raqab.
27,60 6: Nachdem er einen großen Stein vor die Tür
des Grabes gewälzt hatte.
Die Grabhöhle verschloß man durch einen großen Stein (runde Stein-
platte), den b^i,-, von bba „wälzen", zu dessen Festlegen ein kleinerer
Stein, der Dopheq psi^ hieß, diente.
Ohal2, 4: Der Verschlußstein u. der Stützstein verunreinigen durch Berührung u.
Bezeltung. . . . Der Dopheq ist der Stein, von dem der Verschlußstein gestützt wird. ||
Sanh47b: Rab Aschi (f 427) hat gesagt: Von wann an beginnt die Trauer (um einen
Toten)? Von da an, wann der Golel das Grab verschließt. — Ebenso R. J^hoschua?,
um 90, K^th 4b. |i In TAhiloth 3, 10 (600) wird von zwei 4 Handbreiten im Geviert großen
Steinen gesagt, daß man sie zum Golel für eine Grabanlage machen könne. — Vorauf
geht hier folgende Erzählung: In Beth-Dagon (in Judäa) starb einmal am Rüsttag auf
das Passahfest (d. h. am 14. Nisan) ein Jude; man ging u. begrub ihn. Die Frauen (lies
ü-is: statt n"'iü3s) gingen hin (an die Grabanlage) u. banden ein Seil um den Verschluß-
stein; die Männer aber zogen ihn von draußen weg (sie wollten durch die Grabhöhle
nicht unrein werden, um das Passalilamm essen zu können). Dann gingen die Frauen
hinein (in die Grabhöhle) u. begruben ihn (setzten ihn bei), u. die Männer gingen u.
hielten am Abend ihre Passahfeier.
27,62: Nach dem Rüsttage.
naQaaxsv}] „Rüsttag" (auf Sabbat), Freitag s. Exk.: Der Todestag
Jesu usw. C, 3 u. bei Mt 28, 1 SB.
28, 1 51: Nach Ausgang des Sabbats.
oip^ öccßßärojv muß, wie das parallele xfj smcpoofTxovcfi] slg f.i(uv
accßßäxwv fordert, eine Tageszeit bezeichnen, in deren Verlauf auch
das Hellwerden des folgenden Tages eintreten kann. Darum darf man
1052 Matth 28, 1 (21. SB 1)
oip^ daßßccTcov nicht übersetzen: „in der Späte des Sabbats"; denn diese
„Späte" würde immer noch zum S. gehören, d. h. höchstens bis Sonn-
abend abends rund 6 Uhr reichen, aber nie das Hellwerden zum Sonntag
sehen. Das oipi aaßßärwv entspricht vielmehr dem rabbin. nsiä "^x:?"!^,
das wörtlich „Ausgänge des Sabbats" bedeutet u. die Zeit bezeichnet,
die unmittelbar auf den S. folgt, d. h. a, die Nacht zum folgenden ersten
Wochentag u, /?, den ersten Wochentag selbst (Belege s. bei Mt 28, 1 SB
Anm. b). öiph (faßßävcov also: „nach Ausgang des Sabbats"; rfj iniifw-
axovaj] gibt dann den genaueren Zeitpunkt an: zur Zeit, da der Tag hellt.
28, 1 23: Zum ersten Wochentag (= Sonntag).
1. Die Juden schlössen die Woche mit dem Sabbat. Der nächst-
folgende Tag (Sonntag) wurde daher als erster Tag der (neuen) Woche
paira nnx = fiia aaßßccTcovd bezeichnet. Dabei steht nauj, wie auch
sonst, a in der Bedeutung „Woche". Eine andre Bezeichnung für Sonntag
war naiü ^xs'i:a = aram. nzw "^pie, d. h. Tag nach Sabbatausgang, b Auch
der Ausdruck inisis or = Tag der Christen (Nazarener) begegnet einige-
mal als Name des Sonntags, c — Wie der Sonntag als erster Tag in der
Woche bezeichnet wird, so nun auch der Montag als 2. Tag, der Dienstag
als 3. Tag in der Woche u. so fort.d Nur der Freitag heißt meist ■z'^,^,
P3^ = Vorabend des Sabbats (Rüsttag auf Sabbat); dem entspricht
das aramäische xaiiü nai^s oder xnai-iy.e Etwas anders ist eine zweite
aramäische Benennung des Freitags gedacht, nämlich xn^iü ''hy^ = der
Tag, an welchem die Sonne zum Sabbat untergeht.*
a. GnR 11 (8b): R. gAqiba (f um 135) sprach zu dem Tyrannen Rufus (— Tinejus
Rufus, der 132 n. Chr. Statthalter von Judäa war): Der Fluß Sambatjon mag es dir
beweisen (daß es um den Sabbat etwas Besonderes ist); denn alle Tage der Woche
naian piw^ ^3 führt er Steine mit sich, aber am Sabbat rauja ruht er. — Diese Gegen-
überstellung von raiün na-' Vs u. rzv folgt dann noch fünfmal. || N*^d 8, 1 : Wenn einer
sagt: Ich gelobe, daß ich keinen Wein diesen rz-4 trinken will, so ist er ihm die ganze
Woche hindurch raasn ^33 verboten u. an dem Sabbat, der (heute, am Tage des Ge-
lübdes) vergeht. (Daß die folgende Woche mit in das Abstinenzgelübde hineingezogen
wird, liegt an dem zweideutigen Ausdruck, den der Gelobende gewählt hat; denn ra«
heißt eben beides: Sabbat u. Woche.) — Ferner s. P®s 50^ in Anm../".
b. GnR 11 (B''): R. Schimfon b. J'^huda aus K-^phar-fAkko (um 180) sagte im Namen
des R. Schimfon (um 150): Obgleich die Himmelslichter am Freitag ra» a-^y verflucht
worden sind, so sind sie doch erst (dem Sabbat zu Ehren) am Sonntag ras; ■'ssitt (durch
Verringerung ihrer Lichtstärke) bestraft worden. |1 pSch^q 4, 47^, 50: R. El?azar b. (^adoq
(um 100) hat gesagt: Wir (d. h. meine Familie) gehören zu den Söhnen S'^naia b. Binjamin
(s. Esra2, 35), u. der 9. Ab fiel (einmal) auf einen Sabbat; da verschoben wir ihn (den
9. Ab) auf den Sonntag rzv ■^nu-i«^, u. dann fasteten wir, jedoch nicht den ganzen Tag
(vgl. die Parallelen Ta?an 12 » u. fErub 41 » bei Mt 1, l S. 5/3). || TTa?an 4, 9 (220) s. bei
Mt 24, 2 S. 945 y. || xavi? -^piE zB pf AZ 5, 44 '^, 4 1 : An einem Freitag sava raiiy war (einmal)
kein Wein in ganz Samarien zu finden; am (folgenden) Sonntag sava ■'pisa fand man
es voll von Wein, den die Aramäer herbeigeschalft hatten. || Im engeren Sinn bedeutet
na» ■<tt:i'>i2 nicht den ganzen Sonntag, sondern nur die Zeit, die unmittelbar auf den
Ausgang des Sabbats folgt, also den Abend des Sonnabends u. die sich anschließende
Nacht zum Sonntag; vgl. oben bei Mt28, l?l. B''rakh2, 5: Der Bräutigam ist in
der ersten Nacht u., wenn er den Akt (noch) nicht vollzogen hat (4 Tage lang, vom
Matth 28, 1 (SB 1) 1053
Mittwoch, dem gewöhnlichen Hochzeitstag einer Jungfrau, an) bis nach Ausgang des
Sabbats rar -nsts ts vom Rezitieren des Sch'^maf frei. || P'^s 50'' Bar: Wer an den Rüst-
tagen auf die Sabbat- u. Festtage D"a"it3 o^s"' ■'atyai rirar -a^ya vom Nachmittag an
(3^2 Uhr nachm.) u. weiter u. nach dem Ausgang des Sabbats u. eines Festtages u. des
Versöhnungstages n"- ^ssiwai u""' ^ss-nsai r^v •'Sü-iaai eine Arbeit verrichtet, . . . der
sieht nie ein Zeichen des Segens. — Hier bedeutet rzv ^tai-o die ersten Stunden nach
Ausgang des Sabbats. Dagegen heißt es pP^s 4, 30^ 61 : Wenn Frauen die Sitte haben,
nach Ausgang des Sabbats icnzvä 'p.'irs:? (= ssn© ""p/ßa = ra» -ssitsa) keine Arbeit zu
verrichten, so ist das keine (gültige) Sitte. — Hier bedeutet snanru ■'piEs den ganzen
Tag, der auf den Ausgang des Sabbats folgt: man soll zu Ehren des Sabbats die ersten
Stunden nach seinem Ausgang, aber nicht den ganzen Sonntag von der Arbeit feiern.
C. fAZö''': (Mit Bezug auf den Ausspruch des R. Jischma?el, f um 135, daß es
verboten sei, mit den Heiden drei Tage vor u. drei Tage nach ihren Festen Geschäfte
zu machen fAZ 1,2, wird die Frage verhandelt, ob die heidnischen Festtage selbst in
diese drei Tage miteingerechnet seien oder nicht. Dabei heißt es:) Komm u. höre: Rab
Tachlipha b. Abdemi (um 280?) hat gesagt, Sch^'muel (f 254) habe gesagt: Im Hinblick
auf den Tag der Nazarener ist es nach den Worten des R. Jischma?el immer verboten
(mit den Christen Geschäfte zu machen). Wenn du nun meinen wolltest, daß sie (die
verbotenen Tage vorher u. nachher) die Festtage selbst in sich schließen, dann würde
ja der vierte u. fünfte Tag der Woche (d. h. Mittwoch u. Donnerstag) erlaubt sein (zum
Handel mit den Christen)! — Dasselbe, jedoch ohne den letzten Satz, auch fAZT^.
d. GnR 11 (8*=): Warum hat Gott den siebenten Tag (= Sabbat) gesegnet (Gn 2, 3)?
R. Dos'^thai (im 4. Jahrb.) sagte: Weil er keinen Tag hat, der mit ihm ein Paar bildet.
Der erste Tag in der Woche sawa in (=^ Sonntag) u. der zweite (^ Montag), der dritte
u. der vierte, der fünfte u. der Freitag sra^i^y gehören paarweise zusammen; der Sabbat
aber hat keinen, der mit ihm ein Paar bildet. ||Tafan4, 3: Die Standmänner (Opfer-
beistände) fasteten vier Tage in der Woche :'iar3: vom zweiten bis zum fünften Tag
(Montag bis Donnerstag). Sie fasteten aber nicht am Freitag raio ais; der Ehre des
Sabbats halber, u. auch nicht am ersten Tag in der Woche ra»a nnsa, damit sie nicht
aus der Ruhe u. dem Ergötzen (des Sabbats) übergingen zur Mühe u. zum Fasten u.
(infolgedessen) stürben. || Git 77'* Bar: „Nach einer Jahrwoche", damit ist das darauf
folgende (ganze) Jahr gemeint; ,nach einem Jahre", damit ist der darauf folgende
(ganze) Monat gemeint; ,-nach einem Monat", damit ist die darauf folgende (ganze)
Woche gemeint. Was ist nun aber gemeint mit den Worten : „nach dem Sabbat" ins"?
rar? R. Z'^fira (um 300) saß vor R. Asi (um 300), oder wie andre sagen: R. Asi saß
vor R. Jochanan (f 279) u. sprach: Der erste Tag in der Woche sara ir, u. der zweite
u. der dritte gelten als nach dem Sabbat liegend; der vierte aber u. der fünfte u. der
Preitag Nnato ■'Vy's gelten als vor dem Sabbat liegend.
e. r2V aiy, s. GnR 11 u. P^s 50'^ in Anm. b; Ta?an 4, 3 in Anm. d. — Schab 2, 7:
Dreierlei muß der Mensch am Freitag ra» a^y zur Zeit des Dunkelwerdens in seinem
Hause sagen: Habt ihr verzehntet (die Sabbatspeisen)? Habt ihr die Verbindung (fErub
der Höfe u. Grenzen) hergestellt? Zündet die Lampe an! || Schab 19, 1 : R. Elifezer (um
90) sagte: Wenn man das (Beschneidungs-)Gerät nicht am Freitag rar aiy hingeschafft
hat, so schafft man es am Sabbat unverdeckt hin (damit jeder sieht, was man trägt;
denn das Tragen von Gegenständen zu gewöhnlichem Gebrauch ist am S. verboten). . , .
Als Regel hat R. fAqiba (f um 135) gesagt: Alle Arbeit, die man am Freitag rar a-i»
verrichten kann, verdrängt den S. nicht; die man aber am Fr. nicht verrichten kann,
verdrängt den S. — Ferner pTafan 2, 66*, 42: R. Abun (um 325) fastete alle Freitage
«air raTiy hzi.
f. Git77a s. in Anm. d. — P'^s SO'' Bar: Es gibt einen Hurtigen, der belohnt wird,
11. es gibt einen H., der Schaden erleidet. Es gibt einen Nachlässigen, der belohnt
wird, u. es gibt einen N., der Schaden erleidet. Es gibt einen H., der belohnt wird:
wer die ganze Woche srar hindurch arbeitet, aber nicht am Freitag spar ■^'5y»2 (um
•den S. zu ehren). Ein H., der Schaden (Verlust) erleidet: wer die ganze Woche hin-
1054 Matth 28, 1 (33 2). 28, 9 (51. S3). 28, 18. 19 (Nr. 1. 2)
durch arbeitet u. auch am Freitag 'v •'hv'ü. Ein N., der belohnt wird: wer die ganze
Woche hindurch nicht arbeitet u. auch nicht am Freitag '^ '^. Ein N., der Schaden
erleidet: wer die ganze Woche nicht arbeitet, wohl aber am Freitag '^ '12.
2. Der erste Tag der Woche (der Sonntag) war nicht bloß der erste Schöpfungs-
tag, sondern er galt auch als der Tag, an dem einst der Opferdienst an der Stifts-
hütte seinen Anfang nahm. Man sagte von diesem Tage, daß er 12 Kronen empfangen
habe. NuR 13 (169*^): ^Der, welcher am ersten Tage sein Opfer darbrachte, war Nach-
schon ".Nu 7, 12. Es heißt hier nicht: ,An dem Tage, da die Wohnung aufgestellt
wurde", sondern „am ersten Tage". Was heißt das? Es war der erste Tag der Welt-
schöpfung. Das lehrt, daß es der erste Tag in der Woche r^-ra nns (= Sonntag) war.
Daraus ergibt sich, daß man sagen darf: 12 Kronen hat jener Tag empfangen: er war
der erste Tag ^der Weltschöpfung, ^{ür den Priesterdienst, ^für die Stammesfürsten
(u. ihre Weiheopfer Nu 7), ■'für die Sch'^khina (das Wohnen Gottes im Heiligtum),
s. Ex 2.5, 8: „Sie sollen mir ein Heiligtum machen, daß ich in ihrer Mitte wohne";
^ für den Opferdienst (Kultus), ^ für den Priestersegen, ' für den Lagerbezirk der Sch^khina,
^für die Monatsanfänge (die Zeitrechnung), ^für das Höhenverbot, '"für das Schlacliten
im Norden (vom Brandopferaltar), '^für das Essen des Heiligen (seitens der Priester),
'2 für das Herabfahren des Feuers, s. Lv 9, 24: Feuer ging von Jahve aus u. verzehrte
auf dem Altar das Brandopfer usw. — Diese Verherrlichung des ersten Wochentages
ist alt; sie findet sich bereits — aber unter Aufzählung von nur 10 Kronen — in SLv
9, 1 (181»). Weitere Parallelen, ebenfalls mit 10 Kronen: Schab 87 '^ u. GnR 3 Ende.
28,9 5t: Seid gegrüßet!
XCiTge als Gruß in der Form x-i? auch im Rabbin., s. TanchB ypa
§11 bei Mt 27,29 8.1036.
28,9^: Faßten seine Füße u. küßten ihn.
K^th 63^ wird erzählt, daß die Gemahlin des R. ^Aqiba (f um 135)
ihrem heimkehrenden Mann entgegeneilte u. auf ihr Angesicht fiel u.
seine Füße küßte. — Wenige Zeilen weiter wird dasselbe über ? Aqibas
Schwiegervater berichtet. — Vgl. bei Mt 26, 49 S. 995 Nr. 2.
28,18: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel u. auf Erden.
ExR 12 (75^): Von jenen (zehn ägyptischen) Plagen kamen 3 durch Ahron, 8 durch
Mose, 3 durch Gott u. 1 durch sie alle: Blut; Frösche u. Ungeziefer, die auf Erden sind,
durch Ahron; Hagel, Heuschrecken u. Finsternis durch Mose, weil sie in der Luft sind;
denn also hatte Mose Gewalt auf Erden u. im Himmel n'»2'£3i y'^sa nao "ahia •j'dx; die
Hundsfliegen, die Pest u. das Schlagen der Erstgeburten durch Gott, u. die Geschwüre
•j^nr durch sie alle.
28,19: Indem ihr sie taufet auf den Namen.
1. Über die Taufe als Bedingung der Aufnahme eines Proselyten
in die jüdische Religionsgemeinde s. bei Mt 3, 6 S. 102 ff.
2. Das dem dg to ovo[^ia entsprechende üiiih bedeutet „mit Rücksicht
auf u. kann sowohl den Grund, als auch den Zweck angeben; s. bei
Mt 10,41. — Hier noch ethche Zitate, die in formeller oder sachlicher
Hinsicht das ßami^siv slg ro ovofia zu erläutern geeignet sind.
J'^b 45*^ Ende: Rab (f 247) hat gesagt: „Wenn einer von einem NichtJuden einen
(heidnischen) Sklaven kauft u. dieser kommt ihm zuvor u. nimmt das Tauchbad uvh
•j^iin 13 „auf den Namen des freien Mannes" (d. h. zwecks Erlangung der Freilassung),
der erwirbt sich selbst als freien Mann (d. h. er kauft sich selbst los, auch ohne Zu-
Matth 28, 19 (Nr. 2) 1055
Stimmung seines Besitzers. Ein heidnischer Sklave, der von einem Juden gekauft
wurde, wurde beschnitten; wurde er dann später freigelassen, so empfing er ein Tauch-
bad als Proselytentaufe u. galt nun völlig als Jude. Dieses Tauchbad, weil es ihm
die Freiheit gab, ist ein Bad rni-r; av'-: ,auf den Namen der Freiheit"). 1| J^'b 47'' Bar:
,Sie (die kriegsgefangene Frau) soll ihren Vater u. ihre Mutter beweinen" usw. Für
welchen Fall gelten diese Worte? Wenn sie es nicht auf sich nimmt (zum Judentum
überzutreten); aber wenn sie es auf sich nimmt, so läßt er sie das Tauchbad (der
Proselyten) nehmen, u. dann ist sie ihm sofort (zur Ehe) erlaubt. R. Schim?on b. Elfazar
(um 190) sagte: Auch wenn sie es nicht auf sich nimmt (zum Judentum überzutreten),
läßt er sie zwangsweise ein Tauchbad r'^nzv dtü'i „auf den Namen der Sklavenschaft"
nehmen, dann läßt er sie noch ein Tauchbad ^^^r.vi bö^ ,auf den Namen der Frei-
lassung" nehmen u. läßt sie frei, dann ist sie ihm sofort erlaubt. (Heidnische Sklaven
u. Sklavinnen hatten bei ihrem Eintritt in ein jüdisches Haus ein Tauchbad zu nehmen
nnEtt) uvh, das dokumentierte sie als Sklaven; ebenso bei ihrer Freilassung -<—<nv wh ,
das dokumentierte sie als Freigelassene. Das Tauchbad versetzt also in dasjenige
Verhältnis, dessen Herbeiführung man gerade im Auge hat. — So versetzt auch das
ßanriCeiy ft? to 6i'o/ua rov naxQÖg etc. den Täufling in ein bestimmtes Verhältnis zu
Gott, nämlich, daß der Vater, der Sohn u. der heilige Geist dem Täufling das sind,
was ihr Name in sich schließt.) ü Z'b 4, 6: Auf den Namen von sechs Dingen nr-:; ^vh
a^ia-i wird ein Schlachtopfer geschlachtet: auf den Namen des (betreffenden) Opfers
n3T n-z!5, auf den Namen des Opfernden naiT a'öV, auf den Namen Gottes oan u-ah ,
auf den Namen von Feueropfern, auf den Namen des Wohlgeruchs (vor Gott) u. auf
den Namen des Wohlgefallens (vor Gott). Ferner das Sund- u. Schuldopfer auf den
Namen der (betreffenden) Sünde. — Hier dient n-:j'5 überall zur Angabe der Zweck-
beziehung. Der Zweck selbst ist ein verschiedenartiger u. ergibt sich aus dem Zus. hang.
Die Schlachtung erfolgt „auf den Namen des Opfers", d. h. unter Angabe seiner Be-
stimmung, ob es als Brandopfer oder als Friedmahlsopfer oder als Passahopfer usw.
dargebracht wird; „auf den Namen des Opfernden", d. h. desjenigen, dem mit der
Opferung gedient sein soll; „auf den Namen Gottes", d. h. mit der Erklärung, daß das
Opfer Gotte (nicht etwa irgendeiner heidnischen Gottheit) zugeeignet werden solle
usw. — So liegt auch in dem ßanrlCsiy sig ro ovofxn rov naxQog etc. der Gedanke,
daß der Täufling dem dreieinigen Gott zugeeignet werden soll. 11 Tf AZ 3, 12 f. (464):
Ein Israelit darf einen Heiden beschneiden „auf den Namen des Proselyten" i; (üttjV =)nntt;5
(d. h. zwecks Aufnahme in das Judentum). . . . Ein Israelit darf einen Samaritaner be-
schneiden, dagegen soll ein Sam. nicht einen Israeliten beschneiden, weil sie (die Sani.)
„auf den Namen des Berges Garizim" beschneiden. Das sind Worte des R. J'^huda
(um 150). Es sprach zu ihm R. Jose (um 150): Wo finden wir denn eine Beschneidung,
die nicht „auf den Namen des Bundes" ni^a dvl-!; erfolgte? Mag er also „auf den
Namen des Berges Garizim" d'^t-^j "in urD-> beschneiden, bis ihm die Seele ausgeht! —
Dasselbe als Bar fAZ 21^; pj*^b 8,8'^, 63. — Wie die Beschneidung „auf den Namen
des Berges Garizim" verpflichtet zur Verehrung des dort angebeteten Gottes der Sam.,
so die Beschneidung „auf den Namen des Bundes" zur Verehrung des israelitischen
Bundesgottes. — Auch beim ßanilCsiv elg ro ovofxa rov nurgog etc. wird man dieses
verpflichtende Moment nicht übersehen dürfen: die Taufe begründet eine Verbindung
zwischen dem dreieinigen Gott u. dem Täufling, die dieser zu bejahen u. zu betätigen
hat durch sein Bekenntnis zu dem Gott, auf dessen Namen er getauft ist.
Verbesserung.
S. 498 Zeile 5 lies Mt 26, 65 S. 1008 ff. (statt: 25, 25).
Schriften von D. Dr. Herm. L. Strack
Einleitung in Talmud und Midras ^bea^^eitetT"
Auflage der „Einleitung in den Talmud". XII, 233 Seiten gr. 8°,
Geh. M 42.—, geb. M 80.—
„Zur großen Freude aller, die sich mit talmudisclien Studien befassen, isi
Stracks Einleitung in den Talmud, die seit Jahren völlig vergriffen war, in
neuer Auflage erschienen. Und die Freude ist um so gröfser, als das Buch
in seiner neuen Gestalt große und wertvolle Bereicherungen aufweist. Das
Buch steht in jeder Beziehung auf der Höhe, auch in bezug auf die Fülle
der Belehrung und Anregung, die es bietet. Es wird in seiner neuen Gestalt
noch mehr, als es bereits bei der letzten Auflage der Fall war, dem jungen
Studierenden ein unentbehrlicher Wegweiser und dem Gelehrten ein ebenso
unentbehrliches Naclischlagebuch sein. Übei-dies ist es ein Buch, das jeder
Gebildete lesen sollte.'' J. Krengel (Monatsschrift für Geschichte und Wissen-
schaft des Judentums).
U « .. . < ^ .«1 Mit Übungsbuch. 12. u. 18,,
neOraiSCne UrammatlK sorgfältig verbesserte Auflage.
1917. Geb. M 60.—
Hebräisches Vokabularium
(in grammatischer und
sachlicher Ordnung). 10.
und 11. Auflage. 1914. 48 S. gr. 8^. Kartoniert M 16.—
Besonders berücksichtigt ist der Sprachschatz der älteren historischen Bücher
sowie der wichtigsten prophetischen Schriften und Psalmen. Anmerkungs-
weise dargebotene Gedächtnisstützen ei'leichtern das Erlernen und Behalten
der Vokabeln. Das breitere Format der neueren Auflagen ermöglicht dem
Lernenden sich selbst zu überhören.
r^» 1 » 1 • jt A<iT>i^ 1. einschließlich Apo-
Einleitung in das Alte Testament k,jphe„undPse„d-
epigraphen. Mit eingehender Angabe der Literatur. 6., neubearbeitete
Auflage. 1906. Vergriffen.
j-v» ^ e übersetzt und ausgelegt, 2., ueubearbeitete Auf-
uie uenesis i^gg. 1905. 192 s. Lex. 8». m7o.—
„Zur Verbreitung wissenschaftlichen und gläubigen Schriftverständnisses bei-
zutragen in hohem Grade geeignet." Zeitschrift für evangelischen Eeli-
gionsunterriclit. — ,.Des excursus norabreux et interessants traitent les
ciuestions de fond, de doctrine et d'archeologie. Mr. Strack est tres au courant
de l'egyptologie et de l'assyriologie." Polybiblion. '
C. H. Beck' sehe Verlagsbuchhandlung Oskar Beck München
CLAVIS LINGUARUM SEMITICARUM
EDIDIT
HERMANN L. STRACK
L Hebräische Grammatik mit Übungsbuch von H. L. Strack. 12.
und 13., sorgfältig verbesserte Auflage. 1917. IS^jf Bogen. Preis
gebunden M 60. —
Allseitig anerkannt als wissenschaftlieh tüchtig und praktisch eingerichtet, daher
mehrfach nachgeahmt. Am Schluß ausführliche Literaturangaben und (in Um-
schrift) auch arabische Paradigmen. — Das Übungsbuch enthält: Leseübungen,
Übungen zum Übersetzen aus dem Hebr. und ins Hebr., einige unvokalisierte
Texte und grammatische Erläuterungen samt Wörterbuch zu 61 historischen
und 8 prophetischen Kapiteln, sowie zu 23 Psalmen, übertrifft mithin auch viel
umfangreichere Bücher an Inhalt.
II. Babylonisch-assyrische Grammatil< mit Lesestücken und Wörter-
buch (in Transkription) von Dr. Arthur Ungnad, Prof. der semi-
tischen Sprachen in Greifswald. 1906. 11 Bogen. Vergriffen, neue
Auflage Ende 1922.
III. Lehrbuch der aramäischen Sprache des babylonischen Tal-
muds. Grammatik, Chrestomathie und Wörterbuch von Dr. Max
L. Margolis, Prof. am Dropsie College, Philadelphia, Pa. 1910.
19 Bogen. Preis gebunden M 125. —
IV. Grammatik des Biblisch-Aramäischen mit den nach Handschriften
berichtigten Texten und einem Wörterbuch von H. L. Strack.
6., durchgesehene Auflage. 1921. 100S.gr. 8*'. Gebunden M 45.—
V. Neuhebräische Grammatik auf Grund der Misna von Prof. Dr.
Karl Albrecht in Oldenburg. 1913. 144 S. Geb. M 80.—
Zugleich Ersatz für das seit langer Zeit vergriffene Lehrbuch der neuhebräi-
schen Sprache und Literatur von H. L. Strack und C. Siegfried.
VI. Ägyptisch; Praktische Einführung in die Hieroglyphen und die
ägyptische Sprache mit Lesestücken und Wörterbuch von Dr. Günther
Eoeder, Direktor des Pelizaeus-Museums in Hildesheim. 1913. 88 S.
Druck u. 56 autographierte Seiten. Geb. M 90. —
VII. Syrische Grammatik mit Übungsbuch von Prof. Arthur Un-
gnad. 1913. 242 S. Preis gebunden M 90.—
Will durch praktische Einrichtung des Übungsbuches vor allem den Be-
dürfnissen der Anfänger dienen. Die Übersetzung der syrischen Wörter des
Glossars ist außer in deutscher auch in englischer Sprache gegeben.
C H. Beck' sehe Verlagsbuchhandlung Oskar Beck München
strack und Zöcklers kurzgefaßter
Kommentar zu den heiligen Schriften
Alten und Neuen Testaments
sowie zu den Apokryphen
A. Altes
I.Abt.: Genesis, Exodus, Leviticus,
Numeri, von Strack. Vergriffen.
Lieferbar ist: Die Genesis, von
DDr.H.L. Strack. 2. Auflage. 1905.
XII, 180 S. gr.8". Geh. M 70.—
II. Abt.: Deuteronomium, Buch Jo-
sua. Buch der Richter, von D S.
Octtli. 1893. X, 302S. gr.8". Geh.
M 120.—
III. Abt.: Bücher Samuelis und der
Könige, von D August Kloster-
mann. Vergriffen.
IV. Abt.: I. Hälfte: Jesaja, von DDr. C.
V. Orelli. S.Auflage. VIII, 227 S.
gr.8'\ Geh. M70.— . — 2. Hälfte:
Jeremia, von DDr. C. v. Orelli.
3. Auflage. VIII, 215 S. gr.S«. Geh.
M 70.—
V.Abt.: I.Hälfte: Ezechiel, von DDr.
e.V. Orelli. 2. Auflage. Vergriffen.
— 2. Hälfte: Zwölf kleine Prophe-
B. Neues
I. Abt. : Synoptische Evangelien, von
D K. Fr. Nösgen. 2.Auflage. XIV,
447 S. gr.8«. Geh. M 120.-
II. Abt.: Evangelium Johannis, von
D Chr. E. Luthardt und Apostel-
geschichte, von DDr. O. Zö ekler.
2. Auflage. Vergriffen.
III. Abt. : Thessalonicher- und Galater-
Briefe, von DDr. O. Zöckler, Ko-
rinther-Briefe, von DDr.G.Schne-
dermann und Römer-Brief, von
D Chr. E. Luthardt. 2. Auflage.
Geh. M 160.—
Testament:
ten, von DDr. e.V. Orelli. S.Auf-
lage. Mit Anhang: Zur Metrik der
hebräisch. Prophetenschriften. 1908.
VIK, 243 5. gr.8«. Geh. M 70.—
VI. Abt.: Psalmen u. Sprüche Salo-
mos, von D H.Keßler und DDr.
H. L. Strack. 2. Auflage. XX, 302
u. VIII, 104 S. gr.8». Geh. M 120.—
Vll.Abt.: Buch Hiob, Pred. Salomo,
Hohelied und Klagelieder, von
D W. Volck und D S. Oettli.
IX, 224 S. gr.S». Vergriffen.
VII!. Abt. : Chronika, Esra, Nehemia,
Ruth, Esther, Daniel, von D S.
Oettli und D Joh. Meinhold.
VII, 339 S. gr.8''. Geh. M 110.—
IX. Abt. : Apokryphische Bücher des
Alten Testaments mit Anhang über
1 die Pseiidepigraphen-Literatur, von
' DDr. O. Zöckler. XI, 495 S. gr.8ö.
Geh. M 160.—
Testament:
IV. Abt.: Epheser-, Kolosser-, Phile-
mon- und Philipper-Briefe, von
D G. Wohlenberg, Jakobus-,
Petrus- und Judas-Briefe, von
DK. V. Burger, Briefe Johannis,
von D C h r. E. L u t h a r d t. 2. Auflage.
XI, 280 S. gr.8". Geh. M 100.—
V. Abt. : Timotheus-, Titus-, Hebräer-
Briefe, Offenbarung Johannes,
von D R. Kübel. 2. Auflage von
D Ed. Riggenbach und DDr. O.
Zöckler. XII, 339 S. gr.S». Geh.
M 110.—
Einzelausgaben:
Apostelgeschichte, von O. Zöckler.
2. Auflage. Geh. M 56.—
Thessalonicher- und Galater-Briefe,
von O, Zöckler. 2. Aufl. Geh. M 40.—
Korinther-Briefe, von G. Schneder-
mann. 2. Auflage. Geh. M 80.—
Epheser-, Kolosser-, Philemon- und
Philipper-Briefe, von G. Wohlen-
berg. Geh. M 48.—
Briefe des Jakobus, Petrus und Judas,
von K. Burger. 2. Auflage. Geh.
M 36.—
C. H. Beck' sehe Verlagsbuchhandlung Oskar Beck München
Werner Eiert: Der Kampf um das Christen-
j Geschichte der Beziehungen zwischen dem evangeHschen Christentum in
lUllI Deutsciiland und dem allgemeinen Denken seit Schleiermacher und Hegel.
VIII, 513 Seiten Lex.8«. In Leinen gebunden M 290.-
„Es handelt sich in dem Werke um nichts Geringeres als um die Geschichte der
geistigen Auseinandersetzung zwischen dem Christentum und dem gesamten modernen
Geistesleben, kürzer um eine Geschichte der Apologetik in der durch den Untertitel
angegebenen Umgrenzung. Die Fülle des in ihm gebotenen Stoffes ist eine ganz
außerordentliche; aber es ist alles andere als eine Materialsammlung, jeder Stein ist
nicht nur behauen, sondern an der ihm gebührenden Stelle in das Ganze eingefügt,
so daß sich eine Einheit und zwar nicht nur durch die Darstellung der geschichtlichen
Bewegung hindurchzieht, sondern auch große prinzipielle Gesichtspunkte beherrschend
hervortreten." Theologie der Gegenwart.
Oswaldspengler: Der Untergang des Abend-
I j Umrisse einer Morphologie der Weitgeschichte. Erster Band: Gestalt
IdnUco und Wirklichkeit. 33.— 42. Auflage. (Endgültige Fassung.) Erscheint
Ende 1922. — Zweiter Band: Welthistorische Perspektiven. Soeben erschienen-
In Halbleinen gebunden M 240.—, auf holzfreiem büttenähnlichem Papier in Halb-
pergament gebunden M 950. —
Wie eine Kammwanderung in großer Höhe und mit freiesten Ausblicken nach rechts
und links, so wirkt der Inhalt dieses seit langem erwarteten zweiten Bandes von
O.Spenglers „Untergang des Abendlandes". Mit staunenswerter Kraft hat der Ver-
fasser ein Riesenmaterial zu einer Gedankeneinheit zusammengehämmert. Die Philo-
sophie, die schon im ersten Bande sich auswirkte, tritt hier ganz deutlich hervor.
Sie ist eine Weiterbildung des Philosophierens eines Leibniz, Herder, Goethe, Nietzsche.
Daher auch die plastische Deutlichkeit und Bildhaftigkeit der Sprache und Gedanken,
daher der Universalismus des Geistes und die Fähigkeit des Blickes Spenglers, die
Seele der Dinge zu schauen, in allem das Eine, Gleiche wahrzunehmen. Während
der erste Band das Problem aufstellte und den Verlauf des Kulturlebensprozesses an
den Formen der Philosophie, Kunst, Mathematik und Physik nachwies, hat dieser
zweite Band den Nachweis an den Formen der Religion, des Rechts, der Politik und
Wirtschaft, der Sprache und Rasse, den Völkern, Städten und Ständen fortgesetzt.
Die zwei Bände des „Untergang des Abendlandes" umfassen also alle Formen des
Lebens aus einem einheitlichen Aspekt, der aber nicht der Weltblick eines bloß
denkenden Geistes ist, sondern eines solchen, der auch die Seelenkräfte des Willens,
der Angst, der Sehnsucht, der Liebe, des Glaubens kennt und zum Aufbau dieses
umfassendsten Seelen- und Weltbildes verwertet.
Oswald Spengler und das Christentum JZ^^^e
Aufsätze von Dr. Karl Heim, Prof. der Theologie in Tübingen, und D. R. H. Grütz-
macher, Prof. der Theologie in Erlangen. M 35.—
„Heims Gedanken haben hoffentlich vielen Mut gemacht, sich mit Spengler zu be-
schäftigen. Wir Theologen sollen ihn nicht als Modekrankheit abtun, wir sollten jeden-
falls dem Schicksalsgedanken, der nach Heims Meinung eine , bleibende Bedeutung'
gibt und , innerlich weit über Kant und Hegel und den ganzen deutschen Idealismus
hinausführt', ernsthaft nachdenken." Schwartzkopff (Mecklenburg. Kirchen- und
Zeitblatt).
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck München
C. H.'Beck'sche Buclidruckerci in Nördlingen
Date Due
MARI 1 '4
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ÄPH 2 6 'S
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Library Bureau Cat. No. 1137
226 St8
CLAPP
3 5002 02035 6007
Strack, Hermann Uberecht
Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud
BS 2344 . SS4 1922 1
Strack, Hermann Leberecht
1848-1922. '
Kommentar zum Neuen
Testament aus Talmud und
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