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Full text of "Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch"

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DAS  EVANGELIUM 
NACH  MATTHÄUS 

ERLÄUTERT 

AUS  TALMUD  UND  MIDRASCH 

VON 

HERMANN  L.  »TRACK 

UND 

PAUL  BILLERBECK 


MÜNCHEN  1922 

C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR  BECK 


•'opyriiflit  \*2>  by  C.  H.  Beck'uch«  VuilaKubiiclihaiKlIuiiK.  Oskar  Beck.  Miln.lien 


VORWORT 

Der  Herr  hat  nach  seiner  leiblichen  Herkunft  dem  jüdischen  Volke  an- 
gehört und  zwar  als  ein  Nachkomme  Davids  Rom  1,3;  Hebr7,14; 
vgl.  Mt  15,22;  20,33.1  Auch  Markus  und  Matthäus,  Johannes,  Paulus 
und  Petrus  und  die  andren  Verfasser  der  neutestamentlichen  Schriften 
(außer  Lukas)  sind  Juden  gewesen.  Zum  rechten  Verständnis  ihrer 
Äußerungen  muß  man  also  das  Judentum  jener  Zeit  nach  Leben  und 
Denken  kennen.  Man  hat  daher  schon  vielfach  versucht,  die  altjüdische 
Literatur  zur  Erläuterung  des  Neuen  Testamentsheranzuziehen.  Manches, 
aber  nicht  Ausreichendes  bieten  Apokryphen  und  Pseudepigraphen. 
Aus  den  Talmuden  und  Midraschen  haben  namentlich  John  Lightfoot, 
t  1699,  J.  G.  Meuschen,  Chr.  Schöttgen,  f  1751,  Job.  Jak.  V\^ettstein, 
t  1754,  in  neuerer  Zeit  Franz  Delitzsch,  f  1890,  August  Wünsche  mit 
Eifer  Stoff  gesammelt;  aber  ihre  Arbeiten  sind,  zumal  in  ihrer  Gesamt- 
heit, nur  wenigen  zugänglich;  außerdem  sind  sie  unvollständig  und 
vieles  in  ihnen  ermangelt  der  Kritik,  ist  auch  sonst  fehlerhaft. 

Den  gesamten  der  Erläuterung  des  Neuen  Testaments  dienlichen 
Stoff  aus  der  altjüdischen  Literatur  zu  sammeln,  zu  sichten  und  in 
zuverlässiger  Übersetzung  bequem  zugänglich  zu  machen,  war  seit 
Jahrzehnten  der  Wunsch  des  ersten  der  beiden  Unterzeichneten.  Aber 
für  solch  ein  Werk  reicht  eines  einzelnen  Zeit  und  Kraft  nicht  aus.  So 
verband  er  sich  im  Juni  1906  mit  Pastor  Paul  Billerbeck,  dessen  Kennt- 
nisse und  Fleiß  schon  seit  1899  in  der  Zeitschrift  „Nathanael"  sich 
bewährt  hatten.  Auf  Grund  des  vorgelegten  Planes  und  des  schon  vor- 
handenen Stoffes  hat  dann  P.  B.  das  Ganze  im  Zusammenhange  be- 
arbeitet; H.  Str.  hat  es  danach  einer  genauen  Durchsicht  für  den  Druck 
unterzogen.  So  entstand  in  16 jährigem  Bemühen  ein  weit  über  den 
eigentlich  beabsichtigten  Umfang  hinausgehendes  vierbändiges  Werk 
(I:  Mt;  H:  Mk,  Lk,  Job,  Apg;  HI:  Briefe  und  Offb;  IV:  Abhandlungen 
zur  neutestamentlichen  Theologie  und  Archäologie),  dessen  ersten, 
umfangreichsten  Band  wir  jetzt  vorlegen.  Mit  Dank  gegen  Gott,  der 
unsre  Hände  stärkte;  mit  Dank  auch  gegen  die  Freunde,  welche  zur 
Deckung  der  während  des  großen  Krieges  und  noch  mehr  nach  ihm  ins 
Ungeheuerliche  gestiegenen  Herstellungskosten  beitrugen  —  Freunde 

*  Theod.  Fritsch  (Beweismaterial  gegen  Jahwe,  3.  Aufl.,  Leipzig  1913),  Paul  Haupt- 
Baltimore  (Orientalistische  Literaturzeitung,  Mai  1908),  Friedrich  Delitzsch  (Die  große 
Täuschung,  Berlin  1920),  Friedrich  DöUinger  (Baidur  und  Bibel,  Nürnberg  1920)  und, 
ihnen  folgend,  viele  andre  wollen  zwar  glauben  machen,  Jesus  sei  ein  Arier  gewesen; 
ihre  Behauptungen  sind  aber  völlig  haltlos. 


VI  Vorwort. 

besonders  in  den  neutral  gebliebenen  Ländern  und  in  USAmerika,,  zwei 
auch  in  England  —  ein  erfreuliches  Zeichen  dafür,  daß  doch  hier  und 
da  die  Erkenntnis  sich  Bahn  bricht,  daß  die  so  fui'chtbar  zerspaltene 
Christenheit  zu  Ehren  der  Kirche  und  der  Wissenschaft  wieder  zu- 
sammenzuhalten anfangen  müsse. 

Nicht  eine  eigentliche  Auslegung  des  Neuen  Testaments,  sondern 
das  zu  seinem  Verständnis  aus  Talmud  und  Midrasch  zu  gewinnende 
Material  wollten  wir  darbieten;  den  Glauben,  die  Anschauungen  und 
das  Leben  der  Juden  in  der  Zeit  Jesu  und  der  ältesten  Christenheit 
wollten  wir  objektiv  darlegen.  Zu  diesem  Zwecke  wurde,  soweit 
irgend  möglich,  jedem  Ausspruche  und  Zitate  der  Name  des  Autors 
mit  Zeitangabe  beigefügt.  Nachdrücklich  verwahren  wir  uns  dagegen, 
daß  aus  dem  hier  (zB  zur  Bergpredigt)  Gesammelten  auf  die  gegen- 
wärtig wirklich  oder  angeblich  innerhalb  des  Judentums  geltenden 
Anschauungen  ein  Schluß  gezogen  werde.^ 

Die  hebräischen,  bezw.  aramäischen  Texte  sind  nach  Möglichkeit 
treu  übersetzt;  doch  haben  wir  die  wichtigsten  Ausdrücke  nach  dem 
Wortlaute  des  Originals  beigefügt.  Parallele  Stellen,  die  nicht  wörtlich 
übereinstimmen,  sind  meist  nach  beiden *(bezw.  auch  nach  mehr)  Über- 
lieferungen mitgeteilt,  damit  jeder  derjenigen  folgen  kann,  die  er  für 
die  älteste  oder  sonst  beste  hält.  —  Manche  Wiederholungen  ließen 
sich  nicht  gut  vermeiden.  Andrerseits  wird  ein  Register  dafür  sorgen, 
daß  der  Leser  das,  was  an  andrer  als  der  zunächst  nachgeschlagenen 
Stelle  des  Werkes  steht,  leicht  auffinden  kann. 

Wenn  unsre  Arbeit  dazu  dient,  das  Verständnis  des  Neuen  Testa- 
ments zu  fördern,  und  gleichzeitig  einen  Beweis  gibt  für  die  trotz 
vielem  noch  vorhandene  Lebenskraft  der  deutschen  Wissenschaft, 
werden  wir  uns  für  die  viele  Jahre  hindurch  aufgewendete  Mühe  reich 
belohnt  fühlen. 

Der  zweite  Band  ist  bereits  in  der  Druckerei. 

Berlin  und  .Frankfurt-Oder,  26.  Juli2  1922 

H.  L.  Strack        P.  Billerbeck 


*  Für  die  Juden  der  Gegenwart,  insonderheit  die  Deutschlands,  sind  bindend  die 
„lö  Grundsätze  der  jüdischen  Sittenlehre"  vom  Dezember  1885  und  die  unter  feierlicher 
Anrufung  des  Namens  Gottes  im  Januar  1893  gegebene  Erklärung  von  220  Rabbinern. 
Beide  Dokumente  sind  abgedruckt  in  H.  Strack,  Jüdische  Geheimgesetze?,  7.  Aufl., 
Berlin  1921,  CA.  Schwetschke  &  Sohn,  S.  15—18. 

"^  An  demselben  Tage,  an  welchem  H.  Str.  vor  45  Jahren,  1877,  Professor  der 
Theologie  in  Berlin  geworden  ist. 


Abkürzungen  und  benützte  Ausgaben. 

A.  Traktate  in  Mischna,  Talmud,  Tosephta. 

BB:  Baba  Batina  Men(achoth) 

BM:  Biiba  M  ?i?a  Mafaö(roth) 

BQ:  Baba  Qamnia  MS:  Mafaäer  Scheni 

B  kh(oroth)  Miqv(aoth) 

Bik(kunni)  N'g(afim) 

B'iakh(oth  I  N'-dCaiim,) 

Git(tin)  SophCrim) 

Hor(ajoth)  Sanh{edrin) 

Z'b(achiiii)  ?AZ:   ?Aboda  Zara 

Chag(igaj-  -Edujljoth) 

Chul(lin)  'Er(ubin) 

T<'h(arotlij  .  ?Ar(akhini 

J*^b(aniotli)  '  P'^s(acliiiu) 

Jad(ajim)  Qid(duschin) 

Kil(iajimi  RH:  Rosch  Ha-schana 

K'th(ubboth)  Sch«^bu(foth) 

M'g(il]a)  •  Schab(bath) 

Mid(dothj  Sch'^q(alim) 

MQ:  Mofed  Qatan  T^mlura) 

Mak{koth)  Ta?an(ith) 

,  Makhsch(iiini  T  rum(oth) 

pT:  palästin.  Talmud:  Krakau  1609.  ||  bT:  babylon.  Talmud:  Amsterdam  1644  ff. 
(so  nur  in  Fällen  des  Zweifels).  ||  Tosfephta):  M.  S.  Zuckermandel,  Pasewalk  1880;  un- 
mittelbar vor  dem  Namen  eines  Traktats:  T,  zB:  TM'^g. 

Die  Mischna  ist  nach  Kapitel  und  Paragraph  zitiert,  zB:  Schab  3,4;  der  bT  nach 
Blatt  und  Seite,  zB:  Schab  .30'- ;  der  pT  nach  Kapitel,  Blatt,  Spalte  und  Zeile.  Die 
Kapitelzahlen  des  pT  und  der  Tos  in  fetter  Schrift. 

B.  Midraschim  (s.  Einl.  S.  202  ff.). 

R:  Rabba.    GnR,  ExR,  LvR,  NuR,  DtR:  Venedig  1545. 

Midrasch  zu  den  M' gilloth  (HL:  Hoheslied,  KL:  Klagliederj:  Lemberg  1861. 

M'kh(iltha):  Wien  1865  (Weiß). 

S(iphra)  Lv:  Bukarest  1860  (Malbim). 

S(iphre)  Nu,  Dt:  Wilna  1864  (Friedmann). 

Midr  Sm:  Krakau  1893  (Buber). 

Midr  Ps:  Wilna  1891  (Buber). 

Midr  Spr:  Wilna  1893  (Buber). 

Tanch(uma):  Wien  1863. 

TanchB:  Wilna  1885  (Buber). 

P<siq(tha):  Lyck  1868  (Buber). 

P''siq(tha)  R(abbathi):  Wien  1880  (Friedmannj. 

Pirqe  R(abbi)  El(ifezer):  Prag  1784. 


V'III  Abkürzungen  und  benutzte  Ausgaben. 

Seder  Elij(jaba)  Rabba  und  Zuta:  Wien  1902  (Friedinann). 
Aggadath  B'^reschith:  Warschau  1876. 
Aboth  (d*")  R^abbi)  N^athan). 
Jalqut  Schimfoni:  VVilna  1898. 
Leqach  Tob:  Wilna  1884  (Buber). 


Levy:   J.  Levy,   Neuhebräisches   und  Chaldäisches  Wörterbuch,  4  Bände,  Leipzij; 
1876—1889. 
Baraitha). 
zuk.  W.:  zukünftit'e  Welt. 


Zur  Ergänzung  des  vorstehenden  Werkes  dienen  folgende  Schriften  von  H.  L.  Strack 
(die  Einl.  im  Verlage  der  C.  H.  Beck'schen  Buchhandlung  in  München,  alles  andre  bei 
der  J.  C.  Hinrichs'schen  Buchhandlung  in  Leipzig: 

1.  Einleitung  in  Talmud  und  Midras.  5.,  ganz  neubearbeitete  Auflage  1921 
(244  S.  Lex.-8»),  geb. 

2.  Ausgewählte  Misnatraktate  (nach  Handschriften  und  alteuDrucken  heraus- 
gegeben, Text  vokalisiert,  Vokabular  und  mit  Berücksichtigung  des  Neuen  Testaments 
erläutert): 

Aboth  „Sprüche  der  Väter^  4.  Aufl.  1915  (84  S.). 

fAboda  Zara  „Götzendienst",  2.  AuÜ.  1909  (51  S.). 

Sanhedrin-Makkoth  .Gerichtshof,  Geißelstrafe',  1910  (116  S.). 

P'sahim    ^Passahfest"    (mit  Berücksichtigung  auch  der  jetzigen  Passahfeier  der 

Juden),  1911  (88  S.). 
B'rakhoth  „Lobsagungen",  1915  (56  S.). 
Jonia  „Versöhnungstag",  3.  Aufl.  1912  (zur  Zeit  vergriffen). 
Sabbath   „Sabbat%  189(i  (zur  Zeit  vergriffen). 
In  Vorbereitung:  N'^'ziqin:  drei  Baboth  „Beschädigungen".  ||  Prof.  H.Laible  N^'darim 

„Gelübde". 

3.  Jesus,  die  Häretiker  und  die  Christen  nach  den  ältesten  jüdischen  An- 
gaben.  Texte,  Übersetzung  und  Erläuterung.    1910  (128  S.). 


Evangelium  nach  Matthäus. 

1,151:  Buch  von  der  Herkunft  Jesu  Christi. 

1,  BißXog  ysvsGsüig,  falls  Überschrift  des  ganzen  Ev,  =  Buch  der 
Geschichte  Jesu  Christi,  ninbin  nso;  falls,  was  das  WahrscheinHchere, 
Üb.  nur  der  nachfolgenden  Genealogie  =  i^örai  nsö  oder  '••  nkp  (Be- 
lege s.  zu  Nr.  4),  vgl.  Neh  7,  5  -irn^^n  ^bd,  aram.  o^irT^  "iso. 

2.  Die  Prüfung  und  Feststellung  der  Herkunft  der  einzelnen  jüdi- 
schen Familien  wird  als  ein  Werk  Esras  gerühmt.  Dieser  soll  nur 
solche  Familien  in  Babylonien  zurückgelassen  haben,  deren  legitime 
Abstammung  nicht  anzuzweifeln  war.a  Man  meinte,  die  eheliche  Ver- 
bindung zwischen  legitimen  u.  illegitimen  Familien  im  Lande  Israel 
sicherer  überwachen  zu  können  als  in  Babylonien.  So  zogen,  wie  schon 
Hillel,  "iirjfj  der  Alte  (um  30  v.  Chr.),  behauptet  hat,  zehnerlei  genea- 
logisch zu  unterscheidende  FamiMenklassen  unter  Esra  nach  Palästina 
hinauf,  über  deren  eheliche  Verbindung  untereinander  die  Mischna  die 
näheren  Bestimmungen  fixiert  hat.b 

a.  Qid  69'':  R.  El?azar  (um  270  n.  Chr.)  hat  gesagt:  Esra  zog  nicht  eher  aus 
Babel  herauf,  als  bis  er  B.  gleichsam  zu  reinem  Feinmehl  gemacht  hatte  (Feinmehl  =^ 
frei  von  Vermischung  mit  illegitimen  Familien.  i|  Qid  69*^  u.  71=*:  Rab  J^'huda  (f  299) 
hat  gesagt:  Sch'^muel  (in  N4iarde?a,  f  254)  habe  gesagt:  Alle  Länder  sind  Teig  dem 
Lande  Israel  gegenüber,  u.  das  Land  Isr.  ist  Teig  Babel  gegenüber  (welches  allein 
Feinmehl  ist,  d.  h.  in  bezug  auf  Reinheit  der  Abstammung  steht  die  Judenschaft  Baby- 
loniens  am  höchsten).  ||  Qid  71^:  In  den  Tagen  Rabbis  (Einl.  133)  suchte  man  Babel 
zum  Teig  dem  Lande  Isr.  gegenüber  zu  machen.  Da  sagte  er  zu  ihnen:  „Dornen  werft 
ihr  mir  in  meine  Augen  [R.  stammte  nämlich  von  dem  aus  Bab.  eingewanderten  Hillel 
dem  Alten,  Einl.  118,  ab].  R.  Chanina  b.  Chama  [R.s  Schüler]  möge  sich  mit  euch 
befassen."  Dieser  sprach  zu  ihnen:  ,So  habe  ich  es  von  Jischmaf'el  ben  Jose  emp- 
fangen, der  im  Namen  seines  Vaters  [b.  Chalaphta]  gesagt  hat:  Alle  Länder  sind  Teig 
dem  Lande  Isr.  gegenüber,  u.  das  Land  Isr.  ist  Teig  B.  gegenüber."  In  den  Tagen 
des  R.  Pin'^chas  (b.  Chama,  um  360)  suchte  man  B.  zum  Teig  dem  Lande  Isr.  gegen- 
über zu  machen.  Er  sagte  zu  seinen  Dienern:  Wenn  ich  zwei  Aussprüche  im  Lehr- 
hause getan  haben  werde,  dann  tragt  mich  eilends  auf  dem  Ruhelager  fort.  Im  Lehr- 
hause sagte  er  dann:  ,Das  rituelle  Schlachten  des  Geflügels  stammt  nicht  aus  der 
Tora."  Und  während  sie  darüber  nachsannen,  sagte  er:  „Alle  Länder  sind  Teig  dem 
Lande  Isr.  gegenüber,  und  das  Land  Isr.  ist  Teig  B.  gegenüber."  Da  trugen  sie  ihn 
eilends  auf  dem  Ruhelager  fort.  Man  lief  ihm  nach,  erreichte  ihn  aber  nicht.  Sie 
säßen  u.  prüften  (die  genealogischen  Tabellen),  bis  sie  in  Gefahr  kamen  (die  Illegi- 
timität einiger  Familien  an  den  Tag  zu  bringen);  da  trennten  sie  sich. 

b.  Qid  75 a:  Rab  J^huda  (t  299)  hat  gesagt:  Hillel  hat  gelehrt:  Zehnerlei  Familien- 
klassen sind  aus  Babel  heraufgezogen,  und  alle  (die  nicht  in  die  Gemeinde  Israel  ein- 
treten dürfen)  durften  einander  ehelichen.  —  Dazu  vgl.  Qid  4,  1 — 3:  Zehnerlei  Familien- 
klassen zogen  aus  Babel  herauf:  Priester,  Leviten,  Israeliten,  Profane  (Chalalim,  Priester- 
kinder von  einer  gesetzlich  verbotenen  Mutter),  Proselyten,  Freigelassene,  Bastarde 
(Nachkommen  von  Eltern,  auf  deren  fleischliche  Vermischung  die  Strafe  der  Ausrottung 
durch  die  Hand  des  Himmels  stand;  so  nach  der  rezipierten  Ansicht  des  Schimfon 
aus  Teman  um  110  n.  Chr.,  J'^b  4,  1.3),  N^thinim  (Nachkommen  der  Gibeoniter,  die  Josua 

Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  1 


2  Matth  1, 1  (31  2.  3) 

zu  Holzspaltern  u.  Wasserschöpfern  am  Heiligtum  machte,  Jos  9,  3  ff.),  Scli**thuqim  u. 
Findlinge.  Priester,  Leviten  u.  Israeliten  dürfen  einander  ehelichen;  Leviten,  Israeliten, 
Profane,  Proselyten  u.  Freigelassene  dürfen  einander  ehelichen ;  Proselyten,  Freigelassene, 
Bastarde,  N'^thinim,  Sch'thuqim  u.  Findlinge,  sie  alle  dürfen  einander  ehelichen.  ^Dies 
sind  Sch^thuqim:  jeder,  der  seine  Mutter  kennt  u.  seinen  Vater  nicht  kennt  (dessen 
Vater  p-r-v  =  verschwiegen  bleibt),  u.  Findlinge:  jeder,  der  von  der  Straße  aufgelesen 
ist  u.  weder  Vater  noch  Mutter  kennt.  ^AUe,  die  nicht  in  die  Gemeinde  (Israel)  ein- 
treten dürfen,  dürfen  einander  ehelichen. 

3.  Die  Aufstellung  u.  Fortführung  genealogischer  Register  wurde 
dadurch  notwendig,  daß  zum  Dienst  am  Heiligtum  u.  zu  den  damit 
verbundenen  Gerechtsamen,  wie  auch  zu  öffentlichen  Ehrenämtern, 
nur  Männer  sicherer  u.  makelloser  Abstammung  zugelassen  werden 
durften  (vgl.  schon  Esra  2,  61—63;  Neh  7,  63— 65).a  Welche  Voraus- 
setzungen zB  erfüllt  sein  mußten,  wenn  die  Abstammung  eines 
Priesters  als  legitim  anerkannt  werden  sollte,  kann  man  den  Bestim- 
mungen entnehmen,  die  für  den  Priester  bei  Eingehung  einer  Ehe 
maßgebend  waren. b  Wo  diese  Bestimmungen  außer  acht  gelassen 
wurden,  galt  die  Nachkommenschaft  als  mit  einem  Makel  behaftet. 
Die  Prüfung  der  Legitimität  der  Herkunft  lag  dem  Synedriumc  nach 
fest  bestimmten  Regeln c  ob.  Selbst  die  im  Auslande  wohnenden  Priester 
versäumten  es  nicht,  vor  ihrer  Verehelichung  die  zur  Prüfung  ihres 
eigenen  Stammbaumes,  sowie  desjenigen  ihrer  Verlobten  erforderlichen 
Urkunden  nach  Jerusalem  einzusenden. d 

a.  Qid  4,  4  f. :  Wenn  ein  Priester  eine  Frau  priesterlichen  Geschlechts  heiratet, 
so  muß  man  rückwärts  die  vier  Mütter  (mütterliche  Vorfahren  der  Braut  während  der 
letzten  vier  Generationen),  deren  Zahl  acht  beträgt,  prüfen;  nämlich  ihre  Mutter  u.  die 
Mutter  ihrer  Mutter,  die  Mutter  des  Vaters  ihrer  Mutter  u.  deren  Mutter;  die  Mutter 
ihres  Vaters  u.  deren  Mutter,  die  Mutter  des  Vaters  ihres  Vaters  u.  deren  Mutter. 
Wenn  er  die  Tochter  eines  Leviten  oder  eines  Israeliten  heiratet,  so  fügt  man  zu 
diesen  (vier  Generationen)  noch  eine  Generation  hinzu.  ^Dagegen  bedarf  es  keiner 
Prüfung  vom  Altar  an  aufwärts,  vom  Dukhan  an  aufwärts  u.  vom  Synedrium  an  auf- 
wärts. Desgleichen  dürfen  alle,  von  denen  feststeht,  daß  ihre  Vorfahren  zu  den  öffent- 
lichen Beamten  oder  zu  den  Almosenpflegern  gehört  haben,  ihre  Töchter,  ohne  daß  es 
nötig  ist,  eine  Prüfung  aufwärts  anzustellen,  an  die  Priesterschaft  verheiraten.  [Denn 
wenn  ein  Priester  am  Altar  gedient  hat  u.  ein  Levit  auf  dem  Dukhan,  einer  östlich 
vom  Altar  befindlichen  Estrade,  als  Sänger  mitgewirkt  hat,  oder  wenn  jemand  Mitglied 
einer  Gerichts-  oder  einer  sonstigen  öffentlichen  Behörde  war,  so  war  dessen  legitime 
Herkunft  ja  schon  geprüft;  mithin  war  eine  erneute  Prüfung  der  Ahnen  seiner  Tochter 
nicht  nötig,  falls  diese  an  einen  Priester  verheiratet  werden  sollte.] 

b.  Ein  Priester  sollte  nur  die  Tochter  eines  Priesters  oder  eines  Leviten  oder  eines 
vollbürtigen  Israeliten  heiraten;  also  nicht  die  Tochter  eines  profanierten  Priesters 
(Gbäläl),  eine  Proselytin  usw.;  s.  Qid  4,  1  Cohen  S.  1).  il  Josephus  c.  Apion.  1,  7:  Wer 
teilhat  am  Priestertum,  soll  mit  einem  Weibe,  die  seinem  Volke  angehört,  Kinder  er- 
zeugen u.  nicht  auf  Reichtum  u.  andere  Ehren  blicken,  sondern  die  Familie  prüfen, 
von  den  Ahnen  die  Geschlechtsfolge  herleitend  u.  viele  Zeugen  beibringend.  |  Antiq. 
3,  12,2:  -Die  Heiligkeit  der  Priester  machte  Mose  doppelt  groß;  denn  auch  diese  hielt 
er  wie  alle  übrigen  (Israeliten)  von  dergleichen  Dingen  (Unzucht)  zurück,  u.  außerdem 
verwehrte  er  ihnen  Buhlerinnen,  eine  Sklavin  oder  eine  Kriegsgefangene  zu  heiraten, 
desgleichen  solche  Frauen,  die  aus  dem  Betriebe  einer  Schenkwirtschaft  oder  einer 
öffentlichen  Herberge  ihren  Lebensunterhalt  erwarben  oder  von  ihren  früheren  Männern 


Matth  1, 1  (5t  3)  3 

aus  irgendwelchem  Grunde  gescliieden  waren.  Dem  Hohenpriester  aber  erlaubte  er 
auch  nicht,  das  Weib  eines  verstorbenen  Mannes  zu  heiraten,  während  er  dies  den 
übrigen  Priestern  zugestand.  Nur  eine  .Jungfrau  gestattete  er  ihm.  Vgl.  J'^b  6,  4  f. : 
Ein  Hoherpriester  soll  keine  Witwe  heiraten,  sie  sei  eine  Witwe  aus  der  Verlobungszeit 
her  oder  eine  Witwe  aus  der  Ehe.  Auch  soll  er  keine  völlig  Mannbare,  bogereth, 
heiraten  (sondern  nur  eine  naf'''rä,  eine,  die  12 — 12V-2  Jahre  alt).  ...  Er  soll  keine 
heiraten,  die  ihre  Jungfrauschaft  durch  einen  Unfall  verloren  hat  (wörtlich:  eine  durch 
Holz  Verletzte).  'Ein  gewöhnlicher  Priester  soll  keine  Unfruchtbare,  ailonith,  heiraten, 
es  sei  denn,  daß  er  schon  Frau  u.  Kinder  hat.  R.  J%uda  (b.  Elfai  um  150)  sagte:  Auch 
wenn  er  Frau  u.  Kinder  hat,  soll  er  keine  Unfruchtbare  heiraten;  denn  diese  ist  unter 
^Hure"  zu  verstehen,  von  der  in  der  Tora  (Lv  21,  7)  geredet  wird.  Aber  die  Gelehrten 
sagten:  Unter  „Hure"  ist  nur  eine  Proselytin  oder  eine  Freigelassene  oder  eine  durch 
hurerische  Beiwohnung  Geschwächte  zu  verstehen.  ||  Siphra  zu  Lv21,7  (379*):  Eine 
Hure  oder  eine  Entweihte  sollen  sie  (die  Priester)  nicht  ehelichen;  u.  ein  von  ihrem 
Manne  verstofsenes  Weib  sollen  sie  nicht  ehelichen.  ,Eine  Hure":  R.  J^huda  sagte: 
Damit  ist  eine  Unfruchtbare  gemeint.  Aber  die  Gelehrten  sagten:  Damit  ist  nur  eine 
Proselytin  oder  eine  Freigelassene  oder  eine  durch  hurerische  Beiwohnung  Geschwächte 
gemeint.  R.  Elsazar  (b.  Schammua?  um  150)  sagte:  Damit  ist  eine  Ledige  gemeint,  der 
ein  Lediger  beiwohnt  ohne  die  Absicht,  dadurch  die  Ehe  zu  schließen.  ,Oder  eine 
Entweihte",  ch^lälä.  Welche  ist  eine  Entweihte?  Diejenige,  die  von  einem  abstammt, 
der  zu  all  den  für  das  Priestertum  untauglichen  Priestern  gehört  (über  chäläl  s.  Qid 
4,  1  oben  S.  1  y).  „Ein  verstoßenes  Weib."  Daraus  entnehme  ich  nur,  daß  er  ein  solches 
nicht  ehelichen  soll;  woher  läßt  sich  aber  beweisen,  daß  er  auch  eine  nzinVr:  (eine 
Witwe,  die  an  ihrem  Schwager  die  Zeremonie  des  Schuhausziehens  vollzogen  hat.  Dt 
25,9)  nicht  ehelichen  darf?  Das  beruht  auf  der  Schlußfolgerung:  wenn  eine  Ver- 
stoßene, die  dem,  der  sie  verstoßen  hat,  wieder  (zur  Ehe)  erlaubt  ist,  untauglich  für 
die  Priesterschaft  ist,  so  ist  es  folgerichtig,  daß  eine  Chalucja,  die  zu  dem,  der  sie 
entlassen  hat,  nicht  wieder  zurückkehren  darf,  untauglich  für  die  Priesterschaft  ist.  .  .  . 
Oder  wenn  du  lieber  willst:  es  heißt  „und. ein  (verstoßenes)  Weib",  um  (durch  dieses 
„und")  die  Ghalu9a  miteinzuschließen.  (Anm.:  Diese  Benutzung  des  „und"  auch  Qid  78'''', 
jyjj  24"^  mit  dem  Zusatz,  daß  das  die  Chalu9a  betreffende  Verbot  von  den  Rabbinen 
herstamme  u,  die  Schriftstelle  nur  zur  Anlehnung  diene).  ||  Targ.  Jerusch.  I  Lv  21,7: 
Ein  Weib,  welches  buhlt  in  Hurerei,  oder  das  erzeugt  ist  von  solchen,  die  für  den 
Priesterstand  untauglich  sind,  sollen  sie  nicht  heiraten;  u.  ein  Weib,  welches,  sei  es 
von  ihrem  Manne,  sei  es  von  ihrem  (zur  Leviratsehe  verpflichteten)  Schwager,  ent- 
lassen ist,  sollen  sie  nicht  heiraten.  ||  Qid  4,  6  f.:  Die  Tochter  eines  chälfü  ist  untauglich 
für  die  Priesterschaft  auf  ewig  (iV-y?  nach  Qid  77*  =  auf  drei  Geschlechter).  Wenn 
ein  Israelit  eine  Entweihte  geheiratet  hat,  so  ist  seine  Tochter  tauglich  für  die  Priester- 
schaft; wenn  ein  Entweihter  die  Tochter  eines  Israeliten  geheiratet  hat,  so  ist  seine 
Tochter  untauglich  für  die  Priesterschaft.  R.  J^huda  (b.  Elf ai)  sagte:  Mit  der  Tochter 
eines  Proselyten  verhält  es  sich  wie  mit  der  Tochter  eines  Entweihten.  R.  Elifezer  b. 
Jasaqob  (um  150)  sagte:  Wenn  ein  Israelit  eine  Proselytin  heiratet,  so  ist  seine  Tochter 
tauglich  für  die  Priesterschaft,  u.  wenn  ein  Proselyt  die  Tochter  eines  Israeliten 
heiratet,  so  ist  seine  Tochter  tauglich  für  die  Priesterschaft.  Aber  wenn  ein  Proselyt 
eine  Proselytin  geheiratet  hat,  so  ist  seine  Tochter  für  die  Priesterschaft  untauglich; 
das  gilt  sowohl  für  den  Proselyten  als  auch  für  freigelassene  Sklaven,  selbst  bis  ins 
zehnte  Geschlecht,  bis  die  Mutter  aus  Israel  (=  eine  Israelitin)  ist.  R.  Jose  (b.  Gha- 
laphta,  um  150)  sagte:  Auch  wenn  ein  Proselyt  eine  Proselytin  heiratet,  ist  seine 
Tochter  tauglich  für  die  Priesterschaft.   Ähnlich  Bikkurim  1,  5. 

c.  Mid  5,4:  Dort  (in  der  Quaderhalle,  vgl.  Schürer  2,  211  f.)  pflegte  das  große 
Synedrium  Israels  seine  Sitzungen  zu  halten  u.  die  Priesterschaft  (nach  ihrer  Taug- 
lichkeit zum  Priesteramt)  zu  beurteilen,  ij  Tos  Sanh  7,  1  (425),  Chag  2,  9  (235):  Dort  (in 
der  Quaderhalle)  saßen  sie  u.  prüften  die  Abstammung  der  Priesterschaft  u.  die  der 
Levitenschaft.    Ähnlich  Qid  76 '\    Über  die  Prüfungsnormen  s.  Qid  4,  4  f.  (S.  2). 

1* 


4  Matthl,!  (513.  4) 

d.  Josephus  c.  Apion.  1,  7:  Die  Prüfung  der  Vorfahren  beobachten  wir  nicht  nur 
im  jüdischen  Lande  selbst,  sondern  wo  nur  immer  ein  Teil  unsres  Geschlechts  sich 
befindet,  da  erhält  sich  auch  die  den  Priestern  geltende  genaue  Bestimmung  betreffs 
ihrer  Verehelichung;  ich  meine  die  Priester  in  Ägypten  u.  in  Babylonien,  u.  wo  sonst 
in  der  Welt  etliche  aus  dem  Priestergeschlecht  zerstreut  leben;  denn  sie  senden  nach 
Jerusalem  Verzeichnisse,  die  väterlicherseits  den  Namen  der  Eltern  u.  der  früheren 
Ahnen  enthalten,  auch  welche  Leute  die  Zeugen  (für  die  einzelnen  Angaben)  sind. 

4.  Das  Vorhandensein  glaubwürdiger  genealogischer  Tabellen  in 
der  neutest.  Zeit  kann  hiernach  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden. 
Ausdrücklich  werden  solche  mehrfach  in  der  älteren  jüdischen  Literatur 
erwähnt,  zum  Teil  auch  inhaltlich  skizziert. 

Josephus  gibt,  Vita  1,  seinen  Stammbaum  väterlicherseits  auf  Grund  öflFentlicher 
Eintragungen  für  einen  Zeitraum  von  rund  200  Jahren  an,  u.  zwar  so  genau,  daß  er 
selbst  das  Geburtsjahr  der  einzelnen  Vorfahren  namhaft  machen  kann.  Derselbe  be- 
richtet (c.  Apion.  1,  7),  daß  nach  größeren  Kriegen,  wie  zB  zur  Zeit  des  Antiochus 
Epiphanes,  des  Pompejus,  des  Quintilius  Varus,  die  überlebenden  Priester  aus  den  alten 
genealogischen  Aufzeichnungen  neue  Register  aufgestellt  haben.  ||  J*^b  4, 13:  R.  Schim?on 
ben  ?Azzai  (um  110)  hat  gesagt:  Ich  habe  eine  genealogische  Rolle,  m^^gillath  juchasin, 
in- Jerusalem  gefunden,  in  der  geschrieben  stand:  Der  und  der  Mann  ist  ein  Mamzer 
(Bastard)  von  einer  verheirateten  Frau.  Dasselbe  als  Bar  J'b  49 ^\  1!  pTafan  4,  2  (68*,  45): 
R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Eine  genealogische  Rolle  hat  man  in  Jerusalem  gefunden, 
in  der  geschrieben  stand:  Hillel  (30  v.  Chr.)  stammte  von  den  Nachkommen  Davids; 
Ben  Je9eph  von  den  Nachkommen  Asaphs;  Ben  (j'i9ith  Hakkassath  [der  Name  nach 
Levy  2,371*;  vgl.  Gittin  56^  19]  von  den  Nachkommen  Abners;  Ben  Qobisin  [in  der 
Parallele  GnR  98  (62^)  Kobschin;  Levy  4,  239''  Qaposai]  von  den  Nachkommen  Ahabs; 
Ben  Kalba  Schabua?  (um  70  n.  Chr.)  von  den  Nachkommen  Kalebs;  R.  Jannai  (um  225) 
von  den  Nachkommen  Elis.  [Hier  im  Text  eine  Lücke]  von  J®hud  von  Sepphoris  [die 
Parallele  GnR  98  (62=^)  liest:  die  Familie  Jehus  (stammt)  aus  Sepphoris];  R.  Chijja  der 
Ältere  (um  200)  von  den  Söhnen  des  Sch^'phatja,  des  Sohnes  der  Abital  (2  Sm  3,4); 
R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150)  von  den  Söhnen  Jonadabs  ben  Rekhab  (2  Kg  10,  15); 
R.  Nechemja  (um  150)  von  Nechemja,  dem  Statthalter  (Neh  8,9;  10,2).  Die  Parallele 
GnR  98  hat  mehrere  Abweichungen. 

pKil  9,  32 '^  u.  pK'^th  12,  35 ^  36:  Rabbi  war  sehr  bescheiden.  Er  pflegte  zu  sagen: 
Alles,  was  mir  ein  Mensch  sagt,  würde  ich  tun,  nur  nicht  was  die  Vorfahren  der 
Familie  Bathyra  meinem  Vorfahren  (Hillel,  dem  Alten)  getan  haben,  die  sich  selbst 
von  der  Patriarchenwürde  zurückzogen  u.  Hillel  (an  ihrer  Statt  zum  Patriarchen)  er- 
nannten. Wenn  der  (babylon.)  Exilarch  Rah  Huna  (um  200)  hierher  käme,  würde  ich 
ihn  über  mich  setzen;  denn  er  stammt  von  (unsrem  Stammvater)  Juda  u.  ich  von 
Benjamin  ab,  er  väterlicherseits  u.  ich  mütterlicherseits.  GnR  33  (20*^)  lautet  der 
Schlußsatz:  ,Er  väterlicherseits  von  Juda  u.  ich  mütterlicherseits."  —  Hiernach  hat 
Rabbi  seinen  väterlichen  Stammbaum  auf  Benjamin,  seinen  mütterlichen  auf  Juda 
zurückgeführt.  Deshalb  ist  er  bereit,  dem  Exilarchen  Rab  Huna  einen  gewissen  Vorzug 
einzuräumen.  —  Was  hier  von  dessen  Abstammung  gesagt  ist,  stimmt  überein  mit 
pKil  9,  32%  58:  Als  der  Exilarch  Rab  Huna  gestorben  war,  brachte  man  ihn  nach 
Palästina.  Man  sagte:  Wo  wollen  wir  ihn  bestatten?  Man  sagte:  Man  lege  ihn  neben 
R.  Chijja  den  Älteren  (um  200),  denn  er  (der  Exilarch)  ist  von  dessen  Familie.  — 
Hierzu  vgl.  oben  pTafan  4,2  (68*,  45),  wo  es  heißt,  daß  Chijja  der  Ältere  von  den 
Söhnen  des  Sch'^phatja  abstammte,  der  nach  2  Sm  3,  4  ein  Sohn  Davids  von  der  Abital 
war.  II  Von  Rabbis  Abstammung  handeln  noch  folgende  Stellen:  a.  Schab  56*  sagt  Rab 
(t  247),  daß  Rabbi  von  David  herkomme  -i-'s  ts.  Das  müßte  nach  dem,  was  Rabbi 
von  sich  selbst  sagt,  von  seiner  Abstammung  mütterlicherseits  verstanden  werden. 
Daraus  würde  folgen,  daß  Hillel  der  Alte,  den  Rabbi  seinen  Vorfahren  nennt  und  von 


Matth  1, 1  (51  4)  5 

dem  es  pTa?an  heißt,  dafs  er  von  den  Nachkommen  Davids  stammte,  ebenfalls  nur 
mütterlicherseits  ein  Abkömmling  Davids  gewesen  ist.  ß.  Sanh  5"  Bar:  „Nicht  wird 
das  Zepter  von  Jehuda  weichen"  (Gn  49,  10),  damit  sind  die  Exilarchen  in  Babel  ge- 
meint, die  Israel  mit  autonomer  Herrschergewalt  beherrschen;  „noch  der  Führerstab 
von  seinen  Füßen",  damit  sind  die  Nachkommen  Hilleis  (die  palästinischen  Patriarchen) 
gemeint,  die  die  Tora  öffentlich  lehren  (nur  Lehrgewalt  besitzen).  —  Die  Belegstelle 
Gn  49,  10  macht  es  wahrscheinlich,  daß  diese  Ausführung  auch  genealogisch  dahin  ver- 
standen sein  will,  daß  sowohl  die  babylonischen  Exilarchen  als  auch  die  palästinischen 
Patriarchen  ihre  Abstammung  auf  den  Stammvater  Juda  zurückführen  könnten;  die 
geringere  Macht  des  paiäst.  Patriarchenhauses  würde  dann  ihren  Grund  eben  darin 
haben,  daß  dieses  nur  mütterlicherseits  von  Juda  abstammte,  die  babyl.  Exilarchen 
väterlicherseits.  Parallelstelle:  Hör  11^^  vgl.  auch  Sanh  38*.  ;'.  Völlig  im  Widerspruch 
mit  diesen  Angaben  über  Rabbis  Ab.stammung  steht  K'th  62'':  Rabbi  befaßte  sich  mit 
der  Verheiratung  seines  Sohnes  mit  einer  Tochter  des  R.  Chijja  (des  Alteren).  Als  er 
die  Hochzeitsverschreibung  aufsetzen  wollte,  verschied  das  Mädchen.  Rabbi  sprach: 
Sollte  etwa,  was  Gott  verhüte!  ein  Makel  vorliegen  (um  dessentwillen  der  Tod  die 
Heirat  hinderte)'?  Sie  saßen  u.  prüften  die  Familien:  Rabbi  kam  her  von  Sch'-'phatja, 
dem  Sohn  der  Abital  (der  nach  2  Sm  3,4  ein  Sohn  Davids  war),  u.  R.  Chijja  kam  her 
von  Schimfa,  dem  Bruder  Davids  (2  Sm  13,3).  —  Hiernach  wäre  Rabbi  väterlicherseits 
ein  Davidide  gewesen,  u.  zwar  durch  gerade  denjenigen  Sohn  Davids,  der  oben  pKil 
als  Ahn  Chijjas  des  Älteren  genannt  ist.^  Jedenfalls  zeigen  diese  Stellen,  daß  Rabbi 
genealogische  Aufzeichnungen  über  seine  Herkunft  von  David,  bezw.  von  Juda  be- 
sessen hat. 

Ta?an  4,  5  bringt  nähere  Angaben  über  die  freiwilligen  Holzlieferungen  an  das 
Heiligtum  (vgl.  Neh  10,  35).  Dabei  heißt  es:  „Am  15.  Ab  brachten  (ihre  Holzlieferung) 
dar  die  Söhne  Zattu  ben  J'^huda  (s.  Esra  2,  8)  u.  zusammen  mit  ihnen  Priester  u.  Leviten, 
ferner  jeder,  der  sich  über  seinen  Stamm  in  Irrtum  (in  Ungewißheit)  befand."  Danach 
scheint  es,  daß  verhältnismäßig  nur  wenige  über  ihre  Stammes-  u.  Familienzngehörigkeit 
Zweifel  hegten.  Die  Mehrzahl  der  grundbesitzenden  Holzlieferanten  war  sich  über  ihre 
Abstammung  völlig  klar.  Sie  sorgten  auch  dafür,  daß  diese  Kenntnis  ihren  Nach- 
kommen erhalten  blieb.  Lehrreich  ist  'in  dieser  Hinsicht  Tafan  12^  {—  fErub  41*). 
Hier  sagt  R.  Elfazar  b.  Qadoq  (I.  um  100)  mit  Bezug  auf  die  Angabe  Tasan  4,  5,  daß 
für  die  Söhne  Snasa  b.  Binjamin  (Esra  2,  35)  der  10.  Ab  der  Holzablieferungstermin 
gewesen  sei,  folgendes:  „Ich  gehöre  zu  den  Söhnen  3s:c  (so!)  b.  Binjamin;  einmal  fiel 
der  9.  Ab  (Tag  der  Zerstörung  Jerusalems)  auf  einen  Sabbat,  u.  so  verschob  man  ihn 
(den  9.  Ab,  da  man  ihn  an  einem  Sabbat  nicht  als  Fast-  u.  Trauertag  begehn  durfte) 
auf  den  Tag  nach  dem  Sabbat  (also  auf  den  10.  Ab,  den  Holzablieferungstag  der  Söhne 
S^naiäa),  u.  wir  fasteten  an  ihm  (dem  10.  Ab),  aber  nicht  den  ganzen  Tag  hindurch, 
weil  er  (als  unser  Holzlieferungstag)  für  uns  ein  Festtag  war."  —  R.  Elfazar  b.  (^adoq 
ist  priesterlichen  Geschlechts  gewesen  (s.  ßüchler,  Die  Priester  u.  der  Kultus,  S.  126), 
er  kann  also  den  Söhnen  S'^naia  b.  Binjamin  nur  durch  mütterliche  Abstammung  an- 
gehört haben.  Gleichwohl  kennt  er  ganz  genau  die  genealogischen  Beziehungen,  die 
ihn  mit  jenen  Nichtahroniden  verbinden.  Das  war  aber  doch  nur  dann  möglich,  wenn 
die  verwandtschaftlichen  Zus.hänge  sei  es  durch  schriftliche,  sei  es  durch  mündliche 
Familientraditionen  vor  einem  Vergessenwerden  geschützt  wurden.  ]]  J^'b  105'"^:  R.  Sch*^'- 
muel  b.  Ammi  (um  325)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um  220)  habe  gesagt:  Woher,  daß 
ein  (göttlicher)  Gerichtsbeschluß,  mit  dem  ein  Schwur  verbunden  ist,  nicht  zerrissen 
wird?  Weil  es  heißt  (1  Sm  3,  14):  „Darum  habe  ich  dem  Hause  fElis  geschworen: 
nicht  soll  die  Sünde  des  Hauses  fElis  gesühnt  werden  durch  Schlachtung  u.  Opfergabe 


1  Damit,  daß  man  die  Angaben  über  Rabbis  u.  R.  Chijjas  Abstammung  einfach 
vertauscht,  wird  der  Widerspruch  nicht  gehoben;  denn  als  Sproß  des  Schimsa,  des 
Bruders  Davids,  würde  Rabbi  männlicherseits  ein  Nachkomme  Isais  u.  Judas  gewesen 
sein,  was  ja  Rabbi  sonst  in  Abrede  stellt. 


6  Matthl.l  (514.  SBl) 

in  Ewigkeit."  Rabbah  (f  330,  s.  Einl.  143y)  hat  gesagt:  Durch  Schlachtung  u.  Opfer- 
gabe wird  sie  nicht  gesühnt  werden,  aber  durch  die  Worte  der  Tora  (d.  h.  durch  die 
Beschäftigung  mit  ihnen)  wird  sie  gesühnt  werden.  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Durch 
Schlachtung  u.  Opfergabe  wird  sie  nicht  gesühnt  werden,  aber  durch  Liebeserweisungen 
wird  sie  gesühnt  werden.  Rabbah  u.  Abaje  stammten  vom  Hause  sElis  ab:  Rabbah, 
der  sich  (nur)  mit  der  Tora  beschäftigte,  wurde  40  Jahre  alt;  Abaje,  der  sich  mit  der 
Tora  u.  mit  Lieb'eserweisungen  beschäftigte,  wurde  60  Jahre  alt.  —  Dasselbe  RH  18'^ 
mit  veränderter  Autorenangabe  u.  unter  Nennung  Rabas  zu  Anfang  statt  Rabbah.  Über 
die  chronologischen  Schwierigkeiten,  die  der  Schlufssatz  bietet,  u.  deren  Beseitigung  s. 
Bacher,  Babyl.  Amor.  148 ff.  —  |l  pRH  2,  58^  7:  R.  Chijja  b.  Ba  (um  280)  stand  u.  betete. 
Es  kam  R.  Kahana  u.  stellte  sich  hinter  ihm  zum  Beten  hin.  Als  R.  Chijja  b.  Ba  mit 
seinem  Gebet  fertig  war,  setzte  er  sich,  um  nicht  vor  jenem  vorüberzugehn.  R.  Kahana 
aber  machte  es  lang  mit  seinem  Beten.  Als  er  fertig  war,  sprach  R.  Chijja  zu  ihm: 
So  mögt  ihr  es  bei  euch  (in  Babylonien)  gewöhnt  sein,  eure  Großen  (Lehrer)  zu  martern! 
Dieser  antwortete:  Rabbi,  ich  bin  vom  Hause  fElis,  u.  über  dies  steht  geschrieben 
(1  Sm  3, 14):  ,Es  soll  nicht  gesühnt  werden  die  Schuld  des  Hauses  ?Elis  durch  Schlach- 
tung u.  Opfergabe  in  Ewigkeit!"  Durch  Schlachtung  u.  Opfergabe  wird  ihm  nicht 
Sühnung  verschafft,  wohl  aber  durch  das  Gebet.  Da  betete  R.  Chijja  für  ihn,  u.  dieser 
wurde  gewürdigt,  so  alt  zu  werden,  bis  seine  Nägel  rot  wurden  wie  bei  einem  jungen 
Kinde.  —  Dasselbe  pSanh  1,  18*=,  39;  Midr  Sm  10  §  1  (38'').  —  Auch  die  in  den  beiden 
letzten  Zitaten  genannten  jüdischen  Gelehrten  werden  genealogische  Aufzeichnungen 
zur  Hand  gehabt  haben,  aus  denen  sie  ihre  Abstammung  von  ?Eli  glaubten  beweisen 
zu  können. 

Mit  dem  P'^s  62 '^  zweimal  erwähnten  „Buch  der  Genealogieen*  i^oni"^  ■^ed  sind  die 
kanonischen  Bücher  der  Chronica  gemeint;  die  Stellen  sind  für  den  vorliegenden  Zus.- 
hang  bedeutungslos. 

1,1^:  Christus. 

1.  XQiatöc  artikellos  gebraucht  (in  Mt  noch  1,  16.  18;  27,  17.  22) 
hat  den  Charakter  eines  Eigennamens,  während  o  XQiarog  appellative 
Bedeutung  („der  Gesalbte")  festhält  u.  so  zur  Amtsbezeichnung  oder 
zum  Titel  des  im  AT  verheißenen  u.  in  Jesu  erschienenen  Königs  der 
Heilszeit  wird.  Daher  übersetze  Vr^crofc  Ägiarog:  Jesus  Christus,'/,  o  Xq.: 
Jesus  der  Messias  (Gesalbte),  oder:  der  Messias  Jesus. 

XQiavog  ist  hebräisch  rj^-q-o,  rj^-a^rj;  aramäisch  fj-^^p;  determiniert 
xri-'dp;  aus  der  aramäischen  Form  ist  das  gräzisierte  Msaaiaq.  (Joh.  1,  41; 
4, 25)  geflossen,  das  häufiger  bezeugt  ist  als  das  zunächst  zu  erwartende 
Msmag.  —  In  der  rabbinischen  Literatur  ist  M.  durchgängig  Titel  des 
endgeschichtlichen  Heilskönigs,  Dabei  läßt  sich  beobachten,  daß  bT 
meist  das  artikellose  n-^ir^,  bezw,  das  nichtdeterminierte  n^rp  gebraucht, 
doch  findet  sich  auch  n^ui^n  u.  xn^ir^.  Regelmäßig  wird  rTii!;:2n  gesagt 
in  der  Verbindung  n^-ian  nio-?  „die  Tage  des  Messias"  =  Messiaszeit.  — 
In  den  palästin.  Schriftwerken  überwiegt  n^ir^on,  bezw.  das  determinierte 
xn^'ro.  Artikelloses  n^d^  liest  man  zB  Siphre  Dt  1, 1  §  1  (65*);  P^siq  149^ 
(2mal);  Midr  Ps  43  §  1  (134--*);  29  §  2  (116»);  Nu  R  13  (170%  3mal);  14 
(172'^);  Tanch  n^p  120^  Midr  Spr  19  §  21  (44 a);  Aggad  B^resch  63  (44 b, 
2mal);  Tanch  m-ibin  35-^  Midr  Ps  18  §  5  (69-);  Seder  Elij  R  18  (98).  || 
Eine  vollere  Amtsbezeichnung  des  Messias  ist  das  ungemein  häufige 
n-i'^an  -^_-q,  aram.  xriiä^  ^■zrq  „der  König,  der  Messias"  =  der  messia- 


Matth  1,1  (331.2)  7 

nische  König,  nicht:  „der  König  Messias".  —  Belege  bei  Dalman, 
Worte  Jesu  1,  239  ff. 

2.  Die  Bezeichnung  „der  Gesalbte",  „der  Messias"  stammt  aus 
messianisch  gedeuteten  Stellen  wie  Ps  2,  2;  18,  51;  20,  7;  89,  52;  132, 17; 
1  Sm  2,  10;  2  Sm  22,  51.  Wenn  die  altjüdische  Gemeinde  hier  von  dem 
„Gesalbten  Jahves"  las,  gegen  den  die  Völker  sich  zus. rotten  werden, 
u.  dessen  Hilfe  Gott  sein  wird  —  an  wen  sollte  sie  dabei  denken, 
wenn  nicht  an  den  König  der  heilsgeschichtlichen  Endzeit?  So  wurde 
der  Ausdruck  Maschiach  wie  von  selbst  zur  kürzesten  Bezeichnung 
des  erwarteten  Erlöserkönigs. 

Ps  2,  2.  TanchB  hd  §  24  (27  ••^):  R.  Aibo  (um  320)  hat  im  Namen  des 
R.  Eli^ezer  b.  Jose  des  Galiläers  (um  150)  gesagt:  An  drei  Stellen  (der 
Schrift)  bilden  die,  welche  in  die  Welt  kommen,  eine  Partei  gegen 
Gott.  Einmal  in  den  Tagen  Josuas,  Jos  9,  2:  „Da  taten  sich  zusammen 
(alle  Könige)  allzumal,  um  mit  Josua  u.  Israel  einmütig  zu  kämpfen." 
Was  heißt  „allzumal"?  Daß  sie  gegen  Gott  eine  Partei  bildeten.  Dann 
in  den  Tagen  Gogs  u.  Magogs  (also  in  der  messianischen  Zeit),  Ps  2,  2: 
„Die  Könige  der  Erde  stellen  sich  auf  u.  die  Fürsten  sitzen  zusammen 
wider  Jahve  u.  wider  seinen  Messias."  Endlich  hier,  Gnll,l:  „Es 
hatte  aber  die  ganze  Erdbevölkerung  Eine  Sprache  u.  einerlei  Worte."  || 
B'^rakh  7'^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim^on  b.  Jochai 
(um  150)  gesagt :  Schlimmer  ist  schlechte  Zucht  im  Hause  eines  Menschen, 
als  der  Krieg  Gogs  u.  Magogs  (in  der  messianischen  Zeit).  Denn  es 
heißt,  Ps  3, 1;  „Ein  Lied  von  David,  da  er  vor  seinem  Sohn  Absalom 
floh",  u.  hinterher  steht  geschrieben  (Vers  3):  „Wie  viel  sind  meiner 
Dränger!  Viele  stehen  auf  wider  mich."  Und  siehe,  beim  Kriege  Gogs 
u.  Magogs  heißt  es,  Ps2,  If.:  „Warum  toben  die  Heiden"  usw.?  (David 
mußte  fliehen,  die  Worte  der  Heiden  bleiben  nur  Worte.)  ||  ^AZ  3'': 
Wenn  sie  (die  Proselyten  der  messian.  Zeit)  den  Krieg  Gogs  u.  Magogs 
sehn  werden,  werden  sie  zu  diesen  sagen:  Warum  seid  ihr  gekommen? 
Sie  werden  antworten:  Gegen  Jahve  u.  seinen  Messias  (sind  .wir  ge- 
kommen), s.  Ps  2,  If.:  „Warum  toben  die  Heiden"  usw.?  ||  P^siq  79'': 
R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Auch  Gog  u.  Magog  werden  dereinst  (in 
der  messian.  Zeit)  also  sagen:  Töricht  sind  die  Früheren  gewesen,  daß 
sie  sich  mit  schlimmen  Plänen  gegen  Israel  erhoben  haben,  ohne  zu 
bedenken,  daß  diese  einen  Schutzherrn  im  Himmel  haben.  Ich  werde 
nicht  so  tun,  sondern  zuerst  werde  ich  mich  an  ihren  Schutzherrn  u. 
hinterher  an  sie  selbst  machen;  das  meint  Ps2,2:  „Die  Könige  der 
Erde  stellen  sich  auf  u.  die  Fürsten  sitzen  zusammen  wider  Jahve  u. 
seinen  Messias."  —  Dasselbe  Lv  R  27  (126'');  TanchB  ni^x  §  18  (48*); 
Midr  Ps  2  §  4  (13");  Midr  Esth  3,  12  (97 b). 

Psl8,  51.  pB^rakh  2,  5^,  10:  Die  Rabbinen  sagten:  Dieser  König, 
der  Messias,  xn-^^r^a  x^b^  ^rzn.  wird,  ob  er  von  den  Lebenden  oder  von 
den  Entschlafenen  sein  wird,   David  heißen.    R.  Tanchuma  (um  380) 


8  Matthl.l  (33  2) 

sagte:  Ich  will  den  Schriftgrund  sagen:  „Der  Gnade  erzeigt  seinem 
Messias,  David"  Ps  18,51.  Dasselbe  Midr  KL  1, 16  (59-'');  als  Autor  des 
Eingangssatzes  ist  hier  R.  Sch^muel  b.  JiQchaq  (um  300)  genannt. 

Ps  20,  7.  Midr  HL  4,  8  (114  b):  R.  J^^^hoschua^  b.  Levi  (um  250)  hat 
gesagt:  Wenn  (der  König)  Hiskia  ein  Lied  über  den  Sturz  Sanheribs 
gesungen  hätte,  so  wäre  er  zum  König,  dem  Messias,  niir^n  -\h-a  ge- 
worden, u.  Sanherib  zu  Gog  u.  Magog.  Aber  er  tat  nicht  also,  sondern 
sagte,  Ps  20,  7:  „Nun  weiß  ich,  daß  Jahve  seinem  Messias  hilft"  usw. 
Was  steht  hinterher  geschrieben?  „Jahve,  hilf  dem  Könige  (hier  heißt 
es  also  nicht  mehr:  „dem  Messias",  die  Würde  war  verscherzt);  er 
erhöre  uns  an  dem  Tage,  da  wir  rufen"  (das.  Vers  10). 

Ps89,52.  Midr  Ps  18  §5  (68  b):  „Der  (d.i.  David)  Jahven  die  Worte 
dieses  Liedes  redete",  Ps  18,  1.  R.  Judan  (um  350)  hat  gesagt:  Das 
meint  die  Schrift  Ps  7 1 , 7  möpheth :  „  Wie  ein  Vorzeichen  (so  der  Midrasch) 
bin  ich  vielen  geworden."  David  sprach:  Wie  ich  kein  Lied  gesungen 
habe,  bis  ich  geschmäht  wurde  u,  bis  vier  Helden  in  meine  Hand  fielen 
u.  bis  der  Fingerreiche  in  meine  Hand  fiel:  so  werden  auch  die  Israe- 
liten vor  dir  kein  Lied  singen,  bis  sie  geschmäht  worden  sind  u.  bis 
vier  in  ihre  Hand  gefallen  sind  u.  bis  die  mit  den  Zehen  Gemeinten 
in  ihre  Hand  gefallen  sind.  Wie  denn?  Er  wurde  geschmäht  von 
Goliath,  der  Isr.  schmähte  u.  David  fluchte,  u.  er  fiel  in  seine  (Davids) 
Hand;  desgleichen  der  Fingerreiche,  wie  es  heißt  2  Sm  21,  20:  „Und 
es  war  da  ein  streitsüchtiger  Mann  u.  die  Finger  seiner  Hände  u.  die 
Zehen  seiner  Füße  waren  je  sechs,  vierundzwanzig  an  der  Zahl";  u.  es 
fielen  vor  ihm  vier,  wie  es  heißt,  das.  Vers  22:  „Diese  vier  waren  Ab- 
kömmlinge der  Rephaiten  in  Gath  u.  fielen  in  die  Hand  Davids  u.  die 
Hand  seiner  Knechte."  Und  unmittelbar  darauf  heißt  es,  2  Sm  22, 1: 
Da  redete  David  zu  Jahve  die  Worte  dieses  Liedes,  So  werden  auch 
die  Israeliten,  wenn  der  Messias  (Maschiach  ohne  Artikel)  bald  in 
unseren  Tagen  kommen  wird,  kein  Lied  singen,  bis  der  Messias  (Ha- 
maschiach)  geschmäht  wird,  wie  es  heißt  Ps  89,  52:  „Die  da  schmähen 
die  Fußtapfen  deines  Messias",  bis  vor  ihm  die  mit  den  Zehen  Ge- 
meinten gefallen  sind,  das  ist  das  frevlerische  (römische)  Reich,  wie 
es  heißt  Dn  2,  42:  „Die  Zehen  waren  teils  eisern,  teils  tönern",  u.  bis 
die  vier  (Welt-)Reiche  vor  ihm  gefallen  sind,  wie  es  heißt  Sach  14,  2: 
„Ich  will  alle  Heidenvölker  wider  Jerusalem  versammeln";  sofort  heißt 
es,  das.  Vers  3:  „Und  ausziehen  wird  Jahve  u.  streiten  mit  diesen 
Völkern."  In  jener  Stunde  werden  die  Israeliten  ein  Lied  singen,  wie  es 
heißt  Ps  98, 1 :  Singet  Jahven  ein  neues  Lied,  denn  er  hat  Wunder  getan. 

Ps  132,  17.  J'^lamm'^denu  (Jalqut  Schim.  1  §  47  Ende):  R.  Schim?on 
b.  Laqisch  (um  250)  hat  vorgetragen:  Sieben  Einweihungsfeiern  (gab 
es  in  der  Schöpfungswoche).  Die  erste:  am  Anfang  schuf  Gott  u.  sprach: 
„Es  werde  Licht",  Gnl,3,  siehe,  das  war  die  erste  Leuchte.  Am 
zweiten  Tage:  es  entstehe  ein  Firmament  inmitten  der  Wasser  usw. 


Matth  1, 1  (SB  2)  9 

Gleich  einem  Architekten,  der  ein  Fundament  legen  wollte,  u.  er  nahm 
eine  JL/euchte  u.  erleuchtete  (den  Ort),  so  erleuchtete  die  Tora  (die 
Fundamentierung  der  Welt),  s.  Spr6,23:  „Denn  eine  Leuchte  ist  das 
Gebot  und  die  Tora  ein  Licht."  Am  dritten  Tage  wurden  die  Bäume 
geschaffen  und  das  Öl  des  Ölbaumes,  das  Licht  spendet,  s.  Ex  27,  20: 
„Sie  sollen  dir  Olivenöl  für  den  Leuchter  bringen."  Am  vierten  Tage 
wurden  die  Himmelslichter  geschaffen  u.  der  Thron  Davids,  s.  Ps  89,  37: 
„Und  sein  Thron  wie  die  Sonne  vor  mir",  u.  ferner  steht  geschrieben 
Ps  132, 17:  „Ich  will  dem  David  ein  Hörn  sprossen  lassen,  habe  eine 
Leuchte  aufgestellt  für  meinen  Messias."  Am  fünften  Tage  wurden 
die  Blitze  geschaffen,  s.  Ps  77,  19:  „Die  Stimme  deines  Donners  im 
Wirbel,  Blitze  erhellten  den  Erdkreis."  Am  sechsten  Tage  wurden 
Adam  u.  Eva  geschaffen,  s.  Spr  20,  27:  „Eine  Leuchte  Jahves  ist  des 
Menschen  Seele."  Am  siebenten  Tage  findest  du  keine  Leuchte.  R.Schim^on 
b.  Laqisch  hat  gesagt:  Gleich  einem  Könige,  der  seine  Tochter  ver- 
heiratete u.  mitten  im  Hochzeitsgemach  dastand;  muß  man  (noch) 
fragen,  ob  es  ganz  Licht  war?  Und  woher  sagst  du,  daß  alle  (jene) 
sieben  Tage  Licht  war?  Weil  es  heißt  Jes  30,  26:  „Es  wird  das  Licht 
des  Mondes  sein  gleich  dem  Sonnenlicht,  u.  das  Licht  der  Sonne  wird 
siebenfältig  sein  wie  das  Licht  der  sieben  (Schöpfungs-)Tage.  j|.LvR31 
Ende:  R.  Chanin  (um  300)  hat  gesagt:  Um  des  Verdienstes  willen,  daß 
ihr  die  ständige  Leuchte  aufsetzt,  werdet  ihr  gewürdigt  werden,  die 
Leuchte  des  Königs,  des  Messias  rr^ffiian  -^-o  zu  begrüßen.  Was  ist  der 
Schriftgrund?  „Dort  will  ich  dem  David  ein  Hörn  sprossen  lassen, 
habe  eine  Leuchte  aufgestellt  für  meinen  Messias"  Ps  132, 17.  !|  TanchB 
fi^inr  §  6  (46=0:  ,Und  dies  ist  die  Hebe  .  .  .  Gold,  Silber  u.  Erz"  Ex  25,  3. 
„Gold",  entsprechend  dem  Reiche  Babel,  s.  Dn  2,  32;  „Silber",  das  ist 
das  Reich  Medien,  s.  Esth  3,  9;  „Erz",  das  ist  das  Reich  Griechenland, 
das  das  minderwertigste  von  allen  war.  „Und  rotgefärbte  Widderfelle" 
Ex  25,  5,  das  ist  das  Reich  Edom  (=  römisches  Reich),  s.  Gn  25,  25: 
„Es  kam  der  erste  rötlich  heraus."  Gott  sprach:  Wenn  ihr  auch  diese 
vier  Reiche  sich  über  euch  erheben  seht,  bei  eurem  Leben!  ich  lasse 
euch  Hilfe  sprossen  mitten  aus  der  Knechtschaft  heraus!  Was  steht 
hinterher  geschrieben?  „Öl  für  den  Leuchter"  Ex  25,  6.  Was  bedeutet 
der  Leuchter?  Das  ist  der  König,  der  Messias  n">r-2n  -■;-,  s.  Ps  132, 17: 
„Dort  will  ich  dem  David  ein  Hörn  sprossen  lassen,  habe  eine  Leuchte 
aufgestellt  für  meinen  Messias."  —  Vgl.  Midr  Ps  75  §  5  (170^)  im  fol- 
genden Absatz. 

1  Sm  2, 10.  Midr  KL  2,  3  (65^):  Zehn  Hörner  gibt  es  (in  der  Schrift): 
das  Hörn  Abrahams,  s.  Jes  5,  1  (wo  der  Herzensfreund  Abraham  ist) ; 
das  Hörn  Isaaks,  s.  Gn  22, 13;  das  Hörn  Josephs,  s.  Dt  33, 17;  das  Hörn 
Moses,  s.  Ex  34,29;  das  Hörn  der  Tora,  s.  Hab  3,4;  das  Hörn  des 
Priestertums,  s.  Psll2,  9;  das  Hörn  des  Levitentums,  s.  lChr25,  5; 
das  Hörn  der  Prophetie,  s.  1  Sm  2, 1;  das  Hörn  des  Heiligtums,  s.  Ps 


10  Matthl,!  (93  2.  3) 

22,22;  das  Hörn  Israels,  s.  Ps  148,14;  und  einige  sagen:  das  Hörn 
des  Messias  n^u;^  hTä  inp,  s.  1  Sm  2,10:  „Er  gibt  Macht  seinem  Könige 
und  erhöht  das  Hörn  seines  Messias."  —  Die  Parallelstelle  Midr  Ps  75 
§5  (170'')  liest  zum  Schluß:  Das  Hörn  des  Königs,  des  Messias,  ib-o 
rsiü^n  in  der  Königsherrschaft,  s.  1  Sm  2, 10:  „Er  erhöht  das  Hörn 
seines  Messias";  das  Hörn  Davids  in  dem  Licht  des  kommenden  Tages 
(der  zukünftigen  Welt),  s.  Ps  132, 17:  „Dort  will  ich  dem  David  ein 
Hörn  sprossen  lassen,  habe  eine  Leuchte  aufgestellt  für  meinen  Ge- 
salbten," —  Diese  Stelle  läßt  auf  die  Königsherrschaft  des  Messias  in 
der  messianischen  Zeit  noch  folgen  das  Regiment  Davids  in  der  zu- 
künftigen Welt;  sie  deutet  daher  Ps  132, 17  nicht  auf  den  Messias; 
vgl.  zu  Job  1,  1  st'  ccQxfi  '^'  ^  ^oyoq  B,  b,  y.  —  Midr  Sm  4  §  3  (28")  wird 
das  Hörn  des  Messias  überhaupt  nicht  erwähnt,  wohl  aber  das.  5  §  17 
(32^):  Wann  wird  Gott  (die  Hörngr)  an  ihre  Stelle  zurückbringen? 
Wann  er  erhöhen  wird  das  Hörn  des  Königs,  des  Messias  rr^'^rnn  -ibn, 
s.  lSm2,  10:  „Er  wird  Macht  seinem  König  geben  u.  wird  erhöhen 
das  Hörn  seines  Messias."  ||  Targ  1  Sm  2, 10:  Jahve  wird  Rache  nehmen 
an  Magog  (in  der  messian.  Zeit)  u.  an  den  Scharen  der  räuberischen 
Völker,  die  mit  ihm  kommen  von  den  Enden  der  Erde,  u.  er  wird 
Stärke  .seinem  König  verleihen  u.  groß  machen  die  Königsherrschaft 
seines  Messias.  ||  Vgl.  im  Achtzehn-Gebet  Nr.  15  der  babyl.  Rezension: 
Den  Sproß  Davids  (=  den  Messias)  laß  eilends  aufsprossen,  u.  sein 
Hörn  werde  hoch  durch  deine  Hilfe.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der  das 
Hörn  der  Hilfe  (des  Heils)  sprossen  läßt!  ||  Im  Gebet  Abinu  Malkenu^ 
finden  sich  die  Worte:  „Unser  Vater,  unser  König,  laß  uns  Hilfe  sprossen 
in  naher  Zeit!  Unser  Vater,  unser  König,  erhöhe  das  Hörn  deines  Volkes 
Israel!  Unser  Vater,  unser  König,  erhöhe  das  Hörn  deines  Messias!" 

2  Sm  22,  51.  Midr  Ps  18  Ende:  (R.  Judan,  um  350,  sagte:)  Was  be- 
deutet bi-is'^  (2  Sm  22,  51  nach  dem  Q^re)?  Daß  ihnen  der  König,  der 
Messias  n^ir-an  -^-o,  wie  ein  Turm  b'i?p  sein  wird,  u.  ebenso  heißt  es 
Spr  18, 10:  Ein  fester  Turm  ist  der  Name  Jahves;  dahinein  eilt,  der 
Gerechte  u.  ist  aufgehoben. 

3.  Die  ältesten  Stellen,  in  denen  der  erwartete  Heilskönig  als 
„Messias"  bezeichnet  wird,  begegnen  in  den  vorchristl.  Pseudepigraphen. 
Doch  nur  in  Verbindung  mit  dem  Gottesnamen  (als  Kgiaroc  Kvgiov  = 
r\-r>'^  rp-q-o)^  oder  in  Verbindung  mit  einem  auf  Gott  bezüglichen  Per- 
sonalsuffix (als  mein,  dein,  sein  Messias) ;b  das  absolute  „der  Messias" 
erst  in  4.  Esra  u.  der  syrischen  Baruchapokalypse,c  zwei  Schriften,  die 
gegen  100  n.  Chr.  entstanden  sind.  Dieser  absolute  Gebrauch  des  Aus- 
drucks hängt  wohl  mit  dem  Bestreben  zus.,  den  Gottesnamen  möglichst 
wenig  anzuwenden  (Dalman  1,  232  f.).   In  der  rabbin.  Literatur  findet 


'   Einige  Sätze   aus  ihm  hat  bereits  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  in  einem  Fastengebet 
zitiert,  s.  Ta?an  25''. 


Matthl,!  (SB  3.  6  1)  H 

sich  von  Anfang  an  allgemein  das  kurze  n-^iu^n  oder  xn^a'^;  die  vollere 
Form  ^-^i  sn-^nri  fast  nur  in  den  Targumen,  soweit  der  alttest.  Text 
dazu  Veranlassung  gab ;  d  gleichfalls  selten  ist  die  Verbindung  des  Wortes 
niü-a  mit  einem  auf  Gott  bezüglichen  Personalsuffix. e 

a.  Ps  Sal  17,  32:  (Der  verheilsene  Davidide  herrscht  als)  gerechter  König,  von  Gott 
unterwiesen,  über  sie,  u.  in  seinen  Tagen  geschieht  kein  Unrecht  unter  ihnen,  weil  sie 
alle  heilig  sind,  u.  ihr  König  der  Messias  (Gesalbte)  des  Herrn  ist,  xal  ßctat'/.svs  ccvrißv 
XQiarog  Kvqlov  (so  ist  zu  lesen  statt  Kgiardg  Kvgiog).  ||  Das.  18,  6  f.:  Selig,  wer  in  jenen 
Tagen  leben  wird  u.  schauen  darf  das  Heil  des  Herrn,  das  er  deui  kommenden  Ge- 
schlechte schafft  unter  der  Zuchtrute  des  Messias  des  Heri'n  XQiazov  Kvqlov  in  der 
Furcht  seines  Gottes. 

b.  Ps  Sal  18,5:  Gott,  reinige  Israel  auf  den  Tag  der  heilsamen  Gnade,  auf  den 
Tag  der  Auswahl  elg  ■fjfxsQai'  ix'koyrjg,  wenn  sein  Messias  Xqigtov  athov  zur  Herrschaft 
kommt.  II  —  Henoch  43, 10:  Niemand  wird  da  sein,  der  sie  (die  Könige  u.  Mächtigen  der 
Erde)  in  seine  Hände  nähme  u.  aufrichtete,  weil  sie  den  Herrn  der  Geister  u.  seinen 
Messias  (Gesalbten)  verleugnet  haben.  ||  Das.  52,  4:  Der  Engel  sprach  zu  mir  (Henoch): 
Alles  dies,  was  du  gesehen  hast,  dient  der  Herrschaft  seines  Messias  (Gesalbten), 
■damit  er  mächtig  u.  stark  auf  Erden  sei.  —  Einige  Beispiele  aus  späterer  Zeit  s  Anm.  c. 

C.  4  Esra  7,  28  f. :  Mein  Sohn,  der  Messias  (filius  meus  Messias,  so  Syr  u.  Arab  1 ; 
das  lat.  'Jesus'  ist  christl.  Korrektur),  wird  sich  offenbaren  samt  allen  bei  ihm  (wie 
Henoch,  Mose,  Esra,  Elias)  u.  wird  den  Übergebliebenen  Freude  geben,  400  Jahre  lang. 
Nach  diesen  Jahren  wird  mein  Sohn,  der  Messias  (filius  meus  Christus),  sterben  u.  alle, 
die  Meuschenodem  haben.  ||  Das.  12,  32:  (Der  Löwe  .  .  .,)  das  ist  der  Messias  (Unctus), 
den  .der  Höchste  bewahrt  für  das  Ende  der  Tage,  der  aus  dem  Samen  Davids  erstehn 
u.  auftreten  wird.  \]  Apoc  Bar  29,  3:  Nachdem  das,  was  sich  in  jenen  Abschnitten  er- 
eignen wird,  vollendet  ist,  wird  der  Messias  (Messias)  anfangen,  sich  zu  offenbaren. 
Das.  30,  1 :  Danach,  wenn  die  Zeit  der  Ankunft  des  Messias  (tempus  adventus  Messiaej 
sich  vollendet,  wird  er  in  Herrlichkeit  (in  den  Himmel)  zurückkehren.  —  |[  In  Verbindung 
mit  einem  Personalsuffix  liest  man  Messias  Apoc  Bar  39,  7 :  Und  wenn  die  Zeit  seines 
(des  4.  Weltreichs)  Endes  herbeigekommen  ist,  daß  es  zu  Falle  kommen  wird,  alsdann 
wird  sich  die  Herrschaft  meines  Messias  (Messiae  mei)  offenbaren.  |  Das.  40,  1 :  Sie 
werden  ihn  (den  letzten  Regenten  des  4.  Weltreichs)  auf  den  Berg  Zion  hinaufschaffen, 
u.  mein  Messias  (Messias  meus)  wird  ihn  zur  Rede  stellen  wegen  aller  seiner  Frevel- 
taten. ...  I  Das.  72,  2:  Nachdem  die  Wunderzeichen,  von  denen  früher  zu  dir  (Baruch) 
geredet  worden  ist,  gekommen  sein  werden  —  wenn  die  Völker  in  Verwirrung  versetzt 
werden  u.  die  Zeit  meines  Messias  (Messiae  mei)  kommen  wird  — ,  da  wird  er  alle 
Völker  berufen,  u.  einige  wird  er  am  Leben  erhalten  u.  einige  töten. 

d.  zB.  Targzu  Jes28,  5;  4,2. 

e.  Gebet  Habinenu:  Es  mögen  die  Gerechten  sich  freuen  .  .  .  über  das  Sprossen 
des  Horns  für  David,  deinen  Knecht,  u.  über  die  Herrichtung  einer  Leuchte  für  den 
Sohn  Isais,  deinen  Messias  ■-"o"':.  Ähnlich  im  Musaphgebet  für  den  Neujahrstag  pa- 
-"s  in  (bei  Dalman  1,  306).  '.Dein  Messias"  auch  Targ  2  Sm  22,  32;  Ps  18,  32;  89,  52; 
Hab  3,  13. 18.  ji  Im  Qaddisch  des  Gottesdienstes  (Dalman  1,  305)  heißt  es:  Es  möge 
sprossen  seine  (Gottes)  Erlösung  u.  sein  Messias  n-'n-r-a  nahen  u.  sein  Volk  erlösen.  — 
Im  Qaddisch  der  Rabbanan:  Er  möge  den  Termin  des  Reiches  seines  Messias  be- 
schleunigen u.  .sein  Volk  erlösen.  —  ,Sein  Messias*  auch  Targ  1  Sm  2,  10;  2  Sm  22,  51 ; 
Ps  2,  2;  18,  51;  Sach  4,  7;  10,  4.  —  Von  , ihrem",  d.  h.  Israels  Messias  wird  gesprochen 
Targ  Jes  53,  10;  Jer  30,  21 ;  Hos  14,  8. 

l,lß:  Des  Sohnes  Davids,  des  Sohnes  Abrahams. 
1.  Diese  Worte  sollen  im  voraus  feststellen,  daß  Jesus  der  für  den 
Messias  Israels  geltenden  Bedingung,  ein  Nachkomme  Davids  u.  Abra- 


12  Matthl,l(61) 

hams  zu  sein,  entsprochen  habe.  Zwar  wird  man  nicht  sagen  können, 
daß  für  das  jüdische  Empfinden  zu  allen  Zeiten  u.  unter  allen  Um- 
ständen die  davidische  Herkunft  eines  Mannes  die  unerläßliche  Vor- 
aussetzung seiner  Anerkennung  als  Messias  gebildet  habe.  So  würde 
der  Verfasser  der  Hirtenvision  im  Buche  Henoch,  der  Hen  90,  9  ff.  ver- 
mutlich den  Johannes  Hyrkanus  (135 — 105  v.  Chr.;  vgl.  Schürer 3  3,  200) 
als  den  Zerbrecher  des  Joches  der  Weltmächte  feiert,  kaum  etwas 
Befremdliches  darin  gefunden  haben,  wenn  der  Messias,  den  er  un- 
mittelbar nach  der  Befreiung  Israels  geboren  werden  läßt  (Hen  90,  37), 
ein  Sproß  jenes  makkabäischen  Priesterfürsten  gewesen  wäre.a  —  Auch 
das  5.  Buch  der  Sibyllinischen  Orakel,  das  seiner  Hauptmasse  nach 
noch  im  1.  nachchristl.  Jahrb.  entstanden  sein  dürfte  (s.  Schürer  ^  3, 443), 
erwartet  Vers  256 — 259  Josua  oder  Mose  vom  Himmel  her  als  Messias.b 
Und  von  R.  ? Aqiba  wird  berichtet,  daß  er  ausdrücklich  den  Bar-Kokhba 
zum  Messias  Israels  ausgerufen  habe  —  und  doch  hat  niemand  etwas 
von  der  davidischen  Abkunft  dieses  Revolutionshelden  gewußt.c  Aber 
die  allgemein  jüdische  Überzeugung  hatte  sich  jedenfalls  in  Jesu  Tagen 
schon  längst  dahin  verdichtet,  daß  kein  andrer  als  ein  Davidide  das 
messianische  Zepter  führen  werde.  Das  älteste  ausdrückliche  Zeugnis 
hierfür  bietet  Ps  Sal  ^  17,21:  „Sieh  darein,  o  Herr,  u.  laß  ihnen  erstehn 
ihren  König,  den  Sohn  Davids,  tov  ßaaiXsa  avTwr,  vtov  Javi'S,  zu' der 
Zeit,  die  du  erkoren,  Gott,  daß  er  über  deinen  Knecht  Israel  regiere."  — 
Seitdem  ist  vlog  JavfS  „Sohn  Davids,  Ti'i  -,3,  aram.  ti^  na,  zu  einer  oft 
gebrauchten  Messiasbezeichnung  geworden;  s.  zu  9,  27. 

a.  Henoch  sieht  in  einem  Traumgesicht,  wie  Gott  im  Endgericht  die  widergöttlichen 
Engelfürsten  der  Völker  u.  die  abtrünnigen  Israeliten  beseitigt  Hen  90,20—27,  wie  er 
ein  neues  Jerusalem  an  Stelle  des  alten  herbeibringt  90,  28  f.  u.  das  fromme  Israel  aus 
Grab  u.  Zerstreuung  sammelt  90,33.  —  Das  sind  die  Hoffnungen,  die  der  Apokalyptiker 
an  die  Zeit  des  Johannes  Hyrkanus  knüpft.  Dann  berichtet  Henoch  weiter:  „Ich  sah, 
daß  ein  weißer  Farre  mit  großen  Hörnern  geboren  wurde.  Alle  Tiere  des  Feldes  u. 
alle  Vögel  des  Himmels  (d.  h.  die  Heidenvölker)  fürchteten  ihn  u.  flehten  ihn  an  alle 
Zeit.  Ich  sah.  bis  daß  alle  ihre  Geschlechter  verwandelt  u.  alle  weiße  Farren  wurden; 
der  erste  unter  ihnen  wurde  ein  Büffel .  . .  u.  bekam  auf  seinem  Kopfe  große  u.  schwarze 
Hörner.  Der  Herr  der  Schafe  (d.i.  Gott)  freute  sich  über  sie  u.  über  alle  Farren"  90, 
37  f.  —  Der  weiße  Farre,  der  mit  großen  Hörnern  geboren  wird,  ist  der  Messias.  Daß 
er  als  „weißer  Farre"  bezeichnet  wird,  stellt  ihn  auf  gleiche  Linie  mit  den  frommen 
Stammvätern,  die  in  der  Bildersprache  der  Hirtenvision  gleichfalls  weiße  Farren  heißen 
35^  3—89,  12.  Hinterher  wird  dann  der  Farre  —  der  erste  unter  ihnen  —  zu  einem 
Büffel,  d.  h.  der  Messias  steigt  zu  einer  Höhe  empor,  auf  der  er  selbst  die  Erzväter 
weit  hinter  sich  zurückläßt.  Die  Annahme  liegt  nahe,  daß  dieser  Messias  für  den 
Apokalyptiker  ein  Sproß  des  makkabäischen  Priestergeschlechts  gewesen  ist;  jedenfalls 
fehlt  jede  Andeutung,  daß  er  dabei  an  einen  Davididen  gedacht  habe. 

b.  Orac.  Sib.  V,  256 — 259:  „Einer  aber  wird  wiederum  sein  vom  Himmel  her,  ein 
hervorragender  Mann  (Vers  256),  dessen  Hände  ausbreitete  auf  dem  fruchtreichen  Holze 
(Vers  257)  der  Beste  der  Hebräer,  der  die  Sonne  einstmals  stillstehn  machte  (Vers  258), 
red,end  mit  schönem  Wort  u.  mit  reinen  Lippen"  (Vers  259).  —  Schürer  3,  443  hat  die 


^  Die  Psalmen  Salomos  stammen  aus  der  Zeit  63 — 48  v.  Chr. 


Matth  1, 1  (6  1.  2)  13 

ganze  Stelle  für  eine  christliche  Interpolation  erklärt.  Allein  wenn  man  nach  Zahns 
Vorgang  (Apokalyptische  Studien,  Zeitschrift  f.  kirchl.  Wissensch.  u.  kirchl.  Leben  1886, 
43  f.)  den  einen  Vers  257  als  christlichen  Zusatz  streicht,  so  gewinnt  die  Stelle  einen 
guten  einheitlichen  Charakter.  Sie  handelt  dann  von  Josua  u.  bezeichnet  diesen  unter 
Hinzunahme  von  Vers  414  ff.,  wo  der  Messias  ebenfalls  ein  seliger  Mann  heißt,  der 
vom  Himmelsgewölbe  kommt,  als  den  zukünftigen  Messias.  Es  darf  jedoch  nicht  über- 
sehen werden,  daß  die  Baraitha  fAZ  25»,  Tafan  20-%  ferner  Dt  R  11  (207'')  u.  P''siqR  4 
(IS**)  zu  berichten  wissen,  daß  auch  Mose  die  Sonne  zum  Stillstehn  gebracht  habe. 
Hiernach  könnte  in  obigen  Versen  auch  Mose  vom  Himmel  her  als  Messias  erwartet 
sein.  Jedenfalls  aber  zeigt  die  Stelle,  daß  ein  nichtdavidischer  Messias  für  den  Sibyllisten 
kein  unvollziehbarer  Gedanke  gewesen  ist. 

C.  pTafan  4  (68'\44):  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  hat  gelehrt:  fAqiba,  mein 
Lehrer,  hat  öffentlich  vorgetragen:  „Hervorgetreten  ist  ein  Stern  (kokhab)  aus  Jakob" 
(Nu  24,  17),  hervorgetreten  ist  Kozeba  aus  Jakob.  Als  mein  Lehrer  sAqiba  den  Bar 
Kozeba  erblickt  hatte,  sagte  er:  „Dieser  ist  der  König,  der  Messias",  a^h^  s^rt  ]'- 
s-"i)ii!  R.  Jochanan  b.  Tortha  erwiderte  ihm:  f  Aqiba,  Gras  wird  auf  deinen  Kinnbacken 
(aus  dem  Grabe)  wachsen,  u.  noch  immer  nicht  wird  der  Sohn  Davids  (der  Messias) 
gekommen  sein!  —  Die  Lehnstelle  Midr  KL  2,2  (62'')  weicht  im  ersten  Satze  auffallend 
ab:  „R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Rabbi  hat  öffentlich  vorgetragen:  'Hervorgetreten 
ist  ein  Stern  aus  Jakob';  lies  nicht  kokhab  (Stern),  sondern  kozeb  (Lügner)."  Aus  dem 
richtigen  Text  pTafan  ist  der  andre  so  entstanden,  daß  zunächst  R.  Schimfon  b.  Jochai 
umgeändert  wurde  in  R.  Jochanan;  in  dessen  Munde  konnte  dann  „Rabbi"  nicht  mehr 
„mein  Lehrer"  heißen;  man  setzte  es  deshalb  unter  Weglassung  von  „fAqiba"  um  in 
den  Eigennamen  „Rabbi"  =  J**huda  I.^  Noch  in  andrer  Hinsicht  ist  Midr  KL  2,  2  (6o») 
bemerkenswert.  Mit  Bezug  auf  die  Worte  R.  ?Aqibas  über  Bar-Kozeba:  „Dieser  ist  der 
König,  der  Messias"  wird  hinzugefügt:  So  aber  sagte  R.  ?Aqiba  „wegen  dieser  Sache". 
Damit  ist  die  zuvor  mitgeteilte  Tatsache  gemeint,  daß  Bar  Kozeba  vernichtende  Wurf- 
steine mit  seinen  Knieen  auf  die  Feinde  zu  schleudern  vermochte.  Diese  außerordent- 
liche Kraft  u.  Geschicklichkeit  war  also  für  R.  fAqiba  maßgebend,  ihn  zum  Messias 
Israels  auszurufen;  seine  davidische  Herkunft  spielte  dabei  keine  Rolle. 

2.  Abraham  u.  David  werden  als  Ziel-  u.  Höhepunkte  der  genea- 
logischen Entwickelung  gefeiert  GnR  39  (24^):  R.  B^rekhja  (um  340) 
hat  im  Namen  des  R.  N^'chemja  (um  150)  gesagt:  Gleich  einem  Könige, 
der  von  Ort  zu  Ort  zog,  u.  dem  eine  Perle  von  seinem  Haupte  fiel. 
Der  König  machte  halt  u.  ließ  sein  Gefolge  dort  auch  haltmachen.  Er 
ließ  den  Erdstaub  in  Haufen  zus. bringen  u.  Siebe  herbeischaffen.  Dann 
siebte  man  den  ersten  Haufen,  fand  sie  aber  nicht;  auch  im  zweiten 
fand  man  sie  nicht.  Endlich  im  dritten  fand  man  sie.  Da  riefen  sie: 
Der  König  hat  seine  Perle  gefunden!  So  sprach  Gott:  Was  hatte  ich 
nötig,  den  Namen  eines  Arpakhschad,  Schelach,  ?Eber,  Peleg,  Re^u, 


^  In  der  alten  Synagoge  ist  übrigens  die  Verunglimpfung  des  Bar  Kozeba  als 
«Lügensohn"  ganz  vereinzelt  geblieben.  Auch  der  Name  Bar-Kokhba  wird  ihm  nirgends 
in  der  altjüd.  Literatur  beigelegt;  diesen  hat  er  durch  die  altkirchl.  Schriftsteller  er- 
halten, u.  zwar  auf  Grund  der  Deutung,  die  R.  ?Aqiba  Nu  24,  27  zu  seinen  Gunsten 
gegeben  hatte,  s.  Schürer'  1,  682.  In  den  rabbinischen  Schriftwerken  heißt  der  Mann 
regelmäßig  Ben-Kozeba  oder  Bar-Kozeba  („Sohn  des  Kozeba"  oder  „der  aus  Kozeba", 
ohne  verächtliche  Bedeutung).  Sein  eigentlicher  Name  ist  „Schim?on"  gewesen.  Das 
beweisen  die  während  seiner  Herrschaft  herausgekommenen  Münzen  u.  Midr  KL  2,  2 
(63^):  Zwei  Brüder  waren  in  Kephar  Gharokha,  die  keinen  Römer  vorüberziehn  ließen, 
ohne  ihn  zu  töten.  Sie  sagten:  Wir  wollen  die  Krone  Hadrians  nehmen  u.  sie  auf  das 
Haupt  Schimfons  (des  Ben-Kozeba)  setzen.  —  Anders  pTafan  4,  69-'',  33. 


14  Matthl.l  (6  2).  2 

Serug,  Nachor  u.  Therach  in  der  Genealogie  (Gn  11)  aufzuführen?  Aber 
um  deinetwillen  (Abraham)  ist  es  geschehen:  „Du  hast  sein  Herz  treu 
vor  dir  erfunden"  (Neh  9,  8).  Ebenso  hat  Gott  auch  zu  David  gesagt: 
Was  hatte  ich  nötig,  einen  Pere^,  Chevron,  Ram,  ^Amminadab,  Nach- 
schon, Salmon,  Bo'az,  ^Obed  u.  Ischai  in  der  Genealogie  (Ruth  4)  auf- 
zuführen? David,  ist  es  nicht  um  deinetwillen  geschehen?  „Ich  habe 
David  gefunden,  meinen  Knecht,  mit  meinem  heiligen  Öl  ihn  gesalbt" 
Ps  89,  21.  —  In  Midr  Ruth  Ende  werden  als  Autoren  genannt  R.  B«- 
rekhja  u.  R.  Simon  (um  280);  in  Jalqut  Neh  9,  8  §  1071  R.  B-^rekhja  u. 
R.Simon  im  Namen  des  R.  N^'chemja;  einzelnes  daraus  anonym  auch 
Tanch  s^-n  42'',  —  In  einer  allegorischen  Auslegung  der  Opferdar- 
bringungen  Nachsehens  (Nu  7,  15  ff.)  wird  Abraham  als  cn^n  -ip-^jr,  d.  h. 
als  Wurzel  oder  Hauptsache  der  Genealogie  Israels  bezeichnet,  s.  NuR 
13  (170«). 

1,2:  Jakob  aber  erzeugte  Juda  u.  seine  Brüder. 

1.  Juda  wird  mit  Namen  aufgeführt,  weil  er  zu  den  Ahnherren 
des  Messias  gehört. 

TanchB  ad  §  11  (91  ^>):  Juda  ging  hinab  (Gn  38,  1),  um  den  letzten  Erlöser  zu 
stellen,  das  ist  der  König,  det  Messias;  denn  aus  ihm  sollte  der  König,  der  Messias, 
hervorgehn.  ||  TanchB  ic;-n  §  3  (103^):  Auch  in  der  Zukunft  wird  der  Kriegsgesalbte 
(damit  ist  der  Messias  b.  Ephraim  oder  b.  Joseph  gemeint,  s.  bei  Lk  24,  26)  von  Joseph 
erstehn;  aber  der  Gesalbte,  der  voe  J*^huda  ersteht  (d.  i.  der  Messias),  wird  stärker  sein 
als  jener;  denn  es  heifst  Sach  10,  6:  Ich  mache  zu  Helden  das  Haus  J^huda,  aber  dem 
Hause  Joseph  helfe  ich.  |i  TanchB  -n-i  §  12  (110^):  Warum  heißt  es  Gn  49,  8:  J^huda, 
dich  werden  deine  Brüder  preisen?  Weil  alle  Israeliten  nach  deinem  Namen  werden 
Juden  genannt  werden,  u.  nicht  nur  dies,  sondern  auch  weil  der  Messias  aus  dir  hervor- 
gehn wird,  der  Israel  helfen  wird,  s.  Jes  11,1:  Eine  Rute  wird  aufgehn  aus  dem  Stumpf 
Isais.  II  Vgl  noch  die  Zitate  zu  1,  3. 

2.  Neben  Juda  werden  seine  Brüder  genannt,  wohl  um  ihre  Gleich- 
wertigkeit mit  ihm  auszudrücken  u.  sie  dadurch  zu  ehren.  ; 

TanchB  -nv  §  17  (111^):  Es  heißt  Gn  49,28:  „Er  (Jakob)  segnete  sie;  jeden  mit 
dem,  was  seinem  Segen  gemäfs  war,  segnete  er  sie."  Er  segnete  „ihn"  steht  nicht 
geschrieben,  sondern  er  segnete  „sie".  Warum  dies?  Weil  er  dem  J^uda  beigelegt 
hatte  die  Stärke  des  Löwen  u.  dem  Joseph  die  Stärke  des  Ochsen  u.  dem  Naphtali 
die  Schnelligkeit  des  Hirsches  u.  dem  Dan  den  Biß  der  Schlange,  so  könnte  man 
meinen,  daß  der  eine  größer  sei  als  der  andre;  deshalb  faßt  er  sie  alle  zum  Schlüsse 
zusammen:  einen  jeden  in  Gemäßheit  seines  Segens  segnete  er  sie.  Parallelen:  Tanch 
•r.-'.  Ende  (58'');  GnR  99  (63-^).  Ähnlich  R.  Elfazar  (um  27U)  in  NuR  13  (169  =  )  u.  R.  B^- 
rekhja  (um  340)  in  Midr  HL  zu  4,  7  (113b).  y  js^^R  18  {169'^):  „Ganz  schön  bist  du,  meine 
Freundin,  und  kein  Fehl  ist  an  dir"  HL  4,  7.  Die  Stelle  redet  von  den  Stammes- 
fürsten. Als  sie  zur  Einweihung  des  Altars  ihre  Opfer  darbrachten  (Nu  7),  brachten 
sie  nicht  alle  an  Einem  Tage  dar,  sondern  jeder  einzelne  an  seinem  bestimmten  Tage, 
s.  Nu  7,  11:  „Je  ein  Fürst  täglich."  War  da  nun  etwa  der  zuerst  darbrachte  ganz  be- 
sonders geelirt  (wörtl.  geliebt)  u.  sollte  J^'huda,  der  zuerst  darbrachte,  geehrter  sein 
als  alle?  Deshalb  hat  R.  Chelbo  (um  800)  gesagt:  Bei  allen  Stämmen  steht  „sein 
Opfer"  (zB  Nu  7,  19.25.81  usw.),  aber  bei  dem  Fürsten  von  J'huda  steht  „und  sein 
Opfer"  (Nu  7,  13).  Brachte  dieser  nicht  zuerst  dar?  und  doch  heißt  es  „und"  sein 
Opfer!  Es  hätte  nicht  so  heißen  sollen;  vielmehr  bei  dem  ersten  hätte  es  heißen 
sollen  „sein  Opfer"  u.  bei  den  folgenden  „und  sein  Opfer".   Warum  so?  R.  B'Yekhja, 


Matth  1,  2.  3  (51.  SB  1.  2)  I5, 

der  Priester  u.  Rabbisohn  (um  340),  hat  gesagt:  Damit,  wenn  J'^huda,  der  zuerst  dar- 
brachte, sich  stolz  über  seine  Brüder  erheben  u.  sagen  sollte:  „Ich  bin  der  Geehrteste 
unter  euch,  denn  ich  habe  zuerst  dargebracht",  diese  ihm  antworten  können:  „Du  bist 
es,  der  zuletzt  dargebracht  hat,  denn  so  steht  geschrieben:  „Und  sein  Opfer"  (Vers  13); 
damit  hat  er  dich  zum  Anhängsel  (Nebensache)  deinen  Brüdern  gegenüber  gemacht. 
Das  wollen  die  Worte  besagen:  Ganz  schön  bist  du,  meine  Freundin.  |i  NuR  18  (IßO'^^): 
Nu  7, 12:  „Nachschon,  Sohn  des  ?Amminadab  vom  Stamme  J'^huda."  Die  Schrift  genea- 
logisiert  ihn  nach  dem  Namen  seines  Stammes:  das  ist  eine  Ehre  (Lob)  für  ihn,  eine 
Ehre  für  seinen  Vater,  eine  Ehre  für  seinen  Stamm. 

1,3:  Juda  zeugte  Perez  u,  Serah. 
2t  (PccQt'g  =  i'-s,  Zagä  :=  n^^-,  s,  Gn  38,  29.  —  Von  beiden  handelt 
J«b  76'',  s.  bei  1,5! 

1,3  0:  Von  der  Thamar,  sx  zf^g  Qäfiaq. 

1.  Namen  von  Frauen  sind  in  jüdischen  Geschlechtsregistern  selten. 
Der  Grundsatz,  daß  in  Erbschaftsfragen  nach  Nu  27,  11  nur  die  väter- 
liche, aber  nicht  die  mütterliche  Familie  gelte  (BB  109'^),  wird  auch 
bei  der  Aufstellung  von  Stammbäumen  befolgt  sein.  Ausnahmen  im 
AT:  wo  eine  Unregelmäßigkeit  in  der  Deszendenz  oder  sonst  etwas 
Bemerkenswertes  sich  an  den  Namen  einer  Frau  knüpft,  zB  1  Chr 
2,  21.  24.  34.  48  f.;  7,  24.  Dazu  kam,  daß  der  späteren  Zeit  eine  nicht 
allseitig  genealogisch  belegte  Herkunft  gleichbedeutend  war  mit  ruhm- 
loser Herkunft,  eine  Anschauung,  die  zB  Rab  (f  247)  veranlaßte,  dem 
Gerede  der  Sektirer  (Minim)  gegenüber  auch  für  die  Mutter  Abrahams, 
Davids  u.  Simsons  gewisse  Namen  zu  erfinden,  BB  91^.  —  In  dem  Ge- 
schlechtsregister Jesu  hat  der  Evangelist  vier  Frauen  namhaft  ge- 
macht: Thamar  1,3,  Rahab  u.  Ruth  1,  5,  Bathseba,  die  Gattin  des  Uria 
1,6.  Er  hat  wohl  auf  das  souveräne  Walten  der  göttlichen  Gnade  hin- 
weisen wollen,  der  alles,  auch  menschliche  Eigenmächtigkeit  u.  Sünde, 
dienen  mußte,  um  der  Welt  den  Erlöser  zu  schenken. 

2.  Diese  verborgene  Gotteshand  hat  die  Synagoge  in  Thamars 
Leben  nicht  verkannt,  aber  die  Wahrheit  alsbald  in  ihr  Gegenteil  ver- 
zerrt, indem  sie  Judas  u.  Thamars  Sünde  ausdrücklich  auf  Gottes 
Initiative  zurückführt,  um  die  Stammeltern  von  menschlicher  Schuld 
zu  entlasten. 

GnR  85  (54'^):  R.  Sch^iuel  b.  Nachman  (um  260)^  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Jer 
29,11:  „Ich  weiß  meine  Gedanken,  die  ich  über  euch  hege,  ist  Jahves  Spruch,  Ge- 
danken des  Friedens"  usw.  Die  Stammväter  waren  mit  dem  Verkauf  Josephs  be- 
schäftigt, Joseph  war  mit  Trauern  u.  Fasten  beschäftigt,  ebenso  Rüben  u.  Jakob,  u. 
J'^huda  war  damit  beschäftigt,   sich  ein  Weib  zu  nehmen.   Und  Gott  war  beschäftigt 

^  R.  Sch^'muel  b.  Nachman  vertritt  die  Lehre  von  der  Präexistenz  der  Seelen  zB 
Tanch  cas:  (26*).  Er  will  sagen:  Als  mit  der  Beiwohnung  der  Thamar  durch  Juda 
der  Grund  zu  dem  Geschlecht  gelegt  wurde,  dem  der  Messias  entspriefsen  sollte,  be- 
faßte sich  Gott  mit  der  Bildung  der  Messiasseele.  Der  Ausspruch  geht  über  die  ideelle 
Präexistenz  des  Messias  hinaus,  ohne  aber  diesem  etwas  Außerordentliches  vor  den 
übrigen  Menschen  beizulegen,  da  ja  die  Seelen  aller  Menschen  als  präexistierend  gedacht 
werden.  Zur  Lehre  von  der  Pr.  der  Seelen  s.  bei  Job  1, 1  (am  Anfang  war  das  Wort  C). 


16  Matthl,3  (35  2) 

als  Schöpfer  des  Lichtes  (=  Leben,  Seele)  des  Königs,  des  Messias,  „und  es  geschah 
in  jener  Zeit,  daß  Juda  hinabging"  (Gn  38,  1):  „Ehe  sie  noch  kreißte,  hat  sie  geboren" 
(Jes  6li,  7),  ehe  noch  der  erste  Unterdrücker  (^=  Pharao)  geboren  war  (existierte),  war 
schon  der  letzte  Erlöser  (=  Messias). geboren. 

Aggad  B'^reschith  63  §  3:  „Dort  sah  Juda  die  Tochter  eines  kana?anäischen  Mannes" 
Gn  38,  2.  Als  er  sie  geheiratet  hatte,  sprach  Gott:  Der  Messias  soll  aus  Juda  erstehn, 
u.  dieser  geht  hin  u.  heiratet  ein  kanafanäisches  Weib!  Aber  was  soll  ich  machenJ  Er 
macht  Umwege  (schmiedet  Ränke)  u.  verheiratet  seinen  Sohn  mit  der  Thamar.  Und 
Thamar  war  die  Tochter  Sems,  des  Alten  (vgl.  unten).  Gott  sprach:  Die  Kana?anäerin 
soll  sterben,  wie  es  heißt  (Gn  38,  12):  „Und  nach  geraumer  Zeit  starb  .  .  .  das  Weib 
Judas":  u.  ihre  Söhne  sollen  sterben,  wie  es  heißt:  „Er  tötete  den  ?Er  und  Onan"  (vgl. 
Gn  38,  7.  10),  damit  sich  Juda  an  die  Thamar  hänge,  denn  sie  ist  priesterlichen  Ge- 
schlechts, eine  Tochter  Sems  b.  Noach.^ 

TanchB  zv^-\  §  13  (92  ^j:  ,Dort  sah  J^mda"  (Gn  38,  2).  Der  eine  hat  gebuhlt  u. 
ward  belohnt,  u.  ein  andrer  hat  gebuhlt  u.  erlitt  Schaden  .  .  .,  ein  solcher  war  Zimri, 
Ein  Buhler,  der  belohnt  wurde,  w.ar  Juda;  denn  von  ihm  erstanden  Pere9  u.  Chevron, 
die  David  u.  den  König,  den  Messias,  stellen  sollten,  der  Israel  erlösen  wird.  Sieh, 
wieviel  Umwege  Gott  machen  (=  wieviel  Listen  er  anwenden)  mußte,  bevor  er  den 
König,  den  Messias,  aus  Juda  erstehn  lassen  konnte,  den,  von  dem  geschrieben  steht 
Jes  11,2:  Auf  ihm  wird  ruhen  der  Geist  Jahves. 

pSota  1,4  (16 '^,  56):  R.  Ghizqijja  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320) 
gesagt:  R.  Chijja  (der  Altere,  um  200)  hat  drei  Schriftstellen  öffentlich  zum  Lobe  vor- 
getragen. Gn  3^,  14:  „Thamar  setzte  sich  an  den  Eingang  von  fEnajim."  Ist  das  mög- 
lich? Selbst  eine  Buhlerin  in  ihrer  Buhlerei  tut  nicht  dergleichen.  Vielmehr  bedeuten 
diese  Worte,  daß  sie  ihre  Augen  aufhob  zu  der  Pforte,  nach  der  alle  Augen  (a-s'-y  = 
„Augen"  soll  den  Namen  fEnajim  deuten)  blicken.  (Damit  ist  die  Himmelstür  gemeint, 
durch  welche  nach  rabbin.  Anschauung  die  Gebete  vor  Gott  gelangen.)  Sie  sprach  vor 
ihm:  Herr  aller  Welten,  nicht  möge  ich  leer  von  diesem  Hause  weggehn.  Parallelen: 
pK^thlS,  1  (35V 52),  wo  der  Name  Chijjas  ausgefallen  ist;  Midr  Sm  7  §4  (34'"'),  hier 
Tradenten  R.  Juda  b.  Simon  im  Namen  des  Ghizqijja  (eines  Sohnes  Chijjas  des  Alteren); 
GnR  85  (54*^)  wird  R.  Ammi  (um  300)  als  Autor  genannt;  einen  ähnlichen,  aber  kürzeren 
Ausspruch  des  R.  J^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  bringt  TanchB  zr-i  §  17  {9B^). 

Sota  10^:  „Thamar  setzte  sich  an  den  Eingang  von  fEnajim"  Gn  38,  14.  R,  Ale- 
xandrai  (um  280)  hat  gesagt:  Die  Worte  wollen  lehren,  daß  sie  hinging  u.  sich  an  die 
Tür  unsres  Vaters  Abraham  setzte,  an  den  Ort,  auf  den  alle  Augen  =-ry  blickten,  ihn 
zu  sehn.  R.  Chanin  (um  300)  hat  gesagt:  Rabbi  hat  gesagt:  Es  war  ein  Ort,  der  ?Enajim 
hieß,  vgl.  Jos  15,  34:  Tappuach  u.  fEna(jiim.  R.  Sch^muel  b.  Nachmani  (um  260)  hat 
gesagt:  Die  Worte  wollen  besagen,  daß  sie  in  ihre  Worte  augenscheinliche  Gründe 
(wörtl.:  Augen)  hineinlegte.  Als  er  nämlich  sein  Ansinnen  an  sie  stellte,  sagte  er  zu 
ihr:  Bist  du  etwa  eine  Heidin?  Sie  antwortete  ihm:  Ich  bin  eine  Proselytin.  Vielleicht 
bist  du  eine  verheiratete  Frau?  Sie  antwortete:  Ich  bin  ledig.  Vielleicht  hat  dein  Vater 
dich  zur  Ehe  zugesagt?  Sie  antwortete:  Ich  bin  eine  Waise.  Vielleicht  bist  du  unrein? 
Sie  antwortete:  Ich  bin  rein.  (Alle  ihre  Worte  begründen  mithin  ihr  Erlaubtsein  für 
Juda.)  —  Sch<^muels  Deutung  anonym,  aber  nur  teilweise  auch  pK'^th  13,  1  (35",  55); 
pSotal,4(16'i,  59). 

GnR  80(54*^):  „Und  Juda  sah  sie"  Gn  38,  15.  Aber  er  beachtete  sie  nicht,  weil 
sie  ihr  Angesicht  bedeckt  hatte ;  er  meinte,  wenn  sie  eine  Buhlerin  wäre,  würde  sie 
dann  wohl  ihr  Angesicht  bedeckt  haben?  (Der  Midrasch  dreht  den  Sinn  von  Gn  38, 15 
um.)  Denn  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Er  wollte  vorübergehn,  aber  Gott  entbot 
?;u  ihm  den  Engel,  der  über  den  Geschlechtstrieb  gesetzt  ist.   Der  sprach  zu  ihm:  Juda, 


^  Sem  wird  in  der  rabb.  Literatur  meist  mit  Melchisedek,  dem  Priester  des  El 
fEljon  (Gn  14,  18),  identifiziert  u.  soll  nach  Seder  fOlam  R  1  g.  E.  erst  gestorben  sein, 
als  Jakob  50  Jahre  alt  war. 


Matth  1,  3  (SB  2.  3)  17 

wo  willst  du  hin?  Woher  sollen  Könige,  woher  sollen  Große  erstehn?  ^Und  er  bog 
zu  ihr  ab,  zu  dem  Wege  hin"  (Vers  16),  nämlich  gezwungen,  nicht  aus  freien  Stücken. 
Er  sprach  (Vers  18):  Was  ist  das  Pfand,  da:3  ich  dir  geben  soll?  R.  Huna  (um  350) 
hat  gesagt:  Es  blitzte  der  heilige  Geist  (=  Geist  der  Prophetie)  in  ihr  auf.  Sie  sprach: 
,Dein  Siegelring";  damit  ist  das  Königtum  angedeutet,  vgl.  HL  8,6:  Lege  mich  wie 
einen  Siegelring  an  dein  Herz;  Jer22,  24:  Wenn  Chonjahu,  der  Sohn  J'-'hojaqims,  der 
König  von  Juda,  ein  Siegelring  wäre  an  meiner  rechten  Hand.  , Deine  Schnur" ;  damit 
sind  die  Mitglieder  des  Synedriums  angedeutet,  die  mit  Schnüren  (am  Ehrenmantel, 
Tallith)  ausgezeichnet  sind,  vgl.  Nu  15,  38:  Eine  Schnur  von  blauem  Purpur.  ,Und  dein 
Stab";  damit  ist  der  König,  der  Messias,  angedeutet,  vgl.  Jes  11,  1 :  Es  wird  eine  Rute 
aufgehn  aus  dem  Stumpf  Isais;  Ps  110,2:  Das  Zepter  deiner  Macht  wird  Jahve  aus- 
strecken von  Zion. ...  Gn  38, 24:  , Führet  sie  hinaus,  daß  sie  verbrannt  werde."  Ephraim, 
der  Disputiersüchtige,  der  Schüler  des  R.  Me'ir,  hat  im  Namen  des  R.  Meir  (um  150) 
gesagt:  Tharaar  war  die  Tochter  des  Sem;  denn  es  heißt  (Lv  21,  9):  „Falls  die  Tochter 
eines  Priesters  sich  entweiht  zu  huren  .  .  .,  mit  Feuer  soll  sie  verbrannt  werden"; 
deshalb  , führet  sie  hinaus,  daß  sie  verbrannt  werde".  —  Parallele:  TanchB  zv^i  §  17 
{9i^].  Zum  letzten  Satz  vgl.  Targ  Jerusch  1  zu  Gn  38,  24. 

Sota  10'':  ,Sie  fand"  Gn  38,  25;  es  sollte  heißen:  „Sie  wurde  hinausgeführt."  (Der 
Midrasch  deutet  rs::-«  als  Partiz.  Qal  von  x-^'s  finden.)  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt: 
Nachdem  ihre  Unterpfänder  (die  sie  von  Juda  erhalten)  gefunden  waren,  kam  Sammael 
(Name  des  Teufels)  u.  entfernte  sie  (damit  Thamars  Unschuld  nicht  an  den  Tag  käme); 
es  kam  Gabriel  u.  brachte  sie  wieder  herbei.  Darauf  bezieht  sich  Ps56,  1:  „Dem 
Musikvorsteher  über  die  Taube  (=  Thamar!,  die  verstummte  wegen  der  fernen  (Unter- 
pfänder; so  der  Midrasch).  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Als  ihre  Unterpfänder  weg- 
genommen waren,  wurde  sie  wie  eine  stumme  Taube  in  bezug  auf  David,  den  Mikhtam 
(Ps  56,  1);  denn  von  ihr  sollte  David  hervorgehn,  der  demütig  ■^^  u.  vollkommen  sr;  ^ 
in  jeder  Hinsicht  war.  (In  der  1.  Deutung  sind  für  Thamar  die  „Fernen"  die  entfernten, 
weggenommenen  Pfänder,  in  der  2.  Deutung  die  in  ferner  Zukunft  von  ihr  Abstammenden.) 
.  .  .  „Und  sie  sandte  zu  ihrem  Schwiegervater  und  ließ  ihm  sagen:  Sieh  doch  genau 
zu"  Gn  38,  25.  —  „Doch"  (sd)  ist  ein  Ausdruck  der  Bitte.  Sie  sprach  zu  ihm:  Ich  bitte 
dich,  erkenne  das  Angesicht  deines  Schöpfers  an  u.  verbirg  deine  Augen  nicht  vor  mir.  — 
Parallelen:  GnR  85  (54 ^j;  zum  Teil  TanchB  32)-i  §  17  (94^);  Targ  Jerusch  1  u.  II  z.  St. 

Mak23'':  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  An  drei  Orten  leuchtete  der  heilige 
Geist  hervor  (um  festzustellen,  was  über  menschliches  Wissen  hinausging):  im  Gerichts- 
hof des  Sem,  des  Samuel  aus  Rama  u.  des  Salomo.  Im  Gerichtshof  des  Sem,  s.  Gn 
38, 26 :  Und  Juda  sah  genau  hin  u.  sprach:  „Sie  ist  gerecht,  von  mir"  (geht  sie  schwanger). 
Woher  wußte  er  das?  Es  war  doch  möglich,  daß,  so  gut  wie  er  ihr  beigewohnt  hatte, 
noch  ein  andrer  Mann  ihr  beigewohnt  hatte!  Aber  es  ging  eine  Himmelsstimme  aus, 
die  sprach:  Von  mir  (Gott)  sind  ausgegangen  Heimlichkeiten  (d.  h.  der  geheime  Gottes- 
beschluß, daß  von  der  Thamar  der  Messias  erstehn  soll).'^  Parallelen:  Midr  Ps  72  §  2 
(163 a);  GnR  85  (54  d),  hier  Autor  R.  Sch'^muel  b.  Ji^chaq  (um  300),  Tradent  R.  Jirm^ja 
(um  325);  Midr  Qoh  10, 16  (49^),  Autor  R.  Sch'^^muel  b.  Nachman  (um  260);  Targ  Jerusch  1 
zu  Gn  38,26.  In  Targ  Jerusch  II  spricht  die  Himmelsstimme:  Ihr  beide  seid  unschuldig, 
von  mir  (Jahve)  ist  die  Sache  ausgegangen. 

3.  Sogar  von  göttlichem  Lohne  für  Judas  u.  Thamars  Tat  wird 
geredet. 

TanchB  2'i)-)  §  13  (92^,  14)  s.  oben  S.  16.  ||  Sota  lO'':  „Juda  sah  genau  hin  u. 
sagte:  Sie  ist  mir  gegenüber  im  Rechte"  Gn  38,  26.  Das  meinte  Rab  Chanin  bar  Bizna 
(um  260,  ein  Babylonier),  der  gesagt  hat:  R.  Schimfon  der  Fromme  (ein  Tannait)  hat 
gesagt:  Joseph,  der  den  Namen  des  Himmels  (^  Gottes)  im  geheimen  geheiligt  hat 

1  Zerlegung  von  ars^  in  zwei  Wörter,  s.  Einl.  107,  Nr.  30. 

2  Die  ganze  Stelle  s.  bei  Mt  3, 17  Anm.  h,  27. 

Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  2 


18  Mattlil,3  (85  3.  6.  25) 

(dem  Weibe  Potiphars  gegenüber),  ward  gewürdigt,  daß  man  ihm  Einen  Buchstaben 
aus  dem  Namen  Gottes  hinzufügte;  s.  Ps  81,  6:  Zum  Zeugnis  hat  er  es  (das  -)  gesetzt 
in  nc-n-  (sonst  wird  der  Name  c|D'-  geschrieben).  J'^huda,  der  den  Namen  des  Himmels 
öffentlich  geheiligt  hat  (als  er  die  Worte  Gn  38,  26  sprach),  ward  gewürdigt,  daß  er 
ganz  nach  dem  Namen  Gottes  genannt  wurde  (der  Name  min^  enthält  die  sämtlichen 
Buchstaben  des  Gottesnamens  mn-).  —  Nachdem  er  bekannt  u.  gesagt  hatte:  „Sie  ist 
gerecht,  von  mir  ist  es",  ging  eine  Himmelsstimme  aus,  welche  sprach:  Du  hast  die 
Thamar  u.  ihre  beiden  Söhne  aus  dem  reuer(tode)  errettet,  bei  deinem  Leben,  ich 
(Gott)  werde  durch  dein  Verdienst  drei  von  deinen  Nachkommen  aus  dem  Feuer  er- 
retten. Wer  sind  diese?  Ghananja,  Mischael  u.  sAzarja  (s.  Dn  1,6.  3,  12  ff.;  die  Ge- 
schichte ihrer  Errettung  s.  P^s  118").  —  Der  letzte  Absatz  gleichfalls  anonym  GnR  99 
(63'0;  TanchB  ar-  §  17  (94^);  Aggad  B^resch  82  §2  (55'^);  nach  Midr  Sm9§6  (38-0 
gehört  der  Ausspruch  dem  R.  Levi  (um  300)  an;  Tradent:  R.  J^oschuaf  von  Sikhnin 
(um  330)  genannt.  |1  Hör  10 '^  u.  Nazir  23'':  ?Ulla  (b.  Jischma?el,  um  280)  hat  gesagt: 
Thamar  hat  gebuhlt,  Zimri  hat  gebuhlt;  Thamar  hat  gebuhlt,  u.  es  gingen  aus  ihr 
Könige  u.  Propheten  hervor;  Zimri  hat  gebuhlt,  u.  es  fielen  seinetwegen  wer  weiß  wie 
viele  Myriaden  aus  Israel.  |!  M^'g  lO'':  R.  Sch^muel  b.  Nachmani  (um  260)  hat  gesagt: 
R.  Jonathan  (b.  Elfazar,  um  220)  hat  gesagt:  Jede  Braut,  die  züchtig  verhüllt  im  Hause 
ihres  Schwiegervaters  lebt,  ist  würdig,  daß  aus  ihr  Könige  u.  Propheten  hervorgehn. 
Woher  können  wir  das  beweisen?  Von  der  Thamar;  s.  Gn  38,  15:  „Und  Juda  sah  sie 
u.  hielt  sie  für  eine  Buhlerin,  denn  sie  hatte  ihr  Angesicht  bedeckt."  Darum  daß  sie 
ihr  Angesicht  bedeckte,  hätte  er  sie  für  eine  Buhlerin  gehalten?  Nein;  weil  sie  ihr 
Angesicht  im  Hause  ihres  Schwiegervaters  verhüllt  hatte,  erkannte  dieser  sie  nicht 
(am  Eingang  von  fEnajim).  Deshalb  wurde  sie  gewürdigt,  daß  aus  ihr  Könige  u.  Pro- 
pheten hervorgingen.  Könige:  von  David  her,  s.  Ruth  4,  18  ff.;  Propheten:  R.  Levi  (um 
300)  hat  gesagt:  Eine' Überlieferung  besitzen  wir  von  unsren  Vätern  her,  daß  Amo9  u. 
AmaQJa  Brüder  gewesen  sind,  u.  es  steht  geschrieben  Jes  1,1:  Gesicht,  welches  Jesaja, 
der  Sohn  des  Amo9,  gesehen  hat.  (Wenn  Amo9,  der  Vater  des  Jes.,  ein  Bruder  des 
Königs  Ama^ja  (2  Kg  12,  22)  war,  dann  stammte  auch  Jes.  von  David  ab,  u.  dann  ist 
der  Beweis  erbracht,  daß  aus  Thamar  Propheten  hervorgegangen  sind.)  —  Sota  10** 
wird  der  Anfang  von  R.  Jonathans  Ausführung  dem  R.  Ehazar  (b.  P'^'dath,  um. 270)  bei- 
gelegt, li  —  Ein  Tadel  über  Judas  Tat  wird  Tos  B®rakh  4,  18  (10)  ausgesprochen  mit 
der  Frage:  Gibt  mau  (Gott)  denn  einen  Lohn  für  die  Sünde? 

1,  3  (J:  Perez  u.  Serah. 
Aggad  B*^resch  63  §  3  (44''):  „Es  geschah,  als  Thamar  gebar,  streckte  einer  die  Hand 
hervor"  Gn  38,  28.  Zeracb  wollte  zuerst  herauskommen;  da  sprach  Gott:  Der  Messias 
soll  von  Pere^  erstehn,  u.  Zerach  sollte  zuerst  herauskommen?  Nein,  er  soll  wieder  in 
seiner  Mutter  Leib  gehen,  u.  Pere^  soll  zuerst  herauskommen,  von  dem  der  Messias 
hervorgehn  wird  .  .  .;  Pere9,  das  ist  der  Messias;  s.  Micha  2, 13:  „Heraufziehn  wird  der 
Durchbrecher,  yii£~,  vor  ihnen  her."  |i  GnR  85  (55^):  „Und  es  geschah,  als  er  seine 
Hand  zurückzog,  siehe  da  kam  sein  Bruder  heraus"  Gn  38,  28.  Das  geht  auf  den,  der 
groß  (mächtig)  ist  wider  (über)  alle  Frechen,  von  dir  wird  er  erstehn,  S.Micha  2, 13: 
„Heraufziehn  wird  der  Durchbrecher  yitT:  vor  ihnen  her."  Rabbi  hat  im  Namen  der 
Rabbinen  gesagt:  Alle  Durchbrecher  werden  von  dir  erstehn,  s.  Micha  2,  13:  Herauf- 
ziehn wird  der  Durchbrecher  vor  ihnen  her,  sie  werden  durchbrechen.  (Diese  Deutung 
nimmt  y-^^r  kollektiv  u.  unterscheidet  von  den  durchbrechenden  Helden  ihren  im  fol- 
genden genannten  -b's  =  Messias.)  |i  Targ  Jerusch  I  zu  Gn  38,  29:  Als  das  Kind  seine 
Hand  zurückzog,  da  kam  sein  Bruder  heraus,  u.  sie  (die  Geburtshelferin)  sprach:  Eine 
wie  mächtige  Gewalt  hast  du  angewandt,  u.  dir  liegt  es  ob,  mächtig  zu  werden,  denn 
du  wirst  die  Königsherrschaft  in  Besitz  nehmen. 

^  Perez  erzeugte  Hezron,  'Eoqw^i. 

Der  Messias  wird  Ben  Pere9  genannt. 


Matthl,3(2)).  4  19 

GnR  12:  „Dies  ist  die  Geschichte  m^-ir  des  Himmels  u.  der  Erde."  R.  Sch*^muel 
b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  ToPdoth  in  der  Tora  (im  AT)  wird  defektive  ge- 
schrieben; ausgenommen  Rutil  4, 18:  „Das  sind  die  Generationen  msir  des  PereQ*  u. 
Gn  2,4.  Weshalb?  R.  Judan  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Rauben  (um  300;  so  ist 
statt  R.  Abin  zu  lesen  mit  Bacher,  pÄmor  3,  81)  gesagt:  Entsprechend  den  sechs  Dingen, 
die  dem  ersten  Menschen  (infolge  seiner  Sünde)  entzogen  worden  sind,  nämlich  Glanz, 
Leben,  Größe  der  Gestalt,  Fruchtbarkeit  (wörtl.  die  Frucht)  der  Erde,  Fruchtbarkeit 
der  Bäume  u.  die  Helligkeit  der  Himmelslichter.  Sein  Glanz,  s.  Hiob  14,20:  „Er  ver- 
änderte sein  Aussehn  u.  du  triebst  ihn  fort."  Sein  Leben,  s.  Gn3, 19:  „Erde  bist  du, 
u.  zu  Erde  sollst  du  wieder  werden."  Die  Größe  seiner  Gestalt,  s.  Gn3,  8:  „Es  ver- 
steckte sich  der  Mensch  u.  sein  Weib  zwischen  den  Bäumen  des  Gartens"  (Adam  hatte 
also  jetzt  unter  den  Bäumen  Platz,  während  er  vor  dem  Sündenfall  eine  Länge  von 
mindestens  200  Ellen  hatte).  Die  Fruchtbarkeit  der  Bäume  u.  der  Erde,  s.  Gn3, 17: 
„VerÜucht  sei  der  Erdboden  um  deinetwillen."  Die  Helligkeit  der  Himmelslichter 
(Schriftbeleg  fehlt)  .  .  .  R.  B'^^rekhja  (um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Sch^muel  (b.  Nach- 
man, um  260)  gesagt:  Obwohl  alle  Dinge  in  ihrer  Fülle  (vollen  Gestalt  u.  Herrlichkeit) 
geschaffen  worden  waren,  so  wurden  sie,  nachdem  der  erste  Mensch  gesündigt  hatte, 
verschlechtert,  u.  sie  werden  auch  nicht  eher  zu  ihrer  (ursprünglichen)  Verfassung 
zurückkehren,  als  bis  der  Ben  Pere(;  (^  Messias)  kommen  wird;  s.  Ruth  4,  18:  Dies 
sind  die  Generationen  des  PereQ.  Hier  ist  r-\ih'.r  plene  (mit  zwei  i)  geschrieben,  wegen 
der  sechs  Dinge,  die  (wenn  Ben  Pere^  =  Messias  kommt,  dem  Menschen)  wiederkehren 
werden,  nämlich  Glanz,  Leben,  hohe  Gestalt,  Fruchtbarkeit  der  Erde,  Fruchtbarkeit 
der  Bäume  u.  die  Helligkeit  der  Himmelslichter.  Sein  Glanz,  s.  Ri  5,31:  „Seine  Freunde 
sind  wie  die  aufgehende  Sonne."  Sein  Leben,  s.  Jes  65,  22:  „Wie  das  Alter  der  Bäume 
wird  das  Alter  meines  Volkes  sein."  Die  Größe  seiner  Gestalt;  denn  es  heißt  (Lv  26, 13): 
„Tch  werde  (so  deutet  der  Midrasch)  euch  in  hoher  Gestalt  einhergehn  lassen."  (Hier 
folgen  Aussagen,  die  dem  Menschen  zukünftig  eine  Größe  bis  zu  900  Ellen  beilegen.) 
Die  Fruchtbarkeit  der  Erde  u.  der  Bäume;  s.  Sach  8,  12:  „Der  Same  des  P'riedens,  der 
Weinstock  wird  seine  Frucht  geben  u.  die  Erde  ihren  Ertrag."  (Der  Midrasch  deutet 
vermutlich:  Der  Same  wird  vollkommen  sein,  n^";::;,  u.  der  Weinstock  wird  seine,  die 
ihm  nur  immer  mögliche  Frucht  geben  usw.)  Die  Helligkeit  der  Himmelslichter;  s. 
Jes  30,26:  „Es  wird  das  Licht  des  Mondes  gleich  dem  Sonnenlicht  sein,  u.  das  Licht 
der  Sonne  wird  siebenfältig  sein."  —  Tanch  r-^a^z  (4^)  u.  TanchB  rr^rs^a  §18  (6^) 
enthalten  mancherlei  wichtige  Abweichungen  im  einzelnen:  zB  R  J^'huda  b.  Schallum, 
um  380,  begründet  die  Sechszahl  der  dem  Adam  genommenen  Dinge  mit  dem  Zahlen- 
wert des  dem  Worte  n-isin  genommenen  "  =  6;  statt  „Fruchtbarkeit  der  Bäume"  ist 
„der  Garten  sEdens"  eingesetzt;  Ben  Pere^  bleibt  unerwähnt;  vielmehr  bringt  Gott  im 
fOlam  ha-ba,  dem  zukünftigen  Aon,  die  sechs  verlorenen  Dinge  wieder.  —  Die  Parallele 
aus  NuR  13  (170'"'),  s.  unten  S.  20.  —  ||  Einen  mehr  selbständigen  Charakter  hat  die 
Tradition  ExR  30  (89^):  Man  findet,  daß  alle  p-,i^ir  in  der  Schrift  defektive  geschrieben 
sind  mit  Ausnahme  von  Gn  2,  4  u.  Ruth  4, 18;  Gn  2,  4  wird  m'sir  plene  geschrieben; 
denn  als  Gott  seine  Welt  schuf,  gab  es  noch  keinen  Todesengel  in  der  Welt,  u.  deshalb 
schrieb  er  das  Wort  plene;  als  aber  Adam  gesündigt  hatte,  schrieb  Gott  alle  Wörter 
miVin  defektive.  Und  als  Perec  erstand,  da  wurde  sein  ri-sVin  plene  geschrieben,  weil 
der  Messias  von  ihm  erstehn  soll,  in  dessen  Tagen  Gott  den  Tod  verschlingen  wird, 
s.  Jes  25,  8:  Verschlingen  wird  er  den  Tod  für  immer. 

1,4:  Nahesson  zeugte  Salma,  Naaaßcov,  ^aXpcoav. 

1.  Nachschon.  NuR  13  (169"^):  Weshalb  wurde  sein  Name  Nachschon  genannt? 
Weil  er  zuerst  hinabsprang  in  den  Strudel  des  (Roten)  Meeres,  '■sii^rrj,  Strudel,  Wort- 
spiel mit  pcn:;  s.  den  ausführl.  Bericht  M^khiltha  zu  Ex  14,  22  (37^  f.);  Sota  U^.  87 ^ 
Pirqe  R.  El.  42  (24»). 

2.  Nachschon  wird  mehrfach  unter  den  Ahnherren  des  Messias  nam- 
haft gemacht,a  so  daß  dieser  kurzweg  Ben  Nachschon  genannt  wird.b 

2* 


20  Matthl,4.5  («1.2) 

a.  NuR  13  (170^):  Warum  wird  das  Wort  D^iiry  (Böcke,  Nu  7,  17)  plene  ge- 
schrieben (mit  i)?  Das  Waw  (dessen  Zahlenwert  =  6)  entspricht  den  sechs  Nach- 
kommen, die,  von  Nachschon  stammend,  Inhaber  von  sechs  Segnungen  sind:  David, 
Messias  (n-ico  ohne  Artikel,  s.  S.  6;^),  Daniel.  Chananja,  Mischael  u.  fAzarja.  David; 
s.  1  Sm  16,  18.  Messias;  s.  Jes  11,  2:  Es  ruht  auf  ihm  der  Geist  Jahves:  der  Geist  der 
Weisheit  u.  des  Verstandes,  siehe  das  sind  zwei;  der  Geist  des  Rates  u.  der  Stärke, 
siehe  das  sind  (zusammen)  vier;  der  Geist  der  Erkenntnis  u.  der  Furcht  Jahves,  siehe 
das  sind  sechs.  —  Daniel,  Chananja,  Mischael  u.  f  Azarja  s.  Dn  6,  4.  Diese  Ausführung 
ruht  auf  einem  Ausspruch  des  Bar  Qappara  (um  210),  s.  Sanh  93^.  93"^  bei  1,  5.  ||  NuR  13 
(170'^):  Die  Schüssel  u.  das  Becken  (Nu  7,  13)  brachte  Nachschon  dar  mit  Bezug  auf 
die  Könige  aus  dem  Hause  Davids,  die  von  ihm  erstehn  sollten  u.  herrschen  unter  dem 
Himmelsgewölbe  (ns^ra  nach  Raschi  zu  M^gll^  =  :''p"in  rs-'S  Vs  rnr)  über  Meer  u. 
Land,  wie  Salomo  u.  der  König,  der  Messias.  Salomo  s.  1  Kg  5,  4;  10,  24f. ;  Ps  89,  26. 
Der  König,  der  Messias,  s.  Ps  72,  8.  11 ;  ferner  Dn  7, 13f.:  Siehe  mit  den  Wolken  des 
Himmels  kam  einer,  einem  Menschensohne  gleich  .  .  .  und  ihm  wurde  Macht  u.  Ansehn 
u.  Herrschaft  gegeben  u.  alle  Völker  u.  Nationen  u.  Sprachen  fürchteten  ihn.  Ferner  Dn 
2,  35:  Der  Stein,  der  das  Bild  traf,  wurde  zu  einem  großen  Fels  u.  füllte  die  ganze  Erde. 

b.  NuR  18  (170''^):  , Und  sein  Opfer",  ua-pi  (Nu  7,  13).  Weshalb  das  überflüssige 
Waw  (zu  Anfang  des  Wortes,  das  Vers  19.  25  usw.  fehlt)?  R.  Bebai  (um  320)  hat  im 
Namen  des  R.  Rauben  (um  300)  gesagt:  Das  Waw  (sechs)  entspricht  den  sechs  Dingen, 
die  dem  ersten  Menschen  genommen  wurden  u.  die  wiederkehren  werden  durch  den 
Ben  Nachschon,  das  ist  der  Messias;  vgl.  oben  S.  19f. 

1,5  5t:  Salma  zeugte  Boas  von  der  Rahab. 

1.  Rahabs  lasterhaftes  Vorleben. 

M^g  15*,  Bar  (i"r,  s.  Einl.  ly.  2):  Vier  schöne  Frauen  hat  es  in  der  Welt  gegeben: 
Sara,  Abigail,  Rahab  u.  Esther;  wer  aber  sagt,  daß  Esther  von  zu  gelblicher  Farbe 
gewesen  sei,  der  scheidet  E.  aus  u.  fügt  Vaschthi  ein  .  .  .:  Rahab  hat  durch  ihren 
Namen  (=  weit,  offen)  zur  Buhlerei  gereizt,  Jafel  durch  ihre  Stimme,  Abigail  durch 
die  Erinnerung  an  sie,  Mikhal,  die  Tochter  Sauls,  durch  ihren  Anblick.  —  R.  Jigchaq 
(um  300)  hat  gesagt:  Jeder,  der  „Rahab,  Rahab"  sagte,  bekam  sofort  Samenfluß.  Rab 
Nachman  (b.  Ja?aqob)  erwiderte  ihm:  Ich  kann  Rahab,  Rahab  sagen  u.  es  ficht  mich 
nicht  an.  Da  sagte  jener:  Ich  meine  es  auch  nur  von  dem,  der  sie  kannte  u.  erblickte. 
Parallele  zu  dem  Ausspruch  des  R.  Jicjchaq  Ta?an  5''.  H  Z*^b  116*^:  Ein  Autor  hat  gesagt: 
Es  gab  keinen  Fürsten  u.  Führer,  der  nicht  der  Buhlerin  Rahab  beigewohnt  hätte.  || 
M%h  Ex  18,  1  (641^)  u.  Z«b  116b:__Man  hat  gesagt:  Die  Buhlerin  Rahab  ist  10  Jahre  alt 
gewesen,  als  die  Israeliten  aus  Ägypten  zogen,  u.  die  ganzen  40  Jahre  hindurch,  die 
die  Israeliten  in  der  Wüste  zubrachten,  hat  sie  gebuhlt;  am  Ende  der  50  Jahre  ist  sie 
Proselytin  geworden. 

2.  Rahabs  Hinneigung  zu  Israel  wird  im  AT  begründet  mit  ihrer 
Kunde  von  Gottes  Großtaten  inmitten  seines  Volkes  Jos  2,  9  ff.  Das 
NT  hebt  ihren  Glauben  hervor  Hebr  11,  31,  der  sie  zu  der  sie  selbst 
rettenden  Tat  an  den  Kundschaftern  führte  Jak  2,  25.  —  Der  Midrasch 
hat  mehrfach  den  Übertritt  R.s  zum  Judentum  verherrlicht:  nachdem 
sie  unter  dem  Bekenntnis  ihrer  Sünde  Proselytin  geworden,»  wird  sie 
als  ein  Beweis  für  die  Wahrheit  angeführt,  daß  Gott  den  sich  nahen 
lasse,  der  sich  ihm  nahen  will;b  oder  als  Beleg  für  die  Regel,  daß 
Gott  dann,  wenn  Israel  seinen  Willen  tue,  Gerechte  aus  der  Heiden- 
welt seinem  Volke  zuführe.c  Selbst  als  ein  Werkzeug  des  göttl.  Geistes 
der  Prophetie  wird  sie  gefeiert,d  u.  noch  der  König  Hiskia  erinnert 


Matthl,5  (212)  21 

sich  ihrer  in  seiner  Todesangst,  um  nach  ihrem  Vorbild  durch  Geltend- 
machung des  Verdienstes  guter  Werke  Rettung  zu  erlangen.e 

a.  Wk\\  Ex  18, 1  (64^):  Nach  50  Jahren  wurde  sie  Proselytin,  u.  sie  sprach:  Herr 
der  Welt,  mit  drei  Dingen  habe  ich  gesündigt  u.  wegen  dreier  Dinge  vergib  mir,  wegen 
des  Seiles  u.  des  Fensters  u.  der'Mauer,  s.  Jos  2,  15.  (Mit  diesen  drei  Dingen  hatte  sie 
auch  gesündigt,  weil  sie  durch  sie  ihren  Buhlen  Zutritt  zu  ihr  ermöglicht  hatte;  vgl. 
Raschi  zu  Zublieb). 

b.  Siphre  zu  Nu  10,  29  §  78  (20'^):  Bei  R.  gilt  der  Schluß  vom  Kleineren  auf  das 
Größere:  wenn  Gott  die,  die  von  einem  Volke  stammte,  von  dem  es  Dt  20,  16  heißt: 
, Keine  einzige  Seele  sollst  du  am  Leben  lassen",  weil  sie  sich  selbst  nahte,  so  sich 
nahen  ließ  —  um  wieviel  mehr  wird  es  dann  von  Israel  gelten,  die  die  Tora  halten!  || 
NuR  3  (139''):  „Wohl  dem.  den  du  erwählst  und  herzukommen  lassest"  Ps  65,  5.  Wohl 
dem,  den  Gott  erwählt,  auch  wenn  er  ihn  nicht  nähert;  u.  wohl  dem,  den  er  nahen 
läßt,  auch  wenn  er  ihn  nicht  erwählt  hat.  (Beispiele  für  den  ersten  Satz:  Abraham, 
Jakob,  Mose,  die  Gott  sich  erwählte,  aber  nicht  an  sich  zu  ziehen  brauchte,  weil  sie 
sich  von  selbst  zu  ihm  hielten.)  Komm  und  sieh:  Jethro  ließ  Gott  nahen,  aber  er  hatte 
ihn  nicht  erwählt;  die  Buhlerin  R.  ließ  er  nahen,  aber  er  hatte  sie  nicht  erwählt.  Heil 
denen,  die  er  nahen  läßt,  auch  wenn  er  sie  nicht  erwählt  hatte.  ||  P*^'siqR  9  (167  •'j: 
R.  Alexandrai  (um  270)  hat  gesagt:  Gott  richtet  die  Völker  durch  ihre  eigenen  Recht- 
schaffenen, durch  Rahab,  durch  Jethro,  durch  Ruth.  Wie  denn?  Er  sagt  zu  den  An- 
gehörigen der  Völker  der  Welt:  Warum  hast  du  dich  mir  nicht  genähert?  Wenn  dieser 
dann  sagen  wird:  Weil  ich  so  völlig  gottlos  gewesen  bin  u.  mich  geschämt  habe,  wird 
er  ihm  antworten:  Wie,  bist  du  es  denn  mehr  gewesen  als  R.,  deren  Haus  an  der  Wand 
der  Mauer  war,  u.  die  die  Räuber  aufnahm  u.  drinnen  hurte?  Und  als  sie  sich  zu  mir 
nahte,  habe  ich  sie  nicht  aufgenommen  u.  von  ihr  Propheten  u.  Gerechte  erstehn  lassen? 
Jethro  ist  ein  Götzenpriester  gewesen;  als  er  sich  mir  aber  nahte,  habe  ich  ihn  nicht 
aufgenommen  u.  von  ihm  Propheten  u.  Gerechte  erstehn  lassen?  Als  Ruth,  die  Moabiterin, 
sich  mir  nahte,  habe  ich  sie  nicht  aufgenommen  u.  von  ihr  Könige  erstehn  lassen? 

C.  Midr  HL  6,2  (122^):  R.  Sch^muel  bar  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Gleich 
einem  Könige,  der  einen  Garten  hatte,  in  den  er  Reihen  von  Nuß-,  von  Apfel-  u.  von 
Granatapfel-bäumen  pflanzte,  u.  den  er  seinem  Sohne  übergab.  Wenn  sein  Sohn  seinen 
Willen  tat,  hielt  der  König  ringsum  Umschau,  ob  wo  ein  schöner  Setzling  in  der  Welt 
sich  fände,  den  hob  er  dann  aus  u.  brachte  ihn  u.  pflanzte  ihn  in  jenen  Garten.  Wenn 
aber  sein  Sohn  nicht  seinen  Willen  tat.  dann  sah  der  König  zu,  welcher  Stamm  im 
Garten  schön  war,  u.  riß  ihn  aus.  So  hält  auch  Gott,  wenn  die  Israeliten  seinen  Willen 
tun,  Umschau,  ob  ein  Gerechter  wie  Jethro  u.  R.  unter  den  Völkern  der  Welt  sei,  u. 
bringt  sie  herbei  u.  hängt  sie  an  Israel;  wenn  aber  die  Israeliten  nicht  seinen  Willen 
tun,  dann  sieht  Gott  zu,  wer  ein  Gerechter  u.  Redlicher  u.  Frommer  u.  Gottesfürchtiger 
unter  ihnen  ist,  u.  nimmt  ihn  (durch  den  Tod]  aus  ihrer  Mitte.  —  Dasselbe  anonym 
pB^rakh  2,  8  (5  c). 

d.  Midr  Ruth  2  (126*):  „Sie  sprach  zu  ihnen:  Gehet  bergwärts  .  .  .  u.  haltet  euch 
dort  drei  Tage  verborgen,  bis  die  Verfolger  zurück  sind"  Jos  2,  16.  Einige  haben  gesagt, 
daß  auf  ihr  (R.)  der  heilige  Geist  (Geist  der  Prophetie)  geruht  habe,  noch  bevor  die  Israe- 
liten in  das  Land  kamen.  Denn  woher  wußte  sie,  daß  (die  Verfolger)  nach  drei  Tagen  zu- 
rückkehren würden?  Aus  diesen  Worten  erkennt  man,  daß  der  heilige  Geist  auf  ihr  ruhte. 

e.  pB<^rakh  4, 1  (8^,  38):  „Da  wandte  (Hiskia)  sein  Angesicht  zur  Wand"  2  Kg  20,  2. 
Zu  welcher  Wand  erhob  er  seine  Augen?  R.  J^oschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt: 
Zu  der  Wand  der  Rahab  (an  welcher  diese  die  Kundschafter  hinabgelassen  hatte)  erhob 
er  seine  Augen;  denn  ihr  Haus  war  an  der  Wand  der  Mauer.  Er  sprach  zu  ihm:  Herr 
der  Welt,  Rahab,  die  Buhlerin,  hat  dir  zwei  Seelen  (die  der  Kundschafter)  errettet, 
siehe,  wieviel  Seelen  hast  du  ihr  gerettet  .  .  .!  um  wieviel  mehr  (wirst  du  mich  jetzt 
erretten),  wo  meine  Väter  alle  diese  Proselyten  zu  dir  gebracht  haben!  Dasselbe  Midr 
Qoh5,6(25b). 


22  Matth  1,  5  (31  3) 

3.  Rahabs  Lohn  war  ein  doppelter:  sie  rettete  ihre  ganze  Familie 
aus  dem  Untergang  Jerichos a  u.  wurde  mit  einer  Nachkommenschaft 
gesegnet,  aus  der  Propheten  u.  Priester  hervorgingen. b 

a.  pBf'rakh  4,  1  (8^,  41):  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  hat  gelehrt:  Auch  wenn 
in  ihrer  Familie  200  Männer  gewesen  u.  diese  hingegangen  wären  u.  sich  an  200  Fa- 
milien (durch  Verschwägerung)  gehängt  hätten  —  sie  alle  wären  durch  ihr  (Rahabs) 
Verdienst  errettet  worden.  —  In  Midr  Qoh  zu  5,  6  (26»);  Midr  Ruth  2  (125'')  wird  als 
Schriftgrund  hinzugefügt:  Es  heißt  nicht:  „Ihre  ganze  Familie",  sondern  „alle  ihre 
Familien",  Jos  6,  23. 

b.  Siphre  Nu  10,  29,  §  78  (20''):  Acht  Priester,  die  zugleich  acht  Propheten  waren, 
sind  von  der  Buhlerin  R.  erstanden,  nämlich  Jeremia,  Ghilqijjahu,  Seraja,'  Machseja, 
Barukh,  Nerijja,  Chanamsel  u.  Schallum.  R.  J^'huda  (b.  EUai,  um  150)  sagte:  Auch  die 
Prophetin  Hulda  war  von  den  Nachkommen  der  Buhlerin  R.;  s.  2  Kg  22,  14:  „Hulda, 
die  Prophetin,  das  Weib  Schallums  ben  Tiqva",  u.  es  heißt  Jos  2,  18:  Siehe,  kommen 
wir  in  das  Land,  so  sollst  du  das  Seil  (Tiqva)  hier  aus  Karmesinfäden  an  das  Fenster 
binden.  (Beweis  durch  Analogieschluß,  G'zera  schava,  Einl.  97:  Tiqva  Jos  2, 18  steht 
in  Beziehung  zu  Rahab,  folglich  verweist  dasselbe  Wort  2  Kg  22, 14  den  Schallum  unter 
R.s  Nachkommenschaft;  unverständlich  bleibt,  inwiefern  aus  diesen  Stellen  Huldas 
Herkunft  von  R.  folgen  soll.)  —  Die  Parallelstelle  M^g  14''  s.  unter  Nr.  4.  —  In 
einer  weiteren  Parallelstelle  Midr  Ruth  2  (126")  heißt  es:  Zehn  priesterliche  Propheten 
sind  aus  der  Buhlerin  R.  erstanden  (nämlich  noch  Ezechiel  u.  Buzi).  Die  Tradition  über 
R.s  Nachkommenschaft  ist  an  beiden  Stellen  mit  einer  allegorischen  Auslegung  (nach 
Art  der  alten  Dor'^sche  Reschumoth)  von  1  Chr  4,  21  ff.  verknüpft,  die  in  Midr  Ruth  2 
Anfang  auf  Rabbi  oder  (Bacher,  pAmor  1,  180)  auf  Rab  (f  247)  zurückgeht;  vgl.  Jalqut 
zu  Chron  §  1077.  Da  an  der  Einzelauslegung  die  Tanna'iten  R.  Schimfon  b.  Jochai, 
R.  Elsazar  (b.  Schammua??),  R.  J^huda  (b.  Elfai)  u.  R.  N'='chemja,  sämtlich  um  150,  be- 
teiligt sind,  so  wird  auch  die  Notiz  über  R.s  priesterlich-prophetische  Nachkommen- 
schaft dem  2.  nachchristl.  Jahrh.  entstammen. 

Speziell  werden  dann  noch  die  Propheten  Ezechiel  u.  Jeremia  als  R.s  Nachkommen 
namhaft  gemacht.  P'^siq  115^:  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Vier  gibt 
es,  die  aus  der  Familie  einer  Minderwertigen  stammen;  diese  sind  Pin^'chas,  Urijja, 
Ezechiel  u.  Jeremia.  Pin'^chas  s.  Ex  6,  25;  Urijja  s.  Jer  26,  20  u.  Jos  9, 17  (aus  diesen 
Stellen  wird  gefolgert,  daß  U.  zu  den  Gibesonitern  gehörte).  Hinter  Ezechiel  redeten 
die  Israeliten  geringschätzig  her  u.  sagten:  Gehört  der  nicht  zu  den  Kindeskindern 
der  Buhlerin  R.?  und  es  mußte  die  Schrift  seine  Abstammung  angeben:  „Es  geschah 
das  Wort  Jahves  zu  Ez.,  dem  Sohne  Buzis,  des  Priesters"  Ez  1,  3.  Hinter  Jeremia 
redeten  die  Israeliten  geringschätzig  her  u.  sagten:  Gehört  der  nicht  zu  den  Kindes- 
kindern der  Buhlerin  R. ?  Und  es  mußte  die  Schrift  seine  Abstammung  angeben:  „Die 
Worte  des  Jer.,  des  Sohnes  Hilkias,  aus  den  Priestern  zu  Anathoth  im  Lande  Ben- 
jamin" Jer  1, 1.  II  P'^siq  111'':  R.  Abba  bar  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  „Du  (Gemeinde 
Israel)  bist  nicht  gewesen  wie  die  Buhlerin  (R.),  daß  du  eines  Lohnes  gespottet  hättest" 
(Ez  16,  31),  so  komme  der  Sohn  der  Verderbten,  die  ihr  Tun  gut  einrichtete  (d.  h.  Jere- 
mia, der  Sohn  der  R.)  u.  strafe  die  Nachkommenschaft  der  Trefflichen,  die  ihr  Tun 
verderbte  (d.  h.  die  Gemeinde  Israel)  a^zh  nsri  ■'nnaiy  ssprtti  arhphptzn  s^a  t^i 
^n'tizity  rV-p-"  a^ipr-on.  ||  Midr  Sm  9  §  6  (38»):  R.  J^hoschuaf  von  Sikhnin  (um  330)  hat 
im  Namen  des  R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Gott  sprach  zur  Rahab:  Du  hast  gesagt: 
„Jahve,  euer  Gott,  ist  ein  Gott  im  Himmel  oben  u.  auf  der  Erde  unten"  Jos  2, 11.  Das 
ist  richtig  in  bezug  auf  die  Erde,  aber  (1.  a-ov?}  in  bezug  auf  den  Himmel  oben,  da 
hast  du  etwas  gesagt,  was  deine  Augen  nicht  gesehen  haben;  bei  deinem  Leben,  dein 
Nachkomme  (=  Ezechiel)  wird  dastehn  u.  sehen,  was  (alle  übrigen)  Propheten  nicht 
gesehen  haben,  s.  Ez  1,  1:  „Es  öffneten  sich  die  Himmel,  u.  ich  sah  Gesichte  Gottes."  — 
R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  In  der  Stunde,  da  fEbed  Melekh,  der  Kuschite,  den 
Jeremia  aus  der  Grube  heraufziehn  wollte,  was  sagte  er  da  zu  ihm?    „Lege  doch  die 


Matth  1,  5  {%  3.  4.  JB.  6  1)  23 

zerfetzten  u.  zerriebenen  Lappen  unter  deine  Achseln"  Jer  38,  12.  Jer.  erwiderte:  Wenn 
ich  doch  eine  Leiter  hätte!  Da  sprach  Gott  zu  ihm:  Eine  Leiter  willst  du  haben? 
Habe  ich  nicht  von  deiner  Ahnfrau  (R.)  her  ein  Seil;  steht  nicht  also  geschrieben 
Jos  2,  15:  „Da  ließ  sie  sie  am  Seil  durch  das  Fenster  hinab"?  Und  auch  bei  dir  soll  es 
so  geschehn  —  und  sie  zogen  den  Jer.  an  Seilen  herauf  (Jer  38, 18).  —  Vgl.  noch  Nr.  4. 

4.  Vorstehende  Traditionen  lassen  erkennen,  daß  man  R.  nicht  zu 
den  Ahnfrauen  des  davidischen  Hauses  gezählt  hat;  wenn  Mt  1,5  dies 
gleichwohl  geschieht  (Rahab  Gemahlin  des  Salma),  so  muß  eine  anders- 
artige ältere  Überlieferung  vorgelegen  haben.  In  der  jüdischen  Litera- 
tur gilt  Josua,  der  Sohn  Nuns,  als  R.s  Gatte. 

M'^g  lA^:  Rab  Nacbman  (b.  Ja?aqob,  f  320)  hat  gesagt:  Hulda  hat  zu  den  Nach- 
kommen Josuas  gehört;  s.  2  Kg  22, 14:  Hulda,  die  Prophetin,  das  Weib  Schallums,  des 
Sohnes  Tiqvas,  des  Sohnes  Charchas',  u.  Jos  24,30:  Man  begrub  Josua  im  Gebiet  seines 
Erbteils  zu  Timnath-Gheres  (so  der  Talmud;  im  bibl.  Text:  Timnath-Serach.  Beweis 
durch  Analogieschluß  Einl.  97:  wie  Timnath-Cheres  zu  Josua  gehört,  so  auch  Gharchas 
durch  Abstammung;  nur  wird  für  Hulda  damit  nichts  erwiesen!).  Rab  fEna  der  Alte 
hielt  dem  Rab  Nachman  entgegen:  Acht  Propheten,  die  zugleich  Priester  waren,  sind 
aus  der  ßuhlerin  R.  hervorgegangen,  nämlich  Nerijja,  Barukh,  Seraja,  Machseja,  Jeremia, 
Chilqijjahu,  Ghanamiel  u.  Schallum.  R.  J'^^huda  (b.  EUai,  um  1.50)  sagte:  Auch  Hulda, 
die  Prophetin,  war  von  den  Nachkommen  der  Buhlerin  R.;  s.  2  Kg  22,  14:  Ben  Tiqva, 
u.  Jos  2, 18:  „Das  Seil  (Tiqva)  von  Karmesinfäden "  (vgl.  oben  S.  22).  Es  sagte  sEna  der 
Alte,  nach  andern  sagte  es  ein  schwarzer  Topf  (bildl.  Bezeichnung  eines  „Gelehrten, 
der  infolge  fleißiger  Studien  auf  die  Reinheit  seiner  Kleider  nicht  achtet",  Levy  4, 
1-58^):  Von  mir  u.  von  dir  aus  kann  auf  die  Tradition  geschlossen  werden,  daß  R. 
Proselytin  geworden  sei  u.  den  Josua  geheiratet  habe.  Aber  wie,  hatte  dieser  denn 
Nachkommenschaft?  Es  h5ißt  doch  (lChr7,  27):  Sein  Sohn  Nun,  sein  Sohn  Josua! 
(Aus  dem  Fehlen  einer  Angabe  daselbst  über  Josuas  Nachkommen  wird  auf  das  Fehlen 
der  Nachkommenschaft  selbst  geschlossen.)  Antwort:  Söhne  hatte  er  nicht,  aber  Töchter 
hatte  er.  |I  —  In  Übereinstimmung  hiermit  wird  denn  auch  nur  von  Töchtern  der  R. 
geredet  in  NuR  8  (150"^):  Weil  Rahab  die  Kundschafter  in  ihr  Haus  nahm  u.  rettete, 
rechnete  es  ihr  Gott  so  an,  als  hätte  sie  es  ihm  getan,  u.  gab  ihr  ihren  Lohn.  Vgl. 
Jos  2,4:  Das  Weib  nahm  die  beiden  Männer  u.  —  verbarg  „sie"  steht  hier  nicht  ge- 
schrieben, sondern:  u.  verbarg  „ihn".  Und  welchen  Lohn  nahm  sie  hin?  Daß  von  ihren 
Töchtern  sich  (einige)  an  die  Priesterschaft  verheirateten  u.  Söhne  gebaren,  die  da- 
standen u.  auf  dem  Altar  dienten,  u.  sie  gingen  in  das  Heiligtum  u.  segneten  Israel 
mit  dem  Jahvenamen  (Schem  ha-m' phorasch);  u.  diese  waren  Barukh  b.  Nerijja,  Seraja 
b.  Machseja,  Jeremia  b.  Chilqijjahu  u.  Chananiäel  b.  Schallum.  1|  Midr  Qoh  S,  10  (40^*): 
R.'Abin  (I.  um  325;  11.  um  370)  hat  gesagt:  Gerechte  sind  dorthin  (zu  Proselytinnen) 
gegangen  u.  gekommen,  zB  Joseph  zur  As'^nath,  Josua  zur  Rahab,  Boas  zur  Ruth,  Mose 
zu  (dem  Proselyten)  Chobab. 

1,  5  SB:  Boas,  Boe'g. 
Der  Targum  zu  1  Chr  4,  22  nennt  Bo?az  den  „Meister  der  Gelehrten 
an  der  Akademie  zu  Bethlehem".  —  Siphre  Dt  6,  6  §  33  (74'*)  wird  er 
unter  denen  aufgezählt,  die  ihren  bösen  Trieb  durch  Beschwörung 
niederzwangen  (s.  die  Stelle  im  Exkurs:  „Der  gute  u.  der  böse  Trieb" 
Nr.  6  Anm.  g;  ferner  s.  ebenda  LvR  23). 

6  Ruth,  'Pov^. 

1.  Ruth:  Name,a  Herkunft,b  Übertritt  zum  Judentum, c  Lohn,d 
Lebensdauer. e 


24  Matth  1,  5  (6  1) 

a.  B^rakliT^:  Was  heißt  ^Ruth"?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Daß  sie  ge- 
würdigt worden  ist,  daß  David  aus  ihr  hervorging,  der  Gott  mit  Liedern  u.  Lobgesängen 
labte,  nr;,"  —  Ruth  also  =  Labende. 

b.  Hör  10'^:  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Immer  be- 
schäftige sich  der  Mensch  mit  der  Tora  u.  den  Pflichtgeboten,  auch  wenn  es  nicht  um 
ihretwillen  (sondern  aus  selbstischen  Nebenzwecken)  geschieht;  denn  aus  dem  Nicht- 
um-ihretwillen  kommt  das  Um-ihretwillen.  Denn  um  der  42  Opfer  willen,  die  Balaq, 
der  Frevler,  geopfert  hat  (Nu  23,  1.  14.  29  f.).  ward  er  gewürdigt,  daß  Ruth  aus  ihm 
hervorging;  denn  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Ruth  war  die  Enkelin 
fEglons,  des  Enkels  von  Balaq,  dem  König  Moabs.  —  Dasselbe  etwas  ausführlicher 
Sota  47^.  II  TanchB  ^r,".  §  14  (110''):  ,Ehud  machte  sich  ein  Schwert  .  .  .  und  gürtete 
es  an  seine  rechte  Hüfte"  Ri  B,  16;  ,da  trat  er  zu  fEglon  ein  .  .  .;  er  sprach  zu  ihm: 
Ein  Gotteswort  habe  ich  für  dich!  Und  er  erhob  sich  vom  Thron",  das.  Vers  20.  Gott 
sprach:  Du  hast  mir  Ehre  erwiesen  u.  hast  dich  um  meiner  Ebre  willen  von  deinem 
Thron  erhoben;  bei  deinem  Leben!  ich  werde  von  dir  eine  Tochter  erstehn  lassen,  aus 
der  ein  Sohn  erstehen  wird,  den  ich  auf  meinen  Thron  setzen  werde.  Damit  ist  Ruth 
gemeint,  die  Moabiterin,  aus  der  Salomo  erstand,  von  dem  geschrieben  steht  1  Ohr 
29,23:  Und  S.  setzte  sich  auf  den  Thron  Jahves. 

Diese  Herkunft  Ruths  sollen  die  Gegner  Davids  benützt  haben,  ihm  illegitime 
Abstammung  zum  Vorwurf  zu  machen.  Midr  Ruth  8  Anf.  (137*):  R.  Abba  bar  Kahana 
(um  310)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Ps4,  5:  , Zürnet,  aber  sündigt  nicht."  David 
sprach  vor  Gott:  Wie  lange  werden  meine  Feinde  sich  wider  mich  erregen  u.  sagen: 
Hängt  nicht  ein  Familienmakel  an  ihm?  Stammt  er  nicht  von  Ruth,  der  Moabiterin? 
, Sprechet  in  eurem  Herzen  auf  eurem  Lager."  (David  sprach:)  Stammt  denn  nicht 
auch  ihr  von  zwei  Schwestern  ab  (Lea  u.  Rahel,  die  Jakob  gegen  das  Gesetz  Lv  18, 18 
zu  gleicher  Zeit  als  Frauen  hatte)?  Sehet,  was  eure  Wurzel  ist  ,u.  schweiget.  Sela." 
Auch  Thamar,  die  euer  Ahn  Juda  geehelicht  hat,  gehörte  sie  nicht  zu  denen,  an  denen 
ein  Familienmakel  haftet?  Was  wollt  ihr  also,  habt  ihr  einen  edlen  Stammbaum? 
(Dem  letzten  Satz  geht  die  später  eingeschobene,  Thamars  Abstammung  in  Schutz 
nehmende  Bemerkung  vorauf:  , Vielmehr  war  Th.  die  Tochter  Sems,  des  Sohnes 
Noahs.")  —  Der  Anfang  dieser  Ausführung  anonym  Midr  Ps  4  §  9  (23*>).  1]  J^b  76**:  So 
hat  Saul  (seine  Frage  an  Abner  1  Sm  17,  55)  gemeint:  Ob  David  von  PereQ  oder  ob  er 
von  Zerach  (s.  Gn  88,  29  f.)  herkomme.  Wenn  er  von  Pere9  herkommt  (meinte  Saul), 
wird  er  König  werden,  denn  der  König  bricht  durch  "i"t,  den  Weg  zu  bahnen,  u.  man 
wird  es  ihm  nicht  wehren  können.  Wenn  er  aber  von  Zerach  herkommt,  wird  er  nur 
ein  angesehener  Mann  werden.  ...  Da  sagte  der  Edomiter  Doeg:  Statt  daß  du  über 
ihn  fragst,  ob  er  passend  für  die  Königsherrschaft  ist  oder  nicht,  frage  über  ihn,  ob 
er  geeignet  ist,  in  die  Gemeinde  Israel  einzutreten  oder  nicht,  weil  er  von  der  Ruth, 
der  Moabiterin,  herkommt.  Abner  antwortete  ihm:  Ich  habe  gelernt:  Ein  Ammoniter, 
aber  nicht  eine  Ammoniterin;  ein  Moabiter,  aber  nicht  eine  Moabiterin  (ist  vom  Eintritt 
in  die  israelitische  Volksgemeinschaft  ausgeschlossen).^  —  Diese  Ausführung  auch  in 
Midr  Sm22  §  1  (55^).  !|  xMidr  Qoh  10,  1  (46-'):  , Giftige  Fliegen  machen  stinkend,  gärend 
das  Öl  des  Salbenhändlers"  Qoh  10,  1.  Die  Stelle  redet  von  Doeg  u.  Achithophel. 
Gestern  brachten  sie  stinkende  Worte  gegen  David  vor  u.  sagten:  Er  ist  untauglich 
hinsichtlich  der  Familie;  stammt  er  nicht  von  Ruth,  der  Moabiterin?  Und  heute  reden 
sie  u.  sind  beschämt,  p  Joma  22'^:  Rab  J^'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Sch'^'muel  (f  254) 
habe  gesagt:  Warum  hat  sich  die  Königsherrschaft  des  Hauses  Saul  nicht  in  die  Länge 
hingezogen?  Weil  daran  kein  Familienmakel  gehaftet  hat.  Denn  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  im  Namen  des  R.  fechim?on  b.  J^ho^adaq  (um  225)  gesagt:  Man  setzt  keinen  Vor- 


1  Die  Mischna  bestimmt  J'^b  8,3:  Ammoniter  u.  Moabiter  sind  verboten  (dürfen 
in  die  Gemeinde  Isr.  nicht  eintreten),  u.  ihr  Verbot  ist  ein  ewiges  Verbot ;__aber  ihre 
Weiblichen  sind  sofort  erlaubt  (dürfen  jederzeit  in  die  G.  Isr.  eintreten).  Die  Ägypter  u. 
Edomiter  sind  nur  für  drei  Generationen  verboten,  sowohl  männliche  als  auch  weibliche. 


Matth  1,  5  (6  1)  25 

Steher  über  eine  Gemeinde,  es  sei  denn,  daß  eine  Butte  voller  Kriechtiere  ihm  auf 
seinem  Rücken  herabhängt  (seine  Familienreinheit  anfechtbar  ist),  damit  man,  wenn 
er  hochmütig  werden  will,  zu  ihm  sagen  könne:  Wende  dich  nach  rückwärts.  —  Hierin 
liegt  der  Gedanke,  daß  Davids  Dynastie  von  längerer  Dauer  gewesen  sei,  weil  ihr 
Familienmakel  mancherlei  Art  angehaftet  habe.  |!  J"^b  77 » :  Raba  (f  352)  hat  vorgetragen : 
Was  bedeutet  Psll6,  16:  ,Du  hast  meine  Bande  gelöst"?  David  sprach  vor  Gott: 
Herr  der  Welt,  zwei  Bande,  die  auf  mir  lagen,  hast  du  gelöst:  Ruth,  die  Moabiterin, 
u.  Na?ama,  die  Ammoniterin  (die  Gemahlin  Salomosii.  die  Mutter  Rehabeams,  1  Kg  14, 21). 
(Die  Lösung  der  zwiefachen  Bande  bestand  in  der  Bestimmung,  daß  Moabiterinnen  u. 
Ammoniterinnen  ohne  Wartezeit  sofort  in  die  Israel.  Volksgemeinde  eintreten  dürfen, 
s.  J*'b  8,  3.)  Raba  hat  (ferner)  vorgetragen:  Was  bedeutet  Ps  40,  6:  „Zahlreich  hast  du, 
Jahve  mein  Gott,  deine  Wunder  getan  u.  deine  Gedanken  über  uns",  über  „mich"  ist 
nicht  gesagt,  sondern  über  ,uns";  das  lehrt,  daß  Rehabeam  im  Schöße  Davids  saß  u. 
dieser  zu  ihm  sagte:  In  bezug  auf  mich  u.  auf  dich  sind  diese  beiden  Verse  gesagt 
worden  (die  wir  von  nicht  makelloser  Abstammung  sind). 

C  Midr  Ruth  1,  16  f.  (128"):  „Ruth  sprach:  Dringe  nicht  in  mich,  dich  zu  verlassen, 
indem  ich  von  dir  weg  heimkehre",  Ruth  1,  16.  Was  heißt:  „Dringe  nicht  in  mich"? 
Sie  sagte  zu  Naemi:  Sündige  nicht  meinetwegen,  bringe  dich  nicht  in  Gefahr  von 
Strafen  um  meinetwillen,  indem  ich  dich  verlasse  u.  hinter  deinem  Rücken  mich  be- 
kehre (^vom  Heidentum  zum  Judentum).  Überall  ist  mein  Denken  darauf  gerichtet,  daß 
ich  eine  Proselytin  werde;  aber  es  ist  besser,  daß  ich  es  durch  dich  als  durch  eine 
andere  werde.  Als  Naemi  solches  hörte,  begann  sie  ihr  die  Vorschriften  betreffs  der 
Proselyten  vorzutragen:  Meine  Tochter,  es  ist  nicht  die  Weise  der  Töchter  Israels,  in 
die  Theater  u.  Zirkusse  der  Heiden  zu  gehn.  Ruth  erwiderte  1,16:  „Wohin  du  gehn 
wirst,  da  werde  ich  hingehn."  Jene  sprach:  Meine  Tochter,  es  ist  nicht  die  Weise 
Israels,  in  einem  Hause  ohne  M'^'zuza  (Türpfostenkapsel)  zu  wohnen.  Sie  antwortete 
(das.):  „Wo  du  wohnen  wirst,  werde  ich  wohnen."  —  „Dein  Volk,  mein  Volk",  das 
bezieht  sich  auf  die  Strafen  u.  die  Verwarnungen;  „dein  Gott,  mein  Gott"  auf  die 
übrigen  Pflichtgebote.  [Eine  andre  Erklärung.  „Wohin  du  gehn  wirst,  da  werde  ich 
hingehn",  das  bezieht  sich  auf  die  Stiftshütte  in  Gilgal,  Schilo,  Nob,  Gibea  u.  auf  den 
Tempel;  „wo  du  wirst  weilen,  werde  ich  weilen"  in  bezug  auf  meine  Opferdarbringungen ; 
„dein  Volk,  mein  Volk",  um  meine  Götzen  zu  beseitigen;  „dein  Gott,  mein  Gott",  um 
mir  den  Lohn  für  meine  Werke  zu  geben.]  „Wo  du  sterben  wirst,  werde  ich  sterben" 
(1,17),  das  geht  auf  die  vier  Todesstrafen,  die  der  Gerichtshof  verhängt:  Steinigung, 
Verbrennung,  Enthauptung  u.  Erdrosselung.  „Und  da  werde  ich  begraben  werden" 
(das.),  das  geht  auf  die  zwei  Gräber,  die  dem  Gerichtshof  bereitstehn,  das  eine  für  die 
Gesteinigten  u.  die  Verbrannten,  u.  das  andre  für  die  Enthaupteten  u.  die  Erdrosselten 
(s.  Sanh  6,  5).  „Dies  tue  mir  Jahve  u.  das  noch  dazu."  Naemi  sprach  zu  ihr:  Meine 
Tochter,  alles,  was  du  an  Pflichterfüllungen  u.  an  Wohltätigkeitsübungen  erwerben 
kannst,  erwirb  in  dieser  Welt,  aber  in  der  Zukunft  gilt:  „Der  Tod  wird  uns  voneinander 
scheiden."  —  Nach  J^b  47  ^,  wo  sich  diese  Ausführung  ähnlich,  aber  kürzer  findet,  ist 
R.  Ehazar  (b.  Pedath,  um  270)  Autor. 

d.  Siphre  Nu  10,  29  §  78  (20'^):  So  findet  man  es  auch  bei  Ruth,  der  Moabiterin 
(nämlich  daß  Gott  die  nähert,  die  ihm  sich  nähern).  Was  sagte  sie  zu  ihrer  Schwieger- 
mutter? „Dein  Volk,  mein  Volk;  dein  Gott,  mein  Gott  .  .  .;  wo  du  sterben  wirst,  werde 
ich  sterben"  (Ruth  1,  16  f.).  Gott  sprach:  Du  hast  durchaus  nichts  verloren;  siehe,  die 
Königsherrschaft  ist  dein  in  dieser  u.  in  der  zukünftigen  Welt.  ||  Targ  1  Chr  4,  23  wird 
Ruth  „Mutter  von  Königreichen,  srip^^-i  S'ss,  genannt.  ||  Targ  Ruth  2,  12:  In  diesem 
Verdienst  (des  Übertritts  zum  Judentum)  wirst  du  (Ruth)  befreit  werden  aus  dem  Ge- 
richt des  Gehinnoms,  damit  dein  Teil  sei  bei  Sara,  Rebekka,  Rahel  u   Lea. 

e.  Siphre  Nu  10,  29  §  78  (20''):  ,Die  Bewohner  von  Netafim",  1  Chr  4,  23,  damit  ist 
der  König  Salomo  gemeint,  der  einer  Pflanzung  nyuj  in  seinem  Königreiche  glich.  .  .  . 
„Bei  dem  König,  in  seinem  Werke,  wohnten  sie  daselbst"  1  Chr  4,  28.  Hieraus  darf 
man  folgern,  daß  Ruth,  die  Moabiterin,  nicht  gestorben  ist,  bis  sie  ihren  Enkel  Salomo 


26  Matthl,5  (61.  2) 

sitzen  u.  richten  sah  die  Rechtssache  der  (beiden)  Buhlerinnen  (1  Kg  3,  16  ff.);  denn  es 
heißt  , zusammen  mit  dem  König"  in  seinem  Werke  saßen  sie  daselbst.  ll  BB  91^:  „Mit 
dem  König,  in  seinem  Werk,  saßen  sie  daselbst"  1  Chr  4,  23;  damit  ist  Ruth,  die  Moa- 
biterin,  gemeint,  die  die  Regierung  ihres  Enkels  S.  erblickte;  denn  es  heißt  1  Kg  2, 19: 
,Er  stellte  einen  Sessel  hin  für  die  Mutter  des  Königs."  R.  Elfazar  (um  270)  hat  ge- 
sagt: Für  die  Ahnfrai>  des  königlichen  Hauses  (=  für  Ruth). 

2.  Ruth  Ahnfrau  des  Messias.  —  Der  Midrasch  berührt  nicht  bloß 
gelegentlich,  sondern  hebt  geflissentlich  das  providentielle  göttliche 
Walten  hervor,  wie  es  sich  gerade  in  der  Eingliederung  Ruths  in  die 
Ahnenreihe  des  Messias  gezeigt  hat.a  In  grauer  Vorzeit  hat  Gott  die 
Ruth  in  Sodom  gefunden b  u.  dann  zur  Stammmutter  des  Messias  be- 
stimmt, der  „von  einem  andern  Ort"  kommen  soll;C  ihren  Mutterschoß 
hat  erst  Gottes  Hand  zur  Empfängnis  bereitet^  u.  ihrer  Begegnung 
dann  mit  Boas  eine  Episode  eingeflochten,  die  für  das  Geschick  ihres 
Sprößlings,  des  Messias,  dereinst  typisch  sein  wird.e 

a.  J'^beS'"':  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Was  heißt  Gn  12,  3:  Jn  dir  werden 
gesegnet  werden  -2^33  alle  Geschlechter  des  Erdbodens"?  Gott  sprach  zu  Abraham: 
Zwei  schöne  Reiser  ns"'-^  habe  ich,  die  ich  in  dich  einpfropfen  will,  nämlich  Ruth,  die 
Moabiterin,  u.  Nasama,  die  Ammoniterin.  ||  BQ  38'':  (sUlla,  um  280,  hat  gesagt:)  Jahve 
sprach  zu  Mose:  Zwei  schöne  Täubchen  habe  ich  von  ihnen  (Moabitern  u.  Ammonitern) 
ausgehn  zu  lassen,  nämlich  Ruth,  die  Moabiterin,  u.  Nasama,  die  Ammoniterin.  ||  Sanh 
98=i- 1*:  R.  Tanchum  (b.  Chanilai,  um  280,  Einl.  139)  hat  gesagt:  Bar  Qappara  (um  210) 
hat  in  Sepphoris  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt,  was  geschrieben  steht  Ruth  3, 17: 
„Diese  sechs  a^-i-'-b  hat  er  mir  gegeben"?  Was  sind  diese  sechs  z-iw?  Waren  es 
etwa  sechs  wirkliche  Gerstenkörner?  Aber  wie,  sollte  es  die  Weise  des  Boas  gewesen 
sein,  sechs  Gerstenkörner  zum  Geschenk  zu  machen?  Vielmehr  werden  es  sechs  Sea 
(1  Sea  =  12  Liter)  Gerste  gewesen  sein.  Aber  wie,  ist  es  denn  die  Weise  eines  Weibes, 
sechs  Sea  zu  tragen?  Vielmehr  hat  er  ihr  damit  einen  Wink  gegeben,  daß  einst  sechs 
Nachkommen  aus  ihr  hervorgehn  werden,  die  je  mit  sechs  Segnungen  werden  gesegnet 
sein.  Diese  sind:  David,  der  Messias,  Daniel,  Chananja,  Mischael  u.  sAzarja.  —  Der 
Schriftbeweis  wird  dann  genau  so  geführt  wie  in  NuR  13  (170''),  s.  oben  S.  20.  —  In 
der  Parallele  Midr  Ruth  8,  15  (135'^)  ist  Bar  Qappara  nur  für  die  einleitenden  Fragen 
als  Autor  genannt  (Tradent  R.  Simon,  um  280),  während  die  weitere  Erklärung  von 
R.  J'^^huda  b.  Simon  (um  320)  gegeben  wird,  u.  zwar  so,  daß  als  die  sechs  gesegneten 
Nachkommen  Ruths  genannt  werden:  David  nach  1  Sm  16,  18;  Hiskia  nach  Jes  9,  6  u.  5; 
Josia  nach  Jer  17,  8;  Chananja,  Mischael  u.  f  Azarja  nach  Dn  1,4;  Daniel  nach  Dn  5, 12 
u.  der  König,  der  Messias,  nach  Jes  11,  2. 

b.  GnR  50  (32^):  „Deine  beiden  Töchter,  die  Gefundenen"  (so  deutet  der  Midrasch 
Gn  19,  15).  R.  Tobijja  b.  Ji^chaq  (1.  R.  Tobijja  im  Namen  des  R.  Jigchaq;  s.  Bacher, 
Paläst.  Amor.  3,  776)  hat  gesagt:  Damit  sind  die  beiden  Funde  gemeint,  Ruth,  die 
Moabiterin,  u.  Na?ama,  die  Ammoniterin.  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt:  „Ich  habe 
meinen  Knecht  David  gefunden"  Ps89,  21.  Wo  habe  ich  ihn  gefunden?  In  Sodom 
(nämlich  in  der  ältesten  Tochter  Lots,  von  der  Ruth  stammte).  —  Etwas  andre  Fassung 
GnR  41  (25'^). 

C.  GnR  23  (15*^):  ,Eva  nannte  seinen  Namen  Seth;  denn  gesetzt  hat  mir  Gott 
einen  andren  Samen",  Gn  4,  25.  R.  Tanchuma  (b.  Abba,  um  380)  hat  im  Namen  des 
R.  Sch'^muel  (um  260)  gesagt:  Sie  schaute  jenen  Samen,  der  von  einem  andren  Ort 
kommen  soll;  u.  wer  ist  das?  Das  ist  der  König,  der  Messias.  —  Midr  Ruth  8  (137'') 
nennt  R.  Huna  (um  350)  als  Autor.  |!  GnR  51  (32^):  R.  Tanchuma  (b.  Abba)  hat  im 
Namen  des  R.  Sch'-muel  gesagt:  Es  heißt  (Gn  19,  34)  nicht:  Daß  wir  von  unserm  Vater 
-einen  Sohn"  ins  Leben  rufen,  sondern:  Daß  wir  von  unserm  Vater  „Samen"  ins  Leben 


Matth  1,  5  (6  2)  27 

rufen,  nämlich  jenen  Samen,  der  von  einem  andren  Ort  kommen  soll;  u.  wer  ist  das? 
Das  ist  der  König,  der  Messias.  —  Ebenso  Midr  Ruth  zu  4,  14  (l.SV^).  —  Der  Ausdruck 
ir;s  n-pa'3  „von  einem  andren  Ort"  findet  sich  in  vierfacher  Bedeutung:  «.  In  obszönem 
Sinn  von  widernatürlicher  Unzucht,  zB  GnR  60  (37*^):  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  ge- 
sagt: Während  die  Töchter  der  Heiden  sich  rücksichtlich  des  Ortes  ihrer  Scham  selbst 
in  acht  nehmen,  aber  rücksichtlich  einer  andren  Stelle  ^ns  ^'p-oi2  sich  selbst  preis- 
geben, war  dagegen  Rebekka  eine  Jungfrau  am  Ort  der  Jungfräulichkeit,  u.  kein  Mann 
hatte  sie  erkannt  ins  aip^sis.  —  ß.  Zur  Bezeichnung  des  außerehelichen  Geschlechts- 
verkehrs, zB  GnR  53  (33 '^):  „Sara  wurde  schwanger  u.  gebar  von  Abraham  (so  deutet 
der  Midrasch  an^asV)  einen  Sohn",  Gn  21,  2;  das  zeigt,  daß  sie  den  Samen  nicht  a'p'sö 
■ins  von  einem  andren  Ort,  von  einem  andren  Mann  gestohlen  hatte.  —  y.  Zur  Be- 
zeichnung einer  fremden  Familie  oder  eines  fremden  Landes,  zB  pJomaS,  41^,  38: 
Wenn  einer  von  der  Familie  Abtinas  (die  das  Räucherwerk  für  den  Tempeldienst  zu- 
bereitete) eine  Frau  ins  a'p^s«  =  aus  einer  andren  Familie  heiratete,  so  machte  er  mit 
ihr  ab,  daß  sie  sich  nicht  parfümierte.  —  pB^'rakh  9,  13'',  38:  Wer  einen  Ort  sieht,  au 
dem  der  Götzendienst  ausgetilgt  ist,  spricht:  Gepriesen  sei,  der  den  Götzendienst  aus 
unserm  Lande  ausgetilgt  hat!  Bar:  Wenn  er  von  irgendeinem  Ort  des  Landes  Israel 
ausgetilgt  ist  (sagt  man  diesen  Lobspruch);  aber  wenn  er  ms  nip>3»3  von  einem  andren 
(außerhalb  Palästinas  gelegenen)  Ort  ausgetilgt  ist,  sagt  man:  Gepriesen  sei,  der  den 
Götzendienst  von  diesem  Orte  ausgetilgt  hat.  —  d.  Zur  Hervorhebung  der  göttlichen 
Urheberschaft,  zB  Esth  4, 14.  —  Für  den  Ausspruch  des  R.  Sch'^muel  oben  können  nur 
die  Bedeutungen  y  n.  (f  in  Betracht  kommen.  Die  jüdischen  Ausleger,  bes.  der  Kom- 
mentar Matth^noth  K%unna,  verstehen  den  Ausdruck  nach  y:  mit  ms  o'^p's«  werde 
angedeutet,  daß  der  Messias  aus  der  Ruth,  die  einem  fremden  Volke  angehöre,  erstehn 
solle.  Diese  Erklärung  liegt  wohl  am  nächsten.  Für  die  Deutung  nach  (f  spricht  Ruth 
4,  12:  Dein  Haus  werde  wie  das  Haus  des  Pere^,  welchen  Thamar  dem  Juda  gebar, 
von  dem  Samen,  den  Jahve  dir  geben  möge  von  diesem  jungen  Weibe!  Ferner  vgl.  die 
Erklärung,  die  die  Worte  ms  n'p«i3  Esth  4, 14  in  Midr  Ps  22  §  5  (91  ^)  gefunden  haben: 
„Von  einem  andren  Ort",  d.h.  von  dem,  von  dem  geschrieben  steht  Jes  45,17:  Israel 
wird  errettet  werden  von  Jahve  mit  einer  ewigen  Rettung.  —  Jedenfalls  will  R.  Sch'muel 
zu  Gn  4,  25  u.  19,  34  das  providentielle  göttliche  Walten  hervorheben,  daß  der  Messias 
gerade  aus  Ruth  hervorgehn  soll;  vgl.  den  ähnlichen  Gedanken  dieses  Gelehrten 
in  GnR  85  (54'')  oben  S.  15/.  —  Die  Meinung  Webers,  Jüd.  Theologie  358,  daß  in 
ins  mptt^j  sich  ausspreche,  was  Joh  7,  27  mit  den  Worten  gesagt  sei,  daß  niemand 
wisse,  woher  der  Messias  sei,  wird  weder  den  Worten  noch  der  Absicht  R.  Sch'^'muels 
gerecht. 

d.  Midr  Ruth  zu  4, 12  (137 a):  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Ruth 
hatte  keine  Gebärmutter,  aber  Gott  höhlte  ihr  die  Gebärmutter  aus.  —  Hiermit  wird 
Ruth  auf  gleiche  Linie  mit  Sara  u.  Rebekka  gestellt,  über  die  sich  dieselbe  Aussage 
GnR  47  (29 c);  53  (33 d);  63  (39«=)  findet. 

e.  Midr  Ruth  zu  2, 14  (132=*-  ^):  „Da  sagte  Boas  zu  ihr:  Zur  Essenszeit  tritt  hierher 
u.  iß  von  dem  Brote  u.  tauche  deinen  Bissen  in  den  Essig!  Und  sie  setzte  sich  seit- 
wärts von  den  Schnittern,  u.  er  reichte  ihr  geröstete  Ähren  hin."  R.  Jochanan  (f  279, 
so  ist  mit  Jalqut  z.  St.  §  603  zu  lesen  statt  R.  Jonathan)  hat  die  Stelle  auf  eine  sechs- 
fache Weise  ausgelegt.  .  .  .  Die  Stelle  redet  vom  König,  dem  Messias.  „Tritt  hierher", 
d.  h.  tritt  herzu  zur  Königsherrschaft;  „iß  von  dem  Brote",  das  ist  das  Brot  des  König- 
tums; „tauche  deinen  Bissen  in  den  Essig",  damit  sind  die  Leiden  (Züchtigungen  des 
Messias)  gemeint,  wie  es  heißt  Jes  53,  5:  Er  ist  um  unsrer  Missetat  willen  verwundet 
(über  den  leidenden  Messias  s.  bei  Lk  24,  26).  „Und  sie  setzte  sich  seitwärts  ns^s  von 
den  Schnittern",  weil  seine  (des  Messias)  Herrschaft  eine  Zeitlang  von  ihm  weichen 
wird  la"!^,  s.  Sachl4,  2:  Ich  will  versammeln  alle  Heidenvölker  wider  Jerusalem  zum 
Streite,  u.  erobert  wird  die  Stadt.  „Und  er  reichte  ihr  geröstete  Ähren  hin",  denn  sie 
(die  Herrschaft)  wird  zu  ihm  zurückkehren,  s.  Jes  11,4:  Er  schlägt  die  Erde  mit  dem 
Stab  seines  Mundes. 


28  Matth  1,  6  («.  SB  1) 

1,6  51:  Jesse  (Isai),  leoaai,  zeugte  den  König  David. 

Isai  ist  im  AT  durch  Jes  11,  1.  10  in  unmittelbare  Beziehung  zum 
Messias  gebracht;  ebenso  im  Midrasch. 

Targ  Jes  11,1:  Es  wird  der  König  hervorgehn  aus  den  Söhnen 
Isais,  u.  der  Messias  aus  seinen  Kindeskindern  wird  groß  werden.  || 
Midr  Ps  21  §  1  (89=^):  „Jahve,  ob  deiner  Stärke  freut  sich  der  König" 
Ps  21,  2;  das  meint  die  Schrift  Jes  11,  10:  „Und  es  wird  geschehn  an 
jenem  Tage,  der  Wurzelsproß  Isais,  welcher  dasteht  zum  Panier  der 
Völker  —  ihn  werden  die  Heiden  aufsuchen",  das  ist  der  Messias  ben 
David,  der  bis  zur  Zeit  des  Endes  verborgen  ist.  ||  Midr  Ps  72  §  3  (163^): 
„Deine  Gerichte  gib  dem  Könige"  Ps  72, 1,  das  bezieht  sich  auf  den 
König,  den  Messias,  s.  Jes  11, 1.4:  „Ein  Reis  wird  aufgehn  aus  dem 
Stumpf  Isais  .  .  .  und  er  schafft  Recht  in  Gerechtigkeit  den  Dürftigen."  || 
Im  Habinenugebet  (dem  abgekürzten  Achtzehn-Gebet  Sch«muels,  f  254) 
heißt  es  nach  der  babylon.  Rezension:  Es  werden  sich  freuen  die  Ge- 
rechten über  den  Bau  deiner  Stadt  u.  über  die  Herstellung  deines 
Tempels  u.  über  das  Sprossen  des  Horns  für  deinen  Knecht  David  u. 
über  die  Aufstellung  der  Leuchte  für  den  Sohn  Isais,  deinen  Messias,  [j 
Musaphgebet  -ms  -(n  -z:^  für  den  Neujahrstag:  Gib  .  .  .  Freude  deinem 
Land,  Jubel  deiner  Stadt,  Sprossen  des  Horns  für  David,  deinen  Knecht, 
u.  Aufstellung  der  Leuchte  für  den  Sohn  Isais,  deinen  Messias,  eilends 
in  unsren  Tagen!  1|  Ferner  s.  GnR  85  (54*^)  oben  S.  16  f. 

1,6  33:  David  zeugte  den  Salomo  von  dem  Weib  des  Uria. 

1,  Davids  Versündigung" gegen  Urijja  wird  mit  der  Tendenz,  sie  zu 
beschönigen  u.  zu  verkleinern,  an  folgenden  Stellen  besprochen. 

Schab  56''':  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  R.  Jonathan  (b.  Elfazar, 
um  220)  hat  gesagt:  Jeder,  welcher  sagt,  David  hat  gesündigt,  irrt  einfach;  denn  es 
heißt  (1  Sm  18,  14):  „Und  David  war  verständig  auf  allen  seinen  Wegen,  u.  Jahve  war 
mit  ihm."  Ist  es  möglich,  daß,  wenn  eine  Sünde  auf  ihn  gekommen  wäre,  die  Sch'^khina 
(die  Gottesgegenwart)  mit  ihm  gewesen  wäre?  Aber  wie  halte  ich  dann  2  Sm  12,9 
aufrecht:  „Warum  hast  du  das  Wort  Jahves  verachtet,  um  zu  tun,  was  böse  ist  in 
seinen  Augen"?  „Um  zu  tun",  d.h.  er  suchte  es  zu  tun,  aber  er  tat  es  nicht.  —  Rab 
(f  247)  hat  gesagt:  Rabbi,  der  von  David  abstammte,  hat  die  Stelle  verdrehend  zu 
Davids  Gunsten  ausgelegt:  „Warum  hast  du  das  Wort  Jahves  verachtet,  um  zu  tun, 
was  böse  ist  in  seinen  Augen?"  Rabbi  sagte:  Das  „Böse"  hier  ist  verschieden  von 
allem  sonstigen  „Bösen"  in  der  Tora;  denn  bei  allem  sonstigen  „Bösen"  in  der  Tora 
steht:  „und  er  tat"  (nämlich  was  böse  war  in  Gottes  Augen),  u.  hier  steht:  „um  zu 
tun";  er  suchte  es  nämlich  zu  tun,  ohne  es  wirklich  zu  tun.  „Den  Hethiter  Urijja 
hast  du  mit  dem  Schwert  geschlagen",  2  Sm  12,  9;  denn  du  hättest  ihn  im  Synedrium 
(als  einen  Empörer,  s.  hernach)  können  richten  lassen,  hast  es  aber  nicht  getan.  „Und 
sein  Weib  hast  du  dir  zum  Weibe  genommen"  (das.),  d.  h.  die  Verheiratung  mit  ihr  ist 
gültig.  Denn  R.  Sch^muel  b.  Nachman  hat  gesagt:  R.  Jonathan  hat  gesagt:  Jeder,  der 
zu  einem  Kriege  des  Hauses  David  auszog,  schrieb  seinem  Weibe  einen  Scheidebrief 
(also  durfte  David  des  Urijja  durch  Seh.  freie  Frau  heiraten).  .  .  .  „Und  ihn  hast  du 
umgebracht  mit  dem  Schwert  der  Kinder  Amnion",  d.h.  wie  du  wegen  des  Schwertes 
der  K.  A.  (vgl  2  Sm  12,  26  ff.)  nicht  bestraft  worden  bist,  so  wirst  du  auch  wegen  des 
Hethiters  Urijja  nicht  bestraft  werden  (Schw.  der  A.  also  =  Schwert,  das  straflos  aus- 


Matth  1,  6  (93  l.  2)  29 

geht).  Weshalb?  Er  (ürijja)  hatte  sich  gegen  die  Regierung  empört;  denn  er  sprach 
zu  David  (2  Sm  11,  11):  „Mein  Herr  Joab  u.  die  Knechte  meines  Herrn  lagern  auf  der 
Erde"  usw.  (ürijja  nennt  den  Joab  seinen  Herrn,  worin  liegen  soll,  daß  er  D.  nicht 
als  solchen  anerkannte,  folglich  war  er  ein  Empörer).  —  Rab  (t  247)  hat  gesagt:  Wenn 
man  genau  David  betrachtet,  so  findet  man  nichts  (Tadelnswertes)  an  ihm,  ausgenommen 
die  Sache  mit  ürijja,  s.  1  Kg  15,  5:  „Ausgenommen  die  Sache  mit  dem  Hethiter  ürijja." 
(Dasselbe  zum  Teil  in  Qid  43 '\) 

Gegenteilige  Stimmen.  |  «.  Schammai  der  Alte  (um  30  v.  Chr.)  zieht  aus  2  Sm  12,  9 
eine  kriminalrechtliche  Folgerung.  Qid  43^  Bar:  Wenn  jemand  zu  seinem  Beauftragten 
sagt:  „Geh  u.  töte  jene  Seele",  so  ist  dieser  schuldig  u.  sein  Auftraggeber  frei.  Schammai 
der  Alte  hat  im  Namen  des  Propheten  Haggai  (d.  h.  als  uralte  Tradition)  gesagt:  Sein 
Auftraggeber  ist  schuldig,  denn  es  heißt  (2  Sm  12,9):  Ihn  hast  du  mit  dem  Schwerte 
der  Kinder  Ammon  getötet.  ||  ß.  Midr  Sm  25  §2  (61'^):  „Rette  mich,  Gott,  von  Blut- 
schuld" D'tt-"?  Ps51,  16.  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  (Es  heißt  2  Sm 
23,  89:)  „ürijja,  der  Hethiter,  alle  Siebenunddreißig."  (Ürijja  wog  alle  37  Vorher- 
genannten auf;  daher  der  Plural  n-'a-  Ps  51,  16.)  .  .  .  R.  Chanina  b.  Papa  (um  300) 
brachte  im  Namen  des  R.  Chanina,  des  Schullehrers  (um  225),  den  Beweis  (für  Davids 
Blutschuld)  von  2  Sm  12,  9:  „Warum  hast  du  verachtet  .  .  .  und  ihn  selbst  hast  du  mit 
dem  Schwert  der  Kinder  Ammon  getötet."  Die  Rabbinen  sagten:  Die  Worte  „u.  ihn 
hast  du  getötet"  zeigen,  daß  er  viele  Gerechte,  die  jenem  glichen,  getötet  hat.  (Die 
Beweisführung  ist  unklar;  vermutlich  ist  das  •<  „und"  vor  ins  „ihn"  in  einschließendem 
Sinn  gefaßt;  dies  i  ist  im  Midraschtext  aber  ausgefallen.  \\  y.  Midr  Ps  4  §  2  (20'^): 
R.  Jochanan  (t  .279)  hat  gesagt:  Wegen  dreier  Dinge  hat  sich  David  bekümmert  u. 
Gott  hat  sein  Gemüt  darüber  beruhigt.  .  .  .  Eins  betraf  die  Tat  mit  der  Bathseba,  weil 
die  Israeliten  über  ihn  murrten  u.  sprachen:  unmöglich  kann  ihm,  der  das  Lamm  an 
sich  gerissen  u.  den  Hirten  getötet  u.  Israeliten  mit  dem  Schwerte  niedergeschlagen 
hat,  Heil  für  immer  sein,  und  Gott  beruhigte  ihn  2  Sm  12,  13:  Auch  hat  Jahve  deine 
Sünde  beseitigt,  du  wirst  nicht  sterben.  ||  d.  pTafan  2,  10  (65«^):  R.  Abbahu  (um  300, 
ein  Schüler  des  eben  genannten  R.  Jochanan)  hat  gesagt:  Es  steht  geschrieben  Ps  4,  2: 
„Wenn  ich  rufe,  gib  mir  Antwort,  mein  gerechter  Gott,  der  du  in  Drangsal  mir  Raum 
geschafft  hast."  David  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welten,  in  aller  Not,  in  die  ich  ge- 
raten bin,  hast  du  mir  Weite  (Beruhigung)  verschafft;  ich  bin  in  die  Not  wegen  der 
Bathseba  geraten,  u.  du  hast  mir  den  Salomo  geschenkt. 

2.  Die  Genealogie  Mt  1,  5  f.  macht  vier  Stammmütter  Jesu  namhaft. 
Vier  Stammmütter  Israels  erwähnt  rühmend  auch  die  rabbin.  Literatur. 
Targ  Jerusch  II  Gn  49,  26:  Die  Segnungen  deines  Vaters  mögen  hinzu- 
gefügt werden  zu  den  Segnungen,  mit  denen  dich  Abraham  u.  Isaak 
gesegnet  haben,  die  mit  den  hohen  Bergen  verglichen  werden,  u.  von 
dem  Segen  der  vier  Stammmütter,  die  den  Hügeln  gleichen,  von  Sara, 
Rebekka,  Rahel  u.  Lea  mögen  alle  diese  Segnungen  kommen.  .  .  .  || 
Das.  Nu  23,9:  Ich  sehe  das  Volk  jener  geleitet  durch  das  Verdienst 
der  gerechten  Väter  Abraham,  Isaak  u.  Jakob,  die  den  hohen  Bergen 
gleichen,  u.  durch  das  Verdienst  der  Mütter  Sara,  Rebekka,  Rahel  u. 

Lea,  die  den  Hügeln  gleichen ||  Das.  Dt  83, 15 :  Gute  Früchte  bringend 

durch  das  Verdienst  der  drei  Väter  Abraham,  Isaak  u.  Jakob,  die  den 
hohen  Bergen  gleichen,  u.  durch  das  Verdienst  der  vier  Mütter  Sara, 
Rebekka,  Rahel  u.  Lea,  die  den  Hügeln  gleichen.  i|  Siphre  Dt  33,  15 
§353(146'^):  „Und  mit  dem  KöstHchsten  uralter  Hügel";  das  lehrt, 
daß  die  Väter  u.  Mütter  Berge  u.  Hügel  heißen,  wie  es  heißt  HL  4,  6: 
Geh  hin  zum  Myrrhenberge  u.  zu  dem  Weihrauchhügel.  ||  RH  11^  deutet 


30  '  Matthl,6  (SB2).  8 

R.  Eli?ezer  (um  90)  HL  2,  8  in  folgender  Weise:  „Springend  über  die 
Berge"  im  Verdienst  der  Väter,  „hüpfend  über  die  Hügel*  im  Ver- 
dienst der  Mütter.  —  Die  Präposition  h'j  wird  hierbei  =  „wegen",  „im 
Verdienst"  n:T2  gefaßt.  Die  Deutung  der  „Berge"  u.  „Hügel"  auf  die 
Stammväter  u.  Stammmütter  ist  hiernach  alt.  ||  Nazir  23'':  Wer  sind 
„die  Frauen  im  Zelte"  Rieht  5,  24?  Sara,  Rebekka,  Rahel  u.  Lea.  |[ 
GnR  72  (46'^):  R.  Chanina  b.  Pazzi  (gegen  300)  hat  gesagt:  Die  (vier) 
Stammmütter  sind  Prophetinnen  gewesen,  u.  Rahel  gehörte  zu  den 
Stammmüttern.  „Möge  Jahve  mir  andre  Söhne  (Plural)  hinzufügen, 
steht  hier  (Gn  30,  24)  nicht  geschrieben,  sondern  „einen  andren  Sohn". 
Sie  sprach  (als  Prophetin) :  Noch  einen  andren  wird  er  (Gott)  erstehn 
lassen;  o,  daß  er  von  mir  wärel  ||  Abweichend  wird  Eva  zu  den  Stamm- 
müttern gerechnet  GnR  58  (36 '^):  Qirjath  Arba  hieß  die  Stadt  (Gn  23,  2), 
weil  darin  vier  Stammmütter  beerdigt  waren :  Eva,  Sara,  Rebekka  u.  Lea. 

1,8:  Asa(ph),  'Aaäcp,  zeugte  Josaphat. 

1.  Der  König  Josaphat  wird  nach  einer  Tradition  nicht  als  Vorfahr 
des  Messias  angesehen,  sondern  als  Messias  selbst  aus  dem  Jenseits 
erwartet. 

pSota  9,  16  (24  S  26):  R.  Ja?aqob  b.  Idi  {so  lies  statt  R.  Bar  Jasaqol)  Idi;  um  280) 
hat  im  Namen  des  R.  J'hoschua?  b.  Levi  (um  250)  gesagt:  Als  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai 
entschlief  (um  80  n.Chr.),  ordnete  er  an:  Räumet  den  Hof  aus  wegen  der  Unreinheit 
(die  seine  Leiche  verursacht)  u.  stellet  einen  Thronsessel  bereit  für  Hiskia,  den  König 
Judas!  —  Als  sein  Schüler  R.  Elifezer  (b.  Hyrkanus,  um  90)  entschlief,  ordnete  er  an: 
Räumet  den  Hof  aus  'Ägen  der  Unreinheit  u.  stellet  einen  Thronsesse]  bereit  für 
Rabban  Jochanan  b.  Zakkai!  Andre  dagegen  sagten:  Was  sein  Lehrer  geschaut  hat 
(visionär  in  der  Sterbestunde),  das  hat  auch  er  geschaut  (also  den  König  Hiskia). 
Einen  aus  der  Familie  Pazzi  hätte  man  gern  mit  der  Familie  des  Patriarchen  s^ic: 
verschwägert;  aber  jener  lehnte  es  ab:  „Damit  sie  sich  nicht  zu  schämen  brauchen." 
Als  dieser  nun  entschlief,  ordnete  er  an:  „Räumet  den  Hof  aus  wegen  der  Unreinheit 
u.  stellet  einen  Thronsessel  bereit  für  Josaphat,  den  König  Judas!  Da  sagte  man: 
Sollte  der,  welcher  der  Ehre  nachlief  (=  Josaphat,  der  nach  2  Chr  18, 1  seine  Familie 
mit  dem  Hause  Ahabs  verschwägerte),  dem  folgen,  der  die  Ehre  floh?  —  Fast  gleich- 
lautend pf  AZ  3, 1  (41  *=,  38).  —  Die  Schlußfrage  zeigt,  daß  man  die  Worte  des  Sterbenden 
dahin  verstanden  hat,  daß  der  König  Josaphat  aus  dem  Jenseits  kommen  werde,  um 
dem  Verstorbenen  unsichtbar  das  letzte  Geleit  zu  geben.'  Diese  Deutung  ist  jedoch 
falsch:  wie  in  den  ersten  Sätzen  der  König  Hiskia  aus  dem  Jenseits  als  Messias 
zurückerwartet  wird,  so  nach  dem  letzten  Satz  der  König  Josaphat.  Nach  Joel  4,  2.  12 
soll  ein  „Tal  Josaphat"  die  Stätte  des  messianischen  Gerichtes  sein.  Da  nun  das  AT 
ein  Tal  dieses  Namens  sonst  nicht  kennt,  wird  unser  Autor  aus  der  Familie  Pazzi  sich 
den  Namen  so  erklärt  haben,  daß  dort  der  wiederkehrende  Josaphat  als  Messias  das 
Völkergericht  vollziehen  werde,  zumal  vordem  bei  seinen  Lebzeiten  ein  ähnliches  Ge- 
richt vor  seinen  Augen  über  feindliche  Weltvölker  durch  Gottes  Eingreifen  gehalten 
war,  2  Chr  20.  —  Teilweise  parallel  B^^rakh  28 ^  s.  S.dly. 

2.  Joram  zeugte  Usia.  Zur  Auslassung  der  3  Glieder  (Ahazjahu, 
Jehoasch  u.  Ama9Ja)  zwischen  Joram  u.  Usia  vgl.  den  analogen  Fall 

'  Ähnlich  haben  nach  Pirqe  R.  Elifezer  29  Ende  die  Gelehrten  angeordnet,  daß 
bei  einem  Beschneidungsakt  ein  Ehrensessel  für  Elias  hingestellt  werde,  damit  dieser 
unsichtbar  Zeuge  der  ßeschneidung  sei. 


Matthl,8.  10  31 

Esra  7,  3,  wo  6  Glieder  ausgelassen  sind  (vgl.  1  Chr  5,  32  ff.)-  ^uch  denke 
man  an  den  Grundsatz  Qid4a  u.  J^b  70 ^r  Die  Söhne  der  Söhne  gelten 
als  Söhne. 

1,  10:  Hiskia  zeugte  Manasse. 

1.  Der  König  Hiskia  war  bestimmt,  nicht  ein  Ahnherr  des  Messias, 
sondern  der  Messias  selbst  zu  sein. 

Sanh  99«:  R.  Hillel  (vielleicht  Sohn  des  R.  Sch^'muel  b.  Nachman;  dann  gegen  300; 
vgl.  Bacher,  pAmor  3,  703)  sagte:  Keinen  Messias  gibt  es  mehr  für  Israel,  denn  sie 
haben  ihn  bereits  genossen  in  den  Tagen  des  Hiskia.  Rab  Joseph  (b.  Chijja,  f  333) 
hat  gesagt:  Es  wolle  dem  R.  Hillel  sein  Herr  (==  Gott)  verzeihen!  Wann  hat  Hiskia 
gelebt?  Doch  zur  Zeit  des  ersten  Tempels!  und  siehe,  Sacharja  hat  zur  Zeit  des 
zweiten  Tempels  geweissagt  u.  gesprochen  Sach  9,  9:  Frohlocke  gar  sehr,  Tochter  Zion! 
Jauchze,  Tochter  Jerusalem!  Siehe,  dein  König  kommt  zu  dir,  gerecht  u.  heilvoll  ist 
er,  niedrig,  u.  reitet  auf  einem  Esel  u.  auf  einem  Füllen,  dem  Jungen  der  Eselinnen.  \\ 
Sanh  94'':  „Zur  Mehrung  der  Herrschaft  u.  zu  Frieden  ohne  Ende^  Jes  9,  6.  R.  Tan- 
chum  (b.  Chanilai,  um  280)  hat  gesagt:  Bar  Qappara  (um  210)  hat  in  Sepphoris  öffentlich 
vorgetragen:  Warum  ist  überall  der  Buchstabe  Mem  in  der  Mitte  eines  Wortes  offen, 
>:,  geschrieben,  dieses  geschlossen,  na^o'':?  Gott  wollte  den  Hiskia  zum  Messias  u, 
Sanherib  zu  Gog  u.  Magog  (Ez  38.  .39)  machen.  Aber  die  Eigenschaft  der  göttl.  Ge- 
rechtigkeit sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wie,  den  David,  den  König  von  Israel, 
der  wer  weifs  wie  viele  Lieder  u.  Lobgesänge  vor  dir  gesungen  hast,  den  hast  du  nicht 
zum  Messias  gemacht,  u.  den  Hiskia,  dem  du  alle  diese  Wunder  getan  hast  u.  der 
kein  Lied  vor  dir  gesungen  hat,  den  willst  du  zum  Messias  machen?  Deshalb  wurde 
es  (das  Mem)  geschlossen.  Alsbald  hob  die  Erde  an:  Herr  der  Welt,  ich  will  vor  dir 
ein  Lied  singen  an  Stelle  dieses  Gerechten,  nur  mache  ihn  zum  Messias.  Da  hob  sie 
an  u.  sang,  s.  Jes  24,16:  „Vom  Saume  der  Erde  hören  wir  Gesänge:  Willfahre  dem 
Gerechten!"  (so  deutet  der  Midrasch).  Es  sprach  der  Fürst  der  Welt  (d.  i.  der  Engel, 
der  über  die  Gesamtheit  der  Weltelemente  gesetzt  ist)  vor  ihm:  Herr  der  Welt,  tu 
diesem  Gerechten  seinen  Willen !  Da  ging  eine  Himmelsstimme  aus:  „Mein  Geheimnis 
für  mich,  mein  Geheimnis  für  mich!"  (so  deutet  der  Midrasch  Jes  24, 16:  "'V  "ti).  Es 
sprach  der  Prophet:  „Wehe  mir,  wehe  mir,  wie  lange  noch!"*  s.  Jes  24,  16.  Da  ging 
eine  Himmelsstimme  aus:  Solange  die  Treulosen  treulos  sind,  ja  die  Treulosen  treulos! 
Raba  (f  352)  oder,  wie  auch  gesagt  wird,  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  „Bis  die 
Plünderer  kommen  u.  die  Plünderer  der  Plünderer",  s.  Jes  24,  16.  ||  Midr  HL  4,  8  Ende 
(114"^):  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250,  ein  Schüler  des  oben  genannten  Bar  Qappara) 
hat  gesagt:  Wenn  Hiskia  ein  Lied  gesungen  hätte  über  den  Sturz  Sanheribs,  so  würde 
er  zum  König,  dem  Messias,  geworden  sein  u.  Sanherib  zu  Gog  u.  Magog;  aber  er  tat 
nicht  also;  vielmehr  hat  er  gesagt  Ps  20,  7:  Jetzt  habe  ich  erkannt,  dafs  Jahve  seinem 
Messias  (so  der  Midrasch)  geholfen  hat.  Und  was  folgt  darauf?  Vers  10:  Jahve,  hilf 
dem  König  —  er  erhöre  uns  an  dem  Tage,  da  wir  rufen.  —  R.  J'^hoschua?  b.  Levi 
folgert  aus  dem  Wechsel  von  „Messias"  u.  „König",  dafs  Hiskia  die  Messiaswürde  ver- 
loren u.  nur  die  Königs  würde  behalten  hat.  —  Die  ersten  Ansätze  zu  obigen  Traditionen 
begegnen  bereits  im  1.  nachchristl.  Jahrb.  bald  nach  der  Zerstörung  Jerusalems.  Sanh 
94^  wird  folgende  Bar.  im  Namen  des  R.  Papjas  (der  nach  ?Eduj  7,  6  zur  Zeit  des 
Tempelbestandes  schon  erwachsen)  mitgeteilt:  Eine  Schande  war  es  für  Hiskia  u.  seine 
Genossen,  daf3  sie  kein  Lied  gesungen  haben,  bis  die  Erde  anhob  u.  ein  Lied  sang, 
s.  Jes  24,16:  Vom  Saume  der  Erde  vernehmen  wir  Gesänge! 

2.  Hiskia  wird  als  der  Messias  Israels  aus  dem  Jenseits  wiederkehren. 

B^'rakh28b:  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  sagte  in  der  Stunde  seines  Abscheidens 
(um  80)  zu  seinen  Schülern:  Räumet  die  Geräte  fort  wegen  der  Unreinheit  u.  haltet  einen 
Thronsessel  bereit  für  Hiskia,  den  König  Judas,  wenn  er  kommt.  In  Aboth  RN  25  (7  ) 
fehlen  die  Schiufaworte:  „wenn  er  kommt."  —  Die  Parallele  pSota  9,  24 S  26  s.  oben  S.  30, 


32  Matthl,ll.  12 

1,11:  Josia  zeugte  Jekhonja  u.  seine  Brüder, 

1.  Josia  wurde  vielleicht,  ähnlich  wie  Josaphat  u.  Hiskia,  als  Messias 
aus  dem  Jenseits  zurückerwartet,  Apok  Bar  66,  6  f.:  Er  aber  (Josia) 
wird  ewig  dauernden  Gewinn  empfangen,  u.  er  wird  geehrt  werden 
beim  Allmächtigen  mehr  als  viele  (andre)  in  der  letzten  Zeit.  Denn 
um  seinetwillen  u.  um  derer  willen,  die  ihm  ähnlich  sind,  sind  die 
gepriesenen  Herrlichkeiten  geschaffen  u.  bereitet  worden,  von  denen 
früher  zu  dir  geredet  worden  ist. 

2.  Zwischen  Josia  u.  Jekhonja  ist  Jehojakim  ausgelassen,  1  Chr  3, 15  f. 

3.  Brüder  des  Jekhonja  werden  im  AT  nicht  erwähnt;  aösXtfoi  also 
wohl  wie  Qinüt  im  weitern  Sinne  =  Verwandte.  Die  Regierung  der 
Oheime  des  Jekhonja  1  Chr  3, 15  wurde  durch  diesen  ja  so  unterbrochen, 
als  ob  er  ihrer  Generation  angehörte,  2  Kg  23  f. ;  wird  doch  schon  2  Chr 
36, 10  ^edekia,  der  Oheim  Jekhonjas,  als  dessen  Bruder  nx  bezeichnet. 

Betreffs  dieser  älteren  Generation  bringt  der  Talmud  folgende  Notiz.  Nachdem 
ausgeführt  ist,  daß  man  einen  König,  der  der  Sohn  eines  Königs  war,  nur  in  dem 
Falle  mit  dem  heiligen  Salböle  gesalbt  habe,  wenn  Streitigkeiten  wegen  der  Thron- 
folge zu  befürchten  waren,  wird  zum  Beweis  hierfür  auch  auf  J^'hoachaz  hingewiesen, 
der  gesalbt  worden  sei  (2  Kg  23,  30),  weil  sein  Bruder  J'^hojaqim  (s.  Vers  36.  31)  älter 
als  er  war.  Dann  wird  fortgefahren  pSota  8,  3  (22",  39):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt: 
Jochanan  2  Chr  3, 15  u.  J4ioachaz  2  Kg  23,  30  sind  identisch.  Aber  es  heißt  doch  2  Chr 
3,  15:  Der  Erstgeborene  Jochanan!  (Wäre  er  identisch  mit  J'^hoachaz,  so  könnte  er 
doch  nicht  der  Erstgeborene  heißen,  da  ja  dieser  nach  2  Kg  23,  31.  36  noch  zwei  Jahre 
jünger  als  der  Zweitgeborene  J'^'hojakim  war.)  Es  will  sagen:  der  Erstgeborene  be- 
züglich der  Regierung  (nicht  hinsichtlich  der  Geburt).  R.  Jochanan  hat  gesagt:  Schallum 
u.  Qedekia  (1  Chr  3,  15)  sind  identisch.  Aber  es  steht  doch  geschrieben  (1  Chr  3,15): 
Der  Dritte  ^edekia,  der  Vierte  Schallum!  Das  will  sagen:  Er  war  der  dritte  der  Geburt 
nach  u.  der  vierte  bezüglich  der  Regierung  (zuerst  regierte  J'^hoachaz  2  Kg  23,  30,  dann 
Jehojakim  Vers  36,  als  dritter  Jekhonja  =  Jojakhin  (2  Kg  24,  6),  als  vierter  Qedekia  '^= 
Matthanja,  Jekhonjas  Oheim  Vers  17  f.).  ^edekia  hieß  er,  weil  er  die  göttliche  Strafe, 
die  ihn  traf,  als  gerecht  anerkannte  (vgl.  Ez  17,  13  ff.;  2  Chr  3G,  13).  Schallum  hieß  er, 
weil  sich  in  seinen  Tagen  die  Herrschaft  des  Hauses  David  vollendete  (^  zu  Ende 
ging  -^hx,  Wortspiel  zu  ai'iic).  Aber  weder  Schallum  noch  Qedekia  war  sein  eigentlicher 
Name,  sondern  Matthanja  (2  Kg  24, 17).  Parallelen:  pSch^'qalim  6,  1  (49^,  5);  bHor  U^; 
K'^r  77"^  (andre  Ausgaben  5*^).  Im  bT  wird  der  letzte  Satz,  der  im  pT  noch  zu  R.  Jo- 
chanans  Ausführung  gehört,  als  Bar.  erweitert  so  gegeben:  Schallum  u.  Qedekia  sind 
identisch.  Weshalb  heißt  er  Schallum?  Weil  er  vollkommen  in  seinen  Werken  war. 
Eine  andre  Erklärung:  Schallum,  weil  die  Herrschaft  des  Hauses  David  sich  vollendete 
seit  seinen  Tagen.  Und  welches  war  sein  Name?  Matthanja  war  sein  Name,  2  Kg  24, 17: 
„Und  er  machte  den  Matthanja,  seinen  Oheim,  zum  König  an  seiner  Statt  u.  wandelte 
seinen  Namen  um  in  ^edekia" ;  denn  er  sprach  zu  ihm:  Jahve  wird  ein  gerechtes  Ge- 
richt über  dich  bringen,  wenn  du  dich  wider  mich  empörst,  s.  2  Kg  25,  7;  2  Chr  36, 13. 

1,12:  Nach  der  babylon.  Gefangenschaft  zeugte  Jekhonja 
den  S'^althiel,  2aka^irjl. 

1,  Deportation  des  Königs  J^'khonja, 

LvR  19  (119'*):  Nachdem  Nebukadnezar  den  J'^hojakim  hatte  töten  lassen,  machte 
er  dessen  Sohn  J'  khonja  zum  König  u.  zog  wieder  hinab  gen  Babel.  Alle  Einwohner 
Babels  zogen  aus,  ihn  zu  preisen.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Was  hast  du  vollbracht?  Er 
antwortete:  J'^^hojaqim  hatte  sich  wider  mich  empört,  u.  ich  habe  ihn  getötet  u.  seinen 


Matthl,12(Nr.l.2)  33 

Sohn  J^'khonja  an  seiner  Statt  als  König  eingesetzt.  Sie  sagten  zu- ihm:  Das  Sprich- 
wort sagt:  Das  gute  Junge  von  einem  bösen  Hunde  zieh  nicht  auf,  um  wieviel  wenigei 
das  böse  Junge  von  einem  bösen  Hunde!  Sofort  hörte  er  auf  sie  u.  zog  hinauf  (nach 
Palästina)  u.  ließ  sich  nieder  in  Daphne  bei  Antiochia.  ||  pSch^qalim  6,  3  (50'',  45):  Du 
findest,  als  Nebukadne^ar  hierher  heraufzog,  ließ  er  sich  nieder  in  Daphne  bei  Antiochia. 
Das  große  Synedrium  zog  aus,  ihm  entgegen.  Sie  sagten  zu  ihm:  Ist  die  Zeit  dieses 
Hauses  (=  Tempels)  gekommen,  daß  es  zerstört  werde?  Er  antwortete:  Den,  welchen 
ich  über  euch  zum  König  gemacht  habe,  sollt  ihr  mir  ausliefern,  so  werde  ich  ab- 
ziehen. —  Sie  gingen  u.  sagten  zu  J'^hojakhin:  Nebukadne9ar  verlangt  dich!  Da  nahm 
er  die  Schlüssel  des  Heiligtums,  stieg  auf  das  Dach  des  Tempels  u.  sprach  vor  Gott: 
Herr  der  Welt,  vordem  sind  wir  dir  verläßlich  gewesen,  u.  deine  Schlüssel  wurden 
uns  übergeben;  jetzt,  weil  wir  dir  nicht  mehr  verläßlich  sind,  siehe,  deine  Schlüssel 
sind  dir  übergeben!  —  Zwei  Amoräer  (sind  hierüber  verschiedener  Ansicht).  Dereine 
sagte:  Er  warf  die  Schlüssel  empor,  u.  sie  fielen  nicht  wieder  nieder;  der  andre  sagte: 
Er  sah  etwas  wie  eine  Hand  (aus  dem  Himmel),  die  nahm  sie  fort  aus  seiner  Hand. 
Als  alle  Jünglinge  (lies  mit  LvR  ""nna  statt  ^in-)  Judas  solches  sahen,  stiegen  sie  auf 
die  Spitze  ihrer  Dächer,  stürzten  sich  herab  u.  starben;  das  meint  Jes  22, 1  f.:  , Orakel 
über  das  Tal  der  Schau.  Was  hast  du  nur,  daß  du  insgesamt  auf  die  Dächer  gestiegen, 
du  getümmelvolle,  lärmende  Stadt?"  (Parallelbericht  LvR  19.)  ||  LvR  19  (119''^):  Was  tat 
Nebukadnecar?  Er  nahm  Jojakhiu  u.  warf  ihn  in  das  Gefängnis,  u.  keiner  von  denen, 
die  in  seinen  Tagen  gefangen  gesetzt  wurden,  kam  jemals  wieder  von  dort  heraus, 
s.  Jes  14,17:  „Seine  Gefangenen  entließ  er  nicht  nach  Hause."  Jojakhin  zog  in  die 
Verbannung  u.  mit  ihm  das  große  Synedrium;  das  meint  Jer  22,  28:  Ist  denn  ein  ver- 
ächtliches, zerschlagenes  Geschirr  dieser  Mann  Ghonjahu  (=  Jojakhin),  oder  ein  Gefäß, 
an  dem  man  kein  Gefallen  hat? 

2.  J^khonjas  Buße  u.  die  Leiden  des  Exils  machen  den  Gottes- 
beschluß Jer  22,  30  unwirksam. 

Ein  exegetischer  Kanon  pSchab  7,  2  (9^  65)  u.  pSanh  7;  5  (24'",  26):  R.  Judan  (um 
350)  hat  gesagt:  Alle,  von  denen  geschrieben  steht:  , Kinderlos  sollen  sie  sein",  Lv 
20,  21,  die  bleiben  ohne  Kinder;  u.  von  denen  geschrieben  steht:  „Kinderlos  sollen  sie 
sterben",  Lv  20,  20,  die  begraben  ihre  Kinder.  Nach  dieser  Regel  hätte  auf  Grund  von 
Jer  22,  30  J'^khonja  kinderlos  bleiben  müssen. 

LvR  10  (111 1».  112='):  R.  J'^huda  (b.  Chijja  des  Älteren,  um  240)  u.  R.  J^hoschuaf  b. 
Levi  (um  250).  R.  J%uda  hat  gesagt:  Die  Buße  bewirkt  die  Hälfte  u.  das  Gebet  das 
Ganze  (d.  h.  die  Buße  hebt  einen  Gottesbeschluß,  ein  göttliches  Verhängnis,  zur  Hälfte 
u.  das  Gebet  hebt  ihn  ganz  auf).  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  sagte:  Die  Buße  bewirkt  das 
Ganze,  das  Gebet  die  Hälfte.  .  .  .  Nach  der  Meinung  des  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  bewirkt 
die  Buße  das  Ganze;  von  wem  kann  man  das  lernen?  .  .  .  Lerne  es  von  J'khonja,  Jer 
22,28:  Ist  denn  ein  verächtliches,  zerschlagenes  Geschirr  dieser -Mann  Ghonjahu? 
(Hierauf  folgt  dem  nächsten  Zitat  Entsprechendes.)  \l  P®siq  162'':  Die  Buße  des  J^khonja 
habe  ich  (Gott)  angenommen,  u.  eure  (Israels)  Buße  sollte  ich  nicht  annehmen?  Denn 
es  war  über  ihn  ein  schweres  Verhängnis  verhängt,  s.  Jer  22,28:  „Ist  denn  ein  ver- 
ächtliches, zerschlagenes  Geschirr  dieser  Mann  Ghonjahu,  oder  ein  Gefäß,  an  dem  man 
kein  Gefallen  hat?"  R.  Abba  bar  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Wie  dieser  Hirnknochen; ' 
wenn  du  ihn  ausgeschüttet  hast  {'sizr:  entspricht  dem  yr:  bei  Jer),  so  ist  er  zu  nichts 
mehr  nütze.  R.  Chelbo  (um  300)  hat  gesagt:  Wie  dieser  Dattelkorb ;^  wenn  du  ihn 
ausgeleert  hast,  ist  er  zu  nichts  mehr  nütze.  „Ein  Gefäß,  an  dem  man  kein  Gefallen 
hat."    R.  Chama  b.  Chanina  (um  260;  so  zu  lesen  mit  LvR  10  statt  R.  Chijja  b.  Chanina) 


1  ziiv  , Knochen"  soll  nach  der  exeget.  Regel,  daß  =,  "!,  n,  2  miteinander  vertauscht 
werden  können,  das  z-^'j  bei  Jer  deuten. 

^  Dattelkorb  nach  Ra.schi  zu  Schab  146*  ein  Korb  aus  Palmzweigen,  in  den  man 
die  schlechten  Datteln  zum  Ausreifen  legt. 

strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  3 


34  Mattlil,12  (Nr.  2.  3) 

hat  gesagt;  Wie  ein  Nachtgeschirr;  R.  Sch"muel  (b.  Nachman,  um  260)  hat  gesagt: 
Wie  ein  Becken  der  Aderlasser.  R.  Me'ir  (um  150;  so  lies  mit  Midr  HL  zu  8,6  statt 
des  bloßen  Rabbi)  hat  gesagt:  Es  schwur  Gott:  Ich  will  von  J^'khonja,  dem  Sohne 
.T^hojakims,  des  Königs  von  Juda,  keinen  König  erstehn  lassen,  s.  Jer22,  24:  ,Wenn 
Chonjahu,  der  Sohn  J^hojakims,  der  König  von  Juda,  ein  Siegelring  wäre  an  meiner 
rechten  Hand,  so  würde  ich  dich  doch  von  da  wegreißen."  R,  Chanina  b.  Ji9chaq  (um 
325)  hat  gesagt:  Von  dort  reiße  ich  hinweg  die  Königsherrschaft  des  Hauses  David. 
Eine  andre  Erklärung:  Es  steht  hier  nicht  geschrieben:  „Ich  werde  dich  wegreißen" 
(-ipr:s  von  p^'),  sondern:  „Ich  werde  dich  festmachen"  (-jprs,  was  auch  von -j-r  ab- 
geleitet werden  kann),  ich  werde  dich  festmachen  (wiederherstellen)  durch  Buße,  von 
dem  Orte  seines  Losreißens  wird  au.sgehn  seine  Befestigung.  —  R.  Z''?ira  (der  Ältere, 
um  300)  hat  gesagt:  Ich  habe  ein  Wort  von  R.  Sch^'muel  b.  Ji<jchaq  (um  300)  gehört, 
er  saß  u.  trug  ein  Wort  vor,  aber  ich  weiß  nicht,  welches  es  war.  R.  Acha  der  Lange 
(um  300,  so  lies  mit  LvR  10  u.  Midr  HL  zu  8,  6  statt  R.  Abba  der  Lange)  erwiderte: 
Vielleicht  war  es  dies:  „So  spricht  Jahve:  Schreibet  diesen  Mann  (J^khonja)  auf  als 
kinderlos,  einen  Mann,  dem's  nicht  glückt  in  seinem  Leben;  denn  nicht  wird  aus 
seinem  Samen  Einer  Glück  haben,  sitzend  auf  Davids  Thron  u.  herrschend  fürderhin 
in  Juda",  Jer  22,  30.  R.  Z*^?ira  sagte:  Ja  (=  dies  Woi-t  war  es),  in  seinen  Tagen  soll's 
ihm  nicht  glücken,  aber  in  den  Tagen  seines  Sohnes  wird  es  glücken.  R.  Acha  b.  Abin 
b.  Benjamin  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Abba  b.  Pappai  (um  330)  gesagt:  Groß  ist 
die  Kraft  der  Buße,  denn  sie  hat  einen  Schwur  u.  ein  Verhängnis  aufgehoben.  Einen 
Schwur,  woher  läßt  sich  das  beweisen?  Von  Jer  22,  24:  „So  wahr  ich  lebe,  ist  Jahves 
Spruch,  wenn  Chonjahu,  der  Sohn  J^^hojakims,  wäre  ein  Siegelring"  usw.  Und  es  steht 
geschrieben  (Haggai  2,23):  „An  jenem  Tage,  ist  der  Spruch  Jahves  der  Heerscharen, 
will  ich  dich  nehmen,  Serubabel,  Sohn  Schalthiels,  meinen  Knecht,  ist  Jahves  Spruch, 
u.  dich  setzen  gleich  einem  Siegelring"  (also  ist  trotz  Jer  22,  24  Serubabel,  ein  Nach- 
komme J'^khonjas,  das  wieder  geworden,  was  sein  Ahn  aufgehört  hatte  zu  sein,  ein 
Siegelring  an  Gottes  Hand).  Ein  Verhängnis,  woher  läßt  sich  das  beweisen?  Aus  Jer 
22,  30:  „So  spricht  Jahve:  Schreibet  diesen  Mann  auf  als  kinderlos"  usw.  Und  es  steht 
geschrieben  (lChr3, 17):  „Die  Söhne  J'^khonjas"  usw.  (also  hatte  J^khonja  trotz  Jer 
22,  30  Kinder;  Beweis,  daß  seine  Buße  das  göttliche  Verhängnis  zunichte  gemacht  hat). 
Parallelen:  LvR  10  (112»);  Midr  HL  8,6  (131=^).  11  Sanh  37b:  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt:  Das  Exil  sühnt  alles;  denn  es  heißt  Jer  22,30:  So  spricht  Jahve:  Schreibet 
diesen  Mann  (J*'khonja)  auf  als  kinderlos  usw.,  u.  nachdem  er  ins  Exil  gegangen  war, 
steht  geschrieben  1  Chr  3,  17:  Die  Söhne  J'^khonjas  usw. 

3.  Die  während  des  Exils  erzeugten  Söhne  J^khonjas  u.  Deutung 
ihrer  Namen. 

LvR  19  (119^):  In  jener  Stunde  beruhigten  sich  die  Mitglieder  des  großen  Syne- 
driums  in  ihrem  Gemüt  u.  sprachen:  In  unsern  Tagen  sollte  aufhören  die  Herrschaft 
des  Hauses  David,  dessen,  von  dem  geschrieben  steht  Ps  89,  37:  „Und  sein  Thron  wie 
die  Sonne  vor  mir"  ?  [Der  Satz  ist  als  Frage  gefalH.]  Was  sollen  wir  tun?  Wir  wollen 
gehn  u.  bei  der  Pflegerin  ein  gutes  Wort  für  J'^'khonja  einlegen,  u.  die  Pflegerin  mag 
dasselbe  tun  bei  der  Königin  u.  die  Königin  bei  dem  König.  Sie  taten  also.  Und  welches 
war  der  Name  der  Gemahlin  des  Nebukadnezar?  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt:  Sch^mira 
[so  lies  mit  Levy  4, 580^,  u.  Bacher,  pAmor  3, 424  statt  Sch'^'miram].  R.  Abin  (der  Jüngere, 
um  370)  hat  gesagt:  Semiramis  war  ihr  Name  (pi»3"':-J  als  männlicher  Personenname 
1  Chr  15, 18.  20;  16,  5;  2  Chr  17,  8),  u.  die  Rabbinen  sagten:  Sch^'mirafam  war  ihr  Name, 
weil  sie  unter  Donner  geboren  worden  ist  (cv--':^  also  =  Ruf  des  Donners).  Als  Ne- 
bukadnezar ihr  (seiner  Gattin)  beiwohnen  wollte,  sprach  sie:  Du  bist  ein  König;  ist 
J'khonja  kein  König?  Du  verlangst  nach  deiner  Begattung;  verlangt  er  nicht  nach 
seiner  Begattung?  Sofort  bestimmte  N.,  daß  man  dem  J^khonja  seine  (bisher  von  ihm 
getrennte)  Gattin  übergebe.  Auf  welche  Weise  ließ  man  sie  zu  ihm  hinab  (in  sein 
Verließ)?   R.  Schabb^thai  (um  260)  hat  gesagt:  Durch  ein  Gitterfenster  ließ  man  sie 


Matth  1, 12  (Nr.  3).  13.  16  (Nr.  1)  35 

zu  ihm  hinab:  u.  die  Rabbinen  sagten:  Man  riß  den  Deckenbelag  (über  seinem  Ge- 
fängnis) auf  u.  dann  liefs  man  sie  zu  ihm  hinab.  Als  er  ihr  beiwohnen  wollte,  sprach 
sie  zu  ihm:  Wie  eine  rote  Lilie  (euphemistisch  für  Menstruationsblut)  habe  ich  gesehen! 
Da  sonderte  er  sich  von  ihr  ab.  Sofort  entfernte  sie  sich,  zählte  (nämlich  sieben  Tage), 
bis  sie  rein  wurde,  u.  nahm  ein  Tauchbad.  —  Gott  sprach  zu  ihm:  In  Jerusalem  habt 
ihr  die  Gebote  betreffs  des  Blutflusses  nicht  gehalten  u.  jetzt  haltet  ihr  sie;  s.  Sach 
9,  11:  ,Auch  will  ich,  was  dich  anlangt,  kraft  des  Blutes  deines  Bundes  deine  Ge- 
fangenen aus  der  Grube  loslassen";  es  ist  euch  jenes  Blutes  am  Sinai  (Ex  24,8)  ge- 
thicht  worden,  deshalb  lasse  ich  deine  Gefangenen  los.  R.  Schabb'^^thai  hat  gesagt: 
Nicht  wich  er  (J'^khonja)  von  da,  bis  ihm  Gott  alle  seine  Sünden  vergeben  hatte.  In 
bezug  auf  jene  Stunde  heißt  es  (HL  4,  7):  „Ganz  schön  bist  du,  meine  Freundin,  u. 
kein  Fehl  ist  an  dir."  Da  ging  eine  Himmelsstimme  aus,  die  ihnen  zurief  (Jer3,  22): 
Kehret  wieder,  ihr  abtrünnigen  Söhne,  ich  will  eure  Abirrungen  heilen.  ||  Sanh  37 '': 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Es  steht  geschrieben  1  Chr3,  17:  ,Und  die  Söhne  des 
J'khonja  waren  Assir,*  sein  Sohn,  Schalthiel,  sein  Sohn."  ,Assir"  (=  der  Gefangene) 
hieß  er,  weil  ihn  seine  Mutter  im  Gefängnis  empfing;  „Schalthiel"  hieß  er,  weil  Gott 
ihn  pflanzte  (=  erzeugt  werden  ließ,  ■5S  iVf^'u  Wortspieldeutung),  nicht  nach  Art  der 
übrigen  Gepflanzten.  Es  ist  nämlich  traditionell,  daß  kein  Weib  von  einem  (beim  Koitus) 
Stehenden  schwanger  wird;  sie  aber  ist  von  einem  Stehenden  schwanger  geworden 
(nach  Raschi  nötigte  die  Enge  des  Gefängnisses  zum  Stehen).  Eine  andre  Erklärung: 
Schalthiel  hieß  er,  weil  Gott  um  Lösung  seines  Eides  nachsuchte  ('ss  "ss-i'j  Wortspiel- 
deutung). 1!  P^siq  163 '':  R.  Tanchum  b.  Jirm'^'ja  (um  310)  hat  gesagt:  Assir  hieß  er,  weil 
er  gebunden  war  im  Gefängnis;  Sch^althiel  hieß  er,  weil  von  ihm  das  Königtum  des 
Hauses  David  fortgepflanzt  ist  (im  Hebr.  ein  Wortspiel).  R.  Tanchuma  (b.  Abba,  um 
380)  hat  gesagt:  Assir,  das  weist  auf  Gott  hin;  denn  Gott  band  sich  selbst  durch 
einen  Schwur  (s.  Jer  22,  24.  30);  Scli*^althiel  hieß  er,  weil  er  (Gott)  bei  dem  oberen  Ge- 
richtshof (der  Engel)  um  Lösung  nachsuchte,  u.  sie  lösten  ihm  den  Schwur.  —  Die 
abweichenden  Autorenangaben  LvR  10  (112^)  u.  Midr  HL  8,  6  (131^)  sind  wohl  irrig. 

1,13:  Serubabel  zeugte  Abiud. 

Sanh  37^.  38^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Serubabel  -ri?!  hieß  er,  weil  er 
in  Babel  gezeugt  war. 

1,16:  Jakob  zeugte  Joseph,  den  Mann  Marias, 
von  welcher  geboren  ist  Jesus. 

1.  Diese  Worte  zeigen  a,  daß  das  hier  beigebrachte  Geschlechts- 
register die  davidische  Herkunft  nicht  der  Maria,  sondern  Josephs 
dartun  soll,  u,  b,  daß  nach  der  Meinung  des  Evangelisten  durch  die 
Verheiratung  Josephs  mit  der  Maria  Jesus  als  rechtmäßiger  Sohn 
Josephs  anerkannt  u.  damit  die  These:  „Jesus  Christus  ein  Sohn 
Davids"  1, 1  erwiesen  ist.  Diese  Meinung  entspricht  den  eherechtlichen 
Anschauungen  des  jüdischen  Volks  zur  Zeit  des  NT.s.  BB  8,  6 :  Wenn 
jemand  sagt:  „Dieser  ist  mein  Sohn",  so  ist  er  beglaubigt,  d.  h.  seine 
Aussage  ist  ohne  weiteres  gültig  u.  der  als  „Sohn"  Bezeichnete  tritt 
in  alle  Erbrechte  eines  Sohnes  ein.  Nur  für  den  Fall  werden  besondere 
Kautelen  aufgestellt,  daß  ein  Kind  im  Auslande  geboren  ist. 

Qid  4,  10  f.:  Wenn  jemand  mit  seiner  Frau  in  ein  überseeisches  Land  geht  u.  dann 
mit  ihr  u.  seinen  Kindern  zurückkehrt  u.  sagt:  Die  Frau,  die  mit  mir  in  das  überseeische 

^  Die  älteren  rabbinischen  Exegeten  scheinen  allgemein  -?s  1  Chr  3, 17  als  Eigen- 
namen zu  fassen;  deshalb  schieben  sie  sogar,  wie  auch  in  vorliegender  Stelle,  hinter 
~"os  ein  ^iz  ein;  abweichend  vom  Schrifttext  ist  auch  Vs-rrj  geschrieben. 

3* 


36  Matth  1, 16  (Nr.  1—3) 

Land  gegangen  ist,  siehe,  diese  hier  ist  es,  u.  dies  sind  iiire  Kinder,  so  braucht  er 
dafür  weder  betreffs  der  Frau  noch  auch  betreffs  der  Kinder  einen  Beweis  beizubringen. 
Sagt  er  aber:  Die  Frau  ist  gestorben,  u.  dies  sind  ihre  Kinder,  so  muß  er  betreffs  der 
Kinder  einen  Beweis  beibringen,  aber  nicht  betreffs  der  Frau.  —  Sagt  er:  Ich  habe 
eine  Frau  in  einem  überseeischen  Lande  geheiratet,  siehe,  diese  hier  ist  es,  u.  dies 
sind  ihre  Kinder,  so  muß  er  betreffs  der  Frau  einen  Beweis  beibringen,  aber  nicht 
betreffs  der  Kinder.  Sagt  er:  Sie  ist  gestorben,  u.  dies  sind  ihre  Kinder,  so  muß  er 
einen  Beweis  beibringen  sowohl  betreffs  der  Frau  als  auch  betreffs  der  Kinder. 

2.  Neben  Magia  hat  das  NT  (zB  1,  20;  Apg  1, 14)  auch  Magiäin  = 
c:;""2;  die  LXX  kennen  nur  Maoiäf^i.  Durch  die  von  A.  Berliner  ans 
Licht  gezogene  Masora  zum  Targum  des  Onkelos  (Berlin  1875)  zu  Ex 
15,  20  wissen  wir  jetzt,  daß  c^'n^  (mit  Pathach  der  ersten  Silbe)  die 
Targumform  dieses  Frauennamens  ist  (Franz  Delitzsch,  Zeitschr.  f,  luth. 
Theol.  u.  Kirche,  1877,  S.  2). 

3.  In  der  rabbinischen  Literatur^  wird  Jesus  genealogisch  einigemal 
bezeichnet  als  Jeschua?  ben  Pantera  (Pantere)  oder  Jeschu  b.  Pan- 
dera  oder  Jeschu  Pandera  oder  Ben  (Bar)  Pandera.  Die  wichtigsten 
Stellen  sind:  Tos  Chullin  2,  22  f.  (503):  Es  geschah,  daß  den  R.  El?azar 
b.  Dama  (um  130,  Neffe  des  R.  Jischma^el  b.  Elischa?)  eine  Schlange 
biß.  Es  kam  Ja^aqob  aus  Kephar-Sama,  um  ihn  im  Namen  des  Jeschua-' 
b.  Pantera  Nn-j:s  p  yvir^  zu  heilen;  aber  R.  Jischma^el  (sein  Oheim,  f  um 
135)  ließ  ihn  nicht.  Man  sagte  zu  ihm:  Das  darfst  du  nicht,  Ben  Dama. 
Er  antwortete  dem  R.  Jischma^el:  Ich  will  dir  den  Beweis  erbringen, 
daß  er  mich  heilen  darf.  Er  hatte  aber  den  Beweis  noch  nicht  erbracht, 
als  er  schon  starb.  R.  Jischma^el  sprach:  Heil  dir,  Ben  Dama,  daß  du 
in  Frieden  dahingegangen  bist,  ohne  die  Verordnung  der  Gelehrten  zu 
durchbrechen;  denn  wer  den  Zaun  der  Gelehrten  durchbricht,  über  den 
kommt  schließlich  Strafe,  s.  Qoh  10,  8:  Wer  Gemäuer  einreißt,  den  beißt 
eine  Schlange. ^  ||  Das.  2,  24  (503):  Es  geschah,  daß  R.  Eli^ezer  (um  90) 
wegen  Häresie  gefangen  gesetzt  wurde.  Man  brachte  ihn  vor  das 
(römische)  Tribunal,  um  ihn  zu  richten.  Der  Statthalter  sprach  zu  ihm: 
Ein  Ältester  ("|pi,  angesehener  Lehrer)  wie  du  beschäftigt  sich  mit 
solchen  Dingen?  Er  antwortete:  Ein  zuverlässiger  Richter  ist  über 
mir.  Der  Statthalter  meinte,  daß  er  das  nur  in  bezug  auf  ihn  gesagt 
hätte,  während  er  nur  an  seinen  Vater  im  Himmel  gedacht  hatte,  u. 
sprach  zu  ihm :  Weil  du  zu  mir  Vertrauen  gehabt  hast,  so  denke  auch 
ich  über  dich  ebenso;  vielleicht  haben  sich  jene  Irrenden  durch  jene 
Worte  (die  du  zu  ihnen  gesprochen  hast)  zur  Umkehr  bewegen  lassen. 
Dimissus  (ci^c-^n),  siehe,  du  bist  freigesprochen!  Als  R.  E.  vom  Richter- 
stuhl fortgegangen  war,  schmerzte  es  ihn,  daß  er  wegen  Häresie  fest- 

^  Zum  Folgenden  vgl.  H.  L.  Strack,  Jesus,  die  Häretiker  u.  die  Christen  nach  den 
ältesten  jüd.  Angaben,  Leipzig  1910. 

2  In  der  Parallelstelle  pSchab  14,  14'^',  49  heißt  der  Name  Jeschu  Pandera;  in 
pf  AZ  2,  40 '^  61  Jeschu  ben  Pandera;  b?AZ  27''  nennt  den  Namen  überhaupt  nicht,  Midr 
Qoh  1,  8  (8'')  deutet  ihn  nur  an:  ,Es  kam  Ja?aqob  aus  Kephar-Sikhnin,  um  ihn  zu 
heilen  im  Namen  eines  gewissen  Jemand." 


Matthl,16  (Nr.  3)  37 

genommen  worden  war.  Seine  Schüler  kamen  zu  ihm,  um  ihn  zu 
trösten;  aber  er  nahm  es  nicht  an.  R.  i=Aqiba  (f  um  135)  kam  zu  ihm 
u.  sagte:  Rabbi,  ich  möchte  etwas  vor  dir  sagen,  vielleicht  wirst  du 
nicht  verdrießlich  sein.  Er  sprach  zu  ihm:  Sage  an!  Er  sprach  zu 
ihm:  Vielleicht  hat  einer  von  den  Häretikern  dir  ein  Wort  der  Häresie 
gesagt,  u.  es  hat  dir  gefallen.  Er  antwortete:  Beim  Himmel  (ci^-irn 
=  bei  Gott),  da  rufst  du  eine  Erinnerung  bei  mir  wach!  Einmal  ging 
ich  auf  einer  Straße  von  Sepphoris,  da  traf  ich  Ja^aqob  aus  Kephar- 
Sikhnin  (er  ist  wohl  identisch  mit  Ja^aqob  aus  Kephar-Sama),  der  sagte 
ein  Wort  der  Häresie  im  Namen  des  Jeschua?  ben  Pantere  (oder  Pantiri 
— "i-jrs),  u.  es  gefiel  mir,  u.  ich  wurde  wegen  Häresie  festgenommen, 
weil  ich  die  Worte  der  Tora  übertreten  hatte  (Spr5,  8;  7,26):  „Halt 
von  ihr  fern  deinen  Weg  u.  nahe  nicht  zur  Tür  ihres  Hauses.  Denn 
viel  sind  der  Erschlagenen,  die  sie  hingestreckt  hat"  usw.  Denn 
R.  Eli^ezer  pflegte  zu  sagen:  Immer  fliehe  der  Mensch  vor  dem  Häß- 
lichen u.  vor  dem,  was  dem  Häßlichen  ähnlich  ist.  —  Die  Parallelstelle 
^AZ  16'J  nennt  Jesum  i-^irn  '■ari  „  Jeschu  aus  Nazareth";  die  Schlußsätze 
lauten  hier:  R.  Eli^ezer  sagte:  Einmal  ging  ich  auf  dem  oberen  Markt 
von  Sepphoris  u.  ich  traf  einen  von  den  Schülern  des  Jeschu  von 
Nazareth,  namens  Ja^aqob  von  Kephar-Sekhanja.  Er  sagte  zu  mir: 
In  eurer  Tora  ist  geschrieben  (Dt  23, 19):  „Du  sollst  nicht  Buhlerinnen- 
geld (in  das  Haus  Jahves)  bringen."  Wie  ist  es?  Darf  man  daraus 
einen  Abort  für  den  Hohenpriester  machen?  Ich  erwiderte  ihm  nichts. 
Er  sprach  zu  mir:  So  hat  mich  Jeschu  von  Nazareth  gelehrt:  „Von 
Buhlerinnengeld  ist  es  gesammelt,  zu  Buhlerinnengeld  soll  es  wieder 
werden"  (Micha  1,7);  vom  Ort"  des  Schmutzes  kam  es  u.  zum  Ort  des 
Schmutzes  soll  es  gehn.  Das  Wort  gefiel  mir;  deshalb  bin  ich  wegen 
Häresie  festgenommen  worden.  Ich  habe  übertreten,  was  in  der  Tora 
geschrieben  ist  (Spr  5,  8):  „Halt  von  ihr  fern  deinen  Weg",  das  ist  die 
Häresie,  „und  nahe  dich  nicht  zur  Tür  ihres  Hauses",  das  ist  die 
Obrigkeit.  Manche  sagen:  „Halt  fern  von  ihr  deinen  Weg",  das  ist  die 
Häresie  u.  die  Obrigkeit,  „u.  nahe  dich  nicht  zur  Tür  ihres  Hauses", 
das  ist  eine  Buhlerin.  —  Midr  Qoh  1,  8  (8'')  setzt  für  Jesus  „ein  ge- 
wisser Jemand",  -i-ibe,  ein.  Die  Schlußsätze  lauten:  Einmal  ging  ich 
eine  Straße  von  Sepphoris  hinauf,  u.  es  kam  ein  Mann  zu  mir,  dessen 
Name  war  Ja?aqob  aus  Kephar-Sikhnin  (oder  Sekhanja).  Er  sagte  zu 
mir  ein  Wort  im  Namen  eines  gewissen  Jemand,  ■'sibE,  u.  das  Wort 
gefiel  mir.  Und  jenes  Wort  war:  In  eurer  Tora  ist  geschrieben  Dt 
23,19:  „Du  sollst  nicht  Buhlerinnengeld  u.  Hundelohn  (in  das  Haus 
Jahves)  bringen."  Wie  ist  es  damit?  Ich  sagte  zu  ihm:  Verboten!  Er 
sprach  zu  mir:  Sie  als  Opfer  darzubringen  ist  verboten,  aber  sie  zu 
vernichten  ist  erlaubt.  Ich  sprach  zu  ihm :  Wenn  dem  so  ist,  was  soll 
man  damit  machen?  Er  antwortete  mir:  Man  mache  dafür  öffentliche 
Badehäuser  u.  Aborte.   Ich  antwortete  ihm:  Du  hast  schön  gesprochen. 


38  Matthl,16  (Nr.3.  4) 

Es  war  mir  aber  die  Halakha  augenblicklich  verborgen.  Als  er  sah, 
daß.ich  seinen  Worten  zustimmte,  sprach  er  zu  mir:  So  hat  ein  ge- 
wisser Jemand  i;'52  gesagt:  Von  Unflat  ist  es  gekommen  u.  zu  Unflat 
soll  es  werden,  s.  Micha  1,7:  „Denn  von  Buhlerinnengeld  ist  es  ge- 
sammelt u.  zu  Buhlerinnengeld  soll  es  wieder  werden";  man  mache 
öfifentliche  Aborte  daraus.  Das  gefiel  mir,  u.  um  deswillen  bin  ich 
wegen  Häresie  festgenommen  worden;  u.  nicht  nur  deshalb,  sondern 
auch,  weil  ich  übertreten  habe,  was  geschrieben  ist  Spr5,  8:  „Halt 
fern  von  ihr  deinen  Weg"  usw.  —  Ältere  Ausgaben  (s.  Strack,  Jesus 
S.  5  f.)  haben  statt  des  ersten  irbs  den  vollen  Namen  N-n:s  -p  luji,  statt 
des  zweiten  die  kürzere  Form  wX-i:s  ■=.  |1  p^AZ  2,  40 f\  85:  Sein  (des  R.  3"^- 
hoschuaf  b.  Levi,  um  250)  Enkel  hatte  etwas  verschluckt.  Es  kam  einer 
u.  flüsterte  ihm  etwas  im  Namen  des  Jeschu  Pandera  zu,  u.  er  wurde 
geheilt.  Als  er  (der  Christ)  hinausging,  fragte  er  (R.  J'^hoschua?  b.  L.) 
ihn:  Was  hast  du  über  ihm  gesprochen?  Er  antwortete:  Ein  Wort 
eines  gewissen  Jemand.  Da  sagte  er  zu  ihm:  Es  wäre  ihm  besser, 
wenn  er  tot  wäre  u.  dieses  Wort  nicht  gehört  hätte!  Und  es  geschah 
ihm  so,  „wie  bei  einem  Fehlgriff,  der  vom  Herrscher  ausgeht"  (Qoh 
10,5,  u.  deshalb  nicht  ungeschehen  gemacht  werden  kann).  —  Das- 
selbe pSchab  14,  14«^,  35.  In  Midr  Qoh  10,  5  (47 a)  heißt  es  im  Anfang: 
„Er  ging  u.  holte  einen  von  denen  des  Bar  Pandera,  damit  er  das 
Verschluckte  heraushole";  im  folgenden  wird  Jesus  nicht  mehr  er- 
wähnt. II  Zwei  weitere  Stellen  mit  dem  Namen  „Ben  Pandera"  aus 
Schab  104'^  u.  Sanh  67^  s.  unter  Nr.  4. 

Die  ältesten  Stellen  (Tos  Chullin  2,  22—24)  haben  die  Form  Ben 
Pantera  oder  Ben  Pantere;  diese  Form  entspricht  am  meisten  dem 
zugrunde  liegenden  griechischen  Eigennamen  Uär^riQ  oder  Uär^rjQcc 
(=  Panther).  Da  nun  nach  altkirchlichen  Schriftstellern  (s.  die  Zitate 
bei  Strack,  Jesus  S.  10*  ff.)  Jakob,  der  Vater  Josephs  (Mt  1, 16),  den 
Beinamen  Jlar^rjQ  geführt  hat,  ist  es  durchaus  wahrscheinlich,  daß 
auch  der  Name  Ben  Pantera  (Pandera)  für  Jesus  diese  genealogische 
Tradition  zur  Grundlage  hat.  Jedenfalls  tritt  in  der  älteren  Zeit  nirgends 
das  Bestreben  deutlich  hervor,  in  den  Namen  Ben  Pantera  etwas  Be- 
schimpfendes für  Jesum  hineinzulegen.  Das  geschieht  erst  im  bT  (s. 
Schab  104''  u.  Sanh  67»  in  Nr.  4),  wo  man  nach  dem  Vorgang  des  Celsus 
(s.  Origenes  bei  Strack  S.  9*f.)  den  Pandera  zum  Buhlen  der  Mutter 
Jesu  gestempelt  hat. 

4.  Ein  weiterer  Name  Jesu  ist  Ben  Stada  xn-jo  -z.  Die  ältesten 
in  Betracht  kommenden  Stellen  sind  Tos  Schab  11, 15  (126):  Wer  (am 
Sabbat  Buchstaben)  in  sein  Fleisch  einritzt,  den  erklärte  R.  Eli^ezer 
(um  90)  für  schuldig  (nämhch  der  Übertretung  des  sabbathchen  Schreibe- 
verbotes); die  Gelehrten  aber  sprachen  ihn  frei.  Da  sagte  R.  El.  zu 
ihnen:  Hat  denn  nicht  Ben  Stada  (das  Zaubern)  nur  durch  dies  gelernt? 
Sie  antworteten:  Wegen   Eines  Narren   sollen   wir  alle  Vernünftigen 


Matthl,16(Nr.4)  39 

zugrunde  richten?  —  In  der  Parallelstelle  pSchab  12, 13^',  21  heißt  es: 
Hat  denn  nicht  Ben  Stada  nur  durch  dies  Zaubereien  aus  Ägypten 
gebracht?  —  Schab  104''  s.  unten  S.  39  y.  ||  Tos  Sanh  10, 11  (431):  Gegen 
alle  Todesschuldigen,  welche  in  der  Tora  vorkommen,  legt  man  keinen 
Hinterhalt  (lies  ■id-'od^  statt  'ir.i^a-a),  außer  bei  dem,  welcher  (zum 
Götzendienst)  verführt.  Wie  denn?  Man  gibt  ihm  zwei  Gelehrtenschüler 
(als  heimliche  Aufpasser  u.  Zeugen)  bei  im  inneren  Haus,  während  er 
im  äußeren  Hause  sitzt,  u.  man  zündet  ihm  ein  Licht  an,  damit  sie 
ihn  sehen  u.  seine  Stimme  hören  können  (wenn  er  jemanden  bei  sich 
hat,  den  er  verführen  will).  Ebenso  hat  man  dem  Ben  Stada  in  Lydda 
getan:  man  bestimmte  ihm  zwei  Gelehrtenschüler  (als  heimliche  Zeugen) 
u.  steinigte  ihn.  —  Dasselbe  ausführlicher  pSanh  7,  25%  62  (=  pJ^b  16, 
15  ^\  53)  u.  bSanh  67=*;  im  pT  lautet  der  Name  Ben  Sot^da  m-jio  -p,  im 
bT  lautet  der  ganze  Schlußsatz:  „Und  so  hat  man  dem  Ben  Stada  in 
Lydda  getan  u.  man  hat  ihn  am  Rüsttag  des  Passah  gehängt. 

In  den  Tosephtazitaten  weist  nichts  darauf  hin,  daß  mit  Ben  Stada 
Jesus  gemeint  sein  könnte;  wohl  aber  spricht  gegen  diese  Beziehung 
auf  das  bestimmteste  die  Bezeichnung  des  Ben  Stada  als  n-jv::  (Narr 
=  Wahnsinniger),  ferner  die  Ortsangabe  „in  Lydda"  u.  endlich  die 
Todesart  der  Steinigung.  Aber  schon  die  oben  genannten  Parallelstellen 
zeigen,  wie  man  allmählich  angefangen  hat,  unter  Ben  Stada  Jesum 
zu.verstehn.  Dahin  gehört  die  Bemerkung,  daß  Ben  Stada  Zaubereien 
aus  Ägypten  mitgebracht  habe;  mit  Äg.  hat  der  Talmud  auch  Jesum 
in  Verbindung  gebracht,  s.  bei  Mt  2, 14.  Ferner  erinnert  die  Umformung 
des  Namens  Stada  in  Sot®da  (pSanh  7)  stark  an  xn-n::iD,  wodurch  Jesu 
Mutter  als  die  bekannte  Ehebruchsverdächtige  hingestellt  wäre.  Endlich 
läßt  der  Schlußsatz  von  Sanh  67%  daß  man  den  Ben  Stada  am  Rüsttag 
des  Passah  gehängt  habe,  keinen  Zweifel  an  dessen  späterer  Identi- 
fizierung mit  Jesu.  Diese  Identifizierung  liegt  vor  auch  Schab  104'' 
Bar:  R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte  zu  den  Gelehrten:  Hat  denn  nicht  Ben 
Stada  durch  Einritzen  in  sein  Fleisch  Zaubereien  aus  Ägypten  gebracht? 
Sie  antworteten:  Er  ist  ein  Narr  gewesen  u.  von  Narren  her  erbringt 
man  keinen  Beweis.  Sohn  Stadas  (wäre  er  gewesen)?  Ein  Sohn  des 
Pandera  war  er!  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Ehemann  war  Stada, 
Buhle  war  Pandera. 1  Ehemann  war  (ja)  Pappos  b.  J4iuda  (s.  Nr.  5), 
seine  Mutter  (war)  Stada.  ^  Seine  Mutter  war  (ja)  Mirjam,  die  Frauen- 
haarflechterin  (s.  Nr.  7)!  Sage  (d.  h.  verstehe  es,  oder  denke  es  dir),  wie 
man  in  Pum  B^ditha  (Hochschulort  in  Babylonien)  sagt:  5<t  r-jp  „diese 
ist  abtrünnig  geworden"  ihrem  Ehemann  (d.  h.  Mirjam  ist  ihr  eigentlicher 
Name  gewesen,  Stada  aber  war  ihr  Beiname,  weil  sie  eine  Ehebruchs- 
verdächtige gewesen,  vgl.  oben  zum  Namen  Sot^'da).  —  Dasselbe  von  den 
Worten  an:  „Ein  Sohn  Stadas  (wäre  er  gewesen)?"  auch  in  Sanh  67 '\ 

^  Das  ist  der  erste  klare  Beleg  für  das  Beschimpfende  des  Namens  Ben  Pandera. 
^  Hier  ist  also  Stada  ein  Frauenname. 


40 


Matthl,16(Nr.  5.6) 


5.  Pappos  b.  J'^huda  wurde  oben  Schab  104^  u,  Sanh  67'*  als  Ehe- 
mann der  Mirjam,  der  Frauenhaarflechterin  (d.  h.  der  Mutter  Jesu)  be- 
zeichnet. Über  ihn  hören  wir  Tos  Sota  5,9  (302):  R.  Meir  (um  150) 
pflegte  zu  sagen:  Wie  es  (verschiedene)  Denkweisen  über  das  Essen 
gibt,  so  auch  über  die  Frauen.  Es  gibt  manchen,  über  dessen  Becher 
^ine  Fliege  hinfährt  (so  wird  mit  dem  Wiener  Kodex  zu  lesen  sein) 
u.  er  läßt  ihn  stehn  u.  kostet  nicht  (mehr)  davon.  Das  ist  ein  schlimmes 
Los  für  die  Frauen,  denn  er  hat  seine  Augen  darauf  gerichtet,  sie  zu 
verstoßen.  Und  es  gibt  manchen,  auf  dessen  Becher  sich  eine  FHege 
setzt  u.  er  gießt  ihn  aus  ohne  davon  zu  kosten,  wie  zB  Pappos  b. 
J^huda,  der  die  Tür  hinter  seiner  Frau  zuschloß.  Es  gibt  manchen, 
in  dessen  Becher  eine  Fliege  hineinfällt,  er  wirft  sie  hinaus  u.  trinkt 
davon.  Das  ist  die  Art  jedes  Menschen,  der  seine  Frau  mit  ihren 
Brüdern  (Verwandten)  u.  ihren  Nachbarn  reden  läßt.  Und  es  gibt 
manchen,  in  dessen  Schüssel  eine  Fliege  hineinfällt,  er  nimmt  sie  u. 
saugt  sie  aus  u.  ißt,  was  in  ihr  (der  Schüssel)  ist.  Das  ist  ein  gott- 
loser Mensch,  der  sieht,  wie  sein  Weib  ausgeht  in  bloßem  Kopf  (mit 
aufgelöstem  Haar,  s.  bei  1  Kor  11, 5)  u.  ausgelassen  ist  mit  ihren  Sklaven 
u.  ihren  Nachbarn  u.  auf  der  Straße  spinnt  u.  mit  allen  Leuten  badet 
(ohne  es  ihr  zu  untersagen).  Eine  solche  zu  verstoßen  ist  ein  Gebot, 
s.  Dt  24, 1.  -  Parallelstellen:  pSota  1, 17%  32;  Gittin  90«;  NuR  9  (152''). 
Rafechi  zu  Gittin:  Pappos  b.  J^huda  war  der  Ehemann  der  Frauenhaar- 
flechterin. Wenn  er  aus  seinem  Hause  auf  die  Straße  ging,  schloß  er 
die  Tür  hinter  ihr  zu,  damit  sie  mit  niemand  spreche.  Das  ist  eine 
unziemliche  Art;  denn  dadurch  kommt  Feindschaft,  u.  sie  entzieht  sich 
ihm  buhlend.  —  Pappos  b.  J'^huda  ist  ein  Zeitgenosse  des  R.  ^Aqiba 
(t  um  135)  gewesen.  Das  hat  jedoch  die  Späteren  (s.  Schab  104^;  Sanh 
67  '^  u.  Raschi)  nicht  zurückgehalten,  ihn  zum  Ehemann  der  Mirjam, 
der  Frauenhaarflechterin,  zu  machen.  Über  Mirjam  s.  Nr.  7. 

6.  Eine  Ahnentafel  Hamans,  auf  der  vielleicht  auch  Jesu  Name 
verzeichnet  ist,  findet  sich  im  Traktat  Soph^rim  13  §  6  (=  Tabelle  I), 
ferner  1  Targ  Esth  zu  5, 1  (=  Tab.  H)  u.  endlich  in  2  Targ  Esth  zu  3, 1 
(=  Tab.  HI).  Unter  IV  folgen  einige  Deutungen. 


I 

II 

III 

IV 

Haman,  Sohn  des 

Haman,  Sohn  des 

Haman,  Sohn  des 

Hamdatha 

Hamdatha 

Hamdatha 

— 

fAda 

Sedach  (Serach) 

Kuza 

Biznai 

Buzah 

Aphlitos 

Aphlitos 

Iplotam  (Iplotas) 

Pilatus 

Jos  z-—  '  T 

Joseph 

Joseph  (Pflegevater 
Jesu)? 

Josot  "-C---  -2 

JoSOS   Z-Z-rr.   -; 

Josim  (Joses) 

Jesus? 

Faros 

Faros 

Fadom 

Cuspius  Fadus? 
Varus? 

Nidan 

Hamdan 

Ma?dan 

Ba?lqan 

Thaljon 

Bla?qan 

Fomponius  Flaccus 

Matthl,16  (Nr.  6.  7) 


41 


I 

II 

III 

IV 

Antimaros 

Athnisomos 

Antiraarom 

Antipater 

Hares  (Haris) 

Charum  (Plattnasiger) 

Hadoros 

Charsom 

Haridom 

Herodes 

Scheger 

Scheger 

Vitellius 

Naggar 

Negar 

Parniaschta  (Esth  9, 9) 

Parniaschta 

Vajzatha  (Esth  9,  9) 

Vajzatha 
Agag 

Agag 

Sumqar 

Sumaqi 

Tinejus  Rufus 

fAmaleq,  Sohn  des 

fAmaleq 

Kebsweibes  des 

Eliphaz,  d.Erstgeb.  des 

Eliphaz,  S.  d. 

Esau 

Esau,  des  Frevlers 

Levy,  Wörtb. 

Über   die  Targumim  1,  330*' 

bemerkt   hierzu: 

,Die 
Ahnen  Hamans  mochte  man  sich  als  Prototyp  der  christl.  Verfolgungs- 
zeit vorgestellt  haben;  aber  nicht  bloß  die  Verfolgung  der  Juden,  son- 
dern auch  die  Kreuzigung  bietet  Berührungspunkte  für  Jesus  u.  Haman. " 
Betreffs  der  Umwandlung  des  Namens  „Jesus"  in  Josos,  Josim  (Joses) 
verweist  Levy. auf  die  Formel  in  Sanh  7,5:  „Jose  schlage  den  Jose", 
mit  der  die  Zeugen  von  Gotteslästerungen  diese  vor  dem  Gerichtshof 
wiederholen  mußten,  damit  der  Gottesname  dabei  nicht  in  den  Mund 
genommen  würde.  „Man  fragte  die  Zeugen:  Sagte  etwa  der  Gottes- 
lästerer, daß  ^D'.i  (Jesus)  mächtiger  sei  als  -oii  (Joseph,  sein  Vater)? 
Die  Richter  aber  haben  ebenso  wie  die  Zeugen  unter  dem  zweiten 
-c-.-^  den  „Vater",  d.  h,  den  Gott  Israels  verstanden",  Neuhebr.  Wörtb. 
2,  351*.  —  Strack,  Jesus  46*  urteilt  über  obige  Ahnenliste:  „Es  ist 
wahrscheinlich,  daß  die  Liste  der  angeblichen  Ahnen  Hamans  aus  den 
Namen  bekannter  Judenfeinde,  bezw.  solcher  Männer,  die  später  für 
Judenfeinde  galten,  zus. gestellt  ist.  Über  Pilatus,  Antipater,  Herodes 
kann  kein  Zweifel  sein ;  auch  Bla^qan  =  Pomponius  Flaccus,  Scheger 
=F=  L.  Vitellius  (beide  Statthalter  in  Syrien,  jener  um  32 — 35  n.  Chr., 
dieser  35—39)  dürfen  als  sicher  bezeichnet  werden.  (Mit  Bezug  auf 
Vitellius  hat  Strack  zuvor  darauf  verwiesen,  daß  „Scheger"  alsAppella- 
tivum  „Wurf  des  Viehs"  bedeutet.)  Bei  Padom  denkt  man  dann  am 
besten  an  den  Prokurator  Cuspius  Fadus  (44  ff.  n.  Chr.).  Sumaqi,  der 
Rote,  ist  dann  wohl  Übersetzung  von  Rufus:  Tinejus  Rufus  (bei  den 
Juden  Turnus  Rufus),  der  bei  dem  großen  Aufstande  im  J.  132  n.  Chr. 
Statthalter  in  Judäa  war."  —  Naggar  bedeutet  1.  „Zimmermann", 
könnte  dann  Deckname  für  Joseph,  den  Pflegevater  Jesu,  sein ;  2.  „  (Auer-) 
Hahn",  könnte  also  auch  auf  Cestius  Gallus  gemünzt  sein,  der  beim 
Ausbruch  des  Krieges  im  J.  66  n.  Chr.  Statthalter  von  Syrien  war.  So 
Paulus  Cassel,  Aus  Literatur  u.  Geschichte,  Anhang  S.  40  f. 

7.  Jesu  Mutter  ist  mit  einer  Frauenhaarflechterin  namens  Mirjam 
identifiziert  worden,  s.  Schab  104^  (oben  S.  39),  Chag  4^  (bei  Mt  4,  1). 
—  Die  pChagiga  2,  77  ^^^  50   erwähnte  Mirjam,    die  Tochter   des  ?Eli 


42  Matth  1, 16  (Nr.  7) 

Bo9lim  (BeQalim),  hat  mit  Jesu  Mutter  nichts  zu  schaffen;  s.  bei  Eli 
Lk  3,  23.  —  II  Zu  den  Beschimpfungen  der  Maria  durch  die  alte  Syn- 
agoge s.  Schab  104'^  (oben  S.  39)  u.  B'khoroth  8'^  (bei  Mt  5, 13).  Ferner 
Kalla  18'':  Der  Freche,  sagte  R.  Eli^ezer  (ben  Hyrkanos,  um  90),  ist 
ein  Bastard;  R.  J^'hoschuaf  (um  90)  sagte:  Der  Sohn  einer  Men- 
struierenden; R.  ?Aqiba  (f  um  135)  sagte:  Ein  Bastard  u.  Sohn  einer 
Menstruierenden.  Einmal  saßen  die  Ältesten  im  Tor  u.  es  gingen  zwei 
Kinder  an  ihnen  vorüber:  eins  hatte  seinen  Kopf  bedeckt,  das  andre 
hatte  seinen  Kopf  entblößt.  Von  dem,  welches  seinen  Kopf  entblößt 
hatte,  sagte  R.  Eli^ezer:  Ein  Bastard.  R.  J'^hoschua?  sagte:  Sohn  einer 
Menstruierenden.  R.  ?Aqiba  sagte:  Ein  Bastard  u.  Sohn  einer  Men- 
struierenden. Man  sagte  zu  R.  ^Aqiba:  Wie  hat  dir  dein  Herz  Mut  ge- 
macht, die  Worte  deiner  Genossen  zu  übertreten?  Er  antwortete:  Das 
werde  ich  feststellen.  Er  ging  zu  der  Mutter  des  Kindes  u.  sah,  daß 
sie  dasaß  u.  Hülsenfrüchte  auf  dem  Markte  verkaufte.  Er  sprach  zu 
ihr:  Meine  Tochter,  wenn  du  mir  etwas  sagst,  wonach  ich  dich  frage, 
so  bringe  ich  dich  in  das  Leben  der  zukünftigen  Welt.  Sie  antwortete: 
Schwöre  mir!  R.  ^Aqiba  schwur  mit  seinen  Lippen  u.  machte  es  in 
seinem  Herzen  ungültig.  Er  sprach  zu  ihr:  Dieser  dein  Sohn,  wie  ver- 
hält es  sich  mit  dem?  Sie  antwortete:  Als  ich  ins  Brautgemach  ging, 
war  ich  eine  Menstruierende  u.  mein  Eheherr  sonderte  sich  von  mir 
ab,  aber  mein  Brautführer  kam  über  mich,  u.  so  ward  mir  dieser  Sohn. 
So  wurde  das  Kind  als  Bastard  u.  Sohn  einer  Menstruierenden  erfunden. 
Da  sagte  man:  Groß  ist  R.  ^Aqiba,  da  er  seine  Lehrer  (R.  Eli?ezer  u. 
R.  J'^hoschua?)  beschämt  hat.  In  jener  Stunde  sagte  man:  Gepriesen 
sei  Jahve,  der  Gott  Israels,  der  sein  Geheimnis  dem  R.  ^^Aqiba  b.  Joseph 
kundgetan  hat!  —  Da  diese  drei  Lehrer  mehr  als  ein  halbes  Jahr- 
hundert jünger  waren  als  Jesus,  kann  mit  dem  Knaben,  der  hier  als 
Muster  der  Frechheit  dient,  Jesus  nicht  gemeint  gewesen  sein.  Trotz- 
dem hat  die  spätere  Zeit  die  Geschichte  auf  ihn  u.  seine  Mutter  Maria 
bezogen,  s.  Strack,  Jesus  S.  28*.  —  ÄlinHch  verhält  es  sich  mit  J'b 
4, 13 :  (Wer  ist  ein  Bastard  ?)  R.  J'^hoschua?  (um  90)  sagte :  Jeder,  dessent- 
wegen sie  (die  Eltern)  der  gerichtlichen  Todesstrafe  schuldig  werden. 
R.  Schimfon  b.  fAzzai  (s.  oben  S.4)  hat  gesagt:  Ich  habe  ein  Geschlechts- 
register ■ponT'  rp372  in  Jerusalem  gefunden,  in  dem  geschrieben  war: 
Der  u.  der  ist  ein  Bastard  von  einer  verheirateten  Frau.  Um  die  Worte 
des  R.  J^hoschua?  zu  bestätigen.  —  Obwohl  mit  nichts  angedeutet  ist, 
daß  unter  dem  N  N  Jesus  zu  verstehn  sei,  hat  man  die  Stelle  doch 
immer  wieder  auf  ihn  gedeutet,  zB  Jos.  Derenbourg  bei  Strack,  Jesus 
S.  27*.  —  Ohne  Zweifel  aber  bezieht  sich  auf  Jesum  u.  seine  Mutter 
P<^siqR  21  (100''.  101=^):  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Wenn 
der  Sohn  der  Hure  zu  dir  sagt:  Es  gibt  zwei  Götter,  so  antworte  ihm:  Ich 
bin  derselbe  vom  Meer  (Schilfmeer),  ich  bin  derselbe  vom  Sinai.  (So  oft 
sich  Gott  offenbart  hat,  so  ist  er  doch  nur  Ein  Gott.)  . . .  R.  Chijja  b.  Abba 


Matth  1, 16  (Nr.  7).  1, 17  (Nr.  1.  2)  43 

sagte:  Wenn  der  Sohn  der  Hure  zu  dir  sagt:  Es  gibt  zwei  Götter,  so 
antworte  ihm:  „Von  Angesicht  zu  Angesicht  redeten  Götter"  steht  hier 
(Dt  5, 4)  nicht  geschrieben,  sondern:  „redete  Gott  mit  euch."  [!  Sanh  106^: 
„Und  den  Bil^am,  den  Sohn  B^^^^ors,  den  Wahrsager"  (erschlugen  die 
Israeliten  Jos  13, 22).  Wahrsager?  Er  war  doch  ein  Prophet I  R.  Jochanan 
(f  279)  hat  gesagt:  Anfangs  ein  Prophet,  schließlich  ein  Wahrsager.  Rab 
Papa  (t  376)  hat  gesagt:  Das  ist  es,  was  die  Leute  zu  sagen  pflegen:  Von 
Fürsten  u.  Herrschern  stammte  sie  ab  (u.)  hurte  mit  Zimmerleuten.  — 
Biham  wie  öfters  =  Jesus;  s.  Sanh  106^-^  (2mal);  Aboth  5, 19;  dann  die 
Schlußworte  auf  Jesu  Mutter  zu  beziehen. 

1,17:  Alle  Glieder  von  Abraham  bis  auf  David  sind  vierzehn. 

1.  Daß  die  Wendepunkte  innerhalb  der  Israel.  Geschichte  durch 
eine  gleiche  Anzahl  der  dazwischenliegenden  Generationen  markiert 
werden,  erscheint  dem  Evangelisten  als  etwas  Bedeutsames.  Auf 
14  genealogischen  Stufen  steigt  Abrahams  Nachkommenschaft  empor, 
bis  sie  in  David  den  Höhepunkt  ihrer  Macht  erreicht;  auf  abermals 

14  Stufen  sinkt  Israels  Macht  bis  zur  Ohnmacht  des  Exils  hinab;  aus 
der  Tiefe  der  Exilserniedrigung  führt  endlich  wiederum  auf  14  Stufen 
eine  Linie  aufwärts,  die  in  Jesu  kulminiert.  In  diesem  Geschichts- 
verlaufe  sollen  die  Leser  nicht  das  Spiel  des  Zufalls,  sondern  das 
Walten  einer  höheren  Hand  erkennen  zur  Festigung  der  Überzeugung, 
daß  Jesus  der  Antitypus  Davids,  der  Messias  ist.  Vgl.  Exkurs:  „Vor- 
zeichen der  messian.  Zeit"  usw.  II  Nr.  4.  Dabei  sieht  der  Verf.  über  die 
Tatsache  hinweg,  daß  seine  Zählung  der  Generationen  eine  Nach- 
prüfung im  einzelnen  nicht  verträgt. 

2.  Die  Dreiteilung  der  Ahnenreihe  Jesu  in  je  14  Glieder  hat  mit 
den  sogenannten  Zahlensprüchen,  wie  sie  sich  in  früherer  Zeit  in  Spr 
6, 16  u.  Kap.  30 ;  Sir  23, 16;  25, 1.  2.  7 ;  26,  5. 19 ;  50,  25  u.  in  späterer  Zeit 
zB  Aboth  5;  Ta^an  4,  6;  P'^s  112^  HS'';  Gittin  70%-  Aboth  RN31— 41 
finden,  nichts  gemeinsam:  letztere  sollen  vornehmlich  mnemonischen 
Zwecken  dienen;  die  Generationenzählung  hier  ist  auf  die  Stärkung 
des  Glaubens  an  Jesu  Messianität  berechnet.  Dagegen  liegen  analoge 
auf  die  Anzahl  der  Generationen  sich  stützende  Betrachtungen  vor  aus 
der  vorchristl.  Zeit  in  der  Zehnwochen-Apokalypse  des  Buches  Henoch 
u.  aus  der  nachchristl.  Zeit  ExR  zu  12,  2. 

ExR  15  (78'^):  „Dieser  Monat  (Nisan)  sei  euch  erster  Monat,  erster  sei  er  euch 
der  Monate  des  Jahres"  Ex  12,  2.  Das  meint,  was  geschrieben  steht  Ps  72,  7:  ,Es  wird 
sprossen  in  seinen  Tagen  der  Gerechte  u.  Freude  in  Fülle,  bis  der  Mond  nicht  mehr." 
Bevor  Gott  Israel  aus  Aegypten  führte,  tat  er  ihnen  andeutungsweise  kund,  daß  ihnen 
die  Herrschaft  nur  für  30  Generationen  zufallen  werde,  denn  es  heißt:  , Dieser  Monat 
sei  euch  der  erste  der  Monate":  ein  Monat  umfaßt  30  Tage  u.  eure  Herrschaft  30  Ge- 
schlechter.   Der  Mond  fängt  am  1.  Nisan  an    zu  leuchten  u.  leuchtet   immer   weiter 

15  Tage  lang;  dann  ist  seine  Scheibe  voll  geworden;  vom  15.  bis  zum  30.  Tage  nimmt 
sein  Licht  ab,  bis  es  am  30.  nicht  mehr  gesehen  wird.  So  umfaßt  auch  Israel  30  Ge- 
schlechter.  In  der  Zeit  von  Abraham  bis  Salomo  begann  Abraham  zu  leuchten,  s.  Jes 


44  Matthl,17  (Nr.  2) 

41,2:  „Wer  ließ  leuchten  {—jr.  gedeutet  =  n-sr)  vom  Osten  her  den,  dem  Heil  be- 
gegnet auf  Schritt  und  Tritt  (=  Abraham)?"  Dann  kam  Isaak,  der  gleichfalls  leuchtete, 
s.  Ps  97, 11 :  , Licht  (Heil)  ward  gesät  von  dem  Gerechten"  (=  von  Isaak),  s.  Gn  26, 12: 
„Und  Isaak  säte  in  diesem  Lande  u.  erntete  in  diesem  Jahre  hundertfältig,  denn  Jahve 
segnete  ihn"  (so  der  Kommentar  M.  K.).  Es  kam  Jakob,  u.  er  mehrte  das  Licht,  s. 
Jes  10, 17:  „Es  wird  das  Licht  Israels  (=  Jakobs)  zum  Feuer."  Darauf  kamen  J'^huda, 
Pere^.  Chevron,  Kam,  f Amminadab,  Nachschon,  Salmon,  Bo?az,  fObed,  Isai  u.  David. 
Als  Salomo  kam,  wurde  die  Mondscheibe  voll,  s.  1  Chr  29,  23:  „Salomo  setzte  sich  auf 
den  Thron  Jahves  als  König."  Aber  kann  sich  denn  ein  Mensch  auf  den  Thron  Gottes 
setzen,  von  dem  es  heißt  Dn  7,9:  „Sein  Thron  sind  Feuerflammen"?  Vielmehr  (will 
1  Chr  29,  23  sagen),  wie  Gott  herrscht  von  dem  einen  Ende  der  Welt  bis  zum  andren 
u.  über  alle  Könige,  vgl.  Ps  138,  4:  „Preisen  werden  dich,  Jahve,  alle  Könige  der  Erde", 
so  herrschte  auch  Salomo  von  dem  einen  Ende  der  Welt  bis  zum  andren,  s.  2  Chr  9, 
28  f.:  „Alle  Könige  der  Erde  suchten  das  Angesicht  Salomos  .  .  .  u.  sie  brachten  ein 
jeder  sein  Geschenk  dar."  Deshalb  wird  gesagt:  „Es  setzte  sich  Salomo  auf  den  Thron 
Jahves  als  König.  ..."  Siehe,  da  war  die  Mondscheibe  voll  geworden.  Von  da  an 
fingen  die  Könige  an  abzunehmen:  der  Sohn  Salomos  Rehabeam  u.  der  Sohn  Rehabeams 
Abia  u.  sein  Sohn  Asa,  Jehosaphat,  Jehoram,  Achazjahu,  Jehoasch,  Amapja,  füzzijja, 
Jotham,  Achaz,  Hiskia,  Manasse,  Amon,  Josia,  Jehojakim.  Als  (jJedekia  kam,  von  dem 
geschrieben  steht  Jer39,  7:  „Die  Augen  (j!edekias  blendete  Nebukadnecjar",  da  hörte 
das  Licht  des  Mondes  auf.  Alle  jene  Jahre  haben  die  Väter,  obwohl  Israel  gesündigt 
hatte,  für  sie  gebeten  u.  Frieden  gemacht  zwischen  Israel  u.  Gott.  .  .  .  Und  wie  lange 
haben  die  Väter  für  sie  gebeten?  Bis  ^!edekia  seine  x\ugen  verlor,  wie  es  heißt  Ps 
72,  7:  „Friede  in  Fülle,  bis  der  Mond  nicht  mehr",  u.  bis  das  Heiligtum  zerstört  wurde 
nach  den  30  Geschlechtern,  während  deren  Zeit  Israel  etwas  von  der  Herrschaft  inne 
hatte.  Wer  aber  schafft  von  da  an  bis  jetzt  Israel  Frieden?  Jahve,  s.  Nu  6,  26:  „Jahve 
wende  sein  Angesicht  dir  zu  u.  schaffe  dir  Frieden."  —  Man  beachte,  wie  der  Autor' 
dieser  Auslegung  in  ihrer  zweiten  Hälfte  16  Generationen  aufgezählt  hat,  obwohl  nur 
15  zu  seiner  Theorie  paßten;  dergleichen  Unebenheiten  scheinen  sonder  Belang  gewesen 
zu  sein.  ||  Henoch  93,  1 — 10;  91,  12 — 17.  Die  Zehnwochen-Apokalypse,  vermutlich  aus 
der  Zeit  der  frühesten. Makkabäerkämpfe  stammend,  läßt  die  Geschichte  der  Welt  sich 
vollziehen  in  10  Wochen  oder  Siebenheiten,  d.  h.  in  10  mal  7  Generationen.  Leider  liegt 
ihr  ursprünglicher  Text  nicht  mehr  vor.  Als  nämlich  nach  der  Periode  des  Schwertes 
(=:  9.  Woche  des  ursprüngl.  Textes)  die  messian.  Zeit  nicht  eintrat,  kam  ein  Späterer 
u.  riß,  um  für  die  gescliichtl.  Entwicklung  in  seinen  Tagen  Raum  zu  gewinnen,  die 
10.  Woche  des  Originals  (=  Messiaszeit)  in  2  Wochen,  die  9.  u.  die  10.  des  gegenwärtigen 
Textes,  auseinander.  (Daher  rührt  das  Unbestimmte  in  der  Beschreibung  der  9.  Woche 
u.  die  inhaltliche  Entleerung  der  ersten  sechs  Teile  der  10.  Woche  des  uns  vorliegenden 
Textes.)  Dadurch  sah  sich  dieser  Spätere  genötigt,  um  die  Zehnzahl  der  Wochen  nicht 
zu  überschreiten,  2  frühere  Wochen  in  Eine  zus.zuziehen;  er  wählte  hierzu  die  6.  u.  die 
7.  Woche  des  Originals,  welche  im  gegenwärtigen  Texte  die  6.  Woche  bilden,  so  daß 
die  ganze  Zeit  vom  Tempelbau  Salomos  bis  zum  Exil,  die  ursprünglich  2  Siebenheiten 
=  14  Generationen  umfaßte,  auf  1  Siebenheit  =  7  Generationen  eingeschränkt  wurde. 
Legt  man  das  Original  zugrunde,  so  gehören  nach  der  Zehnwochen- Apokalypse  die  ersten 
3  Weltwochen,  an  deren  Ende  Abraham  (=  20.  Generation)  erscheint,  der  vorisraelit. 
Welt  u.  die  letzten  7  Wochen  der  Geschichte  Israels  an.  Von  den  7  Wochen  Israels 
entfallen  die  beiden  ersten  (=  4.  u.  5.  Weltwoche)  auf  die  Zeit  von  Isaak  bis  Salomos 
Tempelbau;  die  3.  u.  4.  Woche  Israels  (=  6.  u.  7.  Weltwoche)  auf  die  Zeit  vom  Tempel- 
bau bis  zum  Exil;  die  5.  u.  6.  Woche  Israels  (=  8.  u.  9.  Weltwoche)  auf  die  Wieder- 
herstellung Israels  nach  dem  Exil  u.  auf  die  Periode  des  Schwertes,  an  deren  Ende, 
nachdem  das  Schwert  der  Frommen  an  den  ungerechten  u.  abtrünnigen  Israeliten  das 
Gericht  vollzogen   hat,    der  (messianische)  Tempel  in  Herrlichkeit  erbaut  wird.    Die 

'  Nach  P-siq  53=*  u.  P'siqR  15  (76'')  ist  R.  B^'reklija,  um  340,  als  Autor  anzunehmen. 


Matth  1,17  (Nr.  2).  1, 18  (?l.  SB)  45 

T.Woche  Israels  (=  10.  Weltwoche)  umfaßt  die  messian.  Zeit,  in  der  das  Gericht  über 
die  Weltvölker  gehalten  wird  u.  alle  Ungerechtigkeit  von  der  Erde  verschwindet,  bis 
endlich  in  ihrem  Schlußteil  das  Gericht  über  die  Engel  u.  die  Erneuerung  des  Himmels 
erfolgt.  „Danach  werden  viele  zahllose  Wochen  bis  in  Ewigkeit  in  Güte  u.  Gerechtigkeit 
sein,  u.  die  Sünde  wird  von  da  an  bis  in  Ewigkeit  nicht  mehr  erwähnt  werden."  — 
Man  sieht,  das  Schema  der  Zehnwochen-Apokalypse  deckt  sich  ziemlich  genau  mit  den 
Aufstellungen  in  Mt:  nachdem  je  14  Generationen  von  Isaak  bis  Salomo  u.  von  Salomo 
bis  zum  Exil  vergangen  sind,  wird  nach  Verlauf  von  noch  einmal  14  Generationen  der 
Anbruch  der  messian.  Endvollendung  erwartet.  Es  ist  möglich,  daß  diese  rechnerischen 
Spekulationen  weiteren  Kreisen  u.  auch  dem  Evangelisten  bekannt  geworden  sind; 
dann  wird  der  letztere  sie  benützt  haben,  um  seine  Volksgenossen  darauf  hinzuweisen, 
daß  das,  was  ihre  früheren  Weisen  über  die  Ankunftszeit  des  Messias  gelehrt  haben, 
in  Jesu  erfüllt  sei. 

10  Generationen  rechnet  Dosa  b.  Archinos  (um  90  n.  Chr.)  von  Esra  bis  Elfazar 
b.  f  Azarja  (um  100)  pj^b  1,  3  b,  1 ;  pTaf an  4,  67 '',  28 ;  bB'^rakh  27  "^  unten. 

1,1891:  Als  Maria,  seine  Mutter,  dem  Joseph  vertrauet  war. 
fxvTjffTav&siarjg,  über  Verlobung  u.  Vermählung  s.  bei  Joh  2,  1. 

33  Ehe  er  sie  heimholte  {ttq}}'  t]  aweX^slv  avtovg). 

Wünsche,  zum  Teil  auch  Lightfoot  haben  die  Worte:  „bevor  sie 
zus. gekommen  waren"  nach  den  Bestimmungen  über  das  Alleinsein  der 
Brautleute  in  der  Zeit  zwischen  Verlobung  u.  Vermählung  zu  erklären 
versucht,  zumal  die  Peschita  GvveXd^eTv  mit  -ismnir:,  das  dem  rabbin. 
n^rr:  entspreche,  wiedergegeben  habe.  Aber  -pamp'.:;;  bedeutet  nicht  „sie 
waren  allein",  sondern  „sie  verbanden,  vereinigten  sich",  nämlich  zur 
Ehe.  Ferner  ist  das  „Alleinsein"  der  Verlobten  in  Galiläa,  der  Heimat 
Josephs  u.  Marias,  gar  nicht  üblich  gewesen,  s.  die  folgenden  Zitate. 
Wie  hätte  also  Mt  dazu  kommen  sollen,  seine  Ausdrucksweise  von 
einem  in  Galiläa  nicht  geübten  Brauch  bestimmen  zu  lassen!  Die  Worte 
bezeichnen  vielmehr  die  nöirri,  die  Aufnahme  der  Maria  in  Josephs 
Haus  (vgl.  nagalaßslv  Vers  20.  24),  u.  besagen,  daß,  bevor  noch  das 
häusliche  u.  eheliche  Zus. leben  begonnen  hatte,  Maria  als  schwanger 
befunden  wurde. 

K'^th  1,  5:  Wer  in  Judäa  bei  seinem  Schwiegervater  ohne  Zeugen 
(das  Verlobungsmahl,  s.  bei  Joh  2, 1)  genossen  hat,  kann  keine  Klage 
wegen  mangelnder  Jungfräulichkeit  erheben,  weil  er  mit  ihr  allein 
gewesen  ist.  —  Aus  dieser  Mischna  werden  die  beiden  nächsten  Sätze 
gefolgert:  K'^th  Q'':  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt:  ...  In  Judäa  gilt 
dies,  daß  er  keine  Klage  erheben  kann;  aber  in  Galiläa  kann  er  eine 
erheben  (weil  dort  die  Brautleute  nicht  allein  sind).  —  K«^th  12  a:  Abaje 
(t  338/39)  hat  gesagt:  Daraus  (aus  K'^th  1,  5)  kann  man  entnehmen, 
daß  es  auch  in  Judäa  viele  Orte  gibt  (in  denen  Klage  erhoben  werden 
darf,  nämlich  in  allen  denen,  wo  die  Brautleute  nicht  allein  zu  sein 
pflegen).!   Hierfür  wird  dann  geltend  gemacht  die  Bar  Tos  K'^th  1,4 

^  K'^th  7'\24  stellt  es  Abaje  als  Regel  hin,  daß  in  Judäa  die  Brautpaare  allein 
zus.  seien,  ns;?  -n-'-rtt. 


46  Matthl,18(SB) 

(261):  R.  J*^huda  (um  150)  hat  gesagt:  In  Judäa  ließ  man  früher  den 
Bräutigam  u.  die  Braut  eine  Stunde  (vor  ihrem  Eintritt  in  das  Braut- 
gemach, K'^'th  12")  allein,  damit  er  zutraulicher  zu  ihr  werde  (wörtlich: 
damit  sein  Herz  dreist  gegen  sie  werde) ;  ^  aber  in  Galiläa  hatte  man 
diesen  Brauch  nicht.  In  Judäa  untersuchte  man  Bräutigam  u.  Braut 
eine  Stunde  vor  Eintritt  in  das  Hochzeitsgemach  (ob  sie  Blutspuren 
an  sich  haben),  aber  in  Galiläa  hatte  man  diesen  Brauch  nicht.  In 
Judäa  stellte  man  zwei  Brautführer  auf  (s.  bei  Mt  9, 15),  einen  von 
Seiten  der  Familie  des  Bräutigams  u.  einen  von  selten  der  Familie  der 
Braut;  jedoch  stellte  man  sie  nur  für  die  Vermählung  auf;  aber  in 
Galiläa  hatte  man  diesen  Brauch  nicht.  In  Judäa  schliefen  die  beiden 
Brautführer  an  dem  Orte,  wo  Bräutigam  u.  Braut  schliefen;  aber  in 
Galiläa  hatte  man  diesen  Brauch  nicht.  Wer  diesen  Brauch  nicht  be- 
obachtete, konnte  keine  Klage  wegen  mangelnder  Jungfräulichkeit 
führen.  (Diese  Bar  mit  geringen  Abweichungen  auch  pK'^thl,25% 
36—43;  bKethl2^) 

In  K^th  12 a  schließt  sich  folgende  Diskussion  an:  Worauf  (beziehen 
sich  die  Schlußworte:  „Wer  diesen  Brauch  nicht  beobachtete")?  Wenn 
man  sagen  wollte:  Auf  den  Anfang  (auf  die  Worte:  In  Judäa  ließ  man 
die  Brautleute  eine  Stunde  allein),  so  müßten  die  Schlußworte  lauten: 
„Wer  diesen  Brauch  beobachtet"  (aber  nicht:  Wer  diesen  Brauch  nicht 
beobachtet).  Sollen  sich  aber  die  Schlußworte  auf  das  Ende  (die  Tätig- 
keit der  Brautführer  in  Judäa)  beziehen,  dann  müßten  sie  lauten:  Wer 
sich  nicht  untersuchen  ließ,  konnte  keine  Klage  führen.  Abaje  (f  338/39) 
sagte:  Immer  wollen  sich  die  Schlußworte  auf  den  Anfang  beziehen, 
so  daß  gelehrt  wird:  Wer  den  Brauch  beobachtet  (mit  seiner  Braut 
vor  Beginn  der  Ehegemeinschaft  allein  zu  sein,  kann  keine  Klage  er- 
heben). Raba  (f  352)  erwiderte  ihm:  Aber  es  heißt  doch:  Wer  diesen 
Brauch  nicht  beobachtet.  Vielmehr,  sagte  Raba,  ist  die  Stelle  so  zu 
verstehn:  Wer  nicht  den  Brauch  Galiläas  in  Galiläa,  sondern  den  Brauch 
Judäas  in  Galiläa  beobachtet,  kann  keine  Klage  wegen  mangelnder 
Jungfräulichkeit  erheben.  Rab  Aschi  (f  427)  sagte:  Immer  beziehen 
sich  die  Schlußworte  auf  das  Ende,  so  daß  gelehrt  wird:  Wer  sich 
nicht  untersuchen  läßt  (kann  keine  Klage  führen). 

Die  Auffassung  des  Rab  Aschi  dürfte  die  richtige  sein.  R.  J^huda 
will  in  der  Bar  sagen,  daß  trotz  des  freieren  Verkehrs  der  Brautleute 
miteinander,  der  im  allgemeinen  die  Klage  wegen  mangelnder  Jung- 
fräulichkeit ausschloß,  doch  auch  in  Judäa  die  Möglichkeit  dazu  in 
dem  Falle  gegeben  war,  daß  der  Bräutigam  von  der  geschilderten 
Tätigkeit  der  Brautführer  Gebrauch  machte.  In  Galiläa  dagegen  be- 
durfte es  der  Mitwirkung  der  Brautführer  nicht,  weil  das  Alleinsein  der 
.Brautleute  dort  überhaupt  nicht  üblich  war,  mithin  dem  Bräutigam  stets 
der  Klageweg  wegen  Fehlens  der  jungfräulichen  Zeichen  offen  stand. 

1  Vgl.  R.  J'hudas  Ausspruch  in  J'^^b  4.  10  (unten  S.  47  f.). 


Matth  1,18  (5B.  6  1)  47 

Wie  es  in  Judäa  zu  dem  freieren  Verkehr  der  Verlobten  miteinander 
gekommen  ist,  schildert  pK«th  !,  25'',  20:  „Vordem  hatten  sie  (die 
römischen  Machthaber)  eine  Verfolgung  über  die  Juden  verhängt;  denn 
sie  hatten  diese  Überlieferung  von  ihren  Vätern  her,  daß  J'huda  (der 
Sohn  Jakobs)  den  Esau  (der  als  Ahnherr  der  Römer  galt)  getötet  habe, 
s.  Gn49,  8:  „Deine  (J^hudas)  Hand  sei  am  Rücken  deiner  Feinde." 
Und  sie  kamen  u.  unterjochten  sie  (die  Juden)  u.  notzüchtigten  ihre 
Töchter  u.  bestimmten,  daß  der  Befehlshaber  ihnen  zuerst  beiwohne. 
Da  ordneten  sie  (die  jüdischen  Gelehrten)  an,  daß  der  (verlobte)  Ehe- 
mann ihr  (seiner  Braut)  beiwohnen  sollte,  solange  sie  noch  im  Hause 
ihres  Vaters  sei;  denn  darum,  daß  sie  wisse,  daß  die  Furcht  ihres 
Gatten  auf  ihr  sei,  fühle  sie  sich  auch  zu  ihm  hingezogen.  Aber  wohnte 
ihr  nicht  doch  in  jedem  Falle  schließlich  der  Oberbefehlshaber  bei  (was 
hatte  also  die  Verordnung  der  Gelehrten  für  einen  Zweck)?  Sie  wurde 
so  eine  Genotzüchtigte  u.  eine  solche  ist  (ihrem  Mann  hinterher)  zum 
Beischlaf  erlaubt.  Was  taten  aber  die  Priesterfrauen  (die  auch  als 
Genotzüchtigte  ihren  Männern  zur  Fortsetzung  des  ehelichen  Verkehrs 
nicht  erlaubt  waren)?  Sie  verbargen  sich.  Da  verbargen  sich  auch  die 
Töchter  Israels.  Das  Gerücht  davon  verbreitete  sich,  so  daß  auch  die 
(feindliche)  Regierung  Kunde  bekam.  Da  gerieten  diese  (die  Töchter 
Israels)  u.  jene  (die  Priesterbräute)  in  Bestürzung.  Was  für  ein  Merk- 
mal hatten  denn  jene  (die  Feinde)?  Die  Stimme  der  Mühle  in  einer 
Stadt  zeigte  ihnen  an,  daß  dort  Hochzeiten  stattfänden,  u.  das  Kerzen- 
licht in  Beror-Chajil  (Wohnsitz  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai,  f  um  80) 
zeigte  an,  daß  Beschneidungsfeiern  gehalten  würden.  Obgleich  die  Ver- 
folgung aufhörte,  so  hörte  doch  jener  Brauch  (der  freiere  Verkehr 
zwischen  den  Verlobten)  nicht  auf.   Vgl.  auch  K'^thS'';  Sanh32''. 

1,186:  Fand  sich's,  daß  sie  schwanger  war 
von  dem  heiligen  Geist. 

1.  Die  Erkennbarkeit  der  Schwangerschaft  tritt  nach  allgemeiner 
Annahme  der  Rabbinen  3  Monate  nach  der  Empfängnis  ein ;  deshalb 
wurde  festgesetzt,  daß  die  Wiederverheiratung  von  Witwen,  Geschie- 
denen usw.  nicht  vor  Ablauf  von  3  Monaten  nach  der  Trennung  von 
ihrem  früheren  Manne  erfolgen  sollte. 

pJ*'b4,  11  f6*,  17):  Wann  tritt  die  Erkennbarkeit  der  Schwangerschaft  (wörtl.  des 
Fötus)  ein?  Symmachos  (b.  Joseph,  um  180)  hat  im  Namen  des  R.  Meir  (um  150)  gesagt: 
Nach  3  Monaten.  Wenn  es  auch  keinen  Beweis  dafür  (nämlich  aus  der  Schrift)  gibt, 
so  doch  eine  Andeutung,  s.  Gn.S8,  24:  „Nach  ungefähr  3  Monaten  wurde  dem  J'^huda 
berichtet:  Deine  Schwiegertochter  Thamar  hat  gehurt"  usw.  —  In  andrer  Fassung  Tos 
Nidda  1,  7  (642).  II  J'^b  4,  10:  Die  zur  Leviratsehe  verpflichtete  Schwägerin  soll  nicht 
eher  zur  Zeremonie  des  Schuhausziehens  u.  zur  Leviratsehe  schreiten,  bis  ihr  3  Monate 
(nach  dem  Ableben  ihres  Mannes)  vergangen  sind.  Ebenso  sollen  auch  alle  andren 
Frauen  sich  nicht  wieder  verloben  oder  wieder  verheiraten,  bis  ihnen  8  Monate  ver- 
gangen sind,  es  seien  Jungfrauen  oder  vom  Mann  Erkannte,  es  seien  Geschiedene  oder 
Witwen,  es  seien  verheiratet  Gewesene  oder  verlobt  Gewesene.  B.  J'^huda  (b.  El'ai,  um 


48  Matthl,18(6l.2) 

150)  sagte:  Die  bereits  verheiratet  Gewesenen  dürfen  sich  (sofort)  verloben  u.  die 
bereits  verlobt  Gewesenen  können  sich  (sofort)  verheiraten,  mit  Ausnahme  der  ver- 
lobten Bräute  in  Judäa,  weil  dort  der  Bräutigam  in  vertrauterer  Weise  mit  seiner  Braut 
verkehrt  (wörtl.:  weil  sein  Herz  dreist  gegen  sie  ist).  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150) 
sagte:  Alle  Frauen  dürfen  sich  (sofort)  wieder  verloben  mit  Ausnahme  einer  Witwe  der 
Trauer  wegen.  |i  J'^b  42^:  Weshalb  (sollen)  auch  alle  übi'igen  Frauen  (3  Monate  warten)? 
Rab  Nachman  (b.  Jakob,  ein  Babylonier,  f  320)  hat  gesagt:  Sch^muel  (ein  Babylonier, 
t  254)  hat  gesagt:  Weil  es  heißt  Gn  17,  7:  ,Daß  ich  dir  als  Gott  eigen  sein  will  u. 
deinem  Samen  nach  dir",  um  nämlich  prüfend  zu  unterscheiden  zwischen  dem  Samen 
des  ersten  u.  des  zweiten  Mannes. 

2.  Tirsvaa  ayioi\  dipn  nn,  bezeichnet  Mt  1, 18  die  Leben  wirkende 
Schöpferkraft  Gottes;  in  dieser  Bedeutung  scheint  sich  'npn  nin  in  der 
älteren  rabbin.  Literatur  nicht  zu  finden  ;i  erst  in  dem  ziemlich  späten 
Psalmentargum  begegnet  ein  diesbezüglicher  Beleg,  indem  Ps  104,  30 
wiedergegeben  wird:  Du  sendest  deinen  heiligen  Geist,  so  werden  sie 
geschaffen,  u,  du  erneuerst  die  Oberfläche  der  Erde.  —  Der  rabbinische 
Sprachgebrauch  verstand  unter  'c-i-pn,  n— i  den  Geist  der  Prophetie  u. 
Inspiration,  der  in  den  Führern  u.  Propheten  Israels  u.  in  den  Ver- 
fassern der  heiligön  Schriften  wirksam  war,  —  Belege  s.  zu  Mt  22,  43  u. 
2  Petr  1,21  Anm.  16.  —  Bezeichnend  für  das  Fehlen  der  ersten  Bedeutung 
in  der  älteren  rabbin.  Literatur  ist  die  Deutung  der  Worte:  Der  Geist 
Gottes  schwebte  über  den  Wassern  Gn  1,  2.  Nirgends  tritt  der  Versuch 
hervor,  in  diesem  göttlichen  Geiste  die  schöpferische  Lebenskraft  Gottes 
zu  sehn,  vielmehr  versteht  man  unter  nii  entweder  den  über  die  ge- 
waltigen Urwasser  hinwehenden  Wind,a  oder  man  deutet  mn  auf  den 
Geist  Adams,  wohl  auch  allegorisch  auf  den  Geist  des  Messias  (s.  zu 
Job  1, 1  SV  ccQxij  rjv  0  Xoyog  D).  Dem  richtigen  Verständnis  nähern  sich 
der  Targum  Jerusch  I  u.  II;  nur  lassen  sie  an  Stelle  des  schöpferischen 
Gottesgeistes  denbarmherzigen  Gottesgeist  b  über  den  Wassern  schweben, 
wohl  geleitet  von  dem  alten  haggadischen  Satze,  daß  Gott  seine  Welt 
geschaffen  habe  u.  noch  erhalte  nicht  nach  dem  Prinzip  des  strengen 
Rechts,  sondern  nach  den  Normen  der  Billigkeit  u.  des  Erbarmens. 

a.  Targ  Onk  Gn  1,  2 :  Und  der  Wind  von  vor  Jahve  wehte  über  das  Wasser.  ||  GnR 
1  (2**):  Ein  Philosoph  fragte  den  Rabban  Gamliel  IL  (um  90):  Ein  großer  Bildner  ist 
euer  Gott,  aber  er  fand  auch  schöne  Farben  (Urstoffe)  vor,  die  ihm  halfen:  Tohu,  Bohu, 
Finsternis,  Wiud,  Wasser  u.  T'^hom  (die  Tiefe),  Gn  1,  2.  Er  erwiderte  ihm:  Möchte  ver- 
hauchen dieses  Mannes  (—  dein)  Geist!  Von  diesen  Dingen  allen  wird  in  der  Schrift 
ja  eine  Erschaffung  ausgesagt;  vom  Tohu  Vabohu  heißt  es  Jes  45,  7:  Der  Frieden  (Ord- 
nung zwischen  den  Elementen)  macht  u.  Übles  (=  Tohu  Vabohu)  schafft.  Vom  Licht 
Jes  45,  7:  Der  das  Licht  gebildet  u.  die  Finsternis  geschaffen.  Vom  Wasser  Ps  148,  4  f.: 
Preiset  ihn,  ihr  Himmel  der  Himmel,  u.  ihr  Wasser  über  den  Himmeln  .  .  .,  denn  er 
gebot  u.  sie  wurden  geschaffen.  Vom  Winde  Arnos  4,  13:  Denn  siehe,  der  Bildner  der 
Berge  u.  der  Schöpfer  des  Windes  (so  der  Midrasch).  Von  der  Tiefe  Spr  8,  24:  Da  noch 
keine  Tiefe  war,  bin  ich  geboren.  ||  Chag  12*:  Rab  J«huda  (b.  J'^'chezqJel,  ein  Babylonier, 


^  Wohl  aber  kommt  (Gottes)  Geist  in'  diesem  Sinn  einigemal  in  den  Apokryphen 
u.  Pseudepigraphen  vor.  Judith  16,  14:  Du  sandtest  deinen  Geist  nvsv/j.K  aus  u.  er  baute 
(half  mit  beim  Schopfungswerk).  II  Apoc  Bar  21,4:  Der  du  dem  Firmament  durch  das 
Wort  seinen  Platz  angewiesen  u.  die  Höhe  des  Himmels  durch  den  Geist  befestigt  hast. 


Matthl,18  (6  2.3)  49 

t  299)  hat  gesagt:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Zehn  Dinge  wurden  am  1 .  Schöpf ungstage 
geschaffen :  Himmel,  Erde,  Tohu,  Bohu,  Licht,  Finsternis.  Wind,  Wasser,  das  Maß  des 
Tages  u.  das  Maß  der  Nacht.    Beweis:  Gnl,l — 5. 

GnR  2  (3^):  R.  Chaggai  (um  330)  hat  im  Namen  des  R.  P^dath  (um  300)  in  bezug 
auf  die  Worte:  , Der  Wind  schwebte  über  den  Wassern"  (Gnl,2)  gesagt:  Ein  Vertrag 
wurde  mit  dem  Wasser  abgeschlossen  (d.  h.  es  wurde  zum  Naturgesetz),  daß  auch  zur 
Zeit  der  Gluthitze  der  Wind  wehen  soll. 

GnR  2  (3''):  R.  J'^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  Gn  1,  2  ff.  auf  die  Generationen  aus- 
gelegt: ,Die  Erde  war  Tohu",  das  zielt  auf  den  ersten  Menschen,  der  zu  Nichts  u. 
Nichtigkeit  wurde.  „Bohu"  zielt  auf  Kain,  der  die  Welt  ins  Tohu  Vabohu  zurück- 
zuführen suchte.  „Finsternis"  auf  das  Geschlecht  des  Enosch,  weil  ihre  Werke  in 
Finsternis  geschahen,  daß  sie  sagten:  Wer  sieht  uns?  (Jes  29,  15).  Die  Worte  „über 
der  Tiefe"  zielen  auf  das  Geschlecht  der  Flut,  s.  Gn7,  11:  An  diesem  Tage  öffneten 
sich  alle  Quellen  der  Tiefe.  Und  die  Worte  „der  AVind  Gottes  schwebte  über  den 
Wassern"  sind  gesagt,  weil  Gott  Wind  über  die  Erde  wehen  ließ  Gn8, 1.  Da  sprach 
Gott:  Wie  lange  soll  die  Welt  in  Finsternis  geleitet  werden?  Es  komme  das  Licht! 
Und  Gott  sprach:  „Es  werde  Licht",  das  zielt  auf  Abraham,  s.  Jes  41,  2:  „Wer  machte 
zum  Licht  (so  der  Midrasch)  vom  Osten  her  den,  dem  Heil  begegnet?"  Lies  nicht 
„wer  erweckte"  "i'"~,  sondern  „wer  machte  zum  Lichte"  "^"s".  „Und  Gott  nannte  das 
Licht  Tag"  zielt  auf  Jakob,  „u.  die  Finsternis  nannte  er  Nacht"  auf  Esau.  „Und  es 
ward  Abend"  zielt  auf  Esau,  ,u.  es  ward  Morgen"  auf  Jakob.  Es  ward  Abend,  das 
ist  der  Abend  Esaus;  u.  es  ward  Morgen,  das  ist  der  Morgen  Jakobs;  „Ein  Tag"  vgl. 
Sachl4,  7:  Und  es  wird  ein  bestimmter  Tag  sein,  der  ist  Jahven  bekannt,  weder  Tag 
noch  Nacht  usw.  -  TanchB  n:  18 b;  „Wind"  GnS,  1  =  „Wind"  Gn  1, !?. 

b.  Targ  Jerusch  I  u.  II  zu  Gn  1,  2*^:  Der  Geist  der  Barmherzigkeit  von  vor  Jahve 
wehte  über  die  Oberfläche  des  Wassers. 

3.  Auf  Grund  von  Gnl7,17;  18, 11  — U;  21, 1—7;  25,  21  galt  es  der 
alten  Synagoge  für  ausgemacht,  daß  Isaaks  u.  Jakobs  Empfängnis  wie 
Geburt  auf  das  unmittelbare  schöpferische  Eingreifen  Gottes  zurück- 
zuführen sei.a  Dagegen  klingt  die  Vorstellung,  daß  ein  Mensch  ohne 
Zutun  eines  Mannes  allein  durch  göttliche  Wirkung  von  einem  Mutter- 
schoß empfangen  u.  geboren  werden  könne,  nirgends  in  der  älteren 
jüdischen  Literatur  auch  nur  leise  an.  Darum  hat  das  alte  Judentum 
auch  niemals  erwartet,  daß  etwa  der  verheißene  Messias  auf  dem  Wege 
übernatürlicher  Zeugung  das  Licht  der  Welt  erblicken  werde;  auch 
ihm  gegenüber  galt  der  Kanon:  Mensch  von  Menschen  geboren. b  So 
bedeutet  Mt  1, 18  dem  jüdischen  Denken  gegenüber  ein  absolut  Neues.« 
•  a.  GnR  47  (29")  u.  53  (33*1):  R.  Judan  (um  350)  hat  im  Namen  des  Resch  Laqisch 
(um  250)  gesagt:  Sara  hatte  keine  Gebärmutter,  aber  Gott  höhlte  ihr  die  Gebärmutter 
aus.  —  Wörtlich  die  gleiche  Aussage  über  Rebekka  u.  Ruth  GnR  63  (39  <=) ;  Midr  Ruth 
4,  12(137a)s.  obenS.  27r. 

b.  Ju.stin.  Martyr  Dial.  c.  Tryph.  49:  ndpreg  ijjueig  die  Juden  toV  X^tarof  av&Qio- 
noy  iS  cci^flQuJncop  nQoatfoxtßfxsy  ysptjaeff&ai.  \\  Philosophumena  9,  30  (ed.  Miller  S.  308): 
Fepeaiy  fjisv  ydg  avrov  (sc.  tov  Xqigtov)  iaousprjv  Xsyovait'  sx  ysrovg  Jaßld,  «ÄA'  ovx 
ix  TiccQ&ivov  XKL  (tylov  Upsv/ucdog,  aXi.'  ix  yvyaixdg  xcd  dr&Qog  (6g  näaiv  OQog  yevväa&ab 
ix  ansQuccrog. 

c.  Nork,  Rabbinische  Quellen  1,  12  f.  bringt  zum  Beweise,  „daß  die  wunderbare 
Zeugung  des  Messias  eine  ursprünglich  jüdische  Glaubenssache  war",  folgende  Stelle 
aus  einem  Midrasch  KL  69*^  bei.  Es  heißt  KL  5,  3:  Wir  sind  Waisen  geworden,  vaterlos. 
R.  B'^rekhja  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  Israel:  Ihr  sagt  zu  mir:  „Waisen  sind  wir  ge- 
worden u.  ohne  Vater" ;  auch  der  Erlöser,  den  ich  von  euch  werde  erstehn  lassen,  wird 

Strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  4 


50  Matthl,18(6  3).  l,19(Nr.l) 

keinen  Vater  haben,  wie  es  heifst  SacliG,  12:  ^ Siehe  ein  Mann,  dessen  Name  , Sproß", 
11.  von  unten  auf  wird  er  sprossen";  u.  ebenso  sagtJesöS,  2:  „Er  wuchs  auf  wie  ein 
Schößling  vor  ihm";  u.  über  ihn  hat  David  gesagt:  ,Aus  dem  Schöße  der  Morgenröte 
kommt  dir  der  Tau  deiner  Jugend"  PsllO,  3.  —  Dieses  Zitat  findet  sich  auch  beiMosche 
ha-Darschan  (1.  Hälfte  des  11.  Jahrh.s)  zu  Gn  37,  22.  ^  Mit  der  übernatürlichen  Geburt 
des  Erlösers  aber  hat  diese  Stelle  nichts  zu  schaffen:  der  vaterlose  Erlöser  ist  gleich- 
bedeutend mit  einem  namenlosen  Erlöser.  Das  zeigt  Midr  KL  zu  5,  3  (TS''):  Wir  sind 
Waisen  geworden  u.  ohne  Vater.  R.  B<^rekhja  (um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um 
800)  gesagt:  Gott  sprach  zu  Israel:  Ihr  weint  u.  sagt  zu  mir:  Waisen  sind  wir  ge- 
worden u.  ohne  Vater;  bei  eurem  Leben,  auch  der  Erlöser,  den  ich  von  euch  dereinst 
in  Medien  werde  erstehn  lassen,  wird  keinen  Vater  u.  keine  Mutter  haben,  vgl.  Esth 
2,7:  jMardokhai  hatte  die  Hadassa  aufgezogen,  das  ist  Esther,  die  Tochter  seines 
Oheims;  denn  sie  hatte  weder  Vater  noch  Mutter."  —  Ebenso  Midr  Esth  zu  2,  7  (93*^).  — 
Selbstverständlich  soll  Esther  durch  die  Worte,  daß  sie  keinen  Vater  u.  keine  Mutter 
habe,  nicht  als  ein  Erlöser  hingestellt  werden,  der  sein  menschliches  Dasein  einer 
besonderen  Wundertat  Gottes  verdanke,  sondern  die  Worte  sollen  ausdrücken,  daß 
Esther  zur  Retterin  ihres  Volkes  bestimmt  sei,  obwohl  ihr  von  Haus  aus  kein  großer 
Name  eignete:  ohne  Vater  u.  ohne  Mutter,  ungekannt  u.  ungenannt,  soll  sie  das  gött- 
liche Werkzeug  zur  Befreiung  Israels  werden.  Genau  so  ist  es  gemeint,  wenn  vom 
Messias  gesagt  wird,  daß  er  keinen  Vater  haben  werde. 

Eine  andre  Parallele  für  die  übernatürliche  Geburt  Jesu  ix  npsi'/ucaog  dyiov  hat 
Siegfried,  Analecta  rabbinica,  Leipzig  1875,  S.  4  in  Tanch  s^"i  26 '^  finden  wollen:  „?i""3 
wurde  Sara  heimgesucht  u.  nach  sieben  Monaten  wurde  Isaak  in  der  Passahnacht  ge- 
boren, s.  GnlS,  14:  ,Zu  dieser  Frist  werde  ich  wieder  zu  dir  kommen  um  diese  Zeit.' 
Vier  Unfruchtbare  wurden  r:"-2  heimgesucht:  Sara,  Rebekka,  Rahel  u.  Lea."  — Aber 
die  Abbreviatur  n"i3  ist  nicht  v-^y-'  ~i~=  „durch  den  heiligen  Geist"  aufzulösen,  son- 
dern r.:-Dn  üN^a  „am  Neujahrstage"!!   Vgl.  RHU''. 

1,19:  Joseph  aber,  ihr  Mann,  der  gerecht  war  u.  sie  (doch) 
nicht  in  Schande  bringen  wollte,   gedachte   sie   heimlich  zu 

entlassen. 

1.  Als  dixaioc,  p-in-^,  im  strengen  Sinn  des  Wortes  galt  nach  rabbin, 
Anschauung  derjenige,  der  das  Gesetz  in  seinem  ganzen  Umfange  ge- 
halten hatte;  im  weitern  Sinn  wurde  aber  auch  derjenige  ein  Gerechter 
genannt,  dessen  Verdienste  vor  Gott  durch  Gesetzeserfüllung  u.  gute 
Werke  die  infolge  von  Gesetzesübertretungen  auf  ihm  liegende  Schuld 
aufwogen.»  In  diesem  gewissermaßen  technischen  Sinn  ist  dtxaiog  hier 
nicht  gemeint;  vielmehr  wird  Joseph  so  als  ein  Mann  charakterisiert, 
der  das  Gesetz  zur  Norm  seines  Handelns  gemacht  hatte;  u.  eben  weil 
J.  sich  in  seinem  Gewissen  an  das  Gesetz  gebunden  fühlte,  will  er  aus 
der  Schwangerschaft  seiner  Verlobten  die  gesetzlichen  Folgen  für  sein 
weiteres  Verhalten  ihr  gegenüber  ziehn. 

a.  RH  16"^  Bar:  Die  Schule  Schammais  sagte:  Drei  Abteilungen  wird  es  am  Tage 
des  (jüngsten)  Gerichts  geben:  die  der  vollkommenen  Gerechten,  die  der  vollkommenen 
Gottlosen,  die  der  Mittelmäßigen.  Die  vollkommenen  Gerechten  werden  aufgeschrieben 
u.  sofort  versiegelt  für  das  ewige  Leben,  die  vollkommenen  Gottlosen  werden  auf- 
geschrieben u.  sofort  versiegelt  für  den  Gehinnom,  s.  Dn  12,  2:  Und  die  Masse  derer, 
die  da  im  Erdenstaub  schlafen,  werden  erwachen,  die  einen  zum  ewigen  Leben,  die 
andren  zur  Schmach  u.  ewigen  Verdammnis.   Die  Mittelmäßigen  (bei  denen  Verdienst 

^  Sieh  Raimundus  Martin,  Pugio  fidei,  ed.  J.  de  Voisin,  Paris  1651,  594. 


Matthl,19(Nr.  1.2)  '  5^ 

u.  Schuld  sich  die  Wage  halten)  fahren  hinab  in  den  Gehinnom,  drängen  sich  u.  steigen 
wieder  empor,  s.  SachlS,  9:  ,Ich  will  die  dritte  Abteilung  (so  deutet  der  Midrasch) 
ins  Feuer  (des  Gehinnom)  bringen  u.  sie  schmelzen,  wie  man  Silber  schmelzt,  u.  sie 
läutern,  wie  man  das  Gold  läutert.  Sie  wird  meinen  Namen  anrufen  u.  ich  will  ihr 
antworten."  In  bezug  auf  diese  hat  Haima  gesagt  1  Sm  2,6:  „Jahve  ist  es,  der  tötet 
u.  lebendig  macht,  der  in  die  Unterwelt  stürzt  u.  wieder  emporführt. "  —  Die  Schule 
Hillels  sagte:  Der  da  grofs  ist  an  Gnade  (Ex  84,  6),  neigt  die  Wagschale  nach  der  Seite 
der  Gnade  (d.  h.  die  Abteilung  der  Mittelmäßigen  wird  ohne  vorhergehende  Läuterung 
im  Gehinnomfeuer  sofort  zum  ewigen  Leben  zugelassen).  In  bezug  auf  sie  hat  David 
gesagt  Psllt),  1:  „Liebe  bewegt  mich,  denn  Jahve  wird  meine  Stimme  hören",  u.  in 
bezug  auf  sie  hat  David  den  ganzen  Abschnitt  gesagt  Ps  116,  6  ff.:  ,Ich  war  schwach 
geworden  u.  er  schaffte  mir  Heil."  Dasselbe  kürzer  Tos  Sanh  13,  3  (434).  ij  Schab  55": 
R.  Acha  b.  Chanina  (iim  300)  zu  Ez  9,  4:  Gott  sprach  zu  Gabriel:  Geh  u.  mache  auf  die 
Stirn  der  Gerechten  ein  Tav  (Zeichen  in  Kreuzform)  von  Tinte,  damit  die  Engel  des 
Verderbens  über  sie  keine  Gewalt  gewinnen,  u.  auf  die  Stirn  der  Gottlosen  ein  Tav 
von  Blut,  damit  die  Engel  des  Verderbens  über  sie  Gewalt  gewinnen.  Da  sprach  die 
Eigenschaft  der  göttl.  Gerechtigkeit  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  inwiefern  sind  denn  diese 
von  jenen  verschieden?  Er  antwortete:  Jene  sind  vollkommene  Gerechte  u.  diese  sind 
vollkommene  Gottlose.  .  .  .  Und  was  bedeutet  das  Tav?  .  .  .  R.  Sch'^muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt:  Das  sind  die  Menschenkinder,  die  die  ganze  Tora  vom  Aleph  bis 
zum  Tav  (letzten  Buchstaben)  gehalten  haben. 

2.  Zwei  Wege  standen  Joseph  zur  Regelung  seines  Verhältnisses 
zu  Maria  offen:  entweder  er  beantragte  bei  dem  Gerichtshofe  ihre  Be- 
strafung nach  dem  Gesetz  oder  er  entließ  sie  durch  einen  Scheidebrief. 
Im  erstem  Falle  kam  nach  Lage  der  Sache  nicht  Dt  22, 13 — 21,  son- 
dern ausschließlich' Dt  22,  23  f.  in  Betracht;  denn  erstere  Bestimmung 
konnte  ihrem  Wortlaut  nach  nur  da  zur  Anwendung  kommen,  wo  die 
Brautleute  bereits  die  Ehe  geschlossen  u.  die  eheliche  Gemeinschaft 
tatsächlich  begonnen  hatten,  was  bei  Joseph  u.  Maria  nicht  zutraf. 
Vers  23  f.  bestimmte  für  das  Vergehen  einer  buhlerischen  Braut  für 
sie  selbst  u.  ihren  Buhlen  die  Strafe  der  Steinigung.  Die  schulmäßige 
Auslegung,  die  diese  Stelle  schon  in  der  mischnischen  Periode  erfahren 
hatte,  ließ  sich  von  einer  zwiefachen  Tendenz  leiten.  Einmal  war  man 
bemüht,  die  harte  Todesstrafe  der  Steinigung  möglichst  durch  die  für 
milder  gehaltene  Strafe  der  Erdrosselung  zu  ersetzen;  zu  diesem  Zwecke 
betonte  man  das  Wort  najara  im  Gesetze  u.  erklärte,  daß  nur  eine 
solche,  d.  h.  nach  rabbin.  Festsetzung  ein  Mädchen  im  Alter  von  12  J. 
u.  1  Tag  bis  zu  12  J.  u.  6  Monaten,  gesteinigt  werden  dürfe, a  während 
ein  jüngeres  Mädchen,  weil  noch  minorenn,  überhaupt  straflos  bleiben, b 
aber  ein  älteres,  nach  rabbin.  Terminologie  eine  bogereth  (Mannbare), 
erdrosselt  werden  sollte.  Diese  Strafe  hatte  man  festgesetzt  auf  Grund 
des  exegetischen  Kanons,  daß  überall  da,  wo  die  Schrift  eine  bestimmte 
Todesstrafe  nicht  ausdrücklich  ausspreche,  die  Erdrosselung  gemeint 
sei.c  Über  den  Vollzug  dieser  Strafe  gibt  Sanh  7,  3  das  Nähere  an.d  — 
Sodann  belastete  man  Dt  22,  23  f.  mit  mehreren  einschränkenden  Be- 
stimmungen derart,  daß  es  für  die  Praxis  mehr  oder  weniger  illusorisch 
wurde:  Zeugen  mußten  das  todeswürdige  Verbrechen  des  buhlerischen 
Paares  mit  ihrer  Aussage  erhärten  können,   u.  diese  Zeugen  hatten 

4* 


52  Matthl,19  (Nr.2) 

den  Nachweis  zu  erbringen,  daß  sie  das  Paar  vor  der  Tat  unter  Hin- 
weis auf  deren  Folgen  verwarnt  hätten.  Erst  wenn  das  Paar  trotz 
der  Verwarnung  in  ihrer  Sünde  verharrte,  sollte  die  Verurteilung  er- 
folgen.e  —  Hätte  also  Joseph  so  gegen  seine  Verlobte  vorgehn  wollen, 
würde  er  deren  Bestrafung  kaum  erlangt  haben;  höchstens  hätte  er 
ihre  öffentliche  Beschämung  erzielt;  da  ihm  an  dieser  nichts  gelegen 
war,  wollte  er  den  andern  Weg  einschlagen,  nämlich  durch  Aus- 
händigung eines  Scheidebriefes  sich  unter  der  Hand  von  Maria  trennen.* 

a.  Sanli  7,9  (zu  Dt  22,  23  f.):  Wer  einem  verlobten  Mädchen  beiwohnt,  macht  sich 
(der  Steinigung)  nur  dann  schuldig,  wenn  sie  eine  na'ara,  eine  Jungfrau,  eine  Verlobte 
ist  u.  im  Hause  ihres  Vaters  weilt.  —  Dazu  die  Gemara  Sanh  66'':  Die  Rabbanan 
haben  gelehrt:  „nacara",  nicht  eine  bogereth;  „eine  Jungfrau",  nicht  eine  Deflorierte; 
, eine  Verlobte",  nicht  eine  Verheiratete;  „im  Hause  ihres  Vaters",  ausgenommen  also, 
wenn  der  Vater  sie  bereits  den  Abgesandten  des  Mannes  übergeben  hat  (nämlich  zur 
Heimführung  in  des  Bräutigams  Haus). 

b.  Sanh  66'':  R.  JaEaqob  b.  Adda  (um  250)  fragte  Rab  (f  247):  Wie  verhält  es  sich 
nach  R.  Mei'r  (um  150),  wenn  jemand  einer  verlobten  Minderjährigen  (unter  12  Jahren) 
beiwohnt;  schließt  er  diesen  völlig  (von  jeder  Strafe)  aus  oder  nur  von  der  Strafe  der 
Steinigung?  Er  antwortete:  Es  leuchtet  ein,  daf3  er  ihn  nur  von  der  Steinigung  (also 
nicht  von  der  Erdrosselung)  ausschließt.  Es  heißt  doch  aber  Dt  22,  22:  „Sie  sollen 
beide  sterben",  nämlich  bis  sich  beide  gleich  sind  (d.h.  da  sie  als  Minorenne  straflos 
bleibt,  so  muß  doch  auch  der  Verführer  .straflos  ausgehn,  auch  wenn  er  majorenn  ist, 
da  sie  sich  sonst  bei  der  Bestrafung  nicht  gleich  wären)!  Da  schwieg  Rab  (weil  er 
keine  Widerlegung  wußte).  ||  K'^th  44*^:  Rab  Adda  bar  Abba  (ein  Babylonier,  um  325): 
.  .  .  Eine  Minderjährige  ist  nicht  strafbar. 

c.  K'-th  44''.  45^:  Schela  (Schulhaupt  in  Neharde'a,  um  210)  hat  als  Bar  gelehrt: 
.  .  .  Hat  sie  (eine  verlobte  na'ara)  sich  vergangen  u.  war  sie  (als  die  Sache  zur  gerichtl. 
Entscheidung  kam)  eine  bogereth  geworden,  so  wird  sie  zur  Erdrosselung  verurteilt. 
Dasselbe  Sanh  71'^'.  ||  Siphre  Dt  22, 22  §  241  (118»):  „Sie  sollen  sterben";  mit  der  Todes- 
strafe, von  der  in  der  Tora  ohne  nähere  Angabe  geredet  wird,  ist  die  Erdrosselung 
gemeint.  |i  Sanh  52'':  Die  Rabbanan  haben  gelehrt:  Er  (der  Ehebrecher)  soll  getötet 
werden  (Lv20, 10),  nämlich  durch  Erdrosselung.  Du  sagst  „durch  Erdrosselung",  oder 
nicht  vielmehr  durch  eine  von  all  den  Todesarten,  die  in  der  Tora  genannt  werden? 
Sage:  Überall,  wo  in  der  Tora  von  der  Todesstrafe  ohne  nähere  Bezeichnung  geredet 
wird,  sollst  du  sie  nicht  zu  erschweren,  sondern  zu  erleichtern  suchen.  Das  sind  die 
Worte  Joschijjas  (um  140,  Schüler  Jischmacels).  R.  Jonathan  (gleichfalls  Schüler  Jisch- 
macels,  um  140):  Nicht  weil  die  Erdrosselung  eine  leichte  Todesstrafe  ist;  sondern  jede 
Todesstrafe,  die  in  der  Tora  ohne  nähere  Bestimmung  genannt  wird,  ist  nur  die  Er- 
drosselung. Rabbi  sagte:  In  der  Schrift  wird  eine  Todesstrafe  durch  Gottes  Hand  u. 
eine  solche  durch  Menschenhand  erwähnt;  wie  nun  der  Tod  durch  Gottes  Hand  ein 
Tod  ist,  der  keine  äußere  Spur  (am  Leichnam)  zurückläßt,  so  muß  auch  (der  in  der 
Schrift  nicht  näher  bezeichnete)  Tod  durch  Menschenhand  ein  Tod  sein,  der  keine 
Spur  zurückläßt  (u.  das  ist  eben  der  Tod  durch  Erdrosselung). 

d.  Sanh  7,  3'':  Vorschrift  betreffs  der  zu  Erdrosselnden:  Man  senkte  ihn  (den  Ver- 
urteilten) in  Dung  bis  an  seine  Kniee;  dann  legte  man  ein  hartes  Tuch  in  ein  weiches 
u.  wickelte  es  um  seinen  Hals;  der  eine  (der  beiden  Zeugen)  zog  es  nach  seiner  Seite 
u.  der  andre  zog  es  nach  seiner  Seite,  bis  seine  Seele  ausging. 

e.  Sanh  57'':  Wenn  er  (ein  Heide)  mit  einer  Israelitin  Unzucht  getrieben  hat,  so 
wird  er  nach  Israelit.  Recht  verurteilt.  In  welcher  Hinsicht?  Rab  Nachman  (b.  Ja'aqob, 
ein  Babylonier,  f  320)  hat  gesagt:  Rabbah  bar  Abuha  (Exilarch,  Schwiegervater  des 
Vorigen,  um  280)  hat  gesagt:  Es  bedarf  dann  des  Gerichtskollegiums,  der  Zeugen  u. 
der  (vorangegangenen)  Warnung   (wie   bei   einem  Juden).  ||  Sanh  41'':  Wenn  sie   (die 


Matthl,19(Nr.  2).  1,20  53 

Zeugen)  das  verlobte  Mädchen  nicht  gewarnt  haben,  wie  kann  sie  getötet  werden?  || 
Siphre  Dt  22,  23  f.  §242  (118''):  ,Wenn  ein  jungfräuliches  Mädchen  verlobt  ist\  das 
lehrt,  daß  er  (der  Verführer)  sich  nur  dann  {der  Steinigung)  schuldig  macht,  wenn  sie 
eine  na'ara,  eine  Jungfrau  u.  einem  Manne  verlobt  ist.  —  «Und  es  findet  sie  ein  Mann 
in  der  Stadt";  wenn  sie  nicht  umhergelaufen  wäre  in  der  Stadt,  so  würde  er  nicht 
über  sie  hergefallen  sein.  ,In  der  Stadt",  das  lehrt,  daß  ein  offenstehender  Riß  den 
Dieb  herbeiruft  (=  Gelegenheit  macht  Diebe).  „Und  liegt  ihr  bei",  in  jeder  Art  von 
Beiwohnung  (also  mit  Einschluß  auch  der  wideruatürlichen  Unzucht).  —  ,So  führt  sie 
beide  zum  Tor  jener  Stadt  hinaus",  das  ist,  wie  wir  gesagt  haben,  das  Tor  der  Stadt, 
darin  sie  sich  befand  (wohnte),  u.  nicht  das  Tor  (der  Stadt),  darin  sie  verurteilt  wurde. 
,Und  steinigt  sie  mit  Steinen",  etwa  mit  vielen  Steinen?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
bakbanim  ,mit  Steinen"  (ohne  Näherbestimmung).  Etwa  nur  mit  Einem  Stein?  Die 
Schrift  sagt  lehrend:  , mit  Steinen."  Daraus  kannst  du  entnehmen:  wurden  sie  nicht 
durch  den  ersten  Stein  getötet,  so  werden  sie  durch  den  zweiten  getötet  werden.  — 
,Das  Mädchen  wegen  des  Wortes  (so  der  Midrasch),  daß  sie  nicht  geschrieen  hat"; 
wenn  es  heißt  „wegen  des  Wortes",  so  ist  damit  gemeint  , trotz  der  Verwarnung",  um 
die  miteinzuschließen,  die  mutwillig  sündigte  trotz  der  Verwarnung  seitens  der  Zeugen. 
„Und  den  Mann  wegen  des  Wortes,  daß  er  das  Weib  seines  Nächsten  geschwächt  hat"; 
wenn  es  heißt  „wegen  des  Wortes",  so  ist  damit  gemeint  „trotz  der  Verwarnung".  !| 
Sanh  41^:  In  der  Schule  Rabbis  wurde  gelehrt:  „Wegen  des  Wortes,  daß  er  das  Weib 
seines  Nächsten  geschwächt  hat"  Dt  22,  24  bedeutet:  „wegen  des  Ausspruchs"  (der  ihn 
verwarnenden  Zeugen). 

/.  Zum  Scheidebrief  der  Verlobten  vgl.  bei  Joh  2, 1.  Ferner  Gittin  8,  9:  Wenn  jemand 
seine  Frau  (durch  Scheidebrief)  entlassen  hat  u.  dann  übernachtet  sie  mit  ihm  in  einer 
Herberge,  so  bedarf  sie  nach  der  Schule  Schammais  keines  zweiten  Scheidebriefes  von 
ihm;  nach  der  Schule  Hillels  dagegen  bedarf  sie  eines  solchen  (durch  die  vielleicht 
wieder  aufgenommene  eheliche  Gemeinschaft  wäre  die  Ehe  wieder  geschlossen).  In 
welchem  Falle?  Wenn  sie  nach  der  Hochzeit  geschieden  wurde.  Aber  (beide  Schulen) 
stimmen  überein,  daß,  wenn  sie  nach  der  Verlobung  geschieden  wurde,  sie  eines  zweiten 
Scheidebriefes  von  ihm  nicht  bedürfe,  weil  er  noch  nicht  vei'traulich  mit  ihr  verkehrte. 

1,20:  Ein  Engel  des  Herrn  erschien  ihm  im  Traume. 
Die  Träume  haben  in  der  alten  Synagoge  eine  nicht  unbedeutende 
Rolle  gespielt.  Doch  urteilte  man  über  ihren  Wert  verschieden.  R.  Me'ir 
(um  150)  erklärte:  „Träume  erhöhen  nicht  u.  erniedrigen  nicht",  d.  h. 
sie  sind  ohne  Belang  u.  haben  auf  das  Ergehen  eines  Menschen  keinen 
Einfluß. a  R.  Jonathan  b.  El^azar  (um  220)  hielt  sie  für  Nachklänge  der 
Tagesgedanken  eines  Menschen.  Ähnlich  hat  über  sie  Sch^muel  (f  254), 
u.  früher  auch  wohl  schon  R.  J'^hoschua?  b.  Chananja  (um  90)  geurteilt.b 
Von  Sch'^muel  erzählte  man  sich  nach  B'^rakh  55^  auch  folgendes:  Wenn 
er  einen  bösen  Traum  sah,  sagte  er  Sach  10,  2:  „Träume  reden  Eiteles"; 
u.  wenn  er  einen  guten  Traum  sah,  sagte  er  (auf  Grund  desselben 
Prophetenworts):  „Sollten  Träume  Eiteles  reden?"  Damit  wollte  er 
wohl  in  scherzhafter  Weise  die  Bedeutungslosigkeit  der  Träume  zum 
Ausdruck  bringen.  —  Diesen  skeptisch  urteilenden  Gelehrten  stehen 
andre  gegenüber,  die  die  Träume  auf  Gott  zurückführten c  u.  in  ihnen 
ein  göttliches  Offenbarungsmittel  sahen.  In  diesen  Gedankenkreis  ge- 
hört B^'rakh  57'':  „Der  Traum  ist  ein  Sechzigstel  von  einer  Prophetie", 
oder  wie  R.  Chanina  b.  Jigchaq  (um  325)  sagte:  „Der  Traum  ist  ein  Ab- 
fall (schwaches  Gegenstück)  der  Prophetie",   GnR  17  (12-'^);  44  (27''). 


54  Matthl,20 

Auch  B^Takh  55^  wird  hierher  zu  ziehen  sein:  „Rab  Chisda  (f  309) 
hat  gesagt:  Jeder  Traum  ist  ein  Traum  (ist,  weil  von  Gott,  bedeutungs- 
voll), nur  nicht  der  durch  Fasten  entstandene"  (denn  das  Fasten  macht 
einen  bösen  Traum  sofort  unwirksam,  s.  S.  55).  —  R,  J^huda  u.  R.  Jose 
(beide  um  150)  rechneten  zu  den  unwirksamen  Träumen  auch  die  der 
Sabbatnächte.  Joma  83 '^  sagen  sie  zu  einem  betrügerischen  Wirt,  der 
sich  auf  einen  solchen  Traum  beruft:  „An  einem  Traum  nach  Eintritt 
des  Sabbats  ist  nichts  Wesenhaftes.'  Raschi  bemerkt  hierzu:  „Weil 
sich  der  Mensch  (am  Freitag  abend)  in  Ruhe  befindet,  so  denkt  er  nach 
u.  sieht  (infolgedessen)  Träume."  Hier  liegt  also  die  bereits  oben  er- 
wähnte Anschauung  vor,  daß  die  Träume  speziell  in  den  Sabbatnächten 
lediglich  ein  Fortspinnen  der  Tagesgedanken  u.  deshalb  bedeutungslos 
seien.  —  Als  Offenbarungsmittel  kommen  die  Träume  sowohl  in  den 
Pseudepigraphen  als  auch  in  der  rabbin.  Literatur  in  großer  Anzahl  vor.d 
Mit  der  landläufigen  Annahme,  daß  der  eine  Traum  sich  erfülle, 
während  ein  andrer  unerfüllt  bleibe,  suchte  man  sich  so  abzufinden, 
daß  man  die  „wahren"  Träume  von  Engeln  u.  die  nichtigen  Träume 
von  bösen  Geistern  eingegeben  sein  ließ.e  Mit  dieser  Meinung  hängt 
vermutlich  zus.  die  etwas  dunkle  Größe  des  hier  u.  da  erwähnten  isch 
ha-chalöm  oder  ba'al  ha-chal6m.  Letzterer  Ausdruck  stammt  aus  Gn 
37, 19,  wo  Joseph  von  seinen  Brüdern  als  „Träumer"  m:3bnn  h'jz  be- 
zeichnet wird.  Im  Rabbinischen  wird  man  nach  Raschi  zu  Sanh  30^ 
den  Engelfürsten,  der  über  die  Träume  gesetzt  ist,  darunter  zu  ver- 
stehn  haben.^  Bacher,  pal.  Amor.  3,  451  sieht  in  dem  ba^al  ha-chalöm 
die  „Personifizierung  des  Traumes".  —  Von  gewissen  Träumen  nahm 
R.  Jochanan  (f  279)  an,  daß  sie  unbedingt  in  Erfüllung  gingen;  zu 
ihnen  rechnete  er  den  Traum,  den  ein  Mensch  gegen  Morgen  träumt; 
ferner  den  Traum,  den  man  über  einen  andren  träumt;  endlich  den 
Traum,  dessen  Deutung  zugleich  mitgeträumt  wird.  Andre  meinten,  daß 
kein  Traum  restlos  in  Erfüllung  gehe.  Wie  das  Korn,  sagt  R.  Schimjon 
b.  Jochai  (um  150),  nicht  ohne  Stroh  ist,  so  ist  auch  ein  Traum  nicht 
ohne  Eiteles.g  Auch  auf  die  sofortige  Erfüllung  der  Träume  sei  nicht 
zu  rechnen;  nach  R.  Levi  (um  300)  können  sogar  22  Jahre  vergehn, 
bis  ein  guter  Traum  zur  Wirklichkeit  wird.h  Auffallend  ist  der  Satz, 
daß  die  Erfüllung  eines  Traumes  sich  nach  seiner  Deutung  richte. 
Damit  wollte  man  nicht  sagen,  daß  Träume  je  nach  Belieben  ver- 
schieden ausgelegt  werden  könnten;  vielmehr  meinte  man  allen  Ernstes, 
daß  erst  die  Deutung  dem  Traume  Realisierbarkeit  verleihe  u.  auf  die 
Erfüllung  selbst  maßgebenden  Einfluß  ausübe.  Man  sagte:  Ein  Traum, 
den  man  nicht  deutet,  ist  wie  ein  Brief,  den  man  nicht  liest.  Darin 
liegt,  daß  ein  ungedeuteter  Traum  ebensowenig  Folgen  habe  wie  ein 
ungelesener  Brief.i  Dementsprechend  wird  erzählt,  daß  es  in  Jerusalem 
24  Traiimdeuter  gegeben  habe,  die  sämtlich  einen  Traum  verschieden 
ausgelegt  hätten,  u.  jede  ihrer  Deutungen  sei  in  Erfüllung  gegangen. 


Matthl,20  55 

Eine  ähnliche  Erfahrung  durften  Abaje  (f  338/39)  u.  Raba  (f  352)  mit 
einem  Traumdeuter  namens  Bar  Chadja  machen.  Dieser  legte  dem 
ersteren,  der  Chadjas  Kunst  gehörig  honorierte,  die  Träume  stets  zum 
Guten  u.  dem  letztern,  der  nichts  gab,  immer  zum  Schlimmen  aus,  u. 
Avie  er  deutete,  so  traf  es  ein.  Endlich  entschloß  sich  auch  Raba  zur 
Zahlung  eines  Honorars,  u.  siehe,  die  jetzt  zum  Guten  ausgelegten 
Träume  erfüllten  sich  ganz  zu  Rabas  Zufriedenheit.^  Kein  Wunder, 
daß  bei  solcher  Kraft  der  Traumdeutung  sich  auch  die  angesehensten 
Lehrer  der  alten  Synagoge,  wie  R.  Elisezer  b.  Hyrkanos  (um  90)  u. 
R.  jAqiba  (f  um  135),  mit  dieser  Kunst  befaßten. 1  —  Die  unheilvollen 
Wirkungen  der  bösen  Träume  mußten  natürlich  dazu  auffordern,  Mittel 
u.  Wege  ausfindig  zu  machen,  jene  schlimmen  Folgen  abzuschwächen 
u.  wo  möglich  ganz  aufzuheben.  Als  bestes  Mittel  dazu  empfahl  Rab 
(t  247)  das  Fasten:  Fasten  ist  für  den  Traum,  was  das  Feuer  für  Werg 
ist.  Spätere  ergänzten  Rabs  Wort  dahin,  daß  das  Fasten  sofort  an  dem 
Tage  nach  dem  Traum  geschehen  müsse,  selbst  w^enn  dieser  ein  Sabbat 
wäre.  (An  einem  Sabbat  sollte  nicht  gefastet  werden.)  Andre  empfahlen, 
böse  Träume  durch  Gebete  u.  durch  Rezitieren  gewisser  Bibelverse 
unwirksam  zu  machen,  m 

Neben  den  zunftgemäßen  Traumdeutungen  der  Traumdeuter  liefen 
populäre  Deutungen  einher,  die  meist  in  rabbinischenn  Kreisen  auf- 
gekommen waren  u.  allmählich  im  Volke  stereotyp  wurden.  Ein  Brunnen, 
im  Traum  gesehen,  sollte  Frieden  bedeuten.  Die  gleiche  Bedeutung 
haben  Flüsse,  Vögel  u.  Töpfe  (ohne  Fleisch).  Wer  einen  Esel  im  Traum 
sieht,  darf  auf  das  messian,  Heil  hoffen.  Ein  weißes  Roß  kündet  Gutes 
an,  ebenso  ein  rotes  in  Ruhe;  dagegen  bedeutet  ein  rotes  im  Trabe 
Unheil.  Ein  Kamel  verbürgt  Rettung  aus  dem  Tode,  ein  (gesattelter) 
Elefant  das  Erleben  von  Wundern.  Wer  das  Sch'^mac'  im  Traume  re- 
zitiert, ist  würdig,  daß  die  Sch«^khina  (göttliche  Gegenwart)  auf  ihm 
ruht;  wer  die  T^phillin  (Gebetsriemen)  anlegt,  darf  auf  Größe  rechnen. 
Beten  im  Traum  ist  ein  gutes  Zeichen.  Weizen  bedeutet  Frieden,  Gerste 
Vergebung  der  Sünden,  ein  Feigenbaum  Bewahrung  der  Torakenntnis 
im  Innern,  ein  Granatapfelbaum  Erweiterung  des  Geschäfts.  W^er  einen 
Feststrauß  (Lulab)  im  Traume  sieht,  dessen  Herz  ist  auf  Gott  gerichtet; 
wer  eine  Gans  sieht,  wird  Weisheit  erlangen;  wer  einen  Hahn,  dem 
wird  ein  Knäblein  geboren;  wer  eine  Henne,  hat  Aussicht  auf  eine 
schöne  u.  große  Lehrhalle.  Eier  besagen,  daß  die  Erhörung  eines  Ge- 
betes fraglich  ist;  zerbrochene  Eier,  daß  ein  Gebet  Erhörung  gefunden 
hat.  Die  gleiche  Bedeutung  haben  Nüsse,  Gurken,  Glasgerät  u.  alles 
Zerbrechbare.  Alle  Tiergattungen  sind  von  guter  Vorbedeutung,  aus- 
genommen der  (ungesattelte)  Elefant,  der  Affe  u.  der  Igel;  ebenso  alle 
Fruchtarten,  ausgenommen  die  unreifen  Datteln ;  desgleichen  alle  Farben, 
ausgenommen  die  purpurblaue.  Diese  u.  ungezählte  andre  Deutungen 
sind  B'^rakh  56'^— 57''  zu  einem  förmlichen  Traumbuch  zus. gestellt. 


56  Matthl,20 

Eine  derartige  Behandlung  des  Traumwesens  mußte  für  das  religiös- 
sittliche Leben  des  Volkes  natürlich  unfruchtbar  bleiben.  So  versuchten 
denn  einzelne  Kreise  die  Träume  moralisch  nutzbar  zu  machen,  indem 
sie  die  Ansicht  vertraten,  daß  die  Träume  nach  Gottes  Willen  ein 
Erziehungsmittel  zur  Buße  sein  sollten.  In  diesen  Zus.hang  geliören 
etwa  folgende  Aussprüche.  B^'rakh  55":  „Gott  hat  es  veranstaltet,  daß 
man  sich  vor  ihm  fürchte"  Qoh  3, 14.  Rabbah  bar  bar  Ghana  (um '280) 
hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Damit  ist  der  böse  Traum 
gemeint.  1|  B^rakh  55 »:  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Ein  böser  Traum 
ist  besser  als  ein  guter  Traum  (denn  er  führt  den  Menschen  zur  Buße, 
Raschi),  Ferner  hat  Rab  (f  247)  gesagt:  Bei  einem  bösen  Traum  ist 
die  durch  ihn  entstehende  Betrübnis  die  genügende  schlimme  Folge 
(so  daß  es,  wenn  der  Mensch  sich  bessert,  weiterer  schlimmer  Folgen 
nicht  bedarf),  u.  bei  einem  guten  Traum  ist  die  durch  ihn  entstehende 
Freude  die  genügende  glückliche  Folge  (so  daß  es,  damit  er  sich  er- 
fülle, weiterer  glücklicher  Folgen  nicht  bedarf).  Rab  Joseph  (der  blind 
war,  t  333)  hat  gesagt:  Selbst  bei  mir  hebt  der  durch  einen  guten 
Traum  entstehende  Frohsinn  den  Traum  auf  (so  daß  ich  weiteres 
Glück  als  Folge  nicht  erwarte).  Rab  Chisda  hat  gesagt:  Ein  böser 
Traum  ist  härter  als  die  Geißelung,  vgl.  Qoh  3, 14:  „Gott  hat  es  ver- 
anstaltet, daß  man  sich  vor  ihm  fürchte."  (Der  böse  Traum  verursacht 
dem  Menschen  Furcht  vor  Gottes  Strafen,  deshalb  ist  er  schlimmer 
als  eine  einmalige  körperliche  Züchtigung.)  ||  B'^rakh  55'':  Rab  Huna 
(t  297)  hat  gesagt:  Einen  guten  Menschen  läßt  man  (Gott)  keinen 
guten  Traum  u.  einen  bösen  Menschen  keinen  bösen  T.  sehn.  (Raschi: 
Einen  guten  Menschen  läßt  man  einen  bösen  T.  sehn,  damit  er  sich 
fürchte  u.  nicht  sündige  u.  damit  seine  Betrübnis  ihm  Sühnung  ver- 
schaffe. Den  bösen  Menschen  läßt  man  einen  guten  T.  sehn,  um  ihn 
zu  erfreuen,  damit  er  seine  Welt  genieße.)  ||  B-^rakh  55"^:  R.  Z«ära  (um 
300)  hat  gesagt:  Wer  sieben  Tage  ohne  Traum  übernachtet,  wird  ein 
Gottloser  genannt,  s.Spr  19,23:  „Wer  sieben  Tage  übernachtet,  ohne 
daß  er  (mit  einem  Traum)  bedacht  wird,  der  ist  ein  Gottloser"  (so  der 
Midrasch);  lies  nicht  -ar  „gesättigt",  sondern  i^-na  „sieben". 

a.  Gittin  52'*:^In  der  Nachbarschaft  des  R.  Meir  lebte  ein  Vormund,  der  Ländereien 
(seiner  Mündel)  verkaufte,  um  Sklaven  dafür  zu  kaufen  (was  nicht  erlaubt  war).  R.Meir 
ließ  es  aber  nicht  zu.  Da  lieis  man  (Gott)  diesen  im  Traume  sehn  (er  sollte  sagen): 
,Ich  bin  zum  Einreißen  u.  du  bist  zum  Bauen  da!"  Er  achtete  aber  nicht  darauf,  er 
sagte:  Worte  der  Träume  erhöhen  nicht  u.  erniedrigen  nicht.  —  i|  Hör  13'^:  (Als  R.  Me'ir 
u.  R.  Nathan  sich  mit  dem  Patriarchen  R.  Schimcon  b.  Gamliel  überworfen  hatten,)  ließ 
man  (Gott)  sie  in  ihren  Träumen  sehn:  Geht  u.  besänftigt  ihn!  R.  Nathan  ging;  R.  Me'ir 
ging  nicht,  er  sagte:  Worte  der  Träume  erhöhen  nicht  u.  erniedrigen  nicht.  —  Im 
Munde  einer  Mehrzahl  von  Gelehrten  findet  sich  das  Wort  pMSch  4,  55'',  38:  Es  grämte 
sich  jemand  wegen  des  (zum  zweiten  Zehnt  gehörenden)  Geldes  seines  (verstorbenen) 
Vaters.  Es  wurde  ihm  im  Traume  gezeigt:  So  und  so  viel  ist  es  u.  an  dem  u.  dem  Ort 
befindet  es  sich.  Die  Sache  kam  vor  die  Gelehrten;  sie  erklärten:  Worte  der  Träume 
erheben  nicht  u.  erniedrigen  nicht.  —  Die  Parallelstellen  Tos  MSch  5,  9  (95)  u.  Sanh 


Matth  1,  20  57 

30^  s.  Anm.f.  —  Die  Redensart  findet  sich  übrigens  auch  im  Test.  Napht  der  hebr. 
Chronik  Jerachm^'els  4  Anf. ;  ferner  Midr  KL  1, 1  (48^)  in  R.  Abbahus  (um  300)  Mund. 

b.  B^rakh  55'^:  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um 
220)  habe  gesagt:  Man  (Gott)  läßt  den  Menschen  (im  Traume)  nur  die  Gedanken 
(Grübeleien)  seines  Herzens  sehn  (d.  h.  die  Gedanken,  die  bei  Tage  ihn  beschäftigt 
hatten),  s.  Dn2,  29:  „Du,  o  König,  deine  Gedanken  stiegen  auf  dein  Lager",  u.  wenn 
du  willst,  sage:  Von  hier  aus  (läßt  sich  der  Schriftbeweis  führen):  ,Daß  du  die  Ge- 
danken deines  Herzens  erfahrest"  Dn  2,  30.  Raba  (f  852)  hat  gesagt:  Du  kannst  es 
auch  daraus  erkennen,  daß  man  (Gott)  weder  einen  goldenen  Palmbaum  (im  Traume) 
sehn  läßt  noch  einen  Elefanten,  der  in  ein  Nadelöhr  geht  (weil  der  Mensch  an  der- 
gleichen bei  Tage  nicht  denkt,  darum  träumt  er  nicht  davon).  Der  Kaiser  (Hadrian) 
sagte  zu  R.  J'^hoschua'e  b.  Chananja  (um  90):  Ihr  sagt,  daß  ihr  sehr  weise  seid;  so  sage 
mir:  Was  werde  ich  in  meinem  Traume  sehn?  Er  antwortete:  Du  wirst  sehn,  daß 
dich  die  Perser  zum  Frondienste  einziehen  u.  dich  berauben  u.  durch  dich  Greueltiere 
werden  weiden  lassen  mit  einer  goldenen  Rute.  Er  dachte  den  ganzen  Tag  daran,  u. 
in  der  Nacht  sah  er  es.  —  Der  König  Schabor  sagte  zu  Sch'^muel  (f  254):  Ihr  sagt, 
daß  ihr  sehr  weise  seid;  so  sage  mir,  was  werde  ich  in  meinem  Traume  sehn?  Er 
antwortete:  Du  wirst  sehn,  daß  die  Römer  kommen  u.  dich  gefangen  nehmen  u.  durch 
dich  Kerne  werden  mahlen  lassen  auf  einer  goldenen  Mühle.  Er  dachte  den  ganzen 
Tag  daran,  u.  in  der  Nacht  sah  er  es. 

C.  B®rakh  55^:  Rab  J*^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  habe  gesagt:  Drei  bedürfen 
des  Erbarmens:  ein  guter  König,  ein  gutes  Jahr,  ein  guter  Traum.  (Raschi:  Man  muß 
um  Erbarmen  flehen,  daß  sie  kommen,  weil  sie  in  Gottes  Hand  sind  u.  ohne  seine 
Erlaubnis  keine  Macht  haben  zu  kommen.)  Ein  guter  König,  vgl.  Spr  21,1:  Gleich 
Wasserbächen  ist  eines  Königs  Herz  in  der  Hand  Jahves.  Ein  gutes  Jahr,  vgl.  Dt 
11,  12:  Die  Augen  Jahves,  deines  Gottes,  sind  stets  (auf  dein  Land)  gerichtet  vom 
Anfang  des  Jahres  bis  zum  Ende  des  Jahres.  Ein  guter  Traum,  vgl.  Jes  38, 16:  O  Herr 
.  .  .,  laß  mich  Träume  sehn  u.  leben!  (so  der  Midr).  Ferner  s.  Gittin  52*  u.  Hör  13''  in 
Anm.  a;  B*^rakh  55 '^  in  Anm.  b,  wo  es  immer  Gott  ist,  der  den  Traum  sehn  läßt;  ebenso 
verhält  es  sich  mit  B'^rakh  28-^;  Tafan  24 '^  in  Anm.  d. 

d.  In  bezug  auf  die  Pseudepigraphen  sei  verwiesen  auf  Henoch  13,  8ff.;  83,  3flf.; 
85,1-90,42;  4Esrall,l  — 12,  3;  13,1—13;  Apoc.  Bar36, 1— 37;  53,1  —  12;  Test.  Levi 
2—5;  Test.  Napht  5—7;  Test.  Jos  19;  Apoc.  Mos  2  =  Vita  Adam  22. 

Belege  aus  der  rabb.  Literatur.  B^'rakh  28^:  (Als  nach  der  Absetzung  Gam- 
liels  IL  die  Schülerzahl  sich  ungemein  hob,)  wurde  G.  (um  90)  schwacli  in  seinem  Ge- 
müt; er  sprach:  Sollte  ich,  was  Gott  verhüten  wolle!  die  Toi-a  von  Israel  ferngehalten 
haben?  Da  ließ  man  (=  Gott)  ihn  im  Traume  sehn:  Weiße  Krüge  sind  es  voll  Asche 
(d.h.  Schüler  ohne  Wert).  ||  TaEan  24^:  Raba  (f  352)  kam  nach  Hagronja  u.  ordnete  ein 
Fasten  an,  aber  es  kam  kein  Regen.  Er  sprach  zu  ihnen:  Bleibt  über  Nacht  alle  in 
eurem  Fasten.  Am  nächsten  Morgen  sprach  er:  Ist  einer  da,  der  einen  Traum  gesehen 
bat,  so  sage  er  ihn  an!  Da  sagte  R.  El'azar  aus  Hagronja:  Mich  hat  man  (Gott)  in 
meinem  Traume  lesen  lassen:  , Guter  Friede  dem  guten  Meister  von  dem  guten  Herrn, 
der  von  seinem  Guten  Gutes  seinem  Volk  erweist!"  Raba  sprach:  Daraus  entnehme 
ich,  daß  es  eine  wohlgefällige  Zeit  ist  um  Erbarmen  zu  bitten.  Er  bat  um  Erbarmen, 
u.  es  kam  Regen.  ||  Ta'an  24*^:  (Als  auf  das  Gebet  Rabas,  f  352,  Regen  in  Überfluß 
fiel,)  kam  sein  (verstorbener)  Vater  u.  erschien  ihm  im  Traum  u.  sprach:  Wer  ist  es, 
der  den  Himmel  (=  Gott)  mit  diesem  allem  so  bemüht?  Ferner  sagte  er  zu  ihm: 
Verändere  deinen  Ort  (wechsle  deine  Lagerstätte)!  Er  veränderte  seinen  Ort.  Am 
nächsten  Morgen  fand  er,  daß  sein  Bett  mit  Messern  gezeichnet  war  (man  hatte  ihn 
töten  wollen;  sein  Traum  war  also  seine  Rettung  gewesen).  |i  BB  10":  Von  seinen 
Schwestersöhnen  sah  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  in  einem  Traum,  daß  ihnen 
(im  Lauf  des  Jahres)  700  Denare  in  Verlust  geraten  würden.  Er  nötigte  sie  u.  nahm 
(die  700  Denare)  von  ihnen  zu  Almosen.  Es  blieben  ihnen  17  Denare  übrig.  Als  der 
Vorabend  des  Versöhnungstages  herangekommen  war,    schickten  die  Kaiserlichen  u. 


58  Matth  1,  20 

nahmen  sie  ihnen  ab.  Da  sagte  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai:  Fürchtet  nicht  (daß  sie 
euch  noch  mehr  abnehmen  werden);  17  Denare  befanden  sich  bei  euch,  die  haben  sie 
euch  abgenommen.  Sie  sprachen  zu  ihm :  Woher  weißt  du  das?  Er  antwortete  ihnen: 
Einen  Traum  habe  ich  zu  eurem  Besten  gesehen.  Sie  sprachen:  Warum  hast  du  es 
uns  nicht  gesagt"?  Er  antwortete:  Ich  dachte,  damit  ihr  das  gute  Werk  um  seinet- 
willen tun  möchtet  (was  nicht  der  Fall  gewesen  wäre,  wenn  euch  mein  Traum  dazu 
bewogen  hätte).  ||  B'^'rakh  57'':  R.  Z^Jira  (um  300)  hat  gesagt:  Ich  bin  nicht  eher  aus 
Babel  nach  dem  Lande  Israel  hinaufgezogen,  als  bis  ich  Gerste  im  Traum  gesehen 
hatte.  (Gerste,  im  Traum  gesehen,  bedeutet  Erlangung  der  Sündenvergebung.)  ||  Midr 
Qoh  5,  2  (25 ä):  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Die  ganze  Nacht  (s.  Esth  6, 1) 
hatte  Achaschverosch  (im  Traum)  gesehen,  wie  Haman  bei  ihm  stand  mit  einem  ge- 
zückten Schwert  in  seiner  Hand,  u.  wie  er  den  Purpurmantel  von  ihm  nahm  u.  die 
Krone  von  seinem  Haupt,  u.  wie  er  ihn  zu  töten  suchte.  Und  er  erwachte  u.  sprach: 
Ob  dies  ein  Traum  ist?  Es  ist  wohl  nur  ein  (bedeutungsloses)  Gesicht!  Wie  lange 
(dachte  er  so)?  Bis  der  Morgen  kam.  Da  sprach  der  König:  Wer  ist  im  Vorhof?  Man 
antwortete  ihm  (Esth  6,  5):  „Siehe,  Haman  steht  im  Vorhof. "  Da  sagte  der  König:  Es 
ist  ein  (bedeutungsvoller)  Traum  (durch  den  mir  Hamans  Mordanschlag  kundgetan 
werden  sollte).  —  Midr  Esth  6, 1(99*)  lautet  der  Schlußsatz  ausführlicher  so:  Der 
König  sprach:  Wahrheit  ist  das  Wort,  das  ich  in  meinem  Traum  gesehen  habe.  Nicht 
kommt  dieser  in  dieser  Stunde,  wenn  nicht,  um  mich  zu  töten.  |!  GnR  83  (53'*):  „Der 
Häuptling  Magdiel,  der  Häuptling  clram"  (Gn  36,43).  An  dem  Tage,  da  Diokletian  ^ 
König  wurde,  wurde  dem  R.  Ammi  (um  300)  im  Traume  gezeigt:  Heute  ist  Magdiel 
König  geworden!  Da  sagte  er:  Nur  noch  Ein  (1.  ths  statt  ins)  König  ist  für  Edom 
zu  erwarten.  (Unter  den  Häuptlingen  von  Esau  Gn  36,  40  ff.  ist  Magdiel  an  vorletzter 
Stelle  genannt,  daher  die  P'olgerung:  Nur  noch  Ein  K.  ist  für  Edom  =  Rom  zu  er- 
warten.) II  Joma  87'':  (R.  Chanina  b.  Chama,  um  225,  u.  Rab,  f  247,  lebten  13  Jahre  in 
Feindschaft  miteinander,  ohne  daß  einer  von  ihnen  den  Versuch  machte,  den  andren 
zu  versöhnen.  R.  Chaninas  Verhalten  wird  dann  so  erklärt:)  R.  Chanina  sah  im  Traum, 
daß  man  Rab  an  einer  Dattelpalme  aufhängte;  u.  als  Tradition  ist  gelehrt  worden, 
daß  jeder,  den  man  (in  einem  Traum)  an  einer  Dattelpalme  aufhängt,  Schulhaupt 
wird.  Da  sagte  R.  Chanina:  Aus  meinem  Traum  entnehme  ich,  daß  er  ein  Oberhaupt 
werden  soll;  darum  versöhnte  er  ihn  nicht,  damit  er  (aus  Palästina)  fortginge  u.  in 
Babel  die  Tora  lehrte,  jj  Ferner  s.  die  Zitate  Anm.  a  u.  f,  sowie  LvR  3  (107^*)  bei  Apg  12, 
21  ff.  Nr.  3. 

e.  B^'rakh  55'^:  Raba  (f  352)  stellte  einander  gegenüber  Nu  12,  6:  „Ich  rede  im 
Traume  mit  ihm*  u.  Sach  10,2:  „Träume  reden  Eiteles."  Das  ist  kein  Widerspruch: 
in  dem  einen  Fall  handelt  es  sich  (um  Träume)  durch  einen  Engel,  in  dem  andern 
um  solche  durch  einen  Dämon  -«i . 

/.  Tos  MSch  o,  9  (95):  Einer  grämte  sich  darüber,  wo  der  zweite  Zehnt  seines 
(verstorbenen)  Vaters  sich  befinde.  Da  kam  der  „Mann  des  Traumes"  isch  ha-chal6m 
(=  Engel  der  Träume)  u.  sprach  zu  ihm:  So  und  soviel  beträgt  er  u.  an  dem  u.  dem 
Ort  befindet  er  sich.  So  war  es.  Sie  gingen  u.  fanden  dort  das  Geld  u.  kamen  u. 
fragten  die  Gelehrten  (betreffs  der  Verwendung  des  Geldes),  u.  diese  erklärten:  Siehe, 
es  ist  profanes  Geld,  denn  die  Worte  der  Träume  erhöhen  nicht  u.  erniedrigen  nicht.  — 
Die  Parallelstelle  Sanh  30'"^  liest  bacal  ha-chal6m,  während  pMSch  4,  55^,  38  (s.  oben 
Anm.  a)  einfach  sagt:  „Es  wurde  ihm  im  Traume  gezeigt."  ||  B'^'rakh  10'':  R.  Chanan 
(um  300)  hat  gesagt:  Selbst  wenn  der  Engel  der  Träume  bacal  ha-chalomoth  zu  einem 
Menschen  sagte,  daß  er  morgen  sterben  werde,  soll  er  sich  dadurch  nicht  vom  Gebet 
um  Erbarmen  zurückhalten  lassen,  vgl.  Qoh  5,6:  „Bei  vielen  Träumen  gibt  es  auch 
Eitelkeiten  .  .  .;  vielmehr  Gott  fürchte!"  ||  Aboth  R.  Nathan  17  (6''):  Es  geschah,  daß 


*  Der  Text  hat  ci:-:;-jnt.  Levy  2,  482''  deutet  den  Namen  auf  Lucinius  (1.  Licinius), 
andre  denken  an  Valentinianus;  vermutlich  ist  es  verstümmelt  aus  c-ru'pp-rt;  so  Bacher, 
pAmor  2,  149,  u.  Krauß,  Lehnwörter  2,  310". 


Matth  1,  20  59 

ein  (jüdisches)  Mädchen  gefangen  genommen  wurde,  u.  ein  Grieche  nahm  sie  an  sich. 
Sie  wurde  erzogen  u.  kam  in  sein  Haus.  Da  kam  zu  ihm  der  Engel  des  Traumes 
baJal  ha-chalom  (ed.  Amsterd.  1044:  ,man  kam  zu  ihm  im  Traum")  u.  sprach  zu  ihm: 
„Entlaß  dieses  Mädchen  aus  deinem  Hause."  Da  sagte  sein  Weib  zu  ihm:  Entlaß  sie 
nicht!  Da  kam  der  Engel  des  Traumes  (ed.  Amsterd.  wie  oben)  abermals  zu  ihm  u. 
sprach:  ,Wenn  du  sie  nicht  entlassest,  siehe,  so  töte  ich  dich  samt  ihr.  Da  entließ 
er  sie.  Er  ging  ihr  nach  u.  sprach:  Ich  will  gehn  u.  sehn,  was  (lies  ni2  statt  nz) 
schließlich  aus  diesem  Mädchen  wird.  Als  sie  auf  dem  Wege  dahinging,  bekam  sie 
Durst  u.  ging  hinab  (an  ein  Gewässer),  um  Wasser  zu  trinken.  Als  sie  ihre  Hand  auf 
das  (das  Wasser  umschließende)  Gemäuer  legte,  kam  eine  Schlange  hervor  u.  biß  sie, 
so  daß  sie  starb,  u.  sie  schwamm  auf  dem  Wasser.  Da  ging  er  (der  frühere  Herr) 
hinab  u.  nahm  sie,  schaffte  sie  herauf  u.  begrub  sie.  Er  kam  u.  sagte  zu  seinem 
Weibe:  Über  dieses  Volk  zürnt,  wie  du  siehst,  nur  ihr  Vater  im  Himmel.  —  ||  Apoc. 
Bar  55,  3  heißt  der  Engel,  „der  den  wahren  (Traum-)Gesichten  vorsteht",  Ramael. 

g.  B'=^rakh  55 '',  39 :  R.  Jochanan  (t  279)  hat  gesagt:  Drei  Träume  gehen  in  Er- 
füllung: ein  Trajjm  am  Morgen  u.  ein  Traum,  den  jemandem  ein  andrer  träumt,  u.  ein 
Traum,  der  im  Traum  gedeutet  wird.  Einige  sagen:  Auch  ein  Traum,  der  sich  wieder- 
holt; s.  Gn41,o2:  „Und  was  dies  betrifft,  daß  der  Traum  sich  wiederholte  .  .  .,  so 
geschah  dies,  weil  die  Sache  seitens  Gottes  feststeht.  ..."  —  In  bezug  auf  sich  wieder- 
hol-ende  Träume  heißt  es  in  der  hebr.  Chronik  Jerachm'^els  zu  Test.  Napht  7 :  (Jakob 
sprach  zu  Naphtali:)  „Mein  Sohn,  weil  du  das  (Traum-)Gesicht  noch  einmal  gehabt 
hast,  darum  wurde  ich  bestürzt"  (denn  jetzt  weiß  ich,  daß  es  in  Erfüllung  gehn  wird).  — 
Zum  Traum  über  einen  andren  u.  zum  Träumen  der  Traumdeutung  s.  GnR88(56^): 
„Da  träumten  sie  beide  einen  Traum,  jeder  seinen  Traum  .  .  .,  jeder  gemäß  der  Deutung 
seines  Traumes"  Gn  40,  5.  R.  Chijja  b.  Abba  (ein  Schüler  des  R.  Jochanan,  um  280)  sagte : 
Es  träumte  jeder  einen  Traum  u.  die  Deutung  des  Traumes  des  andren.  Der  Ausspruch 
des  R.  Chijja  ist  B'^rakh  55^  dem  R.  EKazar  (um  270)  beigelegt.  1|  B^'rakh'55a:  R.  Jo- 
chanan (t  279)  hat  im  Namen  des  R.  SchimEon  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Wie  Korn 
nicht  ohne  Stroh  sein  kann,  so  kann  ein  Traum  nicht  ohne  eitle  Worte  sein.  R.  B*^rekhja 
(um  340)  hat  gesagt:  Wenn  auch  ein  Traum  zum  Teil  in  Erfüllung  geht,  so  geht  er 
doch  nicht  ganz  in  Erfüllung.  Woher  wissen  wir  das?  Von  Joseph;  s.  Gn  37,  9:  »Und 
siehe,  die  Sonne  u.  der  Mond  (=  Josephs  Mutter)  u.  elf  Steine  verneigten  sich  vor 
mir",  u.  zu  dieser  Zeit  lebte  seine  Mutter  nicht  mehr  (also  konnte  der  sie  betreffende 
Teil  des  Traumes  sich  nicht  erfüllen).  1|  B^rakh  55«:  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt: 
Weder  ein  guter  noch  ein  böser  Traum  geht  ganz  in  Erfüllung. 

h.  B^^rakh  55^:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Immer  hoffe  der  Mensch  auf  die 
Erfüllung  eines  guten  Traumes  bis  zu  22  Jahren  hin.  Woher  wissen  wir  das?  Von 
Joseph;  denn  es  steht  geschrieben  Gn  37,  2:  „Dies  ist  die  Familiengeschichte  Jakobs. 
Joseph  als  17jähriger"  usw.  Ferner  heißt  es  Gn41,46:  „Joseph  war  30  Jahre  alt,  als 
er  vor  Pharao  stand"  usw.  Wieviel  ist  von  17  bis  30?  Sage:  13;  dazu  7  (Jahre)  des 
Überflusses  u.  2  der  Hungersnot,  siehe  das  sind  22  (bis  Josephs  Traum  sich  erfüllte). 

i.  pMSch  4,  55^  14:  Eine  Frau  kam  zu  R.  Eli'ezer  (um  90).  Sie  sprach  zu  ihm: 
Ich  habe  in  meinem  Traum  ein  Zimmer  des  Hauses  geborsten  gesehen.  Er  sprach  zu 
ihr:  „Du  wirst  einen  Sohn  gebären."  Und  sie  gebar  einen  Sohn.  Nach  einiger  Zeit 
ging  sie,  um  ihn  (wiederum)  zu  fragen.  Seine  Schüler  sagten  zu  ihr:  Er  ist  nicht  hier. 
Was  willst  du  von  ihm?  Sie  antwortete:  Diese  Frau  (d.h.  ich)  hat  im  Traume  ein 
Zimmer  des  Hauses  geborsten  gesehen.  Sie  sagten:  Du  wirst  einen  Sohn  gebären  u. 
der  Herr  dieses  Hauses  (dein  Mann)  wird  sterben.  Als  R.  Elicezer  kam,  erzählten  sie 
ihm  die  Geschichte.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ihr  habt  einen  Menschen  getötet,  denn  der 
Traum  richtet  sich  nur  nach  seiner  Deutung  'r.-.^rt  ^-a,  s.  Gn41,  13:  „Wie  er  uns  ge- 
deutet hat,  also  ist  es  geschehen."  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Alle  Träume  richten 
sich  nach  ihrer  Deutung,  ausgenommen  wo  es  sich  um  Wein  handelt.  Mancher  trinkt 
Wein  (im  Traum)  u.  es  ist  für  ihn  von  guter  Bedeutung;  mancher  trinkt  Wein  u.  es 
ist  für  ihn  von  schlimmer  Bedeutung.  Ein  Gelehrtenschüler  trinkt  u.  es  ist  von  guter 


60  Mattlil,20 

Bedeutung  für  ihn;  ein  cAm  ha-are9  (Gesetzesunkundiger,  s.  bei  Joh  7,  49)  trinkt  u.  es 
ist  von  schlimmer  Bedeutung  für  ihn.  —  Midr  KL  1,  1  (48^)  ist  statt  „Zimmer  des 
Hauses"  gesagt:  , Gebälk  des  Hauses."  Ebenso  GnR  89  (56^).  Beide  Parallelstellen 
lassen  den  R.  Elicezer  sich  auf  die  Ausführung  des  R.  Jochanan  berufen;  sie  haben 
also  unter  R.  E.  nicht  den  Tannaiten  verstanden,  sondern  den  Amoräer  R.  El'azar  b. 
P'^dath,  um  270.  —  Der  Ausspruch  des  R.  Jochanan  für  sich  allein  B'^'rakh  57^;  aus 
dieser  Stelle  geht  hervor,  dafs  die  Ausführung  des  R.  Jochanan  auf  einer  Bar  ruht.  || 
B'Yakh  Ö5'':  Beruht  denn  das  Wort:  „Alle  Träume  richten  sich  nach  dem  Munde" 
(=  nach  der  Deutung)  auf  einer  Schriftstelle?  Ja;  u.  zwar  nach  der  Meinung  des 
R.  Elcazar  (um  270).  Denn  dieser  hat  gesagt:  Woher,  daß  sich  alle  Träume  nach  dem 
Munde  richten?  Es  heißt  Gn  41, 13:  „Wie  er  uns  gedeutet  hat,  also  ist  es  geschehen." 
Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Das  gilt  nur,  wenn  man  ihm  den  Traum  deutet  gemäß  dem 
Hauptinhalt  seines  Traumes;  s.  Gn  41,  12:  „Gemäß  seinem  Traume  hat  er  jedem  ge- 
deutet." —  Ferner  s.  B-^rakh  5b^  in  Anm.  k.  !|  B^rakh  55"  u.  55'^:  Rab  Chisda  (f  809) 
hat  gesagt:  Ein  Traum,  den  man  nicht  deutet,  ist  wie  ein  Brief,  den  man  nicht  liest. 

k.  B^'rakh  55*^:  R.  Bizna  b.  Zabda  hat  gesagt,  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  habe  gesagt, 
R.  Panda  habe  gesagt,  R.  Nachum  habe  gesagt,  R.  Birjam  habe  im  Namen  eines  Alten 
gesagt  —  und  wer  war  das?  R.  Banna>a  — :  Vierundzwanzig  Traumdeuter  hat  es  in 
Jerusalem  gegeben.  Einmal  hatte  ich  einen  Traum  geträumt  u.  ging  zu  ihnen  allen. 
Was  mir  der  eine  deutete,  deutete  mir  nicht  der  andre;  aber  alles  ging  bei  mir  in 
Erfüllung,  um  zu  bestätigen,  was  gesagt  worden  ist:  „Alle  Träume  richten  sich  nach 
dem  Munde."  —  Die  Stelle  ergibt,  daß  die  Schlußsentenz  eine  uralte  tannaitische 
Tradition  ist.  !|  B'^^rakh  56'':  Bar  Chadja  war  ein  Traumdeuter.  Wer  ihm  Bezahlung 
gab,  dem  deutete  er  zum  Vorteil;  wer  ihm  keine  Bezahlung  gab,  dem  deutete  er  zum 
Nachteil.  Abaje  (f  338/39)  u.  Raba  (f  352)  sahen  einen  Traum.  Abaje  gab  ihm  einen 
Zuz  (etwa  65  Pf.),  Raba  gab  ihm  nichts.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Man  (Gott)  hat  uns  in 
Träumen  lesen  lassen  Dt  28,  81 :  „Dein  Stier  wird  vor  deinen  Augen  geschlachtet"  usw. 
Zu  Raba  sagte  er:  Dein  Geschäft  wird  Schaden  leiden  u.  du  wirst  nicht  Lust  haben, 
vor  Betrübnis  deines  Herzens  etwas  zu  essen.  Zu  Abaje  sagte  er:  Dein  Geschäft  vnrd 
sich  ausdehnen  u.  du  wirst  nicht  Lust  haben,  vor  Freude  deines  Herzens  etwas  zu 
essen.  Sie  sagten  zu  ihm:  Man  (Gott)  hat  uns  lesen  lassen  Dt  28,  41 :  „Söhne  u.  Töchter 
wirst  du  zeugen;  aber  sie  werden  nicht  dein  sein;  denn  sie  werden  in  die  Gefangen- 
schaft gehn."  Zu  Raba  sagte  er  gemäß  der  schlimmen  Bedeutung  des  Verses  --rri;';;2. 
Zu  Abaje  sagte  er:  Deine  Söhne  u.  Töchter  werden  zahlreich  sein,  u.  deine  Töchter 
werden  sich  in  alle  Welt  verheiraten  u.  dir  so  scheinen,  als  ob  sie  in  die  Gefangen- 
schaft gingen.  (Es  folgen  zehn  weitere  ähnliche  Deutungen.)  .  .  .  Schließlich  ging  Raba 
allein  zu  ihm  u.  sagte:  Ich  habe  (im  Traum)  gesehen,  daß  die  äußere  Tür  umfiel.  Er 
antwortete:  Deine  Frau  wird  sterben.  Er  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  gesehen,  daß  die 
Backzähne  u.  die  übrigen  Zähne  ausfielen.  Er  antwortete:  Deine  Söhne  u.  Töchter 
werden  sterben.  (Es  folgen  zwei  weitere  Deutungen.)  .  .  .  Schließlich  ging  Raba,  gab 
ihm  Bezahlung  u.  sprach:  Ich  habe  gesehen,  daß  die  Mauer  umfiel.  Er  antwortete: 
Du  wirst  Vermögen  ohne  Grenzen  (grenzenloses  Vermögen)  erwerben.  R.  sprach:  Ich 
sah,  daß  der  Palast  Abajes  ein§el,  u.  es  bedeckte  mich  "Z^X  sein  Staub.  Er  antwortete: 
Abaje  wird  sterben  u.  sein  Gelehrtensitz  wird  an  dich  kommen.  R.  sprach:  Ich  sah, 
daß  mein  Palast  einfiel  u.  alle  Welt  kam  u.  nahm  sich  Ziegel  über  ZiegeL  Er  ant- 
wortete: Deine  Lehren  werden  sich  in  der  Welt  verbreiten.  R.  sprach:  Ich  sah,  daß 
mein  Kopf  gespalten  wurde  u.  mein  Gehirn  herausfiel.  Er  antwortete:  Die  Wollflocken 
des  Kopfkissens  werden  herausfallen.  R.  sprach:  Man  (=  Gott)  hat  mich  das  ägyptische 
Hallel  (d.h.  Psll3)  im  Traum  lesen  lassen.  Er  antwortete:  Es  werden  dir  Wunder 
geschehen.  Es  geschah  (nach  einiger  Zeit),  daß  Bar  Chadja  mit  Raba  auf  ein  Schiff 
kam.  Jener  sprach:  AVarum  sollte  ich  mit  einem  Mann  zusammen  sein,  dem  ein  Wunder 
geschehen  wird?  (Vielleicht  besteht  das  Wunder  darin,  daß  er  bei  einem  etwaigen 
Schiffbruch  allein  gerettet  werden  soll.)  Als  er  auf  das  Schiff  ging,  entfiel  ihm  ein 
Buch.    Raba  fand  es  u.  sah,  daß  darin  geschrieben  stand:    Die  Träume  richten  sich 


Matthl,20  61 

nach  dem  Munde.  Da  sprach  Raba  zu  ihm:  Du  Frevler,  bei  dir  stand  es,  u.  du  hast 
mir  alle  diese  Betrübnis  bereitet  (die  deine  Traumdeutungen  über  mich  gebracht  haben)! 
Dieses  alles  will  ich  dir  vergeben,  abgesehen  von  der  Tochter  des  Rab  Chisda  (der 
Gattin  Rabas,  die  ihm  infolge  einer  Traumdeutung  durch  den  Tod  entrissen  worden 
war).  Möge  es  (Gottes)  Wille  sein,  daü  dieser  Mann  (d.  h.  du)  in  die  Gewalt  einer 
Regierung  gegeben  werde,  die  sich  seiner  nicht  erbarmt!  (Es  wird  dann  erzählt,  wie 
dieser  Fluch  Rabas  an  Bar  Chadja  sich  erfüllt  hat.) 

/.  Zu  R.  Eli^ezer  s.  pMSch  4,  55 ",  14  in  Anm.  i.  —  Zu  R.  ^Aqiba  s.  pMSch  4,  55c,  22: 
Ein  Mensch  kam  zu  R.  cAqiba  u.  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  in  meinem  Traum  meinen 
Fuß  abgemagert  (wörtlich:  klein)  gesehen.  Er  antwortete  ihm:  Das  Fest  wird  kommen 
u.  es  wird  kein  Fleisch  zum  Essen  da  sein.  ("-:■:  „Fuß"  bedeutet  auch  „Fest".)  Ein 
andrer  kam  zu  ihm  u.  sprach:  Ich  habe  in  meinem  Traum  meinen  Fuß  beleibt  gesehen. 
Er  antwortete  ihm:  Das  Fest  wird  kommen  u.  du  wirst  viel  Fleisch  haben.  —  Ein 
Schüler  von  R.  cAqiba  saß  da  u.  seine  Gesichtszüge  waren  verändert.  Er  sprach  zu 
ihm:  Warum  so?  Er  antwortete:  Ich  habe  in  meinem  Traum  drei  harte  Worte  gesehen: 
Im  Adar  wirst  du  sterben  u.  den  Nisan  wirst  du  nicht  sehn,  u.  was  du  säst,  wirst  du 
nicht  sammeln.  R.  cA.  antwortete  ihm:  Die  Drei  bedeuten  Gutes:  Durch  die  Herrlichkeit 
s^nn  (Deutung  von  Adar)  der  Tora  wirst  du  erhoben  werden;  Versuchungen  ••z-:  (Deutung 
von  Nisan)  wirst  du  nicht  sehn;  was  du  säst,  wirst  du  nicht  sammeln:  was  du  erzeugst, 
wirst  du  nicht  begraben.  —  Von  den  älteren  Lehrern  haben  sich  in  ähnlicher  Weise 
mit  Traumdeutungen  befaßt  R.  Jischma'el  (f  um  135):  B*'rakh  56"^:  Der  Schwester- 
sohn des  R.  Jischma'el  fragte  den  R.  J.:  Ich  habe  (im  Traum)  gesehen,  daß  meine 
beiden  Kinnbacken  zerbrochen  wurden.  Er  antwortete:  Zwei  römische  Große  (^5nj 
zu  lesen  statt  -nn;)  haben  einen  schlimmen  Rat  gegen  dich  gefaßt,  aber  sie  sind 
gestorben.  —  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150),  s.  Midr  KL  1, 1  (48=*)  bei  Apg2,9  Kan- 
nadoxiny.  —  R.  Jischmacel  b.  Jose  (um  180),  s.  pMSch 4,  55'',  50 ff.  —  Rabbi:  B^rakh 
56'':  Bar  Qappara  sagte  zu  Rabbi:  Ich  habe  (im  Traum)  gesehen,  daß  meine  Nase 
abfiel.  Er  antwortete:  Die  Glut  des  Zorns  ist  von  dir  gewichen  (r:s  bedeutet  „Nase" 
u.  „Zorn").  Er  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  gesehen,  daß  meine  beiden  Hände  abgeschnitten 
wurden.  Rabbi  antwortete:  Du  wirst  der  Arbeit  deiner  Hände  nicht  mehr  benötigt  sein 
(wirst  reich  werden).  Er  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  gesehen,  daß  meine  beiden  Füße 
abgehauen  wurden.  Rabbi  antwortete:  Du  wirst  auf  einem  Roß  reiten.  Ich  habe  ge- 
sehen, daß  man  zu  mir  sagte:  Im  Adar  wirst  du  sterben  u.  den  Nisan  wirst  du  nicht 
sehn.  Rabbi  antwortete:  In  Ehren  sni-i-s  (Deutung  von  Adar)  wirst  du  sterben  u.  du 
wirst  nicht  in  Versuchung  -ji-c:  (Deutung  von  Nisan)  geraten. 

m.  Schab  ll'^:  Rabba  b.  M'^chasja  (um  300)  hat  gesagt,  Rab  Chama  b.  Gorja  (um 
270)  habe  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Schön  ist  Fasten  für  einen  Traum  wie 
Feuer  für  Werg.  Rab  Chisda  (1309)  hat  gesagt:  Und  zwar  an  demselben  Tage.  Rab 
Joseph  (t  333)  hat  gesagt:  Selbst  an  einem  Sabbat.  —  Dasselbe  Schab  U-''  u.  Midr  Qoh 
5,6  (25'').  —  Man  nannte  ein  solches  Fasten  kurzweg  „ Traumfasten "  m^n  n-syp,  zB 
Schab  U^.\\  B^^rakh  55'':  Rab  Huna  b.  Ammi  hat  gesagt,  R.  pt'dath  (um  310)  habe  gesagt, 
R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Wenn  jemand  einen  Traum  sieht  u.  seine  Seele  wird 
darüber  bekümmert,  so  gehe  er  hin  u.  deute  ihn  vor  drei  Personen.  Er  soll  ihn  deuten? 
Aber  Rab  Chisda  (f  309)  hat  doch  gesagt:  Ein  Traum,  den  man  nicht  deutet,  ist  wie 
ein  Brief,  den  man  nicht  liest!  (Also  ist  es  am  besten,  einen  Traum  ungedeutet  zu 
lassen;  denn  ein  solcher  geht  ja  nicht  in  Erfüllung!)  Vielmehr  sage:  Er  lege  ihn  vor 
drei  Personen  zum  Guten  aus.  Er  lasse  drei  Personen  kommen  u.  sage  zu  ihnen: 
Einen  guten  Traum  habe  ich  gesehen.  Dann  sollen  jene  zu  ihm  sagen :  Er  ist  gut,  u. 
gut  wird  er  werden,  u.  der  Barmherzige  wird  ihn  zum  Guten  wenden.  Siebenmal  möge 
man  über  dich  vom  Himmel  beschließen,  daß  er  gut  werde,  u.  er  wird  gut  werden. 
Ferner  sollen  sie  drei  Schriftstellen  SÄgen  mit  dem  Wort  , wenden"  u.  drei  mit  dem 
Wort  „erlösen"  u.  drei  mit  dem  Wort  „Frieden".  Drei  mit  „wenden":  Ps30, 12;  Jer 
31,12;Dt23,G.  Drei  mit  „erlösen":  Ps55, 19;  Jes  35, 10;  ISml4,45.  Drei  mit  „Frieden": 
Jes57,19;  lChrl2,18;  lSm25,6.  |1  B^rakh55'':  Amemar  (um  400),  Mar  Zutra  (IL  gegen' 


62  Matthl,20 

400)  u.  Rab  Aschi  (t  427)  saßen  beieinander.  Sie  sagten:  Jeder  einzelne  von  uns  soll 
etwas  sagen,  was  der  andre  (noch)  nicht  gehört  hat.  Der  eine  von  ihnen  begann:  Wer 
einen  Traum  gesehen  hat  u.  nicht  weiß,  was  er  gesehen  hat,  der  stelle  sich  vor  die 
Priester  zu  der  Zeit,  da  sie  ihre  Hände  (zum  Priestersegen)  ausbreiten,  u.  spreche  (bei 
sich  selbst)  also:  Herr  der  Welt,  ich  bin  dein  u.  meine  Träume  sind  dein;  ich  habe 
einen  Traum  geträumt  u.  weiß  nicht  (mehr),  was-  es  war;  ob  ich  von  mir  selbst  ge- 
träumt habe,  oder  ob  andre  von  mir  geträumt  haben,  oder  ob  ich  von  andren  geträumt 
habe:  wenn  sie  gut  sind,  bekräftige  sie  u.  festige  sie  wie  die  Träume  Josephs,  u.  wenn 
sie  der  Heilung  bedürfen,  so  heile  sie  wie  die  Wasser  von  Mara  durch  die  Hände  Moses 
(s.  Ex  15,  23  ff.)  u.  wie  Mirjam  von  ihrem  Aussatz  u.  wie  Hiskia  von  seiner  Krankheit 
u.  wie  die  Wasser  Jerichos  durch  Elisa  (s.  2  Kg  2, 19  ff.),  u.  wie  du  den  Fluch  Bilcams, 
des  Frevlers,  zum  Segen  gewendet  hast,  so  wende  alle  Träume  für  mich  zum  Guten! 
Er  soll  aber  (sein  Gebet)  beendigen  zus.  mit  den  Priestern,  wenn  die  Gemeinde  (auf 
den  Priestersegen)  mit  Amen!  antwortet.  Wenn  aber  nicht,  so  spreche  er  also:  Herr- 
licher in  der  Höhe,  der  da  thront  in  Allmacht,  du  bist  Friede,  u.  dein  Name  ist  Friede! 
Es  sei  wohlgefällig  vor  dir,  daß  du  auf  uns  Frieden  legest!  ||  pSanh  10,  28",  6:  (Als 
Jesaja  dem  Hiskia  sein  Ende  angekündigt  u.  ihm  gesagt  hatte,  daß  er  sich  eine  Tochter 
des  Propheten  hätte  zum  Weibe  nehmen  sollen,  antwortete  ihm  der  König:)  Ich  höre 
nicht  auf  dich,  ich  werde  nur  herzuspringen  zu  dem,  was  mir  mein  Ahn  (nämlich 
Salomo  in  Qoh  5,  6)  gesagt  hat;  denn  er  hat  mir  gesagt:  Wenn  du  schlimme  Träume 
u.  schlimme  Gesichte  gesehen  hast,  dann  springe  herzu  zu  drei  Dingen  u.  du  wirst 
gerettet  werden.  Diese  sind:  Gebet,  Almosen  u.  Buße.  Und  diese  drei  sind  in  Einem 
Vers  enthalten  2Chr7, 14:  „Und  wenn  sich  dann  mein  Volk  beugt,  über  welchem 
mein  Name  genannt  ist,  u.  wenn  sie  beten",  das  ist  das  Gebet;  „u.  wenn  sie  mein 
Angesicht  suchen",  das  geht  auf  Almosen,  s.  Psl7, 15:  „Ich  werde  durch  Almosen  (so 
der  Midrasch)  dein  Angesicht  schauen;  ich  werde  mich  sättigen  beim  Erwachen  an 
deiner  Gestalt."  „Und  wenn  sie  umkehren  von  ihren  bösen  Wegen",  das  geht  auf  die 
Buße.  Wenn  sie  also  tun,  was  steht  dort  (weiter)  geschrieben?  „Dann  will  ich  vom 
Himmel  her  hören  u.  ihre  Sünde  verzeihen  u.  ihr  Land  heilen."  Sofort  wandte  sich 
Hiskia  ab,  s.  Jes38, 2:  Da  wandte  Hiskia  sein  Angesicht  zur  Wand  u.  betete  zu  Jahve.  — 
Im  Midr  Qoh  5,  6  (25 b)  wird  Rabbi  als  Autor  genannt.  ||  B^rakh  b6^':  R.  J^hoschuac  b. 
Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  einen  Strom  im  Traume  sieht,  der  sage  (beim  Erwachen) 
eilends  Jes  66,12:  „Siehe,  ich  wende  ihr  Frieden  zu  wie  einen  Strom",  ehe  ihm  der 
andre  Vers  (mit  unheilvoller  Bedeutung  in  seinen  Gedanken)  zuvorkommt  Jes  59, 19: 
„Denn  kommen  wird  er  wie  ein  eingeengter  Strom,  auf  den  der  Sturm  Jahves  los- 
peitscht."  Wer  einen  Vogel  im  Traum  sieht,  der  sage  eilends  Jes  31,  5:  „Wie  flatternde 
Vögelein,  so  wird  Jahve  9'^baoth  Jerusalem  umschirmen",  ehe  ihm  zuvorkommt  der 
andre  Vers  Spr27,  8:  Wie  ein  Vögelchen,  das  flüchtig  geworden  ist  aus  seinem  Nest 
usw.  —  Ebenso  werden  dann  weiter  als  Verse  mit  guter,  bezw.  mit  schlimmer  Vor- 
bedeutung genannt  beim  Sehen  eines  Topfes  im  Traum  Jes  26, 12  u.  Ez  24,  3;  bei  Wein- 
trauben Hos  9, 10  u.  Dt  32,  32;  bei  einem  Berg  Jes  52,  7  u.  Jer  9,  9;  bei  einer  Posaune 
Jes  27, 13  u.  Hos  5,  8;  bei  einem  Hund  Ex  11,  7  u.  Jes  56, 11;  bei  einem  Löwen  Am  3,  8 
u.  Jer  4,10;  beim  Haarscheren  Gn  41, 14  u.  Rieht  16,  17;  bei  einem  Brunnen  Gn  26,19 
u.  Jer  6,  7;  bei  einem  Rohr  Jes  42,  3  u.  36,  6.  ||  pB^rakh  5,  19»,  13:  R.  Jona  (um  350)  hat 
im  Namen  des  R.  Tanchum  b.  Chijja  (um  300)  gesagt:  Wer  einen  harten  (schlimmen) 
Traum  gesehen  hat,  muß  sprechen:  Es  sei  wohlgefällig  vor  dir,  Jahve,  mein  Gott  u. 
Gott  meiner  Väter,  daß  alle  meine  Träume,  die  ich  geträumt  habe,  sei  es  in  dieser 
Nacht  oder  in  den  übrigen  Nächten,  sei  es,  daß  ich  sie  geträumt  habe  oder  andre  von 
mir  geträumt  haben,  wenn  sie  gut  sind,  für  mich  in  Erfüllung  gehen  mögen  zum  Jubel 
u.  zur  Freude,  zum  Segen  u.  zum  Leben;  u.  wenn  sie  zu  etwas  andrem  (nicht  zum 
Guten)  sind,  so  mögest  du,  wie  du  das  Wasser  von  Mara  u.  das  Wasser  von  Jericho 
durch  Elisa  zur  Süßigkeit  u.  den  Fluch  des  Ben  B^cor  in  Segen  verwandelt  hast,  alle 
harten  Träume  u.  was  andre  von  mir  geträumt  haben,  umwandeln  zum  Guten,  zum 
Segen  u.  zur  Heilung  u.  zum  Leben,  zur  Freude  u.  zum  Jubel  u.  zum  Frieden.  —  Dann 


Matthl,20.  21  (5(.  33  1)  63 

folgen    die   bereits  oben  angegebenen  drei  Verse,   in  denen  das  Wort  , wenden"  oder 
, umwandeln"  vorkommt  (Ps30,  12f.;  Dt  23, 6;  Jer31,12). 

n.  Zu  dergleichen  Deutungen  haben  Beiträge  geliefert  zB  B'^rakh  56*^:  R.  Chanina 
(um  225),  R.  Nathan  (um  160)  u.  R.  Chanan  (Chanin,  um  300);  R.  Z'^^cira  (um  300); 
R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  u.  Rab  Nachman  b.  Ji^chaq  (t  356);  B^rakh  57'"': 
R.  Elicezer  der  Ältere  (um  90);  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280);  Rab  Joseph  (f  333);  R.  'Ulla 
(um  280);  Abaje  (f  338/39)  u.  Raba  (t  352);  BQ  55":  R.  J'hoschuaE  (b.  Levi,  um  250); 
Sanh  93  •'^:  Rab  Papa  (f  376). 

1,20:  Maria  zu  dir  zu  nehmen. 
naQulaßsTv  entspricht  der  nöjrrj,  der  Aufnahme  der  Verlobten  in 
des  Bräutigams  Haus,  s.  S.  45.  Zur  Namensform  Magiäa  s.  oben  S.  36. 

1,2151:  Des  Namen  sollst  du  Jesus  heißen. 
M«kh  Ex  13,  2  (23'»)  u.  GnR  45  (28  d):  Drei  gibt  es,  die  ihren  Namen 
aus  dem  Munde  Gottes  erhalten  haben:  Isaak,  Gn  17, 19,  Salomo,  1  Chr 
22,  9  u.  Josia,  1  Kg  13,  2.  Einige  fügen  noch  Isma^el  unter  den  Völkern 
hinzu,  s.  Gn  16, 11.  II  pB^^rakh  1,  4%  8:  Vier  sind  mit  Namen  genannt 
worden,  ehe  sie  geboren  waren:  Isaak,  Isma'.el,  Josia  u.  Salomo.  (Beleg- 
stellen wie  oben.)  ||  Pirqe  R.  Eli?ez.  32  Anf. :  Sechs  wurden  bei  ihrem 
Namen  genannt,  ehe  sie  geboren  waren:  Isaak,  Gn  17, 19;  Isma^el,  Gn 
16,11;  Mose  (Beweis  aus  c:':;^  Gn  6,3,  das  seinem  Zahlenwert  nach 
=  ti-o^  =  345  ist);  1  Salomo,  1  Chr  22,  9;  Josia,  1  Kg  13,  2,  u.  der  Name 
des  Messias,  s.  Ps  72, 17:  „Vor  der  Sonne  war  Jinnon  sein  Name"  (so 
der  Midrasch).  Und  warum  ist  sein  Name  „Jinnon"  genannt  worden? 
Weil  er  aufblühen  lassen  (=  auferwecken)  wird  -irb  ~i^rv  die  im  Staube 
Schlafenden.  —  Daß  der  Namengebung  eine  besondere  Bedeutung  bei- 
gelegt wurde,  zeigt  GnR.  37  (22"^):  Dem  ^Eber  wurden  zwei  Söhne  ge- 
boren. Der  Name  des  einen  war  Peleg;  denn  in  seinen  Tagen  ist  die 
Erdbevölkerung  geteilt  worden  (Gn  10, 25).  R.  Jose  (um  150)  u.  R.  Schim^on 
b.  Gamliel  (um  140).  R.  Jose  sagte:  Die  Früheren  haben,  weil  sie  ihre 
Abstammung  kannten  (u.  diese  durch  Namengebung  nicht  festzustellen 
brauchten),  ihre  Namen  mit  Rücksicht  auf  irgendein  Ereignis  gegeben; 
aber  wir  geben  sie,  weil  wir  unsre  Abstammung  nicht  kennen,  mit 
Rücksicht  auf  unsre  Väter.  Rabban  SchimJon  b.  Gamliel  sagte:  Die 
Früheren  haben,  weil  ihnen  der  heilige  Geist  (der  Geist  der  Prophetie 
oder  Inspiration)  zur  Verfügung  stand,  die  Namen  nach  irgendeinem 
Ereignis  gegeben ;  aber  wir  geben  sie,  weil  uns  der  heilige  Geist  nicht 
zur  Verfügung  steht,  nach  unsren  Vätern.  1|  Seder  fOlam  R.  1 :  R.  Jose 
(um  150)  hat  gesagt:  ^Eber  ist  ein  großer  Prophet  gewesen,  daß  er 
seinen  Sohn  im  heiligen  Geist  „Peleg"  nannte;  denn  es  heißt  Gn  10,  25: 
„In  seinen  Tagen  ist  die  Erdbevölkerung  geteilt  worden"  (niph^ga, 
Wortspiel).  ~  Ähnlich  GnR  37  (22  d). 

1,21  33:  Jesus. 
1.  'lr](Tovg  entspricht  dem  hebr.  rrd-,  das  aus  sp-in"  verkürzt  ist;  vgl. 
1  Siehe  Eml.  107,  Nr.  29. 


64  Matthl,21  (SB1.2) 

Esra  3,  2  mit  Neh  8,  17.  Im  Rabbinischen  wird  der  Name  meist  mit  ^d-^ 
wiedergegeben,  s.  zB  pSchab  U,  14^,49;  p^AZ  2,  40^  61;  eAZ  16^;  piAZ 
2,40^35  zu  Mtl,16  Nr.  3.  Die  vollere  Form  ^^d:  findet  sich  Tos 
Chullin  2,  22  f.  (503)  u.  2,  24  (503),  s.  zu  Mt  1, 16  Nr.  3.  Da  sich  die  Ver- 
kürzung des  riiDi  zu  rc^  nur  bei  Jesu  Namen  findet,  hat  man  darin 
eine  beabsichtigte  Verstümmelung  gesehen.  „Nicht  aber  sind  die  drei 
Konsonanten  j,  s,  v  beabsichtigte  Abbreviatur  der  Verwünschungsformel 
jimmah  s'^mö  v^zikhrö  (ausgelöscht  werde  sein  Name  u.  sein  Gedächtnis) " ; 
Strack,  Jesus  S.  18*.  —  Der  Name  „Jesus"  bedeutet:  Jahve  ist  Heil 
(nämlich  in  ihm  oder  durch  ihn).  Die  Mt  1,  21  beigefügten  Worte:  „Denn 
er  wird  sein  Volk  von  ihren  Sünden  erlösen",  bieten  mithin  nur  eine 
sachliche  Deutung  des  Namens.  —  ||  Im  Midrasch  wird  der  zugrunde 
liegende  Name  rdi-T  in  folgenden  Stellen  gedeutet.  Sota  34'':  Raba 
(t  352)  hat  gesagt:  .  .  .  Für  Josua  hatte  bereits  Mose  um  Erbarmen 
gebeten,  s.  Nu  13, 16:  „Mose  nannte  den  HoscheaJ  "c-in,  Sohn  des  Nun 
J^'hoschua^",  d.  h.  „Jahve  helfe  dir"  aus  dem  Rat  der  Kundschafter.  ||  NuR 
16  (181^):  Was  hatte  Mose  für  einen  Grund,  zu  dem  Namen  Josuas  ein  Jod 
(Nu  13, 16)  hinzuzufügen?  .  .  .  Als  Mose  sah,  daß  die  Kundschafter  gott- 
los waren,  sprach  er  zu  Josua:  „Jahve  helfe  dir"  aus  diesem  Geschlecht! 

2.  Den  Namen,  den  der  Messias  einst  führen  werde,  hat  die  Syn- 
agoge seit  alters  zu  ergründen  versucht.  Die  Spekulationen  darüber 
beginnen  schon  in  der  vorchristl.  Zeit.  Zunächst  ließ  man  sich  an  dem 
Satze  genügen,  daß  der  Name  des  Messias  vor  der  Welt  erschaffen 
oder  genannt  worden  sei.  Man  wollte  damit  die  ideelle  Präexistenz 
des  Messias  in  der  Gedankenwelt  Gottes  hervorheben,  um  auszudrücken, 
daß  die  Idee  des  Messias  oder  der  messianischen  Erlösung  Israels  einen 
uranfänglichen  u.  deshalb  sicher  zur  Ausführung  gelangenden  Teil  des 
göttl.  Schöpfungs-  u.  Weltplanes  bilde.  Siehe  zu  Johl,  1  h'  äqxfi  tjv  <j 
Xöyoc  A,  a  u.  B,  a. 

Später  ging  man  dazu  über,  den  Namen  des  Messias  selbst  fest- 
zustellen. Wir  geben  diese  Versuche  nachfolgend  in  der  geschichtlichen 
Reihenfolge  ihres  Auftretens  wieder.  Die  Messiasbezeichnungen, 
wie  Menschensohn,  Sohn  Davids,  Sohn  Gottes  usw.,  bleiben  jedoch  in 
diesem  Zus.hang  außer  Ansatz. 

Der  Messias  wird  heißen: 

a.  Schalom  (Friede).  Derekh  Ere^  Zuta  11  (21'^):  R.  Jose,  der  Galiläer  (um  110), 
sagte:  Auch  der  Name  des  Messias  heilst  Friede;  s.  Jes9,  5:  Ewig -Vater,  Friedefürsfc 
(die  ganze  Stelle  s.  bei  Eph  2, 14).  —  Eine  weitere  Belegstelle  Anm.  t  aus  Macase  Thora. 

b.  Chadrakh.  Siphre  Dt  §  1  (65^):  R.  J'^^huda  (b.  ElEai,  um  150)  hat  öffentlich  vor- 
getragen: Orakel,  Wort  Jahves  über  das  Land  Chadrakhs  (so  deutet  der  Midr  Sach  9, 1). 
Das  ist  der  Messias,  welcher  scharf  (nn)  ist  gegen  die  Völker  der  Welt  u.  mild  (-") 
gegen  Israel.'  —  Parallelstellen:  P^siq  143^;  in  Midr  HL  zu  7,  5  (127'^)  ist  statt  R.  W- 
chemja  zu  lesen  R.  J'^huda.  Dann  folgt  anonym  eine  zweite  Erklärung:  Chadrakh,  das  ist 
der  König,  der  Messias,  der  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  zur  Buße  leiten  wird  vor  Gott. 

^  Deutung  durch  Wortzerlegung,  s.  Einl.  107,  Nr.  30. 


MHtthI,21  («8  2)  65 

C.  Rischon  (der  Erste).  P^s  5^  Bar  aus  der  Schule  des  R.  Jischma?el  (um  150): 
Zum  Lohn  für  die  drei  , ersten"  (Feiertage  Lv  23,  7.  35.40)  wurden  die  Israeliten  dreier 
„Erster"  gewürdigt,  nämlich  der  Ausrottung  des  Samens  Esaus  (=  Roms),  des  Baues 
des  Heiligtums  u.  des  Namens  des  Messias.  Ausrottung  des  Samens  Esaus,  s.  Gn  25,25: 
Es  kam  der  „erste"  (=  Esau)  heraus  rötlich.  Bau  des  Heiligtums,  s.  Jerl7, 12:  Der 
Thron  der  Herrlichkeit  in  der  Höhe,  von  „Anfang"  an  die  Stätte  unsres  Heiligtums. 
Name  des  Messias,  s.  Jes  41,  27:  Der  „Erste"  für  Zion  (so  der  Midrasch),  siehe,  siehe, 
da  ist  es  nun! 

In  späterer  Zeit  ist  diese  Bar  in  modifizierter  Form  wieder  aufgenommen  worden 
von  drei  Amoräeru:  GnR  63  {39'^):  R.  Chaggai  (um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Ji9chaq 
(um  300)  gesagt:  Im  Verdienste  des:  „Ihr  sollt  euch  nehmen  am  , ersten' Tage"  (Lv23,40) 
will  ich  mich  als  „Ersten"  (=  Gott)  euch  offenbaren,  s.  Jes  44,  6:  Ich  bin  der  Erste 
u.  der  Letzte,  u.  ich  will  für  euch  Rache  nehmen  an  dem  „Ersten",  das  ist  Esau;  s. 
Gn25,  25:  Es  kam  der  „erste"  rot  heraus;  u.  ich  will  euch  das  „Erste"  bauen,  das 
ist  das  Heiligtum  (Jer  17, 12),  u.  ich  will  euch  den  „Ersten"  bringen,  das  ist  der  König, 
der  Messias  (Jes  41,  27).  Fast  gleichlautend  in  LvR  30  (128''j  u.  P^siq  185".  In  der 
ersteren  Stelle  ist  Autor  R.  Levi  (um  300),  Tradent  R.  B'rekhja  (um  340);  in  der  zweiten 
Autor  R.  Abba  bar  Kahana  (um  310),  Tradent  gleichfalls  R.  B'^rekhja. 

d.  David.  An  vielen  Stellen  läßt  sich  nicht  entscheiden,  ob  mit  „David"  der 
Messias  dieses  Namens  oder  der  aus  dem  Jenseits  zurückerwartete  König  David  ge- 
meint ist;  s.  hierzu  bei  Joh  1,  1  zu  fV  ('Q/tj  yjy  6  löyog. 

ChagH'':  Einmal  heißt  es  Dn7,  9:  „Sein  Thron  (Sing.)  waren  Feuerflammen", 
das  andre  Mal  heißt  es:  „Bis  daß  Throne  (Plur.)  hingestellt  wurden,  u.  der  Alte  der 
Tage  saß  nieder."  Das  ist  kein  Widerspruch:  der  eine  für  ihn  (Gott)  u.  der  andre  für 
David,  wie  es  in  einer  Bar  heißt:  der  eine  für  ihn  u.  der  andre  für  David,  das  sind 
Worte  des  R.  ^Aqiba  (f  um  135).  Parallelstelle  Sanh  38 b.  ||  M^g  \1^  (2 mal)  Bar  .  .  .: 
Wenn  Jerusalem  erbaut  ist,  kommt  David  (=  Messias),  s.  Hos  3,  5:  „Nachher  werden 
wiederkehren  die  Kinder  Israel  u.  suchen  nach  Jahve,  ihrem  Gott,  u.  nach  David, 
ihrem  König."  —  pB'^rakh  2,  4  (5*,  9)  folgen  auf  diese  Ausführung  die  Worte:  Die 
Rabbanan  haben  gesagt:  Wenn  dieser  König,  der  Messias,  aus  der  Zahl  der  Lebenden 
kommt,  so  wird  sein  Name  David  sein,  u.  wenn  er  aus  der  Zahl  der  P]ntschlafenen 
kommt,  so  wird  sein  Name  (gleichfalls)  David  sein.  R.  Tanchuma  (b.  Abba,  um  380) 
hat  gesagt:  Ich  gebe  als  Grund  an  Ps  18,  51:  Der  Gnade  erzeigt  seinem  Messias  (so  der 
Midrasch),  dem  David  '(vgl-  das  nächste  Zitat).  ||  Midr  KL  zu  1, 16  (Ende,  59^):  R.  J^'huda 
b.  Simon  (um  320)  hat  im  Namen  des  R.  Sch^muel  b.  Ji9chaq  (um  300)  gesagt:  Wenn 
dieser  König,  der  Messias,  von  den  Lebenden  kommt,  so  wird  David  sein  Name  sein; 
wenn  er  von  den  Verstorbenen  kommt,  so  wird  sein  Name  (gleichfalls)  David  sein. 
R.  Tanchuma  (b.  Abba,  um  380)  hat  gesagt:  Ich  will  als  Grund  angeben  Ps  18,  51;  es 
heißt  hier  nicht:  Der  Gnade  erweist  seinem  Messias  und  dem  David,  sondern:  seinem 
Messias,  dem  David. 

e.  Schilo.  Sanh  98'':  Die  Schule  des  R.  Schela  (ein  Babylonier,  um  220)  sagte: 
Schilo  wird  sein  (des  Messias)  Name  sein;  s.  Gn  49,  10:  „Bis  daß  Schilo  kommt." 
Ebenso  Midr  KL  zu  1, 16  (59'"^)  mit  dem  Zusatz:  t^'-^v  ist  geschrieben  (nicht  ^^h^^).  Zu 
Ehren  des  R.  Schela  sprachen  seine  Schüler  das  Wort  „Schela". 

/.  J innen.  Sanh  98'':  Die  Schule  des  R.  Jannai  (um  225)  sagte:  Jinnon  wird  sein 
(dvjs  Messias)  Name  sein;  s.  Ps  72, 17:  „Sein  Name  sei  in  Ewigkeit,  ehe  die  Sonne  war, 
war  Jinnon  sein  Name."  Ebenso  Midr  KL  zu  1, 16  (59").  ]|  Midr  Ps  93,  2  (in  den  älteren 
Ausgaben):  Weshalb  wird  sein  (des  Messias)  Name  Jinnon  genannt?  Weil  er  die  im 
Staube  Schlafenden  wird  aufsprossen  (auferstehn)  lassen.  (Die  Worte  fehlen  in  der 
Buberschen  Ausgabe;  sie  sind  entlehnt  aus  Pirqe  R.  Elicezer  32,  einem  dem  8.  Jahrh. 
angehörenden  Midraschwerke.) 

g.  Chanina.  Sanh  98 1':  Die  Schule  des  R.  Chanina  (b.  Chama,  um  225)  sagte: 
Chanina  wird  sein  Name  sein;  s.  Jer  16, 13:  „Weil  ich  euch  nicht  Chanina  (so  der 
Midrasch)  geben  werde."    Ebenso  Midr  KL  zu  1,  16  (59"). 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  5 


66  Matthl,21  (SB  2) 

h.  M'^nachem  ben  Chizqijja.  Sanli  98^:  Einige  (wohl  Zeitgenossen  der  in 
Anm.  <? — 5^  genannten  Schulen)  sagen:  M'^nachem  ben  Chizqijja  wird  sein  Name  sein; 
s.  KL  1,16;  ,Fern  von  mir  ist  M*^nachem  (Tröster  =  Messias),  der  meine  Seele  er- 
quicke." —  Den  Namen  M'^nachem  ben  Chizqijja  trägt  der  Messias  auch  pB^rakh  2,4 
(5«,  15);  Midr  KL  1,16  (58  b)  s.  zu  Mt  2,  5. 

i.  Chiwwara  d^bg  Rabbi  (=  der  Weiße,  d.h.  der  Aussätzige  vom  Hause  Rabbis). 
Sanh  98'':  Die  Rabbanan  (wohl  Zeitgenossen  der  in  Anm.  e—g  genannten  Schulen) 
sagten:  Der  „Aussätzige  aus  dem  Hause  Rabbis"  wird  sein  Name  sein,  denn  es  heißt 
Jes  53,  4:  Fürwahr  er  trug  unsre  Krankheit  u.  lud  auf  sich  unsre  Schmerzen.  —  Rabbi 
(J^huda  I.),  der  Ordner  der  Mischna,  der  seinem  Volk  zugut  13  jährige  Leiden  auf  sich 
nahm,  gilt  seinen  Schülern  als  der  Typus  des'  Messias;  daraus  erklärt  sich  der  von 
ihnen  konstruierte  Messiasname  (s.  bei  Lk  24,  26  I,  4  Anm.  /). 

k.  Jahve.  BB  Ib^x  R.  Sch'^'muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  R.  Jonathan 
(um  220;  so  zu  lesen  statt  R.  Jochanan)  habe  gesagt:  Drei  werden  nach  dem  Namen 
Gottes  genannt,  nämlich  die  Gerechten  (Jes  48,  7),  der  Messias  u.  Jerusalem  (Ez  48,  35). 
.  .  .  Der  Messias,  s.  Jer  23,  6:  Und  dies  sein  Name,  womit  man  ihn  nennen  wird:  , Jahve 
ist  unsre  Gerechtigkeit."  ||  Midr  KL  zu  1, 16  (58^):  Welches  ist  der  Name  des  Königs,  des 
Messias?  R.  Abba  bar  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Jahve  ist  sein  Name,  s.  Jer  23,  6: 
, Jahve  ist  unsre  Gerechtigkeit."  Denn  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Heil  der  Stadt,  deren 
Name  wie  der  Name  ihres  Königs  u.  der  Name  ihres  Königs  wie  der  Name  ihres  Gottes 
ist.  Heil  der  Stadt,  deren  Name  wie  der  Name  ihres  Königs  ist,  s.-  Ez  48,  35:  „Und  der 
Name  der  Stadt  ist  selbigen  Tages:  Jahve  ihr  Name"  (so  der  Midrasch);  u.  der  Name 
ihres  Königs  wie  der  Name  ihres  Gottes,  s.  Jer  23,  6  (Jahve  ist  unsre  Gerechtigkeit).  — 
Mehrfach  verändert  u.  mit  der  Belegstelle  Micha  5, 3  statt  Jer  23, 6  in  Midr  Ps  2 1  §  2  (89 ''). 
—  In  P'siq  148*  nur  R.  Levis  Ausspruch,  aber  erweitert  mit  dem  einleitenden  Satz,  daß 
Gott  zukünftig  sechs  Dinge,  darunter  auch  den  Namen  des  Messias,  erneuern  werde. 

l.  gemach  (Sproß).  pB^'rakh  2,  4  (5^,  12):  R.  J^ioschuac  b.  Levi  (um  250)  hat  ge- 
sagt: (^lemach  ist  sein  (des  Messias)  Name.  —  Midr  KL  1, 16  (58'^')  fügt  als  Beweisstelle 
hinzu  Sach  6,  12:  Siehe,  ein  Mann,  dessen  Name  (gemach.   Vgl.  auch  bei  Lk  1.,  78. 

m.  Natrona  oder  N'^tirutha  (der  Wächter,  der  Wartende).  In  einer  allegorischen 
Auslegung  von  Ex  12,  2 — 9  auf  die  4  Weltreiche,  die  R.  Ji^chaqs  (um  300)  Namen  trägt 
(Tradent  R.  B*^rekhja,  um  340),  heißt  es:  Wer  wird  euch  rächen  an  Edom  (=  Rom)? 
Antwort:  Netirutha,  s.  Ex  12,  6:  Es  (das  Lamm)  soll  euch  zur  Verwahrung  sein,  d.h. 
es  (das  4.  Weltreich)  soll  euch  aufgespart  bleiben,  bis  die  Stunde  der  Erlösung  kommt. 
(Weil  der  Messias  hierauf  wartet  u.  hierüber  wacht,  heißt  er  Netirutha  P'^siq  56*  oder 
Natrona  P^siqR  15  [79-''].) 

n.  M«nachem  (Tröster),  vgl.  Anm.  //.  pB'^rakh  2,  4  (5*,  12):  R.  Judan  (um  350)  hat 
im  Namen  des  R.  Aibo  (um  320)  gesagt:  M^'nachem  wird  sein  (des  Messias)  Name  sein. 
R.  Chanina  b.  Abbahu  (um  340)  hat  gesagt:  Es  liegt  keine  Meinungsverschiedenheit 
vor  (nämlich  wenn  bald  gemach,  bald  M'^nachem  als  Messiasname  angegeben  wird); 
denn  der  Zahlen  wert  (s.  Einl.  107,  Nr.  29)  des  einen  Wortes  ist  dem  des  andren  gleich: 
gemach  =  M'^'nachem  =  138.  —  Midr  KL  zu  1, 16  (58^)  fügt  KL  1, 16  als  Beweisstelle 
für  den  Messiasnamen  M'^'nachem  bei:  P'ern  von  mir  ist  M'^nachem.  —  Derselbe  Messias- 
name: Midr  Esth  zu  1, 1  (83*);  NuR  13  (169'=). 

O.  Bar-Naphlg  (Sohn  der  Verfallenen).  Sanh  96'':  Rah  Nachman  (b.  Jafaqob, 
t  320,  ein  Babylonier)  sprach  zu  R.  JiQchaq  (um  300):  Hast  du  vielleicht  gehört,  wann 
Bar-Naphle  kommen  wird?  Dieser  antwortete:  Wer  ist  Bar-Naphle?  Jener  sagte:  Der 
Messias.  Den  Messias  nennst  du  Bar-Naplile?  Ja;  s.  Am  9,  11:  „An  jenem  Tage  will 
ich  aufrichten  die  Hütte  Davids,  die  verfallene"  (nopheleth,  Wortspiel).  —  Der  Messias 
soll  mit  diesem  Namen  als  ein  Angehöriger,  ein  Sproß  des  heruntergekommenen  Israels 
bezeichnet  werden,  wohl  nach  Analogie  von  Jes  11, 1.  Immerhin  hat  der  Name  etwas 
Auffallendes;  deshalb  hat  die  mehrfach  ausgesprochene  Vermutung,  daß  das  Bar-Naphle 
aus  Bar-Niphli  =  vifi^  vecpeXaly  (Wolkensohn)  umgeändert  sei,  manches  für  sich.  Dann 
hätte  Rab  Nachman  den  griech.  Ausdruck  nach  Am  9.  11  gedeutet. 


Matth  1,21  (SB  2.  6)  67 

p.  N'^'liora  (Licht).   GnR  1  (2°):  R.  Abba  aus  S^rungin  (im  4.  Jahrli.?)  hat  gesagt 
^N^'hora  wohnt  bei  ihm"  (Gott,  Dn2,  22),  das  ist  der  König,  der  Messias;  s.  Jes  60,  1 
Steh  auf,  werde  Licht;  denn  dein  Licht  (=  Messias)  kommt.  —  Midr  KL  1,  16  (59^) 
R.  Biba  (lies  Abba)  aus  S'^'rungin  hat  gesagt:  N'^hira  (der  Erleuchtete)  wird  sein  (des 
Messias)  Name  sein;    s.  Dn2. 22:   N'^'hira   wohnt   bei   ihm;   N'^hira  steht  geschrieben 
(N^hora  Q'^re). 

q.  cAnani  (der  mit  den  Wolken  Kommende).  Targ  IChrS,  24:  ^cAnani",  das  ist 
der  König,  der  Messias,  der  sich  offenbaren  wird.  ||  TanchB  n-"-5ip  §  20  (70^):  Wer  ist 
lAnani  (1  Chr  8,  24)?  Das  ist  der  König,  der  Messias,  s.  Dn  7, 13:  „Ich  war  im  Schauen 
meiner  Nachtgesichte,  u.  siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels,  einem  Menschen  ähnlich, 
kam  einer."  —  Ebenso  Tanch  n-iVv-  Ende  (35=*);  Aggad  B''resch  44  fehlen  die  Worte. 

r.  Ephraim,  nur  in  spätem  Schriften,  zB  in  P'^'siqR  34—87  (10.  Jahrh.'?),  in  Pirqe 
Maschiach  (Beth  ha-Midrasch  3,  73).  Der  Name,  vermutlich  aus  Jer  31,9.  20  hergeleitet 
u.  gewissermafsen  als  Kosename  gemeint,  hat  nichts  zu  schaffen  mit  Messias  ben  Joseph 
oder  ben  Ephraim,  s.  bei  Lk  24,  26  I,  4  Anm.  q,  u.  Job  1,1  C,  6. 

S.  M'^nachem  ben  'Ammiel,  ebenfalls  nachtalmudisch,  zB  im  Sepher  Zerubbabel 
(Beth  ha-Midrasch  2,  55  f.).  —  In  PirqeR  EliJezer  19  (10'^)  u.  Midr  Ps  zu  \i2,  9  (ältere  Aus- 
gaben): „M^nachem  b. 'Ammiel  b.  Joseph",  so  daß  der  Schein  entsteht,  als  sollte  der 
Messias  ben  Joseph  damit  bezeichnet  werden.  Da  jedoch  Buber  Midr  Ps  92  §  10  (205*) 
die  einfache  Messiasbezeichnung  ,Ben  David"  hat,  wird  „Ben  Joseph"  als  Zusatz  in 
jenen  beiden  Stellen  zu  tilgen  sein. 

t.  Midr  Spr  19  §  21  (44=*)  sagt  zus. fassend:  Rab  Huna  (vermutlich  Pseudonym  u. 
deshalb  wertlos)  hat  gesagt:  Mit  sieben  Namen  wird  der  Messias  genannt:  Jinnon  s. 
Ps  72, 17;  (Jahve)  unsre  Gerechtigkeit  s.  Jer  23,  6;  (gemach  s.  Sach  6, 12;  M'nachem  s. 
Jes  31,  3:  Denn  trösten  will  Jahve  Zion ;  David  s.  Psl8,  51;  Schilo  s.  Gn  49, 10;  Elias 
s.  Mal  3,23:  Siehe  ich  will  euch  senden  den  Elias.  ||  Eine  andre  Aufzählung  Midr  Ma<ase 
Thora  (Beth  ha-Midrasch  2, 100):  Acht  Namen  hat  der  Messias:  Jinnon,  (gemach,  Ma- 
schiach, Pele',   JoEeg,  El-Gibbor,  Abi-EAd  u.  Öar-Schalom. 

1, 21(^:  Denn  erwi  r  d  sein  Volk  er  retten,(Tw(r£<,  von  ihren  Sünden. 

Im  AT  erscheint  durchgängig  Gott  als  der  Erlöser  seines  Volks. 
Gerade  in  der  Stelle,  in  der  der  Jesusname  gleichsam  präformiert 
liegt,  Hos  1,  7,  sagt  Gott:  „Des  Hauses  Juda  will  ich  mich  erbarmen, 
u.  ich  will  ihnen  Heil  schaffen  cirs^rini  durch  Jahve,  ihren  Gott." 
Wenn  nun  Mt  1,21  die  Erlösung  Israels  an  Jesum  geknüpft  wird,  so 
werden  beide  Gedankenreihen  so  zu  vereinigen  sein,  daß  der  Messias 
als  das  Organ  Gottes  bei  der  Heilsbeschaffung  anzusehn  ist,  —  Dieser 
Gedanke  war  schon  der  vorchristl.  Synagoge  nicht  fremd.  So  wird 
bereits  Ps  Sal  17. 18  (aus  der  Zeit  63 — 48  v.  Chr.)  der  Messias  als  der 
Erlöser  Israels  gefeiert:  von  Gott  mit  Kraft  gegürtet,  zerschmettert  der 
.Messias  Jahves  (17,32;  18,7)  die  ungerechten  Herrscher;  Jerusalem 
reinigt  er  von  Heiden  u.  mit  dem  Wort  seines  Mundes  vernichtet  er 
die  gottlosen  Völker  (17,  22.  24);  die  Heidenvölker  hält  er  unter  seinem 
Joch,  daß  sie  ihm  dienen,  u.  den  Herrn  verherrlicht  er  vor  der  ganzen 
Welt.  Jerusalem  macht  er  rein  u.  heilig,  wie  es  zu  Anfang  war,  so 
daß  alle  Völker  kommen,  seine  Herrlichkeit  zu  schauen,  als  Geschenk 
darbringend  Israels  ermattete  Söhne  (17,  30 f.);  die  Erde  zerschlägt  er 
mit  dem  Wort  seines  Mundes  für  immer,  aber  das  Volk  des  Herrn 
segnet  er  mit  Weisheit  in  Frieden  (17.35).   So  aktiv  hier  die  Erlöser- 


68  Matth  1,  21  (6) 

tätigkeit  des  Messias  geschildert  ist  —  im  Hintergrunde  steht  doch 
als  eigentlicher  Urheber  alles  Heiles  Gott:  Der  Herr  selbst  ist  unser 
König  immer  u.  ewig!  Selig,  wer  in  jenen  Tagen  leben  wird  u.  schauen 
darf  das  Heil  Israels  in  der  Vereinigung  der  Stämme,  wie  es  Gott 
bewirkt  (17,  46.  44;  18,  6).  —  In  den  Testamenten  der  12  Patriarchen 
(wohl  noch  aus  vorchristl.  Zeit)  wird  der  Messias  ausdrücklich  als  der 
bezeichnet,  „der  Israel  erlösen  soll"  (TestLevi  2),  u.  Test  Jud  24  fügt 
hinzu,  daß  er  richten  u.  retten  werde  alle,  die  den  Herrn  anrufen.  — 
Besonders  verherrlichen  die  Bilderreden  des  Buches  Henoch  (gleichfalls 
aus  vorchristl.  Zeit)  die  rettende  u.  richtende  Tätigkeit  des  Messias. 
Er  macht  die  Könige  von  ihren  Lagern  u.  die  Starken  von  ihren 
Thronen  sich  erheben  (46,  4;  48,  5.  10;  62,9);  alles  gottlose  Wesen  in 
der  unteren  u.  oberen  Welt  wird  vor  seinen  Richterstuhl  gestellt  (41, 9; 
45,  3;  51,  2;  62,  3  ff.;  69,  27;  55,  4;  61,  8  f.),  die  Gerechten  aber  werden 
in  seinem  Namen  gerettet  (48,  7).  —  Ja  die  Bilderreden  übertragen 
sogar  solche  alttestamentl.  Stellen,  die  ausdrücklich  von  Gottes  end- 
geschichtlichem Einschreiten  handeln,  ohne  Bedenken  auf  den  Messias 
—  man  vgl.  53, 1  mit  Joel  4,  2  ff.  u.  52,  6  mit  Micha  1,  4  — ,  eine  Er- 
scheinung, die  eben  darin  ihre  Erklärung  findet,  daß  man  in  dem 
Messias  das  geschöpfliche  Werkzeug  gesehen  hat,  dessen  sich  Gott 
einst  zur  Erlösung  seines  Volks  bedienen  wird.  So  kann  auf  den 
Messias  gedeutet  werden,  was  sich  ursprünglich  auf  Gott  bezog. 

In  der  nachchristl.  Zeit  herrscht  die  gleiche  Anschauung.  Einerseits 
soll  der  Messias  die  heidnischen  Weltmächte  vernichten  u.  Israel  aus 
der  Knechtschaft  befreien  (er  heißt  deshalb  kurzweg  der  Erlöser,  bx-is, 
auch  wohl  der  letzte  oder  der  große  Erlöser  zur  Unterscheidung  von 
früheren  menschlichen  Rettern  Israels,  wie  Mose,  Esther  u.  andere)  ;a 
andrerseits,  u.  zwar  in  der  Mehrzahl  der  Stellen,  wird  die  Erlösung 
von  Gott  selbst  erwartet,  u.  diese  Erwartung  wird  einigemal  so  ge- 
flissentlich betont,  daß  der  Eindruck  entsteht,  als  sollte  damit  gegen 
eine  andre  Meinung  polemisiert  werden,  b 

a.  4  Esra  12,  31 — 34:  Der  Löwe,  .  .  .  das  ist  der  Christus,  den  der  Höchste  bewahrt 
für  das  Ende  der  Tage,  der  aus  dem  Samen  Davids  erstehn  u.  auftreten  wird,  um  zu 
ihnen  zu  reden;  er  wird  ihnen  (den  feindlichen  Weltmächten)  die  Gottlosigkeiten  vor- 
halten, die  Ungerechtigkeiten  strafen,  die  Frevel  vor  Augen  führen.  Denn  er  wird  sie 
zunächst  lebendig  vor  Gericht  stellen;  dann  aber,  nachdem  er  sie  überwiesen,  wird  er 
sie  vernichten.  Den  Rest  meines  Volkes  aber,  die  in  meinem  Lande  übriggeblieben 
sind,  wird  er  gnädig  erlösen  u.  ihnen  Freude  verleihen,  bis  das  Ende,  der  Tag  des 
Gerichtes,  kommt.  ||  13,  87  f.:  Er  aber,  mein  Sohn  (=  Messias),  wird  den  Völkern,  die 
wider  ihn  gezogen  sind,  ihre  Sünden  strafen  —  ...  dann  wird  er  sie  mühelos  vernichten 
durch  sein  Geheiß.  —  ||  Apok  Bar  39,  7:  Wenn  die  Zeit  seines  (des  römischen  Reiches) 
Endes  herbeigekommen  ist,  daß  es  zu  Falle  kommen  wird,  alsdann  wird  sich  die  Herr- 
schaft meines  Messias  offenbaren  .  .  .,  u.  wenn  sie  erschienen  ist,  so  wird  sie  seine 
(Roms)  ganze  große  Schar  ausrotten.  ||  72,  2  — 6:  Wenn  ...  die  Zeit  meines  Messias 
kommen  wird,  da  wird  er  alle  Völker  berufen;  u.  einige  wird  er  am  Leben  erhalten, 
einige  töten.  .  .  .  Jedes  Volk,  das  Israel  nicht  kennt  u.  nicht  das  Geschlecht  Jakobs 
niedergetreten  hat,  dieses  soll  leben  bleiben.  .  .  .  Alle  die  aber,  die  sich  der  Herrschaft 


Matthl,21(6)  69 

über  euch  bemächtigt  oder  die  euch  gekannt  haben,  alle  diese  sollen  dem  Schwert 
überliefert  werden.  —  ||  Orak.  Sibyl^.  5,414 — 419:  Es  kam  vom  Himmelsgewölbe  ein 
seliger  Mann  (gemeint  ist  der  Messias),  das  Zepter  in  den  Händen  tragend,  welches 
Gott  ihm  verliehen,  u.  brachte  alles  schön  in  seine  Gewalt  u.  gab  zurück  allen  Guten 
den  Reichtum,  den  die  früheren  Männer  genommen  hatten.  Alle  Städte  nahm  er  von 
Grund  aus  ein  mit  vielem  Feuer  u.  verbrannte  die  Volksgemeinden  der  vorher  Böses 
beginnenden  Sterblichen.  ||  Targ  Jes  10,27:  In  dieser  Zeit  wird  hinschwinden  seine 
(Assurs  =  der  Weltmacht)  Herrschaft  von  dir  u.  sein  Joch  von  deinem  Halse,  u.  es 
werden  die  Völker  vor  dem  Messias  zerschmettert  werden.  ||42,  6f. :  Ich  mache  dich 
(=  Messias)  zum  Bund  des  Volkes,  zum  Licht  der  Völker,  zu  öffnen  die  Augen  des 
Hauses  Israel,  die  wie  Blinde  sind  gegenüber  der  Lehre,  herauszuführen  ihre  Verbannten 
aus  den  Völkern,  die  den  Gefangenen  gleichen,  u.  um  sie  zu  erlösen  aus  der  Knecht- 
schaft der  Reiche,  die  eingekerkert  sind  wie  die  in  der  Finsternis  Gefangenen.  ||  52, 13  ff.: 
Siehe  es  wird  gelingen  meinem  Knecht,  dem  Messias;  er  wird  erhaben  sein  u.  groß  u. 
mächtig  werden  gar  sehr.  Wie  das  Haus  Israel  auf  ihn  gehofft  hat  viele  Tage  hin- 
durch, da  ihr  Aussehen  u.  ihr  Glanz  dürftig  war  vor  den  Menschenkindern:  so  wird 
er  viele  Völker  zerstreuen;  seinetwegen  werden  Könige  verstummen,  ihre  Hände  auf 
ihren  Mund  legen;  denn  was  ihnen  nicht  erzählt  worden,  sehen  sie,  u.  was  sie  nicht 
gehört  haben,  schauen  sie.  —  Er  wird  ein  Ende  machen  der  Herrlichkeit  aller  Reiche, 
sie  werden  schwach  sein  u.  trauern.  —  Die  Mächtigsten  der  Völker  wird  er  wie  ein 
Lamm  zur  Schlachtung  hingeben  u.  wie  ein  Schaf,  das  vor  seinem  Scherer  verstummt, 
u.  niemand  ist  ihm  gegenüber  da,  der  seinen  Mund  öffnete,  ein  Wort  zu  sagen.  —  Aus 
der  Knechtschaft  der  Völker  wird  er  ihr  Leben  erlösen,  sie  werden  die  Strafe  ihrer 
Hasser  sehen,  sich  sättigen  an  der  Beute  ihrer  Könige.  |I  TanchB  r.^^^^r  §  6  (46'^):  (Dn 
2,34):  „Du  warst  im  Schauen,  bis  daß  ein  Stein  losgerissen  wurde."  Resch  Laqisch 
(um  250)  hat  gesagt:  Das  ist  der  König,  der  Messias.  „Der  traf  das  Bild  an  seine 
Füße",  das  geht  auf  alle  Reiche,  die  sich  am  Bilde  befanden.  .  .  .  Denn  er  wird  die 
ganze  Welt  vernichten,  s.  Jes  11,  4:  Er  schlägt  die  Erde  mit  dem  Stab  seines  Mundes. 
Dasselbe  Tanchn»3i-r  (101^).  ||  TanchB ---i  §  12  (110-'):  Aus  dir  (Juda)  wird  der  Messias 
hervorgehn,  der  Israel  erretten  wird  yv^v,  s.  Jes  11,1:  „Ein  Reis  wird  aufgehn  aus  dem 
Strunk  Isais"  usw.  (TanchB  2-i>v  §  13  (92^),  s.  oben  S.  16«.  Ii  Midr  Ps  29  §2  (116^):  Wenn 
der  Messias  gekommen  u.  an  den  Gottlosen  der  Weltvölker  Rache  genommen  haben 
wird,  wird  sofort  das  Heiligtum  erbaut  werden.  —  |]  Achtzehn-Gebet  1  (bab.  Rezens.): 
Gelobt  seist  du  Jahve,  unser  Gott  .  .  .,  der  gute  Gnaden  spendet  u.  alles  schafft,  der 
gedenkt  der  Gnaden  der  Väter  u.  sich  erbarmt  über  ihre  Kinder  u.  ihren  Kindeskindern 
einen  Erlöser  bringt  um  seines  Namens  willen  aus  Liebe.  —  ||  GnR  70  (45  '^) :  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  Es  steht  geschrieben  Hos  12, 13:  „Geflohen  ist  Jakob  nach  der  Trift 
Arams  u.  gedient  hat  Israel  um  ein  Weib."  Gott  sprach  zu  ihnen:  Euer  Schicksal 
gleicht  dem  des  Jakob,  eures  Vaters;  wie  euer  Vater  J.  geknechtet  wurde,  bevor  er  ein 
Weib  nahm,  u.  geknechtet  wurde,  nachdem  er  ein  Weib  genommen  hatte,  so  werdet 
auch  ihr  geknechtet  sein,  bevor  der  Erlöser  geboren  ist,  u.  geknechtet  sein,  nachdem 
der  Erlöser  geboren  ist.  ||  P^siq49'':  R.  B'^rekhja  (um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Levi 
(um  300)  gesagt:  Wie  der  erste  Erlöser  (Mose),  so  der  letzte  Erlöser  (Messias).  Wie 
der  erste  Erlöser  sich  ihnen  (Israel)  offenbarte  u.  dann  wieder  sich  vor  ihnen  verbarg, 
so  wird  auch  der  letzte  Erlöser  ihnen  sich  offenbaren  u.  dann  wieder  vor  ihnen  ver- 
bergen. Dasselbe  Midr  Ruth  2, 14  (132  b);  P^siqR  15  (72  b);  NuR  11  (162  b);  anonym  Midr 
HL  2, 9  (100*).  —  11  Midr  Qoh  1, 9  (9^) :  R.  B'^rekhja  (um 340)  hat  im  Namen  des  R.  Ji9chaq 
(um  300)  gesagt:  Wie  der  erste  Erlöser,  so  der  letzte  Erlöser.  Wie  es  vom  ersten  Er- 
löser heißt  Ex  4,  20:  „Mose  nahm  sein  Weib  u.  seine  Söhne,  ließ  sie  auf  einem  Esel 
reiten",  so  auch  der  letzte  Erlöser,  s.  Sach  9,9:  „Niedrig  u.  reitend  auf  einem  Esel" 
Wie  der  erste  Erlöser  das  Manna  herabfallen  ließ,  s.  Ex  16,  4:  „Siehe,  ich  will  auf 
euch  Brot  vom  Himmel  regnen  lassen",  so  wird  auch  der  letzte  Erlöser  das  Manna 
herabfallen  lassen,  s.  Ps  72, 16:  „Weizenbrot  wird  auf  der  Erde  liegen"  (so  der  Midrasch). 
Wie  der  erste  Erlöser  den  Brunnen  aufsteigen  ließ,  so  wird  auch  der  letzte  Erlöser 


70  Matth  1,21  (6.2  A) 

das  Wasser  aufsteigen  lassen,  s.  Nu  20, 11  u.  Joel  4, 18.  —  Der  Anfang  mit  R.  Levi  (um 
300)  als  Autor  auch  Midr  Sm  14  §  9  (45^).  |I  NuR  14  (172'>):  ,Mein  ist  Gilead,  mein 
Manasse"  Ps  60,  9.  Während  es  viele  Meinungsverschiedenheiten  über  die  Messiasse 
gibt  —  die  einen  sagen,  es  gebe  sieben,  s.  Micha  5,  4:  „Wir  werden  wider  ihn  (Assur 
—  Weltmacht)  sieben  Hirten  aufbringen";  u.  die  andren  sagen,  es  gebe  acht,  s.  Micha 
5,  4:  „Ja  acht  Menschenfürsten "  — ,  so  sind  doch  nur  vier  klar  u.  deutlich  angegeben, 
s.  Sach2,  3f.:  „Jahve  ließ  mich  vier  Schmiede  sehen.  Da  sprach  ich:  Was  kommen 
diese  zu  tun?  Er  sprach:  Das  sind  die  Hörner,  welche  Juda  verstreut  haben  .  .  .,  so 
sind  nun  diese  gekommen,  um  jene  zu  schrecken,  um  die  Hörner  der  Heiden  nieder- 
zuwerfen." Und  das  sind  die  vier  Schmiede,  wie  sie  David  erklärt  hat:  „Mein  ist 
Gilead",  das  ist  Elias,  der  zu  den  Bewohnern  Gileads  gehörte;  „mein  ist  Manasse", 
das  ist  der  Messias,  der  von  den  Söhnen  Manasses  erstehn  wird,  s.  Ps  80, 3:  Vor  Ephraim 
u.  Benjamin  u.  Manasse  her  erwecke  deine  Heldenkraft;  „Ephraim  der  Schutz  meines 
Hauptes",  das  ist  der  Kriegsgesalbte  (=  sonst  Messias  b.  Joseph  oder  b.  Ephraim),  der 
von  Ephraim  kommen  wird,  s.  Dt  33, 17:  „Sein  erstgeborner  Stier  (=  Ephraim  u.  dessen 
Nachkommen).  .  .  .  Damit  stößt  er  Völker  nieder";  „Juda  mein  Herrscherstab",  das  ist 
der  große  Erlöser,  der  aus  den  Nachkommen  Davids  erstehn  soll.  (Außer  dem  Stamm 
Juda  wird  den  drei  Ps  80,  3  genannten  Stämmen  je  ein  messianischer  Retter  zugewiesen: 
Benjamin  gehört  Elias  an,  Ephraim  der  Messias  b.  Joseph,  Manasse  der  Messias  b.  Ma- 
nasse, der  in  der  Parallelstelle  Sukka  52''  „Kohen-^edeq",  u.  P'^'siq  ö  1 '"* ;  Midr  HL  zu 
2,  13  (100'')  u.  P^siqR  15  (75^)  „Malki-^edeq"  genannt  wird.  Mit  ihm  ist  der  Hohe- 
priester der'Messiaszeit  gemeint,  der  kein  andrer  sein  dürfte  als  Pin'^'chas,  der  Eiferer; 
von  diesem  wird  BB  109''  gesagt,  daß  er  mütterlicherseits  von  Joseph  abstamme; 
daher  kann  er  an  unsrer  Stelle  auch  als  ein  Nachkomme  Manasses  bezeichnet  werden. 
Das  Nähere  s.  im  Exkurs:   „Elias". 

b.  Midr  Ps  36  §  6  (125''):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Israel  wurde  in  Ägypten 
geknechtet,  u.  Mose  stand  auf  u.  erlöste  sie;  dann  wurden  sie  in  Babel  geknechtet, 
u.  Daniel.  Chananja,  Mischael  u.  cAzarja  standen  auf  u.  erlösten  sie;  dann  wurden  sie 
geknechtet  in  cElam,  Medien  u.  Persien,  u.  Mardokhai  u.  Esther  standen  auf  u.  erlösten 
sie;  dann  wurden  sie  von  Griechenland  geknechtet,  u.  der  Hasmonäer  (=  Matthathias) 
u.  seine  Söhne  standen  auf  u.  erlösten  sie;  wieder  wurden  sie  geknechtet  von  dem 
frevlerischen  Edom  (--  Rom).  Da  sprachen  die  Israeliten:  Siehe,  wir  sind  des  müde, 
daß  wir  geknechtet  u.  erlöst  u.  immer  wieder  geknechtet  werden;  jetzt  wünschen  wir 
keine  Erlösung  mehr  durch  Fleisch  u.  Blut,  sondern  unser  Erlöser  ist  Jahve  Q'^baoth, 
dessen  Name  der  Heilige  Israels!  ||  Midr  Ps  107  §  1  (231^):  R.  B<^rekhja  (um  340)  hat 
im  Namen  des  R.  Chelbo  (um  300)  im  Namen  des  R.  Sch*^muel  (b.  Nachman,  um  260) 
gesagt:  Wer  ist  gemeint  Psl07,  2:  „Sagen  werden  die  Erlösten  Jahves"?  Antwort: 
Die  Israeliten.  Ebenso  hat  es  Jesaja  erklärt  35, 10:  „Die  Losgekauften  Jahves  werden 
zurückkehren."  Nicht  die  von  Elias  Losgekauften,  auch  nicht  die  vom  König,  dem 
Messias,  Losgekauften,  sondern  die  von  Jahve  Losgekauften,  s.  Ps  107,2:  „Die  Erlösten 
Jahves."  Anonyme  Aussprüche  verwandten  Inhalts  finden  sich  oft;  zB  P^'siq  110''; 
TanchB --r- §17  (40'');  -rs  §  18  (36«);  Midr  Ps  31  §  2  (119-'');  50  §3  (140''). 

1,21^:  Von  ihren  Sünden. 
A.  Die  vor.christl.  Pseudepigraphen  lassen  mit  dem  Auftreten  des 
Messias  die  Zeit  der  seligen  Endvollendung  beginnen,  a  Da  man  an- 
nahm, daß  die  Höhenlage  der  letzteren  derjenigen  des  paradiesischen 
Urstandes  entsprechen  werde, b  so  galt  die  Sündenreinheit  der  messian. 
Heilsgemeinde  als  ein  selbstverständliches  Postulat.  Der  sündenfreie 
Zustand  wird  nach  mehrfachen  Zeugnissen  herbeigeführt  werden: 
a.  negativ:  durch  das  Gericht  über  die  Gottlosen, c  das  die  Sünder  aus 
Israel  wesschafft  u.  nur  die  Gerechten  als  den  auserwählten  Rest  in  der 


Matth  1,  21  (2)  A)  71 

Gemeinde  übrigläßt;  ferner  durch  die  Vernichtung  der  dämonischen 
Verführungsmächte  ;d  ß-  positiv:  durch  eine  neue  Geistesmitteilung, e 
die  die  Heilsgenossen  zu  gerechtem  Wandel  tüchtig  macht,  u.  durch 
das  gerechte,  das  Volk  vor  Sünde  bewahrende  messian.  Regiment,  g  — 
Der  Messias  hat  an  der  Herstellung  dieses  Zukunftsideales  nur  insofern 
teil,  als  er  jene  Funktionen  des  Richtens*  u.  Leitensg  ausübt.  Keines- 
wegs aber  wird  die  Erlösung  von  der  Sünde  notwendig  oder  organisch 
mit  seinem  Beruf  verknüpft:  das  erhellt  namentlich  daraus,  daß  die 
Entfernung  des  gottwidrigen  Wesens  aus  Israel  nach  einigen  Stellen 
durch  den  Engel  Michael  h  oder,  zum  Teil  wenigstens,  durch  den 
Hohenpriester«  der  Endzeit  erfolgt.  Die  Tilgung  der  Sünde  wird  überall 
als  die  Folge  einer  Machtwirkung  gedacht;  eine  Überwindung  der- 
selben durch  das  sühnende  Eingehn  des  Messias  unter  ihre  Folgen 
kennt  das  vorchristl.  Judentum  nicht. 

a.  Belege  s.  im  Exkurs:  , Diese  Welt,  die  Tage  des  Messias  u.  die  zukünftige  Welt." 

b.  Henoch25,4:  Diesen  wohlriechenden  Baum  (Lebensbaum  des  Paradieses)  hat 
kein  Fleisch  die  Macht  anzurühren,  bi^  zu  dem  großen  Gericht  (in  der  messian.  End- 
zeit), in  welchem  Gott  an  allen  Rache  nimmt,  u.  die  Vollendung  für  immer  stattfindet; 
dann  wird  er  den  Gerechten  u.  Demütigen  übergeben  werden.  Seine  Frucht  wird  den 
Auserwählten  zum  Leben  dienen,  u.  er  wird  zur  Speise  an  den  heiligen  Ort  bei  dem 
Hause  Gottes  (Tempel  Jerusalems),  des  Königs  der  Ewigkeit,  verpflanzt  werden,  li  Test 
Levi  18:  Er  selbst  (der  Hohepriester  der  messian.  Zeit)  wird  die  Türen  des  Paradieses 
öffnen,  u.  er  wird  wegstellen  das  gegen  Adam  drohende  Schwert  u.  wird  den  Heiligen 
zu  essen  geben  von  dem  Holz  ( =  Baum)  des  Lebens,  u.  der  Geist  der  Heiligkeit  wird 
auf  ihnen  sein.  Weiteres  s.  bei  Mt  11,  5. 

C.  Henoch  91,  7  f.:  Der  heilige  Herr  wird  mit  Zorn  u.  Strafe  hervortreten,  um  Ge- 
richt auf  Erden  zu  halten.  In  jenen  Tagen  wird  die  Gewalttätigkeit  von  ihren  Wurzeln 
abgeschnitten  werden,  ebenso  die  Wurzeln  der  Ungerechtigkeit  zugleich  mit  dem  Be- 
trug, u.  sie  werden  unterhalb  des  Himmels  vernichtet  werden.  |l  91,  14:  Danach  wird 
in  der  neunten  Woche  (—  Messiaszeit)  das  Gericht  der  Gerechtigkeit  der  ganzen  Welt 
offenbart  werden,  u.  alle  Werke  der  Gottlosen  werden  von  der  ganzen  Erde  verschwinden ; 
die  Welt  wird  für  den  Untergang  aufgeschrieben  werden,  u.  alle  Menschen  werden 
nach  dem  Wege  der  Rechtschaffenheit  schauen.  ||  92,5:  Die  Sünde  wird  in  Finsternis 
für  ewig  vernichtet  werden  u.  nun  nicht  mehr  von  jenem  Tag  an  bis  in  Ewigkeit  er- 
scheinen. ll  100,  4  f.:  Der  Höchste  wird  sich  an  jenem  Tage  des  Gerichts  aufmachen, 
um  das  große  Gericht  unter  den  Sündern  zu  halten  .  .  .,  bis  er  aller  Schlechtigkeit  u. 
aller  Sünde  ein  Ende  gemacht  hat.  \\  108,  2  f.:  Ihr,  die  ihr  Gutes  getan  habt,  wartet 
auf  diese  Tage,  bis  denen,  die  Böses  tun,  ein  Ende  gemacht  ist,  u.  die  Macht  der 
Frevler  ein  Ende  hat.  Wartet  nur,  bis  die  Sünde  vergangen  ist;  denn  ihre  Namen 
werden  aus  den  Büchern  der  Heiligen  ausgelöscht  u.  ihre  Nachkommen  für  immer 
'vertilgt  werden.  —  |1  Jubil  50,  5:  Die  Jubiläen  werden  vergehn,  bis  Israel  rein  ist  von 
aller  Sünde  der  Hurerei  u.  der  Unreinigkeit  u.  der  Befleckung  u.  der  Schuld  u.  der 
Verirrung  u.  im  ganzen  Lande  wohnt,  sicher  u.  ohne  daß  es  irgendeinen  Widersacher 
u.  ohne  daß  es  irgendeinen  Bösen  hat.  Und  das  Land  wird  rein  sein  von  da  an  bis 
in  alle  Zeiten. 

d.  Jubil  23,29:  Alle  ihre  Tage  (in  der  messian.  Zeit)  werden  sie  in  Frieden  u.  in 
Freude  vollenden  u.  leben,  indem  es  keinen  Satan  u.  keinen  Bösen  gibt,  der  sie  ver- 
dirbt, sondern  alle  ihre  Tage  werden  Tage  des  Segens  u.  des  Heils  sein.  —  ||  Test  Dan  5: 
Es  wird  euch  aufgehn  aus  dem  Stamm  Judas  u.  Levis  das  Heil  des  Herrn;  u.  er  selbst 
wird  gegen  den  Beliar  Krieg  führen  u.  die  Rache  des  Siegs  wird  er  unsren  Grenzen 


72  Matthl,21  (2)  A) 

geben.  —  ||  Test  Jud  25:  Es  wird  kein  Geist  des  Irrtums  des  Beliar  mehr  sein;  denn 
er  wird  in  das  Feuer  geworfen  werden  bis  in  Ewigkeit.  (Der  Armenier  liest:  Es  be- 
finde sich  in  euch  nicht  der  Geist  des  Irrtums;  denn  die  unreinen  Geister  werden  in 
das  ewige  Gericht  geworfen  werden.)   Ferner  s.  Test  Levi  18  gegen  Ende. 

e.  Test  Jud  24:  Er  selbst  (Gott)  wird  ausgießen  den  Geist  der  Gnade  über  euch 
(^nämlich  wenn  der  Stern  aus  Jakob  [=  Messias]  aufgeht),  u.  ihr  werdet  seine  Söhne 
in  Wahrheit  sein  u.  werdet  wandeln  in  seinen  Geboten,  den  ersten  u.  letzten.  (Der 
Armenier:  „Geist  der  Wahrheit"  statt  , Geist  der  Gnade".)  —  |1  Jubill,2;3:  Danach 
werden  sie  (Israel)  in  aller  Aufrichtigkeit,  mit  ganzem  Herzen  u.  mit  ganzer  Seele  zu 
mir  umkehren,  u.  ich  werde  die  Vorhaut  ihres  Herzens  u.  die  Vorhaut  des  Herzens 
ihrer  Nachkommen  beschneiden  u.  werde  ihnen  einen  heiligen  Geist  schaffen  u.  sie  rein 
machen,  so  daß  sie  sich  nicht  mehr  von  mir  wenden  von  diesem  Tag  an  bis  in  Ewig- 
keit. —  Ferner  s.  Henoch  5,  8  f.  bei  Mt  11,  5. 

/.  Henoch  62,2:  Der  Geist  der  Gerechtigkeit  war  über  ihn  (den  Messias)  aus- 
gegossen; die  Rede  seines  Mundes  tötete  alle  Sünder,  u.  alle  Ungerechten  wurden  vor 
seinem  Angesicht  vernichtet.  ||  69,  27  ff. :  Die  Summe  des  Gerichts  wurde  ihm,  dem 
Menschensohn  (=  Messias),  übergeben,  u.  er  läßt  die  Sünder  u.  die,  welche  die  Welt 
verführt  haben  (gefallene  Engel,  Dämonen),  von  der  Oberfläche  der  Erde  verschwinden 
u.  vertilgt  werden;  .  .  .  alle  ihre  Werke  verschwinden  von  der  Erdoberfläche.  Von  jetzt 
an  wird  nichts  Verderbliches  mehr  da  sein.  Denn  jener  Mannessohn  ist  erschienen  u. 
hat  sich  auf  den  Thron  seiner  Herrlichkeit  gesetzt,  u.  alles  Böse  wird  vor  seinem  An- 
gesicht verschwinden  u.  vergehn.  i|  55,4:  Ihr  Könige  u.  Mächtigen,  die  ihr  auf  dem  Fest- 
lande wohnen  werdet,  ihr  sollt  meinen  Auserwählten  sehn,  wenn  er  auf  dem  Throne 
meiner  Herrlichkeit  sitzen  u.  den  Asasel  (einen  der  Führer  der  gefallenen  Engel,  Henoch 
6  ff.),  seine  ganze  Genossenschaft  u.  alle  seine  Scharen  im  Namen  des  Herrn  der  Geister 
richten  wird.  —  ||  Ps  Sal  17,  22ff. :  Gürte  ihn  (den  Messias)  mit  Kraft,  daß  er  ungerechte 
Herrscher  zerschmettere,  Jerusalem  reinige  von  den  Heiden,  die  es  kläglich  zertreten ! 
Weise  u.  gerecht  treibe  er  die  Sünder  weg  vom  Erbe,  zerschlage  des  Sünders  Übermut 
wie  Töpfergefäße. 

g.  Ps  Sal  17, 26  ff.:  Dann  wird  er  (der  Messias)  ein  heiliges  Volk  zusammenbringen, 
das  er  mit  Gerechtigkeit  regiert,  u.  wird  richten  die  Stämme  des  vom  Herrn,  seinem 
Gotte,  geheiligten  Volks.  Er  läßt  nicht  zu,  daß  ferner  Unrecht  in  ihrer  Mitte  weile, 
u.  niemand  darf  bei  ihnen  wohnen,  der  um  Böses  weiß.  Vers  29:  Er  richtet  die  Völker 
u.  Stämme  nach  seiner  gerechten  Weisheit.  Vers  32:  Er  herrscht  als  gerechter  König, 
von  Gott  unterwiesen,  über  sie,  u.  in  seinen  Tagen  geschieht  kein  Unrecht  unter  ihnen, 
weil  sie  alle  heilig  sind.  u.  ihr  König  der  Gesalbte  des  Herrn  ist.  Vers  35  f.:  Er  segnet 
das  Volk  des  Herrn  mit  Weisheit  in  Freuden.  Und  er  ist  rein  von  Sünde,  daß  er  herrschen 
kann  über  ein  großes  Volk,  in  Zucht  halten  die  Obersten  u.  wegschaffen  die  Sünder 
mit  mächtigem  Wort.  Vers  40  f.:  Mächtig  von  Tat  u.  stark  in  der  Furcht  Gottes  hütet 
er  des  Herrn  Herde  treu  u.  recht  u.  läßt  nicht  zu,  daß  eines  von  ihnen  auf  ihrer  Weide 
strauchle.  Gerade  leitet  er  sie  alle,  u.  unter  ihnen  ist  kein  Übermut,  daß  Gewalttat 
unter  ihnen  verübt  würde.  ||  18,  6  ff. :  Selig,  wer  in  jenen  Tagen  (in  der  messian.  Zeit) 
leben  wird  u.  schauen  darf  das  Heil  des  Herrn,  das  er  dem  kommenden  Geschlechte 
schafft  unter  der  Zuchtrute  des  Gesalbten  des  Herrn  in  der  Furcht  seines  Gottes,  in  . 
geistgewirkter  Weisheit,  Gerechtigkeit  u.  Stärke,  daß  er  leite  einen  jeglichen  in  Werken 
der  Gerechtigkeit  durch  Gottesfurcht,  sie  allesamt  darstelle  vor  dem  Antlitze  des  Herrn: 
ein  gut  Geschlecht  voll  Gottesfurcht  in  den  Tagen  der  Gnade. 

h.  Henoch  10,  11.  20 — 22:  Zu  Michael  sprach  der  Herr:  .  .  .  Und  du  reinige  die 
Erde  von  aller  Gewalttat,  Ungerechtigkeit,  Sünde,  Gottlosigkeit  u.  Unreinigkeit,  die 
auf  der  Erde  verübt  wird;  vertilge  sie  von  der  Erde.  Alle  Menschenkinder  sollen  gerecht 
sein,  alle  Völker  sollen  mich  verehren.  .  .  .  Die  Erde  wird  rein  sein  von  aller  Verderbnis, 
Sünde,  Plage  u.  Qual.  —  ||  Test  Dan  6:  Fürchtet  den  Herrn,  meine  Kinder,  u.  hütet  euch 
vor  dem  Satan  u.  seinen  Geistern.  Nahet  euch  Gott  u.  dem  Engel,  der  für  euch  bittet 
(=  Michael);  denn  dieser  ist  der  Mittler  zwischen  Gott  u.  den  Menschen  zum  Frieden 


Matthl,21  (2)A.  B)  73 

Israels.  Gegen  das  Reich  des  Feindes  wird  er  sich  stellen;  deshalb  bemüht  sich  der 
Feind,  alle,  die  den  Herrn  anrufen,  zu  Falle  zu  bringen.  Denn  er  weiß,  daß  an  dem 
Tag,  an  welchem  Israel  glaubt,  das  Reich  des  Feindes  ein  Ende  haben  wird. 

i.  TestLevi  18:  Zur  Zeit  seines  (des  Hohenpriesters  der  messian.  Zeit)  Priestertums 
wird  jede  Sünde  vergehn,  u.  die  Gottlosen  werden  aufhören  Böses  zu  tun.  Und  er 
selbst  wird  die  Türen  des  Paradieses  öffnen  u.  wird  wegstellen  das  gegen  Adam  drohende 
Schwert  u.  wird  den  Heiligen  zu  essen  geben  von  dem  Holze  (=  Baum)  des  Lebens, 
u.  der  Geist  der  Heiligkeit  wird  auf  ihnen  sein.  Und  Beliar  wird  von  ihm  gebunden 
werden,  u.  er  wird  seinen  Kindern  Gewalt  geben,  auf  die  bösen  Geister  zu  treten. 

B.  In  der  nachchristl.  jüdischen  Literatur  werden  die  Tage  des. 
Messias  (n"ia:-an  's^^•o'^)  meist  von  der  zukünftigen  Welt  (5<::n  obir)  unter- 
schieden: jene  sollen  den  Anfang,  diese  die  Vollendung  des  Heilsstandes 
bringen.  Damit  war  eine  verschiedenartige  Einschätzung  des  Charakters 
der  messian.  Zeit  von  selbst  gegeben:  Idealisierung  der  Tage  des 
Messias,  so  daß  sie  dem  fOlam  ha-ba  fast  gleichkamen,  oder  Herab- 
drückung,  so  daß  ihr  Niveau  sich  nicht  wesentlich  über  das  der  gegen- 
wärtigen Weltzeit  erhob.  Je  nachdem  nun  das  Gesamturteil  über  die 
Messiastage  ausfiel,  mußte  die  Frage  nach  der  Sündenreinheit  der 
messian.  Gemeinde  bald  bejaht,  bald  verneint  werden.  Doch  sind  die 
diesbezüglichen  ausdrücklichen  Zeugnisse  äußerst  gering  an  Zahl. 

Die  Sündenfreiheit  wird  ausgesprochen  4Esra6,  26ff. :  Dann  (zu 
Beginn  der  messian.  Periode)  wird  das  Herz  der  Erdenbewohner  ver- 
ändert u.  zu  neuem  Geiste  verwandelt  (s.  Ez36,  26f.).  Dann  ist  das 
Böse  vertilgt  u.  der  Trug  vernichtet:  der  Glaube  in  Blüte,  das  Ver- 
derbnis überwunden,  u.  die  Wahrheit  wird  offenbar,  die  so  lange  Zeit 
ohne  Frucht  geblieben  ist.  i|  Apok  Bar  73,  4  f. :  Prozesse  u.  Anklagen,. 
Streitigkeiten,  Rachetaten,  Blutschuld,  Begierden,  Neid,  Haß  u.  alles 
dem  Ähnliche  wird  (nach  Aufrichtung  des  messian.  Regiments)  der 
Verdammung  anheimfallen,  indem  es  ausgerottet  werden  soll;  denn 
diese  sind  es,  die  diese  Welt  mit  den  Übeln  erfüllten,  u.  um  ihretwillen 
geriet  das  Leben  der  Menschen  in  arge  Verwirrung.  ||  Midr  Qoh  (53'*) 
zu  12, 1:  „Die  bösen  Tage  .  .  .,  von  denen  du  sagst:  Sie  gefallen  mir 
nicht."  R.  Chijja  b.  N'^chemja  (im  4.  Jahrh.)  hat  gesagt:  Das  sind  die 
Tage  des  Messias,  in  denen  es  weder  ein  Verdienst  noch  eine  Schuld 
gibt.  (In  den  Tagen  des  Messias  wird  nach  Beseitigung  des  bösen 
Triebes,  des  Je^er  ha-ra'<,  jedes  sündliche  Begehren  ausgerottet  sein; 
deshalb  fällt  jede  Gesetzesübertretung  [Schuld]  fort,  aber  auch  jedes 
durch  Bekämpfung  dieses  Triebes  zu  erwerbende  Verdienst.)  —  Der- 
selbe Ausspruch  anonym  Schab  151*>;  LvR  18  (117<^).  Ü  Midr  Ps  96  §  2 
(211  a):  „Der  Erdkreis  .  .  .  wanket  nicht"  Ps  96, 10,  denn  es  finden  sich 
(in  der  messian.  Zeit)  keine  Gottlosen  in  der  Welt. 

Die  Sündhaftigkeit  des  messian.  Zeitalters  wird  vorausgesetzt  Siphre 
Dt  32, 15  §  318  (136^):  Ebenso  findest  du  es  in  den  Tagen  des  Messias, 
daß  sie  (Israeliten)  sich  nur  empören  werden  infolge  des  Überflusses 
an  Speise  u.  Trank  u.  Wohlleben,  vgl.  Dt  32,  15:  Da  ward  Jeschurun 


74  Matth  1,  21  (35  B).  1,  22  («.  58) 

fett  u.  schlug  aus.  ||  B^akh  34'^:  Schemuel  (f  254)  hat  gesagt:  Den 
einzigen  Unterschied  zwischen  dieser  Welt  u.  den  Tagen  des  Messias 
bildet  die  (in  den  letzteren  beseitigte)  Knechtschaft  unter  den  Welt- 
reichen. —  Parallel:  Schab  63 ^  151'^;  F's  68=^;  Sanh91'\  99=».  ||  Über  die 
Heidenvölker  heifst  es  Midr  Ps  2  §  3  (13=^)  u.  21  §  3  (90"):  Wenn  man  in 
der  Zukunft  dem  König,  dem  Messias,  sagen  wird:  Die  u.  die  Stadt 
hat  sich  gegen  dich  empört,  so  wird  er  sagen:  Es  komme  die  Heu- 
schrecke u.  verheere  sie,  s.  Jes  11,4:  „Er  schlägt  die  Erde  mit  dem 
Stab  seines  Mundes";  wenn  man  ihm  sagen  wird:  Die  u.  die  Provinz 
hat  sich  gegen  dich  empört,  so  wird  er  sagen:  Es  komme  der  Todes- 
engel u.  verheere  u.  verderbe  sie,  s.  Jes  11,  4:  „Und  durch  den  Geist 
seiner  Lippen  tötet  er  den  Gottlosen." 

Im  allgemeinen  wird  man  sagen  können,  daß  diejenigen  jüdischen 
Gelehrten,  die  die  Ausrottung  des  bösen  Triebes,  die  Vernichtung  des 
Todes,  das  Aufhören  der  Opfer  u.  die  Wiederkehr  des  paradiesischen 
Urzustandes  in  der  messian.  Zeit  erwarteten,  auch  die  Sündlosigkeit 
der  messian.  Gemeinde  werden  angenommen  haben.  Vgl.  den  Exkurs: 
„Diese  Welt,  die  Tage  des  Messias  u.  die  zukünftige  Welt. "  —  Über  die 
die  Sünde  seines  Volkes  sühnenden  Leiden  des  Messias  s.  bei  Lk24,  26. 

1,22  31:  Auf  daß  erfüllt  werde,  was  gesagt  ist. 
Dem  entspricht  die  Formel  -2i<:c-n^  t:''?li?^.  B'^rakh  57'':  Wenn  Mar 
b.  Rabina  (gegen  400)  nach  (der  Stätte  von)  Babel  kam,  nahm  er  Erd- 
staub (davon)  in  sein  Tuch  u.  warf  ihn  (dann)  draußen  fort,  um  zu 
erfüllen,  was  gesagt  ist  Jes  14,23:  „Ich  kehre  es  hinweg  mit  dem 
Kehrbesen  der  Vertilgung."  ||  B'^rakh  b9^:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt: 
Wir  haben  gelernt,  daß  ein  Sturm  nicht  zwei  Stunden  lang  anhält, 
damit  erfüllt  werde,  was  gesagt  ist  Nah  1,9:  „Nicht  wird  sich  zwei 
Stunden  hindurch  (so  der  Midrasch)  erheben  die  Not."  !|  Siphre  Dt  33,  24 
§355  (148 "):  Als  er  (ein  Ölbauer  in  Gusch  Chalab  vom  Felde)  in  sein 
Haus  kam,  rief  er  seine  Magd  u.  sprach  zu  ihr«:  Komm  u.  wasche  unsre 
Füße.  Sie  füllte  Öl  in  eine  Schüssel  u.  wusch  ihnen  die  Füße,  um  zu  er- 
füllen, was  gesagt  ist  Dt  33,  24:  „Er  taucht  in  Öl  seinen  Fuß."  —  Wei- 
tere Beispiele  Siphre  Dt  33,  24  §355  (148'-^);  GnR  20  (13^);  NuR  10  (158«^). 

50  Das,  was  vom  Herrn  durch  den  Propheten  gesagt  ist. 
Im  Rabbinischen:  'e  ■'Ii  hv  v^^pn  mnn  n^wXjc  iriT,  „das  ist  es,  was 
vom  heiligen  Geist  durch  NN  gesagt  ist",  zB  P'^siqR  33  (150^):  R.  Tan- 
chuma,  der  Rabbinensohn  (um  380),  eröffnete  seinen  Vortrag  also:  Das 
ist  es,  was  vom  heiligen  Geist  durch  David,  den  König  Israels,  gesagt 
worden  ist:  „Du  liebst  Gerechtigkeit"  Ps45,  8.  ||  Das.  34  (158"):  Das 
ist  es,  was  vom  heiligen  Geist  durch  Jesaja  gesagt  worden  ist:  „Be- 
kannt unter  den  Nationen  wird  ihr  Same  sein"  Jes  61,  9,  — , Weitere 
Beispiele  das.  35  (160-);  36  (161=^);  37  (162'^;  10  (34^).  —  Aktivisch: 
in^  hs  üTipn  mn  nn^xu;  xin  ht,   „das  ist  es,  was  der  heilige  Geist  durch 


Matth  1,  22  (S).  1,23.25  75 

NN  gesagt  hat",  zB  P^siqR  6  (23=*):  Das  ist  es,  was  der  heilige  Geist 
durch  Salomo  gesagt  hat:  , Schauest  du  einen  Mann"  Spr22,29.  Andre 
Beispiele  P^siqR  11  (42=');  20(94'^);  33  (149'0;  NuR  10  (157  d);  im  NT  vgl. 
Apg  1, 16.  II  Auch  die  Formel  findet  sich:  „Das  ist  es,  was  die  Schrift 
im  heiligen  Geist  durch  NN  gesagt  hat,  zB  P'^siqR  7  {26^). 

1,23:  Immanuel,  das  ist  verdolmetscht:  Gott  mit  uns, 

Jes  7, 14  wird  auf  Hrskia  bezogen  ExR  18  (SO'^):  Die  Israeliten  u.  Hiskia  saßen  u. 
sprachen  das  Hallel,  denn  es  war  die  Passahnacht;  u.  sie  fürchteten  sich,  indem  sie 
meinten,  Jerusalem  würde  jetzt  von  ihm  (Sanherib)  überwältigt  werden.  Als  sie  sich 
aber  früh  morgens  aufmachten,  um  das  Sch'^ma?,  Dt  6,  4,  zu  sprechen  u.  zu  beten, 
fanden  sie  ihre  Feinde  tot  als  Leichen.  Deshalb  hatte  Gott  zu  Jesaja  gesagt  Jes  8,  3: 
Nenne  seinen  Namen:  , Eilebeute,  Baldraub",  d.  i.  er  wird  eilends  ihre  Beute  rauben; 
u.  den  andren  nenne  mit  Namen  Ummanuel  Jes  7, 14,  d.  h.  „ich  werde  mit  ihm  sein", 
s.  2Chr82,  8:  „Mit  ihm  (Sanherib)  ist  Fleischesarm,  aber  mit  uns  ist  Jahve,  unser 
Gott."  il  NuR  14  (173='):  Abraham  war  einer  von  den  Menschen,  die  von  sich  selbst  aus 
Gott  erkannt  haben.  Hiob  hat  Gott  von  sich  selbst  aus  erkannt.  Woher?  So  sagt  er 
Hi  23, 12:  „Aus  meinem  Busen  heraus  habe  ich  die  Worte  seines  Mundes  beobachtet." 
(Der  Midrasch  scheint  ■p~'2  =  '"""?.  zu  deuten.)  Auch  Hiskia.  der  KiJnig  von  Juda,  hat 
von  sich  selbst  aus  Gott  erkannt.  WoherV  So  steht  von  ihm  geschrieben  Jes  7,  1-5: 
„Dickmilch  u.  Honig  wird  er  essen,  indem  er  weiß  das  Böse  zu  verwerfen  u.  das  Gute 
zu  erwählen."  Ferner  hat  der  König,  der  Messias,  von  sich  selbst  aus  Gott  erkannt 
(Belegstelle  fehlt)  u.  ebenso  Abraham. 

1,  25:  Und  er  erkannte  sie  nicht,  bis  .  .  . 

Yivüiaxstv  in  geschlechtlichem  Sinn  wie  hebr,  i^zn,  r^^  (schon  Gn  4, 1) 
u.  das  aram.  crn.  —  pj'^b  4,  6^,  32:  (Wenn  jemand  beim  Tode  seiner 
Frau  kleine  Kinder  hat,  so  darf  er  sich  sofort  wieder  verheiraten.) 
Als  die  Gattin  des  R.  Tarphon  (um  110)  gestorben  war,  sagte  dieser, 
als  er  noch  an  der  Begräbnisstätte  weilte,  zu  deren  Schwester:  Tritt 
ein  (nämlich  unter  den  Traubaldachin,  eine  Verlöbnisformel  =  sei  mein 
Weib)  u.  erziehe  deiner  Schwester  Kinder!  Obwohl  er  sie  geheiratet 
hatte,  erkannte  er  sie  m-zirn  nicht,  bis  die  dreißig  Tage  (der  kleinen 
Trauer)  vergangen  waren.  —  Auch  von  der  Frau  wird  n-^on  gesagt. 
Midr  HL  zu  7,  14  (130=*):  „Die  Liebesäpfel  geben  Duft",  damit  sind  die 
Jünglinge  Israels  gemeint,  die  die  Sünde  (der  Unkeuschheit)  nicht  ge- 
schmeckt haben;  „u.  an  unsren  Türen  sind  allerlei  köstliche  Früchte* 
(das.),  damit  sind  die  Töchter  Israels  gemeint,  die  an  ihren  Männern 
hangen  u.  keinen  andren  erkennen  ri-.^s-?.  —  In  der  Parallelstelle  ^Erub 
21*',  wo  Raba  (f  352)  als  x^utor  genannt  wird,  ist  der  Ausdruck  ver- 
mieden. II  J«b  57=':  (Der  Priester  läßt  seine  Verlobte  Hebe)  essen,  ob- 
wohl er  sie  noch  nicht  erkannt  hat  rrjj-.  nh^.  \\  pMSch  4,  55\  50:  Ein 
Mensch  kam  zu  R.  Jischma^el  b.  Jose  (um  180)  u.  sprach  zu  ihm:  Ich 
habe  in  meinem  Traum  gesehen,  wie  ich  einen  Olivenbaum  mit  Öl 
tränkte  (begoß).  Er  sprach  zu  ihm:  Möge  dieses  Mannes  (d.h.  dein) 
Lebensodem  hinschwinden!  seine  Mutter  hat  er  erkannt  crn.  Ein  andrer 
Mensch  kam  zu  ihm  u.  sprach:  Ich  habe  in  meinem  Traum  gesehen, 


76  Matth  2, 1  (51-6).  2  (21 1) 

wie  meine  Augen  einander  küßten.   Er  sprach  zu  ihm:  Möge  der  Geist 
dieses  Mannes  hinschwinden!  seine  Schwester  hat  er  erkannt  c=r. 

2, 1  3(:  Bethlehem  in  Judäa. 

Das  judäische  Bethlehem  wird,  abgesehen  von  den  Zitaten  aus  dem  AT,  in  der 
rabbin.  Literatur  nur  sehr  selten  erwähnt;  s.  bei  2,  5. 

2, 123:  Weise. 

/udyo?.  Die  alttestamentl.  Form  i*:  Jer  39,  3.  13' ist  vom  Targ  Jonath  beibehalten; 
die  rabbin.  Literatur  hat  das  Wort  fxäyog  in  den  Formen  '^iJ»?,  s«j«'^,  sffi:i5»?s  u.  -Bi^rss 
übernommen.  Die  Wortbedeutung  hat  sich  im  rabbin.  Sprachgebrauch  dahin  fixiert,  daß 
unter  •ai;'3  ein  Zauberer  verstanden  wird,  während  man  für  die  in  dem  griech.  fiäyog 
mitenthaltene  Bedeutung  ,  Astrologe"  das  Lehnwort  c-;i';-— 40 s  oder  c-;iV:T^^s  aufnahm. 
Targ  Jerusch  I  Ex  7, 15:  Geh  zu  Pharao  in  der  Morgenfrühe,  der  wird  zur  Beobachtung 
der  Wahrsagezeichen  an  das  Wasser  hinausgehn,  als  wäre  er  ein  Mager.  —  Ebenso  8, 16. ; 
Schab  75*:  Rab  (ein  Babylonier,  t  247)  hat  gesagt:  Wer  ein  einziges  Wort  von  einem 
Mager  lernt,  der  ist  des  Todes  schuldig.  Betreffs  eines  Magers  hat  Sch^muel  (ein  Baby- 
lonier, t  254)  gesagt:  Er  sei  ein  Zauberer;  Rab:  Er  sei  ein  Gotteslästerer.  ||  Sanh39'*: 
Ein  Mager  sagte  zu  Amemar  (um  400):  Deine  obere  (Körper-)Hälfte  gehört  dem  Ormuzd, 
deine  untere  Hälfte  dem  Ahriman.  Er  antwortete:  Wenn  dem  so  wäre,  wie  würde 
Ahriman  dem  Ormuzd  gestatten,  das  Wasser  (die  Exkremente)  durch  seinen  unteren 
Teil  abzuführen!  1|  Midr  HL  7,9  (129"^):  Dn3,27:  s^ie^r-iris  ...  R.Acha  (um  320)  sagte: 
Das  sind  die  Archonten,  die  verdächtig  sind,  das  Recht  nach  jeder  Seite  hin  zu  drehen 
u.  zu  wenden  (Notarikondeutung  =  z'^.t  -■•:;:-.:,  s.  Einl.  107,  Nr.  30);  die  Rabbanan  sagten: 
Sie  ehrten  Personen  u.  verdrehten  das  Recht  (Notarikondeutung  =  =-:e  i'-i-ns);  n^sjc, 
das  sind  die  Lehrer;  sp;-3,  das  sind  die  Schatzmeister,  u.  ifshy.  ■''::^v^>  ^^^  sind  die 
Ältesten  u.  Astrologen.  —  Mehrfach  wird  auch  '^s-V:,  Chaldäer,  in  der  Bedeutung 
, Mager"  (=  Zauberer,  Wahrsager,  Sterndeuter)  gebraucht,  zB  B®rakh64=';  Schab  119^ 
156^;  Sanh  95«. 

2,  1  (i:  Vom  Morgenlande,  ciiid  uvatoliöv. 
Gittiu  1,2:  R.  J^huda  (b.  Ehai,  um  150)  hat  gesagt:  (Die  Gegend)  von  Reqem  ost- 
wärts u.  Reqem  selbst  gelten  als  Osten  -■;j"3,  von  Asqalon  südwärts  u.  Asqalon  selbst 
als  Süden,  von  EAkko  nordwärts  u.  (Akko  selbst  als  Norden. 

2,2  31:  Seinen  Stern. 

1.  Der  Stern  aus  Jakob  Nu  24, 17. 

pTa'an  4,  5  (68^^,  44):  R.  Schim.on  b.  Jochai  (um  150)  hat  gelehrt:  Mein  Lehrer  EAqiba 
(t  um  135)  hat  vorgetragen:  Hervorgetreten  ist  ein  Stern  aus  Jakob  (Nu  24, 17);  hervor- 
getreten ist  Kozeba  aus  Jakob.  Als  R.  cAqiba  den  Bar  Kozeba  erblickt  hatte,  rief  er 
aus:  Das  ist  der  König,  der  Messias.  —  Ohne  Bezugnahme  auf  Nu  24, 17  Midr  KL  zu 
2,  2(62^');  doch  geht  vorauf :  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Rabbi  hat  vorgetragen: 
Hervorgetreten  ist  ein  Stern  aus  Jakob  (Nu  24, 17),  lies  nicht  ein  , Stern",  sondern  ein 
, Lügner" ;  s.  oben  S.  IBcT.  ||  TanchB  Dt  3*:  Dt  2,  5:  ,Laßt  euch  nicht  in  Streit  mit  ihnen 
(den  Söhnen  Esaus  in  Secir)  ein;  denn  ich  werde  euch  nichts  von  ihrem  Lande  geben, 
keinen  Fußtritt  breit;  denn  zum  Besitz  für  Esau  habe  ich  das  Gebirge  Se'ir  gemacht." 
R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Bis  seine  Füße  stehen  werden  an  selbigem  Tage  auf  dem 
Ölberge  (Sach  14,  4);  R.  Sch'^muel  (b.  Nachman,  um  200)  hat  gesagt:  Bis  der  kommen 
wird,  von  dem  es  heißt  Nu  24, 17:  , Hervorgetreten  ist  ein  Stern  aus  Jakob" ;  das  ist 
der  König,  der  Messias.  Gott  sprach  zu  Israel:  In  dieser  Welt  hast  du  keine  Gewalt 
über  dieses  Gebirge,  aber  in  der  zukünftigen  Welt  (hier  im  weitern  Sinn  die  Tage  des 
Messias  miteinschließend)  werdet  ihr  erlöst  werden  u.  es  niedertreten  u.  in  Besitz 
nehmen,  s.  Obadial9:    .Und   einnehmen  werden  die  von  Mittag  das  Gebirge  Esau"; 


Matth  2,  2  (31 1.  2)  77' 

u.  ferner  steht  geschrieben  (Vers  21):  ,  Heraufziehen  werden  Befreier  auf  den  Berg 
Zion,  zu  richten  das  Gebirge  Esaus,  u.  es  wird  die  Königsherrschaft  Jahve  zufallen.  || 
DtR  1(196'=):  „Bis  ich  zu  meinem  Herrn  nach  SeUr  komme"  Gn  33, 14.  R.  Sch'^muel 
b.  Nachman  (260)  hat  gesagt:  Wir  sind  die  ganze  Schrift  durchgegangen  u.  haben  nicht 
gefunden,  daß  Jakob  bei  Esau  in  Se'ir  geweilt  hat;  was  bedeutet  also  ,nach  Setir"? 
Jakob  sagte  zu  Esau:  Noch  habe  ich  Richter  u.  Befreier  erstehn  zu  lassen,  um  Rache 
zu  nehmen  an  jenem  Mann  (=  Esau  =  Rom).  Vgl.  Obadja  21:  Heraufziehen  werden 
Befreier  usw.  —  Die  Israeliten  sprachen  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wie  lange  sollen 
wir  unter  seiner  Hand  geknechtet  sein?  Er  antwortete  ihnen:  Bis  jener  Tag  kommen 
wird,  von  dem  geschrieben  steht  Nu  24, 17:  „Hervorgetreten  ist  ein  Stern  aus  Jakob 
u.  es  erhebt  sich  ein  Zepter  aus  Israel."  Wenn  der  Stern  aus  Jakob  hervorgeht,  wird 
er  die  Stoppel  Esaus  (=  Roms)  verbrennen,  s.  Obadja  18:  Es  wird  das  Haus  Jakob  zum 
Feuer  u.  das  Haus  Joseph  zur  Flamme  werden  u.  das  Haus  Esau  zur  Stoppel,  u.  jene 
werden  sie  anbrennen  u.  sie  verzehren,  daß  Esau  kein  Rest  übrig  bleiben  wird.  In 
jener  Stunde,  sprach  Gott,  werde  ich  mein  Königtum  hervorstrahlen  lassen  u.  über 
euch  König  sein,  s.  Obadja  21:  Heraufziehen  werden  Befreier ...  u.  es  wird  die  Königs- 
herrschaft Jahve  zufallen.  —  j|  Leqach  tob  zu  Nu  24,17  {'2,  129^.  130^).  In  der  unter 
R.  Levis  (um  300)  Namen  gebrachten  zus.hangenden  Darstellung  der  Ereignisse  der 
messian.  Zeit  heißt  es  am  Schluß:  Und  die  zehnte  Stimme  wird  rufen,  Ps24,  9:  „Er- 
höhet, ihr  Tore,  eure  Häupter  .  .  .,  daß  der  König  der  Ehren  einziehe."  Dann  werden 
die  Toten  wieder  lebendig  werden:  „Leben  werden  deine  Toten,  meine  Leichen  werden 
auferstehn"  Jes  26,  19.  Und  dann  werden  die  Verbannten  gesammelt  werden,  s.  Jes 
27,13:  „An  diesem  Tage  wird  man  in  die  große  Posaune  stoßen,  u.  herankommen 
werden  die  Verlorenen  im  Lande  Assur  u.  die  Versprengten  im  Land  Ägypten."  Und 
dann  wird  sich  erfüllen  Nu  24, 17:  Hervorgetreten  ist  ein  Stern  aus  Jakob.  —  ||  pN^'d 
4,  12  (38 ^  59):  R.  Gerschom  (nach  350)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  gesagt: 
„Hervortritt  ein  Stern  aus  Jakob",  Nu  24,  17.  Aus  wem  tritt  der  Stern  hervor  u.  wird 
er  einst  erstehn?  Aus  Jakob  (u.  nicht  —  wie  als  Gegensatz  hinzuzudenken  ist  —  aus 
Esau,  d.  h.  hier  aus  dem  christlichen  Rom).  ||  Targ  Onk  zu  Nu  24, 17:  Ich  sehe  ihn  (den 
Stern),  doch  nicht  jetzt;  ich  schaue  ihn,  doch  ist  er  nicht  nahe'.  Wann  sich  erheben 
wird  der  König  aus  Jakob  u.  mächtig  werden  der  Messias  aus  Israel,  wird  er  töten 
die  Großen  Moabs  u.  herrschen  über  alle  Menschenkinder.  ||  Targ  Jerusch  I  zu  Nu  24, 17 : 
Ich  sehe  ihn,  doch  ist  er  nicht  jetzt;  ich  schaue  ihn,  doch  ist  er  nicht  nahe:  wann  ein 
mächtiger  König  herrschen  wird  aus  dem  Hause  Jakob  u.  groß  wird  der  Messias  u. 
mächtig  das  Zepter  aus  Israel  —  dann  wird  er  töten  die  Großen  Moabs  u.  beseitigen 
alle  Söhne  Seths,  die  Scharen  Gogs,  die  sich  zum  Kampfe  ordnen  werden  wider  Israel, 
u.  es  werden  ihre  Leiber  alle  fallen  vcfr  mir  (sollte  heißen  „vor  ihm").  —  Targ  Jerusch  II 
läßt  die  Beziehung  der  Stelle  auf  den  Messias  zweifelhaft,  wenngleich  sie  durch  die 
Deutung  von  Vers  19  auf  Rom  nahegelegt  wird. 

2«.  Der  Stern  Abrahams. 

Mafase  Abraham  (bei  Horowitz,  Sammlung  kleiner  Midraschim  1,  43):  Als  unser 
Vater  Abraham  geboren  wurde,  kam  man  vor  den  König  Nimrod,  u.  seine  Sterndeuter 
sagten  zu  ihm:  Dem  Therach  ist  ein  Sohn  geboren  worden;  erwirb  diesen  von  ihm  u. 
gib  ihm  alles,  was  er  wünscht.  Nimrod  fragte:  Weshalb  sagt  ihr  also?  Sie  erwiderten: 
Wir  haben  gesehen,  daß  sich  an  jenem  Tage,  da  er  geboren  wurde,  Ein  Stern  erhob 
u.  vier  Sterne  am  Himmel  verschlang;  u.  es  will  uns  scheinen,  daß  jener  zwei  Welten 
in  Besitz  nehmen  wird.  —  Ähnlich  Jellinek,  Beth-ha-Midr  2,  118.  ||  Sepher-ha-Jaschar  -:, 
Wilna  1870,  Bl.  IH:  Es  geschah  in  der  Nacht,  da  Abraham  geboren  wurde,  daß  alle 
Diener  Therachs  u.  alle  Weisen  Nimrods  u.  alle  seine  Schriftgelehrten  kamen,  um  im 
Hause  Therachs  zu  essen  u.  zu  trinken  u.  sich  mit  ihm  in  jener  Nacht  zu  freuen.  Als 
sie  sein  Haus  verließen,  erhoben  sie  in  jener  Nacht  ihre  Augen  himmelwärts  zu  den 
Gestirnen;  u.  sie  sahen  u.  siehe,  ein  sehr  großer  Stern  kam  vom  Aufgang  der  Sonne 
u.  lief  am  Himmel  hin  u.  verschlang  vier  Sterne  an  den   vier  Seiten  des  Himmels. 


78  ^latth  2,  2  (31  2.  S.  23).  2,  4  (Nr.  1 ) 

Und  sie  wunderten  sich  ob  dieser  Erscheinung  u.  prüften  mit  Einsicht  den  Vorfall,  um 
seine  Bedeutung  zu  erkennen.  Da  sprachen  sie  einer  zum  andren:  Das  bedeutet  nichts 
anders  als  das  Kind,  welches  in  dieser  Nacht  dem  Therach  geboren  worden  ist,  u. 
welches  groß  werden  u.  sich  ausbreiten  wird  gar  sehr  u.  die  ganze  Erde  in  Besitz 
nehmen  wird,  es  selbst  u.  seine  Nachkommen  bis  in  Ewigkeit;  es  selbst  u.  sein  Same 
wird  große  Könige  tüten  u.  ihr  Land  in  Besitz  nehmen. 

3.  Außerordentliche  Lichterscheinungen  bei  Isaaks  u.  Moses  Geburt. 

GnR  53  (33*^):  ,.Ein  Lachen  über  mich  hat  Elohim  bereitet"  Gn  21,  6.  R.  Levi  (um 
300)  hat  gesagt:  Das  bezieht  sich  auf  die  Hinzufügung  (von  Lichtglanz)  zu  den  Himmels- 
lichtern; es  steht  hier  das  Verbum  ~-e-j  (machen,  schaffen,  bereiten)  u.  es  steht  dort 
Gn  1,16:  Es  machte,  -iji-"!,  Elohim  die  zwei  großen  Lichtkörper.  —  In  P'^siq  146=^  ist 
Tradent  R.  B^refchja  (um  340);  in  TanchB  s— ;  §37  (54 «)  wird  R.  B'^rekhja  als  Autor 
genannt.  ||  P*^siqR  42  (177^):  R.  Chanina  b.  Levi  (ein  Amoräer  ungewisser  Zeit)  hat  ge- 
sagt: An  dem  Tage,  an  welchem  Isaak  geboren  wurde,  vermehrte  Gott  das  Licht  der 
Sonnenkugel  achtundvierzigmal  im  Vergleich  mit  ihrem  gewöhnlichen  Licht.  ||  Sota  12^; 
Die  Weisen  (um  150)  sagten:  In  der  Stunde,  da  Mose  geboren  wurde,  erfüllte  sich  das 
ganze  Haus  mit  Licht;  es  steht  hier  Ex  2,  2:  „Sie  sah,  daß  es  (das  Kind)  schön  war", 
u.  es  steht  dort  Gnl,18:  ,Er  sah,  daß  es  (das  Licht)  schön  war.  (Der  gleiche  Aus- 
druck 3TJ  ":  in  beiden  Stellen  berechtigt  Ex  2,  2  nach  Gn  1, 18  zu  deuten;  s.  Einl.  97, 
Nr.  2.)  —  Ebenso  ExR  1  (66^).  ||  bSota  12^:  (Ex  15,  20:  Mirjam)  .  .  .  ,die  Schwester 
Ahrons",  u.  nicht  die  Schwester  Moses.  Rab  fAmram  (um  2H0)  hat  gesagt:  Rab  (f  247) 
habe  gesagt  —  nach  andern  hat  Rab  Nachman  (b.  Ja'aqob,  t  320)  gesagt,  Rab  habe 
gesagt:  Das  lehrt,  daß  sie  geweissagt  hat,  als  sie  (nur)  Ahrons  Schwester  war  (also 
bevor  Mose  geboren  war).  Sie  sagte:  Einst  wird  meine  Mutter  einen  Sohn  gebären, 
der  Israel  erlösen  wird.  Als  nun  Mose  geboren  war,  erfüllte  sich  das  ganze  Haus  mit 
Licht.  Da  stand  ihr  Vater  auf  u.  küßte  sie  auf  ihr  Haupt;  er  sprach  zu  ihr:  Meine 
Tochter,  erfüllt  ist  deine  Weissagung!  Als  sie  ihn  (Mose)  aber  in  den  Fluß  geworfen 
hatten,  stand  ihr  Vater  auf  u.  schlug  sie  auf  ihr  Haupt;  er  sprach  zu  ihr:  Meine  Tochter, 
wo  ist  nun  deine  Weissagung?  —  M'^'g  14 '^  nur  Rab  Nachman  (b.  Jafaqob),  ExR  1  (66*^) 
nur  Rab  ^Amram  Tradent;  Midr  Spr  14  §  1  (37'')  Autor  Rab  Huna  (Schüler  Rabs,  f  297). 
Vgl.  die  anonyme  Ausführung  ohne  Erwähnung  der  Lichterscheinung  M*^kh  Ex  15,20  (5 1 ''). 

2,2  33:  Ihm  zu  huldigen,  nQoaxvvr^acci  avzoK 
Die  LXX  geben  mit  TTQoaxvrtTv  das  alttestamentl.  njnrdn  wieder. 
Die  Rabbinen  kennen  verschiedene  Arten  von  Niederwerfungen.  Sch'bu 
16'':  Eine  Niederwerfung  nx-nn-cir;,  mit 'der  kein  Verweilen  verbunden 
ist,  ist  ein  einfaches  Niederknieen  rtri-^;  die,  mit  der  ein  Verweilen 
verbunden  ist,  erfolgt  unter  Ausbreitung  der  Hände  u.  Füfae.  .  .  .  Bar: 
Das  nn^p  genannte  Sich-Hinstrecken  geschieht  auf  das  Gesicht,  s.  1  Kg 
1,31:  „Da  verneigte  sich  •^•pr'i  Bath-Scheba<  mit  dem  Angesicht  zur 
Erde."  Das  Niederknieen  nr-^ns  geschieht  auf  die  Kniee,  s.  1  Kg  8,  54: 
Er  erhob  sich  vom  Niederknieen  auf  seine  Kniee;  das  nx^nrü-n  genannte 
Sich-Hinstrecken  geschieht  mit  Ausbreiten  der  Hände  u.  Füße,  s.  Gn 
37, 10:  Sollen  wir  etwa,  ich  u.  deine  Mutter  u.  deine  Brüder  kommen, 
uns  vor  dir  auf  die  Erde  niederzuwerfen?  —  Parallelstellen:  M®g22''; 
B«rakh  34'';  Hör  i\   Ferner  s.  bei  Mt  9, 18. 

2,4:  Alle  Hohenpriester  u.  Schriftgelehrten  des  Volkes. 
1.  ctQxi^Qsic,  Plural;  denn  „Hohepriester"  pflegten  genannt  zu  werden 
«,  diejenigen,  die  das  hohepriesterliche  Amt  einmal   bekleidet,   aber 


Matth2,  4  (Nr.  1.2)  79 

aus  irgendeinem  Grunde  wieder  verloren  hatten  ;a  ß^  diejenigen,  die 
den  bevorzugten  Familien  angehörten,  denen  die  Hohenpriester  meist 
entnommen  wurden;b  s.  Schürer^  2,267  —  277. 

a.  Apg  4,  6  wird  Hannas  c(g;(i6getg  genannt,  obgleich  er  seit  dem  Jahre  15  n.  Chr. 
nicht  mehr  amtierte.  ||  Hör  8,4:  Zwischen  einem  amtierenden  u.  einem  zurückgetretenen 
Hohenpriester  besteht  abgesehen  von  dem  Farren  am  Versöhnungstage  u.  dem  Zehntel 
Epha  kein  Unterschied.  Beide  sind  einander  gleich  in  bezug  auf  den  Dienst  am  Ver- 
söhnungstage. Beiden  gilt  das  Gebot,  eine  Jungfrau,  u.  das  Verbot,  eine  Witwe  zu 
heiraten;  sie  dürfen  sich  nicht  an  (verstorbenen)  Blutsverwandten  verunreinigen,  nicht 
das  Haupthaar  wild  wachsen  lassen  u.  nicht  die  Kleider  zerreißen  (als  Trauerzeichen); 
beide  veranlassen  (durch  ihr  Ableben)  die  Rückkehr  des  Totschlägers  (aus  der  Asyl- 
stadt). —  Die  Stelle  handelt  zwar  zunächst  nur  von  dem  Substituten  des  H.s  am  Ver- 
söhnungstage, zeigt  aber  deutlich  den  character  indelebilis,  den  das  Amt  auch  dem 
vorübergehenden  Amtsträger  verlieh. 

b.  Apg  4,  6:  Kal'jyi'ag  6  uQ^tsQSi'g  xnl  Kniucpag  r.cä  7(0«'»'»'»;?  xcd  'j^s'Srcrdoog'  xal 
naoi.  TJaay  ex  ye'vovg  dQ^iegaTixoi'.  ||  K'^th  13, 1:  Zwei  Polizeirichter  gab  es  in  Jerusalem 
namens  Admon  u.  Chanan  ben  Abischalom.  Chanan  tat  zwei  Aussprüche,  Admon  sieben. 
Wenn  jemand  in  eine  ferne  Gegend  verreist  u.  sein  (zurückgelassenes)  Weib  Unterhalt 
fordert,  so  soll  diese,  wie  Chanan  sagte,  erst  am  Ende  (nämlich  wenn  sie  nach  Ein- 
treffen der  Nachricht  vom  Tode  ihres  Mannes  die  Auszahlung  ihrer  Hochzeitsverschreibung 
fordert)  u.  nicht  zu  Anfang  (wenn  sie  die  Alimentenforderung  erhebt)  schwüren  (nämlich 
daß  ihr  Mann  sie  ohne  Unterhalt  gelassen  hat).  Es  waren  aber  die  Söhne  der  Hohen- 
priester (=  Glieder  der  hohenpriesterlichen  Familien)  andrer  Meinung:  sie  erklärten, 
sie  müsse  zu  Anfang  u.  am  Ende  schworen.  ||  Ohaloth  17,  5:  R.  J'^'huda  (b.  Eltai,  um  150) 
hat  gesagt:  Einmal  kamen  Briefe  aus  einer  fernen  Gegend  an  die  Söhne  der  Hohen- 
priester, es  befanden  sich  daran  ein  bis  zwei  Sea  Siegel(erde),  u.  die  Gelehrten  fanden 
nichts  Bedenkliches  darin  in  bezug  auf  Unreinheit  (Erde  vom  Auslande,  auch  Siegelerde, 
galt  als  unrein).  |!  Tos  W^n  lli,  21  s.  bei  Job  18, 13  Anm.  c.  \\  Joma  IS'»:  R.  Asi  (um  300) 
hat  gesagt:  Drei  Qab  Denare  brachte  Martha,  die  Tochter  des  Boethos,  dem  König 
Jannai,  damit  er  den  J'^hoschua'  b.  Gamla  (ihren  Verlobten)  unter  die  Hohenpriester 
erhöbe.  [Die  geschichtl.  Einkleidung  dieser  Stelle  ist  unrichtig:  J*^hoschuai  b.  Gamla, 
der  Gemahl  der  Martha  bath  Boethos  J^b  6,  4,  ist  Hoherpriester  gewesen  um  63 — 65 
n.  Chr.;  der  angegangene  König  muß  also  Agrippa  II.  (50 — 100)  gewesen  sein.]  —  Wie 
das  NT,  so  spricht  auch  Josephus  von  den  (tQ^isosTg  im  Plural,  zB  Bell.  J.  2,  12,6; 
17,  2;  4,  3,  7 ;  5,  lo,  1 ;  6,  2,  2  (hier  „Sühne  von  Hohenpriestern"). 

2,  YQui^ifiaTeTg  hebr.  ci-iEic.  Mit  nsic  ist  «)  ein  Schreiber,  zB  ein 
Gerichtsschreiber  Sanh4,  3;  5,5:  ein  Schreiber  privatrechtlicher  Ur- 
kunden BM  5,11;  ein  Schreiber  von  Scheidebriefen  Gittin  7,2;  8,8; 
9,  8;  von  Torarollen,  Tephillin  u.  Mezuzoth,  s.  Traktat  Soph^rim);  ß)  ein 
Gelehrter  gemeint;  u.  da  das  Interesse  der  jüdischen  Gelehrsamkeit 
sich  fast  ausschließlich  um  die  Schrift  u.  das  Gesetz  drehte,  so  hießen 
nun  Soph^rim  insonderheit  die  Schriftgelehrten  yQccixßaTsic^  die  Rechts- 
kundigen vopLixoi  =;  Juristen,  die  Gesetzeslehrer  voiiodiddaxaXoi.  Doch 
wird  nach  rabbin.  Sprachgebrauch  der  Ausdruck  s-^sio  meist  nur  zur 
Bezeichnung  der  älteren  (vorchristl.)  Generationen  der  Schriftgelehrten 
verwandt,  s.  die  Zitate  nach  Anm.  d,  während  die  späteren  (nachchristl.) 
Schriftgelehrten  fast  allgemein  c^^rrj  genannt  werden.  Nur  selten  wird 
'c  auf  die  späteren  Gelehrten  angewandt,»  u.  wo  er  sich  im  nachchristl. 
jüdischen  Schrifttum  schdnbar  in  dieser  Bedeutung  findet,  bezeichnet 


80  Matth  2,  4  (Nr.  2) 

er  in  der  Regel  den  Jugendlehrer,  speziell  den  Bibellehrer  im  Gegen- 
satz zum  Mischnalehrer,b  oder  auch  den  des  Tischgebetes  Kundigen 
im  Gegensatz  zu  einem  rohen  Menschen,  der  dieses  Ritus  unkundig 
jst.c  —  Die  von  den  Talmuden  gegebene  Erklärung  des  Namens  n-meio 
hat  nur  haggadischen  Wert.d 

a.  Sota  9, 15  wird  unter  den  die  messian.  Zeit  ankündenden  Zeichen  aufgeführt: 
Die  Weisheit  der  Schriftgelehrten  a'-^sio  n-;:-  wird  stinkend  werden.  ||  Achtzehn-Gebet, 
Nr.  13:  Über  die  Gerechten  u.  über  die  Frommen  u.  über  die  Ältesten  deines  Volks, 
des  Hauses  Israel,  u.  über  den  Rest  ihrer  Schriftgelehrten  ■2Tf^t-zi  rz-hs  u.  über  die 
Proselyten  der  Gerechtigkeit  u.  über  uns  möge  sich  regen  deine  Barmherzigkeit,  Jahve 
unser  Gott.  —  So  der  gebräuchliche  Text  in  den  jüdischen  Gebetbüchern.  In  dem  hand- 
schriftlichen Siddur  der  Univ.-Bibl.  Leipzig  lauten  die  uns  interessierenden  Worte:  .  .  . 
,u.  über  die  Ältesten  deines  Volks,  des  Hauses  Israel,  u.  über  =n'-^rio  r^z  ri^^hs  den 
Rest  ihrer  Schulhäuser"  . .  .  (Dalman,  Die  Worte  Jesu  1,  303).  —  M®g  Tacan  12  heißt  es: 
Am  17.  Adar  erhoben  sich  die  Völker  (Heiden)  gegen  den  Rest  der  Schriftgelehrten 
s"'£5  rtä"'::  (lies  s^-^sc)  in  den  Gegenden  von  rip^'^z  und  Beth-Zabdai,  u.  es  kam  dem 
Hause  Israel  Erlösung.  —  Ähnlich  pTa^an  2, 13  (66^,  26):  Am  7.  des  Monats  Adar  er- 
hoben sich  die  Völker  wider  den  Rest  der  Schriftgelehrten  s'^£0  ru^Vs  in  der  Gegend 
von  o-p"-i3  u.  Beth-Zabdin,  u.  es  wurde  ihnen  Errettung.  —  Gemeint  sind  die  Städte 
Chalkis  u.  Zabeda  in  Cölesyrien.  Da  nach  M'^g  Tacan  diese  Verfolgung  in  die  Regierungs- 
zeit des  Alexander  Jannäus  (104 — 78  v.  Chr.)  fällt,  sind  unter  dem  „Rest  der  Soph^'rim" 
auch  hier  vorchristliche  Schriftgelehrte  zu  verstehn.  Wie  es  scheint,  ist  der  aus  früherer 
Zeit  stammende  Ausdruck  s'-^sc  r-j^Vs  gewissermaßen  als  terminus  technicus  in  das 
Achtzehn-Gebet  übernommen  worden.  \\  Mehrfach  liest  man  a— sio  als  Anrede  an  zeit- 
genössische Schriftgelehrte  im  Munde  einiger  Tannaiten.  So  sagt  Rabban  Gamliel  II. 
(um  90)  Sota  15^  zu  den  Gelehrten:  Gestattet  mir,  ihr  Schriftgelehrten  a—iic,  daß  ich 
es  deute!  —  Dasselbe  NuR  9  (155''*).  —  Die  gleiche  Wendung  im  Munde  des  R.  Schimcon 
b.  Gamliel  (um  140)  SNu  5, 15  §  8  (4*).  ||  Auch  samaritanische  Schriftgelehrte  der  nach- 
christl.  Zeit  werden  a-^is^o  genannt.  pSota  7,21*^,29:  R.  Elfazar  b.  Schinicon  (um  180) 
hat  gesagt:  Ich  sagte  zu  den  Schriftgelehrten  der  Samaritaner  n'^ri:  ^-tioV:  Ihr  habt 
eure  Tora  gefälscht  u.  habt  euch  nichts  damit  genützt. 

b.  Sota  9,  15 :  R.  Elicezer,  der  Ältere  (um  90),  hat  gesagt:  Seit  dem  Tage,  an  welchem 
das  Heiligtum  zerstört  wurde,  begannen  die  Gelehrten  s-'s^sr:  zu  werden  wie  Jugend- 
lehrer n---:d  u.  die  Jugendlehrer  wie  ein  Lehrergehilfe  ^  u.  der  Lehrergehilfe  wie  das 
unwissende  Volk,  u.  das  unwissende  Volk  wird  immer  elender  u.  niemand  fragt  danach. 
Auf  wen  sollen  wir  uns  stützen?  Auf  unsren  Vater  im  Himmel.  ||  pChag  1,  76"^,  28: 
Der  Nasi  R.  Judan-  sandte  den  R.  Chijja  (b.  Abba,  um  280)  u.  den  R.  Ammi  u.  R.  Asi 
(beide  um  300)  rings  umher  in  die  Städte  des  Landes  Israel,  um  ihnen  Bibellehrer 
•j^-so  u.  Mischnalehrer  ■i-2":r'3  einzusetzen.  Sie  kamen  an  einen  Ort,  an  welchem  sie 
weder  einen  Bibellehrer  noch  einen  Mischnalehrer  vorfanden.  Sie  sagten  (zu  den  Orts- 
bewohnern) :  Bringt  uns  die  Hüter  der  Stadt!  Sie  brachten  ihnen  die  Ratsherren  (Senatoren 
"'i-.'jja).  Da  sagten  sie  zu  ihnen:  Das  sind  die  Hüter  "^i-t::  der  Stadt?  Das  sind  nur 
die  Zerstörer  der  Stadt!  Man  antwortete:  Und  wer  sind  denn  die  Hüter  der  Stadt? 
Sie  sprachen:  Die  Bibel-  u.  die  Miscnnalehrer;  s.  Ps  127, 1 :  Wenn  Jahve  nicht  das  Haus 
baut,  so  mühen  sich  umsonst  daran  ab,  die  es  bauen;  wenn  Jahve  nicht  die  Stadt  be- 
hütet, so  wacht  der  Hüter  umsonst.  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  im  einzelnen  P'^siq 
120'';  Midr  KL  Einl.  2  (29'').  ||  BB  21*:  Komm  u.  höre:  wenn  einer  in  einem  Hof,  der 
mehreren  gemeinschaftlich  gehört,  ein  Haus  besitzt,  so  darf  er  es  weder  an  einen  Arzt 
noch  an  einen  Aderlasser  noch  an  einen  Weber  noch  an  einen  jüdischen  noch  an 
an  einen  nichtjüdischen  (wörtlich:  aramäischen)  Kinderlehrer  "sio  vermieten  (weil  bei 

1  So  Bacher,  Tann.M,  105. 

^  Fraglich,  ob  Jehuda  II.  oder  Jehuda  III.  gemeint  ist. 


Matth2, 4(2)  gl 

diesen  viele  Menschen  ein-  und  ausgehen,  wodurch  die  übrigen  Eigentümer  des  Hofes 
belästigt  werden).  II  BB  21  ^:  Rab  Dimi  von  N'^harde'a  (Schulhaupt  von  Pum  B'ditha 
385 — 38!-!  n.  Chr.)  hat  gesagt: . . .  Der  Neid  der  Schullehrer  =*-eis  (widereinander)  mehrt 
die  Weisheit  (indem  jeder  mehr  leisten  will  als  sein  Kollege).  ||  NuR  12  (1H5''):  R.  Jo- 
chanan  (f  279)  befahl  den  Bibellehrern  rr-^tc  u.  den  Mischnalehrern,  daß  sie  in  jenen 
Tagen  (nämlich  vom  17.  Tamrauz  bis  zum  9.  Ab,  an  denen  der  Dämon  M'^riri  sein  Un- 
wesen treibt)  keinen  Zuchtriemen  über  die  Kinder  bringen  sollten  (da  jener  Dämon  die 
Schläge  tödlich  machen  könnte).  R.  Sch^'muel  b.  Jicchaq  (um  300)  befahl  den  Bibel- 
lehrern ri—^tü  u.  den  Mischnalehrern,  daß  sie  an  jenen  Tagen  die  Schulkinder  in  der 
4.  Stunde  (vor  10  Uhr  vorm.)  entlassen  sollten  (weil  jener  Dämon  erst  von  10  Uhr  an 
sein  Schädigungswerk  beginne).  ||  Midr  Esth  2,  5  (93"):  „Wohl  denen,  die  das  Recht 
beobachten,  dem,  der  zu  jeder  Zeit  Barmherzigkeit  übt"  (so  faßt  der  Midr  Ps  lOti,  3). 
Man  verhandelte  darüber  im  Söller  des  R.  Tarphon  (um  100)  u.  sagte:  Wer  ist  das,  der 
zu  jeder  Zeit  Barmherzigkeit  übt  (ein  gutes  Werk  tut)?  Wenn  man  sagen  wollte: 
Das  sind  die  Bibel-  u.  Mischnalehrer  c-:x"i'  d-^iic  — ,  essen  u.  trinken  u.  sclilafen  die 
etwa  nicht?  Vielmehr  (wird  zu  sagen  sein):  Das  sind  die  Schreiber  von  Gebetsriemen 
u.  Türpf'ostenkapseln.  Aber  essen  u.  trinken  u.  schlafen  die  nicht?  Wer  ist  also  der, 
der  zu  jeder  Zeit  Barmherzigkeit  übt  (ein  gutes  Werk  tut)?  Sage:  Das  ist  der,  der  eine 
Waise  in  seinem  Hause  erzieht. 

C.  B''rakh45''  Bar  u.  ChuUin  106'"^:  Wenn  zwei  Personen  zusammen  speisen,  so  ist 
es  Vorschrift,  daß  sie  sich  teilen  (d.h.  daß  jeder  das  Tischgebet  für  sich  betei.  Für 
welchen  Fall  gelten  diese  Worte?  Wenn  beide  (des  Tischgebetes i  Kundige  :— i-c  sind: 
wenn  aber  der  eine  ein  Kundiger  -i^c  u.  der  andre  ein  Unwissender  ist,  so  spricht  der 
Kundige  ■>:•"  den  Lobspruch  u.  der  Unwissende  genügt  damit  seiner  Pflicht  (braucht 
nicht  mehr  für  sich  zu  beten). 

d.  pSch^q  '),  48*^,  51 :  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Es  steht  geschrieben  1  Chr 
2,  55:  „Die  Geschlechter  der  Gelehrten  =-'^i'D,  die  Jacbe^  bewohnen."  Weshalb  hießen 
sie  Soph^^rim?  Weil  sie  die  Tora  zu  lauter  Zahlen(gruppen)  r'-isc  machten  ("rc  = 
„zählen"  gefaßt):  „Fünf  dürfen  nicht  die  Hebe  absondern",  s.  T'^rum  1,1;  „fünf  Ge- 
treidearten unterliegen  der  Teighebepflicht",  s.  Challa  1, 1;  „fünfzehn  (Kategorieen  von) 
Frauen  befreien  (zugleich  mit  sich  selbst)  ihre  Nebenfrauen"  (von  der  Leviratsehepflicht), 
s.  J^b  1,1;  „sechsunddreißig  Fälle  gibt  es  in  der  Tora  für  die  Ausrottungsstrafe",  s. 
K®r  1,  1;  , dreizehn  Dinge  gelten  von  dem  nicht  rituell  geschlachteten  reinen  Geflügel", 
s.  T'^haroth  1, 1 ;  „vier  Hauptschäden  gibt  es",  s.  BQ  1,1;  „Hauptarbeiten  (die  am  Sabbat 
verboten  sind)  gibt  es  vierzig  weniger  eins",  s.  Schab  7,  2).  |i  Qid  30'':  Deshalb  wurden 
die  Früheren  Soph^'rim  genannt,  weil  sie  alle  Buchstaben  in  der  Tora  zählten  "--s 
z"t'Z.  Sie  sagten:  Das  Vav  i  in  ]i-.i  Lv  11,42  bildet  die  Hälfte  der  Buchstaben  des 
Torabuchs;  die  Wörter  •i*-'-  •::''-  Lv  10,  16  bilden  die  Hälfte  der  Wörter  u.  der  Vers 
-Vjr:^-  Lv  13,  33  die  Hälfte  der  Verse  des  Pentateuchs.  (Nach  der  Masora  gilt  Lv  8,  8 
als  die  Hälfte  der  Verse.)  Das  y  in  'y-o  Ps  80, 14  bildet  die  Hälfte  der  Buchstaben 
der  Psalmen;  der  Vers  =•'-■'  sini  Ps  78,  38  die  Hälfte  der  Verse.  (Nach  der  Masora 
bildet  Ps  78, 30  diese  Hälfte.)  —  Auf  diese  haggadische  Etymologie  von  Soph^'rim 
scheint  R.  Jicchaq  (um  300)  in  Sanh  106'^  anzuspielen. 

Den  Mischnalehrern  galten  die  Soph^rim  als  anerkannte  Autoritäten, 
deren  Worte  den  Worten  der  Tora  gleichzustellen  seien.  Von  den  in 
der  Mischna  erwähnten^  Worten  der  Soph^rim  seien  hier  zwei  hervor- 
gehoben. J*^b2,4:  Als  gesetzlich  (zur  Ehe)  verboten  gelten  die  durch 
die  Worte  der  S.  festgesetzten  zweiten  Verwandtschaftsgrade.  —  Hier- 
nach haben  die  S.  die  Bestimmungen  Lv  18,  6  ff.  durch  Hinzufügung 


>  ^Orla3,  9;  J'^^b  2,  4;  9,  2;  Sota  9, 15;  Sanh  11,  3;  Kelim  13,  7;  Para  11,  5.  C;  T^bul 
jom  4,  6;  T^haroth  4,  7. 11 ;  Jad  3,  2. 

Strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  6 


82  Matth  2,  4  (2j.  2,  5 

Eines  Verwandtschaftsgrades  in  auf-  und  in  absteigender  Linie  ver- 
schärft. Lvl8,  7zBwird  erweitert  zu  „Blöße  der  Mutter  der  Mutter 
u.  Blöße  der  Mutter  des  Vaters";  18,8  zu  „Weib  des  Großvaters  väter- 
licher- u.  mütterlicherseits";  18,15  zu  „Schwiegertochter  des  Sohnes 
u.  der  Tochter"  usw.;  s.  dazu  J«b  21«.  —  ||  Sanh  11,3  (=  10,3  im  bTj: 
Strenger  ist  es  bei  den  Worten  der  S.  als  bei  den  Worten  der  Tora. 
Wenn  jemand  sagt:  „Um  die  Gebetsriemen  (T'^phillin)  ist  es  nichts", 
um  die  Worte  der  Tora  zu  übertreten,  so  ist  er  straffrei:  (sagt  er  aber:) 
„Fünf  Fächer  (müssen  sie  haben)",  um  zu  den  Worten  der  S.  hinzu- 
zufügen, so  macht  er  sich  schuldig.  —  Die  Worte  wollen  besagen:  Die 
T'^phillinsatzungen  Ex  13,  9.  16;  Dt  6,  8;  11,18  sind  so  allgemein  ge- 
halten, daß  sich  jeder  dabei  denken  kann,  was  er  will;  deshalb  kann 
niemand  wegen  ihrer  Übertretung  strafbar  gemacht  werden.  Ihren 
konkreten  Gehalt  empfangen  jene  Satzungen  erst  durch  die  Ausführungs- 
bestimmungen, die  die  S.  über  die  Herstellung  der  T^'phillin  (Hand- 
T^philla  Kapsel  mit  1  Fach,  Kopf-T'^philla  Kapsel  mit  4  Fächern),  über 
ihre  Anlegung  usw.  erlassen  haben.  Erst  die  Auflehnung  gegen  diese 
Bestimmungen  bedeutet  eine  Auflehnung  gegen  die  Tora  u.  macht 
daher  straffällig.  ||  Siphra  Lv  19,34  (362=^):  Einen  Proselyten,  der  alle 
Worte  der  Tora  auf  sich  nimmt  mit  Ausnahme  eines,  den  nimmt  man 
nicht  (als  Proselyten)  an.  R.  Jose  b.  J'^huda  (um  180)  sagte:  Auch  wenn 
er  das  geringste  Wort  von  den  Einzelbestimmungen  (Subtilitäten)  der  S. 
nicht  auf  sich  nimmt  (nimmt  man  ihn  nicht  an),  —  Dasselbe  als  Bar 
B'^khor  30 b.  1|  Tos  Ta^an  2,  6  (217):  An  den  Sabbaten  u.  Feiertagen  ist 
es  erlaubt,  vorher  u.  hinterher  (d.  h.  tags  zuvor  u.  tags  darauf)  zu 
fasten.  Warum  ist  das  bei  jenen  (den  in  der  M'^g  Ta<<anith,  der  Fasten- 
rolle, aufgeführten  Freudentagen)  verboten  u.  bei  diesen  erlaubt?  Diese 
sind  Worte  der  Tora  (von  der  Tora  angeordnet),  u.  die  Worte  der  Tora 
bedürfen  keiner  Festigung  (Sicherung);  jene  aber  gehören  zu  den 
Worten  der  S.,  u.  diese  bedürfen  der  Festigung  (darum  sind  die  sie  be- 
treffenden Bestimmungen  strenger,  um  sie  vor  Übertretung  zu  sichern).  \\ 
Tos  [Eduj  1, 1  (454):  Als  die  Gelehrten  in  dem  Weinberg  von  Jahne  z.us.- 
gekommen  waren,  sagten  sie:  Es  wird  eine  Zeit  kommen,  da  man  nach 
einem  Wort  von  den  Worten  der  Tora  suchen  wird,  u.  man  wird  es 
nicht  finden;  (nach  einem  Wort)  von  den  Worten  der  S.,  u.  man  wird 
es  nicht  finden,  s.  Am8,  llf.  ||  Sanh  87^  Baraitha:  Ein  widerspenstiger 
Gelehrter  macht  sich  nur  strafbar  .  .  .,  wie  R.  J'^huda  (um  150)  sagte, 
wegen  eines  Wortes,  das  seinen  Ursprung  (seine  Wurzel)  in  den  Worten 
der  Tora  u.  seine  Erklärung  in  den  Worten  der  S.  hat  (wie  zB  das 
oben  Sanh  11,3  erwähnte  T'^phillingebot).  R.  SchimJon  (um  150)  sagte: 
Auch  wenn  es  sich  um  eine  Subtilität  von  den  Subtilitäten  der  S. 
handelt.  —  Ferner  s.  bei  Mt  15,  2. 

2,5:  Zu  Bethlehem  im  jüdischen  Lande. 
Bethlehem  als  Geburtsort  des  Messias. 


Matth  2,  5.  9. 1 1  33 

Targ  Micha  5,  1 :  Du  Bethlehem  Ephratha  —  wie  eine  geringe  bist  du  gewesen, 
um  zu  den  Tausendschaften  des  Hauses  J®huda  gezählt  zu  werden  — ,  aus  dir  soll 
vor  mir  hervorgehn  der  Messias,  um  die  Herrschaft  über  Israel  zu  führen,  dessen 
Name  genannt  ist  seit  Anfang,  seit  den  Tagen  der  Welt.  ||  Pirqe  Elifezer  8  (2''):  Der 
Name  des  Messias.  Woher  (läßt  sich  beweisen,  daß  er  vor  der  Welt  erschaffen  worden 
ist)?  Ps72,  17:  „Vor  der  Sonne  sproßte  sein  Name  (oder:  war  Jinnon  sein  Name)." 
Und  eine  andre  Schriftstelle  heißt:  „Und  du  Bethlehem  Ephratha,  klein  um  zu  sein 
unter  den  Tausendschaften  J'^hudas  .  .  .,  u.  seine  Ausgänge  sind  von  ehedem,  d.  h.  ehe 
noch  die  Welt  geschaffen  war.  ||  pB'^'rakh  '_*,  4  (5^.  12):  R.  Judan  (M5U)  hat  im  Namen  (so 
zu  lesen)  des  R.  Aibo  (um  320)  gesagt:  M'nachem  wird  sein  (des  Messias)  Name  sein. 
Folgendes  ist  eine  Stütze  dafür:  Einst  geschah  es  bei  einem  Juden,  welcher  dastand 
u.  pflügte,  daß  seine  Kuh  brüllte.  Ein  Araber  ging  vorüber  u.  hörte  ihre  Stimme. 
Dieser  rief  ihm  zu:  .lüde.  Jude,  binde  deinen  Ochsen  ab  u.  binde  deine  Pflugschar  ab; 
denn  siehe,  das  Heiligtum  ist  zerstört.  Da  brüllte  sie  zum  andren  Male.  Jener  rief: 
Jude.  Jude,  schirre  deine  Ochsen  an  u.  schirre  deine  Pflugscharen  an;  denn  siehe, 
geboren  ward  der  König,  der  Messias!  Der  Jude  sprach  zu  ihm:  Welches  ist  sein 
Name?  M'^nacheni.  Und  welches  ist  der  Name  seines  Vaters?  Chizqijja.  Der  Jude: 
Von  wo  ist  er?  Er  antwortete:  Aus  dem  Königspalaste  in  Bethlehem  Judäas.  Der 
Jude  ging  hin,  verkaufte  seine  Ochsen  u.  seine  Pflugscharen  u.  wurde  ein  Verkäufer 
von  Leinenzeug  für  Kinder.  Er  ging  Stadt  ein,  Stadt  aus,  bis  er  in  jene  Stadt  (Beth- 
lehem) kam.  Alle  Weiber  kauften,  aber  die  Mutter  des  M'^nachem  kaufte  nichts.  Er 
hörte  die  Stimme  der  Frauen,  wie  sie  sagten:  Mutter  M*^nachems,  Mutter  M'='nachems, 
komm  u.  kaufe  für  deinen  Sohn!  Sie  antwortete:  Ich  möchte  ihn  erwürgen,  den  Feind 
Israels;  denn  an  dem  Tage,  da  er  geboren  wurde,  ist  das  Heiligtum  zerstört  worden. 
Er  (der  Verkäufer)  sprach  zu  ihr:  Wir  sind  des  festen  Vertrauens,  daß  es  seinetwegen 
zerstört  ist,  aber  auch  seinetwegen  erbaut  werden  wird.  Sie  antwortete:  Ich  habe  kein 
Geld.  Er  sprach  zu  ihr:  Was  sorgst  du  dich  darum?  Komm,  kaufe  für  ihn;  wenn  du 
heute  nichts  hast,  so  komme  ich  nach  einigen  Tagen  u.  nehme  es  in  Empfang.  Nach 
einigen  Tagen  kam  er  in  jene  Stadt  u.  sprach  zu  ihr:  Was  macht  (wie  befindet  sich) 
das  Kind?  Sie  antwortete:  Nachdem  du  mich  gesehen  hattest,  kamen  Winde  u.  Stürme 
u.  entrissen  es  meinen  Händen.  —  R.  Bun  (=  Abin  1!.,  um  3TÖ)  hat  gesagt:  Wozu 
sollen  wir  von  diesem  Araber  lernen  (nämlich,  daß  der  Messias  zur  Zeit  der  Tempel- 
zerstörung geboren  ist)?  Sagt  das  nicht  deutlich  Jes  10,  .34:  Und  der  Libanon  (—  Tempel, 
wie  öfters)  fällt  durch  einen  Herrlichen?  Was  folgt  darauf ?  Jes  11,1:  Aber  ein  Reis 
wird  aufgehn  aus  dem  Strunk  Isais.  (Das  Aufeinanderfolgen  dieser  beiden  Stellen  in 
der  Schrift  lehrt  das  Aufeinanderfolgen  ihres  Inhalts  in  der  Wirklichkeit  der  Ge- 
schichte.) —  Dasselbe  mit  vielen  Abweichungen  in  Midr  KL  zu  1,  16  (58 '^).  —  Die  Er- 
zählung ist  ein  Beleg  für  die  sich  öfters  findende  Anschauung,  daß  der  Messias  bereits 
geboren  ist,  aber  in  der  Gegenwart  wegen  der  Sünden  Israels  irgendwo  (im  Paradies, 
in  Rom,  im  Norden  I  im  Verborgenen  weilen  muß,  bis  die  Stunde  seiner  Offenbarung 
in  Machtherrlichkeit  anbricht;  vgl.  bei  Job  1, 1  51. 

2,9:  Der  Stern  stand  oben  über,  wo  das  Kindlein  war. 

Vergleichen  läßt  sich  GnR  56  (35 <^^):  „Am  dritten  Tage  .  .  .  sah 
(Abraham)  den  Ort  von  ferne"  Gn  22,  4.  Was  sah  er?  Er  sah  eine 
Wolke  an  den  Berg  gebunden.  Er  sprach:  Es  scheint,  als  ob  jener 
Ort  es  sei,  von  dem  mir  Gott  gesagt  hat,  daß  ich  dort  meinen  Sohn 
darbringen  soll. 

2,11:  Brachten  ihm  Geschenke. 
Daß  die  Heiden  dem  Messias  Geschenke  darbringen  werden,   ist 
eine  alte  jüdische  Erwartung. 


84  Matth2, 11. 14 

P'^siq  118'':  R.  Jischma<el  b.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  180)  .  .  .  ließ  Rabbi  sagen:  So 
hat  mein  Vater  gesagt  .  .  .:  Einst  wird  Ägypten  dem  Messias  ein  Geschenk  bringen; 
wenn  dieser  (nach  dem  Satzgefüge  könnte  auch  Ägypten  Subjekt  sein)  meinen  sollte, 
daß  er  es  von  ihnen  nicht  annehmen  dürfe,  wird  Gott  zu  dem  Messias  sagen:  Nimm 
es  von  ihnen  an,  sie  haben  Gastfreundschaft  meinen  Kindern  in  Ägypten  erwiesen; 
sofort  ,  werden  sich  herzumachen  die  Machthaber  aus  Ägypten"  Ps  68,  H2.  Kusch  zieht 
einen  Schluß  vom  Schwereren  auf  das  Leichtere  in  bezug  auf  sich  selbst:  Wenn  jene 
(Ägypten),  die  Israel  unterjocht  haben,  so  (gnädig  aufgenommen  werden),  um  wieviel 
mehr  wird  es  bei  mir  zutreffen,  der  ich  sie  nicht  unterjocht  habe!  Gott  spricht  zu  ihm 
(dem  Messias):  Nimm  an  von  ihnen!  Sofort  „wird  Kusch  (Mohrenland)  seine  Hände 
eilig  zu  Gott  ausstrecken"  Ps  68,  :-)2.  Das  frevlerische  Reich  (=  Rom)  zieht  einen  Schluß 
vom  Schwereren  auf  das  Leichtere  in  bezug  auf  sich  selbst:  Wenn  jene,  die  nicht  ihre 
Brüder  sind,  so,  um  wieviel  mehr  wir,  die  wir  ihre  Brüder  sind!  (Rom  =  Edom  =^ 
Esau  Jakobs  Bruder.)  Da  spricht  Gott  zum  Messias  (so  zu  lesen  statt  „Gabriel"  nach 
Diqduqe  Soph.):  „Fahre  an  das  Tier  (Rom)  u.  erwirb  (gründe)  dir  eine  Gemeinde!"  (So 
faßt  der  Midrasch  die  vier  ersten  Worte  von  PsH8,  ."51.)  —  Dasselbe  ExR  85  (95 1) 
anonym  mit  dem  einleitenden  Satz:  Und  so  findest  du  es  in  der  Zukunft,  daß  einst 
alle  Völker  dem  König,  dem  Messias,  werden  Geschenke  bringen;  Ägypten  bringt  zuerst 
usw.  II  GnR  78  (50*^):  Ein  cAm  ha-are9  (gesetzesunkundiger  Mensch)  sagte  zu  R.  Ho- 
scha'ja  (dem  Älteren,  um  'I2b):  Wenn  ich  dir  ein  schönes  Wort  sage,  wirst  du  es  in 
der  Gemeinde  in  meinem  Namen  sagen?  Er  antwortete  ihm:  Wie  lautet  es?  Jener 
sagte:  All  jene  Geschenke,  die  unser  Vater  Jakob  dem  Esau  gegeben  hat  (vgl.  Gn  32, 
14ff. ;  S^-!,  8  ff.),  werden  die  Völker  der  Welt  dereinst  dem  König,  dem  Messias,  in  der 
Zukunft  wiederbringen.  Weshalb?  „Die  Könige  von  Tarsis  und  die  Inseln  werden 
Gaben  wiederbringen"  Ps  72,  10  —  es  heißt  nicht:  „sie  werden  bringen",  sondern  „sie 
werden  wiederbringen".  Er  antwortete  ihm:  Bei  deinem  Leben,  ein  schönes  Wort  hast 
du  gesagt  u.  in  deinem  Namen  will  ich  es  sagen.  |i  Midr  Esth  zu  1,  1  (831»):  Ps  68,30: 
„Von  deinem  Tempel  nach  Jerusalem  werden  dir  Könige  Geschenke  bringen"  (so  der 
Midrasch).  Vom  Tempel  bis  Jerusalem,  ist  das  nicht  etwas  Geringes?  Vielmehr,  die 
Worte  wollen  besagen:  wie  die  Opfer  sich  fanden  vom  Tempel  bis  Jerusalem,  so 
werden  sich  dereinst  einander  ablösende  Gesandtschaften  mit  Geschenken  beim  König, 
dem  Messias,  einfinden;  s.  Ps  72,  1 1:  Und  huldigen  werden  ihm  alle  Könige.  —  Hierher 
gehören  auch:  Tanch  c-je-ü-  gegen  Ende  (19^  ;  Midr  Ps  «7  §  H  (189b),  Autor  R.  J'^huda 
b.  Simon  (32U);  in  einigen  Stellen  werden  als  Geschenke  der  Heidenvölker  an  den 
Messias  bezeichnet  die  von  ihnen  aus  der  Zerstreuung  nach  Jerusalem  zurückgeleiteten 
Israeliten,  zB  Ps  Salom  17,  80 f.;  Midr  Ps  87  S  6  ( I89b.  I9U=^),  Autor  R.  J<^huda  b.  Simon 
(32U);  Midr  HL  4,  8  (114"),  Autor  ebenfalls  R.  J^huda  (b.  Simon). 

'i,  14:  Entwich  nach  Ägypten. 

Eine  Erinnerung  an  Jesu  ägyptischen  Aufenthalt  klingt  vielleicht 
in  folgenden  Stellen  an. 

Sanh  10Tb  Bar:  Immer  stoße  die  Linke  zurück,  während  die  Rechte  heranziehe: 
nicht  wie  Elisa,  der  den  Gechazi  mit  beiden  Händen  zurückgestoßen  hat,  u.  nicht  wie 
J'^hoschuac  b.  P'^rachja,  der  Jesum  mit  beiden  Händen  zurückgestoßen  hat.  .  .  .  Wie  ver- 
hält es  sich  mit  R.  J'-'hoschua!  b.  P.?  Als  der  König  Jannäus  die  Gelehrten  töten  ließ, 
zog  R.  J^hoschuac  b.  P.  u.  Jesus  nach  Alexandria  in  Ägypten.  Als  Friede  war,  sandte 
ihm  Schimcon  b.  Schatach  (folgende  Botschaft):  „Von  mir,  Jerusalem,  der  heiligen  Stadt, 
an  dich,  Alexandria  in  Ägypten.  Meine  Schwester,  mein  Gemahl  (=  J'^hoschua'  b.  P.) 
weilt  in  deiner  Mitte,  u.  ich  sitze  verlassen  da."  Er  machte  sich  auf  u.  traf  unterwegs 
auf  eine  Herberge,  in  welcher  man  ihm  viel  Ehre  erwies.  Er  sagte:  Wie  schön  ist 
diese  Herberge!    Er  (Jesus)  sprach  zu  ihm:  Rabbi,  ihre  Augen  sind  zwinkernd.'    Er 

*  N-3t':s  bedeutet  „Gasthaus"  u.  „Gastwirtin";  der  Rabbi  gebraucht  es  im  erstem 
Sinne,  Jesus  versteht  es  im  letztern. 


Matth  2,  14.  15  85 

(J%oschual  b.  P.)  sprach  zu  ihm:  „Frevler,  mit  dergleichen  beschäftigst  du  dich?"  Er 
ließ  vierhundeit  Posaunen(töne)  ausgehn  u.  tat  ihn  in  den  Bann.  Er  (Jesus)  kam  sehr 
oft  vor  ihn  u.  bat,  daß  er  ihn  annehme;  aber  er  bekümmerte  sich  nicht  um  ihn.  Eines 
Tages  las  er  (J.  b.  F.)  das  Sch'-'ma'  (Dt  6,  4),  da  kam  er  (Jesus)  vor  ihn;  er  wollte  ihn 
annehmen  u.  winkte  ihm  mit  der  Hand.  Dieser  aber  meinte,  er  stoße  ihn  wieder  zurück, 
ging  hin,  richtete  einen  Ziegelstein  auf  u.  verehrte  ihn.  Darauf  sprach  er  (J.  b.  P.)  zu 
ihm:  Bekehre  dich!  Er  antwortete  ihm:  So  habe  ich  von  dir  empfangen:  Wer  sündigt 
u.  viele  zur  Sünde  verleitet,  dem  gibt  man  nicht  mehr  die  Möglichkeit,  Buße  zu  tun. 
Der  Autor  sagte  nämlich,  Jesus  habe  Zauberei  getrieben  u.  Israel  verlockt  u.  verführt.  — 
Ähnlich  Sota  47*,  hier  statt  -v-  gesagt:  „Der  Nazarener'*  ""^r:-;-.  —  In  pChag  "J,  2  (77 '\ 
oO)  kürzer  u.  ohne  Erwähnung  Jesu,  ferner  J'^huda  b.  Tabai  statt  J'^hoschuac  b.  P'^rachja; 
pSanh  G,  9  (23'',  23)  hat  nur  die  Anfangsworte  wie  in  pChag. 

Form  u.  Inhalt  dieser  Geschichte  sind  unhistorisch,  da  J*^hoschuac 
b.  P^rachja,  dessen  Jünger  Jesus  gewesen  sein  soll,  unter  Alexander 
Jannäus  (104 — 78  v.  Chr.)  gelebt  hat.  Die  geschichtliche  Situation 
würde  auch  dann  unhistorisch  bleiben,  falls,  wie  es  nach  Josephus 
Antiq.  14,  9,  3 — 5  scheint,  eine  Verwechselung  des  Königs  Jannäus  mit 
Herodes  I.  vorläge.  Immerhin  würde  man  Jesum  mit  einem  vorüber- 
gehend in  Ägypten  gewesenen  jüdischen  Gelehrten  nicht  in  Verbindung 
gebracht  haben,  wenn  nicht  bestimmte  Traditionen  über  einen  ägypt, 
Aufenthalt  Jesu  in  Umlauf  gewesen  wären. 

Schab  104 b  Bar:  R.  Elifezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  sagte  zu  den  Gelehrten:  Hat 
nicht  Ben  Stada  die  Zauberkünste  aus  Ägypten  mitgebracht  durch  Einritzungen  in 
seinen  Körper?  Man  antwortete  ihm:  Der  ist  ein  Narr  gewesen,  u.  von  Narren  bringt 
man  keine  Beweisgründe  bei.  —  Die  ältere  Zeit  hat  Jesum  in  keine  Verbindung  mit  Ben 
Stada  gebracht;  erst  die  Späteren  haben  beide  miteinander  identifiziert,  s.  bei  Mt  1,  16 
S.  3y  f.  Aber  daß  man  zu  dieser  Identifizierung  gerade  auf  Ägypten  Bezug  genommen 
hat,  zeigt  wiederum,  daß  der  Aufenthalt  Jesu  in  Ägypten  eine  innerhalb  der  Synagoge 
verbreitete  Überlieferung  gewesen  ist. 

2,15:  Aus  Ägypten  habe  ich  meinen  Sohn  gerufen. 

Der  Heranziehung  von  Hos  11,1  liegt  der  Gedanke  zugrunde,  daß 
die  Erlösung  Israels  aus  Ägypten  ein  Typus  der  messian.  Erlösung  sei, 
ein  Gedanke,  der  (vom  AT  angeregt  J^s  11,11;  48,21;  Hos  2, 16;  12, 10; 
Micha  7,  15)  wie  kein  anderer  neben  ihm  die  Ausgestaltung  des  Lehr- 
stücks von  der  Enderlösung  schon  frühzeitig  in  umfassendster  Weise 
bestimmt  hat.   Einige  Beispiele  mögen  dies  illustrieren. 

M^kh  Ex  12,  42  (20=*):  Eine  Nacht  der  Bewahrung  (oder  Beobachtung)  ist  es  für 
Jahve  mit  Rücksicht  auf  die  Ausführung  aus  Ägypten;  diese  selbe  Nacht  (die  Passah- 
nacht) ist  eine  zu  beobachtende  für  Jahve  in  bezug  auf  alle  Kinder  Israel  für  ihre 
Geschlechter.  In  dieser  Nacht  sind  sie  erlöst  worden  (aus  Ägypten),  u.  in  ihr  werden 
sie  dereinst  (in  der  messian.  Zeit)  erlöst  werden.  Das  sind  Worte  des  R.  J'^^hoschua' 
(b.  Chananja,  um  90  n.  Chr.).  Dasselbe  RH  Ha.  b;  Tauch  n=  (76^);  vgl.  auch  Targ  Je- 
rusch  I  zu  Ex  12,  42.  ||  Midr  Ps  90  §  17  (197  »):  , Erfreue  uns  nach  der  Länge  der  Zeit, 
da  du  uns  gebeugt  hast"  Ps  90,  15,  in  den  Tagen  (1.  r-rn-s  statt  nia':)  des  Messias. 
Wie  lange  währen  die  Tage  des  Messias?  .  .  .  R.  fAqiba  (f  um  135)  sagte:  Vierzig  Jähre, 
wie  die  Tage,  da  du  uns  gebeugt  hast  in  den  vierzig  Jahren,  die  Israel  in  der  Wüste  • 
zugebracht  hat,  s.  Dt  8,  3:  Er  beugte  dich  u.  ließ  dich  hungern.  —  Die  Parallele  P<^siqR 
1  (4*)  lautet:  Wie  lange  währen  die  Tage  des  Messias?  R.  <Aqiba  sagt:  Vierzig  Jahre, 


86  Matth  2, 15 

s.  Dt8,  3:  ,Er  beugte  dich  u.  ließ  dich  hungern" ;  u.  Ps90, 15:  „Erfreue  uns  nach  der 
Länge  der  Tage,  da  du  uns  gebeugt  hast."  Wie  das  Beugen  dort  vierzig  Jahre  währte, 
so  auch  das  Beugen,  von  dem  hier  geredet  wird,  vierzig  Jahre.  R.  Abin  (I.  um  325 
oder  der  II.  um  37Ü)  hat  gesagt:  Was  war  der  Grund  des  R. 'Aqiba?  Antwort  (Micha 
7, 15):  ,Wie  in  den  Tagen,  da  du  auszogst  aus  Ägyptenland,  will  ich  es  Wunder  sehn 
lassen."  (Über  die  Dauer  der  messian.  Zeit  s.  zu  Offb  20,4.)  ||  Midr  HL  zu  1,  8  (89 1>): 
Geh  nur  hinaus  bis  ans  Ende  der  Schafe  (so  der  Midrasch).  R.  Elicezer  (b.  Hyrkanos, 
um  90),  R.  (Aqiba  (f  um  135)  u.  die  Rabbanan  (aus  derselben  Zeit).  R.  Elicezer  sagte: 
Von  dem  Kuchen,  den  die  Israeliten  mit  sich  aus  Ägypten  nahmen,  haben  sie  31  Tage 
lang  gegessen.  Daraus  erkennst  du  (nach  der  Lesart  in  Matt.  K*^hunna),  was  ich  ihnen 
ganz  am  Ende  (=  in  der  messian.  Zeit)  tun  werde;  das  meint  Ps72, 16:  „Weizenbrot 
wird  im  Lande  sein."  R.  «Aqiba  sagte:  Daraus,  daß  ich  sie  mit  den  Wolken  der  Herr- 
lichkeit umgab  (Exl3,  21f.i,  erkennst  du,  was  ich  ihnen  ganz  am  Ende  tun  werde; 
vgl.  Jes4,  ö:  „Ein  Schirmdach  zum  Schatten  am  Tag  vor  Hitze."  Und  die  Rabbanan 
sagten:  Aus  dem,  womit  ich  sie  in  der  Wüste  gespeist  habe,  was  süßer  war  als  Honig 
u.  Milch,  erkennst  du,  was  ich  ihnen  ganz  am  Ende  tun  werde,  vgl.  Joel4, 18:  ,An 
jenem  Tage  werden  die  Berge  von  Most  triefen."  |i  P'^siq  67>b:  R.  Levi  (um  300)  hat  im 
Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  gesagt:  Der,  welcher  Rache  genommen  hat 
an  den  Ersten  (=  Ägypten),  der  wird  auch  Rache  nehmen  an  den  Letzten  (^  Rom 
in  der  messian.  Zeit).  Wie  er  an  Ägypten  Rache  genommen  hat  durch  Blut,  so  wird 
er  es  auch  tun  an  Edom  (=  Rom),  s.  Joel  3,3:  „Ich  will  Wunderzeichen  geben  am 
Himmel  u.  auf  der  Erde:  Blut  u.  Feuer  u.  Rauchsäulen."  Wie  an  Ägypten  durch  Frösche, 
so  auch  an  Edom,  s.  Jes66,  6:  Stimme  des  Lärms  (nämlich  des  Froschlärms)  aus  der 
Stadt  (=  Rom).  Wie  an  Ägypten  durch  Stechmücken,  so  auch  an  Edom,  s.  Jes34,  9: 
Da  wandeln  sich  ihre  Bäche  zu  Pech  u.  ihr  Staub  zu  Schwefel  (u.  Staub  bedeutet  hier 
nichts  andres  als  Stechmücken  —  so  nach  Lesart  in  Jalqut  1  §  182  — ).  s.  Ex  8,12: 
Schlage  den  Staub  der  Erde.  u.  er  soll  zu  Stechmücken  werden.  Wie  an  Ägypten  durch 
allerlei  Getier,  so  auch  an  Edom,  s.  Jes  34, 1 1 :  Besitz  nehmen  davon  Pelikan  u.  Igel, 
u.  Ohreule  u.  Rabe  werden  darin  hausen.  Wie  an  Ägypten  durch  Pest,  so  auch  an 
Edom,  s.  Ez38,  22:  Ich  will  ihn  richten  durch  Pest  u.  Blut.  Wie  an  Ägypten  durch 
Aussatz,  so  auch  an  Edom,  s.  Sach  14, 12:  Dies  wird  die  Plage  sein  .  .  .:  verfaulen  läßt 
er  sein  Fleisch.  Wie  an  Ägypten  durch  Hagel,  so  auch  an  Edom,  s.  Ez38,  22:  (Ich 
will  ihn  richten  .  .  .)  durch  schwemmenden  Gußregen  u.  Hagelsteine.  Wie  an  Ägypten 
durch  Heuschrecken  (Geflügeltes),  so  auch  an  Edom,  s.  Ez  39,  17 — 19:  Du  Menschen- 
kind, so  spricht  Jahve  Elohim:  Sage  zu  den  Vögeln,  zu  allem  Geflügelten  (also  auch 
zu  den  Heuschrecken)  usw.  Wie  an  Ägypten  durch  Finsternis,  so  auch  an  Edom,  s. 
Jes  34,  II:  Spannet  darüber  die  Meßschnur  des  Tohu  u.  das  Senkblei  des  Bohu  (= 
chaotische  Finsternis).  Und  wie  Ägypten  den  Ältesten  (Erstgebornen)  unter  ihnen 
hergab  u.  er  tötete  sie,  so  auch  Edom,  s.  Jes  34,  7:  Hinunter  müssen  Büffel  (s-'as-i)  mit 
ihnen.  R.  Meir  (um  160)  hat  gesagt:  Hinunter  müssen  die  Römer  {z-o^~}  mit  ihnen.  — 
Dasselbe  P^siqR  17  (90=*);  ferner  anonym  TanchB  s:  §  6  (22=')  mit  der  Einleitung:  Alle 
Plagen,  die  Gott  über  Ägypten  gebracht  hat,  die  wird  er  dereinst  (in  messian.  Zeit) 
über  Edom  bringen.  I]  P'^siq  56 1«:  „Und  also  sollt  ihr  es  essen  .  .  .,  ihr  sollt  es  in  ängst- 
licher Hast  essen"  (Ex  12, 11).  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Während 
es  in  dieser  Welt  heißt:  „Ihr  sollt  es  in  ängstlicher  Hast  essen",  wie  heißt  es  dagegen 
für  die  Zukunft  (von  der  messian.  Erlösung)'?  „Nicht  in  eiliger  Hast  sollt  ihr  ausziehn, 
noch  in  Flucht  weglaufen;  denn  es  zieht  vor  euch  her  Jahve,  u.  &aern  Zug  beschließt 
der  Gott  Israels"  Jes52, 12.  —  Dasselbe  P'siqR  15  (79l>);  anonym  u.  durch  ein  Gleichnis 
erweitert  ExR  19  (81*').  —  Die  Grundlagen  von  Sch^muels  Ausführung  bereits  anonym 
in  M%h  Ex  12, 11  (9b).  ||  Midr  Ruth  2,  14  {l^-i^):  R.  B^reklija  (340)  hat  im  Namen  des 
R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Wie  der  erste  Erlöser  (=  Mose),  so  der  letzte  Erlöser  (  = 
Messias).  Wie  der  erste  Erlöser  sich  offenbarte  u.  sich  dann  wieder  vor  ihnen  verbarg 
(wie  lange  verbarg  er  sich  vor  ihnen?  Drei  Monate.  Vgl.  Ex  •'>,  20:  Und  sie  trafen  Mose 
u.  Aaron),  so  wird  der  letzte  Erlöser  sich  ihnen  offenbaren  u.  wieder  vor  ihnen  ver- 


Matth  2,  15  87 

bergen.  Und  wie  lange  wird  er  sich  verbergen?  R.  Tauchuma  (b.  Abba,  um  380)  hat 
im  Namen  der  Rabhinen  gesagt:  45  Tage;  vgl.  Dn  12, 11:  ,Von  der  Zeit,  da  das  Tamid- 
opfer  hinweggeschatft  wird  .  .  .,  dauert  es  1290  Tage",  mit  Dn  12,  12:  ,Wohl  dem,  der 
wartet  u.  erreicht  1335  Tage."  Wie  verhält  es  sich  mit  jenen  überzähligen  (45  Tagen)? 
R.  Ji9chaq  b.  Q^'^arta  hat  im  Namen  des  R.  Jona  (um  350)  gesagt:  Das  sind  die  45  Tage, 
da  Israel  Salzkraut  pflückt  u.  ißt,  s.  Hiob  30,  4 :  „Sie,  die  Salzkraut  pflücken  am  Ge- 
sträuch" (Targ  zu  Hiob  30,4:  Die  Dorngestrüpp  pflücken  statt  geniefsbarer  Kräuter). 
Wohin  wird  er  (der  Messias)  sie  (Israel)  führen?  Aus  dem  Lande  in  die  Wüste  Juda; 
s.  Hos  2,  lö:  „Deswegen  siehe,  ich  will  sie  locken  u.  will  sie  in  die  Wüste  führen." 
Wer  sagt:  In  die  Wüste  Sihons  u.  <Ogs,  (kann  hinweisen  auf  Hos  12,  10:)  Wiederum 
werde  ich  dich  in  Zelten  wohnen  lassen,  wie  in  den  Tagen  der  Vorzeit  (so  nach  Targ 
Jon  zu  Hos  12, 10).  Und  jeder,  der  ihm  (dem  Messias)  glaubt,  der  bleibt  am  Leben; 
n.  wer  ihm  nicht  glaubt,  der  geht  zu  den  Völkern  der  Welt,  u.  diese  töten  ihn.  R.  Ji(j- 
chaq  b.  Marjon  ium  2^0)  hat  gesagt:  Am  Ende  offenbart  sich  Gott  über  ihnen  u.  läßt 
ihnen  Manna  herabkommen;  denn  nichts  Neues  gibt  es  unter  der  Sonne.  —  Dasselbe 
mit  Abweichungen  P^'siq  49'':  als  Autoren  der  Berechnung  der  45  Tage  werden  ge- 
nannt Chama  b.  Chanina  (um  260)  u.  (Chama  b.)  Hoscha'ja  (um  260);  ferner  P*^siqR  15 
{72b);  NuR  U  il62b);  Midr  HL  zu  2,  9f.  (100*).  ||  Midr  Qoh  zu  l,9(9b):  R.  B^rekhja  (um 
340 1  hat  im  Namen  des  R.  Ji9chaq  (um  300)  gesagt:  Wie  der  erste  Erlöser,  so  der  letzte 
Erlöser.  Wie  es  vom  ersten  Erlöser  heißt  Ex  4,  20:  „Mose  nahm  sein  Weib  u.  seine 
Söhne,  ließ  sie  auf  einem  Esel  reiten",  so  auch  der  letzte  Erlöser,  s.  Sach  9,  9:  Niedrig 
u.  reitend  auf  einem  Esel.  Wie  der  erste  Erlöser  das  Manna  herabfallen  ließ,  s.  Ex 
16,4:  „Siehe,  ich  will  auf  euch  Brot  vom  Himmel  regnen  lassen",  so  wird  auch  der 
letzte  Erlöser  das  Manna  herabfallen  lassen,  s.  Ps  72,  6:  Weizenbrot  wird  auf  der  Erde 
liegen  (so  der  Midrasch).  Wie  der  erste  Erlöser  den  Brunnen  aufsteigen  ließ  (Nu  20,  11), 
so  wird  auch  der  letzte  Erlöser  das  Wasser  aufsteigen  lassen,  s.  Joel  4,  1^:  „Ein  Quell 
wird  vom  Hause  Jahves  ausgehn,  um  das  Akaziental  zu  tränken."  —  Der  Anfang  mit 
R.  Levi  als  Autor  (um  300)  Midr  Sm  14§9(45'>).  !l  ExR3(»J9b):  , Dies  sei  dir  das  Zeichen, 
daß  ich  dich  gesandt  habe"  Ex  3,  12.  Was  bedeuten  diese  Worte?  Unsre  Lehrer  ge- 
segneten Andenkens  haben  gesagt:  Ein  Zeichen  für  die  erste  Erlösung  war  es;  denn 
mit  „ich"  (-r:s)  sind  die  Israeliten  nach  Ägypten  hinabgezogen,  s.  Gn  46,4:  „Ich"  werde 
mit  dir  nach  Ägypten  hinabziehen,  u.  mit  „ich"  werde  ich  dich  gewiß  auch  herauf- 
bringen. Und  ein  Zeichen  für  die  letzte  Erlösung  ist  es;  denn  durch  „ich"  werden  sie 
geheilt  u.  werden  sie  dereinst  {in  der  niessian.  Zeit)  erlöst  werden,  s.  Mal  3,  23:  Siehe, 
„ich"  will  euch  den  Propheten  Elia  senden.  |i  ExR  1  {67b):  Die  Tochter  des  Pharao  zog 
den  groß,  der  dereinst  an  ihrem  Vater  Rache  nehmen  sollte;  u.  auch  der  König,  der 
Me.ssias,  der  dereinst  an  Edom  {=  Rom)  Rache  nehmen  wird,  wohnt  bei  ihnen  in  der 
Stadt  (Rom),  s.  Jes  27. 10:  Dort  (in  der  festen  Stadt  =  Rom)  wird  das  Kalb  weiden  u. 
dort  wird  es  lagern.  (Vermutlich  hat  das  Verbum  yz-'  Gn  49,  9,  welche  Stelle  allgemein 
messian.  gedeutet  wird,  veranlaßt,  daß  man  das  v^"^'  Jes  27,  10  gleichfalls  auf  den 
Messias  bezogen  hat.)  —  Dasselbe  Tauch  n-a-a  (61b).  ||  Midr  Ps  43  §  1  (134''):  Jenem 
Geschlecht  (in  Ägypten)  hast  du  Erlösung  gesandt  nur  durch  zwei  Erlöser,  s.  Ps  105,  26: 
„Er  sandte  Mose,  seinen  Knecht,  Aaron,  den  er  erwählt  hatte."  Und  auch  diesem  Ge- 
schlecht (in  der  messian.  Zeit)  sendet  er  zwei,  die  jenen  (zwei)  entsprechen:  „sende 
dein  Licht  u.  deine  Wahrheit"  Ps43,  3;  „dein  Licht",  das  ist  der  Prophet  Elias  aus 
dem  Hause  Ahron,*  von  dem  geschrieben  steht  Nu  8,2:  „Nach  der  Vorderseite  des 
Leuchters  sollen  die  sieben  Lampen  ihr  Licht  werfen";  u.  „deine  Wahrheit",  das  ist 
der  Messias  b.  David,  s.  Ps  132, 1 1 :  „Geschworen  hat  Jahve  dem  David  Wahrheit,  davon 
wird  er  sich  nicht  wenden."  Und  ebenso  heißt  es  Mal  3,  23:  „Siehe,  ich  sende  euch 
den  Propheten  Elias";  siehe,  das  ist  der  eine;  u.  der  andre:  „Siehe,  mein  Knecht,  den 
ich  aufrecht  halte"  Jes  42, 1.  |!  ':z,  meinen  Sohn,  Hos  11, 1  geben  die  LXX  wieder  mit 


*  Elias  wird  hier  mit  Pin'^chas  identifiziert,  der  als  Kohen  Qedeq,  als  Hoherpriester 
der  Messiaszeit  zurückerwartet  wird,  das  „Licht"  gilt  dabei  als  Symbol  des  Priestertums. 


88  Matth  2, 16(1.2) 

T«  TExva  avTov  (sc.  ^laQccrjX);   auch  Targ  Hos  11,1  übersetzt  den  Singular  durch  den 
Plural:   „Aus  Ägypten  habe  ich  ihnen  Kinder  gerufen." 

2,16:  Und  ließ  alle  Knaben  töten. 

1.  Wie  Herodes  gegen  sein  Volk  wütet,  um  den  Messias  zu  töten, 
so  auch  der  Pharao,  um  den  Erlöser  Israels  aus  Ägypten  zu  vernichten. 

Sota  12^:  „Da  befahl  der  Pharao  seinem  ganzen  Volke"  Ex  1,22.  R.  Jose  b.  Cha- 
nina (um  270)  hat  gesagt:  Auch  in  bezug  auf  sein  Volk  befahl  er  es.  Und  R.Jose  b. 
Chanina  hat  gesagt:  Drei  Befehle  gab  er:  „Wenn  es  ein  Sohn  ist,  so  tötet  ihn"  Ex  1, 16; 
u.:  , Jeden  neugeborenen  Sohn  sollt  ihr  in  den  Nil  werfen"  1,22;  u.  schließlich  befahl 
er  es  auch  in  bezug  auf  sein  Volk.  ||  ExR  1  (66*^):  „Da  befahl  der  Pharao  seinem 
ganzen  Volke"  (Ex  1,  22).  R.  Jose  b.  Chanina  hat  gesagt:  Auch  in  bezug  auf  sein  Volk 
befahl  er  es.  Und  weshalb  tat  er  also?  Weil  die  Astrologen  zu  ihm  sagten:  Mit  dem 
Erlöser  Israels  geht  seine  Mutter  schwanger;  aber  wir  wissen  nicht,  ob  er  ein  Israelit 
oder  ein  Ägypter  ist.  In  jener  Stunde  versammelte  der  Pharao  alle  Ägypter  u.  sprach 
zu  ihnen:  Gebet  (wörtl.:  leihet)  eure  Kinder,  die  während  der  n'ächsten  neun  Monate 
geboren  werden,  her,  damit  ich  sie  in  den  Nil  werfen  lasse,  s.  Ex  1,  22:  „Jeden  neu- 
geborenen Sohn  sollt  ihr  in  den  Nil  werfen."  „Jeden  Sohn  der  Israeliten"  steht  hier 
nicht  geschrieben,  sondern  „jeden  Sohn",  sowohl  den  eines  Juden,  als  auch  den  eines 
Ägypters.  Aber  sie  wollten  das  von  ihm  nicht  annehmen;  denn  sie  sagten:  Der  Sohn 
eines  Ägypters  wird  sie  nun  u.  nimmer  erlösen,  sondern  nur  einer  von  den  Hebräern. 

2.  Die  Grausamkeit  des  Herodes  u.  seine  Kunstfertigkeit  in  der 
Spionage. 

BB  3*^:  Herodes,  der  Knecht  des  Hauses  der  Hasmonäer,  hatte  sein  Auge  auf 
jenes  Mädchen  (Mariamme)  geworfen.  Eines  Tages  hörte  dieser  Mann  eine  Himmels- 
stimme, welche  rief:  Der  Knecht,  der  sich  jetzt  empört,  hat  Glück!  Er  erhob  sich  u. 
tötete  seine  ganze  Herrschaft  (=  Familie  der  Hasmonäer),  aber  jenes  Kind  ließ  er 
übrig.  Als  dieses  Kind  sah,  daß  er  sie  ehelichen  wollte,  stieg  sie  auf  ein  Dach  u. 
erhob  ihre  Stimme,  rufend:  Jeder,  der  kommt  u.  sagt:  ,Vom  Hause  der  Hasmonäer 
stamme  ich  ab',  der  ist  ein  Knecht;  denn  von  ihnen  bin  ich  (wörtl.:  dieses  Kind) 
allein  übriggeblieben.  Darauf  stürzte  sich  dieses  Kind  vom  Dach  auf  die  Erde.'  Er 
(Herodes)  verbarg  sie  sieben  Jahre  (wohl  eine  ungenaue  Erinnerung  an  die  achtjährige 
Ehe  der  Mariamme  mit  H.)  in  Honig.  Einige  sagen,  er  habe  ihr  beigewohnt;  andre 
sagen,  er  habe  ihr  nicht  beigewohnt.  Jene  meinen,  daß  er  sie  verbarg,  um  seine  Lust 
zu  stillen;  u.  diese  meinen,  daß  er  sie  verbarg,  damit  man  sagen  sollte,  er  hätte  eine 
Königstochter  geheiratet.  (Dieser  Versuch,  die  Ehe  des  Herodes  mit  der  Mariamme  aus 
der  Geschichte  zu  tilgen,  ist  wohl  ein  Ausdruck  des  Hasses  der  Pharisäer  gegen  den 
König.)  —  Herodes  sagte:  Wer  deutet  die  Worte  Dt  17, 15:  „Mitten  aus  deinen  Brüdern 
sollst  du  einen  König  über  dich  setzen" '?  Die  Rabbinen  (taten  es).  Da  erhob  er  sich 
u.  ließ  alle  Rabbinen  töten;  den  Baba  b.  Buta  ließ  er  übrig,  um  von  ihm  sich  Rat  zu 
holen.  Er  ließ  ihm  einen  Kranz  aus  Igelhaut  aufsetzen,  der  stach  ihm  seine  Augen 
aus.  Eines  Tages  kam  H.,  setzte  sich  vor  ihn  (der  nach  Verlust  seiner  Augen  den 
König  nicht  erkannte)  u.  sprach:  Sieh,  Herr,  was  dieser  böse  Knecht  (Herodes)  treibt I 
Er  antwortete:  Was  soll  ich  ihm  tun?  H.  sagte:  Es  möge  ihn  der  Herr  (=  du)  ver- 
fluchen! Er  antwortete  ihm:  „Auch  in  deinen  Gedanken  fluche  dem  König  nicht"  Qoh 
10,20.  H.  sprach  zu  ihm:  Der  ist  kein  König!  Er  antwortete:  Und  mag  er  nur  ein 
gewöhnlicher  Reicher  sein,  so  steht  geschrieben:  „In  deinen  Schlafgemächern  fluche 
nicht  dem  Reichen"  Qoh  10,  20,  u.  wäre  er  ein  Fürst,  so  steht  geschrieben:  „Einem 
Fürsten  in  deinem  Volk  sollst  du  nicht  fluchen!"  Ex  22,  27.  H.  sprach:  Das  gilt  von 
einem,    der  das  Werk  deines  Volkes  treibt,   aber  der   treibt  das  Werk  deines  Volkes 

^  Aus  Qid  70b  geht  hervor,  daß  diese  Tradition  bereits  dem  Babylonier  Sch*^muel 
(t  254)  bekannt  gewesen  ist. 


Matth  2,  16  (2).  18  89 

nicht!  Er  antwortete :  Ich  fürchte  mich  vor  ihm.  H.  sprach:  Es  ist  niemand  hier,  der 
hingehn  könnte  u.  es  ihm  sagen;  nur  ich  u.  du  sitzen  hier.  Er  antwortete:  Es  steht 
geschrieben:  Denn  ein  Vogel  des  Himmels  möchte  die  Stimme  weiter  tragen  u.  ein 
Geflügelter  das  Wort  verraten  Qoh  10,  '20.  Da  sagte  jener  zu  ihm:  Ich  bin  es  (Herodes); 
wenn  ich  gewußt  hätte,  daß  die  Rabbinen  so  vorsichtig  sind,  dann  hätte  ich  sie  nicht 
getötet,  li  Josephus  erzählt  Bell  Jud  1,  33,  6.S;  Antiq  17,  6,  5;  8,  2,  daß  Herodes  kurz  vor 
seinem  Tode  einen  Mordbefehl  gegen  die  Vornehmsten  unter  den  Juden  erlassen  habe, 
damit  ganz  Judäa  u.  die  einzelnen  Häuser  Tränen  über  sein  Ableben  fänden.  Dieselbe 
Erzählung  in  der  alten  „  Fastenrolle "  über  den  König  Alexander  Jaunäus  (104 — 78 
V.  Chr.).  Da  es  nicht  unmöglich  ist,  daß  die  rabbin.  Tradition  hier,  wie  auch  sonst, 
die  beiden  bestgehaßten  Könige  miteinander  verwechselt  hat,  so  möge  M'^g  Tacan  11 
hier  ihren  Platz  finden:  Man  hat  gesagt,  als  der  König  Jannäus  krank  daniederlag, 
ließ  er  70  Älteste  von  den  Ältesten  Israels  festnehmen  u.  ins  Gefängnis  werfen.  Er 
befahl  dem  Obersten  des  Gefängnisses:  „Wenn  ich  tot  bin,  so  töte  jene  Ältesten"; 
u.  auch  (befahl  er  dies),  damit  die  über  ihn  (bei  seinem  Tode)  sich  freuenden  Israeliten 
über  ihre  Lehrer  Trauer  hätten.  Man  hat  gesagt,  daß  der  König  Jannäus  ein  treffliches 
Weib  gehabt  habe  namens  Schalminin:  ^  als  er  nun  gestorben  war,  zog  sie  seinen  Ring 
von  seiner  Hand,  sandte  in  das  Haus  de^  Gefangenaufsehers  u.  ließ  ihm  sagen:  ,Dein 
Herr  hat  jene  Ältesten  im  Traum  freigelassen"!  Da  ließ  er  sie  frei,  u.  sie  begaben 
sich  in  ihre  Häuser.  Hinterher  aber  teilte  man  mit,  daß  der  König  Jannäus  gestorben 
sei;  u.  diesen  Tag,  an  welchem  der  König  Jannäus  starb,  machte  man  zu  einem  Feiertag 
(an  welchem  nicht  gefastet  werden  sollte). 

'^,18:  Rahel,   die  ihre  Kinder  beweint. 
Jer  31,  15  im  Midrasch. 

GnR  82  (52''):  Was  sah  linser  Vater  Jakob,  daß  er  die  Rahel  auf  dem  Wege  nach 
Ephrath  begrub,  vgl.  Gn  35, 19?  Er  schaute,  daß  die  Verbannten  dereinst  dort  vorüber- 
ziehn  würden;  deshalb  begrub  er  R.  dort,  damit  sie  dort  für  sie  um  Erbarmen  bäte. 
Dasmeint  Jer31, 15:  Eine  Stimme  wird  vernommen  zu  Rama.  !|  Midr  KL  Einl.  24  (oSa-b); 
R.  Sch'^'muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  (Nach  einer  Klage  der  Väter  Israels 
über  Jerusalems  Untergang  folgt  38 b:)  In  jener  Stunde  sprang  unsre  Mutter  R.  hin 
vor  Gott  u.  sprach:  Herr  der  Welten,  offenbar  ist  dir,  daß  Jakob,  dein  Knecht,  mich 
geliebt  hat  mit  gar  großer  Liebe,  u.  um  meinetwillen  hat  er  meinem  Vater  sieben 
Jahre  gedient;  u.  als  jene  sieben  Jahre  vollendet  waren  u.  die  Zeit  meiner  Vermählung 
nahte,  faßte  mein  Vater  den  Plan,  mich  meinem  Eheherrn  für  meine  Schwester  zu 
vertauschen.  Das  lastete  überaus  schwer  auf  mir,  denn  der  Plan  war  mir  bekannt 
geworden;  u.  ich  teilte  ihn  meinem  Eheherrn  mit  u.  gab  ihm  Zeichen  zur  Unterscheidung 
zwischen  mir  u.  meiner  Schwester,  damit  er  mich  nicht  verwechseln  könnte.  Aber 
hinterher  tröstete  ich  mich  bei  mir  selber  u.  ertrug  mein  Verlangen  u.  erbarmte  mich 
über  meine  Schwester,  daß  sie  nicht  mit  Schimpf  davonginge.  Und  am  Abend  ver- 
tauschten sie  meine  Schwester  gegen  mich,  u.  ich  überlieferte  meiner  Schwester  alle 
die  Zeichen,  die  ich  meinem  Eheherrn  überliefert  hatte,  damit  er  meinen  sollte,  sie  sei 
Rahel.  Ja  noch  mehr,  ich  schlich  mich  unter  das  Lager,  auf  dem  er  mit  meiner  Schwester 
ruhte;  u.  wenn  er  mit  ihr  redete,  so  schwieg  sie,  ich  aber  antwortete  auf  jedes  seiner 
Worte,  damit  er  die  Stimme  meiner  Schwester  nicht  erkennen  möchte.  So  habe  ich 
Gnade  an  ihr  geübt  u.  bin  nicht  eifersüchtig  auf  sie  geworden,  noch  habe  ich  sie  in 
Schimpf  davongehn  lassen.  Und  wenn  ich,  die  ich  Fleisch  u.  Blut,  Staub  u.  Asche  war, 
wider  meine  Nebenbuhlerin  nicht  geeifert  noch  sie  in  Schimpf  u.  Schande  habe  davon- 
gehn lassen  —  du,  der  du  der  ewig  lebende  barmherzige  König  bist,  warum  hast  du 
dich  ereifert  gegen  die  Götzen,  an  denen  nichts  Wesenhaftes  ist,  u.  hast  meine  Kinder 
lassen  in  die  Gefangenschaft  ziehn,  daß  sie  durchs  Schwert  getötet  wurden  u.  die  Feinde 


*  Im  Bericht  des  Josephus  spielt  Salome,  die  Schwester  des  Herodes,  diese  Rolle. 


90  Matth  2,  18.  19.  20 

an  ihnen  handelten  nach  ihrem  Gelüst!  —  Sofort  regte  sich  das  Erbarmen  Gottes,  u. 
er  sprach:  Um  deinetwillen.  Rahel,  bringe  ich  Israel  zurück  an  ihren  Ort.  Das  meint 
Jer3I,15 — 17:  „So  spricht  Jahve:  Eine  Stimme  wird  zu  Rama  vernommen  .  .  .  Rahel 
weint  über  ihre  Kinder  ...  So  spricht  Jahve:  Wehre  deiner  Stimme  das  Weinen  .  .  .; 
es  gibt  noch  einen  Lohn  für  dein  Tun"  usw.  Vgl.  hierzu  gleich  Raschi  zu  Jer31,  15.  || 
P^siql41^:  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  hat  gelehrt:  Weil  alles  von  Rahel  abhing 
(d.  h.  weil  die  ganze  Lebensgeschichte  Jakobs  sich  um  sie  drehte),  wurden  ihre  Nach- 
kommen nach  ihrem  Namen  genannt:  „R.  weinte  über  ihre  Kinder"  (Jer  31, 15);  u.  nicht 
bloß  nach  ihrem  Namen,  sondern  auch  nach  dem  Namen  ihres  Sohnes:  „Vielleicht 
wird  Jahve,  der  Gott  der  Heerscharen,  den  Überrest  Josephs  begnadigen"  (Am  5, 15); 
u.  nicht  bloß  nach  dem  Namen  ihres  Sohnes,  sondern  auch  nach  dem  Namen  ihres 
Enkels:  „Ein  Lieblingssohn  ist  mir  Ephraim"  (Jer  31,  20).  —  Dasselbe  GnR  71  (46^); 
Midr  Ruth  4, 11  (137^).  |!  Midr  KL  1,  2  (50'''):  R.  Schimcon  b.  Jochai  (um  150)  hat  gesagt: 
Gott  sprach  zu  Israel:  Ihr  weint  ein  eitles  Weinen,  aber  schließlich  werdet  ihr  ein 
wirkliches  Weinen  weinen.  Wo  hat  Israel  ein  eitles  Weinen  geweint?  Antwort:  Nu 
11.10:  Mose  hörte,  wie  das  Volk  nach  seinen  Geschlechtern  weinte,  u.  Nu  14,1:  Da 
erhob  die  ganze  Gemeinde  laut  ihre  Stimme,  u.  das  Volk  weinte  in  derselben  Nacht. 
Und  wo  hat  Israel  ein  wirkliches  (=  berechfigtes)  Weinen  geweint?  R.  Aibo  (um  320) 
u.  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320).  R.  Aibo  hat  gesagt:  Eins  in  Rama  u.  eins  in  Babel.  In 
Rama,  s.  Jer  31,  15:  Eine  Stimme  wird  zu  Rama  vernommen.  In  Babel,  s.  Psl37, 1: 
An  den  Strömen  Babels,  da  saßen  wir  u.  weinten.  R.  J'^huda  b.  Simon  hat  gesagt:  Eins 
im  Lande  Juda  u.  eins  in  Babel.  Im  Lande  Juda,  KL  1,2:  Sie  weint  u.  weint  in  der 
Nacht.  In  Babel,  s.Ps  137,1.  R.  Aibo  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  Israel:  Zum  Lohn 
für  jenes  Weinen  sammle  ich  deine  Verbannten;  s.  Jer  31, 16  f.:  So  spricht  Jahve:  Wehre 
deiner  Stimme  das  Weinen  .  .  .  u.  eine  Hoffnung  gibt  es  für  deine  Zukunft,  ist  Jahves 
Spruch.  II  Raschi  zu  Jer  31, 15  erwähnt  folgende  Legende:  Die  Erzväter  u.  die  Erzmütter 
gingen,  um  Gott  zu  besänftigen,  weil  Manasse  ein  Götzenbild  im  Tempel  aufgestellt 
hatte.  Aber  er  ließ  sich  nicht  besänftigen.  Da  ging  Rahel  hinein  u.  sprach  vor  ihm: 
Herr  der  Welt,  wessen  Liebe  (Erbarmen)  ist  größer,  deine  Liebe  oder  die  Liebe  von 
Fleisch  u.  Blut?  Es  ist  doch  wohl  deine  Liebe  größer!  Und  habe  ich  nicht  meine 
Nebenbuhlerin  in  mein  Haus  hineingelassen?  Denn  alles,  was  an  Dienst  Jakob  meinem 
Vater  gedient  hat,  hat  er  nur  meinetwegen  gedient,  u.  als  ich  im  Begriff  war,  in  das 
Brautgemach  einzutreten,  da  führte  man  meine  Schwester  hinein.  Nicht  genug,  daß 
ich  schwieg;  ich  übergab  ihr  auch  mein  Zeichen.  Auch  du,  wenn  deine  Kinder  deinen 
Nebenbuhler  in  dein  Haus  gebracht  haben,  schweige  gegen  sie!  Er  sprach  zu  ihr: 
Schön  hast  du  die  Verteidigung  geführt;  es  gibt  einen  Lohn  für  dein  Tun  u.  deine 
Gerechtigkeit,  daE?  du  dein  Zeichen  deiner  Schwester  übergeben  hast.  . 

2,19:  Da  aber  Herodes  gestorben  war. 

M^g  Talan  9:  Am  7.  Kislev  ist  Festtag.  Das  ist  der  Tag,  an  welchem 
Herodes,  der  Hasser  der  Gelehrten,  starb;  denn  es  ist  Freude  vor 
Gott,  wenn  die  Gottlosen  von  der  Welt  scheiden;  .  .  .  Und  an  demselben 
Tage,  an  welchem  Herodes  starb,  machten  sie  ihn  zu  einem"  Festtag 
(an  welchem  nicht  gefastet  werden  darf).  —  Zur  üngeschichtlichkeit 
dieser  Notiz  vgl.  Schürer s  1,  415  ff.;  in  Wirklichkeit  ist  Herodes  kurz 
vor  dem  Passah  des  Jahres  4  v.  Chr.  gestorben. 

2,20:  In  das  Land  Israel. 

Im  Rabbin.  ist  „Land  Israel"  fast  ausschließliche  Bezeichnung 
Palästinas.  Challa4,  8:  Rabban  Gamliel  (um  90)  sagte:  Drei  Länder 
gibt  es  (sind  zu  unterscheiden)   in  bezug   auf  die  Challa  (Teighebe): 


Matth  2,  20  91 

vom  Lande  Israel  ^N;ii5i  ■j^'^n  bis  K^zib  (^  Ekdippa,  zwischen  Ptolemais 
u.  Tyrus)  ist  Eine  Teighebe;  von  K''zib  bis  an  den  Euphrat  u.  den 
Amana  sind  zwei  Teigheben;  .  .  .  vom  Strom  u.  vom  Amana  einwärts 
sind  zwei  Teigheben.  ...  —  Dieselben  drei  Ländergebiete  werden 
Sch^'biath  6, 1  in  bezug  auf  das  Brachjahrgesetz  unterschieden.  ||  Tos 
Chalia  2, 11  (99):  Was  ist  Land  (Israel)  u.  was  ist  Ausland?  Alles,  was 
vom  Taurus  (Amanusgebirge)  abwärts  liegt  u.  weiterhin,  ist  Land 
Israel;  vom  Taurus-Amanus  u.  darüber  hinaus  ist  Ausland.  Was  die 
Inseln  im  Meer  betrifft,  so  sieht  man  sie  so  an,  als  ob  ein  Faden  über 
sie  ausgespannt  wäre  vom  Taurus-Amanus  bis  zum  Bach  Ägyptens: 
vom  Faden  einwärts  ist  Land  Israel,  vom  Faden  auswärts  ist  Ausland. 

Der  Name  ■p'^'Jp^Q  (=  TlaXaiaTirr)  begegnet  äußerst  selten.  GnR 
90  (57»):  „Es  war  eine  Hungersnot  in  allen  Ländern"  (Gn41,54),  in 
drei  Ländern:  in  Phönizien  u.  in  Arabien  u.  in  Palästina.  ||  LvR  5  (108'') 
u.  NuR  10  (158''):  „Ziehet  hinüber  nach  Kalneh  u.  sehet"  Am  6,  2,  damit 
ist  Ktesiphon  gemeint;  „u.  gehet  von  dort  nach  Chamath,  der  großen", 
das  ist  das  Chamath  von  Antiochien;  „u.  geht  hinab  nach  Gath  der 
Philister",  das  bezieht  sich  auf  die  Hügel  Palästinas  (richtiger  wohl: 
auf  die  Hügel  Philistäas,  des  Philisterlandes).  ||  Midr  KL  1,  5  (51''): 
„Ihre  Dränger  sind  zum  Haupt  geworden"  (KL  1,  5),  das  geht  auf 
Vespasian;  „ihre  Feinde  sind  im  Glück"  (das.),  das  geht  auf  Titus. 
Drei  u.  ein  halbes  Jahr  belagerte  Vespasian  Jerusalem,  u.  es  befanden 
sich  bei  ihm  vier  Heerführer:  von  Arabien,  von  Afrika  (Phrygien?), 
von  Alexandria  u.  von  Palästina. 

Noch  seltener  begegnet  der  Name  „Land  Kana^an"  '{vxz  y'ns  im 
Rabbinischen  (im  NT  y^;  Xavaav  Apg  13,  19,  das  blofae  Xaraav  Apg 
7,  11).  Dabei  ist  zu  beachten,  daß  nur  das  westjordanische  Palästina 
Land  K.  genannt  wird.  Mak  2,  4:  Wohin  flüchten  sie  (die  Totschläger)? 
In  die  Zufluchtsstädte:  in  die  drei  jenseits  des  Jordans  u.  in  die  drei 
im  Lande  K.  (also  diesseits  des  Jordans);  denn  es  heißt  Nu  35, 14: 
„Drei  Städte  sollt  ihr  jenseits  des  Jordans  geben  u.  drei  sollt  ihr  im 
Lande  Kana^an  geben"  usw.  Ehe  die  drei  im  Lande  Israel  (hier  im 
engern  Sinn  =  Land  K.)  ausgewählt  waren,  nahmen  die  drei  jenseits 
des  Jordans  (Totschläger)  nicht  auf ;  denn  es  heißt  Nu  85, 13:  „Sechs 
Freistädte  sollen  sein",  d.  h.  bis  die  sechs  zugleich  aufnehmen  können.  || 
Tos  Mak  3,  2  (440):  Drei  (Asyl-)Städte  sonderte  Josua  im  Land  K.  aus, 
u.  sie  wurden  hergerichtet  gegenüber  den  dreien  jenseits  des  Jordans 
wie  zwei  Reihen  (Weinstöcke)  in  einem  Weinberg:  Hebron  in  Judäa 
gegenüber  BcQer  in  der  Wüste,  Sikhem  auf  dem  Gebirge  Ephraim 
gegenüber  Ramoth  in  Gih'ad,  Qedesch  in  Galiläa  gegenüber  Golan  in 
Basan.  ...  —  Dasselbe  Mak  9'^'  als  Bar.  I|  --j^-d  |'-n  auch  B«'khor  55  ^ 

Bezeichnungen  wie  „heiliges  Land"  cii?r!  n^ix  Sach  2,  16  =  rj  ayia 
yi'l  2  Makk  1,  7  oder  „gelobtes  Land",  yr;  rf^g  e/iuyysh'ag  Hebr  11,9  haben 
wir  in  den  rabbin.  Schriften  überhaupt  nicht  gelesen. 


92  Matth2,  23  (31.  93  1.2) 

2,23  51:  Nazareth,  Na^age^. 
Nazareth  (von  -:i:  hüten,  bewahren,  etwa  =  Wacht  oder  Wächterin) 
wird  im  Talmud  u.  Midrasch  nicht  erwähnt.  Daher  ist  bemerkenswert, 
daß  Eljazar  b.  Qalir  (um  800?)  in  seiner  Elegie  auf  den  9.  Ab  »n^^'x 
-,T-u;n  rb:j:in  nr»"^'  Nazareth  als  Stationsort  einer  der  24  Priesterabteilungen 
nennt,  s.  Sam.  Klein,  Zur  Geographie  u.  Geschichte  Galiläas,  Leipzig 
1909,  S.  74ff. ;  ferner  Zunz,  Literaturgeschichte  der  synagogalen  Poesie, 
Berlin  1865,  S.  31.  603 ;  Ad.  Neubauer,  Geographie  du  Talmud  S.  117. 190. 

2,23  23:  Auf  daß  erfüllt  werde,   was  gesagt  ist  durch  die 
Propheten:  Er  soll  ein  Nazarener,  Na^w^aToc,  heißen. 

1.  Daß  mehrere  Propheten  einunddenselben  Gedanken,  wenn  auch 
mit  verschiedenen  Worten  aussprechen  können,  wird  Sanh89^  bezeugt: 
R.  JiQchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Einunddasselbe  Wort  kann  (seinem 
Inhalt  nach)  in  vielen  Propheten  aufsteigen,  aber  nicht  können  zwei 
Propheten  mit  denselben  Worten  weissagen.  Obadja  hat  gesagt  Vers  3: 
„Der  Hochmut  deines  Herzens  hat  dich  berückt";  Jeremia  hat  gesagt 
Jer  49,  16:  „Schauder  über  dich!  Berückt  hat  dich  der  Hochmut  deines 
Herzens."  —  Also  nur  die  sprachliche  Einkleidung  einer  Prophetie  ist 
Eigentum  des  betreffenden  Propheten. 

2.  Eine  Stelle,  die  den  als  Zitat  eingeführten  Worten  ^Na^cogaiog 
xh]i^i']aeTai''  entspricht,  gibt  es  im  AT  nicht.  Ganz  analog  heißt  es 
Esra  9,  10  ff.  (=  3  Esra  8,81  ff.) :  Und  nun,  was  sollen  wir  nach  solchem 
sagen,  unser  Gott?  daß  wir  deine  Gebote  verlassen  haben,  welche  du 
geboten  hast  durch  deine  Knechte,  die  Propheten,  die  da  sprachen: 
Das  Land,  welches  ihr  kommt  in  Besitz  zu  nehmen,  ist  ein  beflecktes 
Land,  durch  die  Befleckung  der  Völker  der  Länder,  durch  ihre  Greuel, 
womit  sie  es  anfüllten  von  einem  Ende  zum  andren  in  ihrer  Un- 
reinigkeit  usw.  —  Auch  hier  wird  ein  alttestamentl.  Zitat  gebracht, 
das  sich  im  AT  nicht  findet,  u.  das  genau  so  wie  das  Mt  2,  23  einer 
Mehrzahl  von  Propheten  in  den  Mund  gelegt  wird  ohne  die  geringste 
Andeutung,  welche  Propheten  gemeint  seien.  Dergleichen  Freiheiten 
im  Zitieren  alttestamentl.  Worte  begegnen  auch  in  der  rabbin.  Lite- 
ratur. SDt21,  8  §210  (112^):  „Sühne  dein  Volk  Israel,  das  du  erkauft 
hast"  Dt21,  8.  .  .  .  Unter  dieser  Bedingung  hast  du  uns  erkauft,  daß  du, 
wenn  wir  sündigen,  für  uns  Sühnung  schaffen  wirst.  Und  der  heilige 
Geist  spricht  (damit  werden  die  folgenden  Worte  als  ein  Zitat  gekenn- 
zeichnet): „Solange  ihr  also  tun  werdet,  wird  euch  das  Blut  gesühnt 
werden."  —  Hiervon  findet  sich  der  Vordersatz  überhaupt  nicht  im 
AT,  u.  der  Nachsatz  ist  umgemodelt  aus  mn  onb  ^s::  Dt  21,  8.  ||  K^th 
111»:  R.  El'cazar  (um  270)  hat  gesagt:  Die  Toten  (Israels)  im  Auslande 
werden  nicht  wieder  aufleben  (auferstehn),  denn  es  heißt  Ez  26,  20: 
„Ich  lege  Wohlgefallen  auf  das  Land  der  Lebendigen",  d.  h.  das  Land, 
auf  dem  mein  Wohlgefallen  ruht  (=  Palästina),  dessen  Tote  werden 


Matth  2,  23  (23  2)  93 

wieder  aufleben;  auf  dem  aber  mein  Wohlgefallen  nicht  ruht  (^  Aus- 
land), dessen  Tote  werden  nicht  wieder  aufleben.  R.  Abba  b.  Memel 
(gegen  300)  wandte  ein:  „Leben  werden  deine  Toten,  meine  Leichen 
werden  auferstehn"  Jes26,19;  heißt  das  nicht:  „Deine  Toten  werden 
leben",  nämlich  die  im  Lande  Israel?  „Meine  Leichen  werden  auf- 
erstehn", nämlich  die  Toten  im  Ausland?  Und  was  bedeutet  Ez  26,  20: 
„Ich  bringe  (lege)  "^r:::  in  das  Land  der  Lebendigen"?  Damit  ist  Ne- 
bukadne^ar  gemeint;  denn  es  steht  geschrieben,  daß  der  Allbarmherzige 
gesagt  hat:  „Ich  will  über  sie  einen  König  bringen,  der  schnell  ist 
wie  eine  Gazelle."  —  13:^  „Zierde"  wird  also  in  der  Bedeutung  „Ga- 
zelle" genommen,  so  daß  die  Stelle  zu  übersetzen  ist:  „Ich  bringe  eine 
Gazelle  (=  Nebuk.)  in  das  Land  der  Lebendigen";  das  diese  Deutung 
begründende  Schriftzitat  aber:  „Ich  will  über  sie  einen  König  bringen, 
der  schnell  ist  wie  eine  Gazelle"  existiert  nicht.  —  Aus  diesen  Bei- 
spielen erkennt  man,  daß  es  durchaus  nichts  Unerhörtes  gewesen  ist, 
einen  Gedanken,  den  man  im  AT  irgendwo  angedeutet  gefunden  hatte, 
einfach  als  einen  alttestamentl.  Ausspruch  zu  zitieren.  Ebenso  wird  es 
sich  mit  dem  Zitat  Na^oioaTog  xlriy^r^afTai  verhalten.  Es  fragt  sich  nur, 
welcher  Gedanke  im  AT  es  gewesen  ist,  der  zur  Formulierung  dieses 
Zitats  Veranlassung  gegeben  hat. 

Nach  dem  Zus. hang  von  2,  23  mußte  sich  Joseph  auf  Gottes  Geheiß 
in  Nazareth  ansiedeln,  damit  Jesus  als  Sohn  Nazareths  den  von  den 
Propheten  geweissagten  Beinamen  -i-^r^b  (=  Na^cDgaTog,  Nazarener)  er- 
hielt. Da  der  Evangelist  diesen  Namen  durch  eine  Mehrzahl  von  Pro- 
pheten, Sid  TiZv  TTQocfrjtwr^  zuvorverkündigt  sein  läßt,  müssen  ihm 
mehrere  Stellen  des  AT.s  als  Beweisstellen  vorgeschwebt  haben.  Am 
nächsten  liegt  es,  an  die  Ne^er- Weissagung  Jes  11,  1  zu  denken.  Diese 
konnte  bei  mehreren  Propheten  wiedergefunden  werden,  insofern  die 
^emach-Weissagung  (Jer23,  5;  33,15;  Sach3,  8;  6,12)  Jes  11,1  zur 
Grundlage  hatte.  Die  Weissagung  Jes  11,  1,  die  samt  den  Cemach- 
Weissagungen  von  der  alten  Synagoge  stets  messianisch  gedeutet 
worden  ist,a  läßt  den  Messias  als  einen  Schößling  —4:  aus  der  Wurzel 
Isais  hervorwachsen,  um  damit  auszudrücken,  daß  der  Messias  dereinst 
aus  dürftigen  u.  unscheinbaren  Verhältnissen  hervorgehn  werde.  Diesen 
Gedanken  dürfte  der  Evangelist  geschichtlich  verwirklicht  gesehen 
haben  in  der  Tatsache,  daß  Jesus  in  dem  unbekannten,  wohl  gar  ver- 
achteten Nazareth  aufwachsen  mußte,  um  von  hier  aus  ohne  Prunk  u. 
Pracht  in  aller  Unscheinbarkeit  seinen  Messiasberuf  anzutreten,  Stand 
aber  dem  Evangelisten  fest,  daß  die  Ne9er -Weissagung  in  dem  Wohnen 
Jesu  in  Nazareth  zur  Erfüllung  gekommen  sei,  dann  war  es  nach  den 
in  der  alten  Synagoge  geltenden  hermeneutischen  Grundsätzen  nicht 
schwer,  in  dem  Ausdruck  n^D  Jes  11,1  eine  direkte  Weissagung  auf 
den  Namen  ^-:ib  Nazarener  zu  finden.  Eine  ungezählte  Male  angewandte 
hermeneutische  Regel  lautete:   ^npn  bx  (=  „lies  nicht"   oder  „sprich 


94  Matth  2,  23  (S  2.  3) 

nicht")  das  u.  das  Wort  des  alttestamentl.  Textes  so,  sondern  so.^  — 
In  der  Regel  beschränkte  sich  die  Veränderung  in  der  Aussprache  eines 
Worts  auf  einen  leichten  Wechsel  der  Vokale  oder  auf  eine  Umstellung 
oder  Vertauschung  einzelner  Konsonanten.  Immer  aber  wurde  der  so 
erzielte  Beweis,  wenigstens  für  die  Haggada,  als  vollgültig  anerkannt. 
Diese  Beweisführung  dürfte  auch  der  Evangelist,  ohne  es  ausdrücklich 
auszusprechen,  befolgt  haben:  „Lies  Jes  11,  1  nicht  -^-s:,  sondern  •i"i:ib.'' 
So  entstand  der  Satz:  „Joseph  ließ  sich  in  Nazareth  nieder,  damit 
erfüllt  würde,  was  von  den  Propheten  (durch  die  Worte  Ne9er  u. 
Qemach)  gesagt  ist:  Er  soll  -^ysi  Nazarener  heißen. 

a.  Targ  Jes  11,1:  Der  König  wird  aus  den  Söhnen  Isais  hervorgehn  u.  der  Messias 
aus  seinen  Enkelkindern  wird  groß  werden.  |j  Targ  Jer  23,  5:  Siehe,  die  Tage  werden 
kommen,  spricht  Jahve,  da  will  ich  dem  David  den  Messias  der  Gerechten  (Textworte: 
-,'-■4  ni;^)  erstehn  lassen.  ]  Das.  33,  15:  In  jenen  Tagen  u.  zu  dieser  Zeit  werde  ich  dem 
David  erstehn  lassen  den  Messias  der  Gerechtigkeit  (Text:  "",■;:»  "'?-)•  II  Targ  Sach  3,8: 
Denn  siehe,  ich  werde  kommen  lassen  meinen  Knecht,  den  Messias,  u.  er  wird  sich 
offenbaren  (Text:  --^-j,  -r;:>-  =  meinen  Knecht  Sproi:i1.  |  Das.  6,  12:  Siehe,  ein  Mann, 
dessen  Name  Messias  (Text:  '.^v  -"c-^),  wird  sich  offenbaren  u.  groß  werden  u.  den 
Tempel  Jahves  bauen.  ||  GnR  85  (54*^):  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt:  .,Dein  Stab"  Gn 
38, 18  das  ist  der  König,  der  Messias,  wie  es  heißt  Jes  11,1:  „Ein  Reis  wird  aufgehn 
aus  dem  Strunk  Isais"  usw.  ||  Midr  Ps  72  §  3  (163'*):  „Deine  Gerichte  dem  Könige  gib" 
Ps72, 1;  das  ist  der  König,  der  Messias,  s.  Jes  11,  1.4:  Ein  Reis  wird  aufgehn  aus  dem 
Strunk  Isais  .  .  .,  u.  er  schafft  Recht  in  Gerechtigkeit  den  Dürftigen.  ||  P'^siqR  33  (1521)): 
Du  findest,  daß  von  Anfang  der  Weltschöpfung  an  der  König,  der  Messias,  geboren 
war.  (Gemeint  ist  ideelle  Präexistenz  des  Messias  in  den  Gedanken  Gottes.)  Denn  er 
stieg  in  (Gottes)  Gedanken  auf,  ehe  die  Welt  geschaffen  war.  Ebenso  sagt  die  Schrift 
Jes  11, 1 :  „Und  aufgegangen  ist  ein  Reis  aus  dem  Strunk  Isais";  es  heißt  hier  nicht: 
Und  es  wird  aufgehn  s:^.",  sondern:  Und  es  ist  aufgegangen  s:?'"-  1'  pB®rakh  2,  ö'^,  12: 
R.  J'^hoschuac  b.Levi  (um  250)  hat  gesagt:  gemach  (Sproß)  ist  sein  (des  Messias)  Name. — 
Midr  KL  1, 16  (58b)  wird  als  Beweisstelle  hinzugefügt  Sach  6, 12:  Siehe,  ein  Mann,  dessen 
Name  (gemach.  —  Ferner  s.  bei  Lk  1,  78  Anm.  a. 

3.  Der  Name  Na^ooQuTog,  mit  dem  Na^aQrjvög  wechselt  Mk  1,  24; 
10,47;  14,67;  16,6;  Lk  4,  34;  24, 19,  wird  Jesu  von  Fremden  beigelegt: 
Mkl,24;  10,47;  Lk4,  34;  18,37;  Mt26,  71  (=-  Mk  14,67);  Joh  18,5; 
19,19;  vonseinenJüngernLk24,  19;  Apg2,22;  3,6;  4,  10;  26,9.  Ein- 
mal nennt  sich  Jesus  selbst  o  Na^ooQaiug  Apg  22,  8.  —  Na^a^tpög  ist 
von  der  Namensform  Na^aQÜ  gebildet,  die  zB  Tischendorf  aufgenommen 
hat  Mt4, 13  u.  Lk4, 16;  während  Na^cogaiog  entweder  eine  (nicht  nach- 
weisbare) Namensform  Na^wQa  voraussetzt  oder,  was  wahrscheinlicher, 
von  mundartlichem  -in:i'i:  beeinflußt  ist. 

In  der  älteren  rabbin.  Literatur  liest  man  "'i:-:-  (der  Nazarener)  als  Beinamen 
Jesu  zB  cAZ  17^:  (R.  Elicezer,  um  90,  sprach:)  Einmal  ging  ich  auf  dem  oberen  Markt 
von  Sepphoris  einher,  da  traf  ich  einen  von  den  Schülern  Jesu  des  Nazareners,  -v": 
^-::i3n,  namens  Jaiaqob  von  Kephar  S'^khanja.  Der  sagte  zu  mir:  In  eurer  Tora  steht 
geschrieben  (Dt  23, 19):  „Du  sollst  keinen  Hurenlohu  ...  in  das  Haus  Jahves  deines 


'  Als  Beispiele  für  die  ?A1-Tiqri-Deutung  s.  Schab  89=*  bei  Mt  4, 1 ;  P'^siqR  34  1 159^) 
bei  Mt  5,  4;  TanchB  s=r  §  4  bei  Mt  5, 10;  cArakhin  15  b  bei  Mt  5,  11 ;  A.  Rosenzweig,  Die 
Al-Tikri-Deutungen,  Breslau  1911  (54  S.). 


Matth  2,  23  (58  3.  4.  5)  95 

Gottes  bringen  auf  irgendein  Gelübde  hin."  Wie  ist  es?  Darf  man  davon  einen  Abort 
für  den  Hohenpriester  (im  Tempelbezirk)  anlegen?  Ich  erwiderte  ihm  darauf  nichts. 
Da  fuhr  er  fort:  So  hat  mich  Jesus,  der  Nazarener,  --ijijn  vü-  gelehrt:  Vom  Hurenlohn 
hat  sie  es  gesammelt,  u.  zu  Hurenlohn  soll  es  wieder  werden  (Micha  1,7);  vom  Schmutzort 
ist  es  gekommen,  zum  Schmutzort  soll  es  wandern.  ...  —  Die  nicht  gekürzte  Parallel- 
stelle Tos  Chullin  •*,  24  (50:^)  s.  S.  3t)  f.;  hier  steht  statt  ''-::-:n  ---:  „Jeschuac  ben  Pan- 
tere".  —  Die  weitere  Parallele  Midr  «joh  1,  8  ed.  Pesaro  1519  liest  s--3E  p  ::ü-,  bezw. 
bloß  X--32  1=  „Jesus,  der  Sohn  des  Pandera".  Über  diesen  Namen  s.  S.  38.  —  H  Sanh 
43=':  Am  Rüsttag  auf  das  Passahfest  hat  man  Jesus,  den  Nazarener,  gehängt  Tt-sin 
— ui:n  "i-V.  —  So  Codex  M.;  die  ed.  Amsterd.  1644  hat  nur  ^v.  \\  B'^rakh  17=*:  Als  sich 
die  Rabbinen  aus  dem  Hause  des  Rab  Chisda  (f  309;  andre:  R.  Sch'^muel  b.  Nachman, 
um  26U)  verabschiedeten,  sagten  sie  zu  ihm  also:  „Unsre  Häupter  sind  belastet"  (so 
wird  Psl44,  14  gefaßt).  Rab  (f  247)  u.  Sch'^muel  (f  254);  nach  andren:  R.  Jochanan 
(t  279)  u.  R.  Elcazar  (um  270).  Der  eine  sagte:  ,Unsre  Häupter",  nämlich  in  der  Tora; 
u.  „sind  belastet"  geht  auf  die  Gebote.  Der  andre  sagte:  „Unsre  Häupter",  nämlich 
in  der  Tora  u.  in  den  Geboten;  u.  „sind  belastet"  geht  auf  die  Züchtigungen  (Leiden). 
,Da  ist  keine  Bresche"  Ps  144,14:  unsre  Gesellschaft  sei  nicht  wie  die  Gesellschaft 
Sauls,  von  dem  Doeg,  der  Edomiter,  ausgegangen  ist;  „u.  kein  Ausziehendes"  (das.): 
unsre  Gesellschaft  sei  nicht  wie  die  Gesellschaft  Davids,  von  dem  Achithophel  aus- 
gezogen ist;  „u.  kein  Klageschrei"  (das.):  unsre  Gesellschaft  sei  nicht  wie  die  Gesell- 
schaft Elisas,  von  welchem  Gechazi  ausgegangen  ist;  „auf  unsren  Straßen"  (das.): 
nicht  möge  uns  ein  Sohn  oder  Schüler  sein,  der  seine  Speise  öffentlich  anbrennen  läßt 
[=  Verwerfliches  lehrt),  wie  Jesus,  der  Nazarener,  '—s•:T^  vj-  (so  Codex  M.;  ed.  Ven. 
1520  bloß:  „wie  der  Nazarener"  "::-:-i  1-^=;  ed.  Amsterd.  1644  ff.  ohne  jede  Exempli- 
fizierung auf  Jesum.  —  |!  Sanh  103 'i:  „Nicht  darf  dir  ein  Unglück  begegnen"  Ps  91, 10; 
nicht  mögen  dich  böse  Träume  u.  böse  Gedanken  ängstigen;  „eine  Plage  nicht  zu  nahe 
kommen  deinem  Zelte",  nicht  möge  dir  ein  Sohn  oder  Schüler  sein,  der  seine  Speise 
öffentlich  anbrennen  läßt,  wie  Jesus,  der  Nazarener,  "S":~  "i--.  H  Die  Verbindung  ■'-•: 
•:5:p":r!  :=  „der  verwünschte  Nazarener"  ist  uns  in  der  älteren  Literatur  nicht  begegnet. 

4.  Sanh  43'*  wird  in  einer  Bar  unter  den  Jüngern  Jesu  ein  n^: 
genannt.  Sollte  sich  darin  in  der  alten  Synagoge  die  Erinnerung  er- 
halten haben,  daß  man  in  christl.  Kreisen  Jesu  Beinamen  „der  Naza- 
rener" mit  dem  -s:  Jes  11,  1  in  Verbindung  gebracht  hat?  Die  Stelle 
lautet:  Fünf  Schüler  hatte  Jesus -r-^:  Mattai,  Naqqai,  NeQer -:i:,  Buni 
u.  Todar.  .  .  .  Man  brachte  NeQer  herbei  (vor  die  Richter).  Er  sagte: 
NeQer  sollte  getötet  werden?  Es  steht  doch  geschrieben  Jes  11,1: 
„Ne9er  (ein  Schößling)  wird  aus  seinen  Wurzeln  Frucht  bringen."  Sie 
antworteten:  Gewiß,  Ne9er  wird  getötet  werden;  denn  es  steht  ge- 
schrieben Jes  14,  19:  Du  wirst  hingeworfen  fern  von  deinem  Grabe  wie 
ein  verworfener  Ne9er  (Schößling) Die  ganze  Stelle  s.  bei  Joh  3, 1  Nr.  2. 

5.  Das  rabbin.  Schrifttum  erwähnt  einigemal  einen  Ben  Ne9er; 
unter  ihm  wollen  Buxtorf,  Lexicon  1383,  Lightfoot  '2,  578  f.  u.  andre, 
zum  Teil  nach  rabbin.  Vorgängern,  Jesum  verstanden  wissen.  Besonders 
hat  zu  dieser  Auffassung  Veranlassung  gegeben  GnR  76  (49*^):  „Errette 
mich  doch  aus  der  Hand  meines  Bruders,  aus  der  Hand  Esaus"  (Gn 
32, 12);  errette  meine  Kinder  in  der  zukünftigen  Zeit  (hier  nicht  speziell 
=  in  der  messian.  Zeit)  aus  der  Hand  seiner  Nachkommen,  wenn  diese 
in  der  Kraft  Esaus  über  sie  kommen.  Das  meint  Dn  7,  8:  „Ich  merkte 
auf  die  Hörner,  u.  siehe,  ein  andres  kleines  Hörn  stieg  zwischen  ihnen 


96        .  Matth  2,28  (5B  5j.  3,  1.2.  3 

empor",  das  bezieht  sich  auf  Ben  Neger.  ^Und  drei  von  den  früheren 
Hörnern  (Dn7,7)  wurden  vor  ihm  entwurzelt",  das  bezieht  sich  auf 
die,  denen  man  ihre  Herrschaft  gab,  auf  ''•ip^  u.  c^^p  u.  ■'cnimp;  „u. 
siehe,  Augen  wie  Menschenaugen  waren  an  dem  Hörn  u.  ein  Maul,  das 
Großes  redete",  das  bezieht  sich  auf  das  frevlerische  Reich  {=  Rom), 
welches  Steuern  ausschreibt  auf  alle  Völker  der  Welt.  —  Hierzu  zitiert 
Buxtörf  folgende  Deutung  des  Isaak  (b.  J^huda)  Abravanel  (f  1508  in 
Venedig):  „Beachte,  wie  man  jenes  andre  kleine  Hörn  ausgelegt  hat 
auf  Ben  Neger,  welcher  Jeschua^,  der  Nazarener,  ist;  u.  mit  ihm  hat 
man  nach  dem  Kontext  das  frevlerische  Reich  verbunden,  d.  h.  das 
römische,  weil  dieses  (nach  seiner  Christianisierung)  seine  (Jesu)  Nation 
ist."  —  Diese  Deutung  ist  falsch.  Grätz,  Geschichte  der  Juden 2  4,  295  ff. 
489  f.  hat  überzeugend  dargetan,  daß  unter  Ben  Neger  Odenathus,  der 
Fürst  von  Palmyra,  zu  verstehn  ist,  der  um  260  n.  Chr.  N'^harde^a 
zerstört  hat;  ferner  hat  J.  Fürst  in  seinen  Verbesserungen  zu  Wunsches 
Übersetzung  von  GnRS.  540  die  drei  Namen  iitp^,  ciip  u.  onin-ip  völlig 
zufriedenstellend  auf  Makrianus,  dessen  Sohn  Quietus  u.  auf  Kyriades 
gedeutet.  Makrianus  u.  Quietus  wurden  als  Kaiser  ausgerufen,  der 
erstere  dann  durch  Aureolus,  der  letztere  durch  Odenathus  getötet; 
ebenso  büßte  Kyriades  nach  der  Besiegung  Sapors  durch  Odenathus 
sein  Leben  ein.  —  Auch  die  übrigen  Stellen,  in  denen  Ben  Neger  er- 
wähnt ist,  nämlich  pT'-rum  N  (46'\54);  bK'^th  51^35  u.  Seder  '<01am 
Zuta  zu  Rab  u.  Sch'^muel,  lassen  sich  restlos  auf  Odenathus  deuten. 

3,1:  In  der  Wüste  des  jüdischen  Landes. 

Über  die  Beziehungen  der  Wüste  Juda  n-T*  -s-'s  zur  messian.  Zeit  s.  Midr.  Ruth 
2,14  (132^)  oben  S.  87«. 

3, 2:TutBuße,  denn  dasHimmelre  ich  istnah  ehe  rbeigekommen. 
Sieh  bei  4, 17. 

3,3:  Stimme  eines  Predigers  in  der  Wüste. 

Jes  40,  3  im  Midrasch. 

Leqach  tob  zu  Nu  24, 17  (•_>,  129  b.  180  •'):  R.  Huna  fum  350)  hat  im  Namen  des  R.  Levi 
(um  HO")  gesagt:  (Folgt  eine  zus. fassende  Beschreibung  aller  Ereigni'jse  in  der  messian. 
Zeit:  Der  Messias  b.  Joseph  hat  die  Israeliten  von  Obergaliläa  nach  Jerusalem  geführt 
u.  ist  nach  40jähriger  Regierung  im  Kampf  gegen  Gog  u.  Magog  gefallen.  Gott  führt 
Israels  Sache  zum  Siege:  eine  Himmelsstimme  weist  Israel  nach  Babel  Micha  4,  10, 
eine  zweite  gen  Rom  Ez  25,  14,  eine  dritte  befiehlt  Israel  Rom  zu  tun,  was  Josua 
Jericho  getan;  darauf  fällt  Rom  in  Israels  Hand;  dann  fährt  der  Bericht  fort:)  Darauf 
sammeln  sie  alle  Beute,  u.  die  Israeliten  suchen  ihren  Gott  u.  David,  ihren  König. 
Sofort  offenbart  sich  ihnen  der  König,  der  Messias  (in  Rom),  u.  spricht  zu  ihnen:  Ich 
bin  der  König,  der  Messias,  auf  den  ihr  gehofft  habt;  dann  spricht  er  zu  ihnen:  Nehmet 
das  Silber  u.  das  Gold!  Und  sie  laden  es  auf  u.  ziehen  hinauf  (nach  Jerusalem),  vgl. 
Jes6U,  tJ:  „Die  Masse  der  Kamele  wird  dich  bedecken."  Eine  vierte  Himmelsstimme 
geht  aus  u.  ruft  Jes  40,8:  „Stimme  eines  Rufers  in  der  Wüste."  Eine  fünfte  Jes  35,  9: 
„Keinen  Löwen  wird's  dort  geben."  Eine  sechste  Jes4I,iy:  „Ich  will  in  der  Wüste 
hinstellen  Zeder,  Akazie  u.  Myrte."    Eine  siebente  Jes  40,  1:    „Tröstet,  tröstet  mein 


i 

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Matth  3,  3.  4  (9t)  97 

Volk*;  u.  Elias  bringt  Israel  die  gute  Botschaft  Jes52,  7:  , König  ward  dein  Gott." 
Eine  achte  ruft  Jes  4U,  2:  „Redet  Jerusalem  zu  Herzen."  Eine  neunte  Jes  26,  2:  „Machet 
auf  die  Tore,  daß  ein  gerechtes  Volk  einziehe!"  Eine  zehnte  Ps24,  7:  „Erhebet,  ihr 
Tore,  eure  Häupter!"  Die  Toten  werden  lebendig  werden,  Jes  26,  19;  dann  sammeln 
sich  die  Verbannten  Jes27,  lo,  u.  dann  wird  sich  erfüllen  Nu  24,  17:  „Hervortritt  ein 
Stern  aus  Jakob."  —  ||  Midr  KL  I,  2  (49-'»):  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320)  u.  R.  Aibo  (um 
320)  u.  die  Rabbinen  sagten:  Weil  sie  (Israel)  von  Aleph  bis  Tav  (s.  oben  S.  51)  ge- 
sündigt haben,  werden  sie  von  Aleph  bis  Tav  getröstet.  Und  so  findest  du,  daß  all  den 
harten  Weissagungen,  die  Jeremia  über  Israel  geweissagt  hat,  Jesaja  zuvorgekommen 
ist,  um  sie  zu  heilen.  Jer.  hat  gesagt  KL  1,1:  „Wie  sitzt  sie  so  einsam";  Jesaja  hat 
gesagt  49,  21:  „Du  wirst  in  deinem  Herzen  sprechen:  Wer  hat  mir  diese  geboren,  da 
ich  doch  verwaist  war?"  —  Jer.  hat  gesagt  KL  1,  2:  „Sie  weint  u.  weint  in  der  Nacht"; 
Jesaja  hat  gesagt  30,  19:  „Weinen  sollst  du  nicht  immerfort,  Gnade  erweisen  wird  er 
dir  gewißlich."  —  Jer.  hat  gesagt  KL  l,  3:  „Fortgewandert  ist  Juda  vor  Elend" ;  Jesaja 
hat  gesagt  11,  12:  „Die  Zersprengten  Judas  wird  er  zusammenbringen."  —  Jer.  hat 
gesagt  KL  1,4:  „Die  Wege  Zions  trauern";  Jesaja  hat  gesagt  40,  3:  „Stimme  eines 
Rufers  in  der  Wüste:  Säubert  den  Weg  Jahves!"  Es  werden  dann  weiter  einander 
gegenübergestellt  KL  1,  5  u.  Jes  60,  14;  1,  6  u.  Jes  59,  20;  1,  7  u.  Jes  65, 17;  l,8u.  Jes 
44,22;  1,9  u.  Jes  4,  4;  1,  10  u.  Jes  11,11;  1,11  u.  Jes  49,  10;  1,12  u.  Jes  32, 15;  1, 13  u. 
Jes  57, 15;  1, 14  u.  Jes  52, 2;  1, 15  u.  Jes  62, 10;  1, 16  u.  Jes  52, 8;  1,  17  u.  Jes  51,  12;  1,18 
u.  Jes  60,  21;  1,  19  u.  Jes  60, 18;  1,20  u.  Jes  66, 14;  1,21  u.  Jes  40, 1 ;  1,22  u.  Jes  56,  7. — 
Parallelstelle:  P''siqR  29/30  (139 *>)  anonym  mit  Abweichungen.  —  Weitere  Stellen  s.  bei 
Lk  3,  4. 

3,451:  Sein  Gewand  von  Kamelshaaren, 
Für  Adam  u.  Eva  machte  Gott  Röcke  aus  Fell  -^rJ  mara  Gn3,  21; 
Esaus  Haarbildung  war  bei  seiner  Geburt  so  stark  entwickelt,  daß  er 
aussah  ganz  wie  ein  Haarmantel  -ira  r^nss  Gn25,  25;  eiu  behaarter 
Mantel  -i-'a  n-is,  wohl  eine  Art  Pelz,  wird  Sach  13,4  zur  Ausstattung 
eines  Propheten  gerechnet.  Nicht  in  diese  Reihe  gehört  2  Kg  1,  8:  mit 
dem  Ausdruck  ns-o  bs-n  wird  Elias  nicht  als  Besitzer  eines  Propheten- 
mantels aus  Pelzwerk,  sondern  als  ein  Mann  von  starkem  Haarwuchs 
oder  mit  langem  Haar  bezeichnet.  Das  Gewand  des  Täufers  war  aus 
Kamelshaaren  gewirkt,  nicht  aus  Kamelfell  gefertigt.  Ein  solches  Kleid 
hatte  Gott  nach  einer  Tradition  dem  ersten  Menschen  gemacht. 

GnR20(14^):  Jahve  Elohim  machte  für  Adam  u.  sein  Weib  Röcke  aus  Fell  u. 
bekleidete  sie  damit  Gn  3,  21.  In  dem  Toraexemplar  des  R.  Meir  (um  150)  fand  man 
(wohl  am  Rande)  geschrieben:  „Röcke  von  Licht"  (~"s  r-.rs  statt  -^ly  ':),  weil  jene 
Kleider  des  ersten  Menschen  einer  Laterne  (lies  mit  Pariser  Kodex  ozt  —  cpai'ög,  Fackel, 
statt  =;-E  =  nrjyuvov,  Rautenpüanze,  Lk  11,42)  glichen,  unten  weit  u.  oben  eng.  R.  Ab- 
bahu  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  JiQchaq  (um  300)  gesagt  (so  ist  mit  TanchB  zu 
lesen):  Sie  waren  glatt  wie  ein  (Finger-)Nagel  u.  schön  wie  Perlen.  R.  Jochanan  (f  279, 
so  zu  lesen  mit  TanchB)  hat  gesagt:  Wie  feine  Leinengewänder,  die  aus  Beth-Sch®an 
kommen;  -^v  r-:r:,  Hautröcke,  hießen  sie,  weil  sie  sich  der  Haut  (des  Menschen)  dicht 
anschlössen.  R.  EUazar  (b.  P'^dath,  um  270)  hat  gesagt:  Sie  waren  aus  Ziegenfellen; 
R.  Aibo  (um  320)  hat  gesagt:  Aus  Lammfellen;  R.  J'^'hoschuac  b.  Levi  (um  250)  hat 
gesagt:  Aus  Hasenfellen;  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Aus  zottigen  (nicht 
geschorenen)  Fellen  (1.  t:-o^d  =  aiavQiviov);  R.  Schimcon  b.  Laqisch  (um  250)  hat  ge- 
sagt: Aus  milchweißer  Wolle  (1.  ■jii-up'sj  =  yaXKxnyöi'),  u.  in  ihnen  haben  die  Erst- 
geborenen den  Priesterdienst  verrichtet  (nämlich  bevor  der  Stamm  Levi  mit  dem 
Priesterdienst  betraut  war).  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Sie  waren 
aus  Kamelshaaren  u.  Hasenhaaren;  —-j  n-jr:  „Hautröcke"  hießen  sie,  weil  sie  von  der 
Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  7 


98  Matth  3,  4  («.  5B.  6) 

Haut  (der  Tiere)  kamen.  —  Parallele  mit  Abweichungen,  auch  in  der  Autorenangabe, 
findet  sich  TanchB  r-ss-a  §  24  (9'"^).  —  Die  gegensätzliche  Auffassung,  die  in  vor- 
stehendem sich  an  die  Namen  des  R.  Jochanan  u.  des  R.  Sch^'muel  b.  N.  knüpft,  ob 
nämlich  -i-j  r'-.rz  ein  Kleid  für  die  Haut  (des  Menschen)  oder  ein  Kleid  von  der  Haut 
(des  Tieres)  bedeute,  wird  Sota  14^  von  Rab  (f  247)  u.  Sch'^muel  (t  254)  vertreten: 
, Haut-Kleid":  der  eine  sagte,  das  ist  etwas,  was  von  der  Haut  kommt,  u.  der  andre 
sagte,  das  ist  etwas,  wovon  die  Haut  etwas  hat.  —  Die  letztere  Deutung  auch  Targ 
Onk  Gn  3, 2 1 .  |!  N^'gaUm  11,2:  Kleider,  die  aus  einer  Verbindung  (Mischung)  von  Kamels- 
haaren u.  Schafwolle  angefertigt  sind,  werden,  wenn  das  meiste  von  Kamelen  ist,  durch 
Aussatz  nicht  unrein;  wenn  aber  das  meiste  von  Schafen  ist,  werden  sie  durch  Aus- 
satz unrein;  wenn  halb  zu  halb,  so  werden  sie  durch  Aussatz  unrein.  ||  Siphra  zu  Lv 
13,47  (262^):  , Falls  an  einem  Kleide  ein  Aussatzschaden  entsteht."  Etwa  auch  an 
einem  aus  feiner  oder  faseriger  oder  grober  Seide  oder  aus  Baumwolle  oder  aus  Kamels- 
haaren oder  aus  Hasenhaaten  oder  aus  Ziegenhaaren?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv 
13,  47:  ,An  einem  Kleide  aus  Wolle  oder  an  einem  Kleide  aus  Flachs."  'Vgl.  Men  39b.  — 
Ein  Hemd  ganz  aus  Kamelshaaren  n-"-':;  •^■cs  •.■:i2-:?  -.t'-r.  wird  erwähnt  Tos  Kil  ö,  12  (80).  || 
Nach  Kil  9, 1  durfte  Kamelshaar  u.  Flachs  zus.  verarbeitet  werden,  ohne  daß  das  Gewebe 
dadurch  Mischstoff  (Lv  19, 19)  wurde. 

3,4^:  Einen  ledernen  Gürtel  um  seine  Lende. 

Genau  so  heißt  es  2  Kg  1,  8  von  Elias:  ■■:p'3:  ^it.s  ^ly  i^tn,  was  Targ  Jon  wieder- 
gibt: n-ii^ns  -."CS  s-s-i-i-;  .^t-t  „ein  Ledergurt,  gegürtet  um  seine  Lenden".  —  Wettsteins. 
Bemerkung  (1,  258*),  daß  die  Juden  vom  Gürtel  eines  Menschen  auf  seinen  Reichtum, 
bezw.  auf  seine  Armut  geschlossen  hätten,  ist  in  dieser  Allgemeinheit  nicht  richtig. 
Die  beigebrachten  Stellen  MQ  14^  u.  Chullin  108 '^  besagen  etwas  andres. 

3,46:  Seine  Speise  aber  war  Heuschrecken, 
In  Mischna  u.  Talmud  begegnen  als  Gattungsname  für  die  Heu-  * 
schrecke  sjn  u.  n^i's  (''Nsis);  doch  wurden  diese  Bezeichnungen  auch  als 
Speziesnamen  gebraucht.  Auf  Grund  von  Lv  11,  20— 23  unterschied 
man  zwischen  reinen  u.  unreinen,  d.  h.  zum  Genuß  freigegebenen,  bezw. 
verbotenen  Heuschrecken.  Von  letzteren  zählte  man,  wie  eine  Bar 
behauptet,  800  Sorten.»  Die  Merkmale  der  eßbaren  Arten  s.  Chullin 
3,  7.b  —  Das  Fleisch  der  Heuschrecken  wurde  nicht  als  eigentliches 
Fleisch  angesehen;  deshalb  war  ihre  Zubereitung  mit  Milch  gestattet 
(vgl.  Ex  23,  19;  34,26;  Dt  14,  21). c  Für  gewöhnlich  wurden  sie  mit 
Salz  eingelegt, d  um  als  Zukost  gegessen  zu  werden;  letzteres  wird 
man  aus  dem  bei  ihrem  Genuß  zu  sprechenden  Lobspruch  schließen 
dürfen,  der  sie  auf  eine  Linie  stellte  mit  Essig,  Fallobst,  Milch,  Käse 
u.  Eiern,  e  Auch  als  Handelsartikel  geschieht  der  eingelegten  Heu- 
schrecken Erwähnung;  man  pflegte  sie  mit  Wein  zu  bespritzen,  um 
ihnen  ein  schönes  Aussehen  zu  geben.*  —  Daß  H.  auch  als  Heilmittel 
verarbeitet  oder  Kindern  als  Spielzeug  in  die  Hand  gelegt  wurden, 
möge  nebenher  bemerkt  werden,  g 

a.  Chullin  63b:  Abimi  b.  Abbahu  (um  850)  hat  als  Bar  vorgetragen:  700  Arten 
Fische  u.  800  Arten  Heuschrecken  u.  Vögel  ohne  Zahl  gibt  es  (die  zum  Genuß  ver- 
boten oder  unrein  sind). 

b.  Chullin  3,  7:  Von  den  Heuschrecken  (sind  rein)  alle,  die  vier  Füße  u.  vier  Flügel 
u.  zwei  Springfüße  haben  u.  deren  Flügel  den  größten  Teil  ihres  Leibes  bedecken. 
R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Und  deren  Name  „Chagab"  ist.  |1  Pirqe  R.  Eli'cez.  5 


Matth  3,  4  (6)  99 

Anfang:  Am  5.  Schöpfungstage  .  .  .  ließ  Gott  aus  dem  Wasser  hervorwimmeln  alle  Arten 
Heuschrecken,  männliche  u.  weibliche,  unreine  u.  reine.  Durch  zwei  Zeichen  sind  diese 
rein:  Durch  lange  Springfiiße,  mit  denen  sie  auf  der  Erde  hüpfen,  u.  durch  Flügel,  die 
den  ganzen  Körper  bedecken.  Und  diejenigen  (Tiere),  die  aus  dem  Wasser  hervor- 
wimmelten, die  Fische  u.  die  Heuschrecken,  dürfen  ohne  rituelle  Schlachtung  gegessen 
werden;  aber  Geflügel  darf  nur  bei  ritueller  Schlachtung  gegessea  werden.  ||  Targ 
J^rusch  I  Dt  14,  20:  Alle  reinen  Heuschrecken  dürft  ihr  essen.  (Dt  14,  11  redet  von  den 
reinen  Vögeln  -liU  u.  14,  20  von  dem  reinen  Geflügel  ri-^-;  da  das  Dt  die  Heuschrecken 
somit  nicht  ausdrücklich  erwähnt,  bezieht  der  Targum  die  letzte  Stelle  auf  diese.)  ]|  Zu 
den  Versuchen  der  Mischna-  u.  Talmud-lehrer,  die  im  AT  genannten  Heuschreckenarten 
des  nähern  festzustellen,  vgl.  Targ  Onk  u.  Targ  J*^rusch  I  Lv  11,  22;  Chullin  65^—66-'; 
pTaEan  3,  6  i66'i);  Siphra  Lv  1 1,  22  (207  »). 

C.  Chullin  8,  1 :  Alles  Fleisch  ist  verboten  in  Milch  zu  kochen,  ausgenommen  das 
Fleisch  der  Fische  u.  der  Heuschrecken;  auch  ist  verboten.  Fleisch  zus.  mit  Käse  auf 
den  Ti'^ch  zu  bringen,  ausgenommen  das  Fleisch  der  Fische  u.  der  H.  Wer  durch  ein 
Gelübde  dem  Fleisch  entsagt,  darf  das  Fleisch  der  Fische  u.  der  H.  genießen.  (Der 
letzte  Satz  wird  pN'^'darim  1  Anfang  in  der  Diskussion  als  verneinende  Frage  verwertet; 
dies  hat  Lightfoot  übersehen,  so  daß  seine  Übersetzung  unrichtigen  Sinn  ergibt.) 

d.  T'^'rumlO,  9:  Unreine  Heuschrecken,  die  zus.  mit  reinen  H.  eingemacht  sind, 
machen  ihre  Brühe  (Lake)  nicht  unerlaubt.  R.  (^adoq  (wohl  der  Altere,  um  70  n.  Chr.) 
hat  betrefi"s  der  Brühe  der  unreinen  H.  bezeugt,  daß  sie  rein  sei. 

e.  B*^'rakh  6,  3:  Über  etwas,  was  sein  Wachstum  nicht  (unmittelbar)  von  der  Erde 
her  hat,  spricht  man  den  Lobspruch:  , Alles."  Über  Essig,  Fallobst  u.  Heuschrecken 
spricht  man  den  Lobspruch:  , Alles."  Über  Milch,  Käse  u.  Eier  spricht  man  den  Lob- 
spruch: , Alles."  (Der  von  der  Mischna  als  bekannt  vorausgesetzte  u.  deshalb  mit  dem 
Stichwort  benannte  Lobspruch  lautet:  „Gepriesen  seist  du  Jahve,  unser  Gott,  König 
der  Welt,  durch  dessen  Wort  alles  geworden  ist.") 

/.  cAZ  2,  7  Ende:  Die  Heuschrecken  (die  ein  Heide  eingelegt  hat  u.  verkauft)  sind, 
wenn  sie  aus  dem  Körbchen  kommen  (in  welchem  der  Händler  sie  feilbietet),  verboten, 
wenn  sie  aber  aus  dem  Lagerraum  kommen,  erlaubt  (nämlich  zum  Genuß  in  der 
jüdischen  Familie).  —  Der  Grund  dieser  Entscheidung  ist,  daß  die  aus  dem  Korb  ver- 
kaufte Ware  mit  Wein  angefeuchtet  sein  könnte,  der  als  Fabrikat  eines  Heiden  wegen 
seiner  Verwendung  zu  götzendienerischen  Opferlibationen  unter  allen  Umständen  ver- 
boten ist;  eine  Befürchtung,  die  der  unmittelbar  aus  dem  Lagerraum  entnommenen 
Ware  gegenüber  nicht  obwaltet.  ||  Tos  5AZ  4, 12  (467 1:  Heuschrecken  u.  Kapern  aus  dem 
Lagerraum,  der  Vorratskammer  u.  vom  Schiff  sind  (zum  Genußi  erlaubt  (auch  wenn  der 
Verkäufer  ein  Nicht- Jude  ist).  Wenn  sie  aber  aus  einem  Körbchen  vor  dem  Krämer 
verkauft  wurden,  so  sind  sie  verboten,  weil  man  Wein  auf  sie  zu  sprengen  pflegt,  damit 
sie  schön  von  Ansehen  seien  (u.  dieser  Wein  könnte  von  Libationswein  herstammen). 

g.  Schab  9,7:  Wer  (am  Sabbat)  eine  lebende  reine  Heuschrecke  hinausträgt,  so 
klein  sie  auch  sei,  von  einer  toten  soviel  wie  eine  getrocknete  Feige,  von  dem  „Vogel 
der  Weinberge"  (Name  einer  Heuschreckenart),  ob  dieser  lebt  oder  tot  ist,  soviel  es 
auch  sei,  weil  man  ihn  zur  Heilung  (als  Heilmittel)  aufzubewahren  pflegt  (:  der  ist 
schuldig,  ein  Sündopfer  zu  bringen).  R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Auch  wer  eine  lebende 
unreine  H.  hinausträgt,  so  klein  sie  auch  sei,  weil  man  sie  für  ein  Kind  zum  Spielen 
aufzubewahren  pflegt.  —  bSchab  90l>  fügt  hinzu:  Was  ist  der  „Vogel  der  Weinberge"? 
Rab  (t  247)  hat  gesagt:  Das  ist  der  Durchsucher  der  Baumgärten;  Abaje  (f  338/39) 
hat  gesagt:  Er  wird  auf  der  Palme,  die  Eine  Rinde  hat  (=  auf  den  jungen  Palmen) 
gefunden;  u.  man  verwendet  ihn,  um  weise  zu  werden.  Man  ißt  nämlich  seine  rechte 
Hälfte,  u.  seine  linke  Hälfte  legt  man  in  eine  kupferne  Röhre  u.  versiegelt  sie  mit 
60  Siegelringen  u.  hängt  sie  an  den  linken  Arm.  Als  Merkmal  diene  dir  QohlO,  2: 
„Das  Herz  des  Weisen  ist  zu  seiner  Rechten  u.  das  Herz  des  Toren  zu  seiner  Linken." 
Und  er  wird  weise,  soviel  er  will,  u.  er  lernt,  soviel  er  will,  u.  dann  ißt  er  die  andre 
Hälfte;  denn  wenn  er  es  nicht  tut,  so  wird  sein  Erlerntes  wieder  ausgerottet.  —  pSchab 

7* 


1 00  Matth  3,  4  (2)) 

9  Ende  (12l>,  16)  kennt  eine  andre  Verwendung:  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Eine  Frau 
mit  aufgesprungener  Haut  (oder  die  am  Fluß  leidet,  Levy  3,  501  ^)  salbt  sich  damit  (mit 
dem  Fett  des  „Vogels  der  Weinberge"),  so  wird  sie  geheilt  werden. 

3,4^:  Wilder  Honig. 

Unter  wildem  Honig  wird  hier,  wie  Mk  1,  6,  kaum  vegetabilischer, 
sondern  animalischer  Honig  zu  verstehn  sein.  Mischna  u.  Talmud  lassen 
mit  ihren  eingehenden  Bemerkungen  über  das  Leben  u.  die  Gewohn- 
heiten der  Bienen,  über  den  Bau  u.  die  Einrichtung  der  Bienenstöcke, 
über  die  Gewinnung  u.  Verwertung  des  Honigs  usw.  deutlich  erkennen, 
daß  die  Bienenzucht  im  neutestamentl.  Zeitalter  im  jüd.  Volk  in  Blüte 
gestanden  hat.  Vgl.  BB  5,  3;  Kelim  16,  7;  22, 10;  Ohaloth  8,  1;  ^Uq9in  3, 
10.  11;  bSchab  43«'^;  154^  BB  18^—19'';  80^  Dagegen  scheinen  die 
wilden  Bienen,  bezw.  der  wilde  Honig  im  altern  rabbin.  Schrifttum 
nirgends  erwähnt  zu  werden:  wo  das  AT  allenfalls  dazu  Veranlassung 
bietet,  behalten  die  Targumisten  den  allgemeinen  Ausdruck  „Bienen", 
bezw.  „Honig"  einfach  bei;  so  Rieht  14,  8;  1  Sm  14,  25;  Ps  81,  17;  Spr 
25, 16.  Aber  Dt  32,  13  deutet  Targ  Onk  bildlich  auf  die  Beute,  die  die 
Israeliten  den  Stadtkönigen  abnehmen,  während  Targ  Jerusch  I  die 
betreffenden  Worte  vom  Bonig  der  Baumfrüchte  versteht.  —  Jedenfalls 
galt  aber  nach  dem,  was  die  Mischna  über  den  Honig  der  Hornissen 
festgesetzt  hat,  auch  der  Honig  der  wilden  Bienen  als  eine  reine  Speise. 

Makhsch  6,  4:  Der  Honig  der  Hornissen  ist  rein  u.  als  Speise  erlaubt.  —  B  kh  1,  2 
wird  der  allgemeine  Grundsatz  aufgestellt,  daß  das,  was  von  einem  unreinen  Tier  her- 
stammt, unrein,  u.  was  von  einem  reinen  Tier  herstammt,  rein  sei.  Da  nun  die  Biene 
zu  den  unreinen  Tieren  gerechnet  wurde,  so  entstand  die  Frage,  inwiefern  trotzdem 
ihr  Honig  erlaubt  sein  könne.  Die  G^mara  7b  bemerkt  hierzu:  Weshalb  hat  man 
gesagt:  Der  Honig  der  Bienen  ist  erlaubt?  Weil  sie  ihn  in  ihren  Körper  aufnehmen, 
aber  nicht  aus  ihrem  Körper  aussondern.  —  Die  Meinung  geht  also  dahin,  daß  die 
Biene  den  Honig  nicht  durch  Funktionen  ihres  Organismus  produziere,  sondern  den 
aus  den  Blüten  fix  u.  fertig  aufgenommenen  Honig  nur  reproduziere. 

Über  den  Wert  u.  Nutzen  des  Honigs  lassen  sich  folgende  Stellen  aus. 

B^'rakh  44^  Bar:  Sechs  Dinge  heilen  den  Kranken  von  seiner  Krankheit,  u.  ihre 
Heilung  ist  eine  Heilung:  Kohl,  Mangold,  der  Saft  des  Sison,  Honig,  der  Magen  u.  die 
Gebärmutter  (der  Tiere)  u.  der  überflüssige  Lappen"  an  der  Leber.  |  B'^rakh  57 b;  Fünf 
Dinge  betragen  ein  Sechzigstel:  Feuer,  Honig,  Sabbat,  Schlaf  u.  Traum.  Das  Feuer 
beträgt  ein  Sechzigstel  vom  Geiiinnom  (d.  h.  von  dessen  Glut),  der  Honig  vom  Manna, 
der  Sabbat  von  der  zukünftigen  Welt,  der  Schlaf  vom  Tode,  der  Traum  von  der  Pro- 
phetie.  ||  Joma83b  Bar:  Den,  welchen  der  Heißhunger  packt,  läßt  man  Honig  u.  allerlei 
Süßes  essen;  denn  der  Honig  u.  allerlei  Süßes  erleuchten  das  Augenlicht  des  Menschen; 
u.  wenn  es  auch  nicht  eine  Beweisstelle  ist,  so  ist  1  Sm  14,  29  doch  immerhin  ein  Merk- 
mal: ,  Sehet  doch,  wie  meine  Augen  sich  aufgehellt  haben,  weil  ich  ein  wenig  von 
diesem  Honig  gekostet  habe."  —  jl  Joma  75b:  (Das  Manna)  wird  in  der  Schrift  bald 
Brot,  bald  Öl  (Fett),  bald  Honig  genannt  (vgl.  Ez  16,  19;  Ex  16,4.31;  Nu  11,8).  R.Jose 
b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Für  die  Jünglinge  war  es  Brot,  für  die  Alten  Fett  u. 
für  die  Kinder  Honig.  —  Anders  pointiert  pesiq  1  lO**;  TanchB  r-n-c  §  22  7b;  r-.hvz  §  22 
34^  ExR5  (71«). 

Vegetabilischer  Honig  wird  erwähnt  B'Takh  38«:  Mar  bar  Rab  Aschi 
(um  450)  hat  gesagt:  Über  Honig  der  Dattelpalme  spricht  man  den  Lob- 


Matth  3,  4  (2)).  5  (1.2)  101 

Spruch:  „Durch  dessen  Wort  alles  geworden  ist."  H  K^th  IIP:  Rammi 
b:  J'^chezq'^el  kam  nach  B<^ne  Baraq;  er  sah  Ziegen,  die  unter  einem 
Feigenbaum  frafsen,  während  Honig  aus  den  Feigen  u.  Milch  aus  ihnen 
selbst  tröpfelte,  u.  beides  vermischte  sich  miteinander.  Da  sagte  er: 
Das  ist  es  „überfließend  von  Milch  u.  Honig"  (zB  Ex  3,  8).  R.  JaJaqob 
b.  Dos^thai  hat  gesagt:  Von  Lydda  bis  Ono  sind  drei  Mil;  einmal  machte 
ich  mich  früh  in  der  Dämmerung  auf  u.  ging  bis  an  die  Knöchel  im 
Honig  der  Feigen.  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Ich  selbst  habe 
es  gesehen  „fließend  von  Milch  u.  Honig"  bei  Sepphoris.  .  .  . 

3,5:  Die  Umgegend  des  Jordans. 

1.  nsQi'xcoQog  {==  Umgebung,  Nachbarschaft,  Gebiet)  ist  als  -i^ni^i-Q 
oder  ■i'i'iDwsnEs  ins  Rabbin.  übergegangen. 

pSchebiath  9,  2  (38 d,  57):  Von  Beth-Choron  bis  an  das  Meer  gilt  (in  bezug  auf  die 
Wegschaffung  der  Früchte  des  Sabbatjahres  aus  den  Häusern)  als  Ein  Land,  als  ein 
(zus.gehöriges)  Gebiet  t-isst.  |i  DtR  11  (20tJ'^):  Jakob  sprach  zu  Mose:  Ich  bin  größer 
als  du,  denn  ich  stieß  mit  dem  Engel  zusammen  u.  besiegte  ihn.  Mose  erwiderte:  Du 
bist  mit  dem  Engel  in  deinem  Gebiet  ■j-'-iis-'-e  (=  Erde)  zus.gestoßen,  aber  ich  bin  zu 
ihnen  emporgestiegen  in  ihr  Gebiet  "i'-'is^is  (=  Himmel),  u.  sie  fürchteten  sich  vor 
mir;  s.  Ps68, 18:  Die  Könige  der  Heerscharen  (=  Engelfürsten)  flohen,  ja  flohen. 

2.  Jordan,  'IoQ(Sdvrjg,  •'^'■r_;  aram.  xp"-,  Targ  Jerusch  I  Dt  1,  5  n:'^"!!-^. 
B^kh  55*  Bar:  Der  Jordan  kommt  heraus  aus  der  Grotte  Pamjas  (eis  Unveag)  u. 

fließt  in  das  Meer  von  Sibke  "s^-c  ^  u.  in  das  Meer  von  Tiberias  u.  in  das  Meer  von 
Sodom  u.  fällt  weiter  (unterirdisch?)  in  das  große  Meer  (Weltmeer);  aber  der  Jordan 
ist  er  erst  von  im^  r'=  au  u.  weiter  abwärts.  —  Tos  B'-'kh  7,4  (542)  lautet  diese  Bar 
so:  Es  gibt  einen  Fluß,  der  aus  der  Grotte  Pamjas  herauskommt  u.  durch  das  Meer 
von  -3S-C  1  u.  durch  das  Meer  von  Tiberias  fließt;  obwohl  er  Jordan  "•::  heißt,  so  wird 
er  doch  nicht  zum  Jordan  gerechnet.  Welches  ist  der  (eigentliche)  Jordan?  Von  r'a 
in"'-'-'  an  u.  weiter  abwärts.  —  Mit  ini->  n-3,  bezw.  irfi'  'z  ist  natürlich  nicht  Jericho 
gemeint,  sondern  ein  Ort,  der  viel  weiter  nördlich  liegen  muß.  Neubauer,  Geographie 
S.  31,  denkt  an  Beth-Jerah  am  See  Tiberias.  Auch  Josephus,  Bell.  Jud.  4,  1,  1  unter- 
scheidet zwischen  einem  Großen  Jordan  ^loQSdprjg  jueyag  u.  einem  Kleinen  Jordan 
'looönvrjg  fxixQog,  von  denen  der  letztere  im  Sumpfgelände  des  Semechonitis-Sees  in 
den  ersteren  fließe.  Einen  weiteren  Quellfluß  namens  Jdvog  erwähnt  Josephus  Antiq. 
1,  10,  1.  II  B^kh  55»:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (1.  R.  Jochanan, 
t  279)  habe  gesagt:  Warum  wird  sein  Name  ■j-s-^"'  genannt?  Weil  er  herabkommt  von 
Dan  i-iis  -T-T.  R.  Abba  sagte  zu  Rab  Aschi  (f  427):  Ihr  lehrt  es  von  dort,  wir  lehren 
es  von  Jos  19,  47:  „Sie  nannten  Leschem  Dan  nach  dem  Namen  ihres  Vaters  Dan." 
R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Leschem,  das  ist  Pamjas,  u.  eine  Bar  lautet:  Der 
Jordan  kommt  aus  der  Grotte  von  Pamjas  hervor.  Rab  Kahana  (I.  um  250;  II.  um  300) 
hat  gesagt:  Die  Quelle  des  J.  kommt  aus  der  Grotte  von  Pamjas.  |l  GnR  4  (4l>):  R.  Jona 
(um  350)  hat  gesagt:  Dieser  J.  sn-''  fließt  durch  das  Meer  von  Tiberias  u.  vermischt 
sich  nicht  mit  ihm.  Ein  Wunderwerk  liegt  darin:  ein  Mensch  siebt  Weizen  u.  Spreu 
in  einem  Siebe;  bevor  er  (der  Weizen)  noch  zwei  oder  drei  Finger  tief  hineingesunken 
ist,  sind  sie  schon  miteinander  vermengt;  u.  die  Wasser  des  J.  fließen  schon  viele,  viele 
Jahre  u.  vermischen  sich  nicht.  ||  Para  8,  10:  Das  Wasser  des  J.  u.  das  Wasser  des 
Jarmukh  sind  untauglich  (als  Entsündigungswasser  in  Verbindung  mit  der  Asche  der 
roten  Kuh),  weil  es  Mischwasser  ist. 

1  In  der  Parallelstelle  BB  74b  lautet  der  Name  gleichfalls  'sa'c,  in  pBB  5,  L'"v'i,32 
«»?D  oder  is'cc,  in  Tos  BQ  8,  18  (363)  u.  Tos  B^'kh  7,  4  (542)  ^:s^c;  gemeint  ist  überall 
damit  der  Hule-  oder  Semechonitis-See. 


102  Matth  3,  6  (51 1.  2) 

3,6  31:  Sie  ließen  sich  im  Jordan  taufen. 

1.  ßanri^^iv,  hebr.  b^-j  =  untertauchen,  baden;  ßaTTriafiog,  n^''a-j, 
Untertauchen,  Tauchbad.  —  Das  Baden  des  ganzen  Körpers  war  vom 
Gesetz  vorgeschrieben,  falls  ein  Israelit  unrein  geworden  war,  zB  durch 
Aussatz  Lv  14,  1  ff.,  durch  geschlechtliche  Ausflüsse  Lv  15, 1  ff.,  durch 
Leichen  Nu  19, 1 1  ff.  Ferner  hatte  die  traditionelle  Auslegung  der  Rein- 
heitsgesetze ein  Tauchbad  auch  denjenigen  zur  Pflicht  gemacht,  denen 
im  Gesetz  (vgl.  Lv  11,  25.  28.  40;  13,  6.  34;  Nu  8,  7.  21;  19,  10.  21  u.  ö.) 
das  Waschen  der  Kleider  aufgegeben  war.a  Durch  das  Tauchbad  sollte 
in  allen  diesen  Fällen  diejenige  levitische  Reinheit  wiedergewonnen 
werden,  ohne  welche  eine  Teilnahme  an  den  kultischen  Einrichtungen 
ausgeschlossen  war.  Das  Tauchbad  gehörte  mithin  zu  denjenigen  re- 
ligiösen Pflichten,  denen  zu  genügen  der  gesetzestreue  Israelit  un- 
zählige Male  in  seinem  Leben  Veranlassung  hatte. 

a.  Mekh  Ex  19,  10  (71h):  „Sie  sollen  ihre  Gewänder  waschen"  Ex  19,  10.  Woher 
läßt  sich  beweisen,  daß  ihnen  auch  ein  Tauchbad  auferlegt  war?  Siehe,  ich  ziehe  die 
Folgerung:  wenn  da,  wo  ihnen  kein  Waschen  der  Gewänder  auferlegt  wird,  ihnen  doch 
ein  Tauchbad  auferlegt  wird  (vgl.  zB  Lv  15, 16),  sollte  es  da  nicht  hier,  wo  das  Waschen 
der  Gewänder  auferlegt  war,  recht  gewesen  sein,  daß  ein  Tauchbad  auferlegt  wurde? 
Es  gibt  kein  Waschen  der  Gewänder  in  der  Tora,  das  nicht  zum  Tauchbad  verpflichtete. 

2.  Alter  u.  Bedeutung  der  Proselytentaufe. 

Wesentlich  auf  gleicher  Linie  mit  den  unter  Nr.  1  erwähnten  Tauch- 
bädern lag  das  Tauchbad,  dem  sich  ein  zum  Judentum  übertretender 
Heide  zu  unterziehen  hatte,  die  sogenannte  Proselytentaufe  c^-ir.  r^"'3-j. 
Wenn  auch  ein  Heide,  weil  er  dem  Gesetz  nicht  unterstand,  nicht  im 
Sinne  des  Gesetzes  levitisch  unrein  werden  konnte  (vgl.  Anm.  c.  d),  so 
galt  er  doch  eben  als  Heide  für  unrein  (vgl.  Joh  18,28;  Apg  10,  28). 
Für  das  jüdische  Empfinden  war  es  deshalb  selbstverständlich,  daß  ein 
Konvertit,  der  an  den  theokratischen  Segnungen  Israels  teilzuhaben 
begehrte,  zuvor  die  Lustration  durch  ein  Tauchbad  an  sich  vollzog. 
Aber  es  ist  nicht  zu  verkennen,  daß  im  Laufe  des  1.  nachchristl.  Jahr- 
hunderts ein  gewisser  Wandel  in  der  Wertschätzung  der  Proselytentaufe 
erfolgt  ist.  Während  anfänglich  die  Beschneidung  der  entscheidende 
Akt  war,  durch  den  der  Übertritt  perfekt  wurde,  gewann  das  erste 
Tauchbad  des  Proselyten  allmählich  mehr  u.  mehr  selbständigen  Cha- 
rakter neben  der  Beschneidung,  so  daß  es  schließlich  ziemlich  allgemein 
als  das  entscheidende  Merkmal  der  erfolgten  Konversion  gewertet 
wurde.   (Näheres  S.  105  ff.) 

Die  früheste  geschichtliche  Bezeugung  der  Proselytentaufe  liegt  vor 
in  einer  Kontroverse  zwischen  der  Schule  Schammais  u.  der  Hilleis. 

a.  P^s  8,  8  u.  lEduj  5,  2:  Ein  Leidtragender  nimmt  ein  Tauchbad;  dann  darf  er  sein 
Passah  am  Abend  (des  14.  Nisan)  essen .  aber  nicht  Heiliges  (zB  Fleisch  von  Fried- 
mahlsopfern). Wer  eine  Todesnachricht  über  einen  Angehörigen  empfängt  oder  wer 
Totengebeine  aufsammelt,  der  nimm*-  '^in  Tauchbad  u.  darf  Heiliges  essen.  Wenn  ein 
Proselyt  am  Vorabend  des  Passah  (d  h.  am  14.  Nisan)  zum  Judentum  übergetreten  ist, 


Matth  3,  6  (51  2.  3)  103 

so  sagt  die  Schule  Schammais:  Er  nimmt  (nach  der  Beschneidung)  ein  Tauchbad,  u. 
dann  darf  er  am  Abend  sein  Passah  essen.  Aber  die  Schule  Hilleis  sagte:  Wer  sich 
von  der  Vorhaut  scheidet,  ist  wie  einer,  der  vom  Grabe  scheidet  (d.h.:  wie  der  durch 
eine  Leiche  oder  ein  Grab  Verunreinigte  7  Tage  bis  zu  seiner  völligen  Reinigung  zu 
warten  hat  Nu  19,  11  ff.,  so  darf  das  Proselytentauchbad  erst  7  Tage  nach  der  Be- 
schneidung erfolgen). 

b.  Tos  P'^s  7, 13  (167):  R.  Jose  b.  J^huda  (um  180)  hat  gesagt:  Die  Schulen  Scham- 
mais u.  Hillels  waren  nicht  verschiedener  Meinung  in  bezug  auf  einen  unbeschnittenen 
nichtpriesterlichen- Israeliten,'  daß  dieser  nämlich  die  Besprengung  (im  Falle  der  Ver- 
unreinigung) auf  sich  zu  nehmen  habe  u.  dann  (sein  Passah)  essen  dürfe.  Worüber 
waren  sie  verschiedener  Meinung?  Über  einen  unbeschnittenen  Heiden.  Denn  die  Schule 
Schammais  sagte:  Er  nimmt  (nach  seiner  Beschneidung)  ein  Tauchbad  u.  dann  darf  er 
sein  Passah  am  Abend  essen.  Und  die  Schule  Hillels  sagte:  Wer  sich  von  der  Vorhaut 
scheidet,  der  ist  wie  einer,  der  vom  Grabe  scheidet,  gleichviel  ob  es  ein  Nicht-Israelit 
ist,  der  sich  hat  beschneiden  lassen,  oder  eine  (heidnische)  Sklavin,  die  das  Tauchbad 
genommen  hat  (u.  dadurch  eine  Jüdin  geworden  ist).  Es  gab  in  Jerusalem  Militärposten 
u.  Torwächter,  die  (am  14.  Nisan)  ein  Tauchbad  nahmen  (um  von  einer  etwaigen  Un- 
reinheit rein  zu  werden)  u.  dann  ihr  Passah  am  Abend  aßen. 

C.  pP®s  S,  36b,  31 :  Was  war  der  Grund  der  Schule  Schammais  (für  ihre  Entscheidung 
in  der  obigen  Mischnastelle)?  (Nu  31, 19:)  Jhr  u.  eure  Gefangenen."  Wie  ihr  (Israeliten) 
euch  nicht  (levitisch)  verunreinigt  habt,  bevor  ihr  in  den  (Sinai-)Bund  eingetreten  wäret, 
so  macheu  sich  auch  eure  Gefangenen  nicht  (levitisch)  unrein,  bis  sie  in  den  Bund 
eingetreten  sind.  (Sie  können  also  sofort  nach  der  Beschneidung  das  Tauchbad  nehmen, 
ohne  7  Tage  warten  zu  müssen.)  Was  war  der  Grund  der  Schule  Hillels?  Antwort: 
„Ihr  u.  eure  Gefangenen."  Wie  euch  die  Besprengung  auferlegt  wurde  am  3.  u.  am 
7.  Tage  (Nu  31,  19),  so  ist  auch  euren  Gefangenen  die  Besprengung  am  3.  u.  7.  Tage 
auferlegt.  (Sie  müssen  also  nach  der  Beschneidung  7  Tage  bis  zum  Tauchbad  warten.) 

d.  P-^s  92 »:  Rabbah  b.  b.  Ghana  (um  280)  hat  gesagt:  R.  Jöchanan  (t  279)  hat 
gesagt:  Die  Meinungsverschiedenheit  (der  beiden  Schulen  in  obiger  Mischnastelle) 
bezog  sich  auf  einen  uubeschnittenen  Heiden.  Denn  die  Schule  Hillels  meinte  es  im 
Sinne  eines  vorbeugenden  Verbotes:  vielleicht  möchte  er  (der  Proselyt)  sich  im  nächsten 
Jahre  verunreinigen  u.  sagen:  „Habe  icli  nicht  im  vorigen  Jahre  ein  Tauchbad  ge- 
nommen u.  dann  (mein  Passah)  gegessen?  So  will  ich  auch  jetzt  ein  Tauchbad  nehmen 
u.  essen."  Aber  er  bedenkt  dabei  nicht,  daß  er  im  vorigen  Jahr  ein  Heide  war  u.  keine 
Unreinheit  annahm;  jetzt  aber  ist  er  ein  Israelit  u.  nimmt  Unreinheit  an.  Und  die 
Schule  Schammais  meinte:  Wir  erlassen  kein  vorbeugendes  Verbot.  —  Aber  betreffs 
eines  unbeschnittenen  Israeliten  gingen  die  Worte  aller  dahin:  Er  nimmt  ein  Tauchbad 
u.  ißt  sein  Passah  am  Abend;  u.  wir  erlassen  kein  vorbeugendes  Verbot  betreffs  eines 
unbeschnittenen  Israeliten  mit  Rücksicht  auf  einen  unbeschnittenen  Heiden.  —  Die  Bar 
lautet  ebenso:  R.  SchimJon  b.  El'azar  (um  190)  hat  gesagt:  Die  Schulen  Schammais  u. 
Hillels  waren  nicht  verschiedener  Meinung  über  einen  unbeschnittenen  Israeliten,  daß 
dieser  ein  Tauchbad  nehme  u.  dann  sein  Passah  am  Abend  essen  dürfe.  Worüber 
waren  sie  verschiedener  Meinung?  Über  einen  unbeschnittenen  Heiden;  denn  die  Schule 
Schammais  sagte:  Er  nimmt  ein  Tauchbad  u.  ißt  sein  Passah  am  Abend.  Und  die  Schule 
Hillels  sagte:  Wer  sich  von  der  Vorhaut  scheidet,  ist  wie  einer,  der  vom  Grabe  scheidet. 

3.  Die  vorstehenden  Stellen  zeigen,  daß  für  die  Schulen  Schammais 
u.  Hillels  (im  l.nachchristl.  Jahrh.)  die  Proselytentaufe  bereits  zu  einer 
feststehenden,  von  keiner  Seite  angefochtenen  Institution  geworden 
war;  man  darf  deshalb  deren  Anfänge  mit  Sicherheit  in  die  vor- 
christliche Zeit  verlegen.  —  Sie  beweisen  ferner  durch  die  ganze 

1  Jüdische  Eltern  durften  Knaben  unbeschnitten  lassen,  wenn  sie  vorher  bereits 
mehrere  Kinder  infolge  Beschneidung  durch  den  Tod  verloren  hatten. 


104  Matth  3,  6  (51  3) 

Art  und  Weise,  in  der  sie  das  Tauchbad  der  Proselyten  neben  den 
Tauchbädern  unrein  gewordener  Israeliten  erwähnen,  daß  beide  Schulen 
die  Proselytentaufe  wesentlich  für  das  Reinigungsbad  gehalten  haben, 
durch  welches  dem  übertretenden  Heiden  die  Teilnahme  an  allen 
Rechten  eines  Israeliten  ermöglicht  wurde.  —  Die  Kontroverse  der 
Schulen  dreht  sich  scheinbar  um  eine  mehr  nebensächliche  Frage,  ob 
nämlich  ein  Proselyt  sofort  nach  der  Beschneidung  zum  Tauchbad 
zugelassen  werden  dürfe,  oder  ob  er  auf  letzteres  noch  7  Tage  zu 
warten  habe.  Die  Berichte  aber  über  die  Diskussion  lassen  zum  Teil 
erkennen,  daß  den  eigentlichen  prinzipiellen  Differenzpunkt  das  ver- 
schiedene Urteil  der  beiden  Schulen  über  den  Grad  der  Unreinheit  des 
heidnischen  Konvertiten  gebildet  hat.  Die  Schammaiten  hielten  diese 
Unreinheit  für  eine  leichte  u.  gestatteten  deshalb  den  sofortigen  Emp- 
fang der  Taufe;  die  Hilleliten  hielten  sie  für  eine  schwere  u.  forderten 
deshalb  nach  Analogie  der  Bestimmungen  über  Verunreinigung  durch 
einen  Toten  (Nu  19,  11  ff.)  den  Aufschub  der  Taufe  um  7  Tage. 

Es  mag  hier  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Schule  Hilleis  wirklich 
strenger  als  die  Schammaiten  über  die  Unreinheit  der  Heiden  geurteilt 
hat;  der  entscheidende  Grund  ist  das  kaum  dafür  gewesen,  daß  die 
Hilleliten  eine  siebentägige  Frist  zwischen  Beschneidung  u.  Tauchbad 
forderten;  das  eigentliche  Motiv  scheint  uns  anderswo  zu  liegen.  — 
Wenn  die  Schule  Schammais,  die  unentwegte  Vertreterin  der  über- 
kommenen Traditionen,  erlaubte,  daß  das  Tauchbad  des  Proselyten  sich 
unmittelbar  an  die  Beschneidung  anschloß,  so  darf  daraus  gefolgert 
werden,  daß  die  ältere  Anschauung  den  Übertritt  des  Proselyten  mit 
der  Beschneidung  für  vollendet  ansah;  was  darauf  noch  folgte,  Tauch- 
bad u.  Opferdarbringung,  war  ein  Akzidenz,  die  Hauptsache  blieb  die 
Beschneidung.  —  Die  Schule  Hillels  hielt  die  alten  Traditionen  nicht 
minder  hoch,  nahm  aber  auch  Rücksicht  auf  die  praktischen  Bedürf- 
nisse des  Lebens,  u.  das  dürfte  auch  der  letzte  Grund  gewesen  sein, 
der  ihnen  die  Verschiebung  der  Proselytentaufe  um  7  Tage  wünschens- 
wert erscheinen  ließ. 

Aus  einer  Bar,a  die  den  Standpunkt  der  Schule  Hillels  vertritt, 
erfahren  wir,  daß  in  der  Praxis  ein  Proselyt  zum  Tauchbad  erst  nach 
der  Heilung  der  Beschneidungswunde  zugelassen  wurde,  u,  zwar  weil 
ein  früheres  Bad  die  Wunde  heftig  schmerzen  lasse. 

Einer  andren  Barb  entnehmen  wir,  daß  die  Schule  Schammais  die 
innerhalb  der  nichtjüdischen  Welt  sich  findende  Beschneidung  ^  nicht 
als  gesetzlich  gültig  anerkannt  hat;  sie  forderte  als  Zeichen  des  Über- 
tritts eines  bereits  beschnittenen  Heiden  zum  Judentum  gewissermaßen 
eine  Wiederholung  der  Beschnei  dung  durch  Einritzen  der  Beschneidungs- 
stelle,  damit  „das  Blat  des  Bundes  von  ihm  tröpfle".  Die  Schule  Hillels 

'  J^b  71  ^;  <AZ  27^  weiden  beschnittene  Araber  u.  Hochländer  -rs:;  erwähnt,  u.  in 
nächster  Nähe  Israels  wohnten  die  Samaritaner,  die  gleichfalls  die  Beschneidung  hatten. 


Matth  3,  6  (?l  3.  4)  105 

dagegen  verwarf  diese  Forderung  als  unberechtigt;  offenbar  wiederum 
von  dem  Wunsch  geleitet,  den  Proselyten  unnötige  Schmerzen  zu  er- 
sparen. Indem  die  Hilleliten  aber  auf  jene  Forderung  verzichteten, 
hatten  sie  bei  denjenigen  Proselyten,  die  als  Beschnittene  übertraten, 
zunächst  überhaupt  kein  äußeres  sichtbares  Zeichen  für  deren  erfolgte 
Konversion.  Daher  sahen  sie  sich  dazu  gedrängt,  nunmehr  das  Tauch- 
bad zu  demjenigen  Akt  zu  machen,  in  dem  u.  mit  dem  der  Übertritt 
zum  Judentum  sich  vollziehe.  Dazu  kam,  daß  bei  den  Proselyten  aus 
der  Frauenwelt  ja  von  Anfang  an  das  Tauchbad  allgemein  als  der 
eigentliche  Konversionsakt  gegolten  hatte;  wenn  dies  aber  bei  Einer 
Kategorie  von  Proselyten  anerkannt  wurde,  weshalb  sollte  es  nicht  für 
alle  gelten!  Dieses  Streben,  für  alle  Proselyten  einunddasselbe  Zeichen 
des  Übertritts  zu  gewinnen,  in  das  zum  Teil  sich  noch  der  Wunsch 
mischte,  den  Heiden  den  Übergang  zum  Judentum  möglichst  zu  er- 
leichtern, das  ist  der  letzte  Grund  gewesen  für  die  Entscheidung  der 
Hilleliten,  daß  zwischen  Beschneidung  u.  Tauchbad  ein  Zwischenraum 
von  sieben  Tagen  liegen  müsse.  Denn  sollte  das  Tauchbad  als  ein 
selbständiger  Akt,  als  der  Hauptakt  bei  der  Konversion  gekennzeichnet 
werden,  dann  mußte  es  aus  seiner  bisherigen  Verbindung  mit  der  Be- 
schneidung gelöst,  d.  h.  vor  allem  zeitlich  von  dieser  getrennt  werden. 
Freilich  die  Neuerung  bedurfte  der  biblischen  Begründung;  doch  die 
beweisende  Formel  fand  sich  bald.  Diese  Formel  allein  ist  in  der 
Mischna  bewahrt;  sie  lautete:  „Wer  von  der  Vorhaut  herkommt,  ist 
wie  einer,  der  vom  Grabe  herkommt."  Der  selbständige  Charakter  der 
Proselytentaufe  war  damit  anerkannt,  sie  galt  von  jetzt  an,  wenigstens 
im  Kreis  der  Hilleliten,  als  das  Symbol  der  Aufnahme  in  die  Synagoge. 

a.  J®b  47^  u.  47b  Bar:  Ist  der  Proselyt  geheilt  (von  der  Beschneidungswunde),  so 
läßt  man  ihn  sofort  das  Tauchbad  nehmen  .  .  .  Wenn  er  geheilt  ist,  ja;  wenn  er  aber 
nicht  geheilt  ist,  nicht.  Weshalb  ?  Weil  das  Wasser  die  Wunde  heftig  schmerzen  läßt. 

b.  pJ^b  8,  9^  6  u.  bSchab  135^  Bar:  R.  Schimfon  b.  El'azar  (um  190)  hat  gelehrt: 
Die  Schulen  Schammais  u.  Hillels  sind  nicht  verschiedener  Meinung  darüber  gewesen, 
daß  von  einem  beschnitten  (ohne  Vorhaut)  geborenen  Kinde  das  Blut  des  Bundes  träufeln 
müsse,  weil  die  Vorhaut  (nur)  niedergedrückt  sei.  Worüber  waren  sie  verschiedener 
Meinung?  Betreffs  eines  Proselyten,  der  beschnitten  übertritt;  denn  die  Schule  Scham- 
mais sagte,  es  müsse  von  ihm  das  Blut  des  Bundes  träufeln;  u.  die  Schule  Hillels 
sagte,  es  brauche  von  ihm  nicht  das  Blut  des  Bundes  zu  träufeln. 

4.  Daß  es  sich  bei  der  oben  besprochenen  Kontroverse  der  beiden 
Schulen  in  der  Tat  um  die  Frage  gehandelt  hat,  was  das  Wichtigere 
beim  Übertritt  eines  Proselyten  sei,  die  Beschneidung  oder  das  Tauch- 
bad, zeigt  deutlich  eine  spätere  Diskussion  a  zwischen  R.  Eli'cozer  b. 
Hyrkanos  (um  90  n.  Chr.)  u.  seinem  dialektischen  Gegner  R.  J'hoschua^ 
b.  Chananja.  Der  erstere  vertritt  die  Richtung  der  Schammaiten  u.  er- 
klärt, daß  derjenige,  der  beschnitten  sei,  als  Proselyt  gelte,  auch  wenn 
er  nicht  das  Tauchbad  genommen  habe;  der  letztere  verficht  den  Stand- 
punkt der  Hilleliten  u.  will  den  noch   nicht  Beschnittenen   als   voll- 


106  Matth  3,  6  (51  4) 

berechtigten  Proselyten  anerkannt  wissen,  sobald  er  sich  dem  Tauchbad 
unterzogen  hat.  Ja  ein  in  derselben  Diskussion  sich  findender  Satza 
behauptet  sogar,  daß  alle  Welt  darin  einig  sei,  daß  ein  Getaufter,  aber 
nicht  Beschnittener  als  Proselyt  zu  gelten  habe.^  Allerdings  haben  die 
zeitgenössischen  Gelehrten  sich  weder  der  Meinung  des  R.  Elijezer,  noch 
der  des  R.  J^hoschuaj  angeschlossen,  sondern  beides,  Beschneidung  u. 
Tauchbad,  als  die  unerläßlichen  Bedingungen  bei  der  Aufnahme  eines 
Proselyten  angesehen,  a  Das  ist  dann  die  Norm  auch  für  die  Folgezeit 
geblieben. b  Allenfalls  hat  man,  solange  der  Tempel  bestand,  hier  u. 
da  neben  der  Beschneidung  u.  dem  Tauchbad  auch  wohl  noch  das 
erste  Proselytenopfer  als  Aufnahmebedingung  gefordert. c 

a.  J*'b46'*  Bar:  Von  einem  Proselyten,  der  beschnitten  ist  u.  nicht  das  Tauchbad 
genommen  hat,  sagte  R.  Eli^ezer  b.  Hyrkanos:  Siehe,  dieser  ist  ein  Proselyt;  denn  so 
finden  wir  es  bei  unsren  Vätern  (den  aus  Ägypten  gezogenen  Israeliten),  daß  sie  be- 
schnitten waren,  aber  kein  Tauchbad  nahmen  (vor  dem  Eintritt  in  den  Sinaibund).  — 
Wenn  er  das  Tauchbad  genommen  hat  u.  nicht  beschnitten  worden  ist,  so  sagte 
R.  J-hoschuac  b.  Chananja:  Siehe,  er  ist  ein  Proselyt;  denn  so  finden  wir  es  bei  den 
Müttern  (den  aus  Ägypten  gezogenen  Israelit.  Frauen),  daß  sie  ein  Tauchbad  nahmen 
u.  nicht  beschnitten  wurden  (bei  ihrem  Eintritt  in  den  Sinaibund).  Die  Gelehrten  aber 
(d.h.  die  Zeitgenossen  des  R.  Elicezer  u.  R.  J'^hoschuac)  sagten:  Wenn  er  das  T.  ge- 
nommen hat,  aber  nicht  beschnitten  worden  ist,  oder  wenn  er  beschnitten  worden  ist, 
aber  das  T.  nicht  genommen  hat,  so  ist  er  kein  Proselyt,  bis  er  beschnitten  ist  u.  das 
T.  genommen  hat.  Und  R.  J'hoschua'  hätte  auch  lernen  sollen  von  den  Vätern,  u. 
R.  Elicezer  hätte  auch  lernen  sollen  von  den  Müttern.  Wenn  du  aber  sagen  solltest, 
,  man  ziehe  in  bezug  auf  Mögliches  keine  Folgerung  aus  Unmöglichem  (mithin  dem 
R.  Eli'ezer  nicht  zuzumuten  sei,  seine  Meinung  durch  das  Beispiel  der  Mütter  bestimmen 
zu  lassen,  weil  diese  ja  nicht  beschnitten  werden  konnten):  ist  denn  nicht  in  einer 
Bar  gelehrt  worden:  R.  Eli'ezer  b.  Hyrkanos  sagte:  Woher  läßt  sich  der  Beweis  er- 
bringen, daß  das  Passah  der  (nach  dem  Auszug  aus  Ägypten  lebenden)  Geschlechter 
nur  aus  Profanem  (nicht  aus  zweitem  Zehnt  oder  sonstwie  Geheiligtem)  genommen 
wird?  Antwort:  Es  heißt  „Passah"  in  Ägypten  u.  es  heißt  „Passah"  bei  den  Ge- 
schlechtern; wie  das  P.,  von  dem  in  Ägypten  geredet  wird,  nur  aus  Profanem  ge- 
nommen wurde  (da  man  ja  vor  der  Gesetzgebung  nichts  von  zweitem  Zehnt  wußte), 
so  wird  auch  das  P.,  von  dem  bei  den  Geschlechtern  geredet  wird,  nur  von  Profanem 
genommen.  Da  sagte  R.  cAqiba  zu  R.  EliJezer:  Wie,  zieht  man  denn  in  bezug  auf  Mög- 
liches eine  Folgei'ung  aus  Unmöglichem  (aus  dem  P.  in  Ägypten,  für  welches  Ge- 
heiligtes noch  nicht  in  Betracht  kommen  konnte,  eine  Folgerung  bezüglich  des  späteren 
P.,  wo  dies  möglich  ist)?  R.  Elicezer  antwortete:  Wenn  es  auch  etwas  Unmögliches 
war,  so  ist  es  doch  ein  starkes  Beweismittel  u.  wir  können  daraus  lernen.  (Wenn  also 
R.  Eli<ezer  im  letztern  Fall  eine  Folgerung  aus  Unmöglichem  anerkennt,  so  hätte  er  sie 
auch  im  erstem  Falle  bezüglich  der  Mütter  anerkennen  sollen.)  —  Vielmehr  ist  betreffs 
desjenigen,  der  das  Tauchbad  genommen  hat,  aber  nicht  beschnitten  ist,  alle  Welt 
einig,  daß  er  etwas  davon  hat  (d.  h.  als  Proselyt  gelte).  Aber  verschiedener  Meinung 
ist  man  über  den,  der  beschnitten  worden  ist  u.  nicht  das  Tauchbad  genommen  hat: 
R.  EliJezer  lehrte  nämlich  (dessen  Proselytsein)  auf  Grund  (des  Vorbildes)  der  Väter, 
während  R.  J^'hoschua'  sagte,  daß  auch  bei  den  Vätern  das  Tauchbad  stattfand.  Woher 

^  Vgl.  Orak.  Sibyl.  4,  161  ff.,  wo  den  Heiden  die  Bekehrung  zu  Gott  unter  Über- 
nahme der  Proselytentaufe  —  „Badet  den  ganzen  Leib  in  immerfließenden  Flüssen" 
ey  noTa[xoi<;  Xovaaai^E  ökot^  ds'uccg  devüoiao  —  angeraten  wird,  ohne  daß  der  Beschneidung 
Erwähnung  geschieht;  die  Stelle  dürfte  etwa  aus  der  Zeit  des  J'^hoschua.  b.  Chananja 
stammen,  s.  Schürer*  3,  579  f.  u.  Joseph.  Antiq.  20,  2,  4. 


Matth  3,  6  (?l  4)  107 

weiß  er  das?  Soll  ich  sagen:  Aus  Ex  19,  10:  ,Geh  zum  Volk  u.  laß  sie  sich  heilig 
halten  heute  u.  morgen  und  sie  sollen  ihre  Kleider  waschen"?  Denn  wenn  da,  wo 
kein  Waschen  (der  Gewänder)  auferlegt  wird,  doch  das  Tauchbad  auferlegt  wird  (zB 
Lv  15,  16),  sollte  es  dann  nicht  da,  wo  das  Waschen  (der  Gewänder)  auferlegt  wurde 
(s.  Ex  19,  10),  recht  gewesen  sein,  daß  das  Tauchbad  auferlegt  wurde?  (Also  hat 
R.  J'^hoschuac  recht,  wenn  er  bei  den  "Vätern  am  Sinai  das  Tauchbad  voraussetzt.)  Aber 
vielleicht  handelte  es  sich  (Ex  19,  10)  um  eine  gewöhnliche  (nicht  aus  Gründen  levi- 
tischer  Reinheit  geforderte)  Reinigung!  Dann  ist  der  Beweis  (für  die  Meinung  des 
R.  J^hoschuac)  vielmehr  von  Ex  24, 8  aus  zu  erbringen:  „Mose  nahm  das  Blut  u.  sprengte 
es  über  das  Volk" ;  u.  es  ist  traditionelle  Lehre,  daß  es  keine  Besprengung  ohne  (voran- 
gegangenes) Tauchbad  gibt.  Und  wenn  R.  J'^hoschuac  gesagt  hat,  daß  das  Tauchbad 
auch  bei  den  Müttern  (am  Sinai)  stattgefunden  hat,  woher  läßt  sich  das  beweisen? 
Das  beruht  auf  einem  Vernunftgrund  (d.  h.  es  ist  weder  traditionelle  Lehre  noch  aus 
einer  Schriftstelle  herzuleiten,  sondern  Ergebnis  verstandesmäßiger  Erwägung);  denn 
wie  hätten  sie  sonst  (wenn  sie  nicht  durch  das  Tauchbad  levitisch  rein  gewesen  wären) 
unter  die  Flügel  der  Sch'^khina  (in  den  Bund  mit  Gott)  können  eingehn?  pQid  :',64'^,  20 
u.bJ'^bTl*  ist  die  Kontroverse  auf  eine  kurze  u.  deutliche  Formel  gebracht. 

b.  jeb  46''  u.  f  AZ  59^:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  kam  nach  Gabla;  er  sah  Israe- 
litinnen, die  schwanger  waren  von  Froselyten,  die  beschnitten  waren,  aber  kein  Tauch- 
bad genommen  hatten.  ...  Er  sagte  zu  ihnen  auch  nicht  das  geringste,  kam  aber  zu 
R.  Jochanan  (f  279)  u.  sprach  zu  ihm:  Geh  hinaus  u.  laß  über  ihre  Kinder  verkündigen, 
daß  diese  Bastarde  sind  .  .  .;  denn  R.  Chijja  b.  Abba  hat  gesagt:  R.  Jochanan  hat  ge- 
sagt: In  Ewigkeit  ist  niemand  ein  Proselyt,  bis  er  beschnitten  ist  u.  das  Tauchbad 
genommen  hat,  u.  wenn  er  das  Tauchbad  nicht  genommen  hat,  so  ist  er  ein  Fremder.  — 
Die  kurze  Regel:  ,Man  ist  kein  Proselyt,  bis  man  beschnitten  ist  u.  das  Tauchbad 
genommen  hat,"  findet  sich  zB  J'^b  46^  (2mal).  II  fAZ  57^:  Rab  Schimi  b.  Chijja  ent- 
gegnete Rab  (t  247):  Von  Sklaven,  die  man  von  Heiden  kauft  u.  die  beschnitten  worden 
sind,  aber  nicht  das  Tauchbad  genommen  haben,  u.  ebenso  von  Sklavinnensöhnen,  die 
beschnitten  worden  sind,  aber  nicht  das  T.  genommen  haben,  gilt,  daß  ihr  Speichel  u. 
ihre  Fußspur  auf  der  Straße  verunreinigt.  —  Ebenso  sagt  Raba,  f  352  (so  wird  zu 
lesen  sein  statt  Rabbah,  f  330),  zu  seinem  Lehrer  Rab  Nachman  (b.  Ja?aqob,  f  820). 
Zur  Erklärung  zitieren  die  Tosaphisten  die  obige  Regel:  ,Man  ist  kein  Proselyt,  bis 
man  beschnitten  ist  u.  das  T.  genommen  hat." 

C.  K^r  2. 1:  R.  Eli?ezer  b.  Ja?aqob  (wohl  der  Ältere,  um  70  n.  Chr.)  sagte:  Ein  Pro- 
selyt ist  ein  der  Sühne  Ermangelnder,  bis  Blut  für  ihn  gesprengt  ist  (bei  seiner  ersten 
Opferdarbringung).  ||  K^r  81^:  Rabbi  sagt:  ,Wie  ihr"  Nu  15,14,  d.  h.  wie  eure  Väter. 
Wie  eure  Väter  (am  Sinai)  in  den  Bund  eingetreten  sind  nur  durch  Beschneidung,. 
Tauchbad  u.  gnädige  Blutannahme  (Opferdarbringung),  so  sollen  auch  diese  (die  Fro- 
selyten) in  den  Bund  nur  durch  Beschneidung,  Tauchbad  u.  gnädige  Blutannahme  ein- 
treten. .  .  .  Zugunsten  der  Beschn.  ist,  daß  geschrieben  steht  Jos  5,  5:  „Denn  alles  (aus 
Ägypten)  ausgezogene  Volk  war  beschnitten."  Oder  auch  auf  Grund  von  Ez  16,  6:  „Ich 
ging  an  dir  vorüber  u.  sah  dich  zertreten  in  deinem  (Beschneidungs-)Blut  u.  sprach  zu 
dir:  Durch  dein  Blut  sollst  du  leben!"  —  Die  gnädige  Blutannahme  ist  erwiesen  aus: 
„Mose  beauftragte  Jünglinge  der  Kinder  Israel  u.  sie  brachten  Brandopfer  dar"  Ex 
24,  5.  —  Aber  aus  welcher  Stelle  läßt  sich  das  Tauchbad  erweisen?  Weil  geschrieben 
ste.ht  Ex  24,  8:  „Mose  nahm  die  Hälfte  des  Blutes  u.  schwenkte  es  auf  das  Volk",  u. 
es  gibt  keine  Sprengung  ohne  (vorangegangenes)  Tauchbad.  Aber  wie  verhält  es  sich 
nun  jetzt,  wo  es  kein  Opfer  mehr  gibt?  nehmen  wir  da  auch  keine  Froselyten  mehr 
auf?  Rab  Acha  bar  Ja?aqob  (ein  Babylonier,  um  330)  hat  gesagt:  „Und  wenn  ein  Pro- 
selyt bei  euch  weilt .  .  .  wie  ihr  tut,  so  soll  er  tun"  (Nu  15,  14).'    Bar:  Ein  Proselyt 

'  Bei  Zitierungen  wird  meist  nur  der  Anfang  des  Schriftverses  gebracht,  auch 
wenn  die  eigentlichen  Beweisworte  an  seinem  Ende  stehen;  so  auch  hier:  wie  ihr 
tut,  immer  wie  ihr  tut,  so  auch  sie;  ihr  ohne  Opfer,  auch  sie  ohne  Opfer. 


108  Matth  3,  6  (31  4.  5) 

in  der  jetzigen  Zeit  muß  einen  Viertel  (Denar)  für  sein  Taubenpaar  [das  vordem  als 
Mindestopfer  darzubringen  war,  Siphre  Nu  5,  14  §  108  (30^)]  aussondern.  R.  Schimcon 
(b.  Jochai,  um  150)  hat  gesagt:  Dazu  wurde  einst  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80) 
autorisiert,  aber  er  hat  es  wieder  abgeschafft  wegen  der  damit  verbundenen  Versuchung 
(das  Geld,  als  etwas  Geheiligtes,  könnte  vom  Proselyten  für  profane  Zwecke  verbraucht 
werden).  —  Parallelstelle:  Siphre  a.  a.  0. 

5.  Die  Beschaffenheit  des  Tauchbades. 

Über  das  zum  Tauchbad  geeignete  Wasser  hat  der  Traktat  Miqvaoth 
genaue  Bestimmungen.  Danach  hatte  man  sämtliche  Wasseransamm- 
lungen nach  dem  Grad  ihrer  Verwendbarkeit  für  die  Zwecke  levitischer 
Reinigung  in  sechs  Klassen  eingeteilt. 

I.  Den  geringsten  Wert  hat  das  Wasser  in  Zisternen,  Gruben,  Gräben 
u.  Erdhöhlungen,  ferner  nicht  mehr  abfließendes  (stehengebliebenes) 
Regenwasser,  u.  endlich  eine  Wasseransammlung,  deren  Inhalt  weniger 
als  40  Sea  beträgt.  Dergleichen  Wasser  darf  nur  zur  Bereitung  der 
Teighebe  (Challa)  u.  zum  rituellen  Begießen  der  Hände  gebraucht 
werden,  Miqv  1,  1.  4  f. 

II.  Das  von  Hügeln  u.  Bergen  noch  abfließende  Regenwasser  ist 
geeignet  zur  Herstellung  von  Hebe  (T'^ruma)  u.  zum  Begießen  der 
Hände,  Miqv  1,  6. 

III.  Die  schlechthin  „Miqva"  genannte  Wasseransammlung,  die  wohl 
für  gewöhnlich  als  Tauchbad  u.  zur  Reinigung  unrein  gewordener  Ge- 
räte durch  Untertauchen  benützt  worden  ist.  Sie  sollte  mindestens 
40  Sea  Wasser  enthalten  (Miqv  1,  7.  ||  1  Sea  etwa  =  13,13  Liter,  mithin 
40  Sea  =  525,20  Liter)  a  u.  1  Quadratelle  weit  u.  3  Ellen  tief  sein.b  Das 
Wasser  durfte  nicht  mit  Schöpfgefäßen  in  das  Sammelbecken  hinein- 
geschöpft,, sondern  mußte  mit  Röhren  aus  Quellen,  Flüssen,  Regen- 
wasserreservoirs u.  dergl.  hineingeleitet  werden.  Drei  Log  (1  Log  = 
^24  Sea)  hineingeschöpftes  Wasser  machten  die  Miqva  als  Tauchbad 
untauglich. c  —  Auf  gleicher  Linie  standen  angesammeltes  Regenwasser  d 
u.  das  offene  Meer;e  auch  darin  durften  Tauchbäder  genommen  werden, 
doch  war  den  Frauen  (aus  Gründen  des  Anstands?)  das  Tauchbad  in 
einem  Hafen  verboten,  f 

a.  Miqv  5,6:  Wenn  sich  eine  Welle,  die  40  Sea  enthält,  losreißt  u.  auf  einen 
Menschen  oder  auf  Geräte  fällt,  so  sind  diese  dadurch  rein.  Überall,  wo  40  Sea  Wasser 
vorhanden  sind,  darf  man  ein  Tauchbad  nehmen  u.  (Geräte)  untertauchen. 

b.  cErub  4l>:  „Er  bade  seinen  ganzen  Leib  im  Wasser"  Lv  15,  16,  daß  nichts 
Trennendes  zwischen  seinem  Leibe  u.  dem  Wasser  ist;  ,im  Wasser",  d.  h.  im  Wasser 
des  Tauchbades  (Beweis  aus  dem  bestimmten  Artikel  d^'s;;  =  in  dem  bekannten  Wasser, 
d.  h.  dem  W.  der  Miqva);  „seinen  ganzen  Leib",  d.  h.  in  so  viel  Wasser,  daß  der  ganze 
Leib  hineinkommt  (Raschi:  zu  gleicher  Zeit,  auf  Einmal).  Und  wieviel  Wasser  ist  das? 
Eine  Elle  ins  Geviert,  drei  Ellen  hoch;  u.  die  Gelehrten  haben  das  Maß  des  Tauchbad- 
wassers auf  40  Sea  berechnet.  Ähnlich  Chag  11^;  P'^s  109^;  Joma31^;  kürzer  Siphra 
Lvl5, 16(297ab).  Zudem  I.Satz:  , daß  nichts  Trennendes  ist"  vgl  Miqv  9, 1 ;  Sukka  6«; 
Nidda66b. 

C.  Miqv  2,  4:  R.  ElUezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  sagte:  Ein  Viertel  Log  zu  Anfang 
hineingeschöpftes  Wasser  machen  die  Miqva  untauglich,  u.  drei  Log  (geschppftes  Wasser), 


Matth  3,  6  (31  5)  109 

die  man  (hinterher)  zu  dem  Wasser  hinzutut.  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Ob  zu  Anfang 
oder  zum  Schluß,  sein  Maß  (d.h.  das  Maß  des  die  ganze  Miqva  untauglich  machenden 
geschöpften  Wassers)  beträgt  drei  Log. 

d.  Miqvö,  5:  Fließendes  Wasser  gilt  wie  Quellwasser,  aber  triefendes  Wasser 
(=  Regenwasser)  gilt  wie  eine  Wasseransammlung. 

e.  Miqvö,  4:  Alle  Meere  gelten  wie  eine  Wasseransammlung,  denn  es  heißt  Gn 
1, 10:  , Die  Wasseransammlung  nannte  er  Meer."  Das  sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150). 
R.  J%uda  (b.  Elcai,  um  150)  sagte:  Das  große  (Welt-)Meer  gilt  wie  eine  Wasseransamm- 
lung; es  heißt  „Meer"  (im  Hebr.  steht  der  Plural  =-i:-)  nur,  weil  vielerlei  Meere  darin 
sind.  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Alle  Meere  reinigen,  insofern  sie  fließen, 
aber  sie  sind  untauglich  (zum  Tauchbad)  für  Samenflüssige  u.  Aussätzige  u.  um  mit 
ihnen  das  Entsündigungswasser  zu  heiligen.   Ebenso  Para  8,  8. 

/.  Nidda  66 b;  Sch^muel  b.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Eine  Frau  soll  kein  Tauch- 
bad in  einem  Hafen  nehmen. 

IV.  Quellwasser. 

Miqv  1,7:  Höher  als  jene  (nämlich  eine  Miqva)  steht  eine  Quelle,  die  nur  wenig 
(eigenes)  Wasser  enthält,  während  das  hinzugeschöpfte  Wasser  die  Mehrheit  bildet: 
sie  gleicht  der  Miqva  darin,  daß  sie  in  einer  Vertiefung  (=  Sammelbecken)  reinigt  (als 
Tauchbad),  u.  sie  gleicht  dem  reinen  Quell wasser  darin,  daß  man  in  ihr  Wasser,  so 
viel  oder  so  wenig  es  auch  sei,  Geräte  untertauchen  darf  (zwecks  levitischer  Reinigung). 

V.  An  zweithöchster  Stelle  steht  sogenanntes  „geschlagenes  Wasser" 
■pari  cs-^a;  dieses  reinigt  im  Fliefaen,  Miqv  1,  8.a 

a.  Para  8,  9:  Geschlagenes  Wasser  ist  ungeeignet  (zum  Tauchbad  des  Samen- 
flüssigen u.  Aussätzigen  u.  zur  Heiligung  des  Entsündigungswassers).  Dies  ist  ge- 
schlagenes Wasser:  salzhaltiges  u.  warmes  Wasser. 

VI.  Den  ersten  Rang  nimmt  „lebendiges"  (=  fließendes)  Wasser 
ein,  d.  h.  reines  Quellwasser.  Dies  ist  als  Tauchbad  vorgeschrieben  für 
Samenflüssige  u.  Aussätzige  u.  dient  zur  Herstellung  des  Entsündigungs- 
wassers» (Nu  8,  7;  19,9).  Gleichen  Wert  hat  das  Flußwasser;b  doch 
wird  ausdrücklich  hervorgehoben,  daß  das  Wasser  der  vier  Flüsse 
Qirm^jon,  Piga,  Jordan  u.  Jarniukh^  für  jene  Zwecke  nicht  brauchbar 
sei.c  Damit  sollte  natürlich  nicht  gesagt  sein,  daß  in  den  genannten 
Flüssen  überhaupt  kein  rituelles  Tauchbad  genommen  werden  dürfe, 
sondern  nur,  daß  ihr  Wasser  sich  nicht  zum  Tauchbad  des  Samen- 
flüssigen u.  Aussätzigen  usw.  eigne. 

a.  Miqv  1,8.  b.  Miqv  5,  5.  C.  Para  8,  10. 

Vorstehende  Stellen  zeigen,  daß  nur  für  Verunreinigung  durch 
Samenfluß  u.  Aussatz  reines  Quell-  u.  Flußwasser  als  Reinigungsmittel 
vorgesehen  war,  daß  dagegen  bei  Verunreinigungen,  wie  solche  Lv  11 
(nach  rabbin.  Auslegung)  u.  Lv  15  aufgezählt  werden,  jede  der  oben 
unter  Nr.  III — VI  genannten  Wasseransammlungen  als  zum  Tauchbad 
geeignet  angesehen  wurde.  Letzteres  gilt  nun  auch  in  bezug  auf  die 
Tauchbäder  der  Proselyten;  denn  in  einer  Bar  J^b  47=*  u. '^  wird  aus- 
drücklich die  Regel  ausgesprochen,  daß  da,  wo  eine  Frau  nach  der 
Menstruation  das  T.  nimmt,  auch  der  Proselyt  u.  der  freigelassene 
Sklave  das  T.  nehmen  dürfe. 

^  R.  Jochanan  (f  279)  sagt  BB  74  b  von  diesen  vier  Flüssen,  daß  sie  das  Land 
Israel  umgeben;  vgl.  Neutauer,  La  Geographie  du  Talmud,  S.  29—32. 


110  Matth  3,  6  (51  6) 

6.  Der  Vollzug  der  Proselytentaufe. 

Über  die  Art  u.  Weise,  in  der  die  Proselytentaufe  vorgenommen 
wurde,  liegen  eingehende  Notizen  vor.a  Der  zum  Übertritt  sich  Mel- 
dende wird  auf  den  Ernst  seines  Schrittes  aufmerksam  gemacht;  bleibt 
er  seinem  Vorsatz  treu,  so  wird  er  beschnitten.  Nach  Heilung  der 
Beschneidungswunde  wird  er  bei  Tage,  nicht  in  der  Nacht,  b  zum 
Tauchbad  geleitet:  zwei,  nach  späterer  Tradition  dreic  Gelehrtenschüler 
(Gelehrte,  die  noch  nicht  für  ein  selbständiges  Lehramt  ordiniert  waren) 
stehen  ihm  als  Zeugen  zur  Seite  u.  legen  ihm  einige  leichte  u.  schwere 
Pflichtgebote  aus,  während  das  Wasser  schon  die  untere  Hälfte  seines 
Körpers  bedeckt,  d  Ist  er  auch  jetzt  noch  in  seinem  Entschluß  fest,  so 
läßt  man  ihn  untertauchen,  so  daß  das  Wasser  über  seinen  ganzen 
Körper  auf  Einmal  hinweggeht.  Mit  dem  Augenblick,  da  er  dem  Tauch- 
bad entsteigt,  gilt  er  in  jeder  Hinsicht  als  ein  Israelit. e  —  Wenn  der 
Täufling  eine  Frau  war,  so  wurde  sie  von  Frauen  ins  Tauchbad  ge- 
führt, während  die  beiden  Gelehrtenschüler  draußen  verweilten,  um 
von  dort  aus  ihre  Belehrungen  zu  erteilen.*  —  Kinder  wurden  zugleich 
mit  ihren  übertretenden  Eltern  getauft,  bezw.  beschnitten;  doch  be- 
hielten sie  das  Recht,  nach  erlangter  Mündigkeit  selbständig  über  ihre 
Zugehörigkeit  zur  Synagoge  zu  befinden.  [Beschloß  später  ein  in  seiner 
Kindheit  getaufter  Proselytensproß,  dem  Judentum  wieder  den  Rücken 
zu  kehren,  so  sollte  er  nicht  wie  ein  abtrünniger  Jude  behandelt, 
sondern  angesehen  werden  wie  einer,  der  zeitlebens  ein  Nicht-Israelit 
gewesen.]  Die  Vollziehung  der  Proselytentaufe  an  Kindern  galt  jeden- 
falls nicht  als  etwas  Ungewöhnliches,  sondern  als  selbstverständliche 
Regel,  g  —  Betreffs  derjenigen  Kinder,  die  einem  Elternpaar  nach  dem 
Übertritt  zum  Judentum  geboren  wurden,  befolgte  man  den  Grundsatz, 
daß  sie  vermöge  ihrer  Geburt  Juden  seien;  sie  wurden  deshalb  nicht 
getauft.  An  diesem  Grundsatz  hielt  man  selbst  in  dem  Falle  fest,  daß 
die  Mutter  noch  als  Heidin,  also  vor  ihrer  Aufnahme  ins  Judentum 
schwanger  geworden  war.h 

a.  J^b  47^  Bar  (i":"):  Wenn  ein  Proselyt  in  dieser  Zeit  zum  Judentum  übertreten 
will,  so  sagt  man  zu  ihm:  Was  für  einen  Grund  hast  du,  daß  du  P.  werden  willst? 
Weißt  du  nicht,  daß  die  Israeliten  in  dieser  Zeit  bekümmert,  bedrängt,  gestoßen  u. 
zerschlagen  sind,  u.  daß  Leiden  über  sie  kommen?  Wenn  er  dann  sagt:  Ich  weiß  es 
u.  ich  bin  nicht  wert  (nämlich:  „meinen  Hals  unter  das  Joch  Des  zu  begeben,  der  da 
sprach  u.  die  Welt  ward",  so  Traktat  Gerim  1 ;  oder:  „teilzuhaben  an  ihren  Leiden", 
so  Raschi),  so  nimmt  man  ihn  sofort  an.  Dann  macht  man  ihn  mit  einem  Teil  der 
leichten  Gebote  u.  mit  einem  Teil  der  schweren  Gebote  bekannt;  man  macht  ihn 
weiter  bekannt  mit  der  Versündigung  wegen  Nachlese  Lvl9,  9,  wegen  der  auf  dem 
Felde  vergessenen  Garbe  Dt  24, 19,  wegen  der  nicht  abzuerntenden  Feldecke  Lv  19,  9 
u.  wegen  des  Armenzehnts  Dt  26,  12  ff.,  ferner  mit  den  Strafen  wegen  Übertretung  der 
Gebote.  Man  spricht  zu  ihm:  Wisse,  bevor  du  unter  dieses  Maß  (mit  welchem  Gott 
Israel  mißt)  tratest,  da  hast  du  Fettstücke  gegessen,  ohne  der  Strafe  der  Ausrottung 
zu  verfallen,  da  hast  du  den  Sabbat  entweiht,  ohne  der  Strafe  der  Steinigung  zu  ver- 
fallen; aber  jetzt,  wenn  du  Fettstücke  issest,  wirst  du  mit  Ausrottung,  u.  wenn  du 
den  Sabbat  entweihst,  mit  Steinigung  bestraft.   Wie  man  ihn  mit  den  Strafen  wegen 


Matth  3,  G  Ca  6)  Hl 

Übertretung  der  Gebote  bekannt  macht,  ebenso  macht  man  ihn  mit  ihrem  Lohn  be- 
kannt. Man  spricht  zu  ihm:  Wisse,  daß  die  zukünftige  Welt  (Zeit  der  Endvollendung) 
nur  für  die  Gerechten  geschaffen  ist,  u.  dafs  Israel  in  dieser  Zeit  weder  die  Fülle  des 
Guten  noch  die  Fülle  der  Strafen  empfangen  kann.  Mehr  aber  .sagt  man  ihm  nicht, 
legt  es  ihm  auch  nicht  eingehend  dar.  Nimmt  er  es  auf  sich,  so  beschneidet  man  ihn 
sofort.  Sind  Fleischfasern  an  ihm  sitzen  geblieben,  die  die  Beschneidung  aufhalten 
(unwirksam  machen),  so  beschneidet  man  ihn  zum  zweitenmal.  Ist  er  geheilt,  so  läßt 
man  ihn  sofort  das  Tauchbad  nehmen.  Zwei  Gelehrtenschüler  stehen  bei  ihm  u.  machen 
ihn  mit  einem  Teil  der  leichten  u.  mit  einem  Teil  der  schweren  Gebote  bekannt.  Hat 
er  das  Tauchbad  genommen  u.  ist  er  herausgestiegen,  siehe,  so  ist  er  in  jeder  Hinsicht 
wie  ein  Israelit.  —  Eine  Frau  bringen  Frauen  bis  an  den  Hals  ins  Wasser,  u.  die 
beiden  Gelehrtenschüler  stehen  für  sie  draußen  u.  machen  sie  mit  einem  Teil  der 
leichten  u.  mit  einem  Teil  der  schweren  Gebote  bekannt  (vgl.  bei  Mt  23,  15  Anm.  7c). 

b.  J'^b46b:  Einst  kam  zu  R.  Chijja  (um  200)  ^  ein  Proselyt,  der  beschnitten  war, 
aber  kein  Tauchbad  genommen  hatte.  Er  (Chijja)  sagte  zu  ihm:  Warte  hier  bis  morgen, 
so  wollen  wir  dich  taufen.  Daraus  lernt  man  dreierlei:  erstens,  daß  ein  P.  dreier 
(Zeugen  beim  T.)  bedarf;  zweitens,  daß  er  erst  dann  ein  P.  ist,  wenn  er  beschnitten 
ist  u..  das  T.  genommen  hat;  drittens,  daß  man  einen  P.  das  T.  nicht  in  der  Nacht 
nehmen  läßt.  |l  pJ'^b  S,  8«^,  16:  R.  Ji^chaq  b.  Nachman  (um  280)  hat  erzählt:  R.  J^hoschua^ 
b.  Levi  (um  250)  befand  sich  in  Laodicea  u.  es  war  dort  der  Patriarch  R.  Judan  IL 
Jener  wollte  früh  aufbrechen,  aber  dieser  sprach  zu  ihm:  Warte,  wir  wollen  morgen 
eine  Proselytin  taufen.  R.  Z^?ira  (um  :i00)  fragte  den  R.  Ji9chaq  b.  Nachman:  Warum 
(sollte  er  warten)?  Wegen  der  Ehre  des  Alten,  oder  weil  man  eine  Proselytin  nicht 
in  der  Nacht  tauft?  Er  antwortete:  Weil  man  eine  Proselytin  nicht  in  der  Nacht  tauft. 
Es  kam  die  Sache  vor  R.Jose  (=  R.  Asi?  um  800),  wie  es  sich  mit  dem  Taufen  der 
Proselyten  in  der  Nacht  verhalte.  Und  man  stimmte  nicht  bei  (erlaubte  es  nicht).  — 
Allgemein  wird  das  nächtliche  Tauchbad  verboten  Meg2,  4:  „Man  darf  die  Estherrolle 
(am  Purimfeste)  nicht  lesen,  nicht  beschneiden,  nicht  ein  Tauchbad  nehmen  .  .  .,  bevor 
die  Sonne  aufgegangen  ist."  i|  pM^g  2,  73^,  .59  wird  zu  den  Worten  der  Mischna:  „Man 
darf  kein  T.  nehmen,  bevor  die  Sonne  aufgegangen  ist,"  bemerkt:  Denn  es  heißt  Nu 
19,19:  „Er  spritze  u.  er  nehme  einT.";  wie  das  Spritzen  -jn  bei  Tage,  so  auch  das- 
T.  am  Tage.  Woher  läßt  sich  beweisen,  daß  das  Spritzen  bei  Tage  geschieht?  Aus 
Nu  19,  19:  „Es  spritze  der  Reine  auf  den  Unreinen  am  dritten  Tage."  Alle,  die  ein  T. 
zu  nehmen  haben,  nehmen  es  nach  ihrer  Art  bei  Tage,  mit  Ausnahme  der  Men- 
struierenden u.  der  Wöchnerin,  die  das  T.  nur  des  Nachts  nehmen.  Vgl.  auch  M'^g  20'''. 

C.  Vgl.  noch  J^b  4(ib:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  gesagt:  Ein  Proselyt  bedarf  dreier  (Zeugen  oder  Assistenten);  s.  Nu  15,  16:  Ein 
Recht  (Gericht)  soll  für  euch  u.  den  Fremdling  (=  Proselyt)  sein.  —  Sinn:  Wie  ein 
Gericht  nicht  weniger  als  drei  Richter  umfaßt,  so  soll  auch  die  Zahl  der  gewisser- 
maßen als  Richter  fungierenden  Taufzeugen  nicht  unter  drei  betragen. 

d.  Traktat  Gerim  1  (ed.  Kirchheim  S.  38):  Man  läßt  ihn  in  das  Tauchbad  hinab- 
steigen, u.  während  das  Wasser  ihn  bis  an  die  Stelle  der  Scham  bedeckt,  sagt  man 
ihm  einen  Teil  der  Auslegung  der  Gebote. 

e.  Sieh  fErub  4b  (oben  S.  108);  Jeb47'i  in  Anm.  a;  Jeb47b  bei  Mt23, 15  Anm.^'. 
/.  Traktat  Gerim  1  (38):  Wie  man  dem  Manne  (im  Tauchbad  Gebote)  sagt,  so  auch 

der  Frau,  daß  sie  sorgfältig  sein  solle  in  bezug  auf  ihre  (monatliche)  Reinigung  u. 
betreffs  der  Absonderung  der  Teighebe  (Challa)  u.  des  Anzündens  der  Sabbatlampe. 
(Das  sind  die  3  (^ebote,  die  namentlich  der  Frau  gegeben  sind.) 

g.  K'th  11»:  Wenn  mit  einem  Proselyten  dessen  Söhne  u.  Töchter  zum  Judentum 
mitübertreten,  so  haben  sie  Genuß  von  dem,  was  ihr  Vater  getan  hat  (d.  h.  sie  bedürfen 
zu  ihrem  Übertritt  nicht  der  Genehmigung  der  jüdischen  Obrigkeit,  vgl.  das  folgende 
Zitat,  sondern  der  Schritt  ihres  Vaters  kommt  ihnen  zugute,  so  daß  sie  ohne  weiteres- 


1  Nach  andrer  Tradition  zu  R.  HoschaEja,  um  225,  oder  zu  R.  Chijja  b.  HoschaSja. 


112  Matth  3,  6  (21  6.  7) 

beschnitten  u.  getauft  werden).  Rab  Joseph  (ein  Babylonier,  f  333)  hat  gesagt:  Wenn 
sie  großjährig  geworden  sind,  können  sie  es  ungeschehen  machen  (u.  ins  Heidentum 
zurückkehren,  ohne  daß  sie  vom  Gericht  bestraft  werden,  Raschi).  jl  K'^th  1 1  *:  Rab 
Huna  (ein  Babylonier,  f  297)  hat  gesagt:  Einen  minorennen  Proselyten  (dessen  Vater 
tot  ist  u.  dessen  Mutter  seinen  Übertritt  wünscht,  Raschi)  läßt  man  das  Tauchbad 
nehmen  nach  dem  Urteil  des  Gerichtshofes.  Was  berechtigt  uns  dazu?  Weil  es  ihm 
zum  Vorteil  ist,  u.  Vorteil  darf  man  einem  Menschen  auch  ohne  sein  Wissen  (wörtlich: 
in  seiner  Abwesenheit)  zuwenden.  ^ 

h.  J'b  78'':  Raba  (ein  Babylonier,  t  352)  hat  gesagt:  Wenn  eine  Nicht-Israelitin 
während  ihrer  Schwangerschaft  Proselytin  wird,  so  bedarf  ihr  Kind  nicht  des  Tauchbades. 

Weiteres  Material  über  Proselyten  s.  bei  Mt  5,43;  23, 15;  Apg  13, 16. 

7.  Die  Johannestaufe. 

Da  die  Proselytentaufe  bereits  in  der  vorchristl,  Zeit  in  Übung  ge- 
standen hat,  so  darf  man  unbedenklich  annehmen,  daß  sie  wenigstens 
hinsichtlich  der  äußeren  Form  ihrer  Vollziehung  Johannes  dem  Täufer 
als  Vorbild  gedient  hat.  Dagegen  haben  inhaltlich  die  beiden  Riten 
nichts  miteinander  gemein.  Das  Proselytentauchbad  wollte  lediglich 
die  levitische  Reinheit  des  Täuflings  bewirken;  die  Taufe  des  Johannes 
aber  war  ein  Sinnbild  der  inneren  sittl.  Reinheit,  das  den  Getauften 
zu  bußfertiger  Umkehr  u.  zu  einem  neuen  Wandel  verpflichtete.  Die 
P.-taufe  war  das  äußere  Zeichen  des  Eintritts  des  heidnischen  Fremd- 
lings in  die  israelit.  Volksgemeinde;  dagegen  wollte  die  Taufe  des 
Johannes  nicht  in  eine  neue  religiöse  Gemeinschaft  einweihen  oder 
einweisen,  sondern  durch  die  sittlichen  Forderungen,  die  sie  symboli- 
sierte, in  Israel  den  Boden  bereiten,  auf  dem  das  messian.  Gottesreich 
sich  aufbauen  sollte.  Inhaltlich  hat  der  Täufer,  der  nach  all  seinen 
Worten  im  AT  lebte  u.  webte,  seine  Taufe  sicherlich  an  alttestamentl. 
Weissagungen  angelehnt,  wie  etwa:  „Ich  will  über  euch  reines  Wasser 
sprengen,  daß  ihr  rein  werdet  von  all  euren  Befleckungen"  Ez  36,  25. 
Daß  diese  Zeit  des  messian.  Heils  nahe  sei,  das  soll  Israel  aus  seiner 
Predigt  entnehmen,  u.  daß  diese  Zeit  Isr.  nicht  unvorbereitet  treffe, 
das  will  seine  Taufe  „zur  Buße"  (s.  zu  Vers  11)  bewirken;  deshalb 
fordert  er  von  den  zu  Taufenden  das  Bekenntnis  ihrer  Sünde,  ein  Be- 
kenntnis, von  welchem  bei  der  Proselytentaufe  nirgends  etwas  ver- 
lautet. ^  —  An  Aussprüchen,  die  auf  Grund  von  Ez  36,  25  eine  sittliche 
Reinigung  des  israelit.  Volks  in  der  messian.  Zeit  durch  Gottes  Hand 
erwarten,  fehlt  es  auch  in  der  rabbin.  Literatur  nicht.  Wir  lassen 
einige  hier  folgen. 

P®siq41^:  In  einer  anonymen  Auslegung  von  Nu  19,  2  ff.  wird  die  Parasche  von 
der  roten  Kuh  allegorisch  auf  Israel  gedeutet.  Der  Schlußsatz  41'':  „Es  diene  der 
Gemeinde  der  Kinder  Isr.  zur  Aufbewahrung"  Nu  19,9,  weil  in  dieser  Welt  Israel  unrein 
u.  rein  wird  nach  dem  Ausspruch  des  Priesters;  aber  in  der  Zukunft  (=  messian.  Zeit) 
wird  es  nicht  so  sein;  sondern  Gott  wird  sie  reinigen,  s.  Ez36,  25:  Ich  will  reines 
Wasser  auf  euch  sprengen  (so  zu  lesen  statt  „auf  sie")  usw.  Dieselbe  Ausführung 
P'^'siqR14(66'');  TanchB  rp-:  §28  (60b).  |!  TanchB  >—::':  §9  (24b):  Gott  spricht  zu  Israel: 

*  Aug.  Wünsche,  Neue  Beiträge  S.  19,  nimmt  zwar  die  Ablegung  eines  Sünden- 
bekenntnisses seitens  des  Proselyten  an,  bringt  aber  dafür  keine  Belegstelle  bei. 


Matth  3,6(517.  8.  33)  113 

In  dieser  Welt  werdet  ihr  der  Sünden  wegen  gezüchtigt  u.  gereinigt  u.  wieder  ge- 
züchtigt; aber  in  der  Zukunft  bin  ich  es,  der  euch  reinigen  wird  aus  der  oberen  Welt, 
s.  Ez  o6,  25:  Ich  will  reines  Wasser  auf  euch  sprengen  usw.  |i  TanchB  "^v.i<;  §  18  (27*): 
Gott  sprach  zu  Israel:  In  dieser  Welt  werdet  ihr  rein  u.  immer  wieder  unrein;  aber 
in  der  Zukunft  reinige  ich  euch,  daß  ihr  nie  mehr  unrein  werden  sollt,  s.  Ez  '66,  2.5.  — 
Vgl.  auch  TanchB  das.  27 •\  16  u.  Targ  zu  Ez  :16,  2.5. 

Speziell  auf  die  Legitimierung  der  Bastarde  in  der  messian.  Zeit  wird  Ez  36,  25 
bezogen  Tos  Qid  5,4  (342):  Die  .Tempelsklaven  u.  Bastarde  werden  rein  sein  in  der 
Zukunft  (so  daß  sie  in  die  Gemeinde  aufgenommen  werden  dürfen  u.  die  Ehe  mit 
ihnen  erlaubt  wird);  das  sind  die  Worte  des  R.Jose  (b.  Chalaphta,  um  150).  R.  Meir 
{um  150)  sagte:  Sie  werden  nicht  rein  sein.  R.  Jose  erwiderte  ihm:  Siehe,  es  heißt 
Ez36,  25:  ,Ich  will  reines  Wasser  auf  euch  sprengen,  daß  ihr  rein  werdet"  usw. 
R.  Meir  sagte  zu  ihm:  (Daß  ihr  rein  werdet)  von  all  euren  Unreinheiten  u.  von  all 
euren  Mistgötzen  (d.  h.  von  den  euch  selbst  anhaftenden  Unreinheiten,  also  nicht  von 
den  N'^thinim  u.  Mamzerim).  R.Jose  erwiderte:  Die  Worte:  ,lch  will  euch  reinigen" 
wollen  nur  besagen:  Auch  von  der  Klasse  der  Tempelsklaven  u.  der  Bastarde.  Parallel- 
stellen: pQid  3,  13  (64  d);  bQid  72  b. 

8.  Ohne  Beziehung  auf  die  messian.  Zeit  werden  Ez  36, 25  u.  Jer  17, 13 
auf  Entsündigung  Israels  gedeutet: 

Joma  8,  9:  R.  f  Aqiba  hat  gesagt:  Heil,  euch  Israeliten!  vor  wem  reinigt  ihr  euch; 
wer  ist  es,  der  euch  reinigt?  Euer  Vater  im  Himmel!  s.  Ez36,  25:  Ich  will  reines  W. 
auf  euch  sprengen  usw.  u.  ferner  Jer  17,  13:  Das  Tauchbad  (so  der  Midrasch)  Israels 
ist  Jahve:  wie  das  Tauchbad  die  Unreinen  reinigt,  so  reinigt  auch  der  Heilige,  gepriesen 
sei  er!  Israel,  ü  P'^siq  157 1>  Bar  im  Namen  des  R.  Eli?ezer  ib.  Hyrkanos,  um  90):  „Das 
Tauchbad  Israels  ist  Jahve'  Jer  17,  13:  wie  dieses  T.  die  Unreinen  reinigt,  so  reinigt 
anch  der  Heilige,  gepriesen  sei  er!  Israel;  deshalb  mahnt  Hoseal4,  2  Israel:  Kehre 
am,  Israel,  zu  Jahve,  deinem  Gott.  ||  pJoma  S  Ende,  45*^,  42:  Es  heißt  Jer  17,  13:  ,Das 
Tauchbad  Israels  ist  Jahve" :  wie  das  T.  die  Unreinen  reinigt,  so  reinigt  auch  der 
Heilige,  gepriesen  sei  er!  Israel;  u.  ebenso  heißt  es  Ez  36,  25:  Ich  sprenge  auf  euch 
reines  Wasser  usw. 

3,  6  23:  Indem  sie  ihre  Sünden  bekannten. 

Einige  Beispiele  für  Form  u.  Inhalt  aUjüdischer  Sündenbekenntnisse. 

a.  Joma  3,  8:  (Der  Hohepriester  am  Versöhnungstage)  stemmte  seine  beiden  Hände 
auf  ihn  (den  Opferfarren)  u.  legte  das  Sündenbekenntnis  ab,  u.  zwar  sprach  er  also: 
Ach  Gott,  ich  habe  gefehlt,  gefrevelt  u.  gesündigt  vor  dir,  ich  u.  mein  Haus;  ach 
Gott,  vergib  doch  die  Verfehlungen  u.  Frevel  u.  Sünden,  die  ich  gefehlt,  gefrevelt  u. 
gesündigt  habe  vor  dir,  ich  u.  mein  Haus,  wie  geschrieben  steht  in  der  Tora  Moses, 
deines  Knechtes,  Lv  16,  30:  „Denn  an  diesem  Tage  wird  man  für  euch  Sühnung  schaffen.* 
(Ahnlich  das  Sündenbekenntnis  des  Hohenpriesters  für  die  gesamte  Priesterschaft  u.  das 
ganze  Volk,  s.  Joma  4,  2;  6,  2.) 

b.  pJoma  S,  9  (45'',  34):  Welches  Sündenbekenntnis  legte  man  (der  einzelne  Israelit 
für  sich  selbst  am  Versöhnungstage)  ab?  R.  B'^rekhja  (um  340)  hat  im  Namen  des 
R.  Ba  bar  Bina  (=  Abba  b.  Abina,  um  250)  gesagt:  „Mein  Herr,  ich  habe  gesündigt  u. 
Übles  getan,  in  schlechter  Gesinnung  bin  ich  verharrt  u.  auf  fernem  Wege  gewandelt; 
u.  wie  ich  getan  habe,  will  ich  niclit  mehr  tun.  Es  sei  wohlgefällig  vor  dir,  Jahve, 
mein  Gott,  daß  du  mir  alle  meine  Frevel  sühnest  u.  alle  meine  Verfehlungen  mir  ver- 
gebest u.  alle  meine  Sünden  mir  verzeihest."  —  Bar:  Man  muß  die  (sündigen)  Taten 
einzeln  aufführen,  so  sagte  R.  J'^'huda  b.  Bathyra  (um  1 10).  R.  ? Aqiba  if  um  135)  sagte: 
Man  braucht  seine  Taten  nicht  einzeln  aufzuführen.  Was  war  der  Grund  des  R.  J'^huda? 
„Ach,  bitte!  dies  Volk  hat  eine  große  Sünde  begangen  u.  sie  machten  sich  einen  Gott 
aus  Gold"  Ex  32,  '6\  (hier  wird  die  sündige  Tat  ausdrücklich  namhaft  gemacht).  R.  f  Aqiba 
deutete  die  Stelle  so:  Wer  hat  sie  (zu  ihrer  Sünde)  veranlaßt?  Ich,  der  ich  ihnen  viel 

Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  8 


114  Matth  3,6  (53).  7  (31) 

Silber  u.  Gold  gegeben  habe;  wesbalb?  weil  der  Esel  nur  infolge  des  Korbes  mit 
Jobanuisbrot  schreit.  (Sinn:  Die  Worte:  ,Sie  machten  sich  einen  Gott  aus  Gold"  ge- 
hören nicht  zum  Sündenbekenntnis,  sondern  geben  die  Veranlassung  zur  Sünde  an;  wie 
der  Esel  nur  schreit,  weil  er  nach  dem  J.brot  Verlangen  hat,  so  hat  Israel  gesündigt 
infolge  des  Gold-  u.  Silberreichtums  in  seiner  Hand.) 

C.  Joma87b:  Rab  Hamnuna  (ein  Babylonier,  um  30(1)  sprach  (als  Süudenbekenntnis- 
am  Versöhnungstage):  Mein  Gott,  ehe  ich  geschaffen  war,  war  ich  nichts  wert;  jetzt, 
da  ich  geschaffen  bin,  bin  ich,  als  wäre  ich  nicht  geschaffen:  Staub  bin  ich  in  meinem 
Leben,  wie  viel  mehr  in  meinem  Tode.  Siehe,  ich  bin  vor  dir  wie  ein  Gefäß  voller 
Schande  u.  Schmach;  es  sei  wohlgefällig  vor  dir,  daß  ich  nicht  sündigen  möge;  u.  was 
ich  gesündigt  habe,  das  tilge  durch  deine  Barmherzigkeit,  aber  nicht  durch  Züchtigungen. 
(=  Leiden). 

d.  LvR  3  (106*^):  R.  Bebai  b.  Abaje  (im  4.  Jahrh.)  hat  gesagt:  Welches  Sünden- 
Itekenntnis  soll  man  am  Vorabend  des  Vers.tages  ablegen?  Man  sage:  Ich  bekenne, 
daß  ich  bei  all  dem  Bösen,  das  ich  vor  dir  getan  habe,  auf  bösem  Wege  gestanden 
habe;  aber  alles,  was  ich  getan  habe,  will  ich  nicht  mehr  tun  in  gleicherweise.  Möge 
es  wohlgefällig  vor  dir  sein,  .lahve,  mein  Gott,  daß  du  mir  alle  meine  Schuld  vergibst 
u.  alle  meine  Verfehlungen  verzeihst  u.  für  alle  meine  Sünde  Sühnung  schaffst,  wie 
es  heißt  Jes  55,  7:  Verlassen  soll  der  Böse  seinen  Weg  usw. 

e.  Das  Sündenbekenntnis  des  Sterbenden  hat  der  Schulchan  fArukh,  Jore  Defa 
§  338  in  folgender  Fassung  festgesetzt:  Ich  bekenne  vor  dir,  Jahve,  mein  Gott  u.  Gott 
meiner  Väter,  daß  meine  Genesung  u.  mein  Tod  in  deiner  Hand  liegen;  es  möge  wohl- 
gefällig sein  vor  dir,  daß  du  mich  genesen  lassest  zur  vollen  Genesung,  u.  wenn  ich 
sterbe,  so  möge  mein  Tod  eine  Sühne  sein  für  alle  Sünden  u.  Missetaten  u.  Frevel, 
die  ich  gesündigt,  gefehlt  u.  gefrevelt  habe  vor  dir.  Gib  mir  mein  Teil  im  Gan  ?Eden 
(Paradies)  u.  laß  mich  die  zukünftige  Welt  erlangen,  die  den  Gerechten  aufbewahrt  ist. 

f.  Sanh  6,2:  War  (der  Hinzurichtende)  vom  Steinigungsorte  10  Ellen  entfernt,  so 
sagte  man  zu  ihm:  Bekenne  (deine  Sünden);  denn  also  ist  es  üblich,  daß  alle,  die 
hingerichtet  werden  sollen,  bekennen;  denn,  jeder,  der  bekennt,  hat  Anteil  an  der 
zukünftigen  Welt.  .  .  .  Wenn  er  nicht  zu  bekennen  wußte,  sagte  man  zu  ihm:  Sprich: 
,Mein  Tod  sei  eine  Sühnung  für  alle  meine  Sünden!"  R.  J^huda  (b.  Elfai,  um  150) 
sagte:  Wenn  er  weiß,  daß  gegen  ihn  falsches  Zeugnis  abgelegt  ist,  darf  er  sagen: 
,Mein  Tod  sei  eine  Sühnung  für  alle  meine  Sünden,  außer  dieser  Sünde!"  Da  sagten 
(die  Gelehrten)  zu  ihm:  Wenn  so  (gesagt  werden  dürfte),  würden  alle  Menschen  so 
sagen,  um  sich  selbst  als  unschuldig  hinzustellen.  (Die  Halakha  ist  nicht  nach  der 
Meinung  des  R.  J'^huda  festgesetzt  worden,  s.  Bertinoro.) 

3,7  51:  Otterngezücht,  yavvrjfAaza  ix^drwr. 
Aboth  2,  10:  R.  Elifezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  sagte:  .  .  .  Erwärme  dich  an  dem 
Feuer  der  Gelehrten;  aber  hüte  dich  vor  ihren  Kohlen,  daß  du  dich  nicht  verbrennst; 
denn  ihr  Biß  ist  der  Biß  eines  Fuchses  u.  ihr  Stich  der  Stich  eines  Skorpions  u.  ihr 
Zischeln  das  Zischeln  einer  Giftschlange,  u.  alle  ihre  Worte  sind  wie  Feuerkohlen.  — 
Dasselbe  von  den  Gerechten  ausgesagt  NuR  3  (139  b).  i|  P'^s  57*:  Abba  SchaJul  b.  Batnith 
(um  70  n.  Chr.)  hat  im  Namen  des  Abba  Joseph  b.  Chanini  gesagt:  .  .  .  Wehe  mir  ob 
der  Familie  des  Chanin  (hohepriesterl.  Familie  des  Ananias  b.  Nedebaios),  wehe  mir  ob 
ihres  Gezischeis!  (s.  Tos  M^'n  18,21  bei  Job  18, 13  Anm.c)-  —  Zum  tertium  comparationis 
vgl.  ExR  9  (73 c):  Wir  haben  gelernt  (in  B^'rakh  5, 1):  Wer  steht  u.  betet,  soll,  selbst 
wenn  der  König  ihn  grüßt,  den  Gruß  nicht  erwidern;  u.  selbst  wenn  eine  Schlange 
sich  um  seine  Ferse  windet,  soll  er  das  Gebet  nicht  unterbrechen.  Aus  welchem  Grunde 
haben  die  Gelehrten  das  Sichwinden  der  Schlange  neben  die  Regierung  gestellt  (mit 
der  Regierung  verglichen)?    R.  Schimfon  b.  Pazzi  (um  280)  hat  gesagt:  Weil   es  Jer 


'  Vermutlich  sind  die  beiden  Namen  umzustellen,  so  daß  Abba  Schaiul  b.  B.  als 
Autor  erscheint;  vgl.  Bacher,  Tann.'^  1,46. 


Matth  3,7  (^.  SB)  115 

46,22  heifst:  Sie  raschelt  wie  die  Schlange.  Wie  die  Schlange  zischelt  u.  tötet,  so 
zischelt  auch  die  Regierung  u.  tötet;  denn  wenn  jemand  ins  Gefängnis  geworfen  ist, 
so  zischelt  sie  wider  ihn,  um  ihn  zu  töten.  Oder  aus  welchem  Grund  hat  Gott  die 
Regierung  mit  einer  Schlange  verglichen?  (Gemeint  ist  das  Nebeneinander  des  Pharaos 
u.  der  Schlange  Ex  7,  9.)  Wie  die  Schlange  sich  krümmt,  so  krümmt  auch  die  Regierung 
ihre  Wege.  —  Dasselbe  Tauch  s-m  68*.  i|  Siphre  Dt  zu  32,  32  §  323  (138b):  „Denn  von 
Sodoms  Weinstock  ist  ihr  Weinstock. "  R.  J'huda  (um  150)  hat  es  auf  die  Israeliten  u. 
R.  N°chemja  (um  150)  auf  die  Völker  ausgelegt.  R.  J%uda  sagte:  Seid  ihr  denn  vom 
Weinstock  Sodoms  oder  von  der  Pflanzung  Gomorras?  Seid  ihr  nicht  aus  heiliger 
Pflanzung,  s.  Jer  2,  21 :  „Ich  hatte  dich  als  Edelrebe  gepflanzt  aus  lauter  echtem  Samen"  V 
, Ihre  Trauben  sind  Gifttrauben"  Dt  32,  32:  Sühne  des  ersten  Menschen  seid  ihr,  der 
den  Tod  über  euch  gebracht  hat  u.  über  alle  seine  Nachkommen,  die  nach  ihm  kommen 
werden  bis  ans  Ende  aller  Geschlechter.  „Bittere  Traubenkämme  haben  sie"  Dt  32,  32: 
In  den  Großen  unter  euch  ist  ihr  Gift  verbreitet  schlangenartig,  u.  unter  „Trauben- 
karam"  ist  der  Große  zu  verstehen,  s.  Micha  7, 1.  „Drachengift  ist  ihr  Wein"  Dt  32,  33: 
Der  Eifer  der  Frommen  u.  Rechtschafl^enen  unter  euch  ist  wie  der  der  Drachen.  „Und 
grausige  Otterngalle"  Dt  32,  33:  Das  sind  die  Häupter  unter  euch,  die  der  grausamen 
Otter  gleichen.  —  Eine  andre  Ei-kläruug:  „Drachengift  ist  ihr  Wein",  das  sind  die 
Gelassenen,  die  dis  Sünde  scheuen,  in  eurer  Mitte  —  ihr  Eifer  ist  wie  der  der 
Drachen;  „u.  grausige  Ottern galle",  das  sind  die  Häupter  unter  euch,  die  der 
Otter  gleichen.  —  R.  N'^chemja  hat  es  auf  die  Völker  ausgelegt:  Sicherlich  seid  ihr 
vom  Weinstock  Sodoms  u.  von  der  Pflanzung  Gomorras;  Jünger  der  alten  Schlange 
seid  ihr,  die  Adam  u.  Eva  verführt  hat.  „Bittere  (giftige)  Traubenkämme  haben  sie": 
In  den  Großen  unter  ihnen  ist  ihr  Gift  verbreitet  schlangenartig,  u.  unter  „Trauben- 
kamm" ist  der  Große  zu  verstehn,  s.  Micha  7, 1.  |1  Drache,  "i^s-,  -"i-,  zur  Bezeichnung 
eines  lieblosen,  grausamen  Vaters  K'th  49  b;  Als  vor  Rab  J'^huda  (f  299)  jemand  kam 
(der  seine  Kinder  nicht  ernähren  wollte),  sprach  Rab  J.:  Der  Drache  erzeugt  Junge, 
u.  dann  wirft  er  sie  auf  die  Bewohner  der  Stadt  (läßt  sie  diesen  zur  Last  fallen).  — 
Sanh  59  b  wird  ein  Gelehrter,  der  aus  allzu  großer  Bedenklichkeit  einen  neuen  Einwand 
erhebt,  ein  klagender  oder  rasender  Drache,  s^s:  "'^is^,  genannt:  Als  R.  Schim?on 
b.  Chalaphta  (um  190)  sieh  einmal  unterwegs  befand,  begegneten  ihm  Löwen,  die  ihn 
anbrüllten.  Er  sprach:  „Die  jungen  Löwen  brüllen  nach  Raub"  Ps  104,  21.  Da  fielen 
ihm  zwei  Fleischstücke  (vom  Himmel)  herab;  das  eine  fraßen  sie,  das  andre  ließen 
sie  liegen.  Er  nahm  es  u.  brachte  es  ins  Lehrhaus.  Man  fragte:  Ist  das  etwas  Un- 
reines oder  etwas  Reines?  Man  antwortete  ihm:  Nichts  Unreines  kommt  vom  Himmel 
herab!  R.  Z'^fira  (um  300)  fragte  den  R.  Abbahu  (um  300):  Wenn  ihm  nun  etwas  in 
der  Gestalt  eines  Esels  (der  ein  unreines  Tier  ist)  herabgefallen  wäre,  wie  würde  es 
sich  dann  verhalten?  Er  antwortete  ihm:  Rasender  Drache,  man  hat  ihm  ja  gesagt: 
Nichts  Unreines  kommt  vom  Himmel  herab! 

3,  7  33:  Vor  dem  zukünftigen  Zorn, 

Der  zukünftige  Zorn  bedeutet  das  Gehinnoragericht  (s.  Exkurs: 
Sch«ol,  Gehinnom  usw.  II,  3). 

BB  10*:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (1279)  habe  gegen- 
übergestellt Spr  11,4:  „Keinen  Nutzen  bringt  Habe  am  Tage  des  Zorns,  aber  Almosen 
(so  der  Midrasch)  rettet  vom  Tode";  u.  Spr  10,  2:  „Keinen  Nutzen  bringen  durch  Frevel 
erworbene  Schätze,  aber  Almosen  (so  der  Midrasch)  rettet  vom  Tode."  Warum  diese 
zweimalige  Erwähnung  der  Almosen?  Das  eine  ist  dasjenige,  welches  vor  einem  vin- 
gewöhnlichen  (=  unnatürlichen)  Tode  bewahrt;  das  andre  ist  dasjenige,  das  vor  dem 
Gehinnomgericht  bewahrt.  Welches  A.  bewahrt  vor  dem  G.?  Dasjenige,  bei  welchem 
das  Wort  „Zorn"  geschrieben  steht  (also  das  Spr  11,  4  erwähnte);  denn  es  heißt  Zeph 
1,  15:  „Ein  Tag  des  Zorns  ist  selbiger  Tag."  Und  welches  bewahrt  vor  einem  un- 
gewöhnlichen Tode?   Welches  man  gibt,  ohne  zu  wissen,  wem  man  es  gibt,  u.  welches 


116  Mattli3,8.9(?tl.2) 

man  empfängt,  ohne  zu  wissen,  von  weni  man  es  empfängt.  |i  ?AZ  181^:  R.  Schimfon 
b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  Spott  treibt,  stürzt  in  den  Gehinnom,  s.  Spr  21,  24: 
,Ein  aufgeblasener  Frecher  wird  Spötter  genannt,  einer  der  im  Aufwallen  der  Frech- 
heit handelt."  Dieses  Aufwallen  bedeutet  aber  nichts  andres  als  den  Gehinnom,  wie 
es  heißt  Zeph  1,  15:  ,Ein  Tag  des  (Zornes-) Aufwallens  ist  selbiger  Tag." 

3,8:  Rechtschaffene  Frucht  der  Buße, 
Eine   Buße,    der   es   an    den   rechten   Früchten   fehlt,   heißt   eine 
„trügerische  Buße"   r^ian  Vr  nnsi^i-rn. 

GnPi,  9  (7^):  R.  Jonathan  (b.  Ehazar,  um  220)  sagte:  In  diesem  Falle  hätte  Gott 
den  Tod  nur  über  die  Gottlosen  u.  nicht  über  die  Gerechten  verhängen  sollen.  Vielmehr 
(ist  der  Tod  über  beide  Kategorieen  verhängt  worden),  damit  die  Gottlosen  nicht  eine 
trügerische  Buße  tun  u.  sprechen:  Die  Gerechten  bleiben  nur  am  Leben,  weil  sie 
Gebotserfüllungen  u.  gute  Werke  ansammeln;  so  wollen  auch  wir  Gebotserfüllungen 
u.  gute  Werke  ansammeln.  Auf  diese  Weise  würde  ihr  Tun  als  ein  nicht  lauteres 
erfunden  werden.  |l  pTafan  '2,  6öi>,  27:  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  2ö0j  hat  gesagt:  Eine 
trügerische  Buße  haben  die  Leute  von  Ninive  getan. 
Über  „Buße"  s.  bei  Mt4,  17. 

3,  9  51:  Wir  haben  Abraham  zum  Vater. 

1.  Abraham  führt  den  Ehrentitel  ^rnx,  unser  Vater;  zB  GnR  39 
(23'3)  im  Munde  des  R.  JiQchaq,  um  300;  das.  39  (23'^)  R.  B^rekhja, 
um  340;  39  (23 f')  R.  fAzarja,  um  380;  39  (23 d)  R.  Ji^chaq;  39  (24») 
R.  N'^chemja,  um  150;  39  (24^)  El?azar  b.  Schammua?,  um  150;  40  (24^) 
R.  Hoschafja  des  Älteren,  um  225;  41  (25'')  R.  J'^huda  b.  Simon,  um  ,520; 
41  (25'')  R.  J'huda,  um  150;  41  (25'")  R.  N'-chemja  um  150;  P'^siq  154» 
im  Munde  des  R.  Nach  man,  gegen  400;  BpQa  32 '^  im  Munde  Rabs 
(t  247);  Tos  Chag  2, 1  (234);  Chag  14^  im  Munde  des  Rabban  Jochanan 
b.  Zakkai  (f  um  80). 

Aus  Pirqe  Aboth  sei  verwiesen  auf  5,  2:  Zehn  Geschlechter  sind  von  Noah  bis  auf 
Abraham,  um  zu  zeigen,  wieviel  Langmut  vor  ihm  (Gott)  ist;  denn  alle  Geschlechter 
ärgerten  (erzürnten)  ihn,  bis  unser  Vater  Abraham  -ns  c— 3s  kam  u.  den  Lohn  für 
sie  alle  empfing.  |  5,  '■'■>:  Mit  zehn  Versuchungen  ist  unser  Vater  Abraham  versucht 
worden,  u.  er  hat  in  ihnen  allen  bestanden,  um  zu  zeigen,  wie  groß  die  Liebe  unsres 
Vaters  A.  (zu  Gott)  gewesen  ist. 

2.  Israels  Stolz  ist  es,  zu  Abraham  als  zu  ihrem  leiblichen  Stamm- 
vater aufblicken  zu  dürfen. 

BM  7,  1 :  Einmal  sagte  R.  Jochanan  b.  Mattja  (ein  Tannait)  zu  seinem  Sohne:  Geh 
u.  miete  uns  Arbeiter!  Er  ging  u.  vereinbarte  mit  ihnen  Beköstigung.  Als  er  zu  seinem 
Vater  kam,  sprach  dieser  zu  ihm:  Mein  Sohn,  selbst  wenn  du  ihnen  ein  Mahl  bereiten 
würdest  wie  das  Salomos  zu  seiner  Zeit,  so  würdest  du  deiner  Pflicht  ihnen  gegenüber 
nicht  genügen;  denn  sie  sind  Kinder  Abraiiams.  Isaaks  u.  Jakobs.  Aber  geh  hin,  bevor 
sie  die  Arbeit  beginnen,  u.  sage  zu  ihnen:  (Ich  dinge  euchi  unter  der  Bedingung,  daß 
ihr  von  mir  lediglich  Brot  u.  Hülsenfrüchte  zu  beanspruchen  habt.  ||  M'^kh  Ex  1  •''>,  2  (44  b) ; 
„Meines  Vaters  Gott,  den  will  ich  erheben"  Ex  15,2.  (Die  Gemeinde  Israel  spricht:) 
Ich  bin  eine  Königin,  die  Tochter  von  Königen;  eine  Geliebte,  die  Tochter  von  Ge- 
liebten; eine  Heilige,  die  Tochter  von  Heiligen;  eine  Reine,  die  Tochter  von  Reinen. 
Gleich  einem  Menschen,  welcher  ging,  um  sich  mit  einem  Weibe  zu  verloben;  bald 
schämte  er  sich  dieser,  bald  ihrer  Familie,  bald  ihrer  Verwandten;  aber  bei  mir  ist  es 
nicht  also,  sondern  ich  bin  eine  Königin,  die  Tochter  von  Königen.  ||  BQ8,  0:  (Sühne- 


MatthS,  9  (512.3)  117 

gelder  für  angetanen  Schimpf  richten  sich  nach  der  Stellung  u.  dem  Ansehen  des  Be- 
leidigten). R.  f  Aqiba  (um  135)  hat  gesagt:  Auch  die  Armen  in  Israel  sieht  man  so  au, 
als  wären  sie  Kinder  Edelgeborener,  die  in  ihrem  Vermögen  heruntergekommen  sind; 
denn  sie  sind  Söhne  Abrahams,  Isaaks  u.  Jakobs.  —  BQ  ^6'''  ist  dieser  Ausspruch  dem 
R.  Meir,  einem  Schüler  des  R.  fA.,  in  den  Mund  gelegt.  —  In  der  Bar  Schab  128'^ 
heißt  es:  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  u.  R.  Schimfon  (welcher?)  u.  R.  Jischma?el 
if  um  135)  u.  R.  ?  Aqiba  haben  sämtlich  die  Meinung  gehabt,  daß  alle  Israeliten  Söhne 
von  Königen  seien  (nämlich  als  Nachkommen  Abrahams,  Isaaks  u.  Jakobs). 

3.  Abrahams  Verdienst  steht  Israel  bei. 

GnR44  (27'^):  „Raubvögel  kamen  herab  auf  die  toten  Tiere  u.  Abram  verscheuchte 
sie"  Gn  15,11.  .  .  .  R.  fAzarja  (um  380)  hat  gesagt:  (Gott  sprach  zu  Abraham:)  Wenn 
deine  Kinder  Leichname  würden  ohne  Sehnen  u.  Knochen  (d.h.  aller  Verdienste  bar), 
dein  Verdienst  wird  ihnen  beistehn.  —  Vgl.  den  allgemeinen  Grundsatz  LvR  36  (133b). 
Wie  der  Weinstock  auf  trockne  Hölzer  sich  stützt,  während  er  selbst  frisch  (saftig)  ist, 
so  stützen  sich  die  Israeliten  auf  das  Verdienst  ihrer  Väter,  obgleich  diese  schlafen.  — 
In  ExR  44  Anfang  wird  dieser  Grundsatz  dem  R.  Tanchuma  b.  Abba,  um  380,  zu- 
geschrieben u.  durch  eine  Reihe  von  Beispielen  erläutert.  So  findest  du,  heißt  es,  daß 
Elias  viele  Gebete  auf  dem  Berge  Karmel  betete,  daß  Feuer  herabkäme,  s.  1  Kg  18,37; 
aber  er  wurde  nicht  eher  erhört,  als  bis  er  die  Toten  erwähnte  u.  sprach:  „Jahve,  du 
Gott  Abrahams,  Isaaks  u.  Israels"  Vers  36.  Da  wurde  er  sofort  erhört,  s.  Vers  38.  Ebenso 
stand  Mose,  als  die  Israeliten  jene  Tat  (mit  dem  goldenen  Kalb)  begangen  hatten,  u. 
sprach  40  Tage  u.  Nächte  lang  zu  ihren  Gunsten ;  aber  er  wurde  nicht  eher  erhört,  als 
bis  er  die  Toten  erwähnte;  da  wurde  er  sofort  erhört,  s.  Ex  32,  13  f.  Da  sieht  man: 
wie  der  Weinstock  lebt  u.  auf  abgestorbene  Hölzer  sich  stützt,  so  lebt  Israel  u.  stützt 
sich  auf  die  Väter,  obgleich  diese  verstorben  sind.  .  .  .  „Gedenke  Abrahams"  usw.  Ex 
32,  13.  Das  meint:  „Wer  Hand  zu  Hand  (seinen  Lohn  fordert),  der  wird  nicht  rein; 
ein  Böser  ist  er"  (Spr  11,  21,  so  der  Midrasch).  R.  Pin^chas,  der  Priester,  b.  Chama  (um 
360)  hat  gesagt:  Wenn  du  ein  Gebot  erfüllt  hast,  so  fordere  deinen  Lohn  nicht  von 
Hand  zu  Hand  (sofort).  Weshalb?  Denn  „ein  solcher  wird  nicht  rein  sein";  denn  du 
wirst  nicht  rein  gesprochen  werden  von  deinen  Sünden,  sondern  bei  deinem  Leben! 
ein  Gottloser  wirst  du  genannt  werden,  weil  du  nichts  auf  deine  Kinder  vererben 
wolltest.  Denn  wenn  Abraham,  Isaak  u.  Jakob  den  Lohn  für  die  Gebote,  die  sie  erfüllt 
haben,  gefordert  hätten,  wie  wäre  dann  der  Same  der  Gerechten  errettet  worden?  wie 
hätte  (Mose)  sie  erwähnen  können:  „Gedenke  Abrahams"  usw.?  Und  sofort  heißt  es 
Ex 32,  14:  „Und  Jahve  ließ  es  sich  leid  sein."  .  .  .  „Gedenke  Abrahams"  usw.  Ex 32,  13. 
R.  Abin  (IL,  um  370)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  ^20)  gesagt:  Gleich  einem  König, 
bei  welchem  sein  Freund  zehn  Perlen  deponierte.  Der  Freund  starb  u.  hinterließ  eine 
Tochter.  Da  machte  sich  der  König  auf,  nahm  sie  zum  Weibe  u.  erhob  sie  zur  Matrone. 
Er  schenkte  ihr  eine  Kette  von  zehn  Perlen  u.  legte  sie  um  ihren  Hals.  Nach  einiger 
Zeit  verlor  sie  die  Kette.  Da  wollte  der  König  sie  entlassen;  er  sprach:  Ich  stoße  sie 
aus  meinem  Hause,  ich  entferne  sie  aus  meiner  Nähe!  Es  ging  ihr  Brautführer  zum 
König,  um  ihn  zu  begütigen;  aber  der  König  hörte  nicht  auf  ihn,  sondern  sprach:  Ich 
verstoße  sie  aus  meiner  Nähe!  Da  sprach  jener:  Warum  denn,  mein  Herr  König? 
Dieser  antwortete:  Weil  ich  ihr  zehn  Perlen  gegeben  habe  u.  sie  diese  verloren  hat. 
Jener  sprach:  So  wahr  mein  Herr  König  lebt,  gleichwohl  solltest  du  dich  begütigen 
lassen  u.  ihr  verzeihen.  'Aber  der  König  hörte  nicht  auf  ihn.  Als  der  Brautführer  sah, 
daß  er  sich  nicht  versöhnen  ließ,  sondern  hartnäckig  blieb  u.  sprach:  Ich  vertreibe 
sie!,  da  sprach  er  zu  ihm:  Wegen  der  zehn  Perlen,  die  sie  verloren  hat,  willst  du  sie 
verstoßen?  Weißt  du  nicht,  daß  ich  weiß,  daß  ihr  Vater  bei  dir  zehn  Perlen  deponiert 
hat?  Zehn  gehen  auf  in  zehn!  So  war  Gott,  als  die  Israeliten  jene  Tat  (mit  dem 
goldenen  Kalb)  begangen  hatten,  erzürnt  auf  sie  u.  fing  an  zu  sagen:  „Laij  ab  von 
mir,  daß  ich  sie  vertilge"  Dt  9,  14.  Mose  sprach:  Herr  der  Welt,  warum  zürnst  du  auf 
Israel?    Gott  spracli :  Weil  sie  die  zehn  Gebote    zunichte   gemacht   haben.    Mose  er- 


118  Matth8,  9  (51  3) 

widerte:  Sie  haben,  woraus  es  gutgemacht  werden  kann.  Gott  spracli:  Woraus  denn? 
Er  sprach:  Gedenke,  daE^  du  Abraham  in  zehn  Versuchungen  versucht  hast.  Da  gehen 
zehn  auf  gegen  zehn.  (Diesem  Gleichnis  des  R.  Acha  liegt  ein  früheres  des  R.  Simlai. 
um  250,  zugrunde,  s.  Tanch  xrr  -:  117''.)  .  .  .  Warum  erwähnt  Mose  hier  Ex  82, 13  die 
drei  Väter?  Die  Rabbanan  haben  gesagt:  Mose  spracli:  Wenn  sie  (die  Israeliten)  des 
Verbrennungstodes  schuldig  sind,  so  gedenke  an  Abraham,  der  sein  Leben  in  den 
Feuerofen  (Nimrods)  hingegeben  hat,  um  deines  Namens  wegen  verbrannt  zu  werden, 
u.  es  möge  seine  Verbrennung  die  seiner  Kinder  aufheben.  Wenn  sie  der  Enthauptung 
(mittelst  des  Schwertes)  schuldig  sind,  so  gedenke  an  ihren  Vater  Isaak,  der  seinen 
Hals  auf  dem  Altar  ausstreckte,  um  deines  Namens  wegen  geschlachtet  zu  werden, 
u.  es  möge  seine  Enthauptung  die  seiner  Kinder  aufheben.  Und  wenn  sie  der  Ver- 
bannung sich  schuldig  gemacht  haben,  so  gedenke  an  ihren  Vater  Jakob,  der  aus  dem 
Hause  seines  Vaters  nach  Charran  in  die  Verbannung  ging;  so  mögen  diese  durch  jene 
frei  ausgehen!  . . .  „Gedenke  an  Abraham.''  R.  Z'^bida  (um  3:^0)  hat  gesagt,  R.  J^hoschuaf 
b.  Levi  (um  250)  habe  gesagt:  Mose  sprach:  Herr  der  Welt,  waren  die  Väter  der  Welt 
(d.  h.  die  Erzväter)  Gerechte  oder  Gottlose?  Mache  einen  Unterschied  zwischen  diesen 
u.  jenen:  waren  sie  Gottlose,  so  hast  du  recht  also  an  ihren  Kindern  gehandelt,  weil 
ihre  Väter  bei  dir  keine  (verdienstlichen)  Werke  hatten;  waren  sie  aber  Gerechte,  so 
lege  diesen  das  Werk  ihrer  Väter  bei  (rechne  es  ihnen  zugute).  —  Dasselbe  zum  Teil 
auch  pSanh  10,  27«',  34;  LvR  3(3  (133  b). 

Midr  HL  zu  1,  5  (87b):  Die  Gemeinde  Israel  spricht:  Schwarz  bin  ich  durch  meine 
Werke;  aber  anmutig  durch  das  Werk  meiner  Väter.  —  Dasselbe  ExR  23  (85b).  ||  pcgjq 
153b  u.  LvR  29  (127b):  R.  Levi  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Chama  b.  Ghanina  (um 
260)  gesagt:  Gleich  dem  Sohn  eines  Königs,  der  eine  Rechtssache  vor  seinem  Vater 
hatte.  Sein  Vater  sprach  zu  ihm :  Wenn  du  vor  mir  im  Gericht  freigesprochen  werden 
willst,  so  wähle  dir  den  u.  den  als  Anwalt,  so  wirst  du  im  Gericht  freigesprochen 
werden.  Ebenso  hat  Gott  zu  Israel  gesagt:  Meine  Kinder,  wenn  ihr  vor  mir  im  Gericht 
(am  Neujahrstage)  freigesprochen  werden  wollt,  so  erwähnt  vor  mir  das  Verdienst  eurer 
Väter,  so  werdet  ihr  vor  mir  im  Gericht  freigesprochen  werden.  —  P'^siq  154^  u.  LvR 
29  (127b):  R.  Nachman  (gegen  400)  hat  gesagt:  Alle  Schlechtigkeiten  u.  Lügen,  die  die 
Israeliten  in  dieser  Welt  verüben,  ist  unser  Vater  Abraham  imstande  sämtlich  zu 
sühnen.  ||  TanchB  s^--  §  43  (55  b):  Als  Daniel  u.  seine  Genossen  in  die  Verbannung 
zogen,  verordnete  Gott  über  sie,  daß  sie  unreines  Brot  essen  sollten,  s.  Ez4,  13.  Da 
trat  Nebukadne9ar  auf  u.  machte  das  Wort  wahr.  Er  hob  an  u.  sprach:  Ich  verordne, 
daß  sie  von  meiner  Speise  essen,  s.  Dn  1,  5.  Daniel  aber  nahm  das  nicht  auf  sich, 
sondern  sprach:  Wenn  Gott  auch  über  uns  verhängt  hat,  daß  wir  unreines  Brot  essen 
sollen,  so  will  er  uns  nur  versuchen.  Vielmehr  wollen  wir  das  ünsre  tun,  so  wird 
Gott  das  Seine  tun.  Da  hob  er  an,  zu  dem  Oberkämmerer  (1.  c-o-^sn  --o»)  zu  sagen: 
Ich  bitte  dich,  versuche  es  doch  mit  deinen  Knechten  zehn  Tage,  daß  man  uns  etwas 
Gemüse  zum  Essen  u.  Wasser  zu  trinken  gebe.  Danach  möge  von  dir  unser  Aussehen 
u.  das  Aussehen  der  von  königlichen  Leckerbissen  genährten  Knaben  gemustert  werden. 
Wie  du  dann  sehn  wirst,  so  handle  mit  deinen  Knechten  Dn  1,  12.  Er  antwortete  ihnen: 
Könnt  ihr  denn  zehn  Tage  lang  den  Versuch  mit  euch  machen,  kein  Brot  zu  essen  u. 
keinen  Wein  zu  trinken?  Sie  sprachen:  Ja!  Denn  wir  sind  Kindeskinder  des  Mannes, 
der  von  Gott  in  zehn  Versuchungen  versucht  worden  ist;  sein  Verdienst  steht  uns 
bei.  .  .  .  Hast  du  uns  nicht  schon  den  Schriftgelehrten  zehnmal  überlegen  erfunden  (vgl. 
Dn  1,  20)?  in  wessen  Verdienst?  Im  Verdienste  Abrahams,  der  in  zehn  Versuchungen 
versucht  worden  ist.  ||  B^'rakh  7b:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Auch  Daniel  ist  nur  um 
Abrahams  willen  erhört  worden,  s.  Dn9,  17:  ,Und  nun  höre,  unser  Gott,  auf  deines 
Knechtes  Flehen  u.  sein  Bittgebet  u.  laß  leuchten  dein  Angesicht  über  dein  verödetes 
Heiligtum  um  meines  Herrn  willen"  (so  der  Midrasch).  ,Um  deinetwillen'  hätte  es 
heißen  sollen.  Vielmehr  so  ist  es  gemeint:  Um  Abrahams  (=  -:-s)  willen,  der  dich 
(zuerst  unter  allen  Menschen)  „Herr"  (r-s)  genannt  hat  (nämlich  Gn  15,  2.  8j. 

GnR  33  (20"):  R.  Tanchuraa  (um  380  i  ordnete  ein  Fasten  an.   Es  verging  der  erste. 


Matth  3,  9  (?l  3.  4)  119 

der  zweite,  der  dritte  Tag;  aber  kein  Regen  fiel  hernieder.  Da  ging  er  u.  trug  öffentlich 
vor  u.  sprach:  Meine  Kinder,  lasset  euch  mit  Erbarmen  gegeneinander  erfüllen,  so 
wird  Gott  gegen  euch  des  Erbarmens  voll  sein!  Während  sie  nun  Almosen  an  die 
Armen  verteilten,  sahen  sie  einen  Menschen,  der  seinem  geschiedenen  Weibe  Geld  gab. 
Sie  kamen  vor  R.  Tanchuma  u.  sprachen:  Rabbi,  was  sitzen  wir  hier,  während  dort 
Sünde  geschieht!  Er  sprach  zu  ihnen:  Was  habt  ihr  gesehen?  Sie  antworteten:  W^ir 
haben  gesehen,  wie  der  u.  der  seinem  geschiedenen  Weibe  Geld  gegeben  hat.  Er 
schickte  nach  ihnen  u.  ließ  sie  vor  die  Gemeinde  bringen.  Er  sprach  zu  ihm:  Was 
hat  diese  mit  dir  zu  schaffen?  Er  antwortete:  Sie  ist  mein  geschiedenes  Weib.  Da 
fragte  jener  ihn  weiter:  Warum  hast  du  ihr  Geld  gegeben?  Er  antwortete:  Rabbi,  ich 
sah  sie  in  großer  Not  u.  wurde  von  Erbarmen  über  sie  erfüllt.  In  jener  Stunde  erhob 
R.  Tanchuma  sein  Angesicht  nach  droben  u.  sprach:  Herr  aller  Welten,  wenn  dieser, 
dem  die  Ernährung  dieser  Frau  nicht  oblag,  sie  in  Not  sah  u.  von  Erbarmen  gegen 
sie  erfüllt  wurde,  um  wieviel  mehr  mußt  du,  von  dem  geschrieben  steht:  , Gnädig  u. 
barmherzig  ist  Jahve",  über  uns  mit  Erbarmen  erfüllt  werden,  die  wir  die  Kinder 
deiner  Geliebten,  die  Kinder  Abrahams,  Isaaks  u.  Jakobs  sind!  Sofort  fiel  der  Regen 
hernieder,  u.  die  Welt  ward  getränkt.  —  In  breiterer  Fassung  aramäisch  LvR  'M  (132^).  ij 
GnR  48  (30*):  R.  Levi  (um  3u0)  hat  gesagt:  Dereinst  wird  Abraham  am  Eingang  des 
Gehinnoms  sitzen  u.  keinen  Beschnittenen  aus  Israel  dort  hinabfahren  lassen.  Was 
wird  er  aber  mit  denen  machen,  die  übermäßig  gesündigt  haben?  Er  wird  die  Vorhaut 
von  Kindern  nehmen,  die  vor  der  Beschneidung  gestorben  sind,  u.  sie  bei  jenen  anbringen 
u.  sie  dann  in  den  Gehinnom  hinabstürzen.  —  Hierzu  ist  der  allgemeine  Grundsatz  zu 
beachten  ExR  19  (81*^):  Beschnittene  fahren  nicht  hinab  in  den  Gehinnom.  |i  ?Erub  19*: 
„Die  im  Tränental  wandern"  Ps  84,  7,  das  sind  die,  welche  in  dieser  Stunde  im  Ge- 
hinnom gerichtet  werden ;  dann  kommt  unser  Vater  Abraham  u.  Väht  sie  emporsteigen 
H.  nimmt  sie  auf;  vgl.  hierzu  Exkurs:  „Scli'^ol"  usw.  II,  5  u.  II.  7  Anm.  b  u.  c. 

4.  Die  Teilnahme  an  Abrahams  Verdienst  ist  bedingt  durch  die 
leibliche  Abstammung  von  ihm ;  darum  müssen  die  Proselyten  auf  jene 
verzichten,  weil  sie  der  letzteren  ermangeln. 

Bikl,  4:  Folgende  bringen  (die  Erstlingsfrüchte)  dar,  ohne  (das  Bekenntnis  Dt 
26,  3  ff.)  zu  sprechen:  der  Proselyt  bringt  dar,  ohne  es  zu  sprechen,  weil  er  nicht  sagen 
kann:  Das  du  geschworeft  hast  ,unsren  Vätern"  zu  geben.  Wenn  aber  seine  Mutter 
eine  Israelitin  ist,  so  bringt  er  dar  u.  spricht  es.  Wenn  er  für  sich  allein  betet,  so 
sagt  er:  , Der  Gott  der  Väter  Israels";  wenn  in  der  Synagoge,  so  sagt  er:  »Der  Gott 
eurer  Väter."  Wenn  aber  seine  Mutter  eine  Israelitin  ist,  so  sagt  er:  „Der  Gott  unsrer 
Väter."  ll  NuR8(150b):  „Wohl  dem,  der  Jahve  fürchtet,  der  auf  dessen  Wegen  wandelt" 
Ps  128,  1.  Es  heißt  nicht:  Wohl  den  Israeliten,  wohl  den  Priestern,  wohl  den  Leviten, 
sondern:  „Wohl  dem,  der  Jahve  fürchtet."  Damit  sind  die  Proselyten  gemeint,  denen, 
wenn  sie  Jahve  fürchten,  das  Wort:  „Wohl!"  gilt.  Wie  es  von  Israel  heißt  Dt  33,  29: 
„Wohl  dir,  Israel;  wer  ist  dir  gleich?"  so  heißt  es  auch  von  ihnen:  „Wohl  dem,  der 
Jahve  fürchtet."  Und  von  welchem  Proselyten  wird  gesagt:  „Wohl"?  Von  dem,  der 
«in  rechter  Proselyt  {-''4.  "?)  ist;  nicht  wie  die  Kuthäer  (=  Samaritaner),  von  denen 
geschrieben  steht  2  Kg  i7,  33:  „Den  Jahve  fürchteten  sie  u.  ihren  Göttern  dienten  sie*; 
sondern  von  dem  Proselyten  (wird  es  gesagt),  der  Gott  fürchtet  u.  auf  Gottes  Wegen 
wandelt;  das  meinen  die  Worte:  „Der  in  seinen  Wegen  wandelt."  „Von  der  Mühe 
deiner  Hände  wirst  du  dich  nähren"  Ps  128,  2;  damit  ist  der  Proselyt  gemeint,  der  das 
Verdienst  der  Väter  nicht  für  sich  hat;  u.  damit  er  nicht  sage:  Wehe  mir!  weil  ich 
das  Verdienst  der  Väter  nicht  für  mich  habe,  habe  ich  für  alle  guten  Werke,  die  ich 
aufgesammelt,  nur  in  dieser  Welt  Lohn  —  deshalb  bringt  die  Schrift  dem  Proselyt-en 
die  frohe  Botschaft,  daß  er  durch  sein  eignes  Verdienst  sich  nähren  werde  in  dieser 
Welt  u.  in  der  zukünftigen  Welt.  Das  meinen  die  Worte:  „Von  der  Mühe  deiner  Hände 
wirst  du  dich  nähren."  Das  geht  auf  die  guten  Werke,  mit  denen  er  sich  in  dieser 
Welt  abgemüht  hat,  vgl.  Hi  3,17:    „Dort  ruhen,  welchen  ermattet  ist  die  Kraft",  a. 


120  Matth  8,  9  (31  4.  5) 

Qoh9, 10:  „Alles,  was  deine  Hand  erreicht,  zu  tun  mit  deiner  Kraft,  das  tu!"  Was 
ist  sein  Lohn?  Ps  128,  2:  „Wohl  dir,  du  hast  es  gut!"  „Wohl  dir",  nämlich  in  dieser 
Welt;   „du  hast  es  gut",  in  der  zukünftigen  Welt. 

Justinus  Martyr,  Dial.  c.  Trj^ph.  140:  Eure  Lehrer  meinen,  daß  denen,  die  aus  dem 
Samen  Abrahams  nach  dem  Fleische  sind,  auch  wenn  sie  Sünder  sind  u.  ungläubig  u. 
gegen  Gott  ungehorsam,  das  ewige  Reich  werde  gegeben  werden. 

5.  Der  eben  zitierte  Ausspruch  des  Justinus  Martyr  (um  150)  gibt, 
wie  obige  Stellen  zeigen,  die  populären  Vorstellungen  vom  Verdienste 
Abrahams  kurz  u.  treffend  wieder.  Das  schließt  nicht  aus,  dafs  in 
einzelnen  Fällen  auch  andersartige  Anschauungen  sich  geltend  gemacht 
haben.    Die  bedeutsamsten  Zeugnisse  in  dieser  Hinsicht  sind: 

Schab  89^:  Raba  (f  352)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt:  „Geht  doch,  wir 
wollen  zusammen  rechten,  wird  Jahve  sprechen"  Jes  1, 18  (so  der  Midrasch,  der  zugleich 
das  Textwort  -•--  durch  üvn  =  der  Name  —  Gott  ersetzt)?  „Geht  doch!"  Es  sollte 
heißen:  „Kommt  doch!"  „Jahve  wird  sprechen",  es  sollte  heißen:  „Jahve  sprach." 
(Die  Worte  sind  so  zu  verstehn:)  In  der  Zukunft  wird  Gott  zu  den  Israeliten  sagen: 
Geht  doch  zu  euren  Vätern,  daß  sie  euch  zurechtweisen  (richten  u.  rechtfertigen)  I 
Dann  werden  sie  vor  ihm  sagen:  Herr  der  Welt!  zu  wem  sollen  wir  gehn?  Zu  Abra- 
ham, zu  dem  du  gesagt  hast  Gn  15,  1:-!:  „Wissen,  ja  wissen  sollst  du,  daß  dein  Same 
als  Fremdling  weilen  wird  in  einem  Lande,  das  ihnen  nicht  gehört"?  —  y.  er  hat  nicht 
um  Erbarmen  für  uns  gebeten!  Oder  zu  Isaak,  der  den  Esau  gesegnet  hat:  „Wenn 
du  dich  anstrengst,  wirst  du  sein  (Jakobs)  Joch,  das  auf  deinem  Halse,  zerbrechen" 
Gn27,  4Ü?  —  u.  er  hat  nicht  um  Erbarmen  für  uns  gebeten!  Oder  zu  Jakob,  zu  dem 
du  gesagt  hast  Gn46,  4:  „Ich  werde  mit  dir  nach  Ägypten  hinabziehen"?  —  u.  er  hat 
nicht  um  Erbarmen  für  uns  gebeten!  Zu  wem  sollen  wir  jetzt  gehn?  Möge  es  Jahve 
sagen!  Dann  wird  er  zu  ihnen  sagen:  Weil  ihr  euch  selbst  an  mich  gehängt  (ge- 
klammert) habt  (so  wisset):  „Wenn  eure  Sünden  wie  Scharlach  wären,  wie  Schnee 
sollen  sie  weiß  werden"  Jes  1,18! 

Schab  89  b:  R.  Sch^muel  b.  Nachnian  (um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (b.  Ehazar, 
um  220)  habe  gesagt:  Was  heißt  Jes  63, 16:  „Du  bist  unser  Vater;  denn  Abraham  weiß 
nichts  von  uns  u.  Israel  kennet  uns  nicht;  du,  Jahve,  bist  unser  Vater;  ,unser  Erlöser' 
ist  von  jeher  dein  Name"?  In  der  Zukunft  wird  Gott  zu  Abraham  sagen:  Deine  Kinder 
haben  gegen  mich  gesündigt.  Dann  wird  dieser  antworten:  Herr  der  Welt,  so  mögen 
sie  um  der  Heiligung  deines  Namens  willen  vertilgt  werden!  Weiter  wird  Abraham 
sagen:  So  möge  es  dem  Jakob  gesagt  werden,  der  Not  gehabt  hat  mit  dem  Aufziehen, 
von  Kindern;  vielleicht  bittet  er  um  Erbarmen  für  sie.  Dann  wird  Gott  zu  diesem 
sagen:  Deine  Kinder  haben  gesündigt.  Jakob  wird  antworten:  Herr  der  Welt,  so  mögen 
sie  um  der  Heiligung  deines  Namens  willen  vertilgt  werden!  Gott  wird  sagen:  Bei 
Alten  ist  keine  Einsicht  u.  bei  Jungen  kein  Rat!  Dann  wird  er  zu  Isaak  sagen:  Deine 
Kinder  haben  gegen  mich  gesündigt.  Dieser  wird  antworten:  „Meme"  Kinder?  Nicht 
auch  „deine"  Kinder?  Als  sie  vor  dir  vorangehn  ließen  die  Worte:  „Wir  wollen  tun" 
den  Worten:  „Wir  wollen  hören"  (s.  Ex  24,  7),  da  hast  du  sie  „meinen  [Gottes]  erst- 
gebornen  Sohn"  (s.  Ex  4,  22)  genannt,  u.  nun  sollen  sie  „meine"  Kinder  u.  nicht  „deine" 
Kinder  sein?  Ferner  wieviel  haben  sie  denn  gesündigt?  Wieviel  sind  der  Jahre  des 
Menschen?  Siebzig  Jahre.  Ziehe  davon  (die  ersten)  zwanzig  Lebensjahre  ab,  derent- 
wegen du  nicht  bestrafst  (die  Strafmündigkeit  der  Israeliten  vor  Gott  beginnt  erst, 
wenn  sie  20  Jahre  alt  sind;  gefolgert  aus  Nu  14,29),  so  bleiben  noch  fünfzig;  ziehe 
weiter  fünfundzwanzig  ab,  die  auf  die  Nächte  entfallen  (wo  der  Mensch  schläft  u.  nicht 
sündigt),  so  bleiben  noch  fünfundzwanzig;  ziehe  weiter  zwölf  u.  ein  halbes  Jahr  ab, 
die  auf  das  Gebet,  das  Essen  u.  den  Abort  entfallen,  so  bleiben  noch  zwölf  u.  ein 
halbes  übrig.  Willst  du  die  alle  tragen,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht,  so  falle  die 
eine  Hälfte  mir  zur  Last  u.  die  andre  dir;  wenn  du  aber  sagen  solltest,  daß  ich  das 


Matth  3,  9  (SB).  10.  11  (?l.  SB)  121 

Ganze  auf  mich  nehmen  soll,  siehe,  so  habe  ich  mein  Leben  vor  dir  als  Opfer  dar- 
gebracht (Gn  22).  Da  heben  die  Israeliten  an  u.  sprechen:  Du  bist  unser  Vater!  Isaak 
spricht  zu  ihnen:  Statt  daß  ihr  mich  rühmt,  rühmt  den  Heiligen,  gepriesen  sei  er!  Da 
zeigt  ihnen  Isaak  Gott  vor  ihren  Augen.  Sofort  erheben  sie  ihre  Augen  gen  Himmel 
u.  sprechen:  Du,  Jahve,  bist  unser  Vater;   „unser  Erlöser"  ist  von  jeher  dein  Name. 

3,9  33:  Dem  Abraham  Kinder  erwecken. 
Die  Unterscheidung  zwischen  rechten  und  nicht  rechten  Kindern 
Abrahams  liegt  zum  Teil  den  Stellen  zugrunde,  die  bei  Gal  3, 7  zitiert  sind. 

3,10:  Die  Axt  ist  den  Bäumen  an  die  Wurzel  gelegt. 

JeslO,  33f.,  welche  Stelle  möglicherweise  dem  Täufer  bei  obigem 
Ausspruch  vorgeschwebt  hat,  hat  etliche  rabbinische  Auslegungen  ver- 
anlaßt, die  hier  ihren  Platz  finden  mögen. 

Midr  KL  1,  5  (.52='):  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  begab  sich  in  das  Lager 
des  Vespasian  u.  sprach:  Wo  ist  der  König?  Man  meldete  dem  Vespasian:  Ein  Jude 
wünscht  dich  zu  begrüfsen.  Er  erwiderte:  Er  mag  kommen.  Als  er  kam,  sprach  er: 
Es  lebe  mein  Herr,  der  Imperator!  Vespasian  sprach:  Mit  dem  Gruß  an  einen  König 
hast  du  mich  begrüßt;  ich  bin  aber  kein  König,  u.  wenn  der  König  es  hört,  läßt  er 
diesen  Mann  (^=  mich  oder  auch  dich)  töten.  Rabban  Jochanan  antwortete:  Wenn  du 
nicht  König  bist,  so  wirst  du  es  schliel'lich  werden;  denn  dieses  Haus  (d.  h.  der  Tempel 
zu  Jerusalem)  wird  nur  durch  einen  König  zerstört  werden;  s.  Jes  10,  ^-54:  Der  Libanon 
wird  durch  einen  Herrlichen  fallen.  [L.  ist  häufig  vorkommende  Bezeichnung  für  den 
Tempel;  zB  SDt  1,5  §  6  (66b):  Mit  L.  ist  nichts  andres  als  das  Heiligtum  gemeint,  s. 
Jer  22,  6;  Jes  10,  34.  Oder:  Warum  nennt  man  das  Heiligtum  L."?  Weil  es  die  Sünden 
Israels  weiß  macht  •^'^'■c  —  Wortspiel  zu  Libanon  —  s.  Jes  l,  18.]  Parallelstellen:  Gittin 
.56'»;  Aboth  R.  Nathan  4  (3-'').  ||  Sota  5^»:  R.  EI?azar  (b.  P^dath,  um  270)  hat  gesagt:  Jeder 
Mensch,  in  dem  Hochmut  wohnt,  verdient  wie  eine  Aschera  umgehauen  zu  werden. 
Es  heißt  hier  (JeslO,  33):  ,Die  stattlichen  Wuchses  sind,  werden  umgehauen"  u.  es 
heißt  dort  (Dt  7,  5):  ,Ihre  Ascheren  sollt  ihr  umhauen."  ||  Aus  der  Aufeinanderfolge 
von  Jes  10.34  u.  11, 1  folgert  R.  Abin,  daß  der  Messias  unmittelbar  nach  der  Zerstörung 
des  Tempels  geboren  sei,  pB*^rakh  2,  4  bei  Mt  2,  5  f.  (S.  8o). 

3,1151:  Dem   die  Schub,©  zu  tragen  ich  nicht  gut  genug  bin. 

Das  Nachtragen  der  Sandalen,  bezw.  ihre  Ablösung  vom  Fuß  eines 
andren  (so  Mk  1,  7;  Job  1,  27:  Apg  13,  25)  gehört  zu  den  Diensten  eines 
Sklaven. 

Qid],3  u.  BB  53t>:  Ein  kananäischer  (=  nichtjüdischer)  Sklave  wird  erworben 
durch  Geld,  Kaufbrief  u.  (tatsächliche)  Besitzergreifung.  —  Dazu  bQid  22 b  Bar:  Wie 
geschieht  es  durch  Besitzergreifung?  Wenn  der  Sklave  seinem  Herrn  den  Schuh  los- 
macht oder  ihm  die  Wäsche  ins  Badehaus  nachträgt,  wenn  er  ihn  entkleidet,  badet, 
salbt,  kämmt,  ankleidet,  ihm  die  Schuhe  anzieht  oder  ihn  hochhebt,  so  hat  der  Herr  den 
Sklaven  dadurch  erworben.  |l  Aus  M'kh  Ex  21,  2  (82*)  erfahren  wir,  daß  der  hebräische 
Sklave  zu  diesen  Diensten  nicht  verpflichtet  war;  s.  Exkurs:  „Altjüdisches  Sklaven- 
wesen". K'^thye^:  R.  J«^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Alle  Arbeiten,  die  ein 
Sklave  seinem  Herrn  verrichtet,  soll  ein  Schüler  seinem  Lehrer  tun,  ausgenommen  das 
Lösen  des  Schuhwerks.  Vgl.  aber  P'"siq  84  b. 

Über  vTTodr^ixa  ==  Sandale  s.  bei  Mt  10, 10  C 

3,  lliB:  Mit  Feuer  taufen. 
Sanh  '69^:  Ein  Sektierer  sagte  zu  R.  Abbahu  (um  300j:  Euer  Gott  ist  ein  Priester; 
denn  es  heißt  Ex  25,  2:   „Ihr  sollt  eine  Hebe  für  mich  erheben."    Als  er  nun  den  Mose 


122  Matth  3, 11  (SB).  12  («tt.  33).  14 

feegrub  (u.  durch  die  Berührung  des  Toten  unrein  ward),  worin  hat  er  das  reinigende 
Tauchbad  genommen?  Wenn  du  sagen  wolltest:  ,In  Wasser",  so  steht  doch  Jes  40,  12: 
Wer  hat  in  seiner  Hohlhand  die  Wasser  gemessen?  (Also  genügt  alles  Wasser  für  ein 
Vollbad  Gottes  nicht.)  R.  Abbahu  antwortete:  In  Feuer  hat  er  sich  getaucht;  s.  Jes 
^6,  15:  Siehe,  Jahve  geht  in  Feuer  einher.  —  Wie!  sprach  der  Sektierer,  gibt  es  denn 
«ein  Tauchbad  in  Feuer?  Gewiß,  erwiderte  R.  Abbahu,  hauptsäclilicli  geschieht  das 
Untertauchen  (u.  die  dadurch  zu  bewirkende  Reinigung)  in  Feuer;  s.  Nu  Hl,  23:  , Alles, 
was  ins  Feuer  kommen  kann,  sollt  ihr  durchs  Feuer  gehn  lassen  u.  es  wird  rein  sein.  . . . 
Aber  alles,  was  nicht  ins  Feuer  kommen  kann,  sollt  ihr  durch  Wasser  gehn  lassen. "^ 

3,12  51:  Er  wird  seine  Tenne  fegen. 

Nidda  31'^:  Bar  aus  der  Schule  des  R.  Jischmafel  (f  um  135):  Gleich  einem  Menschen, 
•der  auf  den  Tennen  worfelt:  er  nimmt  das  Efsbare  u.  läßt  das  Untaugliche  liegen.  |j 
TSch®bi?ith  ö,  19  (68):  Wenn  man  einen  Ofen  mit  Stroh  u.  Spreu  vom  Brachjahr  geheizt 
hat,  so  muß  er  ausgekühlt  werden  (das  Heizen  damit  ist  verboten).  ||  Ta?an  6*>:  Bis 
zu  welchem  Zeitpunkt  darf  man  Nießbrauch  haben  u.  verbrennen  von  Stroh  u.  Spreu 
•des  Brachjahres?  Bis  der  zweite  Frühregen  fällt  (d.  h.  nach  den  drei  verschiedenen 
Ansichten  in  TTa?an  1,  3  u.  bTa?an  6-'  am  7.  oder  17.  oder  23.  Marcheschvan,  etwa  No- 
vember). |!  Sch^bi?ith  S,  11 :  In  einem  Bade,  das  mit  Stroh  u.  Spreu  vom  Brachjahr  geheizt 
ist,  darf  man  baden;  ein  geachteter  Mann  aber  (der  vorbildlich  sein  soll)  wird  es  nicht 
tun.  II  Midr  HL  7,3  (127'"^)  bringt  ein  Gleichnis  des  R.  Abin,  in  welchem  die  Nicht- 
«sraeliten  dem  Stroh,  der  Spreu  u.  den  Stoppeln,  die  Israeliten  dem  Weizen  auf  der 
Tenne  verglichen  werden;  s.  Exkurs:  „Diese  Welt"  usw.  II,  2  Anm.  ii. 

3,12  33:  In  seine  Scheune. 

dnod^r'jxjj  ist  ins  Rabbinische  übergegangen. 

fAZ2,  7:  Eingelegte  Heuschrecken  (die  ein  Nichtisnäelit  feilhält)  sind,  wenn  sie 
aus  dem  Korb  (im  Laden)  genommen  werden,  zum  Genuß  verboten  (es  könnte  Libations- 
■wein  auf  sie  gesprengt  sein);  kommen  sie  aber  aus  dem  Lagerraum  (Vorratskammer. 
pr-iS),  so  sind  sie  erlaubt).  —  Dazu  b?AZ  iO^  Bar:  Heuschrecken,  Kapern  u.  Porree, 
die  aus  dem  Speicher  (■'ii-s),  aus  dem  Lager,  pr>.~.,  oder  aus  dem  Schiff  kommen,  sind 
zum  Genuß  erlaubt;  werden  sie  aber  im  Basar  von  dem  Krämer  (olfen  dastehend)  ver- 
kauft, so  sind  sie  verboten,  weil  er  Wein  darüber  sprengt.  Ebenso  ist  Apfelwein  von 
Heiden,  der  aus  dem  Speicher,  aus  dem  Lager,  prE^,  oder  aus  dem  Schiff  (lies  mit 
■Cod.  M.  nrrcr!  statt  ri'^iVcr:  ^=  Korb)  kommt,  erlaubt;  wird  er  aber  im  Basar  verkauft, 
so  ist  er  verboten,  weil  man  ihm  Wein  beimischt.  ||  Targ  Jerusch  I  Gn  24,  2:  Abraham 
sprach  zu  Eli?ezer,  seinem  Sklaven,  dem  Ältesten  seines  Hauses,  der  über  alle  seine 
Speicher,  -p'rirs,  schaltete:  Lege  doch  deine  Hand  usw.  |l  Targ  Jerusch  I  Dt  32,  34; 
Sind  nicht  die  Werke,  die  jene  im  Verborgenen  tun,  vor  mir  alle  offenbar,  versiegelt 
<ii.  bereit  gelegt  in  meinen  Vorratskammern  "pTirs:? 

3,14:  Der  aber  wehrte  ihm  u.  sprach:  Ich  bedarf  wohl, 
daß  ich  von  dir  getauft  werde. 

Die  Weigerung  des  Johannes,  Jesum  zu  taufen,  hat  selbstverständ- 
lich nichts  mit  jener  Art  konventioneller  Zurückhaltung  zu  schaffen, 
von  der  wir  zB  lesen: 

B'^rakh  34^:  Wer  vor  die  Lade  tritt  (als  Vorbeter),  muß  sich  (wenn  die  Aufforderung 
dazu  an  ihn  ergeht)  weigern,  u.  wenn  er  sich  nicht  weigert,  so  gleicht  er  einer  Speise, 
in  der  kein  Salz  ist;  wenn  er  sich  aber  über  Gebühr  weigert,  so  gleicht  er  einer  Speise, 
die  das  Salz  anbrennen  ließ.  Wie  soll  er  es  machen?  Das  erste  Mal  (da  man  ihn 
auffordert]  weigere  er  sich,  das  zweite  Mal  willige  er  zum  Teil  ein.  u.  das  dritte  Mal 
strecke  er  seine  Füße  aus  u.  trete  vor  die  Lade.   Vgl.  B^Yakh  5,3:  Wenn  jemand  vor 


Matth  3,  16  123 

die  Lade  tritt  u.  (beim  Vorbeten)  einen  Fehler  macht,  so  soll  ein  andrer  für  ihn  hin- 
treten n.  sich  in  einem  solchen  Augenblick  nichf  weigern. 

3,16:  Wie  eine  Taube. 

Die  Taube  ist  in  der  rabbin.  Literatur  mehrfach  Sinnbild  der  Ge- 
meinde Israel  ;a  daß  sie  auch  als  Symbol  des  Geistes  Gottes  gegolten 
habe,  läßt  sich  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  wahrscheinlich  machen. b 

a.  Midr  HL  1, 15  (9:313):  , Deine  Augen  sind  Tauben."  Wie  eine  Taube  ohne  Fehl 
ist,  so  sind  auch  die  Israeliten  schön  bei  ihrem  Gehen,  so  oft  sie  hinaufziehen  zu  den 
Festen.  "Wie  eine  T.  gekennzeichnet  ist  (durch  ihre  Federn),  so  sind  die  Israeliten 
gekennzeichnet  durch  den  Haarschnitt,  die  Beschneidung  u.  die  Schaufädea.  Wie  die  T. 
sittsam  ist,  so  sind  auch  die  Israeliten  sittsam.  Wie  die  T.  ihren  Hals  zur  Schlachtung 
hinstreckt  (ohne  zu  zucken),  so  auch  die  Israeliten,  s.Ps  44,23:  ,Denn  um  deinet- 
willen werden  wir  immerfort  getötet."  Wie  eine  T.  (als  Opfer)  die  Sünden  sühnt,  so 
schaffen  die  Israeliten  den  Völkern  Sühnung;  denn  jene  70  Farren,  die  die  Isr.  am 
Laubhüttenfest  darbringen,  entsprechen  den  70  Völkern,  damit  die  Welt  um  ihretwillen 
nicht  zerstört  werde,  9.  Ps  109,  4:  ,Für  meine  Liebe  hassen  sie  mich,  u.  ich  bete  (wört- 
lich: u.  ich  bin  Gebet)."  Wie  die  T.  von  der  Stunde  an,  da  sie  ihren  Genossen  (den 
Täuber)  kennen  gelernt  hat,  diesen  nicht  mehr  gegen  einen  andren  vertauscht,  so 
haben  auch  die  Isr.  Gott,  nachdem  sie  ihn  kennen  gelernt,  nicht  gegen  einen  andren 
vertauscht.  Wie  eine  T.  in  ihr  Nest  geht  u.  ihr  Nest  u.  ihren  Schlag  u.  ihre  Jungen  u. 
ihre  Brut  u.  ihre  Fluglöcher  kennt,  so  kennt  von  den  drei  Reihen  der  Gelehrtenschüler, 
wenn  sie  vor  ihnen  (dem  Synedrium)  sitzen,  jeder  einzelne  seinen  Platz.  Wie  eine  T., 
wenn  man  ihre  Jungen  unter  ihr  fortnimmt,  den  Schlag  nicht  verläßt,  so  haben  auch 
die  Isr.,  obwohl  das  Heiligtum  zerstört  ist,  die  drei  Feste  im  Jahre  nicht  aufgegeben. 
Wie  eine  T.  Monat  für  Monat  aufs  neue  Junge  bringt,  so  erneuern  die  Isr.  monatlich 
das  Torastudium  u.  gute  Werke.  Wie  eine  T.  eilends  viele  Fufstritte  macht  u.  dann  in 
ihren  Schlag  zurückkehrt,  so  auch  die  Isr.,  s.  Hos  11,  11:  Sie  werden  herzuflattern  wie 
Vögel  aus  Ägypten  u.  wie  Tauben  vom  Lande  Assur.  .  .  .  , Deine  Augen  sind  Tauben" 
d.h.  wie  Tauben;  dein  Bild  gleicht  der  T.:  wie  eine  T.  der  Welt  Licht  gebracht  hat, 
so  bringst  auch  du  (Israel)  der  Welt  Licht,  s.  Jes  60,  3:  , Wallen  werden  Nationen  nach 
deinem  Licht."  Und  wann  hat  die  T.  der  Welt  Licht  gebracht?  In  den  Tagen  Noahs, 
s.  Gn  8, 11:  „Die  T.  kam  zur  Abendzeit  zu  ihm,  u.  siehe,  ein  frisch  gepflücktes  Ölbaum- 
blatt war  in  ihrem  Schnabel."  .  .  .  Von  wo  hatte  sie  das  Blatt  geholt?  .  .  .  R  Bebai 
(um  320;  so  zu  lesen  nach  der  Mehrzahl  der  Parallelstellen)  hat  gesagt:  Die  Tore  des 
Gan  fEden  wurden  ihr  geöffnet  u.  von  dort  hat  sie  es  geholt.  R.  Aibo  (um  320)  er- 
widerte: Wenn  sie  es  aus  dem  Gan  fEden  gebracht  hat,  hätte  sie  da  nicht  etwas 
Vorzüglicheres,  zBZimt  oder  Balsam  bringen  können?  Allein  sie  gab  Noah  damit  eine 
Andeutung:  Mein  Herr  Noah,  lieber  Bittereres  noch  als  dieses  aus  Gottes  Hand,  als 
Süßes  aus  deiner  Hand.  —  Dasselbe  Midr  HL  zu  4,  1  [lOd'"-);  kürzer  Tanch  -i::p  1041) 
u.  TanchB  m::r  §  1  (48b);  hier  R.  Ji^chaq,  um  300,  als  Autor  des  letzten  Vergleichs 
(Taube  u.  Lsr.  Bringer  des  Lichts).  —  Die  Frage,  woher  die  Taube  das  Ölblatt  geholt, 
wird  ferner  verhandelt  GnR  33  (20'');  LvR  31  (129«);  vgl.  auch  den  Ausspruch  des 
R.  Jirm^ja  b.  Ehazar,  um  270:  Die  Taube  sprach  zu  Gott:  Herr  der  Welt,  es  möge 
meine  Speise  bitter  sein  wie  die  Olive,  wenn  sie  nur  ruht  in  deiner  Hand;  u.  nicht 
möge  sie  süß  sein  wie  Honig  u.  abhangen  von  der  Hand  eines  Menschen!  ?Erub  18 b; 
Sanh  108b  (hier  vor  Elfazar  zu  ergänzen  „Jirmeja  b.").  ||  Midr  HL  2, 14  (101»):  , Meine 
Taube  in  den  Felsenritzen"  HL  2, 14.  Was  heißt  das?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt: 
Gott  spricht:  Ich  nenne  Israel  eine  Taube,  s.  Hos  7, 11:  ,Es  ward  Ephraim  einer  ein- 
fältigen T.  gleich,  die  unverständig."  Bei  mir  sind  sie  wie  eine  T.,  aber  den  Völkern 
der  Welt  gegenüber  sind  sie  den  wilden  Tieren  gleich,  s.  Gn49,  9:  ,Ein  Löwenjunges 
istJ^huda";  Vers  21:  ,Naphtali  ist  eine  frei  schweifende  Hinde" ;  Vers  17:  ,Es  werde 
Dan  eine  Schlange  am  Wege" ;  Vers  27:   „Benjamin  ist  ein  Wolf,  der  zerreißt.*    Und 


124  Matth  3,  16 

alle  zwölf  Stämme  werden  mit  wilden  Tieren  verglichen.  Weil  die  Völker  der  Welt 
wider  Israel  kämpfen  u.  zu  ihnen  sagen:  Wozu  hangt  ihr  am  Sabbat  u.  an  der  Be- 
schneidung? Darum  macht  Gott  Israel  stark,  daß  sie  vor  den  Völkern  wie  wilde  Tiere 
werden,  um  jene  vor  Gott  u.  vor  Israel  zu  beugen.  Aber  Gott  gegenüber  sind  sie  wie 
eine  T.  ohne  Fehl  u.  hören  auf  ihn,  s.  Ex  4,  31:  „Und  das  Volk  glaubte."  —  In  etwas 
breiterer  Ausführung  ExR  21  (8:^"=).  II  Sanh  95^:  Es  kam  eine  Taube,  die  vor  Abischai 
b.  9®ruja  niederfiel.  Er  sprach :  Die  Gemeinde  Isr.  wird  der  T.  verglichen,  vgl.  Ps  68,  14: 
,Die  Fittige  der  T.,  mit  Silber  überzogen."  Daraus  entnehme  ich,  daß  sich  David,  der 
König  Israels,  in  Not  befindet.  ||  B'^rakh  53 b;  Warum  wird  die  Gemeinde  Israel  mit  der 
T.  verglichen  (Ps  68, 14)?  Wie  die  T.  sich  nur  mit  ihren  Flügeln  rettet,  so  wird  Isr. 
nur  durch  Gebotserfüllungen  gerettet.  |1  Schab  49^^  u.  130*:  Warum  heißt  Elisa  .der 
Geflügelte  z-t:^  hyz"?  Einmal  hatte  die  Regierung  das  Edikt  gegen  die  Israeliten  er- 
lassen, daß  man  jedem,  der  die  Gebetsriemen  anlege,  das  Gehirn  ausstechen  solle. 
Elisa  legte  sie  an  u.  ging  auf  die  Straße  hinaus.  Als  ihn  ein  Strafrichter  sah,  floh  er 
vor  ihm;  dieser  setzte  iiim  nach.  Als  er  ihn  eingeholt  hatte,  nahm  er  sie  von  seinem 
Kopf  u.  hielt  sie  in  seiner  Hand.  Er  sprach  zu  ihm:  Was  ist  das  in  deiner  Hand? 
Er  sprach  zu  ihm:  Taubenflügel.  Er  streckte  seine  Hand  aus,  u.  es  befanden  sich 
darin  Taubenflügel.  Deshalb  nannte  man  ihn  , Elisa  der  Geflügelte".  Was  ist  denn 
für  ein  Unterschied  zwischen  den  Flügeln  der  T.  u.  denen  der  übrigen  Vögel?  Es 
wird  die  Gemeinde  Israel  mit  der  T.  verglichen  Ps  68, 14.  Wie  ihre  Flügel  die  Taube 
schützen,  so  schützen  aucli  die  Gebote  Israel. 

b.  Die  als  Beleg  hierfür  beigebrachte  Stelle  TChag  2,  5  (234);  pChag  2,  77-\  61 ; 
bChag  15*;  GnR  2  {'■i'^)  ist  nicht  beweiskräftig.  In  der  Tosephta  heißt  es  (die  in  Be- 
tracht kommenden  Abweichungen  der  Parallelen  in  Klammer) :  Einmal  ging  R.  J^'hoschua? 
(b.  Chananja,  um  90)  auf  einer  Straße,  wobei  ihm  Ben  Zoma  begegnete.  Als  dieser  an 
ihn  herangekommen  war  u.  ihn  nicht  grüßte,  sprach  R.  J^'hoschua?  zu  ihm :  Woher  u. 
wohin,  Ben  Zoma?  Dieser  antwortete:  Ich  habe  Betrachtungen  über  das  Scböpfungs- 
werk  angestellt  u.  (fand,  daß)  zwischen  den  obern  u.  den  untern  Wassern  (vgl.  Gn  1,7) 
auch  noch  nicht  einmal  eine  Handbreite  Zwischenraum  sich  befand;  denn  es  heißt  Gn 
1,2:  „Der  Geist  Gottes  schwebte,  rt~->3,  über  den  Wassern",  u.  Dt  32, 11  heißt  es: 
,Wie  ein  Adler,  der  sein  Nest  erregt,  schwebend  :nn-'  über  seiner  Brut."  [Dies  Zitat 
fehlt  im  Babli  u.  in  GnR.]  Wie  ein  Adler  über  seinem  Neste  schwebt,  es  berührend 
u.  es  doch  nicht  berührend,  so  ist  auch  zwischen  den  oberen  u.  den  unteren  Wassern 
nicht  einmal  eine  Handbreite  Zwischenraum.  [pOhag:  Wie  das  Schweben  hier  ein  Be- 
rühren u.  ein  Nichtberühreu,  so  auch  dort;  Babli:  Wie  eine  T.,  die  über  ihren  Jungen 
schwebt,  ohne  sie  zu  berühren;  GnR:  Wie  ein  Vogel,  der  mit  seinen  Flügeln  flattert, 
wobei  seine  Flügel  (das  Nest)  berühren  u.  nicht  berühren.]  Da  sprach  R.  J^hoschuaf 
zu  seinen  Schülern:  Ben  Zoma  ist  schon  draußen  (nicht  mehr  bei  sich,  von  Sinnen); 
nur  wenige  Tage  vergingen,  da  war  Ben  Zoma  verschieden.  —  Nur  der  Babli  redet 
von  der  T.,  während  die  beiden  ersten  Zeugen  auf  Grund  von  Dt  32,  11  auf  den  Adler 
u.  GnR  allgemein  auf  einen  Vogel  exemplifizieren.  Alle  Stellen  haben  gemeinsam,  daß 
sie  das  Schweben  des  Gottesgeistes  durch  das  Schweben  eines  Vogels  über  seinen 
Jungen  veranschaulichen.  Dagegen  tritt  der  Gedanke,  daß  der  Adler  oder  die  T.  oder 
sonst  ein  Vogel  das  Symbol  des  göttlichen  Geistes  sei,  nirgends  hervor.  |!  In  B'^rakh  3* 
wird  der  Ton  einer  göttl.  Himmelsstimme  mit  dem  Girren  der  Taube  verglichen:  (Elias, 
der  dem  R.  Jose  b.  Chalaphta,  um  150,  an  einer  der  Ruinen  Jerusalems  erschien,  sprach 
zu  ihm:)  Mein  Sohn,  was  für  eine  Stimme  hast  du  in  dieser  Ruine  vernommen?  Ich 
antwortete  ihm:  Ich  habe  eine  Himmelsstimme  (Bath-Qöl)  vernommen,  die  wie  eine  T. 
girrte  u.  rief:  Wehe,  daß  ich  mein  Haus  zerstört  u.  meinen  Tempel  verbrannt  u.  meine 
Kinder  unter  die  Völker  verbannt  habe!  Er  sprach  zu  mir:  Bei  deinem  Leben  u.  dem 
Leben  deines  Hauptes!  nicht  bloß  in  diesem  Augenblick  sprach  sie  (die  Bath-Qöl)  also, 
sondern  Tag  für  Tag  spricht  sie  also  dreimal;  u.  nicht  dies  allein,  sondern  zu  der  Zeit, 
da  die  Israeliten  in  die  Synagogen  u.  Lehrhäuser  gehen  u.  (dem  Vorbeter)  antworten: 
„Amen!    es  sei  sein  großer  Name  gepriesen!"    schüttelt  Gott   sein  Haupt  u.  spricht: 


Matth  3,  16.  17  {%)  125 

Heil  dem  König,  den  man  so  in  seinem  Hause  preist.  Was  hat  der  Vater  davon,  daß 
er  seine  Kinder  verbannte?  u.  wehe  den  Kindern,  die  vom  Tisch  ihres  Vaters  verbannt 
worden.  —  Die  Bath-Qol  gilt  als  schwacher  Ersatz  der  Prophetie,  kann  also  als  Stimme 
des  prophet.  Geistes  oder  des  heiligen  Geistes  angesehen  werden.  Wird  ihr  Klang  nun 
mit  dem  Girren  der  T.  verglichen,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  man  vom  heiligen 
Geist  unter  dem  Bilde  einer  Taube  gesprochen  hat.  Dafür  spricht  besonders  die  alle- 
gorische Auslegung  von  HL  2,  12  auf  die  Erlösung  Israels  aus  Ägyptenland  in  dem 
allerdings  späten  Targum  zur  Stelle:  „Mose  u.  Ahron,  die  den  Palmzweigen  gleichen, 
sind  erschienen,  um  Wunder  im  Lande  der  Ägypter  zu  tun,  u.  die  Zeit  der  Wegraffung 
der  (ägyptischen)  Erstgeborenen  ist  gekommen  (Ausdeutung  der  Textworte  ^'izTr.  n-), 
u.  die  Stimme  des  heiligen  Geistes  (Textwort  -irr.  '-nip  Stimme  der  Turteltaube)  von 
der  Erlösung,  von  der  ich  zu  eurem  Vater  Abraham  geredet  habe,  habt  ihr  schon  ver- 
nommen. Was  habe  ich  zu  ihm  gesagt?  ,Auch  das  Volk,  dem  sie  dienen  werden,  werde 
ich  richten,  u.  danach  werden  sie  mit  großer  Habe  ausziehen'  Gn  15,  14;  u.  jetzt  will 
icli  tun,  was  ich  mit  ihm  durch  mein  Wort  vereinbart  habe."  —  In  Midr  HL  2,  12  (100'') 
u.  P'^siqR  15  (73b),  wo  sich  diese  Allegorie  auch  findet,  wird  die  „Stimme  der  Turtel- 
taube" aber  nicht  auf  den  heiligen  Geist,  sondern  auf  Mose  gedeutet.  —  Jedenfalls 
gibt  es  in  der  älteren  Literatur  keine  Stelle,  in  der  die  Taube  klar  u.  deutlich  ein 
Symbol  des  heiligen  Geistes  wäre. 

3,17  51:  Eine  Stimme  vom  Himmel  her  sprach. 
?-ip  rz,  aram.  a\'^  r-n?  oder  b\:  r-n?  =  „Tochter  der  Stimme",  wird 
von  den  Tosaphisten  zu  Sanh  11*  also  erklärt:  Man  hörte  nicht  die 
Stimme,  die  vom  Himmel  ausging,  sondern  aus  dieser  Stimme  ging 
eine  andre  Stimme  hervor;  wie  wenn  ein  Mensch  mit  Gewalt  einen 
Schlag  ausführt  u.  man  hört  einen  zweiten  Ton,  der  in  der  Ferne  aus 
ihm  (dem  Schlag)  hervorging.  Eine  solche  Stimme  hörte  man;  deshalb 
nannte  man  sie  „Tochter  der  Stimme".  —  Hiernach  ist  die  Bath-Qol 
gedacht  als  der  Widerhall  (Echo),a  der  von  einer  Gottesstimme  im 
Himmel  ausgeht  u.  auf  der  Erde  gehört  wird.  —  Nachdem  die  prophet. 
Begabung  mit  den  letzten  Propheten  in  Israel  aufgehört  hat,  ist  man 
auf  die  Bath-Qol  angewiesen. b  Dieser  Ersatz  der  Prophetie  ist  aber 
kein  vollwertiger;  denn  während  das  prophet.  Wort  unmittelbar  vom 
heil.  Geist  (=  Geist  der  Prophetie)  ausging,  redet  Gott  durch  die  Bath- 
Qol  nur  mittelbare  zu  Israel;  sie  ist  eben  nur  Widerhall  der  Gottes- 
stimme. Damit  hängt  die  geringe  Wertschätzung  zus.,  die  man  zum 
Teil  der  Bath-Qol  entgegengebracht  hat.  So  wird  ihr  jede  autoritative 
Bedeutung  für  die  Entscheidung  in  halakhischen  Fragen  abgesprochen. d 
—  Joma9''  lesen  wir:  Resch  Laqisch  (um  250)  badete  im  Jordan;  es 
kam  Rabba  bar  bar  Ghana  (ein  Babylonier)  u.  gab  ihm  die  Hand.  Bei 
Gott,  sprach  Resch  Laqisch,  ich  hasse  euch  (Babylonier);  denn  es  heißt 
HL  8,9:  „Ist  sie  (im  Sinn  des  Midrasch:  die  Gemeinde  Israel)  eine 
Mauer,  so  bauen  wir  ein  Schloß  von  Silber  auf  sie;  ist  sie  aber  eine 
Tür,  so  verschließen  wir  sie  mit  einem  Zederbrett."  Wenn  ihr  (Baby- 
lonier) euch  selbst  zu  einer  Mauer  gemacht  hättet  ü.  allesamt  in  den 
Tagen  Esras  heraufgezogen  wäret  (nach  dem  Lande  Isr.),  so  wäret 
ihr  dem  Silber  gleich,  über  das  keine  Fäulnis  Gewalt  hat  (ohne  Bild: 
so  würde  die  göttliche  Gegenwart,  die  Sch^'khina,  in  Israel  wohnen, 


126  Matth  o,  17  (31) 

wie  vordem  zur  Zeit  des  Tempels  Salomos);  jetzt  aber,  da  ihr  wie 
Türen  (d.  h,  vereinzelt)  heraufgezogen  seid,  gleicht  ihr  einer  Zeder, 
in  der  Fäulnis  herrscht  (der  Geist  der  Prophetie  ist  gewichen,  nur  die 
Bath-Qol  ist  geblieben).  Welche  Zeder  ist  hier  gemeint?  ?Ulla  (um  280) 
sagte:  Die  wurmstichige.  Was  ist  damit  gemeint?  R.  Abba  (um  290) 
sagte:  Die  Bath-Qol  (d.  h.  wie  an  der  wurmstichigen  Zeder  nur  wenig 
brauchbares  Holz  sich  findet,  so  ist  Israel  die  Bath-Qol  verblieben  als 
dürftiger  Überrest  des  entschwundenen  Geistes  der  Prophetie):  wie 
es  in  der  Bar  heißt:  Als  die  letzten  Propheten  Haggai,  Sacharja  u. 
Maleachi  gestorben  waren,  entschwand  der  heil.  Geist  (Geist  der  Pro- 
phetie) aus  Israel,  so  daß  sie  sich  jetzt  der  Bath-Qol  bedienen  (zu 
dieser  Bar  vgl.  die  Zitate  in  Anmerk.  Z*).  —  R.  I^uben,  gegen  300,  ver- 
anschaulichte den  Wert  der  Bath-Qol  Midr  HL  zu  8,  9  f.  (132 ")  durch 
dieses  Gleichnis:  Wenn  der  König  in  einer  Stadt  weilt,  so  ruft  man 
bittend  zu  ihm,  u.  er  tut  (um  was  man  gebeten  hat);  wenn  der  König 
aber  nicht  in  der  Stadt  weilt,  so  ist  sein  Standbild  wohl  da,  allein 
dies  kann  nicht  tun,  was  der  König  tut  (so  ist  die  Bath-Qol  an  die 
Stelle  der  Prophetie  getreten,  aber  jene  kann  nicht  wirken,  was  diese 
wirkte  Matt.  K^'hunna).  —  Günstiger,  aber  doch  die  Armseligkeit  der 
Bath-Qol  hervorhebend,  lautet  das  Urteil  des  R.  Aibo,  um  320,  Midr 
HL  zu  8,  9  f.  (132'^):  Gott  hat  gesagt:  Ich  werde  den  Israeliten  einen 
Fürsprecher  unter  den  Völkern  der  Welt  schaffen.  Wer  ist  das?  Die 
Bath-Qol,  vgl.  Jesl,9:  „Wenn  nicht  Jahve  Q'^baoth  uns  einen  Rest 
hätte  übrig  bleiben  lassen  spärlich  genug,  wie  Sodom  wären  wir  ge- 
worden, wären  Gomorra  gleich!"  —  Auch  hier  liegt  die  Anschauung 
vor,  daß  die  Bath-Qol  ein  dürftiger  Überrest  des  Geistes  der  Prophetie 
sei;  vgl.  hierzu  bei  Joh  14, 16  Anm.  h.  —  Die  Bath-Qol  geht  aus  von 
den  Stätten,  an  denen  Gott  weilt,  bezw.  geweilt  hat:  vom  Himmel,« 
vom  Heiligtum, f  vom  Horeb.g  Ungewöhnlich  heißt  es  im  Targ  Jerusch  II 
zu  Nu  21,  6:  „Eine  Bath-Qol  ging  aus  von  der  Erde  u.  die  Stimme 
ward  in  den  Höhen  (=  Himmel)  gehört."  Diese  Ausdrucksweise  wird 
mit  dem  Streben  zusammenhangen,  das  böse  Verhängnis  von  Nu  21,  6 
nicht  auf  Gott  zurückzuführen;  vgl.  das  Zitat  Anm.  c.  Der  Targ  Jerusch  I 
zur  St.  lautet:  „Eine  Bath-Qol  fiel  vom  hohen  Himmel  u.  sprach  also" 
etc.  —  Die  Aufgabe  der  Bath-Qol  wird  Sota  33 '^  dahin  bestimmt,  daß 
sie  eine  Botschaft  übermitteln  soll:  v^-riv-  -^^-i^oaxb,  zum  Verkündigen  ist 
sie  da.  Deshalb  darf  sie  auch  in  aramäischer  Sprache  ergehn,  obgleich 
diese  Sprache  sonst  bei  den  Himmlischen  nicht  beliebt  ist  Sota  33»; 
auch  Midr  HL  zu  8,  9  f.  (132"^)  wird  einmal  ausdrücklich  auf  das  aram. 
Idiom  einer  Bath-Qol  hingewiesen.  —  Ihrer  Aufgabe  entsprechend  ist 
die  Bath-Qol  mefst  kurz  gehalten;  doch  fehlt  es  auch  nicht  an  Aus- 
nahmen. Die  umfangreichste  dürfte  sich  Apoc  Bar  13, 1  ff.  finden.  — 
Der  Inhalt  der  einzelnen  Himmelsstimmen  ist  gar  mannigfach,  wie  die 
unten  folgenden  Beispiele h  zeigen:  sie  trösten,  warnen,  mahnen,  strafen, 


Matth  3,  17  (%}  127 

entscheiden  usw.:  bes.  beliebt  ist  die  Bath-Qol  da,  wo  es  gilt,  einem 
Menschen  die  Anteilnahme  an  der  Seligkeit  des  Himmels  oder  aii  der 
zukünftigen  Welt  zu  besiegeln.» 

Noch  sei  darauf  hingewiesen,  daß  der  Ausdruck  b-p  rr  an  einigen, 
Stellen  seine  ursprüngliche  Bedeutung  „Himmelsstimme"  verloren  hat 
u.  etwa  soviel  wie  „Omen"  ist.k  Aber  daß  ein  Sprichwort  Bath-Qot 
genannt  werde  (Weber  2  195),  läßt  sich  nicht  beweisen. 1 

a.  ExR  29  (89"):  „Diese  Worte  redete  Jahve  zu  eurer  ganzen  Versammlung  .  .  .^ 
mit  lauter  Stimme,  die  nicht  noch  einmal  war*  Dt  5,  19  (sich  nicht  wiederholte;  so» 
der  Midrasch).  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt:  ,die  nicht, 
noch  einmal  war"  V  Wenn  ein  Mensch  einem  andren  etwas  zuruft,  so  hat  seine  Stimme 
eine  Bath-Qol  (Echo);  aber  die  Stimme,  die  aus  Gottes  Mund  hervorging,  hatte  keine^ 
Bath-Qol.  II  Midr  HL  1,3  (85*):  Wie  das  Öl  keine  Bath-Qol  hat  (wenn  man  es  in  ein. 
Gefäß  gießt),  so  hat  auch  Israel  (in  seinen  Klagen)  keine  Bath-Qol  in  dieser  Welt;, 
aber  von  der  zukünftigen  Welt  heißt  es  Jes29,  4:  ,Tief  unten  vom  Boden  wirst  du. 
sprechen  u.  gedämpft  wird  aus  dem  Staube  deine  Rede  tönen"  usw.  —  Diese  Stellen, 
zeigen,  daß  Bath-Qol  nichts  andres  als  Widerhall  oder  Echo  bedeutet. 

b.  TSota  13,  2  (318):  Als  Haggai,  Sacharja  u.  Maleachi,  die  letzten  Propheten,  ge- 
storben waren,  schwand  der  heilige  Geist  (Geist  der  Prophetie)  aus  Israel;  gleichwohl, 
ließ  man  (=  Gott)  sie  die  Bath-Qol  hören.  Parallelstellen:  pSota  !»,  13  (24b,  21 );  als. 
Bar  Sota  48'';  Sanhll»;  Joma9b;  Midr  HL  zu  8,  9  f.  (132b).  —  Das  Fehlen  des  prophet. 
Geistes  in  Israel  wird  etlichemal  (s.  Anm.  // 8)  auf  die  Unwürdigkeit  des  jeweiligen; 
(jleschlechts  zurückgeführt.  Andrerseits  hat  man  die  Gabe  der  Prophetie,  das  Schauen 
im  heiligen  Geist,  ausdrücklich  dem  Rabban  Gamlißl  IL,  um  90,  nachgerühmt  TP^'s. 
1.27(157);  fErub64b;  LvR  37  (I33<3);  pfAZ  l,40^44;  ebenso  dem  R.  ?Aqiba,  f  um  135, 
LvR  21  (120");  dem  R.  Meiir,  um  150,  pSota  1.  lö»^,  42  u.  dem  R.  Schim?on  b.  Jochai, 
um  150,  P"siq  90»;  s.  die  Stellen  bei  Lk  2,  25. 

C.  Targ  KL  3,  38 :  Aus  dem  Munde  Gottes  geht  Schlimmes  (Unglück)  nicht  hervor,, 
sondern  durch  eine  Bath-Qol  wird  es  angedeutet  wegen  der  Gewalttaten,  von  denen 
die  Erde  voll  ist;  wenn  er  aber  Gutes  über  die  Welt  beschließen  will,  so  geht  es  aus- 
seinem  heiligen  Mund  hervor. 

d.  B^rakh  52 »  u.  Chullin  44»:  R.  J^hoschua?  (b.  Ghananja,  um  90)  hat  gesagt:  Man. 
nimmt  auf  eine  Bath-Qol  keine  Rücksicht  (nämlich  bei  der  Entscheidung  über  Fragen 
halakhischer  Art).  —  \\  BM  59b  Bar:  An  jenem  Tage  (als  über  den  ,Ofen  des  fAkhnai 
"S3:>'"  Kelim  5, 10  debattiert  wurde)  machte  R.  Eli?ezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  alle  mög- 
lichen Einwendungen,  aber  man  nahm  sie  nicht  an.  Da  sprach  er  zu  ihnen:  Wenn  die- 
Halakha  (die  gesetzl.  Bestimmung)  so  ist,  wie  ich  sage,  so  möge  dieser  Johannisbrot- 
banm  Beweis  sein.  Da  wurde  der  J.  100  Ellen  weit  von  seinem  Standort  ausgerissen;.  ' 
einige  sagen  400  Ellen  weit.  Man  antwortete  ihm:  Man  bringt  keinen  Beweis  voa 
einem  J.  —  Wiederum  sprach  er  zu  ihnen:  Wenn  die  Halakha  so  ist,  wie  ich  sage,. 
so  möge  ein  Wasserlauf  Beweis  sein.  Da  floß  der  W.  rückwärts.  Man  antwortete  ihm: 
.Man  bringt  keinen  Beweis  von  einem  W.  —  Wiederum  sprach  er  zu  ihnen:  Wenn  die- 
Halakha  so  ist,  wie  ich  sage,  so  mögen  die  Wände  des  Lehrhauses  Beweis  sein.  Da 
neigten  sich  die  Wände  des  L.  zum  Einfallen.  Aber  R.  J'^hoschuaf  (b.  Chananja,  um  90). 
fuhr  sie  an  u.  sprach:  Wenn  die  Gelehrtenschüler  miteinander  kämpfen  in  der  Halakha, 
was  geht  das  euch  an!  Da  fielen  sie  nicht  ein  wegen  der  Ehre  des  R.  J'^hoschua?,  aber 
sie  richteten  sich  auch  nicht  auf  wegen  der  Ehre  des  R.  Elifezer.  Und  noch  immer 
stehen  sie  geneigt.  —  Wiedetum  sprach  er  zu  ihnen:  Wenn  die  Halakha  so  ist,  wie^ 
ich  sage,  so  mag  vom  Himmel  aus  der  Beweis  kommen!  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,, 
welche  sprach:  Was  habt  ihr  mit  R.  Eli?ezer  zu  schaffen"?  Die  Halakha  richtet  sich 
überall  nach  seiner  Meinung!  Aber  R.  J'^hoschua?  stellte  sich  auf  seine  Füße  u.  sprach i 
, Nicht  im  Himmel  ist  sie"  (im  Sinn  des  Midrasch:  die  Tora)  Dt  30,  12.  —  Was  heißt 


128  *  Matth  3,  17  (31) 

das:  , Nicht  iin  Himmel  ist  sie"?  R.  Jirra^^ja  (um  320)  hat  gesagt:  Die  Tora  ist  längst 
vom  Berge  Sinai  gegeben  worden.  —  Wir  nehmen  auf  eine  Bath-Qol  keine  Rücksicht; 
denn  längst  hast  du  (Gott)  vom  Berge  Sinai  her  in  der  Tora  geschrieben  Ex  28,2: 
Nach  der  Mehrzahl  (Majorität)  sollst  du  dich  richten  (so  der  Midrasch).  R.  Nathan  lum 
160)  traf  den  (Propheten)  Elias  u.  sprach  zu  ihm:  Was  machte  Gott  in  jener  Stunde?  Er 
antwortete  ihm:  Er  lachte  u.  sprach:  Meine  Kinder  haben  mich  besiegt,  meine  Kinder 
haben  mich  besiegt!  —  Man  hat  gesagt:  An  jenem  Tage  brachte  man  alles  Reine,  was 
R.  Elifezer  für  rein  erklärt  hatte,  u.  verbrannte  es  mit  Feuer.  Dann  stimmte  man  über 
ihn  ab  u.  verfluchte  ihn  (verhängte  den  Bann  über  ihn;  s.  den  Exkurs  „Synagogenbann"). 

e.  Vgl.  Anm.  A  Nr.  8.         /.  Vgl.  Anm.  Ä  Nr.  1.         g".  Vgl.  Änm. /t  Nr^ie  u.  22. 

h.  Aus  der  unendlichen  Fülle  von  Beispielen  seien  folgende  hervorgehoben: 

1.  pSota  ^),  13  r24b,  22):  Einmal  hörte  Schimfon  der  Gerechte  (IL,  um  -^00  v.  Chr.), 
wie  eine  Bath-Qol  aus  dem  Allerheiligsten  hervorging,  welche  sprach:  „Getötet  ward 
cp^'-i;  c--; '  u.  beseitigt  sind  seine  Edikte!"  —  Einmal  war  eine  junge  Mannschaft  nach 
Antiochia  in  den  Krieg  gezogen;  da  hörte  der  Hohepriester  Jochanan  (=;  Johannes 
Hyrkanus,  135 — 104  v.Chr.)  eine  Bath-Qol,  die  aus  dem  Allerheiligsten  hervorging,  u. 
sprach :  „Die  Jünglinge  haben  gesiegt,  die  in  Antiochia  Krieg  geführt  haben."  —  Parallel- 
stellen: Sota  '^2>°-  als  Bar;  T>ota  13,  5  f.  (319).  In  der  letztern  heißt  es  statt  Bath-Qol: 
„er  hörte  aus  dem  Allerheiligsten",  bezw.:  „er  hörte";  in  der  erstem:  „er  hörte  aus 
dem  Allerheiligsten",  bezw.:  „er  hörte  eine  Stimme  aus  dem  Allerheiligsten":  beide 
Stellen  weisen  auf  den  aram.  Wortlaut  des  Gehörten  hin. 

2.  M^g  3^:  R.  Jirm'^ja  (um  320),  nach  andern  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  ge- 
sagt: Den  Targum  zur  Tora  hat  der  Proselyt  Onkelos  gesagt  nach  den  Worten  des 
R.  Elifezer  (um  90  n.Chr.)  u.  des  R.  J^hoschuaf  (um  90).  Den  Targum  zu  den  Pro- 
pheten hat  Jonathan  b.  fUzziel  Zeitgenosse  Jesu)  gesagt  nach  den  Worten  des  Haggai, 
Sacharja  u.  Maleachi.  Da  erbebte  das  Land  Israel  4ü0  Parasangen  weit  im  Geviert  u. 
eine  Bath-Qol  gmg  aus,  welche  sprach:  „Wer  ist  der,  der  meine  Geheimnisse  den 
Menschenkindern  offenbart  hat?"  Da  trat  Jonathan  b.  ?üzziel  auf  seine  Füße  u.  sprach: 
Ich  bin  es,  der  deine  Geheimnisse  den  Menschenkindern  offenbart  hat.  Offenbar  u.  kund 
ist  es  vor  dir,  daß  ich  es  nicht  zu  meiner  Ehre  getan  habe,  auch  nicht  zur  Ehre  meines 
Vaters,  sondern  zu  deiner  Ehre  habe  ich  es  getan,  damit  sich  nicht  die  Parteiungen 
in  Israel  mehren.  Auch  wollte  er  den  Targum  zu  den  Hagiographen  veröffentlichen; 
aber  eine  Bath-Qol  ging  aus,  welche  zu  ihm  sprach:  „Es  sei  genug."  Aus  welchem 
Grunde?  Weil  darin  (speziell  wohl  das  Buch  Daniel  gemeint)  der  Termin  (der  Ankunft) 
des  Messias  enthalten  ist. 

3.  fErub  13 b;  R.  Abba  (um  290)  hat  gesagt,  Schemuel  (f  254)  habe  gesagt:  Drei 
Jahre  stritten  die  Schulen  Schammais  u.  Hilleis  (1.  Jarh.  n.  Chr.);  jene  sprachen:  Die 
Halakha  entspiicht  unsrer  Meinung;  u.  diese  sprachen:  Die  Halakha  entspricht  unsrer 
Meinung!  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Diese  Worte  sowohl  wie  jene 
sind  Worte  des  lebendigen  Gottes;  aber  die  Halakha  richtet  sich  nach  der  Schule 
Hillels!"  —  Dasselbe  kürzer  als  Bar  pB^rakh  1,  o^,  H9;  hier  der  Zusatz,  daß  nach 
R.  Jochanan  if  279)  die  Bath-Qol  in  Jahne  (dem  ersten  Sammelpunkt  der  Hilleliten 
nach  der  Zerstörung  Jerusalems)  ergangen  sei.  —  Auf  diese  Bath-Qol  wird  mehrfach 
Bezug  genommen,  zB  B'^rakh  51'';  Chuilin  44^;  pB'rakh  1,3^,  H5. 

4.  Gittin  5ii'':  (Als  Titus  nach  der  Zerstörung  des  Heiligtums  bei  seiner  Rückkehr 
nach  Rom  eine  stürmische  Meerfahrt  liatte,  lästerte  er  Gott:)  Es  will  mir  scheinen, 
als  ob  der  Gott  dieser  (Juden)  nur  im  Wasser  seine  Kraft  besitzt:  es  kam  der  Pharao,  er 
versenkte  ihn  ins  Wasser.   Desgleichen  Sissera:  Auch  wider  mich  erhebt  er  sich,  mich 


^  Dieser  Name  wird  meist  =  Gaius  Caligula  gedeutet,  was  des  argen  Anachronis- 
mus wegen  abzulehnen  ist.  In  Seder  fOlaniR  30  wird  c^t-c;  als  letzter  griechischer 
(syrischer)  Herrscher  nach  Antiochus  aufgezählt;  vielleicht  ist  an  den  syrischen  Feld- 
herrn Gorgias  zu  denken;  dann  wäre  der  Name  zu  deuten:  „Der  Räuber  (c"?)  Gor- 
gias" ;  ein  Anachronismus  bliebe  freilich  auch  so  bestehn. 


MatthS,  17(5t  Anm.h)  129 

im  Wasser  untergehen  zu  lassen.  Wenn  er  ein  Held  ist,  so  komme  er  aufs  trockne 
Land  u.  führe  mit  mir  Krieg!  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  ,Du  Frevler, 
Sohn  eines  Frevlers,  Nachkomme  des  frevlerischen  Esau,  ein  kleines  Geschöpf  habe 
ich  in  meiner  Welt,  Mücke  ist  sein  Name  .  .  .,  komm  aufs  trockne  Land  u.  führe  mit 
ihr  Krieg!"  Er  stieg  ans  Land;  eine  Mücke  kam  u.  drang  in  seine  Nase  u.  durchbohrte 
sieben  Jahre  lang  sein  Gehirn  (bis  er  daran  starb).  —  In  den  Parallelstellen  GnR  10 
(7d);  LvR  1-1  (12P);  NuR  18  (185'');  Midr  Qoh  5,  8  (Sß'')  wird  die  Bath-Qol  nicht  er- 
wähnt; es  heißt  einfach:  „Gott  sprach." 

5.  SDt  34,  5  §  357  (149'^):  R.  Eli?ezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  hat  gesagt:  Eine  Bath- 
Qol  ging  (in  der  Sterbestunde  Moses)  aus  durch  das  Lager  Israels  zwölf  Mil  im  Geviert, 
welche  verkündete:  „Mose  ist  gestorben!"  —  Als  Bar  Sota  13'':  Gestorben  ist  Mose, 
der  große  Lehrer  Isl'aels,  "'ss— :;-n  na-^  n-eo. 

6.  Ta?an  25b:  Einmal  trat  R.  Eli?ezer  (um  90)  vor  die  Lade  u.  sprach  24  Bene- 
diktionen (damit  Regen  niederfalle);  aber  er  ward  nicht  erhört.  Da  trat  nach  ihm 
R.  ?Aqiba  (f  um  135)  vor  u.  sprach:  „Unser  Vater,  unser  König,  wir  haben  keinen  König 
außer  dir;  unser  Vater,  unser  König,  um  deinetwillen  erbarme  dich  über  uns!"  Da  fiel 
Regen  hernieder.  Als  die  Rabbinen  murrten,  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach: 
„Nicht  weil  dieser  größer  ist  ajs  jener,  sondern  weil  dieser  nachgiebig  ist  (wörtlich: 
an  seinen  Eigenschaften,  Grundsätzen  vorübergeht)  u.  jener  nicht."  —  Anders  u.  ohne 
Erwähnung  der  Bath-Qol  pTa?an  3,  66"',  64. 

7.  pTa?an  4,  68 '^,  65;  Midr  KL  zu  2,  2  (63^):  Sofort  (nachdem  Bar  Kokh'^ba  seinen 
Oheim,  den  R.  El?azar  aus  Modifim,  durch  einen  Fußtritt,  etwa  135  n.  Chr.,  getötet 
hatte)  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Wehe,  du  nichtsnutziger  Hirt,  der  die 
Herde  im  Stich  läßt!  Schwert  über  seinen  Arm  u.  sein  rechtes  Auge!  Sein  Arm  müsse 
gar  verdorren  u.  sein  rechtes  Auge  gar  erblinden!  (Sach  II,  17).  Du  hast  den  R.  Elfazar 
aus  Modi?im  getötet,  den  Arm  von  ganz  Israel  u.  ihr  rechtes  Auge;  deshalb  soll  der 
Arm  dieses  Mannes  (d.  h.  dein  Arm)  gar  verdorren  u.  sein  rechtes  Auge  gar  erblinden." 
Alsbald  wurde  Beth  ther  (der  Schauplatz  der  Tätigkeit  des  Bar  Kokh*^ba)  eingenommen 
u.  Ben  Kozeba  (=  Bar  Kokh^ba,  s.  S.  13.  76)  getötet. 

8.  TSota  13,  3  f.  (318):  Einmal  waren  die  Gelehrten  in  dem  Hause  des  Gurja  "-i; 
(s"i;,  n---;  liest  der  Babli;  die  pal.  Gemara  u.  Midr  HL  lesen  s--;)  in  Jericho  zu- 
sammengetreten. Da  hörten  sie  eine  Bath-Qol,  welche  sprach:  „Hier  ist  ein  Mensch, 
der  des  heiligen  Geistes  (d.h.  des  Geistes  der  Prophetie)  würdig  ist;  allein  sein  Ge- 
schlecht (Zeitalter)  verdient  es  nicht."  Man  richtete  die  Augen. auf  Hillel,  den  Alten 
(um  20  V.  Chr.).  .  .  .  Ein  andermal  saßen  sie  in  Jahne  u.  hörten  eine  Bath-Qol,  welche 
sprach:  „Hier  ist  ein  Mensch,  der  des  heiligen  Geistes  würdig  ist;  allein  sein  Ge- 
schlecht verdient  es  nicht."  Man  richtete  die  Augen  auf  Sch'^muel  den  Kleinen  (um 
lOü  n.  Chr.).  Parallelstellen :  pSota  S>,  24  ^  27 ;  bSota  48 '' ;  Sanh  1 1 »  (in  den  beiden  letzten 
Stellen:  „Es  ließ  sich  eine  Bath-Qol  ,vom  Himmel  her'  über  ihnen  vernehmen");  Midr 
HL  8,  9  f.  (132  b).  —  Der  Bericht  des  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  über  obige  Ereignisse,  der 
sich  pSota  !>,  24'-",  33;  p$AZ  3,  42  S  28;  pHor  3,  48  ^  35  findet,  macht  in  anachronistischer 
Weise  Sch'^^muel  den  Kleinen  zu  einem  Zeitgenossen  Hillels  u.  verherrlicht  den  R.  Eli?ezer 
b.  Hyrkanos,  um  90  n.  Chr.,  als  dritten,  der  des  heiligen  Geistes  würdig  gewesen. 

9.  B''rakh3a  Bar:  (Der  Prophet  Elias  fragt  den  R.Jose  b.  Chalaphta,  um  150, 
nachdem  dieser  in  einer  der  Ruinen  Jerusalems  sein  Gebet  verrichtet  hat:)  Mein  Sohn, 
welche  Stimme  hast  du  in  dieser  Ruine  gehört?  Ich  antwortete  ihm:  Eine  Bath-Qol 
habe  ich  gehört,  die  wie  eine  Taube  girrte  (r^irtj»::  brummte,  summte):  „Wehe,  daß 
ich  mein  Haus  zerstört  u.  meinen  Tempel,  •is-r! ,  verbrannt  u.  meine  Kinder  unter  die 
Nationen  vei bannt  habe!"  (s.  die  ungekürzte  Stelle  S.  124). 

10-  BM  85":  Als  R.  Jose  b.  Elfazar  (b.  Schimfon  b.  Jochai,  um  180)  verstorben  war, 
wollte  man  ihn  in  der  Grabhöhle  seines  Vaters  beisetzen.  Es  lag  aber  eine  Schlange 
zusammengerollt  vor  der  Höhle;  man  sprach  zu  ihr:  Schlange,  Schlange,  öffne  deinen 
Mund  (Raschi  zu  BM  84b:  Entferne  deinen  Schwanz  aus  deinem  Munde,  um  Raum  zum 
Eintritt  zu  schaffen),  damit  der  Sohn  zu  seinem  Vater  komme.  Aber  sie  öffnete  ihn 
Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  9 


130  MatthS,  17  (3t  Anm.  h) 

nicht.  Das  Volk  meinte,  weil  jener  (dei-  Vater)  größer  sei  als  dieser  (der  Sohn).  Da 
ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  Nicht  weil  jener  größer  ist  als  dieser,  sondern 
weil  jener  in  der  Not  der  Höhle  sich  befunden  hat  u.  dieser  nicht  (R.  Elfazar  soll  in 
einer  Verfolgungszeit  13  Jahre  mit  seinem  Vater  Schim?on  in  einer  Höhle  zugebracht 
haben  Schab  ö3b). 

11.  Sanh  94^:  R.  Tanchum  (wohl  b.  Chanilai,  um  280)  hat  gesagt:  Bar  Qappara 
(um  220)  hat  in  Sepphoris  öffentlich  vorgetragen :  Warum  ist  jeder  in  der  Mitte  eines 
Wortes  sich  findende  Mem-Buchstabe  offen  geschrieben  u.  das  Mem  in  ~3-cJ:  Jes  9,  6 
geschlossen  (wie  das  Mem  finale)?  Es  wollte  Gott  den  Hiskia  zum  Messias  u.  Sanherib 
zu  Gog  u.  Magog  machen;  aber  die  göttliche  Gerechtigkeit  sprach  vor  Gott:  Herr  der 
Welt,  den  David,  den  König  Israels,  der  viele  Lieder  u.  Lobgesänge  vor  dir  gesprochen 
hat,  hast  du  nicht  zum  Messias  gemacht,  u.  den  Hiskia,  dem  du  alle  diese  Wunder 
getan  hast  u.  der  kein  Lied  vor  dir  gesagt  hat,  willst  du  zum  Messias  machen?  Des- 
halb wurde  das  Mem  sofort  geschlossen.  Da  öffnete  die  Erde  ihren  Mund  u.  sprach 
vor  ihm:  Herr  der  Welt,  ich  will  vor  dir  ein  Lied  sagen  an  Stelle  dieses  Gerechten, 
nur  mache  ihn  zum  Messias.  Sie  hob  an  u.  sprach  ein  Lied  vor  ihm,  s.  Jes  24,  16: 
,Vom  Saume  der  Erde  hören  wir  Gesänge:  ,Willfahre  dem  Gerechten'!"  (so  der  Midr). 
Es  spiach  der  Fürst  der  Welt  (ein  Engelfürst,  der  dehi  Gesamt-Naturleben  vorsteht) 
vor  ihm:  Herr  der  Welt,  tue  diesem  Gerechten  seinen  Willen!  Da  ging  eine  Bath-Qol 
aus,  welche  sprach:  Mein  Geheimnis  für  mich!  Mein  Geheimnis  für  mich!  (Jes  24, 16 
nach  Auffassung  des  Midrasch).  Der  Prophet  sprach :  Wehe  mir,  wehe  mir,  wie  lange 
noch?  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  Solange  die  Treulosen  treulos  sind, 
ja  die  Treulosen  treulos  sind!  (das.) 

12.  M^'g  29=^:  Bar  Qappara  (um  220)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt  Ps  68, 17: 
jWozu  wollt  ihr  rechten,  ihr  buckligen  Berge?"  (so  der  Midrasch).  Es  ging  eine  Bath- 
Qol  aus,  die  zu  ihnen  sprach:  , Warum  wollt  ihr  rechten  (i'-n-r  wird  gedeutet  =  is-.i 
•--)  mit  dem  Sinai?  Ihr  alle  seid  mit  Fehlern  behaftet  gegenüber  dem  Sinai."  Es  heißt 
hier:  , Bucklige  Berge";  u.  es  heißt  dort  Lv  21,20:  „Kein  Buckliger"  (soll  Gotte  nahen). 

13.  BQ  58'*:  R.  BannaJa  (um  220)  kennzeichnete  (Grab-)Höhlen  (durch  Kalkanstrich; 
dies  geschah,  damit  die  Priester  die  Grabstätten  erkennen  u.  meiden  möchten.  Bei 
dieser  Gelegenheit  war  er  auch  Abrahams  in  dessen  Grabhöhle  ansichtig  geworden). 
Als  er  an  die  Grabhöhle  des  ersten  Menschen  kam,  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche 
sprach:  „Das  Bild  meines  (Gottes)  Ebenbildes  (d.  h.  Abraham,  den  Nachkommen  Adams) 
hast  du  geschaut,  mein  (Gottes)  Ebenbild  selbst  (d.  h.  Adam)  kannst  du  nicht  schauen!" 

14.  Midr  Qoh  zu  7,  16  (36'^):  R.  Huna  (um  350)  u.  R.  Bannaja  (=  R.  Banna^a  in 
Nr.  13)  haben  gesagt:  Saul  fing  an  mit  seinem  Schöpfer  zu  rechten  u.  sprach:  So  hat 
Gott  gesagt:  „Geh  u.  schlage  fAmaleq"  usw  (1  Sm  15,  3).  Wenn  die  Männer  gesündigt 
haben,  was  haben  die  Frauen  u.  die  Kinder  u.  die  Ochsen  u.  Esel  gesündigt?  Da  ging 
eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Sei  nicht  allzu  gerecht  (Qoh  7, 16),  mehr  als  deia 
Schöpfer!"  —  Die  Rabbanan  sagten:  Er  fing  an  zu  rechten  wegen  des  Kalbes,  dem 
das  Genick  gebrochen  werden  soll.  Er  sprach:  Es  heißt  Dt  21,  4:  „Sie  sollen  dort  dem 
Kalb  im  Tale  das  Genick  brechen."  Jener  hat  getötet  u.  diesem  soll  das  Genick  ge- 
brochen werden?  Wenn  der  Mensch  gesündigt  hat,  was  hat  das  Tier  gesündigt?  Da 
ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  ,.Sei  nicht  allzu  gerecht!"  —  Beide  Auslegungen 
hat  R.  Mani  (IL,  um  870)  nach  Joma22^  miteinander  verbunden  n.  dann  mit  folgenden 
Worten  geschlossen:  Als  Saul  zu  Doeg  sprach  1  Sm  22, 18:  „Wende  dich  herzu  u.  mache 
dich  an  die  Priester!"  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  zu  ihm  sprach:  „Sei  nicht  allzu 
gottlos!"  Qoh  7, 17. 

15.  Sanh  10415:  Rah  J<^huda  (t  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Sie  (die 
Gelehrten)  wollten  noch  einen  dazuzählen  (zu  den  von  der  zukünftigen  Welt  aus- 
geschlossenen Königen  Israels,  nämlich  den  Salomo);  da  kam  das  Bild  seines  (des 
Salomo)  Vaters  u.  streckte  sich  (bittend)  vor  ihnen  nieder;  aber  sie  nahmen  keine 
Rücksicht  darauf.  Es  kam  Feuer  vom  Himmel,  u.  das  Feuer  leckte  an  ihren  Bänken 
(im  Lehrhaus);  aber  sie  nahmen  keine  Rücksicht  darauf.   P]s  ging  eine  Bath-Qol  aus,. 


Matth  3, 17  (31  Anm.  h)  131 

die  zu  ihnen  sprach:  „Siehst  du  einen  Mann,  der  hurtig  ist  in  seinem  Geschäft:  vor 
Königen  kann  der  sich  stellen,  nicht  wird  er  sich  vor  ünberühmten  (wörtlich :  Dunklen) 
stellen"  Spr  22,  29.  „Der,  welcher  mein  Haus  dem  seinigen  ließ  voraufgehn,  u.  nicht 
bloß  dies,  der  mein  Haus  in  sieben  Jahren  u.  das  seinige  in  dreizehn  Jahren  erbaut 
hat,  der  kann  sich  vor  Königen  stellen,  aber  nicht  wird  er  sich  vor  Unberühmten 
stellen!"  Aber  sie  nahmen  keine  Rücksicht  darauf.  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche 
sprach  Hi  34,  33:  ,Wird  er  etwa  nach  deinem  Sinn  Vergeltung  üben,  daß  du  verwirfst, 
daß  du  erwählst,  u.  nicht  ich?"  —  Dasselbe  NuR  14  (172'^)  mit  dem  Schlußsatz:  Sofort 
standen  sie  davon  ab,  den  Salomo  mit  ihnen  zu  verbinden  (den  von  der  zukünftigen 
Welt  Ausgeschlossenen  zuzuzählen).  —  Ähnlich,  aber  kürzer  mit  Ps  105,  15  (Tastet 
meine  Gesalbten  nicht  an!)  als  Inhalt  der  Bath-Qol  u.  dem  R.  J^'hoschua?  b.  Levi. 
um  250,  als  Autor  Midr  HL  Eiul.,  78*^;  in  andrer  Fassung  u.  ohne  Einführung  einer 
Bath-Qol  findet  sich  dieser  Ausspruch  des  R.  J'^hoschua?  b.  L.  P^'siqR  6  (23'*).  —  In 
pSanh  10,  29t>,  34  haben  Rabs  Ausführung  R.  Chanina,  um  225,  u.  R.  J'^hoschua?  b.  Levi. 

16.  B^rakh  17^:  Rab  J'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rah  (f  247)  habe  gesagt:  Tag  für 
Tag  geht  eine  Bath-Qol  aus  vom  Berge  Horeb,  welche  spricht:  „Die  ganze  Welt  wird 
ernährt  wegen  meines  Sohnes  Ghanina  (b.  Dosa,  eines  Asketen  um  70  n.  Chr.),  u.  mein 
Sohn  Chanina  läßt  sich  genügen  an  einem  Qab  Johannisbrot  von  einem  Sabbatvorabend 
bis  zum  andern.  —  Dasselbe  Ta?an  24  b;  Chullin  Stv''. 

17.  Sota2a:  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Vierzig  Tage 
vor  der  Bildung  des  Kindes  (im  Mutterleib)  geht  eine  Bath-Qol  aus,  welche  spricht: 
„Die  Tochter  von  dem  u.  dem  ist  bestimmt  für  den  u.  den,  u.  das  Haus,  das  Feld  von 
dem  u.  dem  für  den  u.  den." 

18.  Schab  56 b:  „Der  Sohn  Jonathans  war  Merib-Ba?al"  1  Chr  8,  34.  Hieß  er  denn 
Merib  Bafal?  Hieß  er  nicht  Mephiboscheth?  (Vgl.  2  Sm  4,  4.)  Vielmehr  weil  er  Streit 
mit  seinen  Herren  anfing  (rVya  zv  r-.z—o  r,vjs),  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  zu 
ihm  sprach:  „Zänker,  Nachkomme  des  Zänkers"  (d.h.  des  Saul  nach  1  Sm  15,5  '■^-22  21^:, 
wobei  3-'  von  a—  hergeleitet  ist).  .  .  .  Rab  J®huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe 
gesagt:  Als  David  zu  Mephiboscheth  sprach:  Du  u.  (,!iba  sollt  den  Acker  teilen  (2  Sm 
19,  30),  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Rehabfam  u.  Jarob?am  sollen  das 
Reich  teilen." 

19.  Schab  149^:  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Als  jener 
Frevler  (Nebukadne^ar)  zum  Gehinnom  hinabfuhr,  erbebten  alle,  die  in  den  G.  hinab- 
gefahren waren,  u.  fragten,  ob  er  käme,  über  sie  zu  herrschen,  oder  ob  er  käme, 
schattenhaft  zu  sein,  wie  sie,  s.  Jes  14,  10.  Da  ging  eine  Bath  Qol  aus,  welche  sprach: 
„Warst  du  nicht  anmutiger  als  irgendwer?  Fahre  hinab  u.  laß  dich  betten  neben  den 
Unbeschnittenen"  Ez  32, 19. 

20.  RH  21b:  (Rab,  f  247,  hat  gesagt:)  Qoheleth  {■=  Salomo)  wollte  dem  Mose 
gleich  sein.  Es  ging  aber  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Worte  der  Wahrheit  sind 
es:  Kein  Prophet  stand  in  Israel  mehr  auf  wie  Mose"  Dt  34, 10.  .  .  .  (Sch*=^muSl,  f  254, 
hat  gesagt:)  Qoheleth  wollte  Recht  sprechen  nach  dem  Herzen  ohne  Zeugen  u.  ohne  Ver- 
warnung. Es  ging  aber  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Worte  der  Wahrheit  sind  es: 
Auf  Aussage  zweier  Zeugen  oder  dreier  Zeugen  bekommt  eine  Sache  Geltung"  Dt  19,15. 

21.  Midr  KL  Einl.  Nr.  25  (39*):  R.  Jonathan  (b.  E[?azar,  um  220i  hat  gesagt:  Drei 
und  ein  halbes  Jahr  hat  die  Sch^'khina  (vor  der  Zerstörung  des  I.Tempels)  auf  dem 
Olberg  geweilt,  hoffend,  daß  die  Israeliten  Buße  tun  würden,  aber  sie  taten  keine 
Buße;  u.  eine  Bath-Qol  pflegte  zu  verkündigen  u.  zu  sagen:  „Kehret  um,  ihr  abtrünnigen 
Kinder  (vgl.  Jer3, 14),  kehret  zurück  zu  mir,  so  will  ich  mich  zu  euch  zurückwenden." 
Als  sie  aber  nicht  Buße  taten,  sprach  die  Stimme:  Ich  will  gehn  u.  an  meinen  Ort 
(=  Himmel)  zurückkehren,,  bis  daß  sie  es  büßen  (Hos  5, 15).  —  In  der  abweichenden 
Fassung  P*^siqR  31  ( 143  b)  ist  die  Bath-Qol  ersetzt  durch  „die  Stimme  Jahves"  Micha  6, 9. 

22.  Aboth  6,  2:  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (um  2ä0)  hat  gesagt:  Tag  für  Tag  geht  eine 
Bath-Qol  aus  vom  Berge  Horeb,  welche  verkündet:  „Wehe  den  Menschen  ob  der  Vernach- 
lässigung der  Tora!"  —  Dasselbe  Midr  KL  Ein).  Nr.  2  (SO»);  P-^sici  121«;  ExR41  (97«'). 

9* 


132  MatthS,  17  (5t  Anm.h) 

23.  BM  85  b:  Rescli  Laqisch  (ura  2501  hatte  die  Grabeshöhlen  der  Rabbiaen  ge- 
kennzeichnet (s.  oben  Nr.  13);  als  er  an  die  Grabhöhle  des  R.  Chijja  (des  Altern,  um 
200)  kam,  wurde  sie  vor  ihm  verborgen  (er  fand  sie  nicht).  Er  wurde  darüber  schwach 
(traurig)  in  seinem  Gemüt  u.  sprach:  Herr  der  Welt,  habe  ich  nicht  die  Tora  eingehend 
studiert  gleichwie  wiener  (R.  Cliijja?  Eine  Bath-Qol  ging  aus,  welche  sprach:  „Du  hast 
die  Tora  eingehend  studiert  wie  er.  aber  du  hast  die  Tora  nicht  verbreitet  wie  er."  —  In 
andrer  Einkleidung  u.  ohne  Erwähnung  der  Bath-Qol  pKil  ".»,32^04;  pK^h  l'.',  35^,60. 

24.  TanchB  sar  §  2  (23^):  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  (Wenn  ein  Mensch 
das  Bekenntnis  über  den  Armenzehnt  abgelegt  hat  Dt  26,  I2ff.  i,  geht  eine  Bath-Qol 
aus,  welche  spricht:  „Mögest  du  es  im  nächsten  Jahre  wiederholen  können  wie  am 
heutigen  Tage";  wie  man  zu  einem  Menschen,  der  einem  andren  eine  neue  Frucht 
schenkt,  sagt:  Möge  es  dir  gefallen,  mich  im  nächsten  Jahr  wieder  zu  beschenken! 

25.  Midr  KL  Einl.  Nr.  24  (Hob):  (In  der  Trauerklage  des  R.  Sch'^muel  b  Nachman,  um 
260,  über  Jerusalems  Zerstörung  heißt  es : )  Sofort  ging  Mose  u.  Jeremia,  bis  sie  an  die  Ströme 
Babels  kamen;  als  die  Exulanten  Mose  erblickten,  sprachen  sie  untereinander:  Der  Ben 
?Amram  ist  aus  seinem  Grabe  gekommen,  uns  zu  erlösen  aus  der  Hand  unsrer  Dränger. 
Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach :  „Ein  unabänderlicher  Beschluß  ist  dies  vor  mir!" 

26.  Schab  88":  R  Elfazar  ib.  P^dath,  um  270)  hat  gesagt:  Als  die  Israeliten  das 
„Tun"  dem  „Hören"  voraufuehn  ließen  (Ex  24,  7),  ging  eine  Bath-Qol  aus,  die  zu  ihnen 
sprach:  „Wer  hat  meinen  Kindern  dieses  Geheimnis  kumlgetan,  das  bei  den  Engeln 
des  Dienstes  im  Gebrauch  ist?",  vgl.  Ps  103,  20:  „Preiset  Jahven,  ihr  seine  Engel,  ihr 
starken  Helden,  die  ihr  sein  Wort  tut,  um  zu  hören  auf  die  Stimme  seines  Wortes." 
Zuerst  „die  ihr  tut",  u.  dann  „um  zu  hören". 

27.  Mak  23b:  R  Elfazar  (b.  P'dath,  um  270)  hat  gesagt:  An  drei  Orten  leuchtete 
der  heilige  Geist  (Geist  der  Prophetie)  hervor:  im  Gerichtshof  des  Sem,  im  Gerichtshof 
Samuels  aus  Rama  u.  im  Gerichtshof  Salomos.  Im  Gerichtshof  des  Sem,  s.  Gn38,  2H: 
^J«'huda  sah  genau  hin  u.  sprach:  Sie  ist  gerecht;  von  mir!"  (so  der  Midrasch).  Woher 
wußte  er  denn  das  (daß  sie  von  ihm  schwanger  gehe,  daß  er  sagt:  Von  mir!)?  Es 
war  doch  möglich,  daß,  so  gut  wie  er  ihr  beigewohnt  hatte,  auch  noch  ein  anderer 
Mann  ihr  beigewohnt  hatte.  Es  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Von  mir 
(Gott)  sind  ausgegangen  die  Heimlichkeiten"  (die  geheimen  Beschlüsse,  die  auf  das 
Hervorgehen  Davids  u.  des  Messias  aus  der  Thamar  abzielen!  —  Indem  J'^huda  sagt: 
„Von  mir",  leuchtet  der  Geist  der  Prophetie  in  ihm  auf;  die  Deutung  der  prophet. 
Eingebung  aber  gibt  die  Bath-Qol  dahin,  daß  die  Worte  „von  mir"  sich  auf  Gott  be- 
ziehen). I  Im  Gerichtshof  Samuels,  s.  1  Sm  12,3:  Siehe,  hier  bin  ich,  sagt  gegen  mich 
aus  vor  Jahve  u.  vor  seinem  Gesalbten:  Wessen  Ochsen  habe  ich  genommen  usw.? 
Vers  4:  Sie  sprachen:  Du  hast  uns  nicht  gedrückt  usw.  Vers  5:  Er  sprach  zu  ihnen: 
So  sei  denn  Zeuge  gegen  euch  Jahve  u  Zeuge  sein  Gesalbter  usw.  Vers  6:  Und  er 
sprach:  Zeuge!  —  Es  heißt  (Vers  ti):  „Er  sprach";  „sie  sprachen",  sollte  es  heißen. 
Es  ging  eine  Bath-Qol  aus.  welche  sprach:  ich  Gott)  bin  Zeuge  in  dieser  Sache!  (Auch 
hier  liegt  das  Aufblitzen  des  heil.  Geistes  in  dem  auffälligen  „er  sprach"  vor;  die 
Bath-Qol  dient  dann  als  bestätigende  Dolmetscherin.)  |  Im  Gerichtshof  Salomos,  s.  1  Kg 
3,  27:  „Da  hob  der  König  an  u.  sprach:  Gebt  ihr  das  Kind  .  .  .,  wie  ist  seine  Mutter."  — 
Woher  wußte  er  das?  Sie  konnte  doch  vielleicht  hinterlistig  gehandelt  haben.  Es  ging 
eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  „Sie  ist  seine  Mutter."  —  Parallelstellen:  Midr  Ps 
72  §  2  (lti3a);  GnR  85  (54*"),  hier  R.  Seh  muel  b.  JiQchaq,  um  30",  als  Autor;  zum  Teil 
auch  Targ  Jerusch  1  u.  II  zu  Gu  Sx,  26;  in  Midr  Qoh  zu  10,  16  49«),  wo  R.  Schmuel  b. 
Nachman,  um  260,  als  Autor  genannt  ist,  geschieht  der  Bath-Qol  keine  Erwähnung.  — 
Der  erste  auf  J'huda  u.  Thamar  sich  beziehende  Satz  auch  Sota  li'b;  hier  gehen  die 
Worte  vorauf:  Als  J'huda  bekannte  u.  sprach:  Sie  ist  gerecht  usw.,  ging  eine  Bath-Qol 
aus,  welche  sprach:  Du  hast  die  Thamar  u.  ihre  zwei  Söhne  vom  Feuer  errettet;  bei 
deinem  Leben,  ich  will  durch  dein  Verdienst  drei  von  deinen  Nachkommen  aus  dem 
Feuer  erretten.  Wer  waren  diese?  Chananja,  Mischael  u.  f  Azarja  (-=  Schadrakh,  Me- 
schakh  u.  ?Abed-Nego  Dn  3,  12  ff.,  vgl.  Dn  1,7). 


Matth  3,  17  {%  Auni.  h.  i)  "133 

28.  Weitere  Beispiele  von  Hiramelsstimmen  finden  sich:  Midi-  Qoli  9,  7  (41  a-^-  42^*); 
Midr  KL  Einl.  Nr.-J3  (85 b)  nebst  Parallelen:  Midr  Qoh  12,7  (58"^);  Midr  Ps  79  §2  (180»); 
Midr  HL2,  13  (lOüb);  pegiqR  15  (74b);  ferner  Sanh39b;  M<=n  5:-;b;  Sanh  102»;  pPeal, 
15^,34  nebst  Parallele  p?AZ  :^,  4 2«,  17;  sowie  MQ  16b;  P^siq  137^  K^tli77b;  Sanh  96b, 
hier  statt  Bath-Qol  nur  ,eine  Stimme". 

29.  Daß  gegebenenfalls  selbst  die  Halakha  auf  eine  Bath-Qol  Rücksicht  genommen 
hat,  zeigt  J*^b  16,  6:  Man  läßt  eine  Frau  sich  wieder  verheiraten  auf  die  Aussage  einer 
Bath-Qol  hin  (obwohl  der  Tod  des  Mannes  nicht  anderweitig  bezeugt  ist).  Es  geschah, 
daß  einer  auf  der  Spitze  eines  Berges  stand  u.  rief:  Der  u.  der,  Sohn  des  u.  des  ist 
da  u.  da  gestorben.  Mau  ging  u.  fand  dort  niemand;  da  ließ  man  dessen  Frau  sich 
wieder  verheiraten.  Wiederum  trug  es  sich  in  ^almon  zu,  daß  jemand  rief:  Ich,  der 
u.  der,  Sohn  des  u.  des,  bin  von  einer  Schlange  gebissen  u.  sterbe.  Man  ging  hin,  u. 
obwohl  man  ihn  nicht  wiedererkannte,  ließ  man  seine  Frau  sich  wieder  verheiraten.  — 
Die  gehörten  Stimmen  wurden  also  als  beglaubigte  Himmelsstimmen  angesehen. 

i.  pChag  2, 77»,  57:  R.  Jose,  der  Priester  (um  100  n.  Chr.),  u.  R.  Schim?on  b.  N'^than^el 
hoben  gleichfalls  an,  über  den  güttl.  Thronwagen  (nis-^ar:  ■r^v'jp_  ist  nach  Ez  1  Bezeich- 
nung für  theosophische  Lehren)  Vortrag  zu  halten;  man  sagt,  es  sei  an  einem  Tage  zur 
Zeit  der  Sommersonnenwende  gewesen.  Da  erbebte  die  Erde  u.  der  ( Regen-)Bogen  erschien 
in  den  Wolken  u.  eine  Bath-Qol  ging  aus,  die  zu  ihnen  sprach:  Die  Stätte  ist  für  euch 
frei,  der  Saal  ist  für  euch  bereitet  (nämlich  im  Himmel  i,  ihr  u.  eure  Schüler  seid  be- 
stimmt für  die  dritte  Abteilung  (der  Seligen). '—  In  der  Parallelstelle  Chag  14b  hört 
Rabban  Jochanan  b  Zakkai,  der  Lehrer  der  beiden  oben  Genannten,  diese  Bath-Qol  in 
einem  Traum.  ||  B'^rakh  61b:  (Als  R.  ?Aqiba  den  Märtyrertod  um  135  erlitt,  sprach  er:) 
Mein  lebelang  bin  ich  besorgt  gewesen  um  diesen  Vers  Dt  6,  5:  ,So  liebe  denn  Jahve 
.  .  .  mit  deiner  ganzen  Seele",  auch  wenn  er  die  Seele  nimmt.  Ich  habe  gedacht:  Wann 
wird  mir  die  Gelegenheit  werden,  dies  Wort  zu  erfüllen?  Und  jetzt,  wo  mir  die  Ge- 
legenheit dazu  geworden  ist,  sollte  ich  es  nicht  erfüllen?  Da  zog  er  das  Wort  „Einer" 
(-ns  im  Sch*^raa?-Bekenntnis  Dt  6,  4)  so  lang  (beim  Aussprechen),  bis  seine  Seele  bei 
diesem  Wort  von  ihm  ausging.  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  Heil  dir, 
R.  f  Aqiba,  daß  deine  Seele  ausgegangen  ist  bei  dem  Wort  „Einer".  Da  sprachen  die 
Dienstengel  vor  Gott:  Ist  das  die  Tora,  ist  das  ihr  Lohn?  Zu  den  durch  dich  (eines 
natürlichen  Todes)  Sterbenden  sollten  sie  gehören  u.  nun  (gehören  sie)  zu  den  von  der 
Welt  Getöteten?  (so  deutet  der  Midr  Ps  17, 14).  Gott  sprach  zu  ihnen:  ,lhr  Teil  ist 
im  Leben"  Psl7, 14.  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welclie  sprach:  Heil  dir,  R.  fAqiba! 
denn  du  bist  bestimmt  für  das  Leben  der  zukünftigen  Welt.  Ii  pKil  9,32b,  ]7:  (Nach 
der  Totenklage  um  Rabbi)  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  Wer  nicht  lässig 
gewesen  ist  in  der  Trauer  um  Rabbi,  der  darf  sich  versichert  halten  des  Lebens  der 
zukünftigen  Welt  mit  Ausnahme  jenes  Walkers  (der  darin  lässig  gewesen  war).  Als 
dieser  solches  vernahm,  stieg  er  auf  das  Dach  u.  stürzte  sich  hinab,  daß  er  starb.  Da 
ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach :  Auch  der  Walker  (hat  teil  am  Leben  der  zu- 
künftigen Welt) !  —  Dasselbe  pK-^th  12,  35-',  26;  Midr  Qoh  7, 11  (36«);  etwas  verändert 
bK«thl03b.  II  fAZn«:  Eine  Bath-Qol  ging  aus,  welche  sprach:  R.  Ehazar  b.  Durdaja 
(ein  Tannait.  der  der  Wollust  ergeben  gewesen  war)  ist  bestimmt  für  das  Leben  der 
zukünftigen  Welt  ||  MQ  9 « :  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  In  jenem  Jahre  (von  welchem 
1  Kg  8,  65  handelt)  hatten  die  Israeliten  den  Versühnungstag  nicht  gehalten;  sie  waren 
darum  besorgt  u.  sprachen :  Vielleicht  haben  sich  die  Feinde  Israels  ^  der  Vernichtung 
schuldig  gemacht.  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  die  zu  ihnen  sprach:  Ihr  alle  seid  be- 
stimmt für  das  Leben  der  zukünftigen  Welt.  —  Dasselbe  mit  R.  Levi,  um  300,  als 
Autor  GnR  35  (21 -i).  11  Gittin  57b  (^mal):  Rah  J^huda  (f  299)  hat  gesagt:  ...  Sie  (die 
Mutter  der  sieben  Märtyrersöhne,  vgl.  2  Makk  7)  stieg  (nach  dem  Tode  des  jüngsten 


^  Euphemismus  für  „die  gottlosen  Israeliten" ;  man  vermied  eine  schlimme  Aus- 
sage mit  Israel  in  Verbindung  zu  bringen  u.  sagte  dann  „die  Feinde  Israels" ;  vgl.  schon 
lSm25,  22  „Feinde  Davids"  für  „David". 


134  Matth  3, 17  (5t  Anm.  i— 1.  SB) 

Sohnes)  auf  das  Dach  u.  fiel  hinab  u.  starb;  da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach: 
Die  Mutter  der  Söhne  hat  Freude  (so  deutet  der  Midr  Ps  113,  9).  I!  Tafan  29=»:  (Rabban 
Gamliöl,  um  90,  schwürt  einem  vornehmen  Römer,  der  ihn  vom  Tode  retten  will,  daß 
er  ihn  in  die  zukünftige  Welt  bringen  wolle.  Der  Römer  stürzt  sich  vom  Dach  u. 
stirbt.)  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  Dieser  Herr  ist  bestimmt  für  das 
Leben  der  zukünftigen  Welt. 

k.  M'^'g  32''»:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Woher  läßt  es  sich  beweisen,  daß 
man  von  einer  Bath-Qol  Gebrauch  machen  darf?  Weil  es  Jes  30,  21  heißt:  „Deine 
Ohren  werden  das  Wort  hören  hinter  dir  her,  das  da  spricht."  Das  gilt  aber  nur  dann, 
wenn  man  die  Stimme  eines  Mannes  in  der  Stadt  u.  die  Stimme  einer  Frau  auf  freiem 
Felde  hört,  u.  zwar  muß  die  Stimme  sagen:  Ja,  ja  oder  nein,  nein.  —  Raschi  bemerkt 
dazu:  Wenn  man  vorhat  etwas  zu  beginnen  u.  hört  d:ann  eine  Stimme,  ohne  daß  jemand 
da  ist,  von  dem  die  Stimme  ausgeht,  u.  die  Stimme  sagt  ein  doppeltes  Ja  oder  Nein, 
so  kann  man  sich  nach  dieser  Stimme  richten  (d.  h.  nach  ihr  als  einem  Omen  seine 
Entscheidung  treffen).  —  |i  Ähnliche  Anschauungen  liegen  folgenden  Erzählungen  zu- 
grunde. pSchab  (5,  S'',  56:  Bar  Qappara  (um  220)  war  nach  einem  Ort  gegangen;  als 
er  hineinging,  stieß  er  sich  seinen  Finger;  er  ging  weiter  u.  hörte  die  Stimme  eines 
Kindes,  welches  Ex  21,  3  las:  ^Wenn  er  mit  seinem  Leibe  kommt,  soll  er  mit  seinem 
Leibe  ausgehn."  Da  sprach  er:  Es  scheint,  als  ob  nur  dieser  Stoß  mich  treffen  soll. 
Und  so  geschah  es  auch.  R.  Jochanan  if  279)  u.  R.  Schimfon  b.  Laqisch  ^um  250)  trugen 
Verlangen,  den  (Babylonier)  Sch^muel  (f  254)  von  Angesicht  zu  schauen  (ihn  in  Baby- 
lonien  zu  besuchen).  Sie  sprachen:  Wir  wollen  uns  nach  dem  Hören  einer  Bath-Qol 
richten.  Sie  gingen  an  einer  Schule  vorüber  u.  hörten  die  Stimme  eines  Kindes,  welches 
sprach  (1  Sm  28,3):  „Samuel  war  gestorben."  Sie  sahen  darin  ein  Zeichen,  u.  es  war 
auch  so  (Sch''muel  war  bereits  tot).  R.Jona  u.  R.Jose  (beide  um  350)  gingen  hinauf, 
um  den  R.  Acha  (um  320),  der  krank  war,  zu  besuchen.  Sie  sagten:  Wir  wollen  uns 
nach  dem  Hören  einer  Bath-Qol  richten.  Da  hörten  sie  die  Stimme  eines  Weibes,  das 
einer  andren  Frau  zurief:  Soll  ich  das  Licht  auslöschen?  Diese  antwortete  ihr:  Es 
werde  nicht  ausgelöscht!  —  Und  das  Licht  Israels  (d.  h.  Acha)  erlosch  nicht.  —  Nur 
zum  Teil  in  Chullin  95  '\ 

/.  Weber  verweist  auf  GnR  67  (43^)  in  Verbindung  mit  Sanh52^.  In  jener  Stelle 
sagt  R.  N^chemja  (um  150)  mit  Bezug  auf  die  Worte  Esaus  Gn27,41:  „Die  Tage  der 
Trauer  um  meinen  Vater  kommen  näher;  dann  werde  ich  meinen  Bruder  Jakob  tot- 
schlagen": Eine  Bath-Qol  sprach:  Viele  Eselsfüllen  starben  u.  ihre  Felle  kamen  (als 
Decke)  auf  ihre  Mütter  (d.  h.  wir  wollen  abwarten,  wer  zuerst  sterben  wird).  —  In  der 
zweiten  Stelle  heißt  es  (mit  Bezug  auf  das  Gott  über  Nadab  u.  Abihu  in  den  Mund 
gelegte  Wort:  Wir  wollen  sehen,  wer  wen  begräbt):  Rab  Papa  (t  376)  hat  gesagt:  Das 
ist  es,  was  die  Leute  zu  sagen  pflegen:  „Viele  alte  Kamele  gibt  es,  die  die  Felle  von 
jungen  tragen."  —  Die  Vergleichung  beider  Stellen  zeigt,  daß  ein  Sprichwort  wohl 
zum  Inhalt  einer  Bath-Qol  gewählt  wird,  aber  damit  ist  nicht  gesagt,  daß  der  Aus- 
druck „Bath-Qol"  soviel  wie  „Sprichwort"  bedeutet. 

3,17:   Mein   Sohn.    Hierzu  s.  bei  Rom  1,  3. 

3, 17  SB:  An  welchem  ich  Wohlgefallen  habe. 

Midr  Qoh  9,7  (411>):  R.  J%uda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Abraham  machte 
sich  Gedanken  in  seinem  Herzen  u.  sprach:  Vielleicht  ist  etwas  Untaugliches  an  meinem 
Sohne  gewesen  (nämlich  bei  seiner  Opferung),  so  daß  er  nicht  angenommen  worden 
ist.  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  die  zu  ihm  sprach:  Abraham,  Abraham,  „geh  hin  u. 
iß  dein  Brot  mit  Freuden;  denn  längst  hat  Gott  Wohlgefallen  an  deinem  Werk"  (so 
zitiert  der  Midr  Qoh  9,  7),  Gott  hat  Wohlgefallen  an  deinem  Opfer.  —  Eine  ähnliche 
Bath-Qol  wurde  dem  Abba  Tachna,  dem  Frommen,  zuteil  nach  Midr  Qoh  9,  7  (41  ij): 
Abba  Tachna,  der  Fromme  (wann?),  kam  an  einem  Rüsttag  auf  den  Sabbat  beim 
Eintritt  des  Dunkelwerdens  nach  seiner  Stadt,  u.  sein  Bündel  lag  auf  seiner  Schulter. 


Matth  3, 17  (SB).  4, 1  (51)  135 

Er  fand  einen  Aussätzigen,  der  an  einem  Scheideweg  lag.  Dieser  sprach  zu  ihm: 
Rabbi  (mein  Herr),  tu  ein  gutes  Werk  an  mir  u.  schaffe  mich  nach  der  Stadt.  Er 
sprach  (bei  sich):  Wenn  ich  mein  Bündel  liegen  lasse  (das  ich  nach  Eintritt  der 
Dunkelheit  aus  Gründen  der  Sabbatheiligung  nicht  mehr  holen  u.  tragen  darf),  woher 
soll  ich  dann  u.  mein  Haus  (morgen  am  Sabbat)  den  Lebensunterhalt  nehmen?  Und 
wenn  ich  den  Aussätzigen  liegen  lasse,  so  verschulde  ich  mich  an  meiner  Seele !  Was 
tat  er?  Er  machte  den  guten  Trieb  zum  Herrscher  über  den  bösen  Trieb  u  schaffte 
den  Aussätzigen  nach  der  Stadt.  Dann  kam  er  u.  nahm  sein  Bündel  u.  traf  in  der 
Abenddämmerung  (in  seiner  Stadt)  ein.  Und  es  verwunderten  sich  alle  u.  sprachen: 
Ist  das  Abba  Tachna,  der  Fromme  (u.  das  seine  Sabbatheiligung)?  Auch  er  sann  in 
seinem  Herzen  nach  u.  sprach:  Vielleicht  habe  ich  den  Sabbat  entweiht?  In  jener 
Stunde  ließ  Gott  die  Sonne  (noch  einmal)  aufleuchten  (zum  Beweise,  data  es  noch  Tag 
sei),  vgl.  Mal  H,  20:  ^Aufleuchtep  wird  euch,  die  ihr  meinen  Namen  fürchtet,  die  Sonne 
der  Gerechtigkeit"  usw.  Da  sann  er  in  seine'm  Herzen  nach  u.  sprach:  Sollte  etwa 
mein  (mir  in  der  zukünftigen  Welt  zustehender)  Lohn  nicht  in  Empfang  genommen 
werden  (weil  ich  meinen  Lohn  in  dem  mir  zuteil  gewordenen  Wunder  bereits  emp- 
fangen habe)?  Es  ging  eine  Himmelsstimme  aus,  welche  zu  ihm  sprach:  ,Geh  hin 
u.  iß  dein  Brot  mit  Freuden;  denn  längst  hat  Gott  Wohlgefallen  an  deinen  Werken" 
{Qoh  9,  7),  dein  Lohn  wird  in  Empfang  genommen  werden! 

4,131:  Versucht  werden. 

Der  Zweck  der  Versuchungen  ist  nach  rabbin.  Anschauung  die  Er- 
höhung des  in  der  Versuchung  Bewährten  u.  die  Verherrlichung  der 
göttl.  Gerechtigkeit. 

GnR  55  (84''):  ,Nflch  jenen  Begebenheiten  versuchte  Gott  den  Abraham"  Gn  22, 1. 
Es  heißt  Ps60,  6:  ,Du  gibst  c;/  denen,  die  dich  fürchten,  daß  sie  erhoben  werden 
um  der  Zuverlässigkeit  (Bewährung)  willen",  d.  h.  eine  Versuchung  nach  der  andren  u. 
*ine  Erhöhung  nach  der  andren,  um  sie  (die  Gottesfürchtigen)  in  der  Welt  zu  ver- 
suchen u.  um  sie  in  der  Welt  zu  erhöhen  wie  eine  Scbiffsflagge  (op  =  Panier).  Und 
<las  alles  warum?  Um  der  Zuverlässigkeit  willen,  d.  h.  um  die  göttl.  Gerechtigkeit  in 
der  Welt  zu  festigen  (zu  verherrlichen i;  denn  wenn  jemand  zu  dir  sagt:  Gott  macht 
reich  u.  arm  u.  zum  König,  wen  er  will;  den  Abraham  hat  er  zum  König  gemacht, 
da  er  es  wollte,  u.  er  hat  ihn  reich  gemacht,  da  er  es  wollte:  so  kannst  du  ihm  ant- 
worten u.  sagen:  Kannst  du  tun,  was  unser  Vater  Abraham  konnte?  Und  wenn  er  dir 
«rwidert:  Was  hat  denn  dieser  getan?  so  sprich  zu  ihm:  Abraham  war  hundert  Jahre 
alt,  als  ihm  ein  Kind  geboren  wurde,  u.  nach  all  dieser  Not  wurde  zu  ihm  gesagt: 
Nimm  deinen  Sohn,  deinen  einzigen  (Gn  22,  2),  u.  er  weigerte  sich  nicht.  Das  meinen 
die  Worte:  Du  gibst  Versuchung  (cp)  denen,  die  dich  fürchten,  auf  daß  sie  erhöhet 
werden;  Jahve  prüft  den  Gerechten,  aber  den  Gottlosen  u.  den  Freund  von  Gewalttat 
haßt  seine  Seele  (Ps  11,  5).  R.  Jonathan  (um  220)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Flachshändler 
seinen  Flachs  klopft,  so  schlägt  er  nicht  allzusehr  darauf,  weil  er  sich  in  seine  Fasern 
auflösen  könnte;  wenn  aber  sein  Flachs  gut  ist,  dann  schlägt  er  sehr  darauf,  weil  er 
dadurch  immer  schöner  wird.  So  versucht  auch  Gott  die  Gottlosen  nicht,  weil  sie  dabei 
nicht  bestehn  können,  s.  Jes  57,  20:  „Die  Gottlosen  sind  wie  das  umgetriebene  Meer"; 
aber  wen  prüft  er?  Die  Gerechten,  s.  Ps  11,5.  —  R  Jonathan  hat  gesagt:  Wenn  ein 
Töpfer  seinen. Ofen  (d.h.  das  darin  gebrannte  Geschirr)  prüft,  so  prüft  er  nicht  die 
schadhaften  Gefäße;  denn  wenn  er  kaum  einmal  an  ein  solches  klopft,  so  zerbricht 
er  es;  aber  was  prüft  er?  Die  auserlesenen  Krüge;  denn  wenn  er  gegen  einen  solchen 
auch  noch  so  oft  klopft,  so  zerbricht  er  ihn  doch  nicht.  So  versucht  auch  Gott  nicht 
die  Gottlosen,  sondern  die  Gerechten,  s.  Ps  11, 5.  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Gleich 
■einem  Hausherrn,    der   zwei  Kühe   hat;    die  eine  ist  schön  an  Kraft  u.  die  andre  ist 

•  Wird  vom  Midrasch  gedeutet  a.  =  Versuchung,  b.  —  Erhöhung. 


136  Matth4, 1  (91.  JB1.2) 

schwach;  auf  welche  wird  er  das  Joch  legen?  nicht  auf  die,  welche  schön  ist  an  Kraft? 
So  versucht  auch  Gott  nur  die  Gerechten,  s.  Ps  11, 5.  —  Die  Aussprüche  des  R.  Jonathan 
u.  R.  Elfazar  auch  GnR  34  (20^)  u.  Midr  HL  2, 16  (103^).  j|  Tanch  a-jsts':  94 1^:  Gott  prüft 
die  Reichen:  wenn  sie  eine  offene  Hand  für  die  Armen  haben,  so  genießen  sie  ihre 
Güter  (in  dieser  Welt),  u.  die  Almosen,  die  sie  gegeben  haben,  bleiben  ihnen  als  Kapital 
stehen  für  die  zukünftige  Welt,  s.  Jes58,  8:  Vor  dir  hergehn  wird  dein  Almosen  (so 
der  Midrasch)  u.  Ps41,2:  Wohl  dem,  der  gegen  den  Armen  milde  handelt;  am  bösen 
Tage  wird  ihn  Jahve  erretten.  Und  Gott  prüft  die  Armen:  wenn  sie  nicht  entarten  in 
dieser  Welt,  so  empfangen  sie  ihren  Lohn  in  der  Zukunft;  s.Ps  18,28:  Dem  armen, 
Volk  hilfst  du.  ||  NuR  15  (179»):  „Jahve  prüft  den  Gerechten"  usw.  Ps  11,5.  Gott  er- 
hebt keinen  Menschen  zur  Herrschaft,  es  sei  denn,  daß  er  ihn  zuvor  geprüft  u.  erprobt 
hat;  u  wenn  er  in  seiner  Versuchung  besteht,  dann  erhebt  er  ihn  zur  Herrschaft.  — 
Beispiele:  die  drei  Erzväter,  Joseph  u.  der  Stamm  Levi. 

4,]  S8:  Satan  (Teufel),  didßoloc. 

1.  "iato,  aram.  xs-jb,  ',^0,  xj-lP'^ö  =  Widersacher,  Feind;  speziell  Gegner 
vor  Gericht  =  Ankläger.  Das  Wort  wird  im  Rabbin.  wie  im  AT  zu- 
nächst in  bezug  auf  Menschena  gebraucht.  Sodann  bezeichnet  es  den 
Feind  der  Menschen  xar'  £^oxr]v,  den  Satan.  Aber  während  das  AT 
das  Wort  in  diesem  Sinn  regelmäßig  (außer  1  Chr  21, 1)  mit  dem  Artikel 
als  Appellativum  verwendet,  ist  es  im  Talmudischen,  nach  dem  Vorgang 
von  1  Chr,  meist  ohne  Artikel  gebraucht  u.  so  zu  einem  nomen  pro- 
prium geworden.  Doch  findet  sich  auch  die  Form  "j'^an,  mit  dem  Ar- 
tikel, b  Dagegen  schließen  sich  die  Targume  durch  die  Verwendung 
des  Status  emphat.  n;;^d  wieder  eng  an  den  alttestamentl.  Sprach- 
gebrauch an  (über  die  Vokalisierung  in  den  Targumim  s,  Levy,  Chald. 
Wörtb.  2,  155'^).  Das  Bewußtsein  um  die  ursprüngliche  Appellativ- 
bedeutung hat  sich  im  Rabbin.  auch  darin  erhalten,  daß  man  als 
eigentlichen  Eigennamen  Satans  Sammael,  bxriö,  ansah. c 

a.  GnR  73  (47*)  u.  75  (48"'):  Als  Joseph  geboren  wurde,  wurde  (in  ihm)  der  Feind 
(y^v)  Esaus  (Roms)  geboren.  —  R.  Pin^'chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Sch'^muel 
b.  Nachman  (um  260)  gesagt:  Es  ist  Überlieferung,  daß  Esau  (Rom)  nur  durch  Raheis 
Nachkommen  fällt  (gemeint  ist  der  Messias  b.  Joseph).  ||  pj'^b  1,  3*,  53:  R.  Dosa  b.  Ar- 
chinos  (um  90)  sprach  zu  den  Gelehrten:  Mein  Bruder  Jonathan  ist  (als  Opponent)  der 
erstgeborene  Gegner,  i'jc,  u.  gehört  zu  den  Schülern  der  Schule  Schammais.  —  Auch 
in  der  Parallelstelle  bJ''bl6'^  sin  y^v  -t^s. 

b.  y^-::r,  zB  Schab  104»;  P^s  112'';  Joma  20^;  Ql^;  RH  16'^;  BB  16^  Sanh  26'>: 
pSchab  2,  5 '',  9 ;  häufiger  ist  lacn  in  palästin.  Midraschwerken. 

C.  DtR  11  (207*'j:  Der  Engel  Sammael,  der  Bösewicht,  ist  das  Haupt  aller  Satane. 

2.  Sammael  ist  nach  der  jüd.  Dämonologie  einer  der  vornehmsten 
Engelfürsten  im  Himmel  gewesen. a  Neid,b  Wollüste  u.  Herrschsucht ^ 
(Ehrsucht)  erscheinen  als  die  Motive,  aus  denen  er  die  Verführung 
des  ersten  Menschenpaares  unternimmt.  Als  Werkzeug  dient  ihm  die 
Schlange,  die  zum  Teil  unter  dem  Namen  „alte  Schlange"  e  so  völlig 
mit  Sammael  (Satan)  identifiziert  wird,  daß  von  ihr  ausgesagt  wird., 
was  im  letzten  Grund  von  jenem  gilt.*  Zur  Strafe  wird  S.  aus  dem 
Himmel  entfernt. g  Die  Engel,  die  an  seinem  Werk  sich  beteiligt  haben, 
sind  nun  die  „Engel  Satans", h  während  S.  selbst  als  das  „Haupt  aller 
Satane"  bezeichnet  wird.» 


Matth  4,  1  (93  2)  137 

a.  PirqeREl  13  Anf.:  Neid,  Wollust  u.  Ehrsucht  bringen  den  Menschen  aus  der 
Welt  (ums  Leben).  Die  Dienstengel  sprachen  vor  Gott:  Herr  aller  Welten,  was  ist  der 
Mensch,  daß  du  seiner  willst  wahrnehmen,  der  Mensch,  der  dem  Hauche  gleicht!  Gott 
antwortete:  Wie  ihr  mich  bei  den  Oberen  preist,  so  wird  er  mich  als  den  Einzigen 
bekennen  bei  den  Unteren.  Und  nicht  bloß  dies:  könnt  ihr  hintreten  u.  allen  Ge- 
schöpfen ihren  Namen  geben?  Sie  traten  hin  u.  vermochten  es  nicht.  Sofort  trat  Adam 
hin  u.  gab  allen  Geschöpfen  ihren  Namen,  s.  Gn  2,  20.  Als  die  Engel  des  Dienstes  das 
sahen,  sprachen  sie  (untereinander):  Wenn  wir  nicht  mit  dem  Plan  über  Adam  kommen, 
daß  er  vor  seinem  Schöpfer  sündigt,  so  werden  wir  ihn  nicht  übermögen!  —  Es  war 
aber  SammaeP  'ein  gar  großer  Engelfürst  im  Himmel;  wahrend  die  Chajjoth  (vgl.  Ex 
1,5  ff.)  u.  die  Seraphim  sechs  Flügel  hatten,  hatte  S.  deren  zwölf.  Der  nahm  seine 
(Engel-)Schar  u.  sie  fuhren  hernieder  (zur  Erde).  Er  betrachtete  alle  Geschöpfe,  die- 
Gott  geschaffen  hatte,  u.  fand  keins  so  klug  zum  Bösen  wie  die  Schlange,  s.  Gn  3, 1. 
Ihr  Aussehn  aber  war  nach  Art  des  Kamels,  u.  er  bestieg  sie  u.  ritt  auf  ihr.  Da  schrie 
die  Tora 'u.  sprach:  Sammael,  jetzt  ist  die  Welt  erschaffen,  u.  die  Zeit  ist  da  zur 
Empörung  wider  Gott!  (Vielleicht  sind  die  letzten  Worte  aber  als  Frage  zu  fassen:. 
Ist  das  die  Zeit  zur  Emp. ?)  „Wenn  er  aber  jetzt  in  die  Höhe  sich  peitscht",  Herr  der 
Welten,  ,so  verlache  das  Roß  u.  seinen  Reiter!"  (So  faßt  der  Midrasch  Hi39, 18.)  — 
Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  Menschen,  in  welchem  ein  böser  Geist 
ist;  alle  Werke,  die  er  tut,  tut  er  nach  dessen  Eingeben,  u.  alle  Worte,  die  er  spricht,, 
spricht  er  nach  dessen  Eingeben,  u.  nichts  tut  er  ohne  das  Eingeben  des  bösen  Geistes, 
der  über  ihm  ist.  So  hat  auch  die  Schlange  alle  ihre  Werke,  die  sie  getan,  u.  alle 
ihre  Worte,  die  sie. geredet  hat,  nur  geredet  u.  getan  aus  dem  Eingeben  Sammaels 
heraus;  in  bezug  auf  sie  hat  die  Schrift  gesagt  Spr  14,32:  „Von  seinem  Bösen  (^=  bösen 
Geist)  wird  der  Frevler  getrieben"  (so  der  Midrasch).  Gleich  einem  König,  der  ein 
Weib  nahm  u.  sie  zur  Herrin  machte  über  alles,  was  er  besaß,  über  seine  Edelsteine 
u.  Perlen.  Er  sprach  zu  ihr:  Alles,  was  mein  ist,  sei  in  deiner  Hand,  ausgenommen 
dieses  Faß,  das  voll  von  Skorpionen  ist.  Da  trat  zu  ihr  ein  Alter  ein,  um  sich  Essig  voa 
ihr  zu  erbitten.  Er  sprach  zu  ihr:  Wie  benimmt  sich  der  König  gegen  dich?  Sie  ant- 
wortete: Alles,  was  er  besitzt,  hat  er  mir  gegeben  u.  in  meine  Hand  gelegt,  aus- 
genommen dieses  Faß,  das  voll  von  Skorpionen  ist.  Er  sprach:  Sollten  sich  nicht  viel- 
mehr Schmucksachen  des  Königs  in  diesem  Faß  befinden?  (So  nach  der  Lesart  im, 
Jalqut  1  §  25.)  Und  jenes  hat  er  dir  nur  gesagt,  weil  er  ein  andres  Weib  zu  nehmen 
wünscht,  der  er  diese  (Schmucksachen)  schenken  will.  —  Dieser  König  ist  Adam,  das 
Weib  ist  Eva,  der  Alte,  der  um  Essig  bat,  ist  die  Schlange;  von  ihnen  heißt  es  (Ps 
36,  13):  „Siehe  da  fallen  die  Übeltäter."  —  Die  Schlange  überlegte  bei  sich  selbst: 
Wenn  ich  mit  Adam  rede,  so  weiß  ich,  daß  er  auf  mich  nicht  hört;  denn  es  ist  immer 
schwer,  den  Mann  von  seinen  Gedanken  abzubringen;  siehe,  so  will  ich  mit  dem  Weibe 

^  Obig,er  Stelle  liegt  die  Annahme  zugrunde,  daß  Sammael  eine  vorweltliche  Größe- 
ist; diese  Anschauung  dürfte  die  allgemein  herrschende  gewesen  sein.  Daneben  finden 
sich  zwei  andre  Aussprüche,  die  aber  nur  scheinbar  widersprechen.  Tanch  z-v^-^  44'^:. 
R.  J'^hoschua?  b.  Qarcha  (um  150)  hat  gesagt:  .  .  .  Als  Gott  die  Welt  schuf,  erschuf  er 
am  1.  Tage  den  Todesengel.  Woher  läßt  sich  das  beweisen?  R.  B'^rekhja  (um  340)  hat 
gesagt:  Aus  Gn  1,2:  Finsternis  war  über  den  Urwassern.  Damit  ist  der  Todesengel 
gemeint,  der  das  Angesicht  der  Menschen  finster  macht.  —  Da  man  Satan  (Sammael) 
mit  dem  Todesengel  u.  dem  JeQer  ha-ra?  (dem  bösen  Triebe)  identifiziert  hat  (s.  unter 
Nr.  3A),  so  scheint  hier  allerdings  die  Erschaffung  Sammaels  am  1.  Schöpfungstage 
angenommen  zu  sein.  In  Wirklichkeit  besagen  die  Worte  aber  nur,  daß  S.  seit  dem 
1.  Schöpfungstage  zum  Todesengel  gemacht  sei.  —  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  GnR 
17  {l'l^):  R.  Chanina  b.  Idi  (IL,  gegen  30u)  hat  gesagt:  .  .  .  Als  sie  (Eva)  geschaffen 
wurde,  wurde  der  Satan  mit  ihr  erschaffen.  —  Hier  liegt  der  Satz  zugrunde:  Satan  ^^ 
Je^er  ha-ra?.  Da  mit  der  Erschaffung  Evas  der  Geschlechtstrieb  (=  Je^er  ha-ra?)  zur 
Wirklichkeit  wurde  u.  in  die  Erscheinung  trat,  kann  es  heißen:  Mit  Eva  ist  der  Je^er 
ha-ra?  oder  der  Satan  erschaffen;  Sammael  war  wohl  schon  früher  vorhanden,  aber 
seitdem  wirkt  er  als  Satan  durch  Erregung  des  Jecer  ha-ra?  im  Menschen. 


138  Matth  4, 1  (5B  2) 

reden,  das  leichtsinnig  in  ihren  Gedanken  ist;  denn  ich  weiß,  sie  wird  auf  mich  hören; 
<lenn  die  Frauen  geben  allen  Geschöpfen  Gehör,  sie,  die  eitel  Einfältigkeit  u.  ohne 
irgendwelche  Erkenntnis  sind  (s.  Spr  9,  13).  Die  Schlange  ging  u.  sprach  zum  Weibe: 
Habt  ihr  wirklich  auch  über  die  Früchte  dieses  Baumes  einen  Befehl  empfangen?  Sie 
antwortete:  Ja,  s.  Gn3,  3:  Von  den  Früchten  des  Baumes  inmitten  des  Gartens,  hat 
Gott  gesagt,  von  denen  sollt  ihr  nicht  essen  u.  sollt  auch  nicht  daran  rühren!  —  In 
ihren  Worten  fand  sie  eine  Tür,  durch  die  sie  eintreten  konnte.  Sie  sprach  zum  Weibe: 
Dieser  Befehl  ist  nichts  andres  als  ein  Ausdruck  des  Neides;  denn  sobald  ihr  von 
jenem  Baume  essen  werdet,  werdet  ihr  sein  wie  Gott;  wie  er  Welten  erschafft  u.  zer- 
stört, so  werdet  auch  ihr  Welten  zu  erschaffen  u.  zu  zerstören  vermögen ;  wie  er  tötet 
u.  lebendig  macht,  so  werdet  auch  ihr  töten  u.  lebendig  machen  können,  s.  Gn  3,  ö. 
Darauf  ging  die  Schlange  hin  u.  berührte  den  Baum;  dieser  aber  schrie:  Frevler,  rühre 
mich  nicht  an,  denn  es  heißt  (Ps  36,  12  f.):  „Nicht  komme  der  Fuß  des  Hochmuts  zu 
mir,  u.  der  Gottlosen  Hand  vertreibe  mich  nicht;  dort  fallen  die  Übeltäter."  —  Da 
ging  die  Schlange  u.  sprach  zum  Weibe:  Siehe,  ich  habe  den  Baum  berührt,  ohne  zu 
«terben;  berühre  auch  du  ihn,  du  wirst  nicht  sterben.  Das  Weib  ging  u.  berührte  den 
Baum.  Da  erblickte  sie  den  Todesengel,  wie  er  auf  sie  loskam.  Sie  sprach:  Vielleicht 
muß  ich  nun  sterben;  dann  wird  Gott  ihm  ein  andres  Weib  erschaffen  u.  es  dem  Adam 
geben;  siehe,  so  will  ich  diesen  veranlassen,  daß  er  mit  mir  ißt;  wenn  wir  dann 
sterben,  so  werden  wir  beide  sterben,  u.  wenn  wir  am  Leben  bleiben,  so  werden  wir 
beide  leben!  Dann  nahm  sie  u.  aß  von  den  Früchten  des  Baumes  u.  gab  von  seinen 
Früchten  auch  ihrem  Gatten,  daß  er  mit  ihr  äße,  s.  Gn  3,  H.  Als  Adam  von  den  Früchten 
-des  Baumes  gegessen  hatte,  sah  er  sich  nackt,  u.  seine  Augen  wurden  aufgetan  u. 
«eine  Zähne  wurden  stumpf  (bildlicher  Ausdruck  für:  „seine  StraTe  hinnehmen").  Da 
sprach  er  zu  ihr:  Was  ist  das,  wovon  du  mich  hast  essen  lassen,  daß  meine  Augen 
sind  aufgetan  u.  meine  Zähne  stumpf  geworden?  Ich  weiß,  wie  meine  Zähne  stumpf 
-geworden  sind,  so  werden  auch  die  Zähne  aller  folgenden  Geschlechter  stumpf  werden. 

ft.  Weish2,  24:  cpSäyM  dt  diaßöXov  {hiyctTog  si<jfjMsi'  sig  rö;'  xöafAov,  nsigäCovai 
■di  «iiroV  Ol  xfjg  ixshov  fisgi&og  oyreg.  \\  Sanh  59 '^:  R.  J^huda  b.  Tema  (wohl  einer  der 
letzten  Tanna'iten,  also  um  200)  hat  gesagt:  Der  erste  Mensch  lag  im  Gan  ?Eden  zu 
Tische  u.  die  Dienstengel  brieten  ihm  Fleisch  u.  seihten  für  ihn  Wein  durch.  Da  er- 
blickte ihn  die  Schlange  u.  sah  seine  Ehre  u.  wurde  neidisch  auf  ihn.  Vgl.  auch  das 
Zitats.  137  bei  2  f.-. 

C.  GnR  18  (12«)  u.  85  (54^):  (Auf  Gn  2,  25  sollte  folgen  3,  21;  weshalb  folgt  auf 
2,25  der  Abschnitt  3,  lff.?l  R.  J^hoschua?  b.  Qarcha  (um  150)  hat  gesagt:  Um  dich 
wissen  zu  lassen,  aus  welcher  Sünde  heraus  jener  Bösewicht  (der  Satan  in  der  Schlange) 
über  sie  (Adam  u.  Eva)  herfiel.  Weil  er  sie  sah,  wie  sie  mit  dem  Beischlaf  beschäftigt 
waren,  bekam  er  Verlangen  nach  Eva.  |i  Sota  9''  Bar:  Die  alte  Schlange  ••.•i-o-t-,r(  x-r: 
sprach:  .  .  .  Ich  will  Adam  töten  u.  Eva  heiraten;  u.  nun  heißt  es  Gn  3,  15:  Feindschaft 
will  ich  setzen  zwischen  dir  u.  dem  Weibe  usw.  —  Dasselbe  im  Namen  des  R.  Acha 
(um  320)  GnR  20  (13*=).  ||  J<^b  103b:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Als  die  Sehlange 
<ler  Eva  beiwohnte,  warf  sie  Unreinigkeit,  =  s'i-^t,  in  sie:  bei  den  Israeliten,  die  am 
Berge  Sinai  gestanden  haben,  hörte  ihre  Unr.  auf;  bei  den  Heiden,  die  nicht  am  Berge 
Sinai  gestanden  haben,  hörte  ihre  Unr.  nicht  auf.  —  Dasselbe  Schab  145'';  fAZ  22'». 
An  die  Erbsünde  ist  bei  der  s'3-^-.t  nicht  zu  denken;  wie  der  Zus. hang  in  fAZ  zeigt, 
ist  darunter  der  Hang  zu  blutschänderischer  u.  unnatürlicher  Unzucht  zu  verstehn;  so 
richtig  Weber  2  S.  219. 

d.  NuR  8  (149''):  Die  Schlange  sprach:  Ich  weiß,  daß  Gott  zu  ihnen  gesagt  hat, 
On  2,  17:  „An  dem  T.ige,  da  du  von  ihm  issest,  wirst  du  gewißlich  sterben."  Siehe, 
darum  will  ich  gehn  u.  sie  betrügen,  daß  sie  davon  essen  u.  bestraft  werden;  dann 
nehme  ich  die  Erde  für  mich  selbst  in  Besitz. 

e.  SDt  32,  32  §323  (138''):  R.Nchemja  (um  150)  legte  Dt  32,  32  auf  die  Völker 
aus:  Ihr  seid  die  Schüler  der  alten  Schlange,  -Ji's-i-r;  v-.:,  die  Adam  u.  Eva  verführt 
hat.  !1  DtR  5  (202''):  R.  J-^hoschua?  von  Sikhnin  (um  330)  hat  im  Namen  des  R.  Levi 


Matth  4,  1  (SB  2.  3j  139 

(um  300)  gesagt:  Die  alte  Schlange  (--"rs^n  »rrin,  -wöitlich:  die  erste  Schlange)  konnte 
reden,  wie  die  Menschen.  Als  Adam  u.  Eva  von  jenem  Baum  nicht  essen  wollten,  fing 
sie  mit  Verleumdungen  gegen  ihren  Schöpfer  an.  —  Es  liegt  hier  der  gleiche  Wechsel 
zwischen  -]i'a-;pn  vr^z  u.  v^os-n  ':  vor  wie  zwischen  ■r's-jpn  ais  u.  -j^as-n  's.  ||  GnR  22 
(15''):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Die  alte  Schlange,  'pr^  ':,  kam,  um  Abels  Recht  zu 
fordern.  Da  sprach  Gott  zu  ihr:  Darum  sage  ich:  Wer  den  Kain  tötet,  der  soll  getötet 
werden.  ||  Ferner  s.  das  Zitat  Sota  9''  unter  Nr.  2  Anm.  c  u.  Tanch  y-nu-i  bei  Offb  12,  9. 

f.  Vgl.  die  vorstehenden  Zitate. 

ff.  PirqeREl  27  Anf. :  „Es  kam  ein  Entronnener  und  meldete  es  dem  Hebräer 
Abram"  (Gn  14,  13).  Mikhael,  der  Engelfürst  der  Welt  (eine  ganz  singulare  Bezeichnung 
Mikhaels!)  meldete  es;  denn  es  heißt  Qoh  10,  20:  „Der  Geflügelte  meldet  das  Wort" 
(auch  hier  versteht  der  Midr  unter  dem  „Meldenden"  den  Mikhael).  Warum  wird  er 
,der  Entronnene"  genannt?  Als  Gott  den  Sammael  u.  seine  (Engel-) Abteilung  aus  der 
Stätte  ihrer  Heiligkeit  liinabstürzte,  hielt  dieser  sich  an  einem  Flügel  Mikhaels  fest, 
um  ihn  hinabzuziehen  u.  hinabzustürzen.  Da  ließ  Gott  den  Mikhael  aus  dessen  Hand 
entrinnen;   deshalb  ward  er  „der  Entronnene"   genannt. 

h.  ExR  20  (82<l):  R.  B^reklija  (um  340)  hat  gesagt:  ...  Du  findest,  daß  Nebukad- 
ne^ar  gesagt  hat  Dn  3,  25:  Des  Vierten  Aussehen  gleicht  dem  eines  Gottessohnes.  Was 
tat  ihm  Gott  (zur  Strafe  für  diesen  Ausspruch)?  Er  übergab  ihn  einem  Engel  Satans, 
der  ihn  zu  schlagen  anfing.  ||  TSchab  17,  2  f.  (136):  R.  Elif ezer  b.  Jose  ha-G^lili  (um  150) 
hat  gesagt:  Wenn  du  einen  Gerechten  eine  Reise  antreten  siehst  u.  du  willst  dieselbe 
Straße  ziehen,  so  tritt  um  dessentwillen  deine  Reise  drei  Tage  früher  an  oder  schiebe 
sie  um  dessentwillen  drei  Tage  auf,  damit  du  in  seiner  Gemeinschaft  reisen  kannst; 
denn  die  Engel  des  Dienstes  geleiten  ihn,  s.  Ps9I,  II.  Wenn  du  aber  einen  Gottlosen 
eine  Reise  antreten  siehst  u.  du  willst  dieselbe  Straße  ziehen,  so  tritt  um  dessentwillen 
deine  Reise  drei  Tage  früher  an  oder  schiebe  sie  um  dessentwillen  drei  Tage  auf,  da- 
mit du  nicht  in  seiner  Gemeinschaft  zu  reisen  brauchst;  denn  die  Engel  Satans  ge- 
leiten ihn,  s.  Fs  109,  6:  „Bestelle  über  ihn  den  Bösewicht,  daß  der  Satan  steht  zu  seiner 
Rechten"  (so  der  Midrasch).  Dasselbe  Tos  f  AZ  1  17  f.  (461).  —  Ein  weiteres  Beispiel  aus 
Test  Asser  6  s.  Exkurs  über  Dämonologie  Nr.  6  Anm.^f.  —  Die  PirqeREl  reden  Gn  13 
u.  27  (s.  die  Zitate  oben  Anm.  a  u.(/)  von  einer  Engelabteilung,  die  mit  Sammael  =  Satan 
zur  Erde  hinabfuhr  u.  mit  ihm  zugleich  aus  dem  Himmel  gewiesen  wurde.  Die  Annahme 
liegt  nahe,  daß  mau  die  zugleich  mit  Sammael  gefallene  Engelschar  ursprünglich  unter 
den  „Engeln  Satans"  verstanden  hat.  Diese  Annahme  wird  unterstützt  durch  Henoch 
54.  5  f.  Das  Nähere  s.  bei  25,  41. 

i.  Sieh  das  Zitat  DtR  11  S.  136.  —  Über  Aschmedai  als  König  der  Dämonen  s.  Ex- 
kurs „Dämonologie"  Nr.  3,  h.  —  Ferner  s.  bei  Mt  12,  24. 

3.  Drei  verderbliche  Tätigkeiten  sind  es,  die  dem  Satan  beigelegt 
werden:  A.  er  reizt  u,  verführt  die  Menschen  zur  Sünde;  B.  er  ver- 
leumdet u.  verklagt  sie  bei  Gott;  C.  er  bringt  die  Strafe  für  die  Sünde 
über  sie,  den  Tod.  Vgl.  die  Bar  BB  16^:  Der  Satan  steigt  herab  u. 
verführt,  er  steigt  hinauf  u.  reizt  zum  Zorn,  er  holt  Erlaubnis  ein  u. 
holt  die  Seele. 

A.  Die  Verführung  zur  Sünde  erfolgt  durch  die  Erregung  des  Jeger 
ha-ra? ,  des  bösen  Triebes  im  Menschen ;  deshalb  wird  der  Satan  ge- 
radezu mit  dem  Je^er  ha-ra?  identifiziert.  So  sagt  Resch  Laqisch  (um 
250):  Der  Satan,  der  böse  Trieb  u.  der  Todesengel  sind  identisch  BB 
16^,  u.  NuR2{)  (190<i)  kann  gesagt  werden:  „Es  entbrannte  der  Satan 
in  ihm"  statt:  „Es  entbrannte  der  böse  Trieb  in  ihm."  Über  den  Je^er 
ha-ra^  s.  den  Exkurs:  Der  gute  u.  der  böse  Trieb. 


140  Matth  4, 1  (SB  3  A) 

Aber  auch  in  eigener  Person  unter  Annahme  der  menschlichen 
oder  einer  andren  Gestalt  erscheint  der  Satan,  um  seine  Verführungs- 
künste auszuüben. 

Qid  81  *:  P'^limo  (um  200)  pflegte  an  jedem  Tage  zu  sagen:  Ein  Pfeil  in  die  Augen 
Satans!  (d.  h.  ich  kann  den  Kampf  mit  ihm  aufnehmen).  Einmal  erschien  ihm  dieser  am 
Rüsttage  des  Versöhnungstages  in  der  Gestalt  eines  Armen.  Er  kam  u.  rief  an  der  Tür; 
man  reichte  ihm  Brot  hinaus.  Er  aber  sprach:  An  einem  Tage,  wie  der  heutige  ist, 
weilen  alle  Menschen  drinnen,  u.  ich  soll  draußen  stehn?  Man  ließ  ihn  ein  u.  brachte 
ihm  Brot.  Er  sprach:  An  einem  Tage,  wie  der  heutige  ist,  sitzt  alle  Welt'  an  einem 
Tische,  u.  ich  soll  allein  sein?  Man  ließ  ihn  kommen  u.  sich  an  den  Tisch  setzen.  Er  saß 
da  u.  sein  Leib  war  ganz  bedeckt  mit  Grinden  u.  Blattern,  u.  er  trieb  ekelhafte  Dinge 
damit.  Pelimo  sprach  zu  ihm :  Sitze  anständig!  Er  antwortete:  Gebt  mir  einen  Becher'. 
Er  gab  ihm  einen  Becher.  Da  warf  er  seinen  Speichel  hinein,  indem  er  hustete.  Mau 
fuhr  ihn  an;  da  fiel  er  um,  als  wäre  er  tot.  Da  hörte  man,  wie  man  (draußen)  rief  r 
Pelimo  hat  einen  Mann  getötet,  P.  hat  einen  Mann  getötet!  P.  floTi  u.  versteckte  sich 
auf  einem  Abort.  Der  Satan  ging  ihm  nach  u.  fiel  vor  ihm  nieder.  Als  er  sah,  daß 
jener  sich  grämte,  offenbarte  er  sich  ihm  u.  sprach:  Warum  hast  du  also  gesagt? 
.Jener  antwortete:  Wie  sollte  ich  denn  sagen?  Er  sprach:  Der  Herr  hätte  sagen  sollen: 
Der  Allbarmherzige  schelte  den  Satan!  I|  GnR  56  (35 "^j:  (Als  Abraham  seines  Weges  zog 
zur  Opferung  Isaaks),  kam  Sammael  zu  unsrem  Vater  Abraham  (u.  zwar  in  der  Gestalt 
eines  alten  Mannes,  s.  Sepher  ha-jaschar  s^-i,  ed.  Wilna  1870  29*')  u.  sprach:  Alter,  Alter, 
hast  du  deinen  Verstand  verloren?  Einen  Sohn,  der  dir  als  Hundertjährigem  geschenkt 
ward,  willst  du  schlachten?  Er  antwortete:  Trotzdem!  Jener  sprach:  und  wenn  er  dich 
noch  hierüber  hinaus  versuchte,  würdest  du  bestehen  können?  „Wirst  du,  versucht 
man  ein  Wort  an  dich,  verdrießlich  werden?"  Hi  4,  2.  Er  antwortete:  Auch  noch  hierüber 
hinaus.  Jener  sprach:  Morgen  wird  er  zu  dir  sagen:  Blutvergießer,  du  bist  schuldig,  du 
hast  das  Blut  deines  Sohnes  vergossen!  Er  antwortete:  Trotzdem!  —  Als  der  Satan 
sah,  daß  er  bei  ihm  nichts  erreichte,  ging  er  zu  Isaak  u.  sprach:  Sohn  einer  unglück- 
lichen Mutter,  dieser  will  dich  schlachten!  Er  antwortete  ihm :  Trotzdem!  Jener  sprach: 
In  diesem  Falle  würden  ja  alle  jene  Prachtgewänder,  die  deine  Mutter  angefertigt  hat,, 
dem  Isma?el,  dem  Feinde  des  Hauses,  zum  Besitze  werden;  u.  du  wolltest  dir  das  nicht 
zu  Herzen  nehmen?  —  Wenn  er  auch  nicht  das  Ganze  erreichte,  einen  Teil  erreichte  er; 
denn  es  heißt  Gn  22,  7:  „Isaak  sprach  zu  seinem  Vater  Abraham:  „Mein  Vater"  usw. 
Warum  zweimal  „Vater"  ?  Damit  Abraham  von  Mitleid  mit  ihm  erfüllt  würde.  Ähnliche 
Versuchungen  Abrahams  durch  den  Satan  werden  erzählt  Sanh  89'';  TanchB  s-i-^i  §46- 
(57'');  Tanchs^v  27  ^ 

In  der  Gestalt  einer  Buhlerin  erscheint  der  Satan  dem  K.  f  Aqiba 
u.  dem  R.  Mei'r;  s.  Qid  81*  bei  Rom  2,22  jioixsvsig. 

Schabb  Sd-":  R.  J^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt  Ex  32,  1 :  „Ea 
sah  das  Volk,  daß  Mose  •^•vz'^'?  Lies  nicht  wi3,  sondern  "iJ-i;  isa  (die  6.  Stunde  war 
gekommen).  Als  Mose  nämlich  zur  Höhe  emporstieg,  sprach  er  zu  den  Israeliten:  Nach 
40  Tagen  mit  Beginn  der  6.  Stunde  komme  ich  wieder.  Am  Ende  der  40  Tage  kam  der 
Satan  u.  verwirrte  die  Welt.  Er  sprach  zu  ihnen:  Wo  ist  Mose,  euer  Lehrer?  Sie 
sprachen:  Er  ist  zur  Höhe  emporgestiegen!  Jener  erwiderte:  Die  6.  Stunde  ist  ge- 
kommen. Aber  sie  achteten  nicht  auf  ihn.  Jener  sprach:  Er  ist  gestorben!  Und  sie 
achteten  nicht  auf  ihn.  Da  zeigte  ihnen  der  Satan  das  Bild  einer  Totenbahre  (in  der 
Luft).  Das  ist  es,  was  sie  zu  Ahron  sagten  Ex  32,  1 :  „Das  ist  Mose  da,  .  .  .  wir  wissen 
nicht,  was  ihm  zugestoßen  ist."  —  In  ExR41  (98^)  teils  anonym,  teils  als  Meinung  „der 
Rabbinen".  |1  Sanh  95" :  Rab  J'-huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  . .  .  Eines 
Tages  ging  David  auf  die  Falkenjagd  (s.  hierzu  Levy  4,  556").  Da  kam  Satan  u.  glich 
einem  Hirsch.  Er  schoß  einen  Pfeil  auf  ihn,  traf  ihn  aber  nicht.  So  lockte  er  ihn  weiter, 
bis  er  ihn  ins  Philisterland  gebracht  hatte  usw.  ||  Sanh  107*:  Rab  J^'huda  (t  299)  hat  ge- 


Matth  4,  1  (SB  3  A.  B)  141 

sagt,  Rab  habe  gesagt:  Nimmer  bringe  der  Mensch  sich  selbst  in  eine  Versuchung;  denn 
siehe,  David,  der  König  von  Israel,  hat  sich  selbst  in  eine  Versuchung  gebracht  u.  kam 
darin  zu  Falle.  Er  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  warum  sagt  man:  Der  Gott  Abra- 
hams, der  Gott  Isaaks,  der  Gott  Jakobs  u.  nicht:  der  Gott  Davids?  Gott  antwortete: 
Jene  sind  von  mir  erprobt  worden,  u.  du  bist  nicht  von  mir  erprobt  worden.  David  sprach 
Ps  2ti,  2:  Prüfe  mich,  Jahve,  u.  versuche  mich.  Gott  antwortete:  Ich  werde  dich  ver- 
suchen u.  will  bei  dir  noch  etwas  Besonderes  tun:  jenen  (den  Erzvätern)  tat  ich  es  (näm- 
lich womit  sie  versucht  werden  sollten)  nicht  kund,  dir  aber  will  ich  es  kundtun;  ich 
werde  dich  nämlich  in  einer  ünzuchtssünde  versuchen.  Sofort  heißt  es  2  Sm  11,2:  ...  „er 
erblickte  ein  Weib,  wie  sie  sich  badete"  ,  .  .  Bathseba  reinigte  nämlich  ihr  Haupt  unter 
«inem  Bienenkorb.  Da  kam  Satan,  einem  Vogel  gleichend.  Er  schoß  einen  Pfeil  ab, 
<ler  aber  den  Bienenkorb  traf,  infolgedessen  wurde  sie  (Bathseba)  sichtbar  u.  er  er- 
blickte sie.   Sofort  sandte  David  hin  usw.  2  Sm  U,  3  ff. 

B.  Als  Verleumder  u,  Anklägera  heißt  der  Satan  "ii:'^-j;^  oder  ST-rl^^ 
(transp.  aus  -irjp-c)  =  xarrjo^Qoc.  Bes.  ist  es  das  Volk  Israel,  als  dessen 
Ankläger  Sammael  erscheint,  während  umgekehrt  als  Verteidiger  Israels 
(-,i;n:t5  =  GvvrjoQog)  der  Erzengel  Mikhael  fungiert,  b  Als  Widersacher 
des  Volkes  Gottes  ist  der  Satan  gewissermaßen  das  himmlische  Gegen- 
stück des  Weltreiches,  des  irdischen  Widersachers  Israels;  daher  wird 
Sammael  auch  geradezu  als  der  Engelfürst  Roms  bezeichnete  ^-  Als 
günstige  Gelegenheit,  die  Sünden  eines  Menschen  vor  Gott  in  Er- 
innerung zu  bringen,  benützt  der  Ankläger  gern  den  Augenblick,  in 
welchem  ein  Mensch  sich  selbst  bezichtigt  oder  sich  in  irgendeine 
Gefahr  begibt.  Es  wird  deshalb  der  Rat  erteilt,  daß  man  durch  Selbst- 
anklagen dem  Satan  keine  Gelegenheit  gebe,  seinen  Mund  zum  An- 
klagen aufzutun  (man  soll  den  Teufel  nicht  an  die  Wand  malen),  u. 
daß  man  in  Stunden  der  Gefahr  auf  Buße  u.  gute  Werke  bedacht  sein 
möge,  damit  diese  als  gute  Verteidiger  das  Verdienst  des  Menschen 
vor  Gott  geltend  machen,  d  Aber  auch  Zeiten  sorglosen  Wohllebens 
nimmt  der  Satan  als  Anlaß,  Anklagen  gegen  die  Menschen  zu  er- 
heben, e  Nur  an  Einem  Tage  im  Lauf  des  Jahres  muß  der  Ankläger 
schweigen,  d.  i.  am  großen  Versöhnungstage.* 

a.  Sanh  89'':  ,Nach  diesen  Worten  (so  der  Midrasch)  versuchte  Gott  den  Abra- 
ham" Gn  22,  1.  —  Nach  welchen  Worten?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des 
R.  Jose  b  Zimra  (um  220)  gesagt:  Nach  den  Worten  Satans.  Denn  es  heißt  (Gn  21,  8): 
Das  Kind  wuchs  heran  u.  wurde  entwöhnt;  da  veranstaltete  Abraham  ein  großes  Mahl.  — 
Der  Satan  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  dieser  Alte,  dem  du  als  einem  Hundert- 
jährigen Leibesfrucht  geschenkt  hast,  hat  von  dem  ganzen  Mahle,  das  er  veranstaltet 
bat,  nicht  einen  einzigen  Stier  u.  nicht  eine  einzige  Taube  übrig  gehabt,  um  sie  vor 
dir  als  Opfer  darzubringen!  Gott  antwortete:  Er  hat  es  ja  überhaupt  nur  seines  Sohnes 
wegen  veranstaltet;  wenn  ich  aber  zu  ihm  sagen  würde:  ,Opfre  deinen  Sohn  vor  mir", 
so  würde  er  ihn  sofort  opfern.  Sofort  heißt  es,Gn22,  1:  Gott  versuchte  den  Abra- 
ham usw.  — .  II  ExR  43  (99^*):  Unser  Lehrer  (Rabbi)  hat  gesagt:  Womit  ist  das  zu  ver- 
gleichen? Gleich  einem  Könige  von  Fleisch  u.  Blut,  der  über  seinen  Sohn  zu  Gericht 
saß,  während  der  Ankläger  ^ij-cpr!  dastand  u.  anklagte  j-upai.  Was  tat  der  Erzieher 
^es  Sohnes?  Als  er  sah,  daß  jener  für  schuldig  erklärt  werden  würde,  verdrängte  er 
den  Ankläger  u.  schaffte  ihn  hinaus;  dann  trat  er  an  dessen  Stelle  auf  u.  führte  die 
Verteidigung  für  den  Sohn.  Ebenso  stand  in  der  Stunde,  da  die  Israeliten  das  Kalb 
verfertigt  hatten,  der  Satan  da  u.  erhob  drinnen  (im  himmlischen  Gerichtshof)  Anklage 


142  Mattb  4,  1  (SB  3  B) 

;— jp'i  wider  sie,  während  Mose  draußen  stand.  Was  tat  Mose?  Er  trat  hin  u.  ver- 
drängte den  Satan  u.  schaffte  ihn  hinaus;  dann  trat  er  an  dessen  Stelle  auf,  wie  es 
heißt  Ps  106,  28:  „Mose  trat  an  die  Stelle  des  Einreißers"  (des  Zerstörers;  so  der 
Midrasch).  ||  ExR  21  (f^4  ):  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Als  die  Israeliten 
aus  Ägypten  ziehen  sollten,  trat  der  Engel  Sanimael  auf,  um  sie  zu  verklagen.  R.  Chama 
b.  Chanina  hat  dies  im  Namen  seines  Vaters  (R.  Chanina  b.  Chama,  um  225)  in  folgen- 
der Weise  erläutert:  Gleich  einem  Hirten,  der  seine  Schafherde  über  einen  Fluß  setzte. 
Da  wollte  ein  Wolf  über  die  Schafe  herfallen.  Der  Hirt,  der  Erfahrung  hatte,  was  tat 
er?  Er  nahm  einen  großen  Bock  u.  überließ  diesen  dem  Wolf.  Er  dachte:  Mag  er  mit 
diesem  ringen,  bis  wir  über  den  Fluß  sind;  hinterher  hole  ich  ihn.  So  trat,  als  die 
Israeliten  aus  Ägypten  ziehen  sollten,  der  Engel  Sammael  auf,  um  diese  anzuklagen. 
Er  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  bis  jetzt  waren  diese  Götzendiener,  u.  du  willst 
ihnen  das  Meer  spalten?  Was  tat  Gott?  Er  übergab  ihm  den  Hiob,  der  zu  den  Rats- 
herren des  Pharao  gehört  hatte,  s.  Hi  1,  1.  Er  sprach  zu  ihm:  Siehe,  dieser  sei  in  deine 
Hand  gegeben.  Gott  dachte:  Während  er  sich  mit  Hiob  abgibt,  sind  die  Israeliten  in 
das  Meer  hinab-  u.  wieder  heraufgezogen,  u.  hinterher  errette  ich  den  Hiob,  Hi  16,  12. 

b.  ExR  18  (80=):  R.  Jose  (um  850)  hat  gesagt:  Wem  gleichen  Mikhael  u.  Sammael? 
Dem  Verteidiger  u.  dem  Ankläger,  die  vor  Gericht  stehn:  Dieser  spricht  u.  jener  spricht, 
dieser  endigt  seine  Rede  u.  jener  endigt  seine  Rede.  Merkt  der  Verteidiger,  daß  er 
siegt,  so  beginnt  er  den  Richter  zu  loben,  damit  er  das  Urteil  fälle.  Sucht  dann  der 
Ankläger  noch  etwas  hinzuzufügen,  so  spricht  der  Verteidiger  zu  ihm:  Schweige,  daß 
wir  den  Richter  hören!  So  stehn  Mikhael  u.  Sammael  vor  der  Sch^khina  (Gottheit): 
der  Satan  verklagt  u.  Mikhael  macht  das  Verdienst  Israels  geltend.  Will  dann  der 
Satan  etwas  sagen,  so  heißt  Mikhael  ihn  schweigen,  s.  Ps  85,  9:  Ich  will  hören,  was 
Gott,  Jahve  redet;  denn  er  wird  Frieden  reden  zu  seinem  Volk! 

C.  Tanch  rS-n'-  (40'^):  (Gn  32,  25:)  Jakob  blieb  allein  zurück.  Da  rang  ein  Mann 
mit  ihm.  Das  war  Sammael,  der  Engelfürst  Esaus  (=  Roms),  der  ihn  töten  wollte. 
Nach  GnR  77  (49-^*),  78  (50'');  MidrHL  8,  6  (105'')  gehört  dieser  Satz  dem  R.  Chama  b. 
Chanina,  um  260,  an. 

d.  B'rakh  60'*  Bar:  Wer  in  ein  Bad  geht,  spricht:  Es  sei  wohlgefällig  vor  dir,. 
Jahve,  mein  Gott,  daß  du  mich  behütest  darin  u.  in  seinesgleichen,  u.  daß  mir  kein 
Verderben  u.  keine  Sünde  begegne;  u.  wenn  mir  ein  Verderben  u.  eine  Sünde  begegnen 
sollte,  so  möge  mein  Tod  eine  Sühne  für  alle  meine  Sünden  sein!  Abaje  (f  338/89) 
hat  gesagt:  Man  sage  nicht  also,  um  nicht  dem  Satan  seinen  Mund  (zur  Anklage  wider 
den  sich  selbst  Beschuldigenden)  zu  öffnen:  denn  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt 
(ebenso  hat  man  im  Namen  des  R.Jose  b.  Chalaphta,  um  150,  gelehrt):  Niemals  öffne 
ein  Mensch  seinen  Mund  im  Interesse  Satans.  —  Das  Bar-Gebet  findet  sich  TB'^rakh  7, 
17  (16).  Der  Ausspruch  des  Abaje  mit  Bezug  auf  ein  Trauergebet  auch  B'^rakh  19'' 
u.  Keth  8'\  ;i  In  pSchab  2,  5'',  9  ff.  wird  mehrfach  das  Wort  wiederholt:  Der  Satan  ver- 
klagt nur  in  der  Stunde  der  Gefahr.  —  In  GnR  91  (58'')  spricht  diesen  Satz  bereits 
R.  Eli?ezer  b.  Jafaqob  (um  150)  aus.  ||  Midr  Qoh  3,  2  (16»):  Der  Todesengel  (=  Satan) 
wird  zum  Ankläger  der  Gebärerin  (in  der  Stunde  ihrer  Not).  R.  Sch^'muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt:  Wegen  dreier  Übertretungen  (ehelicher  Verkehr  zur  Zeit  des 
Menstruum,  Unterlassung  der  Absonderung  der  Teighebe,  Vernachlässigung  der  Sabbat- 
lampe) sterben  die  Frauen  in  der  Stunde  des  Gebarens;  u.  wegen  dreier  Dinge  sterben 
die  Männer:  wenn  jemand  in  einem  baufälligen  Hause  verweilt  oder  allein  eine  Reise 
unternimmt  oder  zu  einer  Seereise  sich  einschifft,  so  wird  der  Satan  sein  Ankläger. 
Denn  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Bei  drei  Gelegenheiten  stellt  sich  der  Satan  zur 
Anklage  ein:  wenn  jemand  in  einem  baufälligen  Hause  verweilt  oder  allein  eine  Reise 
unternimmt  oder  zu  einer  Seereise  sich  einschifft.  ||  Tanch  ii-;-;  50*^:  „Benjamin  .  .  . 
schickte  Jakob  nicht  mit  seinen  Brüdern;  er  dachte,  es  könne  ihn  ein  Schaden  treffen" 
Gn  42,  4.  Hieraus  lernt  man,  daß  der  Satan  den  verklagt,  der  eine  Reise  unternimmt. 
R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  geßagt:  Wie  wir  in  der  Mischna  gelernt  haben;  wegen 
dreier  Übertretungen   sterben   die  Frauen  in    der  Stunde   des  Gebarens  (Schab  2,  6). 


Matth  4, 1  (SB  3  B)  14^ 

Warum  in  der  Stunde  des  Gebarens?  Weil  der  Satan  in  der  Stunde  der  Gefahr  an- 
klagt. II  Schab  32'':  Wann  prüft  man  die  Männer  (um  unter  Vergleichung  ihres  Schuld- 
registers u.  ihrer  Verdienste  ihr  Geschick  festzusetzen)?  Resch  Laqisch  (um  250)  hat 
gesagt:  In  der  Stunde,  da  sie  aber  eine  Brücke  gehen.  Bloß  wenn  sie  über  eine  Brücke 
gehen?  Sage:  Was  einer  Brücke  gleicht!  Rab  (f  247)  ließ  sich  nicht  in  einer  Fähre 
übersetzen,  in  der  ein  Heide  (Goi,  NichtJude)  saß;  er  meinte:  Vielleicht  wird  an  diesem 
ein  Gericht  vollstreckt,  u.  ich  möchte  mit  ihm  davon  erfaßt  werden.  Sch'muel  (f  254) 
ließ  sich  nur  in  einer  Fähre  übersetzen,  in  der  sich  ein  Heide  befand;  er  meinte:  Der 
Satan  hat  über  zwei  (verschiedene)  Nationen  (zu  gleicher  Zeit)  keine  Gewalt.  ||  Schab- 
32"  Bar:  Wenn  jemand  erkrankt  u.  dem  Tode  nahe  ist,  sagt  man  zu  ihm:  Bekenne 
deine  Sünden;  denn  so  bekennen  alle  ihre  Sünden,  die  zum  Tode  verurteilt  werden. 
Wer  auf  die  Straße  hinausgeht,  der  gleiche  in  seinen  Augen  einem,  der  dem  Kriegs- 
obersten übergeben  wird.  Wer  Kopfschmerzen  hat,  der  gleiche  in  seinen  Augen  einem,, 
den  man  in  das  Halseisen  legt.  Wer  auf  sein  Lager  steigt  u.  fällt,  der  gleiche  in 
seinen  Augen  einem,  den  man  auf  den  Richtplatz  führt,  damit  er  gerichtet  werde. 
Wenn  einer,  der  zur  Aburteilung  auf  den  Richtplatz  geführt  wird,  große  Fürsprecher 
(Parakleten)  hat,  so  wird  er  gerettet;  andrenfalls  wird  er  nicht  gerettet.  Und  das  sind 
die  Fürsprecher  des  Menschen:  Buße  u.  gute  Werke.  Mögen  auch  999  (Engel)  seine 
Schuld  wider  ihn  geltend  machen  u.  Einer  macht  sein  Verdienst  geltend,  so  wird  er 
gerettet,  s.  Hi  33,  23 f.:  Wenn  für  ihn  ist  ein  Engel,  ein  Dolmetsch,  einer  unter  tausend, 
um  für  den  Menschen  seine  Rechtbeschaffenheit  kundzutun,  so  erbarmt  Gott  sich 
seiner  u.  spricht:  Erlöse  ihn  vom  Hinabsinken  in  die  Grube,  ich  habe  Sühnung  ge- 
funden (so  der  Midrasch).  R.  Elifezer  b.  Jose  des  Galiläers  (um  150)  hat  gesagt:  Selbst 
wenn  999  Teile  von  jenem  Engel  sich  für  die  Schuld  aussprechen  u.  nur  Einer  für  die 
Unschuld  (das  Verdienst),  so  wird  er  gerettet;  denn  es  heißt:  „Eins  von  tausend." 
Obige  Auslegung  der  Hiobstelle  auch  pQid  \,i)l'\  34.  39;  P'^siqR  10  (38'^). 

e.  GnR  38  (23''):  „Daselbst  ließen  sie  sich  nieder"  (^zz")  Gen  11,  2:  R.  Ji9cha(i 
(um  300)  hat  gesagt:  Überall,  wo  du  das  Wort  „sitzen"  (in  der  Schrift)  findest,  sprang 
der  Satan  herzu  u.  richtete  Unheil  an.  R.  Chelbo  (uni  300)  hat  gesagt:  Überall,  wa 
du  Sorglosigkeit  findest,  klagte  der  Satan  an.  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Überall,  yv(y 
du  „essen"  u.  „trinken"  findest,  klagte  der  Satan  an.  |1  GnR  84  (oS*^):  R.  Acha(  um  320)  hat 
gesagt:  Wenn  die  Gerechten  im  Glücke  sitzen  oder  wünschen  im  Glücke  zu  sitzen  in 
dieser  Welt,  dann  kommt  der  Satan  u.  klagt  an  u.  spricht:  Nicht  genug  was  ihnen 
in  der  zukünftigen  Welt  bereitet  ist,  sie  wollen  auch  in  dieser  Welt  im  Glücke  sitzen! 

/.  LvR21  (120'-):  DieRabbinen  (nach  demZus.hang  die  Zeitgenossen  desR  Sch'muel 
b.  Nachman  u.  des  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi,  also  um  250)  legten  Ps  27,  1  ff.  auf  den  Neu- 
jahrs- u.  den  Versöhnungstag  aus.  „Mein  Licht",  nämlich  am  Neujahrstage,  „und  meine 
Hilfe"  am  Versöhnungstage.  '„Vor  wem  sollte  ich  mich  fürchten?"  Meine  Stärke  u> 
Sang  ist  Jahve  Ex  15,  2.  „Wenn  auf  mich  anstürmen  Bösewichter,"  das  sind  die  Engel- 
fürsten der  Völker,  „um  mein  Fleisch  zu  essen",  weil  die  Engelfürsten  der  Völker 
kommen  u.  die  Israeliten  vor  Gott  anklagen  u.  sagen:  Herr  der  Welt,  diese  sind  Götzen- 
diener u.  jene  auch,  diese  treiben  Unzucht  u.  jene  auch,  diese  vergießen  Blut  u.  jene 
auch;  warum  fahren  jene  in  den  Gehinnom  hinab  u.  diese  nicht?  „Meine  Dränger  u. 
meine  Feinde",  an  allen  Tagen  des  Sonnenjahrs,  das  365  Tage  umfaßt;  denn  alle  Tage 
des  Jahres  klagt  der  Satan  an,  aber  am  Versöhnungstage  darf  er  nicht  anklagen.  E& 
sprechen  die  Israeliten  vor  Gott:  „Wenn  sich  ein  Heerlager  wider  mich  lagert,"  das 
Lager  Sammaels  (so  lies  mit  den  Parallelen  statt  „Israels"),  „so  fürchtet  sich  mein 
Herz  nicht";  denn  du  hast  uns  zugesagt  Lv  1(5,  3:  „Mit  diesem  soll  Ahron  in  das  Heilig- 
tum kommen."  —  In  den  Parallelstellen  P^'siq  175''  u.  Midr  Ps  27  §  4  (ITi"^)  wird 
das  Freibleiben  des  Versöhnungstages  von  der  Anklage  Satans  aus  dem  Zahlenwert 
des  Wortes  i'J^n  =  364  (Midr  Ps  irrtümlich:  365)  erwiesen:  nur  364  Tage  von  den  365 
Tagen  des  Sonnenjahres  dürfe  Satan  verklagen;  der  eine  freie  Tag  sei  der  Versöhnungs- 
tag. —  In  Joma  20 '"^  erklärt  der  Prophet  Elias  dem  Rab  J'^huda,  dem  Bruder  des  Rab- 
Salla,  des  Frommen,  um  320,  daß  Satan  am  Versöhnungstag  keine  Vollmacht  zur  An- 


144  Matth  4, 1  (SB  3  C) 

klage  habe,  während  Rammi  bar  Gbama,  um  320,  den  Beweis  dafür  aus  dem  Zahlenwert 
des  Wortes  '^v^n  führt. 

C.  Als  Vollstrecker  des  Strafurteils  Gottes  über  die  Sünde  wird 
Satan  (Sammael)  als  Todesengel,  r'i-o  "n^^,  gedacht.  Der  Satan,  der 
böse  Trieb  u.  der  Todesengel  sind  identisch,  sagt  Resch  Laqisch,  um 
250,  BB  16-''.  —  Über  Erscheinung  u.  Wirksamkeit  des  Todesengels  vgl. 
folgende  Stellen. 

?AZ  20*^:  Vom  Todesengel  bat  man  gesagt,  daß  er  ganz  u.  gar  voller  Augen  ist. 
In  der  Stunde  des  Abscbeidens  eines  Kranken  steht  er  zu  dessen  Raupten,  ein  ge- 
bücktes Schwert  ist  in  seiner  Hand  u.  ein  Tropfen  Gift  ("■•^)^  hängt  daran.  Wenn 
•der  Kranke  ihn  erblickt,  erschrickt  er  u.  öffnet  seinen  Mund  u.  der  Todesengel  läßt 
<len  Tropfen  in  seinen  Mund  fallen;  davon  stirbt  er,  davon  geht  er  in  Verwesung  über, 
•davon  wird  sein  Angesicht  gelb.  .  .  .  Der  Vater  Scb^'niuels  (um  2Ü0)  bat  gesagt:  Mir 
hat  der  Todesengel  gesagt:  Wenn  ich  nicht  auf  die  Ehre  der  Menschen  Rücksicht 
aähme,  würde  ich  die  Schnittstelle  auseinanderreißen  wie  beim  Stück  Vieh.  Vielleicht 
ist  es  jener  Tropfen,  der  die  Halsgefäße  durchschneidet.  —  „Davon  gebt  er  in  Ver- 
wesung über" ;  das  ist  eine  Stütze  für  R.  Chanina  b.  Kahana  (gegen  8U0?);  denn  R.  Ch. 
b.  K.  hat  gesagt,  daß  man  in  der  Schule  Rabs  (f  247)  gelehrt  habe:  Wer  wünscht,  daß 
«ein  Toter  nicht  in  Verwesung  übergehe,  der  wende  ihn  um  auf  sein  Angesicht  (damit 
•das  Gift  aus  dem  Munde  wieder  abfließt).  ||  BQ  60"^  Bar:  Herrscht  die  Pest  in  einer 
ätadt,  so  gehe  der  Mensch  nicht  in  der  Mitte  der  Straße;  denn  der  Todesengel  geht 
in  der  Mitte  der  Straßen  einher.  Weil  ihm  Vollmacht  gegeben  ist,  so  schreitet  er  frei 
«öffentlich  dahin.  Herrscht  Wohlbefinden  in  einer  Stadt,  so  gehe  man  nicht  an  den 
Seiten  der  Straßen;  denn  weil  ihm  keine  Vollmacht  gegeben  ist,  so  geht  er  ganz  ver- 
steckt (seitwärts  sich  drückend)  einher.  —  Bar:  Herrscht  die  Pest  in  einer  Stadt,  so 
gehe  der  Mensch  nicht  allein  in  die  Synagoge;  denn  der  Todesengel  legt  seine  Gerät- 
schaften dort  nieder.  Dies  gilt  aber  nur  da,  wo  die  Kinder  nicht  darin  lesen  und  zehn 
Personen  darin  nicht  beten.  —  Bar:  Wenn  die  Hunde  weinend  (klagend)  heulen,  kommt 
■der  Todesengel  in  die  Stadt;  wenn  die  Hunde  lachend  bellen,  kommt  Elias  in  die  Stadt. 
Dies  gilt  aber  nur  dann,  wenn  keine  Hündin  sich  unter  ihnen  befindet.  |l  B^'rakhöl^: 
R.  J  hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Drei  Worte  hat  mir  der  Todesengel  gesagt: 
Nimm  dein  Hemd  des  Morgens  nicht  aus  der  Hand  des  Dieners,  um  es  anzuziehen. 
Laß  deine  Hände  nicht  durch  Begießen  abspülen  von  einem,  der  die  seinigen  nicht 
•abgespült  hat.  Stehe  nicht  vor  Frauen,  wenn  diese  von  einem  Toten  (=  einem  Leichen- 
begängnis) zurückkehren;  denn  tanzend  gehe  ich  vor  ihnen  einher  u.  mein  Schwert 
ist  in  meiner  Hand  u.  ich  habe  Vollmacht  zu  verderben.  —  Wenn  man  ihnen  aber 
begegnet,  welche  Aushilfe  gibt  es  da?  Man  biege  von  seiner  Stelle  vier  Ellen  weit 
aus;  wenn  ein  Fluß  da  ist,  so  lasse  man  sich  übersetzen;  wenn  ein  andrer  Weg  da 
ist,  so  gehe  man  den;  ist  eine  Mauer  iZaun  u.  dergl.)  da,  so  stelle  man  sich  dahinter; 
wenn  aber  nicht,  so  wende  man  sein  Angesicht  ab  u.  spreche  Sach  8,  2:  „Jahve  sprach 
zum  Satan:  Es  beschelte  Jahve  dich,  Satan"  usw.,  bis  sie  idie  Weiber)  vorübergegangen 
sind.  II  P'^s  112'^:  Viererlei  hat  unser  heiliger  Lehrer  (Rabbi)  seinen  Söhnen  befohlen: 
.  .  .  Stell  dich  nicht  vor  einen  Ochsen  hin,  wenn  er  von  der  Wiese  kommt,  weil  der 
iSatan  (hier  wohl  als  Todesengel  gedacht)  zwischen  seinen  Hörnern  hü|.ft.  R.  Sch'muel 
(t  254)  hat  gesagt:  Das  gilt  nur  von  einem  schwarzen  Ochsen  u.  zwar  in  den  Tagen 
•des  Nisan  (etwa  =  April).  |!  Midr  Qoh  7,  26  (3>i*):  R.  J'^huda  (b.  Elfai,  um  150)  hat  ge- 
sagt: Vierzehn  Dinge  gibt  es,  von  denen  das  eine  immer  gewaltiger  (härter)  ist  als 
<3as  andre,  u.  alle  erheben  sich  das  eine  über  das  andre.  Die  ürtiefe  ist  gewaltig,  aber 
■die  Erde  ist  erhaben  über  sie;  denn  jene  wird  niedergehalten  (niedergedrückt)  von 
dieser.   Die  Erde  ist  gewaltig,  aber  die  gewaltigen  Berge  sind  erhaben  über  sie.  Der 

*  Da  das  Gift  auch  dc  heißt,  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  daß  der  Satan  auf 
•Grund  obiger  Voi Stellung  den  Namen  Sammael,  iss  co  =  Gottesgift,  erhalten  hat. 


Matth  4,  1  (58  3  C)  145 

Berg  ist  gewaltig,  aber  das  Eisen  ist  erhaben  über  ihn  u.  spaltet  ihn.  Das  Eisen  ist 
gewaltig,  aber  das  Feuer  vernichtet  es.  Das  Feuer  ist  gewaltig,  aber  das  Wasser  zeigt 
sich  erhaben  u,  löscht  es  aus.  Das  Wasser  ist  gewaltig,  aber  die  Wolken  tragen  es. 
Die  Wolken  sind  gewaltig,  aber  der  Wind  zerstreut  sie.  Der  Wind  ist  gewaltig,  aber 
die  Wand  zeigt  sich  erhaben  u.  widersteht  ihm.  Die  W^and  ist  gewaltig,  aber  der  Mensch 
zeigt  sich  erhaben  u.  zerstört  sie.  Der  Mensch  ist  gewaltig,  aber  die  Not  reibt  ihn  auf. 
Die  Not  ist  gewaltig,  aber  der  Wein  zeigt  sich  erhaben  u.  bringt  sie  in  Vergessenheit. 
Der  Wein  ist  gewaltig,  aber  der  Schlaf  vertreibt  ihn.  Der  Schlaf  ist  gewaltig,  aber 
die  Krankheit  zeigt  sich  erhaben  u.  nimmt  ihn  fort.  Die  Krankheit  ist  gewaltig,  aber 
der  Todesengel  zeigt  sich  erhaben  u.  nimmt  die  Seele  hin.  Ein  böses  Weib  aber  ist 
schlimmer  als  sie  alle,  vgl.  Qoh  7,  26.  In  der  Farallelstelle  BB  10^  besteht  die  Reihe 
nur  aus  zehn  Gliedern;  statt  des  Todesengels  wird  der  Tod  genannt,  u.  den  Schluß 
bildet  der  Satz:  Das  Almosen  errettet  vom  Tode.  --  Anonym  u.  auf  die  Elemente  be- 
schränkt mit  dem  Schlußsatz:  ,Gott  ist  erhaben  über  alles"  ExR  28  (85'').  j!  Midr  Qoh  8,  8 
(:-!9'^):  ,Kein  Mensch  ist  des  Geistes  mächtig"  (so  der  Midrasch)  Qoh  8,8.  Die  Rabbanan 
(Zeitgenossen  des  R.  N'^chemja,  um  150)  haben  gesagt:  Kein  Mensch  ist  des  Geistes 
des  Todesengels  mächtig,  sich  ihm  zu  entziehen.  Woher,  daß  die  Engel  „Geister"  ge- 
nannt werden?  Es  heißt  Ps  104,4:  Er  macht  seine  Engel  zu  Geistern  (so  der  Midrasch). 
,ünd  keiner  ist  gebietend  über  den  Todestag"  (Qoh  das.).  Kein  Mensch  kann  zum 
Todesengel  sagen:  Warte  auf  mich,  bis  ich  meine  Rechnung  abgeschlossen  habe,  dann 
will  ich  kommen!  ||  GnR  9  (7"):  R.  Sch'^muel  b.  Jigchaq  (um  800)  hat  gesagt:  , Siehe, 
«s  war  sehr  gut"  Gnl,31,  damit  ist  der  Engel  des  Lebens  gemeint;  „und"  siehe,  es 
war  sehr  gut,  damit  ist  der  Engel  des  Todes  gemeint.  Ist  denn  aber  der  Todesengel 
sehr  gut?  Gleich  einem  Könige,  der  ein  Mahl  veranstaltete  u.  die  Gäste  dazu  einlud. 
Er  setzte  ihnen  eine  Schüssel  vor  voll  von  allem  Guten.  Er  sprach:  Wer  davon  ißt  u. 
den  König  segnet  (preist),  der  möge  essen  u.  dem  möge  es  wuhlbekommen;  wer  aber 
davon  ißt,  ohne  den  König  zu  segnen,  dessen  Haupt  werde  mit  dem  Schwerte  ab- 
gehauen. So  ist  für  jeden,  der  einen  Schatz  von  Gebotserfüllungen  u.  guten  Werken 
erwirbt,  der  Engel  des  Lebens  da;  wer  aber  keinen  Schatz  von  Gebotserfüllungen  u. 
guten  Werken  erwirbt,  siehe,  für  den  ist  der  Engel  des  Todes  da.  ||  NuR  5  (145^): 
R.  Pin'^chas,  der  Priester,  b.  Chama  (um  360)  hat  gesagt:  .  .  .  Als  Qorach  wider  Mose 
Partei  ergriff,  wollte  der  Todesengel  gegen  Israel  ausziehen  u.  sie  vernichten ;  u.  wenn 
■er  ausgezogen  wäre,  so  hätte  er  ganz  Israel  getötet.  Mose  aber  weilte  in  der  Nähe 
des  Stiftszeltes,  weil  er  zu  den  Kindern  Q'^^haths  gehörte,  u.  bemerkte  ihn,  wie  er  gegen 
Israel  ausziehn  wollte.  Sofort  sprach  er  zu  Ahron  (Nu  17,  II):  Nimm  die  Räucherpfanne 
u.  tu  Feuer  vom  Altar  darauf  usw.  Schaffe  Sühnung  für  sie  eilends,  mit  Springen 
(;n9-3),  treibe  dich  selbst  an;  was  stehst  du  staunend  da?  Geh  eilends  zur  Ge- 
meinde! Ahron  sprach  zu  ihm:  Mein  Herr,  was  siehst  du?  Er  antwortete  ihm:  Ich 
sehe  den  Todesengel,  wie  er  auszieht,  die  Feinde'  Israels  zuschlagen;  „denn  Q^^eph 
(Name  eines  Zornengels)  ist  von  Jahve  ausgegangen".  Hieraus  kannst  du  lernen,  daß 
die  Leviten  die  Strafe  abgewandt  haben  u.  unter  ihnen  (vornehmlich)  die  Kinder 
(J'^haths,  zu  denen  Mose  u.  Ahron  gehörten.  —  Vgl.  die  Dichtung  des  R.  J'^'hoschuaf 
b.  Levi,  um  250,  wie  Mose  im  Himmel  durch  die  Auslegung  der  zehn  Gebote  den 
Engeln  beweist,  daß  die  Tora  nur  für  die  untere  Welt  bestimmt  sein  könne;  darob 
wurden  alle  Himmlischen  Moses  Freunde,  u.  jeder  von  ihnen  gab  ihm  Belehrung  zum 
Geschenk  (Ps68,  19),  Auch  der  Todesengel  blieb  nicht  zurück  u.  gab  ihm  Nu  17,  11  ff. 
als  Mittel  kund,  Sühnung  für  Israel  zu  schaffen  Schab  88''.  1|  P'siq  li<8'':  R.  Abin  (wohl 
der  Jüngere,  um  370)  hat  gesagt:  Zeit  seines  Lebens  wollte  Mose  Israel  segnen;  aber 
der  Todesengel  ließ  es  nicht  zu,  daß  er  sie  segnete  (nämlich  noch  unmittelbar  vor 
seinem  Ableben).   Was  tat  Mose?  Er  nahm  ihn  u.  band  ihn  zu  seinen  Füßen,  u.  dann 


'  Euphemistisch  für:  „Die  gottlosen  Israeliten"  s.  S.  13:'  Anm.,  nach  dem  Grund- 
satz, daß  man  nicht  durch  Aussprechen  von  etwas  Ungünstigem  dem  Satan  seineu 
Mund  zur  Anklage  öffnen  soll,  vgl.  oben  S.  141. 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  10 


146  Matth  4,  l  (S  3  C) 

segnete  er  sie  in  seiner  Gegenwart,  s.  Dt  33,  1 :  „Dies  ist  der  Segen,  mit  welchem 
Mose,  der  Mann  Gottes,  die  Kinder  Israel  segnete  in  Gegenwart  seines  Todes "(engels; 
so  der  Midiasch).  In  wessen  Gegenwart?  In  Gegenwart  dessen,  der  unter  seice  Füße 
hingestreckt  war.  —  Ähnlich  anonym  P^siii  199'';  Tanch  rii--  rsn  31-'';  DtR  11  ('207-').  l! 
DtR  II  (207"):  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Der  Todesengel  ging  zu  Mose  u.  sprach 
zu  ihm:  Gott  hat  mich  zu  dir  gesandt,  denn  du  wirst  heute  verscheiden.  Mose  sprach 
zu  ihm:  Geh  weg  von  hier,  denn  ich  will  Gott  preisen,  s.  Ps  118,  17.  Er  antwortete: 
Mose,  was  brüstest  du  dich?  Er  hat  einen,  der  ihn  preist;  Himmel  u.  Erde  preisen, 
ihn  zu  jeder  Stunde,  s.  Ps  19,2.  Mose  sprach:  Und  ich  heiße  sie  schweigen  u.  werde 
ihn  preisen,  s.  Dt  32, 1.  —  Darauf  kam  der  Todeseugel  abermals  zu  ihm.  Was  tat  Mose? 
Er  sprach  wider  ihn  den  vollen  Gottesnameu  („Jahve")  aus;  da  floh  der  Todesengel,, 
s.  Dt  33,  3:  „Den  Namen  Jahves  rufe  ich  aus."  -  Als  er  zum  drittenmal  zu  ihm  kam. 
dachte  Mose:  Weil  er  von  Gott  kommt,  muß  ich  das  Gericht  als  gerecht  bei  mir  an- 
erkennen, s.  Dt  33,  4:  Der  Fels,  vollkommen  i.st  sein  Tun.  —  R.  JiQchaq  (um  300)  hat 
gesagt:  Die  Seele  Moses  machte  Schwierigkeiten,  aus  ihm  zu  scheiden.  Mose  redete 
mit  seiner  Seele  u.  sprach:  Meine  Seele,  vielleicht  wird  der  Todesengel  über  dich 
Gewalt  gewinnen!  Sie  sprach:  Gott  wird  nicht  also  tun,  s.  Ps  116,8:  „Du  errettest 
meine  Seele  vom  Tode."  Mose:  Vielleicht  siehst  du  sie  (Israel)  weinen  u.  du  weinst 
mit  ihnen!  Sie  sprach  (ebendas.):  „Und  mein  Auge  von  den  Tränen."  Mose:  Vielleicht 
will  man  dich  in  den  Oehinnom  hinabstürzen!'  Sie  sprach  (das.):  „Und  meinen  Fuß 
vom  Sturze."  Mose:  Wohin  wirst  du  gehn?  Sie  sprach  (das.  Vers  9):  „Ich  werde  vor 
Jahve  wandeln  in  den  Landen  der  Lebendigen."  Als  Mose  solches  hörte,  gab  er  ihr 
die  Erlaubnis  u.  sprach  (das.  Vers  7):  „Kehre  zurück,  meine  Seele,  in  deine  Ruhe" 
usw.  -  Dasselbe  Tanch  -z^^n  pst-,  31".  ||  DtR  11  (207'=):  Der  Engel  Sammael  hatte 
stündlich  auf  Moses  Tod  gerechnet  usw.,  s.  die  Stelle  bei  Brief  Judas  9.  Nachdem  dann 
erzählt  ist,  wie  Gabriel  u.  Mikhael  sich  außerstande  erklären,  Moses  Seele  zu  holen 
(s.  die  Stelle  bei  Lk  16,  22),  fährt  der  Bericht  fort  207*^:  Gott  sprach  zu  Sammael,  dem 
Bösewicht:  Geh  u.  hole  Moses  Seele!  Sofort  kleidete  sich  dieser  in  Zorn  u.  gürtete 
sein  Schwert  um  u.  hüllte  sich  in  Grausamkeit  u.  ging  Mose  entgegen.  Als  er  diesen 
sah,  wie  er  saß  u.  den  vollen  Jahvenamen  schrieb  u.  der  Glanz  seines  Aussehens  der 
Sonne  glich  u.  Mose  selbst  dem  Engel  Jahves  Q^baoth,  fürchtete  er  sich  vor  ihm  u. 
sprach:  Wahrlich,  kein  Engel  vermag  die  Seele  Moses  in  Empfang  zu  nehmen.  Bevor 
aber  Sammael  sich  dem  Mose  gezeigt  hatte,  wußte  dieser,  daß  S.  gekommen  war.  Als 
dieser  den  Mose  erblickte,  erfaßte  ihn  Furcht  u.  Zittern,  wie  eine  Gebärerin,  u.  er  fand 
kein  Öffnen  des  Mundes  (keine  Gelegenheit),  mit  Mose  zu  reden,  bis  dieser  zu  ihm 
sagte:  „Keinen  Frieden,  spricht  Jahve,  gibt's  für  die  Gottlosen"  Jes57,  21.  Was  willst 
du  hier?  Er  antwortete:  Deine  Seele  in  Empfang  zu  nehmen  bin  ich  gekommen.  Mose: 
Wer  hat  dich  gesandt?  S.  sprach:  Der,  der  alle  Menschen  erschatten  hat.  Mose:  Du 
wirst  meine  Seele  nicht  empfangen.  S  :  Die  Seelen  aller,  die  in  die  Welt  kommen, 
sind  in  meine  Hand  gelegt!  Mose:  Ich  habe  mehr  Kraft,  als  alle,  die  in  die  Welt  ge- 
kommen sind.  S. :  Was  ist  deine  Kraft?  Mose:  Ich  bin  der  Sohn  ?Amrams,  der  ich 
beschnitten  aus  meiner  Mutter  Leib  gegangen  bin,  u.  nicht  hatte  ich  nötig,  daß  man 
mich  beschnitt.  An  dem  Tage,  da  ich  geboren  ward,  vermochte  ich  meinen  Mund  zu 
öffnen  (zum  Sprechen)  u.  ging  auf  meinen  Füßen  u.  redete  mit  meinen  Eltern,  u.  selbst 
Milch  habe  ich  nicht  gesogen.  Als  ich  drei  Monate  alt  war,  weissagte  ich,  daß  ich 
einst  die  Tora  aus  Feuerflammen  empfangen  würde.  Als  ich  dann  in  die  Welt  hinaus- 
trat, ging  ich  in  den  Palast  des  Königs  u.  nahm  die  Krone  von  seinem  Haupt.  Als 
ich  80  Jahre  alt  war,  habe  ich  in  Ägypten  Zeichen  u.  Wunder  getan  u.  60  Myriaden 
vor  den  Augen  aller  Ägypter  herausgeführt;  ich  habe  das  Meer  in  12  Spaltungen  geteilt 
u.  das  Wasser  der  Bitterkeit  in  süßes  verwandelt;  ich  bin  emporgestiegen  u.  einher- 
gegangen auf  dem  Wege  des  Himmels;  ich  habe  zum  Kampf  mit  den  Engeln  (1.  r-rs^': 
statt  B-rV«:)  gegriffen  u.  habe  die  Tora  von  Feuer  empfangen.  Meine  Wohnung  ist  unter 
dem  Fenerthron  u.  meine  Hütte  unter  der  Feuersäule  gewesen;  ich  habe  mit  ihm  von 
Angesicht   zu  Angesicht   geredet   u.  habe   obgesiegt  in  der  Familie  der  oberen  Welt 


Matth  4,  1  (33  3  C)  147 

(unter  den  Engeln);  ich  habe  ihre  Geheimnisse  den  Menschen  kuudgetan  u.  liabe  die 
Tora  aus  der  Rechten  Gottes  empfangen  u.  sie  Israel  gelehrt.  Ich  habe  Krieg  geführt 
mit  Sichon  u.  mit  fOg,  den  beiden  Helden  aus  den  Völkern  der  Welt,  an  deren  Kni3chel 
zur  Zeit  der  Flut  die  Wasser  uiclit  heranreichten  wegen  ihrer  Größe;  ich  ließ  die  Sonne 
n.  den  Mond  in  der  Höhe  der  Welt  stillstehn  u.  schlug  sie  (Sichon  u.  fOg)  mit  dem 
Stab  in  meiner  Hand  u.  tötete  sie.  Wer  ist  unter  denen,  die  in  die  Welt  gekommen 
sind,  der  solches  tun  kr>nnte?  Geh  weg  von  hier,  Frevler,  du  hast  nicht  also  zu 
sprechen;  geh,  fliehe  vor  mir,  ich  gebe  dir  meine  Seele  nicht!  —  Sofort  kehrte  SammaSl 
um  u.  brachte  das  Wort  vor  den  Allmächtigen.  Gott  .sprach  zu  S. :  Geh  u.  hole  Moses 
Seele!  —  Sofort  zog  er  sein  Schwert  aus  der  Scheide  u.  trat  vor  Mose  hin.  Alsbald 
ward  Mose  zornig  auf  ihn,  nahm  den  Stab  in  seine  Hand,  auf  dem  der  volle  Jahve- 
name  eingraviert  war,  u.  schlug  damit  auf  S.  aus  voller  Kraft  ein,  bis  dieser  vor  ihm 
floh;  Mose  aber  verfolgte  ihn  mit  dem  vollen  Jahvenamen  u.  nahm  einen  Strahl  von 
seinem  Glänze  zwischen  seinen  Augen  u.  blendete  damit  S.s  Auge.  —  Jetzt  war  für 
Mose  das  Ende  des  (letzten)  Augenblicks  angebrochen.  Da  ging  eine  Bath-Qol  (Himmels- 
stimme, s.  bei  Mt  3,  17)  aus,  welche  sprach:  Es  ist  das  Ende  deines  Todes  da!  Mose 
sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  gedenke  jenes  Tages,  da  du  dich  mir  im  Dornbusch 
offenbartest  u.  sprachst  Ex;-!,  10:  Geh,  daß  ich  dich  zum  Pharao  sende,  u.  führe  mein 
Volk,  die  Kinder  Israel,  aus  Ägypten  hinaus.  Gedenke  jenes  Tages,  da  ich  auf  dem 
Berge  Sinai  40  Tage  u.  40  Nächte  stand!  Ich  bitte  dich,  gib  mich  nicht  in  die  Hand 
des  Todesengels  hin!  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  die  zu  ihm  sprach:  Fürchte  dich 
nicht,  ich  selbst  werde  mich  mit  dir  befassen  u.  mit  deinem  Begräbnis.  —  Ahnlich 
kürzer  SDt  31, 14  §  305  (129''). 

Sukkaöo'"*:  Der  Todesengel  darfeinen  Menschen  nur  an  dem  Orte  töten,  der  ihm  von 
Gott  bezeichnet  ist;  s.  die  Stelle  im  Exkurs:  Zur  altjüd.  Dämonologie  Nr.  7  Anm.h;  vgl.  aber 
das  folgende  Zitat.  i|  Chag4'':  Rab  Joseph  (f  333)  pflegte  zu  weinen,  wenn  er  an  die  Schrift- 
stelle kam:  ,  Mancher  wird  ohne  Recht  hin  weggerafft"  (so  der  Midrasch  Spr.  13,23).  Er 
sprach:  Gibt  es  denn  wirklich  einen,  der  dahingeht,  ohne  daß  seine  Zeit  da  ist?  Ja,  wie  die, 
von  der  Rab  ßebai  b.  Abaje  (un\  370  ?)  erzählt  hat.  Bei  diesem  befand  sich  nämlich  der 
Todesengel,  der  seinem  Boten  befahl:  Geh,  bringe  mir  die  Mirjam,  die  Frauenhaar- 
flechterin.  Er  ging  u.  brachte  ihm  Mirjam,  die  Kindererzieherin.  Er  sprach  zu  ihm: 
ich  habe  dir  doch  gesagt:  Die  Mirjam,  die  Frauenhaarflechterin.  Er  erwiderte:  In  diesem 
Fall  will  ich  sie  wieder  zurückschaffen.  Jener  sprach:  Weil  du  sie  gebracht  hast,  so 
mag  sie  zur  Zahl  (der  Toten)  gehören!  Aber  wie  konnte  denn  das  mit  ihr  geschehen? 
Sie  hatte  ein  Schürholz  genommen,  heizte  u.  fachte  das  Feuer  an;  dann  nahm  sie  es 
(das  brennende  Schürholz)  und  legte  es  auf  ihren  Fuß,  daß  dieser  verbrannte,  u.  ihr 
Geschick  wandte  sich  zu  ihrem  Unheil.  Da  sagte  Rab  Bebai  b.  Abaje  zum  Todesengel: 
Habt  ihr  denn  Erlaubnis,  also  zu  handeln?  Er  antwortete:  Steht  denn  nicht  geschrieben: 
„Mancher  wird  hinweggerafft  ohne  Recht"?  Der  Rabbi  sprach:  Es  steht  doch  aber  ge- 
schrieben Qoh  1,  4:  „Ein  Geschlecht  geht  u.  ein  andres  kommt"  (nämlich  zur  fest- 
gesetzten Zeit)!  Er  antwortete:  Ich  führe  sie  so  lange  mit  mir,  bis  ihre  Lebensdauer 
vollendet  ist,  dann  überliefere  ich  sie  dem  Duma  (Engel,  der  über  das  Totenreich  ge- 
setzt ist).  —  Zur  Deutung  der  Frauenhaarflechterin  Mirjam  auf  Jesu  Mutter  Maria  s. 
Strack,  Jesus,  die  Häretiker  und  die  Christen  19 10  S.  36,  u.  das  bei  Mt  27,  56  Bemerkte,  jj 
K^th  77'':  Als  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  starb,  sprach  Gott  zum  Todesengel:  Geh, 
erfülle  ihm  seinen  Wunsch!  Er  ging  u.  erschien  ihm.  Der  Rabbi  sprach  zu  ihm:  Zeige 
mir  meinen  Ort  (im  Paradiese)!  Er  antwortete:  Nun  wohlan!  Er  sprach  zu  ihm:  Gib 
mir  dein  Messer,  du  könntest  mich  damit  unterwegs  erschrecken.  Er  gab  es  ihm.  Als 
er  dort  angekommen  war,  hob  er  ihn  in  die  Höhe  u.  ließ  ihn  (seinen  Platz)  sehen.  Der 
Rabbi  aber  sprang  in  die  Höhe  u.  fiel  auf  der  andren  Seite  (also  innerhalb  der  Para- 
diesesmauer) nieder.  Da  ergriff  ihn  der  Todesengel  an  der  Spitze  seines  Mantels.  Der 
Rabbi  sprach:  Ich  schwöre,  daß  ich  nicht  (zurück)komme.  Gott  sprach  :  Wenn  er  sich 
(früher  einmal)  einen  Schwur  hat  lösen  lassen,  dann  muß  er  zurück  (aus  dem  Para- 
diese);  wenn   aber  nicht,   so  braucht  er  nicht  zurück!   Da  sprach  der  Todesengel  zu 

10* 


148  Matth  4, 1  (SB  3  C) 

ihm:  Gib  mir  mein  Messer!  Aber  er  gab  es  ihm  nicht.  Es  ging  eine  Bath-Qol  (Himmels- 
stimme) aus,  welche  sprach:  Gib  es  ihm,  es  wird  für  die  Menschen  notwendig  gebraucht. 
Da  rief  Elias  laut  vor  R.  J'^^hoschua?  b.  Levi  (im  Gan  ?Eden)  aus:  Macht  Platz  dem 
Sohne  Levis,  macht  Platz  dem  Sohne  Levis!  ...  —  R.  Chanina  b.  Papa  (um  300)  war 
ein  vertrauter  Freund  (wörtlich:  Hochzeitskamerad)  des  Todesengels.  Als  seine  Seele 
zur  Ruhe  eingehn  sollte,  sprach  man  (unbestimmte  Ausdrucksweise  für  „Gott")  zum 
Todesengel:  Geh,  erfülle  ihm  seinen  Wunsch.  Er  ging  zu  ihm  u.  erschien  ihm.  Der 
Rabbi  sprach  zu  ihm:  Laß  mir  noch  dreißig  Tage  Frist,  bis  ich  mein  Gelerntes  w^pder- 
holt  habe;  denn  man  hat  gesagt:  Wohl  dem,  der  hierher  (in  das  .Jenseits)  kommt  u. 
sein  Gelerntes  in  seiner  Hand  (als  festen  Besitz  bei  sichi  hat!  Da  verließ  er  ihn. 
Nach  dreißig  Tagen  kam  er  u.  erschien  ihm.  Der  Rabbi  sprach:  Zeige  mir  meinen 
Platz.  Jener  erwiderte:  Nun  wohlan !  Er  sprach:  Gib  mir  dein  Messer,  vielleicht  möchtest 
du  mich  damit  unterwegs  erschrecken!  Jener  antwortete:  Du  willst  es  wohl  so,  wie 
dein  Kollege  (R.  J'^hoschuaf  b.  Levi)  mit  mir  machen!  Er  sprach  zu  dem  Todesengel: 
Hole  ein  Torabuch  u.  zeige  mir,  ob  irgend  etwas  darin  geschrieben  steht,  was  ich  nicht 
gehalten  hätte!  Jener  antwortete:  Hast  du  dich  auch  verhüllt  bei  Leuten,  die  mit 
Schleimfluß  behaftet  waren,  u.  dich  (bei  ihnen)  mit  der  Tora  beschäftigt?  (So  hatte 
es  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  getan  im  Vertrauen  darauf,  daß  die  Tora  ihn  vor  Ansteckung 
bewahren  werde.) 

DtR  9  (200'^):  Unsre  Lehrer  haben  erzählt:  Einmal  geschah  es  zur  Zeit  des 
R.  Schim?on  b.  Chalaphta  lum  190),  daß  dieser  zu  einem  Beschneidungsfest  ging.  Der 
Vater  des  Kindes  hatte  ein  Mahl  veranstaltet  u.  setzte  ihnen  Wein  vor,  der  sieben 
Jahre  alt  war.  Er  sprach  zu  den  Gästen:  Von  diesem  Wein  lasse  ich  (einen  Teil)  alt 
werden  bis  zur  Hochzeitsfeier  meines  Sohnes.  Man  tafelte  bis  zur  Mitternachtsstunde. 
R.  Schimfon  b.  Chalaphta,  der  auf  seine  Kraft  vertraute,  brach  zur  Mitternacht  auf, 
um  nach  seiner  Stadt  (f  En-T^ena  bei  Sepphoris)  zu  gehn.  Er  traf  dabei  unterwegs  den 
Todesengel  u.  sah  ihn  verändert  (in  seinem  Gesichtsausdruck).  Er  sprach  zu  ihm:  Wer 
bist  du?  Jener  antwortete:  Der  Abgesandte  Gottes.  Er  sprach  zu  ihm:  Warum  siehst 
du  verändert  aus?  Er  antwortete:  Wegen  des  Geredes  (1.  irrr-b's  statt  ir'T'Dv;)  der 
Leute,  die  sagen:  So  u.  so  wollen  wir  tun,  ohne  daß  man  weiß,  wann  man  vom  Tode 
betroffen  wird.  So  hat  jener  Mann,  bei  dem  du  gespeist  hast,  zu  euch  gesagt:  Von 
diesem  Wein  will  ich  alt  werden  lassen  für  das  Hochzeitsfest  meines  Sohnes,  u  siehe, 
seine  (des  Sohnes)  Zeit  abzuscheiden  ist  nach  dreißig  Tagen  gekommen.  Er  sprach 
zu  ihm:  Zeige  mir  meine  Zeit!  Er  erwiderte  ihm:  Über  dich  u.  deinesgleichen  habe 
ich  keine  Gewalt.  So  oft  Gott  an  euren  guten  Werken  Wohlgefallen  hat,  legt  er  euch 
Leben  zu,  wie  es  heißt  Spr  10,  27:  „Die  Furcht  Jahves  vermehrt  des  Lebens  Tage."  — 
In  Midr  Qoh  3,  2  (l^i'^)  dasselbe  aramäisch  mit  den  Schlußworten:  Man  bat  Gott  um 
Erbarmen,  u.  er  ließ  das  Kind  am  Leben.  ||  MQ  28^:  Rab  a"i>T  (sprich:  S'^foram),  der 
Bruder  des  Raba,  saß  vor  Raba  (f  352)  an  dessen  Krankenbett.  Er  sah,  daß  er  ent- 
schlummerte (daß  es  mit  ihnx  zu  Ende  ging).  Raba  sprach  zu  ihm:  Sage  es  doch  der 
Herr  (=  du)  dem  Todesengel,  daß  er  uns  nicht  quäle.  Er  antwortete  ihm:  Ist  denn 
der  Herr  (=  du)  nicht  sein  vertrauter  Freund?  Er  sprach:  Nachdem  mein  Geschick 
in  seine  Hand  gelegt  ist,  nimmt  er  keine  Rücksiebt  mehr  auf  mich.  Jener  sprach: 
Möge  mir  der  Herr  (=  du)  erscheinen  (nämlich  nach  dem  Tode  aus  dem  Jenseits)!  Er 
erschien  ihm.  Rab  'v  sprach  zu  ihm:  Hatte  der  Herr  (in  der  Sterbestunde)  Schmerzen? 
Er  antwortete:  Gleich  dem  Stich  der  Lanzette  beim  Aderlaß.  —  Raba  saß  vor  Rab 
Nachman  (b.  Jafaqob,  f  >{20).  Er  sah,  daß  er  entschlummerte  (starb).  Da  sprach  (der 
Sterbende)  zu  ihm:  Sage  doch  der  Herr  dem  Todesengel,  daß  er  uns  nicht  quäle.  Er 
antwortete  ihm:  Ist  denn  nicht  der  Herr  ein  angesehener  Mann?  (Also  sage  es  ihm 
selbst).  Jeuer  sprach:  Wer  ist  angesehen,  wer  ist  geachtet,  wer  ist  bekannt  (in  der 
Sterbestunde)!  Er  sprach  zu  ihm:  Möge  mir  der  Herr  erscheinen!  Er  erschien  ihm. 
Raba  sprach  zu  ihm:  Hatte  der  Herr  Schmerzen?  Er  antwortete:  Wie  wenn  ein  Haar 
aus  der  Milch  gezogen  wird  (so  schmerzlos  schied  meine  Seele  aus  meinem  Leibe). 
Aber  wenn  Gott  zu  mir  spräche:  "Geh  zurück  in  die  Welt,  in  der  du  warst",  so  möchte 


Matth  4,  1  (SB  3  C.  4)  149 

ich  es  doch  nicht;  denn  die  Angst  vor  ihm  (dem  Todesengel)  war  groß.  —  R.  Elfazar 
(b.  P*^'dath,  um  270,  der  nach  dieser  Stelle  priesterlichen  Geschlechts  war)  aß  Hebe. 
Es  erschien  ihm  der  Todesengel.  Er  sprach  zu  ihm:  Hebe  habe  ich  gegessen,  u.  wird 
sie  nicht  „Heiliges"  genannt?  Da  ging  die  Stunde  (des  Sterbens)  an  ihm  vorüber.  — 
Dem  Rab  Schescheth  (um  2fi0)  erschien  der  Todesengel  auf  der  Straße.  Er  sprach  zu 
ihm:  Auf  der  Straße,  wie  beim  Stück  Vieh?  Komm  zu  ihm  ins  Haus!  —  Dem  Rab 
Aschi  (t  427)  erschien  der  Todesengel  auf  der  Straße.  Er  sprach  zu  ihm:  Warte  auf 
mich  dreißig  Tage,  daß  ich  mein  Gelerntes  wiederhole;  denn  ihr  (Himmlischen)  habt 
gesagt:  Wohl  dem,  der  hierher  kommt  u.  sein  Gelerntes  ist  in  seiner  Hand!  Am 
dreißigsten  Tage  kam  er  wieder.  Er  sprach  zu  ihm:  Ist  das  die  ganze  Zeit?  (nach 
30  Tagen,  nicht  während  des  30.  Tages  sollte  der  Todesengel  wiederkehren).  Es  drängte 
der  Fuß  (seines  Nachfolgers)  des  Bar  Nathan;  u.  keine  Regierung(szeit)  berührt  sich 
mit  der  andren  auch  nur  um  Haarbreite.  —  Dem  Rab  Chisda  (f  309)  konnte  der  Todes- 
engel nicht  beikommen,  weil  sein  Mund  nicht  schwieg  vom  Studium.  Da  stieg  er  empor 
u.  setzte  sich  auf  eine  Zeder  beim  Schulhause.  Die  Zeder  krachte,  Rab  Chisda 
schwieg,  u.  er  kam  ihm  bei.  Dem  R.  Chijja  (um  200)  vermochte  sich  der  Todesengel 
nicht  zu  nähern.  —  Eines  Tages  erschien  er  ihm  in  der  Gestalt  eines  Armen;  er 
kam,  klopfte  an  die  Tür  u.  sprach:  Gib  mir  ein  Stückchen  Brot!  Er  reichte  es  ihm 
hinaus.  Jener  sprach  zu  ihm:  Hat  sich  nicht  der  Herr  (=  du)  des  Annen  erbarmt? 
Warum  erbarmt  sich  nicht  der  Herr  (=  du)  auch  dieses  Mannes  (d.  h.  meiner)?  Darauf 
offenbarte  er  sich  ihm  u.  zeigte  ihm  eine  feurige  Rute.  Da  konnte  er  seiner  Seele  bei- 
kommen. —  Eine  Parallele  zu  dem  Bericht  über  Rab  Chisda  findet  sich  Mak  1 0  •*.  Ziemlich 
dasselbe,  was  über  Chisdas  Ableben  erzählt  wird,  wird  überDavidsTod  berichtet  Schab30''. 

4.  Wie  der  Todesengel  vorübergehend  bei  der  Gesetzgebung  seine  Ge- 
walt über  Israel  verlor,  a  so  wird  er  sie  dauernd  verlieren  in  der  Zukunft,  b 

a.  TanchB  svr  -=  §  12  (bö^):  „Die  Tafeln  waren  Werk  Elohims  u.  die  Schrift 
war  Schrift  Elohims,  Freiheit  war  auf  den  Tafeln"  (Ex  32, 1(J,  der  Midr  liest  rn-r:  -—  Frei- 
heit statt  r:i-r:  =  eingraviert).  Was  heißt  r^^n?  R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Freiheit 
von  den  Reichen  (der  Welt);  R.  N'^chemja  (um  150)  sagte:  Freiheit  vom  Todesengel, 
ünsre  Lehrer  (um  150)  sagten:  Freiheit  von  Leiden.  —  Parallelstellen:  Tanch  nh-:} 
214=';  TanchB  s-s-  §9  (13'*);  NuR  16  (182-'*);  ExR  32  (93^),  41  (97''),  51  (103'');  unter 
Umstellung  der  Autorennamen  LvR  18  (1 18=');  Midr  HL  8,  6  (131=')-  !l  LvR  18  (118='): 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Elifezer  b.  Jose  ha-G°lili  (um  150)  gesagt: 
Als  die  Israeliten  am  Berge  Sinai  standen  u.  sprachen  Ex  24,  7:  „Alles,  was  Jahve 
geredet  hat,  wollen  wir  tun  u.  hören",  rief  Gott  den  Todesengel  u.  sprach  zu  ihm: 
Obwohl  ich  dich  zum  Weltherrscher  (xoafj.oxg(<T(o())  über  die  Menschen  gemacht  habe, 
so  sollst  du  doch  nichts  mit  dieser  Nation  (Israel)  zu  schaffen  haben;  denn  es  sind 
meine  Kinder,  s.  Dt  14,  1:  „Ihr  seid  Söhne  Jahves  eures  Gottes."  Ferner  heißt  es 
Dt  5,  20:  „Als  ihr  die  Stimme  aus  dem  Finstern  hörtet."  Gibt  es  denn  Finsternis  oben? 
Es  heißt  doch  Dn  2,  22:  „Licht  wohnt  bei  ihm!"  Vielmehr  ist  damit  der  Todesengel 
gemeint,  der  Finsternis  heißt.  (Vgl.  hierzu  R.  B^'rekhja  Tanch  zv^  44 '^  S.  137  Anm.)  — 
Dasselbe  Midr  HL  8,  6  (131*);  kürzer  ExR  41  (98»);  51  (103'');  TanchB  s^si  §  9  (13='), 
NuR16(181<J).  — Ähnliches  anonym  ExR  32  (93^- 'l).  ||  ExR51(lÜ3'M:  Als  die  Israeliten 
die  Tora  empfingen,  bekleidete  Gott  sie  mit  dem  Glanz  seiner  Herrlichkeit.  Worin 
bestand  die  Bekleidung?  .  .  .  R.  Schiin?on  b.  Jochai  (um  150)  hat  gesagt:  Waffen  gab 
er  ihnen,  auf  denen  der  große  Name  („Jahve")  eingraviert  stand,  u.  solange  der  in 
ihrer  Hand  war,  konnte  der  Todesengel  über  sie  nicht  herrschen.  —  Parallele:  TanchB 
-rhv,  Zusatz  §  1  (3Sb).  II  gAZ  5"  Bar:  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Die  Israeliten 
haben  die  Tora  nur  empfangen,  damit  der  Todesengel  nicht  über  sie  herrschen  sollte, 
s.  Ps82,  6:  „Ich  selber  habe  gesprochen:  Götter  seid  ihr  u.  Söhne  des  Höchsten  ihr 
alle."  Aber  da  ihr  eure  Werke  verderbt  habt,  „fürwahr,  wie  Menschen  (der  Midrasch 
wohl:  wie  Adam)  sollt  ihr  sterben"  (das.  Vers  7). 

b.  Über  die  Vernichtung  des  Todesengels  in  der  Zukunft  s.  bei  1  Kor  15,  54. 


150  Matth  4,  2.  4,  5  (31.  Sj 

4,2:  Und  fastete  vierzig  Tage. 

ExR  47  (102»):  „Mose  war  dort  bei  Jahve  vierzig  Tage  u.  vierzig  Nächte,  ohne 
Brot  zu  essen"  usw.  Ex  34,  2S.  Ist  es  einem  Menschen  denn  möglich,  vierzig  Tage 
ohne  Speise  u.  Trank  zu  sein?  R.  Tanchuma  (nach  BM  86"^  dürfte  der  Ben  Chanilai, 
um  280,  gemeint  sein)  hat  im  Namen  des  R.  Elfazar  (b.  P'^dath?  um  270)  u.  R.  Abin 
(so  zu  lesen  nach  GnR  48;  Abin  I.  um  325,  II.  um  H70)  hat  im  Namen  des  R.  Meii 
(um  150)  gesagt:  Das  Sprichwort  sagt:  , Kommst  du  in  eine  Stadt,  so  richte  dich  nach 
deren  Sitten!"  Mose  stieg  nach  oben  empor,  wo  es  kein  Essen  ii.  Trinken  gibt,  u, 
ward  ihnen  (den  Oberen)  gleich;  die  Engel  des  Dienstes  stiegen  nach  unten  hinab, 
wo  es  Essen  u.  Trinken  gibt,  u.  alsen  u.  tranken,  s.  Gn  18,  8.  —  Parallel  GnR  48  (30^^). 

4,4:  Auf  Grund  jeglichen  Wortes. 
Dt  8,  3  wird  kein  dem  Qr^ijaTi  entsprechendes  Wort  gelesen ;  dagegen 
führen  die  Targumim,  wohl  zur  Vermeidung  des  anthropomorphistischen 
„Mund"  Gottes,  das  Memra  ein.  Targ  Onk  Dt  8,  3:  Durch  alles  vom 
Memra  Jahves  Hervorgebrachte  besteht  der  Mensch.  Targ  Jerusch  I: 
Durch  alles,  was  vom  Memra  Jahves  geschaffen  wurde,  lebt  das 
Menschenkind.  ||  Vgl.  auch  Aboth  6,  7:  Groß  ist  die  Tora;  denn  sie  gibt 
Leben  denen,  die  sie  tun,  in  dieser  u.  in  der  zukünftigen  Welt,  s,  Spr 
4,22:  Leben  sind  sie  (nach  dem  Midrasch:  die  Worte  der  Tora)  für 
jeden,  der  sie  erlangt,  u.  seinem  ganzen  Leibe  Heilung;  ferner  Spr 
3,18:  Ein  Lebensbaum  ist  sie  (die  Weisheit  =^  Tora)  denen,  die  sie 
ergreifen,  u  wer  sie  festhält,  ist  glückselig. 

4,  5  5(:  In  die  heilige  Stadt. 
Dn  9,  24:  -^ip  i":*  hv;  2  Makk  3,  1:  t/~c  dyi'ag  toivvv  nöXsutg  xatoi- 
xovfisvTig  fisTce  ndffrjc  HQrjvrjC;  ferner  9,14;  15,14.  —  Sir  36, 18:  p'ip 
T^-riiT;  der  Grieche:  nöXiv  ccYiüaf^iaröc  aov;  49,  6:  '»rip  r-i-ip,  der  Grieche: 
nohv  dyic<(jf.iciTog.  Der  Ausdruck  findet  sich  aber  auch  schon  Jes  48,2; 
52, 1 ;  Neh  11, 1.  —  Jüdische  Scheqelmünzen  tragen  die  Aufschrift  n^ia-n-' 
mnp  oder  nirnpn  c'^mi-^i.  BQ  97"  Bar:  Welcherart  war  die  Münze 
Jerusalems?  David  u.  Salomo  auf  der  einen  Seite;  Jerusalem  'r'\'':i:r-[  nis-, 
die  heilige  Stadt,  auf  der  andren  Seite.  ||  Nach  Sanh  107  ^  sandte  Schim^on 
b.  Schatach  (um  90  v.  Chr.)  dem  J<^hoschua'  b.  P«^rachja  nach  Alexandria 
in  Ägypten  eine  Botschaft,  die  mit  den  Worten  begann:  „Von  mir, 
Jerusalem  'ci-\pn  -i^r,  an  dich,  Alexandria  in  Ägypten";  s.  S.  84y,  ||  Jo- 
sephus  Antiq.  20,  6,1:  Die  Galiläer  hatten  die  Gewohnheit,  wenn  sie 
in  den  Festen  nach  der  heiligen  Stadt  eig  rrjv  isgav  nöXiv  zogen,  ihren 
Weg  durch  das  Land  der  Samaritaner  zu  nehmen.  —  c,  Apion.  1,31: 
Erst  wenn  der  Aussätzige  mancherlei  Opfer  vollbracht  hatte,  ließ  ihn 
(der  Gesetzgeber)  in  die  heilige  Stadt  de  rtp'  hQuv  nöhr  kommen. 

4,  5  SB:  Er  stellte  ihn  auf  die  Zinne  {nxsQvyiov)  des  Tempels. 
To  tsQ6%-  =  uj'npar]  rr^z  bezeichnet  den  gesamten  zum  Heiligtum  ge- 
hörenden. Gebäudekomplex  auf  dem  Tempelberg;  o  vaog  =  ba-^ri  ist  das 
eigentliche  Tempelhaus,  umfassend  die  Vorhalle,  t^s«,  das  Heilige  u. 


Matth  4,  5  (S).  4,  6  151 

das  Allerheiligste,  ■^•^n'^.  Bei  der  Unbestimmtheit  des  Ausdrucks  x6 
i€q6v  kann  über  die  Örtlichkeit  des  Vorfalls  Näheres  nicht  ausgemacht 
werden.  Vielfach  hat  man  an  die  Basilikenhalle  auf  der  Südseite  des 
äußern  Vorhofs  gedacht  (vgl.  bei  Apg3, 11),  über  die  es  Joseph.  Antiq. 
15, 11,  5  heißt: 

MsyciXov  yaQ  ovzog  xov  xijq  cpdgayyog  ai'ctXtj/Liuccrog  y.al  ovd'  uvsxtov  xatiSsly,  eXrig 
«viadsv  eis  xov  ßv&oi'  eiaxvnioi.,  nctfi^eyed^og  ixpog  tv  ccvtm  to  r/J?  aroag  uveatrjxsr. 
<J?  £%  tig  ün'  üxoov  roxi  xnvit]g  xs'yovg  «^qpw  avfxt^elg  icl  ßäft)]  (fionxsvoi,  axoxoSifidv. 
ovx  khxovfihPtjg  xrjg  oxpscog  eig  cc/uexgr]xoi'  xöf  ßv^öv.  \\  Tafan  29^  Bar:  Als  das  Haus 
<=  Heiligtum)  zum  erstenmal  zerstört  wurde,  versammelten  sich  die  einzelnen  Ab- 
teilungen der  jungen  Priesterschaft  (damit  sind  die  dienstfähigen  Priester  im  Unter- 
schied von  den  alt  u.  untauglich  gewordenen  gemeint)  mit  den  Schlüsseln  des  Tempels 
in  ihren  Händen.  Sie  stiegen  auf  das  Dach  des  Tempelgebäudes,  -3"^,  u.  sprachen  vor 
Gott:  Herr  der  Welt,  weil  wir  es  nicht  (erlangt  haben),  treue  Verwalter  zu  sein,  so 
seien  die  Schlüssel  dir  übergeben!  Darauf  warfen  sie  sie  in  die  Höhe,  u.  eine  Art  Hand 
kam  hervor  (vom  Himmel  aus)  ii.  nahm  sie  von  ihnen  in  Empfang.  Sie  aber  sprangen 
hinab  u.  stürzten  sich  in  das  Feuer  (des  brennenden  Tempels).  In  bezug  auf  sie  hat 
Jesaja  das  Klagelied  angestimmt  Jes '2;?,  If.:  , Orakel  über  das  Tal  der  Schau.  Was 
hast  du  nur,  daß  du  insgesamt  auf  die  Dächer  gestiegen,  du  getümmelvolle,  lärmende 
Stadt,  du  ausgelassene  Feste?  Deine  Erschlagenen  sind  nicht  vom  Schwerte  durch- 
bohrt noch  im  Kampfe  gefallen."  Und  auch  von  Gott  wird  gesagt,  Vers  5:  Er  unter- 
gräbt die  Grundmauer,  daß  es  Wehgeschrei  gibt  zum  Gebirge.  —  Parallelen;  pSch^qalim 
(),  50^  48;  LvR  19;  vgl.  Apoc  Bar  10,  18  u.  Aboth  RN  4.  ||  P'^siqR  3H  (16'2''):  Unsre  Lehrer 
haben  gelehrt:  Wenn  sich  der  König,  der  Messias,  offenbart,  dann  kommt  er  u.  steht 
auf  dem  Dach  des  Heiligtums  •v~-.^2-  p-3.  Dann  wird  er  den  Israeliten  verkünden  u. 
sagen:  Ihr  Armen,  die  Zeit  eurer  Erlösung  ist  da;  u.  wenn  ihr  es  nicht  glaubt,  sehet 
mein  Licht,  das  über  euch  aufgeht,  s  Jes  60,  1:  „Stehe  auf,  werde  licht;  denn  dein 
Licht  kommt,  u.  die  Herrlichkeit  Jahves  strahlt  auf  über  dir!"  Nur  über  euch  strahlt 
sie  auf,  aber  nicht  über  den  Völkern  der  Welt,  s.  Jes  60,  2:  „Dunkel  bedeckt  die  Erde 
u.  Finsternis  die  Völker"  usw.  In  jener  Stunde  läßt  Gott  das  Liclit  des  Königs,  des 
Messias,  u.  Israels  aufleuchten,  u.  alle  Völker  der  Welt  sind  in  Finsternis  u.  Dunkel. 
Dann  werden  .sie  alle  zum  Licht  des  Me.ssias  u.  Israels  kommen,  s.  Jes  60,  3;  u.  sie 
kommen  u.  lecken  den  Staub  unter  den  Füßen  des  Königs,  des  Messias,  s.  Jes  49,  23. 

4,  6:  Er  wird  seinen  Engeln  Befehl  tun. 

In  dem  Zitat  aus  Ps  91, 11  läßt  der  Versucher  die  V^^orte  aus:  „Daß 
sie  dich  behüten  auf  allen  deinen  Wegen."  Dazu  vgl.  Tanch  N:ir  ^d  19'': 
Einmal  stieg  jemand  auf  die  Spitze  eines  Baumes,  um  das  Gebot  be- 
treffs des  Vogelnestes  Dt  22,  6  f.  zu  erfüllen;  dabei  fiel  er  herab  u. 
starb:  denn  es  heißt  (das.):  Wenn  du  ein  Vogelnest  antriffst  „auf  dem 
Wege".  Nicht  aber  sollst  du,  wenn  du  ein  solches  auf  der  Spitze  eines 
Baumes  erblickst,  nach  ihm  hochsteigen.  (Diese  Auslegung  ist  freilich 
wenig  stichhaltig,  da  die  Dt-stelle  auch  von  einem  Vogelnest  auf  dem 
Baum  redet.) 

In  der  rabbin.  Literatur  ist  Ps  91, 1 1  f.  nur  selten  verwendet  worden. 

Tafan  11  '■*:  In  der  Schule  Schßla's  (Schela  um  220)  sagte  man:  Zwei  Dienstengel  be- 
gleiten den  Menschen;  diese  legen  (über  sein  Tun  u.  Lassen)  wider  ihn  Zeugnis  ab;  s.  Ps 
91, 11:  Seine  Engel  wird  er  dir  entbieten  usw.  Il  GnR7f<(50"):  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt: 
Wer  ist  größer,  der  Behütende  oder  der  Behütete?  Daraus,  daß  es  heifit  Ps9l,  11: 
,Er  wird    seinen  Engeln  befehlen   dich  zu  behüten",  folgt,   daß  der  Behütete  größer 


152  Matth4,  6.  7 

ist  als  der  Behütende.  R.  J*^huda  (um  150)  sagte:  Wer  ist  größer,  der  Tragende  oder 
der  Getragene?  Daraus  daß  es  heißt  Ps  91,  12:  ,Auf  den  Händen  werden  sie  dich 
tragen",  folgt,  daß  der  Getragene  größer  ist  als  der  Tragende.  —  Mit  Änderungen  in 
MidrPs91  §6  (lOgb).  ||  Midr  Ps91  §6  (200^):  R.  Ghanina  (wohl  b.  Abbahu,  um  ;S40)  hat 
gesagt,  R.  Abbahu  (um  HOO)  habe  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Wo  war 
denn  Jakob  in  jeuer  Stunde  (zur  Zeit  von  Gn  28,  13  if.)?  Die  Engel  trugen  ihn;  denn 
es  heißt  Ps  91,  12:  „Auf  den  Händen  werden  sie  dich  tragen."  ||  Eine  Parallele  zu  dem 
mit  Schriftworten  vorgehenden  Versucher  pPea  S,  21  ■'',  23:  R.  Chanina  b.  Papa  (um  :-iOO) 
pflegte  Almosen  des  Nachts  zu  verteilen.  Einmal  begegnete  ihm  der  Fürst  der  bösen 
Geister  u.  sprach  zu  ihm:  Hat  uns  nicht  der  Rabbi  also  gelehrt  Dt  19,  14:  Du  sollst 
die  Grenze  deines  Nächsten  nicht  verrücken  (die  Nacht,  die  den  bösen  Geistern  ge- 
hört, nicht  zur  Wirkungszeit  der  Menschen  machen)?  Er  antwortete  ihm :  Steht  denn 
aber  auch  nicht  also  geschrieben  Spr2l,  14:  „Eine  Gabe  im  Verborgeneu  bezwingt  den 
Zorn"?  Da  stürzte  er  (lies  -trn^  statt  •tr^vi)  fort  von  ihm  u.  floh  vor  ihm.  —  Viel- 
leicht will  aber  das  -irr»:  auf  das  he:-  Spr  21,14  anspielen;  dann  wäre  zu  übersetzen: 
,Und  er  wurde  von  ihm  bezwungen,  so  daß  er  vor  ihm  floh."  Ferner  s.  bei  18,  10  SB. 

4,7:  Du  sollst  den  Herrn  deinen  Gott  nicht  versuchen. 

Tafan  9^:  R.  Jochanan  (f  279)  traf  ein  Kind  des  Resch  Laqisch  (um  250;  letzterer 
hatte  eine  Schwester  des  R.  Jochanan  zur  Frau;  dieser  war  also  der  Oheim  des  Kindes); 
er  sprach  zu  ihm:  Sage  mir  deinen  Vers  (den  du  heute  in  der  Schule  gelernt  hast). 
Es  antwortete:  Verzehntend  sollst  du  verzehnten  ^^iTi  -ib>:  Dt  14,  22.  Das  Kind  fragte : 
Was  heißt  das:  Verzehntend  sollst  du  verzehnten?  Er  antwortete:  Verzehnte,  damit 
du  reich  wirst  (Wortspiel:  ^-vyrrv  ^-2S3  -c-y).  Das  Kind  sprach:  Woher  weißt  du 
das?  Er  antwortete:  Geh,  versuche  es!  Es  sprach  zu  ihm:  Ist  es  denn  erlaubt,  Gott 
zu  versuchen?  Es  heißt  doch  Dt  6,  16:  „Ihr  sollt  Jahve  euren  Gott  nicht  versuchen!" 
Er  sprach:  So  hat  R.  Hoschafja  (der  Altere,  um  225)  gesagt:  (Ihr  sollt  Jahve  nicht 
versuchen)  mit  Ausnahme  dieses  Falles:  „Bringet  den  ganzen  Zehnten  zum  Schatz- 
haus, daß  es  zum  Unterhalt  sei  in  meinem  Hause,  und  prüfet  (versuchet)  mich  doch 
daran,  spricht  Jahve  (^'baoth,  ob  ich  euch  nicht  auftun  werde  die  Fenster  des  Himmels 
u.  euch  herabschütte  Segen  bis  zum  Übermaß"  Mal:-!,  10.  II  TanchB  r:«-'  Zusatz  §  1  (lA^); 
R.  Abba  b.  Kahana  (um  810)  hat  gesagt:  Es  ist  etwas  Wichtiges  um  die  Zehnten;  in 
der  ganzen  Tora  steht  geschrieben:  „Ihr  sollt  Jahve  euren  Gott  nicht  versuchen"  Dt6- 
16,  u.  bei  den  Zehnten  steht:  „Bringet  den  ganzen  Zehnten  .  .  .  u.  prüfet  mich  dock 
daran"  Mal  3,  10.  ||  pJoma  1,  4  (39'',  38)  Bar:  Man  ließ  den  Hohenpriester  (am  Vor- 
abend des  Versöhnungstages)  nicht  genießen  Fett,  Eier,  Käse,  fettes  Fleisch,  alten  Wein. 
Würzwein,  Bohnengraupen,  Linsen.  Sch^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Auch  keine  Orangen 
u.  überhaupt  nichts,  was  Samenfluß  herbeizuführen  pflegt  (damit  der  Hohepriester 
dadurch  nicht  verunreinigt  u.  au  der  Ausübung  seiner  Funktionen  am  Versöhnungs- 
tag verhindert  würde).  Gleichwohl  (d.  h.  trotz  diesen  Vorsichtsmaßregeln)  las  man  ihm 
den  Vers  vor  Ps  127,  1 :  Wenn  Jahve  nicht  das  Haus  baut  usw.  Aber  gehört  denn  das 
(das  Freibleiben  des  Hohenpriesters  von  nächtlicher  Pollution  vor  dem  Versöhnungs- 
tage) nicht  zu  den  Wundern,  die  im  Heiligtum  geschehen  sind?  R.  Abun  (I.?  um  ü25, 
IL?  um  370)  hat  gesagt:  Jene  Vorsichtsmaßregeln  wurden  getroffen  wegen  Dt 6,  16: 
„Ihr  sollt  nicht  versuchen."  R.  Jose  b.  Bun  (um  350)  hat  gesagt:  In  dem  einen  Fall 
(bezüglich  der  Wunder)  handelt  es  sich  um  das  erste  Heiligtum  u.  in  dem  andren 
(bezüglich  der  Vorsichtsmaßregeln)  um  das  zweite  Heiligtum.  il  Midr  Qoh  8,  4  (39'*): 
„Das  Wort  des  Königs  ist  mächtig  u.  wer  kann  zu  ihm  sagen:  Was  tust  du?"  R.  Bun 
(=  Abin,  wohl  der  Jüngere,  um  370)  hat  gesagt:  Es  heißt  Dt  6,  16:  „Ihr  sollt  nicht 
versuchen",  u.  es  heißt  Gn  22,  1:  „Gott  versuchte  den  Abraham."  -  In  GnR  55  (35*) 
ist  der  Ausspruch  durch  ein  Gleichnis,  das  nach  Midr  Qoh.  a.  a.  0.  dem  R.  Levi,  um 
300,  angehört,  auseinandergerissen.  ||  Schab  32''':  R.  Jannai  (um  225)  hat  gesagt:  Nie 
stelle  sich  der  Mensch  an  einen  Ort  der  Gefahr,  meinend,  daß  man  (Gott)  ihm  ein 
Wunder  tun  werde.  Vielleicht  tut  man  ihm  kein  Wunder;  u.  wenn  man  ihm  ein  solchem 


Matth4,8.  9.  12(1)  15g 

tut,  so  zieht  man  es  ihm  von  seinen  Verdiensten  ab  (weil  er  teilweise  seinen  Loliß 
damit  dahin  hat).  Dasselbe  Tafan  20''.  Vgl.  Sir  3,  24:  o  ctyanwv  xiföwov  iv  «iho") 
ä-nokehat  ||  Sanh  107-'':  Rab  hat  gesagt:  Nimmer  bringe  der  Mensch  sich  selbst  in  eine- 
Versuchung  usw.,  s.  die  Stelle  S.  140  f. 

4,8:  Auf  einen  sehr  hohen  Berg. 

Apoc  Bar  76,  3:  So  steige  (Barukh)  nuu  auf  den  Gipfel  dieses  Berges,  u.  alle  Länder 
dieser  Erde  sollen  vor  dir  vorüberziehn  u.  die  Gestalt  des  Erdkreises  u.  die  Gipfel  der 
Berge  u.  die  Tiefen  der  Täler  u.  die  Tiefen  des  Meeres  u.  die  Zahl  der  Flüsse,  damit 
du  siehst,  was  du  zurücklassest  u.  wohin  du  gehst. 

4,  9  3t:  Dies  alles  will  ich  dir  geben. 

Der  Satan  wird  als  xoafioxqätwQ  bezeichnet,  s.  LvR  18  (118^)  obei> 
S.  149.  —  Ferner  ist  daran  zu  erinnern,  daß  alle  Völker  nach  jüdischer 
Anschauung  unter  der  Leitung  von  mehr  oder  weniger  gottfeindlichen 
Engelfürsten  stehen,»  insonderheit  die  damalige  römische  Weltmacht 
unter  der  Leitung  Sammaels  (=  Satans)  selbst. b 

a.  Die  Beweisstellen  s.  bei  Rom  1,  23.         b.  Siehe  Tanch  nir'i  40'',  oben  S.  14?. 

4,  9  23:  Wenn  du  niederfällst  u.  mir  huldigst. 

Schab  105'^  Bar:  ...  So  ist  es  der  Kunstgriff  des  bösen  Triebes  (=  Satan):  heute- 
sagt er  zu  einem  Menschen:  Tue  das!  u.  morgen  sagt  er:  Tue  das!  bis  er  ihm  sagt: 
Diene  den  Götzen!  u.  der  Mensch  geht  hin  u.  tut  es.  —  Die  ganze  Stelle  nebst  ParaU 
lelen  s.  im  Exkurs:  Der  gute  u.  der  böse  Trieb  Nr.  5. 

4,12:  Galiläa. 

1.  Name.  '-^l:r,n,  einmal  im  AT  nb^br-n  (2  Kg  15,  29)  =  Kreis,  Be- 
zirk, ursprünglich  Bezeichnung  der  nördlichsten,  meist  von  Heiden 
bewohnten  Distrikte  Palästinas;  daher  auch  der  genauere  Name  „Um- 
kreis der  Heiden"  t-isn  b^b:  Jes  8,  23,  FaXikaia  dXXo(fvXwv  1  Makk  5, 15. 
raXdaia  rwi'  e^rwr  Mt  4, 15.  Im  1.  Makk  (vgl.  Schürer*  2,  9),  im  NT 
u.  bei  Josephus  erscheint  dann  „Galiläa"  im  weiteren  Sinn  als  Name 
der  Nordprovinz  Palästinas  überhaupt.  —  Auch  die  Mischna  bezeichnet 
da,  wo  sie  das  vorwiegend  von  Juden  bewohnte  „Land  Israel",  •j^nx 
bx-ir-',  landschaftlich  gliedert,  die  nördliche  Landschaft  regelmäßig  mit 
dem  Namen  b^bj,  Galiläa. 

K'th  13,  10:  Drei  Landschaften  unterscheidet  man  hinsichtlich  des  Eherechtes: 
Judäa,  Transjordanland  (Peräa)  u.  Galiläa.  Man  darf  keine  Frau  zwingen  (mit  ihrem 
Manne)  überzusiedeln  aus  einer  Landstadt  (der  einen  Provinz)  in  eine  gleichartige 
Stadt  (in  einer  andren  Provinz),  aus  einer  großen  Stadt  (der  einen  Provinz)  in  eine 
gleichartige  Stadt  (in  einer  andren  Provinz).  Wohl  aber  darf  man  sie  zwingen  in  der- 
selben Provinz  mit  überzusiedeln  aus  einer  Landstadt  in  eine  andre  Landstadt  u.  au& 
einer  großen  Stadt  in  eine  andre  große  Stadt,  nicht  aber  aus  einer  Landstadt  in  eine 
große  Stadt  oder  umgekehrt.  Parallelstelle:  TK^th  13,  2  (275).  —  BB  3,  2:  Hinsichtlich 
des  Ersitzungsrechtes  (das  auf  Grund  dreijähriger  ungehinderter  Nutznießung  dem  Nutz- 
nießer das  Eigentum  an  den  genützten  Gütern  zusprach)  hat  man  drei  Landschaften 
unterschieden:  Judäa,  Transjordanland  u.  Galiläa.  Ist  der  Besitzer  in  Judäa,  während 
ein  andrer  dessen  Eigentum  in  Galiläa  ersitzt,  oder  umgekehrt,  so  findet  eine  Ersitzung 
nicht  statt;  beide  müssen  in  derselben  Provinz  sein.  —  Sch'^bifith  9,  2  s.  unter  Nr.  2.  — 
Ferner  TSanh  2,  3  (416):  Wegen  dreier  Länder  macht  man  ein  Jahr  zum  Schaltjahr r 
wegen  Judäas,  wegen  des  Transjordanlandes  u.  wegen  Galiläas. 


154  Matth  4,  12  (2) 

2.  Grenzen,  Einteilung,  Landesprodukte  usw. 

Josephus,  Bell.  J.  3,  H,  1 :  Man  unterscheidet  zwei  „Galiläa",  das  obere  u.  das  untere 
"Galiläa;  beide  werden  von  Phöaizien  u.  Syrien  eingeschlossen.  Nach  Westen  hin  be- 
grenzt sie  Ptolemais  lAkko)  mit  seinem  Gebiet  u.  der  Karmel,  ehemals  ein  galiläisches. 
jetzt  ein  tyrisches  Gebirge.  Diesem  ist  benachbart  Gaba,  die  Reiterstadt,  so  genannt, 
weil  sich  in  ihr  die  vom  König  Herodes  entlassenen  berittenen  Mannschaften  an- 
gesiedelt haben.  Nach  Süden  hin  bilden  die  Grenze  Samarien  u.  Skythopolis  (B6th- 
Sch*'an)  bis  an  den  Jordanfluß;  nach  Osten  hin  die  Gebiete  von  Hippos  u.  Gadara, 
Gaulanitis  u.  das  Königreich  des  Agrippa.  Im  Norden  wird  es  von  Tyrus  u.  seinem 
Gebiet  begrenzt.  Untergaliläa  erstreckt  sich  seiner  Länge  nach  von  Tiberias  bis  nach 
Zabulon  (hier  wohl  die  Ortschaft  dieses  Namens),  dem  am  Meer  Ptolemais  benachbart 
ist;  seiner  Breite  nach  von  dem  in  der  großen  Ebene  (Jesreel)  gelegenen  Dorf  Xaloth 
(dem  heutigen  Iksal,  südöstlich  von  Nazareth)  bis  nach  Bersabe.  Hier  beginnt  auch 
Obergaliläa  nach  seiner  Breite  hin  sich  zu  erstrecken  bis  nach  dem  Dorfe  Baka,  das 
seinerseits  an  das  Gebiet  von  Tyrus  grenzt.  In  seiner  Länge  aber  reicht  Obergaliläa 
vom  Dorfe  Thella  in  der  Nähe  des  Jordans  bis  nach  Meroth.  —  Die  Namen  Ober-  u. 
Uuter-galiläa  bei  Josephus  nebeneinander  noch  Bell.  J.  2,  20.  6  u.  Vita  37.  |i  Sch^bi?ith 
D,  2:  Man  unterscheidet  drei  Landschaften  hinsichtlich  der  Fortschaffung  der  Brachjahr- 
früchte aus  den  Häusern:  Judäa,  Transjoidanland  u.  Galiläa;  jede  Landschaft  wird 
-wieder  in  drei  Landschaften  geteilt.  Obergaliläa,  üntergaliläa  u.  das  Tiefland.  Von 
K'^phar-Chananja  (südwestlich  von  Saphed,  etwa  in  gleicher  Höhe  mit  Ptolemais)  an 
jiufwärts,  soweit  keine  Sykomoren  wachsen,  ist  Obergaliläa;  von  K'^phar-Chananja  an 
^ibwärts,  soweit  Sykomoren  wachsen,  ist  Üntergaliläa.  Das  Gebiet  von  Tiberias  ist 
<las  Tiefland.  .  .  .  ||  Ober-  u.  ünter-galiläa  werden  weiter  nebeneinander  genannt  TSanh 
2,  6  (41H):  Einmal  saßen  Rabban  Gamliel  (um  90)  u.  die  Altesten  auf  den  Stufen  des 
Tempelberges,  u,  Jochanan,  der  Schreiber,  ging  (nach  der  Lesart  -':n)  vor  ihnen.  Rabban 
Gamliel  sprach  zu  ihm:  Schreibe:  „An  unsre  Brüder,  die  Bewohner  von  Obergaliläa 
■u.  die  Bewohner  von  Untergaliläa,  euer  Friede  sei  großl  Wir  tun  euch  kund,  daß  die 
Zeit  der  Wegräumung  herannaht,  fortzuschaffen  die  Zehnten  aus  den  Olivenbehältern.*  — 
Als  Bar  von  R.  Judan  (um  150)  tradiert  pSanh  I,  18'^;  pMSch  5,  56 ^  8;  bSanh  11  ^  — 
Aus  Obergaliläa  stammende  Schüler  des  R.  Eli?ezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  werden  er- 
wähnt TKel.  bab.  m.  2,  L  2  (579). 

Josephus,  Bell.  J.  3,  3,  2:  Ganz  Galiläa  ist  fruchtbar  u.  herdenreich,  auch  mit  allerlei 
Bäumen  besetzt,  so  daß  es  durch  seine  Ergiebigkeit  auch  wohl  den  anlockt,  der  die 
Landarbeit  weniger  liebt.  Es  ist  daher  ganz  von  seinen  Bewohnern  angebaut  u.  kein 
'Teil  davon  liegt  brach.  —  *J,  10,  8:  Am  See  Genezareth  zieht  sich  ein  Landstrich  hin, 
<ler  den  gleichen  Namen  {reyi'7]ac(Q)  trägt  u.  ebenso  Bewunderung  verdient  wegen  seiner 
natürlichen  Beschaffenheit,  wie  wegen  seiner  Schönheit.  Keinen  Bnum  lehnt  der  Boden 
wegen  seiner  Fruchtbarkeit  ab,  u.  alle  Arten  haben  die  Bewohner  kultiviert;  die  Luft 
ist  so  vorzüglich  gemäßigt,  daß  sie  auch  den  verschiedensten  Arten  zusagt.  Nüsse, 
<lie  unter  den  Bäumen  am  meisten  Kälte  verlangen,  wachsen  in  großen  Mengen ;  ebenso 
gibt  es  dort  Palmen,  die  in  der  Wärme  gedeihen,  u.  neben  ihnen  Feigen  u.  Ölbäume, 
für  die  eine  mildere  Luft  angezeigt  erscheint.  Man  möchte  sagen,  daß  die  Natur  ge- 
wissermaßen ihren  Ehrgeiz  darein  setze,  sich  selbst  zu  nötigen.  Widerstrebendes  zur 
Einheit  zu  führen,  u.  daß  es  ein  edler  Wettstreit  unter  den  Jahreszeiten  sei,  wenn 
eine  jede  den  Landstrich  gleichsam  für  sich  mit  Beschlag  belegt.  Denn  das  Land 
bringt  nicht  bloß  wider  Erwarten  die  verschiedenartigsten  Früchte,  sondern  erhält  sie 
auch  eine  lange  Zeit  hindurch:  die  königliche  Frucht  vor  allen,  die  Traube,  u.  die  Feige 
bietet  es  unablässig  dar  zehn  Monate  lang,  während  die  übrigen  Früchte  das  ganze 
Jahr  hindurch  rings  um  jene  her  reifen.  Zu  den  vorzüglichen  Temperaturverhältnissen 
kommt,  daß  das  Land  von  einer  äußerst  ergiebigen  Quelle  getränkt  wird,  die  die  Be- 
wohner Kapharnaum  nennen.  Einige  hielten  sie  für  eine  Ader  des  Nils,  weil  sie  Fische 
hervorbringt,  die  dem  im  See  von  Alexandria  sich  findenden  Koracinusfisch  ähnlich 
sind.    Die   Länge  des   Landstriches  zieht  sich   am   Gestade   des   gleichnamigen   Sees 


Matth  4,  12  (2)  I55 

30  Stadien  weit  hin,  während  seine  Breite  20  Stadien  beträgt.  —  2,  21,  2:  Galiläa  er- 
zeugte viel  Öl;  ganz  bes.  war  es  aber  damals  (zu  Josephus'  Zeit)  reich  daran. 

GnR98  (H2''):  ,Issakhar  ist  ein  knochiger  Esel"  (in  49,  14,  d.  h.  die  Früchte  des 
Landes  Issakhar  waren  sehr  groß,  u.  der  Stamm  Issakhar  nahm  von  ihnen  u.  ver- 
sandte sie  übers  Meer.  Als  die  Völker  der  Welt  sie  sahen  u.  sich  über  sie  verwunderten, 
sprachen  die  Israeliten  {hs~-^-h  ist  zu  streichen)  zu  ihnen:  Über  die  Früchte  verwundert 
ihr  euch?  Wenn  ihr  ihre  Besitzer  sehn  würdet,  wie  sie  sich  mit  der  Tora  beschäftigen, 
würdet  ihr  euch  über  sie  verwundern!  Da  kamen  viele  Proselyten,  die  zum  Judentum 
übertraten.  —  Ebendas.  62'^:  „Ascher,  Fettes  ist  seine  Speise"  Gn49,  2Ü;  denn  sein 
Land  ist  fett,  sein  Brot  ist  fett,  er  stellt  die  acht  Gewänder.^  ,Er  liefert  Königs- 
ieckerbissen",  d.  h.  n-'is:  (cephalones?  =  Palmpflanzen,  Datteln,  oder  nach  Krauß, 
Lehnwörter,  2,  294  korrumpiert  aus  i"CE""rp  ^=  xoXnu^ädsc,  Oliven)  u.  •i'j-pi:s  (=  om- 
phacinum,  Olivenöl).  —  „Naphtali  ist  eine  frei  schweifende  (-r:i'';x)  Hinde"  Gn49,  21. 
Die  Worte  liandeln  von  Naphtalis  Land,  das  ganz  u.  gar  künstlich  berieselt  wurde 
{ynhv^>  ^'2),  wie  es  heißt  Dt  8,  17:  „Von  Kinnereth  bis  zum  Meer  der  Ebene:'  .  .  . 
Warum  heißt  das  Land  -cn:;  (Genezarethi?  Die  Rabbanan  erklärten  es  mit  „Fürsten- 
gärten" (s-i-i:  -:.",  d.  h.  das  Land  wurde  G.  genannt,  weil  es  fürstlichen  Gärten  glich). |1 
GnR  99  (63 f):  „Naphtali  ist  eine  frei  schweifende  Hinde."  Gn  49,  21.  Damit  ist  das  Tal 
Genezareth  gemeint,  das  schnell  wie  eine  Hinde  seine  Früchte  brachte.  „Er,  der  schöne 
Reden  hervorbringt"  (ebendas.),  weil  sein  Land  gesegnet  war,  s.  Dt  3:-!,  28:  „Naphtali 
satt  von  Wohlgefallen  u.  von  Jahves  Segen  voll."  Sie  brachten  frühe  von  ihren  Früchten 
den  Königen  dar  (oder  nach  der  Lesart  y-zz^-a  in  Tanch  statt  "^22'::  sie  ehrten  mit 
ihren  Früchten  Könige)  u.  machten  dabei  schöne  Worte,  u.  wenn  die  Könige  etwas 
wider  sie  in  ihrem  Herzen  hatten,  wurden  sie  dadurch  ausgesöhnt.  —  Parallele  mit 
Abweichungen  Tanch  -:t-i  .58^.  |i  SDt?!3,  24  §855  (147^;  148^):  „(Ascher)  sei  der  Günst- 
ling ("1-^)  seiner  Brüder"  Dt  33,  24;  denn  er  zahlte  (n::-r'3)  seinen  Brüdern  mit  Olivenöl 
u.  Datteln  (zu  r:s';rpi  -j-p-ris  vgl.  oben  GnR62'^')  u.  sie  zahlten  ihm  mit  Getreide.  .  .  . 
„Und  tauchend  in  Öl  seinen  Fuß"  (ebendas.);  denn  in  Aschers  Land  floß  das  Öl  wie 
eine  Quelle.  Einmal  hatten  die  Einwohner  von  Laodicea  Öl  nötig;  sie  erwählten  sich 
einen  Sachwalter  (1.  c-J!''-:^t  =  ejiius'Atjtijg  statt  C"-"';-';"-:)  u.  sprachen  zu  ihm:  Geh  u. 
kaufe  uns  Öl  für  100  Myriaden  (1  Million  Denare?).  Er  ging  nach  Tyrus  u.  sprach: 
Ich  habe  Öl  für  100  Myriaden  nötig!  Man  erwiderte  ihm:  Geh  nach  Gusch-Chalab 
(Ort,  der  nach  dieser  Stelle  im  Staramgebiet  Aschers  gelegen  hat).  Er  ging  nach  Gusch- 
Chalab  u.  sprach:  Ich  habe  Öl  für  100  Myriaden  nötig!  Man  antwortete  ihm:  Geh  zu 
dem  u.  dem.  Er  ging  in  dessen  Haus,  traf  ihn  aber  nicht  an.  Man  sagte  ihm:  Siehe, 
er  ist  auf  dem  Felde.  Er  ging  u.  traf  ihn,  wie  er  unter  einem  Olivenbaum  Furchen 
zog.  Er  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  Öl  für  100  Myriaden  nötig!  Jener  antwortete:  Warte, 
bis  ich  mit  dem  Olivenbaum  fertig  bin.  Als  er  damit  fertig  war,  nahm  er  seine  Ge- 
räte u.  machte  sich  allmählich  auf  den  Weg.  Der  Sachwalter  dachte:  Sollte  dieser 
wirklich  für  100  Myriaden  Öl  haben?  Es  scheint,  als  ob  die  Juden  mich  (1.  '2  statt  "3) 
zum  besten  haben!  Als  jener  nach  Hause  kam,  rief  er  seine  Sklavin  u.  sprach  zu  ihr: 
Komm  u.  wasche  unsre  Füße!  Sie  füllte  ein  Becken  mit  Öl  u.  wusch  ihnen  ihre  Füße, 
um  zu  erfüllen,  was  gesagt  ist  Dt  88,  24:  „Er  taucht  in  Öl  seinen  Fuß"!  Darauf  setzte 
er  ihm  Speise  vor,  u.  er  aß  u.  trank.  Nach  dem  Essen  stand  er  auf  u.  maß  ihm  Öl 
ab  für  100  Myriaden;  dann  sagte  er  zu  ihm:  Willst  du  noch  mehr?  Jener  erwiderte; 
Ich  habe  kein  Geld!  Er  sprach  zu  ihm  (statt  sV  ist  jedenfalls  ■''':  zu  lesen):  Nimm 
nur,  ich  komme  mit  dir  u.  hole  mir  mein  Geld.  Da  stand  er  auf  u.  maß  ihm  Öl  zu 
für  1800  Myriaden.  Mau  erzählte,  daß  jener  Laodiceer  keinen  Esel  u.  kein  Kamel  im 
Laude  Israel  zurückließ,  die  er  nicht  (zum  Tragen  der  Ölladung)'mit  .sich  nahm.  Als 
die  Leute  von  Laodicea  Kunde   erhielten,   gingen  sie  ihm  drei  Mil  weit  entgegen  u. 

'  Der  Midr  deutet  nz>3v  fett  ==  r'.z-^v  acht;  gemeint  sind  die  acht  Gewänder  des 
Hohenpriesters;  Ascher  stellt  die  Hohenpriester,  insofern  nach  R.  Levi,  um  -iOO,  die 
schönen  Töchter  Aschers  sich  an  die  Hohenpriester  zu  verheiraten  ptlegten,  GnR  71  Ende. 


156  Matth  4,  12  (2.  3) 

priesen  ihn  in  einem  großen  Loblied.  Er  aber  sprach:  Preiset  mit  diesem  Loblied  nicht 
mich,  sondern  diesen  Mann  hier;  denn  alles  rührt  von  ihm  her  u.  nicht  bloß  dies, 
sondern  ich  bin  ihm  noch  1800  Myriaden  schuldig  geblieben,  damit  erfüllt  würde,  wa& 
gesagt  ist  Spr  i:^.  7:  Mancher  stellt  sich  reich  u.  hat  gar  nichts;  mancher  stellt  sich 
arm  u.  besitzt  große  Habe.  —  Dasselbe  als  Baraitha  M^nach  85^. 

SDtH2,  13  §316  (135^):  „Er  säugte  ihn  mit  Honig  aus  dem  Felsen"  Dt 32,  13, 
wie  zB  in  Sikhnin  (in  Galiläal  nebst  Umgebung.  Einmal  sagte  R.  J^'huda  (b.  Elfai, 
um  150)  zu  seinem  Sohne  in  Sikhnin:  Geh  u.  hole  mir  Feigen  aus  dem  Faß!  Dieser 
antwortete:  Mein  Vater,  das  ist  zu  Honig  geworden!  Jener  sprach:  Greife  nur  tief  mit 
deiner  Hand  hinein,  u.  du  wirst  daraus  Feigen  hervorholen.  „Und  mit  Ol  aus  dem 
harten  Kiesel"  (das.);  das  geht  auf  die  Oliven  von  Gusch-Chalab.  Einmal  sagte  R.  Jose 
(b.  Chalaphta,  um  150)  zu  seinem  Sohn  in  Sepphoris  (in  Galiläa):  Steige  empor  u.  hole 
uns  Oliven  vom  Söller.  Er  ging  u.  fand  den  Söller,  wie  er  in  Ol  schwamm.  |i  K''th  111'': 
Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Ich  habe  es  selbst  gesehen,  wie  Sepphoris  in  einer 
Länge  und  Breite  von  Hj  Mil  von  Milch  u.  Honig  floß.  —  Dasselbe  M^'g  6^  |!  TM''n 
9,5(526):  T^'qoaf  (in  Judäa)  steht  an  erster  Stelle  (wörtlich:  ist  das  Alpha)  in  bezug 
auf  das  Öl;  Abba  Schaiul  (um  löO)  sagte:  An  zweiter  Stelle  steht  Ragab  im  Trans - 
Jordanland;  R.  Eli?ezer  b.  Ja?aqob  (um  150)  sagte:  An  dritter  Stelle  stand  Gusch-Chalab 
in  Galiläa.  —  Die  Mischna  M'^n  8,  3  erwähnt  nur  die  beiden  ersten  Aussagen.  i|  GnR 
20  (13''):  R.  El?azar  b.  Schim?on  (um  180)  hat  gesagt:  Es  ist  leichter  eine  ganze  Legion 
in  Galiläa  zu  erhalten  vom  Ertrage  der  Oliven,  als  ein  einziges  Kind  großzuziehen  im 
(übrigen)  Lande  Israel.  ||  P'^s  8'^:  R.  Abin  b.  Ad(d  a  (um  350)  hat  gesagt,  R.  Jicjchaq 
(um  300)  habe  gesagt:  Warum  wachsen  die  Früchte  von  Genezareth  nicht  in  Jerusalem"? 
Damit  die  Festpilger  nicht  sagen:  Wenn  wir  nur  hinaufgezogen  wären,  um  die  Früchte 
von  Genezareth  in  Jerusalem  zu  essen,  so  hätten  wir  genug  gehabt!  So  würde  da» 
Hinaufziehen  erfunden  werden  als  ein  solches,  das  nicht  in  lauterer  Absicht  erfolgte.  |j 
M®g  5'*.  6 ':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Kinnereth,  das  ist  Genezareth;  u.  warum 
wird  es  K.  genannt?  Weil  seine  Früchte  so  süß  sind  wie  der  Laut  der  Zither  (^i:-:).  |j 
Nazir  31'':  In  Galiläa  ist  der  Wein  wertvoller  als  das  Öl. 

Ob  die  Fabrikation  der  galiläischen  Krüge  oder  Flaschen,  D-ocrr 
D'^^';l=.^rT,  über  deren  Verunreinigungsfähigkeit  im  zerbrochenen  Zustande 
Kelim  2,  2;  TKel  baba  q.  2, 2  (570)  handeln,  mit  der  Aufbewahrung  des 
Ohvenöls  in  Zus. hang  steht,  wie  Neubauer,  Geographie  S.  180,  an- 
nimmt, muß  dahingestellt  bleiben. 

3.  Bevölkerung  (Dichtigkeit,  Charakter,  Sprache,  religionsgesetz- 
liche Stellung;  Verhältnis  zu  den  Judäern). 

Josephus,  Vita  45  Ende:  In  Galiläa  gibt  es  204  Städte  u.  Dörfer.  —  Bell.  J.  3,  3,  2: 
Da  die  beiden  Galiläa  eine  so  bedeutende  Größe  hatten  u.  von  so  vielen  fremdländischen 
Völkern  eingeschlossen  waren,  zeigten  sie  sich  stets  jeder  Kriegsgefahr  gewachsen; 
denn  die  Galiläer  waren  von  Kindheit  an  kampflustig  u.  überall  zahlreich  vorhanden: 
weder  beherrschte  Feigheit  die  Männer  noch  Mangel  an  Männern  das  Land.  .  .  .  Viele 
Städte  gab  es,  u.  die  Menge  der  Dörfer  war  überall  stark  bevölkert  wegen  der  Blüte 
des  Landes,  so  daß  die  kleinste  Ortschaft  wohl  über  15000  Einwohner  zählte.  (Die 
Zahl  dürfte  übertrieben  sein.)  —  Vita  17  wird  speziell  von  den  Bewohnern  der  Stadt 
Tiberias  gesagt,  daß  sie  immer  neuerungssüchtig  gewesen  seien,  von  Natur  zu  Um- 
wälzungen geneigt  u.  an  Aufständen  sich  ergötzend.  ||  N^d  48''^  Bar:  R.  J^huda  (um  150) 
sagte:  Die  Bewohnei-  von  G.  waren  streitsüchtig.  i|  pK®th  4,  29'',  30:  Die  Leute  von  G. 
hielten  mehr  auf  ihre  Ehre  als  auf  ihr  Geld;  u.  die  Leute  von  Judäa  hielten  mehr 
auf  ihr  Geld  als  auf  ihre  Ehre.  —  Dieser  Satz  wird  Z.  34  von  R.  Chanina  (Chananja, 
um  380)  dem  R.  Mani  II.  gegenüber  für  eine  halakhische  Entscheidung  verwertet. 

M'^g  24''  Bar:  Man  läßt  (als  Vorbeter)  nicht  vor  die  Lade  treten  die  Leute  von 
Beth-Sch''an  (=  Skythopolis  im   südöstlichen   G.),   von   Beth-Chaipha   (von  Neubauer 


Matth  4,  12  (3)  I57 

S.  197  ideotifiziert  mit  Gaba  am  Karmel,  s.  oben  S.  154«  das  Zitat  aus  Joseplius.  Bell.  J. 
3,  3,  1)  von  Tib?on  (nach  Neubauer  S.  196  westlich  von  Sepphorisl,  weil  sie  Aleph  wie 
?Ajin  u.  fAjin  wie  Aleph  aussprechen.  |  Vgl.  hiermit  B'-rakh  :32'':  R.  EUazar  (um  270) 
hat  gesagt:  Mose  hat  nach  oben  Worte  ausgestoßen  (hat  Gott  Vorwürfe  gemacht);  denn 
•es  heißt  (Nu  11,  2):  „Mose  betete  gegen  .lahve";  lies  nicht  -rs  (—  zu),  sondern  -sr 
(=  gegen);  denn  so  sprachen  die  von  der  Schule  des  R.  Eli?ezer  b.  Jafaqob  (um  150) 
■das  Aleph  wie  ?Ajin  u.  das  ?Ajin  wie  Aleph.  —  ?Erub  5^^:  Die  Bewohner  von  G. 
nahmen  es  mit  der  Aussprache  nicht  genau.  Wie  verhält  es  sich  damit?  Baraitha: 
Wie  jener  Galiläer,  der  zu  ihnen  (den  Judäern)  sagte:  Wer  hat  ein  -'ss,  wer  hat  ein 
-Tzti'?  Sie  antworteten  ihm:  Du  närrischer  Galiläer,  meinst  du  einen  Esel,  -"irr,  zum 
Reiten,  oder  Wein,  ^'^~,  zum  Trinken  oder  Wolle,  "'sv,  '.^um  Kleiden  odtr  ein  Lamm,  •^'ss, 
zum  Schlachten?  —  Eine  Frau  wollte  sagen:  Meine  Freundin,  komm,  daß  ich  dir  Milch 
zu  essen  gebe  (saVn  -^"■ssixt  -np  -r^i-s.);  sie  sprach  es  aber  aus  wie:  -•"•:3t  'r:s-hv 
S2V,  d.h.:  Meine  Verworfene,  es  fresse  dich  die  Löwin.  —  Eine  andre  Frau  kam  vor 
«inen  Richter,  um  zu  sagen:  Mein  Herr  (xv(J'6\  ich  hatte  eine  Tafel  (s'si-w),  die  mau 
mir  gestohlen  hat  (-ra  mij;i),  u.  die  von  der  Größe  war  (•;-:*),  daß,  wenn  man  sie  dir 
angehängt  hätte  {-^'h^y  nV  i-nr),  ihr  Fuß  {~"'~)  nicht  bis  zur  Erde  gereicht  haben 
würde,  s.  Raschi  u.  Levy  2,  324=*.  Sie  sprach  es  aber  so  aus:  Mein  Herr  Knecht  ixelgie), 
ich  hatte  einen  Balken  (s-sr),  u.  man  hat  dich  fortgestohlen  (ti -iia:;^!;  der  (Balken) 
war  so,  daß,  wenn  man  dich  darauf  geworfen  hätte  (-i-j-y  1^  ^"v  ~-~),  dein  Fuß  (--j-^:) 
nicht  bis  zur  Erde  gereicht  haben  würde.  —  Diese  Stellen  beweisen,  daß  die  Galiläer 
nicht  bloß  nachlässig  in  der  Aussprache  der  Kehllaute  waren,  sondern  es  auch  mit  der 
Vokalisation  nicht  bes.  genau  nahmen;  auch  daß  sie  Wörter  zusammensprachen  u.  so 
ganze  Silben  verschluckten.  ||  GnR  26  (17  ):  (Die  Riesen  Gn  6,  4  haben  sieben  Namen, 
•deren  einer  a-n>-  ist,  vgl.  Dt  2,  23,  u.  zwar  weil  sie  die  Welt  zerstörten,  vgl.  n;.!-,  Zer- 
störung, Ez  21,  32.)  R.  Elfazar  b.  Schimfon  (um  IHO)  hat  gesagt:  Sie  heißen  a-iy,  weil 
sie  sich  auf  die  Erdarten  verstanden,  wie  die  Schlangen;  in  Galiläa  nennt  man  die 
Schlange  (j«^"!-)  s^is.  —  Auch  hier  die  Nachlässigkeit  in  der  Aussprache  der  Kehl- 
laute, il  fErub53'»  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Weil  die 
Judäer  auf  ihre  Sprache  achthatten,  behielt  ihre  Lehre  Bestand  unter  ihren  Händen; 
weil  die  Galiläer  auf  ihre  Sprache  nicht  achthatten,  behielt  ihre  Lehre  nicht  Bestand 
nnter  ihren  Händen.  Aber  hängt  die  Sache  denn  von  solchem  Achthaben  ab?  Viel- 
mehr weil  die  Judäer  es  mit  dem  Wort  genau  nahmen  u.  sich  Zeichen  (voces  memoriales) 
machten,  behielt  ihre  Lehre  Bestand  unter  ihren  Händen;  weil  die  Galiläer  mit  dem 
Wort  es  nicht  genau  nahmen  u.  sich  keine  Zeichen  machten,  behielt  ihre  Lehre  nicht 
Bestand  unter  ihren  Händen.  Die  Judäer  lernten  von  Einem  Lehrer,  deshalb  behielt 
ihre  Lehre  Bestand  unter  ihren  Händen;  weil  die  Galiläer  nicht  von  Einem  Lehrer 
lernten,  behielt  ihre  Lehre  nicht  Bestand  unter  ihren  Händen.  Rabina  (I.,  f  um  420) 
hat  gesagt:  Weil  die  Judäer  ihre  Lehrsätze  andren  mitteilten  (oder  auch:  einen  Traktat 
durch  eingehende  Diskussion  klarlegten),  behielt  ihre  Lehre  Bestand  unter  ihren  Händen; 
weil  die  Galiläer  ihre  Lehrsätze  nicht  mitteilten  (oder:  nicht  klarlegten ),  behielt  ihre 
Lehre  nicht  Bestand  unter  ihren  Händen. 

pSchab  16,  15^,  50:  R.  fUlla  (um  280)  hat  gesagt:  18  Jahre  lang  hat  (Rabban 
Jochanan  b.  Zakkai,  f  um  >^0  n.  Chr.)  in  ?Arab  (in  Oaliläa)  gewohnt  u.  nur  zwei  Vor- 
fälle hat  man  vor  ihn  (zur  Entscheidung)  gebracht.  Da  sprach  Rabban  Jochanan  b.  Z. : 
Galiläa,  Galiläa,  du  hassest  die  Lehre;  du  wirst  schließlich  zu  den  Räubern  gehören!  tj 
Über  die  von  einander  abweichenden  Bestimmungen,  die  in  Judäa  u.  Galiläa  über  den 
Verkehr  der  Verlobten  untereinander  bestanden,  s.  S.  45  f.  ||  K^th  4,  12:  ,Du  sollst  in 
meinem  Hause  wohnen  u.  aus  meinem  Vermögen  unterhalten  werden,  solange  dein 
Witwenstand  in  meinem  Hause  dauert" ;  (auch  wenn  der  Mann  dies  nicht  ausdrücklich 
seiner  Frau  verschrieben  hat,)  so  gilt  doch  diese  Bestimmung,  weil  sie  gerichtl.  Be- 
dingung ist.  In  dieser  Form  faßten  die  Männer  Jerusalems  die  Verschreibung  ab;  u. 
die  Galiläer  faßten  sie  wie  die  Männer  Jerusalems  ab.  Aber  die  Judäer  schrieben: 
,Bis  die  Erben  es  vorziehen,  dir  deine  Hochzeitsverschreibung  auszuhändigen."  Wenn 


158  Matth  4,  12  (3) 

deshalb  die  Erben  wollten,  konnten  sie  ihr  ihre  Hochzeitsverschreibung  aushändigen 
H.  sie  entlassen.  —  pK*^th  4,  29 '\  80  (s.  oben  S.  lo6y)  gibt  den  Grund  dieser  eherecht- 
lichen Differenz  an.  il  P'^s  4,  5:  Die  Gelehrten  haben  gesagt:  In  Judäa  pflegte  man  am 
Vortage  des  Passahfestes  (also  am  14.  Nisan)  bis  Mittag  zu  arbeiten;  aber  in  Galiläa 
pflegte  man  überhaupt  nicht  zu  arbeiten.  Für  die  Nacht  zuvor  verbot  die  Schule 
Schammais  die  Arbeit;  die  Schule  Hillels  erlaubte  sie  bis  zum  Sonnenaufgang.  |i  ChuUin 
5,3:  Zu  vier  Zeiten  im  Jahre  muß  der,  welcher  einem  andren  Vieh  verkauft,  diesem 
mitteilen:  ,lch  habe  die  Mutter  dieses  Tieres  oder  das  Junge  dieses  Tieres  zum 
Schlachten  verkauft"  (wegen  des  Gesetzes  Lv  '<^2,  28),  nämlich  am  Tage  vor  dem  letzten 
Laubhüttenfesttag,  am  Tage  vor  dem  ersten  Passahfesttag,  am  Tage  vor  Wochenfest 
u.  am  Tage  vor  dem  Neujahrfest.  Nach  R.  Jose,  dem  Galiläer  (um  HO),  auch  am  Tage 
vor  dem  Versöhnuugstage  in  Galiläa.  Dasselbe  TChullin  5,  9  (507)  mit  dem  Zusatz: 
Weil  der  V.  ein  Festtag  ist.  ll  N^d  2,  4:  R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  Der  Ausdruck  „Hebe" 
schlechthin  (ohne  nähere  Bezeichnung  bei  Gelübden  gebraucht)  macht  in  Judäa  die 
Sache  (auf  die  sich  das  Gelübde  bezog)  unerlaubt  (zum  Gebrauch);  in  G.  aber  bleibt 
die  Sache  erlaubt,  weil  die  Galiläer  die  Hebe  für  den  Tempelschatz  nicht  kennen  (sie 
wissen  nur  von  der  Priesterhebe;  u.  weil  diese  nicht  zum  Gegenstand  eines  Gelübdes 
gemacht  werden  kann,  so  macht  der  Ausdruck  „Hebe"  im  Munde  eines  Galiläers  das 
Gelübde  ungültig;  anders  beim  Judäer,  der  die  Hebe  für  den  Tempelschatz  kennt). 
Der  Ausdruck  „Bannung"  schlechthin  läßt  (die  als  Bann  oder  Gebanntes  bezeichnete 
Sache)  in  Judäa  erlaubt;  in  G.  aber  macht  er  sie  unerlaubt,  weil  die  Galiläer  „für 
den  Priester  Gebanntes"  nicht  kennen  (sie  haben  bei  dem  Ausdruck  „Gebanntes"  nur 
„Gott  Gebanntes"  im  Sinn,  was  für  den  profanen  Gebrauch  nicht  erlaubt  ist;  um- 
gekehrt denken  die  Judäer  bei  „Gebanntem"  an  etwas,  was  für  den  Priester  gebannt 
ist,  u.  da  letzteres  nicht  zum  Gegenstand  eines  Gelübdes  gemacht  werden  kann,  so 
ist  das  Gelübde  ungültig,  d.  h.  der  Gegenstand,  dem  das  Gelübde  galt,  zum  weitern 
Gebrauch  gestattet).  ||  TBQ  8,  14  (3H2  :  R.  Jischmafel  (f  um  135)  hat  gesagt:  Zu  den 
Besitzern  in  G.  hat  mein  Vaterhaus  gehört.  Weshalb  ist  es  zerstört  worden?  Weil  sie 
Geldprozesse  durch  Einen  entscheiden  ließen,  u.  weil  sie  Kleinvieh  zogen  (beides  war 
in  Judäa  nicht  erlaubt).  —  In  der  Parallelstelle  pSota  ;►,  10  (24-',  33)  ist  R.  Schimfon 
aus  Schizor  statt  R.  Jischmafel  genannt.  ||  K'^th  5,  9:  Fünf  Sela?  an  Gewicht  in  Judäa 
sind  zehn  Sela?  in  G.;  zehn  Selaf  an  Gewicht  in  Judäa  sind  zwanzig  Selaf  in  G.  — 
Dasselbe  Gewichtsverhältnis  wird  angegeben  ChuUin  11,  2;  TChullin  10,  5  (51 1).  ||  BB 
122»:  R.  J'^huda  (um  150)  hat  gesagt:  Ein  Sea  in  Judäa  ist  gleich  fünf  Sea  in  G.  || 
Schab  153'':  Die  Galiläer  sagten:  Tu,  was  man  vor  deiner  Bahre  (bei  der  Totenklage 
um  dich)  sagen  kann.  Die  Judäer  sagten:  Tu,  was  man  hinter  deiner  Bahre  sagen 
kann  (in  G.  fand  die  Totenklage  vor,  in  Judäa  hinter  der  Bahre  statt).  ||  MQ  23^:  Die 
Judäer  u.  die  Galiläer:  Die  einen  sagten:  Die  Trauerbräuche  werden  am  Sabbat  be- 
obachtet; die  andren  sagten:  sie  werden  am  Sabbat  nicht  beobachtet.  ||  RH  4,  5:  Die 
Ordnung  der  Segens-  (oder  Lob-)Sprüche  (im  Musaph-Gebet  des  Neujahrstages)  ist 
folgende:  man  spricht  >Aboth<,  >G'buroth<  u.  >Q"dussath  ha-schem<  (d.  h.  die  drei 
ersten  Benediktionen  des  Achtzehn-Gebets);  damit  verbindet  man  >Malkhijjoth<  (zehn 
Schriftverse,  die  Gottes  Königtum  erwähnen),  ohne  zu  blasen;  (dann  spricht  man) 
>Q'dussath  hajom<  („Du  hast  uns  erwählt  aus  allen  Völkern"  usw.)  u.  bläst;  dann 
Zikhronoth<  (Äehn  Schriftverse,  in  denen  vom  Gedenken  Gottes  die  Rede  ist)  u.  bläst; 
dann  >Schopharoth<  (zehn  Schriftverse,  die  den  Posaunenschall  erwähnen)  u.  bläst; 
dann  >fAboda<,  >Hodaja<  u.  >Birkath  kohanim<  (d.  h.  die  drei  letzten  Benediktionen 
des  Achtzehn-Gebets).  Das  sind  die  Worte  des  R.  Jochanan  b.  Nuri  (um  HO).  R.  ?Aqiba 
(t  um  135)  erwiderte:  Wenn  man  nach  >Malkhijjoth<  nicht  bliese,  warum  sollte  man 
diese  dann  erwähnen?  Vielmehr  man  sagt  >Aboth<,  >G''buroth<  und  >Q®dussath  ha- 
schem<,  dann  verbindet  man  >Malkliijjuth<  mit  >Q*'dussath  ha-;jom<  u.  bläst,  dann 
Zikhronoth<  u.  bläst,  dann  >Schopharoth<  u.  bläst,  u.  dann  spricht  man  >?Aboda<, 
Hoda3a<  u.  >Birkath  kohanim<.  —  Die  Meinungsverschiedenheit  dreht  sich  um  die 
Frage,   ob   die   von   der  Gottesherrschaft   r-i-'z   handelnden  Stellen   mit  der  vorher- 


Matth  4,  13  159 

gehenden  oder  mit  der  nachfolgenden  Benediktion  zus.zufasseu  seien  ii.  was  damit 
zus. hängt,  üb  bei  ihnen  zu  blasen  sei  (R.  f  Aqiba)  oder  nicht  (R.  Jochanan  b.  Nuri). 
pRH  4,  59 ^  7  bemerkt  dazu:  In  Judäa  befolgt  man  den  Brauch,  der  der  Meinung  des- 
R.  fAqiba  entspricht,  u.  in  G.  denjenigen,  der  der  Meinung  *des  R.  Jochanan  b.  N.  ent- 
spricht.  (R.  Jochanan  b.  N.  war  ein  galiläischer  Gelehrter.) 

4,13:  Kapernaum,  das  am  See  liegt. 

KacfaQvaovfi,  =  Qiin:  iE3  „Nachumsdorf;  die  Übersetzung  „Trost- 
dorf  würde  die  Form  nw:  -ies  voraussetzen.  Man  nimmt  jetzt  nüeist 
an,  daß  K.  am  Nordwestrande  des  galiläischen  Meeres  gelegen  habe 
da,  wo  sich  heute  die  Ruinen  von  Tell-Chum  finden.  —  Das  AT  er- 
Avähnt  K.  nicht. 

Josephus  erzählt  Vita  72  von  sich:  Mein  Pferd,  von  dem  aus  ich  kämpfte,  war  An 
einer  schlammigen  Stelle  eingesunken  u.  hatte  mich  zu  Boden  geworfen.  Infolge  eines 
Gliederbruchs  am  Handgelenk  wurde  ich  nach  einem  Dorf  namens  KecpaQyiöfit]  ge- 
schafft. .  .  .  Dort  blieb  ich  jenen  Tag,  da  ich  Fieber  hatte;  in  der  Nacht  aber  wurde- 
ich  auf  Grund  ärztlichen  Gutachtens  nach  'larichea  (am  Südende  des  Sees)  gebracht.  — 
Die  näheren  Angaben  des  Josephus  über  die  Stätte  seines  Unfalls  (nicht  weit  von. 
Julias  am  Einflulä  des  Jordans  in  das  galiläische  Meer)  machen  es  so  gut  wie  sicher, 
daß  dieses  KsffagiuJu?]  identisch  ist  mit  dem  K«(f«Qpaovu  Mt  4,  13.  —  Eine  Quelle 
namens  „Kapharnaum"  im  Landstrich  Genezareth  erwähnt  Josephus  Bell  Jud  8,  lU,  'd;. 
s.  die  Stelle  S.  154  y. 

In  der  rabbin.  Literatur  kommt  K.  nur  an  zwei  Stellen  vor. 

Midr  Qoh  1,  8  (9*j:  Chanina  (lies:  Chananja\  der  Brudersohn  des  R.  J'hoschuaf  (um 
110),  begab  sich  nach  K-^phar  Nachum,  u.  die  Häretiker  (Minim,  hier  =  Judenchristen) 
taten  ihm  etwas  an  (nach  Matt.  K^hunna  durch  ihre  Zauberkünste!;  dann  brachten  sie- 
ihn  hinein  (nach  der  Stadt),  indem  er  an  einem  Sabbat  auf  einem  Esel  ritt.  (Diese 
Sabbatschändung  war  das  äußere  Zeichen,  daß  er  mit  dem  Judentum  gebrochen  hatte.) 
Darauf  begab  er  sich  zu  seinem  Oheim  J'hoschua?  (dem  bekannten  R.  J*^hoschuaf  b. 
Chananja,  um  90).  Dieser  brachte  Öl  auf  ihn  u.  er  genas  (vgl.  Jak  5, 14).  Der  Oheim 
sprach  zu  ihm:  Da  hierbei  -;  (andre  Lesart  -3  =  in  dir,  an  dir)  rege  geworden  ist 
"ivri-s  (wörtlich:  wach  geworden  ist)  s-in  jenes  Gottlosen,  so  kannst  du  nicht  im 
Lande  Israel  verweilen.  Er  ging  von  dort  hinab  nach  Babel  u.  entschlief  dort  in. 
seinem  Frieden  (nicht  sofort,  sondern  erst  später,  nachdem  er  in  Babylonien  ein  an- 
gesehener Gesetzeslehrer  geworden  war,  gegen  dessen  Eigenmächtigkeiten  man  vom 
Mutterlande  aus  einzuschreiten  sich  genötigt  sah).  —  Diesen  Bericht  wird  man  dahin 
verstehn  dürfen,  daß  R.  Chananja  in  K.  zum  Christentum  übergetreten  ist.  Dann  weisen 
die  Worte:  ,Die  Häretiker  taten  ihm  etwas  an"  =  sie  machten  etwas  an  ihm,  auf 
seine  Taufe  hin.  Das  allen  erkennbare  Zeichen  seines  Übertritts  zum  Christentum  ist 
die  Abkehr  vom  jüdischen  Sabbatgesetz.  Mehrdeutig  aber  sind  die  Worte,  mit  denen 
bald  darauf  sein  Oheim  R.  J*^hoschua?  die  Notwendigkeit  seines  Weggangs  aus  Palästina 
begründet.  Was  bedeutet  vor  allem  ^s-^';-  jenes  Gottlosen"?  Daß  mit  dem  „Gott- 
losen" Jesus  gemeint  ist,  wird  als  sicher  gelten  können.  Dagegen  kann  s-^:-  ver- 
schieden ausgesprochen  werden.  Man  kann  es  lesen  als  s":'?"  =  Esel;  so  der  Kom- 
mentar M.K.  Der  „Esel"  wäre  in  diesem  Fall  nach  Sach  9,  9  gleichsam  als  Symbol 
Jesu  oder  des  Christentums  aufgefaßt  worden,  so  daß  die  Worte:  „Da  der  Esel  jenes- 
Gottlosen  an  dir  erwacht  oder  rege  geworden  ist",  soviel  besagen  würden,  wie:  da 
das  Christentum  auf  dich  Einfluß  gewonnen  hat.  —  Man  kann  s-^r:  aber  auch  lesen 
als  s^'jrT  —  Wein,  so  Schlatter,  Die  Kirche  Jerusalems  S.  10  f.  Dann  wäre  „der  Wein" 
ein  Hinweis  auf  die  Teilnahme  des  R.  Chananja  an  der  Feier  des  heiligen  Abendmahls; 
der  ganze  Satz  aber:  „Da  der  Wein  jenes  Gottlosen  an  dir  rege  geworden  ist",  würde 
den  Sinn  haben:    da    du    durch  deine  Beteiligung  an  der  Abendmahlsfeier  als  Christ 


160      '  Matth  4, 13.  15 

erwiesen  worden  bist,  so  kann  deines  V^erweilens  nicht  mehr  länger  in  der  Heimat 
sein.  —  R.  Chananja  wurde  durch  die  Olsalbung  von  seinem  Irrtum  geheilt,  er  kehrte 
zur  Synagoge  zurück  u.  wanderte  aus.  |l  Midr  Qoh  7, 26  (38^)  nimmt  kurz  auf  vorstehende 
Geschichte  Bezug;  dabei  wird  K,  zum  zweitenmal  erwähnt:  R.  Isi  (=  Jose)  aus  Cäsarea 
^im  4.  Jahrh.)  hat  Qoh  7,  26:  „Wer  gut  vor  Jahve,  entrinnt  ihr;  aber  der  Sünder  wird 
<lurch  sie  verstrickt"  auf  die  Ketzerei  (Häresie)  ausgelegt.  . .  .  Der  „Gute"  ist  Chananja, 
■der  Brudersolin  des  R.  J'^hoschua?,  u.  der  , Sünder"  bezieht  sich  auf  die  Leute  von 
K'phar  Nachum.  .  .  . 

4, 15.   Jes  8,  23  in  der  rabbin.  Literatur. 

Midr  HL  Einl.  Nr.  5  (W^):  Wie  sind  die  Israeliten  ins  Exil  gezogen?  R.  EUazar 
(b.  P'^dath,  um  270 1  sagte:  Der  Stamm  Rüben  u.  der  Stamm  Gad  zogen  zuerst  ins  Exil. 
R.  Sch*^muel  b.  Nachman  (um  260)  sagte:  Der  Stamm  Sebulon  u.  der  Stamm  Naphtali 
zogen  zuerst  ins  Exil,  s.  Jes  8,  28:  „Zur  ersten  Zeit  hat  er  gering  gemacht  das  Land  S. 
u.  das  Land  N."  Wie  hält  denn  nun  R.  Elfazar  diese  Schriftstelle  des  R.  Sch'muel 
"b.  Nachman  aufrecht?  Er  deutet:  In  der  Zeit,  da  Rüben  u.  Gad  ins  Exil  zogen,  zogen 
auch  S.  u.  N.  ins  Exil.  —  Tasn  ■j-i-nsm  (das.i:  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt: 
Er  hat  sie  ausgekehrt  (der  Midrasch  deutet  "i"';:~  nach  -zt  =  ausfegen)  wie  mit  einem 
Besen,  s.  Jes  14,  23:  „Ich  kehre  es  hinweg  mit  dem  Kehrbesen."  —  Nach  dieser  Stelle 
wird  man  Seder  fOlamR  23  Anf.  zu  verstehn  haben:  „Es  geschah  im  H.Jahre  des 
Königs  Hiskia,  da  zog  Sanherib  herauf"  Jes  36,  1.  Acht  Jahre  lagen  zwischen  der 
■ersten  u.  der  zweiten  Wegführung,  ebenso  acht  .Tahre  zwischen  der  zweiten  u.  der 
■dritten;  dann  wartete  er  noch  acht  Jahre  u.  zog  gegen  Juda,  um  zu  erfüllen,  was 
gesagt  ist  Jes  8,  23:  Wie  in  der  ersten  Zeit  (da  Rüben  u.  (»ad  ins  Exil  zogen),  machte 
er  gering  das  Land  S.  u.  das  Land  N.  (deren  Bewohner  den  zweiten  Zug  in  die  Ver- 
ibanuung  bildeten);  u.  zuletzt  (als  der  Rest  der  10  Stämme  hinweggeführt  wurde)  hat 
-er  es  ausgekehrt.  —  Ähnlich  Tanch  -j-D's  248'»;  TanchB  -yci  §  10  (84'' i;  NuR  23  (194^). 
In  Midr  Qoh  zu  9, 18  (46^),  wo  R.  Levi,  um  300,  als  Autor  genannt  wird,  ist  der  Text 
verstümmelt. 

Sanh  94^:  Jes  8,  23:  n'-j  pu"o  "»«"'s  nyi^s  xh  -2.  R.  Elfazar  b.  B'^rekhja  (Zeit  ungewitj) 
liat  gesagt:  Nicht  wird  das  Volk,  das  sich  abmüht  (aii-s)  mit  der  Tora,  in  die  Hand 
desjenigen  gegeben  werden,  der  es  bedrängt  {''si^  =  p'-'i).  Was  bedeuten  die  folgenden 
Worte  i-irs-n  rya  usw.?  Nicht  wie  die  Früheren  (d.h.  das  Nordreich),  die  sich  das 
Joch  der  Tora  leicht  machten;  sondern  die  Späteren  (gemeint  ist  die  Generation  des 
Hiskia)  haben  sich  die  Last  der  Tora  schwer  gemacht.  Deshalb  sind  diese  es  wert, 
■daß  ihnen  ein  Wunder  geschieht,  wie  denen,  die  durch  das  Meer  gingen  (Deutung  von 
n-n  -;--)  u.  wie  denen,  die  den  Jordan  überschritten  (Deutung  von  i-f'n  ->3i");  wenn  er 
^Sanherib)  umkehrt,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht,  so  will  ich  ihn  zum  „^"'-j  unter 
•den  Völkern"  machen,  d.h.  entweder:  ich  will  seine  Schande  sich  unter  den  Völkern 
verbreiten  lassen,  oder:  ich  will  ihn  zum  Auskehricht,  Exkrement,  h:h>,  unter  den 
Völkern  machen,  s.  Raschi  z.  St.  i|  Targ  Jes  8, 23 :  Denn  keiner  wird  ermatten,  der  kommt, 
«m  sie  zu  bedrängen,  wie  sie  in  der  früheren  Zeit  das  Volk  des  Landes  Sebulon  u. 
Naphtali  in  das  Exil  führten;  u.  ihren  Überrest  wird  ein  gewaltiger  König  fortführen, 
Jarum  daß  sie  nicht  gedacht  haben  der  Machttat  am  Meer  (beim  Auszug  aus  Ägypten), 
(noch  der  Wunder  am  Jordan,  noch  des  Kampfes  um  die  festen  Städte  der  (kanaanitischen) 
Völker.  II  Sanh  104'':  R.  Jochanan  (f  279i  hat  gesagt:  Jeder,  der  Israel  bedrängt,  wird 
zum  Haupte,  wie  es  heißt  Jes  8,  23:  „Denn  kein  Ermüdeter"  usw.  Raba  (t  352)  hat 
gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Wer  Israel  bedrängt  (p".:t:  Jes  8,23  =  ?"^"?.),  der 
•ermüdet  nicht. 

Zu  ra).iXaicc  roh'  s^vcöv  s.  auch  oben  S.  153.  —  Der  Messias  wird  in 
•der  älteren  Literatur  ausdrücklich  nirgends  mit  Galiläa  in  Verbindung 
gebracht.  Nach  Einer  Stelle  weilt  er  vor  seinem  Auftreten  im  Norden. 
Vielleicht  hat  man  dabei  an  G.  zu  denken.   LvR  9  (111=*):  ,  Wache  auf, 


Matth4,  15.  16  161 

« 

Nordwind,  u.  komm,  Südwind"  HL  4,  16;  wenn  Gog,  der  im  Norden 
wohnt,  sich  regen  wird,  dann  wird  er  kommen  u.  im  Süden  fallen,  s. 
Ez  39.  2.  Der  König,  der  Messias,  der  sich  im  Norden  befindet,  wird 
kommen  u.  das  Heiligtum  bauen,  das  sich  im  Süden  befindet,  s.  Jes 
41,25:  „Ich  habe  erweckt  von  Norden  her,  der  herbeikommen  sollte."  — 
Parallelstellen:  NuR  13  (IGS»^):  Midr  HL  4, 16  (117^).  —  Die  Stellen,  die 
ausdrücklich  das  Auftreten  des  Messias  nach  Galiläa  verlegen,  gehören 
sämtlich  dem  Zohar  (13.  Jahrh.)  u.  damit  einer  späteren  Zeit  an.  Da- 
gegen wird  sich  nach  einer  älteren  Tradition  in  Leqach  tob  Nu  24, 17 
(2,  129'')  der  Vorläufer  des  Messias,  der  Messias  ben  Joseph,  den 
Israeliten  in  G.  offenbaren.  Nachdem  hier  zunächst  ausgeführt  ist,  daß 
die  Israeliten  von  Gott  den  Befehl  erhalten  werden,  sich  vor  dem  Anti- 
christen nach  dem  oberen  G.  zu  flüchten,  heißt  es  dann  weiter:  R.  Huna 
(um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Das  lehrt,  daß 
sich  die  Israeliten  in  Obergaliläa  sammeln  werden,  u.  daß  sich  ihnen 
dort  aus  G.  der  Messias  ben  Joseph  offenbaren  wird.  Von  dort  werden 
sie  u.  ganz  Israel  mit  ihm  nach  Jerusalem  hinaufziehen. 

4,16:  Licht. 

Vom  „Licht"  des  Messias  u.  der  messianischen  Heilszeit  ist  oft- 
mals die  Rede.  Vgl.  den  Messiasnamen  „N'hora"  oder  „N^'hira"  = 
„Licht"  unter  Mt  1, 2 1  S.  67 « ;  ferner  s.  P'-siqR  36  (1 62'«)  bei  Mt  4, 5  Ende. 

P*^^siqR  :^6  (161=*):  Was  heißt  Ps  36,  10:  „In  deinem  Licht  sehen  wir  das  Licht"? 
Welches  ist  das  Licht,  das  die  Gemeinde  Israel  erblicken  wird?  Das  ist  das  Licht 
des  Messias,  s.  Gn  1,4:  „Gott  sah  das  Licht,  daß  es  gut  war."  Das  lehrt,  daß  Gott 
auf  den  Messias  u.  dessen  Taten  geblickt  hat,  ehe  die  Welt  erschaffen  ward.  Dann 
verbarg  er  das  Licht  (gemeint  ist  das  Urlicht,  das  um  der  Sünde  willen  der  Welt  ent- 
zogen wurde)  für  den  Messias  u.  dessen  Generation  unterhalb  des  Thrones  seiner 
Herrlichkeit.  Da  sprach  der  Satan  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  für  wen  ist  das  Licht, 
das  unterhalb  des  Thrones  deiner  Herrlichkeit  verborgen  ist?  Er  antwortete  ihm:  Für 
den,  der  dich  beseitigen  u.  dich  beschämen  wird  mit  Schimpf  des  Angesichts.  Jener 
sprach:  Herr  der  Welt,  zeige  ihn  mir.  Er  antwortete:  Komm  u.  sieh  ihn!  (Des  Messias 
Seele  ist  hier  präexistent  gedacht,  wie  die  Seelen  aller  übrigen  Menschen.)  Als  er  ihn 
sah,  erschrak  er  u.  fiel  auf  sein  Angesicht  u.  sprach:  Wahrhaftig,  das  ist  der  Messias, 
der  mich  u.  alle  Engelfürsten  der  Völker  der  Welt  in  den  Gehinnom  stürzen  wird,  s. 
Jes  25,  8:  Verschlingen  wird  er  den  Tod  (=  Todesecgel  =  Satan)  für  immer.  ||  P®siq 
149^:  Das  Gewand,  in  welches  Gott  den  Mes-^ias  kleiden  wird,  wird  weiter  u.  immer 
weiter  leuchten  von  dem  einen  Ende  der  Welt  bis  zum  andren,  s.  Jes  61, 10;  u.  Israel 
wird  sich  seines  Lichtes  bedienen  u.  sagen:  Selig  die  Stunde,  da  der  Messias  erschaffen 
wurde;  selig  der  Leib,  aus  dem  er  hervorging;  selig  das  Geschlecht,  das  ihn  schaut; 
selig  das  Auge,  das  gewürdigt  ist,  ihn  zu  schauen.  Denn  das  Öffnen  seiner  Lippen  ist 
Segen  u.  Frieden  u.  sein  Sprechen  ist  Erquickung.  Majestät  ruht  auf  seinem  Gewände 
u.  Sicherheit  u.  Glück  in  seinem  Wort;  seine  Rede  ist  Vergebung  u.  Gnade,  sein  Gebet 
ein  wohlgefälliger  Duft  u.  sein  Flehen  Heiligkeit  u.  Reinheit.  Heil  den  Israeliten  wegen 
des  ihnen  Aufbewahrten,  s.  Ps81,20:  Wie  groß  ist  dein  Gutes,  das  du  verwahrst 
denen,  die  dich  fürchten!  —  Dasselbe  pegiqR  :^7  (164»).  ||  LvR  31  (129«):  R.  Chanin 
(um  300)  bat  gesagt:  Wegen  des  Aufsetzens  der  beständigen  Lampe  sollt  ihr  gewürdigt 
sein,  die  Leuchte  des  Königs,  des  Messias,  zu  begrüßen,  s.  Ps  132,  17:  Daselbst  will 
ich  dem  David  ein  Hörn  sprossen  lassen,  habe  ich  meinem  Messias  (so  der  Midrasch) 

strack  u.Billerbeck,  NTI.  11 


162  Matth4,  16. 17  (511) 

eine  Leuchte  aufgestellt.  |I  Midr  HL  1,  8  (^5*'):  R.  B-rekbja  (um  340)  hat  gesagt:  Die 
Israeliten  sprachen  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  dadurch  dafs  du  der  Welt  Licht  bringst, 
wird  dein  Name  groß  in  der  Welt.  Was  ist  das  Licht?  Die  (messian.)  Erlösung;  denn 
wenn  du  uns  Licht  bringst,  dann  kommen  viele  Proselyten,  um  zum  Judentum  über- 
zutreten, u.  werden  zu  uns  hinzugetan,,  wie  .lethro  u.  Rahab.  |1  Tanchuma  ~:  ^^:  Die 
mündliche  Tora  (d.  h.  die  traditionelle  Lehre)  ist  schwer  zu  erlernen,  u.  es  gibt  bei  ihr 
große  Not,  denn  sie  gleicht  der  Finsternis,  vgl.  Jes  9,  1 :  , Das  Volk,  das  einhergeht  in 
Finsternis,  sah  ein  großes  Licht" ;  denn  Gott  erleuchtet  ihre  Augen  beim  Verbotenen 
u.  Erlaubten,  beim  Unreinen  u.  Reinen.  Aber  in  der  Zukunft  (in  der  messian.  Zeit) 
«sind,  die  ihn  lieben,  wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer  Macht"  Rieht  5,  31.  —  Diese 
Ausführung  wenige  Zeilen  weiter  unten  noch  einmal.  —  ||  Midr  Ps  3H  §  8  ({'iö**):  „Denn 
bei  dir  ist  die  Quelle  des  Lebens  u.  in  deinem  Licht  sehen  wir  Licht"  Ps  3*>,  10.  R.  Jo- 
chanan  (f  '279)  hat  gesagt:  Es  geschah  einmal,  daß  jemand  eine  Leuchte  anzündete, 
u.  sie  erlosch;  er  zündete  an,  u.  sie  erlosch.  Er  sprach:  Wie  lange  soll  ich  mich  mit 
dieser  Leuchte  abmühen?  Ich  werde  bis  zum  Licht  der  Sonne  warten  u.  bei  (Tages-) 
Licht  wandern.  So  wurden  die  Israeliten  in  Ägypten  geknechtet,  u.  es  stand  Mose 
auf  u.  erlöste  sie;  sie  wurden  wieder  geknechtet  in  Babel,  u.  es  standen  Daniel, 
Cbanarja,  Mischael  u.  fAzarja  auf  u.  erlösten  sie.  Sie  wurden  wiederum  geknechtet 
in  fElam,  Medien  u.  Persien,  es  standen  Mardokhai  u.  Esther  auf  u.  erlösten  sie.  Sie 
wurden  wiederum  geknechtet  von  Griechenland  u.  es  standen  Chaschmonai  u.  seine 
Söhne  (die  Makkabäer)  auf  u.  erlösten  sie.  Sie  wurden  wiederum  von  dem  frevlerischen 
Edom  (Rom)  geknechtet;  da  sprachen  die  Israeliten:  Siehe,  wir  sind  dessen  müde, 
geknechtet  u.  erlöst  u.  wiederum  geknechtet  zu  werden,  jetzt  verlangen  wir  nicht  nach 
einer  Erlösung  durch  Fleisch  u.  Blut,  sondern  unser  Erlöser  ist  Jahve  ^^baoth,  dessen 
Name  ist  ,der  Heilige  Israels",  u.  wir  verlangen  nicht  danach,  daß  uns  fortan  Fleisch 
u.  Blut  leuchte,  sondern  daß  uns  Gott  leuchte,  wie  es  heißt  PsHH,  10:  „Denn  bei  dir 
ist  die  Quelle  des  Lebens,  in  deinem  Licht  sehen  wir  Licht" ;  ferner  steht  geschrieben 
PslI8,  27:  „Gott  ist  Jahve,  er  wird  uns  leuchten."  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  iJöU) 
hat  gesagt:  So  sprach  Gott  zu  Israel:  Wollt  ihr  mit  den  Völkern  der  Welt  in  dieser 
Welt  essen?  Sie  spra,chen  vor  ihm:  Herr  der  Welt,  „neige  mein  Herz  nicht  zu  einer 
bösen  Sache"  (Ps  141,  4);  denn  sie  handeln  böse,  wie  es  heißt  (das.l:  „Bubenstücke  in 
Frevel  zu  verüben  mit  Männern,  die  Übeltäter  sind";  auch  nach  ihren  lieblichen  Kuchen 
r^-si;  haben  wir  kein  Verlangen,  wie  es  heißt  (das.):  „Und  nicht  möge  ich  an  ihren 
Leckeibissen  Geschmack  haben."  Und  woran  haben  wir  Gefallen?  An  deinen  Geboten 
rv-c,  vgl.  Ps  36,  10:  „Denn  bei  dir  ist  die  Quelle  des  Lebens,  in  deinem  Licht  sehen 
wir  Licht";  ferner  steht  geschrieben  Jes60,  3:  „Und  wallen  werden  Völker  nach  deinem 
Licht."  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  In  dieser  Welt  bedienen  sich 
die  Israeliten  des  Lichts  der  Sonne  bei  Tage  u.  des  Lichts  des  Mondes  in  der  Nacht, 
da  sie  das  Licht  nötig  haben;  aber  in  der  zukünftigen  Welt  bedürfen  sie  ihrer  nicht, 
vgl.  Jes  60,  19:  „Nicht  wird  dir  noch  die  Sonne  zum  Lichte  dienen  am  Tag,  u.  zur  Er- 
hellung wird  der  Mond  dir  nicht  leuchten";  u.  wer  wird  ihnen  leuchten?  Gott,  denn 
es  heißt  (das.):  Jahve  wird  dir  zum  ewigen  Lichte  sein!  —  Parallele  mit  vielen  Ab- 
weichungen P'siq  144  ^ 

4,1731:  Tut  Buße  [fisvarosiTe). 

1.  Die  Buße,  nsiiirn,  wörtlich  , Umkehr",  als  Bedingung  der  mes- 
sianischen  Erlösung. 

pTafan  1,1  (63 '^):  R.  Elifezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  hat  gesagt:  Wenn  die  Israeliten 
nicht  Buße  tun,  so  werden  sie  in  Ewigkeit  nicht  erlöst  werden,  s.  Jes  30,  15:  „Durch 
Buße  u.  Ruhigbleiben  wird  euch  Rettung  werden."  Es  erwiderte  ihm  R.  J°hoschuaf 
(b.  Chananja,  um  90):  Wie,  wenn  sich  nun  die  Israeliten  hinstellen  u.  nicht  Buße  tun, 
-werden  sie  dann  nie  erlöst?  R.  Elifezer  sprach:  Gott  wird  über  sie  einen  König  setzen, 
so  grausam,  wie  Haraan  war;  dann  werden  sie  sofort  Buße  tun  u.  erlöst  werden,  s. 


Matth  4,  17  (511)  163 

Jer  30.  7:  „Eine  Drangsalszeit  wird  für  Jakob  sein  u.  daraus  wird  er  errettet  werden." 
R.  J^hosciiua?  sprach:  Aber  es  heißt  doch  Jesö2,  3:  „unentgeltlich  seid  ihr  veritauft 
worden,  u.  nicht  durch  Erblassen  (in  Reue  u.  Bufse;  nc-  >SilberS  gedeutet  nach  dem 
Verbum  nc:  =^  blaß  werden l  werdet  ihr  erlöst  werden."  Was  fängt  nun  R.  Elifezer 
mit  dieser  Stelle  an?  Er  findet  darin  die  Buße  nach  Spr7,  20:  ,üas  Bündel  Silber 
hat  er  durch  seine  Hand  weggenommen."'  R.  J'^'hoschuaf  erwiderte:  Es  heißt  doch 
aber  Jes  60,  "22:  Ich,  Jahve,  will  es  zu  seiner  Zeit  -ry~  besch.ieunigen  (also  hängt  die 
Erlösung  ab  von  dem  dafür  festgesetzten  Zeitpunkt  u.  nicht  von  der  Buße!).  Was 
fängt  nun  R.  Elifezer  mit  dieser  Stelle  an?  Er  findet  darin  die  Buße  nach  Dt  IG,  12: 
„Und  nun,  --ry,  Israel,  was  fordert  Jahve  dein  Gott  von  dir,  außer  daß  du  Jahve 
deinen  Gott  fürchtest  usw.!"  (Beweisführung:  Dt  1",  12  ff.  handelt  von  der  Umkehr 
Israels  zu  Gott,  also  von  der  Buße,  u.  wird  eingeleitet  durch  das  Wort  "'?>•",  das  ver- 
möge eben  dieser  seiner  Stellung  „Buße"  andeutet.  Nach  diesem  n-;-  ist  nun  auch 
nria  Jes  60,  22  zu  verstehn;  es  ist  nicht  "^rvz,  sondern  ^r;?^  zu  lesen,  so  daß  .les 
60,22  nach  R  Eli?ezer  bedeutet:  Ich  Jahve  will's  Jurch  ~pi',  d  h.  durch  die  damit 
angedeutete  Buße,  beschleunigen.)  —  R.  A'>;ha  |um  820l  hat  im  Namen  des  R.  J'hoschua? 
b.  Levi  (um  25U)  gesagt:  Wenn  ihr  Verdienste  habt,  so  will  ich  es  beschleunigen;  wenn 
aber  nicht,  dann  kommt  die  Erlösung  zu  ihrer  (bestimmten)  Zeit  —  Als  ihm  (dem 
R.  Elifezer)  dann  aber  R.  J'^hoschuaf  sagte:  Er  hob  seine  Rechte  u.  Linke  zum  Himmel 
u.  schwur  beim  ewig  Lebenden:  Für«  eine  Zeit  u.  für  zwei  Zeiten  u.  für  eine  halbe 
Zeit,  u.  wenn  die  Zerstreuung  eines  Teils  des  heiligen  Volkes  ein  Ende  hat,  soll  sich 
alles  das  vollenden  Dn  12,7  —  da  entfernte  sich  R.  Elifezer.  (R.  El.  geht  von  der 
Annahme  aus,  daß  der  für  die  Erlösung  Israels  von  Gott  festgesetzte  Zeitpunkt  bereits 
vergangen  sei,  daß  mithin  in  Israels  Verhalten,  speziell  in  dessen  ünbußtertigkeit  der 
Gl  und  für  das  Ausbleiben  der  messian.  Heilszeit  liege;  vgl.  weiter  unten  die  Meinung 
Rabs.  R.  J  hoschuaf  meint,  daß  der  Erlösungstermin  noch  nicht  der  Vergangenheit, 
sondern  noch  der  Zukunft  angehöre;  er  hält  deshalb  an  der  alten  Anschauung  fest, 
daß  die  messian.  Erlösung,  ganz  unabhängig  von  Israels  Verhalten,  zu  der  ein  für  allemal 
bestimmten  Zeit  erfolgen  werde.  Erst  als  dem  R.  El.  aus  dem  Buch  Daniel,  nach 
welchem  er  den  Beginn  der  Messiaszeit  zugleich  mit  der  Zerstörung  des  Tempels  durch 
Titus  wird  erwartet  haben,  nacl;^gewieseu  wird,  daß  die  Zeit  der  Endbedrängnis,  die 
3'/ü  Zeiten  umfasse,  offenbar  noch,  weni,ü;stens  zum  Teil,  der  Zukunft  angehöre,  schweigt 
er.)  —  Obiger  Bericht  ist  bSanh  h7'^  auseinandergerissen,  so  daß  er  dort  in  einer  zwie- 
fachen Bar  vorliegt.  «.  R.  Elifezer  sagte:  Wenn  die  Israeliten  Buße  tun,  so  werden 
sie  erlöst;  wenn  aber  nicht,  so  werden  sie  nicht  erlöst.  R  J'^'hoschuaf  antwortete: 
Wenn  sie  nicht  Buße  tun.  so  werden  sie  also  nicht  erlöst?  Vielmehr,  entgegnete  R.  El. 
(dieser  Zwischensatz  ist  zu  ergänzen),  wird  Gott  ihnen  einen  König  setzen,  dessen 
Edikte  so  grausam  wie  die  Hamans  sind;  dann  werden  sie  Buße  tun  u.  sich  dem 
Guten  zuwenden,  ß,  R.  Elifezer  sagte:  Wenn  die  Israeliten  Buße  tun,  werden  sie  erlöst 
werden,  s.  Jer3,  2i:  Kehret  um  (in  Buße),  ihr  abtrünnigen  Söhne,  ich  will  eure  Ab- 
irrungen heilen.  R.  J'^hoschuaf :  Ist  nicht  längst  gesagt,  Jes  52,  3:  Unentgeltlich  seid 
ihr  verkauft  u.  ohne  Silber  werdet  ihr  erlöst  werden?  Unentgeltlich  seid  ihr  verkauft 
worden,    nämlich    wegen    des  Götzendienstes;    u.  nicht  mit  Silber   werdet   ihr   erlöst 


»  In  Sanh  96'»  gibt  fUlla,  um  280,  folgende  Erklärung  von  Spr  7,  20:  Die  Ammo- 
niter  u.  Moabiter  fordern  den  Nebukadne^ar  zum  Zug  gegen  Jerusalem  auf.  Nebnk.: 
Ich  fürchte  mich,  sie  könnten  mir  tun,  wie  sie  denen  vor  mir  getan  haben.  Die  Am- 
moniter:  Der  Mann  ist  nicht  in  seinem  Hause,  er  ist  auf  eine  weite  Reise  gegangen 
Spr  7,  20  (d.h.  Gott  hat  sein  Volk  verlassen  i.  Nebuk.:  Vielleicht  haben  sie  Gerechte, 
die  um  Eibarmen  bitten  u.  ihn  herbeiholen.  Die  Ammoniter:  Das  Bündel  Silber  hat 
er  durch  seine  Hand  weggenommen.  Mit  „Silber"  ist  nichts  andres  als  die  Gerechten 
gemeint.  -  Ahnlich  wird  R  Elifezer  die  Stelle  verstanden  haben:  durch  das  Verdienst 
der  Gerechten  (^'~  )  wird  Israel  nicht  erlöst:  denn  die  Gerechten  hat  Gott  durch  den 
Tod  hinweggenommen;  so  ruht  die  Erlösung  auf  dem  Verhalten  des  einzelnen,  d.h. 
auf  dem  Verdienst  der  Buße. 

11* 


164  Matth  4, 17  («  1) 

werden,  nicht  durch  Bufse  u.  gute  Werke.  —  R.  Eli  fezer:  Ist  nicht  längst  gesagt  (Mal 
3.7):  Kehret  um  zu  mir,  so  will  ich  zu  euch  wiederkehren?  R.  J*^hoschuaf :  Ist  nicht 
längst  gesagt  (Jer3,  14):  Ich  will  euer  Eheherr  sein  u.  euch  nehmen,  einen  aus  einer 
Stadt  u.  zwei  aus  einem  Stamm  u.  euch  nach  Zion  bringen?  (Die  Stelle  betont  Gottes 
Tun,  nicht  Israels  Verhalten.)  —  R.  Elifezer:  Ist  nicht  längst  gesagt  (Jes  :^0,  15): 
Durch  Bufse  u.  Ruhigbleiben  wird  euch  Rettung  werden?  R.  J^^hoschuaf :  Ist  nicht  längst 
gesagt  (Jes  49,  7):  So  spricht  Jahve,  der  Erlöser  Israels  .  .  .  um  Jahves  willen,  weil  er 
unwandelbar,  um  des  Heiligen  Israels  willen,  daß  er  dich  erkoren  bat?  (Gottes  Wille 
also  ist  maßgebend  für  die  Eilösung  Israels.)  —  R.  Eli?ezer:  Ist  nicht  längst  gesagt 
{Jer4,  1):  Wenn  du  umkehrst  (in  Buße),  Israel,  ist  Jahves  Spruch,  so  sollst  du  zu  mir 
heimkehren?  R.  J^hoschnaf :  Ist  nicht  längst  gesagt  (Dn  12,  7):  Er  erhob  seine  Rechte 
usw.?  Da  schwieg  R.  Eli?ezer.  -  ||  Ein  weiterer  Bericht  findet  sich  TanchB  -r-nz  §  5 
(56").  I'  Sanh  Ul^:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Alle  Termine  (die  man  für  die  messian. 
Erlösung  berechnet  hat)  sind  vorüber  (ohne  daß  die  Erlösung  gekommen  ist);  nun  hängt 
die  Sache  lediglich  an  der  Buße  u.  an  den  guten  Werken  (wie  R.  Eli?ezer  oben). 

pTafan  i,  1  (64'"'):  Die  Israeliten  sprachen  zu  Jesaja:  Unser  Lehrer  Jes  ija,  wieviel 
ist  uns  von  dieser  Nacht  (des  Exils)  vergangen?  Er  antwortete:  Wartet  auf  mich,  bis 
ich  angefragt  habe.  Als  er  gefrat^t  hatte,,  kehrte  er  zu  ihnen  zurück.  Sie  sprachen: 
Was  hat  der  Wächter  gesagt,  was  hat  der  Wächter  der  Welt  gesagt?  (So  deutet  der 
Midr  Jes  21, 1 1 :  Wächter,  wie  weit  ist's  in  der  Nacht?)  Er  antwortete:  Der  Wächter 
hat  gesagt:  Es  kommt  der  Morgen  u.  auch  die  Nacht,  Jes  21,  12.  Sie  sprachen  zu  ihm: 
Und  auch  die  Nacht?  (Auf  das  gegenwärtige  Exil  soll  noch  ein  neues  folgen?)  Er 
antwortete:  Nicht  so,  wie  ihr  meint;  vielmehr  der  Morgen  kommt  für  die  Gerechten 
u.  die  Nacht  für  die  Gottlosen,  der  Morgen  für  Israel  u.  die  Nacht  für  die  Völker  der 
Welt.  Sie  sprachen:  Wann  (kommt  der  Morgen  =  die  Erlösung)?  Er  antwortete:  Wann 
ihr  wollt;  er  (Gott)  will,  s.  Jes  21,  12.  Sie  sprachen:  Wer  verhindert  es  denn?  (Wer 
hält  die  Erlösung  auf?  vgl.  t6  xccif/oy  u.  6  y.aT6;((oy  2  Thess  2,  tif.)  Er  antwortete:  Die 
Buße,  s.  Jes  21, 12:  Kehret  um  (in  Buße!,  kommt!  —  R.  Acha  (um  H20)  hat  im  Namen 
des  R  Tanchura  b.  Chijja  (um  H'K))  gesagt:  Wenn  die  Israeliten  Einen  Tag  Buße  täten, 
sofort  würde  der  Ben  David  (.Messias)  kommen,  s.  Ps  95,  7:  Heute,  wenn  ihr  auf  seine 
Stimme  hören  werdet.  R.  Levi  (um  30U)  hat  gesagt:»Wenn  die  Israeliten  Einen  Sabbat 
halten  würden,  wie  es  sich  gehört,  sofort  würde  der  Ben  David  kommen,  s.  Ex  16,  25: 
Mose  sprach:  „Eßt  es  heute;  denn  Ruhetag  für  Jahve  ist  heute  "  Das  ist,  der  eine 
Tag  (von  dem  Ps  95,  7  redet).  Ferner  heißt  es  Jes  30, 15:  Durch  Buße  u.  Ruhigbleiben 
wird  euch  Rettung  werden,  d.  h.  durch  Buße  u.  (Sabbat-)Ruhe  werdet  ihr  erlöst  werden.  — 
Der  erste  Teil  in  andrer  Einkleidung  u.  unter  Jochanans  if  279)  Namen  Sanh  94*.  — 
In  P'^siq  163''  u.  Midr  HL  5, 2  (118")  lautet  Levis  Ausspruch:  Wenn  die  Israeliten  Einen 
Tag  Buße  tun  würden,  so  würden  sie  erlöst  werden  (u.  sofort  käme  der  Ben  David), 
s.  Ps95,  7.  II  Joma  86'':  R.  Jonathan  (um  225)  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße,  denn  sie 
bringt  die  Erlösung  herbei,  s.  Jes  59,  20:  „Er  kommt  für  Zion  als  Erlöser  u.  für  die 
von  Sünde  sich  Bekehrenden  in  Jakob."  Warum  kommt  er  für  Zion  als  Erlö-er?  Weil 
der  Sünder  in  Jakob  sich  bekehrt  (in  Buße).  ||  Midr  Esther  I,  2  (85*):  R.  Aibo  (um  320) 
hat  gesagt:  Es  heißt  Ps22,  29:  , Jahve  gehört  das  Königtum  u.  er  herrscht  über  die 
Völker",  u.  du  saast:  „Achaschverosch  saß  auf  dem  Thron  seines  Königtums"  Esth  1,2? 
In  der  Vergangenheit  war  die  Herrschaft  bei  Israel;  als  sie  sündigten,  ward  die  Herr- 
schaft von  ihnen  genommen  u.  den  Völkern  der  Welt  gegeben,  s.  Ez  3ii,  12.  —  Morgen, 
wenn  die  Israeliten  Buße  tun,  nimmt  Gott  die  Herrschaft  von  den  Völkern  der  Welt 
u.  gibt  sie  an  Israel  zurück,  s.  Obadja  Vers 21.  ||  GnR  2  {S^):  R.  Schimfon  b.  Laqisch, 
um  250,  fragt  in  seiner  allegorischen  Auslegung  von  Gn  1,  1  ff.  (die  Stelle  s.  bei  Joh  I,  1 
itf  nQxfi  rji'  6  Xnyog):  In  welchem  Verdienst  kommt  der  Messias?  Die  Antwort  lautet: 
Im  Verdienst  der  Buße.  II  P'^siqR  33  (153'"*!:  So  meint  es  der  Prophet  Hosea  6,  1 :  Solange 
ihr  eure  Gedanken  von  der  messian.  Endzeit  ablenkt  (besser  nach  der  Lesart  im  Jalqut: 
„von  Gott"  ablenkt),  ist  der  Trost  fern  von  euch.  Tuet  Buße,  so  wird  euch  Gott  aus 
der  Knechtschaft  der  Weltreiche  erlösen ;   denn  er  war  es,  welcher  schlug,  u.  er  ist 


Matth  4,  17  (?l  1.  2)  165 

es,  welcher  heilt.  Wohlan,  so  lasset  uns  umkehren  (in  Buße)  zu  Jahve;  denn  er  hat 
zerrissen,  so  wird  er  uns  auch  heilen;  er  schlug,  so  wird  er  uns  auch  vei binden.  H  NuR  7 
(HS"):  Wenn  die  Israeliten  am  Ende  der  Tage  Buße  tun,  so  werden  sie  erlöst  werden, 
s.  Jes:^0,  15:  Durch  Buße  u.  Ruhigbleiben  wird  euch  Rettung  werden.  Und  wie  ein 
Aussätziger  oder  wie  ein  Schleimflüssiger  oder  ein  durch  eine  Leiche  Verunreinigter 
erst  reis  wird,  wenn  er  in  reines  Wasser  kommt,  so  wird  Gott  über  die  Israeliten 
reines  Wasser  sprengen,  um  sie  zu  reinigen,  s.  Ez  3'i, '25,  ||  Midr  Abba  Gorion,  ed.  Buber, 
2.  Version  41 »:  Ein  Befehlshaber  sagte  zu  R.  Meir  (um  150;:  Ihr  seid  ein  verächtliches 
Volk,  wie  auch  Hanian  gesagt  hat.  Warum  denn?  fragte  R.  Meir.  Jener  sprach:  Ich 
hatte  einen  Knecht,  den  ich  mit  großem  Schimpf  beschämte;  ich  entließ  ihn  aus  meinem 
Hause  u.  sagte  ihm:  ich  mag  dich  nicht.  Da  ging  dieser  Knecht  hin  u.  erwarb  sich 
einen  andren  Herrn.  Ebenso  hat  euer  Gott  euch  verstoßen  u.  euch  unter  uns  verbannt 
dank  unsren  Taten.  Werdet  ihr  euch  bemühen,  daraus  zu  lernen,  oder  nicht?  R.  Meir 
sprach:  Ich  hatte  einen  Sohn,  den  ich  gar  sehr  liebte;  aber  infolge  des  Wohllebens 
wandelte  er  auf  bösen  Wegen  u.  ich  verstieß  ihn  u.  wies  ihn  aus  meinem  Hause.  Ich 
setzte  ihm  aber  auch  eine  Zeit  fest  u.  sprach  zu  ihm:  Wenn  du  in  Buße  umkehrst, 
lasse  ich  dich  zu  jeder  Zeit  in  mein  Haus  zurückkehren.  Alle  jene  Jahre  nun,  die  ich 
ihm  als  Frist  gesetzt  habe,  sitzt  er  u.  weint  u.  schreit,  bis  ich  seiner  schonen  u.  ihm 
sagen  werde:  Wandle  auf  den  früheren  Wegen  u.  kehrfe  in  Buße  um.  Auch  wir  sind 
Kinder  Gottes;  aber  wegen  des  Hochmuts,  der  in  uns  war,  erzürnten  wir  ihn  u.  wurden 
widerspenstig.  Da  hat  er  uns  unter  euch  verstoßen,  aber  sich  auch  uns  eidlich  ver- 
bunden bis  zur  Zeit  des  Endes  Werden  wir  jetzt  Buße  tun,  so  wird  er  sich  unser 
erbarmen  u.  in  unser  Land  zurückkehren  lassen;  wenn  wir  aber  auf  bösen  Wegen 
wandeln,  so  wird  er  uns  nicht  in  unser  Land  zurückkehren  lassen.  .  .  .  |!  Midr  HL  7,5: 
Chadrakh  (s.  oben  S.  t)4>')  das  ist  der  König,  der  Messias,  welcher  alle  Weltbewohner 
durch  Buße  vor  Gott  führen  wird  (t"!""-  Wortspiel). 

2.  Die  Kraft  der  Buße. 

Aboth  2,  10:  R.  Elifezer  (b.  Hyrkanos,  um  90)  sagte:  Es  sei  dir  die  Ehre  deines 
Genossen  so  lieb,  wie  deine  eigne.  Sei  nicht  geneigt  zu  zürnen.  Tu  Buße  einen  Tag 
vor  deinem  Tode.  —  Dazu  bSchab  15:{-':  R.  Elifezer  sagte:  Tu  Buße  einen  Tag  vor 
deinem  Tode.  Seine  Schüler  fragten  ihn:  Weiß  denn  der  Mensch,  an  welchem  Tage 
er  steiben  wird?  Er  antwortete:  Um  so  mehr  soll  er  heute  Buße  tun,  da  er  morgen 
vielleicht  stirbt;  u.  so  wird  er  sein  lebelang  in  Buße  erfunden.  Auch  Salomo  hat  in 
seiner  Weisheit  gesagt  Qoh  9,  8:  ,Zu  aller  Zeit  seien  deine  Kleider  weiß,  u.  deinem 
Haupte  mangle  nie  das  Öl."  —  Ohne  den  letzten  Satz  auch  Aboth  R.Nathan  15.  || 
SiNu  27,  12  55  136  (51"):  R.  J^huda  b.  Baba  (f  um  185)  sagte:  An  drei  Stellen  kamen 
die  Israeliten  in  eine  schwere  Sünde,  u.  Gott  sprach  zu  ihnen:  Tuet  Buße,  so  nehme 
ich  euch  an;  s.  Ex  17,  7  u.  15,  26;  Dt  9,  22  u.  lU,  12;  Dt  8,  29  u.  4,  1.  ||  SNu  27,  12 
§  lo4  (5U''):  R.  J^huda  b.  Baba  [f  um  135)  sagte:  Gleich  einem  Menschen,  der  im  (An- 
klage-)Protokoll  der  Regierung  steht:  mag  er  auch  noch  soviel  i^eld  geben,  so  wird 
er  doch  unmöglich  daraus  beseitigt.  Aber  du  iGott)  sagst:  Tuet  Buße,  so  nehme  ich 
euch  an,  s.  Jes  44,  22:  Ich  habe  wie  eine  Wolke  weggefegt  deine  Sünden  u.  wie  Ge- 
wölk deine  Übertretungen. 

Joma  86^:  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn  sie 
bringt  Heilung  in  die  Welt.  s.  Hos  14,  5:  Ich  will  heilen  wegen  ihrer  Umkehr  in  Buße 
(so  vermutlich  der  Midrasch;  oder  man  muß  die  Verse  2  ff.  zur  Beweisführung  mit 
heranziehen).  —  R  Levi  (um  3UU)  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn  sie  reicht  bis 
an  den  Thron  der  Herrlichkeit,  s.  Hos  14,  2:  Kehre  um  (in  Buße),  Israel,  bis  hin  zu 
Jahve  deinem  Gott.  ||  Joma  86'':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße; 
denn  sie  verdrängt  ein  Verbot  in  der  Tora.  Es  heißt  Jer  8,  1:  ,Wenn  ein  Manu  sein 
Weib  entläßt  u.  sie  von  ihm  weggeht  u.  eines  andren  Mannes  wird,  darf  er  wieder 
zu  ihr  zurückkehren?  Würde  nicht  schändlich  entweiht  dieses  Land?  Und  du  hast 
gehurt   mit  vielen  Buhlen",   u.  (trotzdem,   unter  Zurücksetzung  jenes  Verbotes,  vgl. 


166  Matth  4, 17  (U  2) 

Dt  24,  1  ff.)  spricht  .Tahve  fzu  Israel);  Kehre  zurück  (in  Buße)  zu  mir.  (DerMidrasch 
faßt  :'-••  Jer  o,  1,  wohl  veranlaßt  durch  Vers  7,  als  Imperativ;  ebenso  auch  der  Targuni.) 
[Hier  folgt  der  oben  unter  Nr.  l  gebrachte  Ausspruch  des  R  Jonathan;  dann  folgt]: 
Resch  Laqisch  (um  '2501  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn  (um  ihretwillen)  werden 
vorsätzliche  Sünden  dem  Menschen  angerechnet  als  Irrtumssüuden,  s.  Hos  14,  ".':  , Kehre 
zurück  (in  Buße),  Isiael,  zu  Jahve  deinem  Gott;  denn  du  warst  (versehentlichj  ge- 
strauchelt in  deiner  Sünde."  Siehe,  es  war  eine  vorsätzliche  Sünde  gewesen,  u.  doch 
nennt  er  es  ein  (versehentliches)  Straucheln!  Aber  hat  nicht  Resch  Laqisch  gesagt: 
Groß  ist  die  Buße;  denn  alisichtliche  Sünden  werden  dem  Menschen  (um  ihretwillen) 
gewissermaßen  zu  Verdiensten  ?  s.  Ez  88,  19:  Wenn  der  Gottlose  sich  bekehrt  von 
seinem  gottlosen  Wesen  u.  Recht  u.  (ierechtigkeit  übt,  so  wird  er  deshalb  leben  (um 
aller  seiner  Werke  willen,  auch  wegen  der  Übertretungen,  Raschi.  In  pPea  i,  IG'',  17 
u.  Midr  HL  5,  Iti  ( I2l ")  vertritt  R.  Jochanan.  f  '^79,  diesen  Gedanken  mit  Berufung  auf 
Ps  4-i,  9.)  Zwischen  diesen  Aussprüchen  (des  Resch  Laqisch)  liegt  kein  Widerspruch 
vor:  bei  dem  letzteren  handelt  es  sich  um  eine  Buße,  die  aus  Liebe  (zu  Gott),  bei  dem 
ersteren  um  eiue  solche,  die  aus  Furcht  hervorgegangen  ist.  -  R.  Sch'muel  b.  Nach- 
man  (um  2(>0)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um  21^)  habe  gesagt:  Groß  ist  die  Buße:  denn 
sie  verlängert  die  Lebensjahre  eines  Menschen,  s.  Ex  88,  19-:  ,Wenn  sich  der  Gott- 
lose bekehrt  .  .  .,  so  soll  er  afn  Leben  bleiben."  —  R.  Ji^chaq  (um  :iOü)  hat  gesagt: 
Im  Abendlande  (d.  h.  Palästina)  hat  man  im  Namen  des  Rabbah  b.  Mari  (um  82(i;  der 
Text  liest  >;•'  statt  ^z-j  gesagt:  Komm  u.  sieh,  daß  nicht  wie  Gottes  Art  der  Menschen 
Art  ist:  wenn  ein  Mensch  einen  andren  mit  Worten  gekränkt  hat,  so  ist  es  zweifel- 
haft, ob  dieser  sich  von  jenem  versöhnen  läßt  oder  nicht;  u.  wenn  er  sich  von  ihm 
versöhnen  läßt,  so  ist  es  zweifelhaft,  ob  er  sich  durch  Worte  versöhnen  läßt  oder  nicht. 
Aber  Gott  läßt  sich  von  einem  Menschen,  der  eine  Übertretung  begangen  hat,  im  ge- 
heimen mit  Worten  versöhnen,  s.  Hos  14,  3:  „Nehmet  Worte  mit  euch  u.  kehrt  (in 
Buße)  zurück  zu  Jahve  eurem  Gott";  u.  nicht  bloß  dies,  er  weiß  ihm  auch  noch  Dank, 
denn  es  heißt  (das.':  „Nimm  Gutes  hin";  u.  nicht  bloß  dies,  die  Schrift  rechnet  es 
ihm  80  an,  als  brächte  er  Farren  dar,  s.  ebenda:  „Wir  wollen  als  Farren  entrichten 
unsre  Lippen".  Und  wenn  du  meinen  wolltest,  daß  damit  Schuldopferfarren  gemeint 
seien,  so  heißt  es  (das.  Versn):  Ich  will  sie  lieb  haben  als  eine  freiwillige  Gabe  (so 
der  Midr).  Bar:  R.  Meir  (um  löO)  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn  wegen  eines 
einzigen,  der  Buße  tut,  verzeiht  man  id.  h.  Gott)  der  ganzen  Welt,  s.  Hos  14,  5:  Ich 
will  heilen  ihren  Abfall,  will  sie  lieb  haben  aus  freien  Stücken;  denn  mein  Zorn  hat 
sich  von  „ihm"  gewandt.  Es  heißt  nicht  von  „ihnen",  sondern  von  „ihm"  (daraus 
wird  gefolgert,  daß,  obwohl  nur  ein  einziger  Buße  getan  hat,  Gott  doch  alle  heilt  u. 
alle  lieb  hat).  II  TQid  1,  14  f.  (:-i87):  R.  Schimfon  (b.  Jochai,  um  15o)  sagte:  Wenn  ein 
Mensch  sein  lebelang  ein  vollendeter  Gerechter  gewesen  ist  u.  zuletzt  fällt  er  ab,  so 
verliert  er  alles  (sein  ganzes  früheres  Verdienst),  s.  Ez  88,  12:  ,Die  Gerechtigkeit  des 
Gerechten  wird  ihn  nicht  erretten  am  Tage  seiner  Sünde."  Wenn  ein  Mensch  sein 
lebelang  ein  vollendeter  Bösewicht  gewesen  ist  u.  zuletzt  tut  er  Buße,  so  nimmt  ihn 
Gott  an,  s.  das.:  „Die  LFngerechtigkeit  des  Ungerechten,  nicht  wird  er  dadurch  zu  Fall 
kommen  am  Tage,  da  er  sich  bekehrt  von  seiner  Ungerechtigkeit."  —  Dasselbe  pPea 
(lö",  18)  als  Bar;  bQid  40'^;  verstümmelt  in  Midr  HL  zu  5,  16(121«). 

Aboth  4,  11:  R.  Elifezer  b.  Jafaqob  (II.,  um  150)  sagte:  Wer  Ein  Gebot  erfüllt, 
erwirbt  sich  Einen  Fürsprecher,  nnudx'Arjioc,  u.  wer  Eine  Übertretung  begeht,  erwirbt 
sich  Einen  Ankläger,  x((t7iyiigng).  Buße  u.  gute  Werke  sind  wie  ein  Schild  vor  (Gottes) 
Strafen.  —  Buße  u.  gute  Werke  als  Parakleten  auch  in  der  Bar  Schab  82='.  ||  Aboth 
4,  17:  R.  Jafaqob  (um  170)  pflegte  zu  sagen:  Besser  ist  Eine  Stunde  in  Buße  u.  guten 
Werken  in  dieser  Welt,  als  das  ganze  Leben  der  zukünftigen  Welt;  u.  besser  ist  Eine 
Stunde  der  Eiquickung  in  der  zukünftigen  Welt,  als  das  ganze  Leben  dieser  Welt.  || 
Midr  Qoh  1,8(9'):  R.  Schimfon  b.  Chalaphta  (um  19U)  hat  gesagt:  Alle  Güter,  Seg- 
nungen u.  Tröstungnn,  die  die  Propheten  in  dieser  Welt  geschaut  haben,  haben  sie 
für  die  Bußfertigen  geschaut  (d.  h.  die  Bußfertigen  erlangen  diese  Güter  usw.).  Wer 


Matth4,  17  (^2)  167 

aber  sein  lebelang  keine  Sünde  geschmeckt  bat,  von  dem  gilt  Jes  64,  3:  ,Kein  Auge 
(auch  kein  Prophetenauge)  hat's  gesehen  außer  dir,  o  Gott,  was  Gott  dem  bereiten 
wird,  der  harrt  (so  der  Midrasch);  vgl.  das  nächste  Zitat.  II  B'rakh  34'':  R.  Chijja  b. 
Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Sämtliche  Propheten 
haben  nur  für  die  Bußfertigen  geweissagt;  aber  von  den  vollkommenen  Gerechten 
gilt  Jes  64,  3:  Kein  Auge  hat's  gesehen  usw.  Das  weicht  ab  von  der  Meinung  des 
R.  Abbahu  (um  30<M;  denn  dieser  hat  gesagt:  An  dem  Ort,  wo  die  Bußfertigen  einst 
stehn  werden  (in  der  zukünftigen  Welt),  können  selbst  die  vollkommenen  Gerechten 
nicht  stehn,  s.  Jes  57,  19:  , Frieden,  Frieden  den  Fernen  u.  den  Nahen,  spricht  Jahve.* 
Erst  „den  Fernen",  u.  dann  „den  .Nahen."  (Die  „Fernen"  d.  h.  die,  die  Gott  erst  fern 
waren  u.  dann  in  Buße  sich  ihm  zuwandten:  die  „Nahen"  d.  h.  die,  die  als  vollkom- 
mene Gerechte  Gotte  immer  nahe  waren).  Dagegen  sagte  R.  Jochanan:  Wer  ist  der 
, Ferne"?  Derjenige,  der  sich  von  Anfang  an  von  der  Übertretung  ferngehalten  hat. 
Und  wer  ist  der  „Nahe"?  Der  erst  der  Übertretung  nahe  war  (in  Sünden  lebte)  u. 
nun  sich  von  ihr  entfernt  hat  (in  Buße).  —  Nach  R.  Jochanan  werden  also  die  Buß- 
fertigen in  der  zukünftigen  Welt  nicht  die  erste  Stelle  einnehmen,  sondern  die  voll- 
kommenen Gerechten;  umgekehrt  urteilt  R.  Abbahu.  —  Eine  Parallelstelle  Sanh  99".  || 
LvR  10  (111  <^):  R.  J'huda  ib.  Chijja,  um  240)  hat  gesagt:  Die  Buße  bewirkt  die  Hälfte 
u.  das  Gebet  bewirkt  das  Ganze  (d.  h.  die  Buße  hebt  ein  Verhängnis  halb,  das  Gebet 
aber  ganz  auf).  R.  J^hoschua?  b.  Levi  (um  25U)  hat  gesagt:  Die  Buße  bewirkt  das  Ganze, 
das  Gebet  bewirkt  die  Hälfte.  Nach  der  Meinung  des  R.  J'^huda  bewirkt  die  Buße  die 
Hälfte;  von  wem  kann  man  das  lernen?  Von  Kain,  über  den  ein  Beschluß  gefaßt 
war;  als  er  aber  Buße  tat,  wurde  die  Hälfte  des  Beschlusses  von  ihm  genommen. 
Woher,  daß  er  Buße  getan  hat?  s.  Gn  4,  !•■!:  „Kain  sprach  zu  Jahve:  Meine  Schuld 
ist  zu  schwer,  als  daß  ich  sie  tragen  könnte."  Und  woher,  daß  die  Hälfte  des  Be- 
schlusses von  ihm  genommen  ward?  s.  Gn  4,  16:  ,Kain  ging  vom  Angesicht  Jahves 
hinweg  u.  wohnte  flüchtig  (so  der  Midr)  im  Lande  an  der  Vorderseite  Edens."  „Un- 
stät  u.  flüchtig"  heißt  es  hier  nicht  (wie  ursprünglich  Vers  14  das  Urteil  lautete),  sondern 
bloß  „flüchtig"  (also  war  die  andre  Hälfte,  das  „Unstät",  infolge  der  Buße  aufgehoben 
worden).  Als  er  von  dannen  ging,  begegnete  ihm  der  erste  Mensch  (Adam):  dieser 
sprach  zu  ihm:  W-as  ist  aus  deiner  Rechtssache  geworden?  Er  antwortete  ihm:  Ich 
habe  Buße  getan  u.  mich  entfernt  (t-b'-z;  nach  der  Lesart  t-si:  „habe  die  Sache 
im  Wege  des  Vergleichs  erledigt").  Als  der  erste  Mensch  das  hörte,  fing  er  an  sich 
vor  den  Kopf  zu  schlagen  u.  sprach:  Das  alles  vermag  die  Kraft  der  Buße,  u.  ich 
habe  es  nicht  gewußt!  .  .  .  Nach  der  Meinung  des  R.  J'huda  bewirkt  das  Gebet  das 
Ganze;  von  wem  kann  man  das  lernen?  Von  Hiskia.  Sein  Königtum  sollte  eigentlich 
nur  14  Jahre  dauern,  s.  Jes  -Mi,  1  ;  als  er  aber  gebetet  hatte,  wurden  ihm  noch  15  Jahre 
zugelegt,  s.  Jes  38,  5.  Nach  der  Meinung  des  R.  J'hoschuaf  b  Levi  bewirkt  die  Buße 
das  Ganze;  von  wem  kann  man  das  lernen?  Von  den  Männern  von  Anathoth,  s  Jer 
11,  22  f.:  „Also  spricht  Jahve:  .  .  .  Die  Jünglinge  sollen  durchs  Schwert  sterben, 
.  .  .  kein  Überrest  wird  ihnen  bleiben!"  Und  nachdem  sie  Buße  getan,  erlangten  sie 
es,  im  Geschlechtsregister  aufgeführt  zu  werden,  s.  Neh  7,  27:  Die  Männer  von  Anathoth: 
128.  Und  wenn  du  es  nicht  lernen  kannst  von  den  Männern  von  Anathoth,  so  lerne 
es  von  Jekhonja.  .  .  .  R.  Acha  u.  R.  Abin  b.  Binjamin  haben  im  Namen  des  R.  Abba* 
gesagt:  Groß  ist  die  Kraft  der  Buße;  denn  diese  hebt  einen  Beschluß  u.  einen  Schwur 
auf.  Einen  Schwur,  s.  Jer  22,  24:  „So  wahr  ich  lebe,  ist  Jahves  Spruch:  Wenn  Chon- 
jahu  ( —  Jekhonjal  .  .  .  ein  Siegelring  wäre  an  meiner  rechten  Hand,  so  würde  ich  dich 
doch  von  da  wegreißen."  Einen  Beschluß,  s.  das.  Vers  30:  „So  spricht  Jahve:  Schreibet 
diesen  Mann  (Jekhonja)  als  kinderlos  auf."  Und  1  Chr  3,  17  heißt  es:  „Und  die  Söhne 
des  Jekhonja:  Assir,  sein  Sohn  (so  liest  der  Text  abweichend  vom  AT),  Schealthiel, 
sein  Sohn"  (also  ist  der  Beschluß  von  Jer  22,  30  aufgehoben  worden).  .  .  .   Nach  der 


*  Nach  der  Parallelstelle  P''siq  163^  ist  zu  lesen:  R.  Acha  b    Abin  b.  Binjamin 
(in  der  2.  Hälfte  des  4.  Jahrh.s)  hat  im  Namen  des  R.  Abba  b.  Pappai  (um  350)  gesagt. 


168  Matth  4, 17  (1  2) 

Meinung  des  R.  J^'hoschua?  b.  Levi  bewirkt  das  Gebet  die  Hälfte;  von  wem  kann  man 
das  lernen?  Von  Ahron,  über  den  anfänglich  ein  schlimmes  Verhängnis  beschlossen 
war,  s.  Dt  9,  2U:  , Auf  Ahron  war  Jahve  sehr  erzürnt,  ihn  zu  vertilgen";  ...  als  aber 
Mose  für  ihn  gebetet  hatte,  wurde  die  Hälfte  des  Beschlusses  von  ihm  abgewandt: 
es  starben  zwei  Söhne  (Nadab  u.  Abihu,  vgl.  Lv  10,  1  ff.)  u.  zwei  blieben  übrig.  — 
Dasselbe  P^siqR  47  (18«'^). 

P'^siqR  Zubatz  3  (löst"):  R.  Sch^'muel  b.  Nacliman  (um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan 
(um  225)  habe  gesagt:  Qoh  9.  4  heißt  es:  ,Ein  lebendiger  Hund  ist  bes.ser  als  ein  toter 
Löwe."  Aber  weiß  denn  das  nicht  jedermann  (weshalb  sagt  es  denn  die  Schrift)?  Aber 
so  ist  es  gemeint:  Besser  daran  ist  ein  Gottloser,  der  in  dieser  Welt  lebt  u.  Buße  tut, 
als  ein  Gerechter,  der  in  seiner  Sünde  verstorben  ist.  ||  P'^siq  161'':  „Zerreißet  eure 
Herzen,  nicht  eure  Kleider,  u.  kehret  um  zu  Jahve  eurem  Gott"  Joel  2,  13.  R.  J  hoschua? 
b.  Levi  (um  25U)  hat  gesagt:  Wenn  ihr  eure  Herzen  in  Buße  zerreißt,  so  braucht  ihr 
eure  Kleider  nicht  um  eure  Söhne  u.  um  eure  Töchter  zu  zerreißen.  Weshalb?  s.  das.: 
„Denn  gnädig  u.  barmherzig  ist  er"  usw.  ||  Rosch  ha-scbana  17'*:  R.  Jochanan  (t279)  hat 
gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn  sie  zerreißt  einen  Gerichtsbeschluß  über  den  Menschen; 
s.  Jes  H,  10:  „Mache  das  Herz  dieses  Volkes  stumpf  .  .  .,  daß  es  nicht  umkehre  (in 
Buße)  u.  ihm  Heilung  werde"  (nämlich  von  dem  beschlossenen  Verhängnis).  ||  pRH  l 
(57-',  49):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  (Am  Neujahrsta^e  werden  die  Gerechten 
zum  Leben,  die  Gottlosen  zum  Tode  aufgeschrieben.)  Den  Mittelmäßigen  werden  zehn 
Tage  der  Buße  geschenkt  zwischen  Neujahr  u.  Veisühnungstag.  Wenn  sie  Buße  tun, 
werden  sie  mit  den  Gerechten  aufgezeichnet;  wenn  aber  nicht,  mit  den  Gottlosen.  — 
Die  Parallelstelie  bRH  16''  erwähnt  die  Buße  nicht;  P^siq  157''  schließt  sich  an  die 
pal.  G''mara  an.  ||  LvR  3  (106"^):  „Der  Gottlose  soll  umkehren  (in  Buße)  zu  Jahve,  .so 
wird  er  sich  sein  erbarmen  (Jes  55,  7  imrr-M;  dies  Wort  erklärt  der  Midrasch  unter 
Vertauschung  von  -  u.  '5  =  ^t-.i-;'-:-'.  =  er  wird  ihn  an  sich  anschließen).  R.  Ji^chaq 
(um  ;-lu0,  hat  gesagt:  Wie  ein  Mensch,  der  zwei  Bretter  zusammenfügt  u.  untereinander 
verbindet  (so  eng  schließt  Gott  den  Bußfertigen  an  sich  an).  Und  R.  Jose  b.  Chanina 
(um  270)  hat  gesagt:  Wie  ein  Mensch,  der  zwei  Füße  einer  Bettstelle  zusammenfügt 
u.  untereinander  verbindet  (der  Anschluß  des  Bußfertigen  an  Gott  ist  minder  eng; 
denn  die  Bettfüße  sind  durch  das  Brett  voneinander  getrennt).  ||  P'siq  1()3'':  R.  Judan 
(um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Sch^'muel  b.  Nachman  (um  "^60)  ^  gesagt:  Wie  weit  fliegt 
für  gewöhnlich  ein  Pfeil,  den  ein  Mensch  abschießt?  Die  Wegstrecke  eines  Feldes, 
das  ein  Kor  oder  zwei  Kor  bringt.  Groß  ist  die  Kraft  der  Buße;  denn  sie  reicht  bis 
an  den  Thron  der  Herrlichkeit,  s.  Hos  14,2  (vgl.  R.  ievi  Joma86''  oben  S.  1607).  R.Jose 
(um  350)  hat  gesagt:  Es  heißt  HL  5,  2:  „Tu  mir  aul,  meine  Schwester."  Gott  sprach: 
Offne  mir  einen  Eingang  so  groß,  wie  das  Loch  einer  Nadel,  so  will  ich  euch  einen 
Eingang  öffnen,  in  den  Redouten  u.  Kastelle  hineinkönnen.  R.  Tanchum  (b.  Abba, 
um  38U)  hat  im  Namen  des  R.  Huna  (um  350),  R.  Aibo  (um  320/  im  Namen  des  Resch 
Laqisch  (um  250)  gesagt:  Tuet  Buße  in  einem  Augenblick  (yy  n--:),  s.  Ps  46,  11: 
„Lasset  ab  ("S"'-)  u.  erkennet,  daß  ich  Gott  bin  "  Lasset  ab  von  euren  bösen  Werken, 
so  werdet  ihr  erkennen,  daß  ich  Gott  bin.  .  •  .  R.  Elfazar  lum  270)  hat  gesagt:  Wenn 
im  gewöhnlichen  Leben  einer  einen  andren  öffentlich  verachtet  hat  u.  nach  einiger 
Zeit  jener  diesen  zu  versöhnen  wünscht,  so  sagt  der  Beleidigte  wohl:  Du  hast  mich 
öffentlich  verachtet  u.  willst  mich  versöhnen  unter  vier  Augen?  Geh  u.  hole  jene  Leute, 
vor  denen  du  mich  verachtet  hast,  so  will  ich  mich  mit  dir  aussöhnen.  Aber  Gott 
nicht  also:  wenn  ein  Mensch  sich  hinstellt  u.  ihn  auf  dem  Markt  verhöhnt  u.  ver- 
lästert, so  sagt  Gott  zu  ihm:  Tue  Buße  unter  vier  Augen  u.  ich  nehme  dich  an!  — 
Zum  Teil  auch  in  Midr  HL  5,  2  (IIB").  ||  pTa?an  ±  65^  3:  R.  Elfazar  (um  270j  hat  ge- 
sagt: Drei  Dinge  heben  ein  schlimmes  Verhängnis  auf,  nämlich  Gebet,  Almosen  u. 
Buße,  u.  diese  drei  finden  sich  in  Einem  Schriftvers,  s.  2  Ghr  7,  14:   „Wenn  sich  dann 


^  So  nach  Bacher,  pal.  Amor.  1,  534,  3;   die  verschiedenen  Lesarten  betreffs  der 
Autoren  u.  Tradenten  s.  bei  Buber  z.  St. 


MHtth4,  17  (312)  169 

mein  Volk  beugt,  über  welchem  mein  Name  genannt  ist.  u.  wenn  sie  beten"  —  da- 
mit ist  das  Gebet  gemeint.  „Und  wenn  sie  mein  Angesicht  suchen*  —  damit  sind 
die  Almosen  gemeint,  wie  es  hcilat  Fs  17,  \n:  ,Ich  werde  durch  Almosen  (so  der 
Midrasch)  dein  Angesicht  schauen."  ,Und  wenn  sie  von  ihren  bösen  Wegen  um- 
kehren" —  damit  ist  die  Buße  gemeint.  Wenn  sie  also. tun,  wie  heißt  es  dort  dann 
weiter?  „So  will  ich  vom  Himmel  her  hören  u.  ihre  Sünde  verzeihen  u.  ihr  Lnnd 
heilen."  -  Dieser  Ausspruch  ziemlich  oft,  zB  GnR44(27<^);  TanchB  rrj  §  1-1(19"); 
MidrQoh  5,  6  (25'').  7,  14(36'');  anonym  auch  pSanh  M,  2  (28^  7).  ,  P'-siqR  40  ( 1(19«): 
R:  Ji9chaq  (um  HOO)  hat  gesagt:  Warum  heißt  es  Nu  29,  2:  Ihr  sollt  ein  Brandopfer 
für  Jahve  „herrichten"  {zr-x:- ;  nicht,  wie  sonst,  „darbringen"  zrz-'-')'^  Gott  spiach 
zu  Israel:  Tuet  Buße  in  jenen  zehn  Tagen  zwisiheu  Neujahr  u.  dem  Versöhnungstage, 
80  erkläre  ich  euch  am  V.  für  gerecht  u.  schaffe  euch  zu  einer  neuen  Kreatur,  wie 
es  heißt  Gn  1,7:  Gott  machte,  x-j--%  das  Firmament  (wie  r-sy  Gn  1,  7  =  schaffen,  so 
deutet  auch  Nu  29,  2  zr'sy  an,  daß  ein  Neues  zwischen  Gott  u.  Isr.  geschaffen  ist).  || 
GnR  1  (2''J:  Sechs  Dinge  gingen  der  Weltschöpfung  vorauf.  .  .  .  R.  Ahaba  b.  Z'^dra 
(gegen  8ö0)  hat  gesagt:  Auch  die  Buße;  denn  es  heißt  Ps  9U,  2:  „Ehe  die  Berge  ge- 
boren wurden"  etc.;  seit  jener  Stunde  iheißt  es  das.  Vers  3:)  „lassest  du  den  Menschen 
umkehren  (in  Buße),  bis  zur  Zerknirschung"  (so  der  Midr).  —  In  andrer  Fassung  Midr 
PsyU  §  12  (19ti"):  R  Abbahu  (1.  Ahaba)  b.  Z'^sira  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn 
sie  ging  der  Weltschöpfung  vorauf  (insofern  sie  von  Anfang  an  im  göttl.  Heilsplan 
vorgesehen  wari.  Aber  gab  es  denn  damals  die  Buße?  Eine  BathQol  (Himmelsstimme) 
ging  aus,  welche  ausrief  u.  sprach:  „Kehret  um  (in  Buße),  o  Menschenkinder"  (so 
Ps90,  H  nach  dem  Midr).  i|  Joma  ><,  8:  Sündopfer  u  Schuldopfer  für  gewiß  begangene 
Vergehungen  schaffen  Sühnung  (betreffs  der  Vergehung,  für  die  sie  dargebracht  werden). 
Der  Tod  u  der  Versöhnungstag  schaffen  Sühne  in  Verbindung  mit  der  Buße.  Die  Buße 
sühnt  leichte  Übertretungen,  sowohl  eines  Gebotes  als  auch  eines  Verbotes;  schwere 
Übertretungen  aber  hält  die  Bulse  in  der  Schwebe,  bis  der  Versöhuungstag  kommt  u. 
(volle)  Sühnung  schafft.  ||  T.Toma  ö,  6  ff.  il90):  R.  Jischmafel  (f  um  l:-i5)  sagte:  Eine 
vierfache  Sühnung  gibt  es.  Wenn  jemand  Gebote  übertreten  hat  u.  Buße  tut,  so  weicht 
er  nicht  von  dort  (von  der  Stätte  seines  Bußgebetes),  ohne  daß  man  (Gott)  ihm  ver- 
geben hätte,  wie  es  heißt  Jer  3,  22:  Kehret  (in  Buße)  um,  ihr  abtrünnigen  Söhne,  so 
will  ich  eure  Abirrungen  heilen.  Wenn  jemand  Verbote  übertreten  hat  u.  Bufee  tut, 
so  hält  diese  (den  Strafvollzug)  in  der  Schwebe,  u.  der  V.-tag  schafft  Sühnung,  wie  es 
heißt  Lv  16,  30:  „Denn  an  diesem  Tage  wird  man  für  euch  Sühnung  schaffen"  (die 
Sühnkraft  des  V.-tages  überragt  die  der  Buße).  Wenn  einer  Sünden  begangen  hat,  auf 
die  die  Ausrottung  (durch  Gottes  Hand)  oder  die  gerichtliche  Todesstrafe  gesetzt  ist, 
u.  Buße  tut,  so  hält  diese  u.  der  V.-tag  (den  Strafvollzug)  in  der  Schwebe  u.  (hinzu- 
kommende) Leiden  schüffen  Sühnung,  wie  es  heißt  Ps^9,  33:  „Ich  will  heimsuchen 
mit  dem  Stecken  ihren  Frevel  u.  mit  iAussatz-)Plagen  ihre  Missetat."  Aber  wenn  jemand, 
durch  den  der  Name  Gottes  c-:»  ur  entheiligt  worden  war,  Buße  getan  hat,  so  hat 
weder  die  Buße  Kraft  (den  Strafvollzug)  in  der  Schwebe  zu  halten,  noch  der  V.-tag 
Sühnung  zu  schaffen,  sondern  Buße  u.  V.-tag  sühnen  ein  Drittel  u.  Leiden  an  den 
übiigen  Tagen  des  Jahres  sühnen  ein  Drittel  u.  der  Todestag  sühnt  völlig,  s.  Jes22,  14: 
„Nimmer  gesühnt  werden  soll  euch  dieser  Frevel,  bis  daß  ihr  sterbet";  das  lehrt,  daß 
der  Todestag  völlig  sühnt.  —  Sündopfer,  Schuldopfer,  Tod  u.  V.-tag,  sie  alle  sühnen 
nur  in  Verbindung  mit  der  Buße,  denn  es  heißt  Lv23,  27:  „.Jedoch"  (-s  hat  ein- 
schränkende Bedeutung):  wenn  er  umkehrt  (in  Buße),  wird  ihm  Sühnung  zuteil;  wenn 
aber  nicht,  wird  ihm  nicht  Sühnung  zuteil.  (Diese  Auslegung  des  Ts  auch  .SLv  23,  27 
(41i!=>).  R.  El?azar  (b.  Schammua?,  um  l/>0)  sagte:  Es  heitU  Ex  34,  7:  „Und  er  läßt  un- 
gestraft"; er  läßt  ungestraft,  die  Buße  tun;  aber  er  läßt  nicht  ungestraft,  die  nicht 
Buße  tun.  R.  J'^huda  (um  löU)  sagte:  Tod  u.  V.-tag  sühnen  in  Verbindung  mit  der  Buße; 
Buße  sühnt  in  Verbindung  mit  dem  Tode  u.  der  Todestag  durch  Buße.  (Hier  ist  der 
Text  kaum  in  Ordnung;  eine  Variante  zu  den  Schlußworten  lautet:  Der  Todestag, 
siehe  der  gleicht  (an  Sühnkrait)  der  Buße;;  vgl.  pJomaS,  45'',  58;  pSch'^busoth  1,  3ü'',  50; 


170  Matth  4, 17(513) 

Aboth  R.Nathan  39.  —  Parallelen  zum  Ausspruch  des  R.  Jischrnafel:  M^'kh  Ex  20,7 
(7ti");  pJonia  N,  45^  60;  pSanh  10,  27^,  47;  pSch  bufoth  1,  33'\  52;  bJoma  86'*;  zum 
Ausspruch  des  R.  Elfazar  b.  Schammuaf :  M^^kh  Ex  20,  7  (76'»);  Joma  b6^ 

3.  Das  Wesen  der  Buße. 

Die  notwendigen  Stücke  der  Buße  sind  A,  Bekenntnis  der  Sünde 
u.  Abbitte  mit  Reue  u.  Schmerz,»  B.  das  Ablassen  von  der  Sünde. b 
Wo  eins  von  diesen  fehlt,  ist  die  Buße  keine  vollkommene, c  sondern 
eine  trügerische^  Buße,  die,  wenn  der  Mensch  an  ihr  festhält,  endlich 
die  Möglichkeit  einer  rechten  Buße  aufhebt. e 

a.  Schab  S2^  Bar:  Wenn  jemand  zum  Tode  erkrankt,  sagt  man  zu  ihm:  Lege  ein 
Bekenntnis  deiner  Sünden  ab;  denn  ein  solches  legen  alle  ab,  die  zum  Tode  verurteilt 
sind.  |i  JomabB''  Bar:  Die  Übertietungen,  die  man  am  Versöhnungstag  bekannt  hat, 
soll  man  am  nächsten  V. -tag  nicht  wiedei bekennen;  nur  wenn  man  die  Übertretungen 
(im  Laufe  des  Jahres)  wiederholt  hatte,  muß  man  sie  am  nächsten  V.-tage  wieder- 
bekennen. Wer  sie  aber  nicht  wiederholt  hatte  u.  trotzdem  abermals  bekennt,  von 
dem  sagt  die  Schrift  Spr  26, 11 :  „Wie  ein  Hund,  der  zu  seinem  Gespei  zurückkehrt, 
ist  ein  Tor,  der  sein  Vergehen  zum  zweitenmal  hersagt"  (so  der  Midr).  R.  Elifezer 
b.  Ja?aqob  (IL,  um  150)  sagte:  Vielmehr  verdient  ein  solcher  Lob,  s.  Ps51,5:  „Ich 
erkenne  meine  Übertretungen,  u.  meine  Sünde  ist  immer  vor  mir."  Aber  wie  halte 
ich  dann  die  Woite  Spr  26,  1 1  aufrecht?  Nach  der  Auslegung  seitens  des  Rab  Huna 
(t  297);  denn  Rab  Huna  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  eine  Übertretung  begangen  hat 
u.  sie  dann  abermals  begeht,  so  wird  sie  ihm  zu  etwas  Erlaubtem.  Meinst  du  wirklich: 
„zu  etwas  Erlaubtem"?  Vielmehr  sage:  Sie  wird  ihm,  als  ob  sie  ihm  erlaubt  wäre.  — 
Auch  muß  man  die  Sünden  einzeln  nennen,  vgl.  Ex  32,  31:  „Mose  sprach:  Ach,  bitte! 
dies  Volk  hat  eine  gmße  Sünde  begangen,  u.  sie  machten  sich  einen  Gott  aus  Gold*. 
Das  sind  die  Worte  des  R.  J'huda  b.  Baba  (f  um  135).  R.  fAqiba  (f  um  135)  sagte: 
„Wohl  dem,  dem  die  Übertretung  vergeben,  dem  die  Sünde  bedeckt  ist"  Ps  32,  1. — 
Der  erste  Teil  der  Bar  findet  sich  TJoma  5,  15  (191).  In  der  Parallelstelle  Midr  Ps  32 
§2(121''),  in  der  dem  R.  Eli? ezer  b.  Jaf  aqob  die  entgegengesetzte  Meinung  der  Rabbinen 
beigelegt  ist,  folgen  die  Worte:  R.  Pin^chas,  der  Priester  (um  36li),  hat  im  Namen  des 
R.  Abba  b.  Pappai  lum  350 1  gesagt:  Darum  daß  du  frühere  Sünde  nicht  aufs  neue  be- 
gangen (u.  sie  dennoch  am  nächsten  Versöhnungstag  aufs  neue  bekennst),  verachtest 
du  das  Wort  deines  Schöpfers  Ps  :■!!,  19:  Möchten  verstummen  die  trügerischen  Lippen, 
die  dem  Gerechten  (=  Gotti  gegenüber  Fortgeschafftes  (bereits  vergebene  Sünden)  be- 
ketmen  in  Hochmut  u.  Verachtung  (so  der  Midr).  Denn  damit  erhebst  du  dich  hoch- 
mütig, als  hättest  du  keine  Sünden  aus  dem  gegenwärtigen  Jahr.  —  Dieser  Ausspruch 
anonym  u.  breiter  auch  ExR 52  (104*).  ||  P'^siq  159'':  „Wer  seine  Vergehungen  bedeckt, 
wird  kein  Gedeihen  haben;  wer  sie  aber  bekennt  u.  läßt,  wird  Barmherzigkeit  er- 
langen"  Spr  28,  13.  R.  Simon  (um  2^0,  so  ist  zu  lesen)  u.  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (um  250) 
haben  im  Namen  des  R  Schimfon  b.  Chalaphta  (um  190 1  gesagt:  .  .  .  Gleich  einem 
Räuber,  der  vordem  Untersuchungsrichter  gerichtet  wird;  solange  erstreitet,  wird  er 
geschlagen;  legt  er  ein  Geständnis  ab,  empfängt  er  die  Verurteilung  (i'i-p-t,  nach 
Levy  i,  \^8^  =  Tiooxhjaic:,  Schuldverkündigung;  nach  Krauß  2,  4Ul^  f.  korrumpiert  aus 
n'-:---tz  =  specula,  Todesstrafe).  Aber  Gott  nicht  also;  sondern  solange  der  Mensch 
seine  Sünde  nicht  bekennt,  empfängt  er  seine  Verurteilung;  sobald  er  sie  aber  bekennt, 
empfängt  er  den  Freispruch.  |i  ExR  30  (90 ''i:  So  hat  Ben  Zoma  (um  1  10)  vorgetragen: 
Hast  du  dich  geschämt  (beim  Bekenntnis  deiner  Sünde)  in  dieser  Welt,  so  wirst  du 
nicht  von  Gott  beschämt  werden  in  der  zukünftigen  Welt.  |i  Midr  Ps  32  §  2  (121''): 
R.Jose  b.  J'huda  lum  1^0)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  vollkommene  Buße  r-a-x-n 
ni-'tr  tut,  also  daß  sein  Herz  in  ihm  entwurzelt  ist,  dann  vergibt  ihm  Gott.  ||  LvR  3 
(lOö'^):  R.  Bebai  b.  Abaje  (im  4.  Jahrh  )  hat  gesagt:  Welches  Sündenbekenntnis  soll 
man  am  Vorabend  des  Versöhnungstages  ablegen?    Man  sage:   Ich  bekenne,  daß  ich 


Matth4,  17  (213)  i'ji 

bei  all  dem  Bösen,  das  ich  vor  dir  getan  habe,  auf  bösem  Wege  gestanden  habe;  aber 
alles,  was  ich  getan  habe,  will  ich  nicht  mehr  tun  in  gleicher  Weise.  Möge  es  wohl- 
gefällig vor  dir  sein,  Jahve  mein  Gott,  daß  du  mir  alle  meine  Schuld  vergibst  u.  alle 
meine  Verfehlungen  verzeihst  u.  für  alle  meine  Sünde  Sühnung  schaffst.  Das  meint 
Jes  •'i5,  7:  Verlassen  soll  der  Böse  seinen  Weg  usw.  —  Andre  Sündenbekenntnisse  s.  bei 
Mt3,6S.  113f. 

b.  Vgl.  den  Ausspruch  des  Resch  Laqisch  FHiq  16:^''  S.  168;',  ferner  pTafan  '2,  65^ 
S.  168 y.  II  P'^siq  lö9^:  R.  JiQchaq  (um  WO)  hat  gesa^it:  Wer  seine  Sünde  bekennt  unter 
der  Bedingung,  daß  er  sie  läßt,  der  erlangt  Barmherzigkeit.  II  Joma  ^6'':  Wer  ist  ein 
(rechter)  Bußfertiger?  Rab  J'^huda  f  299)  hat  gesagt:  Wer  zB  die  Möglichkeit  zu  einer 
Übertretung  hatte  Einmal  u.  zweimal  u.  sich  davor  bewahrte.  (Die  wahre  Buße  doku- 
mentiert sich  also  im  Überwinden  der  Versuchung,  im  Ablassen  von  der  Sünde.)  Rab 
J'^huda  sagte  dies  aber  nur  von  dem  Fall,  daß  jene  Gelegenheit  zweimal  sich  darbot 
bei  demselben  Weibe,  in  derselben  Zeit  u.  an  demselben  Ort.  |i  T'l'afan  1,8  (■21'>,  23): 
Wenn  ein  Mensch  ein  (verunreinigendes)  Kriechtier  in  seiner  Hand  hält,  so  kann  er 
selbst  in  den  Wassern  des  Schiloah  u.  in  allen  Wassern  der  Schöpfung  ein  Tauchbad 
nehmen,  u.  er  wird  doch  in  Ewigkeit  nicht  rein.  Wirft  er  aber  das  Kriechtier  fort  aus 
seiner  Hand,  so  hilft  ihm  ein  Tauchbad  in  4(J  Sea;  denn  es  heißt  Spr  28,  18:  Wer  be- 
kennt u.  ^läßt",  wird  Barmherzigkeit  erlangen.  —  In  Tafan  It)"  Rab  Ad(d)a  b.  Ahaba 
(um  2.=.0),  in  pTafan  2,  6ö-\  n6  u.  Midr  KL  3,  4Ü  (72  b)  R.  Abba  b.  Zabda  (um  270,  so 
die  richtige  Lesart)  als  Autor  genannt. 

C.  Vollkommene  Buße,  r^i2''tv  -rzixr;  s.  hierzu  Midr  Ps  32  §  2  in  Anm.  a.  Ferner 
pB^rakh  4,7''  |49):  R.  Chijja  b.  Abba  (-■ i  -z,  um  280)  betete:  Möge  es  wohlgefällig 
sein  vor  dir,  Jahve  unser  Gott  u.  Gott  unsrer  Väter,  daß  du  uns  in  unser  Herz  gebest, 
eine  vollkommene  Buße  vor  dir  zu  tun,  damit  wir  uns  vor  unsern  Vätern  nicht  zu 
schämen  brauchen  in  der  zukünftigen  Welt.  ||  Daß  sich  die  vollkommene  Buße  auch  in 
einzelnen  besonderen  Werken  (in  der  Versöhnung  des  Beleidigten,  in  der  Wiedergut- 
machung angerichteten  Schadens,  in  der  Beseitigung  des  corpus  delicti)  zu  beweisen 
u.  zu  bewähren  hatte,  s.  unter  Lk  19,  8. 

d.  Eine  trügerische,  geheuchelte  Buße,  r^r^'^hvnz'vr,  zB  pTafan  2,  ßö^:  Resch 
Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Eine  trügerische  Buße  haben  die  Männer  von  Ninive 
getan.  Ebenso  P'-'siq  IHl».  ||  GnR  9  (7^):  (R.  Jonathan,  um  225,  hat  gesagt:  Der  Tod  ist 
über  Fromme  u.  Göttlose  verhängt  worden,)  damit  die  Gottlosen  nicht  eine  trügerische 
Buße  tun  möchten  (wenn  sie  die  Frommen  ewig  lebend  sähen)  u.  sagten:  Die  Gerechten 
bleiben  nur  am  Leben,  weil  sie  Gebotserfüllungen  u.  gute  Werke  aufhäufen;  so  lasset 
auch  uns  Gebotserfüllungen  u.  gute  Werke  aufhäufen!  So  würde  ihr  Tun  als  ein 
solches  erfunden  werden,  das  nicht  aus  reiner  Absicht  erfolgte. 

e.  Joma  8,  9:  Wer  sagt:  Ich  will  sündigen  u  dann  Buße  tun,  ich  will  sündigen 
u.  dann  Buße  tun,  dem  gibt  man  (Gott)  nicht  die  Möglichkeit,  Buße  zu  tun.  jl  Aboth 
R.Nathan  39  Anf.:  Fünf  erlangen  keine  Vergebung:  Wer  viel  Buße  tut  (weil  er  die  Sünde 
nicht  läßt);  wer  viel  sündigt;  wer  in  einem  reinen  Zeitalter  sündigt;  wer  sündigt,  um 
hinterher  Buße  zu  tun,  u.  auf  wem  die  Schuld  der  Entheiligung  des  göttlichen  Namens 
liegt.  —  Nach  Bacher,  Tann.^  I,  279  Anm.  gehört  der  Ausspruch  wahrscheinlich  dem 
R.  fAqiba,  f  um  135,  an.  J|  Aboth  5,  18:  Wer  viele  zur  Gerechtigkeit  anleitet,  durch  den 
kommt  keine  Sünde;  u.  wer  viele  zur  Sünde  verführt,  dem  gibt  man  iGott)  keine 
Möglichkeit,  Buße  zu  tun.  —  Auf  diesen  Satz  nimmt  R  Jochanan  if  279)  Bezug  in  Sota 
47";  Sanh  107'';  vgl.  auch  Aboth  R.  Nathan  40.  I' Aboth  R  Nathan  40:  R.  Elfazar 
b.  Jose  (um  180)  sagte:  Wer  sündigt  u.  dann  Buße  tut  u.  dann  in  seiner  Unschuld 
wandelt,  der  geht  nicht  von  dannen.  ohne  daß  man  (Gott)  ihm  vergeben  hat.  Wer 
aber  sagt:  Ich  will  sündigen,  um  hinterher  Buße  zu  tun,  dem  vergibt  man  dreimal  u. 
rjicht  öfter.  ||  Joma  8ü''  Bar:  R.Jose  b.  J*'huda  (um  IxQ)  sugte:  Wenn  ein  Mensch  eine 
Übertretung  Einmal  begeht,  so  vergibt  man  sie  ihm,  auch  das  zweite  u.  dritte  Mal; 
aber  wenn  er  sie  zum  vierten  Mal  begeht,  so  wird  ihm  nicht  vergeben,  s.  Arnos  2,  6: 
Wegen  dreier  Verfehlungen  Israels  (würde  ich  es  abwenden),  aber  wegen  vierer  wende 


172  Matth4, 17  (313.  93  A.  B  1) 

ich  es  nicht  ab  (so  der  Midr).  —  Die  Bar  findet  sichTJonia  5, 18  (191).  H  ExR  II  (74«): 
R.  Pin^'chas,  der  Priester,  b.  Cliama  (um  H60)  hat  gesagt:  Es  heißt  Hi  3ii,  13:  „Die 
heuchlerischen  Herzens  sind,  bringen  Zorn  über  sich"  (so  der  Midr).  Nachdem  Gott 
auf  die  Gottlosen  gewartet  hat,  daß  sie  Buße  tun  möchten,  u.  sie  taten  es  nicht, 
nimmt  er  ihnen  zuletzt,  auch  wenn  sie  möchten,  ihr  Herz  (ihre  ruhige  Überlegung), 
auf  daß  sie  nicht  Buße  tun.  Wer  sind  die  heuchlerischen  Herzens?  Die  sind  es,  die 
kommen  u.  zuerst  (Bußfertigkeit)  in  ihrem  Herzen  heucheln;  die  bringen  zuletzt  Zorn 
über  sich.  Und  was  heißt  (das.l:  ,Sie  flehen  nicht,  denn  er  verhindert  sie"?  (so  der 
Midr).  Auch  wenn  sie  sich  zu  Gott  bekehren  wollen  (in  Buße)  u.  sich  anschicken, 
sich  mit  dem  Gebet  zu  befassen,  so  vermögen  sie  es  nicht,  weil  er  sie  verhindert; 
denn  er  hat  vor  ihnen  (die  Pforte  der  Buße  u.  des  Gebetes)  zugeschlossen.  —  Weiteres 
bei  Hebr  6,  4.  6. 

4,  17  $B:  Das  Himmelreich  (Gottesreich). ^ 

A.  Der  Ausdruck  ßaaiXeia  twv  ovqccvü'v  bei  Mt  verhält  sich  zu 
ßaoiXei'a  rov  ^eov  bei  Mk  u.  Lk  wie  im  Rabbin.  c'^':^"  r^izh^  (aram. 
a.1^t~i  nr^zb^)  zu  mn-^  ~^="~'?,  d.  h.  beide  Ausdrücke  besagen  sachlich 
dasselbe.  Wie  in  den  Wendungen  ni^a  na  Name  Gottes,  a-^s'::  x-nia 
oder  ü^^^  rx-ii  Gottesfurcht,  ü^y::  i-jisn  Angelegenheiten  Gottes,  rzab'a 
Qi-a-i)  Beschäftigung  mit  götti.  Dingen,  ci^a  1113  durch  Gott,  n-^::!::  11^3 
Ehre  Gottes,  n^-2'c  rii-?:  Gaben  Gottes,  x-i-arn  'o'^-c  göttliche  Dinge^  — 
das  Wort  „Himmel"  metonymisch  für  „Gott"  steht:  so  ist  auch  in  der 
Verbindung  c^-a'j  ri^b^   „Himmel"   ein  Ersatz  des  Gottesnamens. 

B.  Der  Begriff  n-i^sc  r^z'-^-o  in  der  rabbin.  Literatur. 

1.  Der  Idee  nach  ist  Gott  als  der  Schöpfer  der  Welt  zugleich  ihr 
König. a  In  Wirklichkeit  hat  die  Menschheit  die  Königsherrschaft  r^zh^ 
Gottes  von  sich  geworfen.  Das  geschah  in  den  Tagen  der  Sündflut, 
als  die  Bosheit  der  Menschen  groß  ward  auf  Erden. b  So  mufste  sich 
die  Herrschaft  Gottes  auf  den  Himmel  beschränken. c  Ein  Wandel  zum 
Besseren  hob  mit  Abraham  an:  indem  der  Patriarch  den  Namen  des 
Einen  Gottes  seinen  Zeitgenossen  verkündigte,  fand  die  Gottesherrschaft 
wieder  Anerkennung  unter  den  Menschen,  c  Fest  gegründet  aber  wurde 
sie  auf  der  Erde,  als  Israel  am  Roten  Meer  u.  am  Berge  Sinai  durch 
das  Bekenntnis  zu  dem  wahren  Gott  u.  durch  Übernahme  seiner  Tora 
sich  dem  „.Joch  der  Herrschaft  Gottes"  unterstellte. d  In  jener  Zeit 
wurde  Gott  der  König  Israels. e  Die  Gottesherrschaft  trat  dann  auch 
äufaeilich  sichtbar  in  die  Erscheinung  in  der  Weltherrschaft  Israels; 
Salomo  saß  auf  Gottes  Thron. ^  Erst  als  die  Israeliten  sündigten,  wurde 
die  Herrschaft  von  ihnen  genommen  u.  den  Völkern'der  Welt  gegeben. g 
Seitdem  stehen  die  Gottesherrschaft  u.  die  Herrschaft  der  Weltvölker 
als  unversöhnliche  Gegensätze  einander  gegenüber. h  —  Auf  Grund 
vorstehender  Gedankenreihe  wiid  man  den  rabbin.  Begriff  der  r^zhu 
t2iric  zu  definieren  haben  als  die  Herrschergewalt,  die  Gott  durch  die 
Offenbarung  seines  Namens  u.  seines  Willens  über  seine  Bekenner  aus- 
übt. —  Daß  es  sich  bei  der  n^^a  n3^  in  der  Tat  zunächst  um  Bindung 

1  Vgl.  Dalman,  Die  Worte  Jesu,  1,  75  ff.  ^  Belege  s.  bei  Mt  21,  25. 


Matth  4, 17  (SB  B  1)  X73 

der  Gewissen  im  Gehorsam  gegen  Gott  handelt,»  mit  andren  Worten, 
daß  die  oi^ir  n=b?3  zu  allererst  ihre  Stätte  in  den  Herzen  der  Menschen 
hat,  zeigen  auch  folgende  Sätze.  Der  Mensch  kann  das  Joch  der  Gottes- 
herrschaft auf  sich  nehmen,  er  kann  es  aber  auch  von  sich  werfen. k 
Man  nimmt  es  auf  sich,  indem  man  sich  zum  Monotheismus  u.  zur 
Tora  bekennt.  1  Da  diese  beiden  Stücke,  das  Bekenntnis  zu  dem  Einen 
Gott  u.  der  Gehorsam  gegen  die  Tora,  den  Inhalt  des  Sch'^ma?  (Dt 
6,  4 — 9;  11, 13 — 21;  Nu  15,37 — 41)  bilden,  so  kann  gesagt  werden,  daß 
der  Israelit  die  Gottesherrschaft  auf  sich  nimmt,  so  oft  er  das  Schema? 
betet. m  Dieser  Satz  war  in  das  allgemeine  Bewußtsein  so  sehr  über- 
gegangen, daß  die  Wendung  „die  Gottesherrschnft  auf  sich  nehmen" 
geradezu  als  andrer  Ausdruck  für  das  Rezitieren  des  Schema?  gebraucht 
wurde."  Die  Gottesherrschaft  realisiert  sich  eben  überall  da,  wo  sich- 
ein Mensch  bewußterweise  dem  Willen  Gottes  im  Gehorsam  unterstellt. 

a.  zB  Henoch  9,  4  f  :  Du  bist  der  Herr  der  Herren,  der  Gott  der  Gütter  u.  der 
König  der  Könige;  der  Tliron  deiner  Herrlichkeit  besteht  durch  alle  Gesclilechter  der 
Welt;  dein  Name  ist  heilig  u.  in  aller  Welt  gepriesen.  Denn  du  hast  alles  gemacht 
u.  die  Herrschaft  über  alles  ist  bei  dir.  —  84,  2  f.:  Gepriesen  bist  du,  o  Herr,  König, 
groß  u  mächtig  in  deiner  Größe,  Herr  der  ganzen  Schöpfung  des  Himmels,  König  der 
Könige  u.  Gott  der  ganzen  Welt!  Deine  Macht,  Königslierrschaft  u.  (ilröße  bleibt  in 
alle  Ewigkeit,  u.  deine  Herrschaft  durch  alle  Geschlechter;  alle  Himmel  sind  dein 
Tliron  in  Ewigkeit  u.  die  ganze  Erde  der  Schemel  deiner  Füße  immerdar.  Denn  du 
hast  alles  geschaffen  u.  regierst  es;  nichts  ist  dir  zu  schwer.  —  Ein  oft  verwandter 
Lob-!pruch  in  den  Gebetsformeln  lautet:  Gepriesen  seist  du  Jahve  unser  Gott,  König 
der  Welt!  —  Im  f  Alenugebet  des  Rab  (f  247),  das  dem  Musaphgebet  des  Neujahrs- 
taiies  eingegliedert  ist,  heißt  es:  Wir  beugen  uns  vor  dem  König  aller  Könige,  dem 
Heiligen,  gepriesen  sei  er!  Denn  er  ist  es,  der  den  Himmel  ausgespannt  u.  die  Erde 
gegründet  hat. 

b.  slav.  Henoch  84^,  1  :  ,Sie  (das  Flutgeschlecht)  haben  abgeworfen  meine  Gebote 
u.  mein  Joch,  u.  haben  erweckt  laufgestellt)  unnützen  Samen,  Gott  nicht  fürchtend, 
u.  mich  nicht  anbetend;  sondern  haben  angefangen,  eitle  Götter  anzubeten  u.  haben 
verlassen  meine  Einzigkeit. 

C.  SDt  :^|l,10  §318  (184^):  Bevor  unser  Vater  Abraham  in  die  Welt  kam,  war 
Gott  gewissermaßen  nur  über  den  Himmel  König,  wie  es  heißt  Gn24,7:  „Jahve,  der 
Gott  des  Himmels,  welcher  mich  aus  dem  Hause  meines  Vaters  u.  dem  Lande  meiner 
Verwandtschaft  weggenommen  hat"  (also  zur  Zeit  von  Gnl2,  1  Gott  nur  Gott  des 
Himmels).  Aber  nachdem  unser  Vater  Abraham  in  die  Welt  gekommen  war,  machte 
er  ihn  zum  König  über  Himmel  u.  Erde,  s.  Gn24,  8:  ,Ich  beschwöre  dich  bei  Jahve, 
dem  Gott  des  Himmels  u.  der  Erde"  (zur  Zeit  von  Gn  24  Gott  auch  Gott  der  Erde). 

d.  ExR  28  (84 •'i:  „Damals  sang  Mose"  Ex  15,1.  Das  meint  auch  Ps  9 '-,2:  Fest- 
gegründet ist  dein  Thron  seit  dem  „damals"  (Ex  15,1,  so  der  Midrasch).  R.  B'^'rekhja 
(um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Abbahu  (um  80o)  gesagt:  Obwohl  du  von  Ewigkeit  her 
warst,  so  stand  doch  dein  Thron  nicht  fest;  u.  du  bist  in  deiner  Welt  nicht  eher  be- 
kannt geworden,  als  bis  deine  Kinder  ein  Lied  sangen.  Deshalb  heißt  es:  Festgegründet 
ist  dein  Thron  seit  dem  „damals"  (d.h.  seit  dem  Lied  am  Meer  Ex  15,  1  ff.).  Gleich 
einem  König,  der  einen  siegreichen  Krieg  geführt  hatte  u.  den  (deshalb  seine  Legionen) 
zum  Augustus  machten.  Man  sprach  zu  ihm:  Bevor  du  den  Krieg  geführt  hattest, 
warst  du  König;  nun  aber  haben  wir  dich  zum  Augustus  gemacht.  Was  für  ein  Unter- 
schied an  Ehre  (Würde)  ist  zwischen  dem  König  u.  dem  Augustus?  Der  König  steht 
auf  einem  Gemälde  (-15  wörtlich:  „Tafel",  „Brett"),  während  der  Augustus  sitzt.   So 


174  Matth  4,  17  (SB  B  1) 

sprachen  die  Israeliten:  Wahrlich,  ehe  du  deine  Welt  schufst,  warst  du,  u.  nachdem 
du  sie  geschaffen,  warst  du  derselbe;   aber  du  standest  gleichsam,   vgl.  Hab:-!,  6:  Er 
stand  u.  machte  schwanken  die  Erde.    Aber  nachdem  du  am  (Roten)  Meer  gestanden 
u.  wir  ein  Lied  vor  dir  gesungen  haben  mit  „damals",  ist  deine  Herrschaft  gefestigt 
u.  dein  Thron  begründet.    Das  wollen  die  Worte  besagen:  Festgegründet  ist  dein  Thron 
seit  dem  „damals".  1|  SLv  18.  6  {S'^l"):  ,Rede  zu  den  Kindern  Israel  u.  sage  ihnen:  Ich 
bin  Jahve,  euer  Gott.   Nach  dem  Tun  des  Landes  Äirypten  .  .  .  sollt  ihr  nicht  tun"  Lv 
18, -2  f.    R  Schimson  b.  Jochai  (um  1-^0)  hat  tresagt:   Dort,   Ex  20,  i!,  heißt  es:   Jch  bin 
Jahve,  dein  Gott."    Ich  bin  Jahve,  u.  ihr  habt  meine  Herrschaft  auf  euch  genommen 
in  Ägypten.   (Gemeint  sind  die  Worte  im  Meerlied  Ex  Li,  2.  18:   „Dieser  ist  mein  Gott", 
„Jahve  ist  König  für  immer  u.  ewig!")   8ie  sprachen  zu  ihm:  Ja,  ja!    (Gott  sprach:) 
Habt  ihr  meine  Herrschaft  auf  euch  genommen,    so   nehmt   auch   meine  Befehle  an: 
, Nicht  sollst  du  einen  andren  Gott  außer  mir  haben"  Ex  'J(t,  3.    Hier,  Lv  18.  '2,  heißt  es: 
,lch  bin  Jahve  euer  Gott."    Ich  bin  es,  dessen  Herrschaft  ihr  am  Sinai  angenommen 
habt.    Sie   sprachen   zu   ihm:    Ja,  ja!    (Gott  sprach:!  Habt  ihr  meine  Herrschaft  an- 
genommen, so  nehmt  auch  meine  Befehle  an:  „Nach  dem  Tun  des  Landes  Ägypten 
.  .  .  sollt  ihr  nicht  tun."  —  Ähnlich  M^kh  Ex  20,  2  (74 ''i.  Hier  geht  folgendes  Gleichnis 
vorauf:  Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  in  eine  Provinz  loder:  Stadt)  kam. 
Seine  Diener  sprachen  zu  ihm:   Erlaß  Befehle  (Edikte)  ülier  sie!    Er  antwortete:  Wenn 
sie  meine  Herrschaft  angenommen  (anerkannt)  haben,  werde  ich  ihnen  Befehle  geben; 
denn  wenn  sie  meine  Herrschaft  nicht  annehmen,  so  werden  sie  auch  meine  Befehle 
nicht  annehmen.   So  sprach  Gott  zu  Israel:   „Ich  bin  Jahve  dein  Gott";  denn  ihr  habt 
meine  Herrschaft  in  Ägypten  angenommen.   Sie  sprachen  zu  ihm:  So  ist  es!    Und  wie 
ihr  meine  Herrschaft  angenommen  habt,  so  nehmt  meine  Gebote  an:   „Nicht  sollst  du 
einen  andern  Gott  außer  mir  haben"   Ex  20, :-!.  ||  M*^kb  Kx  20.  2  (T.S'J):  Weshalb  sind  die 
zeiin  Gebote  nicht  am  Anfang  der  Tora  gesagt  worden?    Man  hat  ein  Gleichnis  gesagt. 
Womit  läßt  sich  dies  vergleichen?   Mit  jemandem,  der  in  eine  Stadt  (Provinz)  kam  u. 
zu  den  Leuten  sagte:  Ich  will  über  euch  als  König  herrschen.   Sie  antworteten:   Hast 
du  irgend  etwas  für  uns  getan,  daß  du  als  König  über  uns  herrschen  willst?    Was  tat 
er?    Er  baute  ihnen  eine  Mauer,  leitete  ihnen  W;,sser  in  die  Stadt  u.  führte  für  sie 
Kriege.   Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  will  über  euch  als  König  herrschen!   Sie  antworteten 
ihm:  .la.  ja!   So  hat  Gott  die  Israeliten  aus  Ägypten  geführt,  spaltete  ihnen  das  Meer, 
ließ  ihnen  Manna  herabkommen  u.  den  Brunnen  emporsteigen,  brachte  ihnen  Wachteln 
(vom  Meer)  herüber  u.  führte  für  sie  den  Krieg  mit  ?Amaleq.    Dann  sprach  er  zu  ihnen: 
Ich  will  über  euch  als  König  herrschen.   Sie  antworteten  ihm:  Ja,  ja!    Rabbi  (?|  sagte: 
Es  will  den  Ruhm  Israels  verkündigen:  denn  als  sie  alle  am  Berg  Sinai  standen,  um 
die  Tora  zu  empfangen,  waren  sie  alle  wie  Ein  Herz,  die  Gotte.sherrsch0't  mit  Freuden 
anzunehmen.  ||  Midr  Ps  20  S  -^  (■'^7''):  „Ich  will  reden  von  der  Wohltat"  Jes  ti3,  1  (so  der 
Midrasch).    Von  welcher  Wohltat?    R.  Pin'chas  (um  86ül  u.  R.  Elfazar   (um  270)  u. 
R  Jochanan  (f  279).    Der  eine  hat  ge.sagt:  .  .  .  Der  andre  hat  gesagt:  Von  der  Wohltat, 
die  ihr  mir  (Gott)  erwiesen  habt  damit,    daß  ihr  die  Tora  angenommen  habt;    denn 
wenn  ihr  sie  nicht  angenommen  hättet,  wo  wäre  meine  Herrschaft!  ...  In  der  Parallele 
Midr  Ruth  I,  1  (122"^)  fehlt  dieser  Satz.  ||  P^siq  16  b:  R.  Abin  (I.  um  325,  II.  um  .S70)  hat 
gesagt:    Gleich   einem  König,    der  ein  Purpurgewand  hatte  u.  seinem  Diener  befahl: 
, Schüttle  es  aus,  falte  es  zusammen  u.  gib  acht  darauf."    Er  sprach   zu   ihm:    Mein 
Herr  König,  von  allen  Purpurgewändern,  die  dein  sind,  hast  du  mir  nur  in  bezug  auf 
dieses  einen  Befehl  erteilt!    Der  König  antwortete:  Weil  ich  mit  diesem  bekleidet  war 
in  der  Stunde,  da  ich  zuerst  König  wurde.    So  hat  auch  Mose  zu  Gott  gesagt:  Herr 
der  Welt,  von  den  siebzig  mächtigen  Völkern,  die  du  in  der  VVelt  hast,  hast  du  mir 
nur  in  bezug  auf  Israel  Befehle  gegeben:   „Sage  zu  den  Kindern  Israel"  usw.    Er  ant- 
wortete ihm:  Weil  ich  über  sie  am  Meer  König  geworden   bin,   als  sie  sprachen  Ex 
15.  I!-!:    „Jahve  ist  König   für  immer  u.  ewig."    —   Dasselbe  LvR  2  (lOH'^j;    hier   die 
Schlußworte:  Weil  sie  mich  zuerst  am  Meer  zum  König  gemacht  haben.  —  Ebenso 
TanchB  star  ■:  §  4  (54 »j.   Vgl.  auch  ExR  29  (bS^):  R.  Tobijja  b.  Ji9chaq  (ein  Amoräer 


Matth  4,  17  (5B  B  1)  175 

unbestimmter  Zeit)  hat  gesagt:  (Gott  sprach:)  Ich  bin  Jahve  dein  Gott;  denn  unter 
der  Bedingung  habe  ich  dich  aus  Ägyptenland  herausgeführt,  da&  du  meine  Gottheit 
auf  dich  nimmst. 

e.  Gott  als  König  Israels  oft  in  Gebeten.  Achtzehn-Gebet  Nr.  11  palästin.  Rezension: 
Sei  König  über  uns,  du  aliein.  —  Im  Gebet  fAlenu  um  240):  Er  ist  unser  Gott,  u. 
es  gibt  keinen  andren  mehr;  fürwahr  er  ist  unser  König,  u.  keiner  aufser  ihm.  —  Das 
Gebet  Abinu  malkenu  hebt  in  seinen  einzelnen  Sätzen  44 mal  mit  den  Worten  an: 
Unser  Vater,  unser  König.  —  Ebenso  sagt  R.  fAqiba,  f  um  13'),  in  einem  Gebet  um 
Regen:  Unser  Vater,  unser  König,  wir  haben  keinen  König  außer  dir;  unser  Vater, 
unser  König,  um  deinetwillen  erbarme  dich  über  uns.  Da  fiel  Regen  nieder,  Tafan  ih^. 

f.  Midr  Esther  1,  1  (8'.''):  ,Hundertsiebenundz wanzig  Landschaften"  Esthl,l. 
R.  Elfazar  (um  270 1  hat  im  Namen  des  R.  Chanina  um  22-.)  gesagt:  Waren  nicht  zwei- 
hundertzweiundfünfzig  Eparchieen  in  der  Welt?  Und  über  diese  alle  hat  David  ge- 
herrscht, s.  l  Ohr  14,  17:  ,Der  Name  Davids  ging  aus  in  alle  Lande  u.  Jahve  legte 
Furcht  vor  ihm  auf  alle  Völker."  Salomo  hat  über  sie  alle  geherrscht,  s.  1  Kg -0,1: 
,Salomo  herrschte  über  alle  Königreiche"  usw.  Ahab  herrschte  über  sie  alle,  s  1  Kg 
18,  10:  ,So  wahr  Jahve  dein  Gott  lebt,  es  gibt  kein  Volk  u.  Königtum,  wohin  nicht 
mein  Herr  geschickt  hat,  dich  zu  suchen;  u.  wenn  sie  dann  sauten:  ,Hier  ist  er  nicht", 
so  ließ  er  das  Königtum  u.  das  Volk  schwören,  daß  er  dich  nicht  finden  würde."  Kann 
man  auch  an  einem  Ort  schwören  lassen,  wenn  man  dort  nicht  herrscht?  .  .  .  i  TanchB 
s->i  §7  (11''):  ,Wer  ist  der  König  der  Ehren?"  Ps  24,  10.  Wer  ist  der  König,  der 
Ehre  zuerteilt  denen,  die  ihn  fürchten?  „Jahve  Q'^'baoth,  er  ist  der  Köni^  der  Ehren." 
Inwiefern?  Auf  dem  Thron  eines  Königs  von  Fleisch  u  Blut  darf  man  nicht  sitzen, 
aber  Gott  setzte  Salomo  auf  seinen  Thron,  s,  1  Chr  2;»,  i'.^.  (Gleicherweise  ritt  Elias  auf 
Gottes  Roß  Nah  1,8;  Mose  benützte  Gottes  Zepter  Ex  4,  20;  der  Messias  empfängt 
Gottes  Krone  Ps21,4;  die  Israeliten  legen  Gottes  Gewand  an  Jes  •'i  1 ,  9  u.  Ps  .^Q,  1 1 ; 
Mose  wurde  mit  Gottes  Namen  genannt  Ex  7,  1.)  Parallelstellen:  Midr  Ps2l  §2  («H») 
mit  R.  Simon,  um  280,  als  Autor;  ExR  8  (73^);  NuR  14  (  7:^«).  hier  Autor  R.  Abin 
(I.  um  325;  II.  um  370);  TanchB  si-:  §  34  (22''i,  R.  Abin  Autor.  Vgl.  Sanh  2,  5.  n  Midr 
HL  1, 1  (80^):  (1  Chr  29,  23:)  „Salomo  saß  auf  dem  Thron  Jahves."  R.  JiQchaq  lum  300) 
hat  gesagt:  Kann  denn  ein  Mensch  auf  dem  Tliron  Jahves  sitzen,  von  dem  es  heißt 
Dt  4,  24:  „Jahve  dein  Gott  ist  ein  verzehrendes  Feuer"  u.  Dn  7,  9  f.:  „Sein  Thron  waren 
Feuerflammen.  .  .  .  Ein  Feuerstrom  flutete  vor  ihm  hin"?  Und  du  sagst:  Salomo  saß 
auf  dem  Thron  Jahves?  Es  ist  so  gemeint:  Wie  der  Thron  Gottes  von  einem  Ende 
der  Welt  bis  zum  andren  herrscht,  so  herrschte  auch  der  Thron  Salomos  von  dem 
einen  Ende  der  Welt  bis  zum  andren;  wie  der  Thron  Gottes  ohne  Zeugen  u.  ohne 
Verwarnung  das  Urteil  fällt,  so  fällte  auch  der  Thron  Salomos  das  Urteil  ohne  Zeugen 
u.  ohne  Verwarnung. 

g.  Midr  Esth  1,2  («5^):  R.  Aibo  (um  320)  hat  gesagt:  Es  heißt  Ps  22,  29:  „Jahve 
gehört  das  Königtum  u.  er  herrscht  über  die  Völker."  Und  du  sagst:  Achaschverosch 
saß  auf  dem  Thron  seines  Königtums  (Esth  l,2j?  iDer  Midr  bezieht  das  Suffix  von 
T'-i'-r:  auf  Gott.)  Es  ist  so  gemeint:  In  der  vergangenen  Zeit  war  die  Herrschaft  bei 
Israel;  als  diese  aber  sündigten,  wurde  die  Herrschaft  von  ihnen  genommen  u  den 
Völkern  der  Weit  gegeben,  s.  Ez  30,  12:  „Ich  verkaufe  das  Land  in  die  Hand  böser 
Leute.  .  .  .*  Morgen,  wenn  die  Israeliten  Buße  tun,  nimmt  er  sie  von  den  Völkern  der 
Welt  u.  gibt  sie  an  Israel  zurück.  Wann?  „Es  ziehen  Befreier  herauf  auf  den  Berg 
Zion,  zu  richten  das  Gebirge  Esaus  (im  Sinne  des  Midr  =  Rom),  u.  es  fällt  die  Herr- 
schaft Jahve  zu"  (Obadja  21). 

h.  u'-^v  riz'i'i  u.  V"^  ns'-j's  werden  einander  gegenübergestellt  GnR  9  (7  ): 
R.  SchimSon  b.  Laqisch  (um  2.')0)  hat  gesagt:  „Siehe,  es  war  sehr  gut"  (Gn  1,31  i;  damit  ist 
die  Gottesherrschaft  gemeint.  „Und"  siehe,  es  war  sehr  gut  Gn  !,;<!),  damit  ist  r-r-'s 
7-s:^  die  irdische  Regierung  (Herrschaft)  gemeint.  Ist  denn  aber  die  irdische  Regierung 
sehr  gut?  Allerdings,  denn  sie  bringt  das  Recht,  ro  6Lxcani>,  der  Menschen  zur  Geltung, 
8.  Jes45, 12.  —  Ferner  z^-ov  n=-^  u.  ny<a-:n  p-::;";,  die  gottlose  (d.  h.  römische)  Re- 


176  Matth  4, 17  (JB  B  1) 

gierung  P'^siqol"'  (s.  die  Stelle  Nr.  2).  —  Aramäisch  auch  ss"---  sri:^'^  u.  sriniVi? 
N--S-:  —  Herrschaft  des  Firmaments  (Himmels)  u.  Herrschaft  der  Erde.  B'^rakh  58*: 
Rab  Schescheth  (um  260)  war  blind.  Alle  Welt  machte  sich  auf,  das  Angesicht  des 
Königs  zu  begrüßen.  Rab  Schescheth  stand  auf  u.  ging  mit  ihnen.  Da  traf  ihn  ein 
Sektierer,  der  zu  ihm  sprach:  Krüge  schafft  man  an  den  Fluß;  was  sollen  da  aber 
Scherben!  (Was  will  ein  Blinder  da,  wo  es  etwas  zu  sehn  gibt!)  Er  antwortete  ihm: 
Komm  u.  sieh,  daß  ich  besser  verstehe,  als  du.  Der  erste  Trupp  (der  königl.  Leib- 
wache) zog  vorüber;  als  Lärm  entstand,  sagte  jener  Sektierer  zu  ihm:  Der  König 
kommt!  Rab  Schescheth  erwiderte:  Er  kommt  nicht!  Der  zweite  Trupp  zog  vorüber; 
als  Lärm  entstand,  sagte  jener  Sektierer  zu  ihm:  Jetzt  kommt  der  König!  Er  er- 
widerte: Der  König  kommt  nicht!  Der  dritte  Trupp  zog  vorüber;  als  Stille  entstand, 
sprach  Rab  Schescheth  zu  dem  Sektierer:  Wahrlich,  jetzt  kommt  der  König.  Jener 
Sektierer  antwortete:  Woher  weißt  du  das?  Er  sprach  zu  ihm:  Weil  die  irdische  Re- 
gierung der  himmlischen  Regierung  gleicht,  s.  1  Kg  19,  11  f.  (nicht  im  Sturm  u.  Erd- 
beben u.  Feuer  kam  Jahve,  sondern  im  stillen  Säuseln  des  Windes).  —  Ähnlich  Rab 
Schela,  um  220,  ß'^rakh  58":  Gepriesen  sei  der  Barmherzige,  der  eine  Regierung  auf 
Erden  gegeben  hat,  die  der  Regierung  des  Himmels  gleicht,  --y:  sy-sa  sr'::"':'3  an--; 
Kv-^-^  srir'5'5.  —  Allgemeiner  ist  der  Gegensatz  im  Munde  des  Rabban  Jochanan 
b.  Zakkai,  f  um  80,  geformt.  Er  sagt  von  dem  hebräischen  Knecht,  der  dauernd  Sklave 
bleiben  will,  pQid  1,59*^,29:  Er  wirft  das  Joch  der  Gottesherrschaft  von  sich  ab  u. 
nimmt  auf  sich  das  Joch  von  Fleisch  u.  Blut.  In  der  ältesten  Quelle  TBQ  7,  5  steht 
dafür:  Er  wirft  das  Joch  des  Himmels  (=  Gottes)  von  sich  u.  macht  zum  Herrscher 
über  sich  das  Joch  von  Fleisch  u.  Blut.  bQid  22'":  Mir  (Gott)  sollen  die  Israeliten 
Knechte  sein,  aber  nicht.  Knechte  für  Knechte;  u.  dieser  geht  hin  u.  erwirbt  sich  selbst 
einen  Herrn.  -  In  der  M'^kh  zu  Ex  21,  6(8B'']  fehlt  eine  solche  Gegenüberstellung  ganz. 

i.  SLv  20, 2(i  (i74^i:  R.  Elfazar  b.  fAzarja  (um  lOO)  sagte:  Woher  (ist  es  bewiesen), 
daß  man  nicht  sagen  soll:  „Ich  mag  kein  Schweinefleisch  essen,  ich  mag  keiner  ver- 
botenen Fi-au  beiwohnen",  sondern:  ,Ich  möchte  es  wohl;  aber  was  soll  ich  tun,  da 
es  mein  Vater  im  Himmel  also  über  mich  festüesetzt  hat"?  Weil  es  heißt  (Lv20,  26): 
„Und  ich  sonderte  euch  von  den  übrigen  Völkern  aus,  daß  ihr  mir  gehörtet."  So  wird 
man  erfunden  als  einer,  der  sich  von  der  Sünde  trennt  u.  das  Joch  der  Gottesherrschaft 
auf  sich  nimmt. 

k.  c'^iy  nr-rr:  V:-  ==  die  Gottesherrschaft  auf  sich  nehmen;  '•:)  '■o  p-s  oder  'v  '■o  Vtaa 
=  die  Gottesherrschaft  von  sich  werfen  oder  abtun.  Beispiele  s.  in  den  vorstehenden 
u.  nachfolgenden  Zitaten. 

/.  TanchB  -i"'  --  §  6  (32'*):  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Der  Proselyt,  der 
zum  Judentum  übertritt,  ist  beliebter  (bei  Gott),  als  die  Israeliten,  die  am  Berge  Sinai 
standen;  denn  wenn  diese  nicht  die  Stimmen  u.  die  Blitze  u.  die  bebenden  Berge  u. 
den  Ton  der  Posaunen  wahrgenommen  hätten,  so  würden  sie  die  Tora  nicht  angenommen 
haben.  Und  dieser  (der  Proselyt»  kommt,  ohne  irgend  etwas  davon  wahrgenommen  zu 
haben,  u.  gibt  sich  selbst  an  Gott  hin  u.  nimmt  die  Gottesherrschaft  auf  sich.  Gibt 
es  einen,  der  beliebter  wäre  als  dieser?  —  Die  Gotteslierrschaft  auf  sich  nehmen  ist 
hier  soviel,  wie  die  Tora  annehmen;  die  Parallelstelle  Tanch  -'■;  -'•:  17*  liest  deshalb 
auch  im  ersten  Satze:  „sie  würden  die  Gottesherrschaft  nicht  auf  sich  genommen 
haben."  —  Während  der  Proselyt  die  „Gottesherrschaft  auf  sich  nimmt",  indem  er  sich 
dem  wahren  Gott  ergibt  u.  dessen  Tora  annimmt,  werden  die  „heillosen  Leute"  einer 
götzendienerischen  Ortschaft  (Dt  18,  14),  die  also  Gott  u.  Gottes  Gesetz  verlassen,  Sanh 
111 ''  geschildert  als  Leute,  „die  das  Joch  des  Himmels  (3-"3-i)  hiy  =  „Joch  Gottes"  = 
„Joch  der  Gottesherrschaft")  von  ihrem  Halse  abgeworfen  haben".  |l  SDt  3;?,  29  §  323 
(138'>):  Wenn  die  Israeliten  auf  die  AVorte  der  Tora,  die  ihnen  gegeben  ist,  achten, 
kann  keine  Nation  u.  keine  Regierung  (r:r'-r:,  Herrschaft)  über  sie  Gewalt  gewinnen. 
Und  was  sagt  ihnen  die  Tora?  Nehmt  auf  euch  das  Joch  der  Gottesherrschaft  (statt 
''■ov  r-:':'3  •;'>•  „Joch  der  Herrschaft  meines  Namens"  wird  zu  lesen  sein  z'-zv  '■c  'v, 
da  das  Suffixum  der  1.  Person  in  "cv  in  den  Mund  der  redend  eingeführten  Tora  nicht 


Matth  4, 17  (SB  B  1)  177 

recht  paßt)  u.  beugt  einander  nieder  in  Gottesfurcht  u.  geht  miteinander  um  in  Er- 
weisung von  Werken  der  Liebe. 

m.  B®rakh  2,  2:  R.  J'^hoschuaf  b.  Qarcha  (um  150)  hat  gesagt:  Warum  geht  (im 
Sch'maf-Gebeti  der  Abschnitt  ,Höre  Israel",  Dt  (i,  4 — 9.  dem  Abschnitt:  ,Wenn  ihr 
hören  werdet",  Dt  11,  \^ — 21,  vorauf?  Damit  man  zuerst  das  Joch  der  Gottesherr- 
schaft auf  sich  nehme  u.  hinterhf-r  das  Joch  der  Gebote.  —  Hier  wird  unter  der 
Gottesherrschaft  in  erster  Linie  das  Bekenntnis  zu  dem  Einen  Gott  verstanden,  wie 
es  Dt  6,  4  zum  Ausdruck  kommt.  —  Das.  2,  5  wird  von  Rabban  Gamliel  (II.,  um  90) 
erzählt,  daß  er  in  der  ersten  Nacht  nach  seiner  Verheiratung  das  Schema?  gelesen 
habe.  ,Da  sprachen  seine  Schüler  zu  ihm:  Hast  du  uns  nicht  gelehrt,  unser  Lehrer, 
daß  ein  Bräutigam  in  der  ersten  Nacht  befreit  ist  vom  Lesen  des  Schema??  Er  ant- 
wortete: Ich  pflichte  euch  nicht  bei,  daß  ich  das  Joch  der  Gottesherrschaft  auch  nur 
eine  Stunde  von  mir  abtun  sollte."  II  pB^rakh  2,  4'',  70:  R.  Chijja  (b.  Abba,  um  280) 
hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Aus  welchem  Grunde  hat  man  gesagt, 
daß  der  Mensch  die  Gebetsriemen  anlegen  u.  dann  das  Sch*^maf  rezitieren  u.  beten 
(das  Achtzehn-Gebet)  soll?  Damit  er  zuerst  (bevor  er  betet)  die  Gottesherrschaft  völlig 
auf  sich  nehme.  —  In  der  bab.  Gemara  B^'rakh  14*^  lautet  diese  Tradition  so:  R.  Jochanan 
hat  gesagt:  Wer  die  völlige  Gottesherrschaft  auf  sich  nehmen  will,  der  verrichte  seine 
Notdurft,  wasche  seine  Hände  u.  lege  die  Gebetsriemen  an;  darauf  rezitiere  er  das 
Schema?  u.  bete  (das  Achtzehn-Gebet);  das  ist  die  völlige  Gottesherrschaft.  Vgl.  auch 
pBrakh  1,  1  (4=*,  63):  R.  Jirm<^ja  (um  320)  zog  (das  --s  im  I.Verse  des  Sch^'maf  Dt 
6,  4  in  der  Aussprache)  sehr  lang.  Da  sagte  R.  Z^fira  (um  300)  zu  ihm:  Du  brauchst 
das  nur  so  lange,  wie  nötig  ist,  um  (in  Gedanken)  Gott  als  König  anzuerkennen  im 
Himmel  u.  auf  Erden  u.  in  den  vier  Weltrichtungen.  |1  Midr  Ps  ö  §  6  (27^):  R.  J^huda 
(b.  Simon,  um  320)  hat  Ps  5,  2  f.  auf  die  vier  Weltreiche  gedeutet:  , Meine  Worte  höre" 
auf  Babel,  „beachte  mein  Sinnen"  auf  Medien,  „achte  auf  die  Stimme  meines  Geschreis" 
auf  Griechenland;  „denn  zu  dir  will  ich  beten"  auf  Edom  (=  Rom).  Und  warum  sagte 
er  „mein  König  und  mein  Gott"  bei  Edom?  Es  sprachen  die  Israeliten  vor  Gott:  Wie 
viele  Religionsverfolgungen  u.  harte  Edikte  haben  sie  (Rom)  über  uns  verhängt,  um 
dein  Regiment  -r-i'i's  u.  deine  Herrschaft  -rr-j^s  von  uns  zu  beseitigen,  u.  wir  haben 
sie  nicht  beseitigt;  sondern  täglich  gehen  wir  in  die  Synagogen  u.  Lehrhäuser  u.  er- 
kennen den  Namen  deiner  Gottheit  zweimal  täglich  als  König  an,  indem  wir  sprechen: 
Höre,  Israel,  Jahve  unser  Gott  ist  Ein  Jahve  Dt  6,  4! 

n.  B'^rakh  Hl"^:  Als  man  den  R.  f Aqiba  (f  um  135)  zum  Tode  hinausführte,  kam 
die  Zeit  des  Sch'^maf-Rezitierens.  Man  kämmte  sein  Fleisch  (d.  h.  man  riß  es  ihm  vom 
Leibe)  mit  eisernen  Kämmen;  er  aber  nahm  die  Gottesherrschaft  auf  sich  (==  sagte 
das  Sch'^maf).  Da  sprachen  seine  Schüler  zu  ihm:  Unser  Lehrer,  es  ist  genug!  Er 
aber  sprach:  Mein  lebelang  habe  ich  mich  wegen  dieses  Verses  gesorgt  „Liebe  Jahve  .  . . 
von  deiner  ganzen  Seele",  Dt  6,  5,  d.  h.  auch  wenn  er  die  Seele  (das  Leben)  nimmt. 
Ich  dachte:  Wann  werde  ich  Gelegenheit  haben,  diesen  Vers  zu  erfüllen?  Und  jetzt, 
da  mir  die  Gelegenheit  kommt,  sollte  ich  ihn  nicht  erfüllen?  Dann  sprach  er  das 
--!<  „Einer"  lang  gedehnt  aus,  bis  seine  Seele  bei  dem  Wort  t-s  ausging.  Da  ging  eine 
Bath-'.^ol  aus,  welche  sprach:  Heil  dir,  R.  ?Aqiba,  daß  deine  Seele  bei  dem  Wort  -ns 
ausgegangen  ist!  Die  Dienstengel  sprachen  vor  Gott:  Ist  das  die  Tora  u.  das  ihr  Lohn? 
Zu  den  von  deiner  Hand  Getöteten,  Jahve,  hätte  er  gehören  sollen,  aber  nicht  zu  den 
von  der  Welt  Getöteten!  (So  deutet  der  Midr  Ps  17,  14.)  Gott  antwortete:  „Ihr  Teil 
ist  im  (ewigen)  Leben!"  Da  ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  sprach:  Heil  dir,  R.  fAqiba; 
denn  du  bist  für  das  Leben  der  zukünftigen  Welt  bestimmt!  |!  pB'rakh  '1,  1  (4^*,  59): 
R.  Huna  (um  350),  R.  Idi  (um  325,  so  zu  lesen  statt  R.  — n),  Rab  Joseph  (f  333l,  Rab 
J^'huda  (f  299)  haben  im  Namen  Sch^muels  (f  254)  gesagt:  Man  muß  im  Stehen  das 
Joch  der  Gottesherrschaft  auf  sich  nehmen  (—  das  Sch'^maf  rezitieren).  —  Parallel- 
stellen mit  mannigfachen  Abweichungen  in  der  Angabe  der  Tradenten  Tanch  "i'  "i? 
n^;  TanchBT'5  -t  §  1  (29»).  InDtR2  (199"^)  sagt  Rab  Jhuda  im  Namen  Rabs  (1247): 
Wenn  man  das  Seh  maf  zu  lesen  hat,  während  man  gerade  geht,  so  muß  man  die 
Strack  u.Billerbeck,  NTI.  12 


178  Matth  4, 17  (83  B  2) 

Gottesherrschaffc  stehend  auf  sich  nehmen.  H  pB^rakh  2,  1  (4^*,  64):  Rab  (f  247)  fragte 
R.  Chijja  den  Älteren  (um  200):  Ich  habe  von  Rabbi  nicht  gesehen,  daü  er  das  Joch 
der  Gottesherrschaft  auf  sich  genommen  (=  das  Sch*^mat  gelesen)  hat.  —  Dasselbe 
B-^rakh  16^.  —  Weitere  Beispiele  finden  sich  pB^rakh  4,  7^  17. 

2.  Mit  der  oben  gegebenen  Erklärung  ist  der  Begriff  der  üit3\ü  riabn 
jedoch  nicht  erschöpft.  In  dem  gegenwärtigen  Äon  wendet  sich  die 
Gottesherrschaft  allerdings  zuerst  an  Herz  u.  Gewissen  der  Menschen, 
so  daß  ihr  Wirken  ein  verborgenes  ist;  aber  auf  diesen  Äon  folgt  noch 
ein  andrer:  in  der  zukünftigen  Welt  wird  die  Gottesherrschaft  auch 
äußerlich  sichtbar  in  die  Erscheinung  treten.  Israel  empfindet  es  als 
eine  Anomalie,  daß  gerade  das  Volk,  welches  allein  Gottes  Herrschaft 
auf  sich  genommen  hat,  von  den  die  Gottesherrschaft  ablehnenden 
Völkern  der  Welt  geknechtet  ist,  u.  daß  der  Gott,  der  allein  der  König 
der  ganzen  Welt  ist,  von  den  Weltmächten  verachtet  wird.  Israels 
Glaube  hält  aber  auch  daran  fest,  daß  diese  Anomalie  schwinden  wird: 
es  kommt  die  Zeit  —  u.  daß  sie  bald  komme,  ist  der  immer  wieder- 
kehrende Gebetswnnsch  der  jüdischen  Gemeinde^  — ,  in  der  die  Knecht- 
schaft Israels  aufhört  u.  Gott  als  der  einzige  Herrscher  auch  von  den 
Heidenvölkern  anerkannt  wird.  Dann  ist  Gott  ganz  König  geworden 
u.  die  Gottesherrschaft  tritt  in  Herrlichkeit  hervor,  b  —  So  eignet,  auf 
die  Zukunft  gesehen,  dem  Begriff  der  '^n  '^  durchaus  ein  eschatologisches 
Moment.  In  diesem  Sinn  bedeutet  dann  die  Gottesherrschaft  das  durch 
die  Anerkennung  seitens  aller  Welt  zur  vollen  Verwirklichung  ge- 
kommene Königtum  Gottes  über  die  gesamte  Menschheit. c 

a.  Achtzehn-Gebet  11  (pal.  Rez.):  Führe  zurück  unsre  Richter  wie  vordem  u.  unsre 
Bei'ater  wie  im  Anfang;  sei  König  über  uns,  du  allein.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der 
du  das  Recht  liebst.  —  In  der  babyl.  Rezension:  Führe  zurück  unsre  Richter  wie  vor- 
dem u.  unsre  Berater  wie  im  Anfang;  laß  weichen  von  uns  Kummer  u.  Klage  u.  sei 
König  über  uns  eilends,  du  allein,  in  Erbarmen  u.  Gnade  u.  Recht.  Gepriesen  seist 
du  Jahve,  König,  der  Gnade  u.  Recht  liebt.  ||  Das.  12:  Die  frevlerische  Regierung  (Rom) 
rotte  aus  u.  zerbrich  eilends  in  unsren  Tagen!  il  Der  Anfang  des  Qaddisch  des  Gottes- 
dienstes lautet:  Es  werde  verherrlicht  u.  geheiligt  sein  großer  Name  in  der  Welt,  die 
er  nach  seinem  Wohlgefallen  geschaffen  hat;  er  richte  auf  seine  Königsherrschaft  u. 
lasse  sprossen  seine  Erlösung  u.  bringe  herbei  seinen  Messias  u.  erlöse  sein  Volk  während 
eures  Lebens  u.  in  euren  Tagen  u.  während  des  Lebens  des  ganzen  Hauses  Israel  in 
Eile  u.  in  naher  Zeit;  u.  ihr  sollt  sagen:  Amen!  i|  Im  Neujahrs-Musaphgebet  (Dalman, 
Worte  Jesu  1,  806)  heißt  es:  Darum  lege  Scheu  vor  dir,  Jahve  unser  Gott,  auf  alle 
deine  Werke  u.  deine  Furcht  auf  alles,  was  du  geschaffen  hast.  Es  mögen  dich  fürchten 
alle  Werke  u.  sich  vor  dir  beugen  alle  Geschöpfe;  u.  alle  mögen  alle  Ein  Bund  werden, 
deinen  Willen  mit  ganzem  Herzen  zu  tun,  gleichwie  wir,  Jahve  unser  Gott,  wissen, 
daß  die  Herrschaft  vor  dir  ist,  die  Macht  in  deiner  Hand  u.  die  Stärke  in  deiner 
Rechten  u.  dein  furchtbarer  Name  über  allem,  was  du  geschaffen  hast.  .  .  .  Die  über- 
mütige Herrschaft  (Rom)  rotte  aus  u.  zerbrich,  u.  herrsche  als  König,  du  Jahve  unser 
Gott,  eilends  über  alle  deine  Werke  in  Jerusalem,  deiner  Stadt,  u.  auf  dem  Berge  Zion, 
der  Wohnung  deiner  Herrlichkeit.  —  Das  ?Al6nu-Gebet  (angeblich  von  Rab,  f  241) 
schließt  mit  dem  Wort  der  Hoffnung:  (Alle  Bewohner  des  Erdkreises)  werden  das  Joch 
deiner  Herrschaft  auf  sich  nehmen,  u.  du  wirst  als  König  über  sie  herrschen  immer 
u.  ewiglich;  denn  die  Herrschaft  ist  deiji  u.  ewiglich  wirst  du  als  König  herrschen  in 
Herrlichkeit. 


Matth  4,  17  (SB  B  2)  I79 

b.  Wkh  Ex  17,  14  (64=^):  R.  Eli?ezer  (b.  Hyrkanos,  um  90;  s.  Bacher,  Tann.«  1,  142) 
hat  gesagt:  Wann  wird  der  Name  dieser  (gemeint  ist  ?Amaleq  —  Rom)  vertilgt  werden? 
Wann  der  Götzendienst  ausgerottet  wird  samt  seinen  Verehrern,  u.  wann  Gott  einzig 
ist  in  der  Welt  u  seine  Herrschaft  für  alle  Ewigkeiten,  in  jener  Stunde  wird  Jahve 
ausziehen  u.  kämpfen  mit  diesen  Heiden.  .  .  .  Dann  wird  Jahve  König  sein  über  die 
ganze  Erde;  an  selbigem  Tage  wird  Jahve  Einer  sein  u.  sein  Name  ein  einziger,  Sach 
14,  3.  9.  —  Dasselbe  Midr  KL  3,  66  (73'').  ||  M^kh  Ex  15,  18  (51 ''):  Jahve  ist  König 
(--':;':-  Fut.)  für  immer  u.  ewig"  Ex  15,  18.  R.  Jose  der  Galiläer  (um  110)  sagte:  Wenn 
die  Israeliten  am  Meer  gesagt  hätten:  , Jahve  ist  König  geworden  (T'-i)  für  immer 
u.  ewig",  so  würde  keine  Nation  u.  Zunge  jemals  über  sie  Gewalt  bekommen  haben; 
aber  sie  sprachen:  „Jahve  wird  König  sein  für  immer  u.  ewig",  nämlich  in  der  Zu- 
kunft {=  Messiaszeit).  |!  Midr  Ps  9y  §  1  (212"):  „Jahve  hat  sein  Königtum  angetreten, 
es  erbeben  die  Völker"  Ps  99,  1.  R.  J'huda  (b.  Simon,  um  :-520)  hat  im  Namen  des 
R.  Sch'^'mael  (b.  Nachman,  um  260)  gesagt:  Solange  die  Israeliten  im  Exil  sind,  be- 
findet sich  die  Gottesherrschaft  nicht  in  Vollkommenheit  u.  die  Völker  der  Welt  sitzen 
in  Wohlbehagen.  Aber  wenn  Israel  erlost  wird,  ist  die  Gottesherrschaft  vollkommen 
u.  die  Völker  der  Welt  erbeben.  ||  TanchB  ksp  S  18  (23»):  R.  Levi  (um  300)  hat  im 
Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  gesagt:  Solange  der  Same  ?Amaleqs  (Rom) 
in  der  Welt  ist,  ist  weder  der  Name  noch  der  Thron  Gottes  vollständig  Is.  Ex  17,  16 
n'  statt  ^,-r.'  u.  C3  statt-  ss5  Thron).  Wenn  aber  der  Same  fAmaleqs  aus  der  Welt 
vertilgt  ist,  dann  ist  der  Thron  u.  der  Name  Gottes  vollständig,  s.  Ps  9,  7:  „Die  Feinde, 
sie  sind  zu  Ende  gegangen,  Trümmer  für  immer,  u.  ihre  Städte  hast  du  zerstört,  zu- 
grunde ging  das  Gedächtnis  von  ihnen."  Was  folgt  darauf?  (Vers  8:)  „Jahve«(der 
volle  Name  -•r-r)  thront  in  Ewigkeit,  er  hält  seinen  Thron  (-sc:  die  volle  Form  mit  s) 
zum  Gericht  bereit."  —  Parallelstellen:  P  siq  29^*,  mit  verstümmeltem  Text  u.  unrichtiger 
Autorangabe;  Tanch  s::r  -3  (23»),  gleichfalls  mit  falscher  Autorangabe;  P'^siqR  12  (51"). 

C.  Ps  Sal  5,  ItSf.:  Die  den  Herrn  fürchten,  dürfen  sich  des  Segens  freuen,  u.  deine 
Güte  komme  über  Israel  eV  r^  ßaaiXelu  aov\  Gepriesen  sei  des  Herrn  Majestät,  denn 
er  ist  unser  König!  —  17,  3:  Wir  hoffen  auf  Gott,  unsren  Heiland;  denn  die  Macht 
unsres  Gottes  währt  ewig  mit  Erbarmen,  u.  rj  ßctai'Äsirc  lov  f^sov  rjfxwv  besteht  ewig 
über  die  Völker  durch  Gericht.  ||  Orac.Sib.  ü,  46  ff.:  Aber  wenn  Rom  auch  über  Ägypten 
herrschen  wird,  zu  Einem  Ziel  lenkend  (?),  dann  wird  sich  das  größte  Königtum  des 
unsterblichen  Königs  den  Menschen  zeigen,  ßaaiksUt  ^eylair]  äf^cifdrov  ßc.ai'Afjog  in' 
((f&Qojnoiat  (fttvEitfti.  —  3,  767:-  Dann  wird  er  eine  Königsherrschaft  errichten  für  alle 
Zeiten  über  alle  Menschen,  y.cd  töte  cT'  sSeytfJsr ßuai'/.tjl'oi'  sig  ««V5»'«?  nüvTug  in'  «V.9ptJ- 
7T0JI?,  er,  der  das  heilige  Gesetz  einst  den  Frommen  gab.  i|  Assumptio  Mosis  10,  1 :  Dann 
wird  sein  Regiment  über  all  seine  Kreatur  erscheinen;  dann  wird  der  Teufel  ein  Ende 
haben  u.  die  Traurigkeit  mit  ihm  hin  weggenommen  werden.  —  Auch  Weish  10,  10: 
Gott  zeigte  dem  Jakob  die  Gottesherrschaft  ideiisi'  mhiö  ßnaileiav  Usov  dürfte  hierher 
gehören.  ||  Targ  Jes40,  9:  Saget  den  Städten  des  Hauses  Juda:  Offenbar  geworden  (er- 
schienen) ist  die  Königsherrschaft  xnrr-;  eures  Gottes.  |  52,  7:  Der  da  spricht  zur  Ge- 
meinde Zion:  Offenbar  geworden  ist  die  Königsherrschaft  deines  Gottes.  |  Targ  Micha 
4,  7:  Offenbaren  wird  sich  das  Königtum  Jahves  über  ihnen  auf  dem  Berge  Zion  von 
nun  an  bis  in  Ewigkeit.  |  Targ  Obadja  21:  Es  werden  Befreier  hinaufziehen  auf  den 
Berg  Zion,  um  die  große  Stadt  Esaus  (d.  h.  Rom)  zu  richten,  u.  offenbaren  wird  sich 
die  Königsherrschaft  Jahves  über  allen  Bewohnern  der  Erde,  u.  die  Königsherrschaft 
Jahves  wird  sein  in  alle  Ewigkeiten.  |  Targ  Sach  14,  9:  Offenbaren  wird  sich  die  Königs- 
herrschaft Jahves  über  allen  Bewohnern  der  Erde;  in  jener  Zeit  wird  man  Jahve  dienen 
Schulter  an  Schulter,  weil  sein  Name  fest  (anerkannt)  ist  in  der  Welt  u.  kein  Gott 
ist  außer  ihm.  —  Ähnlich  lauten  zwei  Gebetswünsche  im  Traktat  Soph^^rim,  14  §  12: 
Es  möge  sich  offenbaren  u.  erscheinen  sein  Königtum  über  uns  in  Eile  u.  in  naher 
Zeit;   19  §7:  Offenbare  die  Herrlichkeit  deiner  Königsherrschaft  über  uns. 

Aus  den  Midraschim  gehören  hierher  P''siq  51 »: ., Es  hebt  an  mein  Lieber  u.  spricht 
zu  mir"  HL  2,  10.  R.  f  Azarja  (um  380)  hat  gesagt:  Dieses  Anheben  u.  Sprechen  ge- 

12* 


180  Matth4, 17  (S  B2.  C1.2) 

schiebt  nur  durch  Elias  (den  Vorläufer  des  Messias)  u.  durch  den  König,  den  Messias. 
Was  spricht  er  zu  mir?  ,Mach  dich  auf,  meine  Freundin.  .  .  .  Denn  sieh,  der  Winter 
ist  vergangen*  iHL  2,  10 f.);  damit  ist  die  frevlerische  Regierung  (Rom)  gemeint,  die 
die  Menschen  verführt  ("-ra  „Winter"  gedeutet  nach  r-cn  ^verführen"),  s.  Dt  18,  7: 
„Wenn  dich  dein  Bruder,  deiner  Mutter  Sohn,  verführt.  .  .:  Wir  wollen  hingehen  u. 
andre  Götter  verehren"  usw.  (der  Bruder  —  Esau  bedeutet  hier  das  christliche  Rom). 
„Der  Regen  ist  vorbei,  ist  vorüber"  HL  2,  11,  damit  ist  die  Knechtschaft  (Israels)  ge- 
meint. „Die  Blumen  sind  erschienen  auf  dem  Lande"  2,  12,  R.  Elfazar  (um  270)  hat 
gesagt:  Das  sind  die  vier  Schmiede  (vgl.  Sach  2,  8),  nämlich  Elias,  der  König  der 
Messias,  Melchisedek  (der  Hohepriester  der  messian.  Zeit)  u.  der  Kriegsgesalbte  (=  Mes- 
sias b.  Joseph,  der  kriegerische  Vorläufer  des  Messias  b.  David).  „Die  Zeit  i-riTn  ist 
herangekommen"  2,  12,  d.h.  gekommen  ist  die  Zeit  der  Vorhaut,  daß  sie  beschnitten 
werde  {'mrv);  gekommen  ist  die  Zeit  der  Gottlosen,  daß  sie  zerbrochen  werden,  s. 
Jes  14,  5:  „Zerbrochen  hat  Jahve  den  Stecken  der  Gottlosen,  den  Stab  der  Herrscher." 
Gekommen  ist  die  Zeit  der  frevlerischen  Regierung  (Roms),  daß  sie  vertilgt  werde  aus 
der  Welt;  gekommen  ist  die  Zeit  der  Gottesherrschaft,  daß  sie  sich  offenbare,  wie 
es  heißt  Sach  14,  9:  „Es  wird  Jahve  König  sein  über  die  ganze  Erde."  —  Parallel- 
stellen: Midr  HL  zu  2,  18  (100^');  P^siqR  15  (74*').  ||  P'^siqR  84  (159^i:  Gott  wird  allen 
Gerechten  aus  den  einzelnen  Generationen  (nach  der  Auferstehung)  verkünden:  Ihr 
Gerechten  der  Welt,  obgleich  Worte  des  Dankes  mir  euch  gegenüber  obliegen,  daß  ihr 
auf  meine  Tora  geharrt  habt  u.  nicht  auf  mein  Königtum,  so  besteht  doch  der  Schwur 
vor  mir,  daß  ich  es  jedem,  der  auf  mein  Königtum  geharrt  hat,  zum  Gixfen  bezeugen 
wei^e,  s.  Zeph  3,  8:  Darum  so  harret  meiner,  ist  Jahves  Spruch,  auf  den  Tag,  da  ich 
aufstehe  als  Zeuge  (der  Midr  vokalisiert  i""^  statt  ni-"i). 

C.  Der  synoptische  Begriff  der  ßaaiXeiu  rwv  ovQavMv,  bezw.  tov 
^soi',  verglichen  mit  dem  rabbin.  Begriff  der  n-i^aiü  r^zb^. 

1.  In  der  Predigt  des  Täufers  Mt3,  2:  iiszaioehs-  r^yyixsv  ydg  rj 
ßaaiXeia  rcöv  ovQarwv  schließt  sich  der  Begriff  der  „Gottesherrschaft* 
eng  an  die  eschatologische  Fassung  der  '^  n^sbo  im  Rabbin.  an.  Das 
Charakteristische  bei  Joh.  liegt  in  der  energischen  Betonung,  daß  der 
Anbruch  der  vollkommenen  Gottesherrschaft  nicht  bloß  für  die  Völker- 
welt, sondern  auch  für  Israel  ein  Tag  des  Zornes  sein  werde  Mt  3, 7.  — 
Ebensowenig  unterscheidet  sich  in  der  Frage  der  Pharisäer  Lk  17,  20: 
Wann  kommt  die  Gottesherrschaft?  die  ßaaiktia  rov  ^eov  von  der 
eschatologisch  gewerteten  'u:  pidV^  bei  den  Rabbinen.  —  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  der  Eulogie  eines  der  Tischgenossen  Jesu  Lk  14,  15. 
Hier  trägt  der  Ausdruck  „Gottesherrschaft"  so  völlig  das  Gepräge, 
das  er  durch  Jesus  empfangen  hat,  daß  er  dem  Redenden  wohl  von 
dem  Evangelisten  in  den  Mund  gelegt  sein  dürfte;  in  Wirklichkeit 
wird  sich  jener  einer  andren  Wendung  bedient  haben;  s.  unter  2,  a. 

2.  Daß  Jesus  den  Ausdruck  „Gottesherrschaft"  nicht  selbst  gebildet, 
sondern  in  der  religiösen  Sprache  seines  Volkes  vorgefunden  hat,  be- 
darf angesichts  der  unter  B  gebrachten  rabbin.  Zitate  u.  der  neutestl. 
Stellen  in  Nr.  1  keines  weiteren  Beweises.  Aber  ebenso  gewiß  ist  es, 
daß  Jesus  den  Begriff  der  „Gottesherrschaft"  vertieft,  erweitert  u.  mit 
neuem  Inhalt  erfüllt  hat. 

a.  In  Jesu  Worten  tritt  die  „Gottesherrschaft"  in  erster  Linie 
gebend,  nicht  fordernd  an  den  Menschen  heran.  Nicht  darauf  liegt  der 


Matth4, 17  (SBC2)  181 

Nachdruck,  daß  die  G.  für  Gott  etwas  suche,  sondern  daß  sie  die  Be- 
seligung des  Menschen  bezwecke.  Die  ßamXaia  twi-  üvoavMv  erscheint 
deshalb  in  Jesu  Mund  vor  allem  als  eine  Gabe  Gottes  an  den  Menschen, 
als  ein  messian.  Heilsgut,  ja  als  das  Heilsgut  schlechthin.  —  Im  Vorder- 
grunde des  rabbin.  Begriffs  der  'a  tt^z^-o  steht  der  Gedanke  an  das, 
was  der  Mensch  der  „Gottesherrschaft"  schuldig  ist,  nämlich  An- 
erkennung, Unterwerfung,  Gehorsam.  Und  wenn  mit  der  vollen  Ent- 
faltung der  G.  im  eschatologischen  Sinn  auch  die  Heilszeit  mit  all 
ihren  Gütern  u.  Segnungen  anhebt,  so  liegt  doch  dies  beseligende 
Moment  nicht  in  dem  Begriff  der  'a  ri=b^  selbst.  Das  Heil  ist  die 
Folge  der  Gottesherrschaft,  aber  nicht  die  G.  selbst.  Es  ist  daher  nur 
folgerichtig,  daß  der  Ausdruck  „G."  im  Rabbin.  nirgends  als  zus.- 
fassende  Bezeichnung  der  endgeschichtl.  Heilsgüter  verwendet  wird. 
Wo  man  eine  solche  Bezeichnung  nötig  hatte,  bediente  man  sich  andrer 
Wendungen,  bes.  des  Ausdrucks  xzn  obi-n  =  zukünftige  Welt,  aram. 
"inx"!  ^i^^-  Dieser  Ausdruck  wird  auch  im  Munde  des  Tischgenossen 
Jesu  Lk  14,  15  vorauszusetzen  sein  (Dalman  1,  92).  —  Die  n^üi-iu  r'^sbo 
im  jüd.  Sprachgebrauch  u.  die  ßaaihi'a  tow  ov.,  bezw.  zov  ^nw  in  Jesu 
Mund  verhalten  sich  zueinander  wie  Gesetz  u.  Evangelium. 

b.  Die  „Gottesherrsehaft",  als  die  Summe  aller  messian.  Heilsgüter, 
ist  in  Jesu  Reden  ausschließlich  ein  eschatologischer  Begriff.  Das  will 
nicht  sagen,  daß  die  G.  nur  der  Zukunft  angehört  u.  erst  von  der 
Zukunft  zu  erwarten  ist;  vielmehr  kann  u.  soll  das  Heilsgut  der  ßaailti'a 
Tcov  ov.,  da  die  endgeschichtl.  Heilszeit  mit  Jesu  Kommen  bereits  an- 
gebrochen ist,  schon  in  der  Gegenwart  von  jedermann  in  Empfang 
genommen  werden.  Das  schließt  jedoch  wiederum  nicht  aus,  daß  die 
G.  auch  noch  ihre  Zukunft  hat:  der  Anfang  der  endgeschichtl.  Heils- 
zeit ist  nicht  ihr  Ende;  zwischen  Anfang  u.  Ende  liegt  für  die  G.  die 
Zeit  ihrer  geschichtl.  Entwicklung.  Auf  dem  Wege  dieser  geschichtl. 
Entwicklung  wird  die  G.  durch  innerliche  Überwindung  aller  wider- 
göttlichen Mächte  des  gegenwärtigen  Weltbestandes  auf  Grund  einer 
abschließenden  Gottestat,  der  Wiederkunft  Christi,  das  Ziel  ihrer  Zu- 
kunft erreichen,  nämlich  ihre  Offenbarung  in  Herrlichkeit.  So  ist  mit  der 
Idee  der  von  Jesu  gebrachten  u.  verkündigten  „Gottesherrschaft"  un- 
auflöslich der  Weltmissionsgedanke  verknüpft.  —  Der  rabbin.  Begriff  der 
aiTsir  riDPo  ist  gleichfalls,  aber  nicht  ausschließlich  ein  eschatologischer 
Begriff.  Neben  dem  endgeschichtl.  Moment  liegt  in  ihm  ein  zeitgeschichtl. 
Moment;  letzteres  kommt  bei  der  gegenwärtigen  Gottesherrschaft  in 
Israel  in  Betracht;  ersteres  tritt  in  die  Erscheinung  bei  der  Herauf- 
führung der  messian.  Heilszeit  u.  der  damit  anhebenden  vollkommenen 
Gottesherrschaft  über  die  ganze  Welt.  Beide,  die  gegenwärtige  u.  die 
zukünftige  G.,  unterscheiden  sich  ihrem  eigentlichen  Wesen  nach  in 
nichts  voneinander.  Die  G.  selbst  ist  unwandelbar;  sie  fordert  auch 
immer,  sowohl  in  diesem  wie  in  jenem  Äon,  von  den  Menschen  das 


182  Matth4, 17(53C2.  3.4) 

Gleiche,  nämlich  Anerkennung  u.  Unterwerfung.  Nur  der  Kreis  derer, 
die  dieser  Forderung  genügen,  verändert  sich:  jetzt  leistet  lediglich 
Israel  Gehorsam,  dereinst  die  gesamte  Menschheit.  Fragt  man,  wie 
sich  die  Synagoge  den  Übergang  der  gegenwärtigen  Gottesherrschaft 
in  die  zukünftige  G.  gedacht  hat,  so  hat  es  in  dem  hellenistischen 
Diaspora-Judentum  an  Stimmen  nicht  gefehlt,  die  dahin  gingen,  daß 
die  Vortrefflichkeit  des  jüdischen  Gesetzes  die  Völker  allmählich,  wie 
von  selbst,  zum  monotheistischen  Gottesglauben  Israels  hinüberziehen 
werde,  so  daß  dann  alle  Welt  den  Einen  Gott  werde  suchen  u.  anbeten, 
s.  zB  Philo,  Vita  Mosis  2,  7  (Mang.  2,141);  Orac.  Sib.  3,710  ff.  Hier  liegt 
der  Gedanke  an  eine  geschichtl.  Entwicklung  als  Verbindungslinie 
zwischen  Gegenwart  u.  Zukunft  vor.  Das  hellenistische  Judentum 
glaubte  noch  an  seine  Weltmission.  Dagegen  tritt  in  der  rabbin.  Lite- 
ratur des  Mutterlandes  nirgends  der  Gedanke  hervor,  daß  die  im  gegen- 
wärtigen Äon  innerhalb  des  Volkes  Israel  zur  Anerkennung  gelangte 
'a  n^:^^  dereinst  die  Völker  innerlich  so  überwinden  werde,  daß  die 
'c  nrb^  im  eschatologischen  Sinn  als  das  selbstverständliche  Ergebnis 
der  geschichtl.  Entwicklung  zu  erwarten  sei.  Im  Gegenteil,  dieser  Ge- 
danke liegt  dem  Eabbinismus  so  fern,  daß  allgemein  die  Ansicht  herrscht, 
daß  der  endgeschichtl.  Gottesherrschaft  nur  dur'ch  die  Vernichtung  der 
Weltreiche  freie  Bahn  gemacht  werden  könne.  Das  palästinische  Juden- 
tum der  nachchristl.  Zeit  hatte  den  Glauben  an  seine  Weltmission  ver- 
loren. Für  eine  Vergleichung  der  Gottesherrschaft  mit  dem  Sauerteig, 
wie  sie  sich  Mt  13,  33  bei  Jesus  findet,  ließen  die  rabbin.  Vorstellungen 
von  der  'a  '^  keinen  Raum. 

3.  Jesus  weist  der  Gottesherrschaft  als  Stätte  ihres  Wirkens  das 
menschliche  Herz  an,  Lk  17,  20  f.  In  diesem  Punkt  begegnet  sich  seine 
Anschauung  mit  der  der  Rabbinen;  vgl.  oben  B,  1.  Weit  auseinander 
aber  gehen  die  beiderseitigen  Meinungen,  ob  mit  dieser  nach  innen 
gerichteten  G.  sich  die  römische  Fremdherrschaft  über  Israel  ver- 
einbaren lasse.  Jesus  sieht  in  der  politischen  Fremdherrschaft  kein 
Hindernis  für  die  G.  (Mt22,  15  ff.  u.  Parall.).  An  die  innere  Freiheit, 
die  die  G.  bringt,  reicht  keine  äußere  Tyrannei  heran.  Dagegen  gilt 
es  der  rabbin.  Anschauung  für  ausgemacht,  daß  die  'ir  '^  unvollkommen 
sei,  solange  Israel  von  der  Weltmacht  geknechtet  werde;  erst  wenn 
Israel  von  äußerem  Druck  frei  geworden,  sei  die  vollkommene  G. 
möglich;  vgl.  Midr  Ps  99  §  1  u.  TanchB  n^jp  §  18  oben  S.  179.  Die  'a  'a 
im  Sinn  des  Rabbinismus  bleibt  ein  national-jüdisches  Gebilde.  Ein  von 
der  rabbin.  Gedankenwelt  beherrschter  Messias  würde  nie  das  Wort 
gesprochen  haben:  Mein  Reich  ist  nicht  von  dieser  Welt  Joh  18,  36. 

4.  Die  „Gottesherrschaft"  erscheint  in  den  Aussprüchen  Jesu  nicht 
bloß  als  ein  Gut  u.  eine  Gabe,  sondern  auch  als  eine  Organisation,  u. 
zwar  als  eine  Organisation,  die  die  Welt  umspannt  Mt  13,  38,  in  die 
die  Menschen  eintreten  Mt  5,  20,  in  der  die  Menschen  für  Gott  wirken 


Matth4,  17  (S8C4.  5)  183 

Mt20,  Iff.,  in  der  es  unter  den  Menschen  Rangstufen  gibt  Mt5, 19; 
18,  l  usw.  So  gewinnt  der  Ausdruck  ßaaiXeia  tciov  ov.  oder  rov  i^sot 
die  Bedeutung  „Himmelreich"  oder  „Gottesreich".  Im  Rahbin.  findet 
sich  keine  Stelle,  in  der  'o  '-o  oder  nini  '-o  mit  , Reich  {=  Herrschafts- 
gebiet) Gottes"  übersetzt  werden  müßte.  Die  Übersetzung  „Gottes- 
herrschaft" oder  „Königtum"  Gottes  trifft  überall,  wie  die  oben  bei- 
gebrachten Zitate  zeigen,  den  richtigen  Sinn,  Wir  haben  hier  ein  Bei- 
spiel, wie  der  neue  Wein  sich  selbst  die  neuen  Schläuche  schafft;  der 
Inhalt  der  Worte  Jesu  prägt  vorgefundene  Begriffe  um. 

5,  Die  „Gottesherrschaft",  bezw.  das  „Gottesreich"  hat  zentrale 
Bedeutung  für  Jesu  Predigt.  Daher  kommt  es,  daß  Jesus  hin  u.  wieder 
das  absolute  ßaatlhfa  gebraucht,  wo  man  ßnaiXsta  tmv  orgarow  oder 
Tov  ifioi)  erwartet,  s,  Mt8,  12;  13,  19  38:  24,  14;  25,34;  Lk  12,32.  Die 
„Herrschaft"  oder  das  „Reich"  schlechthin  ist  ihm  eben  Gottes  Herr- 
schaft oder  Reich.  —  In  der  rabbin.  Gedankenwelt  nimmt  die  'c  '-a  bei 
weitem  nicht  eine  solche  zentrale  Stellung  ein:  gegenüber  dem  un- 
gemein häufigen  Gebrauch  bei  Jesu  findet  sich  der  Ausdruck  „Gottes- 
herrschaft" in  der  weitschichtigen  rabbin.  Literatur  verhältnismäßig 
nur  selten.  Damit  wird  es  zus. hangen,  daß  im  Rabbin.  nir^-a  fast  nie 
absolut  gesagt  wird  für  d-^ou:  mzh-a  oder  nirr^  '-o.  Das  absolute  ni=b72 
bedeutet  im  rabbin.  Sprachgebrauch  durchaus  die  irdische  (heidnische) 
Obrigkeit,  die  weltliche  Regierung.  Sota  9,  17  wird  zu  den  Vorzeichen 
des  Messias  gerechnet:  „Die  Regierung  wendet  sich  der  Ketzerei  (dem 
Christentum)  zu"  nr^ab  -^2nn  T^.zh^-or^.' \  Aboth  3,  2  sagt  R.  Chananja,  der 
Priestervorsteher,  um  70:  Bete  für  das  Wohl  der  Regierung,  bbar^  iin 
ri=bn  h-c  n^ibirr.  j  Das.  3.  5  redet  R.  N'^chonja  b.  Ha-qana,  um  70,  von 
dem  Joch  der  Obrigkeit  (Fremdherrschaft)  mrs-a  biy.  |  BB  4"  sagt  He- 
rodes  I.:  Ich  fürchte  mich  vor  der  Regierung,  Nnibb^rs,  d.  h.  vor  Rom.  |  — 
Z'b  102":  nrb-o  ^■a^^5  =  Furcht  vor  der  Regierung  (R.  Jannai,  um  225).  — 
Die  auf  Befehl  Roms  Hingerichteten,  die  Märtyrer,  werden  mib'o  ''Vnr: 
genannt  P^'s  50*  u,  ö.  —  Gittin  14''  werden  Leute  erwähnt,  die  der  Re- 
gierung nahe  stehen,  d.  h.  zu  den  römischen  Machthabern  Beziehungen 
unterhalten,  ",nri3biQb  'pm-p  iV^n  mx  im;  ebenso  wird  BQ83=*  von  der 
Familie  des  Rabban  Gamliel  IL,  um  90,  gesagt,  daß  sie  der  (römischen) 
Regierung  nahe  gestanden  habe;  die  gleiche  Bemerkung  findet  sich 
Sanh  43»  über  Jesum:  nin  pirb^ab  mip.  —  BQ  113*:  Die  Rechtsordnung 
(das  Gesetz)  der  (heidnischen)  Obrigkeit  gilt  als  Rechtsordnung  ndii 
Krn  Nn:b^n,  Schemuel,  f  254.  —  pB^rakh  3,  6^  64  u.  pNazir  7,  56%  39 
bedeutet  msbia  ■'^"-is  „die  Großen  der  Regierung";  pB^'rakh  1^  13%  45 
msbo  pcsn  „die  Unterbrechung  der  Regierung".  Weitere  Beispiele  s. 
pT^rumS,  46%44;  bB^rakh48'';  Schab  30 ^  BB  3b;  Sanh  102'';  GnR  32 
(19'').  —  Die  Nr^=bi3  -ipa  Targ  Qoh  5,  8  sind  daher  „Untertanen  der  Re- 
gierung", aber  nicht,  wie  die  vio\  rr^g  ßaaiXeiaq  Mt  8,  12;  13,  38  in  Jesu 
Mund,  „Kinder  des  Gottesreiches".  —  Allenfalls  könnte  man  ein  Beispiel 


184  Matth  4, 17  (SB  C  5).  4,  18  (51 1) 

für  das  absolut  gebrauchte  r'^^h-o  im  Sinne  von  „Gottesherrschaft"  in 
B®rakh  12=»  finden:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Ein  Lobspruch,  in  welchem 
sich  nicht  die  Erwähnung  des  göttl.  Namens  findet,  ist  kein  Lobspruch. 
.  .  .  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Ein  Lobspruch,  in  welchem  sich 
nicht  riDS^  findet,  ist  kein  Lobspruch,  —  Aber  hier  ist  mit  riD^a 
weniger  die  Gottesherrschaft,  als  viehnehr  der  Ausdruck  r\?,-q  König 
gemeint.  Wie  Rab  keinen  Lobspruch  als  vollgültig  anerkennt,  in  dem 
sich  nicht  der  Gottesname  findet,  so  R.  Jociianan  keinen,  in  welchem 
Gott  nicht  als  „König"  bezeichnet  wird.  Die  offizielle  Form  des  Lob- 
spruchs war  daher:  „Gepriesen  seist  du  Jahve  unser  Gott,  König  der 
Welt"  o^'iiTj  T(V^  ^2''r!'i<  ''"''  ^^i<  T(^^?-  —  Ähnlich  verhält  es  sich  mit 
dem  absolut  gebrauchten  r-**3>-g  (Plur.  von  n-^:b^),  zB  RH  4,  5,  s.  die 
Stelle  bei  Mt4, 12  S.  158  y.  Man  bezeichnete  damit  Schriftverse,  in  denen 
die  Königsherrschaft  Gottes  erwähnt  wird.  Nachdem  der  Ausdruck  so 
zum  terminus  technicus  geworden  war,  der  ein  Mißverständnis  oder 
eine  Verwechslung  mit  den  heidnischen  Regierungen  ausschloß,  konnte 
er  gegebenenfalls  auch  absolut  gebraucht  werden.  Aber  diese  Aus- 
nahmefälle heben  doch  die  allgemeine  Regel  nicht  auf,  daß  mit  msb^a 
schlechthin  die  weltliche  (heidnische)  Obrigkeit  gemeint  ist., 

4,18  31:  Das  galiläische  Meer. 
1.  Namen. 

a.  Im  AT:  „Das  Meer  Kinnereth"  n-!?3-D;  Nu  34, 11;  Jos  13,27,  auch 
„das  Meer  Kinroth"  ri-i33  c;  Jos  12,  3;  vermutlich  nach  der  an  der 
Westküste  gelegenen  Stadt  Kinnereth  oder  Kinroth  Dt  3,  17;  Jos  19,  35; 
11,2.  I  Jes  8,  23  heißt  dieser  See  schlechthin  „das  Meer",  c^n. 

b.  „See  Genezareth".  So  zuerst  1  Makk  11,  67:  ro  vdo)Q  rsvvrjaaQ; 
im  NT  7]  XifArr]  revvrjaaQsv  Lk  5,  1;  bei  Josephus,  Antiql3,  5,  7:  auö 
Twr  vöuTow  TOH'  rsvvrjadgoiv  X^yo^usion';  18,2,  1:  Xi^rij  rj  rtvrrjaaQitic; 
Vita  65:  i]  rsvvr^aaQitig  Xf/xirj;  Bell.  J.  3, 10,  7:  r)  Xi'fivrj  rewr^actQ-,  2,  20,  6: 
rsvvrjGccQ  rj  Xff.ivrj.  —  In  den  Targumim:  -ics:,  c^  Onk  Nu  34,  11;  n»: 
lO'^D^I  Jerusch  I;  ^o'is'^a  n;:  Jos  12, 3;  13,27.  —  flaggadische  Deutungen: 

M'^'g  5 1" :  R.  Jochanan  (t'279)  hat  gesagt:  Kinnereth  ist  Genezareth.  Warum  wurde 
sein  Name  „K."  genannt?  Weil  seine  Früchte  so  lieblich  sind,  wie  der  Laut  der  Zither 
(s-:-t).  —  Nach  andrer  Lesart  im  ?Arukh:  Weil  seine  Früchte  so  süß  sind  wie  die 
Artischocke  (s-5-r).  —  Der  Satz:  ,K.  ist  Genezareth"  auch  in  einem  Ausspruch  Rabas, 
t  o52.  M-'g  6";  anonym  pM^g  70^  35.  1|  GnR  98  (62«):  Warum  wird  Kinnereth  „Gene- 
zareth" (■^0"::)  genannt?  Die  Rabbanan  sagten:  Weil  dieses  , Fürstengärten"  bedeutet 
(=  E-^-b  -:;).  R.  J<^^huda  b.  Simon  (um  :^)"^0)  hat  gesagt:  Deshalb  heißt  es  I  Chr  12,  84: 
Von  Naphtali  (in  dessen  Gebiet  K.  lag)  tausend  Fürsten.  ||  Wo  K.  =  Genezareth  ge- 
legen hat,  wissen  bereits  die  rabbin.  Autoritäten  des  H.  Jahrh.  nicht  mehr.  GnR  98  (62'^) : 
R.  Elfazar  (b.  P'^dath,  um  270)  hat  gesagt:  K.  ist  Jerach;  R.  Sch'^'muel  b.  Nachman 
(um  26U)  hat  gesagt:  Es  ist  Beth-Jerach;  R.  J^huda  b.  Simon  hat  gesagt:  Es  ist  Sennabris 
(nach  Josephus,  Bell.  J.  3,  9,  9  etwa  30  Stadien  =  ^/4  Meilen  von  Tiberias  entfernt)  u. 
Beth- Jerach.  R.  Levi  (um3U0)  hat  gesagt:  in  diesem  Gebiet  lag  Beth-Sch^'an  (=  Skytho- 
polis),   dessen  Name  „Kinnereth"  war.    R.  B^'rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Das  ganze 


Matth  4, 18  (?l  1.  2)  185 

Ufer  des  Sees  von  Tiberias  hieß  Kinneieth.  ...  —  Ferner  s.  Josephus,  Bell.  J.  3,  10,  8; 
GnR  98  (62<=)  oben  S.  154  f.  Zu  Jerach  vgl.  TB^kh  7,  4  oben  S.  lOl. 

c.  Meer  oder  See  von  Tiberias.  So  im  NT  Joh  21,1:  i]  i^äXaaaa 
TTjg  TißtQiccöoc.  Bei  Josephus,  Bell.  J.  3,  3,  5:  t/;c  TißiQiccöog  Xiixvrj.  Oft 
in  der  rabbin.  Literatur  (vgl.  auch  die  Zitate  in  Nr,  2): 

pSch'^qalim  (»,  2,  50^:  Er  sprach  zu  mir:  „Diese  Wasser  strömen  hinaus  nach  dem 
Ost^au*  Ez47,  8.  Damit  ist  das  Meer  von  Samko  (=  Semechonitis  See)  gemeint;  ,u. 
sie  fließen  nach  der  Niederung  hinab\  damit  ist  das  Meer  von  Tiberias  (s:-:^"'^  -^  =:") 
gemeint;  u.  münden  in  das  Meer",  d.  i.  das  Salzmeer  (=  Totes  Meer);  „in  das  Meer 
der  Austritte"  (so  der  Midrasch),  d.  i.  das  Weltmeer  (der  Ozean  soll  zweimal,  u.  zwar 
in  der  Generation  des  Enosch  u.  der  der  Zerstreuung,  über  seine  Ufer  getreten  sein, 
die  Menschheit  zu  strafen).  ||  pKil  »,  '62':  Sieben  Meere  umschließen  das  Land  Israel: 
Das  große  Meer  (=  Mittelländisches  Meer),  das  Meer  von  Tiberias  (s— a-jn  a^-),  das 
Meer  von  Samko  (Semechonitis-See\  das  Salzmeer,  das  Meer  von  Chultha  (nach  Neu- 
bauer Geogr.  S.  27  u.  Dalman  =  Hule-See;  Lightf.:  Sirbonis),  das  Meer  von  Schiljath 
(nach  Neub.  wahrscheinlich  der  Phiala-See,  östlich  von  Cäsarea  Philippi)  u.  das  Meer 
von  Apamea  (am  Oiontes,  südöstlich  von  Antiochiaj.  —  Parallelstellen:  pK*^^th  12,  35''; 
bBB  74'';  Midr  Ps  24  5?  6  (103''). 

d.  Das  galiläische  Meer.  Wie  es  scheint  nur  im  NT,  s.  4,18;  15,29; 
Mk7,31. 

e.  Ganz  einzelnstehend  ist  der  Name:  ,Das  galiläische  Meer  von 
Tiberias",  rj  ^aXccaaa  xTg  FahXaiag  rrjg  Tiße^jiadug  Joh  6,  1. 

2.  Lage  u.  Größe  des  Sees.   Sonstige  Nachrichten  über  ihn. 

Josephus,  Bell.  Jud.  3,  10,  7:  Der  See  G.  hat  seinen  Namen  von  dem  anliegenden 
Landstrich  (vgl.  die  Lesart  r)  yij  rsfi'tjaaQST  Mt  14,  34;  Mk  6,  53);  er  hat  eine  Breite 
von  40  Stadien  (=  1  deutsche  Meile)  u.  eine  Länge  von  noch  100  Stadien  mehr  (also 
von  140  Stadien  =  3^2  Meilen.  Die  Breite  beträgt  in  Wirklichkeit  12  Kilometer 
=^  64  Stadien).  Sein  Wasser  ist  süß  u.  durchaus  trinkbar;  auch  ist  es  klar,  da  er 
überall  an  sandigen  Ufern  aufhört;  außerdem  hat  es  eine  Temperatur,  die  es  zum 
Schöpfen  geeignet  macht.  Wenn  auch  weicher  als  Fluß-  oder  Quellwasser,  ist  es  doch 
stets  kühler,  als  man  bei  der  weiten  Ausdehnung  des  Sees  erwarten  sollte.  Die  in 
ihm  lebenden  Fischarten  sind  nach  Geschmack  u.  Aussehen  von  den  anderswo  lebenden 
verschieden.  In  seiner  Mitte  wird  er  vom  .Jordan  geschnitten.  —  Die  Beschreibung  des 
Josephus,  B.  Jud.  3, 10, 8  von  der  Landschaft  G.  am  Westufer  des  Sees  s.  bei  4, 12,  S.  154. 

Fischereige rechtsame  auf  dem  See  G.  BQ80''  Bar:  Zehn  Vereinbarungen  hat 
Josua  (bei  der  Verteilung  Kanaans  mit  Gesamtisrael)  getroffen:  Man  darf  in  (fremden) 
Waldungen  weiden  lassen  (ohne  daß  der  Besitzer  es  verbieten  kann);  man  darf  Holz 
auflesen  auf  ihren  (der  Israeliten)  Feldern;  man  darf  überall  Gras  sammeln,  aus- 
genommen Fönnkraut  (T^'ir,  foenum  graecum);  man  darf  überall  Schößlinge  abschneiden, 
ausgenommen  Olivenreiser;  eine  neu  entstehende  Quelle  dürfen  (allei  Einwohner  der 
Ortschaft  benützen;  man  darf  im  Meer  von  Tiberias  (s"=-.  ~»  ""s")  angeln  (■|-:r;';),  aber 
man  darf  kein  Wurfnetz,  >••;-,  ausspannen  u.  kein  Schiff  hinstellen  ("J'^.y  -!-":y-,  s.  das 
Folgende);  man  darf  (überall)  hinter  einer  Umzäunung  seine  Notdurft  verrichten,  selbst 
auf  einem  Felde,  das  voller  Safran  (Krokus)  ist;  man  darf  auf  Fußsteigen,  die  durch 
einen  Privatbesitz  führen,  bis  zum  zweiten  Frühregen  (der  um  den  17.  Marcheschvan 
=  November  einsetzt)  gehn;  man  darf  wegen  der  (die  Wasserpfützeu  einschließenden) 
Erdstreifen  zur  Seite  der  Wege  ausweichen  (u.  Privatbesitz  betreten);  wer  sich  zwischen 
den  Weinbergen  verirrt  hat,  darf  Triebe  i  Ranken)  abhauen,  um  nach  oben  oder  nach 
unten  zu  gelangen;  u.  endlich  ein  Pflichttoter  (der  keine  Angehörigen  hat  u.  dessen 
Bestattung  deshalb  jedermanns  Pflicht  ist)  erwirbt  seinen  Ort  lan  welchem  er  gefunden 
wird)  als  sein  Eigentum  (um  dort  bestattet  zu  werden).  —  Einzelne  dieser  Sätze  auch 


186  Mattli4, 18i?{2.  S) 

pB«rakh2,  5**.  3;  pBB  5,  15",  7.  —  In  der  Tos  lautet  die  Bestimmung  über  den  Fisch- 
fang im  See  G.  BQ  8,  17  (o62i:  Im  Anfang,  als  die  10  Stämme  sich  in  ihrer  ursprüngl. 
Verfassung  befanden,  sagten  sie:  Niemand  darf  sein  Schleppnetz  (=~~)  ausspannen  u. 
sein  Schilf  hinstellen  innerhalb  des  Bereichs  eines  andren;  wohl  aber  darf  man  fangen 
mit  Angeln  ("=~)  u.  mit  Fischergarnen  (r'-j--^-;  =  Schlingen?  Reusen?i  an  jeder  Stelle, 
ohne  daß  man  daran  gehindert  werden  darf,  nur  daß  man  kein  VVurfnetz,  y'-:-^,  aus- 
spannt u.  kein  Schiff  hinstellt.  —  Diese  Bar  auch  BQ  81^:  Man  darf  im  Meer  von 
Tib.  angeln,  nur  darf  man  kein  Wurfnetz,  vhr.,  ausspannen  u.  kein  Schiff  hinstellen; 
wohl  aber  darf  man  mit  Netzen,  r-rxi-,  u.  mit  Fischergarnen  (n'^^:^)  fangen.  Unsre 
Lehrer  habe«  gelehrt:  Im  Anfang  haben  die  Stämme  untereinander  vereinbart,  daß 
man  kein  Wurfnetz  (1.  >"-p  statt  ~y"-p)  ausspannen  u.  kein  Schiff  hinstellen  dürfe;  wohl 
aber  dürfe  man  mit  Netzen,  r-r-c^,  u.  mit  Fischergarnen,  r--'';r»:,  fangen.  —  Hiernach 
galt  der  See  G.  als  Gemeinbesitz  aller  Stämme;  das  drückte  sich  darin  aus.  daß  jeder 
Israelit  an  jeder  beliebigen  Stelle  dem  Fischfang  obliegen  durfte,  aber  nur  mit  Angel 
u.  Fischergarn.  Was  unter  Fischergarn,  r',~^izi2,  zu  verstehn  ist,  ist  ungewiß;  aus 
pMQ  "i,  8l  *'  Ende  (s.  die  Stelle  S.  li'57)  geht  aber  unzweideutig  hervor,  daß  damit  ein 
Fanggerät  gemeint  ist,  dessen  Handhabung  ebensowenig  Arbeit  u.  Aufsehen  machte 
"wie  das  Angeln;  deshalb  wurde  den  Fischern  von  Tib.  erlaubt,  damit  an  den  Zwischen- 
feiertagen elienso  wie  anit  der  Angel  ihr  Handwerk  auszuüben.  Am  nächsten  liegt,  an 
Schlingen  oder  Reusen  zu  denken.  Die  Großfischerei  aber,  die  vom  Lande  oder  vom 
Schiff  aus  mit  Wurf-  u.  Schleppnetzen  betrieben  wurde,  sollte  auf  dem  See  G.  das 
Vorrecht  der  Anwohner,  insonderheit  das  Stammes  Naphtali  sein;  nur  war  der  einzelne 
Fischer  verpflichtet,  seinem  Handwerksgenossen  nicht  in  das  Gehege  zu  kommen:  er 
sollte  also  seine  Netze  nicht  so  auswerfen  u.  sein  Schiff  nicht  so  stellen,  daß  ein  andrer 
dadurch  gehindert  wurde.  —  Hiernach  ist  wohl  TBQ  8,  18  (868)  zu  erklären.  Da  heißt 
es  nämlich:  Die  (übrigen)  Stämme  dürfen  keine  Fische  aus  dem  Meer  von  Tib.  fangen, 
weil  dieses  der  Anteil  Naphtalis  ist,  u.  nicht  nur  dies,  sondern  es  wurde  ihm  (dem 
Stamm  N.)  auch  noch  die  volle  Länge  einer  Netzleine '  südlich  vom  Meer  gegeben, 
vgl.  Dt  88,  23:  ^Das  Meer  u.  den  Süden  nimm  in  Besitz."  Das  sind  Worte  des  R.  Jose, 
des  Galiläers  (um  1 10).  R.  f  Aqiba  (f  um  13ö)  sagte:  Mit  „Meer"  (dies  Wort  ist  im  Text 
zu  ergänzen)  ist  das  Meer  von  Samko  (so  ist  zu  lesen  statt  -2£io)  gemeint  (der  Seme- 
chonitis-See),  mit  „Süden"  das  Meer  von  Tib.  u.  mit  „nimm  in  Besitz"  das  große  Meer 
(Weltmeer).  Parallelstellen:  pBB  ö,  15^  81  u.  bBQ  81  '^.  —  Diese  Bestimmung,  die  ihrem 
Wortlaute  nach  jedem  Nicht-Naphtaliten  das  Fangen  von  Fischen  aus  dem  See  G.  ver- 
bietet, wird  nach  den  vorhergehenden  Stellen  so  zu  verstehn  sein,  daß  sie  die  Netz- 
fischerei im  Auge  bat,  während  sie  das  Fangen  mit  der  Angel  u.  dem  Fischergarn  als 
etwas  Nebensächliches  unberücksichtigt  läßt. 

Der  Mirjambrunnen  u.  der  See  Genezareth.  pKil  0,  32=,  38:  Es  heißt  Nu  21,  20:. 
„Er  (der  Vers  17  f.  erwähnte  Brunnen)  wird  erblickt  von  oberhalb  der  Wüste"  (so  der 
Midrasch).  R.  Chijja  b.  Abba  lum  280)  hat  gesagt:  Wenn  jemand  auf  einen  Berg  in  der 
Wüste  steigt  u.  im  Meer  von  Tib.  eine  Art  Sieb  eiblickt,  so  ist  dies  der  Brunnen  der 
Mirjam  (der  Israel  durch  die  Wüste  geleitete  u.  im  Meer  von  Tib.  endete).  Dasselbe 
mit  Abweichungen  pK^th  12,  35^  41;  LvR  22  (121'');  Midr  Ps  24  §6  (1U3'0:  MidrQoh 
5,  8  (27");  TanchB  rp-  §  50  (64^);  NuR  19  (187 •^^);  Schab  35".  (Diese  letzte  Stelle  s.  bei 
iKor  10,4.) 

Noch  sei  pf  AZ  2,  42%  27  angeführt:  Das  Meer  von  Tib.  gilt  als  fließendes  Wasser. 

4,  18:  Netz.  a^KfißlrjüTQOV.  yV^.^  Wurfnetz;  vgl.  BQ  80 ''nebst  Parallelen  S.  185  f. 

4, 18  SB:  Fischer. 
Vielleicht  ist  R.  Jose  n-ninn  (um  160)  M*^n  37"  als  Fischer  anzusehn, 

1  Tos:  Va-T  sV^  =  eine  volle  Leinenlänge;  ebenso  SDt  33,  23  §355(147^);  ge- 
nauer die  Parallelstelle  BQ  81''  D-n  Van  ^n'-sn  (danach  die  obige  Übersetzung). 


Matth4, 18(93).  4,  19(51)  187 

falls  nämlich  das  Beiwort  nicht  einen  bezeichnet,  der  Fischernetze 
anfertigt,  sondern  einen,  der  die  Netze  zum  Fischfang  auslegt. 
Ein  weiterer  Vertreter  des  Fischerhandwerks  unter  den  Rabbinen  ist 
uns  in  der  rabbin.  Literatur  nicht  begegnet. 

Speziell  über  die  Fischer  von  Tibeiias  vgl.  MQ  2,5:  Die  Fischer 
'i^T;^  u.  die  Verfertiger  von  Graupen  u.  Grieß  dürfen  (während  der 
Zwischenfeiertage  des  Passah-  u.  des  Laubhüttenfestes)  im  stillen 
arbeiten,  um  die  FestbedQrfnisse  herzurichten.  R  Jose  (b.  Chalaphta, 
um  150)  hat  gesagt:  Sie  haben  über  sich  selbst  in  erschwerendem  Sinn 
entschieden  (nämlich  an  den  Zwischenfeiertagen  überhaupt  nicht  zu 
arbeiten).  —  Dazu  bemerkt  die  pal.  Gemara  2,  SP  Ende  u.  pP«s  4,  SC, 
18:  Die  Fischer  ^i-r;  in  Tiberias,  die  Gräupner  in  ^Akko  u.  die  Grieß- 
macher in  Sepphoris  haben  es  auf  sich  genommen,  an  den  Zwischen- 
feiertagen keine  Arbeit  zu  tun.  Das  mag  zutreffen  bei  den  Grieß- 
machern von  Sepphoris  u.  den  Gräupnern  von  ^Akko:  aber  verringern 
die  Fischer  von  Tib.  nicht  die  Festesfreude  (insofern  sie  infolge  ihres 
Feierns  von  der  Arbeit  nicht  in  der  Lage  sind,  den  Einwohnern  von 
Tib.  die  wünschenswerten  Festfische  zu  liefern)?  (Entgegnung:)  Sie 
können  ja  (ohne  besondere  Mühe)  mit  der  Angel  oder  dem  Fischer- 
garn r-n?2:^  fangen!  Verringern  sie  aber  auch  nicht  so  die  Festes- 
freude (insofern  auf  diese  Weise  der  volle  Bedarf  an  Fischen  nicht 
gedeckt  werden  kann)?  R.  Ammi  (um  300)  entschied  für  sie  in  er- 
leichterndem Sinn  (erlaubte  ihnen  die  Arbeit),  weil  sie  sonst  die  Fest- 
freude verringerten. 

Ein  allgemeines  Urteil  über  den  Stand  der  Fischer,  sei  es  lobender 
oder  tadelnder  Art,  scheint  sich  in  der  älteren  Literatur  nicht  zu 
finden.  Vielleicht  darf  man  aber  auf  die  Fischer  mitbeziehen,  was 
einmal  über  den  Schifferstand  gesagt  wird.  Qid  4,  13:  Abba  Goijan 
(Gorjon)  aus  Sidon  (um  180?)  hat  im  Namen  des  Abba  Schall  (um  150; 
so  ist  zu  lesen  nach  Bacher,  Tann.  2,  368)  gesagt:  Der  Mensch  lasse 
seinen  Sohn  nicht  ausbilden  zum  Eseltreiber,  Kameltreiber,  Barbier, 
Schiffer  isc,  Hirten  u.  Krämer;  denn  deren  Handwerk  ist  ein  Hand- 
werk der  Räuber.  —  R.  J  huda  (um  150)  hat  in  des  Abba  Schasul 
Namen  gesagt:  Die  meisten  Eseltreiber  sind  gottlos,  die  meisten  Kamel- 
treiber sind  brav,  die  meisten  Schiffer  sind  fromm;  der  Beste  unter 
den  Är/.ten  ist  für  den  Gehinnom  u.  der  Bravste  unter  den  Fleischern 
ist  ein  Genosse  fAmaleqs.  —  Als  Bar  mit  Abweichungen  pQid  4,  6(5  ^  26. 

4,19  51:  Folget  mir  nach,  6svt£  oniaco  fiov. 

Das  Schülerverhältnis  forderte  persönlichen  Anschluß  an  den  Lehrer; 
denn  der  Schüler  lernte  nicht  bloß  aus  den  Worten  seines  Lehrers, 
sondern  viel  mehr  noch  aus  dessen  praktischer  Gesetzesübung.  Darum 
bedeutet  die  Redensart  „hinter  jemandem  hergehn"  soviel  wie  „sein 
Schüler  sein". 


188  Matth  4, 19  (21.  33).  4,  21.  24 

?Erub  30"  sagt  Rabbah  bar  bar  Ghana,  um  2i^0:  ,,Als  ich  hinter  R.  Jochanan  her- 
ging", d.h.  sein  Schüler  war.  H  Aboth  R.Nathan  4:  Einmal  war  Rabban  Jochanan  b. 
Zakkai  aus  Jerusalem  hinausgegangen  u.  R.  J'^hoschuaf  ging  hinter  ihm  (als  sein  Schüler). 
Die  ganze  Stelle  bei  Mt  9,  13.  K'^th  H(j''  Bar:  Es  geschah  einmal,  daß  Rabban  Jochanan 
b.  Zakkai  (f  um  80)  auf  einem  Esel  ritt  u.  aus  Jerusalem  auszog;  seine  Schüler  aber 
gingen  hinter  ihm;  das.  72'':  Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt:  Einmal  ging 
ich  hinter  Rab  füqba  lals  dessen  Schüler)  einher.  . . .  ||  Weitere  Beispiele:  LvR  37  (133'); 
psAZ  1,4U^  47;  M^kh  Ex  HI,  12  (109^);  SDt  31,  14  §  3U5  (129^');  pChag  -»,  77%  43 
bJomaSS";  ferner  bei  Mt  10,  1. 

4,  19  SB:  Werde  euch  zu  Menschenfischern  machen. 

Im  Rabbin.  (wie  auch  im  Deutschen)  hat  der  bikiliche  Ausdruck 
, Menschen  fangen"  einen  unedlen  Sinn,  weil  das  Moment  der  über- 
listenden Schlauheit  im  Vordergrund  steht. 

GnRH?  (22'):  „Ein  Irrsals-Lied  von  David,  welches  er  Jahven  sang  wegen  der 
Worte  des  Kusch"  Ps  7,  1.  —  R.  J^'hoschua?  b.  N'^chemja  (um  3ö0)  hat  im  Namen  des 
R.  Ghanina  b.  Ji^haq  (um  32-''>)  gesagt:  Das  hat  David  in  bezug  auf  das  Gerichtsverfahren 
des  Frevlers  (=  Rom)  gesprochen.  Aber  ist  denn  Esau  (-  Rom)  ein  Kuschite?  Er 
heißt  so,  weil  er  nach  dem  Verfahren  Nimrods  (des  Sohnes  des  Kusch  Gn  10,  8)  handelt. 
Es  heißt  (,Gn  10,  9)  nicht:  „Deshalb  sagt  man:  Nimrod  ein  gewaltiger  Jäger  vor  Jahve", 
sondern:  Wie  N.  ein  gewaltiger  Jäger  vor  Jahve".  Wie  dieser  die  Menschen  in  ihren 
Worten  fing  -u,  so  fängt  --  auch  jener  (Esau  =  Rom)  die  Menschen  in  ihren  Worten. 
Er  fragt  nicht:  Hast  du  gestohlen?  sondern:  Wer  hat  mit  dir  gestohlen?  Nicht:  Hast 
du  getötet?  sondern:  Wer  hat  mit  dir  getötet?  —  Ähnlich  GnR  03  (40^*):  „Esau  ward 
ein  jaijdkundiger  Mann"*  Gn  2'"),  27.  Er  fing  ->:;  die  Menschen  in  ihren  Worten.  Nicht: 
Hast  du  gestohlen?  sondern:  Wer  hat  mit  dir  gestohlen?  usw. 

Der  Ausdruck:  „Ich  will  euch  zu  Menschenfischern  machen"  läßt 
sich  in  der  altjüdiychen  Literatur  sonst  nicht  nachweisen;  er  hat  hier 
selbstverständlich  keine  häßliche  Bedeutung. 

4,21:  Jakobus,  Sohn  des  Zebedäus. 

Den  gleichen  Namen  trägt  ein  Rabbi,  der  um  330  gelebt  hat.  Von 
ihm  rührt  folgendes  Gleichnis  her  zu  Ps  19,  2  (die  Himmel  erzählen 
die  Ehre  Gottes):  R.  Jj^?aqob  b.  Zabdai  hat  gesagt:  Gleich  einem  starken 
Mann,  der  in  eine  Stadt  kam  u.  dessen  Stärke  man  nicht  kannte.  Da 
sprach  ein  Schlaukopf  zu  den  Leuten:  An  dem  Steine,  mit  dem  er 
ringt,  werdet  ihr  die  Kraft  seiner  Stärke  erkennen!  So  lernen  wir  vom 
Himmel  die  Kraft  Gottes,  Midr  Ps  19  §  6  (83'').  —  Dasselbe  Gleichnis 
im  Munde  des  R.  Judan,  um  350,  P'^iq  166 ^  —  Häufiger  wird  ein 
Zabdai  b.  Levi  (um  240)  erwähnt,  s.  Bacher,  pAmor  3,  640. 

Der  Name  "i^ni,  Abkürzung  von  n^-in:,  bedeutet  „Geschenk  Jahves". 
Eine  Nebenform  ist  -^^z\  oder  n'^-^:?'!.  Diesen  Namen  führte  ein  um  330 
lebender  Amoräer,  s.  Bacher,  pAmor  '\,  753.  —  Die  Form  inar,  zurück- 
gehend auf  n^T,5T,  findet  sich  Jos  7,  1;  1  Chr  8,  19;  27,  27;  Neh  11,  17. 
Die  LXX  geben  "^-^zi  (1  Chr  8.  27)  mit  Zaßdf  wieder;  ein  Beweis,  daß 
Zsßidaiog  nicht  aus  i^nT,  sondern  aus  i^nr  gebildet  ist. 

4,24:  Besessene,  6ai(j,ovi^6f4,€voi. 
Sieh  den  Exkurs  „Zur  altjüd.  Dämonologie". 
Mondsüchtige,  oB'Arjyial^o^uefot,  s.  bei  17,  15. 


Matth  4,  25.  5,  2.  3  (Nr.  1)  189 

4,25:  Es  folgte  ihm  nach  viel  Volks. 

Vgl.  die  über  die  messian.  Zeit  ausgesprochene  Erwartung  GnR  25 
(IG**):  Zwölf  Hungersnöte  kommen  über  die  Welt  (folgt  deren  Auf- 
zählung nach  der  Schrift);  u.  eine  wird  in  der  Zukunft  (d.h.  in  den 
Tagen  des  Messias)  kommen,  s.  Arnos  8,  11:  Siehe,  Tage  kommen,  ist 
Jahves  Spruch,  da  entsende  ich  einen  Hunger  über  das  Land,  nicht 
einen  Hunger  nach  Brot,  noch  einen  Durst  nach  Wasser,  sondern  zu 
hören  Worte  Jahves. 

5,  2:  Er  lehrte  sie. 

Nicht  bloß  die  Synagogen  u.  Lehrhäuser  waren  Stätten  des  Pre- 
digens  u.  Lehrens,  sondern  auch  Straßen  u.  freie  Plätze,  s.  bei  Lk  5, 1. 

5,3:  Selig  sind,  die  da  geistlich  arm  sind. 

1.  Sprachliches.  A.  i^iaxäqioi  entspricht  dem  alttestl.  ^-CvX  Heil!  Das 
Rabbin.  hat  den  alttestl.  Ausdruck  beibehalten.  TChag  2, 1  (234)  sagt 
Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80):  Heil  dir  -j-^ncN,  unser  Vater 
Abraham,  daß  El^azar  b.  f  Arakh  (einer  der  Schüler  des  R.  Jochanan 
b.  Z.)  aus  deinen  Lenden  hervorgegangen  ist!  —  Dasselbe  pChag  '«i, 
77%  56;  bChag  U''.  ||  Chag  14'^  ruft  derselbe  Rabban  Jochanan  b.  Z. 
zweien  seiner  Schüler  zu:  Heil  euch  u.  Heil  euren  Gebärerinnen!  Heil 
meinen  Augen,  daß  sie  solches  gesehen  haben!  i^irx  rrrnbni  n-.^jK'i  wiest 
nx"i  -D^u  "^ry!  1|  Joma  87=*:  Heil  den  Gerechten!  Nicht  genug,  daß  sie 
(für  sich  selbst)  Verdienst  haben,  sondern  sie  erwerben  Verdienste  auch 
für  ihre  Kinder  u.  Kindeskinder  bis  ans  Ende  aller  Generationen.  [[ 
Joma  8,  9:  R.  ? Aqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Heil  euch,  Israeliten  Q="ncx 
^N-ia^!  vor  wem  reinigt  ihr  euch  u.  wer  ist  es,  der  euch  rein  macht? 
Euer  Vater,  der  im  Himmel  ist!  —  Das  Gegenteil  ist  lix  wehe!  zB 
Joma  87=»:  Wehe  den  Gottlosen  nvirib  cnb  "^in!  Nicht  genug,  daß  sie 
sich  selbst  verschulden,  sie  verursachen  Schuld  auch  ihren  Kindern  u. 
'Kindeskindern  bis  ans  Ende  aller  Generationen.  Vgl.  auch  bei  18,  7  51. 

B.  Es  findet  sich  ra-;  n??  Jes  66,  2  geschlagen  in  bezug  auf  den 
Geist  =  niedergeschlagenen  Geistes.  i|  ffir^  ^ns^  Ps  34,  19  zermalmt  in 
bezug  auf  den  Geist  =  verzagten  Geistes.  ||  xrai  rp s'?  Targ  Jes  66,  2 
gebeugt  in  bezug  auf  den  Geist  =  gebeugten  Geistes;  Plur.  Nmn  •'T'^-q 
Targ  Ps  34, 19 ;  Targ  Jes  57,15.  ||  nn  bsd  niedrig  in  bezug  auf  den  Geist 
=  demütigen  Geistes  Jes  57, 15;  Sprl6,19;  29,23;  Aboth4,4. 10;  Targ 
Spr  16, 19.  II  m-i  D5  hoch  in  bezug  auf  den  Geist  =  hochmütigen  Geistes 
Aboth  4,  7;  Plur.  n>n  ^sr>  pP*^s  5,  32%  65;  mnn  -^os  LvR  17(117»).  —  Da- 
gegen haben  wir  die  Verbindung  rn  ^:"  „arm  in  bezug  auf  den  Geist, 
arm  am  Geist"  nicht  gelesen.  In  derartigen  Wendungen  wird  i:s  regel- 
mäßig mit  2  konstruiert.  Man  sagt  daher  nrr-n::  i;?  arm  an  Wissen  N'^d 
41»;  010333  "ijy  arm  an  Vermögen  (Gegensatz:  c^odj^  iiay  reich  an  Gütern) 
K«th  68»;  T-j-ii  i;3J  arm  an  gutem  Willen  (Gegensatz:  rzmo  -iicr)  K*^th 
68*.   —  Doch  wird  das  Substantivum  nsi'::?  «Armut"  wieder  ohne  3 


190  MatthS,  3  (Nr.  1.2) 

konstruiert.  „Armut  an  Torakenntnis"  heißt  n^iir  ni-'-r' Sanh  24*  oder 
n-iinT  nisr  Qid49'>,  während  „Armut  an  guten  Werken"  wiedergegeben 
wird  mit  c-^-rj  n'^cr-a-s  r-,^:r  Midr  Esth  1,  1  (80'').  Hier  liegt  der  Gedanke 
vor,  daß  die  Armut  ein  „Leersein"  von  irgend  etwas  in  sich  schließt, 
daher  die  Konstruktion  mit  -jp. 

2.  Der  Seligpreisung:  /.laxägioi  ol  titmxoI  Th,  Ttrav^xari  usw.  dürfte 
Jes  61,1  zugrunde  liegen:  „Der  Geist  des  Allherrn  Jahve  ruht  auf  mir, 
weil  Jahve  mich  gesalbt  hat,  den  Demütigen  frohe  Botschaft  zu  bringen" 
B--5?  -i'irrb.  Die  LXX  haben  die  letzten  Worte  übersetzt:  svayy^XiGaGiJai 
mwxoTg  =  „Armen  frohe  Botschaft  zu  bringen".  Diese  Übersetzung 
hat  Lk  4, 18  beibehalten  in  seinem  Bericht  über  die  erste  Predigt  Jesu 
in  der  Synagoge  von  Nazareth;  ihr  folgt  auch  Mt  11,5  bei  der  Wieder- 
gabe der  Antwort  Jesu  an  Johannes  den  T. :  mwxol  svayyeXi^uvrai. 
Wenn  nun  Jesus  in  den  Worten  Jes  61,1:  „den  Armen  frohe  Botschaft 
zu  bringen"  den  bezeichnenden  Ausdruck  für  seine  Anfangstätigkeit 
gefunden  hat,  so  mochte  es  ihm  wohl  naheliegen,  die  erste  Seligpreisung 
gerade  den  „Armen"  gelten  zu  lassen.  So  lautet  ja  auch  Lk  6,  20: 
„Selig  sind  die  Armen."  Wir  nehmen  an,  daß  Jesus  mit  den  „Armen" 
jene  breite  Schicht  der  geringen  u.  verachteten  Leute  in  seinem  Volk 
gemeint  hat,  die  in  der  rabbin.  Literatur  y:.ii^  ''^v  (Sing,  y^xn  ■dv) 
heißen  ^  u.  Joh  7, 49  von  den  wissensstolzen  u.  selbstgerechten  Pharisäern 
bezeichnet  werden  als  „dieser  Haufe,  der  das  Gesetz  nicht  kennt;  ver- 
flucht sind  sie!"  Wenn  diese  Verwünschung  die  Stimmung  deutet,  die 
die  geistlichen  Führer  des  Volkes  gegen  die  ? Amme  ha-'arep  beseelte, 
wie  mußte  dann  Jesu  Ruf  die  Herzen  dieser  Verachteten  treffen:  „Selig 
sind  die  Armen;  denn  euer  ist  das  Reich  Gottes"  (Lk  6,  20)!  Sachlich 
macht  es  keinen  Unterschied,  wenn  die  „Armen"  bei  Mt  5,  3  durch 
den  Zusatz  reo  nvevf^iaji  als  „Arme  am  Geist"  charakterisiert  werden. 
Es  sind  ja  dieselben  Leute,  die  Lk  u.  Mt  im  Auge  haben;  nur  daß  sie. 
jener  mehr  nach  ihrer  äußeren  Lage  benennt,  dieser  treffender  nach 
ihrer  inneren  Verfassung.  Die  ?Amme  ha-'are9  waren  durchaus  nicht 
immer  Leute,  denen  es  an  irdischen  Gütern  gebrach;  zu  ihnen  haben 
auch  Reiche  gehört;  aber  was  sie  alle  kennzeichnete,  war  eine  gewisse 
Armut  geistiger  Art.  Sie  kannten  weder  in  genügendem  Maße  die 
Auslegung,  die  die  pharisäischen  Schriftgelehrten  dem  Gesetz  zuteil 
werden  ließen,  noch  trauten  sie  sich  die  Kraft  u.  die  Freudigkeit  zu, 
ihr  religiöses  Leben  nach  den  Satzungen  der  Rabbinen  erfolgreich  zu 
ordnen  u.  zu  regeln.  Dabei  erfuhren  sie  täglich  aufs  neue,  wie  sie 
von  den  Gesetzesstrengen  verachtet  u.  gemieden  wurden;  was  Wunder 
also,  wenn  sie  schließlich  eine  Beute  des  Pessimismus  wurden  u.  sich 
selber  als  eine  massa  perditionis  vorkamen! 


^  Auch  Lichtenstein,   Kommentar  zum  Mt  S.  26  versteht  unter  den  nrMxoi  der 
1.  Seligpreisung  die  ?Amrae  ha-iarep.  Genaueres  über  diese  Volksklasse  s.  bei  Joh  7,  49. 


Matth  5,  3  (Nr.  2)  191 

An  diese  geistig  Armen  u.  Heruntergekommenen  wendet  sich  Jesu 
Predigt  in  der  Voraussetzung,  daß  Menschen,  die  die  eigene  religiös- 
sittliche Unzulänglichkeit  kennen,  ihr  Herz  willig  dem  Evangelium 
öffnen  werden,  das  ihnen  nicht,  wie  die  Satzungen  der  Schriftgelehrten 
gebietend  u.  fordernd,  sondern  gebend  u.  tröstend  entgegentritt:  „Selig 
sind  die  Armen  am  Geist;  denn  ihrer  ist  das  Himmelreich."  Ein  solcher 
Makarismus  wäre  im  Munde  der  pharisäisch  gerichteten  Schriftgelehrten 
geradezu  ein  Unding.  Sie  haben  in  der  Armut  am  Geist  nie  eine  Quelle 
des  Segens,  wohl  aber  die  Wurzel  alles  Übels  gesehen. 

Reia  theoretisch  lautet  die  Ausführung  N''d  40 '':  R.  Ammi  (um  300)  hat  gesagt, 
Rab  (t  217)  habe  gesagt;  Was  bedeutet:  „Du  nun,  o  Menschenkind,  mache  dir  Aus- 
wanderungsgeräte"  Ez  12,  3?  Damit  ist  eine  Leuchte  u.  eine  Schüssel  (zum  Essen)  u. 
eine  Decke  (Unterlage  zum  Liegen)  gemeint.  ,  Aus  Mangel  an  allem"  Dt  28,  57.  R.Ammi 
hat  gesagt,  Rab  habe  gesagt:  Ohne  eine  Leuchte  u.  ohne  einen  Tisch.  Rab  Chisda 
(t  ;>0y)  hat  gesagt:  Ohne  Weib.  Rab  Schescheth  (um  260)  hat  gesagt:  Ohne  einen  Diener 
(Rab  Seh.  war  blind,  bedurfte  also  eines  Dieners).  Rab  Nachnian  (f  820)  hat  gesagt: 
Ohne  Wissen  riy'r.  In  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  Ohne  Salz  und  ohne  Fett.  Abaje 
(t  338/39)  hat  gesagt:  Wir  haben  durch  Tradition  überkommen:  Es  gibt  keinen  Armen 
-:y  außer  dem  (der  arm  ist)  an  Wissen  ri-j'rz.  Im  Abendland  (Palästina)  sagt  man: 
Hat  er  dieses  (Wissen),  so  hat  er  alles;  hat  er  dieses  nicht,  was  hat  er?  Hat  er  dieses 
erworben,  was  mangelt  (ihm);  hat  er  dieses  nicht  erworben,  was  hat  er  erworben?  || 
Ähnlich  LvR  1  (105''):  R.  Tanchuma  (um  380)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Spr  20,  15: 
,Es  gibt  Gold  u.  viele  Perlen;  aber  ein  kostbares  Gerät  sind  Lippen  der  Erkenntnis." 
Nach  dem  gewöhnl.  Lauf  der  Welt  kann  ein  Mensch  Gold  u.  Silber,  Edelsteine  u,  Perlen 
u.  jede  Kostbarkeit  in  der  Welt  u.  jedes  Gut  besitzen;  hat  er  aber  keine  Ein.sicht  (Er- 
henntnis.  Wissen),  welchen  Besitz  hat  er?  Ein  Sprichwort:  Besitzest  du  Wissen,  was 
mangelt  dir?  Mangelt  Wissen,  was  besitzest  du?  —  Dieses  Sprichwort  auch  Midr  Qoh 
7,  23  (37^»];  NuR  19  (185 ''l;  P'^siq33b:  TanchB  r-n  §  10  (55-');  s.  auch  TanchB  s-pi 
§  2  (2*).  —  So  einseitig  diese  Sätze  sind,  so  häßlich  sind  die  Folgerungen,  die  manche 
daraus  gezogen  haben.  Sanh  92":  R.  EUazar  (um  270)  hat  gesagt:  Es  ist  verboten,  sich 
eines  Menschen  zu  erbarmen,  der  kein  Wissen  besitzt;  s.  Jes  27,  1 1 :  ,Denn  kein  Volk 
von  Einsichten  ist  es;  deshalb  wird  sich  sein  Schöpfer  seiner  nicht  erbarmen  u.  sein 
Bildner  keine  Gnade  an  ihm  üben."  Derselbe  hat  gesagt:  Wer  sein  Brot  dem  gibt, 
der  kein  Wissen  hat,  über  den  kommen  Leiden;  vgl.  Obadja7:  „Dein  Brot  machen 
sie  zu  einer  Schlinge,  -it-»,  unter  dir,  Einsicht  ist  nicht  in  ihm",  u.  Schlinge  --t:  be- 
deutet nichts  andres  als  Leiden,  s.  Hos  5,  13:  „Es  sah  Ephraim  seinen  Schaden  u.  Juda 
seine  Wunde"  i-tt.  Ferner  hat  er  gesagt:  Jeder  Mensch,  der  kein  Wissen  hat,  zieht 
schließlich  in  die  Verbannung;  s.  Jes  5,  13:  „Deshalb  muß  mein  Volk  auswandern  wegen 
Mangels  an  Wissen"  (so  der  Midrasch).  —  Bei  all  diesen  Sätzen  muß  man  sich  gegen- 
wärtig halten,  daß  mit  dem  Unwissenden  immer  der  f  Am  ha-sare9  gemeint  ist.  Das 
beweisen  Stellen  ähnlichen  Inhalts,  die  den  ?Am  ha-:äare9  ausdrücklich  nennen.  Aboth 
2,  5  sagt  Hillel  (um  20  v.  Chr.):  Ein  Ungebildeter  ^•'-  ist  nicht  sündensclieu  u.  ein 
fAm  ha-jarcQ  ist  nicht  fromm.  ||  P'^3  49b:  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  2tiÖ)  hat  ge- 
sagt, R.  Jonathan  (um  220;  so  lies  statt  R.  Jochanan)  habe  gesagt:  Einen  fAm  ha-jare(j 
darf  man  zerreißen  wie  einen  Fisch.  |i  P'^s  4Hb^  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Einen 
?Am  ha  ^are^  darf  man  (selbst)  an  einem  Versöhnungstag,  der  auf  einen  Sabbat  fällt, 
durchbohren.  Seine  Schüler  sagten  zu  ihm:  Rabbi,  sage:  „Man  darf  ihn  abschlachten." 
Da  sagte  er  zu  ihnen:  Dies  (das  Abschlachten,  irni)  bedarf  eines  Lobspruches  (den 
der  f  Am  ha-5areQ  nicht  wert  ist),  aber  jenes  (das  Durchbohren)  bedarf  keines  Lob- 
spruchs, jl  BB  8^  sagt  Rabbi  zur  Zeit  einer  Hungersnot:  Wehe  mir,  daß  ich  mein 
Brot  einem  fAm  ha-jare?  gegeben  habe  (vgl.  oben  Sanh  92»)!  .  .  .  Strafe  kommt  nur 
wegen  der  f  Amme  ha-Jarec  in  die  Welt.   (Das  Volk,  das  das  Gesetz  nicht  kennt,  die 


192  Matth  5,  3  {Nr.  2.  3) 

Unwissenden,  eine  Quelle  alles  Unheils.)  II  Sanh  90'd:  (R.  Sch^^muSl  b.  Nachman  sagte:) 
Man  darf  keinem  Priester  Hebe  geben,  der  ein  ?Am  ha-sare^  ist.  —  Diese  Regel  wird 
oftmals  ausgesprochen,  zB  TD«mai  2,  2  (47);  SNu  18,28  §121  (41^);  Sanh  90b.  || 
Schab  38^  Bar:  Vier  Anzeichen  gibt  es  (die,  wenn  sie  sich  bei  einem  Menschen  be- 
merkbar machen,  ein  sicherer  Beweis  sind,  daß  der  Betreffende  einer  bestimmten 
Sünde  ergeben  ist):  ein  Anzeichen  von  (geschlechtlicher)  Sünde  ist  Wassersucht;  ein 
Anzeichen  von  grundlosem  Haß  ist  die  Gelbsucht;  ein  Anzeichen  von  Hochmut  ist  die 
Armut;  ein  Anzeichen  von  Verleumdung  ist  die  Halsbräune.  —  Hierzu  heißt  es  Sanh 
24*  =  Qid  49^:  Ein  Autor  hat  gesagt:  ,Ein  Anzeichen  von  Hochmut  ist  die  Armut."  . . . 
Welche  A.  ist  gemeint:  Die  A.  an  Torakenntnis.  —  Die  geistige  A.  oder  die  A.  an 
Torakenntnis  ist  also  ein  sicheres  Merkmal,  daß  in  dem  Betreffenden  Hochmut  wohnt. 
Von  hier  aus  fällt  Licht  auf  die  Charakteristik  der  Jüngerschaft  Abrahams  u.  Jesu  in 
Aboth  5,  19:  Wer  folgende  drei  Stücke  (Eigenschaften)  hat,  ist  ein  Schüler  Abrahams, 
u.  wer  drei  (andre,  entgegengesetzte)  Stücke  hat,  ist  ein  Schüler  Bilfams  (=  Jesu, 
s.  Strack.  Jesus,  §5.  12).  Ein  wohlwollendes  Auge,  ein  bescheidener  Sinn  u.  ein  de- 
mütiger Geist  nr-'a:  r-r,i  (das  ist)  ein  Schüler  Abrahams.  Ein  mißgünstiges  Auge,  ein 
gieriger  Sinn  u.  ein  hochmütiger  Geist  -rjiaJ.  rrn-i  (das  ist)  ein  Schüler  Bilfams. 

Diese  hochmütigen,  aufgeblasenen  Geister,  das  sind  jene  »Armen", 
die  von  der  Tora  nichts  wissen,  um  so  lauter  aber  den  Anspruch  er- 
heben, daß  sie  das  rechte  Israel  seien,  u.  daß  ihnen  das  Himmelreich 
gehöre  —  eine  schlimme  Frucht  aus  der  bösen  Wurzel,  welche  heißt 
„Armut  am  Geist"!  Wie  hätte  bei  solchen  Anschauungen  von  der 
Synagoge  ein  Wort  geprägt  werden  sollen,  das  dem  Ausspruch  Jesu 
ähnlich  wäre:  Selig  sind  die  Armen  am  Geist;  denn  ihrer  ist  das 
Himmelreich?  Gleichwohl  hat  man  jüdischerseits^  auch  zu  diesem 
Makarismus  Parallelen  beigebracht.  Man  entnimmt  ihm,  daß  Jesus 
seinen  Jüngern  die  Demut  habe  empfehlen  wollen,  u,  zitiert  daraufhin 
alle  möglichen  Stellen,  die  die  Demut  verherrlichen  u.  den  Hochmut 
bekämpfen,  ohne  zu  bedanken,  daß  die  Demut  in  den  verschiedenen 
Lagen  u.  Verhältnissen  des  menschlichen  Lebens  in  gar  verschiedener 
Weise  sich  äußern  kann  u.  deshalb  nicht  überall  identisch  zu  sein 
braucht  mit  jener  Mt  5,  3  vorausgesetzten  Demut,  die  im  Bewußt- 
sein der  menschl.  Untüchtigkeit,  Gott  zu  gefallen,  die  Seligkeit  des 
Himmelreiches  ausschließlich  von  der  Gnade  Gottes  erhofft  u.  er- 
bittet. Wir  lassen  jene  Stellen  im  nächsten  Absatz  folgen  unter  der 
Überschrift: 

3.  Ein  Lob  der  Demut. 

Aboth  fi,  5:  Die  Tora  wird  durch  48  Dinge  erworben,  nämlich  durch  Studium,  durch 
Hören  des  Ohrs,  durch  Zurüsten  der  Lippen,  durch  Einsicht  des  Herzens,  durch  Ver- 
stand des  Herzens,  durch  Schrecken  u.  Furcht,  durch  Demut  ^i:v  .  .  .  —  Als  Kom- 
mentar zu  „durch  Demut"  sind  folgende  Stellen  anzusehn.  Aboth  6,  4:  Das  ist  die  Art 
der  Tora  (der  Weg  zu  ihrer  Erwerbung):  iß  Brot  mit  Salz  „und  trink  Wasser  mit  Maß' 
Ez  4,  II,  schlafe  auf  der  Erde  u.  lebe  ein  Leben  der  Entbehrung  u.  mühe  dich  mit  der 
Tora.  II  sErub  -H«  u.  N^d  -^5":  (Rab  Joseph,  f  HAS,  sprach  zu  Raba,  f  352:)  Du  darfst  dich 
nicht  eher  auf  deine  Schenkel  setzen,  als  bis  du  mir  diese  Schriftstelle  gedeutet  hast. 
Was  bedeutet  Nu  21,  18  f.:  „Von  der  Wüste  nach  Matthana  u.  von  Matthana  nach  Nacha- 


'  Die  fleißigste  Sammlung  von  Parallelen  zur  Bergpredigt  Jesu  bringt  T.  Tal,  Een 
Blick  in  Talmoed  en  Evangelie,  Amsterdam  1881. 


Matth  5,  3  (Nr.  3)  I93 

liel  u.  von  Nachaliöl  nach  Bamoth  u.  von  Bamoth  nach  dem  Tal  s-jn"?  Er  antwortete: 
Wenn  ein  Mensch  sich  selbst  zu  einer  Wüste  macht,  auf  die  alle  treten,  so  wird  ihm 
Torakenntnis  als  Geschenk  nir^sa  gegeben ;  u.  wenn  sie  ihm  als  Geschenk  gegeben 
ist,  dann  ist  Gott  sein  Teil  Vs  iVn:  (=  Nachalieli;  u.  wesn  Gott  sein  Teil  ist,  dann 
steigt  er  empor  zur  Größe,  wie  es  heißt:  „Von  Nachaliel  nach  Bamoth"  (=  Höhen). 
Wenn  er  aber  sein  Herz  stolz  erhebt  (wegen  seiner  Torakenntnis),  so  erniedrigt  ihn 
Gott,  wie  es  heißt:  „Von  Bamoth  in  das  Tal";  u.  wenn  er  sich  bekehrt,  so  erhöht  ihn 
Gott,  s.  Jes  40,  4:  „Jedes  Tal  wird  erhöht."  —  In  Midr  Ps  5  §  l  (25'')  eine  ähnliche  Aus- 
führung im  Munde  des  R.  Jannai,  um  225.  —  Die  Demut,  durch  welche  Torakenntnis 
erworben  wird,  besteht  hiernach  darin,  daß  sich  der  Mensch  durch  keine  Entbehrung 
u.  Zurücksetzung  vom  Torastudium  abbringen  läßt.  Dieselbe  Demut,  durch  welche  der 
Mensch  Torakenntnis  erwirbt,  ist  es,  durch  die  er  seine  Torakenntnis  bewahrt.  Aboth 
RN  11 :  (Ben  fAzzai,  um  110,  antwortete  dem  R.  $Aqiba:  Erkläre  nach  dem  Inhalt:)* 
Wenn  sich  ein  Mensch  wegen  der  Worte  der  Tora  erniedrigt  (verächtlich  macht  V::':, 
Deutung  von  rhzz  Spr  80,  82)  u.  Datteln  u.  Johannisbrot  (lies  c"ii^-  statt  =-;i^»:)  ißt 
u.  sich  kleidet  mit  schmutzigen  Gewändern  u.  sitzt  u.  wacht  an  der  Tür  der  Gelehrten, 
so.sagen  die  Vorübergehenden:  „Das  ist  wohl  ein  Narr!"  Schließlich  aber  findest  du 
die  ganze  Tora  bei  ihm  (in  seinem  Besitz).  Vgl.  den  Ausspruch  des  R.  Sch^muel  b. 
Nachman  (um  260)  B'rakh  6S^.  ||  fErub54^:  Rab  Matth^-na  (um  270)  hat  gesagt:  Was 
bedeutet  Nu  21,  18:  „Von  der  Wüste  nach  Matthana"?  Wenn  sich  ein  Mensch  (demuts- 
voll) selbst  zu  einer  Wüste  (Trift)  macht,  auf  die  alle  treten,  so  behält  sein  Erlerntes 
Bestand  bei  ihm;  wenn  aber  nicht,  so  behält  es  nicht  Bestand  bei  ihm.  ||  Sota  21b: 
R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Die  Worte  der  Tora  behalten  Bestand  nur  bei 
dem,  der  sich  um  ihretwillen  nackt  macht;  vgl.  Spr  8,  12:  „Ich,  Weisheit,  sitze  nackt 
da*  (so  der  Midrasch).  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Die  Worte  der  Tora  erhalten 
sich  nur  bei  dem,  der  sich  selbst  ansieht,  als  wäre  er  nichts;  vgl.  Hi  28,  12:  „Die 
Weisheit  wird  von  einem  Nichts  gefunden"  (so  der  Midrasch).  ||  fErub  55'':  Raba  (t  352) 
hat  gesagt:  „Nicht  im  Himmel  ist  sie"  (die  Tora,  Dt  80,  12),  sie  wird  nicht  bei  dem 
gefunden,  der  sich  stolz  in  seinem  Innern  erhebt,  so  hoch  wie  der  Himmel  ist;  „u.  sie 
ist  nicht  jenseits  des  Meeres"  Dt  30,  13,  auch  nicht  bei  dem  wird  sie  gefunden,  der 
in  seinem  Innern  sich  ehrgeizig  breitmacht,  so  weit  wie  das  Meer  ist.  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  „Nicht  im  Himmel  ist  sie",  sie  wird  nicht  bei  den  Hochmütigen 
gefunden;  „u.  sie  ist  nicht  jenseits  des  Meeres",  sie  wird  nicht  bei  den  Hausierern  u. 
Krämern  gefunden.  ||  Tanch  sar  -3  24^:  Wie  sich  das  Wasser  nicht  in  silbernen  u. 
goldenen  Gefäßen  hält,  sondern  in  irdenen,  so  erhält  sich  die  Tora  nicht  bei  den  Hoch- 
mütigen, sondern  bei  dem,  dessen  Sinn  demütig  r^Di"::  ist.  R.  Acha  (um  320)  hat  ge- 
sagt: „Von  wo  (vs":)  wird  die  Weisheit  gefunden"  (erlangt,  Hi  2S,  12)?  Was  bedeutet 
"si?  Bei  denen  wird  sie  gefunden,  die  sich  selbst  für  nichts  "s:  halten.  —  Der  I.Satz 
gehört  nach  Tafan  7^  dem  R.  Hoscha?ja,  um  225,  an.  ||  Tafan  7*:  R.  Chanina  b.  Idi  (IL, 
gegen  300)  hat  gesagt:  Warum  werden  die  Worte  der  Tora  mit  dem  Wasser  verglichen 
(Jes  55,  1):  „Ach,  ihr  Dürstenden  alle,  kommt  zum  Wasser"?  Um  dir  zu  sagen:  Wie 
das  Wasser  einen  hohen  Ort  verläßt,  um  nach  einem  tiefen  Ort  zu  fließen,  so  halten 
sich  die  Worte  der  Tora  nur  bei  dem,  dessen  Sinn  demütig  ist.  il  Andre  Stellen  empfehlen 
die  Demut,  die  sich  herabhält  zu  den  Niedrigen.  Sofa  5'^:  „Bei  dem  Zerschlagenen  u. 
dem.  der  demütigen  Geistes  ist"  m^  '^,fs  (will  ich  wohnen)  Jes  57,  15.  Rab  Huna  (f  297) 
u.  Rab  Chisda  (f  309).  Der  eine  sagte:  Bei  mir  (spricht  Gott)  soll  der  Zerschlagene 
wohnen.  Der  andre  sagte:  Ich  will  bei  dem  Zerschlagenen  wohnen.  Ein  einleuchtender 
Grund  spricht  für  den,  der  gesagt  hat:  „Ich  will  (spricht  Gott)  bei  dem  Zerschlagenen 
wohnen" ;  denn  siehe,  Gott  hat  alle  Berge  u.  Höhen  dahintengelassen  u.  seine  Sch^khina 
(göttliche  Gnadengegenwart)  auf  dem  Berge  Sinai  ruhn  lassen,  u.  nicht  ragt  der  Berg 
Sinai  hoch  empor.    Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt:    Immer  soll  der  Mensch  von  der 


*  Die  eingeklammerten  Worte  fehlen  in  Handschriften  u.  alten  Drucken,  s.  Schechters 
Ausgabe  S.  46. 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  13 


194  Matth  5,  3  (Nr.  3) 

Sinnesart  seines  Schöpfers  lernen.  Denn  sielie,  Gott  hat  alle  Berge  u.  Höhen  dahinten- 
gelassen  u.  seine  Sch'^khina  auf  dem  Berge  Sinai  ruhn  lassen,  u.  alle  edlen  Bäume 
hat  er  dahintengelassen  u.  seine  Sch'^khina  im  Dornbusch  wohnen  lassen.  (So  soll  sich 
auch  der  Mensch  herabhalten  zu  den  Niedrigen.)  ||  Sota  5 '^  Rab  f  Avira  (im  4.  Jahrb.), 
nach  andren  R.  Elfazar  (um  270),  hat  öffentlich  vorgetragen:  Komm  u.  sieh,  daß  wie 
Gottes  Art  nicht  die  Art  von  Fleisch  u.  Blut  ist.  Die  Art  von  Fleisch  u.  Blut  ist:  der 
Hohe  sieht  auf  den  Hohen,  aber  nicht  sieht  der  Hohe  auf  den  Niedrigen.  Dagegen  ist 
Gottes  Art  nicht  also:  er  ist  hoch  u.  sieht  auf  die  Niedrigen,  s.  Ps  138,  t!:  „Denn  er- 
haben ist  Jahve  u.  auf  den  Niedrigen  sieht  er." 

Im  allgemeinen  Sinn  handeln  von  der  Demut  Stellen  wie:  Aboth  4,  10:  R.  Meir 
(um  150)  pflegte  zu  sagen:  Beschränke  dich  im  Geschäft,  beschäftige  dich  aber  mit 
der  Tora.  Sei  demütig  gegen  alle  Menschen.  ||  Aboth  4,  4:  R.  Levitas  aus  Jahne  (wahr- 
scheinlich der  vorhadrianischen  Zeit  angehörend,  Bacher,  Tann.^  1,  444)  pflegte  zu  sagen: 
Sei  sehr  demütig;  denn  was  der  Mensch  zu  erwarten  hat,  sind  Maden.  1|  Sanh  88^: 
Man  brachte  von  dort  (aus  Palästina)  den  Ausspruch  mit:  Wer  ist  ein  Sohn  der  zu- 
künftigen Welt?  Wer  demütig  ist  u.  bescheiden  auftritt,  wer  sich  bückt  beim  Kommen 
u.  beim  Gehn,  wer  immerfort  in  der  Tora  studiert  u.  sich  nichts  darauf  zugute  hält. 
Da  lenkten  unsre  Lehrer  ihre  Augen  auf  Rab  fUlla  b.  Abba  (um  2öÜ?  als  einen,  der 
diesen  Anfordungen  genügte).  ||  Sota  9,  15:  R.  Pin'^chas  b.  Jair  (um  200)  hat  gesagt:  Die 
Hurtigkeit  (in  der  Erfüllung  der  Gebote)  führt  zur  (leiblichen)  Reinheit,  diese  führt 
zur  (levitischen)  Reinheit,  diese  zur  Enthaltsamkeit,  diese  zur  Heiligkeit,  diese  zur 
Demut,  diese  zur  Sündenscheu,  diese  zur  Frömmigkeit  (mystisch-kontemplativer  Art), 
diese  zum  heiligen  Geist  (zu  prophetischer  Begabung),  dieser  zur  Auferstehung  der 
Toten,  u.  diese  kommt  durch  den  Propheten  Elias,  gesegneten  Angedenkens,  Amen!  — 
In  den  Parallelstellen  pSchab  1,  3'',  7.  20;  pSch^q  8,  47",  49;  Midr  HL  1,  1  (79b)  lautet 
der  Schlußsatz  nicht:  Die  Auferstehung  der  Toten  „kommt  durch  Elias",  sondern  „führt 
zu  Elias";  als  Belegstelle  dient  Mal  3, "23.  Die  Vorstellung  geht  dann  dahin,  daß  sich 
an  die  Auferstehung  der  Toten  unmittelbar  das  Kommen  des  Elias  u.  der  Tag  Jahves 
anschließe.  In  Midr  Spr  15,  32  (41'')  sind  beide  Lesarten  miteinander  kombiniert:  im 
Ausspruch  des  Pin'^chas  heilst  es:  Die  Auferstehung  der  Toten  „führt  zu  Elias",  da- 
gegen im  nachfolgenden  Schriftbeweis:  Die  Auferstehung  der  Toten  „kommt  durch 
Elias".  Die  Bar  fAZ  20  b  hat  den  Satz  über  Elias  überhaupt  nicht.  —  fAZ  20b  fügt  hinzu; 
Die  Frömmigkeit  aber  ist  die  größte  von  allen,  s.  Ps  89,  20:  „Damals  redetest  du  durch 
Gesicht  zu  deinen  Frommen."  Das  weicht  von  der  Meinung  des  R.  J*^hoschuaf  b.  Levi 
(um  250)  ab;  denn  dieser  hat  gesagt:  Die  Demut  ist  die  größte  von  ihnen  allen;  s. 
JesHl,  1:  „Der  Geist  des  Allherrn  Jahve  ruht  auf  mir,  weil  Jahve  mich  gesalbt  hat, 
frohe  Botschaft  zu  bringen  den  Demütigen."  Den  „Frommen"  heißt  es  nicht,  sondern 
den  „Demütigen" ;  da  lernst  du,  daß  die  Demut  die  größte  von  ihnen  allen  ist.  ||  Sota  5b: 
R.  J'^hoscliuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie  groß  vor  Gott  die  sind, 
die  gebeugten  Geistes  sind!  Wenn  zu  der  Zeit,  da  das  Heiligtum  bestand,  ein  Mensch 
ein  Ganzopfer  darbrachte,  so  war  der  Lohn  eines  Ganzopfers  in  seiner  Hand;  wenn 
ein  Speisopfer,  so  war  der  Lohn  eines  Speisopfers  in  seiner  Hand.  Aber  dem,  dessen 
Sinn  demütig  ist,  rechnet  es  die  Schrift  so  an,  als  ob  er  alle  Opfer  allzumal  dar- 
bringt; s.  Psöi,  19:  „Die  Schlachtopfer  Gottes  sind  ein  gebrochener  Geist",  u.  nicht 
bloß  dies,  sondern  auch  sein  Gebet  wird  nicht  verworfen,  wie  es  heißt  (das.):  »Ein 
gebrochenes  u.  zerschlagenes  Herz  wirst  du,  Gott,  nicht  verachten."  W  Einen  sinnigen 
Ausspruch  über  die  Demut  besitzen  wir  von  R.  Ji^chaq  b.  Elfazar  (IL,  um  340).  pSchab 
1,  3'',  15:  Er  habe  gesagt:  Was  die  Weisheit  zur  Krone* für  ihr  Haupt  gemacht  hat 
(nämlich  die  Gottesfurcht),  das  hat  die  Demut  zum  Endteil  (Ferse  =-•.)  ihrer  Sandale 
gemacht;  denn  es  heißt  Ps  111,  10:  „Das  Haupt  (so  der  Midrasch)  der  Weisheit  ist 
die  Furcht  Jahves"  u.  Spr  22,  4  heißt  es:  „Die  Ferse  (:->•  „Lohn"  gedeutet  =  a;;.;; 
„Ferse")  der  Demut  ist  die  Furcht  Jahves.  —  Parallelstellen:  TanchB  -rVyna  §  16 
(26b);  Midr  HL  1,  1  (80-'),  hier  R.  Matthena,  um  270,  als  Autor;  in  stark  abweichender 
Fassung  auch  Tanch  r'-vntz  1  b. 


Matth  5,  4  X95 

5,4:  Selig  sind,  die  da  Leid  tragen;  denn  sie  sollen 
getröstet  werden. 

Wie  die  erste  Seligpreisung  vermutlich  auf  Jes61,l  zurückgeht, 
so  die  zweite  auf  Jes  61,2:  („Er  hat  mich  gesandt)  alle  Trauernden  zu 
trösten"  D^ibas-bs  cn:?,  LXX:  naQaxaXsaai  ndiraq  rovg  nevd^ovvvaq. 
Unter  den  „Trauernden"  Mt  5, 4  hat  man  nach  dem  Zus.hang  die 
geistig  Armen  zu  verstehn,  die  ihre  Unzulänglichkeit  vor  Gott  erkannt 
haben  u.  über  diese,  nachdem  die  Nähe  des  Himmelreichs  verkündigt 
ist,  Bußtrauer  empfinden.  —  Der  Gedanke,  daß  das  Kommen  der 
messian.  Heilszeit  Bußschmerz  auf  selten  Israels  voraussetze,  war  auch 
der  alten  Synagoge  geläufig;  s.  die  Belege  bei  4, 17  S.  162  ff.;  ebenso 
geläufig  war  die  andre  Vorstellung  (wohl  auf  Grund  des  zweiten  Teils 
des  Jesaja),  daß  gegenüber  der  Not  u.  Trauer  der  Gegenwart  das 
messian.  Heil  als  Israels  Tröstung  anzusehn  sei;  s.  bei  Lk  2,  25.  Man 
wird  annehmen  dürfen,  daß  auch  der  Name  M^'nachem  =  Tröster,  den 
der  Messias  nach  einigen  Gelehrten  führen  wird  (s.  S.  66.  83),  mit  dieser 
Gedankenreihe  in  Verbindung  steht.  Neue  Anregung  erhielt  das  Trauern 
über  Israels  elende  Gegenwart  —  vgl.  schon  die  -ii'^j  "^b^x  Jes  61,3  — 
durch  die  Ereignisse  des  Jahres  70  n.  Chr.  Kleinere  Kreise  schlössen 
sich  zusammen,  ihrer  Trauer  über  Jerusalems  Fall  auch  äußerlich  in 
gewissen  asketischen  Bußübungen  Ausdruck  zu  geben.  R.  J'^hoschua? 
b,  Chananja  (um  90)  u.  R.  Jischmafel  (f  um  135)  waren  es,  die  diese  Be- 
strebungen auf  ein  annehmbares  Maß  zurückzuführen  versuchten.»  Vor 
allem  aber  kam  die  offizielle  Synagoge  diesen  Kreisen  damit  entgegen, 
daß  sie  den  2.  u.  den  5.  Wochentag,  die  bereits  vor  dem  Jahre  70  Fast- 
tage gewesen  waren, b  jetzt  zu  Fasttagen  wegen  der  Tempelzerstörung 
bestimmte  u.  den  9.  Ab,  den  Tag  der  Tempelzerstörung  selbst,  als 
nationalen  Trauertag  einführte,  c  Vereinzelt  hören  wir  auch  noch  später 
von  solchen,  die  um  Zion  trauerten. d  Die  in  P'^siqR  34  (158»•^  159"*) 
mehrmals  erwähnten  "ir::  i^axe  gehören  jedoch  erst  dem  9.  Jahrh.  an, 
s.  Dalman,  Der  leidende  u.  sterbende  Messias,  S.  53.  55.  Selbstverständ- 
lich haben  diese  um  Zion  Trauernden  u.  auf  den  Trost  Israels  War- 
tenden nichts  mit  den  Trauernden  gemein,  um  die  es  sich  Mt  5, 4 
handelt;  immerhin  sehen  wir  an  ihnen,  wie  eng  in  der  alten  Synagoge 
der  Trostgedanke  mit  der  messian.  Heilszeit  verbunden  gewesen  ist. 

a.  TSota  1.'),  11  ff.  (322):  Als  das  Heiligtum  zerstört  war,  mehrten  sich  die  Ent- 
haltsamen in  Israel  u.  aßen  kein  Fleisch  u.  tranken  keinen  Wein.  Es  befaßte  sich 
R.  J'^hoschuaf  (b.  Chananja)  mit  ihnen  ii.  sprach:  Meine  Kinder,  warum  esset  ihr  kein 
Fleisch?  Sie  sprachen:  Sollten  wir  Fleisch  essen,  da  das  Tamidopfer  täglich  auf  dem 
Altar  dargebracht  wurde,  u.  jetzt  hat  es  aufgehört  (ist  es  abgeschafft)?  Er  sprach: 
Warum  trinkt  ihr  keinen  Wein?  Sie  sprachen:  Sollten  wir  Wein  trinken,  von  dem 
auf  dem  Altar  gespendet  wurde,  u.  jetzt  hat  es  aufgehört?  Er  antwortete  ihnen:  Auch 
t'eigen  u.  Weintrauben  sollten  wir  nicht  essen,  denn  von  ihnen  brachte  man  Erstlinge 
dar  am  Wochenfest.  Brot  sollten  wir  nicht  essen,  denn  davon  brachte  man  die  beiden 
Brote,  Lv  23,  17,  u.  die  Schaubrote  dar.  Wasser  sollten  wir  nicht  trinken,  denn  davon 
brachte  man   eine  Spende   dar  am  Laubhüttenfest.    Da  schwiegen  sie.    Er  sprach  zu 

•13* 


196  Matth5,4 

ihnen:  Überhaupt  nicht  zu  trauern  ist  nicht  möglich,  da  ja  das  Verhängnis  (über  uns) 
bereits  beschlossen  ist;  aber  auch  über  die  Maßen  zu  trauern  ist  nicht  möglich;  viel- 
mehr haben  die  Gelehrten  so  gesagt:  Man  tüncht  sein  Haus  mit  Kalk  u.  läßt  ein  kleines 
Stück  (ungetüncht)  zurück  zur  Erinnerung  an  Jerusalem.  Man  bereitet  alles,  was  zu 
einem  Mahl  gehört,  u.  läßt  ein  weniges  (etwa  ein  Fischgericht  BB60l>)  zurück  zur 
Erinnerung  an  Jerusalem.  Eine  Frau  führt  alles,  was  zu  ihrem  Schmuck  dient  (wie 
Schminken  usw.),  aus  u.  läßt  ein  weniges  (etwa  das  Schminken  der  Schläfe  BB  60^) 
zurück  zur  Erinnerung  an  Jerusalem,  vgl.  Ps  187,  5f. :  „Wenn  ich  dein  vergesse, 
Jerusalem,  so  vergesse  meine  Rechte  (sich);  meine  Zunge  klebe  an  meinem  Gaumen, 
wenn  ich  deiner  nicht  gedenke,  wenn  ich  nicht  Jerusalem  zum  Gipfel  meiner  Freude 
erhebe."  Wer  über  Jer.  trauert,  der  ist  würdig,  ihre  Freude  zu  schauen,  vgl.  Jes  t>6,  10: 
„Freuet  euch  mit  Jerusalem  u.  frohlocket  über  sie,  alle,  die  ihr  sie  liebhabt!  Jubelt 
mit  ihr  in  Wonne,  alle,  die  ihr  um  sie  getrauert  habt!"  —  Dasselbe  als  Bar  mit  Ab- 
weichungen BB  60b;  Midr  Ps  137  §  6  (262b).  ||  BB  60b  Bar:  R.  Jischmafel  b.  Elischaf 
hat  gesagt:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heiligtum  zerstört  wurde,  wäre  es  recht,  daß  wir 
über  uns  selbst  verhängten,  kein  Fleisch  zu  essen  u.  keinen  Wein  zu  trinken;  aber 
man  verhängt  über  die  Gesamtheit  einen  Beschluß  nur  dann,  wenn  die  Mehrzahl  der 
Gesamtheit  dabei  bestehn  kann.  Seit  dem  Tage,  da  die  frevlerische  (d.  i.  die  römische) 
Herrschaft  sich  über  Israel  ausgedehnt  hat  u.  harte  Edikte  über  uns  erläßt  u.  uns  das 
Torastudium  u.  die  Ausübung  der  Gebote  vernichtet  (unmöglich  macht)  u.  uns  nicht 
zusammenkommen  läßt  zur  Beschneidung  eines  Sohnes  —  oder,  wie  andre  sagen,  zur 
Auslösung  eines  (erstgeborenen)  Sohnes  —  wäre  es  recht,  daß  wir  über  uns  selbst 
verhängten,  kein  Weib  mehr  zu  nehmen  u.  keine  Kinder  zu  erzeugen,  so  daß  infolge- 
dessen die  Nachkommenschaft  Abrahams  von  selbst  einginge.  Aber  laß  nur  die  Israe- 
liten; es  ist  besser,  daß  sie  irrtümlich,  als  vermessen  sündigen!  —  TSota  15,  10  (322) 
ist  diese  Ausführung  dem  Rabban  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  beigelegt. 

b.  Die  Fasttage  beim  Gemeindefasten  waren  nach  Tafan  1,  6;  2,  9  regelmäßig  der 
Montag  u.  der  Donnerstag,  s.  Exkurs  über  das  Fasten.  Vgl.  auch  „Lehre  der  zwölf 
Apostel"  8,  1  (ed.  Harnack):  Eure  Fasten  sollen  nicht  mit  den  Heuchlern  (=  Juden) 
sein;  denn  sie  fasten  am  2.  u.  am  5.  Wochentag.  Ihr  aber  sollt  am  4.  Tage  (=  Mitt- 
woch) u.  am  Rüsttag  (=  Freitag)  fasten. 

C.  M  g  Ta?an  13:  Auch  haben  unsre  Lehrer  bestimmt,  daß  man  am  2.  u.  am 
6.  Wochentage  wegen  dreier  Dinge  fasten  solle:  wegen  der  Zerstörung  des  Tempels 
u.  wegen  der  Tora,  die  verbrannt  wurde,  u.  wegen  der  Entheiligung  des  göttlichen 
Namens.  —  Sachlich  ist  dazu  201  stellen  Ta?an  4,  6:  Am  17.  Tammuz  (etwa  Juli)  .  .  . 
verbrannte  Apostomos  die  Tora  u.  stellte  man  ein  Götzenbild  im  Heiligtum  auf  ( =  „Ent- 
heiligung des  göttlichen  Namens"  in  der  Fastenrolle?).  Schlatter,  Die  Tage  Trajans 
u.  Hadrians  S.  24.  29  will  statt  „Apostomos"  lesen  „Apostatis"  u.  versteht  unter  dem 
„Apostaten"  den  R.  Elischaf  b.  Abuja  (um  120);  die  Aufstellung  des  Götzenbildes 
scheint  Schlatter  auf  die  Gründung  des  Zeustempels  in  Jerusalem  zu  beziehen.  —  Zum 
9.  Ab  s.  zB  Pes  4,  5:  An  einem  Ort,  wo  man  am  9.  Ab  zu  arbeiten  pflegt,  arbeitet  man; 
wo  man  nicht  zu  arbeiten  pflegt,  arbeitet  man  nicht;  überall  aber  feiern  die  Gelehrten. 
Rabban  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Alle  Menschen  sollen  sich  (in  diesem 
Stück)  wie  zu  Gelehrtenschülern  machen.  —  Dazu  Ta?an  3Ub:  R.  Schimfon  b.  Gamliel 
sagte:  Immer  soll  sich  ein  Mensch  wie  zu  einem  Gelehrtenschüler  machen,  damit  er 
(am  9.  Ab)  faste.  Eine  andre  Bar:  Rabban  Schimfon  b.  Gamliel  hat  gesagt:  Wer  am 
9.  Ab  ißt  u.  trinkt,  ist  wie  einer,  der  am  Versöhnungstage  ißt  u.  trinkt.  R.  f  Aqiba 
(t  um  135)  sagte:  Wer  am  9.  Ab  eine  Arbeit  verrichtet,  sieht  nie  ein  Zeichen  von 
Segen.  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Wer  am  9.  Ab  eine  Arbeit  verrichtet  u.  nicht  über 
Jerusalem  trauert,  der  sieht  (auch)  ihre  Freude  nicht;  vgl.  Jes  66,  10:  „Freuet  euch 
mit  Jerusalem  u.  frohlocket  über  sie,  alle,  die  ihr  sie  liebhabt!  Jubelt  mit  ihr  in  Wonne, 
alle,  die  ihr  um  sie  getrauert  habt!"  Von  hier  aus  hat  man  gesagt:  Wer  über  Jer. 
trauert,  der  ist  würdig,  ihre  Freude  zu  schauen;  wer  aber  nicht  über  Jer.  trauert,  der 
schaut  ihre  Freude  nicht.   Eine  Bar  lautet  ebenso:  Wer  am  9.  Ab  Fleisch  ißt  u.  Wein 


Matth  5,  4.  5  (Nr.  1)  197 

trinkt,   über  den  sagt  die  Schrift  Ez  32,  27:  „Ihre  Verschuldung  kommt  wegen  ihrer 
Knochen"  (=  wegen  ihres  Fleischgenusses,  so  der  Midrasch). 

d.  Gittin  57 »:  Abaje  (f  338/391  sagte  zu  Rab  Joseph  (f  333):  Da  diese  alle  (die 
Bewohner  des  Königsgebirges)  Gerechte  waren,  warum  sind  sie  denn  (im  hadrianischen 
Kriege)  bestraft  worden?  Er  antwortete  ihm:  Weil  man  nicht  über  Jerusalem  ge- 
trauert hatte;  denn  es  steht  geschrieben  Jes  66,  10:  Freuet  euch  mit  Jer.  usw.  ||  BQ  59-^: 
Elifezer  der  Jüngere  (gemeint  ist  R.  El?azar  b.  P'^dath,  um  270)  hatte  schwarze  Schuhe 
(als  Trauerabzeichen)  angelegt  u.  stand  auf  dem  Markt  von  N^hardefa.  Es  trafen  ihn 
Leute  des  Exilarchen  u.  sprachen  zu  ihm:  Was  ist  es  andres  um  diese  Schuhe  (welche 
Bewandtnis  hat  es  mit  ihnen)?  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  traure  um  Jerusalem!  Sie 
sprachen  zu  ihm:   Bist  du  denn  so  angesehen,   daß  du  um  Jer.  trauern  darfst?  .  .  . 

e.  P*'siqR  34  (158^))  werden  die  um  ^ion  Trauernden  geschildert  als  Leute,  die 
nach  der  Erlösung  (in  ihren  Gebeten)  Verlangen  tragen  abends,  morgens  u.  mittags.  — 
Das.  159^  sagt  Gott  von  ihnen:  Weil  sie  sich  mit  mir  grämen  wegen  meines  Hauses, 
das  zerstört  ist,  u.  wegen  meines  Tempels,  der  verwüstet  ist,  werde  ich  jetzt  für  sie 
Zeuge  sein,  vgl.  Jes  57,  15:  ,Bei  dem  Zerknirschten  u.  Demütigen" ;  lies  nicht  rs  „bei" 
dem  Zerknirschten,  sondern  -rs  „mit  mir"  soll  der  Zerknirschte  sein.  Das  sind  die 
um  ^ion  Trauernden,  die  ihren  Geist  erniedrigen  isich  selbst  demütigen)  u.  ihre  Be- 
schimpfung hören  u.  schweigen  u.  sich  selbst  darauf  nichts  zugute  tun. 

5,5:  Selig  sind  die  Sanftmütigen;  denn  sie  werden 
das  Land  besitzen. 

Die  dritte  Seligpreisung  schließt  sich  eng  an  Ps37, 11  an:  „Die 
Sanftmütigen  werden  das  Land  besitzen"  (ererben)  •jnx  fid-ii-;!  tiia?. 
Wörtlich  ebenso  der  Targum:  n>-in  i^nn";  '|i3r"i;r;  LXX:  ot  6^  nqasTq 
xhjQorofirjüovGi  yrv. 

1.  Das  Lob  der  Sanftmut  ertönt  nicht  selten  in  der  rabbin.  Lite- 
ratur; doch  hat  man  zu  beachten,  daß  n;;;;?,  riiiri:^'  nicht  nur  „Sanft- 
mut", sondern  zugleich  auch  „Demut"  u.  „Bescheidenheit"  bedeutet, 
Gegensatz  zu  "ri??,  ';>,  x:'j;;j  ist  daher  nicht  bloß  der  ^-i^id  (i^sip), 
der  „Aufbrausende",  sondern  auch  der  nn  os,  der  „Hochmütige", 
„Stolze". 

N'^d38'^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gott  läßt  seine  Sch%hina  (Gnaden- 
gegenwart) nur  auf  einem  Starken,  einem  Reichen,  einem  Weisen  u.  einem  Sanft- 
mütigen t:>'  ruhn,  u.  das  alles  (lernt  man)  von  Mose.  Er  war  stark,  s.  Ex  40,  19; 
Dt  9,  17;  er  war  reich,  s.  Ex  34,  1  (die  aus  Saphir  gehauenen  u.  zerbrochenen  Gesetzes- 
tafeln fieleo  ihm  zu,  daher  sein  Reichtum);  er  war  weise,  s.  Ps  8,  6;  er  war  sanft- 
mütig, s.  Nu  12,  3:  „Der  Mann  Mose  war  sehr  sanftmütig  "3:-,  mehr  als  alle  andren 
Menschen."  ||  Aboth  RNathan  7 :  Lehre  deine  Hausgenossen  Sanftmut  n-jv:  wenn  ein 
Mensch  sanftmütig  ',r-^zy  ist  u.  seine  Hausgenossen  sanftmütig  sind,  u.  es  kommt  ein 
Armer  u.  steht  an  der  Tür  des  Hausherrn  u.  spricht  zu  ihnen:  Ist  euer  Vater  hier? 
u.  man  antwortet  ihm:  Ja!  komm  u.  tritt  ein,  —  dann  ist  der  Tisch  zugerüstet,  noch  ehe 
er  eintritt,  u.  er  tritt  ein  u  ißt  u.  trinkt  u.  preist  den  göttlichen  Namen.  Das  gereicht 
dem  Hausherrn  zu  großer  Befriedigung.  Wenn  aber  ein  Mensch  nicht'  sanftmütig  ist 
u.  seine  Hausgenossen  aufbrausend  "i~tp  sind,  u.  es  kommt  ein  Armer  u.  steht  an 
seiner  Tür  u.  spricht  zu  ihnen:  Ist  euer  Vater  hier?  dann  antwortet  man  ihm:  Nein! 
u.  fährt  ihn  an  u.  wirft  ihfi  hinaus  mit  Anschreien.  Eine  andre  Erklärung.  Lehre  deine 
Hausgenossen  Sanftmut.  Wie  denn?  Wenn  ein  Mensch  sanftmütig  ist  u.  seine  Haus- 
genossen sanftmütig  sind,  u.  er  verreist  in  eine  ferne  Gegend  u.  sagt  (sagen  kann): 

*  So  -nicht"  richtig  Schechter. 


198  Matth  5,  5  (Nr.  1) 

,Ich  danke  dir,  Jahve  mein  Gott,  daß  mein  Weib  keinen  Streit  mit  den  andren  an- 
fängt", dann  ist  sein  Herz  ohne  Furcht  in  ihm  u.  sein  Gemüt  beruhigt  bis  zu  der 
Stunde,  da  er  zurückkehrt.  Wenn  aber  ein  Mensch  nicht  sanftmütig  ist  u.  seine  Haus- 
genossen aufbrausend  sind  u.  er  reist  in  eine  ferne  Gegend  u.  sagt  (sagen  muß):  Es 
sei  wohlgefällig  vor  dir,  Jahve  mein  Gott,  daß  mein  Weib  keinen  Streit  mit  den  andren 
anfängt  u.  daß  meine  (Text:  seine)  Kinder  keinen  Streit  anfangen,  —  dann  ist  sein 
Herz  voller  Furcht  in  ihm  u.  sein  Gemüt  hat  keine  Ruhe,  bis  er  zurückkehrt.  |l  Derekh 
Ere^Ö:  Drei  Dinge  sind  einander  gleichwertig:  Weisheit,  (Gottes-)Furcht  u.  Sanftmut 
ni:j".  II  Derekh  Ere^Zutaö:  Liehe  die  Sanftmut  ^-ji-,  damit  sie  deine  Hände  fülle.; 
B^'rakh  IT'*:  Ein  Gewohnheitsspruch  im  Munde  des  Abaje  (f  33S/;>y):  Immer  sei  der 
Mensch  klug  in  (Gottes-)Furcht.  ,Eine  sanfte  (linde  ~^)  Antwort  stillt  den  Groll" 
Spr  15,  1,  u.  er  mehrt  (dadurch)  den  Frieden  mit  seinen  Brüdern  u.  mit  seinen  Ver- 
wandten u.  mit  jedermann,  selbst  mit  den  Fremden  (Nichtisraeliten)  auf  der  Straße, 
damit  er  beliebt  sei  oben  (bei  Gott)  u.  angenehm  unten  (bei  den  Menschen)  u.  wohl- 
gelitten bei  den  Menschen.  Man  hat  von  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  ge- 
sagt, daß  ihm  kein  Mensch  jemals  mit  dem  Friedensgruß  zuvorgekommen  sei,  selbst 
nicht  ein  Fremder  auf  der  Straße. 

Besonders  war  es  Hillel  der  Alte  (um  20  v.  Chr.),  dessen  Sanftmut  in  mancherlei 
Erzählungen  gefeiert  wurde.  Schab  30*^  Bar:  Immer  sei  der  Mensch  sanftmütig  "ii:y. 
wie  Hillel,  u.  nicht  sei  er  aufbrausend  "tp  wie  Schammai  (um  30  v.  Chr.).  Einmal 
hatten  zwei  Männer  miteinander  gewettet  u.  gesagt:  Wer  hingeht  u.  Hillel  ärgerlich 
macht,  der  erhält  400  Zuz.  Da  sagte  einer  von  ihnen:  Ich  will  ihn  ärgerlich  machen. 
Jener  Tag  war  gerade  der  Rüsttag  auf  Sabbat,  u.  Hillel  war  mit  dem  Waschen  seines 
Kopfes  beschäftigt.  Jener  Mann  ging  u.  stellte  sich  an  die  Tür  von  Hillels  Haus  u. 
rief:  Ist  Hillel  hier?  Ist  Hillel  hier?  Dieser  hüllte  sich  ein  u.  ging  hinaus  ihm  ent- 
gegen. Er  sprach  zu  ihm:  Mein  Sohn,  was  begehrst  du?  Er  antwortete:  Ich  habe  dir 
eine  Frage  vorzulegen.  Frage,  mein  Sohn,  sprach  H.  Jener  fragte:  Woher  kommt  es, 
daß  die  Köpfe  der  Babylonier  rund  sind?  H.  antwortete:  Mein  Sohn,  du  hast  eine 
große  Frage  getan:  weil  sie  keine  geschickten  Hebeammen  haben.  Der  Mann  ent- 
fernte sich.  Als  er  eine  Stunde  gewartet  hatte,  ging  er  abermals  hin  u.  rief:  Ist  Hillel 
hier?  Ist  Hillel  hier?  H.  hüllte  sich  ein  u.  ging  hinaus  ihm  entgegen.  Er  sprach  zu 
ihm:  Mein  Sohn,  was  begehrst  du?  Er  antwortete:  Ich  habe  dir  eine  Frage  vorzulegen. 
Frage,  mein  Sohn,  sprach  H.  Jener  fragte:  Woher  kommt  es,  daß  die  Augen  der 
Tadmorenser  (Einwohner  von  Falmyra)  zwinkernd  sind?  H.  antwortete:  Mein  Sohn, 
eine  große  Frage  hast  du  getan:  weil  sie  in  sandigen  Gegenden  wohnen  (u.  so  mit 
dem  Zwinkern  die  Augen  gegen  den  Sandstaub  in  der  Luft  schützen).  Der  Mann  ent- 
fernte sich  usw.,  wie  oben,  bis  die  dritte  Frage  vorgelegt  wird:  Woher  kommt  es,  daß 
die  Füße  der  Afrikaner  breit  sind?  H.  antwortete:  Mein  Sohn,  eine  große  Frage  hast 
du  getan:  weil  sie  in  Sumpfgegenden  wohnen  (u.  so  durch  die  breiten  Füße  gegen 
das  Einsinken  be.sser  geschützt  sind).  Da  sprach  der  Mann  zu  ihm:  Noch  viele  Fragen 
habe  ich  dir  vorzulegen;  aber  ich  fürchte,  du  möchtest  böse  werden.  H.  hüllte  sich 
ein  u.  setzte  sich  vor  ihm  nieder.  Alle  Fragen,  die  du  noch  zu  tun  hast,  tu  getrost! 
Der  Mann  sprach:  Bist  du  Hillel,  den  man  den  Nasi  (Fürsten)  von  Israel  nennt?  H. 
sprach  zu  ihm:  Ja!  Darauf  jener:  Wenn  du  der  bist,  so  möge  es  nicht  viele  deines- 
gleichen in  Israel  geben.  Warum,  mein  Sohn?  fragte  H.  Weil  ich  deinetwegen  400  Zuz 
verloren  habe.  H.  sprach  zu  ihm:  Sei  vorsichtig  in  deinem  Sinn;  Hillel  bekommt  es 
fertig,  daß  du  noch  einmal  400  Zuz  verlierst,  ohne  daß  sich  Hillel  ärgerlich  machen 
läßt.  II  Derekh  Eret;  5  (in  andren  Ausgaben  (i):  Nicht  sei  der  Mensch  aufbrausend  '-zp 
während  seines  Mahles.  Es  geschah,  daß  Hillel  der  Alte  einem  Menschen  ein  Mahl 
bereitete.  Es  kam  ein  Armer,  stand  an  seiner  Tür  u.  sprach:  Ich  muß  heute  ein  Weib 
heimführen  u.  habe  keinen  Lebensunterhalt.  Da  nahm  Hilleis  Gattin  das  ganze  Mahl 
u.  gab  es  ihm.  Darauf  knetete  sie  andren  Teig  u.  kochte  ein  Pfannengericht.  Dann 
kam  sie  u.  setzte  es  ihnen  vor.  Hillel  sprach  zu  ihr:  Meine  Tochter,  warum  hast  du 
uns  nicht  (so  ist  zu  lesen)  sofort  gebracht?   Sie  erzählte  ihm  alles  Vorgefallene.   Er 


Matth  5,  5  (Nr.  1 .  2)  I99 

sprach  zu  ihr:  Meine  Tochter,  auch  ich  beurteile  dich  nicht  nach  der  Wagschale  der 
Schuld,  sondern  nach  der  Wagschale  des  Verdienstes;  denn  alles,  was  du  getan  hast, 
hast  du  nur  um  Gottes  willen  getan!  ||  Schab  31''  berichtet  eine  Bar  von  drei  Heiden, 
deren  Begehren  Proselyten  zu  werden  Scbammai  wegen  der  daran  geknüpften  Be- 
dingungen schroff  abweist;  sie  kommen  dann  zu  Hillel,  der  sie  von  der  Verkehrtheit 
ihrer  Bedingungen  überzeugt  u.  für  das  Judentum  gewinnt.  Zum  Schluß  heißt  es:  Da 
kam  der  dritte  vor  Hillel  u.  sprach:  Du  sanftmütiger  in-r-y  Hillel,  mögen  Segnungen 
auf  deinem  Haupte  ruhen!  denn  du  hast  mich  unter  die  Flügel  der  Sch^khina  (Gott- 
heit) gebracht.  Nach  einiger  Zeit  d-'o-';  trafen  sich  die  drei  an  einem  Ort.  Sie  sprachen : 
Das  Aufbrausen  ri:-TEp  Schammais  wollte  uns  aus  der  Welt  stoßen,  die  Sanftmut 
nsrvjy  Hilleis  hat  uns  unter  die  Flügel  der  Sch^khina  gebracht.  ||  Sota48fe:  Als  Hillel 
der  Alte  starb,  erhob  man  um  ihn  die  Trauerklage:  Wehe,  ob  des  Frommen,  wehe, 
ob  des  Sanftmütigen  i":v,  des  Schülers  Esras!  —  Seitdem  wurde  es  üblich,  die  Sanft- 
mütigen unter  den  Gelehrten  als  Schüler  Hillels  zu  bezeichnen.  Sota  48b:  Als  Sch^'muel 
der  Kleine  (um  100)  gestorben  war,  erhob  man  um  ihn  die  Totenklage:  Wehe,  ob  des 
Sanftmütigen  tjv,  wehe,  ob  des  Frommen,  des  Schülers  Hilleis!  . .  .  Auch  um  R.  J^'huda 
b.  Baba  (getötet  um  1)^5)  wollte  man  sagen:  Wehe,  ob  des  Frommen,  wehe,  ob  des 
Sanftmütigen  vjy,  aber  die  Stunde  (Zeit)  war  verwirrt  (durch  die  Wirren  der  hadria- 
nischen  Verfolgung);  denn  man  erhebt  keine  Totenklage  wegen  der  von  der  Regierung 
Getöteten.  Dasselbe  Sanh  II ^.  —  Als  Sanftmütige  (Demütige,  Bescheidene)  werden 
gefeiert  auch:  Rabban  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  BM  84l>;  85^;  Sanh  11'*  ver- 
glichen mit  llt>  Anfang;  Rabbi  Sota  9,  15;  Sota  49b;  Horaj  li'';  R.  Ghanina  (um  225) 
Nidda  20b;  R.  Abbahu  (um  0OO)  Sota  40»;  Rabbah  b.  Huna  (t  322)  MQ  28''';  Rah  Joseph 
<t  :333)  Sota  49  b. 

2.  Ps37, 11  wird  in  der  rabbin.  Literatur  selten  zitiert:  uns  sind 
drei  Stellen  begegnet, 

SNu  6,  26  §  42  (IS"):  Groß  ist  der  Friede;  denn  er  ist  den  Sanftmütigen  gegeben, 
s.  Ps  37,  1 1  ,Die  Sanftmütigen  werden  das  Land  besitzen  u.  ihre  Lust  haben  an  Friedens- 
fülle.*  II  Derekh  Ere9  Zuta(Pereq  ha-schalom  21  bj:  Wer  den  Frieden  liebt  u.  dem  Frieden 
nachjagt  u.  mit  dem  Friedensgruß  zuvorkommt  u.  den  Friedensgruß  erwidert,  den  läßt 
Gott  das  Leben  dieser  u.  der  zukünftigen  Welt  (nach  der  Auferstehung  der  Toten)  er- 
erben, s,  Ps37,  11:  „Und  die  Sanftmütigen  werden  das  Land  besitzen  u.  ihre  Lust  haben 
an  Friedensfülle. "  ||  Sukka29b  Rah  (t247)  hat  gesagt:  Wegen  vier  Dinge  gehen  die 
Güter  der  Besitzenden  (wörtlich:  der  Hausbesitzer,  Hausherren)  an  den  Staatsschatz 
über  (nämlich  durch  Konfiskation):  wegen  solcher,  die  den  Lohn  des  Tagelöhners 
zurückhalten  (nicht  am  Tagesschluß  auszahlen):  wegen  solcher,  die  den  Tagelöhner 
um  seinen  Lohn  bringen;  wegen  solcher,  die  ein  Joch  (eine  Last)  von  ihrem  Halse 
abwerfen  u.  es  auf  ihre  Genossen  (^  auf  andre)  legen,  u.  wegen  Hochmuts  ms; 
m-n,  u.  der  Hochmut  wiegt  sie  alle  auf.  Aber  von  den  Sanftmütigen  steht  geschrieben 
Ps  37,  11:  „Und  die  Sanftmütigen  werden  das  Land  besitzen  u.  ihre  Lust  haben  an 
Friedensfülle. " 

Von  diesen  Stellen  ist  die  zweite  sicher  eschatologisch  gemeint; 
die  beiden  andren  ebenso  aufzufassen  empfiehlt  sich  schon  aus  dem 
Orunde,  weil  auch  in  sonstigen  Stellen,  in  denen  vom  Besitz  des  Landes 
oder  der  Welt  die  Rede  ist,  diese  Besitznahme  regelmäßig  in  den 
Tagen  des  Messias  oder  in  der  zukünftigen  Welt  (nach  der  Auferstehung 
der  Toten)  erwartet  wird. 

Henoch  5,  7:  Den  Auserwählten  wird  Licht,  Freude  u.  Friede  zuteil  werden,  u.  sie 
werden  das  Land  erben  (in  Besitz  nehmen,  zur  Zeit  der  Heilsvollendung).  ||  Jubil  32,  18 f. 
wird  Gn  28,  IHf.  in  folgender  Weise  umschrieben:  Ich  bin  der  Gott,  der  Himmel  u. 
Erde   geschaffen  hat;   ich  werde  dich  gar  sehr  groß  u.  zahlreich  machen,   u.  Könige 


200  Matth  5,  5  (Nr.  2) 

werden  aus  dir  hervorgehen,  u.  sie  werden  herrschen  überall,  wohin  der  Fuß  der 
Menschenkinder  getreten  ist.  Und  ich  werde  deinem  Samen  die  ganze  Erde,  die  unter 
dem  Himmel  ist,  geben,  u.  sie  werden  über  alle  Völker  herrschen,  wie  sie  wollen,  u. 
darnach  werden  sie  die  ganze  Erde  besitzen  u.  sie  erben  in  Ewigkeit.  —  Die  Er- 
füllungszeit ist  die  Zeit  der  Heilsvollendung.  Zu  dieser  Stelle  vgl.  GnR  1 1  (8'):  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  löO)  gesagt:  Abraham,  von  dem 
keine  Beobachtung  des  Sabbats  geschrieben  steht,  hat  die  Welt  D'-:iyn  nach  einem  be- 
stimmten Maß  als  Besitztum  erhalten;  s.  Gn  l:^,  17:  „Auf,  zieh  im  Lande  umher  nach 
seiner  Länge  u.  Breite  (hierin  liegt  die  Maßbestimmung);  denn  ich  will  es  dir  geben." 
Aber  Jakob,  von  dem  die  Beobachtung  des  Sabbats  geschrieben  steht,  s.  Gn  33,  18: 
,Er  lagerte  vor  der  Stadt"  —  mit  der  Abenddämmerung  (eines  Freitags)  zog  er  ein 
u.  setzte  die  Sabbatgrenzen  fest,  während  es  noch  Tag  war  —  hat  die  Welt  ohne  Maß 
als  Besitztum  erhalten;  s.  Gn  28,  14:  ,Du  wirst  dich  ausbreiten  nach  Westen  u.  Osten 
u.  Norden  u.  Süden."  —  Dasselbe  P^siqR  2:5  (120b),  nur  daß  hier  statt  „Weit"  ns 
=  Erde  gesagt  ist;  in  andrer  Fassung  Schab  118-''.  —  Die  Erfüllung  der  Jakob  ge- 
gebenen Verheißung  erwartete  man  natürlich  erst  in  den  Tagen  des  Messias.  ||  Sanh 
10,  1:  Ganz  Israel  hat  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  (die  mit  der  Auferstehung  der 
Toten  beginnt);  s.  Jes  60,  21:  „Und  dein  Volk,  die  sind  allesamt  Gerechte;  für  immer 
werden  sie  das  Land  (die  Erde)  besitzen."  —  Hier  ist  der  Besitz  des  Landes  oder  der 
Erde  an  den  Eintritt  der  zukünftigen  Welt  geknüpft.  |l  Qid  1,  10:  Wer  Ein  Gebot  er- 
füllt (über  die  Zahl  seiner  Übertretungen  hinaus,  so  daß  seine  Verdienste  in  der  Mehr- 
zahl sind  gegenüber  seinen  Verschuldungen),  dem  tut  man  (=  Gott)  wohl  u.  dem  ver- 
längert man  seine  Lebenstage  (in  dieser  Welt,  Raschi),  u.  er  nimmt  das  Land  (die  Erde) 
in  Besitz  (in  der  zukünftigen  Welt  nach  der  Auferstehung  der  Toten);  wer  aber  nicht 
Ein  Gebot  erfüllt,  dem  tut  man  nicht  wohl  u.  dem  verlängert  man  seine  Lebenstage 
nicht  u.  der  nimmt  das  Land  nicht  in  Besitz.  —  Maimonides  bemerkt  zu  „Land": 
San  c'ivn  h"->  a-'rtn  7-s  „das  Land  der  Lebenden,  d.  h.  die  zukünftige  Welt".  ,Das 
Land  der  Lebenden"  ist  das  Land  der  Wiederbelebten  oder  der  Auferstandenen;  dieses 
nennt  er,  da  die  Auferstehung  den  Beginn  der  zukünftigen  Welt  bedeutet,  dann  kurz- 
weg san  DbiiT!.  —  Raschi  sagt  zu  den  Worten:  „Er  nimmt  das  Land  in  Besitz" :  "rr 
san  dVm-h  , das  Leben  der  zukünftigen  Welt".  Das  kann  erstens  bedeuten:  Das  selige 
Leben  der  jenseitigen,  himmlischen  Welt  (während  des  Zwischenzustandes);  zweitens: 
Das  Leben,  das  bei  Anbruch  der  endgeschichtlichen  zukünftigen  *Velt  durch  die  Auf- 
erstehung erlangt  wird  u.  dessen  Schauplatz  die  Erde  ist.  Da  es  sich  um  die  Erklärung 
des  Ausdrucks  v"'^  handelt,  wird  Raschi  seine  Worte  im  letzteren  Sinn  gemeint  haben. 
Die  Annahme,  „das  Land  in  Besitz  nehmen"  sei  soviel  wie  „die  himmlische  Seligkeit 
erlangen",  läßt  sich  aus  der  älteren  rabbin.  Literatur  jedenfalls  nicht  begründen.  — 
Ausführlicher  als  Qid  1,  10  ist  die  Parallelstelle  TQid  1,  13  (836).  ||  LvR  36  (133»):  Wie 
der  Weinstock  der  niedrigste  ist  unter  allen  Fruchtbäumen  u.  doch  alle  Bäume  (durch 
Überrankung)  in  seine  Gewalt  bringt,  so  erscheint  Israel  wie  niedrig  in  dieser  Welt, 
aber  in  der  Zukunft  ( =  in  den  Tagen  des  Messias)  werden  sie  die  Welt  in  Besitz 
nehmen  von  einem  Ende  bis  zum  andren.  ||  Tanch  -'v  ^-n  31*^:  Gott  sprach:  In  dieser 
Welt  erzeugen  die  Gerechten  Gute  u.  Böse;  aber  in  der  zukünftigen  AVeit  „werden  sie 
allesamt  Gerechte  sein,  für  immer  werden  sie  das  Land  (die  Erde)  besitzen,  ein  Sproß 
meiner  Pflanzungen"  (Jes  60,  21),  u.  weiter  heißt  es  (das.  Vers  22):  „Der  Kleinste  wird 
zu  Tausenden  werden  u.  der  Winzigste  zum  starken  Volk.  Ich  Jahve  will's  zu  seiner 
Zeit  beschleunigen."    Und  so  sei  es  (Gottes)  Wille,  Amen! 

Es  liegt  kein  Grund  vor,  die  Worte  der  3.  Seligpreisung:  „Sie 
werden  das  Land  (die  Erde)  besitzen"  anders  als  wörtlich  zu  verstehn, 
nur  daß  diese  Besitzergreifung  dem  Wesen  des  Himmelreichs  ent- 
sprechend sich  schon  in  diesem  Äon  allmählich  vollzieht  in  der  Über- 
windung der  Welt  durch  das  Evangelium. 


Matth  5,  6  201 

5,6:  Selig  sind,  die  da  hungert  u.  dürstet  nach 
der  Gerechtigkeit;  denn  sie  sollen  satt  werden. 
Die  vierte  Seligpreisung  handelt  von  solchen,  welche  wissen,  daß 
sie  aus  eigner  Kraft  keine  Gerechtigkeit  aufzubringen  vermögen,  die 
vor  Gott  gilt,  u.  doch  nach  dieser  G.  Verlangen  tragen,  Ihnen  wird 
Befriedigung  ihres  Verlangens  zugesagt.  —  Die  alte  Synagoge  weiß 
nichts  von  der  Unfähigkeit  des  Menschen,  sich  aus  eigner  Kraft  eine 
vollgültige  G.  vor  Gott  zu  erwerben.  Im  Gegenteil,  ihr  soteriologisches 
System  ruht  ganz  auf  der  Anschauung,  daß  der  Mensch  durch  keine 
Gemeinsünde  u.  keine  Gemeinschuld  infolge  Adams  Fall  erblich  be- 
lastet sei,  vielmehr  die  volle  sittliche  Freiheit  besitze,  sich  für  das 
Gute  zu  entscheiden  u.  den  göttlichen  Geboten  nachzuleben  u.  So  die 
Gerechtigkeit  zu  erlangen,  die  vor  Gottes  Richterstuhl  besteht.  Bei  so 
grundverschiedenen  Anschauungen  des  Christentums  u.  des  Judentums 
über  die  sittliche  Anlage  des  Menschen  ist  es  ein  vergebliches  Be- 
mühen, innerhalb  der  rabbin.  Literatur  nach  Parallelen  zur  vierten 
Seligpreisung  zu  suchen.  Tal  S.  36  meint  zwar,  daß  eine  Fülle  solcher 
Stellen  zur  Verfügung  stehe;  aber  die  er  beibringt, ^  handeln  sämtlich 
von  Gerechten,  die  sich  ihre  Gerechtigkeit  durch  Erfüllung  der  Gebote 
■  selbst  erworben  haben  u.  bemüht  sind,  ihre  G.  vor  Gott  zu  mehren, 
um  desto  größeren  Lohn  zu  empfangen.  Diese  Gerechten  haben  mit 
den  nach  der  Gerechtigkeit  Hungernden  Mt  5,  6  nichts  gemein.  — 
Andre  (s.  Menschen  S.  49)  finden  eine  Parallele  zu  Mt  5,  6  in  Sanh  100*: 
R.  Tanchum  b.  Chanilai  (um  280)  hat  gesagt:  Wer  sich  um  der  Worte 
der  Tora  willen  Hunger  auferlegt  in  dieser  Welt,  den  wird  Gott  sättigen 
in  der  zukünftigen  Welt,  s.  Ps36,  9:  „Sie  laben  sich  an  dem  reichen 
Mahle  deines  Hauses,  u.  mit  dem  Strome  deiner  Wonnen  tränkst  du 
sie."  —  Allein  hier  ist  nicht  von  einem  geistlichen  Hungern  nach  der 
Tora  die  Rede,  sondern  von  einem  leiblichen  Hunger,  den  man  willig 
auf  sich  nimmt,  um  dem  Torastudium  sich  widmen  zu  können.  Die 
Stelle  gehört  in  die  Reihe  der  bei  Mt  5,  3  Nr.  3  S.  192  f.  beigebrachten. 

Sachliche  Ähnlichkeit  mit  Mt  5,  6  hat  Spr21,21:  „Wer  der  Ge- 
rechtigkeit (gegen  Menschen)  u.  der  Liebe  nachjagt,  wird  Leben,  Ge- 
rechtigkeit (als  Habitus)  u.  Ehre  erlangen."  Aber  hier  handelt  es  sich 
um  gerechtes  Verhalten  gegen  die  Menschen.  Die  rabbin.  Gelehrten 
haben  unter  der  Gerechtigkeit  Spr  21,  21  der  späteren  Bedeutung  von 
npi::  entsprechend  meist  die  Wohltätigkeit  verstanden. 

BB  9^:  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Was  bedeutet  Spr  21,  21:  , Wer  der  Ge- 
rechtigkeit nachjagt,  wird  .  . .  G.  erlangen"?  Darum,  daß  er  der  Wohltätigkeit  nachjagt, 
soll  er  Wohltätigkeit  erfahren  (selbst  der  Wohltätigkeit  anheimfallen)?  Vielmehr  will 
es  dir  sagen:  Wer  der  Wohltätigkeit  nachjagt,  den  läßt  Gott  die  Gelder  erlangen,  daß 
er  mit  ihnen  Wohltätigkeit  üben  kann.   Rab  Nachman  b.  Ji^chaq  (f  350)  hat  gesagt: 

1  Tal  zitiert  Hör  10^,  8-15;  Qid  39^  3-6;  40»,  16f.  20—24.  27-29;  Schab  152'', 
11— 23;  153^17— 25. 


202  Matth  5, 6 

Gott  läßt  ihn  Menschen  finden,  die  würdig  sind,  daß  er  an  ihnen  Wohltätigkeit  übe, 
damit  er  ihretwegen  seinen  Lohn  empfange.  Vgl.  auch  das.  den  Ausspruch  des  R.  J®- 
hoschuaf  b.  Levi,  um  2ö0.  h  GnR  58  {'•^'i^}:  „Wer  der  Gerechtigkeit  nachjagt  u.  der  Liebe, 
der  wird  Leben,  Gerechtigkeit  u.  Ehre  erlangen"  Spr2I,2L  „Wer  der  G.  nachjagt", 
das  bezieht  sich  auf  Abraham  s.  Gn  18,  19:  „Sie  werden  den  Weg  (die  Art)  Jahves 
beobachten,  Wohltätigkeit  zu  üben"  (so  der  Midr);  „u.  der  Liebe",  denn  er  hat  Sara 
Liebe  erwiesen;  „der  wird  Leben  erlangen"  s.  Gn^-"),  7:  „Die  Lebensjahre  Abrahams 
waren  175  Jahre";  „Gerechtigkeit  u.  Ehre":  R.  Sch^muel  b.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt: 
Gott  sprach  zu  Abraham:  Ich  bin,  was  mein  Handwerk  betrifft,  einer  der  Liebestaten 
erweist;  du  hast  mein  Handwerk  ergriffen,  komm  u.  kleide  dich  in  mein  Gewand,  s. 
Gn  24, 1 :  „Abraham  war  alt,  kam  in  die  Tage"  (Anspielung  auf  Dn  7,  9j. 

Erst  wenn  man  Mt  5,  6  den  allgemeinen  Gedanken  entnimmt,  daß 
Gott  dem  entgegenkomme,  der  um  die  Erfüllung  seiner  Gebote  sich 
müht,  bietet  die  rabbin.  Literatur  Parallelen  dazu. 

M-^khExlö,  26  (5:^.b):  „Hörend  wirst  du  hören"  (Ex  15, 26).  Auf  Grund  dieser 
Stelle  hat  man  gesagt:  Hört  ein  Mensch  Ein  Gebot,  so  läßt  man  (Gott)  ihn  viele  Ge- 
bote hören,  wie  es  heißt:  „Hörend  wirst  du  hören."  Vergißt  der  Mensch  Ein  Gebot, 
so  läßt  man  ihn  viele  Gebote  vergessen,  s.  Dt  s,  19:  „Vergessend  wirst  du  vergessen." 
.  .  .  Das  sind  Worte  des  R.  J'^hoschuaf  (um  90).  —  Schim?on  b.  pAzzai  (um  1 10)  sagte: 
Es  heißt  Ex  15,  26:  „Hörend",  was  will  die  Schrift  sagen  mit:  „wirst  du  hören"?  Will 
ein  Mensch  hören,  so  läßt  man  ihn  hinterher  (weiter)  hören;  will  er  vergessen,  so  läßt 
man  ihn  hinterher  vergessen.  Und  was  will  die  Schrift  sagen  mit:  „hörend  wirst  du 
hören,  vergessend  wirst  du  vergessen"?  Wie  das?  Will  er  sofort  hören,  läßt  man  ihn 
sofort  hören;  will  er  vergessen,  so  läßt  man  ihn  sofort  vergessen.  Derselbe  pflegte  zu 
sagen:  Wollte  ein  Mensch  aus  freien  Stücken  hören,  so  läßt  man  ihn  (auch)  wider 
seinen  Willen  hören;  wollte  er  aus  freien  Stücken  vergessen,  so  läßt  man  ihn  (auch) 
wider  seinen  Willen  vergessen.  Die  Freiheit  ist  gegeben:  wie  Gott  der  Spötter  spottet, 
so  gibt  er  den  Demütigen  Gnade  Spr.S,  34.  Parallelstellen:  M''kh  Ex  19,5  (70b);  SDt 
11,22  §48  (-4^);  12,28  §79  (91*);  TanchB  n'--i-2  §  19  (33«);  B^'rakh  40=^;  Sukka  461). 
Vgl.  auch  Aboth  4,  2:  Ben  gAzzai  sagte:  Eile,  ein  leichtes  Gebot  zu  erfüllen,  u.  fliehe 
vor  einer  Übertretung;  denn  eine  Gebotserfüllung  zieht  eine  andre  nach  sich,  u.  eine 
Übertretung  zieht  eine  andre  nach  sich;  denn  der  Lohn  einer  Gebotserfüllung  ist  eine 
Gebotserfüllung  u.  der  Lohn  einer  Übertretung  ist  eine  Übeiiretung.  ||  Schab  104*^:  Rescli 
Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt  Spr3,  34:  „Wie  Gott  der  Spötter  spottet,  so 
gibt  er  den  Demütigen  Gnade"?  Wer  sich  verunreinigen  will,  dem  tut  man  (Gott)  die 
Türen  auf  (gibt  ihm  Gelegenheit  dazu);  wer  sich  reinigen  will,  dem  steht  man  bei. 
Dasselbe  Joma  38b;  gAZ55";  M^'n  29b.  ||  Mak  lOb;  Rabbah  bar  Rab  Huna  (f  322)  hat 
gesagt,  Rab  Huna  (f  297)  habe  gesagt  —  nach  andren  hat  R.  Huna  gesagt,  R.  El?azar  (um 
270)  habe  gesagt:  Aus  der  Tora,  den  Propheten  u.  den  Hagiographen  läßt  sich  beweisen, 
daß  man  (Gott)  einen  Menschen  auf  den  Weg  leitet,  den  er  gehn  will,'  s.  Nu  22,  12.  20; 
Jes48, 17;  Spr3,  34.  Außerdem  s.  die  breite,  die  gleichen  Gedanken  vertretende  Aus- 
führung des  R  Levi  (um  3ü0)  in  GnR  67  (42«^);  Tanch  r^-h^r  34»;  TanchB  n-'^-r  §  21  (70b). 

Zu  dem  bildlichen  Ausdruck  „nach  etwas  hungern  u.  dürsten"  vgl.  Amos  8, 11.  — 
Schab  138b  Bar:  Als  unsre  Lehrer  im  Weinberg  von  Jahne  (Bezeichnung  der  dortigen 
Akademie)  versammelt  waren,  sagten  sie:  Dereinst  wird  die  Tora  von  Israel  vergessen 
werden,  s.  Amos  S,  11  f.:  „Siehe,  Tage  kommen,  ist  des  Allherrn  Jahve  Spruch,  da  ent- 
sende ich  einen  Hunger  über  das  Land,  nicht  einen  Hunger  nach  Brot  noch  einen 
Durst  nach  Wasser,  sondern  zu  hören  Worte  Jahves.  Und  sie  werden  wanken  von 
Meer  zu  Meer  u.  von  Mitternacht  zum  Sonnenaufgang,  umherschweifen,  um  das  Wort 
Jahves  zu  suchen,  u.  werden  es  nicht  finden."  „Das  Wort  Jahves"  bedeutet  die  Halakha, 
„das  Wort  Jahves"  bedeutet  den  Endtermin  (Anbruch  der  Erlösungszeit),  „das  Wort 
Jahves"  bedeutet  die  Prophetie.  .  .  .  Bar:  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Das  sei 
ferne,  daß  die  Tora  von  Israel  vergessen  würde,  s.  Dt  31,  21:   „Denn  es  wird  aus  dem 


Matth5,  6.  7  (Nr.l— 3)  203 

Mnnde  seines  Samens  nicht  vergessen  werden."  Aber  wie  Lalte  ich  dann  aufrecht  (wie 
versteheich):  Sie  werden  umherschweifen,  um  das  Wort  Jahves  zu  suchen,  u.  werden 
es  nicht  finden?  Es  bedeutet,  daß  sie  keine  klare  (deutliche)  Halakha  u.  keine  klare 
Tradition  (Mischna)  an  Einem  Orte  finden  werden.  —  Raschi  bemerkt  zu  den  Worten, 
daß  , das  Wort  Jahves"  den  Endtermin  bedeute,  daß  er  keine  Belegstelle  dafür  kenne; 
die  Tosaphisten  verweisen  auf  Esra  1,1.  —  Die  erste  Bar  findet  sich  TfEduj  1, 1  (454).  |j 
GnR  25  (16b)  g.  bei  Mt  4,  25  S.  189«. 

5,  7:  Selig  sind  die  Barmherzigenj  denn  sie  werden 
Barmherzigkeit  erlangen. 

1.  Lob  der  Barmherzigkeit. 

Über  Almosen  u.  Liebeswerke  als  Erweise  der  Barmherzigkeit  s.  bei  6,  2.  Ferner 
s.  TBQ  {>,  30  (36H):  R.  J^huda  (um  150)  Jiat  im  Namen  des  Rabban  Gamliel  (II.  um  90) 
gesagt:  Siehe,  es  heißt  Dt  13, 18:  ,Jahve  wird  dir  Erbarmen  schenken  (gegen  andre, 
so  der  Midr)  u.  sich  dein  erbarmen."  Das  sei  ein  Zeichen  in  deiner  Hand:  solange  du 
barmherzig  bist,  erbarmt  sich  der  Barmherzige  (d.  h.  Gott)  über  dich.  ||  SDt  13,  18  §  96 
(93b):  Solange  du  dich  über  die  Menschen  erbarmst,  erbarmt  man  sich  deiner  vom 
Himmel  her.  ||  pBQ  8,  6*^.  19:  Das  sei  ein  Zeichen  in  deiner  Hand:  solange  du  barmherzig 
bist,  erbarmt  sich  Gott  {z^-.^n  =  der  Ort  =  Gott)  über  dich;  wenn  du  dich  nicht  er- 
barmst, erbarmt  sich  Gott  nicht  deiner.  ||  Schab  151b:  Wer  sich  über  die  Menschen  er- 
barmt, über  den  erbarmt  man  sich  vom  Himmel;  wer  sich  nicht  über  die  Menschen 
erbarmt,  über  den  erbarmt  man  sich  nicht  vom  Himmel.  —  In  TanchB  s-^-i  §  30  (52*) 
u.  P^siqR  88  (165»)  R.Jose,  der  Sohn  der  Damaszenerin,  um  130,  als  Autor.  \\  Sukka49b: 
R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Almosen  finden  ihre  Vergeltung  nur  nach  dem  Maß 
der  Liebe  (der  barmherzigen  Gesinnung),  die  in  ihnen  enthalten  ist. 

2.  Rechte  Barmherzigkeit,  weil  sie  mit  dem  Elenden  leidet, 
ist  schwer. 

BB  145b:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  „Alle  Tage  des  Leidenden  sind  böse" 
Sprl5, 15;  damit  ist  der  barmherzige  Mensch  gemeint;  „wer  aber  wohlgemut  ist,  hat 
immerdar  ein  Freudenmahl"  (das.);  damit  ist  eine  härtere  (minder  mitfühlende)  Natur 
gemeint.  —  Der  gleiche  Gedanke  P'^sUobBar:  Unsre  Lehrer  haben  gelehrt:  Dreier 
Leben  ist  kein  Leben:  das  der  Barmherzigen  u.  der  Auf  brausenden  u.  derjenigen,  die 
sich  leicht  ekeln. 

3.  Die  Barmherzigkeit  eine  dem  Menschengeschlecht  an- 
erschaffene Tugend. 

Das  scheint  der  Grundgedanke  folgender  Legende  zu  sein.  GnR  8  (6''):  R.Simon 
(um  280)  hat  gesagt:  Als  Gott  sich  anschickte,  den  ersten  Menschen  zu  schafi'en, 
schieden  sich  die  Dienstengel  in  Parteien  u.  Gruppen.  Die  einen  von  ihnen  erklärten: 
Er  soll  nicht  erschlaffen  werden!  Andere  erklärten:  Er  soll  erschaffen  werden!  s.  Ps 
85,  11:  „Liebe  u.  Wahrheit  stießen  zusammen,  Barmherzigkeit  u.  Friede  gerieten  an- 
einander" (so  der  Midr).  Die  Liebe  sprach:  Er  werde  erschaffen;  denn  er  wird  Liebe 
üben.  Die  Wahrheit  sprach :  Er  werde  nicht  erschaffen;  denn  er  wird  durch  u.  durch 
Lüge  sein.  Die  Barmherzigkeit  sprach:  Er  werde  erschaffen;  denn  er  wird  Werke  der 
Barmherzigkeit  vollbringen.  Der  Friede  sprach:  Er  werde  nicht  erschaffen;  denn  er 
wird  durch  u.  durch  Zwietracht  sein.  Was  tat  Gott?  Er  nahm  die  Wahrheit  u.  warf  sie 
auf  die  Erde,  s.  Dn  8,  12:  „Die  Wahrheit  ward  auf  die  Erde  geworfen."  Da  sprachen  die 
Dienstengel  vor  Gott:  Herr  der  Welten,  was  verachtest  du  deine  Palasttruppen?  '  Laß  die 
Wahrheit  von  der  Erde  aufsteigen!  s.  Ps85, 12:  „Die  Wahrheit  sproßte  von  der  Erde  auf." 


^  n—o^-u'-ss,  nach  Krauß,  Lehnwörter  2,  53  =  nvlora^ia  =  Hofgardekorps;  das- 
vorhergehende  Wort  o'osr  =  rü^ii;  eine  erklärende  Glosse,  die  in  den  Text  geraten 
ist  u.  im  f Arukh  fehlt. 


204  Matth  5,  7  (Nr.  4.  5) 

4.  Die  Barmherzigkeit  ein  Charakteristikum  Israels. 

Be^a  32'^:  (Rab,  f  247,  hat  gesagt:)  Wer  sich  der  Menschen  erbarmt,  der  gehört 
sicherlich  zur  Nachkommenschaft  unsres  Vaters  Abraham,  u.  wer  sich  nicht  der  Menschen 
erbarmt,  der  gehört  sicherlich  nicht  zur  Nachkommenschaft  unsres  Vaters  Abraham. 
Vgl.  Aboth  5, 19  bei  Mt  5,  .3  S.  192.  |l  pQid  4,  65 b,  44:  David  sprach:  Drei  schöne  Gaben 
hat  Gott  Israel  verliehen;  sie  sind  barmherzig,  schamhaft  u.  Liebeswerke  übend.  Barm- 
herzig, s.  Dt  13, 18:  Jahve  .  .  .  wird  dir  Erbarmen  schenken  (um  es  an  andren  zu  üben; 
vgl.  obenTBQD);  schamhaft,  s.  Ex  20,20:  Damit  seine  Furcht  auf  eurem  Angesicht 
sei  (sich  zeigend  in  Schamröte^  so  der  Midr);  Liebeswerke  übend,  s.  Dt  7, 12:  Jahve 
wird  dir  .  .  .  die  Liebe  (Menschenfreundlichkeit)  erhalten  (so  der  Midr).  —  Ähnlich  J®b 
79»;  Midr  Ps  1  §  10  (5b);  NuR  8  (I49b);  Midr  Sm  28  §  7  (t)7b);  nach  DtR  3  (200b)  ist 
R.  Chijja  (b.  Abba,  um  280)  der  Autor. 

5.  Ein  absprechendes  Urteil  über  die  Barmherzigkeit  der 
nichtisraelitisch-en  Welt. 

BB  10b :  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  sprach  zu  seinen  Schülern:  Meine 
Kinder,  was  bedeutet:  „n;:-::»  erhöht  ein  Volk  u.  -cn  für  die  Nationen  ist  Sünde"  Spr 
14,31?  R.  Elifezer  (um  90;  so  zu  lesen  satt  Elfazar)  antwortete:  Almosen  erhöht  ein 
„Volk"  (-;),  das  geht  auf  Israel,  s.  2Sm7,  23:  Welches  andre  Volk,  -ij,  gibt  es  noch 
auf  der  Erde,  wie  deine  Gemeinde  Israel . . .?  „Aber  die  Menschenfreundlichkeit  (Barm- 
herzigkeit) auf  Seiten  der  Nationen  ist  Sünde" :  alle  Wohltaten  u.  Liebeswerke,  die  die 
Völker  der  Welt  vollbringen,  gereichen  ihnen  zur  Sünde,  weil  sie  sie  nur  vollbringen, 
um  dadurch  groß  zu  werden,  s.  Esra6, 10:  , Damit  sie  (Israeliten)  Wohlgefälliges  dem 
Himmelsgott  darbringen  u.  für  das  Leben  des  Königs  u.  seiner  Söhne  beten";  u.  wer 
so  tut,  dessen  Wohltätigkeit  ist  keine  vollkommene.  Aber  in  einer  Bar  (vgl.  P**s  8*  u. 
RH  4»)  ist  doch  gelehrt  worden:  Wer  sagt:  Dieser  Sela?  sei  für  Almosen,  damit  meine 
Kinder  am  Leben  bleiben  u.  damit  ich  die  zukünftige  Welt  erlange!,  das  ist  ein  voll- 
kommener Gerechter.  Das  ist  kein  Widerspruch:  hier  handelt  es  sich  um  einen  Israe- 
liten u.  dort  um  einen  Götzendiener.  —  R.  J'^hoschuaf  (um  90)  antwortete:  ,  Almosen 
erhöht  ein  Volk",  das  geht  auf  Israel,  s.  2  Sm  7,  23  (wie  oben);  „aber  die  Menschen- 
freundlichkeit auf  Seiten  der  Nationen  ist  Sünde",  d.  h.  alle  Wohltaten  u.  Liebeswerke, 
die  Götzendiener  vollbringen,  gereichen  diesen  zur  Sünde,  weil  sie  sie  nur  vollbringen, 
damit  sich  ihre  Herrschaft  lang  hinziehe,  s.  Dn  4,  24:  „Darum  möge  dir,  o  König,  mein 
Rat  Wohlgefallen:  mache  unschädlich  deine  Sünden  durch  Almosen  (so  der  Midr)  u. 
deine  Vergehungen  durch  Huld  gegen  die  Unterdrückten;  siehe,  dann  wird  deine  Sicher- 
heit von  langer  Dauer  sein."  —  Rabban  Gamliel  (IL,  um  90)  antwortete:  „Almosen 
erhöht  ein  Volk",  das  geht  auf  Israel,  s.  2Sm7,  23;  „aber  die  Menschenfreundlichkeit 
auf  Seiten  der  Nationen  ist  Sünde":  alle  Wohltaten  u.  Liebeswerke  der  Götzendiener 
gereichen  diesen  zur  Sünde,  weil  sie  sie  nur  vollbringen,  um  sich  stolz  damit  zu  brüsten, 
u.  wer  sich  stolz  brüstet,  der  stürzt  in  den  Gehinnom,  s.  Spr  21,  24:  „Der  stolz  sich 
brüstende  Freche  wird  Spötter  genannt,  der  im  Überwallen  (n-ay)  der  Frechheit  handelt", 
u.  dieses  „Überwallen"  bedeutet  nichts  andres  als  „Gehinnom",  s.  Zeph  1,15:  Ein  Tag 
des  (Zornes-)Überwallens  (das  zum  Gehinnom  verdammt)  ist  jener  Tag.  —  Da  sprach 
Rabban  Gamliel:  Noch  immer  haben  wir  den  Modifiten  nötig!  R.  Elfazar  (aus  Modifim, 
t  um  135)  sprach:  „Almosen  erhöht  ein  Volk",  das  geht  auf  Israel,  s.  2  Sm  7,  23;  „aber 
die  Menschenfreundlichkeit  auf  seiten  der  Nationen  ist  Sünde" :  alle  Wohltaten  u.  Liebes- 
werke der  Götzendiener  gereichen  diesen  zur  Sünde,  weil  sie  sie  nur  vollbringen,  um 
uns  zu  schmähen,  s.  Jer  40,  3:  „Da  ließ  es  Jahve  kommen  u.  vollführte  es,  wie  er  ge- 
redet, weil  ihr  gesündigt  habt  an  Jahve  u.  habt  nicht  auf  seine  Stimme  gehört,  u.  so 
ist  dieses  Wort  über  euch  gekommen."  —  R.  N^chonja  b.  Ha-qana  (um  70)  antwortete: 
„Almosen  erhöht  ein  Volk  u.  Menschenfreundlichkeit",  das  geht  auf  Israel;  „aber  auf 
Seiten  der  Nationen  ist  die  Sünde."  Da  sprach  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  zu  seinen 
Schülern:  Die  Worte  des  R.  N^'chonja  b.  Ha-qana  scheinen  mir  den  Vorzug  vor  meinen 
u.  vor  euren  Worten  zu  verdienen ;  denn  er  legt  Almosen  u.  Menschenfreundlichkeit  den 


Matth  5,  7  (Nr.  6).  5,  8  (51)  205 

Israeliten  bei  u.  den  Nationen  Sünde.  Denn  auch  Rabban  Jochanan  selbst  hatte  Spr 
14,  34  gedeutet;  in  einer  Bar  nämlich  heißt  es:  Rabban  Jochanan  b.  Z.  sprach  zu  ihnen: 
Wie  das  Sündopfer  Israel  Sühnung  schafft,  so  schafft  das  Almosen  (Barmherzigkeit) 
den  Völkern  der  Welt  Sühnung.  —  Parallelstellen  mit  Abweichungen:  P'^siq  12  b;  Tanch 
»vr-2  111'*;  Midr  Spr  14  §  34  (38b). 

6.  Dem  Unwissenden,  ^Am  ha-^'areQ,  soll  man  keine  Barm- 
herzigkeit erweisen. 

Sanh92'*:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Es  ist  verboten,  einem  Menschen,  der 
kein  Wissen  besitzt,  Barmherzigkeit  zu  erweisen,  s.  Jes  27,  11:  ,Ein  unverständiges 
Volk  ist  es;  darum  erbarmt  sich  seiner  sein  Schöpfer  nicht  u.  sein  Bildner  übt  keine 
Gnade  an  ihm.''  Er  hat  ferner  gesagt:  Wer  sein  Brot  einem  Menschen  gibt,  der  kein 
Wissen  besitzt,  über  den  kommen  Leiden,  s.  Obadja  7:  „Dein  Brot  macht  man  zu  einer 
Schlinge  für  dich;  denn  es  ist  keine  Einsicht  in  ihm"  (dem  du  dein  Brot  reichst,  so 
der  Midr).  Mit  Schlinge  -it's  ist  Leiden  gemeint,  s.  Hos  5,  13:  , Es  sah  Ephraim  seinen 
Schaden  u.  Juda  seine  Wunde"  i^t':.  —  Der  erste  Ausspruch  dem  R.  Ammi  (um  300) 
beigelegt  B^rakh  33^;  den  „Rabbinen"  Midr  Sm  5  §  9  (31'»).  —  Zum  Gedanken  vgl.  auch 
Tob  4, 17:  ex)(sov  rovg  uqtov<;  aov  fVit  lof  rücpou  xaöv  Sixctiwi'  xcci  fit]  diös  loTi;  äuaq- 
TioXoTg.  II  Zum  Schluß  noch  einige  Stellen,  die  gleichfalls  dem  Gedanken  von  Mt  5,  7 
mehr  oder  weniger  Ausdruck  geben:  BM  85=»;  GnR  33  (20''');  TM'^^g  4,  16  (226)  mit 
Parallelen,  zB  TK^th  7,  6  (269);  pK^th  7,  31b,  4,5;  bK^th  72";  N^d  83b;  MQ  28b;  Midr 
Qoh  7,2  (3üb). 

5,8  91:  Selig  sind,  die  reines  Herzens  sind. 
xaihaQoi  Ttj  xagSfa.  Das  alttestl.  sa^  na  wird  vom  Targum  wieder- 
gegeben Ps  24,  4  mit  xiiirn  n^ia  =  rein  in  Gedanken;  Ps  73,  1  mit  -»-^na 
s<ab  =  rein  im  Herzen;  ähnlich  erscheint  nina  ab  als  Wiedergabe  von 
iin-j  ab  Ps  51,  12.  —  Genauer  wird  das  „reine  Herz"  LvR  17  (116*^)  so 
definiert:  Es  heißt  (Ps73, 1):  „Fürwahr  gut  erweist  sich  Gott  gegen 
Israel."  Etwa  gegen  alle?  Es  heißt  (das.):  „Gegen  die,  so  reinen 
Herzens  sind";  damit  sind  die  gemeint,  deren  Herz  fest  (stark)  ist 
(•^^a)  in  (durch)  Gebotserfüllungen.  —  Nach  R.  J'^hoschua?  b.  Levi,  um 
250,  ist  ein  reines  Herz  dasjenige  Herz,  in  welchem  der  gute  Trieb 
herrscht.  Sukka  52'':  Sieben  Namen  hat  der  böse  Trieb.  .  .  .  David 
nennt  ihn  den  „Unreinen",  s.  Ps  51,  12:  „Ein  reines  Herz  schaff  in  mir, 
Gott!"  Das  schließt  in  sich,  daß  der  böse  Trieb  unrein  ist  (also  auch, 
daß  der  gute  Trieb  gleichbedeutend  mit  dem  reinen  Herzen  ist).  — 
Nicht  wesentlich  verschieden  ist  die  „reine  Seele"  oder  der  „reine 
Geist",  von  denen  hier  u.  da  geredet  wird.  LvR  18  (117*^):  R.  Sch'^muel 
b.  Nachman^  (um  260)  hat  im  Namen  des  R.  Abdimi  aus  Chaipha  (um 
280)  gelehrt:  Gleich  einem  Chaber-Priester  (der  sich  zu  einer  Lebens- 
haltung nach  pharisäischer  Observanz  verpflichtet  hat),  der  einem 
andren  Priester,  der  ein  ?Am  ha-äare9  war  (nicht  nach  den  phari- 
säischen Reinheitsgesetzen  lebte),  ein  Brot  von  der  Priesterhebe  über- 
gab u.  zu  ihm  sprach:  Sieh,  ich  bin  rein,  mein  Haus  ist  rein  u.  das 


1  So  ist  zu  lesen  statt  Jischma?el  b.  N.  nach  Midr  Qoh  12,  7;  vermutlich  jedoch 
hieß  es  ursprünglich  R.  Jigchaq  b.  N.,  daraus  entstand  R.  Jischmafel  b.  N.,  das  weiter 
in  R.  Sch'^muei  b.  N.  verderbt  wurde. 


206  Matth  5,  8  eil.  SB  1) 

Brot  ist  rein,  das  ich  dir  gegeben  habe;  wenn  du  es  mir  so  wieder- 
gibst, wie  ich  es  dir  gegeben  habe,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht, 
siehe,  so  werfe  ich  es  vor  deinen  Augen  fort.  So  spricht  auch  Gott 
zum  Menschen:  Sieh,  ich  bin  rein,  meine  Wohnung  ist  rein,  meine 
Diener  sind  rein,  u.  die  Seele,  die  ich  dir  gegeben  habe,  ist  rein. 
Wenn  du  sie  mir  so  wiedergibst,  wie  ich  sie  dir  gegeben  habe,  so  ist 
es  gut;  wenn  aber  nicht,  siehe,  so  schleudre  ich  sie  vor  deinen  Augen 
fort  (r,n-j  in  diesem  Zus.hang  ist  Deutung  des  nzy'bp-'  1  Sm  25,  29).  — 
Dasselbe  Midr  Qoh  12,  7  (53'').  ||  Schab  152 ^  Bar:  „Der  Geist  kehrt  zu 
Gott  zurück,  der  ihn  gegeben  hat"  Qoh  12,  7.  Wie  er  ihn  dir  in  Rein- 
heit gegeben  hat,  so  gib  auch  du  ihn  in  Reinheit  ihm  wieder.  Vgl. 
BM  107 ä:  (R.  Jochanan,  f  279,  hat  gesagt:)  Gesegnet  bist  du  in  deinem 
Eingang,  u.  gesegnet  bist  du  in  deinem  Ausgang  Dt  28,  6,  d.  h.  möge 
dein  Gehn  aus  der  Welt  sein  wie  dein  Kommen  in  die  Welt:  wie  dein 
Kommen  in  die  Welt  ohne  Sünde  war,  so  sei  auch  dein  Ausgang  aus 
der  Welt  ohne  Sünde.  ||  Targ  Spr  22, 11:  Gott  liebt  den,  der  reinen 
Herzens  ist,  xdIs  '^21,  u.  durch  die  Anmut  seiner  Lippen  gesellt  er  sich 
(hat  er  Zutritt)  zum  König. 

Kasuistisches:  M%h  Ex  22,  8  (97b):  Die  Schule  Schammais  sagte:  Man  erklärt 
für  schuldig  wegen  der  Absicht  des  Herzens,  die  Hand  an  etwas  zu  legen;  denn  es 
heißt  Ex  22,  8:  ,In  betreff  jedes  Redens  (=  Beabsichtigung)  von  einem  Vergehen." 
Die  Schule  Hilleis  sagte:  Man  erklärt  für  schuldig  nur  von  dem  Augenblick  an,  da 
er  die  Hand  daran  gelegt  hat;  deshalb  heißt  es  Ex  22,  7:  ,0b  er  nicht  seine  Hand 
an  die  Habe  seines  Nächsten  gelegt  hat."  —  Parallelstellen:  BM  44*;  Qid  42b.  ||  pPea 
1,  16",  5:  Eine  gute  Absicht  rechnet  Gott  als  Tat,  eine  böse  Absicht  rechnet  Gott  nicht 
als  Tat.  .  .  .  Was  du  da  sagst,  gilt  von  den  Israeliten;  aber  von  den  Nichtisraeliten 
gilt  das  Umgekehrte:  die  gute  Absicht  rechnet  Gott  nicht,  aber  die  böse  Absicht 
rechnet  er.  —  Im  bT  wird  teils  R.  Asi  (um  3U0),  teils  Rab  Aschi  (f  427)  als  Autor 
genannt,  s.  Qid  40*^  u.  B'^rakh  6^  Dagegen  NuR  8  (149*^):  Von  dem  Augenblick  an,  da 
ein  Mensch  beabsichtigt  zu  sündigen,  ist  er  wie  einer,  der  eine  Veruntreuung  gegen 
Gott  begangen  hat. 

5,8  50:  Denn  sie  werden  Gott  schauen. 

zov  ^eov  otpoizat,.  „Gott  schauen"  wird  im  Rabbin.  wiedergegeben 
mit  nr=i::  ->:■:  mxn  „das  Angesicht  der  Sch*'khina  sehen";  meist  jedoch 
mit  na-^r-j  "^rs  b-i^pn  „das  Angesicht  der  Seh.  begrüßen".  Gleichbedeutende 
Wendungen  sind  nr:-c:n  p  i^r-  rx  -it  „die  Augen  an  der  Seh.  weiden", 
oder  nr=irn  i^t-o  riDnn  „sich  erquicken  am  Glanz  der  Seh.".  Man  redet 
vom  Schauen  Gottes  in  übertragenem  u.  in  wörtlichem  Sinn. 

1.  Im  übertragenen  Sinn  bedeutet  „Gott  schauen"  ungefähr  soviel 
wie  das  alttestl.  „vor  Gott  erscheinen",  „vor  Gott  stehn".  So  begrüßt 
man  die  Sch'^^khina.  wenn  man  da  erscheint,  wo  Gott  mit  seiner  Gnaden- 
gegenwart weilt,  im  Tempel,  in  der  Synagoge,  im  Lehrhaus. a  Aber 
auch  von  dem,  welcher  betet  oder  studiert,  kann  gesagt  werden,  daß 
er  Gottes  Angesicht  begrüßt, b  insofern  Gott  dem  Betenden  u.  Stu- 
dierenden nahe  ist. 


Matth  5,  8  (SB  1.  2)  207 

a.  pChag  1,  76 %  35:  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Woher  läßt  sich 
beweisen,  daß  jeder,  der  die  Gebote  betreffs  des  Erscheinens  zu  den  Festen  in  Jerusalem 
beobachtet,  ist  wie  einer,  der  das  Angesicht  der  Seh.  begrüßt?  Aus  Ex  28,  17:  ,Drei- 
pial  im  Jahre  soll  all  dein  Männliches  vor  dem  Herrn  Jahve  erscheinen."  ||  P^siqR 
1  (1  b);  (R.  Tanchuma  b.  Abba,  um  o8ü,  hat  gesagt . . .:)  „Wann  werde  ich  dahin  kommen 
u.  vor  Gottes  Angesicht  erscheinen?"  Ps  42, :-?.  Die  Israeliten  sprachen:  Herr  der  Welt, 
wann  wirst  du  uns  zurückbringen  die  Herrlichkeit  (=  deine  Gnadengegenwart),  daß 
wir  dreimal  zu  den  Festen  hinaufziehen  u.  das  Angesicht  der  Seh.  sehn?  ||  Der  Targum 
übersetzt  Ps  42,  3:  Wann  werde  ich  kommen  u.  den  Glanz  der  Sch'^khina  Jahves  er- 
blicken? II  DtR  7  (2(i4'*):  Was  heißt:  Heil  dem  Mann,  der  .  .  .  die  Pfosten  meiner  Tore 
behütet  Spr  8,  34?  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Gibt  es  denn  Türpfosten- 
kapseln (so  wird  das  Textwort  riiiTo  gedeutet)  in  den  Synagogen?  Vielmehr  wie  die 
Türpfostenkapsel  sich  nicht  von  der  Tür  entfernt,  so  weiche  du  nicht  aus  den  Syna- 
gogen u.  Lehrhäusern.  Gott  spricht:  Wenn  du  so  tust,  so  wisse,  daß  du  das  Angesicht 
der  Sch%liina  begrüßest.  Was  steht  im  folgenden  Vers  (-lö)  geschrieben?  „Denn  wer 
mich  erreicht,  hat  Leben  erreicht."  Gott  spricht:  Wer  ist,  der  in  die  Synagoge  käme 
u.  dort  nicht  meine  Herrlichkeit  anträfe?  R.  Aibo  (um  32U)  hat  gesagt:  Und  nicht  bloß 
dies,  sondern  wenn  du  in  der  Synagoge  stehst,  so  steht  Gott  bei  dir,  s.  Ps  82,  1 :  „Gott 
steht  in  der  Gemeinde  Gottes  da."  Gott  spricht:  Nicht  genug,  daß  du  das  Angesicht 
der  8ch.  in  der  Synagoge  begrüßest,  sondern  du  gehst  auch  von  dort  fort  voll  Seg- 
nungen; denn  wer  mich  erreicht,  hat  Leben  erreicht  u.  erlangt  Wohlgefallen  von  Jahve 
Spr  8,  35.  II  Ein  alter  u.  häufig  wiederholter  Satz  lautet:  „Wer  das  Angesicht  der  Ge- 
lehrten begrüßt,  ist  wie  einer,  der  das  Angesicht  der  Seh.  begrüßt."  M'^kh  Ex  18,  12 
(67")  erbringt  den  Beweis  aus  den  Worten  „vor  Eiohim"  Ex  18,  12. 

b.  BB  10^:  R.  Elfazar  (um  270)  gab  einem  Armen  eine  P'^ruta  (etwa  V^  Pfennig) 
u.  dann  betete  er.  Er  sagte:  Weil  geschrieben  steht  Ps  17,  15:  Mit  einem  Almosen 
(soderMidr)  will  ich  dein  Angesicht  schauen.  ||  Sanh  42'':  Rah  Achab.  Chanina  (nach  :100) 
hat  gesagt,  R.  Asi  (um  30U)  habe  gesagt,  R.  Jochanan  (t"<i79)  habe  gesagt:  Jeder,  der 
den  Lobspruch  über  den  Neumond  zu  seiner  Zeit  spricht,  ist  wie  einer,  der  das  An- 
gesicht der  Sch%hina  begrüßt.  Es  heißt  hier  Ex  12, '^:  „Dieser  (-t)  Monat  sei  euch" 
usw.,  u.  es  heißt  dort  Ex  15,2:  „Dieser  (nrj  ist  mein  Gott"  (wie  das  letztere  -i  be- 
weist, daß  Israel  in  der  Stunde  von  Ex  15,2  Gott  von  Angesicht  gesehen  hat,  so 
deutet  das  erste  ht  an,  düß  der  die  Neumonds-B'rakha  Sprechende  Gottes  Angesicht 
begrüßt).  In  der  Schule  des  R.  Jischmafel  (f  um  185)  ist  gelehrt  worden:  Wenn  die 
Israeliten  nur  gewürdigt  worden  wären,  das  Angesicht  ihres  Vaters  im  Himmel  jeden 
Monat  zu  begrüßen  (wenn  ihnen  kein  andres  Gebot  gegeben  wäre),  so  wäre  es  genug 
für  sie.  —  M^'kh  Ex  12,  2  (obj  lautet  der  letzte  Satz:  Wäre  es  nicht  genug  für  Israel, 
wenn  sie  Einmal  in  30  Tagen  (nämlich  am  Neumondstage)  ihre  Augen  (betend)  zu 
ihrem  Vater  im  Himmel  erhöben?  II  Midr  Ps  105  ij  1  (•^24t'i :  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150) 
hat  zu  seinem  Sohn  R.  Jischmafel  gesagt:  Willst  du  das  Angesicht  der  Sch'khina  in 
dieser  Welt  sehn,  so  beschäftige  dich  mit  der  Tora  im  Lande  Israel;  denn  es  heißt 
Ps  105,  4:  „Fraget  nach  Jahve  ü.  seiner  Stärke  (==  Tora,  im  Sinn  des  Midrasch),  suchet 
sein  Angesicht  immerdar." 

2.  Das  Schauen  Gottes  im  eigentlichen  Sinn  des  Wortes,  d.  h.  von 
Angesicht  zu  Angesicht,  steht  allen  Menschen,  auch  den  Gottlosen,  in  ' 
der  Sterbestunde  bevor,  a  Im  Gan  ^Eden,  in  der  himmlischen  Welt  der 
Seelen,  bleibt  das  Schauen  Gottes,  der  Inbegriff  aller  Seligkeit,  ein 
Vorrecht  der  Gerechten. b  Auch  nach  der  Auferstehung  der  Toten 
werden  die  Seligen  im  irdischen  Gan  ^Eden  Gott  von  Angesicht  zu 
Angesicht  schauen.  Die  ältere  Zeit  nahm  an,  daß  diese  Erwartung  in 
der  zukünftigen  Welt  (nach  den  Tagen  des  Messias)  in  Erfüllung  gehn 
werde ;c  die  spätere  Zeit  (vom  3.  Jahrh.  an),  die  die  Tage  des  Messias 


208  Matth  5,  8  (»  2) 

je  länger,  desto  mehr  idealisierte,  hat  jedoch  das  Schauen  Gottes  zum 
Teil  schon  zu  den  Segnungen  der  Messiaszeit  gerechnet,  d 

a.  4  Esra  7,  78  if.:  Wenn  der  entscheidende  Spruch  von  dem  Höchsten  ergeht,  da6 
der  Mensch  sterben  soll,  wo  sich  der  Geist  vom  Körper  trennt  u.  zu  Dem  zurückkehrt, 
der  ihn  gegeben  hat  (vgl.  Qoh  12,  7),  um  zunächst  vor  der  Herrlichkeit  des  Höchsten 
anzubeten:  hat  ernun  zu  den  Verächtern  gehört,  die  die  Wege  des  Höchsten  nicht  bewahrt, 
die  sein  Gesetz  verschmäht  u.  die  Gottesfürchtigen  gehaßt  haben,  solche  Seelen  gehen 
nicht  in   die  Ruhekammern   ein,    sondern   müssen   sogleich  qualvoll  umherschweifen, 
unter  ständigem  Seufzen  u.  Trauern,  in  siebenfältiger  Pein.   Die  I.Pein  ist,  daß  sie  des 
Höchsten  Gesetz  verachtet  haben;  die  2.,  daß  sie  die  wahre  Buße  zum  Leben  nicht  mehr 
tun  können;  die  3.,  daß  sie  den  Lohn  sehen,  der  denen  aufbewahrt  ist,  die  des  Höchsten 
Zeugnissen  geglaubt  haben;  die  4.,  daß  sie  die  Pein  schauen,  die  ihnen  selbst  für  die 
letzte  Zeit  bevorsteht;   die  5.,   daß  sie  sehen,  wie  Engel  die  Wohnungen  der  andren 
Seelen  (der  Frommen)  in  tiefem  Frieden  bewachen;  die  6.,  dafi  sie  sehen,  daß  sie  schon 
jetzt   in   die  Pein    hinüber   müssen;    die   7.,    schlimmer  als  alle   genannten  Martern, 
daß  sie  vor  Scham  vergehen,  vor  Angst  sich  verzehren  u.  vor  Furcht  erschlaffen,  daß 
sie  die  Herrlichkeit  des  Höchsten  schauen  müssen,  vor  dem  sie  im  Leben  gesündigt, 
u.  von  dem  sie  am  jüngsten  Tage  gerichtet  werden  sollen!  Denen  aber,  die  des  Höchsten 
Wege  bewahrt  haben,  gilt  diese  Ordnung,  wenn  sie  sich  trennen  dürfen  von  diesem 
sterblichen  Gefäß  (des  Leibes).   Damals,  als  sie  noch  darinnen  lebten,  haben  sie  dem 
Höchsten  unter  Mühsalen  gedient  u.  stündlich  Gefahren  erduldet,  um  das  Gesetz  dessen, 
der  es  gegeben,  vollkommen  zu  halten.   Deshalb  gilt  ihnen  diese  Verheißung:  Zuerst 
schauen  sie  mit  lautem  Frohlocken  die  Herrlichkeit  dessen,   der  sie  zu  sich  nimmt; 
dann  gehen  sie  in  die  Ruhe  ein  zu  siebenfacher  Freude.   Die  1.  Freude  ist,  daß  sie  in 
schwerem  Streite  gekämpft  haben,  den  ihnen  anerschaffenen  bösen  Sinn  zu  besiegen, 
daß  er  sie  nicht  vom  Leben  zum  Tode  verführe;   die   2.,   daß  sie  die  wirren  Wege 
schauen,   auf  denen  die  Seelen  der  Gottlosen  umherirren  müssen,   u.  die  Strafe,   die 
jener  harrt.    Die  3.,  daß  sie  das  Zeugnis  sehen,  das  ihr  Schöpfer  ihnen  bezeugt  hat, 
daß  sie  im  Leben  das  Gesetz,  das  ihnen  anvertraut  war,  gehütet  haben;  die  4.,  daß 
sie  die  Ruhe  kennen,  die  sie  schon  jetzt,  in  ihren  Kammern  versammelt,  unter  dem 
Schutze  von  Engeln  in  tiefem  Frieden  genießen  dürfen,  u.  die  Herrlichkeit,  die  ihrer 
zuletzt  noch  wartet.  Die  5.,  daß  sie  frohlocken,  jetzt  der  Vergänglichkeit  entflohen  zu 
sein  u.  die  Zukunft  zu  ererben;   ferner,  daß  sie  auf  die  Enge  u.  die  vielen  Mühsale 
hinblicken,  wovon  sie  erlöst  sind,  u.  auf  die  Weite,  die  sie  ererben  sollen  in  seliger 
Unsterblichkeit.   Die  6.,  daß  ihnen  gezeigt  wird,  wie  ihr  Antlitz  einst  wie  die  Sonne 
leuchten  soll,   u.  wie  sie  dem  Sternenlichte  gleichen  sollen,  von  nun  an  (wie  diese) 
nicht  mehr  vergänglich.  Die  7.  Freude,  höher  als  alle  genannten,  ist  die,  daß  sie  zu- 
versichtlich frohlocken,  sicher  vertrauen  u.  furchtlos  sich  freuen;  denn  sie  eilen  herzu, 
das  Antlitz  dessen  zu  schauen,  dem  sie  im  Leben  gedient,  u.  von  dem  sie  Lob  u.  Lohn 
empfangen  sollen.   Das  sind  die  Freuden  der  Seelen  der  Gerechten,  die  ihnen  schon 
für  jetzt  verheißen  sind;  die  Martern  aber,  von  denen  ich  (ein  Engel)  sprach,  sind  es, 
denen  die  Sünder  schon  jetzt  verfallen.  —  Ich  (Esra)  antwortete:  Es  wird  also  den 
Seelen,  nachdem  sie  sich  von  ihren  Leibern  getrennt  haben,  eine  Frist  verstattel,  das 
zu  schauen,  was  du  mir  geschildert  hast?   Er  sprach  zu  mir:  Sieben  Tage  haben  sie 
Freiheit,  um  sich  in  diesen  Tagen  das,  wovon  ich  gesprochen,  zu  betrachten;  darnach 
werden  sie  in  ihre  Kammern  versammelt.  |i  Aboth  RNathan  25:  In  der  Stunde  seines 
Abscheidens  erhob  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  seine  Stimme  u.  weinte.  Seine 
Schüler  sprachen  zu  ihm :  Rabbi,  hohe  Säule,  Licht  der  Welt,  starker  (fester)  Hammer, 
warum  weinst  du?  Er  antwortete:  Wenn  ich  ginge  das  Angesicht  eines  Königs  von 
Fleisch  u.  Blut  zu  begrüßen,   so  wäre,  wenn  er  mir  zürnte,  sein  Zorn  nur  für  diese 
Welt,   u.  wenn  er  mich  in  Bande  legte,   so  wären  die  Bande  nur  für  diese  Welt,  u, 
wenn  er  mich  tötete,  so  erfolgte  mein  Tod  nur  für  diese  Welt;  auch  könnte  ich  ihn 
vielleicht  besänftigen  mit  Worten  u.  mit  Geld  bestechen.  Aber  nun  gehe  ich,  das  An- 


Matth  5,  8  (93  2)  209 

gesicht  des  Königs  aller  Könige  zu  begrüßen,  des  Heiligen,  gepriesen  sei  er!  Wenn 
der  mir  zürnt,  so  gilt  sein  Zorn  für  diese  u.  für  die  zukünftige  Welt.  Auch  kann  ich 
ihn  nicht  mit  Worten  besänftigen  noch  mit  Geld  bestechen.  Auch  liegen  zwei  Wege 
vor  mir,  der  eine  nach  dem  Gan  ?Eden,  der  andre  zum  Gehinnom,  u.  ich  weiß  nicht, 
ob  er  mich  wird  in  den  Gehinnom  hinabsinken  oder  in  den  Gan  fEden  eintreten  lassen. 
In  bezug  hierauf  heißt  es  Ps  22,  30:  Vor  ihm  (vor  Gott  in  der  Sterbestunde)  beugen 
sich  alle,  die  in  den  Staub  sinken.  —  Ähnlich  B^rakh  28b.  ||  SLv  1,  1  (7bi:  R.  Dosa 
(wohl  b.  Archinos,  um  90)  hat  gesagt:  Siehe,  es  heißt  Ex 83,  20:  , Nicht  wird  ein  Mensch 
mich  sehn  u.  leben  bleiben."  Während  ihres  Lebens  können  sie  ihn  nicht  sehn,  wohl 
aber  werden  sie  ihn  sehn  in  ihrer  Sterbestunde,  s.  Ps  22,  30  (wie  im  vorigen  Zitat).  — 
Ebenso  NuR  14  (178b).  —  In  SNu  12,  8  i?  103  (27b)  ist  R.  El?azar  b.  Jose''(um  170)  als 
Autor  genannt.  ||  Midr  Ps  103  §3  (216b):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Das  fünfmalige 
,Lobe  den  Herrn,  meine  Seele"  (in  Ps  103  f.)  entspricht  den  fünf  Welten,  die  David 
gesehen  hat:  eine  im  Mutterleib,  s.  Ps  103,  1 ;  die  zweite,  als  er  geboren  wurde,  s.  Vers2; 
die  dritte,  als  er  hinaustrat  in  die  weite  Welt  u.  hierhin  u.  dorthin  zog,  s.  Vers  22; 
die  vierte,  als  er  aus  der  Welt  schied  u.  die  Sch'^khina  erblickte,  s.  104,  1 :  Lobe  den 
Herrn,  meine  Seele!  Herr,  mein  Gott,  du  bist  sehr  groß,  in  Majestät  u.  Herrlichkeit 
hast  du  dich  gekleidet.  Und  die  fünfte  Welt  ist  die  Zukunft  (d.  h.  die  messian.  Zeit); 
s.  104,  35:  Vertilgt  werden  mögen  die  Sünder  von  der  Erde  u.  Frevler  nicht  mehr  sein! 
Lobe  den  Herrn,  meine  Seele!  Hallelujah!  —  Nach  B'^rakh  10^  ist  R.  Schimfon  b.  Jochai 
(um  150)  Autor  des  Ausspruchs  u.  R.  Jochanan  derTradent;  LvR  4  (107*^)  ist  durch  Um- 
stellung der  Namen  R.  J^hoschuaf  b-Levi  als  Autor  angegeben.  ||  Midr  Ps  22  §32  (99^): 
R.  Jochanan  (t  279)  hat  gesagt:  Es  heißt  Ps  22,  31 :  , Alles  was  Mensch  heißt  (so  wird 
y"T  gefaßt)  muß  ihm  dienen" ;  sowohl  Gerechte,  als  auch  Gottlose  müssen  das  An- 
gesicht der  Sch'=^khina  (in  der  Sterbestunde)  begrüßen;  s.  Ps22,  30:  „Vor  ihm  beugen 
sich  alle,  die  in  den  Staub  sinken."  Warum  begrüßen  die  Gottlosen  das  Angesicht 
der  Seh.?  Die  Gottlosen,  die  sich  gegen  Gott  aufgelehnt  haben,  läßt  man  in  ihrer 
Sterbestunde  das  Angesicht  der  Seh.  schauen  u.  spricht  zu  ihnen:  Kommt  u.  seht  das 
Angesicht  des  Königs,  gegen  den  ihr  euch  aufgelehnt  habt;  dieser  wird  von  euch  die 
Strafe  beitreiben.  Und  auch  die  Gerechten  läßt  man  in  ihrer  Sterbestunde  das  An- 
gesicht der  Seh.  schauen  u.  sagt  zu  ihnen:  Kommt  u.  seht  das  Angesicht  des  Königs, 
dem  ihr  gedient  habt;  denn  dieser  wird  euch  euern  Lohn  geben.  R.  Elfazar  b.  Schammua? 
(um  150;  der  Name  ist  auffallend  an  dieser  Stelle;  ob  „Ben  Schammuaf"  zu  streichen?) 
hat  gesagt:  Auch  die  Kinder  begrüßen  das  Angesicht  der  Seh.;  s.  Ps  22,  31 :  „Der  Same 
(  =  Rinder)  wird  ihm  dienen."  |j  Weiteres  im  Exkurs:  „Sch®ol,Gehinnomu.GanfEden"lI,3. 
b.  SDt  1,  10  §  10  (iil'^):  „Siehe,  heute  seid  ihr  an  Menge  den  Sternen  des  Himmels 
gleich"  (Dt  1,  10).  Siehe,  ihr  habt  Bestand  wie  die  Sonne  (vgl.  Raschi  zu  Dt).  Von  hier 
aus  hat  man  gesagt:  Sieben  Abteilungen  von  Gerechten  gibt  es  im  (himmlischen)  Gan 
fEden,  die  eine  immer  höher  als  die  andre.  Die  1.  Abteilung  s.  Ps  140,  14:  „Gewiß  die 
Gerechten  werden  deinen  Namen  preisen,  die  Rechtschaffenen  werden  vor  deinem  An- 
gesicht sitzen."  Die  2.  Abt.  s.  Ps  65,  5:  „Wohl  dem,  den  du  erwählst  u.  herzukommen 
lassest,  daß  er  wohne  in  deinen  Vorhöfen",  u.  Ps  84,  1 1 :  „Ich  will  lieber  auf  der  Schwelle 
liegen  in  meines  Gottes  Hause,  als  drinnen  wohnen  in  den  Zelten  der  Gottlosigkeit." 
Die  S.Abt,  s.  Ps84,  5:  „Wohl  denen,  die  in  deinem  Hause  wohnen."  Die  4.  Abt.  s. 
Ps  15,  1 :  „Wer  darf  gasten  in  deinem  Zelte?"  Die  5.  Abt.  s.  Ps  15,  1 :  „Wer  darf  wohnen 
auf  deinem  heiligen  Berge?"  Die  G.Abt,  s.  Ps24,  3:  „Wer  darf  emporsteigen  zum 
Berge  Jahves?"  Die  7.  Abt.  s.  Ps  24,  3:  „Wer  darf  an  seinem  heiligen  Orte  stehn?"  — 
Die  vom  irdischen  Heiligtum  handelnden  Stellen  sind  hier  auf  das  himmlische  Heiligtum 
übertragen.  Vertauscht  man  die  Belegstellen  zur  2.  u.  zur  3.  Abt.,  so  ergibt  das  Ganze 
sieben  konzentrische  Kreise,  in  deren  innerstem  Gott  am  nächsten  die  1 .  Abt.  wohnt, 
die  vor  Gottes  Angesicht  sitzt.  Die  Deutung  der  Stelle  auf  die  Welt  der  Seelen  er- 
hellt aus  MidrPs  U  §<i  (51^),  wo  sie  in  die  Beschreibung  der  sieben  Wohnungen  der 
Gerechten  im  Gan  ?Eden  hineingearbeitet  ist.  Hier  heißt  es  zum  Schluß  (52'''):  Wenn 
der  Sterbende  ein  Gerechter  ist,  so  ruft  man  vor  ihm  aus:  Machet  Platz  für  den  u. 

Strack  u.Billerbeck,  NTI.  14 


210  Matth  5,  8  (93  2) 

den  Gerechten!  Dann  geht  er  von  Wohnung;  zu  Wohnung,  bis  er  das  Angesicht  der 
Seh^'khina  schaut;  deshalb  heißt  es  Psll,7:  ,Die  Rechtschaffenen  werden  sein  An- 
gesicht schauen."  i|  SDt  11,21  §47  (83**):  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Zu 
siebenfacher  Freude^  werden  die  Angesichter  der  Gerechten  das  Angesicht  der  Seh. 
in  der  zukünftigen  Welt  (=  himmlische  Welt  der  Seelen)  begrüßen.  Diese  sind:  ^Die 
ihn  lieben,  sind  wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer  Macht"  Rieht  5,  31.  „Schön  wie 
der  Mond  u.  wie  die  Sonne"  HL  6,  10.  „Die  Verständigen  werden  glänzen  wie  der 
Glanz  des  Firmaments"  Dn  12,  3.  „Die  viele  zur  Gerechtigkeit  gebracht  (werden  sein) 
wie  die  Sterne  ewiglich"  Dn  12,  3.  „Wie  Blitze  fahren  sie  daher"  Nah  2,  5.  Dem  Musik- 
vorsteher nach  „Lilien",  von  den  Kindern  Qorachs  Ps45,  1.  „Wie  ein  Ölbaum  wird 
seine  Herrlichkeit  sein"  Hos  14,  7.  —  Der  Sinn  ist:  Die  sieben  Abteilungen  der  Ge- 
rechten werden  leuchten  u.  glänzen  wie  die  Sonne,  der  Mond,  das  J'irmament,  die 
Sterne,  die  Blitze,  die  Lilien  u.  die  Ölbäume.  —  Parallelstellen:  SDt  1,  10  §  10  (67»); 
P^siq  179  b;  LvR30  (127'');  Midr  Ps  11  §6  (51^).  —  Daß  andre  Kreise  das  sonnenhafte 
Glänzen  u.  Leuchten  der  Gerechten  erst  in  der  zukünftigen  Welt  nach  der  Auferstehung 
der  Toten  erwartet  haben,  zeigt  4  Esra  7,  78ff.  S.  208.  il  B'-rakh  17»:  Ein  Gewohnheits- 
spruch N';:":':  im  Munde  Rabs  (f  247):  In  der  zukünftigen  Welt  (=  himmlische  Welt 
der  Seelen)^  gibt  es  nicht  Essen  u.  Trinken,  nicht  Zeugung  u.  Fortpflanzung,  nicht 
Handel,  noch  Wandel,  nicht  Neid,  noch  Feindschaft,  noch  Streit;  sondern  die  Gerechten 
sitzen  da  mit  ihren  Kronen  auf  ihren  Häuptern  u.  laben  sich  an  dem  Glanz  der  Sch'^khina, 
vgl.  Ex  24,  11  :  „Sie  schauten  Gott,  u.  (so)  aßen  u.  tranken  sie."  I|  Midr  Ps  11  §6  (51  ^i: 
R.  J'^huda  b.  Simon  (um  3'20)  hat  gesagt:  Jeder  Handwerker  haßt  seine  Handwerks- 
genossen (aus  Brotneid),  aber  Gott  nicht  also;  denn  „er  ist  gerecht,  Gerechtigkeit 
liebend"  Ps  11,7.  Was  bedeutet:  „Wer  rechtschaffen  •^lü-,  wird  sein  Angesicht  schauen" 
Ps  11,  7?  Sieben  Abteilungen  sind  es,  die  vor  Gott  in  der  Zukunft  (in  der  himmlischen 
Welt  der  Seelen)  stehen  werden;  u.  welche  A'bteilung  ist  die  höchste  unter  ihnen, 
weil  sie  das  Angesicht  der  Sch'^khina  begrüßen  (schauen)  wird?  Das  ist  die  Abteilung 
der  Rechtschaffenen  c—'ffi-;  denn  es  heißt:  „Wer  rechtschaffen  •!»■,  wird  sein  Angesicht 
schauen."  Vgl.  die  1.  Abteilung  der  Gerechten  in  SDt  1,  10  §  10  oben  S.209.  i|  P^siq 
17yb^  17;   „Lieblichkeiten  r-»'y:  zu  deiner  Rechten  ewiglich"  Ps  16,  11.   David  sprach 


'  r-n^i-i;  yaai  „sieben  Freuden"  ist  Ausdeutung  von  rir^ar  vzv  „Freudensät- 
tigung"  Ps  16,  li;  s.  P'siq  179b;  LvR  30  (127^);  Midr  Ps  16  §12  (62b). 

^  Für  die  Beziehung  der  Worte  Rabs  auf  den  Zwischenzustand  sprechen  dessen 
anderweitige  Ausführungen  über  die  himmlische  Welt  der  Seelen.  T®mura  Uö'' (16^ 
in  andren  Ausgaben):  Rab  hat  gesagt:  Als  unser  Lehrer  Mose  zum  Gan  ?Eden  ent- 
schlief, sprach  er  zu  Josua  usw.  ||  P'siqR  34  (159b):  R.  Jannai  (um  225)  hat  gesagt,  Rab 
habe  gesagt:  Wer  auf  das  (messianische)'  Heil  ausschaut,  den  läßt  Gott  sich  lagern 
im  Gan  ?Eden,  s.  Ez  34,  15.  H  BMSS":  Rab  J'^'huda  (f  299)  hat  gesagt,  R«b  habe  ge- 
sagt: Wer  den  Sohn  eines  andren  Tora  lehrt,  der  ist  würdig  in  der  himmlischen 
Akademie  (im  Kreise  Gottes  u.  der  Engel)  zu  sitzen,  s.  Jer  15,  19.  1|  BB  98''':  Rab  J'huda 
hat  gesagt,  Rab  habe  gesagt:  Wer  sich  im  Gelehrtenmantel  brüstet,  ohne  ein  Gelehrten- 
schüler zu  sein,  den  läßt  man  nicht  in  die  M'^'chi^a  (Wohnung,  Abteil)  Gottes  ein- 
treten, s.  Hab  2,  5  verglichen  mit  Ex  15,  13.  ||  Midr  Ps  65  §3  (157='):  Rab  Sch'-muel  b. 
Schela  (um  270)  hat  im  Namen  Rabs  gesagt:  David  hat  gesagt:  Herr  der  Welt,  wohl 
dem,  den  du  herzutreten  läßt  zum  Vorhof.  Mit  „Vorhof"  ist  nicht  andres  gemeint  als 
die  Himmelshöhe,  s.  Ps36,  8f.:  Wie  köstlich  ist  deine  Gnade,  o  Gott,  u.  Menschen- 
kinder dürfen  sich  im  Schatten  deiner  Flügel  bergen;  sie  laben  sich  an  dem  reichen 
Mahle  deines  Hauses  u.  mit  dem  Strom  deiner  Wonnen  tränkst  du  sie.  Ferner  s. 
Ps84,  11 ;  65,  5.  —  Gegen  die  Beziehung  der  Stelle  auf  die  zukünftige  Welt  nach  der 
Auferstehung  spricht  die  ganz  andersartige  Schilderung,  die  Rab  von  dieser  gegeben 
hat  nach  B^rakhti4":  Rab  Chijja  b.  Aschi  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  habe  gesagt:  Die 
Gelehrtenschüler  haben  kerne  Ruhe,  weder  in  dieser  Welt  noch  in  der  zukünftigen  Welt 
(nach  der  Auferstehung),  vgl.  Ps84,  8:  Sie  wandeln  von  Schar  zu  Schar  (so  der  Midr, 
=  von  einem  Lehrhaus  zum  andren  u.  von  einer  Synagoge  zur  andren),  erscheinen  vor 
Gott  in  Zion.  —  Dasselbe  MQ  29»;  vgl.  auch  den  ähnlichen  Ausspruch  des  Rab  Chijja 
b.  Aschi  selbst  in  pSch-^bisith  4,  35 ^28.  Ferner  s.  bei  Mt22,  30. 


Matth  5,  8  (93  2)  211 

vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wer  tut  mir  kund,  welche  Abteilung  (von  den  sieben  Ab- 
teilungen der  Gerechten  in  der  jenseitigen  Welt)  die  geliebteste  u.  lieblichste  nii^yj 
ist?  Zwei  Amoräer  (Schriftgelehrte  der  nachmischnischen  Periode).  Der  eine  sagte: 
Das  ist  diejenige,  die  in  der  Kraft  der  Torakenntnis  u.  der  guten  Werke  kommt  (vgl. 
Dt 33,  2:  „Zu  seiner  Rechten  das  Feuer  des  Gesetzes";  dieser  Belegvers  ist  nach  den 
Parallelen  zu  ergänzen,  er  wird  gedeutet:  zu  Gottes  Rechten^  erhalten  ihren  Platz  die, 
die  in  der  Kraft  der  Tora  kommen,  die  dem  Feuer  gleicht).  Der  andre  sagte:  Das 
sind  die  Schrift-  u.  Mischnalehrer,  die  die  Kinder  wahrheitsgemäß  (treulich)  unter- 
richten; denn  sie  werden  einst  zur  Rechten  Gottes  sitzen.  Das  meinen  die  Worte: 
Lieblichkeiten  (die  Lieblichsten)  zu  deiner  Rechten  ewiglich.  —  Parallelstellen:  LvR 
30  (127 ^^);  Midr  Ps  16  §  12  (62b).  ||  Midr  Ps  141  §  1  (265b):  „Die  Rechtschaffenen  werden 
vor  deinem  Angesicht  sitzen"  Ps  140,  14.  David  sprach  zu  Gott:  Ich  bitte  von  dir,  daß  ich 
zu  jenen  gehören  möge,  die  dein  Angesicht,  Jahve,  schauen  (nämlich  in  der  himmlischen 
Welt  der  Seelen).  1|  M'^n  48b;  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um*  löC)  hat  gesagt:  Wer  pünktlich 
(hurtig)  ist  in  der  Erfüllung  dieses  ( Schaufäden- iGebotes,  der  ist  würdig,  das  Angesicht 
der  Sch^'khina  (in  der  jenseitigen  Welt)  zu  begrüßen.  Es  heißt  hier  iNu  15,  39):  Wenn 
ihr  „ihn"  (den  Schaufädenschmuck)  seht,  u.  es  heißt  dort  (Dt  6,  13):  Jahve  deinen 
Gott  sollst  du  fürchten  u.  „ihn"  verehren.  (Das  in  beiden  Stellen  vorkommende 
„ihn"  setzt  diese  inhaltlich  in  Beziehung  zueinander;  in  welcher  Weise,  das  zeigt 
der  Ausspruch  R.  Schim?ons.)  ll  Sota42'':  Rab  Jirm'ja  b.  Abba  (um  «250)  hat  gesagt: 
Vier  Abteilungen  (Klassen)  werden  das  Angesicht  der  Sch^khina  (in  der  jenseitigen 
Welt  der  Seelen)  nicht  begrüßen;  nämlich  die  der  Spötter,  s.  Hos  7,  5:  Er  zieht  seine 
Hand  ab  von  den  Spöttern  (d.  h.  wehrt  sie  ab,  so  der  Midr);  die  der  Schmeichler, 
s.  Hi  13,  16;  die  der  Lügner,  s.  Ps  101,  7,  u.  die  der  Verleumder,  s.  Ps  5,  5.  —  Dasselbe 
mit  Rab  Chisda  (t  309)  als  Tradenten  Sanh  103'*;  anonym  u.  zum  Teil  mit  andren  Beleg- 
versen Midr  Ps  101  §3  (214b).  \\  LvR  23  (122^:  R.  Meascha  (so  lies  statt  r:^z:^),  der 
Enkel  des  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Wir  finden,  daß  der,  welcher 
etwas  Schändliches  sieht  u.  seine  Augen  nicht  daran  weidet,  würdig  ist,  das  Angesicht 
der  Sch'^khina  (im  Jenseits)  zu  begrüßen;  denn  es  heißt  Jes  33,  15:  „Wer  seine  Augen 
verschließt,  daß  er  nichts  Böse  sehe",  was  steht  hinterher  geschrieben?  „Den  König 
in  seiner  Schöne  (Gott  in  seiner  Herrlichkeit)  sollen  deine  Augen  schauen,  sehen 
werden  sie  Land  der  Fernen"  (das.  Vers  17).  —  Parallelstellen:  P''siqR24(125b);  Derekh 
Erecj  1  Ende.  ||  Sanh  97b:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Die  Welt  hat  in  keiner  Genera- 
tion weniger  als  36  Gerechte,  die  das  Angesicht  der  Sch'khina  begrüßen  können; 
denn  es  heißt  Jes  30,  18:  „Wohl  allen,  die  seiner  •-  harren."  Und  iV  beträgt  seinem 
Zahlenwert ^  nach  36.  (Dies  Wort  beschränkt  das  Schauen  Gottes  auf  die  vollkom- 
menen Gerechten.)  Aber  Raba  (f  352)  hat  doch  gesagt:  Die  Reihe,  die  vor  Gott  (in 
der  himmlischen  Welt  der  Seelen)  steht  (u.  ihn  schauen  darf)  beträgt  18000  Para- 
sangen,  vgl.  Ez  48,  35:  „Ringsum  18000!"  Das  ist  kein  Widerspruch:  in  dem  ersten 
Fall  handelt  es  sich  um  solche,  die  durch  ein  reines  (ungetrübtes)  Glas^  sehen,  u.  im 
letztern  Fall  um  solche,  die  durch  nicht  reines  Glas  sehen.  (Die  Zahl  derer,  die  Gott 
nicht  deutlich  sehen,  ist  unendlich  viel  größer  als  die  Zahl  derer,  die  ihn  deutlich 
sehn  dürfen.)  Aber  sind  es  denn  so  viele  (wie  Raba  annimmt)?  Es  hat  doch  Chizqijja 
(um  350)  gesagt,  R.  Jirm'ja  (um  320)  habe  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150) 
gesagt:  Ich  habe  die  Söhne  des  Söllers  (d.  h.  die,  welche  den  höchsten  Platz  im  Himmel 
einnehmen)  gesehen,  u.  es  waren  wenige;  wenn  es  UiOO  sind,  so  gehöre  ich  u.  mein 
Sohn  (R.  Elfazar  b.  Schim?on)  zu  ihnen;  wenn  es  100  sind,  so  gehöre  ich  u.  mein  Sohn 
zu  ihnen;   sind  es  zwei,  so  sind  ich  u.  mein  Sohn  diese.    Das  ist  kein  Widerspruch: 


1  VgL  Midr  Ps  16  §12  (62b):  Welches  ist  die  höchste  u.  beliebteste  (Abteilung)? 
Das  ist  die,  welche  zur  Rechten  Gottes  steht,  wie  es  heißt  Sach  4,  3:  „Einer  zur  Rechten 
des  Behälters." 

2  Siehe  Einl.  107.  Nr.  29. 

3  Hierzu  s.  bei  1  Kor  18, 12. 

14* 


212  Matth  5,  8  (95  2) 

in  jenem  Fall  (in  welchem  von  einer  größeren  Anzahl  die  Rede  ist)  handelt  es  sich 
um  solche,  die  nur  mit  hesonderer  Genehmigung  (in  Gottes  Kreis,  M'^'chi9a)  eintreten 
dürfen,  in  diesem  Fall  (von  welchem  R.  Schimfon  spricht)  handelt  es  sich  um  solche, 
die  ohne  Genehmigung  eintreten  dürfen.  —  Dasselbe  mit  andrer  Reihenfolge  der  einzelnen 
Aussprüche  Sukka  451^.  Der  Ausspruch  des  R.  Schimfon  b.  Jochai  auch  pB^'rakh  9, 
18"^,  57  u.  zwar  in  der  Form:  Ich  habe  die  Söhne  der  zukünftigen  Welt  (d.  h.  der  Welt 
der  Seelen)  gesehen  u.  ihrer  waren  wenige  usw. 

C.  BB  10''':  R.  Dos'^thai  b.  Jannai  (um  180)  hat  öffentlich  vorgetragen:    Komm  u. 
sieh,  daß  nicht  wie  Gottes  Art  die  Art  der  Menschen  ist.   Ein  Mensch  bringt  einem 
König  ein  großes  Geschenk  dar:  es  ist  zweifelhaft,  ob  mau  es  von  ihm  annimmt  oder 
nicht;   es  ist  auch   zweifelhaft,   ob  er  das  Angesicht  des  Königs  schauen  wird  oder 
nicht.   Aber  Gott  nicht  also:  es  gibt  ein  Mensch  einem  Armen  eine  P'^ruta  (kleinstes 
Geldstück),  so  wird  er  gewürdigt,  das  Angesicht  der  Sch'^khina  zu  begrüßen,  s.  Ps  17,  15: 
,  Durch  Almosen   (so   der  Midrascii)  werde   ich   dein  Antlitz  schauen,  mich  sättigen, 
wenn  ich  wach  werde  (aus  dem  Todesschlaf  bei  der  Auferstehung  der  Toten)  an  deiner 
Gestalt."  i!  SLv  26,  12  (451"):   ,lch  wandle   in   eurer  Mitte"  Lv2t),  12.   Man  hat  ein 
Gleichnis  gesagt.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?    Mit  einem  König,  der  ausging, 
um  sich  mit  seinem  Pächter  im  Baumgarten  ~~!^t_  [naQÜ^siaog]  zu  ergehn;  aber  jener 
Pächter  hatte  sich  vor  ihm  versteckt.   Der  König  sprach  zu  ihm:  Was  hast  du,  daß 
du  dich  vor  mir  versteckst?   Siehe,  ich  bin  wie  du!   Ebenso  wird  sich  Gott  dereinst 
mit  den  Gerechten  (nach  der  Auferstehung)  im  Garten  sEdens  in  der  Zukunft  ergehn, 
u.  die  Gerechten  werden  ihn  sehn  u.  vor  ihm  erbeben.    Und  er  wird  zu  ihnen  sagen: 
Siehe,  ich  bin  wie  ihr!   Soll  etwa  die  Ehrfurcht  vor  mir  nicht  mehr  auf  euch  sein? 
Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  26,  12:  Und  ich  bin  euer  Gott  u.  ihr  sollt  mein  Volk  sein.  || 
Tafan:-}!»:  fUlla  aus  Biri  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Elfazar  (um  270)  habe  gesagt:  Der- 
einst wird  Gott  den  Gerechten  einen  Reigentanz  veranstalten,  u.  er  selbst  wird  unter 
ihnen  sitzen  im  Gau  fEden,  u.  jeder  wird  mit  seinem  Finger  hinweisen,  wie  es  heißt 
Jes  25,9:  „Sagen  wird  man  an  jenem  Tage:  Siehe,  unser  Gott  ist  dies,  auf  den  wir 
harrten,  daß  er  uns  befreie;  Jahve  ist  dies,  auf  den  wir  harrten;  lasset  uns  frohlocken 
u.  uns  freuen   über  sein  Heil!"    —  In  den  paläst.  Quellen  pMQ  3,83^,  50;   pM'g2, 
73^  31;   Midr  Qoh  1,  11  (10^');   Midr  HL  7,  1  (126«);   LvR  11  (113'')  wird  R.  Chanina 
(um  225  als  Autor  u.  R.  EUazar  als  Tradent  genannt;  in  diesen  Stellen  wird  Gott  als 
:^;^n  •i.-s-',  d.  h.  als  „Reigenführer"  bezeichnet  unter  Hinweis  auf  Ps  48,  14,  wo  man 
ri-n   in  ■nh^r.  deutete  u.  so  den  Satz  gewann:    „Richtet  euren  Sinn  auf  den  Reigen- 
tanz hin."    In  ,noch  andren  palästinischen  Quellen  erscheinen  als  Autoren  R.  B^'rekhja 
(nm  340)  u.  R.  Chelbo  (um  30(i);  so  in  Midr  HL  1,  3  (85'3),  ferner  R.  Jose  b.  Chanina 
tum  270)  in  Midr  Ps  48  §5  (139»);  hier  wird  von  Gott  gesagt:    „Und  Gott  tanzt  mit 
ihnen."  —  Das  Hinweisen   auf  Gott  mit  dem  Finger  kommt  auch  sonst  vor,   s.  zB 
weiter  unten  Tanch  -ii^sa  190b;  ferner  ExR  23  (85^);  Tanch  =py  6^.  ||  Tanch  p'^a  236'^: 
„Zu  der  Zeit  wird  man  zu  Jakob  u.  zu  Israel  sagen:  Was  hat  Gott  getan?"  (so  faßt 
der  Midrasch  Nu  28,  23).   Sein  (Bilfams)  Auge  sah,  wie  die  Israeliten  in  der  Zukunft 
vor  Gott  sitzen  werden  wie  ein  Schüler  vor   seinem  Lehrer,  u.  wie  sie  ihn  betreffs 
jedes  Abschnitts  fragen:  Warum  ist  er  geschrieben  worden?  Ebenso  heißt  es  Jes  23, 18: 
„Denn   denen,   die  vor  Jahve  (als  seine  Schüler)  sitzen,  wird  ihr  Handelserwerb  ge- 
hören zur  Sättigung  u.  zu   stattlicher  Kleidung."    Ferner  heißt   es  Jes  30,20:    „Und 
nicht  mehr  verbergen  wird  sich  dein  Lehrer  (—  Gott),  u.  deine  Augen  werden  deinen 
Lehrer  sehn."  Und  die  Engel  des  Dienstes  werden  die  Israeliten  fragen:  Was  hat  euch 
Gott  gelehrt?    Denn   sie  können   in   deren  M'^chica  (Abteil)  nicht  eintreten,   wie  es 
heißt  (Nu  23,2^^):  Zu  der  Zeit  wird  man  (=  die  Engelj  zu  Jakob  u.  zu  Israel  sagen: 
Was  hat  Gott  getan?  (Israel  wohnt  der  M'^chi9a  Gottes  näher  als  die  Engel,  sie  wissen 
deshalb  um  Gottes  Tun  u.  Lassen  besser  Bescheid  als  diese;  daher  die  Frage  der  Engel 
an  Israel:  Was  hat  Gott  getan?)  —  In  Dt  R  1  (196=*)  wird  Abba  (um  290),  in  pSchab 
6,  8'^,  21  R.  Abba  b.  Kahana   (um  310)  als  Autor  genannt.  ||  Aggad  B'^resch  09  (47  b): 
R.  Aschjan  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Chilqijja  (um  320)  gesagt:  In  dieser  Welt 


Matth  5,  8  (SB  2)  213 

verursachten  es  die  Sünden,  daß  die  Israeliten  taub  wurden  gegen  die  Tora  u.  blind, 
die  Sch^khina  (Gottheit)  zu  sehn,  wie  es  heißt  Jer  fi,  10:  „Siehe,  eine  Vorhaut  hat  ihr 
Ohr,  so  daß  sie  nicht  aufmerken  können."  Deshalb  waren  sie  taub,  die  Tora  zu  lernon. 
u.  ihre  Augen  verschlossen,  die  Seh.  zu  sehn.  Ebenso  hat  Jesaja  42,  18  gesagt:  Ihr 
Tauben,  höret  usw.  Und  sie  antworteten  ihm:  Wir  sehen  nicht,  vgl.  Jes  •>9,  10:  „Tasten 
müssen  wir  wie  die  Blinden  an  der  Wand";  u.  wir  hören  nicht,  vgl.  Ps  o8,  14:  „Und 
ich  bin  wie  ein  Tauber,  ich  höre  nicht"  usw.  Und  was  wird  Gott  in  der  Zukunft  tun? 
Er  wird  sie  zuerst  auferwecken,  u.  darauf  wird  er  ihre  Augen  u.  Ohren  öffnen,  s. 
Jes  3-5,  5:  „Dann  werden  aufgetan  werden  die  Augen  der  Blinden"  usw.;  u.  sie  werden 
die  Worte  Gottes  hören,  s.  Jes  30,  21:  „Und  deine  Ohren  werden  das  Wort  hören",  u. 
sie  werden  ihn  sehen,  wie  er  sie  lehrt,  s.  Jes  30,  20:  „Nicht  mehr  verbergen  wird  bich 
dein  Lehrer"  usw.  In  jener  Stunde  wird  sich  der  Vers  erfüllen  Spr20, 12:  „Das  hörende 
Ohr  u.  das  sehende  Auge"  —  weder  ein  Engel  noch  ein  Seraph  hat  solches  voll- 
bracht —  „die  hat  Jahve  alle  beide  geschaffen."  |1  Midr  Ps  149  §1  (270''}:  Sooft  die 
Israeliten  Gott  geschaut  haben,  sind  sie  fromm  geworden.  Sie  sahen  ihn  am  (Roten) 
Meer  u.  wurden  fromm  u.  sangen  ein  Lied,  s.  Ex  15,  1 ;  sie  sahen  ihn  am  Sinai  u. 
wurden  redlich  (unsträflich),  s.  Spr  2,  7:  „Er  hat  für  die  Redlichen  Weisheit  {—  Tora) ' 
in  Verwahrung",  u.  HL  1,  2  heißt  es:  „Er  (Gott)  küßte  mich  (Israel)  mit  seines  Mundes 
Küssen"  (bei  der  Gesetzgebung,  folglich  müssen  die  Israeliten  Gott  am  Sinai  gesehen 
haben).  Sie  sahen  ihn  in  der  Stiftsbütte  u.  wurden  gerecht,  s.  Lv  9,  2of.  u.  Ps  33,  1. 
Und  wenn  sie  ihn  in  der  zukünftigen  Welt  sehn  werden,  dann  werden  sie  fromm 
werden,  vgl.  Ps  149,1:  „Singet  dem  Herrn  ein  neues  Lied,  seinen  Ruhm  in  der  Ge- 
meinde der  Frommen."  Und  warum  das  alles?  Weil  sie  iim  sehen  werden  u.  sich 
freuen,  u.  er  freut  sich  mit  ihnen.  —  Eine  weniger  gut  durchgeführte  Parallele  in 
Midr  Ps  69  §  1  (160^).  ||  Tanch  apy  Tb;  Auf  die  Tage  des  Messias  folgt  die  zukünftige 
Welt,  u.  Gott  wird  in  seiner  Herrlichkeit  hervorstrahlen  u.  seinen  Arm  offenbaren, 
vgl.  Jes  52,  10:  „Entblößt  hat  Jahve  seinen  heiligen  Arm  vor  den  Augen  aller  Heiden, 
n.  geschaut  haben  alle  Enden  der  Erde  das  Heil  unsres  Gottes."  In  jener  Stunde 
werden  die  Israeliten  Gott  schauen*  in  seiner  Herrlichkeit,  s.  Jes  52,  8:  „Denn  Auge 
in  Auge  sehen  sie,  wenn  Jahve  nach  Ziou  wiederkehrt." 

d.  TanchB  ^ha  ij  2  (I "):  „Lustig  sein  werden  Steppe  u.  Wüste"  Jes  35,  1  ff.  Weshalb 
heißt  es  so?  Um  dich  zu  lehren,  daß  Gott,  wenn  er  seine  Sch'^khina  über  Israel  offen- 
bart, all  sein  Heil  nicht  auf  Einmal  offenbart,  weil  sie  darin  nicht  würden  bestehn 
können;  denn  wenn  er  ihnen  sein  Heil  auf  Einmal  offenbarte,  so  würden  sie  alle 
sterben. 2  Sieh,  was  geschrieben  steht  Jes  64,  3:  „Seit  Ewigkeit  hat  man  es  nicht  ver- 
nommen, nicht  gehört"  usw.  Geh  u.  lerne  von  Joseph:  als  dieser  sich  seinen  Brüdern 
nach  einer  Reihe  von  Jahren  offenbarte,  sprach  er  zu  ihnen:  „Ich  bin  Joseph";  seine 
Brüder  aber  vermochten  ihm  nicht  zu  antworten,  denn  sie  waren  ihm  gegenüber  be- 
stürzt" (Gn45,  3).  Wieviel  mehr  würde  das  Gotte  gegenüber  gelten!  Was  wird  also 
Gott  tun?  Er  offenbart  sich  ihnen  ganz  allmählich.  Zuerst  macht  er  fröhlich  die  Berge, 
s.  Jes  35, 1;  dann  frohlockt  die  Steppe  (das.),  dann  blüht  sie  blühend  auf  (das.  Vers  21; 
dann  wird  ihr  die  Herrlichkeit  des  Libanon  verliehen  (das.l;  dann  werden  sie  die 
Herrlichkeit  Jahves  schauen,  die  Pracht  unsres  Gottes  (das.).  Deshalb  hat  David  ge- 
sagt Ps  102, 17:  Wenn  Jahve  Zion  baut,  wird  er  in  seiner  Herrlichkeit  gesehen.  Ferner 
heißt  es  Jes  52,  8:  Auge  in  Auge  sehen  sie,  wenn  Jahve  nach  Zion  wiederkehrt;  ferner 
Jes  25,  9:  „Sagen  wird  man  an  jenem  Tage:  Siehe,  unser  Gott  ist  dies,  auf  den  wir 
harrten,  daß  er  uns  helfe"  usw.  —  Dasselbe  Tanch  nha  l^.  ii  Tanch  i=i)i2  190'':  Gott 
spricht:  In  dieser  Welt  sind  die  Söhne  Levis,  weil  sie  meine  Herrlichkeit  sahen,  dahin- 

1  Zu  der  Gleichung  Weisheit  =  Tora  s.  zB  Midr  Spr  2  §  7  (25»):  Von  der  Stunde  an, 
da  ein  Mensch  in  seiner  Mutter  Leib  gebildet  wird,  wird  jene  Tora,  die  er  einst  lernen 
soll,  für  ihn  aufbewahrt;  vgl.  Spr  2,  7:  „Er  verwahrt  den  Unsträflichen  die  Weisheit." 

2  Diesen  Gedanken  vertritt  R.  Chijja  (um  200)  pB^rakh  I,  2c,  38:  pJoma  3,  40b,  .35; 
Midr  EsthS,  15  (100b);  Midr  HL  6, 10  (124«);  R.  Chijja  u.  R.  Schimfon  b.  Chalaphta  (um 
190)  Midr  Ps  22  §  13  {9i^);  R.  Judan  (um  350)  Midr  Ps  18  §  30  (81b). 


214  Matth  5,  8  (SB  2) 

geschwunden,  vgl.  Ex  33,  20:  , Nicht  wird  ein  Mensch  mich  sehn  u.  leben  bleiben." 
Aber  in  der  Zukunft  (in  den  Tagen  des  Messias),  wenn  ich  meine  Sch'^khina  nach  Zion 
zurückkehren  lasse,  werde  ich  mich  über  ganz  Israel  offenbaren,  u.  sie  werden  mich 
sehn  u.  ewiglich  leben,  vgl.  Jes  52,  8:  „Auge  in  Auge  sehen  sie"  usw.  Und  nicht  bloß 
dies,  sie  werden  auch  mit  dem  Finger  auf  ihn  weisen,  s.  Ps  4"!,  15:  „Dies  ist  Gott,  unser 
Gott,  immer  u.  ewig!"  Ferner  s.  Jes  25, 9  (wie  oben).  —  Dasselbe  TanchB -^aitj:  §  20  (9b). 

Nicht  näher  bestimmbar  ist  die  Zeit  des  Schauens  Gottes  P'^siqR  1  (2^):  „Alles 
Fleisch  ^vz  wird  kommen,  um  anzubeten  vor  meinem  Angesicht"  Jes  H6,  23.  Es  heißt 
nicht  alle  „Israeliten"  werden  kommen,  sondern  alles  „Fleisch".  R.  Pin'^chas  (um  360) 
hat  gesagt:  Was  heißt  „alles  Fleisch"?  Jeder,  dessen  böser  Trieb  „Fleisch"  ^  wird  in 
dieser  Welt,  ist  würdig,  das  Angesicht  der  Sch^'khina  zu  schauen,  vgl.  Jes  33, 15:  „Wer 
seine  Augen  verschließt,  daß  er  nichts  Böses  sehe."  Was  folgt  darauf?  „Den  König  n 
seiner  Schöne  (Gott  in  seiner  Herrlichkeit)  sollen  seine  Augen  schauen"  (das.  Vers  17).  — 
Da  die  Ausgangsstelle  Jes  66,  28  in  der  Regel  auf  die  Zeit  nach  der  Auferstehung  u. 
dem  Endgericht  gedeutet  wird,  liegt  es  nahe,  den  Ausspruch  des  R.  Pin*^chas  auf  die 
eschatologische  zukünftige  Welt  zu  beziehen.  ||  B^rakh  64*:  R.  Levi  b.  Cha3J''tha  (gegen 
350)  hat  gesagt:  Wer  aus  der  Synagoge  ins  Lehrhaus  geht  u.  mit  der  Tora  sich  be- 
schäftigt, der  ist  würdig,  das  Angesicht  der  Sch'^khina  zu  begrüßen,  vgl.  Ps84,  8:  Sie 
gehen  von  Schar  zu  Schar,  erscheinen  vor  Gott  auf  Zion.  —  Man  wird  an  die  Tage 
des  Messias  oder  an  die  eschatologische  zukünftige  Welt  zu  denken  haben.  —  Das- 
selbe MQ  29";  hier  ist  hinter  R.  Levi  zu  ergänzen  „b.  Chajj'tha" ;  in  Midr  Ps  84  §  4 
(186'")  sind  „unsre  Lehrer"  als  Autoren  genannt.  i|  NuR  8  (US''):  Du  findest  vier  Ab- 
teilungen (Klassen),  die  vor  Gott  stehn  werden,  wie  es  heißt  (Jes  44,  5):  „Der  wird 
sagen:  Jahve  gehöre  ich"  usw.  „Der  wird  sagen:  Jahve  gehöre  ich",  siehe,  der  gehört 
ganz  Gott  an,  keine  Sünde  haftet  ihm  an.  „Und  der  wird  sich  mit  Jakobs  Namen 
benennen"  (das.),  das  sind  die  Ganzproselyten  pis  -i;;  „u.  der  wird  sich  eigenhändig 
Jahve  verschreiben",  das  sind  die  Bußfertigen;  „u.  mit  dem  Namen  Israels  sich  be- 
nennen", das  sind  die  Gottesfürchtigen  (die  im  NT  cf^oßot\uEyot  oder  asßö/ueyoi  roy  ^^söv 
genannten  Proselyten).  —  Der  Inhalt  der  Stelle  w6ist  auf  die  Tage  des  Messias  hin. 

Nach  den  vorstehenden  Stellen  ist  es  der  alten  Synagoge  ein  durch- 
aus geläufiger  Gedanke  gewesen,  daß  einst  eine  Zeit  kommen  werde, 
in  der  Israel  Gott  von  Angesicht  zu  Angesicht  werde  sehn  dürfen, 
insonderheit  daß  in  diesem  Schauen  Gottes  die  höchste  Seligkeit  der 
Gerechten  in  der  himmlischen  Welt  der  Seelen  bestehn  werde.  Hierin 
herrscht  also  Übereinstimmung  mit  der  Seligpreisung.  Dagegen  findet 
«ich  in  der  rabbin.  Literatur  keine  Stelle,  in  der  das  Schauen  Gottes 
von  der  Reinheit  des  Herzens  abhängig  gemacht  würde.  Des  Schauens 
Gottes  dürfen  sich  versichert  halten  die  Rechtschaffenen  n^-uji  (Midr  Ps 
1 1  §  6,  S.  2 10),  die,  welche  daherkommen  in  der  Kraft  ihrer  Torakenntnis 
u.  ihrer  guten  Werke,  die  Schrift-  u.  Mischnalehrer,  die  die  Kinder 
treulich  unterrichten  (P'^siq  179  '',  S.  210  f.),  ferner  wer  fleißig  Synagoge 
u.  Lehrhaus  besucht  (B'^rakh  64^,  S.  214),  wer  den  Armen  Almosen 
spendet  (BB  10^  S.  212),  auch  wer  bedacht  ist  auf  die  Beobachtung 
des  Schaufädengebotes  (M«n43^  S.  211).  Es  zeigt  sich  auch  hier,  wie 
Jesu  Blick  nicht  an  einer  einzelnen  Tugend,  an  einer  einzelnen  Leistung 
des  Menschen  hangen  bleibt,  sondern  immer  auf  das  Zentrum,  auf  das 


^  Gemeint  ist  der,  dessen  steinernes  Herz  nach  Ez  11,  19  zu  einem  fleischernen 
Herzen  wird.  So  spricht  R.  Chizqijja  (um  350)  Sota  5^  von  dem,  der  sein  Herz  zu 
Fleisch  i-aa:  macht. 


Matth  5,  8  (SB  2).  5,  9  (Nr.  1)  215 

Herz  des  Menschen  schaut;  darum  die  reinen  Herzens  sind,  die 
werden  Gott  schauen,  —  Jesu  Wort  am  nächsten  kommt  der  Ausspruch 
des  R.  Meascha  (um  300),  der  das  Schauen  der  Sch'^khina  dem  in  Aus- 
sicht stellt,  der  seine  Augen  nicht  an  Schändlichem  weidet;  denn  das 
Verschließen  der  Augen  vor  allem  Garstigen  setzt  am  ehesten  das 
reine  Herz  voraus;  s.  LvR  23  (122'')  S.  211.  Ferner  der  Ausspruch  des 
R.  Pin«'chas  (um  360),  der  den  für  würdig  erklärt,  das  Angesicht  der 
Sch'^khina  zu  schauen,  dessen  böser  Trieb  (steinernes  Herz)  sich  hat 
umwandeln  lassen  in  das  neue  fleischerne  Herz,  s.  P'^'siqR  1  (2«)  S.  214. 

5,9:  Selig  sind  die  Friedfertigen;  denn  sie  werden  Gottes 
Kinder  heißen.   siQrjvoTioiög  =  ni^u:  najis'  oder  '^  b-^-j^a  oder  '^  diöd. 

1.  Lob  u.  Lohn  des  Friedens  u.  des  Friedenstifters. 

M^kh  Ex  20,  25  (81 »):  R.  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  hat  gesagt:  Siehe,  es  heißt 
Dt  27,  6:  „Aus  unversehrten  (msV-c)  Steinen  sollst  du  den  Altar  bauen",  das  sind 
Steine,  die  Frieden,  ai's»,  stiften.  Siehe,  da  gilt  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das 
Schwerere:  wenn  Gott  in  bezug  auf  die  Steine  des  Altars,  die  weder  sehen  noch  hören 
noch  reden,  darum  weil  sie  Frieden  zwischen  Israel  u.  ihrem  Vater  im  Himmel  stiften, 
gesagt  hat:  „Du  sollst  kein  Eisen  über  sie  schwingen"  —  um  wieviel  mehr  gilt  dann 
von  dem,  der  Frieden  zwischen  zwei  Männern  oder  zwischen  einem  Mann  u.  seinem 
Weibe  oder  zwischen  zwei  Städten  oder  zwei  Nationen  oder  zwei  Regierungen  oder 
zwei  Familien  stiftet,  daß  über  ihn  keine  Strafe  kommen  wird!  —  Dasselbe  Tanch 
•-ir-  (901^)  mit  der  Lohnverheißung  an  den  Friedenstifter,  daß  man  ihm  seine  Lebens- 
jahre verlängere.  —  In  TBQ  7,  7.  8  ist  der  Ausspruch  stark  abweichend.  |I  SNu  6,  26  §  42 
(12''):  Groß  ist  der  Friede;  denn  um  seinetwillen  hat  Gott  den  Vorfall  mit  der  Sara 
in  der  Schrift  verändert,  s.  Gnl8, 13:  Sollte  ich  wirklich  gebären,  da  ich  doch  alt 
geworden  bin?  (so  gibt  Gott  vor  Abraham  die  Worte  Saras  wieder,  die  nach  Vers  12 
lauteten:  Da  doch  mein  Herr  [Abraham]  alt  ist.  Gott  änderte,  damit  Abraham  nicht 
durch  Saras  Worte  erzürnt  würde,  also  um  des  ehelichen  Friedens  willen).  —  Groß  ist 
der  Friede;  denn  der  Engel  hat  um  des  Friedens  willen  Änderungen  vorgenommen 
(s.  Ri  IS,  3.  13).  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  um  seinetwillen  wird  der  in  Heiligkeit 
geschriebene  Jahvename  in  (statt  hy  ist  mit  Nu  5,  23  '^s  zu  lesen)  das  Wasser  aus- 
gewischt, um  Frieden  zwischen  einem  Mann  u.  seinem  Weibe  zu  stiften.  —  R.  Elfazar 
(b.  Scbammua?,  um  150)  hat  gesagt:  Groß  ist  der  Friede;  denn  die  Propheten  haben 
in  den  Mund  aller  Menschen  nur  den  Frieden  gelegt  (ob  Friedensgruß  gemeint?).  — 
R.  Schimf on  b.  Chalaphta  (um  190)  sagte:  Groß  ist  der  Friede;  denn  kein  andres  Gefäß 
faßt  den  Segen  (Gottes  für  Israel)  als  nur  der  Friede,  s.  Ps  29,  11:  Jahve  wird  Stärke 
seinem  Volk  verleihen;  segnen  wird  Jahve  sein  Volk  mit  dem  Frieden.  (Dieser  Aus- 
spruch bildet  den  Schluß  der  Mischna.)  —  R.  Elfazar  Ha-qappar  (um  180)  hat  gesagt: 
Groß  ist  der  Friede;  denn  Gott  hat  alle  Segenssprüche  mit  dem  Frieden  geschlossen, 
s.  Nu  6,  26:  Jahve  erhebe  sein  Angesicht  auf  dich  u.  gebe  dir  Frieden!  —  R.  El?azar 
b.  Ehazar  Ha-qappar  (um  210)  hat  gesagt:  Groß  ist  der  Friede;  denn  selbst  die  Götzen- 
diener, solange  Frieden  unter  ihnen  ist,  darf  der  Satan  nicht  anrühren,  s.  Hos  4,  17: 
„Mit  Götzen  verbunden  ist  Ephraim  —  laß  es  in  Ruh!"  Als  sie  sich  aber  in  Parteien 
teilten,  heißt  es:  „Geteilt  ist  ihr  Herz;  nun  sollen  sie  es  büßen"  (Hos  10,  2).  Siehe,  groß 
ist  der  Friede  u.  verhaßt  die  Zwietracht. ^  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  selbst  in  der 
Stunde  des  Kampfes  sind  wir  auf  den  Frieden  verwiesen,  s.  Dt  20,  10:  Wenn  du  dich 
einer  Stadt  nahst,  um  gegen  sie  zu  kämpfen,  so  rufe  sie  zum  Frieden  auf.  .  .  .  Groß 
ist  der  Friede;  denn  selbst  die  Toten  bedürfen  des  Friedens,  s.  Gn  15,15:  Du  wirst  in 


Nach  GnR  38  (23^)  gehört  dieser  Ausspruch  Rabbi  an. 


216  Matth  5,  9  (Nr.  1 ) 

Frieden  zu  deinen  Vätern  eingehn;  feiner  s.  Jer  34,  5:  Im  Frieden  wirst  du  sterben.  — 
Groß  ist  der  Friede;  denn  er  wird  denen  gegeben,  die  Buße  tun,  s.  Jes  57,  19:  ,Der 
da  scliafft  Frucht  der  Lippen,  Frieden,  Frieden  den  Fernen  (die  in  Buße  zurückgekehrt 
sind)  u.  den  Nahen."  —  Groß  ist  der  E'riede,  denn  er  ist  zum  Anteil  der  Gerechten 
bestimmt,  s.  Jes  57,  2:  „Er  geht  ein  zum  Frieden,  ruhen  werden  sie  auf  ihren  Lagern."  — 
Groß  ist  der  Friede;  denn  er  ist  nicht  zum  Anteil  der  Gottlosen  bestimmt,  s.  Jes  48,  22: 
, Keinen  Frieden,  spricht  Jahve,  gibt  es  für  die  Gottlosen."  —  Groß  ist  der  Friede; 
denn  er  wird  denen  gegeben,  die  die  Tora  liebhaben,  s.  Ps  119, 165:  „Großen  Frieden 
haben,  die  deine  Tora  lieben."  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  er  wird  den  Sanftmütigen 
gegeben,  s.  Ps  37, 1 1 :  „Die  Sanftmütigen  werden  das  Land  in  Besitz  nehmen  u.  ihre 
Lust  haben  an  Friedensfülle."  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  er  wird  denen  gegeben, 
die  die  Tora  lernen,  s.  Jes  54, 13:  „Alle  deine  Kinder  werden  Jünger  Jahves  sein  u. 
groß  der  Friede  deiner  Kinder."  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  er  wird  denen  gegeben, 
die  Wohltat  üben,  s.  Jes  32, 17:  „Es  wird  das  Werk  des  Wohltuns  (so  der  Midr)  Friede 
sein,"  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  der  Name  Gottes  heißt  „Friede",  s.  Ri6,  24:  „Er 
nannte  ihn:  Jahve  Friede I"  —  R.  Chananja,  der  Vorsteher  der  Priester  (um  70),  hat 
gesagt:  Groß  ist  der  Friede;  denn  er  wird  dem  ganzen  Schöpfungswerk  gleichgestellt, 
wie  es  heißt:  „Denn  siehe,  der  Bildner  der  Berge  u.  Schöpfer  des  Geistes,  der  Frieden 
schafft  u.  Unheil  hervorbringt."  '  —  Groß  ist  der  Friede;  denn  siehe,  die  Oberen 
(=  Engel)  bedürfen  seiner,  s.  Hi25,  2:  Herrschaft  u.  Schrecken  ist  bei  ihm,  er  schafft 
Frieden  in  seinen  Höhen. ^  —  Die  hauptsächlichsten  Parallelstellen  sind  LvR  9  (111^), 
meist  mit  Angabe  der  Autoren  für  die  in  Siphre  anonym  überlieferten  Aussprüche; 
NuR  1 1  (164 b);  J«b  65b;  DtR  5(202 c-d);  vgl.  auch  mVrn  p^r.  ||  pSota  1,  16d,  37:  R.  Z«- 
kharja  (so  lies  statt  Z'^badja),  der  Schwiegersohn  des  R.  Levi  (um  300),  hat  folgende 
Geschichte  erzählt.  R.  Me'ir  (um  150)  pflegte  alle  Sabbatvorabende  in  der  Synagoge 
von  Chamtha  (Vorstadt  von  Tiberias)  einen  öffentlichen  Vortrag  zu  halten.  Dort  befand 
sich  eine  Frau,  die  ihn  zu  hören  pflegte.  Eines  Tages  dehnte  der  Vortragende  seinen 
Vortrag  etwas  lang  aus.  Sie  entfernte  sich,  um  nach  Hause  zu  gehn,  u.  fand  die 
Lampe  ausgelöscht.  Ihr  Mann  sprach  zu  ihr:  Wo  bist  du  gewesen?  Sie  antwortete: 
Zum  Anhören  des  Vortrags  des  Vortragenden.  Er  sprach  zu  ihr:  Mir  soll  das  u.  das 
geschehen,  wenn  du  hier  in  das  Haus  kommst,  bevor  du  nicht  hingehst  u.  dem  Vor- 
tragenden in  sein  Angesicht  speist!  R.  Meir  schaute  solches  im  heiligen  Geist  (kraft 
prophetischer  Begabung)  u.  stellte  sich,  als  litte  er  an  seinen  Augen.  Er  sprach:  Jede 
Frau,  die  einen  Spruch  gegen  Augenschmerzen  zu  flüstern  weiß,  komme  u.  flüstere 
ihn.  Da  sprachen  ihre  Nachbarinnen  zu  ihr:  Siehe,  deine  Zeit  ist  gekommen,  daß  du 
wieder  in  dein  Haus  gehn  kannst.  Stelle  dich,  als  ob  du  ihm  einen  Spruch  zuflüstern 
wolltest,  u.  speie  ihm  dabei  in  seine  Augen.  Sie  ging  zu  ihm.  Er  sprach  zu  ihr:  Ver- 
stehst du  die  Augen  zu  besprechen?   Aus  Furcht  vor  ihm  antwortete  sie:  Nein!    Da 


^  Das  Zitat  ist  eine  Verbindung  von  Amos  4,  13  mit  Jes  45,  7  u.  beweist  nicht, 
was  es  beweisen  soll.  In  SLv  2ti,  6  (449")  lesen  wir:  Wenn  ihr  sagen  wolltet:  „Siehe, 
da  ist  Speise,  siehe,  da  ist  Trank",  wenn  kein  Friede  da  ist,  so  ist  nichts  da.  Deshalb 
sagt  die  Schrift  lehrend  Lv26,  6:  „Ich  gebe  Frieden  im  Lande";  das  zeigt,  daß  der 
Frieden  alles  aufwiegt.  Und  ebenso  lehrt  Jes  45,  7:  „Der  Frieden  bereitet  u.  das  All 
schafft",  daß  der  Frieden  alles  aufwiegt.  —  Auch  dieses  Zitat  entspricht  nicht  dem 
masorethischen  Text,  wohl  aber  der  Regel  B'rakh  Hb;  „Es  steht  geschrieben  Jes  45,  7 
?-  Unheil,  aber  wir  lesen  bsrr  alles."  So  wird  auch  oben  in  der  Siphrestelle  zu  lesen 
sein:  „Der  Frieden  bereitet  u.  das  All  schafft."  Dann  steht  der  „Frieden"  dem  „All" 
gegenüber,  so  daß  in  haggadischer  Weise  gesagt  werden  kann:  Der  Friede  wiegt  das 
All  auf.  —  Auch  in  dem  1.  Lobspruch  vor  dem  Morgen- Schema?  wird  Jes  45,  7  mit 
den  Worten  zitiert:  „Der  das  Licht  gebildet  u.  die  Finsternis  geschaffen,  der  den 
Frieden  bereitet  u.  das  All  schafft.  ..." 

2  R.  Ja?aqob  aus  K'phar  Chanin,  um  280,  sagt:  hx^n  „Herrschaft",  das  ist  Mikhael, 
der  aus  Schnee  besteht,  u.  inr  „Schrecken",  das  ist  Gabriel,  der  aus  Feuer  besteht, 
Pesiq3";  Midr  HL  zu  3, 11  (lOSbj;  nach  NuR  12  (166b)  ist  R.  Jochanan,  f  279,  der  Autor. 


Matth5,9  (Nr.  1)  217 

sprach  er  zu  ihr:  So  speie  siebenmal  hinein,  das  wird  ihnen  heilsam  sein!  Nachdem 
sie  hineingespieen,  sprach  er  zu  ihr:  Geh,  sage  deinem  Mann:  Einmal  hattest  du  es 
mir  befohlen,  u.  siebenmal  habe  ich  gespieen!  Da  sprachen  seine  Schüler  zu  ihm: 
Rabbi,  macht  man  denn  so  die  Tora  verächtlich?  Wenn  du  es  uns  gesagt  hättest, 
würden  wir  ihn  dann  nicht  haben  kommen  u.  mit  Ruten  (lies  n^psc  statt  n-Vcsc) 
züchtigen  la&sen,  bis  er  sich  mit  seiner  Frau  aussöhnte?  Er  antwortete:  Soll  es  denn 
mit  Me'irs  Ehre  nicht  gehalten  werden,  wie  mit  der  Ehre  seines  Schöpfers?  Wenn  der 
heilige  Name  (Jahve),  der  in  Heiligkeit  geschrieben  ward,  nach  dem  Wort  der  Schrift 
in  das  Wasser  hinein  (lies  nach  Nu  5,  23  ü"o  Vs  statt  '^  hy)  ausgelöscht  werden  soll, 
um  Frieden  zwischen  einem  Mann  u.  seinem  Weibe  zu  stiften  —  sollte  das  nicht  um 
soviel  mehr  von  der  Ehre  Meirs  gelten?  —  Dasselbe  LvR  9  (111  b);  NuR  9  (1531^);  DtR  5 
(202*^).  I!  Gittin  52*:  Es  waren  einmal  zwei  Menschen,  gegen  die  der  Satan  losgelassen 
war.  In  jeder  Abendstunde  (nach  Raschi:  vor  Sabbatanbruch)  zankten  sie  miteinander. 
R.  Me'ir  begab  sich  dorthin  u.  verweilte  drei  Abende  bei  ihnen,  bis  er  Frieden  zwischen 
ihnen  gestiftet  hatte.  Da  hörte  er,  wie  der  Satan  ausrief:  Wehe,  R.  Meir  hat  mich  aus 
meinem  Hause  getrieben.  |j  Aboth  1,12:  Hillel  sagte:  Sei  von  den  Schülern  Ahrons,  der 
den  Frieden  liebte  u.  dem  Frieden  nachjagte  (vgl.  Ps  34,  15),  der  die  Menschen  liebte  u. 
sie  der  Tora  näherte.  ||  Sanh  6^:  Ahron  liebte  den  Frieden  u.  jagte  dem  Frieden  nach 
u.  stiftete  Frieden  zwischen  den  Leuten  (wörtlich:  zwischen  einem  Menschen  u.  dessen 
Genossen),  s.  Mal  2,  6:  , Wahrhaftige  Rechtsprechung  war  in  seinem  Mund  u.  Schlech- 
tigkeit ward  nicht  auf  seinen  Lippen  gefunden.  In  Frieden  u.  Geradheit  wandelte  er 
mit  mir  u.  viele  brachte  er  zurück  von  Verschuldung. "  Nach  TSanh  1,2  (415)  ist 
R.  Eli?ezer  b.  Jose  Ha-g'*lili,  um  150,  der  Autor.  ||  Aboth  R.  Nathan  12:  R.  Meir  (um 
150)  hat  gesagt:  Was  heißt  Mal  2,  6:  , Viele  brachte  er  von  Verschuldung  zurück"? 
Wenn  Ahron  sich  unterwegs  befand  u.  einem  bösen  Menschen  begegnete,  so  entbot  er 
ihm  den  Friedensgruß.  Wenn  jener  Mensch  am  nächsten  Tage  eine  Übertretung  be- 
gehn  wollte,  sprach  er:  Wehe  mir,  wie  könnte  ich  mein  Auge  aufschlagen  u.  Ahron 
anblicken!  Ich  muß  mich  vor  ihm  schämen,  da  er  mich  gegrüßt  hat.  So  fand  es  sich, 
daß  jener  Mensch  selbst  von  der  Übertretung  sich  zurückhielt.  Ebenso  wenn  zwei 
Menschen  Streit  untereinander  anfingen,  ging  Ahron  hin,  setzte  sich  zu  einem  von 
ihnen  u.  sprach:  Mein  Sohn,  sieh,  was  dein  Nächster  sagt;  er  zermartert  sein  Herz  u. 
zerreißt  seine  Gewänder  u.  spricht:  Wehe  mir,  wie  soll  ich  mein  Auge  aufschlagen  u. 
meinen  Nächsten  anblicken!  Ich  muß  mich  vor  ihm  schämen;  denn  ich  bin  es,  der 
gegen  ihn  gesündigt  hat.  So  saß  er  bei  ihm,  bis  er  die  Feindschaft  aus  seinem  Herzen 
beseitigt  hatte.  Dann  ging  Ahron,  setzte  sich  zu  dem  andren  u.  sprach:  Mein  Sohn, 
sieh,  was  dein  Nächster  sagt;  er  zermartert  sein  Herz  u.  zerreißt  seine  Gewänder  u. 
spricht:  Wehe  mir,  wie  soll  ich  mein  Auge  aufschlagen  u.  meinen  Nächsten  anblicken! 
Ich  muß  mich  vor  ihm  schämen;  denn  ich  bin  es,  der  gegen  ihn  gesündigt  hat.  So 
saß  er  bei  ihm,  bis  er  die  Feindschaft  aus  seinem  Herzen  entfernt  hatte.  Und  wenn 
sich  dann  beide  begegneten,  so  umarmten  u.  küßten  sie  sich.  Deshalb  heißt  es  Nu 
20,29:  Das  ganze  Haus  Israel  beweinte  Ahron  dreißig  Tage  lang.  ||  Aboth  R.  Nathan  12: 
Jage  dem  Frieden  nach.  Wie  denn?  Es  lehrt,  daß  man  in  Israel  dem  Frieden  zwischen 
den  einzelnen  nachjagen  soll,  wie  Ahron  dem  Frieden  in  Israel  zwischen  den  einzelnen 
nachgejagt  hat,  s.  Ps  34, 15:  , Suche  Frieden  u.  jage  ihm  nach."  R.  Schim?on  b.  Elfazar 
(um  190)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  an  seinem  Wohnort  stillsitzt  u.  schweigt,  wie 
kann  der  dem  Frieden  in  Israel  zwischen  den  einzelnen  nachjagen,  wie  es  heißt  Ps 
34,5:  Jage  ihm  nach!  Wie  mag  solches  geschehn?  „Suche  ihn",  nämlich  an  deinem 
Ort,  „u.  jage  ihm  nach",  nämlich  an  einem  andren  Ort.  i|  LvR  9  (110*^):  R.  Jannai  (um 
225)  hat  gesagt:  Es  heißt  Ps  50,23:  -^n  ov.;  das  will  sagen:  Wer  seinen  Weg  (=  Hand- 
lungsweise) abschätzt  (das  Textwort  üb  wird  =  cirj  gedeutet),  ist  viel  wert.  Einmal 
befand  sich  R.  Jannai  unterwegs  u.  sah  einen  Menschen,  der  vornehm  gekleidet  war. 
Er  sprach  zu  ihm:  Würde  wohl  der  Rabbi  (für  einen  solchen  hielt  also  Jannai  den 
Fremden)  meine  Bitte  berücksichtigen,  bei  uns  als  Gast  einzukehren?  Jener  antwortete: 
Ja!  R.  Jannai  führte  ihn  in  sein  Haus  u.  setzte  ihm  Speise  u.  Trank  vor.  Darauf  forschte 


218  .  MatthS,  9  (Nr.  1) 

«r  ihn  etwas  nach  seiner  Schriftkenntnis  aus,  fand  aber  nichts.  Desgleicheb  in  bezog 
auf  die  mündliclie  Tradition  u.  die  Haggada  u.  die  halakhische  Schriftauslegung;  aber 
er  fand  nichts.  Da  sprach  er  zu  ihm:  Nimm  den  Becher  u.  sprich  den  Lobspruch  (das 
Tischgebet I.  Jener  antwortete:  Möge  Jannai  in  seinem  Hause  den  Lobspruch  sprechen! 
R.  Jannai  fragte  ihn:  Vermagst  du  nachzusprechen,  was  ich  dir  sage?  Er  antwortete: 
Ja.  So  sprich,  entgegnete  R.  Jannai:  Ein  Hund  hat  sein  Brot  gegessen!  Da  erhob  sich 
jener,  packte  ihn  an  u.  sprach:  Wie,  mein  Erbteil  bei  dir  willst  du  mir  vorenthalten? 
R.  Jannai  erwiderte:  Dein  Erbteil  ist  bei  mir?  Jener  sprach:  Einmal  ging  ich  an  einem 
Schulhaus  vorüber  u.  hörte,  wie  die  Stimmen  der  Kinder  sagten:  Die  Lehre  trug  uns 
Mose  auf  als  Erbteil  der  Gemeinde  Jakobs  Dt  83,  4.  Als  Erbteil  für  „Jakob"  heißt  es 
hier  nicht,  sondern  als  Erbteil  der  , Gemeinde  Jakobs"  (u.  dazu  gehöre  ich  auch,  wie 
darfst  du  mir  also  die  Lehre  vorenthalten,  indem  du  mich  einen  Hund  nennst?).  R.  Jannai 
sprach  zu  ihm:  Weshalb  bist  du  gewürdigt  worden,  an  meinem  Tisch  zu  speisen?  Er 
antwortete  ihm:  Mein  lebelang  habe  ich  kein  böses  Wort  gehört  u.  habe  es  seinem 
Urheber  zurückgegeben,  u.  nie  habe  ich  zwei  Menschen  miteinander  streiten  sehn,  ohne 
zwischen  ihnen  Frieden  zu  stiften.  R.  Jannai  sprach  zu  ihm:  Soviel  gute  Sitte  findet 
sich  bei  dir,  u.  ich  habe  dich  einen  Hund  genannt!  Da  wandte  er  auf  ihn  das  Wort 
an:  „Wer  den  Weg  abschätzt,  den  will  ich  mit  Lust  sehn  lassen  das  Heil  Gottes"  (so 
Ps  50,23  nach  dem  Midr).  !1  Pea  I,  1:  Von  folgenden  Dingen  genießt  der  Mensch  die 
Früchte  (Zinsen)  in  dieser  Welt,  während  das  Kapital  (der  volle  Lohn)  ihm  stehn  bleibt 
für  die  zukünftige  Welt:  diese  sind:  das  Ehren  der  Eltern,  die  Ausübung  von  Liebes- 
werken, das  Friedenstiften  zwischen  den  Menschen  u.  das  Studium  der  Tora,  das  jenen 
allen  gleichkommt.  —  Der  Satz  wird  zitiert  zB  Schab  ]2T^-  Qid  40*.  |!  J'^b  109^:  Bar 
Qappara  (um  220)  hat  gelehrt:  Immer  befasse  sich  der  Mensch  mit  drei  Dingen  u.  halte 
sich  fern  von  drei  Dingen.  Er  befasse  sich  mit  der  Chali^a  (Zeremonie  des  Schuh- 
ausziehens zur  Vermeidung  der  Leviratsehe),  mit  dem  Friedenstiften  u.  mit  der  Auf- 
lösung von  Gelübden.  Er  halte  sich  fern  von  der  Nichtigerklärung  einer  mit  einer 
Minorennen  eingegangenen  Ehe,  von  der  Annahme  von  Depositen  u.  von  Bürgschafts- 
leistungen. —  in  pj4  l:^,  13^34  anonym;  in  GnR  93  (58"^)  R.  Chanina  (um  225)  als 
Autor.  II  Tafan  22*:  Inzwischen  kamen  zwei  Männer  einher,  von  denen  der  Prophet 
Elias  zu  R.  B^roqa  von  Chozai  (wann?)  sagte:  Auch  diese  sind  Kinder  der  zukünftigen 
Welt.  R.  B^roqa  ging  zu  ihnen  u.  sprach:  Was  ist  euer  Tun?  Sie  antworteten:  Wir 
sind  Spaßmacher,  die  die  Mißmutigen  erheitern;  auch  wenn  wir  zwei  Menschen  sehen, 
zwischen  denen  Streit  ist,  bemühen  wir  uns,  ihnen  Frieden  zu  schaffen.  ||  B'^rakh  17*: 
Ein  häufiger  Ausspruch  im  Munde  des  Abaje  (f  338/39)  war:  Immer  sei  der  Mensch 
klug  in  Gottesfurcht  u.  mild  in  der  Antwort;  er  stille  den  Zorn  u.  mehre  den  Frieden 
mit  seinen  Brüdern  u.  seinen  Verwandten  u.  allen  Menschen,  selbst  mit  den  NichtJuden 
auf  dem  Markte,  damit  er  geliebt  sei  oben  (im  Himmel)  u.  viel  begehrt  unten  u.  wohl- 
gelitten bei  den  Menschen.  |i  Aboth  1, 18:  Rabban  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  pflegte 
zu  sagen:  Auf  drei  Dingen  steht  die  Welt:  auf  dem  Recht,  auf  der  Wahrheit  u.  auf 
dem  Frieden.  —  Hierzu  bemerkt  Pereq  ha-schalom  21'"*:  R.  Mona  (=  Mani  IL,  um  370) 
hat  gesagt:  Und  die  drei  sind  einunddasselbe:  wird  das  Recht  geübt,  dann  kommt  die 
Wahrheit  auf,  dann  entsteht  der  Friede;  u.  die  drei  werden  in  Einem  Vers  erwähnt, 
Sach  8,  16:  ,  Wahrheit  u.  Recht  des  Friedens  richtet  in  euren  Toren."  Überall,  wo  Recht 
ist,  ist  Friede,  u.  überall,  wo  Friede  ist,  ist  Recht. 

Mehrfach  (auch  von  Tal  S.  45)  wird  zu  Mt  5,  9  zitiert  Sanh  7*:  Sieben 
Gruben  dem  a^i^^,  (u.  er  fällt  doch  nicht  hinein);  aber  eine  (genügt) 
für  den,  der  Böses  tut.  Sch'^muel  (f  254)  sagte  zu  Rab  J'^huda  (f  299): 
Es  steht  geschrieben,  Spr24,  16:  „Denn  siebenmal  fällt  der  Gerechte 
u.  steht  wieder  auf,  aber  der  Frevler  fällt  in  eine.  —  Schon  Raschi 
hat  X5ia!:iü  durch  di^uj  uj'ix  =  „Friedliebenden"  erklärt;  in  Wirklichkeit 
bedeutet  es  den  „Vollkommenen". 


Matth  5,  9  (Nr.  2)  219 

2.  vtol  &eov.  Der  Ausdruck  „Söhne"  oder  „Kinder  Gottes"  zur  Be- 
zeichnung der  Israeliten,  speziell  der  Frommen,  begegnet: 

Weisli  2, 13:  (Der  Gerechte)  rühmt  sich,  Gotteserkenntnis  zu  haben,  u.  nennt  sich 
ein  Kind  des  Herrn  nmda  xvqIov.  |  2,  18:  Ist  der  Gerechte  ein  Sohn  Gottes  vl6g  &eov, 
so  wird  der  sich  seiner  annehmen  u.  ihn  erretten  aus  seiner  Widersacher  Hand.  |  9,  4: 
Verleihe  mir  (Salomo)  Weisheit,  deines  Throns  Beisitzerin,  u.  schließe  mich  nicht  aus 
von  deinen  Kindern  ex  nccldioi'  aov.  i  9,  7:  Du  hast  mich  (Salomo)  auserwählt  zum  König 
deines  Volkes  u.  zum  Richter  deiner  Söhne  u.  Töchter  viüjy  aov  xai  dvyi^xiQixiv,  \  12, 1 9  ff.: 
Du  hast  frohe  Hoffnung  gewährt  deinen  Kindern  xovc,  vloig  aov  (=  den  Israeliten), 
weil  du  Buße  gewährtest  bei  Sünden.  Denn  wenn  du  Feinde  deiner  Kinder  ncäStüy 
aov  mit  solcher  Nachsicht  bestraftest,  mit  welcher  Achtsamkeit  hast  du  da  deine  Söhne 
rovg  viovg  aov  gerichtet!  ]  18,  13:  Sie  (die  Ägypter)  bekannten  beim  Sterben  der  Erst- 
geburt, daß  das  Volk  (Israel)  Gottes  Sohn  r'^sov  vlöv  sei.  —  ||  Auch  2  Makk  7,  34  darf 
mau  rovg  ovQariovg  ncaSag  nicht  durch  „himmlische  Knechte"  wiedergeben;  vielmehr 
ist  ovQÜPioi  TiaTdsg  soviel  wie  , Kinder  des  Himmels"  =  Kinder  Gottes.  ||  So  heißt  es 
in  bezug  auf  die  Gerechten  Henoch  101,  1:  All  ihr  Kinder  des  Himmels  (=  Gottes), 
betrachtet  den  Himmel  u.  jedes  Werk  des  Höchsten;  fürchtet  euch  vor  ihm  u.  tut 
nichts  Böses  vor  ihm.  |  Henoch  62, 11:  Die  Strafengel  werden  sie  (die  Könige  u.  Mäch- 
tigen der  Erde)  in  Empfang  nehmen,  um  an  ihnen  Rache  dafür  zu  nehmen,  daß  sie 
seine  (Gottes)  Kinder  u.  Auserwählten  mißhandelt  haben.  —  |1  Jubil  1,  24  f.:  Ihre  (der 
Israeliten)  Seele  wird  mir  (Gott)  folgen  u.  meinem  ganzen  Gebote  (nämlich  in  der 
Endzeit),  u.  sie  werden  nach  meinem  Gebote  tun,  u.  ich  werde  ihnen  Vater  sein  u.  sie 
werden  mir  Kinder  sein.  Und  sie  alle  sollen  Kinder  des  lebendigen  Gottes  heißen,  u. 
alle  Engel  u.  alle  Geister  werden  wissen  u.  werden  sie  kennen,  daß  sie  meine  Kinder 
sind,  u.  ich  ihr  Vater  bin  in  Festigkeit  u.  Gerechtigkeit,  u.  daß  ich  sie  liebe.  —  ||  Ps 
Sal  17,27:  Er  (der  Messias)  läßt  nicht  zu,  daß  ferner  Unrecht  in  ihrer  (der  Israeliten) 
Mitte  weile  .  ,  .;  denn  er  kennt  sie,  daß  sie  alle  Söhne  (Kinder)  ihres  Gottes  sind  ort 
nävreg  viol  &6ov  kvtwi'  siai.  ||  Midr  Esth  Einl.  (82^):  Abba  Gorjon  aus  Sidon  (um  180?) 
hat  fünf  Worte  im  Namen  des  Rabban  Gamliel  (II.,  um  90)  gesagt:  .  .  .  Seitdem  die 
geliebten  Kinder  s-'a-an  s":2  mit  ihren  Taten  ihren  Vater  im  Himmel  erzürnten,  ließ  er 
ihnen  einen  ruchlosen  König  erstehn  u.  bestrafte  sie.  Und  wer  war  das?  Achaschverosch. 
Parallelstelle:  Midr  Abba  Gorjon  Anf.,  ohne  Gamliels  Namen.  ||  Aboth  3, 14:  R.  f  Aqiba 
pflegte  zu  sagen:  Geliebt  sind  die  Israeliten;  denn  sie  sind  Söhne  Gottes  oipa^  d'js 
genannt  worden.  Als  eine  besondere  Liebe  wurde  ihnen  kundgetan,  daß  sie  Söhne 
Gottes  genannt  worden  sind,  s.  Dt  14, 1 :  Söhne  seid  ihr  Jahve,  eurem  Gotte. . . .  ||  BB  10": 
R.  ?  Aqiba  sprach  zu  dem  Statthalter  Ruf us:  Ich  will  dir  ein  Gleichnis  sagen.  Womit 
läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König  von  Fleisch -u.  Blut,  der  über  seinen  Sohn 
zürnte  u.  ihn  ins  Gefängnis  werfen  ließ  u.  befahl,  daß  man  ihm  weder  Speise  noch 
Trank  reiche.  Da  ging  ein  Mensch  hin  u.  reichte  ihm  Trank.  Als  das  der  König  hörte, 
wird  er  ihm  nicht  ein  Geschenk  übersandt  haben?  Auch  wir  heißen  Kinder  (Gottes), 
s.  Dtl4, 1:  „Söhne  seid  ihr  Jahve,  eurem  Gotte."  Jener  antwortete:  Ihr  heißt  Kinder 
u.  ihr  heißt  Knechte:  wenn  ihr  den  Willen  Gottes  tut,  heißt  ihr  Kinder,  u.  wenn 
ihr  nicht  den  Willen  Gottes  tut,  heißt  ihr  Knechte;  u.  jetzt  tut  ihr  nicht  den  Willen 
Gottes.  ...  II  Midr  Panim  acherim,  Rez.  II,  ed.  Buber  41'*:  (R.  Me'ir,  um  150,  sagte  zu 
einem  Befehlshaber:)  Auch  wir  sind  Kinder  Gottes  s^p-c  ^tti  vjs;  aber  wegen  des  Hoch- 
muts, der  in  uns  war,  erzürnten  wir  ihn  u.  wurden  gegen  ihn  widerspenstig.  .  .  .  |1  P 'siqR 
5(l4t):  R.  J%uda  b.  Schalem  (um  370)  hat  gesagt:  Mose  wünschte,  daß  die  Mischna 
(traditionelle  Lehre)  schriftlich  gegeben  würde;  Gott  aber  sah,  daß  die  Völker  dereinst 
die  Tora  übersetzen  u.  griechisch  lesen  würden  u.  sagen,  daß  jene  (die  Israeliten)  nicht 
(das  wahre)  Israel  seien.  Gott  sprach  zu  ihm:  Siehe,  Mose,  die  Völker  werden  einst 
sagen:  Wir  sind  (das  wahre)  Israel,  wir  sind  die  Kinder  Gottes  aip«  hv  1-33.  Und  die 
Israeliten  werden  sagen:  Wir  sind  die  Kinder  Gottes!  Und  noch  halten  sich  die  Wag- 
schalen das  Gleichgewicht.    Dann  wird  Gott  zu  den  Völkern  sagen:  Wie  sagt  ihr  denn, 


220  ^atth  5,  9  ^Nr.  2).  5,  10  (Nr.  1) 

daß  ihr  meine  Kinder  ^^iz  seid?  Ich  weiß  nur,  daß  der,  der  mein  Geheimnis  in  seinem 
Besitz  hat,  mein  Sohn  '3=  ist!  Sie  antworten  ihm:  Was  ist  denn  dein  Geheimnis?  Er 
spricht  zu  ihnen:  Das  ist  die  Mischna  (die  traditionelle  Gesetzesauslegung,  die  sog. 
mündliche  Tora).  —  Mit  den  „Völkern"  ist  hier  der  Zeit  des  R.  J'^huda  b.  Schalom  ent- 
sprechend das  christianisierte  römische  Reich  gemeint.  —  Parallelstellen:  Tanch  si^i 
2-2b;  TanchB  s"^-^  §  6  (44b);  Tanch  svr^  '=  120b.  ||  DtR  7  (204«):  R.  J'^huda  b.  Schalom 
(um  370)  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  Israel:  Wann  heißet  ihr  meine  Kinder  -:=?  Wenn 
ihr  meine  Reden  annehmt,  vgl.  Spr2, 1.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem 
König,  zu  dem  sein  Sohn  sagte:  Kennzeichne  mich  (gib  mir  ein  Abzeichen)  im  Lande, 
daß  ich  dein  Sohn  bin.  Sein  Vater  sprach  zu  ihm:  Du  hast  den  Wunsch,  daß  alle 
wissen  möchten,  daß  du  mein  Sohn  bist?  Lege  meinen  Purpurmantel  an  u.  setze  meine 
Krone  auf  dein  Haupt,  so  werden  alle  wissen,  daß  du  mein  Sohn  bist.  Ebenso  sprach 
Gott  zu  den  Israeliten:  Ihr  habt  den  Wunsch,  gekennzeichnet  zu  werden,  daß  ihr  meine 
Kinder  -:a  seid?  Beschäftigt  euch  mit  der  Tora  u.  den  Gebotserfüllungen,  so  werden 
alle  sehn,  daß  ihr  meine  Kinder  seid.  —  Oder:  wann  seid  ihr  meine  Kinder  ":;?  Wenn 
ihr  meine  Reden  annehmt,  vgl.  Spr  2, 1.  —  Wesentlich  das  gleiche  besagt  der  Satz  pQid 
1,  61  '=,  86:  Wenn  die  Israeliten  Gottes  Willen  tun,  heißen  sie  Söhne  (Kinder)  wiz,  wenn 
sie  aber  nicht  Gottes  Willen  tun,  heißen  sie  nicht  Söhne.  —  Qid  26^  Bar:  Kinder  seid 
ihr  Jahve,  eurem  Gotte  (Dt  14,  l):  Wenn  ihr  euch  nach  Art  der  Kinder  führt,  heißt  ihr 
Kinder;  wenn  nicht,  heißt  ihr  nicht  Kinder.  Das  sind  Worte  des  R.  J'^huda  (um  150). 
R.  Meir  sagte:  Ob  so  oder  so,  ihr  heißt  (immer)  Kinder;  s.  Jer4,  22:  „Einfältige  Kinder 
sind  sie";  ferner  Dt32,20:  „Kinder,  auf  die  kein  Verlaß  ist";  ferner  Jesl,4:  „Saat 
von  Missetätern,  heillose  Söhne";  ferner  Hos  2, 1 :  „Es  wird  geschehn,  anstatt  daß  man 
zu  ihnen  sagte:  , Nicht  mein  Volk  seid  ihr',  wird  man  sie  heißen  , Söhne  des  lebendigen, 
Gottes'."  Was  ist  mit  „ferner"  gemeint?  Wenn  du  sagen  wolltest:  „Einfältige",  ja 
dann  werden  sie  Kinder  genannt;  wenn  aber  in  ihnen  keine  Treue  ist,  dann  werden 
sie  nicht  Kinder  genannt  —  so  komm  u.  höre:  es  heißt  auch:  „Kinder,  auf  die  kein 
Verlaß  ist."  Und  wenn  du  sagen  wolltest:  Wenn  in  ihnen  kein  Verlaß  ist,  ja  dann 
werden  sie  Kinder  genannt;  wenn  sie  aber  Götzendiener  sind,  dann  werden  sie  nicht 
Kinder  genannt  —  so  komm  u.  höre:  es  heißt  auch:  „Saat  von  Missetätern,  heillose 
Söhne."  Und  wenn  du  sagen  wolltest:  „Heillose  Söhne",  ja  dann  werden  sie  Kinder 
genannt,  aber  gute  (fromme)  Kinder  werden  sie  nicht  genannt  —  so  komm  u.  höre: 
es  heißt  auch:  „Es  wird  geschehn,  anstatt  daß  man  zu  ihnen  sagte:  , Nicht  mein  Volk 
seid  ihr',  wird  man  sie  heißen  , Söhne  des  lebendigen  Gottes'"  (Raschi:  der  Buße  wegen).  || 
GnR'20  (13b)  bei  Mt  5,  11 5B,  Nr.  4. 

Häufig  wird  Gott  die  Anrede:  „meine  Kinder"  •'ii,  •'^::i  an  Israel  in 
den  Mund  gelegt,  zB  DtR  7  (204«). 

Eine  Stelle,  in  der  die  Friedfertigen  oder  die  Friedenstifter  durch 
die  Bezeichnung  „Gottes  Kinder"  belohnt  würden,  ist  uns  in  der 
rabbin.  Literatur  nicht  bekannt  geworden. 

5, 10:  Selig  sind,  die  um  Gerechtigkeit  willen  verfolgt  werden. 
1.  Gott  hält  es  mit  den  Verfolgten. 

BQ  933 :  R.  Abbahu  (um  800)  hat  gesagt:  Immer  gehöre  der  Mensch  zu  den  Ver- 
folgten u.  nicht  zu  den  Verfolgern;  denn  unter  den  Vögeln  hast  du  keinen,  der  mehr 
verfolgt  würde  als  die  Turteltaube  u.  die  junge  Taube;  u.  sie  (allein)  hat  die  Schrift 
als  tauglich  für  den  Altar  erklärt.  II  LvR  27  (123'):  „Gott  sucht  den  Verfolgten"  (d.h. 
Gott  nimmt  sich  seiner  an,  so  wird  Qoh  3,  15  vom  Midr  gedeutet).  R.  Huna  (um  850) 
hat  im  Namen  des  Rab  Joseph  (f  338)  gesagt:  Immer  sucht  Gott  den  Verfolgten.  Du 
findest,  wenn  ein  Gerechter  einen  Gerechten  verfolgt,  so  sucht  Gott  den  Verfolgten; 
wenn  ein  Gottloser  einen  Gottlosen  verfolgt,  so  sucht  Gott  den  Verfolgten;  selbst 
wenn  ein  Gerechter  einen  Gottlosen  verfolgt,  sucht  Gott  den  Verfolgten.   Überall  sucht 


Matth5, 10(Nr.l.2)  221 

Gott  den  Verfolgten.  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  im  Namen  des  R  Jose  b.  N'^horai 
(um  2ö0)  gesagt:  Immer  fordert  Gott  das  Blut  der  Verfolgten  von  den  Verfolgern.  Daß 
es  sich  also  verhält,  kannst  du  an  folgendem  erkennen:  Abel  wurde  von  Qain  ver- 
folgt, u.  Gott  erwählte  Abel,  s.  Gn  4,  4.  Noah  wurde  von  seiner  Generation  verfolgt, 
u.  Gott  erwählte  nur  Noah,  s.  Gn  7,  1.  Abraham  wurde  von  Nimrod  verfolgt,  u.  Gott 
erwählte  Abraham,  s.  Neh  9,  7.  Isaak  wurde  von  den  Philistern  verfolgt,  u.  Gott  er- 
wählte Isaak,  s.  Gn  26,  28.  Jakob  wurde  von  Esau  verfolgt,  u.  Gott  erwählte  Jakob, 
s.  Ps  135,  4.  Joseph  wurde  von  seinen  Brüdern  verfolgt,  u.  Gott  erwählte  Joseph,  s. 
Ps  81,  6.  Mose  wurde  vom  Pharao  verfolgt,  u.  Gott  erwählte  Mose,  s.  Ps  106,  23.  David 
wurde  von  Saul  verfolgt,  u.  Gott  erwählte  David,  s.  Ps  78,  70.  Saul  wurde  von  den 
Philistern  verfolgt,  u.  Gott  erwählte  Saul,  s.  1  Sm  10,  24.  Israel  wird  von  den  Völkern 
verfolgt,  u.  Gott  hat  Israel  erwählt,  s.  Dt  14,  2.  —  R.  El?azar  (um  270)  hat  im  Niimen 
des  R.  Jose  b.  Zimra  (um  2'2.0)  gesagt:  Auch  bei  den  Opfern  ist  es  so.  Gott  hat  ge- 
sagt: Der  Ochse  wird  vom  Löwen  verfolgt,  die  Ziege  wird  vom  Panther  verfolgt,  das 
Lamm  wird  vom  Wolf  verfolgt:  bringet  vor  mir  von  den  Verfolgten,  aber  nicht  von 
■den  Verfolgern  (als  Opfer)  dar,  s.  Lev  22,  27.  —  Parallelstellen:  Midr  Qoh  3,  15  (20b); 
P«siq  76 a;  TanchB  ni^s  §  12  (46-'^). 

2.  Die  Stellung  der  offiziellen  Synagoge  zum  Martyrium. 

Die  hadrianischen  Verfolgungsedikte,  die  die  Beschäftigung  mit  der 
Tora  u.  die  Ausübung  der  religionsgesetzlichen  Bestimmungen  verboten, 
s.  BB  40'^;  M'kh  Ex  20,  6  (75'^),  stellten  die  Führer  des  Volkes  vor  die 
Frage,  ob  sie  von  diesem  die  Treue  gegen  das  väterliche  Gesetz  allen 
kaiserl.  Verordnungen  zum  Trotz  fordern,  d.  h.  ihm  das  Martyrium  zu- 
muten sollten,  oder  ob  Nachsicht  u.  Straflosigkeit  allen  denen  zu- 
zubilligen sei,  die  aus  Leidensscheu  jenen  Edikten  sich  fügen  würden. 
Zur  Entscheidung  der  Frage  trat  in  Lydda  eine  Versammlung  von  Ge- 
lehrten zusammen,  s.  Sanh  74*:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des 
R.  Schim^on  b.  J'^ho^adaq  (um  225)  gesagt:  Man  stimmte  ab  u.  beschloß 
im  Söller  des  Nithza  zu  Lydda:  „Von  allen  Übertretungen  in  der  Tora 
gilt,  daß,  wenn  man  zu  einem  Menschen  sagt:  ,Übertritt,  damit  du 
nicht  getötet  werdest',  er  sie  übertreten  darf,  um  nicht  getötet  zu 
werden,  ausgenommen  Götzendienst,  Blutschande  (Unzucht)  u.Mord."  — 
Parallelstellen:  pSch''bi?ith  4,  35%  42;  pSanh  3,  2P,  10.  —  R.  Jischma^el 
(t  um  135)  wollte  noch  weitere  Rücksicht  auf  die  Schwachen  genommen 
wissen.  Sanh  74 '^  Bar:  R.  Jischma^el  sagte:  Woher  läßt  sich  beweisen, 
daß,  wenn  man  zu  einem  Menschen  sagt:  , Diene  dem  Götzen,  damit 
du  nicht  getötet  werdest',  er  die  Übertretung  begehn  darf,  um  nicht 
getötet  zu  werden?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  18,5:  „daß  er  durch 
sie  (die  Gebote  u.  ihre  Erfüllung)  lebe",  aber  nicht:  „daß  er  durch 
sie  sterbe."  Darf  er  die  Übertretung  etwa  auch  öffentlich  begehn?  Die 
Schrift  sagt  lehrend  (Lv  22,32):  „Entweihet  nicht  meinen  heiligen 
Namen,  damit  ich  geheiligt  werde"  (u.  öffentlich  begangener  Götzen- 
dienst würde  eine  Entheiligung  des  göttl.  Namens  bedeuten).  —  Diese 
Bar  auch  SLv  18,  5  (338'').  —  Während  also  die  Mehrzahl  der  Gelehrten 
allen  Übertretungen  gegenüber  mit  Ausnahme  des  Götzendienstes,  der 
Blutschande  u.  des  Mordes  Nachsicht  will  walten  lassen,  ist  R.  Jisch- 
ma'el  bereit,  auch  erzwungenen  Götzendienst,  falls  er  nur  nicht  öffent- 


222  Matth  5, 1-0  (Nr.  2) 

lieh  ausgeübt  wird,  straffrei  zu  lassen.  Doch  drang  R.  Jischma?el  mit 
seiner  Meinung  nicht  durch.  Es  blieb  daher  dabei,  daß  alle  Über- 
tretungen, zu  denen  ein  Israelit  in  der  Verfolgungszeit  gezwungen 
wurde,  ihm  nachgesehen  werden  sollten;  nur  wenn  er  zu  einer  der 
genannten  drei  Hauptsünden  genötigt  würde,  habe  er  das  Martyrium 
auf  sich  zu  nehmen. 

Graetz,  Gesch.  der  Juden  ^  4, 463 f.  hat  die  Vermutung  ausgesprochen, 
daß  mit  diesem  Beschluß  von  Lydda  die  Qid  40*^  berichtete  Verhand- 
lung in  Verbindung  gestanden  habe:  Einmal  saßen  R.  Tarphon  u.  die 
Ältesten  im  Söller  des  Hauses  des  Nithza  in  Lydda.  Vor  ihnen  wurde 
die  Frage  aufgeworfen:  Ist  das  Studium  (der  Tora)  größer  (wichtiger) 
oder  die  Ausübung  (der  einzelnen  religionsgesetzl.  Satzungen)?  R.  Tar- 
phon antwortete  u.  sprach:  Die  Ausübung  ist  größer.  R.  ^Aqiba  sprach: 
Das  Studium  ist  größer.  Alle  antworteten:  Das  Studium  ist  größer, 
denn  das  Studium  führt  zur  Ausübung.  —  Nachdem  man  der  Laien- 
welt die  Einstellung  der  praktischen  Religionsausübung  bei  drohender 
Gefahr  gestattet  hatte,  mußte  sich  die  Frage  aufdrängen,  wie  es  in 
dieser  Hinsicht  mit  der  Lehrtätigkeit  der  Rabbinen  u.  dem  Torastudium 
ihrer  Schüler  zu  halten  sei:  darf  die  Beschäftigung  mit  der  Tora  an- 
gesichts der  kaiserl.  Edikte  aufgegeben  werden,  oder  ist  sie  trotz  den 
mit  ihr  verbundenen  Gefahren  beizubehalten?  R.  Tarphon  vertrat  die 
Ansicht:  nachdem  man  für  die  Einstellung  der  nach  seinßr  Meinung 
wichtigeren  religiösen  Praxis  Nachsicht  bewilligt  habe,  könne  man 
diese  auch  denen  nicht  vorenthalten,  die  die  minder  wichtige  Be- 
schäftigung mit  der  Tora  aufgäben.  Allein  die  übrigen  Gelehrten, 
namentlich  R.  fAqiba,  erklärten  mit  Erfolg,  daß  das  Studium  der  Tora 
wichtiger  sei  als  ihre  praktische  Ausübung.  Darin  lag,  daß  die  Ge- 
lehrten in  keinem  Fall  ihre  Lehrtätigkeit  einzustellen,  sondern  um 
ihretwillen  unbedingt  dem  Martyrium  sich  zu  unterziehn  hätten.  Es 
kann  sein,  daß  mit  dieser  Auslegung  des  zweiten  Beschlusses  von 
Lydda  sein  eigentlicher  Sinn  getroffen  ist;  nur  darf  man  darauf  kein 
besonderes  Gewicht  legen,  daß  dieser  Beschluß  an  derselben  Stätte 
gefaßt  sei,  wie  der  zuerst  genannte,  der  die  Laienwelt  betraf;  denn 
sämtliche  Parallelstellen  SDt  11,  13  §  41  (79»^);  pChag  1,  76«,  42.  45  u. 
Midr  HL  2,  14  (lOP)  nennen  andre  Örtlichkeiten,  an  denen  über  die 
Frage,  ob  das  Studium  oder  die  Praxis  wichtiger  sei,  verhandelt  worden 
ist.  —  Es  ist  bekannt,  daß  in  der  hadrianischen  Verfolgungszeit  mehrere 
angesehene  Rabbinen  die  Ausübung  ihrer  Lehrtätigkeit  mit  dem  Tode 
gebüßt  haben;  unter  ihnen  auch  R.  ^Aqiba  (s.  S.  224). 

Um  die  Mitte  des  3.  Jahrh.  scheint  man  noch  einmal  über  die 
Pflicht  der  Gesetzestreue  in  Zeiten  der  Verfolgung  debattiert  zu  haben. 
Dabei  hat  die  Autorität  eines  R.  Jochanan  (f  279)  den  Beschluß  von 
Lydda  nicht  unwesentlich  verschärft.  Sanh  74^:  Als  Rab  Dimi  (um  320) 
kam  (nämlich  von  Palästina  nach  Babylonien),  sagte  er,  R.  Jochanan 


Matth  5,  10  (Nr.  2)  22S 

habe  gesagt:  Das  (was  im  Söller  des  Nithza  zu  Lydda  festgesetzt 
worden  ist)  hat  man  nur  gelehrt  für  eine  Zeit,  in  der  keine  Religions- 
verfolgung stattfindet;  aber  zur  Zeit  einer  Religionsverfolgung  solle 
man  sich  auch  wegen  des  geringsten  Gebotes  töten  lassen  u.  es  nicht 
übertreten  (denn  in  solchen  Zeiten  bedeutet  ein  Nachgeben  stets  eine 
Entheiligung  des  göttl.  Namens).  Als  Rab  Dimi  kam,  sagte  er,  R.  Jo- 
chanan  habe  gesagt:  Auch  für  eine  Zeit,  in  der  keine  Religions- 
verfolgung stattfindet,  hat  man  es  nur  für  den  Fall,  daß  es  im  Ver- 
borgenen geschieht,  gesagt  (daß  man  ein  Gebot  übertreten  dürfe); 
wenn  es  aber  öffentlich  geschehn  soll,  soll  man  sich  auch  wegen  eines 
geringen  Gebotes  töten  lassen  u.  es  nicht  übertreten.  Was  ist  ein  ge- 
ringes Gebot?  Raba  b.  Ji9chaq  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt: 
Selbst  am  Schuhriemen  eine  Veränderung  vorzunehmen  (indem  man 
ihn  abweichend  von  der  jüdischen  Sitte  nach  Art  der  NichtJuden  knotet). 
Wie  viele  gehören  zur  Öffentlichkeit?  R.  Ja?aqob  (b.  Idi,  um  280)  hat 
gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Zur  Öffentlichkeit  gehören  nicht 
weniger  als  zehn  Personen;  natürlich  Israeliten. 

Geschichtliche  Belege.  GnR82  (.52'=):  Zwei  Schüler  von  denen  des  R.  J^hoschuaf 
(um  90)  veränderten  zur  Zeit  der  (hadrianischen)  Religionsverfolgung  ihre  Überwürfe 
(um  nicht  als  Juden  zu  erscheinen).  Ein  Soldat  begegnete  ihnen  u.  sagte:  Wenn  ihr 
Söhne  der  Tora  seid,  so  gebt  euer  Leben  für  sie  hin;  wenn  ihr  aber  nicht  ihre  Söhne 
seid,  warum  laßt  ihr  euch  für  sie  töten?  Sie  antworteten:  Wir  sind  ihre  Söhne  u.  wir 
lassen  uns  für  sie  töten;  aber  es  ist  nicht  des  Menschen  Art,  sich  selbst  wissentlich 
(u.  willentlich)  zu  vernichten.  .  .  .  ||  ?AZ  18^:  Man  fand  den  R.  Chanina  b.  T'^radjon  (in 
der  hadrian.  Verfolgungszeit),  wie  er  saß  u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigte  u.  öffent- 
liche Versammlungen  abhielt,  während  die  Torarolle  auf  seinem  Schöße  lag.  Man  nahm 
ihn,  wickelte  ihn  in  die  Rolle  ein,  umgab  ihn  mit  Bündeln  von  Weinreben  u.  zündete 
damit  das  Feuer  (seines  Scheiterhaufens)  an.  Dann  brachte  man  wollene  Lappen,  tauchte 
sie  in  Wasser  u.  legte  sie  auf  sein  Herz,  damit  sein  Leben  nicht  schnell  entfliehen 
möchte.  Da  sagte  seine  Tochter  zu  ihm:  Mein  Vater,  muß  ich  dich  so  sehn!  Er  ant- 
wortete: Wenn  ich  allein  verbrannt  würde,  wäre  die  Sache  hart  für  mich;  jetzt,  da 
ich  verbrannt  werde  u.  die  Torarolle  mit  mir,  wird  der,  der  den  Schimpf  der  Tora- 
rolle ahnden  wird,  auch  meinen  Schimpf  ahnden.  Seine  Schüler  sprachen  zu  ihm: 
Rabbi,  was  siehst  du  (als  Sterbevision)'?  Er  sprach:  Die  Pergamentrolle  verbrennt, 
aber  die  Buchstaben  fliegen  davon!  (Sie  sprachen:)  Öffne  auch  du  deinen  Mund,  daß 
das  Feuer  eindringe  (u.  deine  Qualen  verkürze i!  Er  antwortete:  Es  ist  besser,  daß 
der  mein  Leben  nimmt,  der  es  gegeben  hat,  als  daß  man  sich  selbst  verderbe.  Der 
Henker  sprach  zu  ihm:  Rabbi,  wenn  ich  die  Flammen  vergrößere  u.  die  wollenen 
Lappen  von  deinem  Herzen  nehme,  wirst  du  mich  dann  in  das  Leben  der  zukünftigen 
Welt  bringen?  Er  antwortete:  Ja!  Schwöre  es  mir!  Er  schwur  es  ihm.  Sofort  ver- 
größerte er  die  Flammen  u.  nahm  die  wollenen  Lappen  von  seinem  Herzen.  Da  ging 
eilends  seine  Seele  aus.  Auch  jener  sprang  in  das  Feuer.  Da  ging  eine  Himmelsstimme 
(Bath  Qol)  aus,  welche  sprach:  R.  Chanina  b.  T®radjon  u.  der  Henker  sind  bestimmt 
für  das  Leben  der  zukünftigen  Welt.  Beim  Erzählen  dieser  Geschichte  weinte  Rabbi  u. 
sprach:  Mancher  (wie  der  Henker)  erwirbt  seine  Welt  in  Einer  Stunde,  mancher  in  vielen 
Jahren.— Parallelstellen:  SDt32,  4§307  (1:33-*);  S'machoth  8(16«);  KallalS'^.  —  Auf- 
zählung der  „zehn  Märtyrer":  MidrKL2.  2  (62b);  Midr  Ps  9  §13  (44 bj;  Midr  n-sTs  hVn 
(Beth  ha-Midr  2,  66) ;  Geschichte  von  den  zehn  Märtyrern  (Beth  ha-Midr  4, 20).  jj  pSch^^^bisith 
4,  35^  62 :  R.  Abba  b.  Z^'mina  (um  380)  arbeitete  als  Schneider  bei  einem  Heiden  in  Rom. 
Der  brachte  ihm  Fleisch  von  nicht  rituell  geschlachteten  Tieren  u.  sprach:  Iß.   Er  ant- 


224  Matth  5, 10  (Nr.  2.  3) 

wortete:  Ich  werde  es  nicht  essen.  Jener:  Iß,  sonst  töte  ich  dich!  Er  artwortete: 
Wenn  du  töten  willst,  töte;  denn  ich  esse  kein  Fleisch  von  einem  nicht  rituell  ge- 
schlachteten Tier.  Jener:  Von  hier  ab  sollst  du  wissen:  wenn  du  gegessen  hättest, 
hätte  ich  dich  getötet;  wenn  Jude,  dann  Jude;  wenn  Heide,  dann  Heide!  —  Dasselbe 
pSanhS,  21  b,  25.  —  In  beiden  Stellen  schliefst  Mana  (IL,  um  370)  die  Bemerkung  an : 
Wenn  R.  Abba  b.  Z*^mina  die  Worte  der  Rabbinen  gehört  hätte,  so  würde  er  gegessen 
haben.  (.Mit  den  ,  Worten  der  Rabbinen"  ist  der  Beschluß  von  Lydda  gemeint.)  || 
Sanh74^:  Vor  Rabbah  (f  330)  kam  ein  Mann,  der  zu  ihm  sagte:  Der  Vorsitzende 
meines  Gerichts  hat  zu  mir  gesagt:  Geh,  töte  den  u.  den;  sonst  töte  ich  dich!  Er 
sprach  zu  ihm:  So  mögen  sie  dich  töten,  aber  du  darfst  nicht  töten.  Wer  sagt  denn, 
daß  dein  Blut  röter  ist?  Vielleicht  ist  sein  Blut  röter!  (ist  jener  wertvoller  als  du.)  — 
Dasselbe  Joma  82  b;  pes25b.  _  Zu  R.  ?Aqibas  Märtyrertod  s.  Nr.  3. 

3.  Wertschätzung  des  Martyriums  u.  sein  Lohn, 
B*^rakh  61b:  Als  man  R.  ?Aqiba  zur  Hinrichtung  hinausführte  (in  Cäsarea),  war 
die  Zeit  der  Sch^maf-Rezitation.  Man  kämmte  ihm  sein  Fleisch  mit  eisernen  Kämmen 
ab,  u.  er  nahm  das  Joch  der  Herrschaft  Gottes  auf  sich  (d.  h.  er  sprach  das  Sch'^ma? 
Dt  6,  4).  Da  sagten  seine  Schüler  zu  ihm:  Unser  Lehrer,  bis  hierhin!  (d.  h.  sprich  nicht 
weiter,  laß  es  genug  sein!)  Er  antwortete:, Mein  lebelang  habe  ich  mich  betrübt  wegen 
dieses  Verses  „von  deiner  ganzen  Seele",  (d.  h.)  auch  wenn  er  deine  Seele  nimmt.  Ich 
sprach:  Wann  wird  mir  Gelegenheit  werden,  daß  ich  es  erfülle?  Und  jetzt  sollte  ich 
es  nicht  erfüllen?  Er  zog  das  Wort  echäd  („Einer")  lang  hin,^  bis  seine  Seele  mit 
diesem  Wort  dahinging.  Da  ging  eine  Himmelsstimme  aus:  Heil  dir  i^^sn,  R.  gAqiba, 
daß  deine  Seele  mit.  dem  Wort  „Einer"  dahingegangen  ist!  Die  Dienstengel  sprachen 
vor  Gott:  Das  ist  die  Tora  u.  das  ihr  Lohn?!  „Zu  den  von  deiner  Hand  Getöteten, 
zu  den  (infolge  von  Entbehrungen)  an  Hautausschlag  Verstorbenen  sollte  er  gehören"?! 
(Ps  17,  14). 2  Gott  antwortete:  „Sie  haben  Teil  am  Leben"  (Ps  17,  14).  Da  ging  eine 
Himmelsstimme  aus:  Heil  dir  -;'-'ics,  R.  fAqiba!  Denn  du  bist  bestimmt  für  das  Leben 
der  zukünftigen  Welt!  —  Die  Parallelstellen  pB'^^rakh  J),  I4b,  50  u.  pSota  5,  20^  43  er- 
wähnen weder  die  beiden  Himmelsstimmen  noch  die  Einsprache  der  Engel.  —  In  der 
Legende,  die  Rab  (f  247)  M^n  29b  über  die  Vision  gedichtet  hat,  in  der  Gott  Mose  den 
R.  ?Aqiba  schauen  läßt,  heißt  es  zum  Schluß:  Mose  sprach:  Herr  der  Welt,  du  hast 
mich  fAqibas  Tora  sehn  lassen;  laß  mich  auch  seinen  Lohn  sehn!  Er  antwortete  ihm: 
Wende  dich  rückwärts.  Er  wandte  sich  rückwärts  u.  sah,  wie  man  sein  Fleisch  wie 
im  Fleischladen  abwog  (wie  man  ihm  sein  Fleisch  in  einzelnen  Stücken  vom  Leibe  riß). 
Da  sprach  Mose:  Herr  der  Welt,  das  ist  die  Tora  u.  das  ihr  Lohn?!  Gott  antwortete: 
Schweige,  so  ist  es  aufgestiegen  in  meinen  Gedanken  vor  mir.  il  P'^'s50":  R.  Joseph, 
der  Sohn  des  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  war  erkrankt  u.  wurde  (in  seinen  Fieber- 
phantasien) entrückt.  Als  er  wieder  zu  sich  kam,  sagte  sein  Vater  zu  ihm :  Was  hast 
du  gesehen?  .  .  .  Auch  hörte  ich,  wie  man  sagte:  In  der  Abteilung  der  von  der  (heid- 
nischen) Obrigkeit  Getöteten  (d.  h.  der  Märtyrer)  kann  kein  (andrer)  Mensch  bestehn 
(sie  bilden  also  die  I.  Klasse  der  Seligen  in  der  himmlischen  Welt).  Und  wer  sind 
diese  (Märtyrer)?  Vielleicht  R.  ?Aqiba  u.  seine  Genossen.  Mit  Rücksicht  darauf,  daß 
man  gesagt  hat  „von  der  Obrigkeit  Getötete"  u.  weiter  nichts,  können  damit  nur  die 
Erschlagenen  von  Lydda  gemeint  sein  (denn  von  R.  fAqiba  würde  man  mehr  zu  sagen 
gewußt  haben).  —  Unter  den  Erschlagenen  von  Lydda  sind  Julianus  u.  Pappus  zu 


^  So  verlangte  es  die  Halakha.  pB'rakh  2,  4'S  61  Bar:  Man  muß  das  Wort  echad 
Dt  6,4  langgezogen  aussprechen.  Rab  Nachman  b.  Ja?qob  (f  320)  hat  gesagt:  Nur  das  d. 
R.  Jirm^'ja  u.  R.  Z'?ira  .  .  .,  s.  oben  S.  177.  In  der  Parallele  B'^rakh  13b  bemerkt  Rab 
Aschi  (t  427 1,  daß  man,  um  das  d  langzuziehen,  das  ch  nicht  zu  schnell  aussprechen 
dürfe.  —  Über  den  Lohn  für  das  Langziehen  des  d  s.  daselbst. 

^  So  wird  Ps  17,  14  auf  das  Geschlecht  der  hadrianischen  Verfolgungszeit  gedeutet 
Midr  Esth  1,  9  (89^')  u.  Midr  Ps  17  §  13  (67b);  g.  aber  auch  die  Auslegung  von  Ps  17,  14 
in  TanchB  sar  §  4,  S.  225. 


Matth  5,  10  (Nr.  3)  225 

verstehn,  die  angeblicli  unter  Trajan  an  einem  12.  Adar  getötet  wurden,  s.  IVPg  Tafan  12 
u.  das  nächste  Zitat.  ParallelsteÜen:  BB  10b  u.  Midr  Ruth  1,  17  (128-1);  Jq  ^^^  letztern 
Stelle  hat  R.  Meascha,  ein  Enkel  des  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi,  die  Vision.  !|  Midr  Qoh 
9,  10  (42b):  R.  Acha  (um  320)  hatte  sich  danach  gesehnt,  das  Angesicht  des  (ver- 
storbenen) R.  Alexandrai  (um  270)  zu  salin.  Er  erschien  ihm  im  Traum  u.  ließ  ihn 
zweierlei  sehn:  nach  innen  zu  von  der  M'^'chi^a  (Abteil)  der  Erschlagenen  von  Lydda 
ist  nichts  (d.  h.  sie  liegt  dem  Tlironsitz  Gottes  am  nächsten).  Gepriesen  sei  er,  daß 
er  den  Schimpf  von  Lulianus  (-=  Julianus)  u.  Pappus  hinweggenommen  hat.  Und  ferner: 
Heil  dem.  der  hierher  (in  die  himmlische  Welt  der  Seelen)  kommt  u.  sein  Erlerntes 
in  seiner  Hand  (allezeit  bereit)  hat!  il  Midr  Qoh  4,  1  (22"):  R.  Chanina  (um  22.5)  hat  die 
Stelle  (Qoh  4,  1)  auf  die  von  der  (heidnischen)  Regierung  Getöteten  (d.  h.  auf  die 
Märtyrer)  ausgelegt,  daß  diese  nämlich  in  das  Leben  der  zukünftigen  Welt  kommen, 
auch  wenn  sie  (vor  ihrem  Tode)  kein  Sündenbekenntnis  abgelegt  haben.  —  Das  Sünden- 
bekenntnis, bezw.  der,  welcher  dasselbe  dem  Sterbenden  abnimmt,  scheint  unter  dem 
„Tröster"  Qoh  4,  1  verstanden  zu  sein.  ||  TanchB  s:r  §4  (24''):  In  bezug  auf  sie  (die 
Märtyrer,  wie  R.  ?Aqiba  u.  Pappos  b.  J^'huda)  hat  David  gesagt  Ps  17,  14:  'n  -^-.^  üt'ciz. 
R.  Chanina  b.  Paps  (um  300)  hat  gesagt:  Lies  nicht  z-r^^  rVon  den  Männern",  sondern 
a-r-'s'i  „die  Tötenden",  d.  h.  die  sich  selbst  dem  Tode  preisgeben  der  Tora  wegen, 
die  dazu  gegeben  wurde.  Wenn  die  Leute  sie  sehen,  sagen  sie  zueinander:  „Sünden 
sind  in  ihrer  Hand,  deshalb  werden  sie  getötet" ;  aber  sie  wissen  nicht,  daß  ihr  Teil 
ist  im  Leben  der  zukünftigen  Welt;  u.  alles  Gute  ist  für  sie  aufbewahrt,  wie  es  heißt 
Ps  17,  14:  „Mit  deinem  Aufbewahrten  füllst  du  ihren  Bauch."  .  .  .  Dasselbe  mit  Ab- 
weichungen Tanch  s=r  ':24'',  18.  ||  TanchB  n-'::ir  §  19((i9bj:  Jesajasagt:  „Leben  werden 
deine  Toten,  meine  Leichen  -rtaa  werden  auferstehn"  26,  19.  R.  Aristo  (um  370)  hat 
im  Namen  des  R.  B'rckhja  (um  340)  gesagt:  Jesaja  rief  vor  Gott  aus:  Mögen  deine 
Toten  leben!  (Und  Gott  sprach:)  Jene,  die  geschändet  worden  sind  ■;-"';3:r'3;  dereine 
wurde  gekreuzigt,  weil  er  seinen  Sohn  beschnitten  hatte;  ein  andrer  wurde  verbrannt, 
weil  er  den  Sabbat  beobachtete;  ein  andrer  wurde  getötet,  weil  er  in  der  Tora  las  — 
über  jene  sagt  er:  Meine  Geschändeteten  -r'jaj  werden  auferstehn.  —  Parallelstelle 
Aggad  B^^esch  43  (32b).  \\  GnR34  (21«):  „Und  Jahve  roch  den  wohlgefälligen  Geruch" 
Gn8,  21,  nämlich  den  des  Geschlechts  der  (hadrian.)  Religionsverfolgung.  R.  Schalom 
hat  im  Namen  des  R.  M''nachem  b.  Z^'fira  (wann?!  gesagt:  Gleich  einem  König,  der 
sich  einen  Palast  am  Meer  bauen  wollte,  aber  nicht  wußte,  wo  er  ihn  bauen  sollte. 
Da  fand  er  eine  Flasche  mit  Balsam  u.  roch  ihn,  u.  darüber  baute  er  seinen  Palast. 
Das  meint  Ps24,  2:  „Über  den  Meeren  hat  er  sie  (die  Erde)  gegründet  u.  über  den 
Strömen  sie  sichergestellt."  In  welchem  Verdienst?  Im  Verdienst  des  „Geschlechtes 
derer,  die  nach  ihm  fragen,  die  dein  Antlitz  suchen,  das  ist  Jakob.  Sela"  (Ps24,  6).  — 
Mit  den  nach  Gott  Fragenden  sind  die  Märtyrer  der  hadrianischen  Verfolgung  ge- 
meint; in  ihrem  Verdienst  ist  die  Erde  nach  der  Sündflut  neu  gegründet  worden,  ü 
Aggad  B^resch  56  (40**):  R.  B^reklija  (um  340)  hat  gesagt:  Hart  (schlimm)  ist  der  Engel- 
fürst Edoms  (Roms);  denn  so  hat  ihn  Sacharja  gesehen,  s.  Sachl,8:  „Ich  habe  des 
Nachts  geschaut,  u.  siehe,  ein  Mann,  reitend  auf  einem  roten  Roß"  usw.,  der  sich 
denen  gleichstellen  wollte,  die  „Sterne"  genannt  werden,  vgl.  Gn  15, -5:  , Blicke  gen 
Himmel"  usw.,  den  Israeliten,  die  in  die  Tiefe  dahingegeben  sind  (vgl.  die  Myrten- 
bäume im  Tiefgrund  Sach  1,8).  Ebenso  heißt  es  Obadja  Vers  4:  „Wenn  du  hochsteigen 
wolltest  wie  ein  Adler,  u.  wenn  zwischen  Sternen  dein  Nest  säße";  denn  Edom  (Rom) 
wollte  sich  denen  gleichstellen,  die  „Sterne"  genannt  werden  (s.  Gn  15.  5).  „Und  hinter 
ihm  rote,  fuchsfarbige  z-p.^-^v  u.  weiße  Rosse"  Sach  1,8;  das  sind  die  Könige,  die  von 
ihm  (Esau)  erstanden  (d.  h.  die  römischen  Kaiser),  die  das  (rote)  Gold  liebten  (Deutung 
der  roten  Rosse);  c-p'-i-:  denn  sie  kämmten  die  Leiber  der  Israeliten  ab  a-p-'C';  (in 
der  hadrianischen  Verfolgung,  s.  oben  R.  ?Aqibas  Hinrichtung)  u.  nahmen  ihr  Vermögen 
fort;  „weiße",  um  die  Sünden  Israels  weiß  zu  machen.  —  Märtyrerblut  hat  also  Sünden 
sühnende  Kraft.  ||  Midr  Spr  1  §  13  (23=^):  R.  J'^^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Die 
zehn  von  der  Regierung  Getöteten  (d.h.  die  10  Märtyrer  der  hadrian.  Verfolgungszeit) 
Strack  n. Billerbeck.  NTI.  15 


226  Matth  5,  10  (Nr.  3).  5. 11  (51.  SB  1) 

sind  nur  wegen  der  Sünde  des  Verkaufs  Josephs  hingegeben  worden  (I.  mit  Jalqufc 
'.'zii  statt  •3X''3:)  —  Sinn:  Die  10  Märtyrer  sollten  Josephs  Verkauf  sühnen.  ||  RH  23*: 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wehe  den  götzendienerischen  Völkern,  denn  für  sie 
gibt  es  keine  Wiederherstellung  (Heilung);  s.  Jes  60,  17:  , Statt  des  Erzes  bringe  ich 
(als  Ersatz)  Gold  u.  statt  des  Eisens  bringe  ich  Silber  u.  statt  des  Holzes  Erz  u.  statt 
der  Steine  Eisen",  was  aber  werden  sie  statt  des  R.  f  Aqiba  u.  seiner  Genossen  (im 
Märtyrertod)  darbringen?  Und  in  bezug  auf  sie  heißt  es  Joel4,  21:  ,Und  wenn  ich 
ungerächt  lasse  —  ihr  Blut  lasse  ich  nicht  ungerächt"  (so  der  Midr).  ||  Midr  Ps  9  §  13 
(44**.  45*):  flDenn  er  ist  ein  Rächer  von  Blutschulden;  er  gedenkt  ihrer"  (der  Er- 
mordeten) Ps  9,  13;  wenn  Gott  das  Unglück  der  Gerechten  vergelten  u.  das  Blut  des 
R.  f  Aqiba  ahnden  wird,  wird  er  (auch)  das  Blut  des  Ben  s-^ip  ahnden.  (Dieser  soll 
ein  Nichtisraelit  gewesen  sein,  der  den  R.  J^huda,  den  Bäcker,  vom  Märtyrertode  er- 
retten wollte  u.  dafür  selbst  hingerichtet  wurde,  s.  Midr  Ps  9  §  13.)  Was  heißt:  „Er 
vergißt  nicht  das  Geschrei  der  Elenden"  Ps  9,  13?  Er  vergißt  nicht  das  Blut  Israels 
von  der  Hand  der  Völker  der  Welt;  u.  nicht  bloß  das  Blut  der  Gerechten,  sondern 
auch  eines  jeden,  der  in  den  Tagen  der  (hadrianischen)  Religionsverfolgung  getötet 
wurde.  .  .  .  R.  Abbahu  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Elfazar  (um  270)  gesagt:  Jeden 
einzelnen  Gerechten,  den  die  Völker  der  Welt  töten,  schreibt  Gott  auf  seinen  Purpur- 
mantel (Herrschermantel),  vgl.  Ps  110,  6:  ,Er  wird  Gericht  halten  unter  den  Völkern, 
voll  von  Leichen"  (bedeckt  mit  den  Namen  der  Märtyrer).  Dann  wird  Gott  zu  den 
Völkern  der  Welt  sagen:  Warum  habt  ihr  meine  Gerechten  getötet,  wie  den  R.  Chanina 
b.  T'^radjon  (getötet  um  135),  u.  alle,  die  um  der  Heiligung  meines  Namens  willen  ge- 
tötet worden  sind?  Und  sie  werden  leugnen  u.  sagen:  „Wir  haben  sie  nicht  getötet." 
Sofort  bringt  Gott  seinen  Purpurmantel  u.  richtet  sie  u.  spricht  ihnen  das  Urteil.  So 
deute:  „Und  er  vergißt  nicht  das  Geschrei  der  Elenden." 

5, 11  5t:  Selig  seid  ihr,  wenn  euch  die  Menschen  schmähen. 
Von  dem,  der  Schmähungen  schweigend  hinnimmt,  sagt  die  Bar 
Schab  88'*:  Die  bedrückt  (gedemütigt)  werden  u.  nicht  (wieder-)be- 
drücken,  die  ihre  Schmähung  anhören  u.  sie  nicht  erwidern,  die  aus 
Liebe  (zu  Gott)  handeln  u.  sich  über  Leiden  freuen:  über  die  heißt  es 
Ri  5,  31:  „Die  ihn  lieben,  sind  wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer 
Macht."  —  Dasselbe  Gittin  36 '\  —  Ferner  s.  Sanh  7*,  llidr  Ps  16  §  11 
(62*)  u.  86  §1(186")  S.  230  f. 

5,1125:  Und  reden  allerlei  Übles  wider  euch. 
1.  Wesen  u.  Art  der  Verleumdung;  vgl.  Ps  Sal  12, 
fArakliin  lo**:  Was  ist  eine  Verleumdung  (wörtlich:  böse  Zunge)?  Rabbah  (f  330) 
hat  gesagt:  Wenn  einer  zB  sagt:  Bei  dem  u.  dem  ist  Feuer  (auf  dem  Herd).  Abaje 
(t  338/39)  erwiderte:  Was  hat  denn  ein  solcher  getan?  Das  ist  doch  lediglich  eine 
Bekanntmachung,  wie  sie  gang  u.  gäbe  ist!  Vielmehr  muß  er  es  in  verleumderischer 
Absicht  aussprechen;  wenn  er  also  sagt:  Wo  gibt's  denn  Feuer?  Natürlich  nur  bei 
dem  u.  dem  (denn  da  hört  das  Backen, u.  Braten  nicht  auf  —  das  ist  Verleumdung).  — 
Raba  (t  352)  hat  gesagt:  Alles  was  in  Gegenwart  dessen,  den  es  betrifft,  gesagt  wird, 
hat  nichts  mit  Verleumdung  zu  schaffen.  Er  (wohl  Abaje)  erwiderte:  Erst  recht;  das 
ist  Frechheit  u.  Verleumdung.  Raba  entgegnete:  Ich  halte  es  mit  der  Meinung  des 
R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150);  denn  dieser  hat  gesagt:  Mein  lebelang  habe  ich  nichts 
gesagt,  wobei  ich  mich  umgewandt  hätte  (um  zu  sehn,  ob  der  Beurteilte  auch  nicht 
hinter  mir  stehe;  d.  h.  ich  sage  jedem  mit  Freimut  ins  Angesicht,  was  ich  ihm  zu 
sagen  habe.  Die  Erklärung  bei  Raschi:  „Ich  habe  nichts  gesagt,  was  ich  später  habe 
zurücknehmen  müssen",  entspricht  zu  wenig  dem  Zus.hang).  —  Rabbah  b.  Rah  Huna 
(t  322)  hat  gesagt:  Alles,  was  in  Gegenwart  von  drei  Personen  gesagt  wird,  hat  mit 


Matth  5,  11  (S81— 3)  227 

Verleumdung  nichts  zu  schaffen  (nämlich  wenn  man  es  weitererzählt).  Weshalb? 
Dein  Freund  hat  einen  andren  Freund  u.  der  Freund  deines  Freundes  hat  wiederum 
einen  Freund  (die  Sache  bliebe  also  doch  nicht  verborgen).  —  Der  letzte  Ausspruch 
auch  BB  39'^.  ||  Sota  35^:  ^Das  Land  fließt  über  von  Milch  u.  Honig  .  .  .,  nur  daß  das 
Volk  .  .  .  stark  ist'  Nu  13,  27  f.  R.  Jochanan  (f  -^TQ)  hat  im  Namen  des  R.  Meir  (um 
150)  gesagt:  Jede  Verleumdung,  die  nicht  mit  etwas  Wahrem  anhebt,  haftet  nicht  mit 
ihrem  Schluß  (daher  erst  das  Lob  des  Landes  Israel  in  Nu  13,27).  Ü  GnR56(35'=): 
Wenn  auch  nicht  die  ganze  verleumderische  Rede  Eingang  findet,  ein  Teil  findet  Ein- 
Eingang (Semper  aliquid  haeret).  Den  gleichen  Sinn  hat  wohl  das  Sprichwort  f  AZ  22 '^: 
Der  Gritfei  (Meißel)  sprengt  den  Marmor,  der  Verleumder  kennt  seinen  Genossen.  — 
Doch  paßt  die  Lesart  s;;t  der  „Falsche"  statt  s^;^  „Verleumder"  besser  in  den  Zus.hang. 

2.  Die  Schwere  der  Verleumdungssünde. 

jArakhin  15'':  In  der  Schule  des  R.  Jischma?el  (f  um  135)  ist  gelehrt  worden: 
Wer  Verleumdungen  redet,  begeht  Sünden,  die  so  schwer  wiegen,  wie  die  drei  Sünden 
des  Götzendienstes,  der  Unzucht  u.  des  Blutvergießens.  (Beweis  durch  Analogieschluß; 
aus  dem  Wort  '^n;  „groß"  in  Ps  12,  4  verglichen  mit  Ex  32,  31  (Götzendienst);  Gn  39,  9 
(Unzucht)  u.  Gn  4,  13  (Blutvergießen).  —  Ähnlich  Midr  Ps  12  §2  (53'''),  wo  Bar  Qappara 
(um  220)  den  Ausspruch  im  Namen  des  R.  Nathan  (=  R.  Jonathan,  um  140),  eines  Mit- 
glieds der  Schule  Jischma?els,  tradiert.  |;  pPea  1,  lö^V^-i:  Vier  Dinge  gibt  es.  derent- 
wegen der  Mensch  in  dieser  Welt  bestraft  wird,  während  ihm  das  Kapital  (die  volle 
Strafe)  für  die  zukünftige  Welt  anstehen  bleibt.  Diese  sind:  der  Götzendienst,  die  Un- 
zucht (Blutschande),  das  Blutvergießen  u.  die  Verleumdung,  die  so  schwer  wiegt,  wie 
jene  alle.  ||  ?Arakhin  1M>:  R.  Jochanan  (t  279)  hat  im  Namen  des  R.Jose  b.  Zimra 
(um  220)  gesagt:  Was  heißt:  „Was  soll  er  dir  geben  u.  was  dir  hinzufügen,  du  Zunge 
des  Trugs"  Ps  120,  3?  Gott  sprach  zur  Zunge:  Alle  Glieder  des  Menschen  stehen  auf- 
recht, u.  du  liegst  hingestreckt;  alle  Glieder  des  Menschen  befinden  sich  auswendig 
u.  du  inwendig;  u.  nicht  bloß  dies,  ich  habe  dich  mit  zwei  Mauern  umgeben,  die  eine 
ist  von  Knochen  u.  die  andre  von  Fleisch;  was  soll  man  dir  noch  geben  u.  was  dir 
noch  hinzufügen,  du  Zunge  des  Trugs!  R.  Jochanan  hat  im  Namen  des  R.  Jose  b. 
Zimra  gesagt:  Wer  Verleumdung  redet,  ist  wie  einer,  der  die  Gottheit  leugnet,  s. 
Psl2,  5:  „Die  da  sprechen:  Unsern  Zungen  wollen  wir  Kraft  geben,  unsere  Lippen 
sind  mit  uns;  wer  ist  für  uns  ein  Herr  (Gott)'?"  —  Den  gleichen  Gedanken  leiten 
aus  Ps  12.  5  her  R.  Jochanan  u.  R.  Ji^chaq  (um  300)  in  pPea  1,  16-',  7,  Midr  Qoh  9,  12 
(44b)  u.  R.  Levi  (um  300)  in  Tanch  r-i;s-3  5^.  |j  Ferner  s.  Midr  Ps  52  §  6  (143b)  bei 
Jak  3,  6.  II  Midr  Qoh  9,  12  (44b):  R.  sAzarja  (um  380)  u.  R.  Jonathan  b.  Chaggai  (um  380) 
haben  im  Namen  des  R.  Jigchaq  b.  Marion  (um  280 1  im  Namen  des  R.  Chanina  (um  225) 
gesagt:  Es  gibt  Leute,  die  an  der  Erde  {=  gegen  Menschen)  sündigen,  ohne  am  Himmel 
(gegen  Gott)  zu  sündigen;  u.  es  gibt  andre,  die  am  Himmel  sündigen,  ohne  an  der 
Erde  zu  sündigen;  aber  wer  Verleumdungen  redet,  der  sündigt  am  Himmel  u.  an  der 
Erde,  s.  Ps  73,  9:  Sie  setzen  an  den  Himmel  ihren  Mund  u.  ihre  Zunge  geht  dahin  auf 
Erden.  —  In  pPea  1,  IB'',  9  anonym  an  einen  Ausspruch  des  R.  Jochanan  angeschlossen. 
Vgl.  ?Arakh  \b^:  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  Verleumdungen  redet,  macht 
seine  Sünden  groß  bis  an  den  Himmel,  s.  Ps  73,  9.  I|  pB'^rakh  1,  3"*,  15:  R.  Schimfon  b. 
Jochai  (um  150)  hat  gesagt:  Wenn  ich  am  Berge  Sinai  gestanden  hätte,  als  Israel  die 
Tora  gegeben  wurde,  würde  ich  vom  Allbarmherzigen  erbeten  haben,  daß  dem  Menschen 
zwei  Munde  erschaffen  würden,  einer,  um  sich  mit  der  Tora  zu  mühen,  u.  der  andre, 
am  ihm  (dem  Menschen)  allen  seinen  (sonstigen)  Bedarf  zu  beschaffen.  Dann  sagte 
er  aber:  Wenn,  da  es  einer  (Ein  Mund)  ist,  seinetwegen  die  Welt  nicht  bestehen  kann 
infolge  seiner  Denunziationen,  um  wieviel  weniger,  wenn  es  zwei  wären! 

3.  Unheilvolle  Wirkungen  der  Verleumdung. 

f  Arakhin  3,  5:  Wir  finden,  daß  der  Gerichtsbeschluß  über  unsre  Väter  in  der  Wüste- 
nur  wegen  der  Verleumdung  (die  die  Kundschafter  über  das  Land  Israel  ausbrachten) 
untersiegelt  worden  ist,  s.  Nu  14,  22  f.  ||  ExR  1  (67«'):  R.  J'^huda  b.  Schalem  (um  37u)  hat 

15* 


228  MatthS,  11  (SB3.  4) 

im  Namen  des  R.  Cbaniua,  des  Älteren  (um  225),  u.  unsie  Lehrer  haben  im  Namen 
des  R.  Alexandra!  (um  270)  gesagt:  Mose  sann  in  seinem  Herzen  nach  u.  sprach: 
Was  haben  die  Israeliten  gesündigt,  daß  sie  von  allen  Völkern  geknechtet  werden? 
Als  er  aber  dessen  Worte  hörte  (der  Ex  2,  14  sagte:  Du  denkst  mich  wohl  tot- 
zuschlagen?!, sprach  er:  Verleumdung  herrscht  in  ihrer  Mitte,  wie  können  sie  da  der 
Erlösung  würdig  sein!  Deshalb  sagte  er:  „Fürwahr,  die  Sache  ist  bekannt"  Ex  2,  14, 
d.  h.  nun  weifs  ich,  weshalb  diese  geknechtet  werden  (nämlich  der  Verleumdungen 
wegen),  il  fArakhin  15-'  Bar:  R.  EUazar  b.  Parta  (um  110)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh. 
wie  groß  die  Kraft  der  Verleumdung  ist.  Woher?  Von  den  Kundschaftern:  wenn  es 
dem,  der  einen  bösen  Ruf  über  Holz  u.  Steine  ausbrachte,  also  erging,  wieviel  mehr 
wird  es  dann  dem  so  ergehn,  der  einen  bösen  Ruf  über  seinen  Nächsten  ausbringt!  — 
Etwas  breiter  T?Arakhin '2,  11  (545).  ||  ?Arakhin  15'^:  ,1m  Abendland  (Palästina)  sagt 
man:  Die  Verleumdung  (wörtlich:  „Die  dritte  Zunge",  weil  der  Verleumder  als  Dritter 
zwei  andre  gegeneinander  aufbringt)  tötet  drei.  Sie  tötet  den,  über  den  sie  ausgebracht 
wird;  den,  der  sie  annimmt,  u.  den,  der  sie  ausbringt.  R.  Chama  b.  Chanina  (um  2(iÜ) 
hat  gesagt:  Was  heißt  Spr  18,  21 :  „Tod  wie  Leben  ist  in  der  Hand  der  Zunge"?  Hat 
denn  die  Zunge  eine  Hand?  Es  will  dir  sagen:  Wie  die  Hand  tötet,  so  tötet  auch  die 
Zunge.  Wenn  du  aber  sagen  wolltest:  Wie  die  Hand  nur  das  in  ihrer  Nähe  Befind- 
liche tötet,  so  tötet  auch  die  Zunge  nur  das  in  ihrer  Nähe  Befindliche,  so  heißt  es 
Jer9,  7:  Ein  tödlicher  Pfeil  ist  ihre  Zunge.  Oder  wenn  du  sagen  wolltest:  Wie  der 
Pfeil  nur  40  bis  50  Ellen  weit  reicht,  so  reicht  auch  die  Zunge  nur  40  bis  50  Ellen 
weit,  so  heißt  es  Ps  73,  9:  „Sie  heben  an  den  Himmel  ihren  Mund  u.  ihre  Zunge  geht 
auf  Erden  dahin."  Nachdem  nun  aber  geschi'ieben  ist:  „An  den  Himmel  erheben  sie 
ihren  Mund",  was  soll  da  noch:  „Ein  tödlicher  Pfeil  ist  ihre  Zunge"?  Es  soll  lehren, 
daß  sie  wie  ein  Pfeil  tötet.  Und  nachdem  geschrieben  ist:  „Ein  tödlicher  Pfeil  ist 
ihre  Zunge",  was  soll  da  noch:  „Tod  wie  Leben  ist  in  der  Hand  der  Zunge"?  Es 
verhält  sich  damit,  wie  Raba  (f  H52)  gesagt  hat:  Wer  das  Leben  will,  in  seiner  Zunge 
hat  er  es;  wer  den  Tod  will,  in  seiner  Zunge  hat  er  ihn.  —  Der  erste  Ausspruch 
über  die  „dritte  Zunge"  gehört  nach  DtR  5  c^O'^t»)  dem  R.  Sch^'muel  b.  Nachman 
(um  260),  nach  Midr  Ps  12  §2  (58b)  dem  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  an.  Die  Autor- 
schaft des  R.  Sch'muel  b.  N.  wird  das  Richtige  sein,  s.  Bacher,  pal.  Amor  1,  485  u.  Buber 
zu  Midr  Ps.  —  Anonym  findet  sich  der  Ausspruch  pPea  1,  16",  46;  P'^siq  32*;  LvR 
26  (124 a);  NuR  19  (185 ^);  TanchB  rp-  §8  (54^).  ||  P'^^siq  32»:  R.  Sch'-muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt:  Man  hat  zur  Schlange  gesagt:  Warum  wirst  du  zwischen  den 
Zäunen  (oder  Mauern)  gefunden?  Sie  antwortete:  Weil  ich  den  Zaun  der  Welt  durch- 
brochen (d.  h.  Sünde  u.  Tod  in  die  Welt  gebracht)  habe.  —  Warum  bewegst  du  dich 
fort  u.  deine  Zunge  läßt  dabei  Geifer  fließen?  Sie  antwortete:  Weil  diese  (die  Zunge) 
es  mir  verursacht  hat.  —  Warum  beißen  die  Haustiere  u.  das  Wild,  ohne  dadurch  zu 
töten,  während  du  beißt  u.  dadurch  tötest?  Sie  antwortete:  Ob  die  Schlange  beißt 
ohne  Einflüsterung?  (so  Qoh  10,  1 1  im  Sinne  des  Midr).  Ist  es  möglich,  daß  ich  etwas 
tue,  ohne  daß  es  mir  von  oben  her  gesagt  ist?  —  Warum  beißt  du  in  Ein  Glied  u. 
•alle  Glieder  fühlen  es?  Sie  antwortete:  Mich  fragt  ihr?  Fragt  den  Verleumder:  er  ist 
hier  u.  tötet  in  Rom.  —  Parallelen:  pPeal,16^59;  LvR  26  ( 1 24 -'') ;  NuR  19(185«); 
DtR  5  (202'^);  TanchB  rpn  §8  (54=*);  MidrQohlO,  11  (48''*).  —  Zur  Frage,  warum  die 
böse  Zunge  -a-Va  „dritte"  genannt  werde,  s.  P'^siq  32 '"^  nebst  Parallelen  bei  Jak  S,  6. 

4.  Strafe  für  Verleumdung. 

Meist  gilt  der  Aussatz  als  göttliche  Antwort  auf  menschliche  Ver- 
leumdung. 

Aboth  R.Nathan  9  (4"^):  R.  Schimfon  b.  Elfazar  (um  190)  hat  gesagt:  Auch  über 
die,  die  Verleumdungen  reden,  kommen  Aussatzplagen.  Beweis:  Gehazi  2  Kg  5,  27.  |1 
?Arakhin  \b^:  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt:  „Das  ist  das  Gesetz 
für  den  Aussätzigen"  y^is'sn  Lvl4,  2?  Das  ist  das  Gesetz  für  den,  „der  einen  bösen 
Ruf  ausbringt".  —  y-w^-on  als  Notarikon  =  v  cv  s-'ui»:,  s.  Einl.  107,  Nr.  30.  |1  Schab  97^: 


Matth  .")",  11  (5B  4.  5j  229 

Eesch  Laqiscli  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  fromme  Leute  verdächtigt,  wird  an  seinem 
Leibe  (mit  Aussatz)  geschlagen.  Beweis:  Mose,  der  verdächtigt  u.  mit  Aussatz  ge- 
schlagen wird  Ex  4,  1.  6.  —  Joma  19''  R.  J^hoschua?  b.  Levi,  um  250,  als  Autor; 
ExR3  (TO'')  R.  Levi,  um  300.  ||  LvR  16  (116*^^):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Mit 
dem  Munde  hatte  Mirjam  gesündigt  (als  sie  Mose  verleumdete)  u.  alle  ihre  Glieder 
wurden  (mit  Aussatz)  geschlagen,  s.  Nu  12,  10.  —  Ferner  sehen  den  Aussatz  als  Strafe 
für  Verleumdung  an  R.  Chanina  (b.  Chama\  um  225,  u.  R.  Jonathan  (b.  Ehazar,  so  lies 
statt  R.  Jochanan)  um  220,  f  Arakhin  16='-  b;  R.Hoscha?ja,  um  225,  LvR  18  (118");  R.Jose 
b.  Zimra,  um  220,  fArakhin  15'';  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (so  lies  statt  R.  J'^huda  b.  L.), 
um  250,  f  Arakhin  lö^;  R.  P^dath,  um  310,  TanchB  j-sn  §  1  (22');  R.  J'huda  b.  Simon, 
um  320,  LvR  16  (116''). 

Anderweitige  Strafen  werden  in  folgenden  Stellen  erwähnt. 

Tafan  7'^:  R.  Schim?on  b.  Pazzi  (um  280)  hat  ge'sagt:  Die  Regengüsse  werden  nur 
um  der  Verleumder  willen  zurückgehalten,  s.  Spr25,  23*^:  Verdrießliche  Gesichter  (eben 
weil  der  Regen  ausbleibt,  s.  Vers  23")  macht  die  heimliche  Zunge.  il  ?Arakhin  15'':  Rab 
Chisda  (f  309)  hat  gesagt,  Mar  fUqba  (um  220)  habe  gesagt:  Wer  Verleumdungen 
redet,  verdient  gesteinigt  zu  werden;  vgl.  Ps  101,  5:  „Wer  im  verborgenen  seinen 
Nächsten  verleumdet,  den  vertilge  ich"  r-2:is,  u.  KL:153:  „Sie  vernichteten  ir':::  in 
der  Grube  mein  Leben  u.  warfen  Steine  auf  mich"  (wie  hier  die  Vernichtung  durch 
Steine  erfolgt,  so  auch  dort).  —  Rab  (Jhisda  hat  gesagt.  Mar  füqba  habe  gesagt:  Wer 
Verleumdungen  redet,  von  dem  sagt  Gott:  Ich  u.  er,  wir  können  nicht  (zusammen) 
in  der  Welt  wohnen,  s.  Ps  101,5:  „Wer  im  verborgenen  seinen  Nächsten  verleumdet, 
den  vertilge  ich;  wer  hoher  Augen  u.  geblähten  Herzens,  ^3is  s'j  ins."  Lies  nicht 
's  '•>  'ir-s  =  den  ertrage  ich  nicht,  sondern  's  '•:  irs,  d.  h;  mit  dem  zusammen  kann 
ich  nicht  sein.  Es  gibt  aber  einige,  die  dies  von  den  Hochmütigen  lehren.  —  Rab 
Chisda  hat  gesagt.  Mar  ?Uqba  habe  gesagt:  Wenn  jemand  Verleumdungen  redet,  sagt 
Gott  zum  Gehinnom:  Ich  von  oben  u.  du  von  unten  wollen  über  ihn  zu  Gericht  sitzen, 
s.  Ps  120,  3 f.:  „Was  wird  er  dir  geben  u.  was  dir  hinzufügen,  du  Zunge  des  Trugs? 
Pfeile  des  Helden,  geschärfte,  zugleich  mit  Ginsterkohlen. "  Mit  „Pfeil"  ist  die  Zunge 
gemeint,  s.  Jer  9,  7;  mit  „Held"  ist  Gott  gemeint,  s.  Je3  42,  13,  u.  „Ginsterkohlen"  be- 
zeichnen den  Gehinnom  (weil  er  mit  solchen  geheizt  wird).  !|  GnR  20  (I3''j:  „Der  Mann 
der  Zunge  wird  nicht  Halt  auf  Erden  gewinnen"  Ps  140,  12.  R.  Levi  (um  3(j0i  hat  ge- 
sagt: In  der  Zukunft  wird  Gott  die  Völker  der  Welt  nehmen  u.  sie  in  den  Gehinnom 
stürzen.  Er  wird  zu  ihnen  sagen:  Warum  habt  ihr  meine  Kinder  (=  Israel)  gepeinigt? 
Dann  werden  sie  ihm  sagen:  Aus  ihrer  Mitte  u.  in  ihrer  Mitte  waren  solche  ge- 
kommen, die  sich  untereinander  verleumdeten.  Dann  wird  Gott  diese  wie  jene  nehmen 
u.  in  den  Gehinnom  hinabstürzen.  II  Derekh  Erec  Rabba,  Schlußkapitel  (20'^):  R.  Jose 
(b.  Chalaphta,  um  150)  hat  gesagt:  Wer  die  Gelehrten  u.  ihre  Schüler  haßt,  ferner  der 
falsche  Prophet  u.  wer  Verleumdungen  redet,  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen 
Welt.  II  Sota  42*:  Rab  Jirm^^ja  b.  Abba  (um  250)  hat  gesagt:  Vier  Klassen  werden  das 
Angesicht  der  Sch'khina  nicht  begrüßen  (d.  h.  werden  Gott  nicht  schauen) :  Die  Spötter, 
die  Schmeichler,  die  Lügner  u.  die  Verleumder,  s.  Ps  5,, 5:  Du  bist  nicht  ein  Gott,  der 
am  Gottlosen  Gefallen  hat,  der  Böse  (=  Verleumder)  darf  nicht  bei  dir  wohnen.  Ge- 
recht bist  du,  Jahve,  nicht  darf  in  deiner  Wohnung  der  Böse  weilen.  —  Die  ganze 
Stelle  nebst  Parallelen  s.  bei  Mtö,  8  S.211. 

5.  Sühnung  der  Verleumdung. 
•  Joma  44'"'  u.  Z'^b  88'^:  In  der  Schule  des  R.  Jischmafel  (f  um  135)  ist  gelehrt 
worden:  Wofür  schafft  das  Räucherwerk  Sühnung?  Für  die  Verleumdung:  es  komme 
das,  was  im  verborgenen  dargebracht  wird,  u.  sühnadas  im  verborgenen  Geschehene.  —  || 
Z^bSS''  u.  ?Arakhin  16»;  R.  Jt'hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Für  zwei  Dinge 
finden  wir  keine  Sühnung  durch  Opfer,  wohl  aber  von  wo  anders  her.  Diese  sind:  Blut- 
vergießen u.  Verleumdung;  Blutvergießen  durch  das  Kalb,  dem  das  Genick  gebrochen 
wird,  H.  Verleumdung  durch  das  Räucherwerk.  —  '|  pJoma  7,  44'',  53:  R.  Simon  (um  2«0) 


230  Matth5, 11  (8  5— 7) 

hat  gesagt:  Wie  die  Opfer  sühnen,  so  sühnen  auch  die  (hohenpriesterl.)  Gewänder: 
der  Leibrock,  die  Beinkleider,  der  Turban  u.  der  Gürtel  usw.  .  .  .  Das  Obergewand: 
R.  Simon  hat  im  Namen  des  R.  Jonathan  von  Beth-Gubrin  (um  270)  gesagt:  Für  zwei 
gab  es  keine  Sühnung,  aber  die  Tora  bestimmte  ihnen  eine  solche.  Diese  sind  der 
Verleumder  u.  der  Totschläger.  Für  den  Verleumder  gab  es  keine  Sühnung  (durch 
Opfer),  u.  die  Tora  bestimmte  für  ihn  als  Sühnung  die  Schelle  am  Obergewand,  s. 
Ex28,  3ö:  ,Ahron  soll  es  anhaben  zum  Zwecke  des  Dienens  u.  seine  Stimme  (Schall) 
soll  gehört  werden."  Es  komme  die  Stimme  u.  schaffe  Sühnung  für  die  Stimme  (des 
,  Verleumders).  .  .  .  Parallelstelle  LvR  10  (112").  —  In  Z^b  88b  erscheint  R.  fAnani 
b.  Sason,  um  300,  als  Autor,  während  der  Schlußsatz:  Es  komme  die  Stimme  usw. 
dem  R.  Chanina,  um  22ö,  zugeschrieben  wird.  Ebenso  jArakhin  16",  doch  mit  anonym 
gebrachtem  Schlußsatz.  Hieran  schließt  sich  noch  die  Bemerkung:  Wenn  der  Ver- 
leumder von  seinem  Tun  Vorteil  gehabt  hat,  kommen  Aussatzplagen  über  ihn;  wenn 
er  keinen  Vorteil  davon  gehabt  bat,  schafft  das  Obergewand  für  ihn  Sühnung. 

6.  Heilmittel  gegen  Verleumdungssucht. 

eArakhin  lö^^:  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Welche  Hilfe  gibt  es  für 
die  Verleumder?  Wenn  er  ein  Gelehrtenschüler  ist,  so  beschäftige  er  sich  mit  der 
Tora,  s.  Sprl5,  4:  „Heilung  für  die  Zunge  ist  der  Lebensbaum"  (so  der  Midr).  Mit 
, Zunge"  ist  die  böse  Zunge  gemeint,  s.  Jer9,  7:  Ein  tödlicher  Pfeil  ist  ihre  Zunge. 
Der  , Lebensbaum"  ist  die  Tora,  s.  Spr  3,  18:  Ein  Lebensbaum  ist  sie  (Weisheit  =  Tora) 
denen,  die  sie  ergreifen.  Wenn  er  aber  ein  f  Am  ha-5are9  (ungebildeter  Mensch)  ist,  so 
demütige  er  sich  in  seinem  Innern,  wie  es  heißt:  , Verkehrtheit  an  ihr  (der  Zunge 
heiltl  ein  zerschlagener  Geist"  (so  Spr  15,  4^  nach  dem  Midr).  R.  Acha  b.  Chanina 
(um  300)  sagte:  Für  den  Verleumder  gibt  es  keine  Rettung;  denn  längst  hat  ihn  David 
im  heiligen  Geist  (kraft  prophetischer  Begabung)  zur  Ausrottung  verurteilt,  s.  Ps  12,  4: 
,Jahve  rotte  all  die  glatten  Lippen  aus,  die  Zunge,  die  so  groß  prahlt"  usw.  Aber 
welches  Heilmittel  gibt  es,  daß  man  nicht  in  die  Sünde  der  Verleumdung  gerate? 
Wenn  es  ein  Gelehrtenschüler  ist,  so  beschäftige  er  sich  mit  der  Tora,  u.  wenn  es 
ein  fAm  ha-iare^  ist,  so  demütige  er  sich  in  seinem  Innern,  s.  Spr  15,4  (wie  oben).  — 
Vgl.  Derekh  Erec  Zuta  1 :  Verleumde  nicht  deinen  Nächsten;  denn  wer  seinen  Nächsten 
verleumdet,  für  den  gibt  es  keine  Heilung. 

7.  Verhalten  gegen  Verleumdung. 

Nidda61''':  Raba  (t  352)  hat  gesagt:  Obgleich  man  eine  Verleumdung  nicht  an- 
nehmen (glauben)  soll,  so  soll  man  sie  doch  immerhin  beachten.  Einst  kamen  Leute 
aus  Galiläa,  über  die  sich  das  Gerücht  verbreitet  hatte,  daß  sie  einen  Mord  begangen 
hätten,  zu  R.  Tarphon  (um  100)  u.  sprachen:  Es  möge  uns  der  Herr  verbergen!  Er 
antwortete:  Was  soll  ich  tun?  Wenn  ich  euch  nicht  verberge,  so  wird  man  euch  sehn; 
wenn  ich  euch  aber  verberge,  so  gilt  doch  das  Wort  der  Rabbanan:  Obgleich  man  eine 
Verleumdung  nicht  annehmen  soll,  so  soll  man  sie  doch  immerhin  beachten.  Geht  u. 
verbergt  euch  selbst!  —  Vgl.  jedoch  pPea  1,  16*,  27:  Man  fragte  vor  R.  Jochanan:  Wer 
ist  ein  Verleumder?  Der,  welcher  die  Verleumdung  ausspricht,  u.  der,  welcher  sie  zur 
Kenntnis  nimmt.  (Bacher,  pal.  Amor  1,  227.)  II  Schab  88  b  ßar  über  Anhören  von  Schmä- 
hungen, ohne  sie  zu  erwidern,  s.  bei  Mt  5,  HS.  226.  ||  Derekh  Erec  Zuta  1 :  Reden  andre 
•Schlechtes  über  dich  (lies  -•■=>'  statt  t^  hy),  so  antworte  ihnen  nicht;  der  Große  sei 
in  deinen  Augen  wie  der  Kleine.  Hast  du  aber  über  andre  Schlechtes  geredet,  so  sei 
der  Kleine  in  deinen  Augen  wie  der  Große,  bis  du  hingehst  u.  ihn  besänftigst  (ver- 
söhnst). II  Sanh  7'':  Jemand  pflegte  zu  sagen:  Wohl  dem,  der  hört  (seine  Schmähungen) 
n.  schweigt;  hundert  Übel  gehn  an  ihm  vorüber.  Sch^muel  (j  254)  hat  zu  Rab  J^huda 
(t  299)  gesagt:  Spr  17, 14  steht:  Wer  das  Wasser  losläßt  (den  Streit  beginnt),  der  macht 
den  Anfang  von  ••~^,  d.  h.  von  ■;— '  -si,  hundert  Prozessen  (■i-'s  wird  als  Notarikon 
gedeutet).  ||  Midr  Ps  16  §  11  (62  ):  R.  Huna  (um  3Ö0)  hat  im  Namen  des  R.  Alexandrai 
(um  270)  gesagt:  Wer  seine  Verfluchung  hört  u.  dazu  schweigt,  der  wird  ein  Frommer 
genannt.   David  bat  seine  Verfluchung  gehört  u.  dazu  geschwiegen;  aus  diesem  Grund 


MatthS,  11  (33  7).  5,  12  231 

wird  er  ein  Frommer  genannt,  s.  Ps  Ib',  10.  —  In  etwas  andrer  Fassung  Midr  Ps  86 
§  1  (ISe*»):  R.  Abba  (um  29U)  hat  im  Namen  des  R.  Alexandra!  gesagt:  Wer  seine  Ver- 
fluchung hört  u.  dazu  schweigt,  obwohl  er  es  verhindern  könnte,  der  wird  ein  Ver- 
bündeter Gottes;  denn  ebenso  hört  dieser,  wie  die  Völker  der  Welt  ihn  lästern,  u. 
schweigt.  Auch  David  hat  seine  Verfluchung  schweigend  angehört;  deshalb  sagt  er 
Ps  86,  2:  Bewahre  meine  Seele;  denn  ich  bin  fromm.  i|  Eine  ausdrückliche  Seligpreisung 
des  unschuldig  Verleumdeten  ist  uns  in  der  rabbin.  Literatur  nicht  begegnet. 

5,12:  Euer  Lohn  wird  reichlich  sein  im  Himmel. 

Aboth  2,  14 — 16:  R.  Elfazar  (b.  fArakh,  um  90)  hat  gesagt:  Wache  darüber,  daß 
du  Tora  lernst,  u.  wisse,  was  du  den  Freidenkern  antworten  mögest,  u.  wisse,  vor  wem 
du  dich  mühst  u.  wer  dein  Arbeitsherr  ist,  der  dir  den  Lohn  deiner  Arbeit  auszahlen 
wird.  —  R.  Tarphon  (um  100)  sagte:  Der  Tag  ist  kurz,  der  Arbeit  ist  viel,  die  Arbeiter 
sind  träge,  der  Lohn  ist  groß  u.  der  Hausherr  (Gott)  drängt.  —  Dieser  pflegte  auch  zu 
sagen:  Nicht  liegt  es  dir  ob,  die  Arbeit  zu  vollenden;  aber  du  bist  auch  nicht  freier 
Herr  darüber,  von  ihr  zu  feiern.  Hast  du  viel  Tora  gelernt,  so  gibt  man  (=-  Gott)  dir 
viel  Lohn;  u.  treu  ist  der  Herr  deiner  Arbeit,  der  dir  den  Lohn  deiner  Arbeit  auszahlen 
wird;  wisse  aber,  daß  die  Lohnauszahlung  an  die  Gerechten  in  der  Zukunft  (hier  = 
in  der  zukünftigen  Welt)  erfolgt.  ||  Sanh  100":  Als  Rab  Dimi  (um  320)  kam  (nämlich 
aus  Palästina  nach  Babylonien),  sprach  er:  Gott  wird  jedem  Gerechten  die  Fülle  seiner 
Hand  geben  (d.h.  soviel  wie  eine  Gotteshand  in  sich  faßt),  vgl.  Ps*J8,  20:  , Gepriesen 
sei  Jahve!  Tag  für  Tag  wird  er  uns  eine  Hand  voll  geben,  der  Gott  unserer  Hilfe* 
(so  der  Midr).  Abaje  (f  338/39)  antwortete  ihm:  Wie  kann  man  nur  so  etwas  sagen! 
Heißt  es  denn  nicht  längst:  ,Wer  hat  mit  seiner  Hohlhand  die  Wasser  gemessen  u. 
die  Himmel  mit  der  Spanne  abgesteckt?"  Jes  40,  12?  Jener  .sprach:  Warum  bist  du 
nicht  in  der  Haggada  heimisch?  Denn  im  Abendlande  (=  Palästina)  sagt  man  im 
Namen  des  Rabbah  bar  Mari  (um  320):  Dereinst  wird  Gott  jedem  Gerechten  olO  Welten 
(als  Lohn)  geben,  s.  Spr8,  21:  ,Um  die,  welche  mich  lieben,  erlangen  zu  lassen  o-", 
d.  h.  nach  dem  Zahlenwert  von  -v  310  Welten.'  —  Bar:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt: 
Mit  dem  Maß,  mit  welchem  ein  Mensch  mißt,  mißt  man  (=  Gott)  ihm;  s.  Jes  27,  8: 
,Du  hast  es  gestraft  mit  Maß  für  Maß"  (so  nscsca  nach  dem  Midr).  Da  antwortete 
R.  J^'huda  (b.  Elfai,  um  150;  so  lies  statt  R.  J'^hoschua?):  Wie  kann  mau  nur  so  etwas 
sagen!  Es  gibt  ein  Mensch  einem  Armen  eine  Hand  voll  in  dieser  Welt,  u.  dann  soll 
ihm  Gott  dafür  eine  Hand  voll  (die  Fülle  einer  Gotteshand)  in  der  zukünftigen  Welt 
geben!  Es  heißt  doch  Jes 40, 12:  ,Wer  hat  die  Himmel  mit  der  Handweite  abgesteckt" 
(wenn  Gottes  Hand  die  Welt  umspannt,  wie  kann  der  Mensch  die  Fülle  dieser  Hand 
als  Lohn  empfangen)!  Aber,  entgegnete  R.  Meir,  sagst  du  denn  nicht  auch:  Welches 
Maß  (bei  Gott)  ist  größer,  das  Maß  des  Guten  (des  Segens)  oder  das  Maß  der  Strafe? 
Doch  wohl  ist  das  Maß  des  Guten  größer  als  das  Maß  der  Strafe!  Denn  beim  Maß 
des  Guten  heißt  es  Ps78,  23f. :  „Er  gebot  den  Wolkenhöhen  droben  u.  tat  die  Türen 
cles  Himmels  auf  u.  ließ  Manna  auf  sie  herabregnen  zum  Essen" ;  dagegen  heißt  es 
beim  Maß  der  Strafe  Gn  7,  11:  ,Die  Fenster  des  Himmels  (die  kleiner  sind  als  die 
Türen  des  Himmels)  taten  sich  auf."  Nun  heißt  es  beim  "Maß  der  Strafe  Jes  66,  24: 
,Sie  werden  hinausgehn,  anzusehn  die  Leichname  der  Leute,  die  an  mir  gefrevelt 
haben ;  denn  ihr  Wurm  stirbt  nicht  u.  ihre  Flamme  erlischt  nicht,  u.  sie  werden  zur 
Abschreckung  sein  für  alles  Fleisch."  Nicht  wahr?  wenn  ein  Mensch  in  dieser  Welt 
seinen  Finger  ins  Feuer  steckt,  so  ist  er  sofort  verbrannt  (aber  in  der  zukünftigen 
Welt  verbrennt  er  nie).  Wie  also  Gott  (in  der  zukünftigen  Welt)  in  die  Gottlosen  die 
Kraft  gibt,  ihre  Strafen  zu  empfangen  (u.  zu  tragen),  so  wird  Gott  auch  in  die  Ge- 
rechten die  Kraft  geben,  ihr  Gutes  hinzunehmen  (auch  wenn  ihr  Lohn  die  Fülle  einer 


^  Diese  Auslegung  von  Spr  8,  21  gehört  nach  sUqcin  3,  12  dem  J^hoschuaf  b.  Levi, 
«m  250,  an,  dessen  Aussprüche  mehrfach  von  Rab  Dimi  tradiert  werden;  die  Aus- 
legung findet  sich  auch  noch  Midr  Ps  31  §6  (120»);  5  §2  (26^). 


232  Matth  5, 12.  13  (51 1) 

Gotteshand  beträgt).  II  SNu  27,  12  §135  (51  a):  „Genug  davon"  i^  ai  Dt  3,  26.  Gott 
sprach  zu  Mose:  Viel  ist  für  dich  aufbewahrt,  viel  für  dich  verborgen;  s.  Ps  31,20: 
„Wie  zahlreich  ist  dein  Gutes  {^=  Lohn),  das  du  verwahrst  denen,  die  dich  fürchten." 
Ferner  heilst  es  Jes  64,  3:  „Kein  Auge  hat  es  gesehen,  o  Gott,  außer  dir,  was  bereitet 
ist  denen,  die  harren"  (so  der  Mixlr).  —  Ähnlich  wird  SDt  3,  26  §  29  (71 '')  das  -'•>  a-^ 
erklärt:  Gott  sprach  zu  Mose:  Vieles  ist  für  dich  in  meiner  Hand  in  der  zukünftigen 
Welt.  —  Dasselbe  TanchB  i:r:psi  „Zusätze"  §  1  (7^).  n  Aboth  4,  10:  R.  Meir  (um  150) 
sagte:  Wenn  du  dich  mit  der  Tora  mühst,  so  hat  er  (Gott)  viel  Lohn,  um  ihn  dir  zu 
geben.  1|  SLv  5,  17  (120-'*):  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  hat  gesagt:  Wenn  du  den 
Lohn  der  Gerechten  in  der  Zukunft  kennen  lernen  willst,  so  geh  u.  lerne  ihn  von  dem 
ersten  Menschen,  dem  nur  Ein  Verbot  gegeben  war.  Als  er  es  aber  übertreten  hatte, 
sieh,  wie  oft  der  Tod  als  Strafe  verhängt  worden  ist  über  ihn  u.  seine  Geschlechter  u. 
über  die  Geschlechter  seiner  Geschlechter  bis  an  das  Ende  seiner  Geschlechter.  Welches 
Maß  ist  nun  größer,  das  Maß  des  Guten  oder  das  Maß  der  Strafe?  Doch  wohl  das 
Maß  des  Guten.  ||  Zur  altsynagogalen  Lohnlehre  s.  Exkurs:  Das  Gleichnis  von  den 
Arbeitern  im  Weinberge. 

5, 1.3  9(:  Ihr  seid  das  Salz  der  Erde. 
1.  Verschiedene  Arten  des  Salzes. 

a.  Sodomitisches  Salz  n-ipinp  nbp,  herrührend  aus  der  ver- 
dunstenden Sole  des  Toten  Meeres,  galt  als  besonders  scharf  u.  wurde 
zum  Salzen  der  Opfer  verwandt. ^ 

Josephus  erwähnt  es  ganz  beiläufig  Antiq.  13, 4,  9.  Hier  zählt  der  König  Demetrius  II. 
die  '/.i/uyai  nöf  ahoy,  d.h.  die  Salzlachen  des  Toten  Meeres,  unter  denjenigen  Einnahme- 
quellen auf,  auf  deren  Erträge  er  zugunsten  des  Hohenpriesters  Jonathan  (161  — 143 
v.  Chr.)  verzichtete;  ebenso  1  Makk  11,  35.  ||  fErub  17'^:  Abaje  (f  o38/:'.9)  hat  gesagt:  (Die 
Bestimmung  fErub  1,  10,  daß  diö  im  Felde  stehenden  Truppen  vom  Händewaschen 
anläßlich  der  Mahlzeit  frei  seien)  hat  man  nur  betreffs  des  ersten  Wassers  (d.  h.  betreffs 
des  Händewaschens  vor  dem  Essen)  gelehrt;  dagegen  ist  das  zweite  Wasser  (das 
Waschen  nach  Tisch)  Pflicht.  Rab  Chijja  bar  Aschi  (um  270)  hat  gesagt:  Warum  hat 
man  gesagt:  Das  zweite  Wasser  ist  Pflicht"?  Wegen  des  sodom.  Salzes,  welches  (wenn 
es  von  den  Speisen  an  die  Hände  u.  von  diesen  in  die  Augen  kommtl  die  Augen  er- 
blinden läßt.  —  In  ChuUin  105''  ist  die  Frage  des  Rab  Chijja  b.  Aschi  dem  Rab  J<^huda 
b.  Chijja,  um  240,  in  den  Mund  gelegt.  ||  SLv  2,  13  (54^):  „Du  sollst  all  dein  Speisopfer 
mit  Salz  salzen"  Lv  2,  13.  „Mit  Salz";  da  könnte  man  meinen,  daß  man  nur  etwas 
Salzgeschmack  hineinbringen  solle  (wozu  nur  wenig  Salz  nötig  wäre);  deshalb  heißt  es 
noch:  „sollst  du  salzen"  (die  Verbindung  '-;';':n  nV'ss  will  lehren,  daß  das  Opfer  stark 
zu  salzen  ist).  Wenn  es  nur  hieße:  „du  sollst  salzen"  (ohne  Beifügung  von:  „mit  Salz"), 
da  könnte  man  meinen,  es  solle  mit  Salzwasser  geschehen;  deshalb  heißt  es:  „mit 
Salz".  „Nicht  sollst  du  fehlen  lassen,  r-ax-r,  Salz"  Lv  2,  13,  d.h.  nimm  Salz,  welches 
nicht  feiert  (rrs'-i).  Was  ist  das  für  Salz?  Das  ist  sodom.  Salz  (denn  das  Tote  Meer 
beobachtet  den  Sabbat  nicht",  es  läßt  das  Salz  tagtäglich  durch  Verdunstung  entstehn).  — 
Als  Bar  M^n  21 »;  kürzer  TM'n  1»,  15  (526). 

b.  Salz  von  Qstracena,  'OavQaxivrj,^  Stadt  an  der  palästinisch- 
ägyptischen Grenze,  r"i:pi-rcx  nb^. 

SLv  2,  13  (Forts,  vom  Zitat  in  Anm.  «):  Woher,  wenn  man  kein  sodom.  Salz  hat, 
daß  man  ostracenisches  nehmen  darf?  Weil  es  heißt  Lv  2,  13  fin.:  „Du  sollst  Salz 
darbringen",  Salz  im  weitesten  Sinn  des  Wortes.  —  Dasselbe  TM'n  !>,  15  u.  b.VPn  21  =*.  — 
Auch  sonst  steht  das  ostracenische  Salz  dem  sodomit.  gegenüber:  BB  20*^:  Rab  (f  247) 

^  Krauß,  Archäol.  1,  119  versteht  unter  dem  sodom.  Salz  das  „aus  den  Salzbergen 
nahe  dem  Toten  Meere  gebrochene  Salz". 

*  So  Krauß,  Lehnw.  2,  99  u.  Archäol.  1,  500.  Dalman:  Istrisches  (?)  Salz. 


Matth  5,  13  (31  1.  2)  283 

hat  gesagt:  Man  darf  aus  allem  eine  Scheidewand  machen,  nur  nicht  aus  Salz  u.  dem 
Bodensatz  von  fettigen  Substanzen.  Sch^'muel  (f  254)  sagte:  Auch  aus  Salz.  Rab  Papa 
(f  37(5)  hat  gesagt:  Das  schließt  keine  Meinungsverschiedenheit  in  sich:  das  eine  gilt 
von  dem  sodomitischen,  u.  das  andre  vom  ostracenischen  Salz.  —  Dazu  bemerkt  Raschi: 
Das  sodom.  Salz  war  fest  u.  hart  wie  ein  Stein.  —  Mit  demselben  Satz  wird  für  eine 
andre  Meinungsverschiedenheit  der  Ausgleich  hergestellt  BeQa  39^. 

C.  Würzsalz  ni-jsip^b  nV?,  wohl  ^  sal  conditum.  Andre  Schreib- 
weisen u.  Erklärungen  s.  bei  Levy  3,  538 »  u.  Krauß,  Lehnw,  2,  396. 

?AZ2,  6:  Diese  Gegenstände  der  Heiden  sind  verboten,  aber  ihr  Verbot  ist  kein 
Verbot  der  Nutznießung  (sondern  nur  des  Genusses):  Milch,  welche  ein  Heide  gemolken 
hat,  ohne  dafs  ein  Israelit  es  sah;  ihr  Brot  u.  ihr  Öl  u.  das  Gekochte  [Rabbi  (J'^huda  H. 
N®siä)  u.  sein  Gerichtshof  haben  es  in  bezug  auf  das  Öl  erlaubt]  u.  Eingelegtes,  bei 
dem  es  Brauch  ist,  Wein  u.  Essig  hineinzugeben;  kleingehackter  Thunfisch  u.  Fisch- 
lake, in  der  kein  Fisch  ist,  u.  Fischsauce  u.  ein  Stück  Asa  foetida  u.  Würzsalz.  Siehe 
diese  sind  verboten,  aber  ihr  Verbot  ist  nicht  ein  Verbot  der  Nutznießung.  —  Die  Er- 
klärung s.  bei  Strack,  ?Aboda  Zara,  1909,  S.  8  f.  |i  TfAZ  4,  12  (467):  Das  schwarze  Würz- 
salz ist  erlaubt,  das  weiße  ist  verboten,  sagte  R.  Me'ir  (um  150).  R.  J'^'huda  (um  150) 
sagte:  Das  schwarze  ist  verboten,  das  weiße  ist  erlaubt.  R.  J'huda  b.  Gamliel  (um  250) 
hat  im  Namen  des  R.  Ghananja  (Chanina)  b.  Gamliel  (um  120)  gesagt:  Beides  ist  ver- 
boten. —  Als  Bar  ?AZ  39*^;  hier  schließt  R.  Jochanan  (f  279)  die  Bemerkung  an:  Nach 
den  Worten  desjenigen,  der  sagte,  das  weiße  Gewürzsalz  sei  verboten,  weil  die  Nicht- 
juden  die  Eingeweide  weißer  unreiner  Fische  daranmengen;  nach  den  Worten  des- 
jenigen, der  sagte,  das  schwarze  sei  verboten,  weil  sie  die  Eingeweide  schwarzer  un- 
reiner Fische  daranmengen,  u.  nach  den  Worten  desjenigen,  der  sagte,  beide  Sorten 
seien  verboten,  weil  sie  beiderlei  Fischsorten  daranmengen.  —  Ebenfalls  als  Bar,  aber 
mit  anonymer  Begründung  p?AZ  2,  42-\  ||  fAZ  39'':  Was  ist  Würzsalz,  r-i-jipVo  '•:? 
Rab  J'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Sch'^'muel  (f  254)  habe  gesagt:  Es  ist  Salz,  welches  alle 
-•-i-jip'bo  Roms  essen.  — ■  Raschi  erklärt  das  Fremdwort  mit  i'^a-rrj  =  Bäcker,  Kon- 
ditoren; er  denkt  also  an  sal  conditum.  Levj^  3,  538  emendiert  das  Wort  in  •r^.^^z: 
Salz,  mit  welchem  man  alle  gekochten  Speisen  in  Rom  genießt.  Fleischer  bei  Levy 
3,  724''  hält  das  Wort  für  ein  Derivat  von  aa'Aäxcoy  u.  übersetzt:  Eine  Art  Salz,  welches 
alle  Großtuer  Roms  genießen,  —  wohl  deshalb,  weil  es  seltner  u.  teurer  als  anderes  ist. 

d.  Steinsalz  (?)  xr'^sbbj,  xnb-ip  =  klumpen  förmiges  Salz. 

Chullin  HS":  Rab  Dimi  (um  320)  salzte  das  Fleisch  mit  Steinsalz  u.  schüttelte  es  dann  ab. 

2.  Verwendungszwecke. 

Ben  Sirach  zählt  39,  26  das  Salz  unter  den  notwendigsten  Lebens- 
bedürfnissen auf:  „Wasser  u.  Feuer  u.  Eisen  u,  Salz,  fetter  Weizen, 
Milch  u.  Honig,  Traubenblut,  Öl  u.  Kleidung."  Sieht  man  von  dieser 
Verwertung  des  Salzes  bei  der  Zubereitung  der  menschl.  Nahrung  ab, 
so  erwähnt  die  rabbin.  Literatur  etwa  noch  folgende  Verwendungen: 

a.  Sämtliche  Opfer  wurden  gesalzen,  s.  bei  Mk  9,  49. 

b.  Das  Einsalzen  der  Tierhäute  bezeugt  Mid  5,  3:  Sechs  Hallen  (Kammern)  waren 
im  Vorhof,  drei  auf  der  Nordseite  u.  drei  auf  der  Südseite.  Auf  der  Nordseite:  die 
Salzhalle,  die  Parvahalle  {r.'.'t  angeblich  Name  des  Erbauers)  u.  die  Halle  der  l^das 
Opferfleisch)  Abspülenden.  In  der  Salzhalle  tat  man  das  Salz  auf  das  Opfer;  in  der 
Parvahalle  salzte  man  die  Häute  der  Opfertiere  (diese  gehörten  den  Priestern).  ... — 
Abweichend  die  Bar  M'n  21'':  An  drei  Stellen  befand  sich  das  Salz:  in  der  Salzhalle, 
auf  der  Rampe  (an  der  Südseite  des  Brandopferaltars,  32  Ellen  lang,  16  Ellen  breit,. 
Mid  3,  3)  u.  oben  auf  dem  Altar.  In  der  Salzhalle  salzte  man  die  Häute  der  Opfertiere; 
auf  der  Rampe  salzte  man  das  Opferfleisch;  auf  dem  Altar  salzte  man  die  Handvoll 
(Abhub  von  der  Mincha),  den  Weihrauch,  das  Räucherwerk,  das  Speisopfer  der  Priester, 


234  Matth  5,  13  («  2.  3) 

das  Speisopfer  des  gesalbten  Priesters,  das  Speisopfer  der  Trankopfer,  das  Yogelbrand- 
opfer.  —  Welche  Mengen  von  Salz  für  den  Tempelbedarf  nötig  waren,  zeigt  das  Schreiben 
des  Königs  Antiochus  bei  Josephus,  Antiq  12,  3,  3,  das  die  Lieferung  von  375  Scheffel 
Salz  an  den  Tempel  anordnet. 

C.  ?Erub  10,  14:  Man  darf  (am  Sabbat)  Salz  auf  die  Rampe  (des  Brandopferaltars) 
streuen,  damit  die  Priester  nicht  ausgleiten. 

d.  Schab  H,  .5:  Eine  Frau  darf  am  Sabbat  (ohne  sich  der  Sabbatschändung  schuldig 
zu  machen)  ausgehn  .  .  .  mit  einem  Pfefferkorn  u.  mit  einem  Körnchen  Salz  (im  Munde, 
gegen  etwaige  Zahnschmerzen). 

e.  Sota  9,  14:  Im  Kriege  mitVespasian  verbot  man  die  Kronen  der  Bräutigame  u. 
die  Handtrommeln.  —  Dazu  die  bab.  G'^mara49'^:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Das  gilt  nm 
von  den  Kronen  aus  Salz  u.  Schwefel,  aber  die  aus  Myrte  u.  Rosen  sind  erlaubt. 
Sch^'muel  (f  254)  sagte:  Auch  die  aus  Myrte  u.  Rosen  sind  verboten,  dagegen  die  aus 
Rohr  u.  Schilf  sind  erlaubt.  Levi  (gemeint  ist  der  Ben  Sisi,  um  200)  hat  gesagt:  Auch 
die  aus  Rohr  u.  Schilf  sind  verboten.  Und  so  hat  Levi  in  seiner  Mischnasammlung 
gelehrt:  Auch  die  aus  Rohr  u.  Schilf  sind  verboten.  —  Raschi  zur  Stelle:  Aus  Salz- 
stein, weil  dieser  so  klar  wie  ein  Edelstein  .  .  .;  aus  Schwefel,  wie  aus  Gold  u.  Silber. 
Wagenseil  bringt  folgende  Tradition:  Ratio,  quare  sponsorum  coronae  e  sulphure  et 
sale  confectae  fuerint,  in  eo  consistit,  ut  in  memoriam  iis  revocaretur  peccatum  Sodo- 
maeorum  et  Gomorrhaeorum,  qui  adulteriis  et  masculae  Yeneri  se  totos  praepostere 
mancipabant,  et  ideo  eam  poenam  tulere,  ut  terra  ipsorum  in  sal  et  sulphur  conver- 
teretur.  Ergo  corona  illa  salis  et  sulphuris  monebat  sponsum,  suae  adhaereret  uxori 
et  a  peccatis  Sodomaeorum  sibi  caveret. 

/.  Sukka  48'>  Bar:  Einmal  goß  ein  Sadduzäer  (die  W^asserlibation  am  Laubhüttenfest 
statt  in  das  silberne  Becken  auf  dem  Altar)  auf  seine  Füße  hin,  u.  alles  Volk  bewarf 
ihn  mit  dem  Ethrog  (vermutlich  Orange,  Bestandteil  des  Laubhüttenfeststraußes,  Lulab). 
An  jenem  Tage  wurde  (infolge  des  Tumultes)  eine  Ecke  (oder  ein  Hörn)  des  Altars 
beschädigt.  Man  brachte  einen  Salzkloß  u.  verstopfte  damit  die  beschädigte  Stelle; 
nicht  damit  der  Altar  so  für  den  Kultus  brauchbar  wäre,  sondern  damit  er  nicht  ver- 
stümmelt aussehe;  denn  jeder  Altar,  der  nicht  eine  Rampe,  eine  Ecke  (scharfe  Kante 
oder  Hörn),  eine  Grundlage  u.  eine  viereckige  Form  hat.  ist  für  den  Kultus  unbrauchbar. 
R.  Jose  b.  J<^huda  (um  180)  sagte:  Auch  eine  Einfassung  (aa-o  entspricht  dem  as-^a  Ex 
27,  5)  muß  er  haben.  —  Dasselbe  Zb  62":  der  Anfang  stammt  aus  Sukka  4,  9. 

g.  Schab  H7t)  Bar:  Man  legt  ein  KlümpchenSalz  in  die  Lampe,  damit  sie  heller  brenne. 

Ä.  Die  Ez  16,4  vorausgesetzte  Sitte,  neugeborne  Kinder  mit  Salz  abzureiben,  ist 
halakhisch  verwertet  Schab  129'^:  Rab  Nachman  (f  320)  hat  gesagt,  Rabbah  bar  Abuha 
(um  270)  habe  gesagt:  Alles,  was  in  dem  Strafabschnitt  Ez  16  gesagt  ist,  darf  man 
einer  Wöchnerin  am  Sabbat  tun.  (Ezl6,  4:)  , Deine  Geburt  am  Tage,  da  du  geboren 
wurdest"  —  auf  Grund  dieser  Worte  darf  man  bei  der  Geburt  eines  Kindes  Hilfe 
leisten  am  S  ;  „deine  Nabelschnur  wurde  nicht  abgeschnitten",  von  hier  aus  ergibt 
sich,  daß  man  am  S.  die  Nabelschnur  abschneiden  darf;  „mit  Wasser  wurdest  du  nicht 
gewaschen",  von  hier  aus,  daß  man  das  Kind  am  S.  waschen  darf;  ,mit  Salz  wurdest 
du  nicht  abgerieben",  von  hier  aus,  daß  man  das  Kind  am  S.  mit  Salz  abreiben  darf; 
,in  Windeln  wurdest  du  nicht  eingewickelt",  von  hier  aus,  daß  man  das  Kind  am  S. 
wickeln  darf. 

3.  Das  Salz  als  Bild  völliger  Verödung  u.  Vernichtung  nach 
.Dt  29,  22;  Ki9,25;  Jerl7,6;  Zeph2,9;  Hi  39,  6. 

MidrKLEinl.  9(:Ub):  R.  Ji^chaq  (um  300)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Jer  51,51.  — 
Du  findest,  als  die  Feinde  in  Jerusalem  eindrangen,  drangen  mit  ihnen  die  Ammoniter 
u.  Moabiter  ein,  s.  KL  1,  10:  , Heiden  .  .  .,  die  nicht  in  die  Gemeinde  kommen  sollten 
(=  Ammoniter  ü.  Moabiter  Dt  23,  4)  kamen  in  das  Heiligtum."  Hier  fanden  sie  die 
beiden  Kerubim;  sie  nahmen  diese,  legten  sie  in  einen  Korb,  u.  führten  sie  durch  die 
Straßen  Jerusalems  u.  riefen:  Habt  ihr  nicht  gesagt,  daß  diese  Nation  keine  Götzen 


Matth  5,  13  (5t  3—5)  285 

anbete?  Nun  seht,  was  wir  bei  ihnen  gefunden  haben  u.  was  sie  angebetet  haben! 
Da  sind  sich  alle  Menschen  gleich!  s.  Ez25,  8:  ,Weil  Moab  sagt  u.  Sefir:  Siehe, 
gleich  allen  andren  Nationen  ist  das  Haus  Juda"  usw.  In  jener  Stunde  schwur  Gott, 
daß  er  sie  bis  auf  die  Wurzel  aus  der  Welt  ausrotten  wolle,  s.  Zeph2,  9:  ,Moab  soll 
Sodom  gleich  werden,  u.  die  Ammoniter  wie  Gomorrha  .  .  .  eine  Salzgrube  u.  Einöde 
auf  immerdar."  ||  pQid  4,  65'',  18:  „Das  sind  die,  welche  heraufzogen  aus  Tel-Melach, 
Tel-Charscha  .  .  .  u.  vermochten  nicht  ihr  Vaterhaus  zu  bezeichnen  u.  ihren  Samen, 
ob  sie  von  Israel  seien"  Esra  2,  59.  R.  Levi  (um  30U)  hat  im  Namen  des  R.  Schirafon 
b.  Laqisch  (um  250)  gesagt:  Sie  hätten  es  verdient,  zu  einem  Salzhügel  (Tel-Melach) 
zu  werden;  allein  die  göttl.  Gerechtigkeit,  der  Hügel  des  Schweigens  (Tel-Charscha), 
schwieg  zu  ihren  Gunsten,  il  Joma  54":  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Sieben  Jahre  lang  erfüllte 
sich  , Schwefel  u.  Salz"  Dt  29,  22  am  Lande  Israel.  Vgl.  P*^siq  114'^  nebst  Parallelen. 

4.  Das  Salz  als  reinigende,  würzende  u.  erhaltende  Kraft; 
vgl.  Hi  6,  6. 

B^rakh  5**  (nach  dem  ungekürzten  Texte  aus  Diqduqe  Soph^'rim  bei  Bacher,  pal. 
Amor  1,  355):  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Das  Wort  ^Bund"  steht  bei 
-„Salz"  u.  bei  „Züchtigungen";  s.  Lv  2,  13:  „Nicht  sollst  du  fehlen  lassen  das  Salz  des 
Bundes  bei  deinem  Speisopfer",  u.  Dt  28,  69  (die  Stelle  paßt  nicht;  Bacher  verweist 
mit  Diqd.  Soph.  auf  Ez  20,  37:  „Ich  will  euch  in  die  Zucht  des  Bundes  bringen").  Wie 
bei  dem  Bunde,  der  vom  Salz  gesagt  wird,  das  Salz  das  Opfer  tauglich  macht  (zur 
Darbringung),  so  machen  bei  dem  Bunde,  der  von  den  Züchtigungen  gesagt  wird,  die 
Züchtigungen  die  Sünde  tauglich  (zur  Vergebung);  wie  das  Salz  das  Fleisch  läutert, 
30  läutern  die  Züchtigungen  den  ganzen  Körper  des  Menschen.  ||  NiddaSl'''  Bar:  Wenn 
die  Zeit  da  ist,  daß  ein  Mensch  aus  der  Welt  scheiden  soll,  dann  nimmt  Gott  seinen 
Teil  (die  Seele)  u.  der  Teil  seiner  Eltern  (der  Leib)  bleibt  vor  ihnen  liegen.  Rab  Papa 
(t  376)  hat  gesagt:  Das  ist  so,  wie  die  Leute  zu  sagen  pflegen:  Schüttle  das  Salz  ab 
u.  wirf  das  Fleisch  vor  die  Hunde.  |!  Tract.  Soph^'rim  15,  8:  Die  Tora  gleicht  dem  Salz, 
die  Mischna  dem  Pfeffer,  die  G'^mara  den  Gewürzen.  Die  Welt  kann  nicht  ohne  Salz, 
auch  nicht  ohne  Pfeffer,  auch  nicht  ohne  Gewürze  bestehn,  u.  der  reiche  Mann  er- 
freut sich  aller  drei  in  seinem  Unterhalt.  So  kann  die  Welt  auch  nicht  ohne  die  Schrift 
u.  die  Mischna  u.  die  G'^mara  bestehn.  ||  Philo,  de  Victimis  §  6  (Mang.  2, 255) :  HIsjk  zavid 
(ft]aiv  „'Eni  nayrog  ^uJqov  ngogoiGSTE  ((?Mg"  Lv  2,  13.  //t'  ov.  xaddneQ  xal  riQÖxtQoy 
slnov,  xrjv  eis  änav  Sictfxovrjv  alvitTETca.  ^v'kctxTrjQiov  yccg  oi  u),eg  awfxarwv,  rstifir]- 
fiSfoh  xpr/ijs  dsvTSQSiois.  '£lg  yitQ  «Itlcc  rov  fit]  &u((fS^6tQsa&ai  rd  aitiucci«  ^'v%t]  xa'i 
ol  dXsg  inl  nXeTaroy  «?''r«  avi'S/oyrss  xal  rgönof  rivd  aßccfaTii^ofisg.  ||  Schab  31*: 
Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Wenn  man  den  Menschen  vor  das  (göttl.)  Gericht  bringt, 
sagt  man  zu  ihm:  Hast  du  gekauft  u.  verkauft  in  Redlichkeit V  Hast  du  Zeiten  be- 
stimmt für  das  Torastudium?  Hast  du  dich  mit  der  Fortpflanzung  befaßt?  Hast  du 
ausgeschaut  auf  das  (messian.)  Heil?  Hast  du  scharfsinnige  halakhische  Erörterungen 
angestellt?  Hast  du  ein  Wort  aus  dem  andren  gedeutet?  Und  selbst  wenn  dem  so 
ist  —  wenn  „die  Furcht  Jahves  sein  Schatz  ist"  (Jes  33,  6)  —  dann  ja,  wenn  aber 
nicht,  dann  nicht.  Gleich  einem  Menschen,  der  zu  seinem  Boten  sagte:  Schaffe  mir 
ein  Kor  Weizen  auf  den  Söller!  Er  ging  u.  schaffte  ihn  hinauf.  Er  sprach  zu  ihm:  Hast 
du  mir  ein  Qab  Salzsand  -i'-j-i-r:  (zur  Konservierung  des  Getreides)  hineingemengt?  Er 
sprach:  Nein!  Er  antwortete  ihm:  Dann  wäre  es  besser  gewesen,  du  hättest  ihn  nicht 
hinaufgeschafft! 

5.  Jesu  Wort  steht  formell  am  nächsten  ein  jerusalemisches  Sprich- 
wort (bK'^th  66**;  Aboth  R.  Nathan  17,  das  bereits  aus  der  Zeit  Jesu 
stammt  u.  in  zwiefacher  Fassung  überliefert  worden  ist.  «,  „Das  Salz 
des  Geldes  .ist  der  Mangel",  ^on  ]',-ü-o  nb^.  Das  Sprichwort  könnte  be- 
sagen: Nur  wer  den  Mangel  kennen  gelernt  hat,  weiß  das  Geld  zu 
schätzen.   Doch  paßt  dieser  Sinn  nicht  in  den  Zus. hang.   Das  Sprich- 


236  Matth  5, 13  (91  5.  SB).  5, 14  (91; 

wort  ist  die  Antwort  auf  die  Frage,  die  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai. 
t  um  80,  an  die  Tochter  des  Naqdimon  b.  Gorjon  richtet:  Wo  ist  dein 
väterliches  Vermögen  hingekommen?  Es  muß  also  eine  Aussage  über 
die  Verwendung  des  Geldes  enthalten.  So  wird  wohl  ßaschi  das  Richtige 
getroffen  haben:  „Wer  sein  Geld  salzen  will,  d.  h.  wer  bewirken  will^ 
daß  sein  Vermögen  Bestand  behält,  der  lasse  es  immerfort  zu  Almosen 
in  Verlust  geraten;  sein  Verlust  ist  sein  Bestand."  Trifft  diese  Deutung 
den  eigentl.  Sinn  des  Sprichworts,  dann  erscheint  die  zweite  Fassung 
nur  als  erleichternde  Lesart:  ß,  „Das  Salz  des  Geldes  ist  die  Wohl- 
tätigkeit", -icn  '^■o•o  nb-:  die  mit  dem  Reichtum  geübte  Barmherzigkeit 
verleiht  ihm  Wert  u.  Dauer.  —  So  sollen  Jesu  Jünger  das  Salz  der 
Erde  sein,  der  Menschheit  Ewigkeitswerte  vermitteln  u.  sie  so  der 
Ewigkeit  wert  machen.  —  Neu  u.,  soweit  wir  sehn  können,  ohne 
Analogen  in  der  altjüdischen  Literatur  ist  die  persönliche  Wendung, 
die  Jesus  dem  Bild  gegeben  hat:  Menschen  sollen  ein  Salz  sein. 

5, 13^8:  Wenn  aber  das  Salz  dumm  wird,  womit  soll  man 
es  salzen?    {sv  xivi  aXiad^ratrai;) 

B'^khS'':  (R.  J'^hoschua?  b.  Chananja,  um  90,  wird  von  den  Weisen 
des  Athenäums  in  Rom  aufgefordert:)  Sage  uns  etwas  Erdichtetes 
(Fabelhaftes) I  Er  sprach:  Es  war  einmal  eine  Mauleselin,  die  ein 
Junges  warf;  diesem  hängte  man  einen  Zettel  um  u.  schrieb  darauf, 
daß  es  von  der  väterlichen  Familie  100000  Zuz  zu  erheben  habe.  Man 
antwortete  ihm:  Kann  denn  eine  Mauleselin  gebären?  Er  sprach:  Das 
sind  eben  Fabeln.  (Darauf  fragte  man  ihn:)  Wenn  das  Salz  dumm 
wird,  womit  soll  man  es  salzen  nb  '^r\h-o  "^xisn  xi-o  13  Nnb-^-c?  Er  ant- 
wortete: Mit  der  Nachgeburt  einer  Mauleselin.  (Man  sprach  zu  ihm:) 
Hat  denn  die  (unfruchtbare)  Mauleselin  eine  Nachgeburt?  (Er  ant- 
wortete:) Kann  denn  Salz  dumm  werden?  —  Die  Bezugnahme  auf 
Mt5,  13  tritt  so  deutlich  hervor,  daß  man  in  der  ganzen  Stelle  eine 
zynische  Verhöhnung  Marias  u.  Jesu  wird  sehn  müssen.  Tendenz:  Das 
nie  dumm  werdende  Salz  Israels  bedarf  der  Auffrischung  nicht,  am 
allerwenigsten  von  selten  eines  Mannes  wie  Jesus  I 

5,13:  Es  sei  denn,  daß  man  es  hinausschütte. 
Vgl.  das  Sprichwort  NiddaSl^»  (oben  S.235). 

5,14  51:  Ihr  seid  das  Licht  der  Welt. 

, Licht  der  Welt"  heißt  im  Rabbin.  sowohl  ^Y'^  ^^  ^"'r-i  ^^^  auch 
c^is  h-ä  'inis.  Der  ursprüngl,  unterschied  zwischen  -1;  u.  -•'n,  daß  jenes 
den  Lichtträger,  die  Lampe,  u.  dieses  das  scheinende,  leuchtende  Licht 
selbst,  die  Lichtflamme,  bezeichnet, ^  ist  in  obiger  Verbindung  nicht  fest- 
gehalten worden,  s.  schon  2  Sm  21, 17,  wo  David  bx-iu:"»  n:  genannt  wird. 

*  Midr  Ps  22  §3  (91  **):  Nach  allgemeinem  Brauch  zündet  ein  Mensch  die  Lampe 
":r;  in  seinem  Palast  an.   Kann  er  etwa  sagen:  Der  u.  der,  welcher  mein  Freund  ist. 


MatthS,  14Cit)  237 

Als  „Licht"   oder  „Leuchte  der  Welt"  werden  bezeichnet: 

a.  Gott.  Tancli  iri'-syna  204'':  (Nu  8,  2:)  „Wenn  du  die  Lampen  aufsetzest."  Das 
meint  auch  Psl>^,  29:  „Du  machst  meine  Leuchte  hell."  Die  Israeliten  sprachen  vor 
öott:  Herr  der  Welt,  du  sagst,  daß  wir  vor  dir  hell  machen  (erleuchten i  sollen;  du 
bist  doch  die  Leuchte  der  Welt  c^iy  hv  i-:,  u.  das  Licht  wohnt  bei  dir,  s.  Dn  2,  22, 
u.  du  sagst:  „Wenn  du  die  Lampen  aufsetzest,  so  sollen  die  sieben  Lampen  nach  der 
Vorderseite  des  Leuchters  zu  Licht  werfen"  (Nu  8,  2)!  Gott  sprach  zu  ihnen:  Nicht 
als  ob  ich  euer  bedarf;  vielmehr  ihr  sollt  mir  leuchten,  wie  ich  euch  geleuchtet  habe 
(mit  der  Wolkensäule  während  der  Wüstenwanderung).  Weshalb?  Um  euch  zu  er- 
höhen (herrlich  zu  machen)  vor  allen  Nationen,  damit  diese  sagen:  Sieh,  wie  Israel 
Dem  leuchtet,  der  allen  leuchtet!  —  In  den  Parallelen:  TanchB -r'iyna  §  5  (24^)  u. 
NuR  15  (178*^)  heißt  Gott  nicht  o^iy  hv  i-':,  sondern  'y  ■s»  i-ns  „Licht  der  Welt".  In 
ExR36(95'^)  fehlt  eine  entsprechende  Bezeichnung  Gottes. 

b.  Einzelne  Menschen.  pSchab  2,  5 '^  4(J :  Der  erste  Mensch  war  die  Leuchte 
■der  Welt  ^-'v  'v  i-n,  s.  Spr20,  27:  „Eine  Leuchte  von  Jahve  war  die  Seele  Adams" 
(so  wohl  der  Midr).  Weil  Eva  ihm  den  Tod  verursacht  hat,  deshalb  wurde  der  Frau 
«das  Gebot  betreffs  der  (Sabbat-)Lampe  ~:n  rr^'o  übertragen.  —  In  GnR  17  (12'')  fehlt 
die  Bezeichnung  Adams  als  „Leuchte  der  Welt".  ||  Aboth  R.Nathan  25:  In  der  Stunde 
des  Verscheidens  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  8ü)  erhob  dieser  seine  Stimme 
u.  weinte.  Seine  Schüler  sprachen  zu  ihm:  Rabbi,  hohe  Säule,  Leuchte  der  Welt  -: 
a'iy,  fester  Hammer!  warum  weinst  du?  —  Die  Parallelstelle  B®rakh28'*  hat  statt 
cViy  13  nach  2Sm2],17  irsi»-  -i:. 

C.  Israel.  Midr  HL  1,3(85^):  Wie  das  Öl  der  Welt  Licht  bringt,  so  ist  Israel 
das  Licht  für  die  Welt  a'-iyV  ms,  s.  Jes  HO,  8:  „Wallen  werden  Nationen  nach  deinem 
Licht."  Vgl.  ExR  .S6  (95*^):  Israel  wird  ein  grünender  Ölbaum  genannt  (s.  Jer  11,. 16), 
weil  sie  allen  leuchten.  —  Midr  HL  1,  15  (94''):  Wie  die  Taube  der  Welt  Licht  gebracht 
hat  (s.  Gn  8,  11),  so  sollst  auch  du  (Israel)  der  Welt  Licht  bringen,  s.  Jes  60,  3.  Nach  der 
Parallelstelle  TanchB  r.'.zr  J}  1  (48'')  ist  R.  Ji^chaq,  um  oOO,  Autor  dieser  Ausführung. 

d.  Die  Tora  u.  der  Tempel.  BB4*':  (Als  HeroJes  I.  die  Rabbinen  hatte  töten 
lassen,  fragte  er  den  Baba  b.  Buta:)  Welche  Hilfe  gibt  es  für  mich?  Jener  antwortete: 
Du  hast  das  Licht  der  Welt  Z!~'y  h-v  i--.s  ausgelöscht;  denn  eine  Leuchte  ist  das  Gebot 
u.  die  Tora  ein  Licht  (Spr  6.  23);  so  geh  nun  hin  u.  befasse  dich  mit  dem  Licht  der  Welt 
3';:?  '"SV  ".-'IS  (=  Tempel),  von  dem  es  heißt  Jes  2,  2:  Zu  ihm  werden  alle  Nationen  wallen. 

e.  Jerusalem.  GnR  59  (37'*):  Jerusalem  ist  das  Licht  der  Welt  ü'-:^y  i»  n-s, 
s.  Jes  60,  3;  u.  wer  ist  das  Licht  Jerusalems?  Gott;  s.  Jes  60,  20:  Jahve  wird  dir  zum 
Lichte  sein. 

Wie  von  der  Leuchte  oder  dem  Licht  der  Welt  geredet  wird,  so  auch  von  der 
Leuchte  oder  dem  Lichte  Israels.  fArakhin  10^:  Rabbi  sprach  zu  seinem  Sohn  Schim?on: 
Leuchte  Israels  '•:a^x^  i;,  so  hat  es  sich  verhalten!  —  Ferner  s.  B  rakh  28 b  oben 
Anm.  ft.  II  Midr  Ps22  §3  (91"):  Wie  der  Duft  der  Myrte  schön,  aber  ihr  Geschmack 
bitter  ist,  so  waren  Mardokhai  u.  Esther  ein  Licht  für  Israel  Vs^ü-':  -ns,  aber  Finsternis 
für  die  Völker  der  Welt.  II  Für  -3  u.  ■'is  kann  auch  das  gleichbedeutende  s:-:i-3  ein- 
treten. pSchab  <),  S'',  61:  R.Jona  (um  350)  u.  R.  Jose  (um  350)  gingen  hinauf,  um  R.  Acha 
(um  320)  zu  besuchen,  der  erkrankt  war.  Sie  sprachen:  Wir  wollen  uns  nach  dem 
Hören  einer  Bath-Qol  (hier  =  Omen)  richten.  Da  hörten  sie  die  Stimme  eines  Weibes, 
die  einer  andren  zurief:  Ist  das  Licht  n:-::ia  erloschen?  Sie  antwortete:  Es  wird  nicht 
erlöschen!  —  u.  die  Leuchte  Israels  Vs^^ü"!  i-n-ru';  (=  R  Acha)  war  nicht  erloschen.  |1 
GnR  85  (54'):  Dort  sah  J'^huda  die  Tochter  eines  kana?anäischen  Mannes;  dessen  Name 
war  Schua?"  Gn  38,  2;  die  Tochter  (1.  nach  Targ  Onk  rz  statt  ^a)  eines  Kaufmannes, 
der  die  Leuchte  des  Ortes  sips-  s3-si3  war. 


darf  sich  des  Lichtes  der  Lampe  ^3^  msi  erfreuen  (bedienen);  aber  mein  Feind  darf 
sich  des  Lichtes  der  Lampe  nicht  erfreuen?  Vielmehr  alle  erfreuen  sich  desselben  zu 
gleicher  Zeit. 


238  Matth  5,  14  (3t.  SB).  5,  15 

Allgemein  heißt  es  von  den  Gerechten  P''s  S-"*:  Wem  gleichen  die  Gerechten  gegen- 
über der  Sch'^khina  (Gottheit)?  Einer  Leuchte  -13  gegenüber  einer  Fackel  np:ias.  — 
Nicht  hierher  gehört  der  mehrfach  angezogene  Ausdruck  „Sonne  eines  Gerechten" 
P"T:i  hv  li-'ir,  zB  GnR  58  (^H"^):  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Bevor  Gott  die- 
Sonne  eines  Gerechten  untergehn  läßt,  läßt  er  die  Sonne  eines  andren  Gerechten  auf- 
gehn.   An  dem  Tage,  da  R.  f  Aqiba  starb  (f  um  135),  wurde  Rabbi  geboren.  .  .  . 

5,  14^:  Eine  Stadt,  die  auf  einem  Berge  liegt, 
kann  nicht  verborgen  sein. 
Eine  Stadt,  „die  auf  der  Spitze  eines  Berges  liegt"'  ^r^r^  ■jx'nn  nsr.i-i^ 
bildet  M^g  3''  den  Gegensatz  zu  einer  andren,  die  „im  Tal  liegt"  r:3'i3iiuy 
hn:::.  Die  Stelle  lautet:  R.  J^oschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Eine- 
(befestigte)  Stadt  t^'^s  u.  alles,  was  dicht  bei  ihr  liegt,  .u.  alles,  was 
zugleich  mit  ihr  gesehen  wird,  wird  als  (befestigte)  Stadt  behandelt 
(die  Vororte  werden  zur  Stadt  gerechnet).  In  einer  Bar  ist  gelehrt 
worden:  Was  dicht  dabei  liegt,  auch  wenn  es  nicht  gesehen  wird;  was 
gesehen  wird,  auch  wenn  es  nicht  dicht  dabei  liegt  (wird  als  Stadt 
behandelt).  Zugegeben  „was  gesehen  wird,  auch  wenn  es  nicht  dicht 
dabei  liegt";  das  trifft  zu,  zB  wenn  (die  Stadt)  auf  der  Spitze  eines 
Berges  liegt.  Aber  „was  dicht  dabei  liegt,  auch  wenn  es  nicht  gesehen 
wird",  wie  trifft  das  zu?  R.  Jirm'^ja  (um  320)  hat  gesagt:  Wenn  (die 
Stadt)  in  einem  Tal  liegt.  —  Eine  Stadt,  die  auf  dem  Berge  lag,  war 
zB  Sepphoris.  M^g  6*:  Z'^firi  (um  250)  hat  gesagt:  Qitron,  Ri  1,30,  ist 
Sepphoris;  u.  warum  wurde  der  Name  der  Stadt  „Sepphoris"  genannt? 
Weil  sie  oben  auf  einem  Berge  liegt  einem  Vogel  gleich  u.\s"a  raaT^» 
nis-'i^jD  ^nn.  —  P^siqR  8  (29=*):  „Ich  durchsuche  Jerusalem  mit  Laternen" 
Zeph  1, 12.  Es  sprachen  die  Israeliten:  Herr  der  Welt,  wann  wirst  du 
also  tun?  Er  antwortete:  Wenn  ich  getan  haben  werde,  was  vorher 
geschrieben  steht:  „Da  wird  sein  an  jenem  Tag,  ist  Jahves  Spruch,^ 
lautes  Geschrei  vom  Fischtor"  usw.  (das.  Vers  10  f.).  „Lautes  Geschrei 
vom  Fischtor",  das  geht  auf  ^Akko,  das  im  Schöße  der  Fische  liegt; 
„Geheul  von  der  zweiten  Stadt"  (=  Neustadt),  das  geht  auf  Lydda, 
das  eine  zweite  für  Jerusalem  war;  „großer  Zerstörungslärm  von  den 
Hügeln",  das  geht  auf  Sepphoris,  das  auf  Hügeln  liegt  niysja  niirsir; 
„jammert,  Bewohner  des  Mörsers",  das  geht  auf  Tiberias,  das  tief  wie 
ein  Mörser  ist.  Gott  sprach:  Wenn  ich  das  Gericht  an  diesen  vier 
Orten  vollzogen  habe  für  das,  was  die  Götzendiener  darin  getan  haben^ 
in  jener  Stunde  werde  ich  Jerusalem  mit  Laternen  durchsuchen.  —  Auch 
Raschi  zu  Zeph  1,10  f.  kennt  diese  Auslegung;  Graetz,  Gesch.  d.  J.^  4-, 
490  f.  bezieht  sie  auf  die  Zerstörung  der  genannten  Städte  durch  Gallus. 

5,15:  Und  man  setzt  es  (nicht)  unter  den  Scheffel. 

Vom  Bedecken  einer  Lampe  mit  einer  Schüssel  ist  Schab  16,  7  die 

Rede:   Man   darf  (am  Sabbat)    eine  Schüssel  rrnrp   über   eine  Lampe 

decken,  damit  sie  (d.  h.  ihre  Flamme)  nicht  das  Gebälk  ergreife.  —  In 

diesem  Falle  macht  man  sich  keiner  Sabbatschändung  schuldig;  wohl 


Matthö,  16(Nr.  1.  2)  239 

aber  würde  eine  solche  vorliegen,   sobald   das  Bedecken   der  Lampe 
erfolgte,  um  die  Flamme  zum  Erlöschen  zu  bringen. 

5,16:   So  soll  euer  Licht  vor  den  Menschen  leuchten,   damit 
sie  eure  guten  Werke  sehen  u.  euren  Vater  preisen. 

1,  Licht  ^=  Werke  der  Gerechten. 

GnR2  (3''):  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Vom  Anfang  der  Weltschöpfung  an 
hat  Gott  die  Werke  der  Gerechten  u.  die  Werke  der  Gottlosen  geschaut,  s.  Ps  1,6: 
,Jahve  kennt  den  Weg  der  Gerechten."  „Die  Erde  war  eine  Wüste  u.  Leere"  (Gn  1,  2), 
das  geht  auf  die  Werke  der  Gottlosen.  ,Und  Gott  sprach:  Es  werde  Licht!"  (Gn  1,  3), 
das  geht  auf  die  Werke  der  Gerechten.  Aber  nun  weifs  ich  nicht,  an  welchen  von 
ihnen  Gott  Wohlgefallen  hat,  ob  an  den  Werken  dieser  oder  jener.  Da  es  jedoch  heißt: 
,Gott  sah  das  Licht,  daß  es  gut  war"  (Vers  4),  so  sehe  ich,  daß  er  an  den  Werken 
der  Gerechten  Wohlgefallen  hat  u.  nicht  an  den  Werken  der  Gottlosen. 

2.  Zum  ganzen  Gedanken  von  Mt5,  16  vgl.: 

JomaSß'*:  Abaje  (f  888/39)  hat  gesagt:  Es  ist  so,  wie  gelehrt  worden  ist:  ,Du 
sollst  J ah ve  deinen  Gott  lieben"  Dt  6,  5,  nämlich  damit  der  Name  Gottes  deinetwegen 
geliebt  werde.  Wenn  jemand  die  Schrift  u.  die  Mischna  lernt  u.  mit  den  Gelehrten- 
schülern dienend  umgeht,  wenn  sein  Verkehr  mit  den  Leuten  in  Gelassenheit  (Sanft- 
mut) geschieht,  was  sagen  dann  die  Leute  von  ihm?  Heil  seinem  Vater,  der  ihn  Tora 
lernen  ließ!  Heil  seinem  Lehrer,  der  ihn  Tora  lehrte!  Wehe  den  Menschen,  die  nicht 
Tora  lernen!  Seht  den  u.  den,  der  Tora  gelernt  hat,  wie  schön  sind  seine  Wege,  wie 
wohlgeordnet  seine  Werke!  Über  einen  solchen  sagt  die  Schrift  (Jes  49,  8):  „Er  sprach 
zu  mir:  Mein  Knecht  bist  du,  Israel;  durch  dich  werde  ich  verherrlicht."  Aber  wenn 
einer  Schrift  u.  Mischna  lernt  u.  mit  den  Gelehrtenschülern  dienend  umgeht  u.  sein 
Verkehr  mit  den  Leuten  geschieht  nicht  in  Redlichkeit  u.  sein  Reden  mit  ihnen  nicht 
in  Gelassenheit,  was  sagen  dann  die  Leute  von  ihm?  Wehe  dem  u.  dem,  der  Tora 
gelernt  hat;  wehe  seinem  Vater,  der  ihn  Tora  lernen  ließ;  wehe  seinem  Lehrer,  der 
ihn  Tora  lehrte!  Seht  den  u.  den,  der  Tora  gelernt  hat,  wie  entartet  sind  seine  Werke  u. 
wie  häßlich  seine  Wege!  Über  einen  solchen  sagt  die  Schrift  Ez  36,  20:  Sie  entweihten 
meinen  heiligen  Namen,  indem  man  von  ihnen  sagte:  Das  Volk  Jahves  sind  diese,  u. 
aus  seinem  Lande  sind  sie  fortgezogen.  ||  M'^kh  Ex  15,2(44^):  „Dieser  ist  mein  Gott, 
den  will  ich  verherrlichen"  (Ex  15.  2).  R.  Jischmasel  (f  um  135)  sagte:  Kann  man  denn 
seinen  Schöpfer  herrlich  machen?  Vielmehr,  es  ist  so  gemeint:  Ich  will  vor  ihm  durch 
Gebotserfüllungen  schön  erscheinen;  ich  will  einen  schönen  Feststrauß  (Lulab),  eine 
schöne  Festhütte,  schöne  Troddeln  u.  schöne  Gebetsriemen  anfertigen.  —  Abba  Scha^ul 
(um  150)  sagte:  Gleiche  ihm!  Wie  er  barmherzig .u.  gnädig  ist,  so  sei  auch  du  barm- 
herzig u.  gnädig.  —  Dasselbe  als  Bar  Schab  138b;  Nazir  2b.  —  pPea  1,  15b,  31  schließt 
sich  eng  an  M'^'kh  an.  —  Nur  die  Anfangsworte  Sukka  11  b.  ||  M^'kh  Ex  15,2  (44b): 
„Den  Gott  meines  Vaters,  ihn  will  ich  erheben"  Ex  15,  2.  R.  Schim?on  b.  El?azar 
(um  190)  sagte:  Wenn  die  Israeliten  den  Willen  Gottes  tun,  dann  wird  sein  Name  in 
der  Welt  verherrlicht,  s.  Jos  5,  1  u.  2,  10.  Wenn  sie  aber  nicht  seinen  Willen  tun,  dann 
wird  sein  Name  gewissermaßen  in  der  Welt  entheiligt,  s.  Ez  3H,  20  ff.  ||  Aboth  R.  Na- 
than 1 :  R.  Schim?on  b.  El?azar  (um  190)  sagte:  Ich  will  dir  ein  Gleichnis  sagen.  Womit 
ist  Adams  Sündenfall  zu  vergleichen?  Der  erste  Mensch  glich  einem  Mann,  der  eine 
Proselytin  heiratete.  Er  gab  ihr  Vorschriften:  Meine  Tochter,  iß  kein  Brot,  wenn  deine 
Hände  unrein  sind;  iß  keine  Früchte,  die  nicht  verzehntet  sind;  entweihe  nicht  die 
Sabbate;  sei  nicht  leichtsinnig  bei  deinen  Gelübden  u.  laß  dich  nicht  mit  einem  andren 
Mann  ein;  denn  wenn  du  eins  von  diesen  Geboten  übertrittst,  so  mußt  du  sterben. 
Was  tat  der  Mann?  Er  aß  Brot  vor  ihren  Augen,  wenn  seine  Hände  unrein  waren; 
er  aß  Früchte,  die  nicht  verzehntet  waren,  er  entheiligte  die  Sabbate,  er  war  leicht- 
sinnig bei  seinen  Gelübden.  Was  dachte  da  diese  Proselytin  in  ihrem  Herzen?  Alle 


240  Matth  5,  16  (Nr.  2).  5.  17  (51) 

^Vorte,  die  inif  mein  Mann  anfänglich  geboten  bat,  sind  Lüge.  Sofort  machte  sie  sich 
auf  u.  übertrat  sie  alle.  |!  pBM  2,  8^  18:  Scbim^on  b.  Schatach  (90—70  v.  Chr.)  war  mit 
der  Bereitung  von  Flachs  beschäftigt.  Seine  Schüler  sagten  zu  ihm:  Rabbi,  laß  ab 
davon;  "wir  wollen  dir  einen  Esel  kaufen,  dann  brauchst  du  dich  nicht  so  sehr  zu  be- 
mühen. Sie  gingen  u.  kauften  ihm  von  einem  Sarazenen  -spi-o  einen  Esel;  an  dem 
hing  eine  Perle  (von  der  der  Verkäufer  nichts  wußte).  Sie  kamen  zu  ihm  u.  sprachen: 
Von  nun  an  brauchst  du  dich  nicht  fernerhin  abzumühen!  Er  sprach:  Weshalb?  Sie 
antworteten:  Wir<haben  dir  einen  Esel  gekauft;  an  dem  hängt  eine  Perle.  Er  sprach: 
Weiß  sein  Herr  darum?  Sie  antworteten:  Nein!  Da  sprach  er:  Geht  u.  gebt  sie  zu- 
rück! .  .  .  Schini?on  b.  Schatach  wollte  die  Äußerung  (seitens  eines  Heiden):  , Gepriesen 
sei  der  Gott  der  Juden!"  (wegen  der  Ehrlichkeit  seiner  jüdischen  Bekenner)  lieber  als 
den  Gewinn  dieser  ganzen  Welt.  Und  welcher  Vorfall  war  es  denn  (bei  dem  jene 
Äußerung  der  Heiden  laut  wurde)?  R.  Chanina  (um  '225)  hat  diesen  Vorfall  erzählt: 
Die  alten  Rabbinen  kauften  einen  Haufen  Weizen  von  Soldaten  u.  fanden  darin  einen 
Beutel  Denare  u.  gaben  ihn  an  jene  zurück.  Da  sagten  sie:  , Gepriesen  sei  der  Gott 
der  Juden!"    (Es  folgen  dann  noch  zwei  ähnliche  Geschichten.) 

Zu  den  Worten:  „Euer  Vater  im  Himmel"  s.  bei  Mt  6,  4.  —  Eine  An- 
spielung auf  Mt  5, 16  liegt  vermutlich  Schab  116»  vor;  s.  bei  5, 17  93  Nr.  3. 

5,17  5t:  Das  Gesetz  oder  die  Propheten. 

„Gesetz"  n-^-in  u.  „Propheten"  c^x^;i:  sind  die  beiden  großen  Teile, 
die  zus.  die  „Schrift"  3>ir3!-T,  dnpri  -i^ps,  x'^i?'?,  n-}^  bilden.  Die  Zweiteilung 
des  alttestl.  Kanons  herrscht  im  NT  vor-  s.  noih  Mt  7, 12;  11,  13;  22,40; 
Lk  16,  16;  Joh  1,45;  Rom  3,  21;  in  der  altjüd.  Literatur  findet  sie  sich 
nur  selten.  4  Makk  1,8,  10:  Euer  Vater  lehrte  euch,  als  er  noch  bei 
euch  war,  das  Gesetz  u.  die  Propheten.  ||  TBM  11,23  (396):  Die  Ein- 
wohner einer  Stadt  dürfen  sich  gegenseitig  zwingen,  eine  Synagoge 
zu  erbauen  u.  das  Buch  der  Tora  u.  der  Propheten  (d.  h.  die  heilige 
Schrift  zu  gottesdienstlichem  Gebrauch)  zu  kaufen.  ||  Midr  Ps  90  §  4  s. 
nächstes  Zitat.  —  Zur  Dreiteilung  Tora,  N^^bi^im  u.  K'^thubim  (a^i^r?, 
dyioyQucfa),  die  im  NT  nur  Lk  24, 44  (mit  ipul{.ioi  für  den  3.  Teil)  sich 
findet,  dagegen  in  der  rabbin.  Literatur  gang  u.  gäbe  ist,  s.  bei  Lk  24, 44. 

Die  prinzipielle  V^erschiedenheit  der  Tora  von  allen  übrigen  kano- 
nischen Schriften  wird  Midr  Ps  90  §4  (194*')  so  ausgedrückt:  R.  Levi 
(um  300)  hat  im  Namen  des  ß.  Chanina  *  (um  225)  gesagt:  Die  elf 
Psalmlieder,^  die  Mose  gesagt  (verfaßt)  hat,  hat  er  in  der  Ordnung 
{o-^Ds-jn  =  SV  rä'^H)  der  Propheten  gesagt  (der  Abteilung  der  Nebi^im 
eingeordnet).  Und  warum  sind  sie  nicht  in  der  Tora  (dem  1.  Teil  der 
Schrift)  aufgeschrieben  worden?  Weil  diese  (die  Tora)  Worte  der  Tora 
u.  jene  (die  11  Psalmen)  Worte  der  Prophetie  sind.  —  Die  Worte  der 
Tora  hat  Mose  unmittelbar  aus  Gottes  Mund  oder  aus  Gottes  Hand 
empfangen:  das  stellt  sie  hoch  über  alle  übrigen  Schriften  des  AT.s, 
die  eine  Gabe  des  Geistes  der  Prophetie  sind.  Daher  die  Erwähnung 
zweier  Teile  des  Kanons. 


^  Der  Autorname  ist  verschieden  überliefert;  s.  Buber  z.  St. 
*  Gemeint  sind  Ps  90—100;  die  Tradition,  daß  diese  Psalmen  von  iVTose  herrühren, 
kennt  auch  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250);  s.  P^siq  198^'  u.  Midr  Ps  90  §  3  (194"\ 


Matth  5,  17  (SB  1—3)  241 

5, 17  JB:   Das  Gesetz  oder   die  Propheten  aufzulösen.    Ich  bin 
nicht  gekommen  aufzulösen,  sondern  zu  erfüllen, 

1.  xaralveiv  auflösen  ==  aufheben,  für  ungültig  erklären,  würde 
hebräisch  wohl  mitb-j3,  aramäisch  mit  ^-ja  wiederzugeben  sein;  s.  pM<^g  1, 
70^  51  u.  P'^siq  79=^  bei  5, 18  S.  246.  —  MQ  16'^:  Was  bedeutet  2  Sm  23,  3? 
K.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  So  ist  es  gemeint:  Gesagt  hat  zu  mir  der 
Gott  Israels,  gesprochen  der  Fels  Israels:  Ich  herrsche  über  den  Menschen, 
wer  herrscht  über  mich  ?  Der  Gerechte ;  denn  ich  setze  einen  Beschluß  fest 
u.  er  (der  Gerechte)  hebt  ihn  auf  nVjn^,  \\  pTa^an  3,  67=^,  13:  Hebt  nicht 
Gott  seinen  Beschluß  auf  b-jn-o  wegen  des  Beschlusses  eines  Gerechten? 
(Rabban  Gamliel,  um  90)  antwortete:  Ja,  Gott  hebt  seinen  Beschluß  auf 
wegen  des  Beschlusses  eines  Gerechten ;  aber  nicht  hebt  Gott  den  Beschluß 
eines  Gerechten  auf  wegen  des  Beschlusses  eines  andren  Gerechten. 

2.  nXrjQovv  erfüllen  =  zur  Erfüllung  bringen;  vgl.  die  bei  Mt  so 
häufige  Wendung:  Iva  nlrigoyd^fj  damit  erfüllet  würde,  was  geschrieben 
steht  oder  was  gesagt  ist.  Nur  daß  es  sich  Mt5, 17  um  ein  Erfüllen 
in  absoluter  Weise  handelt,  um  ein  Erfüllen,  das,  wie  die  folgende 
Auslegung  einzelner  Gebote  zeigt,  nicht  in  der  buchstäbl.  Ausführung 
des  Gesetzes  aufgeht,  sondern  das  Gesetz  nach  der  ganzen  Tiefe  seines 
ethischen  Gehalts  zur  Verwirklichung  bringt.  Ein  solches  Erfüllen  hat 
die  Erkenntnis  der  ethischen  Bedeutung  u.  Tragweite  der  einzelnen 
Gebote  zur  Voraussetzung.  Sie  zu  vermitteln  ist  der  Zweck  der  mit 
Vers  21  anhebenden  Gesetzesauslegung.  —  .Jesus  wird  statt  nXrjgovv 
c^j?  gesagt  haben,  dessen  Gegensatz  das  oben  für  xaraXveiv  vermutete 
Vjn  zB  Aboth  4,  9  bildet:  R.  Jonathan  (um  140)  pflegte  zu  sagen:  Wer 
die  Tora  in  Armut  erfüllt  n^pp,  wird  sie  schließlich  in  Reichtum  erfüllen 
n^*pb;  wer  sie  aber  in  Reichtum  vernachlässigt  5:;ap  (hinschwinden 
macht,  beseitigt),  wird  sie  schließlich  in  Armut  vernachlässigen  -Vjn; . 

3.  Mt  5, 17  u.  Schabbath  116^ 

Mt  5, 17  gehört  zu  den  wenigen  neutestl.  Stellen,  auf  die  in  der 
rabbin.  Literatur  ausdrücklich  Bezug  genommen  wird.  Schab  116^: 
Imma  Schalom  war  die  Frau  des  R.  Eli^ezer  (um  90),  die  Schwester 
des  Rabban  Gamliel  IL  In  seiner  Nachbarschaft  war  ein  (christlicher) 
Philosoph,  der  in  dem  Rufe  stand,  keine  Bestechung  anzunehmen.  Sie 
wollten  ihn  lächerlich  machen.  Imma  Schalom  brachte  ihm  einen 
goldenen  Leuchter.  Sie  traten  vor  ihn  hin;  sie  sprach  zu  ihm:  Ich 
wünsche,  daß  mir  von  dem  Vermögen  meines  elterlichen  Hauses  mein 
Anteil  werde.  Er  antwortete  ihnen:  Teilet.  R.  Gamliel  sagte:  Für  uns 
steht  geschrieben:  An  Stelle  des  Sohnes  (d.  h.  da,  wo  ein  Sohn  ist) 
soll  die  Tochter  nicht  erben  (vgl.  Nu  27,  8).  Der  Philosoph  erwiderte: 
Seit  dem  Tage,  da  ihr  aus  eurem  Lande  in  die  Verbannung  getrieben 
«eid,  ist  die  Tora  Moses  aufgehoben  u.  das  Evangelium  ^  gegeben,  u. 

^  Der  Text  liest  nur  den  Anfang  des  Wortes,  nämlich  ■;is  =  Unheil;  das  ganze 
Wort  heißt  i^'W.  -jis  =  Unheilsperganient,  ein  Kakophemismus  für  evayyshoy. 
Strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  16 


242  Matth  5, 17  (SB  3).  5, 18  (51 1) 

in  ihm  steht  geschrieben:  „Sohn  u.  Tochter  sollen  gemeinsam  erben." 
(Eine  solche  Stelle  gibt  es  im  NT  nicht;  vgl.  Lk  12, 14.)  Am  folgenden 
Tage  brachte  Rabban  G.  ihm  einen  libyschen  ^  Esel.  Da  antwortete 
er:  Ich  habe  weiter  unten  im  Evangelium  nachgesehen,  u.  da  steht 
geschrieben:  Ich,  Evangelium  [dies  Wort  wohl  eine  alte  Glosse],  bin 
nicht  gekommen,  um  von  der  Tora  Moses  wegzunehmen,  sondern  um 
ihr  hinzuzufügen,-  bin  ich  gekommen.  Und  es  ist  in  ihm  (dem  Ev.) 
geschrieben:  „An  Stelle  des  Sohnes  soll  die  Tochter  nicht  erben"  (dabei 
muß  es  also  bleiben ;  denn  die  Tora  ist  durch  das  Evangelium  nicht 
gekürzt  worden).  Da  sprach  Imma  Schalom  zu  ihm:  Möge  dein  Licht 
leuchten 3  wie  der  Leuchter I  Rabban  Gamliel  aber  sagte:  Der  Esel  ist 
gekommen  u.  hat  den  Leuchter  niedergetreten.  —  Das  Wort  vom  Esel, 
der  den  Leuchter  niedertritt,  hat  später  sprichwörtlichen  Charakter,  s. 
pJoma  l,38'-,46;SNu25,12§131(48b);P«siql23^177^LvR21(120f). 

5, 18  31:  Wahrlich,  ich  sage  euch. 

1.  Vax,  ocfirjv  bedeutet  eigentlich  „Festes,  Beständiges,  Gültiges". 
Das  Wort  wurde  ausnahmslos  als  bestätigende  oder  bekräftigende  Ant- 
wort auf  die  Rede  eines  andren  gebraucht.  Wenn  zB  jemand  auf  das 
Gebet  oder  den  Lobspruch  eines  andren  Amen!  sagte,  erklärte  er  damit, 
daß  das  Gehörte  auch  sein  Gebet  oder  sein  Lobspruch  sei.  So  erschien 
der  Amen!  Sprechende  wie  einer,  der  das  Gebet  u.  den  Lobspruch 
selbst  gesprochen  hatte.  Oder  beantwortete  jemand  eine  Beschwörung, 
die  er  aus  dem  Munde  eines  andren  hörte,  mit  Amen!,  so  erkannte  er 
damit  jene  als  für  ihn  verbindlich  an.  War  also  die  Beschwörung  zB 
dahin  gegangen,  daß  ihr  Hörer  in  einem  bestimmten  Rechtsfall  Zeugnis 
ablegen  sollte,  so  verpflichtete  ihn  sein  Amen!  nun  auch  wirkhch  als 
Zeuge  vor  dem  Gerichtshof  zu  erscheinen.  Oder  ließ  jemand  auf  das 
Fluchwort  eines  andren  sein  Amen!  folgen,  so  stellte  er  sich  damit 
entweder  selbst  unter  diesen  Fluch  (s.  zB  Nu  5,  22;  Dt  27, 15  ff.),  oder 
er  sprach  damit  seine  Zustimmung  zu  der  Verwünschung  aus.a  —  Nur 
haggadischen  Wert  hat  die  Deutung  des  Wortes  )^a.  als.  Notarikon 
(Einl.  107,  Nr.  30)  Schab  119^:  Was  bedeutet  i^x?  R.  Chanina  (um  225) 
hat  gesagt:  Gott  bx  ist  ein  König  -\hi:,  ein  zuverlässiger  -(^xi. 

a.  pSota  2, 18'^:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  im  Namen  des  R.  Jose  b.  Zimra  (um  220) 
gesagt:  Amen  dient  zur  Übernahme  (gehörter  Worte),  Amen  dient  zum  Schwur,  u.  Amen 
bedeutet:  mögen  die  Worte  in  Erfüllung  gehn!  Amen  dient  zur  Übernahme,  das  lernt 
man  von  der  des  Ehebruchs  verdächtigen' Ehefrau.  (Gemeint  ist  damit  das  zweimalige 
Amen  Nu  5,  22,  s.  unten.)  Amen  dient  zum  Schwur,  s.  Jer  11,5:  Auf  dais  ich  zustande 
bringe  den  Schwur,  den  ich  euren  Vätern  geschworen,  ihnen  zu  geben  ein  Land,  fließend 
von  Milch  u.  Honig,  wie  es  heute  der  Fall.  Und  ich  antwortete  u.  sprach:  Ja,  Amen, 
o  Herr!  Amen  bedeutet:  mögen  die  Worte  in  Erfüllung  gehn!  s.  1  Kg  1,  36:  Da  ant- 

^  Krauß,  Lehnw.  2, 306  ff.  u.  Archäol.  2, 1 17  f.  will  statt  „libysch"  lesen  .lykaonisch". 
2  -5din""5.   So  wird  Mt  5,  17  wiedergegeben;  dabei  ist  nhjQovy  gefaßt  =  , erfüllen" 
im  Sinne  von  „ergänzen"  (vollmachen). 

*  Vermutlich  Anspielung  auf  Mt5, 16:  Möge  euer  Licht  vor  den  Menschen  leuchten. 


Matth  5,  18  (51  1.  2)  243 

■wertete  B®naja  dem  Könige:  Amen!  so  sage  Jahve,  der  Gott  meines  Herrn,  des  Königs.  — 
In  Sch^'buJoth  36 '^  lautet  die  Tradition  folgendermaßen:  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270) 
hat  gesagt:  Amen,  darin  liegt  ein  Schwur,  darin  liegt  eine  Übernahme  von  Worten 
u.  darin  liegt  eine  Bekräftigung  von  Worten.  Ein  Schwur;  s.  Nu  5,  22:  ,Und  das  Weib 
sage:  Amen,  Amen!"  ^  Eine  Übernahme  von  Worten,  s.  Dt  27,  26:  „Verflucht  ist,  wer 
nicht  die  Worte  dieses  Gesetzes  erfüllt,  sie  übend!  u.  alles  Volk  spreche:  Amen!"  Eine 
Bekräftigung  von  Worten;  s.  Jer  28,  6:  „Es  sprach  Jeremia,  der  Prophet:  Amen,  so  soll 
Jahve  tun!"  -  Weitere  Parallelen:  DtR  7  (203'^)  mit  R.  J^huda  b.  Simon,  um  o20,  als 
Autor;  iMidr  Ps  89  §  4  (191»);  106  S  9  (229^);  NuR  9  (155'^^).  II  B^rakh  5.4:  Wer  vor 
die  Lade  tritt  (als  Vorbeter  usw.),  soll  wegen  der  Zerstreuung  (damit  er  nicht  verwirrt 
werde)  nicht  nach  den  Priestern  (die  beim  Synagogendienst  den  Priestersegen  Nu 
6,  24 — 26  in  drei  Absätzen  zu  sprechen  hatten)  „Amen"  antworten  (wie  es  die  übrige 
Gemeinde  tat).  ||  Das.  8,  8:  Man  antwortet  „Amen"  nach  dem  Israeliten,  der  einen 
Lobspruch  spricht;  aber  man  antwortet  nicht  „Amen"  nach  dem  Samaritaner,  der 
einen  Lobspruch  spricht,  bis  man  den  ganzen  Lobspruch  gehört  hat  (denn  es  ist  zu  be- 
sorgen, daß  dieser  des  Berges  Garizim  gedenkt).  ||  Tob  8,  7  schließt  Tobias  sein  Gebet: 
Laß  mich  Gnade  finden  u.  mit  ihr  alt  werden!  Darauf  folgt  Vers  8:  Und  Sara  sprach 
mit  ihm:  Amen!  (Dadurch  machte  sie  sein  Gebet  zu  dem  ihrigen.)  —  Aus  „mit  ihm** 
wird  man  schließen  dürfen,  daß  auch  Tobias  sein  Gebet  mit  Amen  geschlossen  hat. 
Dieses  Schlußamen  nach  Gebetswor^,  das  den  Wunsch  ausdrückt:  Es  möge  also» 
geschehn!  findet  sich,  allerdings  nur  selten,  auch  sonst  in  der  altjüdischen  Literatur. 
Ta?an  4,  8:  Möge  das  Heiligtum  eilends  erbaut  werden  in  unsren  Tagen,  Amen!  — 
Derekh  Ere^  10  (20 b):  Es  möge  Gottes  Wille  sein,  mich  sehn  zu  lassen  die  Freude 
Jerusalems  u.  ihre  Tröstungen,  Amen!  —  Tanch  z-v  8^:  „Nicht  mehr  werden  sie 
lehren  ein  jeder  seinen  Bruder  u.  ein  jeder  seinen  Nächsten  (so  wird  Jer  31,  33  zitiert), 
sagend:  Erkennet  Jahve!  Denn  sie  alle  werden  mich  erkennen  vom  Kleinsten  unter 
ihnen  bis  zum  Größten."  Und  so  sei  es  Gottes  Wille  u.  wir  sagen  Amen!  —  Tanch 
-ycs  248*^  heißt  es  ebenfalls  im  Anschluß  an  ein  Schriftwort:  So  sei  es  Gottes  Wille, 
Amen  und  (nochmals)  Amen!  —  Weitere  Beispiele  Tanch  -'-z  Ende,  —•^■pi,  Ende,  --rr 
r:^':;  Ende.  !|  Sch*^bu?oth  4,  3:  (Wenn  einer  sagt:)  Ich  beschwöre  euch!  u.  sie  antworteten 
Amen!  so  sind  sie  (zur  gerichtlichen  Aussage)  verpflichtet.  ||  P*^siqR  26  (132''*):  In  der 
Zukunft  (spricht  Gott)  werde  ich  dich  bauen,  s.  Ps  147,2:  „Jahve  bauet  Jerusalem, 
die  Verstoßenen  Israels  sammelt  er."  Amen!  Möge  Gott  in  Bälde  in  unsren  Tagen 
den  Schriftvers  (Jes  35,  10)  erfüllen:  Die  Losgekauften  Jahves  werden  wiederkehren 
u.  nach  Zion  kommen  mit  Jauchzen.  ||  ?AZ  65":  Bar  Scheschakh  (Name  eines  persischen 
Großen)  sprach  zu  Raba  (f  352):  Das  Auge,  das  euer  Unglück  zu  sehn  wünscht,  möge 
herausfallen!  Da  antwortete  Raba:  Amen!  ||  Weiteres  bei  1  Kor  14, 16  (auch  über  die 
Aussprache,  über  Nichtgebi'auch  im  Tempel). 

2.  Jesus  hat  von  dem  Wort  „Amen"  einen  völlig  neuen  Gebrauch 
gemacht,  indem  er  es  zur  Bekräftigung  seiner  eignen  Worte  ver- 
wendet. In  diesem  Sinne  wird  "i-sx,  soweit  wir  sehn  können,  in  der 
rabbin.  Literatur  nirgends  gebraucht.  Durch  diesen  Bedeutungswechsel 
hat  Jesus  ein  Zwiefaches  erreicht:   er  war   nicht   genötigt,   zur  Be- 

^  Vgl.  Sota  2,5:  In  bezug  worauf  spricht  sie  das  zweimalige  Amen  Nu  5,22? 
Das  eine  Amen  mit  Bezug  auf  den  Fluch  5,  21,  das  andre  mit  Bezug  auf  den  Schwur 
5,  19.  21.  Das  eine  Amen  in  betreff  dieses  Mannes,  das  andre  in  betreff  eines  andren 
Mannes.  Das  eine  Amen:  daß  ich  nicht  untreu  gehandelt  habe  als  Verlobte  u.  als  Ver- 
heiratete u.  als  auf  die  Schwagerehe  Wartende  u.  als  in  Schwagerehe  Geheiratete;  u. 
das  andre:  daß  ich  nicht  verunreinigt  bin;  sonst  möge  das  alles  über  mich  kommen. 
R.  Meir  (um  150)  sagte:  Das  eine  Amen:  daß  ich  nicht  verunreinigt  bin,  u.  das  andre: 
daß  ich  mich  nicht  verunreinigen  werde.  —  R.  Meirs  Meinung  folgt  Targ  Jerusch  II.  — 
Targ  Jerusch  1:  Amen,  wenn  ich  mich  verunreinigt  habe  als  Verlobte;  Amen,  wenn 
ich  mich  verunreinigt  habe  als  Verheiratete. 

16* 


244  Matth  5, 18  (31  2.  SS  1) 

kräftigung  seiner  Worte  zu  den  üblichen  u.  von  ihm  selbst  abgelehnten 
Schwur-  u.  Versicherungsformeln  (s.  bei  Mt  5,  34)  seine  Zuflucht  zu 
nehmen,  u.  zweitens  gab  er  durch  dies  Amen  seiner  Bekräftigung  eine 
Stärke,  die  sie  über  ein  gewöhnliches  „Fürwahr"  weit  hinaushob.  Auch 
unser  , wahrlich"  wird  dem  -j^x  Jesu  nicht  gerecht:  letzteres  will  die 
Gewissen  der  Hörer  binden.  Das  gilt  von  unserm  „wahrlich"  nicht.  — 
Vgl.  noch  Dalman,  Worte  Jesu  1,  185  ff. 

5,  18:  Bis  daß  der  Himmel  u.  die  Erde  vergehn  wird. 
Zum  Untergang  des  Himmels  u.  der  Erde  s.  bei  Offb  21,  1  u.  bei  Mt  24,  35. 

5,  18  25:  Wird  auch  nicht  ein  Jota  oder  ein  Strichelchen 
vom  Gesetz  vergehn. 

Diese  Worte  sind  ein  bildlicher  Ausdruck  zur  Bezeichnung  des 
ewigen,  unvergänglichen  Wertes  der  Tora.  Jod  ^  ist  der  kleinste  Buch- 
stabe in  der  sog.  Quadratschrift;  Strichelchen  oder  Häkchen  ist  der 
geringfügigste  Schriftbestandteil. 

1.  Der  unendliche  Wert  der  Tora  wird  wie  in  Mt  5, 18  an  der 
Unvergänglichkeit  eines  Jod  oder  eines  Wortes  von  ihr  veranschaulicht. 

pSanh  2,  20"=:  Wer  hat  den  Salomo  angeklagt  (wegen  Übertretung  von  Dt  17, 16 f.)? 
R.  J^oschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Das  Jod  in  rr;-'-'.  R.  Schim?onb.  Jochai(um  150) 
hat  gelehrt:  Das  Buch  Dt  rtn-r  ri;^;-:  stieg  zur  Höhe  empor,  warf  sich  vor  Gott  nieder 
u.  sprach:  Herr  der  Welt,  du  hast  in  deiner  Tora  geschrieben:  Jedes  Testament,  von 
dem  ein  Teil  ungültig  geworden  ist,  ist  ganz  ungültig!  Und  siehe,  Salomo  sucht  ein 
Jod  von  mir  zu  vernichten.  (Während  es  nämlich  Dt  17,  16  f.  vom  König  heißt:  s^ 
"3-^-,  er  halte  sich  nicht  viele  Weiber  usw.,  sagt  Salomo  ns-s  ■^h,  ich  werde  mir  viele 
halten.)  Da  antwortete  Gott:  Salomo  u.  tausend  seinesgleichen  werden  vergehn,  aber 
ein  Wort  von  dir  wird  nicht  vergehn.  —  Parallelstellen:  LvR  19  (118'^);  Midr  HL  5,  11 
{119^);  Aggad  B^resch  75  §  2  (51^):  Ein  Jod  von  dir  wird  in  Ewigkeit  nicht  vergehn. 
Tanch  nisi  68'';  TanchB  sisi  §  2  (9''):  Ein  Buchstabe  von  dir  wird  m  Ewigkeit  nicht 
vergehn.  ExR  6  (72''):  Ein  Strichelchen  von  dir  (Häkchen  am  Jod)  wird  Salomo  nicht 
beseitigen.  i|  Midr  HL  5,11  (119''):  R.  Alexandrai  b.  i"'-n  (?,  ed.  Soncino  1517  i-ian  ^a ; 
LvR  19  "N;n  -z)  u.  R.  Alexandrai,  der  Vorbeter  (wann?)  hat  gesagt:  Auch  wenn  alle, 
die  in  die  Welt  kommen,  sich  zusammentäten,  um  einen  Flügel  vom  Raben  weiß  zu 
machen,  so  würden  sie  dazu  nicht  imstande  sein.  Ebenso  wenn  alle,  die  in  die  Welt 
kommen,  sich  zusammentäten,  um  ein  Jod,  das  der  kleinste  unter  den  Buchstaben 
•der  Tora  ist,  auszureißen,  so  würden  sie  dazu  nicht  imstande  sein.  (Es  folgt  dann 
die  Klage  über  Salomo  wie  in  pSanh.)  —  Die  Parallelstelle  LvR  19  (118'')  spricht 
nicht  speziell  vom  Buchstaben  Jod,  sondern  allgemein  von  einem  „Wort",  das  nicht 
aus  der  Tora  gerissen  werden  kann. 

Andre  Stellen  für  den -unvergleichlichen  Wert  der  Tora. 

pPea  1,  15"^,  40:  R.  Refeklija  (um  340)  u.  R.  Chijja  aus  K'phar  Techumini  (im 
3.  Jahrb.).  Der  eine  hat  gesagt:  Selbst  die  ganze  Welt  kommt  an  Wert  nicht  gleich 
auch  nur  einem  einzigen  Wort  aus  der  Tora.  Der  andre  hat  gesagt:  Alle  Gebots- 
erfüllungen, die  es  in  der  Tora  gibt,  kommen  an  Wert  nicht  einem  einzigen  Wort 
aus  der  Tora  gleich.  R.  Tanchuma  (um  380)  u.  R.  Jose  b.  Zimra '  (um  220).  Der  eine 
hat  gesagt  wie  der  eine  von  ihnen  (den  zuvorgenannten  Lehrern),   u.  der  andre  hat 

^  Das  Verhältnis  der  beiden  Autoren  zueinander  ist  wohl  so  zu  denken,  daß  der 
erstere  als  der  Tx'adent  des  letzteren  seinen  eigenen  Ausspruch  dem  des  andren 
gegenüberstellen  will. 


Matth  5,  18  (SB  1)  245 

gesagt  wie  der  andre  von  ihnen.  R.  Abba,  der  Vater  des  R.  Äbba  Mari  (um  350; 
streiche  „bar"  vor  Mari)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  gesagt:  Eine  Schrift- 
stelle lautet,  Spr  8,  11:  „Alle  Kleindde  kommen  ihr  (der  Weisheit  =  Tora)  nicht 
gleich";  eine  andre  lautet,  Spr  3,  15:  „AU  deine  Kleinode  kommen  ihr  nicht  gleich." 
„Kleinode",  das  sind  Edelsteine  u.  Perlen.  „Deine  Kleinode",  das  sind  die  Worte  der 
Tora  (die  du  gelernt  hast),  vgl.  Jer  9,  23:  „Denn  an  diesen  habe  ich  Wohlgefallen, 
ist  Jahves  Spruch."  (Der  König)  Artaban  schickte  unsrem  heiligen  Lehrer^  eine 
kostbare  Perle  von  unschätzbarem  Werte  u.  ließ  ihm  sagen:  Schicke  mir  etwas  Kost- 
bares, was  jener  gleichkommt.  Er  sandte  ihm  eine  Türpfostenkapsel  (M'zuza).  Der 
König  sagte:  Was  ich  dir  gesandt  habe,  ist  etwas,  wofür  es  keinen  Preis  gibt  (was 
unbezahlbar  ist);  und  du  hast  mir  etwas  gesandt,  was  einen  PuUar  (^cpo'AlaQioy,  eine 
kleine  Münze)  kostet.  Er  antwortete  ihm:  Deine  Kleinode  u.  meine  Kleinode  gleichen 
nicht  einander;  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  auch  was  du  mir  gesandt  hast,  ist  etwas, 
was  ich  hüten  muß;  aber  ich  habe  dir  etwas  gesandt,  was,  wenn  du  schläfst,  dich 
hütet,  vgl.  Spr  6,  22:  „Bei  deinem  Gehen  wird  sie  (die  Tora)  dich  leiten,  bei  deinem 
Liegen  über  dich  Wache  halten"  usw.  1|  Midr  HL  8,  7  (131  b):  Es  heißt:  „Wenn  ein 
Mann  den  ganzen  Reichtum  seines  Hauses  für  die  Liebe  hingäbe";  wenn  alle  Völker 
der  Welt  alle  ihre  Schätze  auftun  würden,  um  ihr  Geld  hinzugeben  für  Ein  Wort 
aus  der  Tora,  sie  würden  dadurch  in  Ewigkeit  keine  Sühnung«erlangen.  I!  ExR  3  (69*^): 
Was  bedeutet:  „alles  Begehren  deiner  Augen"  1  Kg  20,  6?  Damit  ist  etwas  gemeint, 
was  das  Kleinod  unter  den  Kleinoden  ist,  das  ist  die  Tora,  vgl.  Ps  19,11:  Sie  ist 
begehrenswerter  als  Gold'  u.  viel  feines  Gold. 

Die  ewige  Dauer  u.  Gültigkeit  der  Tora  betonen  schon  die 
Apokryphen. 

Bar  4,  1:  Dies'ist  das  Buch  der  Gebote  Gottes  und  das  Gesetz,  das  in  Ewigkeit 
bleibt  o  röjxog  (niir)  o  vncio/Mi'  sig  rof  eci'ujya.  —  Weish  18,4:  Durch  welche  (näm- 
lich die  Israeliten)  das  unvergängliche  Licht  des  Gesetzes  ro  uq^i^uQxoi'  rö/uov  cpwg 
der  Welt  gegeben  werden  sollte.  |i  Pseudepigraphen:  Apoc  Bar  48,  47:  Dein  Gesetz,  das 
sie  übertreten  haben,  straft  sie  an  deinem  Tage.  (Noch  am  jüngsten  Tage  beim  End- 
gericht gilt  das  Gesetz.)  77,  15:  Wenn  wir  (die  Führer  u.  Lehrer  Israels)  auch  fort- 
gehen (sterben),  so  bleibt  doch  das  Gesetz  bestehen.  4  Esra  9,  37 :  Das  Gesetz  geht 
nicht  unter  non  periit,  sondern  bleibt  in  seiner  Herrlichkeit  permansit  in  suo  lionore. 

Das  rabbin.  Schrifttum  setzt  die  ewige  Gültigkeit  der  Tora  als 
selbstverständlich  überall  voraus;  deshalb  wird  nur  gelegentlich  davon 
gesprochen,  s.  zB  pSanh  2,  20%  39  nebst  Parallelen  (oben  S.  244). 

ExR  33  (94"):  Es  heißt  Dt  33,  4:  „Tora  hat  uns  Mose  befohlen,  ein  Besitztum 
der  Gemeinde  Jakobs";  lies  nicht  (deute  nicht):  nr-r:  „Besitztum",  sondern  "•in^'^ 
„Erbbesitz";  ein  Erbbesitz  ist  sie  (die  Tora)  für  Israel  in  Ewigkeit  (u.  Erbbesitz  kehrt 
immer  wieder  zur  Familie  zurück,  während  ein  gewöhnliches  Besitztum  dauernd  ver- 
loren gehn  kann).  —  Wie  oben  in  Apoc  Bar  48,  47,  so  gilt  auch  für  die  rabbin.  Ge- 
lehrten die  Tora  als  einziger  Maßstab,  den  Gott  im  jüngsten  Gericht  seinem  Urteil 
zugrunde  legen  wird.  Mindestens  also  bis  zum  jüngsten  Tage  wird  die  Tora  Gültig- 
keit haben.  ?AZ  2^  sagt  R.  Chanina  b.  Papa  (um  800),  nach  andren  R.  Simlai  (um  250): 
Dereinst  wird  Gott  das  Torabuch  in  seinem  Busen  herbeibringen  u.  sagen:  Wer  sich 
mit  der  Tora  beschäftigt  hat,  der  komme  u.  empfange  seinen  Lohn.  —  Dieser  Satz 
auch  TanchB  -3-atj  §  14  (16"^);  vgl.  Midr  Qoh  1,  9  (9'').  ü  Joma  35 "^  Bar:  Der  Arme  u. 
der  Reiche  u.  der  Gottlose  kommen  ins  Gericht  (des  jüngsten  Tages).  Zum  Armen 
wird  man  sagen:  Warum  hast  du  dich  nicht  mit  der  Tora  beschäftigt?  —  Dieselbe 
Frage  wird  dann  auch  an  die  Reichen  u.  Gottlosen  gerichtet;  s.  die  ganze  Stelle  im 
Exkurs:  Gerichtsgemälde  aus  der  altjüd.  Literatur.  —  Aber  auch  mit  dem  jüngsten 

1  Damit  wäre  J^'huda  der  Fürst  (Einl.  133)  gemeint.  Mit  Graetz,  Gesch.  d.  Juden* 
4,  281  wird  „Rab"  (f  247)  zu  lesen  sein. 


246  Matth  5,  18  (33  1) 

Gericht  bat  die  Herrschaft  der  Tora  kein  Ende:  sie  wird  den  Lebensinhalt  der  Seligen 
noch  in  der  Zeit  der  Endvollendung  im  Gan  fEden  bilden.  Die  Gerechten  eilen  dann 
von  einer  Studienhalle  in  die  andre,  u.  Gott  selbst  weilt  als  Lehrer  der  Tora  in  ihrer 
Mitte,  s.  Exkurs:  ,Sch*'ol,  Gehinnom  u.  Gan  fEden"  III,  4,  1.  m.  —  Im  letzten  Grunde 
ist  die  ewige  Dauer  der  Tora  nur  die  Folge  ihrer  himmlischen  Präexistenz ;  s.  bei 
Job  1,  1—4  Nr.  1. 

Zu  beachten  ist,  daß  man  eine  ewige  Dauer  u.  Gültigkeit  nur  der 
eigentlichen  Tora,  d.  h.  dem  Pentateuch,  aber  nicht  den  übrigen  Be- 
standteilen der  im  weiteren  Sinn  „Tora"  genannten  Schrift  beigelegt  hat. 

pM'^g  1,  70  *J,  51 :  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250).  R.  Jochanan 
hat  gesagt:  Die  Propheten  u.  Hagiographen  (nebiiim  u.  k'-'thubim)  werden  dereinst  (in 
der  messian.  Endvollendung)  aufhören  (ihre  Gültigkeit  verlieren);  aber  die  fünf  Bücher 
der  Tora  werden  nicht  aufhören.  Was  ist  der  Schriftgrund"?  Vgl.  Dt  5, 19:  Diese  Worte 
redete  Jahve  . .  .  mit  lauter  Stimme,  u.  sie  hört  nicht  auf  (so  der  Midr).  R.  Schim?on 
b.  Laqisch  hat  gesagt:  Auch  die  Estherrolle  u.  die  Halakhoth  (die  einzelnen  Sätze  <ies 
geltenden  Rechts)  werden  nicht  aufhören.  Es  heißt  hier,  Dt  5,  19:  , Mit  lauter  Stimme, 
u.  sie  hört  nicht  auf  r|0-"  sV-!,  u.  es  heißt  dort,  Esth  9,  28:  „Und  ihr  Gedächtnis  soll 
nicht  aufhören  mc"'  ah  aus  ihrer  Nachkommenschaft."  Und  betreffs  der  Halakhoth 
heißt  es  Hab  3,  6:  , Ewige  Halakhoth  hat  er"  (so  der  Midr).  —  Genaueres  zu  den 
letzten  Worten  s.  M*^g  28'^  Bar  aus  der  Schule  des  Elias  (des  Propheten):  .  .  .  „Ewige 
r\-:hr.  hat  er",  Hab  8,  6;  lies  nicht  mr-'rn  (Gänge,  Wege),  sondern  n^^n  (Halakhoth).  — 
Vielleicht  liegt  diesen  Aussprüchen  ein  ähnlicher  Gedanke  zugrunde,  wie  der  N'^d  22'^ 
R.  Ad(d)a  b.  Chanina  (Chonja,  im  4.  Jahrh.)  hat  gesagt:  Wenn  die  Israeliten  nicht  ge- 
sündigt hätten,  so  wären  ihnen  nur  die  fünf  Teile  der  Tora  u.  das  Buch  Josua  gegeben 
worden,  weil  dieses  die  Schätzung  (Verteilung)  des  Landes  Israel  (an  die  Stämme) 
enthält.  Was  ist  der  Schriftgrund?  Qoh  1,  18:  „In  der  Fülle  der  Weisheit  ist  Fülle 
des  Zorns."  —  Die  Parallelstelle  Midr  Qoh  1,  13(10'')  stark  abweichend.  —  Wenn 
hiernach  die  prophetischen  Schriften  u.  die  Hagiographen  nur  um  der  Sünde  Is?^els 
willen  zur  Tora  hinzugekommen  sind,  so  liegt  für  ihre  weitere  Geltung  in  der  messian. 
Vollendungszeit  kein  Grund  mehr  vor,  da  in  den  Tagen  des  Messias  die  Sünde  ganz 
beseitigt  oder  doch  zur  Ohnmacht  verurteilt  sein  wird.  Dieser  Gedanke  an  das  Hin- 
schwinden der  Sünde  ist  ohne  Zweifel  auch  die  Veranlassung  zu  der  weitergehenden 
Meinung  gewesen,  daß  in  der  messian.  Periode  selbst  große  Teile  der  eigentlichen 
Tora  aufhören  würden.  P'^siq79a:  R.  Pin^cbas  (um  360)  u.R. Levi  (um  300)  u.R.  Jochanan 
(t  279)  haben  im  Namen  des  R.  M*^nachem  aus  Gallaja'  (eines  Tannaiten  ungewisser 
Zeit)  gesagt:  In  der  Zukunft  (=  in  den  Tagen  des  Messias)  werden  alle  Opfer  auf- 
hören, aber  das  Opfer  des  Dankes  wird  in  Ewigkeit  nicht  aufhören;  u.  ebenso  werden 
alle  Bekenntnisse  aufhören,  aber  das  Bekenntnis  des  Dankes  wird  in  Ewigkeit  nicht 
aufhören.  Das  meint  Jer  83,  11:  („Wiederum  wird  man  hören)  den  Schall  des  Jubels 
u.  den  der  Freude,  den  Schall  des  Bräutigams  u.  den  der  Braut,  den  Ruf  derer,  die 
da  sagen:  Danket  Jahve  ^'A'baoth,  denn  freundlich  ist  Jahve,  denn  auf  ewig  währt 
seine  Gnade,  derer,  die  ein  Dankopfer  in  das  Haus  Jahves  bringen."  „Danket  Jahve", 
damit  sind  die  Bekenntnisse  des  Dankes  (Danklieder)  gemeint;  „die  ein  Dankopfer 
bringen",  das  bezieht  sich  auf  das  (eigentliche)  Dankopfer.  Ebenso  hat  David  gesagt 
Ps  56,  13:  „Mir  liegen  ob,  o  Gott,  deine  (d.  h.  die  dir  gelobten)  Gelübde,  bezahlen 
will  ich  dir  Dankespfiichten";  es  heißt  nicht  --ir  (eine  Dankespflicht,  Sing.),  sondern 
mir  (Plur.);  damit  ist  gemeint  das  Dankbekenntnis  u.  das  (eigentliche)  Dankopfer.  — 
Parallelstellen:  LvR  9  (111^):  27  (126 1');  Tanch  ^i^is  176»;  Tanch  B  ^i«s  §  19  (48 b); 
Midr  Ps  56  §  4  (148^);  100  §  4  (213'^);  vgl.  das.  50  §  3  (140b),  wo  ausgeführt  wird, 
daß  das  Dankopfer  das  einzige  Opfer  ist,  das  nicht  durch  die  Sünde  veranlaßt  wird.  || 
P''s50^:  „Es  wird  geschehen  an  jenem  Tage,  nicht  wird  es  hell  sein,  -jisr'p^  nip-" 


Über  die  palästinische  Ortschaft  s^V;  vgl.  Winer,  Bibl.  Realwörtb.  1,  388  „Gallim" 


Matth  5,  18  (SB  1.  2)  247 

(Sacli  14,6,  so  das  K^thib).  Was  bedeutet  -iiss'p^  riip-?  R,  Jochanan  (f  279)  hat  ge- 
sagt: Damit  sind  die  Traktate  über  , Aussatzschäden "  u.  „Bezeltungen"  (Verunreinigung 
durch  Leichen)  gemeint,  die  wichtig  i'ip"  sind  in  dieser  Welt  u.  wertlos  """isp  (wört- 
lich , obenauf  schwimmend")  in  der  zukünftigen  Welt  (=  in  den  Tagen  des  Messias, 
da  es  dann  weder  Aussatz  noch  Leichen  geben  wird).  |1  NiddaÖlb;  Aus  einem  Ge- 
wand mit  Mischgewebe  darf  man  Sterbekleider  für  einen  Toten  machen.  Rab  Joseph 
(t  383)  hat  gesagt:  Das  besagt,  daß  die  Gebote  (betr.  Mischgewebe)  in  der  Zukunft 
(=  Messiaszeit)  aufhören  werden.  —  Die  Meinung  des  Rab  Joseph  ruht  auf  dem  Satz, 
daß  Gott  die  Toten  in  denselben  Gewändern  auferwecken  werde,  in  denen  sie  einst 
begraben  wurden.  Wenn  also  die  obige  Bar  Sterbekleider  mit  Mischgewebe  für 
erlaubt  erklärt,  so  folgt  daraus,  daß  ihre  Vertreter  das  Tragen  von  Gewändern 
aus  Mischg.  nach  der  Auferstehung  unmöglich  für  verboten  gehalten  haben;  positiv 
ausgedrückt:  in  der  Zukunft  müssen  die  Vorschriften  über  die  Mischgewebestoffe  auf- 
gehoben sein.  II  Vgl.  auch  Midr  Qoh  12,  1  (53^):  R.  Chijja  b.  N^'chemja  (im  4.  Jahrh.) 
sagte:  {,Die  Jahre,  davon  du  sagst:  Ich  habe  kein  Begehr  in  ihnen,"  so  deutet  der 
Midr),  das  sind  die  Tage  des  Messias,  in  denen  es  weder  ein  Verdienst  noch  eine 
Schuld  gibt.  —  In  den  Tagen  des  Messias  ist  der  böse  Trieb  u.  die  Sünde  beseitigt; 
es  wird  also  dann  keine  Übertretung  u.  keine  Schuld  mehr  geben.  Tatsächlich  werden 
so  die  Verbote  der  Tora  praktisch  gegenstandslos  sein;  sie  bieten  aber  damit  auch 
dem  Israeliten  keine  Gelegenheit  mehr,  sich  durch  ihre  gewissenhafte  Beobachtung 
vor  Gott  ein  Verdienst  zu  erwerben.  —  Diese  Stellen  zeigen,  wie  man  sich  in  be- 
stimmten Kreisen  mit  dem  Gedanken  vertraut  gemacht  hat,  daß  in  der  messian.  Voll- 
endungszeit große  Teile  der  Tora  tatsächlich  ohne  praktische  Bedeutung  sein  würden. 
Aber  das  alles  berührt  doch  die  eigentliche  Geltung  der  Tora  nicht.  Diese  bleibt  die 
alte,  auch  wenn  die  veränderten  Zeitverhältnisse  es  mit  sich  bringen  werden,  daß 
einzelne  Teile  der  Tora  keine  Anwendung  finden  können. 

2.  Das  Jod  ■i  als  kleinster  Buchstabe  der  (Quadrat-)Schrift. 

Midr  HL  5, 1 1  (1 19b)  s.  oben  S.  244/.  —  GnR  47  (29  ^■) :  R.  Schimf  on  b.  Jochai  (um  150) 
hat  gesagt:  Das  Jod,  Avelches  Gott  aus  dem  Namen  Sarai  nahm  (vgl.  Gn  17,  15),  flog 
eilends  vor  den  Thron  Gottes  u.  sprach:  Herr  der  Welten,  weil  ich  der  kleinste  unter  • 
den  Buchstaben  bin,  hast  du  mich  weggenommen  von  der  gerechten  Sara!  Gott  ant- 
wortete: Vordem  bist  du  in  dem  Namen  einer  Frau  gewesen,  u.  zwar  am  Ende  der 
Buchstaben,  "^r;  jetzt  werde  ich  dich  in  den  Namen  eines  Mannes  setzen,  u.  zwar 
als  ersten  der  Buchstaben,  vgl.  Nu  13,  16:  „Mose  nannte  den  Hoschea?,  Sohn  des 
Nun:  J-^hoschuaf."  —  In  den  Parallelstellen  LvR  19  (118<=);  Midr  HL  5,  11  (119b)  u. 
pSanh  2,  20*^,  45  fehlt  die  Bemerkung  über  die  Kleinheit  des  Jod;  ferner  nennen  die 
beiden  ersten  Stellen  den  R.  J%oschua?  b.  Qarcha  (um  150)  u.  die  letzte  den  R.  Hoscha?ja 
als  Autor.  Bezug  genommen  wird  auf  vorstehende  Legende  von  R.  Dos*^thai  aus  Biri, 
im  4.  Jahrh.  Sanh  107».  ||  M^n  29b:  (Jes  26,  4:  Jn  Jah,  Jahve  ist  ein  Fels  der  Ewig- 
keiten" ü'nhty  -'•lu  '■'"'  s^s  wird  vom  Midr  gedeutet:  Durch  die  Buchstaben  Jod-He 
ist  Jahve  der  Bildner  der  Welten.)  R.  J'liuda  b.  El?ai  (um  150)  hat  gesagt:  n'3  be- 
zieht sich  auf  die  beiden  Welten,  die  Gott  geschaffen  hat,  die  eine  durch  He  u.  die 
andre  durch  Jod.  Ich  weiß  aber  nicht,  ob  er  die  zukünftige  Welt  (hier  =  himmlische 
Welt  der  Seelen,  Äon  zwischen  Tod  u.  Auferstehung)  durch  Jod  u.  diese  Welt  durch 
He,  oder  ob  er  diese  Welt  durch  Jod  u.  die  zukünftige  Welt  durch  He  geschaffen  hat. 
Da  die  Schrift  nun  aber  sagt  Gn  2,  4:  „Dies  ist  die  Geschichte  des  Himmels  u.  der 
Erde  =si3Tia",  so -lies  nicht  os-^sn^  (=  da  sie  geschaffen  wurden),  sondern' as'^a  t:^ 
=  durch  He  schuf  er  sie  (also  ist  diese  Welt  [Himmel  u.  Erde]  durch  He  erschaffen 
worden).  Und  warum  ist  diese  Welt  durch  He  erschaffen  worden?  Weil  sie  einer 
Vorhalle  gleicht  (in  der  sich  der  Mensch  für  die  zukünftige  Welt  vorbereiten  soll); 
denn  wer  hinausgehn  will,  der  kann  hinausgehn.  Und  warum  schwebt  sein  Schenkel 
(warum  reicht  der  linke  Schenkel  des  r.  nicht  wie  sein  rechter  bis  oben  an  das  Dach  ;;)? 
Weil,  wenn  der  Mensch  in  Buße  umkehrt,  man  ihn  (durch  die  Öffnung  oberhalb  des 


248  Matth  5, 18  (SB  2.  3) 

schwebenden  linken  Schenkels)  wiedereintreten  läßt.  Man  könnte  ihn  ja  durch  die 
Öffnung  unten  eintreten  lassen!  Das  würde  nichts  helfen  (denn  zur  wirklichen  Be- 
kehrung bedarf  er  eines  Beistandes  von  oben;  daher  die  Öffnung  oberhalb  des 
linken  Schenkels).  Es  ist  so  wie  Resch  Laqisch  (um  250)  gesagt  hat;  denn  dieser 
hat  gesagt:  Was  bedeutet:  „Wie  Gott  der  Spötter  spottet,  so  gibt  er  den  Demütigen 
Gnade"  Spr  3,  34?  Will  einer  sich  reinigen,  so  leistet  man  (=  Gott)  ihm  Beistand; 
will  einer  sich  verunreinigen,  so  öffnet  man  ihm  (gibt  ihm  dazu  Gelegenheit).  Und 
warum  hat  das  n  ein  Krönchen  s:sr;  (ein  Häkchen  links  an  seinem  Dach)?  Gott  sägt: 
Wenn  einer  in  Buße  umkehrt,  knüpfe  ich  ihm  eine  Krone  (1.  ^rs  statt  "lap).  Und 
warum  wurde  die  zukünftige  Welt  durch  das  (winzige)  Jod  erschaffen?-  Weil  der  Ge- 
rechten darin  wenige  sind.  Und  warum  ist  der  Kopf  des  '  gekrümmt  (zusammen- 
gezogen, gebeugt)?  Weil  die  Köpfe  der  Gerechten  darin  gebeugt  sind  wegen  ihrer 
Werke,  denn-  sie  gleichen  nicht  einer  dem  andren.  (Die  Herrlichkeit  der  Gerechten 
in  der  zukünftigen  Welt  ist  verschieden;  darum  gehen  die  minder  Ausgezeichneten 
vor  Scham  mit  gebeugtem  Kopf  einher;  e.  hierzu  Exkurs:  Sch*^ol,  Gehinnom-  u.  Gan 
fEden  III,  3,  u.)  ■—  Ähnliches  pChag  2,  77^45  von  R.  Jochanan  (t  279);  nur  kennt 
dieser  keine  himmlische  Welt  der  Seelen,  er  versteht  also  unter  der  „zukünftigen 
Welt"  die  eschatologische  zukünftige  Welt,  die  mit  der  Auferstehung  der  Toten  be- 
ginnt (s.  Exkurs:  Sch'ol  usw.  I,  4).  Nachdem  R.  Jochanan  .genau  wie  R.  J'^huda  zu- 
nächst aus  Gn  2,  4  erwiesen  hat,  daß  diese  Welt  durch  He,  die  zukünftige  Welt  durch 
Jod  erschaffen  sei,  heißt  es  dann  weiter:  Wie  das  n  unten  geöffnet  ist,  so  deutet  es 
damit  allen,  die  in  die  Welt  kommen,  an,  daß  sie  in  die  Sch^ol  hinabfahren  werden. 
(Die  Seh.  ist  nach  R.  Jochanan  der  Aufenthaltsort  aller  Toten  während  des  Zwischen- 
zustandes.)  Wie  das  n  oben  einen  Punkt  nn:ip:  hat  (gemeint  ist  das  Häkchen  oder 
Krönchen  am  linken  Ende  des  Daches),  so  deutet  es  damit  an:  nachdem  sie  hinab- 
gefahren, werden  sie  (zur  Zeit  der  Auferstehung)  wieder  emporsteigen.  Wie  das  n 
auf  allen  Seiten  geöffnet  ist,  so  ist  allen  Bußfertigen  die  Tür  aufgetan.  Wie  das  - 
gebeugt  ist,  so  werden  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  gebeugt  sein  (nach  der  Auf- 
erstehung am  Tage  des  Weltgerichts)  u.  „alle  Angesichter  werden  sich  zur  Blässe 
wandeln"  Jer  30,-6.  —  Parallelstellen:  P'\siqR  21  (109»);  R.  El?azar  (um  270)  als  Autor: 
•GnR  12  (9'^)  u.  Midr  Ps  114  §  3  (236 »).  Deutlich  ist  überall  mit  der  zukünftigen  Welt 
der  mit  der  Auferstehung  anhebende  Aon  gemeint. 

3.  xegaia  bezeichnet  ein  Häkchen,  Krönchen,  Strichelchen,  das 
einzelne  Buchstaben  des  hebräischen  Alphabets  als  Zierat  haben.  Das 
Rabbinische  hat  dafür  die  Bezeichnungen  nriip  oder  y-.p  =  Dorn,  N:n 
oder  nrs  =  Krone;  auch  ri'i^p:  =  Punkt, 

M«n  29'*:  Raba  (sa^  f  352)  hat  gesagt:  Sieben  Buchstaben  bedürfen  des  Setzens 
von  drei  Krönchen  (T'Jn^T):  ]'"itix:yv.  ||  M'n  29'':  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab 
(t  247)  habe  gesagt:  Als  Mose  (bei  der  Gesetzgebung)  zur  Höhe  emporstieg,  traf  er 
Gott,  wie  er  dasaß  u.  Krönchen  n^-rs  an  den  Buchstaben  (der  Tora)  anbrachte.  Er 
sprach  zu  ihm:  Herr  der  Welt,  wer  kann  dich  denn  hindern  (die  Tora  auch  ohne  jene 
Buchstabenverzierungen  zu  geben)?  Gott  antwortete:  Es  wird  einen  Menschen ^geben, 
der  nach  vielen  Geschlechtern  leben  wird,  ?Aqiba  b.  Joseph  wird  sein  Name  sein;  der 
wird  über  jedes  einzelne  Häkchen  ynpi  y-p  5=  ^"  ganze  Haufen  von  Halakhoth  (Ge- 
setzesbestimmungen) auf  Grund  seiner  Forschungen  vortragen.  ||  M*''n29'':  Weshalb  hat 
das  n  (links  am  Dach)  ein  Krönchen  s;sp?  Gott  hat  gesagt:  Wenn  der  Mensch  in 
Buße  umkehrt,  knüpfe  ich  ihm  eine  Krone  (s.  die  ganze  Stelle  S.  247f.).  1|  Schab  104'': 
(Im  hebr.  Alphabet  folgt  der  Buchstabe  -^  auf  p ;  sie  stehen  also  so  nebeneinander  i"p.) 
Qoph  p,  das  ist  der  Heilige  wnp  (=  Gott);  Resch  --,  das  ist  der  Frevler  ?tD^.  Warum 
wendet  sich  das  Gesicht  des  p  (der  Dachbogen  rechts)  vom  ^  ab?  Gott  spricht:  Ich 
kann  den  Frevler  nicht  ansehn.  Und  warum  wendet  sich  das  Krönchen  sjr  des  p  dem 
^  zu?  Gott  spricht:  Wenn  er  in  sich  geht,  knüpfe  ich  ihm  eine  Krone  ir2,  die  der 
meinigen  gleicht.  H  M^^n  3,  7 :  Die  beiden  Abschnitte  in  der  M'zuza  (Türpfostenkapsel) 


Matth  5, 18  (SB  3).  5, 19  (31.  33)  249 

hemmen  einander,  ja  selbst  Ein  Buchstabe  hemmt  sie  (d.  h.  wenn  ein  Abschnitt  oder 
auch  nur  Ein  Buchstabe  fehlt  oder  falsch  geschrieben  ist,  so  wird  dadurch  die  ganze 
M.  für  den  Gebrauch  untauglich).  Dazu  iVPn  29^:  Das  ist  selbstverständlich.  Rab  J^'huda 
(t  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Dazu  bedurfte  es  nur  des  (fehlenden) 
Strichelchens  am  Jod  -t'  hv  luip.  ||  ExR  6  (72''):  Gott  sprach  zum  Jod  (das  sich  über 
Salomo  beschwerte,  s.  S.  244):  Salomo  u.  tausend  seinesgleichen  werden  vergehn,  aber 
ein  Strichelchen  von  dir  -aa  n::ip  wird  nicht  vergehn.  ||  Als  Beleg  zu  n-ip;  =  Punkt 
s.  pChag2,  77S45  S.  248. 

Die  das  n  vom  -i,  das  n  vom  n,  das  :z  vom  =  unterscheidenden  Merk- 
male gehören,  obgleich  man  es  öfters  lesen  kann  (auch  bei  Schöttgen 
zu  5,18)   nicht  zu  den  xagaiai. 

5,19  5t:  Eins  dieser  geringsten  Gebote. 

Zur  Unterscheidung -zwischen  geringen  u.  wichtigen  Geboten  s.  bei 
Mt  22, 36.  Hier  folgen  etliche  Stellen,  die  zur  Achtsamkeit  den  geringen 
Geboten  gegenüber  mahnen. 

Aboth  2,  1:  Rabbi  sagte:  Sei  vorsichtig  beim  geringen  Gebot,  wie  bei  einem  wich- 
tigen; denn  du  kennst  den  Lobn  für  die  Gebote  nicht.  ||  4,  2:  Ben  ?Azzai  (um  110) 
sagte:  Sei  schnell,  ein  geringes  Gebot  zu  erfüllen,  u.  fliehe  vor  der  Übertretung.  Denn 
eine  Gebotserfüllung  zieht  eine  andre  nach  sich,  u.  eine  Übertretung  zieht  eine  andre 
nach  sich;  denn  der  Lohn  einer  Gebotserfüllung  ist  eine  (weitere)  G.,  u.  der  Lohn  einer 
Übertretung  ist  eine  (weitere)  ü.  ||  Aboth  R.  Nathan  2 :  Die  Gelehrten  haben  gesagt:  Laufe 
nach  einem  geringen  Gebot,  damit  es  dich  zu  einem  wichtigen  (großen)  Gebot  führe.  j| 
pQid  1,  61 '',  58:  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Die  Schrift  hat  das  geringste 
unter  den  Geboten  r-^'i-,zv  nVp  ni::«  dem  schwersten  (wichtigsten)  Gebot  n--)3n  m-.;»: 
n-nisnn  p  gleichgestellt.  Das  geringste  Gebot  ist  das  betreffs  des  Loslassens  der  Vogel- 
mutter, Dt  22,  6  f.,  u.  das  schwerste  ist  das  betreffs  der  Ehrerbietung  gegen  die  Eltern  Ex 
20,  12;  u.  bei  beiden  steht  (der  gleiche  Lohn)  geschrieben:  „Damit  du  lange  lebest." 

5,  19:  Wer  sie  aber  tut  u.  lehrt. 
Über  Theorie  u.  Praxis,  Torastudium  u.  Toraübung  s.  bei  Rom  2, 13. 

5, 19$B:  Der  wird  ein  Geringster  im  Himmelreich  genannt 
werden;  .  .  .  wird  ein  Großer  heißen. 
Über  Rangstufen  unter  den  Seligen  s.  den  Exkurs:  Sch'^ol  usw.  HI. 
3,  m — u;  ferner  bei  Mt  18,  4. 

P'^siqR  Anhang  8  (198'^):  (R.  Sch^'muel  b.  Nachman,  um  260,  hat  im  Namen  des 
R.Jonathan,  um  220,  gesagt:)  Es  heißt  Hi  3,  19:  „Kleine  u.  Große  sind  dort."  Weiß 
denn  das  nicht  jedermann,  daß  dort  Kleine  u.  Große  sind?  Es  will  dich  lehren,  daß 
in  dieser  Welt  nicht  erkannt  wird,  wer  klein  u.  wer  groß  ist  (aber  in  der  zukünftigen 
Welt  wird  es  erkannt).  —  Midr  Ruth  zu  1,  17  (128^)  mit  R.  Simon,  um  280,  als  Autor 
lautet  die  Ausführung:  In  dieser  Welt  kann,  wer  klein  ist,  groß  werden,  u.  wer  groß 
ist,  kann  klein  werden;  aber  in  der  Zukunft  (=  in  der  zukünftigen  Welt)  kann,  wer 
klein  ist,  nicht  groß  werden,  u.  wer  groß  ist,  kann  nicht  klein  werden.  ||  GnR  81  (51  '^) : 
Ben  f  Azzai  (um  110)  sagte:  Wenn  du  dich  wegen  der  Worte  der  Tora  selbst  zum  Toren 
machst,  wirst  du  schließlich  durch  sie  erhöht  werden.  —  Ausführlicher,  aber  mit 
andrer  Tendenz  Aboth  R.Nathan  11;  hier  ist  zu  ergänzen:  „Ben  ?  Azzai  sprach  zu 
R.  ?Aqiba  usw."  —  Nach  ßerakh  63 "^  ist  R.  Sch*"muel  b.  Nachman,  um  260,  Autor.  || 
BM85t>:  R.  Jirm^ja  (um  320)  hat  zu  R.  Z'^fira  (um  800)  gesagt:  Was  heißt:  Kleine  u. 
Große  sind  dort,  u.  der  Sklave  ist  frei  von  seinem  Herrn  Hi8,  19?  Wissen  wir  denn 
nicht,  daß  Kleine  u.  Große  dort  sind?  Allein  die  Worte  sind  so  gemeint:  Wer  sich 
selbst  wegen  der  Worte  der  Tora  in  dieser  Welt  klein  macht,  wird  in  der  zukünftigen 


250  Matth  5,  19  (SB).  5,  20  (2t) 

Welt  groß  sein;  u.  wer  sich  wegen  der  Worte  der  Tora  in  dieser  Welt  gleichsam  zu  einem 
Sklaven  macht,  wird  frei  sein  in  der  zuk.Welt.  ~  Nach  Bacher,  pal.  Amor.  3,  31  ist 
diese  Deutung  von  R.  Z^fira.  ||  P^s  50=':  Was  heißt  Sach  14, 6 -iss-p- r:->p-?  R.  J'^hoschuaf 
b.  Levi  (um  2-i)0)  hat  gesagt:  Das  sind  die  Menschenkinder,  die  geehrt  sind  in  dieser 
Welt,  aber  gering  geachtet  in  der  zukünftigen.  Dem  entspricht,  was  sein  Sohn  R.  Joseph 
gesehen  hat,  als  er  krank  in  Fieberträumen  dalag.  Als  er  wieder  zu  sich  kam,  sprach 
sein  Vater:  Was  hast  du  gesehen?  Er  antwortete:  Eine  umgekehrte  Welt  habe  ich 
gesehen,  die  Oberen  zu  unterst  u.  die  Unteren  zu  oberst.  Er  sprach  zu  ihm:  Mein  Kind, 
eine  wahre  Welt  hast  du  gesehen.  Und  wie  werden  wir  dort  sein?  (Er  antwortete:) 
Wie  wir  hier  sind,  so  werden  wir  auch  dort  sein.  Ferner  habe  ich  gehört,  wie  man 
sagte:  Wohl  dem,  der  hierher  kommt  u.  sein  Erlerntes  in  der  Hand  (jederzeit  zur  Ver- 
fügung) hat.  Ferner  habe  ich  gehört,  wie  man  sagte:  In  dem  Abteil  der  Märtyrer 
(wörtlich:  der  von  der  heidnischen  Regierung  Getöteten)  kann  kein  Mensch  stehn 
(d.  h.  die  Märtyrer  nehmen  die  höchste  Rangstufe  im  Jenseits  ein,  in  ihren  Kreis  darf 
kein  andrer  eintreten).  —  Die  Vision  des  R.  Joseph  auch  BB  10*^;  in  Midr  Ruth  zu 
1,  17(128'^)  ist  der  Visionär  R.  Meascha,  ein  Enkel  des  R.  J'^hoschua?  b.  Levi. 

5,  20  31:  Wenn  eure  Gerechtigkeit  nicht  erheblich  mehr 
wird  als  die  der  Schriftgelehrten  u.  Pharisäer. 

ygafii^LaTsTQ^  Schriftgelehrte  =  n-i-.^io,  s.  bei  2,4. 1|  ^agioaioi  =  ai^^ii?, 
Sing,  dne,  s.  den  Exkurs  „Pharisäer  u.  Sadduzäer". 

Zu  den  Schriftgelehrten  gehörten  nicht  nur  Pharisäer,  sondern  auch 
Sadduzäer;  erst  als  mit  dem  Untergang  des  jüd.  Staatswesens  i.  J.  70 
n.  Chr.  die  Partei  der  Sadduzäer  aus  der  inneren  Geschichte  des  Juden- 
tums verschwand,  nahm  auch  die  sadduzäische  Schriftgelehrsamkeit 
ein  Ende.  —  Die  Partei  der  Ph.  umfaßte  nicht  bloß  Schriftgelehrte, 
sondern  in  noch  weit  höherem  Maße  auch  Laien,  nämlich  alle,  die 
bereit  waren,  ihr  Leben  nach  den  religionsgesetzl.  Anschauungen  u. 
Anordnungen  der  pharis.  Schriftgelehrten  zu  führen.  —  Wenn  hier  die 
Schriftgelehrten  u.  Ph.  nebeneinander  genannt  werden,  so  haben  wir 
bei  jenen  in  erster  Linie  an  die  Männer  der  Theorie  zu  denken,  die  die 
pharis.  Lehrmeinungen  schulmäßig  ausbildeten  u.  begründeten.  Unter 
den  Ph.  aber  werden  wir  besonders  die  Vertreter  der  Praxis  zu  ver- 
stehn  haben,  die  das  tägliche  Leben  in  Handel  u.  Wandel  nach  den 
Satzungen  der  Schriftgelehrten  zu  gestalten  u.  zu  regeln  sich  bemühten. 

vii(X)v  ri  dixaioGvvrj  nXsTov  xm'  ygafißaracov  xccl  (P.,  abgekürzte  Ver- 
gleichung  mit  Auslassung  von  ^;.  —  Die  Gerechtigkeit  der  Schrift- 
gelehrten u.  Ph.  wird  von  Paulus,  also  demjenigen  Apostel,  der  ver- 
möge seines  Bildungsganges  einen  genauen  Einblick  in  die  pharis. 
Schulmeinungen  gewonnen  hatte,  charakterisiert  als  eine  Sixawffvvt]  ix 
Tov  vöfxov  oder  als  eine  d\  s^  egycov  röjjiov,  d.  h.  als  eine  Gerechtigkeit, 
die  aus  dem  Gesetz  u.  seinen  Werken  erwächst,  s.  Rom  10,  5;  Gal  3,  21; 
Phil  3,  9;  Rom  3,  20;  Gal  2, 16.  Diese  Charakterisierung  finden  wir  auch 
außerhalb  des  NTs.  Test  Dan  6 :  Stehet  ab  von  jeder  Ungerechtigkeit 
u.  hangt  der  Gerechtigkeit  des  Gesetzes  Gottes  an  xoXlvj&rjTs  zf^  dixaio- 
Gvvrj  TOV  v6f.iov  TOV  ^€ov.  —  Apoc  Bar  67,6:  Der  balsamische  Weih- 
rauchduft der  Gerechtigkeit  aus  dem  Gesetz  iustitiae  ex  lege  ist  aus 


Matth  5,  20  (31)  251 

Zion  getilgt.  —  Auch  hier  bezeichnet  die  Sixaioaiivt]  tov  vo/xov,  bezw. 
«die  iustitia  ex  lege  die  Gerechtigkeit,  die  aus  dem  Gesetz  kommt.  Aber 
aus  allem  dem  erfahren  wir  nichts  Näheres  darüber,  wie  denn  nun 
■eigenthch  nach  der  Meinung  der  alten  Synagoge  des  Israeliten  Ge- 
rechtigkeit aus  dem  Gesetz  u.  seinen  Werken  hervorgeht.  Darüber 
belehrt  uns  erst  die  rabbin.  Literatur.  Die  Sache  verhält  sich  so.  Jede 
'Gebotserfüllung  iriiäp  ^  schließt  als  ein  Akt  des  Gehorsams  gegen  den 
/göttlichen  Gesetzgeber  ein  Verdienst  r^isj  (Plur.  ri'^zT)  des  Israeliten  vor 
•Gott  in  sich,  ebenso  wie  jede  Gesetzesübertretung  n-i^s  eine  Schuld 
nnin  vor  Gott  nach  sich  zieht.  Von  den  Gebotserfüllungen  abgesehen 
werden  Verdienste  vor  Gott  weiter  erworben  durch  Almosen,  Fasten 
lu.  besondere  Liebeswerke,  nicht  zuletzt  durch  das  Torastudium.  Das 
Verhältnis,  in  welchem  die  Verdienste  des  Menschen  nach  Zahl  u. 
innerm  Wert  zu  seinen  Übertretungsschulden  stehen,  stellt  den  je- 
weiligen rechtl.  Stand  des  Menschen  vor  Gott  dar:  überwiegen  die 
Verdienste,  so  wird  der  Mensch  von  Gott  als  ein  Gerechter  p-'nrs  an- 
gesehen; überwiegen  seine  Übertretungsschulden,  so  gilt  er  als  ein 
Frevler  rd'n.  —  Hierbei  ist  die  wichtige  Frage  noch  nicht  berührt,  von 
•deren  Beantwortung  die  ganze  Verdiensttheorie  abhängt,  die  Frage: 
was  ist  als  Gebotserfüllung  u.  was  ist  als  Gebotsübertretung  anzusehn? 
Eine  Gesetzesübertretung  läßt  sich  nur  an  der  Hand  des  Wortlautes 
■des  Gesetzes  feststellen;  eine  Handlung,  auf  die  der  Wortlaut  eines 
'Gesetzes  nicht  zutrifft,  kann  nicht  als  Übertretung  dieses  Gesetzes  hin- 
gestellt werden.  Demgemäß  haben  auch  die  rabbin.  Gelehrten  für  eine 
Gesetzesübertretung  nur  diejenige  Handlung  angesehen,  die  entweder 
dem  Buchstaben  einer  Gesetzesbestimmung  nicht  voll  entsprach  oder 
ihm  geradezu  widersprach.  Liegt  aber  darin  nicht  zugleich  die  An- 
erkennung beschlossen,  daß  nun  auch  umgekehrt  jede  buchstäbliche 
Erfüllung  eines  Gebotes  als  eine  volle,  dem  Gesetz  Genüge  tuende  an- 
zusehn sei?  Die  alte  S3'^nagoge  hat  diese  Frage  bejaht.  Gewiß  können 
auch  nach  ihrer  Meinung  subjektive  Momente  den  Wert  einer  Gebots- 
erfüllung erhöhen.  Hat  jemand  zB  ein  Verbot  beobachtet  unter  schwerem 
innerem  Kampf  gegen  den  eignen  bösen  Trieb;  oder  hat  ein  andrer 
keine  Kosten  gescheut,  um  die  Ausführung  eines  Gebotes  so  schön  zu 
gestalten,  wie  es  nur  in  seinen  Kräften  stand;  oder  hat  ein  dritter 
einer  Gesetzesbestimmung  nicht  aus  Furcht  vor  Gott,  sondern  aus 
Liebe  zu  Gott  genügt:  so  sind  das  alles  Gründe,  die  der  Gebotserfüllung 
•einen  besonderen  Wert  verleihen;  aber  es  sind  doch  immer  nur  Ak- 
zidenzien; fehlten  sie,  so  würde  auch  ohne  sie  eine  vollgültige  Gebots- 
•erfüilung  vorliegen,  falls  nur  dem  Buchstaben  des  Gebotes  genügt  war. 
Erst  die  Anerkennung  dieses  Grundsatzes,  daß  die  buchstäbliche  Er- 
füllung  eines  Gebotes   als   eine   vollgültige  u.  verdienstliche  Gebots- 


:  bedeutet  im  Rabbinischen  nicht  bloß  „Gebot",  sondern  auch  „GebotserfüUung". 


252  Matth  5,  20  (31.  SB) 

erfüllung  anzusehen  sei,  hat  die  Verdienstlehre  der  alten  Synagoge 
möglich  gemacht,  1 

Hiernach  kommt  die  Gerechtigkeit  aus  dem  Gesetz  zustande  da- 
durch, daß  der  Israelit  durch  pünktliche,  wäre  es  auch  nur  äußerliche 
Erfüllung  der  einzelnen  Gesetzesbestimmungen  eine  solche  Menge  von 
Gebotserfüllungen  u.  einen  solchen  Schatz  von  Verdiensten  erwirbt,  daß 
die  Gebotsübertretungen  u.  die  daraus  sich  ergebenden  Übertretungs- 
schulden nach  Zahl  u.  Gewicht  überragt  werden.  Ist  diese  Bedingung 
erfüllt,  dann  hat  er  Gottes  Urteil  für  sich,  d.  h.  Gott  sieht  ihn  als 
einen  Gerechten  an. 

Diese  Art  von  Gerechtigkeit  hat  Jesus  nicht  anerkannt:  „Wenn 
eure  Gerechtigkeit  nicht  erheblich  mehr  wird  als  die  der  Schriftgelehrten 
u.  Pharisäer  (d.  h.  wenn  eure  Gerechtigkeit  die  der  Schriftgelehrten 
nicht  bei  weitem  übertrifft),  so  werdet  ihr  nicht  in  das  Himmelreich 
eingehn."  Aber  dabei  bleibt  Jesus  nicht  stehn:  er  tritt  auch  in  den 
Kampf  gegen  die  Gesetzesgerechtigkeit  der  Ph.  ein.  Das  tut  er,  indem 
er  das  Fundament  zerstört,  auf  dem  die  Verdienstlehre  der  Schrift- 
gelehrten mit  der  ganzen  Gesetzesgerechtigkeit  ruhte.  Dieses  Fundament 
war  der  Satz,  daß  die  buchstäbliche  Erfüllung  des  Gesetzes  eine  volle, 
den  göttl.  Ansprüchen  genügende  Gesetzeserfüllung  sei.  Gegen  diesen 
Satz  erhebt  die  ganze  Bergpredigt  Jesu  Protest:  nicht  dem  Buchstaben 
nach  gilt  es  das  Gesetz  zu  erfüllen;  Gott  will  eine  bessere  Erfüllung 
seiner  Gebote,  eine  Erfüllung  im  Geist  u.  in  der  Wahrheit.  Was  das 
heißt,  macht  Jesus  dann  klar  durch  die  Auslegung,  die  er  einzelnen 
Geboten  zuteil  werden  läßt.  Dabei  stellt  er  überall  der  buchstäblichen 
Ausdeutung  der  Gebote,  wie  sie  von  den  Schriftgelehrten  beliebt  wurde, 
seine  Auslegung  entgegen,  die  den  vollen  religiös-ethischen  Gehalt 
aufdeckt,  den  Gott  in  seine  Gebote  hineingelegt  hat.  In  solcher  Tiefe 
sollen  seine  Jünger  die  Gebote  erfassen  u.  erfüllen;  dann  werden  sie 
bald  erkennen,  daß  es  um  die  Gesetzeserfüllung  der  Ph.  nichts  sei,  u. 
daß  die  Verdienstlehre  der  Schriftgelehrten  samt  der  darauf  aufgebauten 
Gesetzesgerechtigkeit  vor  dem  Richterstuhl  des  menschl.  Gewissens- 
haltlos  in  sich  selbst  zusammenbricht. 

5,20  23:  In  das  Himmelreich  hineinkommen. 
Entsprechende  rabbin.  Wendungen  sind: 

1.  Ksn  ah'.yh  sia  =  in  die  zukünftige  Welt  kommen.  TSanh  13,  1  (434):  Die  kleinen 
Kinder,  die  Kinder  der  Gottlosen  des  Landes  (Israel)  haben  keinen  Anteil  an  der  zu- 
künftigen Welt.  ...  So  Rabban  Gamliel  (um  90);  R.  J^hoschua?  sagte:  Sie  kommen  in 
die  zukünftige  Welt  san  nVi:!^  ]r;  •j-S2.  ||  Sanh  104*':  Die  Allegoriker  haben  gesagt:  All© 
(auch  die  Sanh  10,2  Ausgeschlossenen)  kommen  in  die  zukünftige  Welt.  |i  Sanh  110^: 
R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Sie  (die  Leute  des  Wüstengeschlechts)  kommen  in  die  zu- 
künftige Welt.  Weitere  Beispiele:  Sanh  HO'' (6mal);  SotaSS»;  Midr  Qoh  4,  1  (221^). 

2.  aramäisch  -rs-  s^hvh  xr;»?.  =  in  die  zukünftige  Welt  kommen.  Sanh  98*  fragt 
R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  den  ihm  begegnenden  Propheten  Elia:  Werde  ich  in 

^  Das  Nähere  hierüber  s.  im  Exkurs:  Vorwort  zur  Bergpredigt. 


Matth  5,  20  (SB).  5,  21  (31)  253 

•die  zuk.  Welt  kommen?  'rs-i  s>35S5  sms.  ||  SanhlOl'':  Woher  entnehmen  wir,  daß 
<3er  König  .Terobeam  nicht  in  die  zuk.  Welt  gekommen  ist?  —  Die  gleiche  Frage  in 
bezug  auf  die  Könige  Ahab  u.  Manasse  das.  102''.  Weitere  Beispiele:  Sanh  105 ';  106 1>; 
€hag  15  b  (Smal). 

3.  N2n  Dsi:?  "i^rtV  s'^3  =  in  das  Leben  der  zukünftigen  Welt  kommen.  Gittin  57  b; 
Wenn  wir  im  Meer  untergehen,  kommen  wir  (dann)  in  das  Leben  der  zuk.  Welt?  — 
Ähnlich  Midr  KL  1,  16  (56b).  ,|  Midr  Qoh  4,  1  (22^);  R.  Chanina  (um  225)  hat  Qoh  4,  1 
auf  die  von  der  (heidnischen)  Regierung  Getöteten  (d.  h.  auf  die  Märtyrer)  ausgelegt, 
daß  diese  nämlich  in  das  Leben  der  zuk.  Welt  kommen,  auch  wenn  sie  (vor  ihrem 
Tode)  kein  Bekenntnis  (ihrer  Sünde)  abgelegt  haben  (wie  es  sonst  bei  Sterbenden  üblich 
ist),  i!  GnR9  ("»):  R.  Huna^  (um  350)  hat  gesagt:  , Siehe,  es  war  sehr  gut"  Gn  1,31, 
damit  ist  das  Maß  des  Guten  {^=  Glück,  Wohlstand)  gemeint;  ,und  siehe,  es  war  sehr 
gut"  (das.),  damit  ist  das  Maß  der  Leiden  gemeint.  Aber  ist  denn  das  Maß  der  Leiden 
sehr  gut?  Allerdings,  denn  durch  dieses  kommen  die  Menschen  in  das  Leben  der 
zuk.  Welt. 

4.  san  nh'y  '^n-:  cisr:  ^=  eingehn  zum  Leben  der  zukünftigen  Welt.  Derekh  EreQ  2: 
E,.  El?azar  b.  5Azarja  (um  100)  sprach:  Wenn  ihr  steht  u.  betet,  so  wisset,  vor  wem  ihr 
steht  u.  betet;  denn  um  deswillen  werdet  ihr  eingehen  nc::r:>  zum  Leben  der  zuk.  Welt.  |! 
Aramäisch:  k'3~?  "'"<  r^'V?  =  ich  bin  zum  ewigen  Leben  eingegangen  Targ  Ps  40,  8. 

5,2151:  Ihr  habt  gehört,  daß  den  Alten  gesagt  wurde. 

rjxovaare  „ihr  habt  gehört"  =  „ihr  habt  als  Tradition  empfangen". 

Sanh  11,  2:  Wenn  sie  (die  Glieder  des  Gerichtshofes)  darüber  (eine  Tradition)  ge- 
liört  haben  iy?3r,  so  sagen  sie  sie  ihnen.  ||  pT*^rum  10, 47  b,  51 :  (Schim?on  b.  Abba,  um  280) 
sagte:  Ich  sage,  was  ich  gehört  (als  Tradition  empfangen)  habe;  jene  sagen,  was  sie 
gehört  haben.  ||  fEdujjoth  5,  7:  In  seiner  Sterbestunde  sprach  fAqabja  b.  Mahalahel 
(vor  90)  zu  seinem  Sohn:  Laß  ab  von  den  vier  Sätzen,  die  ich  gelehrt  habe  (s.  5,  6). 
Dieser  antwortete:  Warum  bist  du  nicht  von  ihnen  zurückgetreten?  Er  sprach  zu  ihm: 
Ich  habe  sie  aus  dem  Munde  mehrerer  gehört,  u.  meine  Gegner  haben  ihre  Worte  aus 
dem  Munde  mehrerer  gehört;  ich  bin  bei  dem  von  mir  Gehörten  geblieben,  jene 
bei  ihrer  Tradition.  Aber  du  hast  es  aus  dem  Munde  eines  einzelnen  gehört,  jene 
wiederum  aus  dem  Munde  mehrerer;  da  ist  es  besser,  die  Worte  des  einzelnen  zu  lassen 
u.  sich  an  die  Worte  mehrerer  zu  halten. 

€QQsd^r]  „es  ist  gesagt  worden"  -i-sriN  =  „es  ist  als  Tradition  gelehrt 
worden". 

fErub  15b  u.  Sukka  15^-:  p]s  ist  gesagt  worden  "r^rs:  Wenn  das  Eingerissene  so 
viel  ist,  wie  das  Stehengebliebene.  |l  Tafan  18^:  Es  ist  gesagt  worden:  R.  Chijja  b.  Aschi 
(um  270)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Die  Halakha  richtet  sich  nach  R.Jose.  — 
Weitere  Beispiele:  Ta?an20b;  Qid43a;  BQ  56'';  Mak6=i;  Sukka46^ 

ToTg  uQxaioig.  Die  „Alten"  sind  die  „früheren  Generationen"  min 
r:^:rj;N-n.  Der  Begriff  ist  ein  sehr  weiter,  wie  folgende  Stellen  zeigen. 

Midr  HL  7, 14  (130b):  ,An  unsren  Türen  allerlei  köstliche  Früchte"  HL  7,  14.  Die 
Rabbanan  (hier  Zeitgenossen  des  Rab  Schela,  um  220)  sagten:  Gleich  einem  König,  der 
einen  Garten  hatte,  welchen  er  einem  Pächter  übergab.  Was  tat  der  Pächter?  Er 
füllte  die  Körbe  mit  Feigen  von  den  Früchten  des  Gartens  u.  setzte  sie  an  die  Tür 
des  Gartens.  Als  nun  der  König  vorüberging  u.  all  diese  Pracht  sah,  sprach  er:  So 
viel  Pracht  an  der  Tür  des  Gartens,  wie  viel  mehr  im  ganzen  Garten !  So  waren  unter 
den  Geschlechtern  der  Früheren  (der  Alten)  die  Männer  der  Großen  Sj^nagoge  (nach 
Esra),  Hillel  u.  Schammai  u.  Rabban  Gamliel  der  Alte  (der  Lehrer  des  Apostels  Paulus); 

1  Bacher,  Agada  der  babyl.  Amor.  55,  vermutet,  daß  Rab  Huna,  der  Babylonier 
(f  297),  gemeint  ist. 


254  Matth  5,  21  (3t.  SB  1) 

u.  vollends  unter  den  Geschlechtern  der  Späteren  R.  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80), 
R.  Elifezer  (um  90),  R.  J^oschua?  (um  90),  R.  Meir  (um  150)  u.  R.  ?Aqiba  (f  um  Ub]> 
samt  seinen  Schülern.  Auf  sie  heißt  es  HL  7,  14:  „Neue  u.  Alte,  mein  Freund,  habe- 
ich dir  aufbewahrt."  —  Hiermit  vgl.  LvR  2  (134^):  „Neue  u.  Alte,  mein  Freund,  habe- 
ich dir  aufgehoben"  (HL  7,  14).  Abraham,  Isaak  u.  Jakob,  das  sind  die  Alten;  fAmrami 
b.  Q^hath  u.  alle  Frommen  in  Ägypten,  das  sind  die  Neuen.  —  Die  Genossen  Moses,. 
Josuas,  Davids  u.  Hiskias,  das  sind  die  Alten;  die  Genossen  Esras,  Hilleis,  des  Rabbani 
Jochanan  b.  Zakkai  u.  des  R.  Meir,  das  sind  die  Neuen.  ||  Joma  9b :  R.  Jochanan  (f  279)- 
u.  R.  EUazar  (um  270)  haben  beide  gesagt:  Den  Früheren  (zur  Zeit  der  Zerstörung  des. 
I.Tempels),  deren  Schuld  offenbart  wurde,  wurde  das  Ende  (ihres  Exils)  offenbart;  deni 
Späteren  (Zerstörung  des  2.  Tempels),  deren  Schuld  nicht  offenbart  wurde,  ist  das  Ende 
(ihres  Exils)  nicht  offenbart  worden.  R.  Jochanan  hat  gesagt:  Besser  der  Nagel  der- 
Früheren,  als  der  Bauch  der  Späteren.  Resch  Laqisch  (um  250)  sagte:  Im  Gegenteil,, 
die  Späteren  sind  besser;  obgleich  sie  unter  der  Knechtschaft  der  Weltreiche  sind,  so« 
beschäftigen  sie  sich  doch  mit  der  Tora.  Er  erwiderte:  Der  Tempel  beweist  es;  denn, 
den  Früheren  ist  er  wiedererstanden,  aber  den  Späteren  ist  er  nicht  wiedererstanden.  — 
Man  fragte  den  R.  Eli?ezer  (um  90):  Sind  die  Früheren  größer  oder  die  Späteren?  Er- 
antwortete: Richtet  euer  Auge  auf  den  Tempel!  Nach  andren  sprach  er:  Euer  Zeuge- 
ist der  Tempel!  —  Parallelstellen:  pJomal,38«,56;  MidrPs  137  §  10  (263b).  ||  pDemail,. 
21  d,  57 :  R.  Abba  b.  Z^bina  (um  330)  hat  im  Namen  des  R.  Z«'?ira  (um  300)  gesagt:  Wen», 
die  Früheren,  'S':";'  (damit  dürften  die  Tannaiten  gemeint  sein),  Engel  waren,  dann, 
sind  wir  Menschen;  u.  wenn  jene  Menschen  waren,  dann  sind  wir  Esel. 

€QQs^^]  ToTc  aQxf^ioig  =  „zu  den  Alten  wurde  gesagt".  Manche  deuten :: 
„von  den  A.  wurde  gesagt".  Dann  vgl.  Schab  64'':  Die  früheren  Ältesten 
n-^siüxin  n^:pT  haben  gesagt,  daß  sich  (die  Menstruierende)  nicht  schminkeni 
soll  an  den  Augen  u.  auf  den  Backen  u.  sich  nicht  putzen  soll  mit  bunten 
Kleidern,  bis  R.  ^Aqiba  (f  um  135)  kam  u.  lehrte:  In  diesem  Falle  machst 
du  sie  ja  ihrem  Mann  verächtlich.  |  Auch  bei  Josephus,  Antiq.  13, 10,  5: 
axovofisv  Tiaqcc  xööv  TiQsaßvxtQon'  „wir  hören  von  den  Alten"  erscheinen 
die  Alten  nicht  als  Empfänger,  sondern  als  Lehrer  oder  Überlieferer 
von  Satzungen  u.  Nachrichten. 

5,  21  SB:  Du  sollst  nicht  töten;  wer  aber  tötet, 
soll  dem  Gericht  verfallen  sein. 

1.  Der  Schwere  der  Sünde a  entsprach  die  Größe  der  Sühne:  auf 
Mord  stand  Todesstrafe.  So  schon  Gn  9,  6.  Doch  hat  das  jüdische  Recht 
nicht  an  dieser  Stelle  sich  entwickelt,  sondern  vielmehr  im  Gegensatz. 
dazu,  indem  man  Gn  9, 6  lediglich  die  Grundsätze  für  die  Rechtsprechung 
der  Noachiden,  d.  h.  der  außerjüdischen  Welt,  ausgesprochen  fand.b' 
Das  jüdische  Strafrecht  gegen  Mörder  ist  ausgebildet  worden  auf  Grund 
von  Ex  21, 12;  Lv  24, 17.  21;  Nu35,  IGff.c 

a.  Sanh  4,  5:  Deshalb  ist  ein  einziger  Mensch  in  der  Welt  geschaffen  worden,  um 
zu  lehren,  daß  jedem,  der  Eine  Seele  (Person)^  vernichtet,  man  es  anrechnet,  wie  wenn 
er  eine  ganze  Welt  vernichtet  hätte,  u.  jedem,  der  Eine  Seele  erhält,  man  es  anrechnet, 
wie  wenn  er  eine  ganze  Welt  erhalten  hätte.  !|  GnR  34  (21 '):  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  hat 
öffentlich  vorgetragen:  Wer  Blut  vergießt,  dem  rechnet  man  (=  Gott)  es  so  an,  al& 
hätte  er  das  Bild  Gottes  verringert,  s.  Gn  9,.  6:  „Wer  Menschenblut  vergießt,  des  Blut 
soll  durch  Menschen  vergossen  werden."  Weshalb?  „Denn  in  seinem  Bilde  hat  Gott  den 

^  Der  Zusatz  „von  Israel"  '-Nic-a  ist  schlecht  bezeugt. 


Matth  5.  21  (95  1)  255 

Menschen  gemacht."  —  Dasselbe  TJ^b  8,  4  (250).  Vgl.  auch  M^kh  Ex 20,  16  (78=^):  Wie 
sind  die  10  Gebote  gegeben  worden?  5  auf  der  einen,  5  auf  der  andren  Tafel.  Es 
heißt:  „Ich  bin  Jahve  dein  Gott"  (als  Anfang  der  ersten  Tafel),  u.  dem  entsprach  (als 
Anfang  der  zweiten  Tafel):  „Du  sollst  nicht  töten."  Damit  will  die  Schrift  anzeigen, 
daß,  wer  Menschenblut  vergießt,  von  der  Schrift  so  angesehen  wird,  als  hätte  er  das 
Bild  des  Königs  verringert.  Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  in  eine  Stadt 
kam;  er  ließ  sich  Standbilder  setzen  u.  andre  Bilder  anfertigen,  u.  man  prägte  ihm 
Münzen  (mit  seinem  Bildnis).  Nach  einiger  Zeit  stürzte  man  ihm  die  Standbilder  um, 
zerbrach  die  Bildnisse  u.  beseitigte  seine  Münzen  u.  verringerte  so  das  Bild  des  Königs. 
Ebenso  rechnet  es  die  Schrift  dem,  der  Menschenblut  vergießt,  so  an,  als  ob  er  das 
Bild  des  Königs  verringerte,  s.  Gn  9,  6.  ||  Mord  wird  neben  Blutschande  u.  Götzendienst 
regelmäßig  zu  den  schwersten  Übertretungen  gerechnet,  zB  Sanh  74^:  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  J^hoQadaq  (um  225)  gesagt:  Im  Söller  des 
Hauses  des  Nithza  zu  Lydda  hat  man  abgestimmt  u.  beschlossen  (um  132 — 135  n.Chr.): 
Alle  Übertretungen,  die  in  der  Tora  erwähnt  werden,  mag  ein  Mensch,  zu  dem  man 
(die  heidnische  Obrigkeit)  sagt:  „Begehe  .sie,  damit  du  nicht  getötet  werdest",  begehn, 
um  nicht  getötet  zu  werden,  ausgenommen  Götzendienst,  Inzest  u.  Mord  (wörtlich: 
Blutvergießen).  ...  Es  kam  jemand  vor  Rabbah  (f  330)  u.  sprach  zu  ihm:  Der  Vor- 
steher meines  Wohnortes  hat  zu  mir  gesagt:  „Geh  u.  töte  den  u.  den;  wenn  du  es  nicht 
tust,  so  töte  ich  dich!"  Er  antwortete:  Mag  man  dich  töten,  doch  töte  du  nicht!  Wer 
sagt  dir,  daß  dein  Blut  röter  (wertvoller)  ist?  Vielleicht  ist  des  andren  Blut  röter.  — 
Der  erste  Teil  auch  pSch^'bifith  4*,  35  %  41.  51 ;  pSanh  3,  21  b,  9.  ij  TPea  1,  2  (18):  Wegen 
folgender  Dinge  straft  man  den  Menschen  in  dieser  Welt,  während  ihm  das  Kapital 
(die  Hauptstrafe)  anstehn  bleibt  in  der  zukünftigen  Welt:  Götzendienst,  Unzucht,  Blut- 
vergießen (Mord)  u.  Verleumdung,  die  sie  alle  aufwiegt.  —  Diese  3  Kardinalsünden 
werden  nebeneinander  genannt  auch  Lv  18,  4  (338^);  pPea  1,  15*^,  54;  fArakh  15^; 
MidrQoh  1,  13  (10b). 

b.  GnR34(21b):  Wer  Menschenblut  vergießt,  des  Blut  soll  durch  Menschen  ver- 
gossen werden"  Gn  9,  6.  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt:  Das  alles  bezieht  sich  auf 
die  Rechtsnormen  der  Noachiden,  auf  den  einen  Zeugen,  auf  den  einen  Richter,  auf 
das  Fehlen  von  Zeugen,  auf  das  Fehlen  der  Verwarnung,  auf  das  Töten  durch  einen 
Beauftragten  (gedungenen  Mörder)  u.  auf  Abtreiben  der  Leibesfrucht.  Betreifs  des  Einen 
Zeugen  oder  des  Einen  Richters  heißt  es:  „Wer  Menschenblut  vergießt,  des  Blut  soll 
vergossen  werden  n-sa",  also  durch  Einen  Menschen  (sei  es  Ein  Zeuge  oder  Ein 
Richter).  Betreffs  des  Fehlens  von  Zeugen  u.  des  Fehlens  der  Verwarnung  heißt  es: 
„Wer  Menschenblut  vergießt,  des  Blut  soll  vergossen  werden"  (hier  verlautet  also 
nichts  von  Zeugen  der  Tat  u.  von  Verwarnung  des  Täters  durch  die  Zeugen).  Betreffs 
des  gedungenen  Mörders  heißt  es:  „Wer  Menschenblut  vergießt  n-sa",  durch  einen 
(andren)  Menschen  (der  Midr  zieht  e-N2  in  diesem  Fall  zum  Vordersatz).  Betreffs  des 
Embryo  heißt  es:  „Wer  Menschenblut  n-Si",  in  einem  (andren)  Menschen  (in  der 
Mutter)  „vergießt"  usw.  —  Man  beachte,  was  hier  alles  die  buchstäbliche  Auslegung 
von  Gn  9,  6  zu  beweisen  vermag.  ||  Sanh  57  b:  R.  .Jafaqob  b.  Acha  (um  350)  fand  in  einem 
Haggadabuch  des  Lehrhauses  geschrieben:  Ein  Noachide  (==  Nichtisraelit)  wird  (wegen 
Mordes)  hingerichtet  durch  Einen  Richter,  durch  Einen  Zeugen,  ohne  vorherige  Ver- 
warnung, auf  die  Aussage  eines  Mannes  hin,  aber  nicht  auf  die  einer  Frau,  selbst 
wenn  jener  Mann  ein  naher  Verwandter  ist.  Im  Namen  des  R.  Jischma?el  (f  um  135) 
hat  man  gesagt:  Auch  wegen  eines  Embryo  wird  er  getötet.  Woher  läßt  sich  das  be- 
weisen? Rah  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt:  Die  Schrift  sagt  Gn9,  5:  „Doch  euer  Blut, 
das  eurer  Seelen,  will  ich  fordern",  selbst  durch  Einen  Richter  (das  is  =  „doch"  hat 
einschränkende  Bedeutung);  „von  der  Hand  eines  jeden  Wesens",  auch  ohne  Verwarnung 
will  ich  es  fordern  (Folgerung  aus  dem  absolut  gefaßten  Vr);  „u.  von  der  Hand  des 
Menschen",  auch  durch  Einen  Zeugen;  „von  der  Hand  eines  Mannes",  u.  nicht  von 
der  Hand  einer  Frau;  „seines  Bruders",  auch  eines  nahen  Verwandten.  Im  Namen  des 
R.  Jischma?el  hat  man  gesagt:  Auch  wegen  eines  Embryo  wird  er  getötet.  Was  ist  der 


256  Matth  5,  21  (83  1) 

Grund  des  R.  JischmaJel?  „Wer  Menschenblut  in  einem  Menschen  vergießt,  dessen 
Blut  soll  vergossen  werden"  Gn  9,  6.  Welcher  Mensch  ist  denn  in  einem  Menschen? 
Sage:  Das  ist  der  Embryo  im  Leibe  seiner  Mutter.  Der  erste  Tannait  ist  der  aus  der 
Schule  des  M^'nasse,  der  gesagt  hat:  So  oft  bei  den  Noachiden  von  der  Todesstrafe 
geredet  wird,  ist  die  Erdrosselung  gemeint;  er  zieht  das  Wort  c-:s3  zum  Schluß  des 
Verses  u.  erklärt:  „Wer  Menschenblut  vergießt,  des  Blut  soll  in  dem  Menschen  (=  in 
ihm,  dem  Mörder)  vergossen  werden."  Was  ist  das  für  ein  Blutvergießen  bei  einem 
Menschen,  das  im  Körper  des  Menschen  erfolgt?  Sage:  Das  ist  die  Erdrosselung.  — 
Zwei  hierher  gehörende  Auslegungen  finden  sich  noch  GnR34(2l'^):  „Ich  will  euer 
Blut  fordern  von  jeglichem  Tier"  (Gn  9,  5),  damit  ist  der  gemeint,  der  einen  andren 
einem  Tier  zur  Tötung  vorwirft;  „von  der  Hand  des  Mannes  seines  Bruders"  (so  der 
Midr),  damit  ist  der  gemeint,  der  andre  dingt,  seinen  Nächsten  zu  töten.  (Mann  des 
Bruders  =  Mann,  der  einem  andren  gleichsam  gehört,  verfallen  ist,  weil  er  sich  von 
ihm  hat  dingen  lassen.) 

C.  M'^khEx  21,  12  (85^):  „Wer  einen  Mann  schlägt,  daß  er  stirbt,  der  soll  ge- 
tötet werden"  Ex  21,  12.  Weshalb  wird  das  gesagt?  Weil  es  Lv  24,  17  heißt:  „Falls 
ein  Mann  irgendeinen  Menschen  schlägt  (so  der  Midr),  soll  er  getötet  werden" ;  daraus 
könnte  ich  entnehmen:  auch  wenn  er  ihm  einen  Backenstreicli  gibt.  Darum  heißt  es 
Ex  21,  12:  „Wer  einen  Menschen  schlägt,  daß  er  stirbt."  Das  zeigt,  daß  der  Täter 
erst  strafbar  ist,  wenn  des  Geschlagenen  Leben  ganz  ausgegangen  ist.  —  „Wer  einen 
Mann  schlägt";  da  höre  ich  nur,  wenn  er  einen  „Mann"  schlägt.  Woher  aber  auch, 
wenn  er  eine  Frau  oder  einen  Minorennen  schlägt?  Weil  es  heißt  Lv  24,  17:  Falls  ein 
Mann  „irgendeinen  Menschen"  schlägt,  um  den  mit  einzuschließen,  der  eine  Frau  oder 
einen  Minorennen  schlägt.  Da  (aus  Ex  2],  12  u.  Lv  24,  17)  höre  ich  nur  von  einem  Mann 
oder  einer  Frau,  die  einen  Mann  getötet  haben,  u.  von  einem  Mann,  der  eine  Frau  oder 
einen  Minderjährigen  getötet  hat;  woher  aber  auch,  wenn  eine  Frau  einen  Minder- 
jährigen oder  ihre  Genossin  getötet  hat?  Die  Schrift  sagt  Nu  35,  16 — 18:  „So  ist  er 
ein  Mörder" ;  das  will  zur  Belehrung  dienen  (wer  auch  immer  einen  andren  tötet,  ist 
ein  Mörder  u.  als  solcher  dem  Tode  verfallen).  —  Wer  einen  „Mann"  schlägt;  daraus 
könnte  ich  entnehmen,  daß  ausgeschlossen  sei,  wer  einen  Minderjährigen  tötet;  des- 
halb heißt  es  Lv  24,  17:  Falls  ein  Mann  „irgendeinen  Menschen"  schlägt,  um  den 
Minderjährigen  mit  einzuschließen.  Daraus  könnte  ich  entnehmen,  daß  auch  ein  Acht- 
monatskind (solche  hielt  man  nicht  für  lebensfähig)  mitgemeint  sei.  Deshalb  heißt  es: 
wer  einen  „Mann"  schlägt.  Das  zeigt,  daß  nur  der  straffällig  ist,  der  ein  lebensfähiges 
Kind  tötet.  —  „Wer"  einen  Mann  schlägt;  darin  liegt  auch  „ein  Minderjähriger"  (der 
tötet,  ist  straffällig).  Dagegen  heißt  esLv24, 17:  Falls  ein  „Mann"  irgendeinen  Menschen 

schlägt,  um  den  Minderjährigen  (aus  der  Zahl  der  Mördern. Straffälligen)  auszuschließen 

„der  soll  getötet  werden"  „Ex  21,  12,  d.  h.  auf  Grund  der  Verwarnung  durch  die  Zeugen 
(s.  unten  Nr.  3  B  1,  S.261 — 263).  Du  sagst:  Auf  Grund  der  Verwarnung  durch  die  Zeugen; 
oder  nicht  vielmehr  ohne  Verw.  durch  die  Z.?  Es  heißt  Dt  17,  6:  „Auf  das  Wort  zweier 
oder  dreier  Zeugen  werde  der  Delinquent  getötet."  Siehe,  was  will  die  Schrift  lehrend 
»sagen  mit:  „Der  soll  getötet  werden"?  Auf  Grund  der  Verwarnung  durch  die  Zeugen.  — 
„Der  soll  getötet  werden",  d.  h.  durch  einen  Gerichtshof.  Du  sagst:  Durch  einen  Ge- 
richtshof; oder  nicht  vielmehr  ohne  einen  Gerichtshof?  Es  heißt  Nu  35,  16  — 18:  „Der 
Mörder  soll  getötet  werden."  Siehe,  was  heißt  also:  Er  soll  getötet  werden?  Durch 
einen  Gerichtshof.  [Die  Beweisstelle  Nu  35,  16  besagt  in  diesem  Falle  nichts;  es  wird 
vor  rtijTin  ri3i^  ein  s's  ausgefallen  sein;  dann  ist  als  Belegvers  gemeint  Nu  35,  12,  u. 
diese  Stelle  ist  allerdings  beweiskiäftig :  Der  Mörder  soll  nicht  getötet  werden,  ehe 
er  vor  der  Gemeinde  zum  Gericht  gestanden  hat.]  —  „Der  soll  getötet  werden",  näm- 
lich mit  dem  Schwert.  Du  sagst:  Mit  dem  Schwert;  nicht  vielmehr  durch  Erdrosselung? 
Siehe  du  folgerst:  Es  heißt  hier,  Ex  21,  12  n'in-^  r-,?5,  soll  des  Todes  sterben,  u.  ebenso 
heißt  es  dort  vom  Ehebrecher  Lv  20,  10:  rar  mis:  ^  wie  Lv  20,  10  durch  Erdrosselung, 

*  Schluß  aus  gleichem  Ausdruck  an  zwei  verschiedenen  Stellen,  s.  Einl.  97,  Nr.  2. 


Matth  5,  21  (SB  1.  2)  257 

so  auch  hier  Ex  21,  12  durch  Erdrosselung.  Du  ziehst  den  Ehebrecher  zum  Vergleich 
heran,  ich  ziehe  den  Gotteslästerer  zum  Vergleich  heran.  Es  heißt  hier  Ex  21,  12:  Er 
soll  des  Todes  sterben,  u.  es  heißt  beim  Gotteslästerer  Lv  24, 16:  Er  soll  des  Todes  sterben: 
wie  dort  (Lv  24)  durch  Steinigung,  so  auch  hier  (Ex  21)  durch  Steinigung.  Du  zogst  den 
Ehebrecher  u.  ich  zog  den  Gotteslästerer  zum  Vergleich  heran.  Es  heißt  aber  Gn  9, 6 :  Wer 
Menschenblut  vergießt,  des  Blut  soll .  . .  , vergossen"  werden.  Noch  könnte  man  meinen, 
daß  man  ihm  aus  zwei  Gliedern  Blut  ablassen  solle,  bis  er  stirbt.  Dagegen  heißt  es  Dt  2 1 , 4 : 
Sie  sollen  dort  dem  Kalb  im  Tale  das  Genick  brechen  u.  das.  Vers  9:  und  du  tilge 
das  unschuldige  Blut  aus  deiner  Mitte  weg.  Er  vergleicht  hier  den  Blutvergießer  mit 
der  jungen  Kuh,  der  das  Genick  gebrochen  wird:  wie  bei  der  Kuh,  der  das  Genick 
gebrochen  wird,  ein  Abbrechen  des  Kopfes  statthat,  so  findet  auch  bei  allen  Blut- 
vergießern ein  Abschlagen  des  Kopfes  statt.  —  Die  Strafe  haben  wir  gehört,  aber  die 
Warnung  haben  wir  nicht  gehört.  Deshalb  heißt  es  Ex  20, 13 :  Du  sollst  nicht  morden.  — 
Teilweise  parallel  Sanh  84^;  52^;  M-^kh  Ex  20,  13  (77"^);  SLv  24,  17  (424 »);  K^th  37^. 

2.  Wie  es  scheint,  wurden  in  der  neutestamentl.  Zeit  die  Zufluchts- 
städte nicht  nur  von  Totschlägern,  sondern  auch  von  Mördern,  sofern 
sie  sich  entdeckt  wußten,  aufgesucht,  a  Blieb  der  Täter  unbekannt,  so 
griff  das  Verfahren  mit  dem  Kalbe  Platz,  Dt  21, 1  ff.  —  eine  Bestimmung, 
die  vermutlich  im  1.  nachchristl.  Jahrhundert  aufgehoben  wurde,  b  Von 
den  Asylstädten  aus  wurden  sowohl  die  Totschläger  als  auch  die  Mörder 
den  ordentlichen  Gerichten  zugeführt,  c  Zuständig  war  wohl  das  aus 
23  Mitgliedern  bestehende  Synedrium,  in  dessen  Bezirk  der  Mord  ge- 
schehen war;  dergleichen  Gerichtshöfe  befanden  sich  in  jeder  größeren 
Stadt. d  Das  große  Synedrium,  das  71  Mitglieder  zählte,  in  Jerusalem, 
trat  bei  einem  Kapitalverbrechen  nur  dann  in  Funktion,  wenn  ein 
Hoherpriester  eines  solchen  beschuldigt  wurde,  e 

a.  Mak2,  6:  R.Jose  b.  J'^^huda  (um  180)  sagte:  Zunächst  eilen  sowohl  der  un- 
vorsätzliche, als  auch  der  vermessene  Totschläger  nach  den  Freistädten,  u.  das  Gericht 
schickt  u.  läßt  sie  von  dort  kommen.  —  Anders  Mak  2,  8:  Der  Feind  (d.  h.  wenn  der 
Totschläger  ein  notorischer  Feind  des  Erschlagenen  war)  flüchtet  nicht  (sondern  wird 
vom  Gericht  abgeurteilt).  R.  Jose  b.  J^huda  (s.  oben)  sagte:  Der  Feind  wird  getötet, 
weil  er  als  notorisch  feindlich  gilt.  R.  Schim?on  (b.  Jochai,  um  150)  sagte:  Es  gibt 
Feinde,  welche  flüchten  dürfen,  u.  es  gibt  Feinde,  welche  nicht  flüchten  dürfen.  Jeder, 
von  dem  man  sagen  kann,  er  habe  absichtlich  getötet,  darf  nicht  flüchten ;  wer  aber 
nicht  mit  Absicht  getötet  hat,  der  darf  flüchten.  —  Die  Halakha  ist  nicht  nach  der 
Meinung  des  R.  Schimfon  b.  J.  —  Der  erste  Ausspruch  des  R.  Jose  b.  J'^'huda  auch 
SDt  19,  11  (108^)  u.  SNu  35,  25  (62*). 

b.  Sota  9,  9:  Als  die  Mörder  sich  mehrten,  schaffte  man  das  Kalb,  dem  das  Ge- 
nick gebrochen  wurde,  ab.  —  TSota  14,  1  (320):  R.  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  sagte: 
Als  die  Mörder  sich  mehrten,  schaffte  man  das  Kalb,  dem  das  Genick  gebrochen  wurde, 
ab,  weil  ein  solches  Kalb  nur  im  Zweifelsfall  zur  Anwendung  kommt;  jetzt  aber  mordet 
man  frei  öffentlich.   Als  Bar  Sota  47  '\ 

C.  Siehe  Mak  2,  6  in  Anm.  «. 

d.  Sanh  1,4:  Kapitalverbrechen  werden  durch  dreiundzwanzig  abgeurteilt.  —  Das 
widernatürlich  beiliegende  oder  zum  Beiliegen  gebrauchte  Vieh  durch  dreiundzwanzig; 
vgl.  Lv20,  16:  „Du  sollst  das  Weib  u.  das  Vieh  umbringen"  u.  20,  15:  ,'Und  das  Vieh 
sollt  ihr  umbringen."  —  Das  zu  steinigende  Rind  durch  dreiundzwanzig;  vgl.  Ex  21,  29: 
„Das  Rind  soll  gesteinigt  werden,  u.  auch  sein  Herr  soll  getötet  werden";  wie  die 
Tötung  des  Herrn,  so  die  Tötung  des  Rindes.  (Nach  der  traditionellen  Auslegung  der 
Stelle  besagen  die  Worte  nicht,  daß  der  Besitzer  getötet  werden  soll.  Die  Tötung  des 
Herrn  werde   nur  erwähnt,   um  daraus   einen  Schluß   zu   ziehen   auf  die  Tötung  des 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  17 


•Jo{ 


Matth5,21  (SB  2) 


Rindes:  wie  der  Herr  nur  durch  23  R.  abgeurteilt  werden  darf,  so  auch  das  Rind. 
Nach  pSanh  1,  19'\  16  geht  diese  Auslegung  auf  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80) 
zurück;  ÄPkh  Ex  21,  29  (9o''')  wird  sie  von  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  vertreten;  vgl.  auch 
BQ44''.  —  Der  Löwe,  der  Bär,  der  Leopard,  der  Pardel.u.  die  Schlange  —  ihre  Tötung 
(falls  eines  von  ihnen  einen  Menschen  getötet  hat)  durch  dreiundzwanzig.  R.  Eli^ezer 
(um  90)  sagte:  Wer  sie  vorher  (ehe  sie  einen  Menschen  getötet  haben)  umbringt,  hat 
sich  verdient  gemacht.  —  ||  Sanh  1,6:  Woher,  daß  das  kleine  Synedrium  23  Mitglieder 
hat?  Es  heißt  (Nu  35,  24.  25):  „Und  die  Gemeinde  richte  .  .  .  u.  die  Gemeinde  errette." 
Eine  richtende  Gemeinde  u.  eine  rettende  Gemeinde,  das  sind  20.  Und  woher,  daß  eine 
„Gemeinde"  10  (Mitglieder)  hat?  Vgl.  Nu'14,  27:  „Wie  lange  soll  es  dieser  bösen  Ge- 
meinde beikommen?"  J'^hoschuaf  u.  Kaleb  sind  ausgenommen.  (12  Kundschafter  weniger 
Josua  u.  Kaleb  sind  10;  diese  10  heißen  eine  „Gemeinde",  also  umfaßt  eine  Gemeinde 
10  Personen,  2  Gemeinden  Nu  35,  24 f.  =  20  Personen.)  Und  woher,  daß  noch  drei  hin- 
zuzufügen sind?  Aus  Ex  23,  2:  „Du  sollst  nicht  der  Menge  zum  Bösen' folgen",  ent- 
nehme ich,  daß  die  Schrift  sagt:  Sei  mit  ihnen  zum  Guten.  Wenn  das  so,  wozu  heißt 
es  noch,  Ex  23,  2:  „nach  der  Mehrheit  zu  entscheiden"?  Nicht  wie  deine  Entscheidung 
zum  Guten  sei  deine  Entscheidung  zum  Bösen  (zum  Guten,  d.  h.  zur  Freisprechung  des 
Angeklagten  genügt  die  einfache  Majorität;  der  einfachen  Majorität  soll  man  aber 
nicht  zum  Bösen,  zur  Verurteilung  des  Angeklagten  folgen;  also  gehört  zur  Verurteilung 
mindestens  eine  Majorität  von  2  Stimmen),  deine  Entscheidung  zum  Guten  kann  geschehn 
auf  den  Ausspruch  Eines,  deine  Entscheidung  zum  Bösen  auf  den  Ausspruch  zweier  (also 
müssen  zu  den  obigen  20  Personen  noch  2  hinzutreten).  Kein  Gerichtshof  ist  in  ge- 
rader Zahl:  daher  fügt  man  zu  ihnen  noch  Einen  hinzu,  das  sind  23.  [Etwas  anders 
SNu  35,  23  (62^).]  —  Wieviel  Einwohner  sollen  in  einer  Stadt  sein,  daß  sie  für  ein 
Synedrium  (von  23  Mitgliedern)  geeignet  sei?  120.  R.  N'^chemja  (um  150)  sagte:  230, 
entsprechend  den  Oberen  über  Zehn.  (Dann  setzen  23  Obere  230  Personen  voraus;  die 
Halakha  ist  nicht  nach  ihm.)  —  ||  Sanh  17 '^:  Wie  kommen  jene  120  Personen  heraus 
(die  eine  Stadt  als  Einwohnerschaft  haben  muß,  falls  sie  Sitz  eines  Gerichtshofes  von 
23  Mitgliedern  sein  soll)?  23  Personen,  entsprechend  der  Mitgliederzahl  eines  kleinen 
Synedriums,  dazu  3  Reihen  von  je  23  Personen  (die  als  Weisenschüler  nach  Sanh  4,  4 
den  Verhandlungen  beiwohnen  durften;  eventuell  wurde  aus  ihrer  Zahl  der  Gerichts- 
hof ergänzt),  siehe,  das  sind  92.  Ferner  10  geschäftslose  Leute  für  die  Synagoge 
(10  Personen  gehörten  zur  Abhaltung  des  Gottesdienstes;  damit  ein  solcher  stets  zu- 
stande käme,  wurden  10  meist  anderweitig  nicht  in  Anspruch  genommene  Männer, 
die  viri  otiosi,  gegen  Bezahlung  zur  regelmäßigen  Anwesenheit  in  der  Synagoge  ver- 
pflichtet), siebe,  das  sind  102;  ferner  zwei  Gerichtsschreiber,  zwei  Gerichtsdiener,  zwei 
Prozessierende,  zwei  Zeugen,  (eventuell)  zwei  Gegenzeugen,  (eventuell)  zwei  Gegen- 
zeugen gegen  jene  Gegenzeugen,  siehe,  das  sind  114.  Nun  heißt  es  weiter  in  einer 
Bar:  In  einer  Stadt,  in  welcher  nicht  folgende  zehn  Dinge  sind,  darf  ein  Gelehrten- 
schüler nicht  wohnen:  ein  Gericht,  das  auf  Geißelung  u.  Geldstrafe  erkennen  darf 
(sogenanntes  Drei-Männer-Gericht),  eine  Armenkasse,  deren  Beiträge  durch  zwei  Per- 
sonen erhoben  u.  durch  drei  Personen  verteilt  werden,  eine  Synagoge,  ein  Badehaus, 
ein  Abort,  ein  Arzt,  ein  Aderlasser,  ein  Torarollenschreiber,  ein  Schlächter  u.  ein 
Kinderlehrer.  —  (Wie  die  an  120  noch  fehlenden  6  Personen  aus  dieser  Bar  gewonnen 
sind,  bleibt  unklar.) —  ||  Mak7*:  „Das  Synedrium  hat  Geltung  im  Lande  (Israel)  u.  außer- 
halb des  Landes"  (Mak  1, 10).  Woher  diese  Bestimmung?  Die  Rabbanan  haben  gelehrt: 
„Dies  soll  euch  zur  Rechtssatzung  sein  für  eure  Geschlechter  in  allen  euren  Wohn- 
sitzen" Nu  35,  29.  Daraus  lernen  wir  in  bezug  auf  das  Synedrium,  daß  es  im  Inlande 
u.  im  Auslande  in  Geltung  ist.  Wenn  dem  so  ist,  was  besagt  dann:  „In  deinen  Toren" 
Dt  17,  8?  In  deinen  Toren  sollst  du  Gerichtshöfe  in  jedem  Bezirk  u.  in  jeder  Stadt  ein- 
setzen; aber  im  Auslande  sollst  du  sie  in  jedem  Bezirk  u.  nicht  in  jeder  Stadt  einsetzen. 

e.  Sanh  1,5:  Man  richtet  weder  einen  Stamm  (der  zum  Götzendienst  abgefallen 
ist)  noch  einen  falschen  Propheten  noch  einen  Hohenpriester  außer  durch  das  Gericht 
der  Einundsiebzig.  —  Und  zu  einem  freiwillig  übernommenen  Kriege  (im  Gegensatz 


Matth  5,  21  (SB  2.  3  A)  259 

zu  einem  von  der  Tora  gebotenen)  zieht  man  nur  auf  einen  Spruch  des  Gerichts  der 
Einundsiebzig  aus.  —  Der  Stadt  (Jerusalem)  u.  den  Tempelvorhöfen  fügt  man  nur  auf 
einen  Spruch  des  Gerichts  der  Einundsiebzig  hinzu.  —  Gerichtshöfe  für  die  Stämme 
(vgl.  Dt  16,  18;  gemeint  sind  die  Synedrien  mit  23  Mitgliedern)  setzt  man  nur  durch 
das  Gericht  der  Einundsiebzig  ein.  —  Man  fällt  das  Urteil  über  die  abwendig  gemachte 
Stadt  (s.  Dt  13,  13  ff.)  nur  durch  das  Gericht  der  Einundsiebzig.  Man  fällt  das  Urteil 
nicht  über  eine  abwendig  gemachte  Stadt  an  der  Grenze  (wegen  der  Bedeutung  einer 
so  gelegenen  Stadt  soll  nicht  die  Stadt  selbst  zerstört,  sondern  ihre  Einwohnerschaft 
hingerichtet  werden),  auch  nicht  über  drei  Städte  (durch  einunddenselben  Gerichtshof), 
wohl  aber  über  eine  oder  zwei.  —  ll  Sanh  1,6:  Woher,  dafs  das  große  Synedrium  71  Mit- 
glieder hat?  Vgl.  Nu  11,  16:  „Sammle  mir  70  Männer  aus  den  Ältesten  Israels";  u. 
Mose  zu  ihnen  hinzu  (weil  es  Nu  11,  17  heißt:  Sie  sollen  „mit  dir*  tragen):  das  sind 
71.  R.  .Hmda  (b.  Elfai,  um  150)  sagte:  70.  (Er  erklärte  Nu  11,  17:  Sie  sollen  tragen 
, gleichwie  du"  Sanh  17*;  also  wurde  Mose  nicht  mitgezählt.) 

3.  Ein  dreifacher  Urteilsspruch  war  bei  Kapitalverbrechen  möglich : 
er  konnte  lauten  auf:  A.  Verbannung,  B.  Todesstrafe  u.  C.  Freilassung. 

Mak2,  6:  R.  Jose  b.  J'^huda  (um  180)  sagte:  Wer  (von  den  Kapitalverbrechern)  zum 
Tode  verurteilt  war,  den  tötete  man,  u.  wer  nicht  zum  Tode  verurteilt  war,  den  ent- 
ließ man,  u.  wer  zum  Flüchten  verurteilt  war  (nach  einer  Asylstadt),  den  brachte  man 
zurück  an  seinen  Ort  (d.  h.  nach  der  Asylstadt,  in  die  er  unmittelbar  nach  dem  Tot- 
schlag geflohen  war);  s.  Nu  35,25:  Und  die  Gemeinde  soll  ihn  in  seine  Freistadt  zurück- 
bringen, dahinein  er  geflohen  war.  —  Dasselbe  SNu  35,  25  (62^);  SDt  19,  11  (108 b). 

A.  Verbannung. 

Das  Gericht  hatte  auf  Verweisung  des  Totschlägers  in  eine  der 
Exilstädte  zu  erkennen,  wenn  die  Tat  zwar  unvorsätzlich  geschehen 
war,  aber  doch  bei  Anwendung  der  gebotenen  Vorsicht  hätte  vermieden 
werden  können.  Das  Fahrlässige  also  in  der  Handlungsweise  des  Tot- 
schlägers war  es,  was  durch  die  Verbannungsstrafe  getroffen  wurde,  a  — 
Bei  der  Rückkehr  in  die  Asylstadt  begleiteten  den  Totschläger  zwei 
Gelehrtenschüler,  um  den  Bluträcher  von  ihm  fernzuhalten,  b  Die  Ver- 
bannung dauerte  bis  zum  Tode  des  Hohenpriesters  ;c  nur  in  ganz  ver- 
einzelten Fällen  war  das  Exil  lebenslänglich,  d 

a.  Mak  2,  1 :  Folgende  gehen  in  die  Verbannung:  wer  einen  Menschen  unvorsätzlich 
(versehentlich)  tötete.  Wenn  jemand  mit  einer  Walze  (auf  dem  flachen  Dach)  gerollt 
hat  u.  sie  ist  auf  jemand  gefallen  u.  hat  ihn  getötet;  wenn  er  ein  Faß  hinabgelassen 
hat  u.  es  ist  auf  jemand  gefallen  u.  hat  ihn  getötet;  wenn  er  auf  einer  Leiter  hinab- 
gestiegen u.  auf  jemand  gefallen  ist  u.  hat  ihn  getötet:  so  geht  dieser  in  die  Ver- 
bannung. Aber  wenn  er  an  einer  Walze  (nach  oben)  gezogen  hat  u.  sie  auf  jemand 
gefallen  ist  u.  ihn  getötet  hat;  wenn  er  an  einem  Faß  aufwärts  gezogen  hat  u.  der 
Strick  gerissen  u.  es  auf  jemand  gefallen  ist  u.  ihn  getötet  hat;  wenn  er  auf  einer 
Leiter  hinaufgestiegen  u.  auf  jemand  gefallen  ist  u.  ihn  getötet  hat:  so  braucht  dieser 
nicht  in  die  Verbannung  zu  gehn.  Dies  ist  die  Regel:  alles,  was  bei  seinem  Herunter- 
lassen tütet,  dabei  muß  man  in  die  Verbannung  gehn;  wenn  es  aber  bei  seinem  Nicht- 
Herunterlassen  tötet,  so  braucht  man  nicht  in  die  Verbannung  zu  gehn.  [Die  Mischna 
setzt  voraus,  daß  man  beim  Hinablassen  u.  beim  Hinabsteigen  das,  was  unten  vor- 
geht, mehr  vor  Augen  hat,  als  beim  Hoch  winden  oder  beim  Emporsteigen;  im  letztern 
Fall  ist  deshalb  die  Verantwortlichkeit  des  Menschen  ausgeschlossen,  während  sie  im 
erstem  Fall  besteht  u.  deshalb  zur  Verurteilung  führt.]  —  Wenn  das  Eisen  (der  Axt) 
aus  seinem  Stiel  geglitten  ist  u.  jemand  getötet  hat,  dann  braucht  er,  sagte  Rabbis 
nicht  in  die  Verbannung  zu  gehn;  aber  die  Gelehrten  sagten:  Er  muß  dorthin  gehn 
(sie  meinten,  daß  in'  diesem  Falle  eine  Fahrlässigkeit  vorliege;  das  Eisen  hätte  besser 

17* 


260  Matth  5,  21  (»SA) 

befestigt  werden  können).  Wenn  aber  von  dem  Baum,  der  gespalten  wird,  dann  muß 
er,  sagte  Rabbi,  in  die  Verbannung  gehn;  aber  die  Gelehrten  sagten:  Er  braucht  es 
nicht.  (Der  Grund  der  Meinungsverschiedenheit  liegt  in  der  Deutung  des  Wortes  •,•>* 
Dt  19,  5":  Die  Gelehrten  verstehn  darunter  das  Holz  der  Axt,  welches  spaltet,  yps^ir;  yy, 
Rabbi  das  Holz  des  Baumes,  welches  gespalten  wird,  spzirnr:  yy;  s.  SDt  19,  5  (108''). 
Eine  andre  Erklärung  der  Kontroverse  gibt  pMak  2,  31 ",  40,  während  bMak  7**  der 
Tradition  von  Siphre  folgt.)  —  |1  Mak  2,  2:  Wenn  jemand  einen  Stein  in  den  Bereich  der 
Öffentlichkeit  geworfen  u.  getötet  hat,  so  mufa  er  in  die  Verbannung  gehn  (er  hätte 
es  sich  sagen  müssen,  daß  der  Stein  an  einem  öflfentl.  Ort  Unheil  anrichten  könne). 
R.  Eli?ezer  b.  Ja?aqob  (1.?  um  80,  II.  V  um  löO)  sagte:  Wenn,  nachdem  der  Stein  seiner 
Hand  entfahren  ist,  jener  seinen  Kopf  hervorstreckt  u.  ihn  (den  Stein)  aufgefangen 
hat,  so  ist  er  (der  Werfende)  straffrei.  (Dies  ist  als  Halakha  rezipiert.)  Wenn  er  den 
Stein  in  sein  eignes  Gehöft  geworfen  u.  jemand  getötet  hat,  so  muß  er,  wenn  der  Be- 
schädigte befugt  war,  dorthin  einzutreten,  in  die  Verbannung  gehn;  wenn  aber  nicht, 
so  braucht  er  nicht  in  die  Verbannung  zu  gehn;  vgl.  Dt  19,  5:  „Wenn  einer  mit  seinem 
Nächsten  in  den  Wald  geht."  Wie  beim  Walde  der  Beschädigte  u.  der  Beschädiger  be- 
fugt ist  dorthin  einzutreten  (so  gilt  das  Gesetz  überall,  wo  beide  befugt  sind).  Aus- 
genommen ist  also  das  Gehöft  eines  Besitzers;  denn  dorthin  einzutreten  sind  der 
Beschädigte  u.  der  Beschädiger  nicht  (in  gleicher  Weise)  befugt.  [Ähnlich  SDt  19,  5 
(108'').]  —  Abba  Schaäul  (um  150)  sagte:  Wie  das  Holzfällen  etwas  Freiwilliges  ist  (so 
findet  das  Gesetz  betreffs  der  Verbannung  bei  allem  Freiwilligen  Anwendung);  aus- 
genommen ist  also  ein  Vater,  der  seinen  Sohn  schlägt  (aus  Gründen  der  Erziehung), 
u.  ein  Lehrer,  der  seinen  Schüler  züchtigt  (aus  gleichem  Grund),  u.  ein  Gerichtsdiener 
(der  einen  Delinquenten  beim  Geißeln  tötet;  denn  das  Schlagen  dieser  drei  ist  etwas 
Pflichtmäßiges).  —  Dieser  Satz  auch  SDt  19,  5  (108 b);  als  Zitat  MakS-Mi.  S''. 

b.  Mak  2,  5:  „Man  gibt  ihm  (dem  Totschläger,  nachdem  er  vom  Gericht  zur  Ver- 
bannung verurteilt  ist)  zwei  Gelehrtenschüler  bei,  damit  er  (der  Bluträcher)  ihn  nicht 
auf  dem  Wege  töte  u.  damit  sie  zu  ihm  (beschwichtigend!  reden.  R.  Me'ir  (um  150)  sagte: 
Er  redet  für  sich  selbst;  vgl.  Dt  19,  4:  „Dies  ist  das  Wort  "lan  des  Totschlägers"  (so 
der  Midr).  —  Mak  10'':  Wir  haben  gelernt:  „Man  gibt  ihm  zwei  Gelehrtenschüler  bei, 
damit  er  ihn  nicht  auf  dem  Wege  töte  u.  sie  zu  ihm  „reden".  Das  heißt  doch  wohl, 
daß  sie  ihn  warnen,  daß  er,  wenn  er  jenen  töte,  selbst  getötet  werde?  Nein;  vielmehr 
wie  es  in  der  Bar  heißt:  Sie  sollen  zu  ihm  Worte  sagen,  die  für  ihn  passen.  Sie  sagen 
zu  ihm:  Behandle  ihn  nicht  wie  einen  Mörder;  er  hat  ja  mivorsätzlich  die  Tat  voll- 
bracht. R.  Meir  sagte:  Er  (der  Totschläger)  redet  selbst  auf  ihn  ein,  vgl.  Dt  19,4: 
„Dies  ist  das  Wort  des  Totschlägers."  Sie  antworteten  ihm:  Beauftragte  erreichen 
mehr.   (Das  scheint  die  nächstliegende  Bedeutung  der  Worte  zu  sein.) 

C.  Mak  2,  6:  „Die  Gemeinde  soll  ihn  in  seine  Freistadt  zurückbringen,  dahinein  er 
geflohen  war,  u.  er  soll  in  ihr  wohnen  bis  zum  Tode  des  Hohenpriesters,  den  man  mit 
dem  heiligen  Öle  gesalbt  hat"  Nu  35,  25.  Gleich  sind  (in  dieser  Hinsicht)  der  mit  Salböl 
Gesalbte  u.  der  durch  Kleider  Geweihte^  u.  der  von  seiner  Hohenpriesterwürde  Zurück- 
getretene. R.  J'^huda  (b.  El?ai,  um  150)  sagte:  Auch  der  zum  Kriege  Gesalbte  (vgl. 
Dt  20,  2  f.)  bewirkt  (durch  seinen  Tod)  Rückkehr  des  Totschlägers  (die  Halakha  ist 
nicht  nach  R.  J'^huda).  Daher  verabreichen  die  Mütter  der  (Hohen-)Priester  ihnen  (den 
Totschlägern)  Unterhalt  u.  Kleidung,  damit  sie  nicht  beten,  daß  ihre  Söhne  sterben 
möchten.  War  sein  Urteil  gefällt  u.  dann  der  Hohepriester  gestorben,  so  braucht  er 
nicht  mehr  in  die  Verbannung  zu  gehn.  Wenn,  ehe  sein  Urteil  gefällt  war,  der  Hohe- 
priester gestorben  war,  u.  man  einen  andren  Priester  an  seiner  Stelle  eingesetzt  hatte 
u.  danach  sein  Urteil  gefällt  war,  so  kehrt  er  (der  Totschläger)  erst  nach  dem  Tode 
dieses  zweiten  (Hohenpriesters)  zurück.  ||  Mak  2,  8 :  Der  Totschläger  kehrte  (nach  dem 


1  Anfangs  wurden  die  Hohenpriester  gesalbt  Ex  28, 29.  Der  König  Joschijjahu  ver- 
barg nach  Joma52''  das  heilige  Salböl.  Zur  Zeit  des  zweiten  Tempels  geschah  die 
Priesterweihe  durch  Investitur,  Strack  zu  Mak. 


Matth5,21  (»SA.  Bl)  261 

Tode  des  Hohenpriesters)  in  das  Amt  zurück,  in  welchem  er  gewesen  war.  So  R.  Mei'r 
(um  150;  die  Halakha  ist  nach  ihm).  R.  J*^huda  (b.  El?ai)  sagte:  Er  kehrte  nicht  in  das 
Amt  zurück,  in  welchem  er  gewesen  war. 

d.  Mak  2,  7 :  Wenn  (des  Totschlägers)  Urteil  gefällt  war,  als  kein  Hoherpriester 
da  war,  oder  wenn  jemand  einen  H.  tötete,  oder  wenn  es  ein  H.  war,  der  getötet 
hat,  so  darf  er  (der  Totschläger)  niemals  von  dort  (aus  der  Freistadt)  hinausgehn. 

B.  Todesstrafe. 

Mak  1, 10:  Ein  Synedrium,  das  in  sieben  Jahren  Einen  hinrichten 
läßt,  wird  ein  Verderben  bringendes  (leichtsinnig  mit  Menschenleben 
umgehendes)  genannt.  R.  El^azar  b.  ?Azarja  (um  100)  sagte:  Einen  in 
siebzig  Jahren.  R.  Tarphon  (um  110)  u.  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  sagten: 
Wenn  wir  im  Synedrium  gewesen  wären,  so  würde  niemals  ein  Mensch 
hingerichtet  worden  sein.  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Auch 
sie  (R.  Tarphon  u.  R.  f  Aqiba)  würden  die  Blutvergießer  in  Israel  ver- 
mehrt haben.  (Vielleicht  als  Fragesatz  zu  fassen.)  —  Die  Stelle  zeigt, 
daß  im  allgemeinen  die  Tendenz  geherrscht  hat,  ein  Todesurteil  mög- 
lichst selten  zu  fällen.  Von  der  gleichen  Tendenz  war  auch  das  Prozeß- 
verfahren selbst  beherrscht. 

1.  Ein  Mörder  durfte  zum  Tode  verurteilt  werden,  nur  wenn  er 
den  Mord  vorsätzlich  a  ausgeführt  hatte.  Da  das  jüdische  Recht  den 
Indizienbeweis  nicht  kennt,  war  es  natürlich  ungemein  schwer,  den 
Nachweis  beizubringen,  daß  der  Mörder  mit  Vorbedacht  u.  Absicht  seine 
Tat  ausgeführt  habe.  Man  sah  den  Beweis  nur  dann  als  erbracht  an, 
wenn  durch  Zeugenaussagen  einwandfrei  festgestellt  wurde,  daß  der 
Mörder  vor  Begehung  der  Tat  ausdrücklich  verwarnt  worden  war, 
gleichviel  ob  diese  Verwarnung  von  dem  Verfolgten  oder  von  den  Zeugen 
oder  von  sonst  wem  ausgegangen  war.  War  der  Tat  nicht  eine  Ver- 
warnung voraufgegangen,  die  zugleich  auf  die  unausbleibliche  Folge, 
die  Todesstrafe,  hinwies,  konnte  kein  Todesurteil  gefällt  werden. b 

a.  ÄPkh  Ex21, 14(86*^):  „Falls  aber  ein  Mann  mit  Vorsatz  frevelhaft  gegen  seinen 
Nächsten  handelt,  dafs  er  ihn  mit  Hinterlist  totschlägt,  so  sollst  du  ihn  (sogar)  von 
meinem  Altar  wegholen,  daß  er  sterbe"  Ex  21,  14.  —  Warum  ist  dies  gesagt  worden? 
Weil  es  heifät  Lv  24, 17:  „Falls  ein  Mann  irgend  einen  Menschen  erschlägt" ;  da  könnte 
man  dem  Wortlaut  nach  annehmen,  daß  gemeint  sei:  einer  der  absichtlich,  oder  einer, 
der  versehentlich,  oder  einer,  der  andre  (d.  h.  NichtisraelitenJ  erschlagen  hat;  ein  Arzt, 
der  einen  getötet  hat;  einer,  der  mit  Vollmacht  seitens  des  Gerichtshofes  einen  ge- 
geißelt (u.  dabei  getötet)  hat;  einer,  der  seinen  Sohn  oder  seinen  Schüler  (zu  Tode) 
gezüchtigt  hat.  Dagegen  heißt  es  nun  Ex  21,  14:  Falls  ein  Mann  „mit  Vorsatz  frevel- 
haft gehandelt  hat",  dadurch  wird  ausgeschlossen,  wer  versehentlich  gehandelt  hat. 
Falls  „ein  Mann",  das  schließt  den  Minderjährigen  aus;  „ein  Mann",  das  schließt  andi-e 
(d.  h.  Nichtisraeliten)  ein.  „Seinen  Nächsten",  das  schließt  den  Minderjährigen  ein,  aber 
die  andren  (Nichtisraeliten)  aus.  .  .  .  „Daß  er  ihn  mit  Hinterlist  totschlägt",  das  schließt 
den  Taubstummen,  Irrsinnigen  u.  Minderjährigen  aus,  denn  diese  handeln  nicht  mit 
Hinterlist.  „Daß  er  mit  Hinterlist  tötet",  das  schließt  den  Arzt  aus,  der  jemand  getötet 
hat,  ferner  den,  der  mit  gerichtlicher  Vollmacht  die  Geißelung  vollzieht,  ferner  den,  der 
seinen  Sohn  oder  seinen  Schüler  (zu  Tode)  schlägt;  denn  obwohl  diese  vorsätzlich  handeln, 
so  handeln  sie  doch  nicht  hinterlistigerweise.  —  Der  letzte  Teil  auch  Mak  8'\  —  Man 
beachte,  wie  hier  der  Nichtisraelit  nicht  unter  den  Begriff  „Nächster"   v-^,  fällt. 


262  Matth  5,  21  (5B  3  B  1) 

b.  Sanh  5,  1 :  Man  fragte  die  Zeugen  ferner:  Kennt  ihr  ihn  (den  Erschlagenen)? 
Habt  ihr  ihn  (den  Mörder)  gewarnt?  —  Dazu  bSanh40'^:  Die  Rabbanan  haben  ge 
lehrt:  Kennt  ihr  ihn?  Ist  es  ein  Nichtisraelit  oder  ein  Israelit,  den  er  erschlug? 
Habt  ihr  ihn  verwarnt?  Hat  er  die  Verwarnung  auf  sich  genommen?  Gab  er  sich 
selbst  der  Todesstrafe  preis  (indem  er  den  Mord  ausführte,  obwohl  die  Warnung  ihn 
auf  die  Folgen  seiner  Tat  aufmerksam  gemacht  hatte)?  Hat  er  ihn  getötet  in  so 
kurzer  Zeit,  wie  genügt,  den  Gruß  zu  sprechen?  (--nii  -an  T^jy  ci^-ij  „Friede  sei  mit 
dir,  mein  Lehrer  und  Meister";  denn  wenn  lange  Zeit  zwischen  Verwarnung  u.  Mord 
vergangen  wäre,  hätte  er  jene  vielleicht  inzwischen  wieder  vergessen). . .  .  füUa  (um 
280)  hat  gesagt:  Woher  läßt  sich  die  Verwarnung  aus  der  Tora  beweisen?  Es  heißt 
Lv  20,  17:  „Wenn  ein  Mann  seine  Schwester,  die  Tochter  seines  Vaters  oder  die  Tochter 
seiner  Mutter,  ehelicht  u.  er  ihre  Blöße  sieht ...  sie  sollen  ausgerottet  werden."  Also 
am  Sehen  hängt  die  Sache?  Vielmehr  ist  gemeint:  er  wird  nicht  eher  bestraft,  als 
bis  er  den  Grund  der  Sache  eingesehen  hat  (d.  h.  bis  er  so  verwarnt  ist,  daß  er  weiß, 
um  was  es  sich  für  ihn  bei  der  Ehelichung  der  Schwester  handelt).  Und  da  dies 
nicht  auf  die  Strafe  der  Ausrottung  paßt,  so  wende  es  auf  die  Geißelstrafe  an.  [Die 
Verwarnung  hat  nur  für  menschliches  Gericht  Bedeutung,  indem  sie  die  Vorsätzlich- 
keit des  Handelns  beweist;  Gott,  in  dessen  Hand  die  Ausrottung  liegt,  bedarf  solchen 
Beweises  nicht;  darum  braucht  den  Übertretungen,  auf  die  Ausrottung  folgt,  keine 
Verwarnung  voraufzugehn.  Insofern  paßt  also  die  aus  Lv  20,  17  gefolgerte  Verwarnung 
nicht  zum  Schluß  der  Stelle,  der  von  der  Ausrottung  handelt;  deshalb  ist  die  in 
Lv20, 17  gefundene  Verwarnung  auf  die  Geißelstrafe  zu  beziehen,  die  eventuell  gleich- 
falls auf  Unzuchtsdelikte  gesetzt  ist.]  —  In  der  Schule  des  Chizqijja  (um  240)  ist 
gelehrt  worden:  „Falls  aber  jemand  mutwillig  gegen  den  andren  frevelt,  daß  er  ihn 
mit  Hinterlist  totschlägt"  Ex  21,  14,  das  bezieht  sich  auf  einen,  den  man  verwarnt 
hat,  der  aber  trotzdem  immer  weiter  bei  seinem  Mutwillen  verbleibt.  (Ausdeutung 
der  Futurform  --t-:  er  hat  nicht  bloß  Einmal  mutwillig  gefrevelt,  sondern  er  setzt 
sein  vorsätzliches  böses  Tun  fort;  so  nach  einer  Erklärung  bei  Raschi.)  —  In  der 
Schule  des  R.  Jischma?el  (f  um  135)  ist  gelehrt  worden:  „Sie  fanden  einen  Mann, 
welcher  am  Sabbattage  Holz  suchte"  Nu  15,32;  das  war  einer,  den  man  verwarnt 
hatte,  der  aber  trotzdem  immer  weiter  Holz  suchte  (das  Partizipium  -ü'L'p«  drückt  die 
Dauer  der  Handlung  aus:  er  setzte  trotz  Verwarnung  die  Sabbatschändung  fort).  — 
In  der  Schule  Rabbis  ist  gelehrt  worden:  „Den  Mann  wegen  des  Wortes  lan-^y, 
daß  er  das  Weib  seines  Nächsten  geschwächt  hat"  (so  faßt  der  Midr  Dt  22,  24),  d.h. 
um  der  Rede  willen  (die  man  warnend  vor  Begehung  der  Tat  an  ihn  gerichtet  hatte). 
Und  alle  diese  Beweisstellen  sind  nötig:  denn  wenn  der  Barmherzige  es  (nur)  bei 
der  Schwester,  Lv20,  17,  geschrieben  hätte,  so  würde  ich  meinen,  die  Verwarnung 
gehe  nur  die  an,  die  sich  der  Geißelstrafe  schuldig  machen,  aber  nicht  diejenigen, 
die  des  Todes  schuldig  sind;  deshalb  schrieb  der  Barmherzige  Ex  21,  14:  „Wenn 
jemand  mutwillig  an  seinem  Nächsten  frevelt"  usw.  Und  wenn  der  Barmherzige  nur 
diese  Stelle  (Ex  21,  14)  geschrieben  hätte,  so  würde  ich  meinen,  diese  Worte  beziehen 
sich  auf  die  Hinrichtung  durch  das  Schwert,  also  auf  eine  leichtere  Todesstrafe;  aber 
bei  der  Steinigung,  die  eine  schwerere  Todesstrafe  ist,  würde  ich  sagen,  bedarf  es 
der  Verwarnung  reicht.  Vgl.  die  Parallele  pSanh  5,  22'--,  51.  ||  SNu  15,  33,  §  113  (83*»): 
„Die,  welche  ihn  fanden,  während  er  Holz  suchte,  brachten  ihn  zu  Mose"  (Nu  15,83). 
Warum  ist  das  noch  einmal  gesagt?  heißt  es  nicht  schon  vorher  (Vers  32):  Sie  fanden 
einen  Mann?  Was  heißt  also:  die,  welche  ihn  fanden,  während  er  Holz  suchte,  brachten 
ihn?  Es  zeigt  an,  daß  sie  ihn  wegen  seiner  Arbeit  verwarnt  haben.  Von  hier  aus 
hat  man  in  bezug  auf  alle  (am  Sabbat  verbotenen  39)  Hauptarbeiten,  die  in  der  Tora 
erwähnt  werden,  entnommen,  daß  n\an  die  Leute  wegen  ihrer  Verrichtung  (am  Sabbat) 
zu  verwarnen  habe.  R.  Ji^chaq  (um  150)  sagte:  Dieser  Beweisführung  bedarf  es  nicht: 
wenn  sich  jemand  des  Götzendienstes,  der  eine  schwere  Versündigung  ist,  nicht  eher 
schuldig  macht,  als  bis  man  ihn  verwarnt  hat,  um  wieviel  mehr  gilt  das  in  bezug 
auf  sämtliche  Gebote  in  der  Tora!   Und  was  heißt:  „Sie  brachten  ihn  zu  Mose"?   Es 


Mattho.21  (SBSBl)  263 

lehrt,  daß  sie  ihn  verwarnten  u.  nachher  zu  Mose  brachten.  1|  TSanh  11,  1  (431):  Alle 
übrigen,  die  sich  der  Todesstrafe  durch  den  Gerichtshof  schuldig  machen,  verurteilt 
man  nur  auf  Grund  der  Zeugenaussagen  u.  der  Verwarnung,  u.  zwar  wenn  man  ihm 
(dem  Uebeltäter  bei  der  Verwarnung)  kundgetan  hat,  daß  er  sich  der  Todesstrafe 
durch  den  Gerichtshof  schuldig  mache.  R.Jose  b.  J^huda  (um  180)  sagte:  Wenn  man 
ihm  (bei  der  Verwarnung)  kundgetan  hat,  mit  welcher  Todesart  er  hingerichtet  werden 
würde,  gleichviel,  ob  ihn  alle  seine  Zeugen  verwarnt  haben,  oder  nur  ein  Teil  dieser, 
so  ist  er  (des  Todes)  schuldig.  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sprach  ihn  frei,  bis 
ihn  alle  seine  Zeugen  verwarnt  hätten,  wegen  Dt  17,6:  „Auf  die  Aussage  zweier 
Zeugen",  bis  nämlich  beide  Zeugen  ihn  zugleich  verwarnt  haben.  R.Jose  räumt  aber 
ein,  daß,  wenn  ihn  der  erste  verwarnte  u.  dann  seiner  Wege  ging,  desgleichen  der 
zweite  u.  dann  seiner  Wege  ging,  er  dann  (des  Todes)  schuldig  sei.  (Nach  andrer  Les- 
art: Es  räumten  aber  die  Gelehrten  dem  R.  Jose  ein,  wenn  der  erste  ihn  verwarnt 
hatte  u.  dann  seiner  Wege  ging,  desgleichen  der  zweite  u.  dann  seiner  Wege  ging, 
daß  er  in  diesem  Fall  straffrei  sei.  —  Diese  Lesart  ist  dem  Kontext  jedenfalls  an- 
gemessener). II  Daselbst  11,  2:  Hatte  man  ihn  verwarnt  und  er  schwieg,  hatte  man 
ihn  verwarnt  u.  er  nickte  mit  dem  Kopf,  so  ist  er,  selbst  wenn  er  gesagt  hat:  „Ich 
weiß",  straffrei,  bis  er  gesagt  hat:  Ich  weiß,  aber  trotzdem  tue  ich  es.  ||  TSanh  11, 4: 
Auf  welche  Weise  verwarnt  man  ihn?  Sieht  man  einen,  der  einen  Menschen  töten 
will,  so  spricht  man  zu  ihm:  Wisse,  daß  dieser  (der  Verfolgte)  ein  Sohn  des  Bundes 
ist,  u.  es  heißt:  Wer  Menschenblut  vergießt,  des  Blut  soll  durch  Menschen  vergossen 
werden  Gn  9,  6.  Wenn  er  auch  antwortet:  Ich  weiß  es,  so  ist  er  doch  straffrei,  bis 
er  sagt:  Ich  weiß  es,  aber  trotzdem  tue  ich  es.  —  Diese  Verwarnungsformel  findet 
sich  ferner  Sanh.  72^  (2mal),  die  beiden  letzten  Absätze  auch  pSanh  5,  22'^,  1 ;  vgl. 
auch  das  nächste  Zitat. 

Sanh80i5.  Alle  zu  (verschiedenen)  Todesarten  Verurteilten,  welche  miteinander 
vermengt  wurden,  werden  durch  die  leichteste  gerichtet  (Sanh  9,  3).  Daraus  ist  zu 
entnehmen,  daß,  wer  in  betreff  einer  schwereren  Strafe  verwarnt  worden  ist,  damit 
auch  in  betreff'  einer  leichteren  verwarnt  ist.  R.  Jirm'^^ja  (um  320)  sagte:  Um  welchen 
Fall  handelt  es  sich  hier?  Um  einen  solchen,  in  welchem  man  ihn  im  allgemeinen 
(ohne  spezielle  Angabe  der  Todesstrafe,  die  seiner  warte)  verwarnt  hat,  u.  zwar  deckt 
sich  das  mit  der  Meinung  eines  Tanna'iten.  Denn  eine  Bar  lautet:  Alle  übrigen  (außer 
dem  Verführer  zum  Götzendienst),  die  einer  von  den  in  der  Tora  erwähnten  Todes- 
strafen schuldig  sind,  verurteilt  man  zu  Tode  nur  auf  Grund  einer  gerichtlichen  Ver- 
handlung (mit  der  ?edä  ist  das  Gerichtskollegium  der  Dreiundzwanzig  gemeint)  u. 
auf  Grund  von  Zeugenaussagen  u.  auf  Grund  einer  Verwarnung,  u.  zwar  bis  man 
ihm  kundgetan  hat,  daß  er  sich  der  gerichtlichen  Todesstrafe  schuldig  mache.  R.  J'^'huda 
(b.  El?ai,  um  150)  sagte:  Bis  man  ihm  kundgetan  hat,  mit  welcher  Todesstrafe  er 
hingerichtet  werde.  Der  erste  Tannait  lehrt  es  vom  Holzsammler  (denn  bei  der  Be- 
gehung seiner  Tat  stand  die  Art  der  zu  erwartenden  Todesstrafe  überhaupt  noch 
nicht  fest  Nu  15,  34,  also  konnte  sie  bei  seiner  Verwarnung  nicht  angegeben  sein); 
R.  J^'huda  aber  sagte:  Bei  dem  Holzsammler  handelte  es  sich  um  eine  Entscheidung 
für  den  damaligen  Augenblick  (aus  der  für  die  Folgezeit  nichts  zu  folgern  ist).  — 
Die  Bar  auch  Sanh  8b;  der  Eingangssatz  K«th  33*.  j|  Mak  6'':  Raba  (f  352)  hat  gesagt: 
Wenn  sie  (die  Zeugen)  den  Warnenden  oder  der  Warnende  sie  gesehen  hat,  so  werden 
sie  (die  verschiedenen  Zeugen)  vereinigt  (zu  einer  Zeugenpartei,  s.  Nr.  3  den  Abschnitt 
über  Zeugen).  Ferner  hat  Raba  gesagt:  die  Verwarnung,  von  der  sie  gesprochen  haben, 
kann  auch  von  ihm  (dem  Verfolgten)  selbst  oder  von  einem  Dämon  ausgehen  (in 
beiden  Fällen  ist  sie  gültig).  Im  Gegensatz  hierzu  heißt  es  TSanh  11,  5  (431):  R.  Jose 
(b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Siehe,  wenn  er  selbst  (der  Verfolgte)  verwarnte,  so  ist 
der  Mörder  straffrei;  vgl  Dt  19,  16:  „Wenn  ein  frevelhafter  Zeuge  wider  jemand  auf- 
steht, eine  Übertretung  gegen  ihn  auszusagen";  darin  liegt,  daß  er  (der  Verfolgte) 
durch  andre,  nicht  aber  selbst  verwarnt.  ||  Mak  1,9:  R.Jose  (b.  J^mda,  um  180;  so 
zu  lesen  nach  Strack)  sagte:  Stets  wird  er  (der  Mörder)  nur  dann  getötet,  wenn  der 


264  Matth  5,  21  (SB3B1.2) 

Mund  zweier  Zeugen  ihn  gewarnt  hat;  vgl.  Dt  17,  6 :  , Durch  den  Mund  zweier  Zeugen."  — 
Dazu  vgl.  Mak  6'':  RabVapa  (f  376)  hat  zu  Abaje  (f  338/39)  gesagt:  Hat  denn  R.Jose 
diese  Meinung  gehabt?  Wir  haben  doch  gelernt  (s.  Mak  2,  3):  R.Jose  sagte:  Der  Feind 
wird  getötet,  weil  er  als  notorisch  feindlich  u.  als  verwarnt  gilt!  Er  antwortete  ihm: 
R.Jose  b.  J4iuda  ist  gemeint;  denn  in  einer  Bar  heißt  es:  R.Jose  b.  J%uda  sagte: 
Ein  Gelehrter  braucht  nicht  verwarnt  zu  werden;  denn  die  Verwarnung  ist  nur  ge- 
geben worden,  um  zu  prüfen,  ob  er  versehentlich  oder  vorsätzlich  gebandelt  hat.  — 
Der  letzte  Ausspruch  auch  Sanh8'\  41^,  72  ^ 

2.  Ein  Todesurteil  konnte  ferner  nur  dann  gefällt  werden,  wenn  die 
Tat  des  Mörders  die  unmittelbare  Ursache  des  Todes  des  Erschlagenen 
war.  Wie  weittragend  dieser  Grundsatz  war,  zeigen  folgende  Beispiele. 

Sanh  9,  1 :  Ein  Mörder,  der  seinen  Nächsten  mit  einem  Stein  oder  mit  einem 
Eisen  (vgl.  Nu  35,  16  f.)  geschlagen  hat  oder  ihn  ins  Wasser  oder  ins  Feuer  gedrückt 
hat,  u.  der  vermag  nicht  von  dort  herauszukommen  u.  stirbt,  ist  schuldig.  Hat  er 
ihn  ins  Wasser  oder  ins  Feuer  gestoßen,  u.  der  vermag  von  dort  herauszukommen, 
stirbt  aber,  so  ist  er  frei.  (Der  Tod  ist  hier  durch  zufällig  eingetretene,  die  Rettung 
verhindernde  Umstände  herbeigeführt  worden,  die  der  Mörder  nicht  veranlaßt  hatte.) 
Hat  er  auf  ihn  einen  Hund  gehetzt,  hat  er  auf  ihn  eine  Schlange  gehetzt,  so  ist  er 
frei  (denn  nicht  der  hetzende  Mensch,  sondern  das  beißende  Tier  verursacht  den  Tod). 
Hat  er  die  Schlange  dazu  gebracht,  ihn  zu  beißen  (indem  er  sie  in  seine  Hand  nahm 
u.  an  den  Leib  des  andren  brachte),  so  erklärte  R.  J'^huda  (b.  Elfai,  um  150)  ihn  für 
schuldig;  aber  die  Gelehrten  für  frei  (weil  er  das  tötende  Gift  nicht  unmittelbar  dem 
andren  beigebracht  hat).  Wenn  jemand  seinen  Nächsten  sei  es  mit  einem  Steine,  sei 
es  mit  der  Faust  schlägt  (s.  Ex  21,  18)  u.  man  schätzte  ihn,  daß  er  sterben  werde, 
es  wurde  aber  besser,  als  es  gewesen  war,  u.  danach  wurde  es  (wieder)  schlimmer 
u.  er  starb,  so  ist  er  schuldig  (obgleich  die  Folgen  des  Schlages  langsam  hervor- 
treten,' der  Schlag  bleibt  doch  die  eigentliche  Ursache  des  Todes).  R.  N^'chemja  (um 
150)  erklärte  ihn  für  frei;  denn  die  Sache  hat  Grund  (wörtlich:  Füße;  der  Tod  kann 
ebensogut  durch  Gründe,  die  mit  dem  Schlage  nichts  zu  schaffen  haben,  verursacht 
sein),  il  Sanh  77'':  Raba  (t  352)  hat  gesagt:  Hatte  man  jemanden  angebunden,  u.  starb 
dieser  dann  vor  Hunger,  so  ist  man  straffrei.  (Nur  das  Anbinden  war  die  Tat  des 
Mörders,  aber  eine  Tat,  die  als  solche  nicht  tötet.)  —  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Hatte 
man  jemanden  in  der  heißen  Sonne  angebunden,  so  daß  er  starb,  oder  in  der  eisigen 
Kälte,  so  daß  er  starb,  so  ist  man  schuldig;  hatte  man  ihn  aber  an  einer  Stelle  an- 
gebunden, an  welche  Sonne  oder  Kälte  schließlich  erst  hinkommen  mußte,  so  ist 
man  straffrei.  (Im  letztern  Falle  war  der  Täter  nur  für  das  an  sich  nicht  tödliche 
Anbinden  verantwortlich;  im  erstem  Falle  zugleich  dafür,  daß  er  ihn  unmittelbar  der 
tödlichen  Hitze  und  Kälte  preisgab.)  —  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Hat  man  jemanden 
vor  einem  Löwen  angebunden,  so  ist  man  straffrei;  hat  man  ihn  aber  vor  Mücken 
angebunden,  so  ist  man  schuldig.  (Des  Löwen  Beute  wäre  er  auch  unangebunden 
geworden;  dagegen  hätte  er  in  freiem  Zustande  sich  der  Mücken  erwehren  können, 
so  nach  Raschi.)  Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Auch  wenn  man  ihn  vor  Mücken 
angebunden  hat,  ist  man  gleichfalls  straffrei;  denn  die  einen  gehen  u.  die  andren 
kommen.  (Der  Täter  ist  nur  dafür  verantwortlich,  daß  er  den  Gebundenen  den  im 
Augenblick  des  Bindens  gegenwärtigen  Mücken  preisgab;  diese  aber  haben  den  Ge- 
bundenen gewiß  nicht  getötet,  zumal  bei  dem  fortwährenden  Kommen  und  Gehen 
der  Mücken  die  meisten  von  ihnen  weitergeflogen  sein  werden;  das  Herbeikommen 
weiterer  Mückenschwärme  aber,  die  den  Gebundenen  endlich  töteten,  ist  ohne  Zutun 
des  Mörders  erfolgt.)  ||  Sanh77'':  Raba  (t  352)  gesagt:  Hat  man  jemanden  in  eine 
Grube  gestoßen,  in  der  sich  eine  Leiter  befand,  u.  dann  kam  ein  andrer  u.  nahm  sie 
fort,  oder  auch  er  selbst  (der  Hineingestoßene)  hatte  sie  vorher  fortgenommen,  so 
ist  man  straffrei;  denn  zu  der  Zeit,  da  er  ihn  hinabstieß,  hätte  dieser  emporsteigen 
können  (starb  er  also  in  der  Grube,  so  hatte  nicht  der  Hineinstoßende  den  Tod  herbei- 


Mattli  5,  21  (58  3  B  2)  265 

geführt,  sondern  derjenige,  der  die  Leiter  weggenommen),  —  Ferner  hat  Raba  gesagt: 
Wenn  man  einen  Pfeil  abschießt  gegen  jemanden,  der  einen  Schild  in  seiner  Hand 
hält,  u.  dann  kommt  ein  andrer  u.  nimmt  den  Schild  fort,  oder  auch  er  selbst  nahm 
ihn  zuvor  weg,  so  ist  man  straffrei;  denn  zu  der  Zeit,  da  er  abschoß,  hätte  er  seinen 
Pfeil  zersplittert.  —  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Wenn  man  einen  Pfeil  abschießt  gegen 
jemanden,  der  Spezereien  (Heilmittel  gegen  Wunden)  in  seiner  Hand  hat,  u.  dann 
kommt  ein  andrer  u.  zerstreut  sie  oder  auch  er  selbst  zerstreute  sie  vorher,  so  ist 
man  straffrei;  denn  zu  der  Zeit,  da  er  gegen  ihn  abschoß,  konnte  jener  (durch  die 
Heilmittel,  die  in  dem  Augenblick  zur  Stelle  waren)  geheilt  werden.  Rah  Aschi  (f  427) 
hat  gesagt:  deshalb  bleibt  er  straffrei,  wenn  Heilmittel  auch  nur  auf  dem  Markt  zu 
haben  waren  (die  dem  Tode  wehren  konnten).  Rah  Acha  b.  Raba  (t  419)  fragte  den 
Rab  Aschi:  Wie  verhält  es  sich,  wenn  dem  Getroffenen  Heilmittel  zu  Händen  kamen 
(u.  er  sie  nicht  zu  seiner  Heilung  gebrauchte;  ist  der  Mörder  straffrei  oder  nicht)? 
Er  antwortete:  Er  wird  frei  ausgehn  vom  Gericht  (da  die  Nichtverwendung  von  Heil- 
mitteln seitens  des  Getroffenen  zu  seiner  Entlastung  dient).  ||  Sanh77'^:  Rab  Papa 
(t  376)  hat  gesagt:  Wenn  einer  seinen  Nächsten  band  u.  einen  Wasserstrom  über 
ihn  hingehn  ließ,  so  gleicht  das  seinen  Pfeilen,  u.  er  macht  sich  (der  Todesstrafe) 
schuldig.  Das  gilt  aber  nur  von  der  ersten  Kraft  (d.  h.  wenn  er  unmittelbar  das 
Wasser  über  den  Gebundenen  wegleitet);  aber  bei  der  zweiten  Kraft  (d.h.  wenn  er 
nur  die  mittelbare  Ursache  ist,  daß  der  Wasserstrom  jenen  trifft)  wird  seine  Tat  als 
eine  gewöhnhche  Veranlassung  angesehen  (u.  bleibt  straffrei).  —  Dasselbe  ChuUin  16-''.  || 
Sanh  78*  Bar:  Wenn  10  Personen  einen  mit  10  Stöcken  geschlagen  haben,  so  daß 
er  starb,  gleichviel  ob  sie  alle  auf  Einmal  geschlagen  haben  oder  der  eine  nach  dem 
andren,  so  sind  sie  frei.  R.  J'^huda  b.  Bathyra  (um  110)  sagte:  Wenn  einer  nach  dem 
andren  schlug,  so  ist  der  letzte  straffällig,  weil  er  seinen  Tod  herbeigeführt  hat. 
R.  Jochanan  (1279)  hat  gesagt:  Beide  deuten  (für  ihre  Meinung)  ein  und  dieselbe 
Schriftstelle  Lv24,  17:  , Falls  jemand  irgend  einen  Menschen  eis  be:  V2  totschlägt". 
Die  Rabbanan  meinen,  •^-•£3  Vs  bedeute:  solange  er  ein  ganzer  Mensch  ist  (also  nur 
wenn  jemand  den  ganzen  Menschen  erschlägt,  ist  er  schuldig;  mithin  sind  10  Per- 
sonen, die  Einen  Menschen  erschlagen,  straffrei,  da  ihn  jeder  nur  teilweise  erschlagen 
hat).  Und  R.  J'^huda  b.  Bathyra  meinte,  vtz  ho  bedeute:  soviel  nur  immer  vom  Men- 
schen ist  (d.  h.  der  zuletzt  Schlagende,  der  den  letzten  Rest  menschlichen  Lebens 
vernichtet,  gilt  als  Mörder).    Parallelstelle  BQ  lOi^u.  26''. 

In  diesen  Zus.hang  gehört  auch  die  Bestimmung,  daß  der  Mörder 
nur  strafbar  sei,  wenn  er  den  Mord  mit  einem  Gegenstand  ausgeführt 
habe,  der  zum  Töten  geeignet  sei,  u.  wenn  er  den  tödlichen  Schlag 
gegen  einen  Körperteil  geführt  habe,  der  geeignet  sei,  zu  Tode  ge- 
troffen zu  werden.  Andrenfalls  liegt  ja  die  Möglichkeit  vor,  daß  nicht 
die  Tat  des  Mörders,  sondern  irgendein  zufällig  eingetretener  Umstand 
die  unmittelbare  Ursache  des  Ablebens  des  Geschlagenen  war.  Auch 
eine  dem  Erschlagenen  bereits  anhaftende  Krankheit  kann  unter  diesem 
Gesichtspunkt  zur  Freisprechung  des  Mörders  führen. 

SNu35, 17  §  160  (61*):  „Wenn  er  mit  einem  in  der  Hand  gehaltenen  Stein,  durch 
welchen  jemand  sterben  kann,  ihn  geschlagen  hat,  so  daß  er  starb,  so  ist  er  ein  Mörder; 
der  Mörder  soll  getötet  werden"  Nu  35, 17.  Weshalb  ist  das  gesagt  worden?  Weil  es 
heißt  Ex  21, 18:  , Falls  Männer  hadern  u.  einer  den  andren  mit  einem  Steine  oder  der 
Faust  schlägt  u.  er  nicht  stirbt"  usw.  Daraus  könnte  ich  entnehmen,  daß,  wenn  er  ihn 
schlägt,  sei  es  mit  einem  Gegenstand,  der  zum  Töten  geeignet  ist,  sei  es  mit  einem 
Gegenstand,  der  zum  Töten  nicht  geeignet  ist,  er  schuldig  sei.  Deshalb  heißt  es:  „Wenn 
er  mit  einem  in  der  Hand  gehaltenen  Stein,  durch  welchen  jemand  sterben  kann,  ihn 
geschlagen  hat."  Damit  zeigt  die  Schrift  an,  daß  er  nicht  schuldig  ist,  bis  er  ihn  mit 
einem  Ges;enstand  geschlagen  hat,  der  geeignet  ist  zu  töten.   Daraus  könnte  ich  ent- 


266  Matth  5,21  (S8  3B2.  3) 

nehmen,  auch  wenn  er  ihn  auf  eine  Körperstelle  geschlagen  habe,  die  nicht  für  Tötung 
geeignet  ist.  Deshalb  heißt  es  Dt  19, 11:  „Wenn  jemand  seinem  Nächsten  feind  ist  u. 
ihm  auflauert  u.  sich  gegen  ihn  erhebt  u.  ihn  lebensgefährlich  (=  auf  eine  lebens- 
gefährliche Stelle)  schlägt"  usw.  Damit  zeigt  die  Schrift  an,  daß  er  nicht  eher  schuldig 
ist,  als  bis  er  ihn  mit  einem  Gegenstand  geschlagen  hat,  mit  welchem  er  ihn  töten 
kann,  u.  auf  eine  für  Tötung  geeignete  Stelle.  —  Fast  wörtlich  so  SNu  35, 18  §  160  (61  •'). 
Parallele  auch  M^kh  Ex  21,  18  (88b).  y  j^j^k  7»:  R.  Tarphon  (um  110)  u.  R.  fAqiba  (t  um 
135)  sagten:  Wenn  wir  im  Synedrium  gewesen  wären,  so  würden  wir  niemals  einen 
Menschen  haben  hinrichten  lassen  (Mak  1, 10).  Wie  würden  sie  es  denn  gemacht  haben 
(um  regelmäßig  zu  einem  Freispruch  zu  gelangen)?  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  EUazar 
(um  270)  haben  beide  gesagt:  (Sie  würden  die  Zeugen  etwa  gefragt  haben:)  Habt  ihr 
gesehen,  ob  er  einen  innerlich  Verletzten  (der  so  wie  so  dem  Tode  verfallen  war)  oder 
einen  Unverletzten  getötet  hat?  Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Wenn  sie  hätten  ant- 
worten können:  „Ein  Unverletzter  ist  es  gewesen"  (so  hätten  jene  vielleicht  weiter 
gefragt:)  Hat  sich  etwa  an  der  Stelle  des  Schwertes  ein  Loch  befunden  (d.  h.  habt  ihr 
auch  konstatiert,  daß  der  Ermordete  nicht  etwa  gerade  an  der  Stelle,  an  der  der  Mörder 
ihn  tödlich  mit  dem  Schwert  getroffen,  bereits  vorher  eine  Wunde,  eine  schadhafte  Stelle 
gehabt  hat,  die  seinen  Tod  herbeiführte)?  Über  Anstiftung  zum  Morde  s.  Qid  43^  S.  2737. 

3.  Auch  die  Bestimmungen  über  das  Beweisverfahren  erschwerten 
die  Fällung  eines  Todesurteils  ungemein.  Der  Beweis  für  die  Täter- 
schaft des  Mörders  konnte  nur  durch  Zeugen a  erbracht  werden.  Die 
Mindestzahl  der  Zeugen  betrug  zwei.b  Ihre  Aussagen  sollten  nur  das 
enthalten,  was  sie  selbst  mit  ihren  Sinnen  wahrgenommen  hatten: 
alles  was  sie  auf  Grund  von  Hörensagen,  Schlußfolgerungen  u.  dergl. 
vorbrachten,  war  ohne  Bedeutung,  c  Die  beiden  Zeugen  mußten  die  Tat 
zur  selben  Zeit,  nicht  etwa  der  eine  nach  dem  andren,  mitangesehen 
haben;  sie  sollten  auch  die  Tat  von  demselben  Standort  aus  gesehen 
haben;  u.  wenn  ihr  Standort  ein  verschiedener  gewesen,  so  sollten  sie 
sich  wenigstens  gegenseitig  haben  sehn  können.  —  Soweit  die  Be- 
dingungen betreffs  der  Zeit  u.  des  Standorts  des  Sehens  auf  zwei  oder 
mehr  Zeugen  zutrafen,  so  weit  bildeten  diese  Zeugen  eine  Zeugen- 
einheit, d  unterlagen  nun  aber  auch  als  Einheit  den  Bestimmungen,  die 
jedem  einzelnen  von  ihnen  galten.  Befand  sich  daher  einer  in  ihrer 
Mitte,  von  dem  sich  herausstellte,  daß  er  als  Zeuge  ungeeignete  sei, 
so  wurde  die  ganze  Zeugengruppe  ungeeignet;  wurde  das  Zeugnis  des 
einen  von  ihnen  als  falsch  oder  ungültig  erwiesen^  so  fiel  damit  auch 
das  Zeugnis  aller  übrigen  hin.*  —  Waren  Zeugen  vorhanden,  die  den 
obigen  Bedingungen  betreffs  der  Zeit  u.  des  Standorts  des  Sehens  nicht 
entsprachen,  so  bildeten  sie  getrennte  Zeugenparteien.  Diese  aber  hatten, 
wie  es  scheint,  nur  dann  Wert,  wenn  jede  Gruppe  aus  mindestens  zwei 
Zeugen  bestand;  umfaßten  getrennte  Zeugenparteien  je  nur  Einen  Zeugen, 
so  waren  deren  Aussagen  ungültig.  Ein  Mißverständnis  von  Dt  17,  6 
hatte  zur  Aufstellung  dieser  Satzung  geführt,  g 

a.  SNu  35,  30  §  161  (62''):  „Wenn  irgend  jemand  eine  Person  erschlägt,  so  soll 
man  den  Totschläger  nach  Aussage  von  Zeugen  töten"  Nu  35,  30.  Warum  ist  das 
gesagt  worden?  Weil  es  heißt  Nu  35, 19:  „Der  Bluträcher,  der  soll  ihn  töten."  Daraus 
könnte  ich  entnehmen,  daß  er  ihn  unter  vier  Augen  töten  soll.  Deshalb  heißt  es:  Man 
soll  den  Totschläger  nach  Aussage  von  Zeugen  töten.    Das  zeigt,   daß  man  nur  auf 


Matth  5,  21  (SB  3B3)  267 

«urund  von  Zeugen  hinrichten  läßt.  So  R.  Joschijja  (um  140).  R.  Jonathan  (um  140)  hat 
rgesagt:  ,Wenn  irgend  jemand  eine  Person  erschlägt"  usw.;  warum  ist  das  gesagt 
-worden?  Weil  es  heißt  Nu  35, 12:  „Es  soll  der  Totschläger  nicht  sterben,  ehe  er  vor 
•der  Gemeinde  zum  Geiicht  gestanden  hat."  Daraus  könnte  ich  entnehmen,  daß  man 
;ihn  auf  Grund  einer  Gerichtsverhandlung  hinrichten  läßt,  aber  nicht  auf  Grund  von 
.Zeugen(aussagen).  Deshalb  heißt  es  Nuo5,30:  „Man  soll  den  Totschläger  nach  Aussage 
von  Zeugen  töten."  Das  zeigt,  daß  man  ihn  nur  auf  Grund  einer  Gerichtsverhandlung 
iu.  auf  Grund  von  Zeugenaussagen  hiiaüchten  läßt.  —  Vgl.  ferner  TSanh  11,1  (431)  u. 
ibSanhSOb  (oben  S.  263). 

b.  Sanh  33^  Bar:  „Ein  einziger  Zeuge  kann  nicht  gegen  eine  Person  aussagen,  daß 
.sie  sterbe"  Nu  35,  30,  d.  h.  weder  zugunsten  noch  zuungunsten.  (Dies  die  Meinung  der 
Mehrzahl  der  Rabbinen  um  180.)  R.  Jose  b.  J'^huda  (um  180)  aber  sagte:  Er  darf  aus- 
:sagen  zugunsten,  aber  nicht  zuungunsten.  —  Anonym  in  SNu  35,  30  §  161  (62^).  ||  Mak 
1,7:  „Auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  oder  dreier  Zeugen  soll  der  zu  Tötende  getötet 
■Averden"  Dt  17,6.  Wenn  das  Zeugnis  durch  zwei  festgemacht  wird,  wozu  hat  die  Schrift 
spezialisierend  „durch  drei"  gesagt?  Um  drei  Zeugen  zweien  gleichzustellen.  ||  Sanh  37*^ 
Bar  u.  Sch''bu?oth  34^:  R.  Schimfon  b.  Schatach  (um  90  v.  Chr.)  hat  gesagt:  Ich  will  den 
Trost  Israels  nicht  sehn,  wenn  ich  nicht  gesehen  habe,  wie  einer  einem  andren  in  eine 
Ruine  nachlief.  Ich  lief  ihm  nach  u.  sah  ein  Schwert  in  seiner  Hand,  von  welchem 
sein  Blut  tröpfelte,  während  der  Erschlagene  zuckte.  Ich  sprach  zu  ihm:  Frevler,  wer 
hat  diesen  erschlagen?  Entweder  ich  oder  du!  Aber  was  soll  ich  tun?  Denn  dein  Blut 
ist  nicht  in  meine  Hand  gegeben;  denn  siehe,  in  der  Tora  heißt  es  Dt  17,  ö:  „Auf  die 
Aussage  zweier  Zeugen  oder  dreier  Zeugen  soll  der  zu  Tötende  getötet  werden."  Aber 
•der  die  Gedanken  kennt,  wird  Rache  nehmen  an  dem  Mann,  der  seinen  Nächsten 
«rschlug.  Man  hat  gesagt:  Sie  waren  noch  nicht  von  dort  weggegangen,  als  eine 
Schlange  kam  u.  den  Mörder  biß,  daß  er  starb. 

C.  Sanh  4,  5 :  Wie  flößt  man  Zeugen  in  Kapitalprozessen  Furcht  ein  (damit  sie  bei 
<ler  Wahrheit  bleiben)?  Man  fährte  sie  herein  u.  sagte:  Vielleicht  wollt  ihr  aus  Ver- 
mutung sprechen  oder  vom  Hörensagen,  als  Zeuge  aus  dem  Munde  eines  Zeugen,  „aus 
dem  Munde  eines  zuverlässigen  Mannes  haben  wir  es  gehört".  Oder  vielleicht  wißt  ihr 
nicht,  daß  wir  euch  durch  Ausfragung  u.  Nachforschung  prüfen  werden.  Wisset,  daß 
nicht  wie  Vermögensstreitigkeiten  Kapitalprozesse  sind.  Bei  V.  kann  ein  Mensch  Geld 
geben,  u.  es  wird  ihm  Sühnung  (für  seine  falsche  Aussage);  aber  bei  K.  haftet  sein 
(des  Hingerichteten)  Blut  u.  das  Blut  seiner  (möglichen)  Nachkommen  an  ihm  (dem 
falschen  Zeugen)  bis  ans  Ende  der  Welt  usw.  ||  Sanh  37 '^  Bar:  Was  heißt  „aus  Ver- 
mutung" (in  der  vorstehenden  Mischna)?  Man  sagt  zu  ihnen:  Vielleicht  habt  ihr  es  so 
gesehen,  daß  einer  einem  andren  in  eine  Ruine  nachlief,  u.  ihr  lieft  hinterdrein  u. 
fandet  ein  Schwert  in  seiner  Hand,  das  vom  Blut  des  Erschlagenen  triefte,  während 
der  Erschlagene  zuckte  —  wenn  ihr  (das,  was  ihr  jetzt  bezeugen  wollt)  so  gesehen 
habt,  so  habt  ihr  überhaupt  nichts  gesehen  (also  auch  nichts  zu  bezeugen).  —  Über 
•die  Ausforschung  u.  Ausfragung  der  Zeugen  s.  bei  Mt  26,  60  Nr.  4. 

d.  Mak  1,  9:  Haben  zwei  ihn  (den  Mörder  bei  seiner  Tat)  aus  diesem  Fenster  ge- 
sehen u.  zwei  ihn  aus  jenem  Fenster  gesehen,  u.  ein  ihn  Warnender  ist  in  der  Mitte 
gewesen,  so  sind,  wenn  sie  teilweise  einander  sehen,  diese  Ein  Zeugnis;  wenn  aber 
nicht,  sind  diese  zwei  Zeugnisse.   Vgl.  auch  Anm.  g. 

e.  Sanh  3,3 — 5:  Folgende  sind  untauglich  (als  Richter  u.  Zeugen):  Der  Würfel - 
«pieler  u.  der  auf  Zins  Leihende  u.  die,  welche  Tauben  fliegen  lassen  (im  Wettspcfrt), 
u.  die,  welche  mit  dem  Ertrag  des  Sabbatjahres  handeln  (derselbe  sollte  nach  Lv  25,  6 
nur  zur  Nahrung  dienen).  .  .  .  R.  J-^huda  (b.  Elfai,  um  150)  hat  gesagt:  Wann  gilt  dies? 
AVenn  er  (der  Würfelspieler  oder  der  Tauben  fliegen  läßt)  keine  andre  Tätigkeit  hat; 
aber  wenn  er  eine  andre  Tätigkeit  hat,  so  ist  er  tauglich.  —  Folgende  sind  als  Ver- 
wandte untauglich  (zum  Richter-  u.  Zeugenamt):  seine  Brüder  u.  die  Brüder  seines  Vaters 
u.  die  Brüder  seiner  Mutter  u.  der  Mann  seiner  Schwester  u.  der  Mann  der  Schwester 
seines  Vaters  u.  der  Mann   der  Schwester   seiner  Mutter  u.  der  Mann   seiner  Mutter 


268  Matth  5,21  (JBSBS)    • 

(=  Stiefvater)  u.  sein  Schwiegervater  u.  der  Mann  der  Schwester  seiner  Frau,  sie  (alle) 
mit  ihren  Söhnen  u.  Schwiegersöhnen;  aber  der  Stiefsohn  für  sich  allein  (also  ohne 
seine  Söhne  u.  Schwiegersöhne).  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  hat  gesagt:  Dies  ist  die 
Mischna  des  R.  fAqiba  (f  um  135);  aber  die  ursprüngliche  Mischna  lautete:  ,Sein  Oheim 
u.  der  Sohn  seines  Oheims  u.  jeder,  der  fähig  ist,  ihn  zu  beerben."  Und  jeder,  der  ihm 
in  jener  Zeit  (auf  die  das  Zeugnis  sich  beziehen  soll)  verwandt  war,  (ist  untauglich). 
War  er  verwandt  u.  ist  (vor  jener  Zeit)  fernstehend  geworden  (etwa  durch  den  Tod 
seiner  Frau),  so  ist  er  tauglich.  R.  J''huda  (b.  El?ai)  sagte:  Auch  wenn  seine  Tochter 
gestorben  ist  u.  er  (der  Schwiegersohn)  von  ihr  Kinder  hat,  so  ist  dieser  verwandt.  — 
Der  Freund  u.  der  Feind  (sind  gleichfalls  untauglich).  Wer  ist  der  Freund?  Sein 
Hochzeitsfreund.'  Und  der  Feind  ist  jeder,  welcher  mit  ihm  drei  Tage  aus  Feindschaffe 
nicht  geredet  hat.  Da  sagten  sie  zu  R.  J'^huda  b.  El?ai:  Israeliten  sind  deswegen  nicht 
verdächtig.  |l  Ferner  sind  als  Zeugen  untauglich:  Frauen  Sch'^^bu  4, 1;  SDt  19, 17  (109''); 
Sklaven  RH  1,8  u.  als  Verwandte  der  Vater  gegenüber  seinen  Kindern  u.  die  Kinder 
gegenüber  ihrem  Vater  Sanh  27^. 

f.  Mak  1,  8:  Wie  bei  zwei  Zeugen,  wenn  einer  von  ihnen  als  verwandt  oder  (sonst) 
untauglich  erfunden  ist,  ihr  Zeugnis  ungültig  ist,  so  ist  auch  bei  drei  Zeugen,  wen» 
einer  von  ihnen  als  verwandt  oder  (sonst)  untauglich  erfunden  ist,  ihr  Zeugnis  ungültig. 
Woher  sogar  bei  Hundert?  Das  Schriftwort  lehrt  Dt  19,  15:  „Zeugen."  —  Wie  der 
Schriftbeweis  gemeint  ist,  zeigt  SDt  19,  18  §  190  (109''):  Woher,  daß  der  Zeuge  sich 
selbst  zu  einem  lügenhaften  Zeugen  macht?  Weil  es  heißt  Dt  19,  18:  Und  siehe,  ein 
Zeuge  ist  Lüge.  Und  woher,  daß  er  auch  seinen  Genossen  (der  mit  ihm  zur  selben 
Zeugengruppe  gehört)  zur  Lüge  macht?  Weil  es  heißt  (das.):  Und  siehe,  ist  Ein  Zeuge 
Lüge,  so  ist  es  auch  der  andre  (so  der  Midr).  —  Der  Midr  folgert  aus  dem  Übergang 
des  Plurals  O'-y  Dt  19, 15''  in  den  Singular  -v-  Vers  18^  daß  die  Zeugen  einer  Gruppe 
eine  Einheit  bilden,  u.  daß,  falls  ein  Teil  dieser  Einheit  lügenhaft  erscheint,  das  Ganze 
unglaubwürdig  u.  deshalb  ungültig  wird.  |l  Mak  6^:  Wie  sagt  man  zu  den  Zeugen  (bei 
ihrer  Vernehmung)?  Raba  (f  ;-552)  hat  gesagt:  Man  spricht  zu  ihnen  also:  Seid  ihr  zum 
Zusehen  oder  um  Zeugnis  abzulegen  gekommen?  Sagen  sie  „um  Zeugnis  abzulegen", 
so  ist,  wenn  einer  von  ihnen  als  ein  Verwandter  oder  als  untauglich  erfunden  wird, 
ihrer  aller  Zeugnis  ungültig  (soweit  sie  zu  Einer  Zeugengruppe  gehören). 

g.  Mak  6'':  Rab  Zutra  b.  Tobijja  (um  270)  hat  im  Namen  Rabs  (f  247)  gesagt: 
Woher  läßt  sich  in  bezug  auf  ein  alleinstehendes  Zeugnis  (das  ein  keiner  Zeugengruppe 
angehörender  Zeuge  ablegt)  beweisen,  daß  es  ungültig  ist?  Weil  es  heißt  Dt  17,  6:  Er 
darf  nicht  auf  die  Aussage  Eines  Zeugen  getötet  werden.  Was  heißt  „Eines"  Zeugen? 
Wollte  man  sagen,  es  sei  damit  „Ein"  Zeuge  im  eigentl.  Sinn  des  Wortes  (also  eine 
Zahl)  gemeint,  so  kann  man  das  doch  schon  dem  Anfang  der  Schriftstelle  entnehmen: 
„Auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  .  .  .  werde  er  getötet"  (mithin  wäre  die  Bemerkung 
über  den  Einen  Zeugen  am  Ende  des  Verses  überflüssig,  wenn  wirklich  darin  nur  eine 
Zahlenangabe  enthalten  wäre).  Vielmehr  was  bedeutet  „Ein  Zeuge"?  Es  bedeutet:  ein 
„vereinzelter"  Zeuge  (=  Zeuge,  der  keiner  Zeugengruppe  angehört).  Eine  Bar  lautet 
gleich  also:  Nicht  soll  er  sterben  auf  die  Aussage  Eines  (vereinzelten)  Zeugen.  Hierher 
gehört  folgender  Fall:  wenn  zwei  den  Mörder  bei  seiner  Tat  gesehen  haben,  der  eine 
aus  diesem  Fenster  u.  der  andre  aus  jenem  Fenster,  sie  beide  aber  haben  sich  gegen- 
seitig nicht  gesehen,  so  werden  sie  nicht  zu  einer  Zeugengruppe  •,'Z-'-j-^^  vereinigt.  Und 
auch  wenn  der  eine  nach  dem  andren  aus  demselben  Fenster  den  Mörder  beobachtet 
hat,  werden  sie  nicht  vereinigt.  —  Rab  Papa  (f  376)  hat  zu  Abaje  (f  338/39)  gesagt: 
Wenn  sie  nun  da,  wo  der  eine  durch  dieses  Fenster,  u.  der  andre  durch  jenes,  jeder 
aber  von  ihnen  die  ganze  Tat  gesehen  hat,  nicht  vereinigt  werden,  um  wieviel  mehr 


1  Wie  lange?  R.  Abba  (um  290)  hat  gesagt,  R.  Jirm^^ja  b.  Abba  (um  250;  so  wird 
zu  lesen  sein  statt  „R.  Jirm'^ja")  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Die  ganzen  sieben 
Hochzeitstage  hindurch;  die  Rabbanan  aber  haben  im  Namen  des  Raba  (f  352)  gesagt: 
Schon  vom  ersten  (Hochzeits-jTage  u.  weiterhin  (ist  er  als  Zeuge  zulässig)  Sanh  29'''. 


Matth  5,  21  (S3  3  B  3.  4)  269 

muß  das  in  dem  Falle  gelten,  wo  der  eine  nach  dem  andren,  jeder  also  nur  einen  Teil 
der  Tat  sesehen  hat?  Er  antwortete:  Das  ist  nur  in  dem  Falle  nötig,  wenn  einer  einer 
Frau  beiwohnt,  die  ihm  gesetzlich  verboten  ist.  —  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Wenn  sie 
{die  Zeugen)  den  Warner  oder  der  Warner  sie  gesehen  hat,  so  werden  sie  verekiigt.  — 
Vgl.  auch  das  Zitat  Sanh  81b  g.  '271 «.  !|  Mak  1,9:  (Auf  das  oben  Anm.  d  Zitierte  folgt:) 
Daher  werden,  wenn  eins  von  diesen  (das  eine  Zeugenpaar,  das  eine  Gruppe  für  sich 
^bildet)  als  falsch  dasteht,  er  (der  Mörder)  u.  sie  (das  Paar  falscher  Zeugen)  getötet, 
u.  das  zweite  Paar  (die  andre  Zeugengruppe)  ist  frei.  (In  diesem  Fall  besteht  das 
Zeugnis  der  zweiten  Zeugengruppe  zu  Recht,  weil  die  Gruppe  nicht  von  einem  einzelnen 
Zeugen,  sondern  von  zwei  Personen  gebildet  wird.) 

4.  Endlich  wurde  die  Freisprechung  des  Mörders  durch  etliche  Be- 
stimmungen über  die  Verhandlung  u.  die  Abstimmung  begünstigt. 

Sanh  5,  4  f.:  Wurden  die  Worte  der  Zeugen  übereinstimmend  gefunden,  so  begann 
man  mit  Gründen  für  Freisprechung.  Hatte  einer  von  den  Zeugen  gesagt:  „Ich  kann 
in  bezug  auf  ihn  Freisprechung  begründen",  so  hieß  man  ihn  schweigen.*  Hatte  einer 
von  den  Schülern  (die  in  drei  Reihen  vor  dem  Gerichtshof  saßen  Sanh  4,  4)  gesagt: 
,Ich  kann  in  bezug  auf  ihn  Schuld  begründen",  so  hieß  man  ihn  schweigen  (weil  es 
Nu  ^5,  30  heißt:  Ein  einzelner  soll  nichts  gegen  ihn  vorbringen,  um  ihn  zu  töten  Sanh 
34'').  Hatte  einer  von  den  Schülern  gesagt:  ,Ich  kann  in  bezug  auf  ihn  Freisprechung 
begründen",  so  führten  sie  ihn  hinauf  (zu  den  Plätzen  der  Richter)  u.  setzten  ihn  neben 
sich,  u.  er  kam  den  ganzen  Tag  nicht  von  dort  hinunter  (um  ihn  nicht  durch  das  Ge- 
heiß wieder  abzutreten  zu  beschämen).  Wenn  an  seinen  Worten  etwas  Erhebliches  war, 
hörte  man  auf  ihn.  Auch  wenn  der  Angeklagte  gesagt  hatte:  ,Ich  kann  in  bezug  auf 
mich  Freisprechung  begründen",  hörte  man  auf  ihn;  nur  daß  an  seinen  Worten  etwas 
Erhebliches  sein  sollte.  ~-  Wenn  sie  für  ihn  die  Freisprechung  (begründet)  gefunden 
hatten,  entließen  sie  ihn;  wenn  nicht,  verschoben  sie  sein  Urteil  bis  auf  morgen  u. 
kamen  paarweise  zusammen,  aßen  wenig  u.  tranken  keinen  Wein  während  des  ganzen 
Tages  u.  verhandelten  über  die  Sache  die  ganze  Nacht.  Am  folgenden  Tage  kamen  sie 
früh  in  das  Gerichtshaus.  Der  Freisprechende  sagte:  Ich  sprach  frei  u.  ich  spreche 
frei,  auf  meinem  Standpunkte  bleibend.  Der  für  schuldig  Erklärende  sagte:  Ich  erklärte 
für  schuldig  u.  ich  erkläre  für  schuldig,  auf  meinem  Standpunkte  bleibend.  Wer  die 
Schuld  begründet  hatte,  durfte  (bei  dieser  zweiten  Verhandlung)  die  Freisprechung  be- 
gründen; aber  wer  die  Freisprechung  begründet  hatte,  durfte  nicht  umgekehrt  die 
Schuld  begründen.^  Und  wenn  sie  in  etwas  geirrt  hatten,  erinnerten  die  Gerichts- 
schreiber sie.  Wenn  sie  für  ihn  die  Freisprechung  (begründet)  gefunden  hatten,  ent- 
ließen sie  ihn;  wenn  nicht,  veranstalteten  sie  die  Abstimmung.  Sprechen  1"2  frei  u.  11 
schuldig,  so  ist  er  frei;  sprechen  ihn  12  schuldig  u.  11  frei,  auch  wenn  11  frei  u.  11 
schuldig  sprechen,  u.  einer  sagt:  ,Ich  weiß  nicht"  (er  enthält  sich  also  der  Abstimmung), 
auch  wenn  22  frei  sprechen  oder  schuldig  sprechen  u.  einer  sagt:  „Ich  weiß  nicht", 
muß  man  die  Richter  vermehren  (aus  der  Zahl  der  anwesenden  Gelehrtenschüler).  Bis 
auf  wie  viele?  Je  zwei  bis  auf  71  (wenn  nämlich  die  beiden  Hinzugewählten  ver- 
schiedener Meinung  waren,  so  blieb  immer  nur  1  Stimme  Mehrheit  für  Schuldig;  zur 
Verurteilung  gehörte  aber  eine  Mehrheit  von  2  Stimmen).  Wenn  36  frei  sprechen  u. 
35  schuldig,  so  ist  er  frei  (für  den  Freispruch  genügte  1  Stimme  Majorität).  Wenn  36 
schuldig  sprechen  u.  35  frei,  so  debattieren  sie  gegeneinander,  bis  einer  von  den 
Schuldigsprechenden  die  Worte  der  Freisprechenden  billigt.  !l  Sanh  17=^:  Rab  Kahana 
(wohl  I.,  um  250)  hat  gesagt:  Wenn  das  Synedrium  einstimmig  auf  schuldig  erkennt, 
so  entläßt  man  den  Angeklagten.  Weshalb?  Es  ist  überliefert  worden,  daß  man  das 
Urteil  eine  Nacht  aufschiebe,  um  Entlastungsgründe  für  ihn  ausfindig  zu  machen,  u. 


•  Vermutlich  weil  der  Zeuge  über  Gesehenes  aussagen  soll,  nicht  Gründe  anzuführen  hat. 
2  Aber  bei  der  Abstimmung  konnte  der,  welcher  die  Freisprechung  begründet  hatte, 
für  die  Schuld  stimmen. 


270  Matth5,  21  (SBSBÖ.  C) 

solche  wird  man  nun  nicht  mehr  für  ihn  aufsuchen   (wenn  alles  einstimmig  für  die> 
Verurteilung  ist). 

5.  War  das  Todesurteil  gefällt,  so  wurde  es,  wenn  möglich,  sofort^- 
vollstreckt.  Von  den  vier  Hinriclitungsarten,  die  das  jüdische  Recht 
kennt,  stand  auf  Mord  die  Enthauptung,  b  Wiederaufnahme  des  Ge- 
richtsverfahrens zugunsten  des  Verurteilten  war  möglich,  solange  dieser- 
sich  noch  auf  dem  Weg  zur  Richtstätte  befand,  c 

a.  Sanh46^:  Man  hält  (das  Todesurteil)  bis  gegen  Sonnenuntergang  hin,  danm 
fällt  man  das  Urteil  u.  läßt  ihn  hinrichten. 

b.  Sanh  9,  1:  Dies  sind  die,  welche  enthauptet  werden:  Der  Mörder  u.  die  Ein- 
wohner einer  abwendig  gemachten  Stadt.  |  7,  3:  Das  gesetzliche  Verfahren  für  die,, 
welche  enthauptet  werden:  man  schlug  ihm  den  Kopf  mit  dem  Schwert  ab,  wie  es- 
die  (römische)  Regierung  tut.*  R.  J'^huda  (b.  E]?ai,  um  150)  sagte:  Das  ist  eine  Be- 
schimpfung; ^  sondern  man  legt  seinen  Kopf  auf  einen  Block  u.  haut  ihn  mit  dem  Hack- 
messer, xonig,  ab.  Da  sagte  man  zu  ihm:  Es  gibt  keine  schimpflichere  Todesart  als 
diese.  ||  Zur  biblischen  Begründung  der  Enthauptung  s.  W\l\\  Ex  21,  12  (85'j)  oben  S.  256. 
u.  die  Parallelen  Sanh  52  b;  K^^th  :37  b. 

C.  Sanh  6,  1 :  Einer  stand  an  der  Tür  des  Gerichtshauses  (aus  welchem  der  Ver- 
urteilte zur  Hinrichtungsstätte  abgeführt  war)  mit  einem  Tuch  in  der  Hand  u.  das- 
Pferd  (mit  Reiter)  so  weit  von  ihm  ab,  daß  er  es  sehn  konnte.  Hatte  einer  (im  Ge- 
richtshause) gesagt:  „Ich  kann  in  bezug  auf  ihn  Freisprechung  begründen"",  so  schwenkte- 
jener  mit  dem  Tuch,  u.  das  Pferd  eilte  (dem  Verurteilten  nach)  u.  veranlaßte  ihn  stehni 
zu  bleiben  (bis  die  neu  aufgenommene  Verhandlung  im  Gerichtshause  beendet  war). 
Auch  wenn  er  (selbst  unterwegs)  gesagt  hatte:  „Ich  kann  in  bezug  auf  mich  selbst 
Freisprechung  begründen",  führte  man  ihn  zurück,  sogar  vier- oder  fünfmal;  nur  daß- 
an  seinen  Worten  etwas  Erhebliches  sein  mußte.  —  Bertinoro  (f  1510)  bemerkt  hierzu:; 
Wenn  das  erste  u.  zweite  Mal  an  seinen  Worten  nichts  Erhebliches  war,  führte  man 
ihn  zurück,  da  ihm  vielleicht  vor  Angst  seine  Entlastungsgründe  entfallen  waren.  Darüber 
hinaus  führte  man  ihn  nicht  zurück;  man  gab  ihm  aber  zwei  Gelehrtenschüler  bei,  die- 
prüfen  sollten,  ob  an  seinen  Worten  etwas  Erhebliches  sei;  denn  dann  führte  man  ihn 
auch  wer  weiß  wie  oft.  zurück. 

C.  Freisprechung  [Kerker.    Strafende  Hand  Gottes]. 

Ein  Freispruch  hätte  folgerichtig  überall  da  eintreten  müssen,  wO' 
nach  dem  Gesetz  weder  auf  Verbannung  noch  auf  Hinrichtung  zu  er- 
kennen war;  denn  eine  andre  Strafe  kennt  ja  die  Tora  für  den  Tot- 
schläger nicht.  Und  gewiß  wird  man  in  den  meisten  Fällen  nach  dieser 
Regel  gehandelt  haben.  Doch  finden  sich  bereits  in  der  Mischna  Stellen^ 
die  zeigen,  daß  das  allgemeine  Rechtsempfinden  sich  nicht  dabei  be- 
ruhigt hat,  daß  ein  offenbarer  Mörder  völlig  straffrei  sollte  ausgehn,. 


*  Bei  den  Römern  geschah  die  Enthauptung  in  republikanischer  Zeit  mit  dem 
Beil  nach  vorhergegangener  Geißelung.  Auch  im  ersten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit 
kommt  sie  noch  vor.  Seneca,  De  ira  2,  5,  5:  Volesus  nuper  sub  divo  Augusto  proconsuL 
Asiae  cum  trecentos  uno  die  securi  percussisset  incedens  inter  cadavera  Graece  pro- 
clamavit:  o  rem  regiam.  Offb  20,  4:  r«?  ipv/ag  icSi'  nsus'AExia^evojv  diu  rijt'  u«qti'qlc<v 
Tov  'hjaov.  Sueton,  Claudius  25:  civitatem  Romanam  usurpantes  in  campo  Esquilino 
securi  percussit.  Der  Kopf  lag  wahrscheinlich  auf  einem  Blocke.  In  der  Kaiserzeit 
wird  das  Beil  durch  das  Schwert  ersetzt.    Genaueres  bei  Strack  zu  Sanh  7,  3. 

-  Wenn  man  ihn,  während  er  steht,  enthauptet  u.  er  dann  hinfällt.  Nach  einer 
Bar  Sanh  52b  berief  er  sich  auf  Lv  18,  3  „in  ihren  Satzungen  sollt  ihr  nicht  wandeln". 
Die  Rabbinen  erwiderten  ihm  aber,  die  Tötung  mit  dem  Schwerte  komme  schon  iii 
der  Tora  vor,  sei  daher  keine  Nachahmung  des  Brauches  Andersgläubiger. 


Matth5,21  (SB  3C  1.2  s)  271 

nur  weil  vielleicht  das  traditionelle  formale  Recht  keine  Handhabe  zu 
seiner  Bestrafung  bot.  Diesem  berechtigten  Gefühl  suchte  man  zu  ge- 
nügen: 1.  durch  Kerkerstrafe  bei  Wasser  u.  Brot;  2.  dadurch,  daß  man 
den  Mörder  der  strafenden  Hand  Gottes  überantwortete. 

1.  Kerkerstrafe. 

Sanh  9, 5:  Wenn  jemand  Menschen  ohne  Zeugen  getötet  hat  (das  Gericht  aber  doch 
von  seiner  Schuld  überzeugt  ist),  so  bringt  man  ihn  in  das  Gewölbe  u.  gibt  ihm  ,Brot 
der  Not  u.  Wasser  der  Drangsal"  (Jes  30,  20).  ||  Sanh  81'^:  Woher  weiß  man  es  (daß  ein 
Mensch  der  Mörder  ist,  wenn  er  seine  Tat  ohne  Zeugen  vollbracht  hat)?  Rah  (f  247) 
hat  gesagt:  Durch  ein  vereinzelt  dastehendes  Zeugnis  (durch  eine  Zeugenpartei,  die  nur 
Einen  Zeugen  umfaßt,  s.  oben  S.  266  u.  268,  u.  deren  Zeugnis  daher  keinen  vollgültigen 
Zeugenbeweis  ergibt).  Sch'^^muel  (f  254)  hat  gesagt:  (Es  sind  damit  die  Mörder  ge- 
raeint, die  ihre  Tat  vollbracht  haben)  ohne  Verwarnung.  —  Sanh  81'^:  Was  war  es 
für  ein  Gewölbe?  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt:  Ein  Raum  von  Manneslänge  (nach 
jeder  Richtung  hin),  und  wo  ist  eine  Hindeutung  darauf  (in  der  Schriftj?  Resch 
Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  „Den  Gottlosen  tötet  die  Bosheit"  Ps  34,  22.  Derselbe 
hat  gesagt:  Was  heißt  Qoh  9,  12:  „Weiß  doch  auch  der  Mensch  nicht  seine  Zeit;  wie 
die  Fische,  welche  eingefangen  werden  im  bösen  Netz"?  Was  ist  ein  böses  Netz? 
Resch  Laqisch  hat  gesagt:  Der  Angelhaken.  (Inwiefern  diese  Stellen  einen  Hinweis 
auf  das  Kerkergewölbe  enthalten  sollen,  ist  nicht  zu  erkennen.)*  Die  Deutung  von 
Qoh  9,  12  auch  im  Midr  Qoh.  ||  Sanh  81^:  Was  ist  für  ein  Unterschied  zwischen  dieser 
Mischnasteile:  „Man  gibt  ihm  Brot  der  Not  u.  Wasser  der  Drangsal"  u.  jener  Mischna- 
steile: „Man  gibt  ihm  (dem  nach  zweimaliger  Geißelstrafe  in  das  Kerkergewölbe  Ge- 
worfenen) Gerste  zu  essen,  bis  sein  Bauch  platzt"  (Sanh  9,  5)?  Rab  Schescheth  (um 
260)  hat  gesagt:  In  beiden  Fällen  gibt  man  ihm  Brot  der  Not  u.  Wasser  der  Drangsal 
(d.  h.  wenig  Brot  u.  Wasser),  bis  seine  Eingeweide  zusammenschrumpfen;  dann  wieder 
gibt  man  ihm  Gerste  zu  essen,  bis  sein  Bauch  platzt. 

2.  Bestrafung  durch  Gottes  Hand. 

Unmittelbare  Bestrafung  durch  Gottes  Gericht  kennt  das  Rabbin. : 

N.  als  Ausrottung.  Das  AT  setzt  auf  bestimmte  Übertretungen 
bald  die  Ausrottungs-,  bald  die  Todesstrafe;  vgl.  zB  Lvl8,  6fif.  mit 
20, 11  ff.;  18,21.29  u.  20,  3— 5  mit  20,  2;  18,  20.  29  mit  20, 10;  18,22.29 
mit  20, 13 ;  18,  17.  29  mit  20, 14 ;  18,  23.  29  mit  20, 15  f.  Man  hat  der- 
gleichen Stellen  so  untereinander  auszugleichen  versucht,  daß  man 
sagte,  die  Todesstrafe  trete  in  Kraft,  sobald  der  Mensch  die  betreffende 
Sünde  absichtlich  u.  trotz  Verwarnung  vollbracht  habe;  die  Strafe  der 
Ausrottung  aber  trete  ein,  sobald  die  Sünde  zwar  absichtlich,  doch 
ohne  voraufgegangene  Verwarnung  begangen  sei.a  Der  Hauptunter- 
schied zwischen  beiden  Strafen  aber  liege  darin,  daß  die  Todesstrafe 
durch  Menschen  u.  die  Ausrottung  durch  Gott  erfolge:  bei  letzterer 
greife  Gott  durch  Kürzung  des  Lebens  ein  (Tod  in  der  Vollkraft  der 
Jahre,  im  50.  Lebensjahre). b  Da  die  Verwarnung  überall  im  jüdischen 
Recht  als  strafverschärfendes  Moment,  das  Fehlen  der  Verwarnung  als 
Milderungsgrund  erscheint,  muß  logischerweise  die  Ausrottung  gegen- 
über der  Todesstrafe  als  die  kleinere  oder  mildere  Strafe  gedacht  sein. 
Nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen  gilt  die  Ausr.  als  die  schwerere  Strafe, 
nämlich  dann,  wenn  sie  nicht  bloß  das  leibliche  Leben  trifft,  sondern 
auch  die  Seele  vom  Leben  der  zukünftigen  Welt  ausschließt.  Der  Grund, 


272  Matth  5,  21  (SB  3  C  2  s.  z) 

aus  welchem  man  die  Ausr.  zu  dem  jenseitigen  Geschick  der  Seelen  in 
Beziehung  gesetzt  hat,  war  ein  exegetischer:  rtian  wollte  dem  zwei- 
maligen „Ausgerottet"  Nu  15,  31  auf  diese  Weise  gerecht  werden. c  Die 
einzelnen  Übertretungen,  die  gegebenenfalls  mit  Ausr.  geahndet  werden, 
zählt  die  Mischna  K^r  1, 1  auf.d 

a.  Bertinoro  zu  K^r  1,1:  Die  Ausrottungsstrafen  sind  festgesetzt  für  den,  der  mut- 
willig übertritt  ohne  Verwarnung;  wenn  aber  die  Verwarnung  stattgefunden  hat,  so 
werden  einige  der  Übertretungen  mit  Erdrosselung,  andre  mit  Steinigung,  andre  mit 
Geißelung  bestraft.  Falls  die  Übertretung  versehentlich  geschehen  ist,  ist  ein  Sünd- 
opfer darzubringen. 

b.  M^'kh  Ex  12,  15  (12-')  u.  12,  19  (13''):  Ausrottung  ist  nichts  andres  als  das  Auf- 
hören des  menschl.  Lebens.  —  Vor  allem  s.  MQ  28'"'  u.  Parall.  S.  212  y. 

C.  SNu  15,  31  §112(33"):  , Ausgerottet,  ja  ausgerottet  soll  diese  Seele  werden" 
(Nu  15,  31).  , Ausgerottet",  in  dieser  Welt;  „ja  ausgerottet",  in  der  zukünftigen  Welt. 
So  R.  ?Aqiba  (f  um  135).  R.  Jischma?el  (f  um  135)  erwiderte:  Wenn  es  heißt:  „Aus- 
gerottet, ja  ausgerottet  soll  diese  Seele  werden",  so  redet  die  Tora  damit  nur  nach 
der  Ausdrucksweise  der  Menschenkinder  (sie  deutet  nicht  auf  einen  Nebensinn,  s. 
Einl.  109  Anfang).  —  Als  Bar,  aber  in  andrer  Fassung  Sanh  64**  u.  90*^.  —  Wie  ?Aqiba 
auch  Targ  J^'rusch  I:  Darum,  daß  er  das  alte  Gesetz  verachtet  hat,  das  Jahve  auf  dem 
Sinai  verordnet  hat,  u.  das  Beschneidungsgebot  verworfen  hat,  soll  er  vertilgt  werden 
in  dieser  Welt,  ja  vertilgt  soll  dieser  Mensch  werden  in  der  zukünftigen  Welt;  denn  er 
wird  über  seine  Schuld  Rechenschaft  ablegen  müssen  am  Tage  des  großen  Gerichtes. 

d.  K'^r  1,  1:  Sechsunddreißigmal  ist  die  Strafe  der  Ausrottung  in  der  Tora  ver- 
hängt: Wer  seiner  Mutter  beiwohnt,  oder  der  Frau  seines  Vaters,  oder  der  Schwieger- 
tochter, oder  einem  Männlichen,  oder  einem  Stück  Vieh;  eine  Frau,  die  ein  Stück  Vieh 
über  sich  kommen  läßt;  wer  einer  Frau  samt  deren  Tochter  beiwohnt,  oder  einer  Ehe- 
frau, oder  seiner  Schwester,  oder  einer  Schwester  seines  Vaters,  oder  einer  Schwester 
seiner  Mutter,  oder  einer  Schwester  seiner  Ehefrau,  oder  der  Ehefrau  seines  Bruders, 
oder  der  Ehefrau  des  Bruders  seines  Vaters,  oder  einer  Menstruierenden;  ferner  der 
Gotteslästerer,  der  Götzendiener,  wer  von  seinem  Samen  dem  Molokh  übergibt,  der 
Totenbeschwörer,  der  Sabbatschänder,  der  Unreine  welcher  Heiliges  ißt,  wer  als  Un- 
reiner ins  Heiligtum  kommt,  wer  Unschlitt  (zum  Genuß  verbotenes  Fett)  ißt  oder  Blut 
oder  Übriggebliebenes  (nämlich  vom  Opfer,  s.  Lv  7,  18)  oder  Verworfenes  piggül  (da- 
mit ist  ein  Opfer  gemeint,  das  nicht  innerhalb  der  vorgeschriebenen  Zeit  gegessen 
war);  wer  außerhalb  (des  Tempels)  schlachtet  u.  opfert,  wer  am  Passah  Gesäuertes 
ißt,  wer  am  Versöhnungstage  ißt  oder  eine  Arbeit  verrichtet,  wer  das  Salböl  oder  das 
Räucherwerk  (das  für  heilige  Zwecke  gebraucht  wurde,  zum  eignen  Privatgebrauch) 
zubereitet,  wer  sich  mit  dem  heiligen  Salböl  salbt.  (In  allen  diesen  Fällen  handelt  es 
sichjim  Übertretung  von  Verboten.)  Bei  Geboten  aber  trat  die  Strafe  der  Ausr.  ein 
bei  Übertretung  des  Passah-  u.  des  Beschneidungsgebotes.  —  Die  Voraussetzung  ist 
überall,  daß  keine  Verwarnung  des  Übeltäters  stattgefunden  hat. 

3.  als  „Tod  durch  Gottes  Hand".  Diese  Strafe  war  weniger 
streng  als  die  Ausrottung.  Man  meinte,  daß  der  Tod  im  Alter  von 
60  Jahren a  ein  solcher  Tod  durch  Gottes  Hand  sei.  Im  ganzen  werden 
17  Übertretungen  genannt,  auf  die  dieser  Tod  als  Strafe  folgen  b  soll. 

a.  MQ  28''':  Wenn  man  mit  50  Jahren  stirbt,  so  ist  das  der  Tod  der  Ausrottung; 
mit  52  Jahren,  das  ist  der  Tod  Samuels  von  Rama;  mit  60  Jahren,  das  ist  der  Tod 
durch  die  Hand  Gottes.  Mar  Zutra  (I.?,  um  320)  nennt  als  Schriftstelle  dafür  Hi  5,26: 
Du  wirst  n533  (=  im  Alter)  zu  Grabe  kommen;  njsa  hat  einen  Zahlenwert  von  60. 
Mit  70  Jahren,  das  ist  der  Tod  des  Alters,  u.  mit  80  Jahren,  das  ist  der  Tod  des 
höchsten  Alters,  s.  Ps  90,  10.  Rabbah  (f  330)  hat  gesagt:  Vom  50. — 60.  Lebensjahre, 


Matth  5,  21  (SB  3C2=.  ;)  273 

das  ist  der  Tod  der  Ausr. ;  u.  daß  man  nicht  diese  ganzen  10  Jahre  gerechnet  hat. 
geschah  wegen  der  Ehre  Samuels  von  Rama.  Als  Rab  Joseph  (f  333)  60  Jahre  alt  ge- 
worden war,  veranstaltete  er  den  Rabbinen  einen  Festtag;  er  sprach:  Nun  bin  ich  frei 
von  der  Ausrottung!  —  Mit  Änderungen  pBikk  2,(54'',  37.  Hier  folgt:  R.Abin  b.  Tanchum 
b.  Tryphon  (iii""!"^",  wann?)  entnahm  den  Beweis  dafür  (daß  der  Tod  im  50.  Lebens- 
jahr der  Tod  der  Ausr.  sei)  von  Ps90,  10:  ,Die  Tage  unsrer  Lebensjahre  sind  70." 
Zieh  davon  die  ersten  20  ab,  in  denen  der  obere  Gerichtshof  nicht  straft  u.  nicht  aus- 
rottet, so  mußt  du  sagen:  Wer  mit  50  (d.  i.  70  —  20)  Jahren  stirbt,  der  stirbt  durch 
Ausr.  —  Die  Kommentare  erläutern  diesen  Beweis  so:  Wenn  das  menschliche  Leben 
lange  währt,  so  währt  es  80  Jahre;  davon  ziehe  die  ersten  20  Lebensjahre  ab,  in  denen 
Gott  einen  Menschen  nicht  straft,  so  bleiben  GO  Jahre.  Nun  bedeutet  aber  ri:  (ausrotten) 
eigentlich  „in  zwei  Teile  teilen" ;  also  besteht  die  Ausr.  darin,  daß  Gott  einen  Menschen 
von  den  60  Jahren  seiner  Verantwortliclikeit  nur  die  erste  Hälfte  (=  30  Jahre  -\-  20  der 
Jugendzeit)  durchleben  läßt;  oder  umgekehrt:  wenn  das  Leben  eines  Menschen  nach 
den  20  Jahren  der  Jugend  oder  NichtVerantwortlichkeit  u.  den  ersten  30  Jahren  der 
Verantwortlichkeit,  zusammen  nach  50  Jahren  ein  Ende  nimmt,  so  ist  das  ein  Beweis, 
daß  Gott  das  Halbieren,  das  r^:  vollzogen  hat. 

b.  Sanh9,  6:  Wenn  ein  Fremder  (d.h.  ein  Nichtpriester)  im  Heiligtum  priester- 
liche Funktionen  vollzieht,  so  wird  er  nach  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  durch  Erdrosselung 
(also  durch  Menschenhand),  nach  den  Gelehrten  aber  durch  die  Hand  des  Himmels 
bestraft.  ||  Sanh  11,  5:  Ein  falscher  Prophet,  der  prophezeit,  was  er  nicht  gehört  hat  u. 
wjis  ihm  nicht  gesagt  worden  ist,  dessen  Tod  erfolgt  durch  Menschenhände.  Aber 
wenn  er  seine  Prophetie  unterdrückt  (aus  Menschenfurcht,  Bequemlichkeit  u.  dergl.), 
oder  wer  die  Worte  eines  Propheten  als  überflüssig  (nicht  verbindlich)  behandelt,  oder 
wenn  ein  Prophet  seine  eignen  Worte  übertritt,  so  erfolgt  der  Tod  durch  die  Hand 
des  Himmels;  s.  Dt  18,  19:  Ich  werde  es  von  ihm  fordern.  —  In  TSanh  14,  14 f.  (437) 
lautet  die  Tradition:  Wer  prophezeit,  was  er  nicht  gehört  hat,  wie  ^idqijja,  der  Sohn 
K^na?anas  (vgl.  1  Kg  22,  11),  oder  wer  prophezeit,  was  ihm  nicht  gesagt  worden  ist, 
wie  Chananja,  der  Sohn  ?Azzurs  (Jer  28,  1  ff.),  .  .  .  oder  wer  seine  Prophetie  unterdrückt 
wie  Jona,  der  Sohn  des  Ämittai,  oder  wer  die  Prophetie  eines  Propheten  als  über- 
flüssig behandelt,  wie  der  Genosse  Mikhas  (1  Kg  22,  24);  ferner  ein  Prophet,  der  seine 
eignen  Worte  übertritt,  wie  ?Iddo  (wohl  der  anonyme  Prophet  1  Kg  13,  vgl.  Vers  21  f.), 
oder  seine  Prophetie  verändert;  ein  Fremder  (=  Nichtpriester);  ein  Gebadeter,  der  noch 
den  Untergang  der  Sonne  abzuwarten  hat,  um  ganz  rein  zu  sein;  ein  Priester,  dem 
noch  die  Sühnung  (durch  ein  Opfer)  fehlt;  ein  Priester,  dem  etwas  an  der  Priester- 
kleidung fehlt;  der  die  Hände  u.  Füße  nicht  gewaschen;  der  mit  entblößtem  Kopf  da- 
steht; der  Wein  getrunken  hat  u.  trotz  alledem  priesterliche  Funktionen  vornimmt  — 
die  alle  sind  des  Todes  schuldig.  Und  wodurch  erfolgt  ihr  Tod?  Durch  die  Hand  des 
Himmels.  —  Sanh  83-*  läßt  den  ersten  Teil,  der  sich  auf  die  Propheten  u.  deren  Pro- 
phetie bezieht,  fort  u.  fügt  der  weiteren  Aufzählung  in  der  Tosephta  hinzu:  Wer  un- 
verzehntete  Früchte  ißt;  ein  unreiner  Priester,  der  reine  Hebe  ißt;  ein  Fremder  (=  Nicht- 
priester), der  Hebe  ißt;  ...  ein  Unreiner,  der  als  Priester  amtiert  usw.  In  TK'^rl,5 
(561)  umfaßt  die  Reihe  9,  in  TZ'^b  12,  17  (498)  10  Glieder.  In  den  drei  zuletzt  genannten 
Stellen  fehlt  jedoch  die  Bemerkung,  d^ß  der  Tod  durch  Gottes  Hand  erfolge.  |!  Ein 
weiteres  Beispiel  s.  TanchB  •:;  §  4  (S'"*),  S^'mach  8. 

;,  Ähnlich  wird  es  gemeint  sein,  wenn  es  von  einem  nach  irdischem 
Recht  frei  ausgehenden  Mörder  einigemal  heißt,  daß  er  Gott  übergeben 
werde  oder  daß  er  dem  himmlischen  Gericht  verfallen  sei.  Hierhergehören: 

Qid  43"  Bar:  Wenn  jemand  zu  seinem  Beauftragten  sagt:  Geh,  töte  einen  Menschen 
(u.  der  Beauftragte  führt  den  Befehl  aus),  so  ist  der  Beauftragte  schuldig,  sein  Auf- 
traggeber aber  frei.  Schammai  der  Alte  (um  30  v.  Chr.)  sagte  im  Namen  des  Propheten 
Haggai:  Sein  Auftraggeber  ist  schuldig;  s.  2  Sm  12,9:  Den  Uria  hast  du  (David)  ge- 
tötet durch  das  Schwert  der  Ammoniter.  .  .  .  Was  heißt:  „Er  ist  schuldig"  (im  Sinn 
Strack  u.Billerbeek,  NTI.  18 


274  Matth  5,  21  (»  3  C  2  ;) 

Schamniais)'?  Etwa:  er  ist  den'  Gerichten  des  Himmels  (Gottes)  verfallen,  während 
der  erste  Mischnalehrer  meint,  daß  der  Auftraggeber  auch  vom  Gericht  des  Himmels 
frei  sei?  Vielmehr  bildet  den  Unterschied  die  große  u.  die  kleine  Strafe.  (Schammai 
will,  daß  die  auf  Mord  gesetzte  Strafe  den  Auftraggeber  als  den  intellektuellen  Ur- 
heber treffe;  der  , erste  Mischnalehrer"  hält  eine  geringere  Strafe  für  angemessen,  da 
der  Auftraggeber  den  Mord  nicht  ausgeführt  hat;  worin  diese  Strafe  bestehn  soll,  ist 
nicht  angegeben.  Die  spätere  Halakha  entspricht  dem  Standpunkt  des  , ersten  Mischna- 
lehrers";  daraus  erkennt  man,  daß  die  Zeit  Sciiammais  strenger  in  der  vorliegenden 
Frage  geurteilt  hat.)  ||  M^kh  Ex  21,  14  (86'^):  „Falls  ein  Mann  frevelhaft  gegen  seinen 
Nächsten  handelt,  daß  er  ihn  mit  Hinterlist  totschlägt"  Ex  21,  14.  Falls  ein  „Mann" 
(heißt  es),  schließt  den  Minorennen  (der  noch  kein  Mann  ist)  aus;  falls  ein  „Mann", 
schließt  die  andren  (=  Mchtisraeliten)  mit  ein;  „seinen  Nächsten",  schließt  den  Mino- 
rennen ein;  „seinen  Nächsten",  schließt  die  Nichtisraeliten  [die  nicht  unter  den  Be- 
griff „Nächster"  fallen]  aus  (d.  h..  Ex  21,  14,  daß  der  Mörder  sterben  soll,  ist  nach 
jüdischem  Recht  nicht  anwendbar,  wenn  ein  Israelit  der  Mörder,  ein  Nichtisraelit  der 
Ermordete  ist).  Isi  b.  ?Aqabja  (um  150,  so  lies  statt  ?Aqiba)  sagte:  Vor  der  (sinaitischen) 
Gesetzgebung  wurden  wir  (Israeliten)  wegen  des  Blutvergießens  verwarnt  (nämlich 
Gn  9,  6) ;  nach  der  Gesetzgebung  aber  wurden  statt  der  Erschwerungen  Erleichterungen 
in  bezug  auf  sie  (die  Nichtisraeliten  u.  ihre  Ermordung)  gegeben.  Mit  Bestimmtheit 
hat  man  gesagt: '  Der  Israelit,  der  einen  Nichtisraeliten  getötet  hat,  ist  frei  seitens  des 
Gerichtes  von  Fleisch  ii.  Blut  (seitens  eines  menschl.  Gerichts),  aber  ihre  Sache  (so 
der  Text)  ist  dem  Himmel  übergeben.  1|  M<=khEx21,29  (93-''):  „Und  auch  sein  (des 
stößigen  Kindes)  Besitzer  soll  getötet  werden"  Ex  21,  29,  nämlich  durch  die  Hände 
des  Himmels  (Gottes).  Du  meinst  durch  die  Hände  des  H. ;  ob  nicht  doch  vielmehr 
durch  die  Hände  von  Menschen?  Wenn  es  (Ex  21,  30)  heißt:  „Falls  ihm  eine  Sühne 
auferlegt  wird,  so  gebe  er  das  Lösegeld  für  sein  Leben",  siehe,  so  gibt  man  ein  Löse- 
geld für  die  durch  die  Hände  des  H.  zu  Tötenden.  Du  meinst  für  die  durcli  die  Hände 
des  H.  zu  Tötenden;  oder  nicht  doch  vielmehr  für  die  durch  die  Hände  von  Menschen 
zu  Tötenden?  Wenn  es  Nu  35,  31  heißt:  „Ihr  dürft  nicht  Lösegeld  annehmen  für  die 
Person  eines  Mörders,  welcher  (durch  Menschenhand)  zu  sterben  schuldig  ist",  siehe, 
so  lernen  wir,  daß  man  kein  Lösegeld  für  die  durch  die  Hände  von  Menschen  zu 
Tötenden  gibt,  wohl  aber  für  die  durch  die  Hände  des  H.  zu  Tötenden.  —  Parallele: 
SNu  35,  31  S  161 ;  K^th  37^  ist  R.  Jischma?el  b.  Jocha'nan  b.  B'Yoqa  (um  150)  Autor.  [| 
SNu35,  20  §160:  „Wenn  er  in  Haß  ihn  stößt"  Nu  35,  20.  Warum  wird  das  gesagt? 
Wenn  es  Nu  35,  16 — 18  heißt:  „Wenn  er  mit  einem  eisernen  Gerät  ihn  geschlagen 
hat  .  .  .,  oder  wenn  er  mit  einem  in  der  Hand  gehaltenen  Stein  .  .  .,  oder  wenn  er  mit 
einem  in  der  Hand  gehaltenen  hölzernen  Gerät  ihn  geschlagen  hat",  so  höre  ich  daraus, 
daß  er  nur  dann  schuldig  (strafbar)  sei,  wenn  er  ihn  mit  diesen  Dingen  getötet  hat. 
Woher  nun,  wenn  er  ihn  oben  vom  Dach  gestoßen  hat,  so  daß  er  kinabflel  u.  starb? 
Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Wenn  er  in  Haß  ihn  stößt"  ganz  allgemein.  Oder  auch, 
wenn  er  ihn  ins  Wasser  oder  ins  Feuer  gestoßen  hat,  oder  wenn  er  einen  Hund  oder 
eine  Schlange  auf  ihn  gehetzt  hat?  Siehe,  du  ziehst  aus  jenen  dreien  (Eisen,  Stein, 
Holz)  die  Schlußfolgerung  des  Binjan  Ab  (indem  du  aus  dem,  was  jene  drei  gemein- 
sam haben,  schließest,  s.  Einl.  S.  97f.):  nicht  gilt  vom  Stein,  was  vom  Holz  gilt,  u. 
nicht  vom  Holz,  was  vom  Stein  gilt,  u.  nicht  von  diesen  beiden,  was  vom  Eisen  gilt, 
u.  nicht  vom  Eisen,  was  von  den  beiden  gilt;  das  Stück  (wörtlich:  die  Seite),  worin 
die  drei  sich  gleichen,  ist  das,  was  sich  auf  die  Tötenden  bezieht,  u.  wer  (damit)  tötet, 
^iehe,  der  ist  schuldig.  Das  schließt  den  aus,  der  ihn  ins  Feuer  oder  ins  Wasser  ge- 
stoßen hat,  ferner  den,  der  eine  Schlange  auf  ihn  gehetzt  hat;  denn  dessen  Sache  ist 
(weil  er  nicht  unmittelbar  den  Tod  verursacht  hat)  dem  Himmel  überlassen.  ||  TBQ 


^  "i-^tts  ri3X2  „in  Wahrheit,  mit  Bestimmtheit  hat  man  gesagt"  ist  wesentlich  gleich 
der  Wendung:  „eine  Halakha  von  Mose  vom  Sinai  her",  dient  also  zur  Bezeichnung 
uralter  Traditionen. 


Matth  5,  21  (©  3  C  2  ;).  5,  22  (5()  275 

(>.  16 f.  (355):  Wer  einen  andren  ängstigt  (ihm  einen  Schrecken  einjagt),  ist  frei  vom 
menschlichen  CTericht  (weil  die  Tora  keine  Strafbestimmung  darüber  enthält),  u.  sein 
Gericht  ist  dem  Himmel  überlassen.  Schrie  er  in  sein  Ohr  u.  machte  ihn  (dadurch) 
taub,  so  ist  er  straffrei;  hatte  er  ihn  angefaßt  u.  schrie  in  sein  Ohr  u.  machte  ihn 
taub,  so  ist  er  schuldig  (Schadenersatz  zu  leisten).  Wer  das  Vieh  eines  andren  ängstigt, 
ist  frei  vom  menschl.  Gericht,  aber  sein  Gericht  ist  defti  H.  überlassen.  Wer  Vieh 
füttert  mit  Asant  (asa  foetida).  Oleanderblättern,  Gift  u.  Hühnerschmutz  (wodurch  das 
Fleisch  der  Tiere  möglichenfalls  für  den  Menschen  gesundheitsschädlich  wird),  ist  frei 
vom  menschl.  Gei'icht,  aber  sein  Gericht  ist  dem  H.  überlassen.  Wer  sich  etwas  am 
Entsündigungswasser  oder  an  der  Lustrationskuh  {=  rote  Kuh)  eines  andren  zu  schaffen 
macht,  ist  frei  vom  menschl.  Gericht,  aber  sein  Gericht  ist  dem  H.  überlassen.  Der 
Beauftragte  (Diener)  des  Gerichtshofes,  der  mit  Ermächtigung  des  Gerichts  einen  geißelte 
u.  dadurch  schädigte,  ist  frei  vom  menschl.  Gericht,  aber  sein  Gericht  ist  dem  H.  über- 
lassen. Wer  einen  Embryo  im  Leibe  einer  Frau  mit  Ermächtigung  des  Gerichts  zer- 
schnitt u.  dabei  die  Frau  schädigte,  ist  frei  vom  menschl.  Gericht,  aber  sein  Gericht 
ist  dem  H.  überlassen.  Ein  erprobter  Arzt,  der  mit  Ermächtigung  des  Gerichts  heilt 
u.  einen  Kranken  schädigt,  ist  frei  vom  menschl.  Gericht,  aber  sein  Gericht  ist  dem 
H.  überlassen.  ||  Wie  man  sich  das  richterl.  Eingreifen  Gottes  etwa  gedacht  hat,  zeigt 
Sanh  37''  (s.  oben  S.267),  wo  es  zum  Schluß  heißt:  Der  die  Gedanken  kennt,  wird 
Rache  nehmen  an  dem  Mann,  der  seinen  Nächsten  erschlug.  Man  hat  gesagt:  Sie 
waren  noch  nicht  von  dort  weggegangen,  als  eine  Schlange  kam  u.  den  Mörder  biß, 
daß  er  .starb.  —  Ferner  Mak  lO'':  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250)  eröffnete  seinen 
Vortrag  über  diesen  Abschnitt  (von  den  Asylstädten)  mit:  „Wenn  aber  jemand  nicht 
nachgestellt  hat,  sondern  Gott  hat  es  seiner  Hand  begegnen  lassen"  Ex  21,  13.  ferner' 
mit:  ,Wie  der  alte  Spruch  sagt:  Von  Frevlern  kommt  Frevel"  1  Sm  24,  14.  Von  wem 
redet  die  Schriftstelle?  Von  zwei  Menschen,  die  einen  Menschen  getötet  haben.  Der 
eine  hatte  versehentlich  getötet  u.  der  andre  vorsätzlich ;  gegen  den  einen  waren  keine 
Zeugen  vorhanden,  gegen  den  andren  auch  nicht.  Gott  führt  sie  in  einundderselben 
Herberge  zusammen.  Der,  welcher  vorsätzlich  getötet  hat,  sitzt  unter  einer  Leiter;  der, 
welcher  versehentlich  getötet  hat,  steigt  die  Leiter  hinab,  fällt  auf  jenen  u.  tötet  ihn. 
So  wird  der,  der  vorsätzlich  getötet  hatte,  getötet  (durch  die  Hand  oder  das  Gericht 
des  Himmels),  u.  der,  welcher  versehentlich  getötet  hatte,  geht  in  die  Verbannung.  — 
Dieser  Ausführung  liegt  die  Bar  M'^'kh  Ex  21,  13  (86'')  zugrunde. 

Wie  oben  TBQ  ü,  IG  f.  zeigt,  waren  es  nicht  bloß  Mörder  u.  Totschläger,  deren 
Bestrafung  gegebenenfalls  Gott  anheimgestellt  wurde,  sondern  auch  andre  Übeltäter, 
deren  Bestrafung  durch  ein  menschl.  Gericht  nicht  möglich  war.  Vgl.  auch  Mischna 
BQ6,  4:  Wenn  einer  einen  Brand  anstiftet  durch  einen  Taubstummen,  Blöden  oder 
Minderjährigen,  so  ist  er  frei  von  menschl.  Gerichten,  aber  schuldig  der  Gerichte  des 
Himmels  =  den  Gerichten  des  H.  verfallen.  —  Weitere  Beispiele  s.  BQ  55'' — 56*; 
darunter  einige  bereits  TBQ  6,  16  f.  erwähnte;  ferner  BQ  99''. 

Wenn  die  traditionelle  Auslegung  des  5.  Gebotes  nach  Mt5, 21  lautet: 
,Du  sollst  nicht  töten;  wer  aber  tötet,  der  soll  dem  Gericht  verfallen 
sein"  sioxog  sazai  rrj  xgi'asi,  so  kann  nach  dem  oben  beigebrachten 
Stellenmaterial  unter  dem  Gericht,  das  über  den  Mörder  abzuurteilen 
hat,  nur  der  Gerichtshof  der  Dreiundzwanzig  verstanden  werden. 

5,22:  Ich  aber  sage  euch,  daß  jeder,  der  seinem  Bruder  zürnet, 
dem  Gericht  verfallen  sein  wird;  wer  aber  zu  seinem  Bruder 
„Dummkopf"  sagen  sollte,  der  wird  dem  Synedrium  verfallen 
sein;  wer  aber  „Tor"  sagen  sollte,  der  wird  an  die  FeuerhöUe 

verfallen  sein. 
5t  sioxog  t[]  xQi'aei  .  .  ,  svoxoc  ifo  aws^Quo.   Der  Versuch  Lightfoots 

18* 


276  ■  Matth  5,  22   (%.  83.  Ü'] 

u.  andrer,  unter  xQi'aig  hier  die  Bestrafung  des  Menschen  durch  Gottes 
Hand  (s.  S.  271)  u.  unter  awadgiov  den  Gerichtshof  der  23  (s.  S.  257)  zu 
verstehn,  scheitert  an  der  Unmöglichkeit,  y.Qimg  in  Vers  22  u.  21  ver- 
schieden zu  deuten.  Wie  in  Vers  21  mit  xQiaig  der  Gerichtshof  der  23  ge- 
raeint ist  (s.  S.  275),  so  auch  in  Vers  22.  Dann  aber  muß  sich  avvädQior 
auf  den  aus  71  Mitgliedern  bestehenden  Hohenrat  beziehen,  s.  Sanh  1,  5 
S.  258  f.  —  Die  Klimax  in  Vers  22  wäre  hiernach:  Wer  Zorn  in  seinem 
Innern  hegt,  gehört  vor  das  Gericht  der  23,  das  Kapitalverbrechen 
aburteilt;  wer  seinem  Zorn  Ausdruck  gibt  in  einem  gewöhnlichen 
Schimpfwort  wie  „Dummkopf",  sollte  vom  höchsten  irdischen  Gerichts- 
hof, dem  großen  Synedrion,  gerichtet  werden;  wer  sich  aber  vollends 
von  seinem  Zorn  hinreißen  läßt,  mit  einem  Schmäh  wort  wie  „Narr" 
die  sittliche  Integrität  eines  andren  anzutasten,  der  fällt  der  ewigen 
Verdammnis  anheim. 

2^  6  aSeXifög  =  nx  „Bruder"  deckt  sich  nicht  mit  o  nhiaiov  =  v- 
„ Nächster",  nx  bezeichnet  das  Mitglied  der  israelitischen  Religions- 
gemeinschaft: darum  redet  der  Vortragende  in  gottesdienstl.  Versamm- 
lungen seine  Hörer  mit  ^iD-^nx,  aram.  irrx,  „unsre  Brüder"  an  (s.  bei 
Apg  23, 1).  "-  dagegen  bezeichnet  das  Mitglied  der  israelitischen  Volks- 
gemeinschaft, steht  also  im  Gegensatz  zu  den  Nichtisraeliten,  den 
„anderen"  n^-nx  (s.  bei  5,  43).  SDt  15,  2  §  112  (97''):  „Er  darf  seinen 
Nächsten  u.  Bruder  nicht  drängen"  Dt  15,  2.  Seinen  „Nächsten"  inr^; 
ausgeschlossen  sind  also  die  „andren"  (Nichtisraeliten);  seinen  „Bruder" 
TTix;  ausgeschlossen  ist  der  Ger-Toschab  (der  Beisaß,  der  im  Lande 
Isr.  wohnt,  aber  nicht  in  die  israelitische  Religionsgemeinschaft  ein- 
getreten ist;  dagegen  fällt  der  Vollproselyt  p'j:j  ^r. ,  der  der  Religions- 
gemeinde Israels  angehört,  durchaus  unter  den  Begriff  „Bruder").  |i  DtR 
6  (203'):  „Du  sitzest,  deinen  Bruder  zu  bereden,  u.  auf  den  Sohn  deiner 
Mutter  bringst  du  Verderben"  Ps  50,  20.  R.  Jochanan  (j  279)  hat  gesagt: 
Wenn  du  deine  Zunge  daran  gewöhnst,  deinen  Bruder,  der  nicht  ein 
Sohn  deines  Volkes  ist  (d.  h.  den  Proselyten),  zu  bereden,  so  Avirst  du 
schließlich  auf  den  Sohn  deines  Volkes  (d.  h.  den  Israeliten)  Verderben 
bringen,  —  Anders  in  Tanch  ^mp£  129 ''j  wo  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (um 
250)  als  Autor  genannt  ist. 

6  o  6QyiL,öf.i£vog.  Das  Schädliche  u.  Verwerfliche  des  Zorns  u.  des 
Hasses  wird  in  der  rabbin,  Literatur  oftmals  hervorgehoben. 

Aboth2,  5:  Hillel  (um  20  v.  Chr.)  hat  gesagt:  Der  Schamhafte  (der  sich  scheut  zu 
fragen)  lernt  nichts,  u.  der  Aufbrausende  •;-:-  eignet  sich  nicht  zum  Lehrer.  |  2,10: 
R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Sei  nicht  geneigt  zum  Zürnen  c-y:'':.  |  5,11:  Vier  Sinnesarten 
gibt  es:  wer  geneigt  ist  zum  Zürnen  u.  geneigt  zum  Freundlichsein,  dessen  Nachteil 
geht  auf  in  seinem  Gewinn:  wer  schwerfällig  ist  zum  Zürnen  u.  schw.erfällig  zum 
Freundlichsein,  dessen  Gewinn  geht  auf  in  seinem  Nachteil;  wer  schwerfällig  zum 
Zürnen  ist  u.  geneigt  zum  Freundlichsein,  ist  ein  Frommer;  wer  geneigt  zum  Zürnen 
ist  u.  schwerfällig  zum  Freundlichsein,  ist  ein  Gottloser.  |i  Schab  3 H  sprechen  die  von 
Schammai  Abgewiesenen  u.  von  Hillel  Angenommenen:  Der  Jähzorn  Schammais  (um 


Matth  5,  22  (6)  277 

30  V.  Chr.)  wollte  uns  aus  der  Welt  bringen ;  aber  die  Sanftmut  Hillels  hat  uns  unter 
die  Flügel  der  Sch'^^khina  gebracht  (hat  uns  Proselyten  werden  lassen).  1|  SLv  19,  18 
(852*):  „Du  sollst  nicht  Zorn  nachtragen"  Lv  19, 18.  Wie  weit  reicht  das  Nachtragen? 
Wenn  jemand  zu  einem  andren  sagt:  Leihe  mir  deine  Axt  (oder  Spaten)!  u.  dieser  tut 
es  nicht;  morgen  aber  sagt  dieser  zu  jenem:  Leihe  mir  deine  Sichel!  u.  er  antwortet: 
Hier  hast  du  sie;  ich  bin  nicht  so  wie  du,  weil  du  mir  deine  Axt  nicht  geliehen  hast. 
Deshalb  heißt  es:  Du  sollst  nicht  Zorn  nachtragen.  Du  sollst  nicht  Rache  ausüben  noch 
Zorn  nachtragen  gegenüber  den  Söhnen  deines  Volkes  Lv  19,- 18;  du  darfst  aber  Rache 
ausüben  u.  Zorn  nachtragen  gegenüber  andren  [=  Nichtisraeliten].  ||  SNu31,21  §  157 
(60*):  Weil  unser  Lehrer  Mose  in  Zorn  geriet,  geriet  er  in  Irrtum.  R.  El?azar  (b.  ?Azarja, 
um  100)  sagte:  Dreimal  geriet  er  in  Zorn  u.  infolgedessen  auch  in  Irrtum.  Lv  10, 16 f.: 
Da  zürnte  er  auf  EI?azar  u.  Ithamar  u.  sprach:  Warum  habt  ihr  das  Sündopfer  nicht 
gegessen?  Nu  20, 10:  Er  sprach  zu  ihnen:  Höret  doch  ihr  Widerspenstigen!  Werden 
wir  aus  diesem  Felsen  für  euch  Wasser  hervorbringen?  Wie  heißt  es  darauf?  Mose 
erhob  seine  Hand  u.  schlug  den  Felsen  mit  seinem  Stabe  zweimal  (darin  lag  sein 
Irrtum).  Nu  31, 14:  Mose  zürnte  über  die  Befehlshaber  des  Heeres  usw.  Wie  heißt  es 
darauf  Vers  21?  Der  Priester  El?azar  sprach  zu  den  Männern  des  Heereszuges  (E., 
nicht  Mose  ist  der  Sprechende;  der  letztere  hatte  infolge  seines  Zorns  die  Bestimmung 
der  Tora  vergessen).  Weil  unser  Lehrer  Mose  in  Zorn  geriet,  geriet  er  in  Irrtum.  ||  P's 
66^:  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch,  der  zürnt,  ein  Gelehrter 
ist,  so  verläßt  ihn  seine  Gelehrsamkeit;  wenn  er  ein  Prophet  ist,  so  verläßt  ihn  seine 
Prophetie.  Wenn  er  ein  Gelehrter  ist,  so  verläßt  ihn  seine  Gelehrsamkeit.  Das  lernt 
man  von  Mose;  denn  es  heißt  Nu  31, 14:  Mose  zürnte  über  die  Befehlshaber  des  Heeres 
usw.,  u.  danach  Vers  21:  Der  Priester  El?azar  sprach  zu  den  Männern  des  Heereszuges 
usw.,  weil  es  dem  Mose  aus  dem  Gedächtnis  geschwunden  war.  Wenn  er  ein  Prophet 
ist,  verläßt  ihn  seine  Prophetie.  Das  lernt  man  von  Elisa,  s.  2  Kg  8,  14:  Da  sprach 
Elisa:  So  wahr  Jahve  der  Heerscharen  lebt,  vor  dem  ich  stehe,  wenn  ich  nicht  Rück- 
sicht nähme  auf  Josaphat,  den  König  von  Juda,  so  würde  ich  weder  nach  dir  blicken 
noch  dich  ansehen!  (Dies  als  Ausdruck  des  Zorns  gefaßt.)  Und  dann  heißt  es  Vers  15: 
Holet  mir  einen  Saitenspieler;  u.  als  der  Saitenspieler  spielte,  kam  die  Hand  Jahves 
auf  ihn  (das  Eingreifen  des  Saitenspielers  war  notwendig,  weil  Elisa  seine  Prophetie 
vergessen  hatte).  R.  Mani  b.  Pattisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  zürnt,  den  stürzt  man 
hinab  (von  seiner  Würde),  auch  wenn  man  ihm  Größe  zuerteilt  hätte  vom  Himmel  her. 
Woher?  Von  Eliab,  s.  1  Sm  17,28:  Eliab  ward  sehr  zornig  auf  David  usw.  Und  als 
Samuel  ging,  um  ihn  (David)  zu  salben,  steht  bei  allen  Brüdern  Davids  geschrieben: 
„Diesen  hat  Jahve  nicht  erwählt",  aber  bei  Eliab  steht  ISmlö,  7:  „Jahve  sprach  zu 
Samuel:  Schaue  nicht  auf  sein  Aussehn  u.  auf  die  Hohe  seines  Wuchses;  denn  ich  habe 
ihn  verworfen';  denn  bis  dahin  war  er  ihm  wohlwollend.  —  Vgl.  LvR  13  (114^):  Als 
Mose  zürnte  (nämlich  Lv  10, 16),  wurde  die  Halakha  (die  gesetzliche  Norm)  vor  ihm 
verborgen.  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt:  An  drei  Stellen  zürnte  Mose  u.  die  Halakha 
wurde  vor  ihm  verborgen,  s.  Ex  16,  20.  25;  Nu  31,  14  u.  Lv  10, 16.  ||  N<^d  22b:  Rabbah  b. 
Rab  Huna  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  zürnt,  vor  dem  ist  selbst  die  Sch'^^khina  (Gottheit) 
für  nichts  geachtet,  s.  PslO,  4:  „Der  Frevler  in  der  Höhe  seines  Zorns  fragt  nach 
nichts;  ,es  ist  kein  Gott',  das  sind  alle  seine  Gedanken"  (so  der  Midr).  R.  Jirm'ja  von 
Diphte  (wann?)  hat  gesagt:  Er  vergißt  sein  Gelerntes  u.  nimmt  an  Dummheit  zu,  s. 
Qoh7,  9:  „Zorn  ruht  im  Busen  des  Toren" ;  ferner  Spr  13, 16:  „Der  Tor  kramt  Narrheit 
aus."  Rab  Nachman  b.  JiQchaq  (f  356)  hat  gesagt:  Es  ist  mit  Bestimmtheit  anzunehmen, 
daß  seine  (des  Zornigen)  Sünden  seine  Verdienste  überwiegen,  s.  Spr  29, 22:  „Ein  Zorniger 
ist  reich  an  Vergehungen."  1|  N^d  22^:  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt, 
R.  Jonathan  (um  220)  habe  gesagt:  Wer  zürnt,  über  den  herrschen  alle  Arten  (Ab- 
teilungen) des  Gehinnoms,  s.  Qohll,10:  „Entferne  den  Zorn  aus  deinem  Herzen,  so 
wirst  du  Unheil  an  deinem  Fleisch  vorübergehn  lassen"  (so  der  Midr).  Unheil  ist  nichts 
andres  als  der  Gehinnom,  s.  Spr  16,4:  „Alles  hat  Jahve  zu  seinem  Zwecke  gemacht, 
u.  auch  den  Frevler  für  den  Tag  des  Unheils"  (des  Gehinnoms).   Und  nicht  bloß  dies, 


278  Matth  5,  22  (6.  2)) 

auch  Unterleibsleiden  hensclien  über  ihn,  s.  Dt  28, 65:  ,,Jahve  wird  dir  dort  ein  bebendes 
Herz  u.  Augenverschmachtung  u.  Seelenverzweiflung  geben."  Was  ist  das,  was  die 
Augen  läßt  hinschwinden  u.  die  Seele  verschmachten?  Antwort:  Das  sind  die  ünter- 
leibsleiden.  |!  Aboth  RNathan  3:  Wer  sein  Brot  auf  die  Erde  wirft  u.  sein  Geld  zerstreut 
vor  Zorn,  der  wird  nicht  aus  der  Welt  scheiden,  ohne  daß  er  der  Menschen  (u.  deren 
Unterstützung)  benötigt  hätte.  ||  TBQ  J),  31  (366):  Wer  einen  andren  mit  umgekehrter 
Hand  schlägt,  mit  einem  Blatt  Papier,  mit  einer  Schreibtafel,  mit  noch  nicht  bearbeitetem 
Pergament,  mit  einem  Dokumentenbündel  in  seiner  Hand,  der  zahlt  400  Zuz  (rund 
250  Ji  als  Strafe) ;  nicht  weil  es  ein  Schlag  ist,  der  Schmerz  verursacht,  sondern  weil 
es  ein  Schlag  der  Beschimpfung  ist,  s.  Ps  3,  8:  Erhebe  dich,  Jahve,  hilf  mir,  mein  Grott; 
denn  du  hast  ja  alle  meine  Feinde  auf  den  Kinnbacken  geschlagen.  Ferner  heißt  es 
Mi  4, 14:  Mit  dem  Stecken  schlagen  sie  auf  die  Wange  den  Richter  Israels,  u.  Jes  50,  6: 
Meinen  Rücken  bot  ich  dar  den  Schlagenden  u.  meine  Wangen  den  Raufenden.  [Die 
Stellen  scheinen  beweisen  zu  sollen,  daß  das  Schlagen  auf  die  Backen  ein  Schlagen 
der  Beschimpfung  sei.]  Und  wie  ein  Mensch  sich  schuldig  macht  wegen  Schädigung 
eines  andren,  so  auch  wegen  Selbstschädigung.  Wer  sich  selbst  vor  einem  andren  be- 
streicht u.  beschmiert,  sich  das  Haar  ausrauft,  sein  Gewand  zerreißt,  seine  Gerätschaften 
zerbricht,  sein  Geld  verstreut  aus  Zorn,  der  ist  frei  von  menschl.  Gericht,  aber  sein 
Gericht  ist  dem  Himmel  übergeben,  s.  Gn9,  5:  ,  Jedoch  euer  Blut,  das  eurer  Seelen. 
will  ich  fordern,  von  jeglichem  Tier  will  ich  es  fordern  u.  von  der  Hand  des  Menschen. 
von  der  Hand  eines  jeden,  seines  Bruders,  will  ich  die  Seele  des  Menschen  fordern." 
R.  Schimfon  b.  El?azar  (um  190)  sagte  im  Namen  des  R.  Chilphai  b.  Agra  (um  150),  der 
es  im  Namen  des  R.  Jochanan  b.  Nuri  (um  110)  gesagt  hat:  Wer  sein  Haar  ausrauft, 
sein  Gewand  zerreißt,  seine  Gerätschaften  zerbricht,  sein  Geld  verstreut  vor  Zorn,  der 
sei  in  deinen  Augen  wie  ein  Götzendiener.  Denn  wenn  sein  (böser)  Trieb  zu  ihm  sagte: 
Geh  u.  diene  den  Götzen,  so  würde  er  es  tun;  denn  so  ist  es  das  Tun  des  bösen 
Triebes.  —  Das  Wort  des  R.  Jochanan  b.  Nuri  als  Bar  auch  Schab  105  b.  ||  B^r  29^:  Sei 
nicht  aufbrausend,  damit  du  nicht  sündigst.  |!  SLv  19,  17  (352''):  „Du  sollst  deinen 
Bruder  nicht  hassen"  Lv  19,  17.  Etwa  du  sollst  ihn  nicht  verfluchen,  du  sollst  ihn 
nicht  schlagen,  du  sollst  ihm  keinen  Backenstreich  geben?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
,ln  deinem  Herzen";  ich  habe  es  nur  vom  Haß  im  Herzen  gesagt.  —  Dasselbe  als  Bar 
?Arakh  16"^.  |!  Joma  9*^:  Warum  ist  das  zweite  Heiligtum,  in  dessen  Zeit  man  sich  doch 
mit  dem  Torastudium  u.  mit  Gebotserfüllungen  u.  mit  Liebeserweisungen  beschäftigt 
hat,  zerstört  worden?  Weil  da  grundloser  Haß  vorhanden  war.  Das  will  dich  lehren, 
daß  grundloser  Haß  so  schwer  wiegt,  wie  die  drei  Sünden  Götzendienst,  Unzucht  u. 
Blutvergießen  (derentwegen  einst  das  erste  Heiligtum  zerstört  wurde).  ||  P^'s  113^:  Drei 
liebt  Gott:  den,  der  nicht  zürnt,  der  sich  nicht  betrinkt  u.  der  nicht  auf  seiner  Art 
besteht  (der  nachgiebig  ist).  .  .  .  Bar:  Das  Leben  von  dreien  ist  kein  Leben:  das  der 
Mitleidsvollen  u.  das  der  Aufbrausenden  u.  das  der  Empfindlichen.  Rah  Joseph  (f  333) 
hat  gesagt:  Und  das  alles  findet  sich  bei  mir.  Bar:  Drei  hassen  einander,  nämlich  die 
Hunde  u.  die  Hähne  u.  die  Zauberer.  Einige  fügen  noch  hinzu:  die  Huren;  andre  fügen 
noch  hinzu:  die  Gelehrtenschüler  in  Babylonien.  ||  Aboth  2, 11:  R.  J*^hoschua?  (um  90) 
pflegte  zu  sagen:  Ein  böses  Auge  (=  Neid)  u.  der  böse  Trieb  {-^  Leidenschaftlichkeit) 
u.  der  Menschenhaß  bringen  den  Menschen  aus  der  Welt. 

%  oaxc'i  =  N|^"'":,  i^I^^";.  Dieses  in  der  rabbin.  Literatur  häufig  vor- 
kommende Schimpfwort  bedeutet:  leerer  Mensch,  Dummkopf,  Wicht. 

B'^rakh  32''  Bar:  Ein  Frommer  betete  einmal  auf  einem  Wege;  es  kam  ein 
Befehlshaber  [rjyefxujv)  u.  entbot  ihm  den  Friedensgruß;  er  aber  erwiderte  den  Gruß 
nicht.  Jener  wartete  auf  ihn,  bis  er  sein  Gebet  beendigt  hatte.  Nachdem  er  sein 
Gebet  beendigt  hatte,  sprach  der  Befehlshaber  zu  ihm :  Du  Wicht  sp-^,  steht  nicht 
in  eurer  Tora  geschrieben  Dt  4,  9:  „Nur  hüte  dich  u.  nimm  deine  Seele  (dein  Leben) 
wohl  in  acht"?  Desgleichen  Dt 4,  15:  „So  nehmet  euch  wohl  in  acht  für  eure  Seelen 
(euer  Leben)*?    Als  ich  dir  den  Friedensgruß  entbot,    warum  hast  du  ihn  mir  nicht 


Matth  5,  22  (2.  ®)  279 

erwidert?  Wenn  ich  dir  deinen  Kopf  mit  dem  Schwert  abgehauen  hätte,  wer  hätte 
dein  Blut  von  meiner  Hand  gefordert?  Der  Fromme  sprach:  Warte  auf  mich,  bis 
ich  dich  durch  Worte  besänftige.  Wenn  du  vor  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut 
gestanden  hättest,  u.  dein  Freund  wäre  gekommen  u.  hätte  dir  den  Friedensgruß 
entboten,  würdest  du  ihn  erwidert  haben?  Jener  antwortete:  Nein!  Und  wenn  du 
ihn  erwidert  hättest,  was  würde  man  dir  getan  haben?  Er  antwortete:  Sie  würden 
meinen  Kopf  (lies  ••ss-^)  mit  dem  Schwert  abgeschlagen  haben.  Da  sprach  jener: 
Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere?  Wenn  du,  der  du  vor 
einem  König  von  Fleisch  u.  Blut  gestanden  hättest,  der  heute  hier  und  morgen  im 
Grabe  ist,  also  gehandelt  hättest,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  mir,  der  ich 
vor  dem  König  aller  Könige  gestanden  habe,  vor  dem  Heiligen,  gepriesen  sei  er! 
der  da  lebt  u.  bleibt  in  alle  Ewigkeiten !  Alsbald  war  jener  Befehlshaber  ausgesöhnt, 
u.  jeuer  Fromme  ging  in  Frieden  in  sein  Haus.  i|  BB  75^:  (R.  Jochanan,  f  279,  sagt 
zu  einem  Schüler,  der  über  seinen  Vortrag  gelacht  hatte  u.  dann  eines  Besseren  be- 
lehrt worden  war):  Du  Dummkopf  xp--,  wenn  du  es  nicht  gesehen  hättest,  so  würdest 
du  es  nicht  glauben.  ||  Midr  Fs  137  §  5  (262'^):  R.  Jipchaq  b.  Tablai  (im  4.  Jahrb.,  s. 
Bacher,  pal.  Amor.  3,  720 ff.)  sagte:  Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  eine 
Königstochter  geheiratet  hatte.  Er  sprach  zu  ihr:  Tritt  herzu  u.  kredenze  mir  einen 
.  Becher.  Sie  aber  wollte  nicht.  Da  ward  der  König  zornig  u.  entließ  sie  aus  seinem 
Haus.  Sie  ging  u.  verheiratete  sich  an  einen  Aussätzigen.  Dieser  sprach  zu  ihr:  Tritt 
herzu  u.  kredenze  mir  einen  Becher!  Sie  sprach  zu  ihm:  Du  Dummkopf  (np^^),  eine 
Königstochter  bin  ich  u.  einem  König  war  ich  vermählt,  u.  weil  dieser  zu  mir  ge- 
sagt hatte:  „Kredenze  mir  einen  Becher"  u.  ich  es  nicht  tun  wollte,  ward  er  zornig 
u.  entließ  mich  aus  seinem  Hause;  wenn  ich  es  getan  hätte,  hätte  ich  zu  meiner 
Ehre  Ehre  gefügt;  nun  sagst  du  zu  mir:  Tritt  her  u.  gib  mir  zu  trinken?!  Il  Andre 
Beispiele  s.  Gittin  58^  np-«;  BQ  501- (np-n);  Ta?an20'>  (s.beiMtö,  24  8.285^);  B«r22'*; 
BQ  94"^.  II  Im  Plural  steht  das  Wort  Midr  Qoh  9,  15  (44b):  (Noah  sprach  zu  seinen 
Zeitgenossen:)  Wehe  euch,  ihr  Wichte  N;:p--^,  morgen  kommt  die  Flut,  tuet  Buße!  — 
Ferner  Aboth  R.  Nathan  27;  M^kh  Ex  20,2  (74")  -np-. 

(S  i.io)Q6g.  Das  Rabbin.  oi-ii-c  u.  x-rc  bedeutet  zunächst  auch  „töricht, 
dumm". ab  Zweitens  nach  dem  hebr.  nni-3  „widerspenstig,  ungehorsam". c 
Dann  ist  :ot2,  ähnlich  wie  hz:,  zum  Synonym  von  vc-^  „Gottloser, 
Frevler"  geworden.  Diesen  Sinn  wird  /jkoqs'  auch  Mt  5, 22  haben. 
Während  in  xp-in  der  Vorwurf  eines  intellektuellen  Defekts  liegt,  bringt 
s-T:  den  eines  sittlichen  Defekts  zum  Ausdruck. 

a.  SDt21,18  §218  (114^):  „Wenn  jemand  einen  störrischen  u.  widerspenstigen 
Sohn  hat"  (Dt  21,  18).  Einen  „störrischen",  d.  h.  der  es  zweimal  war  {-i~iz  als  Iterativ- 
form gedeutet)  u.  „widerspenstigen"  n-n«  d.h.  einen  äußerst  dummen  nuiü.  ||  P^^siq 
118^:  Wem  glich  Mose  (zur  Zeit  von  Nu  20,  10)?  Einem  König,  der  seinen  Sohn 
seinem  Erzieher  übergab.  Er  sprach  zu  ihm:  Nenne  meinen  Sohn  nicht  einen  m-us. 
Was  heißt  ri"i:»3?  Im  Griechischen  sagt  man  zu  einem  Dummen  fxwQÖ?,  om«.  Einmal 
begegnete  es  ihm,  daß  er  ihn  dumm  (einen  Narren  -r.fi'z  =  fiwQÖg)  nannte.  Da  sprach 
der  König  zu  ihm:  Ich  selbst  habe  dir  befohlen:  „Du  sollst  meinen  Sohn  nicht  einen 
Narren  heißen",  u.  du  hast  ihn  doch  einen  Narren  genannt;  es  ist  nicht  angängig, 
daß  ein  Kluger  mit  einem  Dummen,  s'-jr,  einhergeht.  So  steht  auch  geschrieben 
Ex  6,  13:  „Da  redete  Jahve  zu  Mose  u.  Ahron  und  gebot  ihnen  in  bezug  auf  die 
Kinder  Israel."  Was  gebot  er  ihnen?  Er  sprach:  „Ihr  sollt  meine  Kinder  nicht  ■j-'-n»: 
(Narren  =  fxwooi)  nennen."  Als  sie  ihn  am  Haderwasser  erzürnt  hatten,  sprach  Mose 
zu  ihnen  Nu  20,  10:  Höret  doch,  ihr  Narren  (D'-n?2r!  =  {xwqo'l  gedeutet)!  Da  sprach 
Gott  zu  ihm:  Ich  selbst  habe  euch  befohlen:  „Ihr  sollt  meine  Kinder  nicht  Narren 
nennen";  weil  du  aber  „Narr"  gesagt  hast,  so  ist  es  nicht  angängig,  daß  ein  Kluger 
mit  einem  Dummen  einhergeht.   Deshalb  heißt  es,  Nu  20, 12,  nicht:   „Du  sollst  nicht 


280  ^lattli  5,  22  (6.  5) 

bringeu",  sondern:  ,]lir  sollt  nicht  bringen" ;  weder  du,  noch  dein  Bruder,  noch  deine 
Schwester  sollt  in  das  Land  Israel  eingehn.  —  Die  Bemerkung,  daß  der  Narr,  s-r:»,  im 
Griechischen  ,«wpo?  heiße,  auch  Midr  Ps  9  §  16  (46").  In  Midr  KL  Einl.  31  gibt  R.Rt'uben 
(gegen  300)  diese  Deutung.  Außerdem  s.  TanchB  s-isi  §  16  (16''')  u.  die  Stelle  Anm.  c. 

b.  Das  gewöhnliche  Schimpfwort  ist  r-jvj,  arani.  s;-jffl.  ÄPn  65'';  Die  Boethusäer 
(eine  Gruppe  innerhalb  der  sadduzäischen  Partei)  sagten:  Das  Wochenfest  (=  Pfingsten) 
liegt  immer  nach  einem  Sabbat  (fällt  stets  auf  einen  Sonntag).  Da  sprach  Rabban 
Jochanan  b.  Zakkai  zu  ihnen:  Ihr  Narren  ="jt,  woher  wißt  ihr  das?  Und  kein  Mensch 
war  da,  der  ihm  geantwortet  hätte,  außer  einem  Alten,  der  gegen  ihn  schwatzte  u. 
sagte:  Unser  Lehrer  Mose  liebte  die  Israeliten,  u.  da  er  wußte,  daß  das  Wochenfest 
nur  Einen  Tag  dauerte,  setzte  er  es  nach  dem  Sabbat  an,  damit  die  Israeliten  zwei 
Tage  lang  sich  ergötzen  könnten.  R.  Jochanan  b.  Z.  sprach  zu  ihm:  Du  Narr--j-i-! 
nicht  soll  unsre  vollkommene  Tora  wie  euer  unnützes  Geschwätz  sein  (u.  dann  deutet 
er  ihm  Lv  23,  15f.).  1|  Midr  Qoh  1,  15  (IH)  sagt  man  zu  einem,  der  nach  seinem  Tode 
im  Jenseits  Buße  tun  will:  Du  (größter)  Narr  in  der  Welt  zt'-i'ivzv  r-^-'x,  weißt  du 
nicht,  daß  diese  Welt  dem  Sabbat  gleicht,  u.  die  Welt,  aus  der  du  gekommen  bist,  dem 
Rüsttag  auf  Sabbat?  Wenn  ein  Mensch  am  Rüsttag  auf  den  Sabbat  nicht  zurichtet, 
was  wird  er  am  Sabbat  essen?  Darauf  sagte  er:  Lasset  mich,  daß  ich  die  Ehre 
(Herrlichkeit)  meines  Freundes  (inmitten  der  Seligen)  anschaue.  Man  sagte  ihm:  Du 
(größter)  Narr  in  der  Welt,  ans  dem  Munde  der  Allmacht  ist  uns  der  Befehl  ge- 
worden, daß  die  Gerechten  nicht  stehn  sollen  inmitten  der  Gottlosen  u.  die  Gottlosen 
nicht  inmitten  der  Gerechten  .  . .  (s.  die  ganze  Stelle  im  Exkurs:  „Sch'^ol"  usw.  II,  o,  d).  — 
Die  Worte:  „Ihr  Toren  in  der  Welt,  wer  sich  am  Rüsttag  auf  den  Sabbat  gemüht 
hat,  der  darf  am  Sabbat  essen",  auch  ?AZ  3". 

C.  Tanch  r-,-  (226^^)  u.  NuR  19  (186'^):  Was  heißt  z-^-2-  Nu  20,  10?  Es  be- 
deutet „Widerspenstige",  z-'iz^zi;  aber  auch  „Narren",  i".:ri-;  denn  so  nennt  man  in 
den  (Griechisch  redenden)  Seestädten  die  Narren  fxwQoi,  y~:^ .  Nach  einigen  bedeutet 
z'-:'^r.  diejenigen,  die  ihre  Lehrer  belehren  wollen  (s—-':  also  =  Part.  Hiphil  von 
n--);  endlich  bedeutet  es  Bogenschützen,  s.  1  Sm  31,  3.  —  Zu  r-^  als  Schimpfwort 
s.  Qid  28". 

.  5  Sachliche  Parallelen,  insofern  sie  allgemein  Kränkungen  durch 
Worte  rügen: 

Qid  28"  Bar:  Wer  zu  seinem  Nächsten  „Sklave"  sagt,  der  soll  in  den  Bann  getan 
werden;  wer  zu  ihm  „Bastard"  sagt,  der  empfängt  die  vierzig  (Geißelhiebe);  wer  zu 
ihm  „Gottloser"  yv  sagt,  dem  kann  er  (der  Beleidigte)  an  sein  Leben  gehn  (d.  h. 
er  darf  sich  an  ihm  rächen  durch  Entziehung  der  Subsistenzmittel  u.  dergleichen, 
vgl.  Raschi).  Der  letzte  Satz  auch  BM  71 ".  i:  BM  58''  Bar:  Ihr  sollt  einander  nicht  be- 
drücken Lv  25,  17.  Von  der  Bedrückung  durch  Worte  {-=  von  Kränkungen,  Beleidi- 
gungen) redet  die  Schrift.  Du  sagst:  „von  der  Bedr.  durch  Worte",  nicht  vielmehr 
von  der  Bedr.  in  Geldsachen  (=  Übervorteilung)?  Wenn  es  heißt  Lv  25,  14:  „Falls 
du  deinem  Nächsten  etwas  verkaufst  oder  von  deinem  Nächsten  erwirbst,  so  sollt 
ihr  einander  nicht  drücken",  siehe,  so  handelt  es  sich  ja  schon  in  diesen  Worten  um 
Bedr.  in  Geldsachen  (also  muß  in  Vers  17  von  etwas  andrem  die  Rede  sein).  Wie 
soll  ich  nun  Vers  17  verstehen:  „Ihr  sollt  einander  nicht  bedrücken"?  Von  der  Bedr. 
durch  Worte  (=  Kränkung).  Wie  zB?  Wenn  jemand  ein  Bußfertiger  ist,  so  soll  man 
zu  ihm  nicht  sagen:  Gedenke  deiner  früheren  Taten!  Wenn  einer  der  Sohn  eines 
Proselyten  ist,  so  soll  man  zu  ihm  nicht  sagen:  Gedenke  des  ^Tuns  deiner  Väter! 
Wenn  einer  Proselyt  geworden  ist  u.  die  Toi-a  lernen  will,  so  soll  man  zu  ihm  nicht 
sagen:  Der  Mund,  der  Gefallenes,  Zerrissenes,  Greuliches  u.  Kriechendes  gegessen 
hat,  will  Tora  lernen,  was  vom  Munde  der  Allmacht  geredet  worden  ist.  Wenn  Leiden 
über  jemanden  kommen  oder  Krankheiten,  oder  wenn  jemand  seine  Kinder  hat  be- 
graben müssen,  so  soll  man  nicht  zu  ihm  .sagen,  wie  zu  Hiob  seine  Freunde  gesagt 
haben  Hi  4,  6  f.:   .War  nicht  deine  Gottesfurcht  deine  Zuversicht?    Deine  Hoifnunü;  — 


Matth5, 22(5)  281 

die  Redlichkeit  deiner  Wege?  Gedenke  doch,  wer  ging  denn  unschuldig  zugrunde?" 
Wenn  Eseltreiber  Getreide  von  jemand  kaufen  wollen,  so  soll  er  zu  ihnen  nicht  sagen: 
Geht  hin  za  dem  u.  dem,  der  will  Getreide  verkaufen!  wenn  er  doch  von  diesem 
weiß,  daß  er  niemals  solches  verkauft  hat.  R.  J^'huda  (um  löO)  hat  gesagt:  Auch 
soll  man  seine  Augen  nicht  auf  einen  Kauf  richten,  wenn  man  kein  Geld  hat;  denn 
siehe  die  Sache  ist  dem  Herzen  anvertraut  (der  Verkäufer  weiß  nicht,  ob  es  dem 
Käufer  Ernst  ist),  u.  von  allem,  was  dem  Herzen  anvertraut  ist,  heißt  es,  Lv25,  17: 
,Du  sollst  dich  vor  deinem  Gott  fürchten'  (denn  Falschheit  der  Gedanken  wird  von 
Gott  bestraft).  —  Diese  Bar  findet  sich  in  SLv  25,  17  (434=^).  |1  BM58'':  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Größer  (schwerer) 
ist  die  Bedrückung  durch  Worte  (=  Kränkung)  als  die  Bedr.  in  Geldsachen  (=  Über- 
vorteilung); denn  nur  bei  jener  heißt  es  Lv  25,  17 :  ,Du  sollst  dich  fürchten  vor  deinem 
(jott."  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Jene  trifft  seine  Person,  diese  sein  Geld. 
R.  Sch^muel  b.  Nachmau  (um  260)  hat  gesagt:  Die  eine  wird  auf  die  Rechnung  ge- 
setzt (läßt  sich  zurückzahlen),  die  andre  wird  nicht  auf  die  Rechnung  gesetzt.  ||  Aboth 
3,11:  R.  El?azar  von  Modifin  (f  um  135)  sagte:  Wer  das  Heilige  entweiht,  wer  die 
Feste  verachtet,  wer  das  Angesicht  seines  Nächsten  öffentlich  beschämt,  wer  den 
Bund  unsres  Vaters  Abraham  bricht,  *  wer  Deutungen  der  Tora  bekannt  gibt,  die  der 
Halakha  (der  einmal  festgesetzten  Norm)  nicht  entsprechen,  der  hat,  auch  wenn  er 
Torakenntnis  u.  gute  Werke  besitzt,  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt.  !|  BM  58'^: 
Abaje  (t  338/39)  hat  zu  Rab  Dimi  (um  320)  gesagt:  Wovor  hütet  man  sich  (am  meisten) 
im  Abendland  (=  Palästina)?  Er  antwortete  ihm:  Vor  dem  Blaßmachen  des  An- 
gesichts (vor  der  öffentl.  Beschämung  eines  andren);  denn  R.  Chanina  (um  225)  hat 
gesagt:  Alle  fahren  zum  Gehinnom  hinab  mit  Ausnahme  von  dreien.  Alle,  meinst  du? 
Vielmehr  sage:  Alle,  die  in  den  G.  hinabfahren,  kommen  wieder  herauf  mit  Aus- 
nahme von  dreien,  die  hinabfahren,  aber  nicht  wieder  heraufkommen.  Diese  sind: 
wer  einer  verheirateten  Frau  beiwohnt,  wer  das  Angesicht  seines  Nächsten  öffentlich 
beschämt  (wörtlich:  weiß  macht)  u.'wer  seinen  Nächsten  mit  einem  Schimpfnamen 
benennt.  Wec  ihn  so  benennt,  der  beschämt  ihn  ja  (beides  ist  dasselbe]!  (Es  ist  so 
gemeint:)  Auch  wenn  er  (der  Gekränkte)  an  diesen  Namen  schon  gewöhnt  ist  (so 
daß  er  sich  nicht  mehr  durch  ihn  beschämt  fühlt,  wird  der  Gebrauch  des  Schimpf- 
namens doch  als  nicht  wieder  gutzumachende  Versündigung  angerechnet).  Rabba  bar 
bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt:  R.  Jochanan  (t  279)  hat  gesagt:  Es  wäre  besser  für 
den  Menschen  (weil  weniger  strafbar),  einer  Ehefrau  beizuwohnen,  von  der  es  zweifel- 
haft sei,  ob  sie  eine  solche  ist,  als  das  Angesicht  seines  Nächsten  öffentlich  zu  be- 
schämen. Woher  uns  dies?  Raba  (f  352)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt 
Ps  85,  15:  ,Bei  meinem  Wanken  freuten  sie  sich  u.  versammelten  sich  ...  sie  zer- 
rissen u.  wurden  nicht  still"?  David  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  offenbar  u. 
bekannt  ist  es  vor  dir,  wenn  sie  mein  Fleisch  zerrissen  hätten,  so  wäre  kein  Blut 
von  mir  auf  die  Erde  getröpfelt;^  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  selbst  wenn  sie  sich 
mit  den  Satzungen  über  Aussatzschäden  und  Bezeltungen  (Verunreinigung  durch  Lei- 
chen) beschäftigten  (im  Lehrhause  Davids),  sprachen  sie  zu  mir:  David,  wenn  einer 
einer  verheirateten  Frau  beiwohnt,  in  welcher  Weise  soll  sein  Tod  erfolgen?  Ich 
antwortete  ihnen:  Sein  Tod  soll  durch  Erdrosselung  erfolgen;  aber  er  hat  Anteil  an 
der  zukünftigen  Welt;  jedoch  wer  das  Angesicht  seines  Nächsten  öffentlich  beschämt, 
der  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt.  Mar  Zutra  b.  Tobijja  (um  260?) 
hat  im  Namen  Rabs  (f  247)  gesagt,  nach  andren  Rab  Ghana  b.  Bizna  (um  260)  im 
Namen  des  R.  Schimfon  des  Frommen  (um  210),  nach  andren  R.  Jochanan  (f  279)  im 
Namen  des  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150):  Es  wäre  einem  Menschen  besser,  daß 
er  sich  selbst  in  einen  Feuerofen  stürzte,  als  daß  er  das  Angesicht  seines  Nächsten 


'  '  1  Makk  1,15:  xai  inoLt^accy  tavroi'g  ((xooßvaiUci  xcd  dneaii^adp  uno  öi(tf^t]X7]?  äyiccg. 
•2  So  bleich  war  David  vor  Scham;  die  Textworte  t:-  nV-  werden  also  gedeutet: 
,und  kein  Blut  von  ihm   war  da". 


282  Matth  5,  22  (^.  ®).  5,  23  {%) 

öffentlich  beschämte.  Woher  uns  das?  Von  der  Thamar,  s.  Gn  38,  25  (sie  schickte 
die  in  ihrem  Besitz  befindlichen  Unterpfänder  an  Juda,  ohne  dessen  Täterschaft  an- 
zugeben). Der  letzte  Satz  auch  B^^^r  43*^.  ||  BM  59":  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt: 
Alle  Tore  (des  Himmels,  durch  die  der  Menschen  Gebete  u.  Seufzer  u.  Klagen  vor 
Gott  kommen)  sind  verschlossen  worden,  ausgenommen  die  Tore  der  Kränkung  (wört- 
lich: der  Bedrückung,  nämlich  durch  Worte,  s.  Raschi),  s.  Am  7,  7:  „Siehe,  Jahve  stand 
auf  der  Mauer  der  Bedrückung  und  in  seiner  Hand  die  Bedrückung"  (so  deutet  der 
Midr  das  Textwort  -:s,  s.  LvR  33,  130''^).  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Alles  wird 
bestraft  durch  die  Hand  eines  (von  Gott  damit)  Beauftragten,  ausgenommen  die  Krän- 
kung, s.  Am7,  7:  „Die  Kränkung  in  seiner  (Gottes)  Hand!"  R.  Abbahu  (um  300)  hat 
gesagt:  Vor  dreierlei  wird  der  Vorhang  (der  Gottes  innerstes  Gemach  umschließt)  nicht 
geschlossen  (d.h.  auf  dreierlei  achtet  Gott  ununterbrochen):  vor  Kränkung,  vor  Raub 
u.  vor  Götzendienst,  s.  Am  7,  7  („in  seiner  Hand");  Jer  6,  7  (-."ar  „immerfort");  Jes 
65,  3  {-.'nr).  —  Bemerkenswert  ist,  daß  der  Ausspruch  des  Rab  Chisda  sich  bereits 
im  Munde  der  Imma  Schalem,  der  Gemahlin  des  R.  Eli?ezer  b.  Hyrkanos  (um  90) 
u.  der  Schwester  des  Rabban  Gamliel  II.  findet,  u.  zwar  als  eine  Tradition  aus  dem 
Hause  ihres  Großvaters,  d.  h.  Gamliels  1.,  des  Lehrers  Pauli  BM  59  '\ 

@  Der  Gedanke,  daß  Zorn  u.  Haß  u.  ihre  Ausbrüche  in  kränkenden 
Worten  in  Gottes  Augen  nicht  minder,  bezw.  noch  mehr  strafbar  seien 
als  Totschlag,  ist  auch  der  alten  Synagoge  geläufig  gewesen. 

Derekh  Ere(^,  10:  R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte:  Wer  seinen  Nächsten  haßt,  siehe,  der 
gehört  zu  den  Blutvergießern;  denn  es  heißt  Dt  19,  11:  „Wenn  einer  seinen  Nächsten 
haßt  (ihm  feind  ist)  u.  ihm  auflauert  u.  sich  gegen  ihn  erhebt."  ■ —  Das  Auflauern  usw. 
ist  als  notwendige  Folge  des  Hasses  gedacht,  so  daß  dieser  als  der  Anfang  des  Mordes 
anzusehn  ist.  |  Daselbst:  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  .  .  .  Wer  die  Gelehrten  u.  ihre 
Schüler  haßt . .  .,  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigenWelt.  ||  Sauh  58*^:  Rescli  Laqisch 
(um  250)  hat  gesagt:  Wer  seine  Hand  wider  seinen  Nächsten  erhebt,  wird,  auch  wenn 
er  ihn  nicht  schlägt,  ein  Frevler  "r-  genannt,  vgl.  Ex  2, 13:  „Er  sprach  zu  dem  Frevler: 
Warum  willst  du  deinen  Nächsten  schlagen?"  (so  der  Midr).  Warum  hast  du  geschlagen? 
heißt  es  nicht,  sondern:  warum  willst  du  schlagen?  Obwohl  er  ihn  noch  nicht  ge- 
schlagen, heißt  er  doch  „Frevler".  R.  Z'^firi  (um  250)  hat  gesagt,  R.  Chanina  (um  225) 
habe  gesagt:  Er  wird  ein  Sünder  genannt,  s.  1  Sm  2,  16:  „Wenn  nicht,  so  nehme  ich 
es  mit  Gewalt",  u.  darauf  heißt  es  (Vers  17):  „Die  Sünde  der  Jünglinge  war  sehr  groß." 
Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Seine  Hand  soll  abgehauen  werden,  s.  Hi  38,  15:  „Der 
emporgehobene  Arm  wird  zerschmettert."  Rab  Huna  hat  eine  solche  Hand  (einmal) 
abhauen  lassen.  R.  El?azar  (um  270)  sagte:  Für  einen  solchen  gibt  es  kein  andres 
Mittel  als  das  Begräbnis,  s.  Hi  22,  8:  Der  Mann  der  Faust  —  für  ihn  die  Erde.  ||  BMSS'^: 
Ein  Mischnalehrer  tradierte  als  Bar  vor  Rab  Nachman  b.  Ji^chaq  (t  356):  Wer  das  Au- 
gesicht seines  Nächsten  öffentlich  beschämt  (zB  durch  kränkende  Worte),  der  ist  wie 
einer,  der  Blut  vergießt.  Er  antwortete:  Du  hast  recht  geredet;  denn  ich  sehe  an  ihm 
(dem  Beschämten),  daß  die  Röte  vergeht  (das  Blut  hinschwindet)  u.  die  Blässe  ein- 
tritt. II  Tr.  Kalla  (18^):  R.  N'^horai  (um  150)  sagte:  Wer  das  Angesicht  seines  Nächsten 
beschämt,  der  wird  schließlich  beschämt  werden;  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  die  Engel 
des  Verderbens  (die  Vollstrecker  des  göttl.  Strafwillens)  drängen  u.  treiben  ihn  aus  der 
Welt  u.  lassen  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  seinen  Schimpf  sehn.  —  Ferner  s. 
AbothS,  11  u.  BM  58*^  (S.281). 

€ig  ttjv  yeevvav  rov  nvQog  usw.  s.  den  Exkurs  Sch'^ol  usw.  IL 

5,  23:  Wenn  du  nun  deine  Gabe  auf  den  Altar  bringst  u.  dich 
dort  erinnerst,  daß  dein  Bruder  etwas  wider  dich  hat. 
51  ÖMQor  „Gabe"  ist  in  der  Form  ••i-ii-n,  Plur.  niii-in,  ins  Rabbin.  über- 
gegangen u.  bedeutet  hier  allgemein  jede  Gabe,a  speziell  Opfergabe,  b 


Matth  5,  23  {%.  JB.  6)  283 

a.  F^ä  US*^  (R.  Jiscbnia?el  b.  Jose,  um  180,  im  Namen  seines  Vaters  R.  Jose  h. 
Chalaphta,  um  150):  Dereinst  wird  Ägypten  dem  Messias  ein  Geschenk  ii-ii-t  über- 
bringen. II  GnR  79  (51"):  Er  (Jakob)  lagerte  vor  der  Stadt  (Sikhem)  Gn  33,  18,  d.  h.  er 
zeigte  sich  wohlwolleod  (i--i  =  i:r!)  gegen  die  Leute  in  der  Stadt,  er  fing  an,  ihnen 
Geschenke  nj^^i-:  zu  übersenden. 

b.  Z'^b?'':  Raba  (t352)  hat  gesagt:  Das  Brandopfer  ist  ein  Geschenk  -im-i.  ||  Tanch  "^ns 
r-ij  (166'"'):  Nachdem  die  Stiftshütte  aufgerichtet  war,  sprach  Gott  zu  Mose:  Sagö  ihnen: 
Von  jetzt  an  u.  weiterhin  dürft  ihr  die  Opfer  nur  im  Offenbarungszelt  darbringen;  dort 
bringet  die  Gabe  ---nn  Gotte  dar.  ||  TargPs20,  4:  Er  gedenke  aller  deiner  Gaben 
^r-r-''-  (Textwort:  --rr::-:;  also  '-  hier  speziell  vom  Speisopfer;  vgl.  die  nächsten 
Zitate),  u.  deine  Brandopfer  halte  er  für  fett  in  Ewigkeit  (=  er  nehme  sie  wohlgefällig 
auf).  I  40,7:  Schlachtopfer  u.  Gabe  s:i---  (=  Speisopfer,  Textwort:  r.:-.:^)  beliebst  du 
nicht.  I  141,2:  Mein  Gebet  wende  sich  wie  Räucherwerk  von  Spezereien  zu  dir  hin, 
das  Erheben  meiner  Hände  im  Gebet  sei  wie  ein  wohlgefälliges  Opfer  ith-  (Text- 
wort: rfnji;),  das  am  Abend  dargebracht  wird.  —  Weitere  Stellen  s.  bei  Levy  Targ- 
Wtb  u.  Krauß,  Lehnwörter;  die  von  beiden  notierte  Stelle  Targ  Ps  70, 10  existiert  nicht.  || 
Das  hebr.  Äquivalent  von  diü(jof  würde  ~~^^  oder  '~~',  sein,  aram.  srr::'?  oder  s:^--  . 

23  ro  ^vaiaavrjQiov  =  ns"-;  „Altar".  Die  Kraft  des  Opferaltars  kommt 
in  folgenden  Aussprüchen  zum  Ausdruck. 

K'^th  10'^:  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Der  Altar  hebt  auf,  ernährt,  macht  be- 
liebt (den  Menschen  bei  Gott)  u.  schafft  Sühnung.  ,Er  schafft  Sühnung'  ist  aber  doch 
dasselbe  wie:  „er  hebt  auf!  (Es  ist  so  gemeint:)  „Er  hebt  auf  Verhängnisse,  ,er 
sühnf  Sünden.  |1  Tanch  nrsiip  102'^:  Was  bedeutet  nzT-a?  ::  bedeutet  „Vergebung" 
n?-!-:«;  i  „Verdienst"  tidt;  a  „Segen"  nria;  n  bedeutet  „Leben,  Lebensunterhalt"  2--- 
(über  diese  Deutungsweise  s.  EinL  107,  Nr.  80).  ||  M'^kh  Ex  20,  25  (81*):  „Hast  du  dein 
Eisen  darüber  geschwungen,  so  hast  du  ihn  entweiht"  Ex  20,  25.  Von  hier  aus  hat 
R.  Schimsoh  b.  Elfazar  (um  190)  gesagt:  Der  Altar  ist  geschaffen  worden,  um  die  Lebens- 
jahre des  Menschen  zu  verlängern,  u.  das  Eisen,  um  die  Lebensjahre  des  Menschen 
zu  verkürzen;  da  ist  es  nicht  erlaubt,  den  Verkürzer  über  den  Verlängerer  zu  schwingen. 
R.  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  sagte :  Siehe,  es  heißt  Dt  27, 6 :  Aus  unversehrten  (nicht 
behauenen  r^-.yshv)  Steinen  sollst  du  den  Altar  bauen,  d.  h.  aus  Steinen,  die  Frieden 
(=t;«)  bringen.  Siehe,  da  gilt  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere:  wenn 
Gott  von  den  Steinen  des  Altars,  die  weder  sehen  noch  hören  noch  reden,  sagt,  weil 
sie  Frieden  stiften  zwischen  Israel  u.  ihrem  Vater  im  Himmel:  „Du  sollst  kein  Eisen 
darüber  schwingen" !  —  um  wieviel  mehr  gilt  dann  von  dem,  der  Frieden  stiftet 
zwischen  Mann  u.  Mann,  zwischen  Mann  u.  Weib,  zwischen  Stadt  u.  Stadt,  zwischen 
Nation  u.  Nation,  zwischen  Regierung  u.  Regierung,  zwischen  Familie  u.  Familie,  dal3 
keine  Strafe  über  ihn  kommen  wird.  —  Der  Ausspruch  des  R.  Schimfon  b.  El?azar 
anonym  in  Mid  3,4;  der  Ausspruch  des  Rabban  Jochanan  b.  Z.  stark  geändert  TBQ 
7,  6  (358).   Das  Ganze  Tanch  inr-  (90'>). 

6  xaxH  !xvrjad^[]g  „u.  dich  dort  erinnerst".  —  In  formaler  Hinsicht  vgl. 

P'^s  3,  7  f.:  Wenn  jemand  auf  dem  Wege  ist,  sein  Passali  zu  schlachten  oder  seinen 
Sohn  beschneiden  zu  lassen  oder  das  Verlobungsmahl  im  Hause  seines  Schwieger- 
vaters zu  essen,  u.  er  wird  eingedenk,  daß  er  Gesäuertes  in  seinem  Hause  hat,  so 
soll  er,  wenn  es  möglich  ist,  umzukehren  u.  es  fortzuschaffen  u.  dann  jenen  Pflicht- 
gang wieder  anzutreten,  umkehren  u.  es  fortschaffen;  wenn  es  aber  nicht  möglich  ist. 
so  soll  er  es  in  seinem  Herzen  (in  seinen  Gedanken)  für  nichtig  erklären.  .  .  .  (War 
er  auf  dem  Wege)  um  seinen  Sabbatsitz  für  freiwillige  Zwecke  zu  bestimmen  (s.  bei 
Apg  1,  12),  so  muß  er  sofort  umkehren.  Desgleichen  wenn  einer  aus  Jerusalem  ge- 
gangen war  u.  eingedenk  wird,  daß  er  heiliges  Fleisch  (das  nur  in  Jerusalem  gegessen 
werden  durfte)  bei  sich  habe,  so  soll  er,  wenn  er  über  ^ophim  (hochgelegener  Punkt 
in  der  Nähe  Jer.s)  hinaus  ist,  es  an  Ort  u.  Stelle  verbrennen;  wenn  er  aber  noch  nicht 
darüber  hinaus  ist,  so  soll  er  umkehren  u.  es  vor  dem  Tempel  mit  Holz  vom  Altar 


284  -^latth  5, 23  (6.  2)).  5,  24  (3t.  93 1) 

verbrennen.  Wie  viel  muß  es  (das  Gesäuerte,  bezw.  das  Fleisch)  sein,  wenn  man  zurück- 
kehren soll?  R.  Meir  (um  150)  sagte:  In  beiden  Fällen  so  viel  wie  ein  Ei.  R.  J-huda 
fum  150)  sagte:  In  beiden  Fällen  so  viel  wie  eine  Olive.  Die  Gelehrten  (d.  h.  die 
Majorität)  sagten:  Heiliges  Fleisch  so  viel  wie  eine  Olive,  Gesäuertes  so  viel  wie  ein 
Ei.  II  In  gewisser  Hinsicht  läßt  sich  vergleichen  auch  BQ  9,  12:  Wer  sein  Geraubtes 
bringt  (vgl.  Lv  5, 21  ff.;  Nu  5, 6  ff.),  bevor  er  sein  Schuldopfer  dargebracht  hat,  hat  seiner 
Pflicht  genügt.  Hat  er  sein  Schuldopfer  dargebracht,  bevor  er  sein  Geraubtes  brachte, 
so  hat  er  seiner  Pflicht  nicht  genügt. 

Wie  das  erste  Zitat  zeigt,  hing  die  Frage,  ob  die  begonnene  Aus- 
führung eines  Pflichtgebotes  zwecks  Nachholung  eines  vergessenen 
andren  Pflichtgebotes  unterbrochen  werden  dürfe,  von  der  größeren 
oder  geringeren  Wichtigkeit  des  letzteren  ab.  Waren  beide  Gebote 
gleich  wichtig,  so  durfte  die  begonnene  Ausführung  des  ersteren  unter- 
brochen werden,  falls  ihre  rechtzeitige  Vollendung  nicht  durch  die  Nach- 
holung des  andren  unmöglich  wurde.  War  das  in  Angriff  genommene 
Pflichtgebot  wichtiger  als  das  versäumte,  so  durfte  es  nicht  unterbrochen 
werden;  war  es  dagegen  unwichtiger,  so  mußte  seine  Ausführung  so 
lange  ausgesetzt  werden,  bis  dem  vergessenen  Genüge  geschehen  war. 
Wenn  daher  Jesus  (Vers  24)  sagt,  daß  die  Opferdarbringung  zugunsten 
der  Aussöhnung  mit  einem  Gegner  unterbrochen  werden  solle,  so  liegt 
darin,  daß  die  letztere  wichtiger  sei  als  die  Vollendung  der  Opfer- 
handlung. —  Aus  dem  zweiten  Zitat  (BQ  9, 12)  ist  zu  entnehmen,  daß 
die  alte  Synagoge  die  Wirkung  eines  Schuldopfers  unter  Umständen 
von  der  Befriedigung  eines  menschlichen  Gegners  abhängig  gemacht, 
mithin  die  letztere  für  wichtiger  gehalten  hat  als  die  Darbringung  des 
vorgeschriebenen  Schuldopfers. 

2)  s'x«  ^*  xard  aov   „er  hat  etwas  wider  dich"  =  r^-'\v  i^  t-. 

Midr  Qoh  4,  3  (22"^)  u.  Midr  HL  1,4:  Gott  sprach:  Mose,  was  haben  die  Väter  der 
Welt  (=  Erzväter)  gegen  mich  -Vy  cnh  »•'  na?  Wenn  ich  es  mit  ihnen  genau  nehmen 
wollte,  so  habe  ich  gegen  sie  etwas  sn-'Vs  ^h  r^  -:s.  Gegen  Abraham  habe  ich  '^'^'J  'h  -i;^, 
daß  er  gesagt  hat  Gn  15,8:  „W^oran  soll  ich  erkennen,  daß  ich  es  in  Besitz  nehmen 
werde?"  Gegen  Isaak  habe  ich  'rhv  -•;  v,  daß  es  heißt  Gn  25,  28:  „Und  Isaak  liebte 
den  Esau",  während  ich  ihn  haßte,  s.  Mal  1,3:  ,Und  Esau  haßte  ich."  Gegen  Jakob 
habe  ich  '■•:>*  -•=  v,  daß  er  gesagt  hat  Jes  40, 27 :  ,  Verhüllt  ist  mein  Weg  vor  Jahve." 

Aramäisch  lautet  die  Wendung:  '^'.hzh  arh-2  n^h  mn  „es  hat  einer 
etwas  mit  oder  gegen  NN".  Beispiele  ^Er  54*  u.  Joma  87*  S.  287. 

5,24:  So  laß  dort  vor  dem  Altar  deine  Gabe  u.  geh  zuvor 
hin  u.  versöhne  dich  mit  deinem  Bruder. 

51  c((f€g  €X€t  t6  6cöq6v  aov  „laß  dort  deine  Gabe".  —  Eine  Unter- 
brechung der  Opferhandlung  aus  einem  Grunde,  wie  ihn  Mt  5,  23  f. 
enthält,  kennt  die  Halakha  nicht. 

23  diaXXdyTj^i  xo}  adsX^oy  aov  „versöhne  dich  mit  deinem  Bruder". 

1.  Es  ist  Pflicht,  den  Beleidigten  zu  versöhnen  u.  ihm  Ab- 
bitte zu  leisten. 

pJoma8,  45*^,  19:  Sch^'muel  (t  254)  hat  gesagt:  Wer  gegen  seinen  Nächsten  sich 
vergangen  hat.  soll  zu  ihm  sagen:  Ich  habe  gegen  dich  gefehlt.  Wenn  jener  ihn  an- 


Matth  5,24(SBlj  285 

nimmt,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht,  so  nehme  er  (andre)  Menschen  mit  sich  u. 
versöhne  ihn  in  deren  Gegenwart,  s.  Hi33,  27:  ,Er  bilde  eine  Reihe  von  Menschen 
(stelle  sie  in  einer  Reihe  auf,  so  der  Midr)  u.  sage:  Ich  habe  gesündigt  u.  Gerades 
gekrümmt  u.  es  ist  mir  nicht  vergolten!'^  Wenn  er  also  tut,  so  sagt  die  Schrift  von 
ihm.  das.  Vers 28:  „Er  hat  seine  Seele  vom  Hingang  in  die  Gruft  erlöst  u.  sein  Leben 
wird  das  Licht  schauen"  (so  nach  dem  Qere).  War  der  Beleidigte  gestorben,  so  muß 
er  ihn  auf  seinem  Grabe  versöhnen  u.  sprechen :  Ich  habe  gegen  dich  gefehlt.  ||  Joma  87  •' : 
R.  Jicchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  seinen  Nächsten  auch  nur  mit  Worten  kränkt, 
muß  ihn  versöhnen:  denn  es  heißt  Spr  6,  1  ff. :  „Mein  Sohn,  wenn  du  für  deinen  Nächsten 
Bürge  geworden  bist  u.  für  einen  andren  deinen  Handschlag  gegeben  hast,  verstrickt 
bist  durch  die  Reden  deines  Mundes,  so  tu  doch  dieses,  mein  Sohn,  damit  du  dich 
rettest:  wenn  du  Geld  in  deiner  Hand  hast,  öffne  ihm  die  Handfläche  ("•  rcr  i"r  -r- 
Deutung  von  zz^rr.  Vers  3),  u.  wenn  nicht,  so  mache  viel  der  Freunde  bei  ihm'  (als 
Zeugen  deiner  x^bbitte,  a-i"^  'r'-y  -r.z-'r,  Deutung  von  --^^  an-i  das.).  Rab  Chisda  (f  309) 
hat  gesagt:  Er  muß  ihn  vor  drei  Reihen  von  je  drei  Personen  versöhnen,  s.  Hi  33,  27 
(wie  oben).  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Wer  vor  seinem  Nächsten  Abbitte 
leisten  will,  der  soll  das  nicht  öfter  als  dreimal  tun,  s.  Gn  50,  17:  „Ach  bitte  (erstes 
Bittwort),  vergib  doch  (zweites  Bittwort)  den  Frevel  deiner  Brüder  u.  ihre  Sünde.  .  .  . 
Und  nun  gewähre  doch  (drittes  Bittwort)  Verzeihung"  usw.  Wenn  er  aber  gestorben 
ist,  so  nehme  er  zehn  Personen  mit  sich,  stelle  sie  an  seinem  Grabe  auf  u.  spreche: 
Ich  habe  an  Jahve,  dem  Gott  Israels,  gesündigt  u.  an  diesem  hier,  den  ich  verletzt 
habe.  —  Als  Beispiel  einer  Abbitte  an  Gräbern  s.  Chag22''  S. 285;'.  ||  B'^rol^:  Es  ant- 
wortete Eli  u.  sprach:  ,Geh  in  Frieden'!  1  Sm  1,  17.  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt: 
Von  hier  aus  ist  erwiesen,  daß,  wer  seinen  Nächsten  mit  etwas  verdächtigt,  woran 
nichts  ist,  ihn  begütigen  (versöhnen)  muß;  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  daß  er  ihn  auch 
segnen  muß;  denn.es  heißt  daselbst:  „Der  Gott  Israels  möge  deine  Bitte  gewähren."  jj 
P'^siq  168'':  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Es  ist  allgemein  üblich,  daß,  wenn  jemand 
seinen  Nächsten  öffentlich  beleidigt  hat  u.  ihn  nach  einiger  Zeit  zu  versöhnen  trachtet, 
der  Beleidigte  zu  ihm  sagt:  Du  hast  mich  öffentlich  beleidigt  u.  willst  mich  unter  vier 
Augen  versöhnen?  Geh  u.  hole  jene  Männer,  in  deren  Gegenwart  du  mich  beleidigt 
hast:  dann  will  ich  mich  mit  dir  aussöhnen.  Aber  Gott  nicht  also:  wenn  ein  Mensch 
sich  hinstellt  u.  auf  dem  Markt  Gott  schmäht  u.  lästert,  so  sagt  dieser  zu  ihm:  Tue 
Buße  unter  vier  Augen,  u.  ich  nehme  dich  an.  il  Chag  22'':  (R.  J^hoschuaf  b.  Chananja, 
um  90,  hatte  eine  Meinung  der  Schule  Schammais  mit  den  beleidigenden  Worten  zurück- 
gewiesen: Ich  schäme  mich  wegen  eurer  Worte!  Als  ein  Anhänger  Sch.s  ihm  darauf 
die  näheren  Gründe  dargelegt  hatte)  ging  R.  J'^hoschua?  u.  warf  sich  hin  über  die 
Gräber  der  Schule  Schammais  u.  sprach:  Ich  demütige  mich  ^  euch  gegenüber,  ihr  Ge- 
beine der  Schule  Schammais!  —  Die  Parallele  TAhil  5,  12  (603)  liest  =:''5  t'^s:  „ich 
stimme  euch  zu"  statt  =3';  -r-:i:.  —  B®r28''  bittet  Rabban  Gamliel  IL,  um  90,  dem 
R.  J*^^hoschua?  b.  Chananja  eine  Kränkung  mit  den  Worten  ab:  Ich  demütige  mich  dir 
gegenüber,  -;V  t-:^-:,  verzeihe  mir  "i  h^r.^a]  In  den  Parallelstellen  pB'^rS,  7'^',  19; 
pTafan4,  67*^,  37  nur  -';  --".y:  ohne  -^'n  h^r.^.  \\  Ta?an20''  Bar:  Immer  sei  der  Mensch 
weich  (biegsam,  nachgiebig)  wie  das  Rohr  u.  nicht  hart  wie  die  Zeder.  Einmal  geschah 
es,  daß  R.  Schimfon  b.  Ehazar^  (um  190)  von  Migdal-G'^dor''  aus  dem  Hause  seines 
Lehrers  kam.  Er  ritt  auf  einem  Esel  u.  erging  sich  am  Ufer  des  Flusses.  Er  empfand 
eine  große  Freude  u.  war  in  seinem  Innern  stolz  auf  sich  selbst,  daß  er  große  Tora- 


^  '^'?1'.  scheint  feststehender  Ausdruck  in  der  Abbitte  gewesen  zu  sein;  vgl. 
die  weiteren  Zitate  oben. 

2  So  lies  statt  R.  Elfazar  b.  Schim?on,  s.  Bacher.  Tann  2,  423. 

^  Neubauer,  Geographie  244  identifiziert  Migdal-G'^dor  mit  Gadara,  südöstlich  vom 
Galiläischen  Meer.  Der  oben  im  Zitat  erwähnte  Fluß  würde  dann  der  Scheriat  el-Mandur 
sein.  Aboth  R.  Nathan  41  liest  dafür  am  Ufer  ,.des  Sees" :  damit  würde  das  Galiläische 
Meer  gemeint  sein;  vgl.  Bacher  a.  a.  0.  424. 


286    .  Matth  5,  24  (95  1) 

kenntnis  gewonnen  hatte.  Es  begegnete  ihm  ein  überaus  häßlicher  Mensch,  der  zu 
ihm  sprach:  Friede  über  dich,  Rabbi!  Er  aber  erwiderte  ihm  den  Gruß  nicht,  sondern 
sagte:  Dummkopf  (sp"^),  wie  häßlich  bist  du  (wörtlich:  wie  häßlich  ist  dieser  Mann)! 
Sind  etwa  alle  deine  Landsleute  so  häßlich  wie  du?  Dieser  antwortete:  Ich  weiß  es 
nicht;  geh  aber  hin  u.  sage  dem  Werkmeister,  der  mich  geschaflPen  hat:  „Was  ist  das 
für  ein  häßliches  Gefäß,  das  du  gemacht  hast!"  Als  der  Rabbi  bei  sich  selbst  einsah, 
daß  er  unrecht  getan,  stieg  er  von  seinem  Esel,  warf  sich  vor  jenem  nieder  u.  sprach: 
Ich  demütige  mich  dir  gegenüber,  -;h  -r-jy:,  verzeihe  mir!  Der  aber  antwortete:  Ich 
verzeihe  dir  nicht,  bis  du  zu  dem  Werkmeister  gehst,  der  mich  geschaffen  hat,  u.  zu 
ihm  sagst:  Wie  häßlich  ist  doch  dieses  Gefäß,  das  du  gemacht  hast!  Da  ging  der 
Rabbi  hinter  ihm  her,  bis  er  in  die  Nähe  seiner  (Heimat-)Stadt  kam.  Alle  Stadt- 
bewohner gingen  hinaus  ihm  entgegen  u.  sprachen  zu  ihm:  Friede  über  dich,  Rabbi 
Rabbi,  mein  Lehrer  mein  Lehrer!  Da  sprach  jener  Häßliche  zu  ihnen:  Wen  nennt  ihr 
denn  Rabbi  Rabbi?  Sie  antworteten  ihm:  Den,  der  hinter  dir  geht.  Er  erwiderte: 
Wenn  der  ein  Rabbi  ist,  dann  möge  es  nicht  viele,  die  ihm  gleichen,  in  Israel  geben! 
Sie  fragten:  Weshalb?  Er  sprach:  So  u.  so  hat  er  mir  getan.  Sie  sprachen:  Gleich- 
wohl verzeihe  ihm;  denn  er  ist  ein  bedeutender  Mensch  durch  Torakenntnis.  Jener 
antwortete:  Um  euretwillen  will  ich  ihm  vergeben,  aber  er  soll  nicht  wieder  also  tun! 
Sofort  ging  R.  Schim?on  b.  El?azar  (in  das  Lehrhaus)  u.  trug  öffentlich  vor:  Immer  sei 
der  Mensch  weich  wie  das  Rohr  u.  nicht  hart  wie  die  Zeder!  Parallelstellen:  Aboth 
R.  Nathan  41 ;  Derekh  Ere?  3  Anf.  ||  Joma  22'^:  „Ein  Jahr  war  Saul,  als  er  König  wurde" 
(1  Sm  13.  1,  so  der  masorethische  Text).  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Wie  ein  ein- 
jähriges Kind  war  er,  weil  er  keine  Sünde  geschmeckt  hatte.  Rab  Nachman  b.  Ji9chaq 
(f  356)  wandte  ein:  Ich  möchte  sagen:  Wie  ein  einjähriges  Kind  war  er,  das  sich  mit 
Lehm  u.  Kot  besudelt.  Man  (=  Gott)  ließ  ihn  etwas  Erschütterndes  (Raschi:  Engel  des 
Schreckens,  -ns  -rs';'«)  im  Traum  sehn.  Da  sprach  er:  Ich  demütige  mich  euch  gegen- 
über =:^  'r'yjz,  0  Gebeine  Sauls  ben  Qisch.  Da  sah  er  abermals  etwas  Erschütterndes 
im  Traum.  Darauf  sagte  er:  Ich  demütige  mich  euch  gegenüber,  o  Gebeine  Sauls 
b.  Qisch,  des  Königs  von  Israel.  (Das  Fehlen  der  letzen  Worte  in  der  ersten  Abbitte  war 
beleidigend  für  Saul.)  ||  K'^th  67'':  Einer  (nämlich  ein  Armer)  kam  vor  Raba  (f  352). 
Dieser  fragte  ihn:  Was  pflegst  du  zu  essen?'  Er  antwortete  ihm  (statt  der  Abbreviatur 
■:"n  wird  zu  lesen  sein  -"n):  Ein  gemästetes  Huhn  u.  alten  Wein!  Er  sprach  zu  ihm: 
Aber  machst  du  dir  denn  keine  Bedenken  wegen  der  Belästigung  der  Gemeinde?  Jener 
erwiderte:  Esse  ich  denn  von  dem  Ihrigen?  Von  dem  des  Barmherzigen  (Gottes)  esse 
ich  ja!  Denn  in  einer  Bar  habe  ich  gelernt:  „Aller  Augen  warten  auf  dich  u.  du  gibst 
ihnen  ihre  Speise  zu  seiner  Zeit",  Ps  145,  15.  Zu  „ihrer"  Zeit  heißt  es  nicht,  sondern 
zu  „seiner"  Zeit;  das  lehrt,  daß  Gott  jedem  einzelnen  seinen  Unterhalt  gibt  zu  seiner 
Zeit.  Inzwischen  war  die  Schwester  Rabas  gekommen,  die  ihn  dreizehn  Jahre  lang 
nicht  gesehen  hatte,  u.  brachte  ihm  ein  gemästetes  Huhn  u.  alten  Wein  mit.  Er  sprach: 
AVas  ist  damit  gemeint?  (Dies  Zusammentreffen  bedeutet  etwas.)  Dann  sagte  er  zu 
'dem  Armen:  Ich  demütige  mich  dir  gegenüber  (ich  bitte  um  Verzeihung);  stehe  auf 
und  iß!  —  Zu  '5  -n-jy:  s.  noch  Bacher  (Tann^  1,  161),  der  geneigt  ist,  es  nach  Ez  14,4.7 
zu  deuten  =  „ich  stimme  dem  u.  dem  zu".  |1  RH  11^:  Die  Proselytin  B*^lurja  (=  Valeria) 
fragte  den  Rabban  Gamliel  (um  90):  Es  steht  in  eurer  Tora  geschrieben  Dt  10, 17:  „Der 
nicht  das  Angesicht  erhebt"  (keine  Rücksicht  nimmt)  u.  es  steht  geschrieben  Nu  6,  26: 
„Es  erhebe  Jahve  sein  Angesicht  auf  dich!"  R.  Jose  der  Priester  sprach  zu  ihr:  Ich 
will  dir  ein  Gleichnis  sagen.  Dies  läßt  sich  vergleichen  mit  einem  Menschen,  der  sich 
von  einem  andren  eine  Mine  borgte  u.  in  Gegenwart  des  Königs  die  Zeit  (der  Rück- 
zahlung) festsetzte  u.  ihm  beim  Leben  des  Königs  schwur.  Es  kam  die  Zeit,  aber 
er  bezahlte  nicht;  er  ging,  um  den  König  zu  begütigen.  Dieser  sprach  zu  ihm:  Das 
mir  angetane  Unrecht  sei  dir  vergeben,   geh  u.  begütige  deinen  Nächsten!   So  auch 


*  Ein  Armer  sollte  aus  öffentl.  Mitteln  seinem  Stande  u.  seinen  früheren  Lebens- 
gewohnheiten gemäß  unterstützt  werden. 


Matth5,'24(5B1.2)  287 

handelt  es  sich  hier,  Nu  6,  26,  um  Übertretungen  des  Menschen  gegen  Gott,  dort, 
Dt  10,  17,  um  Übertretungen  eines  Menschen  gegen  seinen  Nächsten.  |1  Joma  87^: 
R.  Jirm'^ja  (um  320)  hatte  etwas  mit  R.  Abba  (um  290).  Er  ging  u.  setzte  sich  an  die 
Tür  des  R.  Abba.  Als  dessen  Magd  Wasser  ausgoß,  fielen  Wassertropfen  auf  seinen 
Kopf.  Da  sagte  er:  ,Sie  haben  mich  wie  zu  einem  Düngerhaufen  gemacht" ;  dann  wandte 
er  auf  sich  selbst  die  Schriftstelle  an  Ps  113,7:  ,Vom  Düngerhaufen  wird  er  den 
Armen  erheben."  R.  Abba  hörte  es,  ging  hinaus  u.  sprach  zu  ihm:  Nun  muß  ich  nach 
deinem  Sinn  herauskommen,  wie  es  heißt  Spr  6,  3:  ,Geh,  wirf  dich  nieder  u.  bestürme 
deinen  Nächsten"  (s.  die  Verwendung  dieser  Schriftstelle  S.  285  in  Joma  87=*).  Wenn 
R.  Z*^fira  (um  300)  mit  einem  Menschen  etwas  hatte,  dann  ging  er  wiederholentlieh 
an  ihm  vorüber  u.  ermöglichte  ihm  so,  daß  er  käme  u.  von  seiner  Bosheit  abließe. 

2.  Ohne  die  vorangegangene  Versöhnung  des  Beleidigten 
hat  der  Schuldige  keinen  Teil  an  der  Kraft  des  Versöhnungs- 
tages.   Man  pflegte  sich  deshalb  vorher  auszusöhnen. 

Joma  8,  9  u.  SLv  16,  30  (324=*):  Vergehungen  des  Menschen  gegen  Gott  sühnt  der 
Versöhnungstag;  solche  gegen  den  Nächsten  sühnt  der  Vers,  nicht,  bis  daß  er  seinen 
Nächsten  versöhnt  hat.  Das  hat  R.  Ehazar  b.  jAzarja  (um  100)  öffentlich  vorgetragen: 
,Von  allen  euren  Sünden  gegen  Jahve  sollt  ihr  rein  werden"  Lv  16,30  (so  konstruiert 
der  Midr).  Die  Vergehungen  des  Menschen  gegen  Gott  sühnt  der  Vers.;  solche  gegen 
den  Nächsten  sühnt  der  Vers,  nicht,  bis  daß  er  seinen  Nächsten  versöhnt  hat.  ||  Joma  87* 
Rab  Joseph  b.  -:rt  warf  dem  R.  Abbahu  (um  300)  ein:  Die  Vergehungen  eines  Menschen 
gegen  seinen  Nächsten  sühnt  nicht  der  Versöhnungstag,  u.  siehe,  fes  heißt  1  Sm2,  2-5: 
,Wenn  ein  Mensch  gegen  einen  andren  sündigt,  so  entscheidet  z^r.hts/  Wer  ist  n-n5N? 
Es  ist  der  Richter;  (die  Schriftstelle  besagt  also,  daß  bei  Verfehlungen  der  Menschen 
gegeneinander  der  Richter  eingreift;  was  soll  dann  der  Versöhnungstag?  Erwiderung:) 
Wenn  dem  so  wäre,  so  sage  den  Schluß  der  Schriftstelle:  Wenn  aber  ein  Mensch  gegen 
Jahve  sündigt,  wer  entscheidet  (richterlich)  für  ihn?  (Da  es  keinen  Richter  zwischen 
Gott  u.  den  Menschen  gibt,  so  kann  auch  der  erste  Teil  der  Schriftstelle  nicht  vom 
Richter  handeln;  also  ist  hhz  anders  zu  deuten.)  Es  ist  so  gemeint:  Wenn  ein  Mensch 
gegen  den  andren  sündigt  u.  es  ihm  abbittet  ^^hz'.,  so  vergibt  es  ihm  Gott;  wenn  aber 
ein  Mensch  gegen  Jahve  sündigt,  wer  soll  für  ihn  bitten  •'■;  -stir-?  Buße  u.  gute  Werke. 

Zur  Aussöhnung  vor  dem  Vers.tage  s.  zB  ?Er  54«:  Raba  b.  Joseph  b.  Chama  (f  352) 
hatte  etwas  mit  Rab^oseph  (f  3oo).  Als  der  Rüsttag  auf  den  Vers,  gekommen  war,  sprach 
er  (bei  sich ) :  Ich  will  gehen  u.  ihn  versöhnen.  Er  ging  u.  traf  seinen  Diener,  wie  er  ihm  eineov 
Becher  mischte.  Er  sprach  zu  diesem:  Gib  ihn  mir,  daß  ich  ihn  mische.  Er  gab  ihm  den 
Becher  u.  er  mischte  ihn.  (Rab  Joseph  war  blind  u.  sah  nicht,  was  um  ihn  her  vor- 
ging.) Als  Rab  Joseph  ihn  kostete,  sagte  er:  Diese  Mischung  gleicht  der  Mischung  des 
Raba  b.  Joseph  b.  Chama.  (Raba  war  ein  Schüler  des  Rab  Joseph  u.  hatte  als  solcher 
oft  Gelegenheit  gehabt,  seinem  Lehrer  den  Mischtrank  zu  bereiten.)  Da  sagte  Raba: 
Ich  bin  es!  Da  sprach  jener:  Du  wirst  dich  nicht  auf  deine  Schenkel  setzen,  bis  du 
mir  Nu  21,  18  f.  erklärt  hast.  (Von  der  erfolgten  Aussöhnung  wird  nicht  ausdrücklich 
berichtet;  sie  war  wohl  damit  gegeben,  daß  der  Lehrer  den  Schüler  zur  Auslegung 
einer  Schriftstelle  aufforderte.)  ||  Joma  87«:  Rab  (f  247)  hatte  etwas  mit  einem  Fleischer. 
Da  dieser  am  Rüsttage  des  Vers,  nicht  zu  ihm  kam  (zur  Aussöhnung),  sagte  er:  Ich 
werde  gehn,  ihn  zu  versöhnen.  Es  begegnete  ihm  Rab  Huna  (sein  Schüler,  f  297). 
Dieser  sprach  zu  ihm:  Wohin  will  der  Herr  gehn?  Er  antwortete  ihm:  Den  u.  den 
zu  versöhnen.  Da  sprach  jener  (bei  sich  selbst):  Abba  (=  Rab)  geht,  um  einen  zu  töten. 
Er  ging  u.  trat  zu  ihm  (dem  Fleischer).  Dieser  saß  u.  spaltete  den  Kopf  (eines  Tieres); 
*er  erhob  seine  Augen  u.  erblickte  ihn;  er  sprach  zu  ihm:  Abba,  du  bist  verächtlich; 
habe  ich  nicht  etwas  mit  dir  (u.  doch  kommst  du  zu  mir)?  Während  er  den  Kopf  (des 
Tieres)  spaltete,  sprang  ein  Knochen  ab  u.  zerschlug  seine  Kehle  u.  tötete  ihn.  —  Rab 
verlas  vor  Rabbi  eine  Haphtara.  R.  Chijja  (um  200)  trat  ein ;  da  kehrte  er  zum  Anfang 
zurück  (fing  von  vorn  an  zu  lesen);  Bar  Qappara  trat  ein,  er  kehrte  zum  Anfang  zurück; 


288  J^iatth  5,  24  (SB  2).  ö,  25  (51) 

R.  Schimfon  b.  Rabbi  kam,  er  kehrte  zum  Anfang  zurück;  es  kam  R.  Chanina  b.  Chama  ; 
da  sprach  er  (bei  sich):  Sollen  wir  das  alles  immer  weiter  wiederholen?  Er  wiederholte 
es  nicht;  R.  Chanina  (aber)  wurde  ärgerlich  (nahm  es  übel).  Rab  ging  an  dreizehn  ^ 
Rasttagen  zum  Versöhnungsfest  zu  ihm,  aber  er  ließ  sich  nicht  versöhnen.  Aber  wie 
konnte  er  so  tun?  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  doch  gesagt:  Wer  Abbitte  (Ver- 
gebung) nachsucht  bei  einem  andren,  soll  darum  nicht  öfter  als  dreimal  nachsuchen! 
Mit  Rab  verhielt  es  sich  anders.  Und  wie  konnte  R.  Chanina  so  tun?  Raba  (f  352) 
hat  doch  gesagt:  Wer  über  seine  Art  (wörtlich:  Maße)  hinausgeht  (wer  nicht  auf  seinem 
Kopf  besteht,  sondern  nachgiebig  u.  nachsichtig  ist),  bei  dem  geht  man  (=  Gott)  über 
alle  seine  Vergehungen  hinweg!  Allein  R.  Chanina  sah  (einmal)  in  einem  Traume,  dafj 
man  den  Rab  an  einer  Palme  aufhängte,  u.  es  ist  traditionelle  Lehre,  daß  jeder,  den 
man  an  einer  Palme  aufhängt,  ein  Oberhaupt  wird.  Da  sagte  er:  Ich  entnehme  daraus 
(aus  dem  Traum),  daß  er  ein  Herrscher  (hier  speziell  =  Oberhaupt  einer  Akademie) 
werden  soll.  Deshalb  ließ  er  (R.  Chanina)  sich  nicht  versöhnen,  damit  Rab  (nicht  in 
Palästina  bliebe,  sondern)  ginge,  um  in  Babel  die  Tora  zu  lehren. 

5,25:  Sei  deinem  Widersacher  eilends  wohlgesinnt,  solange 

du  mit  ihm  auf  dem  Wege  bist,  damit  dich  der  Widersacher 

nicht  dem  Richter  übergebe  u.  der  Richter  dem  Diener  u.  du 

ins  Gefängnis  geworfen  werdest. 

51  ävxidixoQ  bedeutet  in  der  älteren  jüdischen  Literatur  in  der  Form 
cip-^-ji-L?;«:  Gegner  vor  Gericht;»  gleich  hebr.  -pn  hvz  Kläger ;b  Anwalt, c 
der  gegen  den  Angeklagten  das  Recht  wahrnimmt;  Gegner d  überhaupt. 

a.  P^siq  122 '':  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Einmal  verehrte  eine  Frau  einem 
Richter  einen  silbernen  Leuchter;  da  ging  ihr  Prozeßgegner  oip"-'-:s  hin  u.  verehrte 
ihm  ein  goldenes  Füllen.  Vgl.  hierzu  Schab  116^'  bei  Mt  5,  17  S.  241.  i!  Dt  R  5  (202^): 
R.  J^'huda  b.  Elfai  (um  150)  hat  gesagt:  Ich  habe  gehört,  daß,  wenn  der  Richter  die 
gegnerischen  Parteien  (--p-^-UDs  Plural)  (während  der  Verhandlung)  will  sitzen  lassen, 
er  es  darf.   Und  was  ist  verboten?   Daß  er  den  einen  Teil  sitzen,  den  andren  stehn  läßt. 

b.  Aboth  4,  22  (R.  Elfazar  Ha-qappar,  um  180)  pflegte  zu  sagen:  Die  geboren  sind, 
sind  bestimmt  zu  sterben,  die  Gestorbenen  auferweckt  zu  werden,  die  Auferweckten 
gerichtet  zu  werden,  damit  man  erkenne  u.  es  kundtue  u.  es  kundwerde,  daß  er  Gott 
ist,  er  der  Bildner,  er  der  Schöpfer,  er  der  Allwissende,  er  der  Richter,  er  der  Zeuge, 
er  der  Prozeßgegner  (Kläger  ■]"-  Isj's),  er  der  einst  das  Urteil  sprechen  wird,  gepriesen 
sei  er!  —  Ferner  s.  bei  Lk  18,  3. 

C.  GnR  82  (52*^):  Zwei  Schüler  des  R.  J''hoschua?  (um  90)  veränderten  zur  Zeit 
der  Religionsverfolgung  ihre  Kleidung  (um  sich  als  .Juden  unkenntlich  zu  machen). 
Es  begegnete  ihnen  ein  (römischer)  Militär,  der  zu  ihnen  sprach:  Wenn  ihr  Söhne 
der  Tora  seid,  so  gebt  euer  Leben  um  ihretwillen  hin;  wenn  ihr  es  aber  nicht  seid, 
warum  wollt  ihr  euch  um  ihretwillen  töten  lassen?  Sie  antworteten:  Wir  sind  Söhne 
der  Tora  u.  lassen  uns  auch  um  ihretwillen  töten;  aber  es  ist  nicht  die  Art  des 
Menschen,  sich  selbst  absichtlich  zu  verderben.  Er  sprach  zu  ihnen:  Drei  Fragen 
lege  ich  euch  vor.  Wenn  ihr  sie  mir  beantwortet,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht, 
so  werde  ich  euch  zwingen,  das  Gesetz  zu  übertreten.  Eine  Schriftstelle  lautet: 
„Aufgestanden  ist  Jahve  zum  Rechtsstreit  u.  steht  da,  die  Völker  zu  richten"  Jes 
3, 13,  u.  eine  andre  lautet:  „Dort  will  ich  sitzen,  zu  richten  alle  Nationen  von  ringsum" 
Joel  4,  12.  Sie  antworteten:  Wenn  Gott  Israel  richtet,  dann  richtet  er  es  stehend 
u.  kürzt  die  Verhandlung  ab  u.  spricht  im  Urteil  los.  Aber  wenn  er  die  Völker  der " 
Welt  richtet,  dann  richtet  er  sie  sitzend  u.  nimmt  es  genau  mit  dem  Gericht  u.  dehnt 


^  Die  Zahl  dreizehn  ist,  wie  oft  im  Rabbinischen,  als  runde  Zahl  gemeint,  s.  zB 
Keth67'^  auf  S.  286. 


.Matth  5.  25  {%.  f8.  6)  289 

die  Verhandlung  aus.  Er  sprach  zu  ihnen :  So  hat  euer  Lehrer  R.  J'^hoschua?  nicht 
vorgetragen,  sondern  (so  hat  er  gesagt:)  Sowohl  hier  wie  dort  redet  die  Schrift  von 
den  Völkern  der  Welt.  Wenn  Gott  die  Völker  der  AVeit  richtet,  richtet  er  sie  sitzend 
u.  nimmt  es  genau  mit  dem  Gericht  u.  dehnt  die  Verhandlung  aus;  darauf  (steht  er 
auf  u.)  wird  zum  Anwalt  gegen  sie  ■;-;;::  sip--;-^:s. 

d.  GnR  100  (64'^):  , Joseph  tröstete  seine  Brüder"  Gn  50,  21.  Er  sprach:  Sollte 
ich  etwa  zum  Gegner  (statt  cip-i'iiis  1.  C"p---'u;:s)  meines  Vaters  werden?  Mein  Vater 
sollte  gezeugt  haben  u.  ich  sollte  begraben?  Oder  sollte  ich  zum  Gegner  (statt 
sipTi-t;3p  1.  c-ip''T"-j:s)  Gottes  werden?  Gott  sollte  segnen  u.  ich  vermindern?  ||  Viel- 
leicht gehört  auch  Midr  Esth  1,  12  (89^)  hierher:  Vaschti  sprach  zum  König:  Selbst  die 
Gegner  meines  Vaterhauses  wurden  nicht  nackt  gerichtet,  s.  Dno,  21.  —  Der  Text 
liest  s-p-n-:s,  etwa  korrumpiert  aus  cip-i"j:s?  Midr  Abba  Gorjon  zur  Stelle  (ed. 
Buber  8^)  liest  ••-^^i^zp  =  xaiaSiy.oi  , die  Verurteilten" ;  eine  Handschrift  hat  -p--"T:s. 

5, 25  93:  iGd-i  svvocör  reo  arridixo)  aov . . .  ewq  orov  si /.ist'  avvov  iv  rfj  odo). 

Ein  Sprichwort  entgegengesetzten  Sinnes  bringt  Sanh  95^:  R.  Schimgon  b.  Jochai 
(um  150)  sagte:  Jener  Zeitpunkt  (da  Sanherib  gegen  Jerusalem  zog)  war  gerade  die 
Reifezeit  der  Früchte;  da  sprach  Gott  zu  Gabriel:  Wenn  du  ausziehst,  die  Früchte 
zur  Reife  zu  bringen  (darüber  war  Gabriel  als  Engelfürst  gesetzt),  dann  mache  dich 
an  sie,  s.  Jes  28,  19.  Rab  Papa  (t  376j  hat  gesagt:  Das  ist  es,  was  die  Leute  zu 
sagen  pflegen:  Wenn  du  auf  deinem  Wege  bist,  dann  mache  dich  deinem  Feinde 
bemerkbar  (setze  ihn  in  Schrecken).  |1  Ein  ähnliches  Verhalten,  wie  es  Jesus  fordert, 
wird  für  die  messian.  Zeit  vorausgesetzt  P'^siq  löT^:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt: 
Dereinst  wird  das  Gebiet  Jerusalems  vier  Mil  im  Geviert  voll  sein  von  Edelsteinen 
u.  Ferien.  Wenn  in  dieser  Welt  ein  Mensch  einem  andren  etwas  schuldet  u.  der 
Gläubiger  zu  dem  Schuldner  sagt:  Wir  wollen  gehn  u.  bei  dem  Richter  unsre  Sache 
führen,  so  stiftet  dieser  das  eine  Mal  zwischen  ihnen  Frieden  u.  ein  andres  Mal  nicht; 
deshalb  gehen  nicht  die  beiden  Personen  versöhnt  miteinander  von  dannen.  Aber 
wenn  in  der  Zukunft  ein  Mensch  einem  andren  etwas  schuldet  u.  dieser  zu  jenem 
sagt:  Wir  wollen  gehn  u.  unsre  Sache  bei  dem  König,  dem  Messias,  in  Jerusalem 
führen,  dann  finden  sie,  wenn  sie  das  Gebiet  Jer.s  erreichen,  dieses  voll  von  Edel- 
steinen u.  Perlen;  dann  nimmt  der  Schuldner  zwei  von  ihnen  und  sagt  zu  jenem: 
Schulde  ich  dir  mehr  als  diese?  Und  jener  antwortet  ihm:  Noch  nicht  so  viel,  es 
sei  dir  vergeben,  es  sei  dir  erlassen!  Das  meint  Ps  147,  14:  ,Er  macht  dein  Ge- 
biet zu  Frieden."  —  Dasselbe  anonym  in  P^siqR  32  (149");  nur  zum  Teil  u.  mit 
R.  Judan  (um  350)  als  Autor  Midr  Ps  87  i;  3  (189^). 

5, 25  ^:  T(o  y.QiTi] . . .  t&5  vrrr^QSTr].  Vermögensrechtliche  Streitsachen  — 
u.  an  eine  solche  hat  Jesus  nach  Vers  26  seine  in  Vers  25  ausgesprochene 
ethische  Mahnung  angeknüpft  —  wurden  von  drei  Laienrichtern, 
gegebenenfalls  auch  von  Einem  autorisierten  (ordinierten)  Rechts- 
gelehrten entschieden.  Der  Singular  Tf-~  xQi^lJ  legt  nahe,  daß  Jesus 
den  letzteren  Fall  im  Auge  gehabt  hat. 

Sanh  1,1:  Vermögensstreitigkeiten  (zB  bei  Darlehen)  werden  durch  drei  abgeurteilt.  |j 
3,  1:  Vermögensstreitigkeiten  werden  durch  drei  abgeurteilt.  Der  eine  (der  Streitenden) 
wählt  sich  einen  (als  Richter)  u.  der  andre  wählt  sich  einen,  u.  beide  (die  Streitenden) 
wählen  sich  noch  einen.  So  R.  Mei'r  (um  150).  Aber  die  Gelehrten  sagten:  Die  beiden 
Richter  wählen  sich  noch  einen.  Der  eine  darf  den  von  dem  andren  gewählten  Richter 
verwerfen  (ablehnen)  u.  der  andre  den  von  jenem  gewählten.  So  R.  Meir.  Aber  die 
Gelehrten  sagten:  In  welchem  Fall?  Wenn  er  einen  Beweis  gegen  sie  vorbringt, 
daß  sie  verwandt  oder  untauglich  sind.  Aber  wenn  sie  tauglich  u.  vom  Gericht  autori- 
siert sind,  kann  er  sie  nicht  verwerfen.  |1  Sanh  4*>  Bar:  Vermögensstreitigkeiten  werden 
durch  drei  abgeurteilt;  wenn  einer  aber  allgemein  (als  Rechtskundiger)  anerkannt 
(autorisiert)  ist,  dann  darf  er  auch  als  einzelner  entscheiden. 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  19 


290  Matth  5,  25  (2).  6).  o,  26  (31 1) 

5,  25  3):  o  v7rt]QSTi]s,  der  Gerichtsdiener,  heißt  im  Rabbin.  a,  •!";  zB  TMak  5,  12 
("444;  2mal]:  "Wenn  der  G.  ihm  (dem  zur  Geißelung  Verurteilten)  auch  nur  Einen  Schlag 
mehr  gibt  (als  er  soll),  so  daß  er  stirbt,  so  muß  er  seinetwegen  (als  Totschläger)  in 
eine  Asylstadt  fliehen.  —  Male  23"  Bar:  Man  stellt  als  Gerichtsdiener  nur  solche 
Leute  an,  die  wenig  Kraft,  aber  viel  Einsicht  haben  (damit  ihre  Geißelhiebe  nicht  über- 
trieben wirken).  — ^Sanh  17b  g.  bei  Mt  5,21  S.258.  ||  ß,  •'-  r"?  ry^-^;  zB  TGitt4,6  (328): 
Ein  Gerichtsdiener,  der  im  Auftrag  des  Gerichts  die  Prügelstrafe  vollzieht  u.  ver- 
sehentlich (dem  Geschlagenen)  einen  Schaden  zufügt,  ist  straffrei.  i|  y,  vtt'ä;  zB  pSanh 
1,4(19'^,  38),  wo  nebeneinander  genannt  werden  r-js"!  d'-^s^ci  ]-ir,  der  Aufseher,  die 
Gerichtsschreiber  u.  der  Gerichtsdiener.  ||  d,  n;-;?'?  =  Schläger;  so  hieß  der  Gerichts- 
diener, insofern  er  die  Geißelung  vollzog,  zB  Joma  15^  u.  55",  beidemal  im  Munde 
des  Rah  J'^huda,  f  299.  Raschi  zur  ersten  Stelle:  der  Gerichtsdiener  ■;"  n'a  ry-iv  der 
mit  der  Geißel  schlägt.  ||  Dagegen  dürfte  tsi-r-o  =  aTgnriMTT]?  mehr  einen  Polizeidiener 
bezeichnen.  Schab  32 '^  Bar: ..  .Geht  ein  Mensch  hinaus  auf  den  Markt,  so  komme  er  sich 
in  seinen  Augen  vor  wie  einer,  der  dem  üvi-c  übergeben  wird  (um  ihn  vor  den  Richter 
zu  bringen,  Raschi).  —  Auch  die  c-^z'd  Dt  1,  15;  16,  18  werden  als  gerichtliche  Exe- 
kutivbeamte aufgefaßt  nach  Art  der  Gerichtsdiener;  zB  SDt  1,  15  ij  15  (HSb):  „Amt- 
leute" D-^r^r.  das  sind  die  Leviten,  die  mit  der  Geißel  schlagen,  s.  2  Chr  19,  11:  „Als 
3-"'i:r  stehen  euch  die  Leviten  zur  Verfügung."  —  Targ  Onk  Dt  IG,  18:  Richter  sollst 
du  dir  setzen  u.  Züchtiger  "J^v^  (=  Leute,  die  die  Gerichtsstrafe  vollstrecken).  VgL 
auch  SDt  16,  18  §  144  u.  Sanh  16^;  Raschi  zu  Sanh  erklärt  a— jir:  das  sind  die  Diener 
(n-i"';i3  =  galearii,  Knappen),  die  auf  Befehl  der  Richter  jeden,  der  nicht  gehorcht, 
mit  Stöcken  schlagen.  —  Qid4,  5  bedeutet  c-'-ioiia  allgemein  „öffentliche  Beamte". 

5.25  6:  (fvXaxrj  als  Lehnwort  übernommen  in  der  Form  ■'jrb'^s. 
P^siq  182^  heißt   es  in    einem  Gleichnis   des  R.  Levi  (um  300):    Nach   etlichen 

Tagen  wurde  dieser  Räuber  eingefangen  u.  ins  Gefängnis  gebracht,  "pV-ea  :n— r-s-. 
Dasselbe  LvR  30  (128^'):  -p's-ss  »artrs-,  er  wurde  ins  Gefängnis  gesperrt.  |I  ExR  15 
(77*):  R.  Ji?chaq,  der  Schmied,  (um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einer  Matrone,  die  den 
König  verklagt  hatte;  er  warf  sie  ins  Gefängnis  -p5"S3  n:r:;  dann  ging  er  hin  u. 
blieb  bei  ihr  -p'";-E2.  ||  P''siq67'*  (R.  B'^rekhja,  um  340,  von  den  ägypt.  Plagen  sprechend:) 
darnach  brachte  Gott  die  Ägypter  in  Gefängnisse,  r-.-p'^Ea  es-:-,  nämlich  in  die 
Finsternis.  Dasselbe  P'^siqR  17  (89  b):  ri-p^-E3  p^rr,  er  sperrte  sie  in  Gef.  —  Tanch 
xa  74"  u.  TanchB  n=  §  4  (21b)  setzen  dafür  hehr.  ■;— -csn  r'zzi  -jr-s  -'CVs  er  sperrte 
sie  ins  Gefängnis. 

5,  26:  Wahrlich  ich  sage  dir,  du  wirst  von  dort  nicht 

hinauskommen,   bis  du   den  letzten  Heller  bezahlst. 

ixHi^sr  „von  dort"  =  aus  dem  Gefängnis,  ohne  Bild  =  aus  dem 

Gehinnora.   Die  alte  Synagoge  hat  die  Frage,  ob  eine  Rückkehr  aus 

dem  Geh.  nach  Abbüßung  der  Höllenstrafe  zu  erwarten  sei,  durchaus 

bejaht:  s.  Exkurs  Sch^ol,  Geh.  u.  Gan  fEden  H,  4  —  7. 

xoSgävtr^g  =  Quadrans  =  V*  As  =  2  P*'ruten.  (Die  P^ruta  die  kleinste 
Münze.)  Während  der  neutestl.  Zeit  befanden  sich  in  Palästina  nament- 
lich folgende  Münzen  in  Umlauf: 

5.26  21:  Münzen  römischer  Währung. 

1.  Der  Golddenar  nn:  -i?"!-!.  BM44'^:  Der  Silberdenar  triö?  ?^j  i:-^- 
ist  der  25.  Teil  vom  Golddenar  sht  ba  ^d^-.  —  In  der  Mischna  wird  er 
erwähnt  MSch  2,  7  (zweimal) ;  4,  9 ;  Sch^-q  6,  6 ;  Nazir  5,  2 ;  BQ  4, 1;  Sch<^bu 
6,  3;  M^fila  6, 4.  —  Abweichend  heißt  es  in  der  Bar  pQid  l,  58«*,  27 :  Der 
Silberdenar  ist  der  24.  Teil  vom  Golddenar. 


Matth5,26(3l2-6)  291 

2.  Der  Silberdenar,  örjvaQim'  Mt  18,  28;  20,  2  ff.;  22, 19  u.  ö.;  n:-^ 
ro3,  auch  kurz  15-;;. 

K^'th  10,4:  Wenn  einer  mit  drei  Frauen  (gleichzeitig)  verheiratet  ist  u.  stirbt  u. 
die  Eheverschreibung  der  einen  1  Mine  (=  100  Denare  oder  100  Zuz),  die  der  andren 
200  Denare,  die  der  dritten  300  Denare  beträgt,  es  ist  aber  als  Nachlaß  nur  1  Mine 
vorhanden,  so  teilen  sie  diese  zu  gleichen  Teilen  untereinander.  Sind  200  Denare 
vorhanden,  so  erhält  die  mit  der  Eheverschreibung  von  1  Mine  50  Denare,  die  mit 
einer  E.  von  200  Denaren  u.  die  mit  einer  E.  von  300  Denaren  je  3  Golddenare  (mithin 
t'i  Golddenare  =  150  Silberdenare).  Sind  300  Denare  (als  Nachlaß)  vorhanden,  so  erhält 
die  mit  der  E.  von  1  Mine  50  Denare,  die  mit  der  E.  von  200  Denaren  1  Mine 
(=  100  Denare),  die  mit  der  E.  von  300  Denaren  6  Golddenare  (=  150  Silberdenare). 

Das  gleiche  Wertverhäitnis  zwischen  dem  Gold-  u.  Silberdenar  ergibt 
die  Berechnung  in  BQ  4, 1,  s.  unter  Nr.  9.  —  Mit  dem  Kaiserdenar  snji-i 
njx'^D'^ir  fAZ  6'*  (s.  bei  Mt  22,  21)  ist  ein  D.  mit  dem  Kopf  eines  Kaisers 
gemeint;  Codex  M  liest  daher  geradezu  no"ipi  N-15-11.  Um  einen  solchen 
handelt  es  sich  Mt  22, 19  ff. ;  Mk  12, 15  ff. ;  Lk  20,  24.  —  Der  Münzwert 
des  Silberdenars  betrug  bei  der  Einführung  der  Goldwährung  zur  Zeit 
des  Kaisers  Augustus  87  ^,  sein  Silberwert  67  ^ ;  später  sank  sein  Wert. 

3.  Das  As,  griech.  daaügiov  MtlO,  29;  Lk  12,  6,  hebr.  ■isk  (Plur. 
-pnöx),  die  gangbarste  römische  Kupfermünze;  ipehrfach  im  Rabbin.  als 
^pVjiN  nöN»  „italisches  As"  bezeichnet.  Nach  der  römischen  Währung 
der  16.  Teil  eines  Denars  (Schürer*  -,75);  abweichend  davon  in  der 
rabbin.  Literatur  dem  24.  Teil  eines  D.  gleichgesetzt,  b 

a.  ChuUin  o,  2:  Folgendes  läßt  ein  Tier  noch  als  tauglich  (zum  Genuß)  erscheinen 
(so  daß  es  nicht  als  T'^repha  verworfen  werden  muß);  wenn  der  Schlund  (die  Luft- 
röhre) durchlocht  oder  aufgespalten  ist.  Wieviel  darf  fehlen?  Rabban  Schim?on  b. 
Gamliel  (um  140)  sagte:  Bis  zur  Größe  eines  italischen  As.  —  Die  gleiche  Größen- 
bestimmung für  einen  andren  FallMiqv9,  5.  —  Ferners.  Qid  1, 1  =  fEduj4,  7S.293Nr.  15. 

b.  TBB  ö.  11  (405):  Ein  As  ist  Y24  vom  Denar.  —  Dasselbe  pQid  1,  58^,  26; 
bBM  44b;  vgl.  auch  Qid  12^:  Als  die  Asse  teuer  (wörtlich:  schwer)  waren,  kamen 
24  auf  1  Zuz  (=  Denar);  als  sie  aber  billig  waren,  kamen  32  auf  1  Zuz. 

4.  Das  Doppelas,  dupondius  (dipondius)  =^  2  As,  hebr.  li-nr'iE ,  auch 
-pbü'^N  ■(TnD'is  italischer  Pond^jon. 

TBB  5,  12  (405):  1  P.  ist  =  2  As.  —  Dasselbe  pMSch  4,  55b,  12;  pQid  1,58^28; 
bQid  12^*.  II  BB  5,  9:  Wenn  jemand  seinen  Sohn  zum  Krämer  schickt  u.  ihm  einen  P. 
mitgibt,  u.  der  Krämer  mißt  ihm  für  1  As  Öl  ein  u.  gibt  ihm  1  As  zurück.  .  .  .  !|  Kelim 
17,  12:  Bei  einer  Öffnung,  die  durch  die  Hand  eines  Menschen  gemacht  ist,  beträgt 
das  Maß  (um  Unreinheit  eindringen  zu  lassen)  so  viel  wie  das  Loch,  das  der  große 
Bohrer  der  Tempelhalle  macht,  das  die  Größe  eines  italischen  P.  hat. 

5.  Das  Drei-Asstück,  tressis,  hebr.  ni5)"ia  oder  öis^j. 

Sch^b  6,  3:  (Sagt  der  Kläger:)  Ich  habe  einen  Golddenar  bei  dir  als  Depositum, 
u.  der  Verklagte  sagt:  Du  hast  nur  einen  Silberdenar  oder  ein  Drei-Asstück  r-o"'-:: 
oder  ein  Zwei-Asstück  (Pond^jon)  oder  eine  P^ruta  bei  mir,  so  ist  er  verpflichtet, 
darüber  einen  Eid  abzulegen.  \\  SDt  25,  16  §  295:  Ein  Sea  (Früchte)  für  1  Denar  u.  3  As 
p-D-'-iu.  —  -r^t'-.-a  häufig  in  der  Tosephta. 

6.  Das  halbe  As,  semis  oder  semissis,  Dn'^Dp,  cpop,  auch  omor;, 
oac-^^D  oder  0^0112.  TBB  5,  12;  bQid  12^:  Ein  As  beträgt  2  semisses 
'poaD"^72.  —  In  pQid  1,  58<^,  29  als  Bar:  Zwei  semisses  'pD-'aiDn  sind  ein  As.^ 

^  Die  Worte   sind    bei  Levy  ;5,  167=^  u.  bei  Krauß,    Lehnw  2,  346  ^   unrichtig   so 

abgeteilt:  2  As  sind  2  halbe  As. 

19 


292  Matth  5,  26  {%  7.  8.  «  9—12) 

7.  Das  Drittel- As,  tremissis,  xs^'^-i-j,  xs?"?^. 

MidrKL  1,  1  (46  b):  Nimm  hier  diesen  Tremissis  nc^-iu  u.  bessei-e  mir  dafür  diese 
Sandale  aus.  ||  Reth  17''^:  Als  die  Rabbiner  den  R.  Ammi  (um  300)  u.  den  R.  Asi  (um  300) 
ordinierten,  sang  man  ilinen  zu:  Wer  so  ist  wie  dieser,  wer  so  ist  wie  jener,  den 
ordiniert  uns,  .  .  .  aber  keinen  von  den  halben  Assen  ^  u.  den  Drittel-Assen  (den  Halb- 
u.  Drittelwissern).    Parallelstelle:  Sanh  H'*. 

8.  Das  Viertel-As,  quadrans,  xoSqccvty^c  Mt  5,  26;  Mk  12,  42,  "|Ttj31p, 

c— j3ip.  P3i:23ip;  Dalman  will  überall  o-j?!i'in'iir  lesen. 

TBB  5,  12  (405):  Der  Semissis  (V2  As)  hat  2  Quadrans,  der  Q.  2  P^ruten.  —  Für 
■j-:-it::-p  andere  Lesarten  •;-c^Tj:ip  u.  0'^t::ip.  —  Ebenso  die  Bar  Qid  12''*.  ||  pQid  1, 
58  b,  29:  Zwei  Quadrans  -'Jiv^-;p  sind  1  Semissis,  2  P'^ruten  sind  1  Q.  OüJi^-np. 

5,  26  S:  Münzen  der  hellenistisch-tyrischen  Währung.   • 

9.  Der  Zuz,  t^it,  aram.  sn:,  in  der  rabbin.  Literatur  sehr  häufig;  er 
entspricht  dem  Silberdenar. 

BQ  4,  1:  R.  Schim?on  (um  150)  sagte:  Wenn  ein  Ochse,  der  200  Zuz  wert  ist, 
einen  andren  Ochsen,  der  gleichfalls  200  wert  ist,  gestoßen  hat  (so  daß  dieser  ver- 
endete) u.  der  Kadaver  keinen  Wert  hat,  so  erhält  jeder  (von  den  beiden  Besitzern) 
1  Mine  (von  dem  Wert  des  stößigen  Ochsen.  Zugleich  ergibt  sich  hieraus,  daß  200 
Zuz  2  Minen  waren,  also  1  Mine  =  100  Zuz).  Hat  er  dann  noch  einen  Ochsen  im 
Werte  von  200  Zuz  gestoß^,  so  erhält  der  Besitzer  des  letzteren  1  Mine  (100  Zuz) 
von  dem  Wert  des  stößigen  Ochsen,  die  beiden  ersten  Besitzer  aber  jeder  50  Zuz 
(die  Hälfte  der  noch  verbleibenden  1  Miue).  Hat  er  dann  nochmals  einen  Ochsen 
im  Werte  von  200  Zuz  gestoßen,  so  erhält  der  Besitzer  des  letzteren  1  Mine,  der 
Besitzer  des  vorletzten  Ochsen  50  Zuz  u.  jeder  der  beiden  ersten  Besitzer  1  Gold- 
denar (1  G.  also  =  25  Zuz  oder  —  25  Silberdenare). 

10.  Die  Mine,  i-..:^,  aram.  xj-a,  x";:-?,  tj  f.ivcc  Lk  19, 13 ff.  =  100  Zuz 
(s.  Nr.  9).  —  Der  Mine  entsprach  die  N--jb,  Ktga  =  Pfund,  ein  Gewichts- 
maß für  Gold  u.  Silber;  dabei  galt  1  Litra  Silber  =  100  Zuz  =  1  Mine. 

IIa,  Der  Sela',  rbo,  aram.  ssbp,  =  4  Denaren  oder  4  Zuz.  pQid  1, 
58 S  27:  R.  Chijja  (um  200)  hat  gelehrt:  1  Selaf  beträgt  4  Denare  (4  Zuz).  \\ 
MSch  2,  9:  Wenn  jemand  einen  Sela?  vom  zweiten  Zehnten  in  Jerusalem 
umwechselt,  so  soll  er,  wie  die  Schule  Schammais  sagte,  für  den  ganzen 
Selaf  Kupfergeld  einwechseln;  die  Schule  Hillels  sagte:  Für  1  Scheqel 
Silbergeld  u.  für  1  Scheqel  Kupfergeld  (2  Scheqel  also  =  1  Sela?).  Die, 
welche  vor  den  Gelehrten  entschieden,  sagten:  Für  3  Denare  Silber- 
geld u.  für  1  Denar  K.  (mithin  4  D.  =  1  Sela?).  —  Dasselbe  fEduj  1,10. 

IIb.  Ein  andrer  Sela?  galt  nur  1/2  Zuz,  d.h.  den  achten  Teil  des 
gewöhnlichen.  Mit  Bezug  auf  BQ  8,6:  „Wer  einen  andren  (mit  der 
Faust)  schlägt,  hat  ihm  (wegen  des  angetanen  Schimpfes)  1  Sela?  zu 
geben",  heißt  es  B<^kh  50*':  Sage  nicht:  1  Sela?,  der  4  Zuz,  sondern  der 
1/2  Zuz  beträgt;  denn  die  Leute  nennen  ^,'2  Zuz  einen  Selaf.  —  Ähnlich 
als  Bar  in  Qid  ll'\  Vgl.  hierzu  Nr.  18. 

12.  Der  Scheqel,  -»p-^  =  V2  Sela?  =  2  Denaren  (Zuz),  s.  MSch  2,  9 
unter  Nr.  IIa.  —  Dem  Seh.  entsprach  das  öidQaxiiov,  s.  Nr.  17. 

^  Statt  TC-sr:  1,  i'c^'sc,  eine  Form,  die  dem  semissis  besser  entspricht  als  das 
sonst  gebräuchliche  c-s-ci.  Das  Ganze  ist  eine  scherzhafte  Anspielung  auf  den  Namen 
des  R.  Asi.    So  zuerst  Bacher,  Pal.  Amor.  2,  145. 


Matthö,  20(35  13-18)  293 

13.  Der  Asper,  nscx,  xn«|)t?j<,  äarcQog.  MSch  2,9:  Wenn  jemand  einen 
Sela?  vom  zweiten  Zehnten  umwechselt,  so  soll  er  nach  R.  Tarphon 
(um  100)  4  Asper  Silber  einwechseln  (u.  1  Asper  Kupfergeld).  —  Nach 
Bertinoro  hat  1  Denar  5  Asper,  so  daß  1  A.  =  V20  Selas=  wäre.  Levy  1, 
129''  setzt  den  A.  =  der  Ma?a  (s.  Nr.  14). 

14.  Die  Maf  a,  nr-o,  war  die  kleinste  Silbermünze;  6  Ma^a  =  1  Denar 
(Zuz),  24  Ma?a  ==  1  Sela?.  Rechnung  nach  unten  zu:  1  Denar  (Zuz)  = 
24  As;  Vg  Denar  oder  1  Ma?a  =  4  As  =  2  Doppelas  (Pondejon).  TBB 
5, 12:  Sechs  Silberma^a  sind  1  Denar,  1  Silberma^a  beträgt  2  Doppelas 
(Pond^jon).  Parallelstellen:  pQid  1,  58^  28:  bQid  12».  ||  pQid  1,  58%  50: 
Das  Ende  der  Silbermünzen  (d.  h.  die  letzte,  kleinste)  war  die  Ma?a. 

15.  Die  P'^ruta,  n-jne,  die  kleinste  jüdische  Münze,  Wert  Vs  As. 
Qid  1,  1  u.  fEduj  4,  7:  Wieviel  beträgt  1  P'^ruta?  Den  8.  Teil  vom  italischen  As.  [j 

TBB  5,  12  (405):  1  As  =  2  halbe  As,  1  halbes  As  =  2  Quadrans,  1  Q.  =  2  peruten 
(mithin  1  As  =  8  P.).  —  Die  Parallelstelle  Qid  12»  setzt  hinzu:  Daraus  ergibt  .sich, 
daß  die  P.  Vs  vom  italischen  As  ist.  —  Ein  Zusatz  in  pQid  1,  58'',  30  bestimmt  die 
P.  richtig  als  V32  Ma?a  (1  Mafa  —  4  As).  —  ||  Abweichend  bestimmt  Rabban  Schim?on 
b.  Gamliel  (um  140)  TBB  o,  12;  pQid  1,  58'',  31  u.  bQid  12=^  die  P.  als  V«  As  und  als 
•  24  Ma?a.  Für  gewöhnlich  aber  hat  man  nicht  6,  sondern  8  Peruten  auf  1  As  ge- 
rechnet. So  auch  Qid  12»,  wo  auf  die  Frage:  „Wieviel  P.  sind  in  2  Selaf  enthalten?" 
geantwortet  wird:  1536.  1  Denar  ist  zu  24  As,  1  As  zu  8  P'^ruten  in  Ansatz  gebracht, 
bann  ist  1  Selaf  =  4  Denare  =  96  As  =  768  P.;  mithin  2  Sela?  =-  1536  P. 

16.  Die  Drachme,  ögayuiri  Lk  15,  8  f.,  dem  Denar  oder  Zuz  gleich- 
wertig. Im  Rabbin.  scheint  diese  Münze  nicht  vorzukommen.  Levy  1, 
425»  verweist  allerdings  auf  Midr  KL  3, 17  (YO'^):  „Nach  etlichen  Tagen 
kam  R.  J-^hoschua?  b,  Levi  (um  250)  nach  Tiberias  u.  fand  Aufnahme  bei 
R.  Chijja,  dem  Älteren  (um  200-),  Dieser  gab  den  Schülern  des  R.  J^ho- 
schua?  (die  den  Lehrer  begleitet  hatten)  T^siri^'i  u.  sprach  zu  ihnen:  Geht 
u.  richtet  für  euren  Lehrer  (ein  Mahl)  zu,  wie  er  es  gewohnt  ist."  Aber 
man  wird  unter  ■i;i?:3n-i  besser  nach  Esra  2,  69  Dareiken  verstehn. 

17.  Die  Doppeldrachme,  didqaxfxov  Mt  17,24,  entsprach  an  Wert 
dem  Scheqel  (s.  Nr.  12),  der  als  Tempelsteuer  zu  entrichten  war.  Im 
Rabbin.  wird  sie  nicht  erwähnt. 

18.  Der  Stater,  N^-^noN,  auch  xni::j"^s<,  atan'jQ  Mt  17,  27,  war  an 
Wert  gleich  1  Selaf  oder  2  Scheqeln  oder  4  Drachmen  (Denaren,  Zuz). 
Genauer:  syrischer  Stater  B'^kh49'^:  R.  Chanina  (um  225)  sagte:  Ein 
syrischer  St.,  von  denen  acht  für  einen  (syrischen)  Golddenar  verkauft 
werden.  —  Der  übliche  Golddenar  (s.  Nr.  1)  hatte  24  oder  25  Denare 
an  Wert;  für  ihn  würde  man  also  nicht  8,  sondern  nur  6  Stater  (1  St. 
=  4  Denare)  gegeben  haben.  Die  Tosaphisten  zu  B®kh  gleichen  die 
Schwierigkeit  mit  der  Bemerkung  aus,  daß  der  sj'^rische  Golddenar 
einen  höheren  Wert  gehabt  habe  als  der  gewöhnliche  G. 

Außer  diesem  Stater  kennen  die  Rabbinen  noch: 
a.  den  Gold-Stater.   TSch^q  2,  4 :  In  der  Tempelschatzkammer  waren  Gold-Stateren 
anr  5«  rus-'üs-'s  u.  Gold-Dareiken  z.-t  hv  nair^n.  —  Über  den  Wert  des  Gold-Stater 
erfahren  wir  hier  nichts.     In  den  Parallelstellen  pSch^'q  '2,  47  <^,  42  u.  bSch«q  5  ^  jgt 
r-iNitJS-x  in  'V'Li::-^«,  Goldgewänder,  verstümmelt. 


294  Matfch  5,  26  (S  18—20.  6  21.  22.  2)).  5,  27  (31) 

6.  Die  '71T  ■'"iiro-s  Gittin  14^  oder  die  -ü-'bs  '-"tos  Chullin  44 b  sind  Scheide- 
münzen, die  den  Namen  eines  Stater  eigentlich  zu  Unrecht  trugen.  Wie  der  gering- 
wertige Selaf  Vs  des  vollwertigen  Sela?  oder  ','2  Zuz  (s.  Nr.  11  bj  betrug,  so  galt  der 
Scheidemünzen-Stater  '/s  des  eigentlichen  Stater.  d.  h.  V2  Zuz.  —  K'^th  64=^:  Wie  viel 
ist  ein  (Scheidemünzen-)Stater?  Die  Hälfte  von  1  Zuz.  ||  Qid  11'^:  Die  Leute  pflegen 
einen  halben  Zuz  einen  Stater  zu  nennen.  —  Damit  stimmt  die  Angabe  in  BM  102^ 
ungefähr  überein,  daß  1  Stater  =  100  "S«  (Geldstücken)  sei.  Raschi  deutet  "yn  = 
P^'ruten;  genau  würden  96  P'^ruten  '/^  Zuz  oder  einen  geringwertigen  Stater  betragen. 
Raschi  bemerkt  zu  allen  diesen  Stellen,  daß  mit  dem  Stater  derjenige  Selaf  gemeint 
sei,  dessen  Wert  den  8.  Teil  von  dem  Sela?  tyrischer  Währung  betrage. 

19.  Das  Tropaikon,  iQonaCxöv,  pi-s^j,  xj^iyenp ,  1/2  Denar  (1/2  Zuz). 
Keth64=':  Wie  viel  beträgt  1  Tr.?   Rab  Schescheth  (um  260)  hat  gesagt:  Einen 

(Scheidemünzen-)Stater.  Wie  viel  ist  ein  (solcher)  Stater?  Die  Hälfte  von  einem 
Zuz.  Eine  Bar  lautet  ebenso:  R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Drei  Tr.  sind  9  Mafa. 
(1  Mafa  =  '/fi  Zuz,  dann  3  Mafa  oder  1  Tr.  =  '/s  7mz.)  Der  1.  Teil  dieses  Zitates 
auch  Gitt  45  b.  II  K'^th  5,  7:  Wenn  eine  Frau  ihrem  Mann  die  eheliche  Pflicht  ver- 
weigert, so  verringert  man  ihr  ihre  Eheverschreibung  (K^'thubbah)  um  7  Denare  für 
jede  Woche.  R.  J^huda  (um  1-50)  sagte:  Um  7  Tr.  (=  3»/^  Denare).  ||  Joma  35 1>  Bar: 
Hillel,  der  Alte  (um  20  v.  Chr.),  vermietete  sich  täglich  für  1  Tr.  als  Tagearbeiter. 

20.  Das  Lepton  (Geringfügige),  Xsnröv  Mk  12,  42;  Lk  12,59.  Nach 
der  1.  Stelle  machen  2  Lepta  1  Quadrans  aus;  da  nach  Nr.  8  1  Q.  = 
2  P^ruten  ist,  so  folgt,  daß  das  Lepton  genau  gleich  der  P^ruta. 

5.26  6:  Verschiedenartige  Münzen. 

21.  Die  Dareike,  daQsixog,  ■■is"!^,  "ibi-n,  P!ur.  n-iDis-^-.  Die  Mischna 
u.  pT  haben  nur  den  Plural,  s.  Sch^q2,  1.  4;  BB  10,  2;  pSch^q2,46^  10; 
•3,  47  %  43.  Die  Tosephta  hat  BB  11,  2  (413)  zweimal  den  Sing.  -^D^-n, 
den  Plur.  njisn-i  TSch'q  2,4  (175).  Der  bT  kennt  Sch^q  5"^  auch  den 
Plur.  Q"'D'i^3"i'^  (s.  Esra  2,  69).  —  Die  Golddareiken  rnt  hTs  mnr-n  werden 
ausdrücklich  genannt  TSch^q  '2,  4;  pSch^q  47%-43  u.  bSch'^q  4".  sind  aber 
auch  Sch'q  2,  1  gemeint:  „Man  darf  die  Scheqelabgaben  an  den  Tempel 
zu  Dareiken  zusammenlegen  (in  D.  um  wechseln),  um  auf  der  Reise  leichter 
zu  tragen."  —  Wert  der  Dareike? 

22.  (föXhg,  follis,  oss,  ndH»  u.  (folXccqiov,  -22,  sind  nicht  gerade 
selten  vorkommende  Münzen,  aber  unbekannten  Werts. 

5,  26  ^:  Nehmen  wir  mit  Zuckermann,  Über  talm.  Münzen  u.  Ge- 
wichte (Breslau  1862),  den  Wert  einer  Mine  zu  65  ^yfi^  an.  so  beträgt 

1  Zuz  oder  1  Denar  oder  1  Drachme  65  g). 

1  Didrachmon  oder  1  Scheqel  1,30  J(, 

1  Stater  (Tetradrachmon)  2,60  Ji, 

1   Sela?  tyrischer  Währung  (l  heiliger  Scheqel)  2,60  J(, 

1  Litra  -^   1  Mine  65  .^, 

1  As  (—  ',24  Denar)  2,7  ^,  V^  As  (Semis  oder  Semissis)  1,35  cJ,,  ',3  As  (Tremissis) 
0,9  ^,  1/4  As  (Quadrans,  xoSQcivtr]?)  0,68  r^,  2  As  (Pond«jon)  5,4  rj,  3  As  (Tressis)  8,1  fj, 

1  Mafa  (Ve  Denar)  11  ^, 

1  Scheidemünzen-Selaf  oder  -Stater,  ferner  1  Troppafiq  32,5  c), 

1  P^'ruta  oder  1  Lepton  0,34  o). 

5,27:  Du  sollst  nicht  ehebrechen. 

5.27  5(:  Älteste  Auslegungen  des  6.  Gebotes. 


Matth  5,  27  (31)  295 

•  M^h  Ex 20, 14(77''):  ,Du  sollst  nicht  ehebrechen."  Warum  wird  das  gesagt?  Wenn 
es  Lv  20,  10  heißt:  ,Es  soll  getötet  werden  der  Ehebrecher  u.  die  Ehebrecherin",  so 
hören  wir  von  der  Strafe,  aber  nicht  von  der  Verwarnung.  Carum  sagt  die  Schrift 
lehrend  Ex  20,  14:  ,Du  sollst  nicht  ehebrechen"  (um  damit  die  Verwarnung  aus- 
zusprechen). —  II  SLv20, 10  (368''):  „Wenn  ein  Mann  die  Ehe  bricht  mit  dem  Weibe  eines 
Mannes,  die  Ehe  bricht  mit  dem  Weibe  seines  Nächsten,  so  soll  getötet  werden  der 
Ehebrecher  u.  die  Ehebrecherin"  Lv  20,  10.  Wenn  „ein  Mann"  —  das  schließt  den 
Minderjährigen^  aus;  mit  dem  Weibe  , eines  Mannes"  die  Ehe  bricht  —  das  schließt 
das  Weib  eines  Minderjährigen  (der  noch  nicht  9  J.  u.  1  T.  alt  ist)  aus;  mit  dem  Weibe 
„seines  Nächsten"  die  Ehe  bricht  —  das  schließt  das  Weib  der  andren  (d.  h.  der  Nicht- 
israeliten)  aus;  „so  soll  getötet  werden",  nämlich  durch  Erdrosselung.  Du  sagst:  „Durch 
Erdrosselung."  Oder  nicht  vielmehr  durch  irgendeine  von  all  den  Todesstrafen,  die 
sich  in  der  Tora  finden?  Sage:  Geh  u.  sieh!  Keine  Todesstrafe,  von  der  in  der  Tora 
ohne  nähere  Bezeichnung  geredet  wird,  darfst  du  auslegen  (wörtlich:  hinziehen),  um 
sie  zu  erschweren,  sondern  nur,   um  sie  zu  erleichtern.   So  R.  Joschijja  (I.,  um  140). 


*  Der  Knabe  ist  minderjährig  bis  zum  Alter  von  1 3  Jahren  u.  1  Tag,  das  Mädchen 
bis  zum  Alter  von  12  Jahren  u.  1  Tag;  im  Alter  von  12  J.  u.  1  T.  bis  12^2  J.  wird  das 
Mädchen  als  n-^y:  (Mädchen,  Jungfrau)  bezeichnet:  von  12  J.  u.  6  Monaten  an  gilt  sie 
als  r-:;-,3  d.  h.  als  völlig  ausgewachsen  u.  mannbar.  In  Fragen,  die  das  Geschlechtsleben 
betreffen,  hat  man  jedoch  eine  gewisse  Verantwortlichkeit  beiden  Geschlechtern  bereits 
in  einem  früheren  Alter  beigelegt:  Der  minderjährige  Knabe  wird  —  u.  zwar  in  be- 
stimmten Fällen  mit  eherechtlicher  Wirkung  —  als  zeugungsfähig  angesehen  im  Alter 
von  9  Jahren  u.  1  Tag,  das  minderjährige  Mädchen  sogar  im  Alter  von  3  Jahren  u. 
1  Tag.  J^'b  10,  ti:  Wenn  ein  Knabe  von  9  J.  u.  1  T.  seiner  Schwägerin  (Bruderswitvve) 
beiwohnt,  so  macht  er  sie  für  seine  (übrigen)  Brüder  (die  zur  Leviratsehe  verpflichtet 
gewesen  wären)  untauglich  (sie  dürfen  die  Lev.ehe  mit  ihr  nicht  vollziehen).  Das.  10,  7 
u.  8  ähnliche  Fälle;  zum  Schluß:  Wenn  ein  Knabe  von  9  J.  u.  1  T.  eine  Frau  heiratete 
u.  starb,  so  ist  diese  frei  (d.  h.  seinen  Brüdern  gegenüber  weder  zur  Lev.ehe  noch  zur 
Zeremonie  des  Schuhausziehens,  Chali^a,  verpflichtet.  Die  Ehe  wurde  also  nicht  als 
vollgültig  angesehen  u.  ermangelte  deshalb  rechtswirkender  Kraft  mit  Bezug  auf  die 
Brüder  des  Verstorbenen.)  —  Sanh55'^:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh!  Ein 
Knabe  von  9  J.  u.  1  T.,  der  seiner  Schwägerin  (Bruderswitwe)  beiwohnt,  erwirbt  sie 
damit  als  seine  Frau,  aber  er  darf  ihr  einen  Scheidebrief  erst  geben,  wenn  er  groß- 
jährig (13  J.  u.  1  T.  alt)  geworden  ist;  ferner  wird  er  durch  eine  Menstruierende,  ~~2z, 
unrein,  so  daß  er  die  unterste  Lage  (auf  der  er  schläft)  verunreinigt  wie  die  obere; 
er  macht  untauglich  (durch  seinen  Beischlaf  eine  Frau  als  Priesterfrau,  falls  er  il- 
legitim ist),  aber  nicht  fähig  zum  Essen  (priesterlicher  Abgaben,  falls  er  selbst  ein 
Ahronide  ist);  er  macht  (durch  widernatürliches  Beilager)  ein  Tier  untauglich,  auf  den 
Altar  zu  kommen,  auch  wird  es  seinetwegen  gesteinigt  (wenn  er  jene  Tat  vor  2  Zeugen 
vollbracht  hat):  wenn  er  einer  Frau  aus  all  den  in  der  Tora  genannten  Verwandt- 
schaftsgraden beigewohnt  hat,  so  werden  sie  (die  Beschlafeuen,  falls  sie  großjährig, 
d.  h.  über  12  J.  u.  1  T.  alt  sind)  seinetwegen  getötet.  —  Sanh  55*^:  Rab  Joseph  (f  333) 
hat  gesagt:  Komm  u.  sieh!  Ein  Mädchen  von  3  J.  u.  1  T.  wird  durch  den  Beischlaf  ge- 
ehelicht (wenn  dieser  ausgesprochenermaßen  zu  diesem  Zwecke  vollzogen  wird,  s. 
Qid  1,  1);  wenn  (nach  dem  Tode  ihres  kinderlos  verstorbenen  Mannes)  ihr  Schwager 
ihr  beiwohnt,  so  erwirbt  er  sie  dadurch  als  seine  Ehefrau ;  auch  wird  man  ihretwegen 
strafbar  wegen  Ehebruchs  mit  einer  verheirateten  Frau  (falls  sie  verheiratet  ist);  sie 
macht  (zur  Zeit  der  Menstruation)  den  ihr  Beiwohnenden  unrein,  so  daß  er  die  unterste 
Lage  verunreinigt  wie  die  obere;  ist  sie  an  einen  Priester  verheiratet,  so  darf  sie  von 
den  priesterl.  Abgaben  essen;  wohnte  ihr  einer  von  den  Illegitimen  bei,- so  ist  sie  für 
die  Priesterschaft  untauglich  geworden;  wenn  ihr  einer  aus  all  den  in  der  Tora  ge- 
nannten Verwandtschaftsgraden  beiwohnte,  so  werden  sie  (die  Beischläfer)  ihretwegen 
getötet,  während  sie  selbst  straffrei  bleibt  (da  sie  noch  nicht  großjährig  ist).  Die  beiden 
Stellen  aus  Sanh  .^5''  stammen  aus  der  Mischna,  s.  Nidda  5,  4  f.  Andre  hierher  gehörende 
Stellen:  Sanh  ö4'>.  55'';  Nidda  44^  45''';  SLvIö,  16  (297^)  =  Nidda  32.  —  Hiernach  wird 
auch  in  dem  Siphra-Zitat  zu  Lv  20, 10  oben  im  Text  unter  dem  Minderjährigen  ein  Knabe 
zu  verstehn  sein,  der  noch  nicht  Ü  Jahre  u.  1  Tag  alt  ist. 


296  Matth  5,  27  (9t) 

R.  Jonathan  (um  140)  sagte :  Nicht  weil  die  Erdrosselung  eine  leichte  Todesart  ist  (ist 
sie  Lv20,  10  gemeint),  sondern  weil  von  der  Todesstrafe  allgemein  (ohne  Angabe  einer 
bestimmten  Todesstrafe)  geredet  wird;  u.  dann  ist  immer  nur  die  Erdrosselung  zu  ver- 
stehn.  Rabbi  sagte:  Es  wird  in  der  Schrift  von  einem  Tode  durch  die  Hand  Gottes 
(wie  zB  die  Ausrottung  ein  solcher  ist)  u.  von  einem  Tode  durch  Menschenhände  ge- 
redet: wie  der  Tod  durch  die  Hand  Gottes  ein  Tod  ist,  der  keine  äußere  Spur  (etwa 
eine  Wunde  am  Körper)  zurückläßt,  so  ist  auch  mit  dem  Tod  durch  Menschenhände 
(wenn  keine  bestimmte  Todesstrafe  in  der  Schrift  angegeben  ist)  immer  ein  solcher 
gemeint,  der  keine  äußere  Spur  zurückläßt  (u.  eine  solche  Todesstrafe  ist  nur  die  Erdr. ; 
also  ist  diese  auch  Lv  20,  10  als  Strafe  für  Ehebrecher  gemeint).  Von  hier  aus  hat 
man  gesagt  (nämlich  Sanh  7,  3):  Das  gesetzliche  Verfahren  mit  denen,  die  erdrosselt 
werden,  ist  also:  Man  versenkte  ihn  in  Dung  bis  an  seine  Kniee  u.  legte  ein  hartes 
Tuch  in  ein  weiches  u.  wickelte  es  um  seinen  Hals.  Der  eine  zog  (das  eine  Ende  des 
Tuches)  nach  sich  hin  u.  ein  andrer  zog  (das  andre  Ende)  nach  sich  hin,  bis  ihm  das 
Leben  ausging.  —  ,Du  sollst  nicht  ehebrechen",  gleichviel  ob  Mann  oder  Weib.  — 
Dasselbe,  doch  ohne  die  Mischnastelle  u.  den  letzten  Satz,  als  Bar  Sanh  52"^;  zum  Teil 
auch  Qid  19'\  —  ;|  SDt  22, 22  §  241 :  ,  Wenn  ein  Mann  gefunden  wird"  Dt  22, 22,  nämlich 
in  Gegenwart  von  Zeugen;  ^  „der  bei  einem  an  einen  Mann  verheirateten  Weibe  liegt", 
das  will  diejenige  einschließen,  die  im  Hause  ihres  Vaters  beschlafen  ward,  während 
sie  verlobt  war.^  —  Eine  andre  Erklärung  von  „verheiratet  an  einen  Mann":  R.  Jisch- 
masel  (f  um  lo5)  sagte:  Die  Schrift  will  dich  über  eine  auf  die  Leviratsehe  wartende 
Frau  belehren,  daß  nämlich  jemand,  der  ihr  beiwohnt,  nicht  straffällig  ist,  bis  daß  ihr 
(von  ihrem  Schwager)  beigewohnt  ist  (wodurch  sie  erst  Ehefrau  wird).  ,So  sollen 
sterben",  nämlich  des  ohne  nähere  Angabe  in  der  Tora  genannten  Todes,  d.  h.  des 
Todes  durch  Erdrosselung;  „auch  sie  beide",  aber  nicht  der,  der  unzüchtige  Berührungen 
ausführt.^  Wenn  es  heißt  „auch"  c;,  so  werden  damit  diejenigen  eingeschlossen,  die 
das  Beiliegen  in  widernatürlicher  Weise  vollziehen  (oder  die  nacheinander  ihr  bei- 
wohnen, s.  Raschi  zu  Dt  22,  22);  „der  Mann,  der  bei  dem  Weibe  lag",  auch  wenn  sie 
eine  Minderjährige  ist  (mindestens  3  J.  u.  1  T.  alt,  aber  verheiratet  oder  verlobt);  „u. 
das  Weib",  auch  wenn  ihr  von  einem  Minderjährigen  (im  Alter  von  9  J.  u.  1  T.  bis 
18  J.  u.  1  T.)  beigewohnt  wurde.  Parallele  mit  Abweichungen  Sanh  66*^.  —  ll  Sanh  7, 9: 
Wer  einem  verlobten  Mädchen  beiwohnt  (vgl.  Dt  22, 23  f.),  i.st  schuldig  (straffällig)  erst, 
wenn  sie  ein  Mädchen  (n^i-:  ==  12 — I2V2  Jahre  alt),  eine  Jungfrau,  verlobt  u.  im 
Hause  ihres  Vaters  ist.  Haben  zwei  ihr  beigewohnt,  so  wird  der  erste  durch  Steinigung 
(nach  Dt  22,  24),  der  zweite  durch  Erdrosselung  (s.  oben  SLv  20,  10)  bestraft.  —  Das- 
selbe SDt  22,23.  25  §242;  vgl.  Sanh  66'' u.pSanh  7, 25 «,49.—  1|  SDt  22,  21  §240:  „Weil 
sie  eine  Verruchtheit  in  Israel  begangen  hat,  in  dem  Hause  ihres  Vaters  hurend" 
Dt  22,  21.  Es  steht  hier  „ihr  Vater"  u.  es  steht  dort  (Lv  21,  9  bei  der  hurenden  Priester- 
tochter) „ihr  Vater";  wie  die  Worte  „ihr  Vater",  die  hier  stehen,  ein  Huren  anzeigen 
bei  bereits  bestehender  Verbindung  mit  dem  Ehemann  (indem  das  Mädchen  bereits 
verlobt  ist),  so  zeigen  auch  die  Worte  „ihr  Vater",  die  dort  stehen,  ein  Huren  bei  be- 
reits bestehender  Verbindung  mit  dem  Ehemann  an.  —  Es  ist  eine  im  altt.  Text  durch 
nichts  angedeutete  Annahme  der  jüdischen  Exegeten,   daß  Dt  22,  21  u.  Lv21,9  von 


*  Nach  SDt  17,  2  §  148  gilt  als  exegetischer  Kanon,  daß,  wo  es  in  der  Schrift 
heißt:  „es  wird  gefunden",  gemeint  sei:  „in  Gegenwart  von  zwei  oder  drei  Zeugen". 

2  Eine  Verlobte  galt  rechtlich  als  Ehefrau;  wohnte  also  ein  andrer  ihr  bei.  so 
machte  er  sich  des  Ehebruchs  mit  einer  verheirateten  Frau  schuldig. 

^  Das  ist  jedenfalls  der  Sinn  der  Worte  a^^^^'^  ncs^s  nioiyn,  s.  Raschi  zu  Sanh  66''. 
Die  Lesart  ü'r.->in  r-.-vj^,  „Tat  des  Herodes",  spielt  auf  die  Sage  an,  daß  Herodes  den 
Leichnam  der  Mariamme  sieben  Jahre  lang  in  Honig  aufbewahrt  habe,  um  ihr  bei- 
zuwohnen (s.  BB3''  bei  Mt  2,  16),  paßt  aber  nicht  in  den  vorliegenden  Zus.hang.  Eine 
dritte  Lesart  n-'i-i^n  nsyis  in  den  Responsen  der  G^onim,  ed.  Cassel  §110,  erwähnt 
Levy  1,  491''.  496*^  mit  dem  Bemerken,  daß  damit  bezeichnet  werde  „ein  Beiwohnen 
von  unzüchtiger  Art,  welches  von  den  G^onim  nicht  weiter  erklärt"  werde. 


Matth  5, 27  (SB  1—4)  •  297 

einem  verlobten  Mädchen  handeln;  vermutlich  ist  die  in  beiden  Stellen  sich  findende 
singulare  Strafbestimmung  die  Veranlassung  dazu  gewesen. 

5,27  So:  Zu  vorstehenden  Stellen  ist  zu  bemerken: 

1.  Die  alte  Synagoge  hat  die  Merkmale  des  Ehebruchs  nur  da  als 
gegeben  angesehen,  wo  die  Tat  mit  der  Ehefrau  oder  mit  der  Ver- 
lobten eines  Juden  vollbracht  ward.  Der  Geschlechtsverkehr  mit 
einer  ledigen  weiblichen  Person  fiel  nicht  unter  den  Begriff  des  Ehe- 
bruchs riiix'^3,  sondern  unter  den  der  Hurerei  oder  Unzucht  rn:\.  Vgl. 
Malbim,  der  zu  SLv  20, 10  (368=*)  die  Meinung  der  jüdischen  Gelehrten 
dahin  zus.faßt:  irix  n^xn  xbx  ciix"^:  i'^Ntt:,  Ehebruch  gibt  es  nur  bei  einer 
Ehefrau  (bezw.  einer  Verlobten). 

2.  Die  ältesten  Auslegungen  des  6.  Gebotes  verfolgen  lediglich  den 
Zweck,  festzustellen,  in  welchem  Fall  u.  in  welcher  Weise  der  Ehebruch 
mit  dem  Tode  zu  bestrafen  sei ;  sie  behandeln  das  6.  Gebot  nicht  unter 
irgendeinem  sittlichen  Gesichtspunkt,  sondern  ausschließlich  vom  Stand- 
punkt des  Strafrichters  aus. 

a.  Der  Ehebruch  ist  strafbar,  nur  wenn  er  mit  der  Ehefrau  oder 
der  Verlobten  eines  Juden  begangen  ist;  war  er  mit  der  Ehefrau 
eines  Nichtisraeliten  begangen,  so  bleibt  er  straffrei. 

b.  Der  Ehebrecher,  bezw.  die  Ehebrecherin  machen  sich  nicht  des 
Todes  schuldig,  wenn  sie  noch  nicht  13  Jahre  u.  1  Tag,  bezw.  12  Jahre 
u.  1  Tag  alt  sind. 

c.  Die  über  13  Jahre  u.  1  Tag  alte  Ehefrau  (oder  Verlobte)  verfällt 
keiner  Strafe,  wenn  sie  die  Tat  begangen  hat  mit  einem  Minderjährigen, 
der  noch  nicht  das  Alter  von  9  Jahren  u.  1  Tag  erlangt  hat;  wenn  sie 
verehelicht  (oder  verlobt)  ist  mit  einem  Minorennen,  der  noch  nicht 
9  Jahre  u.  1  Tag  alt  ist;  wenn  sie  eine  auf  die  Leviratsehe  Wartende 
ist  (so  R.  Jischma'el). 

d.  Die  Tat  bleibt  straffrei,  wenn  sie  in  Abwesenheit  von  Zeugen 
u.  ohne  vorangegangene  Verwarnung  vollbracht  ist. 

e.  Die  Todesstrafe  wurde  als  Verbrennung  (durch  Eingießen  von 
glühend-flüssigem  Blei  in  den  Hals  Sanh  7, 2)  vollstreckt  an  einer 
Priestertochter,  die  als  Verlobte  im  Hause  ihres  Vaters  gehurt  hatte; 
als  Steinigung  an  einer  israelitischen  Tochter  nichtpriesterlicher  Her- 
kunft, die  als  Verlobte  im  Hause  ihres  Vaters  gehurt  hatte;  als  Er- 
drosselung in  allen  übrigen  Fällen. 

3.  Man  hat  in  Sachen  des  6.  Gebotes  die  beiden  Geschlechter  mit 
verschiedenem  Maß  gemessen:  eine  Ehefrau,  die  die  Tat  begangen, 
hatte  damit  in  jedem  Fall  die  Ehe  mit  ihrem  Mann  gebrochen;  ein 
Ehemann,  der  die  gleiche  Tat  begangen,  stand  seiner  eignen  Frau  nicht 
als  einer  gegenüber,  der  durch  jene  Tat  die  Ehe  mit  ihr  gebrochen 
hatte.  Es  war  das  eine  Folge  der  gesetzlich  anerkannten  Polygamie. 

4.  Um  Mißverständnissen  vorzubeugen,  fügen  wir  zum  Schluß  aus- 
drücklich hinzu,  daß,  wenn  in  vorstehenden  Zitaten  die  ehebrecherische 


298  '      Matth  5,  27  (95  4).  5,  28  («) 

Tat  in  bestimmten  Fällen  als  straffrei  erscheint,  damit  nicht  etwa 
gesagt  sein  soll,  daß  sie  vor  dem  sittlichen  Urteil  als  etwas  Erlaubtes 
oder  Unanfechtbares  dastand.  Als  Beispiel  sei  herausgegriffen  jener 
Satz  aus  dem  Siphrazitat  S.  295,  nach  welchem  der  Ehebruch  mit  einer 
nichtjüdischen  Ehefrau  nicht  unter  die  Straf  bestimmung  von  Lv  20, 10 
fällt.  Und  doch  ist  der  Geschlechtsverkehr  mit  heidnischen  Frauen 
auf  das  bestimmteste  verpönt  gewesen. 

pAZSßb;  Ihre  (der  Heiden)  Töchter  sind  schon  durch  die  Tora  (zur  Ehe)  verboten, 
s.  Dt  7,  3:  Du  sollst  dich  nicht  mit  ihnen  verschwägern.  Aber  nach  der  Tora  sind  nur 
die  sieben  Völker  Dt  7,  1  verboten,  aber  nicht  die  übrigen  Völker.  Da  kam  man  u.  be- 
stimmte es  auch  in  bezug  auf  die  übrigen  Völker.  .  .  .  Nach  der  Tora  ist  nur  die  Ehe 
durch  Heiraten  mit  ihnen  verboten;  da  kam  man  u.  verbot  auch  das  uneheliche  Bei- 
wohnen. Das  uneheliche  Beiwohnen  hatte  man  ja  aber  (schon)  im  Lehrhaus  Sems  ver- 
boten, s.  Gn38,  24:  Da  sagte  J^huda:  Führet  sie  (Thamar)  hinaus,  daß  sie  verbi'annt 
werde !  Allein  nach  der  Tora  gilt  das  VerT)ot  nur,  wenn  ein  Heide  einer  Israelitin  bei- 
wohnt, weil  er  sie  nach  sich  ziehen  könnte  (hin  zum  Götzendienst),  aber  nicht,  wenn 
ein  Israelit  einer  Heidin  beiwohnt.  Da  kam  man  u.  verbot,  daß  ein  Israelit  einer  Heidin 
beiwohne.  Aber  daß  kein  Israelit  einer  Heidin  beiwohnen  dürfe,  ist  doch  (schon)  eine 
Halakha  von  Mose  vom  Sinai  her;  denn  der  Autor  hat  gesagt:  Wer  einer  Aramäerin 
(=  Heidin)  beiwohnt,  den  stoßen  die  Eiferer  nieder  (s.  Sanh  9,  6).  Man  antwortete  ihm: 
Nach  der  Tora  ist  es  nur  öffentlich  verboten,  vgl.  Zimri  Nu  25,  6ff.  Da  kam  man  u. 
verbot  es  auch  im  geheimen.  Aber  auch  im  geheimen  hatte  es  doch  (schon)  der  Ge- 
richtshof der  Hasmonäer  verboten;  denn-  in  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  Wenn  ein 
Israelit  einer  Heidin  beiwohnt,  ist  er  schuldig  wegen  s";b3  (diese  Abbreviatur  be- 
deutet: wegen  Beiwohnung  einer  Menstruierenden  n--:,  einer  Sklavin  nns^.-,  einer 
Heidin  --i;  u.  einer  Ehefrau  -i}^»  r-ün).  Als  Rabin  (=  R.  Abiu  I.,  um  o25)  kam  (näm- 
lich von  Palästina  nach  Babylonien),  sagte  er:  Wegen  T'Vi-j  d.  h.  Menstruierende, 
Sklavin,  Heidin,  Hure  r^rr.  Der  Gerichtshof  der  Hasmonäer  verbot  nur  den  Beischlaf, 
aber  nicht  das  Alleinsein  (mit  einer  Heidin);  da  kam  man  u.  verbot  auch  das  Allein- 
sein. —  Teilweise  parallel  Sanh  82"  Mitte.  —  ||  Sanh  82"  Anfang:  Rab  (f  247)  erinnerte 
sich  seiner  Lehre  (über  Mal  2,  11):  „Treulos  hat  Juda  gehandelt",  das  bezieht  sich  auf 
den  Götzendienst,  s.  Jer  5,  11 ;  „u.  Greuel  ist  verübt  worden  in  Israel  u.  in  Jerusalem", 
das  bezieht  sich  auf  Päderastie,  s.  Lv  18,22;  „denn  entweiht  hat  Juda  das  Heiligtum' 
Jahves",  das  bezieht  sich  auf  Hurerei,  s.  Dt  23,  18;  ,u.  hat  der  Tochter  eines  fremden 
Gottes  beigewohnt",  das  bezieht  sich  auf  den,  der  einer  Heidin  beiwohnt.  Und  darauf 
heißt  es  Mal  2,  12:  ,  Ausrotten  möge  Jahve  dem  Manne,  der  solches  tut,  Fragenden 
(Aufrufenden?)  u.  Antwortenden";  wenn  er  ein  Gelehrtenschüler  ist,  möge  er  keinen 
Fragenden  unter  den  Gelehrten  u.  keinen  Antwortenden  unter  den  Schülern  haben, 
u.  wenn  er  ein  Priester  ist,  möge  er  keinen  Sohn  haben,  „der  Opfergabe  darbringt 
Jahve  der  Heerscharen".  —  R.  Chijja  b.  Abuja  („R.  Chijja  b.  Abba"?  um  280)  hat  ge- 
sagt: Wer  einer  Heidin  beiwohnt,  der  ist  wie  einer,  der  sich  mit  einem  Götzen  ver- 
schwägert, s.  Mal  2, 11 :  „Hat  der  Tochter  eines  fremden  Gottes  beigewohnt."  Hat  denn 
ein  fremder  Gott  eine  Tochter?  Vielmehr  ist  der  gemeint,  der  einer  Heidin  beiwohnt. 

Vgl.  aber  auch  die  Stellen  bei  Rom  2,  22. 

5,28:  Jeder,  der  ein  Weib  ansieht  (ihrer)  zu  begehren,  der 

hat  bereits  mit  ihr  in  seinem  Herzen  Ehebruch  getrieben. 

%  Die  Tora  als  das  Grundgesetz  des  jüdischen  Staatswesens  mit 

all  seinen  bürgerlichen  u.  sozialen  Einrichtungen  u.  Beziehungen  hatte 

für  Israel  zugleich  die  Bedeutung  eines  Strafgesetzbuches.  Es  war  nur 

zu  natürlich,  daß  die  Schriftgelehrten,  in  deren  Hand  bes.  in  der  nach- 


Matth  5,  28  (31)  299 

christl.  Zeit  auch  die  Strafrechtspflege  ruhte,  das  Gesetz  samt  seinen 
Strafbestimmungen  in  erster  Linie  unter  den  praktischen  Gesichts- 
punkten des  Strafrichters  auslegten.  Diesen  formalen  juristischen  Cha- 
rakter tragen  alle  alten  halakhischen  Auslegungen  des  6.  Gebotes  an 
sich  (s.  S.  295  f.).  In  den  haggadischen  Bestandteilen  der  Talmude  u.  in 
den  Midrasch werken  finden  sich  aber  auch  andre  Auslegungen,  die 
erbaulich-homiletisch  dem  tiefern  sittlichen  Gehalt  des  Gebotes  gerecht 
zu  werden  sich  bemühen.  Folgende  Stellen  berühren  sich  formell  oder 
inhaltlich  mit  Mt  5,  28. 

LvR  23  (122''):  ,Das  Auge  des  Ehebrechers  lauert  auf  die  Dämmerung"  Hi  24,  1 "). 
Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Du  sollst  nicht  sagen,  daß  nur  der,  welcher  mit 
dem  Leibe  die  Ehe  bricht,  ein  Ehebrecher  genannt  wird;  auch  der,  welcher  mit  seinen 
Augen  die  Ehe  bricht,  wird  ein  E.  genannt.  —  P'^siqR  24  (124'^):  Wir  finden,  daß  auch 
der,  der  mit  seinen  Augen  die  Ehe  bricht,  ein  Ehebrecher  genannt  wird,  s.  Hi  24,  15. 
Vgl.  auch  M^kh  d^'R.  Schim?on  111 :  „Du  sollst  nicht  ehebrechen",  daß  man  nicht  ehe- 
brechen soll  .  .  .  auch  nicht  mit  dem  Auge  u.  nicht  im  Herzen.  Und  woher,  daß  das 
Auge  u.  das  Herz  huren?  Siehe  Nu  15,  y9:  „daß  ihr  nicht  eurem  Herzen  u.  euren 
Augen  nachschweift,  denen  ihr  nachbuhlt."  ||  Tr.  Kalla  1:  Wer  eine  Frau  mit  (begehr- 
licher) Absicht  anblickt,  gilt  wie  einer,  der  ihr  beiwohnt.  Von  hier  aus  haben  die  Ge- 
lehrten gesagt:  Wer  den  kleinen  Finger  einer  Frau  berührt,  ist  wie  einer,  der  eine 
gewisse  Stelle  berührt;  u.  ebenso,  wer  auf  die  Ferse  einer  Frau  blickt,  dem  werden 
Kinder  mit  Leibesfehlern  zuteil:  lahme,  blinde,  stumme,  taube.  ||  B'^rakh  61'"'  Bar:  Man 
soll  nicht  auf  dem  Wege  hinter  einer  Frau  hergehn,  auch  wenn  es  die  eigne  Frau 
ist;  begegnet  sie  ihm  auf  einer  Brücke,  so  lasse  er  sie  seitwärts  gehn;  wer  hinter 
einer  Frau  einen  Fluß  durchschreitet,  der  hat  keinen  Teil  an  der  zukünftigen  Welt.  — ■ 
Bar:  Wer  einer  Frau  Geld  aus  seiner  Hand  in  ihre  Hand  zählt,  um  dabei  auf  sie  zu 
blicken,  der  wird,  auch  wenn  er  Torakenntnis  u.  gute  Werke  besitzt  wie  unser  Lehrer 
Mose,  nicht  straflos  ausgehn  aus  dem  Gericht  des  Gehinnoms,  s.  Spr  11,21:  „Von  Hand 
zu  Hand  (so  der  Midr),  bleibt  der  Böse  nicht  ungestraft"  —  nicht  ungestraft  im 
Gehinnomgericht.  —  Dasselbe  fEr  18'';  die  zweite  Bar  auch  Tr.  Kalla  1.  ||  B^'rakh  24  a: 
Rab  Scheschetli  (um  260)  hat  gesagt:  Warum  zählt  die  Schrift  (vgl.  Nu  ol,  50)  die 
Schmucksachen,  die  sich  an  sichtbaren  Körperteilen  (wörtlich:  außerhalb)  befinden, 
neben  den  Schmucksachen  auf,  die  sich  an  nicht  sichtbaren  K.  befinden?  Um  dir  zu 
sagen:  Wer  auf  den  kleinen  Finger  einer  Frau  sieht,  der  ist,  als  ob  er  auf  die  Stätte 
der  Scham  blickte.  (Bis  hierher  auch  Schab  64'\)  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Der 
Schenkel  am  Weibe  gehört  zum  Unzüchtigen,  s.  Jes47,  2:  „Entblöße  den  Schenkel, 
wate  durch  Ströme";  u.  dann  folgt  (Vers  3):  „Enthüllt  werde  deine  Blöße,  ja  gesehen 
deine  Schmach."  —  Sch'^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Die  Stimme  am  Weibe  gehört  zum 
Unzüchtigen,  s.  HL  2,  14:  „Deine  Stimme  ist  süß  u.  dein  Anblick  lieblich."  (Aus  dem 
Lobe  der  Stimme  erkennt  man,  daß  sie  Gelüst  erregt,  Raschi.)  Rab  Schescheth  hat 
gesagt:  Das  Haar  am  Weibe  gehört  zum  Unzüchtigen,  s.  HL  4,  1:  Dein  Haar  wie  die 
Ziegenherde  (vgl.  die  vorige  Bemerkung  von  Raschi).  ~  Sch'^muels  Wort  auch  pChallaÜ, 
58*^^,  43.  II  N'^d  20^  Bar:  Rede  nicht  viel  mit  einem  Weibe;  denn  schließlich  gerätst  du 
in  Ehebruch.  R.  Acha(i)  b.  Joschijja  (um  180)  sagte:  Wer  Weiber  anschaut,  gerät  schließ- 
lich in  Sünde;  wer  auf  die  Ferse  des  Weibes  blickt,  dem  werden  unwürdige  Kinder 
zuteil.  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt:  (Das  gilt  auch  von  dem,)  der  auf  seine  Frau 
blickt  zur  Zeit  ihrer  Menstruation.  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt :  Mit 
„Ferse"  ist  die  Scham  gemeint;  denn  sie  befindet  sich  der  Ferse  gegenüber. 

B'^rakh  43''  Bar:  Sechs  Dinge  sind  ein  Schimpf  für  einen  Gelehrtenschüler:  er  soll 
nicht  parfümiert  auf  die  Straße  hinausgehn;  er  soll  nicht  allein  in  der  Nacht  ausgehn; 
er  soll  nicht  mit  geflickten  Sandalen  ausgehn;  er  soll  nicht  mit  einem  Weibe  auf  der 
Straße  reden;   er  soll  nicht  zu  Tische  sitzen  in  einer  Gesellschaft,  die  aus  gesetzes- 


300  ilatth  5,  '28  (?l) 

unkundigen  Leuten  besteht,  u.  er  soll  nicht  zuletzt  ins  Lehrhaas  kommen.  ...  Er  soll 
nicht  mit  einem  Weibe  auf  der  Straße  reden.  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Auch 
wenn  es  seine  eigne  Frau  ist.  Die  Bar  lautet  ebenso:  Auch  wenn  es  sein  Weib  oder 
seine  Tochter  oder  seine  Schwester  ist;  denn  nicht  alle  kennen  seine  Verwandtschaft,  i' 
;AZ  20'':  Ist  es  denn  erlaubt,  ein  Weib  anzuschauen?  Es  heilst  doch:  , Hüte  dich  vor 
allem  Bösen"  Dt  23,  10!  Man  soll  auf  kein  schönes  Weib  blicken,  auch  v/enn  es 
eine  Ledige  ist,  u.  auf  keine  verheiratete  Frau,  auch  wenn  sie  häßlich  ist,  auch  nicht 
auf  die  bunten  Kleider  einer  Frau,  auch  nicht  auf  einen  Esel  u.  eine  Eselin,  auf  einen 
Eber  u.  eine  Sau  oder  auf  Vögel  in  dem  Augenblick,  da  sie  sich  miteinander  begatten, 
selbst  wenn  man  voller  Augen  wäre  wie  der  Todesengel.  |1  Makk24^  u.  BBö7'':  „Wer 
seine  Augen  fest  verschließt,  daß  er  nichts  Böses  sehe"  Jes33,  15.  R.  Chijja  b.  Abba 
(um  280)  hat  gesagt:  Das  ist  der,  der  nicht  auf  die  Weiber  hinblickt,  wenn  sie  an  der 
Walke  stehen.  ||  Qid  70-':  Rab  Nachman  (b.  Jafaqob,  f  320)  sprach  zu  Rab  J^uda  (f  299): 
Dunag  (eine  Tochter  Nachmans)  möge  kommen  u.  uns  zu  trinken  geben!  Er  erwiderte: 
So  hat  Sch'^muel  (f  254)  gesagt:  „Man  läßt  sich  nicht  von  einer  Frau  bedienen."  Sie 
ist  noch  minderjährig,  sprach  Rab  Nachman.  Jener  erwiderte :  Ausdrücklich  hat  Sch^muel 
gesagt:  Man  läßt  sich  überhaupt  von  keiner  Frau  bedienen,  gleichviel  ob  sie  erwachsen 
oder  minderjährig  ist.  Rab  Nachman  sprach  zu  ihm:  Es  wolle  der  Herr  (meiner  Frau) 
Jalta  den  Gruß  entbieten.  So  hat  Sch^muel  gesagt,  antwortete  Rab  J'huda:  Die  Stimme 
am  Weibe  ist  etwas  Unzüchtiges!  Nun  vielleicht,  sprach  Nachman,  durch  einen  Boten? 
Jener  sprach:  So  hat  Sch'^muel  gesagt:  Man  entbietet  einer  Frau  keinen  Gruß!  Aber 
vielleicht  durch  ihren  eigenen  Mann,  sprach  Nachman.  Rab  J'^huda:  So  hat  Sch*^muel 
gesagt:  Man  entbietet  einer  Frau  überhaupt  keinen  Gruß.  ||  ?Er  181>:  R.  Jochanan  (t279) 
hat  gesagt:  Lieber  hinter  einem  Löwen  hergehn,  als  hinter  einem  Weibe;  lieber  hinter 
einem  Weibe  hergehn,  als  hinter  einem  Götzen;  lieber  hinter  einem  Götzen  hergehn, 
als  hinter  die  Synagoge  gehn  zur  Zeit,  da  man  in  ihr  betet!  —  Dasselbe  B^rakh  61''.  |j 
Midr  HL  3,  7  (106b):  R.  M'nachem,  der  Schwiegersohn  des  R.  Elsazar  b.  Abina  (um  340) 
hat  im  Namen  des  Jasaqob  b.  Abina  (um  325)  gesagt:  Wenn  eine  Frau  zu  dir  ins  Lehr- 
haus kommt,  um  dir  eine  Frage  vorzulegen  über  einen  Blutfleck  an  ihr  oder  über  ihre 
Unreinheit,  sieh  sie  so  an,  als  wäre  sie  aus  deinen  Lenden  hervorgegangen;  aber  laß 
deine  Augen  nicht  auf  ihr  ruhen  u.  fürchte  dich  vor  dem  Gericht  des  Gehinnoms.  || 
Sanh75«:  Rab  J^huda  (1299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Ein  Mann  hatte 
einmal  seine  Augen  auf  ein  Weib  gerichtet,  so  daß  lieftige  Leidenschaft  sich  seines 
Herzens  bemächtigte.  Man  kam  u.  befragte  die  Ärzte.  Diese  sprachen:  Es  gibt  kein 
andres  Heilmittel  für  ihn,  als  daß  er  ihr  beiwohne.  Da  sprachen  die  Gelehrten:  Er 
möge  lieber  sterben.  So  möge  sie  nackt  vor  ihm  stehnl  sj^rachen  die  Ärzte.  Die  Ge- 
lehrten :  Er  möge  lieber  sterben !  Die  Ärzte :  So  möge  sie  mit  ihm  hinter  einem  Vor- 
hang sprechen.  Die  Gelehrten:  Er  möge  lieber  sterben!  R.  Ja?aqob  b.  Idi  (um  280)  u. 
R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  waren  darüber  verschiedener  Meinung.  Der  eine  sagte: 
Es  handelte  sich  um  eine  verheiratete  Frau;  der  andre:  Es  handelte  sich  um  eine 
Ledige.  Richtig  war  die  von  den  Gelehrten  getroffene  Entscheidung  nach  dem,  welcher 
sagte,  es  habe  sich  um  eine  verheiratete  Frau  gehandelt.  Aber  nach  dem,  welcher 
sagte,  daß  es  sich  um  eine  Ledige  gehandelt  habe  —  wozu  das  alles?  (Er  hätte  sie 
ja  ehelichen  können!)  Rab  Papa  (f  376)  hat  gesagt:  Mit  Rücksicht  auf  die  Schande 
der  Familie  geschah  es.  Rab  Acha  b.  Iqa  (wann?)  sagte:  Damit  die  Töchter  Israels 
nicht  ausgelassen  würden.  —  Aber  er  hätte  sie  ja  heiraten  können!  Dadurch  wäre  er 
nicht  beruhigt  worden:  das  ist  so,  wie  R.  -Ji^chaq  (um  300)  gesagt  hat:  ^eit  dem  Tage, 
da  das  Heiligtum  zerstört  wurde,  ist  der  Genuß  der  (ehelichen)  Beiwohnung  hinweg- 
genommen u.  den  Übertretern  (des  6.  Gebotes)  überlassen  worden,  s.  Spr  9,  17:  , Ge- 
stohlenes Wasser  ist  süß  u.  heimliches  Brot  lieblich." 

Nidda  13 b:  R.  Ammi  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  sich  selbst  in  die  Gewalt  un- 
züchtiger Gedanken  bringt,  den  läßt  man  (=  Gott)  nicht  eintreten  in  die  Abteilung 
(die  himmlische  Wohnung)  Gottes.  Es  heißt  hier,  Gen  38,  10:  „Er  tat,  was  böse 
war  in  Jahves  Augen" ;  u.  es  heißt  dort,  Ps  5,  5:  „Wer  böse  ist,  bleibt  nicht  vor  dir."  || 


Matth  5,  28  (St.  S8)  301 

TanchB  sr:  §  13  (16*):  ünsre  Lehrer  haben  gesagt:  Wenn  eine  Frau  mit  ihrem  Ehe- 
mann allein  ist,  u.  er  wohnt  ihr  bei,  u.  sie  richtet  ihr  Auge  auf  einen  andren  während 
des  Beiwohnens,  so  gibt  es  für  sie  keinen  Ehebruch,  der  größer  wäre  als  dieser, 
s.  Ez  16,  32:  „das  Weib,  das  unter  ihrem  Mann  Ehebruch  begeht"  (so  der  Midr).  Gibt 
es  denn  ein  Weib,  das  unter  ihrem  Ehemann  Ehebruch  begeht?  Allein  damit  ist 
diejenige  gemeint,  die  einem  Manne  begegnet  war  u.  ihr  Auge  auf  ihn  gerichtet  hatte 
u.  dann,  während  sie  mit  ihrem  Mann  den  Beischlaf  vollzieht,  auf  jenen  ihr  Herz 
hinlenkt.  —  Dasselbe  Tanch  sij:  196-^  NuR  9  (155^). 

pChalla  2,  58 '^^,  42 :  Bar:  Wer  auf  die  Ferse  des  Weibes  blickt,  ist  wie  einer, 
der  auf  die  Schamteile  blickt:  u.  wer  auf  die  Schamteile  blickt,  ist  wie  einer,  der 
ihr  beiwohnt.  ||  Aboth  1,  5:  Jose  b.  Jochanan  (um  150  v.Chr.)  pflegte  zu  sagen:  Dein 
Haus  sei  weithin  geöffnet;  Arme  seien  deine  Hausgenossen;  unterhalte  dich  nicht  viel 
mit  dem  Weibe.  (Hier  folgen  spätere  Zusätze:)  /J,  Von  dem  eigenen  Weibe,  sagten  sie, 
gelte  dies;  um  wieviel  mehr  von  dem  Weibe  des  Nächsten.  «,  Demgemäß  sagten  die 
Weisen:  Sooft  jemand  sich  viel  mit  dem  Weibe  unterhält,  verursacht  er  sich  selbst 
Unheil,  u.  er  läßt  ab  von  den  Worten  der  Tora  u.  schließlich  ererbt  er  den  Gehinnom. 
Vgl.  Sir  9,  8 f.  I!  Schab  64^*:  In  der  Schule  des  R.  Jischma?el  (f  um  135)  ist  gelehrt 
worden:  Warum  bedurften  die  Israeliten  jener  Zeit  (s.  Nu  31,  1  ff.)  einer  Sühnung? 
Weil  sie  ihre  Augen  an  Unzüchtigem  (am  Anblick  der  kriegsgefangenen  Weiber)  ge- 
weidet hatten.  ||  Die  älteste  hierher  gehörige  Stelle  ist  Test.  Issachar  7:  Ich  hurte 
nicht  durch  Erhebung  meiner  Augen  ovx  mÖQvsvaci  sv  /LieTSUjQiafxw  6(p&a'Afi.(äv.  Vgl. 
auch  PsSal  4,  4  f.  "" 

Wieviel  Laxheit  in  der  Praxis  neben  dieser  Strenge  in  der  Theorie 
selbst  in  rabbin.  Kreisen  einherging,  s.  bei  Rom  2,  22. 

5,28  23:  TiQoc  x6  iTti&vfjirjffai,  „um  zu  begehren". 

NuR  8  (149'^):  „Wenn  ein  Mann  oder  ein  W'eib  irgendeine  Sünde 
der  Menschen  tun  wollen"  (Nu  5,6;  so  der  Midr,  der  das  Futurum 
rc-j-'  betont),  d.  h.  „wenn  sie  zu  tun  beabsichtigen"  u.  nicht:  „wenn  sie 
getan  haben",  um  dich  zu  lehren,  daß  ein  Mensch  von  der  Stunde  an, 
da  er  zu  sündigen  beabsichtigt,  gilt  wie  einer,  der  untreu  gegen  Gott 
gehandelt  hat.  —  Für  gewöhnlich  gilt  aber  die  Regel,  daß  nur  die 
Absicht,  etwas  Gutes  zu  tun,  der  vollbrachten  Tat  gleich  gerechnet 
werde,  während  die  böse  Absicht  außer  Ansatz  zu  bleiben  habe. 

Qid  39  fe:  Eine  böse  Absicht  rechnet  Gott  nicht  zur  Tat  hinzu  (siebleibt  deshalb 
unbesti-aft).  —  pPea  1,  \Q^,  5:  Die  gute  Absicht  rechnet  Gott  zur  Tat  hinzu,  die  böse 
A.  aber  rechnet  Gott  nicht  zur  Tat  hinzu.  Die  gute  A.  rechnet  Gott  zur  Tat  hinzu, 
S.Mais.  16:  „Da  haben  sich  besprochen  die  Gottesfürchtigen  untereinander;  u.  es 
horchte  Jähve  u.  hat's  gehört,  u.  es  wurde  ein  Gedenkbuch  geschrieben  vor  ihm  für 
die  Gottesfürchtigen"  (also  wurde  die  Besprechung  von  Gott  nicht  vergessen,  damit 
sie  dereinst  belohnt  werde).  Die  böse  A.  rechnet  Gott  nicht  zur  Tat  hinzu,  s.  Ps  66,  18: 
„Hätte  ich  Böses  in  meinem  Herzen  beabsichtigt,  so  würde  Jahve  nicht  gehört  haben." 
Was  du  da  sagst,  gilt  von  Israel,  aber  bei  den  Nichtisraeliten  ist  es  umgekehrt:  Die 
gute  A.  rechnet  Gott  nicht  zur  Tat  hinzu,  aber  die  böse  A.  rechnet  er  zur  Tat  hinzu. 
Die  gute  A.  rechnet  Gott  nicht  zur  Tat  hinzu,  s.  Dn  6,  15:  „Bis  zum  Sonnenunter- 
gang war  er  (Darius)  für  Daniels  Rettung  besorgt";  aber  es  heißt  nicht:  „Er  rettete 
ihn."  Die  böse  A.  rechnet  Gott  zur  Tat  hinzu,  s.  Obadja  9  f.:  „Wegen  des  Tötens, 
wegen  des  Frevels  an  deinem  Bruder  Jakob  müsse  Schande  dich,  Esau,  bedecken" 
(so  der  Midr).  Wie,  hat  denn  Esau  den  Jakob  getötet?  Vielmehr  es  will  lehren:* 
weil  er  beabsichtigt  hatte,  ihn  zu  töten,  so  rechnet  es  ihm  die  Schrift  so  an.  als  ob 
er  ihn  getötet  hätte.  —  Dasselbe  in  andrer  Fassung  Qid  40*. 


302  Matth  5,  29  (5t.  5B) 

'>,  29f.:  Wenn  aber  dein  rechtes  Auge  dich  ärgert,  so  reiß  es 
aus;  denn  es  ist  dir  besser,  daß  eins  deiner  Glieder  verloren 
gehe  u.  nicht,  der  ganze  Leib  in  die  Hölle  geworfen  werde. 
Und  wenn  deine  rechte  Hand  dich  ärgert,  hau  sie  ab  u.  wirf 

sie  von  dir  usw. 

5,29  51:  Das  Auge  als  Vermittler  der  Sünde. 

SNu  15,  o9  §  115:  ,Daß  ihr  nicht  eurem  Herzen  und  euren  Augen  nachschweift, 
denen  ihr  nachbuhlt"  Nu  15,  39.  ,Daß  ihr  nicht  euren  Augen  nachschweift" ;  damit 
ist  die  Hurerei  gemeint,  s.  Ri  14,  3:  „iSimson  sprach  zu  seinem  Vater:  die  nimm  für 
mich;  denn  die  ist  wohlgefällig  in  meinen  Augen."  (Dasselbe  leicht  verändert  als 
Bar  B'^rakh  12 b.)  „Dali  ihr  nicht  eurem  Herzen  nachschweift*  usw.,  das  zeigt,  daß 
die  Augen  sich  nach  dem  Herzen  richten.  Oder  daß  das  Herz  sich  nach  den  Augen 
richtet?  Sage:  Gibt  es  nicht  einen  Blinden,  der  alle  Greuel  in  der  Welt  vollbringen 
kann?  Was  will  also  die  Stelle:  „Daß  ihr  nicht  eurem  Herzen  nachschweift"  usw. 
besagen?  Sie  zeigt,  daß  die  Augen  sich  nach  dem  Herzen  richten.  ||  pB  rakh  1,  3*^,  18: 
,Daß  ihr  nicht  eurem  Herzen  u.  euren  Augen  nachschweift"  usw.  Nu  15,39.  R.  Le^^ 
(um  300)  hat  gesagt:  Herz  u.  Auge  sind  die  beiden  Vermittler  der  Sünde,  s. Spr23, 26: 
,Gib  mir,  mein  Sohn,  dein  Herz,  u.  deinen  Augen  laß  meine  Wege  Wohlgefallen." 
Gott  spricht:  Wenn  du  mir  dein  Herz  u.  dein  Auge  gibst,  dann  weiß  ich,  daß  du 
mein  bist.  —  Vgl.  NuR  17  (182''):  Herz  u.  Augen  sind  die  Vermittler  für  den  Leib, 
denn  sie  bringen  den  Leih  in  Hurerei  i-:?^.  In  Tanch  -'r  2lfi-'^  steht  dafür  d-;i':, 
, reizen"  von  nr.  —  Raschi  zu  Nu  15,  39:  Herz  u.  Augen  verführen  den  Leib  u.  ver- 
mitteln ihm  die  Sünde.  Das  Auge  sieht,  das  Herz  begehrt  u.  der  Leib  vollbringt  die 
Sünde.  |[  Sota  8*:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Es  ist  traditionelle  Lehre,  daß  der  böse 
Trieb  Macht  gewinnt  nur  über  den,  dessen  Augen  (den  Gegenstand  der  Leidenschaft) 
.sehen.  —  Dasselbe  als  Ausspruch  Rabbahs  (f  330)  Sanh  45".  ii  Dörekh  Erep  Zuta  I : 
Laß  dich  nicht  durch  deine  Augen  zu  Falle  bringen  '-■:i2r  "^s;  denn  alles  Straucheln 
t'vo-o  kommt  nur  durch  die  Augen. 

5,  29  B:  Zur  Sentenz  von  Mt  5,  29  f. 

Nidda  2,  1 :  Jede  Hand,  die  fleißig  untersucht,  ist  bei  den  Frauen  lobenswert 
(dadurch  wird  die  Beobachtung  der  Reinheitsgesetze  seitens  der  Menstruierenden  ge- 
währleistet); bei  den  Männern  möge  sie  abgehauen  werden.  —  Dazu  die  G®mara  13 '\- 
R.  Eli?ezer  (b.  Hyrkanos,  um  90,  oder  R.  Elfazar  b.  F^'dath?,  um  270)  hat  ge.sagt: 
Was  heißt:  „Eure  Hände  sind  voll  Blut"  Jes  1,  15?  Das  sind  diejenigen,  die  mit 
der  Hand  Ehebruch  treiben.  In  der  Schule  des  R.  Jischmafel  (f  um  135)  ist  gelehrt 
worden:  ,Du  sollst  nicht  ehebrechen",  Ex 20.  14,  d.h.  es  soll  sich  bei  dir  kein  Ehe- 
bruch finden  mit  der  Hand  oder  mit  dem  Fuß.  .  .  .  „Bei  den  Männern  werde  sie  ab- 
gehauen." Es  wurde  gefragt:  Soll  man  das  als  gerichtliche  Strafe  oder  als  eine  Ver- 
wünschung verstehen?  Als  eine  gerichtliche  Strafe,  entsprechend  dem,  was  Rab  Huna 
(t  297)  gesagt  hat:  Hau  die  Hand  ab!  Oder  sollen  wir  es  als  Verwünschung  ver- 
stehen? Komm  u.  höre.  In  einer  Bar  heißt  es:  R.  Tarphon  (um  100)  sagte:  Wer 
seine  Hand  an  das  Schamglied  legt,  dessen  Hand  soll  auf  dem  Bauchnabel  abgehauen 
werden.  Man  sagte  zu  ihm:^  Wird  dann  aber  nicht  sein  Bauch  zugleich  aufgespalten? 
Er  antwortete  ihnen:  Es  ist  besser,  daß  sein  Bauch  aufgespalten  wird,  als  daß  er 
hinabfährt  in  die  Grube  des  Verderbens.  Wenn  du  sagst,  man  habe  unter  dem  Ab- 
hauen der  Hand  eine  gerichtliche  Strafe  zu  verstehn,  so  spricht  dafür,  daß  es  heißt: 
Wird  nicht  sein  Bauch  aufgespalten  werden?  Wenn  du  aber  sagst,  man  habe  darunter 
eine  Verwünschung  zu  verstehn,  was  heißt  dann:  Sein  Bauch  wird  aufgespalten? 
Aber  wenn  man  darunter  eine  gerichtliche  Strafe  verstehn  soll,  muß  dann  die  Hand 


*  Die  hier  im  Text  folgenden  Worte:  sb  5"s  r:;'^-'  sV  -lO'^ra  yip  i"?  z-£-  sind  zu 
streichen;  sie.  haben  ihre  Stelle  erst  weiter  unten. 


Matth  5,  29  (Jö.  6.  2)).  5,  31  (2t  1)  303 

gerade  auf  dem  Nabel  abgehauen  werden?  Vielmehr  hat  es  R.  Tarphon  so  gemeint: 
Wer  seine  Hand  unterhalb  vom  Bauchnabel  anlegt,  dessen  Hand  soll  abgehauen 
werden.  Da  sagte  man  zu  R.  Tarphon:  Wenn  ihm  nun  ein  Dorn  in-  seinem  Bauche 
(unterhalb  des  Nabels)  sitzt,  soll  er  ihn  nicht  beseitigen?  Er  antwortete  ihnen:  Nein! 
Aber,  entgegnete  man.  wird  dann  nicht  sein  Bauch  aufplatzen?  Er  sprach  zu  ihnen: 
Es  ist  besser,  daß  sein  Bauch  aufplatzt,  als  daß  er  in  die  Grube  des  Verderbens 
hinabfährt.  ||  Schab  108t»  Ende:  R.  Muna^  (um  180)  pflegte  zu  sagen:  die  Hand,  die 
(des  Morgens  vor  dem  Waschen)  an  das  Auge  gelegt  wird,  möge  abgehauen  werden; 
an  die  Nase  —  möge  abgehauen  werden,  an  den  Mund  —  möge  abgehauen  werden, 
ans  Ohr  —  möge  abgehauen  werden,  an  die  Ader  (die  Aderlaßstelle)  —  möge  ab- 
gehauen werden,  an  das  Glied  —  möge  abgehauen  werden,  an  den  After  —  möge 
abgehauen  werden,  an  den  Bottich  —  möge  abgehauen  werden;  die  Hand  macht 
blind,  die  Hand  macht  taub,  die  Hand  läßt  Polypen  aufkommen.  —  Raschi:  Es  wäre 
ihm  besser,  daß  sie  abgehauen  würde;  denn  ein  böser  Geist  ruht  auf  der  (des  Morgens 
nicht  gewaschenen)  Hand,  u.  er  macht  ihn  blind  usw. 

5.  29  6:  axai'dah'^st.v  =  r-^r^'"?  zum  Anstoß  oder  zum  Fall  gereichen, 
zB  Mal  2,  8. 

BQ  16^:  Raba  (f  352)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt:  ,Sie  mögen  zu 
Fall  gebracht  werden  a-'^rsT;  vor  dir,  zur  Zeit  deines  Zorns  richte  es  aus  an  ihnen" 
Jerl8,  23?  Jeremia  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  selbst  zur  Zeit,  da  sie  Wohl- 
tätigkeit üben,  laß  sie  zu  Falle  kommen  uh'vzr.  durch  unwürdige  Menschen,  damit 
sie  ihretwegen  keinen  Lohn  empfangen.  —  Aramäisch  wird  statt  ■;-'3;:r!  meist  i~.r?>i 
gebraucht.  Targ  Ps  5,  11:  Wegen  der  Menge  ihrer  Empörungen  laß  sie  zu  Falle 
kommen  yr^'-:  h-pra.  Targ  Mal  2,  8:  Ihr  habt  viele  zu  Fall  gebracht  -^riprs  durch 
die  Lehre.  |1  Substantivum  axüi'Sa^ov  s.  bei  Mt  18,  7. 

5,29  S:  (TVfi(f6Qei  es  frommt,  ist  zuträglicher,  ist  besser,  rabbin.: 
'h  m:  es  wäre  ihm  besser.  Belege  bei  Mt  18,  6.  8  f.  —  Aramäisch:  n-'h  n-j. 

Targ  Jerusch  I  Gn  38,  25:  (Als  Juda  die  Zeichen  der  Thamar  wiedererkannte.) 
sprach  er  in  seinem  Herzen:  Es  ist  mir  besser  -•?  2'j,  daß  ich  in  dieser  Welt  be- 
schämt werde,  die  eine  vergängliche  ist,  als  daß  ich  vor  meinen  gerechten  Vätern 
beschämt  werde  in  der  zukünftigen  Welt.  Es  ist  mir  besser  "5  3*j,  daß  ich  in  dieser 
Welt  mit  verlöschendem  Feuer  verbrannt  werde,  als  daß  ich  in  der  zuk.  Welt  ver- 
brannt werde  mit  Feuer,  das  Feuer  verzehrt. 

5,  31:  Wer  sein  Weib  entläßt,  der  gebe  ihr  einen  Scheidebrief. 
%  ccTtoaTäaiov  Scheidebrief  =  pw^ns  ^so,  ■p3^"i"'n  'c,  "pp^aü  n-iss,  :;:, 
nffiN  -js,  "p-rjQ  -jn;  LXX  zu  Dt  24, 1:  ßißXiov  ccnoaxaciov,  ebenso  Mt  19,  7; 
Mk  10,  4. 

1.  Schreibmaterial. 

Git  2,  3:  Mit  allem  darf  man  einen  Scheidebrief  schreiben:  mit  Tinte,  mit  Farbe, 
mit  Rötel,  mit  Harz,  mit  Kupfervitriol  u.  mit  allem,  was  Bestand  behält;  nicht  aber 
mit  Getränken  oder  mit  Fruchtsaft  oder  mit  irgend  etwas,  was  nicht  Bestand  be- 
hält. —  Auf  alles  darf  man  ihn  schreiben:  auf  ein  Olivenblatt,  auf  das  Hörn  an 
einer  Kuh  —  u.  damit  muß  er  (der  Ehemann)  ihr  die  Kuh  selbst  geben  — ,  auf  die 
Hand  eines  Sklaven  —  u.  damit  muß  er  ihr  den  Sklaven  selbst  überlassen.  R.  Jose, 
der  Galiläer  (um  110),  sagte:  Man  schreibt  ihn  nicht  auf  etwas,  worin  Lebensgeist 
ist,  u.  nicht  auf  Eßwaren.  |  2,  4:  Man  schreibt  ihn  nicht  auf  etwas,  was  am  Boden 
haftet.  Schrieb  man  ihn  auf  solches,  riß  ihn  dann  aber  los,  unterzeichnete  ihn  u. 
übergab  ihn  an  sie,   so  ist  er  gültig.    R.  J'^huda  (um  150)  erklärte  ihn  für  ungültig, 

^  Dieser  R.  Muna  wird  unmittelbar  zuvor  in  einer  Bar  als  Tradent  des  R.  J'^huda, 
um  150,  erwähnt;  er  muß  also  ein  Tannait  gewesen  sein. 


304  Matth  5,  31  (?l  1—3) 

bis  seine  Niederschrift  u.  seiue  Unterzeichnung  auf  Abgerissenem  erfolgt.  R.  J'^huda 
b.  Bathyra  (um  110)  sagte:  Man  schreibt  ihn  nicht  auf  abradiertes  Papier,  auch  nicht 
auf  ungeglättetes  Pergament,  weil  er  darauf  gefälscht  werden  kann;  die  Gelehrten 
aber  erklärten  (beide  Stoffe)  für  geeignet.  |!  SDt  24,  1  §  269:  „Wenn  er  ihr  einen 
Scheidebrief  schreibt"  Dt  24,  1;  da  höre  ich  nur,  daß  er  mit  Tinte  geschrieben  wird: 
woher,  daß  er  auch  mit  Farbe,  mit  Rötel,  mit  Harz  u.  mit  Kupfervitriol  geschrieben 
werden  darf?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „er  schreibt  ihr",  ganz  allgemein.  (Vgl.  pGit 
2,  441»,  10;  bGit  19''.)  „Wenn  er  ihr  einen  Scheidebrief  schreibt",  da  höre  ich  nur  von 
einem  „Schriftstück"  "sc;  woher,  daß  man  ihn  auch  auf  Rohr,  auf  eine  Nuß,  auf 
eine  Olive,  auf  Johannisbrot  schreiben  darf?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Und  er  gibt", 
ganz  allgemein.  Aber  warum  heißt  es  in  diesem  Fall  „Schriftstück"  -es?  Wie  ein 
Schriftstück  etwas  ist,  was  zum  bleibenden  Bestand  bestimmt  ist,  so  entfällt  (als 
Schreibmaterial)  alles  das,  was  nicht  von  Bestand  ist.  R.  .J^'huda  b.  Bathyra  (um  1 10) 
sagte:  Wenn  ein  Schriftstück  sein  bestimmtes  Merkmal  daran  hat,  daß  es  etwas 
nicht  am  Boden  Haftendes  ist,  so  entfällt  (als  Schreibmaterial)  etwas,  was  anft  Boden 
haftet.   Vgl.  pGit  2,  44b  (::!1— 63);  bGit  21-'';  TGit  2,  3—4  (325). 

2.  Schreiben  darf  jeder,  selbst  die  zu  scheidende  Frau. 

Git2,  5:  Alle  sind  geeignet,  einen  Scheidebrief  zu  schreiben,  auch  ein  Taub- 
stummer, ein  Blödsinniger  u.  ein  Minderjähriger.  Die  Frau  kann  ihren  eignen  Scheide- 
brief schreiben  u.  der  Mann  seine  Quittung  (über  die  von  ihm  ausgezahlte  Ehever- 
schreibung,  K'^thubba);  denn  die  Gültigkeit  des  Scheidebriefes  (oder  allgemein:  einer 
Urkunde)  beruht  auf  seiner  Unterzeichnung.  |  3,  2:  Ein  Schreiber  von  Scheidebrief- 
formularen muß  Raum  lassen  für  den  Namen  des  Mannes,  für  den  der  Frau  und 
für  das  Datum.  (Folgen  Bestimmungen  über  andre  Urkuiidenformulare. }  R.  J'^^htida 
(um  150)  erklärte  alle  Formulare  für  ungültig;  R.  Eli?ezer  (um  90,  ein  eifriger  Ver- 
treter älterer  Traditionen  u.  Bräuche)  erklärte  alle  Formulare  für  gültig,  ausgenommen 
die  zu  Scheidebriefen,  weil  es  heißt  Dt  24,  1:  Wenn  er  „für  sie"  einen  Scheidebrief 
schreibt,  d.  h.  im  Hinblick  auf  sie  (während  die  Formulare  geschrieben  werden  ohne 
Hinblick  auf  eine  bestimmte  Frau). 

3.  Erfordernisse  eines  rechtsgültigen  Scheidebriefes. 

Der  Mann  muß,  falls  er  den  Scheidebrief  nicht  selbsta  schreibt, 
einen  andren  ausdrücklich  mit  der  Niederschrift  beauftragen  ;b  ebenso 
muß  er  die  Zeugen  zur  Vollziehung  des  Scheidebriefes  durch  ihre 
Namensunterschrift  auffordern,  b  Ferner  muß  der  Seh.  eigens  für  die 
betreffende  Frau  angefertigt  werden,  c  Das  Schriftstück  soll  enthalten 
den  Namen  des  Mannes  u.  der  Frau,  gegebenenfalls  auch  etwaige  Bei- 
namen; den  Namen  des  Ortes  ;d  das  Datum  nach  der  Ära  der  herr- 
schenden Obrigkeit ;e  die  ausdrückliche  Erklärung  des  Mannes,  daß. 
seine  Frau  hiermit  frei  u.  jedermann  zur  anderweitigen  Verehelichung 
erlaubt  sei;*  ferner  die  Unterschrift  zweier  Männer  als  Zeugen ;g  als 
solche  waren  auch  Samarltanerh  zulässig.  Der  Seh.  selbst  durfte  so- 
wohl in  hebr.  (aram.),  als  auch  in  griech.  Sprache  geschrieben  sein.» 

a.  Siehe  Git  9.  4  S.  310«. 

b.  Git  7.  2  u.  TGit  2,  7  (325):  Wenn  man  zu  einem  Manne  sagt:  „Sollen  wir  für 
deine  Frau  einen  Seh.  schreiben?"  u.  er  antwortet  ihnen:  „Schreibt!"  u.  sie  geben 
dann  einem  Schreiber  Auftrag  u.  er  schreibt,  u.  den  Zeugen  Auftrag,  u.  sie  unter- 
zeichnen, so  ist  der  Scheidebrief,  auch  wenn  man  ihn  geschrieben  u.  unterzeichnet 
u.  dem  Manne  übergeben  u.  dieser  wiederum  ihn  der  Frau  überreicht  hat.  doch  un- 
gültig: denn  er  (selbst)  hätte  dem  Schreiber  sagen  müssen:  „Schreibe!"  u.  den  Zeugen: 
„Unterzeichnet."  —  Vgl.  auch  TGit  2,  8. 


Matth5,31  (?13)  305 

C.  Git  3.  1 :  Jeder  Seh.,  der  uicht  eigens  für  die  bestimmte  Frau  geschrieben  ist, 
ist  ungültig.  Wie  ist  das  gemeint?  Wenn  zB  jemand  über  die  Straße  geht  u.  hört, 
wie  Schreiber  laut  vorlesen:  ,Der  u.  der  scheidet  sich  von  der  u.  der  aus  dem  u.  dem 
Orte",  u.  er  denkt  bei  sich:  „Das  ist  ja  mein  Name  u.  der  Name  meiner  P'rau",  so  ist 
•dieser  Seh.  (wenn  ihn  der  Mann  etwa  für  sich  erwirbt)  doch  untauglich,  um  durch  ihn 
seine  Frau  zu  entlassen  c-:"~  (denn  er  war  nicht  eigens  für  diese  abgefaßt  worden). 
Noch  mehr:  wenn  einer  einen  Seh.  schrieb,  um  seine  Frau  zu  entlassen  -z^i-i;  dann 
aber  ward  er  andrer  Meinung  (u.  hielt  den  Seh.  zurück);  darauf  traf  ihn  einer  seiner 
Mitbürger  u.  sprach  zu  ihm:  „Mein  Name  ist  wie  dein  Name  u.  der  Name  meiner  Frau 
wie  der  deiner  Frau"  (darum  überlaß  mir  jenen  deinen  Seh.  für  meinen  Gebrauch):  so 
ist  dieser  Seh.  doch  untauglich,  um  durch  ihn  eine  Scheidung  herbeizuführen  (weil  er 
nicht  ausdrücklich  für  die  Frau  dieses  Mitbürgers  geschrieben  war).  Noch  mehr:  wenn 
einer  zwei  Frauen  mit  gleichen  Namen  hat  u.  einen  Seh.  sehrieb,  um  damit  die  ältere 
Frau  zu  entlassen  -b^jV,  so  darf  er  (falls  er  andren  Sinnes  geworden  ist)  damit  nicht 
die  jüngere  entlassen  (Grund  wie  vorhin).  Noch  mehr:  sagt  einer  zu  dem  Schreiber: 
„Schreibe  einen  Seh.",  damit  ich  eine  von  ihnen,  welche  ich  gerade  will,  entlasse  "ii^js, 
so  ist  der  Seh.  untauglich,  um  durch  ihn  eine  zu  entlassen  (weil  er  nicht  für  eine  be- 
stimmte Frau  abgefaßt  war).  —  SDt  24,  1  §  269:  Wenn  er  „für  sie"  einen  Seh.  schreibt 
Dt  24, 1.  Von  hier  aus  hat  man  gesagt:  Jeder  Seh.,  der  nicht  eigens  für  eine  bestimmte 
Frau  geschrieben  ist,  ist  ungültig  (dann  folgen  die  Beispiele  aus  der  Mischna).  Vgl. 
TGit  2,  7  (32-5).  ' 

d.  Git  4,  2:  In  früherer  Zeit  pflegte  man  seinen  Namen  u.  ihren  Namen  (falls  sie 
an  andren  Orten  mit  einem  andren  als  dem  am  Scheidungsorte  üblichen  genannt  wurden), 
ferner  den  Namen  seiner  Stadt  u.  den  Namen  ihrer  Stadt  zu  ändern  (falls  die  Städte 
zwei  Namen,  etwa  einen  jüdischen  u.  einen  griechischen,  hatten).  Da  verordnete  R.  Gam- 
liel,  der  Alte  (um  30 — 40  n.  Chr.,  der  Lehrer  des  Apostels  Paulus),  daß  man  (in  den 
Scheidebriefen)  schreiben  sollte:  „Der  u.  der  u.  welchen  Namen  er  sonst  noch  hat,  die 
u.  die  u.  welchen  Namen  sie  sonst  noch  hat."  Das  geschah  der  allgemeinen  Ordnung 
halber.  —  Ferner  s.  Git  9.  8  S.  30ö  u.  h',  5  S.  308;  auch  vgl.  TGit  8,  5  (332). 

e.  Siehe  Git  8,  5  S.  308. 

/.  Git  9,  3:  Die  Hauptsache  im  Seh.  sind  die  Worte:  „Siehe,  du  bist  jedermann 
erlaubt!"  R.  J'^huda  !um  150)  sagte:  (die  Worte:)  „Und  dies  soll  für  dich  meinerseits 
sein  das  Schriftstück  der  Verstoßung  u.  der  Brief  der  Entlassung  u.  das  Dokument  der 
Scheidung,  daß  du  gehn  kannst,  um  dich  zum  Weibe  nehmen  zu  lassen  von  jedem 
Mann,  wie  es  dir  beliebt."  ^ 

g.  Git  4,  3  u.  T  8,  9  1 338) :  Zeugen  unterzeichnen  den  Seh.  der  allgemeinen  Ordnung 
wegen.  —  Zu  den  zwei  Zeugen  s.  Anm. »  Git  9,8;  ferner  9,4  S.  310  u.  Anm./^T  1,4(323). 

h.  Git  1,  -5:  Jedes  Dokument,  auf  dem  ein  Samaritaner  als  Zeuge  steht,  ist  ungültig, 
ausgenommen  Scheidebriefe  u.  Freilassungsurkunden,  die  Sklaven  betreffen.  Einmal 
brachte  man  vor  R.  Gamliel  (wohl  IL,  um  90)  nach  K'^phar-fAvthanai  einen  Seh.,  dessen 


-  1  Um  die  in  der  Mischna  7,  3  ff.  9,  1  ff',  u.  mehr  noch  in  der  Tos  6,  6  f.  10;  7.  2-12; 
t>.  1  ff.  ziemlich  breit  behandelte  Frage  nach  der  Gültigkeit  bedingter  Seheidebriefe 
nicht  ganz  zu  übergehn,  hier  die  kürzeste  Ausführung  über  diesen  Funkt  nach  SDt  24,  1 
§269:  „Wenn  er  ihr  einen  Brief  der  Scheidung  schreibt"  Dt  24,  1.  Er  muß  also  .scheiden. 
Von  hier  aus  kannst  du  sagen:  Wenn  einer  zu  seinem  Weibe  sagt:  Siehe,  dies  ist  dein 
Seheidebrief  unter  der  Bedingung,  daß  du  nie  mehr  das  Haus  deines  Vaters  betrittst, 
unter  der  Bedingung,  daß  du  niemals  Wein  trinkst,  so  ist  das  keine  Scheidung.  (Wenn 
er  dagegen  sagt:)  Unter  der  Bedingung,  daß  du  das  Haus  deines  Vaters  nicht  innerhalb 
der  nächsten  ;iO  Tage  betrittst,  unter  der  Bedingung,  daß  du  innerhalb  der  nächsten 
30  Tage  keinen  Wein  trinkst,  so  gilt  das  als  Scheidung.  Wer  sein  Weib  entläßt  u.  zu 
ihr  sagt:  „Siehe,  du  bist  jedermann  erlaubt,  nur  dem  u.  dem  nicht",  so  hat  R.  Elifezer 
(um  90)  solche  Scheidung  als  gültig  anerkannt.  —  Dann  wird  berichtet,  dalj  nach 
R.  Eligezers  Tode  vier  Älteste,  nämlich  R.  Tarphon,  R.  Jose  der  Galiläer,  R.  El?azar 
b.  f Azarja  u.  R.  ?Aqiba,  solche  Scheidung  für  ungültig  erklärt  haben. 

Strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  20 


306  Matth  5,  31  (51  3.  4) 

Zeugen  Sainaritaner  waren,  u.  er  erklärte  ihn  für  gültig.  —  TGit  1,  4  (323):  R.  J^'buda 
(um  150)  sagte:  Auch  wenn  seine  beiden  Zeugen  Samaritaner  sind,  ist  der  Seh.  gültig. 
(Dann  folgt  die  obige  Entscheidung  des  Rabban  Gamliel.) 

i.  Git9,  8:  Ein  Seh.,  den  man  hebräisch  geschrieben  hat,  während  seine  Zeugen 
griechisch  unterzeichnet  haben,  oder  den  man  griechisch  geschrieben  hat,  während  seine 
Zeugen  hebräisch  unterzeichnet  haben,  oder  den  der  eine  Zeuge  hebräisch  u.  der  andre 
griechisch  unterzeichnet  hat,  oder  den  der  Schreiber  u.  ein  Zeuge  unterzeichnet  hat  — 
ist  gültig.  Steht  darunter:  «Der  u.  der,  als  Zeuge"  (also  der  einfache  Name);  oder: 
„Der  Sohn  des  u.  des,  als  Zeuge";  oder:  „Der  u.  der,  Sohn  des  u.  des"  ohne  den  Zu- 
satz: „als  Zeuge",  so  ist  der  Seh.  gültig.  So  verfuhren  die,  die  reines  Sinnes  waren 
in  Jerusalem.  Hat  man  seinen  (des  Ehemannes)  Beinamen  u.  ihren  (der  Ehefrau)  Bei- 
namen hineingeschrieben,  so  ist  der  Seh.  gültig. 

4.  Aushändigung  des  Scheidebriefes  an  die  Frau. 

Die  Übergabe  des  Seh.  an  die  Frau  konnte  erfolgen  erstens  durch 
den  Mann  selbst,  indem  er  ihn  in  die  Hand  der  Frau  legte  mit  den 
Worten:  „Hier  hast  du  deinen  Seh."  T(S!a  ■'n,  oder  indem  er  ihn  ihr 
mit  denselben  Worten  zuwarf  an  eine  Stelle  hin,  über  die  der  Frau 
freies  Verfügungsrecht  zustand,  a  —  Zweitens  konnte  die  Aushändigung 
durch  einen  Beauftragten  des  Mannes  geschehen  ;b  dabei  war  der 
Bevollmächtigte  streng  an  die  Anweisungen  des  Auftraggebers  ge- 
bunden, c  Der,  der  einen  Seh.  aus  dem  Auslande  überbrachte,  mußte  bei 
der  Übergabe  erklären,  daß  der  Seh.  in  seiner  Gegenwart  geschrieben 
u.  von  den  Zeugen  unterzeichnet  sei.d  Da  bei  einer  etwaigen  An- 
fechtung des  Dokuments  seitens  des  zurückgekehrten  Ehemannes  die 
unterschriebenen  Zeugen  nicht  alsbald  zur  Stelle  waren,  vertrat  der 
Überbringer  mit  jener  seiner  Erklärung  gewissermaßen  das  Zeugnis 
der  unterzeichneten  Personen.  —  Drittens  war  die  Frau  berechtigt, 
den  Seh.  durch  einen  Beauftragten  sei  es  vom  Manne  abholen,  sei  es 
vom  Überbringer  entgegennehmen  zu  lassen.  Doch  konnte  der  Mann 
die  unmittelbare  Aushändigung  an  die  Frau  fordern,  e  —  Betreffs  des 
Seh.  für  eine  Minderjährige  galten  besondere  Bestimmungen.* 

a.  Git  8,  1:  Wenn  jemand  den  Seh.  seiner  Frau  zuwirft,  während  sie  sich  in  ihrem 
Hause  oder  auf  ihrem  Hofe  befindet,  so  ist  sie  geschieden.  Warf  er  ihn  ihr  zu  in  seinem 
Hause  oder  auf  seinem  Hof,  selbst  wenn  der  Seh.  bei  ihr  im  Bett  lag,  so  war  sie 
nicht  geschieden.  Warf  er  ihn  in  ihren  Schoß  oder  in  ihren  Korb  (auch  wenn  es  in 
seinem  Hause  geschah),  so  ist  sie  geschieden.  ||  Git  8,  2:  Hat  er  zu  ihr  gesagt:  „Nimm 
diesen  Schuldbrief  an  dich",  oder  findet  sie  ihn  (den  Scheidebrief)  auf  seinem  Rücken 
(angeheftet  oder  dergleichen),  u.  sie  liest  ihn  u.  siehe,  es  ist  ihr  Scheidebrief,  so  gilt 
er  nicht  als  solcher,  bis  er  zu  ihr  sagt:  „Hier  hast  du  deinen  Seheidebrief!"  Gab  er 
ihn  in  ihre  Hand,  während  sie  schlief,  u.  nach  dem  Erwachen  liest  sie  ihn,  u.  siehe, 
es  ist  ihr  Seh.,  so  gilt  er  nicht  als  solcher,  bis  er  zu  ihr  sagt:  „Hier  hast  du  deinen 
Scheidebrief!"  Hatte  sie  in  einem  öffeutlichen  Gebiet  (das  weder  ihrem  Mann,  noch 
ihr  gehörte,  zB  auf  einer  Straße)  gestanden,  u.  er  warf  ihn  ihr  zu,  so  ist  sie,  wenn, 
er  näher  zu  ihr  (als  zu  ihm)  niederfiel,  geschieden;  wenn  er  aber  näher  zu  ihm  nieder- 
fiel, so  ist  sie  nicht  geschieden;  fiel  er  in  der  Mitte  zwischen  ihnen  nieder,  so  ist  sie 
geschieden  u.  nicht  geschieden.  ||  Git  8,  3:  Hatte  sie  oben  auf  dem  Dach  (eines  ihr  ge- 
hörenden Hauses)  gestanden,  u.  er  ^^rf  ihn  ihr  zu  (während  er  auf  einem  ihm  ge- 
hörenden Hof  stand),  so  ist  sie,  sobald  der  Seh.  den  freien  Daehraum  (wörtlich:  den 
Luftraum  des  Daches)  erreicht  hat,  geschieden.  Stand  er  oben  (auf  dem  Dach  eines 


Matth  5,31  (314)  307 

ihm  gehörenden  Hauses)  u.  sie  unten  (in  einem  ihr  gehörenden  Hofraum),  u.  er  wirft, 
ihn  ihr  zu,  so  ist  sie,  sobald  der  Seh.  aus  dem  Bereich  des  Daches  gekommen  ist, 
geschieden,  mag  dabei  der  Seh.  verlöscht  oder  verbrannt  sein  (falls  in  der  Zeit  gerade 
eine  Feuersbrunst  auf  dem  Gehöft  wütete).  —  Parallelstelle  mit  zum  Teil  andren  Bei- 
spielen TGitS,  1-2.  II  SDt24,  1  §-269:  ,Und  ihr  in  die  Hand  gibt"  Dt 24,  1;  daraus 
entnehme  ich  nur  ^in  ihre  Hand".  Woher,  daß  darin  auch  eingeschlossen  ist  ihr  Dach, 
ihr  Hof,  ein  ihr  gehörender  eingezäunter  oder  offener  Platz?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
,Und  gibt",  ganz  allgemein.  Warum  wird  dann  aber  in  diesem  Falle  gesagt:  ,In  ihre 
Hand"?  Allein  es  ist  so  gemeint:  wie  die  Hand  bestimmt  ist,  zu  ihrer  freien  Ver- 
fügung zu  stehn,  so  ist  damit  alles  gemeint,  was  zu  ihrer  freien  Bestimmung  steht.  — 
„Wenn  er  den  Seh.  in  ihre  Hand  legt  u.  sie  aus  seinem  Hause  entläßt"  Dt  24,  1 : 
d.  h.  bis  er  zu  ihr  sagt:  „Dies  ist  dein  Seh.!"  Von  hier  aus  hat  man  gesagt:  Wenn 
einer  den  Seh.  seiner  Frau  zuwirft  u.  sagt:  Nimm  den  Schuldbrief  an  dich,  oder  wenn 
sie  ihn  findet,  u.  siehe,  es  ist  ihr  Scheidebrief,  so  gilt  er  als  solcher  nicht,  bis  er  zu 
ihr  sagt:  „Hier  hast  du  deinen  Scheidebrief!" 

b.  Git2,  5  Ende:  Alle  sind  geeignet,  den  Seh.  zu  überbringen  (an  die  Frau),  aus- 
genommen ein  Taubstummer,  ein  Blödsinniger,  ein  Minderjähriger  (der  noch  nicht 
18  Jahre  u.  1  Tag  alt  ist),  ein  Blinder  u.  ein  Nichtisraelit.  |  Git  2,  7:  Auch  die  Frauen, 
■die  nicht  beglaubigt  sind,  (einer  Frau)  zu  bezeugen,  daß  ihr  Mann  gestorben  sei,  sind 
beglaubigt,  ihr  ihren  Seh.  zu  überbringen,  nämlich  ihre  Schwiegermutter  u.  deren  Tochter, 
ihre  Nebenfrau,  ihre  Schwägerin  ^d.  h.  die  Frau  des  Bruders  ihres  Mannes)  u.  die  Tochter 
ihres  Mannes  (nämlich  von  einer  andren  Frau).  —  Parallebtelle  TGit  2,  5  f.  (325). 

C.  Git6,  3:  Wenn  einer  (zu  seinem  Beauftragten)  sagt:  Gib  diesen  Seh.  meiner 
Frau  an  dem  u.  dem  Ort,  u.  er  gibt  ihn  ihr  an  einem  andren  Ort,  so  gilt  der  Seh. 
nicht.  Sagte  er  zu  ihm:  Siehe,  sie  ist  an  dem  u.  dem  Ort,  u.  er  gibt  ihn  ihr  an  einem 
andren  Ort,  so  ist  der  Seh.  gültig  (im  letzteren  Auftrag  ist  der  Übergabeort  nicht  aus- 
drücklich namhaft  gemacht).  ||  Git  3,  5:  Wenn  jemand  im  Lande  Israel  einen  Seh.  über- 
bringt u.  unterwegs  erkrankt,  siehe,  so  kann  er  ihn  durch  einen  andren  übersenden. 
Wenn  ihm  aber  der  Ehemann  gesagt  hatte:  „Bringe  mir  von  ihr  das  u.  das  Wert- 
stück mit",  so  darf  er  nicht  durch  einen  andren  übersenden,  weil  es  nicht  des  Ehe- 
mannes Wunsch  war,  daß  das  Anvertraute  in  die  Hand  eines  andren, käme. 

d.  Git  1,1:  Wenn  jemand  aus  dem  Auslande  (wörtlich:  aus  einem  Lande  am 
Meer)  einen  Seh.  überbringt,  so  muß  er  die  Erklärung  (bei  der  Aushändigung)  abgeben: 
„Vor  mir  ist  er  geschrieben  u.  vor  mir  ist  er  unterzeichnet  worden."  K.  Gamliel 
(II.  um  90)  sagte:  Auch  wenn  er  ihn  aus  Reqem  u.  Cheger  bringt;  R.  Elifezer  (um  90) 
sagte:  Auch  wenn  er  ihn  aus  den  Dörfern  bei  Lud  (Lydda)  nach  Lud  bringt.  Die  Ge- 
lehrten aber  sagten:  Er  muß  die  Erklärung:  „Vor  mir  ist  er  gesehrieben  u.  vor  mir 
ist  er  unterzeichnet  worden"  nur  dann  abgeben,  wenn  er  ihn  aus  dem  Auslande  bringt 
oder  dorthin  trägt.  I!  Git  l,  3:  Wenn  einer  einen  Seh.  aus  dem  Ausland  bringt  u.  nicht 
die  Erklärung  abgeben  kann:  „Vor  mir  ist  er  geschrieben  u.  vor  mir  ist  er  unter- 
zeichnet  worden",  so  behält  der  Seh.  doch,  wenn  Zeugen  darauf  stehen,  durch  die  Unter- 
zeichneten seine  Gültigkeit.  ||  Git  3,  6:  Wenn  einer  einen  Seh.  aus  dem  Auslande  über- 
bringt u.  unterwegs  erkrankt,  so  ernennt  das  Gericht  (des  Ortes)  einen  Bevollmäch- 
tigten u.  sendet  ihn  ab.  Er  ider  Erkrankte)  gibt  vor  ihnen  (dem  Gericht)  die  Erklärung 
ab:  „Vor  mir  ist  er  geschrieben  u.  vor  mir  ist  er  unterzeichnet  worden";  der  spätere 
Bevollmächtigte  aber  brauchte  die  Erklärung  nicht  abzugeben:  „Vor  mir  ist  er  ge- 
schrieben u.  vor  mir  ist  er  unterzeichnet  worden",  vielmehr  sagte  er  (bei  der  Aus- 
händigung des  Scheidebriefes):  „Ich  bin  ein  Bevollmächtigter  des  Gerichts," 

e.  Siehe  Git  H,  1  S.  308  u.  die  Zitate  Anm.  f. 

f.  Git  6,  2:  Ein  verlobtes  Mädchen  {^••^yz  im  Alter  von  12 — I2V2  Jahren)  kann  selbst 
oder  auch  ihr  Vater  ihren  Seh.  in  Empfang  nehmen  (die  Verlobte  gilt  in  Sachen  des 
Seh.  als  Ehefrau).  R.  J-^huda  (um  \-A))  sagte:  Zwei  Hände  können  nicht  zu  gleicher. 
Zeit  erwerben;  vielmehr  nimmt  ihr  Vater  allein  ihren  Seh.  in  Empfang;  u.  jede,  die 
ihren  Seh.  nicht  zu  bewahren  imstande  ist  (die  Auslegung  ist  streitig),  kann  nicht  ge- 

20* 


308  Matth  5,  31  (?l  4— 6) 

schieden  werden,  i'  Git  6,  3:  Wenu  eine  Minderjährige  (die  noch  nicht  12  Jahre  u.  1  Tag 
alt  ist)  sagt:  Nimm  den  Seh.  für  mich  in  Empfang!  so  gilt  der  Seh.  nicht  als  solcher, 
bis  er  in  ihre  Hand  gelangt  ist.  Wenn  deshalb  der  Ehemann  den  Seh.  zurücknehmen 
will,  so  kann  er  es  (bis  er  in  ilu-e  Hand  gekommen  isti;  denn  eine  Minderjährige  kann 
keinen  Bevollmächtigten  (der  den  Seh.  für  sie  annimmt)  ernennen.  Aber  wenn  ihr  Vater 
zu  jemandem  gesagt  hat:  Geh  u.  nimm  für  meine  Tochter  ihren  Seh.  in  Empfang,  so 
kann  der  Ehemann  den  Seh.  nicht  mehr  nach  Belieben  zurücknehmen  (sobald  er  in 
die  Hand  des  Abgesandten  gelangt  ist). 

5.  Die  Zurücknahme  eines  Scheidebriefes  seitens  des  Mannes. 

Jeder  Seh.  kann  vom  Manne  zurückgenommen  werden,  solange  er 
noch  nicht  in  die  Hand  der  Frau  oder  ihres  Bevollmächtigten  gelangt 
ist:  ist  dies  geschehen,  so  ist  die  Ehe  geschieden  u.  kann  nicht  mehr 
durch  bloße  Zurücknahme  des  Seh.  wiederhergestellt  werden. 

Git  1,0:  Wenn  einer  sagt:  ,Gebt  diesen  Seh.  meiner  Fi'au  u.  diese  Freilassungs- 
urkunde meinem  Sklaven",  so  kann  er  in  beiden  Fällen,  wenn  er  will,  die  Sache  rück- 
gängig machen  (vorausgesetzt,  daß  die  Schriftstücke  noch  nicht  in  den  Besitz  der 
Empfänger  gelangt  sind);  das  sind  Worte  des  R  Me'ir  (um  löO).  Die  Gelehrten  aber 
sagten:  Bei  Scheidebriefen  (trifft  das  zu),  aber  nicht  bei  Freilassungsurkunden.  ||  Git  4, 1: 
Wenn  einer  seiner  Frau  den  Seh.  sendet,  u.  darauf  trifft  er  den  Boten  oder  sendet 
ihm  einen  andren  Boten  nach  u.  sagt  zu  ihm  (dem  ersten  Boten):  „Der  Seh.,  den 
ich  dir  übergeben  habe,  ist  ungültig",  so  ist  er  ungültig.  —  Kam  er  (der  Ehemann) 
früher  bei  seiner  Frau  an  (als  der  Überbringer  des  Seh.)  oder  sandte  er  einen  Boten  an 
sie  (der  gleichfalls  früher  ankam  als  der  Üb.  des  Seh.)  u.  sagt  zu  ihr:  „Der  Seh.,  den  ich 
dir  gesandt  habe,  ist  ungültig",  so  ist  er  ungültig.  Wenn  er  aber  bei  ihr  erst  ankommt, 
nachdem  der  Seh.  in  ihre  Hand  gelangt  war,  so  kann  er  ihn  nicht  mehr  für  ungültig 
erklären.  ||  Git  4,  2:  In  früherer  Zeit  pflegte  man  (in  solchem  Fall)  an  einem  andren 
Ort  einen  Gerichtshof  zusammentreten  zu  lassen  u.  vor  diesem  den  Seh.  für  nichtig 
zu  erklären.  R.  Gamliel,  der  Alte  (um  30 — 40  n.  Chr.)  aber  verordnete,  daß  man  nicht 
also  tun  solle,  der  allgemeinen  Ordnung  halber.  (Da  die  Frau  vielleicht  um  die  An- 
nullierung nicht  wußte,  war  nicht  ausgeschlossen,"  daß  sie  nach  Empfang  des  Seh. 
sofort  eine  neue  Ehe  geschlossen  hatte.)  Vgl.  TGit  4,  1.  Il  Git  6,  1:  Wenn  einer  sagt: 
,Nimm  diesen  Seh.  für  meine  Frau  in  Empfang"  oder:  „Bring  diesen  Seh.  meiner 
Frau",  so  kann  er  ihn,  wenn  er  will,  wieder  zurücknehmen  (denn  es  handelt  sich  hier 
um  Beauftragte  des  Mannes).  Wenn  aber  die  Frau  sagt:  Nimm  mehien  Seh.  für  mich 
in  Empfang  (u.  er  ist  in  die  Hand  ihres  Beauftragten  gelangt l,  so  kann  ihn  der  Ehe- 
mann nicht  mehr,  wenn  er  will,  zurücknehmen  (denn  der  Beauftragte  ist  wie  sein 
Auftraggeber).  Wenn  deshalb  der  Ehemann  zu  dem  Beauftragten  der  Frau  sagt:  „Ich 
will  nicht,  daß  du  ihn  für  sie  in  Empfang  nimmst,  sondern  bringe  ihn  hin  u.  gib  ihn 
ihr",  so  kann  er  ihn,  wenn  er  will,  wieder  zurücknehmen.  (Der  Mann  annulliert  in 
diesem  Fall  den  Auftrag  der  Frau  u.  gibt  seinerseits  dem  Boten  der  Frau  einen  Auf- 
trag, so  daß  der  Bote  jetzt  als  des  Mannes  Beauftragter  erscheint.)  R.  Schim?on 
b.  Gamliel  (IL,  um  140)  sagte:  Auch  wenn  sie  gesagt  hat:  „Hole  mir  meinen  Seh.", 
so  kann  er  ihn  nicht  mehr,  wenn  er  will,  zurücknehmen. 

6.  Unrichtig  ausgestellte  Scheidebriefe  u.  deren  nachteilige  Folgen. 

Git  8,  5:  Hat  man  den  Seh.  nach  einer  fremden  (ausländischen)  Herrschaft  datiert 
oder  nach  der  ntedischen  u.  der  griechischen  Herrschaft  oder  nach  dem  Bau  u.  der 
Zerstörung  des  Tempels  (alles  Ären,  die  nicht  mehr  üblich  waren);  war  man  im  Osten 
u.  man  schrieb  „im  Westen"  oder  umgekehrt:  so  muß  sie  (eine  Frau,  die  auf  einen 
solchen  Seh.  hin  sich  anderweitig  verheiratet  hatte)  von  beiden  Männern  geschieden 
werden,  sie  bedarf  von  beiden  eines  Scheidebriefes;  es  steht  ihr  keine  Hocbzeits- 
verschreibung  zu  (d.  i.  die  Summe  Geldes,  die  ihr  vor  Eingehung  der  Ehe  vom  Manne 
ür  den  Fall  der  Scheidung  u.  seines  früheren  Ablebens  zugesagt  war),   keine  Nutz- 


Matth  5,  31  (»l  6)  309 

nießung  (von  den  in  die  Ehe  eingebrachten  Gütern),  keine  Unterhaltung  (Beköstigung), 
auch  nicht  die  abgetragene  Kleidung,  sei  es  bei  dem  einen  oder  bei  dem  andren  Mann. 
Wenn  sie  dergleichen  von  dem  einen  oder  andren  empfangen  hat,  muß  sie  es  zurück- 
geben u.  ein  (etwaiges)  Kind  sowohl  vom  ersten  als  auch  vom  zweiten  Mann  gilt  als 
Bastard  (illegitim;  die  Worte  setzen  voraus,  daß  der  erste  Mann,  wenn  er  will,  die 
Frau  wieder  zur  Ehe  nehmen  darf;  vgl.  Raschi  zu  GitT9'^');  weder  dieser  noch  jener 
darf  sich  an  ihrer  Leiche  verunreinigen  (falls  sie  Priester  sind);  keiner  von  ihnen  er- 
wirbt das,  was  sie  findet  (wie  es  sonst  bei  Eheleuten  der  Fall  ist)  oder  was  sie  er- 
arbeitet; auch  steht  ihnen  nicht  das  Recht  zu,  ihre  Gelübde  für  nichtig  zu  erklären. 
War  sie  eine  einfache  Israelitin  (Gegensatz:  Leviten-  oder  Priestertochter),  so  wird  sie 
ungeeignet  für  die  Priesterschaft  (d.  h.  zur  Ehe  mit  einem  Priester);  war  sie  eine 
Levitentochter,  so  wird  sie  ungeeignet  zum  Essen  von  Zehntftüchten;  wenn  eine  Priester- 
tochter, zum  Essen  von  Hebe.  Weder  die  Erben  des  einen  Mannes  noch  die  des  andren 
erben  ihre  Hochzeitsverschreibung,  u.  wenn  sie  idie  beiden  Männer)  sterben,  haben  die 
Brüder  des  einen  wie  die  Brüder  des  andren  (falls  die  Männer  kinderlos  starben)  die 
Zeremonie  des  Schuhausziehens  mit  ihr  auszuführen,  dürfen  sie  aber  nicht  zur  Levirats- 
ehe nehm.en.  —  Wenn  er  im  Seh.  seinen  oder  ihren  Namen,  den  Namen  seiner  Stadt 
oder  ihrer  Stadt  verändert  angegeben  hat,  muß  die  Frau  (falls  sie  sich  auf  diesen  Seh. 
hin  wiederverheiratet  hat)  von  beiden  Männern  getrennt  werden,  u.  alle  diese  (vorhin 
angegebenen)  Bestimmungen  greifen  auch  bei  ihr  Platz.  \\  Git  8,  8:  Wenn  ein  Schreiber 
einem  Mann  einen  Seh.  u.  der  Frau  die  Quittung  (über  ausgezahlte  Hochzeitsverschrei- 
bung) schrieb  u.  dann  irrte  u.  den  Seh.  an  die  Frau  u.  die  Quittung  an  den  Mann  gab, 
u.  diese  händigten  sie  einander  aus  (in  dem  (jtlauben,  daß  der  Mann  der  Frau  den  Seh. 
u.  daß  die  Frau  dem  Mann  die  Quittuiig  übergeben  habe),  a.  nach  einiger  Zeit,  siehe, 
da  kommt  der  Seh.  im  Besitz  des  Mannes  u.  die  Quittung  im  Besitz  der  Frau  zum 
Vorschein,  so  muß  die  Frau  (_falls  sie  auf  ihren  vermeintlichen  Seh.  hin  sich  ander- 
weitig verheiratet  hatte)  sich  von  beiden  trennen,  u,  alle  jene  (oben  angegebenen)  Be- 
stimmungen greifen  bei  ihr  Platz.  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Wenn  der  Seh.  alsbald 
in  des  Mannes  Besitz  zum  Vorschein  kommt,  so  gilt  er  nicht  als  solcher,  wenn  er  aber 
nach  einiger  Zeit  (nachdem  die  Frau  sich  wiederverheiratet  hatte)  zum  Vorschein  kommt, 
so  ist  er  gültig.  Es  hängt  nicht  alles  vom  ersten  Mann  ab,  um  das  Recht  des  zweiten 
zu  vernichten,  ti  Git  ><,  9  f.:  Wenn  einer  auf  Grund  eines  kahlen  Scheidebriefes  (s.  gleich) 
eine  Frau  heimgeführt  hat,  so  muß  sie  sich  von  beiden  trennen,  u.  alle  jene  (oben 
angeführten)  Bestimmungen  greifen  bei  ihr  Platz.  —  Einen  kahlen  Seh.  dürfen  alle  ver- 
vollständigen, das  smd  Worte  des  Ben  Nanos  (wohl  Zeitgenosse  des  R.  f  Aqiba).  R.-f  Aqiba 
(t  um  185)  sagte:  Es  dürfen  ihn  nur  Verwandte  vervollständigen,  die  geeignet  sind, 
bei  einer  andren  Gelegenheit  Zeugnis  abzulegen.  Wi^s  ist  ein  kahler  Sch.V  Der  mehr 
zusammengeknüpfte  Stellen  als  Zeugenunterschriften  enthält.  Die  Parallelstelle  TGit  8,  9 
(338)  lautet:  Wenn  auf  einem  glatten  Seh.  (u-iu:  -j;,  d.  i.  ein  Seh.,  der  nicht  zusammen- 
gefaltet ist)  nur  Ein  Zeuge  steht  u.  auf  einem  zus. geknüpften  (^•«•ip's  t:;,  d.  i.  ein  zus.- 
gefalteter  u.  zugenähter  Scheidebrief  —  r;':;:.  t:;,  kahler  Seh.)  nur  zwei  Zeugen  stehen, 
so  muß  die  Frau  (die  sich  daraufhin  anderweit  verheiratet  hat,  von  beiden  Männern) 
sich  trennen,  u.  die  13  Bestimmungen  (die  oben  in  Git  S,  5  aufgezählt  sind)  greifen  bei 
ihr  Platz.  So  R.  Meir  (um  150).  Die  Gelehrten  sagten:  Die  Zeugen  unterzeichnen  sich 
auf  dem  Sth.  nur  der  allgemeinen  Ordnung  wegen. ^  Ein  kahler  Seh.  ist  ein  solcher, 
der  7  Falten  (Nähte,  Knoten)  u.  6  Zeugenuntersehriften,  oder  (i  Falten  u.  5  Zeugen- 
unterschriften, oder  5  Falten  u.  4  Zeugenunterschriften,  oder  4  Falten  u.  3  Zeugenunter- 

^  Hiernach  ist  die  von  R.  Me'ir  herrührende  u.  auch  teilweise  in  die  Mischna  8,  9 
übergegangene  Bestimmung  betreifs  der  nicht  genügenden  Anzahl  von  Zeugenunter- 
schriften nicht  allgemein  anerkannt  worden.  Demgemäß  heißt  es  TGit  9,  7  (384):  Wenn 
auf  einem  Seh.  keine  Zeugen  stehen,  aber  er  wurde  der  Frau  vor  Zeugen  übergeben, 
so  führt  sie,  wie  man  im  Namen  des  R.  Eleazar  (b.  Schammuaf,  um  150)  gesagt  hat, 
die  Zeugen  vor  den  Gerichtshof,  ohne  daß  sie  nötig  hat,  den  Seh.  beizubringen,  u.  dann 
darf  sie  (ihre  Hochzeitsverschreibung)  von  verpfändeten  Gütern  eintreiben. 


310  Matth  5,  31  (21  6.  7) 

Schriften,  oder  3  Falten  u.  2  Zeugenunterschriften  hat;  hat  er  weniger,  so  dürfen  nur 
die  Verwandten,  die  geeignet  sind,  Zeugnis  abzulegen,  die  Zeugenunterschriften  auf  ihm 
vervollständigen.  (Über  die  Verwandten,  die  kein  Zeugnis  für  oder  gegen  einen  aus 
ihrer  Mitte  ablegen  durften,  s.  Sanh  3, 3 — 5  bei  Mt  5, 21  S.  2''7  f.)  —  In  der  sog.  Jostschen 
Mischnaausgabe  wird  zu  Git8,  10  über  den  „kahlen  Scheidebrief "  bemerkt:  „Es  ist  ein 
absichtlich  zur  Verzögerung  der  Scheidung  u.  Erleichterung  einer  Aussöhnung  langsam 
verfertigter  Seh.,  der  nach  je  zwei  Zeilen  zugefaltet  u.  geheftet  wird,  so  daß  eine  Menge 
Falten  entstehen,  auf  deren  jeder  mindestens  Ein  Zeuge  seinen  Namen  setzen  muß  [u. 
zwar  auf  der  Außenseite],  wenn  er  gültig  sein  soll."  Ij  Git9,  4:  Drei  Scheidebriefe  sind 
ungültig;  wenn  sie  sich  aber  daraufhin  verheiratet  hat,  so  gilt  das  Kind  (aus  der  neuen 
Ehe)  als  legitim:  wenn  ihn  nämlich  der  Mann  eigenhändig  geschrieben  hat,  aber  es 
sind  keine  Zeugen  darauf  unterzeichnet;  ferner  wenn  auf  ihm  zwar  Zeugen  unterzeichnet 
sind,  aber  es  steht  darauf  keine  Zeitangabe;  endlich  wenn  auf  ihm  sich  zwar  eine 
Zeitangabe  findet,  aber  es  steht  darauf  nur  Ein  Zeuge.  Siehe,  diese  drei  Scheidebriefe 
sind  ungültig;  aber  wenn  sie  sich  daraufbin  verheiratet  hat,  so  ist  das  Kind  legitim. 
R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Auch  wenn  keine  Zeugen  darauf  stehen,  der  Mann  ihn  ihr 
aber  vor  Zeugen  gegeben  hat,  so  ist  er  gültig,  u.  sie  kann  von  verpfändeten  Gütern 
(ihre  Hochzeitsverschreibung)  eintreiben;  denn  die  Zeugen  unterzeichnen  auf  dem  Seh. 
nur  der  allgemeinen  Ordnung  wegen.  Vgl.  die  Parallele  aus  TGit  J),  7  in  der  Fußnote 
auf  S.  309;  vielleicht  ist  auch  dort  R.  Eli?ezer  statt  R.  Ehazar  zu  lesen.  Da  R.  Elifezer 
meist  die  ältere  Halakha  vertritt,  scheint  die  frühere  Zeit  weniger  streng  über  Form- 
fehler in  Scheidebriefen  geurteilt  zu  haben. 

7.  Über  die  Rückkehr  einer  geschiedenen  Frau  zu  ihrem  Mann 
finden  sich  in  der  Mischna  folgende  Angaben. 

Git4,  7:  Wenn  jemand  seine  Frau  wegen  übler  Nachrede  entläßt  s-:;-:;-,  darf  er 
sie  nicht  wiedernehmen;  wenn  wegen  eines  Gelübdes,  so  darf  er  sie  nicht  wieder- 
nehmen. R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Wenn  um  das  Gelübde  viele  wissen  [d.  h.  nach 
Rab  Nachman  (f  320)  3  Personen,  nach  R.  Ji^chaq  (um  300)  10  Personen  Git46^],  so 
darf  er  sie  nicht  wiedernehmen;  wenn  aber  darum  nicht  viele  wissen,  so  darf  er  sie 
wiedernehmen.  R.  Me'ir  (um  löO)  sagte:  Wenn  ein  Gelübde  der  Nachforschung  seitens 
eines  Gelehrten  bedarf  (um  gelöst  zu  werden),  so  darf  er  sie  nicht  wiedernehmen; 
wenn  es  aber  der  Nachforschung  seitens  eines  Gelehrten  nicht  bedarf,  so  darf  er  sie 
wiedernehmen.  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Man  hat  den  ersten  Fall  nur  um  des  zweiten 
willen. verboten.  R.  Jose  b.  J'^huda  (um  180)  hat  gesagt:  Einmal  hatte  in  ^idon  jemand 
zu  seiner  Frau  gesagt:  Qonam!  (Verstümmelung  aus  '-T-:  das  u.  das  soll  mir  einem 
Opfer  gleich,  also  verboten  sein;  eine  Gelöbnisformel)  wenn  ich  dich  nicht  entlasse 
•Tttj-;.-:!  u.  er  entließ  sie.  Aber  die  Gelehrten  erlaubten  ihm,  daß  er  sie  wiedernehmen 
dürfe  um  der  allgemeinen  Ordnung  willen.  (Im  letztei-en  Fall  handelt  es  sich  um  das 
Gelübde  eines  Mannes,  in  den  früheren  Sätzen  um  die  Gelübde  einer  Frau.)  ||  Git4,8: 
Wenn  einer  seine  Frau  wegen  ihrer  Unfruchtbarkeit'  entläßt,  darf  er  sie  nach  R.  J'^huda 
(um  150)  nicht  wiedernehmen.  Die  Gelehrten  sagten:  Er  darf  sie  wiedernehmen.  Wenn 
sie  (eine  Unfruchtbare)  sich  an  einen  andren  verheiratet  hatte  u.  von  diesem  Kinder 
bekam  u.  dann  (von  ihrem  ersten  Mann)  ihre  Hochzeitsverschreibung  einfordert  (die 
ihr  als  einer  Unfruchtbaren  verweigert  ward):  so  kann  dieser  nach  R.  J'^huda  ihr 
sagen:  Dein  Schweigen  wäre  für  dich  besser  als  dein  Reden!  (Da  der  Scheidungs- 
grund hinfällig  geworden,  ist  der  Seh.  ungültig;  sie  müßte  von  beiden  Männern  sich 
trennen 'u.  ihre  Kinder  müfäten  als  Bastarde  gelten  usw.,  s.  Git  8,  5  S.  308.)  —  Die 
Parallelstelle  in  TGit  3,  3  lautet:  Welches  ist  ein  Gelübde,  das  keiner  Nachforschung 
seitens  eines  Gelehrten  bedarf?  Wenn  einer  sagt:  Qonam,  wenn  meine  Frau  von  mir 
noch  einen  Nutzen  (Genuß i  hat;  denn  sie  hat  meine  Geldbörse  gestohlen  u.  hat  meinen 
Sohn  geschlagen!   während  er  doch  wußte,   daß  sie  ihn  nicht  geschlagen  u.  daß  sie 


»  Hierzu  s.  J^b  6,  6  S.317. 


Matth  5,  31  (51  7.  8)  311 

ihn  nicht  hestohlen  hatte.  R.  Elifezer  sagte:  In  diesem  Fall  darf  er  sie  nicht  wieder- 
nehmen um  der  allgemeinen  Ordnung  willen.  In  welchem  Fall  gilt  die  Bestimmung? 
Wenn  einer  gelobt  u.  hinterher  entläßt  er  sie.  .  .  .  Weshalb  hat  man  gesagt:  Wer 
seine  Frau  wegen  übler  Nachrede  entläßt,  darf  sie  nicht  wiedernehmen?  Wenn  einer 
seine  Frau  wegen  übler  Nachrede  entläßt,  u.  sie  verheiratet  sich  mit  einem  andren  u. 
gebiert,  u.  hinterher  wird  die  Nachrede  als  erlogen  erfunden,  so  kann  der  erste  Mann 
sagen:  „Wenn  ich  gewußt  hätte,  daß  die  Worte  erlogen  waren,  so  hätte  ich,  auch 
wenn  mir  jemand  100  Minen  für  meine  Frau  gegeben  hätte,  sie  nicht  entlassen"!  So 
würde  das  Kind  (von.  dem  andren  Mann)  als  Bastard  (illegitim)  u.  der  Scheidebrief 
als  ungültig  erfunden  werden.  (Deshalb  ist  bestimmt  worden,  daß  in  diesem  Fall  die 
Rückkehr  der  geschiedenen  Frau  zu  ihrem  Mann  unzulässig  sei.  damit  dieser  seine 
Tat  rechtzeitig  bedenke.)  Warum  hat  man  gesagt:  Wer  seine  Frau  eines  Gelübdes 
wegen  entläßt,  darf  sie  nicht  wiedernehmen?  Wenn  jemand  seine  Frau  eines  Gelübdes 
wegen  entläßt,  u.  sie  verheiratet  sich  mit  einem  andren  u.  gebiert  u.  hinterher  wird 
das  Gelübde  als  ungültig  erfunden,  so  könnte  er  (der  erste  Mann)  sagen:  „Wenn  ich 
gewußt  hätte,  daß  das  Gelübde  ungültig  ist,  so  hätte  ich,  auch  wenn  mir  jemand 
100  Minen  für  meine  Frau  gegeben  hätte,  sie  nicht  entlassen"!  So  würde  der  Seh.  als 
ungültig  u.  das  Kind  als  Bastard  erfunden  werden.  R.  Elfazar  b.  Jose  (um  180)  sagte: 
Weshalb  hat  man  gesagt:  Wer  seine  Frau  wegen  übler  Nachrede  entläßt,  darf  sie 
nicht  wiedernehmen?  Damit  die  Töchter  Israels  nicht  zur  Unzucht  entarten.  Deshalb 
sagt  man  ihr:  Wisse,  daß  man  eine,  die  wegen  übler  Nachrede  entlassen  wird,  nicht 
wiedernehmen  darf.  Desgleichen  hat  R.  EI?azar  b.  Jose  gesagt:  Weshalb  hat  man  ge- 
sagt: Wer  eine  Frau  wegen  eines  Gelübdes  entläßt,  darf  sie  nicht  wiedernehmen? 
Damit  die  Töchter  Israels  nicht  mit  ihren  Gelübden  entarten.  Deshalb  sagt  man  ihr: 
Wisse,  daß  man  eine,  die  wegen  eines  Gelübdes  entlassen  wird,  nicht  wiedernehmen 
darf.  —  Wenn  einer  seine  Frau  wegen  ihrer  Unfruchtbarkeit  entläßt,  u.  sie  verheiratet 
sich  mit  einem  andren  u.  gebiert,  u.  hinterher  fordert  sie  ihre  Hochzeitsverschreibung 
ein  von  dem  ersten  Mann,  so  sagt  man  zu  ihr,  wie  man  im  Namen  des  R.  Meir 
(um  150)  gesagt  hat:  Dein  Schweigen  wäre  besser  als  dein  Redeji.  R.  Eljazar 
b.  Schimgon  (um  180)  sagte:  Wenn  jemand  seine  Frau  wegen  ihrer  Unfruchtbarkeit 
entläßt,  so  gibt  man  ihr  ihre  Hochzeitsverschreibung  in  der  Annahme,  daß  sie  tauglich 
(empfängnisfähig)  ist. 

Über  die  Rückkehr  einer  geschiedenen  Minderjährigen  zu  ihrem 
Manne  s.  bei  Mk  10, 12. 

8.  Wortlaut  eines  Seh.,  der  den  Formeln  der  altern  Halakha  meist 
entspricht;  er  stammt  aus  dem  Talmudkompendium  des  Alfasi  (=  Isaak 
b.  Jakob  aus  Fes,  um  1013—1103;  abgedruckt  bei  Lightfoot  2,  291). 

Scheidebrief.  An  dem  u.  dem  Wochentage,  an  dem  u.  dem  Tage  des  u.  des  Monats, 
in  dem  u.  dem  Jahre  seit  Erschaffung  der  Welt  nach  der  Zählung,  nach  der  wir  zu 
zählen  pflegen,  an  dem  u.  dem  Ort  habe  ich,  der  u.  der,  Sohn  des  u.  des,  u.  welchen 
Namen  ich  sonst  haben  mag,  aus  dem  u.  dem  Ort,  aus  eigenem  Entschluß  u.  freiem 
Willen  u.  ohne  jeden  Zwang  dich  verabschiedet,  entlassen  u.  verstoßen,  dich  so  u.  so, 
Tochter  des  u.  des,  u.  welchen  Namen  du  sonst  noch  haben  magst,  aus  dem  u.  dem 
Ort,  die  du  vordem  mein  Weib  gewesen  bist.  Und  jetzt  verstoße  ich  dich,  dich  so  u. 
so,  Tochter  des  u.  des,  u.  welchen  Namen  du  sonst  haben  magst,  aus  dem  u.  dem  Ort, 
so  daß  du  frei  u.  dein  selbst  mächtig  bist,  zu  gehn,  um  dich  zu  vorheiraten  an  jeden 
beliebigen  Mann,  u.  niemand  soll  es  dir  wehren  von  diesem  Tage  an  bis  in  Ewigkeit.  Siehe, 
du  bist  erlaubt  jedermann,  u.  dies  soll  dir  meinerseits  sein  das  Schriftstück  der  Verstoßung 
u.  das  Dokument  der  Scheidung  u.  der  Brief  der  Entlassung  nach  dem  Gesetz  Moses  u. 
Israels!  —  R'^uben  b.  Jafaqob  als  Zeuge.  Ehazar  b.  Gil?ad  als  Zeuge. 

n:^''51*!   xji-'S^a   d?i3?   rx^irib   -pi   -p  ns^ra  "^jiss  n-i-ib  lai  -j^n  nrrz  -p^ 


312  Matth  5,  31  (31  8.  SB).  5,  32  (21) 

n-.ji^E  xri:2?3n  r\ih  n-^XT  crr  bri  iribs  -53  "ijibs  -«in  -ix  liibs  Nriinn  nin  13^"^^^ 
ns  r^ribs  r:x  ■>=■'?  ^r'^r-'  niDi-rii  nipsusi  ni'^:;si  xiD^sx  Nsns  iites  ni^.ns  in-i3s 
n^Di'nr.  in^i  xn  x:D"!p  ■•2  Trrx  r^'^'iti'-,  risiba  xr^Ta*!  ^rib  n-'xi  mr  ^di  iDibs 
nxü"i  "j-iiinnin  r^iibs  xr-s-^n  121b  r'ix'i  niü  b^i  laibs  rn  nirbs  rsx  "irib  i^in"' 
XTsii  '■>2  "^r-'Tin  rin-21  xb  arx':  •"•''nriiiT  nss  b^b  xnorrnb  -jnnb  131CE152  nxcb^T 
'■niiiis  :::^  ■i'^D''i"i''n  -.ec  "^xd^^  "r"'b  iir:i  -^^  -ti  cix  brb  n-im^D  rx  ^ini  cbi-bi  pn 

.nr  -irb;  •-  -iT^bx  :-^v  npr^i  ',a  pix-i 

S8  Nichtisraeliten  haben  keine  Scheidung. 

pQid  1,  öS*^,  16:  Haben  die  Nichtisraeliten  eine  Scheidung?  R.  Judan  b.  Pazzi 
(um  32U)  u.  Chanin  (um  300)  haben  im  Namen  des  R.  Huna,  des  Älteren,  aus  Sepphoris 
(gegen  300)  gesagt:  Entweder  haben  sie  keine  Scheidungen,  oder  beide  scheiden 
sich  gegenseitig  voneinander.  R.  Jochanan  von  Sepphoris  ^  (um  300)  .  .  .  hat  im  Namen 
des  R.  Sch^muel  b.  Nachman  gesagt:  „Denn  ich  hasse  Scheidung,  spricht  Jahve,  der 
Gott  Israels'  Mal  2,  16.  In  Israel  habe  ich  Scheidung  gegeben,  aber  nicht  habe  ich 
Scheidung  unter  den  Völkern  der  Welt  gegeben.  R.  Chananja  (um  370)  hat  im  Namen 
des  R.  Pin*^chas  (b.  Chama,  um  360)  gesagt:  Im  ganzen  Abschnitt  Mal  2  steht  , Jahve 
(y'baoth"  geschrieben,  u.  hier  2,  lij  steht  geschrieben  „der  Go.tt  Israels",  um  dich  zu 
lehren,  daß  Gott  seinen  Namen  mit  der  Ehescheidung  nur  in  Israel  vereinigt  hat. 
(Jahve  (^''baoth  bezeichnet  Gott  als  den  Gott  der  ganzen  Welt;  wo  aber  von  der 
Scheidung  die  Rede  ist,  steht  „der  Gott  Israels"  zum  Zeichen,  daß  Gott  die  Ehe- 
scheidung nur  bei  den  Israeliten  sanktioniert  hat.)  Ein  Ausspruch  des  R.  Chijja,  des 
Älteren  (um  200),  lautet:  Nichtisraeliten  haben  keine  Scheidung.  Denn  R.  Chijja  hat 
gelehrt:  Wenn  ein  Nichtisraelit  seine  Frau  verstößt,  u.  sie  geht  hin  u.  verheiratet 
sich  an  einen  andren  u.  dieser  verstößt  sie  u.  hinterher  werden  beide  (der  erste  Mann 
u.  die  Frau)  Proselyten,  so  kann  ich  nicht  (I. -:-s  statt  -:s)  auf  sie  Dt  24,  4  anwenden: 
„Nicht  kann  ihr  erster  Ehemann,  der  sie  entließ,  sie  wiederum  nehmen"  (vielmehr 
darf  er  sie  wiedernehmen,  da  sie  nicht  als  Geschiedene  in  Betracht  kommt;  denn  als 
er  sie  entließ,  waren  beide  Nichtisraeliten,  u.  diese  haben  keine  Scheidung).  —  Die 
Parallelstelle  GnR  18  (12'=)  s.  bei  Mk  10,  12,  B. 

5,32  Sl:  Jeder,  der  sein  Weib  entläßt,  ausgenommen  auf  Grund 
von  Hurerei,  der  macht,  daß  sie  Ehebrecherin  geworden  ist. 

Jesus  erkennt  nur  die  TtoQveia  als  Ehescheidungsgrund  an,  weil 
durch  sie  die  Ehegemeinschaft  tatsächlich  aufgehoben  ist.  Die  alte 
Synagoge  kennt  eine  ganze  Reihe  von  Scheidungsgründen;  dabei  ver- 
tritt die  Schule  Schammais  den  strengeren  Standpunkt,  während  die 
Schule  Hülels  zum  Teil  lax  bis  zur  Frivolität  urteilt.  Die  alttest.  Grund- 
stelle ist  Dt  24, 1:  „Wenn  ein  Mann  ein  Weib  heiratet  u.  die  Ehe  mit 
ihr  vollzieht,  u.  wenn  sie  dann  keine  Gnade  in  seinen  Augen  findet, 
weil  er  an  ihr  etwas  Schandbares  n^'n  r^-,-  gefunden,  u.  er  ihr  einen 
Scheidebrief  schreibt"  usw.  Der  Ausdruck  im  m-iy,  wörtlich:  „eine 
Schande  von  Sache",  d.  h.  eine  schändhche  Sache,  ist  völlig  unbestimmt 
u.  kann  sowohl  etwas  moralisch  Schandbares,  als  auch  etwas  physisch 
Widerwärtiges  bezeichnen. 


'  R.  Jochanan  von  Sepphoris  ist  identisch  mit  R.  Chanin  (Chanan)  von  Sepphoris;  die 
im  Text  folgenden  Worte:  R.  Acha  R.  Chin^'na  sind  sinnlos,  s.  Bacher,  pal.  Amor.  %  524. 


Matth  5,  32  (?l  1)  313 

1.  Auslegung  der  Grundstelle  Dt24,  1. 

Git  9,  10:  Die  Schule  Schammais  hat  gesagt:  Der  Mann  soll  seine  Frau  nur  ver- 
stoßen '^'i',  wenn  er  an  ihr  eine  Sache  von  Schandbarem  ni-v  -:r  (d.  h.  etwas 
Schandbares)  gefunden  hat;  denn  es  heißt  Dt  24,  1:  ,Weil  er  an  ihr  eine  Schande 
von  Sache  gefunden  hat."  Dagegen  sagte  die  Schule  Hilleis:  Auch  wenn  sie  seine 
Speise  hat  anbrennen  lassen;^  denn  es  heißt:  Weil  er  an  ihr  Schandbares  von  irgend 
etwas  gefunden  hat.  (Die  Schule  Schammais  faßt  also  ^a-  n^y  eng  =  eine  schand- 
bare Sache,  d.  h.  Unzuclitssünde,  die  Schule  Hilleis  weit  —  irgend  etwas  Schänd- 
liches, also  nicht  bloß  Unzuchtssünden.)  R.  f  Aqiba  (f  um  lo5)  sagte:  Auch  wenn  er 
eine  andre  findet,  die  schöner  ist  als  sie;  denn  es  heißt  Dt  24,  1:  ,ünd  wenn  sie 
keine  Gnade  -,-  in  seinen  Augen  findet."  (fAqiba  faßt  in  im  Sinne  von  Anmut,  Schön- 
heit.) !l  SDt  24,  1  §269:  „Wenn  sie  keine  Gnade  in  seinen  Augen  findet"  Dt  24,  1. 
Die  Schule  Schammais  sagte:  Der  Mann  soll  seine  Frau  nur  verstoßen,  wenn  er  an 
ihr  eine  schandbare  Sache  "^zn  ri^v  gefunden  hat;  denn  es  heißt  Dt  24,  1 :  Weil 
er  an  ihr  eine  schandbare  Sache  gefunden  hat.  Dagegen  sagte  die  Schule  Hilleis: 
Auch  wenn  sie  seine  Speise  hat  anbrennen  lassen;  denn  es  heißt  Dt  24,  1:  Weil  er 
an  ihr  irgend  etwas  Schandbares  gefunden  hat.  Die  Schule  Hillels  sagte  zur  Schule 
Schammais:  Wenn  es  heißt  „etwas"  ^zr,  warum  wird  (noch)  gesagt  „Schandbares" 
m-'i?  Und  wenn  es  heißt  „Schandbares",  warum  wird  (noch)  gesagt  „etwas"?  Wenn 
gesagt  wäre  „etwas",  aber  nicht  „Schandbares",  so  würde  ich  sagen:  die,  weiche 
wegen  „irgend  etwas"  (aus  seinem  Hause)  wegzieht,  darf  sich  (anderweitig)  ver- 
heiraten, u.  die,  welche  wegen  „Schandbares"  wegzieht,  darf  sich  nicht  (anderweitig) 
verheiraten.  Und  darüber  wundere  dich  nicht:  wenn  sie  (die  Frau,  die  Unzucht  ge- 
trieben) dem  verboten  ist,  der  ihr  (bis  dahin)  erlaubt  war  (d.h.  ihrem  Mann),  sollte 
sie  dann  nicht  dem  verboten  sein,  der  ihr  (bis  dahin)  verboten  war  (d.h.  einem  andren 
Mann)?  Da  sagt  die  Schrift  lehrend  Dt  24,  If.:  („Weil  er  an  ihr  gefunden  hat) 
Schandbares  .  .  .  und  sie  zieht  aus  seinem  Hause  weg  (und  wird  eines  andren  Mannes 
Weib").  Und  wenn  gesagt  wäre  „Schandbares",  aber  nicht  „etwas",  so  würde  ich 
sagen:  Wegen  „Schandbares"  soll  sie  (aus  seinem  Hause)  wegziehen,  wegen  (sonst) 
„irgend  etwas"  soll  sie  nicht  wegziehen.  Da  sagt  die  Schrift  lehrend  „etwas"  "o- 
(hat  er  gefunden)  u.  sie  zieht  aus  seinem  Hause  weg.  R.  ? Aqiba  sagte:  Auch  wenn 
er  eine  andre  findet,  die  schöner  ist  als  sie,  wie  es  heißt  Dt  24,  1  „Wenn  sie  keine 
Gnade  (kein  Wohlgefallen)  in  seinen  Augen  findet."  ||  Git  90^  Bar:  Die  Schule  Hillels 
sagte  zur  Schule  Schammais:  Heii'it  es  nicht  bereits  Dt  24,  1  „irgend  etwas"  -zf? 
Die  Schule  Schammais  antwortete  ihnen:  Heißt  es  nicht  bereits  (das.)  „Schandbares" 
p-fi'?  Die  Schule  Hillels  sagte  zu  ihnen:  Wenn  es  (bloß)  „Schandbares"  hieße  u. 
nicht  „irgend  etwas",  so  würde  ich  sagen:  Wegen  „Schandbares"  soll  sie  (aus  dem 
Hause  ihres  Mannes)  wegziehen,  aber  wegen  (sonst)  „irgend  etwas"  soll  sie  nicht 
wegziehen.  Deshalb  ist  gesagt  worden  „irgend  etwas*  -;■;.  Und  wenn  es. (bloß) 
„irgend  etwas"  hieße  u.  nicht  „Schandbares",  so  würde  ich  sagen:  Wegen  „irgend 
etwas"  darf  sie  sich  an  einen  andren  verheiraten,  aber  wegen  „Schandbares"  darf 
sie  sich  nicht  an  einen  andren  verheiraten.  Deshalb  ist  gesagt  worden  „Schandbares" 
n'^y.  Was  fängt  nun  die  Schule  Schammais  mit  diesem  ^zr  „irgend  etwas"  an?  (Sie 
sagt:)  Es  heißt  hier  Dt  24,  1  -z-j  u.  es  heißt  dort  Dt  19,  Ib  ^z-:  „Auf  Aussage  zweier 

*  Jüdischerseits  (s.  J.  Fürst  bei  Wünsche,  Der  Midrasch  Bemidbar  Rabba  S.  576) 
werden  die  Worte:  „Auch  wenn  sie  seine  Speise  hat  anbrennen  lassen"  bildlich  ge- 
faßt =  „wenn  sie  ihm  Unehre  macht".  Man  verweist  auf  B'rakh  17b  u.  Sanh  lOoS 
wo  von  einem  Sohn  oder  Schüler  die  Rede  ist,  der  seine  Speise  öffentlich  anbrennen 
läßt.  In  diesen  Stellen  ist  Speise  =  Lehre;  die  Wendung  „seine  Speise  anbrennen 
lassen"  besagt  also  soviel  wie  „die  rechte  Lehre  verderben  u.  Irrlehren  aufbringen". 
Daß  dem  Lehrer  eines  solchen  Schülers  dadurch  Unehre  erwächst,  ist  natürlich  richtig: 
aber  das  liegt  nicht  in  jener  Wendung  selbst.  Darum  hat  man  kein  Recht,  dem  obigen 
Ausspruch  der  Hiileliten  den  Sinn  unterzulegen,  „wenn  sie  ihrem  Mann  Unehre  macht". 
Der  Ausspruch  ist  vielmehr  in  seiner  wörtl.  Bedeutung  zu  belassen. 


314  Mattli5,32(2ll) 

Zeugen  oder  auf  Aussage  dreier  Zeugen  bekommt  die  , Sache'  *ia-:  Geltung."  Wie  es 
sich  dort  Dt  19,  15  um  zwei  Zeugen  handelt,  so  bandelt  es  sich  auch  hier  Dt  24,  1 
um  zwei  Zeugen  (d.  h.  nicht  um  irgendeine  beliebige  Sache,  sondern  um  Schandbares, 
das  wie  kriminell  Strafbares  durch  die  Aussage  zweier  Zeugen  festgestellt  werden 
muß).  Die  Schule  Hillels  sagte:  Heißt  es  denn  ^z^z  m-'y  —  Schandbares  auf  Grund 
von  Zeugenaussage?  Und  die  Schule  Schammais  sagte:  Heißt  es  denn  (wie  man 
nach  der  Auffassung  der  Worte  •^21  r'.^'j  seitens  der  Hilleliten  erwarten  sollte)  -s 
~=T  IS  r-.^-y  =  entweder  Schandbares  oder  (sonst)  irgend  etwas?  Die  Schule  Hillels 
antwortete:  Ebendeshalb  steht  -2-  ri-:.-,  das  so  (=  Schandbares)  und  so  (=  sonst 
irgend  etwas)  gedeutet  werden  kann.  R.  fAqiba  sagte:  ,Auch  wenn  er  eine  andre 
findet."  Worauf  beruht  die  Meinungsverschiedenheit?  Es  ist  so,  wie  Resch  Laqisch 
(um  250)  gemeint  hat.  Denn  Resch  Laqisch  hat  gesagt:  Das  Wort  -2  wird  in  vier- 
facher Bedeutung  gebraucht:  es  bedeutet:  -s  wenn:  xt--  vielleicht;  sVs  aber,  sondern; 
s-^  weil.  Die  Schule  Schammais  meinte  nun,  die  Worte  Dt  24,  1  ^zt  r-^v  ra  ss^s  -3 
bedeuteten:  „weil  s-^-:  (=  -:)  er  etwas  Schandbares  an  ihr  gefunden  hat",  u.  R.  fAqiba 
deutete:  „wenn  er  ferner  etwas  Schandbares  an  ihr  gefunden  hat".  |i  pGit  9, 50'\  29: 
Wie  deuten  sie  (die  Hilleliten)  die  Worte  der  Schule  Schammais  (d.  h.  die  Worte 
^:t  niy,  auf  die  sich  die  Schammaiten  berufen)?  (Diese  Worte  sind  geschrieben,) 
damit  man  nicht  sage:  Die  wegen  Schandbares  (aus  dem  Hause  des  Mannes)  Weg- 
ziehende ist  verboten,  die  wegen  einer  andren  Sache  Wegziehende  ist  erlaubt  (zur  ander- 
weitigen Verheiratung).  R.  Schela  aus  K'^phar  T'^marta  (um  280)  hat  gesagt:  Gegen 
die  Meinung  der  Schule  Schammais  (daß  unter  ^a-  r'^y  nur  Schandbares  u.  nicht 
auch  noch  sonst  irgend  etwas  zu  verstehen  sei)  streitet  Dt  24,  4:  „Nicht  kann  ihr 
erster  Ehemann,  der  sie  entließ,  sie  wiederum  nehmen,  daß  sie  sein  Weib  werde." 
Wie  verstehen  wir  diese  Worte?  Wenn  in  dem  Sinne,  daß  sie  sie  ihm  (zur  Wieder- 
heirat) verbieten,  so  ist  sie  ihm  ja  (als  ehebrecherisches  Weib)  bereits  verboten! 
Vielmehr  verstehen  wir  sie  so,  daß  ihm  damit  ein  (weiteres)  Verbot  gegeben  wird 
(nämlich  daß  der  Mann  auch  eine  aus  sonstigen  Gründen  entlassene  Frau  nicht  wieder- 
nehmen kann;  das  zeigt,  daß  -3-  im  Gegensatz  gegen  die  Meinung  der  Schammaiten 
eine  selbständige  Bedeutung  neben  r^^y  hat,  daß  mithin  ^a-  r--i-  im  Sinne  der  Hilleliten 
zu  fassen  ist  =  Schandbares  oder  sonst  irgend  etwas).  Es  heißt  Lv  15,  33:  „Für  die 
durch  ihre  Absonderung  Leidende  u.  für  den,  welcher  an  seinem  Flusse  leidet."  Die 
früheren  Lehrer  haben  gesagt:  Sie  soll  in  ihrer  Absonderung  sein,  sich  nicht  die 
Augen  oder  den  Körper  schminken,  bis  sie  ins  Wasserbad  kommt.  Da  sagte  R.  ?Aqiba 
zu  ihnen:  Von  daher  soll  ein  Beweis  kommen  (daß  die  Menstruierende  sich  nicht 
putzen  dai'f)?  Wenn  du  so  sägst,  so  bringt  sie  sich  auch  noch  selbst  in  Häßlichkeit 
hinein,  so  daß  er  (ihr  Mann)  seine  Augen  darauf  richtet  sie  zu  verstoßen  (denn  Häß- 
lichkeit der  Frau  gilt  nach  R.  fAqiba  als  Scheidungsgrund).  Die  Meinung  der  früheren 
Lehrer  entspricht  derjenigen  der  Schule  Schammais.  (Wie  die  Schule  Seh.,  so  halten 
auch  die  früheren  Lehrer  nur  Schandbares  an  der  Frau  für  einen  Scheidungsgrund; 
darum  befürchten  sie  nicht,  daß  der  Mann  seine  Frau  wegen  häßlichen  Aussehens 
entlassen  werde,  und  darum  verbieten  sie  der  Menstruierenden  sich  zu  putzen.)  Die 
Meinung  des  fAqiba  entspricht  derjenigen  der  Schule  H.  (die  sagt,  daß  der  Mann 
seine  Frau  entlassen  könne,  wenn  er  außer  Schandbarem  auch  sonst  noch  etwas  ihm 
Mißfallendes  an  ihr  findet).  —  Die  Deutung  von  Lv  15,  3H  durch  die  früheren  Lehrer 
u.  ihre  Ablehnung  seitens  des  R.  fAqiba  auch  Siphra  zur  Stelle  (305^)  u.  Schab  64b. 

Die  LXX  haben  die  hierher  gehörenden  Worte  von  Dt  24,  1  wieder- 
gegeben durch:  ort  tvQ8v  sr  amrj  aaxTjfxov  nqaypLa  =  etwas  Unziem- 
liches, Schändliches.  —  Targ  Onk  zu  Dt  24, 1  lautet:  Wenn  ein  Mann  ein 
Weib  nimmt  u.  wohnt  ihr  bei,  u.  wenn  sie  dann  nicht  Gunst  in  seinen 
Augen  findet,  weil  er  an  ihr  die  Übertretung  eines  Gebotes  osr^s  nnn^ 
findet,  so  schreibe  er  ihr  einen  Scheidebrief  usw.  —  Ebenso  Targ  Jerusch  I. 


Matth  5,  32(311.2)  315 

Hiernach  hat  die  Schule  Seh.  in  Übereinstimmung  mit  ungenannten 
älteren  Lehrern  eine  Ehescheidung  nur  dann  für  zulässig  erklärt,  wenn 
sich  die  Frau  etwas  Schandbares  hatte  zuschulden  kommen  lassen.  Als 
.Schriftbeweis  diente  ihr  der  Ausdruck  -i^t  r'i-rj  Dt24, 1,  der  als  ein- 
heitlicher Begriff  gefaßt  u.  gedeutet  wurde  „etwas  Schandbares".  Die 
.gleiche  Ansicht  vertreten  die  LXX.  —  Die  Schule  H.  erkennt  diesen 
Ehescheidungsgrund  der  Schammaiten  an,  fügt  ihm  aber  noch  einen 
izweiten  hinzu:  Der  Mann  darf  seine  Frau  durch  Scheidebrief  entlassen, 
•wenn  er  irgend  etwas  ihm  Mißfälliges  an  ihr  findet.  Beweis:  der  Aus- 
druck -131  p--r  Dt  24, 1,  der  gedeutet  wird:  „Schandbares  u.  sonst  irgend 
■etwas."  —  R.  ^Aqiba,  der  im  übrigen  auf  dem  Standpunkt  der  Hilleliten 
steht,  hält  eine  Ehescheidung  weiter  auch  in  dem  Falle  für  berechtigt, 
daß  sich  die  Neigung  eines  Mannes  einer  Frau  zuwendet,  die  ihm  besser 
rgefällt  als  seine  bisherige  Frau.  Die  biblische  Begründung  gewinnt  er 
«dadurch,  daß  er  den  Kausalsatz:  „weil  er  an  ihr  etwas  Schandbares 
gefunden  hat"  Dt  24, 1  als  Bedingungssatz  faßt.  So  ergibt  ihm  die  Stelle 
folgenden  Sinn:  Wenn  sie  (erstens)  kein  Wohlgefallen  in  seinen  Augen 
findet,  wenn  er  (zweitens)  an  ihr  Schandbares  oder  (drittens)  irgend 
«onst  etwas  an  ihr  gefunden  hat,  so  schreibt  er  ihr  einen  Scheidebrief 
xisw.  —  Targ  Onk  u.  Jerusch  I  kennen  als  einzigen  Scheidungsgrund  die 
Übertretung  eines  Gebotes  durch  die  Frau:  ihnen  ist  im  r.-rr  Dt  24, 1 

2.  Ehescheidungsgründe,  die  auf  selten  der  Frau'  liegen. 

ß.  Der  sowohl  von  den  Schammaiten,  als  auch  von  den  Hilleliten  an- 
erkannte Grundsatz,  daß  eine  Frau  wegen  einer  schandbaren  Sache  zu 
verstoßen  sei,  war  so  allgemein  gehalten,  daß  es  einer  näheren  Be- 
stimmung darüber  bedurfte,  was  als  schandbare  Sache  anzusehen  sei. 

pGit  i\,  bO^,  27  Bar:  Die  Schule  Schammais  sagte:  der  Mann  soll  seine  Frau 
nur  verstoßen,  wenn  er  an  ihr  Schandbares  r---!- >  (=  Unzucht)  gefunden  hat.  Da 
höre  ich  nur  von  einer,  die  allein  wegen  Unzucht  t-.i—j  (aus  dem  Hause  ihres  Mannes) 
■wegzieht.  Woher  in  bezug  auf  diejenige,  die  ausgeht  mit  aufgelöstem  Haar  u.  deren 
Kleider  an  den  Seiten  aufgerissen  u.  deren  Arme  entblöfst  sind?  Die  Schrift  sagt 
lehrend  Dt 2 4,  l :  „Weil  er  an  ihr  irgend  etwas  Schandbares  gefunden  hat."  —  „Schand- 
bares" schlechthin  bedeutet  hiernach  Unzucht;  in  weiterem  Sinne  verstand  man  darunter 
^lles,  was  gegen  die  guten  Sitten  verstieß.  So  auch  TSota  ö,  9  (302):  (R.  Me'ir,  um 
150,  sagte:)  Es  gibt  manchen,  in  dessen  Schüssel  eine  Fliege  fällt;  er  nimmt  sie, 
saugt  sie  aus  u.  ißt  (dann  weiter),  was  in  ihr  ist.  Das  ist  ein  gottloser  Mensch,  der 
«iaht,  wie  sein  Weib  ausgeht  mit  aufgelöstem  Haar,  u.  wie  ihr  Herz  ausgelassen  ist 
mit  ihren  Sklaven  u.  ihren  Nachbarn,  u.  wie  sie  auf  der  Straße  spinnt  u.  mit  den 
Männern  badet.  Eine  solche  (durch  Scheidung)  zu  verstoßen,  ist  ein  Pflichtgebot, 
s.  Dt  24,  1 :  „Wenn  ein  Mann  ein  Weib  heiratet,  .  .  .  u.  wenn  sie  keine  Gunst  in  seinen 
Augen  findet,  weil  er  etwas  Schandbares  an  ihr  gefunden  hat,  .  .  .  u.  sie  zieht  aus 
seinem  Hause  weg"  usw.  —  Parallelstellen  mit  Änderungen  im  einzelnen:  pSota  1, 
11'',  32;  bGit  90^.  ||  Git  89»  Bar:  Ißt  eine  Frau  auf  der  Straße,  trinkt  eine  Frau  gierig 
-auf  der  Straße,  säugt  sie  (ihr  Kind)  auf  der  Straße,  so  soll  sie,  wie  R.  Me'ir  (um  150) 
von  diesen  allen  gesagt  hat,  geschieden  werden.    R.  ?Aqiba  (f  um  135)  sagte:  Wenn 

^  So  die  Mischna  im  pT  u.  Codex  Cambridge. 


316  Matth  5, 82  (?l  2) 

die  im  Mondschein  spinnenden  Weiber  anheben  von  ihr  zu  erzählen.  R.  Jochanan  b. 
Nuri  (um  110)  antwortete  ihm:  In  diesem  Fall  würdest  du  wohl  uusrem  Vater  Abraham? 
keine  Tochter  übrig  lassen,  die  bei  ihrem  Manne  bleiben  dürfte  (denn  gesprochen 
wird  bald  von  einer  Frau),  u.  die  Tora  sagt  Dt  24,  1:  ^Weil  er  an  ihr  eine  schand- 
bare Sache  gefunden  hat",  u.  dort.  Dt  19,  15,  heißt  es:  , Auf  Aussage  zweier  Zeugen 
oder  auf  Aussage  dreier  Zeugen  bekommt  die  Sache  -a-t  Geltung."  Wie  es  sich  dort. 
Dt  19,  15,  um  eine  klare  Sache  handelt,  so  handelt  es  sich  auch  hier,  Dt  24,  1,  um 
eine  klare  Sache  (u.  nicht  um  Weiberklatsch);  vgl.  Git  90''^  S.  313.  —  Die  Mischna. 
hat  diese  Verstöße  gegen  die  guten  Sitten,  die  die  Scheidung  der  Ehe  nach  sich  ziehen, 
als  Übertretungen  des  jüdischen  Rechts  bezeichnet,  s.  K''th  7,  6  (im  nächsten  Absatz). 

ß,  Nach  Targ  Onk  u.  Jerusch  I  zu  Dt  24,  l  (s.  S.  3 14)  gilt  als  Scheidungs- 
grund die  Übertretung  eines  Gebotes  durch  eine  Frau. 

Näheres  erfahren  wir  hierüber  aus  K^'th  7,  6 :  Folgende  Frauen  sind  durch  Scheide- 
brief zu  entlassen,  aber  ohne  Auszahlung  der  Hochzeitsverschreibung:  die,  welche- 
das  Gesetz  Moses  und  das  jüdische  Recht  übertritt.  Was  ist  (in  diesem  Zus.hang) 
mit  dem  Gesetz  Moses  geraeint?  Wenn  zB  die  Frau  ihrem  Mann  ünverzehntetes  zu 
essen  gibt,  oder  wenn  sie  ihn  den  Beischlaf  vollziehen  läßt  während  ihrer  Menstruation 
(ohne  dem  Mann  zu  sagen,  daß  sie  unrein  sei),  oder  wenn  sie  nicht  die  Teighebe  ab- 
sondert, oder  wenn  sie  Gelübde  auf  sich  nimmt  u.  sie  nicht  hält.  Was  ist  mit  jüdi- 
schem Recht  gemeint?  Wenn  sie  mit  aufgelöstem  Haar  ausgeht,  wenn  sie  auf  der 
Straße  spinnt,  wenn  sie  mit  jedem  beliebigen  redet.  Abba  Schasul  (um  150)  sagte:  Auch 
die,  die  des  Mannes  Eltern  in  seiner  Gegenwart  schimpflich  behandelt.  R.  Tarphon 
(um  100)  sagte:  Auch  eine  Schreierin.  Was  ist  eine  Schreierin?  Die,  welche  in  ihrem 
Hause  (vertraulich  mit  ihrem  Manne)  redet,  u.  ihre  Nachbarn  vernehmen  ihre  Stimme.  — 
Diese  Mischna  zeigt,  daß  es  sich  bei  den  Gebotsübertretungen,  die  als  Scheidungs 
grund  gelten,  nicht  allgemein  um  die  Gebote  der  Tora  handelt,  sondern  lediglich  um  die- 
jenigen Gebote,  die  Speziell  den  Frauen  oblagen.  —  Teilweise  parallel  ist  TK'^th.  7, 6  f. 

y,  Ais  weiterer  Scheidungsgrund  erscheint  das  Verhalten  der  Frau,, 
das  geeignet  ist,  den  Mann  in  einen  bösen  Ruf  zu  bringen. 

TK^'th  7,  4:  Wenn  eine  Frau  gelobt,  daß  sie  nicht  verleihen  wolle  Schwinge,  Sieb,. 
Mühle  u.  Backofen,  so  entläßt  er  sie  (durch  Scheidebrief)  u.  gibt  ihr  keine  *  Hochzeits- 
verschreibung, weil  sie  ihn  einen  üblen  Ruf  vor  seinen  Nachbarn  davontragen  läßt.  — 
Die  Baraitha  K'th  72-'  erweitert  das  Gelübde  dahin,  daß  sie  keine  schönen  Kleider 
für  seine  Kinder  wirken  wolle.  —  Hierher  gehört  auch  die  Verletzung  der  Pflicht, 
dem  Manne  die  gebührende  Ehre  zu  erweisen.  Als  Muster  eines  bösen  Weibes  xrr:s 
s:c-a  wird  öfters  die  Gattin  des  R.Jose,  des  Galiläers  (um  110),  hingestellt.  Die- 
Schüler  dringen  in  den  Lehrer,  sie  endlich  durch  einen  Scheidebrief  zu  entlassen; 
dabei  machen  sie  als  Scheidungsgrund  geltend:  „sie  ehrt  dich  nicht!"  pK'^th  ll,ii4b,  52; 
GnR  17  (11^);  LvR  34  (131 '^).  Im  übrigen  war  der  ausgesprochene  Charakter  einer 
Frau  als  sogenanntes  „böses  Weib"  an  u.  für  sich  schon  ein  hinlänglich  triftiger  Grund 
zur  Ehescheidung;  nur  herrschte  Meinungsverschiedenheit  darüber,  ob  ihre  Verstoßung 
ein  Pflichtgebot  für  den  Mann  sei  oder  nicht.  J'^b  63'':  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Es 
ist  ein  Pflichtgebot,  ein  böses  Weib  zu  entlassen;  s.  Spr  22,  10:  „Treibe  den  Spötter 
fort,  so  geht  der  Zank  fort,  u.  ein  Ende  haben  Prozeß  u.  Schimpf."  .  .  .  Im  Buch  de& 
Ben  Sira  steht  geschrieben:  „Eine  gute  Gabe  für  ihren  Mann  ist  ein  gutes  Weib"; 
ferner  heißt  es:  „Ein  gutes  Weib  wird  an  den  Busen  des  Gottesfürchtigen  gelegt" 
(vgl.  Sir  26,  3).  Ein  böses  Weib  ist  Aussatz  für  ihren  Mann.  Was  ist  das  Heil- 
mittel dagegen?  Er  entlasse  sie  (durch  Scheidebrief),  so  wird  er  von  seinem  Aussatz 
geheilt  werden  (vgl.  Sir  25,  25).  Parallelstelle:  Sanh.  100'\  ||  ?Er  41''  Bar:  .  .  .  Drei 
sehen  den  Gehinnom  nicht  (weil  sie  die  Hölle  schon  auf  Erden  gehabt  haben),  näm- 
lich wer  zu   schaffen   hat   mit  drückender  Armut,    mit  Unterleibsleiden  u.  mit   der 


1  So  ist  mit  der  Parallelstelle  bK^^th  72^  zu  lesen. 


Matth  5,  32  (31  2)  31 7 

Obrigkeit  (mit  Gläubigern,  Raschi).  Einige  sagen:  Auch  wer  ein  böses  Weib  hat. 
Jene  (die  ein  böses  Weib  nicht  dazu  rechnen)  halten  dafür,  daß  es  ein  Pflichtgebot 
sei,  sich  von  einem  bösen  Weibe  zu  scheiden  (kommt  der  Mann  also  dieser  Pflicht 
«ach,  so  hat  er  mit  dem  bösen  Weibe  nichts  mehr  zu  schaffen).  Diese  haben  sich  zu 
ihrer  Meinung  bestimmen  lassen,  weil  entweder  ihre  (bei  der  Scheidung  auszuzahlende) 
Hochzeitsverschreibung  sehr  grofs  ist,  oder  auch  weil  er  Kinder  von  ihr  hat,  so  daß 
•er  sich  von  ihr  nicht  mag  scheiden  lassen.  In  bezug  worauf  folgt  hieraus  etwas? 
In  bezug  darauf,  daß  man  jene  Leiden  aus  Liebe  auf  sich  nehme  (denn  dadurch  ge- 
winnen sie  sühnende  Kraft,  um  vor  dem  Gehinnom  zu  bewahren).  —  Auch  R.  Jose, 
der  Galiläer,  beruft  sich  seinen  Schülern  gegenüber  darauf,  daß  die  zurückzuzahlende 
Mitgift  seiner  Frau  zu  groß  sei.  Er  hat  also  die  Scheidung  in  diesem  Fall  nicht  für 
•ein  Pflichtgebot  gehalten.  Erst  als  seine  Schüler  die  erforderliche  Summe  aufgebracht 
3iaben,  willigt  er  in  die  Entlassung  seiner  Frau  ein. 

d\  Auch  die  Kinderlosigkeit  der  Frau  gilt  als  Scheidungsgrund. 

Jeb  6,  6:  Hat  jemand  eine  Frau  geheiratet  u.  zehn  Jahre  mit  ihr  gewartet,  ohne 
•daß  sie  gebar,  so  ist  er  nicht  berechtigt,  ledig  zu  bleiben.  Verstößt  er  sie,  so 
«darf  sie  sich  an  einen  andren  verheiraten,  u.  es  darf  der  zweite  Mann  mit  ihr 
(wiederum)  zehn  Jahre  warten.  Wenn  sie  eine  Fehlgeburt  gehabt  hat,  so  zählt  man 
(die  zehn  Jahre)  von  der  Zeit  der  Fehlgeburt  an.  —  Die  Entlassung  der  unfrucht- 
baren Frau  wird  von  dieser  Mischna  nicht  unbedingt  gefordert;  der  Mann  kann  sie 
-auch  bei  sich  behalten,  nur  muß  er  dann  eine  zweite  Frau  zu  ihr  hinzunehmen.  Da- 
gegen scheint  TJ'^^b  8,  4  (249)  ihre  Entlassung  als  üblich  vorauszusetzen:  Hat  jemand 
«ine  Frau  geheiratet  u.  mit  ihr  zehn  Jahre  gewartet,  ohne  daß  sie  gebar,  so  ist  er 
nicht  berechtigt,  ledig  zu  bleiben,  sondern  er  entläßt  sie  u.  gibt  ihr  die  Hochzeits- 
verschreibung; vielleicht  erlangte  er  es  nicht,  von  ihr  erbaut  zu  werden,  u.  obgleich 
■es  kein  Beweis  ist,  so  ist  doch  eine  Andeutung  in  bezug  hierauf  Gn  16,  3:  ,Da 
nahm  Sarai  die  Ägypterin  Hagar  nach  Ablauf  von  zehn  Jahren  u.  gab  sie  Abram  zum 
Weibe."  Nebenbei  lernen  wir  daraus,  daß  das  Wohnen  außerhalb  des  Landes  (Israel) 
«licht  in  die  Zahl  (der  zehn  Jahre)  miteingerechnet  wird.  War  er  krank  oder  war  sie 
krank  (in  den  zehn  Jahren),  oder  war  ihr  Mann  in  eine  ferne  Gegend  gegangen,  oder 
war  ihr  Mann  im  Gefängnis  gebunden  gewesen,  so  rechnet  man  (die  betreffende  Zeit) 
nicht  in  die  Zahl  der  zehn  Jahre  ein.  Hat  er  sie  entlassen,  so  darf  sie  gehn  u.  sich 
•an  einen  andren  verheiraten;  vielleicht  erlangte  sie  es  nicht,  von  dem  ersten  Mann 
-erbaut  zu  werden  (während  sie  es  beim  zweiten  Mann  möglichenfalls  erreichen  wird).  — 
Dasselbe  als  Bar  J^'b  ri4'\  —  Der  Schriftbeweis  für  die  obige  Mischna  wird  auch 
<jnR  45  (28*^)  von  Resch  Laqisch  (um  250)  aus  Gn  16,  8  geführt. 

e,  Endlich  konnte  der  Mann  seine  Ehe  ohne  weiteres  auflösen,  falls 
die  Frau  den  Voraussetzungen  u.  Bedingungen  nicht  entsprach,  unter 
dienen  er  sie  geheiratet  hatte. 

K"th7,  7:  Wenn  sich  einer  mit  einer  Frau  verlobt  unter  der  Bedingung,  daß 
keine  Gelübde  auf  ihr  liegen,  u.  es  stellt  sich  heraus,  daß  solche  auf  ihr  liegen,  so 
ist  die  Verlobung  ungültig.  Hat  er  sie  heimgeführt,  ohne  der  Gelübde  besonders  Er- 
wähnung zu  tun,  u.  es  stellt  sich  heraus,  daß  solche  auf  ihr  liegen,  so  wird  sie  (durch 
Scheidebrief)  entlassen  ohne  Hochzeitsverschreibung.  (Hat  er  sich  mit  ihr  verlobt) 
unter  der  Bedingung,  daß  keine  Leibesfehler  an  ihr  seien,  u.  es  stellt  sich  heraus, 
daß  solche  an  ihr  sind,  so  ist  sie  ihm  nicht  verlobt.  Hat  er  sie  heimgeführt,  ohne 
<ler  Leibesfehler  besonders  Erwähnung  zu  tun,  u.  es  stellt  sich  heraus,  daß  solche  an 
ihr  sind,  so  wird  sie  entlassen  ohne  Hochzeitsverschreibung.  Alle  Leibesfehler,  die 
bei  den  Priestern  (zum  Priesterdienst)  untauglich  machen,  machen  auch  bei  den 
Frauen  untauglich.  —  Die  mehrfach  erweiterte  Parallelstelle  TK^th  7,  8  f.  (269)  nennt 
als  Beispiele  von  verschwiegenen  Gelübden,  die  die  Auflösung  der  Ehe  rechtfertigen, 
daß   die  Frau   kein  Fleisch   essen  u.  keinen  Wein   trinken  u.  keine    bunten  Kleider 


318  Matth5,32(3l3) 

tragen  wolle.  Der  letzte  Satz  hxutet  in  der  Tosephta:  Alle  Leibesfeliler,  die  bei  deis 
Priestern  untauglich  machen,  mnchen  auch  bei  den  Frauen  untauglich;  darüber  hinau» 
noch  bei  den  Frauen:  Geruch  des  Mundes,  Geruch  des  Schweißes  u.  ein  Mal,  auf  demi 
kein  Haar  ist.  —  Dieser  Satz  auch  pQid  2,  Q2^,  18. 

3.  Ehescheidungsgründe,  die  auf  seiten  des  Mannes  liegen. 

a,  Die  Frau  hat  das  Recht,  die  Auflösung  ihrer  Ehe  zu  fordern,  falls; 
Krankheit  u.  Beruf  des  Mannes  Widerwärtigkeiten  im  Gefolge  haben,, 
bei  denen  die  Fortsetzung  der  Ehe  der  Frau  billigerweise  nicht  zu- 
gemutet werden  kann. 

K'^th  7,  9  f.:  Wenn  am  Mann  Leibesfehler  entstehen  (während  der  Ehe),  so  zwingt, 
man  ihn  (gerichtlicherseitsl  nicht,  sie  zu  entlassen.  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)> 
hat  gesagt:  in  welchem  Fall  gelten  die  Worte?  Bei  kleinen  Leibesfehlern;  aber  bei 
großen  Leibesfehlern  zwingt  man  ihn,  sie  zu  entlassen.  Und  folgende  sind  es,  die  manA 
zwingt,  sie  zu  entlassen:  ein  Aussätziger  yriv  ns-:,  ein  mit  einem  Polypen  (in  der- 
Nase)  Behafteter,  der  Sammler  von  Hundekot  (s.  hernach),  der  Schmelzer  von  Kupfer 
u.  der  Gerber,  gleichviel  ob  er  es  schon  vor  der  Verheiratung  war,  oder  ob  er  es  erst; 
nach  der  Verheiratung  geworden  ist.  Und  über  sie  alle  hat  R.  Meir  (um  L^O)  gesagt.-: 
Selbst  wenn  er  es  (vor  der  Verheiratung)  mit  ihr  vereinbart  (ihr  zur  Bedingung  ge- 
macht) hat,  kann  sie  (hinterher)  sagen:  Ich  habe  geglaubt,  daß  ich  es  würde  ertrageui 
können;  aber  jetzt  kann  ich  es  nicht  ertragen.  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Sie  mufe 
es  wider  Willen  ertragen  mit  Ausnahme  des  Aussätzigen,  weil  sie  diesen  schwind- 
süchtig macht  (durch  ehelichen  Umgang).  Es  geschah  in  Sidon,  daß  ein  Gerber  starb,, 
der  einen  Bruder  hatte,  der  (auch)  Gerber  war  (u.  die  Witwe  zur  Leviratsehe  be- 
anspruchte). Da  erklärten  die  Gelehrten:  Sie  kann  sagen:  Deinen  Bruder  habe  icb 
ertragen  können,  aber  dich  kann  ich  nicht  ertragen!  II  TK'^^th  7,  11  (269):  Wer  ist  mit 
dem  „Sammler"  y^-.i2r:  gemeint?  Das  ist  ein  Gerber.  Andre  sagen:  Das  ist  einer,, 
der  Unrat  sammelt  (der  zum  Walken  u.  Gerben  benützt  wurde);  der  Kupferschmelzer,, 
das  ist  der,  welcher  Kupfer  flüssig  macht;  der  mit  einem  Polypen  Behaftete,  das  ist. 
der,  welcher  Mundgeruch  hat.  R.Jose  b.  J'^huda  (um  180)  hat  gesagt:  in  welchem  Fall 
hat  man  von  dem  (Kot-)Sammler  u.  Kupferschmelzer  u.  Gerber  gesagt:  Er  entlälH  sie 
und  gibt  die  Hochzeitsverschreibung?  Wenn  er  will  u.  sie  nicht  will,  (oder)  wenn  sie 
will  u.  er  nicht  will.  Wenn  aber  beide  wollen  (nämlich  in  der  Ehe  weiterzusammen- 
leben), so  können  sie  es  ausführen;  was  aber  den  Aussätzigen  betrifft,  so  können  sie- 
68,  auch  wenn  beide  wollen,  nicht  ausführen.  Rabban  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140) 
hat  gesagt:  Ich  habe  einen  Alten  unter  den  Aussätzigen  in  Sepphoris  getroffen,  der 
zu  mir  gesagt  hat:  24  Arten  von  Aussatz  gibt  es.  bei  ihnen  allen  ist  die  Frau  schäd- 
lich nur  für  die  mit  dem  triefenden  Aussatz  Behafteten.  —  Parallelstellen:  pK^th 
7,  31'',  2'"^  u.  bK.'^th  77'*;  in  der  letztern  Stelle  die  Bemerkung:  Was  bedeutet  yopn 
Sammler?  Rab  J*^huda  (f  299)  hat  gesagt:  Der  Sammler  von  Hundekot. 

/:?, -Eigentümlich  mutet  eine  ganze  Reihe  von  Stellen  an,  in  denen  von 
Gelübden  geredet  wird,  zu  denen  der  Mann  seine  Frau  nötigt  u.  deren 
Durchführung  diese  in  eine  äußerst  unwürdige  Lage  bringen  mußte. 
Um  die  Frauen  hiergegen  zu  schützen,  setzt  die  Mischna  die  Fälle 
fest,  in  denen  das  Vorgehen  der  Männer  mit  der  Auflösung  der  Ehe  u. 
der  Auszahlung  der  Hochzeitsverschreibung  zu  beantworten  sei.  Das 
Ganze  macht  aber  durchaus  den  Eindruck,  als  ob  es  sich  schließlich 
nur  um  einen  Kniff  der  Männerwelt  gehandelt  habe,  auf  diese  Weise- 
ein bequemes  Ehescheidungsmittel  in  die  Hand  zu  bekommen. 

K'^th  5,  h:  R.  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Auch  wenn  jemand  seine  Frau 
nötigt  zu  geloben,  daß  sie  keine  Arbeit  verrichten  wolle,  so  hat  er  sie  zu  entlassen 


Matth  5,  32  (?l  3.  4)  319 

und  ihre  Hocbzeitsverschreibung  auszuzahlen;  denn  der  Müßiggang  führt  zur  Geistes- 
zerrüttung. ]i  TK'^th  7,  4  (26^):  Wenn  jemand  seine  Frau  nötigt  zu  geloben,  daß  sie 
nicht  verleihen  wolle  Schwinge,  Sieb,  Mühle  u.  Backofen,  so  muß  er  sie  entlassen 
u.  die  FI. verschr.  auszahlen;  weil  sie  (dadurchl  einen  bösen  Ruf  vor  ihren  Nachbarn 
davonträgt.  (Ähnlich  TK^'th  7,  4  S.  316.)  —  Dasselbe  als  Bar  K^th  72^  II  TK«th  7, 6  (269) : 
Wenn  jemand  seine  Frau  nötigt  zu  geloben,  daß  sie  von  ihrer  Speise  jedermann 
wolle  kosten  lassen,  oder  daß  sie  füllen  u.  auf  den  Dunghaufen  ausschütten  wolle, "^ 
oder  daß  sie  jedermann  die  Worte  erzählen  wolle,  die  zwischen  ihm  u.  ihr  gesprochen 
würden,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen,  weil  er  nicht  mit  ihr 
nach  dem  Gesetz  Moses  u.  Israels  verfuhr.  —  Dasselbe  etwas  kürzer  K^'th  7,  5.  !| 
K<^th  7,  1 :  Wenn  jemand  seine  Frau  nötigt  zu  geloben,  daß  sie  keinen  Genuß  von 
ihm  haben  wolle,  so  muß  er  bis  zu  80  Tagen  hin  ihr  einen  Versorger  bestellen  (falls 
sie  sich  vom  Verdienst  ihrer  eignen  Hände  nicht  zu  ernähren  vermag);  wenn  das 
Gelübde  über  diese  Zeit  hinausgeht,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  aus- 
zahlen. R.  J'^'huda  (um  150)  sagte:  Bei  einem  (gewöhnlichen)  Israeliten,  wenn  das 
Gelübde  einen  Monat  gilt;  wenn  aber  zwei,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr. 
auszahlen;  u.  bei  einer  Priesterfrau, '^  wenn  es  zwei  Monate  gilt;  wenn  aber  drei,  sc» 
muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen.  Parallelstelle:  TK'^th  7,  1  (26S).  j] 
K'^th7,  2:  Wenn  jemand  seine  Frau  nötigt  zu  geloben,  daß  sie  keine  von  allen  Früchten 
genießen  wolle,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen.  R.  J^huda  (um 
150)  sagte:  Bei  einem  Israeliten,  wenn  das  Gelübde  Einen  Tag  gilt;  wenn  aber  zwei, 
muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen;  bei  einer  Priesterfrau,  wenn  es  zwei 
Tage  gilt;  wenn  aber  drei,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen.  — 
Parallelstelle  TK«^th'7,  2  (268);  hier  bemerkt  R.  J^huda:  Die  Töchter  Israels  wollen 
lieber  keine  Speise  u.  Früchte  kosten,  als  einen  Tag  von  ihren  Männern  geschieden 
sein.  II  KHh  7,  o:  Wenn  einer  seine  Frau  nötigt  zu  geloben,  daß  sie  sich  mit  keinerlei 
Schmuck  von  allen  Arten  schmücken  wolle,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  ihre  H. verschr. 
auszahlen.  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Bei  Armen,  wenn  er  keine  bestimmte 
Zeit  angegeben  hat  (diese  darf  jedoch  höchstens  1 2  Monate  betragen),  bei  Reichen 
dreißig  Tage.  —  Ausführlicher  TK'th  7,  3  (268).  ||  K^th  7,4:  Wenn  jemand  seine  Frau 
nötigt  zu  geloben,  daß  sie  nicht  in  das  Haus  ihres  Vaters  gehn  wolle,  so  gilt  das, 
falls  der  Vater  bei  ihr  in  der  Stadt  wohnt,  einen  Monat;  wenn  aber  zwei,  so  muß  er 
sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen.  Falls  er  in  einer  andren  Stadt  wohnt,  so  gilt 
es  für  Ein  Fest  [wenn  aber  für  zwei  Feste,  so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr. 
auszahlen;  bei  einem  Priester  gilt  es  für  zwei  Feste], ^  wenn  aber  für  drei  Feste,  so 
muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen.  ||  K^th  7,  5:  Wenn  jemand  seine  Frau 
nötigt  zu  geloben,  daß  sie  in  kein  Trauerhaus  u.  in  kein  Hochzeitshaus  gehn  wolle, 
so  muß  er  sie  entlassen  u.  die  H. verschr.  auszahlen,  weil  er  vor  ihr  zuschließt  (er 
entzieht  sie  der  Gemeinschaft  mit  den  Menschen,  so  daß  später  auch  um  sie  niemand 
sich  kümmern  wird).  Wenn  er  sich  aber  wegen  einer  andren  Sache  zu  beklagen  hat 
(daß  seine  Frau  dort  mit  zügellosen  Männern  zusammentreffe),  so  ist  er  dazu  berechtigt 
(u.  braucht  seine  Frau  nicht  zu  entlassen).  —  Parallelstelle  TK^'th  1,  5  (269). 

4.  Auf  Grund  der  in  Nr.  1 — 3  beigebrachten  Stellen  wird  man  sagen 
dürfen,  daß  es  in  der  mischnischen  Periode  keine  Ehe  im  jüdischen 
Volk  gegeben  hat,  die  nicht  kurzerhand  vom  Manne  in  völlig  legaler 

'  Hierzu  heißt  es  KHh  72 ^r  Sch®niuel  (f  254)  sagte:  Wenn  sie  (das  semen  virile) 
empfangen  hat,  soll  sie  es  (durch  schnelles  Gehen  u.  dgl.)  wieder  von  sich  geben. 
Nach  einer  Bar:  Sie  soll  10  Krüge  mit  Wasser  füllen  u.  sie  dann  wieder  auf  den  Dung 
gießen  (d.  h.  sie  soll  etwas  Unnützes  u.  darum  sie  Entwürdigendes  tun).  —  Ähnlich 
pKHh7,3l^51. 

■^  Die  längere  Frist  bei  der  Priesterfrau  hat  ihren  Grund  darin,  daß  der  Priester 
seine  entlassene  Frau  niemals  wiedernehmen  durfte. 

^  Diese  eckig  eingeklammerten  Worte  fehlen  irrig  im  Text,  s.  K'^th7l''. 


320  Matth  5,  32  (%  4.  5.  SB) 

Weise  durch  Aushändigung  eines  Scheidebriefes  hätte  gelöst  werden 
können.  Und  dafs  es  später  nicht  anders  gewesen  ist,  beweist  Git  90=*: 
Rab  Papa  (f  376)  hat  zu  Raba  (f  352)  gesagt:  Wenn  er  an  ihr  weder 
Schandbares  (Unzucht)  noch  sonst  etwas  gefunden  hat  (sie  aber  gleich- 
wohl entlassen  hat),  wie  verhält  es  sich  da  (muß  er  die  Geschiedene 
wieder  zu  sich  nehmen)?  Er  antwortete:  Was  er  getan  hat,  das  hat  er 
getan!  —  Also  selbst  die  ohne  jeden  Grund  erfolgte  Auflösung  einer 
Ehe  ist  gültig,  so  daß  der  Mann  nicht  gezwungen  werden  kann,  seine 
geschiedene  Frau  wieder  zu  sich  zu  nehmen. 

5.  Aussprüche  gegen  das  leichtfertige  Auflösen. 

Git  90'':  Rab  M^'scharscheja  (um  350)  hat  zu  Raba  (f  352)  gesagt:  Wenn  der  Mann 
seinen  Sinn  darauf  richtet,  seine  Frau  zu  verstoßen,  während  diese  bei  ihm  weilt  u. 
ihm  dient,  wie  verhält  es  sich  da?  Er  wandte  auf  einen  solchen  (Spr3,  29)  an:  , Be- 
reite nichts  Böses  wider  deinen  Nächsten,  während  er  im  Vertrauen  bei  dir  weilt."  || 
Git  90":  r^h-j  azv  -3  (Mal  2,  16:  Denn  ich  hasse  Scheidung).  R.  J'^huda  (um  150)  sagte: 
Wenn  du  deine  Frau  hassest,  so  entlasse  sie.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gehaßt 
ist,  der  entläßt.  Sie  sind  aber  nicht  verschiedener  Meinung:  in  dem  einen  Fall  (näm- 
lich in  R.  Joclianans  Ausspruch)  handelt  es  sich  um  die  erste  Gattin,  im  andren  Fall 
um  die  zweite.  Denn  R.  El?azar  (um  27(i)  hat  gesagt:  Wenn  einer  seine  erste  Frau 
verstößt,  so  vergießt  selbst  der  Altar  über  ihn  Tränen;  vgl.  Mal  2,  13f.:  „Und  dies 
tut  ihr  zweitens:  ihr  bedeckt  mit  Tränen  den  Altar  Jahves,  mit  Weinen  u.  Wehklagen, 
so  daß  er  sich  nicht  mehr  der  Opfergabe  zuwenden  mag  u.  hinnehmen  will  Wohl' 
gefälliges  aus  eurer  Hand.  Und  sagt  ihr:  Weswegen?  Weil  Jahve  Zeuge  ist  zwischen 
dir  u.  dem  Weibe  deiner  Jugend,  an  dem  du  treulos  gehandelt  hast,  da  sie  doch  deine 
Gefährtin  u.  das  Weib  deines  Bundes  ist."  —  Der  Ausspruch  des  R.  Ehazar  auch 
Sanh  22*.  |l  Sanh  22*:  Rab  Schämen  b.  Abba  (wann?)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie 
hart  eine  Scheidung  ist!  Denn  siehe,  dem  König  David  erlaubte  man  (mit  Abischag) 
zusammenzuseiu,  s.  1  Kg  1,  1  ff.,  aber  man  erlaubte  ihm  nicht,  eine  von  seinen  18  Frauen 
zu  verstoßen  (um  A.  zu  heiraten). 

5,32  JB:  Wer  dieGeschiedne  heiratet,  macht  sich  zum  Ehebrecher. 

Dergleichen  Gedanken  kennt  die  alte  Synagoge  nicht;  höchstens 
warnt  man  aus  Klugheitsgründen  vor  der  Eingehung  der  Ehe  mit  einer 
Geschiedenen.»  Nur  die  Verheiratung  der  ehebrecherischen  Frau  mit 
ihrem  Buhlen  war  verboten,  b 

a.  SDt24,  2  §270:  ,Wenn  sie  (die  Geschiedene)  hingeht  u.  eines  andren  Mannes 
wird"  Dt  24,2;  darin  liegt,  daß  sie  sich  nicht  mit  ihm  in  der  Nachbarschaft  (dos  ersten 
Mannes)  verheiraten  darf.  , Eines  andren  Mannes",  schon  die  Tora  nennt  ihn  einen 
„andren"  (s.  Git  90 '^,  nächstes  Zitat).  „Wenn  der  zweite  Mann  ihr  gram  wird"  Dt  24, 3, 
die  Schrift  kündet  es  dir  (im  voraus)  an,  daß  du  sie  dereinst  hassen  wirst.  „Oder 
wenn  der  zweite  Mann  stirbt"  (das.),  die  Schrift  kündet  es  dir  (im  voraus)  au,  daß 
sie  ihn  dereinst  begraben  wird.  (Sinn:  Die  Fjhe  mit  einer  Geschiedenen  bringt  kein 
Glück.)  —  Diese  Auslegung  auch  im  Targ  Jerusch  I  Dt  24,  3.  ||  Git  90^:  „Wenn  sie  hin- 
geht u.  eines  andren  Mannes  wird"  Dt  24,  2;  die  Schrift  nennt  ihn  einen  „andren", 
weil  er  kein  Gesinnungsgenosse  des  ersten  Mannes  ist:  dieser  entließ  die  Gottlose 
aus  seinem  Hause,  u.  dieser  führt  die  Gottlose  in  sein  Haus  ein.  Ist  der  zweite  Mann 
dessen  würdig,  so  entläßt  er  sie;  denn  es  heißt  Vers  3:  „Wenn  der  zweite  Mann  ihr 
gram  wird"  usw.;  wenn  aber  nicht,  so  begräbt  sie  ihn,  denn  es  heißt:  „Oder  wenn 
der  zweite  Mann  stirbt";  er  hat  den  Tod  verdient;  denn  der  eine  entließ  die  Gottlose 
aus  seinem  Haus  u.  der  andre  führte  die  Gottlose  in  sein  Haus  ein.  —  Diese  Stelle 


Matth  5,  32  (SB).  5,  33  (Nr.  1  a.  b)  321 

auch  TSotao,  9  (302).  1|  P'^s  112»:  Fünf  Vorschriften  hat  R.  ?Aqiba  (f  um  135),  als  er 
gebunden  im  Gefängnis  lag,  dem  R.  Schim?on  b.  Jochai  gegeben:  Koche  nicht  in  einem 
Topf,'  in  welchem  ein  andrer  gekocht  hat.  Was  heißt  das?  Damit  ist  eine  geschiedene 
Frau  gemeint,  solange  ihr  (früherer)  Mann  noch  am  Leben  ist.  Denn  ein  Autor  hat 
gesagt:  Wenn  ein  Geschiedener  eine  Geschiedene  heiratet,  so  sind  viererlei  Gedanken 
im  Bett,  und  wenn  du  willst,  so  sage,  daß  dies  auch  bei  einer  Witwe  gilt;  denn  nicht 
alle  Finger '  sind  gleich.  —  Unhaltbar  ist  die  Bemerkung  T.  Tals,  Een  Blik  79, 
daß  der  Talmud  in  dieser  Stelle  vom  sittlichen  Standpunkt  aus  die  Ehe  mit  einer 
geschiedenen  Frau  für  Ehebruch  halte. 

b.  Sota  5,  1 :  Wie  sie  (die  des  Ehebruchs  verdächtige  Frau)  ihrem  Gatten  verboten 
ist,  so  ist  sie  auch  dem  Buhlen  verboten. 

5,33:  Du  sollst  nicht  falsch  schwören,  du  sollst  aber 

dem  Herrn  deine  Eidschwüre  halten. 
1.  Die  Mischna  kennt  folgende  Arten  von  Schwüren: 

a.  1VJ3  tysyy::  Schwur  gleichgültigen  Inhalts  zur  Bekräftigung  oder 
Beteuerung.  Vier  Unterarten:  affirmativ,  negativ,  promissorisch,  asser- 
torisch. Vorsätzliche  Übertretung  wird  mit  Geißelung  bestraft,  un- 
vorsätzliche mit  einem  Opfer  je  nach  den  Vermögensverhältnissen  des 
Betreffenden  gesühnt. 

Sch*^bu  3,  1 :  Es  gibt  zwei  Schwüre,  welche  vier  betragen:  Ich  schwöre  nynattj,  daß 
ich  essen  werde,  daß  ich  nicht  essen  werde,  daß  ich  gegessen  habe,  daß  ich  nicht  ge- 
gessen habe.  |  Sch''bu3,  5:  Gleichviel  ob  das  Beschworene  ihn  selbst  oder  andere  an- 
geht, ob  es  sich  auf  Wesenhaftes  (Konkretes)  oder  auf  Nichtwesenhaftes  (Abstraktes) 
bezieht.  Wie  denn?  Es  sagt  einer:  Ich  schwöre  nyia-a,  daß  ich  dem  u.  dem  Manne 
etwas  geben  werde,  oder  daß  ich  ihm  nicht  geben  werde;  daß  ich  gegeben  habe  oder 
daß  ich  nicht  gegeben  habe;  daß  ich  schlafen  werde  oder  daß  ich  nicht  schlafen 
werde;  daß  ich  geschlafen  habe  oder  daß  ich  nicht  geschlafen  habe;  daß  ich  einen 
Stein  ins  Meer  werfen  werde  oder  daß  ich  nicht  werfen  werde;  daß  ich  geworfen  habe 
oder  daß  ich  nicht  geworfen  habe.  R.  Jischmafel  (f  um  13.!))  sagte:  Man  wird  nur 
schuldig  wegen  eines  auf  die  Zukunft  gehenden  (promissorischen)  Schwures;  vgl.  Lvö,  4: 
,  Falls  jemand  mit  den  Lippen  schwatzend  schwört,  es  sei  nun  Böses  zu  tun  oder 
Gutes"  (beides  gehört  der  Zukunft  an).  Es  antwortete  ihm  R.  ?Aqiba  (f  um  135):  Wenn 
dem  so  wäre,  so  würde  ich,  in  Lv  5,  4,  nur  von  solchen  Schwüren  hören,  in  denen 
Schlimmes  oder  Gutes  liegt;  woher  aber  dann  der  Schriftbeweis  für  Schwüre,  in  denen 
nichts  Schlimmes  oder  Gutes  liegt?  Jener  sprach:  Daher,  daß  der  Schriftvers  fortfährt . 
einschließend  zu  reden  (Lv5,  4:  Bezüglich  „alles"  dessen,  was  der  Mensch  schwörend 
schwatzt.  Dies  , alles"  schließt  auch  diejenigen  Schwüre  ein,  die  weder  Gutes  noch 
Schlimmes  enthalten).  R.  fAqiba  antwortete:  Wenn  die  Schrift  nach  dieser  Seite  hin 
einschließt,  dann  schließt  sie  auch  nach  jener  Seite  hin  ein  (nämlich  diejenigen  Schwüre, 
die  nicht  auf  die  Zukunft,  sondern  auf  die  Vergangenheit  sich  beziehen).  |i  Sch^bu  3,  7: 
Das  ist  ein  unbedachtsam  entfahrener  Schwur,  für  dessen  vorsätzliche  Verletzung  man 
sich  der  Geißelung  u.  für  dessen  unvorsätzliche  Verletzung  man  sich  eines  steigenden 
oder  fallenden  Opfers  schuldig  macht. 

b.  xid  r,?^;"^  eitler,  lügenhafter  oder  falscher  Schwur,  der,  wenn 
vorsätzlich  ausgesprochen,  mit  Geißelung  bestraft  wird,  wenn  un- 
vorsätzlich, straffrei  bleibt. 

Sch^'bu  3,  8:  Was  ist  ein  eitler  (falscher)  Schwur?  Wenn  jemand  schwört,  daß  etwas 
anders  sei,  als  es  den  Leuten  bekannt  ist.  Er  sagt  zB  von  einer  Steinsäule,  sie  sei  aus  Gold, 


^  Topf  u.  Finger  sind  Euphemismen. 
Strack  u.  Billerbeck.  NTI.  21 


322  Matth  5,  33  (Nr.  1  b.  c) 

oder  von  einem  Manne,  er  sei  eine  Frau,  oder  von  einer  Frau,  sie  sei  ein  Mann.  Oder  er 
beschwört  etwas,  was  nicht  möglich  ist.  (Er  sagt  zB:  Mir  soll  das  u.  das  geschehen) 
wenn  ich  nicht  ein  Kamel  gesehen  habe,  das  in  der  Luft  flog,  wenn  ich  nicht  eine 
Schlange  gesehen  habe,  die  einem  Preßbalken  glich.  Oder  er  sagt  zu  den  Zeugen: 
'^Kommt  u.  legt  für  mich  Zeugnis  ab  (u.  sie  antworten:)  Schwur!  (=  wir  schwören) 
daß  wir  kein  Zeugnis  für  dich  ablegen  werden  (so  haben  die  Zeugen  einen  falschen 
Schwur  geleistet,  falls  sie  für  ihn  ein  Zeugnis  hätten  ablegen  können,  vgl.  Lv  5,  1). 
Oder  wenn  einer  schwört,  daß  er  ein  Gebot  unbeachtet  lassen  werde,  daß  er  keine 
Laubhütte  anfertigen,  daß  er  keinen  Feststrauß  (am  Laubhüttenfest)  nehmen,  daß  er 
keine  Gebetsriemen  anlegen  werde,  so  ist  dies  ein  eitler  (falscher)  Schwur,  für  welchen 
man  sich  bei  Vorsätzlichkeit  der  Geißelung  schuldig  macht  u.  für  welchen  man  bei 
Unvorsätzlichkeit  straffrei  bleibt.  ||  Sch'^^bu  3,  10 f.:  Der  unbedachtsam  entfahrene  Schwur 
bat  Geltung  bei  Männern  u.  bei  Frauen,  bei  Fremden  u.  bei  Verwandten,  bei  (als  Zeugen) 
Zulässigen  u.  bei  Nichtzulässigen,  vor  Gericht  u.  außerhalb  des  Gerichts;  u.  wenn  der 
Schwur  aus  seinem  eignen  Munde  gekommen  ist  (vgl.  den  Gegensatz  weiter  unten).  .  .  . 
Der  eitle  (falsche)  Schwur  hat  Geltung  bei  Männern  u.  bei  Frauen,  bei  Fremden  u. 
bei  Verwandten,  bei  (als  Zeugen)  Zulässigen  u.  bei  Nichtzulässigen,  vor  Gericht  u. 
außerhalb  des  Gerichts,  u.  wenn  der  Schwur  aus  seinem  eignen  Mund  gekommen 
ist.  .  .  .  Sowohl  bei  diesem  als  auch  bei  jenem  Schwur  ist  man  schuldig,  wenn  man 
aus  dem  Munde  andrer  beschworen  wird.  Wie  denn?  Wenn  zB  jemand  gesagt  hat: 
Ich  habe  heute  nicht  gegessen,  ich  habe  heute  keine  Gebetsriemen  angelegt  (u.  dann 
kommt  ein  andrer  u.  sagt  zu  ihm:  Ich  beschwöre  dich!  u.  er  (der  Beschworene)  ant- 
wortet dann:  Amen!  so  ist  er  (der  Beschworene)  schuldig  (auch  wenn  das  eigentliche 
Schwurwort  nicht  aus  seinem  eignen  Munde  kam). 

e.  wis:ri  nr^np,  nicht:  „Zeugeneid"  im  Sinne  unsres  heutigen  Sprach- 
gebrauchs, nach  welchem  wir  darunter  einen  Eid  verstehn,  den  die 
Zeugen  über  ihre  Zeugenaussagen  abzulegen  haben  (einen  solchen 
Zeugeneid  kennt  das  biblisch-jüdische  Recht  überhaupt  nicht),  sondern: 
„Zeugniseid",  d.h.  ein  Eid,  durch  den  jemand,  der  aufgefordert  worden 
ist,  für  einen  andren  ein  Zeugnis  abzulegen,  erklärt,  daß  er  von  der 
Sache  nichts  wisse;  der  Zeugniseid  dient  also  zur  Bekräftigung  der 
Ablehnung  einer  Zeugenaussage. 

Sch''bu4,  3:  Wie  verhält  es  sich  mit  einem  Zeugniseid?  Wenn  jemand  zu  zweien 
sagt:  Kommt  u.  legt  Zeugnis  für  mich  ab,  (u.  sie  antworten  ihm:)  Schwur!  (=  wir 
schwören)  daß  wir  kein  Zeugnis  für  dich  wissen!  oder  wenn  sie  zu  ihm  sagen:  Wir 
wissen  kein  Zeugnis  für  dich!  (u.  er  sagt  darauf  zu  ihnen:)  Ich  beschwöre  euch!  u. 
sie  antworten:  Amen!  —  so  sind  sie  schuldig  (falls  sie  für  ihn  ein  Zeugnis  hätten 
können  ablegen).  Hatte  er  sie  fünfmal  außerhalb  des  Gerichts  beschworen  (ohne  daß 
sie  sich  zum  Zeugnis  bereit  finden  ließen),  dann  aber  erscheinen  sie  vor  Gericht  u. 
legen  ihr  Zeugnis  ab,  so  sind  sie  straffrei.  Leugnen  sie  aber  auch  vor  Gericht  (wider 
besseres  Wissen),  so  sind  sie  wegen  jeder  einzelnen  Beschwörung  straffällig.  |  Sch^bu 
4,  1.  2:  Der  Zeugniseid  hat  Geltung  bei  Männern,  aber  nicht  bei  Frauen;  bei  Fremden, 
aber  nicht  bei  Verwandten;  bei  den  (als  Zeugen)  Zulässigen,  aber  nicht  bei  den  Un- 
zulässigen, auch  nur  bei  denjenigen,  die  Zeugnis  ablegen  dürfen,^  sowohl  vor  Gericht 
als  auch  außerhalb  des  Gerichts,  wenn  der  Eid  (das  eigentliche  Schwurwort)  aus  des 
betreffenden  Zeugen  eignem  Munde  gekommen  ist;  wenn  er  aber  aus  dem  Munde 
andrer  (also  derer,  die  das  Zeugnis  für  sich  nötig  haben)  gekommen  ist  (u.  die  Zeugen 
die  Beschwörung  mit  Amen  beantwortet  haben,  vgl.  das  vorige  Zitat),  so  machen  sie 
sich  erst  straffällig,  wenn  sie  ihr  Zeugnis  vor  Gericht  ableugnen.  Das  sind  Worte  des 


^  Letztere  Bemerkung  schließt  nach  Sch^buSH  den  König  u.  dea Würfelspieler 
aus;  über  die  als  Zeugen  Unzulässigen  s.  bei  Mt  26,  60. 


Matth  5,  33  (Nr.  1  d.  e)  323 

R.  Meü-  (um  150);  die  Gelehrten  aber  sagten:  ob  der  Eid  aus  ihrem  eignen  Munde  oder 
aus  dem  Mund  andrer  gekommen  ist,  sie  sind  erst  schuldig,  wenn  sie  ihr  Zeugnis  vor 
Gericht  ableugnen. .  .  .  Was  sind  srie  wegen  des  vorsätzlichen  (falschen)  Eides  schuldig? 
Ein  steigendes  u.  fallendes  Opfer. 

d.  ••iii5sri  TO^ind,  wörtlich  „Depositeneid",  war  als  Reinigungseid  von 
einem  Verklagten  zu  leisten,  der  beim  Mangel  von  Zeugen  oder  andren 
Beweismitteln  leugnete,  ein  anvertrautes  oder  gestohlenes  oder  ge- 
fundenes Gut  zu  besitzen,  eine  israelitische  Tochter  verführt  u.  ge- 
schändet, einem  andren  eine  Körperverletzung  beigebracht  oder  irgend- 
einen Schaden  durch  eins  seiner  Tiere  verursacht  zu  haben. 

Sch®bu  5,  1  f. :  Der  Eid  wegen  eines  anvertrauten  Gutes  hat  Geltung  bei  Männern 
u.  bei  Frauen,  bei  Fremden  u.  Verwandten,  bei  (als  Zeugen)  Zulässigen  u.  bei  Unzulässigen, 
vor  Gericht  u.  aufserhalb  des  Gerichts,  wenn  er  aus  seinem  (des  Beschuldigten)  eignen 
Mund  kommt;  wenn  aber  der  Eid  (das  eigentliche  Schwurwort)  aus  dem  Munde  andrer 
kommt,  so  ist  er  erst  schuldig  (vorausgesetzt,  daß  sein  Eid  ein  falscher  ist),  wenn  er- 
es vor  Gericht  ableugnet.  So  R.  Me'ir  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Ob  der 
Eid  aus  seinem  eignen  Mund  oder  aus  dem  Mund  andrer  kommt,  sobald  er  es  ab- 
leugnet, macht  er  sieh  schuldig  (falls  er  falsch  geschworen  hat).  .  .  .  Und  was  ist  man 
für  das  vorsätzliche  Abschwören  schuldig?  Ein  Schuldopfer  im  Wert  von  (zwei)  Scheqel 
(vgl.  Lv  5,  21  ff.  u.  Siphra  zur  Stelle).  Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Depositeneid?  Wenrt 
einer  zum  andren  sagt:  Gib  mir  mein  anvertrautes  Gut,  das  ich  bei  dir  habe,  (u.  dieser 
erwidert:)  Schwur!  (=  ich  schwöre,)  daß  du  nichts  bei  mir  hast,  oder  wenn  er  ant- 
wortete :  Du  hast  nichts  bei  mir,  (u.  jener  dann  sprach :)  Ich  beschwöre  dich,  u.  dieser  dann 
antwortete:  Amen!  siehe,  so  ist  er  schuldig  (falls  er  die  Unwahrheit  beschworen  hat). 

e.  dii^'in  nr^i^d,  der  richterliche  Eid,  war  meist  als  Reinigungseid 
zu  leisten  von  einem  Schuldner,  der  einen  Teil  der  Forderung  ab- 
leugnete. „Alle,  die  nach  der  Tora  einen  Eid  zu  leisten  haben,  schwören 
u.  bezahlen  nicht"  (Sch^bu  7, 1).  Das  Klageobjekt  sollte  mindestens 
2  Silbermafa  1  P'^ruta  (s.  S.  293  Nr.  14  f.)  betragen,  während  der  vom 
Schuldner  zugestandene  Schuldteil  mindestens  den  Wert  einer  P«ruta 
haben  muMe  (Sch'bu  6, 1).  —  Der  Eid  war  nur  zu  leisten  bei  Forde- 
rungen von  Dingen,  die  gemessen,  gewogen  oder  gezählt  wurden;  da- 
gegen nicht,  wenn  das  Klageobjekt  Sklaven,  Schuldscheine,  Grundstücke 
oder  geheiligte  Gegenstände  waren,  das.  6,  5.  —  Der  richterliche  Eid 
kam  aber  auch  in  gewissem  Sinn  als  Erfüllungseid  in  Betracht;  vgl. 
Sch'^bu  7,  1:  Folgende  schwören  (nämlich  die  D^j-^-rn  rw^n^]  u.  erhalten 
(die  Klagesumme):  Der  Lohnarbeiter,  der  Beraubte,  der  Verwundete, 
der  dessen  Prozeßgegner  wegen  (Falsch-)Eides  verdächtig  ist,  u.  der 
Kaufmann  auf  Grund  seines  .Geschäftsbuches.  —  Ebenso  konnte  auch 
eine  Frau,  die  nur  einen  Teil  ihrer  Hochzeitsverschreibung  erhalten 
hatte,  ihre  Restforderung  nur  durch  Leistung  dieses  richterhchen  Eides 
erlangen,  das.  7,  7.  —  Die  Ablegung  dieses  Eides  erfolgte  unter  Beob- 
achtung einer  gewissen  Feierlichkeit:  es  ging  ihm  eine  Eidesvermahnung 
voraus,  u.  der  Schwörende  mußte  —  wenigstens  in  der  talmud.  Zeit  — 
während  des  Schwurs  eine  Gesetzesrolle  in  seiner  Hand  halten. 

Sch'^buSSb;  Der  Schwur  wird  stehend  geleistet,  ein  Gelehrtenschüler  darf  dabei 
auch  sitzen ;  der  Schwur  wird  mit  einem  Torabuch  geleistet,  der  Gelehrtenschüler  darf 

21* 


324  Matth  5,  33  (Nr.  1  e.  f ) 

es  auch  von  vornherein  mit  den  Gebetsriemen.  Bar:  Der  richterliche  Eid  kann  gleich- 
falls in  jeder  Sprache  gesprochen  werden.  Man  sagt  zu  dem  Schwörenden:  Wisse, 
daß  die  ganze  Welt  erbebte,  als  Gott  auf  dem  Sinai  sprach:  ,Du  sollst  den  Namen 
Jalives  deines  Gottes  nicht  zu  Nichtigem  aussprechen"  Ex  20,  7.  Von  allen  Über- 
tretungen in  der  Tora  heißt  es:  „Er  vergibt  sie"  (er  läßt  sie  unbestraft  np:);  aber 
hier,  Ex  20,  7,  heißt  es:  „Er  wird  nicht  ungestraft  lassen."  Alle  Übertretungen  in  der 
Tora  werden  nur  an  dem  Übertretenden  heimgesucht,  aber  hier  an  ihm  u.  an  seiner 
Familie,  s.  Qoh  5,  5:  „Laß  nicht  deinen  Mund  in  Strafe  bringen  dein  Fleisch";  u.  sein 
Fleisch  bedeutet  nichts  andres  als  seinen  Verwandten,  s.  Jes  58,  7:  „Entzieh  dich  nicht 
deinem  Fleisch."  Alle  Übertretungen  in  der  Tora  werden  nur  an  dem  Übertretenden 
heimgesucht,  aber  hier  an  ihm  u.  an  der  ganzen  Welt,  s.  Hos4,2f.:  „Man  schwört  u. 
trügt,  man  mordet  u.  stiehlt  u.  treibt  Ehebruch.  .  .  .  Deswegen  muß  die  Erde  (so  der 
Midr)  hinwelken."  Aber  vielleicht  erst,  wenn  er  dies  alles  (die  in  Vers  2  genannten 
Sünden)  getan  hat!  Glaube  das  nicht;  denn  es  heißt  Jer  23, 10:  „Wegen  des  Schwures 
schmachtet  die  Erde"  (so  der  Midr),  u.  so  auch  Hos  4,  3:  „Deswegen  muß  die  Erde 
hinwelken  u.  es  verschmachtet  alles,  was  darauf  wohnet."  —  Wegen  aller  Übertretungen 
in  der  Tora  schiebt  man  dem  Übertretenden,  wenn  er  Verdienste  (vor  Gott)  hat,  zwei 
u.  drei  Geschlechter  lang  die  Strafe  auf,  aber  hier  sucht  man  (=  Gott)  ihn  sofort 
heim,  s.  Sach5,  4:  „Ich  habe  den  Fluch  ausgehn  lassen,  spricht  Jahve  C'^baoth,  daß 
er  eingehe  zum  Hause  des  Diebes  u.  zum  Hause  dessen,  der  falsch  schwört  bei  meinem 
Namen,  u.  daß  er  verweile  im  Innern  seines  Hauses  u.  es  verzehre  mit  seinen  Balken 
u.  seinen  Steinen."  „Ich  habe  ihn  ausgehn  lassen,"  nämlich  sofort,  „daß  er  eingehe 
zum  Hause  des  Diebes",  das  ist  derjenige,  der  die  Menschen  täuscht:  wenn  er  auch 
kein  Geld  bei  seinem  Nächsten  hat  (das  er  einfordern  kann),  so  verklagt  er  ihn  doch 
u.  läßt  ihn  schwören;  „u.  zum  Hause  dessen,  der  falsch  schwört  bei  meinem  Namen", 
das  ist  nach  seinem  Wortlaut  zu  verstehn;  „u.  daß  er  verweile  im  Innern  seines  Hauses 
u.  es  verzehre  mit  seinen  Balken  u.  seinen  Steinen",  hier  lernst  du,  daß  selbst  solche 
Dinge,  die  weder  Feuer  noch  Wasser  vernichtet,  der  falsche  Schwur  vernichtet.  — 
Wenn  der  Betreffende  dann  sagt:  „loh  will  nicht  schwören",  so  entläßt  man  ihn  sofort 
(er  räumt  seine  Schuld  damit  ein);  wenn  er  aber  sagt:  „Siehe,  ich  will  schwören", 
dann  sagen  die  dort  Stehenden  (untereinander)  Nu  16,  26:  „Entfernt  euch  doch  von  den 
Zelten  dieser  gottlosen  Männer"  usw.  Wenn  man  ihn  dann  schwören  läßt,  sagt  man 
zu  ihm:  Wisse,  daß  wir  dich  nicht  schwören  lassen  auf  Grund  deiner  Gedanken,  sondern 
auf  Grund  der  Gedanken  Gottes  u.  auf  Grund  der  Gedanken  des  Gerichtshofes.  (Die 
letzten  Worte  .sind  gegen  eine  reservatio  mentalis  auf  Seiten  des  Schwörenden  ge- 
richtet.)»  —  Teilweise  parallel  LvR  6  (lOQ^^- 1'). 

Erst  der  talmudischen  Zeit  gehört  an: 

f.  r.t3;^ri  T'jf,zt,  der  sog.  rabbinische  Eid  -ds-it  n^"-i2p.   Dalman  über- 
setzt no-in:  „Antreiben  (zum  Geständnis)",  Levy  1,483:  ro^n 'ü:   „Eid 


^  Daß  selbst  hochgefeierte  Rabbinen  sich  nicht  gescheut  haben,  von  der  reservatio 
mentalis  Gebrauch  zu  machen,  zeigen  folgende  Stellen.  Tr.  Kallah  18'':  R.  fAqiba 
(t  um  135)  sprach  zu  der  Frau:  Meine  Tochter,  wenn  du  mir  sagst,  was  ich  dich  fragen 
werde,  so  bringe  ich  dich  in  das  Leben  der  zukünftigen  Welt.  Sie  sprach  zu  ihm: 
Schwöre  mir!  R.  f Aqiba  schwur  mit  seinen  Lippen  u.  erklärte  in  seinem  Herzen  den 
Schwur  für  ungültig.  ||  ?AZ28^  u.  Joma84'i:  (R.  Jochanan,  f  279,  wünschte  von  einer 
heidnischen  Matrone  ein  Heilmittel  gegen  Zahnschmerzen  zu  erfahren.)  Sie  sprach  zu 
ihm:  Schwöre  mir,  daß  du  es  nicht  bekanntgeben  willst!  Er  schwur  ihr:  In  bezug  auf 
den  Gott  Israels  (-s^-i— ;  NnVs^  statt  '-i  sriVsa  =  beim  Gott  Israels),  ich  will  es  nicht 
bekanntgeben!  Da  gab  sie  es  ihm  bekannt.  Am  nächsten  Tage  trug  er  es  in  den  Lehr- 
vorträgen vor.  Siehe,  er  schwur  ihr:  Dem  Gotte  Israels  gebe  ich  es  nicht  bekannt, 
aber  seinem  Volke  Israel  gebe  ich  es  bekannt!  Aber  das  ist  doch  eine  Entheiligung 
des  (göttlichen)  Namens!  Er  hatte  es  ihr  vorher  mitgeteilt  (daß  er  es  nur  in  bezug 
auf  Gott  beschworen  habe). 


Matth  5,  33  (Nr.  1  f.  Nr.  2)  325 

deslnsichkehrens",  insofern  dieser  Eid  den  Beklagten  veranlassen  soll, 
in  sich  zu  gehn  u.  sich  zu  prüfen,  ob  er  nicht  schuldig  sei.  —  Nach 
dem  Grundsatz  Sch«bu40'':  „Kein  Mensch  erfrecht  sich,  seinem  Gläu- 
biger die  ganze  Schuld  abzuleugnen"  hat  die  Mischna  Sch^bu  6,  1  ff. 
den  „richterlichen  Eid"  (s.  oben  e)  nur  demjenigen  auferlegt,  der  einen 
Teil  der  Schuldforderung  seines  Gläubigers  anerkennt,  einen  andren 
Teil  aber  ableugnet.  Lehnte  dagegen  jemand  die  ganze  Schuldforderung 
ab,  so  war  er  von  Eid  u.  Zahlung  frei,  falls  er  nicht  anderweitig  durch 
Zeugen  des  Gläubigers  zur  Anerkennung  der  Schuld  gezwungen  werden 
konnte.  Man  ließ  sich  eben  von  dem  obigen  psychologischen  Grundsatz 
leiten.  Natürlich  konnte  man  diesem  Grundsatz  den  andren  mindestens 
ebenso  berechtigten  entgegenstellen:  „Kein  Mensch  fordert  etwas  von 
einem  andren  ein,  wenn  er  nicht  wirklich  eine  Forderung  an  ihn  hat* 
(Sch'^bu  40^).  Um  nun  den  Gläubiger  einem  gewissenlosen  Schuldner 
gegenüber  einigermaßen  zu  schützen,  wurde  (etwa  im  3.  Jahrb.?)  der 
rabbin.  Eid  eingeführt,  um  den  eine  Schuldforderung  rundweg  ab- 
leugnenden Beklagten  zur  Besinnung  zu  bringen. 

Sch*'bu41*  findet  sich  eine  Vergleichung  zwischen  dem  Toraeid  (=^  der  niisch- 
nischen  c-j-^-in  nyi^r,  s.  oben  e)  u.  dem  rabbin.  Eid.  Darin  heißt  es:  Was  ist  für  ein 
Unterschied  zwischen  dem  Toraeid  sp-^—ist  ryi:s  u.  dem  rabbin.  Eid?  Ein  Unter- 
schied zwischen  ihnen  betrifft  die  Zurückschiebung  des  Eides:  den  Toraeid  kann  man 
nicht  dem  andren  zuschieben,  wohl  aber  den  rabbin.  Eid.  Aber  nach  Mar  bar  Rab  Aschi 
(um  450),  der  gesagt  hat,  daß  man  auch  den  Toraeid  dem  andren  zuschieben  könne, 
was  ist  da  für  ein  Unterschied  zwischen  dem  Toraeid  u.  dem  rabbin.  Eid?  Da  betrifft 
der  Unterschied  zwischen  ihnen  die  Eintreibung  (der  Forderung)  von  des  Beklagten 
Gütern  (wenn  er  nämlich  weder  schwören  noch  zahlen  will):  bei  dem  Toraeid  treibt 
man  die  Forderung  (zwangsweise)  bei,  aber  bei  einem  rabbin.  Eide  treibt  man  sie  nicht 
von  seinen  Gütern  bei.  Aber  nach  R.  Jose  (um  350),  der  gesagt  hat,  daß  man  auch 
bei  einem  rabbin.  Eide  die  Forderung  zwangsweise  von  seinen  Gütern  beitreibe,  .  .  . 
was  besteht  da  für  ein  Unterschied  zwischen  dem  Toraeid  u.  dem  rabbin.  Eid?  Es 
besteht  ein  Unterschied  zwischen  ihnen  in  dem  Fall,  daß  der  Prozeßgegner  wegen 
(Falsch-)Eides  verdächtig  ist:  bei  einem  Toraeid  schiebt  man,  wenn  der  Gegner  eides- 
verdächtig ist,  den  Schwur  von  diesem  ab  u.  legt  ihn  dem  andren  auf;  ein  rabbin.  Eid 
aber  ist  ein  Auskunftsmittel,  u.  ein  Auskunftsmittel  verwendet  man  nicht  bei  einem 
andren  Auskunftsmittel  (wie  die  Eidesschiebung  ein  solches  ist;  man  weist  deshalb 
in  diesem  Fall  die  Klage  ab).  Aber  nach  den  Rabbinen.  die  von  der  Meinung  des 
R.  Jose  abweichen,  indem  sie  sagen,  daß  man  bei  einem  rabbin.  Eide  eine  Forderung 
nicht  zwangsweise  von  den  Gütern  des  Schuldners  beitreibe  —  was  fängt  man  denn 
da  mit  dem  Schuldner  an?  Man  tut  ihn  in  den  Bann.  Rabina  (I.,  f  um  420)  sprach 
zu  Rab  Aschi  (f  427):  Das  würde  ja  heißen,  ihn  an  seinen  Schamteilen  festhalten, 
damit  er  einem  seinen  Mantel  überlasse!  (d.  h.  der  Bann  auf  unbeschränkte  Zeit  ist 
ebensogut  ein  Zwang  wie  die  Zwangsbeitreibung).  Vielmehr,  was  fängt  man  mit  einem 
solchen  Schuldner  an?  Er  antwortete  ihm:  Man  tut  ihn  in  den  Bann,  bis  die  Zeit  zu 
seiner  Geißelung  herankommt.  (Diese  erfolgt  30  Tage  nach  Verhängung  des  Bannes, 
falls  der  Betreffende  nicht  zuvor  um  Aufhebung  des  Bannes  gebeten  hat.)  Dann  geißelt 
man  ihn  u.  läßt  von  ihm  ab. 

2.  ovx  €TiioQxi]asiq  „du  sollst  nicht  falsch  schwören".  Ein  wörtlich 
so  lautendes  Verbot  gibt  es  im  AT  nicht;  es  dürfte  aber  kurz  so  for- 
muliert sein  nach  Ex  20,  7  oder  wahrscheinlicher  nach  Lv  19, 12. 


326  Matth  5,  33  (Nr.  2) 

Ex  20,  7  ist  von  der  alten  Synagoge  meist  auf  den  Schwur  bezogen 
worden,  u.  zwar  auf  den  eitelen  oder  nichtigen  Schwur, a  während  man 
Lv  19,12  vom  falschen  Schwur  verstand. b  Es  gibt  aber  auch  einige 
Stellen,  die  nur  das  erste  Niujb  Ex  20,  7  auf  den  eitelen  Schwur,  dagegen 
das  zweite  auf  den  falschen  Schwur  deuten,  c 

a.  Die  LXX  lassen  die  Beziehung  von  Ex  20,  7  noch  unbestimmt:  ov  ^rprj  ro 
«rofXK  xi'Qiov  rov  ^sov  aov  eni  /nKiaUo  „du  sollst  den  Namen  des  Herrn  deines  Gottes 
nicht  zu  Nichtigem  gebrauchen."  —  Philo,  De  spec.  legibus  §  1  deutet  das  Verbot 
,r6  fj.rj  dsov  ofOfxa  'Aaf^ßäysiy  ini  /ucaaUo',  wie  der  Zus. hang  zeigt,  ausschließlich  auf 
den  Schwur.  —  Josephus,  Antiq.  3,  5,  5  sagt:  Das  3.  Gebot  (nach  jüdischer  Zählung) 
befiehlt,  daß  man  bei  Gott  nicht  zu  irgend  etwas  Nichtigen  schwören  soll  ini  fxrjöevl 
(pnvXio  TOI'  i^EoV  o/^vrfcci.  \\  M^kh  Ex  20,7:  „Du  sollst  den  Namen  Jahves  deines 
Gottes  nicht  zu  Nichtigem  aussprechen"  Ex  20,  7.  Auch  der  nichtige  (lügenhafte) 
Schwur,  S12;  ry^2»  war  in  dem  allgemeinen  Gebot  Lv  5,  4  enthalten:  „Oder  falls 
jemand  mit  den  Lippen  schwatzend  schwört",  u.  siehe,  die  Schrift  nimmt  ihn  heraus 
aus  dem  allgemeinen  Gebot  usw.  —  Hier  wird  Ex  20,  7  auf  den  nichtigen  Schwur 
gedeutet.  ||  P^siqR  22  (112'^):  „Du  sollst  den  Namen  Jahves  nicht  zu  Nichtigem  aus- 
sprechen" Ex  20,  7.  R.  Simon  (um  280)  hat  gesagt:  Wenn  (hier)  die  Schrift  von 
lügenhaften  Schwüren  svx>  ■r'.s^zv  redete,  ist  dann  nicht  bereits  gesagt  Lv  19,  1.2: 
„Nicht  sollt  ihr  bei  meinem  Namen  zur  Lüge  ^p-^^  schwören?"  Was  will  also  die 
Schrift  lehrend  sagen  Ex  20,  7:  „Du  sollst  den  Namen  .Jahves  nicht  zu  Nichtigem 
aussprechen"'?  Es  ist  damit  ein  Schwur  der  Wahrheit  r>2s  n-ia-:;  gemeint,  der  einer 
der  Nichtigkeit  (d.  h.  ein  unnützer  Schwur)  ist.  .  .  .  Chizqijja  (um  240)  hat  gesagt: 
Selbst  wenn  jemand  von  einem  Olivenbaum  (unter  Anwendung  einer  Schwurformel) 
sagt,  daß  er  ein  Olivenbaum  sei,  oder  von  einem  Feigenbaum,  daß  er  ein  Feigenbaum 
sei,  so  ist  das  ein  unnijtzer  Schwur  sva  rj-iaia  (obgleich  es  an  sich  eine  r^ss  ryia«; 
ist).  —  Hier  ist  Ex  20,  7  auf  den  unnützen  Schwur  bezogen.  ||  Targ  Jerusch  I  Ex  20,  7: 
Mein  Volk,  Haus  Israel,  nicht  soll  einer  von  euch  bei  dem  Namen  des  Memra  Jahves 
eures  Gottes  umsonst  y^-q  hy  (ohne  Grund  u.  Zweck)  schwören;  denn  nicht  wird  Jahve 
am  Tage  des  großen  Gerichts  den  für  straflos  erklären,  der  bei  seinem  Namen  um- 
sonst geschworen  hat.  1|  Ex  20,  7  wird  nicht  auf  den  Schwur  bezogen  B'^rakh  33*: 
Rah  (t  247),  nach  andren  Resch  Laqisch  (um  250),  nach  andren  R.  Jochanan  (f  279) 
u.  Resch  Laqisch  haben  beide  gesagt:  Wer  einen  Lobspruch  spricht,  der  nicht  nötig 
ist,  der  übertritt  das  Gebot:  „Du  sollst  den  Namen  Jahves  nicht  zu  Nichtigem  aus- 
sprechen" Ex  20,  7.  —  Hier  ist  Ex  20,  7  allgemein  auf  jedes  unnötige  Aussprechen 
der  Gottesnamen  gedeutet.  ||  P''siqR  22  (IIH):  „Du  sollst  nicht  aussprechen"  avr  s'b 
Ex  20,  9  usw.  R.  Z'^fira  (um  300)  hat  gesagt:  Wenn  (hier)  die  Schrift  vom  lügen- 
haften Schwur  sv:;  rv^x  redete,  siehe,  so  heißt  es  ja  Lv.  19,  12:  „Nicht  sollt  ihr 
bei  meinem  Namen  zur  Lüge  schwören"  (wozu  also  da  noch  das  Gebot  Ex  20,  7?). 
AVas  will  daher  die  Schrift  lehrend  sagen  Ex  20,  7:  „xbp  nV  den  Namen  Jahves 
deines  Gottes  zum  Nichtigen"?  Sie  will  sagen:  Du  sollst  keine  Herrschaft  (kein  Amt) 
auf  dich  nehmen,  wenn  du  zu  einer  Herrschaft  nicht  geeignet  bist.  —  dti^s  =  „Richter" 
gefaßt  u.  das  Ganze  gedeutet:  Du  sollst  den  Richternamen  nicht  annehmen  oder  führen 
axr  ah  zum  Nichtigen,  d.  h.  wenn  du  dem  Richteramt  nicht  gewachsen  bist.  ||  P'siqR  22 
(111''):  R.Bebai  (um  320)  hat  gesagt:  Wenn  Ex  20,  7  vom  lügenhaften  Schwur  redete, 
ist  dann  nicht  bereits  Lv  19,  12  gesagt:  „Nicht  sollt  ihr  bei  meinem  Namen  zur  Lüge 
schwören"?  Es  will  sagen:  Nicht  sollst  du  T^'phiUin  tragen  u.  dich  in  deinen  Gebets- 
mantel hüllen  u.  dann  hingehn  u.  Übertretungen  begehn.  —  Ex  20,  7  ist  hier  ge- 
deutet: Du  sollst  den  Namen  Gottes  nicht  tragen,  nämlich  in  den  T^phillin,  zum 
Eitlen,  um  darin  zu  sündigen. 

b.  LXX  Lv  19,  12 :  Ihr  sollt  bei  meinem  Namen  nicht  zu  Unrechtem  schwören. , . .  |1 
Targ  Onk:  Nicht  sollt  ihr  bei  meinem  Namen  zur  Lüge  sip-a"?  schwören.  i|  Targ  Jerusch  I: 


Matth  5,  33  (Nr.  2.  3)  327 

Mein  Volk,  Kinder  Israel,  nicht  soll  einer  von   euch  bei  meinem  Namen  zur  Lüge 
schwören.  .  .  .  Ferner  s.  Anm.  a  P'^'siqR  22. 

C.  Targ  Onk  Ex  20,  7:  Du  sollst  beim  Namen  Jahves  deines  Gottes  nicht  um- 
sonst (zu  Nichtigem)  schwören,  denn  Jahve  wird  den  nicht  ungestraft  lassen,  der  in 
seinem  Namen  zur  Lüge  s'^pc's  schwört.  ||  Targ  Jerusch  II:  Mein  Volk,  mein  Volk, 
Haus  Israel,  du  sollst  nicht  beim  Namen  Jahves  deines  Gottes  umsonst  s:;»:?  (zum 
Nichtigen)  schwören,  u.  nicht  sollst  du  bei  meinem  Namen  schwören  u.  (dabei)  lügen. 

3.  ccTco6wa8ig  dh  To)  xvQi'co  Tovq  oQxovg  aov  „du  sollst  dem  Herrn 
deine  Eidschwüre  bezahlen  (=  halten)".  Zum  Ausdruck  s.  Ps50, 14: 
"(■'"''7?  "i'i'^'-:^  D-^i;  LXX:  xal  ccjiöSoq  ro)  vifiiarcr)  rag  si'xccg  üov.  Targ: 
*n"'"'7?  ^^\'-<^  Cr.^1-  Die  Regel  selbst  findet  sich  wörtlich  so  nicht  im  AT; 
sie  dürfte  hergeleitet  sein  aus  Stellen  wie  Nu  30,  3  u.  Dt  23,  22,  welche 
Stellen  zunächst  von  Gelübden  reden.  Vgl.  auch  SNu  30,  3  §  153:  Was 
ist  für  ein  Unterschied  zwischen  Gelübden  u.  einem  Schwur?  Bei  den 
Gelübden  ist  man  wie  einer,  der  beim  Leben  des  Königs  gelobt,  bei 
einem  Schwur  wie  einer,  der  beim  König  selbst  schwört.  Wenn  auch 
kein  Beweis,  so  ist  doch  ein  Merkzeichen  dafür:  „So  wahr  Jahve  lebt 
u.  beim  Leben  deiner  Seele,  ich  verlasse  dich  nicht"  2  Kg  4,  30.  —  Der 
Schwur  erfolgt  beim  Namen  Gottes  u.  damit  bei  Gott  selbst;  Gelübde 
werden  ausgesprochen  auch  ohne  Erwähnung  des  göttl.  Namens. 

Ermahnungen  zum  Halten  der  Gelübde.  SDt  23,  23  §265:  ,Wenn  du  zu  geloben 
unterlassest,  so  wird  keine  Schuld  an  dir  sein"  Dt  23,  23.  R.  Meir  (um  150)  sagte: 
, Besser  ist,  daß  du  nicht  gelobest,  als  daß  du  gelobst  u.  nicht  hältst"  (Qoh  5,  4); 
besser  als  dieses  (seine  Gelübde  halten)  u.  als  jenes  (sie  nicht  halten)  ist  es,  daß 
du  überhaupt  nicht  gelobst.  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  , Besser  ist  es,  daß  du  nicht 
gelobest",  besser  als  dieses  (sein  Gelübde  nicht  halten)  u.  als  jenes  (überhaupt  nicht 
geloben)  ist  es,  daß  man  gelobt  u.  hält  z:h-::-o  (bezahlt).  —  Parallelstellen:  TChullin 
2,  17  (503);  Chullin2a;  Wd^9^;  LvR  37  (133');  pN^d  1,36^30;  Midr  Qoh  5,  4.  ||  LvR37 
(133*^):  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt:  Es  geschah  einmal,  daß  einer  gelobte  u.  sein 
Gelübde  nicht  hielt  cV-i-;  er  ging,  um  eine  Seereise  anzutreten,  u.  sein  Schiff  ging 
unter  u.  er  kam  im  Meere  um.'  R.  Sch'-'muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Wer 
gelobt  u.  sein  Gelübde  verzögert,  der  gerät  schließlich  in  Götzendienst,  Unzucht, 
Blutvergießen  u.  Verleumdung.  Von  wem  lernst  du  sie  alle?  Von  Jakob,  weil  er 
gelobte  u.  sein  Gelübde  verzögerte,  geriet  er  in  sie  alle:  Götzendienst,  s.  Gn  35,  2; 
Unzucht,  s.  Gn  34,  1;  Blutvergießen,  s.  Gn  34,  25;  Verleumdung,  s.  Gn  31,  1.  Die  Rab- 
binen  sagten:  Wer  gelobt  u.  sein  Gelübde  verzögert,  der  begräbt  seine  Frau;  das 
meint  Gn  48,  7:  ,Denn  als  ich  (Jakob)  aus  Paddan  kam,  starb  mir  zum  Leide  Rahel." 
R.  Sch'^muel  b.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  gelobt  u.  bezahlt  (hält)  tS-m,  der 
hat  Lohn  für  das  Geloben  u.  für  das  Bezahlen,  vgl.  Ps  76,  12:  , Gelobet  und  bezahlet 
Jahve  eurem  Gotte."  Wer  aber  gelobt  u.  sein  Gelübde  verzögert,  der  verursacht  sich 
selbst  den  Tod,  vgl.  Dt  23,  22:  ,Denn  Jahve  dein  Gott  wird  es  sicher  von  dir  fordern", 
von  dir  wird  man  (=  Gott)  es  eintreiben  u.  nicht  von  deinem  Gel  de.  —  Parallel- 
stelle Midr  Qoh  5,  4.  |1  Midr  Qoh  5,  5:  „Laß  nicht  deinen  Mund  in  Strafe  bringen 
deinen  Leib  u.  sage  nicht  vor  dem  Gottesboten  (=  Priester),  daß  es  Übereilung  war; 
warum  soll  Gott  zürnen  ob  deines  Geredes  u.  das  Werk  deiner  Hände  verderben?" 
Qoh  5,  5.   Die  Rabbinen  haben   die  Stelle   auf  den  Gelobenden   ausgelegt:  „vor  dem 

'  pN^d  1,  36 <i,  36  in  folgender  Fassung:  Wenn  ein  Mensch  die  Erfüllung  seines 
Gelübdes  hinausschiebt  -rr-s  (aufhält),  dann  wird  sein  Buch  (im  Himmel)  geöffnet.  Es 
geschah,  daß  einer  sagte:  Siehe,  auf  mir  sei  ein  Brandopfer!  Er  zögerte  es  darzubringen 
u.  sein  Schiff  ging  im  Meer  unter. 


328  Matth  5,  34  (Nr.  1.  2; 

Gottesboten",  das  ist  der  Gelehrte  (der  das  Gelübde  lösen  soll);  ,daß  es  Übereilung 
war",  ich  hätte  nicht  gelobt  (wenn  ich  die  Tragweite  des  Gelübdes  gekannt  hätte); 
, warum  soll  Gott  zürnen?"  daß  du  einen  Vorwand  zur  Lösung  des  Gelübdes  suchst; 
,und  das  Werk  deiner  Hände  verderben?"  auch  über  das  wenige  Geld,  das  in  der 
Hand  jenes  Mannes  ist,  bringt  Gott  den  Fluch  u.  tilgt  es  von  ihm  weg. 

5,34:   Ich  aber  sage  euch:   Ihr  sollt  ganz  u.  gar   (überhaupt) 
nicht  schwören,   auch  nicht  beim  Himmel  usw. 

1.  Für  das  jüdische  Denken  bildeten  die  Schwüre  trotz  ihrer 
Verschiedenheit  untereinander  doch  so  sehr  ein  einheitliches  Ganzes, 
daß  kein  jüdischer  Hörer  die  Malmung:  „Ihr  sollt  ganz  u.  gar  nicht 
schwören"  anders  als  von  sämtlichen  Schwüren  verstanden  hätte, 
gleichviel  ob  sie  beim  Gerichtsverfahren  oder  im  tagtäglichen  Leben 
in  Übung  waren.  Das  ist  wichtig  für  die  richtige  Deutung  des  fn^rs  .  .  . 
{iTjTs  in  Vers  34  f. ;  denn  daraus  ergibt  sich,  daß  fxViTe  .  .  .  jttrjT«  nicht 
im  Sinne  von  „weder  .  .  .  noch"  gefaßt  werden  darf,  so  daß  das  all- 
gemeine okoK  seinen  Inhalt  erst  durch  die  hinterher  aufgeführten 
speziellen  Schwüre  erhielte,^  sondern  daß  fi^rs  .  .  .  fir^zs  im  Sinne  von 
fiTjde' .  .  .  firjds  (=  auch  nicht  .  .  .  auch  nicht)  verstanden  werden  muß, 
so  daß  die  speziell  verbotenen  Schwüre  zu  dem  allgemeinen  Verbot,  das 
in  oXo}g  liegt,  als  besonders  Hervorzuhebendes  ergänzend  hinzutreten. 
Man  hat  also  zu  übersetzen:  „Ihr  sollt  überhaupt  nicht  schwören;  auch 
nicht  beim  Himmel"  usw.  —  Für  die  sprachliche  Möglichkeit  vgl.  Off  b  9,21. 

2.  Wie  allgemein  die  Neigung  im  jüdischen  Volk  verbreitet  gewesen 
ist,  jede  beliebige  Äußerung  mit  einem  Schwur  zu  bekräftigen,  zeigen 
nicht  bloß  die  Beispiele  aus  dem  gewöhnlichen  Leben  N<^d  2,  2  f.  u. 
Sch^'bu  3, 1 — 9  (einzelnes  davon  s.  S.  32 1),  sondern  vielleicht  noch  mehr  die 
Bemühungen  der  schriftgelehrten  Kreise,  diese  Unsitte  einzuschränken. 
Vgl.  die  Bestimmung,  daß  der  leicht  hingeworfene,  aber  nicht  inne- 
gehaltene Schwur  mit  Geißelung  bestraft  werden  sollte,  Sch^bu  3,  7 
S.  321;  ferner  die  Eidesvermahnung,  die  dem  gerichtl.  Schwur  vorauf- 
ging u.  leichtfertige  Eidesleistung  wenigstens  von  der  Gerichtsstätte 
fernhalten  sollte,  Sch'^bu  38 '^  S.  323  f.  Das  gleiche  Bestreben  liegt  auch 
vielen  Aussprüchen  u.  Erzählungen  in  der  rabbin.  Literatur  zugrunde. 
Einige  mögen  hier  folgen. 

M«^kh  Ex  22,  10  (98''):  „Es  soll  ein  Schwur  bei  Jahve  zwischen  beiden  sein" 
Ex  22,  10.  R.  Nathan  (um  160;  ob  R.  Jonathan,  um  140,  gemeint  ist?)  sagte:  „Zwischen 
beiden",  das  zeigt  an,  daß  der  Schwur  (mit  seinen  Straffolgen)  auf  beide  (den  Kläger  u. 
den  Beklagten)  fällt.  —  Dasselbe  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Tarphon  (um  140?) 
Sch^bu47'^  u.  39'^;  zur  letztern  Stelle  bemerkt  Raschi:  Beide  werden  infolge  des 
Schwurs  bestraft;  denn  er  (der  Gläubiger)  hat  es  nicht  genau  damit  genommen,  sein 
Geld  in  die  Hand  eines  zuverlässigen  Mannes  zu  legen,  u.  so  kamen  beide  zur  Ent- 
heiligung des  göttlichen  Namens.  ||  TSch^bu  ö,  3  (453):  „Es  soll  ein  Schwur  bei  Jahve 

^  Diese  Auslegung  würde  allerdings  der  häufig  angewandten  hermeneutischen 
Regel  (R.  Jischmafel  Nr.  4)  entsprechen  v^tzvi  -13  k'js  '•55=3  7s  t:5:n  ■'-'-s  u^s,  wenn 
das  Besondere  auf  das  Allgemeine  folgt,  so  ist  im  Allgemeinen  nur  enthalten,  was 
im  Besonderen  liegt  (darin  genannt  wird). 


Matth  5,  34  (Nr.  2)  329 

zwischen  beiden  sein"  Ex  22,  10.  .  .  .  Er  geht  zwischen  beiden  nicht  fort:  wenn  der 
Schwörende  falsch  schwört,  so  fällt  der  Schwur  schließlich  auf  ihn;  u.  wenn  der 
Kläger  wegen  einer  falschen  Sache  schwören  läßt  (wenn  er  zB  eine  unberechtigte 
Geldforderung  anhängig  gemacht  hat),  so  fällt  schließlich  der  Schwur  auf  ihn,  s. 
Sach  5,  4:  Und  er  (der  Fluch)  verweilt  im  Innern  seines  Hauses  u.  verzehrt  es  mit 
seinen  Balken  u.  Steinen.  Komm  u.  sieh!  selbst  Dinge,  die  kein  Feuer  verzehrt,  ver- 
zehrt der  falsche  Schwur.  —  Dasselbe  LvR  6  (lOy.*^);  P'^'siqR  22  (11?.^');  pSch'bu  (J, 
37*,  54.  Hier  folgt:  R.  Jona  (um  850)  hat  gesagt:  Das  trifft  zu  bei  einem  falschen 
Schwur;  R.  Jose  (um  350)  sagte:  Auch  bei  einem  wahrheitsgemäßen.  RChaggai  (um 
330)  hat  in  Übereinstimmung  mit  R.  Jose  öffentlich  vorgetragen:  Einmal  ging  eine 
Frau,  um  den  Teig  bei  einer  andren  herzurichten;  dabei  hatte  sie  im  Saum  ihrer 
Kopfbedeckung  zwei  Denare  eingeknüpft.  Diese  entfielen  ihr  u.  wurden  in  das  PJrot 
hineingeknetet.  Als  sie  zurückgekehrt  war,  suchte  sie  sie  in  ihrem  Hause,  ohne  sie 
zu  finden.  Da  ging  sie  zurück  u.  sprach  zu  jener  andren  Frau:  Gib  mir  die  beiden 
Denare,  die  mir  in  deinem  Hause  weggefallen  sind!  Diese  antwortete:  Ich  weiß  von 
nichts;  wenn  ich  um  sie  weiß,  so  will  ich  meinen  Sohn  begraben!  Sie  begrub  ihn 
wirklich.  Als  man  vom  Begräbnis  zurückkehrte,  hörte  sie,  wie  eine  Stimme  sprach: 
Wenn  die  nicht  um  die  Denare  gewußt  hätte,  hätte  sie  ihn  nicht  begraben!  Da 
antwortete  sie:  Wenn  ich  um  sie  weiß,  so  will  ich  meinen  andren  Sohn  begraben! 
Sie  begrub  ihn  wirklich.  Man  kam,  um  sie  zu  trösten;  beim  Trauermahl  zerbrach 
man  ein  Brot  u.  fand  die  beiden  Denare  darin  eingeknetet.  Das  will  das  Sprichwort 
besagen:  „Ob  rein  (unschuldig),  ob  schuldig,  laß  dich  auf  keinen  Schwur  ein!  — 
Diese  Geschichte  auch  LvR  6  (109'^):  P'^'siqR  22  (113'^);  ähnlich  im  Munde  Rabs  (f  247) 
Git  35^.  II  P'^'siqR  22  (112'^):  „Du  sollst  den  Namen  Jahves  deines  Gottes  nicht  zu 
Nichtigem  aussprechen"  Ex  20,  7.  R.  Simon  (um  280)  hat  gesagt:  Wenn  die  Schrift 
(hier)  von  nichtigen  (falschen)  Schwüren  redet,  ist  da  nicht  schon  längst  gesagt  Lv  19,  12: 
„Nicht  sollt  ihr  bei  meinem  Namen  zur  Lüge  schwören"'?  Was  will  also  die  Schrift 
lehrend  sagen  mit  den  Worten:  „Du  sollst  den  Namen  Jahves  deines  Gottes  nicht 
zu  Nichtigem  aussprechen"?  Damit  ist  ein  Schwur  der  Wahrheit  gemeint,  der  ein 
nichtiger  (ein  unnützer)  Schwur  ist.  R.  Chunja  (—  Huna,  um  350)  u.  R.  Ja?aqob 
b.  Abin  (um  325)  haben  im  Namen  des  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260)  gesagt:  Vier- 
undzwanzig Ratsherren  (d.  h.  allgemein:  vornehme,  angesehene  Männer,  s.  Bacher, 
Tann-  1,  52)  sind  im  Süden  (Judäas)  wegen  eines  wahrheitsgemäßen  Schwures,  der 
ein  unnützer  war,  vernichtet  worden.'  Chizqijja  (auch  in  den  Parallelstellen  ohne 
den  Rabbititel,  also  wohl  der  b.  Chijja  gemeint,  um  240;  der  spätere  R.  Chizqijja, 
Schüler  des  R.  Jirm^ja,  lebte  um  350)  hat  gesagt:  Auch  wenn  jemand  von  einem 
Ölbaum  (mit  einem  Schwurwort)  sagt,  daß  es  ein  0.  sei,  oder  von  einem  Feigen- 
baum, daß  es  ein  F.  sei,  so  ist  das  ein  nichtiger  (unnützer)  Schwur.  R.  Chaggai 
(um  330)  u.  R.  M'^nachem  (um  370?)  haben  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  Laqisch 
(um  250)  gesagt:  Wenn  einer  über  die  Straße  geht  u.  den  Regen  niederströmen  sieht  u. 
sagt:  noXv,  xvqis,  eßgeSey  (-j-cr—^as  =)  a-5:'i^=s  — p  "ht^  =  „"vi&h  o  Herr,  hat  es 
geregnet",  so  ist  das  ein  nichtiger  (unnützer)  Schwur.  R.  Simon  (um  280)  hat  ge- 
sagt: Man  überläßt  keinen  Eid  dem,  der  zum  Eide  sich  drängt.  Jener  Vorfall  mit 
Bar  T'^lamjon  ii-isir  n^  ist  eine  Stütze  für  die  Rabbanan  (für  deren  Meinung,  daß 
ein  wahrheitsgemäßer  u.  doch  nichtiger  Schwur  verboten  sei).  Jemand  hatte  einmal 
bei  Bar  T^Iamjon  100  Denare  deponiert.  Er  ging  u.  forderte  sie  zurück.  Dieser  aber 
sprach  zu  ihm:  Was  du  bei  mir  deponiert  hattest,   habe  ich  in  deine  Hand  zurück- 


1  Dieser  Ausspruch  auch  pN«'d  3,  38 '\  11,  pSch'^bu  3,  34 '^,  63;  beidemal  als  Schrift- 
beweis Jer  2,  30:  „Wegen  vergeblichen  (Schwures)  habe  ich  eure  Kinder  geschlagen" 
(so  der  Midr). 

2  In  den  Parallelstellen  pN«d  3,  38^,  10  ^irp-'^a  u.  pSch'bu  3,  34 "^,  62  tiC3"3  (für 
ßQS^oi'  =  „laß  regnen"?)  wird  die  Strafe  hinzugefügt:  „Der  wird  wegen  eines  nichtigen 
Schwurs  gegeißelt." 


330  Matth  5,  34  (Nr.  2.  3) 

gegeben.  Er  antwortete:  Komm,  ich  werde  dich  schwören  lassen!  Was  machte  Bar 
T'^lamjon?  Er  nahm  einen  Rohrstab,  höhlte  ihn  aus,  legte  jene  Denare  hinein  u.  fing 
an,  sich  darauf  zu  stützen.  Als  er  in  die  Synagoge  (wo  der  Schwur  geleistet  werden 
sollte)  eingetreten  war,  sprach  er  zu  jenem:  Nimm  diesen  Stab  in  deine  Hand,  daß 
ich  dir  den  Schwur  leiste.  Dann  sprach  er:  „Bei  dem  Herrn  dieses  schönen  Hauses! 
Was  in  meine  Hand  gelegt  worden  ist,  habe  ich  in  deine  Hand  zurückgegeben!"  In- 
folge der  Schwere  des  Stabes  nahm  der  Kläger  diesen  u.  warf  ihn  auf  die  Erde;  da 
fingen  die  Denare  an  verstreut  zu  werden,  u.  er  begann  sie  zu  sammeln.  Jener  aber 
sprach:  Sammle,  sammle,  von  dem  Deinigen  sammelst  du!  —  Dasselbe  LvR  6  (109''). 
Nach  N'^d  25^  hat  sich  die  gleiche  Begebenheit  vor  Raba,  f  352,  zugetragen;  man 
nannte  deshalb  in  den  babylonischen  Schulen  dergleichen  Betrügereien  beim  Eide 
kurzweg  einen  „Rabastock"  s=^t  s;:-.,  zB  Sch'^^bu  29%  39b.  ||  LvR  6  (109b):  R.  Aibo 
(um  320)  hat  gesagt:  Warum  läßt  man  einen  Menschen  mit  dem  Torabuch  (in  seiner 
Hand)  schwören  u.  warum  bringt  man  aufgeblasene  Schläuche  vor  ihn?  Um  damit 
zu  sagen:  Gestern  war  dieser  Schlauch  erfüllt  von  Sehnen  u.  Knochen  (der  Schlauch 
war  also  eine  aufgeblasene  Tierhaut),  u.  jetzt  ist  er  leer  von  dem  allem.  So  wird 
schließlich  auch  der,  der  einen  andren  zu  Unnützem  {■=  unnötig)  schwören  läßt, 
leer  von  all  seinem  Vermögen  ausgehn.  (Gemeint  ist  wohl  der  Fall,  daß  jemand  eine 
ungerechtfertigte  Forderung  einklagt,  derentwegen  der  Beklagte  unnötig  schwören 
muß.)  —  In  P^'siqR  22  (113b)  ist  R.  Simon,  um  280,  als  Autor  genannt.  ||  Tanch  s-^p^i 
136":  Unsre  Lehrer  haben  gesagt:  Auch  wegen  der  Wahrheit  zu  schwören  ist  dem 
Menschen  nicht  gut.  Weshalb?  Sie  haben  gelehrt:  Nicht  sei  jemand  von  Israel  leicht- 
fertig mit  Gelübden,  auch  nicht  mit  dem  Lachen,^  auch  nicht,  um  einen  andren  durch 
einen  Schwur  zu  täuschen,  sagend,  daß  es  kein  Schwur  sei.  Im  Königsgebirge  (=  Ge- 
birge Ephraim,  Neubauer,  Geogr.  41)  lagen  2000  Städte,  u.  sie  alle  sind  wegen  eines 
wahrheitsgemäßen  Schwures,  der  ein  unnötiger  war,  zerstört  worden.  Wie  verhält 
es  sich  hiermit?  Der  eine  sagte  zum  andren:  Schwur  (=  ich  schwöre),  daß  ich  nach 
dem  u.  dem  Ort  gehn  werde,  um  zu  essen  u.  zu  trinken.  Und  sie  gingen  u.  taten 
es  u.  hielten  ihren  Schwur;  u.  sie  alle  sind  vernichtet  worden.  Wenn  es  nun  dem 
also  ergeht,  der  wahrheitsgemäß  schwört,  um  wieviel  mehr  wird  es  dem  also  er- 
sehn, der  falsch  schwört.  —  Dasselbe  Tanch  B  s-p-i  §  16  (5  b);  ohne  die  Eingangs- 
sätze auch  TanchB  r^z^  §1(79*);  NuR  22  (192 f^).  ||  Tanch B  rv^'3  §1(79"):  Gott 
sprach  zu  Israel:  Seid  behutsam  mit  den  Gelübden  u.  nicht  leichtfertig  mit  ihnen; 
denn  wer  mit  Gelübden  leichtfertig  ist,  der  wird  schließlich  auch  Untreue  begehn 
mit  Schwüren;  u.  wer  Untreue  mit  Schwüren  begeht,  der  wird  mich  verleugnen;  ein 
solcher  wird  in  Ewigkeit  keine  Vergebung  haben,  s.  Ex  20,  7:  „Jahve  wird  den  nicht 
ungestraft  lassen,  der  seinen  Namen  zu  Nichtigem  ausspricht."  Eine  Schriftstelle 
sagt:  Schwören  wirst  du:  „So  wahr  Jahve  lebt"  Jer  4,  2.  Gott  sprach  zu  Israel: 
Ihr  sollt  nicht  meinen,  daß  euch  das  Schwören  bei  meinem  Namen  erlaubt  sei;  selbst 
der  Wahrheit  gemäß  dürft  ihr  nicht  bei  meinem  Namen  schwören,  es  sei  denn,  daß 
du  alle  jene  Eigenschaften  besitzest  von  Dt  10,  20:  „Jahve  deinen  Gott  sollst  du 
fürchten,  ihn  verehren  u.  ihm  anhangen  u.  bei  meinem  Namen  schwören".  .  .  .  Dann 
kannst  du  schwören;  wenn  aber  nicht,  so  darfst  du  nicht  schwören.  —  Parallelstellen: 
Tanch  rv^xj  243';  NuR  22  Anfang;  vgl.  auch  N'd  20='. 

3.  Zum  Wesen  des  Schwures  gehörte,  dafa  er  beim  Namen  Gottes, 
d.  h.  beim  Jahvenamen  geleistet  wurde.  Man  berief  sich  dafür  auf  Gn 
24,  3  u.  Ex  22, 10.  a  Dem  hat  jedenfalls  die  ältere  Praxis  entsprochen. 
Als  dann  später,  aber  noch  zur  Zeit  des  Tempelbestandes,  das  Aus- 
sprechen des  Jahvenamens  auf  Grund  von  Ex  20,  7  verboten  u.  im  Zus.- 
hang  damit  auch  der  Gebrauch  des  Ausdrucks  „Gott"  möglichst  ver- 


^  Dieser  Ausspruch  nach  D'^mai  2,  3  von  R.  J^huda,'  um  150. 


Matth  5,  34  (Nr.  3)  331 

mieden  wurde,  erfolgten  die  Schwüre  bei  einer  der  Nebenbenennungen 
-ji^^:3  Gottes. a  Als  solche  führt  Sch^bu  4, 13  an:  Adonai  (xi>p;oc,  Herr), 
Schaddai  (der  Allmächtige),  9'^baoth,  der  Gnädige  u.  Barmherzige  -isn 
cJinni,  der  Langmütige  c^ex  -,-ix  u.  der  groß  ist  an  Gnade  ipn  ^n.  Wenn 
in  dieser  Reihe  hinter  Adonai  auch  der  mit  Jod-He  beginnende  Name, 
4.  h.  nini,  genannt  wird,  so  ist  damit  selbstverständlich  nicht  dieser 
Name  selbst  gemeint  (sein  Gebrauch  war  ja  verboten),  sondern  der 
übliche  Ersatzausdruck,  nämlich  d'j  =  Name.  Man  sagte:  „Beim  Namen" 
u.  meinte  damit:  „beim  Jahvenamen*,*'  ||  Andre  Nebenbezeichnungen 
waren:  der  Große,  der  Furchtl^are,  der  Herrliche  u.  dgl.,  s.  Sch^bu  35 ä. 
Bei  einer  von  diesen  Gottesbezeichnungen  wurde  nun  ein  Schwur  an 
<7erichtsstätte  abgelegt.»  Fraglich  aber  ist,  ob  auch  der  außerhalb  der 
Gerichtsstätte  geleistete  „Zeugniseid"  unbedingt  unter  Erwähnung 
einer  Gottesbezeichnung  erfolgen  mußte.  Denn  da  dieser  weniger  rechts- 
verbindlich war,  als  der  vor  einem  Richter  abgelegte  Zeugniseid, ^  so 
wäre  es  gar  wohl  möglich  gewesen,  daß  man  bei  ihm  auf  die  aus- 
drückliche Erwähnung  einer  Gottesbenennung  verzichtet  hätte.  ||  Auch 
■die  Nebenbenennunge'n  Gottes  nahmen  ja,  eben  weil  sie  Bezeichnungen 
öottes  waren,  weithin  an  der  Heiligkeit  des  göttlichen  Namens  teil. 
Deshalb  lag  es  nahe,  bei  denjenigen  Schwüren,  die  nur  eine  gewöhnhche 
Bekräftigung  eines  Ausspruchs  bedeuteten,  jede  Gottesbezeichnung  fort- 
zulassen u.  als  Schwurformel  das  einfache  nr^isd  „Schwur"  (=  „ich 
schwöre")  zu  gebrauchen.  Tatsächlich  verwendet  denn  auch  die  Mischna 
beim  außergerichtl.  Zeugniseid  als  Schwurformel  das  bloße  nyisir  u.  als 
Beschwörungsformel  das  bloße:  „ich  beschwöre  euch"  c:"^b;^;  "'dn  v-'2^^, 
s.  Sch^bu  4,  3  S.  322.  Bei  der  ^r^a  rrsar:,  der  schwurmäßigen  Beteuerung 
«ines  Ausspruchs  (s.  S.  321),  war  jedenfalls  das  einfache  „Schwur" 
n:;i3tJ  oder  eine  gleichbedeutende  Nebenbenennung  allgemein  üblich, 
s.  Sch^bu  3,  1.  5  S.  321.  c  II  Ja  endHch  ließ  man  bei  den  Bekräftigungs- 
■oder  Beteuerungsschwüren,  wie  sie  im  gewöhnl.  Leben  Sitte  waren,  auch 
noch  das  Wort  „Schwur"  r^^^^^^  fort  u.  sagte  einfach  „beim  Himmel", 
„beim  Tempel",  „beim  Tempeldienst",  „beim  Bunde"  usw.d  —  Gegen 
diese  abgeschwächten  Schwüre  wendet  sich  Jesus  insonderheit  Vers  34 
bis  36,  indem  er  darauf  hinweist,  daß  sie  ihre  Beteuerungskraft  nur 
dadurch  haben,  daß  sie  irgendwie  zu  Gott  in  Beziehung  stehen  u.  daß 
ihr  unnötiger  u.  gedankenloser  Gebrauch  eben  deshalb  eine  Beein- 
trächtigung der  Heiligkeit  Gottes  bedeute. 

a.  M'kh  Ex  22, 10:  ,Es  soll  ein  Schwur  bei  Jahve  zwischen  beiden  sein"  Ex  22,10. 
Aus  diesen  Worten  folgt  für  sämtliche  Schwüre  in  der  Tora,  daß  sie  nur  bei  Jod-He 
r"-  (=  mn-)  geleistet  werden.  1]  Sch'^'bu  38'*:  Wie  beschwört  man  jemand  (beim  gerichtl. 
Eid)?  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Man  beschwört  ihn 
mit  dem  in  der  Tora  genannten  Schwur  Gn24,  3:  , Damit  ich  dich  hei  Jahve,  dem 
Oott  des  Himmels  u.  dem  Gott  der  Erde,  schwören  lasse."    Rabina  (f  um  420)  sagte 

^  So  blieb  der  außergerichtlich  abgelegte  falsche  Zeugniseid  unbestraft,  falls  die 
Aussage  hinterher  vor  Gericht  nachgeholt  wurde,  s.  Sch^'bu  4,  3  S.  322. 


332  Matth  5,  34  (Nr.  3).  5,  34  f.  (31) 

zu  Rab  Aschi  (f  427):  Wessen  Meinung  entspricht  dies?  Der  Meinung  des  Rab  Chaninan 
b.  Idi  (wohl  des  Jüngeren,  gegen  300),  der  gesagt  hat:  Man  läßt  schwören  bei  dem 
Gott  eignen  Namen  (d.h.  beim  Jahvenamen).  Rab  Aschi  erwiderte:  Du  kannst  auch 
sagen,  daß  es  der  Meinung  der  Rabbanan  entspreche,  die  gesagt  haben,  man  lasse  bei 
einem  der  Beiaamen  (Nebenbenennungen)  Gottes  schwören.  —  Die  erste  Stelle  gibt 
wohl  die  prinzipielle  Auffassung  wieder,  wie  es  sein  sollte  u.  wie  es  in  älterer  Zeit 
tatsächlich  war,  nämlich  daß  alle  Schwüre  beim  Jahvenamen  zu  leisten  seien.  Wie 
die  Schwüi-e  später  gehandhabt  wurden,  besagt  die  Stelle  nicht.  Das  zweite  wesentlich 
jüngere  Zitat  betont  gleichfalls  den  prinzipiellen  Standpunkt:  zum  Schwur  gehört  die 
Nennung  des  Jahvenamens;  indem  dann  aber  am  Schluß  die  Eidesleistung  mit  einer 
der  Nebenbenennungen  Gottes  der  Eidesleistung  mit  dem  Jahvenamen  gleichgesetzt 
wird,  zeigt  die  Stelle,  daß  sie  unter  der  letzteren  den  Schwur  versteht,  bei  dem  der 
späteren  Sitte  gemäß  der  Jahvename  durch  „Adonai"  oder  das  absolute  er  =  „Name*^ 
ersetzt  wurde.  Diese  beiden  Ersatzausdrücke  gehörten  natürlich  auch  zu  den  Neben- 
bezeichnungen Gottes;  deshalb  kann  Rab  Aschi  sagen,  die  Meinung,  der  Schwur  habe 
beim  Jahvenamen  zu  erfolgen,  entspreche  der  andren  Meinung,  daß  er  bei  einem  der 
Nebennamen  zu  leisten  sei. 

b.  Sch^bu  4,  13:  Beschwört  jemand  andre  zur  Leistung  des  Zeugniseides  mit  Aleph- 
Daleth  -"s  (=  "3'"n,  dem  gewöhnl.  Ersatzwort  für  t\i'^'),  mit  Jod-He  n"-  (=  -r.'.i-r,  ge- 
meint ist  hier  das  absolute  zv  ^=  Name,  ebenfalls  ein  gang  u.  gäbes  Ersatzwort  für 
jJahve"),  mit  --r  (dem  Allmächtigen),  mit  QbaJoth,  mit  dem  Gnädigen  u.  Barmherzigen,, 
mit  dem  Langmütigen  oder  dem,  der  groß  ist  an  Gnade  (s.  Ex  34,  6),  oder  mit  allen 
(übrigen)  Nebenbenennungen  v^us ,  siehe,  die  sind  schuldig  (wenn  sie  wider  besseres 
Wissen  ihre  Zeugenaussage  ablehnen). 

C.  In  tt;8"in  'j^Ci  ^^•^-.  (von  Ja?aqob  b.  Ascher)  zu  Sch'^bu  Kap.  4  Nr.  24  heißt  es: 
,Von  den  Beteuerungsschwüren  -vjs  riyi:»  (s.  S.  321)  hat  R.  Mosche  b.  Nachman  (f  um 
1270)  geschrieben,  daß  ein  solcher  weder  des  , Namens'  nie  (Ersatz  für  nin-)  noch 
einer  Nebenbenennung  *^3r  bedürfe."  —  Man  sagte  einfach  nyi^s  Schwur!  oder  ein 
gleichwertiges  Wort.  N'^'d  1,1:  Alle  Nebenbezeichnungen  der  Schwüre  sind  wie  Schwüre 
(haben  die  gleiche  rechtliche  Bedeutung),  y  N^d  1,  2:  nrin:«?,  —np-i-  (r:^n=tti)  —  (alles 
absichtliche  Veränderungen  von  nvr.ar),  oder  hat  einer  mit  sri^s  (andere  Lesarten;  mit 
■'riio,  SP'?-':,  absichtliche  Veränderungen  von  '•^.'•o  =  Eid,  Schwur)  gelobt  (geschworen)^ 
siehe,  so  sind  das  Nebenbezeichnungen  111122  für  ryi:ia  Schwur.  —  Zu  i--':  s.  Levy  3, 43. 

d.  Belege  s.  S.  334  f. 

5,34 — 36:  Auch  nicht  beim  Himmel,  weil  er  Gottes  Thron  ist; 
35auch  nicht  bei  der  Erde,  weil  sie"  seiner  Füße  Schemel  ist; 
auch  nicht  bei  Jerusalem,  weil  sie  des  großen  Königs  Stadt 
ist.  s^Auch  sollst  du  nicht  bei  deinem  Haupte  schwören,  weil 
du  nicht  Ein  Haar  weiß  machen  kannst  oder  schwarz. 

5,  34  f.  %:  ^r}Ts  sv  t/>)  ovQavo)  .  .  .  fxijrs  iv  ttj  yfj.  Der  Schwur  beim 
Him.mel  u,  bei  der  Erde  galt  nicht  als  Schwur. 

Sch®bu4, 13:  Sagt  jemand,  zum  Zeugniseid  auffordernd:  Ich  beschwöre  euch  .  .  . 
beim  Himmel  u.  bei  der  Erde  7^x31  a-2i)3,  so  sind  sie  (die  die  Aufforderung  hörten  u. 
unrechtmäßigerweise  ablehnten)  straffrei  (weil  diese  Beschwörungsformel  keine  bindende- 
Kraft  hatte).  |l  Sch'^bu  35*:  ,Ich  beschwöre  euch  bei  dem  Gnädigen  u.  Barmherzigen" 
(Sch'bu  4, 13);  das  besagt,  daß  der  „Gnädige"  u.  , Barmherzige"  (Gottes-)Namen  sind. .  . . 
Abaje  (f  33^/39)  hat  gesagt:  ünsre  Mischna  meint  damit:  ich  beschwöre  euch  bei  dem, 
der  gnädig  ist,  bei  dem,  der  barmherzig  ist.  Raba  (f  352)  antwortete:  In  diesem  Fall 
könnte  man  sagen,  daß  mit  , Himmel  u.  Erde"  (Sch'^bu  4,  13)  ebenfalls  der  gemeint  sei, 
dem  Himmel  u.  Erde  gehören  (warum  ist  also  der  Schwur  bei  Himmel  u.  Erde  in  der 
Mischna  abgelehnt'?).   Trifft  denn  das  hier  zu?   Dort,  weil  es  keinen  andren  gibt,  der 


Mattb  5,  34  f.  (31).  5,  35  (58.  6)  333 

tiarmherzig  u.  gnädig  genannt  wird,  ist  es  bestimmt  von  dem  gemeint,  der  gnädig,  u. 
-bestimmt  von  dem,  der  barmherzig  ist.  Hier  aber,  weil  es  solches  gibt,  was  Himmel 
«.  Erde  o-enannt  wird  (nämlich  der  wirkliche  Himmel  u.  die  wirkliche  Erde),  so  könnte 
•er  (bei  seinem  Schwur)  vom  (wirklichen)  Himmel  u.  von  der  (wirklichen)  Erde  reden 
(u.  nicht  von  dem,  dem  beide  gehören).  —  Der  Schwur  bei  Himmel  u.  Erde  ist  hiernach, 
weil  zweideutig,  von  der  Mischna  abgelehnt  worden.  Aber  aus  der  Ablehnung  erkennt 
man  zugleich,  daß  der  Schwur  irgendwann  üblich  gewesen  sein  muß;  Mt  5,  o4  zeigt 
ans  dann,  daß  das  in  Jesu  Tagen  der  Fall  gewesen  ist.  —  Anders  ist  die  Beteuerungs- 
formel: „beim  Himmel!"  zu  verstehn;  hier  ist  , Himmel"  metonymisch  für  ,Gott"  ge- 
setzt; die  Formel  ist  also  soviel  wie:  ,bei  Gott".  Belege  zu  dieser  Formel  s.  S.  334.  || 
Midr  KL4,  2  (741^):  R.  J^hoschuaf  sprach:  Ich  nehme  Himmel  u.  Erde  zu  Zeugen,  daß 
ach  zu  diesem  (dem  späteren  R.  Jischraafel,  f  um  135)  das  feste  Vertrauen  habe,  daß 
•er  (noch  einst)  in  Israel  Entscheidungen  treffen  wird.  —  „Ich  nehme  Himmel  u.  Erde 
a;u  Zeugen"  sagt  auch  R.  Jochanan  b.  Nuri  (um  110)  SLv  19,  17  (352»). 

oTi  ^qÖvoc  earlv  xov  ^sov  . . .  öxi  vnonööiöv  iariv  xwv  noöwv  avxov. 
Jes  66, 1:  ,Der  Himmel  ist  mein  Thron  -st?s  u.  die  Erde  der  Schemel  n'-rn  meiner 
j'Qße."  —  LXX:  6  ovQafög  fiov  ÜQÖPog  xal  tj  yfj  imonodiop  xiöi'  nodwy  /uov.  Targ:  Der 
Himmel  ist  der  Thron  meiner  Herrlichkeit  "^-•'  -3^i=  u.  die  Erde  ein  Schemel  vor  mir 
-^■rp  V2::.  ||  Chag  12»;  Die  Schule  Schammais  sagte  zur  Schule  Hillels  (welche  lehrte, 
daß  erst  die  Erde  u.  dann  der  Himmel  erschaffen  worden  sei):  Nach  euren  Worten 
macht  ein  Mensch  den  Fußschemel  q^^r^  u-  hinterher  den  Sessel,  wie  es  heißt  Jes 
66, 1 :  Der  Himmel  ist  mein  Thron  usw.  —  Parallelstellen:  pChag  "i,  77^,  61 ;  GnR  1  (3^); 
LvR  36  (132d).  II  Chag  14^  zum  Plural  , Throne"  Dn  7,  9:  .  .  .  R.  El?azar  b.  $Azarja  (um 
100)  sagte:  .  .  .  Der  eine  als  Sessel,  der  andre  als  Fußbank;  der  Sessel,  um  darauf  zu 
sitzen,  die  Fußbank  als  Schemel  seiner  Füße,  s.  Jes  66, 1.  —  Dasselbe  Sanh  38''.  ||  Auch 
der  Tempel  zu  Jerusalem  wird  einmal  der  „Fußschemel  Gottes"  genannt.  SDtll,16 
§  43:  Rabban  Gamliel  (IL,  um  90),  R.  J'^hoschua?  u.  R.  EUazar  b.  fAzarja  sprachen  zu 
R.  ?Aqiba:  Sollen  wir  nicht  weinen,  daß  die  Heidenvölker,  die  den  Götzen  dienen,  die 
den  Nichtsen  opfern  u.  die  Götzenbilder  anbeten,  in  Frieden  u.  Sicherheit  wohnen,  während 
-die  Stätte  des  Fußschemels  ot-^n  r-a  unsres  Gottes  (d.  h.  der  Tempel)  zur  Brandstätte 
geworden  u.  zur  Wohnung  für  das  Wild  des  Feldes?  —  Parallelstelle:  Mak  24*. 

5,  35  $ö:  f^iTiTs  €ig  'hgoaöXvfxa.  Eine  Schwurformel  mit  dem  Namen 
Jerusalem  ist  uns  nicht  begegnet,  wohl  aber  kommt  der  Name  in 
Entsagungsgelübden  vor. 

N<^d  1,3:  Wenn  jemand  sagt:  (Dies  oder  das  soll  mir  sein)  wie  ein  Opferlamm,  wie 
'die  Stallungen  (für  die  Opfertiere  auf  dem  Tempelberg),  wie  Opferholz,  wie  das  Altar- 
feuer, wie  der  Altar,  wie  der  Tempel  Vs--,  wie  Jerusalem  — ,  oder  hat  er  das  Gelübde 
bei  irgendeinem  der  Altargerätschaften  abgelegt,  so  hat  er,  auch  wenn  er  das  Wort 
qorban  „Opfer"  nicht  erwähnt  hat  (wie  es  sonst  bei  Entsagungsgelübden  üblich  ist), 
gelobt  wie  mit  dem  Worte  qorban.  R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  Wer  sagt:  (Dies  oder  das 
soll  mir  sein)  „Jerusalem"  (statt  „wie  Jerusalem"),  hat  gar  nichts  gesagt.  (Bertinoro: 
„wie  Jerusalem"  d.  h.  wie  die  Opfer  in  Jerusalem.)  —  TNM  1,  2  f.  (276) :  R.  J'^huda  (um 
150)  sagte:  Wer  sagt:  Jerusalem  (soll  mir  sein,  was  ich  von  dem  Deinigen  genießen 
sollte)!  hat  gar  nichts  gesagt,  weil  er  damit  nur  ein  Opfer  selbst  zu  geloben  gedachte.  — 
Wenn  jemand  sagt:  Jerusalem,  für  Jer.,  wie  Jer.;  Tempel,  für  den  T.,  wie  der  T.; 
Altar,  für  den  A.,  wie  der  A.  . .  .  soll  mir  sein,  was  ich  von  dem  Deinigen  genießen  sollte 
(so  nach  der  Wiener  Handschrift),  so  ist  es  ihm  verboten.  (Dieser  Satz  ist  der  Meinung 
J'^hudas  entgegengesetzt.)  —  Vgl.  auch  pN^d  1,  37^,  23. 
5,  35  6:   Tiohg  .  .  .  xov  [.isyakov  ßaGiXewg. 

Ps48,  3:   „Zion  .  .  .,  die  Stadt  des  großen  Königs"  an  -r"'?.'?  ^zy..'  Targ:  ^i-.^.l_  ^r^T^ 

K^-.   LXX:  ij  nöXig  xov  ßaailscji  toiT  usyd'Äov.  —   „Ein  großer  König"   ^'.is  ^\'^.  heißt 

'  Oott  Ps  47,  8  (Targ:  =:  -?« );  Ps  95,  3  (Targ:  s^^  ss^^?);  Mal  1, 14  (Targ:  a!;  n^«).  LXX 


334  Matth  5,  36  (S.  6.  S) 

überall  ß«ai?.£vg  /nsyccg.  —  In  einer  Auslegung  von  Qoh  9,  14  f.  heißt  es  GnR  33  (20'"') 
,Eine  kleine  Stadt",  Qoh  9,  14,  das  ist  die  Welt;   „u.  nur  wenig  Männer  darinnen",  das 
ist  das  Geschlecht  der  Flut;  ,u.  es  zog  gegen  sie  ein  großer  König  u.  umringte  sie" 
das  ist  Gott. 

5,36  ^:  i.i)]Ts  SV  rfj  xs(paXfj  aov  ofiöürjg.  —  Der  Gelöbnisschwur 
„beim  Leben  deines  Hauptes"  findet  sich  zB: 

Sanh  3,  2:  War  jemand  einem  andren  zu  einem  Schwur  verpflichtet  u.  der  hat  zu' 
ihm  gesagt:  , Gelobe  mir  beim  Leben  deines  Hauptes"  t^'4^^  "?."?,  so  kann  er  nach 
R.  Meir  (um  150)  davon  zurücktreten;  die  Gelehrten  aber  sagten:  Er  kann  üicht  zurück- 
treten (das  Gelübde  ist  gültig). 

5,  36  @:  oTt  ov  Svvaaai  iiiav  tqi'xcc  Xsvxr'V  TtoiTiaai  tj  jusXaivccv. 

Ähnlich  sagt  R.  Alexandrai  (um  270)  LvR  19  (48  b):  Wenn  alle  Völker  der  Welt 
zusammenkämen,  um  Einen  Rabenflügel  weiß  zu  machen  i-a'inb,  so  würden  sie  es  nicht, 
vermögen.  Ebenso  wenn  alle  Völker  der  Welt  zusammenkämen,  um  Ein  Wort  aus  der 
Tora  zu  tilgen,  so  würden  sie  es  nicht  vermögen.  —  Parallelstelle:  Midr  HL  5, 11.  || 
Das  Unvermögen  des  Menschen,  Gotte  das  geringfügigste  Schöpfungswerk  nachzutun,, 
wird  gern  in  dieser  Weise  veranschaulicht:  SDt  6,  5  §32:  Wenn  alle,  die  in  die  Welt 
gekommen  sind,  zusammenkämen,  um  Eine  Mücke  zu  erschaffen  u.  in  sie  eine  Seele  zu 
legen,  so  würden  sie  es  nicht  vermögen.  —  Nach  pSanh  7,  25 '^,  48  ist  R.  Jose  b.  Zimra 
(um  220)  Autor  dieses  Ausspruchs.  Weitere  Parallelen  s.  GnR  39  (24"=);  84  (53  b);  Midr 
HL  1,3;  pesiqR43(181''i). 

5,  36  ^:  Noch  einige  andre  der  Schwur-  u.  Beteuerungsformeln  in, 
den  altrabbin.  Schriftwerken  mögen  hier  genannt  werden. 

a.  bei  Gott.  Git  7»:  Rab  Huna  (f  297)  .  .  .  sprach:  Bei  Gott  o-n'ssn!  (das  Verbot,, 
den  Bräutigam  mit  einem  Kranz  zu  schmücken)  stammt  von  den  Rabbinen.  |1  MQ9'': 
Rab  Huna  b.  Chin'^na  (um  30U)  saß  vor  Rab  Chisda  (f  309)  u.  sprach:  (Daß  Frauen  sich 
schminken  u.  putzen  dürfen)  hat  man  nur  von  einer  Jugendlichen,  aber  nicht  von  einer 
Alten  gelehrt.  Er  antwortete:  Bei  Gott  a-n^sn!  auch  deine  Mutter  u.  die  Mutter  deiner 
Mutter  tut  es  u.  selbst  eine,  die  am  Rand  ihres  Grabes  steht;  denn  die  Leute  sagen: 
Die  Sechzigjährige  rennt  wie  die  Sechsjährige  zum  Paukenschlag!  —  n-n'jsr;  im  Munde 
des  Rab  Chisda  auch  B'rakh  24''  zweimal. 

ö.  beim  Himmel  (metonymisch  =  bei  Gott).  TGhullin  2,24  (503)  u.  Midr  Qoh  1,8: 
R.  Elifezer  b.  Hyrkanos  (um  90)  sprach  zu  R.  f  Aqiba  (f  um  135):  Beim  Himmel  D-uvr.l 
du  rufst  eine  Erinnerung  in  mir  wach.  —  ||  SDt  32,  3  §306:  R.  N'^horai  (um  150)  ant- 
wortete dem  R.  Jose:  Beim  Himmel  n-^mn!  so  ist  der  Lauf  der  Welt:  die  Knappen 
kämpfen  im  Kriege,  u.  die  Helden  tragen  den  Sieg  davon.  —  Dasselbe  B*^rakh  53^*; 
Nazir  66''.  ||  Aboth  R.  Nathan  38:  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  sprach:  Beim  Himmel 
n-i2-i;r:!  wenn  ich  so  getan  habe  (=  so  habe  ich  nicht  getan).  —  ||  Tafan  18^  u.  RH  19'' 
heißt  es:  n-'^tu  -x,  sind  wir  nicht  Brüder,  sind  wir  nicht  Kinder  Eines  Vaters  u.  Einer 
Mutter?  —  n-»3'a  -s  auch  ExR  42  (98''):  Der  König  sprach:  d-'ssj  -s,  zwei  Perlen  habe 
ich  ihr  aus  meiner  Hand  in  ihre  Hand  gegeben!  —  Diese  Wortverbindung  bedeutet 
aber  nicht,  wie  Wettstein  annimmt,  einen  Schwur,  sondern  -s  ist  Interjektion,  also  = 
o  Himmel!  =  o  Gott! 

c.  bei  der  Allmacht  =  beim  Allmächtigen.  Chag  15*5:  R.  Jochanan  (1279) 
sprach:  Bei  der  Allmacht  sr-n:;!  so  seinem  Lehrer  zu  fluchen! 

d.  beim  Tempel.  Qid  71'':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Beim  Tempel  s^p^-I 
das  haben  wir  in  unsren  Händen  (wir  vermögen  es),  aber  was  soll  ich  tun? 

e.  bei  dieser  Wohnung  =  beim  Tempel.  K^'r  1,  7  u.  BB  166^:  Einmal  kamen 
die  Geflügelopfer  in  Jerusalem  auf  2  Golddenare  zu  stehn.  Da  sprach  R.  Schimfon 
b.  Gamliel  (I.,  f  70  n.  Chr.):  Bei  dieser  Wohnung  mri  yyr:-]  ich  will  nicht  eher  Nacht- 
ruhe halten,  als  bis  sie  auf  2  Silberdenare  kommen!  ||  K'th  2,  9:  R.  Z'^kharja,  der 
Sohn  des  Fleischhauers  (um  70  n.  Chr.?)  sagte:  Bei  dieser  Wohnung!  nicht  ist  ihre 


Matth  5,  36  (5)  335 

(meiner  Frau)  Hand  aus  meiner  Hand  gekommen  seit  der  Stunde,   da  die  Heiden  in 
Jerusalem  eindrangen,  bis  sie  wieder  abzogen.  —  Dasselbe  TK^^th  3,  2  (268). 

/.  beim  Tempeldienst.  Midr  KL4,  2:  R.  J'^hoschuaf  (um  90)  sprach:  Beim  Tempel- 
dienst r,r'2-J~l  ich  weiche  nicht  von  dannen,  bis  ich  ihn  (den  späteren  R.  Jischmafel) 
ausgelöst  (aus  der  Gefangenschaft  losgekauft)  habe.  ||  SLv  19,  17  (852='):  R.  Tarphon 
(um  100)  sagte:  Beim  Tempeldienst!  wenn  es  in  diesem  Zeitalter  einen  gibt,  der  zu- 
rechtzuweisen versteht!  R.  Ehazar  b.  ?Azarja  sagte:  Beim  T. !  wenn  es  in  diesem  Zeit- 
alter einen  gibt,  der  Zurechtweisung  anzunehmen  versteht!  R.  fAqiba  sagte:  Beim  T.! 
wenn  es  in  diesem  Zeitalter  ein«n  gibt,  der  weiß,  wie  man  zurechtweist.  !l  P^siq 
143'':  R.  Jose,  der  Sohn  der  Damaszenerin  (um  180)  hat  gesagt:  Beim  T. !  ich  bin  aus 
Damaskus.  ||  Weitere  Beispiele  s.  B'Takh  34 f^;  Schab  127''  (3 mal);  Ta?an  24^  (2mal); 
N'-^d  9'^;  Nazir  4";  BB  11=';  pQid  4,  65«,  56. 

g.  beim  Altar.  P°siq  168^:  „Er  (Nebukadnecar)  hatte  ihn  (den  (jJedekia)  bei  Gott 
schwören  lassen"  2  Chr.  86,  13.  Wobei  hatte  er  ihn  schwören  lassen?  R.  Jose 
b.  Ghanina  (um  270)  hat  gesagt:  Beim  Altar  ließ  er  ihn.  schwören.  —  In  der  Parallel- 
stelle Midr  KL  2,  10:  Beim  inneren  Altar  (d.  h.  dem  Rauchopferaltar);  Midr  Esth  1,  9:' 
Bei  den  Hörnern  des  inneren  Altars.  Midr  Qoh  9,  2:  R  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Beim 
Bunde  ließ  er  ihn  schwören.  Rabbi  hat  gesagt:  Beim  Altar  ließ  er  ihn  schwören.  — 
Vermutlich  ist  hier  der  Text  verderbt. 

h.  beim  Bunde.  P'^s  88^:  R.  Elifezer  (um  90)  sprach  zu  mir  (R.  El?ai):  Beim 
Bunde  r— i^r: !  das  sind  die  Worte,  die  dem  Mose  auf  dem  Sinai  gesagt  woi-den  sind.  — 
Die  gleiche  Beteuerungsformel  im  Munde  des  R.  Elfazar  b.  f  Azarja  (um  100)  pPea 
5,  19  b,  62.  Ferner  s.  R.  Jose  in  Anm.  g. 

i.  bei  der  Tora.  TPea  3,  2  (21):  Als  ich  (R.  Elfai,  um  110)  kam  u.  es  vor 
R.  Elfazar  b.  ?Azarja  vortrug,  sagte  er  zu  mir:  Bei  der  Tora  rriinn!  das  sind  die 
Worte,  die  dem  Mose  auf  dem  Sinai  gesagt  worden  sind.  ||  fEr  17^:  Rab  Giddel 
(um  270)  sprach:  Bei  der  Tora,  den  Propheten  u.  den  Hagiographen,  daß  Rab  (f  247) 
so  gesagt  hat!  ||  WA.  14='  Bar:  Wer  bei  der  Tora  n-nra  gelobt,  hat  überhaupt  nichts 
gesagt.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Er  muß  einen  Gelehrten  um  Lösung  (des 
Gelübdes)  bitten.  .  .  .  Bar:  Wer  bei  der  Tora  gelobt,  hat  überhaupt  nichts  gesagt; 
wenn  er  aber  gelobt  bei  dem,  was  in  ihr  geschrieben  ist,  dann  haben  seine  Worte 
Geltung;  wenn  er  gelobt  bei  ihr  (der  Tora)  u.  bei  dem,  was  in  ihr  geschrieben  ist, 
so  haben  seine  Worte  Geltung. 

k.  bei  Mose.  pD'^'mai  4,  24=*,  18:  Als  R.  Chaggai  (um  330)  eintrat,  sagten  die 
Gelehrten  (untereinander):  Wird  er  auch  4iierbei  sagen:  „Bei  Mose  n^-tt!  ich  will  den 
Grund  angeben"?  Da  sagte  er  (wirklich):  Bei  Mose!  ich  will  den  Grund  angeben.  — 
Weitere  Aussprüche  des  R.  Chaggai  mit  dieser  Beteuerung  s.  pJoma  1,  'iS'^,  62;  pTafan 
4,  67<=,  59;  pM'^g  4,75'-,  5;  pSanh  2,  19'',  57.  —  Die  gleiche  Beteuerungsformel  im 
Munde  des  Rab  Saphra  (um  820)  Schab  101b;  Be9a  38b;  Sukka  38b;  Chullin  93^  im 
Munde  Rabas  (f  352)  Chullin  98". 

/.  beim  Schwur.  K'^th  77b:  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  sprach  zum  Todes- 
engel: Beim  Schwur  sryia»:,  daß  ich  nicht  (aus  dem  Paradies)  herauskomme! 

tn.  bei  (deinem)  Leben.  Sehr  häufige  Beteuerungsformel.  P  siq40b:  Rabban  Jo- 
chanan b.  Zakkai  (t  um  80)  sprach  zu  seinen  Schülern:  Bei  eurem  Leben  =3"-!  nicht 
der  Tote  verunreinigt  u.  nicht  das  Wasser  macht  rein;  aber  es  ist  eine  Bestimmung 
des  Königs  aller  Könige.  |1  LvR  34  (181''):  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  sprach  zu 
den  Söhnen  seiner  Schwester:  Bei  eurem  Leben  Ti:"'n!  seit  der  Neujahrsnacht  wußten 
wir,  daß  jene  (von  euch)  600  Denare  erheben  würden.  —  Noch  in  späterer  Zeit  rühmt 
Raba  (f  852)  an  dem  Bruderpaar  R.  Chanina  u.  R.  Hoschaf ja  (gegen  800),  daß  ihr 
Schwur  gelautet  habe:  Beim  Leben  der  Rabbinen,  der  Heiligen  des  Landes  Israel 
P'^s  113b.  —  II  Auch  Gott  wird  dieser  Schwur  oft  in  den  Mund  gelegt.  LvR  84  (132^): 
Man  wird  dich  nennen:  „Hersteller  durchbrochener  Mauern,"  „Erneuerer  der  Wege 
zum  Wohnen"  Jes  58,  12.  R.  Abin  (um  370)  hat  im  Namen  des  R.  B'^rekbja  (um 
340)  gesagt:  Gott  spricht:    Mir  hätte  es  obgelegen  diesen  Bruch  (den  ein  Verarmter 


336  Matth  5,  36  (g).  5,  37 

erleidet)  zu  verzäunen;  da  bist  du  (der  Wohltäter  des  Annen)  aufgetreten  u.  hast  ibm 
verzäunt;  bei  deinem  Leben  ~"n,  ich  rechne  es  dir  an,  als  ob  du  der  wärest,  von 
dem  geschrieben  steht  Ps  106,  23:  „Wenn  nicht  Mose,  sein  Auserwählter  in  den  Riß 
(Bruch)  getreten  wäre  vor  ihm."  , Erneuerer  der  Wege  zum  Wohnen."  R.  J^huda  b. 
Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Dieser  Arme  sitzt  u.  murrt:  Was  bin  ich  weniger  als 
jener?  Der  sitzt  auf  seinem  Lager,  u.  ich  schlafe  hier  (etwa  auf  der  Erde)!  Der  u. 
der  schläft  in  seinem  Hause  u.  ich  hieri  Da  bist  du  (der  Wohltäter  der  Armen)  auf- 
getreten u.  hast  ihm  gegeben;  bei  deinem  Leben  "i"n,  ich  rechne  es  dir  so  an,  als 
hättest  du  Frieden  gemacht  zwischen  ihm  u.  mir  (Gott). 

n.  ich  will  den  Trost  (Israels)  nicht  sehn  =  ich  will  keinen  Anteil  am 
messianischen  Heil  haben.  Sauh  37  b  Bar:  R.  Schim?on  b.  Schatach  (um  90  v.  Chr.)  hat 
gesagt:  Ich  will  den  Trost  (Israels)  nicht  sehn,  wenn  ich  nicht  gesehen  habe  nsis 
-r-sn  s^  =N  n^onsa ||  Chag  16b  ßar:  R.  Jf'huda  b.  Tabai  (um  90  v.  Chr.)  hat  ge- 
sagt: Ich  will  den  Trost  (Israels)  nicht  sehn,  wenn  ich  nicht  einen  falschen  Zeugen 
habe  töten  lassen  "r;"in  s5  as  s-artss  nx^s.  ...  —  Dasselbe  Mak  5b. 

O.  ich  will  meiner  Kinder  verlustig  gehn  '33  rs  nsps.  SLv  1,  5  (23^): 
R.  Tarphon  (um  100)  sagte:  Ich  will  meiner  Kinder  verlustig  gehn,  wenn  ich  nicht 
gehört  habe.  .  .  .  Ebenso  schwört  R.  T.  SNu  10,  8  §  75;  pJoma  1,  38*1,  32;  Ohaloth  16, 1; 
TAhil  15,  12  (613);  pSchab  16,  15^46;  pHor  3,  47  ^  40;  bSchab  116». 

5,37:  Es  sei  aber  euer  Wort:  ja,  ja;  nein,  nein. 
Dem  Gedanken  nach  nicht  wesentlich  verschieden  von  Jak  5, 12; 
formell  aber  insofern  anders,  als  das  zweite  vm  u.  ov  in  Jesu  Aus- 
spruch nicht  prädikativ,   sondern   lediglich  als  eine  Verstärkung  des 
ersten  vm  u.  ov  gemeint  ist. 

a.  An  die  Fassung  bei  Jakobus  erinnern  folgende  Stellen:  SLv  19,  36  (363=*): 
^.Richtiges  Epha  u.  richtiges  Hin  (-j-n  =  i >  Epha)  soll  euch  sein"  Lv  19,  36.  R.  Jose 
b.  J^huda  (um  180)  sagte:  Liegt  nicht  das  Hin  (bereits)  im  Epha  u.  heißt  es  nicht: 
Richtiges  Epha?  Warum  heißt  es  in  diesem  Fall  noch:  Richtiges  Hin  soll  euch  sein? 
(Antwort):  Das  Nein  isb  soll  ein  richtiges  u.  das  Ja  (t"  Wortspiel  mit  i-n)  soll  ein 
richtiges  sein.  —  Dasselbe  BM  49 '^  mit  der  erläuternden  Bemerkung  des  Abaje 
(t  338/39):  Man  soll  nicht  eins  mit  dem  Munde  reden  u.  ein  andres  im  Herzen  denken.  || 
Midr  Ruth  3,  18:  R.  Huna  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Seh  niuel  b.  Jiijchaq  (um 
300)  gesagt:  Das  Ja  •-  der  Gerechten  ist  ein  Ja  ■]n,  u.  ihr  Nein  1X5  ein  Nein  is'-s; 
vgl.  Ruth  3,  18:  „Der  Mann  wird  nicht  ruhen,  er  habe  denn  die  Sache  noch  heute 
zum  Abschluß  gebracht." 

b.  Der  Fassung  in  Jesu  Mund  nähern  sich  folgende  Aussprüche:  Sch^bu  36": 
R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  „Nein"  ist  ein  Schwur,  u.  Ja"  ist  ein  Schwur.  Für 
„nein"  als  Schwur  spricht  Gn  9,  15:  „Das  Wasser  soll  nicht  (n-)  wieder  zu  einer 
Sündflut  werden."  Ferner  heißt  es  Jes  54,  9:  „Denn  wie  mit  Noahs  Wassern  (so  liest 
der  Talmudtext)  halt  ich's  damit,  wo  ich  geschworen  habe"  usw.  (also  ist  das  sV  Gn 
9,  15  als  Schwur  zu  fassen).  Aber  woher,  daß  „ja"  {•-)  ein  Schwur  ist?  Das  ist  ein 
Vernunftschluß:  daraus  daß  „nein"  ein  Schwur  ist,  folgt,  daß  auch  „ja"  ein  Schwur 
ist.  —  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Das  gilt  aber  nur  von  dem,  der  nein,  nein  zweimal, 
u.  der  ja,  ja  zweimal  sagt;  denn  es  heißt  Gn  9,  11:  „Nicht  mehr  soll  alles  Fleisch 
durch  die  Wasser  der  Sündflut  ausgerottet  werden,  u.  nicht  soll  mehr  eine  Sündflut 
kommen"  (diese  Sätze  enthalten  zweimal  das  Wort  „nicht");  u.  daraus,  daß  das  „Nicht" 
zweimal  steht,  folgt,  daß  auch  das  „Ja"  zweimal  gesagt  werden  muß.  j]  M*^kh  Ex  20,  1 
(73bj:  Die  Israeliten  antworteten  bei  der  Gesetzgebung  auf  „nicht"  isV  (d.  h.  bei  einem 
Verbot)  mit  „nein"  is";  (das  wollen  wir  nicht  tun),  u.  auf  „ja"  p  (bei  einem  Gebot) 
mit  ja  •jn  (das  wollen  wir  tun);  dasselbe  ebenda  als  Ausspruch  des  R.  Jischmafel 
(t  um  135),  während  R.  fAqiba  (f  um  135)  sagte:  Sie  sagten  auf  „ja"  ja!  und  auf  „nicht" 
ja!  p  '.ah  h-j:  ]r.  in  5^!   Vgl.  hierzu  Midr  Ps  8  §  4.  ' 


Matth  5,  37.  38  337 

C.  Zur  Verdoppelung  des  Ja  und  Nein  s.  M^g  32'"':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt: 
Woher,  daß  man  sich  der  Himmelsstimme  (Bath-Qol)  hedienen  darf?  Weil  es  heißt 
Jes  30,  21:  ,Und  deine  Ohren  werden  das  Wort  hören  hinter  dir  her,  das  da  sagt." 
Und  zwar  gilt  das  .  .  .,  wenn  die  Stimme  sagt:  Ja,  ja  ^-n  -j-n,  oder  wenn  sie  sagt: 
Nein,  nein  iNb  isV.  ||  SLv  18,  6  (337-'*):  Jch  bin  Jahve  euer  Gott"  Lv  18,  2.  R.  Schim?on 
b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Derselbe,  von  dem  es  dort  heißt  Ex  20,  2:  „Ich  bin  Jahve 
dein  Gott",  ich  bin  Jahve,  dessen  Herrschaft  ihr  in  Ägypten  auf  euch  genommen  habt. 
Sie  antworteten  ihm:  Ja,  ja  -'m  yn]  \\  M%h  Ex  20,  2  (73t»):  Gott  sprach  zu  den  Israe- 
liten: Soll  ich  über  euch  König  sein?  Sie  antworteten  ihm:  Ja,  ja  -jm  in.  ||  Midr 
HL  1,2:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Ein  Engel  reichte  bei  der  Gesetzgebung 
jedes  Wort,  das  aus  Gottes  Munde  ging,  bei  jedem  Israeliten  herum  u.  sprach  zu  ihm: 
Willst  du  dieses  Wort  auf  dich  nehmen?  .  .  .  Wenn  ihm  dann  der  Israelit  antwortete: 
Ja  p!  dann  sprach  er  weiter  zu  ihm:  Willst  du  die  Gottheit  des  Heiligen,  gepriesen 
sei  er!  auf  dich  nehmen?  u.  wenn  er  ihm  antwortete:  Ja,  ja  pi  -jn,  dann  küßte  er 
ihn  sofort  auf  seinen  Mund.  .  .  .  ||  Ferner  s.  Anm  b  Sch^bu  36  =*  Ende.  —  In  allen  diesen 
Stellen  will  das  zweimalige  Ja,  bezw.  Nein  zur  Verstärkung  oder  Bekräftigung  des 
einfachen  Ja  oder  Nein  dienen. 

5,38:  Ihr  habt  gehört,  daß  gesagt  wurde: 
Auge  um  Auge,  Zahn  um  Zahn. 

Ob  das  jus  talionis  in  Jesu  Tagen  nach  dem  Buchstaben  der  Ge- 
setzesvorschrift Es  21,  23  ff. ;  Lv  24, 19  f.  gehandhabt  worden  ist,  läßt 
sich  aus  der  rabbin.  Literatur  nicht  beweisen.  Nur  die  Einzelbestimmung 
Dt  19, 19  ff.,  daß  man  dem  falschen  Zeugen  antun  solle,  was  er  dem 
andren  anzutun  gedachte,  ist  auch  noch  in  der  nachchristlichen  Zeit 
wenigstens  zum  Teil  in  Übung  gewesen,  a  Nach  Josephus  hätte  es  vom 
Belieben  des  Verletzten  abgehangen,  ob  die  Verletzung  durch  eine 
Geldbuße  oder  durch  die  buchstäbliche  Vollziehung  der  talio  zu  sühnen 
sei.b  Die  Mischna  fordert,  abgesehen  von  der  Bestrafung  der  falschen 
Zeugen,  nur  Geldentschädigung,  c  Die  exegetische  Begründung  dieser 
Einschränkung  ist  freilich  gewaltsam. d 

a.  SDt  19,  19  §  190  (109b):  Jhr  sollt  ihm  (dem  falschen  Zeugen)  antun,  wie  er 
gedachte,  seinem  Bruder  es  anzutun"  Dt  19,  19:  Wenn  er  ihm  Geldverlust  zuziehen 
wollte,  so  sollt  ihr  ihm  Geldverlust  zufügen;  wenn  Prügelstrafe  (Geißelung),  so  sollt 
ihr  ihm  Prügelstrafe  zufügen;  wenn  (Todes-)Strafe,  so  sollt  ihr  ihm  (Todes-)Strafe 
zufügen.  II  Mak  1,  1:  Wie  werden  Zeugen  als  falsch  behandelt?  Sagten  sie:  „Wir  be- 
zeugen gegen  (den  Priester)  NN,  daß  er  der  Sohn  einer  Verstoßenen  oder  der  Sohn 
einer  Frau  ist,  welche  das  Schuhausziehen  vollzogen  hat"  (Söhne  solcher  Frauen 
durften  nicht  als  Priester  amtieren),  so  sagt  man  nicht:  „Dieser  (der  falsche  Zeuge) 
werde  an  Stelle  jenes  als  Sohn  einer  Verstoßenen  oder  als  Sohn  einer  Frau,  welche 
das  Schuhausziehen  vollzogen  hat,  behandelt",  sondern  er  erhält  40  Geißelhiebe.  — 
Sagten  sie:  „Wir  bezeugen  gegen  NN,  daß  er  (wegen  Totschlags)  schuldig  ist  in  eine 
Freistadt  zu  flüchten",  so  sagt  man  nicht:  „Dieser  flüchte  an  Stelle  jenes  in  eine 
Freistadt",  sondern  er  erhält  40  Geißelhiebe.  —  Sagten  sie:  Wir  bezeugen  gegen  NN, 
daß  er  seine  Frau  verstoßen  u.  ihr  nicht  ihre  Eheverschreibung  gegeben  hat  —  es 
kann  doch  leicht  sein,  daß  er  ihr  heute  oder  morgen  ihre  Eheverschreibung  geben 
muß'  —  so  sagt  man:  „(Er  muß  den  Unterschied  zahlen  zwischen  ihrer  ganzen  Ehe- 
verschreibung u.  dem)  was  jemand  für  ihre  Eheverschr.  würde  geben  wollen";   denn 

1  Wenn  er  nämlich  stirbt  (dann  ist  die  Summe  aus  dem  Nachlaß  zu  zahlen)  oder 
sie  wirklich  verstößt,  u.  dann  hätte  der  Mann,  bezw.  sein  N.,  keinen  Schaden  erlitten. 
Strack  11.  Billerbeck,  NT  I.  22 


338  Matth  5,  38 

wenn  sie  verwitwet  worden  oder  verstoßen  worden  ist  (kommt  ihr  der  ganze  Betrag 
zu),  u.  wenn  sie  gestorben  ist,  beerbt  sie  ihr  Mann.^  —  Sagten  sie:  ^Wir  bezeugen 
gegen  NN,  daß  er  seinem  Nächsten  1000  Zuz  (etwa  650  Ji)  schuldet  unter  der  Be- 
dingung, sie  innerhalb  30  Tage  zu  geben",  er  (der  Schuldner)  aber  sagt  „innerhalb 
10  Jahre",  so  sagt  man:  ,(Er  muß  den  Unterschied  zahlen  zwischen  den  lOOO  Zuz  u.  dem) 
was  jemand  würde  geben  wollen,  damit  1000  Zuz  in  seiner  Hand  seien,  sei  es,  daß  er 
(der  Schuldner)  innerhalb  30  Tage  gibt  oder  daß  er  innerhalb  10  Jahre  gibt."  —  Mak 
1,  2:  Sagten  sie:  ,Wir  bezeugen  gegen  NN,  daß  er  seinem  Nächsten  200  Zuz  schul- 
det", u.  sie  wurden  als  falsch  erfunden,  so  werden  sie  gegeißelt  u.  bezahlen;  denn 
nicht  das(selbe)  Schriftwort,  welches  sie  zur  Geißelstrafe  bringt,-  bringt  sie  (auch)  zur 
Erstattung.^  So  R.  Meir  (um  150).  Aber  die  Gelehrten*  sagten:  Wer  erstattet,  wird 
nicht  gegeißelt.  —  Mak  1,8:  Sagten  sie:  ,Wir  bezeugen  gegen  NN,  daß  er  40  Geißel- 
hiebe verschuldet  hat",  u.  sie  wurden  als  falsch  erfunden,  so  erhalten  sie  80  Geißel- 
hiebe wegen:  ,Du  sollst  gegen  deinen  Nächsten  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen" 
Ex  20,  16  u.  wegen:  „Ihr  sollt  ihm  tun,  wie  er  seinem  Bruder  zu  tun  gedacht  hat" 
Dt  19,  19.  So  R.  Meir.  Aber  die  Gelehrten  sagten:  Sie  erhalten  nur  40  Geißelhiebe. 
Man  teilt  beim  Gelde  in  drei  Teile,  aber  nicht  bei  den  Geißelhieben.  Wie?  Haben 
sie  gegen  jemand  bezeugt,  daß  er  seinem  Nächsten  200  Zuz  schuldet,  u.  sie  wurden 
als  falsch  erfunden,  so  teilt  man  (die  Strafsumme  von  200  Zuz  unter  ihnen). ^  Haben 
sie  (aber)  gegen  jemand  bezeugt,  daß  er  40  Geißelhiebe  schuldig  ist,  u.  sie  wurden 
als  fälsch  erfunden,  so  erhält  jeder  einzelne  40  G.  —  Mak  1,  6:  Die  falschen  Zeugen 
werden  erst  getötet,  wenn  das  Urteil  (über  den  fälschlich  von  ihnen  Beschuldigten) 
wirklich  gefällt  ist  usw.*^  Mak  h^  Bar:  R.  J'^huda  b.  Tabai  (um  90  v.  Chr.)  hat  ge- 
.sagt:  Ich  will  den  Trost  (Israels)  nicht  sehen,  wenn  ich  nicht  Einen  falschen  Zeugen 
habe  hinrichten  lassen  (nachdem  das  Urteil  über  den  von  ihm  fälschlich  Beschuldigten 
gefällt  war),  um  die  Meinung  der  Sadduzäer  auszuschließen,  die  sagten,  daß  falsche 
Zeugen  erst  hingerichtet  würden,  wenn  der  (fälschlich  von  ihnen  Beschuldigte  u.  zu 
Unrecht)  Verurteilte  wirklich  hingerichtet  worden  sei.  Da  erwiderte  ihm  Schimfon 
b.  Schatach:  Ich  will  den  Trost  nicht  sehen,  wenn  du  nicht  unschuldig  Blut  vergossen 
hast;  denn  siehe,  die  Gelehrten  haben  gesagt:  Falsche  Zeugen  werden  erst  hingerichtet, 
wenn  beide  als  falsche  Zeugen  erwiesen  sind  (also  durfte  Ein  falscher  Zeuge 
überhaupt  nicht  hingerichtet  werden),  und  sie  werden  erst  gegeißelt,  wenn  beide 
als  falsche  Zeugen  erwiesen  sind.  Sofort  nahm  R.  S  huda  b.  Tabai  es  auf  sich,  daß 
er  (fernerhin)  eine  Entscheidung  nur  in  Gegenwart  des  Scbim?on  b.  Schatach  treffen 
wolle;  u.  alle  Tage  seines  Lebens,  warf  sich  R.  J^huda  b.  Tabai  am  Grabe  jenes  Zeugen 
nieder,  u.  seine  Stimme  wurde  gehört,  wie  das  Volk  meinte,  die  Stimme  des  Hin- 
gerichteten; er  aber  sagte:  Meine  Stimme  ist  es;  ihr  werdet  es  morgen  (bald)  erfahren: 
dieser  (d.  h.  ich)  wird  sterben,  u.  dann  wird  seine  Stimme  nicht  mehr  gehört  werden. — 
Die  Parallelstellen  s.  im  Exkurs:  Pharisäer  u.  Sadduzäer  Nr.  4,  B,  c. 

b.  Joseph.  Antiq.  4,  8,  35:  Wer  verstümmelt  (das  Auge  geblendet)  hat,  soll  das 
Gleiche  erleiden,  indem  er  dessen  beraubt  wird,  wessen  er  einen  andren  beraubt  hat, 
es  sei  denn,  daß  der  Verstümmelte  vorzieht,  eine  Geldentschädigung  zu  nehmen.  Denn 
das  Gesetz  gibt  dem,  der  den  Schaden  erlitten  hat,  Vollmacht,  den  Schaden,  den  er 


^  Der  Ankauf  einer  Eheverschreibung  durch  einen  Dritten  ist  also  für  diesen  ein 
Risiko,  da  sie  für  ihn  wertlos  wird,  wenn  die  Frau  vor  dem  Manne  stirbt. 

2  Ex  20,  16:  Du  sollst  gegen  deinen  Nächsten  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen. 

'  Dt  19,  19:   Ihr  sollt  ihm  tun,  wie  er  seinem  Bruder  zu  tun  gedachte. 

*  Die  Gelehrten  (nach  denen  die  Halakha  ist)  schließen  aus  dem  Sing.  Dt  25,  2 
, seinem  Frevel",  daß,  wie  nur  Eine  Verschuldung,  so  auch  nur  Eine  Strafe. 

^  BB  3,  4  ein  ähnliches  Beispiel  der  Teilung  der  zu  zahlenden  Summe  auf  die 
falschen  Zeugen.  Der,  weichen  man  schädigen  wollte,  soll  volle,  aber  nur  einmalige 
Entschädigung  erhalten. 

^  Nach  den  Sadduzäern  erst,  wenn  der  von  ihnen  Beschuldigte  tatsächlich  hin- 
gerichtet war. 


Matth  5,  38  "339 

erfahren  hat,  abzuschätzen,  u.  gesteht  ihm  dies  zu,  wenn  er  nicht  schärfer  vorgehn 
will  (d.  h.  die  Verstümmelung  des  Verstümmlers  fordert). 

C.  BQ  8, 1 :  Wer  einem  andren  eine  Verletzung  beibringt,  der  ist  ihm  wegen  fünferlei 
(Ersatz)  schuldig:  wegen  des  Schadens,  wegen  des  Schmerzes,  wegen  der  Kurkosten, 
wegen  der  Versäumnis  u.  wegen  der  Beschämung.  Wegen  des  Schadens,  auf  welche 
Weise?  (d.  h.  auf  welche  Weise  wird  der  Schadenersatz  festgestellt?!  Hat  er  ihm  sein 
Auge  geblendet,  seine  Hand  abgehauen,  seinen  Fuß  gebrochen,  so  sieht  man  ihn  (den 
Verletzten)  an,  als  wäre  er  ein  Sklave,  der  auf  dem  Markt  verkauft  werden  soll;  dann 
schätzt  man  ihn,  wieviel  er  (vor  der  Verletzung)  wert  war  u.  wieviel  er  ijetzt)  wert  ist.  — 
Berechnung  der  Schmerzensgelder.  Hat  man  jemand  mit  einem  Spieß  gebrannt  oder 
mit  einem  Nagel,  wenn  auch  nur  auf  dem  Nagel  (seiner  Hand  oder  seines  Fußes),  an 
einer  Stelle,  an  der  man  keine  Wunde  verursachte,  so  schätzt  man,  wieviel  ein  Mensch 
seinesgleichen  wohl  nehmen  (verlangen)  würde,  wenn  er  sich  in  dieser  Weise  sollte 
Schmerz  verursachen  lassen.  —  Kurkosten.  Hat  man  einen  geschlagen,  so  muß  man 
ihn  heilen  lassen.  Entstehen  an  ihm  Geschwüre,  so  ist  man,  falls  sie  infolge  des 
Schlages  entstehen,  schuldig  (die  Kurkosten  zu  tragen);  entstehen  sie  aber  nicht  infolge 
des  Schlages,  so  ist  man  frei.  War  die  Wunde  mehrfach  (fast)  geheilt  u.  wieder- 
aufgebrochen, so  muß  man  ihn  heilen  lassen:  war  sie  aber  völlig  ausgeheilt,  so  braucht 
man  ihn  nicht  heilen  zu  lassen.  —  Berechnung  der  Versäumnisentschädigung.  Man 
sieht  ihn  (den  Verletzten)  an,  als  wäre  er  Hüter  eines  Kürbisfeldes  (u.  berechnet  hier- 
nach seinen  Ausfall  an  Verdienst;  eine  höher  zu  bewei-tende  Tätigkeit  legt  man  aber 
der  Berechnung  nicht  zugrunde),  weil  er  (der  Täter)  ihm  (dem  Verletzten)  den  Wert 
seiner  Hand  oder  seines  Fußes  bereits  bezahlt  hat  (nämlich  bei  Festsetzung  des  Schaden- 
ersatzes). —  Entschädigung  für  Beschämung.  Diese  richtet  sich  ganz  nach  der  Stellung- 
dessen,  der  sie  verursacht,  u.  nach  der  Stellung  dessen,  der  sie  erlitten  hat.  Wer  einem 
Nackten  oder  einem  Blinden  oder  einem  Schlafenden  eine  Beschämung  verursacht,  der 
ist  schuldig  (Entschädigung  zu  zahlen);  ein  Schlafender  aber,  der  Beschämung  ver- 
ursacht, ist  frei.  Fiel  einer  vom  Dach  u.  verursachte  dadurch  einem  andren  eine  Ver- 
letzung u.  eine  Beschämung,  so  ist  er  wegen  der  Verletzung  (zu  Schadenersatz)  ver- 
pflichtet, aber  frei  wegen  der  Beschämung;  denn  es  heißt  (Dt  25,  11):  „Sie  streckt  ihre 
Hand  aus  u.  faßt  ihn  bei  den  Schamteilen. "  Man  ist  also  wegen  Beschämung  nur  dann 
schuldig,  wenn  man  sie  beabsichtigt  hatte.  —  Parallelstelle:  TBQ  »,  1 — 4.12. 

d.  MkhEx21,2.S:  „Wenn  aber  ein  Leibesschade  res  entsteht"  Ex21,2B;  mit 
„Leibesschade"  ist  der  Tod  gemeint;  wenn  auch  kein  Beweis,  so  ist  eine  Hindeutung 
Gn  42,  4:  „Es  möchte  ihn  ein  Schaden  (=  Tod)  treffen."  —  „So  gib  Leben  um  Leben" 
Ex  21,  28;  Leben  soll  er  zahlen  u.  nicht  soll  er  Geld  statt  des  Lebens  zahlen.  Rabbi 
.sagte:  „Leben  für  Leben",  damit  ist  eme  Geldentschädigung  gemeint.  Du  sagst  „Geld- 
entschädigung";  ist  nicht  doch  vielmehr  damit  die  Tötung  gemeint?  Siehe,  du  mußt 
folgern:  hier  ist  vom  Geben  (1.  ^^j-rj  statt  r^r'v-r.)  die  Rede  u.  dort  (Vers  22)  ist  vom 
Geben  die  Rede;  wie  dort  (Vers  22)  Geld  gemeint  ist,  so  ist  auch  hier  ( Vers  2:-5 1  Geld 
gemeint.  (Nach  Sanh  79-';  87b  bezieht  sich  die  hier  vorliegende  Meinungsverschieden- 
heit auf  die  Frage,  ob  Todesstrafe  oder  Geldstrafe  über  denjenigen  zu  verhängen  sei, 
der  einen  bestimmten  Menschen  zu  töten  beabsichtigte,  aber  aus  Versehen  einen  andren 
erschlug.)  —  «Auge  um  Auge"  Ex  21,  24;  damit  ist  Geldentschädigung  gemeint.  Du 
sagst  „G.",  oder  nicht  doch  vielmehr  das  wirkliche  „Auge"?  R.  Ehazar  (b. Schammüaf, 
um  150.)  sagte:  Wer  ein  Stück  Vieh  totschlägt,  soll  es  erstatten,  u.  wer  einen  Menschen 
totschlägt,  soll  getötet  werden  (Lv24,  21).  Es  vergleicht  die  Schrift  die  Verletzungen 
eines  Menschen  mit  den  Verletzungen  eines  Viehs:  wie  die  Verletzungen  eines  Viehs 
zu  Schadenersatz  verpflichten,  so  auch  die  Verletzungen  eines  Menschen.  R.  Jigchaq 
(I.,  um  150)  sagte:  Siehe,  es  heißt  Ex21,3U:  „Falls  ihm  (dem  Besitzer  eines  stößigen 
Rindes)  eine  Sühne  auferlegt  wird."  Da  ist  der  Schluß  vom  Schweren  auf  das  Leichte 
angebracht:  wenn  an  einer  Stelle,  wo  von  der  Todesstrafe  geredet  wird,  die  Schrift 
nur  eine  Geldstrafe  festsetzt  (vgl.  Ex  21,  29.  80),  sollte  sie  da  nicht  erst  recht  hier 
(Ex  21, 24),  wo  nicht  von  der  Todesstrafe  geredet  wird,  nur  eine  Geldstrafe  festsetzen  ?  \\ 

22* 


34Ö  Matth  5,  38 

SLv  24,  20  (425'"'):  Wenn  einer  eines  andren  Auge  geblendet  hat,  blendet  man  etwa 
auch  sein  Auge?  Wenn  einer  eines  andren  Hand  abgehauen  hat,  haut  man  auch  seine 
Hand  ab?  Wenn  einer  eines  andren  Fuß  gebrochen  hat,  bricht  man  auch  seinen  Fuß? 
Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  24,  21 :  ,  Wer  ein  Stück  Vieh  schlägt,  wer  einen  Menschen 
schlägt" :  wie  der  Schläger  eines  Viehs  zu  Schadenersatz  verpflichtet  ist,  so  auch  der 
Schläger  eines  Menschen.  Wenn  du  aber  sagen  wolltest:  , Ihr  dürft  nicht  Lösegeld  an- 
nehmen für  die  Person  eines  Mörders"  (Nu  35,  31),  so  heißt  das:  für  den  Mörder 
darfst  du  kein  Lösegeld  nehmen,  wohl  aber  für  Gliedmaßen.  —  Dasselbe  als  Bar 
BQ  83b.  II  BQ  83b  Bar:  R.  Dos'thai  b.  J^huda  (um  180)  sagte:  ,Auge  um  Auge";  damit 
ist  Geldentschädigung  gemeint  (=  Wert  des  Auges  für  das  Auge).  Du  sagst  „G.", 
oder  nicht  doch  vielmehr  das  wirkliche  Auge?  Siehe,  wenn  das  Auge  des  einen  (des 
Verletzten)  groß  war  u.  das  Auge  des  andren  (des  Verletzenden)  klein  ist,  wie  kann 
ich  da  auf  diesen  das  Schriftwort  anwenden:  „Auge  um  Auge"!?  —  Das.  84**  Bar: 
R.  Schiinfon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  „Auge  um  Auge";  damit  ist  Geldentschädigung 
gemeint.  Du  sagst  „G.",  oder  nicht  doch  vielmehr  das  wirkliche  Auge?  Siehe,  wenn 
er  blind  war  u.  blendete,  oder  verstümmelt  u.  verstümmelte,  oder  lahm  u.  machte 
lahm,  wie  kann  ich  bei  einem  solchen  das  Wort  in  Anwendung  bringen:  „Auge  um 
Auge"!?  Und  die  Tora  sagt  doch:  „Ein  Recht  soll  euch  sein"  Lv  24,  22,  d.h.  ein 
Recht,  das  für  euch  alle  das  gleiche  ist  (also  muß  auch  eine  auf  alle  gleicherweise 
anwendbare  Strafe  festgesetzt  sein,  u.  das  ist  die  Geldentschädigung).  |!  BQ  84'':  In  der 
Schule  des  R.  Jischmafel  (f  um  185)  wurde  gelehrt:  Eine  Schriftstelle  sagt:  „Wie  ej- 
einen  Leibesfehler  einem  Menschen  auferlegt  (beigebracht)  hat,  so  soll  ihm  auferlegt 
werden"  Lv  24,  20;  mit  dem  (letzteren)  Auferlegen  ist  nichts  andres  als  eine  Geldstrafe 
gemeint.  Demnach  müßten  aber  auch  die  Worte:  „Wie  er  auferlegt  hat"  von  Geld 
handeln!  Die  Schule  des  R.  Jischmafel  benützte  zur  Deutung  ein  überflüssiges  Schrift- 
wort: wenn  es  heißt  (Lv24,  19):  „Falls  jemand  seinem  Nächsten  einen  Leibesfehler 
beibringt,  so  soll,  wie  er  getan  hat,  ihm  getan  werden",  was  sollen  da  noch  die  (tauto- 
logischen)  Worte  (Vers  20):  „So  soll  ihm  beigebracht  (auferlegt)  werden"?  Daraus  ent- 
nehme ich,  daß  Geld  gemeint  ist.  Was  sollen  dann  aber  die  Worte  (Vers20):  „Wie  er  einem 
Menschen  einen  Leibesfehler  beigebracht  hat"?  (Antwort:)  Weil  er  schreiben  wollte:  „So 
soll  ihm  beigebracht  werden",  schrieb  er  auch:  „Wie  er  einem  Menschen  einen  Leibesfehler 
beigebracht  hat."  —  In  der  Schule  des  R.Chijja  (I.,  um  200)  wurde  gelehrt:  Eine  Schrift- 
stelle sagt:  „Hand  für  Hand  (Dt  19,  21);  das  ist  etwas,  was  aus  einer  Hand  in  die 
andre  gegeben  wird;  u.  was  ist  das?  Das  ist  das  Geld.  Demnach  müßte  dann  aber 
auch  ebenso  erklärt  werden:  „Fuß  für  Fuß"  (das.)!  Die  Schule  des  R.  Chijja  benützte 
zur  Deutung  ein  überflüssiges  Schriftwoi-t:  wenn  es  heißt  (Dt  19,  19):  „So  sollt  ihr  ihm 
antun,  wie  er  gedachte  seinem  Bruder  anzutun",  u.  wenn  du  meinst,  daß  das  wört- 
lich zu  verstehn  sei,  was  sollen  dann  noch  die  (tautologischen)  Worte  (Vers  21):  „Hand 
für  Hand"?  Daraus  entnehme  ich,  daß  Geld  gemeint  ist.  Wozu  stehn  dann  aber  die 
Worte:  „Fuß  für  Fuß"?  Weil  geschrieben  steht:  „Hand  für  Hand",  schrieb  er  (Gott) 
auch:  „Fuß  für  Fuß"  (ohne  daß  diese  Worte  eine  besondere  Bedeutung  haben). 

Nur  R.  Eli^ezer  (um  90),  der  häufig  die  ältere  Halakha  der  Schule 
Schammais  vertritt,  hat  an  der  buchstäblichen  Deutung  des  „Auge  um 
Auge"  festgehalten.  BQ  84^  Bar  heißt  es  ausdrücklich:  R.  Eli^ezer 
sagte:  „Auge  um  Auge",  damit  ist  das  wirkliche  Auge  gemeint.  Auch 
den  Boethusäern  (Gruppe  innerhalb  der  sadduzäischen  Partei)  wird 
die  wörtliche  Deutung  von  Ex  21,  24  nachgesagt,  s.  M^g  Ta'an  4  im 
Exkurs:  Pharisäer  u.  Sadduzäer  4Bc.  —  Nimmt  man  die  Worte  des 
Josephus  (s.  Anm.  b)  hinzu,  nach  denen  es  dem  Verletzten  freistand, 
seinen  Gegner  in  derselben  Weise  verstümmeln  zu  lassen,  in  der  dieser 
ihn  verstümmelt  hatte:  so  wird  man  die  Möglichkeit  nicht  in  Abrede 


Matth  5,  38.  39  {%)  341 

stellen  können,  daß  in  Jesu  Tagen  das  jus  talionis  noch  in  buchstäb- 
licher Weise  vollstreckt  worden  ist.  Auch  das  Bemühen  der  Mischna- 
lehrer  des  2.  Jahrb.,  die  wörtliche  Deutung  des  „Auge  um  Auge"  als 
unmöglich  zu  erweisen  u.  die  Umdeutung  der  Worte  in  eine  Geld- 
entschädigung biblisch  zu  begründen,  spricht  dafür,  daß  die  neue 
halakhische  Praxis  damals  noch  ziemlich  jung  gewesen  ist.  Doch  fehlt 
es  an  positiven  Beweisen.  • 

5,39:  Ich  aber  sage  euch,  dem  Bösen  (Gottlosen)  nicht 

zu  widerstehen;  sondern  wenn  dich  einer  auf  die  rechte 
Wange  schlägt,  so  wende  ihm  auch  die  andre  zu. 

31  jury  avTiarrjvai.  „Nachgiebig  sein"  wird  ausgedrückt  durch  h'j  -iinsry 
inniTj^Q  =  „über  seine  Eigenschaften,  seine  Eigenart  hinausgehn",  d.  h. 
vom  eignen  Wunsch  u.  Willen  Abstand  nehmen,  nicht  auf  seinem  Kopf 
bestehn.  —  Verwandt  damit  ist  die  Redensart  ■■'•nr!  rn^-ct-q  d'^:?!?  "ini'  = 
„handeln  nach  innen  zu  von  der  Linie  des  Rechts",  d.  h.  nicht  noch 
etwa  mehr  fordern,  als  das  strikte  Recht  zuläßt,  auch  nicht  auf  dem 
Buchstaben  des  Rechts  bestehen,  sondern  sich  innerhalb  oder  diesseits 
von  der  Linie  des  Rechts  halten,  nachgiebig  mit  weniger  zufrieden 
sein,  als  man  nach  dem  Recht  fordern  könnte.  —  Die  Nachgiebigkeit 
wird  als  Tugend  anerkannt  u.  empfohlen  zB: 

Tafan  25l>:  Einmal  trat  R.  Eli?ezer  (um  90,  bei  einem  Fastenggttesdienst)  vor  die 
Lade  u.  sprach  24  Lobsprüche  ;^  aber  er  wurde  nicht  erhört  (es  fiel  kein  Regen).  Nach 
ihm  trat  R.  fAqiba  (f  um  135)  vor  die  Lade  u.  sprach:  „Unser Vater,  unser  König,  wir 
haben  keinen  König  aulaer  dir;  unser  Vater,  unser  König,  um  deinetwillen  erbarme 
dich  über  uns!"  Da  gingen  Regengüsse  nieder.  Als  die  Rabbinen  darüber  murrten 
(daß  R.  Eli?ezer  auf  diese  Weise  vor  allem  Volk  bloßgestellt  wurde),  ging  eine  Himmels- 
stirame  aus,  welche  rief:  Nicht  weil  dieser  (R.  5Aq.)  größer  ist  als  jener,  sondern  weil 
dieser  nachgiebig  ist  "i-n-i's  Vy  i'^y:  u.  jener  nicht  nachgiebig  ist.  ||  M^'g  28^:  R.  sAqiba 
(t  um  IHö)  fragte  den  R.  N^'chonja  den  Älteren:'-  Wodurch  hast  du  dein  hohes  Alter 
erreicht?  ...  Er  antwortete  ihm:  Mein  lebelang  habe  ich  keine  Geschenke  angenommen 
u.  habe  nicht  auf  meiner  Art  bestanden  -ma  5s  ^nay  sbi  ...  Denn  Raba  (f  352) 
hat  gesagt;  Wer  nachgiebig  ist  i-m>3  h'j  ^^^i'S'o-r,,  bei  dem  geht  man  (=  Gott)  über 
alle  seine  Sünden  hinweg,  s.  Micha?,  18.  —  Der  Ausspruch  Rabas  auch  Joma  2o'\  [i 
Zu  -j—in  rivaij  n-3s"'5  s.  den  Exkurs:  , Vorbemerkungen  zur  Bergpredigt"  Nr.  3  gegen  Ende. 

Entfernt  klingt  an  Mt  5,39  an  BQ  92  b:  Raba  (f  352)  sprach  zu  Rabbah  b.  Mari 
(um  32ü):  Woher  (aus  der  Schrift)  läßt  sich  das  Sprichwort  der  Rabbanan  beweisen: 
„Nennen  dich  deine  Genossen  einen  Esel,  so  lege  dir  einen  Sattel  auf?  „Er  ant- 
wortete ihm:  Weil  geschrieben  steht  {Gn  16,  8):  „(Der  Engel)  sprach:  Hagar,  Sklavin 
der  Sarai,  woher  bist  du  gekommen  u.  wohin  gehst  du?  Sie  antwortete:  Ich  fliehe 
vor  Sarai,  meiner  Herrin."  (Hagar  erkennt  die  Anrede  „Sklavin"  damit  an,  daß  sie 
Sara  „  Herrin"  nennt.)  —  In  der  palästin.  Tradition  lautet  das  Sprich  wort  nach  GnR  45  (28*^' j : 
Wenn  dir  Einer  sagt:  „Deine  Ohren  sind  Eselsohren",  kümmre  dich  nicht  darum; 
sagen  es  dir  aber  zwei,  dann  bestelle  dir  die  Halfter  (1.  "ai"-:  =  (poQßtj,  statt  "s^^d). 
Abraham  sprach  (Gn  16,  6):  Siehe,  deine  Sklavin  ist  in  deiner  Hand;  der  Engel  sprach 
(Vers  8):  Hagar,  Sklavin  der  Sarai;  u.  Hagar  sprach:  Sarai,  meine  Herrin.  —  ||  Eher  läßt 

^  Das  Achtzehn-Gebet,  die  6  Einschübe  zwischen  dessen  7.  u.  8.  Benediktion,  die 
Tafan  2,  3  aufgezählt  sind;  vgl.  TTafan  li,  9. 

^  Gemeint  ist  Nachum  aus  Gimzo,  der  Lehrer  des  R.  ?Aqiba,  s.  Einl.  122. 


342  Matth  5,  39  (31.  SB) 

sich  vergleichen  BQ  93'"^:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Immer  gehöre  der  Mensch 
zu  den  Verfolgten  u.  nicht  zu  den  Verfolgern ;  denn  du  hast  keinen  unter  den  Vögeln, 
der  mehr  verfolgt  würde  als  die  Tauben  u.  die  jungen  Tauben;  u,  doch  hat  die  Schrift 
sie  als  tauglich  für  den  Altar  erklärt.  |  Schab  Söto:  Die  gedrückt  (gedemütigt)  werden 
u.  nicht  wiederbedrücken,  die  ihre  Schmähung  anhören  u.  pie  nicht  erwidern,  die  aus 
Liebe  (zu  Gott)  handeln  u.  über  Leiden  (Züchtigungen)  sich  freuen  —  über  die  sagt  die 
Schrift:  „Die  ihn  lieben,  sind  wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer  Macht"  Ri  5,  31.  | 
B*^rakh  l?-"*:  Wenn  Mar  bar  Rabina  (gegen  400)  sein  Gebet  (d.  h.  das  Achtzehngebet) 
beendigt  hatte,  pflegte  er  so  zu  sprechen:  Mein  Gott,  behüte  meine  Zunge  vor  Bösem 
u.  meine  Lippen,  daß  sie  nicht  Trug  reden  (vgl.  Ps  34,  14);  dem,  der  mir  flucht,  schweige 
meine  Seele,  meine  Seele  sei  wie  der  Erdstaub  für  jedermann  (der  von  jedermann  zer- 
treten wird). 

Daneben  findet  sich  der  andre  Grunjlsatz  Sanh  12^:  Die  Tora  (es  scheint  an  Ex  22,  1 
gedacht  zu  sein)  sagt:  Wenn  dich  einer  töten  will,  komme  ihm  zuvor  u.  töte  ihn.  — 
Midr  Ps  56  §  1  (147'>):  „Bleib  nicht  stehn  beim  Blut  deines  Nächsten"  Lv  19,  16  (so  der 
Midr):  wenn  einer  über  dich  kommt,  um  dich  zu  töten,  u.  du  kannst  ihn  überwältigen, 
dann  steh  nicht  still  u.  sprich  nicht:  „Ich  verschulde  mich  an  seinem  Blut",  u.  über- 
lege nicht  in  deinem  Herzen,  sondern  töte  ihn  sofort;  ebenso  sagt  das  Sprichwort: 
Komm  dem  Mörder  zuvor,  ehe  er  dich  mordet.  —  Das  Sprichwort  als  Torawort  auch 
B^rakh  58  »;  62b. 

5,  39  25:  ccXX'  oarig  ae  Qarci^si  ug  rrjV  ds^idi'  aiayöva,  atQs'ipov  a'Vfi7  xal 
xrjv  ocllrjv  wird  Beth  ha-Midr  5,  61  wiedergegeben  mit:  "^nb  bs>  .  .  ,  -031  nsi 
-pn-n  "Tib  cj  i?  n-j3  bx^irn;  s.  zu  Mt  10,2.  Diesem  Ausspruch  gegenüber 
vgl.  die  Straf  bestimmungen  wegen  tätlicher  Beleidigung. 

BQ  8,  6:  Wenn  jemand  seinen  Nächsten  (=  einen  andren)  schlägt,  so  zahlt  er  ihm 
einen  Selaf  (etwa-  2,50  Jl  für  den  Schimpf);  R.  J^huda  (um  150)  sagte  im  Namen  des 
R.  Jose,  des  Galiläers  (um  110):  Eine  Mine  (65  JC).  Gab  er  ihm  eine  Ohrfeige,  so  zahlt 
er  ihm  200  Zuz  (=  zwei  Minen).  Geschah  es  mit  verkehrter  Hand  (wodurch  zu  größerem 
Schimpf  die  rechte  Backe  getroifen  wurde),  so  zahlt  er  ihm  400  Zuz.  Zerrte  er  ihn  an 
seinem  Ohr,  riß  er  ihn  an  seinen  Haaren,  spie  er  aus  daß  ihn  der  Speichel  traf,  riß 
er  ihm  seinen  Mantel  ab,  entblößte  er  das  Haar  eines  Weibes  auf  der  Straße  —  so  zahlt 
er  40ü  Zuz.  Das  ist  die  Regel:  alles  entsprechend  der  Ehre  (des  tätlich  Beleidigten). 
R.  fAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Selbst  die  Ärmsten  in  Israel  sieht  man  an  als  Kinder 
freier  Männer,  die  in  ihrem  Vermögensstand  herabgekommen  sind;  denn  sie  sind  Kinder 
Abrahams,  Isaaks  u.  Jakobs.  ||  BQ  8,  7:  Auch  wenn  er  (der  Verletzende  u.  Beleidigende) 
ihm  das  Geld  gegeben  hat,  so  wird  ihm  doch  nicht  verziehen,  bis  er  ihn  (um  Ver- 
zeihung) gebeten  hat;  denn  es  heißt  (Gn20,  7):  «Nun  gib  das  Weib  des  Mannes  zu- 
rück, ...  u.  er  möge  für  dich  beten"  (Abrahams  Fürbitte  als  Beweis  für  stattgehabte 
Versöhnung  gefaßt).  Und  woher  läßt  sich  beweisen,  daß  derjenige,  der  ihm  (dem  Be- 
leidiger) nicht  verzeiht,  ein  grausamer  Mensch  ist?  Weil  es  heißt  (Gn  20,  17):  „Abraham 
betete  zu  Gott  u.  Gott  heilte  den  Abimelekh."  —  TBQ  9,  29  f.  lautet  die  Parallele  zu 
den  letzten  Sätzen:  Auch  wenn  der,  der  einen  andren  verletzt  hat,  dem  Verletzten 
nicht  Abbitte  leistet,  muß  der  Verletzte  für  jenen  um  Erbarmen  bitten  nach  Gn20, 17 
u.  Hi  42,  8.  10.  R.  J'^huda  (um  150)  hat  im  Namen  des  Rabban  Gamliel  (um  90)  gesagt: 
Siehe,  es  heißt  (Dt  13,  18):  „Damit  Jahve  dir  Erbarmen  schenke  u.  sich  dein  erbarme." 
Das  sei  als  Zeichen  in  deiner  Hand :  wenn  du  barmherzig  bist,  erbarmt  sich  der  Barm- 
herzige (=  Gott)  deiner!  —  Darauf  folgt  in  §  31:  Hat  einer  (einen  andren)  mit  der 
umgekehrten  Hand,  mit  Papier,  mit  einer  Schreibtafel,  mit  nicht  bearbeiteten  Fellen, 
mit  einem  Pack  Schriftstücke,  die  sich  in  seinen  Händen  befanden,  geschlagen,  so 
zahlt  er  400  Zuz,  nicht  weil  es  ein  Schmerz  verursachender,  sondern  weil  es  ein  Schimpf 
bereitender  Schlag  ist,  s.  Ps  3,  8;  Micha  4,  14;  Jes  50,  6.  —  Vgl.  auch  SLv  24,  19.  H 
Sanh  58b :  R  Ghanina  (um  225)  hat  gesagt:  Ein  Heide  (Goi  =  Nichtisraelit),  der  einen 
Israeliten  schlägt,  ist  des  Todes  schuldig;  denn  es  heißt  (Ex  2,  12):  „Er  (Mose)  wandte 


Matth  5,  39  (23).  5,  40  (31.  S.  6)  343 

sich  hierin  u.  dorthin  u.  sah,  daß  kein  Mensch  da  war;  da  erschlug  er  den  Ägypter" 
(der  zuvor  einen  Israeliten  geschlagen  hatte  Ex  2,  11).  Ferner  hat  R.  Chanina  gesagt: 
Wer  auf  die  Wange  eines  Israeliten  schlägt,  ist  wie  einer,  der  auf  die  Wange  der 
Sch^^khina  (Gottes)  schlägt,  s.  Spr20,  25:  „Wer  einen  Menschen  schlägt,  schlägt  den 
Heiligen  auf  die  Wange"  (der  Midr  deutet  x--i'=  Fallstrick  =  ^t-pi:  oder  •a'p-o  schlagend; 
a-is  Mensch  =  Israelit  nach  Ez  34,  31,  vgL  BM  lU^;  vh^  als  Denominativum  von  yi'^ 
Wange).  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  seine  Hand  gegen  einen  andren 
erhebt,  wird,  auch  wenn  er  ihn  noch  nicht  geschlagen  hat,  ein  Frevler  genannt,  s. 
Ex  2,  13:  Er  sprach  zu  dem  Frevler  (so  der  Midr):  „Warum  willst  du  deinen  Nächsten 
schlagen?"  Warum  „hast  du  geschlagen"?  heißt  es  nicht,  sondern  warum  „willst 
du  schlagen"?  Obwohl  er  ihn  also  noch  nicht  geschlagen  hat,  heißt  er  doch  ein  Frevler. 
R.  Z  firi  (um  250)  hat  gesagt,  R.  Chanina  hat  gesagt:  Ein  solcher  wird  ein  Sünder  ge- 
nannt, s.  lSm2, 16:  „Wenn  nicht,  äo  nehme  ich  es  mit  Gewalt" ;  u.  darauf  heißt  es 
Vers  17:  „Die  Sünde  der  Jüngling«  war  sehr  groß."  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Ab- 
gehauen soll  seine  Hand  werden !  s.  Hi  38,  15  :  „Der  erhobene  Arm  werde  zerschmettert!" 
Rab  Huna  ließ  eine  (solche)  Hand  (einmal  wirklich)  abhauen.  R.  Elfazar  (b.  P^'dath, 
um  270)  sagte:  Für  einen  solchen  gibt  es  keine  andere  Rettung  als  das  Grab,  s. 
Hi  22,  8:  „Der  Mann  der  Faust  —  für  ihn  die  Erde"  (=  Grab  im  Sinn  des  Midr). 

5,40:  Dem,  der  mit  dir  rechten  u.  dein  Untergewand 
nehmen  will,  lafs  auch  den  Mantel. 

Aboth5,  10:  Eine  vierfache  Gesinnung  (bei  der  Frage  nach  dem  Mein  u.  Dein) 
gibt  es  unter  den  Menschen:  wer  sagt:  „Das  Meine  ist  mein  u.  das  Deine  ist  dein", 
das  ist  die  Art  der  Mittelmäßigen;  andere  sagen:  das  ist  die  Art  Sodoms.  „Das 
Meine  ist  dein  u.  das  Deine  ist  mein",  das  ist  die  Art  des  ?Am  ha-arep  (des  Gesetzes- 
unkundigen). „Das  Meine  ist  dein  u.  das  Deine  ist  dein",  das  ist  der  Fromme.  „Das 
Deine  ist  mein  u.  das  Meine  ist  mein",  das  ist  der  Frevler. 

35  ^iTüh'  =  rsins,  aram.  wXj^ins,  Nn^j^inis,  ein  langes,  mit  Ärmeln  ver- 
sehenes Kleid,  das  auf  bloßem  Leib  getragen  wurde;  s.  zu  10,  9  f. 

Schab  140t):  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Wenn  sich  ein  Gelehrter  einen  Leib- 
rock sp'jir:  kaufen  will,  dann  kaufe  er  ihn  von  den  Leuten  in  N®har-Abba  u.  lasse 
ihn  alle  30  Tage  einmal  waschen.  Daß  er  dann  12  Monate  halten  wird,  dafür  ver- 
bürge ich  mich.  Was  bedeutet  sr-3r-=?  Es  bedeutet  nss  sr'3,  schöne  Genossen- 
schaft (d.h.  ein  Kleid,  in  welchem  man  sich  in  guter  Gesellschaft  kann  sehen  lassen. 
Die  Erklärung  hat  nur  volksetymologischen  Wert). 

^.  To  tficcTiov  =  nbr:TV,  n^h'-a,  r^^hx2  Obergewand,  Mantel,  dem  Armen 
des  Nachts  zugleich  als  Decke  dienend  Ex  22,  25. 

M%h  Ex22, 25f.:  „Wenn  du  das  Gewand  deines  Nächsten  als  Pfand  nimmst" 
Ex  22,  25.  R.  Jischma?el  (tum  135)  sagte:  Die  Schrift  will  dich  lehren,  daß,  wenn 
du  ein  Pflichtgebot  erfüllst,  du  das  Deine  empfangen  wirst  (die  Erfüllung  des  Gebotes 
ist  ein  Unterpfand,  daß  man  keinen  Verlust  erleiden  wird).  „Sollst  du  es  ihm  bis 
zum  Sonnenuntergang  zurückgeben";  damit  ist  gemeint,  daß  man  ihm  die  Tagesdecke 
für  den  ganzen  Tag  zurückgeben  soll.  Hier  höre  ich  nur  von  der  Tagesdecke,  daß 
man  sie  ihm  für  den  ganzen  Tag  zurückgeben  soll;  woher  auch  in  bezug  auf  die 
nächtliche  Decke,  daß  man  sie  ihm  für  die  ganze  Nacht  zurückgeben  soll?  Die  Schrift 
sagt  lehrend:  „Du  sollst  ihm  das  Pfand  zurückgeben,  wenn  die  Sonne  untergeht" 
Dt  24,  13.  Von  hier  aus  hat  man  gesagt:  Man  nimmt  eine  Tagesdecke  als  Pfand  die 
Nacht  hindurch  u.  eine  nächtliche  Decke  den  Tag  hindurch.  „Denn  das  (Gewand)  allein 
ist  seine  Bedeckung"  Ex  22,  2t),  das.  bezieht  sich  auf  den  Mantel  r>^h'^;  „das  ist  sein 
Gewand  für  den  Leib"  (das.),  das  bezieht  sich  auf  das  Hemde  p^^-;  „worin  soll  er 
liegen?"  (das.),  das  schließt  die  Fellunterlage  mit  ein.  R.Nathan  (um  160)  sagte:  Siehe, 


344  Matth  5, 40  (6).  5,  41  {%) 

wenn  einer  vor  Gott  schuldig  befunden  ist,  seinem  Nächsten  eine  Mine  (=  100  Zuz) 
zu  zahlen,  u.  er  hat  eine  Bedeckung  im  Werte  von  200  Zuz  um,  so  darf  er  (der 
Gläubiger)  nicht  zu  ihm  sagen:  Verkaufe  deine  Bedeckung  u.  hülle  dich  in  eine  im 
Werte  von  einer  Mine  u.  gib  mir  die  (andre)  Mine.  Deshalb  heißt  es:  „Denn  es  (das 
Gevcand)  ist  seine  Bedeckung";  du  bist  nicht  berechtigt,  ihm  seine  Bedeckung  vor- 
zuenthalten, die  seinem  Körper  (Fleisch)  augemessen  ist  (warme  Kleidung  im  Winter, 
leichte  Kleidung  im  Sommer).  —  Zum  Teil  als  Bar  BM  114b;  pßM  J>,  12b,  20. 

5,41:  Und  wenn  dich  einer  nötigt,  eine  Meile  zu  laufen, 
so  gehe  mit  ihm  zwei. 
Dieser  Ausspruch  Jesu  wird  zitiert  Beth  ha-Midr  5,  61:  noia  ^-o:!  -5 

nxc-is  ijuj  1^^'  -\h^;  s.  zu  Mt  10,  2  SB. 

5t  ayyaqsia,  ins  Rabbinische  übergegangen  als  st;";??«,  bedeutet  Fron- 
dienst; davon  ayyuqavuv  =  Menschen  oder  Tiere  zu  einer  Dienstleistung 
zwingen,  a  Ein  solcher  Zwang  galt  als  verwerflich. b  Dagegen  wurde 
das  freiwillige  Ehrengeleit,  das  man  einem  Lehrer  usw.  gab,  als  löblich 
u.  verdienstlich  angesehen,  c 

a.  BM  6,  3 :  Mietet  einer  einen  Esel  .  .  .  u.  dieser  wird  (^unterwegs)  zum  Fron- 
dienst weggenommen  «"sss  r^i?;:,  so  kann  der  Vermieter  zum  Mieter  sagen:  Siehe, 
das  Deinige  war  vor  dir!  (Was  du  zu  fordern  hattest,  ist  dir  geworden;  der  Ver- 
mieter braucht  also  keinen  Ersatz  zu  stellen.)  —  Anders  lautet  die  Entscheidung  in 
TBM  7,  7  (38^5).  ||  TBM  7,  8  (386):  Wenn  sich  jemand  einen  Arbeiter  mietet  u.  dieser 
wird  zum  Frondienst  herangezogen,  so  kann  er  nicht  zu  ihm  sagen:  Siehe,  dieser  ist 
vor  dir!  sondern  er  gibt  ihm  seinen  Lohn  für  das,  was  er  gearbeitet  hat.  ||  Joma  35b: 
Von  R.  Elfazar  b.  Charsom  (einem  reichen  Priester  zur  Zeit  des  Tempelbestandes) 
hat  man  erzählt,  daß  ihm  sein  Vater  tausend  Städte  auf  dem  Lande  u.  ihnen  ent- 
sprechend tausend  Schiffe  auf  dem  Meer  hinterließ:  u.  täglich  nahm  er  (trotzdem) 
einen  Schlauch  mit  Mehl  auf  seine  Schulter  u.  zog  von  Stadt  zu  Stadt,  von  Land 
zu  Land,  um  Tora  zu  lernen.  Einmal  trafen  ihn  seine  Sklaven  (die  ihn  nicht  kannten) 
u.  ließen  ihn  Frondienste  leisten  s""-;:?;  i3  lay.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  bitte  euch,  laßt 
ab  von  mir,  daß  ich  gehe  u.  Tora  lerne.  Sie  aber  sprachen  zu  ihm:  Beim  Leben  des 
R.  Elfazar  b.  Charsom,  wir  lassen  dich  nicht! 

b.  N'-'d  32  ■->■ :  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt,  R.  Elfazar  (um  270)  habe  gesagt:  Warum 
ist  unser  Vater  Abraham  damit  bestraft  worden,  daß  seine  Kinder  210  Jahre  hindurch 
den  Aegyptern  dienen  mußten?  Weil  er  die  Gelehrtenschüler  zwangsweise  zu  Diensten 
heranzog  'a  n'-'iis  n-äv,  wie  es  heißt  (Gn  14,  14):  „Er  (Abraham)  ließ  seine  Unter- 
richteten, die  in  seinem  Hause  (geistlich,  als  Schüler)  gezeugt  waren,  ausziehen"  (so 
der  Midrasch).  |i  Sota  10»:  Raba  (t  352)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Warum  ist  Asa 
bestraft  worden?  Weil  er  die  Gelehrtenschüler  zwangsweise  zu  Diensten  heranzog, 
s.  1  Kg  15,22:  Der  König  Asa  berief  das  ganze  Juda,  u.  keiner  blieb  frei  (von  Fron- 
diensten). Was  heißt:  Keiner  blieb  frei?  Rab  J<^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247) 
habe  gesagt:  Selbst  nicht  der  Bräutigam  in  seiner  Kammer  u.  die  Braut  in  ihrem 
Hochzeitsgemach.  —  Ferner  s.  Sanh  101b:  Um  der  Tochter  des  Pharao  Frondienste 
zu  leisten  's  ra'i  s"'-;:s  n-^sV. 

C.  GnR48(30''):  Abraham  ging  mit  ihnen  (den  Engeln),  ihnen  das  Geleit  zu 
geben  Gn  18,  16.  Das  Sprichwort  sagt:  Hast  du  Speise  und  Trank  gereicht,  dann 
gib  auch  das  Geleit  r-'iV  r'pvx  r-'h:!is.  ||  Sota  9,  6:  Die  Ältesten  jener  Stadt  waschen 
ihre  Hände  in  Wasser  an  der  Stelle,  an  der  dem  Kalb  das  Genick  gebrochen  wird, 
u.  sagen:  Unsre  Hände  haben  dieses  Blut  nicht  vergossen  u.  unsre  Augen  haben  es 
nicht  geschaut  (Dt  21,  7).  Könnte  es  uns  wohl  in  den  Sinn  kommen,  daß  die  Ältesten 
eines  Gerichtshofes  Blutvergießer  sein  sollten?  Vielmehr  (soll  mit  Dt  21,  7  gesagt 
sein:)  er  ist  nicht  in  unsre  Hände  (d.h.  zu  uns)  gekommen,  daß  wir  ihn  hätten  ohne 


Matth  5, 41  {%.  33)  345 

Nahrung  entlassen;  auch  haben  wir  ihn  nicht  gesehen,  daß  wir  ihn  hätten  ohne  Geleit 
r;;";^  st>3  von  uns  gelassen.  —  Dazu  heißt  es  in  bSota  46b  Bar:  R.  Me'ir  (um  150) 
sagte:  Man  zwingt  zum  Geleit  n-i'^-s  i-ei:;  denn  der  Lohn  für  das  Geleit  hat  kein 
Maß,  s.  Ri  1,24  ff.:  Da  sahen  die  Späher  einen  Mann  aus  der  Stadt  herauskommen 
u.  sagten  zu  ihm:  , Zeige  uns  doch  den  Eingang  der  Sladt,  so  wollen  wir  dir  Gnade 
erweisen."  und  welche  Gnade  haben  sie  ihm  erwiesen?  Jene  ganze  Stadt  schlugen 
sie  mit  Schwertes  Schärfe;  den  aber  u.  seine  ganze  Familie  ließen  sie  laufen.  Da 
zog  der  Mann  in  das  Land  der  Hethiter  u.  baute  eine  Stadt  u.  hieß  sie  Luz;  so  heißt 
sie  bis  auf  diesen  Tag.  .  .  .  Ist  da  nicht  der  Schluß  vom  Leichten  auf  das  Schwere 
berechtigt?  Wenn  dieser  Kanaaniter,  der  mit  seinem  Munde  nicht  geredet  u.  mit 
den  Füßen  keinen  Schritt  getan  hat,  für  sich  u.  seine  Nachkommenschaft  bis  ans 
Ende  aller  Geschlechter  Rettung  verursacht  hat,  wieviel  mehr  wird  das  von  dem 
gelten,  der  Geleit  mit  seinen  Füßen  gibt!  .  .  .  R.  J^hoschuas  b.  Levi  (um  250)  hat 
gesagt:  Wer  sich  auf  eine  Reise  begibt,  ohne  daß  er  Geleit  hat,  der  soll  sich  mit 
der  Tora  beschäftigen,  s.  Sprl,9:  ,Denn  ein  gnadenvolles  Geleit  sind  sie  (die  Worte 
der  Tora,  nach  dem  Midr)  für  dein  Haupt  u.  ein  Kettenschmuck  für  deinen  Hals" 
(so  der  Midr).  Ferner  hat  R.  J^'hoschua?  b.  Levi  gesagt:  Wegen  der  vier  Schritte,  die 
der  Pharao  Abraham  begleitete  (s.  Gn  12,  20),  durfte  er  dessen  Nachkommen  400  Jahre 
knechten,  s.  Gn  15,  18.  R.  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Wenn 
jemand  einen  andren  vier  Ellen  weit  nach  einer  Stadt  begleitet,  erleidet  dieser  keinen 
Schaden.  Rabina  (1.?,  f  um  420)  begleitete  den  Raba  b.  Ji(jchaq  vier  Ellen  weit  nach 
einer  Stadt;  es  kam  ein  Schaden  über  diesen,  aber  er  wurde  daraus  errettet.  Bar: 
Der  Lehrer  soll  den  Schüler  bis  an  die  Stadtgrenze  begleiten,  der  Genosse  den  Ge- 
nossen bis  an  die  Sabbatgrenze  (=  2000  Ellen),  für  den  Schüler  gibt  es  (in  diesem 
Stück)  dem  Lehrer  gegenüber  kein  Maß.  Wie  weit  (ist  das  Mindestmaß)?  Rab 
Schescheth  (um  260)  hat  gesagt:  Eine  Parasange  weit.  Aber  das  hat  man  nur  ge- 
sagt, falls  es  sich  nicht  um  seinen  vorzüglichsten  Lehrer  handelt;  handelt  es  sich 
um  seinen  vorzüglichsten  Lehrer,  so  beträgt  das  Maß  drei  Parasangen.  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Me'ir  (um  150)  gesagt:  Wer  kein  Geleit  gibt  u.  kein 
Geleit  annimmt,  ist  wie  einer,  der  Blut  vergießt;  denn  wenn  die  Leute  von  Jericho 
den  Elisa  begleitet  hätten,  so  hätte  dieser  nicht  die  Bären  auf  die  Kinder  gehetzt, 
s.  2  Kg  2,  23  f.  —  Das  Nähere  über  das  Geleitgeben  als  Liebeswerk  s.  im  Exkurs: 
,  Liebeswerke". 

Zu  fiihor  s,  bei  Joh  11, 18. 

5,  41  25:  vnaye  fisi'  avzov  Siw.  —  Hierzu  u.  zu  5,  40  vgl.  den  Ge- 
danken „über  das  Recht  hinaus"  in  folgenden  Stellen. 

M^kh  Ex  18,  20  (67  bj:  /l'u  ihnen  den  Weg  kund"  Ex  18,  20,  damit  ist  das  Tora- 
studium gemeint.  „Und  die  Tat,  die  sie  tun  sollen",  damit  sind  die  guten  Werke 
gemeint.  Das  sind  Worte  des  R.  J''hoschua?  (b.  Chananja,  um  90).  R.  Elfazar  aus 
Modifim  (f  um  185)  sagte:  „Tu  ihnen  kund",  d.  h.  lehre  sie  die  Stätte  des  Lebens 
(=  Erwerbszweig,  nach  Raschi  zu  BM  30 b);  „den  Weg",  das  geht  auf  das  Besuchen 
der  Kranken;  „sie  sollen  gehn",  das  bezieht  sich  auf  das  Beerdigen  der  Toten;  „auf 
ihm",  damit  sind  die  Lieheserweisungen  a-ncn  ri'^-tt;  gemeint;  „die  Tat",  das  bezieht 
sich  auf  die  Linie  des  Rechts  (d.  h.  das  strikte  Innehalten  des  Gesetzesbuchstabens); 
„die  sie  tun  sollen",  nämlich  nach  innen  zu  von  der  Linie  des  Rechts  (d.  h.  man 
soll  Billigkeitsrücksichten  walten  lassen  beim  Strafen  u.  soll  bei  Leistungen  über 
den  Buchstaben  der  gesetzlichen  Forderung  hinausgehn).  —  Von  Rab  Joseph  (f  333) 
wird  die  Auslegung  des  R.  ElSazar  aus  M.  als  anonyme  Bar  zitiert  BQ  99  b  u.  BM  30b. 
In  der  letztern  Stelle  folgt:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Jerusalem  ist  nur  zer- 
stört worden,  weil  man  darin  geurteilt  hat  nach  dem  (strikten)  Recht  der  Tora.  Hätten 
sie  denn  etwa  einen  Rechtsspruch  der  Schüsselrichter  (die  für  eine  Schüssel  Speise 
käuflich  sind,  s.  Levy  3,  19b)  tun  sollen?  Vielmehr  sage:  Weil  sie  ihre  Urteile  auf 
das  (buchstäbliche)  Recht   der  Tora    stellten    u.  nicht   handelten    innerhalb    von    der 


346  Matth5,42  (Nr.  1) 

Linie  des  Rechts  (sie  taten  nur,  wozu  sie  nach  dem  Buchstaben  des  Gesetzes  ver- 
pflichtet waren,  ohne  von  ihren  Forderungen  etwas  nachzulassen).  —  Weitere  Bei- 
spiele s.  im  Exkurs:  , Vorbemerkungen  zur  Bergpredigt"  Nr.  3  gegen  Ende. 

5,42:  Dem,  der  dich  bittet,  gib,  u.  von  dem,  der  von  dir 
borgen  will,  wende  dich  nicht  ab. 
1,  Die  älteste  Auslegung  der  Grundstelle  Dt  15,  7 — 11. 

.  SDt  15.  7  ff.  §116—118(98^):  .Wenn  bei  dir  sein  wird",  also  nicht  bei  den 
andren;  „ein  Armer",  wer  verlangend  bittet,  kommt  zuerst  ("— ax  ein  Armer  wird 
mit  dem  Verbum  asr  oder  ras  wollen,  begehren  in  Verbindung  gebracht);  „einer  aus 
deinen  Brüdern",  damit  sind  deine  Brüder  väterlicherseits  gemeint;  wenn  es  heißt: 
„einer"  aus  deinen  Brüdern,  so  lehrt  das,  daß  dein  Bruder  väterlicherseits  deinem 
Bruder  mütterlicherseits  voransteht;  „in  einem  deiner  Tore",  d.  h  die  Einwohner  deiner 
Stadt  stehen  den  Einwohnern  einer  andren  Stadt  voran;  „in  deinem  Lande",  d.  h. 
die  Einwohner  des  Landes  stehen  den  Bewohnern  des  Auslandes  voran.  Wenn  es 
heißt:  in  „einem"  deiner  Tore,  so  will  das  besagen:  wenn  er  an  ein  und  demselben 
Orte  wohnt,  ist  dir  geboten  ihn  zu  versorgen;  geht  er  aber  (von  Ort  zu  Ort)  an  den 
Türen  bettelnd  umher,  so  bist  du  ihm  zu  nichts  (weder  zur  Nahrung  noch  zur  Klei- 
dung! verpflichtet.  (Dergleichen  Bettler  hatten  sich  an  die  öffentlichen  Almosenpfleger 
des  Ortes  zu  wenden,  s.  bei  Apg  6,  3.)  „Das  Jahve,  dein  Gott,  dir  geben  wird", 
d.  h.  überall;  „so  verhärte  dein  Herz  nicht",  es  gibt  Menschen,  die  wehe  tun,^  ob 
sie  geben  oder  ob  sie  nicht  geben;  „u.  verschließ  deine  Hand  nicht",  es  gibt 
Menschen,  die  ihre  Harid  ausstrecken  u.  daün  wieder  verschließen;  „vor  deinem 
armen  Bruder",  wenn  du  ihm  nichts  gibst,  wirst  du  schließlich  von  ihm  nehmen 
müssen  (der  Midr  deutet:  du  wirst  ein  Bruder  des  Armen,  d.  h.  gleichfalls  ein  Armer 
werden).  Und  woher,  daß,  wenn  du  ihm  deine  Hand  viermal  aufgetan  hast,  du  sie 
ihm  auch  hundertmal  wieder  auftun  sollst?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Vers  8:  „sondern 
öffnend  sollst  du  ihm  öffnen  deine  Hand."  (Vgl.  Einl.  1(j9«.)  „Und  gern  sollst  du 
ihm  auf  Pfand  leihen",  d.  h.  man  gibt  ihm  (zunächst  geschenkweise)  u.  dann  zieht 
man  es  durch  Pfändung  wieder  ein;  das  sind  Worte  des  R.  Phuda  (um  150);  die 
Gelehrten  aber  sagten:  Man  sagt  zu  ihm:  „Bringe  ein  Pfand",  um  ihn  in  seinem 
Innern  zu  beruhigen.^  „Je  nach  seinem  Bedürfnis",  es  ist  dir  nicht  befohlen,  ihn 
reich  zu  machen;  „was  ihm  mangelt",  selbst  wenn  es  ein  Pferd  oder  ein  Sklave 
wäre.  Hillel,  der  Alte  (um  20  v.  Chr.),  schenkte  einmal  einem  Armen  aus  guter  Fa- 
milie ein  Pferd,  um  sich  damit  (etwa  durch  Reiten)  müde  zu  machen,  u.  einen  Sklaven, 
der  ihn  bedienen  sollte.  Ein  andermal  wieder  hat  man  in  Obergaliläa  eioem  Menschen 
eine  Litra  Geflügelfleisch  täglich  zugewiesen  (weil  er  daran  aus  besseren  Tagen  her 
gewöhnt  war).  Was  „ihm"  mangelt;  mit  „ihm"  ist  eine  Frau  gemeint,  wie  es  heißt 
(Gn  2, 18):  „Ich  will  ,ihm'  eine  Gehilfin  machen,  die  >ihm<  entspricht."    „Hüte  dich  .  .  ., 

*  Raschi  zu  Dt  15,  7  liest  das  Reflexivum:  „die  sich  ärgern". 

*  Wie  der  Ausspruch  des  R.  J^'huda  u.  der  Gelehrten  zu  verstehen  ist,  zeigt  die 
Bar  K®th  67b:  „Auf  Pfand  leihend"  Dt  15,  8,  damit  ist  derjenige  gemeint,  der  nichts 
hat  u.  sich  nicht  selbst  ernähren  will;  dem  gibt  man  (um  seine  Empfindlichkeit  zu 
schonen)  unter  dem  Namen  eines  Darlehus  u.  hinterher  überläßt  man  es  ihm  als 
Geschenk;  „sollst  du  auf  Pfand  leihen"  (der  Midrasch  deutet  die  Gerundivkonstruktion 
Dt  15,8  auf  zwei  Kategorien  von  Empfängern),  damit  ist  der  gemeint,  der  etwas 
besitzt,  sich  aber  nicht  ernähren  will;  dem  gibt  man  unter  dem  Namen  eines  Ge- 
schenkes u.  zieht  es  dann  wieder  nach  seinem  Tode  (von  seinem  Nachlaß)  ein.  Das 
sind  Worte  des  R.  J'^huda.  —  Die  Siphrestelle  oben  bringt  also  nur  den  2.  Teil  von 
R.  J'^hudas  Ausführung.  Die  Meinung  der  Gelehrten  in  Siphre  vertritt  K*^th  67 b 
R.  Schimfon  (um  150i:  Besitzt  er  etwas  u.  will  er  sich  nicht  ernähren,  so  kümmert 
man  sich  nicht  um  ihn;'  besitzt  er  aber  nichts  u.  will  ersieh  nicht  ernähren,  so  sagt 
man  zu  ihm:  „Bringe  ein  Pfand  u.  dann  nimm  hin",  damit  er  in  seinem  Innern  nicht 
kleinmütig  werde. 


Matth  5,  42  (Nr.  1)  347 

"damit  nicht  bei  dir  selbst  ein  Gedanke  aufsteige,  ein  nichtswürdiger,  indem  du  sagst" 
<Vers  9),  d.  h.  sei  vorsichtig,  dafs  du  dich  nicht  des  Erbarmens  entschlägst;  denn 
wer  sich  des  Erbarmens  einem  andren  gegenüber  entschlägt,  den  stellt  die  Schrift 
■einem  Götzendiener  gleich,  u.  er  wirft  das  Joch  des  Himmels  (Gottes)  von  sich,  wie 
es  heißt  ^ein  nichtswürdiger"  Vy-Va,  d.  h.  ohne  Joch,  Viy  -Va.^  „Es  naht  das  siebente 
Jahr,  das  Erlaßjahr" ;  das  ist,  was  R.  Jose,  der  Galiläer  (um  110),  gesagt  hat:  Wenn 
es  für  jeden  einzelnen  (Schuldner  u.  dgl.)  ein  besonderes  siebentes  Jahr  gäbe  (so  daß 
die  siebenjährige  Schuldperiode  vom  Tage  der  Kontrahierung  der  Schuld  an  gerechnet 
werden  müßte),  wie  könnte  es  dann  heißen:  es  „naht"  das  siebente  Jahr  (mit  der 
Schuldübernahme  begänne  ja  erst  das  erste  Jahr)?  Demnach  sind  die  sieben  Jahre 
für  jedermann  in  gleicher  Weise  zu  zählen,  „Und  dann  dein  Auge  deinen  armen 
Bruder  scheel"  ansehe  u.  du  ihm  nichts  gebest  u.  er  Jahven  gegen  dich  anrufe  u.  es 
•eine  Schuld  an  dir  werde";  ist  es  vielleicht  ein  Pflichtgebot  für  ihn,  Jahven  anzu- 
rufen? Die  Schrift  sagt  lehrend:  „daß  er  nicht  wider  dich  zu  Jahve  rufe"  Dt  24,  15. 
Würde  etwa,  wenn  er  gegen  dich  Jahven  anriefe,  eine  Schuld  an  dir  sein,  u.  würde 
sie  nicht  an  dir  sein,  wenn  er  nicht  Jahven  anriefe?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Es 
würde  eine  Schuld  an  dir",  d.  h.  in  jedem  Fall.  Wenn  dem  so  ist,  wozu  heißt  es 
•dann:  „wenn  er  anruft"?  Es  will  sagen:  Ich  (Gott)  Averde  schneller  bestrafen  wegen 
*ines  Rufenden,  als  wegen  eines  Nichtrufenden.  Und  woher,  daß,  wenn  du  einmal 
:gegeben  hast,  du  selbst  hundertmal  geben  sollst?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Vers  10: 
„Gebend  sollst  du  geben"  (also  immer  aufs  neue);  „ihm",  d.  h.  unter  vier  Augen. 
Von  hier  aus  hat  man  gesagt  (s.  Sch'^q  5.  6):  Eine  Halle  der  Verschwiegenen  war 
in  Jerusalem  (nämlich  im  Tempel,  in  der  fromme  Leute  im  geheimen  Gaben  für  ver- 
schämte Arme  niederlegten).  „Denn  um  deswillen  wird  Jahve  dein  Gott  dich  segnen": 
wenn  einer  gesagt  hat,  er  wolle  geben  u.  gibt  dann  wirklich,  so  gibt  man  (=  Gott) 
ihm  den  Lohn  für  das  Sagen  (Versprechen)  u.  für  die  Tat  (das  Halten  des  Versprechens); 
wenn  einer  sagt,  er  wolle  geben,  aber  es  ist  ihm  nicht  möglich  zu  geben,  so  gibt 
man  ihm  einen  Lohn  für  das  Sagen,  der  dem  Lohn  für  die  Tat  gleich  ist;  wenn  einer 
nicht  sagt,  daß  er  geben  wolle,  aber  er  sagt  zu  andren:  „Gebet",  oder  wenn  einer 
nicht  sagt,  daß  er  geben  wolle,  u.  auch  nicht  zu  andren  sagt:  „Gebet",  aber  er 
schafft  ihm, Beruhigung  durch  gute  Worte,  woher,  daß  man  einem  solchen  Lohn  dafür 
gibt?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Denn  wegen  dieses  , Wortes',  nrr!  ^z-^r.,  wird  Jahve 
■dein  Gott  dich  segnen  in  allen  deinen  Werken."  (Vers  11:)  „Denn  es  wird  nicht  an 
Armen  fehlen  mitten  im  Lande";  dort  (Dt  15,  4)  heißt  es:  „Nur  daß  kein  Armer  bei 
■dir  sein  soll" ;  wie  bestehen  diese  beiden  Schriftsteilen  nebeneinander?  Wenn  ihr 
den  Willen  Gottes  tut,  werden  die  Armen  sich  bei  den  andren  (den  Nichtisraeliten) 
finden;  wenn  ihr  aber  den  Willen  Gottes  nicht  tut,  werden  sie  sich  bei  euch  finden. 
.„Darum",  d.  h.  um  deswillen  (nämlich  um  euch  segnen  zu  können)  „befehle  ich  dir 
also",  einen  guten  Rat  gebe  ich  dir,  zu  deinem  Besten.  „Weitauf  sollst  du  deine 
Hand  deinem  Bruder,  deinem  Dürftigen  u.  Armen  in  deinem  Lande  tun";  warum 
wird  das  alles  gesagt?  Die  Schrift  zeigt  an:  wer  ein  solcher  ist,  dem  man  Brot  zu 
geben  hat,  dem  gibt  man  Bi-ot;  wer  ein  solcher  ist,  dem  man  Teig  zu  geben  hat, 
dem  gibt  man  Teig;  wer  ein  solcher  ist,  dem  man  Geld  zu  geben  hat,  dem  gibt  man 
■Geld,  u.  wer  ein  solcher  ist,  dem  man  die  Speise  in  den  Mund  zu  legen  hat,  dem 
legt  man  sie  in  seinen  Mund.  Parallelstellen  zu  einzelnen  Teilen  hiervon  finden  sich 
■TPea4,8. 10. 12.  13. 17.20;  BB  9";  BM31b;  K'^th67b;  68^  pPea  S,  21 ",  47;  bBQ98«. !} 
Aboth  5,  13:  Vier  Arten  gibt  es  bei  den  Almosengebern.  Wer  will,  daß  er  selbst 
-gebe,  aber  andre  nicht  geben,  der  ist  mißgünstig  in  bezug  auf  die  Habe  andrer;  daß 
•andre  geben,  aber  er  selbst  nicht  gebe,  der  ist  mißgünstig  in  bezug  auf  seine  eigne 
Habe:  daß  er  selbst  gebe  u.  andre  geben,  ist  ein  Frommer;  daß  er  selbst  nicht  gebe 
«.  andre  nicht  geben,  ist  ein  Gottloser. 


1  Die  gleiche  Deutung  von  ^y-ia  auch  Sanh  lllb:  Söhne  Belifals,  das  sind  Leute 
die  das  Joch  des  Himmels  von  ihrem  Halse  abgeworfen  haben. 


348  .  Matth  5, 42  (Nr.  2) 

2.  Zins-  u.  Wucherverbote  (Ex  22,  24;  Lv  25,  36  f.;  Dt  23,  20 f.). 

M^kh  Ex  22,  24  (102"):  ,Wenn  du  Geld  leihest"  Ex  22,  24,  Geld  für  Geld  darfst 
du  ihm  leihen,  aber  nicht  Früchte  für  Früchte.  Oder:  Geld  für  Geld  darfst  du  ihm 
leihen,  aber  nicht  Geld  für  Früchte,  u.  nicht  Früchte  für  Geld.  (Die  Früchte  könnte» 
zur  Zeit  der  Rückzahlung  einen  höheren  Wert  haben  als  zur  Zeit  des  Empfangs  des- 
Darlehns;  die  Preisdifferenz  würde  als  Zinszahlung  anzusehen  sein.)  „Meinem  Volke" 
(das.):  steht  ein  Israelit  u.  ein  Nichtisraelit  vor  dir,  um  zu  entleihen,  so  geht  mein 
Volk  voran;  wenn  ein  Armer  u.  Reicher  (vor  dir  steht),  so  geht  der  Arme  voran:, 
wenn  deine  Armen  (d.  h.  dir  verwandte  Arme)  u.  Arme  deiner  Stadt  (vor  dir  stehn),. 
so  gehen  deine  Armen  den  Armen  deiner  Stadt  voran;  wenn  Arme  deiner  Stadt  u. 
Arme  einer  andren  Stadt,  so  gehen  die  Armen  deiner  Stadt  voran;  denn  es  heißt r 
„Dem  Armen  neben  dir"  (das.).  „Du  sollst  ihm  nicht  wie  ein  Wucherer  sein"  (das.),. 
d.  h.  dich  nicht  fortwährend  vor  ihm  zeigen  (wodurch  der  Schuldner  an  seine  Schuld 
erinnert  wird,  s.  BM  7-5'^  auf  S.  352).  „Nicht  sollt  ihr  ihm  Zins  auflegen"  (das.).  Wozu 
sagt  die  Schrift  das  lehrend?  Wenn  es  heißt:  „Dein  Geld  sollst  du  ihm  nicht  auf 
Zins  geben"  Lv  25,  37,  so  ist  das  eine  Verwarnung  für  den  Darleiher,  daß  er  jenem 
nicht  auf  Zins  leihe.  Du  sagst:  „für  den  Darleiber",  oder  nicht  vielmehr  für  derv 
Entleiher?  Wenn  es  heißt:  „Nichtsollst  du  von  ihm  nehmen"  (Lv  25,  36),  so  bezieht 
sich  das  auf  den  Entleiher  (so  der  Midr,  vgl.  aber  das  folgende  Zitat  aus  SDt  §  262).  Da 
höre  ich  nur  die  Verwarnung  für  den  Entleiher  u.  den  Darleiher.  Woher  nun  die  Verwarnung 
auch  für  den  Zeugen  u.  den  Bürgen  u.  den  Schreiber  (eines  Schulddokuments)?  Die- 
Schrift  sagt  lehrend:  „Ihr  sollt  nicht  auflegen",  ganz  allgemein.  Von  hier  aus  hat 
man  gesagt:  Wer  auf  Zins  darleiht,  übertritt  fünf  Verbote:  „Du  sollst  dein  Geld  nicht 
auf  Zins  geben"  Lv  25,  37;  „du  sollst  von  ihm  nicht  Zins  nehmen"  Lv  25,  36;  „ihr 
sollt  ihm  nicht  Zins  auflegen"  Ex  22,  24;  „du  sollst  ihm  nicht  wie  ein  Wucherer 
sein"  (das.)  u.  „du  sollst  vor  einen  Blinden  keinen  Anstoß  legen"  (Lv  19,  14).  Wie 
der  Darleihende  u.  der  Entleihende  fünf  Verbote  übertreten,  so  begehen  auch  der 
Bürge  u.  die  Zeugen  n.  der  Schreiber  eine  Übertretung.  R.  J'huda  (um  150)  erlaubte 
es  in  bezug  auf  den  Schreiber.  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Wer  auf  Zins  darleiht  u. 
zum  Schreiber  sagt:  „Komm  u.  schreibe"  u.  zu  den  Zeugen:  „Unterschreibt",  der  hat 
keinen  Teil  an  dem,  der  das  Gebot  über  das  Zinsnehmen  gegeben  hat.  —  In  der 
Mischna  BM  5,  11  lauten  die  letzten  Sätze:  Folgende  übertreten  ein  Verbot:  der 
Darleihende,  der  Entleihende,  der  Bürge  u.  die  Zeugen.  Die  Gelehrten  sagten: 
Auch  der  Schreiber.  Sie  übertreten  Lv  25,  37;  25,36;  Ex  22,  24  a,-  22,  24^  u.  Lv 
19,  14.  —  Parallelstellen:  BM  71*.  75''  (TBxM  6,  17  (384)  =  BM7H  s.  S.  351); 
ExR31  (91  d).  II  SDt  23,  20 f.  §262  (121  b):  „Lege  deinem  Bruder  keinen  Zics  auf" 
Dt  23,  20,  da  höre  ich  nur  in  bezug  auf  den  Entleihenden  (der  Midrasch  faßt 
das  Schriftwort  so:  „laß  dir  von  deinem  Bruder  keinen  Zins  auferlegen").  Woher 
in  bezug  auf  den  Darleihenden?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  25,  36:  „Nicht  sollst 
du  von  ihm  Zins  u.  Aufschlag  (Vermehrung)  nehmen  (dieser  Schriftbeweis  ist  an- 
gemessener als  der  im  vorigen  Zitat).  Wenn  es  heißt:  „Dein"  Geld  sollst  du  nicht 
auf  Zins  geben  Lv  25,  37,  (so  liegt  darin:)  wohl  aber  das  Geld  andrer  (der  Nicht- 
israeliten);  „deine"  Nahrungsmittel  sollst  du  nicht  auf  Vermehrung  geben  (das.), 
wohl  aber  diejenigen  andrer.  Oder  „dein"  Geld,  aber  nicht  das  Geld  für  (zweiten) 
Zehnt?  „Deine"  Nahrungsmittel,  aber  nicht  die  für  das  Vieh?  Wenn  es  heißt:  „Zins 
von  Geld"  Dt  23,  20,  so  soll  das  ein.schließen  das  Geld  für  den  Zehnten;  „Zins  von 
Nahrungsmitteln"  (das.),  so  soll  das  einschließen  die  Nahrungsmittel  für  das  Vieh. 
Da  höre  ich  nur  von  Geldzins  u.  von  Nahrungsmittelzins;  woher,  daß  auch  Zins  von 
allen  andren  Dingen  miteinzuschließen  ist?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Zins  von 
irgend  etwas,  was  man  verzinst"  Dt  23,  20.  R.  Schimfon  (um  150)  sagte:  Woher,  daü 
man  zu  ihm  (dem  Schuldner)  nicht  sagen  darf:  „Geh  hinaus  und  entbiete  dem  u.  dem 
einen  Gruß",  oder  „Erkundige  dich,  ob  der  u.  der  von  seinem  Orte  angekommen 
ist"?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Lege  deinem  Bruder  keinen  Zins  auf  von  irgend- 
einem Wort"  -=-  hz  Dt  23,  20;    also    selbst    eine    solche  Gefälligkeit   soll  man  sich 


Matth  5,  42  (Nr.  2)  349 

vom  Schuldner  nicht  erbitten,  weil  ihre  Gewährung  als  Zins  erscheinen  könnte.'  —  „Dem 
Ausländer  ("-o:  Nichtisraeliten)  kannst  du  Zins  auflegen;  aber  deinem  Bruder  darfst 
<tlu  nicht  Zins  auflegen"  Dt  28,  21.  ,Dem  Ausländer  kannst  du  auflegen",  das  ist  ein 
Oebot  (also  =  du  sollst  ihm  auflegen);  „deinem  Bruder  aber  sollst  du  nicht  auflegen", 
■das  ist  ein  Verbot.  Rabban  Gamliel  (II.,  um  90)  sagte:  Was  lehrend  sagt  die  Schrift: 
„Deinem  Bruder  sollst  du  nicht  Zins  auflegen"  Dt  '23,  21?  Es  heißt  doch  schon  vorher 
Vers  20:  Lege  deinem  Bruder  keinen  Zins  auf!  Allein  es  gibt  einen  voraufgehenden 
2ins  u.  es  gibt  einen  nachfolgenden  Zins.  Auf  welche  Weise?  Beabsichtigt  einer  von 
•einem  andren  ein  Darlehn  zu  entnehmen  u.  sendet  diesem  etwas  in  dem  Gedanken, 
^iamit  er  mir  das  Darlehn  gebe:  so  ist  das  ein  voraufgehender  Zins.  Hatte  er  von 
ahm  ein  Darlehn  entnommen  u.,  nachdem  er  ihm  sein  Geld  zurückgezahlt,  sendet  er 
ihm  etwas  in  dem  Gedanken,  das  ist  dafür,  daß  sein  Geld  ohne  Nutzen  für  ihn  in 
meinem  Besitz  gewesen  ist:  so  ist  das  ein  nachfolgender  Zins.  —  Letzterer  Ausspruch 
auch  BM  5,  10.  Weitere  Parallelen  zu  einzelnen  Teilen  vorstehender  Auslegung  finden 
sich  SLv  25,  37  (442-'');  bBM  60^;  pBM  5,  10 ^  53. 

Ueber  Geldgeschäfte  mit  nichtisraelitischen  Kapitalien  heißt  es  BM  5,  6:  Ein 
Israelit  darf  das  Geld  eines  Nichtisraeliten  -"ir;  (gegen  Zinsen)  verleihen  mit  Vorwissen 
-des  (betreffenden)  Nichtisraeliten,  aber  nicht  mit  Vorwissen  (bloß)  des  (entleihenden) 
Israeliten.  ||  TBM  5,  16—18  (382):  Wenn  ein  Israelit  Geld  von  einem  Nichtisraeliten  'li 
-entliehen  hat  u.  es  ihm  zurückzahlen  will,  u.  es  trifft  ihn  ein  andrer  (Israelit)  u.  sagt 
zu  ihm:  Gib  mir  das  Geld,  ich  will  dir  (Zinsen)  geben,  wie  du  ihm  geben  mußt,  so 
iist  das  verboten  (weil  der  ohne  Vorwissen  des  Nichtisraeliten  selbständig  handelnde 
Israelit  als  Besitzer  des  Geldes  anzusehen  wäre  u.  als  solcher  von  einem  andren 
Israeliten  keine  Zinsen  nehmen  darf);  setzte  er  es  aber  bei  dem  Nichtisraeliten  fest, 
so  ist  es  erlaubt  (denn  jetzt  gilt  dieser  als  der  Verleihende).  Wenn  ein  Nichtisraelit 
Geld  von  einem  Israeliten  entliehen  hat  u.  es  ihm  zurückzahlen  will,  es  trifft  ihn  aber 
ein  andrer  Israelit  u.  sagt  zu  ihm:  Gib  mir  das  Geld  unter  den  gleichen  Bedingungen, 
wie  du  ihm  geben  mußtest,  so  ist  das  erlaubt;  setzten  sie  es  aber  bei  dem  Israeliten 
(dem  eigentlichen  Gläubiger)  fest,  so  ist  e.«;  verboten.  Wenn  ein  Israelit  zu  einem 
Nichtisraeliten  sagt:  Hier  hast  du  deinen  Lohn  (deine  Provision),  geh  u.  verleihe 
meine  Gelder  gegen  Zinsen,  so  ist  das  verboten  (denn  der  Israelit  bleibt  Besitzer 
des  Geldes,  u.  „sein"  Geld  darf  gegen  Zins  nicht  an  Israeliten  ausgeliehen  werden; 
anders  wäre  es  natürlich,  wenn  das  Geld  nur  an  Nichtisraeliten  zur  Verleihung  käme). 
Wenn  ein  Nichtisraelit  zu  einem  Israeliten  sagt:  Hier  hast  du  deinen  Lohn,  geh  u. 
leihe  meine  Gelder  gegen  Zins  aus,  so  ist  das  (nach  dem  Gesetz)  erlaubt;  aber  des 
bösen  Scheines  wegen  ist  es  verboten.  —  Die  beiden  ersten  Sätze  als  Bar  in  BM  711). 

Vom  Nichtisraeliten  i-i=;  Zins  zu  nehmen  war  nach  Dt  23,  21  ge- 
stattet. Die  Mischna  bestimmt  darüber  BM  5,  6:  Man  darf  von  ihnen 
(den  Nichtisraeliten)  gegen  Zins  entleihen  u.  an  sie  gegen  Zins  aus- 
leihen. —  Ferner  s.  SDt  23,  20  f.  S.  348. 

BM  5,  9:  Es  darf  nicht  einer  zum  andren  sagen:  Leihe  mir  einen  Kor  Weizen, 
ich  will  ihn  dir  von  der  Tenne  wiedergeben  (denn  dei"  Weizen  könnte  bis  dahin  im 
Preise    steigen,    so    daß    die    Preisdifferenz    als  Zinszahlung    erschiene).  ...    So    hat 

^  In  BM  5,  10  nur  das  zweite  Beispiel  in  R.  Schimfons  Ausspruch.  —  In  pBM 
ö,  10'',  12,  vgl.  bBM  75b,  lautet  der  Ausspruch  des  R.  Schim?on:  Etwas  Schweres  ist 
es  um  das  Zinsnehmen;  denn  selbst  die  Entbietung  des  Friedensgrußes  ist  ein  Zins: 
hat  der  Schuldner  ihm  (dem  Gläubiger)  sein  lebelang  den  Gruß  nicht  (zuerst)  ent- 
boten, aber  weil  er  von  ihm  ein  Darlehn  erhalten  hat,  kommt  er  ihm  mit  dem  Gruß 
zuvor:  so  ist  das  ein  Zins.  —  Nach  TBM  G,  17  (385)  gehört  der  Ausspruch  in  dieser 
Form  dem  R.  ?Aqiba,  f  um  135,  an.  Dagegen  wird  pBM  5,  10'',  10  dem  R.  fAqiba 
folgende  Ausführung  in  den  Mund  gelegt:  Etwas  Schweres  ist  es  um  den  Zins;  denn 
auch  eine  Gefälligkeit  ist  Zins:  siehe,  wenn  einer  zu  dem  Schuldner  sagt,  er  solle  ihm 
Grünzeug  vom  Markte  kaufen,  so  ist  das,  auch  wenn  er  ihm  das  Geld  dazu  gibt,  Zins. 


350  Matth  5,  42  (Nr.  2.  3) 

Hillel  (der  Alte,  um  20  v.  Chr.)  gesagt:  Nicht  soll  eine  Frau  einer  andren  ein  Brot, 
leihen,  es  sei  denn,  daß  sie  es  in  Geld  veranschlagt;  deun  der  Weizen  könnte 
teurer  werden,  u.  so  -würden  sie  als  solche  erfunden  werden,  die  ins  Zinsnehmen 
hineingeraten  sind.  —  Dazu  bemerkt  bBM  75=*:  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Sch'^muel 
(t  254)  habe  gesagt:  Das  sind  die  Worte  Hillels;  aber  die  Gelehrten  sagten:  Man, 
leiht  ohne  nähere  Abmachung  u.  man  bezahlt  ohne  nähere  Abmachung.  ||  TBM5, 22f. 
(38H):  Wenn  einer  einem  andren  gegen  Zins  leiht  und  vor  Gericht  kommt,  so  be- 
straft man  ihn,  u.  er  kann  weder  das  Kapital  noch  die  Zinsen  einfordern,  das  sindl 
Worte  des  R.  Me'ir  (um  150);  denn  R.  Meir  hat  gesagt:  Wenn  in  einem  Dokument, 
die  Zahlung  von  Zinsen  ausgemacht  ist,  so  bestraft  man  den  Inhaber,  u.  er  kann 
weder  das  Kapital  noch  die  Zinsen  einfordern.  Wenn  einer  ein  Dokument  findet,  ini 
welchem  Zinsen  ausgemacht  sind,  so  kann  er  es  zerreißen;  wird  es  dem  Gericht  über- 
geben, so  zerreißt  man  es.  RabbanSchimfon  b.  Gamliel  11.  (um  140)  sagte:  Das  richtet, 
sich  ganz  nach  dem  Brauch  der  betreffenden  Stadt  (Gegend).  —  In  der  Parallelstelle 
BM  72 '^  —  BQ  oOb  erklären  die  Gelehrten  dem  R.  Meir  gegenüber:  Er  darf  das- 
Kapital  einfordern,  aber  nicht  die  Zinsen. 

TBM  5,  25  (888):  Wenn  einer  einem  andren  gegen  Zins  geliehen  hat  u.  dann 
Buße  tut,  so  muß  er  es  ihm  wiedergeben  (was  er  an  Zinsen. empfangen  hat).  Stirbt 
er  u.  hinterläßt  er  es  seinen  Kindern,  so  brauchen  diese  es  nicht  zurückzugeben,, 
wie  es  heißt  Hi  27,  17:  Er  schafft  es  an,  u.  Gerechte  bekleiden  sich  u.  in  das  Silber- 
teilen sich  Schuldlose. 

3.  Allgemeine  Aussprüche  über  Leihen,  Zinsnehmen  u.  dgl. 

Sir  29,  1  f. :  Wer  Barmherzigkeit  übt,  leiht  seinem  Nächsten,  u.  wer  ihm  auf- 
hilft, beobachtet  die  Gebote.  Leihe  deinem  Nächsten  zur  Zeit,  wo  er's  nötig  hat,  u.. 
gib  du  es  wieder  zurück  deinem  Nächsten  zur  bestimmten  Frist.  Halte  Wort  u.  er- 
weise dich  als  zuverlässig  ihm  gegenüber,  so  wirst  du  zu  aller  Zeit  dessen,  was  du) 
brauchst,  habhaft  werden  können.  Viele  halten  das  Darlehn  für  etwas  Gefundenes- 
(was  man  nicht  abzugeben  braucht)  u.  machen  Verdruß  denen,  die  ihnen  geholfen, 
haben.  Bis  er's  (von  ihm  geborgt)  erhält,  küßt  er  seine  Hand  u.  redet  unterwürfig 
vom  Vermögen  seines  Nächsten.  Aber  dann,  wenn  er's  zurückzahlen  soll,  zieht  er  die^ 
Zeit  hin  u.  gibt  kummervolle  Worte  zur  Antwort  u.  macht  die  Zeiten  verantwortlich.. 
Wenn  er  (zu  zahlen)  imstande  ist,  wird  jener  (doch)  kaum  die  Hälfte  erhalten,  u. 
der  wird  es  für  etwas  Gefundenes  ansehen.  Wenn  aber  nicht,  so  bringt  er  ihn  um 
sein  Geld,  u.  dieser  bekommt  ihn,  nicht  ohne  daß  er  schuld  daran  ist,  zum  Feinde.' 
Flüche  und  Schimpfreden  wird  er  ihm  zurückzahlen.  Viele  wenden  sich  um  solcher 
Schlechtigkeit  willen  ab;  sie  fürchten,  ohne  ihre  Schuld  um  ihr  Geld  zu  kommen. 
Doch  mit  dem,  dem  es  schlecht  ergeht,  habe  Geduld  u.  aus  Barmherzigkeit  sollst  du 
ihm  Zeit  lassen.  Um  des  Gebots  willen  nimm  dich  des  Armen  an  u.  entsprechend  seiner 
Dürftigkeit  laß  ihn  nicht  leer  von  dir  gehn.  Verliere  lieber  das  Geld  wegen  des 
Bruders  u.  Freundes  u:  laß  es  nicht  rosten  unter  dem  Stein,  so  daß  es  wertlos  wird.  |! 
Mekh  Ex  22,  24  (102"|:  ,Wenn  du  meinem  Volke  Geld  leihst"  Ex  22,  24.  R.  Jischma^el 
(tum  l;i5)  hat  gesagt:  Jedes  „Wenn"  in  der  Tora  ist  als  ein  freiwilliges  (dem  Be- 
lieben überlassenes)  gemeint,  ausgenommen  dieses  u.  noch  zwei  andre.  Lv  2,  14: 
,Wenn  du  Jahven  ein  Getreideerstlings-Speisopfer  darbringst";  das  ist  als  Pflicht 
gemeint.  Du  sagst:  „als  Pflicht",  oder  nicht  doch  vielmehr  als  etwas  Freiwilliges? 
Die  Schrift  sagt  lehrend  (das.):  so  „sollst"  du  als  dein  Erstlings-Speisopfer  darbringen; 
als  Pflicht  ist  es  gemeint  u.  nicht  als  etwas  Freiwilliges.  Und  Ex  20,  25:  „Wenn  du 
mir  einen  Altar  von  Steinen  machst";  das  ist  als  Pflicht  gemeint.  Du  sagst:  „als 
Pflicht",  oder  nicht  doch  vielmehr  als  etwas  Freiwilliges?  Wenn  es  heißt:  „Aus  un- 
versehrten Steinen  ,sollst'  du  den  Altar  bauen"  Dt  27,  6,    so  ist  das    eine  Pflicht  u. 

'  Bischoff,  Jesus  u.  die  Rabbinen,  S.  61  erwähnt  ein  Sprichwort  r:r'':nr  ns-Vn  5: 
713-^12  riEio  nans,  der  Anfang  alles  Leihens  ist  Freundschaft  u.  das  Ende  Feindschaft. 


Matth  5,  42  (Nr.  3)  351 

nicht  etwas  Freiwilliges.  Auch  hier  (nämlich  Ex  22.  24)  mußt  du  sagen:  ,Wenn  du 
Geld  leihest",  das  ist  als  Pflicht  gemeint  u.  nicht  als  etwas  Freiwilliges.  Du  sagst: 
„als  Pflicht",  oder  nicht  doch  vielmehr  als  etwas  Freiwilliges?  Wenn  es  heißt 
Dt  15,  7:  Du  , sollst"  ihm  gern  auf  Pfand  leihen,  so  ist  das  eine  Pflicht  u.  nicht 
etwas  Freiwilliges.  —  Dasselbe  ÄM<h  Ex  20,__25  (80b).  \\  SLv  25,  3S  (442"):  ,lch  bin 
Jahve  euer  Gott,  der  euch  aus  dem  Lande  Ägypten  herausgeführt  hat"  Lv  25,  38. 
Von  hier  ans  hat  man  gesagt:  Wer  das  Joch  des  Zinsverbotes  auf  sich  nimmt,  der 
nimmt  das  Joch  des  Himmels  (=  Gottes)  auf  sich;  u.  wer  das  Joch  des  Zinsverbote& 
von  sich  wirft,  der  wirft  das  Joch  des  Himmels  von  sich.  „Ich  bin  Jahve  euer  Gott, 
der  euch  aus  dem  Lande  Äg.ypten  herausgeführt  hat" ;  unter  der  Bedingung  habe  ich 
euch  aus  dem  L.  Ag.  herausgeführt,  daß  ihr  die  Gebote  betreffs  des  Zinsnehmens 
auf  euch  nehmt;  denn  wer  sich  zu  den  Geboten  betreffs  des  Zinsnehmens  bekennt, 
der  bekennt  sich  zu  dem  Auszug  aus  Äg.,  u.  wer  die  Gebote  wegen  des  Zinsnehmens 
verleugnet,  der  ist  wie  einer,  der  den  Auszug  aus  Ag.  leugnet.  ||  BM  61b:  Raba  {f'4b2) 
hat  gesagt:  Warum  hat  der  Allbarmherzige  den  Auszug  aus  Ag.  bei  dem  Zinsverbot  ge- 
schrieben? .  .  .  Gott  sagt:  Ich  bin  es,  der  in  Ag.  prüfend  unterschieden  hat  zwischen 
dem  Tropfen  des  Erstgebornen  u  dem  Tropfen  des  Nichterstgebornen;  ich  bin  es,  der 
dereinst  strafen  wird  den,  der  sein  Geld  an  einen  Nichtisraeliten  hängt  u.  es  an  einen 
Israeliten  gegen  Zins  verleiht.  ||  TBM  (>,  17  (:')84):  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  hat 
gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie  blind  die  Augen  derer  sind,  die  gegen  Zins  ausleihen: 
wenn  einer  einen  andren  einen  Götzendiener,  einen  Unzüchtigen  oder  einen  Blutver- 
gießer nennt,  so  will  dieser  jenem  ans  Leben  gehen.  Und  dieser  (der  Wucherer) 
bringt  zur  Stelle  den  Schreiber  u.  den  Halter  u.  die  Tinte  u.  den  Schuldbrief  u.  die 
Zeugen  u.  spricht:  Kommt  u.  schreibt  über  diesen  (=  über  mich),  daß  er  keinen  Teil 
hat  an  dem,  der  das  Zinsverbot  gegeben  hat;  u.  wenn  er  (das  Dokument)  hat  schreiben- 
lassen,  trägt  er  es  auf  das  (nichtjüdische)  Gericht  u.  verleugnet  den,  welcher  sprach 
u.  es  ward  die  Welt,  gepriesen  sei  ec!  Da  lernst  du,  daß  die,  welche  gegen  Zins  ver- 
leihen, Gott  verleugnen.  (Parallelen:  pBM  5,  10 '\  5;  bBM  7n  als  Bar;  vgl.  auch  den 
Ausspruch  des  R.  Meir  in  M'kh  Ex  22,  24  S.  848.)  R.  Schim?on  b.  El?azar  (um  190) 
hat  gesagt:  Mehr,  als  sie  (die  Wucherer)  verdienen,  verschulden  sie  sich;  denn  sie 
machen  die  Tora  zu  einer  Fälschung  u.  Mose  zu  einem  Narren  u.  meinen,  wenn  Mose 
gewußt  hätte,  daß  wir  so  viel  verdienen  (mit  dem  Zinsnehmen),  dann  würde  er  es 
(das  Zinsverbot)  nicht  geschrieben  haben.  —  Ähnlich  pBM  5,  lO'',  8);  bBB  75^  als 
Bar;  hier  dürfte  hinter  R.  Schim?on  zu  ei'gänzen  sein  ben  El?azar.  ||  TBM  ö,  18  (385): 
R.  Schim?on  (nach  beiden  G^'maren:  ben  El?azar,  um  190)  hat  gesagt:  Wer  Gelder 
hat  u.  sie  nicht  gegen  Zins  verleiht,  von  dem  sagt  die  Schrift:  „Sein  Geld  gibt  er 
nicht  für  Zins  u.  Geschenk  wider  den  Unschuldigen  nimmt  er  nicht  an.  Wer  solches 
tut,  wird  in  Ewigkeit  nicht  wanken"  Ps  15,  5.  Da  lernst  du,  daß  diejenigen,  die  auf  Zins 
verleihen,  wanken  u.  aus  der  Welt  verschwinden.  Was  jenes  „Wanken"  bedeutet, 
weiß  ich  nicht;  aber  es  ist  gemeint  wie  in  Spr  24,  11:  „Errette  die,  welche  zum  Tode 
geschleppt  werden,  u.  wenn  Leute  zur  Würgung  hinwanken,  o,  tue  Einhalt!"  — • 
Parallelstellen:  BM  71'^;  pBMö,  lO'^,  14;  hier  wird  die  Erklärung  des  Wortes  „wanken" 
nach  Spr  24,  11  dem  R.  Sch'^muel  b.  Ammi  (um  325)  beigelegt.  —  Sachlich  dasselbe  in 
ExR  31  OS**).  II  Mak  24^:  „Sein  Geld  gibt  er  nicht  für  Zins"  Ps  15,  5,  selbst  nicht  auf 
Zins  seitens  eines  NichtJuden.  1|  Schab  63-':  R.  Abba  (um  290)  hat  gesagt,  R.  Schim?on 
b.  Laqisch  (um  250)  habe  gesagt:  Wer  ein  Darlehn  gibt,  ist  größer  als  der,  welcher 
ein  Almosen  gibt  (denn  er  erspart  dem  Armen  eine  Beschämung);  wer  ihm  aber 
Geld  in  seinen  Beutel  gibt  (um  ein  Gewerbe  zu  betreiben],  der  ist  der  größte  von 
allen.  |i  P^'siq  95'':  „Es  tiberstürzt  sich  nach  Besitz  ein  mißgünstiger  Mann  u.  merkt 
nicht,  daß  Mangel  über  ihn  kommen  wird"  Spr.  28,  22.  R.  JiQchaq  (um  3U0)  hat  die 
Schriftstelle  auf  den  ausgelegt,  der  einem  Israeliten  auf  Zins  leiht;  weil  sein  Auge 
selbstsüchtig  ist,  ohne  Zins  zu  leihen,  leiht  er  ihm  gegen  Zinsen,  u.  er  weiß  nicht, 
daß  Mangel  über  ihn  kommen  wird;  denn  es  heißt:  „Wer  seine  Habe  durch  Zins 
und  Übersatz  mehrt,  sammelt  für  den,  welcher  gegen  die  Geringen  mild  ist"  Spr  28,  8. 


352  Matth  5,  42  (Nr.  3) 

Damit  ist  Esau,  der  Frevler  (=  Rom),  gemeint.  Aber  ist  denn  Esau.  der  Frevler, 
mild  gegen  die  Geringen?  Er  bedrückt  doch  die  Geringen!  Allein  da  sind  zB  jene 
seine  Beamten,  die  in  die  Dörfer  hinausziehen  u.  plündern  die  Pächter  (diese  Wort- 
fügung nach  Buber  Anm.  11),  u.  dann  kehren  sie  in  die  Stadt  zurück  u.  sagen:  Ver- 
sammelt die  Armen,  daß  wir  ihnen  Wohltat  erweisen  (mit  dem  geraubten  Gut)I  Das 
Sprichwort  sagt:  Sie  buhlt  für  Äpfel  u.  verteilt  sie  an  die  Kranken  (der  Zweck  heiligt 
das  Mittel).  —  Dasselbe  TanchB  ns-  §Ö  (ll^*);  ExR  :n  (93'').  —  Das  Sprichwort 
am  Ende  findet  sich  noch  mehrfach,  zB  LvR  3  (106«);  Midr  Qoh  4,  6.  |!  Sukka  29'*:  Aus 
vier  Ursachen  gehen  die  Güter  der  Besitzer  an  die  Regierung  über:  wegen  solcher, 
die  bezahlte  Schuldscheine  (Wechsel  u.  dgl.)  zurückbehalten  (um  sie  noch  einmal 
einzufordern);  wegen  solcher,  die  auf  Zins  verleihen;  wegen  solcher,  die  die  Möglich- 
keit hatten  (etwas  Böses)  zu  verhindern,  es  aber  nicht  taten,  u.  wegen  solcher,  die 
öffentlich  ein  Almosen  festsetzen,  es  aber  hinterher  nicht  geben.  ||  BM  75'^:  Als  Rab 
Dimi  (um  320)  kam  (nämlich  aus  Palästina  nach  Babylonien),  sagte  er:  Woher  läßt 
sich  beweisen,  daß  einer,  der  einem  andren  eine  Mine  lieh  u.  weiß,  daß  dieser  nichts 
hat  (um  die  Schuld  zurückzuzahlen),  an  ihm  (dem  Schuldner)  nicht  vorübergehn  (sich 
oft  vor  ihm  zeigen)  darf?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Du  sollst  ihm  nicht  wie  ein 
Schuldherr  (Dränger)  sein"  Ex  22,  24.  ||  ExR  31  {91'^):  Als  Salomo  den  Tempel  erbaut 
hatte,  sprach  er  in  seinem  Gebet  zu  Gott:  Herr  der  Welt,  wenn  ein  Mensch  vor  dir 
beten  sollte,  daß  du  ihm  Geld  geben  möchtest,  u.  du  weißt,  daß  ihm  das  schädlich 
ist,  so  gib  es  ihm  nicht;  aber  wenn  du  einen  Menschen  siehst,  der  in  seinem  Reich- 
tum schön  erscheint,  so  gib  ihm,  wie  es  heißt:  „Du  wollest  einem  jeden  geben  nach 
all  seinen  Wegen,  wie  du  sein  Herz  erkennst*  2  Chr  6,  30.  Denn  in  dieser  Welt  sind 
die  Gottlosen  reich  u.  befinden  sich  in  Wohlstand  u.  Sicherheit  u.  die  Gerichten  sind 
arm;  aber  in  der  Zukunft,  wenn  Gott  den  Gerechten  die  Schätze  des  Gan  ?Eden  auf- 
tun  wird,  werden  die  Gottlosen,  die  von  Zins  u.  Wucher  sich  genährt  haben,  mit 
ihren  Zähnen  in  ihr  Fleisch  beißen  (■j'rsij  Wortspiel  mit  ~v:,  Zins),  s.  Qoh  4,  5:  ,Der 
Tor  faltet  seine  Hände  und  ißt  sein  eigen  Fleisch."  Dann  werden  sie  sagen:  0  daß 
wir  doch  gearbeitet  hätten  u.  auf  unsren  Schultern  Lasten  getragen,  o  daß  wir  doch 
Sklaven  gewesen  wären,  daß  es  uns  jetzt  so  erginge  wie  den  Gerechten!  wie  es  heißt: 
„Besser  eine  Hand  voll  Ruhe  als  beide  Fäuste  voll  Mühe  und  windigen  Strebens" 
Qoh  4,  6.  Deshalb  heißt  es:  Wenn  du  meinem  Volke  Geld  leibst  usw.  Ex  22,  24. . .  . 
„Du  sollst  ihm  nicht  wie  ein  Wucherer  sein"  Ex  22,  24.  Wenn  du  ihm  geliehen  hast, 
so  sollst  du  ihn  nicht  drücken.  Hat  er  ein  Feld  oder  einen  Weinberg,  so  sollst  du 
nicht  zu  ihm  sagen:  Hier  hast  du  eine  Mine,  treibe  damit  Handelsgeschäfte  u.  schreibe 
für  mich  eine  Hypothek  auf  dein-  Feld  u.  deinen  Weinberg!  Morgen  hat  jener  viel- 
leicht Verluste  in  seinem  Geschäft  u.  du  nimmst  ihm  dann  sein  Feld  u.  seinen  Wein- 
berg. Deshalb  steht  geschrieben:  „Du  sollst  ihm  nicht  wie  ein  Wucherer  sein."  Von 
hier  aus  lernst  du,  daß,  wer  Zins  nimmt,  Gott  nicht  fürchtet.  Und  ebenso  sagt  Ezechiel 
18,  13:  „Auf  Wucher  hat  er  geliehen  u.  Zins  hat  er  genommen,  u.  er  sollte  leben? 
-Nicht  soll  er  am  Leben  bleiben!"  Gleich  einem  Menschen,  dessen  Schuldregister  vor 
dem  Richter  verlesen  wurde;  der  Richter  sprach:  Der  lebt  noch?!  Ebenso  spricht 
Gott:  Der  sollte  leben?  Nein,  er  soll  nicht  am  Leben  bleiben;  Zins  u.  Zuschlag  hat 
er  genommen!  .  .  .  Womit  ist  der  Zins  zu  vergleichen?  Mit  einem,  den  eine  Schlange 
biß,  u.  er  merkte  es  nicht,  wer  ihn  biß,  u.  wußte  es  nicht,  bis  die  Wunde  anschwoll 
(1.  mit  Tanch  -jauars  statt  --jn-zn);  ebenso  fühlt  der  Mensch  den  Zins  nicht  eher,  als 
bis  er  anschwillt.  —  Dasselbe  Tanch  w^sx'n.  Zum  Schlußsatz  vgl.  Bx\I5,  1:  Zins 
^täp,  .  .  .  weil  er  abbeißt,  frißt,  -•fi'ij  n'h^d  -dsi.  ||  TanchB  u-atvio  §  7  (42''):  „Wenn 
du  Geld  leihst"  Ex  22,  24.  Was  ist  für  ein  Unterschied  zwischen  der  Menschen 
Verhalten  u.  Gottes  Verhalten?  Wenn  ein  Menseh  einem  andren  etwas  schuldig  ist, 
u.  dieser  zu  jenem  sagt:  Gib  mir,  was  du  von  mir  hast,  u.  jener  dann  antwortet: 
ich  habe  jetzt  nichts,  so  beginnen  sie  sofort  Streit  u.  behandeln  einander  verächtlich. 
Aber  Gott  nicht  also.  Denn  du  findest,  daß  in  der  Sommerzeit  der  Tag  von  der  Nacht 
borgt  bis  hin  zur  Sommersonnenwende,  u.  von  der  Sommersonnenwende  bis  hin  zur 


Matth  5,  42  (Nr.  3).  5,  43  (Nr.  1)  353 

Wintersonnenwende  borgt  die  Nacht  vom  Tage.  Wohef?  David'  hat  gesagt:  „Der 
Tag  läßt  dem  Tage  Rede  zusprudeln"  Ps  19,8.  Dieser  borgt  von  jenem  u.  jener  von 
diesem;  u.  kein  Mensch  hört,  was  zwischen  ihnen  (verhandelt  wird),  s.  das.  Vers  4: 
^Es  gibt  da  nicht  Rede  u.  es  gibt  da  nicht  Worte."  Aber  die  Menschen  borgen  von- 
einander u.  beginnen  Streit.  Deshalb  sprach  Gott  zu  Mose:  Geh,  sage  den  Israeliten: 
Auch  wenn  ihr  einander  leiht,  so  sollt  ihr  euch  nicht  verächtlich  behandeln.  —  In 
breiter  Ausführung  dasselbe  Tanch  ="jei;^  96»;  ExR  31  (92«:).  ||  Tanch  c-ctv^  95'*: 
Auch  in  Jerusalem  hatten  die  Leute  gegen  Zins  verliehen,  s.  Jes  1,  22:  „Dein  Silber 
ward  zu  Schlacken".  Und  was  ward  ihnen  dafür?  s.  Jer  6,  30:  „Verworfenes  Silber 
nennt  man  sie;  denn  Jahve  hat  sie  verworfen."  Deshalb  heißt  es:  Dein  Silber  ward 
zu  Schlacken,  u.  Ez  7,  19  heißt  es:  „Ihr  Silber  u.  ihr  Gold  werden  sie  auf  die  Straßen 
hinauswerfen"  (die  Stolle  ist  ungenau  zitiert).  Weshalb?  Weil  sie  die  Tora  über- 
treten haben:  „Dein  Geld  sollst  du  ihm  nicht  auf  Zins  geben"  Lv  25,  37.  —  Dasselbe 
ExR  31  (9^^).  II  BM  70'^:  „Wer  seine  Habe  durch  Zins  u.  Aufschlag  mehrt,  sammelt 
für  den,  welcher  gegen  die  Geringen  mild  ist"  Spr  28,  8.  Rab  Nachman  (f  320)  hat 
gesagt:  Mir  hat  Huna  (f  297)  gesagt:  Das  brauchte  nicht  gesagt  zu  werden;  aberes 
ist  nur  gesagt  worden,  weil  damit  selbst  der  Zins  gemeint  ist,  den  man  vom  Nicht-, 
israeliten  nimmt.  Raba  (t  352)  wandte  gegen  Rab  Nachman  ein:  „Dem  Fremden 
(=  Nichtisraeliten)  darfst  du  Zins  auflegen"  --ir  Dt  23,  21.  Was  heißt --rr?  Doch 
wohl:  Du  darfst  gegen  Zins  ilim  leihen?  Nein  vielmehr:  Du  sollst  ihm  Zins  zahlen. || 
BM  75*^  Bar:  Drei  schreien  u.  werden  nicht  erhört,  nämlich  wer  Geld  hat  und  es  ohne 
Zeugen  ausleiht,  wer  sich  selbst  einen  Herrn  erwirbt  u.  der,  über  den  seine  Frau 
herrscht.  Wer  sich  selbst  einen  Herrn  erwirbt,  was  bedeutet  das?  Manche  sagen: 
Das  ist  der,  der  sein  Vermögen  an  einen  Nichtisraeliten  hängt  (um  sich  so  für  seine 
Geldgeschäfte  vom  jüdischen  Recht  freizumachen);  andre  sagen:  Das  ist  der,  der 
seine  Güter  bei  Lebzeiten  seinen  Kindern  verschreibt;  u.  noch  andre  sagen:  Das  ist 
der,  dem  es  in  diesem  Ort  schlecht  ergeht  u.  nicht  nach  einem  andren  Ort  geht. 

5,43:  Ihr  habt  gehört,  daß  gesagt  wurde:    Du   sollst   deinen 
Nächsten  lieben  u.  deinen  Feind  hassen. 

Der  erste  Teil  des  Ausspruchs  stammt  aus  Lv  19,18;  der  zweite 
Teil  läßt  sich  quellenmäßig  nicht  belegen.  Das  Ganze  wird  eine  populäre 
Maxime  sein,  nach  der  der  Durchschnittsisraelit  in  Jesu  Tagen  sein 
Verhalten  gegen  Freund  u.  Feind  eingerichtet  hat;  vgl.  2  Sm  19,  7. 

1.  Nächstenliebe  wird  vom  AT  gefordert  Lv  19,18:  „Liebe  sollst, 
du  deinem  Nächsten  erweisen  t^sj-iI:  R^^iJ']  wie  dir  selbst"  ^  —  LXX  u. 
NT:  xal  ayani^aeic  tot  u?ajaior  aov  wg  aeavrör,  du  sollst  deinen  Nächsten 
lieben  wie  dich  selbst.  Targ  Onk:  -in;?  "O^n^  tsn^ri!!.  —  Targ  Jerusch  I: 
-nsrib  ni'sn'nM  du  sollst  deinen  Nächsten  lieben;  denn  was  dir  unlieb 
ist,  sollst  du  ihm  nicht  tun.  —  Indem  dann  das  AT  Lv  19,  34  u.  Dt 
10, 19  nur  noch  den  Fremdling  (li;,  der  unter  Israel  Wohnsitz  genommen) 
in  den  Kreis  derer  miteinschließt,  denen  Israel  mit  Liebe  begegnen 
soll,  zeigt  es,  daß  mit  der  Liebe  zum  Nächsten  y-i  nicht  die  allgemeine 
Menschenliebe  gefordert  ist,  sondern  lediglich  die  Liebe  zum  Volks- 
genossen. Dem  entspricht,  daß  das  Verbot  Rache  auszuüben  oder  Zorn 
nachzutragen  seine  Geltung  ausdrücklich  nur  gegenüber  „den  Söhnen 
deines  Volkes"  hat  Lv  19, 18  (vgl.  SLv  19, 18  S.  277«).  Die  Synagoge  zur 

'   Diese   Übersetzung   ist   gewählt,    um    der   Konstruktion   des  Verb.    =-k   mit   •: 
gerecht  zu  werden. 

strack  U.Bill  erbeck,  NT  ].  23 


354  Matth  5,  43  (Nr.  1) 

Zeit  Jesu  hat  den  Begriff  , Nächster",  r",  ebenso  eng  gefaßt  wie  das 
AT:  nur  der  Israelit  gilt  als  r-i,  die  „andren",  d.  h.  die  Nichtisraeliten, 
fallen  unter  diesen  Begriff  nicht. a  Den  Begriff  „Fremdling"  ^.a  hat  man 
sogar  noch  über  das  AT  hinaus  verengt:  die  älteste  nachchristliche 
Synagoge  verstand  unter  -'^  ausschließlich  denjenigen  Nichtisraeliten, 
der  durch  Übernahme  der  Proselytentaufe  u.  der  Beschneidung  völlig 
zum  Judentum  übergetreten  war;b  man  nannte  ihn  einen  p'ns  ^i,  einen 
wirklichen,  vollen  Proselyten.  Dagegen  galt  derjenige  Nichtisraelit,  der 
unter  dem  jüdischen  Volk  wohnte,  ohne  innerhalb  der  ersten  12  Monate 
zum  Judentum  übergetreten  zu  sein,  der  sog.  ndir  -^s,^  u.  der  im  Sinn 
des  ATs  ohne  Zweifel  zu  den  Lv  19,  34  u.  Dt  10,  19  erwähnten  „Fremd- 
lingen" gehörte,  lediglich  als  ii:i  Heide,  als  einer,  der  außerhalb  der 
jüdischen  Volksgemeinschaft  stand.  Ganz  folgerichtig  wird  deshalb  von 
einem  solchen  ^irin  -^5  gesagt,  daß  er  nicht  unter  den  Begriff  „Nächster" 
falle.c— Erwägt  man,  daß  obige  Einschränkungen  des  Begriffs  „Nächster" 
sich  nicht  in  den  wenig  verbindlichen  haggadischen  Schriftwerken,  son- 
dern gerade  in  dem  die  Praxis  regelnden  u.  die  Praxis  widerspiegelnden 
halakhischen  Midrasch  der  älteren  Zeit  finden,  so  wird  man  von  vorn- 
herein der  Behauptung  moderner  jüdischer  Gelehrter  äußerst  skeptisch 
gegenüberstehn,  daß  die  alte  Synagoge  schon  in  der  neutestamentl. 
Zeit  das  Gebot  der  Nächstenliebe  von  der  allgemeinen  Menschenliebe  ver- 
standen habe.tl  Die  für  die  erwähnte  Behauptung  beigebrachten  Beweis- 
stellen sind  durchaus  nicht  stichhaltig  ;e  erst  seit  dem  2.  nachchristl. 
Jahrh.  läßt  sich  hier  u.  da  eine  Stimme  vernehmen,  die  man  vielleicht 
als  eine  Predigt  allgemeiner  Menschenliebe  deuten  darf.*  Daneben  fehlt 
es  aber  auch  nicht  an  Aussprüchen,  die  den  Geist  solcher  Liebe  den 
Nichtisraeliten  gegenüber  stark  vermissen  lassen. g  —  Es  wird  also 
wohl  dabei  bleiben,  daß  der  erste,  der  die  Menschheit  gelehrt  hat,  in 
jedem  Menschen  den  „Nächsten"  zu  sehen  u.  deshalb  jedem  Menschen 
in  Liebe  zu  begegnen  —  Jesus  gewesen  ist;  s.  die  Erzählung  vom  barm- 
herzigen Samariter. 

a.  M'kh  Ex  21,  14  {8Ci^):  „Falls  jemand  frevelhaft  gegen  seinen  Nächsten  handelt, 
daß  er  ihn  mit  Hinterlist  totschlägt"  usw.  Ex  21,  14.  Gegen  seinen  , Nächsten", 
inj--,  das  will  die  andren  (d.  h.  die  Nichtisraeliten)  ausschließen.  ||  Das.  zu  Ex  22,  8 
(98'''):  ,Er  soll  seinem  Nächsten  doppelt  Ersatz  geben."  Seinem  , Nächsten",  also 
nicht  den  andren  (den  Nichtisraeliten).  ||  SLv  20,  10:  ,Wenn  jemand  .  .  .  die  Ehe 
bricht  mit  seines  , Nächsten'  Weibe";  das  soll  das  Weib  der  andren  (der  Nichtisraeliten) 
ausschließen.  II  SDt  15,2  §  112  (97.b):  ^Er  darf  seinen  Nächsten  u.  Bruder  nicht 
drängen"  Dt  15,  2;  seinen  „Nächsten"  ir-rj-',  ausgenommen  sind  also  die  andren  (Nicht- 
israeliten); seinen  „Bruder",  ausgenommen  ist  also  der  Ger  Toschab  ider  iiicht  zum 
Judentum  übergetretene  Fremdling).  |i  SDt  8  181  dOS')  zu  Dt  19,  4f.:  ,Wer  seinen 
Nächsten  unabsichtlich  erschlägt  .  .  .  u.  wer  mit  seinem  Nächsten  in  den  Wald 
geht"  usw.;  seinen  „Nächsten"  '-rv^,  ausgenommen  sind  also  die  andren  (die  Nicht- 
israeliten) .  .  .  „mit  seinem  Nächsten"  "ni— ,  ausgenommen  ist  alyo  der  Ger  Toschab 
(der  nicht  unter  den  Begriff  „Nächster"  fällt).   SDt  §  266  (121  b)  zu  Dt  23,  25  f.:  „Wenn 


Das  Nähere  hierüber  s.  bei  Apg  13,  16. 


Matth5,43(Nr.  1)  355 

da  in  den  Weinberg  deines  Nächsten  kommst";  deines  „Nächsten",  ausgenommen 
sind  also  die  andren  (die  Nichtisraeliten)  .  .  .  „Wenn  du  in  die  Saat  deines  Nächsten 
kommst" ;  deines  „Nächsten",  ausgenommen  sind  also  die  andren  (die  Nichtisraeliten).  — 
Diese  Zitate  machen  es  unzweifelhaft,  daß  die  Halakha  der  mischnischen  Periode 
unter  dem  „Nächsten"  y-  nicht  jeden  Menschen,  sondern  nur  den  Israeliten  (mit 
Einschluia  des  VoUproselyten)  verstanden  hat. 

b.  Über  den  p-ii  ^;  s.  bei  Mty,6  S.  10-2ff.;  Mt28,15  u.  Apgl3,16.  —  Das  Gebot  Lv 
19,  33f.  gilt  in  bezug  nur  auf  den  VoUproselyten,  nicht  den  Ger  Toschab.  SLv  19,  33  f.: 
„Wann  bei  dir  ein  Fremdling  ^;  in  eurem  Lande  weilt,  sollt  ihr  ihn  nicht  drücken' 
Lv  19,  33.  Du  sollst  nicht  zu  ihm  sagen:  Gestern  bist  du  ein  Götzendiener  gewesen 
u.  heute  bist  du  unter  die  Flügel  der  Sch'^^khina  (Gottheit)  getreten  (d.h.  zum  Judentum 
übergetreten.  Aus  diesen  Worten  erkennt  man,  daß  der  alten  Synagoge  der  „Fremd- 
ling" nichts  andres  als  ein  VoUproselyt  piü  1;  gewesen  ist).  „Wie  ein  Eingeborener 
von  euch  soll  euch  der  Fremdling,  der  bei  euch  weilt,  sein,  u.  du  sollst  ihm  Liebe 
erweisen  wie  dir  selbst",  das.  Vers  34.  „Wie  ein  Eingeborener":  Wie  ein  Eingeborener 
ein  solcher  ist,  der  alle  Worte  der  Tora  auf  sich  nimmt  (um  sie  zu  beobachten),  so 
ist  auch  der  „Fremdling"  einer,  der  alle  Worte  der  Tora  auf  sich  nimmt  (also  nur 
,der  VoUproselyt,  nicht  der  Ger  Toschab  ist  mit  „Fremdling"  gemeint).  Von  hier  aus 
hat  man  gesagt:  Wenn  ein  Fremdling  (Proselyt)  alle  Worte  der  Tora  auf  sich  nimmt 
mit  Ausnahme  eines  einzigen,  so  nimmt  man  ihn  nicht  (als  Proselyten)  auf.  R.Jose 
b.  J^'huda  (um  180)  sagte:  Auch^wenn  er  das  kleinste  Wörtchen  von  den  Satzungen 
(Forschungen)  der  Schriftgelehrten  nicht  auf  sich  nimmt,  so  nimmt  man  ihn  nicht 
auf.'  „Und  du  sollst  ihm  Liebe  erweisen  wie  dir  selbst"  (Lv  19,  34);  wie  es  in  bezug 
auf  die  Israeliten  heißt:  „Du  sollst  deinem  Nächsten  Liebe  erweisen  wie  dir  selbst" 
Lv  19,  18,  so  heißt  es  in  bezug  auf  die  Fremdlinge  (Proselyten):  „Du  sollst  ihm 
Liebe  erweisen  wie  dir  selbst." - 

Hier  mögen  noch  einige  Stellen  folgen,  die  von  der  Liebe  zu  den 
VoUproselyten  handeln. 

M'kh  Ex  22,  20  (101  '"*):  „Den  Fremdling  (=  Proselyt  im  Sinne  des  Midrasch)  sollst 
du  nicht  bedrücken  u.  sollst  ihn  nicht  bedrängen;  denn  ihr  seid  Fremdlinge  im  Lande 
Ägypten  gewesen"  Ex  22,  20.  „Du  sollst  ihn  nicht  bedrücken",  nämlich  mit  Worten, 
„u.  sollst  ihn  nicht  bedrängen",  nämlich  in  Geldangelegenheiten.  Du  sollst  nicht 
etwa  zu  ihm  sagen:  Gestern  hast  du  gedient  dem  "33  z-^ip  Va  (Götzen,  s.  Jes  4H,  I), 
u.  siehe,  Schweinefleisch  ist  zwischen  deinen  Zähnen,  u.  du  willst  Worte  gegen  mich 
reden?  Woher,  wenn  du  ihn  bedrückst  (mit  solchen  Worten),  daß  er  dich  (gleicher- 
weise) bedrücken  kann?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Denn  ihr  seid  Fremdlinge  ge- 
wesen!" Von  hier  aus  hat  R.  Nathan  (um  IHU)  gesagt:  Einen  Fehler,  der  dir  an- 
haftet, sage  nicht  von  einem  andren  aus.  Beliebt  (bei  Gott)  sind  die  Proselyten;  denn 
überall  (in  der  Schrift)  warnt  er  in  bezug  auf  sie:^  „Du  sollst  den  Fremdling  nicht 
bedrücken"  Ex  22,  20;  „Ihr  sollt  den  Fremdling  lieben"  Dt  10,  19;  „Ihr  kennt  die 
Empfindungen  des  Fremdlings"  Ex  23,  9.  R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte:  Weil  seine  Be- 
schaffenheit (natürliche  Anlage)  eine  schlimme  ist  (leicht  zum  Rückfall  ins  Heidentum 
neigt),   darum   warnt  die  Schrift  in   bezug  auf  ihn  vielfach.^    R.  Schim?on  b.  Jochai 

1  Dies  Wort  des  R.  Jose  b.  J.  auch  TD^m  2,  5  (47). 

^  Es  ist  nicht  zu  übersetzen:  Wie  „den  Israeliten  gesagt  wird:  Du  sollst 
deinem  Nächsten"  usw.  Diese  Konstiuktion  ist  durch  den  zweiten  parallelen  Satz 
ausgeschlossen;  denn  hier  wird  nicht  den  Fremdlingen  ein  Gebot  gegeben,  sondern 
in  bezug  auf  sie  den  Israeliten:  Du  sollst  ihm  Liebe  erweisen.  Ebenso  will  der  erste 
Satz  besagen,  daß  das  Gebot:  „Du  sollst  deinem  Nächsten  Liebe  erweisen"  usw.,  sich 
auf  die  Israeliten  beziehe;  nur  Israeliten  sind  unter  dem  Nächsten  zu  verstehn.  Dieses 
Selbstzeugnis  des  Siphra  ist  wertvoll  für  seine  Auslegung  von  Lv  19,  18;  s.  Anm.  d. 

ä  -TTTi,  andre  Lesart  ■'•■mi. 

*  Nach  BM  59  b  an  36  Stellen,  nach  andren  an  46  Stellen,  s.  die  Aufzählung 
bei  Malbim  SLv  19,  83. 

23* 


356  Matth  5,43(Nr.  1) 

(um  150)  sagte:  Siehe,  es  heißt:  „Die  ihn  lieh  haben,  sind  wie  der  Aufgang  der  Souue 
in  ihrer  Macht"  Ri  5,  81.  Wer  ist  nun  größer:  der  den  König  lieb  hat,  oder  den  der 
König  lieb  hat?  Doch  wohl  der,  den  der  König  lieb  hat!  u.  es  heißt:  „Er  (Jahve) 
hat  den  Fremdling  lieb!"  Dt  10,  18  (also  sind  die  Proselyten  größer  als  die  in  Ri  5,  31 
gemeinten  Israeliten).  Beliebt  sind  die  Proselyten  (bei  Gott);  denn  überall,  wo  sie 
in  der  Schrift  genannt  werden,  werden  sie  wie  die  Israeliten  ^  bezeichnet.  Die  Kinder 
Israel  heißen  Knechte  Lv  25,  55,  desgleichen  die  Proselyten  Jes  56,  G.  (Als  weitere 
gemeinschaftliche  Benennungen  werden  dann  aufgeführt:  , Diener"  Jes  61,6  u.  56,  6 
u.  , Freunde  Gottes"  Jes  41,  8  u.  Dt  10,  18.  In  bezug  auf  beide  wird  geredet  von  einem 
Bund  Gn  17,  13  u.  Jes.  5f>,  6,  von  Wohlgefallen  Ex  28,  38  u.  Jes.  56,  7,  von  Behütung 
Ps  121,  4u.  146,  9).  —  Den  Schluß  der  Stelle  s.  bei  Apg.  13,  16.  —  Parallelstellen: 
BM  59b;  NuR  8  (148<3).  ||  NuR  8  (148^):  Gott  liebt  die  Proselyten  sehr.  Womit  läßt 
sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König,  der  eine  Herde  Kleinvieh  hatte:  sie  ging 
hinaus  aufs  Feld  u.  zog  des  Abends  wieder  heim,  Tag  für  Tag.  Einmal  mischte  sich 
ein  Hirsch  in  die  Herde;  er  ging  mit  den  Ziegen  u.  weidete  mit  ihnen.  Zog  die 
Herde  ein  in  die  Hürde,  so  er  mit  ihr:  ging  sie  hinaus  zu  weiden,  so  er  mit  ihr. 
Man  sagte  zum  König:  Ein  Hirsch  hat  sich  zum  Kleinvieh  gesellt  u.  weidet  mit 
ihm;  alle  Tage'  zieht  er  mit  ihm  aus  u.  kehrt  mit  ihm  heim.  Der  König  gewann 
den  Hirsch  lieb  u.  ordnete  an:  er  soll  gute  Weide  haben  nach  seinem  Wohlgefallen, 
niemand  soll  ihn  schlagen,  habt  acht  auf  ihn!  Und  auch  wenn  er  mit  der  Herde 
heimkehrte,  pflegte  der  König  zu  sagen:  Gebt  ihm» zu  trinken!  Da  sprachen  sie  zu 
ihm:  Mein  Herr,  wieviel  Böcke  u.  Lämmer  u.  Ziegen  hast  du,  u.  du  mahnst  uns 
nicht  zur  Vorsicht;  aber  über  diesen  Hirsch  gibst  du  uns  Tag  für  Tag  Befehle!  Der 
König  antwortete:  üb  das  Kleinvieh  will  oder  nicht,  e?  ist  so  seine  Art,  den  Tag 
über  auf  dem  Felde  zu  weiden  u.  des  Abends  zurückzukehren,  um  in  der  Hürde  zu 
schlafen.  Die  Hirsche  aber  schlafen  in  der  Steppe,  u.  ihre  Art  ist  nicht,  menschliche 
Wohnstätten  zu  betreten;  sollen  wir  da  diesem  nicht  Dank  wissen,  daß  er  die  ganze 
weite  u.  große  Steppe  dahinten  gelassen  hat  u.  in  ein  Gehöft  kommt?  Ebenso:  müssen 
wir  nicht  dem  Proselyten  Dank  wissen,  daß  er  seine  Familie  u.  sein  Vaterhaus,  sein 
Volk  u.  alle  Völker  der  Welt  verläßt  u.  zu  uns  kommt?  Deshalb  läßt  ihm  Gott  viel 
Obhut  angedeihen;  denn  er  ermahnt  die  Israeliten,  daß  sie  sich  selbst  hüten,  ihnen 
Schaden  zuzufügen,  wie  es  heißt:  ,Ihr  sollt  den  Proselyten ^  lieb  haben"  Dt  10,  19 
u.  ,Du  sollst  den  Proselyten''  nicht  bedrücken"  Ex  22,  20.  —  Ahnliche  Gedanken 
spricht  R.  J^mda  b.  Schalem  (um  370)  aus,  s.  TanchB  sip'i  §  3  (2''^).  —  Ferner  s. 
bei  Mt  23,  15  Anm.  h. 

Lieblose  Worte  über  Proselyten  finden  sich  verhältnismäßig  selten;  s.  bei 
Mt.  23,  15  Anm.  t,  u,  v. 

C.  Als  „Nächster"  ist  nicht  der  Ger  Toschab  anzusehen,  s.  SDt  15,  2  §  112  u. 
19,  4  f.  §  181  auf  S.  354 j'.  —  Ferner  M'-kh  Ex  21,  35  (94'^):  „Falls  das  Rind  jemandes 
das  Rind  seines  Nächsten  stößt"  Ex  21,  35.  Seines  „Nächsten",  das  will  das  Rind 
eines  Minderjährigen  (noch  nicht  13  Jahre  alten  Israeliten)  einschliePBen.  Seines 
„Nächsten",  das  will  das  Rind  eines  Kuthäers  (Samaritaners),  eines  Fremden  -13: 
(=  Nichtisraeliten)  u.  eines  Ger  Toschab  ausschließen.  (Diese  drei  Kategorien  fallen 
also  nicht  unter  den  Begriff  des-  „Nächsten"). 

d.  J.  Elbogen,Die  Religionsanschauungon  der  Pharisäer,  Berlin  1904,  S.  75  schreibt: 
„Die  ethischen  Vorschriften  für  das  Verhalten  der  Menschen  sind  zus. gefaßt  in  dem 
Gebot  der  Schrift  -i'ss  ~y-h  pansi  Liebe  deinen  Nächsten  wie  dich  selbst  Lv  19,  18. 
Wer  ist  der  Nächste?  Christliche  Ausleger,  nach  deren  Glauben  die  allgemeine 
Menschenliebe  vor  dem  Evangelium  durchaus  nicht  bekannt  gewesen  sein  darf,  er- 
klären bis  auf  den  heutigen  Tag,  daß  unter  v^  nur  der  »Volksgenosse'  gemeint  ist. 
Der  Zus.hang,  in  dem  der  Satz  sich  findet,  u.  der  andre  nur  wenig  davon  entfernte: 


1  is-iB-s  ist  natürlicher  als  '■ss-^o-a;  Jalqut  zu  Ex  22,  20  §  349  liest:  VKir-tj iSDia. 

2  "^;;  der  Midr  versteht  darunter  nur  den  ger  ^edeq. 


Matth  5,  43  (Nr.  1)  357 

,Wie  ein  Eingeboienei  aus  euch  soll  euch  der  Fremdling  sein,  der  sich  aufhält  bei 
euch,  u.  liebe  ihn  wie  dich  selber'  Vers  84,  machen  es  klar,  daß  das  Gebot  der 
Nächstenliebe  auch  auf  den  Fremdling  sich  ausdehnt.  Im  neutestamentl.  Zeitalter 
herrschte  unter  den  Juden  kein  Zweifel  über  die  Ausdehnung  des  Gebotes  der  Nächsten- 
liebe auf  alle  Menschen."  —  Der  vorletzte  Satz,  daß  das  Gebot  der  Nächstenliebe 
auch  auf  den  Fremdling  sich  ausdehne,  ist  richtig,  wenn  die  Einschränkung  hinzu- 
gefügt wird:  doch  galt  der  alten  Synagoge  als  , Fremdling"  nur  der  Vollproselyt, 
nicht  der  Ger  Toschab.  —  Der  letzte  Satz  ist  falsch:  die  halakhischen  Midraschim 
M'^khiltha,  Siphra  u.  Siphre  erklären  übereinstimmend  u.  ausdrücklich,  daß  die  Nicht- 
israeliten  (mit  Einschluß  des  Ger  Toschab  u.  der  Samaritaner)  nicht  unter  den  Be- 
griff , Nächster"  fallen.  Hiernach  haben  die  christlichen  Ausleger  ein  gutes  Recht, 
auch  weiterhin  zu  erklären,  daß  mit  •j-\  nur  der  „Volksgenosse"  gemeint  sei. 

e.  Man  verweist  jüdischerseits  gern  auf  folgende  zwei  Stellen.  Schab  31'':  Ein 
andermal  kam  ein  Heide  (-i;  =  Nichtisraelit)  vor  Schammai  (um  30  v.  Chr.)  u.  sprach 
zu  ihm:  Mache  mich  zu  einem  Proselyten  unter  der  Bedingung,  daß  du  mich  die 
ganze  Tora  lehrst,  während  ich  auf  Einem  Fuß  stehe.  Er  jagte  ihn  mit  einem  Meß- 
stock fort,  den  er  in  seiner  Hand  hatte.  Darauf  trat  er  vor  Hillel  (um  20  v.  Chr.), 
der  ihn  als  Proselyten  annahm.  Hillel  sprach  zu  ihm:  ,Was  dir  unliebsam  ist,  das 
tu  auch  deinem  Nächsten  T^^n^  (=  einem  andren)  nicht.  Dies  ist  die  ganze  Tora, 
das  andre  ist  ihre  Auslegung;  geh  hin  u.  lerne  das."  —  Darüber,  daß  dieser  Ausspruch 
nicht  von  Hillel  stammt,  s.  bei  Mt  7,  12.  —  Raschis  Erklärung  wird  dem  Wort  nicht 
gerecht:  „Deinen  Freund  u.  deines  Vaters  Freund  verlaß  nicht"  (Spr.  27,  10),  damit 
ist  Gott  gemeint.  Du  sollst  seine  Worte  nicht  übertreten;  denn  siehe,  dir  ist  es  ver- 
haßt, wenn  sich  dein  Nächster  über  deine  Worte  hinwegsetzt.  —  Aber  ebensosehr 
treffen  über  das  Ziel  hinaus  diejenigen  neueren  jüdischen  Ausleger,  die,  wie  zB. 
Bacher,  Tann.  ^1,  4  in  dem  Worte  Hillels  „die  negative  Ausdruckweise  für  das  bi- 
blische: Liebe  deinen  Nächsten  wie  dich  selbst  Lv  19,  18"  sehen.  Diese  Meinung  ist 
alt;  sie  vertritt  schon  Targ  Jerusch  1  zu  Lv  19,  18.  34  (s.  gleich),  der  das  Gebot:  „Liebe 
deinen  Nächsten  wie  dich  selbst"  erläutert  mit  den  Worten:  „Was  dir  unliebsam  ist, 
sollst  du  ihm  nicht  tun."  Allein  darum,  daß  einer  meidet,  dem  andren  Schlechtes 
oder  Unangenehmes  anzutun,  braucht  er  ihn  noch  lange  nicht  zu  lieben.  Also  die 
Forderung,  andre  Menschen  zu  lieben,  enthält  Schab  31-*  nicht.  Erst  die  positive 
Formulierung  Mt  7,  12;  Lk  6,  31  in  Jesu  Mund  schließt  auch  die  Forderung  der  Liebe 
in  sich.  —  Sodann  ist  mit  nichts  angedeutet,  daß  Hillel  auch  an  die  nichtisraelitische 
Welt  gedacht  hat.  Der  Angeredete  ist  allerdings  ein  Heide,  der  erst  Jude  werden 
will;  aber  daraus  folgt  nicht,  daß  Hillel  unter  dem  „Nächsten"  nicht  den  Volks- 
genossen, sondern  den  Nebenmenschen  verstanden  habe  (gegen  Bacher).  Hillel  will 
dem  Mann  ja  sagen,  was  die  Tora  lehrt,  u.  diese  geht  eben  Lv  19,  18.  34  über  den 
Kreis  der  Volksgenossen  mit  Einschluß  der  Beisassen  nicht  hinaus.  Auch  für  Targ 
Jerusch  I  ist  Lv  19,  18  der  Nächste,  dem  man  nicht  antun  soll,  was  einem  selbst 
unlieb  ist,  nach  dem  Zus. hang  der  Stelle  „der  Sohn  deines  Volkes",  also  der  Israelit, 
u.  Lv  19,  34  denkt  er  ausschließlich  an  den  Vollproselyten:  „Wie  ein  Eingeborener 
von  euch  soll  euch  der  Fremdling  sein,  der  bei  euch  zum  Judentum  übergetreten  ist, 
u.  du  sollst  ihn  lieben,  wie  dich  selbst;  denn  was  dir  unlieb  ist,  das  sollst  du  ihm 
nicht  tun."  —  Über  den  Kreis  der  Volksgenossen  u.  etwaiger  Proselyten  geht  Hilleis 
Blick  auch  nicht  hinaus,  wenn  er  in  seinem  Wahlspruch  Aboth  1,  12  sagt:  Gehöre  zu 
den  Schülern  Ahrons,  den  Frieden  liebend  u.  dem  Frieden  nachjagend,  die  Menschen 
(wörtlich:  die  Geschöpfe)  liebend  u.  sie  (durch  Belehrung)  der  Tora  nahebringend. 

Die  zweite  Stelle,  die  man  mit  Vorliebe  zum  Beweis  dafür  heranzieht,  daß  das 
Gebot  der  allgemeinen  Menschenliebe  ein  altjüdisches  Gebot  sei,  ist  SLv  19,  18:  „Du 
sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst"  Lv  19,  18.  R.  fAqiba  (tum  135)  sagte: 
Das  ist  ein  großer  umfassender  Grundsatz  in  der  Tora  niira  •51-15  V53  nr  (dasselbe 
pN^d  9,  41'-,  31;  GnR  24  (16^).  R.  fAqiba  will  damit  sagen,  daß  das  Gebot  der  Nächsten- 
Jiebe  alle  übrigen  Bestimmungen  der  Tora  mitumfasse,   so  daß,  wer  jenes  halte,  zu- 


358  Matth  5,  43  (Nr.  1) 

gleich  auch  diese  erfülle.  —  Abgesehen  davon,  daß  R.  ?Aqiba  gerade  kein  gültiger 
Zeuge  für  die  älteste  christliche  Zeit  ist,  enthält  sein  Ausspruch  auch  nicht  die 
geringste  Andeutung,  daß  ihm  die  Lv  19,  18  geforderte  Liebe  zum  Nächsten  gleich- 
bedeutend gewesen  ist  mit  der  Liebe  zu  allem,  was  Mensch  heißt.  Im  Gegenteil,  der 
Zus.hang  schließt  diese  Annahme  geradezu  aus.  Dem  „großen  Grundsatz"  der  Tora, 
den  fAqiba  in  Lv  19,  18  gefunden  hat,  stellt  nämlich  iu  der  genannten  Siphrastelle 
Ben  ?Azzai  (um  110)  einen  noch  größeren  Grundsatz  gegenüber,  der  nach  seiner 
Meinung  in  Gn  5,  1  enthalten  ist.*  Hier  ist  nicht  vom  „Nächsten",  sondern  vom 
„Menschen"  die  Rede;  wenn  daher  der  Menschheitsgedanke  in  Gn  5,  1  als  ein  um- 
fassenderes Prinzip  bezeichnet  wird,  so  folgt  daraus,  daß  R.  ?Aqiba  nach  der  Meinung 
des  Ben  ?Azzai  mit  seiner  Nächstenliebe  eben  nicht  die  allgemeine  Menschenliebe, 
sondern  die  Liebe  zu  dem  engeren  Kreis  der  eignen  Volksgenossen  im  Auge  gehabt 
hat.  Daß  dem  R.  fAqiba  in  der  Tat  nicht  die  allgemeine  Menschenliebe  als  das 
große  Prinzip  in  der  Tora  gegolten  hat,  beweist  am  klarsten  eine  Auslegung  von 
Lv  19,  18,  die  uns  im  Siphra  überliefert  ist,  also  in  demjenigen  Midrasch,  der  am 
treuesten  die  Lehranschauungen  der  Schule  ?Aqibas  widerspiegelt,  s.  SLv  19,  34:^ 
„Wie  ein  Eingeborener  von  euch  soll  euch  der  Fremdling  sein,  der  bei  euch  weilt 
(d.  h.  im  Sinne  des  Midrasch:  der  Vollproselyt  in  eurer  Mitte),  u.  du  sollst  ihn  lieben 
wie  dich  selbst"  Lv  19,  84;  gleichwie  in  bezug  auf  die  Israeliten  gesagt  worden  ist: 
„Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst"  Lv  19,  18,  so  wird  hier  (Lv  19,  34) 
in  bezug  auf  die  Proselyten  gesagt:  „Du  sollst  ihn  lieben  wie  dich  selbst."  —  Hier 
hören  wir  ausdrücklich,  daß  das  Gebot  der  Nächstenliebe  Lv  19,  18  sich  auf  die 
Israeliten  beziehe.  Das  ist  auch  R.  f  Aqibas  Meinung  gewesen.  Die  Berufung  auf 
diesen  Gelehrten  als  Zeugen  für  die  allgemeine  Menschenliebe  ist  daher  nicht  berechtigt. 
/.  Wir  denken  hierbei  an  folgende  Stellen.  SLv  19,  18:  „Du  sollst  deinen  Nächsten 
lieben  wie  dich  selbst"  Lv  19,  18.  R.  fAqiba  sagte:  Das  ist  ein  großer  allgemeiner 
Grundsatz  in  der  Tora.  Ben  fAzzai  (um  110)  sagte:  „Dies  ist  das  Buch  der  Familien- 
geschichte Adams.  Als  Gott  den  Menschen  (so  der  Midrasch)  erschuf,  machte  er  ihn 
nach  der  Ähnlichkeit  Gottes"  Gn  5,  1;  das  ist  ein  größerer  allgemeiner  Grundsatz 
als  jener  (in  Lv  19,  18).  —  Die  neueren  jüdischen  Gelehrten  finden  das  umfassendere 
Prinzip  meist  darin,  daß  Ben  fAzzai  an  die  Stelle  des  „Nächsten"  den  „Menschen" 
setzt:  du  sollst  jeden  nach  Gottes  Bild  Geschaffenen  lieben.  Nach  Bacher,  Tann.  ^1, 
417  Anm.  „geht  der  Sinn  des  Ben  ?Azzaischen  Prinzips  dahin,  daß  die  stete  Rücksicht 
auf  die  Gottesebenbildlichkeit  des  Menschen  eine  weitere  u.  festere  Grundlage  der 
gesellschaftlichen  Sittenlehre  ist,  als  das  Gebot,  den  Nächsten  wie  sich  selbst  zu 
lieben".  In  der  Tat  kann  ja  der  Gedanke,  daß  hinter  jedem  Menschen  Der  steht,  nach 
dessen  Bild  jener  erschaffen  ist,  unter  Umständen  eine  objektivere  u.  umfassendere 
Richtschnur  für  das  gegenseitige  menschliche  Verhalten  bilden,  als  der  mehr  von 
subjektiven  Stimmungen  u.  Auffassungen  abhängende  Grundsatz:  du  sollst  deinen 
Nächsten  lieben  wie  dich  selbst.  Aber  auch  wenn  man  der  Deutung  Bachers  nicht 
beitritt,  bleibt  doch  bedeutsam,  daß  Ben  fAzzai  dem  „Nächsten"  von  Lv  19,  18  gegen- 
über auf  eine  Schriftstelle  zurückgreift,  die  nach  seiner  Meinung  vom  „Menschen" 
handelt.  Ben  fAzzai  dürfte  der  erste  Lehrer  der  alten  Synagoge  sein,  der  für  das 
Verhalten  gegen  Nichtisraeliten  dieselbe  Norm  aufstellt  wie  für  das  Verhalten  gegen 
einen  israelitischen  Volksgenossen:  bedenke  bei  deinem  Tun  u.  Lassen,  daß  jeder 
Mensch,  gleichwie  du,  nach  Gottes  Bild  geschaffen  ist.^  —  Parallelstellen:  pN'^'d  {), 
41'^,  31;  GnR  24  (16'^);  hier  erst  Ben  fAzzais  u.  dann  R.  f  Aqibas  Ausspruch;  daran 
schließen  sich  die  wohl  Ben  fAzzais  Standpunkt  vertretenden  Worte:  Du  sollst  nicht 

'  Das  Nähere  zu  dieser  Stelle  s.  Anm.  f. 

^  Die  Stelle  ist  zum  Teil  schon  besprochen  S.  li-'SS  Anm.  h. 

"  Der  Menschheitsgedanke  liegt  auch  in  dem  Wahlspruch  des  Ben  fAzzai  Aboth 
4,  3  vor:  Verachte  keinen  Menschen  u.  halte  nichts  für  unmöglich;  denn  es  gibt  keinen 
Menschen,  für  den  nicht  eine  Stunde  käme  (nämlich  da  du  ihn  nötig  hast),  u.  es  gibt 
kein  Ding,  für  das  nicht  Raum  wäre. 


Matth5,43  (Nr.  1)  359 

sagen:  Weil  ich  verachtet  worden  bin,  darum  soll  auch  uieiu  Nächster  mit  mir  ver- 
achtet werden;  weil  ich  verwünscht  worden  bin,  darum  soll  auch  mein  Nächster  mit 
mir  verwünscht  werden.  R.  Tanchuma  (b.  Abba,  um  380)  hat  gesagt:  Wenn  du  also 
tust,  wisse,  wen  du  verachtest,  nämlich  den,  den  Gott  nach  seinem  Bilde  geschaffen 
hat.  II  M«^kh  Ex  23,  4  (104'^):  „Falls  du  das  Rind  deines  Feindes  snrr  findest" 
Ex  23,  4.  Damit  ist  der  Heide  gemeint,  der  den  Götzen  dient.  Das  sind  Worte  des 
R.  Joschijja  (I.,  um  140).  (Die  ganze  Stelle  s.  bei  Mt  5,  44  8.368/.)  Der  Ausspruch 
wurzelt  in  der  alten  Anschauung,  daß  jeder  Angehörige  eines  fremden  Volkes  als 
solcher  ein  Feind  des  eignen  Volkes  sei.  Um  so  bemerkenswerter  ist,  daß  R.  Joschijja 
trotzdem  auch  Nichtisraeliten  in  den  Kreis  derer  einschließt,  denen  die  von  Ex  23,  4 
geforderte  Liebestat  zu  erweisen  ist.  —  Analoge  Anordnungen  bietet  auch  die  Mischna. 
Git  5,  8  zB  heißt  es:  Man  hindert  die  Armen  der  Nichtisraeliten,  n-i;,  nicht  am  Sam- 
meln der  Nachlese  u.  des  Vergessenen,  auch  nicht  am  Abernten  des  Ackerwinkels, 
des  Friedens  halber.  Git  5,  9:  Man  darf  die  Fremden  a-is:  (=  Nichtisraeliten)  im 
Brachjahr  (bei  der  Feldarbeit)  unterstützen,  aber  nicht  die  Israeliten  (wegen  Lv25,  3  ff.) ; 
auch  darf  man  ihnen  (den  Nichtisraeliten)  den  Friedensgruß  entbieten,  des  Friedens 
halber.  —  Git  61^  Bar:  Man  versorgt  die  Armen  der  Nichtisraeliten  a"i:3  samt  den 
Armen  der  Israeliten;  man  besucht  die  Kranken  der  Nichtisraeliten  samt  den  Kranken 
der  Israeliten;  man  begräbt  die  Toten  der  Nichtisraeliten  samt  den  Toten  der  Israeliten,' 
des  Friedens  halber.  —  Der  Zusatz:  ,des  Friedens  halber"  zeigt  den  großen  Unter- 
schied: was  bei  R.  Joschijja  als  Prinzip  sich  geltend  macht,  erscheint  in  der  Mischna 
als  Klugheitsmaßregel.  ||  Aboth  RN  IH  Ende:  R.  Schim?on  b.  EUazar  (um  190)  sagte: 
In  einer  großen  Stunde  ist  dieses  Wort  gesagt  worden:  „Du  sollst  deinen  Nächsten 
lieben  wie  dich  selbst;  ich  bin  Jahve"  Lv  19,  18,  ich  habe  ihn  erschaffen.  Wenn  du 
ihn  liebst,  so  bin  ich  beglaubigst  (i'ss:,  zuverlässig),  dir  guten  Lohn  zu  vergelten; 
wenn  aber  nicht,  so  bin  ich  der  Richter,  um  zu  strafen.  —  Der  Hinweis  auf  den 
Schöpfer  legt  es  nahe,  das  Wort  „Nächster"  hier  im  weitesten  Sinn  =  „jedes  mensch- 
liche Wesen"  zu  fassen.  Doch  s.  Aboth  RN  16  S.  365.  ||  DtR  6  (203«)  gehört  nicht  hier- 
her: nicht  jeder  beliebige  Nichtisraelit  wird  „Bruder"  genannt,  sondern  nur  der  zum 
Judentum  übergetretene  Proselyt,  s.  die  Stelle  S.  276. 

g.  B'^rakh  7=^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150) 
gesagt:  Dreierlei  hat  Mose  von  Gott  erbeten,  u.  es  wurde  ihm  gewährt.  Er  bat,  daß 
die  Sch'^khina  bei  Israel  weile,  u.  es  wurde  ihm  gewährt,  s.  Ex  33,  16:  „Woran  soll 
denn  erkannt  werden,  daß  ich  Gnade  in  deinen  Augen  gefunden  habe,  ich  u.  dein  Volk? 
Nicht  daran,  daß  du  mit  uns  gehst?"  Er  bat,  daß.  die  Sch'^khina  (Gottheit)  nicht  bei 
den  Völkern  der  Welt  wohnen  möge,  u.  es  wurde  ihm  gewährt,  s.  das.:  „Nicht  daran, 
daß.  .  .  wir  so  ausgezeichnet  werden,  ich  u.  dein  Volk,  vor  jedem  Volke,  das  auf  dem 
Erdboden  ist?"  Erbat,  daß  Gott  ihn  seine  Wege  (d.h.  die  Grundsätze  der  göttlichen 
Weltregierung)  wissen  lasse,  u.  es  wurde  ihm  gewährt,  s.  das.  Vers  13:  „Laß  mich  deine 
Wege  wissen!"  Vgl.  BB  15 1>.  —  Die  Bitte  um  Gottverlassenheit  der  gesamten  außer- 
israelitischen Welt  ist  jedenfalls  das  gröbste  Gegenteil  von  allgemeiner  Menschen- 
liebe. II  Die  gleiche  Engherzigkeit  begegnet  DtR  1  (196''):  Die  Rabbanan  haben  gesagt: 
Mose  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  da  die  Völker  (=-i;  =  außerisraelitische  Welt) 
keinen  Befehl  wegen  des  Haltens  des  Sabbats  empfangen  haben,  wirst  du  vielleicht, 
wenn  sie  ihn  halten,  auf  sie  Rücksicht  nehmen?  Gott  antwortete  ihm:  Davor  hast 
du  Furcht?  Bei  deinem  Leben,  auch  wenn  sie  alle  Gebote  in  der  Tora  halten,  stürze 
ich  sie  vor  euch  nieder!  1|  Ferner  DtR  5  (202*):  R.  Levi,  um  300,  hat  gesagt:  Gott 
sprach:  Von  allen  Völkern,  die  ich  erschaffen  habe,  liebe  ich  nur  Israel.  —  Wenn  Gott, 
das  absolute  Vorbild,  der  allgemeinen  Menschenliebe  bar  ist,  wie  sollten  sich  seine 
Verehrer  u.  Nachfolger  zu  solcher  Liebe  verpflichtet  fühlen !  ||  NuR  2  ( 1 38  b) :  R.  Sch'^mußl 
b.  Nachman,  um  260,  hat  gesagt:  Wenn  alle  Völker  der  Welt  zusammenkämen  u. 
sprächen:  Wir  wollen  alle  unsre  Habe  verkaufen  u.  die  Tora  u.  die  Gebote  halten,  so 
würde  Gott  ihnen  antworten:  Wenn  ihr  auch  eure  Habe  verkauft,  um  die  Tora  zu 
erwerben   —  Verachtung  über   euch!   (s.  HL  8,  7).  ||  M^kh  Ex  15,2  (44b):  R.  ?Aqiba, 


S60  Mcitth  5,43(Nr.  1) 

t  um  135,  sagte:  Die  Völker  sprechen  zu  Israel:  Wir  wollen  mit  euch  gehn,  s.  HL  6, 1  : 
„Wohin  ist  dein  Lieber  (=  Gott)  gegangen,  du  schönste  unter  den  Weibern  (—  Israel)? 
Wohin  hat  dein  Lieber  sich  gewandt,  daß  wir  ihn  mit  dir  suchen?"  Aber  Israel  ant- 
wortet ihnen:  Ihr  habt  keinen  Teil  an  ihm,  sondern  mein  Lieber  gehört  mir  u.  ich 
ihm  (s.  HL  6,  2).  Ähnlich  Midr  HL  6,  1.  |1  M^kh  Ex  14,  7  (32''):  R.  Schimfon  (b.  Jochai, 
um  150)  sagte:  Der  Beste  unter  den  Gojim  (NichtJuden)  verdient  den  Tod.  —  Parallel- 
stellen: pQid  4,  66'',  31);  TanchB  s-si  §20  (18");  anonym  Tanch  nhxz  79'\  !|  EM  114'' 
Bar  u.  J''b  60 '' :  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  1 50)  sagte :  Die  Gräber  der  Gojim  verunreinigen 
nicht;  denn  es  heißt:  „Ihr  aber,  meine  Schafe,  Schafe  meiner  Weide:  Menschen  seid 
ihr"  Ez34,  81;  ihr  (Israeliten)  werdet  Menschen  genannt;  aber  die  Völker  der  Welt 
werden  nicht  Menschen,  sondern  Vieh  genannt.  —  In  diesem  durch  Ez  34,  31  nicht 
motivierten  Zusatz  liegt  die  Lieblosigkeit.  Die  gleiche  Auslegung  von  Ez34,  31  auch 
K<^r78'\  II  ?AZ2,  1:  Eine  Israelitin  soll  einer  Heidin  (Nokhrith)  ^  keine  Geburtshilfe 
leisten.  !|  fAZ26'^:  Rab  Joseph  (f  333)  wollte  sagen,  wenn  es  in  der  Bar  heiße:  Gojim 
(NichtJuden)  u.  ijüdische)  Hirten  von  Kleinvieh  (die  als  Diebe  gelten,  weil  sie  ihre 
Herden  auf  fremden  Grundstücken  weiden  lassen)  zieht  man  weder  herauf  (aus  einer 
Grube,  um  sie  aus  Lebensgefahr  zu  erretten),  noch  stößt  man  sie  hinab  (um  sie  zu 
töten),  so  dürfe  man  sie  doch,  um  keine  Feindschaft  entstehn  zu  lassen,  gegen  Ent- 
gelt heraufziehen.  Abaje  (t  338/39)  antwortete  ihm  aber:  Er  kann  sagen  (um  sich  dem 
Rettungswerk  zu  entziehen):  Mein  Sohn  steht  auf  dem  Dach,  oder  auch:  Es  ist  mir 
ein  Termin  vor  dem  Gericht  anberaumt!  R.  Abbalm  (um  300)  trug  vor  R.  Jochanan 
(t  279)  als  Bar  vor:  Die  NichtJuden  u.  die  Hirten  von  Kleinvieh  zieht  man  weder 
herauf,  noch  stößt  man  sie  hinab;  aber  die  Häretiker  (Minim,  mit  Einschluß  der  Juden- 
christen) u.  die  Angeber  (Verräter)  u.  die  Abtrünnigen  stößt  man  hinab  u.  zieht  sie 
nicht  herauf.  Er  antwortete  ihm:  Ich  lehre  Dt  22,  3:  „So  mache  es  mit  allem  Ver- 
lornen deines  Bruders",  das  schließt  den  Abtrünnigen  mit  ein;  u.  du  sagst:  Man  stößt 
sie  hinab?  Streiche  darin  (in  der  Bar)  den  Abtrünnigen.  .  .  .  Der  Autor  sagt:  Man  stößt 
sie  hinab,  aber  man  zieht  sie  nicht  herauf.  Wenn  man  sie  hinabstoßen  soll,  brauchte 
er  denn  da  noch  vom  Heraufziehen  zu  reden?  Rab  Joseph  b.  Chama  (um  300)  hat  ge- 
sagt, Rab  Schescheth  (um  260)  hat  gesagt:  Es  war  nicht  nötig;  aber  wenn  sich  eine 
Leiter  in  der  Grube  befindet,  so  zieht  man  sie  weg  (um  das  Herauskommen  zu  ver- 
hindern), indem  man  sich  einen  Vorwand  sucht  u.  etwa  sagt:  damit  kein  Tier  daran 
hinabstürze.  Rabbah  (f  330)  n.  Rab  Joseph  sagten  beide:  Es  war  nicht  nötig,  aber 
wenn  ein  Stein  auf  der  Öffnung  der  Grube  ist,  so  deckt  man  .sie  damit  zu  (um  das 
Herau.skommen.  zu  verhindern)  u..  sagt  etwa:  damit  das  Vieh  dai'über  hinweg  kann. 
Rabina  (t  um  420)  sagte:  Wenn  sich  eine  Leiter  vorfindet,  entfernt  man  sie  u.  sagt 
etwa:  Ich  will  meinen  Sohn  vom  Dach  uiedersteigen  lassen.  —  Die  zuerst  zitierte  Bar 
auch  f  AZ  13  b  u.  Sanh  57 ^j  sie  stammt  aus  TBM  2,  32  (375). 

Schimone  fEsre  12  (nach  der  palästin.  Rezension;  Strack,  B'^rakhoth  25 *) :  Den  Ab- 
trünnigen möge  keine  Hoffnung  sein;  das  frevlerische  Reich  (—  Rom)  werde  ausgerottet 
bald  in  unsren  Tagen;  die  Nazaräer  (Christen)  u.  die  Häretiker  (Minim)  mögen  untergehn 
in  einem  Augenblick;  sie  mögen  ausgelöscht  werden  aus  dem  Buch  der  Lebendigen  u. 
mit  den  Gerechten  mögen  sie  nicht  aufgeschrieben  werden.  Gepriesen  seist  du,  Jahve, 
der  die  Hoffärtigen  beugt.  —  Über  die  Stimmung  speziell  gegen  die  Judenchristen 
s.  TSchab  lli,  5  S.  367/.  i|  MPss36  §7:  „Erhalte  deine  Gnade  denen,  die  dich  kennen* 
Ps  36,  11.  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Laß  deine  Gnade  sich  nicht  erstrecken  auf 
die  Völker  der  Welt,  die  dich  nicht  kennen.  \\  TSanh  U,  2  (434):  R.  Elifezer  (um  00) 
sagte:  Alle  Gojim  (Nichtisraeliten)  haben  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt;  denn 

1  a"":y,  Abkürzung  von  r'^rtji  d-s:i3  mas  =  „Kultus  der  Sterne  u.  Sternbilder" 
oder  von  ''o^  '^  "3''»  =  „Anbeter  der  Sterne  u.  Sternbilder,  Götzendiener",  findet  sich 
weder  in  Handschriften  u.  zensurfreien  Ausgaben  der  Mischna  u.  der  Talmude,  noch  in 
den  ältesten  Ausgaben  des  Ritualkodex  Mischne  Thora  von  Maimonides  u.  des  Schulchan 
fArukh;  ist  lediglich  eine  Erfindung  der  Zensur  für  ursprüngliches  --t  rr.'^zy,  -"ij,  --:: 
U.  dgl. ;   Einl.  54. 


Matth  5,  43  (Nr.  1)  3(31 

es  heißt:  ^Die  Gottlosen  kehren  zurück  in  die  Sch'-d  (Gehinnom),  alle  Gojim,  die  Gott 
vergessen"  Ps9, 18.  „Es  kehren  die  Gottlosen  in  die  Sch^ol  zurück",  damit  sind  die 
Gottlosen  unter  den  Israeliten  gemeint.  Es  antwortete  ihm  R.  J  hoschua  (um  90): 
Wenn  die  Schriftstelle  sagte:  „Es  kehren  die  Gottlosen  in  die  Sch^ol  zurück,  alle 
Gojim",  u.  weiter  nichts,  so  würde  ich  sagen,  wie  deine  Worte  lauten;  jetzt  aber,  da 
ilie  Schriftstelle  sagt:  „die  Gott  vergessen"  —  siehe,  so  gibt  es  Gerechte  unter  den 
Völkern,  die  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  haben.  —  Sanh  105*  Bar:  R.  Eli?ezer 
sagte:  „Es  kehren  die  Gottlosen  in  die  Sch'ol  zurück,  alle  Gojim,  die  Gott  vergessen'' 
(Ps9,  18).  „Es  kehren  die  Gottlosen  in  die  Sch'ol  zurück",  das  sind  die  Abtrünnigen 
unter  den  Israeliten;  „alle  Gojim,  die  Gott  vergessen",  das  sind  die  Völker  der  Welt. 
Das  sind  Worte  des  R.  Eli?ezer.  Es  sprach  zu  ihm  R.  J'hoschuaf :  Wird  denn  geredet 
von  allen  Gojim?  Heißt  es  nicht  vielmehr:  Alle  Gojim,  die  Gott  vergessen? 
Also:  „Es  kehren  die  Gottlosen  in  die  Sch^ol  zurück",  wer  sind  diese?  Alle  Gojin), 
die  Gott  vergessen  (aber  die  unter  ihnen  Gott  nicht  vergessen,  haben  Anteil  an  der 
zukünftigen  Welt).  Eine  weitere  Parallelstelle  IVIPss  9  §  15  (45b);  die  Deutung,  die  hier 
Bnber  dem  Ausspruch  Elifezers  gibt,  ist  unrichtig. 

P'siqR  10  (36^):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Warum  zählt  Gott  die  Israeliten 
zu  jeder  Zeit  (vgl.  Ex  30,  12)?  Gleich  einem  König,  der  Schätze  hatte,  um  die  er  sich 
aber  nicht  kümmerte,  daß  er  sie  zählte.  Er  hatte  aber  ein  kleines  goldenes  Schmuck- 
kästchen, das  nahm  er  alle  Augenblicke  u.  zählte,  wieviel  er  darin  habe;  u.  dann 
stellte  er  es  fort.  Nach  einigen  Tagen  nahm  er  es  wieder  hervor  u.  zählte  seinen  In- 
halt. Da  sprachen  sie  zu  ihm:  Mein  Herr,  um  alle  Schätze,  die  du  besitzest,  kümmerst 
du  dich  nicht,  um  sie  zu  zählen,  bloß  um  diesen  kleinen  Schatz!  Er  antwortete:  Alle  jene 
Schätze  gehören  nicht  mir,  sondern  kommen  in  den  Staatsschatz;  aber  diesen  Schatz  habe 
ich  mit  sehr  vieler  Mühe  zus  gebracht;  deshalb  befasse  ich  mich  nur  mit  ihm.  So  hat  auch 
Gott  sehr  viele  Völker  in  der  Welt,  sehr  viele  Haufen  von  Völkern,  ohne  daß  er  sich  um  sie 
kümmerte.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Mein  Herr,  Herr  der  Welt,  wie  viele  Völker  hast  du  in  der 
Welt,  u.  du  kümmerst  dich  nicht  um  sie,  daß  du  sie  zähltest;  nur  zu  jeder  Zeit  heißt  es: 
Nehmet  die  Summe  der  Kinder  Israel  auf!  Gott  sprach:  Alle  jene  Haufen,  die  ihr 
seht,  gehören  nicht  mir  an,  sondern  dem  Schatzhaus  u.  dem  Gehinnom,  wie  es  heißt: 
„Die  Völker  sollen  Brandstätten  von  Kalk  werden"  Jes  33,  12.  Aber  diese  Israeliten, 
die  ich  zu  jeder  Zeit  zähle,  sind  mein  Eigentum,  wie  es  heißt:  „Ihr  sollt  mein  Eigen- 
tum sein  vor  allen  Völkern"  Ex  19,5;  u.  wie  das  Eigentum  des  Menschen  diesem 
teuer  ist,  so  sind  auch  diese  mir  teuer  wegen  der  Not,  in  der  sie  mir  zustande  ge- 
kommen sind,  s.  Dt  4,  34  u.  Jer  31,  20.  ||  P^^siqR  10  (35b):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt: 
Warum  wird  die  Gemeinde  Israel  mit  Weizen  verglichen  (HL  7,  3)?  Ein  Hausherr 
hat  einen  Verwalter;  wenn  er  mit  ihm  rechnen  will,  was  berechnet  er?  Sagt  er  etwa 
zu  ihm:  Hab  acht,  wieviel  Körbe  voll  Stroh  du  in  den  Speicher  bringst,  oder  wieviel 
Körbe  voll  Stoppeln  oder  Dornen  du  in  den  Speicher  bringst?  Wohin  schafft  er  die 
Dornen?  Ins  Feuer.  Wohin  wirft  er  den  Dung?  Auf  den  Dunghaufen.  Wohin  zerstreut 
er  das  Stroh?  In  den  Wind.  Aber  wie  sagt  er  zu  dem  Verwalter?  Hab  acht,  wieviel 
Weizen  du  in  den  Speicher  bringst.  Warum?  Weil  dieser  der  Lebensunterhalt  für  die 
Welt  ist.  So  ist  Gott  ein  Hausherr,  denn  die  ganze  Welt  gehört  ihm,  s.  Ps  24,  1 : 
„Jahves  ist  die  Erde  u.  ihre  Fülle,  der  Erdkreis  u.  die  darauf  wohnen."  Der  Verwalter 
ist  Mose,  s.  Nu  12,  7:  „In  meinem  ganzen  Hause  ist  er  bewährt."  Sprach  Gott  zu  ihm: 
Hab  acht,  daß  du  die  Völker  zählst?  Nein;  denn  diese  gleichen  den  Stoppeln.  Wer 
waren  diese?  Die  Ägypter,  s.  Ex  15,7:  „Du  sendest  aus  deine  Glut,  die  verzehrt  sie 
Tvie  Stoppeln";  ferner  ObadjalS:  „Das  Haus  Esau  wird  zu  Stoppeln  werden."  Was 
macht  man  mit  den  Stoppeln?  Man  läßt  sie  vom  Wasser  fortschwemmen,  s.  Ps  136, 15: 
„Und  er  schüttelte  den  Pharao  u.  sein  Heer  in  das  Schilfmeer."  Die  Völker  gleichen  den 
Dornen,  s.  Jes  33,  12:  „Die  Völker  sollen  Brandstätten  von  Kalk  werden,  abgehauene 
Dornen,  die  Feuer  fangen."  Was  macht  man  mit  den  Dornen?  Man  wirft  sie  ins 
Feuer,  s.  das.  „Sie  gleichen  dem  Stroh."  Was  macht  man  mit  dem  Stroh?  Man  zer- 
streut es  in  den  Wind,  s.  Hi21,18:  „Daß  sie  werden  wie  Stroh  vor  dem  Winde,  wie 


362  -^liitt^  ^'  48  (Nr.  1 ) 

Spreu,  die  der  Sturmwind  wegrafft."  Aber  die  Israeliten  gleichen  dem  Weizen,  denn 
sie  sind  das  Brotkorn  der  Welt,*  s.  HL  7,  3:  „Dein  Bauch  ein  Weizenhaufen."  Deshalb 
hat  Gott  gesagt:  Mose,  habe  acht,  daß  du  Israel  zählst,  um  zu  wissen,  wieviel  sie 
enthalten,  s.  Ex  30,  12:  ,Nimm  die  Summe  der  Kinder  Israel  auf."  —  In  Midr  HL7,3 
R.  Huna,  um  350,  als  Autor  genannt;  anonym  NuR  1  (ISS*^);  eine  ähnliche  Ausführung 
in  NuR  4  (141b),  hier  heißen  die  Völker  „Abfälle".  |1  TancliB  -z-n-v  §  10  (14b):  Was  heißt 
Hab  3,  6:  d-ij  t-^t  „er  macht  aufspringen  die  Heidenvölker"?  R.  Tanchum  b.  Chanilai 
(um  280)  hat  gesagt:  Er  erlaubte  i-m  ihnen  das  Verbotene,  die  Greuel-  u.  Kriechtiere. 
Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  Arzt,  der  ging,  zwei  Kranke  zu  besuchen. 
Er  sah,  daß  der  eine  von  ihnen  in  Lebensgefahr  war;  er  sprach  zu  dessen  Hausgenossen: 
Gebt  ihm  zu  essen,  was  er  nur  will!  Er  sah,  daß  der  andre  wieder  gesund  werden 
würde;  er  sprach  zu  dessen  Hausgenossen:  Die  u.  die  Speise  darf  er  essen,  die  u.  die 
Speise  darf  er  nicht  essen!  Man  sagte  zu  dem  Arzt:  Was  für  einen  Unterschied  machst 
du  zwischen  diesen  beiden?  Denn  über  den,  der  in  Lebensgefahr  ist,  sagst  du:  Er 
darf  essen,  was  er  will,  u.  über  den,  der  wieder  gesund  wird,  sagst  du:  Das  u.  das 
darf  er  essen,  das  u.  das  soll  er  nicht  essen!  Der  Arzt  antwortete:  Über  den,  von 
dem  ich  gesehen  habe,  daß  er  dem  Tode  verfallen  ist,  habe  ich  gesagt:  Gebt  ihm, 
denn  er  ist  dem  Tode  verfallen;  aber  der,  der  die  Möglichkeit  hat,  wieder  gesund  zu 
werden,  muß  sich  selbst  behüten.  So  hat  Gott  den  Heidenvölkern,  den  Verehrern  der 
Gestirne,  die  Greuel-  u.  Kriechtiere  u.  alle  Sünden  erlaubt,  weil  sie  für  den  Gehinnom 
bestimmt  sind;  aber  den  Israeliten,  die  für  das  Leben  im  Gan  fEden  bestimmt  sind, 
hat  er  gesagt:  „Machet  euch  nicht  selbst  zum  Greuel  durch  irgendwelches  Gewimmel" 
u.  „Seid  heilig,  denn  ich  bin  heilig"  Lv  11,43.44.  Das  dürft  ihr  essen  u.  das  dürft 
ihr  nicht  essen.  Weshalb?  Weil  sie  am  Leben  bleiben  sollen,  wie  es  heißt:  „Ihr,  die 
ihr  an  Jahve  eurem  Gott  hanget,  seid  alle  heut  am  Leben"  Dt  4,  4.  —  Dasselbe  kürzer 
LvR13(114b). 

Sanh58b:  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Ein  Goi,  der  den  Sabbat  hält,  ist 
des  Todes  schuldig,  s.  GnS, 22:  „Sie  sollen  nicht  ruhen  Tag  u.  Nacht"  (so  der  Midr), 
u.  ein  Autor  hat  gesagt:  Ihre  (derNoachiden)  Verwarnung  ist  ihre  Todesstrafe.  (Warnung 
u.  Strafandrohung,  in  Einer  Schriftstelle  ausgesprochen,  ist  genügend  für  die  Noachiden.) 
Rabina  (I.,  t  um  420;  IL,  f  499)  hat  gesagt:  Auch  für  den  zweiten  (oder  irgendeinen 
andren)  Wochentag  gilt  das  (daß  sie  nicht  ruhen  dürfen  von  der  Arbeit).  So  hätte  man 
es  zu  den  sieben  (noachischen)  Geboten  rechnen  sollen!  Dahin  rechnet  man  nur  zu 
Unterlassendes,  aber  nicht  Auszuübendes  (wie  das  Ruhen).  Aber  die  Rechtspflege  ist 
doch  ein  Auszuübendes,  u.  gleichwohl  rechnet  man  sie  (unter  die  7  noachischen  Ge- 
bote)! Diese  ist  etwas  Auszuübendes  u.  zugleich  etwas  zu  Unterlassendes  (d.  h.  die 
Rechtspflege  ist  unter  die  7  noachischen  Gebote  aufgenommen,  weil  es  sich  dabei  nicht 
bloß  um  das  Ausüben  des  Richteramtes  handelt,  sondern  allgemein  um  alles,  was 
zur  Rechtsordnung  gehört,  also  auch  um  das  Unterlassen  des  Unrechts).  Ferner 
hat  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Ein  Nichtisraelit,  der  sich  mit  der  Tora  (d.  h.  deren 
Studium)  beschäftigt,  ist  des  Todes  schuldig;  denn  es  heißt:  „Die  Tora  hat  uns  Mose 
als  nio^ia  befohlen"  Dt  33,  4,  d.  h.  uns  ist  sie  '^  u.  nicht  ihnen  (den  Nichtisraeliten). 
So  hätte  man  dies  gleichfalls  zu  den  sieben  (noachischen)  Geboten  rechnen  sollen! 
(Das  war  nicht  nötig;  denn)  nach  dem,  welcher  nci-ijs  erklärt  als  „Erbbesitz",  begeht 
er  (der  sich  mit  ihr  beschäftigende  Nichtisraelit)  einen  Raub  (u.  das  Rauben  ist  ja 
schon  in  den  7  noachischen  Geboten  verboten),  u.  nach  dem,  welcher  erklärt:  (Mose 
hat  uns  die  T.  befohlen)  als  „Verlobte"  nc-■s^^,  ist  seine  Strafe  wie  beim  Beschlafea 
einer  Verlobten,  nämlich  die  Steinigung.  (Das  Torastudium  seitens  eines  Nichtisraelite» 
gilt  wie  Unzucht  ri";?:  'n?:,  die  gleichfalls  schon  in  den  7  noachischen  Geboten  ver- 
boten ist.)  Man  erwiderte:  R,  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Woher,  daß  selbst  ein  Goi, 
der   sich   mit   der  Tora   beschäftigt,   einem  Hohenpriester   gleichzuachten  sei?   Weil 


,   *  Die  Worte  können  sich  auch  auf  „Weizen"  beziehen;  dann  lautet  der  Satz:  Israel 
gleicht  dem  Weizen,  der  das  (vorzüglichste)  Getreide  der  Welt  ist. 


Matth  5,  43  (Nr.  1)  363 

es  heißt:  ,So  beobachtet  denn  meine  Satzungen  u.  meine  Rechte:  wenn  der  Mensch 
sie  tut,  so  wird  er  durch  sie  leben"  Lvl8,  5.  , Priester",  , Leviten*  oder  , Israeliten* 
heißt  es  nicht,  sondern  wenn  ein  , Mensch"  sie  tut  usw.  Da  lernst  du,  daß  auch  ein 
Goi,  der  sich  mit  der  Tora  beschäftigt,  einem  Hohenpriester  gleichgeachtet  (mit  ihm 
auf  gleiche  Linie  gestellt)  wird.  Dort  (in  dem  Ausspruch  des  R.  Meir)  handelt  es  sich 
um  ihre  sieben  Gebote  (u.  nicht,  wie  in  dem  Wort  des  R.  Jochanan,  um  die  sonstige 
Tora).  —  Die  Schlußbemerkung  zeigt,  daß  die  weitherzige  Meinung  des  R.  Meir  nicht 
zur  Anerkennung  gelaugt  ist.  R.  Meirs  Ausspruch  auch  ?AZ  3=*;  BQ  88  ^  ||  P^^siq  156''': 
Wenn  jemand  Buße  tut,  so  wendet  Gott  ihm  (gnädig)  sein  Angesicht  zu.  Etwa  jeder- 
mann? Die  Schrift  sagt  lehrend:  ,Jahve  wende  sein  Angesicht  ,dir'  (Israel)  zu* 
Nu  6,  26  —  aber  nicht  einem  andren  Volk.  |!  DtR  2(197'^):  David  sprach  vor  Gott: 
Herr  der  Welt,  wenn  die  Völker  der  Welt  kommen,  um  vor  dir  zu  beten,  so  erhöre 
sie  nicht;  denn  sie  kommen  nicht  mit  einem  ungeteilten  Herzen  zu  dir;  sondern  sie 
gehen  zu  ihrem  Götzen,  u.  wenn  dieser  sie  nicht  erhört  u.  sie  sehen,  daß  ihre  Not 
bleibt,  dann  kommen  sie  zu  dir;  so  erhöre  auch  du  sie  nicht,  wie  es  heißt:  ,Sie 
schreien,  aber  da  ist  kein  Helfer,  zu  Jahve  u.  er  erhört  sie  nicht*  Ps  18, 42.  Was 
heißt:  „Sie  schreien*?  Sie  schreien  zu  ihrem  Götzen;  u.  wenn  sie  zu  dir  kommen 
(dann  heißt  es:)  „zu  Jahve  u.  er  erhört  sie  nicht*.  Aber  wenn  die  Israeliten  zu  dir 
rufen,  dann  erhöre  sofort  unser  Gebet,  wie  es  heißt:  „Wenn  ich  rufe,  erhöre  mich, 
mein  gerechter  Gott"  Ps  4,  2.  ||  P"^siq  12'^:  „Barmherzigkeit  erhöht  ein  Volk,  aber  für  die 
Nationen  ist  Liebeserweis  Sünde  (so  faßt  der  Midr  Spr  14, 34).  R.  EUazar  (=  Elisezer, 
um  90)  sagte:  „Barmherzigkeit  erhöht  ein  Volk*,  das  geht  auf  Israel;  u.  für  die  Nationen 
ist  Liebeserweis  Sünde*,  d.  h.  die  Liebeserweisungen  sind  Sünde  für  die  Völker  der 
Welt,  weil  sie  sich  mit  ihnen  brüsten.  R.  J'^hoschuaf  (um  90)  sagte:  „Barmherzigkeit 
erhöht  ein  Volk*,  das  geht  auf  Israel,  u.  „eine  Gunsterweisung  gegen  die  Nationen 
ist  (Israels)  Sünde",  d.  h.  ein  Vorteil  ist  es  für  die  Völker  der  Welt,  wenn  die  Israeliten 
sündigen;  denn  dann  unterjochen  sie  sie  aufs  neue.  Rabban  Gamliel  (um  90)  sagte: 
„Barmherzigkeit  erhöht  ein  Volk",  das  geht  auf  Israel,  u.  „Liebeserweis  ist  für  die 
Nationen  rsisn*,  d.h.  Liebeserweise  der  Völker  der  Welt  sind  für  sie  ein  Sündopfer; 
denn  so  hat  Daniel  zu  Nebukadnecar  gesagt:  „Deine  Sünde  entferne  durch  Barmherzig- 
keit" Dn  4,  24.  R.  Elfazar  b.  fArakh  (um  90)  hat  gesagt:  „Barmherzigkeit  erhöht  ein 
Volk  u.  Liebeserweis*,  das  geht  auf  Israel;  aber  die  Sünde  verbleibt  den  Völkern  der 
Welt.  Da  sprach  R.  Jochanan  (b.  Zakkai,  f  um  SO):  Ich  gebe  den  Worten  des  R.  Elfazar 
b.  fArakh  den  Vorzug  vor  euren  Worten:  denn  er  erteilt  Barmherzigkeit  u.  Liebes- 
erweis den  Israeliten  zu  u.  die  Sünde  den  Völkern  der  Welt.  Abin  b.  J^huda  (wann?) 
sagte:  „Barmherzigkeit  erhöht  ein  Volk*,  das  geht  auf  Israel,  aber  Schimpf  seitens 
der  Nationen  ist  (Israels)  Sünde  (so  jetzt  der  Midr),  d.  h.  die  Israeliten  nehmen  Be- 
schimpfungen seitens  der  Völker  der  Welt  hin,  wenn  sie  sündigen,  s.  2  Kg  18,  25  u. 
Jer  40,  o.  R.  N^chouja  b.  Ha-qana  (um  70)  sagte:  „Barmherzigkeit  erhöht  ein  Volk*,  das 
geht  auf  Israel,  u.  Schändliches  seitens  der  Nationen  ist  Sünde,  d.  h.  Schändliches, 
das  die  Nationen  vollbringen,  wird  Sünde  für  Israel  (bringt  Israels  Sünden  vor  Gott 
in  Erinnerung,  so  daß  auch  Israel  Strafe  trifft;  der  Beweis  wird  sehr  weitläufig  aus 
2  Kg  3,  27  geführt).  —  Dasselbe  teilweise  in  Tanch  srr  ^^  111*.  In  wesentlich  andrer, 
aber  jedenfalls  nicht  ursprünglicher  Fassung  BB  10  b;  hier  gehen  nicht  weniger  als 
4  Deutungen  auf  den  Satz  hinaus,  daß  die  Wohltaten  der  Nichtisraeliten  lediglich  Sünde 
sind.  Ii  BQ  38":  Mar  b.  Rabina  (gegen  400)  hat  gesagt:  Auch  wenn  sie  (die  Noachiden) 
die  noachischen  Gebote  halten,  empfangen  sie  dafür  (von  Gott)  keinen  Lohn.  —  Das- 
selbe ?AZ  2'\  II  M^g  16-'  s.  zu  Mt  5,  44  %  Anm.  f.  ||  Über  Rachenehmen  an  den  Völkern 
s.  Midr  Qoh  8,  4  bei  Mt  5,  45  S.  373;  SLv  19,  18  S.  366«. 

Zum  Schluß  noch  einige  Auslegungen  von  Lv  19, 18  u.  sonstige  Aus- 
sprüche über  die  Nächstenliebe. 

Aboth  RN  26:  R.  fAqiba  (t  um  135)  hat  gesagt:  Wer  eine  Frau  heiratet,  die  ihm 
nicht  angemessen  ist,  übertritt  fünf  Gebote:  Du  sollst  nicht  Rache  ausüben  (Lv  19,  18), 


364  Matth  5,43  (Nr.  1.2) 

du  sollst  nicht  Groll  nachtragen  (das.),  du  sollst  nicht  hassen  (das.  Vers  17),  du  sollst 
deinen  Nächsten  lieb  haben  wie  dich  selljst  (das.  Vers  18)  und  daß  dein  Bruder  neben 
dir  lebe  (so  deutet  der  Midr  Lv  25,  36).  Weil  er  sie  haßt,  wünscht  er,  daß  sie  stei-be, 
u.  so  wird  er  erfunden  als  einer,  der  die  Fortpflanzung  in  der  Welt  unterläßt.  —  In 
TSota  5,  11  (302)  R.  Meir  (um  150)  als  Autor.  il  Qid  41=':  Rah  J^huda  (f  299)  hat  ge- 
sagt, Rab  (t  247)  habe  gesagt;  Es  ist  dem  Menschen  verboten,  sich  mit  einer  Frau 
zu  verloben,  bevor  er  sie  gesehen  hat;  vielleicht  möchte  er  (später)  etwas  Häßliches 
an  ihr  sehen  u.  sie  könnte  ihm  verächtlich  werden,  während  doch  der  Allbarmherzige 
gesagt  hat:  „Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selb-st"  Lv  19,  18.  ||  K'^th  '61^: 
Rab  Nachmau  (b.  Jafaqob,  f  320)  hat  im  Namen  des  Rabbah  b.  Abuha  (um  270)  ge- 
sagt: Die  Schrift  sagt:  ,Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst"  Lv  19,  18, 
d.  h.  wähle  für  den  Hinzurichtenden  eine  schöne  (leichte)  Todesart  ans.  —  Dieser 
Satz  wird  oft  wiederholt,  zB  P^'s75^;  Sanh  45''. 

SLv  19,  16  (352'*):  Woher,  daß,  wenn  du  siehst,  wie  einer  in  einem  Fluß  unter- 
sinkt oder  wie  Räuber  über  ihn  herfallen  oder  wie  ein  wildes  Tier  über  ihn  kommt, 
du  verpflichtet  bist,  ihn  zu  retten?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  19,  16:  „Du  sollst 
nicht  stillstehn,  wo  es  sich  um  das  Leben  (Blut)  deines  Nächsten  handelt"  (so  der 
Midr).  —  Als  Bar  Sanh  73-'  (2  mal)  mit  näheren  Distinktionen.  |i  SLv  25,  36:  ,Es  lebe 
dein  Bruder  neben  dir"  Lv  25,  36.  Folgendes  hat  Ben  Paturi  (um  110)  öffentlich  vor- 
getragen: Zwei  reisten  in  der  Wüste  u.  in  dem  Besitz  des  einen  befand  sich  nur  ein 
Becher  Wasser.  Wenn  Einer  dies  getrunken  hätte,  hätte  er  die  bewohnte  Gegend  er- 
reicht; wenn  beide  es  tränken,  hätten  beide  (vor  Durst)  sterben  müssen.  Ben  Paturi 
trug  öffentlich  vor:  Es  sollen  beide  trinken  u.  sterben!  denn  es  heißt:  „Es  lebe  dein 
Bruder  neben  dir  (also  zugleich  mit  dir)."  R.  fAqiba  (f  um  135)  sagte:  Es  lebe  dein 
Bruder  neben  dir  (also  wenn  du  lebst),  dein  Leben  geht  dem  des  andren  vor.  Das- 
selbe als  Bar  BM  62=*.  |!  Sanh  76b  Bar:  Wer  seine  Nachbarn  liebt  u.  seine  Verwandten 
an  sich  zieht  (sich  ihrer  annimmt)  u.  die  Tochter  seiner  Schwester  heiratet  u.  denj 
Armen  in  der  Zeit  seiner  Not  einen  Sela?  leiht,  über  den  heißt  es:  „Du  wirst  rufen 
u.  Jahve  wird  antworten"  Jes  58,  9. 

2.  Der  Haß  wird  im  allgemeinen  von  der  Synagoge  als  etwas  Ver- 
werflichesa angesehen:  unter  Umständen  ist  er  aber  auch  erlaubt.^ 
ja  sogar  geboten,  c 

a.  Aboth  2,  11:  R.  J'^hoschuaf  (um  90)  sagte:  Ein  mißgünstiges  Auge  u.  der  böse 
Trieb  u.  der  Haß  gegen  Menschen  bringen  den  Menschen  aus  der  Welt.  —  Vgl.  Sir 
30,  25:  Eifer  u.  Zorn  kürzen  die  (Lebens-) Tage  u.  vor  der  Zeit  macht  der  Kummer 
alt,  njsT  Ypir^  ry  s'^ai  w>2-<  ^'<-^^^'<  :isi  ns:-.  ||  SLv  19,  17  (352"):  ,Du  sollst  deinen 
Bruder  nicht  hassen  in  deinem  Herzen"  Lv  19,  17.  Vielleicht  sollst  du  ihm  nicht 
fluchen  oder  ihn  nicht  schlagen  oder  ihm  keinen  Backenstreich  geben!  Die  Schrift 
sagt  lehrend:  „in  deinem  Herzen",  ich  rede  nur  von  dem  Haß,  der  im  Herzen  sitzt. . .  . 
Das.  Vers  18:  „Du  sollst  nicht  Rache  ausüben  noch  Zorn  nachtragen."  Wie  weit  reicht 
die  Kraft  der  Rache  (d.  h.  was  gilt  noch  als  Rache)?  Wenn  einer  zu  einem  andren 
sagt:  „Leihe  mir  deine  Sichel"  u.  er  leiht  sie  ihm  nicht;  morgen  aber  sagt  er  (der 
die  Bitte  abschlug)  zu  jenem  (der  um  die  Sichel  bat):  „Leihe  mir  deinen  Spaten  (oder 
Axt)",  u.  der  letztere  antwortet:  Ich  werde  ihn  dir  nicht  leihen,  gleichwie  du  mir 
deine  Sichel  nicht  geliehen  hast,  (so  ist  das  Rache);  deshalb  heißt  es:  „Du  sollst 
nicht  Rache  ausüben."  „Du  sollst  nicht  Zorn  nachtragen."  Wie  weit  reicht  die  Kraft 
des  Nachtragens?  Wenn  einer  zu  einem  andren  sagt:  „Leihe  mir  deinen  Spaten  (Axt)" 
u.  er  leiht  ihm  nicht;  morgen  aber  sagt  er  (der  Ungefällige)  zu  jenem:  „Leihe  mir 
deine  Sichel",  u.  der  letztere  antwortet:  Da  hast  du  sie;  ich  bin  nicht  so  wie  du,  der 
du  mir  deinen  Spaten  nicht  geliehen  hast,  (so  ist  das  Nachtragen);  deshalb  heißt  es: 
„Du  sollst  nicht  nachtragen."  —  Der  Anfang  der  Stelle  auch  f  Arakhin  16b,  der  2.  Teil 
Joma  28«'.  i|  SDt  19,  iTg  186 f.  (1081»):  „Wenn  jemand  seinen  Nächsten  haßt  (ihm 
feind  ist)  u.  ihm  auflauert  u.  sich  gegen  ihn  erhebt*  Dt  19,  11.  Von  hier  aus  hat  man 


Matth  5,  43  (Nr.  2)  365 

gesagt:  Wenn  einer  ein  leichtes  Gebot  übertritt,  wird  er  schließlich  ein  schweres 
Gebot  übertreten;  wer  übertritt:  „Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst", 
der  wird  schließlich  übertreten:  „Du  sollst  nicht  hassen"  Lv  19,  17;  ,Du  sollst  nicht 
Rache  ausüben  noch  Zorn  nachtragen"  das.  Vers  18;  u.  endlich  wird  er  übertreten:  „Daß 
er  lebe  neben  dir"  Lv  25,  35,  bis  er  beim  Blutvergießen  anlangt;  deshalb  heißt  es: 
„Wenn  jemand  seinen  Nächsten  haßt".  Dasselbe  SDt  22,  13  §235  (117b).  y  Aboth 
RNathan  12:  (zu  Hilleis  Wort  Aboth  1,12):  „Sei  liebend  die  Menschen."  Das  lehrt, 
daß  man  die  Menschen  lieben  u.  nicht  hassen  soll;  denn  so  finden  wir  es  bei  den 
Leuten  vom  Geschlecht  der  Zerstreuung:  weil  sie  einander  lieb  hatten,  mochte  sie 
Gott  nicht  aus  der  Welt  vernichten,  sondern  er  zerstreute  sie  in  die  vier  Winde  der 
Welt.  Aber  die  Leute  von  Sodom,  weil  sie  einander  haßten,  vertilgte  Gott  aus  dieser 
u.  aus  der  zukünftigen  Welt.  ||  Schab  32 1>  Bar:  R.  N'^^chemja  (um  150)  hat  gesagt: 
Wegen  der  Sünde  des  grundlosen  Hasses  kommt  großer  Streit  in  das  Haus  des 
Menschen,  seine  Frau  gebiert  Fehlgeburten,  u.  seine  Söhne  u.  Töchter  .sterben  ihm, 
wenu  sie  noch  klein  sind.  ||  Derekh  Ere9  (Schlußkapitel):  R.  Elifezer  (um  90)  sagte: 
Wer  seinen  Nächsten  haßt,  gehört  zu  den  Blutvergießern,  s.  Dt  19,  11.  Vgl.  1  Joh  3,  15.  1 
GnR  55  (35'i):  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  hat  gesagt:  Liebe  u.  Haß  halten  die 
rechte  Linie  nicht  ein  (gehen  oft  zu  weit).  Beweis  Abraham  u.  Joseph,  die  beide  aus 
Liebe,  u.  Bilfam  u.  der  Pharao,  die  beide  aus  Haß  ihre  Tiere  eigenhändig  anschirren, 
s.  Gn  22,  3;  46,  29;  Nu  22,  21;  Ex  14,  6.  —  In  Sanh  105^  wird  R.  Schimfon  b.  Elfazar, 
um  190,  ein  Schüler  des  R.  Schimfon  b.  Jochai,  als  Autor  genannt.  ||  Schab  83^  Bar: 
Vier  Anzeichen  gibt  es:  das  Zeichen  von  (Unzuchts-) Sünde  ist  die  Wassersucht:  das 
Zeichen  von  grundlosem  Haß  ist  die  Gelbsucht;  das  Zeichen  von  Hochmut  ist  Ver- 
armung; das  Zeichen  einer  verleumderischen  Zunge  ist  die  Bräune. 

b.  Aboth  RN  16:  Es  soll  der  Mensch  nicht  seinen  Sinn  darauf  richten,  zu  sagen: 
Liebe  die  Weisheit  (die  Gelehrten)  u.  hasse  die  Schüler,  liebe  die  Schüler  (der  Ge- 
lehrten) u.  hasse  die  Gesetzesunkundigen  (?Amme  ha-are^),'  sondern  hasse  die  Epi- 
kuräer  (Freigeister),  die  Verführer,  die  Verleiter,  desgleichen  die  Angeber  (Verräter). 
So  hat  auch  David  gesagt:  „Sollte  ich  denn  nicht  hassen,  die  dich  hassen,  Jahve, 
nicht  die  sich  wider  dich  erheben  verabscheuen?  Mit  vollendetem  Haß  hasse  ich  sie, 
zu  Feinden  sind  sie  mir  geworden"  Ps  139,  21  f.  —  Aber  heißt  es  nicht:  „Du  sollst 
deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst;  ich  bin  Jahve"  Lv  19,  18?  ich  habe  ihn  er- 
schaffen. Ja  wenu  er  nach  dem  Tun  deines  Volkes  handelt,  sollst  du  ihn  lieben;  wenn 
aber  nicht,  so  sollst  du  ihn  nicht  lieben.  |i  Tafan7'^:  Rabbah  bar  Huna  (um  300)  hat 
gesagt:  Wer  ein  freches  Angesicht  zeigt,  den  darf  man  einen  Frevler  nennen,  vgl.: 
„Ein  freches  Gesicht  zeigt  der  frevelhafte  Mann"  Spr  21,  29.  Rah  Nachman  bar  Ji^chaq 
(t  356)  hat  gesagt:  Man  darf  ihn  hassen;  denn  es  heißt  (Qoh  8,  1):  „Wer  frech  in 
seinem  Angesicht  ist,  wird  gehaßt"  (so  der  Midr);  lies  nicht  ssü'^  wird  verändert, 
sondern  n:-3%  |1  Joma  22*»:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon 
b.  J4i09adaq  (um  2251  gesagt:  Ein  Gelehrtenschüler,  der  nicht  wie  Nachasch ^  Rache 
nimmt  u.  (Haß)  nachträgt  (für  erlittene  Kränkung),  ist  kein  (rechter)  Gelehrtenschüler. 
Aber  es  heißt  doch:  „Du  sollst  nicht  Rache  ausüben  noch  Zorn  nachtragen"  Lv  19,  18! 
Das  gilt  in  Geldsachen  .  .  .,*  aber  nicht  bei  persönlicher  Kränkung.  —  Aber  in  einer 
Bar  heißt  es  doch:  Die  sich  demütigen  lassen,  ohne  (andre)  zu  demütigen,  die  ihre 
Beschimpfung  anhören,  ohne  sie  zu  erwidern,  die  aus  Liebe  handeln  u.  der  Leiden 
(Züchtigungen)  sich  freuen:  von  denen  sagt  die  Schrift:  „Die  ihn  (Gott)  lieben,  sind 
wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer  Macht  Ri  5,  31!"  Immerhin  aber  kann  er  es 
(das  erfahrene  Unrecht)  in  seinem  Herzen  festhalten.  —  Aber  Raba  (f  352)  hat  doch 

*  Einige  Ausgaben  fügen  hinzu  „liebe  sie  alle". 

^  Der  Ammoniterfürst  Nachasch  (1  Sm  11,  1)  konnte  nach  der  Haggada  den  durch 
Dt  23,  4  seinem  Volk  angetanen  Schimpf  nicht  vergessen.  Er  sprach:  „Bringt  mir 
euer  Torabuch,  das  mit  der  Rechten  (vgl.  Dt  33,  2)  gegeben  ward,  daß  ich  es  ver- 
brenne, weil  darin  geschrieben  ist  Dt  23,  4."    Raschi  zu  1  Sm  11,  2. 

^  In  der  Lücke  die  Auslegung  von  SLv  19,  18,  s.  S.  364. 


366  Matth  5,  43  (Nr.  2.  3) 

gesagt:  Wer  nachsichtig  ist,  gegen  den  ist  man  wieder  nachsichtig  bei  allen  seinen 
Verfehlungen!  Das  gilt  dann,  wenn  man  jemanden  gern  begütigen  möchte  u.  dieser 
sich  begütigen  läßt.  (Wird  also  der  Versuch  der  Begütigung  nicht  gemacht,  so  darf 
u.  soll  der  rechte  Gelehrtenschüler,  auch  wenn  er  das  Unrecht  schweigend  hinnimmt, 
doch  in  seinem  Innern  dem  Beleidiger  die  erlittene  Unbill  nachtragen.)  i|  SLv  19,  18 
(352^):  (Lv  19,  18:)  „Du  sollst  nicht  Rache  ausüben  noch  Zorn  nachtragen  gegenüber 
den  Söhnen  deines  Volkes",  wohl  aber  darfst  du  andren  gegenüber  z"i-s5  Rache  aus- 
üben u.  Zorn  nachtragen. 

C.  P^'s  llo'^:  R.  Sch^muel  b.  Jicchaq  (um  300)  hat  gesagt,  Rab  (t  247)  habe  ge- 
sagt: Es  ist  erlaubt,  einen  solchen  (den  man  als  einziger  Zeuge  bei  einer  bösen  Tat 
beobachtet  hat)  zu  hassen.  .  .  .  Rab  Nachman  b.  Ji9chaq  if  356)  hat  gesagt:  Es  ist 
Pflicht  einen  solchen  zu  hassen;  denn  es  heißt:  „Die  Furcht  Jahves  ist  Hassen  des 
Bösen"  Spr  8,  13. 

3.  Wie  es  tatsächlich  um  die  Unsitte  des  Hasses  im  jüdischen  Volk 
stand,  zeigen  folgende  Stellen. 

Joma  9^:  R.  Jochanan  b.  Tortha  (um  110)  hat  gesagt:  Warum  ist  (das  Heiligtum 
von)  Schilo  zerstört  worden?  Weil  sich  zweierlei  darin  fand:  Unzucht  u.  Verachtung 
des  Heiligen,  s.  1  Sm  2,  22.  15 — 17.  .  .  .  Warum  ist  das  erste  Heiligtum  (Tempel 
Salomos)  zerstört  worden?  Weil  sich  dreierlei  dort  fand:  Götzendienst,  Unzucht  u. 
Blutvergießen,  s.  Jes  28,  20:  „Zu  kuiz  ist  das  Bett  (im  Sinn  des  Midrasch:  für  Gott 
u.  die  Götzen),  um  sich  zu  strecken";  Jes  3,  16  (Unzucht)  u.  2  Kg  21,  16  (Blutvergießen). 
Aber  warum  ist  das  zweite  Heiligtum  (Tempel  des  Herodes)  zerstört  worden,  in 
welchem  man  sich  doch  mit  dem  Studium  der  Tora  u.  mit  der  Erfüllung  der  Gebote 
u.  mit  der  Erweisung  von  Liebeswerken  beschäftigt  hat?  Weil  sich  darin  grundloses 
Hassen  vorfand,  um  dich  zu  lehren,  daß  grundloser  Haß  so  schwer  wiegt  wie  jene 
drei  Sünden  des  Götzendienstes,  der  Unzucht  u.  des  Blutvergießens.  —  In  TiVL'  n  13,  22 
(533)  lautet  die  Grundangabe  für  die  Zerstörung  des  zweiten  Tempels:  „Weil  man 
den  Mammon  liebte  u.  weil  einer  den  andren  haßte."  Weitere  Parallelstellen:  pJoma 
1,  38 c,  4y;  NuR  7  (148'^).  ||  P^s  49'^  Bar:  Man  heirate  nicht  die  Tochter  eines  Gesetzes- 
unkundigen (fAm  ha-are9);  denn  diese  sind  ein  Greuel  u.  ihre  Weiber  kriechen- 
des Gewürm  u.  über  ihre  Töchter  heißt  es:  „Verflucht,  wer  bei  irgend  einem  Vieh 
liegt"  Dt  27,  21.  Bar:  Rabbi  sagte:  Dem  ?Am  ha-are^  ist  es  verboten,  Fleisch  von 
einem  Tier  zu  essen;  denn  es  heißt:  „Dies  ist  das  Gesetz,  ni-r,  über  das  Vieh  u.  das 
Geflügel"*  Lvll,46.  Wer  sich  mit  der  Tora  beschäftigt,  darf  Fleisch  von  Vieh  u.  Ge- 
flügel essen;  wer  sich  aber  nicht  mit  der  Tora  beschäftigt,  dem  ist  es  verboten,  Fleisch 
von  Vieh  u.  Geflügel  zu  essen.  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Einem  fAm  ha-are^ 
darf  man  an  einem  Versöhnungstage,  der  auf  einen  Sabbat  fällt  (also  selbst  an  einem 
hochheiligen  Tagej  durchbohren  (i-:,  auf  nichtrituelle  Weise  töten,  im  Gegensatz  zum 
rituellen  Schlachten  t;-r).  Da  antworteten  ihm  seine  Schüler:  Rabbi,  sage:  Man  darf 
ihn  schlachten  ('j-r-i-)!  Er  antwortete:  Dieses  (das  tni)  verpflichtet  zu  einem  Lob- 
spruch, jenes  aber  (das  i-:)  nicht!  (also  verdient  letzteres  beim  fAm  ha-are?  den 
Vorzug).  R.  Elfazar  hat  gesagt:  Von  einem  ?Am  ha-are^  darf  man  kein  Geleit  auf 
der  Reise  annehmen;  denn  es  heißt:  „Denn  das  (das  Beobachten  der  Tora)  ist  dein 
Leben  u.  die  Länge  deiner  Tage"  Dt  30,  20;  sein  eignes  Leben  schont  er  (der  fAm 
ha-are9)  nicht  lindem  er  nicht  auf  die  Tora,  die  sein  Leben  ist,  achtet),  um  wieviel 
weniger  wird  er  das  Leben  eines  andren  schonen.  R.  Sch'muel  b.  Nachman  (um  260). 
hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279;  ob  nicht  R.  Jonathan  zu  lesen  sein  wird?)  habe  ge- 
sagt: Es  ist  erlaubt,  einen  fAm  ha-arep  zu  zerreißen  wie  einen  Fisch.  .  .  .  Bar: 
R.  fAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Als  ich  ein  fAm  ha-are^  war,'  habe  ich  gedacht: 
Wenn  mir  doch  ein  Gelehrtenschüler  in  meine  Hände  käme,  ich  wollte  wie  ein  Esel 
ihn  beißen!  Seine  Schüler  sagten:  Rabbi,  sage:  Wie  ein  Hund.    Er  antwortete:  Jener 

^  Nach  Aboth  RNathan  6  begann  fAqiba  erst  im  Alter  von  40  Jahren  mit  dem 
Torastudium;  bis  dahin  war  er  Viehhirt  gewesen. 


Matth  5,  43  (Nr.  3)  367 

beißt  u.  zerbricht  die  Knochen,  dieser  beißt  u.  zerbricht  nicht  die  Knochen.  Bar: 
R.  Meir  (um  150)  pflegte  zu  sagen:  Wer  seine  Tochter  an  einen  fAm  ha-are^  ver- 
heiratet, der  ist  wie  einer,  der  sie  fesselt  u.  vor  einem  Löwen  liegen  läßt:  wie  der 
Löwe  zertritt  u.  frißt  ohne  Scham,  so  schlägt  auch  der  ?Am  ha-areQ  (seine  Frau) 
u.  wohnt  ihr  bei  ohne  Schani.  Bar:  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Wenn  sie  uns  nicht 
nötig  hätten  im  Handel  u.  Wandel,  würden  sie  uns  totschlagen.  R.  Chijja  (um  2U0) 
hat  gelehrt:  Wer  sich  mit  der  Tora  in  Gegenwart  eines  f  Am  ha-are^  beschäftigt,  der 
ist  wie  einer,  der  seiner  Verlobten  in  dessen  Gegenwart  beiwohnt;  denn  es  heißt 
Dt  3o,  4:  ,Die  Tora  trug  uns  Mose  auf  als  eine  Verlobte"  (so  der  Midr);  lies  nicht 
-ri-tt,  als  Erbteil,  sondern  rc-i's»;,  als  Verlobte,  vgl.  S.  ;:562;'.  Größer  ist  der  Haß,  mit 
welchem  die  ?Amme  ha-are^.  die  Gelehrtenschüler  hassen,  als  der  Haß,  mit  welchem 
die  Götzendiener  die  Israeliten  hassen,  u.  ihre  Frauen  hassen  noch  mehr  als  sie.  Es 
ist  gelehrt  worden:  Wer  erst  studiert  hat  u.  sich  dann  absondert  (von  den  Gelehrten), 
der  ist  der  schlimmste  von  allen.  ||  P'^'sllS''  Bar:  Drei  hassen  einander:  die  Hunde, 
die  Hähne  u.  die  Geber  (l""2~,  die  persischen  Feueranbeter.  Auffallend  ist,  daß  die 
Geber  in  einer  Bar  erwähnt  werden;  das  Wort  könnte  auch  t":^-. gelesen  werden  u. 
die  , Genossen"  des  Pharisäerbundes  bezeichnen);  einige  fügen  noch  die  Buhldirnen 
hinzu,  andre  auch  die  Gelehrtenscliüler  in  Babylonien.  ||  M'n  100":  (Mit  Bezug  auf 
die  Mischna  11,7:  ,Wenn  der  Versöhnungstag  auf  den  Rüsttag  des  Sabbats  (=  Freitag) 
fällt,  wird  der  Bock  des  Veis.tages  (von  den  Priestern)  am  Abend  gegessen;  die 
Babylonier  aßen  nämlich  das  Fleisch  roh,  ohne  sich  davor  zu  ekeln"  —  heißt  es:) 
Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  '280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Damit 
sind  nicht  die  Babylonier,  sondern  die  Alexandriner  gemeint;  aber  weil  man  (die 
palästin.  Gelehrten)  die  Babylonier  haßte,  nannten  sie  sie  (die  Alexandriner)  nach  dem 
Namen  der  Babylonier.  Die  Bar  lautet  ebenso:  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  hat 
gesagt:  Nicht  die  Babylonier  sind  damit  gemeint,  sondern  die  Alexandriner;  aber  weil 
man  die  Babylonier  haßte,  nannte  man  sie  nach  dem  Namen  der  Babylonier.  Da 
sprach  R.  J'^huda  (um  150)  zu  ilim:  Möge  dein  Sinn  Befriedigung  finden;  denn  du 
hast  dem  meinigen  Befriedigung  bereitet!  il  Jonia  9'':  Als  Resch  Laqisch  (um  250)  im 
Jordan  badete,  kam  Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  2)^0)  u.  reichte  ihm  die  Hand.  Er  aber 
sprach  zu  ihm:  Bei  Gott!  ich  hasse  euch  (Babylonier);  denn  es  heißt:  „Ist  sie  (die 
kleine  Schwester  Vers  8)  eine  Mauer,  so  bauen  wir  einen  silbernen  Kranz  auf  sie;  ist 
sie  aber  eine  Tür,  so  verschließen  wir  sie  mit  einem  Zedernbiett"  HL  8,  9.  Wenn 
ihr  (Babylonier)  euch  selbst  zu  einer  Mauer  gemacht  hättet  u.  wäret  alle  in  den 
Tagen  Esras  heraufgezogen  (von  Babylonien  nach  Palästina^  so  würdet  ihr  dem  Silber 
gleichen,  über  das  der  Moder  nicht  Gewalt  gewinnt;  jetzt  aber,  da  ihr  heraufgezogen 
seid  wie  Türen  (in  winziger  Zahl,  nicht  in  kompakten  Massen),  seid  ihr  der  Zeder 
gleich,  über  die  der  Moder  Gewalt  hat.  (Hier  hat  der  Haß  gegen  die  Babylonier  einen 
religiösen  Hintergrund.)  ||  TSchab  13,  5  (1-^9):  Die  Evangelien  u.  die  Schriften  der 
Häretiker  (Minim,  hier  Judenchristen)  rettet  man  nicht,  sondern  läßt  sie  verbrennen 
da,  wo  sie  sich  befinden,  samt  den  darin  stehenden  Gottesnamen.  ...  R.  Tarphon 
(um  lOOl  hat  gesagt:  Ich  will  meine  Kinder  verlieren,  wenn  ich  diese  Schriften  nicht 
samt  ihren  Gottesnamen  verbrenne,  falls  sie  in  meine  Hände  kommen;  wenn  ein 
Verfolger  mich  verfolgte,  würde  ich  in  einen  Götzentempel  eintreten,  aber  nicht  in 
deren  ider  Minim)  Häuser;  denn  die  Götzendiener  kennen  ihn  (den  wahren  Gott)  nicht 
u.  verleugnen  ihn;  diese  aber  kennen  ihn  u.  verleugnen  ihn;  über  sie  sagt  die  Schrift: 
, Hinter  der  Tür  u.  dem  Pfosten  brachtest  du  an  deinen  Gedenkspruch,  vor  mir  weg 
hast  du  dich  entblößt  u.  das  Lager  bestiegen"  Jes  57,  8.  R.  .lischmafel  (f  um  135) 
hat  gesagt:  Wenn,  um  Frieden  zwischen  Mann  u.  Weib  zu  stiften,  die  Schrift  sagt: 
„Mein  (Gottes)  Name,  der  in  Heiligkeit  geschrieben  ist,  soll  ausgewischt  werden  in 
das  Wasser"  (vgl.  Nu  5,  23)  —  um  wieviel  mehr  gilt  es  dann  von  den  Schriften  der 
Häretiker,  die  Feindschaft,  Eifer  u.  Streit  zwischen  Israel  u.  ihrem  Vater  im  Himmel 
stiften,  daß  sie  samt  ihren  Gottesnamen  beseitigt  werden  dürfen.  In  bezug  auf  sie 
sagt  die  Schrift:  „Sollte  ich  denn  nicht  hassen,  die  dich  hassen,  Jahve,  nicht  die  sich 


368  Matth  5, 43  (Nr.  4).  5,  44  (51) 

wider  dich  erheben  verabscheuen?  Mit  vollendetem  Haß  hasse  ich  sie,  zu  Feinden 
sind  sie  mir  geworden"  Ps  189,  21  f.  Parallelstellen:  SNu  5,  23  §  16  (6^);  pSchab 
16.  5S  44;  bSchab  116^  NuR  9  (155 '^j,  hier  R.  fAqiba  Autor  statt  R.  Jischma?el. 

4.  Zur  ganzen  Sentenz:  „Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  u.  deinen 
Feind  hassen"  vgl.  das  als  Rüge  gemeinte,  den  König  David  strafende 
Wort  2  Sm  19, 7:  ^.Indern  du  deine  Hasser  (Feinde)  liebst  u.  deine  Freunde 
hassest."  Dies  Bibelwort  wird  zitiert  pM^g  3,  Ti»,  42:  R.  Jirm'^ja  (um 
320)  sandte  ein  Schreiben  an  den  Patriarchen  R.  Judan  (IIL):  „Indem 
du  hassest  deine  Freunde  u.  indem  du  liebst  deine  Hasser  (Feinde)."  — 
Die  Umstellung  der  Worte  im  Zitat  hat  ihren  besonderen  Grund:  es 
sollen  dadurch  die  gesamten  6  hebräischen  Worte  aufhören,  ein  eigent- 
liches Zitat  zu  sein,  so  daß  R.  Jirm<^ja  so  der  Vorschrift  nachkommt, 
nicht  mehr  als  3  Bibelworte  unliniiert  zu  schreiben.  Inhaltlich  ist  aber 
auch  hier  das  Zitat  als  eine  Rüge  gemeint:  nicht  den  Freund  soll  man 
hassen  u.  den  Feind  lieben;  das  umgekehrte  Verhalten,  weil  allein  der  all- 
gemeinen Anschauung  entsprechend,  sei  das  Richtige :  liebe  deine  Freunde 
u.  hasse  deine  Feinde!  Das  ist  dieselbe  Maxime,  die  wir  Mt  5,  43  lesen. 

5,44  31:  Ich  aber  sage  euch:  Liebet  eure  Feinde. 
Das  Gebot  der  Feindesliebe  klingt  bereits  im  AT  an,  nämlich  Ex 
23,  4  f.,  indem  hier  gefordert  wird,  daß  der  Israelit  seinem  Feinde  in 
einer  bestimmten  Notlage  Beistand  leiste.  Schon  in  den  ältesten  Aus-' 
legungen  hat  diese  Bestimmung  dazu  beigetragen,  den  Blick  des  Israe- 
liten in  bezug  auf  den  in  ihr  geforderten  Liebesdienst  auch  auf  den 
Nichtisraeliten,  den  „Feind"  schlechthin,  zu  lenken. a  —  Den  Zweck 
des  Gebotes  hat  man  in  der  Niederhaltung  des  bösen  Triebes,^  in  der 
Besiegung  des  eignen  feindseligen  Sinnes  gefunden.  —  Als  Frucht  der 
Erfüllung  wird  Friede  u.  Freundschaft  unter  den  Menschen  hervor- 
gehoben, c  so  daß  als  Held  gefeiert  wird  der,  der  aus  einem  Feinde 
einen  Freund  zu  machen  weiß.d  —  Zur  klaren  positiven  Formulierung 
eines  allgemeinen  Satzes,  wie:  „Liebet  eure  Feinde",  hat  Ex  23,  4  f. 
in  der  alten  Synagoge  nicht  geführte  Man  hielt  sich  auf  der  Linie 
der  Negative:  Freue  dich  nicht  über  das  Unglück  deines  Feindes*  u. 
vergilt  nicht  Böses  mit  Bösem,  g 

'  a.  M'-'kh  Ex  23,  4(104'^):  ,Das  Rind  deines  Feindes"  -a-is  Ex  23,  4,  damit  ist 
der  Goi  gemeint,  der  Götzendiener;  das  sind  Worte  des  R.  Joschijja  (I.,  um  14U).  Ebenso 
finden  wir,  daß  die  Götzendiener  überall  Feinde  =-3"s  Israels  genannt  werden,  s.  Dt23, 10; 
21,  10.  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Von  dem  Proselyten,  der  in  seine  alte  Art  zurück- 
fällt, redet  die  Schrift  (mit  dem  Wort  „Feind");  R.  Ji^chaq  (I.,  um  150)  hat  gesagt: 
Von  dem  abtrünnigen  Israeliten  redet  die  Schrift;  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  Vom 
Israeliten  selbst.  Aber  warum  redet  dann  die  Schrift  von  deinen  „Feinden"  "i-a-is 
(u.  nicht,  wie  Vers  5,  von  „deinem  Hasser"  sri),  Feind  im  bürgerlichen  SinnI?  Wenn 
er  nämlich  deinen  Sohn  schlägt  oder  wenn  er  mit  dir  Streit  hat,  wird  er  vorüber- 
gehend ein  Feind  z-i«.  —  Die  Meinung  des  R.  Nathan  war  vermutlich  die  allgemein 
anerkannte:  wenigstens  wird  von  dem  N:i3  Ex  23,5  ausdrücklich  gesagt,  daß  damit 
ein  Hasser  aus  Israel,  nicht  ein  Hasser  aus  den  Völkern  der  Welt  gemeint  sei.  TBM 
2,  26  f.  (375):  Der  Hasser  s:io,  von  dem  Ex  23,  5  redet,  ist  ein  Hasser  aus  Israel,  nicht 


Mättli  5,  44  (31)  369 

ein  Hasser  unter  den  Völkern  (=  Nichtisraelit).  Sieht  er  den  Eisel  eines  Goi,  so  ist 
er  verpflichtet:  sich  mit  ihm  zu  befassen,  wie  er  sich  mit  dem  eines  Israeliten  befaßt ; 
ist  er  aber  mit  (heidnischem)  Trankopferwein  beladen,  so  darf  er  sich  nicht  mit  ihm 
befassen.  —  Der  Anfang  als  BarBMB^»^;  P'-s  ll:Hb. 

b.  SDt22,  1  §222(115-''):  „Das  Rind  deines  Bruders"  Dt22,  l.  Da  höre  ich  nur 
vom  Rind  deines  , Bruders";  woher,  daß  es  auch  vom  Rind  deines  „Feindes"  gilt? 
Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Das  Rind  deines  Feindes"  Ex  23,  4,  also  ganz  allgemein. 
Wenn  dem  so  ist,  warum  heißt  es  „deines  Bruders"?  Das  lehrt,  daß  die  Tora  nur 
gegen  den  bösen  Trieb  redet  (indem  sie  befiehlt,  dem  Feinde  nicht  minder  als  dem 
Bruder  hilfreich  zu  sein).  —  Dasselbe  SDt22,  4  §225(115=').  -  In  BMo2b(2mali:  „um 
den  bösen  Trieb  zu  beugen".  ||  TBM  2,26  (875):  Hat  sein  Freund  aufzuladen  u.  sein 
Feind  abzuladen,  so  ist  es  Vorschrift,  mit  dem  Feinde  abzuladen  (dieser  geht  also  in 
diesem  Fall  dem  Freund  vor),  um  sein  Herz  (seinen  bösen  Trieb)  zu  zerbrechen. 

C.  TanchB  c-j-rr^:  §  1  (40b):  R.  Alexandrai  (um  270i  hat  gesagt:  Zwei  Eseltreiber 
zogen  auf  einem  Weg  dahin,  u.  beide  waren  Feinde  untereinander.  Da  streckte  sich 
der  Esel  des  einen  von  ihnen  nieder;  der  andre  sah  es  u.  zog  vorbei.  Als  er  vorüber- 
gezogen war,  sprach  er:  In  der  Tora  steht  geschrieben:  „Wenn  du  siehst,  wie  der 
Esel  deines  Hassers  erliegt  .  .  .,  so  sollst  du  mit  ihm  losmachen"  Ex  2>,  5.  Sofort 
kehrte  er  um  u.  lud  mit  ihm  auf.  Da  fing  der  andre  an  bei  sich  selbst  zu  sagen:  So 
sehr  hat  dieser  NN  mich  geliebt,  u.  ich  habe  es  nicht  gewußt!  Dann  gingen  sie  in 
die  Herberge  u.  aßen  u.  tranken.  Was  war  die  Ursache,  daß  sie  Frieden  machten? 
Weil  der  eine  Einblick  in  die  Tora  hatte.  —  Dasselbe  mit  Erweiterungen  Tanch 
^'•^t-^  9P';  Midr  Ps  99  §  3  (212='). 

d.  Aboth  RN  23:  Wer  ist  der  größte  Held?  .  .  .  Der,  welcher  seinen  Feind  zu  seinem 
Freunde  macht. 

e.  Ebensowenig  wie  Ex  23,  4  f.  hat  Spr  25,  21  f. :  „Wenn  deinen' Feind  hungert,  so 
speise  ihn"  usw.,  die  alte  Synagoge  veranlaßt,  die  Forderung  der  Feindesliebe  prinzipiell 
auszusprechen.  Abgesehen  von  zwei  ziemlich  belanglosen  Auslegungen,  die  Spr  25,  21  f. 
wörtlich  fassen,  ist  die  Stelle  durchgängig  allegorisch  gedeutet  worden:  der  Feind  ist 
der  böse  Trieb,  der  durch  das  Brot  u.  das  Wasser  der  Tora  zum  Schweigen  gebracht 
werden  soll.    Die  Belege  s.  bei  Rom  12,  2U. 

/.  Aboth  4,  19:  Scli'^muel  der  Kleine  (um  100)  pflegte  zu  sagen  (Spr  24,  17  f.): 
„Wenn  dein  Feind  fällt,  freue  dich  nicht,  u.  wenn  er  strauchelt,  juble  dein  Herz  nicht" 
[damit  nicht  Jahve  es  sehe  u.  Mißfallen  empfinde  u.  von  ihm  wegnehme  seinen  Zorn],  Die 
Worte  in  der  eckigen  Klammer  (=  Spr  24,  18)  fehlen  in  den  besten  Kodizes.  Jeden- 
falls besteht  der  Wahlspruch  nur  aus  einer  Schriftstelie.  Das  ist  etwas  ganz  Singuläres. 
Es  hat  darum  die  Vermutung  mancherlei  für  sich,  daß  die  Anfangsworte:  i-pn  Vxi'sa 
•lais  durch  falsche  Auflösung  der  ursprünglich  gelesenen  Abbreviatur  ü"~-a  =  -^r;-i> 
-• 5-s  2T2-,  „denn  siehe,  die  Schrift  sagt",  entstanden  u.  in  den  Text  gekommen  seien. 
In  diesem  Falle  würde  Spr  24,  17  f.  als  Beleg  zu  dem  vorhergehenden  Ausspiuch  des 
R.  Schimfon  b.  Ehazar  gehören;  s.  Bacher,  Tann*  l,  370.  ||  Midr  Ps  7  §  3  (32  bj:  R.  Acha 
(um  320)  hat  gesagt:  .  .  .  Weil  David  über  den  Fall  Sauls  ein  Lied  gesungen  hat  (näm- 
lich Ps7).  während  es  doch  heißt:  „Wenn  dein  Feind  fällt;  freue  dich  nicht"  Spr  24,  17, 
sprach  Gott  zu  David:  Wenn  Sauls  Gestirn  das  deine  u.  dein  Gestirn  das  seine  ge- 
wesen wäre,  wieviel  Leute  wie  David  hätte  ich  vor  ihm  lassen  umkommen!  |I  M"g  16*: 
Haman  sprach  zu  Mardokhai:  Steige  hinauf  (auf  das  Reitpferd)  u.  reite.  Er  antwortete 
ihm:  Ich  vermag  es  nicht;  denn  meine  Kraft  ist  seit  den  Tagen  des  Fastens  geschwächt. 
Da  bückte  sich  Haman,  u.  Mardokhai  stieg  hinauf.  Beim  Hinaufsteigen  aber  versetzte 
er  ihm  einen  Fußtritt.  Haman  sprach:  Steht  nicht  für  euch  geschrieben:  „Wenn  dein 
Feind  fällt,  freue  dich  nicht"  Spr  24,  17?  Er  antwortete  ihm:  Diese  Worte  gelten  einem 
Israeliten  gegenüber,  aber  über  euch  heißt  es:  „Deine  Feinde  müssen  dir  schmeicheln 
u.  du  trittst  auf  ihre  Höhen"  Dt  33,  29.  ||  Wie  es  im  gewöhnlichen  Leben  um  die  Be- 
obachtung von  Spr  24,  17  stand,  zeigt  drastisch  B'rakh  55b:  Wenn  Raba  (f  :-!52)  krank 
war;,  ließ  er  es  am  ersten  Tage  nicht  bekannt  werden;  von  da  an  u.  weiter  aber  sagte 

Strack  u.Billerbeuk,  NT  I.  24 


370  Matth  5,  44  (31.  SB) 

er  zu  seinem  Diener:  Geh  hinaus  u.  mache  bekannt:  Raba  ist  krank;  wer  mich  lieb 
hat,  bete  für  mich  um  Erbarmen;  wer  ihn  aber  halk,  der  freue  sicli  über  ihn,  s.  8pr 
24,  17  f.    -  Ähnlich  N  d4U^,  Ferner  s.  Sanh  :^9 '' bei  Mt  5,45  S.  37  !;'. 

g.  Schab  88"  Bar:  Die  sich  demütigen  lassen,  ohne  wieder  zu  demütigen  usw.,  3. 
S.  342«.  —  BQ  y3^:  Immer  gehöre  der  Mensch  zu  den  Verfolgten  u.  nicht  zu  den  Ver- 
folgern usw.,  s.  S.  342«.  —  Derekh  Ere9  Zuta  1 :  Reden  andre  Schlechtes  über  dich,  sa 
antworte  ihnen  nicht  usw.  u.  Sanh7'':  Wohl  dem,  der  (seine  Schmähungen)  hört  u. 
schweigt,  s.  S.23Uy.  |i  Sanh  48 ^':  Rab  J  huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  if  .^47)  habe  ge- 
sagt: Das  ist  es,  was  die  Leute  zu  sagen  pflegen:  Sei  lieber  lunschuldigi  verflucht^ 
wj^-,  aber  nicht  fluchend,  SwS-.  |i  GuR  ;S8  (2o'M:  R.  Jochanan  »f  279|  begann  seinen  Vor- 
trag mit:  ,Wer  Böses  für  Gutes  vergilt,  aus  dessen  Hause  wird  das  Böse  nicht  weichen" 
Spr  17,  13.  R.  Jochanan  hat  gesauit:  Wenn  dir  dein  Nächster  mit  Linsen  zuvorkommt, 
komme  du  ihm  mit  Fleisch  zuvor;  denn  er  hat  dir  zuerst  eine  Liebe  erwiesen.  R.  Schim^on 
b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Nicht  dies  allein:  ,Wer  Böses  für  Gutes  vergilt",  sondern 
auch:  Wer  Böses  für  Böses  vergilt,  aus  dessen  Hause  wird  das  Böse  nicht  weichen. 
R.  Alexandrai  (um  270j  hat  gesagt:  Wer  Böses  vergilt,  statt  Gutes  zu  erweisen;  denn 
die  Tora  sagt:  , Falls  du  deines  Hassers  Esel  unter  seiner  Last  erliegen  siehst" 
Ex2:->,5.  l!  MidrPs41  §8(131"):  ,Du  aber,  Jahve,  sei  mir  gnädig  u.  hilf  mir  wieder  auf, 
so  will  ich  ihnen  vergelten'  Ps41, 11.  Aber  es  heißt  doch:  »-"^age  nicht:  ,lch  will  Böses- 
vergelten';  harre  auf  Jahve,  daß  er  dir  helfe!"  Spr  20.  22.  Es  ist  so  gemeint:  Ich  will 
ihnen  Gutes  für  Böses  vergelten;  dann  wird  Gott  sie  strafen.  j|  Midr  Ps  IH  §  1 1  (62-'):  Wer 
seine  Verfluchung  schweigend  mit  anhört,  wird  ein  Frommer  genannt,  s.  S.  23U ;'.  Sanh  105'' : 
Ein  Sektierer  (Min,  hier  wohl  Judenchrist)  wohnte  in  der  Nachbarschaft  des  R.  J'^'ho- 
schuaf  b.  Levi  (um  2.")(i),  der  ihm  Verdruß  bereitete.  Eines  Tages  nahm  R.  J'hoschua? 
b.  L.  emen  Hahn,  band  ihn  an  einen  Bettfuß  u.  legte  sicii  dann  nieder.  Er  sprach: 
Wenn  diese  Zeit  kommt  (nämlich  die  ersten  drei  Tagesstunden,  in  denen  der  Kamm 
eines  Hahnes  weiß  wird  u.  in  denen  Gott  den  Bösen  zürnt!,  dann  will  ich  ihn  (den 
Sektierer)  verfluchen  (damit  Gott  ihm  zürne).  Als  aber  die  Stunde  kam,  war  er  ein- 
geschlafen. Da  sprach  er:  Ich  entnehme  hieraus,  daß  das  Verfluchen  nicht  der  guten 
Sitte  entspricht,  vgl.  Spr  17,  2ti:  „Auch  das  Strafen  steht  dem  Gerechten  nicht  gut  an" 
(so  der  Midr);  selbst  einem  Sektierer  gegenüber  soll  man  nicht  fluchen.  —  Dasselbe 
B«rakh  7^  (mit  Hinweis  noch  auf  Ps  145, 9i;  fAZ4''.  |i  Git7'':  Mar  fUqba  (11.,  Exilarch, 
um  270)  sandte  die  Anfrage  an  R.  Elfazar  (b.  P'^dath,  um  270):  Leute  treten  wider 
mich  auf,  die  der  Regierung  auszuliefern  in  meiner  Macht  steht;  was  soll  ich  tun? 
Dieser  liniierte  ein  Blatt  Papier  u.  schrieb  ihm  iPs39,  2):  ,lch  sprach:  Bewahren  will 
ich  meine  Wege,  daß  ich  nicht  mit  meiner  Zunge'  sündige,  bewahren  will  ich  meinen 
Mund  mit  einem  Zaum  (Maulkorbi,  solange  der  Gottlose  vor  mir  ist",  d.  h.  auch  wenn 
der  Gottlose  mir  gegenüber  (d.  h.  in  meiner  Gewalti  ist,  will  ich  meinen  Mund  mit 
einem  Zaum  bewahren.  —  Abermals  sandte  er  ihm  die  Botsciiaft:  sie  bereiten  mir 
viel  Verdruß,  so  daß  ich  gegen  sie  nicht  bestehn  kann.  Er  sandte  ihm  die  Autwort: 
,Sei  stille  vor  Jahve  u.  warte  auf  ihn"  '■•>  z-ii-.rr:'  Ps37,7,  d.  h.  er  wird  sie  dir  nieder- 
stürzen wie  Durchbohrte  haufenweise  a'VVrr  c-'sr-  --  =--£". 

5,44  58:  Bittet  für  die,  die  euch  verfolgen. 

B'Yakh  10*:  In  der  Nachbarschaft  des  R.  Meir  (um  150)  wohnten  rohe  Menschen^ 
die  ihm  viel  Verdruß  bereiteten.  Da  betete  er  ihretwegen,  daß  sie  sterben  möchten. 
B  rurja  aber,  sein  Weib,  sprach  zu  ihm:  Was  kommt  dir  in  den  Sinn,  da  es  doch 
heißt:  „Vertilgt  werden  mögen  =-s--  von  der  Erde"  Ps  104,35?  Steht  denn  geschrieben 
n-Nt3--,  die  „Sünder"  mö;;en  vertilgt  werden?  =-s-jn,  die  „Sünden"  steht  gesclirieben. 
Und  dann  blicke  noch  hin  auf  den  Schluß  der  Stelle:  „So  werden  Frevler  nicht  mehr 
sein."  Wenn  die  Sünden  vertilgt  sind,  dann  sind  auch  keine  Frevler  mehr.  Vielmehr 
also  bete  für  sie,  daß  sie  umkehren  in  Buße,  dann  werden  sie  keine  Frevler  mehr  sein. 
Da  betete  er  für  sie,  u.  sie  kehrten  in  Buße  um.  —  Midr  Ps  1»  4  §27  (224'')  steht  für 
„rohe  Menschen":  „ein  Sektierer,  der  ihn  mit  Schriftworten  quälte".  ||  Sanh  37":  In  der 


Matth  5,  44  (SB).  5,  45  («)  371 

Nachbarschaft  des  R.  Z'^fira  (um  300)  wohnten  rohe  Menschen,  denen  er  sich  zu  nähern 
suchte,  damit  sie  in  Buße  umkehrten;  die  Rabbinen  aber  waren  darüber  unwillig.  Als 
die  Seele  des  R.  Z'^'fira  zur  Ruhe  einge£;angen  war,  sagten  jene:  Bis  jetzt  ist  es  der 
Versengte  mit  den  kurzen  Schenkeln'  gewesen,  der  für  uns  um  Erbarmen  gefleht  hat; 
wer  wird  nun  für  uns  beten?  Das  ging  ihnen  zu  Herzen,  u.  s-ie  taten  Buße.  il  Midr  Ps  41 
§8(lol"):  , Daran  erkenne  ich,  daß  du  Gefallen  au  mir  hast,  daß  mein  Feind  nicht' 
über  mich  jauchzen  darf  Ps41,  12.  David  sprach  zu  Gott:  Herr  der  Welten,  du  mögest 
ihnen  Böses  vergelten,  denn  sie  sind  undankbar  gegen  mich;  denn  „ich,  wenn  sie 
krank  waren,  ließ  einen  Sack  mein  Kleid  seiu"  (Ps35,  13),  wenn  sie  krank  waren,  ver- 
hüllte ich  mich  mit  einem  Sack  u.  betete  für  sie,  u.  wenn  ich  krank  war,  beteten  sie 
meinetwegen,  daß  ich  sterben  möchte.  Gott  sprach  zu  David:  Wer  weiß,  wie  es  sich 
mit  dem  Sack  verhält!  Vielleicht  betest  du  ihretwegen,  daß  sie  sterben  möchten!  Er 
antwortete  ihm:  Wenn  dem  so  ist,  so  möge  alles,  was  ich  bitten  werde,  über  mich 
kommen,  wie  es  heißt:  „Mein  Gebet  möge  auf  meinen  Busen  zurückkommen!"  (Ps35, 13). 

5,45  5t:  Auf  daß  ihr  Kinder  werdet  eures  Vaters  im  Himmel, 

Mehrfach  kehrt  der  Gedanke  wieder,  daß  das  Kindesverhältnis a  zu 

Gott  Israel  zum  Wandel  nach  Gottes  Vorbild  verpflichte. b  Allerdings 

fehlt  es  auch  nicht  an  mißbräuchlicher  Verwendung  dieses  Grundsatzes. c 

a.  Die  Israeliten  heißen  „Kinder  Gottes".  ||  Aboth  M,  14:  R.  fAqiba  (t  um  135) 
sagte:  .  .  .  Geliebt  (von  Gott)  siad  die  Israeliten,  weil  sie  Kinder  (Gottes)  genannt 
werden;  eine  größere  Liebe  aber  liegt  darin,  daß  es  ihnen  kundgetan  worden  ist,  daß 
sie  Gottes  Kinder  heißen,  s.  „Ihr  seid  Söhne  Jahves,  eures  Gottes"  Dt  14,  1.  ||  Qid  36* 
Bar:  „Ihr  seid  Söhne  Jahves,  eures  Gottes"  Dt  14,  1.  Wenn  ihr  euch  wie  Kinder 
betragt,  werdet  ihr  K.  genannt;  wenn  ihr  euch  aber  nicht  wie  Kinder  betragt,  werdet 
ihr  nicht  K.  genannt.  Das  sind  Worte  des  R.  J'huda  (um  150).  R.  Meir  (um  150)  hat 
gesagt:  Ob  so  oder  so,  ihr  werdet  Kinder  genannt;  s.  Jer4,  22:  Einfältige  Kinder 
sind  sie  u.  unverständig  sind  sie  (also  obwohl  einfältig  u.  unverständig,  dennoch 
„Kinder";  ebenso  in  den  folgenden  Beweisstellen).  Ferner  (Dt 32, 20):  „Kinder,  auf  die 
kein  Verlaß";  (Jes  1,  4l:  „Die  heillosen  Söhne";  (Hos  2,  1):  „Anstatt  daß  man  zu 
ihnen  sagte:  ,Nicht  mein  Volk  seid  ihr',  wird  man  sie  heißen  , Söhne  des  lebendigen 
Gottes'."  —  Die  Bar  findet  sich  in  SDt  14,  1  §  y«J  (94a);  SDt  32,  5  §308  (133^); 
SDt  32,  19  §320  (137ai.  ,j  BB  10":  R.  ?Aqiba,  f  ui»  135,  sagte  zu  dem  Tyrannen  Rufus 
(Tinejiis  Rufus  war  beim  Ausbruch  des  Hadrianischen  Krieges  lo2  n.  Chr.  Statthalter 
von  .Judäa  :  Wir  werden  Kinder  genannt,  s.  Dt  14,  1:  „Ihr  seid  Söhne  Jahves"  usw. 
Dieser  ajitwortete  ihm:  Ihr  werdet  „Kinder"  genannt,  aber  auch  „Knechte".  Wenn 
ihr  den  Willen  Gottes  tut,  heißt  ihr  Kinder;  u.  wenn  ihr  ihn  nicht  tut,  heißt  ihr 
Knechte.  IJ  DtR  7  (204"^):  „Mein  Sohn,  wenn  du  meine  Reden  annimmst"  Spr  2,  1. 
R.  J'^huda  b.  Schalnm  (um  370)  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  den  Israeliten:  Wann 
werdet  ihr  meine  Kinder  genannt?  Wenn  ihr  meine  Worte  annehmt.  Womit  läßt 
sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König,  zu  welchem  sein  Sohn  sprach:  Kennzeichne 
mich  im  Lande  gib  mir  ein  Abzeichen),  daß  ich  dein  Sohn  bin.  Sein  Vater  sprach 
zu  ihm:  Willst  du,  daß  alle  wissen,  daß  du  mein  Sohn  bist,  so  kleide  dich  in  meinen 
Purpur  u.  setze  meine  Krone  auf  dein  Haupt;  dann  werden  es  alle  wissen,  daß  du 
mein  Sohn  bist.  So  sprach  Gott  zu  den  Israeliten:  Wollt  ihr,  daß  ihr  als  meine 
Kinder  gekennzeichnet  seid,    so  beschäftigt  euch  mit  der  Tora  u.  der  Erfüllung  der 

'  BM  X5'*:  Hundert  Tage  fastete  R.  Z'^fira,  damit  das  Feuer  des  Gehinnoms  keine 
Gewalt  über  ihn  haben  möchte.  Alle  dreißig  Tage  machte  er  die  Probe  an  sich:  er 
heizte  einen  Ofen,  stieg  hinauf,  u.  setzte  sich  hinein,  u.  das  Feuer  hatte  keine  Gewalt 
über  ihn.  Eines  Tages  richteten  die  Rabbinen  (im  Zorn)  ihr  Auge  auf  ihn,  da  wurden 
seine  Schenkel  versengt,  u.  man  nannte  ihn  den  Kleinen  (der  Name  Z^ara  bedeutet 
„der  Kleine")  mit  den  versengten  Schenkeln. 

24* 


372  Mattli  5.  45  (31) 

Gebote;    so  werden  alle  sehen,    daß  ihr  meine  Kinder  seid.     Eine  andre  Erklärung: 
Wann  werdet  ihr  meine  Kinder  sein?  Wenn  ihr  meine  Worte  annehmt. 

b.  ExR  26  (87'^):  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Was  heißt  -="  (geh  hin)  Ex  17,5V 
Gott  sprach  zu  Mose:  Sei  mir  gleich;  wie  ich  Gutes  für  Böses  vergelte,  so  vergilt 
auch  du  Gutes  für  Böses;  denn  es  heißt:  „Wer  ist  ein  Gott  wie  du,  der  da  Schuld 
vergibt  u.  über  Sünde  hinweggeht"  -aiy  Mich  7,  18!  —  "^lay  also  =  vergib.  |l  M'^kh 
Ex  15,  2:  , Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich  lühmeu"  "irijs  Ex  15,  2.  Abba  Scha^ul 
(um  150)  sagte:  Wir  sollen  ihm  gleichen;  wie  er  barmherzig  u.  gnädig  ist,  so  sei 
auch  du  barmherzig  u.  gnädig.  —  Dasselbe  pPea  1,  15'',  88;  B^'rakh  13:i'\  Soph*^rim 
3  §  18;  als  Bar  Schab  183'';  hier  bemerkt  Raschi:  „Das  Wort  i— i:s<  bedeutet  sinn  -js 
=  ich  u.  er,  d.  h.  ich  will  mich  selbst  machen,  wie  er  ist,  indem  ich  seiner  Art  u. 
Weise  nachfolge."  |l  SDt  11,  22  §49  (85a):  „In  all  seinen  Wegen  zu  wandeln"  Dt  U, 22. 
Damit  ist  das  Verhalten  Gottes  gemeint  (also  „Weg  Gottes"  =  „Gottes  Art  u.  Weise"), 
s.  Ex  H4,  6:  „Jahve,  Jahve  ist  ein  barmherziger  u.  gnädiger  Gott,  langmütig  u.  reich 
an  Huld  u.  Treue,  der  Huld  bewahrt  Tausenden,  der  Unrecht  u.  Missetat  u.  Sünde 
vergibt."  Ferner  heißt  es  Joel  3,  5:  „Wer  nach  dem  Namen  Jahves  genannt  wird, 
wird  entrinnen"  (so  der  Midr).  Aber  ist  es  denn  für  den  Menschen  möglich,  nach  dem 
Namen  Jahves  genannt  zu  werden?  Es  ist  so  gemeint:  Wie  Gott  barmherzig  u.  gnädig 
genannt  wird,  so  sei  auch  du  barmherzig  u.  gnädig  u.  gib  jedermann  ohne  Entgelt. 
Wie  Gott  gerecht  genannt  wird,  s.  Psl45, 17:  „Gerecht  ist  Jahve  in  allen  seinen 
Wegen",  so  sei  auch  du  gerecht  Wie  Gott  gütig  genannt  wird,  s.  das.:  „Er  ist  gütig 
in  all  seinen  Werken",  so  sei  auch  du  gütig.  Deshalb  heißt  es:  „Wer  nach  dem  Namen 
Jahves  genannt  wird,  wird  entrinnen."  Ferner  heißt  es  Jes  42,  7  :  „Alle,  die  sich  nennen 
mit  meinem  Namen  u.  die  ich  geschaffen  zu  meiner  Ehre,  die  ich  gebildet,  ja  gemacht 
habe";  ferner  Spr  16,4:  „Alles  hat  Jahve  um  seinetwillen  gemacht"  (so  der  Midr).  |; 
SLv  19,2(342'''):  „Heilig  sollt  ihr  sein,  denn  ich  bin  heilig,  Jahve  euer  Gott"  Lv  19,2. 
„Heilig  sollt  ihr  sein",  d.  h.  abgesondert  sollt  ihr  sein.  „Denn  ich  bin  heilig,  Jahve 
euer  Gott",  d.  h.  wenn  ihr  euch  selbst  heiligt,  so  rechne  ich  euch  das  so  an,  als  ob 
ihr  mich  heiligt;  u.  wenn  ihr  euch  nicht  selbst  heiligt,  so  rechne  ich  euch  das  so  an, 
als  ob  ihr  mich  nicht  heiligt.  Oder  will  er  etwa  damit  sagen:  Nur  wenn  ihr  mich 
heiligt,  bin  ich  heilig,  u.  wenn  nicht,  dann  bin  ich  nicht  heilig?  Die  Schrift  sagt 
lehrend:  „Denn  ich  bin  heilig",  d.  h.  in  meiner  Heiligkeit  bin  ich,  ob  ihr  mich  heiligt 
oder  ob  ihr  mich  nicht  heiligt.  Abba  Schasul  (um  150)  sagte:  Eine  Familie  (Diener- 
schaft, Gefolge)  hat  ein  König;  u.  was  liegt  ihr  ob?  Dem  König  nachzueifern.  |; 
Sota  14'"':  R.  Ghama  b.  Clianina  (um  260)  hat  gesagt:  Was  heißt:  „Jahve,  eurem  Gott, 
wandelt  nach"  Dt  18,5?  Ist  es  denn  einem  Menschen  möglich,  hinter  der  Sch*^khina 
(Gottheiti  einherzuiiebn?  Ist  nicht  längst  gesagt:  „Jahve  dein  Gott  ist  ein  verzehrendes 
Feuer"  Dt  4,  24?  Allein  es  ist  so  gemeint,  daß  man  den  Eigenschaften  Gottes  nach- 
wandeln (Gottes  Tun  u.  Verhalten  nachahmen)  soll.  AVie  Gott  Nackte  gekleidet  hat, 
s.  Gn  3,21 :  „Jahve  Elohim  machte  für  Adam  u.  sein  Weib  Röcke  aus  Fell  u.  bekleidete 
sie  d^mit",  so  kleide  auch  du  Nackte.  Wie  Gott  Kranke  besucht  hat,  s  Gn  18,  1 :  „Jahve 
erschien  ihm  (dem  Abraham)  bei  den  Terebinthen  Mamres"  mach  der  Haggada,  um 
Abraham,  der  infolge  der  Beschneidung  leidend  geworden  war,  einen  Krankenbesuch 
abzustatten),  so  besuche  auch  du  Kranke.  Wie  Gott  Trauernde  getröstet  hat,  s.  Gn  25,  1 1 : 
„Nach  dem  Tode  Abrahams  segnete  Gott  seinen  Sohn  Isaak",  so  tröste  auch  du  Trauernde. 
Wie  Gott  Tote  begraben  hat,  s.  Dt:-!4, 6:  „Gott  begrub  ihn  (Mose)  im  Tal",  so  bestatte 
auch  du  Tote.  ||  LvR  25  (123'']:  R.  J'^^huda  b.  Simon  (um  320)  eröffnete  seinen  Vortrag 
mit  (Dt  13.5):  „Jahve  eurem  Gott  gehet  nach."  Ist  es  denn  Fleisch  u.  Blut  möglich, 
hinter  dem  Gott  einherzugehn,  von  dem  geschrieben  steht:  Im  Meer  ist  dein  Weg  u. 
dein  Pfad  in  vielen  Wassern"  Ps  17,  2U?  u.  du  sagst:  Jahven  sollt  ihr  nachgehn  .  .  . 
u.  an  ihm  hangen?  Ist  es  denn  Fleisch  u.  Blut  möglich,  in  den  Himmel  emporzusteigen 
u.  sich  an  die  Sch^'khina  (Gottheit)  zu  hängen,  von  der  geschrieben  steht:  „Jahve  dein 
Gott  ist  ein  verzehrendes  Feuer"  (Dt  4,24)?  Und  ferner  heißt  es:  „Sein  Thron  waren 
Feuerflammen.  .  .  .   Ein  Feuerstrom  flutete  vor  ihm  hin  u.  her"  Dt  7, 9  f.,  u.  du  sagst: 


Matth  5,  45  (^l)  373 

An  ihm  sollt  ihr  hangen?  Aber  es  ist  so  gemeint:  von  Anfang  seiner  Weltschöpfung 
un  befaßte  sich  Gott  zuerst  mit  dem  Pflanzen,  s.  Gn  ':^,  8:  „Jahve  Elohim  pflanzte  einen 
Garten  in  fEden";  so  sollt  auch  ihr,  wenn  ihr  in  das  Land  kommt,  euch  zuerst  nur 
mit  dem  Pflanzen  beschäftigen;  das  meinen  die  Worte:  „Wenn  ihr  in  das  Land  kommt 
u.  allerlei  Bäume  zur  Speise  pflanzt"  Lv  19,23.  Vgl.  auch  den  Ausspruch  des  R.J^'hoschua? 
b.  Levi  Sanh  105'^  oben  S.  87<».  In  der  Parallelstelle  ß  rakh  7-'  wird  die  Schlußbemer- 
kung: „Auch  einem  Sektierer  soll  man  nicht  fluchen",  begründet  mit:  „Gütig  ist  Jahve 
für  alle"  Ps  145,  9.  ||  Ferner  s.  Sukka  3U«  bei  Mt  5, 46  S.  379  u.  die  Zitate  bei  Lk  6, 3H.  ;, 
^^ota  ö'':  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt:  Immer  soll  der  Mensch  vom  Sinn  seines 
Schöpfers  lernen;  denn  siehe,  Gott  ließ  alle  ihohen)  Berge  u.  Höhen  dahinten  u.  ließ 
seine  Sch'^khina  (Gottheit)  auf  dem  Berge  Sinai  woiinen,  u.  er  ließ  alle  Fruchtbäume 
dahinten  u.  ließ  seine  Sch'^khina  im  Dornbusch  wohnen.  (So  soll  sich  der  Mensch 
herabhalten  zu  den  Niedrigen.)  |i  DtR  1  (196=*):  R.  Levi  bar  Chama  (lies  entweder  „R.  L. 
b.  Lachma",  um  260,  oder  „R.  Levi,  um  800,  im  Namen  des  R.  Chama,  um  260)  hat  ge- 
sagt: Wenn  der,  welcher  dem  Götzen  dient,  diesem  gleich  ist,  wie  es  heißt:  „Wie  sie 
(die  Götzen)  werden  ihre  Verfertiger  sein,  jeder,  der  auf  sie  vertraut"  Ps  115,8,  soJlte 
dann  nicht  erst  recht  der,  welcher  Gott  dient,  sein  wie  dieser?  Woher?  Denn  also 
steht  geschrieben:  „Gesegnet  ist  der  Mann,  der  auf  Jahve  vertraut  u.  dessen  Ver- 
trauen Jahve  ist"  Jer  17,7.   (Die  Beweiskraft  dieser  Stelle  ist  nicht  durchsichtig.) 

C.  MidrQoh  8,4  (-39''):  «Das  Wort  des  Herrschers  ist  mächtig;  u.  wer  kann  zu  ihm 
sagen:  Was  tust  du!"  Qoh  8,4.  R.  Levi  (um  800)  hat  gesagt:  Gleich  einem  Lehrer,  der 
seinem  Schüler  befohlen  hatte:  „Du  sollst  das  Recht  nicht  beugen"  —  u.  er  selbst 
beugte  es;  „Du  sollst  die  Person  nicht  ansehen"  —  u.  er  selbst  sah  die  Person  an. 
Da  sprach  sein  Schüler  zu  ihm:  Rabbi,  dir  ist  es  erlaubt  u.  mir  ist  es  verboten?  Er 
antwortete  ihm:  Ich  habe  dir  nur  gesagt,  daß  du  einem  Israeliten  nicht  sollst  gegen 
Zins  leihen,  aber  den  Völkern  der  Welt  darfst  du  (auf  Zins)  leihen,  s.  Dt  23,  21.  So 
sprachen  die  Israeliten  vor  Gott:  Siehe,  du  hast  in  deiner  Tora  geschrieben:  „Du  sollst 
nicht  Rache  ausüben  noch  Zorn  nachtragen"  Lv  19,  18  ■ —  u.  du  übst  Rache  aus  u. 
trägst  Zorn  nach!  Er  antwortete  ihnen:  Ich  trage  nicht  nach,  vgl.:  „Er  wird  nicht 
immer  hadern,  noch  ewiglich  Zorn  nachtragen"  Ps  108,9;  aber  den  Völkern  der  Welt 
gegenüber  heißt  es:  „Rache  übt  Jahve  an  seinen  Gegne;rn  u.  er  trägt  seinen  Feinden 
Zorn  nach"  Nah  l,L  Er  sprach:  Ich  habe  in  meiner  Tora  geschrieben:  „Du  sollst 
nicht  Rache  ausüben  u.  Zorn  nachtragen  gegenüber  den  Söhnen  deines  Volkes"  Lv  19,  18; 
aber  du  darfst  Rache  ausüben  an  den  Völkern  der  Welt,  s.  Nu  31,2:  „Nimm  Rache  für 
die  Kinder  Israel  an  den  Midianitern",  um  zu  bestätigen,  was  geschrieben  steht:  „Das 
Wort  des  Herrschers  ist  mächtig"  Qoh  8,  4.  —  In  der  Parallelstelle  GnR  55  (35^),  wo 
R.  Abun  (L?  um  825,  IL?  um  370)  als  Autor  genannt  ist,  fehlt  die  Schlußanwendung; 
auf  Israel.  II  M^g  13'^:  „Jakob  erzählte  der  Rahel,  daß  er  ein  Bruder  ihres  Vaters  sei" 
Gn29,  12.  Aber  war  er  denn  der  Bruder  ihres  Vaters,  war  er  nicht  der  Sohn  der 
Schwester  ihres  Vaters?  Allein  als  er  zu  ihr  sagte:  „Willst  du  mich  heiraten",  sprach 
sie  zu  ihm:  Ja,  aber  mein  Vater  ist  ein  Betrüger,  u.  du  kannst  ihm  nicht  beikommen. 
Er  antwortete  ihr:  Ich  bin  sein  Bruder  im  Betrügen!  Da  sprach  sie  zu  ihm:  Ist  es 
denn  den  Gerechten  erlaubt,  groß  im  Betrüge  zu  sein?  Er  sprach  zu  ihr:  Ja;  „gegen 
den  Reinen  zeigst  du  dich  rein,  u.  gegen  den  Verdrehten  lassest  du  dich  verkehrt 
flnden"  Ps  18,  27.  —Vgl.  GnR70(45'').  ||  Sanh  39'':  „Jubel  ging  durch  das  Lager" 
1  Kg  22,  36.  R.  Acha  b.  Chanina  (um  800)  hat  gesagt:  Es  heilst:  „Wenn  die  Frevler  zu- 
grunde gehen,  herrscht  Jubel"  Spr  11,  10.  Auch  als  Ahab,  der  Sohn  fOmris,  zugrunde 
ging,  herrschte  Jubel.  Aber  freut  sich  denn  Gott  beim  Sturz  der  Gottlosen?  Es  heißt 
doch:  „Beim  Auszug  vor  den  Bewaff"neten  sollten  sie  sprechen:  Danket  Jahven,  weil 
seine  Gnade  auf  ewig  währt"  2Chr20, 21;  u.  R.Jonathan  (b.  El?azar,  um  220)  hat 
gesagt:  Warum  heißt  es  in  diesem  Dankgebet  nicht:  „Denn  er  ist  gütig"?  Weilsich 
Gott  über  den  Sturz  der  Gottlosen  nicht  freut.  Denn  R.  Sch<^inuel  b.  Nachman  (um  260) 
hat  gesagt,  R.  Jonathan  habe  gesagt:  Was  heißt  (Ex  14,20):  „Nicht  näherte  sich  der 
eine  dem  andren  die  ganze  Nacht"  ?   In  jener  Stunde  wollten  nämlich  die  Engel  des 


374  Matth  5, 45  (51.  5B.  6)  •  . 

Dienstes  ein  Lied  vor  Gott  singen.  Aber  Gott  sprach  zu  ihnen:  Die  Werke  meiner 
Hände  versinken  im  Meer  u.  ihr  wollt  ein  Lied  vor  mir  singen?  R.Jose  b.  Chanina 
(um  270)  hat  gesagt;  Er  freut  sich  nicht;  aber  andre  veranlafst  er,  sich  zu  freuen 
(über  den  Sturz  der  Gottlosen).  Das  läßt  sich  auch  genau  erweisen;  denn  es  heißt 
Dt 28, 63:  vs'  =  ,er  wird  zur  Freude  veranlassen";  aber  es  heißt  nicht  x-vä-'  =  ^er 
wird  sich  freuen". 

„Eures  Vaters  im  Himmel",  dazu  s.  bei  Mt  6,  4  S.  392  ff. 

5,45^:  Denn  er  läßt  seine  Sonne  aufgehn  über  Böse  u.  Gute. 
Chull9l'\-  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Ich  habe  den  Rabban  Gamliel  (IL, 
um  90)  u.  den  R.  J  hoschuaf  ib.  Chananja)  auf  dem  Markt  von  Emmaus,  wohin  sie  zum 
Einkauf  von  Vieh  für  die  Hochzeitsfeier  von  Rabban  Gamliels  Sohn  gegangen  waren, 
gefragt:  Es  steht  geschrieben:  „Es  ging  ihm  die  Sonne  auf  Gn.S2, 32.  Ist  denn  die 
Sonne  allein  für  ihn  aufgegangen,  ist  sie  nicht  für  die  ganze  Welt  aufgegangen? 
R.  JiQchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Wie  die  Sonne  seinetwegen  (Jakobs  wegen)  unter- 
gegangen ist  (nämlich  vorzeitig  nach  haggadischer  Auslegung  von  Gn28, 11),  so  ist 
sie  auch  seinetwegen  (vorzeitig)  aufgegangen.  —  Dasselbe,  nur  daß  der  erste  Teil 
anonym  überliefert  ist,  Sanh95'\  —  In  GnR78(50^)  sagt  R.  B'rekhja  (um  340)  mit 
Bezug  auf  Gn  32,32:  Wem  ist  denn  die  Sonne  nicht  aufgegangen?  Aber  die  Worte 
wollen  besagen:  Ihm  (Jakob)  ging  sie  auf  zur  Heilung,  den  andren  aber  als  Licht. 
P^siqR  195-':  „Gütig  ist  Jahve  gegen  alle  u.  seine  Barmherzigkeit  erstreckt  sich 
über  alle  seine  Werke"  Ps  145,9.  R.  J^hoschuaf  b.  N'chemja  (um  350)  hat  gesagt:  Hast 
du  je  in  deinem  Leben  gesehen,  daß  der  Regen  niedergefallen  ist  auf  das  Feld  des 
u.  des  Frommen,  u.  auf  das  Feld  des  u.  des  Frevlers  fiel  er  nicht?  Oder  wäre  die 
Sonne  aufgegangen  über  den  gerechten  Israeliten  u.  über  den  gottlosen  nicht?  Gott 
läßt  seine  Sonne  aufgehn  über  den  Israeliten  u.  über  den  Völkern;  darum  heißt  es: 
Gütig  ist  Jahve  gegen  alle  usw. 

5,45  6:  Und  läßt  regnen  auf  Gerechte  u.  Ungerechte. 

Siehe  das  Zitat  bei  5, 45  23  aus  P^siqR  195^.  —  Ferner  pB^'rakh  {),  14 ',  7 :  R.  J«huda 
b.  J^chezqsel  (f  299)  hat  gesagt:  Mein  Vater  pflegte  über  das  Herabfallen  des  Regens 
folgenden  Lobspruch  zu  sprechen :  Verherrlicht,  geheiligt,  gepriesen  u.  erhöht  sei  dein 
Name,  du  unser  König,  wegen  jedes  einzelnen  Tropfens,  daß  du  sie  uns  niederfallen 

lassest  u.  daß  du  sie  auseinander  hältst  den  einen  vom  andren  (I.  ii-;-:«:  statt  -^y^-i-c^) 

R.  Judan  (gemeint  ist  der  Vater  des  R.  Mattanja  im  4.  Jahrb.,  s.  pTafan  1,  64'')  hat 
gesagt:  Und  nicht  bloß  dies,  er  läßt  sie  auch  herabfallen  nach  bestimmtem  Maß.  .  .  . 
R.  Jose  b.  Jafaqob  (um  330)  ging  hinauf,  um  R.  Judan  aus  Magdala  (um  310)  zu  be- 
suchen. Als  er  dort  war,  fiel  Regen  hernieder;  da  hörte  er  dessen  Stimme,  wie  er  sprach: 
Tausendmaltausendmal  u.  zehntausendmalzehntausendmal  müssen  wir  deinem  Namen, 
du  unser  König,  .danken  für  jeden  einzelnen  Tropfen,  den  du  uns  fallen  lassest,  daß 
du  Gutes  erweisest  denen,  die  sich  verschuldet  haben.  Er  fragte  ihn:  Woher  hast  du 
dies  (Gebet)?  Er  antwortete  ihm:  So  hat  mein  Lehrer  Simon  (um  280)  den  Lobspruch 
über  das  Niederfallen  des  Regens  gesprochen.  —  Parallelstellen:  pTafan  1,  64'',  9; 
GnR  13  (10**);  hier  für  R.  Judan  eingesetzt  R.  J^huda  b.  Schimfon,  um  240  (oder  ist 
R.  J'-huda  b.  Simon,  um  320,  gemeint?);  DtR  7  (204'')  nur  der  Anfang.  |i  Tafan  7»: 
R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Größer  ist  der  Tag  des  Regens  als  die  Auferstehung  der 
Toten;  denn  siehe,  die  Auferstehung  der  Toten  gilt  nur  den  Gerechten,  die  Regengüsse 
aber  sowohl  den  Gerechten  als  auch  den  Gottlosen.  1|  M'^kh  Ex  18,  12  (67=*)  s.  S.  377«. 

Mehrfach  wird  die  Frage  erörtert,  um  wessen  willen,  d.  h.  durch 
wessen  Verdienst  der  Regen  kommt, 

pTafan  3,  66^  16:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Manchmal  fallen  die  Regen- 
güsse nieder  durch  das  Verdienst  eines  einzigen  Menschen  oder  wegen  Eines  Krautes 
oder  wegen  Eines  Feldes;  und  diese  drei  sind  in  Einem  Vers  enthalten,   Sach  10,  1: 


Mattli  5,45  (6)  375 

,Er  ■wird  euch  Regen  geben  um  eines  Mannes,  eines  Krautes,  eines  Feldes  willen* 
(so  der  Midr).  Um  eines  Mannes  willen,  aber  nicht  um  der  Leute  willen;  um  eines 
Krautes  willen,  aber  nicht  um  der  Kräuter  willen;  um  eines  Feldes  willen,  aber  nicht 
um  der  Felder  willen.  —  Dasselbe  LvR  85  (132*^);  in  Ta?an  9'^  Resch  Laqisch  (um  250) 
Autor  i!  Ta?an  8  ':  R.  Ammi  um  3<0)  hat  gesagt:  Die  Regengüsse  fallen  nur  wegen 
der  Vertrauenswürdigen  nieder,  s.  Ps  ^5,  12:  , Treue  läfst  von  der  Erde  aufsprossen" 
(so  der  Midr'.  l  Midr  HL  7.  1 :  „Sulammith"  HL  7,  1.  R.  J  hoschua?  von  Sikhnin  (um  3:^0) 
hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um  MOO)  gesagt:  Sulammith,  das  ist  die  Nation,  in  deren 
Verdienst  allein  alles  Gute  kommt,  das  es  in  der  Welt  gibt;  s.  Gn  27,  28:  ,Es  wird 
Gott  dir  geben  vom  Tau  des  Himmels  u.  von  den  Fettgefilden  der  Erde;"  ,dir",  d.  h.  durch 
dein  Verdienst  u.  von  dir  hängt  die  Sache  ab,  wie  es  heifat:  „Jahve  wird  dir  seinen 
guten  Schatz  auftun,  den  Himmel,  den  Regen  zu  seiner  Zeit"  Dt  28,  12;  „dir",  d.h. 
durch  dein  Verdienst  u.  von  dir  hängt  die  Sache  ab,  —  Dasselbe  GnR  66  (42 '0;  DtR  7 
(204'^)  als  Ausspruch  der  Rabbanan.  H  Ta?an  7'':  R.  Tanchum  b.  Chanilai  (um  280) 
hat  gesagt:  Die  Regengüsse  fallen  nur  nieder,  wenn  die  Sünden  Israels  vergeben  sind, 
s.  Ps  85,  2  f.  (wo  neben  der  Begnadiü'ung  des  Landes,  im  Sinn  des  Midr  durch  Regen- 
güsse, die  Sündenvergebung  erwähnt  wird).  ||  Ta?an  25-':  R.  Chijja  b.  Lulianai  (um  360) 
hat  gesagt:  Ich  horte  jene  Wolken,  wie  sie  sprachen:  Wir  wollen  gehn  u.  das  Wasser 
auf  f  Amnion  u.  Moab  geben.  Da  sprach  er  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  als  du  die  Tora 
deinem  Volk  Israel  gabst,  hast  du  sie  herumgereicht  bei  allen  V^ölkern  der  Welt,  aber 
sie  nahmen  sie  nicht  an,  —  und  jetzt  willst  du  ihnen  Regen  geben?  Lasset  ihn  hier 
fallen!  Da  ließen  sie  ihn  auf  seinen  Ort  fallen.  |  pTafan  :{,  ()6'^,  22:  Wegen  dreier  Dinge 
fallen  die  Regengüsse  nieder:  wegen  des  Landes  (Israel),  wegen  der  Mildtätigkeit  u. 
wegen  der  Leiden  (Züchtigungen);  u.  diese  drei  sind  in  Einem  Vers  enthalten,  Hi  37,  13: 
,Bald  wegen  Züchtigung,  bald  seines  Landes  wegen,  bald  wegen  der  Mildtätigkeit 
läfst  er  ihn  (den  Regen)  eintreffen"  (so  der  Midr).  Wegen  vierfacher  Schuld  werden 
die  Regengüsse  zurückgehalten:  wegen  des  Götzendienstes,  s.  Dt  II,  16  f.,  wegen  der 
Unzucht,  s.  Jer  3,  2  f.,  wegen  des  Blutvergießens,  s.  Nu  35,  33, '  u.  wegen  derer,  die 
öffentlich  Almosen  zu  geben  versprechen  u.  dann  nicht  geben,  s.  Spr  25  14.  —  Daß 
versprochene,  aber  nicht  gegebene  Almosen  den  Regen  zurückhalten,  sagt  TafanS'^ 
R.  Jochanan,  f  279.  ||  Tafan  23'':  Zu  Chanin  Hanechba  N';-!:n,  dem  Tochtersohn  des 
Choni,  des  Kreisziehers  (f  um  65  v.  Chr.)  pflegten  die  Rabbanan,  wenn  die  Welt  des 
Regens  bedurfte,  Schulkinder  zu  schicken,  die  ihn  beim  Saum  seines  Mantels  ergriffen 
u.  zu  ihm  sprachen:  Vater,  Vater,  gib  uns  Regen.  Dann  sprach  er  vor  Gott:  Herr  der 
Welt,  tue  es  um  dieser  willen,  die  nicht  unterscheiden  können  zwischen  dem  Vater, 
der  den  Regen  gibt,  und  dem  Vater,  der  ihn  nicht  gibt.  |l  LvR  27  (125'*):  Alexander 
der  Grofse  zog  in  ein  Land,  dessen  Name  Afrika  war.  Man  ging  ihm  entgegen  mit 
goldenen  Äpfeln,  goldenen  Granaten  u.  goldenem  Brot.  Er  sprach:  Wird  denn  etwa 
dieses  Gold  in  eurem  Lande  gegessen?  Sie  antworteten:  Ist  es  denn  nicht  auch  in 
deinem  Lande  also  (üblich)?  Er  sprach  zu  ihnen:  Nicht  um  euren  Reichtum  (statt 
■ji:-r"2i-  wird  mit  den  Parallelen  zu  lesen  sein  ■;i2-riy)  zu  sehen,  bin  ich  gekommen, 
sondern  um  eure  Rechtspflege  zu  sehen,  bin  ich  gekommen.  Während  sie  noch  da- 
saßen, kamen  zwei  Männer  in  einer  Rechtssache  vor  den  König.  Der  eine  sprach: 
Mein  Herr  König,  ich  habe  ein  Stück  wüstes  Land  von  diesem  Mann  gekauft,  u.  als 
ich  es  umgrub,  fand  ich  einen  Schatz  darin;  da  habe  ich  zu  ihm  gesagt:  Nimm  deinen 
Schatz,  denn  ich  habe  die  Wüstenei  gekauft,  aber  nicht  den  Schatz.  Der  andre  sprach: 
Wie  du  dich  vor  der  Strafe  wegen  Raubes  fürchtest,  so  auch  ich;  als  ich  dir  die 
Wüstenei  verkaufte,  da  habe  ich  dir  auch  alles,  was  sich  darin  befindet,  verkauft. 
Der  König  rief  den  einen  von  ihnen  u.  sprach  zu  ihm:  Hast  du  einen  Sohn?  Er  ant- 
wortete: Ja  in!    Darauf  rief  er  den  andren  u.  sprach  zu  ihm:  Hast  du  eine  Tochter? 

>  Der  Midrasch  erklärt  n-:n-<  er  entweiht  Nu  35,  33  als  Notarikon  fs.  Einl.  107, 
ÜT.  30)  —  vsrr  -y  ns  1--,  er  läßt  den  Zorn  über  das  Land  hernieder.  Diese  Deutung 
.gehört,  wie  Siphre  z.  St.  §  161  (62^')  zeigt,  dem  R.  Joschijja,  um  140,  an. 


376  Matth  5,  45  (6) 

Er  antwortete:  Ja!  So  mögen  sie  hingehn,  sprach  der  König,  u.  einander  heiraten, 
dann  können  beide  den  Schatz  genießen.  Als  Alexander  sich  verwunderte,  sprach 
der  König  zu  ihm:  Warum  verwunderst  du  dich?  Habe  ich  nicht  gut  entschieden? 
Er  antwortete:  Ja!  Da  sprach  der  König  zu  ihm:  Wenn  diese  Rechtsfrage  in  eurem 
Lande  gewesen  wäre,  was  würdet  ihr  getan  haben?  Er  antwortete  ihm:  Man  hätte 
beide  enthauptet  u.  der  Schatz  wäre  in  das  Haus  des  Königs  gewandert!  Jener  sprach: 
und  die  Sonne  geht  über  eurem  Lande  auf?!  AI.  antwortete:  Ja!  Jener  sprach:  Und 
Regen  fällt  auf  euer  Land  hernieder?!  AI.  antwortete:  Ja!  Da  sprach  jener:  Dann 
wird  es  wohl  Kleinvieh  (1.  p-p-  statt  -'7-^  junge  Tiere)  in  eurem  Lande  geben?  AI. 
antwortete:  Ja  (diese  Worte  sind  nach  den  Parallelen  zu  ergänzen).  Da  -sprach  der 
König:  Möge  der  Geist  dieses  Mannes  (—  dein  Geist)  ausgehn!  Im  Verdienst  des 
Kleinviehs  (der  unschuldigen  Tiere)  geht  die  Sonne  über  euch  auf  u.  fällt  der  Regen  auf 
euch  nieder,  wegen  des  Kleinviehs  werdet  ihr  gerettet!  Das  meint:  „Menschen  u.  Tieren 
hilfst  du,  Jahve"  Ps  H6,  7,  im  Verdienst  des  Viehes  hilfst  du,  Jahve,  dem  Menschen.  — 
Parallelstellen:  pBM  2,  8^  39;  P'-'siq  74'';  GnR  33  (20--»);  TanchB  -^-s  §  U  (44tj). 

Den  allgemeinen  Gedanken,  daß  Gott  gütig  ist  gegen  alle  seine 
Geschöpfe,  den  Jesus  durch  den  Sonnenschein  u.  den  Regen  ver- 
anschaulicht, die  allen,  den  Bösen  wie  den  Guten,  gespendet  werden, 
haben  die  Rabbinen  meist  an  Ps  145,  9  angeknüpft. 

GnR  33  (20*):  „Gütig  ist  Jahve  für  alle  u.  seine  Barmherzigkeit  erstreckt  sich 
über  alle  seine  Werke"  Ps  145,  9.  R.  Levi  (um  3U0)  hat  gesagt:  „Gütig  ist  Jahvo 
für  alle,"  d.  h.  gegen  alles,  Avas  sein  Werk  ist.  R.  Sch^'muel  (b.  Nachman,  um  260,> 
hat  gesagt:  Gütig  ist  Jahve  für  alle  u.  sein  Erbarmen  erstreckt  sich  über  alle;  denn 
so  ist  es  seine  Art,  daß  er  sich  erbarmt.^  R.  J'^hoschua?  von  Sikhnin  (um  330)  hat 
im  Namen  des  R.  Levi  gesagt:  Gütig  ist  Jahve  für  alle  u.  von  seinem  Erbarmen  gibt 
er  ab  an  seine  Geschöpfe  (damit  sie  gegeneinander  barmherzig  seien).  R.  Tanchuma 
(um  3^0)  u.  R.  Abba  b.  Abin  (um  35u?)  haben  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  ge- 
sagt: Wenn  morgen  ein  Jahr  der  Dürre  kommt  u.  die  Menschen  haben  Erbarmen  mit- 
einander, dann  wird  Gott  des  Erbarmens  gegen  sie  voll.  ||  GnR  33  (20b):  Unser  Lehrer 
(Rabbi)  safs  einmal  mit  der  Tora  beschäftigt  vor  der  Synagoge  der  Babylonier  in 
Sepphoris.  Es  ging  ein  Kalb  vor  ihm  vorüber,  das  zur  Schlachtung  abgeführt  wurde. 
Es  fing  an  zu  schreien,  als  wollte  es  sagen:  Rette  mich!  Er  aber  sprach:  Was  kann 
ich  für  dich  tun?  Dazu  bist  du  geschaffen.  Infolgedessen  litt  Rabbi  l'-^  Jahre  lang 
an  seinen  Zähnen.  R.  Jose  b.  Abun  (um  350)  hat  gesagt:  Jene  ganzen  13  Jahre  hin- 
durch, die  Rabbi  an  seinen  Zähnen  litt,  hatte  keine  Schwangere  im  Lande  Israel  eine 
Fehlgeburt  u.  keine  Gebärerin  Schmerzen.  (Dem  Leiden  Rabbis  wird  hier  Sühnkraft 
zugeschrieben.)  Nach  etlichen  Tagen  (nämlich  nach  dem  Vorfall  mit  dem  Kalbe)  ging 
ein  Kriechtier  vor  Rabbis  Tochter  vorüber,  das  sie  töten  wollte.  Er  aber  sprach  zu 
ihr:  Meine  Tochter,  laß  es;  denn  es  steht  geschrieben:  „Sein  Erbarmen  erstreckt  sich 
auf  alle  seine  Werke."  —  Parallelstellen:  pKil  5>,  32^,  23);  BM  85^  ||  Midr  Ps  22  §  3 
(91*1:  R.  Chanina  (b.  Chama,  um  225)  hat  gesagt:  „Gütig  ist  Jahve  für  alle"  Ps  145,  9, 
nämlich  in  dieser  Welt;  aber  von  der  zukünftigen  Welt,  die  dereinst  kommt,  heißt 
es:  „Tue  Gutes,  Jahve,  den  Guten"  Ps  125,  4.  ||  Sanh  39 b;  R.  Elfazar  (b.  P'^dath,  um 
270)  stellte  einander  gegenüber:  „Gütig  ist  Jahve  für  alle"  Ps  145,  9  u. :  „Jahve  ist 
gütig  für  die.  die  seiner  harren"  KL  3,  25.  Gleich  einem  Menschen,  der  einen  Garten 
bat;  wenn  er  ihn  bewässert,  bewässert  er  ihn  ganz;  wenn  er  ihn  aber  behackt,  be- 
hacjct  er  nur  die  guten  Gewächse  darin.  (So  spendet  Gott  seinen  Regen  allen,  aber 
die  Spezialpflege  gilt  den  Gerechten.)  ||  Ferner  s.  den  Ausspruch  des  R.  J  hoschuaf 
b.  Levi  Sanh  ]05t>  S.  370.  In  der  Parallelstelle  B^rakh  7''  wird  das  Schlußwort: 
,Auch  einem  Sektierer  soll  man  nicht  fluchen"  begründet  mit  dem  Hinweis  auf  Ps 


^  Bachers  Deutung   der  Stelle  (pal.  Amor  1,  544 f.):  „Gottes  Erbarmen   überragt 
alle  seine  übrigen  Eigenschaften"  beruht  auf  der  Lesart  --;;  statt  pv. 


Matth  5,  45  (6).  5,  46  (Nr.  1)  377 

145,  9.  II  Sanh  IIP  Bar:  Al^  Mose  zur  Höhe  emporstieg,  fand  er  Gott,  wie  er  saß 
u.  schrieb:  , Langmütig."  Er  sprach  zu  ihm:  Herr  der  Welt,  hingmütig  gegen  die  Ge- 
rechten? Er  antwortete  ihm:  Auch  gegen  die  Gottlosen  Mose  sprach:  Die  Gottlosen 
mögen  zugrunde  gehn!  Gott  sprach  zu  ihm:  Du  wirst  nun  sehen,  was  du  erbeten 
hast!  Als  die  Israeliten  gesündigt  hatten,  sprach  Gott  zu  Mose:  Hast  du  nicht  also 
zu  mir  gesagt:  , Langmütig  gegen  die  Gerechten"?  Mose  sprach  zu  ihm:  Herr  der 
Welt,  hast  du  nicht  also  zu  mir  gesagt:  „Auch  gegen  die  Gottlosen"?  Das  ist  es, 
was  geschrieben  steht:  ,So  zeige  sich  nun  die  Kraft  Jahves  groß,  wie  du  also  ge- 
redet hast:  Jahve  ist  langmütig"  Nu  14,  17 f.  ||  M  kh  Ex  18,  12  [61''):  R.  (^adoq  (1.  um 
70  n.  Chr.)  sprach  zu  ihnen  (den  bei  Rabban  Gamliel  11.  zum  Gastmahl  versammelten 
Gelehrten):  Wir  finden,  daß  ein  Größerer  als  Rabban  Gamliel  u.  Abraham  die  Menschen 
(bei  Tisch)  bedient  hat.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Wer  ist  denn  das?  Er  antwortete 
ihnen:  Die  Sch^khina  (Gottheit);  denn  stündlich  gibt  sie  reichlich  Speise  allen,  die 
in  die  Welt  kommen,  nach  ihrem  Bedürfnis  u.  sättigt  alle  Lebenden  mit  Wohigefüllen, 
n.  nicht  bloß  die  Redlichen  u.  Gerechten,  sondern  auch  die  Gottlosen,  die  den  Götzen 
dienen.  Um  wieviel  mehr  muß  Rabban  G.  die  Gelehrten  u.  die  Söhne  der  Tora  bedienen! 

5,46:  Denn  wenn  ihr  liebet,   die  euch  lieben,   Avelchen 
Lohn  habt  ihr?    Tun  nicht  auch  die  Zöllner  dasselbe? 

liiaOög  Lohn  =  -i:b.  —  Über  die  Lehre  vom  Lohn  s.  den  Exkurs: 
„Das  Gleichnis  von  den  Arbeitern  im  Weinberg." 

0*  xiXwvai  Zolleinnehmer  =  ■pcp'i';,  Sing,  fz^-o. 

\.  Von  den  eigentlichen  staatlichen  Steuern  (Kopf-  u,  Grundsteuer), 
die  zur  Zeit  Jesu  im  römischen  Reich  eingezogen  wurden,  sind  die 
Zölle  zu  unterscheiden,  die  als  Eingangs-  u.  Ausfuhrzölle  auf  Waren 
allerlei  Art  u.  Sklaven  gelegt  waren,  u.  die  an  den  Grenzen  eines  Landes 
oder  einer  Provinz  oder  eines  Stadtbezirks  zur  Erhebung  kamen.  Der 
Ertrag  der  Zölle  aus  Judäa  u.  Samaria  floß  zur  Zeit  Jesu  in  den  kaiser- 
lichen Fiskus,  während  die  an  den  Grenzen  Galiläas  u.  Peräas  erhobenen 
Zölle  den  Tetrarchen  aus  dem  Hause  des  Herodes  zustanden.  Die  Ein- 
ziehung der  staatlichen  Grund-  u.  Kopfsteuer  erfolgte  in  der  römischen 
Kaiserzeit  durch  staatliche  Beamte,  in  Judäa  für  die  kaiserliche  Kasse 
unter  Verantwortlichkeit  des  jedesmaligen  Prokurators.  Daß  sich  die 
Römer  bei  der  Eintreibung  der  Steuern  der  Mitwirkung  der  jüdischen 
Behörden  bedient  haben,  wird  ohne  weiteres  angenommen  werden  dürfen. 
Dagegen  geschah  die  Erhebung  der  Zölle  „nicht  durch  staatliche  Beamte, 
sondern  durch  Pächter,  die  sog.  publicani,  welche  den  Zoll  eines  be- 
stimmten Bezirkes  gegen  eine  feste  jährliche  Summe  pachteten,  wobei 
sie  den  etwaigen  höheren  Ertrag  als  Gewinn  einzogen,  während  sie 
umgekehrt  bei  Minderertrag  den  Schaden  zu  tragen  hatten.  .  ., .  Die 
Pächter  hatten  selbstverständlich  wieder  ihre  Unterbeamten,  die  wohl 
durchgängig  aus  der  einheimischen  Bevölkeiung  genommen  wurden. 
Aber  auch  die  Generalpächter  mufsten  keineswegs  notwendig  Römer 
sein.  .  .  .  Die  Höhe  des  zu  erhebenden  Zolles  war  zwar  von  der  Behörde 
vorgeschrieben.  Da  aber  diese  Tarife  ...  in  der  älteren  Zeit  oft  sehr 
unbestimmt  waren,  so  blieb  der  Willkür  u.  Habsucht  der  Zolleinnehmer 
ein  weiter  Spielraum  offen.   Die  Ausnützung  dieses  Spielraumes  u.  die 


378  Matth  :.,46  (Nr.  1-3) 

auch  nicht  seltene  Überschreitung  desselben  hat  sie  bei  der  Bevölkerung 
zu  einer  verhaßten  Klasse  von  Menschen  gemacht.  ...  Im  NT  ist , Zöllner 
u.  Sünder'  fast  gleichbedeutend,  .  .  .  auch  in  der  rabbin.  Literatur  er- 
scheinen die  Zolleinnehmer  in  wenig  günstigem  Lichte."  Schürer ^  1, 
477  ff.  —  Ferner  s.  bei  Mt  17,  25. 

2.  Von  Zöllen  werden  in  den  älteren  rabbin.  Schriften  besonders 
erwähnt:  Brückenzoll,»  Schiffszoll, b  Stadtzoll, c  Zoll  für  Kleidungs- 
stücke,d  für  Perlene  u.  für  Sklaven.* 

a.  Schab  88b :  R.  J^huda,  R.Jose  u.  R.  Schiinfon  (sämtlich  um  150)  saßen  bei- 
einander, u.  J'huda,  der  Proselytensohn,  safs  bei  ihnen.  R.  J*'huda  hob  an :  Wie  schön 
sind  doch  die  Werke  dieser  Nation  (d.  i.  Roms):  sie  haben  Märkte,  Brücken  u.  Bäder 
angelegt.  R.  Jose  schwieg.  R.  Schim?on  b.  Jochai  aber  sprach:  Alles,  was  sie  angelegt 
haben,  haben  sie  nur  für  ihre  eignen  Bedürfnisse  angelegt;  sie  haben  Märkte  an- 
gelegt, um  Buhldirnen  dahin  zu  setzen,  Bäder,  um  sich  selbst  darin  zu  ergötzen. 
Brücken,  um  von  ihnen  Zoll  zu  erheben,  [i  fAZ  '2  b  läfst  R.  Chanina  b.  Papa,  um  .800. 
in  der  Schilderung  des  jüngsten  Gerichts  erst  Rom,  dann  die  Perser  auf  Gottes  Frage 
wesentlich  dieselbe  Antwort  geben  u.  dasselbe  Urteil  des  Eigennutzes  empfangen.  |1 
BB  167-':  Abaje  (f  338/89)  hat  gesagt:  Wenn  einer  seine  eigenhändige  Unterschrift 
einem  Gerichtshof  zur  Kenntnisnahme  vorlegen  will  (damit  auf  Grund  des  eingereichten 
Namenszages  seine  Unterschrift  unter  irgend  einem  Dokument  anerkannt  werde),  "so 
lege  er  die  Unterschrift  nicht  am  Ende  eines  Blattes  vor;  denn  vielleicht  möchte  es 
einer  finden  u.  darauf  schreiben,  daß  er  Geld  von  ihm  zu  fordern  habe.  .  .  .  Einmal 
kam  ein  Brückenzollerheber  vor  Abaje  u.  sprach  zu  ihm:  Es  zeige  mir  der  Herr  seine 
Namensunterschrift  (auf  einem  Blatt  Papier,  das  ich  mitnehmen  kann);  wenn  dann 
die  Rabbinen  kommen  u.  mir  deine  Bescheinigung  (betreffs  unentgeltlichen  Passierens 
der  Brücke)  vorzeigen,  so  will  ich  sie  ohne  Zoll  hinüberlassen.  (An  dem  erbetenen 
Namenszuge  soll  also  die  Unterschrift  unter  den  Bescheinigungen  auf  ihre  Echtheit 
hin  geprüft  werden.)  Er  zeigte  ihm  seine  Namensunterschrift  oben  am  Kopfende 
eines  Blattes;  der  Zollaufseher  aber  zog  daran  (damit  der  Namenszug  w-eiter  unten 
auf  dem  Blatt  zu  stehen  käme);  da  sprach  Abaje  zu  ihm:  Die  Rabbinen  sind  dir 
längst  zuvorgekommen  (deine  Schliche  kennen  wir). 

b.  fAZ  101»:  Wehe  dem  Schiff,  das  ohne  Zoll  fährt!  —  Wohl  sprichwörtlich. 

c.  f  AZ  18''*:  R.  Nathan  (um  160)  hat  gesagt:  Wenn  man  an  einem  (Götzenfest-)Tage, 
an  welchem  die  Götzendiener  (um  möglichst  viele  Leute  aus  der  Umgegend  nach  der 
betreffenden-Stadt  hinzulocken)  den  Zoll  erlassen,  öffentlich  ausruft:  „Wer  einen  Kranz 
nimmt  u.  auf  sein  Haupt  u.  auf  den  Kopf  seines  Esels  zu  Ehren  des  Götzen  setzt,  dem 
wird  man  den  Zoll  erlassen;  wer  es  aber  nicht  tut,  dem  erläßt  man  den  Zoll  nicht*  — 
was  soll  da  ein  dort  befindlicher  Jude  tun? 

d.  Siehe  BQ  118»  S.  380«.     e.  Siehe  Kelim  17, 16  S.380.    /.  Siehe  BB  127"  S.  380;-. 

3.  Verachtung  der  Zöllner. 

BQ  10,  1.2:  Man  darf  kein  Geld  umwechseln  aus  dem  Kasten  der  Zöllner  u.  aus 
der  Kasse  der  Steuererheber;  auch  nimmt  man  kein  Almosen  (für  die  öffentliche  Armen- 
kasse) von  ihnen  an  (weil  ihr  Geld  teilweise  als  Raub  zu  betrachten  ist);  wohl  aber 
darf  man  es,  wenn  er  es  aus  seinem  Hause  oder  auf  der  Straße  gibt.  —  Nahmen  die 
Zöllner  jemandem  seinen  Esel  weg  u.  gaben  ihm  dafür  einen  andren,  raubten  die  Räuber 
jemandem  sein  Gewand  u.  gaben  ihm  dafür  ein  andres,  so  sind  diese  sein,  weil  die 
(ursprünglichen)  Eigentümer  sie  schon  aufgegeben  haben.  —  Man  beachte,  wie  hier  die 
Zöllner  auf  eine  Linie  mit  den  Räubern  gestellt  werden.  —  Die  Bemerkungen  bBQ  113" 
hierzu  s.  S.  380«.  n  Sanh  25'^  Bar:  (Zu  denjenigen  Personen,  die  die  Mischna  Sanh  3,  3 
für  untauglich  erklärt,  als  Zeugen  zu  fungieren)'  hat  man  noch  hinzugefügt:  die  Hirten 

'  Das  sind  (s.  oben  S.  267;'):  Würfelspieler,  Wucherer,  die,  welche  Tauben  im 
Wettsport  fliegen  lassen,  u.  Händler  mit  Früchten  des  Sabbatjahres. 


Matth  5,  46  (Nr.  3.  4)  379 

(von  Kleinvieh,  weil  sie  ihre  Herden  auf  fremde  Grundstücke  treiben),  die  Steuer- 
erheber u  die  Zöllner.  .  .  .  Von  den  Steuererhebern  u.  Zöllnern  hatte  man  anfänglich 
angenommen,  daß  sie  nur  das  nähmen,  was  ihnen  vorgeschrieben  war;  als  man  aber 
wahrnahm,  daß  sie  mehr  nahmen,  erklärte  man  sie  (als  Zeugen  1  für  untauglich.  |l  Derekh 
EreQ  2:  Über  die  Steuererheber,  die  Räuber,  die  Geldwechsler  u.  die  Zöllner  sagt  die 
Schrift:  „Dein  Reichtum  u.  deine  Handelsgüter,  deine  Ware,  deine  Seeleute  u.  deine 
Segler,  die  dein  Leck  ausbesserten  u  die  deine  Ware  austauschten  — ■  die  werden  ins 
Herz  der  Meere  sinken  am  Tage  deines  Sturzes"   Ez  27,  27. 

Daß  die  Verachtung  der  Zöllner  sich  auch  auf  deren  Familien  er- 
streckte, erkennt  man  aus  folgenden  Stellen. 

Sch^'bu  89^*  Bar:  R.  Schimfon  (b.  Jochai,  um  150)  hat  gesagt:  Wenn  er  gesündigt 
hat,  was  hat  seine  Familie  gesündigt?  Es  will  dir  sagen:  Es  gibt  keine  Familie,  in 
der  ein  Zöllner  ist,  ohne  daß  sie  alle  Zöllner  sind,  u.  keine,  in  der  ein  Räuber  ist,  ohne 
daß  sie  alle  Räuber  sind,  weil  sie  ihn  decken  (sein  Tun  beschönigen).  —  Die  Bar  findet 
sich  SLv  20,  5.  ||  ?AZ  ^-iVi^':  R.  Schim?on  b.  Elfazar  (um  190)  sagte:  Eine  Frau  war  einmal 
an  einen  Chaber  (Mitglied  des  Pharisäerbundes)  verheiratet  u.  pflt'gte  ihm  die  Gebets- 
riemen an  seine  Hand  zu  binden;  dann  verheiratete  sie  sich  an  einen  Zöllnern,  band 
ihm  die  Zöllnerknoten  an  seine' Hand.  —  In  der  Parallele  B'^'khoO''  ist  der  Autor 
R.  Mei'r,  um  löO,  u.  R.  Schimfon  b.  El.  sein  Tradent.  —  Mit  den  „ Zöllnerknoten "  — 'rp 
er'-;  scheint  zunächst  eine  Kapsel  oder  eine  Tasche  gemeint  zu  sein,  in  der  die  Zoll- 
einnehmer die  Bescheinigungen  über  gezahlten  Zoll  am  Arm  trugen;  dann  werden  die 
Zollzettel  selbst  so  genannt.  Schab  8,  2:  Wer  (am  Sabbat)  soviel  Papier  hinausträgt, 
als  genügt,  um  darauf  einen  Zollzettel  TC""':  '^2  zu  schreiben,  oder  wer  einen  Zoll- 
zettel selbst  hinausträgt,  der  ist  schuldig  (der  Übertretung  des  Sabbatgebotes).  |i  TD'^mai 
3,4  (49):  Vordem  hatte  man  gesagt:  Wenn  ein  Chaber  (Genosse  des  Pharisäerbundes) 
Steuererheber  i Zollpächter)  wird,  so  schließt  man  ihn  aus  der  Genossenschaft  aus. 
Später  aber  sagte  man:  Solange  er  Steuererheber  ist,  ist  er  nicht  beglaubigt  (als  einer, 
der  sich  nach  den  Satzungen  des  Pharisäerbundes  hält);  scheidet  er  aus  seinem  Zollamt 
aus,  so  gilt  er  (wieder)  als  beglaubigt.  —  Als  Bar  zitiert  B'-kh  31 ''.  —  Ferners,  bei 
Mt  9,  10  u.  das  Gleichnis  vom  Pharisäer  u.  Zöllner  Lk  18. 

4,  Wie  die  Zöllner  sich  durch  Überschreitung  der  Zolltaxe  zu  be- 
reichern suchten,  so  suchte  sich  das  Publikum  durch  Zollhinterziehung 
schadlos  zu  halten. 

Sukka  30*:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150) 
gesagt:  Wiis  heißt:  „Ich,  Jahve,  liebe  das  Recht  u.  hasse  bübischen  Raub"  Jes6l,8? 
Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  an  einem  Zollhaus  vorüberging.  Er  sprach 
zu  seinen  Knechten:  Gebet  den  Zöllnern  den  Zoll!  Sie  sprachen  zu  ihm:  Gehört  dir 
denn  nicht  der  ganze  Zoll?  Er  sprach  zu  ihnen:  Alle  Reisenden  sollen  von  mir  lernen, 
daß  sie  sich  nicht  dem  Zoll  entziehen.  So  spricht  auch  Gott:  Ich  hasse  allen  bübischen 
Raub;  von  mir  sollen  meine  Kinder  lernen,  daß  sie  sich  von  Raub  fernhalten.  ||  P^'s  1 12'^: 
Viererlei  hat  unser  heiliger  Lehrer  (Rabbi)  seinen  Söhnen  befohlen:  Wohne  nicht  in 
Sch''khan9ib  (in  Babylonien),  weil  sie  (die  Leute  dort)  Spötter  sind,  sie  möchten  dich  zur 
Spötterei  verführen.  Setze  dich  nicht  auf  das  Bett  einer  Aramäerin  1  Heidin).  .  . .  Entzieh 
dich  nicht  dem  Zoll,  man  möchte  dich  dabei  betreffen  u.  dir  all  das  Deinige  nehmen. 
Und  stell  dich  nicht  vor  einen  Ochsen  hin,  wenn  er  aus  dem  Rohrgebüsch  (oder  von 
der  Wiese)  kommt;  denn  dann  tanzt  der  Satan  zwischen  seinen  Hörnern.  (Nasse  Gründe 
als  Aufenthaltsort  der  Dämonen  gefürchtet,  s.  Exkurs:  Zur  altjüd.  Dämonologie.)  ||  P'^siq 
164=»:  R.  Joschijja  (IL,  um  2.^0)  hat  mit  Bezug  auf  Qoh  11,9:  „Freue  dich,  Jüngling, 
deiner  Jugend  .  .  .;  aber  wisse,  daß  um  alles  dieses  dich  Gott  ins  Gericht  bringen  wird", 
gesagt:  Gleich  einem,  der  den  Zoll  hinterzog;  als  er  dabei  ertappt  wurde,  sagte  man 
zu  ihm:  Gib  den  Zoll!  Er  sprach:  Nehmt  euch,  was  ich  bei  mir  habe.  Sie  antworteten 
ihm:  Meinst  du  etwa,  daß  wir  den  Zoll  bloß  für  dieses  Mal  haben  wollen?   Wir  wollen 


380  Mattli  5,  4G  (Nr.  4).  5,47 

ihn  für  alle  die  Male  haben,  da  du  gewohnt  warst,  den  Zoll  zu  hiuterzieheu.  , Wisse, 
daß  um  alles  dieses  dich  Gott  ins  Gericht  bringen  wird."  —  In  Midr  Qoh  1 1,  9  R.  Gha- 
nina  b.  Papa,  um  ^OO,  als  Autor  genannt.  |!  BQ  1 13'':  (Zu  BQ  10,  1 :  „Man  wechselt  kein 
Geld  um  aus  dem  Kasten  der  Zöllner",  s.  S.816y,  wird  bemerkt:)  Aber  es  hat  doch 
Sch^muel  (f  254)  gesagt:  Die  Rechtsordnung  der  (heidnischen)  Obrigkeit  ist  Rechts- 
ordnung! (u.  darum  auch  von  Israel  zu  befolgen;  wie  darf  also  der  Zöllner  verächtlich 
behandelt  werden?)  R.  Chanina  b.  Kahana  (gegen  :-iOO)  hat  gesagt,  Sch'^^muel  hat  gesagt, 
die  Worte  der  Mischna  bezögen  sich  auf  einen  Zöllner,  der  keine  feste  Taxe  habe.  Die 
Schule  des  R.  Jannai  (um  2251  sagte,  sie  bezögen  sich  auf  einen  Zöllner,  der  sich  selbst 
dazu  gemacht  habe.  Einige  lehren  das  in  bezug  auf  die  Mischna  Kil  9,  2:  Man  darf 
Mischgewebe  auch  nicht  über  zehn  andren  Kleidern  tragen,  auch  nicht  zu  dem  Zweck, 
um  so  den  Zoll  zu  hinterziehen  (hiernach  waren  Kleidungsstücke,  die  man  auf  dem  Leibe 
trug,  zollfrei).  Diese  Mischna  stimmt  aber  nicht  mit  der  Meinung  desR.  ?Aqiba  (f  um  l;i5) 
überein;  denn  in  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  Es  ist  verboten,  sich  dem  Zoll  zu  ent- 
ziehen; R.  Schim?on  (um  15U)  aber  sagte  im  Namen  des  R.  ?Aqiba:  Es  ist  erlaubt,  sich 
dem  Zoll  zu  entziehen.  Diese  Bar  trifft  zu  in  bezug  auf  die  Frage  wegen  des  Tragens 
von  Mischgewebe;  dabei  besteht  die  Meinungsverschiedenheit,  daß  der  eine  Autor  (näm- 
lich R.  fAqiba)  meint,  daß  etwas  (was  an  u.  für  sich  verboten  ist,  wie  das  Tragen  von 
Mischgewebe)  erlaubt  sei,  wenn  es  nicht  i;eabsichtigt  war;  während  der  andre  Autor 
meint,  daß  es  verboten  sei,  auch  wenn  es  nicht  beabsichtigt  war.  (Da  das  Tragen  von 
Mischgewebe  nicht  der  eigentliche  Zweck  sei,  sondern  vielmehr  die  Ersparnis  des 
Zolles,  so  hält  R.  fAqiba  beides  in  diesem  Fall  für  erlaubt.)  Aber  dem  ZolT  sich  zu 
entziehen,  ist  denn  das  erlaubt?  Es  hat  doch  Sch^muei  gesagt:  Die  Rechtsordnung 
der  Obrigkeit  ist  Rechtsordnung!  R.  Chanina  b.  Kahana  hat  gesagt,  Sch^muel  habe  ge- 
sagt, es  handle  sich  um  einen  Zöllnei-,  der  keine  feste  Taxe  habe;  die  Schule  Jannais 
sagte,  um  einen  Zöllner,  der  sich  selbst  dazu  gemacht  habe.  Einige  .lehren  das  in  bezug 
auf  N*'d3, 4:  Man  darf  Mördern,  Räubern  u.  Zöllnern  gegenüber  durch  Gelübde  ver- 
sichern: daß  etwas  Hebe  sei,  auch  wenn  es  keine  Hebe  ist;  daß  etwas  dem  Hause 
des  Königs  gehöre,  auch  wenn  es  ihm  nicht  gehört  (um  es  auf  diese  Weise  zu  retten). 
Auch  dem  Zöllner  gegenüber?  Es  hat  doch  aber  Sch'^muel  gesagt:  Die  Rechtsordnung 
der  Obrigkeit  ist  Rechtsordnung  (wie  darf  man  also  dem  Zöllner  etwas  vorspiegeln)? 
R.  Chanina  b.  Kahana  hat  gesagt,  Sch'^muel  habe  gesagt,  es  handle  sich  um  einen  Zöllner, 
der  keine  feste  Taxe  habe;  die  Schule  Jannais  sagte,  um  einen  Zöllner,  der  sich  selbst 
dazu  gemacht  habe.  Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Es  handelt  sich  um  einen  Zöllner, 
der  ein  Goi  ist.  —  Zum  Teil  auch  N^'d  28''.  ||  Kelim  17,  16:  Verunreinigungsfähig  ist . .  . 
ein  Stock,  in  welchem  ein  Behälter  (leerer  Raum)  für  eine  Türpfosteninschrift  (M''zuza) 
u.  für  Perlen  ist.  — r  Nach  den  Kommentatoren  verbarg  man  unter  der  zollfreien  M^zuza 
die  zollpflichtigen  Perlen  vor  den  Zöllnern.  ||  BB  127 "^r  Geht  einer  am  Zollhaus  vorüber 
u.  sagt  (von  einem  Menschen  in  seiner  Begleitung  zum  Zöllner):  „Das  ist  mein  Sohn", 
u.  hinterher  (wenn  das  Zollhaus  passiert  ist)  sagt  er:  „Mein  Sklave  ist  dieser",  so 
gilt  er  (in  diesem  Stück)  als  beglaubigt  (glaubwürdig).  —  Der  erste  Ausspruch  war 
nur  ein  Kunstgriff,  den  zollpflichtigen  Sklaven  zollfrei  durchzuschmuggeln. 

5,47:  Und  wenn  ihr  allein  eure  Brüder  grüßt, 
was  tut  ihr  Besonderes?  sdv  aanäarjaö^s. 
Der  Gruß,  nibd  nbiNir  (eigentlich:  Erkundigung  nach  dem  Wohl- 
befinden jemandes)  gilt  als  Ehrenbezeugung;  seine  Unterlassung  be- 
deutet Geringschätzung  u.  Verachtung ;a  wer  aber  vollends  einen  ihm 
entbotenen  Gruß  unerwidert  läßt,  der  steht  mit  den  Räubern  auf  gleicher 
Stufe. b  —  Gruß  u.  Gegengruß  lauten  meist:  (cz-^bs)  rp^s'  cibir.^  Die  Notiz 

*  Darf  man  aus  der  Bezeichnung  des  Grußes  mit  z''~-v  r-i-av  =  „Erkundigung  nach 
dem  Wohlbefinden"  folgern,  daß  die  Formel  ~^'->-j  aVir  ursprünglich  als  Frage  gemeint 
war  —  befindest  du  dich   wohl? 


Matth5, 47  381 

B^'rakh  9,  5  über  eine  Verordnung,  nach  welcher  der  Gottesname  beim 
Gruß  verwendet  werden  sollte,  so  daß  die  GruP^formel  etwa  r,53^'  -i;nx 
oder  -\-''bv  crn  gelautet  haben  würde,  ist  so  unbestimmt  gehalten,  daß 
sie  ziemlich  wertlos  erscheint,  c  In  der  rabbin.  Literatur  haben  wir 
kein  Beispiel  gefunden,  daß  man  sich  beim  Gruß  irgendwie  nach  jener 
Verordnung  gerichtet  hätte;  doch  s.  Lk  1,23. —  Das  Grußzeremoniell  war 
in  der  nachchristl.  Zeit  durch  die  Sitte  bereits  fest  bestimmt.  Während 
man  es  in  der  babylon.  Judenschaft,  wie  es  scheint,  als  den  höchsten 
Grad  von  Ehrfurcht  ansah,  daß  der  Geringere  überhaupt  nicht  wagte, 
dem  Höherstehenden  den  Gruß  zu  entbieten, d  befolgten  in  Palästina 
einzelne  Gelehrten  die  Regel:  Komm  jedem  mit  deinem  Gruß  zuvor; 
wenigstens  demjenigen,  von  dem  du  weißt,  daß  er  dich  zu  grüßen 
pflegt. e  Die  Wirklichkeit  wird  freilich  weit  hinter  dieser  Forderung 
zurückgeblieben  sein.  Die  alten  Rabbinen  haben  so  eifersüchtig  auf 
ihre  Ehre  gehalten,  daß  sie  wohl  nur  selten  den  Gruß  entboten  haben, 
bevor  sie  ihn  empfangen  hatten.^  —  Dem  Sklaven  scheint  kein  Gruß- 
recht zugestanden  zu  haben,  g  Die  Schüler  der  Gelehrten  sollten  für 
ihre  Lehrer  den  Worten:  „Friede  sei  mit  dir!"  hinzusetzen:  „mein 
Lehrer"  oder  „mein  Herr".!!  Ein  Schuldner  tat  gut  daran,  wenn  er 
seinen  Gläubiger  nicht  zuerst  grüßte;  sein  zuvorkommendes  Grüßen 
könnte  wie  eine  Art  Zinszahlung  erscheinen,  u.  die  war  verboten.!  — 
Dem  König  gegenüber  war  der  Gruß  zu  verdoppeln,  k  Dagegen  er- 
übrigte sich  das  Grüßen  der  Frauen  wohl  von  selbst,  da  diese  meist 
mit  irgendeiner  Kopfbedeckung  ausgingen  u.  daher  nicht  zu  erkennen 
waren.  Doch  fordert  Eine  Stimme  auch  ausdrücklich,  daß  man  eine 
Frau  nicht  grüßen  solle. l  Des  Friedens  wegen  soll  auch  dem  Nicht- 
israeliten  der  Gruß  nicht  versagt  werden. m  Das  prinzipielle  Bedenken 
hiergegen  bestand  nach  Raschi  darin,  daß  man  mit  dem  Friedensgruß 
den  Namen  Gottes  auf  einen  Heiden  lege;  denn  mbir  sei  eine  Gottes- 
bezeichnung, n  Eine  freiere  u.  wohlwollendere  Haltung  nahmen  in  dieser 
Frage  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai,  Rab  Chisda,  Rab  Kahana  u.  R.  Tan- 
chuma  ein.«  Für  die  Zeiten  der  heidnischen  Festtage  galt  die  besondere 
Bestimmung,  daß  man  den  Nichtisraeliten  nur  einen  undeutlich  ge- 
sprochenen Gruß  entbiete. P  —  Ganz  spezielle  Normen  regelten  das 
Grüßen  Trauernder,q  das  Grüßen  während  der  Sch<^maf-Rezitationr  u. 
des  Gebetes, s  das  Grüßen  in  der  Nacht, t  an  öffentlichen  Büß-  oder 
Fasttagen"  u.  in  öffentlichen  Badehäusern. v 

a.  Siehe  01162»  Anm.  Ä:;  pSch  q2,  47%9  in  Anm.  d.        b.  Siehe  B'^rakhG''  Anni.e. 

C.  B'rakh9, 5:  Alle,  die  die  Lobsprüche  im  Tempel  schlössen  (mit  der  Formel: 
, Gepriesen  seist  du,  Jahve,  unser  Gott"),  pflegten  am  Schluß  zu  sagen:  „Von  Ewig- 
keit!" Als  aber  die  Freigeister  entarteten  u.  sagten,  es  gebe  nur  Einen  Äon  (also  keine 
zukünftige  Welt),  verordnete  man,  daß  man  (am  Schluß)  spreche:  ,Von  Ewigkeit  zu 
Ewigkeit"  (von  einer  Welt  bis  zur  andren).  Ferner  verordnete  man,  daß  ein  Mensch 
den  andren  mit  dem  Gottesnamen  (Jahve)  grüße,  wie  es  heil.t:  „Bo^^az  kam  aus  Beth- 
lehem u.  sprach  zu  den  Schnittern:  Jahve  sei  mit  euch!  u.  sie  sprachen  zu  ihm:  Es 
segne  dich  Jahve"  Ruth'2,4  u.:  „Jahve  sei  mit  dir,  du  streitbarer  Held!"  Ri  6, 12.  Ferner: 


382  MatthS,  47 

, Verachte  nicht  deine  Mutter,  wenn  sie  alt  geworden"  Spr28, '22  (d.  h.  auch  die  alten 
Grußformeln  haben  ihre  Bedeutung  noch  für  eine  spätere  Zeit).  Ferner:  ,Ks  ist  Zeit 
zu  wirken  fürJalive,  sie  haben  deine  Tora  gebrochen!"  Ps  1  19,  126.  R.Nathan  (um  MiO} 
sagte:  Sie  haben  deine  Tor*  gebrochen,  weil  die  Zeit  da  ist,  für  Jahve  zu  wirken.  lEin 
solches  Wirken  für  Gott  ist  auch  das  Bekenntnis  zu  ihm,  so  oft  man  seinen  Namen 
beim  Gruß  gebraucht.)  Ü  Mak  28'':  R.  J  hoschua?  b.  Levi  (um  2öU)  hat  gesagt:  Dreierlei 
hat  der  untere  Gerichtshof  eingeführt  u.  der  obere  (himmlische)  Gerichtshof  hat  ihm 
zugestimmt:  das  V'orlesen  der  Estherrolle  (am  Purimfest',  das  Grüßen  (mit  dem  Gottes- 
namen) u.  die  Ablieferung  des  Zehnten  (an  den  Tempel  NehlU, :S9).  Das  Lesen  der 
Estherrolle  s.  Esth9,27:  ^Sie  bestätigten  es  u.  die  Juden  nahmen  es  an."  ^sje  be- 
stätigten es",  nämlich  oben  (im  himmlischen  Gerichtshof),  was  sie  unten  angenommen 
hatten.  Die  Begrüßung  (mit  dem  Gottesnameni  s.  Ruth  2,4  u  Ri  6,  12.  Die  Ablieferung 
des  Zehnten  s.  Mal  :H,  lU.  (Die  Zustimmung  des  himmlischen  Gerichtshofes  zu  den  beiden 
letzten  Festsetzungen  wird  darin  gefunden,  daß  beide  durch  die  beigebrachten  Schrift- 
verse gestützt  werden.)  —  Grätz,  Geschichte  der  Juden*  4,  155f.  4ö8  meint,  daß  die 
Verordnung  betreffs  Verwendung  des  Jahvenaniens  beim  Gruß  ihre  Spitze  gegen  das 
Christentum  kehre.  Weil  die  Christen  Jesum  ^Herr"  (':-;n  xvQiog)  nannten,  habe  man  mit 
jener  Verordnung  ein  Unterscheidungszeichen  einführen  wollen,  um  zu  erkennen,  wer  zu 
Jahve,  dem  Gott  des  Judentums,  u.  wer  zu  Jesu  halte.  Allein  die  Verbindung,  in  der  diese 
Verordnung  in  der  Mischna  mit  der  Bestimmung  betreffs  des  Schlusses  der  Lobsprüche  er- 
scheint, verweist  sie  in  die  griechisch-makkabäisclie  Periode;  da  mag  der  Gebrauch  des 
Jahvenamens  in  der  Tat  zur  Unterscheidung  der  Geister  gedient  haben,  in  jene  Zeit  ver- 
legt auch  R.  J'hoschuaf  b.  Levi  (Mak  28'')  die  Verordnung.  Grätz  beruft  sich  für  seine 
Meinung  namentlich  auf  Midr  Ps  3G  §  8  (lüö-'):  R.  Abba  bar  Kahana  (um  31Ü)  hat  gesagt: 
Zwei  Geschlechter  haben  sich  des  Jahvenamens  (s-.-t':-  ::'s  des  deutlich  ausgesprochenen 
Namens)  bedient,  nämlich  die  Männer  der  Großen  Versammlung  (in  der  griech.  Periode)  u. 
dasGeschlecht  der  Religionsverfolgung  (zur  ZeitHadrians).  Aber  diese  Worte  handeln  nach 
dem  Zus. hang,  in  welchem  sie  stehen,  nicht  vom  Gebrauch  des  Jahvenamens  beim  Gruß, 
sondern  von  seiner  Verwendung  für  thaumaturgische  Zwecke.  Im  2.  nachchristl.  Jahrh. 
war  längst  kein  Raum  mehr  für  den  Namen  ,  Jahve"  auf  den  Straßen  u.  Märkten  Israels. 

d.  pSch'q2,  17',  9:  R.  Jochanan  (f  279)  pflegte  sich  beim  Gehen  (auf  seinen  Be- 
gleiter! zu  stützen.  Einmal  ging  R.  Chijja  b.  Abb;i  (um  28u)  mit  ihm.  Als  R.  Ehazar 
(b.  P'^dath,  um  27U,  der  ebenso  wie  R.  Chijja  b.  Abba  aus  Babylonien  stammte)  ihn  er- 
blickte, verbarg  er  sich  vor  ihm.  Da  sagte  R.  Jochanan:  Zweierlei  hat  dieser  Babylonier 
mir  (der  Text  redet  in  der  dritten  Person)  angetan;  einmal,  daß  er  mich  nicht  grüßt 
(n-'i-Vra  ";-s-i;  s";-),  u.  sodann,  daß  er  sich  verbirgt.  R.  Jafiiqob  b.  Idi  (ein  Schüler 
Jochanans)  sprach  zu  ihm:  So  ist  es  Sitte  bei  ihnen  (den  Babylonierni,  daß  der  Ge- 
ringere den  Höheren  nicht  grüßt  (aus  Ehrfurcht  vor  diesem);  denn  sie  befolgen  u.  halten: 
,Es  sahen  mich  Jünglinge  u.  verbargen  sich"  Hi  29,  M.  Ähnlich  pB'^rakh  :i,  4  !>,  29. 

e.  Aboth  4,  15:  R.  Matlija  b.  Cherescli  (um  130)  sagte:  Komm  jedermann  mit. dem 
Friedensgruß  zuvor.  Sei  lieber  der  Schweif  bei  den  Löwen,  als  der  Kopf  bei  den 
Füchsen,  i  B'rakh  17":  Von  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  SO  n.Chr.)  hat  man 
gesagt,  daß  ihm  nie  jemand  mit  dem  Friedensgruß  zuvorgekommen  sei,  selbst  nicht 
ein  Goi  auf  der  Straße.  ||  B^'rakh  ö'':  R.  Chelbo  (um  oUU)  hat  gesagt,  Rab  Huna  (f  297) 
habe  gesagt:  Wer  von  einem  andren  weiß,  daß  dieser  ihm  den  Friedensgruß  zu  ent- 
bieten pflegt,  der  komme  ihm  mit  dem  Gruß  zuvor,  vgl.:  „Frage  nach  dem  Wohl- 
befinden u.  eile  dabei"  Ps  34,  15  (d.  h.  grüße  eilends,  so  der  Midr).  Wenn  aber  einer 
dem  andren  den  Gruß  geboten  hat  u  dieser  erwidert  ihn  nicht,  so  wird  er  ein  Räuber 
genannt,  vgl.:  „Ihr  habt  den  Weinberg  abgeweidet,  der  Raub  der  Armen  ist  in  euren 
Häusern"  Jes8,  14.  Dazu  Raschi:  „Der  Raub  des  Armen*;  ist  nicbt  auch  der  Raub 
des  Reichen  ein  Raub?  Vielmehr  „der  Raub  des  Armen":  weil  dieser  nichts  hat,  was 
man  ihm  rauben  kann,  außer  daß  man  ihm  seinen  Gruß  nicht  erwidert. 

f.  Die  Grundregel  über  das  Grüßen  lautet  pB'rakh  2,  4'',  24:  Der  Mensch  muß 
den  (zuerst)  grüßen,  der  größer  in  der  Torakenntnis  ist  als  er. 


Matth  5,  47  383 

g.  Schab  89^ :  R.  J'-'hoschua?  b.  Levi  (um  '2-i0)  hat  gesagt:  Als  Mose  zur  Höhe  empor- 
stieg (bei  der  Gesetzgebung!,  traf  er  Gott,  wie  er  Krönchen  (Strichelchen}  an  die  Buch- 
staben der  Tora  knüpfte.  Gott  sprach  zu  ihm:  Mose,  in  deiner  Stadt  gibt  es  wolil  keinen 
Friedensgruß?  Dieser  antwortete:  Gibt's  denn  einen  Knecht  (Sklaven),  der  seinem 
I^errn  den  Grufs  entbieten  darf?  Gott  antwortete:  Du  hättest  mir  Glück  zur  Arbeit 
wünschen  sollen!*  Sofort  sprach  Mose  zu  ihm  Nu  14,  17:  ,Möge  groß  sein  die  Kraft 
Jahves,  wie  du  geredet  hast!" 

h.  B  rakh27''  Bar:  R.  Eli?ezer  (so  lies  statt  ^EUazar",  gemeint  ist  der  Ben  Hyr- 
kanos,  um  90)  sagte:  Wer  hinter  seinem  Lehrer  betet,  wer  seinem  Lehrer  den  Friedens- 
gruß entbietet  (wie  jedem  andren  Menschen  mit  den  Worten  -^hy  c-ib-i;  u.  nicht  sagt: 
"--'  -":>•  z:-z,  Raschi),  wer  seinem  Lehrer  den  Gruß  erwidert  (wiederum  ohne  den  Zu- 
satz: .mein  Lehrer"),  wer  gegen  die  Lehrentscheidung  seines  Lehrers  sich  ausspricht 
u.  wer  etwas  sagt,  was  er  nicht  aus  dem  Munde  seines  Lehrers  vernommen  hat  —  der 
veranlaßt  die  Sch^khina  (die  göttl.  Gegenwart),  daß  sie  sich  von  Israel  entfernt.  — 
Tr.  Kalla  Ende  lautet  dieser  Ausspruch:  R.  Elifezer  sagte:  Wer  seinem  Lehrer  den 
Friedensgruß  entbietet,  ist  des  Todes  schuldig.  Ben  ^Azzai  (um  IlU)  sagte:  Wer  seinem 
Lehrer  den  Fr.  entbietet,  wer  ihm  den  Fr.  erwidert,  wer  gegen  seine  Lelirentscheidung 
sich  ausspricht  —  der  ist  des  Todes  schuldig.  Zum  richtigen  Verständnis  dient  die 
obige  Erläuterung  Raschis.  ||  pB^'rakh  2,  4^',  27  wird  über  die  Länge  der  Zeit  verhandelt, 
in  der  ein  Mensch  ein  Wort  sagen  kann.  R.  J'^^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  sagte:  So  lange, 
wie  zum  Grußwechsel  zwischen  zwei  Menschen  nötig  ist.  Abba  bar  bar  Ghana  (um  280) 
sagte  im  Namen  des  R.  Jocbanan  (f  279):  So  lange,  wie  zum  Grußwechsel  zwischen 
Lehrer  u.  Schüler  nötig  ist,  wenn  dieser  zu  jenem  sagt:  "3^  -■■;:'  a-5r.  —  Vgl.  BQ  7:5''; 
da  lautet  nach  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  löOj  der  Gruß  des  Schülers:  „Friede  über 
dich,  mein  Lehrer  u.  mein  Herr",  •^•si  -=■',  u.  der  Gruß  des  Lehrers  an  den  Schüler: 
^Friede  über  dich" !  —  Vgl.  auch  Bar  B'^rakh  li":  R.  Jose  (b.  Chalaphta)  hat  erzählt:  Ein- 
mal war  ich  unterwegs  u.  trat  in  eine  der  Ruinenstätten  Jerusalems  ein,  um  zu  beten. 
Es  kam  Elias,  gesegneten  Angedenkens,  u.  wartete  am  Eingang  auf  mich,  bis  ich  mein 
Gebet  beendigt  hatte.  Als  ich  es  beendigt  hatte,  sprach  er  zu  mir:  Friede  über  dich, 
Rabbi!  Ich  antwortete  ihm:  Friede  über  dich,  mein  Lehrer  u.  mein  Herr,  '^vt  -3-! 

i.  pBM  5,  10',  12:  R.  Schimfon  (um  IbO)  sagte:  Etwas  Schweres  ist  es  um  das 
Zinsnehmen;  denn  selbst  die  Entbietung  des  Friedensgrußes  ist  ein  Zins;  hat  der 
Schuldner  ihm  (dem  Gläubiger)  sem  lebelang  den  Gruß  nicht  i zuerst)  entboten,  aber 
weil  er  von  ihm  ein  Darlehn  erhalten  hat,  kommt  er  ihm  mit  dem  Gruß  zuvor,  so 
ist  das  ein  Zins.  —  Bestimmter  lautet  die  Tradition  BM75'':  R.  Schimfon  b.  Jochai 
sagte:  Woher,  wenn  jemand  einem  andren  eine  Mine  geliehen  hat  u.  dieser  pflegte  jenem 
mit  dem  Friedensgruße  nicht  zuvorzukommen,  daß  es  dem  Schuldner  verboten  ist,  dem 
Gläubiger  mit  dem  Gruß  zuvorzukommen?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Zins  von  irgend  etwas 
sollst  du  deinem  Bruder  nicht  auflegen  Dt  28,  20;  auch  ein  Wort  als  Zins  ist  verboten.  — 
TBM  0,  17  (885j  wird  diese  Ausführung  dem  R.  ?Aqiba  (f  um  Liöj  beigelegt;  vgl.  S.349cr. 

k.  Git62":  Rab  Huna  (f  297)  u.  Rab  Chisda  (f  -itOj  saßen  beieinander.  G'^'niba 
(um  260)  ging  an  ihnen  vorüber.  Da  sprach  der  eine  von  ihnen  zu  seinem  Genossen: 
Wir  wollen  vor  ihm  aufstehn  (u.  ihn  grüßen),  denn  er  ist  ein  Sohn  der  Tora.  Der 
andre  erwiderte:  Vor  die!>em  Streitsüchtigen  wollen  wir  aufstehn?!  Inzwischen  war 
G'niba  an  sie  herangetreten  u.  sprach  zu  ihnen:  Friede  über  euch,  meine  Könige! 
Friede  über  euch,  meine  Könige,  ":-^  n2"';>-  s'stc!  Sie  sprachen  zu  ihm:  Woher  weißt 
du  das,  daß  die  Rabbinen  Könige  genannt  werden?  Er  antwortete:  Es  heißt  ja:  „Durch 
mich  (die  Weisheit  =  Tora)  herrschen  die  Könige"  Spr  8,  15.  Sie  sprachen  zu  ihm: 
Woher  weißt  du  das,  daß  man  den  Königen  den  Gruß  verdoppelt?  Er  antwortete: 
Rab  J'^'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Woher,  daß  man  dem  König 

*  So  nach  Raschi:  Du  hättest  sagen  sollen:  ,Möge  dir  deine  Arbeit  gelingen."  — 
Das  •l^^>•'•:  ist  hier  in  demselben  Sinn  gebraucht  wie  s-t»  a-p^Tn«  Sch'^bifith  4,3:  „Man 
stärkt  die  Hände"  =  man  wünscht  Glück  zur  Arbeit. 


384  Matth  5,  47 

den  Friedensgruß  verdoppelt?  Weil  es  heißt  1  Chr  12,  18:  „Der  Geist  erfaßte  den 
fAmasai,  das  Haupt  der  Dreißig:  Dir,  o  David,  u.  mit  dir,  o  Sohn  Isai.  sind  wir!  Heil. 
Heil  sei  dir  --  =^-^  ='-i! 

l.  Qid  TC*  (s.  oben  S>  800):  So  hat  Sch^'muel  (f  254)  gesagt:  Man  grüßt  eine  Frau 
überhaupt  nicht.  lAber  durch  ihren  Mann  darf  man  sich  nach  ihrem  Wohlbefinden  er- 
kundigen, also  sie  grüßen  lassen;  s.  BM  87 ^) 

m.  Git5,9  u  Seh  bi?ith4,3:  Man  darf  im  Brachjahr  den  Gojim  zu  ihrer  Arbeit 
Glück  wünschen,  aber  nicht  den  Israeliten;  auch  darf  man  sie  grüßen  des  Friedens 
halber.  —  Einzelne  bezogen  die  letzten  Worte  auf  die  Israeliten  bei  ihrer  Arbeit  im 
Brachjahr,  nicht  auf  die  Fremden  pSch^'bifith  4,  S')*^,  28. 

n.  Zu  Git  5,  ii  bemerkt  Raschi  Git61-':  Man  darf  sie  (die  Nichtisraeliten)  alle 
Tage  grüben,  obwohl  man  dabei  den  Namen  Gottes  auf  einen  Nichtisraeliten  legt; 
denn  ="i-r  ist  ein  Name  Gottes.  —  Raschi  wird  dabei  an  Ri  6,  24  gedacht  haben: 
, Gideon  erbaute  daselbst  Jahve  einen  Altar  u.  nannte  ihn:  Jahve  civr."  Vgl.  LvR 
9  (111'^):  R.  Judan  b.  Jose  (wann?)  hat  gesagt:  Groß  ist  der  Friede;  denn  der  Name 
Gottes  wird  , Friede"  =•''--•  genannt,  s.  Ri  6,  24. 

'  O.  Git  6':!*:  Rah  Chisda  (f  -^09)  kam  den  Gojim  zuvor  u.  entbot  ihnen  den  Grui. 
Rab  Enhana  (um  '2bO)  hat  zu  einem  solchen  gesagt:  Friede  dem  Herrn  — :V  Nr'-^!  — 
Raschis  Bemerkung:  ,Rab  Kahana  hatte  nicht  beabsichtigt,  ihn. zu  segnen,  sondern 
er  dachte  dabei  an  seinen  Lehrer",  ist  grundlos;  s.  die  Tosaphoth.  |1  pB^rakh  S,  12',  46: 
R.  Tanchuma  (b.  Abba,  um  H80)  hat  gesagt:  Grüßt  dich  ein  Goi  mit  einem  Segens- 
wort, so  antworte  mit  Amen!  Denn  es  heißt:  Gesegnet  wirst  du  von  allen  Völkern 
werden  Dt  7,  14  (so  der  Midr).  Ein  Goi  begegnete  dem  R.  Jischmafel  (f  um  13ö)  u. 
grüßte  ihn  mit  einem  Segenswort.  Er  antwortete:  Längst  ist  das  (deinen  Gruß  be- 
treffende) Wort  gesagt  worden  (nämlich  in  der  Schrift),  Darauf  begegnete  ihm  ein 
andrer,  der  ihm  ein  Wort  der  Verwünschung  zurief.  Er  antwortete:  Längst  "ist  das 
Wort  gesagt  worden.  Da  sprachen  seine  Schüler  zu  ihm:  Rabbi,  wie  du  jenem  ge- 
antwortet, so  hast  du  auch  diesem  geantwortet!  Er  sprach:  So  steht  geschrieben: 
,Wer  irgend  dir  flucht,  sei  verflucht,  und  wer  dich  segnet,  sei  gesegnet"  Gn  27,  29. 
Dasselbe  pSukka  :^,  54«,  14;  pM'g  1,  72",  24;  GnR  66  (42').  Ii  Ferner  s.  B  rakh  17"  in 
Anm.  f.  —  Auch  Abajes  (t  33^/89)  Wort  B  rakh  17 ''  darf  hierher  gezählt  werden: 
Immer  sei  der  Mensch  klug  in  (Gottes-)Furcht:  er  antworte  sanft,  er  stille  Zorn  u.  er 
mehre  den  Frieden  mit  seinen  Brüdern  u.  mit  seinen  Verwandten  u  mit  jedem  Menschen, 
selbst  mit  einem  Goi  auf  der  Straße  (beim  Gruß),  damit  er  geliebt  sei  oben  (bei  Gott) 
u.  begehrt  unten  u.  ant^enehm  ('-2i-t,  dexrög  Apg  10,  Mo)  bei  den  Menschen. 

p.  Git  62"  Bar:  Man  soll  in  das  Haus  eines  Goi  nicht  an  einem  Festtag  des- 
selben gehen,  um  ihn  zu  begrüßen.  Trifft  man  ihn  (an  dem  Festtage)  auf  der  Straße, 
so  grüße  man  ihn  undeutlich  (wörtlich:  mit  schlaffer  Lippe)  u.  gesenkten  Hauptes 
(wörtlich:  mit  der  Schwere  des  Hauptes).  —  Die  Bar  stammt  aus  Tf AZ  1,  2  (460); 
enger  als  bT  schließt  sich  pfAZ  1,  39 ^',  11   an  die  Tos  an. 

q.  MQ  21 '^  Bar:  Ein  Trauernder  darf  in  den  ersten  drei  Tagen  (der  Trauerzeit) 
nicht  grüßen;  vom  dritten  bis  zum  siebenten  Tage  darf  er  den  Gruß  erwidern,  aber 
nicht  grüßen;  von  da  an  u.  weiter  darf  er  den  Gruß  entbieten  u.  erwidern  nach  seiner 
Gewohnheit.  —  Die  sich  anschließende  Diskussion  zeigt,  daß  die  Sitte  sich  nicht  in 
jeder  Hinsicht  mit  der  Bar  deckte. 

r.  B^rakh  2.  1:  Bei  den  Absätzen  (der  das  Schema?  bildenden  Abschnitte  Dt  6. 
4 — 9;  11^  13 — 21;  Nu  15,  37—41)  darf  man  grüßen  aus  Ehrerbietung  u.  einen  Gruß 
erwidern;  in  der  Mitte  (der  einzelnen  Schriftabschnitte)  darf  man  grüßen  aus  Furcht 
u.  einen  Gruß  erwidern;  das  sind  Worte  des  R.  Mei'r  (um  150).  R.  J'^^huda  ib.  Elfai, 
um  150)  .sagte:  In  der  Mitte  darf  man  grüßen  aus  Furcht  u.  den  Gruß  erwidern  aus 
Elirerbietung;  bei  den  Absätzen  darf  man  grüßen  aus  Ehrerbietung  u.  jedermann  den 
Friedensgruß  erwidern.  Vgl.  pB'rakh  2,  4  b,  JS.  54;  bBrakh  13b. 

S.  B'^rakh  5,  1 :  Selbst  wenn  der  König  einem  (während  des  Gebetes)  den  Gruß 
entbietet,    darf  man  ihn  nicht   erwidern;    selbst  wenn  sich   einem  eine  Schlange  um 


Matth  5,  47  3g5 

die  Ferse  windet,  darf  man  das  Gebet  nicht  unterbrechen.  |1  pB*^rakh  5,  9-',  24:  , Selbst 
wenn  der  König"  usw.  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Das  hat  man  von  den  Königen 
Israels  gesagt;  aber  bei  den  Königen  der  Völker  der  Welt  erwidert  man  den  Gruß. 
Es  ist  gelehrt  worden:  Schreibt  einer  den  Gottesnamen,  so  soll  er,  auch  wenn  ein 
König  ihm  den  Gruß  entbietet,  den  Gruß  nicht  erwidern.  Schreibt  er  zwei  oder  drei 
Gottesnamen  (hintereinander),  wie  zB  -s,  a-nVs,  r.:r:',  so  schreibt  er  einen  von  ihnen 
fertig  u.  erwidert  dann  den  Gruß.  —  B^'rakh  32b  statt  R.  Acha:  Rab  Joseph,  f  333.  i' 
B*^rakh  14''^:  Rab  (t  247)  hat  gesagt:  Wer  seinen  Nächsten  grüßt,  bevor  er  (des  Morgens 
das  Schimone  fEsre)  gebetet  hat,  macht  diesen  gleichsam  zu  einer  (Götzen-)Anhöhe, 
s.  Jes  2,  22:  ^Lasset  ab  vom  Menschen,  in  dessen  Nase  Hauch;  denn  wie  groß  n^z 
ist  er  doch  zu  achten !  (ehrt  nicht  den  hinfälligen  Menschen  durch  einen  Gruß,  bevor 
ihr  Gott  geehrt  mit  dem  Gebet);  denn  als  Anhöhe  wird  er  (infolgedessen  von  Gott) 
geachtet.  Lies  nicht ->3z  =  ,wie  hoch",  sondern  --12,  als  (Götzen-) ,  Anhöhe"  wird  er 
geachtet.  Sch'muel  (f  254)  hat  gesagt:  So  groß  r-.-^z  seine  Achtung  vor  diesem  ist, 
ist  sie  nicht  vor  Gott  (falls  er  vor  seinem  Morgengebet  einen  Menschen  grüßt).  |1 
B'^rakh  32'*  Bar:  Einmal  betete  ein  Frommer  auf  einem  Wege.  Es  kam  ein  Heer- 
führer u.  entbot  ihm  einen  Gruß,  aber  er  erwiderte  den  Gruß  nicht.  Jener  wartete 
auf  ihn,  bis  er  sein  Gebet  beendet  hatte.  Als  er  sein  Gebet  beendet  hatte,  sprach 
jener  zu  ihm:  Dummkopf  (sp-i),  steht  nicht  in  eurer  Tora  geschrieben:  ,Nur  hüte 
dich  u.  nimm  dein  Leben  (so  der  Midr)  in  acht"  Dt  4,  9,  u.  ferner:  ,So  nehmt  euer 
Leben  (so  der  Midr)  wohl  in  acht"  Dt  4,  15?  Als  ich  dir  den  Gruß  bot,  warum  hast 
du  mir  den  Gruß  nicht  erwidert?  Wenn  ich  dir  deinen  Kopf  mit  dem  Schwert  ab- 
geschlagen hätte,  wer  würde  dein  Blut  von  meiner  Hand  gefordert  haben?  Er  ant- 
wortete: Warte  auf  mich,  bis  ich  dich  mit  Worten  werde  begütigt  haben.  Wenn  du, 
so  sprach  er,  vor  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut  gestanden  hättest  u.  ein  andrer 
wäre  gekommen  u.  hätte  dir  einen  Gruß  entboten,  würdest  du  ihm  den  Gruß  erwidert 
haben?  Jener  antwortete:  Nein!  Und  wenn  du,  so  fulu-  der  Fromme  fort,  ihm  den 
Gruß  erwidert  hättest,  was  würde  man  dir  getan  haben?  Jener  antwortete:  Man 
würde  meinen  Kopf  mit  dem  Schwerte  abgeschlagen  haben.  Da  sprach  der  Fromme: 
Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere?  Wenn  das  von  dir  gilt, 
der  du  nur  vor  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut  gestanden  hättest,  der  heute  hier 
ist  u.  morgen  im  Grabe,  um  wieviel  mehr  würde  das  von  mir  gelten,  der  ich  vor  dem 
König  aller  Könige  stand,  vor  Gott,  der  da  lebt  u.  bleibt  in  alle  Ewigkeiten!  Sofort 
war  jener  Heerführer  begütigt  u.  jener  Fromme  ging  heim  in  Frieden. 

t.  M*'g  3*:  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (u,m  2ö0)  hat  gesagt:  Es  ist  dem  Menschen  verboten, 
einem  andren  in  derNacht  den  Gruß  zu  entbieten;  wir  befürchten,  es  könnte  ein  Dämon  sein. 

U.  Tafan  1,  7:  Sind  diese  (die  13  Fasttage  zur  Erflehung  von  Regen)  vorüber- 
gegangen ohne  Erhörung,  so  beschränkt  man  das  Kaufen  u.  Verkaufen,  das  Errichten 
von  Freudenbauten  (zB  Traubaldachine),  das  Anlegen  von  Plantagen,  die  Verlöbnisse, 
die  Hochzeiten  u.  das  gegenseitige  Grüßen  der  Menschen,  wie  Leute,  die  von  Gott 
in  den  Bann  getan  sind.  —  Dazu  bemerkt  Tas:an  14 ^  Bar:  Die  Mitglieder  des  Chaber- 
bundes  (Pharisäer-Genossenschaft)  grüßen  einander  nicht;  den  gesetzesunkundigen 
Leuten  (?Amme  ha-are^),  wenn  sie  grüßen,  erwidert  man  den  Gruß  undeutlich  (wört- 
lich: mit  schlaffer  Lippe)  u.  gesenkten  Hauptes. 

V.  TB'^rakh  2,  20  (5):  Wenn  jemand  in  ein  (öffentliches)  Badehaus  gegangen  ist, 
so  darf  an  einer  Stelle,  wo  die  Leute  bekleidet  dastehen,  das  Lesen  des  Schema?  u. 
das  Gebet  stattfinden  u.  erst  recht  das  Entbieten  des  Friedensgrußes;  man  darf  dort 
die  Gebetsriemen  anlegen  u.  braucht  sie,  was  nicht  erst  nötig  ist  zu  bemerken,  nicht 
abzulegen.  An  einer  Stelle,  wo  die  Leute  teils  nackt,  teils  bekleidet  stehen,  darf  das 
Grüßen  stattfinden,  aber  nicht  das  Lesen  des  Sch'^ma?  u.  das  Gebet;  man  braucht  die 
Gebetsriemen  nicht  abzulegen,  aber  man  legt  sie  nicht  erst  an.  An  einer  Stelle,  wo  die 
Leute  nackt  stehen,  findet  kein  Grüßen  statt.  —  Als  Bar  pB  rakh  2,  4<',  42;  Schab  10  ^  ' 
Schab  10*':  Rab  Hamnuna  (um  290)  hat  im  Namen  des  fUlla  (um  280)  gesagt:  Es  ist 
dem  Menschen  verboten,  in  einem  Badehaus  einem  andren  den  Gruß  zu  entbieten. 
Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  25 


386  Matth  5,  48.  6, 1  « 

5,48:  So  sollt  ihr  nun  vollkommen  sein,  wie  euer  Vater 

im  Himmel  vollkommen  ist. 
xi-XeioQ  vollkommen  =  t3"i-2n  oder  obi^.  —  Von  Abraham  wird  ausgesagt-, 
daß  er  durch  die  Beschneidung  vollkommen  c^p  geworden  sei  wie  Gott. 
GnR  46  (29 '^):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einer  Matrone,  zu  der  der 
König  sprach:  Geh  an  mir  vorüber!  Sie  ging  an  ihm  vorüber,  u.  ihr  Angesicht  ent- 
färbte sich.  Sie  sprach  (bei  sich):  Vielleicht  ist  etwas  Verwerfliches  an  mir  gefunden 
worden.  Der  König  sprach  zu  ihr:  Es  ist  an  dir  nichts  Verwerfliches,  nur  der  Nagel 
deines  kleinen  Fingers  ist  etwas  groß;  entferne  ihn  und  der  Fehler  ist  beseitigt!  So 
sprach  Gott  zu  Abram,  unsrem  Vater:  Es  ist  nichts  Verwerfliches  an  dir  außer  dieser 
Vorhaut;  entferne  sie,  so  ist  der  Fehler  beseitigt:  „wandle  vor  mir,  so  wirst  du  voll- 
kommen a-cr  sein"  Gn  17,  1.  i|  GnR  46  (29"):  R.  Judan  (um  350)  hat  gesagt:  Wie  an 
einer  Feige  nichts  Verwerfliches  ist  außer  dem  Stiel;  entferne  ihn  u.  der  Fehler  ist 
beseitigt  —  so  sprach  auch  Gott  zu  Abraham:  Es  ist  nichts  Verwerfliches  an  dir 
außer  der  Vorhaut,  entferne  sie  u.  der  Fehler  ist  beseitigt:  „wandle  vor  mir,  so  wirst 
du  vollkommen  sein"  Gn  17,  1.  ||  N*^d  32''  Bar:  Rabbi  sagte:  Groß  ist  die  Beschneidung; 
denn  du  hast  keinen,  der  sich  mit  den  Gebotserfüllungen  so  beschäftigt  hat  wie  unser 
Vater  Abr.,  u.  (doch)  wurde  er  erst  wegen  der  Beschneidung  vollkommen  csr  ge- 
nannt, s.  Gn  17,  If.  II  TanchB  -V  -V  §  23  (40^):  Gott  sprach  zu  Abr.:  Es  ist  genug  für 
den  Knecht,  wenn  er  ist  wie  sein  Herr!  Gleich  einem  König,  der  einen  Freund  hatte, 
der  über  die  Maßen  reich  war.  Der  König  sprach :  Was  soll  ich  meinem  Freunde 
geben?  Silber  u.  Gold,  Sklaven  u.  Sklavinnen  u.  Vieh  hat  er;  aber  siehe,  ich  will  ihm 
meinen  Gurt  (so  Buber)  umgürten.  Ebenso  sprach  Gott  (zu  Abr.):  Was  soll  ich  dir 
geben?  Silber  u.  Gold,  Sklaven  u.  Sklavinnen  u.  Vieh  habe  ich  dir  bereits  gegeben, 
s.  Gn  13,  2;  was  soll  ich  dir  also  geben?  Es  sei  dir  genug,  daß  du  bist  wie  ich,  wie 
es  heißt  Gn  17,  2:  Ich  will  meinen  (Beschneidungs-)Bund  geben  zwischen  dir  u.  mir. 

Inhaltlich  verwandt  mit  Mt  5,  48  sind  vielfach  die  bei  Mt  5,  45  ge- 
brachten Stellen;  s.  daselbst  S.  372. 

6,  1:  Habt  acht  darauf,  eure  Gerechtigkeit  nicht  vor  den 
Menschen  auszuüben,  um  von  ihnen  gesehen  zu  werden;  an- 
dernfalls habt  ihr  keinen  Lohn  bei  eurem  Vater  im  Himmel. 
TTQoaexeTs  rrjv  öixaioavvrjv  lificov  [j.rj  Hoisiv  ...  —  dixaioffvrrj  bedeutet 
hier  nicht  „Wohltätigkeit",  „Almosen"  (=  sXsri^ioavvrj  Vers  2),  sondern 
wie  Mt  5,  20  „Gerechtigkeit"  oder  „Rechtbeschaffenheit".  Nachdem  Mt 
5,  20  ff.  das  Wesen  der  wahren  Gerechtigkeit  auf  Grund  einiger  Gebote 
dargelegt  ist,  folgt  6,  1  ff.  eine  Warnung  vor  dem  falschen  Betrieb 
der  Gerechtigkeit,  u.  zwar  beim  Almosengeben  Vers  2—4,  beim  Beten 
Vers  5—15  u.  beim  Fasten  Vers  16 — 18.  ||  Mt  6, 1  will  also  eine  Über- 
schrift für  den  ganzen  Abschnitt  Vers  2  — 18  sein  u.  nicht  bereits  ein 
Teil  der  speziell  das  Almosengeben  betreffenden  Mahnung  Vers  2 — 4; 
schon  darum  kann  6ix.  hier  nur  allgemein  „  Gerechtigkeit"  sein.  Der  textus 
receptus,  dem  Luther  gefolgt  ist:  sXeiji^ioavvrjv  (Almosen).  Aber  es  gibt 
im  NT  keine  Stelle  (auch  2  Kor  9,  9  f.  bildet  keine  Ausnahme),  in  der 
dixaioovvrj  im  Sinne  von  Wohltätigkeit  gefafat  werden  müßte.  Das  ist 
um  so  bemerkenswerter,  als  sowohl  die  LXX  dix.  im  Sinne  von  Wohl- 
tätigkeit kennen, a  als  auch  das  ßabbinische  das  hebräische  Äquivalent 
n;5n:?  in  ausgedehntestem  Maße  zur  Bezeichnung  der  Almosen  gebraucht,  b 


Matth  6,  1.  2  (Nr.  1)  387 

a.  Spr  10,  2:  ri's's  --::ri  n;:-s-  Gerechtigkeit  en-ettet  vom  Tode;  LXX:  dixcaoavt')j 
ds  ^vaeiai  ix  &aPKTOv.  Wie  6ix.  hier  geraeint  ist,  zeigt  Tob  4,  10:  sXstj/noaiyr]  ix 
SavaTov  QVETcu  (ebenso  Tob  12,  9,  vgl.  auch  14,  10 f.):  Wohltätigkeit  oder  Almosen.— 
Als  Barmherzigkeitsübung  erscheint  die  6i,x.  neben  den  Almosen  e'A.  auch  Tob  12,  8: 
äyafioy  ngoaev^ij  fieid  p)jai£tag  xal  iXsi]iuoavpt]s  xal  äixctioavprjg.  —  14,  11:  XSsxs 
ri  ikEijfioai'ipi]  noiel  xal  (^ixnioarvtj  qvsxki. 

b.  Aboth2,  7:  (Hillel  der  Alte,  um  20  v.Chr.)  pflegte  zu  sagen:  Viel  Fleisch 
viel  Maden;  viel  Schätze  viel  Sorge;  viel  Mägde  (Sklavinnen)  viel  Unzucht;  viel 
Knechte  (Sklaven)  viel  Raub;  viel  Weiber  viel  Zauberei;  viel  Tora(kenntnis)  viel 
Leben;  viel  Weisheit  viel  Schüler;  viel  Wohltätigkeit  "","::  viel  Frieden.  —  Den  letzten 
Worten  liegt  Jes  32,  17  zugrunde:  „Das  Werk  (die  Wirkung,  die  Frucht)  der  Gerechtig- 
keit -p-:-j  wird  Friede  sein."  Hillel  deutet  npns  =  „Almosen,  Wohltätigkeit".  —  Auch 
noch  in  späterer  Zeit  hat  man  r^-,n■^  Jes  32,  17  nach  dem  Vorgang  H.s  von  der  Wohl- 
tätigkeit verstanden.  BB  9*^:  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Größer  ist  der,  der  zu 
einer  Tat  veranlaßt,  als  der,  der  sie  ausführt;  denn  es  heißt:  „Das  Veranlassen  der 
Wohltätigkeit  npT.ir:  nry'D  wird  zum  Frieden  gereichen  und  die  Ausübung  der  Wohl- 
tätigkeit np-:::n  mayi  zur  Ruhe  u.  Sicherheit  auf  ewig"  Jes  32,  17.  —  Dabei  setzt 
R.  El^azar  voraus,  daß  Friede  ein  größeres  Gut  ist  als  Ruhe  u.  Sicherheit.  1|  Aboth  5,  18: 
Vier  Sinnesarten  gibt  es  bei  denen,  die  Almosen  geben  ^'^"^'4  '.^r/:;  (die  ganze  Stelle 
s.  S.  347>')-  II  Aboth  6,  5  f.  werden  48  Dinge  aufgezählt,  durch  die  Torakenntnis  erworben 
wird.  Unter  den  Erwerbern  wird  auch  der  genannt  „der  die  Almosen  liebt"  av.is 
'^''Pv^r!  f"*!.-  —  Zahlreiche  Belege  für  diese  Bedeutung  von  '^  im  Rabbin.  im  Exkurs:  Die 
altjüdische  Privatwohltätigkeit;  ferner  s.  bei  Mt  6,  2;  Lk  11,  41  u.  Apg  6,  3.  ||  Außer- 
halb der  rabbinischen  Literatur  findet  sich  n-"::,  aram.  ^p,~i'A,  in  der  Bedeutung  „Wohl- 
tätigkeit, Mildtätigkeit"  bereits  in  der  vorchristl.  Zeit.  Sir  3,  30:  Brennendes  Feuer 
löscht  Wasser  aus,  ebenso  sühnt  Wohltätigkeit 'li  Sünde.  Der  griech.  Text  lautet:  xal 
iXstj/uoavyr]  iSiXceaercci  äf^agrlug  „die  W.  wird  Sünden  sühnen".  |j  Sir  7,  10:  Werde  nicht 
ungeduldig  beim  Gebet  u.  mit  der  Mildtätigkeit  n--::^  verziehe  nicht.  Der  griech. 
Text:  xal  s'k£i]ixoavvi]v  noifjaat  firj  nagidrig  „Mildtätigkeit  zu  üben  versäume  nicht".'; 
Sir  16,  14:  Wer  W.  übt  np-ts  nan-rr,  dem  wird  sein  Lohn  u.  jedem  geschieht  nach 
seinen  Werken.  Anders  der  Grieche.  ||  Sir  40,  24:  Ein  Bruder  u.  ein  Genosse  er- 
retten zur  Zeit  der  Not,  aber  mehr  als  beide  errettet  W  (-)p-::;  der  Gr.:  xal  vne^ 
((fj.(p6xsQ((  ilerjuoavvt]  qvetuo.  \\  Du  4,  24:  Durch  Mildtätigkeit  "^,7:;  entferne  deine 
Sünden  u.  deine  Vergehungen  durch  Huld  gegen  Arme.  —  LXX:  rag  a/nagtlag  aov 
iy  i%BrjfA.o(jvi'aig  XvTQwaat,. 

nagd  to)  TiaTQi  vj.lwv  toi  iv  ovQavoTg,  s.  hierzu  bei  Mt  6,  4. 

6,2:  Wann  du  also  Wohltätigkeit  übst,  so  laß  nicht  vor  dir 
her  posaunen,  wie  die  Heuchler  in  den  Synagogen  u.  in  den 
Gassen   tun,    damit   sie   von   den    Leuten   gepriesen   werden. 

Wahrlich  ich  sage  euch,  sie  haben  ihren  Lohn  dahin. 

1.  sksrjjjioavi'rj  bedeutet  «,  das  göttliche  Erbarmen.  So  LXX 
(überall  für  npi:i)  Dt  6,  25;  24,  13;  Ps  24,  5;  Jes  1,  27;  28,  17:  ferner  Sir 
17,24;Bar4,22;5,9;Tob3,2;  13,6.  ||  ß,  das  menschliche  Erbarmen, 
bezw.  die  menschliche  Barmherzigkeitsübung  =  Almosen.  So  LXX  Gn 
47,29;  Ps33,  5;  Spr  3,  3;  20,28;  21,21;  Dn  4,  24  (Almosen):  Sir  3,  14: 
Wohltat  am  Vater  sXfi^ixoainrj  Tiaigoc,  hebr. :  ax  rp-fs;  3,  28;  7, 10;  12,  3; 
17,  17;  29,  8.  12;  34,  11;  40,  17.  24;  Tob  1,  16;  2,  14;  4,  10.  11;  12,  8.  9; 
14,  10.  —  Im  NT  wird  eA.  nur  von  der  menschlichen  Barmherzigkeits- 
übung gesagt,  bedeutet  also  Mildtätigkeit  oder  Almosen.  —  Im  Rabbin. 
heißen  die  Almosen:    fi'Q^^i  (aram.  s^i^i^)  oder  n;::^,  i<n'i:äri    (eigentUch 

25* 


388  Matfch  6,  2  (Nr.  l—H) 

Gebotserfüllung,  dann  die  Hauptgebotserfüllung:  Almosen).  Einige  Bei- 
spiele schon  bei  Mt  6,  1  S.  387:  andre  folgen  hier  u.  im  Exkurs:  „Die 
altjüdische  Privatwohltätigkeit",  ferner  bei  Lk  11,  41  u.  Apg  6,  3. 

TioieTv  €/.6rji.ioai'ri]v  „Mildtätigkeit  üben"  oder  „Almosen  geben'' 
(auch  Apg  9, 36;  10,2;  24, 17:  ferner  Sir  7, 10;  Tob  1, 16;  14, 10).  Rabbin. 
np-i:s  i-!\r"  oder  nrs-Q  (nnr)  na^-;  s.  auch  hebr.  Sir  16, 14  S.  387. 

Git  7":  Wenn  ein  Mensch  sieht,  dafs  sein  Unterhalt  knapp  wird,  so  gebe  er  davon 
A.  -p-'j,  in»3  riw-y  .  .  .  Wer  sein  Vermögen  beschneidet  u.  davon  A.  gibt  -pi:i  -rta  r.vis-\, 
der  wird  aus  dem  Gehinnomgericht  errettet.  .  .  .  Selbst  ein  Armer  soll  A.  geben  nw 
r.p-:i.  II  LvR34(13l'»):  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Die  Tora  will  dich  gute  Sitte 
lehren,  daß,  wenn  ein  Mensch  ein  A.  gibt  rtv.i';  riw-iy,  er  es  mit  einem  fr(3hlichen  Herzen 
gebe  -»:'j3  aVa  nris  n-m'  sn'.  ||  LvR34(131 ''):  (Ein  blinder  Mann  sprach  zu  seiner  Frau,  die 
eine  geschiedene  Frau  des  R.  Jose  des  Galiläers,  um  1 1 0,  war :)  Warum  führst  du  mich  nicht 
in  die  Nachbarschaft  des  R.  Jose  des  Galiläers?  Denn  ich  habe  gehört,  daß  dieser  A.  gibt 
■jr.ssi  -.^zy  sin-.  —  Zus.stellung  aller  Wendungen  für  „Almosengeben"  s.  bei  Lk  11,41. 

2.  f.iv  (jaXniGijg  6\a7TQoa&€i'  aov,  wotcsq  ol  vvcoxqitoI  noiovaiv  iv  rmg 
avyaywyatc  .  .  .  Die  Kosten  der  kommunalen  Armenpflege  wurden  durch 
eine  Steuer  bestritten,  die  von  den  einzelnen  Gemeindegliedern  je  nach 
ihrer  Leistungsfähigkeit  eingezogen  wurde.  Zu  dieser  offiziellen  Steuer 
kamen  freiwillige  Spenden  hinzu.  Letztere  wurden  meist  zuvor  in  den 
Synagogen  u.  Lehrhäusern,  auch  wohl  gelegentlich  der  öffentl.  Fasten- 
gottesdienste, die  in  der  Regel  auf  offener  Straße  stattfanden,  vor 
versammelter  Gemeinde  bekanntgemacht.  Wie  nahe  lag  es  da  mensch- 
licher Eitelkeit,  hohe  Summen  zu  geloben,  nur  daß  man  den  Ruhm 
habe,  als  Wohltäter  der  Armen  gefeiert  zu  werden !  Auch  das  kam  vor, 
daß  Almosenspendern,  die  eine  besonders  große  Gabe  opferten,  der 
Ehrenplatz  an  der  Seite  der  Rabbinen  in  den  öffentl.  Versammlungen 
angewiesen  wurde,  damit  so  alle  Anwesenden  zu  ihnen  in  Verehrung 
aufblicken  möchten.  Daß  in  der  Tat  persönlicher  Ehrgeiz  vielfach  das 
Motiv  bei  öffentlichem  Angelten  von  Almosenspenden  gewesen  ist, 
kann  man  aus  den  häufigen  Klagen  über  diejenigen  entnehmen,  die 
wohl  zu  geben  versprochen  hatten,  aber  hinterher  ihr  Versprechen  nicht 
hielten.  An  dergleichen  Heuchler  mag  Jesus  insonderheit  bei  seiner 
Warnung  gedacht  haben:  Laß  nicht  vor  dir  herposaunen,  wie  die 
Heuchler  in  den  Synagogen  tun!  —  Belege  im  Exkurs:  „Die  altjüdische 
Privatwohltätigkeit "  Nr.  3.  Vgl.  noch  Sir  34, 11:  rdg  eXsij/ioavrag  avvov 
ixSiriyr.asxai  sxxXrjffia   „seine  A.  wird  die  Gemeinde  verkündigen". 

3.  jWox(>«t«/' Heuchler  =  a'^san,  Sing.  r;n  (auch  Schmeichler),  aram. 

Joma  86'':  Man  muß  die  Heuchler  öffentlich  bekannt^iachen  wegen  der  Entheiligung 
des  göttlichen  Namens  (d.  h.  damit  solche  Enth.  vermieden  werde).  ||  Sota  41  b;  R.Elfazar 
(um  270)  hat  gesagt:  „Jeder  Mensch,  in  welchem  Heuchelei  ~3i:~  ist,  bringt  Zorn  in 
die  Welt,  vgl.:  „Die  heuchlerischen  Herzens  bringen  Zorn"  Hi  36, 13,  u.  nicht  nur  dies, 
sondern  auch  ihr  Gebet  wird  nicht  erhört,  wie  es  heißt  (daselbst):  „Sie  flehen  nicht, 
denn  er  hat  sie  gebunden."  R.EUazar  hat  gesagt:  Jeden  Menschen,  in  welchem  Heuchelei 
ist,  verwünschen  selbst  die  Embryonen  im  Mutterleibe;  denn  es  heißt:  „Wer  zum  Gott- 
losen sagt:  ,Du  bist  ein  Gerechter'  (u.  damit  heuchelt),  den  verwünschen  Völker,  ver- 


Matfh  6,  2  (Nr.  3)  389 

fluchen  Nationen"  a-ttis-  Spr24, 24.  Verwünschen  ist  nichts  andres  als  verfluchen,  s. 
Nu  23,  8,  u.  D'»2is^  bedeutet  nichts  andres  als  Embryonen,  s.  Gn  25,  23.  Ferner  hat 
R.  Elfazar  gesagt:  Jeder  Mensch,  in  dem  Heuchelei  ist,  stürzt  in  den  Gehinnom,  vgl. 
Jes5, 20. 24:  „Wehe  denen,  die  das  Böse  gut  u.  das  Gute  böse  nennen.  .  .  .  Darum 
wie  des  Feuers  Zunge  Stoppeln  verzehrt  u.  Heu  in  Flamme  zusammensinkt,  wird  ihre 
Wurzel  wie  Moder  sein."  Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Wer  seinem  Nächsten  gegen- 
über heuchelt  r|-3n":,  der  fällt  schließlich  in  dessen  Hand,  u.  wenn  nicht  in  dessen 
Hand,  dann  in  die  Hand  seines  SohneSj  u.  wenn  nicht  in  die  Hand  seines  Sohnes, 
dann  in  die  Hand  seines  Enkels,  s.  Jer  28,  6;  37, 13  f.  1|  Sota  42"'':  R.  Elfazar  hat  gesagt: 
Jede  Gemeinde,  in  der  es  Heuchelei  gibt,  wird  verschmäht  wie  eine  Menstruierende, 
vgl.:  „Die  Gemeinde  des  Heuchlers  ist  Tuas;  (unfruchtbar)"  Hi  15,34,  denn  so  nennt 
man  in  den  Seestädten  eine  Menstruierende  ,m'i>2'':;'  (=  getrennt  von  ihrem  Mann). 
Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Jede  Gemeinde,  in  der  es  Heuchelei  gibt,  zieht  schließ- 
lich in  die  Verbannung,  vgl.  Hi  15,  34  mit  Jes  49,21.  Rab  Jirm'^ja  b.  Abba  (um  250)  hat 
gesagt:  Vier  Scharen  dürfen  das  Angesicht  der  Sch'^khina  nicht  begrüßen  (können 
nicht  zur  Seligkeit  eingehn):  die  Schar  der  Spötter,  s.  Hos  7,  5:  „Er  zieht  seine  Hand 
von  den  Spöttern  ab";  die  Schar  der  Heuchler  yfin  rr,  s.  Hi  13,16:  „Nicht  darf  vor 
ihm  ein  Heuchler  erscheinen";  die  Schar  der  Lügner,  s.Ps  101,7,  u.  die  Schar  der 
Verleumder,  s.  Ps  5,  5.  \\  DerekhEre9  2  Anfang:  In  bezug  auf  die  Häretiker,  "^•■>2,  u. 
die  Delatoren  u.  die  Gottlosen  u.  die  Heuchler  a-ijnr;  u.  die  Freigeister  sagt  die  Schrift: 
, Nicht  darf  vor  ihm  ein  Heuchler  erscheinen"  Hi  13,  IG.  i|  Midr  Qoh  4, 1 :  R.  Binjamin 
(b.  Levi,  um  325)  hat  Qoh  4,  1  auf  die,  welche  Torakenntnis  heucheln  n-.-n  'E'in,  aus- 
gelegt. Alle  Welt  ans  bs  meint,  daß  ein  solcher  ein  Schriftkundiger  sei,  u.  er  ist  doch 
kein  Schriftkundiger;  daß  er  ein  Mischnakundiger  sei,  u.  er  ist  doch  kein  Mischna- 
kundiger;  er  hüllt  sich  in  seineu  Mantel  u.  hat  die  Gebetsriemen  auf  seinem  Kopf — • 
u.  siehe,  die  Träne  der  Unterdrückten"  (Qoh  4,1,  d.h.  der  durch  ihn  Betrogenen)  „u. 
kein  Tröster  ist  für  sie  da"  (das.);  da  spricht  Gott:  Mir  liegt  es  ob,  sie  zu  bestrafen, 
vgl.:  „Verflucht,  wer  das  Werk  Jahves  mit  Betrug  treibt"  Jer  48, 10  (so  der  Midr). 
Ähnlich  R.  Binjamin  zu  Qoh  5, 5  im  Midr  Qoh  5, 5.  ||  ??-,  r]-;--  ~  schmeicheln  zB  Sota  41  '^ 
Bar  im  Namen  des  R.  Nathan  (um  160):  In  jener  Stunde  machten  sich  die  Hasser 
Israels  (d.  h.  die  gottlosen  Israeliten)  der  Vernichtung  schuldig,  weil  sie  dem  Agrippa 
schmeichelten  't'zr.r^.  (Als  der  König  A.  I.  am  Laubhüttenfest  des  Jahres  41  n.Chr. 
das  Königsgesetz  im  Tempel  vorlas  u.  an  die  Worte  kam:  „Du  sollst  keinen  Ausländer, 
der  nicht  dein  Bruder  ist,  über  dich  setzen"  Dt  17, 15,  brach  er  in  Tränen  aus;  das 
Volk  aber  rief  il-im  zu:  Sei  unbesorgt,  A.,  du  bist  unser  Bruder,  du  bist  unser  Bruder! 
Sota  7, 8.  In  diesem  Zuruf  des  Volkes  sieht  R.  N.  die  gerügte  Schmeichelei.)  R.  Schimfon 
b- Chalaphta  (um  190)  hat  gesagt:  Seitdem  die  Faust  der  Schmeichelei  nsijn  mächtig 
geworden  ist,  sind  die  Rechtsurteile  verdreht  u.  die  (verdienstlichen)  Taten  verderbt 
worden,  so  daß  niemand  mehr  zum  andren  sagen  kann:  Meine  Taten  sind  größer  als 
deine  Taten.  R.  J^huda  der  Abendländer  (oder  „der  Sohn  des  Mafr^ba"?)  oder  wie 
auch  gesagt  worden  ist,  R.  Schimfon  b.  Pazzi  (um  280)  hat  gesagt:  Es  ist  erlaubt,  den 
Gottlosen  in  dieser  Welt  zu  schmeicheln  rj-rnn's,  vgl.:  „Nicht  mehr  wird  man  den  Toren 
einen  Edlen  nennen  noch  den  Ränkevollen  einen  Hochherzigen  heißen"  Jes  32,  5;  darin 
(in  dem  Futurum)  liegt,  daß  es  in  dieser  Welt  erlaubt  ist.  R.  Schimfon  b.  Laqisch 
(um  250)  hat  gesagt:  Von  hier  aus  (läßt  sich  der  Beweis  führen,  daß  man  dem  Gott- 
losen in  dieser  Welt  schmeicheln  darf):  „Jakob  sprach:  .  .  .  Ich  habe  dein  Angesicht 
zu  sehn  bekommen,  wie  man  Gottes  Angesicht  sieht,  u.  du  bist  mir  gnädig  gewesen" 
Gn  33, 10.  R.  Levi  (um  300)  dagegen  hat  gesagt:  Womit  läßt  sich  die  bildliche  Rede- 
weise Jakobs  u.  Esaus  vergleichen?  Mit  einem  Menschen,  der  einen  andren  eingeladen 
hatte;  dieser  aber  hatte  erfahren,  daß  ihn  jener  töten  wolle.  Der  Geladene  sagte  zu 
ihm:  Der  Geschmack  dieser  Speise,  die  ich  koste,  gleicht  der  Speise,  die  ich  im  Hause 
des  Königs  gekostet  habe.  Da  sprach  jener  (bei  sich) :  „Den  kennt  der  König!",  fürchtete 
sich  u.  tötete  ihn  nicht.  (Jakobs  Wort  an  Esau  war  also  keine  Schmeichelei,  sondern 
ein  Kunstgriff',  eine  drohende  Gefahr  rechtzeitig  zu  beschwören.) 


390  Matth  6,  2  (Nr.  4) 

4.  cmäxovaiv  tot  /tiiaS^ov  avTwv.  —  Über  Verdienstlichkeit  u.  Lohn  der 
Wohltätigkeit  s.  Exkurs:  Die  altjüdische  Privatwohltätigkeit  Nr.  4.  — 
Zu  .äTTs'xsiy  Tov  ßiad^or^  sind  zu  vergleichen: 

*  GnR44(27b):  „Fürchte  dich  nicht  Abram"  usw.  Gnl5, 1.  Unsre  Lehrer  (gemeint 
die  Zeitgenossen  des  R.  Levi,  um  300)  haben  Eine  Erklärung  dazu  gegeben:  Weil  unser 
Vater  Abraham  sich  fürchtete  u.  sprach:  Ich  bin  in  den  Feuerofen  (nämlich  Nimrods) 
hinabgestiegen  u.  ich  bin  errettet  worden,  ich  bin  in  den  Krieg  gegen  die  vier  Könige 
gezogen  u.  ich  bin  errettet  worden;  vielleicht  habe  ich  (mit  diesen  Errettungen)  meinen 
Lohn  empfangen  in  dieser  Welt,  so  daß  ich  nichts  mehr  zu  erwarten  habe  in  der  Zu- 
kunft (in  der  zukünftigen  Welt)  —  sprach  Gott  zu  ihm:  „Fürchte  dich  nicht,  ich  bin 
Schild  dir" ;  alles  was  ich  an  dir  in  dieser  Welt  getan  habe,  das  habe  ich  umsonst 
(obenein,  ohne  Anrechnung  auf  deinen  Lohn,  i;i3  Schild  wird  gedeutet  =  ";^  umsonst) 
au  dir  getan;  dagegen  ist  dein  Lohn  dir  bereitgestellt  in  der  Zukunft.  —  Ähnlich  läfst 
Tanch  -'  ih  18'^  R.  Levi  den  Abraham  sagen:  Wie  es  scheint,  habe  ich  meinen  ganzen 
Lohn  in  dieser  Welt  empfangen  .  .  .,  so  daß  ich  keinen  Lohn  mehr  in  der  zuk.  Welt 
haben  werde.  ||  NuR  10  (158"):  „Gebt  den  Rauschtrank  dem,  der  zum  Untergang  be- 
stimmt ist"  Spr31,6.  R.  Chanan  (um  300)  hat  gesagt:  Der  Wein  ist  in  dieser  Welt 
nur  geschafifen  worden,  um  (damit)  den  Gottlosen  den  Lohn  auszuzahlen  in  dieser 
Welt,  denn  sie  gehen  in  der  zukünftigen  Welt  unter.  —  In  den  Parallelen  SanhTO'* 
u.  ?Er65*  fehlen  die  Worte  „in  dieser  Welt"  hinter  „auszuzahlen".  ||  sArakh  16*^  Bar 
aus  der  Schule  des  R.  Jischmafel  (f  um  135):  Jeder,  dem  40  Tage  ohne  Leiden  (Züch- 
tigungen) vorübergegangen  sind,  hat  seine  Welt  empfangen  (den  Lohn  dahin,  so  daß 
er  in  der  zuk.  Welt  auf  nichts  mehr  zu  rechnen  hat).  ||  Sanh  101  ^:  Rabbah  bar  bar  Ghana 
(um  280)  hat  gesagt:  Als  R.  Eli?ezer  (um  90)  erkrankt  war,  gingen  seine  Schüler  zu 
ihm,  um  ihn  zu  besuchen.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ein  heftiger  Zorn  ist  in  der  Welt. 
Jene  fingen  an  zu  weinen,  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  aber  lachte.  Sie  sprachen  zu  ihm: 
Warum  lachst  du?  Er  antwortete:  Weshalb  weint  ihr?  Sie  sprachen:  Kann  das  Buch 
der  Tora^  in  Schmerzen  weilen,  u.  wir  sollten  nicht  weinen?  Er  antwortete:  Eben- 
deshalb lache  ich;  denn  solange  ich  meinen  Lehrer  sah,  wie  ihm  sein  Wein  nicht 
sauer  u.  sein  Flachs  nicht  zerschlagen  u.  sein  Öl  nicht  stinkend  u.  sein  Honig  nicht 
gärend  ward,  dachte  ich,  ob  etwa,  was  Gott  verhüten  wolle,  mein  Lehrer  seine  Welt 
(bereits)  empfangen  hat?  Jetzt,  da  ich  meinen  Lehrer  in  Schmerzen  sehe,  freue  ich 
mich  (da  ich  daraus  erkenne,  daß  er  seinen  Lohn  noch  nicht  dahin  hat).  Vgl.  Hör  10'': 
Rah  Nachman  b.  Cliisda  (um  300)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt:  „Es  ist  ein 
Eitles,  das  auf  der  Erde  geschieht,  daß  es  Gerechte  gibt,  denen  es  ergeht  nach  detfi 
Tun  der  Gottlosen,  u.  daß  es  Gottlose  gibt,  denen  es  ergeht  nach  dem  Tun  der  Ge- 
rechten" Qoh8, 14?  Heil  den  Gerechten,  wenn  es  ihnen  in  dieser  Welt  ergeht  nach 
dem  Ergehn  der  Gottlosen  in  der  zuk.  Welt!  Wehe  den  Gottlosen,  wenn  es  ihnen  in 
dieser  Welt  ergeht  nach  dem  Ergehn  der  Gerechten  in  der  zuk.  Welt!  Raba  (t  352) 
sprach:  So  wäre  es  also  für  die  Gerechten  etwas  Hassenswertes,  wenn  sie  zwei  Welten 
genießen?  Vielmehr,  hat  Raba  gesagt,  Heil  den  Gerechten,  wenn  es  ihnen  in  dieser 
Welt  ergeht  nach  dem  Ergehn  der  Gottlosen  in  dieser  Welt!  Wehe  den  Gottlosen, 
wenn  es  ihnen  in  dieser  Welt  ergeht  nach  dem  Ergehn  der  Gerechten  in  dieser  Welt!  |! 
R.  ?Aqiba  (tum  135)  hat  diese  Formel  aufgestellt:  Gott  nimmt  es  genau  mit  beiden. 
Er  nimmt  es  genau  mit  den  Gerechten  u.  treibt  die  Strafe  von  ihnen  für  die  wenigen 
bösen  Werke,  die  sie  getan  haben,  in  dieser  Welt  bei,  um  ihnen  ihren  guten  Lohn  in 
der  Zukunft  (in  der  zuk.  Welt)  zu  geben.  Ebenso  gibt  er  reichlich  Gutes  u.  Wohlfahrt 
den  Gottlosen  in  dieser  Welt  u.  vergilt  ihnen  so  die  wenigen  guten  Werke,  die  sie 
getan  haben,  in  dieser  Welt,  um  von  ihnen  (nur)  Strafe  beizutreibeu  in  der  Zukunft 
P^siq  73a.  _  Dasselbe  GnR  33  (19'');  LvR  27  (125«);  Tanch  -'os  173^  R.  Jochanan 
(t  279)  als  Autor   in  P^'siq  161'';    R.  Sch^-muel  b.  Nachman  (um  260)  in  Midr  Ps  103 


^  -Buch  der  Tora"  heißt  R.  Eli?ezer  wegen  seiner  Torakenntnis. 


Matth  6,  2  (Nr.  4).  6,3  391 

§11  (218'');  der  gleiche  Gedanke- anonym  Tafan  11*.  i|  Midr  Qoh9, 7:  AbbaTachna,  der 
Fromme  (wann?)  ging  am  Rüsttag  auf  den  Sabbat,  als  es  dunkel  wurde,  nach  seiner 
Stadt,  u.  sein  Bündel  lag  auf  seiner  Schultei-.  Da  traf  er  einen  Aussätzigen,  der  an 
einem  Scheideweg  lag.  Dieser  sprach  zu  ihm:  Rabbi,  tu  an  mir  ein  Werk  der  Barm- 
herzigkeit u.  bringe  mich  nach  der  Stadt!  Er  sprach  (bei  sich):  Wenn  ich  mein  Bündel 
liegen  lasse,  woher  soll  ich  u.  mein  Haus  den  Unterhalt  (am  Sabbat)  nehmen?  Und 
wenn  ich  den  Aussätzigen  liegen  lasse,  verschulde  ich  mich  an  meiner  Seele.  Was 
tat  er?  Er  ließ  seinen  guten  Trieb  über  den  bösen  herrschen  u.  brachte  den  Aus- 
sätzigen nach  der  Stadt;  dann  kam  er,  nahm  sein  Bündel  u.  kam  mit  dem  Dunkel- 
werden an.  Es  verwunderten  sich  aber  alle  u.  sprachen:  Ist  das  AbbaTachna,  der 
Fromme?  Auch  er  dachte  in  seinem  Herzen  nach:  Ob  ich  etwa  den  Sabbat  entheiligt 
habe  (durch  das  Tragen  des  Bündels  beim  Eintritt  der  Dunkelheit)?  In  jener  Stunde 
ließ  Gott  die  Sonne  aufstrahlen,  vgl.:  ,Und  aufgehen  wird  euch,  die  ihr  meinen  Namen 
fürchtet,  die  Sonne  der  Gerechtigkeit"  Mal  S,  20.  In  jener  Stunde  dachte  er  in  seinem 
Herzen  nach:  Ob  nicht  mein  Lohn  empfangen  ist?  Da  ging  eine  Himmelsstimme  (Bath- 
Qol)  aus,  die  zu  ihm  sprach:  „Geh,  iß  mit  Freude  dein  Brot  u.  trinke  mit  frohem 
Herzen  deinen  Wein;  denn  längst  hat  Gott  Wohlgefallen  an  deinem  Werk!"  Qoh  9, 7. 

0,3  f.:   Es  wisse   deine  Linke  nicht,   was   deine  Rechte 
tut,   auf  daß  deine  Wohltätigkeit  im  verborgenen  sei. 

Chagö*:  , Jegliches  Tun  wird  Gott  ins  Gericht  bringen  über  alles  Verborgene,  es 
sei  gut  oder  böse"  Qoh  12, 14.  Was  heißt:  „Es  sei  gut  oder  böse"?  In  der  Schule  des 
R.  Jannai  (um  225)  hat  man  gesagt:  Damit  ist  derjenige  gemeint,  der  einem  Armen 
öffentlich  ein  Almosen  gibt.  Als  einst  R.  Jannai  einen  Mann  sah,  der  einem  Armen 
öffentlich  einen  Zuz  gab,  sprach  er  zu  ihm:  Es  wäre  besser  gewesen,  du  hättest  ihm 
nichts  gegeben,  als  daß  du  ihm  jetzt  gabst  u.  ihn  beschämtest.  Parallelstelle:  Midr 
Qoh  12,  14.  II  BB  9'^:  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Wer  Almosen  im  verborgenen 
gibt,  ist  größer  als  unser  Lehrer  Mose;  denn  von  unsrem  Lehrer  Mose  steht  geschrieben: 
,Mir  graute  vor  dem  Zorne  u.  dem  Grimme"  Dt  9,  19,  u.  von  dem,  der  Almosen  gibt, 
heißt  es:  „Eine  Gabe  im  verborgenen  beschwichtigt  den  Zorn"  Spr21,  14.  ||  MQ  16": 
Rabbi  hatte  einmal  verordnet,  daß  man  die  Schüler  nicht  auf  der  Straße  unterrichte. 
Welche  Schriftstelle  legte  er  dahin  aus?  „Die  Wölbungen  deiner  Hüften  sind  wie 
Kleinodien"  HL  7, 2.  Wie  die  Hüfte  im  verborgenen  ist,  so  sollen  auch  die  Worte  der 
Tora  im  verborgenen  sein.  (Hier  folgt  ein  Bericht,  daß  R.  Chijja,  um  200,  an  diese  Ver- 
ordnung sich  nicht  kehrte  u.  auf  30  Tage  in  den  Bann  getan  wurde.  Zum  Schluß  wird 
die  Frage  aufgeworfen,  wie  R.  Chijja  HL  7, 2  verstanden  habe;  die  Antwort  lautet:) 
Er  verstand  sie  von  den  Almosen  u.  Liebeswerken  (nämlich,  daß  diese  im  verborgenen 
geschehen  sollen,  wie  die  Hüfte  verborgen  gehalten  wird).  ||  pSch*^q  5,  49 '\  2:  11.  Chanina 
b.  Papa  (um  300)  pflegte  Almosen  des  Nachts  zu  verteilen.  Einmal  begegnete  ihm  der 
Herr  der  Geister  (der  Dämonen)  u.  sprach  zu  ihm:  Hat  uns  nicht  der  Meister  (ent- 
weder Gott  oder  R.  Chanina  b.  P.)  gelehrt:  „Verrücke  die  Grenze  deines  Nächsten 
nicht"  Dt  19, 14?  (Der  Tag  gehört  den  Werken  des  Menschen,  nicht  die  Nacht.)  Er 
antwortete:  Steht  nicht  so  geschrieben:  „Eine  Gabe  im  verborgenen  bescTiwichtigt  den 
Zorn"  Spr21,14?  Da  bekam  er  Furcht  vor  ihm  u.  floh  von  ihm.  —  R.  Jona  (um  350) 
hat  gesagt:  Es  heißt  Ps  41,2  nicht:  „Wohl  dem,  der  dem  Armen  gibt",  sondern:  „Wohl 
dem,  der  mit  dem  Armen  weislich  handelt."  Damit  ist  der  gemeint,  der  bei  den  Al- 
mosen weislich  überlegt,  wie  er  sie  geben  soll.  Wie  verfuhr  R.Jona  dabei?  Wenn  er 
einen  Menschen  aus  guter  Familie  sah,  der  in  seinem  Vermögen  heruntergekommen 
war,  pflegte  er  zu  ihm  zu  sagen:  Mein  Sohn,  weil  ich  gehört  habe,  daß  dir  an  einem 
andren  Ort  eine  Erbschaft  zugefallen  ist,  so  nimm  dies  an,  bis  du  es  zurückzahlen 
kannst.  Hatte  dieser  es  angenommen,  dann  sagte  er  zu  ihm:  Ein  Geschenk  soll  es 
sein!  (Diese  Worte  fehlen  irq  Text  u.  sind  aus  den  Parallelen  ergänzt.)  Parallelstellen: 
pPea  8,21^^23;  in  LvR  34  (1,30 '')  nur  die  Erzählung  über  R.Jona.  ||  Sota4'':  R.Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  Selbst  wenn  einer  Almosen  im  verborgenen  gegeben  hat,  wie  es 


392  Matth'6,  3.  4  (31 1) 

heißt:  „Eine  Gabe  im  verborgenen  beschwichtigt  den  Zorn"  Spr21,14,  wird  er  doch 
nicht  von  dem  Gericht  des  Gehinnoms  straflos  ausgehn  (nämlich  wenn  er  einer  ver- 
heirateten Frau  beigewohnt  hat).  II  Sukka49'^:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Was 
bedeutet:  , Angesagt  hat  er  dir,  o  Mensch,  was  gut  sei  u.  was  Jahve  von  dir  ver- 
lange: vielmehr  Recht  üben  u.  sich  der  Liebe  befleifsigen  u.  still  (so  der  Midr)  wandeln 
mit  deinem  Gott"  Micha  6,  8?  „Recht  üben",  damit  ist  die  Rechtsprechung  gemeint; 
„sich  der  Liebe  befleißigen",  bezieht  sich  auf  die  Liebeswerke;  „still  wandeln  mit 
deinem  Gott",  bezieht  sich  auf  das  Hinausgeleiten  eines  Toten  u.  das  Hineinführen 
einer  Braut  unter  den  Traubaldachin  (einschließlich  Besorgung  der  Aussteuer),  ist  da 
nicht  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere  berechtigt?  Wenn  bei  Dingen, 
die  man  öffentlich  zu  tun  pflegt,  die  Tora  sagt:  „Still  wandeln",  um  wieviel  mehr  gilt 
dies  dann  bei  Dingen,  die  man  im  verborgenen  zu  tun  pflegt  (wie  zB  beim  Geben  von 
Almosen)!  ||  BB  10^:  Welches  Almosen  errettet  vom  ungewöhnlichen  Tode?  Dasjenige, 
welches  man  gibt,  ohne  zu  wissen,  wem  man  es  gibt;  das  man  empfängt,  ohne  zu 
wissen,  von  wem  man  es  empfängt.^  Ersteres  schließt  die  Art  u.  Weise  des  Mar  fUqba 
(L,  um  220,  IL,  um  270)  aus.  Letzteres  schließt  die  Art  u.  AVeise  des  R.  Abba  (um  290) 
aus.2  Wie  soll  man  es  nun  machen?  Man  lege  in  die  Almosenbüchse.  ||  Schab  10^  u. 
Be^a  16*:  R.  Ghama  b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Wer  seinem  Nächsten  eine  Gabe 
gibt,  braucht  ee  ihn  nicht  wissen  zu  lassen,  denn  es  heißt:  „Mose  wußte  nicht,  daß  die 
Haut  seines  Angesichts  glänzend  geworden  war,  da  er  mit  ihm  redete"  Ex  34,  29.  — 
Ferner  s.  K^h  66**  bei  Joh  3, 1  Nr.  1,  d. 

6, 4:  Dein  Vater,  der  im  Verborgenen  sieht,  wird  dir  vergelten. 

5(  Dein  Vater,  6  naviiQ  aov. 

1.  In  den  Pseudepigraphen  u.  Apokryphen'^  wird  von  Gott  als  dem 
„Vater"  Israels a  n.  der  einzelnen  Israeliten b  verhältnismäßig  selten 
geredet;  am  häufigsten  noch  findet  sich  der  Vatername  Gottes  in  An- 
reden an  Gott.c  „Vater"  als  eigenthche  Gottesbezeichnung,  so  da& 
dadurch  der  Gottesname  umschrieben  u.  ersetzt  wird,  wie  in  Mt  6,  4 
u.  sonst  im  NT,  in  den  Pseudepigraphen  wohl  nur  Einmal,  d 

a.  Jubil  1 ,  24  f. :  Ihre  (der  Israeliten)  Seele  wird  mir  folgen  u.  meinem  ganzen  Ge- 
bote, u.  sie  werden  nach  meinem  Gebote  tun,  u.  ich  werde  ihnen  Vater  sein  u.  sie 
werden  mir  Kinder  sein.  Und  sie  alle  sollen  Kinder  des  lebendigen  Gottes  heißen, 
u.  alle  Engel  u.  alle  Geister  werden  wissen  u.  werden  sie  kennen,  daß  sie  meine  Kinder 
sind  u.  ich  ihr  Vater  bin  in  Festigkeit  u.  Gerechtigkeit,  u.  daß  ich  sie  liebe.  ||  Das,  1,  28: 
Gott  wird  dem  Auge  eines  jeden  erscheinen,  u.  ein  jeder  wird  erkennen,  daß  ich  der 
Gott  Israels  bin  u.  der  Vater  aller  Kinder  Jakobs  u.  der  König  auf  dem  Berge  Zion 
in  alle  Ewigkeit.  ||  3  Makk  5,7:  (Die  Juden)  liefen  insgesamt  mit  ununterbrochenem 
Geschrei  unter  Tränen  den  allmächtigen  Herrn  u.  Gewalthaber  über  alle  Macht,  ihren 
barmherzigen  Gott  u.  Vater  an;  vgl.  auch  7,  6.  il  Tob  13,  4:  Verkündet  seine  Herrlichkeit, 
erhebt  ihn  vo^  allem  Lebenden,  weil  er  unser  Herr  ist  u.  Gott,  unser  Vater  in  alle 
Ewigkeit.  ||  Sap  11,  10:  Jene  (die  Israeliten)  prüftest  du,  wie  ein  Vater  ermahnend. 

b.  Jubil  19,  29:  (Abraham  segnete  Jakob:)  Gott  der  Herr  sei  dir  ein  Vater,  u. 
auch  du  sei  ihm  ein  erstgeborener  Sohn.  ||  Sap  2,  16:  (Die  Gottlosen  sagen  von  dem 
Frommen:)  Als  unecht  gelten  wir  ihm,  u.  er  hält  sich  fern  vom  Verkehr  mit  uns  wie 
von  Verunreinigungen.  Er  preist  aber  glücklich  das  Endlos  der  Gerechten  u.  nennt 
prahlerisch  Gott  seinen  Vater.  H  Sir  51,  10:  Ich  will  .Jahve  erheben:  mein  Vater  bist 
du.    (So  nach  dem  hebr.  Text.) 

'  Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs:   „Die  altjüd.  Privatwohltätigkeit"  Nr. 4,  m. 

-  Hierzu  s.  K>thti7'J  im  eben  genannten  Exkurs  Nr.  3. 

"  Vgl.  hierzu  u.  zum  Folgenden  Dalman,  Worte  Jesu,  1,  150flf. 


Matth6,4(5l  1.  2)  393 

C.  Sir  23,  1 :  0  Herr,  mein  Vater  u.  Gebieter  meines  Lebens,  .  .  .  lals  nicht  zu, 
daß  ich  durch  sie  (die  Zunge)  zu  Falle  komme.  ||  23,  4:  0  Herr,  mein  Vater  u.  Gott 
meines  Lebens,  überlals  mich  nicht  dem  Anschlage,  den  sie  (die  Gegner)  gegen  mich 
planen!  (51,  1  aber  lautet  nach  dem  hebr.  Text:  ich  will  danken  dem  Gott  meines 
Vaters.)  ||  Sap  14,  3:  Deine  Fürsorge  aber,  0  Vater,  steuert  es  (das  Schiff),  weil  du  auch 
im  Meer  einen  Weg  u.  auch  in  den  Wogen  einen  sichern  Pfad  gegeben  hast.  |i  3  Makk 
ri,  0:  Sieh  auf  den  Samen  Abrahams,  auf  die  Kinder  des  dir  geheiligten  Jakob,  das 
Volk,  das  dein  geheiligtes  Erbteil  ist  u.  nun  fremd  in  fremdem  Land  ungerechter- 
weise zugrunde  geht,  0  Vater!  |  6,  8:  Jonas,  der  im  Bauche  des  von  der  Meerestiefe 
genährten  Seeungeheuers  rettungslos  dahinschwand,  hast  du,  o  Vater,  allen  den  Seinigen 
unversehrt  wiedergezeigt. 

d.  Test  Jud  24:  Darauf  wird  euch  aufgehn  ein  Stern  aus  Jakob  in  Frieden.  .  .  . 
Und  es  werden  sich  über  ihn  die  Himmel  öffnen,  auszugießen  den  Segen  des  Geistes 
vom  heiligen  Vater.  —  Nach  der  armenischen  Übersetzung:  Hierauf  wird  der  Stern 
des  Friedens  aufgehn  u.  unter  den  Menschen  ruhig  wandeln;  u.  die  Himmel  werden 
sich  auftun  u.  die  Segnungen  des  heiligen  Vaters  herabströmen. 

2.  In  der  rabbin.  Literatur  liegt  die  Sache  ähnlich,  nur  daß  seit 
dem  Ende  des  1.  nachchristl.  Jahrh.  der  Vatername  häufiger  als  Gottes- 
bezeichhung  verwendet  wird  u.  zwar  regelmäßig  mit  dem  Zusatz:  „Der 
im  Himmel  ist."  Der  Zusatz  beugt  Mißverständnissen  vor;  nur  in  Ge- 
betsanreden fehlt  er  fast  ganz,  weil  hier  eine  Verwechslung  des  himm- 
lischen Vaters  mit  einem  irdischen  Vater  auf  selten  des  Hörers  so  gut 
wie  ausgeschlossen  war;  vgl.  S.  394  Anm.  2. 

a.   „Vater"  als  ein  Gottesprädikat. 

Targ.Onk  Dt  32, 6 :  Ist  er  nicht  dein  Vater  u.  bist  du  nicht  sein'?  Er  hat  dich  gemacht 
u.  bereitet.  ||  Targ  Jeruschl  Dt32, 6:  Ist  er  nicht  euer  Vater,  der  euch  erworben  hat?  Er 
hat  euch  geschaffen  u.  vollendet.  — Vgl.  Dt  28, 32.  ||  Tanch  d-üs-x;?;  97'^ :  Gott  sprach :  ,  Wie 
mußte  ich  dich  durch  die  Söhne  (von  mir)  trennen  (-n'^js)!  u.  ich  hatte  doch  gesagt:  ,Mein 
Vater'  solltet  ihr  mich  nennen"  (Jer3, 19,  so  der  Midr)!  R.  Elfazar  b.P''dath  (um  270)  hat 
gesagt:  Das  Wort  -[p-'i/S  bedeutet  „Trennung"  (nach  TanchB  Beweisstelle:  Gn  30,  40). 
Gott  sprach:  Ich  u.  ihr  —  so  war  es  in  meinen  Gedanken  aufgestiegen  —  wollten  in  der 
Welt  sein,  ich  als  Vater  u.  ihr  als  Kinder;  wie  aber  habt  ihr  es  bewirkt,  zwischen 
mich  u.  euch  die  andren  Völker  (=  a"j32  Jer  3,  19)  zu  bringen!  —  Parallelstelle 
TanchB  u-czx^.  §  10  m^).  \\  ExPt  32  (93''):  R.  Ji9chaq  (um  300)  eröffnete  seinen  Vor- 
trag mit:  „Wie  will  ich  dich  an  Kindes  Statt  setzen!"  usw.' Jer  3,  19.  Alle  Wunder 
und  Großtaten,  die  ich  euch  getan  habe,  habe  ich  nicht  getan,  daß  ihr  mir  Lohn  dafür 
geben,  sondern  daß  ihr  mich  wie  Kinder  ehren  solltet  u.  mich  euren  Vater  nennen.  .  .  .  !| 
ExR  46  (101''):  „Und  nun,  Jahve,  bist  du  unser  Vater"  Jes  64,  7.  Gott  sprach  zu 
Israel:  Jetzt  bin  ich  euer  Vater;  wo  ihr  euch  in  Not  seht,  nennt  ihr  mich  „unser 
Vater".  —  Ähnlich  daselbst  101  ^  u.  lOU'  mehrfach.  ||  ExR46(10F):  (Gott  sprach:) 
Obgleich  alle  das  Werk  meiner  Hände  sind,  so  will  ich  mich  als  Vater  u.  Bildner  nur 
dem  erweisen,  der  meinen  Willen  tut,  s.  Jes  43,  7.  ||  ExR  46  (101 '^):  „Und  nun,  Jahve, 
du  bist  unser  Vater"  Jes  64,  7.  Gott  sprach  zu  ihnen:  Ihr  verlaßt  eure  Väter,  Abraham, 
Isaak  u.  Jakob,  u.  nennt  mich  Vater?  Sie  antworteten:  Dich  haben  wir  als  Vater 
kennengelernt.  Gleich  einer  Waise,  die  bei  ihrem  Vormund  erzogen  wurde.  Dieser 
war  ein  guter  u.  treuer  Mensch;  er  zog  sie  groß  u.  hütete  sie,  wie  es  sich  gehörte. 
Als  er  sie  verheiraten  wollte,  kam  ein  (Dokumenten-)Schreiber,  um  die  Eheverschrei- 
bung  aufzusetzen.  Dieser  fragte  sie:  Wie  ist  dein  Name?  Sie  sagte:  So  u.  so.  Er 
fragte:  Wie  ist  der  Name  deines  Vaters?  Da  fing  sie  an  zu  schweigen.  Der  Vormund 
sprach  zu  ihr:  Warum  schweigst  du?  Sie  antwortete:  Weil  ich  nur  dich  als  Vater 
kenne;  denn  der  Erzieher  heißt  Vater,  nicht  der  Erzeuger.  Eine  solche  Waise  sind 
die  Israeliten,  s.  KL  5,  3:  „Wir  sind  Waisen  geworden."    Ihr  guter  u.  treuer  Vormund 


394  Matth  6,  4  (3i  2) 

ist  Gott.  So  fingen  die  Israeliten  an  zu  ihm  , unser  Vater"  zu  sagen,  s.  Jes  64,  T.- 
Gott sprach  zu  ihnen:  Eure  Väter  verlaßt  ihr  u.  mich  nennt  ihr  , unser  Vater"?  .  .  . 
Sie  antworteten:  Herr  der  Welt,  der  Erzieher  ist  ein  Vater  u.  nicht  der  Erzeuger, 
s.  Jes  63,  16.^  II  Der  Propheten-Targ  verrät  eine  sichtliche  Scheu,  den  Vaternamen  mit 
Gott  in  Verbindung  zu  bringen:  entweder  umschreibt  er  den  Ausdruck  „Vater"  oder 
er  verwendet  ihn  als  Bild  zu  einem  Vergleich.  So  Jes  63,  16:  Du  bist  es,  dessen 
Erbarmen  über  uns  groß  ist,  wie  das  eines  Vaters  über  Kinder.  —  Ebenso  am  Schluß 
des  Verses  u.  Jes  64,  7.  Die  Paraphrase  von  Jer  'S,  4  lautet:  Werdet  ihr  nicht  von 
jetzt  an  vor  mir  beten:  Mein  Herr  bist  du,  mein  Erlöser  von  Ewigkeit?  —  Die  gleiche 
Umschreibung  mit  *r-"^  auch  Jer  3,  19.  —  Jer  31,  9:  Denn  mein  Wort  ist  Israel  wie 
ein  Vater  geworden.  Ebenso  Mal  1,6:  Wenn  ich  wie  ein  Vater  bin,  wo  ehrt  ihr  mich? 

Midr  HL  2,  16  (102 b):  „Mein  Lieber  ist  mein,  u.  ich  bin  sein"  HL  2,  16.  Er  ist 
mein  Vater  u.  ich  bin  sein  Kind.  Er  ist  mein  Vater,  s.  Jes  63,  16:  „Denn  du  bist  unser 
Vater",  denn  du  bist  für  Israel  zum  Vater  geworden.  Und  ich  bin  sein  Kind,  s.  Ex  4,  22: 
„Mein  erstgeborener  Sohn  ist  Israel",  Kinder  seid  ihr  Jahven.  j|  NuR  17  Anfang:  Wie 
vielerlei  hat  ein  Vater  an  seinem  Sohn  zu  tun?  Unsere  Lehrer  haben  gelehrt  s.  TQid 
1,  11  (386):  Fünferlei  muß  ein  Vater  seinem  Sohne  tun.  Der  Vater  ist  Gott,  der  Sohn 
ist  Israel.  (Dann  folgt  die  Ausführung:  ein  Vater  muß  seinen  Sohn  beschneiden,  aus- 
lösen, Tora  lehren,  ihm  ein  Weib  nehmen  u.  ihn  unterhalten.  Das  hat  Gott  auch 
Israel  gegenüber  getan,  s.  Jos  5,  2;  2  Sm  7,  23;  Dt  11,  19  u.  Jes  48,  17;  Gn  1,  28; 
Ez  16,  9  u.  16,  19;  Nu  21,  18  u.  Jer  3,  19.) 

b.  Der  Vatername  als  Anrede  an  Gott. 

Sch'^mone  fEsre  (paläst.  Rezension)  Bitte  4:  Verleihe  uns,  unser  Vater,  Erkenntnis 
von  dir  aus  u.  Einsicht  u.  Verstand  aus  deiner  Tora.  —  Bitte  6 :  Verzeihe  uns,  unser 
Vater,  denn  wir  haben  gesündigt  gegen  dich;  nimm  weg  u.  beseitige  unsre  Verfehlungen 
aus  deinen  Augen;  denn  dein  Erbarmen  ist  groß.  —  (Babylon.  Rezension)  Bitte  5: 
Führe  uns  zurück,  unser  Vater,  zu  deiner  Tora,  laß  uns  nahen,  unser  König,  zu  deinem 
Dienst,  laß  uns  umkehren  in  vollkommener  Buße  vor  dir.  —  Bitte  6 :  Verzeihe  uns, 
unser  Vater;  denn  wir  haben  gesündigt;  vergib  uns,  unser  König;  denn  wir  haben  ge- 
fehlt; denn  ein  gütiger  u.  vergebender  Gott  bist  du.  ||  Tasan  25  '^:  Einmal  trat  R.  Elifezer 
(um  90,  an  einem  Fasttag)  vor  die  Lade  u.  sprach  24  Lobsprüche,  aber  er  fand  keine 
Erhörung.  Nach  ihm  trat  R.  ?Aqiba  (f  um  13.5)  vor  u.  sprach:  Unser  Vater,  unser 
König,  wir  haben  keinen  König  außer  dir;  unser  Vater,  unser  König,  um  deinetwillen 
erbarme  dich  über  uns!  Sofort  fiel  Regen  nieder.  Als  unsre  Lehrer  unwillig  wurden 
{wegen  der  Kränkung,  die  für  R.  El.  in  der  Erhörung  f  A.s  lag)  ging  eine  ßath-Qol 
{Himmelsstimme)  aus,  welche  sprach:  Nicht  weil  dieser  größer  ist  als  jener  (ist  fA. 
erhört  worden),  sondern  weil  dieser  nachgiebig  ist  u.  jener  nicht.  ||  Seder  ElijR  28  {149): 
Einmal  war  R.  (^adoq  (um  70)  in  das  (zerstörte)  Heiligtum  eingetreten.  Er  sprach: 
Mein  Vater,  der  du  bist  im  Himmel,^  du  hast  deine  Stadt  zerstört  u.  deinen  Tempel 
verbrannt,  u.  bleibst  sorglos  u.  ruhig!  Alsbald  schlief  R.  (^adoq  ein.  Da  sah  er,  wie 
Gott  in  Trauer  dastand,  u.  die  Engel  des  Dienstes  trauerten  hinter  ihm.  Er  sprach : 
Hab  Vertrauen  Jerusalem! 

c.  Der  Vatername  als  Bezeichnung  Gottes,  als  Ersatz  für  das  Wort 
„Gott". 

Sota  9,  15:  R.  Elifezer,  der  Ältere  (um  90)  sagte:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heilig- 
tum zerstört  ward,  begannen  die  Gelehrten  zu  sein  wie  die  Kinderlehrer,  die  K.  wie 
ein  Synagogendiener,  ein  S.  wie  das  gesetzesunkundige  Volk,  u.  dieses  geht  hin  u.  ver- 
kommt u.  niemand  fragt  danach.  Auf  wen  sollen  wir  uns  stützen?  Auf  unsren  Vater, 
der  im  Himmel  ist.  ||  Midr  Abba  Gorjon  (ed.  Buber)  1  (1^):    Abba  Gorjon  aus  Sidon 

^  Woher  ist  das  Zitat  bei  Dalman.  Worte  Jesu  1,  156  aus  Targ  Jerusch  II  Ex  15,  2: 
Dieser  ist  unser  Vater  "ir^s  sin  i-'-i? 

*  Dieser  Zusatz  in  einer  Anrede  an  Gott  ist  selten.  Zwei  Beispiele  s.  bei  Mt 
6,  9  S3  Anfang. 


Matth  6,  4  (?l  2)  395 

(um  180?)  hat  fünferlei  gesagt  (nach  Midr  Esther  im  Namen  Gamliels  II.,  um  90): 
Seitdem  die  Lügenrichter  sich  mehrten,  mehrten  sich  die  falschen  Zeugen.  Seitdem 
die  Delatoren  s^'^'iis^"  sich  mehrten,  mehrte  sich  das  Vermögen  der  räuberischen 
Männer.  Seitdem  die  frechen  Personen  sich  mehrten,  wurde  die  Ehre  (Würde)  der 
Menschenkinder  hinweggenommen.  Seitdem  der  Geringe  zum  Großen  sagt:  „Ich  bin 
größer  als  du",  werden  die  Jahre  (die  Lebensdauer)  der  Menschen  verkürzt.  Seitdem 
die  geliebten  Kinder  (=  Israel)  ihren  Vater  im  Himmel  erzürnten,  setzte  er  einen  gott- 
losen König  über  sie.  Und  wer  war  das?  Achaschverosch  (Anspielung  auf  Domitian?) 
In  der  Parallelstelle  Midr  Esth  1,  1  fehlt  der  vorletzte  Ausspruch.  ||  SLv  20,  26: 
R.  Elfazar  b.  ?Azarja  (um  100)  hat  gesagt:  Woher,  daß  man  nicht  sagen  soll:  „Ich 
mag  kein  Schweinefleisch  essen,  ich  mag  keiner  verbotenen  Frau  beiwohnen";  sondern: 
,Ich  möchte  es  wohl;  aber  was  soll  ich  tun,  da  es  mein  Vater,  der  im  Himmel  ist, 
also  über  mich  beschlossen  hat"?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  ,Ich  habe  euch  von  den 
Völkern  abgesondert,  daß  ihr  mir  gehöret'  Lv  20,  26.  1|  Joma  8,  9:  R.  f  Aqiba  (f  um  135) 
hat  gesagt:  Heil  euch,  Israeliten,  vor  wem  reinigt  ihr  euch,  wer  reinigt  euch?  Euer 
Vater,  der  im  Himmel  ist,  s.  Ez  36,  25:  „Ich  will  über  euch  reines  Wasser  sprengen, 
daß  ihr  rein  werdet";  ferner  heißt  es  (Jer  17,  13):  „Ein  Bad  für  Israel  ist  Jahve" 
(der  Midr  liest  nip»;  statt  "ipa).  Wie  das  Bad  die  Unreinen  reinigt,  so  reinigt  Gott 
Israel.  ||  TSchab  13,  5  (129),  ein  Ausspruch  des  R.  Jischmafel,  f  um  135,  über  die 
Christen,  die  Streit  u.  Zank  zwischen  den  Israeliten  u.  deren  Vater  im  Himmel  er- 
regen, s.  8.367/.  II  SDt  11,  22  §48  (84'^):  „Mein  Sohn,  wenn  dein  Herz  weise  wird, 
dann  wird  mein  Herz  sich  freuen,  auch  ich"  Spr  23,  15  (so  der  Midr).  R.  Schimfon 
b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Da  höre  ich  nur  über  seinen  Vater  auf  Erden;  woher  auch 
über  seinen  V.,  der  im  Himmel  ist?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Auch  ich",  um  seinen 
V.,  der  im  Himmel  ist,  miteinzuschließen.  ||  Aboth  5,  20:  J'^huda  b.  Tema  (Tannait 
ungewisser  Zeit)  sagte:  Sei  kühn  wie  ein  Leopard,  leicht  wie  ein  Adler,  schnell  wie 
ein  Hirsch  u.  stark  wie  ein  Löwe,  den  Willen  deines  Vaters,  der  im  Himmel  ist,  zu 
tun.  —  Als  Bar  P'-s  112=».  ||  M%h  Es  20,  6  (75''):  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  „Die 
mich  lieben  u.  meine  Gebote  halten"  (Ex  20,  6),  das  sind  die  Israeliten,  die  im  Lande 
Israel  wohnen  u.  ihr  Leben  der  Gebote  wegen  hingeben.  Warum  wirsL  du  hinaus- 
geführt, um  getötet  zu  werden?  Weil  ich  Söhne  Israels  beschnitten  habe.  Warum 
wirst  du  hinausgeführt,  um  verbrannt  zu  werden?  Weil  ich  in  der  Tora  gelesen  habe. 
Warum  wirst  du  hinausgeführt,  um  gekreuzigt  zu  werden?  Weil  ich  ungesäuertes 
Brot  gegessen  habe.  Warum  wirst  du  mit  der  Geißel  geschlagen?  Weil  ich  den 
Feststrauß  (am  Laubhüttenfest)  getragen  habe;  vgl.:  „So  bin  ich  geschlagen  worden 
im  Hause  derer,  die  mich  geliebt  geinacht"  Sach  13,  6  (so  der  Midr).  Jene  Wunden 
haben  es  mir  bewirkt,  daß  ich  von  meinem  Vater,  der  im  Himmel  ist,  geliebt  werde.  — 
Die  Stelle  bezieht  sich  auf  die  Verfolgungsedikte  Hadrians.  In  den  Parallelstellen 
LvR32  (129^);  Midr  Ps  12  §  5  (54'')  R.  N'chemja  (um  150)  als  Autor.  I|  RH  3,  8: 
„Sooft  Mose  seine  Hand  erhob,  war  Israel  stark"  Ex  17,  11.  Haben  denn  Moses 
Hände  den  Kampf  geführt  oder  entschieden?  Vielmehr  um  dir  zu  sagen:  Solange 
die  Israeliten  nach  oben  blickten  u.  ihr  Herz  ihrem  Vater,  der  im  Himmel  ist,  unter- 
warfen, erwiesen  sie  sich  stark;  wenn  aber  nicht,  so  fielen  sie.  Ebenso  heißt  es: 
„Mache  dir  eine  Brandschlange  u.  setze  sie  auf  eine  Stange;  dann  soll  jeder,  welcher 
gebissen  ist  u.  sie  sieht,  leben"  Nu  21,  8.  Wie,  hat  denn  die  Schlange  getötet  oder 
lebendig  gemacht?  Vielmehr  sooft  die  Israeliten  nach  oben  blickten  u.  ihr  Herz 
ihrem  V.,  der  im  H.  ist,  unterwarfen,  wurden  sie  geheilt;  wenn  aber  nicht,  so  schwanden 
sie  hin.  ||  Qaddisch  des  Gottesdienstes:  Es  möge  euer  Gebet  angenommen  u.  euer 
Wunsch  samt  dem  Wunsch  des  gesamten  Hauses  Israel  erfüllt  werden  vor  unsrem 
V.,  der  im  H.  ist.  jj  Targ  Jerusch  I  Lv  22,  28:  (Mose  sprach:)  Mein  Volk,  ihr  Kinder 
Israel,  wie  unser  Vater  -j-ias  barmherzig  ist  im  Himmel,  so  sollt  ihr  barmherzig  auf 
Erden  sein.  (Nach  der  Paraphrase  von  Vers  27  ein  Ausspruch  nicht  Gottes,  sondern 
Moses.)  11  Sota 9,  15:  R.  Pin^chas  b.  Jair  (um  200)  sagte:  Seitdem  der  Tempel  zerstört 
ist,   sind   die  Gelehrten  u.  freien  Männer   beschämt,   sie  verhüllen   ihr  Haupt,   u.  die 


396  Matth  6, 4  (51  2.  SB.  6).  6,  5  (31) 

Männer  der  Tat  (d.  h.  der  werktätigen  Liebe)  verkommen;  die  Leute  der  Faust  aber 
u.  der  Zunge  sind  mächtig,  u.  es  ist  keiner  da,  der  danach  forscht  u.  sich  darum 
kümmert  u.  danach  fragt.  Auf  wen  sollen  wir  uns  .stützen?  Auf  unsren  Vater  im 
Himmel.  \\  Targ  Jerusch  I  Ex  1,  19:  Sie  bitten  um  Erbarmen  vor  ihrem  Vater  im 
Himmel.  —  Ähnlich  Targ  Jerusch  II.  |1  Targ  Jerusch  II  Nu  21,  9:  Er  erhob  seine 
Augen  im  Gebet  zu  seinem  V.  im  H.  ||  ExR  21  (83''):  Sie  erhoben  ihre  Augen  zu  ihrem 
V.  im  H.  II  Targ  Esth  5,  14:  Sie  vertrauten  auf  ihren  V.  im  H.  ||  Das.  6,  1:  Das  Ge- 
denken an  Abraham,  Isaak  u.  Jakob  trat  vor  ihren  V,  im  H.  i|  Kil  9,  8:  R.  Schimfon 
b.  Elfazar  (um  190)  hat  gesagt:  (Wer  Kleider  aus  Mischgewebe  trägt,)  weicht  (von 
Gott)  ab  u.  macht  seinen  V.  im  H.  von  sich  abweichen.  —  Weitere  Beispiele :  B'^rakh  32'* ; 
pMa?as  4,  50«,  11;  bB^-rakh  35'>. 

6,  4  $8:  0  ß^sTioov  iv  ti7i  xqvutm. 

GnR  85  (54'^'):  „J^'lmda  sah  genau  hin  u.  sagte:  Sie  (Thamar)  ist  gerecht  ^:'2^'' 
Gn  38,  26.  Was  heißt  ■'«'a  V  R.  Jirm^ja  (um  320)  hat  im  Namen  des  R.  Jicchaq  (um  300) 
gesagt:  Gott  sprach:  Ihr  möget  bezeugen,  was  offenbar  ist,  ich  aber  bezeuge,  was  im 
verborgenen  "r??  ist.  —  Das  "3«^=  ,von  mir  aus"  soll  also  besagen,  daß  das  Ver- 
halten der  Thamar  ,von  Gott  aus"  gefügt  sei;  s.  bei  Mt  1,3  S.  15 ff. 

6,4  {^:  anodwasi  aoi  [sr  xo)  (par^QM^. 

Zu  dem  Gegensatz  sp  rw  xqvtitoI  .  .  .  sy  r«)  g)fiPEQiö  vgl.  Aboth  4,  4:  R.  Jochanan 
b.  B^roqa  (um  110)  sagte:  Wer  den  Namen  Gottes  im  geheimen  entweiht,  wird  öffentlich 
bestraft,  ■■V;2  .  .  .  ^rsz.  \\  Sota  3"  Bar:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Der  Mensch  begeht 
eine  Sünde  im  geheimen  tos,  u.  Gott  macht  es  über  ihn  bekannt  öffentlich  ^t'-^iz.  \\ 
Midr  Qoh5,  10  (27'*):  Ein  Samaritaner  -M3  fragte  deü  R.  Meir  (um  150):  Werden  die 
Toten  wieder  aufleben?  Dieser  antwortete:  Ja.  Jener  sprach:  AVerden  sie  im  geheimen 
oder  frei  öffentlich  auferstehn  s-crr^sa  is  -s-^jn:?  Frei  öffentlich,  sprach  R.  M.  Jener 
erwiderte:  Woher  kannst  du  mir  das  beweisen?  R.  Meir  antwortete:  Nicht  aus  der 
Schrift,  auch  nicht  aus  der  mündlichen  Lehre  (r.i-vo  hier  --  Tradition),  sondern  aus 
einem  Vorgang  des  gewöhnlichen  Lebens  will  ich  dir  antworten.  In  unsrer  Stadt  lebte 
ein  vertrauenswürdiger  Mann;  alle  Welt  legte  bei  ihm  im  verborgenen  -ssna  Wert- 
gegenstände ^ur  Verwahrung  nieder,  u.  er  gab  sie  ihnen  frei  öffentlich  s-Dnisa  wieder 
zurück.  Da  kam  einer  u.  legte  etwas  öffentlich  bei  ihm  nieder;  wie  wird  er  es  diesem 
zurückgeben,  im  geheimen  oder  frei  öffentlich?  Doch  wohl  öffentlich !  Jener  antwortete: 
Ja  TN.  Da  sprach  R.  Meir:  Sollten  deine  Ohren  nicht  hören,  was  dein  Mund  spricht?  Die 
Männer  legen  'bei  ihren  Frauen  einen  weißen  (Samen-)Tropfen  zur  Aufbewahrung  nieder, 
u.  Gott  gibt  ihnen  diesen  Tropfen  in  Gestalt  eines  schönen  vollkommenen  Geschöpfes 
öffentlich  zurück.  Sollte  der  Tote,  der  öffentlich  dahingeht,  nicht  viel  mehr  öffentlich 
wiederkehren?  Wie  er  unter  lauten  Stimmen  (der  Klage)  dahingeht,  so  wird  er  auch 
mit  lauten  Stimmen  (der  Freude)  wiederkommen.  —  Den  gleichen  Gedanken  spricht 
R.  Joschijja,  um  140,  aus  B^rakh  15  >*;  Sanh  92'\  ||  M'kh  Ex  12, 33  (17b):  Die  ägyptischen 
Frauen  hatten  es  getan  (nämlich  Unzucht  getrieben)  im  verborgenen  td3,  u.  Gott  machte 
sie  öffentlich  bekannt  cnis  oc-'-:.  Siehe,  da  gilt  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das 
Schwerere:  wenn  Gott  die  Strafe  dessen,  der  im  verborgenen  "rca  gehandelt  hat,  die 
klein  ist  (gegenüber  der  Belohnung),  bekannt  macht  i^s-e':,  um  wieviel  mehr  gilt  das 
dann  vom  Guten,  das  groß  ist  (gegenüber  dem  göttlichen  Strafen)!  |j  M*^kh  Ex  19, 2  (79 1>): 
Abba  Scha^ul  (um  150)  hat  gesagt:  Siehe,  es  heißt:  Jch  erhöre  dich"  Ps  81,  8;  du  rufst 
im  verborgenen  "res,  u.  ich  erhöre  dich  öffentlich  -iVja  u.  lasse  die  ganze  Welt  erbeben. 

0,5:   Und  wann  ihr  betet,  so  seid  nicht  wie  die  Heuchler; 
denn  sie  lieben  in  den  Synagogen  u.  an  den  Straßenecken 

dastehend  zu  beten,   um  sich  den  Menschen  zu  zeigen. 

,6,  5  %:  SV  raig  avvayu)yuTq  xal  iv  raig  ywriaig  tmv  TiXarsicov.  —  Sir 
50,  17  ff.  zeigt,  daß  die  täglichen  Tamidopfer  schon  lange  vor  Beginn 


Matth  6,  5  (?l)  397 

der  christl.  Ära  in  Gegenwart  einer  feiernden  u.  betenden  Gemeinde 
im  Tempel  dargebracht  worden  sind.a  Nach  der  Mischna  ging  dem 
Morgen-Tamidopfer  eine  gottesdienstl.  Feier  voran,  bei  der  in  An- 
wesenheit des  Volks  außer  mehreren  Lobsprüchen  besonders  die  zehn 
Gebote  u.  die  drei  Sch^ma^- Abschnitte  rezitiert  wurden. b  Auch  der 
Pharisäer  u.  Zöllner  Lk  18  suchen  den  Tempel  auf,  um  vor  Gott  zu 
beten.  Außerhalb  Jerusalems  kamen  als  Gebetsstätten  in  erster  Linie 
die  Synagogen  in  Betracht  ;c  das  besagt  schon  ihr  Name  nQoasvxrj  bei 
Philo  u.  Josephus  (vgl.  auch  Apg  16,  13.  16).  Dem  Gebet,  das  in  der 
Synagoge  verrichtet  wurde,  zumal  in  Gemeinschaft  mit  der  betenden 
Gemeinde,  schrieb  man  eine  besondere  Kraft  zu.  d  Da  die  Zeit  für  das 
Morgen-  u.  Mincha-(Nachmittags-)Gebetim  großen  u.  ganzen  observanz- 
mäßig  feststand,  1  galt  die  Regel,  daß  man  überall  beten  dürfe,  wo  man 
sich  zur  Zeit  des  Gebetes  gerade  befinde,  im  eigenen, Haus  oder  auf 
der  Landstraße  oder  auf  dem  Felde  oder  auf  dem  Bett.e  Nur  an  einer 
Stätte  der  Unreinheit  u.  an  einem  Ort,  der  die  Andacht  erschwerte  oder 
unmöglich  machte,  war  das  Beten  verboten,  f  Aus  Mt  6,  5  erfahren  wir, 
daß  gewisse  Kreise  gern  ihr  Gebet  an  öffentlichen  Orten  verrichteten, 
um  von  den  Leuten  als  große  u.  eifrige  Beter  bewundert  zu  werden. 

a.  Sir  50,  17  if.  (Hebr.):  (Während  die  Priester  nach  Darbringung  des  Brandopfers 
in  die  Trompeten  stießen)  fiel  alles  Fleisch  zumal  eilends  auf  das  Angesicht  zur  Erde 
nieder,  um  vor  dem  Höchsten  anzubeten,  vor  dem  Heiligen  Israels,  .  .  .  u.  alles  Volk 
des  Landes  pries  im  Gebet  vor  dem  Barmherzigen,  bis  der  Hohepriester  den  Altardienst 
beendigt  hatte.  .  .  .  Dann  stieg  er  herab  u.  erhob  seine  Hände  über  die  ganze  Gemeinde 
Israel,  u.  der  Segen  Jahves  war  auf  seinen  Lippen,  u.  durch  den  Namen  Jahves  wurde 
er  verherrlicht.    Dann  fiel  alles  Volk  zum  zweitenmal  seinetwegen  nieder. 

b.  Tamid  5,  1 :  Der  Beamte  (der  die  Verlosung  der  einzelnen  Kultusgeschäfte  des 
Morgens  im  Tempel  leitete)  sprach  zu  den  Priestern:  Sprechet  einen  Lobspruch.  Sie 
sprachen  ihn.  Dann  rezitierten  sie  die  10  Worte  (Gebote)  u.  die  Abschnitte  Schema? 
(Dt6,4-9),  V^haja  im  schamöa?  (Dt  11,  13— 21)  u.  Vajjo^mer  (Nu  15,  37— 41).  Dann 
sprachen  sie  mit  dem  Volk  (das  sich  zum  Morgen-Tamidopfer  im  Tempel  eingefunden 
hatte)  drei  Lobsprüche,  nämlich  Emeth  v'^jaQQib,  ferner  die  den  Dienst  betreffende 
Formel  (f  Abodah)  u.  den  Priestersegen.  Am  Sabbat  fügte  man  noch  einen  Segensspruch 
der  abtretenden  Wochenabteilung  (der  Priester)  hinzu.  —  Die  Auslegung  im  einzelnen 
ist  streitig,  unter  dem  zuerst  erwähnten  Lobspruch  hat  nach  pB'^rakh  1,  S*',  27  Sch^muel 
(t  254)  verstanden  die  Benediktion  über  die  Tora:  „Gepriesen  seist  du  Jahve  unser 
Gott,  König  der  Welt,  der  uns  geheiligt  hat  durch  seine  Gebote  u.  uns  befohlen  hat, 
uns  mit  den  Worten  der  Tora  zu  beschäftigen."  —  Nach  bBOrakhll''  läßt  Sch^^muel 
damit  gemeint  sein  die  Benediktion  Ah-'^ba  rabba:  „Mit  großer  Liebe  hast  du  uns  geliebt, 
Jahve  unser  Gott,  mit  großer  u.  übergroßer  Schonung  hast  du  über  uns  schonend 
gewaltet.  Unser  Vater,  unser  König,  wegen  unsrer  Väter,  die  auf  dich  vertrauten  u. 
die  du  die  Satzungen  des  Lebens  lehrtest,  sei  auch  uns  gnädig  u.  lehre  uns.  Unser 
Vater,  barmherziger  Vater,  erbarme  dich  über  uns  u.  gib  in  unser  Herz,  daß  wir  ein- 
sehen u.  verstehen,  hören,  lernen  u.  lehren,  beobachten  u.  tun  u.  halten  alle  Worte  der 
Belehrung  deiner  Tora  in  Liebe.    Erleuchte  unsre  Augen  durch  deine  Lehren  u.  laß 

^  Betreffs  der  Gebetszeiten  hat  die  Halakha  ziemlich  weiten  Spielraum  gelassen. 
Im  allgemeinen  wird  man  annehmen  können,  daß  das  Morgengebet  gegen  9  Uhr  vorm., 
das  Minchagebet  gegen  3  Uhr  nachm.  verrichtet  worden  ist  (vgl.  Apg  2, 15  u.  3, 1);  das 
Abendgebet  ist  erst  um  100  n.Chr.  als  Pflichtgebet  eingeführt  worden. 


398  Matth  6,  5  (31) 

unser  Herz  an  deinen  Geboten  hangen  u.  unser  Herz  ungeteilt  sein  in  Liebe  u.  Ehr- 
furcht vor  deinem  Namen,  daß  wir  nimmer  zuschanden  werden  in  alle  Ewigkeit;  denn 
auf  deinen  großen  u.  furchtbaren  heiligen  Namen  vertrauen  wir.  Wir  wollen  frohlocken 
u.  fröhlich  sein  in  deiner  Hilfe ;  führe  uns  herbei  in  Frieden  von  den  vier  Säumen  der 
Erde  u.  bringe  uns  in  aufrechter  Gestalt  in  unser  Land,  denn  ein  Gott,  der  Hilfe  schafft', 
bist  du;  u.  uns  hast  du  erwählt  aus  allen  Völkern  u.  Zungen  u.  uns  nahegebracht  deinem 
großen  Namen,  Sela  (nach  der  Tradition  =  für  ewig),  in  Wahrheit,  daß  wir  dich  be- 
kennen u.  dich  als  Einen  verkündigen  in  Liebe.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der  sein 
Volk  Israel  erwählt  hat  in  Liebe!"  —  Dagegen  vertritt  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250) 
die  Ansicht,  daß  unter  jenem  Lobspruch  das  Gebet  Jo9er  ior  zu  verstehen  sei,  das  nach 
Ausscheidung  seiner  jüngeren  Bestandteile  lautete:  , Gepriesen  seist  du  Jahve,  unser 
Gott,  König  der  Welt,  der  das  Licht  gebildet  (jo9er  ior)  u.  die  Finsternis  geschaffen, 
der  den  Frieden  bereitet  u.  das  Weltall  geschaffen  hat,  der  der  Erde  leuchtet  u.  denen, 
die  auf  ihr  wohnen,  in  Barmherzigkeit,  u.  der  durch  seine  Güte  täglich  immerfort  das 
Werk  der  Schöpfung  erneuert.  Gepriesen  seist  du,  Jahve  unser  Gott,  wegen  des  rühm- 
lichen Werkes  deiner  Hände.  Wegen  der  Träger  des  Lichts,  die  du  gemacht  hast,  soll 
man  dich  verherrlichen,  Sela.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  Bildner  der  Lichter!"  (Das 
Gebet  ist  ein  Morgengebet,  das  den  Gott  preist,  der  an  jedem  Morgen  seine  Schöpfung 
erneuert.)  —  Die  Benediktion  Emeth  v'^ja^cib  hatte  folgenden  Wortlaut:  ,  Wahr  u.  gewiß 
u.  fest  u.  bleibend  u.  richtig  u.  zuverlässig  u.  geliebt  u.  beliebt  u.  wert  u.  lieblich  u.  furcht- 
bar u.  herrlich  u.  recht  u.  angenehm  u.  gut  u.  schön  ist  dieses  Wort  (der  Inhalt  der  drei 
Sch^^mas-Abschnitte)  über  uns  in  alle  Ewigkeit.  Wahrheit  ist  der  Gott  der  Ewigkeit, 
unser  König,  der  Fels  Jakobs,  der  Schild  unsrer  Hilfe.  Geschlecht  für  Geschlecht  bleibt 
er  bestehn  u.  bleibt  sein  Name  bestehn;  sein  Thron  ist  fest  gegründet  u.  seine  Königs-* 
herrschaft  u.  seine  Treue  währt  ewiglich ;  seine  Worte  sind  lebenskräftig  u.  bleiben 
bestehn,  zuverlässig  u.  kostbar  für  immer  u.  in  alle  Ewigkeiten  über  unsren  Vätern  u. 
über  uns,  über  unsren  Söhnen  u.  über  unsren  Geschlechtern  u.  über  allen  Geschlechtern 
des  Samens  deines  Knechtes  Israel.  Über  den  Früheren  u.  über  den  Späteren  ein  gutes 
Wort,  das  da  bleibet  immer  u.  ewiglich;  Treue  u.  Wahrheit,  eine  Satzung,  die  nie  ver- 
geht. Wahrheit  (ist  es),  daß  du  bist  Jahve  unser  Gott  u.  Gott  unsrer  Väter,  unser  König, 
der  König  unsrer  Väter,  unser  Erlöser,  der  Erlöser  unsrer  Väter,  unser  Bildner,  der  Fels 
unsrer  Hilfe,  unser  Erlöser  u.  unser  Erretter,  von  Ewigkeit  ist  das  dein  Name;  es  gibt 
keinen  Gott  außer  dir."  —  Ganz  unsicher  ist  dann  wieder,  was  mit  der  ,den  Dienst 
betreffenden  Formel"  gemeint  ist.  Raschi  bemerkt  dazu  B'^rakh  1 1*^:  Wegen  des  Dienstes, 
den  sie  verrichtet  haben,  sprachen  sie  (die  Priester)  einen  Lobspruch.  —  Andre,  unter 
ihnen  auch  Bertinoro,  denken  an  den  Lobspruch:  „Es  sei  dir  wohlgefällig,  Jahve  unser 
Gott,  der  Dienst  deines  Volkes  Israel  u.  die  Feueropfer  Israels,  u.  ihr  Gebet  wollest 
du  annehmen  mit  Wohlgefallen;  gepriesen  sei,  der  den  Dienst  seines  Volkes  Israel 
annimmt  mit  Wohlgefallen!  —  Der  , Priestersegen"  =  Nu  6,  24  ff.  —  Die  sabbatliche 
Zusatzbenediktion  hatte  nach  R.  Chelbo  (um  300)  folgenden  Wortlaut:  (Die  abtretende 
Dienstabteilung  sagte  zu  der  neu  antretenden:)  Der,  welcher  seinen  Namen  in  diesem 
Hause  wohnen  läßt,  der  lasse  unter  euch  wohnen  Liebe  u.  Brüderlichkeit,  Frieden  u. 
Freundschaft,  B'^rakh  12'\ 

C.  pB'^rakh  4,  8'\  31 :  R.  Abba  (b.  Chijja,  um  320),  R.  Chijja  (b.  Abba,  um  280)  haben 
im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Der  Mensch  soll  au  dem  Ort  beten,  der 
für  das  Gebet  bestimmt  ist  id.  h.  in  der  Synagoge).  Was  ist  der  Schriftgrund?  „An 
jedem  Ort,  wo  ich  ein  Gedächtnis  meines  Namens  stiften  werde,  werde  ich  zu  dir 
kommen  u.  dich  segnen"  Ex  20,  24.  „Wo  du  meines  Namens  gedenkst"  heißt  es  nicht, 
sondern:  „wo  ich  ein  Gedächtnis  meines  Namens  stiften  werde."  R.  Tanchum  b.  Cha- 
nilai'  (um  280)  hat  gesagt:  Man  muß  sich  einen  bestimmten  Ort  in  der  Synagoge  zum 
Gebet  festsetzen.  Welchen  Schriftgrund  gibt  es  dafür?  Es  heißt  2  Sm  15,32  nicht: 
David  kam  an  den  Gipfel,  wo  er  (einmal)  angebetet  hat,  sondern  wo  er  (dauernd)  an- 

'  So  ist  mit  Bacher,  pAmor.  3,  627cr  zu  lesen  statt  „b.  Chanina". 


Matth  6,  5  (31)  399 

beten  wollte.  —  R.  Jochanans  Ausspruch,  aber  ohne  Schriftbeweis,  auch  pB*^rakh  5, 8  ^,  59.  || 
bB^rakh  8":  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  eine  Synagoge  in  seiner  Stadt  hat  u. 
nicht  dorthin  geht,  um  zu  beten,  der  wird  ein  schlechter  Nachbar  genannt,  s.  Jer  12, 14: 
„So  spricht  Jahve  über  all  die  bösen  Nachbarn,  die  das  Eigentum  antasten,  das  ich 
meinem  Volk  zu  eigen  gegeben  habe."  Und  nicht  bloß  dies,  sondern  er  verursacht  sich 
u.  seinen  Kindern  das  Exil,  wie  es  heißt  daselbst:  Siehe,  ich  reiße  sie  aus  ihrem  Boden 
u.  das  ganze  Haus  Juda  will  ich  ausreißen  aus  ihrer  Mitte.  ||  pB'^rakh  5,  8*^,  61 :  R.  Pin<^- 
chas  (um  860)  hat  im  Namen  des  R.  Hoschafja  (um  225)  gesagt:  Wer  in  der  Synagoge 
betet,  ist  wie  einer,  der  eine  reine  Mincha  darbringt,  s.  Jes  66,  20:  Gleich\Yie  die  Kinder 
Israel  das  Speisopfer  darbringen  in  reinem  Gefäß  zum  Hause  Jahves.  R.  Jirm'^ja  (um 
820,  so  nach  Jalqut  zu  Jes  55, 6)  hat  im  Namen  des  R.  Abbahu  (um  800)  gesagt:  „Suchet 
Jahve,  wo  er  zu  finden  ist"  Jes  55, 6.  Wo  ist  er  zu  finden?  In  den  Synagogen  u.  Lehrhäusern. 

d.  B*^rakh  6'**:  Abba  Binjamin  (ein  Tannait  ungewisser  Zeit)  hat  gesagt:  Das  Gebet 
eines  Menschen  wird  nur  in  der  Synagoge  erhört,  s.  1  Kg  8,  28:  „Daß  du  hörest  auf 
den  Gesang  u.  auf  das  Gebet",  d.  h.  an  dem  Ort  des  Gesanges  (so  scheint  ,rinna'  hier 
gefaßt  zu  sein)  soll  auch  das  Gebet  stattfinden.  ||  B'rakh  8^:  R.  Acha  b.  Chanina  (um 
300)  hat  gesagt:  (Daß  die  Gebete  in  der  Synagoge  erhört  werden)  folgt  aus:  „Gott 
wird  die  vielen  (die  in  der  S.  beten)  nicht  verachten"  Hi  36,  5  (so  der  Midr);  ferner 
heißt  es:  „Er  erlöst  in  Frieden  meine  Seele  vom  Kriege  wider  mich;  denn  die  Menge 
war  um  mich"  Ps55, 19  (die  betende  Gemeinde,  in  deren  Mitte  er  selbst  gebetet  hat). 
Die  Bar  lautet  ebenso:  R.  Nathan  (um  160)  hat  gesagt:  Woher,  daß  Gott  das  Gebet  der 
vielen  nicht  verachtet?  s.  Hi  36,  5  u.  Ps  5-^,  19.  —  Die  Bar  findet  sich  SNu  27, 12  §  135 
(51  ä).  II  Midr  KL  8,  «  (69^):  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Mit  wem  läßt  sich  der  ver- 
gleichen, der  mit  der  Gemeinde  (in  der  Synagoge)  betet?  Mit  Menschen,  die  dem  König 
eine  Krone  machten.  Da  kam  ein  Armer  u.  gab  seinen  Teil  dazu.  Wie,  wird  der  König 
etwa,  sagen:  „Weil^  dies  ein  Armer  ist,  nehme  ich  sie  nicht  an"?  Sofort  nimmt  er  sie 
an  u.  setzt  sie  auf  sein  Haupt.  Ebenso  wenn  zehn  Gerechte  im  Gebet  stehen  u.  ein 
Gottloser  steht  unter  ihnen,  soll  da  Gott  sagen:  Weil  dies  ein  Gottloser  ist,  nehme  ich 
ihr  Gebet  nicht  an?  |i  DtR  2  (198''):  „Ich  richte  mein  Gebet  zu  dir,  zur  Zeit  des  Wohl- 
gefallens" Ps69,  14.  Weil  David  ein  einzelner  war  (für  sich  allein  betete),  sagte  er: 
„Zur  Zeit  des  Wohlgefallens";  aber  das  Gebet  der  Gesamtheit  (Gemeinde)  kommt  nie- 
mals leer  zurück.  |i  B'^rakh  8*^:  Raba  (f  352)  befahl  seinen  Söhnen:  Geht  nicht  hinter 
der  Synagoge  vorüber  in  der  Zeit,  da  die  Gemeinde  (darin)  betet.  Das  ist  eine  Stütze 
für  R.  J''hoscbua?  b.  Levi  (um  250);  denn  dieser  hat  gesagt:  Es  ist  dem  Menschen  ver- 
boten, hinter  der  S.  vorüberzugehn  in  der  Stunde,  da  die  Gemeinde  betet.  (Es  gilt  dies 
als  Verachtung  der  S.  u.  als  Verleugnung  Gottes,  Raschi  zu  B^'rakh  61  •\)  ||  B^rakh  61-'': 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Lieber  hinter  einem  Löwen  her  als  hinter  einem  Weibe; 
lieber  hinter  einem  Weibe  her  als  hinter  einem  Götzen;  lieber  hinter  einem  Götzen 
her  als  hinter  einer  Synagoge  in  der  Stunde,  da  die  Gemeinde  (darin)  betet!  |l  B'='rakh  6'': 
Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Wer  hinter  der  Synagoge  betet,  wird  ein  Frevler  genannt, 
s.:  „Ringsum  ergehen  sich  die  Frevler"  Ps  12,9. 

e.  Midr  Ps  4  §  9  (23'')  Bar:  R.  Eli^ezer  b.  Ja?aqob  (H.,  um  150)  hat  gesagt:  Gott 
spricht  zu  Israel:  Ich  habe  es  dir  gesagt:  Wenn  du  betest,  so  bete  in  der  Synagoge 
deiner  Stadt;  wenn  du  in  der  S.  nicht  beten  kannst,  so  bete  auf  deinem  Felde;  wenn 
du  auf  deinem  Felde  nicht  beten  kannst,  so  bete  in  deinem  Hause;  wenn  du  in  deinem 
Hause  nicht  beten  kannst,  so  bete  auf  deinem  Bett;  wenn  du  auf  deinem  Bett  nicht 
beten  kannst,  so  sinne  in  deinem  Herzen,  s. :  „Sprechet  in  eurem  Herzen  auf  eurem 
Lager  u.  schweiget!  Sela"  Ps  4,  5.  —  Dasselbe  P^'siq  15^*,  wo  zu  dem  Autornamen 
R.  Elifezer  zu  ergänzen  ist  „b.  Jafaqob".  ||  pB^rakh  5,  8*^,  58:  R.  Jochanan  if  279)  hat  ge- 
sagt: Wer  in  seinem  Hause  betet,  der  umgibt  es  gleichsam  mit  einer  Mauer  von  Eisen. 

Beten  auf  Straßen  und  Wegen.  TB'rakh  3,  20  (8):  Steht  jemand  u.  betet 
auf  der  Straße  oder  auf  einem  Platz,  so  tritt  er  an  die  Seite  vor  einem  Esel  oder 
Eseltreiber  oder  Topfhändler,  ohne  sein  Gebet  zu  unterbrechen.  Von  R  Chanina  b.  Dosa 
(um  70)  hat  man  erzählt,  daß  er  stand  u.  betete.   Da  biß  ihn  eine  giftige  Schlange;  er 


400  Matth  6,  5  (3t) 

aber  unterbrach  sein  Gebet  nicht.  Seine  Schüler  gingen  u.  fanden  die  Schlange  tot  vor 
der  Öffnung  ihres  Lochs.  Da  sprachen  sie:  Wehe  dem  Menschen,  den  die  Giftschlange 
beißt;  wehe  der  Giftschlange,  die  den  Ben  Dosa  beißt!  —  Dasselbe  als  Bar  pB®x-akh 
o,  9^  47;  das  Erlebnis  des  R.  Chan.  b.  D.  in  andrer  Fassung  B'^rakh  33=*.  ||  B'^rakh  5,  1 : 
Selbst  wenn  der  König  jemandem  den  Gruß  entbietet,  soll  man  ihm  den  Gruß  (während 
des  Gebetes)  nicht  erwidern.  Selbst  wenn  eine  Schlange  sich  um  die  Ferse  windet, 
soll  man  das  Gebet  nicht  unterbrechen.  —  Hierzu  bemerkt  R.  Acha  (um  320):  Das  hat 
man  von  den  Königen  Israels  gesagt;  aber  bei  den  Königen  der  Völker  der  Welt  er- 
widert man  den  Gruß  (pB^^rakh  5,  9^*,  24).  —  Eine  Erzählung  zu  obiger  Mischna  in 
B'^rakh  32  b  g.  bei  Mt  5, 22  S.  278;'.  —  Minder  streng  lauten  die  Bestimmungen  über  das 
Grüßen  während  der  Sch'^maf-Rezitation.  B6rakh2, 1:  Bei  den  Absätzen  (der  Sch^maf- 
Abschnitte)  darf  man  (einander)  grüßen  aus  Ehrerbietung  u.  den  Gruß  erwidern.  Das 
sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150).  R.  J'^'huda  (um  150)  sagte:  In  der  Mitte  (der  Ab- 
schnitte) grüßt  man  aus  Fui-cht  u.  erwidert  den  Gruß  aus  Ehrerbietung;  bei  den  Ab- 
sätzen grüßt  man  aus  Ehrerbietung  u.  erwidert  den  Gruß  jedermann.  —  Dasselbe  in 
breiterer  Ausführung  B*"rakh  13  b.  —  Diese  Stellen  setzen  voraus,  daß  sich  der  Betende 
auf  der  Straße  befindet  oder  an  sonst  einem  Ort,  an  dem  andre  an  ihm  vorübergehn 
können.  ||  B^rakh  IH  Bar:  Die  Schule  Hilleis  sagte:  Wenn  man  auf  dem  Wege  geht, 
darf  man  das  Sch*^ma?  rezitieren.  ||  B'^rakh  4,  5:  Wer  auf  einem  Esel  reitet,  der  steigt 
(zum  Gebet)  ab;  kann  er  nicht  absteigen,  so  wendet  er  sein  Angesicht  (nach  Jerusalem 
hin);  kann  er  sein  Angesicht  nicht  wenden,  so  richtet  er  sein  Herz  auf  das  AUerheiligste 
(des  Tempels)  hin.  —  Auch  hier  ist  als  selbstverständlich  vorausgesetzt,  daß  das  Gebet 
auf  der  Landstraße  verrichtet  werden  darf.  ||  B^'rakh  o'*-  Bar:  R.  Jose  (um  150)  hat  er- 
zählt: Einmal  befand  ich  mich  unterwegs  u.  trat  in  eine  von  den  Ruinen  Jerusalems, 
um  zu  beten.  Es  kam  (der  Prophet)  Elias,  gesegneten  Augedenkens,  u.  wartete  auf 
mich  am  Eingang,  bis  ich  mein  Gebet  beendet  hatte.  Danach  spraph  er  zu  mir:  Friede 
über  dich,  Rabbi!  Ich  antwortete:  Friede  über  dich,  mein  Lehrer  u.  mein  Herr!  Er 
sprach:  Mein  Sohn,  warum  bist  du  in  diese  Ruine  eingetreten?  Ich  antwortete:  Um 
zu  beten.  Er  sprach:  Du  hättest  auf  dem  Wege  beten  sollen!  Ich  antwortete:  Ich 
fürchtete,  die  des  Weges  Gehenden  möchten  mich  unterbrechen.  Er  sprach:  Du  hättest 
ein  kurzes  Gebet  beten  sollen!  In  jener  Stunde  habe  ich  dreierlei  von  ihm  gelernt: 
ich  habe  gelernt,  daß  man  nicht  in  eine  Ruine  eintreten  soll  (der  Lebensgefahr  wegen); 
ferner  daß  man  auf  einem  Wege  beten  darf,  u.  endlieh,  daß  man  auf  einem  Wege  ein 
kurzes  Gebet  betet.  ||  pB^^^rakh  4,  8^  33:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Ich  habe  ge- 
sehen, wie  R.  Jannai  dastand  u.  betete  auf  dem  Markt  von  Sepphoris  u.  dann  4  Ellen 
weit  ging  u.  vom  Musaphgebet  (etwas)  betete. 

/.  B*^rakh  3,  5 :  Wie  weit  muß  man  sich  (bei  der  Sch'^maf-Rezitation)  fernhalten 
von  Schmutzwasser  u.  Unrat?  Vier  Ellen.  —  Hierzu  B^rakh  26":  Raba  (f  352)  hat 
gesagt,  Rab  S^chora  (um  oÜO)  habe  gesagt,  Rab  Huna  (f  297)  habe  gesagt:  Man  hat 
das  nur  betreffs  des  Unrats  gelehrt,  der  sich  hinter  einem  befindet;  aber  betreffs  des- 
jenigen, der  sich  vor  einem  befindet,  gilt,  daß  man  ihn  zu  entfernen  hat,  soweit  man 
ihn  sehen  kann.  Ebenso  ist  es  beim  Gebet.  ||  B^rakh  25^  Bar:  Man  soll  das  Schema? 
nicht  rezitieren  angesichts  des  Unrates  von  Menschen,  Hunden,  Schweinen,  Hühnern 
u.  angesichts  des  Unrates  eines  übelriechenden  Dunghaufens.  Wenn  aber  die  Stelle 
(an  der  der  Unrat  liegt)  10  Handbreiten  hoch  oder  tief  ist,  so  wende  man  sich  seitwärts 
u.  rezitiere  das  Schema?;  wenn  aber  nicht,  so  entferne  man  sich  so  weit,  daß  man  den 
Unrat  nicht  mehr  sehen  kann.  Ebenso  halte  man  es  beim  Gebet.  ||  Ferner  s.  TB'^rakh 
2,  19  (5)  =  M^g  27  b.  _  Über  das  Beten  in  öffentl.  Badehäusern  s.  TB'^rakh  2,  20  (5)  bei 
Mt  5,  47  S.  385;'.  ||  B*^rakh  2,  4:  Arbeiter  dürfen  das  Sch^'ma?  auf  einem  Baum  oder  auf 
einer  Bauschicht  lesen,  was  sie  aber  beim  Gebet  nicht  tun  dürfen  (um  nicht  die  An- 
dacht zu  verlieren).  |  TB'^rakh  2,8  (4):  Arbeiter  dürfen  das  Sch'^maf  auf  einem  Baum 
lesen;  beten  dürfen  sie  auf  einem  Oliven-  oder  Feigenbaum;  bei  allen  übrigen  Bäumen 
müssen  sie  herabsteigen  u.  beten.  Der  Besitzer  steigt  in  jedem  Fall  herab,  um  zu 
beten.  —  Dasselbe  als  Bar  B*^rakh  16*  u.  pB^'rakh  2,  5*,  47;  an  letzterer  Stelle  mit  dem 


Matth  e,  5  (SB.  6)  401 

Zusatz,  daß  nach  R.  Abba  (um  290)  u.  R.Simon  (um  280)  das  Herabsteigen  von  Oliven- 
u.  Feigenbäumen  „wegen  der  grofaen  Mühe"  nicht  gefordert  werde.  ||  TB^'rakh  2,  7  (4): 
Ein  Lastträger  darf  das  Sch'^maf  rezitieren,  au  h  wenn  die  Last  auf  seiner  Schulter 
liegt.  Aber  während  er  (die  Last)  ablädt  oder  auflädt,  soll  er  es  nicht  rezitieren,  weil 
sein  Herz  nicht  zur  Andacht  gestimmt  ist.  Aber  weder  so  noch  so  darf  er  beten,  bis 
er  abgeladen  hat.   Dasselbe  als  Bar  pB  rakh  2,  5^,  51. 

6,  5  33:  SV  Tctlq  yooriaiq  tmv  nXateiMv.  Zum  Ausdruck  vgl.  die  Ver- 
bindung ri'z'^rr  ''5'r'^"'  =  Eckensitzer,  zur  Bezeichnung  von  Leuten,  die 
als  Müßiggänger  oder  als  Hausierer  an  den  Straßenecken  umherstehn. 

B'^rakh  28^:  (Beim  Hinausgehn  aus  dem  Lehrhaus  pflegte  R.  N*^chonja  b.  Ha-qana 
(um  70]  zu  beten:)  Ich  danke  dir,  Jahve  mein  Gott,  daß  du  mir  mein  Teil  bei  denen 
gegeben  hast,  die  im  Lehrhaus  sitzen,  u.  daß  du  mir  mein  Teil  nicht  bei  den  Ecken- 
sitzern  gegeben  hast.  ...  —  Die  Parallelstelle  pB  rakh  4,  7^*,  31  liest  dafür:  Daß  du  mir 
mein  Teil  nicht  bei  denen  gegeben  hast,  die  in  den  Theatern  u.  Zirkussen  sitzen.  ||  BQ 
82'^:  Zehn  Verordnungen  erließ  Esra:  daß  man  am  Sabbatnachmittag  (in  den  Synagogen) 
aus  der  Schrift  vorlesen  solle  .  .  .  wegen  der  Eckensitzer  (damit  die  Straßenhändler,  die 
an  den  Wochentagen  die  Synagoge  nicht  besuchen,  wenigstens  am  Sabbat  Gelegenheit 
hätten,  das  Schriftwort  zu  hören.  Hier  hören  wir  von  der  Veranlassung,  die  ursprünglich 
einmal  zur  Einrichtung  der  Sabbat-Nachmittagsgottesdienste  geführt  hat). 

6,5  (*.:  fVrwrtc  TiQoatvx^^^'^^-  Für  gewöhnlich  hat  man  beim  Gebet 
gestanden;  daher  die  immer  wiederkehrende  Wendung:  bVsr^i  i^nr  nin, 
aram.  -hi^  c-xp  nin  =  er  stand  oder  er  trat  hin,  um  zu  beten,  s.  zB 
TB-rakh  3,20  (8)  oben  S.Sggy;  pßH2,  58^7  oben  S.  6«.  Dabei  sollten 
die  Füße  des  Beters  gerade  gerichtet  sein.a  Es  fehlt  jedoch  nicht  an 
Beweisen,  daß  das  Gebet  auch  im  Gehen,  Sitzen  u.  Liegen  verrichtet 
worden  ist,b  besonders  wenn  man  das  Rezitieren  des  Schema?  mit  zum 
Beten  rechnet. c 

a.  B^rakh  10^:  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  im  Namen  des  R.  Elifezer  b.  Jafaqob 
(IL,  um  150)  gesagt:  Der  Betende  muß  seine  Füße  gerade  richten;  denn  es  heißt:  „Ihre 
(der  Chajjoth  unter  dem  göttlichen  Thron  wagen)  Füße  (Beine)  waren  geraden  Schenkels* 
Ez  1,  7.  Ii  Zum  Stehen  während  des  Gebetes  sei  hier  nur  noch  auf  einige  Targumstellen 
verwiesen.  Targ  Onk  gibt  die  Worte  Gn  19,27:  „Wo  er  vor  Jahve  gestanden  hatte" 
wieder  mit:  „Es  machte  sich  Abraham  früh  auf  nach  dem  Ort,  wo  er  vor  Jahve  im 
Gebet  den  Dienst  verrichtet  hatte."  —  Das  Stehen  beim  Gebet  galt  hiernach  als  so 
selbstverständlich,  daß  das  absolute  „Stehen  vor  Jahve"  ohne  weiteres  umgedeutet 
wird  in  ein  Beten  zu  Jahve.  ||  Targ  Jerusch  1  Nu  10,  35:  Mose  stand  im  Gebet  biU^end  u. 
um  Erbarmen  flehend  vor  Jahve  ""  =-p  i's  yo-~,  -yai  -Vu's  i'':::3  -sp  rr-r;.  Dasselbe 
Vers  :<6.  ||  Targ  Esth  4,  I :  Der  Herr  der  Welt  sandte  den  Hohenpriester  Elias  (gemeint 
ist  der  im  Himmel  weilende  Prophet  Elias),  um  dem  Mardokhai  mitzuteilen,  daß  er 
hintreten  sollte  u.  beten  'b::-"i  cip--i  vor  dem  Herrn  der  Welt  wegen  seines  Volkes,  j] 
Öfters  findet  sich  der  exegetische  Kanon:  „Stehen"  n^-pv  bedeutet  „Beten"  "'srr.  Diese 
Regel  hatte  man  aus  Ps  106,  80  hergeleitet,  wo  die  Anfangsworte  gedeutet  wurden  = 
„Piu-^chas  stand  u.  betete" ;  s.  zB  B'^rakh  26b  u.  pB'Takh  +,  7=',  58. 

b.  B'rakh  ^O'"*:  Wie  betet  man  (das  Reisegebetj?  Rah  Chisda  (f  309)  hat  gesagt: 
Im  Stehen.  Rab  Schescheth  (um  260)  hat  gesagt:  Auch  im  Gehen.  .  .  .  Was  ist  für  ein 
Unterschied  zwischen  dem  Habinönugebet  (Auszug  aus  dem  Schimone  ?Esre)  u.  einem 
(sog.)  kurzen  Gebet?  .  .  .  Das  Habinenugebet  muß  man  im  Stehen  beten,  während  man 
ein  kurzes  Gebet  im  Stehen  u.  im  Gehen  beten  darf.  ll  B'^'rakh  30^:  Rab  Aschi  (f  427) 
betete  in  der  Gemeinde  für  sich  allein  im  Sitzen;  wenn  er  aber  (aus  der  Synagoge) 
nach  Hause  kam,  betete  er  noch  einmal  im  Stehen.  ||  Man  darf  auf  dem  Esel  sitzend 
beten,  s.  B'rakh  4,5,  oben  S.  400;  ferner  anf  dem  Bett  sitzend  oder  liegend,  s.  Midr 

Strack  u. Billerbeck,  NTI.  26 


402  Matth  6,  5  (6).  6,  6  (Nr.  1.  2) 

Ps  4  §  9.  oben  S.  399 >'.  I|  TB^rakh  3,  5  (ß) :  R.  J^huda  b.  Elfai  (um  1 50)  hat  gesagt:  Wenn 
R.  f  Aqiba  [\  um  185)  mit  der  Gemeinde  betete,  dann  machte  er  es  kurz  der  Gesamtheit 
(Gemeinde)  wegen;  wenn  er  aber  für  sich  allein  betete,  so  konnte  man  ihn  auf  dieser 
Seite  (des  Zimmers)  verlassen,  u.  wenn  man  wiederkam,  fand  man  ihn  auf  der  andren- 
Seite  wegen  der  Kniebeugungen  u.  des  mehrfachen  (nach  B'^rakh  34'»  mit  dem  Aus- 
strecken der  Hände  u.  Fiilse  verbundenen)  Niederfallens.  (Gebetsexerzitien,  die  den 
Betenden  in  Ekstase  versetzen  sollen.) 

C.  B^'rakh  1,3:  Die  Schule  Schammais  sagte:  Am  Abend  soll  sich  der  Mensch 
hinstrecken  u.  das  Sch^'ma?  rezitieren,  am  Morgen  aber  soll  er  dabei  stehen;  denn  es 
beißt:  ,Bei  deinem  Liegen  u.  bei  deinem  Aufstehn"  Dt  6,  7.  Die  Schule  Hillels  sagte: 
Jeder  darf  nach  seiner  Weise  rezitieren;  denn  es  heißt  (daselbst):  „Und  bei  deinem 
Gehen  auf  dem  Wege."  Wenn  dem  so  ist,  warum  wird  gesagt:  ,Bei  deinem  Liegen  ti. 
bei  deinem  Aufstehn"?  Das  will  besagen:  zu  der  Zeit,  da  die  Menschen  sich  nieder- 
zulegen u.  aufzustehn  pflegen.  R.  Tarphon  (um  100)  hat  erzählt:  Einmal  befand  ich 
mich  unterwegs  u.  streckte  mich  nieder,  um  das  Sch'^'maf  gemäß  den  Worten  der  Schule 
Schanmiais  zu  lesen,  u.  ich  brachte  mich  selbst  damit  in  Gefahr  vor  den  Räubern. 
Man  sagte  zu  ihm:  Du  hättest  es  verdient,  dir  selber  Strafe  zuzuziehen,  weil  du  die- 
Worte  der  Schule  Hillels  übertreten  hast.  —  Vgl.  die  Erzählung  über  R.  Jischmafel 
(t  um  135)  u.  R.  Elfazar b.  ?Azarja (um  100)  in  TB^rakh  1, 4  ( 1) ;  SDt  6, 7  §  34  (74b);  pB'^rakh 
l,:sb,  40;  bB<^rakh  11  ^  ||  B^rakh  ll'"»  Bar:  Die  Schule  Hillels  sagte:  Wenn  man  steht, 
darf  man  das  Scli^'maf  rezitieren,  ebenso  wenn  man  sitzt,  wenn  man  hingestreckt  liegt, 
wenn  man  auf  dem  Wege  geht,  wenn  man  bei  seiner  Arbeit  beschäftigt  ist.  Ferner 
s,  B«rakh  11  »unten;  13 b. 

6,  6:  Du  aber,  wenn  du  betest,  geh  in  dein  Kämmerlein  u.  deine 
Tür  schlielsend  bete  zu  deinem  Vater,  der  im  Verborgenen  ist,. 
Q.  dein  Vater,  der  im  Verborgenen  sieht,  wird  dir  vergelten. 

1.  tlg  T(  ra/iiHÖv  aov.  —  Rabbinisch  etwa  D-i-iin  "^-.nna,  zB  Schab  64'': 
Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Überall 
wo  die  Gelehrten  etwas  des  bösen  Scheines  halber  verboten  haben, 
da  ist  das  Betreffende  auch  im  geheimsten  Kämmerlein  verboten.  — 
Dasselbe  Schab  146^  Be9a  9«;  ^AZ  12^.  ||  Test  Jos  3  sagt  Joseph  in 
bezug  auf  seine  Versuchungen  durch  Potiphars  Weib:  Ich  ging  in  die 
Kammer  eig  to  za^utluv  u.  betete  zum  Herrn  u.  fastete  in  jenen  sieben 
Jahren. 

2. '0  nazr^Q  aov  6  ßXsTKov  ev  rr^  xQvrtzfo  änoÖMasi  aoi.  —  Vgl.  die 
Zitate  bei  Mt6,  4.  —  Tanch  x-n:  70'':  R.  Binjamin  b.  Levi  (um  325)  hat 
gesagt:  Gott  spricht:  Wenn  ein  Mensch  im  Winkel  seines  Hauses  n"<in 
ir-in  sitzt  u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigt,  so  mache  ich  ihn  offenbar 
vor  den  Menschen;  noch  viel  mehr  aber  mache  ich  ihn  vor  den  Menschen 
bekannt,  wenn  er  sich  verbirgt,  um  den  Götzen  zu  dienen  oder  eine 
Sünde  zu  begehn,  vgl.:  „Kann  sich  ein  Mensch  in  Verstecken  verbergen, 
daß  ich  ihn  nicht  sehen  sollte?  Erfülle  ich  nicht  den  Himmel  u.  die 
Erde?"  Jer  23,  24.  Was  heißt  das?  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  hat 
gesagt:  Ich  erfülle  mit  einem  solchen  Menschen  (der  im  verborgenen 
Tora  studiert)  die  obere  u.  die  untere  Welt  u.  lasse  die  Menschen  sein 
Lob  sehen.  —  Mit  andrem  Text  am  Ende  Tanchß  x-ixn  §  8  (13*)  u.  ExR 
8  (73  b). 


Matth  6,  7  403 

6,  7:  Wenn  ihr  betet,  sollt  ihr  nicht  plappern  wie  die  Heiden: 
denn  sie   meinen,   daß   sie  bei   ihren   vielen  Worten  werden 

erhört  werden. 
oTi  €v  Tfi  TtoXvXoyfa  uvvwv  Hffaxovff^rjfforTcei.  —  Über  die  Frage,  ob 
langes  oder  ob  kurzes  Beten  den  Vorzug  verdiene,  hat  man  verschieden 
geurteilt.  Vom  Hohenpriester  forderte  man  allgemein,  daß  er  am  Ver- 
söhnungstage nur  ein  kurzes  Gebet  im  Tempel  verrichte,  damit  das 
draußen  wartende  Volk  sich  seinetwegen  nicht  ängstige.»  Von  Mose 
dichtete  man,  daß  er  wegen  seines  langen  Gebetes  am  Schilfmeer  von 
Gott  getadelt  worden  sei.b  Am  freiesten  hat  R.  Eli^ezer  (um  90)  ge- 
urteilt, der  sowohl  dem  langen  wie  dem  kurzen  Gebet  je  nach  den 
obwaltenden  Umständen  Berechtigung  zuerkanntet  R,  fAqiba  (f  um 
135)  pflegte  das  Gebet  inmitten  der  Gemeinde  abzukürzen,  dagegen  es 
lang  auszudehnen,  wenn  er  für  sich  allein  betete,  d  Andre  befolgten 
die  umgekehrte  Praxis,  e  R.  Mei'r  (um  150)  forderte  einerseits,  daß  das 
Gebet  kurz  sei;  andrerseits  betonte  er  mit  Hinweis  auf  1  Sm  1, 12,  daß 
langes  Verweilen  im  Gebete  Erhörung  bringe. *  Von  den  späteren  Ge- 
lehrten darf  man  zu  den  Freunden  kürzeren  Betens  rechnen  R.  Chijja 
b.  Abba  (um  280)gu.  Raba  (f  352),h  vielleicht  auch  R.  Z^fira  (um  300)h 
u.  R.  Jochanan  (f  279).»  Denkt  man  aber  an  das  entschiedene  Lob,  das 
den  früheren  Frommen  für  ihr  stundenlanges  Verweilen  im  Gebet  ge- 
spendet worden  ist,k  erwägt  man  weiter  den  Lohn,  der  an  vielen  Stellen 
dem  langen  Beten  in  Aussicht  gestellt  wird,l  so  wird  man  schließlich 
doch  nicht  zweifeln,  daß  dem  langen  Beten  im  großen  u.  ganzen  der 
Vorzug  eingeräumt  worden  ist. 

a.  Joma  5,  1 :  (Nachdem  der  Hohepriester  am  Versöhnungstage  das  Räucherwerk 
im  AUerheiligsten  dargebracht  hatte)  ging  er  zurück,  wie  er  eingetreten  war,  u.  betete 
ein  kurzes  Gebet  im  äußern  Tempel  (d.  h.  im  Heiligen).  Er  verweilte  nicht  lange  in 
seinem  Gebet,  um  Israel  nicht  zu  ängstigen  (daß  ihm  etwa  im  AUerheiligsten  etwas 
Schlimmes  begegnet  sein  möchte).  |l  Joma  5ob  Bar:  Einmal  machte  es  ein  Hoherpriester 
lange  mit  seinem  Beten;  da  beschlossen  seine  Brüder,  die  Priester,  ihm  nachzugehn. 
Als  sie  eben  anfingen,  einzutreten,  kam  er  heraus;  sie  sprachen  zu  ihm:  Warum  hast  du 
es  so  lange  gemacht  mit  deinem  Beten?  Er  antwortete:  Ist  das  etwas  Schlimmes  in  euren 
Augen,  daß  ich  für  euch  u.  für  das  Heiligtum  gebetet  habe,  daß  es  nicht  zerstört  werde? 
Sie  entgegneten:  Gewöhne  dich  nicht  daran,  also  zu  tun;  denn  siehe,  wir  haben  gelernt: 
Er  soll  nicht  lange  in  seinem  Gebet  verweilen,  um  Israel  nicht  zu  ängstigen. 

b.  Sota  37':  In  jener  Stunde  (von  Ex  14,15)  verweilte  Mose  lange  im  Gebet.  Da 
sprach  Gott  zu  ihm:  Meine  Geliebten  versinken  im  Meer,  u.  du  machst  es  so  lang 
mit  dem  Gebet  vor  mir!  Mose  antwortete:  Herr  der  Welt,  was  kann  ich  tun?  Gott 
sprach:  Sage  zu  den  Kindern  Israel,  daß  sie  aufbrechen  usw.  Ex  14,  l-'iflF.  --  Urheber 
dieser  Dichtung  ist  nach  M  kh  Ex  14,  15(:iö  )  R.  Eli?ezer  (um  UU).  Dieser  hat  gesagt: 
Gott  sprach  zu  Mose:  Mose,  meine  Kinder  sind  in  Bedrängnis  hingegeben,  das  Meer 
ist  eine  Sperre,  der  Feind  setzt  nach,  u.  du  stehst  u.  machst  es  lang  mit  dem  Gebet! 
Was  schreist  du  zu-  mir?  Ex  14,  15.  Denn  Gott  hatte  zu  Mose  gesagt:  Mose,  es  gibt 
eine  Zeit,  da  man  es  (das  Gebet)  lang  macht,  u.  es  gibt  eine  Zeit,  da  man  es  kurz 
macht,  8.  Nu  12,  18  u.  Dt  9, 25;  s.  hierzu  das  folgende  Zitat. 

C.  M'^kh  Ex  15,25  (5;^"):  Einmal  trat  ein  Schüler  in  Gegenwart  des  R  Elifezer  vor 
dstö  Vorbeterpult  u.  kürzte  an  seinen  Benediktionen  (Lobsprüchen).  Da  sprachen  seine 

26* 


404  •  Matth  6, 7 

Schüler  zu  ihm :  Rabbi,  hast  du  ihn  gesehen,  wie  er  seine  Benediktionen  gekürzt  hat? 
Und  sie  verspotteten  ihn  u.  sagten:  Das  ist  ein  kürzender  Gelehrtenschüler.  R.  Elifezer 
sprach  zu  ihnen:  Dieser  hat  nicht  mehr  geküizt  als  Mose,  wie  es  heißt:  ,Gott,  ach, 
heile  sie  doch!"  Nu  12, 13.  Ein  andermal  trat  ein  Schüler  in  Gegenwart  des  R. Elifezer 
vor  das  Vorbeterpult  u.  dehnte  seine  ßenediktionen  aus.  Da  sprachen  seine  Schüler 
zu  ihm:  Rabbi,  hast  du  diesen  gesehen,  wie  er  seine  Benediktionen  gedehnt  hat?  Und 
sie  sagten  von  ihm:  Das  ist  ein  Debner!  R.  Eli?ezer  sprach  zu  ihnen:  Dieser  hat  nicht 
mehr  gedehnt  als  Mose,  wie  es  heißt  (Dt9, 25f.):  ,Da  warf  ich  mich  40  Tage  u. 
40  Nächte  vor  Jahve  hin  .  .  .  u.  betete  zu  Jahve."  Denn  R.  Elifezer  pflegte  zu  sagen: 
Es  gibt  eine  Zeit  zum  Kürzen  u.  es  gibt  eine  Zeit  zum  Dehnen.  —  Parallelstellen: 
SNu  12, 13  §  105  (28b);  B^rakh  34»;  vgl.  auch  M'^kh  14, 15  in  Anm.ö. 

d.  Siehe  TB  rakh  8, 5  (6)  oben  S.  402«. 

e.  pB^rakh^,  7b,  62:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Es  heißt:  ,0b  ihr  auch  des 
Gebetes  viel  macht,  so  will  ich  es  nicht  hören"  Jes  1,15.  Hieraus  folgt,  daß  jeder ,^ 
der  es  lang  macht  mit  dem  Beten,  erhört  wird  idenn  Jes  1,  15  ist  nur  ein  Ausnahme- 
fall). Da  ist  wohl  die  Erklärung  des  R.  Levi  (mit  der  eines  andren  Autors)  verwechselt 
worden?!  Dort  hat  nämlich  R.  Abba  b.  Pappai  (um  350)  u.  R.  J'^hoschuaf  von  Sikhnin 
(um  330)  im  Namen  des  R.  Levi  gesagt:  „Bei  jedem  Abmühen  kommt  ein  Gewinn 
heraus,  aber  das  Wort  der  Lippen  führt  nur  zu  Verlust"  Spr  14,2:1  Weil  Hanna  es  lang- 
gemacht  hat  mit  dem  Beten,  hat  sie  die  Jahre  Samuels  verkürzt;  denn  sie  sagte: 
„Er  soll  dort  bleiben  für  immer  c"-"y  n>"  1  Sm  1,  22.  Und  beträgt  dieses  für  „immer"  bei 
einem  Leviten  nicht  bloß  50  Jahre?  Denn  es  heißt:  „Vom  Fünfzigjährigen  an  soll  er 
vom  Heerdienst  der  Arbeit  zuiücktreten  u.  nicht  mehr  dienen"  Nu  8, 25.  Aber  er  ist 
doch  52  Jahre  alt  geworden!  *  R.  Jose  b.  Bun  (um  350)  hat  gesagt:  Das  sind  die  beiden 
Jahre  bis  zu  seiner  Entwöhnung.  Und  hier  sollte  R.  Levi  nun  so  sagen?  (d.  h.  nach- 
dem er  in  der  letzteren  Stelle  Verkürzung  des  Lebens  als  die  Folge  langen  Betens 
hingestellt  hat,  sollte  er  in  der  ersten  Stelle  die  Gebetserhörung  als  Lohn  des  langen 
Betens  preisen?  Da  liegt  also  wohl  eine  Autorenverwechslung  vor!  Nun  folgt  die 
Hebung  des  Widerspruchs:)  Wenn  er  es  gesagt  hat,  so  hat  er  es  in  dem  einen  Fall 
von  dem  einzelnen  u.  im  andren  Fall  von  der  Gemeinde  (Gesamtheit)  gesagt  (d.  h.  langes 
Beten  schadet  dem  einzelnen  Beter  u.  frommt  der  betenden  Gemeinde).  —  Dasselbe 
pTafan  +,  67  ^  1 1 ;  in  Midr  Sm  2  §  9  (25  b)  u. :'.  §  3  (26 '-)  nur  der  auf  Hanna  bezügliche  Satz. 

/,  B  rakh  61":  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt,  Rah  (f  247)  habe  im  Namen  des 
R.  Meir  gesagt:  Immer  seien  der  Worte  des  Menschen  vor  Gott  wenig,  vgl.:  „Sei  nicht 
schnell  mit  deinem  Munde  u.  eile  nicht,  ein  Wort  vor  Gott  auszusprechen;  denn  Gott 
ist  im  Himmel  u.  du  auf  Erden;  darum  seien  deine  Worte  wenige"  Qoh  5, 1.  ||  pB'^rakh 
4,7%  1:  R.  Chijja  (um  280)  hat  im  Namen  des  R  Jochanan  (f  279)  gesagt,  u.  dieser 
hat  gesagt,  R.  Schimfon  b.  Chalaphta  (um  190)  habe  im  Namen  des  R.  Meir  gesagt:  Es 
heißt:  „Und  es  geschah,  da  sie  (Hanna)  so  lang  machte  mit  Beten  vor  Jahve"  1  Sm  1, 12. 
Hieraus  folgt,  daß  jeder,  der  es  lang  macht  mit  dem  Beten,  erhört  wird.  —  Dasselbe 
pTafani,  67%  17. 

g.  Siehe  pRH  2,  58  b,  7  oben  S.  6«. 

h.  Schab  10'':  Raba  if  352)  sah,  wie  Rab  Hamnuna  (um  290)  es  lang  machte  mit 
seinem  Beten;  da  sprach  er:  Sie  lassen  das  Leben  der  Ewigkeit  (=  Beschäftigung 
mit  der  Tora)  u.  befassen  sich  mit  dem  Leben  der  (flüchtigen)  Stunde  (indem  sie  im 
Gebet  um  Zeitliches  bitten).  Dieser  dagegen  meinte:  Die  Zeit  des  Gebetes  für  sich  u. 
die  Zeit  des  Torastudiums  für  sich!  R.  Jirm'ja  (um  320)  saß  vor  R.  Z'^fira,  indem  sie 
beide  mit  halakhischen  Traditionen  beschäftigt  waren.  Da  es  zum  Beten  spät  wurde, 
begann  R.  Jirm'ja  zu  eilen;  R.  Z'^fira  aber  wandte  auf  ihn  an:  „Wer  sein  Ohr  wegwendet, 
daß  er  die  Tora  nicht  höre,  dessen  Gebet  sogar  ist  ein  Greuel"  Spr  28,  9. 

i.  B'^rakh32b:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt: 
Wer  es  lang  macht  mit  seinem  Beten  u.  genau  darauf  acht  hat  (auf  die  Erhörung  un- 

*  Daß  Samuel  52  Jahre  alt  geworden,  istrabbinische  Annahme,  vgl.  Seder  fOlam  R.  13.. 


Matth  6,  7  405 

geduldig  wartet?),  der  bekommt  Herzschmerzen,  vgl.:  ,Lang  hingezogenes  Harren 
macht  das  Herz  krank*  Spr  13, 12.  Und  was  ist  sein  Heilmittel?  Er  beschäftige  sich 
mit  der  Tora;  s.  das.:  ,Ein  Lebensbaum  ist  ein  erfüllter  Wunsch."  Unter  Lebensbaum 
aber  ist  nichts  andres  zu  verstehen  als  die  Tora,  s.  Spr  3, 18:  ,Ein  Lebensbaum  ist 
sie  (Weisheit  =  Tora)  denen,  die  sie  ergreifen.  —  Dasselbe  B'^'rakh  54''.  —  Daneben 
gibt  es  aber  auch  ein  andres,  oft  zitiertes  Wort  des  R.  Jochanan,  welches  lautet:  0, 
daß  der  Mensch  doch  den  ganzen  Tag  hindurch  beten  möchte!  Weshalb?  Weil  das 
Gebet  keinen  Schaden  bringt;  s.  pB  rakh  1, 'ia,  37;  3b,  13;  4,  8%  (36;  bB  rakh21''u.ö. 

k.  pB^rakh  5,  8',  52:  Die  früheren  Frommen  pflegten  eine  Stunde  zu  warten  (in 
Gebetsandacht),  dann  beteten  sie  u.  warteten  wiederum  eine  Stunde  nach  ihrem  Gebet. 
Wann  haben  sie  sich  denn  mit  der  Tora  beschäftigt  u.  wann  mit  ihrer  Arbeit  (in  ihrem 
irdischen  Beruf)?  R.  JiQchaq  b.  Ehazar  (1.?  um  280;  II.?  um  340)  hat  gesagt:  Weil  sie 
fromm  waren,  ruhte  der  Segen  auf  ihrer  Beschäftigung  mit  der  Tora  u.  auf  ihrer  Arbeit 
(so  daß  sie  nur  kurze  Zeit  darauf  zu  verwenden  brauchten).  —  B'^rakh  32  b:  Die  früheren 
Frommen  pflegten  eine  Stunde  zu  warten.  Woher  das?  R.  J''hoschuaf  b.  Levi  (um  250j 
hat  gesagt:  Es  heißt:  „Wohl  denen,  die  in  deinem  Hause  sitzen  (sich  auf  das  Gebet 
vorbereitend),  noch  wollen  sie  dich  preisen"  (nach  jenem  Vorbereitungswarten;  soder 
Midr)  Ps  84,5.  Ferner  hat  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  gesagt:  Der  Betende  muß  eine  Stunde 
nach  seinem  Gebet  warten  (ehe  er  die  Gebetsstätte  verläßt);  denn  es  heißt:  Ja  die 
Gerechten  danken  deinem  Namen  (u.  wenn  sie  dankend  gebetet  haben),  sitzen  die 
Rechtsc!]aff"enen  (noch  eine  Zeitlang)  vor  deinem  Angesicht  (so  der  Midr)  Ps  140,  14. 
Die  Bar  lautet  ebenso:  Der  Betende  muß  eine  Stunde  vor  seinem  Gebet  (s.  Ps84. 5) 
ü.  eine  Stunde  nach  seinem  Gebet  (s.  Ps  140,  14)  warten.  Die  Lehrer  haben  gelehrt: 
Die  früheren  Frommen  warteten  (vor  dem  Gebet)  eine  Stunde;  dann  beteten  sie  eine 
Stunde  u.  warteten  (hinterher)  abermals  eine  Stunde.  Aber  wenn  sie  neun  Stunden 
an  einem  Tage  im  Gebet  verharrten  (bei  dreimaligem  Beten  zu  je  drei  Stunden),  wie 
blieb  denn  da  ihr  Erlerntes  bewahrt  u.  wie  wurde  ihre  Arbeit  verrichtet?  Allein,  weil 
sie  fromm  waren,  blieb  ihr  Erlerntes  bewahrt  u.  wurde  ihre  Arbeit  gesegnet. 

/.  ß*'rakh32b:  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt:  Wer  lange  in  seinem  Gebet  ver- 
weilt, dessen  Gebet  kehrt  nicht  leer  zurück.  Woher  das?  Von  unsrem  Lehrer  Mose, 
s.  Dt  9,  18:  „Ich  warf  mich  vor  Jahve  hin  40  Tage  u.  40  Nächte  lang",  u.  hinterher 
heißt  es  Vers  19:  „Da  hörte  Jahve  auf  mich."  ||  B  rakh  54b:  Rab  J^huda  (f  299)  hat 
gesagt:  Dreierlei  verlängert  die  Tage  u.  Jahre  eines  Menschen:  wenn  man  lange  ver- 
weilt in  seinem  Gebet,  an  seinem  Tisch  u.  auf  dem  Abort;  aber  lange  in  seinem  Ge- 
bet verweilen  ist  das  Vortrefflichste.  |1  Joma  29^*:  R.  Binjamin  b.  Jepheth  (gegen  300) 
hat  gesagt,  R.  Elfazar  (um  270)  habe  gesagt:  Warum  werden  die  Gebete  der  Gerechten 
mit  einer  Hinde  (s.  Ps22, 1)  verglichen?  Um  dir  zu  sagen:  Wie  bei  einer  Hinde,  so- 
lange sie  wächst,  ihre  Hörner  sich  spalten  (verzweigen),  so  wird  auch  das  Gebet  der 
Gerechten,  so  oft  sie  es  lang  machen  mit  dem  Beten,  erhört.  ||  Daß  langes  Beten  Er- 
hörung findet,  besagt  auch  pB^^rakh  4, 7",  1  ( Anm.  /")  u  4, 7'^,  62  ( Anm.  e).  ||  Ta?an  7b :  R.  Ammi 
(um  30U)  hat  gesagt:  Die  Regengüsse  werden  nur  wegen  der  Sünde  des  Raubes  zurück- 
gehalten, s.:  „Wegen  der  Schuld  der  Hände  verbirgt  er  ^is"  Hi36, 32  (so  der  Midr). 
„Schuld  der  Hände"  bedeutet  Raub,  s.  Jona  3, 8,  u.  -^is  bedeutet  Regen,  s.  Hi37,  11. 
Was  für  eine  Hilfe  gibt  es  dagegen?  Man  mache  das  Beten  lang,  s.:  „Er  entbietet 
ihn  (Regen  ==  i-x)  auf  Grund  des  Angehenden"  Hi36, 32  (so  der  Midr);  dieses  „An- 
gehen" bedeutet  nichts  andres  als  das  Gebet,  s.  Jer  7, 16. 

Einen  Beleg  für  die  noXvloyia  bietet  der  Eingang  der  Benediktion 
Emeth  v^ja^^ib,  s.  oben  S.  398,  ferner  das  Qaddisch  des  Gottesdienstes 
in  den  Worten:  Gepriesen,  gelobt  u.  verherrlicht  u.  erhoben  u.  erhöht 
u.  geehrt  u.  gerühmt  u.  gefeiert  (wörtlich:  erhoben)  werde  der  Name 
des  Heiligen,  gepriesen  sei  er!  —  Gegen  die  noXvloyia  richtet  sich 
B^rakh  33^:  Einer  ging  vor  R.  Chanina  (um  225)  vor  das  Vorbeterpult; 


406  Matth  6,  7.  6,  9  {%  1) 

er  sprach:  Gott,  Großer,  Held,  Furchtbarer,  Herrlicher,  Starker,  Ge- 
fürchteter.  Mächtiger,  Gewaltiger,  Wirklicher  u.  Verehrungswürdiger! 
Er  wartete  auf  ihn,  bis  er  endigte.  Als  er  geendigt  hatte,  sprach  er 
zu  ihm:  Hast  du  alle  Lobeserhebungen  deines  Herrn  beendigt?  Wozu 
sollen  mir  diese  alle?  Wir  haben  jene  drei,  die  wir  gesagt  haben  (näm- 
lich: großer,  starker  u,  furchtbarer  Gott).  Wenn  sie  nicht  unser  Lehrer 
Mose  in  der  Tora  (s.  Dt  10,  17)  gesagt  hätte,  u.  wenn  nicht  die  Männer 
der  Großen  Synagoge  gekommen  wären  u.  sie  im  Gebet  festgesetzt 
hätten  (s.  Neh  9,  32),  so  würden  wir  sie  nicht  haben  sagen  können,  u. 
du  sagst  immer  diese  alle?  Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut, 
der  tausendmaltausend  Golddenare  besaß  u.  man  pries  ihn  wegen  eines 
Silberdenars;  war  das  nicht  eine  Schande  für  ihn? 
Über  Gebetserhörung  s.  bei  Mt?,  7. 

6,  9  f.:   So  nun  sollt  ihr  beten:  Vater  unser,    der  du  bist  im 

Himmel,   geheiligt  werde  dein  Name,   dein.  Reich  komme, 

dein  Wille  geschehe  auch  auf  Erden  wie  im  Himmel. 

6,  9  21:   ovT(og  ovv  nQ0Gavx^Gi)^8  vf.itiq. 

1.  Das  offiziblle  Gebet  der  alten  Synagoge,  das  Gebet  n^st?  schlecht- 
hin, war  das  Schimone  ?Esre,  „das  Achtzehngebet",  so  genannt,  weil 
es  18^  Benediktionen  unter  sich  befaßte.  Nach  einer  beiläufigen  Notiz 
in  SDt  38,  2  soll  es  von  den  , früheren  Gelehrten"  verordnet  worden 
sein.a  Andre  Berichte  führen  es  auf  die  „Männer  der  Großen  Synagoge" 
zurück,  d.  h.  auf  die  angeblich  aus  120  Mitgliedern  zus. gesetzte  Körper- 
schaft, die  von  der  Zeit  Esras  bis  hin  auf  Schim^on  den  Gerechten 
(L  um  300  V.  Chr.)  das  jüdische  Gemeinwesen  geleitet  habe.b  Später  sei 
das  Gebet  (richtiger  die  Reihenfolge  der  einzelnen  Benediktionen)  in 
Vergessenheit  geraten,  bis  es  Rabban  Gamliel  H.  (um  90)  aufs  neue 
durch  den  Flachshändler  Schim?on  ordnen  ließ.c  Derselbe  Gamliel  habe 
dann  endlich  auch  die  Verwünschung  der  Häretiker,  die  Birkath  ha- 
minim,  deren  Wortlaut  von  Sch'^muel  dem  Kleinen  herrühre,  als  12.  Bene- 
diktion in  das  Gebet  einfügen  lassen. d 

Sieht  man  von  diesen  jüdischen  Traditionen  ganz  ab,  so  darf  fol- 
gendes als  sicher  gelten.  Die  16.  u.  die  17.  Benediktion  (wir  legen  hier 
überall  die  Zählung  der  palästin.  Rezension  zugrunde)  haben  bereits 
im  Tempelgottesdienst  Verwendung  gefunden  ;e  in  der  Tat  enthält  die 
16.  Bitte  keinen  Hinweis  auf  das  Aufhören  des  Kultus.  Beide  Bene- 
diktionen sind  mithin  vor  dem  Jahre  70  n.  Chr.  bekannt  u.  in  Gebrauch 
gewesen.  —  Die  drei  ersten  u.  die  drei  letzten  Benediktionen  spielen 
bereits  in  den  Kontroversen  der  Schulen  Schammais  u.  Hillels  eine 
gewisse  Rolle  ;f  sie  sind  also  schon  zur  Zeit  des  Tempelbestandes  vor- 


^  Die  babylonische  Rezension  zählt  19  Benediktionen.  Als  zu  den  ursprünglichen  18 
an  1 2.  Stelle  die  Birkath  haminim  hinzugefügt  wurde,  zog  man  in  Palästina,  um  die  Zahl  18 
zu  behalten,  die  14.  u.  15  Bened.  in  Eine  zusammen;  in  Babylonien  geschah  das  nicht. 


Matth  6,  9  (Sl  1)"  407 

handen  gewesen,  —  Die  14,  Benediktion  setzt  die  Zerstörung  Jeru- 
salems voraus,  die  17,  Benediktion  der  babylon,  Rezension  das  Aufhören 
des  Opferkultus;  sie  können  also  ihre  vorliegende  Fassung  erst  nach 
<3er  Katastrophe  des  Jahres  70  erhalten  haben.  —  Das  ganze  Gebet  lag 
unter  dem  Namen  n-ii^-r  n:bd  abgeschlossen  vor  zur  Zeit  Gamliels  IL, 
u.  zwar  noch  vor  dessen  Entfernung  aus  dem  Amt  des  Vorsitzenden 
der  Akademie  zu  Jabne.g  —  Hiernach  darf  man  annehmen,  daß  der 
größte  Teil  des  Sch<^mone  fEsre  schon  in  der  1,  Hälfte  des  1,  nachchristl. 
Jahrh.s  bekannt  gewesen  ist;  die  ältesten  Partien,  zu  denen  die  ersten 
u,  die  letzten  Benediktionen  gehören,  mögen  noch  aus  der  vorchristl. 
Zeit  stammen.  Nur  wenige  Benediktionen  (zB  12,  u,  14,)  gehören  be- 
stimmt der  Zeit  nach  der  Tempelzerstörung  an.  Das  Ganze  wird  zur 
Zeit  Gamliels  11.  die  Schlußredaktion  erhalten  haben. 

Daß  Jesus  das  Vaterunser  den  zu  seiner  Zeit  gebräuchlichen  Stücken 
des  Sch'^mone  ^Esre  entgegengesetzt  habe,  um  dieses  aus  dem  Kreise 
seiner  Jünger  zu  verdrängen,  läßt  sich  nicht  beweisen;  es  fehlt  uns  vor 
allem  jeder  Anhalt  dafür,  ob  u,  wieweit  jene  ältesten  Gebetsstücke  zur 
Zeit  Jesu  im  Privatgebrauch  des  einzelnen  Verwendung  gefunden  haben, 

a.  SDt  33,  2  §843  (142'^):  Auch  im  Sch^^mone  <Esre,  welches  die  früheren  Ge- 
lehrten verordnet  haben,  daß  die  Israeliten  es  beten  sollten,  begann  man  mit  den  Be- 
dürfnissen Israels  erst,  nachdem  man  mit  dem  Lobpreis  Gottes  angehoben  hatte. 

b.  B^rakh  33":  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (t  279)  habe 
gesagt:  Die  Männer  der  Großen  Synagoge  haben  den  Israeliten  die  Lobsprüche  u.  Gebete 
verordnet.  |l  M'g  17^:  R.  Jochanan  hat  gesagt,  andre  sagen:  In  einer  Bar  ist  gelehrt 
worden:  120  Älteste,  unter  denen  sehr  viele  Propheten  gewesen  sind,  haben  die 
18  ßenediktionen  (im  Achtzehngebet)  der  Reihe  nach  festgesetzt.  ||  pB'rakh  *i,  4'^,  64: 
R.  Jirm^ja  (um  320)  hat  gesagt:  120  Älteste,  unter  denen  einige  achtzig  Propheten 
waren,  haben  dieses  Gebet  (das  Schimone  cEsre)  festgesetzt. 

C.  B'^rakh  28^  Bar:  Schimcon,  der  Flachshändler,  hat  die  18  Benediktionen  vor 
Rabban  Gamliel  in  Jahne  (dem  Sitz  des  Synedriums  nach  der  Zerstörung  Jerusalems)  der 
Reihenfolge  nachgeordnet.  —  Dasselbe  M*'g  I7b.  ||  M^g  IS'':  Nachdem  die  12U Ältesten, 
von  denen  sehr  viele  Propheten  waren,  das  Gebet  der  Reihenfolge  nach  festgesetzt 
hatten,  was  hatte  denn  da  Schimcon,  der  Flachshändler,  daran  zu  ordnen?  Man  hatte 
sie  vergessen,  u.  er  ordnete  sie  aufs  neue. 

d.  B^'rakh  28 b:  Rabban  Gamliel  sprach  (nach  der  Ordnung  des  Gebetes  durch 
SchimJon  den  Flachshändler;  zu  den  Gelehrten:  Ist  einer  da,  der  die  Benediktion  gegen 
die  Häretiker  (mit  Einschluß  der  Judenchristen)  ^  festzusetzen  versteht?  Es  erhob  sich 
Sch*'muel  der  Kleine  u.  setzte  sie  fest. 

e.  Joma  7, 1 :  (Nachdem  der  Hohepriester  am  Versöhnungstage  die  Schriftlektionen 
Lv  16;  23,27 — 32  u.  Nu  29,  7 — 11  im  Tempel  vorgelesen  hatte)  sprach  er  8  Benedik- 
tionen: betreffs  der  Tora,  des  Tempeldiensies  n-jaj:  (=  16,  Benediktion  im  Sch*^mone 
JEsre),  des  Dankes  rt;-;ir  (=17,  Bened.),  der  Sündenvergebung  7?-  rV-n^a  (vielleicht  = 
6.  Benediktion).  .  .  . 

*  Die  12.  Benediktion  lautet:  Den  Abtrünnigen  sei  keine  Hoffnung  u.  die  freche 
Regierung  (=  Rom)  mögest  du  eilends  ausrotten  in  unsren  Tagen,  u.  die  Nazarener 
{d'-^-43  =  Christen)  u.  die  Minim  (=  Häretiker)  mögen  umkommen  in  einem  Augen- 
blick, ausgelöscht  werden  aus  dem  Buch  des  Lebens  u.  mit  den  Gerechten  nicht  auf- 
geschrieben werden.  Gepriesen  seist  du  Jahve,  der  Freche  beugt!  —  Die  babyl.  Re- 
zension erwähnt  die  Nofjrim  nicht  besonders.  Die  Stellen,  in  denen  die  Kirchenväter 
auf  diese  Benediktion  Bezyg  nehmen,  s.  bei  Schürer  *  2,  543  f.  u.  bei  Strack,  Jesus  66  *. 


408  Mattb  b',9(5l  1.2) 

f.  TB'^rakh  3,  IS  (7):  Weun  der  Neujalirstag  auf  einen  Sabbat  fällt,  so  betet  man 
nach  der  Schule  Schanimais  (im  Gemeindegottesdienst)  10  Benediktionen  .  .  .,  nach  der 
Schule  Hillels  9  Benediktionen.  —  RH  4,  5  werden  diese  Beuediktionen  der  Reihe  nach 
aufgezählt;  sie  beginnen  mit  Aboth,  G'^buroth  u.  Q'^'duschschath  Ha-schem,  d.h.  den  drei 
ersten  Benediktionen  des  Sch'^mone  'Esre,  u.  schließen  mit  i  Aboda,  Hoda'a  u.  Birkath  Ko- 
hanini,  d.  h.,  wie  Raschi  zuEEr40''  bemerkt,  mit  den  drei  letzten  Benediktionen  des  Seh.  cE. 

g.  B  rakh  4,  3:  RabbanGamliel  sagte:  Man  muß  an  jedem  Tage  das  Sch'^monecEsre 
(seinem  ganzen  Umfange  nach)  beten.  R.  J'^hoschuac  (um  90)  sagte:  Einen  Auszug  aus 
dem  Sch'^mone  (Esre.  ji  B^rakh'iT'':  Rabban  Gamliel  sagte:  Das  Abendgebet  (d.  h.  das 
Beten  des  Seh. 'E.  am  Abend)  ist  Pflicht;  R.  J'^hoschuac  sagte:  Etwas  Freiwilliges.  — 
Da  die  letztere  Kontroverse  zur  Amtsentsetzung  des  Rabban  Gamliel  führte  (s.  pB^rakh 
4-,  T*',  63),  so  war  das  Sch*^mone  cEsre  bereits  vor  dieser  abgeschlossen. 

2.  Das  Vaterunser  enthält  sieben  Bitten;  auch  die  drei  ersten  Sätze: 
„Geheiligt  werde  dein  Name;  dein  Reich  komme;  dein  Wille  geschehe 
auch  auf  Erden  wie  im  Himmel"  sind  keine  Gelöbnisse  =  wir  wollen 
deinen  Namen  heiligen  usw.,  auch  keine  Gebetswünsche  =  möge  dein 
Name  geheiligt  werden  usw.,  sondern  wirkliche  Bitten,  die  an  Gott 
gerichtet  sind  u.  deren  Erfüllung  von  Gott  erwartet  wird.  Daß  Jesus 
nicht  die  nächstliegende,  Gott  direkt  auffordernde  Bittform,  gewählt 
hat:  „Heilige  deinen  Namen,  laß  dein  Reich  kommen,  führe  deinen 
Willen  auch  auf  Erden  wie  im  Himmel  aus",  wird  seinen  Grund  darin 
haben,  daß  jeder  Schein  vermieden  werden  soll,  als  wollte  der  Beter 
Gott  gewissermaßen  an  die  Pflichten  erinnern,  die  er  gegen  sich  selbst, 
seine  Heiligkeit,  sein  Reich  u.  die  Verwirklichung  seines  Willens  habe. 
Es  sind  ja  andre,  seine  Jünger,  die  Jesus  in  den  ersten  drei  Bitten 
um  Gottes  eigene  Angelegenheiten  bitten  lehrt;  da  gilt  es  darüber  zu 
wachen,  daß  seine  Jünger  auch  im  Ausdruck  des  Gebetes  die  Gott 
schuldige  Ehrerbietung  wahren;  daher  die  neutrale,  passive ^  oder  in- 
transitive Form:  „geheiligt  werde  dein  Name,  dein  Reich  komme"  usw. 
Wo  Jesus  für  sich  allein  betet,  bittet  er  auch  in  Gottes  eigner  Sache 
einmal  getrost  Imperativisch:  näisQ,  6o§aG6%'  aov  xc  ovof^ia  Joh  12,  28; 
u.  doch  hören  wir,  wie  auch  er  bald  darauf  in  seinem  Gebet  in  Geth- 
semane  wiederum  die  passive  Form  wählt:  ysrrjdriTU)  rd  ^sXr^/^iä  aov 
(Mt26,42)  statt  der  direkten  Aufforderung  an  Gott:  tcoisTtö  d^k'Xrjfid  aov. 

Die  gleiche  zurückhaltende,  vorsichtige  Sprechweise  begegnet  im 
„Qaddisch  des  Gottesdienstes",  einem  Gebet,  das  allgemein  für  alt  ge- 
halten wird.  Dieses  Gebet  beginnt  mit  den  Worten:  rr^^a':)  ^rnpnii  bian*» 
is::-i  „verherrlicht  u.  geheiligt  werde  sein  großer  Name  in  der  Welt,  die 
er  nach  seinem  Willen  geschaffen  hat".  Nicht  an  Menschen  u.  deren 
Tun  ist  bei  diesen  Worten  gedacht,  so  daß  der  Wunsch  ausgesprochen 
wäre:  „Verherrlicht  u.  geheiligt  werde  von  Israel  sein  großer  Name", 
sondern  eine  Bitte  liegt  vor,  daß  Gott  seinen  großen  Namen  ver- 
herrlichen u.  heiligen  wolle.  Das  folgt  mit  Notwendigkeit  aus  der  Fort- 
setzung des  Gebetes:   „Und  er  lasse  sein  Reich  herrschen  u.  seine  Er- 

*  Über  passive  Konstruktionen  zur  Vermeidung  des  Gebrauchs  des  Gottesnamens 
s.  bei  Mt  7,  '^  S.  443. 


Matth  6,  9  (31  2)  409 

lösung  sprossen*  usw.  Wie  in  diesen  Sätzen  Gott  das  Subjekt  ist,  so 
sachlich  auch  in  den  Anfangsworten;  aber  man  vermied  die  direkte  Auf- 
forderung: „Heilige  u.  verherrliche"  usw.,  damit  nicht  der  Schein  ent- 
stehe, als  wollte  man  Gott  in  seiner  eigenen  Sache  Vorschriften  machen. 
Darum  wählte  man  die  passive  Form  u.  ist  dann  weiter  von  Gott  in  der 
3.  Person  geredet:  „Er  lasse"  usw.  —  In  einem  andren  Gebet  (s.  Tanna 
d^'be  Elijjahu  21  Ende)  ^  ist  diese  vorsichtige  Redeweise  nicht  beobachtet: 
es  heißt  hier  einfach:  Heilige  deinen  Namen  wegen  derer,  die  deinen 
Namen  heiligen  -j'2'a  lirinp-a  py  -^':j  pk  -cnp  u.  heilige  deinen  Namen  in 
deiner  Welt  u.  erhebe  u.  erhöhe  unser  Hörn.  Gepriesen  seist  du  Jahve, 
der  du  deinen  Namen  heiligst  vor  vielen  {=  öffentlich)  --2'::  ra.  anp?: 
t:i3-in!  —  Eine  Vergleichung  der  Anfangsworte  des  Qaddisch  des  Gottes- 
dienstes hiermit  zeigt,  daß  die  Bitte:  „Geheiligt  werde  sein  Name"  völlig 
gleichbedeutend  ist  mit:  „Heilige  deinen  Namen."  Die  oben  gegebene 
Auslegung  der  1.  Bitte  des  Vaterunsers  wird  damit  bestätigt. 

Wenn  die  drei  ersten  Bitten  des  Vaterunsers  die  Bitte  an  Gott  aus- 
sprechen, daß  er  seinen  Namen  heiligen  u.  sein  Reich  kommen  lassen  u. 
seinen  Willen  zur  Durchführung  bringen  wolle,  so  liegt  darin  zugleich 
mitausgesprochen,  daß  Gott  die  Menschen  zu  einem  Verhalten  bringen 
wolle,  das  der  Heiligung  seines  Namens  u.  dem  Kommen  seines  Reiches 
u.  der  Durchführung  seines  Willens  nicht  widerspricht,  sondern  ent- 
spricht u.  dient;  2  denn  von  dem  rechten  Verhalten  der  Menschen  ist 
ja  die  Erfüllung  der  drei  ersten  Bitten  durch  Gott  in  erster  Linie  ab- 
hängig. Es  fragt  sich  nur,  ob  dieser  Gedanke  an  das  Verhalten  der 
Menschen  auch  formell  zB  bei  der  1.  Bitte  mitenthalten  sein  kann  in 
den  Worten:  „Geheiligt  werde  dein  Name."  Auch  hierüber  erhalten 
wir  erwünschten  Aufschluß  aus  einem  altjüdischen  Gebet.  Das  Qaddisch 
der  Rabbinen  hebt  mit  den  Worten  an:  xn-i  ni-aü  u;"iprii  H:n-i  „ver- 
herrlicht u.  geheiligt  werde  sein  großer  Name,  der  die  Welt  erneuern 
u.  die  Toten  beleben  u,  die  Lebenden  erlösen  u.  die  Stadt  Jerusalem 
erbauen  wird"  usw.  Hier  wird  keine  Bitte  an  Gott  ausgesprochen,  daß 
er  seinen  großen  Namen  verherrlichen  u.  heiligen  wolle,  sondern  Israel 
wird  zur  Verherrlichung  u.  Heiligung  des  göttl.  Namens  aufgefordert* 
im  Hinblick  auf  die  Gottestaten  in  der  Zukunft.  —  Wir  sehen  also,  daß 

^  In  der  Ausgabe  von  Friedmann  Kap.  19  wird  das  Gebet  als  bekannt  voraus- 
gesetzt u.  nur  nach  seinen  Anfangsworten  zitiert. 

*  So  meint  es  auch  wohl  J.  Boehnier,  Die  neutestamentliche  Gottesscheu,  1917. 
S.  190  fr.  Mißverständlich  aber  sagt  er  S.  197  vom  Reich  Gottes:  „(Sein)  Kommen  hat 
nichts  mit  allmählicher  Entwicklung  gemein:  im  Kommen  ist  nichts  von  keim  weisem 
Vorhandensein,  von  Wachsen  u.  Gedeihen,  von  extensiver  u.  intensiver  Realisierung 
u.  dgl.  mehr  gegeben  oder  auch  nur  angedeutet.  .  .  .  Menschen  können  zur  Herbei- 
führung des  Gottesreiches  schlechterdings  nichts  tun."  ...  —  Das  ist  richtig  in  bezug 
auf  das  eschato  logische  Kommen  des  Reiches  Gottes;  in  seiner  Vollendung  wird 
das  Reich  Gottes  am  Ende  der  Zeit  ausschließlich  durch  eine  Machttat  Gottes  herbei- 
geführt wei  den.  Darüber  darf  aber  nicht  vergessen  werden,  daß  es  auch  ein  Gleichnis 
vom  Unkraut  unter  dem  Weizen  u.  vom  Senfkorn  u.  vom  Sauerteig  gibt  (Mt  13,  24 — 43). 

ä  Vgl.-ji-:;  '-jiipn  in  Tanna  6i%^  Elij.  obeu  S.  409«. 


410  Matth  6,  9  (31  2.  SB) 

im  Qaddisch  des  Gottesdienstes  mit:  „Geheiligt  werde  sein  Name"  Gott 
gebeten  wird,  seinen  Namen  zu  heiligen,  u.  daß  im  Qaddisch  der  Rabbinen 
mit  denselben  Worten  Israel  zur  Heiligung  des  göttl.  Namens  auf- 
gefordert wird.  Warum  sollte  da  nicht  beides  zus. gefaßt  sein  können 
in  der  Bitte  äyiaaO^rjTw  to  orofid  aov:  „heilige  deinen  Namen  u.  laß 
ihn  geheiligt  werden  von  den  Menschen"!  —  Auch  die  2.  u.  die  3.  Bitte 
umfassen  beides,  sowohl  daß  Gott  sein  Reich  kommen  lasse  u.  seinen 
Willen  zur  Durchführung  bringe,  als  auch  daß  Gott  die  Menschen  zur 
Annahme  seines  Reiches  u.  zur  Anerkennung  seines  W^illens  bereit 
mache.  Der  Gedankenfortschritt  aber  in  den  ersten  drei  Bitten  ist 
dieser:  wo  Gott  seinen  Namen  in  der  Welt  heiligt,  da  erkennt  die 
Menschheit  die  Herrschaft  Gottes  an,  u.  wo  die  Herrschaft  Gottes  zur 
Anerkennung  gelangt,  da  kann  Gott  seinen  Willen,  der  ein  Gnaden- 
wille ist,  zum  Heil  der  Welt  ausführen. 

6,9  23:  nänQ  rjinan'  o  sv  xoig  ovQavotg.  —  Zum  Vaternamen  Gottes 
s.  oben  S.  392  ff.  —  Die  Anrede:  „Unser  Vater,  der  du  bist  im  Himmel" 
in  Gebeten  zB  Seder  Elij.  7  (33):  Unser  V.,  der  du  bist  im  H.  ir-x 
c^-^'rriü,  dein  großer  Name  sei  gepriesen  in  alle  Ewigkeiten!  u.  mögest 
du  Befriedigung  finden  an  Israel,  deinen  Knechten,  an  allen  Stätten 
ihrer  Wohnsitze.  |1  Tanna  d'^be  Elij.  21  Ende:  Unser  V.,  der  du  bist  im 
H.,  tu  an  uns  Barmherzigkeit  u.  Liebe  um  deines  großen  Namens 
willen,  der  über  uns  genannt  wird,  u.  erfülle  uns,  Jahve  unser  Gott, 
was  geschrieben  steht:  „Zu  jener  Zeit  will  ich  euch  herbeibringen" 
usw.  Zeph  3,  20. 

Man  machte  einen  Unterschied  zwischen  der  Anrede:  unser  Vater, 
unser  Gott  u.  der:  mein  Vater,  mein  Gott;  letztere  sollte  eine  größere 
Würdigkeit  des  Sprechenden  zur  Voraussetzung  haben  u.  darum  nur 
von  hervorragenden  Persönlichkeiten  angewandt  werden,  a  Andrerseits 
empfahl  man  auch,  offenbar  aus  abergläubischen  Motiven,  sich  in  Ge- 
beten möglichst  mit  andren  zus. zuschließen,  also  die  Gebete  nicht  in 
singularischer,  sondern  in  pluralischer  Fassung  zu  sprechen. b 

a.  Als  die  Schüler  Gamliels  (II.  um  90)  in  Seenot  zu  ihrem  Meister  sprachen: 
Rabbi,  bete  für  uns,  sprach  er:  Unser  Gott,  erbarme  dich  über  uns!  Darauf  bemerkten 
die  Schüler,  daß  der  Meister  dessen  würdig  sei,  den  Namen  Gottes  mit  sich  selbst 
zu  verbinden;  Rabbau  Gamliel  betet  dann  noch  einmal  u.  spricht:  Mein  Gott,  erbarme 
dich  unser!  Is.  Bacher,  Tann.'*  1,  94.  2).  —  ,Mein  Vater"  im  Munde  des  R.  (^adoq  (um  70), 
des  R.  Ekazar  b.  f  Azarja  (um  100)  u.  des  R.  Nathan  (um  160),  s.  S.  394.  395. 

b.  ß''rakh  29 b:  R.  Ja?aqob  hat  gesagt,  Rab  Chisda  (f  309)  habe  gesagt:  Wer  sich 
auf  eine  Reise  begibt,  muß  das  Reisegebet  beten.  Welches  ist  das  Reisegebet?  Es 
sei  Wille  vor  dir  (es  sei  wohlgefällig  vor  dir),  Jahve  mein  Gott,  dafä  du  mich  leitest 
in  Frieden  u.  mich  dahinschreiten  lassest  in  Frieden  u.  mich  stützest  in  Frieden  u. 
mich  errettest  aus  der  Faust  jedes  Feindes  u.  Wegelagerers,  u.  daß  du  Segen  legest 
auf  meiner  Hände  Werk  u.  mir  Huld  u.  Gnade  u.  Erbarmen  verleihest  in  deinen  Augen 
u.  in  den  Augen  aller,  die  mich  sehen.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  Erhörer  des  Ge- 
betes! Abaje  (f  o38/39)  hat  gesagt:  Immer  soll  sich  der  Mensch  (in  seinen  Gebeten) 
mit  der  Gesamtheit  zus.schließen.  Wie  soll  man  also  sprechen?  Es  sei  wohlgefällig 
vor  dir,   Jahve   unser  Gott,   daß  du  uns   leitest  in  Frieden   usw.  —  Raschi:   „Man 


Matthe,  9{6)  -^  411 

bete  ein  kurzes  Gebet  nicht  in  der  Einzahl,  sondern  in  der  Mehrzahl;  denn  dadurch 
wird  sein  Gebet  erhört";  vgl.  hierzu  B'-rakh  8^  Midr  KL  3,  8  u.  DtR  2  auf  S.  399. 

6,  9  6  (1.  Bitte):  „Dein  Name  werde  geheiligt"  dyiaaO^rjXM  to  oro/tc' 
cov,  -(Q-a  ffiippi  =  heilige  (o  Gott)  deinen  Namen  u.  laß  ihn  geheiligt 
werden  durch  die  Menschen,  s.  oben  S.  408 — 410.  Das  Subjekt  des 
Heiligens  kann  sowohl  Gott  als  auch  der  Mensch  sein. 

Gott  als  Subjekt  des  Heiligens.  Ez36,  23:  Ich  (Gott)  will  meinen 
großen  Namen  heiligen.  Targ  wörtlich  ebenso:  xa-i  "^^a  ri  iripNi.  ■ — 
LXX:  xai  dyiäao)  t6  oj'o,aa  fiov  t6  fxsya.  \\  Ferner  s.  Ez  39,  7.  —  Auch 
in  den  Anfangsworten  des  Qaddisch  des  Gottesdienstes  urippi-i  inan-» 
X31  n-i^'r  ist  sachlich  Gott  das  Subjekt  des  Heiligens,  s.  oben  S.  408  f.  — 
Ausdrücklich  wird  Gott  zur  Heiligung  seines  Namens  aufgerufen  Tanna 
<l«be  Elij.  21  Ende:  „Heilige  deinen  Namen  wegen  derer,  die  deinen 
Namen  heiligen",  s.  oben  S.  409«.  —  Das  Schimone  'Esre  bekennt  die 
Heiligkeit  Gottes  u.  seines  Namens  in  der  3.  Benediktion  ohne  nähere 
Ausführung.  Paläst.  Rezension:  Heilig  bist  du  u.  furchtbar  ist  dein 
Name,  u.  es  ist  kein  Gott  außer  dir.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  heiliger 
Gott!  —  Babyl.  Rezension:  Du  bist  heilig  u.  dein  Name  ist  heilig,  u. 
Heilige  mögen  dich  rühmen  täglich.  Sela.  Gepriesen  seist  du,  Jahve, 
heiliger  Gott!  —  Gott  heiligt  seinen  Namen,  indem  er  vor  der  Welt 
seine  Heiligkeit  erweist,  indem  er  als  der  heilige  Gott  hervortritt,  der 
in  seiner  Reinheit  mit  der  Sünde  nichts  gemein  hat,  sondern  wider  sie 
streitet,  um  sie,  sei  es  durch  Gerichte,  sei  es  durch  Gnade,  aus  der 
Welt  zu  vernichten.  Aus  dem  Midrasch  kann  hier  hinzugefügt  werden, 
daß  sich  Gott  zu  solchem  Hervortreten  veranlaßt  sieht  um  der  Ge- 
rechten willen,  die  seinen  Namen  auf  Erden  heiligen,  a 

Menschen  als  Subjekt  des  Heiligens,  So  werden  die  Israeliten  zur 
Heiligung  des  göttlichen  Namens  aufgerufen  in  den  Anfangsworten  des 
Qaddisch  der  Rabbanan,  s.  oben  S.  409/,  Von  solchen,  die  Gottes  Namen 
heiligen  o-^a-inpia,  ist  die  Rede  Tanna  d^'be  Elij.  21  Ende,  s.  S.  409«;  ferner 
SLv  18,6  (339=»),  s.  Anm.  a;  vgl.  auch  die  übrigen  hier  folgenden  Zitate.  — 
Zur  Heiligung  seines  Namens  hat  sich  Gott  aus  allen  Völkern  Israel 
ausgesondert  u.  geheiligt,  u.  zwar  dadurch,  daß  er  diesem  Volke  seine 
Gebote  gab.  Man  sprach  deshalb  von  einer  zwiefachen  Heiligung  Israels, 
von  der  o-^ia  rüjiis  rü5'-ip,  d.  h,  von  einer  Heiligung,  die  in  der  Aus- 
sonderung aus  den  Völkern  bestand,  u.  von  der  n^iiin  h-z  vQ*>-ip,  d.  h.  von 
einer  Heiligung  auf  Grund  aller  Gebote  oder  zur  Beobachtung  aller 
Gebote. b  Namentlich  die  letztere  wird  unzähligemal  erwähnt  in  dem 
Lobspruch:  Gepriesen  seist  du  Jahve  unser  Gott,  König  der  Welt,  der 
uns  geheiligt  hat  durch  seine  Gebote  u,  uns  befohlen,  das  oder  das  zu 
tun!  Da  nun  die  Gebote  nur  Israel  gegeben  waren,  so  hielt  man  sich 
zu  der  Folgerung  für  berechtigt,  daß  die  Heiligung  des  göttl.  Namens 
nur  Israels,  aber  nicht  der  Heidenvölker  Pflicht  sei.c  Wenn  so  die 
Heiligung  des  göttl.  Namens  crn  ^rri^ip  Israels  besondere  Aufgabe  ist, 


412  Matthe,  9(6) 

so  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  daß  Gott  erst  durch  diese  Heiligung 
heilig  werde:  Gott  ist  heilig,  auch  wenn  ihn  sein  Volk  nicht  heiligt : 
vielmehr  ist  damit  gemeint,  daß  Israel  Gott  heilige,  .indem  es  sich 
durch  Gottes  Gebote  selbst  heiligt. d  So  besteht  also  die  Heiligung  des 
göttl.  Namens  im  Gehorsam  Israels  gegen  Gottes  Willen  oder  in  der 
Beobachtung  der  göttl.  Gebote;  umgekehrt  ist  die  Entheiligung  des 
göttl.  Namens  c-rn  b^i^n  die  notwendige  Folge  der  Übertretung  der  Ge- 
bote, e  Die  Übertretung  der  Gebote  konnte  im  verborgenen  oder  frei 
öffentlich  geschehen.  Die  strengere  Ansicht,  die  von  R.  Jochanan  b.  B'^roqa 
(um  HO)  vertreten  wurde,  wollte  selbst  in  einer  versehentlichen  Über- 
tretung, die  im  geheimen  geschah,  eine  Entweihung  des  göttl.  Namens 
sehen.*  Andre,  unter  denen  besonders  R.  El^ai  (um  110)  zu  nennen  ist, 
urteilten  milder;  ihnen  galt  nur  das  öffentliche  Sichhinwegsetzen  über  die 
Gebote  der  Tora  als  eine  Entheiligung  des  Namens  Gottes,  g  Einigemal 
wird  die  Frage  erörtert,  wie  es  sich  mit  den  erzwungenen  Gesetzes- 
übertretungen in  dieser  Hinsicht  verhalte.  Während  der  hadrianischen 
Religionsverfolgung  hatte  man  auf  einem  Konvent  in  Lydda  festgesetzt, 
daß  ein  Israelit  aus  Zwang,  abgesehen  von  den  drei  Kardinalsünden 
(Götzendienst,  Unzucht,  Blutvergießen),  jedes  Gebot  in  der  Tora  über- 
treten dürfe,  wenn  er  dadurch  sein  Leben  retten  könne.  Im  3.  Jahrb. 
legte  man  diesen  Beschluß  in  verschärfender  Weise  dahin  aus,  daß  er 
sich  nur  auf  ruhige,  gewöhnliche  Zeiten  beziehe;  in  einer  Verfolgungs- 
zeit dagegen  müsse  man  sich  auch  wegen  des  geringsten  Gebotes,  wenn 
seine  Übertretung  öffentlich  geschehen  solle,  lieber  töten  lassen,  als  daß 
man  Gottes  Namen  durch  Nichtbeachtung  seiner  Gebote  entheilige. h  — 
Aus  dem  Gebiet  der  Kasuistik  seien  nur  einige  Fälle  berührt,  die  sich 
aus  der  Kollision  der  Pflichten  ergeben.  Ein  Schüler  hat  nach  allgemein 
anerkannter  Vorschrift  seinen  Lehrer  zu  ehren;  kommt  dabei  eine  Ent- 
heiligung des  göttl.  Namens  in  Betracht,  so  hat  die  Ehrerbietung  gegen 
den  Lehrer  zurückzustehn  hinter  der  Heiligung  Gottes»  (vgl.  den  Satz: 
Man  muß  Gott  mehr  gehorchen  als  den  Menschen,  Apg4,  19;  5,29). 
Oder  bedingt  die  Heiligung  des  göttl.  Namens  zugleich  die  Übertretung 
eines  Gebotes,  also  die  Entheiligung  des  göttl.  Namens,  so  ist  die  erstere 
für  wichtiger  zu  halten  als  die  letztere,  k  —  Die  Heiligung  des  göttl. 
Namens  durch  die  Beobachtung  der  Gebote  hat  die  Verherrlichung 
Gottes  zum  Zweck.  1  Gottes  Namen  heiligen  ^np,  •di'npf7,  dyiä^eiv  ist  des- 
halb ziemlich  gleichbedeutend  gewesen  mit  Gottes  Namen  verherrlichen 
btTj,  6o'§aC,tiv.  Beide  Verba  stehen  daher  als  Synonyma  nebeneinapder 
im  Qaddisch  xa-i  ni^sö  u;npn"'i  bnsn-^.  Ebenso  kann  cu;n  b|n  „den  Namen 
Gottes  entheiligen"  den  Gegensatz  sowohl  zu  nrn  a^p  wie  zu  Dujn  S'nsm 
bilden.  Die  Verherrlichung  Gottes  hat  keine  Grenzen;  darum  soll  der 
Israelit  den  Namen  Gottes  heiligen  auch  mit  Einsetzung  des  Lebens." 
Als  geschichtliche  Beispiele  hierfür  werden  gern  Abraham,  Joseph  u. 
die  drei  Männer   im   feurigen  Ofen    genannt,  o    Die  Entheiligung  des 


Matth6, 9(6)  413 

göttl.  Namens  hat  stets  dessen  Verunehrung  zur  Folge,  insofern  dadurch 
andre  in  ihrem  Gehorsam  gegen  Gott  schwankend  gemacht  oder  zu 
Verunglimpfungen  des  göttl.  Namens  verleitet  werden. P  Darum  sind 
Übertretungen  im  geheimen,  durch  die  kein  Schimpf  öffentlich  auf  Gott 
fällt,  milder  zu  beurteilen  als  öffentlich  begangene  Sünden.  Die  Ent- 
heiligung des  göttl.  Namens  hat  die  alte  Synagoge  zu  den  schwersten 
Sünden  gerechnet;  sie  wird  für  noch  schlimmer  als  Götzendienst  er- 
klärt, q  Nach  einigen  gehört  der  cm  h^br,  zu  den  unvergebbaren  Sünden: 
andre  meinten,  daß  er  nur  in  Verbindung  mit  dem  Tode  gesühnt  werden 
könne,  r  Einmal  wird  der  Einbruch  wilder  Tiere  in  das  Land  Israel 
als  Strafe  für  die  Entheiligung  des  göttl.  Namens  hingestellt.« 

a.  SLv  18,  6  (339''):  (Gott  spricht  zu  Israel:)  V/enn  ihr  meinen  Namen  heiligt 
"ov  rs  ars  c-'L'"-p'3  =s,  so  werde  ich  auch  meinen  Namen  um  euretwillen  =;-"  ->• 
heiligen;  wie  es  Chananja,  Mischael  u.  f  Azarja  getan  haben;  denn  während  alle  Völker 
der  Welt  in  jener  Zeit  sich  vor  dem  Götzenbild  niederwarfen,  standen  sie  da  den 
Palmen  gleichend.  Über  sie  ist  die  Deutung  in  der  Qabbala  (Überlieferung  =-■  AT 
mit  Ausnahme  des  Pentnteuchs  oder  Tora  im  engeren  Sinn)  enthalten:  ^Dieser  dein 
Wuchs  ist  der  Palme  gleich.  Ich  sprach:  Ich  werde  emporsteigen  n-ys  zur  Palme, 
ihre  Zweige  —zziz  erfassen"  HL  7,  8.  9.  Heute  werde  ich  erhöht  (verherrlicht)  werden 
nVyrrs  (Deutung  von  r.'-ys)  durch  sie  vor  den  Augen  der  Völker  der  Welt,  die  der 
Tora  widersprechen;  heute  werde  ich  sie  rächen  an  ihren  Feinden  (Hassern,  =r:-sri7, 
Deutung  von  tjcjc);  heute  werde  ich  ihnen  die  Toten  lebendig  machen.  Vgl.  Sanh  92l>, 
(2 mal  als  Bar):  In  der  Stunde,  da  Nebukadne^ar  den  Chananja,  Mischael  u.  ?Azarja 
in  den  Feuerofen  werfen  ließ,  sprach  Gott  zu  Ezechiel:  Geh  u.  mache  die  Toten  im 
Tale  Dura  lebendig.  —  Parallelstelien :  Midr  HL  7,  8 f.  (1<^9'');  Sanh  93^  ||  Tannad'b§  Elij. 
21  Ende:  Heilige  deinen  Namen  wegen  derer,  die  deinen  Namen  heiligen. 

b.  SLv  20,  7  (3ß5b):  „Ihr  seid  geheiligt  worden  u.  ihr  seid  heilig"  (so  der  Midrasch 
Lv  20,  7);  das  bezieht  sich  auf  die  Heiligung  der  Aussonderung  aus  den  Heidenvölkern 
(Gojim).  Du  sagst:  Auf  die  Heiligung  der  Aussonderung  aus  den  Heidenvölkern,  oder 
nicht  vielmehr  auf  die  Heiligung  durch  alle  Gebote?  Wenn  es  heißt:  „Heilig  sollt 
ihr  sein*  Lv  19,  2,  siehe,  so  ist  damit  die  Heiligung  durch  alle  Gebote  ausgesprochen; 
u.  was  will  die  Schrift  lehrend  sagen  mit:'  „Und  ihr  seid  geheiligt  worden"  usw.? 
Damit  ist  die  Heiligung  der  Aussonderung  aus  den  Heidenvölkern  gemeint.  Vgl.  SNu 
15,40  §  115  (.35''). 

C.  pSchebi?ith  4,  35 '\  58:  R.  Abuna  (T.  um  310)  fragte  vor  R.  Ammi  (um  800): 
Wie  verhält  es  sich  mit  den  Heiden?  Ist  ihnen  befohlen  worden  betreffs  der  Heili- 
gung des  göttl.  Namens?  Er  antwortete  ihm:  „Entweihet  nicht  meinen  heiligen  Namen, 
damit  ich  geheiligt  werde  unter  den  Kindern  Israel" ;  die  Israeliten  haben  den  Befehl 
empfangen  betreffs  Heiligung  des  göttl.  Namens,  aber  nicht  die  Nichtisraeliten  c;. 
R.  Nissa  (=  Asi,  um  30U)  hat  dies  im  Namen  des  R.  Elcazar  (um  270)  aus  2  Kg  5,  18 
entnommen:  „Aber  in  dieser  Sache  wird  Jahve  nachsichtig  mit  deinem  Diener  sein, 
wenn  mein  Herr  in  das  Haus  Rimmons  geht,  um  dort  niederzuknien"  usw.  Die  Israeliten 
haben  den  Befehl  betreffs  Heiligung  des  göttl.  Namens  empfangen,  aber  nicht  die  Heiden 
(daher  Gottes  Nachsicht  in  diesem  Fall  mit  einem  Heiden).  —  Parallelstelle  Sanh  74*^. 

d.  SLv  19,  8  (342"):  „Ihr  sollt  heilig  sein'  Lv  19,  2,  abgesondert  sollt  ihr  sein 
(von  den  Heiden);  „denn  ich  bin  heilig,  Jahve  euer  Gott"  (das.);  das  will  sagen:  Wenn 
ihr  euch  selbst  heiligt,  rechne  ich  es  euch  so  an,  als  ob  ihr  mich  heiligt,  u.  wenn  ihr 
euch  nicht  selbst  heiligt,  so  rechne  ich  es  euch  so  an.  als  ob  ihr  mich  nicht  heiligt.. 
Oder  will  es  sagen:  Wenn  ihr  mich  heiligt,  siehe,  so  bin  ich  geheiligt,  u.  wenn  nicht, 
so  bin  ich  nicht  geheiligt?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Denn  ich  bin  heilig",  ich  bin 
in  meiner  Heiligkeit,  ob  ihr  mich  heiligt  oder  ob  ihr  mich  nicht  heiligt»    Abba  Scha>ul 


414  Matthe,  9(6) 

(um  150)  sagte:   Der  König  hat  einen  Hofstaat  (s-iis  familia).  u.  was  liegt  dem  ob? 
Dem  König  nachzuahmen. 

e.  M®kh  Kx  lö,  2  (44b):  R  SchimEon  b.  Elcazar  (um  190)  sagte:  Wenn  die  Israeliten 
Gottes  Willen  tun,  dann  wird  sein  Name  verherrlicht  '':^J^•;  in  der  Welt.  s.  Jos  5,  1; 
2.  10 f.;  wenn  sie  aber  nicht  seinen  Willen  tun,  so  wird  sein  Name  gewissermaßen 
entheiligt  ''.'.nr^.  in  der  Welt,  s.  Ez  36,  20.  23.  |i  SLv  19,  12  (349^):  Jhr  sollt  nicht  bei 
meinem  Namen  zur  Lüge  schwören  u.  also  den  Namen  deines  Gottes  entweihen*^ 
Lv  19,  12;  das  lehrt,  daß  ein  falscher  Schwur  eine  Entheiligung  des  göttl.  Namens- 
^•s^.  '-i^'.'r-.  ist.  II  Aboth  1,11:  Ahtaljon  (um  50  v.  Chr.)  pflegte  zu  sagen:  Ihr  Gelehrten, 
seid  vorsichtig  in  euren  Worten,  ihr  möchtet  euch  sonst  verschulden  u.  zur  Strafe  ver- 
bannt werden  u.  ihr  würdet  nach  einem  Orte  schlechten  Wassers  (schlechter  Lehre) 
ziehen  müssen,  u.  die  Schüler,  die  euch  nachziehen,  würden  trinken  u.  sterben,  u.  der 
Name  Gottes  würde  entheiligt  werden.  (Irrlehre  führt  zur  Entheiligung  des  göttl. 
Namens.)  ||  Midr  Ruth  3,  14  (LSöb):  R.  Huna  (um  350)  u.  R.  Jirm'^ja  (um  820)  haben  im 
Namen  des  R.  Seh  muel  b.  JiQchaq  (um  :^00)  gesagt:  Jene  ganze  Nacht  lag  Bocüz  auf 
sein  Angesicht  hingestreckt  u.  sprach:  Herr  der  Welten,  offenbar  u.  kundig  ist  es  vor 
dir,  daß  ich  Ruth  nicht  berührt  habe;  so  sei  es  wohlgefällig  vor  dir,  „daß  man  es 
nicht  merke,  daß  das  Weib  zur  Tenne  gekommen  ist"  (Ruth  3,  14),  u.  daß  der  Name 
Gottes  durch  mich  nicht  entheiligt  werde. 

f.  Aboth  4,  4:  R.  Jochanan  b.  B'^'roqa  (um  llö)  pflegte  zu  sagen:  Wer  deu  Namen 
Gottes  im  geheimen  entheiligt  -?"":",  der  wird  öffentlich  bestraft,  sowohl  wenn  einer 
versehentlich,  als  auch  wenn  er  freventlich  handelt  bei  der  Entweihung  des  Gottes- 
namens 3i-n   -ur:. 

g.  MQ  17 3  Bar  u.  Qid  40»:  R.  El'ai  (um  110)  sagte:  Wenn  ein  Mensch  sieht,  daß 
sein  böser  Trieb  (seine  Leidenschaft)  ihn  übermannt,  so  gehe  er  an  einen  Ort,  wo 
man  ihn  nicht  kennt,  kleide  sich  in  schwarze  Kleider  u.  hülle  sich  in  schwarze  Tücher 
n.  tue,  wonach  sein  Herz  verlangt,  aber  er  entheilige  den  Namen  Gottes  nicht  öffent- 
lich. Qid  40":  R  Abbahu  (um  3ü0)  hat  im  Namen  des  R.  Cbanina  (um  225)  gesagt: 
Es  ist  besser,  daß  ein  Mensch  eine  Sünde  im  geheimen  begeht,  als  daß  er  den  Namen 
Gottes  öffentlich  entheiligt,  s.  Ez  20,  :H9.  —  Ferner  s.  das  nächste  Zitat. 

h.  Sanh  74-':  R.  .Fochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimcon  b.  J^hoQadaq 
(um  225)  gesagt:  Im  Söller  des  Hauses  des  Nithza  in  Lydda  hat  man  festgesetzt:  Alle 
Übertretungen,  die  in  der  Tora  erwähnt  werden,  darf  ein  Mensch,  wenn  man  zu  ihm 
sagt:  „Übertritt,  damit  du  nicht  getötet  werdest",  begehn,  um  nicht  getötet  zu  werden, 
ausgenommen  Götzendienst,  Unzucht  u.  Mord.  Götzendienst  doch  nicht?!  In  einer 
Bar  ist  ja  gelehrt  worden:  R.  JischmaJel  (f  um  135)  hat  gesagt;  Woher  läßt  sich  er- 
weisen, daß,  wenn  man  zu  einem  Menschen  sagt:  „Diene  den  Götzen,  damit  du  nicht 
getötet  werdest",  er  die  Übertretung  begehn  darf,  um  nicht  getötet  zu  werden?  Die 
Schrift  sagt  lehrend:  „So  beobachtet  denn  meine  Satzungen  u.  meine  Rechte;  wenn 
der  Mensch  sie  tut,  so  wird  er  durch  sie  leben"  Lv  ii^,  5;  leben  also  soll  er  durch 
sie,  aber  nicht  durch  sie  sterben.  Darf  er  es  etwa  auch  öffentlich?  Die  Schrift  sagt 
lehrend:  „Entweihet  meinen  heiligen  Namen  nicht,  damit  ich  geheiligt  werde  inmitten 
der  Kinder  Israel"  Lv  22,  32.  .  .  .^  Als  Rab  Dimi  (um  o20)  kam  (nämlich  von  Palästina 
nach  Babylonien),  sagte  er,  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Dies  (daß  man  zur  Rettung  des 
Lebens,  abgesehen  von  den  3  Kardinalsünden,  die  Gebote  übertreten  dürfe)  gilt  nur 
von  einer  Zeit,  in  der  keine  Religionsverfolgung  stattfindet;  aber  in  Zeiten  der  R.- 
verfolgung  soll  man  sich  auch  wegen  des  geringsten  Gebotes  töten  lassen  n.  nicht 
die  Sünde  begehn.    Als  Rab  Dimi  kam,  sagte  er.  R.  .fochanan  habe  gesagt:  Auch  von 


*  Genauer  SLv  22,  82:  Wenn  es  heißt:  „Damit  ich  geheiligt  werde",  so  bedeutet 
das:  Gib  dich  selbst  hin  u.  heilige  meinen  Namen.  Etwa  wenn  er  allein  ist  lim  ver- 
borgenen)? Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Inmitten  der  Kinder  Israel",  äho  wenn  viele 
da  bind  (=  öffentlich)  (Wegen  Entheiligung  des  göttl.  Namens  im  geheimen  braucht 
man  also  das  Leben  nicht  hinzugeben.) 


Matth6,9(6)  415 

Zeitea,  in  denen  keine  R.verfolgung  stattfindet,  hat  man  dies  nur  gesagt,  wenn  die 
Übertretung  im  geheimen  geschehen  soll;  wenn  aber  ötfentlich,  so  soll  man  sich  auch 
wegen  des  geringsten  Gebotes  töten  lassen  u.  nicht  die  Sünde  begehn.  —  Parallelstellen: 
zum  Beschluß  von  Lydda  pSanh  3,  21  ^,  9;  zum  Ausspruch  des  R.  Jischmacel  SLv  18,  5 
(338b);  JAZ  27  b;  die  I.  Tradition  des  Rab  Dimi  geht  zurück  auf  TSchab  1«,  17  (134). 

L  Sanh  82":  Schemuel  (f  254)  hat  gesagt:  Pinechas  sah  (vgl.  Nu  25,  7),  daß  ,es 
keine  Weisheit  noch  Einsichtigkeit  noch  Rat  gegenüber  Jahven  gibt"  (Spr  21,  30); 
überall,  wo  es  sich  um  eine  Entheiligung  des  göttl.  Namens  handelt,  erweist  man  dem 
Lehrer  keine  Ehre.  (Deshalb  traf  Pin^chas  in  Gegenwart  seines  Lehrers  Mose  eine 
Entscheidung,  was  sonst  streng  verboten  war,  nämlich  daß  Zimri  zu  töten  sei;  das 
tat  P.,  um  Gottes  Namen  zu  heiligen.)  Derselbe  Grundsatz  auch  B'^rakh  19 b  im  Munde 
Rabs  (t247);  Sch>^b  30  b. 

fc.  pQid  +,  65  b,  61 :  R.  Abba  b.  Z*'mina  (um  330)  hat  im  Namen  des  R.  Hoschatja, 
des  Älteren  I um  225)  gesagt:  Größer  (wichtiger)  ist  die  Heiligung  des  göttl.  Namens 
Dsn  r-n-p  als  die  (um  ihretwillen  entstehende)  Entheiligung.  Von  letzterer  steht  ge- 
schrieben: Des  Gehängten  Leichnam  soll  nicht  über  Nacht  am  Holze  bleiben  Dt  21,  23; 
u.  von  der  Heiligung  des  göttl.  Namens  steht  geschrieben:  „Vom  Anfang  der  Ernte 
an  bis  Wasser  vom  Himmel  sich  über  sie  ergoß"  2  Sm  21,  10.  Das  lehrt,  daß  die 
Leichname  (der  von  den  Gibeoniten  geforderten  Nachkommenschaft  Sauls)  vom  16.  Ninan 
bis  fum  17.  Marcheschvan  (etwa  November)  am  Holz  hingen,  damit  die  Vorübergehenden 
sagen  möchten:  Was  haben  diese  gesündigt,  daß  ihretwegen  die  Rechtsordnung  ge- 
ändert ward?  u.  damit  sie  die  Antwort  empfingen:  Weil  sie  ihre  Hände  an  Proselyten 
gelegt,  die  sich  selbst  aufgedrängt  hatten  (vgl.  über  die  Gibeoniten  Jos  9).  Da  sagten 
die  Vorübergehenden:  Wenn  diese  (Gibeoniten),  die  nicht  um  Gottes  willen  (in  lauterer 
Absicht)  Proselyten  wurden,  sehen  durften,  wie  Gott  ihr  Blut  (von  den  Mördern)  fordert, 
um  wieviel  mehr  wird  das  zuguns^ten  eines  Proselyten  geschehen,  der  um  Gottes  willen 
zum  Judentum  übertritt.  Kein  Gott  ist  wie  euer  Gott  u.  keine  Nation  wie  eure  Nation! 
Da  sollten  wir  uns  nicht  an  euch  anschließen?  In  jener  Zeit  traten  viele  Proselyten 
zum  Judentum  über.  —  Diese  Verherrlichung  Gottes  durch  die  Heiden  bedeutete  eine 
Heiligung  des  göttl.  Namens;  vor  ihr  hatte  die  in  der  Umgehung  von  Dt  21,  23  liegende 
Entheiligung  zurückzutreten.  —  Dasselbe  pSanh  <!,  23*^,  M.  —  Den  gleichen  Gedanken 
hat  Schim'on  b.  J^hoijadaq  (um  225)  in  die  Worte  gefa"ßt:  Es  ist  besser,  daß  ein 
Buchstabe  aus  der  Tora  gerissen  werde  (nämlich  Dt  21,  23),  wenn  nur  der  Name 
Gottes  (dadurch)  öffentlich  geheiligt  wird  (wie  es  2  Sm  21,  10  geschah)  Jeb79^, 
Tradent  R.  Jochanan  if  279);  etliche  Zeilen  zuvor  wird  von  R.  Chijja  b.  Abba  (um  2S0) 
R.  Jochanan  selbst  als  Autor  dieses  Ausspruchs  genannt. 

l.  VgL  SLv  18,6  Anm.a;  pQid  1,05b,  61  Xnm.k.  —  JornaSe»:  Abaje  (f  338/39) 
hat  .  .  .  gesagt:  Du  sollst  Jahve  deinen  Gott  lieben  (Dt  6, 5),  damit  der  Name  Gottes 
um  deinetwillen  geliebt  (u.  so  geheiligti  werde.  Wenn  einer  die  Schuft  u.  die  Mischna 
(traditionelle  Lehre)  studiert  u.  den  Gelehrtenschülern  (als  Famulus)  dient,  u.  wenn 
sein  Verkehr  mit  den  Leuten  in  Gelassenheit  erfolgt,  was  sagen  dann  die  Leute  über 
ihn?  Heil  seinem  Vater,  der  ihn  Tora  lernen  ließ!  Heil  seinem  Lehrer,  der  ihn  Tora 
lehrte!  Wehe  den  Menschen,  die  nicht  Tora  lernten!  Der  u.  der,  der  Tora  gelernt  hat, 
seht,  wie  lieblich  sind  seine  Wege  u.  wie  geordnet  seine  Werke!  Auf  ihn  sagt  die 
Schrift:  ,Er  sprach  zu  mir,  mein  Knecht  bist  du,  Israel,  durch  den  ich  verherrlicht 
werde"  Jes49,  3.  Aber  wenn  einer  die  Schrift  u.  die  Mischna  studiert  u.  den  Gelehrten- 
schülern dient  u.  sein  Handel  u.  Wandel  vollzieht  sich  nicht  in  Redlichkeit  u.  sein 
Reden  geschieht  nicht  in  Gelassenheit  den  Menschen  gegenüber,  was  sagen  dann  die 
Leute  über  ihn?  Wehe  dem  u.  dem,  der  Tora  gelernt  hat!  Wehe  seinem  Vater,  der 
ihn  hat  Tora  lernen  lassen!  Wehe  seinem  Lehrer,  der  ihn  Tora  gelehrt  hat!  Der  u. 
der,  der  'J'ora  gelernt  hat,  seht,  wie  verderbt  sind  seine  Werke  u.  wie  häßlich  seine 
Wege!  Über  ihn  sagt  die  Schrift:  ,Sie  entweihten  meinen  heiligen  Namen,  indem  man 
Ton  ihnen  sagte:  Das  Volk  Jahves  sind  diese  u.  aus  seinem  Lande  sind  sie  fort- 
gezogen* Ez  36,  20. 


416  Matthe,  9(6) 

m.  ncn  hth'-  gegenüber  a:on  »iTp  zB  im  vorigen  Zitat.  —  V-tjrtt  Gegensatz  zu 
'-■-r;r»3  zB  M^^kh  Ex  15,2  Anm.  e. 

n.  SLv22,33(403a):  ,Der  euch  aus  dem  Lande  Ägypten  geführt  hat"  Ex  22, 83: 
unter  einer  Bedingung  habe  ich  euch  aus  dem  Lande  Ägypten  geführt,  unter  der  Be- 
dingung, daß  ihr  euch  selbst  hingebet  meinen  Namen  zu  heiligen.  —  Ferner  s.  Sanh74''* 
u.  SLv  2'2,  32  in  Anm.  h. 

O.  Abraham  zB  NuR  2  (137*'):  Als  man  Abraham  in  den  P^euerofen  (Nimrods)  warf, 
u.  als  er  den  Namen  Gottes  heiligte  u.  in  seiner  Versuchung  feststand,  brachte  ihn  Gott 
sofort  zum  Lande  Israel  herzu.  .  .  .  ||  Joseph  zB  Sota  10^:  R.  Schimfon  der  Fromme  (unl 
210)  hat  gesagt:  Weil  .Joseph  den  Namen  Gottes  im  verborgenen  (dem  Weibe  Potiphars 
gegenüber)  heiligte,  fügte  man  ihm  (seinem  Namen)  Einen  Buchstaben  aus  dem  Namen 
Gottes  hinzu,  wie  es  heißt:  „Zum  Zeugnis  hat  er  es  (ein  rt)  gesetzt  in  J'^hoseph"  Ps  81,  6 
(pcin-  statt  des  sonst  gebräuchlichen  ^z'').  |]  Chananja,  Mischael  u.  f  Azarja,  s.  SLv  18,  6 
Anm.  a.  —  Ferner  P's  53'^:  Theudas  aus  Rom  hat  öffentlich  vorgetragen:  Aus  welchem 
Grunde  haben  sich  Chananja,  Mischael  u.  f  Aznrja  selbst  für  die  Heiligung  des  göttl. 
Namens  in  den  Feuerofen  hingegeben?  Sie  zogen  eine  Schlußfolgerung  vom  Leichteren 
auf  das  Schwerere  von  den  Fröschen  aus:  wenn  von  den  Fröschen,  die  keinen  Befehl 
betreffs  der  Heiligung  des  göttl.  Namens  erhalten  haben,  geschrieben  steht:  „Sie  werden 
wider  dich  in  dein  Haus  u.  in  deine  Backöfen  u.  in  deine  Backtröge  kommen"  Ex  7,  28  — 
wann  finden  sich  Backtröge  neben  dem  Backofen?  Sago:  Wann  der  Backofen  heiß  ist -p- 
um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  uns,  die  wir  Befehl  betreffs  der  Heiligung  des  göttl. 
Namens  erhalten  haben!  |i  Aus  der  späteren  Zeit  heißen  die  Märtyrer  der  hadrianischen 
Verfolgung  ,die  wegen  der  Heiligung  des  göttl.  Namens  Getöteten",  zB  Midr  Ps  9  §  13 
(45'*),  s.  oben  S.  226«. 

p.  Rom  2,  23:  Durch  die  Übertretung  des  Gesetzes  verunehrst  du  HTifiüCsig  Gott.  j| 
BQ  113''  Bar:  Wenn  ein  Israelit  u.  ein  Nichtisraeiit  vor  Gericht  kommen,  so  sollst  du, 
wenn  du  den  Israeliten  nach  Israelit.  Recht  kannst  gewirmen  lassen,  ihn  gewinnen 
lassen,  u.  dann  sage:  So  ist  unser  Recht.  Kannst  du  ihn  nach  dem  Recht  der  Völker 
der  Welt  gewinnen  lassen,  so  laß  ihn  (wiederum)  gewinnen,  u.  dann  sage:  So  ist  euer 
Recht.  Wenn  aber  nicht,  so  kommt  man  mit  Ränken  über  ihn  (den  Nichtisraeliten, 
um  den  Israeliten  gewinnen  zu  lassen).  Das  sind  Worte  des  R.  JischmaEel  if  um  135). 
R.  lAqiba  (f  um  135)  aber  sagte:  Man  darf  nicht  mit  Ränken  über  ihn  kommen  wegen 
der  Heiligung  des  göttl.  Namens  (denn  das  andre  Verfahren  würde  die  Nichtisraeliten 
zur  Schmähung  Gottes  u.  Israels  herausfordern).  —  Der  Ausspruch  des  R.  Jischma'el, 
doch  ohne  den  Schlußsatz  von  den  Ränken,  auch  SDt  1, 16  >?  16  (68^).  |I  Choni,  der  Kreis- 
zieher,  f  um  65  V.  Chr.,  hatte  in  ungeziemender  Weise  um  Regen  gebeten  u.  seui  Gebet 
hatte  Erhörung  gefunden.  Da  ließ  ihm  (der  ältere)  SchimJon  b.  Schatach  sagen  Ta'an  23'^: 
Wenn  du  nicht  Choni  wärest,  so  würde  ich  den  Bann  über  dich  verhängt  haben;  denn 
wenn  die  Jahre  gewesen  wären  wie  die  Jahre  des  Elias,  da  die  Schlüssel  des  Regens 
in  seiner  Hand  waren,  würde  es  sich  da  nicht  ergeben  haben,  daß  der  Name  Gottes 
um  deinetwillen  entheiligt  worden  wäre?  (Wenn  die  Dürre  auf  einem  Gottesbeschluß 
beruht  hätte,  so  daß  dein  Gebet  unerhört  bleiben  mußte,  würden  nicht  viele  infolge 
der  Nichterhörung  deines  Gebetes  in  ihrem  Glauben  irre  geworden  sein  u.  damit  Gottes 
Namen  verunehrt  haben?) . . .  Parallelstelle  pTaEan  3,  67 •\  8.  |l  BQ  1 13b  Bar:  R.  Pin<^chas 
b.  Jaür  (um  200)  hat  gesagt:  Da,  wo  eine  Entheiligung  des  göttl.  Namens  entsteht  (in- 
sofern die  Nichtisraeliten  daraus  Veranlassung  nehmen,  Gottes  Namen  zu  lästern),  ist 
auch  das  Verlorene  eines  Nichti.sraeliten  verboten  (d.  h.  es  muß  dem  heidnischen  Ver- 
lierer zurückgegeben  werden ;  so  Pin^chas  b.  Jair  im  Gegensatz  zu  R.  Schiniton  dem 
Frommen,  um  2)0,  u.  zu  Rab,  f  247,  die  beide  den  Israeliten  im  Vorhergehenden  für 
nicht  dazu  verpflichtet  erklärten.  II  In  pBQ  4,4^,24  wird  erzählt,  daß  zwei  römische 
Spione  an  der  Bestimmung  des  jüdischen  Rechts  Anstoß  genommen  hätten,  daß  das 
einem  Israeliten  Geraubte  zum  Nießbrauch  verboten,  das  einem  Nichtisraeliten  Geraubte 
aber  zum  Nießbrauch  erlaubt  sei.  ,ln  jener  Stunde  bestimmte  Rabban  Gamliel  (um  90) 
betreffs  des  einem  Nichtisraeliten  Geraubten,  daß  es  verboten  sei  wesen  Entheiligung 


Matthe,  9(6)  417 

des  göttl.  Namens."  -  Dasselbe  mit  Abweichungen  SDt  33,  3  §  844  (143b)  n.  BQ  38».  || 
Joma  86-'':  Wie  verhält  es  sich  mit  der  Entheiligung  des  göttl.  Namens  (was  gilt  als 
solchei?  Rab  (f  ""^47)  hat  gesagt:  Wenn  ich  zB  Fleisch  von  einem  Fleischer  entnehme 
u.  ihm  nicht  sofort  das  (ield  dafür  zalile  (in  diesem  Fall  kann  mich  der  Mann  vielleicht 
für  einen  Räuber  ansehen  u.  nach  meinem  Vorbild  den  Raub  für  nichts  achten,  s.  Raschi). 
Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Das  hat  man  nur  von  einem  Ort  gelehrt,  in  welchem  man 
hinterher  das  Geld  nicht  einfordert;  aber  in  einem  Ort,  in  welchem  man  es  hinterher 
einfordert,  kommt  nichts  darauf  an  (ist  an  dem  von  Rab  gerügten  Verfahren  nichts 
au'^zu.setzen).  .  .  .  R.  Jochanan  if  279)  hat  gesagt:  Wenn  ich  zB  vier  Ellen  weit  ohne 
Tora  oder  ohne  T'^phillin  gehe  (woraus  andre  für  sich  den  Schluß  ziehen,  daß  man  das 
Torastudium  vernachlässigen  dürfe,  s.  Raschi).  Jicchaq  aus  der  Schule  des  R.  Jannai 
lum  i'25)  hat  gesagt:  Wenn  man  sich  eines  Kollegen  schämen  muß  wegen  seines  schlechten 
Rufes,  entsteht  Entheiligung  des  göttl.  Namens  (vgl.  Joma  86 '^  Anm.  l).  Rab  Nachman 
b.  li^chaq  (f  3')6)  hat  gesagt:  Wenn  zB  die  Leute  sagen:  Mag  es  dem  u.  dem  sein  Gott 
verzeihen!  il  Aboth  RN  1:  R.  Schim<on  b.  EUazar  (um  lUO)  sagte:  Der  erste  Mensch  glich 
einem  Manne,  der  eine  Proselytin  heiratete;  er  saß  u.  erteilte  ihr  Anweisungen:  Meme 
Tochter,  iß  kein  Brot,  wenn  deine  Hände  unrein  sind;  iß  keine  Früchte,  die  nicht  ver- 
zehntet  sind;  entweihe  nicht  die  Sabbate;  sei  nicht  leichtfertig  mit  den  Gelübden  u. 
gehe  nicht  mit  einem  andren  Manne;  denn  wenn  du  eins  dieser  Verbote  übertrittst, 
mußt  du  sterben.  Was  tat  dieser  Mann?  Er  stand  u.  aß  vor  ihren  Augen  Brot,  während 
seine  Hände  unrein  waren;  er  aß  Früchte,  die  nicht  verzehntet  waren;  er  entweihte 
die  Sabbate  u.  war  leichtfertig  mit  den  Gelübden.  Was  dachte  diese  Proselytin  in  ihrem 
Herzen?  Alle  Worte,  mit  denen  mein  Mann  mir  anfänglich  Anweisungen  erteilt  hat 
sind  Lügen  gewesen.  Und  sofort  erhob  sie  sich  u.  übertrat  sie  alle  (Gottes  Namen 
damit  entheiligend  u.  verunehrend).  ||  Midr  KL  Einl.  15  (33*):  R,  Schim'on  b.  Laqisch  (um 
'i'iUl  h;tt  gesagt:  ,Ehre  ist  es  für  den  Mann,  fern  vom  Streit  zu  wohnen"  Spr  2U,  3. 
Gott  sprach:  Es  wäre  mir  zur  Ehre  gewesen,  wenn' ich  mich  nicht  mit  dieser  Nation 
(Israel)  verbunden  hätte.  Du  findest,  daß  Gott  in  der  Stunde,  da  die  Israeliten  in  die 
Verbannung  zogen  hinaus  unter  die  Völker  der  Welt,  an  den  Türen  der  Völker  der  Welt 
umherging,  um  zu  hören,  was  diese  sagten.  Und  was  sagten  sie?  Der  Gott  dieser 
Nation  hat  an  dem  Pharao,  Sis^ra,  Sanherib  u.  ähnlichen  Rache  genommen.  Dann  wieder 
sagten  sie:  Sollte  er  denn  ewig  jung  bleiben?  Es  scheinen  jene  Taten  (am  Pharao  usw.) 
ihn  alt  u.  schwach  gemacht  zu  haben,  vgl.:  ,Er  (Gott  nach  dem  Midr)  kam  zu  den 
Heidenvölkeru,  wohin  sie  (Israel)  gekommen  waren;  u.  sie  (die  Völker)  entweihten  (ver- 
unehrteni  meinen  heiligen  Namen"  Ez  3t>,  20.  Es  hätte  in  der  Schrift  heißen  sollen: 
.Sie  kamen"  zu  den  Heidenvölkern;  u.  es  heißt:  ,er  kam",  nämlich,  wenn  man  so 
sagen  darf,  Gott  selbst;  das  wollen  die  Worte  sagen:  „er  kam  zu  den  Heiden  Völkern." 
Und  was  sagten  sie  (seinen  Namen  verunehrend  ?  „Wenn  diese  Jahves  Volk  sind, 
warum  sind  sie  dann  aus  seinem  Lande  fortgezogen?" 

q.  pN^d  3,  3>-b,  12:  Götzendienst  ist  die  schwerste  von  allen  Sünden.  .  .  .  R.  Juda 
b.  Pazzi  (um  320)  hat  gesagt:  Die  Entheiligung  des  göttl.  Namens  ist  die  schwerste  von 
allen;  das  meint:  „Ihr  aber,  Haus  Israel,  so  spricht  Jahve,  der  Gott  Israels,  geht  (nur) 
hin  ein  jeder,  seinen  Mistgötzen  zu  dienen,  aber  meinen  heiligen  Namen  sollt  ihr  niciit 
entheiligen"  Ez  20, 39  (so  der  Midr).  ||  LvR22(121b):  Wir  finden,  daß  Gott  hinweg- 
sieht über  Götzendienst,  aber  über  die  Entheiligung  seines  Namens  sieht  er  nicht  hin- 
weg, s.  Ez2U,  39  (wie  im  vorigen  Zitat).  —  Dasselbe  P'^siqR24  (125=').  Die  Autorschaft 
schwankt  zwischen  R.  Chanina  (um  225)  u.  R.  El'azar  (um  270). 

r.  Aboth  RN  39  Anfang:  Fünf  erlangen  keine  Vergebung:  wer  viel  Buße  tut  (ohne 
sich  zu  bessern);  wer  viel  sündigt;  wer  sündigt  inmitten  einer  frommen  Generation;  wer 
sündigt,  um  hinterher  Buße  zu  tun,  u.  auf  wem  die  Schuld  der  Entheiligung  des  göttL 
Namens  liegt.  —  Autor  R.  cAqiba?,  vgl.  Bacher,  Tann.'^  1,  279.  ||  Joma  86-':  R  Jischmacel 
(t  um  135)  hat  gesagt:  ...  Bei  demjenigen,  auf  welchem  die  Schuld  der  Entheiligung 
des  göttl.  Namens  liegt,  wohnt  weder  der  Buße  die  Kraft  inne  die  Ahndung  der  Schuld 
in  der  Schwebe  zu  erhalten,  noch  dem  Versöhnungstag  (die  Kraft)  Sühnung  zu  ver- 
Strack  u.Billerbeck,  NTI.  27 


418  Matth  6,  9  (6).  6, 10  (?l) 

schaffen,  noch  den  Leiden  (die  Kraft)  die  Schuld  ganz  wegzunehmen;  sondern  diese 
alle  zus.genommen  hnlten  nur  die  Ahndung  der  Schuld  in  der  Schwebe  u  erst  der 
Tod  nimmt  die  Schuld  ganz  weg,  vgl.:  „Geoffenbart  hat  sich  in  meine  Ohren  Jahve 
der  Heerscharen:  Nimmer  gesühnt  werden  soll  euch  dieser  Frevel,  bis  daß  ihr  sterbet" 
Jes22,14.  —  Parallelstellen:  TJoma  .">,  6flf.  ( 19U);  p.Ioma  S,  4".b,  liO;  pSanh  10,  27",  47; 
pSch  bu  1.  3ob,  52.  —  Die  volle  Sühnung  der  Schuld  durch  den  Tod  schlielst  aber  nicht 
die  sofortige  Bestrafung  der  Entheiligung  des  göttl.  Namens  aus.  Qid  40  '  Bar:  Man 
leiht  nicht  bei  der  Entheiligung  des  göttl.  Namens,  gleichviel  ob  man  sie  versehentlich 
oder  mutwillig  begangen  hat.  Was  heißt:  „man  leiht  nicht"?  Mar  Zutra  (wohl  1., 
um  32U)  hat  gesagt:  Man  macht  es  nicht  wie  der  Krämer  (der  lange, Zeit  auf  Borg 
gibt,  sondern  man  treibt  die  Stiafe  sofort  ein). 

5.  Aboth  5,9:  Wilde  Tiere  kommen  in  die  Welt  wegen  vergeblichen  (eitlen)  Schwures 
(vgl.  oben  S.  H21;')  u.  wegen  Entheiligung  des  göttl.  Namens.  ||  Schab  HS'':  Wegen  der 
Sünde  des  vergeblichen  Schwures  u.  des  falschen  Schwures  u.  der  Entheiligung  des 
göttl.  Namens  u.  der  Entheiligung  des  Sabbats  mehren  sich  die  wilden  Tiere  u.  das 
Vieh  schwindet  hin  u.  die  Menschen  vermindern  sich  u.  die  Wege  veröden. 

6,  10  91  (2.  Bitte):  Dein  Reich  komme,  eli^axd)  y)  ßaaiXeiu  aoi\ 
d.  h.  bringe  deine  Königshernscliaft  heibei  u.  laß  die  Menschen  deine 
Herrschaft  annehmen,  s.  oben  S.4U8 —4 10  f.  —  Überden  Begriff  „Gottes- 
herrschaft"  bei  Jesus  u.  in  der  rahbin.  Literatur  s.  oben  S.  172  ff.  —  Im 
Rabbin.  sagt  man  nicht:  Gottes  Königsherrschaft  möge  „kommen",  son- 
dern: möge  „offenbart  werden"  oder  „sich  offenbaren"  oder  „erscheinen". 
Nur  ausnahmsweise  wird  xpn  „kommen"  gebraucht  Targ  Micha  4,  8. 

Assumptio  Mosis  10, 1:  Dann  wird  seine  | Gottes)  Herrschaft  über  all  seine  Kreatur 
erscheinen  tunc  parebit  regnum  illius  in  omni  creatura  illius.  |i  Midr  HL2,  18  (luob) 
deutet  R.  cAzaija  (um  3bU)  die  Worte:  ,Die  Zeit  des  Gesanges  ist  herangekommen" 
HL  2,  12  unter  andrem  so:  Herangekommen  ist  die  Zeit  der  Herrschaft  Edoms  (=  Roms), 
vernichtet  zu  werden,  herangekommen  ist  die  Zeit  der  Herrscliaft  Gottes  z-z'a  r^z'-z, 
oifenbart  zu  werden  r!>;rrr,  wie  es  heißt:  „önd  eä  wird  Jahve  zum  Köniü  sein  über 
die  gnnze  Erde"  Sach  14,9.  il  Targ  .Jes3i,4:  So  wird  sich  offenbaren  ".-.rr  die  Köiiigs- 
herrschaft  Jahves  ^  baoth,  um  zu  wohnen  auf  dem  Berge  Zion.  —  Das.  40,  9:  Saget  zu 
den  Städten  des  Hauses  Juda:  Offenbart  hat  sich  rs--:;rs  die  Königsherrschaft  eures 
Gottes. —  Das.  52,  7:  Sagend  zur  Gemeinde  Zion:  Offenbart  hat  sich  die  Köniüsherrschaft 
deines  Gottes.  —  Targ  Sach  14,  9:  Offenbaren  wird  sich  die  Königsherrschaft  Jahves  über 
allen  Erdbewohnern;  in  jener  Zeit  werden  sie  dienen  (anbeten)  vor  Jahve  usw. 

Targ  Mi  4,«:  Und  du,  Messias  Israels,  der  wegen  der  Sünden  der  Gemeinde  Zion 
aufbewahrt  (verborgen  gehalten)  wird,  zu  dir  (an  dich)  wird  die  Königsherrschaft  kommen 
-r-^'->  sr-it's  s-!-ry  -'•:.  \\  Den  kürzesten  Ausdruck  für  die  2.  Bitte  kann  inan  in  den 
Worten  finden  ir"-i"  7"-'2  , sei  König  über  uns".  Schimone  <Esre  11  paläst.  Rez. :  '  „Bringe 
wieder  unsere  Richter  wie  vordem  u.  unsre  Ratsherren  wie  zu  Anfang,  u.  sei  König 
über  uns,  du  allein.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der  das  Recht  liebhat!"  —  BabyL 
Rez.:*  g Bringe  wieder  unsre  Richter  wie  vordem  u.  unsre  Katsherren  wie  zu  Anfang, 
u.  laß  weichen  von  uns  Seufzen  u.  Stöhnen  u.  sei  König  über  uns,  du  Jahve  allein, 
in  Liebe  u.  Erbarmen  u.  rechtfertige  uns  im  Gericht.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  o 
König,  der  Gerechtigkeit  u.  Recht  liebhat!"  —  Etwas  .ausführlicher  lautet  die  Bitte 
im  Qaddisch  des  Gottesdienstes  u.  im  Qaddisch  der  Rabbanan:  , Er. lasse  herrschen 
(richte  her)  seine  Königsherrschaft  rr-n;--;  --';':-i  während  eures  Lebens  u.  in  euren 
Tagen  u.  während  des  Lebens  des  ganzen  Hauses  Israel  in  Eile  u.  in  naher  Zeit."  — 
Eine  andre  Form  der  Bitte  enthält  das  Neujahrs-Musaphgebet  --riz  ^r  •^^:z•  in  den 
Worten:  , Herrsche  als  König  "i-'rr,  du  Jahve  unser  Gott,  eilends  über  alle  deine 


»  Text  bei  Strack,  B-^rakhoth  26*.  10  = 


Matth  6, 10  (?l.  S3)  419 

Werke."  —  Eine  ähnliche  Bitte,  zugleich  in  Verbindung  mit  der  andren,  daß  alle  Welt 
die  Königsherrschaft  Gottes  auf  sich  nehme,  lesen  wir  im  cAlenugebet  Rabs  (f  247): 
,Es  werden  erkennen  u.  wissen  alle  Bewohner  des  Erdkreises,  daß  dir  sich  beugen 
wird  jedes  Knie  u.  jede  Zunge  schwören  (Jes4ö,  23);  vor  dir,  Jahve  unser  Gott,  mögen 
sie  sich  beugen  u.  niederfallen  u.  der  Herrlichkeit  deines  großen  Namens  Ehre  geben, 
daß  sie  das  Joqh  deiner  K  önigsherrschaft  auf  sich  nehmen,  damit  du  über 
sie  König  seiest  immer  u.  ewiglich;  denn  die  Königsherrschaft  ist  dein  u.  in  alle 
Ewigkeit  wirst  du  König  sein  in  Herrlichkeit."  Der  Zweck  des  Königtums  Jahves  aber 
geht  nach  dem  cAl§nugebet,  wohl  im  Gedanken  an  Ps  98,  1 ;  96,  10,  dahin:  „um  die  Welt 
zu  festigen  durch  die  Königsherrschaft  des  Allmächtigen"  "»  riD's'aa  ü'-:^y  'pr'-:. 

Bemerkenswert  ist,  daß,  wie  im  Herrngebet  auf  die  Bitte  um 
Heiligung  des  göttl.  Namens  die  Bitte  um  das  Kommen  des  Gottes- 
reichs folgt,  auch  das  Qaddisch  des  Gottesdienstes  an  die  Worte:  „Ver- 
herrlicht u.  geheiligt  werde  sein  großer  Name  in  der  Welt,  die  er  nach 
seinem  Willen  geschaffen  hat,"  unmittelbar  anschließt:  ,Und  er  lasse 
herrschen  seine  Königsherrschaft  ...  in  eurem  Leben"  usw.  —  Die 
gleiche  Gedankenfolge  liegt  im  Qaddisch  der  Rabbanan  vor,  nur  daß 
sich  hier  zwischen  die  beiden  Bitten  ein  längerer  Relativsatz  ein- 
geschoben hat;  läßt  man  diesen  unberücksichtigt,  so  lautet  auch  hier 
das  Gebet:  Verherrlicht  u.  geheiligt  werde  sein  großer  Name,  .  .  .  u. 
er  lasse  herrschen  seine  Königsherrschaft.  ...  —  Genau  so  liegt  die 
Sache  im  ? Alenugebet.  Nachdem  hier  die  Bitte  um  Heiligung  des  göttl. 
Namens  umgesetzt  ist  in  die  gleichbedeutende  um  V^erherrlichung  des 
großen  Gottesnamens:  „Der  Herrlichkeit  deines  großen  Namens  mögen 
sie  Ehre  geben",  fährt  das  Gebet  fort:  „Und  sie  mögen  auf  sich  nehmen 
das  Joch  deiner  Königsherrschaft  u.  du  mögest  über  sie  König  sein 
immer  u.  ewiglich."  Wir  erkennen  daraus,  wie  eng  für  das  jüdische 
Bewußtsein  der  Gedanke  an  die  Heiligkeit  u.  Herrlichkeit  Gottes  ver- 
knüpft war  mit  dem  Gedanken  an  Gottes  Herrschaft  in  der  Welt.  Die 
Heiligkeit  Gottes  beweist  sich  eben  darin,  daß  er  durch  Gericht  u.  Gnade 
sein  Königtum  auf  Erden  errichtet. 

Nichts  mit  der  2.  Bitte  des  Vaterunsers  hat  zu  schaffen  das  öfters  als  Parallele 
dazu  zitierte  Wort  B^rakh  4(1  b;  Rab  (t '^47)  hat  gesagt:  Eine  Benediktion,  in  der  sich 
keine  Erwähnung  des  göttl.  Namens  findet,  ist  keine  Benediktiou.  R  Jochanan  (f  279) 
hat  gesagt:  Eine  B.,  in  der  sich  nicht  die  (Erwähnung  der)  Gottesherrschaft  findet, 
ist  keine  B.  —  Der  Ausspruch  besagt  lediglich,  daß  eine  richtige  B.  den  Gottesnamen 
ü.  einen  Hinweis  auf  Gottes  Königtum  enthalten  müsse.  Dementsprechend  beginnen  ja 
auch  tatsächlich  die  Lobsprüche  meist  mit  der  offiziellen  Formel:  „Gepriesen  seist  du 
Jahve  (Adonai)  unser  Gott,  König  der  Welt."  —  Der  obige  Grundsatz  auch  Midr 
Ps  Iti  §8  (61b);  der  Ausspruch  des  R.  Jochanan  wird  pB'rakh  1),  12^',  3U  von  R.  Z''Eira 
(um  300)  u.  R  J'^huda  {f  29'.^)  im  Namen  Rabs  tradiert.  R.  Tanchuma  (um  38U)  führt 
als  Schriftbeweis  an:   ,Ich  will  dich  erheben,  mein  Gott,  als  den  König"  Ps  145,  1. 

6,  1033  (3.  Bitte):  Dein  Wille  geschehe  wie  im  Himmel  auch 
auf  Erden,  yerrj^r^TO}  rö  O^slrjfxä  aov  wc  sv  ovquvm  xal  sul  yfi?,  d.h. 
führe  deinen  Willen  auf  Erden  durch  u.  laß  die  Menschen  deinen  Willen 
anerkennen,  s.  oben  S.  408  — 410. 

Nur  ein  Anklang  an  die  3.  Bitte  liegt  in  dem  „kurzen  Gebet"  vor,  das  R.EIiEezer''um90) 
an  einer  Stätte  der  Gefahr  gesprochen  wissen  wollte:    jTu  deinen  Willen  im  Himmel 

27* 


420  Matth  6, 10  (ö).  6,11 

droben  h^'is'o  ü'>:vz  t:iu*^  n-ry  u.  gib  ein  ruhiges  Gemüh  denen,  die  dich  fürchten  auf 
Erden,  u.  was  gut  ist  in  deinen  Augen,  tue  -ts  -;■:-?:  avj--"  Tßerakh  8, 7('i);  B'^rakh"29b.  — 1| 
Die  '"i.  Benediktion  des  Sch'mone  cEsre  (babyl.  Rezens.):  „Bringe  uns  zurück,  unser  Vater, 
zu  deiner  Tora  u.  laß  uns  nahen,  unser  König,  zu  deinem  Dienst  u.  laß  uns  umkehren 
in  vollkommener  ~Buße  vor  dein  Angesicht",  kann  zur  3.  Bitte  des  Vaterunsers  nur 
dann  gestellt  werden,  wenn  man  zu  den  Worten:  „zu  deiner  Tora"  ergänzt:  „auf  daß 
wir  deinen  Willen  tun".  —  Das  Gebet  des  Rab  Saphra  Igegen  HOO)  B'^rakh  I6b  hat  mit 
unsrer  3.  Bitte  nur  die  Erwähnung  der  oberen  u.  der  unteren  Welt  gemein.  Er  sprach 
nach  dem  Achtzehngebet:  Es  möge  Wille  vor  dir  sein  (d.  h.  es  möge  dir  gefallen), 
Jahve  unser  Gott,  daß  du  Frieden  verleihest  in  der  oberen  Familie  (Engelwelt)  u.  in 
der  unteren  Familie  (Israel)  u.  unter  den  Schülern,  die  sich  mit  deiner  Tora  be- 
schäftigen um  ihretwillen  oder  nicht  um  ihretwillen;  betreffs  aller  aber,  die  sich  mit 
ihr  nicht  um  ihretwillen  beschäftigen,  möge  es  dein  Wille  sein,  daß  sie  sich  mit  ihr  be- 
schäftigen um  ihretwillen  (aus  lauterer  Absicht,  nicht  aus  selbstischen  Nebenzwecken).  — 
Auch  was  man  sonst  als  Parallelen  zur  8.  Bitte  beizubringen  pflegt,  hat  inhaltlich  mit 
dieser  nichts  zu  schaffen.  So  SanhHHb;  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Die  dritte  (Engel-) 
Abteilung  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  was  hat  es  den  i beiden)  ersten  Abteilungen, 
die  vor  dir  gesprochen  (u.  von  der  Erschaffung  des  Menschen  abgeraten)  haben,  ge- ' 
nützt?  Die  ganze  Welt  ist  dein;  alles,  was  du  in  deiner  Welt  tun  willst,  tu!  ||  SotaHQ": 
Was  sagt  der  Priester,  wenn  er  (beim  Schluß  des  Priestersegens)  sein  Angesicht  von 
der  Gemeinde  abwendet?  Rab  Chisda  4^091  führte  den  Mar  cUqba  (1.)  u.  trug  vor: 
(Der  Priester  sprach  bei  sich:)  Herr  der  Welt,  wir  haben  getan,  was  du  über  uns  be- 
stimmt hast;  tu  du  an  uns,  was  du  uns  verheißen  hast,  s. :  „Schau  aus  deiner  heiligen 
Wohnung  vom  Himmel  herab  u.  segne  dein  Volk  usw."  Dt  26,  1.5.  Ii  Aboth  2,  4:  (Rabban 
Gamliel  111.,  um  2  0)  pflegte  zu  sagen:  Tu  seinen  (Gottes)  Willen  wie  deinen  Willen, 
damit  er  deinen  Willen  wie  seinen  Willen  tue.  Laß  deinen  Willen  vor  seinem  Willen 
aufhören,  damit  er  den  Willen  andrer  vor  deinem  Willen  aufhören  lasse.  —  Eine  Bitte 
um  Ergebung  in  Gottes  Willen  ist  1  MakkH,  60:  "Jc  <f'ui'  fi  dä'Arjfia  ii>  ovqcww,  ovruig 
noiijnei,  „wie  es  aber  Wille  (beschlossen!  ist  im  Himmel,  so  tue  er!"  —  Keine  Bitte, 
sondern  Feststellung  einer  Tatsache  enthält  Psl:''5, 6:  „Alles,  was  Jahve  beliebt,  tut 
er  im  Himmel  u.  auf  Erden,  im  Meer  u.  allen  Tiefen." 

6,  11  (4.  Bitte):  Unser  nötiges  Brot  gib  uns  heute,  rov  agrov 
TjluMi'  TOI'  imovoiov  Sog  r]fih'  ar^ntgov.  —  s/iiuvaiog,  der  gesamten  Profan- 
gräzität  fremd,  nur  noch  Lk  1 1,3,  wohl  =  „was  zum  Dasein  gehört"; 
also  cigrog  imovaiog  „das  zum  Leben  notwendige  oder  zureichende  Brot". 

Zur  Deutung  von  intoiatog  hat  man  gern  auf  Spr  80,8  verwiesen:  „Armut  u.  Reich- 
tum gib  mir  nicht;  laß  mich  essen  mein  zugemessen  Brot"  -p,-  c-t.  —  LXX:  avvjniov 
ÖS  juoi  Tci  (isoftn  xai  in  nvT('<{)xij  „weise  mir  aber  das  Nötige  u.  das  Genügende  zu".  — 
Targ:  Speise  "mich  mit  Brot,  das  genug  für  mich  ist  tz-.  «•:-'•;  -rr.  Dem  ri-  „genug" 
entspricht  das  hehr.  '-,  constr.  •-.  |I  TB  rakh  3,  7  (H):  Was  ist  ein  kurzes  (an  Stätten 
der  Gefahr  zu  sprechendes'  Gebet?  .  .  .  Etliche  Schüler  des  R.  Me'ir  (um  150)  sagten: 
Die  Bedürfnisse  deines  Volkes  sind  zahlreich  u.  ihre  Einsicht  (sie  vor  dich  zu  bringen) 
ist  gering  (wörtlich:  kurz);  es  möge  Wille  vor  dir  sein,  Jahve  unser  Gott,  daß  du 
jedem  gebest  alle  seine  Bedürfnisse  -■s-'.i  -:  u.  j^dem  Körper,  was  für  seinen  Bedarf 
genügt  —---o  --.  —  Ebenso  pB  rakh  4,8^,22;  dagegen  istBrakh29b  ":-':i  ";:  er- 
setzt durch  -rc:-'E  --r:  daß  du  jedem  gebest  „nach  Maßgabe  seines  Unterhalts",  d.  h. 
soviel  wie  zu  seinem  U.  genügt  oder  nötig  ist.  —  Diese  Sachparallelen  sprechen  jeden- 
falls dafür,  daß  mit  aoioc;  smovaiof  das  für  den  Lebensunterhalt  genügende  Brot  ge- 
meint ist.  I  Man  kann  Ex  16,4  als  eine  alttest.  Auslegung  der  4.  Bitte  bezeichnen. 
Darum  mag  hier  die  älteste  Deutung  dieser  Stelle  folgen  Mekh  (ö5b):  „Das  Volk  soll 
hinausgehn  u.  den  Bedarf  eines  Tages  an  seinem  Tage  sammeln,  damit  ich  es  ver- 
suche,  ob  es  in  meiner  Weisung  wandeln  wird  oder  nicht"  (Ex  16,4).  R.  JehoschuaJ 


Matthö,  11.  12  421 

(um  90)  sagte:  Niemand  soll  heute  für  morgen  sammeln,  gleichwie  am  Rüsttag  auf 
Sabbat  für  den  Sabbat.  R.  Elaizar  aus  Modi'im  if  um  135)  sagte:  Das  für  jeden  Tag 
an  seinem  (d.  h.  an  ebendemselben)  Tag;  der,  welcher  den  Tag  schuf,  schuf  auch  seinen 
Unterhalt  ircj-r.  Auf  Grund  dieser  Stelle  hat  R.  Elcazar  aus  ModiEim  gesagt:  Wer  hat, 
was  er  heute  essen  kann,  u.  spricht:  Was  werde  ich  morgen  essen?,  der  ist  ein  Klein- 
gläubiger, wie  es  heißt:  .Damit  ich  es  versuche,  ob  es  in  meiner  Weisung  wandeln 
wird  oder  nicht."  —  Ebenfalls  alt  ist  die  Deutung  in  Joma  7H'^-  Seine  Schüler  fragten 
— ^en  R.  Schinicon  b.  Jochai  (um  150):  Warum  kam  den  Israeliten  das  Manna  nicht  auf 
Einmal  im  Jahre  herab?  Er  antwortete:  Ich  will  euch  ein  Gleichnis  sagen.  Womit 
läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  einen  Sohn  hatte; 
er  setzte  ihm  seine  Nahrungsmittel  auf  Einmal  im  Jahre  fest,  u.  der  Sohn  begrüßte 
(infolgedessen)  das  Angesicht  seines  Vaters  nur  Einmal  im  Jahre.  Da  machte  er  sich 
auf  u.  setzte  seine  Nahrungsmittel  an  jedem  Tage  fest;  darauf  begrüßte  er  das  An- 
gesicht seines  Vaters  täglich.  Auch  wenn  ein  Israelit  vier  oder  fünf  Kinder  hatte, 
sorgte  er  sich  u.  sprach:  Vielleicht  fällt  morgen  kein  Manna  herab  u.  dann  werden 
alle  vor  Hunger  sterben  müssen!  Da  ergab  sich,  daß  alle  ihr  Herz  auf  ihren  Vater 
im  Himmel  richteten.  (Gott  wollte  also  täglich  um  das  Manna  gebeten  sein,  darum 
ließ  er  nur  den  täglichen  Bedarf  niedergehen.)  |l  Im  Sehemone  cEs're  handelt  von  des 
Leibes  Nahrung  u.  Notdurft  die  9.  Benediktion  (Paläst.  Rezens.:)  Segne  für  uns,  Jahve 
unser  Gott,  dieses  Jahr  zum  Guten  mit  allen  Arten  seiner  Gewächse,  u.  bringe  eilends 
herbei  das  Jahr  des  Termins  unsrer  Erlösung,  u.  gib  Tau  u.  Regen  auf  den  Erdboden 
u.  sättige  die  Welt  aus  den  Schätzen  deiner  Güter  u.  gib  Segen  auf  das  Werk  unsier 
Hände.  Gepriesen  seist  du  Jahve,  der  die  Jahre  segnet!  |  Edmund  Friedemann,  Jüdische 
Moral  u.  christlicher  Staat,  1894,  S.  :!5  zitiert  als  jüdische  Quelle,  aus  der  die  4.  Bitte 
des  Vaterunsers  geflossen  sei,  Jom  tob  16:  „Gott  sei  gesegnet  jeglichen  Tag  für  das 
tägliche  Brot,  welches  er  uns  gibt."  —  Die  hier  angezogene  Stelle  lautet  daselbst 
16  '  Bar  wörtlich  so:  Von  Schammai,  dem  Alten  (um  :^0  v.  Chr.),  hat  man  gesagt:  Sein 
lebelang  pflegte  er  im  Hinblick  auf  die  Ehrung  des  Sabbats  zu  essen.  Fand  er  ein 
schönes  Stück  Vieh,  so  sagte  er:  Dies  für  den  Sabbat!  Fand  er  ein  andres,  das  noch 
schöner  als  jenes  war,  so  ließ  er  das  zweite  (das  noch  schönere)  für  den  Sabbat  u. 
aß  das  erste  (im  Lauf  der  Woche).  Aber  Hillel,  der  Alte  (um  20  v  Chr.),  befolgte  einen 
andren  Grundsatz,  weil  all  sein  Tun  um  Gottes  willen  geschah;  er  sagte:  Gepriesen 
sei  Jahve  Tag  für  Tag!  (so  konstruiert  der  Midr  Ps6'^, '20).  —  Der  Sinn  der  Stelle  ist, 
daß  Hillel  in  bezug  auf  Essen  u.  Trinken  kein  Tagewähler  war;  da  man  Gott  an  jedem 
Tage  preisen  könne,  so  verschmähte  er  auch  nicht  an  einem  Wochentag  ein  gutes 
Fleischgericht.  Daß  von  dieser  Praxis  Hillels  die  4.  Bitte  des  Vaterunsers  hergeleitet 
sei,  ist  nicht  einleuchtend. 

6,12  (5.  Bitte):  Vergib  uns  unsre  Schulden,  wie  auch  wir 
unsrenSchuldnern  vergebenhaben,  ccqjag  r^tv  zd  ocpsiXrj/jiaTa  r^ßöäv. 

Das  Achtzehngebet  enthält  die  Bitte  um  Vergebung  der  Sünden  an  6.  Stelle. 
Paläst.  Rezens.:  Vergib  uns  ^.:"'5  -';o,  unser  Vater,  denn  wir  haben  gegen  dich  gesündigt; 
tilge  u.  entferne  unsre  Verfehlungen  n:-;s;s  "2vr^n  r\r,^  vor  deinen  Augen  weg,  denn 
deine  Barmherzigkeit  ist  groß.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der  viel  vergibt  ~^''zh  r^^~^_-  \  — 
Babyl.  Rezens.:  Vergib  uns  nj—n"';:,  unser  Vater,  denn  wir  haben  gesündigt;  verzeihe 
uns  n3-:-'5rT':,  unser  König,  denn  wir  haben  gefehlt,  denn  ein  Verzeihender  u.  Vergebender 
n^'ici  ^ri~  bist  du.  Gepriesen  seist  du.  Jahve,  Gnädiger,  der  viel  vergibt!  —  Im  Neujahrs- 
gebet Abinu  Malkenu,  dessen  Anfang  R. 'Aqiba  (f  um  185)  Tacan^öb  betet,  spricht 
man:  Unser  Vater,  unser  König,  vergib  u.  verzeihe  alle  unsre  Schulden  ^555  ''5->2ri  n'50 
ns-r-jS!-,  tilge  u.  entferne  unsre  Verfehlungen  vor  deinen  Augen  weg  (wie  im  Achtzehn- 
gebet). . . .  Unser  Vater,  unser  König,  streiche  aus  p--'?  nach  deiner  großen  Barmherzig- 
keit alle  unsre  Schuldbriefe  nrria'fr!  ■>--j^r;-Vt.  —  Auch  das  Habinenugebet  Schemuels 
(t  254)  enthält  die  kurze  Bitte  ^zh  nvo  „vergib  uns".  Weitere  Gebete  um  Vergebung 
der  Sünden  s.  bei  Mt  ;i.  6  5Ö  S.  1  is'f. 


422  Matth  6,  12.  13  (51.  S8) 

(og  xal  TifisTg  aqijxafisr  roTq  otpeiXäTaig  rpLon\ 

Sir  28,2:  Vergib  das  Unrecht  deinem  Nächsten,  u.  dann  werden,  wenn  du  bittest, 
deine  Sünden  erlassen  werden  «qcf?  fiö'lxTjf^a  tw  n'/Tjaloy  aov,  xrd  töis  detj^^eriog  aov 
ai  cc^nQxica  aov  '/.tifiijaoyzai.  —  Rabbinische  Parallelen  s.  bei  Mt6, 14f. 

6, 13  5(  (6,  Bitte):  Führe  uns  nicht  in  Versuchung,  xal  firj  sia- 
eveyxrjg  r]f.iöcg  6ig  nfioacfiov. 

In  einem  Abendgebet  Berakh  60b  heißt  es:  Bringe  mich  nicht  in  die  Gewalt  der 
Sünde  u.  nicht  in  die  Gewalt  der  Schuld  u.  nicht  in  die  Gewalt  der  Versuchung  "ss 
•)--i2  '-'-'i  -5N-;r  u.  nicht  in  die  Gewalt  der  Verachtung;  es  möge  in  mir  der  gute  Trieb 
herrschen  u.  nicht  möge  in  mir  der  böse  Trieb  herrschen.  —  Wenige  Zeilen  weiter  fast 
dieselben  Worte  in  einem  IVIorgengebet.  ||  Sanh  107-':  Rab  Jehuda  (f  299)  hat  gesagt, 
Rab  (t  247)  habe  gesagt:  Nie  bringe  der  Mensch  sich  selbst  in  die  Gewalt  der  Ver- 
suchung T'c:  "■'•'  "^'-i"  c"s  N-3'  ^n;  denn  siehe,  David,  der  König  Israels,  brachte 
sich  selbst  in  die  Gewalt  der  V.  u.  kam  dabei  zu  Fall.  Er  sprach  vor  Gott:  Herr  der 
Welt,  warum  sagt  man:  ,Gott  Abrahams,  Gott  Isaaks,  Gott  Jakobs",  nicht  „Gott 
Davids"^  V  Er  antwortete:  Jene  sind  von  mir  versucht  (erprobt)  worden,  du  aber  bist 
von  mir  (noch)  nicht  versucht  worden.  David  sprach  vor  ihm:  Herr  der  Welt,  prüfe 
mich  u.  versuche  mich  (Ps26, 2).  Gott  sprach:  Ich  werde  dich  versuchen,  u.  zwar 
will  ich  bei  dir  etwas  Besonderes  tun;  denn  während  ich  es  jenen  nicht  kundgetan 
habe,  will  ich  es  dir  kundtun,  nämlich  daß  ich  dich  mit  einer  ünzuchtssünde  ver- 
suchen werde.  (Es  folgt  der  Vorfall  mit  der  Bathseba.)  —  Ferner  s.  ExR  ol  bei  Jak  1,2; 
M^n  99"^  bei  Jak  1,  lo;  GnR  82  bei  1  Kor  10.  13  u.  die  Stellen  bei  Mt  4, 1. 

6, 13  23  (7.  Bitte):  Sondern  errette  uns  von  dem  Bösen  (Übel), 
aXXd  Qvaai  r^fiäg  and  tov  norrjQov.  —  Ob  rov  novrjQov  maskulinisch 
oder  neutrisch  gemeint  ist,  wird  sich  kaum  entscheiden  lassen;  man 
wird  an  alles  zu  denken  haben,  was  böse  ist  u.  böse  heißt. 

Im  Achtzehngebet  erbittet  Satz  7  die  Erlösung  von  allem  Elend.  Paläst.  Rezens.: 
Sieh  unser  Elend  an  """^z.  -s-  u.  führe  unsre  Sache  u.  erlöse  uns  um  deines  Namens 
willen.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  Erlöser  Israels.  —  Babyl.  Rezens.:  Sieh  unser  Elend 
an  u.  führe  unsre  Suche  u.  erlöse  uns  eilends  um  deines  Namens  willen;  denn  ein 
starker  Erlöser  bist  du.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  Erlöser  Israels,  jl  B^rakh  16'^:  Rabbi 
sprach  nach  seinem  Gebet  (d.  h.  nach  dem  Achtzehngebet)  also:  Es  sei  Wille  vor  dir, 
Jahve  unser  Gott  u.  Gott  unsrer  Väter,  daß  du  uns  errettest  '.z\-^rv  von  den  Frechen 
u.  von  der  Frechheit,  von  einem  bösen  Menschen  'J^  a-sio  u.  von  einem  bösen  Be- 
gegnis  'J''  Vit^',  vom  bösen  Triebe  y  '^.r.'s,  von  einem  bösen  Genossen  y^  -an';,  von 
einem  bösen  Nachbar  y  i^-cs  u.  von  dem  Satan,  dem  Verderber,  u.  von  einem  harten 
Gericht  u.  von  einem  harten  Gegner  im  Gericht,  es  sei  ein  Sohn  des  Bundes  (=  Israelit) 
oder  kein  Sohn  des  Bundes  (=  Nichtisraelit).  |l  In  dem  bereits  bei  der  6.  Bitte  erwähnten 
Morgengebet  (B'rakh  HO '^)  heißt  es  weiter:  Errette  mich  -]-5-::r  von  einem  bösen  Be- 
gey;nis  u.  von  bösen  Leiden,  u.  nicht  mögen  mich  schrecken  böse  Träume  noch  böse 
Gedanken. .  . .  ||  B'^rakh  17'*:  Mar  bar  Rabina  (um  370)  sprach  nach  seinem  Gebete  also: 
Mein  Gott  bewahre  meine  Zunge  vor  Bösem  u.  meine  Lippen,  daß  sie  nicht  Trug 
reden.  .  .  .  Errette  mich  -z-.'-^r  von  einem  bösen  Begegnis,  vom  bösen  Triebe  u.  von 
einem  bösen  Weibe  u.  von  allem  Bösen  (Schlimmen)  ny  ""jd^,  das  tobend  heraufzieht, 
in  die  Welt  zu  kommen.  Bei  allen  aber,  die  wider  mich  Böses  ~v^  sinnen,  vereitle  eilends 
ihren  Rat  u.  mache  zuschanden  ihre  Gedanken.  .  .  . 

Diese  Stellen  zeigen,  wie  mannigfacher  Art  das  „Böse*  sein  konnte,  an  das  ein 
jüdischer  Hörer  bei  der  7.  Bitte  etwa  denken  mochte.  Auch  den  Satan  rechnet  Rabbi 
zu  dem  „Bösen",  vor  dem  er  bewaiirt  zu  bleiben  wünscht.  Doch  ist  uns  keine  Stelle 
zur  Hand,  in  der  der  Satan  >"•:-,  aram.  mc-2,  ,der  Böse"  schlechthin  genannt  würde, 
wie  er  im  NT  (Mt  13,  19;  1  Joh  2, 13.  14;  3, 12;  5,  18;  Eph  6, 16)  absolut  J  noi'7]Q6<;  heißt. 


■     Matth  6, 13  (93.  6  1)  423 

Damit  soll  aber  durchaus  nicht  gesagt  sein,  daß  nicht  auch  ein  jüdisches  Ohr  unter 
dem  y-  den  Satan  hätte  verstehn  können.  Chag  16'^  heißt  es:  R.  J  huda  b.  Nachman 
(um  2'-'0),  der  Dolmetsch  des  Resch  Laqisch  (um  "250),  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was 
bedeutet  Micha  7.  ■'>:  „Glaubet  nicht  dem  ji  (=  v-  Genosse)  u.  verlaßt  euch  nicht  auf 
den  Vertrauten"?  Wenn  der  böse  Trieb  y —  ^ii"  zu  dir  sagt:  , Sündige  u.  Gott  wird 
vergeben!"  so  glaube  es  nicht,  wie  es  heißt:  , Glaube  (so  jetzt  der  Midr)  nicht  dem 
S-",  u.  V-  (=  :-  böse)  ist  der  böse  Trieb,  s.:  „Das  Gebilde  -::■  des  Herzens  des  Menschen 
ist  böse  !•-  von  seiner  Jugend  an"  GnS,21,  u.  mit  dem  „Vertrauten"  ist  Gott  gemeint, 
s. :  „Der  Vertraute  meiner  Jugend  bist  du"  Jer'^, 4.  —  Nimmt  man  zu  dieser  Aus- 
führung den  Kanon  des  Resch  Laqisch  BB  !6''  hinzu:  „Der  Satan,  der  böse  Trieb  u. 
der  Todesengel  sind  identisch",  so  leuchtet  von  selbst  ein,  wie  ungezwungen  jüdisches 
Denken  unter  „dem  Bösen"  auch  den  Teufel  verstehn  konnte.  Dazu  kommt,  daß 
Sammael,  der  Eigenname  des  Satans,  ungemein  häufig  das  Epitheton  der  „Bösewicht" 
yr;  zur  Seite  hat;  Beispiele  s.  DtR  11  C^iO? '=•")• 

6,  13  6  (Schlußdoxologie):  Denn  dein  ist  das  Reich  u.  die 
Kraft  u.  die   Herrlichkeit  in   Ewigkeit.    Amen! 

1.  Die  doxologische  Verwendung  der  „Gottesherrschaft"  p^iD^ri  war 
bereits  zur  Zeit  des  Tempelbestandes  üblich. 

Joma  6.  2:  Der  Hohepriester  trat  an  den  Bock  heran,  der  (in  die  Wüste)  fort- 
geschickt wurde,  stützte  seine  beiden  Hände  auf  ihn  u.  legte  das  Sündenbekenntnis 
ab;  u.  so  sprach  er:  Ach  Gott,  sie  haben  gefehlt,  gefrevelt  u.  gesündigt  vor  dir,  dein 
Volk,  das  Haus  Israel;  ach  Gott  decke  doch  zu  (schaffe  doch  Sühnung  für)  die  Ver- 
fehlungen, Frevel  u.  Sünden,  die  sie  gefehlt,  gefrevelt  u.  gesündigt  haben  vor  dir,  dein 
Volk,  das  Haus  Israel,  wie  geschrieben  steht  in  der  Tora  Moses,  deines  Knechtes: 
„Denn  an  diesem  Tage  wird  man  für  euch  Sühnung  schaffen,  um  euch  zu  reinigen; 
von  allen  euren  Sünden  sollt  ihr  vor  Jahve  rein  sein"  Lv  16,  30.  Die  Priester  aber 
Tl.  das  Volk,  die  im  Vorhof  standen,  wenn  sie  den  deutlich  ausgesprochenen  Jahve- 
namen,  Schem  ha-mephorasch,  hörten,  wie  er  aus  dem  Munde  des  Hohenpriesters  kam, 
beugten  ihre  Knie  u.  warfen  sich  nieder  u.  fielen  auf  ihr  Angesicht  u.  sprachen:  Ge- 
priesen sei  der  Name  seines  herrlichen  Reiches  immer  u.  ewig!  |1  pB^rakh  !>,  14*',  10 
Bar:  Im  Heiligtum  hat  man  nicht  „Amen!"  geantwortet.  Was  hat  man  geantwortet? 
„Gepriesen  sei  der  Name  seines  herrlichen  Reiches  immer  u.  ewig!"  Woher,  daß  man 
im  H.  nicht  „Amen!"  geantwortet  hat?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Auf,  preiset  euren 
Gott  usw."  Neh  9,  5  (ohne  Amen!).  Woher,  daß  man  so  bei  jeder  Benediktion  (im 
Tempel)  gesprochen  hat?  Die  Schrift  sagt  lehrend  (das.):  „Der  zu  erheben  ist  bei 
jedem  Preis  u.  Lob"  (so  der  Midr).  —  Parailelsteilen:  TsiEan  16^;  Berakh6;-)'';  Sota40t>.  || 
Auch  bei  der  Schemac-Rezitation  fand  dieser  Lobspruch  unmittelbar  nach  dem  ersten 
Satz  Dt  6,  4  Verwendung,  u.  zwar  wurde  er  hier  anfänglich  im  Flüsterton  gesprochen; 
die  Tradition  hat  den  Lobspruch  auf  den  Erzvater  Jakob  zurückgefülirt.  Hierüber  be- 
richtet SDt  6,  4  ^5  81  (72b),  daß  Jakob  vor  seinem  Tode  der  Besorgnis  Ausdruck  ge- 
geben habe,  seine  Söhne  möcliten  geteilte  Meinungen  über  Gott  hegen.  Die  Söhne 
beruhigten  den  Vater  mit  dem  Bekenntnis  Dt  ri,  4 :  „Jahve  unser  Gott  ist  Ein  Jahve!" 
Darauf  habe  Jakob  gesprochen:  „Gepriesen  sei  der  Name  seines  herrlichen  Reiches 
immer  u.  ewiglich!"  —  Parallelen:  GnR  98  (61');  DtR  2  (199<=);  PesöO'';  TanchB 
--"  tj  9  (K'9'');  vgl.  TargJerusch  !  Dt  (i,  4.  —  Aus  Pes  ^6^  vgl.  noch:  Die  Rabbinen 
sagten:  Wie  sollen  wir  es  machen?  Sagen  wir  jenen  Lobspruch  (nach  Dt  6,  4),  so 
hat  Mose,  unser  Lehrer,  ihn  nicht  befohlen  (die  Worte  stehen  nicht  Dt  6,  4);  sagen 
wir  ihn  aber  nicht,  so  hat  Jakob  ihn  gesagt.  Da  ordneten  sie  an,  daß  man  ihn  leise 
_  sagen  solle.  .  .  .  R.  Abbahu  (um  8u0)  hat  gesagt:  Man  hat  (später)  angeordnet,  daß 
man  jenen  Lobspruch  (nach  Dt  »i,  4)  mit  erhobener  Stimme  sagen  solle  wegen  der 
liblen  Nachrede  der  Minim  (Christen?);  aber  in  Neharde'a  (in  Babylonien),  wo  es  keine 
Minim  gibt,  sagt  man  ihn  bis  heute  noch  leise,  i  Die  Worte:  „Denn  dein  ist  das  Reich" 
««n  -{V;o  r:2'5i2n  ^3  leiten  auch  den  Schluß  des  cAlenugebetes  ein. 


424  Matth  6, 13  (6  2—4).  6, 14  f. 

2.  Reich  nzib-o-o,  Kraft  n-iias,  Herrlichkeit  nbi5  (r^xsr)  s.  1  Chr  29, 11. 

Beiakh  5Sa:  (Rab  Schela.  um  220,  war  wegen  eigenmächtigen  Strafens  vor  die 
heidnische  Obrigkeit  gefordert.)  Während  die  Richter  die  Sache  prüften,  hob  Rab  Schela 
an:  Dein,  o  Jahve,  ist  die  Größe  u.  die  Kraft  u.  die  Herrlichkeit  usw.  1  Chr  29,  11. 
Sie  sprachen  zu  ihm:  Was  hast  du  da  gesagt?  Er  antwortete:  So  habe  ich  gesagt: 
Gepriesen  sei  der  Barmherzige,  der  Herrschaft  auf  Erden  verleiht  entsprechend  der 
Herrschaft  im  Himmel,  u.  er  hat  euch  Macht  verliehen  u.  Barmherzigkeit  im  Gericht. 
Sie  sprachen :  Diesem  ist  die  Ehre  der  Regierung  gar  lieb.  Sie  gaben  ihm  einen  Stab 
u.  sprachen:  Richte  du!  Als  er  herauskam  ....  sprach  er:  Weil  mir  durch  diese  Schrift- 
stelle (1  Chr  29,  11)  ein  Wunder  geschehen  ist,  will  ich  sie  erklären.  „Dein,  Jahve, 
ist  die  Größe",  n'",-;-,  das  bezieht  sich  auf  das  Schöpfungswerk,  s.:  „Der  Großes 
schafft,  nicht  zu  ergründen,  u.  Wunderbares,  nicht  zu  zählen"  Hi  9,  10.  „Und  die  Kraft", 
r.-^-z:n,  das  bezieht  sich  auf  den  Aufzug  aus  Ägypten,  s. :  „Israel  sah  die  große  Hand 
(=  Kraft),  welche  Jahve  gegen  Ägypten  erwiesen  hatte"  Ex  14,  31.  „Und  die  Herrlich- 
keit", r^ssrn,  das  bezieht  sich  auf  die  Sonne  u.  den  Mond,  die  vor  Josua  stillstanden, 
Jos  10,  13.  „Und  der  Sieg"  (so  deutet  der  Midr  n:::),  das  geht  auf  den  Fall  der  frevle- 
rischen Stadt  (=  Rom),  s.:  „So  trat  ich  sie  (die  Kelter  Edoms  =  Roms)  in  meinem  Zorn 
...  u.  es  spritzte  ihr  Saft  cn:;]  auf  meine  Kleider"  Jes  03,  3.  „Und  die  Majestät",  -^nn, 
das  bezieht  sich  auf  den  Kampf  an  den  Arnonbächen,  s.  Nu  21,  14.  „Denn  alles  im 
Himmel  u.  auf  Erden",  das  bezieht  sich  auf  den  Kampf  mit  Sis'^ra,  s.  Ri  5.  20.  „Dein, 
Jahve,  ist  die  Herrschaft",  ni-^i^sTT,  das  bezieht  sich  auf  den  Krieg  mit  (Amaleq,  s.: 
„Wahrlich,  die  Hand  zum  Throne  Jahs,  Krieg  hat  Jahve  gegen  'Amaleq  von  Geschlecht 
zu  Geschlecht"  Ex  17,  16.  „Und  das  Sicherheben",  s-:r-:r,  das  bezieht  sich  auf  den 
Krieg  mit  Gog  u.  Magog,  s.  Ez  39,  1.  .  .  .  In  einer  Bar  ist  im  Namen  des  R. 'Aqiba 
(t  um  135)  gelehrt  worden:  „Dein,  Jahve,  ist  die  Größe",  das  bezieht  sich  auf  die 
Spaltung  des  Schilfmeeres,  „und  die  Kraft"  auf  die  Tötung  der  Erstgeburt,  „und  die 
Herrlichkeit"  auf  die  Gesetzgebung,  „und  der  Glanz",  r.:^:,  auf  Jerusalem,  „und  die 
Majestät"  auf  das  Heiligtum.  ||  NuR  18  (183*^1:  Mose  sprach  zu  den  Anhängern  Qorachs: 
Wenn  mein  Bruder  Ahron  sich  selbst  das  Hohepriestertum  angeeignet  hätte,  so  tätet 
ihr  recht  daran,  wenn  ihr  euch  gegen  ihn  auflehntet;  nun  aber  hat  es  ihm  Gott  ver- 
liehen, dessen  die  Größe  u.  die  Kraft  u.  die  Herrschaft  n^r'^Jan  ist;  wer  also  gegen 
Ahron  steht,  steht  der  nicht  wider  Gott? 

3.  eig  tovg  amiag.  B^rakh  9,  5:  Alle,  die  die  Lobsprüche  im  Tempel 
schlössen,  sprachen:  „Von  Ewigkeit."  Als  aber  die  Freidenker  ent- 
arteten u.  sprachen :  Es  gibt  nur  Eine  Welt  (die  gegenwärtige,  aber  keine 
zukünftige),  setzte  man  fest,  daß  man  sprechen  sollte  (am  Ende  eines 
Lobspruches):  „Von  Ewigkeit  zu  Ewigkeit"  (von  einer  Welt  zur  andren). 

4.  änr^v.  —  Über  die  verschiedenen  Bedeutungen  des  „Amenl", 
ferner  über  das  „Amen!"  am  Schluß  der  Gebete  s.  bei  Mt5,  18;  über 
die  Beantwortung  der  Benediktionen  im  Synagogengottesdienst  (nicht 
im  Tempelgottesdienst,  vgl.  oben  Nr.  1  S.  423)  seitens  der  Gemeinde 
mit  „Amen!"   s.  bei  1  Kor  14,  16. 

6,  14  f.:  Denn  wenn  ihr  den  Menschen  ihre  Fehler  vergebet, 
wird  auch  euch  euer  himmlischer  Vater  vergeben  usw. 
Sir  28,  1  flf.:  Wer  sich  rächt,  wird  Rache  vom  Herrn  erfahren,  u.  seine  Sünden  wird 
er  ihm  fest  u.  sicher  anrechnen.  Erlaß  das  (dir  angetane)  Unrecht  deinem  Nächsten, 
u.  alsdann  werden,  wenn  du  darum  bittest,  deine  Sünden  vergeben  werden.  Es  hält 
ein  Mensch  gegen  einen  (andren)  Menschen  den  Zorn  fest  u.  will  vom  Herrn  Heilung 
(Vergebung)  fordern?  Mit  dem  Menschen,  der  ihm  (doch)  gleich  ist,  hat  er  kein  ^Mitleid, 


Matth  6,  14  f.  425 

u.  für  seine  eigenen  Sünden  bittet  er?  Er  selbst,  der  doch  Fleisch  ist,  hält  den  Groll 
fest,  wer  soll  da  seine  Sünden  sühnen?  ||  BQ  8,7:  Auch  wenn  der  Verletzende  dem 
Verletzten  das  Sühnegeld  gegeben  hat,  so  wird  ihm  doch  nicht  vergeben  ivon  Gott),^ 
bis  er  es  dem  Verletzten  abgebeten  hat;  vgl.:  „Und  nun  jiib  das  Weib  des  Manne» 
zurück  .  .  .  u.  er  möge  für  dich  beten,  so  wirst  du  leben"  Gn  20,  7.  Und  woher,  da& 
der  Verletzte,  wenn  er  jenem  nicht  verzeiht,  ein  grausamer  (hartherziger)  Mensch  ist? 
Siehe  das.  Vers  17:  ,ünd  Abraham  betete  zu  Gott  u.  Gott  heilte  Abimelekh."  — Diese 
Mischna  hat  folgende  Deutungen  gefunden.  TBQ  J»,  29  f.  (865  f.):  Wenn  einer  einen 
andren  verletzt  hat,  so  muß  der  Verletzte,  auch  wenn  der  Verletzer  ihm  nicht  Abbitte 
geleistet  hat, 'gleichwohl  für  diesen  um  Erbarmen  bitten,  s.  Gn  20,  17  u.  Hi  42,  8.  10. 
R.  Jehuda  (um  15u)  hat  im  Namen  des  Rabban  Gamliel  (II.,  um  90)  gesagt:  Siehe,  es- 
heißt:  , Er  (Gott)  schenkt  dir  Erbarmen  (gegen  andre),  um  sich  deiner  zu  erbarmen*^ 
Dt  l3,  18  (so  der  Midr).  Das  sei  ein  Zeichen  in  deiner  Hand:  Sooft  du  barmherzig^ 
bist  (indem  du  deinem  Nächsten  vergibst),  erbarmt  sich  der  Allbarmherzige  deiner 
(indem  er  dir  vergibt).  —  In  SDt  13,  18  §9(3  (93b  i  nur  der  Ausspruch  G.s:  Sooft  du 
dich  über  die  Menschen  erbarmst,  erbarmt  man  (—  Gott)  sich  über  dich  vom  Himmel.  — 
Derselbe  Ausspruch  mit  Hiuzufügung  des  entsprechenden  negativen  Satzes  pBQH,  6  ,  19r 
Wenn  du  barmherzig  bist  (u.  vergibst),  erbarmt  sich  Gott  über  dii-h;  erbarmst  du  dich 
nicht,  so  erbarmt  sich  Gott  deiner  nicht.  —  Schab  151  b:  Wer  sich  über  die  Menschen 
^erbaimt,  über  den  erbarmt  man  sich  vom  Himmel;  wer  sich  nicht  über  die  Menschen  er- 
barmt, über  den  erbarmt  man  sich  nicht  vom  Himmel.  —  TanchB  s^--  §30  (52a)  u.  pesjqR 
88(l<)4bj  ist  der  Ausspruch  G.s  dem  R.Jose,  dem  Sohn  der  Damaszenerin,  um  130,  bei- 
gelegt, u.  zwar  in  Anlehnung  an  .Joma8, 9.  Die  Pesiqthastelle  lautet:  Es  lehre  uns 
unser  Lehrer:  Wenn  Streit  zwischen  einem  Menschen  u.  seinem  Nächsten  herrscht, 
wie  wird  ihm  (dem  Schuldigen)  Sühnung  am  Versöhnungstage?  So  haben  uns  unsre- 
Lehrer  gelehrt:  Übertretungen  des  Menschen  gegen  Gott  sühnt  der  Versöhnungstag; 
Übertretungen  eines  Menschen  gegen  einen  andren  sühnt  der  V.  nicht  eher,  als  bis 
der  Schuldige  seinen  Nächsten  ausgesöhnt  hat.  Und  wenn  er  hingeht,  um  ihn  zu  vef- 
söhnen,  u.  dieser  dimmt  die  Versöhnung  nicht  an,  was  soll  dann  jener  tun?  R.  Schemuel 
b.  Nachman  um  2(i0)  hat  gesagt:  Er  schaffe  10  Männer  herbei  u.  stelle  sie  in  eine 
Reihe  u.  spreche  vor  ihnen:  Streit  ist  zwischen  mir  u.  dem  u.  dem  gewesen;  ich  wollte 
ihn  versöhnen,  aber  er  hat  es  nicht  angenommen,  sondern  siehe,  er  bleibt  bei  seiner 
Weigerung,  während  ich  mich  vor  ihm  gedemütigt  habe.  Woher,  daß  er  also  sprechen 
soll?  Siehe  Hi  33,  27.  Wenn  dann  Gott  sieht,  daß  er  sich  selbst  gedemütigt  hat,  sO' 
vergibt  er  ihm  seine  Sünden.  Denn  solange  der  Mensch  in  seiner  Vermessenheit  ver- 
harrt, wird  ihm  nicht  vergeben  (folgt  als  Beleg  Hinweis  auf  Hiob  u  seine  Freunde 
Hi  30,  1;  15,  10;  42,  lOi.  Und  ebenso  heißt  es:  ,Er  gibt  dir  Erbarmen  (in  dein  Herz 
gegen  andre),  damit  er  sich  deiner  erbarme"  Dt  13,  18.  R.  Jose,  der  Sohn  der  Damas- 
zenerin, hat  gesagt:  Dies  Zeichen  sei  in  deiner  Hand:  Wenn  du  dich  über  deinen 
Nächsten  erbarmst  (ihm  zu  vergeben),  so  erbarmt  sich  Gott  über  dich.  —  Der  letzte 
Satz  in  TanchB  wiederum  niit  seiner  negativen  Ergänzung.  ||  RH  17»:  Raba  (f  352) 
hat  gesagt:  Wer  nachsichtig  (gegen  andre i  ist,  dem  vergibt  man  alle  seine  Verfehlungen^ 
s.:  .Wer  ist  ein  Gott  wie  du,  der  Schuld  vergibt  u.  über  Sünde  hinweggeht!"  Micha  7,  18. 
Wem  vergibt  er  Schuld?  Demjenigen,  der  über  die  Sünde  (andrer)  hinwegsieht.  — 
Dasselbe  Joma23a;  Mog  28».  |l  RH  17b:  Belurja,  die  Proselytin,  fragte  den  Rabbao 
Gamliel  (um  90):  In  eurer  Tora  steht  geschrieben  Dt  10,  17:  ,Gott  nimmt  auf  nie- 
mand Rücksicht"  u.  Nu  6,  2H:  „Er  nehme  auf  dich  Rücksicht"  (so  der  Midr).  Es  be- 
faßte sich  R.  Jose,  der  Priester  (um  100)  mit  ihr  u.  sprach:  Ich  will  dir  ein  Gleichnis- 
sagen. Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  Menschen,  der  einem  andren 
eine  Mine  lieh,  u.  dieser  bestimmte  den  Termin  (der  Rückzahlung)  vor  dem  König  u. 
schwur  ihm  beim  Leben  des  Königs  (die  genaue  Innehaltung  der  gesetzten  Frist  zu). 
Als  die  Zeit  herangekommen  war  u.  er  die  Zahlung  nicht  leistete,  ging  er,  um  den 
König  zu  begütigen.  Dieser  sprach :  Der  mir  zugefügte  Schimpf  ist  dir  vergeben,  geh 
u.  begütige  deinen  Nächsten.    Ebenso  handelt  es  sich  an  der  einen  Stelle  (Nu  0)  un» 


426  Matth  6,  16.  17  («H  1) 

Sünden   des  Menschen   gegen   Gott  u.  in   dem   andren  Fall  (Dt  10)  um  Sünden   des 
Menschen  gegen  seinen  Nächsten.  ||  Weitere  Stellen  bei  Mt  18,  21. 

6, 16:  Sooft  ihr  fastet,  sollt  ihr  nicht  wie  die  Heuchler  mürrisch 
werden;  denn  sie  machen  ihre  Angesichter  unansehnlich,  da- 
mit sie  den  Leuten  als  Fastende  erscheinen. 

vr^aTsvnv  fasten  =  n>i:j,  ~|"rri,  häufig  umschrieben  durch  rirrra  ^c-;, 
aram.  xr-^rrnz  n^ri  =  in  einem  Fasten  sitzen.  —  Das  Fasten  =  n*'^, 
Plar.  r-i^'ls,  aram.  N^i:i;  r-'r^in,  Plur.  t^^i-jt},  aram.  Nr"^;?n. 

axvi}Qoyn6g  (aus  axvÖ^Qug  =  unwillig  u.  o)Ui  =  Angesicht)  , finster 
oder  mürrisch  aussehend".  Test  Sim  4:  Mein  Vater  befragte  mich  über 
mich,  weil  er  sah,  daß  ich  mürrisch  war,  ort  io^ga  /uis  gxv^qwtiÖv,  u.  ich 
sagte:  Ich  leide  an  meiner  Lpber.  ||  Man  machte  das  Gesicht  unansehn- 
lich durch  Unterlassen  des  Waschens  u.  Salbens,  durch  Bestreuen  des 
Kopfes  mit  Asche  usw.  jj  Vom  rechten  Fasten  heißt  es  Test  Jos  3:  Die 
um  Gottes  willen  Fastenden  empfangen  Anmut  des  Angesichts. 

Vgl.  den  Exkurs  über  das  Fasten,  bes.  Nr.  3.  6.  8. 

6,17  21:  Du  aber  fastend  salbe  deinen  Kopf. 

aXsixpai  aov  rrp'  xecpaXr^v. 

1.  Das  Salben  -^lo  (Subst.  n:"^ö)  diente  in  erster  Linie  der  Körper- 
pflege u.  damit  dem  menschlichen  Wohlbefinden,  so  daß  man  von  einem 
„Salben  zum  Vergnügen"  5*i:rn  hx:i  nz't:  sprach.  Deshalb  verbot  man  es 
für  Trauer-  u.  Fasttage.  Umgekehrt  sagt  Jesus  dem  Fastenden:  „Salbe 
<iein  Haupt",  um  das  Fasten  als  Ausdruck  der  innerlichen  Beugung 
des  Menschen  vor  Gott  von  jedem  äußern  Schein  freizuhalten. 

pSchab  0,  12 ^  5(i  Bar:  Am  Sabbat  ist  sowohl  das  Salben,  das  zum  Vergnügen  ge- 
schieht, als  auch  dasjenige,  das  nicht  zum  V.  geschieht,  erlaubt.  Am  Versöhnungstage 
ist  beides  verboten.  Am  9.  Ab  (Trauertag  über  die  Zerstörung  Jerusalems)  u.  bei  einem 
■Gemeindefasten  ist  das  Salben  zum  Vergnügen  verboten.  —  Dasselbe  pMSch  ■-',  58'',  27; 
pJomaS,  44 '^  28;  pTafan  1,  H4^,  42.  —  Was  mit  dem  Salben,  das  nicht  zum  Vergnügen 
geschieht,  gemeint  ist,  zeigt  Joma  77''  Bar:  Ks  ist  verboten  (am  Versöhnungstag)  einen 
Teil  des  Körpers  zu  salben,  wie  den  ganzen  Körper.  Wenn  aber  jemand  krank  ist  oder 
Ausschlag  an  seinem  Kopf  hat,  so  daif  er  sich  wie  gewöhnlich  salben,  ohne  sich  des- 
wegen Sorge  zu  machen.  Ferner  s.  Ta?an  1 , 3 — 7  im  Exkurs  über  das  Fasten  Nr.  '4.  — 
Joma  8, 1 :  Am  Versöhnungstag  ist  verboten  das  Essen,  das  Trinken,  das  Waschen,  das 
Salben,  das  Anlegen  der  Sandalen  u.  der  Beischlaf.  II  MQ  Ib^:  Dem  Triiuernden  ist  das 
Waschen  verboten,  vgl.:  , Stelle  dich  als  Trauernde  .  .  .  u.  salbe  dich  nicht  mit  Ol" 
2  Sm  14,2,  u.  das  Waschen  ist  im  Salben  mitenthalten  (d.  h.  also,  dals  dem  Trauernden 
das  Waschen  ebenso  verboten  ist  wie  das  Salben).  —  MQ2l''Bar:  Folgendes  ist  dem 
Trauernden  verboten :  die  Arbeit,  das  Waschen,  das  Salben,  der  Beischlaf  u.  das  x\n- 
legen  der  Sandalen;  ferner  ist  ihm  verboten,  in  der  Tora,  den  N*^bi5im  u.  den  K^'thubim 
zu  lesen  u.  in  der  Mischna,  dem  Midrasch,  den  Halakhoth,  dem  Talmud  u.  den  Aggadüth 
(den  nichthalakhischen  Schriftauslegungen)  zu  studieren;  wenn  aber  die  Menge  seiner 
bedarf,  wird  er  nicht  daran  gehindert. 

Man  salbte  sowohl  den  ganzen  Körper,  meist  nach  vorangegangenem 
Bade,a  als  auch  einzelne  seiner  Teile,  wie  Kopf,b  Füßec  u.  Hände. d 
Aus  abergläubischen  Gründen  empfahl  man,  sich  nicht  unmittelbar  aus 


Matth  6,  17  (%  1)  427 

dem  Ölbehälter,  sondern  vielmehr  aus  der  Hand  zu  salben. e  Einem 
Oast  Gelegenheit  zu  bieten,  sich  selbst  zu  salben  oder  ihm  durch  einen 
Sklaven  die  Füße  salben  zu  lassen,  galt  als  AnstandspflichtJ  Man  ver- 
wandte zum  Salben  entweder  reines  Öl,  gewiß  meist  Olivenöl, g  oder 
Öl,  das  mit  Wein h  u.  allerlei  Spezereien  vermischt  war.« 

a.  TSchab  -i,  17  (1 14):  Man  darf  sich  (am  Sabbat)  mit  Öl  salben  u.  sich  auf  einer 
neuen  Unterlage  wälzen  (um  das  Öl  zu  verreiben),  ohne  sich  (wegen  .Sabbatentheiligung) 
darüber  Sorge  zu  machen.  —  Dasselbe  pSchab '»,  >>a^  .31 ;  hinzugefügt  wird  hier:  Man 
darf  idas  Öl  am  Sabbat)  nicht  auf  eine  Marmorplatte  tun  u.  sich  darauf  wälzen.  Jj 
TSch'bifith  t>,  l'iifiQl:  Man  darf  sich  mit  Öl  des  Brachjahres  salben  u.  sich  auf  einer 
neuen  Unterlage  wälzen,  ohne  sich  deswegen  Sorge  zu  machen.  Vgl.  daselbst  <»,  9.  [j 
TSchab  l«,  IHf.  (i86i:  Man  soll  (am  Sabbat)  kein  Öl  auf  den  Kopf  gießen  u.  dann  ins 
Bad  gehn;  aber  man  darf  den  ganzen  Körper  Glied  für  Glied  salben.  Man  darf  (am 
Sabbat)  viel  Öl  u.  viele  leinene  Badetücher  nach  dem  Bade  schaffen;  man  salbt  den 
ganzen  Körper  u.  reibt  den  ganzen  Körper  ab,  ohne  sich  deshalb  Sorge  zu  machen. 

b.  MtH,  17;  26,7;  ferner  s.  TSchab  M!,  16f.  (I-Sti)  Anm.o.  —  Eine  speziell  baby- 
lonische Sitte  wird  K'^^th  17  b  erwähnt.  Es  handelt  sich  hier  um  die  Frage,  weiches  Be- 
■weismittel  in  Babylonien  dafür  vorhanden  sei,  daß  eine  Frau  als  Jungfrau  Hochzeit 
gemacht  habe.  Rab  (f  247)  sagt:  (Als  solches  giltl  das  Salböl  auf  dem  Haupt  der 
Rabbinen.  Rab  Papa  (f  :^7f))  sagte  zu  Abaje  (f  .388/;-i9):  Vom  Öl  zur  Kopfreinigung  hat 
der  Autor  (d.  h.  Rab)  gesprochen.  Er  antwortete  ihm:  Du  Waisenknabe,  hat  denn  nicht 
deine  Mutter  das  Salböl  auf  das  Haupt  der  Rabbinen  bei  einer  solchen  Gelegenheit 
tröpfeln  lassen?  —  Die  Stelle  zeigt,  daß  es  in  B.  Sitte  war,  daß  Frauen  bei  der  Hoch- 
zeit einer  Jungfrau  das  Haupt  der  anwesenden  Rabbinen  salbten,  um  die  Lehrer  da- 
durch zu  ehren,  u.  daß  der  Nachweis,  daß  dies  geschehen  sei,  noch  in  späterer  Zeit 
als  vollgültiges  Beweisstück  dafür  angesehen  wurde,  daß  eine  Frau  nicht  als  Witwe, 
sondern  als  Jungfrau  geheiratet  habe. 

C.  TSchab  •'{,  IH  1 114):  Man  darf  (am  Sabbat)  seinen  Fuß  nicht  salben,  während  er 
im  Schuh  oder  in  der  Sandale  steckt;  wohl  aber  darf  man  seinen  Fuß  salben,  um  ihn 
(hinterher)  in  den  Schuli  oder  in  die  Sandale  zu  bringen.  Parallelstellen:  TT'^rum 
10,  11  (43);TSch'^bifith(J,  11  (<iy);  pSchab  (>,  öa,  29;  bSchab  141  b.  —  Ferner  s.  SDt  33,24 
§85.")  (14^a)  in  Anm.  f. 

d.  TT'runi  0,11  (431:  Mit  Öl  der  Priesterhebe  darf  man  unreine  Hände  nicht 
salben.  —  Ferner  s.  Men^.Tb  in  Anm./". 

e.  Sanhliil»:  Man(=  Zauberer)  pflegt  über  dem  Öl  in  einem  Gefäß  einen  Geheimsprucb 
zu  flüstern,  aber  nicht  über  dem  Öl  in  der  Hand;  deshalb  salbt  man  sich  mit  Öl  aus  der 
Hand  u.  nicht  mit  Öl  aus  einem  Gefäß.  Rab  Jicjchaq  b.  Schemuel  b.  Martha  (gegen  oUO) 
kam  in  eine  Herbeige;  man  brachte  ihm  Öl  in  einem  Gefäß;  er  salbte  sich  damit  u. 
es  entstanden  ihm  Blattern  im  Gesicht.  Als  er  auf  die  Straße  hinaustrat,  sah  ihn  ein 
Weib,  die  zu  ihm  sprach:  Den  Brandpfeil  des  Chemeth  (oder  Chamath,  Name  eines 
Dämons  1  sehe  ich  hier!    Da  machte  sie  etwas  an  ihm  u.  er  genas. 

/.  Chull  94a  Bar:  R.  Meir  (um  l.'iU)  hat  gesagt:  Der  Mensch  soll  einen  andren  nicht 
zum  Mahle  bei  sich  nötigen,  wenn  er  von  ihm  weiß,  daß  er  nicht  mitspeist  .  .  .;  er 
Süll  nicht  zu  ihm  sagen:  „Salbe  dich  mit  Öl"*,  wenn  die  Flasche  leer  ist  (u.  wenn  er 
weiß,  daß  jener  das  Salben  ablehnt);  wenn  er  es  aber  sagt,  um  jenen  zu  ehren,  so 
ist  es  erlaubt.  —  Die  ungekürzte  Stelle  s.  bei  Mt  2H,  7.  —  In  TBB  (»,  14  (406)  fehlt  der 
letzte  Teil  des  Ausspruchs.  ||  SDt:'.:-!,  24  §  ::;55  (148^):  „Er  taucht  in  Öl  seinen  Fuß* 
(Dt  3?,  24),  denn  das  Land  Aschers  fließt  von  Öl  wie  eine  Quelle.  Es  begab  sich,  daß 
die  Einwohner  von  Laodicea  Öls  benötigten.  Sie  erwählten  sich  einen  Verwalter  u. 
sprachen  zu  ihm:  Geh,  kaufe  uns  Öl  für  lOOOUOO  (Denare).  Er  ging  nach  Tyrus  u. 
sagte  zu  ihnen:  Ich  brauche  Öl  für  I  Million.  Man  antwortete  ihm:  Geh  nach  Gusch- 
Chalab  (=  rt<Tj«A«  bei  Josephus  Bell.  Jud.  4,  2,  2,  in  Galiläa).  Er  ging  nach  Gusch- 
Chalab  u.  sprach:  Ich  brauche  Öl  für   1  Million.   Sie  sagten:  Geb  zu  dem  u.  dem!  Er 


428  Matth  6,  17(311.2) 

ging  in  dessen  Haus,  traf  ihn  aber  nicht  an.  Man  sagte  ihm:  Siehe,  er  ist  auf  dem 
Acker.  Er  ging  u.  traf  ihn,  wie  er  unter  einem  Olivenbaum  Furchen  zog.  Er  sprach 
zu  ihm:  Ich  brauche  Öl  für  1  Million!  Er  antwortete  ihm:  Warte,  bis  ich  mit  dem 
Oiivenbaum  fertig  bin.  Als  er  mit  seinen  Oliven  fertig  war,  nahm  er  die  Gerätschaften 
u.  machte  sich  alimählich  auf  den  Weg.  Der  Verwalter  sprach  (bei  sich):  Ist's  mög- 
lich, daß  dieser  für  1  Million  Ol  besitzt?  Die  Juden  haben  wohl  nur  Scherz  gemacht! 
Als  er  in  sein  Haus  eintrat,  rief  er  seine  Sklavin  u.  sprach  zu  ihr:  Komm  u.  wasche 
unsre  Füße!  Sie  füllte  eine  Schüssel  voll  Öl  u.  wusch  ihnen  ihre  Füße,  um  zu  er- 
füllen, was  gesagt  ist:  „Er  taucht  in  Öl  seinen  Fuß."  Er  setzte  ihm  Brot  vor,  u.  er 
aß  u.  trank.  Nach  dem  Essen  stand  er  auf  u.  maß  ihm  Öl  für  1  Million  zu.  Er  sprach 
zu  ihm:  Wünschest  du  noch  mehr?  Er  antwortete  ihm:  Ich  habe  kein  Geld.  Er  sprach 
zu  ihm:  Nimm  u.  ich  werde  mit  dir  gehn  u.  mein  Geld  in  Empfang  nehmen.  Er  stand 
auf  u.  mnß  ihm  Öl  für  18  Millionen  (Denare)  zu.  Man  hat  erzählt,  jener  Mann  habe 
keinen  Esel  u.  kein  Kamel  im  Lande  Israel  zurückgelassen,  die  er  nicht  (zum  Trans- 
port des  Ölsi  an  sich  zog.  Als  die  Leute  von  Laodicea  davon  erfuhren,  gingen  sie  ihm 
drei  Mil  entgegen  u.  stimmten  vor  ihm  ein  großes  Loblied  an.  Er  sprach:  Dieses  Lob- 
lied dürft  ihr  nur  diesem  iVIann  singen;  denn  alles  ist  sein,  u.  nicht  bloß  dies,  sondern 
ich  schulde  ihm  noch  18  Millionen,  um  zu  erfüllen,  was  gesagt  ist:  „Mancher  stellt 
sich  reich  u  hat  gar  nichts;  mancher  stellt  sich  arm  u.  besitzt  grolae  Habe"  Spr  13,7.  — 
In  der  Parallelstelle  Men  85 1>  heißt  es:  Es  brachte  ihm  seine  Sklavin  einen  Kessel  mit 
warmem  Wasser  u.  wusch  darin  seine  Hände  u.  Füße;  dann  brachte  sie  ihm  eine  goldene 
Schüssel  voll  Öl  u.  badete  darin  seine  Hände  u.  Füße. 

g.  Mit  dem  Öl  in  obigen  Zitaten  ist  überall  Olivenöl  gemeint.  Wie  sehr  dieses 
bevorzugt  wurde,  erkennt  man  daraus,  daß  selbst  Oliven  vom  Baum  genommen  u.  zer- 
drückt wurden,  um  Öl  zum  Salben  zu  gewinnen.  Ma?as'4, 1:  Wenn  man  Oliven  (vom 
Baum)  über  seinem  Körper  (zur  Salbung)  ausdrückt,  ist  man  (von  deren  Verzehntung) 
frei;  wenn  man  sie  aber  ausdrückt  u.  (den  Saft)  in  seine  Hand  gelangen  läßt,  ist  man 
(zu  ihrer  Verz  )  verpflichtet. 

h  TSchebifith  (),  8  (69):  Man  macht  den  Wein  (des  Brachjahres)  nicht  zu  Ölwein 
(durch  Mischung  mit  Öl)  u.  das  Öl  (des  Brachj.ihresl  nicht  zu  wohlriechendem  Öl; 
wenn  man  aber  Wein  zu  Ölwein  u.  das  Öl  zu  wohlriechendem  Öl  gemacht  hat.  so  ver- 
reibt man  beim  Salben  das  Öl,  aber  nicht  den  Wein  u.  den  Essig;  denn  das  Öl  dient 
gewöhnlich  zum  Salben,  während  der  Wein  u.  der  Essig  gewöhnlich  nicht  zum  Salben 
dienen.  —  Vom  Brachjahr  abgesehen  war  also  eine  Mischung  von  Öl  u.  Wein  zum 
Salben  gestattet. 

i.  Hierzu  s.  bei  Mk  14,3.  —  Hier  nur  der  allgemeine  Satz  pMSch  2,  53 '^,  46:  Mit 
Öl  vom  zweiten  Zehnt,  den  man  mit  Spezereien  gemischt  hat,  darf  man  sich  salben. 

2.  Erst  in  zweiter  Linie  diente  das  Salben  als  Heilmittel. 

Schab  14,4:  Wer  an  Hüftweh  leidet,  darf  sich  (am  Sabbat)  nicht  mit  Wein  u.  Essig 
salben  (einreiben,  weil  man  sich  damit  nicht  für  gewöhnlich  salbt,  s  Nr.  l  h);  wohl  aber 
darf  er  sich  mit  Öl  salben,  jedoch  nicht  mit  Rosenöl  (weil  dieses  nicht  für  gewöhnlich 
zum  Salben  dient).  Königskinder  dürfen  (auch  am  Sabbat)  Rosenöl  auf  ihre  Wunden 
streichen,  denn  so  pflegen  sie  sich  (auch)  am  Wochentag  zu  salben.  R.  Schimfon  (um  IhO) 
sagte:  Alle  Israeliten  sind  Königskinder.  ||  TD'^mai  1,  24  (46)  findet  sich  die  handschrift- 
liche Lesart:  Wer  Wein  u.  Ol  nimmt,  um  sie  auf  Hautausschläge  zu  legen  .  .  .,  ist  zur 
D'maiabgabe  verpflichtet.  t|  TSchab  ;},  7  (114):  Man  darf  Ölwein  (am  Sabbat)  erwärmen 
u.  auf  den  Leib  des  Kranken  (gegen  Leibschmerzen)  bringen.  |i  pBrakh  1,3*',  9  Bar: 
Man  darf  einen  Kranken  am  Sabbat  mit  Ölwein  salben.  Wann?  Wenn  man  den  Wein 
u.  das  Öl  am  Rüsttag  auf  den  Sabbat  zus.gerührt  hatte;  aber  wenn  man  sie  am  Rüst- 
tag auf  den  Sabbat  nicht  zus.gerührt  hatte,  so  ist  es  (das  Salben  am  Sabbat)  ver- 
boten, il  T'Prum  {>,  13  f.  (42):  Man  darf  sich  mit  (Hebe-)Öl  auf  einer  Wunde  salben,  nur 
daß  man  es  nicht  auf  Werg  oder  auf  ein  Läppchen  bringt,  um  es  auf  die  Wunde  zu 
legen.  Wer  an  Kopfschmerz  leidet  oder  Hautausschläge  hat,  darf  sich  (an  den  kranken 


Matth  6, 17  (31  2.  5S).  6,  19  f.  (Nr.  1)  429 

Stellen)  mit  (Hebe-)Öl  salben.  —  Teilweise  parallel:  TSch^bifith  6, 4  (69);  TSchab 
12,  1  1  f.  (127);  pMSch  '2,  •"'S'',  44.  !l  Auch  bei  Besprechungen  wurde  das  Salböl  verwandt. 
pMSch  3, 5:-ib,  48:  Schimfon  b.  Ba  (um  280)  hat  im  Namen  des  R.  Chanina  (um  'i'lh) 
gesagt:  Wer  den  Geheimspruch  (die  Besprechungsformell  flüstert,  tut  Ol  auf  seinen 
(des  Kranken)  Kopf  u.  dann  flüsteit  er  den  Geheimspruch;  nur  darf  er  es  (das  Öl) 
nicht  in  die  Hand  u.  nicht  in  ein  Gefäß  tun  (nämlich  an  einem  Sabbat;  andre  hielten 
dies  jedoch  für  erlaubt). 

6,  17  J8:  Wasche  dein  Angesicht,  rd  TTQcacoTiöv  aov  vtipcci. 

Über  das  Unterlassen  der  Waschungen  beim  Fasten  s.  Exkurs  über 
das  Fasten  Nr.  8,  c.  ||  Zu  Mt  6,  17  f.  hat  F.  Nork  nach  Schöttgen  eine 
auffallende  Parallele  beigebracht  aus  GnR  74  (muß  heißen  84  gegen 
Ende),  die  er  folgendermaßen  übersetzt:  „R.  Levi  sagte:  In  seiner 
Kammer  weinte  er  (n=i3  n-n  ib::«);  begab  er  (nach  Nork:  Jakob)  sich 
aber  unter  die  Leute,  wusch  u.  salbte  er  sich,  u.  genoß  Speise  u.  Trank. 
Warum  machte  er  aus  seiner  Kasteiung  einen  Hehl?  Gott  aber  ant- 
wortete: Hat  er  auch  seinen  Kummer  verborgen  gehalten,  so  werde 
ich  doch  dies  aller  Weit  bekanntmachen."  (Anm.  dazu:  „Eben  durch 
Moses,  der  die  Geschichte  der  Erzväter  mittelst  der  Inspiration  ge- 
schrieben haben  soll?")  Bischoff,  Jesus  u.  die  Rabbinen  S.  83,  offenbar 
verleitet  durch  Norks  Übersetzung,  bemerkt  dazu:  Das  sieht  beinahe 
aus  wie  eine  mißverständliche  Anwendung  von  Mt6  Vers  18  Ende:  Und 
dein  Vater,  der  ins  Verborgene  sieht,  wird  dir's  vergelten  öffentlicii!  — 
Richtig  übersetzt  lautet  dieMidraschstelle:  Es  beweinte  ihn  (den  Joseph) 
sein  Vater  (Gn  37,  35);  damit  ist  Isaak  gemeint  (der  Midrasch  deutet 
„sein"  Vater  =  Jakobs  Vater,  d.  h.  Isaak).  R,  Levi  (um  300)  u.  R.  Simon 
(um  280)  haben  gesagt:  Bei  ihm  (Jakob)  weinte  er  (Isaak;  der  Midr 
deutet  TIN  Gn37,35  =  "inN  =  mit  ihm,  bei  ihm);  wenn  er  (Isaak)  aber 
von  ihm  (Jakob)  fortging,  ging  er  hin  u.  wusch  sich  u.  salbte  sich  u. 
aß  u.  trank  (als  ob  er  kein  Trauernder  wäre).  Warum  hat  er  (Isaak) 
es  aber  nicht  kundgetan  (nämlich  dem  Jakob,  daß  Joseph  noch  am 
Leben  sei)?  Er  sprach:  Gott  hat  es  ihm  (dem  Jakob)  nicht  kundgetan; 
da  sollte  ich  es  ihm  kundtun?  —  Der  Midr  ruht  auf  der  Voraussetzung, 
daß  Isaak  um  das  wirkliche  Geschick  Josephs  gewußt  habe.  Daher  gibt 
er  sich  fern  von  Jakob  wie  ein  Nichttrauernder;  nur  in  Jakobs  Nähe 
trauert  er  mit  diesem.  An  andren  Stellen,  zB  GnR  84  (54''),  wird  auch 
von  Jakob  gesagt,  daß  er  von  Josephs  Verbleib  Kunde  gehabt  habe. 

6, 19f.:  Sammelt  euch  nicht  Schätze  auf  der  Erde,  wo  Motte 
u.  Fraß  (Zernagung)  vernichtet  u.  wo  Diebe  durchgraben  (ein- 
brechen) u.  stehlen;  sammelt  euch  aber  Schätze  im  Himmel.... 
jwjj  ä^rjaavQi'^sTs  vfiTv  d-rjffavgovg  srcl  rrjg  yr^g  .  .  .  ^rjaavQi^tis  di  v/xtv 

^TjGavQovg  €V  ovQaro). 
1.  Tob4,8ff.:  Wenn  du  viel  hast,  so  übe  damit  Barmherzigkeit;  wenn  du  wenig 
besitzest,   so   scheue   dich  nicht,   dem  Wenigen  entsprechend   Barmherzigkeit  zu  tun; 
denn  so  sammelst  du  dir  einen  guten  Schatz  auf  den  Tag  der  Not;  denn  Barmherzig- 
keit  errettet  vom  Tode   u.  läßt   nicht   in  die  Finsternis  eingehn.  \\  Henoch38, 2:  Die 


430  '  Matth  6,  19  f.  (Nr.  1) 

Werke  der  auserwälilten  Gerechten  sind  von  dem  Herrn  der  Geister  aufbewahrt.  |[ 
Ps  Sal  9,  5:  Wer  reclitschaffen  handelt,  speichert  sich  auf  tftrjndVfjiCsi  sitvrtf))  Leben  bei 
dem  Herrn.  ||  4  Esra6,5f. :  Ehe  die  Jahre  der  Gegenwart  berechnet,  ehe  die  Anschläge 
der  Sünder  verworfen,  aber  die,  die  Schätze  des  Glaubens  sammeln,  versiegelt  wurden: 
damals  habe  ich  dies  alles  vorbedacht.  I  Das.  7,  77:  Du  hast  einen  Schatz  guter  Werke, 
der  dir  beim  Höchsten  aufbewahrt  bleibt;  der  soll  dir  freilich  erst  am  jüngsten  Tag 
offenbar  werden.  ||  Das.  8,  H3:  Die  Gerechten,  denen  viele  Werke  bei  dir  bewahit  sind, 
werden  aus  eignen  Werken  den  Lohn  empfangen.  I  Apoc  Bar  14,  12:  Die  Gerechten  er- 
warten gern  das  Ende  u.  furchtlos  gehn  sie  aus  diesem  Leben,  weil  sie  bei  dir  einen 
Schatz  von  Werken  haben,  der  in  den  Vorratskammern  aufbewahrt  wird.  ||  4  EsraS,  :-)t): 
Dadurch  wird  deine  Gerechtigkeit  u.  Güte,  Herr,  offenbar,  daß  du  dich  derer  erbannst, 
die  keinen  Schatz  von  guten  Werken  haben.  —  Apoc  Bar  2A,  1 :  Denn  siehe,  Tage 
kommen:  da  werden  die  Schriften  aufgetan  werden,  worin  die  Sünden  aller  derer,  die 
gesündigt  haben,  aufgeschrieben  sind,  u.  auch  die  Vorratskammern,  wo  die  Gerechtig- 
keit aller  derer,  die  in  der  Schöpfung  recht  gehandelt  haben,  aufgespeichert  ist.  || 
slHenoch  öü,  5:  Ein  jeder  von  euch  möge  Gold  u.  Silber  reichlich  geben  um  des  Bruders 
willen,  damit  er  empfange  einen  vollen  Schatz  in  jener  Welt. 

TPea  4,  18  ('24):  E:^  geschah,  daß  der  König  Monobaz'  sich  aufmachte  u.  alle  seine 
Schätze  an  die  Armen  in  den  Jahren  der  Hungeisnot  verteilte.  Seine  Brüder  liefsen 
ihm  sagen:  Deine  Väter  haben  Schätze  gesammelt  n-ui.«;  -t:;  u.  die  ihrer  Väter  noch 
gemehrt  u.  du  machst  dich  auf  u.  verteilst  [-riziz  verächtlich:  „du  bringst  durch") 
das  Deine  u.  das  deiner  Väter.  Er  antwortete:  Meine  Väter  haben  Schätze  für  unten 
gesammelt,  u.  ich  habe  Schätze  für  oben  gesammelt,  s.  Ps85,  lü:  „Wahrheit  (Treue) 
wird  von  der  Erde  aufsprossen  u.  Almosen  (das  sind  die  für  oben  gesammelten  Schätze) 
schauen  vom  Himmel  herab"  (so  der  Alidr).  Meine  Väter  haben  Schätze  gesammelt  an 
einer  Stätte,  über  die  die  Hand  Gewalt  gewinnen  kann,  u.  ich  habe  Schätze  gesammelt 
an  einer  Stätte,  über  die  keine  Hand  Gewalt  gewinnen  kann,  vgl.:  „Gerechtigkeit 
(=  Almosen)  u.  Recht  sind  die  Grundlat^e  deines  Thrones"  Ps8y,  15.  Meine  Väter 
haben  Schätze  gesammelt,  die  keine  Zinsen  tragen,  u.  ich  habe  Schätze  gesammelt, 
die  Zinsen  tragen,  s.:  „Saget  vom  Gerechten,  es  stehe  gut  mit  ihm ;  denn  die  Früchte 
(=  Zinsen)  ihrer  Taten  werden  sie  genießen"  Jes8,  iU.  Meine  Väter  haben  Schätze  an 
Mammon  gesammelt,  u.  ich  habe  Schätze  an  Seelen  gesammelt,  s. :  „Die  Frucht  des 
Gerechten  ist  ein  Lebensbaum,  u.  Seelen  gewinnt  der  Weise"  Spr  11,:<0.  Meine  Väter 
haben  Schätze  für  andre  gesammelt,  u.  ich  habe  Schätze  für  mich  selbst  gesammelt, 
vgl.:  „Dir  soll  das  Almosen  frommen"  Dt  24, 18  iso  der  Mi'lr).  Meine  Väter  haben  Schätze 
in  dieser  Welt  gesammelt,  u.  ich  habe  Schätze  für  die  zukünftige  Welt  gesammelt,  s. : 
,Vor  dir  hery;ehn  wird  dein  Almosen  u.  die  Herrliciikeit  Jahves  wird  dich  aufnehmen" 
Jes58,8  (so  der  Midr).  Parallelstellen:  pPea  I,  lab,  öö;  bBB  ll'*;  Pe.siqR -J-i  ((2Kbj. 

Pea  1.1:  Von  folgenden  Dingen  genießt  der  Mensch  die  Zinsen  in  dieser  Welt,  während 
das  Kapital  für  ihn  stehen  bleibt  für  die  zukünftige  Welt:  Ehrfurcht  vor  Vater  u.  Mutter, 
Erweisung  von  Liebeswerken,  Friedensstiftung  zwischen  einem  Menschen  u.  seinem 
Nächsten  u.  Torastudium,  das  sie  alle  übertrifft.  —  Dasselbe  erweitert  durch  „Gast- 
freundschaft" Qid8!^b.  —  In  Schab  127"  werden  von  R.  Juchanan,  f  219,  sechs  hier- 
her gehörende  Dinge  aufgezählt:  Aufnahme  von  Wanderern,  Krankenbesuch,  Gebets- 
andacht, frühzeitiges  Erscheinen  im  Lehrhaus,  Eiziehung  der  Söhne  zum  Torastudium, 
Beurteilung  des  Mitmenschen  nach  seiner  verdienstlichen  Seite,  ii  B  rakh  38b:  R  Chanina 
(um  22n)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Jochai  tum  15U)  gesagt:  Gott  hat  in  seinen 
Vorratskammern  nur  den  Schatz  der  Gottesfurcht,  s.:  „Die  Furcht  Jahves,  das  ist  sein 
(Gottes)  Schatz"  Jes  88,6.  |1  GnR  9(7^):  R.  Jonathan  (um  220 1  hat  gesagt:  Es  hätte  der 
Tod  nur  über  die  Gottlosen  u.  nicht  über  die  Gerechten  verhängt  werden  sullen.  Allein 
•(letzteres  ist  geschehen,)   damit   nicht  die  Gottlosen  trügerische  Buße   tun  u.  sagen 


'  Monobazus,  König  von  Adiabene.  um  oU  n.  Chr.,  war  samt  seiner  Mutter  Helena 
seinem  Bruder  Izates  zum  Judentum  übergetreten. 


Matth  6,  19  f.  (Nr.  1 .  2).  6,  22  (Nr.  1.2)  43 1 

möchten:  Die  Gerechten  bleiben  nur  am  Leben,  weil  sie  GebotserfüUungen  u.  gute 
Werke  iwie  einen  Schatz)  aufsammeln  (~5");  so  wollen  auch  wir  GebotserfüUungen  u. 
gute  Werke  ansammeln.  So  würde  ihr  Tun  als  ein  unlauteres  erfunden  werden.  j| 
GnR  y  (7=^):  R.  Z^gira  (um  SOU)  hat  gesagt:  , Siehe,  es  war  selir  gut"  Gn  1,31,  das  geht 
auf  den  Gan  f  Eden;  „und"  sielie,  es  war  sehr  gut  (ebendas. I,  das  geht  auf  den  Gehinnom. 
Aber  ist  denn  der  Gehinnom  sehr  gut?  Gleich  einem  König,  der  einen  Garten  hat; 
er  schickte  Arbeiter  hinein  u.  erbaute  an-  seinem  Eingang  ein  Schatzhaus;  er  sprach: 
Wer  sich  Lohn  verdient  durch  Gartenarbeit,  der  trete  ein  in  das  Schatzhaus;  wer  sich 
aber  durch  Gartenarbeit  keinen  Lohn  verdient,  darf  nicht  in  das  Schatzhaus  eintreten. 
Ebenso  wer  Gebotserfüllung  u.  gute  Werke  als  Schätze  ansammelt  (":>),  für  den  ist 
der  Gan  fEden  da;  wer  aber  keine  GebotserfüUungen  u.  gute  Werke  als  Schätze  an- 
sammelt, für  den  ist  der  Gehinnom  da.  R.  Sch'^'muel  b.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt: 
, Siehe,  es  war  sehr  gut",  das  geht  auf  den  Engel  des  Lebens;  „und"  siehe,  es  war  sehr 
gut,  das  geht  auf  den  Engel  des  Todes.  Aber  ist  denn  der  Engel  des  Todes  sehr  gut? 
Gleich  einem  König,  der  ein  Mahl  veranstaltete  u.  dazu  die  Gäste  einlud;  er  setzte 
ihnen  eine  Schüssel  voll  guter  Dinge  vor.  Er  sprach:  Wer  davon  ißt  u.  den  König 
segnet,  der  mag  davon  essen  u.  sich  gütlich  tun;  wer  aber  davon  ißt,  ohne  den  König: 
zu  segnen,  dessen  Kopf  soll  mit  dem  Schwert  abgehauen  werden.  Ebenso  wer  Gebots- 
erfüllungen  u.  gute  Werke  als  Schätze  ansammelt  'iz,  für  den  ist  der  Engel  des  Lebens 
da;  wer  aber  keine  Gebotserfüllungen  u.  gute  Werke  als  Schätze  ansammelt,  für  den 
ist  der  Engel  des  Todes  da.  —  Die  Redensart:  „GebotserfüUungen  oder  gute  Werke 
(als  Schätze)  ansammeln"  c-avj  c-i;i'":''  ri::^  h:t  findet  sich  zB  noch  GnR  3V)  (23'); 
4M2Tb);  LvR4(lU7b);  NuR8(150b);  DtR  1  (195'):  Alles,  was  Israel  an  Gebotserfül- 
lungen u.  guten  Werken  ansammelt,  sammelt  es  für  seinen  Vater  im  Himmel  an;; 
Midr  Ruth  1 ,  17  (128a);  Midr  Qoh  6, 7  (30a).  Ferner  s.  die  Zitate  bei  1  Tim  tj,  1 9. 

2.  6ioifvaaovaiv  =  nnn,  inn  durchgraben,  eine  Öffnung  machen,  um 
einzubrechen,  vgl.  r-nn-?  Durchbruch  =  Einbruch  Ex  22,  I. 

GnRH3  (SQ*"):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einem  Königssohn,  der  bei  seinen» 
Vater  einbrach  irin,  um  eine  Litra  Gold  wegzunehmen.  .  .  .  |l  Hi  24,  16:  ct:  -; —  maa 
durchbohrt  Häuser  —  man  bricht  in  Häuser  ein;  Targ  s-ra  ps-  ;=  man  durchgräbt  Häuser. 
—  Zum  Vergraben  des  Geldes  vor  Dieben  s.  bei  Mt  25,  18. 

6,22:  Das  Licht  (die  Leuchte)  des  Leibes  ist  das  Auge;  wen» 
dein  Auge  unversehrt  ist,  wird  dein  ganzer  Leib  licht  sein. 

1.  6  Xv^rog  xoi)  ao^iarög  samv  6  6(fi)^aX{.i6q. 

Philo,  De  mundo  §5  (Mang2,  6U7):  Wie  in  dem  Leibe  das  eigentlich  Leitende 
rö  rjyffxot'ixwTccroy  das  Gesicht  oiptg  (=  Auge)  ist,  so  ist  das  Vorzüglichste  unsres- 
Innern  die  Vernunft.  —  Derselbe  de  mundi  opif.  S  17  (Mang  I,  11  f.):  Da  Gott  wußte, 
daß  das  beste  unter  den  Dingen  das  Licht  ist,  so  bestimmte  er  es  zum  Werkzeug 
oQyni'oi'  für  den  besten  unter  den  Sinnen,  das  Gesicht  (nQaaig);  denn  was  die  Ver- 
nunft  in  der  Seele  ist,  das  ist  das  Auge  ocf&a'AfÄOc:  im  Leibe. 

2.  drcXovg  muß  in  diesem  Zus.hang  als  Gegensatz  zu  TiorrjQog  (=: 
schliirim,  krank)  „unversehrt,  heil,  gesund"  bedeuten.  Hebräisch  würde- 
rn  (=  n-i^in),  aramäisch  n^^^  entsprechen  (d^^  xba).  —  BQ  12'':  Wir 
haben  gelernt  (MSch  1,2):  Ein  erstgeborenes  Tier  darf  man  (der  Priester), 
wenn  es  unversehrt  ür  ist,  lebend,  aber  nicht  geschlachtet  verkaufen; 
wenn  es  einen  Fehler  hat  ni^a  bra,  lebend  u.  geschlachtet.  —  Li  MSch 
1,2  steht  D-'-ar  statt  er;  in  der  Parallelstelle  T^mura  107^  einmal  dp,. 
sonst  c-i-or.  ||  „Ein  fehlerloses  Lamm"  n^-r  rm-  Ex  12,  5  übersetzt  Targ 
Onk:  cKv  ^:|n;  ebenso  Targ  Jerusch  L    In  letzterem  heißt  es  zu  Lv 


432  Matth  6,  22  (Nr.  2).  6,  23 

27, 10:  Er  soll  nicht  umwechseln  u.  nicht  vertauschen  ein  unversehrtes 
fiiVi'  gegen  ein  Tier,  an  dem  ein  Fehler  ist,  u.  eins,  an  dem  ein  Fehler 
ist,  gegen  ein  unversehrtes.  —  Die  Wahl  des  Ausdrucks  nnXovc  mag 
•damit  zus.hangen,  daß  die  LXX  einigemal  das  Substantivum  cn,  wenn 
auch  in  andrer  Bedeutung,  mit  änköir^g  übersetzt  haben,  s.  2  Sm  15,  11; 
Spr  19,  1;  vgl.  auch  äaXwc  Spr  10,  9  für  oina. 

Die  von  Lightfoot,  Schöttgen  u.  andren  beliebte  Erklärung  des 
<}(fif^aXfi<tg  dnkovc  u.  o-  rrovrjgog  nach  n^i'u  "i-^y  u.  nj-T  -i";^"  =  gütiges,  wohl- 
wollendes Auge,  bezw.  =  mißgünstiges,  neidisches  Auge  (vgl.  Spr  22,  9; 
23,  6),  ist  zu  eng  u.  paßt  nicht  in  den  Zus. hang.  Über  diese  Ausdrücke 
s.  bei  Mt2C,  15. 

6,23:  Das  Licht,  das  in  dir  ist. 

To  (foyg  To  €v  Goi.  unter  dem  Lichte  oder  der  Leuchte  im  Innern 
des  Menschen  versteht  man  im  Rabbin.  den  Geist  oder  die  Seele  des 
Menschen ;  Mt  6, 23  wird  damit  das  geistig  sittliche  Erkenntnisvermögen 
gemeint  sein. 

Midr  Ps  17  §  8  (6fia):  R.  El'azar  ha-Qappar  (um  180)  hat  gesagt:  Gott  spricht  zum 
Menschen:  Meine  Leuchte  -~:  soll  in  deiner  Hand  sein  u.  deine  Leuchre  t-:  in  meiner 
Hand.  Meine  Leuchte  in  deiner  Hand,  s.  Spr  6,  2.3:  ,Eine  Leuchte  ist  das  Gebot  u. 
-die  Tora  ein  Licht."  Deine  Leuchte  in  meiner  Hand.  s.  Spr  20,  27:  ,Eine  Leuchte  von 
Jahvö  ist  des  Manschen  Geist,  durchforschend  alle  Kammern  des  Innern."  Behütest  du 
meine  Leuchte,  so  behüte  ich  deine  Leuchte.  |i  P'^siqR  ■'-'  (29 ai;  go  eröffnete  R.  Tanchuma 
b  Abba  lum  :-58u)  seinen  Vortrag:  „Eine  Leuchte  Gottes^  ist  die  Seele  des  Menschen, 
■durchforschend  alle  Kammern  des  inriern"  Spr  20,  27.  R.  Acha  (um  o2Ü)  hat  gesagt: 
Wie  die  Könige  von  Fleisch  u  Blut  Späher  (curiosi)  haben,  die  dem  König  jedes  Wort 
Tiinterbiinuen,  so  gibt  es  auch  vor  Gott  Späher,  die  alles  hinterbringen,  was  ein  Mensch 
im  geheimen,  in  der  Finsternis  u.  offenkundig  tut.  und  die  Späher  Gottes  sind  die 
Seele,  die  es  dem  Engel  (dem  Geleitsengel  des  Menschern  mitteilt,  u.  der  Engel  teilt 
•es  dem  Kerub  u.  der  Kerub  teilt  es  Gott  mit.  s.  Qoh  H»,  2U.  .  .  .  Was  du  in  deinem 
Herzen  denkst,  deine  Seele  teilt  ihm  alle  Worte  mit,  eine  Leuchte  Gottes  ist  die  Seele 
•des  Menschen,  durchforschend  alle  Kammern  des  Innern  !l  >chab  3()"'':  Diese  Frage 
fragte  man  oberhalb-  des  R.  Tanchum  von  Nave  Iwohl  identisch  mit  R.  Tanchuma 
h.  Abba,  um  Hx(i):  Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Auslöschen  eines  brennenden  Lichtes 
vor  einem  Kranken  ider  durch  das  Licht  belästigt  wirdi  an  einem  Sabbat?  Er  ant- 
wortete: Was  nun  die  Fraiie  betrifft,  die  ich  vor  euch  gefragt  habe  (Ausdruck  der 
Bescheidenheit  statt:  die  ihr  vor  mir  gefragt  habt),  so  ist  zu  erwidern:  Ein  (gewöhn- 
liches) Licht  wird  eine  Leuchte  -■:  genannt,  u.  die  Seele  des  Menschen  wird  auch  eine 
Leuchte  -:  genannt  (vgl.  Spr  20,  27);  da  ist  es  besser,  daß  eine  menschliche  Leuchte 
{d.  h  ein  gewöhnliches  Licht'  ausgelöscht  werde  um  der  Leuchte  Gottes  willen  (d.  h. 
•damit  die  Seele,  das  Leben  eines  Menschen  erhalten  bleibe).  |]  P'^siq  145»:  Warum 
lieißt  es  Jes  fiO,  H:  „Wallen  werden  Nationen  nach  deinem  Licht"?  R.  Acha  (um  :-«20) 
■hat  gesagt:  Die  Israeliten  werden  mit  einem  Ölbaum  verglichen,  s.  Jer  11,  16:  ,Grünen- 
•der  Ölbaum,  prangend  in  stattlicher  Frucht"  —  hat  Jahve  deinen  Namen  geheißen. 
Und  Gott  wird  mit  einer  Leuchte  verglichen,  s.  Spr  20,  27:  ,Eine  Leuchte  von  Gott 
{z'n-iü,   so  zitiert   der  Midr)  ist   die  Seele   des  Menschen."  Wie  man   das  Öl  auf  die 

}  o-r^-s  -:,  so  wird  Spr  2i\  27  nicht  nur  in  obiger  Stelle  mehrfach,  sondern  auch 
TP®s  I,  1(154);  P'^s7'>;  p-'siq  I4'>a  zitiert. 

*  Die  Schüler,  welche  fragten,  standen  u.  überragten  so  den  im  Sitzen  vortragen- 
■den  Lehrer. 


Matth  6,  23.  24  (Nr.  1)  433 

\ 

Leuchte  zu  tun  pflegt,  daß  sie  beide  gemeinsam  leuchten,  so  sagt  auch  Gott  zu  Israel : 
Meine  Kinder,  weil  mein  Licht  -^:s  euer  Licht  =:-^in  u.  euer  Licht  mein  Licht  ist, 
so  wollen  ich  u.  ihr  gehn  u.  Zion  leuchten,  s.  Jes  60,  1:  Mache  dich  auf,  mein  Licht; 
denn  es  kommt  dein  Licht  (so  der  Midr). 

6,  23:  Wie  groß  (ist  dann)  die  Finsternis!  jtoctov,  Schluß  a  minori 
ad  maius;  s.  bei  Rom  5,  9  u.  Einl.  97.  102. 

6,24:  Niemand  kann  zwei  Herren  dienen;  denn  er  wird  ent- 
weder den  einen  hassen  u.  den  andren  lieben,  oder  er  wird 
dem  einen  anhangen  u.  den  andren  verachten,  Ihr  könnt  nicht 
Gott  dienen  u.  dem  Mammon. 

1.  ovSslg  dvraxai  oval  xvQioig  öovXsvsiv.  —  In  Wirklichkeit  kam  der 
Fall  vor,  daß  ein  Sklave  zwei  Herren  gehörte,  zB  zwei  Geschäfts- 
teilhabern oder  zwei  Brüdern,  in  deren  Besitz  er  zu  gleichen  Teilen 
durch  Erbschaft  übergegangen  war.  Ließ  der  eine  Besitzer  den  Sklaven, 
soweit  er  ihm  gehörte,  frei,  so  wurde  dieser  zur  Hälfte  ein  Freier 
-p^in  p,  zur  Hälfte  blieb  er  ein  Sklave  ~-2V. 

BQ  90a  Bar:  Wer  zur  Hälfte  ein  Sklave  u.  zur  Hälfte  ein  Freier  ist  u.  ebenso 
ein  Sklave,  der  zwei  Geschäftsteilhabern  c-rrvj;  gehört,  geht  wegen  der  nicht  wieder- 
wachsenden Gliederspitzen  (die  ihm  sein  Herr  abgehauen  hat)  nicht  zur  Freiheit  aus.  — 
Nach  R.  Elicezer  galt  Ex  21,  26  f.  nur  für  den  Fall,  daß  der  Sklave  unbedingtes  Eigen- 
tum seines  Herrn  war.  ||  Git4oa:  Wessen  Ochse  jemanden  tötet,  der  zur  Hälfte  ein 
Sklave  u.  zur  Hälfte  ein  Freigelassener  ist,  der  gibt  die  Hälfte  des  Strafgeldes  dessen 
Herrn  u.  die  Hälfte  des  Sühngeldes  dessen  Erben.  ||  Git4,  5:  Wer  zur  Hälfte  Sklave  u. 
zur  Hälfte  ein  Freier  ist,  der  arbeitet  einen  Tag  für  seinen  Herrn  u.  einen  Tag  für 
sich  selbst.  Das  sind  Worte  der  Schule  Hillels.  Die  Schule  Schammais  erwiderte: 
Ihr  sorgt  für  seinen  Herrn,  aber  für  ihn  selbst  sorgt  ihr  nicht.  Eine  Sklavin  darf 
er  nicht  heiraten,  da  er  schon  zur  Hälfte  ein  Freier  ist:  eine  Freie  darf  er  nicht 
heiraten,  da  er  noch  zur  Hälfte  ein  Sklave  ist.  Soll  er  etwa  ledig  bleiben?  Ist  nicht 
die  Welt  lediglich  zur  Fortpflanzung  geschaffen,  s.:  , Nicht  Einöde  soll  sie  sein,  zum 
Wohnen  hat  er  sie  zubereitet"  Jes  45,  18?  Vielmehr  der  guten  Ordnung  wegen  zwingt 
man  (das  jüdische  Gericht)  seinen  Herrn,  daß  er  ihn  zu  einem  Freien  macht,  u.  er 
(der  Freigelassene)  schreibt  (seinem  Herrn)  einen  Schuldbrief  auf  seinen  halben  Wert. 
Darauf  lehrte  auch  die  Schule  Hillels  nach  den  Worten  der  Schule  Schammais. 

Einen  eigenartigen  Beleg  für  Jesu  Wort  bietet  die  Halakha.  Chag 
1,  l  heißt  es:  Alle  sind  zuin  Erscheinen  im  Tempel  an  den  Feiertagen 
verpflichtet,  ausgenommen  Taube,  Blödsinnige,  Kinder,  Geschlechtslose, 
Zwitter,  Frauen,  Sklaven,  die  nicht  freigelassen  sind.  Lahme,  Blinde, 
Kranke,  Greise  u.  die,  welche  nicht  zu  Fuß  hinaufpilgern  können.  — 
Hierzu  wird  Chag  4^  gefragt:  Woher  läßt  sich  beweisen,  daß  die  Sklaven 
nicht  zum  Erscheinen  im  Tempel  an  den  Festen  verpflichtet  sind?  ßab 
Huna  (t  297)  hat  gesagt:  Die  Schrift  sagt:  „Dreimal  im  Jahre  soll 
all  dein  Männhches  vor  dem  Herrn  Jahve  erscheinen"  Ex  23, 17.  Der, 
welcher  nur  Einen  Herrn  hat  (soll  erscheinen);  da  ist  ausgeschlossen, 
der  einen  andren  (zweiten)  Herrn  hat.  —  Man  erkennt  hier  unschwer 
das  Wort  wieder:  Herrendienst  geht  vor  Gottesdienst,  oder  Herrendienst 
verträgt  sich  nicht  mit  Gottesdienst.  Dieser  Gedanke  ist  dann  Jalqut 
Sm  §  78  (aus  J'^lamm^denu)  auch  auf  die  übrigen  Gebote  ausgedehnt, 

strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  28 


434  Matth  6,  24(Nr.  1— 3) 

von  denen  die  Sklaven,  Frauen  u.  Kinder  befreit  waren:  Warum,  so 
wird  jetzt  gefragt,  sind  die  Frauen  mit  den  Kindern  u.  Sklaven  in 
bezug  auf  die  Erfüllung  der  Gebote  verbunden  (auf  gleiche  Linie  ge- 
stellt) worden?  Weil  sie  nur  Ein  Herz  (nämlich  für  ihren  Mann  u. 
Vater)  haben;  ebenso  ist  das  Herz  des  Sklaven  nur  auf  seinen  Herrn 
gerichtet.  —  Ferner  s.  die  Deutung  von  Ex  21, 6  durch  Rabban  Jochanan 
b.  Zakkai  (f  um  80)  in  TBQ  7,  5  (358)  oben  S.  176  Anm.  h  Ende. 

2.  tVa  ßia^'^aei  .  .  .  tctqov  ccYcxTTijcr&i.  —  Daß  „hassen"  u.  „lieben" 
sich  mit  dem  Gegensatz  „vorziehen"  u.  „hintansetzen"  decken  kann,, 
zeigt  ExR51  (104"):  Warum  (heißt  der  Berg  der  Gesetzgebung)  Sinai? 
Weil  Gott  die  Oberen  hintansetzte  (xrj,  wörtlich:  haßte)  u.  die  Unteren 
liebte  snx  (=  vorzog).  Vgl.  schon  Dt  21, 15 — 17. 

3.  fxa}.i(orccc,  li^-:,  njv-"?;  nach  Gesenius,  Thesaurus,  kontrahiert  aus 
■|i^::T3  absconditum;  Levy  3,  138"^  leitet  '-o  von  -^^^  =  iro  „zuteilen"  ab; 
besser  Dalrnan,  Gramm. ^  §  32,  3,  von  -^x  aus:  ^i-oi^'o  „Hinterlegtes,  Geld". 
Haggadische  Erklärung  in  Tanch  rrj^a  244'':  Gott  nimmt  das  Vermögen 
von  dem  einen  fort  u.  gibt  es  einem  andren;  deshalb  führt  es  den 
Namen  ccz:,  weil  es  sich  vor  dem  einen  verbirgt  (i"^d23  als  Niqtal  von 
noD  „bedecken,  verbergen")  u.  einem  andren  offenbar  wird.  Oder  es 
heißt  ",■',^■0,  das  will  sagen:  Was  du  aufzählst,  ist  gar  nichts  nrxir  n-a 
c-!b=  ■i3"'x  n:i^.  Oder  es  heißt  -rj^  (Gelder),  weil  es  nur  einen  Tag  lang 
währt  rsb  ns'a  inuj.  In  der  Parallelstelle  NuR  22  (193'')  um  ein  Glied 
erweitert:  Das  Vermögen  wird  ein:  (Münzsorte  tti,  dann  allgemein  = 
Geld)  genannt,  weil  es  von  dem  einen  weicht  (tt)  u.  einem  andren  zufällt. 

Unter  •^^^•o  wird  im  Rabbin.  nicht  bloß  „Geld"  im  eigentlichen  Sinn 
verstanden,  sondern  die  ganze  Habe  eines  Menschen,  alles,  was  Geldes- 
wert für  ihn  hat,  oder  alles,  was  er  außer  dem  eigenen  Leib  u.  Leben 
besitzt;  auch  Sklaven.  Daher  kommt  es,  daß  -i^-o-q  als  die  Summe  des 
äußeren  Besitzes  gegenübergestellt  werden  kann  der  irs?.  u.  dem  qnj 
(Körper)  als  denjenigen  Gütern,  die  der  Mensch  außer  seiner  sonstigen 
Habe  noch  sein  eigen  nennen  darf.    Beispiele: 

Sanh  1,1:  Vermögensprozesse  r'.i'-c-^  -rr  werden  durch  drei  Personen  abgeurteilt.  ^ 
Den  '^  'i'~  stehen  gegenüber  die  r'xti  -:•-  die  Kriminal prozesse,  zB  Sanli  1,4.  ]|  (AZ  2,  2: 
Man  darf  sich  von  den  Gojim  eine  Heilung  der  Habe  ]^^-2  ■•■;-  angedeihen  lassen, 
aber  nicht  eine  Heilung  der  Personen  r-rz:  -nt-.  —  Dazu  cAZ  27-':  Was  ist  'i  ■■;- 
u.  was  ist  ';  -■i-'V  Wenn  man  sagen  wollte,  das  erstere  bedeute  eine  Heilung  gegen 
Belohnung  u.  das  letztere  eine  H.  ohne  Entgelt,  so  hätte  man  doch  lehren  sollen:  Man 
darf  sich  von  ihnen  eine  H.  gegen  Belohnung  angedeihen  lassen,  aber  nicht  eine  H. 
ohne  Entgelt!  Wenn  man  aber  sagen  wollte,  das  erstere  bedeute  eine  H.,  mit  der 
keine  Gefahr,  u.  das  letztere  eine  H.,  mit  der  eine  Gefahr  verbunden  ist,  so  hat  doch 
Rab  J'^huda  (f  299)  gesagt:  Nicht  einmal  den  Stich  einer  Aderlaßlanzette  darf  man 
sich  von  ihnen  heilen  lassen!  Vielmehr  ist  mit  ,H.  der  Habe"  diejenige  eines  Tieres 
u.  mit  „H.  der  Personen"  diejenige  des  eigenen  Leibes  gemeint.  —  Parallelstellen: 
TcAZ  :i,  4  (463);  TChul  2,  21  (50:5),liier  die  Mischna  auf  die  Häretiker  ausgedehnt;  p'AZ 
2,40^  65;  vgl.  auch  N^d  4,4  u.  N'^d  41  b.  \\  B'rakh  61b  ßar:  R.  Elifezer  (um  90)  sagte: 
Wenn  es  Dt  6,  5  heißt:  „Du  sollst  Jahve  deinen  Gott  lieben  von  deiner  ganzen  Seele", 
warum    heißt  es  dann  „aus  aller  deiner  Kraft"?  (das.);  u.  wenn  es  heißt  „aus   aller 


Matth  6,  24  (Nr.  3.  4).  6,  25.  26  (Nr.  1)  435 

deiner  Kraft",  warum  heißt  es  dann  „von  deiner  ganzen  Seele"?  Da  es  manchen  gibt, 
dem  seine  Person  it-i  (wörtlich:  sein  Leib)  lieber  ist  als  seine  Habe  -iio,  darum  heißt 
es  „von  deiner  ganzen  Seele";  u.  da  es  manchen  gibt,  dem  seine  Habe  lieber  ist  als 
seine  Person,  darum  heißt  es  „aus  aller  deiner  Kraft"  (=  mit  deinem  ganzen  Ver- 
mögen), il  Qid  70'':  Rabbah  b.  Rab  Adid)a  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Wer 
ein  Weib  des  Geldes  wegen  T^'s-a  cva-5  nimmt,  dem  werden  unwürdige  Kinder  zuteil.  || 
SDt6,  5  §32(73bj:  R.  N-^chemja  (um  150)  sagte:  Teuer  (beliebt  w^^zn)  sind  Leiden 
(Züchtigungen);  denn  wie  die  Opfer  sühnen,  so  sühnen  die  Leiden.  Von  den  Opfern 
heißt  es:  „Es  wird  ihm  wohlgefällig  aufgenommen  werden,  um  Sühnung  für  ihn  zu 
schaffen"  Lv  1,4;  von  den  Leiden  heißt  es:  „Sie  werden  ilire  Sündenschuld  sühnen* 
(Lv  iiti,  41,  so  der  Midr).  Ja  die  Leiden  sühnen  noch  mehr  als  die  Opfer;  denn  die 
Opfer  treffen  seinen  Mammon  u.  die  Leiden  den  Körper  (den  Menschen  selbst),  u.  so 
heißt  es:  Haut  um  Haut;  u.  alles,  was  einer  hat,  gibt  er  um  sein  Leben  Hi  2,4.  [j  Zu 
fj,.  tfjg  ccdixi«g  s.  bei  Lk  16,  9. 

4.  ov  dvvaoö^e  ^ho  dovXsvsiv  xal  ficcficovä.  —  Aussagen  prinzipieller 
Art  über  die  Stellung  des  Menschen  zu  den  irdischen  Gütern  s.  bei 
Mt  19,  22.  23.  —  Hier  sei  nur  auf  das  verhältnismäßig  wenig  bekannte 
Wort  Philos  (Fragmenta  ex  Johannis  Damasc.  sacris  parall.)  Mang  2, 649 
verwiesen:  Es  ist  unmöglich,  daß  sich  die  Liebe  zur  Welt  vereinigt 
mit  der  Liebe  zu  Gott  vorfindet,  wie  es  unmöglich  ist,  daß  sich  Licht 
u.  Finsternis  zusammen  miteinander  vorfinden:  af.irxccrov  GvvvTräQxsiv 
■vi]v  TTQog  xoffßov  ayäTirjv  rr  rrQog  tov  ^svv  äydirij,  w^  dfxrjxcevov  avv- 
VTcÖQy^siv  dXkrjkoig  (pwg  xal  (Txörog. 

6,25:  Sorget  nicht  für  euer  Leben,  was  ihr  essen  werdet, 
auch  nicht  für  euren  Leib,  was  ihr  anziehen  werdet. 
fxrj  f.iSQi}.ivcixe  rf]    (pvxfj  v/iicöv  xi  (päyr^rs. 

M^kh  Ex  16,  4  (55  b).  Den  Anfang  der  Stelle  s.  bei  Mt  6,  11  S.  420 y.  Von  hier  aus 
(nämlich  von  Ex  Iti,  4  aus)  hat  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Die  Tora  ist 
zur  Auslegung  nur  den  Mannaessern  gegeben  worden.  Wie  soll  man  aber  sitzen  u. 
auslegen,  wenn  man  nicht  weiß,  was  man  essen  u.  trinken  u.  womit  man  sich  kleiden 
u.  zudecken  soll?  Die  Tora  ist  zur  Auslegung  nur  den  Mannaessern  (die  keine  Sorge 
um  das  tägliche  Brot  kannten)  gegeben  worden  u.  nächst  ihnen  den  Hebeessern  (d.  h. 
den  Priestern).  —  Der  Ausspruch  des  R.  Schim<on  b.  J.  auch  M'kh  Ex  18,  17  (2Sl>).  |j 
Test  Issach  4:  Der  Einfältige  6  dnXovg  begehrt  nicht  Gold;  den  Nächsten  übervorteilt 
er  nicht,  nach  mannigfaltiger  Speise  ßQWfxaKüv  noixiküyy  verlangt  er  nicht,  ausgezeichnete 
Kleidung  will  er  nicht,  lange  Zeit  zu  leben  setzt  er  nicht  voraus,  sondern  er  wartet 
allein  den  Willen  Gottes  ab. 

0,  26:  SehethinaufdieVögel  desHimmels,  daßsienichtsäen 
noch  ernten  noch  in  die  Scheuern  sammeln,  u.  euer  himmli- 
scher Vater  ernährt  sie;  seid  ihr  nicht  viel  vorzüglicher  als  sie? 

L  if-ißlsipara  slg  xd  rcexsivd  xov  ovgavov.  —  Die  unvernünftige 
Kreatur  als  Lehrmeisterin  der  Menschen  weit  (schon  Hil2,  7f). 

Henoch  2,  1— 5, 4:  Beobachtet,  wie  alle  Werke  am  Himmel  ihre  Bahnen  nicht 
ändern,  u.  wie  die  Lichter  am  Himmel  alle  auf-  u.  untergehn,  ein  jedes  nach  (be- 
stimmter) Ordnung  zu  ihrer  festgesetzten  Zeit,  u.  an  ihren  Festtagen  erscheinen  u.  ihre 
besondere  Ordnung  nicht  übertreten.  Betrachtet  die  Erde  u.  beachtet  die  Werke,  die 
von  Anfang  bis  Ende  auf  ihr  geschehen,  wie  sich  keins  von  ihnen  auf  Erden  ver- 
ändert, sondern  alle  Werke  Gottes  zum  Vorschein  kommen.    Betrachtet  den  Sommer 

28'* 


436  Matth  6,  26  (Nr.  1) 

u.  den  Winter,  wie  (im  Winter)  die  ganze  Erde  voll  Wasser  ist,  u.  Wolken,  Tau  u. 
Regen  sich  über  ihr  lagern.  —  Beobachtet  u.  seht,  wie  (im  Winter)  alle  Bäume  aus- 
sehen, als  ob  sie  verdorrt  wären,  u.  (wie)  alle  ihre  Blätter  abgefallen  sind,  außer  (bei) 
vierzehn  Bäumen,  die  ihr  Laub  nicht  abwerfen,  sondern  das  alte  zwei  bis  drei  Jahre 
lang  behalten,  bis  das  neue  kommt.  —  Beobachtet  alsdann,  wie  in  der  Sommerszeit 
die  Sonne  über  ihr  (der  Erde)  ihr  gegenübersteht!  Ihr  sucht  dann  kühle  Plätze  u. 
Schatten  gegen  die  Sonnenhitze  auf,  u.  auch  die  Erde  ist  infolge  der  sengenden  Glut 
brennend  heiß,  so  daß  ihr  weder  auf  den  Erdboden  noch  auf  einen  Stein  wegen  seiner 
Hitze  treten  könnt.  —  Beobachtet,  wie  sich  die  Bäume  mit  Blättergrün  bedecken  u. 
jede  Frucht  von  ihnen  zu  Ehr  u.  Ruhm  (Gottes  dient).  Habt  acht  u.  merkt  auf  alle 
seine  Werke,  so  werdet  ihr  erkennen,  daß  der  lebendige  Gott  sie  so  gemacht  hat  u. 
bis  in  alle  Ewigkeit  lebt.  Alle  seine  Werke,  die  er  gemacht  hat,  geschehen  von  Jahr 
zu  Jahr  immerdar  so,  u.  alle  Werke,  die  ihm  den  Dienst  verrichten,  ändern  sich  auch 
nicht  in  ihrem  Tun,  sondern  sowie  Gott  befiehlt,  geschieht  alles.  Seht,  wie  das  Meer 
u.  die  Flüsse  in  gleicher  Weise  den  Dienst  verrichten  u.  ihr  Tun  seine  Worte  nicht 
ändert.  Ihr  aber  habt  nicht  ausgeharrt  u.  das  Gesetz  des  Herrn  nicht  erfüllt,  sondern 
ihr  seid  abgefallen  u.  habt  durch  hochmütige  u.  trotzige  Worte  aus  eurem  unreinen 
Mund'seine  Majestät  geschmäht!  ]  SDt  32,  1  §806  (i:-!!^):  , Höret,  ihr  Himmel,  daß 
ich  rede"  Dt  H2,  1.  Gott  sprach  zu  Mose:  Sage  den  Israeliten:  Blickt  auf  den  Himmel, 
den  ich  zu  eurem  Dienst  geschaffen  habe,  ob  er  seine  Ordnungen  ändert,  ob  etwa  der 
Sonnenball  nicht  vom  Osten  her  aufsteigt  u.  die  ganze  Welt  erleuchtet  u.  ob  nicht  ge- 
schieht, was  geschrieben  steht  Qoh  1,  5:  „Die  Sonne  geht  auf  u.  die  Sonne  geht  unter!" 
Und  nicht  bloß  dies,  sondern  sie  freut  sich  auch,  meinen  Willen  zu  tun,  s. :  ,Sie  ist 
wie  ein  Bräutigam,  der  hervorgeht  aus  seiner  Kammer,  freut  sich  wie  ein  Held,  laufend 
den  Weg"  Ps  19,  6.  —  „Und  die  Erde  höre  meines  Mundes  Sprüche"  Dt  32, 1.  Blicket  auf 
die  Erde,  die  ich  zu  eurem  Dienst  geschaffen  habe,  ob  sie  etwa  ihre  Ordnung  ändert; 
ob  ihr  säet,  ohne  daß  sie  läßt  sprossen;  ob  ihr  Weizen  säet,  während  sie  läßt  Gerste 
aufgehn;  oder  ob  etwa  eine  Kuh  nicht  drischt  u.  pflügt  oder  ein  Esel  die  Last  nicht 
trägt  u.  geht!  Und  so  hat  er  (Gott)  betreffs  des  Meeres  gesagt:  „Wollt  ihr  mich  nicht 
fürchten,  ist  Jahves  Spruch,  oder  vor  meinem  Angesicht  nicht  beben,  der  ich  den 
Sand  gesetzt  zur  Grenze  dem  Meer?"  Jer  5,  22.  Denn  seitdem  ich  über  das  Meer  Be- 
stimmung getroffen,  ändert  es  etwa  seine  Ordnungen,  sagt  es:  Ich  will  aufsteigen  u. 
die  Welt  überschwemmen?  Heißt  es  nicht:  Ich  bestimmte  ihm  seine  Grenze  u.  setzte 
Riegel  u.  Tore  u.  sprach:  Bis  hierher  sollst  du  kommen  u.  nicht  weiter  Hi  38,  10? 
Und  nicht  bloß  dies,  sondern  es  härmt  sich  auch  darüber  u.  kann  doch  nichts  aus- 
richten, wie  es  heißt:  „Es  brausen  seine  Wogen  u.  vermögen  nichts"  (eine  ungenaue 
Zitierung  von  Jer  5,  22).  Siehe,  da  gilt  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere: 
Wenn  diese  (Schöpfungswerke),  die  weder  für  eine  Belohnung  noch  für  eine  Be- 
strafung erschaffen  worden  sind  —  verhalten  sie  sich  richtig,  so  empfangen  sie  keinen 
Lohn;  fehlen  sie,  so  empfangen  sie  keine  Strafe  —  u.  die  keine  Rücksicht  zu  nehmen 
brauchen  auf  Söhne  u.  Töchter,  ihre  Ordnung  nicht  ändern:  um  wie  viel  mehr  gilt 
das  dann  von  euch,  die  ihr  Lohn  empfangt,  wenn  ihr  gerecht  seid,  u.  Strafe,  wenn 
ihr  sündigt,  u.  die  ihr  Rücksicht  zu  nehmen  habt  auf  eure  Söhne* u.  eure  Töchter,  daß 
ihre  eure  Ordnungen  nicht  ändern  dürft!  —  Eine  ähnliche  Ausführung  über  den  Ge- 
horsam des  Meeres  SNu  6,  26  §  42  {Vi^).  ||  Qid  4,  14:  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Immer 
lasse  der  Mensch  seinen  Sohn  ein  reines  u.  leichtes  Handwerk  lernen  u.  rufe  Den  an, 
dem  der  Reichtum  u.  die  Güter  gehören;  denn  es  gibt  kein  Gewerbe,  in  welchem  sich 
nicht  Armut  u.  Reichtum  fände;  denn  weder  die  Armut  hängt  vom  Gewerbe  ab  noch 
auch  der  Reichtum,  sondern  alles  richtet  sich  nach  der  Würdigkeit.  —  R.  Schimcon 
b.  ElSazar  (um  190)  sagte:  Hast  du  je  in  deinem  Leben  ein  wildes  Tier  oder  einen 
Vogel  gesehen,  die  ein  Gewerbe  gehabt  hätten?  Und  doch  werden  sie  ernährt  ohne 
quälende  Sorgen;  u.  sind  sie  nicht  bloß  zu  meinem  Dienst  erschaffen?  Und  ich  bin 
erschaffen  worden,  um  meinem  Schöpfer  zu  dienen;  sollte  ich  da  nicht  ernährt  werden 
ohne  quälende  Sorgen?    Allein  weil  ich  meine  Taten  verderbt  habe,  habe  ich  meinen 


Matth  6,  26  (Nr.  1— 3j.  6,  27  437 

Unterhalt  beeinträchtigt.  —  pQid  4,  66 b,  38  lautet  der_  Ausspruch  folgendermaßen: 
R.  Schimton  b.  Elcazar  hat  im  Namen  des  R.  Meir  gesagt:  Hast  du  je  in  deinem  Leben 
einen  Löwen  als  Lastträger,  einen  Hirsch  (1.  mit  Qid  82  b  -zs  statt  -^s)  als  Feigen- 
trockner, einen  Fuchs  als  Krämer,  einen  Wolf  als  Topfhändler  gesehen?  u.  doch  er- 
nähren sie  sich  ohne  Kummer.  Und  wozu  sind  sie  erschaffen?  Um  mir  zu  dienen; 
u.  ich  bin  erschaffen,  meinem  Schöpfer  zu  dienen.  Siehe,  da  gilt  der  Schlufs  vom 
Leichteren  auf  das  Schwerere:  wenn  jene,  die  zu  meinem  Dienst  erschaffen  sind,  also 
ernährt  werden  ohne  Kummer,  ist  es  da  nicht  recht,  dafs  ich,  der  ich  meinem  Schöpfer 
zu  dienen  erschaffen  bin,  ernährt  werde  ohne  Kummer?  Und  wer  hat  es  mir  ver- 
ursacht, daß  ich  in  Kummer  mich  ernähi-e?  Antworte:  Meine  Sünden;  weil  ich  meine 
Taten  verderbt  habe,  habe  ich  meinen  Unterhalt  beeinträchtigt.  —  Als  Bar  Qid  82^; 
die  Tradition  in  TQid  5,  15  (348)  nähert  sich  der  Mischna.  ||  Ps  Sal  5,  9  ff.:  Die  Vögel 
u.  die  Fische  nährst  du,  indem  du  der  Steppe  Regen  gibst,  damit  das  Gras  sprossen 
kann,  zu  schaffen  Futter  auf  der  Trift  für  alles  Getier,  u.  wenn  sie  hungern,  so  er- 
heben sie  ihr  Antlitz  zu  dir.  Die  Könige,  Fürsten  u.  Völker  nährst  du,  o  Gott,  u.  wer 
ist  des  Armen  u.  Dürftigen  Hoffnung,  wenn  nicht  du,  Herr?  .  .  .  Hat  der  Mensch 
Überfluß,  so  gerät  er  in  Sünde.  Es  genügt  das  Mittelmaß,  ohne  Schuld,  u.  darin  (ruht) 
des  Herrn  Segen,  daß  man  satt  werde  ohne  Schuld. 

2.  anoi^^i'jxrj.  —  Das  Wort  ist  in  den  Formen  p^riEwS,  ipinisN,  prnan  auch 
ins  Rabbin.  übergegangen;  Stellen  bei  Levy  1, 138''  u.  KrauiaS,  102 ''. 

3.  o  narrJQ  lifiwv  6  ovgdviog  xQscfSi  avtä.  —  Die  Größe  u.  Schwierig- 
keit der  Welternährung  veranschaulichen  folgende  Stellen. 

P'='s  118^^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Die  Ernährung  des  Menschen  ist  doppelt 
so  schwer  wie  die  Geburt;  von  der  letzteren  heißt  es  Gn  3,  16  3:::'3  „mit  Schmerz", 
von  der  Ernährung  aber  heißt  es  Gn  3,  17:  i:^-.:^;,  „mit  schwerer  Mühe"  {•^^z-j.v  wird 
als  Plural  gefaßt  =  zwiefacher,  doppelter  Schmerz).  R.  Jochanan  hat  gesagt:  Die  Er- 
nährung des  Menschen  ist  schwerer  als  die  Erlösung;  von  der  letzteren  heißt  es:  „Der 
Engel,  der  mich  von  allem  Übel  erlöste"  Gn  48,  16,  also  ein  gewöhnlicher  Engel 
(kann  erlösen);  aber  von  der  Ernährung  heißt  es:  „Der  Gott,  der  mich  weidete" 
Vers  15.  .  .  .  Rab  Schezbi  hat  im  Namen  des  R.  El'azar  b.  <Azarja  (um  100)  gesagt: 
Die  Ernährung  des  Menschen  ist  so  schwer  wie  das  Spalten  des  Schilfmeeres;  denn 
es  heißt:  „Der  allem  Fleisch  Speise  gibt"  Ps  136,  25,  u.  dicht  daneben:  „Der  das 
Schilfmeer  in  Teile  zerteilte"  Vers  13.  Dasselbe  in  teilweise  andrer  Fassung  u.  mit 
andren  Autorennamen:  GnR20(13d);  97  (61^);  Midr  Ps  80  §2(181");  ^9  §  2'"(19r'); 
136  §9(261a);  P^siqR  33  (152a).  ||  Ttican  2a:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Drei 
Schlüssel  sind  in  Gottes  Hand,  die  nicht  in  die  Hand  eines  Beauftragten  gegeben 
werden,  nämlich  der  Schlüssel  zum  Regen,  der  S.  zum  Mutterschoß  u.  der  S.  zur  Auf- 
erweckung  der  Toten,  s.  Dt  28,  12;  Gn  30,  22;  Ez  37,  13.  Im  Abendland  (=  Palästina) 
hat  man  gesagt:  Auch  der  Schlüssel  des  Lebensunterhaltes,  s.:  „Du  tust  deine  Hand 
auf  u.  sättigst  alles  Lebende  mit  Erwünschtem"  Ps  145,  16.  — In  GnR  73  (46'')  R.  Bebai, 
um  320,  als  Autor  u.  R.  Tanchuma,  um  380,  als  Tradent;  TanchB  s-^"  §  16  (78a);  der 
vierte  Schlüssel  nicht  in  DtR  7  (204b)  u.  Midr  Ps  78  §5  (173b). 

0,  27:  Wer  aber  von  euch  kann  sorgend  zu  seinem 
Lebensalter  eine  Elle  hinzusetzen? 
riXixia  Lebensalter  =  Dir;;  r^T^i^.   oder   c-ai  nsiDi'^N    „Lebenslange", 
wörthch:  Verlängerung  des  Lebens. 

Qid  39b  (=  TGhull  10,  16  (512);  ChuU  142a)  Bar:  R.  JaSaqob  (11.  um  170)  sagte: 
.  .  .  Beim  Loslassen  der  Vogelmutter  heißt  es:  „Damit  es  dir  wohl  ergehe  u.  du  lange 
lebest"  Dt  22,  7.  Siehe,  wenn  jemandem  sein  Vater  sagt:  Steige  zur  Burg  empor  u. 
hole  mir  Taubenjunge!  u.  er  stieg  zur  Burg  empor  u.  ließ  die  Vogelmutter  los  u.  nahm 
die  Jungen,  u.  beim  Herabsteigen  fiel  er  herab  u.  starb  —  wo  ist  da  das  Wohlergehen 


438  Matth  6,  29.  30  {%  JB) 

seiner  Tage  u.  wo  die  Länge_ seiner  Tage  "^''  ^=■•^s?  Aber  es  will  sagen:  Damit  es 
dir  wohlergehe  in  der  Welt,  die  ganz  gut  ist,  u.  damit  deine  Tage  lang  werden  in 
der  Welt,  die  ganz  lang  ist  (d.  h.  in  der  zukünftigen  Welt).  —  Auf  diesen  Ausspruch 
wird  Bezug  genommen  anläßlich  eines  Erlebnisses  Achers  (um  120)  pChag  *_',  77  b,  53; 
Qid39bs.  beiMt7,  6  SB. 

0,29:  Ich  sage  euch  aber,  daß  auch  Salomo  in  aller  seiner 
Herrlichkeit   nicht  bekleidet  gewesen  ist  wie  deren  eine. 

Die  Lebenshaltung  Salomos  erscheint  sprichwörtlich: 
BM  7, 1 :  Einmal  sagte  R.  Jochanan  b.  Mathja  (ein  Tannait)  zu  seinem  Sohn:  Geh  u. 
miete  uns  Arbeiter.  Er  ging  u.  machte  ihnen  Beköstigung  aus.  Als  er  zu  seinem  Vater 
kam,  sprach  dieser:  Mein  Sohn,  selbst  wenn  du  ihnen  ein  Mahl  wie  das  Salomos 
zu  seiner  Zeit  herrichtetest,  so  hättest  du  doch  nicht  deiner  Pflicht  ihnen  gegenüber 
genügt;  denn  sie  sind  Söhne  Abrahams,  Isaaks  u.  Jakobs.  Aber  bevor  sie  mit  der 
Arbeit  beginnen,  geh  u.  sage  ihnen:  Unter  der  Bedingung,  daß  ihr  von  mir  nur  Brot 
u.  Hülsenfrüchte  zu  fordern  habt!  H  TTaEan  4,  13  (221):  Wenn  der  9.  Ab  (Gedenktag 
der  Zerstörung  Jerusalems,  ein  Fasttag)  auf  einen  Sabbat  fällt  (an  dem  nicht  ge- 
fastet werden  sollte),  so  ißt  u.  trinkt  man  so  viel,  wie  man  gebraucht,  u.  es  darf  auf 
den  Tisch  ein  Mahl  kommen,  wie  das  Salomos  zu  seiner  Zeit,  u.  man  braucht  sich 
nicht  das  geringste  zu  versagen.  —  Die  Kalenderfestsetzung  sorgte  meist  dafür,  daß 
der  9.  Ab  nicht  auf  einen  Sabbat  fiel.  —  Parallelstellen  Bar  c'Er  40b;  Ta'an  29b. 

6,30  51:  Das  Gras  des  Feldes,  das  heute  ist  u.  morgen  in  den 
Ofen  geworfen  wird,  crjfiaQov  övra  xal  ahgiov  de  xXißavuv  ßaXX6i.i£vov. 

In  dem  Bericht  über  die  Ermordung  des  Priesters  Z*^kharja  im 
Tempel  (s.  bei  Mt  23,  35)  sagt  Gott  in  bezug  auf  Nebuzar^adan  P^sig 
122'':  Wenn  dieser,  der  ein  grausamer  Mensch  ist,  der  heute  noch  ist 
u.  morgen  nicht  mehr  ist  "rrs  ^nm  ismy  m-'n,  voller  Erbarmen  über 
meine  Kinder  ist,  um  wieviel  mehr  muß  das  von  mir  gelten,  von  dem 
geschrieben  steht:  „  Jahve  dein  Gott  ist  ein  barmheriziger  Gott"  Dt  4, 31!  Ij 
B^rakh  32'^  (s.  oben  S.  385):  Ein  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  heute 
hier  u.  morgen  im  Grabe  ist. 

TSch'^bicith  5,  19  (68):  Ein  Ofen  "^nrn,  den  man  mit  Stroh  u.  Stoppeln  des  Brach- 
jahres geheizt  hat,  muß  ausgekühlt  werden  (weil  man  von  jenen  Dingen  keinen  Ge- 
nuß haben  darf).  ||  T'^rum  10,4:  Wenn  man -einen  Ofen  ■'^:r  mit  Kümmel(stengeln) 
von  Hebe  geheizt  u.  darin  Brot  gebacken  hat,  so  ist  das  Brot  erlaubt,  weil  es  sich 
dabei  nicht  um  den  Geschmack,  sondern  um  den  Geruch  des  Kümmels  handelt.  || 
Schab  3,  1:  Auf  einen  Herd  --•?,  den  man  mit  Stoppeln  oder  Aufgelesenem  (wie  Reisig, 
Gras  u.  dgl.)  geheizt  hat,  darf  man  (vor  Sabbatsanbruch)  Speisen  setzen. 

6,  30^:  Ihr  Kleingläubigen,  ohyomaxoi  =  nj'oN  '^i;:ip_  oder  i'^ijp-inri 
nj^N  =  solche,  denen  es  an  Glauben  fehlt. 

Sota  9, 12:  Seitdem  das  Heiligtum  zerstört  ist,  hat  der  Schaniir^  aufgehört  u.  der 
Honig  von  ^ophim^  u.  die  Männer  des  Vertrauens  (Glaubens  -p-is  -i:s)  haben  ein 
Ende  genommen,  vgl.:  „Hilf,  Jahve,  denn  geendet  hat  der  Fromme,  aufgehört  haben 

'  Schamir,  ein  AVurm,  der  Steine  sprengt. 

2  s-r-s'rri:  unsicher.  Rab  (f  247):  Mehl,  das  (vor  Fett)  am  Siebe  klebt  u.  einem 
mit  Honig  gekneteten  Teige  gleicht.  —  Levi  (b.  Sisi,  um  200):  Zwei  Brote,  die  im  Ofen 
zus.kleben  (nachdem  sie  infolge  des  fetten  Mehles  auseinandergegangen  warenl.  — 
R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250):  Honig  von  (^ophim  (Ortschaft  in  der  Nähe  Jerusalems) 
oder  Honig  von  den  Bergen,  s.  Raschi;  Sota  48'^  u.  pSotaO,  24b,  47. 


Matth  6, 30  (23).  6,  33  (Nr.  1)  439 

die  Treuen"  Psl2,  2.  —  Dazu  Sota  48b:  Die  Männer  des  Vertrauens  haben  ein  Ende 
genommen.  R.  JiQchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Das  sind  die  Menschen,  die  kein  Ver- 
trauen (Negation  in  Handschrift  München,  ed.  Ven.  1)  zu  Gott  haben.  Bar:  R.  Elifezer 
der  Ältere  (um  90)  sagte:  Wer  Brot  in  seinem  Korbe  hat  u.  spricht:  „Was  soll  ich 
morgen  essen?"  der  gehört  zu  den  Kleingläubigen  -:"2!<  -rjp.  Das  ist  es,  wasR.  El?azar 
(um  270)  gesagt  hat:  Was  heilst:  „Denn  wer  verachtet  den  Tag  geringer  Dinge?" 
Sach  4,  10?  Wer  verursacht  es  den  Gerechten,  dafs  ihr  Tisch  in  der  Zukunft  geplündert 
erscheint  (d.  h.  dafB  ihnen  nicht  voller  Lohn  zu  teil  wird)?  Ihr  Kleinglaube  P"'-:r.,  weil 
sie  nicht  auf  Gott  vertrauten.  —  Die  Parallelstelle  aus  M^'kh  Ex  lts4  (.^5b)  s.  S.  420  f.  |! 
M%h  zu  Ex  If5,  19  f.  (ö8"):  „Mose  sprach  zu  ihnen:  Niemand  soll  davon  übriglassen 
bis  zum  Morgen.  Aber  sie  hörten  nicht  auf  Mose"  Ex  16,  19 f.  Das  waren  die  Klein- 
gläubigen -:-:x  -^s---?  in  Israel.  Dasselbe  ExR  2.5  (87-^).  ||  M'kh  Ex  16,27  (58b):  „Am 
siebenten  Tage  gingen  etliche  vom  Volk  hinaus,  um  zu  sammeln,  fanden  es  aber  nicht" 
Ex  16,27.  Das  waren  die  Kleingläubigen  ~:-2s  '•'criin  Israel.  —  jj  Andre  Stellen,  an  denen 
von  „Kleingläubigen"  geredet  wird,  sind:  P^s  118b:  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Die 
Israeliten,  die  in  jenem  Geschlecht  lebten  (zur  Zeit  des  Durchzuges  durch  das  Schilf- 
meer),  gehörten  zu  den  Kleingläubigen  ~:'2x  ""Jp.  --  Dasselbe  fArakh  15».  ||  GnRo2(l9''): 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Noah  war  kleingläubig,  n3-:s  ^ci-i;  wenn  ihm  das 
Wasser  nicht  bis  an  die  Fußgelenke  gereicht  hätte,  wäre  er  nicht  in  die  Arche  ge- 
gangen. II  B'rakh  24b:  Wer  seine  Stimme  bei  seinem  Gebet  hören  läßt  (d.  h.  laut  betet), 
der  gehört  zu  den  Kleingläubigen  -:-;s  -rjp.  jj  Sota  46b:  Was  heißt  „kleine  Jünglinge" 
c-:-jp  ="-:':  2  Kg2,  z8?  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  [z'^v:  heißen  sie)  weil  sie  ent- 
leert waren  z—'V^rt  von  Pflichtgeboten;  c":-r,  weil  sie  zu  den  Kleingläubigen  n:'3s  *:i:p 
gehörten.  ||  Targ  Jeruschl  Nu  11,  o2:  Da  machten  sich  die  Kleingläubigen  s-:;':-r-  "^jrj'i 
im  Volk  auf  denselben  ganzen  Tag  u.  die  ganze  Nacht  u.  den  ganzen  folgenden  Tag 
u.  sammelten  die  Wachteln.  .  .  . 

€,33:   Suchet   aber  zuerst  das  Reich  u.  seine  Gerechtigkeit, 
so  wird  euch  dieses  alles  hinzugegeben  werden. 

1.  Qid  4,  14:  R.  N'^'horai  (um  150)  sagte:  Ich  lasse  alle  Gewerbe,  die  es  in  der  Welt 
gibt,  dahinten  u.  lehre  meinen  Sohn  nur  die  Tora,  von  deren  Lohn  der  Mensch  in  dieser 
Welt  genießt,  während  ihm  das  Kapital  (der  volle  Lohn)  anstehn  bleibt  für  die  zu- 
künftige Welt.  Bei  allen  übrigen  Gewerben  ist  das  nicht  der  Fall.  Denn  wenn  ein 
Mensch  in  Krankheit  oder  Alter  oder  Leiden  gerät,  so  kann  er. sich  mit  seinem  Ge- 
werbe nicht  beschäftigen,  so  muß  er  also  vor  Hunger  sterben.  Aber  die  Tora  nicht 
also;  sie  bewahrt  ihn  vielmehr  vor  allem  Bösen  in  seiner  .Jugend  u.  verleiht  ihm  Zu- 
kunft u.  Hoffnung  in  seinem  Alter.  Wie  heißt  es  von  seiner  Jugend?  „Die  auf  Jahve 
harren,  kriegen  neue  Kraft"  Jes  40,  31.  Und  wie  heißt  es  von  seinem  Alter?  „Fruchtbar 
werden  sie  noch  im  Greisenalter  sein,  voll  Saftes  u.  Frische  bleiben"  Ps  92, 15.  —  Das- 
selbe als  Bar  mit  geringen  Abweichungen  TQid  5,  16  (343);  pQid  4,  66  b,  44;  bQid  82  b.  [| 
B^Takhl4a:  R.  Jona  (um  350)  hat  gesagt,  R.  Z'^fira  (um  300)  habe  gesagt:  Wer  sich 
mit  den  eignen  Angelegenheiten  beschäftigt,  bevor  er  gebetet  hat  (des  Morgens),  der 
ist,  als  ob  er  einen  Götzenaltar  baute.  .  .  .  Rab  Idi  b.  Abin  (wann?)  hat  gesagt,  Rab 
Ji9chaq  b-  Aschjan  (wann?)  habe  gesagt:  Es  ist  einem  Menschen  verboten,  sich  mit 
seinen  eignen  Angelegenheiten  zu  beschäftigen,  bevor  er  gebetet  hat,  vgl.  Ps85,  14: 
Gerechtigkeit  (im  Sinn  des  Midr:  das  Gebet,  das  Gottes  gerechtes  Walten  anerkennt) 
soll  vor  ihm  hergehn  u.  (dann)  soll  er  seine  Füße  auf  den  Weg  setzen  (seinen  Ge- 
schäften nachzugehn).  Ferner  hat  Rab  Idi  b.  Abin  gesagt,  Rab  Ji^chaq  b.  Aschjan  habe 
gesagt:  Wer  betet  u.  dann  seine  Straße  zieht,  dessen  Angelegenheiten  besorgt  Gott.  || 
B'rakh  35b  Bar:  „Du  wirst  dein  Korn  u.  deinen  Most  u.  dein  Öl  einsammeln"  Dt  11, 14. 
Was  will  die  Schrift  lehrend  sagen?  Wenn  es  heißt:  „Dieses  Buch  der  Tora  soll  nicht 
von  deinem  Munde  weichen"  Jos  1,  8,  so  könnte  man  diese  Worte  buchstäblich  fassen 
(nämlich,  daß  sich  der  Israelit  nur  mit  der  Tora  beschäftigen  dürfe).  Darum  sagt  die 
Schrift  lehrend:    „Du  wirst  dein  Korn   einsammeln."    Beschäftige  dich  also  mit  den 


440  Matth  6,  33  (Nr.  1 .  2) 

Worten  der  Tora,  wie  es  der  irdische  Beruf  ":s  --ir;  mit  sich  bringt.  Das  sind  Worte 
des  R.  Jischmacel  (f  um  135).  R.  Schimcon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Ist  das  möglich? 
Wenn  ein  Mensch  pflügt  7A\r  Zeit  des  Piiügens,  sät  zur  Zeit  des  Häens,  erntet  zur  Zeit 
des  Erntens,  drischt  zur  Zeit  des  Dreschens,  worfelt  zur  Zeit  des  Worfeins  —  was 
würde  bei  ihm  aus  der  Tora?  Vielmehr  wenn  die  Israeliten  den  Willen  Gottes  tun, 
dann  wird  ihre  Arbeit  durch  andre  getan  (so  daß  sie  ohne  Unterbrechung  dem  Tora- 
studium sich  widmen  können),  s.:  „Bereitstehn  werden  Fremde,  eure  Herden  zu  weiden, 
u.  Söhne  des  Auslands  werden  eure  Ackersleute  u.  eure  Weingärtner  sein"  Jes61.5. 
Wenn  die  Israeliten  aber  nicht  Gottes  Willen  tun,  dann  muß  ihre  Arbeit  durch  sie 
selbst  verrichtet  werden,  wie  es  heißt:  ,Du  wirst  dein  Korn  usw.  einsammeln"  Dt  11. 14. 
Und  nicht  bloß  dies,  sondern  auch  die  Arbeit  andrer  muß  durch  sie  verrichtet  werden, 
s.:  „Du  wirst  für  deinen  Feind  arbeiten  müssen"  Dt  28, 48.  —  Abaje  (f  o3i^/;i9)  hat 
gesagt:  Viele  haben  sich  nach  den  Worten  des  R.  Jischma'el  gehalten,  u.  sie  haben 
Glück  damit  gehabt,  u.  viele  nach  den  Worten  des  R.  Schimcon  b.  Jochai,  u.  sie  haben 
kein  Glück  damit  gehabt!  Raba  (f  352)  pflegte  zu  den  Rabbinen  zu  sagen:  Ich  bitte 
euch,  in  den  Tagen  des  Nisan  (Erntezeit)  u.  in  den  Tagen  des  Tischri  (Kelterzeit)  er- 
scheinet nicht  vor  mir,  damit  ihr  euch  nicht  das  ganze  Jahr  hindurch  mit  eurem 
Lebensunterhalt  zu  beschäftigen  braucht.  Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt, 
K  Jochanan  (f  279)  habe  im  Namen  des  R.  Jehuda  b.  El'ai  (um  150)  gesagt:  Komm 
u.  sieh,  daß  die  späteren  Geschlechter  nicht  sind  wie  die  früheren  Geschlechter:  die 
früheren  Geschlechter  machten  ihr  Torastudium  zu  etwas  Festbestimmtem  vz-  u.  ihre 
(irdische)  Arbeit  zu  etwas  Zufälligem  -s-y;  da  kam  beides  in  ihren  Händen  zu  Bestand. 
Die  späteren  Geschlechter  machten  ihre  (irdische)  Arbeit  zu  etwas  Festbestimmtem  u. 
ihr  Torastudium  zu  etwas  Zufälligem  (Gelegentlichem);  da  gewann  keins  von  beiden 
Bestand  in  ihren  Händen.  —  Die  Bar  im  Anfang  dieser  Stelle  stammt  aus  SDt  11,  14 
§42  (80 1>).  li  EAZ  19'^:  R.  Abdemi  b.  Chama  (ein  Amoräer  ungewisser  Zeit)  hat  gesagt: 
Wer  sich  mit  der  Tora  beschäftigt,  dessen  Angelegenheiten  besorgt  Gott,  s. :  Durch 
die  Tora  Jahves  geschieht  sein  Wunsch  Ps  1,2  (so  der  Midr).  |1  <AZ  19^:  R.  Jehoschua' 
b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Dies  Wort  steht  in  der  Tora  geschrieben  u.  wird  wieder- 
holt in  den  Propheten  u.  zum  drittenmal  in  den  Hagiographen  gesagt:  Wer  sich  mit 
der  Tora  beschäftigt,  dessen  Vermögen  gedeiht.  In  der  Tora  steht  geschrieben:  „So 
haltet  denn  die  Worte  dieses  Bundes  u,  übt  sie,  damit  ihr  Glück  habt  bei  allem,  was 
ihr  tut"  Dt  29,  8.  Zum  zweitenmal  steht  es  in  den  Propheten:  „Dieses  Buch  der  Tora 
weiche  nicht  von  deinem  Munde  .  .  .;  denn  dann  wirst  du  Glück  auf  deinem  Wege 
haben"  Jos  1,8.  Zum  drittenmal  steht  es  in  den  Hagiographen:  „Durch  die  Tora  Jahves 
geschieht  sein  Wunsch"  Psl,2  (so  der  Midr).  ||  SLv26, 21  (454»):  Ihr  macht  meine 
Rechte  (":— )  zur  Nebensache  in  der  Welt,  so  mache  auch  ich  euch  zur  Nebensache 
in  der  Welt  (eine  Warnung  Gottes  an  Israel).  I|  P^siqR  14  (59  a):  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  im  Namen  des  R.  Schinicon  b.  Jeho^adaq  (um  225)  gesagt:  .  .  .  Salomo  sprach- 
Herr  der  Welten,  um  Weisheit  bitte  ich,  daß  du  mir  Weisheit  u.  Wissen  gebest 
(s.  2  Ohr  1,10).  Gott  sprach  zu  ihm:  Weil  du  um  Weisheit  gebeten  hast,  bei  deinem 
Leben,  alle  Dinge  sind  Anhängsel  der  Weisheit  —  so  sei  dir  Weisheit  u.  Wissen  (Er- 
kenntnis) gegeben,  u.  Reichtum  u.  Schätze  u.  Herrlichkeit  (Ehre)  werde  ich  dir  geben 
(2  Chr  1,  12). 

2.  Trjv  ßaaiXei'av  ohne  den  Zusatz  rov  O^tov  oder  rwr  ovQarcov  (wie 
auch  4,  23;  8,  12;  9,35;  13,19.38;  24,14;  25,34;  Lk  12,  32;  22,  29)  hat 
man  vielleicht  aus  dem  Bestreben  zu  erklären,  die  Gottesbezeichnung 
möglichst  fortzulassen,  wo  kein  Mißverständnis  dadurch  entstehn  konnte. 
Ein  gutes  Beispiel  aus  dem  Rabbin.  bietet  hierfür  Aboth  3,  14,  wo 
R.  ?Aqiba  (f  um  135)  sagt,  daß  der  Mensch  „nach  dem  Bilde"  geschaffen 
sei.  Er  setzt  voraus,  daß  seine  Hörer  wissen,  nach  wessen  Bild  der 
Mensch  erschaffen  ist;  s,  die  Stelle  S.  443. 


Matth6,34(5t.  33).  7, 1.2(311)  441 

6,34  51:  Sorget  also  nicht  um  den  morgenden  Tag. 

Sanh  lOÖb;  (Ein  Zitat  aus  dem  Buche  des  Ben  Sira:)  Mache  dir  keine  Not  um  die- 
Not  des  morgenden  Tages  '^~?3  .—• j;  denn  du  weißt  nicht,  was  der  (heutige)  Tag  ge- 
bären wird.  Vielleicht  ist  man  morgen  nicht  mehr  vorhanden,  u.  dann  würde  man  sich 
Not  gemacht  haben  ij-jüi  um  eine  Welt,  die  einem  nicht  gehört.  —  Dasselbe  Jeb  t)cJl>; 
vgl.  Sir  30, 2 1 ;  38, 20 ;  Spr  27, 1 . 

6,34  58:  Genug  für  den  Tag  ist  seine  Plage  {xaxia). 

Berakh9'^:  ,lch  werde  sein,  der  ich  sein  werde"  Ex  3, 14.  Gott  sprach  zu  Mose: 
Geh  u.  sage  den  Israeliten:  Ich  bin  mit  euch  in  dieser  Knechtschaft  gewesen  u.  ich 
werde  mit  euch  sein  in  der  Knechtschaft  der  Weltreiche.  Da  sprach  Mose  vor  ihm: 
Herr  der  Welt,  es  ist  genug  an  der  Not  zu  ihrer  Stunde  r.ry-vz  nnu-s  n--;  (wenn  sie 
da  ist.  Was  soll  ich  zu  den  Israeliten  reden  von  der  Knechtschaft,  die  noch  aussteht!). 
Gott  sprach:  Geh,  sage  ihnen:  Der  „Ich  sein  werde"  hat  mich  zu  euch  gesandt.  — 
In  ExR  3  (69*^^)  wird  dieser  Ausspruch  von  K.  .laEaqob  b.  Abina  (um  325)  im  Namen  des 
R.  Huna  aus  Sepphoris  (gegen  3U0)  mitgeteilt. 

7,1:  Richtet  nicht  {[xri  xQiveve),  damit  ihr  nicht  gerichtet  werdet. 

Aboth  1,6:  Jehoschuac  b.  P^rachja^  (um  110  v.  Chr.)  sagte:  Erwähle  dir  einen  Lehrer, 
erwirb  dir  einen  Studiengenossen  u.  beurteile  (oder  richte  ■;-  "^-i)  jedermann  nach  der 
Wagschale  des  Verdienstes  (d.  h.  nach  seiner  verdienstlichen  Seite).  ||  Derekh  Ere9  Zuta  3 : 
Beurteile  (i'ichte  "  "i~)  deinen  Nächsten  nach  der  Wagschale  des  Verdienstes  u.  laß 
ihn  nicht  sinken  (=  verurteile  ihn  nicht)  nach  der  Wagschale  der  Schuld.  !|  Aboth  2,4: 
Hillel  (um  20  v.  Chr.)  sagte:  Richte  deinen  Nächsten  nicht,  bis  du  in  seine  Lage  ge- 
kommen bist.  —  Weitere  Stellen  s.  bei  Mt  7,  2. 

T,  2  51:  Denn  mit  welchem  Gericht  ihr  richtet, 
werdet  ihr  gerichtet  werden. 

1.  Zur  Sentenz  vgl.: 

Schab  127»:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Von  sechs  Dingen  genießt  der  Mensch 
die  Zinsen  in  dieser  Welt,  während  ihm  das  Kapital  anstehn  bleibt  für  die  eukünftige 
Welt.  Diese  sind:  Gastfreundschaft,  Krankenbesuch,  Gebetsandacht,  frühzeitiger  Be- 
such des  Lehrhauses,  Erziehung  der  Söhne  für  das  Torastudium  u.  das  Beurteilen 
(Richten)  des  Nächsten  nach  der  verdienstlichen  Seite.  .  .  .  Bar:  Wer  seinen  Nächsten 
nach  der  verdienstlichen  Seite  beurteilt,  den  beurteilt  man  (=  Gott)  nach  der  verdienst- 
lichen Seite.  Einmal  ging  ein  Mensch  von  Obergaliläa  hinab  u.  vermietete  sich  bei 
einem  Besitzer  im  Süddistrikt  (Darom)  auf  drei  Jahre.  Am  Rüsttag  des  Versöhnungs-i 
festes  sprach  er  zu  seinem  Herrn:  Gib  mir  meinen  Lohn,  daß  ich  gehe  u.  mein  Weib 
u.  meine  Kinder  davon  unterhalte.  Dieser  antwortete :  Ich  habe  kein  Geld.  Jener  sprach : 
Dann  gib  mir  Früchte.  Dieser  erwiderte:  Ich  habe  keine.  Jener:  So  gib  mir  Grund 
u.  Boden.  Dieser:  Ich  habe  keinen.  Jener:  So  gib  mir  Vieh.  Dieser:  Ich  habe  keins. 
Jener:  So  gib  mir  Decken  u.  Polster.  Dieser:  Ich  habe  keine.  —  Da  nahm  er  seine 
Gerätschaften  auf  den  Rücken  u.  zog  verdrießlichen  Sinnes  heim.  Nach  dem  Fest  nahm 
der  Besitzer  den  Lohn  jenes  Arbeiters  in  seine  Hand  u.  außer  diesem  noch  eine  Last 
für  drei  Esel.  Die  eine  bestand  aus  Speisen,  die  andre  aus  Getränken  u.  die  dritte  aus 
allerlei  kostbaren  Früchten.  Damit  machte  er  sich  auf  in  dessen  Haus.  Nachdem  sie 
gegessen  u.  getrunken  hatten,  gab  er  ihm  seinen  Lohn.  Er  sprach  zu  ihm:  Als  du  zu 
mir  sagtest:  ,Gib  mir  meinen  Lohn'  u.  ich  dir  antwortete:  ,Ich  habe  kein  Geld',  in 
welchem  Verdachte  hattest  du  mich  da?  Ich  dachte,  es  wäre  dir  vielleicht  Handels- 
ware billig  angeboten  worden  u.  du  hättest  sie  für  dein  Geld  gekauft.   Und  als  du  zu 


1  Jehoschuac  b.  Perachja  wird  Sanh  107 1»  u.  Sota  47  a  anachronistisch  zum  Lehrer 
Jesu  gemacht;  s.  oben  S.  b4  f. 


442  Matth  7,  2  (3t  1) 

mir  sagtest:  ,Gib  mir  Vieh'  u.  ich  antwortete:  ,Ich  habe  kein  Vieh',  in  welchem  Ver- 
dachte hattest  du  mich  da?  Ich  dachte,  es  wäre  vielleicht  an  andre  vermietet  worden. 
Als  du  zu  mir  sagtest:  .Gib  mir  Grund  u.  Boden'  u.  ich  dir  antwortete:  ,Ich  habe 
keinen  Grnnd  u.  Boden',  in  welchem  Verdachte  hattest  du  mich  da?  Ich  dachte,  er 
wäre  vielleicht  an  andre  verpachtet  worden.  Und  als  ich  zu  dir  sagte:  ,Ich  habe  keine 
Früchte',  in  welchem  Verdachte  hattest  du  mich  da?  Ich  dachte,  sie  wären  vielleicht 
noch  nicht  verzehntet.  Und  als  ich  zu  dir  sagte:  ,Ich  habe  keine  Decken  u.  Polster', 
in  welchem  Verdachte  hattest  du  mich  da?  Ich  dachte,  vielleicht  hat  er  alle  seine 
Güter  dem  Himmel  (=  Gott)  geweiht.  Da  sprach  er  zu  ihm:  Beim  Tempeldienst,  so 
verhielt  es  sich:  ich  hatte  alle  meine  Güter  durch  Gelöbnis  Gotte  geweiht,  weil  mein 
Sohn  Hyrkanus  sich  nicht  mit  dem  Torastudium  befaßte.  Als  ich  aber  zu  meinen  Ge- 
nossen im  Süddistrikt  kam,  haben  sie  mir  alle  meine  Gelübde  gelöst;  u.  wie  du  mich 
nach  der  verdienstlichen  Seite  beurteilt  (gerichtet)  hast  -:r:-;,  so  möge  dich  Gott  nach 
der  verdienstl.  Seite  beurteilen  (richten  """")!  —  Bar:  Ein  Frommer  hatte  einmal  ein 
Mädchen,  eine  Tochter  Israels,  ausgelöst  (aus  der  Gefangenschaft  oder  dergl.)  u.  sie 
in  der  Herberge  am  Fußende  seines  Bettes  schlafen  lassen.  Am  Morgen  ging  er  hinab, 
um  sich  zu  baden;  dann  unterrichtete  er  seine  Schüler  u.  sprach  zu  ihnen:  Als  ich 
sie  am  Fußende  meines  Bettes  schlafen  ließ,  in  welchem  Verdachte  hattet  ihr  mich 
da?  Wir  dachten,  es  wäre  vielleicht  unter  uns  ein  Schüler,  der  unsrem  Lehrer  nicht 
bewährt  erscheine.  Als  ich  aber  hinabging,  um  zu  baden,  in  welchem  Verdachte  hattet 
ihr  mich  da?  Wir  dachten,  vielleicht  hat  der  Lehrer  infolge  der  Anstrengung  der  Reise 
nächtliche  Pollution  gehabt.  Er  antwortete  ihnen :  Beim  Tempeldienst,  so  verhielt  es 
sich;  u.  wie  ihr  mich  nach  der  verdienstlichen  (guten)  Seite  beurteilt  habt,  so  möge 
euch  Gott  nach  der  verdienstl.  Seite  beurteilen!  —  Bar:  Einmal  hatten  die  Gelehrten- 
schüler ein  dringliches  Anliegen  an  eine  (heidnische)  Matrone,  bei  der  alle  Großen 
Roms  sich  einzufinden  pflegten.  Man  sprach:  Wer  will  hingehn?  R.  J*^hoschuaf  (um  90) 
antwortete:  Ich  will  hingehn.  Er  ging  samt  seinen  Schülern.  Als  er  an  die  Tür  ihres 
Hauses  kam,  legte  er  in  einer  Entfernung  von  vier  Ellen  die  Gebetsriemen  ab;  dann 
trat  er  ein,  verschloß  aber  die  Tür  vor  .seinen  Schülern.  Als  er  wieder^herauskam, 
ging  er  hinab  u.  badete;  dann  unterrichtete  er  seine  Schüler  u.  sprach:  Als  ich  die 
Gebetsriemen  ablegte,  in  welchem  Verdachte  hattet  ihr  mich  da?  Wir  dachten,  unser 
Lehrer  meine,  daß  man  heilige  Dinge  nicht  mitnehmen  dürfe  an  einen  Ort  der  Un- 
reinheit (als  solcher  galt  das  Haus  der  Heidin).  • —  Und  als  ich  die  Tür  zuschloß,  in 
welchem  Verdachte  hattet  ihr  mich  da?  Wir  dachten,  es  handle  sich  zwischen  ihnen 
vielleicht  um  eine  (geheime)  Regierungsangelegenheit.  —  Und  als  ich.  hinabging  u. 
badete,  in  welchem  Verdachte  hattet  ihr  mich  da?  Wir  dachten,  es  möchte  vielleicht 
(verunreinigender)  Speichel  aus  ihrem  Munde  auf  die  Kleider  unsres  Lehrers  gespritzt 
sein.  Da  sprach  er  zu  ihnen:  Beim  Tempeldienst,  so  verhielt  es  sich;  u.  wie  ihr  mich 
nach  der  verdienstlichen  (guten)  Seite  beurteilt  habt,  so  möge  euch  Gott  nach  der 
veritienstl.  Seite  beurteilen!  |!  M'^g'28-'^:  Raba  (f  ^^'■^)  hat  gesagt:  Wer  nachsichtig  ist 
(wörtlich:  über  seine  Maße  oder  Eigenschaften  hinausgeht,  nicht  streng  darauf  besteht), 
bei  dem  sieht  man  (=;  Gott)  hinweg  über  alle  seine  Verfehlungen,  wie  es  heißt:  „Der 
Schuld  vergibt,  u.  zwar  wenn  man  über  Verfehlung  hinwegsieht"  Micha?,  18  (soder 
Midr).  Wem  vergibt  er  Schuld?  dem,  der  über  seine  (des  Nächsten)  Verfehlungen 
hinwegsieht.  —  Dasselbe  RH  IT^";  ohne  den  Schriftbeweis  auch  Joma23*.  ||  RH  IH'': 
R.  Ji9chaq  (um  800 1  hat  gesagt:  Dreierlei  bringt  die  Sünden  eines  Menschen  (vor  Gott) 
in  Erinnerung:  eine  sich  neigende  Wand  (d.  h.  eine  Stätte  der  Gefahr,  an  die  sich  ein 
Mensch  begibt',  das  Harren  auf  Gebetserhörung  u.  wenn  man  eine  Rechtssache  gegen 
einen  andren  (Gotte)  übergibt  (an  Gott  appelliert.  In  allen  diesen  Fällen  prüft  Gott 
das  Schuldregister  eines  Menschen,  ob  er  des  göttl.  Eingreifens  würdig  erscheint). 
Denn  R.  Abin  (um  325)  hat  gesagt:  Wer  eine  Sache  wider  einen  andren  (Gotte)  über- 
gibt, der  wird  zuerst  (von  Gott)  bestraft,  vgl.:  „Sarai  sprach  zu  Abraham:  .  .  .  Jahve 
richte  zwischen  mir  u.  dir!"  Gn  16,5  u.:  „Abraham  kam,  um  Sara  zu  betrauern" 
On  23, 2.  (Saras  Tod  vor  Abrahams  Ableben  die  Strafe  für  ihre  Appellation  an  Gott.)  — 


Matth  7,  2  (3t  1.  2)  443 

In  BQ  93^*  R)L  Chanan,  um  300,  statt  R.  Abin  als  Autor.  Vgl.  den  ähnlichen  Ausspruch 
GnR  4.")  ('28'-"):  R.  Tanchuma  (um  380)  hat  im  Namen  des  R.  Chijja  des  Älteren  (um  JOO) 
u.  R.  B^'rekhja  (um  -HO)  im  Nameu  des  R.  Chijja  (b.  Abba,  um  280)  gesagt:  Wer  bei 
der  göttl.  Gerechtigkeü  anklopft  (d.  h.  an  Gottes  Gericht  Berufung  einlegt),  der  geht 
nicht  glatt  (heil)  aus  Gottes  Hand  hervor.  Sara  hätte  Abrahams  Alter  erreichen  sollen, 
aber  weil  sie  sprach:  „Jahve  richte  zwischen  mir  u.  dir!"  wurden  38  Jahre  von  ihrem 
Leben  zurückbehalten. 

2.  xQixh^aeaO^e.  Die  passive  Konstruktion  ist  gewählt,  um  die  Nennung 
Gottes  zu  vermeiden:  „ihr  werdet  gerichtet  werden"  also  =  Gott  wird 
euch  richten.  Diese  Ausdrucksweise  zur  Vermeidung  des  Gottesnamens 
ist  im  NT  ungemein  häufig,  bei  Mt  zB  3,  10  ixxoTCTsxai  xal  eig  nvq 
ßaXksTai;  5,5  7iaQaxXrj^f]O0i'zai,;  5,  6  xoQTao!ff']aorvm',  5,  7  eXeiqd-r^aovTai; 
5,9  xXrjitrjüovTai;  h,2h  ßXrj^iay;  5,29  ßlrji^^;  6,7  siaaxovod^r^aovrai', 
(j,  9  «ytao'i^jyVw ;  6,  10  ysvrjd-i^TO};  6,  33  Ttgoffce^rjaerai;  7, 1  xoi^Pjze',  7,  2 
außer  xQii^t^aeaO^s  noch  i^i€TQi]^i^(f€Tcci;  7,  7  do&rjaerai,  avoiyr^Germ;  7, 19 
ixxÖTTTtxai,  ßdXXarai;  10,19  doÖr^aerai',  10,30  r^Qi^/^nji^uvai  daiv;  11,23 
vi^iw^^r^ffr],  xaTaßißaad^i](Tr];  12,31  (Xffjei/^i^ffsrai;  12,37  Sixaioad-r^Gr],  xata- 
6ixa(T^rar]\  12,39  So^tja^rai;  13, 11  6t'6oTa(;  13, 12  6o^r^(TsTai,  nsQiaasv- 
yh'^asTai,  aQ^tjasTai;  14,2  ^Jf^Q^rj;  Ib,  13  exgi^oiOt^asrai;  16,4  do^tjffsvai 
usw.i  Überall  wäre  hier  bei  aktiver  Fassung  des  Satzes  Gott  als  Sub- 
jekt zu  nennen  gewesen.  In  der  rabbin.  Literatur  wird  diese  Kon- 
struktion seltener  verwandt ;a  gewöhnlich  gebraucht  man  das  Aktivum 
mit  dem  unbestimmten  Subjekt  „sie"  =  man,b  wobei  es  dem  Leser  über- 
lassen bleibt,  sich  das  eigentliche  Subjekt,  nämlich  Gott,  selbst  hinzu- 
zudenken. Diese  Ausdrucksweise  ist  im  NT  selten,  Si  bei  Lk  16,  9. 

a.  Aboth  3,  14:  (R.  lAqiba,  f  um  135)  pflegte  zu  sagen:  Geliebt  ist  der  Mensch, 
denn  er  ist  im  Bilde  (Gottes)  geschaffen.  Als  eine  besondere  Liebe  wurde  ihm  kund- 
getan, daß  er  im  Bilde  erschaffen  worden  ist,  s. :  „Denn  im  Bilde  Gottes  hat  er  den 
Menschen  geschaffen"  Gu  9,  6.  (Während  das  AT  aktivisch  redet,  spricht  R.  cAq. 
passivisch;  ebenso  im  folgenden.)  Geliebt  sind  die  Israeliten:  denn  sie  werden  Söhne 
Gottes  genannt  (s.  dieselbe  Konstruktion  Mt  5,  9);  als  eine  besondere  Liebe  wurde 
ihnen  kundgetan,  daß  sie  Söhne  Gottes  genannt  werden,  s.  Dt  14,  L  ||  Sukka  53^: 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Die  Füße  des  Menschen  bürgen  für  ihn:  nach  dem 
Ort,  wo  er  angefordert  wird  -":r-i  (=  wo  Gott  ihn  anfordert),  dahin  schaffen  sie  ihn.  |i 
SDt  11,22  45  48  (84b):  R.  ElEazar  b.  ^adoq  (um  100)  sagte:  Wenn  das  Leben  des  Bel- 
scha9(jar,  weil  er  sich  der  Gefäße  des  Heiligtums  bediente,  die  doch  (infolge  ihrer 
Fortschaffung  nach  Ez  7,  21)  profane  Gefäße  waren,  aus  dieser  u.  der  zukünftigen  Welt 
ausgetilgt  worden  ist  ■'"p"3,  um  wieviel  mehr  wird  das  Leben  desjenigen,  der  sich 
des  Gerätes  bedient,  durch  das  diese  u.  die  zukünftige  Welt  erschaffen  worden  ist 
(d.  h.  der  Tora),  aus  dieser  u.  der  zuk.  Welt  ausgetilgt  werden  •■*-":  (=  Gott  wird  aus- 
tilgen). II  Chag  15*:  Acher  (um  120)  sah,  daß  dem  Metatron  Vollmacht  gegeben  war 
N^Tps  (=  daß  Gott  ihm  Vollmacht  gab)  zu  sitzen,  um  die  Verdienste  Israels  auf- 
zuschreiben. ||  GnR  3  (3''):  Wo  wurde  das  Urlicht  verborgen  ni:;:  (=  wo  verbarg  es 
Gott)?  Es  wurde  für  die  Gerechten  in  der  Zukunft  bestimmt  r3-irn  (=  Gott  be- 
stimmte es).  —  Ferner  s.  P'^siqSlt»  auf  S.  445/. 

b.  Beispiele  s.  bei  Lk  IG,  9. 

^  Eine  gute  (nur  hier  u.  da  etwas  zu  weit  greifende)  Zus. Stellung  aller  hierher 
gehörenden  Konstruktionen  im  ganzen  NT  gibt  J.  Boehmer,  Die  neutestamentliche 
Gottesscheu  20  ff.,  78  ff. 


444  Matth  7,  2  (SB  1) 

7,2  ^:  Mit  welchem  Maß  ihr  messet,  wird  euch  gemessen 
werden,  sv  m  (xstqu^  ijistqsTts  fistgr^^rGsrai  vfiTr. 

1.  Sota  1,  7:  Mit  dem  Maße,  mit  welchem  ein  Mensch  mißt,  mißt  man  (=  Gott) 
ihm  ''h  •'~-'i2  -3  i-b  DHsa;.  n-?33.  Sie  (die  des  Ehebruchs  Verdächtige)  hat  sich  zm* 
Sünde  geschmückt,  deshalb  verunstaltet  sie  Gott  (durch  Auflösen  des  Haares,  Um- 
legen eines  Strickes  usw.,  s.  Nu  5,  18);  sie  hat  sich  zur  Sünde  entblößt,  deshalb  läßt 
Gott  sie  entblößen.  Mit  der  Hüfte  hob  sie  an  bei  der  Sünde  u.  dann  mit  dem  Bauch, 
deshalb  wird  die  Hüfte  zuerst  gestraft  u.  dann  der  Bauch  (Nu  5.  21 ;  vgl.  aber  5,  27),  u. 
der  ganze  übrige  Leib  geht  nicht  frei  aus.  —  Sota  1,8:  Simson  wandelte  seinen  Augen 
nach,  deshalb  stachen  ihm  die  Philister  seine  Augen  aus,  s.  Ri  16,  21.  Absalom  war 
stolz  auf  sein  Haar,  deshalb  blieb  er  mit  seinen  Haaren  hangen;  u.  weil  er  zu  den 
zehn  Kebsweibern  seines  Vaters  eingegangen  war,  deshalb  wurden  zehn  Spieße  (lies 
n-::i';  statt  rv^n'^ij^in  seinen  Leib  gebohrt  (s.  2  Sm  16,22;  18,  15).  Und  weil  er  drei 
Herzen  getäuscht  hatte,  das  Herz  seines  Vaters,  das  des  Gerichtshofes  u.  das  Israels 
(s.  2  Sm  15,  6),  deshalb  wurden  drei  Speere  in  sein  Herz  gestoßen  (s.  2  Sm  18,  14).  — 
Sota  1,9:  Ebenso  ist  es  in  bezug  auf  das  Gute.  Mirjam  wartete  auf  Mose  eine  kurze 
Zeit,  s.  Ex  2,4;  deshalb  hielt  sich  ganz  Israel  ihretwegen  sieben  Tage  lang  in  der 
Wüste  auf,  s.  Nu  12,  15.  Joseph  ward  gewürdigt,  seinen  Vater  zu  begraben,  u.  keiner 
war  unter  seinen  Brüdern,  der  größer  geAvesen  als  er,  s.  Gn  50,  7  ff.  Wen  haben  wir, 
der  größer  wäre  als  Joseph,  mit  dem  selbst  Mose  sich  beschäftigte!  Mose  erwarb 
sich  Verdienst  um  die  Gebeine  Josephs  u.  keiner  war  in  Israel  größer  als  er,  s.  Ex  13, 19. 
Wen  haben  wir,  der  größer  wäre  als  Mose,  mit  dem  selbst  Gott  sich  beschäftigte, 
s.  Dt  34,6:  „Er  begrub  ihn  im  Tale."  Nicht  bloß  von  Mose  heißt  es  so,  sondern  von 
allen  Frommen,  s.  Jes  58,  8:  „Vor  dir  hergehn  wird  deine  Gerechtigkeit,  die  Herrlich- 
keit Jahves  biingt  dich  heim"  (=  versammelt  dich  zu  deinen  Vätern).  Parallelstelle: 
M^kh  Ex  13,  19  (29=*).  —  Dei-  Grundsatz  „Maß  gegen  Maß"  ausführlich  exemplifiziert 
an  dem  ehebrecherischen  Weib  TSota  3,  2ff.  (29b);  Sota  8'^;  NuR  9  (153^).  ii  TSota 
3,1  (295):  R.  Me'ir  (um  150)  pflegte  zu  sagen:  Woher  läßt  sich  beweisen,  daß  man 
einem  Menschen  mit  dem  Maße,  mit  welchem  er  mißt,  wieder  mißt?  Siehe  Jes  27,8: 
Maß  gegen  Maß,  wenn  du  es  verstießest,  straftest  du  es  (so  der  Midr,  der  nsssca 
deutet  =  -NC  nso:  „für  das  Maß"  der  Sünde  „das  entsprechende  Maß"  der  Strafe). 
Da  höre  ich  nur,  daß  man  nach  dem  Sea  mißt;  woher,  daß  auch  (die  kleineren  Maße, 
wie)  em  Tarqab  {=  3  Qab)  u.  ein  halbes  Tarqab  mit  eingeschlossen  sind  (d.Ji.  daß 
der  Grundsatz  auch  für  kleinere  Sünden  gilt)?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Jes  9, 4: 
Jedes  einzelne  Maß  (so  der  Midr).  Da  höre  ich  nur  von  etwas,  was  gemessen  werden 
kann;  woher  aber,  daß  auch  geringe  Peruten  (die  kleinste  Münze  zur  Bezeichnung 
geringfügiger  Sünden)  zu  einer  großen  Summe  zus.gezählt  werden?  Die  Schrift  sagt 
lehrend  Qoh7,  27:  Eins  zum  andren,  um  die  Summe  zu  erreichen.  —  Dasselbe  pSota 
1,  17^  24;  NuR  9  (153^);  Midr  Ps  81  §  2  (183'-^);  Sota  8b,  wo  der  Name  „Meir"  hinter 
-3-^  ausgefallen  ist;  vgl.  das  nächste  Zitat.  ||  Sanh  100»  Bar:  R.  Meir  sagte:  Mit  dem 
Maße,  mit  welchem  ein  Mensch  mißt,  mißt  man  ihm  wieder;  s.  Jes  27,  8:  Maß  gegen 
Maß  straftest  du  es  (s.  voriges  Zitat).  Da  sagte  R.  J^iuda  (um  150;  so  ist  zu  lesen  statt 
„R.  J**hoschua<",  Bacher,  Tann.  2,  62):  Ist  es  denn  möglich  also  zu  sagen?  Ein 
Mensch  gibt  seine  Hand  voll  einem  Armen  in  dieser  Welt;  soll  dem  Gott  seine  (Gottes) 
Hand  voll  wieder  geben  in  der  zukünftigen  Welt?  Es  heißt  doch:  „Die  Himmel  hat 
er  mit  der  Spanne  abgesteckt"  Jes  40,  12  (wie  kann  da  ein  Mensch  die  Fülle  der 
Gotteshand  fassen)!  Du  meinst  es  also  nicht  so?  (fragte  R.  Me'ir).  Welches  Maß  ist 
größer,  das  Maß  der  (göttl.)  Güte  oder  das  der  (göttl.)  Strafe?  Sage:  Das  Maß  der 
Güte.  Von  ihm  heißt  es:  „Er  tat  die  Türen  des  Himmels  auf  u.  ließ  Manna  auf  sie 
herabregnen"  Ps  78,  23f.  Und  vom  Maß  der  Strafe  heißt  est  „Die  Fenster  des 
Himmels  wurden  aufgetan"  Gn  7,  11  (so  viel  größer  die  Türen  als  die  Fenster,  so  viel 
größer  das  Maß  der  Güte  als  das  der  Strafe).  Nun  heißt  es  vom  Maß  der  Strafe: 
„Sie  werden  hinäusgehn,  anzusehn  die  Leichen  der  Leute,  die  von  mir  abtrünnig  waren; 


Matth  7,  2  (83  1— 3)  445 

denn  ihr  Wurm  wird  nicht  sterben  u.  ihre  Flamme  nicht  erlöschen,  u.  sie  werden 
zur  Abschreckung  sein  für  alles  Fleisch"  Jes  66,  24.  Nicht  wahr,  wenn  ein  Mensch 
in  dieser  Welt  seinen  Finger  ins  Feuer  steckt,  so  verbrennt  er  sich  sofort;  allein  wie 
Gott  in  die  Gottlosen  die  Kraft  geben  wird,  ihre  Strafe  zu  empfangen  (dafs  ihr  Feuer 
nie  erlischt),  so  wird  er  auch  in  die  Frommen  die  Kraft  legen,  ihr  Gutes  (selbst  eine 
Gotteshand  voll)  hinzunehmen. 

Der  Grundsatz:  ,Mit  dem  Maße  usw."  findet  sich  auch  M^g  12l>;  GnR9(7b); 
ExR  3  (69  '0 ;  25  (87  a).  —  Aramäisch  Targ  Jerusch  II  Gn  38, 26 :  sy^s=  h-'z^  v:'an  sri-=vj= 
siü-3  sV:-»3  •)-3i  N2t3  »h^'^  y^  a'^v:i  n^h  -j-V-'s^  rn  „mit  dem  Maß.  mit  welchem  ein 
Mensch  auf  Erden  mißt,  mißt  man  (=  Gott)  ihm  im  Himmel,  es  sei  ein  gutes  Maß, 
oder  es  sei  ein  schlimmes  Maß."  il  Targ  Jes  27,  8:  ~h  yh^z-'  rta  hto  ar"\r.-:  srsD=  ^mit 
dem  Maße,  mit  welchem  du  gemessen  hast,  wird  man  dir  messen."  —  Man  beachte 
in  allen  diesen  Sätzen  die  aktive  Konstruktion  mit  dem  unbestimmten  Subjekt  „man" 
statt  des  passiven  fisT()7]&tjasTai  Mt7,2;  s.  oben  S.  443. 

2.  In  kürzerer  Fassung  lautet  der  Grundsatz:  „Maß  gegen  Maß." 
N«d  32'»:  Rabbi  (nach  Bacher,  pAmor.  2,310,  wäre  R.  Levi,  um  300,  Autor)  hat 

gesagt:  Wer  auf  Ahnungen  etwas  gibt,  dem  erfüllen  sie  sich,  s.  Nu  23,23:  „Denn 
wider  ihn  wendet  sich  die  Ahnung"  (so  der  Midr,  indem  er  sh>  „nicht"  deutet  =  15 
„gegen  ihn").  Aber  das  Wort  ist  ja  doch  s5  geschrieben  (u.  nicht  iV)!  Allein  es  geht 
da  nach  der  Regel:  Maß  gegen  Maß,  nn-i  -ijjs  rs-";.  —  Dasselbe,  aber  ohne  Verwendung 
dieser  Regel,  in  einer  Erzählung  des  R.  Huna,  um  350,  pSchab  (5,  8'',  11. 16.  ||  Schab  1U51>: 
R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Wer  lässig 
ist  in  der  Trauer  um  einen  Gelehrten,  der  wird  nicht  lange  leben.  Maß  gegen  Maß, 
s.  Jes  27,  8:  „Maß  gegen  Maß  züchtigtest  du  es."  ||  Sanh  90-':  (Zu  dem  Satz  Sanh  10,  1 
daß  der,  welcher  sagt,  die  Auferstehung  der  Toten  lasse  sich  nicht  aus  der  Tora  be- 
weisen, keinen  Teil  an  der  zukünftigen  Welt  habe,  wird  gefragt:)  Warum  das  alles? 
Es  ist  in  einer  Bar  gelehrt  worden:  Er  leugnet  die  Auferstehung  der  Toten,  deshalb 
soll  er  nicht  Anteil  haben  an  der  Auf.  der  Toten;  denn  alle  Maße  Gottes  sind  Maß 
gegen  Maß;  denn  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um  2'^0) 
habe  gesagt:  Woher  läßt  sich  beweisen,  daß  alle  Maße  Gottes  sind  Maß  gegen  Maß? 
Siehe  2  Kg  7,  1:  „Elisa  sprach:  Höret  das  Wort  Jahves!  So  hat  Jahve  gesagt:  Um 
diese  Zeit  morgen  gilt  ein  Sea  Feinmehl  einen  Scheqel  u.  zwei  Sea  Gerstenmehl  einen 
Scheqel  im  Tore  von  Samaria."  Ferner  heißt  es  das.  Vers  2:  „Da  antwortete  der 
Marschall,  auf  dessen  Hand  sich  der  König  stützte,  dem  Gottesmann  u.  sprach:  Siehe, 
wenn  Jahve  Luken  in  den  Himmel  machte,  könnte  das  je  geschehn?  Er  aber  sprach: 
Siehe,  du  wirst  es  mit  eignen  Augen  sehen,  aber  doch  nichts  davon  essen!  Und  Vers  20 
heißt  es:  „Und  so  geschah  es  mit  ihm,  u.  es  zertrat  ihn  das  Volk  im  Tor,  daß  er 
starb."  li  Ein  weiteres  Beispiel  s.  DtR  11  (207^)  bei  Lk  6,  38.  !i  GnR  9  (Tb):  R.  SchimJon 
b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Alle  Maße  hören  (einst)  auf;  Maß  gegen  Maß  hört  nicht  auf. 

3.  Gleichbedeutend  ist  die  sprich wörtl.  Redensart:  In  dem  Topfe, 
in  welchem  einer  kocht,  wird  ihm  (oder  er)  gekocht. 

Sota  11=»:  R.  EUazar  (um  270)  hat  gesagt:  Was  heißt  Ex  18,  11 :  „Mit  dem,  womit 
sie  gegen  sie  -it  .  .  ."?  In  dem  Topfe,  in  welchem  sie  kochten,  wurden  sie  gekocht, 
s.  Gn  25,  29:  „Einst  kochte  -t-i  Jakob  ein  Gericht."  (Durch  Wasser  töteten  die  Ägypter 
die  israelitischen  Knäblein,  durch  Wasser  wurden  sie  deshalb  selbst  vernichtet.)  — 
Kürzer  u.  anonym  ExR  1  (65'').  Vgl.  auch  M'^kh  Ex  18,  11  (66b):  Womit  die  Ägypter 
die  Israeliten  zu  vernichten  gedachten,  damit  hat  Gott  sie  gestraft,  s.  Ex  18,  1 1.  In 
TanchB  -^r-  §5  (36b)  wird  diese  Erklärung  dem  R.  EUazar  beigelegt.  ,!  Andre  bild- 
liche Wendungen  für  den  gleichen  Gedanken  zeigt  P'^siqSlb;  „Hat  Gott  Israel,  wie 
sein  Schläger  (vom  Midr  auf  Ägypten  bezogen)  Schläge  bekam,  geschlagen?  Oder 
ward  es  hingewürgt  mit  solchem  Würgen  wie  dessen  (Ägyptens)  Erwürgte"  Jes  27,  7? 
R.  J'^huda  (um  150)  u.  R.  N  chemja  (um  150).  R.  J.  sagte:  Mit  dem  Stock,  mit  welchem 
die  Ägypter  die  Israeliten  geschlagen  haben,  wurden  sie  geschlagen.   R.  N.  hat  gesagt: 


446  Matth  7,  2  («B  3).  7,  3  ff.  (Nr.  1.2) 

Mit  dem  Schwerte,  mit  welchem  die  Ägypter  die  Israeliten  schlugen,  wurden  sie  ge- 
schlagen, s.  Jes27,  8:  Maß  gegen  Maß  straftest  du  (Ägypten),  als  es  (Israel)  entließ 
(so  der  Midr).  Maß  gegen  Maß:  in  einer  Bar  ist  im  Namen  des  R.  Meir  (um  löO) 
gelehrt  worden:  ,Mit  dem  Maße,  mit  welchem  ein  Mensch  mißt,  mißt  man  ihm"; 
als  Ägypten  Israel  entließ,  straftest  du  Äg.;  es  wurde  geschlagen  u.  hinterher  entließ 
es;  deshalb  heißt  es:  Als  der  Pharao  das  Volk  entließ  Ex  13,  17.  (Text  nach  ßubers 
Emendationen.)  —  „Redet  nicht  immerfort  Stolzes,  Stolzes,  noch  gehe  Freches  aus 
eurem  Munde"  (1  Sm  2,  3).  R.  El<azar  (um  270),  R.  J''hoschuaJ  b.  Levi  (um  250)  u.  die 
Rabbinen.  Der  eine  sagte:  Mit  der  Wage,  mit  der  sie  gewogen  haben,  wurde  auch 
ihnen  gewogen  (hier  folgt  derselbe  Satz  noch  einmal,  aber  mit  andren  Ausdrücken; 
ursprünglich  wohl  Randglosse).  Der  andre  sagte:  Mit  dem  Gekochten,  mit  dem  sie 
kochten,  wurde  ihnen  gekocht.  .  .  .  Die  Rabbinen  sagten:  Mit  dem  Plane,  den  sie 
planten,  wurde  ihnen  geplant. 

Derselbe  Grundsatz  schon  Aboth  2,  6  bei  Hillel  (um  20  v.  Chr.) :  Er 
sah  einen  Schädel  auf  dem  Wasser  schwimmen  u.  sagte  zu  ihm:  Weil 
du  ertränkt  hast  riE-jN'i-b:;' ,  hat  man  dich  ertränkt;  aber  schließlich 
werden  die  ertränkt  werden,  die  dich  ertränkt  haben.  —  Dasselbe 
Sukka53^  |1  Auch  Weish  11,  15  f.;  12,  24 f.;  18,41f.  spiegelt  den  Grund- 
satz „Maß  gegen  Maß"  wider. 

7,  3  ff.:  Splitter  u.  Balken  im  Auge. 

1.  fArakh  Ißb  Bar:  R.  Tarphon  (um  100)  hat  gesagt:  Es  sollte  mich  wundern,  wenn 
es  in  dieser  Generation  einen  gäbe,  der  Zurechtweisung  annimmt.  Wenn  man  ihm 
sagen  würde:  Nimm  den  Splitter  (=5--,  Span)  aus  deinen  Augen  fort,  so  würde  er 
antworten:  Nimm  den  Balken  r-^p  aus  deinen  Augen  (in  andren  Ausgaben:  „Zwischen 
deinen  Zähnen"  -■:-•  ":•:)  fort!  —  In  den  Parallelstellen  fehlt  der  Satz  vom  Splitter 
u.  Balken,  s.  SDt  1,  1  §  1  (64»);  SLv  19,  17.  1|  BB  Ib^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt: 
AVas  heißt:  „  In  den  Tagen  des  Richtens  der  Richter"  Ruth  1,1?  Es  war  eine  Generation, 
die  ihre  Richter  richtete.  Sagte  man  einem:  „Nimm  den  Splitter  (==*,")  aus  deinen 
Augen  fort",  so  antwortete  er:  „Nimm  den  Balken  aus  deinen  Augen  forti"  i|  Der 
Gedanke  von  Mt7,  3ff.  in  andrer  Form  Sanh  IS»;  Es  heißt:  „Sammelt  von  euch  die 
Stoppeln  ab  -r-pr-  u.  dann  sammelt  sie  (von  andren)  ab"  Zeph  2,  1  (so  der  Midr).  Resch 
Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Schmucke  (erst)  dich  selbst  u.  hinterher  schmücke  andre.  — 
Dasselbe  Sanh  19^;  BM  107b;  BB  60b.  ][  pTasan  i',  tiöa,  62:  R.  Joschijja  (IL,  um  280) 
hat  öffentlich  vorgetragen  (auf  Grund  von  Zeph  2,  1):  Suchen  wir  die  Stoppeln  an  uns 
selbst  ab,  bevor  wir  sie  an  andren  absuchen!  In  der  Parallelstelle  Midr  KL  3,  40  (72b) 
lautet  die  Anwendung  im  Sinne  des  Resch  Laqisch:  Schmücken  wir  uns  selbst  u. 
hinterher  wollen  wir  andre  schmücken!  ||  BM  59b  ßar;  R.Nathan  (um  lüO)  hat  ge- 
sagt: Den  Fehler,  der  an  dir  ist,  wirf  nicht  deinem  Nächsten  vor.  Das  ist  es,  was 
die  Leute  zu  sagen  pflegen:  Wer  einen  Gehängten  in  seiner  Familie  hat,  der  sage 
nicht  zu  seinem  Nächsten:'  Hänge  den  Fisch  auf!  —  Der  Ausspruch  des  R.  N.  wird 
biblisch  begründet  mit:  „Ihr  seid  Fremdlinge  im  Lande  Ägypten  gewesen"  in  M'kh 
Ex  22,  20  (101-').  —  Vgl.  Qid  70":  Wer  einem  andren  einen  Makel  anhängt,  hat  selbst 
einen  Makel  u.  redet  niemals  zum  Lobe  (eines  Menschen).  Sch'^muel  (f  254)  hat  ge- 
sagt: Den  eignen  Makel  hängt  er  andren  an.  —  Dasselbe  Qid  7U''.  ||  BQ  92b:  Raba 
(t  352)  hat  zu  Rabbah  b.  Mari  (um  320)  gesagt:  Woher  läßt  sich  das  Sprichwort  be- 
weisen: Hast  du  etwas  Tadelnswertes  an  dir,  so  sage  es  lieber  selbst  zuerst  (damit 
es  dir  andre  später  nicht  vorwerfen)?  Er  antwortete:  Aus  Gn  24,  34:  „Elifezer  sprach: 
Der  Sklave  Abrahams  bin  ich." 

2.  Span  gegenüber  dem  Balken  als  Bild  der  Geringfügigkeit. 
Hör  3'':  Wenn  Rab  Huna  (f  297)  nach  der  Gerichtsstätte  ging,  ließ  er  zehn  Ge- 
lehrte (Mischnakundige)  des  Lehrhauses  vor  sich  kommen,  damit  (bei  einem  etwaigen 


Matth  7,  6  (31  1—3.  33)  447 

falschen  Urteilsspruch  so  viel  Schuld)  auf  ihn  käme  wie  ein  Span  aus  einem  Balken 
s— ;ir-3  N;-r.  Wenn  man  vor  Rab  Aschi  (f  4"-'7)  eine  Frage  betreffs  eines  schadhaften 
Tieres,  r:t"''j!,  brachte,  ließ  er  zehn  Schlächter  aus  Matha  M'^chasja  kommen,  die  er  vor 
sich  sitzen  ließ;  er  sagte,  damit  auf  mich  komme  ein  Span  von  einem  Balken. 

7,691:  Gebt  dasHeiligenicht  denünnden , fxr] dons to äyiov toiq xvair . 

1.  Im  wörtlichen  Sinn. 

B''kh  15a  Bar  zu  Dt  12, 15:  „Du  darfst  schlachten",  aber  nicht  die  Schur  ist  dein; 
„das  Fleisch",  aber  nicht  das  Fett;  „darfst  du  essen",  aber  nicht  deinen  Hunden  ge- 
hört es.  Von  hier  aus  hat  man  gesagt  (s.  T'^'mura  6,  5):  Man  löst  Heiliges  nicht  aus, 
um  es  die  Hunde  freösen  zu  lassen.  Vgl.  T'^m  130'^  (in  andren  Ausgaben  30'^):  Alles 
Heilige,  was  schadhaft  -r-'-j  geworden  ist,  löst  man  nicht  aus;  denn  man  löst  Heiliges 
nicht  aus,  um  es  die  Hunde  fressen  zu  lassen.  —  Dieser  Grundsatz  als  Bar  T'^m  117'i; 
in  Frageform  Sch'^'bull^.  Nach  P^s29a  war  der  Grundsatz  übrigens  streitig. 

2.  Zu  dem  bildlichen  Sinn  des  Ausspruches  Jesu  vgl.: 
Chag  13^:  R.  Ammi  (um  300)  hat  gesagt:  Man  überliefert  die  Worte  der  Tora  nicht 

einem  Goi;  s.  Ps  147,  20:  „Nicht  tat  er  also  irgend  einem  (andren)  Goi  (Volk),  u.  Rechte  — 
die  wissen  sie  nicht."  il  Midr  HL  2,  7  (99»):  R.  Chelbo  (um  300)  sagte:  Eine  viermalige 
Beschwörung  gibt  es  hier  (nämlich  HL  2,  7;  3,5;  5,8;  ^,4).  Er  (Gott)  hat  Israel  be- 
schworen, daß  sie  sich  nicht  empören  sollten  gegen  die  Weltreiche,  daß  sie  das  Ende 
(d.  h.  die  Ankunft  des  Messias)  nicht  drängen  (durch  Drängen  beschleunigen)  sollten, 
daß  sie  ihre  Geheimnisse  den  Völkern  der  Welt  nicht  offenbaren  sollten,  u.  daß  sie 
nicht  als  Mauer  (d.  h.  als  kompakte  Masse)  aus  dem  Exil  (nach  Palästina)  hinauf- 
ziehen sollten.  —  K'^tli  111  a  zählt  R.  Levi  (um  300)  6  Beschwörungen  im  HL;  darunter 
als  dritte,  daß  die  Israeliten  das  Geheimnis  nicht  den  Völkern  der  Welt  kundtun  sollten. 
Raschi  erklärt  --c  Geheimnis  «  —  Kalenderberechnung,  ß  --  Gründe  der  Tora.  ||  TanchB 
^;■'■■l  §6  (44b):  R.  J'huda  der  Levit  b.  Schalom  (um  370)  hat  gesagt:  Mose  wollte,  daß 
auch  die  Mischna  (hier  =  mündliche,  traditionelle  Lehre)  schriftlich  gegeben  würde. 
Da  aber  Gott  voraussah,  daß  dereinst  die  Völker  der  Welt  (hier  =  christliche  Welt) 
die  Tora  übersetzen  u.  auf  griechisch  lesen  u.  sagen  würden:  Wir  sind  (das  rechte) 
Israel,  sprach  er  zu  Mose:  „Schriebe  ich  dir  die  ganze  Fülle  meiner  Lehre  auf,  so 
würden  sie  (die  Israeliten)  in  diesem  Fall  wie  der  Fremdling  geachtet"  Hos  8, 12  (so 
der  Midr).  Und  das  alles  warum?  Weil  die  mündliche  Lehre  das  Geheimnis  Gottes 
ist,  u.  sein  Geheimnis  überliefert  Gott  nur  den  Frommen,  s. :  „Das  Geheimnis  Gottes 
für  die,  welche  ihn  fürchten"  Ps25,  14.  —  Dasselbe  Tanch  s-*:  22l>;  in  erweiterter 
Fassung  Tanch  st.-.-  -:  120b;  P^siqR  5  (14b);  vgl  ExR  47  (lOl*^). 

3.  Über  „Hunde"  s.  bei  Mt  15,  26. 

7,  6  f&:  Die  Perlen,  rovg  ßaQyagitag. 

Als  Perle  Nn^:j"i^  oder  nib:,-i^  wird  im  Rabbin.  häufig  ein  treffender 
Gedanke,  ein  schöner  Ausspruch  u.  dgl.  bezeichnet, 

Chag 3a:  R.Jochanan  b.  B^roqa  (um  HO)  u.  R.  Ehazar  (ben)  s^crt  (s.  Einl.  126)  gingen 
einmal,  um  (ihren  Lehrer)  R.  J^hoschua?  (um  90)  in  P'qi?in  zu  begrüßen.  Er  sprach 
zu  ihnen:  Was  gab  es  Neues  heute  im  Lehrhaus?  Sie  antworteten:  Wir  sind  deine 
Schüler  u.  haben  von  deinem  Wasser  (=  Lehre)  getrunken  (wie  könnten  wir  dir  etwas 
Neues  mitteilen)!  Er  sprach:  Gleichwohl  ist  es  für  das  Lehrhaus  unmöglich  ohne  etw;is 
Neues  zu  sein.  Wessen  (Vortrags- )Sabbat  ist  es  gewesen?  Der  des  R.  El?azar  b.  ?Azarja. 
Womit  beschäftigte  sich  heute  der  haggadische  Vortrag?  Sie  antworteten:  Mit  dem  Ab- 
schnitt: „Versammle  das  Volk,  die  Männer  u.  die  Weiber  u.  die  Kindlein"  usw.  Dt  31,  12. 
Und  was  hat  er  darüber  vorgetragen?  Wenn  die  Männer  kommen,  um  zu  lernen,  u. 
die  Frauen,  um  zuzuhören,  wozu  kommen  die  Kindlein?  Um  Lohn  zu  verschaffen 
denen,   die  sie  herbeibringen.  —  Da  sprach  er  zu  ihnen:   Eine  schöne  Perle  r-:;— 3 


448  Matth  7,  6  (5B.  6  1) 

navj  war  in  eurer  Hand,  u.  ihr  wolltet  mich  derselben  verlustig  gehn  lassen!  —  Ebenso 
in  AbothRN  18;  in  den  übrigen  Parallelen  TSota  7,  9ff.  i307);  M'^kh  Ex  13,  2  (23»); 
pChag  1,75^',  84  fehlt  das  Wort  von  der  „Perle\  ||  B'^rakh  S^i^:  Rab  Joseph  if  3:^3)  hat 
gesagt:  .  .  .  Ich  weiß  nur  von  Rab  (f  247)  u.  von  Sch^nniel  (f  254),  die  uns  eine  Perle 
sr-:;^'3  in  Babel  angeordnet  haben,  nämlich  das  Gebet  i^v-^in  „du  hast  uns  kund- 
getan, Jahve  unser  Gott,  die  Rechte  deiner  Gerechtigkeit  u.  du  hast  uns  gelehrt,  daß 
wir  die  Satzungen  deines  Willens  tun  sollen"  usw.  |l  Qid  39'^:  Rab  Joseph  (f  338)  hat 
gesagt:  Wenn  Acher  i d.i.  Elischa?  b.  Abuja,  um  120,  der  bekannte  Apostat)  Dt 22,  7  aus- 
gelegt hätte,  wie  sein  Tochtersohn  R.  Jafaqob  (IL,  um  170),*  so  hätte  er  nicht  gesündigt. 
Was  war  es  denn  mit  Acher? . . .  Einige  sagen:  Er  sah,  wie  ein  Schwein  (wörtlich:  „wie 
ein  gewisses  andres  Ding",  euphemistische  Bezeichnung  für  „Schwein")  die  Zunge  des 
Dolmetschers  ChuQpith^  fortschleppte.  Da  sagte  er:  Der  Mund,  der  Perlen  hervor- 
gebracht, muß  Staub  lecken?  Er  ging  fort  u.  sündigte  (fiel  vom  Judentum  ab).  Dasselbe 
ChuU  142';  vgl.  pChag  1,  77^,  53.  pMafaso,  52=\  50:  R.  Jochanan  sprach  zu  R.  Chijja 
b.  Abba  (um  2-^0):  Babylonier,  weil  ich  dir  die  Scherbe  lüftete,  fandest  du  die  Perle.  — 
Ähnlich  J'^'b  92'^:  Hätte  ich  dir  nicht  die  Scherbe  aufgehoben,  ob  du  wohl  die  Perle  darunter 
gefunden  hättest?  —  Ebenso  Mak  21 '\  d  J^b  94":  Folgendes  hat  R.  El?azar  b.  Mathja 
(um  120)  vorgetragen:  Ein  von  ihrem  Manne  geschiedenes  Weib  sollen  sie  (die  Priester) 
nicht  ehelichen  Lv  21,7,  d.  h.  ein  von  „ihrem"  Manne,  aber  nicht  ein  von  einem  Manne 
geschiedenes  Weib,  der  nicht  „ihr"  Mann  war.^  Rab  J  huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab 
(t  247)  habe  gesägt:  Es  hätte  R.  EUazar  (b.  Mathja)  aus  Lv  21,7  eine  Perle  vortragen 
können,  u.  er  hat  daraus  eine  Scherbe  vorgetragen.  Welches  ist  die  Perle?  Was  in 
der  Bar  gelehrt  ist:  Ein  Weib,  das  von  ihrem  Manne  geschieden  ist,  d.  h.  auch  wenn 
es  nur  von  ihrem  Manne  geschieden  ist  (weil  sie  von  ihrem  Manne  unter  der  Be- 
dingung entlassen  wurde,  sich  nicht  anderweitig  zu  verheiraten,  vgl.  Raschi),  ist  für 
die  Priesterschaft  untauglich  (nach  dem  Tode  ihres  Mannes  i;  das  ist  der  Geruch  eines 
Scheidebriefes,  der  für  die  Priesterschaft  die  Frau  untauglich  macht.  (Geruch  eines 
Scheidebriefes  d.  h.  was  einem  Scheidebrief  nur  ähnlich  ist.)  ||  BB  123^:  Abba  Chalipha, 
der  Bibellehrer,  fragte  den  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280 1:  In  der  Gesamtsumme  findest 
du,  daß  7U  Seelen  (mit  Jakob  nach  Ägypten  zogen,  s.  Gn  46,27),  u.  in  der  Einzelangabe 
findest  du,  daß  es  6^  waren.  Er  antwortete:  Eine  Zwillingsschwester  wurde  mit  Dina 
geboren,  wie  es  heißt:  ,Und  mit  Dina,  seiner  Tochter"  Gn  4H,  15  (pni  deutet  nach 
dem  Midr  an,  daß  außer  Dina  noch  eine  zweite  Tochter  geboren  ward).  —  Aber  daraus 
würde  ja  folgen,  daß  auch  mit  Benjamin  eine  Zwillingsschwester  geboren  worden  ist; 
denn  es  heißt  Gn43, 29:  ^ünd  mit  (rsi,  so  der  Midr)  Benjamin  sah  er"!  Da  sprach 
jener:  Eine  schöne  Perle  hatte  ich  in  meiner  Hand  u.  du  willst  mich  derselben  ver- 
lustig gehen  lassen! 

7,6  6!:  Vor  die  Säue,  ei.inQoa&£v  tmv  yoiQon'. 

1,  Charakteristische  Aussprüche  über  das  Schwein. 

B«rakh43'':  Rab  Zutra  b.  Tobijja  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt: 
Was  heißt:  „Alles  hat  er  schön  gemacht  zu  seiner  Zeit"  QohS,  11?  Das  lehrt,  daß 
Gott  jedem  sein  Handwerk  in  seinen  Augen  schön  gemacht  hat.  Rab  Papa  (f  37H)  hat 
gesagt:  Das  ist  es,  was  die  Leute  zu  sagen  pflegen:  Hänge  einem  gewissen  Ding 
(euphemistisch  für  „Schwein",  vgl.  oben  Qid:->9'^)  Palmkohl  (das  ist  das  genießbare 
Kopfmark  der  Palme)  um,  es  tut  gleichwohl  das  Seine  (wälzt  sich  im  Unrat;  das  ist 
sein  Handwerk).  ||  Schab  155'':  Rab  Papa  (f  376)  hat  gesagt:  Es  gibt  niemand,  der 
ärmer  ist  als  der  Hund,  u.  niemand,  der  reicher  ist  als  das  Schwein.  (Dem  Hund  gibt 
niemand  Speise  u.  das  Schwein  wird  überreich  gemästet.)  —  Vgl.  Midr  Esth  3, 1  (94^*): 

>  Diese  Auslegung  s.  unter  Mt6,27  S.  437j'  nach  Qid:>9'\ 

^  Nach  pChag  2,  77'',  6U  sah  er  die  Zunge  des  Dolmetschers  R.  J'^huda  im  Munde 
eines  Hundes. 

3  Diese  Auslegung  in  J'^b  10,3. 


Matth7,  6  (6  1.2)  449 

Gleich  einem  Menschen,  der  ein  Füllen,  einen  Esel  u.  ein  Schwein  hatte;  dem  Schwein 
gab  er  (Futter)  ohne  Maß,  dem  Esel  u.  dem  Füllen  nach  bestimmtem  Maß.  Da  sprach 
das  Füllen  zum  Esel:  Wie  dieser  Tor  doch  handelt!  Uns,  die  wir  die  Arbeit  unsres 
Besitzers  verrichten,  gibt  er  nach  Maß  u.  dem  Schwein,  das  nichts  tut,  gibt  er  ohne 
Maß!  Der  Esel  erwiderte:  Die  Zeit  wird  kommen,  da  wirst  du  seinen  (des  Schweines) 
Fall  sehen;  denn  man  füttert  es  reichlich  nicht  zu  seiner  Ehre,  sondern  zu  seinem 
Unglück.  Als  nun  das  Fest  der  Kalendä  (ausgangs  Dezember)  kam,  da  nahm  man 
sofort  das  Schwein  u.  schlachtete  es.  Da  fing  man  an,  dem  Eselsfüllen  Gerste  vor- 
zulegen; es  biß  hinein,  fraß  aber  nicht.  Seine  Mutter  sprach  zu  ihm:  Meine  Tochter, 
nicht  das  Essen  bringt  Verderben,  sondern  der  Müßiggang.  ||  Qid49'':  Zehn  Maß  Aus- 
satz sind  in  die  Welt  gekommen;  neun  Maß  erhielten  die  Schweine  u.  ein  Maß  die 
ganze  übrige  Welt.  ||  Weitere  Stellen  s.  bei  Mt  8,  'SO  Anm.  d. 

2.  „Schwein"  als  Bezeichnung  Roms,  bezw.  der  nichtisrae- 
litischen Welt. 

LvR  13(114'=):  (R.  Sch^muel  b.  Nachman,  um  260,  hat  gesagt:)  Mose  hat  die  Welt- 
reiche in  ihrer  Wirksamkeit  geschaut  (nämlich  in  der  allegorisch  auszulegenden  Stelle 
Lv  1 1,4—7):  ,Das  Kamel",  damit  ist  Babel  gemeint,  s.:  „Tochter  Babel  .  .  .,  wohl  dem, 
der  dir  dein  Tun  vergilt,  das  du  uns  getan  hast"  Ps  137,8  (rir-rav  ^V1"^;  ein  Hinweis 
auf  ';':}  =  Kamel).  Der  , Klippdachs",  damit  ist  Medien  gemeint.  Die  Rabbinen  u. 
R.  J'huda  b.  Simon  (um  320).  Die  Rabbinen  sagten:  W^ie  an  einem  Klippdachs  sich 
Zeichen  der  Unreinheit  finden  u.  Zeichen  der  Reinheit,  so  hatte  das  Reich  Medien  einen 
Gerechten  u.  einen  Frevler  hervorgebracht.  (Gemeint  sind  etwa  Mardokhai  u.  Haman 
oder  auch  Darius  u.  Haman.)  R.  J^huda  b.  Simon  hat  gesagt:  Darius  der  Zweite  war 
der  Sohn  der  Esther,  er  war  rein  von  seiner  Mutter  her  u.  unrein  von  seinem  Vater 
her.  Der  ,Hase",  damit  ist  Griechenland  gemeint;  die  Mutter  des  Ptolemäus  hieß 
„Hase"  (gemeint  ist  der  Vater  des  Ptolemäus  I.  [823—284],  Anywg  [=  Hase]  aus 
Eordäa).  Das  „Schwein",  damit  ist  Edom  (=  Rom)  gemeint.  Mose  hat  die  drei  ersten 
(Tiere  oder  Reiche)  in  Einen  Abschnitt  gesetzt  u.  das  letzte  in  einen  besonderen  Ab- 
schnitt. Weshalb?  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  Schimfon  (b.  Laqisch,  um  250).  R.  Jochanan 
sagte:  Weil  es  jene  drei  aufwiegt;  R.  Seh.  b.  L.  sagte:  Es  übertrifft  sie.  R.  Jochanan 
erwiderte:  Es  heißt:  Du  Menschenkind,  weissage  u.  schlage  Hand  auf  Hand  (d.  h.  Roms 
Hand  gleicht  der  Hand  der  drei  ersten  Weltreiche)  Ez  21, 19.  Was  macht  nun  Resch 
Laqisch  mit  dieser  Schriftstelle  (wie  findet  er  sich  mit  ihr  ab)?  Er  sagte:  Es  heißt 
das.:  Verdoppelt  wird  das  Schwert  (Roms  Schwert  doppelt  so  wuchtig,  wie  das  der 
drei  ersten  Weltreiche).  —  R.  Pin^'chas  (um  360)  u.  R.  Chilqijja  (um  320)  haben  im 
Namen  des  R.  Simon  (um  280)  gesagt:  Von  allen  Propheten  haben  nur  zwei,  nämlich 
Asaph  u.  Mose,  das  Schwein  (=  Rom)  näher  gekennzeichnet.  Asaph  hat  gesagt:  „Es 
frißt  ihn  (den  Weinstock  Gottes  =  Israel)  das  Schwein  aus  dem  Walde  ab"  Ps  80, 14. 
Mose  hat  gesagt:  „Das  Schwein;  denn  es  hat  gespaltenen  Huf"  Lv  11,  7.  Warum  wird 
es  (Rom)  mit  dem  Schwein  verglichen?  Um  dir  zu  sagen:  Wie  das  Schwein,  wenn 
es  sich  hinstreckt,  seine  Klauen  ausstreckt  u.  sagt:  Seht,  daß  ich  rein  bin!  so  erhebt 
sich  stolz  das  Reich  Edoms  (Roms)  u.  übt  Gewalttat  u.  raubt  u.  stellt  sich  dabei,  als 
ob  es  den  Richterstuhl  aufstellte  (ein  gerechtes  Gericht  halte).  Ein  Machthaber  ließ 
einmal  die  Diebe  u.  Ehebrecher  u.  Zauberer  töten,  dabei  neigte  er  sich  u.  sagte  (heim- 
lichi  zu  seinen  Ratsherren  (Senatoren):  Diese  drei  Dinge  habe  ich  in  Einer  Nacht  ge- 
tan! .  .  .  Das  „Schwein"  (Lv  11,7)  ist  Edom  (Rom):  „es  käut  nicht  wieder"  (das.), 
denn  es  preist  Gott  nicht;  u.  nicht  genug,  daß  es  nicht  preist,  es  schmäht  u.  lästert 
u.  spricht:  „Wen  gibt  es  für  mich  im  Himmel!"  Ps  73,25..  ..  Das  „Schwein"  ist 
Edom  (Rom):  „es  käut  nicht  wieder",  denn  es  wird  kein  andres  Weltreich  mehr  nach 
sich  haben.  Und  warum  wird  es  Schwein  "in  genannt?  Weil  es  die  Herrscherkrone 
an  ihren  (eigentlichen)  Herrn  (=  Gott)  zurückgeben  wird  (r'-^t-w,  Wortspiel  zu  ''"'~), 
s. :  „Heraufziehen  werden  Befreier  auf  den  Zionsberg,  zu  richten  das  Gebirge  Esaus 
(=  Roms),  u.  es  wird  die  Königsherrschaft  Jahve  zufallen"  Obadja  21.  —  Parallel- 
Strack  u.  Billerbeck,  NT  i.  29 


450  Matth  7,  6  (6  2.  3).  7,  7  (31  1.  2) 

stellen:  der  Ausspruch  des  R.Simon  noch  GnR65(40'^);  MidrPs  80  §6(182«).  Das 
Schlußwort  von  der  Rückgabe  der  Herrschaft  an  Gott  hat  nach  MidrQoh  1,9  (9*^)  den 
R.  Meir,  um  150,  als  Autor.  R.  Meir  würde  hiernach,  soweit  wir  sehen  können,  die 
früheste  Autorität  sein,  die  ausdrücklich  im  Schwein  ein  Symbol  Roms  gesehen  hat. 
Die  Veranlassung  dazu  hat  wohl  der  Eber  in  den  römischen  Feldzeichen  gegeben.  || 
GnR  63  (o9''):  „Sie  nannten  seinen  Namen  Esau"  Gn  25,25.  Eitles  ist  es  (sprach  Gott), 
was  ich  in  meiner  Welt  geschaffen  habe  (ri>y  Esaw  als  Notarikon  gedeutet  =  sia  T'rv). 
R.  Ji9chaq  (um  800)  hat  gesagt:  (Gott  sprach:)  Ihr  (Eltern)  habt  euer  Schwein  (Esau, 
Edom,  Rom)  mit  einem  Namen  benannt;  auch  ich  werde  meinen  erstgebornen  Sohn 
mit  einem  Namen  benennen,  s.  Ex  4, 22:  Mein  erstgeborner  Solm  ist  Israel.  ||  Als  all- 
gemeine Bezeichnung  der  heidnischen  Welt  findet  sich  „Schwein"  in  folgenden  Stellen. 
GnR  44  (28*»):  (Gn  15, 19  f.  wird  das  Land  Israel  mit  10  Völkern  dem  Samen  Abrahams 
zugesichert;  Gn  16,  1  folgt  die  Bemerkung  von  Sai'as  Kinderlosigkeit.)  Dazu  hat  R.Ji^chaq 
(um  300)  gesagt:  Die  Sau  (das  heidnische  Kanaan)  weidet  mit  zehn  Jungen  u.  das  Lamra 
(=  Sara)  auch  nicht  mit  Einem!  ||  Midr  Esth  1,  15  (90b):  „Was  nach  dem  Gesetz  zu  tun 
sei"  Esth  1,  15.  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Mit  der  Sau  (dem  eignen  heidnischen 
Volk)  solle  man  nach  dem  Gesetz  verfahren,  mit  der  heiligen  Nation  (Israel)  aber 
nicht  nach  dem  Gesetz,  sondern  mit  Grausamkeit.  ||  AbothRN34:  Es  heißt:  „Es  frißt 
ihn  (den  Weinstock  =  Israel)  das  Schwein  aus  dem  Walde  (^i-'n)  ab"  Ps  80,  14,  während 
das  K''thib  lautet:  „Es  frißt  ihn  das  Schwein  aus  dem  Strom  (^s-s)  ^  ab."  Das  Schwein 
aus  dem  Walde  frißt  ihn,  wenn  Israel  nicht  den  Willen  Gottes  tut.  Die  Völker  der 
Welt  gleichen  dem  Schwein  aus  dem  Walde:  wie  dieses  Menschen  tötet,  Vieh  be- 
schädigt u.  Menschenkinder  verwundet,  so  töten,  schlagen  u.  schädigen  die  Völker  der 
Welt  die  Israeliten,  sooft  sie  nicht  den  Willen  Gottes  tun.  Sooft  die  Israeliten  aber  den 
Willen  Gottes  tun,  können  die  Völker  der  Welt  ihnen  nichts  anhaben,  dem  Schweine  des 
Stromes  gleich.  Wie  das  Schwein  des  Stromes  keinen  Menschen  tötet  u.  den  Geschöpfen 
nicht  schadet,  ebenso  kann  keine  Nation  u.  Zunge  die  Israeliten  töten,  schädigen  u. 
schlagen,  solange  sie  Gottes  Willen  tun ;  deshalb  heißt  es  „  das  Schwein  aus  dem  Strom " .  — 
Midr  HL  8, 4  (104-')  nennt  R.  Jochanan,  f  279,  als  Autor  dieser  Ausführung. 

3.  Zur  Sentenz,  die  Perlen  nicht  vor  die  Säue  zu  werfen,  vgl.  den 
Satz,  daß  man  heilige  Dinge  nicht  an  einen  Ort  der  Unreinheit  mit- 
nehmen darf,  s.  Schab  127  ^  oben  S.  442.  —  Ferner  Midr  HL  1,  2  (83 '^r 
R.  Schimc'on  b.  Jochai  hat  gelehrt:  „Dies  sind  die  Rechtssatzungen,  die 
du  ihnen  vorlegen  sollst"  c^bn  Ex  21,1:  wie  ein  Schatz  n?3ib  (soll 
Diirn  deuten)  nicht  jedermann  offenbart  wird,  so  verhält  es  sich  auch 
mit  den  Worten  der  Tora  —  sie  sind  als  Schatz  nur  den  -i-i-iujd,  den 
Geeigneten,  Tüchtigen,  Frommen  zu  offenbaren  (so  zu  ergänzen  nach 
der  Parallelstelle  psAZ  2,  41'',  8).  —  Zum  Ausdruck  s.  Sanh  90'':  Rab 
J^huda  (t  299)  sagte:  Wer  Hebe  einem  unwissenden  Priester  gibt,  ist 
wie  einer,  der  sie  einem  Löwen  vorwirft  ■'ix  ^:sb  nrni;  ^h^n^. 

7,7  51:  Bittet,  u.  es  wird  euch  gegeben  werden. 

1.  6od^i]aeTai.   Zur  passiven  Konstruktion  s.  oben  S.  443. 

2.  Gebetserhörung.  Ein  Vorzug  Israels  vor  den  Heidenvölkern  be- 
steht darin,  daß  es  beten  darf  zu  dem  Gott,  der  Gebete  hört  u.  erhört,  a 
dem  ein  Mensch  mit  seinen  Anliegen  nie  zu  oft  kommt,  b  vor  dem  alle 
Beter  gleich  sind.c   Gott  selbst  trägt  Verlangen  nach  dem  Gebet  der 

^  In  "V3  ist  das  >■  (mittelster  Buchstabe  des  Psalters)  als  suspensum  geschrieben 
statt  des  y  las  man  deshalb  n  u.  erhielt  so  "s-^  =^  Nil,  Fluß. 


Matth  7,  7  (?l  2)  451 

Gerechten  :d  täglich  kommen  die  Engel  u.  vereinigen  Israels  Gebete  zu 
einer  Krone,  die  sie  auf  Gottes  Haupt  legen. e  Darum  soll  ein  Mensch 
auch  noch  in  der  hoffnungslosesten  Lage  beten  ;f  denn  das  Gebet  kann 
selbst  einen  Gottesbeschluß  zerreißen,  g  Besser  aber  ist  es,  daß  man 
der  Not  mit  dem  Gebet  zuvorkommt. h  Nur  eitle  Gebete  sind  nichtig.» 
Wenn  trotzdem  viele  Gebete  ohne  Erhörung  bleiben,  so  hat  das  seinen 
Grund  in  der  Unkenntnis  des  heiligen  Jahvenamens.k  Die  Gewißheit, 
daß  Gott  Gebete  gern  erhört,  schließt  nicht  aus,  daß  der  Betende  der 
Gebetserhörung  mit  gewissen  Mitteln  nachzuhelfen  versucht;  denn 
das  Gebet  gehört  zu  den  Dingen,  die  auf  Seiten  des  Menschen  Kraft- 
anstrengung erfordern.!  Man  bete  deshalb  vollkommene  Gebete ;ni  man 
bete  demütigen  Sinnes ;n  man  lege  beim  Gebet  seine  Seele  auf  seine 
Hand;o  man  öffne  nicht  im  Gebet  dem  Satan  den  Mund;P  denn  das 
Gebet  bringt  vor  Gott  Sünde  in  Erinnerung,  q  —  Ferner  gilt  auch  Gott 
gegenüber  der  Satz,  daß  die  Unverschämtheit^  eine  Königin  ohne 
Krone  ist.«"  Deshalb  bete  man  viel  u.  lange ;S  man  wiederhole  sein  An- 
liegen immer  aufs  neue,*  u..  hilft  das  nicht,  so  faste  man.u  —  Das 
Gebet  hat  weiter  seine  Zeiten  ;v  die  Tore  des  Gebetes  sind  nicht  immer 
geöffnet.w  Man  wähle  zum  Beten  die  Zeit  des  Wohlgefallens,  das  ist 
die  Stunde,  in  der  die  Gemeinde  betet,  x  —  Endlich  gibt  es  auch  Merk- 
male äußerlicher  Art,  an  denen  die  Erhörung  des  Gebetes  erkannt 
wird:  wenn  die  Gebetsandacht  durch  das  Gebet  selbst  erhöht  wird,y 
wenn  die  Gebetsworte  dem  Munde  fließend  entströmen, z  wenn  die 
Lippen  des  Beters  von  selbst  in  Bewegung  geraten,  aa  so  darf  man 
der  Erhörung  gewiß  sein.  Auch  das  Niesen  während  des  Betons  ist 
ein  gutes  Vorzeichen,  bb  Dagegen  sind  schlimme  Anzeichen  L^ungen 
im  Gebet  u.  während  des  Betens  auftretende  Blähungen,  cc  —  Mehrfach 
wird  betont,  daß  ein  Mensch,  der  trotz  seiner  äußeren  Notlage  an  der 
Beschäftigung  mit  der  Tora  festhält,  unbedingt  auf  Erhörung  seiner 
Gebete  rechnen  dürfe,  dd 

a.  pB^rakh  9,  13^  15:  R.  Pin^chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  J«Iiuda  b.  Simon 
(um  320)  gesagt:  Der  Götze  erscheint  nahe  u.  ist  doch  nur  fern;  vgl.:  „Sie  heben  ihn 
(den  Götzen)  auf  die  Schulter,  schleppen  ihn  fort  u.  setzen  ihn  an  seiner  Stelle  nieder" 
Jes4fi,  7.  Schlieislich  ist  seine  Gottheit  bei  ihm  im  Hause,  u.  der  Götzendiener  kann 
schreien,  bis  er  stirbt;  aber  der  Götze  ,hört  ihn  nicht,  u.  aus  seiner  Not  wird  er  ihn 
nicht  befreien"  (das.).  Dagegen  scheint  Gott  fern  zu  sein  u.  nicht  nahe.  Denn  R.  Levi 
(um  300)  hat  gesagt:  Von  der  Erde  bis  zum  Firmament  ist  ein  Weg  von  500  Jahren 
u.  von  einem  F.  bis  zum  andren  (deren  es  im  ganzen  sieben  gibt)  wiederum  ein  Weg 
von  500  Jahren,  u.  die  Dicke  jedes  F.  beträgt  gleichfalls  einen  Weg  von  500  Jahren  . . ., 
siehe,  wie  hoch  Gott  von  seiner  Welt  entfernt  ist!  Und  der  Mensch  tritt  in  eine  Syna- 
goge u.  stellt  sich  hinter  eine  Säule  u.  betet  leise,  u.  Gott  hört  sein  Gebet,  vgl.: 
„Hanna  aber  redete  in  ihrem  Herzen,  nur  ihre  Lippen  bewegten  sich,  aber  ihre  Stimme 
hörte  man  nicht"  1  Sm  1,13  —  u.  doch  hat  Gott  ihr  Gebet  gehört;  u.  so  ist  es  bei 
allen  seinen  Geschöpfen,  s.:  „Gebet  eines  Gebeugten,  wenn  er  betrübt  ist  u.  sein  (leises) 
Gebet  vor  Gott  ausschüttet"  Ps  102, 1,  gleich  einem  Menschen,  der  einem  andren  etwas 


*  Vgl.  Lk  11,8:  St,d  ye  xrv  ävaiSlav  avzov  .  .  .  (fiuasi  aiTco.  .  .  . 

29  = 


452  Matth  7,  7  (31  2) 

ins  Ohr  sagt,  u.  er  hört  es.  Gibt  es  einen  Gott,  der  näher  ist  als  dieser?  Er  ist  seinen 
Geschöpfen  so  nahe,  wie  der  Mund  dem  Ohr.  —  Parallelstellen  Midr  Ps  4  §3  (22 '); 
DtR2  (197^).  II  pB  rakhO,  13b,  22:  R.  Tanchuma  (um  3^0)  hat  gesagt:  Einmal  war  ein 
heidnisches  Schiff,  auf  dem  sich  ein  jüdischer  Knabe  befand,  hinausgefahren  auf  das 
große  Meer.  Es  erhob  sich  ein  großer  Sturm  gegen  sie  auf  dem  Meere.  Jeder  von 
ihnen  stand  u.  nahm  seinen  Götzen  in  die  Hand  u.  schrie  zu  diesem;  aber  es  nützte 
nichts.  Als  sie  sahen,  daß  es  nichts  nützte,  sprachen  sie  zu  jenem  Knaben:  Mein  Sohn, 
steh  auf  u.  rufe  deinen  Gott  an;  denn  wir  haben  gehört,  da£(  er  euch  erhört  s-n-z; 
n:rs  n:-,y,  wenn  ihr  zu  ihm  schreit,  u.  er  ist  mächtig.  Sofort  erhob  sich  der  Knabe 
u.  schrie  von  ganzem  Herzen,  u.  Gott  nahm  sein  Gebet  an  •frh-tr  n"3n  ':r:i2  "'^pi,  u. 
das  Meer  schwieg.  Als  man  ans  Land  ging,  ging  jeder,  um  seine  Bedürfnisse  ein- 
zukaufen. Da  sagte  man  zu  jenem  Knaben:  Willst  du  dir  nicht  etwas  kaufen?  Er 
antwortete:  Was  wollt  ihr  von  diesem  unglücklichen  Fremdling?  Sie  sprachen:  Du 
ein  unglücklicher  Fremdling?  Wir  sind  unglückliche  Fremdlinge:  wir  sind  hier  u. 
unser  Gott  ist  in  Babel,  wir  sind  hier  u.  unser  Gott  ist  in  Rom,  wir  sind  hier  u.  unser 
Gott  ist  bei  uns,  aber  sie  nützen  uns  nichts.  Aber  wohin  du  auch  gehn  magst,  dein 
Gott  ist  bei  dir,  s.:  „Welches  ist  eine  große  Nation,  die  einen  ihr  so  nahen  Gott  be- 
säße, wie  Jahve  unser  Gott,  sooft  wir  zu  ihm  rufen?"  Dt  4, 7.  —  In  andrer  Einkleidung 
DtR  2  (igS**).  II  DtR  2  (197 '1):  „Der  du  Gebet  erhörst,  zu  dir  kommt  alles  Fleisch" 
Ps  65,  3.  David  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wenn  die  Völker  der  Welt  zu  dir 
kommen,  um  vor  dir  zu  beten,  so  erhöre  sie  nicht  ins  njsr  ha;  denn  sie  kommen 
nicht  mit  ganzem  Herzen  zu  dir;  sondern  sie  gehen  zu  ihrem  Götzen,  der  sie  nicht 
erhört,  u.  wenn  sie  dann  sehen,  daß  ihre  Not  bleibt,  dann  kommen  sie  zu  dir;  da  er- 
höre auch  du  sie  nicht,  wie  es  heißt:  „Sie  schreien,  aber  da  ist  kein  Helfer,  zu  Jahve, 
u.  er  antwortet  ihnen  nicht"  Ps  18,42.  Was  heißt:  „sie  schreien"?  Sie  schreien  zu 
ihrem  Götzen,  u.  wenn  sie  dann  zu  dir  kommen,  da  heißt  es:  „zu  Jahve,  u.  er  ant- 
wortet ihnen  nicht".  Aber  wenn  die  Israeliten  zu  dir  rufen,  dann  erhöre  sofort  unser 
Gebet  ^:rh'tr  yara  t;-:,  s.:  „Wenn  ich  rufe,  dann  erhöre  mich,  mein  gerechter  Gott" 
Ps  4,  2.  Gott  sprach  zu  David:  Was  sagst  du:  „Wenn  ich  rufe,  dann  erhöre  mich"? 
Bei  deinem  Leben,  ehe  ihr  ruft,  will  ich  euch  antworten,  s.  Jes  65,  24.  ||  DtR  2  (198"): 
Mose  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wenn  du  deine  Kinder  in  Not  siehst  u.  es  ist 
keiner  da,  der  für  sie  um  Erbarmen  fleht,  erhöre  sie  sofort  ins  nj?  n-o.  Gott  ant- 
wortete: Mose,  bei  deinem  Leben,  sooft  sie  zu  mir  rufen  werden,  will  ich  sie  erhören 
ans  njys  "3s,  s.  Dt4,  7.  ||  DtR  2  (198^):  Die  Rabbinen  haben  gesagt:  Manches  Gebet 
wird  in  40  Tagen  erhört  r-ii-j.  Von  wem  lernst  du  das?  Von  Mose,  s.  Dt  9,  18  f.  Manches 
Gebet  wird  nach  20  Tagen  erhört.  Von  wem  lernst  du  das?  Von  Daniel,  s.  Dn  10,8 
verglichen  mit  Vers  12  (dieser  Vers  dürfte  gemeint  sein).  Manches  Gebet  wird  in 
3  Tagen  erhört,  s.  Jona  2,  1  ff.  Manches  Gebet  wird  nach  1  Tage  erhört,  s.  1  Kg  18,  :^6ff. 
Manches  Gebet  wird  zur  selben  Stunde  erhört,  s.:  „Ich  richte  mein  Gebet  zu  dir,  Jahve, 
zur  Zeit  des  Wohlgefallens"  Ps69,  14.  Und  manches  Gebet  wird  erhört,  noch  ehe  es 
vom  Munde  gebetet  ist,  s.  Jes  65, 24.  |!  pB'^rakh  5),  1:-'.'',  54:  R.  Judan  (um  350)  hat  in 
seinem  eignen  Namen  gesagt:  Wenn  der  Mensch  einen  Schutzherrn  (Patron)  hat  u. 
für  ihn  eine  Zeit  der  Not  anbricht,  so  darf  er  zu  diesem  nicht  plötzlich  eintreten, 
sondern  er  hat  sich  zuerst  an  die  Haustür  seines  Schutzherrn  zu  stellen;  dann  ruft 
er  dessen  Sklaven  oder  einen  der  Hausgenossen  an;  dieser  meldet  dann  (dem  Schutz- 
herrn): Der  u.  der  steht  an  der  Tür  deines  Gehöftes!  Vielleicht  läßt  er  ihn  eintreten, 
vielleicht  läßt  er  ihn  stehn.  Gott  aber  nicht  also:  Wenn  über  einen  Menschen  Not 
hereinbricht,  ruft  er  nicht  Mikhael  oder  Gabriel  an,  sondern  mich  soll  er  anrufen,  u. 
ich  erhöre  ihn  sofort  (s^pricllt  Gott),  s. :  „Wer  immer  den  Namen  Jahves  anruft,  wird 
entrinnen"  Joel  3,  5.  —  Dasselbe  Midr  Fs  4  §  3  (21  =»).  ||  M'  kh  Ex  15, 1 1  (49  b):  Fleisch  u. 
Blut  vermag  nicht  zwei  Menschenkinder  (zugleich)  zu  hören,  wenn  sie  rufen;  aber  Gott 
hört  ihr  Geschrei,  selbst  wenn  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  vor  ihm  (zugleich)  schreien, 
8.:  „Der  du  Gebet  erhörst,  zu  dir  kommt  alles  Fleisch"  Ps  65, 3.  (Der  Beweis  wird  im 
Sing.  „Gebet"  gefunden:  ob  alle  Welt  betet,  Gott  hört  alle  Gebete  als  Ein  Gebet,  also 


Matth  7,  7  (31  2)  453 

auf  Einmal.)  Parallelstellen:  PesiqR21  (lOO^),  hier  R.  Levi,  um  300,  Autor;  Midr  Ps  65 
§2(156'');  ExR21  (SS«^).  —  Beispiele  von  Gebetserhörungen  s.  auch  bei  Mt8,26. 

b.  pßerakhO,  13'\  7:  R.  Pin^chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Z^fira  (um  300) 
gesagt:  Wenn  ein  Mensch  einen  Schutzherrn  hat  u.  diesen  allzusehr  bemüht,  so  sagt 
dieser:  Da  habe  ich  einen  getroffen,  der  mich  recht  belästigt!  Aber  Gott  nicht  also: 
sooft  du  ihn  auch  belästigst,  er  nimmt  dich  an,  s.  Ps  55,  23:  Wirf  deine  Last  auf  Jahve, 
er  wird  dich  aufrechthalten.  —  Dasselbe  Midr  Ps  4  §  3  (21  ^).  ||  Midr  Ps  4  §3  (21'^): 
R.  Z®?ira  hat  gesagt:  Sooft  ein  Mensch  einen  Freund,  den  er  hat,  um  die  Befriedigung 
seiner  Bedürfnisse  u.  Anliegen  bittet,  pflegt  dieser  ihn  zu  hassen  u.  fernzuhalten.  Gott 
aber  nicht  also:  sooft  ein  Mensch  ihn  um  seine  Bedürfnisse  u.  seine  Anliegen  bittet, 
um  so  lieber  hat  er  ihn,  s.:  „Rufe  mich  an,  so  will  ich  dich  erhören  u.  dir  ansagen 
große  u.  unerfindliche  Dinge,  die  du  nicht  weißt"  Jer  33,  3.  R.  Z®ära  hat  gesagt:  Wenn 
ein  Mensch  einen  Hausfreund  hat,  so  läßt  er  ihn  das  erstemal  auf  einem  Polster  sitzen; 
wenn  er  das  zweitemal  zu  ihm  kommt,  läßt  er  ihn  auf  einem  Stuhl  sitzen,  das  dritte- 
mal auf  einem  Schemel  (Holzbank)  u.  das  viertemal  sagt  er  von  ihm:  Wie  drängt  u. 
belästigt  mich  dieser!  Aber  Gott  nicht  also:  sooft  sich  ein  Israelit  herzudrängt  u.  an 
die  Stätte  seines  Gebetes  kommt,  so  oft  ist  Freude  vor  ihm  (Gott);  deshalb  heißt  es 
Dt  4,  7:  (s.  oben  S.  452). 

C.  ExR21  (SS-:):  R.  J^iuda  b.  Schalem  (um  370)  hat  im  Namen  des  R.  Elfazar 
(um  270)  gesagt:  Wenn  ein  Armer  zu  einem  Menschen  kommt,  um  ihm  ein  (Bitt-) 
Wort  vorzutragen,  so  hört  dieser  nicht  auf  ihn.  Wenn  aber  ein  Reicher  zu  ihm  kommt, 
so  hört  er  ihn  sofort  u.  nimmt  ihn  an.  Aber  Gott  nicht  also;  vielmehr  sind  alle  vor 
ihm  gleich,  Frauen  u.  Sklaven,  Arme  u.  Reiche.  Erkenne  dies  an  folgendem:  von  Mose, 
dem  Meister  aller  Propheten,  steht  geschrieben,  was  vom  Armen  geschrieben  ist.  Von 
Mose:  , Gebet  Moses,  des  Mannes  Gottes'  Ps  90, 1,  u.  vom  Armen:  , Gebet  des  Armen, 
wenn  er  betrübt  ist"  Psl02, 1.  Das  eine  heißt  „Gebet"  u.  das  andre  heißt  „Gebet", 
um  dich  wissen  zu  lassen,  daß  alle  im  Gebet  gleich  vor  Gott  sind. 

d.  GnR45(28'):  Warum  sind  die  Stammmütter  (Israels)  unfruchtbar  gewesen? 
R.  Levi  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Schela  aus  K^phar  T'^marta  (Datteldorf;  um  280) 
u.  R.  Chelbo  (um  300)  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Weil  Gott  nach  ihren 
Gebeten  u.  nach  ihren  Worten  Verlangen  gehabt  hat.  —  Dasselbe  Midr  HL  2, 14(102'').  — 
Ebenso  sagt  R.  Ji^chaq  (um  300)  J'^b  64=*:  Warum  sind  unsre  Väter  unfruchtbar  ge- 
wesen? Weil  Gott  nach  den  Gebeten  der  Gerechten  Verlangen  trägt.  —  Als  all- 
gemeine von  den  Gebeten  aller  Gerechten  geltende  Wahrheit  spricht  dies  R.  Asi  (um 
300)  Chullin  60''  aus. 

e.  ExR  21  (83 c):  Was  heißt:  „Der  du  Gebet  erhörst,  zu  dir  kommt  alles  Fleisch" 
Ps65,  3?  R.  Pin^chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Meir  (um  150)  u.  R  Jirm«^ja 
(um  320)  im  Namen  des  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  gesagt:  Wenn  die  Israeliten  beten, 
so  findest  du  nicht,  daß  sie  alle  auf  Einmal  beten,  sondern  jede  Synagoge  betet  für 
sich  allein,  die  eine  zuerst  u.  hinterher  eine  andre.  Nachdem  aber  alle  Synagogen  alle 
Gebete  beendigt  haben,  nimmt  der  Engel,  der  über  die  Gebete  gesetzt  ist,  alle  Gebete, 
die  in  allen  Synagogen  gebetet  sind,  u.  macht  daraus  Kronen  u.  setzt  sie  auf  das  Haupt 
Gottes,  s.:  „Dein  Schmuck  -'-12  kommt  von  allem  Fleisch"  Ps  65,  3  (so  der  Midr); 
-\^-\'j  („zu  dir")  bedeutet  nichts  anderes  als  „Krone",  s.  Jes  49,  18:  „Du  wirst  sie  alle 
wie  ein  Diadem  ■'^>'^  anlegen"  (-•"?  also  von  ^^z  „Schmuck");  ferner  s.:  „Israel,  mit 
dem  ich  mich  schmücke"  Jes  49,  3  (so  der  Midr);  denn  Gott  krönt  sich  mit  den  Ge- 
beten der  Israeliten,  s.:  Eine  prächtige  Krone  auf  dein  Haupt  Ez  16,  12.  |l  Midr  Ps  88 
§2  (igO*'):  R.  Pin*^chas  (um  360)  hat  gesagt:  Der  Engel,  der  über  das  Gebet  gesetzt 
ist,  wartet,  bis  die  letzte  Synagoge  Israels  gebetet  hat;  dann  nimmt  er  alle  Gebete  u. 
macht  daraus  eine  Krone  u.  setzt  sie  auf  Gottes  Haupt,  s.  Spr  10,6:  Die  Lobsprüche 
für  das  Haupt  des  Gerechten  (d.  h.  Gottes).  —  In  Midr  Ps  19  §  7  (84''*)  ist  R.  Abba 
(um  290)  Autor  u.  Pin^chas  Tradent.  —  Vgl.  die  Ausführung  über  die  Tugenden  u. 
guten  Werke  der  Gerechten,  die  Engel  täglich  in  Körbchen  sammeln  u.  die  dann  Mikhael 
in  einer  Schale  vor  Gott  bringt,  griech.  Baruchapokalypse  11  —  16. 


454  Matth  7,  7  (31  2) 

/.  B^'rakh  lO'*:  Rab  Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  .  .  .  (Hiskia  sprach  zu  Jesaja:) 
So  habe  ich  es  aus  meinem  Vaterhaus  überkommen:  Auch  wenn  ein  scharfes  Schwert 
auf  dem  Halse  eines  Menschen  liegt,  soll  er  sich  nicht  enthalten,  um  Erbarmen  zu 
flehen.  So  haben  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  Ehazar  (um  270)  gesagt,  vgl.  Hi  13,  15: 
Siehe,  ob  er  mich  töten  will,  ich  hoffe  auf  ihn  (so  nach  dem  Q''r6  tV).  R.  Chanan 
(um  300)  hat  gesagt:  Selbst  wenn  der  Traumdeuter  zu  einem  Menschen  sagte:  , Morgen 
wirst  du  sterben",  soll  er  sich  nicht  enthalten,  um  Erbarmen  zu  flehen,  s.  Qoh  5,6: 
Bei  vielen  Träumen  gibt's  auch  Eitelkeiten  u.  bei  vielen  Worten.  Vielmehr  fürchte 
Gott.  II  DtR  2  (197*^):  Jch  flehte  zu  jener  Zeit  zu  Jahve,  sagend"  Dt  3,  23.  Was  heißt: 
„sagend"?  R.  fAzarja  (um  380)  hat  gesagt:  , Sagend"  den  nachfolgenden  Generationen, 
daß  sie  in  der  Stunde  der  Not  beten  sollen;  denn  siehe,  obgleich  dem  Mose  gesagt  war: 
„Du  wirst  diesen  Jordan  nicht  überschreiten"  Dt  3,  27,  fing  er  doch  an  zu  flehen. 

g.  pTafan  2,  65'\  3:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Drei  Dinge  heben  einen 
harten  (göttlichen)  Beschluß  auf,  nämlich  das  Gebet,  das  Almosen  u.  die  Buße,  u.  alle 
drei  sind  in  Einem  Schriftvers  enthalten,  s.  2  Chr  7,  18:  „Wenn  sich  dann  mein  Volk 
beugt,  über  welchem  mein  Name  genannt  ist,  u.  wenn  sie  beten",  das  bezieht  sich  auf 
das  Gebet;  „u.  mein  Angesicht  suchen",  das  bezieht  sich  auf  das  Almosen,  vgl.:  „Ich 
werde  durch  Almosen  dein  Augesicht  schauen"  Ps  17,  15  (so  der  Midr);  „u.  von  ihren 
bösen  Wegen  umkehren",  das  bezieht  sich  auf  die  Buße.  Wenn  sie  also  tun,  was  steht 
dann  dort  geschrieben?  „So  will  ich  vom  Himmel  her  hören  u.  ihre  Sünde  verzeihen 
u.  ihr  Land  heilen."  -  Parallelstellen:  GnR  44  (27<=);  TanchB  n:  §  13  (19»);  Midr  Qoh 
5,  6  (25b);  7,  14  (36a);  anonym  pSanh  10,  28^  6.  11  Sukka  14^:  R.  Elfazar  (um  270)  hat 
gesagt:  Warum  wird  das  Gebet  der  Gerechten  mit  einer  Gabel  ^n?  verglichen?  (Die 
Frage  zieht  eine  Verbindungslinie  zwischen  ^n>-  beten  u.  "inv  Getreidegabel.)  um  dir 
zu  sagen:  Wie  eine  Gabel  das  Getreide  auf  der  Tenne  wendet  von  einer  Stelle  zm' 
andren,  so  wendet  auch  das  Gebet  der  Gerechten  die  Gedanken  Gottes  von  der  Strenge 
zum  Erbarmen.  —  In  J^b  64  »  R.  Ji^chaq  (um  300)  Autor,  in  NuR  10  (159^)  R.  Schim?on 
b.  Laqisch  (um  250).  ||  GnR  63  (39*):  „Isaak  flehte  -rv^.i  zu  Jahve"  Gn  25,  21.  Resch 
Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Weil  er  den  Beschluß  (Gottes)  umwendete;  deshalb 
nennt  man  auch  die  Gabel  (aram.)  s^ny,  weil  sie  den  Getreidehaufen  umwendet.  || 
RH  16b:  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Vier  Dinge  zerreißen  den  (göttl.)  Gerichts- 
beschluß über  einen  Menschen:  Almosen,  s.  Spr  11,  4,  der  Gebetsschrei  (lautes  Gebet), 
s.  Ps  107,  28:  „Da  schrien  sie  zu  Jahve  in  ihrer  Not  u.  er  führte  sie  heraus  aus  ihren 
Ängsten";  Änderung  des  Namens,  s.  Gn  17,  15  u.  16,  u.  Änderung  des  Verhaltens,  s. 
Jona  3,  10.  —  Ein  andrer  Ausspruch  des  R.  Ji^chaq  lautet  RH  16*:  Gut  für  den 
Menschen  ist  der  Gebetsschrei  sowohl  vor,  als  auch  nach  dem  göttl.  Gerichtsbeschluß. 

h.  Sanh  44 b:  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Immer  lasse  der  Mensch  sein  Gebet 
der  Not  voraufgehn;  denn  wenn  nicht  Abraham  sein  Gebet  zwischen  Beth-El  u.  fAi  der 
Not  hätte  lassen  voraufgehn,  so  wäre  von  den  Feinden  Israels  (Euphemismus  für  „gott- 
lose Israeliten")  kein  Rest  u.  Entronnener  übriggeblieben  (vgl.  Gn  12,  8  u.  Jos  7,  12  ff.). 

i.  B'^'rakh  9,  3:  Wenn  jemand  in  bezug  auf  Geschehenes  betet,  so  ist  das  ein  eitles 
Gebet.  Wenn  zB  jemand,  dessen  Frau  schwanger  ist,  spricht:  Es  sei  Wille  (vor  Gott), 
daß  meine  Frau  einen  Knaben  gebiert,  so  ist  das  ein  eitles  Gebet.  Oder  wenn  einer 
unterwegs  eine  Stimme  des  Geschreies  in  der  Stadt  hört  u.  spricht:  Es  sei  Wille,  daß 
das  nicht  meine  Familienglieder  seien,  so  ist  das  ein  eitles  Gebet. 

k.  P'^^siqR  22  (114b):  Warum  beten  die  Israeliten  u.  werden  doch  nicht  erhört? 
R.  J^'hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  im  Namen  des  R.  Pin^chas  b.  Jair  (um  200)  ge- 
sagt: Weil  sie  nicht  das  Geheimnis  des  Schem  ha-m'^phorasch  (des  nach  seinen  Buch- 
staben ausgesprochenen  Jahvenamens)  kennen.  Und  zwar  gibt  es  dafür  viele  Schrift- 
stellen, s.  Jes  52,  6:  „Deshalb  soll  mein  Volk  meinen  Namen  kennenlernen"  usw.; 
ferner  Hos  2,  22 f.:  „Und  ich  will  dich  mir  verloben  in  Beständigkeit,  u.  du  sollst 
Jahven  erkennen!  Und  geschehn  wird's  an  jenem  Tage,  da  will  ich  erhören";  ferner 
Ps91,  14f. :  „Ich  will  ihn  erhöhen,  denn  er  kennt  meinen  Namen  usw."  Während  die 
Israeliten   in   dieser  Welt  schwören   u.  trügen,    werden   sie   dagegen  in   der  Zukunft 


Matth  7,  7  (^l  2)  .  455 

schwören  u.  (den  Schwur)  halten,  s.  Jer  4,  2:  Und  schwören  wirst  du:  ,So  wahr  Jahve 
lebt*  in  Redlichkeit,  rechtschaffen  u.  aufrichtig  usw.  —  Midr  Ps  91  §8  (200'')  lautet 
der  Schlußsatz:  Aber  in  der  Zukunft  wird  Gott  sie  seinen  Namen  wissen  lassen,  s. 
Jes  52,6;  in  jener  Stunde  werden  sie  beten  u.  erhört  werden,  s.  Ps  91,15:  Er  ruft 
mich  an,  so  will  ich  ihn  erhören. 

/.  B^'rakh  32''  Bar:  Vier  Dinge  bedürfen  der  Anstrengung:  das  Torastudium,  die 
guten  Werke,  das  Gebet  u.  das  irdische  Fortkommen.  Torastudium  u.  gute  Werke,  s.: 
Nur  sei  stark  u.  fest  gar  sehr,  sorgfältig  nach  all  der  Lehre  zu  handeln  Jos  1,7; 
^stark",  beim  Torastudium;  „fest"  bei  guten  Werken.  Gebet,  s.:  „Harre  auf  Jahve, 
sei  stark  u.  Kraft  zeige  dein  Herz,  harre  auf  Jahve"  Ps  27,  14.  Irdisches  Fortkommen, 
s.:  „Sei  stark  u.  laß  uns  Stärke  beweisen  für  unser  Volk"  2  Sm  10,  12.  ||  Sanh  44'': 
Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  sich  im  Gebet  anstrengt  hier  unten,  dem 
«ntstehen  keine  Dränger  (Widersacher)  droben  (d.  h.  sein  Gebet  wird  nicht  vereitelt). 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Immer  bitte  der  Mensch  um  Erbarmen,  daß  alle  (auch 
die  Engel)  seine  Kraft  stärken  u.  ihm  keine  Dränger  droben  erstehen. 

m.  RH  18*:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Zwei  legen  sich  auf  das  (Kranken-) 
Lager  u.  ihre  Krankheit  ist  die  gleiche;  ebenso  zwei  werden  zur  Richtstätte  geführt, 
um  gerichtet  zu  werden,  u.  ihre  Rechtssache  ist  die  gleiche;  der  eine  verläßt  wieder 
sein  Lager  u.  der  andre  nicht;  der  eine  wird  freigesprochen  u.  der  andre  nicht;  der 
eine  hat  gebetet  u.  wird  erhört,  der  andre  hat  gebetet  u.  wird  nicht  erhört.  Warum 
wird  der  eine  erhört  u.  der  andre  nicht?  Der  eine  hat  ein  vollkommenes  Gebet 
ri-Vu;  hVep  gebetet,  er  wird  erhört;  der  andre  hat  kein  vollkommenes  Gebet  gebetet, 
er  wird  nicht  erhört.    (VoUk.  Gebet  nach  Raschi  ein  mit  Andacht  verrichtetes.) 

n.  Sanh  43'':  R.  J'^^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Solange  das  Heiligtum 
stand,  brachte  ein  Mensch  ein  Brandopfer  u.  erhielt  den  Lohn  des  Brandopfers,  oder 
ein  Speisopfer  u.  erhielt  den  Lohn  des  Speisopfers.  Aber  wer  demütigen  Sinnes  ist, 
dem  rechnet  es  die  Schrift  so  an,  als  ob  er  alle  Opfer  allzumal  darbrächte,  s.:  „Die 
Brandopfer  Gottes  sind  ein  gebrochener  Geist"  Ps  51,  19;  u.  nicht  bloß  dies,  sondern 
auch  sein  Gebet  wird  nicht  verachtet,  s.  (das.):  „Ein  "gebrochenes  u.  zerschlagenes 
Herz  wirst  du,  Gott,  nicht  verachten."  ||  B^kh  44^:  „Es  wird  weder  bei  dir  ein  Un- 
fruchtbarer oder  eine  Unfruchtbare  sein,  noch  bei  deinem  Vieh"  Dt  7,  14.  R.  J'^hoschua? 
b.  Levi  hat  gesagt:  Es  wird  bei  dir  kein  „Unfruchtbarer"  (=  Unwissender)  unter  den 
Schülern  sein,  u.  keine  „Unfruchtbare",  d.  h.  dein  Gebet  soll  nicht  unfruchtbar  (er- 
folglos) sein  vor  Gott.  Wann?  Wenn  du  dich  selbst  dem  „Vieh"  gleichachtest  (in 
Demut).  II  Sota  5'"^:  Chizqijja  (um  240)  hat  gesagt:  Das  Gebet  eines  Menschen  wird 
nicht  erhört,  es  sei  denn,  daß  er  sein  Herz  wie  Fleisch  macht  (weich  u.  demütig), 
s.:  „Alles  Fleisch  wird  kommen,  um  anzubeten"  Jes  66,  23.  —  Dasselbe  als  Ausspruch 
der  Gelehrten  Midr  Ps  65  §2(156''). 

O.  Tafan  8^:  R.  Ammi  (um  300)  hat  gesagt:  Das  Gebet  eines  Menschen  wird  nur 
dann  erhört,  wenn  er  seine  Seele  auf  seine  Hand  legt,  s.:  Erheben  wir  unser  Herz 
auf  den  Händen  zu  Gott  im  Himmel!  KL  3,41.  —  Die  Redensart:  „seine  Seele  auf 
die  Hand  legen"  hier  =  andächtig  vor  Gott  stehen,  also  anders  gewandt  als  Ri  12,  3; 
1  Sm  19,  5;28,  21;  Ps  119,  109;  Hi  13,  14. 

p.  B<^rakh  19-^  Bar:  .  .  .  Der  Trauernde  steht  u.  erkennt  das  (durch  den  Tod  eines 
Anverwandten  über  ihn  gekommene)  Gericht  als  gerecht  an  u.  spricht:  Herr  der  Welt, 
ich  habe  viel  vor  dir  gesündigt,  u.  nicht  bin  ich  gestraft  worden  für  eins  unter  tausend; 
«s  sei  Wille  vor  dir,  Jahve  unser  Gott,  daß  du  umzäunst  unsre  Risse  u.  die  Risse 
deines  ganzen  Volkes,  des  Hauses  Israel  in  Erbarmen!  Abaje  (1338/39)  hat  gesagt: 
So  soll  man  nicht  sagen;  denn  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt,  u.  ebenso 
ist  in  einer  Bar  gelehrt  worden  im  Namen  des  R.  Jose  (um  150):  Niemals  öffne  der 
Mensch  (im  Gebet)  seinen  Mund  für  den  Satan!  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt: 
Welche  Schriftstelle  gibt  es  dafür?  Es  heißt:  „Wie  Sodora  wären  wir  geworden, 
wären  Gomorrha  gleich"  Jes  1,  9.  Und  was  sagt  ihnen  dann  wieder  der  Prophet? 
„Höret  das  Wort  Jahves,  ihr  Regenten  von  Sodom."    (Indem  Jesaja  im  1.  Satz  Israel 


456  Matth  7,  7  {%  2) 

in  Parallele  stellt  mit  Sodom,  öflFnet  er  Satan  den  Mund  fcur  Anklage;  deshalb  ver- 
bessert sich  der  Prophet  im  2.  Satz  u.  redet  von  Sodoms  Regenten,  ohne  Isr.  zu  er- 
wähnen. Ebenso  bieten  die  Worte  des  Beters,  daß  er  für  1000  Sünden  kaum  Einmal 
bestraft  ist,  dem  Satan  Veranlassung,  auf  volle  Bestrafung  zu  dringen;  darum  hätten  die 
Worte  nicht  gebetet  werden  sollen,  weil  sie  Sünden  in  Erinnerung  bringen;  vgl.  Anm  q.) 
Parallelstellen  zu  dem  Ausspruch  des  R.  Schim?on  b.  L.  B'^rakh  60 a;  K*^th  8'\ 

q.  B'^'rakh  55 a;  R.  Jigchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Drei  Dinge  bringen  die  Ver- 
schuldungen des  Menschen  (vor  Gott)  in  Erinnerung:  eine  (zum  Einsturz)  sich  neigende 
Mauer  (hinter  die  ein  Mensch  tritt),  Zuversicht  (ungeduldiges  Warten)  auf  Gebets- 
erhörung  u.  die  Überweisung  einer  Sache,  die  man  wider  einen  andren  hat,  an  Gott 
(zur  Entscheidung  u.  Ahndung).  —  Diese  3  Dinge  veranlassen  Gott,  des  Betreffenden 
Schuldregister  zu  prüfen,  ob  er  dessen  würdig  sei,  daß  Gott  sich  seiner  besonders 
annehme;  insofern  bringen  sie  Sünden  in  Erinnerung.  —  Dasselbe  RH  16b. 

r.  Sanh  105^^:  Rab  Nachman  (f  320)  hat  gesagt:  Die  Unverschämtheit  ss^in 
hilft  auch  Gott  gegenüber.  Zuerst  heißt  es:  ,Gott  sprach  zu  Bil?am:  Du  sollst  nicht 
mit  ihnen  gehn"  Nu  22,  12,  u.  zuletzt  das.  Vers  20:  ,Auf,  geh  mit  ihnen."  Rab  Sche- 
scheth  (um  260)  hat  gesagt:  Die  Unverschämtheit  ist  eine  Herrschaft  ohne  Krone 
s;Nn  sVa  Kri3;?3  sEsin.  ||  pTasan  2,  65^\  82:  „Sie  sollen  mit  Gewalt  zu  Gott  rufen" 
Jona  3,  8.  Was  heißt:  „mit  Gewalt"?  R.  Schimfon  b.  Chalaphta  (um  190)  hat  gesagt: 
Der  Unverschämte  besiegt  den  Bösen  (Schlimmen  ss-:,  so  lies  mit  P'siqtha  statt  s-i^-i;= 
=  den  Frommen),  um  wieviel  mehr  den  Allgütigen  der  Welt!  —  Dasselbe  P^siq  161*. 

S.  Hierzu  s.  bei  Mt  6,  7,  besonders  Anm.  /. 

t.  B'^rakh  32'':  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  sieht, 
daß  er  betet,  ohne  erhört  zu  werden,  so  bete  er  immer  aufs  neue,  s.:  „Harre  auf 
Jahve,  sei  stark  u.  dein  Herz  beweise  Kraft,  ja  harre  auf  Jalive"  Ps  27,  14.  ||  Midr 
Ps  27  §7  (114'^):  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Wenn  du  gebetet  hast  u. 
noch  einmal  gebetet  hast,  dann  sei  versichert,  daß  dein  Gebet  erhört  ist,  u.  er  wird 
deine  Bitte  erfüllen.  Weshalb?  Siehe  Ps  27,  14  (so  scheint  der  Midr  das  wiederholte 
„harre  auf  Jahve"  zu  deuten).  —  Ähnlich  DtR  2  (198='),  wo  R.  Chijja,  der  Ältere  (um 
200),  als  Autor. 

U.  pB*^rakh  4,  8^  1 :  „Jahve  wird  dich  erhören  am  Tage  der  Bedrängnis"  Ps  20,  1. 
.  .  .  Von  hier  aus  hat  man  gesagt:  Wer  betet,  ohne  erhört  zu  werden,  der  soll  fasten.  — 
Tag  der  Bedrängnis  =  Tag  des  Fastens.    Dasselbe  pTafan  2,  65*^^,  4. 

V.  pMak  2,  3n,  61 :  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150)  hat  gesagt:  Es  gibt  Zeiten  für 
das  Gebet  (in  denen  die  Erhörung  gewisser  ist  als  sonst).  David  sprach  vor  Gott: 
Herr  der  Welt,  wenn  ich  zu  dir  bete,  dann  sei  die  Zeit  des  Wohlgefallens,  s. :  Ich 
richte  mein  Gebet  an  dich,  Jahve,  zur  Zeit  des  Wohlgefallens  Ps  69,  14;  vgl.  Anm.a-. — 
Parallelstellen:  P^siq  157 b;  Midr  Ps  69  §  2  (löl-'') ;  65  § 4  (157^);  Midr  KL  3, 43  f.  (72b). 

W.  Drei  Meinungen  stehen  einander  gegenüber:  Die  Tore  des  Gebetes  sind  gegen- 
wärtig geschlossen;  sie  sind  zum  Teil  geschlossen  u.  zum  Teil  geöffnet;  sie  sind 
nicht  geschlossen.  ||  B'^rakh  32b:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Seit  dem  Tage,  da 
das  Heiligtum  zerstört  wurde,  sind  die  Tore  des  Gebetes  verschlossen,  s.:  „Ob  ich 
auch  schreie  u.  rufe,  so  verstopft  er  mein  Gebet"  KL  3,  8.  —  Daselbst:  R.  Elfazar  hat 
gesagt:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heiligtum  zerstört  wurde,  bildet  eine  eiserne  Mauer 
die  Scheidewand  zwischen  Isr.  u.  ihrem  Vater  im  Himmel,  s.  Ez  4,  3.  ||  Midr  KL  3,  48  f. 
(72b):  R.  Chelbo  (um  300)  fragte  den  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260):  Weil  ich 
von  dir  gehört  habe,  daß  du  ein  Meister  der  Aggada  (Gegensatz:  Halakha)  bist,  was 
bedeutet:  „Umhülltest  dich  mit  Wolken,  daß  kein  Gebet  durchdringe"  KL  3,  44?  Er 
antwortete:  Das  Gebet  gleicht  einem  Tauchbad  u.  die  Buße  gleicht  dem  Meer.  Wie 
dieses  Tauchbad  bald  offen  steht,  bald  geschlossen  ist,  so  sind  auch  die  Tore  des  Ge- 
betes bald  verschlossen,  bald  offen.  Aber  das  Meer  steht  immer  offen;  so  sind  auch 
die  Tore  der  Buße  immer  offen.  R.  ?Anan  (nach  den  Parallelen  der  Ben  Jose,  im 
4.  Jahrh.)  hat  gesagt:  Auch  die  Tore  des  Gebetes  sind  niemals  verschlossen,  vgl.: 
Welches  ist  eine  große  Nation,  die  einen  ihr  so  nahen  Gott  besäße  wie  Jahve  unser 


Matth  7,  7  (31  2)  457 

Gott,  sooft  wir  zu  ihm  rufen?  Dt  4,7.  Und  dieses  , Rufen"  bedeutet  nichts  andres  als 
das  Gebet,  s. :  „Ehe  sie  noch  rufen,  will  ich  ihnen  antworten"  Jes  65,24.  —  Dasselbe 
zum  Teil  mit  andren  Namen  P  siq  157«;  Midr  Ps  65  §  4  (157 a);  DtR  2  (198»).  In  Midr 
Ps  4  §3  (22'»);  P'^siqR  195^  nur  der  Ausspruch  des  R.  Sch«muel  b.  N. 

X  B^^rakh  7'':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um 
150)  gesagt:  Was  heißt:  „Ich  richte  mein  Gebet  zu  dir,  Jahve,  zur  Zeit  des  Wohl- 
gefallens" Ps69,  14?  Wann  ist  die  Zeit  des  Wohlgefallens?  In  der  Stunde,  da  die 
Gesamtheit  (=  Gemeinde)  betet.  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  es  von  hier  aus  ge- 
sagt: „So  spricht  Jahve:  Zur  Zeit  des  Wohlgefallens  erhöre  ich  dich"  Jes  49,  8. — 
Der  Ausspruch  des  R.  Schim.  b.  J.  anonym  TanchB  ypo  §  11  (99»);  Midr  Ps  69  §  2 
(161a).—  Ferner  s.  bei  Mt  6,  5  S.  398  f.  Anm.  c  u.  d. 

y.  TB'-'rakh  3,  4  (6) :  Der  Betende  muß  sein  Herz  zur  Andacht  richten.  Abba  Schaaul 
(um  150)  hat  gesagt:  Ein  Merkmal  für  das  Gebet  (u.  seine  Erhörung)  ist  Ps  10,  17: 
Richtest  du  (o  Gott)  ihr  Herz  zur  Andacht  (durch  das  Beten),  dann  lassest  du  auf- 
merken dein  Ohr  (um  das  Gebet  zu  erhören).  So  der  Midr.  Dasselbe  als  Bar  B'rakh  31  a; 
mit  Änderungen  DtR  2  (197a);  Tanch  -^-a  -r.  Anf.  (28b);  P^siqR  195b.  —  Dieselbe 
Deutung  des  Psalmverses  im  Munde  des  R.  Sch'muel  b.  Nachman  (um  260)  pB^rakh 
5,9^25;  Midr  Ps  108  §1  (232a). 

Z.  B®rakh  5,5:  Von  R.  Chanina  b.  Dosa  (um  70)  hat  man  gesagt:  Wenn  er  für 
Kranke  betete,  pflegte  er  zu  sagen:  Dieser  bleibt  am  Leben  u.  jener  stirbt.  Man  sprach 
zu  ihm:  Woher  weißt  du  das?  Er  antwortete:  Wenn  mein  Gebet  fließend  (geläufig) 
in  meinem  Munde  ist,  dann  weiß  ich,  daß  der  Betreffende  angenommen  (das  Gebet 
für  ihn  erhört)  ist;  wenn  aber  nicht,  so  weiß  ich,  daß  er  dahingerafft  wird.  —  Hierzu 
s.  die  Erzählungen  über  R.  Chanina  b.  D.  unter  Joh  4,  52.  ||  TB'^rakh  8,  3  (5):  R.  f  Aqiba 
(t  um  135)  sagte:  Wenn  das  Gebet  eines  Menschen  geläufig  ist  in  seinem  Munde,  so 
ist  das  ein  gutes  (Erhörung  verbürgendes)  Zeichen  für  ihn;  wenn  aber  nicht,  so  ist  es 
ein  schlimmes  Zeichen  für  ihn. 

aa.  pB'^rakh  5,  9 '',  26:  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Wenn  die  Lippen 
eines  Menschen  (beim  Gebet  wie  von  selbst)  eine  Bewegung  ausführen,  dann  darf  er 
versichert  sein,  daß  sein  Gebet  erhört  ist.  Weshalb?  Siehe:  „Wenn  er  Bewegung  der 
Lippen  schafft,  dann  spricht  Jahve:  Friede,  Friede  den  Fernen  u.  Nahen,  u.:  Heilen 
will  ich  ihn"  Jes  57,  19  (so  der  Midr).    Parallelstelle:  LvR  16  (116 d). 

bb.  B'^rakh  24  b:  Wenn  jemand  bei  seinem  Gebet  niest,  so  ist  das  ein  gutes  Zeichen 
für  ihn:  wie  ihm  unten  (durch  das  Niesen)  eine  Erquickung  geworden  ist,  so  bereitet 
man  ihm  oben  (im  Himmel)  eine  Erquickung  (durch  Gebetserhörung). 

CC.  B'^rakh  5,5:  Wenn  jemand  betet  u.  dabei  irrt  (Fehler  im  Gebet  macht),  so 
ist  das  ein  schlimmes  Vorzeichen  für  ihn.  Und  wenn  es  der  Vorbeter  ist  (der  sich 
irrt),  so  ist  das  ein  schlimmes  Vorzeichen  für  seinen  Auftraggeber  (die  Gemeinde), 
weil  der  Beauftragte  eines  Menschen  wie  dieser  selbst  ist.  ||  pB'^rakh  3.  6*^,  48:  R.  Cha- 
laphta  b.  Scha^ul  (?j  hat  als  Bar  gelehrt:  Wenn  jemand  bei  seinem  Gebet  Blähungen 
hat,  so  ist  das  ein  schlimmes  Zeichen  für  ihn.  Das  gilt  aber  nur  von  den  Blähungen 
unten,  nicht  von  denen  oben  (mit  letzteren  ist  das  Niesen,  nicht  das  sogenannte 
„Aufstoßen"  gemeint).  Das  geht  auch  aus  dem  hervor,  was  R.  Chanina  (um  225)  ge- 
sagt hat:  Ich  habe  gesehen,  daß  Rabbi  gegähnt  u.  geniest  hat  (während  des  Betens) 
u.  daß  er  dabei  seine  Hand  auf  seinen  Mund  legte,  aber  ausgespieen  hat  er  nicht. 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Auch  ausspeien  darf  man  (beim  Gebet),  damit  der 
Becher  (=  Mund)  rein  sei;  nach  vorn  ist  es  verboten,  nach  hinten  erlaubt;  nach  rechts 
hin  ist  es  verboten,  nach  links  hin  erlaubt.  Das  meint  Ps91,7:  „Fallen  mögen  zu 
deiner  (linken)  Seite  tausend  u.  zu  deiner  Rechten  zehntausend."  (Die  Stelle  .soll  be- 
weisen, daß  die  rechte  Seite  die  vorzüglichere  ist;  deshalb  soll  man  dahin  nicht  aus- 
speien.) —  Der  Bericht  über  Rabbi  auch  B^rakh  24  a.  i|  B^rakh  24  b:  Wer  rülpst  u.  gähnt 
(beim  Gebet),  ist  ein  aufgeblasener  Mensch;  wer  Blähungen  bei  seinem  Gebet  hat.  dem 
ist  das  ein  schlimmes  Zeichen.  Einige  sagen :  Er  wird  daran  als  ein  ungeschliffener  Mensch 
erkannt..  Wer  während  seines  Gebetes  ausspeit,  ist  wie  einer,  der  vor  dem  König  ausspeit. 


458  Matth  7,  7  (51  2.  SB.  6) 

dd.  Sota  49^:  R.  J^huda  b.  Chijja  (um  240)  hat  gesagt:  Wenn  sich  ein  Gelehrten 
Schüler  in  bedrückter  Lage  mit  der  Tora  beschäftigt,  so  wird  sein  Gebet  erhört,  s.  : 
,Ein  Volk  wird  auf  Zion  wohnen,  zu  Jerusalem :  weinen  sollst  du  nicht  immerfort. 
Gnade  bezeigen  wird  er  dir  gewifalich  auf  dein  Klagegeschrei;  sowie  er  es  hört,  wird 
er  dir  antworten"  Jes  30,  19  f.;  u.  hinterher  heißt  es:  „Und  es  reicht  euch  Jahve 
kümmerlich  Brot  u.  notdürftig  Wasser."  R.  Abbahu  (um  .300)  sagte:  Man  sättigt  einen 
solchen  vom  Glanz  der  Sch^'khina  (=  er  darf  die  Gottheit  schauen),  s.  ebenda:  Deine 
Augen  werden  deinen  Lehrer  (=  Gott)  sehen.  R.  Acha  b.  Chanina  (um  300)  hat  ge- 
sagt: Auch  der  Vorhang  (vor  Gottes  Thron)  schließt  sich  vor  ihm,  wenn  er  betet, 
nicht,  s.  das.:  Nicht  verhüllen  wird  sich  dein  Lehrer  (=  Gott)  vor  dir. 

7,7^:  Suchet,  u.  ihr  werdet  finden. 
Ein  ähnlicher  allgemeiner  Satz,  doch  ohne  Beziehung  auf  das  Beten: 
M''g6'':  R.  Jicchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  zu  dir  sagt:  „Ich 
habe  mich  abgemüht  u.  nicht  gefunden",  so  glaube  ihm  nicht;  „ich  habe  mich  nicht 
abgemüht  u.  doch  gefunden",  so  glaube  ihm  nicht;  „ich  habe  mich  a"bgemüht  u.  ich 
habe  gefunden",  so  glaube  ihm.  Diese  Worte  gelten  jedoch  nur  vom  Torastudium;  im 
Handeln.  Wandel  aber  kommt  es  auf  den  göttl.  Beistand  s^-rtti -j»?  sr:.-'^can.  Und  auch  beim 
Torastudium  hat  man  es  nur  in  bezug  auf  das  scharfsinnige  Erfassen  der  Lehre  gesagt,  aber 
beim  (gedächtnismäßigen)  Festhalten  des  Erlernten  kommt  es  auf  den  göttl.  Beistand  an. 

7,7  6:  Klopfet  an,  u.  es  wird  euch  aufgetan  werden, 
xoovsiv  anklopfen  =  n-'pri ,  prn ,  p-'in'iri ,  ps^ ,  t\y^ .  \\  ävorysiv  öffnen  =  nne . 
M^'g  12'^:  (Mardokhai  wird  Esth  2,5  bezeichnet  als)  Sohn  des  Qisch,  weil  er  an  die 
Tore  des  Erbarmens  (im  Gebet)  anklopfte  (v--  Wortspiel  mit  •^•■p}  u.  sie  wurden  ihm 
aufgetan  ^"'s  "inrE:i.  |1  Andersartig,  aber  doch  den  Gegensatz  von  „anklopfen"  u.  „auf- 
tun" enthaltend,  ist  P^siq  176'*:  R.  Bannaäa  (um  220)  hat  gesagt:  Immer  vertiefe  sich 
der  Mensch  in  die  Mischna-(Baraitha-)Sammlungen;  denn  wenn  er  anklopft,  wird  man 
ihm  auftun  '^V  inrE-  pr^"  ds:  wenn  mit  Bezug  auf  das  Halakhastudium  (angeklopft 
wird,  so  wird  ihm  Aufschluß)  für  das  Halakhastudium ;  wenn  mit  Bezug  auf  die  Haggada, 
so  wird  ihm  Aufschluß  für  diese.  —  Dasselbe  LvR2I  (120'').  j]  pB^'rakh  1,2'^,  62:R.Ammi 
(um  300)  hat  gesagt:  Wer  an  das  Gebet  G''iulla  (die  Schlußbenediktion  nach  dem 
Sch*^maf)  nicht  unmittelbar  das  (Achtzehn-)Gebet  anschließt,  womit  läßt  sich  der  ver- 
gleichen? Mit  dem  Freunde  eines  Königs,  der  kam  u.  an  die  Tür  des  Königs  klopfte 
p-r^n.  Dieser  ging  hinaus,  um  zu  erfahren,  was  er  wollte.  Da  fand  er,  daß  er  sich 
(inzwischen)  entfernt  hatte;  auch  er  entfernte  sich.  (So  wird  mit  dem  Gebet  G'^äulla 
[Text  bei  Strack,  B*^rakhoth  S.  7*]  bei  Gott  angeklopft;  läßt  aber  der  Beter  das  Acht- 
zehngebet nicht  folgen,  so  ist  Gott  umsonst  auf  ihn  aufmerksam  geworden.) 

Das  Anklopfen  an  die  Tür  vor  dem  Eintreten  erforderte  die  gute  Sitte.  Nidda  16  "^ 
wird  aus  dem  Buch  des  Ben  Sira  ein  Zahlenspruch  zitiert:  „Drei  hasse  ich  u.  den  Vierten 
liebe  ich  nicht."  Dieser  Vierte  ist:  „Wer  in  das  Haus  eines  andren  plötzlich  (ohne  An- 
ruf oder  Anklopfen)  eintritt."  Dazu  heißt  es  dann  weiter:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  ge- 
sagt: Selbst  in  sein  eignes  Haus.  R.  Schirafon  b.  .Tochai  (um  150)  hat  gesagt:  Vier 
Dinge  haßt  Gott,  u.  ich  liebe  sie  nicht:  wer  in  sein  (eignes)  Haus  plötzlich  eintritt, 
u.  es  ist  nicht  erst  nötig  zu  sagen:  in  das  Haus  eines  andren.  ...  —  P^s  112"  Bar 
ist  unter  den  7  Lehren,  die  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  seinem  Sohn  J'^^hoschua?  mit  auf  den 
Lebensweg  gibt,  die  dritte:  Tritt  nicht  plötzlich  in  dein  Haus  ein,  noch  viel  weniger 
in  das  Haus  deines  Nächsten.  Ähnliche  Warnungen  liest  man  P^'siq  176^;  177'"*;  LvR 
21  (120*=).  In  Derekh  Ere9  4  (andre  Ausgaben  5)  heißt  es:  Niemals  trete  man  plötzlich 
in  das  Haus  eines  andren,  u.  jedermann  lerne  Lebensart  von  Gott,  der  am  Eingang 
des  Gartens  stehen  blieb  u.  Adam  anrief,  s.  Gn3, 9:  Wo  bist  du?  ||  LvR  5  ( 1 08 '^^') : 
R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Manche  Frau  versteht  zu  borgen  u.  manche  versteht 
nicht  zu  borgen.   Die  es  versteht,  kommt  zur  Nachbarin;  obwohl  die  Tür  offensteht, 


Matth  7,  7  (6).  7,  9.  11  (Nr.  1—3).  7,  12  459 

klopft  sie  an  spsi's,  entbietet  ihr  den  Friedensgruß  u.  spricht:  Wie  geht  es  dir,  meine 
Nachbarin?  Was  macht  dein  Mann,  was  machen  deine  Kinder?  Ist  es  dir  auch  recht, 
daß  ich  eintrete?  Antwortet  sie  dann:  Tritt  nur  ein,  was  ist  dein  Begehr?  so  sagt 
sie:  Besitzest  du  vielleicht  den  u.  den  Gegenstand  (1.  n^j-pw  statt  ^«"Fs),  möchtest  du 
ihn  mir  wohl  geben?  Und  jene  sagt:  Ja.  Die  aber  nicht  zu  borgen  versteht,  geht  zur 
Nachbarin,  reißt  die  Tür,  auch  wenn  sie  geschlossen  ist,  auf  (ohne  anzuklopfen)  u.  spricht: 
Hast  du  den  u.  den  Gegenstand?  Dann  sagt  jene:  Nein.  1|  Sanh  97*:  Es  kam  ihre  Nach- 
barin, klopfte  an  die  Tür  scts  sbiis.   Zum  Rufen  an  der  Tür  vgl.  Qid  81  *,  oben  S.  140«. 

7,9:  Er  wird  ihm  doch  nicht  einen  Stein  reichen? 
f.17]  Xi^ov  sniöwaei  avroi; 
Lightfoot  verweist  auf  Seneca,  De  beneficiis  2, 7:  (Fabius)  Verrucosus 
beneficium  ab  homine  duro  aspere  datum  panem  lapidosum  vocabat. 

7,11:  Wenn   nun   ihr,    die   ihr   arg  seid,    gute  Gaben  euren 

Kindern  zu  geben  wisset,  um  wieviel  mehr  wird  euer  Vater 

im  Himmel  Gutes  geben  den  ihn  Bittenden. 

1.  viisig  novTjQol  ovTfc  .  .'.  ttöö'w  ixäXXov  0  Tvarrjo  iificov.  Der  gleiche 
Schluß  a  minori  ad  maius  'i^n•^  b^  (Einl.  97;  s.  auch  bei  Rom  5,  9)  bei 
einem  gleichen  Gedanken  in: 

LvR34(132*):  R.  Tanchuma  (um  380)  erhob  sein  Angesicht  gen  Himmel  u.  sprach 
vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wenn  dieser  (ein  Mann,  der  mit  seiner  geschiedenen  Frau 
Mitleid  hatte),  der  Fleisch  u.  Blut  ist  u.  hart,  ohne  daß  ihm  ihre  (der  geschiedenen 
Frau)  Erhaltung  obliegt,  mit  Erbarmen  über  sie  erfüllt  ward  u.  ihr  gab,  um  wieviel 
mehr  n»:3i  ntjs  rns  hy  mußt  du  über  uns  mit  Erbarmen  erfüllt  werden,  die  wir  die 
Kinder  deiner  Kinder  sind,  die  Kinder  Abrahams,  Isaaks  u.  Jakobs,  zumal  unsre  Er- 
haltung dir  obliegt!  —  Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs  über  das  Fasten  Nr.  9  Anm.j?.  — 
Parallelstelle:  GnR  33  (20=^). 

2.  oldars  =  (aram.)  ddh.  Eine  Frau,  die  zu  borgen  versteht  NrniK 
bxirob  x^^=n%  s.  LvR  5  (108^)  oben  S.458f. 

3.  (fojuaza  aya&((.  Der  Ausspruch  Schammais:  „Empfange  jeden  Menschen  mit 
freundlichem  Gesicht"  Aboth  1, 15  wird  AbothRN  13  so  erläutert:  Wenn  ein  Mensch 
einem  andren  alle  Gaben  in  der  Welt  gegeben  hat,  u.  sein  Gesicht  blickt  verdrießlich 
auf  die  Erde,  so  rechnet  es  ihm  die  Schrift  so  an,  als  hätte  er  ihm  nichts  gegeben. 
Aber  wenn  er  einen  andren  mit  freundlichem  Gesicht  empfängt,  so  rechnet  es  ihm 
die  Schrift,  auch  wenn  er  ihm  nichts  gegeben  hat,  so  an,  als  hätte  er  ihm  alle  guten 
Gaben  riaiu  r-fs^t:  gegeben.  ||  M'^kh Ex  20, 23  (79''):  R.Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  sagte: 
Beliebt  sind  die  Züchtigungen  (Leiden);  denn  drei  gute  Gaben  ri2"-j  r'.im  sind  den 
Israeliten  gegeben  worden  .  .  .  nur  (zum  Lohn)  für  Züchtigungen;  die  Tora,  s.  Spr  1,2 
u.  Ps94, 12;  das  Land  Israel,  s.  Dt  8,  5  u.  7,  u.  die  zukünftige  Welt,  s.  Spr  6, 23.  — 
Dasselbe  SDt  6,  5  §  32  (73  b);  ßerakh  5  *. 

7,12:   Alles  also,   was  ihr  wollt,   daß  die  Leute  euch  tun, 

das  tut  auch  ihr  ihnen,  nävra  ovv  oaa  sdv  ^s'Xtjts  Iva  tioiööciv 

Vfitv  OL  av^QWTcoi,  ovTcog  xal  v/nstg  tcoisTts  avToTg. 

In  der  altjüdischen  palästin.  Literatur  findet  sich  der  Ausspruch  nur 

in  negativer  Fassung;»  desgleichen  in  der  „Lehre  der  zwölf  Apostel ".b 

Die  positive  Fassung  in  Jesu  Mund  geht  über  die  negative  Fassung 

ebensoweit  hinaus,  wie  etwa  „helfen  u.  fördern"  hinausgeht  über  „nicht 

schaden".   Die  auf  hellenistischem  Boden  erwachsene  Form  des  Aus- 


460  Matth  7,  12.  18  f.  (Nr.  1) 

Spruchs,  die  älteste,  die  wir  überhaupt  von  dem  Ausspruch  besitzen, 
vereinigt  die  positive  u.  die  negative  Fassung  miteinander,  c 

a.  Tob  4, 15:  xctt  ö  fxiaeig  f^rjSevl  Tioitjarjg.  —  Test  Napht  (hebr.  Text)  1:  Keiner 
soll  seinem  Nächsten  tun,  was  er  nicht  will,  dafj  man  ihm  tue.  —  Schab  31^:  Einmal 
kam  ein  Heide  zu  Schammai  (um  oO  v.  Chr.);  er  sprach  zu  ihm:  Nimm  mich  als  Pro- 
selyten  auf.  unter  der  Bedingung,  daß  du  mich  die  ganze  Tora  lehrest,  während  ich 
auf  Einem  Bein  stehe.  Er  stieß  ihn  mit  einem  Baumaß,  das  er  in  seiner  Hand  hatte, 
fort.  Er  ging  zu  Hillel  (um  20  v.  Chr.) ;  dieser  nahm  ihn  als  Proselyten  auf.  Er  sprach 
zu  ihm:  Was  dir  unlieb  ist,  tue  keinem  andren;  das  ist  die  ganze  Tora  u.  das  andre 
(übrige)  ist  Erklärung;  geh  u.  lerne!  —  Targ  Jerusch  I  Lv  19, 18:  Was  dir  selbst  un- 
lieb ist,  tue  ihm  (deinem  Nächsten)  nicht.  —  Doch  s.  auch  slav.  Henoch61,l:  Wie 
ein  Mensch  seiner  eignen  Seele  von  Gott  erbittet,  so  soll  er  tun  jeder  lebenden  Seele. 

b.  Jide<)(7J  1,  2:  ndvia  de  oaa  s«V  &i:Xtjarjc  f^t]  yifsad^ai  aoo,  xal  ai>  ccX'Aio  fA.rj  nolsi: 

C.  Brief  des  Aristeas  207:  Welches  ist  die  Lehre  der  Weisheit?  Er  (der  vom  König 
Gefragte)  erklärte:  Wenn  du,  wie  du  nicht  willst,  daß  dir  das  Üble  widerfahre,  sondern 
alles  Gute  erfahren  willst,  ebenso  tust  gegen  deine  Untertanen  u.  gegen  die,  welche 
sich  verfehlen.  Ti  san  aocpiag  dida^yj ;  6  6e  STsgog  unecpTifccro'  xce9(og  ov  ßoi'ksi  asccvrcö 
rd  XKxd  nctQSivKi,  fxsTo^og  de  rdiv  dyaS^iöi'  vnÜQ](etv  undvx(x)v,  et  Tigdaaeig  rovio  Tigdg^ 
rovg  vnoxeTcty^evovg  xai  roiig  d^aQtdvovTag.  —  Vgl.  auch  Philo,  Hypothetica  (bei 
Euseb.  Praep.  evang.  8,  7):  L4  xt,g  na&sTv  i/S^aigei,  (xrj  noieTv  aviöy. 

Als  Erläuterung  des  Grundsatzes  von  Mt  7, 12  durch  einige  aus  dem  Leben  ge- 
griffene Beispiele  mag  AbothRN  15  Anf.  u.  16  Auf.  dienen:  R.  Elifezer  (um  90)  sagte 
(s.  Aboth2, 10):  Es  sei  dir  die  Ehre  eines  andren  so  lieb,  wie  deine  eigene!  .  .  .  Das 
lehrt:  Wie  man  an  der  eignen  Ehre  Gefallen  hat,  so  soll  man  auch  an  der  Ehre  eines 
andren  Gefallen  haben:  u.  wie  man  nicht  will,  daß  eine  üble  Nachrede  über  die  eigne 
Ehre  aufkomme,  so  soll  man  auch  keine  üble  Nachrede  über  die  Ehre  eines  andren 
ausbringen  wollen.  —  Kap.  16  Anf.:  R.  J'^hoschuaf  (um  90)  sagte  (s.  Aboth2, 11):  Ein 
mißgünstiges  Auge  .  .  .  bringt  den  Menschen  aus  der  Welt.  .  .  .  Das  lehrt:  Wie  man 
am  eignen  Hause  (—  Familie)  Gefallen  hat,  so  soll  man  auch  an  dem  Hause  eines 
andren  Gefallen  haben;  u.  wie  man  will,  daß  keine  üble  Nachrede  über  das  eigne 
Weib  u.  die  eignen  Kinder  ausgebracht  werde,  so  soll  man  auch  wollen,  daß  keine 
üble  Nachrede  über  das  Weib  u.  über  die  Kinder  eines  andren  ausgebracht  werde. 

Gesetz   U.  Propheten.    Einteilung  des  Kanons  s.  bei  5, 17,  S.  240. 

7,  13  f.:  Gehet  ein  durch  die  enge  Pforte;  denn  weit  ist  die 
Pforte^  u.  breit  der  Weg,  der  in  das  Verderben  führt,  u.  viele 
sind,  die  durch  sie  (die  weite  Pforte)  eingehen;  denn  eng  ist 
die  Pforte^  u.  schmal  der  Weg,  der  ins  Leben  führt,  u.  wenige 
sind,  die  ihn  finden. 
1.  Das  Bild  von  den  beiden  Wegen  kommt  in  der  altjüd.  Literatur 
ziemlich  häufig  vor.  Biblische  Grundlage  Dt  11,  26  u.  30, 15,  wo  im  An- 
schluß an  die  Worte:  „Ich  lege  euch  vor  Segen  u.  Fluch",  bezw.  „Leben 
u.  Tod"  sofort  geredet  wird  von  dem  Wege  oder  den  Wegen  Gottes.  — 
Jer  21,  8  das  fertige  Bild:  „Siehe  ich  lege  euch  vor  den  Weg  des  Lebens 
u.  den  Weg  des  Todes."  Spr  28,  6.  18  erscheinen  die  „zwei  Wege"  als 
festgeprägter  Terminus.  1|  Das  Pfortenbild  in  den  Pseudepigraphen  nur 
4  Esra  7,  3  ff.  u.  in  der  rabbin.  Literatur,  abgesehen  von  den  späten 
(9.  Jahrh.)  PirqeR  Elifezer,  wohl  ebenfalls  nur  in  Einem  Ausspruch. 


'  Von  Tischendorf-Gebhardt  eingeklammert. 


Matth  7,  13  f.  (Nr.  1)  461 

Sir  2,  12:  Wehe  .  .  .  dem  Sünder,  der  auf  zwei  Wegen  geht  Enißu'ivovTi  sni  &vo 
TQLßovg.  \\  Test  Asser  1 :  Zwei  Wege  hat  Gott  den  Menschenkindern  gegeben  u.  zwei 
Ratschlüsse  u.  zwei  Handlungen  u.  zwei  Plätze  u.  zwei  Ziele.  .  .  .  Zwei  Wege,  des 
Guten  u.  des  Bösen,  gibt  es.  .  .  .  ||  slav.  Henoch  .30,  15:  Ich  (Gott)  zeigte  Adam  zwei 
Wege,  Licht  u.  Finsternis,  u.  sprach  zu  ihm:  Dies  ist  gut  (schön),  u.  dies  ist  böse. . . . 
Vgl.  daselbst  42,  lOB:  Selig  ist,  wer  zurückkehrt  von  dem  wechselnden  (verkehrten, 
krummen)  Weg  u.  wandelt  auf  dem  geraden  Weg.  —  Dafür  bei  Charles  -  MorfiU : 
Wohl  dem,  der  sich  von  den  Irrwegen  dieser  eitlen  Welt  abwendet  u.  auf  rechter  Straße 
wandelt,  die  zum  ewigen  Leben  führt.  ||  4  Esra  7,3ff. :  (Der  Engel  sprach  zu  Esra:)  Es 
gibt  ein  Meer  (=  zukünftige  Welt),  das  liegt  in  der  Weite,  so  daß  es  sich  rings  in  die 
Breite  erstreckt;  der  Eingang  (=  Pforte)  aber  dazu  liegt  in  der  Enge,  so  daß  er  wie 
ein  Fluß  aussieht.  Wenn  nun  jemand  in  das  Meer  kommen  will,  es  zu  besehen  oder 
zu  befahren,  wie  wird  der  die  Weite  erreichen,  wenn  er  nicht  vorher  die  Enge  durch- 
schifft hat?  Oder  ein  andres  Gleichnis:  Es  gibt  eine  erbaute  Stadt  (=  zukünftige  Welt), 
die  ist  in  einer  Ebene  gelegen  u.  ist  alles  Guten  voll;  der  Eingang  aber  dazu  (d.  h.  das 
gegenwärtige  Leben)  ist  eng  u.  führt  an  Abgründen  hin,  wo  rechts  Feuer,  links  tiefes  Wasser 
droht;  u.  nur  einen  einzigen  Pfad  gibt  es  zwischen  beiden,  zwischen  Feuer  u.  Wasser,  u. 
dieser  Pfad  ist  so  schmal,  daß  er  Eines  Menschen  Fußspur  fassen  kann.  Wenn  nun  jene 
Stadt  jemand  zum  Erbteil  gegeben  wird,  wie  wird  der  Erbe  sein  Erbteil  in  Besitz  nehmen 
können,  wenn  er  nicht  vorher  den  gefährlichen  Weg  dahin  durchschritten  hat?  —  Ich 
sprach:  Gewiß,  Herr!  Er  sprach  zu  mir:  So  ist  auch  Israels  Teil:  ihrethalb  habe  ich 
zwar  den  Äon  geschaffen;  als  aber  Adam  meine  Gebote  übertrat,  ward  die  Schöpfung 
gerichtet.  Da  sind  nun  die  Wege  in  diesem  Aon  schmal  u.  traurig  u.  mühselig  ge- 
worden, elend  u.  schlimm,  voll  von  Gefahren  u.  nahe  an  großen  Nöten;  die  Wege  des 
großen  Aons  aber  sind  breit  u.  sicher  u.  tragen  die  Früchte  des  Lebens.  Wenn  die* 
Lebenden  also  in  diese  Engen  u.  Eitelkeiten  nicht  eingegangen  sind,  können  sie  nicht 
erlangen,  was  ihnen  aufbewahrt  ist.  ||  Aboth  2, 9:  (Rabban  Jochanan  b.  Zakkai,  f  um  80, 
sprach  zu  seinen  Schülern:)  Geht  u.  sehet,  welches  der  gute  (richtige)  Weg  ist,  dem 
ein  Mensch  sich  anschließen  soll.  R.  Eli?ezer  (um  90)  antwortete:  Ein  wohlwollendes 
Auge.  R.  J*'hoschuaf  sagte:  Ein  guter  (Studien-)Genosse.  R.  Jose  (der  Priester)  sagte: 
Ein  guter  Nachbar.  R.  Schimfon  (b.  N'^'thanäel)  sagte:  Wenn  man  die  Folgen  (seines 
Tuns)  bedenkt.  R.  Ehazar  (b.  ?Arakh)  sagte:  Ein  gutes  Herz.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich 
gebe  den  Worten  des  R.  El?azar  b.  sArakh  den  Vorzug  vor  euren  Worten;  denn  in  der 
Regel  seiner  Worte  sind  die  eurigen  mitenthalten.  —  Darauf  sprach  er  zu  ihnen:  Geht 
u.  sehet,  welches  der  schlechte  Weg  ist,  von  dem  der  Mensch  sich  fernhalten  soll. 
R.  Elifezer  sprach:  Das  mißgünstige  Auge.  R.  J'^hoschua?  sprach:  Ein  böser  Genosse. 
R.  Jose:  Ein  böser  Nachbar.  R.  Schimfon:  Wenn  man  borgt  u.  nicht  zurückzahlt.  .  .  . 
R.  Elfazar:  Ein  arges  Herz.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  gebe  den  Worten  des  R.  Elfazar 
b.  f  A.  den  Vorzug  usw.  —  Dasselbe  AbothRN  14  mit  den  einleitenden  Worten :  Geht 
u.  sehet,  welches  der  gute  Weg  ist,  an  den  der  Mensch  sich  halten  soll,  um  auf  ihm  in  die 
zukünftige  Welt  zu  gelangen.  B^'rakh  28  ^* :  (Als  die  Schüler  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai 
den  erkrankten  Meister  auf  seinem  letzten  Lager  weinen  sahen  u.  ihn  fragten,  warum 
er  weine,  antwortete  er:)  Vor  mir  sind  zwei  Wege;  der  eine  ist  der  zum  Gan  ?Eden 
(Paradies)  u.  der  andre  der  zum  Gehinnom  (Hölle),  u.  ich  weiß  nicht,  auf  welchem 
man  mich  wird  gehen  heißen;  da  sollte  ich  nicht  weinen?  —  Ähnlich  AbothRN  25.  |[ 
Chag3'':  (Ferner  trug  R.  EUazar  b.  sAzarja  [um  100]  öffentlich  vor:)  Warum  werden 
die  Worte  der  Tora  mit  einem  Stachel  i=^-i  verglichen,  Qoh  12, 11?  Um  dir  zu  sagen: 
Wie  dieser  Stachel  die  Kuh  auf  ihre  Furchen  hinrichtet,  um  Leben(sunterhalt)  der 
Welt  zu  bringen,  so  richten  auch  die  Worte  der  Tora  die,  welche  sie  lernen,  von  den 
Wegen  des  Todes  auf  die  Wege  des  Lebens  hin.  —  Parallelstellen  TSota  7, 11  (307); 
AbothRN  18;  NuR  14  (173^);  anonym  SDt  11,  13  §  41  (79'^);  Midr  Qoh  12,  11  (54"»).  || 
M^^kh  Ex  14,28  (iO^):  (R.  f  Aqiba,  f  um  l::i5,  sagte:)  Gott  legte  Adam  zwei  Wege  vor, 
einen  zum  Tode  u.  einen  zum  Leben,  u.  er  wählte  sich  den  Weg  zum  Tode.  —  Das- 
selbe GnR21  (14  b).  II  SDt  11,26  §53  (86^):  ^gjehe,  ich  lege  euch  heute  vor  Segen  u. 


462  Matth  7,  13  f.  (Nr.  1) 

Fluch"  Dt  11,26.  Warum  ist  es  gesagt  worden?  Wenn  es  Dt  30, 19  heißt:  ,Das  Leben 
u.  den  Tod  lege  ich  dir  vor,  den  Segen  u.  den  Fluch",  so  könnten  vielleicht  die  Israe- 
liten sagen:  Weil  Gott  uns  zwei  Wege  vorgelegt  hat,  den  Weg  des  Lebens  u.  den  Weg 
des  Todes,  so  können  wir  gehen,  auf  welchem  von  ihnen  wir  wollen.  Da  sagt  die 
Schrift  lehrend  (das.):  ,So  wähle  denn  das  Leben,  damit  du  u.  dein  Same  leben  mögen." 
Gleich  jemand,  der  an  einem  Scheideweg  saß  u.  zwei  Wege  vor  sich  hatte,  einen,  dessen 
Anfang  eben  u.  dessen  Ende  Dornen  waren,  u.  einen,  dessen  Anfang  Dornen  u.  dessen 
Ende  eben  war.  Er  tat  es  den  Wanderern  kund  u.  sprach  zu  ihnen:  Ihr  seht  diesen 
Weg,  dessen  Anfang  eben  ist  (oder  als  Frage:  Seht  ihr  diesen  Weg,  dessen  Anfang 
eben  ist?).  Zwei  oder  drei  Schritte  gehst  du  auf  Ebenem,  aber  schließlich  gehst  du 
auf  Dornen.  Und  ihr  seht  diesen  Weg,  dessen  Anfang  Dornen  sind  (oder  wiederum 
als  Frage).  Zwei  oder  drei  Schritte  gehst  du  auf  Dornen,  aber  schließlich  gehst  du  auf  ' 
Ebenem.  Ebenso  sprach  Mose  zu  den  Israeliten:  Ihr  seht  die  Gottlosen,  wie  sie  Glück 
haben;  zwei  oder  drei  Tage  haben  sie  Glück  in  dieser  Welt.  u.  schließlich  werden  sie 
am  Ende  verstoßen,  s.  Spr  24, 20;  Qoh  4,1.5;  Spr  4, 19.  Und  ihr  seht  die  Gerechten,  wie 
sie  Not  haben  in  dieser  Welt;  zwei  oder  drei  Tage  haben  sie  Not,  schließlich  aber 
werden  sie  sich  am  Ende  freuen,  wie  es  heißt:  „Um  dir  zuletzt  wohlzutun"  Dt  8, 16: 
ferner  s.  Qoh  7,8;  Jer  29,  11 ;  Ps  97,  11 ;  Spr  4,  18.  ||  ExR  30  (901^):  Gleich  einem  König, 
der  zwei  Wege  herrichtete.  Der  eine  war  voll  Dornen,  Disteln  u.  Brennesseln,  der 
andre  voll  von  Gewürzen.  Die  Blinden  gingen  auf  dem  (schlechten)  Weg  u.  die  Dornen 
fügten  Plagen  zu  ihren  Plagen  hinzu;  die  Klugen  aber  (die  Sehenden)  gingen  auf  dem 
guten  Weg,  u.  während  sie  darauf  einhergingen,  wurden  ihre  Kleider  mit  Wohlgeruch 
erfüllt.  So  hat  Gott  zwei  Wege  hergerichtet,  einen  für  die  Gerechten  u.  einen  für  die 
Gottlosen.  Wer  keine  Augen  hat,  geht  auf  dem  Weg  der  Gottlosen  u.  kommt  zu  Fall, 
u.  es  gibt  für  ihn  kein  Aufstehn,  wie  Bilfam,  der  Frevler,  der  aus  der  Welt  gestoßen 
wurde,  u.  wie  Doeg  u.  Achithophel,  die  vom  Leben  entfernt  wurden,  u.  wie  Gechazi, 
der  leer  aus  der  Welt  ging.  Aber  die  Gerechten,  die  in  ihrer  Unschuld  wandeln,  er- 
langen Glück  samt  ihren  Kindern  nach  ihnen,  s.  Spr  20, 7 :  Wer  in  seiner  Unschuld 
wandelt  als  ein  Gerechter,  Heil  seinen  Söhnen  nach  ihm!  ||  DtR  4  (200''):  ,Wenn 
ihr  willig  seid  u.  hört"  Jes  1,  19.  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Womit  läßt  sich  das 
vergleichen?  Mit  einem  Sklaven,  zu  dem  sein  Herr  sagte:  Siehe,  eine  goldene  Hals- 
kette; wenn  aber  nicht,  siehe,  eiserne  Fesseln!  So  hat  auch  Gott  zu  den  Israeliten 
gesagt:  Wenn  ihr  meinen  Willen  tut,  siehe,  das  Gute  u.  der  Segen;  wenn  aber  nicht, 
siehe,  der  Fluch ;  siehe,  zwei  Wege  sind  vor  euch,  s.  Dt  1 1 ,  26.  \\  DtR  4  (200 '') :  R.  Chaggai 
(um  330)  hat  gesagt:  (Gott  sprach:)  Nicht  nur,  daß  ich  euch  zwei  Wege  vorgelegt 
habe,  sondern  ich  bin  auch  nach  innen  zu  von  der  strengen  Rechtslinie  gegangen  u. 
habe  zu  euch  gesagt:  „So  wähle  denn  das  Leben!"  Dt  30, 19.  (Mit  diesem  Rat  hat 
Gott  etwas  getan,  wozu  er  nicht  verpflichtet  war.)  |I  Nur  von  Einem  der  beiden  Wege, 
der  der  „gerade  Weg"  oder  der  „Weg  des  Lebens"  oder  der  „Weg  Gottes"  genannt 
wird,  handelt  Aboth  2,  1;  Tamid  62»  (=  fol  28=*  in  andren  Ausgaben);  B'^rakh  28'^: 
Rabbi,  lehre  uns  die  Wege  des  Lebens,  daß  wir  durch  sie  das  Leben  der  zukünftigen 
Welt  erlangen;  NuR  14  (173'^):  R.Nathan,  um  160:  Die  Worte  der  Gelehrten  lehren 
die  Menschen  die  Wege  Gottes.  Ähnlich  wenige  Zeilen  zuvor  R.  Tanchuma  b.  Abba, 
um  380.  —  II  Einigemal  ist  das  Bild  von  den  zwei  Wegen  so  gewandt,  daß  damit  zwei 
Extreme  bezeichnet  werden,  zwischen  denen  die  Mitte  innezuhalten  des  Menschen 
Aufgabe  ist.  AbothRN  28  Ende:  R.  J'  huda  b.  El?ai  (um  150)  sagte:  Wer  die  Worte  der 
Tora  (d.  h.  die  Beschäftigung  mit  ihnen)  zur  Hauptsache  u.  die  weltliche  Beschäftigung 
zur  Nebensache  (zum  Anhängsel)  macht,  den  macht  man  selbst  zu  einer  Hauptperson 
in  dieser  Welt  (d.  h.  man  bringt  ihn  in  eine  herrschende  Stellung);  wer  aber. die  welt- 
liche Beschäftigung  zur  Hauptsache  u.  die  Worte  der  Tora  zur  Nebensache  macht,  den 
macht  man  selbst  zu  einer  Nebenperson  (Anhängsel)  in  dieser  Welt.  Man  hat  ein 
Gleichnis  gesagt.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einer  Straße  s-tj— jc-s,  die 
zwischen  zwei  Wegen  führt;  der  eine  ist  von  Feuer  u.  der  andre  von  Schnee;  geht 
man  nach  dem  Feuer  hin,  so  wird  man  durch  das  Feuer  verbrannt;  geht  man  nach 


Matth  7,  13f.  (Nr.  1— 3)  463 

dem  Schnee  hin,  so  wird  man  von  der  Kälte  getroffen.  Wie  soll  man  es  machen? 
Man  gehe  in  der  Mitte  u.  hüte  sich,  daß  man  nicht  vom  Feuer  verbrannt  u.  von  der 
Kälte  getroffen  werde.  (Das  Ganze  eine  Warnung  vor  dem  Trachten  nach  obrigkeit- 
licher Herrschaft,  vgl.  Aboth  1,  lU;  Spr  25, 6.)  ||  pChag2,  77 '\  40:  Rabbi  hatte  einen  älteren 
Schüler,  der  ein  Kapitel  aus  der  „Wagenerscheinung*  ras^'sn  r,-ay^  (Ez  1 ;  Bezeichnung 
theosophischer  Studien)  vortrug;  Rabbi  stimmte  aber  damit  nicht  überein.  Da  wurde 
jener  Schüler  mit  Aussatz  geschlagen.  Diese  Lehre  gleicht  zwei  Wegen,  von  denen 
der  eine  von  Feuer  u.  der  andre  von  Schnee  ist.  Neigt  man  sich  nach  jenem  hin,  so 
stirbt  man  durch  Feuer;  neigt  man  sich  nach  diesem  hin,  so  stirbt  man  durch  Schnee. 
Was  soll  man  tun?  Man  gehe  in  der  Mitte.  (Warnung  vor  unvorsichtiger  Vertiefung 
in  theosophische  Lehren.)  —  R.  Jochanans  (f  279)  Wort  von  den  zwei  Wegen,  von 
denen  der  eine  eben  u.  glatt  u.  der  andre  voller  Dornen  u.  Erdschollen  ist  LvR  4  (107  *')  = 
Midr  Qoh  12,  14  (55'^),  ist  nicht  bildlich,  Sondern  in  eigentlichem  Sinn  gemeint. 

Zum  Pfortenbild  s.  oben  S.  46U  4Esra7,3ff.  Ferner  P^siq  179b:  ,Du  wirst  mir 
kundtun  den  Pfad  des  Lebens''  Psl6, 11.  David  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  du 
wollest  mir  kundtun,  welches  Tor  T^-"?,  nv'Aüjr,  offensteht  zum  Leben  der  zukünftigen 
Welt.  R.  Judan  (um  350)  u.  R.  f  Azarja  (um  380).  R.  Judan  hat  gesagt:  Gott  sprach 
zu  David:  David,  wenn  du  Leben  begehrst,  schau  nach  Gottesfurcht  aus,  s.  Spr  10,27. 
R.  fAzarja  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  ihm:  Wenn  du  Leben  begehrst,  schau  nach 
Leiden  aus,  s.  Spr  6,23.  —  Parallelstellen:  Midr  Ps  16  §  12  (62^);  LvR  30  (127^),  hier 
Text  verstümmelt.  ||  Pirqe  REl  15:  Gott  sprach:  Siehe,  diese  beiden  Wege  (Dt  30,  15) 
habe  ich  den  Israeliten  vorgelegt;  der  eine  ist  der  des  Guten  u.  der  andre  der  des 
Schlimmen.  Der  des  Guten,  das  ist  der  des  Lebens,  u.  der  des  Schlimmen,  das  ist  der 
des  Todes.  Der  des  Guten  hat  zwei  Wege,  den  der  Almosen  u.  den  der  Liebeswerke 
(-;cn  =  D^-cn  r^V-:;),  u.  Elias,  gesegneten  Angedenkens,  steht  in  der  Mitte  zwischen 
beiden,  u.  wenn  ein  Mensch  kommt,  um  einzutreten,  ruft  Eli^s  aus  u.  spricht:  „Tuet 
'die  Tore  auf,  daß  ein  gerechtes  Volk  einziehe"  (Jes  26, 2).  ...  Auf  dem  Weg  des 
Schlimmen  gibt  es  vier  (hintereinander  liegende)  Tore,  u.  an  jedem  Tor  sitzen  sieben 
hütende  Engel,  vier  draußen  u.  drei  drinnen;  die  draußen  sind  barmherzig,  die  drinnen 
sind  grausam.  Wenn  ein  Mensch  kommt,  um  in  das  erste  Tor  einzutreten,  kommen 
ihm  die  barmherzigen  Engel  entgegen  u.  sagen:  Warum  willst  du  in  dieses  Feuer 
eingehen  u.  warum  willst  du  unter  die  Gottlosen  (?)  u.  in  die  glühenden  Kohlen  gehn? 
Höre  uns  u.  kehre  in  Buße  um!  Wenn  er  auf  sie  hört,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht, 
so  sagt  er:  Bei  ihnen  gibt's  kein  Leben!  —  (Ähnliche  Verhandlungen  an  den  andren 
drei  Toren.  Hört  der  Mensch  auch  an  diesen  nicht  auf  die  guten  Engel,  dann  sagen 
zuletzt  die  grausamen  Engel:)  Weil  er  nicht  gehört  hat,  so  möge  sein  Geist  ausgehnl 
s. :  „Geht  sein  Geist  aus,  so  kehrt  er  zu  seinem  Erdreich  zurück"  Ps  146,4;  u.  in  bezug 
auf  sie  sagt  die  Schrift:  „Siehe,  dies  alles  tut  Gott  zwei-,  dreimal  dem  Manne,  um 
zurückzuholen  seine  Seele  von  der  Grube"  Hi33, 29f. 

2,  /;  666g  i]  anäyovaa  elg  xrv  aTiwksiuv.  —  Im  AT  wird  nirgends 
von  einem  Wege  gesagt,  er  „führe"  nach  einem  Ort.  Aus  der  jüdischen 
Literatur  führt  Dalnian,  Worte  Jesu  1, 130  f.,  an  Apoc  Bar  85,  13:  Dort 
ist  der  Urteilsspruch  zum.  Verderben  u.  der  Weg  zum  Feuer  u.  der  Pfad, 
der  zum  Gehinnoin  heranbringt,  N;n;b  i-^.-p-o^.  Ferner  GnR  9  (7*):  Welches 
ist  der  Weg,  der  den  Menschen  zum  Leben  der  zukünftigen  Welt  bringt 
nN-^n's?  —  Vgl.  auch  Midr  Ps  40  §  2  (129'''):  David  sprach:  Schon  war  ich 
auf  dem  Wege,  der  in  den  Gehinnom  geht  Q:ni:7  nsbin^r.  —  Midr  Ps  86 
§  6  (187'^):  R.  Judan  (um  350)  hat  gesagt:  Der  Weg  der  Ehebrecher  ist 
gerichtet  -t;  auf  die  Tiefe  der  Sch'^ol  (=  Gehinnom).  —  „Straße,  die 
zum  ewigen  Leben  führt"  slav.  Hen  42, 10  s.  oben  S.  461«. 

3.  dg  Ti]v  C<üyv.  —  ^(oY]  =  ^oorj  aimiog  oft  in  den  Pseudepigraphen. 


464  Matth  7, 13  f.  (Nr.  3.  4).  7,  15  (31) 

PsSal9, 9:  Wer  Gerechtigkeit  übt,  sammelt  sich  Leben  l^7jaccvQiCsi  Ci^rjv  savrw 
beim  Herrn.  |  Das.  14,  7:  Die  Frommen  des  Herrn  werden  Leben  ererben  xX9]Qoyoiuijaovat 
i^wrjy  in  Freuden.  II  Henoch  62, 16:  Dies  soll  euer  Kleid  sein,  ein  Kleid  des  Lebens  bei 
dem  Herrn  der  Geister.  ||  Test  Asser  6:  Wenn  die  Seele  (im  Tode)  in  Erregung  weg- 
geht, so  wird  sie  von  dem  bösen  Geist  gequält,  dem  sie  auch  gedient  hat  in  Begierden 
u.  bösen  Werken.  Wenn  sie  aber  ruhig  in  Freude  den  Engel  des  Friedens  erkannt 
hat,  so  wird  er  sie  im  Leben  trösten.  ||  4  Esra  7,  13:  Die  Wege  des  großen  Äons  (der 
zukünftigen  Welt)  sind  breit  u.  sicher  u.  tragen  die  Früchte  des  Lebens.  |  Vers  21: 
Gott  hat  den  Lebenden,  sobald  sie  zum  Leben  kamen,  feierlich  erklärt,  was  sie  tun 
sollten,  um  das  Leben  zu  erwerben.  .  .  .  i  Vers  48:  (Das  böse  Herz)  hat  uns  vom  Leben 
fernegeführt.  |  Vers  82:  Die  zweite  Pein  (der  Verlorenen  ist»,  daß  sie  die  wahre  Buße 
zum  Leben  nicht  mehr  tun  können.  |  Vers  129:  Das  ist  der  Weg,  von  dem  Mose  zum 
Volke  gesagt:  Wähle  dir  das  Leben,  daß  du  Leben  habest!  |  Vers  137:  Wäre  Gott 
nicht  der  Gnadenreiche,  so  käme  die  Welt  samt  ihren  Bewohnern  niemals  zum  Leben.  || 
Ebenso  wird  im  Rabbinischen  kurzweg  a-^n,  aram.  "^.~,  n^ü~  =  , Leben"  gesagt,  wo 
das  ewige  Leben  aV-y  •'::-,  aram.  s's"':^  '^r.,  gemeint  ist.  —  Als  Beispiele  s.  Chag3'^; 
M^'kh  Ex  14, 28  (40»)  auf  S.  461 ;';  Bera'kh  28 >>  S.  462y ;  P'^siq  179  ^,  wo  zweimal:  „wenn  du 
Leben  begehrst^  s.  S.  468.  ||  B^rakh  61  '^:  (Bei  der  Hinrichtung  des  R.  ?Aqiba,  f  um  135) 
sprachen  die  Engel  des  Dienstes  vor  Gott:  Ist  das  die  Tora  u.  das  ihr  Lohn?  Zu  den 
von  deiner  Hand  Getöteten,  Jahve,  hätten  sie  gehören  sollen!  (so  deutet  der  Midr 
Ps  17,14).  Gott  antwortete:  „Ihr  Teil  ist  im  Leben"  (s.  Psl7,  14).  |i  ExR27Ende: 
Ebenso  findest  du  es  bei  Jethro,  daß  er  wegen  des  Hörens  (auf  das,  was  Gott  an 
Israel  getan  hatte,  s.  Ex  18, 1)  das  Leben  erlangt  hat  a-r;-;  rirt.  ||  ExR  29  (89"):  „Das 
ganze  Volk  zitterte"  (Ex  19, 16)  „u.  der  ganze  Berg  bebte  sehr"  (Ex  19,18).  Warum 
das  alles?  Weil  Gott  Worte  des  Lebens  a—n  'sv  ri-s-^  redete  .  .  .  R.  Jirm*^ja  (um  320) 
hat  gesagt:  Wenn  in  der  Stunde,  da  Gott  der  Welt  Leben  o—n  gab,  die  Erde  erbebte, 
«m  wieviel  mehr  wird  dies  geschehn,  wenn  er  kommt,  um  die  Frevler  zu  bestrafen,  - 
die  die  Worte  der  Tora  übertreten  haben! 

4.  nkiyoi  alolv  ol  si'Qiaxovrsg  avvrjv.  —  Hierzu  s.  bei  Lk  13,  28. 

7,15  91:  Sehet  euch  vor  vor  den  falschen  Propheten. 
ccTTo  Twv  ifji:v6o7iQoq.rjTcov  =  i;rt;n  '^x'^ns??. 

B^rakh  24*5:  Wer  seine  Stimme  in  seinem  Gebete  erhebt  (laut  schreiend  betet), 
der  gehört  zu  den  falschen  Propheten.  —  Nach  Raschi  auf  Grund  von  1  Kg  18,  28: 
Da  riefen  sie  (die  Ba?alspropheten)  mit  lauter  Stimme.  ||  Sanh  1,5:  Man  richtet  weder 
■einen  Stamm  noch  einen  falschen  Propheten  noch  einen  Hohenpriester  außer  durch 
das  Gericht  von  einundsiebzig.  —  Das.  11,  1:  Dies  sind  die,  welche  erdrosselt  werden: 
Wer  seinen  Vater  oder  seine  Mutter  schlägt  u.  der  falsche  Prophet  u.  wer  im  Namen 
a-i-a  (so  lies,  nicht  cx'i)  eines  Götzen  weissagt.  . . .  |  Das.  11,  5:  »Und  der  falsche  Pro- 
phet," der,  welcher  weissagt,  was  er  nicht  gehört  hat  u.  was  ihm  nicht  gesagt  worden 
ist  (wird  erdrosselt).  Aber  der,  welcher  seine  Weissagung  unterdrückt,  u.  wer  die 
Worte  eines  Propheten  als  gleichgültig  behandelt  u.  ein  Prophet,  welcher  seine  eignen 
Worte  übertreten  hat  —  dessen  Tod  geschieht  durch  Gott;  s.:  „Ich  werde  es  von  ihm 
fordern"  Dt  18, 19.  |  Das.  11,6:  „Wer  im  Namen  a-^ja  eines  Götzen  weissagt"  (Dt  18,20) 
«.  sagt:  „So  hat  der  Götze  gesagt",  auch  wenn  er  mit  der  Halakha  übereinstimmt, 
indem  er  das  Unreine  für  unrein  u.  das  Reine  für  rein  erklärt  (wird  erdrosselt).  || 
Hierzu  Sanh  89 *  Bar:  Dreier  Tod  erfolgt  durch  Menschenhand  u.  dreier  Tod  erfolgt 
durch  Gottes  Hand.  Wer  weissagt,  was  er  nicht  gehört  hat  u.  was  ihm  nicht  gesagt 
war,  u.  wer  im  Namen  ^vz  eines  Götzen  weissagt,  dessen  Tod  erfoUt  durch  Menschen- 
hand; wer  seine  Weissagung  unterdrückt  u.  wer  die  Worte  eines  Propheten  als  gleich- 
gültig behandelt  u.  ein  Prophet,  welcher  seine  eignen  Worte  übertritt,  deren  Tod  er- 
folgt durch  Gottes  Hand.  Woher  dies?  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247) 
jhabe  gesagt:  Weil  es  in  der  Schrift  heißt  DtlS,  2U:    „Jedoch  der  Prophet,   der  sich 


Matth  7,  15  (91.  5Ö.  6)  465 

vermißt,  irgendetwas  in  meinem  Namen  zu  reden",  damit  ist  derjenige  gemeint,  der 
weissagt,  was  ihm  nicht  gesagt  war;  „u.  der  im  Namen  andrer  Götter  redet",  damit 
ist  derjenige  gemeint,  der  im  Namen  eines  Götzen  weissagt.  Ferner  steht  geschrieben 
(das.):  , Jener  Prophet  soll  sterben",  u.  jeder  Tod,  von  dem  in  der  Tora  ohne  genauere 
Angabe  geredet  wird,  ist  der  Tod  durch  Erdrosselung.  —  Wer  seine  Weissagung  unter- 
drückt u.  wer  die  Worte  eines  Propheten  als  gleichgültig  behandelt  u.  ein  Prophet, 
welcher  seine  eignen  Worte  übertreten  hat,  deren  Tod  erfolgt  durch  Gottes  Hand; 
denn  es  heißt  Dt  18,  19:  „Der  Mann,  der  nicht  hören  wird"  (das  ist  der  die  Worte 
eines  Propheten  verächtlich  Behandelnde);  ferner  lese  man  (statt  j'';'^:')  das  Hiphil 
y'r:v<  (das  ist  der,  welcher  seine  Weissagung  nicht  hören  läßt,  sie  unterdrückt),  ferner 
lese  man  das  Niphal  yra"!  (das  ist  der,  der  auf  sich  selbst  nicht  hört,  seine  eignen 
Worte  übertritt).  Darauf  heißt  es  (das.):  „Von  dem  werde  ich  selbst  es  fordern", 
sein  Tod  erfolgt  durch  Gottes  Hand.  —  Wer  weissagt,  was  er  nicht  gehört  hat.  d.  i. 
zB  (^edeqia,  der  Sohn  K^'nafanas,  s.  1  Kg  22,  11.  Wer  weissagt,  was  ihm  nicht  gesagt 
war,  d.  i.  zB  Chananja,  der  Sohn  f  Azzurs,  s.  Jer  28,  2.  Wer  im  Namen  eines  Götzen 
weissagt,  das  sind  zB  die  Bafalspropheten,  vgl.  1  Kg  18.  Wer  seine  Weissagung  unter- 
drückt, d.  i.  zB  Jona,  der  Sohn  Amittais.  Wer  die  Worte  eines  Propheten  als  gleich- 
gültig behandelt,  d.  i.  zB  der  Genosse  des  Mikha,  s.  1  Kg  20,  35  f.  Ein  Prophet,  der 
seine  eignen  Worte  übertritt,  d.  i.  zB  der  Prophet  ?Iddo,  s.  1  Kg  1?.,  9.  18.  19.  24.  — 
Kürzer  in  SDt  18.  19f.  §  177  (107^).  ||  Sanh  90":  R.  Abbahu  (um  800)  hat  gesagt. 
R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  In  jedem  Fall,  wo  dir  ein  Prophet  sagt:  Ȇbertritt 
die  Worte  der  Tora",  höre  auf  ihn,  ausgenommen  ist  der  Götzendienst;  selbst  wenn 
er  dir  die  Sonne  in  der  Mitte  des  Firmaments  stillstehn  ließe,  sollst  du  nicht  auf  ihn 
hören.  —  Bar:  R.  Jose  der  Galiläer  (um  110)  sagte:  Die  Tora  trifft  die  letzte  Absicht 
des  Götzendienstes,  deshalb  legt  ihm  die  Tora  eine  Macht  bei:  selbst  wenn  man  dir 
die  Sonne  in  der  Mitte  des  Firmaments  stillstehn  ließe,  sollst  du  nicht  darauf  hören. 
Bar:  R.  fAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Das  sei  ferne,  daß  Gott  die  Sonne  stillstehn 
ließe  für  die  Übertreter  seines  Willens ;  es  handelt  sich  vielmehr  um  einen  solchen, 
wie  zB  Chananja  b.  ? Azzur,  der  anfänglich  ein  wahrer  Prophet  rys  s-'a:  u.  schließlich 
ein  falscher  Prophet  ^pr  «■'33  war.  —  Die  beiden  Baraithas  auch  SDt  13,  3  §  84  (92''). 

7,15  33:  Die  in  Schafskleidern  zu  euch  kommen. 
Das  Bild  von  den  Wölfen  in  Schafskleidern  ist  in  der  rabbin.  Lite- 
ratur nicht  nachweisbar.  Auch  der  von  Buxtorf,  Lex.  Chald.  Spalte  1633, 
gebuchte  Ausdruck  p"i:;xt  n-:v  =  „Wolfssanftmut",  der  eine  ähnliche 
contradictio  in  adiecto  enthält  wie  das  von  Jesu  verwandte  Bild,  findet 
sich  in  der  älteren  Zeit  nicht.  —  Der  Widerspruch  zwischen  dem 
•äußeren  Gebaren  u.  der  inneren  Sinnesrichtung  heuchlerischer  Menschen 
wird  von  Raba  (f  352)  Joma  72^  mit  den  Worten  gegeißelt:  Jeder  Ge- 
lehrtenschüler, dessen  Inneres  nicht  wie  sein  Äußeres  ist  -i^n  idt  "■'xr, 
ist  kein  Gelehrtenschüler. 

7,  15  6:  Inwendig  aber  sind  sie  reißende  Wölfe. 
Ivxoi  uQTiaysq  =  iiant:  ni:;NT .  —  Ivxog^  aip^ib  s.  gleich  Sukka  56"^, 
Hebr.  nxT,  aram.  :i^,  xn^'i.  —  Gn  49,  27  wird  Benjamin  genannt  „ein 
Wolf,  der  zerreißt"  r--^'^  =X7.  —  Targ  Onk  läßt  das  Bild  fallen  u.  deutet 
den  Vers  auf  das  in  Benjamins  Gebiet  liegende  Heiligtum  u.  die  darin 
dargebrachten  Opfer,  Targ  Jerusch  I  mildert  den  Ausdruck  durch  Hinzu- 
fügung der  Vergleichungspartikel:  ne-io  xn-^iD  (so  zu  lesen  statt  rfs-iu)  = 
wie  ein  reißender  Wolf.  Jerusch  II:  „er  gleicht  r-i-jn  a'ib",  einem  reißen- 
strack u.Biiurbeck,  nti.  30 


466  Matth  7,  15  (6).  7,  16  («) 

den  (raubenden)  Bären.  ||  Ez  22,  27:  Ihre  Obersten  sind  wie  Beute  zer- 
reißende Wölfe  r— j  -^s— j  a-2Ni=.  Targ:  C|^::n  -sisn  -(-^n^nD  =  wie  Beute 
raubende  (zerreißende?)  Wölfe.  —  ||  Als  Bild  der  Gefräßigkeit  u.  Un- 
ersättlichkeit erscheint  der  Wolf  Sukka  56'' Bar:  Mirjam,  die  Tochter 
Bilgas  (Stammvater  einer  Priesterabteilung)  wechselte  ihre  Religion  u. 
ging  hin  u.  vermählte  sich  mit  einem  Feldherrn  der  griechischen  Könige. 
Als  die  Griechen  in  das  Heiligtum  eingedrungen  waren,  stampfte  sie 
mit  ihrer  Sandale  auf  den  Altar  u.  sprach:  Wolf,  Wolf  cipib  mpib,  wie 
lange  willst  du  das  Geld  der  Israeliten  verschlingen  (für  deine  Opfer), 
ohne  daß  du  ihnen  in  der  Stunde  der  Bedrängnis  beistehst?  —  Das- 
selbe pSukka  5,  55  ^  34;  die  Bar  findet  sich  TSukka  4,  28  (200). 

7, 16  51:  Von  (an)  ihren  Früchten  werdet  ihr  sie  erkennen, 
cmo  rrnv  xaQjicöv  avtmv.  —  Frucht  ""is,  pl.  riniQ,  schon  dem  AT  ge- 
läufige Metapher  zur  Bezeichnung  der  Folgen  einer  Handlungsweise, 
s.  Jes3, 10:  Jerl7, 10;  21,14;  Hos  10, 13;  Sprl,31;  31,  16;a  (seltener) 
der  Handlungsweise,  der  Taten  selbst,  Spr  8, 19. b 

a.  Qid40'"':  Wir  haben  gelernt  (nämlich  Pea  1,  1):  Dies  sind  die  Dinge,  von  denen 
der  Mensch,  wenn  er  sie  tut,  die  Früchte  in  dieser  Welt  genießt,  während  das  Stamm- 
kapital (der  Hauptlohn)  ihm  stehn  bleibt  für  die  zukünftige  Welt:  Ehrfurcht  vor  den 
Eltern,  Erweisung  von  Liebeswerken,  Friedenstiftung  zwischen  einem  Menschen  u. 
seinem  Nächsten  u.  Torastudium  vor  allem.  .  .  .  Das  Verdienst  (die  Tugend)  hat  ein 
Stammkapital  (Lohn  im  Himmel)  u.  Früchte  (Zinsen,  d.  h.  Lohn  auf  Erden);  s.  Jes  3,  10: 
, Saget  vom  Gerechten,  es  stehe  gut  mit  ihm  (nämlich  in  der  zukünftigen  Welt);  denn 
die  Frucht  ihrer  Taten  werden  sie  genießen  (in  dieser  Welt).*  Die  Übertretung  (Sünde) 
hat  ein  Stammkapital  (Strafe  im  Himmel),  aber  keine  Früchte  (=  Strafe  auf  Erden); 
denn  es  heißt  daselbst  Vers  11:  ,Wehe  dem  Bösewicht,  ihm  geht's  schlimm"  (in  der 
zuk.  Welt).  Aber  wie  halte  ich  dann  aufrecht  Spr  1,  31:  ,So  sollen  sie  (die  Gottlosen) 
essen  von  der  Frucht  ihrer  Wege  u.  von  ihren  Ratschlägen  satt  werden"?  Eine  Sünde, 
die  Frucht  trägt  (andre  Sünden  zur  Folge  hat),  hat  Früchte  (Strafen  auf  Erden);  die 
aber  keine  Frucht  trägt,  hat  keine  Früchte  (wird  erst  in  der  zuk.  Welt  bestraft). 

b.  Sota  46*:  R.  Jochanan  b.  Schasul  (um  220)  hat  gesagt:  Warum  hat  die  Tora 
angeordnet,  daß  man  ein  Kalb  in  ein  Tal  bringen  soll  (vgl.  Dt  21,  4)?  Gott  sprach: 
Es  komme  etwas,  was  keine  Früchte  gebracht  hat  (das  Kalb)  u.  es  werde  ihm  das 
Genick  gebrochen  an  einem  Ort,  der  keine  Früchte  getragen  hat  (im  Tal),  u.  es  werde 
Sühnung  verschafft  dem,  den  man  keine  Früchte  hat  bringen  lassen  (den  Erschlagenen). 
Was  heißt  (bei  dem  Erschlagenen)  , Früchte"?  Wenn  man  sagen  wollte,  es  bedeute 
, Nachkommenschaft",  so  müßte  es  folgerichtig  auch  bei  einem  (erschlagenen)  Greis 
oder  Verschnittenen  so  sein,  daß  man  (um  ihretwillen)  einem  Kalb  nicht  das  Genick 
bricht;  vielmehr  sind  mit  den  „Früchten"  (bei  dem  Ermordeten)  „ Gebotserfüllungen " 
gemeint.  i|  Tanch  -i-:?3s  HS'*:  „Deine  Gerechtigkeit  ist  wie  die  Gottesberge"  Ps  36,7. 
Wie  die  Berge  bestimmt  (geeignet)  sind,  besät  zu  werden  u.  Früchte  bringen,  so 
bringen  die  Gerechten  Früchte  (=  gute  Werke).  .  .  .  „Deine  Gerichte  sind  eine 
große  Tiefe"  (das.);  damit  sind  die  Gottlosen  gemeint.  Wie  die  Tiefe  nicht  besät 
werden  kann  u.  keine  Früchte  bringt,  so  haben  die  Gottlosen  keine  guten  Werke  u. 
bringen  keine  Früchte.  —  Die  ältere  Parallelstelle  P*^siq  73 1>  redet  nicht  von  den 
Früchten  der  Gerechten  u.  Gottlosen,  sondern  von  den  Früchten  ihrer  Taten,  gehört 
also  unter  a.  \\  GnR  30  (18b):  Was  sind  die  Früchte  des  Gerechten  "--^  5»  vr-!— r? 
Gebotserfüllungen  u.  gute  Werke. 

Dem  Ausspruch  Jesu  ähnelt  das  von  Lightfoot  u.  andren  zitierte 


Matth  7,  16  m.  SB).  7,  21  (Nr.  1.  2).  7.  22  {%  1 )  467 

Sprichwort  Bn-akh  48":  „Jede  Gurke  wird  an  ihrem  Saft  erkannt", 
nur  daß  hier  der  Saft  nicht  das  Produkt  der  Gurke,  sondern  umgekehrt 
die  Gurke  das  Produkt  des  Saftes  ist.  —  Besser  paßt  zu  Jesu  Wort 
GnR  2  (3'') :  R.  B^rekhja  (um  340)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Spr  20, 11: 
,Auch  der  Knabe  wird  an  seinen  Taten  erkannt,  ob  lauter  u.  ob  redlich 
sein  Tun.*  R.  B'^rekhja  hat  gesagt:  Als  die  Erde  noch  unreif  (jung) 
war,  brachte  sie  (schon)  Dornen  r.'^'^z'z.  hervor. 

7, 16  23:  Man  sammelt  doch  nicht  von  Dornen  Trauben?  firjri 
avkkiiyovGiv  und  axavd^Mv  aTaffvXdc:  —  Trauben  u.  Dornbeeren  neben- 
einander als  ein  Bild  vollendeter  Disharmonie  P'^s  49 '^  Bar:  Immer  ver- 
kaufe ein  Mensch  alles,  was  er  hat,  u.  heirate  die  Tochter  eines  Ge- 
lehrtenschülers u.  verheirate  die  eigene  Tochter  an  einen  Gelehrten- 
schüler: das  gleicht  Weintrauben,  die  unter  Weintrauben  sich  befinden, 
was  schön  u.  lieblich  ist.  Aber  nicht  heirate  man  die  Tochter  eines 
^Am  ha-are9  (Gesetzesunkundigen):  das  gleicht  Weintrauben,  die  unter 
Dornbeeren  sich  befinden,  was  häßlich  u.  nicht  lieblich  ist.  ||  Ohne  Bild 
heißt  es  Schab  129=*:  x::i-u:  -■!-!  -z  xur-i  =  kann  aus  Schlechtem  (Schäd- 
lichem) Gutes  entstehn? 

7,21:    1.   Herr,   Herr.    Zur  Verdoppelung  der  Anrede  s.  bei  Mt  23,'37. 

2.  Wer  den  Willen  meines  Vaters  tut. 

Über  die  Frage,  ob  das  Studium  oder  das  Tun  (Praxis)  wichtiger 
sei,  s.  bei  Rom  2, 13.  Hier  noch  folgende  Stellen: 

K'^th  66^:  Rabban  Jochanau  b.  Zakkai  (f  um  80)  hat  gesagt:  Heil  euch,  Israeliten! 
Wenn  sie  den  Willen  Gottes  sipis  Via  •:"i::i  tun,  hat  kein  Volk  u.  keine  Zunge  über 
sie  Gewalt;  wenn  sie  aber  den  Willen  Gottes  nicht  tun,  gibt  man  (=^  Gott)  sie  liin 
in  die  Hand  eines  niedrigen  Volkes,  u.  nicht  bloß  in  die  Hand  eines  niedrigen  Volkes, 
sondern  auch  in  die  Gewalt  der  Tiere  eines  niedrigen  Volkes.  —  Die  ganze  Stelle  s. 
bei  Joh  3.  1.  II  Aboth  5.  20:  J'^huda  b.  Tema  (ein  Tannait  ungewisser  Zeit)  sagte:  Sei 
stark  wie  der  Leopard  u.  leicht  wie  der  Adler  u.  schnell  wie  der  Hirsch  u.  tapfer  wie 
der  Löwe,  den  Willen  -i:i-  deines  Vaters  im  Himmel  zu  tun.  —  Dasselbe  AbothRN41 ; 
als  Bar  P's  112-';  anonym  Tanch  p";3  238*.  Der  Ausspruch  bildet  den  Anfang  des 
Schulchau  ?Arukh.  1|  BB  10»:  (Der  Tyrann  Rufus,  d.  i.  der  Statthalter  von  Judäa  Tinejus 
Rufus,  sprach  zu  R.  eAqiba,  f  um  135:)  Ihr  werdet  Kinder  (Gottes)  u.  ihr  werdet 
Knechte  genannt:  wenn  ihr  den  Willen  Gottes  tut,  werdet  ihr  Kinder  genannt,  u.  wenn 
ihr  den  Willen  Gottes  nicht  tut,  werdet  ihr  Knechte  genannt.  i|  ExR  24  (85''):  „Ist  er 
nicht  dein  Vater,  dein  Besitzer?"  Dt  32,  6  (so  der  Midr).  Wenn  dein  „Vater",  weshalb 
dein  „Besitzer"?  wenn  dein  „Besitzer",  weshalb  dein  „Vater"?  Wenn  die  Israeliten 
den  Willen  Gottes  tun,  erbarmt  er  sich  über  sie,  wie  ein  Vater  über  seine  Kinder; 
wenn  sie  aber  seinen  Willen  nicht  tun,  dann  züchtigt  er  sie  wie  einen  Sklaven.  Wie 
ein  Sklave,  ob  gern  oder  ungern,  seinem  Herrn  dienen  muß,  so  müßt  auch  ihr  den 
Willen  Gottes  tun,  ob  gern  oder  ungern.  i|  ExR  46  (101*^^):  (Gott  sprach  zu  den  Israe- 
liten:) Wenn  ihr  euch  in  Not  seht,  kommt  ihr  u.  sagt:  „Unser  Vater  bist  du"  (vgl. 
•Jes  64,7);  aber  obwohl  alles  das  Werk  meiner  Hände  ist,  so  will  ich  mich  als  Vater 
u.  Bildner  nur  dem  erweisen,  der  meinen  Willen  -nsn  tut,  s.  Jes  43,  7. 

7/22  3t:  Viele  werden  zu  mir  an  jenem  Tage  sagen. 

1.  SV  sxsi'vj]  TTj  i)fisQ(i.  —  Der  Ausdruck  entspricht  dem  altt.  oi»? 

30* 


468  Matth  7,22(311.2.  SB j 

N^i-ifi  Jes  2,  11.  17;  Sachl4,  6.  Im  Rabbin.  verstand  man  unter  „jenem 
Tage"  die  messianische  Periode  oder  die  zukünftige  Welt  im  weiteren 
Sinn,  d.  h.  mit  Einschluß  der   „Tage  des  Messias". 

GnR44(28a):  ,,An  jenem  Tage  verband  sich  Jahve  dem  Abraham  gegenüber  zu 
folgender  Bestimmung"  Gn  15,  18.  R.  Judan  (um  :^>50)  hat  gesagt:  R.  Jochanan  b.  Zakkai 
(t  um  80)  u.  R.  f  Aqiba  (f  um  135).  Der  eine  (Rabban  J.)  hat  gesagt:  Diese  Welt  hat 
Gott  dem  Abraham  offenbart,  aber  die  zukünftige  Welt  hat  er  ihm  nicht  offenbart. 
(Der  Gedankengang  scheint  zu  sein:  An  jenem  Tag  in  Gn  15,  IS  verband  sich  Gott 
zur  Erfüllung  der  Verheifsung  von  Gn  15,  18^ — 21 ;  diese  gehört  aber  dem  gegenwärtigen 
Aon  an;  folglich  hat  Abraham  Gn  15,  18  auch  nur  in  den  Geschichtsverlauf  dieser 
Welt  Einblick  gewonnen.)  Der  andre  hat  gesagt:  Sowohl  diese  als  auch  die  zu- 
künftige Welt  hat  er  ihm  offenbart.  (R.  ?Aqiba  versteht  Gn  15,  18  so:  auf  ,jenen 
Tag"  hin  —  von  dem  etwa  Sach  14,  6  die  Rede  ist  —  verband  sich  Gott  zu  dem  Ver- 
sprechen, dem  Volk  Israel  die  10  in  Vers  19 — 21  genannten  Völkerschaften  zu  über- 
geben, während  im  gegenwärtigen  Aon  Israel  nacli  Dt  7,  1  nur  7  von  jenen  10  Völkern 
in  seine  Gewalt  gebracht  hat;  mithin  hat  Gott  dem  Abraham  Gn  15,  18  auch  die  Tage 
des  Messias  (=  zukünftige  Welt)  offenbart.  Vgl.  GnR  44  (28 'j),  wo  als  allgemeine  An- 
sicht der  um  150  lebenden  jüdischen  Autoritäten  feststeht,  daß  die  3  in  Gn  15,  19  ge- 
nannten Völker  erst  in  den  Tagen  des  Messias  Israel  zufallen  werden.)  R.  B'^rekhja 
(um  340)  hat  gesagt:  R.  Elfazar  (um  270)  u.  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270).  Der  eine 
(wohl  der  letztere)  hat  gesagt:  Bis  zu  diesem  Tage  (rtrn  dth,  solange  dieser  Tag  = 
diese  Welt  währt)  offenbarte  er  ihm  (das  Zukünftige);  der  andre  sagte:  Bis  zu  jenem 
Tage  (sin-  dit!  =  Tage  des  Messias)  offenbarte  er  ihm  (das  Zukünftige).  —  Der 
letztere  stimmte  also  mit  R.  ? Aqiba  überein.  \]  Henoch  45,  3:  An  jenem  Tage  wird  mein 
Auserwählter  (=  Messias)  auf  dem  Thron  der  Herrlichkeit  sitzen.  Ferner  s.  das.  61, 11 ; 
62,  3.  8;  der  Plur.  ,in  jenen  Tagen"  63,  1. 

2.  TioXXol  igovair  fioi.  —  Stellen,  in  denen  bei  der  Gerichtsszene 
Rede  u.  Gegenrede  geschildert  wird,  s.  im  Exkurs  „Gerichtsgemälde". 

7,22  5ß:  Haben  wir  nicht  durch  deinen  Namen  geweissagt,  u. 
habenwirni  eh  tdurchd  einen  NamenDämonen  au  sgetri  eben,  u. 
haben  wir  nicht  durch  deinen  Namen  viele  Machttaten  getan? 

Das  dreimalige  to)  ovo/jiccti  (kaum  verschieden  von  f »'  r<>7  oröfiati 
Mk  9,  38;  16,  17  oder  Sm  t(Ö  oroiiari  Mk  9,  39;  Lk  9,  49)  bedeutet  „auf 
Grund"  oder  „in  Kraft  des  Namens".  Im  Rabbin.  mra,  o^ir?;  Dt;^,  cvi-^?. 

pfAZ  '2,  40^^,  62  sagt  der  Christ  Ja?aqob  aus  K'^phar-Sama  zu  dem  von  einer 
Schlange  gebissenen  R.  Elfazar  b.  Dama  (um  130):  Wir  wollen  im  Namen  Jesu  b.  Pan- 
dera  (s.  oben  S.  86 — 38)  zu  dir  reden  't  'a  -.'v^  ara  -h  -^»s':.  \\  Sanh  11,  1.  6  u.  Sanh89a 
(3malj  wird  von  einem  Propheten  gesprochen,  der  im  Namen  eines  Götzen  weissagt 
r-iT  rt-iai-  c:ü=  S2:ri:n;  s.  die  Stellen  S.  464.  —  Aus  SDt  18,  19f.  §  177  (107b)  erfahren 
wir,  daß  der  im  Namen  eines  Götzen  ■>"i'  cma  Weissagende  einer  ist,  welcher  spricht: 
,So  hat  der  Götze  gesagt"  ^"•J  n^Jis  -;2.  ||  Nach  Midr  Qoh  1,8  (8^)  kam  Ja?aqob  aus 
K^phar-S'^khanja  (—  K.-Sama),  um  den  R.  El?azar  b.  Dama  im  Namen  eines  gewissen 
Jemand  'z'ht  ovra  zu  heilen.  —  In  den  Parallelstellen  TChuU  2,  22  (503)  u.  pSchab 
14,  14'',  60  steht  z-^vk,  bezw.  ow  —  ,auf  Grund  des  Namens".  |j  pfAZ  2,40*^,35:  Es 
kam  einer  u.  flüsterte  dem  (erkrankten)  Enkel  des  R.  J^hoschua?  b.  Levi  (um  250) 
etwas  zu  im  Namen  des  Jeschu  b.  Pandera  't  'a  iio^-;  n-aica.  —  Die  Parallelstelle 
pSchab  14,  14'',  35  liest  't  i;ü^-  r-.-'^v  -,n  =  ,auf  Grund  des  Namens  Jesu".  ||  Zur  Be- 
deutung von  üvh  s.  bei  Mt  10,  41  f.  u.  28,  19.  —  Über  Dämonenaustreibung  s.  Exkurs: 
„Zur  altjüd.  Dämonologie"  Nr.  7,  //.  —  Zus.stellung  der  in  der  rabbin.  Literatur  be- 
richteten Krankenlieiluneen  in  Jesu  Namen  s.  bei  Mt  10,  1. 


Matth  7,  28  {%.  SB).  7,  24  (%.  SB)  469 

7,28  51:  Ich  habe  euch  nie  gekannt,  ovöinove  eyron'  vfiäg.  — 
Die  Worte:  „Ich  habe  dich  nie  gekannt"  cj-v^  Tri^r  ^rx  werden  von 
Rabbi  als  Bannforniel  verwendet. 

MQ  16  a:  R.  Schinifon  b.  Rabbi  (J'liuda  I.)  u.  Bar  Qappara  (um  220)  saßen  u. 
studierten ;  dabei  bereitete  ihnen  eine  traditionelle  Lehre  Schwierigkeiten.  Seh.  sagte 
zu  Bar  Q.:  Hierzu  bedürfen  wir  Rabbis  (d.  h.  meines  Vaters).  Bar  Q.  antwortete:  Wird 
denn  Rabbi  darüber  etwas  sagen  können?  Er  ging  u.  erzählte  es  seinem  Vater.  Dieser 
ward  zornig.  Als  Bar  Q.  zu  Rabbi  kam,  sprach  dieser:  Bar  Q.,  ich  habe  dich  nie  ge- 
kannt! Er  verstand,  was  das  Wort  im  Sinne  Rabbis  bedeutete;  er  beobachtete  des- 
halb für  sich  eine  N*^^zipha  (~^-t;,  aram.  sr^s"T;t=  Verweis,  eine  Art  Bann)  von  30  Tagen 
(in  denen  er  mit  Rabbi  nicht  in  Berührung  kommen  durfte).  —  Andersartig  ist  das 
Wort  Rabbis  an  Bar  Qappara  pMQ  5>,  81 '-',  56:  ,lch  kenne  dich  als  Ältesten  "t  nicht"; 
der  Angeredete  entnahm  daraus,  daß  er  nie  ordiniert  werden  würde.  ||  fEr  53«:  Was 
heißt:  „Ein  neuer  König,  der  Joseph  nicht  kannte"  Ex  1,8?  Er  glich  einem  (stellte 
sich  so),  der  Joseph  überhaupt  nicht  kannte  hh::  n^"5  y--'  s^-.  —  Also  , einen  nicht 
kennen"   =    „einen  nicht  kennen  wollen"   =   „einen  verleugnen"  's  iss  ("iss). 

7,23  23:  Weichet  von  mir,  ihr  Übeltäter,  dnoxwQ^l'te  an  ifxov  ot 
ioya^ojjievoi  vrjv  uvofxiav.  —  Wohl  Zitat  aus  Ps  6,  9 :  ■in  "ibys  ^d  '^-o-o  ni'c. 
LXX:  duöazrjTs  an'  sfiov  näwsg  ot  SQya^öfxevoi  Ti]i'  dvoßiav. 

7,  24  51:  Wer  nun  diese  meine  Worte  hört  u.  sie  tut.  dxovsi . . . 
xal  Tcoisl.  Vgl.  außer  den  hier  folgenden  Stellen  die  Ausführungen  bei 
Rom  2, 13  u.  die  Zitate  bei  Mt  7,  21. 

7,  24  23:  Gleichnis  vom  klugen  u.  vom  törichten  Bauherrn. 

Aboth  RN  24  Anf. :  Elischa;  b.  Abuja  (um  120,  der  bekannte  jüdische  Apostat) 
8ägte:  Ein  Mensch,  der  viele  gute  Werke  hat  u.  viel  Tora  gelernt  hat,  womit  läßt 
sich  der  vergleichen?  Mit  einem  Menschen,  der  unten  (d.  h.  das  Fundament)  mit 
Steinen  baut  u.  danach  mit  (ungebrannten,  nur  in  der  Sonne  getrockneten)  Ziegeln; 
auch  wenn  viele  Wasser  kommen  u.  an  ihren  Seiten  stehn  bleiben,  lösen  sie  sie  (die 
festen  Steine)  nicht  auf  von  ihrer  Stelle  weg.  Ein  Mensch  aber,  der  keine  guten 
Werke  hat  u.  Tora  lernt,  womit  läßt  sich  der  vergleichen?  Mit  einem  Menschen,  der 
zuerst  mit  Ziegeln  baut  u.  danach  mit  Steinen;  auch  wenn  nur  geringe  Wassermassen 
kommen,  stürzen  sie  sie  alsbald  um.  —  Ferner  sagte  er:  Ein  Mensch,  der  gute  Werke 
hat  u.  viel  Tora  gelernt  hat,  womit  läßt  sich  der  vergleichen?  Mit  Kalk,  der  auf 
Steine  gestrichen  ist;  wenn  auch  Regengüsse  auf  ihn  niedergehn,  entfernen  sie  ihn 
nicht  von  seinem  Platz.  Ein  Mensch  aber,  der  keine  guten  Werke  hat  u.  viel  Tora 
gelernt  hat,  gleicht  dem  Kalk,  der  auf  Ziegel  gestrichen  ist;  wenn  auch  nur  geringe 
Regengüsse  auf  ihn  niedergehen,  löst  er  sich  alsbald  auf  u.  fällt  ab.  1|  Andre  Gleich- 
nisse zur  Erläuterung  des  Gedankens  von  Mt7,  24ff. :  Aboth  3, 17:  R.  Elfazar  b.  pAzarja 
(um  100)  hat  gesagt:  Der,  dessen  Wissen  sein  Tun  überragt,  wem  gleicht  der?  Einem 
Baum,  dessen  Zweige  zahlreich  u.  dessen  Wurzeln  gering  sind;  wenn  der  Wind  kommt, 
entwurzelt  er  ihn  u.  stürzt  ihn  um,  vgl.  Jer.  17,  6:  „Er  wird  sein  wie  ein  Wachholder- 
strauch  (?)  in  der  Steppe  u.  kein  Gutes  kommen  sehen  u.  wohnen  in  versengten 
Wüstenstrecken,  im  salzigen  Lande,  das  nicht  besiedelt  ist."  Aber  der,  dessen  Tun 
sein  Wissen  überragt,  wem  gleicht  der?  Einem  Baum,  dessen  Zweige  gering  u.  dessen 
Wurzeln  zahlreich  sind ;  selbst  wenn  alle  Winde  in  der  Welt  kommen  u.  in  ihn  hinein- 
wehen, sie  rücken  ihn  von  seiner  Stelle  nicht  fort,  s.  Jer  17,8:  „Der  wird  sein  wie 
ein  Baum,  gepflanzt  am  Wasser,  u.  am  Flusse  streckt  er  seine  Wurzeln  aus  u.  fürchtet 
nichts,  wenn  Hitze  kommt,  u.  seine  Blätter  grünen;  auch  im  Jahr  der  Trockenheit 
wird  er  keine  Sorge  haben  u.  nicht  aufhören  Frucht  zu  bringen."  —  Parallelstelle 
Aboth  RN  22.  1|  Aboth  RN  24  (Elischaf  b.  Abuja,  s.  oben)  hat  ferner  ge.sagt:  Ein  Mensch, 


470  Mattli  7.  24  (5B).  7,  29  (Nr.  1.2).  Nachwort  zur  Bergpredigt 

der  (gute)  Werke  hat  u.  viel  Tora  gelernt  hat,  gleicht  einem  Pokal,  der  einen  (sein 
Gleichgewicht  regelnden)  Stein  enthält:  wenn  man  ihn  aus  der  Hand  wegstellt,  neigt 
er  sich  nicht  auf  seine  Seite  u.  es  wird  niclits  von  dem  vergossen,  was  in  ihm  ist. 
Ein  Mensch  aber,  der  keine  guten  Werke  hat  u.  viel  Tora  gelernt  hat,  gleicht  einem 
Pokal,  der  keinen  Stein  enthält:  wenn  man  ihn  aus  der  Hand  setzt,  neigt  er  sich  so- 
fort auf  seine  Seite  u.  es  wird  alles  vergossen,  was  in  ihm  ist.  —  Ferner  sagte  er: 
Ein  Mensch,  der  gute  Werke  hat  u.  viel  Tora  gelernt  hat,  gleicht  einem  Roß  mit 
gutem  Reitzeug.  Ein  Mensch  aber,  der  keine  guten  Werke  hat  u.  viel  Tora  gelernt 
hat,  gleicht  einem  Roß,  das  keinen  Zaum  hat,  es  zu  bändigen. 

7,29:  Denn  er  lehrte  sie  wie  einer,  der  Vollmacht  hat, 
u.  nicht  wie 'ihre  Schriftgelehrten. 

1.  OK  i'^ovoiur  eywv.  —  Formell  kann  verglichen  werden  Chag  15*: 
Acher  (Elischa^  ben  Abuja.  um  120)  sah,  daß  dem  Metatron  (einer  der 
Thronengel)  Vollmacht  gegeben  wurde  xr^^-  nib  x::n-rj<i,  sich  nieder- 
zusetzen, um  die  Verdienste  Israels  aufzuschreiben.  I  Das. :  Es  wurde  dem 
Metatron  Vollmacht  gegeben,  die  Verdienste  Achers  auszulöschen.  — 
Der,  welcher  die  Vollmacht  verleiht,  ist  Gott.  So  wird  auch  hier  zu 
den  Worten:  „wie  einer,  der  Vollmacht  hat"  zu  ergänzen  sein:  „von 
Gott".  Dann  ist  der  Sinn  der  Stelle:  Jesus  lehrte  nicht  aus  sich  selbst, 
nach  eignem  Gutdünken,  sondern  wie  ein  Prophet,  der  aus  dem  Munde 
Gottes  redet.  Vgl.  Sanh  99=*:  Wenn  jemand  sagt:  Die  ganze  Tora  stammt 
von  Gott  mit  Ausnahme  dieses  (oder  jenes)  Verses,  den  nicht  Gott, 
sondern  Mose  aus  seinem  eignen  Munde  i-cür  ■'sr  gesagt  hat.  so  gilt 
von  ihm  Nu  15,31:  Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet.  ||  M^g  3P:  Die 
Flüche  Lv  26  stehen  in  der  Mehrzahl  u.  Mose  hat  sie  nnin^n  "'s-:  im 
Namen  Gottes  gesprochen;  die  Flüche  Dt  28  stehen  in  der  Einzahl  u. 
Mose  hat  sie  tou-  isx  in  seinem  eignen  Namen  gesprochen.  ||  SDtl,6 
§5  (66''):  Mose  sprach  zu  ihnen:  Nicht  aus  mir  selbst  •'^'^'j->2  rede  ich 
zu  euch,  sondern  aus  dem  Munde  Gottes  n^'apn  ■^z-c  rede  ich  zu  euch.  j| 
P«siq  125'':  R.  ?Azarja  (um  380)  hat  im  Namen  des  R.  Judan  b.  Simon 
(um  320)  Ps  45,  8  auf  Jesaja  ausgelegt.  Gott  sprach  zu  Jesaja:  Bei 
deinem  Leben,  alle  Propheten  haben  geweissagt,  der  eine  aus  dem 
Munde  des  andren.  Der  Geist  des  Elias  hat  sich  auf  Elisa  nieder- 
gelassen, s.  2  Kg  2,  15;  der  Geist  Moses  hat  sich  auf  die  70  Ältesten 
niedergelassen,  s.  Nu  11,  25:  aber  du  wirst  weissagen  aus  dem  Munde 
der  Allmacht,  s.  Jes61,  1. 

2.  xa)  oi'x  MQ  Ol  yQafji{.iaTeTg  avzwv  „nicht  wie  ihre  Schriftgelehrten", 
die,  wie  man  wird  ergänzen  müssen,  auf  Grund  der  Tradition  lehrten. 

Nachwort  zur  Bergpredigt. 

Die  zu  Mt  5,  3 — 7,  29  beigebrachten  Zitate  zeigen,  daß  die  rabbin. 
Literatur  zu  den  religiös-sittlichen  Gedanken  u.  Lehren  der  Bergpredigt 
zahlreiche  Parallelen  bietet.  Diese  Tatsache  läßt  sich  nicht  mit  der 
Annahme  der  Abhängigkeit  der  einen  Seite  von  der  andren  erklären. 
Wohl  sind  in  den  Kreisen  der  älteren  Tannaiten,  die  um  100  n.  Chr. 


Nachwort  zur  Bergpredigt  47 1 

Jebten,  einige  Aussprüche  Jesu  bekannt  gewesen;  auch  von  den  Evan- 
gelien scheint  man  Kunde  gehabt  zu  haben. ^  Aber  das  war  auch  die 
Zeit,  in  der  die  Scheidung  zwischen  der  Kirche  u.  der  Synagoge  er- 
folgte, die  so  vollständig  war,  daß  man  sich  seitdem  nur  noch  feindlich 
gegenüberstand.  Von  positiver  Beeinflussung  der  jüdischen  Gelehrten 
durch  die  Lehren  des  Christentums  kann  seit  jener  Zeit  nicht  mehr  die 
Rede  sein.  —  Ebensowenig  aber  kann  umgekehrt  eine  Abhängigkeit 
Jesu  von  den  jüdischen  Schultraditionen  seiner  Zeit  in  Betracht  kommen. 
Neuere  jüdische  Gelehrte  nehmen  es  freihch  an.  T.  Tal,  Een  Blik  in 
Talmoed  en  Evangelie,  Amsterdam  1881,  erklärt  nicht  bloß,  daß  die 
Sittenlehren,  die  im  NT  vorkommen,  alle  ohne  Ausnahme  im  Talmud 
stehen  (s.  S.  26.  27.  64. 126),  er  bezeichnet  auch  den  Talmud  ausdrück- 
lich als  die  Quelle,  aus  der  das  Evangelium  seine  Moral  entlehnt  habe 
(S.  126,  vgl.  auch  S.  128.  130).  Die  gleiche  Anschauung  vertritt  Justus 
Tal.  Joed  en  Jodendom,  Rotterdam  1917,  S.  105  f.  110.  114. 

Ohne  weiteres  ist  zuzugeben,  daß  einige  Aussprüche  in  der  Berg- 
predigt der  jüdischen  Tradition  entnommen  sind.  Das  Wort  Mt  7, 12 
wird  bereits  im  Brief  des  Aristeas  verwendet  (s,  oben  S.  460«).  Der  Ge- 
danke, daß  Gott  der  Vater  der  einzelnen  Menschen  sei,  begegnet  lange 
Zeit  vor  Jesu  (s.  bei  Mt  6,  4).  Die  „beiden  Wege"  werden  ebenfalls  in 
der  jüdischen  Literatur  der  vorchristl.  Zeit  erwähnt  (s.  bei  Mt7,  13  f.). 
Der  Ausspruch  Mt7,2:  „Mit  welchem  Maß  ihr  messet,  wird  euch  ge- 
messen werden",  findet  sich  wörtlich  im  Munde  des  R.  Mei'r,  um  150 
(s.  bei  Mt  7, 2  58  Nr.  1) ;  aber  in  einem  Zus.hang,  welcher  beweist,  daß  das 
Wort  selbst  älter  ist;  u.  da  der  Satz  „Maß  gegen  Maß"  bereits  Stellen 
wie  Weish  11,  15  f. ;  12,  24  f. ;  18,  4  ff.  zugrunde  liegt,  so  ist  es  nicht  un- 
wahrscheinlich, daß  Jesus  auch  dieses  Wort  bereits  als  festgeprägte 
Sentenz  vorgefunden  u.  für  seine  Zwecke  verwendet  hat.  Ähnlich  mag 
es  sich  auch  noch  mit  einigen  andren  Sentenzen  der  Bergpredigt  ver- 
halten; wenigstens  darf  das  nicht  von  vornherein  in  Abrede  gestellt 
werden.  Aber  daraus  folgt  nicht,  wie  Tal  sen.  will,  daß  die  ganze 
Bergpredigt  aus  jüdischen  Quellen  geflossen  sei.  Als  wohlbegründete 
Regel  muß  festgehalten  werden,  daß  ein  Ausspruch,  der  unter  einem 
bestimmten  Autornamen  überliefert  ist,  auch  wirklich  dem  Gelehrten 
angehört,  dessen  Namen  er  trägt.  Von  dieser  Regel  darf  nur  dann 
abgegangen  werden,  wenn  die  Unrichtigkeit  der  Überlieferung  quellen- 
mäßig nachweisbar  ist.   Wenden  wir  diesen  Kanon  auf  unsern  Fall  an, 

1  Das  Wort  Mt  5,  17  spielt  eine  Rolle  in  der  Verhandlung  Ganiliels  11.  (um  90)  mit 
einem  christl.  Philosophen;  G.s  Schwester  ruft  diesem  Philosophen  höhnend  Mt  5,  16 
zu;  s.  Schab  116'-^  S.  241  f.  -  R.  J^hoschuaf  (um  90)  kennt  Mt  5,  13,  s.  B^^kh  8b  oben 
S.  236.  —  Dem  R.  Eli?ezer  (um  90)  wird  von  einem  Christen  ein  Ausspruch  Jesu  mit- 
geteilt, s.  TChuU  2,  24  (503)  oben  S.  36  f.  —  R.  Jose  d.  Galiläer,  R.  Tarphon  u.  R.  Jisch- 
mafel  (sämtlich  um  100)  verhandeln  über  die  Rettung  der  Evangelien  u'i'^^h^  u.  der 
Bücher  der  Häretiker  aus  Feuersgefahr  TSchab  13,  5  (129,2).  —  Strack,  Jesus  61* 
versteht  nach  TJad  3,  4  u.  M*^ti  oO^  unter  den  giljonim  die  mit  Bemerkungen  versehenen 
,  Bücherränder ". 


472  Nachwort  zau-  Bergpredigt 

SO  ergibt  sich,  dafs  sämtliche  Parallelen  zur  Bergpredigt,  soweit  sie 
einem  bestimmten  Autor  zugeschrieben  sind  (abgesehen  von  dem  zu 
Mt  7, 12  mitgeteilten  Ausspruch  Hilleis),  rabbinischen  Gelehrten  an- 
gehören, die  nach  Jesus  gelebt  haben.  Daraus  folgt,  daß  Jesu  Aus- 
sprüche von  den  Aussprüchen  dieser  Gelehrten  nicht  abhängig  sein 
können.  —  Hiergegen  wird  eingewandt,  daß  gar  mancher  Ausspruch 
in  der  rabbin.  Literatur  den  Namen  eines  späteren  Autors  trage  u. 
trotzdem  älteren  Ursprungs  sei.  Daher  sei  es  nicht  unmöglich,  daß 
auch  manche  Parallele  zur  Bergpredigt,  obwohl  sie  einem  späteren 
Gelehrten  zugeschrieben  werde,  dennoch  älteren  Datums  sei  u.  somit 
Jesu  als  Quelle  gedient  habe.  Der  Einwand  trifft  durchaus  zu;^  aber 
wer  die  Folgerung  daraus  zieht  u.  von  dieser  oder  jener  Parallele  zur 
Bergpredigt  behauptet,  daß  sie  älter  sei  als  der  Autor,  unter  dessen 
Namen  sie  überliefert  ist,  dem  liegt  in  jedem  einzelnen  Fall  die  Be- 
weispflicht ob.  Solange  dieser  Beweis  nicht  geführt  ist,  kann  die  Be- 
hauptung, daß  eine  bestimmte  Parallele  zur  Bergpredigt  älteren  Datums 
sei.  nur  als  Vermutung  angesehen  werden. 

Wenn  hiernach  die  Übei^einstimmung,  die  zwischen  den  Gedanken 
u.  Lehren  der  Bergpredigt  u.  ihren  zeitlich  jüngeren  rabbin.  Parallelen 
tatsächlich  vielfach  besteht,  aus  der  Abhängigkeit  der  einen  Seite  von 
der  andren  nicht  erklärt  werden  kann,  so  heißt  das  jedoch  nicht,  daß 
auf  jeden  Versuch,  diese  Übereinstimmung  begreifbar  zu  machen,  ein- 
fach verzichtet  werden  müßte.  Man  kann  sich  die  Sache  so  denken. 
In  der  alten  Synagoge  hat  es  eine  Geistesmacht  gegeben,  der  sich 
niemand  entziehen  konnte,  der  einen  öffentlichen  Einfluß  gewinnen 
wollte:  eine  Geistesmacht,  der  Jesus  nicht  minder  unterstanden  hat 
als  die  Männer  der  gelehrten  Schulen,  Diese  Macht  ist  die  Tora,  die 
religiös-sittliche  Gedankenwelt  des  ATs  gewesen.  In  dieser  Welt  hat 
Jesus  geatmet  u,  gelebt  bis  hin  zu  seinen  letzten  Worten  am  Kreuz; 
in  dieser  Welt  sind  heimisch  gewesen  die  rabbin.  Gelehrten  aller  Gene- 
rationen, Unter  dem  Einfluß  des  religiös-sittlichen  Geistes  des  ATs  ist 
die  Spruchweisheit  der  früheren  Jahrhunderte  entstanden,  unter  dem 
Einfluß  desselben  Geistes  hat  Jesus  seine  Sentenzen  geprägt  —  man 
denke  an  die  engen  Beziehungen  der  Seligpreisungen  zu  den  Worten 
der  Schrift;  u.  unter  dem  Einfluß  desselben  Geistes  ist  jene  Fülle 
ethischer  Aussprüche  erwachsen,  die  den  geistigen  Reichtum  des  rabbin, 
Judentums  ausmachen.   Es  ist  doch  bezeichnend,  daß  namentlich  aus 


'  Zwei  Beispiele  aus  vielen.  Nach  GnR  63  (39'^')  hat  ein  Angehöriger  der  Familie 
Silvanus  (?)  Gn  25,  26  dahin  gedeutet,  daß  Israels  Herrschaft  unmittelbar  auf  Roms 
Zusammenbruch  folgen  werde;  diese  Deutung  ist  aber  uralt,  sie  findet  sich  bereits 
4  Esra  6,  7  ff.  1|  Sukka  56t>  wird  dem  Abaje  (f  338/39)  der  Ausspruch  beigelegt:  „Wehe 
dem  Gottlosen!  Wehe  seinem  Nachbar!"  Auch  diese  Sentenz  ist  wesentlich  älter. 
Man  liest  sie  anonym  SLv  14,  40  (283='),  u.  nach  Aboth  RN  8  gehört  sie  dem  R.  Jisch- 
mafel  b.  Jochanan  b.  B^'roqa  (um  150)  an.  —  Ferner  vsl.  MQ  5»  mit  Jeb  21»  u.  mit  SLv 
18,  30  (342  a). 


Nachwort  zur  Bergpredigt  473 

der  späteren  Zeit  verhältnismäßig  nur  wenige  rabbin.  Sentenzen  vor- 
handen sind,  die  nicht  aus  einem  Schriftwort  hergeleitet,  oder  an  ein 
solches  wenigstens  angelehnt  werden,  ein  Beweis,  wie  sehr  diese  Aus- 
sprüche das  Ergebnis  der  gelehrten  Beschäftigung  mit  dem  AT  gewesen 
sind.  Sollte  es  da  undenkbar  sein,  daß  dieser  selbe  Geist  auch  in  ver- 
schiedenen Zeiten  u.  in  verschiedenen  Menschen  Gedanken  wecken  u. 
Aussprüche  zeitigen  konnte,  die  inhaltlich  einander  nahe  kamen?  Wir 
meinen  nicht. ^  Daher  die  mannigfachen  Berührungen,  die  zwischen  den 
Worten  Jesu  u.  den*  Aussprüchen  der  Späteren  bestehen,  Berührungen, 
die,  so  überraschend  sie  sein  mögen,  doch  nicht  gerade  unbegreiflich 
erscheinen.  Nur  eins  ist  dabei  festzuhalten,  nämlich  daß  die  Originalität 
durchaus  auf  selten  Jesu  liegt.  Kein  späterer  jüdischer  Gelehrter  hat 
eine  solche  Menge  leligiös-sittlicher  Aussprüche  hinterlassen,  wie  wir 
sie  von  Jesus  besitzen.  Kein  späterer  jüdischer  Gelehrter  hat  seinen 
Aussprüchen  die  Kürze  u.  Straffheit  des  Ausdrucks  zu  geben  vermocht, 
die  wir  an  Jesu  Sentenzen  bewundern.  Vor  allem  kein  späterer  jüdischer 
Gelehrter  hat  mit  seinen  Aussprüchen  je  die  Tendenz  verfolgt,  die  Jesus 
bei  seinen  Worten  im  Auge  gehabt  hat.  Hierin  liegt  bei  allen  sonstigen 
Ähnlichkeiten  das  eigentlich  Unterscheidende  der  beiderseitigen  Aus- 
sprüche. Jesus  will  der  pharisäischen  Verdienstlehre, -^  weil  sie  die  Seelen 
gefährdet,  den  Boden  entziehen;  darum  deckt  er  das  Ungenügende  der 
Gerechtigkeit  aus  den  Werken  des  Gesetzes  auf,  u.  zugleich  zeigt  er 
seinem  Volk  einen  neuen  Weg,  der  zu  einer  besseren  Gerechtigkeit  führt. 
In  demütigem  Vertrauen  auf  die  Gnade  Gottes  sollen  die  Seinen  alle 
Güter  u.  Segnungen  des  Himmelreichs  aus  der  Hand  ihres  himmlischen 
Vaters  hinnehmen,  um  dann  in  kindlicher,  dankbarer  Gegenliebe  Gott 
zu  dienen  u.  zu  leben  in  aufrichtiger  Gottesfurcht  u.  in  rechtschaffener 
Nächstenliebe.  —  Nirgends  haben  spätere  jüdische  Gelehrte  ähnliche 
Tendenzen  verfolgt;  nirgends  verraten  ihre  Aussprüche  die  Absicht, 
dem  Volk  einen  neuen  Weg  zu  einer  neuen  Gerechtigkeit  zu  zeigen; 
nirgends  M^agen  sie  die  Gesetzesgerechtigkeit  anzutasten  oder  die  darauf 
aufgebaute  Verdienstlehre  in  Zweifel  zu  ziehen.  Es  fehlt  ihren  Aus- 
sprüchen die  prinzipielle  Art;  so  gut  sie  gemeint  sein  mögen,  es 
gebricht  ihnen  die  innere  Kraft,  sich  dem  herrschenden  Nomismus 
gegenüber  durchzusetzen:  unvermittelt  gehen  sie  neben  diesem  einher, 
als  ob  es  ihre  Aufgabe  wäre,  dem  nomistischen  Lehrgebäude  des 
Pharisäismus  als  ethischer  Aufputz  zu  dienen.   Dieser  Aufputz  hätte 

'  Vgl.  Sanh  89":  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Einunddasselbe  Wort  kann 
(seinem  Inhalt  nach)  in  sehr  vielen  Propheten  aufsteigen;  aber  nicht  können  zwei 
Propheten  mit  denselben  Worten  (dem  Ausdruck  nach)  weissagen.  Obadja  hat  gesagt: 
„Der  Hochmut  deines  Herzens  hat  dich  berückt"  Vers  3;  Jeremia  hat  gesagt:  „Schauder 
über  dich!  Berückt  hat  dich  der  Hochmut  deines  Herzens"  Jer49,  16.  —  Also  den 
gleichen  Gedanken  kann  der  Eine  Geist  in  vielen  Menschen  wachrufen,  aber  die  sprach- 
liche Einkleidung  des  Gedankens  ist  Sache  des  einzelnen  Menschen;  daher  die  Mannig- 
faltigkeit der  Form  u.  des  Ausdrucks. 

*  Vgl.  den  Exkurs:  Vorbemerkungen  zur  Bergpredigt. 


474  Nachwort  zur  Bergpredigt.  Mattli  8,  1 — 4 

fehlen  können:  die  nomistische  Soteriologie  der  alten  Synagoge  hätte 
dadurch  keine  Einbuße  erlitten,  auch  keine  Änderung  erfahren.  Neue 
Flicken,  sagt  Jesus,  auf  altem  Gewand:  das  Gleichnis  trifft  auch  hier  zu. 
Von  Jesus  aber  heifst  es  Mt  7,  9:  „Er  lehrte  wie  einer,  der  Vollmacht 
hat.  u.  nicht  wie  ihre  Schriftgelehrten "  —  er  pflügte  eben  ein  Neues. 

Wenn  Justus  Tal  diese  Tendenz  berücksichtigt  hätte,  die  Jesu  Aus- 
sprüche von  den  parallelen  Aussprüchen  der  Späteren  unterscheidet, 
dann  würde  er  wohl  nicht  geschrieben  haben,  was  auf  S.  114  seiner 
genannten  Schrift  zu  lesen  ist:  Was  die  Sittlichkeitsgedanken  betreffe, 
die  Lehren  betreffs  des  Verhältnisses  Gottes  zum  Menschen  u.  des 
Menschen  zu  Gott  u.  der  Menschen  untereinander,  so  bringe  das  Christen- 
tum dem  Juden  darüber  nichts  Neues:  nein,  davon  finde  dieser  größere 
u.  reichere  Schätze  in  seinen  alten  jüdischen  Quellen,  in  Talmud  u. 
Midrasch  u.  was  sonst  seine  jüdische  Literatur  ist.  —  Die  Sache  verhält 
sich  doch  wesentlich  anders.  So  umfassend  der  Gegensatz  ist  „Ge- 
rechtigkeit aus  eigenem  Verdienst"  u.  „Gerechtigkeit  aus  Gnaden",  so 
umfassend  ist  das  Neue,  das  Jesus  seinem  Volk  gerade  über  das  Ver- 
hältnis zwischen  Gott  u.  Mensch  zu  sagen  hatte.  Aber  darin  stimmen 
wir  Justus  Tal  bei,  daß  große  u.  reiche  Schätze  in  der  rabbin.  Literatur 
zu  finden  sind-  Diese  zeigt  in  unübertrefflicher  Deutlichkeit,  daß  das 
Judentum  die  Religion  der  Selbsterlösung  ist.  u.  bringt  es  dem 
christlichen  Leser  in  unwiderstehlicher  Weise  zum  Bewußtsein,  daß  das 
Neue,  das  das  Christentum  der  Welt  zu  bringen  hat.  nicht  beschlossen 
liegt  in  einer  gewissen  Summe  ethischer  Wahrheiten  u.  Lehren,  sondern 
allein  in  Jesu,  in  seiner  Person  u.  seinem  W^erk. 

8, 1:  Es  folgten  ihm  viele  Haufen. 

ox^og,  Haufen,  Menge,  ist  zu  einem  oft  vorkommenden  Lehnwort  ge- 
worden in  der  aram.  Form  ss-b^lx,  meist  im  Plural  -^r">?-x  gebraucht. 

TBerakh  7,2  (14)  =  pB^rakh  J>,  13^8:  Wer  (Volks-)Haufen  --clsr-is  sieht,  spricht 
(den  Lobspruch j:  Gepriesen  sei.  der  die  Geheimnisse  kennt;  denn  (daß?)  ihre  An- 
gesichter gleichen  nicht  einander  u.  ihre  Sinnesarten  gleichen  nicht  einander. 

8,2:  Und  siehe,  ein  Aussätziger. 
Xsnoög  =  "^".i^,  •■^ni::  n^a-^;  Belege  s.  im  Exkurs:  „Aussatz  u.  Aussätzige". 

8,  3:  Er  berührte  ihn,  )]\paTo  avrov.  —  Eine  Berührung  des  Aus- 
sätzigen machte  unrein,  s.  Exkurs:  „Aussatz*"  usw.  Nr.  2,  h  u.  c. 

8,4:  Geh  hin,  zeige  dich  dem  Priester  u.  bringe  die  Gabe 
dar,   die  Mose  angeordnet  hat,   zu  einem  Zeugnis  für  sie. 
Über  das  Reinigungsverfahren  nach  Heilung  des  Aussatzes  s.  den 
Exkurs:  „Aussatz  u.  Aussätzige"  Nr.  3.  —  Zur  Wendung:  vnays  aeainov 
dsi'iov  s.  pSanh  10,  28'',  28:  Gott  sprach  zu  Elias:  Dieser  Chiel  (s.  1  Kg 
16,  34)  ist  ein  großer  Mann;  geh  hin.  zeige  dich  ihm  r-zx  rrh  ^an  b^-^x. 
elg  f.iaqrvQiov  avroTc.       . 


Matth  8,  4.  ü.  6  (Nr.  1—3).  8,  S.  1 1  475 

Jubill,7f. :  (Gott  sprach  zu  Mose.)  Du  aber  schreib  dir  all  diese  Worte  auf,  die 
ich  dir  heute  kundtue;  denn  ich  kenne  ihi'e  Widerspenstigkeit  u.  Halsstarrigkeit,  ehe 
ich  sie  in  das  Land  bringe,  das  ich  ihren  Vätern  zugeschworen  habe.  .  .  .  Und  sie  werden 
sich  abwenden  zu  fremden  Göttern,  die  sie  nicht  retten  können  aus  all  ihrer  Not;  u. 
dies  Zeugnis  wird  gehört  werden  zum  Zeugnis  für  sie.  (Die  Strafreden  des  Gesetzes 
sollen  den  Späteren  zum  Zeugnis  dienen,  daß  Gott  der  Lenker  der  Geschichte  Israels 
ist.)  I  Das.  4,  19:  Was  gewesen  ist  u.  was  sein  wird,  sah  Henoch  in  einem  Traum- 
gesicht, wie  es  geschehen  wird  mit  den  Menschenkindern  nach  ihren  Generationen 
bis  zum  Tage  des  Gerichts;  alles  sah  er  u.  erkannte  er  u.  schrieb  sein  Zeugnis  u. 
legte  es  zum  Zeugnis  auf  die  Erde  nieder  für  alle  Menschenkinder  u.  für  ihre  Nach- 
kommen (damit  diese  daraus  erkennen,  daß  H.s  Traumgesicht  Wahrheit  ist).  Das.  10, 17 : 
Das  Werk  Henochs  war  geschaffen  zum  Zeugnis  für  die  Geschlechter  der  Menschen, 
auf  daß  er  den  Geschlechtern  der  Geschlechter  alles  Tun  sagte  bis  zum  Tage  des 
Gerichts.  !|  Apoc  Bar  84,  7:  Es  soll  aber  dieser  Brief  (den  ich  euch  schreibe)  zwischen 
mir  (Baruch)  u.  euch  (den  9V/2  Stämmen)  zum  Zeugnis  sein  (daß  ich  euch  ermahnt 
habe),  daß  ihr  eingedenk  sein  sollt  der  Gebote  des  Allmächtigen,  u.  damit  es  auch  für 
mich  zur  Entschuldigung  (Rechtfertigung)  diene  dem  gegenüber,  der  mich  gesandt 
hat.  —  So  soll  der  geheilte  Aussätzige  den  Priestern  in  Jerusalem  zum  Zeugnis  dienen, 
daß  der  erschienen  ist,  der  die  Aussätzigen  rein  macht. 

8,5:  Ein  Hauptmann  trat  an  ihn  heran,  ihn  bittend. 

jcaquxaXJn'  ccviöv  ihn  anrufend  =  ihn  bittend. 

BB116":  R.  Pin'chas  b.  Chama  (um  360)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Wer  einen 
Kranken  in  seinem  Hause  hat,  der  gehe  zu  einem  Gelehrten,  daß  dieser  für  ihn  um 
Erbarmen  flehe,  s.  Spr  16,  14:  „Des  Königs  Zorn  ist  Todesboten;  aber  der  weise  Mann 
besänftigt  ihn"  („König"  auf  Gott  gedeutet).  —  Als  besonders  wirksamer  Beter  für 
Kranke  galt  R.  Ghanina  b.  Dosa,  um  70;  auch  Fernwirkungen  erzielte  sein  Gebet,  s. 
B''rakh34'^  bei  Job  4,  47  ff. 

8,6:  Mein  Knecht  liegt  im  Hause  gelähmt  darnieder. 

1.  0  nalg  fiov,  ^inr  oder  ir^r  -j?  (s.  bei  8, 12  %). 

2.  ßeßXrjtai  er  liegt  darnieder  =  b-j^i^  oder  -j-^^  ^^2^. 

Aboth  RN41:  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  besuchte  einmal  die  Kranken;  da 
fand  er  einen,  der  geschwollen  war  u.  an  einem  Unterleibsleiden  darniederlag  ■su^'s 
'^•'^y-c  "'Vina.  I!  BB  9,  6 :  Wenn  ein  krank  Darniederliegender  y^^  a-'Siü  seine  sämtlichen 
Güter  andren  verschrieben  u.  etwas  Grund  u.  Boden,  wie  wenig  es  auch  sei,  zurück- 
behalten hat  (für  sich  selbst),  so  ist  seine  Schenkung  gültig.  ||  TK*^th  4,  15  (265):  Wenn 
ein  Kranker  auf  dem  Bett  lag  nts-tta  hxi'.i:  nht-  n-n.  .  .  . 

3.  TiaQccXvtixog  gichtisch  gelähmt,  wohl  nicht  wesentlich  verschieden 
von  dem  im  Rabbinischen  einigemal  vorkommenden  o"i-i;r!'2  oder  ovji-i:-iic 
=  TcoöayQog  ^=  an  den  Füßen  gelähmt,  gichtleidend. 

LvR5(10S'i):  Elend  die  Stadt,  deren  Arzt  gichtleidend  o^-irrir  Loi-;-!i3  u.  deren  Ge- 
burtshelfer (Chirurg?)  einäugig  u.  deren  Verteidiger  Ankläger  in  Kriminalprozessen  ist. 

8,8:  Ich  bin  nicht  wert,  daß  du  unter  mein  Dach  eingehest. 
ovx  €1111  ixavög  =  "«Nnr  irx,  ich  bin  nicht  genug  =  ich  bin  nicht 
wert.  —  Belege  s.  bei  Lk  15,  21, 

8,11:  Sie  werden  mit  Abraham,  Isaak  u.  Jakob 
im  Himmelreich  zu  Tische  liegen. 
avuxh&ijaovTai;  zu  Tische  liegen  =  noin  (targumisch  =  -^rox).  — 
Über  das  Zukunftsmahl  der  Gerechten  im  bildlichen  u.  eigentlichen  Sinn 


476  -^atth  8, 12  (51) 

s.  Exkurs:  „Sch*^ol,  Gehinnom  u.  Gan  <Eden"  III,  4  Anm.  o  ff. ;  das.  Anm.  // 
auch  über  die  Teilnahme  der  drei  Erzväter  am  Mahl.  —  Zum  Liegen 
bei  Tisch  s.  Exkurs:  „Ein  altjüdisches  Gastmahl"  Nr.  7,  a  bis  e. 

■S,  12  3t:  Die  Kinder  des  Reiches  werden  hinausgestoßen  werden. 

ol  de  vlol  rrg  ßaaiXeiag.  —  Wie  vIoq  u.  texvov  im  NT,  so  drückt  im 
Rabbinischen  -s  oder  -r  das  Verhältnis  der  Zugehörigkeit,  der  Ab- 
hängigkeit, der  Wesensgemeinschaft,  des  Verpflichtetseins  u.  älinl.  aus. 

sr^:"-":  ".-  sind  die  Bürger  eines  Reiches;  -"<  "3:.  sp-^p_  -:?,  sp-3  -:;  sind  die  Ein- 
wohner einer  Stadt,  eines  Ortes.  Targ.  Qoh  5,8:  Wenn  die  Bürger  des  Reiches  sich 
empören.  II  M''g  o,  1:  Die  Bewohner  einer  Stadt  i->'n  -;=,  die  einen  freien  Platz  der 
Stadt  verkauft  haben,  dürfen  für  sein  Geld  eine  Synagoge  kaufen.  \\  pTa?an  3,  66 '^,7: 
Pin^'chas  b.  Jair  (um  200)  sprach:  Die  Einwohner  meiner  Stadt  ••r-p  -33  sind  mir  am 
nächsten.  Es  kamen  die  Einwohner  seiner  Stadt  ^^r^-p  ':3  herab  u.  umringten  ihn.  !| 
BB  22=*:  Einmal  brachten  die  Korbmacher  Körbe  nach  Babel;  da  kamen  die  Bewohner 
des  Ortes  sri  -:2  u.  verwehrten  es  ihnen  (sie  wollten  die  auswärtige  Konkurrenz  nicht 
dulden).  1|  Qid  2,  -3:  (Wenn  einer  sagt:  „Sei  mir  verlobt)  unter  der  Bedingung,  daß  ich 
Bewohner  einer  Kleinstadt  ^"j  -a  bin",  u.  dann  wird  er  erfunden  als  Bewohner  einer 
Großstadt  "";=■■;  =  ;  rdaß  ic^^  Bewohner  einer  Großstadt  bin",  u.  dann  wird  er  erfunden 
als  Bewohner  einer  Kleinstadt,  ...  so  ist  sie  ihm  nicht  verlobt  (die  Verlobung  ist  un- 
gültig), il  Chagl3'':  Raba  (t  B52)  hat  gesagt:  Alles,  was  Ezechiel  gesehen  hat,  hat 
Jesaja  gesehen.  Wem  gleicht  Ezechiel?  Einem  Dorfbewohner  ^^2-;^,  der  den 
König  sah.  Und  wem  gleicht  Jesaja?  Dem  Großstädter  --^s  p,  der  den  König  sah. 
(Der  Dörfler  sieht  den  König  selten,  deshalb  sind  seine  Beschreibungen  breit  u.  aus- 
führlich, s.  Ez  1  u.  10;  der  Großstädter  sieht  den  König  oft,  darum  spricht  er  selten 
u.  kurz  davon,  s.  Jes  6, 1  ff.)  —  ||  Ebenso  bezeichnet  si"^>'^  "3=  die  Bewohner  des  Westens 
d.  i.  Palästinas  u.  -"■?-  -::;  oder  s-:---;  "ps  die  Bewohner  des  Ostens  d.  i.  Babyloniens. 
NiddaSl^J:  ss-^ys  ■::,  die,  nachdem  sie  ihre  T^phillin  abgelegt  haben,  den  Lobspruch 
sprechen:  „Der  uns  durch  seine  Gebote  geheiligt  u.  uns  befohlen  hat,  seine  Satzungen 
zu  beobachten.  .  .  ."  ii  GnR74(47b):  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  hat  gesagt: 
Wegen  dreier  Dinge  liebe  ich  die  r.-n-r,  -.z,  daß  sie  nicht  abbeißen  u.  essen,  sondern 
schneiden  u.  essen,  u.  zwar  das  Fleisch  nur  auf  dem  Tische  schneiden  (nicht,  in  der 
Hand);  ferner  daß  sie  nur  auf  die  Hand  küssen,  u.  daß  sie  einen  Rat  nur  auf  einem 
freien  Platz  abhalten.  —  pSchab  12,  13^28:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt: 
Jene  xrir-rs  -ra  waren  sehr  klug:  wenn  einer  von  ihnen  einem  andren  etwas  Geheimnis- 
volles mitteilen  wollte,  schrieb  er  es  mit  dem  Saft  von  Galläpfeln  auf,  u.  der  das 
Schreiben  empfing,  goß  Tinte  darüber,  in  der  kein  Gallapfelsaft  war,  u.  die  zog  an  der 
Stelle,  wo  die  Schrift  war,  ein  (so  daß  diese  sichtbar  wurde).  Dasselbe  pGittin 
2,  44^>,  15.  II  --czi  'zz  sind  die  Bewohner  des  Festlandes  pN<^d  'i,  öS'"*,  öl.  !|  -"^i;  -:s  die 
im  Exil  Lebenden.  ?AZ  30*>:  (Beim  Kressetrank)  haben  die  Söhne  des  Exils  das  Ver- 
bot eingeführt  (daß  er  nicht  offen  stehen  darf).  Dann  folgt  dieselbe  Bemerkung  über 
ein  Getränk  aus  Sauermilch,  jj  =V^"~  "r-r  «Kinder  der  Welt",  wenn  man  alle  Menschen 
oder  alle,  die  in  der  Welt  leben,  bezeichnen  will.  Midr  Spr  13  §25(87-''):  R.  Levi 
(um  300)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie  groß  das  Gute  ist,  das  Gott  für  die  Ge- 
rechten in  der  Zukunft  aufbewahrt  (verborgen)  hat,  wie  es  heißt:  „Wie  groß  ist  dein 
Gutes,  das  du  aufbewahrt  hast  für  die,  welche  dich  fürchten,  bereitest  denen,  die  auf 
dich  vertrauen  vor  den  Menschenkindern"  Ps  31,  20;  „unter  vier  Augen"  heißt  es  hier 
nicht,  sondern  „vor  den  Menschenkindern",  vor  allen  Kindern  der  Welt  n'riyn  -:3  d.  h. 
vor  allen,  die  in  der  Welt  sind.  (An  „Weltkinder"  ist  bei  aiiyn  -33  nicht  zu  denken.)  jj 
.Stärker  tritt  das  Verhältnis  der  Zugehörigkeit  oder  Abhängigkeit  in  folgenden  Ver- 
bindungen hervor,  r^a  -ja,  „Sohn  des  Hauses",  bezeichnet  jeden,  der  zu  einem  Hause 
gehört,  den  Hausgenossen,  speziell  den  Haussklaven,  s.  schon  Gn  15,  3.  pSanh  10, 28"^,  10: 


Matth  8,  12  (31)  477 

Du  bist  wie  ein  Hausgenosse  r-z  ■;:,  tiitt  ein!  —  LvR  12  (113 '^'):  R.  Levi  (um  30Ö)  bat 
gesagt:  Gleich  einem  König,  der  einen  zuverlässigen  Haussklaven  r-:  p  hatte,  j]  -:3 
7-jVi,  ,8öhne  des  Palastes",  heißen  alle,  die  zum  Palastgefolge  des  Königs  gehören. 
SNu  12,  1  §  99  (27-'):  Barukh  ben  Nerijja  war  durch  seine  Taten  ausgezeichnet  vor  allen 
Palastbewohnern  ycht  ':=  des  Königs;  vgl.  MQ  16^.  —  ExR  23  (85^):  Es  gingen  die 
Palastbewohner  -"j^Er;  -:3  u.  wollten  dem  König  ein  Loblied  anstimmen.  |{  rcjsrr  '3;:, 
die  Angehörigen  eines  Synagogenverbandes.  ß''kh  5,  5:  Ein  Erstlingstier,  dessen  Auge 
blind  geworden,  dessen  Vorderfuß  abgehauen,  dessen  Hinterfuß  gebrochen  ist,  das 
darf  auf  die  Aussage  von  drei  Synagogenmitgliedern  geschlachtet  werden.  ||  n^:=r:  'p: 
TP'^s  7,  15  (167):  Wenn  einer  von  den  Mitgliedern  einer  (Passah-)Genossenschaft  un- 
rein geworden  ist;  u.  es  ist  nicht  sicher  bekannt,  wer  es  ist.  .so  müssen  sie  das  zweite 
Passah  halten  (4  Wochen  später).  Ferner  s.  das.  7,  16.  17.  |I  Der  Handwerksgenosse 
heißt  r^:B:is-";3  GnR  32  (19b):  Der  Gelehrte  liebt  seinen  Tätigkeitsgenossen.  11  "3i 
r-.z'ünsr^,  „Söhne  des  Zu-Tische-Liegens"  die  Mitglieder  einer  Tafelrunde,  SDt  11,  16, 
§43  (81b).  I  nsn-  -3:1  , Söhne  des  Traubaldachins",  die  zur  Hochzeit  Geladenen  TB*^rakh 
2,  10  (4).  II  "^.is  "13?  die  Hörer  von  Lehrvorträgen.  K'^th  62»;  Wer  ist  K'^'tli  5.  6  mit  den 
Müßiggängern"  ("""'r-i  Arbeitsfreie,  Berufslose)  gemeint?  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Die 
Besucher  der  Lehrvorträge  (die  ihren  Lehrer  an  ihrem  Wohnort  haben  u.  keinen  aus- 
wärtigen Lehrer  aufzusuchen  brauchen).  ||  „Sohn  der  Tora"  r!-;in-;a  derjenige,  der  sich 
dem  Torastudium  widmete  u.  so  ein  Gelehrter  wurde.  Dementsprechend:  ""'■.s  ^3  der 
Gesetzeskundige;  lE'.^s  "i?  der  Kenner  des  Gesetzes,  d.  i.  der  Halakha,  n-;s  ^:  der 
Haggadakundige.  P^siq44b:  R.  Levi  (um  300)  hat  ge.sagt:  Saul  war  ein  n-np  p.  ||  Tanch 
r'BN-ia  2":  Wenn  du  die  'n-l^r  133  behütest,  so  werdet  ihr  (von  Gott)  behütet.  .  .  . 
„Ich  will  ehren,  die  mich  ehren'  (lSm2,  30),  das  meint  den,  der  die  Söhne  der  Tora 
ehrt,  und  in  einer  Bar  heißt  es:  „Jahve  (^"^ts),  deinen  Gott,  sollst  du  fürchten" 
Dt  10,20;  PS  vor  Jahve  will  T^.-^-^r  -33  (als  ebenfalls  zu  Fürchtende)  miteinschließen 
(s.  Einl.  101  Nr.  1).  —  GnR  82  (52«=):  Zwei  von  den  Schülern  des  R.  .Phoschua?  (um  90) 
änderten  zur  Zeit  der  (hadrianischen)  Religionsverfolgung  ihre  Hülle  (Überwurf,  um 
sich  als  Gelehrte  unkenntlich  zu  machen).  Es  begegnete  ihnen  ein  militärischer  Befehls- 
haber, der  zu  ihnen  sagte:  Wenn  ihr  Söhne  der  Tora  seid,  so  gebet  euch  um  ihret- 
willen hin;  wenn  ihr  aber  das  nicht  seid,  warum  laßt  ihr  euch  um  ihretwillen  töten?  — 
GittSlb:  Rab  Huna  (f  297)  u.  Rab  Ghisda  (f  309)  saßen  (beieinander);  es  ging  G'niba 
(um  260)  an  ihnen  vorüber;  sie  sprachen  zueinander:  Wir  wollen  vor  ihm  aufstehen, 
denn  er  ist  -"'iis  ^3.  Eine  ähnliche  Erzählung  Schab  31b.  —  GnR  81  (52=')  sagen  die 
Einwohner  von  Simonja  in  bezug  auf  R.  Levi  b.  Sisi  (um  200):  Vielleicht  ist  er  kein 
Ie'^ix  "^3,  wohl  aber  ein  mjs  13.  —  Anders  in  den  Parallelberichten  pJ^'b  12,  13".  12  u. 
bJ^b  105^  II  r-'^z", ;,  „Sohn  des (Beschneidungs-)Bundes'',  ein  Israelit  BQ  1,2.-  B^akh  16b -. 
Rabbi  sprach  nach  dem  Achtzehngebet:  Es  sei  wohlgefällig  vor  dir,  Jahve  unser 
Gott .  .  .,  daß  du  uns  bewahrest  .  .  .  vor  einem  harten  (Gerichts-)Gegner,  gleichviel  ob 
es  ein  n'13  p  ist  oder  nicht.  1]  „Söhne  der  Erhabenheit"  n;'::y  ^33  diejenigen,  die  im 
Jenseits  für  die  höchste  Rangstufe  bestimmt  sind.  |  Sukka  45  b  u.  Sanh  97  b:  R.  Schimfon 
b.  Jochai  (um  150)  hat  gesagt:  Ich  habe  die  Söhne  der  Erh.  gesehen  u.  ihrer  waren 
wenige.  11  Wer  sichere  Anwartschaft  auf  die  Teilnahme  an  der  zukünftigen  Welt  hat, 
heißt  ein  „Sohn  der  zuk.  Welt"  xsn  a-j-yn-ia,  aram.  -rs-:  a^~y  ^z.  Gegensatz  nbn-';;  -»js 
(vgl.  vlog  yserrtjg  Mt23.*15).  —  B^'rakh4b':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer  ist 
ein  N3n  oV^'n  p?  Wer  die  die  Erlösung  betreffenden  Worte  (Schlußworte  des  Ge- 
betes Emeth  ve'muna  nach  dem  abendlichen  Sch'^^maf)  eng  verbindet  mit  dem  abend- 
lichen Achtzehn-Gebet.  —  Schab  153^:  (Rab,  f  247,  hat  gesagt:)  Aus  der  Trauerrede 
über  einen  Menschen  wird  erkannt,  ob  er  ein  S3n  ch-iyr.  -z  ist  oder  nicht.  —  Ta?an22": 
(R.  B*roqa  aus  Be-Ghozae  fragte  den  Propheten  Elias  auf  dem  Markte  von  -je5  r'3:) 
Gibt  es  auf  diesem  Markte  einen  ^rx-;  n'^hy  -3?  Vgl.  noch  den  Exkurs:  „Diese  Welt" 
usw.  —  RH  17='  sagt  Raba  (f  352)  von  den  Bewohnern  von  Machuza,  man  sollte  sie 
„Söhne  des  Gehinnoms"  nennen  D3r!';  -33  i'-'ip's.  —  |i  Hierher  gehört  auch  der  Aus- 
druck b-J  yz  ,Sohn  der  Gleichzeitigkeit" ;  so  nannte  man  den,  der  mit  einem  andren 


478  ^attlj  8,  12  (3t.  »).  8,  13 

in  derselben  Stunde  geboren  war.  Eine  andre  Bezeichnung  bierfür  war  „Söhne  Eines 
Planeten"'  sV-'?  --  ■::;  BB  12*.  Man  nahm  von  diesen  an,  daß  sie  Schicksalsgenossen 
seien.  BM  27 b;  Raba  (f  352)  sagte:  Alle  Welt  nimmt  an,  daß  (für  die  Rekognoszierung 
eines  Toten)  Kennzeichen  von  der  Tora  gefordert  werden;  hierbei  aber  ist  man  verschie- 
dener Meinung,  ob  ein  Mal  sich  auch  bei  dem  mit  ihm  gleichzeitig  Geborenen  i'5-;  pa  finde. 

Der  Kennzeichnung  der  Wesensart  dienen  folgende  Wendungen,  ryrr-js  odernyr  -j; 
,Sohn  des  Wissens".  pQid  1,  60'',  7:  Der  eine  erwarb  es  für  jemanden,  der  Verstand 
hat  ny-i  pV,  u.  der  andre  erwarb  es  nicht  für  einen,  der  V.  hat.  BMS":  Allerdings 
der  Taubstumme  erwarb  es,  da  es  für  ihn  rv-  p  aufhob.  Chag2'>:  Wie  ein  Wahn- 
sinniger u.  ein  Mindei'jähriger  (der  noch  nicht  18  .Jahre  alt  ist)  nicht  Kinder  der  Ein- 
sicht r.-j-,  ".2  sind,  so  ist  auch  ein  Taubstummer  nicht  ein  Sohn  der  Einsicht  rtyi  -'Z.  \\ 
, Söhne  des  Fleisches"  s'^ijz  'ra  heißen  die  Menschen,  weil  die  Schwachheit  des  Fleisches 
zu  ihrer  Art  gehört.  Targ  Jerusch  1  zu  Nu  23, 19:  Auch  gleichen  Gottes  Werke  nicht 
den  Werken  der  s^o*2  'zz,  die  einen  Entschluß  fasseii  u.  wieder  zurücktreten  von  dem, 
was  sie  beschlossen.  l|  „Sohn  der  Raserei"  ]v  ^z  Rasender.  Targ  1  Sm  19,24  von  Saul 
(s.  Levy,  Chald.  Wörterbuch  2,498 b).  |!  „Sohn  der  Stütze"  sa^ap  13  ein  Mann,  auf  den 
man  sich  verlassen  kann.  Git  6b  von  R.  Ebjathar;  Qid  44^  von  R.  Abiu  (I.,  um  32.5).  j 
-,-~?  ''z  ,Sohn  der  Geringheit"  ist  niedriger,  verkommener  Mensch  Midr  Qoh  11, 9  (52  b). 

Das  Moment  des  Verpflichtetseins  macht  sich  geltend  in  Ausdrücken  wie  sa^^rr  -':;  = 
„Sohn  der  Verpflichtung";  der  für  etwas  verantwortlich  ist  BM  10 b.  ]]  7:3^73  '-z,  „Sohn 
des  Gebotes",  der  zur  Beobachtung  der  Gebote  verpflichtet  ist.  BM96'':  Der  Beauf- 
tragte eines  Menschen  ist  wie  dieser  selbst.  Das  bezieht  sich  auf  einen  Beauftragten, 
der  ein  -tiiia  ^3  ist;  aber  nicht  auf  einen  Sklaven,  der  nicht  ein  „Sohn  der  Gebote" 
ist.  11 -;"'-"|3,  „Sohn  der  Tötung",  der  den  Tod  verdient  hat.  B'^rakh62l>:  R.  El?azar 
(um  270)  hat  gesagt:  David  sprach  zu  Saul:  Nach  der  Tora  bist  du  ein  -;"in  p;  denn 
du  bist  ein  Verfolger  (vgl.  n^  p  1  Sm  20,31).  —  >*V-t"-  "'S  ^^^  ^^"^  Tode  verfallen 'ist; 
MakS'*  von  einem  zum  Tode  Verurteilten  (2mal).  ||  s^^na  13,  „Sohn  der  Beschneidung", 
der  beschnitten  werden  darf,  J*'b  71''.  !|  Speisen,  die  gegessen  zu  werden  pflegen,  heißen 
„Kinder  des  Essens"  ~'"r^.  '?ß-  Chullinl27b:  Kohl  u.  Kürbis,  wenn  sie  vertrocknet 
sind,  sind  nicht  „Kinder  des  Essens".  H  Der  zu  Schadenersatz  Verpflichtete  ist  i*»?:!'!:'.^'?;  -3 
„Sohn  des  Ersatzes"  Mak  5-'  (2nial).  |1  Eine  Darbringung,  die  geeignet  ist.  Sühnung  zu 
beschaffen,  heißt  nsu-^r;  -.3  =  „Sohn  der  Wohlgefälligkeit"  RH  5b.  Erstgeburten  von 
Tieren  u.  der  2.  Zehnt  werden  „Söhne  des  Bringens"  riS3-  -:^  T^mura  121*  genannt, 
weil  sie  nach  Jerusalem  hinaufzuschaff'en  waren,  um  dort  verzehrt  zu  werden;  den 
Namen  '^li'TT  "»^  T'^mura  121 '^  „Sohn  der  Schwenkung"  führte  dasjenige  Opferblut,  das 
an  den  Altar  geschwenkt  werden  mußte. 

Kinder  des  Reiches  vlol  rijg  ßaoiXtiuq  heißen  hiernach  die  Israeliten, 
weil  sie  dem  Reiche  Gottes  angehören  oder  für  es  bestimmt  sind.  —  Zur 
Weglassung  von  tmv  ovqaviöv  hinter  ßaaiXeiag  s.  bei  Mt  6,  33  S.  440 y. 

exßh^d^r'jaorTcci  {ß'^elevaovrai).  —  Zum  Übergang  des  Reiches  Gottes 
von  Israel  auf  die  Heiden  vgl.  die  Stellen  bei  Rom  11, 11, 

8, 12JB:  In  die  äußerste  Finsternis;  dort  wird  Heulen 
u.  Zähneknirschen  sein. 

Zur  Finsternis  s.  Exkurs:  Sch^'ol  usw.  11,  8,  a  bis  e;  zum  Heulen  der 
Verlorenen  s.  Henoch  108,  3  ff.  das.  Anm.  (/;  pSanh  10,  29'',  57  das.  II,  5 
gegen  Ende;  zum  Zähneknirschen  Midr  Qoh  1,15  (11^)  das.  II,  3,  d. 

8, 13:  Wie  du  geglaubt  hast,  geschehe  dir. 
MC,  sniCTsvaag  ysvrii)^i]TU)  aoi.  —  Vgl.  NuR  16  (181'=)  mrs;i;  1^=  "b  xn-i 
=  es  geschehe  dir,  wie  du  gesagt  hast. 


Matth  8,  15  (51)  479 

8,15  31:  Es  verließ  sie  das  Fieber. 

o  TvvQstog.  — Hebräische,  bezw.  aramäische  Bezeichnungen  des  Fiebers 
sind:  rn-jr  (Lv26.  16:  Dt  28,  22),  ^nr^,  ri^|-  (Dt  28,  22),  sr^^r^,  r.r.r, 

r-an,  -n-n  (Dt  28,  22),  n—rrri,  -CwN,  xr^-x,  sr-^-^x,  xn^-^::,  •■■-'^-la:!,  r-i-ra-^:;, 

.Ioma21'^  Bar:  Sechs  Feuer  rvi-s  gibt  es:  solches,  welches  ißt  u.  nicht  trinkt; 
solches,  welches  trinkt  u.  nicht  ißt;  solches,  welches  ißt  u.  trinkt;  solches,  welches 
Feuchtes  wie  Trockenes  ißt;  solches,  welches  Feuer  verdrängt,  u.  solches,  welches 
Feuer  ißt.  Feuer,  welches  ißt  u.  nicht  trinkt,  das  ist  unser  (gewöhnliches)  Feuer; 
welches  trinkt  u.  nicht  ißt,  das  ist  das  der  Kranken  (die  Fieberhitze);  welches  ißt  u. 
trinkt,  das  ist  das  des  Elias,  s.  1  Kg  18, -38;  welches  Feuchtes  wie  Trockenes  ißt,  das  ist 
das  des  Altarholzes;  welches  Feuer  verdrängt,  das  ist  das  Feuer  Gabriels  (der  den 
Feuerofen  Dan  o  abkühlte),  u.  welches  Feuer  ißt,  das  ist  das  Feuer  der  Sch^'khina; 
denn  ein  Autor  (Rab,  t  247;  s.  Sanh  38b)  hat  gesagt:  Gott  streckte  seinen  Finger  unter 
sie  (die  Engel,  die  sich  der  Erschaffung  des  Menschen  widersetzten)  u.  verbrannte  sie 
(obwohl  die  Engel  Feuer  sind).  ||  N''d41'*:  R.  Chijja  b.  Abba '  (um  280)  hat  gesagt, 
R.  Alexandra!  (um  270)  habe  gesagt:  Größer  ist  das  Wunder,  das  einem  (genesenden) 
Kranken  geschieht,  als  das  Wunder,  das  dem  Chananja,  Mischael  u.  ? Azarja  (Dan  3) 
geschah;  denn  das  Feuer  dieser  war  ein  gewöhnliches  Feuer,  das  alle  löschen  können, 
aber  das  eines  Kranken  ist  vom  Himmel  {=  Gott),  u.  wer  kann  es  löschen?  .  .-.  — 
Sch'^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Man  besucht  nur  denjenigen  Kranken,  den  das  Fieber 
verlassen  hat  -■o-  irs-:r;,o.  AVelche  Kranken  sollen  damit  ausgeschlossen  sein?  Die, 
von  denen  die  Bar  handelt:  R.  .Tose  b.  Parta  hat  im  Namen  des  R.  Ekazar  (b.  Scham- 
mua??,  um  150)  gesagt:  Man  besucht  diejenigen  Kranken  nicht,  die  am  Unterleib,  an 
den  Augen  u.  an  Kopfschmerzen  leiden.  Den  Unterleibskrankeu  will  man  keine  Be- 
schämung bereiten  (falls  sie  plötzlich  ihre  Notdurft  verrichten  müßten);  aber  welcher 
Grund  liegt  bei  denen  vor,  die  an  den  Augen  u.  an  Kopfschmerzen  leiden?  Rab  J'^huda 
(t  299)  hat  gesagt:  Das  Reden  ist  schlimm  für  die  Augen,  aber  heilsam  beim  Fieber 
sr'.üN.  Raba  ^t  352)  hat  gesagt:  Das  Fieber  sp:a-s,  wenn  es  nicht  der  Bote  des  Todes- 
engels ist,  ist  heilsam,  wie  die  Dornen  für  die  Dattelpalmen  (deren  Abfressen  durch 
das  Wild  sie  verhindern),  einmal  in  dreißig  Tagen,  u.  gleichwie  Theriak  für  den  Körper 
(•>;;^'7ri  =  OtjQiaxtj,  ein  aus  wilden,  besonders  aus  giftigen  Tieren  bereitetes  Heilmittel, 
Levy  4,670).  |1  .Joma  29'':  Das  Fieber  sr-j-s  im  Winter  ist  schlimmer  als  im  Sommer;  als 
Zeichen  diene  dir  ein  kalter  Ofen  (wie  dieser  mehr  Feuerungsmaterial  erfordert  als  ein 
angeheizter  Ofen,  so  verzehrt  das  Fieber  im  Winter  mehr  des  Menschen  Kraft  als  im 
Sommer).  ||  pSchab  1,4'',  28:  In  Babylonien  sagt  man:  Warmes  Brot  hat  das  Fieber 
rri2-  an  seiner  Seite  (d.  h.  zur  Folge).  ||  Git  67  t):  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Die 
Mutter  hat  zu  mir  gesagt:  Gegen  das  tägliche  Fieber  ax-o^:::  ein  Krug  Wasser:  gegen 
das  alle  zwei  Tage  wiederkehrende  Schröpf  köpfe;  gegen  das  alle  drei  Tage  wieder- 
kehrende mageres,  auf  Kohlen  gebratenes  Fleisch  u.  verdünnter-  Wein.  Gegen  ver- 
altetes Fieber  nehme  man  eine  schwarze  Henne,  zerreiße  sie  kreuz  u.  quer,  schere  die 
Mitte  des  Kopfes  (des  Fieberkranken)  glatt  ab  u.  lege  sie  darauf;  man  lasse  sie  darauf 
liegen,  bis  sie  angeklebt  ist;  dann  gehe  er  hinab  u.  stelle  sich  bis  an  seinen  Hals  ins 
Wasser,  bis  er  sich  schwach  fühlt;  darauf  tauche  er  unter  u.  steige  heraus  u.  erhole 
sich.  Gegen  kaltes  Fieber  fettes  Fleisch  auf  Kohlen  gebraten  u.  roher  (unzubereiteter) 
Wein  N-'-n  tt-'cr..-  \\  Schab  66b:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Die  Mutter  hat  zu  mir 
gesagt:  Gegen  das  tägliche  Fieber  ntibk  nehme  man  einen  weißen  (blanken)  Znz  u. 


*  So  sind  die  Namen  zu  stellen  (R.  Alexandra!  ist  der  Autor,  nicht  der  Tradent); 
vgl.  Bacher,  pAmor  1,195. 

*  SV)  wird  sp-'is  v^'tor.  (spr?:  '-:?)  wegen  des  Gegensatzes  s-^n  s'^i-  zu  deuten  sein 
(gegen  Levy  'S,  260). 


480  ^^lattli  8, 15  («I.  SB).  S,  KJ 

gehe  an  eine  Salzgewinnungsstätte  (am  Meeresufer)  u.  wiege  nach  seinem  (des  Zuz) 
Gewicht  Salz  ab  u.  binde  es  mit  einer  Haarschnur  an  den  Halsausschnitt  des  Hemdes. 
Oder  man  setze  sich  an  einen  Scheideweg,  u.  wenn  man  eine  große  Ameise  erblickt, 
die  etwas  trägt,  so  nehme  man  sie  u.  setze  sie  in  ein  kupfernes  Röhrchen,  das  man 
mit  Blei  verschließt  u.  mit  60  Siegeln  versiegelt;  dann  schüttle  man  die  Ameise  (in 
dem  Röhrchen)  hin  u.  her,  trage  sie  u.  sage  zu  ihr:  Deine  Last  auf  mir  u.  meine  Last 
auf  dir!  —  Es  sagte  Rab  Acha  b.  Huna  zu  Rab  Aschi  (f  427):  Da  könnte  sie  aber  einer 
antreffen,  der  mit  ihr  die  gleiche  Vereinbarung  trifft  (dann  würde  er  die  von  dem 
Früheren  auf  sie  gelegte  Krankheitslast  auf  sich  nehmen);  vielmehr  sage  also  zu  der 
Ameise:  Meine  Last  u.  deine  Last  auf  dir!  —  Oder  man  gehe  mit  einem  neuen  Krug 
an  einen  Fluß  u.  sage:  Fluß,  Fluß,  leihe  mir  einen  Krug  Wasser  für  den  Gast,  der 
bei  mir  eintrifft.  Dann  schwenke  er  den  Krug  siebenmal  um  seinen  Kopf,  gieße  ihn 
hinter  sich  aus  u.  sage:  Fluß,  nimm  das  Wasser,  das  du  gegeben  hast;  denn  der  Gast, 
der  bei  mir  eintraf,  ist  an  demselben  Tage  gekommen  u.  gegangen.  (Mit  dem  Gast 
ist  das  Fieber  gemeint).  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Gegen  das  dreitägige  Fieber 
srx's  nehme  man  7  Dornen  von  7  Dattelpalmen,  7  Spänchen  von  7  Balken,  7  Nägel 
von  7  Bohlen,  7  Aschenteile  von  7  Ofen.  7  Staubteile  von  7  Gräbern  (1.  •'^s-c  statt  ""»s-o), 
7  Pechteilchen  von  7  Kähnen,  7  Kümmelkörner  u.  7  Haare  aus  dem  Barte  eines  alten 
Hundes.  Das  alles  binde  man  mit  einer  Haarschnur  an  den  Haisauschnitt  des  Hemdes.  -^ 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gegen  das  hitzige  Fieber  sr—7::s  sr»^s  nehme  man 
ein  Messer,  das  ganz  u.  gar  aus  Eisen  ist;  dann  gehe  man  zu  einem  Dornbusch  u. 
knüpfe  an  ihn  eine  Haarschnur  an.  Am  ersten  Tage  mache  man  einige  Einschnitte 
in  den  Dornbusch  u.  sage:  „Da  erschien  ihm  der  Engel  Jahves  in  einer  Feuerflamme 
aus  einem  Dornbusch  heraus"  Ex  3,2.  Am  nächsten  Tage  mache  man  wiederum  einige 
Einschnitte  u.  sage:  ,Da  sprach  Mose:  Ich  will  hinzutreten  u.  diese  große  Erscheinung 
betrachten,  warum  der  Dornbusch  nicht  verbrennt"  Ex  3,  ?>.  Am  folgenden  Tage  mache 
man  wiederum  einige  Einschnitte  u.  sage:  ,Jahve  sah,  daß  er  hinzutrat,  um  es  zu  be- 
trachten" usw.  Ex  8, 4.  (Der  Midr  scheint  das  Wort  "'O  vom  Weichen  der  Krankheit 
zu  verstehen).  Rab  Acha  b.  Aschi  hat  gesagt:  Man  sage  Ex  3,  5:  „Er  sprach:  Nahe 
nicht  hierher!"  (Raschi:  Damit  diese  Krankheit  ihn  nicht  treffe.)  Vielmehr  sage  man 
am  ersten  Tage  Ex  3, 2  u.  3,  am  nächsten  Tage  Vers  3  u.  4,  am  folgenden  Tage  Vers  5. 
Wenn  man  geendet  hat,  so  schneide  man  den  Dornbusch  unten  (über  der  Erde)  ab  u. 
sage:  Dornbusch,  Dornbusch,  nicht  weil  du  höher  bist  als  alle  übrigen  Bäume  ließ 
Gott  die  Sch'^khina  auf  dir  ruhen,  sondern  weil  du  niedriger  bist,  u.  wie  das  Feuer  den 
Chananja,  Mischael  u.  ;Azarja  erblickte  u.  vor  ihm  floh:  so  erblicke  das  Feuer  (^die 
Fieberhitze)  den  u.  den,  Sohn  des  u.  des,  u.  fliehe  vor  ihm! 

ä(prjxev  avTr<r  6  nvQscöc  =  rrcn  nr:jbr  N'^d  4P,  s.  oben  S.  479«,  ferner 
in  der  Bar  B«^rakh  34*^  bei  Job  4,  47  ff. 

8, 15  23:  Und  sie  stand  auf  u.  dienete  ibm. 

öir^xörsi  avr(7).  —  Das  Dienen  der  Frau  bei  Tisch  war  verpönt. 

Qid  70":  (Rab  Nachman,  f  320,  sprach  zu  Rab  J^huda,  f  299:)  Es  soll  Dunag 
(Dinag,  Tochter  des  Rab  Nachman)  kommen,  um  uns  zu  trinken  zu  geben!  Er  (Rab 
J'huda)  erwiderte:  So  hat  Sch'muel  (f  2-54)  gesagt:  Man  läßt  sich  nicht  von  einer 
Frau  bedienen  risjsa  ^^vmrvyz  i-s  (um  sie  nicht  an  den  Aufenthalt  unter  Männern 
zu  gewöhnen)!  Sie  ist  noch  klein  (sprach  Rab  N.j.  Ausdrücklich  (erwiderte  Rab  J.) 
hat  Sch'^muel  erklärt:  Man  läßt  sich  überhaupt  von  keiner  Frau  bedienen,  sie  mag 
erwachsen  oder  klein  sein. 

8,16:  Sie  brachten  viele  Besessene  zu  ihm  u.  er  trieb 

die  Geister  durch  das  Wort  aus. 
über  die  Dämonen  s.  den  Exkurs:  „Zur  altjüd.  Dämonologie". 


Matth  8, 17  (Jes  58)  481 

8,17:  Er  nahm  unsre  Schwachheiten  u.  trug  die  Krankheiten 

(Jes  53,  4). 

Jes  53  in  der  älteren  jüdischen  Literatur.^ 
Ob  die  LXX  Jes  53  vom  Messias  verstanden  haben,  geht  aus  ihrer 
Übersetzung  nicht  mit  Bestimmtheit  hervor.  —  Die  messian.  Deutung 
wird  zuerst  von  den  Bilderreden  des  Buches  Henoch  vertreten:  der 
Messiasname  „der  Gerechte"  Hen38,  2;  47,1,4;  53,6  ist  Jes  53,  II 
entnommen,  u.  das  Verhalten  der  Könige  der  Erde  gegenüber  dem 
Messias  Hen46,  4;  62,  5  f.  wird  nach  Jes  52,  13  ff.  geschildert.  —  In  der 
(erhaltenen)  rabbin.  Literatur  tritt  die  Auslegung  von  Jes  53  auf  den 
Messias  erst  seit  dem  3.  nachchristl.  Jahrh.  hervor;  ihr  bedeutendster 
Repräsentant  ist  hier  der  Prophetentargum.  Neben  der  messian.  Aus- 
legung geht  die  Deutung  auf  die  Gerechten  einher.  —  Verhältnismäßig 
spät  macht  sich  eine  dritte  Auffassung  geltend,  die  unter  dem  „Knecht 
Jahves"  in  Jes  53  das  Volk  Israel  versteht.  Diese  jetzt  im  Judentum 
herrschende  Auslegung  hat  zwar  bereits  in  der  Zeit  des  Origenes  Ver- 
treter gehabt  (Contra  Celsum  1,  55),  läßt  sich  aber  für  uns  quellenmäßig 
erst  seit  Raschi,  f  II05,  belegen;  in  der  Midraschliteratur  begegnet  sie 
kurz  in  NuR,  einem  Werk,  das  schwerlich  älter  als  das  12,  Jahrh.  ist; 
s.  Einl.  S.  207  f.  u.  Zunz,  Gottesdienstliche  Vorträge  2  S.  273. 

A.  Deutung  auf  den  Messias. 
Sanh  98b:  Wie  ist  sein  ides  Messias)  Name?  Die  Rabbinen  sagen:  „Der  Aus- 
sätzige vom  Hause  Rabbis"  ist  sein  Name;  denn  es  heißt  Jes  58,4:  ^Fürwahr  unsre 
Krankheit  nahm  er  auf  sich  u.  unsre  Schmerzen  trug  er;  wir  aber  hielten  ihn  für 
einen  mit  Aussatz  Behafteten  (so  deutet  der  Midr  yi"-),  von  Gott  Geschlagenen  u. 
Gepeinigten."  —  Hierzu  vergl.  BM  85^  u.  GnR  :^8  {2U''):  Rabbi  hat  gesagt:  Be- 
liebt sind  die  Züchtigungen!  Er  nahm  sie  18  Jahre  lang  auf  sich,  6  Jahre  Blasen- 
stein u.  7  Jahre  Scharbock.  -  Hierzu  bemerkt  R.  Jose  b.  Bun  (um  350):  Alle  jene 
13  Jahre  hindurch  ist  keine  Wöchnerin  im  Lande  Israel  gestorben  u.  keine  Schwangere 
hat  im  Lande  Israel  eine  Fehlgeburt  gehabt,  pKil  }>,  32b,  28;  pK^th  12,  :^8",  81 ;  ähnlich 
GnR  8:'>  (2ob|;  anonym  GnR  96  (60'').  —  Wegen  der  Verdienstlichkeit  seines  Leidens  galt 
Ral)bi  als  ein  Typus  des  Messias  u.  dieser  erhielt  nun  nach  Jesö!,  4  den  Namen  „Aus- 
sätziger aus  dem  Hause  Rabbis";  vorausgesetzt  war  dabei,  daß  der  Messias  aus  der 
Familie  des  Patriarchen  J  huda  I.  hervorgehen  werde.  —  Noch  eine  Anspielung  auf 
die  Aussatzplage  des  Messias  liegt  Sanh  98*^  vor:  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  traf 
den  Propheten  Elias  u.  sprach  zu  ihm:  Wann  kommt  der  Messias?  Dieser  antwortete: 
„Geh,  frage  ihn  selbst!"  —  Wo  sitzt  er?  —  „Am  Tore  Roms."  —  Welches  ist  sein 
Kennzeichen?  —  „Er  sitzt  unter  den  Elenden,  die  mit  Krankheiten  beladen  sind,^  u. 
sie  binden  alle  ihre  Wunden  auf  Einmal  auf  u.  zu;  er  aber  (der  Messias)  bindet  immer 
je  eine  auf  u.  zu  (an  seinem  eigenen  Leibe);  er  sagt:  Vielleicht  werde  ich  verlangt 
(von  Gott,  l-srael  zu  erlösen),  damit  ich  nicht  aufgehalten  werde  (durch  Aufgebunden- 
sein aller  Wunden).  il  Midr  Ruth  2.  14  ( 132  a.  b)  g.  oben  S.  21  y.  ||  Midr  Sm  19  §  1  (5!  '^): 
R.  Huua  (um  850)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  820)  gesagt:  In  drei  Teile  sind  die 
Leiden  geteilt  worden;  ein  Teil  für  die  (früheren)  Geschlechter  u.  die  Väter,  ein  andrer 

*  Vgl.  Dalman,  Der  leidende  u.  der  sterbende  Messias,  188!*,  S.  27fiF. 
^  Raschi:  Die  mit  Aussatz  geschlagen  sind  u.  auch  er  ist  aussätzig;  denn  es  heißt 
Jes  58,  5:  Er  ist  durchbohrt  wegen  unsrer  Sünden,  u.  ferner  das.  Vers  4:  Unsre  Krank- 
heiten hat  er  auf  sich  genommen. 

Strack  u.Billerbeck,  NTI.  31 


482  Matth  8,  17  (Jes53) 

für  das  Geschlecht  der  (hadrianischen)  Verfolgung  u.  der  dritte  für  den  König,  den 
Messias;  s.  Jes53. 5:  Er  ist  um  unsrer  Missetat  willen  verwundet.  —  Parallelstellen 
mit  Ab  weichungen  :MidrPs  2  §9  (14b)  u.  16  §4(61»).]!  P'^siqPt  ;-i4  (158b):  Darnach  (nach 
der  Hungersnot,  die  dem  Kommen  des  Messias  voraufgeht)  werden  die  Gerechten  des 
dann  lebenden  Geschlechts  dastehn  u.  ihre  Gebetsriemen  abnehmen  u.  sie  auf  die  Erde 
legen  u.  sprechen:  Herr  der  Welt,  wir  haben  nicht  recht  gehandelt  alle  diese  Jahre  (in 
der  Jahrwoche  vor  dem  Erscheinen  des  Messias),  „wie  Schafe  gingen  wir  irre!"  (Jes  53,  6). 
TargJes52,  13 — 53,12:  ^^Siehe,  es  wird  meinem  Knecht,  dem  Messias,  gelingen: 
er  wird  erhaben  sein  u.  groß  u.  mächtig  werden  gar  sehr.  —  '''Wie  das  Haus  Israel 
viele  Tage  hindurch  auf  ihn  gehofft  hat,  als  inmitten  der  Völker  ihr  Aussehen  u.  ihr 
Glanz  dürftig  war  vor  den  Menschenkindern,  so  wird  er  viele  Völker  zerstreuen;  seinet- 
wegen werden  Könige  schweigen  u.  ihre  Hände  auf  ihren  Mund  legen;  denn  was  ihnen 
nicht  erzählt  ward,  haben  sie  gesehen,  u.  was  sie  nicht  gehört,  haben  sie  geschaut.  — 
Kap.  53:  'Wer  glaubt  dieser  unsrer  Botschaft,  u.  der  starke  Arm  der  Kraft  Jahves,. 
über  wem  ward  er  nun  offenbar?  —  "Es  wird  groß  werden  der  Gerechte'  (vermut- 
lich —  die  Gerechten,  d.  h.  das  zur  Zeit  des  Messias  lebende  Israel)  vor  ihm;  siehe, 
wie  Blumen,  die  aufblühen,  u.  wie  ein  Baum,  der  seine  Wurzeln  ausstreckt  an  Wasser- 
bächen, so  wird  groß  werden  das  heilige  Geschlecht  (Israel)  im  Lande,  das  seiner  (des 
Messias)  bedurfte.  Nicht  eine  profane  Erscheinung  ist  seine  (des  Messias)  Erscheinung, 
u.  die  Furcht  vor  ihm  ist  nicht  eine  gewöhnliche  Furcht,  sondern  ein  heiliger  Glanz 
wird  sein  Glanz  sein;  denn  jeder,  der  ihn  anschauen  wird,  wird  (mit  Ehrfurcht)  auf 
ihn  blicken.  ^Ob  er  zur  Verachtung  (den  Völkern)  wird,  wird  er  doch  die  Herrlichkeit 
aller  Königreiche  hinschwinden  lassen,  sie  werden  schwach  sein  u.  trauern;  wie  ein 
Mann  der  Schmerzen  ist  er  u.  bestimmt  für  Krankheiten,  u.  wie  wenn  das  Angesicht 
der  Sch'^'khina  (Gottheit)  sich  von  uns  gewendet  —  so  verachtet  sind  wir  u.  nicht  ge- 
ehrt. *  Darum  wird  er  Fürbitte  tun  wegen  unserer  Schuld  u.  unsere  Sünden  werden 
um  seinetwillen  vergeben  werden,  während  wir  geachtet  sind,  als  wären  wir  zerstoßen, 
geschlagen  von  Jahve  u.  niedergebeugt.  ^Und  er  (der  Messias)  wird  das  Heiligtum 
bauen,  das  entweiht  ward  durch  unsre  Schuld,  preisgegeben  durch  unsre  Sünden:  aber 
durch  seine  Lehre  wird  der  Friede  groß  werden  über  uns,  u.  wenn  wir  auf  seine  Worte 
hören,  wird  uns  unsre  Schuld  vergeben  werden.  "Wir  alle  waren  zerstreut  wie  Schafe, 
ein  jeder  nach  seinem  Wege  zogen  wir  aus  (ins  Exil);  aber  vor  Jahve  war  es  wohl- 
gefällig, unser  aller  Schuld  zu  erlassen  um  seinetwillen  (um  des  Messias  willen).  'Er 
bittet,  u.  er  erhält  Antwort;  bevor  er  seinen  Mund  auf  tut,  wird  er  erhört.  Die  Mäch- 
tigen der  Völker  wird  er  wie  ein  Lamm  zur  Schlachtung  hingeben  u.  wie  ein  Schaf, 
das  vor  seinem  Scherer  verstummt;  u.  niemand  öffnet  ihm  gegenüber  seinen  Mund, 
ein  Wort  zu  sprechen.  ^Aus  Leiden  u.  aus  Strafen  wird  er  unsre  Verbannten  herbei- 
bringen, u.  die  Wunder,  die  uns  in  seinen  Tagen  geschehen  werden,  wer  kann  sie  er- 
zählen! Denn  er  wird  den  Herrscher  der  Völker  vernichten  weg  vom  Lande  Israel; 
die  Schuld,  mit  der  mein  Volk  sich  verschuldet  hat,  wird  über  jene  (die  Völker)  kommen, 
^ünd  er  wird  die  Gottlosen  dem  Gehinnom  überliefern  u.  die  an  Gütern  Reichen,  die 
Gewalttat  verübt,  dem  Tod  der  Vernichtung,  damit  die,  die  Sünde  tun,  keinen  Bestand 
haben  u.  die  Arglistigen  mit  ihrem  Munde  nicht  reden.  '"Und  vor  Jahve  war  es  wohl- 
gefällig, den  Rest  seines  Volkes  zu  läutern  u.  zu  reinigen,  um  ihre  Seelen  von  Schuld 
zu  reinigen;  sie  werden  das  Königtum  ihres  Messias  sehen,  sie  werden  viele  Söhne  u. 
Töchter  haben,  sie  werden  lange  leben,  u.  die,  welche  die  Tora  Jahves  halten,  werden 
durch  sein  Wohlgefallen  Glück  haben.  "Von  der  Knechtschaft  der  Völker  wird  er 
ihre  Seele  befreien,  sie  werden  die  Strafe  ihrer  Feinde  sehen,  sich  sättigen  an  der 
Beute  ihrer  Könige;  durch  seine  Weisheit  wird  er  (der  Messias)  Gerechte  rechtfertigen, 
um  viele  der  Tora  dienstbar  zu  machen,  u.  wegen  ihrer  Sünden  wird  er  Fürbitte  tun. 
'-Deshalb  will  ich  ihm  die  Beute  vieler  Völker  zuteilen,  u.  die  Güter  mächtiger  Städte 
wird  er  als  Beute  austeilen,   darum,   daß  er  seine  Seele  dem  Tode  preisgab  (=  aus- 


'  Über  die  Lesart  „der  Gerechte",  bezw.  „die  Gerechten"  s.  Dalman  48. 


Matth  8,17  (JesöS)  483 

setzte)  u.  die  Abtrünnigen  (Widerspenstigen)  der  Tora  unterwarf;  u.  für  viele  Schuldige 
■wird  er  Fürbitte  tun  u.  den  Abtrünnigen  (Widerspenstigen)  wird  um  seinetwillen  ver- 
geben werden.  — 

Da  wir  werden  annehmen  dürfen,  daß  man  Jes  53,  wie  es  ja  auch  der  Targum 
getan,  überall  da  messianisch  gedeutet  hat,  wo  man  Jes  52, 13 — 15  auf  den  Messias 
bezog,  so  mögen  auch  die  letzteren  Steilen  hier  folgen:  TanchB  r-i-'-rT  i^  20  (70''*):  Es 
heißt  Sach4, 7:  ,Wer  bist  du  denn,  du  gror3er  Berg  vor  Serubabel?"  Was  heißt  das: 
Wer  bist  du  großer  Berg?  Damit  ist  der  König,  der  Messias,  gemeint,  und  warum 
nennt  er  ihn  „großer  Berg"?  Weil  er  großer  sein  wird  als  die  Väter,  s.  Jes  52,  13: 
Siehe,  trefflich  fahren  wird  mein  Knecht,  wird  steigen  u.  sich  erheben  u.  hoch  sein 
gar  sehr.  ,Er  wird  steigen",  über  Abraham  hinaus,  „u.  sich  erheben",  über  Mose, 
,u.  hoch  sein",  mehr  als  die  Engel  des  Dienstes.  —  Parallelstellen:  Tanch  r'--:r35''- 
Aggad  B^resch  44  (32b).  ;|  Midr  Ps  2  §  9  ( 14^):  „Erzählen  will  ich  von  einer  Festsetzung; 
.Jahve  hat  gesagt  zu  mir:  Mein  Sohn  bist  du"  Ps  2,7.  —  Das  ist  erzählt  in  einer  Fest- 
setzung der  Tora,  in  einer  F.  der  Propheten  u.  in  einer  F.  der  Hagiographen.  In  der 
Tora:  „Mein  erstgeborner  Sohn  ist  Israel"  Ex  4, '22.  In  den  Propheten:  „Siehe,  trefflicli 
fahren  wird  mein  Knecht"  Jes  52, 13  u.  hinterher  (dies  Wort  wird  zu  tilgen  sein)  heißt 
es  Jes  42,  1:  Siehe,  mein  Knecht,  den  ich  aufrecht  halte,  mein  Erkorener,  an  dem 
meine  Seele  Lust  hat.  Und  in  den  Hagiographen:  „Spruch  Jahves  an  meinen  Herrn: 
Setze  dich  zu  meiner  Rechten"  Ps  HO,  i.  Ferner  Ps  2,7:  „Jahve  hat  zu  mir  gesagt:  Mein 
Sohn  bist  du."  Und  an  einer  andren  Stelle  heißt  es:  „Siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels 
kam  einer,  wie  eines  Menschen  Sohn"  Dn  7,  13. 

B.  Deutung  auf  die  Gerechten. 
SNu25, 13  §131  (48b):  „Dafür,  daß  er  (Pin^'chas)  für  seinen  Gott  geeifert  u.  für 
die  Kinder  Israel  Sühnung  geschafft  hat"  Nu  25,  13.  „Dafür  daß  er  zum  Tode  aus- 
geschüttet hat  seine  Seele"  Jes  53, 12.  ||  Sota  14-':  R-Simlai  lum  250)  hat  öffentlich  vor- 
getragen: Warum  hat  unser  Lehrer  Mose  Verlangen  getragen,  in  das  Land  Israel  zu 
kommen?  Hatte  er  es  etwa  nötig,  von  seiner  Frucht  zu  essen?  oder  sich  von  seinem 
Guten  zu  sättigen?  Vielmehr  so  haf  es  Mose  gemeint:  Viele  Gebote  sind  den  Israe- 
liten geboten  worden,  die  nur  im  Lande  Israel  gehalten  werden  können;  ich  will  in  das- 
Land  eintreten,  damit  sie  alle  von  mir  gehalten  werden!  Da  sprach  Gott  zu  ihm:  Du 
willst  doch  nur  Lohn  empfangen;  ich  will  es  dir  so  anrechnen,  als  ob  du  sie  gehalten 
hättest,  vgl.:  „Darum  will  ich  ihm  Teil  geben  unter  den  Großen  u.  mit  den  Mächtigen 
wird  er  Beute  teilen,  dafür  daß  er  zum  Tode  seine  Seele  ausgeschüttet  hat  u.  den 
Übeltätern  beigezählt  ist,  während  er  doch  die  Sünde  vieler  trug  u.  für  die  Übeltäter 
eintrat"  Jes  53, 12.  „Darum  will  ich  ihm  Teil  geben  unter  den  Großen",  etwa  wie  den 
Späteren,  aber  nicht  wie  den  Früheren?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Mit  den  Mächtigen 
wird  er  Beute  teilen",  wie  Abraham,  Isaak  u.  Jakob,  die  mächtig  waren  in  der  Tora 
u.  in  Gebotserfüllungen,  „dafür,  daß  er  seine  Seele  zum  Tode  ausgeschüttet  hat",  denn 
er  hat  sich  selbst  dem  Tode  preisgegeben,  s.:  „Und  nun,  wenn  du  doch  ihre  Sünde 
vergäbest!  Wenn  aber  nicht,  so  lösche  mich  doch  aus  deinem  Buche  aus,  das  du  ge- 
schrieben hast!"  Ex  32, 32.  „Und  den  Übeltätern  ist  er  beigezählt",  denn  zu  den  in 
der  Wüste  Gestorbenen  wird  er  gezählt;  „während  er  doch  die  Sünde  vieler  trug", 
denn  er  schaffte  Sühnung  wegen  der  Tat  mit  dem  Kalbe;  ,u.  für  die  Übeltäter  ein- 
trat", denn  er  flehte  um  Erbarmen  für  die  Übeltäter  Israels,  daß  sie  in  Buße  möchte» 
umkehren;  mit  dem  „Eintreten"  ist  nichts  andres  als  das  Gebet  gemeint,  s.  Jer  7, 16.  !j 
SDt  33,21  §355  (147^):  Er  (Mose) '  wird  an  der  Spitze  des  Volkes  kommen.  Das  lehrt, 
daß  Mose  dereinst  (nach  der  Auferstehung)  an  der  Spitze  des  ganzen  Volkes,  jeder 
einzelnen  Genossenschaft  (in  das  Land  Israel)  einziehen  wird;  an  der  Spitze  der  Ge- 
nossenschaft der  Schriftkundigen,  an  der  Spitze  der  G.  der  Mischnakundigen,  an  der 


1  Der  Midr  deutet  p?ir:a  rphr.  Dt  33,21  b  auf  das  Grab  Moses  u.  nimmt  deshalb 
Mo.se  als  Subjekt  von  Vers  21''. 

31* 


484  Matth  8,  17  (Jes  53) 

Spitze  der  G.  der  Talmudkundigcn,  u.  daß  er  dann  mit  jedem  einzelnen  Lohn  empfangen 
wird,  s.:  „Darum  will  ich  ihm  Teil  geben  unter  den  Vielen  u.  mit  den  Mächtigen  wird 
«r  Beute  teilen'  Jes  53,  12.  ||  pSch^qö,  48'=,  48:  R.Jona  (um  350)  hat  gesagt:  , Darum 
will  ich  ihm  Teil  geben  unter  den  Grofsen  u.  mit  den  Mächtigen  wird  er  Beute  teilen" 
Jes  53,  12,  das  bezieht  sich  auf  R.  fAqiba  (f  um  135),  der  den  Midr,  die  Halakhoth  u. 
die  Haggadoth  in  feste  Ordnungen  gebracht  hat.  |1  B'rakhS'"':  Raba  (f  352)  hat  ge- 
sagt —  es  wird  auch  gesagt,  Rab  Chisda  (f  309)  habe  gesagt:  Wenn  der  Mensch  sieht, 
<Jaß  Züchtigungen  (Leiden)  über  ihn  kommen,  so  soll  er  seine  Werke  prüfend  untersuchen, 
vgl. :  „  Laßt  uns  unsre  Wege  erforschen  u.  ergründen  u.  zu  Jahve  uns  bekehren ! "  KL  3, 40. 
Hat  er  sie  untersucht  u.  nichts  (Böses)  gefunden,  so  suche  er  den  Grund  seines  Leidens  in 
Vernachlässigung  des  Torastudiums;  vgl.:  , Wohl  dem  Manne,  den  du  züchtigst  u.  aus 
deiner  Tora  belehrst"  Ps  94, 12.  (Die  Beschäftigung  mit  der  Tora  Folge  der  Züchtigungen, 
umgekehrt  die  Vernachlässigung  der  Tora  Ursache  der  Z.)  Wenn  er  hier  nichts  ge- 
funden, so  sind  es  sicherlich  Züchtigungen  der  Liebe,  s.:  „Wen  Jahve  liebt,  den  straft 
■er"  Spr  3, 12.  Raba  hat  gesagt,  Rab  S  chora  (um  300)  habe  gesagt,  Rab  Huna  (f  297) 
habe  gesagt:  An  wem  Gott  Wohlgefallen  hat,  den  zerschlägt  er  durch  Züchtigungen, 
s.:  „Hat  Jahve  Wohlgefallen  (an  einem  Menschen),  so  zerschlägt  er  ihn,  macht  krank" 
Jes  53,  10  (so  der  Midr).  Etwa  auch,  wenn  man  sie  (die  Züchtigungen)  nicht  aus  Liebe 
annimmt?  DieSchrift  sagt  lehrend:  „Wenn  seine  Seele  ein  Schuldopfer  bringt"  Jes 53,  10, 
wie  ein  Schuldopfer  mit  Wissen  u.  Willen  darzubringen  ist,  so  sind  auch  Züchtigungen 
mit  Wissen  u.  Willen  hinzunehmen.  Wenn  er  sie  (so)  hinnimmt,  was  ist  sein  Lohn? 
„Er  wird  Nachkommenschaft  sehen,  lange  Tage  leben"  Jes  53, 10;  u.  nicht  bloß  dies, 
sondern  auch  sein  Erlerntes  wird  Bestand  behalten  in  seiner  Hand,  vgl.:  „Das  Wohl- 
gefallen Jahves  wird  in  seiner  Hand  fortgehn"  Jes53,  10.  ||  Seder  ElijjahuR  7:  „Dies 
ist  das  Gesetz  des  Schuldopfers"  Lv7,  1.  So  sprach  Gott  zu  den  Israeliten:  Ich  war 
es,  der  zu  euch  gesagt  hat:  Mein  Wohlgefallen  ist  nur  der  Segen  u.  derjenige,  an  dem 
keine  Übertretung  ist.  Ich  trete  zurück  von  (diesen)  meinen  Worten.  Selbst  wenn  ein 
Mensch  hundert  Übertretungen  begeht,  von  denen  die  eine  größer  ist  als  die  andre, 
er  sich  aber  bekehrt  u.  Buße  tut  u.  sich  selbst  erniedrigt  bis  zur  Erde  u.  sich  selbst 
ansieht  als  halb  gerecht  u.  halb  schuldig  u.  sich  selbst  ansieht,  als  wäre  er  täglich 
eines  zweifelhaften  Schuldopfers  schuldig:  so  bin  ich  in  Erbarmen  mit  ihm  u.  nehme 
ihn  in  Bußfertigkeit  an  u.  gebe  ihm  männliche  Kinder  von  schöner  Gestalt  u.  Söhne, 
die  die  Tora  tun  u.  die  Gebote  halten;  u.  die  Worte  meiner  Tora  werden  in  seinem 
Munde  bewahrt,  vgl.:  „Jahve  gefiel  es,  er  zerschlug  ihn,  machte  krank"  Jes  53,  10. 
So  sprach  Gott  zu  Israel:  Meinet  nicht  von  mir,  daß  ich  ihn  zu  einem  Kranken  machte, 
der  weder  zu  den  Lebenden  noch  zu  den  Toten  gehört,  sondern  er  soll  sich  selbst 
erniedrigen  u.  dann  anheben  u.  sagen:  „Wenn  seine  Seele  ein  Schuldopfer  darbringt" 
Jes  53,  10,  wie  wenn  man  sagt:  Der  u  der  soll  ein  Schuldopfer  für  seine  Seele  (um 
für  seine  Seele  Sühnung  zu  schaffen)  darbringen.  In  der  Tat,  dann  „wird  er  Nach- 
kommenschaft sehen,  lange  Tage  leben"  Jes  53, 10.  Eine  andre  Erklärung:  „Er  wird  Nach- 
kommerischaft  sehen"  in  dieser  Welt  u.  „lange  Tage  leben"  in  der  zukünftigen  Welt.  || 
Seder ElijR  14:  Wer  die  Tora  öffentlich  Israel  lehrt  um  des  Himmels  (Gottes)  willen, 
ohne  einen  Unterschied  zu  machen  zwischen  den  Reichen  u.  den  Armen,  sondern  als 
Schriftlehrer  sie  zusammen  die  Schrift  lehrt  u.  als  Mischnalehrer  sie  zusammen  die 
Mischna  lehrt,  über  den  erbarmt  sich  infolgedessen  Gott  u.  gibt  in  ihn  den  Geist  der 
Weisheit  u.  der  Einsicht  u.  des  Wissens  u.  des  Verständnisses,  u.  gibt  ihm  sein  Teil 
mit  den  drei  Gerechten,  mit  Abraham,  Isaak  u.  Jakob;  von  einem  solchen  sagt  die 
Schrift:  „Aus  der  Mühe  seiner  Hand  (der  Text  liest  i-"  statt  ide:)  wird  er  etwas  zu 
sehen  bekommen,  sich  sättigen;  durch  seine  Einsicht  wird  mein  gerechter  Knecht 
vielen  Gerechtigkeit  schaffen"  Jes  53,  11.  ||  Seder  ElijR  25:  Wer  von  seiner  Hände 
Arbeit  sich  nährt  wie  Ahron,  der  Hohepriester,  der  darauf  bedacht  war,  den  Frieden 
zwischen  Israel  u.  ihrem  Vater  im  Himmel  zu  mehren;  der  wird  wie  David,  der  Köaig 
Israels,  der  darauf  bedacht  war,  die  Gerechtigkeit  (das  Erbarmen)  zwischen  Israel  u. 
ihrem  Vater  im  Himmel  zu  mehren;  der  wird  wie  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80), 


Matth  8,  17  (Jes  53).  8,  19.  20  485   . 

der  darauf  bedacht  war,  das  Angesicht  seiner  Schüler  durch  die  Halakha  zu  erfreuen.^ 
Von  einem  solchen  heißt  es:  „Von  der  Mühe  seiner  Seele  wird  er  etwas  zu  sehen  be- 
kommen, sich  sättigen;  durch  seine  Einsicht  wird  mein  gerechter  Knecht  vielen  Ge- 
rechtigkeit schaffen  u.  ihre  Verschuldungen  trägt  er"  Jes  53,  11.  Von  hier  hat  man 
gesagt:  Die  Gelehrtenschüler,  die  in  einer  Generation  sind,  tragen  die  Verschuldungen 
der  Generation,  die  in  ihr  zwischen  ihr  u.  jenen  (den  Gelehrten)  bestehen,  u.  niemand 
achtet  auf  sie.  Und  von  einem  solchen  heißt  es:  „Mit  ihren  Sünden  ist  er  beladen" 
Jes  58, 11  (S.  Elij.  liest  h-zc  statt  ■•5i20-).  —  Vgl  auch  Dn  12, 3,  wo  Jes  53, 11  •>  eben- 
falls auf  die  Gerechten  (s.  Mt  13,43)  gedeutet  wird. 

C.  Deutung  auf  das  Volk  Israel. 
NuR  13  (168^):  „Ich  esse  meine  Wabe  -^^yi  samt  meinem  Honig" 
HL  5,  1.  Weil  die  Israeliten  ihre  Seele  zum  Tode  ausgeschüttet  haben 
-r^vn  im  Exil,  s. :  „Dafür  daß  er  seine  Seele  zum  Tode  ausgeschüttet 
hat"  Jes  53,  12  —  u.  weil  sie  sich  mit  der  Tora  beschäftigt  haben,  die 
süßer  als  Honig  ist,  darum  wird  Gott  sie  dereinst  tränken  mit  Wein, 
der  seit  den  sechs  Schöpfungstagen  in  seinen  Trauben  aufbewahrt  ist, 
u.  sie  baden  in  Strömen  von  Milch,  s.  Joel  4, 18.  „Esset  Freunde"  HL 
5, 1,  damit  sind  die  Israeliten  gemeint,  die  den  Willen  Gottes  im  Exil 
getan  haben  u.  sich  mit  den  Völkern  nicht  vermischen  wollten,  sondern 
den  Bund  Gottes  bewahrt  haben.  —  Raschi  zu  Jes  53  legt  die  Frage 
53, 1  den  Völkern  der  Welt  in  den  Mund,  die  erst  Israel  für  ein  von  Gott 
verworfenes  Volk  angesehen  haben  u.  nun  erkennen,  daß  das  Volk  alle 
Leiden  erduldet  hat,  nur  um  die  Sünden  der  Weltvölker  zu  sühnen. ^ 

8, 19:  Meister, ich  will  dir  nachfolgen,  wohin  du  auch  gehn  wirst. 
di6daxa?.8,  hebr.  "^s^,  s.  bei  Mt23,  7.  —  , Nachfolgen"  bezeichnet  das 
Schülerverhältnis,  s.  bei  Mt  4, 19  (S.  187  f.);  10, 1  21. 

8,20:  Der  Menschensohn,  o  vlog  xov  avd^Qwnov. 
In  den  ältesten  Bestandteilen  der  Bilderreden  des  Buches  Henoch 
wird  im  Anschluß  an  Dn  7,  9  ff.  vom  „Menschensohn"  geredet  u.  damit 
der  Messias  gemeint,  s.  Hen  46, 1—3^  48,  2;  69,  26.  Ebenso  sieht  der 
spätere  Bearbeiter  der  Bilderreden  46, 4;  62, 5 ;  69, 29  in  dem  „Menschen- 
sohnähnlichen"  von  Dn  7, 13  den  Messias.  Bedeutsam  aber  ist,  daß  er 
den  Ausdruck  „Menschensohn"  oder  „Mannessohn"  auch  wiedergibt 
mit  der  Umschreibung  „Sohn  der  Nachkommenschaft  der  Mutter  der 
Lebendigen"  62,  7.  9. 14;  63, 11;  69,  26.  27;  70, 1.  Offenbar  verknüpft  er 
Dn  7, 13  mit  Gn  3, 15:  ihm  heißt  der  Messias  „Menschensohn",  weil  er 
derjenige  Sproß  der  Nachkommenschaft  der  Mutter  der  Lebendigen 
(d.  h.  Evas)  ist,  den  das  Protevangelium  weissagend  in  Aussicht  gestellt 
hat.  Ähnlich  läßt  der  Verfasser  von  Hen  71  den  Ausdruck  „Mannessohn" 
Vers  14  wechseln  mit  dem  andren  „jener  Sohn  der  Nachkommenschaft 


1  Drei  weitere  Stellen,  in  denen  Jes  53  zitiert  wird,  nämlich  P«siq  140 »;  B^rakh  57  b; 
GnR  20  (14-*)  sind  inhaltlich  belanglos:  R.  Abbahu.  um  300,  behauptet,  daß  nächtliche 
Pollution  ein  gutes  Zeichen  für  den  Kranken  sei,  u.  findet  den  Beweis  dafür  in  Jes  53,  10, 
wo  er  deutet:  Wer  Samen  sieht,  der  wird  lange  leben. 


486  Matth  8,  20 

der  Mutter  der  Lebendigen"  Vers  17.  —  In  den  nachchristl.  Pseud- 
epigraphen  wird  der  Messias  nur  4  Esra  13,  3,  u.  zwar  wiederum  unter 
Bezugnahme  auf  Dn  7,13,  als  „Menschenfsohnjähnlicher"  bezeiehnet.i  — 
Auf  Grund  dieses  geringen  Stellenmaterials  wird  man  gerade  nicht 
sagen  können,  der  Name  „Menschensohn"  sei  in  Jesu  Tagen  eine 
übliche  Messiasbezeichnung  gewesen:  man  hat  wohl  in  apokalyptischen 
Kreisen  unter  diesem  Namen  auf  Grund  von  Dn7,13  vom  Messias  ge- 
redet, aber  der  breiten  Masse  ist  der  Ausdruck  unbekannt  geblieben. 

In  der  rabbin.  Literatur  wird  der  „Menschensohnartige"  Dn  7,  13 
in  folgenden  Stellen  auf  den  Messias  gedeutet. 

Sanh  98'':  R.  Alexandra!  (um  270)  hat  gesagt:  R.  J'hoschuaf  b.  Levi  (um  250) 
stellte  einander  gegenüber:  „Siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels  kam  einer  wie  ein 
Menschensohn"  Dn  7,  13,  u.:  „Arm,  reitend  auf  einem  Esel"  Sach  9,  9.  Wenn  die  Israe- 
liten es  verdienen,  kommt  er  (der  Messias)  mit  den  Wolken  des  Himmels;  wenn  sie 
es  nicht  verdienen,  kommt  er  arm,  reitend  auf  einem  Esel.  ||  Midr  Ps  Ül  §  5  (90''): 
R.  B'^rekhja  (um  840)  hat  im  Namen  des  R.  Sch^muel  (b.  Nachman,  um  260)  gesagt: 
Eine  Schriftstelle  sagt:  „Er  gelaugte  vor  den  Alten  der  Tage  u.  sie  führten  ihn  vor 
ihn"  Dn  7,  13;  u.  eine  andre  Stelle  sagt:  „Ich  lasse  ihn  (den  Würdenträger  der  End- 
zeit) herzutreten,  daß  er  sich  mir  nahe"  Jer30,  21.  Wie  das?  Die  Euicel  führen  ihn 
(den  Messias,  lies  mit  Jalqut  Ps  21  ins  statt  "ris,  das  auf  Israel  sich  beziehen  würde) 
bis  an  die  Grenze  ihres  Bezirks,  dann  streckt  Gott  seine  Hand  aus  u.  bringt  ihn  (lies 
inis  statt  iris)  in  seine  Nähe.  i|  TanchB  r^T's-r  §  20  (70''):  Wer  ist  f  Anani  ( I  Chr3,24)V 
Das  ist  der  König,  der  Messias,  s.:  „Ich  war  im  Schauen  meiner  Nachtgesichte,  u. 
siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels  s^'iaj  '::y  oy  kam  einer,  wie  eines  Menschen 
Sohn"  Dn  7,  13.  —  Ebenso  Tanch  m5-r  Ende  (35-').  Vgl.  Targ  1  Chr  3,24:  fAnani, 
das  ist  der  König,  der  Messias,  der  sich  offenbaren  wird.  —  sAnani  wird  in  diesen 
Stellen  gedeutet  =  der  mit  den  „Wolken"  Kommende,  li  NuR  13  (170''):  Woher  läßt 
sich  erweisen,  daß  der  König,  der  Messias,  über  das  Meer  herrschen  wird?  Aus:  „Er 
herrsche  von  Meer  zu  Meer  u.  vom  Strome  (Euphrat)  bis  zu  den  Enden  der  Erde" 
Ps  72,  8.  Woher,  daß  er  über  die  Erde  herrschen  wird?  Aus:  „Huldigen  müssen  ihm 
alle  Könige,  alle  Völker  ihm  dienen"  Ps72,  11.  Ferner  heißt  es:  „Siehe,  mit  den 
Wolken  des  Himmels  kam  einer  wie  eines  Menschen  Sohn  usw.  Ihm  wurde  Macht 
u.  Ansehen  u.  Herrschaft  gegeben  u.  alle  Völker  u.  Nationen  u.  Sprachen  fürchteten 
ihn"  Dn7,  lof.  und:  „Der  Stein  (=  Messias),  der  das  Bild  traf,  wurde  zu  einem 
großen  Fels  a.  füllte  die  ganze  Erde"  Dn  2,  35.  II  Eine  weitere  Stelle  aus  Midr  Ps  2 
§  9  (14'')  s.  bei  Mt  8,  17  S.  483«.  —  Auch  Justin  Dial.  c.  Tryph.  32  läßt  den  Trypho  die 
messian.  Auslegung  von  Dn  7,  13  bezeugen. 

Eine  Polemik  gegen  den  christlichen  Menschensohn-Messias  ohne  Bezugnahme 
auf  Dn  7,  13  u.  mit  Anlehnung  an  Nu  23,  19  liegt  vor  pTafan  2,  65  b,  .59;  R.  Abbahu 
(um  300)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  zu  dir  sagen  sollte:  „Ich  bin  Gott",  so  lügt 
er;  „ich  bin  der  Menschensohn"  c-'S  p,  so  wird  er  es  schließlich  bereuen;  „ich  steige 
zum  Himmel  empor",  so  hat  er  es  gesagt,  wird  es  aber  nicht  erfüllen.  —  Wie  hier 
„Menschensohn"  eine  Messiasbezeichnung  ist,  so  versteht  auch  Targ  Ps  80,  18  unter 
dem  „Menschenkind"  (Ps  80,  IH)  den  Messias:  „Es  sei  deine  Hand  über  dem  Manne, 
den  du  aufgestellt  hast  mit  deiner  Rechten,  über  dem  Menschensohn  v:  -s,  den  du 
dir  hast  erstarken  lassen."  —  Wer  dieser  „Menschensohn"  ist,  sagt  Vei'S  16:  „Das 
Reis,  das  deine  Rechte  gepflanzt  hat  (schaue  an  u.  erbarme  dich)  über  den  König, 
den  Messias  (Text wort  ]z),  den  du  dir  hast  erstarken  lassen. 


'  Die  früheste  einzelpersönliche  Ausdeutung  von  Dn  7,  13  f.  findet  sich  Henoch  90, 37 ; 
doch  ist  hier  der  Ausdruck  „wie  ein  Menschensohn"  unberücksichtigt  geblieben. 


MatthS,  21  487 

Zum  Schluß  sei  hingewiesen  auf  eine  Auslegung  der  häufigen  Anrede  „duMenschen- 
sohn"  bei  Ezechiel  in  LvR  2  (lo4l>):  „Mensch"  =-s,  das  Wort  bedeutet  Liebe,  Brüder- 
lichkeit, Freundschaft.  Gott  sprach  zu  Ezechiel:  „Menschensobn",  Sohn  frommer 
Menschen.  Sohn  Gerechter,  Sohn  derer,  die  Liebeswerke  üben,  Sohn  derer,  die  sich 
um  der  Ehre  Gottes  u.  um  der  Ehre  Israels  willen  täglich  verachten  lassen. 

8,  21:  Erlaube  mir  .  .  .  meinen  Vater  zu  begraben. 
Die  Bestattung  eines  Toten  oder,  wie  der  allgemeinste  Ausdruck 
lautete,  „sich  mit  einem  Toten  zu  befassen", a  galt  allgemein  als  Pflicht- 
gebot, b  Biblisch  begründete  man  es  aus  Ex  18,  20  oder  Micha  6,  8.  c 
Besonders  deutlich  trat  das  Pflichtmäßige  der  Totenbestattung  dem 
sog.  „Pflichttoten"  r-rrs^  r-2  gegenüber  hervor.  Man  verstand  darunter 
einen  Toten,  der  keine  Angehörigen  hinterließ,  die  ihm  den  letzten 
Liebesdienst  erweisen  konnten;  seine  Bestattung  wurde  deshalb  für 
jedermanns  Pflicht  erklärt,  der  einen  solchen  Toten  fand.  Selbst  einen 
Hohenpriester  oder  einen  Nasiräer,  denen  das  Gesetz  die  Verunreinigung 
sogar  an  der  Leiche  des  eigenen  Vaters  ausdrücklich  untersagte,  ver- 
pflichtete die  pharisäische  Auslegung  von  Lv  21, 11  u.  Nu  6,  7  zur  Be- 
stattung eines  Pflichttoten,  d  Auch  in  sonstigen  Kollisionsfällen  hatte 
die  Ausübung  eines  andren  Pflichtgebotes  hinter  der  Totenbestattung 
zurückzustehen. e  Dem  gewöhnlichen  Priester  erlaubte  Lv  21,  2  f.,  an 
der  Leiche  eines  Blutsverwandten  (Eltern,  Geschwister,  Kinder)  sich 
zu  verunreinigen.  Rabbin.  Auslegung  hat  diese  Gesetzesbestimmung, 
die  im  Sinne  des  „Dürfens"  gemeint  war,  geradezu  in  ein  „Muß"  um- 
gewandelt: ein  Priester  wurde  unter  Umständen  gezwungen,  sich 
mit  der  Bestattung  seiner  Blutsverwandten  zu  befassen.*  Um  so  mehr 
lag  diese  Pflicht  natürlich  den  nichtpriesterlichen  Israeliten  ob.  —  Neben 
der  Einschätzung  der  Totenbestattung  als  „Pflichtgebot"  n-^^iio  ging  ihre 
Wertung  als  „Liebes werk"  cnon  nb^'25  einher  (s.  schon  Tob  1,17  f.; 
2,  7;  12,  12  f.).  Dabei  wies  man  gern  auf  Gott,  Abraham  u.  Mose  hing 
als  Vorbilder.  Als  Liebeswerk  ist  die  Beteiligung  an  einem  Leichen- 
begängnis in  erster  Linie  wohl  denen  angerechnet  worden,  die  dem 
Toten  ferner  gestanden  hatten.  Als  Liebeswerk  gehörte  endlich  die 
Totenbestattung  zu  den  Handlungen,  deren  Lohn  nach  Pea  1,  1  der 
Mensch  zum  Teil  bereits  in  dieser  Welt  genießt,  während  ihm  der  Haupt- 
?ohn  für  die  zukünftige  Welt  anstehen  bleibt,  h  Von  der  Verdiensthchkeit 
u.  dem  Lohn  der  Teilnahme  an  Totenbestattungen  wird  auch  sonst  ge- 
sprochen.!—Erwägt  man  diese  Anschauungen,  die  im  jüdischen  Volk  über 
die  Bestattung  eines  Toten  u.  noch  dazu  des  eignen  Vaters  herrschten, 
dann  wird  man  sich  den  Eindruck  vorstellen  können,  den  Jesu  Antwortge- 
macht hat:  Laß  die  Toten  ihre  Toten  begraben  —  du  aber  folge  mir  nach! 

a.  M'^kh  Ex  13,  19  (29''):  Mose  befafste  sich  mit  Gebotserfüllungen  r'^::':^  poiy 
betreffs  der  Gebeine  Josephs.  .  .  .  Mose  befaßte  sich  -ot;  mit  den  Gebeinen  Josephs. 
.  .  .  Mit  Mose  (d.  h.  mit  Moses  Bestattung)  befaßte  sich  -zvn  die  Gottheit.  |l  pPea 
8,  21l>,  12  sagen  R.  Jochanan  (f  279)  u.  Resch  Laqisch  (um  250)  angesichts  der  Leiche 
eines  Armen:  Wir  wollen  uns  mit  ihm  in  seinem  Tode  befassen  --^^^-r:z  --2.  itK-:. 


488  Matth8,21 

b.  MQ  27b:  Rab  J^lmda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Wenn  ei» 
Toter  in  einer  Stadt  ist,  so  ist  es  allen  Einwohnern  der  Stadt  verboten,  Arbeit  zu  ver- 
richten (weil  alle  an  den  Vorbereitungen  zur  Bestattung  u.  an  dieser  selbst  teilzunehmen 
haben).  Als  Rab  Hamnuna  (um  '^90)  nach  Daroma  kam,  hörte  er  durch  PosHunen- 
schall  verkündigen,  dafä  eine  Leiche  da  sei.  Er  sah,  wie  die  Leute  dort  ihre  Arbeit 
verrichteten.  Er  sagte  zu  ihnen:  Diese  Leute  sollten  in  den  Bann  getan  werden;  ist 
denn  nicht  eine  Leiche  im  Ort?  Man  antwortete:  Eine  Genossenschaft  ist  am  Ort. 
Er  sprach  zu  ihnen:  Wenn  dem  so  ist,  so  ist  es  euch  erlaubt,  t Der  aus  Freiwilligen 
bestehende  Verein  zur  Bestattung  der  Toten  vertritt  u.  befreit  seine  Mitglieder  von 
ihren  Verpflichtungen  dem  Toten  gegenüber.) 

c.  M  kh  Ex  18,20  (ß7b):  R.  Ehazar  aus  Modisim  (f  um  135)  hat  gesagt:  „Du 
sollst  ihnen  kundtun"  (Ex  18,  20),  d.  h.  tu  ihnen  die  Stätte  des  Lebens  kund  (nach 
Raschi  zu  BQ  9yt»  =  Torastudium);  „den  Weg":  das  Besuchen  der  Kranken;  „sie 
sollen  gehn":  das  Begraben  der  Toten  --r^  r-iz-.;  „auf  ihm":  die  Liebeswerke;  „u. 
die  Tat" :  die  Innehaltung  der  Linie  des  strengen  Rechts  (das  Richten  nach  dem  Ge- 
setzesbuchstaben); „die  sie  tun  sollen":  das  Richten  nach  innen  zu  von  der  Linie  des 
Rechts  (Nachgiebigkeit,  Nachsicht,  die  nicht  auf  dem  Buchstaben  des  Rechts  besteht).  — 
Dasselbe  als  tannaitische  Tradition  im  Munde  des  Rab  Joseph  (f  3:^3)  BQ  99  b.  ]j 
Sukka  49b:  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Was  bedeutet:  „Angesagt  hat  er  dir  usw.' 
Micha  6,  8?  „Recht  üben",  damit  ist  der  Rechtsspruch  gemeint;  „Liebe  üben":  di& 
-Liebeswerke,  „u.  still  wandeln  mit  deinem  Gott":  das  Hinausgeleiten  des  Toten  rs::"!- 
r!:n  u.  das  Einführen  der  Braut  in  das  Hochzeitsgemach. 

d.  SNu  6,  6  §  26  (9=*):  Was  will  die  Schrift  sagen:  „An  seinem  Vater  u.  an  seiner 
Mutter  .  .  soll  sich  der  Nasiräer  bei  ihrem  Tode  nicht  verunreinigen"  NuH,7?  An 
seinem  V.  u.  an  seiner  M.  soll  er  sich  nicht  verunreinigen,  wohl  aber  soll  er  sich  an 
einem  Pflichttoten  verunreinigen.  .  .  .  |1  Nazir  47  b:  An  seinem  Vater  darf  sich  der  Hohe- 
priester nicht  verunreinigen  (s.  Lv  21,  1 1),  wohl  aber  darf  er  es  an  einem  Pflichttoten.  |] 
SNu  6,6  §26  (9'):  Wenn  er  ein  gewöhnlicher  Priester  ist,  so  darf  er  sich  an  seiner 
(verheirateten)  Schwester  nicht  verunreinigen  (vgl.  Lv  21,  3).  wohl  aber  darf  er  sich 
an  einem  Pflichttoten  verunreinigen. 

e.  B'^rakh  3,  1 :  Wer  seinen  Toten  vor  sich  liegen  hat,  ist  frei  von  der  Sch'^nia?- 
Rezitation,  vom  (Achtzehn-)Gebet  u.  von  den  Gebetsriemen  (u.  von  allen  Pflichtgeboten, 
die  in  der  Tora  genannt  sind,  B^'rakh  IS'^).  Die  Träger  der  Bahre,  ihre  Ablösungs- 
mannschaften . . .  sind  frei  von  der  Sch'^maf -Rezitation  u.  vom  Gebet.  |l  B  rakh  14b  [Jar: 
Wer  für  einen  Toten  die  Grube  gräbt,  ist  im  Grabe  frei  vom  Rezitieren  des  Seh  maf 
u.  vom  Gebet  u.  von  den  Gebetsriemen  u.  von  allen  Geboten,  die  in  der  Tora  genannt 
sind.  II  M'^g  3'':  Wenn  es  sich  um  das  Torastudium  u.  um  einen  Pflichttoten  handelt,. 
so  geht  der  Pfl.  vor,  weil  es  in  einer  Bar  heißt:  Man  hört  mit  dem  Torastudium  auf, 
um  einen  Verstorbenen  hinaus  u.  eine  Braut  hineinzugeleiten  (in  das  Hochzeitsgemach). 
Wenn  es  sich  um  eine  gottesdienstliche  Handlung  (wie  Schlachten  des  Opfertieres, 
Beschneidung  usw.)  u.  um  einen  Pflichttoten  handelt,  so  geht  der  Pfl.  vor.  —  Ferner 
s.  Aboth  RN  4;  pChag  1,76^40;  K'th  17»  im  Exkurs  über  Liebeswerke  4,  IX,  B; 
M'^g  3b,  12  das.  4,  IX,  A  (ein  Pflichttoter  geht  der  Verlesung  der  Estherrolle  vor). 

/.  SLv  21,  3  (377a):  „An  ihr  darf  er  sich  verunreinigen"  (Lv21,3),  das  ist  ein 
Pflichtgebot;  will  er  sich  nicht  verunreinigen,  so  verunreinigt  man  ihn  wider  seinen 
Willen  (zwangsweise).  Es  geschah,  daß  die  Gattin  Josephs,  des  Priesters  (noch  zur 
Zeit  des  Tempelbestandes)  am  Rüsttag  auf  ein  Passahfest  starb,  u.  er  wollte  sich  nicht 
verunreinigen.  Da  drängten  ihn  die  Gelehrten  u.  verunreinigten  ihn  wider  seinen 
Willen.  —  Dasselbe  Z'^^^b  100  a. 

g.  Belege  s.  im  Exkurs  Liebeswerke  Nr.  3,  o  u.  b:  Nr.  4,  IX  Anf. 

h.  Pea  1,1:  Dies  sind  die  Dinge,  deren  Zinsen  der  Mensch  in  dieser  Welt  genießt, 
während  das  Kapital  (der  Hmiptlohn)  ihm  für  die  zukünftige  Welt  anstehen  bleibt: 
Ehrfurcht  vor  den  Eltern,  Liebeswerke,  Friedenstiften  zwischen  den  Menschen  u. 
Torastudium  vor  allen. 


Matth  8,  21.  22.  26  489 

i.  pP*^s  3,  30'',  42:  R.  Abbahu  (um  300)  schickte  seinen  Sohn  R.  Chanina  nach  Tibe- 
lias,  damit  er  sich  im  Gesetzesstndium  vervollkommne.  Man  kam  u.  meldete  dem 
Vater:  Er  beschäftigt  sich  mit  Liebeserweisen  (speziell  mit  der  Bestattung  von  Toten, 
weil  er  dies  für  verdienstlicher  hielt).  Der  Vater  Heia  ihm  sagen:  Gibt  es  etwa  in 
Cäsarea  (Wohnsitz  des  R.  Abbahu)  keine  Gräber,  daß  ich  dich  (deshalb)  nach  Tiberiaa 
geschickt  hätte?  —  Dasselbe  pChag  l,76'-,  42.  '  Zu  B^r  3,  1:  ,Die  Träger  der  Bahre 
u.  ihre  Ablösungsmannschaften  u.  deren  Ablösurgsmannschaften  sind  frei  von  der 
Seh' maf -Rezitation"  usw.  bemerkt  Bertinoro:  Denn  alle  wollen  durch  das  Gebot  (der 
Totenbestattung)  Verdienst  erwerben  (vor  Gott).  Ij  GnR  58  (37a):  ^Wer  der  Wohltätig- 
keit u.  der  Liebe  nachjagt,  wird  Leben,  Erbarmen  u.  Ehre  ünden"  (Spr.  21,21,  so  der 
Midr).  ,Wer  der  Liebe  nachjagt";  Abraham  hat  an  Sara  ein  Liebeswerk  getan  (gemeint 
ist  ihr  Begräbnis  u.  die  Trauer  um  sie  Gn  23,  2.  19).  „Der  wird  Leben  ünden",  s.  Gn 
25,  7:  Die  Lebensjahre  Abrahams  waren  175  Jahre.  , Erbarmen  u.  Ehre":  R.  Sch^muel 
b.  Ji9chaq  (um  3U0)  hat  gesagt:*  Gott  sprach  zu  Abraham:  Ich  bin  meinem  Handwerk 
nach  ein  Vollbringer  von  Liebeswerken;  du  hast  mein  Handwerk  ergriffen,  komm  u. 
kleide  dicli  in  mein  Gewand,  s.  Gn24,  1:  Abraham  war  alt,  hochbetagt.  (Nach  den 
weiteren  Ausführungen  ist  das  Gewand  das  Diadem  des  Greisenhaares,  s.  Spr  16,31  in 
Verbindung  mit  Dn7,9.)  1|  B-^rakh  18":  Rachba  (um  300)  hat  gesagt,  Rab  J^huda  (f  299) 
habe  gesagt:  Wer  einen  Toten  (Leichenzug)  sieht  u.  ihm  nicht  das  Geleit  gibt,  der  übertritt 
Spr  17,  5:  „Wer  den  Armen  verachtet,  beschimpft  dessen  Schöpfer."  Wenn  er  ihm  aber 
das  Geleit  gibt,  was  ist  sein  Lohn?  R.  Asi  (um  300)  hat  gesagt:  Über  ihn  sagt  die  Schrift: 
„Jahven  leiht  (-■-";  kann  auch  „begleiten"  heißen),  wer  an  dem  Geringen  Erbarmen  übt" 
Spr  19,  17;  ferner:  „Es  ehrt  ihn  (Gott),  wenn  er  an  dem  Armen  Erbarmen  übt"  Spr  14,  31. 

8,22:  Laß  die  Toten  ihre  Toten  begraben. 
atfsq  Tovg  vsxQOvg  ^äxpai   rovg  iavrah'  vsxqovq.  —  Das  erste  vsxQovg 
meint  geistlich  Tote,  das  zweite  leiblich  Tote.   Auch  das  Rabbin.  ge- 
braucht rp  im  übertragenen  Sinn  =  geistlich  tot. 

pB^rakh  2,4"^,  71:  (R.Chijja,  der  Ältere,  um  200,  hat  gesagt:)  „Die  Lebenden  wissen, 
daß  sie  sterben  werden"  Qoh  9,  5,  das  sind  die  Gerechten,  die  auch  im  Tode  Lebende 
heißen;  „u.  die  Toten  wissen  von  gar  nichts"  (das.),  das  sind  die  Gottlosen,  die  auch 
im  Leben  Tote  eti  heißen.  Woher,  daß  die  Gottlosen  auch  in  ihrem  Leben  Tote 
heißen?  s.  Ezl8,  23  (33,  11):  „Ich  habe  nicht  Gefallen  am  Tode  des  Toten"  (so  wird 
zitiert).  Wie,  stirbt  denn  ein  Toter?  Vielmehr  sind  damit  die  Gottlosen  gemeint,  die 
auch  in  ihrem  Leben  „Tote"  c-r-  heißen.  —  Parallelstellen:  B'rakh  IS'*"- b  (hier  als 
Beweisstellen:  Ez  21,  30  u.  Dt  17, 6);  Midr  Qoh  9, 5  (41^\  H  GnR  39  (23-^):  R.  Ji^chaq  (um 
300)  hat  gesagt:  .  .  .  Die  Gottlosen  werden  Tote  ^-r^i  in  ihrem-  Leben  genannt.  — 
Weiteres  s.  bei  1  Tim  5,  6 ;  ferner  s.  zu  Lk  9,  60. 

F.  Perles,  Zeitschrift  f.  neutest.  Wissensch.,  1919/20,  S.  96,  will  die 
Worte  a(fsq  Tovc  rsxoovg  ^di^iai  rovg  eavvon'  vexQovg  aus  wörtlicher 
Rückübersetzung  ins  Aramäische:  'inbiT  nti^  "i2pn^  x'^n-'^b  pinc  er- 
klären. Der  griechische  Übersetzer  habe  "izp-^b  falsch  als  Inf.  Pe^al  ver- 
standen "2pr5  statt  als  Part.  Pa^el  "^rp-'-:  ,Laf3  die  Toten  ihrem  Toten- 
gräber.' Aber  das  zus. gesetzte  Subst.  „Totengräber"  stammt  erst  von 
Perles.  Und  löst  man  das  Part,  "irp-3  durch  einen  Relativsatz  auf,  so^ 
würde  der  aramäische  Text  deutsch  lauten:  „Überlaß  die  Toten  dem,  der 
ihre  (?)  Toten  begräbt."  So  wenig  Sinnvolles  hat  Jesus  nicht  gesprochen. 

8,26:  Er  bedrohte  die  Winde  u.  das  Meer, 
u.  es  entstand  eine  große  Stille. 
BM  59b:  Rabban  Gamliel  (um  90)  hatte  sich  auf  ein  Schiff  begeben;  es  erhob  sich 
wider  ihn  ein  ungestümes  Meer,  um  ilm  zu  versenken.  Er  sprach:  Es  will  mir  scheinen, 


490  Matth  8,  26.  28  (%) 

daß  dies  nur  wegen  des  R.  Eli?ezer  b.  Hyrkanos  geschieht  (den  er  in  den  Bann  getart 
hatte).  Er  stellte  sich  auf  seine  Füße  u.  sprach:  Herr  der  Welt,  offenbar  u.  bekannt 
vor  dir  ist,  dafs  ich  es  nicht  zu  meiner  Ehre,  auch  nicht  zur  Ehre  des  Hauses  meines 
Vaters  getan  habe,  sondern  zu  deiner  Ehre,  damit  die  Parteiungen  in  Israel  sich  nicht 
mehren.  Da  beruhigte  sich  das  Meer  von  seinem  Toben.  ||  Bß  7:^'"':  Rabbah  (f  H30;  ob 
Rabbah  bar  bar  Ghana,  um  280,  gemeint  ist?)  hat  gesagt:  Die  Seefahrer  haben  mir 
erzählt:  Diese  Welle,  die  ein  Schiff  versenkt,  sieht  aus  wie  ein  weißer  Feuerstrahl  an 
der  Spitze,  u.  wir  schlagen  sie  mit  einer  Stange,  in  die  eingraviert  ist:  „Ich  werde 
sein,  der  ich  sein  werde,  Jah,  Jahve  ^'^baoth,  Amen,  Amen!  Sela",  dann  beruhigt  sie 
sich  r:":i.  II  Eine  weitere  hierher  gehörende  Erzählung  aus  pB'^rakhJI,  13^,22  s.  oben 
S.  4ö2rf.  II  Von  der  Gewalt  des  R.  Pin'  chas  b.  Jair  über  das  Wasser  eines  Stromes  wird 
folgendes  erzählt.  Chullin  7*:  R.  Pin^chas  b.  Jair  (um  200)  ging,  um  Gefangene  aus- 
zulösen. Er  traf  auf  den  Fluß  Ginai  (nach  dem  Zus.hang  der  Stelle  jedenfalls  in  Galiläa): 
er  sprach  zu  ihm:  Ginai,  teile  für  mich  deine  Wasser,  daß  ich  hindurchgehe!  Er  ant- 
wortete: Du  gehst,  um  den  Willen  deines  Schöpfers  zu  tun,  u.  ich  gehe,  um  den  Willen 
meines  Schöpfers  zu  tun;  von  dir  ist  zweifelhaft,  ob  du  ihn  ausführen  wirst  oder  nicht, 
ich  aber  führe  ihn  mit  Bestimmtheit  aus!  Jener  sprach:  Wenn  du  dich  nicht  teilst,  so 
verhänge  ich  über  dich  den  Beschluß,  daß  nie  mehr  Wasser  in  dich  hineinfließen.  Da 
teilte  er  sich  für  ihn.  Es'  war  aber  ein  Mann  dort,  der  Weizen  zum  Passahfest  trug. 
R.  Pin^chas  sprach  zu  dem  Fluß:  Teile  dich  auch  für  diesen,  weil  er  mit  einem  Pflicht- 
gebot beschäftigt  ist!  Er  teilte  sich  für  ihn.  Es  war  auch  ein  Tajite  (Araber)  dort, 
der  sich  jenen  beiden  zugesellt  hatte.  R.  Pin'^chas  sprach  zu  dem  Flußr  Teile  dich  auch 
für  diesen,  damit  er  nicht  sage:  Handelt  man  so  gegen  Reisegefährten?  Da  teilte  er 
sich  für  ihn.  Rab  Joseph  (f  33 >>)  hat  geskgt:  Wieviel  größer  ist  der  Mann  (R.  P.)  als 
Mose  u.  die  60  Myriaden  (für  die  Mose  das  Schilfineer  teilte);  denn  dort  (am  Schilf- 
nieer)  erfolgte  die  Teilung  Einmal  u.  hier  dreimal  (vgl.  übrigens  2  Kg  2,  8.  14). 

8,  28  5t:  Als  er  an  das  jenseitige  Ufer  in  das  Land  der  Gada- 
rener  kam,  eig  rr^r  fo^Qav  xmv  raSaQrjrwv.  —  Gadara  inr«,  zur  Dekapolis 
gehörig,  südöstlich  vom  See  Genezareth,  von  Josephus  Antiq.  17,  11,  4- 
u.  Bell,  Jud.  2,  6,  3  zu  den  hellenistischen  Städten  gerechnet,  also  ein  Ort 
mit  vorwiegend  nichtjüdischer  Bevölkerung,  s.  Schürer*  '2, 157  —161. 

TRH  2,  2  (21ü):  In  früherer  Zeit  pflegte  man  (um  den  Beginn  eines  neuen  Monats 
anzukündigen)  Signalfackeln  auf  den  Spitzen  der  höchsten  Berge  anzuzünden,  auf  dem 
Ölberg,  bei  Sartaba  (so  die  Mischna  RH  2,  4;  Tos  sz'srzz),  bei  s:-i— ;  (Mischna  s :-■:■-;), 
auf  dem  Tabor,  im  Hauran  u.  bei  Beth-Bilti  (nach  RH  23 ^  =  Biram).  R.  Schimfon 
b.  Elfazar  (um  190)  öagte:  Auch  auf  den  Bergen  von  Machärus  u.  Gader  (1.  "n:^  -ina 
-'-'i').  —  Der  Ausspruch  des  R.  Schimfon  b.  E.  als  Bar  in  RH  231^;  pRH  2,  58 ^  17,  hier 
die  Namensform  -i-;.  ||  fEr  •^2'>:  (Abaje,  t  338/39,  hat  gesagt:)  Die  Leiter  von  Tyrus 
schließt  es  (das  Land  Israel)  von  der  einen  Seite  u.  der  Abhang  von  Gader  von  der 
andren  Seite  ein.  il  Midr  Esth  1,  3  (i^5bj:  ^Die  Fürsten  der  Landschaften  waren  vor  ihm" 
Esth  1,3.  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Wie  im  Archiv  (Rathaus)  von  Gader,  wo 
der  König  beim  Gericht  oben  (an  erhöhter  Stelle)  sitzt,  während  alles  Volk  vor  ihm 
auf  ier  Erde  sitzt.  ||  Schwerlich  ist  unser  Gadara  gemeint  RH  22*  Bar:  R.  J^huda  (der 
Bäcker,  im  2.  Jahrh  )  sagte:  ^  Das  sei  ferne,  daß  R.  ?Aqiba  sie  zurückgehalten  hätte; 
.Schazpar,  das  Obeihaupt  von  Gader,  hatte  sie  zurückgehalten,  u.  Rabban  Gamiiel  sandte 
hin  u.  ließ  ihn  von  seiner  Größe  erniedrigen  (d.  h.  aus  seiner  hohen  Stellung  entfernen). 
In  andrer  Fassung  pRH  1,  57  b,  59. 

^  Nämlich  mit  Bezug  auf  die  mischnische  Tradition  RH  1,6:  Einmal  zogen  mehr 
als  40  Paare  (Neumondszeugen  auf  ihrer  Reise  nach  dem  Synedrialsitz  in  Jahne)  durch. 
u.  R.  eAqiba  (f  um  l^iö)  hielt  sie  in  Lud  (Lydda)  zurück.  Da  ließ  ihm  Rabban  Gamiiel 
(IL,  um  90)  sagen:  Wenn  du  die  Menge  zurückhältst,  wirst  du  erfunden  als  einer,  der 
sie  zur  Sünde  in  der  Zukunft  verleitet  (indem  sie  überhaupt  nicht  mehr  kommen  werden, 
das  Erscheinen  des  Neumondes  zu  bezeugen). 


Matth  8,  28  («t.  SB)  491 

Wegen  seiner  starken  Befestigung  (s.  Schürer  a.  a.  0.)  scheint  Gadara 
auch  den  Namen  Migdal-Gader(=  Turm,  FestungGader)  geführt  zu  haben. 

Tafan  20^^  Bar:  .  .  .  Einmal  kam  R.  Schimfon  b.  Ehazar  (um  19ü;  so  wird  mit  Bacher, 
Tann.  2,  423  zu  lesen  sein  statt  R.  Elfazar  b.  Schimfon)  von  Migdal-G'^dor  aus  dem  Hause 
seines  Lehrers;  er  ritt  auf  einem  Esel  u.  erging  sich  am  Ufer  des  Flusses.  (Die  ganze 
Stelle  s.  oben  S.  285  f.)  Der  hier  erwähnte  Fluß  würde  der  Scheriat  el-Mandur  =  Jarmuk 
gewesen  sein,  der  nördlich  an  Gadara  vorüberfloß.  Die  Parallelstellen  Aboth  RN41  u. 
Derekh  Ere?  3  haben  statt  Migdal-Gader  irrtümlich  Migdal-?Eder.  das  in  der  Nähe 
-Jerusalems  gelegen  hat.  Ferner  lesen  die  Parallelen  „Ufer  des  Meeres"  statt  ^üfer 
des  Flusses" ;  mit  dem  „Meer"  würde  der  See  Genezareth  gemeint  sein. 

Berühmt  war  Gadara  wegen  seiner  heifsen  Quellen,  die  sich  nament- 
lich nördlich  vom  Scheriat  el-Mandur  befanden.  Die  in  der  Nähe  dieser 
Quellen  entstandene  Ortschaft  hieß  nach  den  heifsen  Wassern  „Chamtha" 
nran  oder  Nnsn,  zur  Unterscheidung  von  andren  Orten  auch  „Chamtha 
von  Gader". 

Sanh  108^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Drei  von  den  heißen  Quellen,  die  sich 
bei  der  Sündflut  öffneten,  sind  übriggeblieben:  der  Schlund  von  Gader,  die  Thermen 
von  Tiberias  u.  die  große  Quelle  von  Biram  (wohl  =  Kallirrhoe  östlich  vom  Toten 
Meer,  s.  Neubauer  36  f.).  Andersartig  ist  die  Tradition  in  GnR  33  (20b).  |1  Schab  109* 
Bar:  Man  darf  (am  Sabbat)  baden  in  den  Wassern  von  Gader  (1.  --;  statt  i"»;),  von 
€hamthan  (Emmaus  in  JudäaV),  von  fAsja  (nach  Neubauer  38  wahrscheinlich  =  Essa. 
«stlich  vom  See  Genezareth)  u.  von  Tiberias.  ||  M"g  6a:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  „Cham- 
math"  (Jos  19,  36),  damit  sind  die  Thermen  von  Gader  gemeint;  „Raqqath"  (Jos  19,  3(5) 
Tiberias.  ||  TfErO.  13  (146):  Rabbi  hat  erlaubt,  daß  die  Leute  von  Gader  (am  Sabbat) 
nach  Chamtha  hinab-  u.  nach  Gader  hinaufgingen;  aber  die  Leute  von  Chamtha  durften 
(am  Sabbat)  nicht  nach  Gader  hinaufgehen.  —  Beide  Ortschaften  lagen  also  etwa  einen 
Sabbatweg  (=  2000.  Ellen)  voneinander  entfernt.  Über  die  Gründe  der  Entscheidung 
Rabbis  wird  debattiert  p?Er  5,  22 ^^  61 ;  fEr  61  a.  ||  pSchab  3,  5«',  25  u.  pT^rum  2,  41  <=,  46: 
R.  Sch'^muel  b.  Nathan  hat  im  Namen  de*s  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  gesagt:  Ich  u. 
mein  Vater  (d.  i.  R.  Chanina  b.  Chama,  um  225)  gingen  nach  Chamtha-Gader  hinauf  u. 
man  setzte  uns  Eier  vor,  die  so  klein  wie  Holzäpfel  waren,  deren  Geschmack  aber  so 
schön  wie  der  von  Pfirsichen  war.  ||  pQid  Ü,  64*^,  55:  R.  Jonathan  (um  220)  ging  mit  dem 
Patriarchen  R.  Juda  (IL,  um  250)  hinauf  nach  Chamtha  von  Gader  u.  sie  lehrten  dort 
usw.  II  p?AZ  2,42a,  10:  R.  Ammi  (um  300)  ging  mit  dem  Patriarchen  R.  Judan  (IL?,  HL?) 
hinauf  nach  Chamtha  von  Gader  u.  erklärte  die  von  ihnen  (den  NichtJuden)  eingerührte 
Teigmasse  für  erlaubt. 

8,28  25:  Begegneten  ihm  zwei  Besessene,  die  aus  den  (Fel- 
sen-)Gräbern  herauskamen,  sehr  schlimme,  dvo  öaiixovi^öiisvot, 
sx  Twv  ixvii(.isiu)v  e'^sQxofXivoi,  xaXsnol  Xiav. 

pT'-'rum  1,  40^,  23:  Die  Kennzeichen  eines  Wahnsinnigen  rtw-ai:  wenn  jemand  des 
Nachts  hinausläuft,  wenn  er  an  einer  Begräbnisstätte  übernachtet,  wenn  er  sein  Ge- 
wand zerreißt  u.  wenn  er  vernichtet,  was  man  ihm  gibt.  Rah  Huna  (f  297,  so  lies  mit 
€hag3b  statt  Rabbi  Huna)  hat  gesagt:  Und  zwar  müssen  alle  diese  Kennzeichen  an 
ihm  sein;  wenn  es  nicht  der  Fall  ist  (wenn  der  Betreffende  nur  das  eine  oder  andre 
Merkmal  an  sich  hat),  so  würde  ich  sagen:  Der  des  Nachts  hinausläuft,  ist  ein  Hund- 
mensch (mit  der  Tollwut  behaftet,  lies  c-i-—j":p,  xvydvHQMnog,  statt  ciri-:;-:;);  wer  an 
einer  Begräbnisstätte  übernachtet,  der  will  den  Dämonen  opfern  (die  an  unreinen  Orten 
hausen);  wer  sein  Gewand  zerreißt,  ist  gallsüchtig  (%ohx6g,  cip'^ir),  u.  wer  vernichtet, 
was  man  ihm  gibt,  ist  tollwütig  (lies  "■•■^:"  ,  xm'ixog,  statt  zi-'—^ip).  R.  Jochanan  if  279) 
hat  gesagt:  Auch  bei  einem  von  diesen  (Kennzeichen  hat  man  den  Betreffenden  für 
■wahnsinnig  zu  halten).  —  Dasselbe  pGit  7,  48^,  13.  —  Chag  ob  Bar:  Wer  ist  ein  Wahn- 


492  Matth  8,  28  (SB).  8,  29.  30 

sinniger?  Wer  allein  des  Nachts  hinausläuft,  wer  an  einer  Begräbnisstätte  übernachtet 
u.  wer  sein  Gewand  zerreißt.  Es  ist  gesagt  worden:  Rab  Huna  hat  gesagt:  (Der  Be- 
treffende gilt  nicht  eher  als  wahnsinnig,  als)  bis  dies  alles  sich  bei  ihm  zugleich  findet. 
R.  Jochanan  hat  gesagt:  Auch  bei  einem  von  diesen  (Merkmalen).  Auf  welche  Weise?' 
Wenn  er  jene  Dinge  (so)  vollführt,  wie  es  bei  (wirklichem)  Wahnsinn  zu  geschehen 
pflegt,  so  gilt  er  schon  bei  einem  von  ihnen  als  wahnsinnig;  wenn  er  sie  aber  nicht 
(so)  vollführt,  gilt  er  selbst  bei  allen  diesen  Merkmalen  nicht  als  wahnsinnig.  Mag  er 
immerhin  jene  Dinge  nach  Art  wirklichen  Wahnsinns  vollführen  u.  an  einer  Begräbnis- 
stätte übernachten,  so  könnte  man  doch  sagen,  er  tue  es,  damit  ein  Geist  der  Unreinheit 
(=  ein  unreiner  Geist)  auf  ihm  ruhe  (um  in  dessen  Kraft  Zauberei  zu  treiben),  u.  wenn 
er  allein  des  Nachts  hinausläuft,  so  könnte  man  sagen,  Tollwut  habe  ihn  erfaßt  n—tr-s^ 
u.  wenn  er  sein  Gewand  zerreißt,  so  könnte  man  sagen,  er  habe  es  in  Gedanken  getan, 
(d.h.  in  Zerstreutheit;  diesen  Sinn  dürfte  das  -i3xr;i  zyj,  wörtlich:  „Herr  der  Gedanken", 
hier  haben).  —  Vgl.  auch  Sanh  65 »^  Bar:  „VVer  die  Toten  befragt"  Dt  18,  11,  das  ist 
derjenige,  der  sich  selbst  Hunger  auferlegt  u.  geht  u.  zwischen  den  Gräbern  übernachtet, 
damit  der  Geist  der  "Unreinheit  auf  ihm  ruhe.  Wenn  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  an  diese 
Stelle  kam,  pflegte  er  zu  weinen:  wenn  auf  dem,  der  sich  Hunger  auferlegt,  damit  der 
Geist  der  Unreinheit  auf  ihm  ruhe,  der  Geist  der  Unr.  (wirklich)  ruht,  um  wieviel  mehr 
müßte  der  Geist  der  Reinheit  (^  der  heilige  Geist)  auf  demjenigen  ruhen,  der  sich  selbst 
Hunger  auferlegt,  damit  der  Geist  der  Reinheit  auf  ihm  ruhe!  Aber  was  soll  ich  tun? 
unsre  Sünden  haben  es  uns  zugezogen,  s. :  „Eure  Verschuldungen  sind  es,  die  da  scheiden 
zwischen  euch  u.  euerm  Gott"  Jes  59,  2.  (Raschi  zu  den  Worten  „daß  der  Geist  der 
Unr.  auf  ihm  wohne" :  Der  Dämon  der  Begräbnisstätte  soll  sein  Freund  werden,  der 
ihm  bei  seinen  Zaubereien  beisteht.)  Vgl.  auch  den  Exkurs  über  altjüdische  Dämonologie 
Nr.  4, «.  II  Nidda  17=^:  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  hat  gesagt:  Fünf  Dinge  gibt  es,. 
wer  sie  tut,  verschuldet  sich  an  seiner  Seele  (Leben)  u.  sein  Blut  ist  auf  seinem  Haupte 
(er  ist  verantwortlich  dafür):  wer  abgeschälten  Knoblauch,  eine  abgeschälte  Zwiebel 
oder  ein  abgeschältes  Ei  ißt  (die  über  Nacht  ohne  Schale  dagelegen  haben),  wer  ver- 
mischte Getränke  trinkt,  über  die  eine  Nacht  hingegangen  ist  (ohrre  daß  sie  zugedeckt 
waren),  wer  an  einer  Begräbnisstelle  übernacjitet,  wer  seine  Nägel  abschneidet  u.  sie 
in  einen  öfi'entlichen  Bezirk  wirft,  u.  wer  sich  zur  Ader  läßt  u.  (hinterher)  sein  Lager 
bedient  (den  Beischlaf  vollzieht).  .  .  .  Wer  an  einer  Begräbnisstelle  übernachtet,  damit 
ein  Geist  der  Unreinheit  auf  ihm  wohne;  denn  zu  Zeiten  bringen  sie  (die  unreinen 
Geister)  ihn  in  Gefahr. 

8,  29:  Was  haben  wir  u.  du  (=  welcher  Grund  liegt  vor),  Sohn 
Gottes,  daß  du  hierher  kamst  vor  der  Zeit  uns  zu  peinigen? 
Tt  T^fiiv  xal  aof;  hierzu  s.  bei  Joh  2, 4.  ||  „Sohn  Gottes"  als  Messias- 
bezeichnung s.  bei  Rom  1,3.  ||  ttqo  xaiQuv  ßaaavfacci  i]f-iäq;  zu  der  Er- 
wartung, daß  die  Macht  der  Dämonen  in  der  messian.  Zeit  werde  ge- 
brochen werden,  s.  den  Exkurs  über  altjüd.  Dämonologie  Nr,  6,  l. 

8,30:  Es  weidete  fern  von  ihnen  eine  Herde 
zahlreicher  Schweine. 
ayiXri  lOiQo^v  noXXwv  ßoaxof^uvvj.  —  Schweinezucht  war  nach  der 
Mischna  den  Juden  verboten,  a  Man  wird  deshalb  die  Besitzer  dieser 
Schweineherde  wohl  unter  den  nichtjüdischen  Bewohnern  von  Gadara 
zu  suchen  haben.  Eine  Bar  hat  das  Verbot  der  Schweinezucht  mit 
einem  Vorfall  während  des  Bruderkrieges  zwischen  Hyrkanus  u.  Ari- 
stobul  II.  in  Verbindung  gebracht,  b  Danach  würde  das  Verbot  aus  dem 
Jahre  65  v.Chr.  stammen;  s.  Schürer''  1,294.  Die  älteste  Autorität,  die 


Matth  S,  30.  32.  9,  1  493 

-das  Verbot  mit  ihrem  Namen  deckt,  ist,  soweit  wir  sehen,  R.  J^huda 
b.  El?ai,  um  150.c  —  Einige  charakteristische  Aussprüche  über  das 
Schwein  sind  bereits  zu  Mt  7,  6  gebracht  worden;  wir  fügen  hier  noch 
mehrere  andere  hinzu,  d 

a.  BQ7,  7:  Man  darf  im  Lande  Israel  kein  Kleinvieh  aufziehen  (weil  die  Hirten 
die  Tiere  auf  fremden  Grundstücken  weiden  lassen  u.  daher  als  des  Diebstahls  schuldig 
gelten),  wohl  aber  darf  man  solches  in  Syrien  u.  in  den  Steppen  des  Landes  Israel 
aufziehn.  .  .  .  Man  darf  an  keinem  Orte  Schweine  aufziehn.  .  .  . 

b.  BQ  82''  Bar:  Als  die  Hasmonäer  sich  untereinander  befeindeten,  befand  sich 
Hyrkanus  innerhalb  Jerusalems  u.  Aristobul  (6  * — 63  v.  Chr.)  außerhalb.  (Die  beiden 
Namen  sind  nach  den  Parallelherichten  u.  dem  geschichtlichen  Verlauf  des  Kampfes 
umzustellen:  Hyrkan  war  der  Belagerer  Jerusalems.)  Täglich  ließen  sie  ihnen  in  einem 
Korbe  Denare  (von  der  Mauer)  hinab  u.  sie  (die  Belagerer)  ließen  ihnen  dafür  die 
Lämmer  zu  den  Tamidopfern  hinauf.  Ein  Alter  war  dort,  der  sich  auf  griechische 
Weisheit  verstand;  der  sprach  zu  ihnen:  Solange  sie  (die  Belagerten)  sich  mit  dem 
Opferdienst  befassen,  weiden  sie  nicht  in  eure  Hand  gegeben  werden.  Am  nächsten 
Tage  ließen  sie  ihnen  die  Denare  in  dem  Korb  hinab  u.  sie  ließen  ihnen  ein  Schwein 
hinauf.  Als  dieses  bis  zur  halben  Hölie  der  Mauer  gekommen  war,  steckte  es  seine 
Klauen  in  die  Mauer,  so  daß  das  Land  Israel  in  einem  Umfang  von  4U0  Quadrat- 
parasangen  erschüttert  wurde.  In  jener  Stunde  hat  man  gesagt:  Verflucht  der  iMann, 
der  Schweine  züchtet,  u.  verflucht  der  Mensch,  der  seinen  Sohn  griechische  Weisheit 
lehrt!  —  Dasselbe  M''n  64 '^  u.  Sota  49'';  s.  auch  Josephus.  Antiq.  '4,  2,  2.  —  pB^rakh  4, 
7'',  22  u.  pTa?an  4,  ö'^",  26  verlegt  R.  Levi  (um  oUU)  diesen  Vorfall  in  die  Zeit  der  Be- 
lagerung Jerusalems  durch  die  Römer. 

C.  N«'d49'':  Ein  Häretiker  sagte  zu  R.  J  huda  (b.  Elfai):  Dein  Gesicht  gleicht  (an 
Röte)  entweder  dem  eines  Wucherers  oder  dem  eines  Schweinezüchters.  Er  antwortete 
ihm:  Den  Juden  ist  beides  verboten.  —  Parallelen  mit  vielen  Abweichungen:  P'siq37''; 
TanchB  r-r.  §  19  (.^8^');  Midr  Qoh  x,  I  (39");  in  diesen  Stellen  begründet  R.  J'huda  seine 
Antwort  mit  Berufung  auf  den  Mischnasatz  BQ  7,  7,  daß  es  dem  Israeliten  verboten  sei, 
Schweine  zu  züchten.  Vgl.  auch  pSchab  S,  1 1 ",  H4;  pP'^s  lo,  37*^,  3U;  pSch'^q  :',  47'-',  2. 

d.  Ta?an2I'':  Man  sagte  zu  Rab  .I'^huda  if  299):  Unter  den  Schweinen  ist  eine 
Seuche  ausgebrochen.  Er  ordnete  ein  Fasten  an.  Meinte  Rab  J'^'huda  etwa,  daß  eine 
Plage,  die  unter  einer  Art  Vieh  zum  Ausbruch  gekommen  ist,  auch  unter  allen  (übiigen) 
Arten  zum  Ausbruch  kommen  könnte  lu.  hat  er  zur  Abwendung  dieser  Gefahr  das 
Fasten  verordnet)?  Nein;  es  verhält  sich  aber  bei  den  Schweinen  anders;  denn  deren 
Eingeweide  haben  Ähnlichkeit  mit  denen  des  .Menschen  (so  daß  die  Übertragung  der 
Schweinepest  auf  Menschen  zu  befurchten  ist).  ||  pB'^rakh  "2,  4'',  51 :  Mar  fUqba  (wohl 
der  IL,  um  270)  hat  gesagt:  Das  Schwein  ist  ein  sich  bewegender  Abort  (deshalb  darf 
man  in  seiner  Nähe  nicht  beten). 

8,32:  Sie  kamen  heraus  u.  fuhren  in  die  Schweine;  u.  siehe, 
die  ganze  Herde  .  .  .  stürzte  sich  in  das  Meer. 

€^tX&ovT€g.  —  In  der  Erzählung  von  Ben  Telamjons  Austreibung  aus 
der  Kaisertochter  in  Rom  M*^^?il  51''.  (s.  Exkurs  zur  altjüd.  Dämonologie 
Nr.  7Ji)  als  entsprechendes  Verbum  ps:  =  „er  kam  heraus". 

ilg  Tovg  xoiQovq  .  .  .  dg  rrv  ^dlaaaav.  —  Dämonen  weilen  gern  an  un- 
reinen Orten  u.  an  Wasserstätten,  s.  den  eben  genannten  Exk.  Nr,  4,  e  u.  /". 

9,  1:  Er  kam  in  seine  (eigene)  Stadt. 
€ig  zrjv  ISiocr  noXiv,  d.  h.  in  die  Stadt,  deren  Bürger  er  war.  —  Das 
städtische  Vollbürgerrecht  wurde  erworben  durch  einen  Aufenthalt  von 


494  Matth  9,  1.2(31) 

12  Monaten  in  einer  Stadt.  Die  Stadt  wird  dadurch  für  den  Betreffenden 
zu  „seiner"  Stadt  'n--J,  er  selbst  gehört  zu  den  -i-^yn  i:n  oder  i^yn  iir:N,  den 
eigehthchen  städtischen  Bürgern.  Diejenigen,  die  noch  nicht  12  Monate 
in  einer  Stadt  weilen,  bilden  die  Klasse  der  T^yn  ^Tor,  der  städtischen 
Einw^ohner.  Sie  gelten  als  städtische  Halbbürger,  die  weder  die  vollen 
Bürgerrechte  genießen  noch  auch  die  vollen  Kommunallasten  zu  tragen 
haben;  zu  letzteren  w^ird  ein  Halbbürger  nur  dann  in  vollem  Maße  wie 
ein  Vollbürger  herangezogen,  wenn  er  Grundbesitz  erworben  hat.  Eine 
dritte  Kategorie  bildeten  die  vorübergehend,  d.  h.  weniger  als  30  Tage 
in  einer  Stadt  Anwesenden;  falls  sie  in  dieser  Zeit  nicht  Grundbesitzer 
wurden,  waren  sie  von  allen  ordentlichen  Lasten  frei.  Vgl.  Weinberg. 
Die  Organisation  der  jüdischen  Ortsgemeinden  in  der  talmudischen  Zeit, 
Monatsschrift  für  Gesch.  u.  Wiss.  des  Judentums,  1897,  S.  639  ff. 

BB  1,  5:  Wie  lange  muß  man  in  einer  Stadt  sein,  um  den 'Bürgern  der  Stadt  gleich 
zusein,  --yr;  -3;:sr'?  Zwölf  Monate.  Hat  man  aber  darin  ein  Wohnhaus  gekauft,  so  ist 
man  sofort  den  Bürgern  der  Stadt  gleich.  ||  TN<^d  '2,  10  (278) :  Wenn  einer  gelobt,  keinen 
Nutzen  von  den  Bürgern  „seiner"  Stadt,  t—y  '^z,  haben  zu  wollen,  u.  es  kommt  ein 
andrer  u.  wohnt  dort  :^0  Tage,  so  darf  er  von  diesem  Nutzen  haben  idenn  dieser  gehört 
zu  den  -t-yr:  -:c"-).  Wenn  er  aber  dem  Nutzen  von  den  Einwohnern  „seiner"  Stadt 
1—5  «2r-"  durch  Gelübde  entsagt  hat,  u.  es  kommt  ein  andrer  u.  wohnt  dort  30  Tage, 
so  ist  ihm  ein  Nutzen  von  diesem  verboten.  -  Dasselbe  pN'^d  5,  39^,  12;  als  Bar  BB  8*^ 
in  folgender  Fassung:  Wenn  einer  dem  Nutzen  von  den  Bürgern  der  Stadt  — 'sn  -tojs 
durch  Gelübde  entsagt,  so  ist  ihm  jeder  verboten,  der  dort  12  Monate  weilt,  von  ihm 
.  Nutzen  zu  haben ;  wer  kürzere  Zeit  dort  wohnt,  ist  ihm  erlaubt.  Wer  aber  dem  Nutzen 
von  den  Einwohnern  der  Stadt  ^"yn  "ax-v  entsagt,  dem  ist  jeder  verboten,  der  dort 
30  Tage  weilt,  um  von  ihm  Nutzen  zu  haben;  wohnt  er  aber  kürzere  Zeit  dort,  so  ist 
er  ihm  erlaubt.  |1  TPea4,  9  (23):  Wenn  jemand  30  Tage  in  einer  Stadt  -wohnt,  so  gilt  er 
in  bezug  auf  die  Beisteuer  zur  Armenkasse  r.t^p  gleich  den  Bürgern  jener  Stadt  "":s: 
i-yrt  rtr-s  (d.  h.  er  hat  ebensoviel  zu  zahlen,  wie  jene);  in  bezug  auf  die  Beisteuer  zur 
Armenbekleidungskasse  (wird  er  den  Vollbürgern  gleich)  nach  sechs  Monaten,  u.  in 
bezug  auf  die  Beisteuer  zu  den  Palisaden  (zur  Befestigung)  der  Stadt  nach  zwölf 
Monaten.  Ähnlich  pPea  8,  21  ^  37  u.  pBB  1,  12'^,  47.  —  Vollständiger  BB  8»  Bar:  Nach 
30  Tagen  hat  man  beizusteuern  zur  Ortsarmenkasse  (1.  -t^.-  statt  'in-sr),  nach  drei  Monaten 
zur  Unterstützungskasse  für  durchreisende  Arme  (1.  ■irrsr  =  Schüssel  statt  ~i"),  nach 
sechs  Monaten  zur  Bekleidungskasse,  nach  neun  Monaten  zur  Begräbniskasse  (für  Arme)» 
nach  zwölf  Monaten  zu  den  Palisaden  der  Stadt.  üJBelege  zu  dem  Ausdruck  „seine" 
Stadt.  3  Esra  5,  8:  Sie  kehrten  nach  Jerusalem  u.  dem  übrigen  Judäa  zurück  ein  jeder 
in  seine  Stadt  sig  ti]p  iöinv  nöXiv.  |j  Midr  Qoh  Anfang:  R.  Chanina  b.  Dosa  (um  70)  sah, 
wie  die  Bürger  seiner  Stadt  ■■^•y  -:=  Gelübde-  u.  freiwillige  Opfer  nach  Jerusalem  hinauf- 
brachten. Er  sprach:  Alle  bringen  Gelübde-  u.  freiwillige  Opfer  nach  Jer.  hinauf,  u. 
ich  bringe  nichts  hinauf  (infolge  meiner  Armut).  Was  tat  er?  Er  ging  hinaus  auf  das 
Triftland  seiner  Stadt  i— y  '•>•::  r-i^--:"^.  .  .  .  Ii  GnR  9  (7^):  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um 
260)  hat  erzählt:  Ich  ritt  auf  der  Schulter  meines  Großvaters,  der  aus  seiner  Stadt 
■)-^-yi  nach  K^phar-Chanan  hinaufging.  .  .  .  |1  NuR  18  (12.5'*):  R.  Jannai  (um  225)  saß  u. 
trug  am  Tore  seiner  Stadt  "i^-y  Schriftdeutungen  vor.  .  .  . 

9,2  51:  Sei  getrost,  Kind,  Tt'xrov.  Die  entsprechende  hebr.  Anrede 
ist^:?,  mein  Kind,  mein  Sohn.  Als  Beispiel  s.  Schab  30 ''bei  Mt  5,5  S.  198/:/; 
Seder  ElijR  18  bei  Mt  9, 13  5t;  Abdth  RN  4  bei  Mt  9, 13  23;  Aboth  RN  4  bei 
Mt9,155(Anm./^;M^'g24''beiMt9,275t,Ende;TN'^g8.2(628)beiMtl0,l5(. 


Matth  9,  2  (SB)  495 

0,2!!B:  Deine  Sünden  sind  vergeben  (erlassen),  dcfferrai  aov 
at  ccfxaQxicci.  —  Im  Rabbin.  sind  die  gebräuchlichsten  Verba  für  „ver- 
geben"  n^c  (schon  im  AT),  bn^,  prc. 

Die  Sündenfreiheit  der  messian.  Heilsgemeinde  gilt  der  älteren  Zeit 
meist  als  etwas  Selbstverständliches.  Der  Messias  ist  an  der  Herbei- 
führung dieses  Zukunftsideals  nach  etlichen  Stellen  insofern  beteiligt, 
als  er  durch  das  Weltgericht  die  Gottlosen  aus  Israel  vernichtet,  die 
Macht  der  dämonischen  Gewalten  beseitigt  u.  sein  gerechtes  Volk  durch 
sein  Regiment  vor  Sünde  bewahrt;  s.  die  Belege  bei  Mt  1,  21  S.  67  ff.  — 
Auch  der  Gedanke  findet  sich,  daß  Israel  auf  Grund  der  Fürbitte  u. 
der  Leiden  des  Messias  Vergebung  der  Sünden  erlangen  werde,  s  Targ 
Jes  53,  4  ff.,  oben  S.  482;  ferner  bei  Lk  24,  26  I,  3  u.  4  Anm.  l—q.  — 
Dagegen  ist  uns  keine  Stelle  bekannt,  in  der  der  Messias  kraft  eigner 
Machtvollkommenheit  einem  Menschen  die  Vergebung  der  Sünden  zu- 
spricht. Die  Sündenvergebung  bleibt  überall  das  ausschließliche  Recht 
Gottes;  auch  P^siq  149^  (s.  gleich)  macht  keine  Ausnahme. 

Über  den  Zus.hang  von  Sünde  u.  Krankheit,  bezw.  von  Genesung 
u.  Sündenvergebung  orientieren  zwei  Aussprüche  prinzipieller  Art. 

Schab  hb'^:  R.  Ammi  (um  300)  hat  gesagt:  Es  gibt  keinen  Tod  ohne  Sünde  u.  keine 
Züchtigungen  (Leiden)  ohne  Schuld.  Es  gibt  keinen  Tod  ohne  Sünde,  s.:  „Die  Seele, 
die  da  sündigt,  die  soll  sterben;  ein  Sohn  soll  nicht  die  Schuld  des  Vaters  tragen,  noch 
der  Vater  die  Schuld  des  Sohnes  tragen;  die  Gerechtigkeit  des  Gerechten  wird  über  ihm 
sein  u.  die  Bosheit  des  Bösen  wird  über  ihm  sein"  Ez  18,  "20.  Es  gibt  keine  Züchtigungen 
ohne  Schuld,  s.:  „Ich  will  heimsuchen  mit  dem  Stecken  ihren  Frevel  u.  mit  Plagen 
ihre  Missetat"  Ps  89,  3B.  —  Man  wandte  ein:  Es  sprachen  die  Engel  des  Dienstes  vor 
Gott:  Herr  der  Welt,  warum  hast  du  den  Tod  über  den  ersten  Menschen  verhängt? 
Er  antwortete:  Ein  leichtes  Gebot  hatte  ich  ihm  geboten  u.  er  übertrat  es!  Sie  sprachen: 
Aber  haben  denn  nicht  Mose  u.  Ahron  die  ganze  Tora  gehalten  u.  sie  sind  gestorben? 
Er  antwortete:  Ein  Geschick  trifft  den  Gerechten  wie  den  Gottlosen  (Qoh  9,  2).  —  Wer 
(wie  R.  Ammi)  sagt,  stimmt  überein  mit  einem  Tannaiten.  Denn  in  einer  Bar  ist  gelehrt 
worden:  R.  Schim?on  b.  Elfazar  (um  190)  sagte:  Auch  Mose  u.  Ahron  sind  der  Sünde 
wegen  gestorben,  s.:  .Darum  dafs  ihr  nicht  an  mich  geglaubt  habt'  Nu  20,  12!  Siehe. 
wenn  ihr  an  mich  geglaubt  hättet,  so  wäre  eure  Zeit,  von  der  Welt  zu  scheiden,  noch 
nicht  gekommen.  —  Man  wandte  ein:  Vier  sind  infolge  des  Rates  der  Schlange  ge- 
storben (d.  h.  ohne  durch  eigene  Sünde  den  Tod  verschuldet  zu  haben):  nämlicl\ Ben- 
jamin der  Sohn  Jakobs,  fAmram  der  Vater  Moses,  Isai  der  Vater  Davids  u.  Kihab  der 
Sohn  Davids.  .  .  .  Daraus  entnehme  ich,  daß  es  einen  Tod  ohne  Sünde  u.  Züchtigungen 
ohne  Schuld  gibt.  Aber  der  Einwand  des  R.  Ammi  bleibt  (unwiderlegt)  bestehn.  — 
Parallelstellen  zu  Ammis  Ausspruch:  LvR37  (133^);  Midr  Qoh  5,  4  (25 a);  zu  dem  Wort 
des  R.  Schimfon  b.  Elfazar:  SNu  27,  14  §  137  (51b);  zu  der  Ausführung  über  die  vier 
durch  den  Rat  der  Schlange  Gestorbenen  BB  17  a.  ||  N^^d  41  a;  R.  Chijja  b.  Abba »  (um  2>^0) 
hat  gejagt,  R.  Alexandrai  (um  270)  habe  gesagt:  Der  Kranke  steht  von  seiner  Krankheit 
nicht  auf,  bis  man  (=  Gott)  ihm  alle  seine  Sünden  vergeben  hat,  s.:  „Der  dir  alle 
deine  Sünde  vergibt,  der  Heilung  schafft  all  deinen  Gebrechen"  Ps  103,  3  (also  erst 
Vergebung,  dann  Genesung).  |1  P'^siq  149":  Das  Gewand,  in  das  Gott  dereinst  den  Messias 
kleiden  wird,  wird  hell  u.  immer  heller  leuchten  von  einem  Ende  der  Welt  bis  zum 
andren,  s.:  „Gleich  einem  Bräutigam,  der  den  priesterlichen  Kopfputz  aufsetzt"  Jes  61,10, 
u.  Israel  wird  sich  seines  Lichtes  erfreuen.   Dann  wird  man  sagen :  Heil  der  Stunde, 

*  So  ist  zu  lesen;  R.  Chijja  ist  der  Tradent. 


496  Mattli  9,  2  (5öj.  9,  A  (21  1.2) 

da  der  Messias  geschaffen  (geboren)  ward;  Heil  dem  Leibe,  aus  dem  er  hervorging; 
Heil  dem  Geschlecht,  das  ihn  sieht  (r-s*.-'  i:-;  ='  -r-s  risi-^  i-s-y:;  "'"");  Heil  dem  Auge, 
<ias  gewürdigt  ward,  ihn  zu  schauen!  Denn  das  Offnen  seiner  Lippen  ist  Segen  u. 
Frieden,  sein  Sprechen  ist  Erquickung  des  Geistes  m-  rr,:;  Majestät  u.  Herrlichkeit 
ruht  auf  seinem  Gewand,  Sicherheit  u.  Glück  ist  in  seinem  Wort,  seine  Zunge  ist  Ver- 
gebung u.  Verzeihung  rrr-io-.  nh'r-.-c  nr-';,  sein  Gebet  ein  wohlgefälliger  Duft  u.  sein 
Flehen  Heiligkeit  u.  Reinheit.  Heil  Israel  über  das,  was  ihnen  aufbewahrt  ist:  ,Wie 
grofs  ist  dein  Gutes,  das  du  birgst  für  die,  so  dich  fürchten!"  Ps  31,  '20.  —  Parallelstelle 
P'^siqR  '-M  (164*).  —  Wenn  es  oben  heißt,  daß  des  Messias  Zunge  Vergebung  u.  Verzeihung 
sei,  so  hat  man  dabei  nicht  an  eigentliche  Sündenvergebung  zu  denken,  sondern  an 
sein  mildes  Urteilen,  das  bereit  ist,  Unrecht  überall  zuzudecken  u.  zu  vergessen. 

9,3  51:  Einige  der  Schriftgelehrten  sprachen  bei  sich.  — 
Über  yQaf.iiiaTsvq  s.  oben  S.  79.  Der  Gelehrtenstand  umfaßte  die  o-i-asn, 
die  c-'^rn  "'■!"''2bn  u.  die  ^in-i^bn. 

1.  Zu  den  Chakhamim,  den  Weisen,  gehörten  alle  diejenigen,  die 
durch  die  Ordination  hd^^p  öffentlich  als  „Gelehrte"  anerkannt  waren. 
Sie  durften  den  Ehrentitel  „Rabbi"  führen,  als  Richter  in  Strafprozessen 
fungieren, a  gegebenenfalls  auch  rechtsgültig  für  sich  allein  Zivilklagen 
entscheiden,  b  —  Über  die  Ordination  s.  bei  Apg6,  6;  über  den  Titel 
„Rabbi"  bei  Mt  23,  7. 

a.  Sanh  3^:  Geldprozesse  werden  durch  drei  Laienrichter  abgeurteilt.  Beraubungen 
aber  u.  Verwundungen  durch  drei  anerkannte  yn^'-o  (ordinierte)  Richter. 

b.  Sanh  41»  Bar:  Geldprozesse  werden  durch  drei  (Personen)  abgeurteilt,  u.  wenn  ein 
öffentlich  Anerkannter  (Ordinierter)  da  ist,  darf  er  auch  allein  entscheiden.  Rab  Nachman  (t 
32U)  hat  gesagt :  Ich  zß  entscheide  Geldprozesse  allein ;  ebenso  hat  R.  Chijja  (um  280)  gesagt. 

2.  Ein  Talmid-Chakham  (wörtlich:  Gelehrtenschüler)  war  ein  Ge- 
lehrter, der  die  Ordination  noch  nicht  empfangen  hatte,  obwohl  er  den 
traditionellen  Stoff  samt  der  halakhischen  Methode  so  weit  beherrschte, 
daß  er  die  religionsgesetzl.  Bestimmungen  auf  die  konkreten  Einzel- 
fälle, wie  sie  das  tagtägliche  Leben  gerade  zeitigte,  richtig  anzuwenden 
vermochte.  Die  Gesamtheit  dieser  Nichtordinierten  heißt  im  pT  oft 
xi;rnnn  :=  die  Genossen,  der  einzelne  -inn,  aram.  x'n?n,  zB  Hoschafja,  der 
Genosse  oder  Kollege  der  Gelehrten  i.-n-n  -iin-^nn.  Um  in  die  Reihe  der 
Talmide-Chakhamim  einzutreten,  sollte  der  Betreffende  vierzig  Jahre 
alt  sein.a  Wie  es  scheint,  hat  man  sie  gern  in  kleinere  Gemeinden 
entsandt,  damit  sie  diesen  mit  ihrem  Wissen  u.  Können  als  Leiter,  Be- 
rater, Prediger  u.dgl.  dienten. b  Auch  ein  solch  nichtordinierter  Ge- 
lehrter konnte  selbständig  zivilrechtliche  Entscheidungen  treffen,  falls 
die  Parteien  sich  im  voraus  bereit  erklärten,  seinem  Urteilsspruch  sich 
unterwerfen  zu  wollen,  c 

a.  Sota  22''  Bar:  Eine  Jungfrau,  die  eine  Betschwester  ist,  eine  Witwe,  die  umher- 
läuft (von  Haus  zu  Haus)  u.  ein  Kind,  dessen  Monate  nicht  voll  sind  (das  nicht  aus- 
getragen ist),  siehe,  die  richten  die  Welt  zugrunde.  .  .  .  Was  ist  ein  Kind,  dessen 
Monate  nicht  voll  sind?  Man  hat  es  so  gedeutet:  Es  ist  ein  Gelehrtenschüler  (Talmid- 
Chakham),  der  seine  Lehrer  verachtet  (wörtlich:  gegen  sie  ausschlägt).  R.  Abba  (um  290) 
hat  gesagt:  Es  ist  ein  Schüler,  Talmid,  der  noch  nicht  bis  zum  Lehren  (Entscheiden) 
gelangt  ist  u.  (gleichwohl)  lehrt  (Entscheidungen  trifft).  Denn  R.  Abbahu  (um  300)  hat 
gesagt,  Rab  Huna  (f  2y7)  habe  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Was  bedeutet:   ,Viel 


Matth  9,  3  {%  2)  497 

sind  der  Erschlagenen,  die  sie  hingestreckt  hat,  u.  verscMossen  alle  von  ihr  Getöteten" 
Spr7,2HV  (so  der  Midr).  „Viel  sind  der  Erschlagenen,  die  sie  hingestreckt  hat",  da- 
mit ist  ein  Geiehrtenschüler  gemeint,  der  noch  nicht  bis  zum  Lehren  (Entscheiden) 
gelangt  ist  u.  docli  lehrt;  ,u.  verschlossen  alle  von  ihr  Getöteten",  damit  ist  ein  G. 
gemeint,  der  bis  zum  Lehren  (Entscheiden)  gelangt  ist,  aber  nicht  lehrt  (sondern  seinen 
Mund  geschlossen  hält).  Und  bis  wie  lange  (darf  man  nicht  lehren  oder  entscheiden)? 
Bis  man  40  Jahre  alt  ist.  Aber  Raba  (f  '■^b2)  hat  doch  (früher)  gelehrt!  Ja,  aber  unter 
Gleichen    seine  Kollegen  waren  weder  älter,  noch  gelehrter  als  er). 

b.  Schab  114»;  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer  ist  ein  solcher  Gelehrten- 
schüler, daß  man  ihn  zum  Leiter  einer  Gemeinde  bestimmen  kann?  Derjenige,  den 
man  nach  etwas  Halakhischem  an  jeder  beliebigen  Stelle  (des  Talmuds)  fragt,  u.  er 
sagt  es,  selbst  aus  dem  Traktat  Kalla  (=  Braut,  junge  Frau,  einer  der  außerkanonischen 
Traktate  des  Talmuds,  der  über  eheliche  Verhältnisse  handelt  u.  in  den  Schulen  wohl 
selten  besprochen  wurde;  Einl.  7^^).  —  Auch  die  rituelle  Praxis  sollte  der  Talmid- 
Cliakham  nach  Chullin9'*  auszuüben  imstande  sein:  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt, 
Rab  (t247)  habe  gesagt:  Ein  Geiehrtenschüler  muß  dreierlei  lernen,  das  Schreiben, 
das  Schlachten  (Schächten)  u.  das  Beschneiden.  Rab  Chananja  b.  Sch'lamja  (um  260) 
hui  im  Namen  Rabs  t  247)  gesagt:  Auch  auf  den  Knoten  der  Gebetsriemen  u.  den 
Lobspruch  über  die  Brautpaare  u.  die  (^i^ith  (Schaufäden)  muß  er  sich  verstehen.  |] 
P"s  11':^^  Bar:  Siebenerlei  hat  R.  fAqiba  (f  um  135)  seinem  Sohne  R.  J^hoschuaf  be- 
folilen:  .  .  .  Wohne  nicht  in  einer  Stadt,  deren  Haupt  ein  Geiehrtenschüler  ist.'  .  .  . 
Raschi  begründet  diesen  Ausspruch  so:  denn  der  G.  wird  sich  mit  dem  Studium  be- 
schäftigen u.  nicht  mit  den  Angelegenheiten  der  Gemeinde.  Dagegen  ?Arukh  ("Cs):  den 
Gelehrtenschülern  gebricht  es  an  Amtsautorität  n-dij  r-s-s  zr.h  ys  n-isrr  •«T'str».  |1 
Andersartig  ist  der  Auspruch  Rabs  Schab  11»  —  Aus  pJ  b  12,  I3a,  12  können  wir  ent- 
nehmen, daß  die  Gemeinden,  denen  ein  Talmid  Chakham  als  Lehrer  u.  Leiter  über- 
wiesen werden  sollte,  diesen  zuvor  einer  Art  Probeaufstellung  unterwarfen.  Die  Stelle 
berichtet:  Die  Bewohner  von  Simonja  (in  Galiläa)  kamen  zu  Rabbi;  sie  sprachen  zu  ihm: 
Bitte,  gib  uns  einen  Mann  als  Prediger,  Richter,  Synagogenaufseher,  Bibellehrer  u. 
Mischnalebrer  u  der  uns  alle  uiisre  Anliegen  besorgt.  Er  gab  ihnen  den  Levi  bar  Sisi. 
Sie  machten  ihm  eine  große  Rednerbühne  u.  setzten  ihn  darauf.  Dann  fragten  sie  ihn: 
Womit  soll  eine  Frau,  die'  nur  einen  Armstumpf  hat  (bei  verweigerter  Leviratsehe), 
die  Zeremonie  des  Scliuhausziehens  vollziehen?  Er  konnte  ihnen  nicht  antworten  ii:"» 
(Aphv.  :i5).  Wenn  sie  Blut  speit?  (fragten  sie  weiter,  hat  sie  damit  der  Bestimmung 
Dt;*-!,  9  genügt?  Er  konnte  ihnen  nicht  antworten.  Da  sprachen  sie:  Vielleicht  ist 
er  kein  Kenner  der  Halakha.  wir  wollen  ihn  aus  der  Haggada  befragen.  Sie  fragten: 
Was  bedeutet;  ,Aber  ich  will  dir  verkünden,  was  aufgezeichnet  ist  in  einer  Schrift 
der  Wahrheit"  Dni(i,2i?  Wenn  , Wahrheit",  wozu  dann  noch  „aufgezeichnet"?  u. 
wenn  „aufgezeichnet",  wozu  dann  noch  „Wahrheit"?  (Eins  von  beiden  hätte  genügt.) 
Aber  er  konnte  ihnen  nicht  antworten.  Da  sprachen  sie  zu  Rabbi:  Ist  das  der  Er- 
wünschte, um  den  wir  dich  gebeten  hatten?  Er  antwortete:  Bei  eurem  Leben,  einen 
Mann,  der  mir  gleichkommt,  habe  ich  euch  gegeben!  (Hinterher  stellt  sich  dann  heraus, 
daß  Levi  b.  Sisi  vor  lauter  Hochmut  nicht  habe  antworten  können,  worauf  ihn  Rabbi 
an  Spr  30, 32  erinnert!  —   Diese  Erzählung  auch  GnR81(5r'). 

C.  Sanh  5  ':  Mar  Zutra  b.  Nachnian  (um  3U0)  entschied  (als  einzelner)  in  einer  (zivil- 
rechtlichen)  Klagesache  u.  irrte  lin  seiner  Entscheidung).  Er  kam  vor  Rab  Joseph  (t333); 
der  sprach  zu  ihm:  Wenn  sie  die  Parteien)  dich  angenommen  haben  (als  Richter  mit 
der  Erklärung,  sich  deiner  Entscheidung  bedingungslos  unterwerfen  zu  wollen),  so 
brauchst  du  dem  Geschädigten)  keinen  Ersatz  zu  zahlen;  wenn  aber  nicht,  so  geh  u. 
zahle!  Daraus  entnehme  ich,  daß.  auch  wenn  der  Gelehrte  keine  Autorisation  erhalten 
hat,  sein  Urteilsspruch  doch  gültig  ist. 


^  So  die  bessere  Lesart  statt:  „deren  Häupter  Geiehrtenschüler  sind",  s.  Bacher, 
TannM,2ii9. 

Strack  u.Billerbeek.  NT  I.  32 


498  Matth  9,  3  (31  3.  SB).  9,  9. 10. 1 1 

3.  Ein  Schüler  ^^^■;^  endlich  war  derjenige,  der  sein  Studium  noch 
nicht  so  weit  absolviert  hatte,  daß  er  in  die  Reihe  der  Gelehrtenschüler 
eintreten  konnte. 

D,  3  S:  Dieser  lästert,  ßlaa(pri}.isi  =  r'^r..  Über  Gotteslästerungen 
s.  bei  Mt  25,  25. 

9,9:  Er  sah  einen  Menschen  an  der  Zollstätte  sitzen 
mit  Namen  Matthäus. 

t6  TfXwYiov  =  0?"?^  ni2.  —  In  einem  älteren  Gleichnis  heißt  es: 
Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  an  einer  Zollstätte  vorüber- 
ging; er  sprach  zu  seinen  Dienern:  Gebt  den  Zöllnern  den  Zoll;  s.  Sukka 
30=^  oben  S.  379  y.  —  Mad-d-alov  Xeyofx^vov,  s.  bei  Mt  10,  3. 

9,10:  Als  er  in  dem  Hause  zu  Tische  lag,  siehe, 
da  kamen  viele  Zöllner  u.  Sünder. 

avTov  dvaxsiüs'vov.  —  Über  Liegen  u.  Sitzen  beim  Essen  usw.  s.  den 
Exkurs:  Ein  altjüdisches  Gastmahl. 

TioXXol  TsXvövm.  —  Über  die  Zöllner  s.  bei  Mt  5,  46. 

(xf.iaQZ(oXoi  =  z-^ii-jr.  —  Als  notorische  Sünder,  die  deshalb  auch  als 
Richter  u.  Zeugen  untauglich  waren,  galten  nach  Sanh  3,  3:  Der  Würfel- 
spieler, der  auf  Zins  Leihende,  die,  welche  (im  Wettsport)  Tauben  fliegen 
lassen,  u.  die,  welche  mit  dem  Ertrag  des  Sabbatjahres  handeln.  —  Sanh 
25*^  Bar  fügt  hinzu:  Die  Räuber  u.  die  Gewalttätigen  ■prc'pnn'i  Tr^Tivi.  — 
Eine  andre  Bar  Sanh  25^^  nennt  noch:  Die  Viehhirten,  die  Steuererheber 
u.  die  Zöllner. 

Die  beiden  Synonyma  a-'m  u.  =ix-jn  Gn  13, 13  erklärt  Targ  Onk  so: 
„Die  Leute  von  Sodom  waren  böse  (-(ir-n  =  d^"-i)  mit  ihren  Gütern  u. 
sündig  (schuldbeladen  i^n-^n  =  c-^x-jn)  durch  ihre  Leiber. "  —  GnR  4 1  (25  *=) 
heißt  es  statt  dessen:  „Böse",  einer  gegen  den  andren;  „sündig",  durch 
Unzucht;  „gegen  Jahve",  durch  Götzendienst;  „gar  sehr",  durch  Blut- 
vergießen. —  Targ  Jerusch  I:  „Die  Leute  von  Sodom  waren  schlecht  mit 
ihren  Gütern  der  eine  gegen  den  andren  u.  sündig  mit  ihren  Leibern 
durch  Unzucht  u.  Vergießen  unschuldigen  Bluts,  u.  sie  trieben  Götzen- 
dienst u.  empörten  sich  gegen  den  Namen  Jahves  sehr. 

9, 11:  W^arum  ißt  euer  Lehrer  mit  den  Zöllnern  u.  Sündern? 

B^rakh43^  Bar:  Sechs  Dinge  gereichen  dem  Gelehrtenschüler  zur  Schande:  er  soll 
nicht  parfümiert  auf  die  Straße  hinaustreten,  er  soll  nicht  des  Nachts  allein  ausgehn.. 
er  soll  nicht  mit  geflickten  Schuhen  ausgehn,  er  soll  nicht  mit  einem  Weibe  auf  der 
Straße  reden,  er  soll  nicht  in  Gemeinschaft  mit  gesetzesunkundigen  Leuten  (?Am  ha- 
are<j,  s.  zu  Joh  7,49)  zu  Tische  liegen  3D^  5s  u.  er  soll  nicht  zuletzt  in  das  Lehrhaus 
eintreten.  Einige  fügen  noch  hinzu:  er  soll  nicht  große  Schritte  machen  u.  er  soll 
nicht  in  aufgerichteter  Haltung  einhergehn.  ...  Er  soll  nicht  in  Gemeinschaft  mit 
gesetzesunkundigen  Leuten  zu  Tische  liegen;  weshalb?  Er  könnte  sich  von  ihnen  an- 
gezogen fühlen  (u.  ihre  Sitten  annehmen).  ||  TD*^mai  3,  6f.  (49):  Ein  Chaber  (Mitglied 
des  Pharisäerbundes)  soll  nicht  dienen  (aufwarten)  bei  der  Hochzeitsfeier  oder  dem 
Gastmahl  eines  f  Am  ha-are<;,   es  sei  denn,  daß  alles  unter  seinen  Händen  ordnungs- 


Matth9,  11.13(31.  S3)  499 

mäßig  verzehntet  worden  ist,  wäre  es  auch  nur  ein  Heber  (Saugapparat)  zum  Weiu. 
Wenn  daher  ein  Chaber  bei  der  Hochzeitsfeier  oder  dem  Gastmahl  eines  fAm  ha-are^ 
zu  Tische  dient,  so  gilt  dies  als  Beweis  für  richtige  Verzehntung.  Wenn  ein  Chaber  bei 
der  Hochzeitsfeier  oder  dem  Gastmahl  -eines  ?Am  ha-ai'ec  zu  Tische  liegt  =c-:,  so  soll 
er,  auch  wenn  man  ihn  sieht,  seine  Hände  abspülen  u.  sofort  essen,  abspülen  u.  sofort 
trinken;  aber  dies  gilt  nicht  als  Beweis  für  richtige  Verzehntung,  er  könnte  ja  in  seinem 
Innern  verzehntet  haben  (indem  er  vor  dem  Essen  bei  sich  selbst  spricht:  Für  alles, 
was  ich  essen  werde,  will  ich  morgen  von  einer  andren  Stelle  her  den  Zehnten  ab- 
sondern). —  Dasselbe  mit  Abweichungen  als  Bar  pD^'mai  2, 22'^,  53.  |i  D'^mai2, 3:  Wer 
es  auf  sich  nimmt  ein  Chaber  zu  sein,  .  .  .  soll  bei  einem  ?Am  ha-arep  nicht  als  Gast 
sein,  noch  einen  solchen  in  seinem  Gewand  bei  sich  zu  Gaste  laden.  —  Anders  in  der 
Parallelstelle  TD«^mai  3,  2  (47).  —  SDt  1,  I  §  1  (U^):  R.  Schirafon  b.  Jochai  (um  150) 
sagte:  Gleich  einem,  der  Gelehrte  u.  Schüler  (als  Gäste  bei  sich)  aufnahm,  u.  alle 
priesen  ihn  glücklich.  Da  kamen  Heiden,  u.  er  nahm  sie  (gleichfalls)  auf;  u.  die  Leute 
sagten:  Es  ist  die  Gewohnheit  des  NN  jedermann  aufzunehmen.  So  sprach.  Mose  zu 
Israel:  (Ihr  habt)  genügend  Gold  für  die  Wohnung  (Stiftshütte)  u.  genügend  Gold  für 
das  Kalb.  —  Der  Ortsname  a-:  -n  Dt  1,1  wird  gedeutet  =  3-t  -rr  genug  Gold. 

9, 13  31:  Hingehend  a)3er  lernet,  noQevd^svreg  d^  fiäd^srs.  —  Dieser 
Redewendung  entspricht  der  Schulausdruck  n^b  x-^  „geh  hin  u.  lerne". 

Seder  ElijR  18:  Einmal  zog  ich  (der  Prophet  Elias)  von  Ort  zu  Ort;  da  traf  mich 
ein  Alter,  der  zu  mir  sprach:  Rabbi,  warum  sind  die  Hausväter  Israels  betrübt,  wenn 
sie  keine  Kinder  haben?  Ich  antwortete:  Mein  Sohn,  (daß  sie  keine  Kinder  empfangen, 
geschieht,)  weil  Gott  sie  mit  vollkommener  Liebe  liebt  u.  sich  über  sie  freut  u.  sie 
läutert  (prüft),  damit  sie  viel  um  Erbarmen  vor  ihm  flehen.  , Er  sprach:  Nicht  viel- 
mehr, weil  (Geschlechts- jLust  in  ihrem  Innern  ist  u.  sie  Weiber  nehmen  ohne  (den 
Gedanken  an)  Fortpflanzung?  Ich  antwortete:  Mein  Sohn,  wir  haben  viele  Hausväter, 
die  Eseltreiber  sind  ^  u.  nur  Ein  Weib  haben  u.  betrübt  *ind,  wenn  sie  keine  Kinder 
haben  (auf  sie  trifft  also  dein  Einwand  nicht  zu).  Du  kannst  es  erkennen,  daß  dem 
so  ist;  geh  hin,  lerne  -■;•;  n:;  es  von  unsrem  Vater  Abraham  (u.  Sara),  die  75  Jahre 
unfruchtbar  waren;  u.  sie  flehten  viel  um  Erbarmen,  bis  Isaak  kam,  u.  sie  freuten 
sich  seiner.  Geh  hin,  lerne  es  von  Rebekka,  die  20  Jalire  unfruchtbar  war,  u.  sie 
flehte  viel  um  Erbarmen,  bis  Jakob  kam,  u.  sie  freuten  sich  seiner.  Geh  hin,  lerne 
es  von  Rahel,  die  14  Jahre  unfruchtbar  war  usw.  Geh  hin,  lerne  es  von  Hanna,  die 
19  ^2  Jahr  unfruchtbar  war  usw.  !|  NuR8(149"):  In  jener  Stunde  (da  Gott  das  Recht 
der  Gibeoniter  von  Saul  forderte)  sprach  David:  Wie,  wegen  dieser  Proselyteu  tut 
Gott  seinem  Volk  also?  Gott  antwortete  ihm:  Wenn  du  die  Fernen  fernhältst,  wirst 
du  schließlich  auch  die  Nahen  entfernen;  geh  hin  u.  lerne  -'sVi  ni:  von  deinem  Lehrer 
Josua!  Denn  als  die  Gibeoniter  zu  ihm  sprachen:  „Komm  eilends  zu  uns  herauf  u. 
rette  uns  u.  steh  uns  bei"  Jos  10,6,  sprach  Josua:  Wie,  wegen  dieser  Fremdlinge 
(Proselyten)  sollten  wir  die  Gesamtheit  (Gemeinde  Israel)  belästigen?  Gott  aber  spracli 
zu  ihm:  Josua,  wenn  du  die  Fernen  fernhältst,  wirst  du  schließlich  auch  die  Nahen 
entfernen;  geh  hin  u.  lerne,  woher  deine  Pflanzung  (Abstammung)  ist;  nicht  von  Fremden 
(Proselyten)?  s.  Gn  46, 27  u.  Nu  13, 8.  ||  Im  Plural  steht  die  Wendung  Aboth  2, 9:  (Rabban 
Jochanan  b.  Zakkai,  t  um  80,  sprach  zu  seinen  Schülern:)  Geht  u.  seht  -s-n  ns-;  welches 
ist  eine  gute  Handlungsweise?  .  .  .  Geht  u.  seht;  welches  ist  eine  schlechte  Handlungs- 
weise? .  .  .  Vgl.  W.Bacher,  Terminologie  1,75. 

^^13^:  Barmherzigkeit  will  ich  u.  nicht  Opfer,  sleog  O-äloi 
xal  ov  d^vaiav.  —  Targ  Hos  6,  6:  An  denen,  die  Barmherzigkeit  üben^ 
ist  Wohlgefallen  vor  mir  mehr  als  am  Altar. 


1  Nach  K^th  5,  6  sind  Eseltreiber,  weil  sie  häufig  ihrem  Hause  fernbleiben  müssen, 
zur  Ausübung  der  ehelichen  Pflicht  wöchentlich  Einmal  verbunden. 

S2* 


500  Matth  d,  13  (SB).  9, 14.  15  (?l) 

AbothRN4:  (Zu  dem  Ausspruch  des  R.  Scliim?on  des  Gerechten  I.,  um  300  v.  Chr., 
in  Aboth  1,2:  ,Aul'  drei  Dingen  steht  die  Welt,  auf  der  Tora,  dem  Opferdienst  u.  den 
Liebeser Weisungen"  heißt  es:)  „Auf  den  Liebeserweisungen"  inwiefern?  Siehe,  es  heißt: 
„An  Liebe  habe  ich  Wohlgefallen  u.  nicht  am  Schlachtopfer"  Hos  6, 6.  Die  Welt  ist 
von  Anfang  an  nur  durch  Liebe  erschaffen  worden:  „Ich  sage:  Liehe  baut  die  Welt 
auf  Ps  H9,  3  (so  der  Midr).  Einmal  war  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80  n.Chr.) 
aus  Jerusalem  hinausgegangen  u.  R.  J  hoschuaf  ging  hinter  ihm  (folgte  ihm  als  sein 
Schüler),  u.  er  sah  das  Heiligtum  zerstört,  die  Stätte,  da  man  für  die  Sünden  Israels 
Sühnung  beschaffte.  Er  sprach  zu  ihm:  Mein  Sohn,  es  mißfalle  dir  nicht!  wir  haben 
Eine  Sühne,  die  jener  gleicht;  u.  weiche  das  ist?  Das  sind  die  Liebeserweisungen, 
s.  Hos  (),6  (wie  oben),  il  Sukka49b:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Wer  Wohltätigkeit 
übt,  ist  größer,  als  alle  Opfer,  s.:  „Daß  man  Wohltätigkeit  (so  der  Midr)  u.  Gerechtig- 
keit übe,  ist  Jahve  lieber  als  Opfer*  Spr  21,:-!.  —  In  Midr  Spr  21,H  (4-^^)  sagt  R.  Elfazar 
b.  Schimfon  (um  18ü):  Wer  Wohltätigkeit  übt  u.  Rerht,  dem  rechnet  es  die  Schrift  so 
an,  als'  brächte  er  Brand-  u.  Schlachtopfer  dar,  s.  Spr  21. 3.  i|  DtRö(201"^):  „Daß  man 
Wohltätigkeit  u.  Gerechtigkeit  übe,  ist  Jahve  lieber  als  Opfer"  Spr  21,:-!.  Es  heißt 
nicht  „ebenso  lieb  wie  Opfer"  n^Tr,  sondern  „lieber  als  Opfer"  rr^.T*:.  Inwiefern?  Opfer 
pflegten  nur  dargebracht  zu  werden,  solange  der  Tempel  stand;  aber  W.  u.  Recht  sind 
in  Übung,  solange  der  Tempel  bestand  u.  zur  Zeit,  da  er  nicht  besteht.  Eine  andre 
Erklärung:  Die  Opfer  sühnen  nur  den,  der  versehentlich  gesündigt  hat;  aberW.  u.  Recht 
gereichen  zur  Sühnung  sowohl  dem,  der  versehentlich,  als  auch  dem,  der  vermessen 
gesündigt  hat.  Eine  andre  Erklärung:  Die  Opfer  sind  in  Übung  nur  bei  den  Unteren 
(Menschen);  W.  u.  Recht  sowohl  bei  den  Oberen  (Engeln  ,  als  auch  bei  den  unteren. 
Eine  andre  Erklärung:  Die  Opfer  sind  nur  in  dieser  Welt  in  Übung,  W.  u.  Recht  so- 
wohl in  dieser  als  auch  in  der  zukünftigen  Welt.  II  B^'rakh55":  R.  Jochanan  (f  2T9) 
«.  R.  Elfazar  (um  27U)  haben  beide  gesagt:  Solange  der  Tempel  bestand,  verschaffte  der 
Altar  Israel  Suhnung,  nhej:  jetzt  verschafft  der  Tisch  des  Menschen  ihm  Sühnung  (d.  h. 
das  Speisen  der  Armen). 

*),  14:  Warum  fasten  wir  u.  die  Pharisäer?  Zum  Fasten  speziell 
der  Pharisäer  s  bei  Lk  18,  12. 

9,  15:  Können  wohl  die  Söhne  des  Brautgemachs  trauern, 
solange  der  Bräutigam  bei  ihnen  ist? 
9, 15  31:  ot  vlol  Tov  rviKfonog  ist  Wiedergabe  des  rabbin.  nsw  "isa^  = 
, Söhne  des  Brautgemaches"  u.  bezeichnet  die  zur  Hochzeit  geladenen 
Freunde  des  Bräutigams.  Ein  allgemeinerer  Ausdruck  ist  nin-iixa  = 
Gäste.  —  Von  den  nsin  "^ra  werden  unterschieden  die  -piir^'-iirb  (Sing. 
Var'ii:;).^  deren  es  in  älterer  Zeit,  wenigstens  in  Judäa,  zweid.  e  gab.  Es 
waren  dies  die  Brautführer,  Tiayarv/jiqioi,  wohl  meist  die  vertrautesten 
Freundet  des  Brautpaars,  die  den  Geschlechtsverkehr  des  jungen  Paars 
zu  überwachen  hatten d  u.  auch  sonst  eine  gewisse  Vertrauensstellung 
dem  Eliepaar  gegenüber  einnahmen. e  Im  großen  u.  ganzen  beruhte  das 
Verhältnis  der  nsin  -^zi  u.  -prTr'"r  zum  Bräutigam  auf  Gegenseitigkeit: 
man  erwartete  vom  Bräutigam,  daß  er  die  Aufmerksamkeiten,  die  ihm 
seine  Hochzeitsfreunde  durch  ihr  persönliches  Erscheinen  u.  durch  ein 
Geschenk  erwiesen  hatten,  später  gleicherweise  erwidern  werde;  ent- 

1  Selten  u.  nicht  ganz  sicherer  Deutung  ist  S33J  ":a  (njis?  ".sa)  fEr40ä;  BB  14-5''; 
die  letztere  Stelle  s.  Anm.  f. 

^  Wohl  von  Z2V  „verbunden  sein",  s.  Levy4, 526. 


Matth  9, 15  (?l)  501  • 

sprach  er  dieser  Erwartung  nicht,  so  konnte  das  ihm  gemachte  Hoch- 
zeitsgeschenk, soweit  es  in  barem  Oelde  bestanden  hatte,  sogar  ge- 
richtlich wieder  eingefordert  werden ;  höchstens  durfte  er  eine  bestimmte 
Summe  für  das,  was  der  Freund  an  seiner  Hochzeitstafel  verzehrt  hatte, 
in  Abzug  bringen  J  —  Eine  Nr;'i3pc  wird  wohl  nur  Qid  81''  erwähnt.g  — 
Das  Institut  der  Brautführer  wird  auf  Gott  zurückgeführt,  h 

a.  LvR28(126b)  s.  SBAnm.i/. 

b.  Die  ns-n  -33  werden  neben  den  y^'z-ura  genannt,  zB  Sukka25''  u.  Parallele» 
s.  S  Anm.  h. 

C.  Sanh  8,5:  Der  Freund  u.  der  Feind  (sind  untauglich  als  Richter  u.  Zeuge  zu 
fungieren,  nämlich  wegen  parteiischer  Befangenheit).  Wer  ist  der  Freund'?  Sein  Braut- 
führer t:-a-r"3;. 

d.  TK^th  1,4  (261)  s.  oben  S.  45  f.  Zwei  Brautführer  auch  ExR  41  s.  Anm.  e  Ende.' 

e.  ExR  46  (101''*):  Mose  sah,  daß  die  Israeliten  gesündigt  hatten,  u.  zerbrach  die 
Tiifeln  (des  Gesetzes).  Gleich  einem  König,  der  ein  Weib  nahm  u.  ihr  die  Hochzeits- 
verschreibung schrieb,  die  er  in  die  Hand  des  Brautführers  yzv^-a  legte.  Nach  etlicher» 
Tagen  ging  ein  übles  Gerüclit  über  sie  aus.  Was  tat  der  Brautführer?  Er  zerriß  die 
Hociizeitsversclireibung  u.  sprach:  Es  ist  besser,  daß  sie  als  Ledige  gerichtet  wird 
u.  nicht  als  Eheweib.  So  hat  auch  Mose  gehandelt.  Er  sprach:  Wenn  ich  die  Tafeln 
nicht  zerbreche,  so  gibt  es  für  Israel  keinen  Fortbestand,  s.:  ,Wer  den  Göttern,  außer 
allein  Jahve,  opfert,  soll  gebannt  werden"  Ex  22, 19.  Was  tat  er?  Er  zerbrach  die 
Tafeln.  Er  sprach  zu  Gott:  Sie  haben  nicht  gewußt,  was  auf  ihnen  geschrieben  stand.  || 
ExR  47  (101"):  „Schreibe  dir  diese  Worte  auf  Ex  34, 27.  Gott  sprach  zu  Mose:  Die 
ersten  Tafeln  hatte  ich  geschrieben  (s.  Ex  :^1,  18);  aber  die  zweiten  schreibe  du  — 
o  daß  ich  doch  meine  Hand  dazu  hergeben  könnte  (aber  ich  gewinne  es  nicht  über 
mich)!  Gleich  einem  König,  der  ein  Weib  nahm  u.  ihr  den  Ehevertrag  aus  seinem 
eigenen  Schreibmaterial  schrieb.  Nach  einiger  Zeit  verging  sie  sich  u.  er  jagte  sie  fort. 
Ihr  Brautführer  kam  u.  söhnte  sie  mit  dem  König  aus.  Dieser  sprach  zum  Br.:  Siehe, 
ich  habe  mich  mit  ihr  ausgesöhnt,  aber  fertige  den  Eheveitrag  aus  —  o  daß  ich  doch 
meine  Hand  dazu  hergeben  könnte!  i|  Tanch  rt^-,  (219^)  u. NuR  1»^  (184*):  „Mose  sprach: 
Daran  sollt  ihr  erkennen,  daß  Jahve  mich  gesandt  hat.  .  .  .  Wenn,  wie  alle  Menschen 
sterben,  diese  sterben  ,  .  .,  so  hat  Jahve  mich  nicht  gesandt"  Nu  16, 28  f.  Womit  läßt  sich 
das  vergleichen?  Mit  dem  Brautführer  einer  Königstochter,  deren  Jungfräulichkeitsbeweise 
sich  in  seiner  Hand  befanden.  Da  trat  einer  von  den  zu  Tische  Liegenden  wider  ihn 
auf  u.  schmähte  den  Br.  u.  sprach  zu  ihm :  Die  Tochter  des  Königs  hat  die  Jung- 
fräulichkeit nicht  besessen!  Da  trat  der  Br.  vor  den  König  u.  sprach  zu  ihm:  Wenn 
du  diesen  nicht  abführen  läßt,  daß  man  ihn  vor  allen  (Gästen)  tötet,  siehe,  so  werde 
ich  selbst  sagen,  daß  sich  in  der  Tat  die  Jungfräulichkeitszeichen  bei  der  Tochter  des 
Königs  nicht  vorgefunden  haben.  Sofort  sprach  der  König:  Es  ist  besser  für  mich,  daß 
ich  jenen  töten  lasse,  als  daß  der  Br.  ein  übles  Gerücht  über  meine  Tochter  aus- 
bringt. —  li  DtR  1  (195l>):  R.  J'  huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Womit  läßt  sich  das- 
vergleichen?  Mit  einem  König,  der  über  seine  Gemahlin  zürnte;  er  schlug  sie  u.  ent- 
fernte sie  aus  seinem  Hause.   Als  die  Brautführer  davon  hörten,  sprachen  sie  zu  ihm: 


'  Daß  aus  dem  S.  46  Z.  12  erwähnten  judäischen  Brauch  unordentliches  Weseri 
entstehn  konnte  u.  auch  entstanden  ist, .bezeugen  Aussprüche  wie  Schab  i<8''  u.  GitSH'^: 
fUlla  (um  2.>0|  hat  gesagt:  Elend  die  Braut,  die  in  ihrem  Brautgemach  buhlt  (mit 
dem  Brautführer);  inMidr  HL  >!,  6  ( ISI»)  R.  Schinifon  b.  Chalaphta,'um  190,  Autor.— 
pK'^^tli  '•'<,  27'',  63:  Nicht  gleicht  eine,  der  auf  dem  Dunghaufen  beigewohnt  wird  (=  eine 
Prostituierte)  einer,  der  im  Brautgemach  (vom  '-)  beigewohnt  wird.  Ferner  s.  Kalla  18'> 
oben  S.  42.  —  Als  jüdische  Sitte  wird  unter  Berufung  auf  Abrahams  u.  Isaaks  Ver- 
fahren u.  unter  Hinweis  auf  Dt  22, 15  in  Pirqe  R.  El  16  (8^)  registriert:  Vsii-'  vn  -;r> 
pEO  ■>^^'■5  1N2"'  ^~-s  yaijs::  z'~:rz-r\  rs  n--i-5  •;-;m:.  ' 


502  Matth  9,  15  (51) 

Mein  Herr,  verfährt  ein  Mensch  so  mit  seinem  Weibe?  Vfas  hat  sie  dir  gett^n?  Dann 
sprachen  sie  zu  ihr:  Wie  lange  willst  du  ihn  erzürnen?  Ist  es  denn  bloß  dein  ei-stes 
oder  dein  zweites  Mal?  So  hat  aucli  Mose,  als  er  zu  Gott  ging,  zu  diesem  gesagt: 
^  Warum,  Jahve,  soll  dein  Zorn  wider  dein  Volk  entbrennen?"  Ex  32, 11.  Sind  sie  nicht 
deine  Kinder?  Und  als  er  zu  den  Israeliten  kam,  sprach  er  zu  ihnen:  Wie  lange  wollt 
ihr  ihn  erzürnen?  Ist  es  denn  blofs  euer  erstes  oder  euer  zweites  Mal?  i|  Tauch  i3-rsi  2"^: 
Gleich  einem  König,  der  ein  Weib  nehmen  wollte ;,  er  sandte  seine  Bevollmächtigten 
aus,  sie  zu  besehen,  ob  sie  schön  sei  oder  nicht.  Sie  besahen  sie  u.  sprachen  zum 
König:  Es  ist  keine  so  häßlich  u.  verächtlich  wie  sie.  Sein  Brautführer  hörte  es  u. 
sprach  zu  ihm:  Nicht  so,  mein  Herr;  sondern  kein  AVeib  ist  schöner  in  der  Welt  als 
sie!  Da  schickte  er  sich  an,  sie  zu  nehmen.  Der  Vater  des  Mädchens  sprach  zu  den 
Bevollmächtigten  des  Königs:  Ich  habe  beim  Leben  des  Königs  geschworen,  daß  keiner 
von  euch  hier  eintreten  soll,  weil  ihr  sie  vor  dem  König  verächtlich  gemacht  habt. 
Auch  zum  Brautführer  sprach  der  Vater:  Auch  du  sollst  nicht  eintreten!  Der  Er.  ent- 
gegnete ihm:  Ich  habe  dem  König,  ohne  sie  gesehen  zu  haben,  gesagt,  daß  keine 
schöner  in  der  Welt  sei,  während  jene  gesagt  hatten,  es  gebe  keine  Häßlichere  denn 
sie;  nun  laß  mich,  daß  ich  sie  sehe,  ob  es  sich  nach  meinen  Worten  oder  nach  den 
Worten  jener  verhalte.  So  hat  auch  Mose  vor  Gott  gesagt:  Mein  Herr,  die  Kund- 
schafter haben  eine  üble  Rede  über  das  Land  ausgebracht  .  .  .,  aber  ich  habe  es  gelobt, 
ohne  es  gesehen  zu  haben,  u.  nun  möchte  ich  es  sehen,  ob  es  sich  nach  meinen  oder 
nach  ihren  Worten  verhält,  li  ExR20(82'^):  ,Es  geschah  (-n--:),  als  der  Pharao  das  Volk 
entließ"  Ex  13,17.  Wer  hat  „wehe!"  gerufen  (-n-;;  wird  ^=  -in  vae!  gedeutet)?  Mose. 
Gleich  einem,  der  für  die  Tochter  des  Königs  Brautführer  geworden  war;  er  hatte 
aber  im  Gestirn  gesehen,  daß  er  (nur)  aus  ihrem  Vaterhaus  (mit  ihr)  heraustreten 
werde.  Da  fing  er  an  zu  weinen.  Man  sprach  zu  ihm:  Weshalb  weinst  du?  Er  ant- 
wortete: Ich  weine,  daß  ich  mich  gemüht  habe,  sie  hinauszugeleiten  (aus  ihres  Vaters 
Haus),  u.  daß  ich  nicht  mit  ihr  in  ihr  Brautgemach  kommen  werde.  So  hat  auch  Mose 
gesagt:  Ich  schreie,  daß  ich  mich  gemüht  habe,  Israel  aus  Ägypten  zu  führen,  u.  daß 
ich  nicht  mit  ihnen  in  das  Land  (Israel)  kommen  werde. 

Zwei  •j-j-ar'Ä-:  ExR  41  (97^):  „Zwei  Tafeln  der  Bezeugung"  Ex  31,  18.  Warum 
zwei?  Entsprechend  dem  Himmel  u.  der  Erde,  oder  der  Braut  u.  dem  Bräutigam,  oder 
den  beiden  Brautführern,  oder  dieser  u.  der  zukünftigen  Welt.  Vgl.  auch  GnR  8  in  Anm.  /(. 
/.  BB9,  4:  Wenn  einige  Brüder  eine  Hochzeitsgabe  rr,:-^^-©  zu  Lebzeiten  des 
Vaters  (u.  aus  dessen  Mitteln)  gegeben  haben  u.  (nach  des  Vaters  Tode)  wird  die 
Hochzeitsgabe  zurückgegeben,  so  wird  sie  in  die  Erbschaftsmasse  gegeben,  weil  sie 
gerichtlich  eingetrieben  werden  kann.  Wenn  aber  jemand  einem  andren  (als  Hochzeits- 
gabe) Krüge  mit  Wein  oder  Öl  sendet,  so  können  diese  nicht  gerichtlich  eingei  rieben  werden, 
weil  sie  als  Liebesgabe  D":cn  nV-T:;  gelten  (u.  nicht  als  Darlehn  wie  ein  bares  Hoch- 
zeitsgeschenk). II  BB  145''*l>  Bar:  Fünferlei  hat  man  von  der  Hochzeitsgabe  gesagt:  sie 
kann  gerichtlich  eingetrieben  werden,  sie  muß  zur  bestimmten  Zeit  (nämlich  wenn  ihr 
Geber  selbst  Hochzeit  macht)  zurückgegeben  werden,  es  trifft  auf  sie  das  Gesetz  über 
Zinsnahme  nicht  zu  (d.  h.  wird  eine  H.gabe  später  mit  einer  größeren  Gegengabe  er- 
widert, so  wird  das  Mehr  nicht  als  Ziusleistung  angesehen),  das  Sabbatjahr  (Dt  15.2) 
hebt  sie  nicht  auf  u.  der  Erstgeborene  empfängt  von  ihr  nicht  doppelten  Anteil.  »Sie 
wird  gerichtlich  beigetrieben.  Was  ist  der  Grund?  Sie  gleicht  einem  Darlehn.  Es  trifft 
auf  sie  das  Gesetz  über  Zinsnahme  nicht  zu;  denn  in  dem  Sinne  hat  man  sie  nicht 
gegeben.  Das  Sabbatjahr  hebt  sie  nicht  auf  (läßt  sie  nicht  verfallen);  denn  wir  be- 
ziehen nicht  darauf  die  Worte:  „er  soll  nicht  drängen"  Dt  15, 2.  Und  der  Erstgeborene 
empfängt  von  ihr  keinen  doppelten  Anteil;  denn  sie  ist  für  ihn  nur  ein  in  Aussicht 
stehendes  Gut,  u.  der  Erstgeborene  empfängt  von  einem  erst  in  Aussicht  stehenden 
Gut  nicht  gleicherweise  wie  von  einem  bereits  in  Besitz  genommenen.  (Dieser  Satz  auch 
BB55-^).  Rah  Kahana  (wohl  der  Lehrer  Aschis,  um  37ö)  hat  gesagt:  Eine  allgemeine 
Regel  für  die  Hochzeitskameradschaft  {srzi-zx-.v,  d.  h.  für  die  Brautführer)  ist  folgende: 
Ist  er  (der  ehemalige  Bräutigam  an  dem  Tage,   da  sein  Brautführer  selbst  Hochzeit 


Matth  9,  15  (31)  503 

macht)  aü  dem  Orte  anwesend,  so  muß  er  kommen  (nämlich  zur  Hochzeitsfeier  seines 
Brautführers,  auch  ungeladen)  u.  zwar  muß  er  kommen,  wenn  er  den  Paukenschlag 
hört.  (Unter  Musik  u.  Paukenschlag  wurde  die  Braut  von  ihrem  Elternhaus  nach  der 
Wohnung  des  Bräutigams  geleitet;  also  auch  an  dem  Hochzeitszuge  seines  Braut- 
führers hatte  er  sich  zu  beteiligen.)  Hört  er  aber  den  Pauken.schlag  nicht,  so  muß  er 
(der  jetzt  Hochzeit  haltende  ehemalige  Brautführer)  es  ihn  (den  früheren  Bräutigam) 
wissen  lassen.  (Hat  er  es  ihn  nicht  wissen  lassen,)  so  kann  dieser  über  ihn  murren, 
gleichwohl  muß  er  (die  früher  empfangene  Hochzeitsgabe)  zurückerstatten.  Bis  zu 
welcher  Höhe?  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  „Die  Söhne  des  Brautgemaches"  (s::;  -:a) 
pflegen  (eine  Hochzeitsgabe  zu  geben)  bis  zu  einem  Zuz;  was  ein  solcher  in  seiner 
Hand  gebracht  hat,  hat  er  mit  seinem  Magen  verzehrt  (an  der  Hochzeitstafel,  ihm 
braucht  seine  Hochzeitsgabe  deshalb  nicht  erstattet  zu  werden);  hatte  er  bis  zu  vier 
Zuz  gegeben,  so  erstattet  man  die  Hälfte  zurück  (die  andre  Hälfte  wird  auf  die  ge- 
nossenen Speisen  verrechnet);  von  da  an  u.  weiter  wird  jedem  nach  Maßgabe  seiner 
Würde  abgezogen.  (Voraussetzung  hierbei  ist,  daß,  je  größer  die  Gabe  des  Hochzeits- 
gastes war,  desto  wertvoller  auch  die  Speisen  waren,  die  man  ihm  reichte,  s.  Raschi.) 
Bar:  Hatte  er  mit  ihm  (dem  ehemaligen  Brautführer)  in  feierlichem  Aufzuge  gefeiert 
u.  will  dieser  jetzt  mit  ihm  im  stillen  feiern,  so  kann  er  zu  ihm  sagen:  In  feierlichem 
Aufzuge  will  ich  mit  dir  feiern,  wie  du  mit  mir  gefeiert  hast.  Hatte  er  mit  ihm  bei 
einer  .Tungfrau  gefeiert  u.  will  dieser  jetzt  mit  ihm  bei  einer  Witwe  feiern,  so  kann 
«r  zu  ihm  sagen:  Bei  einer  Jungfrau  will  ich  mit  dir  feiern,  wie  du  mit  mir  gefeiert 
hast.  Hatte  er  mit  ihm  bei  einer  zweiten  Frau  gefeiert  u.  will  dieser  jetzt  bei  der 
ersten  Frau  mit  ihm  feiern,  so  kann  er  zu  ihm  sagen:  Wenn  du  eine  zweite  Frau 
nehmen  wirst,  will  ich  mit  dir  feiern.  Hatte  er  mit  ihm  bei  Einer  Frau  gefeiert  u. 
will  dieser  jetzt  mit  ihm  bei  zweien  feiern,  so  kann  er  zu  ihm  sagen:  Bei  einer  will 
ich  mit  dir  feiein,  wie  du  mit  mir  gefeiert  hast. 

g.  QidSl-':  Rab  Bebai  (um  '620)  kam  in  das  Haus  des  Rab  Joseph  (f  333).  Nach- 
dem sie  gespeist  hatten,  sprach  er  zu  ihnen:  Nehmt  die  Leiter  unter  Bebai  fort.  (Man 
hatte  im  Söller  gespeist,  in  welchem  B.  zurückgeblieben  war.)  Aber  Rabbah  (f  330) 
hat  doch  gesagt:  Wenn  der  Ehemann  in  der  Stadt  ist,  hegt  man  keine  Besorgnis 
wegen  des  Alleinseins  (seiner  Frau  mit  einem  Manne,  da  seine  Heimkehr  jeden  Augen- 
blick erfolgen  kann).  Bei  Rab  Bebai  verhielt  sich  die  Sache  anders;  denn  sie  (die  Ehe- 
frau des  Rab  Joseph)  war  seine  srrzrv:;  u.  (infolgedessen)  war  sie  gegen  ihn  dreist. 

h.  GnR  18  (12''):  R.  Aibo  (um  320)  u.  andre  im  Namen  des  R.  Bannasa  (um  220), 
der  es  seinerseits  als  Bar  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Jochai,  (um  150)  gelehrt  hat, 
haben  gesagt:  Gott  hat  die  Eva  wie  eine  Braut  geschmückt,  u.  darauf  hat  er  sie  zu 
Adam  geführt.  Es  gibt  Orte,  in  denen  man  die  Haarflechte  {y",  spy-p)  „Gebäude" 
(sr"3=)  nennt.  (Diese  Bemerkung  will  das  ',z-  „er  baute"  Gn  2,22  erklären  „er  flocht 
der  Rippe,  d.  h.  der  Eva,  das  Haar".)  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt: 
Meinst  du  etwa,  daß  Gott  die  Eva  unter  einem  Johannisbrotbaum  oder  unter  einer 
Sykomore  hervor  zu  Adam  geführt  hat?  Vielmehr  hat  er  sie  mit  24  Arten  von  Schmuck- 
gegenständen '  geschmückt  u.  dann  hat  er  sie  zu  ihm  geführt. — Vgl.  Midr  Qoh7,2  (32''), 
Autoren:  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  Abbahu  (um  300),  letzterer  allein  TanchB  •'- 
§2  (58b);  B'^'rakh61^  ?Er  18',  Schab  95a  u.  Nidd45b  R.  Schimfon  b.  M'^nasja  (um 
180)  Autor,  in  letzter  Stelle  Tradent  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250);  ganz  kurz  mit 
R.  Bannasa  als  Autor  u.  R.  Jochanan  als  Tradenten  pSchab  10,  12",  59.  Anonym  Aboth 
RN4  in  folgender  Fassung:  Wo  finden  wir,  daß  Gott  sich  mit  einer  Braut  beschäftigt 

1  Midr  HL  4,  ll  (115^):  R.  Huna  (um  350)  u.  R.  Ghalaphta  aus  Cäsarea  (um  27(3) 
haben  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250 1  gesagt:  Wie  eine  Braut  mit 
24  Schmuckgegenständen  geschmückt  wird,  u.  wenn  einer  davon  fehlt,  so  ist  es  nichts: 
so  muß  ein  Gelehrtenschüler  in  den  24  Büchern  (des  Kanons)  bewandert  sein,  u.  wenn 
eins  davon  fehlt,  so  ist  es  nichts.  Dasselbe  TanchB  s-r  "  §  11  (56«);  ExR  41  (97^). 
Nach  den  Kommentaren  sind  die  24  Gegenstände  berechnet  aus  Jes  3,  18 — 23  = 
21  Gegenstände  +  3  (Balsamduft,  Gürtel,  Batistkleid)  in  Vers  24. 


504  Matth  9,15  (3i.  5B) 

hat?  Es  heißt:  ,Es  flocht  Jahve  Elohim  der  Rippe  (=  Eva)  das  Haar"  Gn  2,  22  (so 
der  Midr);  denn  in  den  Seestädten  nennt  man  das  Haargeflecht  (1.  v'-.-  statt  -V-)  ein 
, Gebäude",  sr--::.  Von  hier  lernen  wir,  daß  Gott  die  Eva  zubereitet  u.  geschmückt 
hat  wie  eine  Braut,  u.  dann  führte  er  sie  dem  Adam  zu,  s.  Gn  2,22:  „Er  brachte  sie 
zu  Adam."  Einmal  hat  Gott  dem  Adam  als  Brautführer  "i-arir  gedient,  von  da  an  u. 
weiter  erwirbt  (wählt)  sich  der  Mensch  den  Er.  selbst,  s.:  ,Bein  von  meinem  Gebein 
u.  Fleisch  von  meinem  Fleisch"  Gn  2,  2o.  (Die  Beweiskraft  dieser  Bibelstelle  leuchtet 
nicht  ein;  vielleicht  gehört  sie  als  Zitat  zum  nächsten  Satz.)  Einmal  ist  Eva  von  Adam 
zum  Weibe  genommen  worden  (ohne  Beleg);  von  da  an  u.  weiter  verlobt  sich  ein 
Mensch  mit  der  Tochter  eines  andren.  |!  Aboth  RN4:  Ein  andermal  saß  R.  J'huda 
b.  El?ai  (um  150;  so  lies  statt  R.  Elfai)  u.  lehrte  seine  Schüler.  Es  ging  eine  Braut 
(d.  h.  ein  Brautzug)  an  ihm  vorüber.  Er  sprach:  Was  ist  das?  Sie  antworteten:  Eine 
Braut  geht  vorüber.  Er  sprach  zu  ihnen:  Meine  Kinder,  erhebet  euch  u.  beschäftigt 
euch  mit  der  Braut;  denn  so  finden  wir  es  bei  Gott,  daß  er  sich  mit  einer  Braut  be- 
schäftigt hat,  s. :  „Jahve  Elohim  flocht  der  Rippe  (=  Evai  das  Haar"  (s.  obem.  Wenn 
Er  sich  mit  einer  Braut  beschäftigt  hat,  um  wieviel  mehr  müssen  wir  es!  ||  GnR^^  (6"): 
R.  Simlai  (um  250)  hat  gesagt:  Wir  finden,  daß  <iott  Brautleute  (wörtlich:  Bräutigame) 
gesegnet,  Bräute  geschmückt,  Kranke  besucht  u.  Tote  bestattet  hat  (das  waren  4  Haupt- 
Liebeserweisungen  c"!cn  r'.--iz-.);  s.  Gn  1,28:  „Gott  segnete  sie  .  .  :  Seid  fruchtbar"; 
Gn2,  22:  „Jahve  Elohim  flocht  der  Rippe  das  Haar";  Gnl8,  1:  „Jahve  erschien  dem 
Abraham  bei  den  Terebintbeu  Marares"  lum  ihm  einen  Krankenbesuch  nach  der  Be- 
schneidung zu  machen);  Dt  34,6:  „Gott  begrub  Mose  im  Tal,  im  Lande  Moab."  Das- 
selbe anonym  Midr  Qoh  7,  2  (32a).  _  Den  gleichen  Gedanken  führt  R  B'rekhja  (um 
340)  daselbst  ein  mit  den  Worten:  „Liebeserweisungen  finden  sich  in  der  Tora 
am  Anfang,  in  der  Mitte  u.  am  Ende";  dasselbe  anonym  TanchB  s---  §4  (43b),  --- 
§2  (58a).  li  fEr  18b:  „Gott  brachte  das  Weib  zu  Adam"  Gn  2,  22.  Das  lehrt,  daß  Gott 
das  Brautführergeschäft  dem  ersten  Menschen  gegenüber  verrichtete;  daraus  ist  zu 
entnehmen  mit  Bezug  auf  einen  Großen  (Vornehmen),  daß  er  die  Brautführerschaft 
bei  einem  Geringen  übernehmen  soll,  ohne  daß  es  ihm  mißfalle.  —  R.  Abin  (wohl 
der  Jüngere,  um  370)  zieht  aus  Gn  2,  22  den  Schluß:  Wohl  dem  Städter,  dessen  Braut- 
führer der  König  ist!  GnR  18  (121»).  In  der  Parallele  TanchB  —r,  i?  2  (n8b)  lautet  der 
Satz:  R.  Abin,  der  Levit  u.  Rabbinensohn,  hat  gesagt:  Heil  dem  Städter,  wenn  ein 
König  es  siebt  u.  sie  (die  Braut)  bei  der  Hand  faßt  u.  sie  ihm  idem  Bräutigam)  zu- 
führt in  das  Haus,  wie  es  heißt:  „Er  führte  sie  zu  Adam"  Gn  2,  22.  —  Vgl.  auch  den 
Rat,  den  Rab  Papa  (f  376)  J'^b  63*  erteilt:  Steige  eine  Stufe  tiefer,  wenn  du  ein  Weih 
nimmst;  steige  eine  Stufe  höher,  wenn  du  den  Brautführer  wählst.  ||  P^'siq  73«:  R.  Levi 
(um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  gesagt:  Dreizehn  Braut- 
gemächer r-i-r  hat  Gott  dem  ersten  Menschen  gezimmert  (wörtlich:  zusammengefügt^ 
^x-);  s. :  „In  Eden,  im  Garten  Gottes,  bist  du  gewesen,  allerlei  Edelsteine  umgaben 
dich  als  (Braut-)Baldachine:  Karneol,  Topas  u.  Jaspis,  Tar.->isstein,  Onyx  u.  Beryll, 
Saphir,  Granat  u.  Smaragd  u.  Gold"  Ez  28,  13  (so  verbindet  der  Midr).  Resch  Laqisch 
(um  250)  hat  gesagt:  „Elf",  die  Rabbinen  haben  gesagt:  „Zehn"  (Brautgemächer 
waren  es),  u.  es  liegt  keine  Meinungsverschiedenheit  vor.  Wer  sagt:  Dreizehn  (Braut- 
gemächer waren  es),  der  läßt  aus  „allerlei  Edelsteinen"  drei  verfertigt  sein;  wer  sagt: 
„Elf",  der  läßt  daraus  eins  verfertigt  sein ;  wer  sagt:  „Zehn",  der  läßt  keines  daraus- 
verfertigt  sein  (sondern  zählt  nur  die  in  Ez  22,  13  genannten  zehn  Edelsteine  als 
Material  für  je  ein  Brautgemach).  Parallelstellen:  LvR  20  (119b);  Midr  Qoh  8,  1  (38b); 
TanchB  ■--  §2  (58b);  pegjq  r  14  (e2a);  GnR  18  (12b);  BB  75».  -  Abweichend  GnR 
8  (6*^):  R.  J«^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Mikhael  u.  Gabriel  sind  die  Braut- 
führer des  ersten  Menschen  (u.  Evas)  gewesen. 

9, 15  93:  ,«>;  övravxai . . .  nfvO^iiv;  —  Im  Gegenteil  bestand  die  Haupt- 
pflicht der  Freunde  u.  Hochzeitsgäste  des  Bräutigams  darin,  daß  sie 
zur  Belustigung  des  Brautpaares  während  der  Hochzeitsfeier  beitrugen. 


Matth  9,  15  (SB)  505 

was  nur  immer  in  ihren  Kräften  stand. a  Sie  waren  deshalb  sogar  von 
einigen  reh"giösen  Pflichten  ernsterer  Art  befreit,  b  Die  Belustigung  des 
Brautpaares  begann  mit  der  Heimführung  der  feraut  aus  ihrem  Eltern- 
haus. Nachdem  diese  hier  mit  dem  bräutlichen  Schmuck  geschmückt 
war,c  wartet  sie  der  Stunde  ihrer  Heimholung.  Sobald  der  Bräutigam 
u.  seine  Hochzeitsfreunde  erschienen  sind,  setzt  sich  der  Hochzeitszug, 
wohl  meist  nachdem  der  Vater  der  Braut  ein  kurzes  Segenswort  seiner 
Tochter  als  Abschiedsgruß  zugerufen  hat,d  unter  Musik  u.  Pauken- 
schlage in  Bewegung.  Der  Bräutigam  u.  die  Braut  sind  bekränzt;* 
letztere  —  aber  nur,  wenn  sie  unbescholten  war  —  wird  in  einer 
Sänfte  getragen, g  die  der  Bräutigam  mit  seinen  Freunden  umringt. 
Die  Bewohner  des  Ortes  eilen  in  Scharen  herbei,  dem  Brautpaar  ihre 
Aufmerksamkeit  zu  erweisen;  der  Hochzeitspauke  läuft  auch  noch  die 
Alte  nach.h  Denn  es  galt  als  ein  hoch  verdienstliches  Werk,  einer  Braut 
das  Geleit  zu  geben.  Selbst  Rabbinen  unterbrachen  das  Torastudiöni, 
um  mit  ihren  Schülern  einer  Braut  diesen  Liebesdienst  zu  erweisen.* 
Köstliche  Narde  verbreitete  ihren  VVoJilgeruch  inmitten  des  fröhlichen 
Zuges, k  Wein  u.  Öl  ließ  man  in  Röhren  größeren  Gefäßan  entströmen, 
dem  Brautpaar  damit  einen  Huldigungsgruß  entbietend.'  Dem  Zuge 
vorauf  wurde  hier  u.  da  als  S3nnbol  der  Fruchtbarkeit  ein  Hahn  u.  eine 
Henne  getragen, m  manchmal  ein  Weinfaß,  das,  wenn  es  verschlossen 
war,  die  Braut  als  eine  Jungfrau,  wenn  offen,  als  eine  Witwe  charak- 
terisierte." Unter  die  Menge  wurden  Nüsse  u.  dgl.  geworfen,  bei  einer 
jungfräulichen  Braut  auch  geröstete  Ähren,  o  Aus  dem  Zuge  heraus 
ertönten  frohe  Hochzeitslieder;  man  ließ  es  sich  nicht  nehmen,  die 
Anmut  der  Braut  zu  rühmen,  auch  wenn  ihr  jede  Schönheit  fehlte ;P 
manche  freilich,  wohl  mehr  abseits  stehend,  gefielen  sich  darin,  am 
Brautpaar  ätzende  Kritik  zu  üben.q  So  sang  u.  scherzte  u.  tanzte  man, 
ein  Myrtenreis  in  den  Händen  haltend,  vor  dem  Brautpaar  her,r  bis 
der  Zug  am  Hause  des  Bräutigams,  bezw.  dessen  Vaters,  angekommen 
war.s  Von  der  Straße  pflanzte  sich  der  Jubel  fort  ins  Haus:  hier  er- 
reichte er  an  der  Hochzeitstafel  seinen  Höhepunkt.  Das  Hochzeitsmahl, 
bei  dem  Lichter  brannten, t  erhielt  religiösen  Charakter  durch  die  r=-in 
Bi:rr,  d.  h.  durch  den  Segensspruch,  der  bei  einem  Becher  Wein  für  das 
Brautpaar  gesprochen  wurde."  Der  Bräutigam  nahm  an  der  Tafel  den 
obersten  Platz  ein,v  während  die  Braut  schamhaft  an  seiner  Seite  saß.  w 
Lieder  wurden  gesungenx  u.  Schwanke  erzählt;y  wenn  der  Wein  seine 
Wirkung  übte,  fehlte  es  auch  wohl  nicht  an  zweideutigen  Bemerkungen  :z 
daß  Teile  des  Hohenliedes  in  früherer  Zeit  an  der  Hochzeitstafel  ge- 
sungen worden  sind,  bezeugt  ein'dagegen  gerichtetes  Verbot,  aa  Nahmen 
Rabbinen  an  der  Feier  teil,  so  entzogen  sie  sich  der  Fröhlichkeit  nicht: 
Rabban  Gamliel  IL,  um  90,  kredenzt  selbst  den  Gästen  Weinbb  u.  R.  ?  Aqiba, 
t  um  135,  trinkt  wiederholt  auf  das  Wohl  seiner  Kollegen. cc  Aber  sie 
bemühen  sich,  die  Ausgelassenheit  einzudämmen:  wir  hören  von  zwei 


506  Matth  9, 15  (93) 

Rabbinen.  die  ein  wertvolles  Glas  vor  den  Augen  ihrer  Gäste  zerbrechen, 
um  sie  ernst  zu  stimmen^  u.  ein  andrer  zitiert  zu  gleichem  Zweck  eine 
Totenklage. dd  _  Die  Hochzeitsfeier  dauerte  bei  einer  jungfräulichen 
Braut  sieben ee  Tage,  bei  einer  Witweff  drei  Tage  oder  noch  kürzere 
Zeit;  täglich  erschienen,  wie  man  aus  einigen  Stellen  schliefsen  darf, 
neue  Hochzeitsgäste ;gg  nur  die  Brautführer  hatten  die  volle  Woche 
beim  Brautpaar  auszuharren, hh  gewiß  oftmals  bis  in  die  Nacht  hinein." 
Andre  Hochzeitsbräuche,  ferner  die  Bestimmungen  über  Verlobung, 
Hochzeitsverschreibung  u.  dgl.  s.  bei  Joh  2, 1. 

a.  Sprichwörtlich,  um  einen  starken  Kontrast  auszudrücken,  scheint  man  die 
Redensarfc  gebraucht  zu  haben:  ,Wie  ein  Bräutigam  unter  Trauernden"  u.  „wie  ein 
Trauernder  unter  Hochzeitsleuten ".  Schab  114^:  R.  Jannai  (um  225)  sagte  zu  seinen 
Söhnen:  Meine  Kinder,  beerdigt  mich  nicht  in  weißen  u.  nicht  in  schwarzen  Gewändern: 
(nicht)  in  weißen;  denn  vielleicht  möchte  ich  nicht  als  gerecht  erfunden  werden  (im 
göttlichen  Gericht)  u.  würde  sein  wie  ein"  Bräutigam  unter  Trauernden;  (nicht)  in 
schwarzen;  denn  vielleicht  möchte  ich  als  gerecht  erfunden  werden  u.  würde  sein  wie 
ein  Trauernder  unter  Brautleuten.  —  Dasselbe  Nidda  20 ä.  |i  B'^rakh  6^»:  Rah  Aschi 
(t  427)  hat  gesagt:  Das  Verdienstliche  der  Teilnahme  an  einer  Hochzeitsfeier  liegt  in 
den  Worten  (die  zur  Erheiterung  des  Brautpaares  gesprochen  werden).  .  .  .  R.  Chelbo 
(um  yOO)  hat  gesagt,  Rab  Huna  (f  297)  habe  gesagt:  Wer  von  dem  Mahle  des  Bräuti- 
gams genießt,  ohne  diesen  zu  erfreuen  (belustigen),  begeht  eine  Übertretung  gegen 
die  fünf  Stimmen:  die  Stimme  des  Jubels,  der  Freude,  des  Bräutigams,  der  Braut  u. 
dessen,  der  da  sagt:  „Preiset  Jahve  (^'^baoth"  Jer  33,  11.  Wenn  er  ihn  aber  erfreut, 
was  ist  sein  Lohn?  R.  J'-'hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Er  erlangt  Kenntnis 
der  Tora,  die  unter  fünf  Stimmen  gegeben  worden  ist,  s.  Ex  19,  16.  19:  „Am  dritten 
Tage,  als  es  Morgen  wurde,  waren  Stimmen  (der  Plural  =  2  Stimmen)  .  .  .  u.  die 
Stimme  der  Posaune  .  .  .  u.  die  Stimme  der  Posaune  wurde  fortgehend  stärker  .  .  . 
u.  Gott  antwortete  mit  der  Stimme."  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  den 
Bräutigam  belustigt,  wird  angesehen,  als  hätte  er  ein  Dankopfer  dargebracht;  s.:  „(Die 
Stimme)  solcher,  die  ein  Dankopfer  ins  Haus  Jahves  bringen"  Jer  33,  11.  Rab  Nachman 
b.  Jicchaq  (f  35H)  hat  gesagt:  Er  wird  angesehen,  als  hätte  er  eine  von  den  Ruinen 
Jerusalems  aufgebaut:  s. :  „Wiederbringen  will  ich  die  Gefangenschaft  des  Landes,  wie 
vormals,  spricht  Jahve"  Jer  33,  11. 

b.  Sukka  25^:  R.  Abba  b.  Zabda  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt: 
Der  Bräutigam,  die  Brautführer  yz-zz'^:;  u.  alle  Hochzeitsgäste  r-z^ri  -:3  sind  befreit 
von  (dem  Wohnen  in)  der  Laubhütte  während  der  ganzen  sieben  Tage  (der  Hochzeits- 
feier). .  .  .  Bar:  Der  Bräutigam,  die  Brautführer  u.  alle  Hochzeitsgäste  -r-n  -:=  sind 
befreit  vom  (Achtzehn-)Gebet  (weil  das  Beten  Andacht  erfordert),  u.  von  den  Gebets- 
rieraen,  aber  verpflichtet  zum  Rezitieren  des  Seh'  maf  (weil  nur  der  1.  Vers  dieses 
Bekenntnisses  mit  Andacht  gesprochen  zu  worden  braucht).  Im  Namen  des  R.  Schela 
(wohl  in  der  vorhadrianischen  Zeit)  hat  man  gesagt:  Der  Bräutigam  ist  befreit  (am 
Hochzeitstage  vom  Seh  ma?),  aber  die  Brautführer  u.  alle  Hochzeitsgäste  sind  dazu 
verpflichtet.  —  Die  Bar  findet  sich  TB^'rakh  2,  10  (4);  der  Ausspruch  Rabs  unter  dem 
Autoruamen  des  R.  Abba  b.  Zabda  pSukka  2,53'',  18. 

C.  Dem  Schmücken  gehen  W^aschungen  u.  Salbungen  vorauf;  vgl.  Schab  77  ^,27: 
s^r-d-i  bedeutet  ein  Becken,  worin  sich  alles  wäscht  s*-:  -"S":;  u.  sr-)':-^-:  bedeutet 
ein  Becken,  worin  sich  die  Braut  wäscht  srV:  s-m;  ferner  s.  Aboth  RN  41  in  Aum.  l.  — 
Über  das  Schmücken  der  Braut  u.  ihre  24  Schmuckgegenstände  s.  oben  31  Anm.  h  u. 
uuteu  Aboth  RN41  in  Ainn.  j;  zur  Salbung  s.  3  Makk  4,6ff.  Anm./"u.  AbothRN41  Anm./. 

d.  GuR  26  (16^):  Dem  R.  Schim?on  b.  Rabbi  (um  220)  hatte  seine  Gemahlin  ein 
Mädchen  geboren;  es  sah  ihn  R.  Chijja,  der  Ältere  (um  200)  u.  sprach  zu  ihm:  Gott 
hat  angefangen  dich  zu  segnen.    Er  antwortete :  Woher  hast  du  das?    Er  sprach:  Weil 


Mattli9,  15  (23)  507 

Gn  6,  1  geschrieben  steht:  „Als  die  Menschen  anfingen  sich  auf  dem  Erdboden  zu  ver- 
mehren u.  ihnen  Töchter  geboren  wurden."  (Die  Verwirklichung  des  Segens:  ;,Seid 
fruchtbar  u.  mehret  euch"  hob  mit  der  Geburt  von  Mädchen  an.)  Er  ging  zu  seinem 
Vater  (Rabbi);  dieser  sprach:  Hat  dir  der  Babylonier  (d.i.  Chijja)  seine  Freude  be- 
zeugt (dich  beglückwünscht)'?  Er  antwortete:  So  u.  so  hat  er  zu  mir  gesagt.  Jener 
sprach:  Obwohl  man  des  Weines  bedarf  u.  auch  des  Essigs,  so  ist  doch  der  Wein 
nötiger  als  der  Essig;  obwohl  man  des  Weizens  bedarf  u.  auch  der  Gerste,  so  ist  doch 
der  Weizen  nötiger  als  die  Gerste  (so  sind  auch  Söhne  ein  größerer  Segen  als  Töchter). 
Wenn  ein  Mensch  seine  Tochter  verheiratet  .u.  seine  Ausgaben  für  sie  gemacht  hat, 
so  spricht  er  zu  ihr  (am  Hochzeitstage):  Möge  es  dir  nicht  beschieden  sein,  hierher 
(als  Geschiedene  oder  Witwe)  zurückzukehren!  Als  Rabban  Gamliel  (II.,  um  90)  seine 
Tochter  verheiratete,  sprach  sie:  Mein  Vater,  bete  für  mich  (d.  h.  segne  mich)!  Er 
sprach  zu  ihr:  Möge  es  dir  nicht  beschieden  sein,  hierher  zurückzukehren!  Als  sie 
einen  Knaben  geboren  hatte,  sprach  sie  zu  ihm:  Mein  Vater,  bete  für  ihn  (segne  ihn)! 
Er  antwortete:  Nie  möge  der  Weheruf  aus  deinem  Munde  aufhören!  Sie  sprach:  Mein 
Vater,  bei  den  beiden  Freuden(festen),  die  mir  gekommen  sind,  hast  du  mir  geflucht! 
Er  antwortete:  Beides  war  ein  Segen:  darum  daß  du  glücklich  sein  mögest  in  deinem 
Hause,  möge  es  dir  nicht  beschieden  sein,  hierher  zurückzukehren;  u.  darum,  daß  dein 
Sohn  am  Leben  bleibe,  möge  nie  der  Weheruf  aus  deinem  Munde  aufhören:  Wehe, 
mein  Sohn  hat  nicht  getrunken;  wehe,  mein  Sohn  hat  nicht  gegessen:  wehe,  mein 
Sohn  ist  nicht  in  die  Synagoge  gegangen!  —  Der  Anfang  der  Stelle  auch  in  BB  16^; 
doch  tröstet  hier  Rabbi  selbst  seinen  Sohn  mit  Gn  6,  1,  während  Bar  Qappara  den 
Trost  als  einen  leidigen  darlegt.  —  Vgl.  auch  die  Auslegung,  die  R.  Schimfon  b.  Jochai 
(um  ]50)  MQ  9''  dem  Segenswunsch:  ,Du  mögest  ausführen  u.  nicht  einführen"  gibt: 
du  mögest  Töchter  erzeugen,  deren  Männer  nicht  sterben  mögen,  daß  jene  zu  dir 
zurückkehren  müssen! 

e.  BM  (J,  1 :  Wenn  jemand  einen  Eseltreiber  oder  einen  Fuhrmann  mietet,  um  eine 
Sänfte '  u.  Flöten  für  eine  Braut  (für  den  Brautzug)  oder  einen  Toten  (zur  Totenklage) 
herbeizuschaffen  usw.  ||  P<^siqR  20  (95^):  Gleich  einem  König,  der  für  seine  Tochter 
■das  Brautgemach  herrichtete  (=  der  seiner  Tochter  die  Hochzeit  ausrichtete);  die  Be- 
wohner der  Städte  kamen  nicht  u.  stimmten  ihm  keine  Loblieder  an;  aber  die  Dorf- 
bewohner kamen  u.  stimmten  dem  König  Loblieder  an  mit  Harfen  u.  Zithern  u.  allen 
möglichen  Gesängen.  Da  ging  ein  Herold  vom  König  aus  u.  rief:  Nach  dem  Brauch 
•der  Welt  wäre  es  für  die  Stadtbewohner,  die  sich  auf  die  Verrherrlichung  des  Königs 
verstehen,  schicklich  gewesen,  die  Tochter  des  Königs  zu  preisen!  ||  Schab  HO":  Als 
■die  Seele  Rabs  (f  2A1)  zur  Ruhe  eingegangen  war,  verordnete  Rab  Jicchaq  b.  Bisna, 
daß  (als  Zeichen  der  Trauer)  niemand  mit  Myrten-  u.  Palmzweigen  u.  einer  Pauke  zur 
Hochzeit  kommen  sollte.  —  Zur  Pauke  s'^-r'^  vgl.  ferner  BB  14S^  oben  31  Anm.  f  u. 
waten  Anm.  h  MQ  9b;  zu  oi—s  u.  n--:i3'l:  s.  Sota  9,  14  u,  bSota  49b  in  Anm.  f. 

f.  8  Makk  4,  Off.:  Die  jungen  Frauen  aber,  die  sich  eben  (d.  h.  am  1.  Tage  der 
Hochzeitsfeier)  zu  ehelicher  Lebensgemeinschaft  ins  Brautgemach  nccaiöi  zurück- 
gezogen hatten,  vertauschten  die  Freude  mit  Weherufen,  u.  während  das  von  Salbe 
triefende  Haar  mit  Staub  befleckt  war,  wurden  sie  unverschleiert  eiuhergeführt  u. 
stimmten  einmütig  statt  der  Hochzeitsgesänge  {i\u^y(cioi}  Klagelieder  an,  als  solche, 
die  durch  heidnische  Mißhandlungen  gepeinigt  wurden.  Vor  aller  Augen  gefesselt, 
wurden  sie  mit  Gewalt  fortgeschleppt,  bis  man  sie  in  das  Schiff  hineinstieß.  Ihre 
Gatten  aber  verbrachten  mitten  im  frischen  u.  jugendlichen  Alter,  den  Nacken  mit 
Stricken  statt  mit  Kränzen  (ais(pe(()  umwunden,  die  übrigen  (sechs)  Tage  der  Hochzeits- 
feier  statt  in  Lust  u.  jagendlicher  Fröhlichkeit  in  Klageliedern,  indem  sie  schon  die 
Unterwelt  (roV  adijy)  vor  ihren  Füßen  liegen  sahen.  ||  Sota  9,  14:  Im  Kriege  des  Vespa- 
sian  (00—73  n.  Chr.)  erließ  man  das  Verbot  betreffs   der  Kränze  der  Bräutigame  u. 


'  1  i"is'is  nach  Levy  4,  114  ==  nsQKpooelov  Sessel  zum  Herumtragen;  nach  Krauß, 
Lehnwörter  2,  489  =  cpuQsia'poQoi,  Sänftenträger. 


508  Matth  9,  15  (ß) 

betreffs  des  cv— s;  im  Kriege  des  Lusius  Quietus  (lies  "'-■-  statt  c-w-v;  gemeint  ist  die- 
Zeit  Trajans  115  117  n.  Chr.,  s.  Schürer  ^  I,  066  f.)  erließ  man  das  Verbot  betreffs- 
der  Kränze  der  Bräute.  —  Sota4yb:  Rab  (f  247)  hat  gesagt,  das  (Verbot  wegen  der 
Kränze  der  Bräutigame)  hat  man  nur  betreffs  der  Kränze  aus  (Stein-)Salz  u  Schwefel 
gelehrt;  dagegen  ist  ein  Kranz  aus  Myrten  oder  Rosen  erlaubt.  Scb'"muel  (f  -'54) 
sagte:  Auch  der  aus  Myrten  oder  Rosen  ist  verboten,  der  aus  Rohr  oder  Schilf  ist 
erlaubt.  Levi  (b.  Sisi,  um  200)  hat  gesagt:  Auch  der  aus  Rohr  oder  Schilf  ist  ver- 
boten. Ebenso  hat  Levi  in  seiner  Mischnasammlung  gelehrt:  Auch  der  aus  Rohr  oder 
Schilf  ist  verboten.  —  , Betreffs  des  c-'-n"  (Sota  9,  14).  Was  ist  ci--n?  R.  Elfazar 
(um  270)  hat  gesagt:  Eine  Handpauke  mit  Einer  Schlagfäche  (?).>  —  Rabbah  b.  Rab 
Huna  (t  -^^'i)  machte  seinem  Sohne  eine  Laute  s-n.yj  lein  Saiteninstrument,  um  darauf 
Hochzeitsmusik  zu  machen).  Sein  Vater  (Rab  Huna,  j  297)  kam,  zerbrach  sie  u.  sprach: 
Statt  der  Pauke  mit  Einer  Schlagfäche  geh  u.  mache  es  über  der  Öffnung  eines  Kruges- 
oder eines  Bechers.  —  Was  ist  mit  den  Kränzen  der  Bräute  gemeint?  Rabbah  bar 
bar  Ghana  (um  2^0)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  ,t  279)  habe  gesagt:  Die  Stadt  von  (iold 
(ein  goldenes  Diadem,  auf  dem  das  Stadtbild  Jerusalems  eingraviert  war,  oder  das- 
nach  Art  der  Mauerkronen  der  Römerinnen  das  Stadtbild  Jerusalems  selbst  darstellte, 
s.  Krauß,  Archäologie  1,  662 f.).  Die  Bar  ebenso:  WaS  sind  die  Kränze  der  Bräute? 
Die  Stadt  von  Gold.  —  Aber  man  darf  den  Brautkranz  nach  Art  eines  wollenen  Tur- 
bans machen.  —  Bar:  Auch  in  bezug  auf  das  Brautgemach  hat  man  ein  Verbot  er- 
lassen. Was  ist  damit  gemeint?  Ein  Brautgemach  aus  glänzendem  ( Karmesin ■)Stoff 
mit  Gold  Wirkerei.  Die  Bar  ebenso:  Damit  ist  ein  Brautgemach  aus  glänzendem  Stoff 
mit  Goldwirkerei  gemeint.  Aber  man  darf  das  Brautgemach  aus  Papyrus  machen  u. 
daran  alles  hängen,  was  man  will.  —  pSota  i>,  24  ',  64:  „Gefallen  ist  die  Krone  unseres 
Hauptes'  KL  5,  IH;  das  bezieht  sich  auf  die  Kränze  der  Bräutigame,  auf  den  gold- 
veibrämten  glänzenden  Stoff  (zum  Brautgemach).  R.  Ba  (um  290)  hat  im  Namen  Rabs 
(t  247)  gesagt:  Damit  ist  der  Kranz  aus  (Stein-)Salz  u  aus  Schwefel  gemeint.  Rah 
Jirm'^ja  (b.  Abba,-  um  250)  hat  im  Namen  Rabs  gesagt:  Damit  ist  der  Kranz  aus 
{Stein-)Salz  u.  der  von  Oliven  gemeint.  Rab  Nachman  b.  Ja?iiqob  (f  320)  hat  gesagt: 
Auch  der  von  Weiden  (Schilf?).  Rab  Jirm'^ja  umgab  sich  mit  Myrtenzweigen  u.  legte 
einen  Kranz  von  Oliven  an.  Als  Sch'^muel  (f  254)  es  hörte,  sagte  er:  Es  wäre  ihm 
besser  gewesen,  wenn  er  enthauptet  worden  wäre,  aber  solches  nicht  getan  hätte  T 
Und  es  geschah  so,  „wie  der  Fehlgriff  i Irrtumssünde),  der  vom  Machthaber  ausgeht" 
Qoh  10,5  (R.  Jirm'^ja  mußte  seine  Tat  mit  dem  Tode  büßen).  Diese  Erzählung  auch 
Midr  KL  5,  16  (79'^);  Midr  Qoh  10,5  (47').  Es  sind  damit  die  Brautgemächer  aus  be- 
malten Vorhängen  gemeint,  an  die  man  goldene  Zierate  hängte.  Bar:  Wohl  aber  darf 
man  das  Brautgemach  aus  Latten  werk  (von  der  Papyrusstaude  >  machen  u.  alles  Be- 
liebige daranhängen.  „Und  betreffs  des  ci^-s"  (Sota  H,  14);  damit  ist  die  rc-c-  ge- 
meint (nach  Levy  4,457  u.  den  Kommentaren:  ein  musikalisches  Instrument,  das  viel- 
fach durchlöchert,  gespalten  ist;  anders  Krauß,  Lehnwörter  2,  42).  Mit  den  Kränze» 
der- Bräute  (in  der  Mischna)  ist  die  Stadt  von  Gold  gemeint.  —  TSota  !■'»,  ^f.  i8.:;2): 
Jene  Kränze  der  Bräutigame  (in  der  Mischna  Sota  9),  das  sind  die  von  (Stein)-Salz: 
u  Schwefel;  aber  die  von  Rosen  u.  Myrten  hat  man  ihnen  erlaubt.  Jene  Kränze  der 
Bräute,  das  sind  die  von  Gold;  aber  sie  (die  Braut)  darf  hervortreten  mit  einem  Tur- 
ban des  Königs  (-"-t  hx,  ob  dafür  zu  lesen  r'i-z  '.z,  von  Wolle?).  Jene  Brautgemächer 
(die  verboten  worden  sind),  das  sind  die  aus  goldverbrämten  glänzenden  Stoffen,  aber 


'  N-s-s  -r.-.  sV^-j.  —  CT-s  von  den  Kommentaren  meist  als  Handpauke  gedeutet; 
vgl.  Flei.scher  bei  Levy,  Chald  Wbch  i,  426:  „='"x,  die  bloß  auf  einer  r^eite  geschlagene 
Handpauke  .  .  .  hat  ihren  sicher  bezeugten  Namen  wahrscheinlich  von  ihrem  Gebrauch 
bei  Verlobungen  [talmudisch:  ■;•:/.--;-]  u.  ähnlichen  Familienfesten."  —  Raschi  denkt 
an  eine  Schelle  mit  Einem  Klöppel  's  ■;-:•"  -u;  ;it.  Die  Ableitung  von  aes,  acris 
, metallene  Schelle"  (Krauß,  Archäologie  2,  40)  ist  unhaltbar. 

2  So  Frankel,  Einl.  in  pT  lOö". 


Matth  9.  15  (SB)  509 

«nan  darf  sie  aus  Lattenwerk  machen  u.  alles  Beliebige  daran  hängen.  Zu  den  letzten 
"Worten  s.  S^macholh  ^!  in  Anm.  o.  II  Git7'':  Der  Exilarch  (sr-^j  -i— <,  Oberhaupt  der 
babylon.  Judenschaft  sprach  zu  Rab  Huna  (1297):  Woher  läfst  sich  das  Verbot  der 
Kränze  (der  Bräutigame)  aus  der  Schrift  beweisen?  Er  antwortete:  Es  stammt  von 
<ien  Rabbinen;  denn  wir  haben  gelernt:  Im  Kriege  des  Vespasian  hat  man  das  Ver- 
bot erlassen  in  bezug  auf  die  Kränze  der  Bräutigame  usw.  Inzwischen  war  Rab  Huna 
■aufgestanden,  um  sich  zu  entfernen;  da  sagte  Rab  Chisda  (f  :^(i9,  der  bisher  in  Gegen- 
wart seines  Lehrers  Huna  niciit  gewagt  hatte,  das  Wort  zu  nehmen)  zu  -dem  Exilarchen: 
In  der  Schrift  heißt  es:  „So  spricht  Jahve:  Fort  muß  der  Kopfbund,  hinweg  der  Kranz' 
Ez2:l,:il.  Was  hat  der  Kopfbiind  (ms^  speziell  der  hohepriesterl.  Kopfschmuck)  bei 
•dem  Kranz  zu  stehen?  Um  dir  zu  sagen:  Solange  der  Kopfbund  auf  dem  Haupte  des 
Hohenpriesters  ist,  so  lange  darf  der  Kranz  auf  dem  Kopfe  jedes  Menschen  sein; 
weicht  der  Kopfbund  vom  Haupte  des  H.,  so  weicht  der  Kranz  vom  Kopfe  jedes 
Menschen.  Inzwischen  war  Rab  Huna  zurückgekommen;  als  er  sie  (beieinander)  sitzend 
fand,  sprach  er:  Bei  Gott,  das  Verbot  stammt  von  den  Rabbinen;  aber  Chisda  ist  dein 
Name  intd-  =  Anmut,  Wohlwollen)  u.  Anmut  sind  deine  Worte.  —  Rabina  ill.,  f  ^99) 
traf  den  Mar  b.  Rab  Asclii  (um  450),  wie  er  einen  (Braut)Kranz  für  seine  Tochter 
flocht.  Er  sprach  zu  ihm:  Meint  es  der  Herr  nicht,  wie  Ez  21,31:  „Fort  muß  der 
K"pfbund,  weg  der  Kranz"?  Er  antwortete:  Die  Analogie  mit  dem  Hohenpriester 
trifft  auf  die  Männer,  aber  nicIit  auf  die  Frauen  zu  (also  ist  der  Brautkranz  in  Ez  21,  81 
nicht  verboten L  —  Parallelen  zu  Rab  Chisdas  Schriftbeweis,  aber  in  andrer  Ein- 
kleidung pS<.ta5),24  ,  17;  Midr  Ruth  i,  17(128"). 

g.  Sota  9,  14:  In>  letzten  Kriege  (gegen  Hadrian  l;-t2 — 135  n.Chr.)  erließ  man  die 
Verordnung,  dali  die  Braut  nicht  in  einer  Sänfte  iv—ES  HL  H,  9  (pngeioy)  durch  die 
■Stadt  getragen  werden  sollte  (wörtlich:  ausgehn  oder  ihren  Auszug  halten  sollte).  Unsre 
Lehrer  aber  haben  es  (in  der  Folgezeiti  erlaubt,  daß  die  Braut  in  einer  Sänfte  durch 
•die  Stadt  getragen  werde,  j!  Midr  HL  4,  11  (1 15 '^):  R.  Chalaplita  (=  R  Tachlipha  aus 
Oäsarea,  um  270)  hat  im  Namen  des  Resch  Laqisch  (um  2-')U)  gesagt:  Wie  eine  Braut 
in  der  Sänfte  (s--'ii  =  q)o()ftot')  sitzt  u  sagt:  Sehet,  daß  ich  rein  bin,  u.  dieses  mein 
Zeugnis  zeugt  für  mich  (das  Sitzen  in  der  Sänfte  das  Zeichen  ihrer  Jungfräulichkeit): 
so  darf  an  einem  Gelehrtenschüler  nichts  Makel liattes  sein.  —  In  andrer  Einkleidung 
ExR  41  (97'');  TanchB   ---  "SU  (öö"^!;  s.  den  folgenden  Absatz. 

Die  Braut  saß  in  der  Sänfte  mit  losem,  niederwallendem  Haar  u.  unverhüllten  An- 
gesichts, so  daß  jedermann  ihre  Schönheit  bewundern  konnte.  K4h2,  1:  Wenn  eine 
verwitwete  oder  geschiedene  Frau  behauptet  (ihrem  Mann  gegenüber):  , Als  Jungfrau 
hast  du  mich  gelieiratet",  u.  er  erklärt:  „Nein,  sondern  als  Witwe  habe  ich  dich  ge- 
heiratet", so  beträgt,  falls  Zeuiren  vorhanden  sind,  daß  sie  unter  Hochzeitsgesang  u. 
mit  entblößtem  Kopf  (--^z  -..•<:-)  ausgezogen  (in  ihrer  Sänfte  getragen)  ist,  ihre  Hoch- 
zeitsverschreibung  200  Zuz.  —  Hiernach  fand  Hochzeitsgesang  u.  Entblößung  des  Kopfes  ' 

^  pK'th  i,  26'*.  4  sagt  R.  Jochanan  (f  279 1:  „Daß  sie  mit  entblößtem  Kopf  ausgezogen 
ist":  (Das  geschieht)  wegen  jener,  die  am  Versöhnungstage  hinauszogen.  —  Dazu  der 
Kommentar  -<  *;-:;:  „R.  Jochanan  erklärt  den  Grund  der  Sitte,  daß  man  die  Jungfrauen 
mit  entblößtem  Kopf  ausziehen  läßt,  u.  dieser  ist  der  Gedanke  an  die  Trauer  darüber, 
daß  die  Freude  von  ihnen  genommen  ward.  Denn  sie  pflegten  am  Versöhnungsta^e 
hinauszuziehen  u.  sich  an  den  Tänzen  in  den  Weinl)ergen  zu  ergötzen,  s.  Knde  des 
Traktats  'i'a?anith.  Und  deswetien  hat  m.ui  verordnet,  daß  die  Jungfrauen  zur  Zeit  ihrer 
Hoclizeitsfreude  ausziehen  sollen  mit  entblößtem  Kopf,  wie  Trauernde,  gleichwie  man 
Asche  auf  das  Haupt  des  Bräutigams  tut  an  der  Stelle,  wo  die  Gebetsriemen  aufliegen, 
zui  Erinnerunji;  an  die  Trauer  um  .lerusalt^m  "  —  Über  die  Tänze  am  Versöhnungstage 
s.  Tafan.l,  •"<:  Rabban  Schimfon  b.  Gainiiel  II.  (um  140)  hat  gesagt:  Keine  schöneren 
Festtage  gab  es  für  Israel,  als  den  15.  Ab  u.  den  Versöhnungstag;  denn  an  ihnen  zogen 
die  Töchter  Jerusalems  hinaus  in  weißen  Kleidern,  die  geliehen  waren,  um  denjenigen 
keine  Beschämung  zu  bereiten,  die  keins  hatten;  alle  Kleider  mußten  gewaschen  sein. 
Und  die  Töchter  Jerusalems  zogen  hinaus  u.  tanzten  in  den  Weinbergen;  u.  was  sauten 
(sangen/  sie?  , Jüngling,  hebe  deine  Augen  empor  u.  sieh,  was  du  dir  erwählest!  Richte 


510  Matth  9,  15  (i^) 

nur  bei  Jungfrauen  statt.  Vgl.  TanchB  sbt  -:  §  11  (56'^):  R.  Levi  (um  300,  richtiger 
wohl  zu  lesen  -"^  =  Resch  Laqisch,  um  200)  hat  gesagt:  Was  bedeutet  irV;3  („als  er 
aufgehört  hatte")  Ex  31,  18?  Wie  eine  Braut,  solange  sie  im  Hause  ihres  Vaters  weilt» 
sich  sittsayi  verbirgt,  so  daß  niemand  sie  kennt,  wenn  sie  sich  aber  anschickt,  Hochzeit 
zu  halten  {-z'-r'^  cim-r,  wörtlich:  „in  das  Brautgemach  einzutreten"),  ihr  Angesicht 
enthüllt,  um  damit  zu  sagen:  Wer  wider  mich  ein  Zeugnis  (abzulegen)  weifs,  der  kommo 
u.  zeuge  wider  mich  —  so  soll  auch  ein  Gelehrtenschiiler  sittsam  sein  wie  eine  Braut 
usw.  Ebenso  in  ExR  41  (97 d).  |i  NuR  12  (165 <^):  R.  J^^huda  b.  Elfai  (um  150)  hat  gesagt: 
Gleich  einem  König,  der  eine  schöne,  löbliche  u.  anmutige  Tochter  hatte.  Er  sprach: 
Machet  ihr  eine  treffliche  (Braut-)Sänfte  (=""",  lies  s*^?,— -s  =  (j)6Q7jfj.c(  oder  '''"^'z  = 
(pogeTof),  damit  die  Schönheit  meiner  Tochter  von  der  Sänfte  aus  gesehen  werde.  — 
Dasselbe  etwas  breiter  Midr  HL  3,  10  (107  b),  hier  s?: — t. 

Daß  auch  vornehme  Männer  sich  am  Tragen  der  Sänfte  beteiligten,  bezeugt  R.  Chama 
b.  Chanina  (um  260)  in  folgendem  Gleichnis.  pSota  1,  17*^,  20:  Gleich  einem  König,  der 
seinen  Sohn  verheiratete;  es  kam  der  Prälekt,  um  die  Sänfte  v'^''^^  tragen  zu  helfen; 
aber  man  ließ  es  ihm  nicht  zu.  Da  sagte  der  König:  Lasset  ihn,  morgen  verheiratet 
er  seine  Tochter  u.  dann  ehre  ich  ihn,  wie  er  mich  geehrt  hat.  —  Wenn  die  Lesart  1:3 
richtig  ist  u.  dafür  nicht  wie  am  Ende  'ra  gelesen  werden  muß,  so  bezeugt  die  Stelle,^ 
daß  es  nicht  unerhört  war,  auch  den  Bräutigam  in  einer  Sänfte  zu  tragen.  ||  Aus  dem 
Gleichnis  P'^siqR  20  (95^)  darf  natürlich  nicht  geschlossen  werden,  daß  es  irgendwo 
Sitte  gewesen  sei,  die  Braut  auf  einem  Elefanten  oder  Roß  im  Hochzeitszuge  einher- 
zuführen. Die  Stelle  lautet:  Gleich  einem  König,  der  seiner  Tochter  Hochzeit,  nrir:, 
machte.  Einer  von  den  Großen  des  Königs  sprach:  Schön  wäre  es  für  die  Königstochter,^ 
wenn  man  sie  auf  einem  Elefanten  reiten  ließe,  wie  wenn  sie  in  einer  Sänfte  -iv-irx 
säße,  u.  wenn  man  sie  von  allen  Großen  des  Reiches  preisen  ließe.  Ein  andrer  sprach: 
Ein  Elefant  ist  zu  hoch,  auch  hat  er  keine  Zierde  u.  keine  Schönheit;  aber  schön  wäre 
es,  wenn  man  sie  auf  einem  Roß  reiten  ließe,  daß  ihre  Schönheit  von  allen  Großen  des 
Reiches  gesehen  würde.  Da  antwortete  jemand:  Der  Elefant  ist  hoch  u.  das  Roß  ist 
schön,  aber  sie  haben  keinen  Mund  zum  Reden  u.  keine  Hände  zum  Zusammenschlagen 
u.  keine  Füße  zum  Tanzen;  aber  schön  wäre  es,  wenn  man  sie  auf  den  Schultern  reiten 
ließe,  um  ihre  Schönheit  zu  zeigen.  ||  Die  faces  nuptiales  (vgl.  Mt  25,  1  ff.)  werden  wohl 
nur  Einmal  erwähnt  P^siqR  43  (180'^):  R.  J^huda  b.  Z«bida  (um  250)  hat  gesagt:  fAmram 
setzte  die  Jochebed  (als  er  sie  nach  ihrer  Entlassung  wieder  zu  sich  nabm)  in  eine 
Sänfte  (s^--r),  Ahron  ging  an  dieser  u.  Mirjam  an  jener  Seite,  sie  trugen  Fackeln  u. 
gingen  (tanzten)  vor  ihr.  —  Die  Parallelstellen  Sota  12''>;  BB  120=»  u.  ExR  1  {66"^)  nennen 
R.  J*^huda  b.  Z^'bina  (um  300)  als  Autor  u.  erwähnen  die  Fackeln  nicht.  —  Ferner  s.  Midr 
Esth  1 ,  4  in  Anm.  /. 

h.  MQ5'^:  (Rab  Chisda,  f  309,  hat  gesagt:)  Die  Leute  sagen:  Die  Sechzig  jährige 
läuft  dem  Paukenschlag  nach  wie  die  Sechsjährige.  —  Chag  14  b:  (Als  R.  J^hoschuaf , 
um  90,  einen  theosophischen  Vortrag  hielt)  versammelten  sich  die  Engel  des  Dienstes 
u.  kamen,  um  zuzuhören,  gleichwie  die  Menschen  sich  versammeln  u.  kommen,  um  die 


deine  Augen  nicht  auf  Schönheit,  richte  sie  auf  die  Familie.  Lug  ist  die  Anmut,  Nichtig- 
keit die  Schönheit;  ein  Weib,  das  Jahve  fürchtet,  das  soll  man  rühmen.  Gebt  ihr  von 
der  Frucht  ihrer  Hände  u.  ihre  Werke  sollen  sie  preisen  in  den  Toren"  (Spr  31,  :!0f.). 
Ferner  heißt  es  HL  3,  11:  Kommt  heraus  u.  schaut  an,  ihr  Töchter  Zions,  den  König 
Salomo  mit  dem  Kranze,  womit  ihn  seine  Mutter  bekränzt  hat  am  Tage  seiner  Hochzeit 
u.  am  Tage  seiner  Herzensfreude!  „Am  Tage  seiner  Hochzeit",  das  geht  auf  die  Gesetz- 
gebung; „u.  am  Tage  seiner  Herzensfreude",  das  geht  auf  den  Bau  des  Heiligtums,  das 
eilends  gebaut  werden  möge  in  unsren  Tagen.  Amen!  —  Über  Asche  für  den  Kopf  des 
Bräutigams  s.  BBGOb;  Was  heißt:  „Wenn  ich  nicht  Jerusalem  auf  das  Haupt  bringe 
in  meiner  Freude"?  Ps  1H7,  6  (so  vermutlich  der  Midr).  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt: 
Damit  ist  die  Brandasche  auf  dem  Kopf  der  Bräutigame  gemeint.  Rab  Papa  (f  376) 
hat  zu  R.  Abaje  if  33s/3y)  gesagt:  Wohin  tut  man  sie  (die  Asche)?  Auf  die  Stelle  der 
Töphillin,  s.:  „Ihnen  Schmuck  (=  Tephillin)  anzulegen  an  der  Stelle  der  Asche"  Jes(Jl,3. 


Matth  9,  15  (5B)  511 

Belustigungen  y"^^^^  *  des  Bräutigams  u.  der  Braut  mitanzusehen.  —  In  der  Parallel- 
stelle pChag  2,  77",  49  heißt  es:  Die  Engel  hüpften  vor  ihnen,  wie  sich  die  Hochzeits- 
gäste T-z^n  'zz  vor  dem  Bräutigam  freuen.  —  Aus  dem  großen  Zulauf  der  Massen  u. 
dem  dadurch  entstehenden  Gedränge  erklärt  sich  wohl  zum  Teil  die  Bar  K'^th  17 »:  Man 
biegt  mit  einem  Toten  vor  einer  Braut  ab  (d.  h.  wenn  ein  Leichenzug  u.  ein  Brautzug 
sich  begegnen,  so  biegt  der  erstere  vorher  in  eine  andre  Straße  ein);  jener  wie  dieser 
Zug  biegen  vor  einem  König  Israels  ab.  Vom  König  Agrippa  (wohl  der  I.,  '41 — 44  n.  Chr.) 
hat  man  erzählt,  daß  er  vor  einer  Braut  abbog,  u.  die  Gelehrten  belobten  ihn.  daß  er 
schön  gejiandelt  habe.  —  Parallelstelle  S'^'mach  11  mit  der  Motivierung:  Die  Ehre  des 
Lebenden  geht  der  der  Toten  vor. 

i.  K'^th  17'^  Bar:  Man  unterbricht  das  Torastudium,  um  einen  Toten  hinauszugeleiteu 
u.  um  eine  Braut  hineinzugeleiten  (in  das  Haus  des  Bräutigams).  So  hat  man  von 
R.  J®huda  b.  Elfai  (um  150)  erzählt.  Für  welchen  Fall  gilt  jene  Bestimmung?  Wenn 
nicht  so  viele  beteiligt  sind,  wie  erforderlich  sind  (um  den  Toten  zu  bestatten);  wenn 
dies  aber  der  Fall  ist,  so  unterbricht  man  das  Studium  nicht.  —  Diese  Bar  auch  M'^g 
3b;  29a.  Eine  Parallelstelle  aus  AbothRN  4  s.  3t  Anm. //.  ||  AbothRN  41:  Einmal  saß 
R.  Tarphon  (um  100)  u.  lehrte  die  Schüler;  als  eine  Braut  vor  ihm  vorüberzog,  befahl 
er,  daß  man  sie  in  sein  Haus  führe;  u.  er  sagte  zu  seiner  Mutter  u.  zu  seinem  Weibe, 
daß  man  sie  baden,  salben  u.  schmücken  u.  vor  ihr  tanzen  solle,  bis  sie  in  das  Haus 
ihres  Gatten  käme.  —  Zur  Verdienstlichkeit  der  Teilnahme  an  Hochzeitsfeiern  vgl. 
auch  B'^rakh  6'*  in  Anm.  a. 

k.  Von  den  hochzeitlichen  Vergnügungen,  die  zur  Zeit  des  Krieges  gegen  Hadrian 
verboten  wurden,  heißt  es  TSota  15,  9  (:^22):  Die  Braut  sollte  nicht  in  der  Sänfte  v"""^!* 
ausziehn  durch  die  Stadt;  auch  betreffs  des  wohlriechenden  Öles  aus  A^ardenblättern 
[y^"\-z  z=  foliatuni)  erließ  (J^huda)  ben  Baba  (getötet  um  135)  ein  VerDot,  aber  man 
(die  Gelehrten)  stimmten  ihm  nicht  zu.  —  Von  Rab  Joseph,  f  383,  zitiert  Schab  62b. 

/.  TSchab  7,  iHf.  (118):  Man  läßt  Wein  u.  Öl  in  Rinnen  (Röhren)  vor  den  Braut- 
paaren hinfließen,  u.  das  gehört  nicht  zu  den  heidnischen  Sitten  (zu  den  Wegen  der 
Amoriter).  Emmal  kamen  Jehuda  (11.,  um  250)  u.  Hillel,  die  Söhne  des  Rabban  Gamliel 
(III.,  um  2-^0)  nach  Kabul;  da  ließen  die  Bewohner  jener  Stadt  vor  ihnen  Wein  u.  Ol  in 
Rinnen  hinfließen.  ^  Die  letzten  Worte  zeigen,  daß  die  Sitte  als  ein  Akt  der  Huldigung, 
als  Ausdruck  der  Hochachtung  galt.  —  Der  erste  Satz  als  Bar  in  Berakh  50 i>,  s.  Anm.  o; 
eine  Parallele  zum  Ganzen  in  Semach  8,  s.  Anm.  o.  Vgl.  Midr  Esth  1 , 4  (8»)  a) ;  Bar  Luphjani 
hatte  seine  Tochter  von  Sepphoris  nach  ?Akko  verheiratet;  er  stellte  Läden  (rv-i:-; 
lies  --■"=-  -  Fässer)  mit  gemischtem  Wein  auf  von  Sepphoris  bis  ?Akko  u.  goldene 
Leuchter  (vgl.  die  Fackeln  in  PesiqR  43  oben  unter  g)  auf  beiden  Seiten  (des  Weges). 
Man  hat  erzählt,  daß  man  von  dort  (aus  dem  Hochzeitshause)  nicht  wich,  bis  er  ihnen 
Linsen  von  der  Tenne  zu  essen  u.  Wein  von  der  Kelter  zu  trinken  gab  (d.h.  bis  alle 
Vorräte  erschöpft  waren).  —  Die  Stelle  ist  zugleich  ein  Beleg  dafür,  daß,  wenn  eine 
Tochter  sich  nach  auswärts  veriieiratete,  die  Hochzeitsfeier  auch  im  Elternhaus  der 
Braut  stattfinden  konnte. 

m.  Git57a:  Wegen  eines  Hahnes  u.  einer  Henne  wurde  der  „Königsberg"  ("V':-  -- 
oder  sr"';':  -v.2  nach  Neubauer,  Geographie  S.  41  spätere  Bezeichnung  des  Gebirges-. 
Ephraim)  verwüstet.  Man  pflegte  nämlich,  wenn  man  den  Bräutigam  u.  die  Braut  hinaus- 
geleitete (zum  Hochzeitszuge)  einen  Hahn  u.  eine  Henne  vor  ihnen  herzutragen,  um 
damit  auszudrücken:  Seid  fruchtbar -u.  mehret  euch  den  Hühnern  gleich!  Eines  Tages- 
zog  (an  einem  solchen  Hochzeitszuge)  eine  römische  Kriegsschar  vorüber,  die  sie  ihnen 
fortnahm.  Da  fielen  die  Juden  über  sie  her  u.  schlugen  sie.  Das  meldete  man  dem  Kaiser. 

n.  pK^th  •i,2(3b,  10  Bar:  Abba  Schaiul  (um  150)  hat  gesagt:  Auch  die,  vor  der  man 
das  ,Faß  der  frohen  Botschaft"  r-.'^rjz  Vi-  p-;r:  einhergetragen  hat  (ist  damit  bezeugt 
als  eine,  die  als  Jungfrau  geheiratet  worden  ist).  —  K'^th  16b  Bar:  Hat  sie  ihre  Hoch- 
zeitsverschreibung verloren  oder  verlegt,  oder  ist  die  H.versclir.  verbrannt  —  wen» 


1  So  H.  L.  Fleischer  bei  Levy  3,  307. 


512  Matth  9,  lö  (S) 

man  vor  ihr  getanzt  oder  gescherzt  oder  den  ,  Becher  der  frohen  Botschaft"  ''•-v  c«5 
--'vz  oder  das  Tuch  der  Jungfräulichkeitszeichen  einhergetragen  hat,  u.  sie  für  eins 
von  alledem  Zeugen  hat,  so  beträgt  ihre  Hochzeitsverschreibung  200  Zuz.  Was  ist  es 
um  den  , Becher  der  frohen  Botschnft"?  Rab  Adda  b.  Ahaba  (um  250)  hat  gesagt:  Einen 
Becher  mit  T'rumawein  (Wein,  der  als  „Hebe"  für  die  Priesterschaft  ausgesondert 
ist)  trägt  man  vor  ihr  her,  um  damit  zu  sagen:  Diese  ist  geeignet,  von  der  Priester- 
hebe zu  essen  (d.  h.  eine  Priesterfrau  zu  vrerden;  damit  ist  nach  Lv21,7  ausgeschlossen, 
daß  sie  eine  Hure,  eine  Entweihte  oder  eine  Geschiedene  ist).  Rab  Papa  (f  876)  wandte 
«in:  Darf  denn  nicht  eine  Witwe  von  der  Priesterhebe  essen?  (Da  der  gewöhnliche 
Priester  eine  Witwe  ehelichen  darf,  so  wäre  der  „Becher  der  frohen  Botschaft",  falls 
seine  Deutung  durch  Rab  Adda  b.  Ahaba  richtig  wäre,  kein  Beweis,  daß  die  Braut 
«ine  Jungfrau  u.  keine  Witwe  war.)  Vielmehr,  hat  Rab  Papa  gesagt,  bedeutet  der 
Becher  mit  dem  T^'rumawein:  Diese  (Braut)  ist  ein  Ersthng  (mit  Bezug  auf  die  Bei- 
wohnung) wie  die  Hebe  Erstling  ist  (von  den  geernteten  Früchten).  Bar:  R.  J^'huda 
\um  150)  hat  gesagt:  Ein  Weinfaß  trug  man  vor  ihr  her.  Rab  Adda  b.  Ahaba  hat  ge- 
sagt: Wenn  sie  eine  Jungfrau  ist,  so  trägt  man  es  verschlossen  vor  ihr  her;  war  ihr 
bereits  beigewohnt,  so  trug  man  es  offen  vor  ihr  her. 

O.  K' th  2,  1  u.  pKeth  2,  2tib,  ^:  R.  Jochanan  b.  B^roqa  (um  1 10)  bat  gesagt:  Auch  die 
Austeilung  gerösteter  Ähren  (beim  Hochzeitszuge)  dient  als  Beweis  (daß  die  Braut  eine 
Jungfrau).  —  Dazu  bKeth  17 b:  Es  ist  gelehrt  worden:  In  Judäa  dient  das  als  Beweis.  Was 
aber  in  Babel?  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Das  Salböl  auf  dem  Kopf  der  teilnehmenden  Rab- 
binen  (s.  oben  S.  427  Anm.b).  Wie  Verhaltes  sich  aber  bei  einer  Witwe  (als  Braut)?  Rab 
Joseph  (t383)  hatte  als  tannaitische  Tradition:  Bei  einer  Witwe  gibt  es  keine  Verteilung 
gerösteter  Ähren.  |i  Berakh  50^  Bar:  Man  läßt  Wein  in  Rinnen  hinfließen  vor  dem 
Bräutigam  u.  der  Braut,  man  wirft  vor  ihnen  (unter  die  Menge)  geröstete  Ähren  u. 
Nüsse  während  der  Sommermonate  (da  die  Erde  dann  trocken  ist  u.  die  hingeworfenen 
Sachen  nicht  verunreinigt),  aber  nicht  während  der  Regenperiode;  dagegen  verstreut 
man  keine  Brötchen,^  sei  es  in  der  Sommerzeit,  sei,  es  in  der  Regenperiode.  ||  S^mach  8: 
Man  macht  das  Brautgemach  für  Brautpaare  u.  hängt  daran  sowohl  Dinge,  die  man 
zum  Essen,  als  auch  Dinge,  die  man  nicht  zum  Essen  gebracht  hat.  So  R.  Meir  (um  150). 
R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Man  hängt  nur  Eßbares  daran.  Folgende  Dinge  hängt  man 
daran:  Nüsse  die  man  nicht  zum  Essen  gebracht  hat,  Brötchen  die  man  nicht  zum 
Essen  gebracht  hat,  Streifen  von  Purpurwolle  u.  eine  Schale  mit  wohlriechendem  Ol. 
Folgende  Dinge  hängt  man  nicht  daran:  Nüsse  die  man  zum  Essen  gebracht  hat, 
Granatäpfel  die  man  zum  Essen  gebracht  hat,  Brötchen  die  man  zum  Essen  gebracht 
hat,  eine  Schale  mit  süßem  Öl.  Eiue  allgemeine  Regel  hierüber  lautet:  Was  ans  Braut- 
gemach gehängt  ist,  i^t  zum  Genuß  verboten.  Man  verschenkt  vor  den  Brautpaaren 
Schnüre  mit  Fischen  u.  Fleischstücke  während  der  Sommermonate,  aber  nicht  während 
der  Regenperiode;  dagegen  verschenkt  man  keine  Stücke  von  gekochten  Fischen  oder 
Erdschwämme  oder  Sesamkörner,  sei  es  während  der  Sommermonate,  sei  es  während 
der  Regenperiode;  aber  geröstete  Ähren  u.  Nüsse  nimmt  man  u.  verstreut  sie.  Die 
allgemeine  Regel  hierüber  lautet:  Alles  was  verdirbt  (durch  die  Berührung  mit  der 
Erde)  verschenkt  man  nicht  vor  ihnen.  Man  läßt  vor  den  Brautpaaren  hinfließen  Röhren 
mit  Wein  u.  Röhren  mit  Öl,  ohne  sich  deshalb  Sorgen  zu  machen  hinsichtlich  heid- 
nischer Gebräuche  oder  verbotener  Speisen.  ||  In  fAZf^l»  findet  sich  folgende  Sitte  er- 
wähnt. Es  wird  gefragt:  Von  wann  an  ist  es  vor  der  Hochzeit  in  einem  heidnischen 
Hause  verboten,  einer  Einladung  des  heidnischen  Hochzeitsvaters  zu  einem  Gastmahl 
Folge  zu  leisten?  Rab  Papa  if  876)  hat  im  Namen  Rabas  (f  852)  gesagt:  -lyj  ^^^  -='3 
•r:-cs2.  Raschi  gibt  davon  zwei  Erklärungen,  a:  \  on  der  Zeit  an,  da  man  Gerste  im 
Trog  einweicht,  um  Rauschtrank  daraus  für  die  Hochzeit  zubereiten;  —  ß:  Von  der 
Zeit  an,  da  man  Erde  in  eine  Mulde  (Schale)  tut,  in  die  man  vor  der  Hochzeit  Gerste 


1   r«s-oi^j  =  xöXh^,  kleinere   oder  größere  Brote   aus  feinem   Mehl,   s.  Krauß, 
Archäologie  1, 472  Anm.  485  f. 


Matth  9,  15  (33)  513 

sät.  u.  die  man,  wenn  sie  aufgegangen  ist,  vor  das  Brautpaar  mit  den  Worten  bringt: 
,Seid  fruchtbar  u.  mehret  euch,  wie  diese  Gerste,  die  am  schnellsten  aufgeht  unter 
•allen  Getreidearten  "  —  Die  Tosaphisten  entscheiden  sich  für  die  zweite  Deutung,  da 
im  ganzen  Talmud  die  Bereitung  von  Rausclitrank  aus  Gerste  niemals  erwähnt  werde.  — 
Jedenfalls  handelt  es  sich  nur  um  eine  babylonische  Sitte,  von  der  dem  Zus. hang  der 
Stelle  nach  auch  nicht  ohne  weiteres  angenommen  werden  darf,  daß  sie  in  judischen 
Häusern  üblich  war.    Parallelstelle:  K  thö''. 

p.  Der  Hochzeitsgesang  heißt  «,  stv, — .  Danach  wurde  auch  die  ganze  Feier  ge- 
nannt; zB  N'^dnO'':  Rabbi  machte  seinem  Sohne  R.  Schimfon  Hochzeit  s-'^in  r^-V  nzs  -i^; 
vgl.  auch  sV«-:-  -;  „das  Hochzeitshaus"  in  verschiedenen  Zitaten  oben.  —  ß,  N-s-rn, 
'durch  Versetzung  der  Buchstaben  aus  (/«)  vfj,f'iaiK  entstanden.  Einmal  s:-,«;-n,  s.  pK*^th 
l,2ö'',  20.  —  K*^th '2,  I  :  Wenn  sie  Zeugen  hat,  daß  sie  unter  Hochzeitsgesang  ^'iii-na 
hinausgezogen  ist,  so  beträgt  ihre  Hoihzeitsverschreibung  2(J()  Zuz;  die  ganze  Stelle 
s.  oben  Anm.pr.  —  Die  Deutung  des  Wortes  in  den  beiden  Gemaren  zeigt,  daß  man 
den  ursprünglichen  Sinn  nicht  mehr  verstanden  hat.  pK  th"i,2Hb,3:  N^s-z—a.  In  Baby- 
lonieii  sagt  man,  es  bedeute  -.•:•::  , Schlummerrolle"  (von  =:•::  schlummern).  Die  Rab- 
binen  Palästinas  SHgten,  es  bedeute  n":t--i  , Sänfte".  —  Die  letztere  Erklärung  sachlich 
nicht  ganz  unrichtig,  da  die  Hochzeitsgesänge  ja  eben  an  der  Brautsänfte  erklangen.  — 
bK  th  17b:  Was  bedeutet  n-:v--?  Sorchah  b.  Papa  (wann?!  hat  im  Namen  des  Z^firi 
{um  2)0)  gesagt:  Es  bedeutet  den  „Backofen  ans  Myrten"  .>!cs-  N^ijr;  R  Jochanan 
{f  l'<9)  hat  gesagt:  Es  bedeutet  die  ■;---  ,  darin  die  Braut  schlummert.  —  Zu  's-  s--:p 
bemerkt  Rasclii:  „eine  Art  runder  Wölbung  aus  Myrten";  die  Ähnlichkeit  mit  einem 
gewöUtten  Backofen  würde  hiernach  die  Bezeichnung  >;-':r  veranlaßt  haben;  wir  werden 
dabei  an  eine  laubenartige  Bedachung  der  Brautsänfte  aus  Myrtenzweigen  zu  denken 
haben,  so  daß  diese  Erklärung  sich  mit  <•; — i  der  palästinischen  Gelehrten  im  pT 
berührte.  —  Sachs,  Beitiäge  1,8^^,  ist  geneigt  statt  s--:r  zu  lesen  s:i-r  =  fi()6iog; 
die  Sänfte  würde  so  der  „Myrtenthron"  heißen.  —  Zu  sr-^-  bemerkt  Raschi:  Ein 
Schleier  auf  ihrem  Kopf,  der  auf  ihrf  Augen  herabfällt,  u.  manchmal  mochte  sie  darin 
schlummern,  weil  ihre  Augen  niciit  enthüllt  waren,  u.  deshalb  wird  der  Schleier  s~i-z-r. 
genaimt  wegen  des  Schlummers  -tvr,  vgl.  die  Erklärung  der  babyl.  Gelehrten  in  pT.  — 
Levy  erklärt  4,  8H0  s — -  -  gewölbte  Trage,  Baldachin,  darin  die  Braut  schlummert.  — 
Das  schlummern  in  der  Hochzeitssänfte  inmitten  einer  jubelnden  Menge  ist  doch  etwas 
schwer  vorstellbar. 

K'th  itib  Bar:  Wie  tanzt  man  vor  der  Braut?  (d  h.  was  singt  u.  sagt  man  tanzend 
zu  ihr?).  Die  Schule  S<hammais  sagte:  Man  redet  die  Braut  dabei  an  je  nach  ihrer 
Beschaffenheit.  Die  Schule  Hillels  sagte:  iMan  ruft  ihr  zu:)  Schöne  u.  anmutige  Braut! 
Die  Schule  Schammais  sagte  zur  Schule  Hillels:  Wenn  sie  nun  lahm  u.  blind  ist, 
kann  man  zu  ihr  sagen:  Schöne  u.  anmutige  Braut?  Die  Tora  sagt  doch :  Von  einem 
Wort  der  Lüge  halte  dich  fern!  Ex  2:^,  7.  Die  Schule  Hillels  antwortete:  Wie  ist  es 
nach  euren  Worten,  wenn  jemand  einen  schlechten  Kauf  auf  dem  Markt  gemacht  hat, 
soll  man  ihn  loben  oder  herabsetzen  in  seinen  Augen?  Man  soll  ihn  doch  wohl  loben 
in  seinen  Augen!  Von  hier  aus  haben  die  Gelehrten  gesagt:  Des  Menschen  Meinung 
sei  immer  wohlgefällig  in  den  Augen  der  Leute  (Raschi:  er  handle  jedermann  zu  Ge- 
fallen). Als  Rab  Dimi  lum  S.'ii)  kam  ivon  Palästina  nach  Babylonieni,  sagte  er:  So 
singt  man  vor  einer  Braut  im  Abendland  (  —  Palästina^i:  „Nicht  Schminke,  nicht  Puder, 
nicht  Lockengekräusel,  u.  doch  eine  Gemse  voll  Anmut!" 

q  MidrPs24  S  I  (I2(("):  Manchen  Jüngling  gibt  es  von  schöner  Gestalt  u.  sein 
häßliches  u.  unbeliebtes  (-.■<':)  Weib  (hier  =  Braut)  sitzt  in  der  Kastensänfte.  Das 
Volk  aber  sagt:  „Wer  ist  der  Gatte  dieser?"  und  man  antwortet:  „Dieser  ist  es", 
u.  man  sieht  ihn  als  schönen  Jüngling.  Dann  sagt  das  Volk:  „Soll  der  Jüngling  an 
diesem  Kasten  zugrunde  gehn?"  Und  wenn  die  Braut  ---  schön  ist  u.  ihr  Gatte  häßlich 
u.  klein,  dann  sagt  das  Volk:  „Soll  diese  Braut  zugrunde  gehn  an  diesem  Mann?"  — 
Hier  sei  auch  auf  das  in  Palästina  übliche  Scherzwort  hingewiesen  B"rakh8a:  Wenn 
im  Abendland  einer  eine  Frau  nimmt,  dann  pflegt  man  zu  ihm  zu  sagen:  s.^^:?  oder 
Strack  u  Billerbeck,  NTI.  33 


514  Matth  9, 15  (SB) 

s---?  Das  erstere  nach  Spr  18,22:  Wer  ein  Weib  gefunden  su-:,  hat  Gutes  gefunden. 
Das  letztere  nach  Qoh  7,  26 :  Ich  fand  s^•■:  bitterer  als  den  Tod  das  Weib.  —  Der  Sinn  der 
Frage  an  den  Bräutigam  ist  also,  ob  seine  Braut  Spr  1 8,22  oder  Qoh  7, 2ti  entspreche. 

r.  Auch  Rabbinen  beteiligen  sich  an  diesen  Myrtentänzen.  K  th  17»:  Von  R.  J^huda 
b.  Elfai  (um  150)  hat  man  erzählt,  daß  er  einen  Myrtenstengel  nahm  u.  vor  der  Braut 
tanzte  u.  sprach:  Schöne  u.  anmutige  Braut!  R.  Sch'muel  b.  Ji9(;haq  (um  30(M  tanzte- 
mit  drei  (Myrtenstengeln,  indem  er  einen  hochwarf,  den  zweiten  im  Fallen  auffing  u, 
den  dritten  wiederum  hochwarf j.  Da  sagte  R.  Z'^fira  (um  300):  Der  Alte  macht  uns- 
Schande!  Als  seine  (des  R  Sch'^muel  b.  J. )  Seele  zur  Ruhe  eingegangen  war,  bihlete- 
eine  Feuersäule  eine  Scheidewand  zwischen  ihm  (seiner  Leiche)  u.  allen  übrigen  Menschen 
(im  Leichengefolge).  Und  wir  haben  doch  gelernt,  daß  eine  Feuersäule  eine  Scheide- 
wand bildet  nur  bei  jemandem,  der  einzig  in  seiner  Generation  ist,  höchstens  bei  zweie» 
in  einer  Generation  (da  kann  also  das  Urteil  des  R.  Z*^fira  über  Sch°muel  b.  J.  nicht 
zutreffen)!  R.  Z'^fira  hat  gesagt:  Der  Myrtenzweig  i^T^••z^•6  hat  dem  Alten  dazu  ver- 
helfen; andre  sagten:  Seine  Narrheit  s-rur,  noch  andere:  Seine  Art  u.  Weise  sr--rj. 
Rah  Acha  (um  320)  ließ  die  Braut  auf  seinen  Schultern  reiten,  während  er  tanzte.  Da 
sprachen  die  Rabbinen  zu  ihm:  Dürfen  wir  also  tun?  Er  antwortete:  Wenn  sie  auf 
euch  wie  ein  Balken  sind,  dann  wohlan!  wenn  aber  nicht,  dann  nicht!  —  Das  Verfahrea 
des  R.Sch'^muel  b.  J.  wird  noch  erwähnt  pPea  1,  15'^,  81 ;  pf  AZ  3,42  ,  12;  GnR59  (:!7"). 

S  Nur  ausnahmsweise  wurde  die  Hochzeit  im  elterlichen  Haus  der  Braut  gefeiert,, 
s.  Midr  Esth  1,4  (.^6  "j  in  Anm.  l. 

t.  T'^rura  11,10:  (Unrein  gewordenes  Hebeöl)  darf  man  in  einem  (priesterlichen) 
Hochzeitshaus  (in  den  Lampen)  verbrennen,  aber  nicht  in  einem  (priesterlichen)  Trauer- 
haus. So  R.  J'^'huda  (um  15U).  R.Jose  (um  15'))  sagte:  In  einem  Trauerhaus,  aber  nicht 
in  einem  Hochzeitshaus.  R.  Meir  (um  150)  verbot  es  in  beiden,  R.  Schimfon  (um  150) 
erlaubte  es  in  beiden.  —  Dazu  pT'^rum  U,48'\  29:  Was  ist  der  Grund  des  R.  J'huda? 
Weil  man  in  einem  Hochzeitshause  reine  Gewänder  anlegt,  darum  befaßt  man  sich 
mit  dem  Ol  nicht  (um  es  außerhalb  des  Priesterhauses  zu  benützen);  in  einem  Trauer- 
hause aber,  wo  man  schmutzige  Gewänder  hat,  befaßt  man  sich  damit.  Was  ist  der 
Grund  des  R.  Jose?  Weil  man  in  einem  Trauerhaus  niedergebeugt  ist,  darum  befaßt 
man  sich  nicht  mit  dem  Ol;  in  einem  Hochzeitshause  aber,  in  welchem  man  aus- 
gelassen ist,  befaßt  man  sich  damit.  Was  ist  der  Grund  des  R.  Meir?  Weil  man  in 
einem  Trauerhause  schmutzige  Gewänder  trägt,  darum  befaßt  man  sich  damit,  u.  weil 
man  in  einem  Hochzeitshause  ausgelassen  ist,  befaßt  man  sich  (gleichfalls)  damit. 
Was  ist  der  Grund  des  R  Schim?on?  Weil  man  in  einem  Trauerhaus  niedergebeugt 
ist,  darum  befaßt  man  sich  nicht  damit,  u.  weil  man  in  einem  Hochzeitshaus  reine 
Gewänder  hat,  darum  befaßt  mau  sich  (gleichfalls)  nicht  damit. 

tt.  Keth  7b  Bar:  Man  spricht  den  Lobspruch  der  Brautpaare  in  Gegenwart  vo» 
zehn  Personen  alle  sieben  Hochzeitstage  hindurch.  Rah  Jehuda  (f  299)  hat  gesagt:  Und 
zwar,  wenn  neue  Personen  (an  der  Hochzeitstafel  der  sieben  Hochzeitstage)  erscheinen. 
Welchen  Lobspruch  spricht  man?  Rab  Jehuda  hat  gesagt:  „Gepriesen  seist  du,  Jahve 
unser  Gott,  König  der  Welt,  der  alles  zu  seiner  Ehre  geschaffen,  u.  Bildner  des  Menschen,, 
der  den  Menschen  nach  seinem  Bilde,  nach  dem  Bilde  der  Ähnlichkeit  seines  Urbildes- 
geschaffen  u.  aus  ihm  ihm  einen  Bau  (nämlich  das  Weib)  bis  in  alle  Ewigkeit  bereitet 
hat.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  Bildner  des  Menschen !  Mit  großer  Freude  möge  sieb 
freuen  u.  frohlocken  die  Unfruchtbare  (d.  h.  das  seiner  Kinder  beraubte  Zion),  wenn 
ihre  Kinder  sich  um  sie  sammeln  in  Freude.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der  du  Zion 
erfreust!  Erfreue  mit  großer  Freude  dieses  geliebte  Paar,  wie  du  dein  Gebilde  im 
Garten  «Eden  vor  alters  erfreut  hast.  Gepriesen  seist  du,  Jahve,  der  Bräutigam  u.  Braut 
erfreut!  Gepriesen  seist  du,  Jahve  unser  Gott,  König  der  Welt,  der  Wonne  u.  Freude, 
Bräutigam  u.  Braut,  Frohlocken,  Jubel.  Fröhlichkeit  (-::t  möglichenfalls  auch  Tanz), 
Frohsinn,  Liebe  u.  Brüderlichkeit  u.  Eintracht  u.  Freundschaft  geschaffen  hat.  Eilends, 
Jahve  unser  Gott,  möge  in  den  Städten  Judas  u.  in  den  Gassen  Jerusalems  gehört 
werden  die  Stimme  der  Wonne  u.  die  Stimme  der  Freude,  die  Stimme  des  Bräutigams 


Matth  9, 15  (83)  515 

u.  die  Stimme  der  Braut,  die  Stimme  des  Jauchzens  der  Bräutigame  aus  ihrem  Braut- 
gemach u.  die  der  Jünglinge  von  ihrem  Hoclizeitsmahl"  (er:-;:  nr-c^n  «vom  Gelage 
ihres  Saitenspiels",  wenig  sinnvoll;  crj-;:  wird  verderbt  sein  aus  einer  Form  von  sjisj 
oder  s;:;;  dem  entspricht  die  gegebene  Übersetzung). 

V.  MQ  2Sb:  R.  Chama  b.  Chanina  (um  26U)  hat  gesagt:  Woher  läßt  es  sich  be- 
weisen, daß  der  Bräutigam  obenan  sitzen  soll  (beim  Hochzeitsmahl)?  Weil  es  heißt: 
, Gleich  einem  Bräutigam,  der  den  priesterliclien  Kopfputz  aufsetzt"  Jes61,10.  Wie 
der  Priester  überall  der  Erste  ist  (zB  beim  Vorlesen  aus  der  Schrift,  beim  Sprechen 
der  Lobsprüche  usw  ),  so  auch  der  Bräutigam. 

w.  Pes7,  13:  Eine  Braut  darf  ihr  Gesicht  abwenden,  wenn  sie  ißt.  —  Fes  86l>: 
Was  ist  der  Grund?  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe 
gesagt:  Weil  sie  sich  schämt  (vor  den  Augen  der  Männer  zu  essen,  weil  sie  auf  sie 
blicken,  Raschi).  Vgl.  Keth  17  a:  R.  Schemuel  b.Nachman  (um  260)  hat  gesagt,  R.Jonathan 
(um  220)  habe  gesagt:  Es  ist  erlaubt,  die  ganzen  sieben  Hochzeitstage  eine  Braut  an- 
zublicken, um  sie  ihrem  Gatten  lieb  zu  machen;  die  Halakha  ist  aber  nicht  nach  ihm. 

X.  TSota  H,6f.  i321):  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  hat  gesagt:  Es  gibt  keine 
Not,  die  über  die  Gesamtheit  kam,  der  entsprechend  der  Gerichtshof  nicht  eine  Freude 
abgeschafft  hätte.  Als  das  Synedrium  aufhörte  (mit  dem  Untergang  Jerusalems!,  hörte 
der  Gesang  in  den  Hochzeitshäusern  auf.  ^  Dasselbe  sagt  pSota  S>,  24 1>,  7  R.  Jose  b.  ßun 
(um  850)  im  Namen  des  R  Huna.  [i  Git  7»;  Man  ließ  den  Mar  fUqba  fwohl  den  Jüngeren, 
um  270)  fragen:  Woher  wissen  wir,  daß  der  Gesang  (in  den  Hochzeitshäusern  seit  der 
Zerstörung  Jer.s)  verboten  ist?  Er  zog  Linien  u.  schrieb  ihnen:  „Freue  dich  nicht, 
Israel,  unter  Jubel  wie  die  Völker"  Hos  9,  1.  Er  hätte  es  ihnen  auf  Grund  von  Jes  24, 9 
mitteilen  sollen:  , Mit  Gesang  sollen  sie  nicht  mehr  Wein  trinken,  bitter  wird  der  Met 
seinen  Trinkern  sein!"  Denn  wenn  es  aus  jener  Stelle  bewiesen  wird,  dann  kann  ich 
sagen:  Jene  Worte  beziehen  sich  nur  auf  das  Spielen  von  Musikinstrumenten,  aber  Ge- 
sang des  Mundes  ist  erlaubt.  —  Das  Verbot  wurde  später  wohl  nicht  beachtet;  vgl.  pSota 
5/,  24 1»,  4  in  Anm.  z;  ferner  s.  Anm.  dd.  \\  GnR  70  (45 '') :  Den  ganzen  Tag  hatten  die  von 
Laban  Geladenen  Gn  29, 22  Jakobs  Hochzeit  gefeiert;  als  aber  der  Abend  anbrach  (u.  sie 
ihn  noch  immer  weiter  belustigten ^  sprach  Jakob:  Warum  dies?  Sie  antworteten  ihm: 
Du  hast  uns  durch  dein  Verdienst  Wohltat  erwiesen!  Und  sie  sangen  sein  Lob  vor  ihm 
u.  sprachen  (als  Kehrvers)  n"*:  sn  s-5  s-,  womit  sie  meinten  (ohne  daß  es  Jakob  ver- 
stand) ns5  s-n  ns^  s"n  =  das  ist  Lea,  das  ist  Lea!  (Der  Kehrvers  wird  zu  lesen  sein: 
s-'5  sr:  s-'p  S77  =:  die  ist  es  nicht,  die  ist  es  nicht,  nämlich  die  Richtige.) 

y  LvR  28  (126  '^)  u.  Midr  Qoh  1,3:  R.  Schimfon  b.  Rabbi  (um  220)  nahm  ein  Weib. 
Rabbi  befahl  dazu  alle  Rabbinen,  nur  den  Bar  Qappara  nicht.  Dieser  schrieb  ihm  an 
die  Tür  seines  Hauses:  „Nach  deiner  Freude  wirst  du  sterben;  was  für  einen  Gewinn 
hast  du  von  deiner  Freude?"  Als  Rabbi  herauskam  u.  es  sah,  sprach  er:  Wer  ist  dieser, 
den  wir  nicht  eingeladen  haben,  daß  er  diese  Worte  geschrieben  hat?  Man  antwortete: 
Bar  Qappara!  Er  sprach:  Morgen  veranstalte  ich  für  ihn  (um  seinetwillen)  ein  Früh- 
mahl. Er  bereitete  ein  Frühniahl  u.  lud  ihn  ein.  Als  nun  die  Gäste,  ""'^"'n",  gekommen 
waren  u.  sich  zum  Essen  niedergesetzt  hatten,  sagte  Bar  Qappara,  sooft  eine  Speise 
aufgetragen  wurde,  300  Fabeln  über  den  Fuchs  dabei,  so  daß  die  Speise  kalt  wurde 
u.  die  Gäste  nichts  davon  kosteten.  Rabbi  sagte  zu  seinen  Dienern:  Warum  kommen 
die  Speisen  heraus,  ohne  daß  man  davon  gekostet  hat?  Sie  antworteten:  Es  ist  dort 
ein  Alter,  der,  sooft  eine  Speise  aufgetragen  wird,  300  Fabeln  über  den  Fuchs  erzählt, 
so  daß  die  Speise  kalt  wird.  Rabbi  trat  an  ihn  heran  u.  sprach:  Warum  tust  du  das, 
daß  du  die  Gäste  nichts  genießen  lassest?  Er  antwortete:  Damit  du  nicht  meinen 
möchtest,  ich  sei  gekommen,  um  zu  essen;  vielmehr  (bin  ich  unwillig),  daß  du  mich 
nicht  zusammen  mit  meinen  Kollegen  eingeladen  hattest. 

Z.  pKeth  I,  25a,  25  u  Midr  Ruth  4,2:  „Bofaz  nahm  zehn  Männer  von  den  Ältesten 
der  Stadt"  Ruth  4, 2.  R.  Pinechas  (um  360j  hat  gesagt:  Hieraus  lernen  wir,  daß  der 
Gerichtshof  (lies  r"  r^--;  statt  nr-;  r'z'^)  Älteste  in  ihre  Hochzeitshäuser  beorderte 
(damit  keine  leichtsinnigen  Reden  dort  geführt  würden,  so  riwa  'zt).  —  pSota  J>,  24b,  4: 

33* 


516  Matth  9,  15  (SB) 

Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Früher  war  die  Furcht  vor  dem  Synedrium  auf  ihnen, 
so  daß  sie  keine  verwerflichen  i leichtfertigem  Worte  im  Liede  vortrugen;  aber  jetzt 
tragen  sie  verwerfliche  Worte  im  Liede  vor.  —  K^th  8t>  u.  Schab  33»:  Rab  Chanan 
b.  Rabbah  (so  lies  statt  ^-i  -;,  um  250)  hat  gesagt:  Jeder  weiß,  wozu  die  Braut  in  das 
Brautgemach  eintritt;  aber  wer  seinen  Mund  zu  Schändlichem  braucht  u.  schändliche 
(schmutzige,  leichtfertige)  Worte  aus  seinem  Munde  hervorbringt,  dessen  Geschick  wird, 
auch  wenn  es  ihm  auf  siebzig  .Fahre  zum  Guten  untersiegelt  war,  zum  Bösen  gewendet. 

aa.  TSanh  li»,  10  (433):  R.  fAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Wer  das  Hohelied  mit 
vibrierender  (singender)  Stimme '  in  Hochzeitshäusern  vorträgt  u.  es  zu  einer  Art  (pro- 
fanen) Gesanges  macht,  der  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt.  —  AbothRN36 
nennt  R.  Jochanan  b.  Nuri,  um  1 10,  als  Autor.  ||  Sanh  101  a  Bar:  Wer  einen  Vers  aus 
dem  HL  zitiert  u.  es  zu  einer  Art  (profnnen)  Gesanges  macht,  oder  wer  (irgend  einen 
Schriftvers  zur  Unzeit  in  einem  Hochzeitshaus  (oder  auch  allgemein:  bei  einem  Gast- 
mahl) zitiert,  der  bringt  Unheil  über  die  Welt.  Denn  die  Tora  gürtet  Sacktuch  (Trauer- 
kleidung) um,  tritt  hin  vor  Nott  u.  spricht  vor  ihm:  Herr  der  Welt,  deine  Kinder  haben 
mich  gleichsam  zu  einer  Zither  gemacht,  auf  der  die  Gojim  spielen!  Dann  sagt  Gott 
zu  ihr:  Meine  Tochter,  womit  sollen  .sie  sich  beschäftigen,  wenn  sie  essen  u.  trinken? 
Sie  antwortet:  Herr  der  Welt,  wenn  sie  Kenner  der  Schrift  sind,  so  mögen  sie  sich 
mit  der  Tora,  den  Propheten  u.  den  Hagiographen  beschäftigen;  wenn  sie  Kenner  des 
Traditionsstoffes  sind,  so  mögen  sie  sich  mit  der  Mischna,  der  Halakha  u.  der  Haggada 
beschäftigen;  wenn  sie  Kenner  des  Talmuds  (hier  =  halakhische  Diskussion)  sind,  so 
mögen  sie  sich  am  Passahfest  mit  den  Satzungen  des  P.,  am  Wochenfest  mit  den 
Satzungen  des  W.,  am  Hüttenfest  mit  den  Satzungen  des  H.  beschäftigen. 

bb  SDt  1 1,  10  §  38  (77  ^' ):  Einmal  lagen  R.  Elifezer  (um  90 1,  R.  J^hoschuaf  u.  R.  ^adoq 
im  Hochzeitshause  des  Sohnes  des  Rabban  Gamliel  11.  zu  Tische.  Rabban  G.  mischte 
für  R.  Eli?ezer  (der  sein  Schwager  war)  einen  Becher;  dieser  aber  wollte  ihn  laus  Ehr- 
erbietung gegen  R.  G. )  nicht  annehmen;  R.  .1  hoschua?  dagegen  nahm  ihn  an.  Da  sai^te 
R.  Elifezer  zu  ihm:  Was  soll  das,  J  hoschuaf,  wir  liegen  zu  Tische  u.  Rabban  G.  steht 
u.  dient!  R.  J^hoschuaf  erwiderte:  Laß  ihn  nur  bedienen!  Abraham,  der  Große  der 
Welt,  hat  die  Engel  bedient,  während  er  meinte,  daß  es  Araber,  Götzendiener,  seien, 
s.  Gn  18,2.  Ist  da  nicht  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere  berechtigt? 
Wenn  Abraham,  der  Große  der  Welt,  die  Engel  bedient  hat,  während  er  annahm,  daß 
es  Araber,  Götzendiener,  seien,  sollte  uns  da  Rabban  G.,  der  Rabbinensohn,  nicht  be- 
dienen?! Es  sprach  R.  ^adoq  (so  lies  statt  R.  Jicjchaq)  zu  ihnen:  Ihr  lasset  die  Ehre 
Gottes  dahinten,  u.  beschäftigt  euch  mit  der  Ehre  von  Fleisch  u.  Blut!  Der,  welcher 
sprach  u.  es  ward  die  Welt,  läßt  Winde  wehen  u.  hebt  Dünste  u.  Wolken  empor  u. 
läßt  den  Regen  niederfallen  u.  die  Gewächse  wachsen  u.  deckt  jedem  einzelnen  den 
Tisch,  da  sollte  Gamliel,  der  Rabbinensohn,  uns  nicht  bedienen?  —  Dasselbe  Qid  32^. 
Hier  geht  folgende  Erzählung;  vorauf:  Raba  (t  352)  schenkte  bei  der  Hochzeit  seines 
Sohnes  ein.  Er  füllte  einen  Becher  für  Rab  Papa  (f  376)  u.  Rab  Huna  b  J'^hoschuaf 
u.  sie  erhoben  sich  vor  ihm;  dann  füllte  er  einen  Becher  für  Rab  Mari  u.  Rab  Pin'^chas 
b.  Chisda,  u.  sie  erhoben  sich  nicht  vor  ihm.  Da  ward  er  zornig  u.  sprach:  Jene  Rab- 
binen  sind  Rabbinen  u.  diese  Rabbinen  sind  keine  Rabbinen.  —  Darauf  wird  Ähnliches 
über  Rab  Papa,  f  37(i,  berichtet. 

CC.  TSchab  7,9  (118):  Als  R.  fAqiba  (f  um  135)  seinem  Sohn  Hochzeit  machte, 
sprach  er  bei  jedem  einzelnen  Faß  (Krug)  Wein,  das  er  öffnete:  Der  Wein  für  das 
Leben  der  Rabbinen  u.  für  das  Leben  ihrer  Schüler!  (wir  würden  sagen:  Auf  das 
Wohl  usw.).  —  Parallelsteilen:  pB  rakh  «i,  10'^,  49;  bSchabö?''. 

dd.  B^rakh  30*^:  Mar  b.  Habina  (gegen  400)  machte  seinem  Sohne  Hochzeit;  er 
sah,  daß  die  Rabbinen  sehr  angeheitert^  waren.    Er  brachte  einen  Pokal,  der  400  Znz 

1  o'-i-rn  -"Ba  iV;p  j-jv:-:-!  =  „wer  seine  Stimme  im  Hohenliede  schüttelt*  scheint 
der  oben  gegebenen  Übersetzung  zu  entsprechen. 

2  Berakh  9*  wird  von  zwei  Rabbinen  berichtet,  die  sich  auf  der  Hochzeit  eines 
Sohnes  des  R.  Jehoschuaf  b.  Levi,  um  2o0,  betrunken  hatten;  s.  die  Stelle  bei  Job  2,  10. 


Matth  9,  15  (SB.  6)  517 

wert  war,  u.  zerbrach  ihn  vor  ihnen.  Da  wurden  sie  betrübt.  Rab  Aschi  (f  427)  machte 
seinem  Sohne  Hochzeit;  er  sah,  daß  die  Rabbinen  sehr  angeheitert  waren.  Er  brachte 
einen  Pokal  von  weißem  Kristallglas  u.  zerbrach  ihn  vor  ihnen;  da  wurden  sie  be- 
trübt. (Die  Tosaphisten  bemerken  dazu:  Von  daher  ist  es  Brauch  gewordeu,  bei  den 
Hochzeiten  Glasgeschirr  zu  zerbrechen.)  Die  Rabbinen  sprachen  zu  Rab  Hamnuna 
dem  Jüngeren  bei  der  Hochzeit  des  Mar  b.  Rabina  is.  oben):  Es  gestatte  uns  der  Herr, 
ein  Lied  zu  singen!  Er  antwortete:  „Wehe  uns,  daß  wir  sterben  müssen;  wehe  uns, 
daß  wir  sterben  müssen!"  Sie  sprachen:  Was  sollen  wir  darauf  antworten?  Er  sprach: 
Wo  ist  das  Torastudium  u.  wo  die  Gebotserfüllung,  die  uns  beschützen  sollen? 

ee.  Das  früheste  Zeugnis  dürfte  Tob  11,  1>^  sein:  x«(  ??'/.''»;  o  ydfxog  Tnoßtu  just' 
st'(pgoari'T]g  snid  ijusfjng.  —  pK*^th  I,  '2b''^,  23:  Mose  hat  die  siebentägige  Hochzeitsfeier 
u.  die  siebentägige  Trauerzeit  angeordnet;  aber  in  bezug  auf  eine  Witwe  hat  er  nichts 
verordnet.  —  N'^g  3,  2:  Wenn  an  einem  Bräutigam  sich  Aussatz  zeigt,  so  gibt  man  ihm 
die  sieben  Tage  der  Hochzeit  frei  (ohne  ihn  abzusondern).  —  Weitere  Beispiele  finden 
sich  hin  u.  her  in  vorstehenden  Zitaten,  zB  Sukka  2t^  in  Anm.  b. 

ff  K'^th  5^:  Die  Gelehrten  sind  auf  das  Wohl  der  Töchter  Israels  bedacht  (deshalb 
haben  sie  als  Hochzeitstag  der  Witwen  den  Donnerstag  festgesetzt),  damit  er  (der 
Bräutigam)  sich  mit  ihr  drei  Tage  lang  freue,  am  Donnerstag.  Freitag  u.  Sabbat.  Dazu 
K*^th  7*  die  Spezialisierung:  Wenn  du  willst,  sage:  Bei  einem  Witwer  (der  eine  Witwe 
heiratet)  ein  Tag  für  den  Lobspruch  (der  Brautpaare)  u.  drei  Tage  zur  Freude;  u.  wenn 
du  willst,  sage:  Bei  einem  Jüngling  (der  eine  Witwe  heiratet)  sieben  Tage  für  den  Lob- 
spruch u.  drei  zur  Freude. 

gg.  Sieh  zB  K^th  7b  in  Anm.  u..  hh.  Sieh  zB  Sukka  25^  in  Anm.  h. 

ii.  B'^rakh  1,1:  Einmal  kamen  des  Rabban  Ganiliel  (um  90)  Söhne  von  einem 
Hochzeitsmahl  (spät  in  der  Nacht);  sie  sprachen  zu  ihm:  Wir  haben  das  (abendliche) 
Sch'maf  noch  nicht  rezitiert.  Er  antwortete:  Wenn  das  Morgengrauen  noch  nicht 
aufgestiegen  ist,  seid  ihr  noch  zum  Rezitieren  verpflichtet.  ll  LvR  12  (113^):  R.  Judan 
(um  ;^50)  hat  gesagt:  Jene  ganzen  sieben  Jahre,  in  denen  Salomo  den  Tempel  erbaute, 
hat  er  keinen  Wein  getrunken;  als  er  ihn  aber  erbaut  hatte  u.  die  Bithja,  des  Pharao 
Tochter,  heiratete,  in  jener  Nacht  trank  er  Wein,  u.  es  wurden  zwei  Festgelage  daselbst 
gehalten,  ein  Freudenfest  wegen  der  Erbauung  des  Heiligtums  u.  ein  Freudenfest  zu 
Ehren  der  Tochter  des  Ph.  .  .  .  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt:  80  Arten  von  Tänzen 
tanzte  die  Tochter  des  Ph.  in  jener  Nacht. 

9,15  6:  0  rv[x<ffog.  —  Die  Tage  des  Messias  als  Hochzeitsfeier  gedacht. 

ExR  15  (79''):  , Dieser  Monat  sei  euch"  (im  Sinn  desMidr:  „gehöre  euch")  Ex  12,2. 
Gleich  einem  König,  der  sich  ein  Weib  verlobte  u.  ihr  wenige  Gaben  verschrieb:  als  er 
kam,  sie  zu  nehmen  (heimzuführen),  verschrieb  er  ihr  als  Gatte  viele  Gaben.  Ebenso 
war  diese  Welt  die  Verlobung! szeit)  tc^">s,  s.  :  ,Ich  werde  dich  mir  verloben  auf  immer" 
Hos  2,  21,  u.  er  übergab  ihnen  nur  den  Mond,  s.:  „Dieser  Monat  gehöre  euch"  Ex  12,  2. 
Aber  in  den  Tagen  des  Messias  wird  die  Hochzeit  ■-'"^^'^''^  sein,  s. :  „Denn  dein  Eheherr 
ist  dein  Schöpfer"  Jes54,  5;  in  jener  Stunde  übergibt  er  ihnen  alles,  s.:  „Die  Ver- 
ständigen werden  glänzen  wie  der  Glanz  des  Firmaments,  u.  die  viele  zur  Gerechtigkeit 
geführt  wie  die  Sterne  immer  u.  ewig"  Dn  12,  3.  ||  LvR  1 1  (112*-"):  R.  Jona  (um  350)  hat 
im  Namen  des  R.  Abba  b.  Jirm'^ja  (um  270)  die  Stelle  iSpr  9,  1 — 3)  auf  Gog  in  der  zu- 
künftigen Zeit  ausgelegt:  „Die  Weisheit  hat  ihr  Haus  gebaut",  damit  ist  das  Heiligtum 
gemeint,  s. :  „Durch  Weisheit  wird  das  Haus  (=  Tempel)  gebaut"  Spr  24,  3.  „Ausgehauen 
ihre  7  Säulen",  das  bezieht  sich  auf  die  7  Jahre  Gogs,  s.  Ez  39,  9.  Jene  7  Jahre  sind  die 
Vorhochzeit  der  Gerechten  in  der  zukünftigen  Zeit,  u.  als  Merkzeichen  dient:  Wer  die 

Vorhochzeit  mitfeiert  (im  elterlichen  Haus  der  Braut),  der  genießt  das  Hochzeitsmahl j 

pSch'  bifith  4,  SS"^,  25:  R.  Jona  hat  im  Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina  (um  26U)  gesagt: 
Wer  in  den  7  Jahren  Gogs  stirbt,  der  hat  an  der  zukünftigen  Zeit  (=  Tage  des  Messias) 
keinen  Anteil.  Als  Zeichen  diene:  Wer  von  der  Vorhochzeit  genießt,  der  genießt  das 
Hochzeitsmahl.   Als  R.Jose  (um  350)  das  hörte,  sagte  er:  Ist  denn  das  richtig?  Noch 


518  Matth  9,  16  (21.  fS).  9, 17 

gibt  es  eine  Wiederkehr  (durch  Auferstehung)  in  der  zukünftigen  Welt  (hier  =  Tage 

des  Messias). 

9,  16  %:  Niemand  setzt  einen  Flicken  ungewalkten  Zeugs 
auf  ein  altes  Kleid. 
€7iißXr]iiia  sTiißccXXsiv  =  riVj-3  nV^  einen  Flicken  aufflicken. 
Kelira  26,2:  Hat  man  auf  ihn  (den  Beutel,  e-s)  einen  Flicken  unten  geflickt  -";•-: 
r-V-.;»?;!  rs  'r\v,  so  ist  er  verunreinigungsfähig.  |  Das.  28,  6:  Ein  Flicken,  den  man  auf 
einen  Korb  geflickt  hat  ^r--~   -J'  -"v^-^  r-^::'3  .  .  .,  hat  man  ihn  auf  ein  Kleid  geflickt 
-.tzT,  h'j  -^vj.  ...  II  Kelim  27,  12  spricht  R.  Elifezer  (um  90)  in  sonst  bedeutungsloser 
Weise  von  einem  „neuen  Flicken"  nm-n  r-ii:^. 

*>,16S3:  Denns  eine  Ausfüllung(=Einsatz)  reißt  von  dem  Klei  de  ab. 

Ti  nXriQwiia^  hebräisch  wiederzugeben  mit  xb^,  xib^  (nicht  mit  ^'^t-o, 
das  als  nomen  act.  „das  Füllen"  bedeutet),  aramäisch  mit  nx^p  oder 
tfrib-q.  Mit  TrXrjQoj/ia  oder  der  „Ausfüllung"  ist  der  neue  Flicken  gemeint; 
Lk  5,  36  setzt  daher  einfach  t6  xaivov  ein.  —  Die  „Füllung"  des  Schöpf- 
gefäßes, d.h.  das,  was  seinen  Inhalt  bildet,  wird  pSukka  1,51*^,39  ixis^ 
-^bi  V^^  genannt.  —  Die  Worte:  „der  Erdkreis  u.  seine  Füllung"  (Ps  50, 12) 
übersetzt  der  Targum  mit:  „die  Erde  u.  ihre  Füllung"  nr':bo!i  n^'^n. 

9,17:  Auch  tut  man  nicht  neuen  Wein  in  alte  Schläuche  usw. 
ovSii  ßaXXovaiv  oivov  vtov  elq  daxovg  naXaiovq  etc. 

Weit  abseits  liegt  inhaltlich  das  mehrfach  als  Parallele  beigebrachte  Zitat  Aboth 
4,  20:  Elischaf  b.  Abuja  (der  Apostat,  um  120)  sagte:  Womit  läßt  sich  der  vergleichen, 
der  als  Kind  lernt?  Mit  Tiute,  mit  der  man  auf  neuem  Papier  schreibt.  Und  womit 
läßt  sich  der  vergleichen,  der  als  Greis  lernt?  Mit  Tinte,  mit  der  man  auf  Papier 
schreibt,  von  dem  die  Tinte  abgerieben  ist.  R.  Jose  b.  J'^huda  aus  Babelsdorf'  (ein  Zeit- 
genosse Rabbis)  sagte:  Mit  wem  läßt  sich  der  vergleichen,  der  von  Kindern  lernt?  Mit 
einem,  der  saure  Trauben  genießt  u.  Wein  aus  seiner  Kelter  trinkt.  Wer  aber  von  Alten 
lernt,  mit  wem  läßt  der  sich  vergleichen?  Mit  einem,  der  reife  Trauben  genießt  u.  alten 
Wein  -2;-  r^  trinkt.  Rabbi  (R.  Meir  ist  falsche  Lesart,  s.  Strack  z.  St.)  sagte:  Blicke 
nicht  auf  den  Krug  "jp. ,  sondern  auf  das,  was  in  ihm  ist;  es  gibt  neue  Krüge,  die  voll 
alten  Weines  sind,  u.  es  gibt  alte  Krüge,  in  denen  selbst  kein  neuer  w--  Wein  ist. 

Die  Schläuche  (nir,,  m':  hzi,  baa,  xir^v  [nj^-^t],  r-or,  wNS]?!!^,  t-^i^  bestanden 
aus  einer  Tierhaut,  die  als  Ganzes  von  einem  Schaf  oder  einer  Ziege 
abgezogen  war.  Die  am  Hals  u.  an  den  Beinen  dadurch  entstehenden 
Löcher  wurden  zugenäht  oder,  soweit  sie  als  Füll-  u.  Ausgußöffnungen 
benützt  wurden,  mit  einem  Riemen  zugebunden.  Zur  größeren  Dichtung 
bestrich  man  die  Schläuche  innen  auch  wohl  mit  Pech.  Das  Einreißen 
u.  Platzen  der  Schläuche  wird  mehrfach  erwähnt. 

Chullin  9,  3:  Wenn  man  das  Fell  von  einem  Haustier  oder  von  einem  Stück  Wild 
abzieht,  von  einem  reinen  oder  unreinen,  von  einem  kleinen  oder  großen,  um  eine  Decke 
daraus  zu  machen  (in  welchem  Falle  das  Tier  samt  dem  Fell  unter  dem  Bauch  auf- 
geschlitzt wird),  so  ist  es  verunreinigungsfähig  u.  verunreinigend  bis  zu  dem  Maße,  daß 
man  es  anfassen  kann  (d.h.  bis  zu  zwei  Handbreiten  nach  den  Kommentaren);  zieht 
man  das  Fell  ab,  um  einen  Schlauch  r-ir;  daraus  /u  machen  (in  welchem  Falle  das 
Fell   nicht   aufgeschnitten,    sondern    als   ein  Ganzes  abgestreift  wird),    so  ist  es  ver- 


X  .:. 


eine  babylonische  Kolonie  in  Palästina? 


Matth9,  17.  18.  20  (Nr.  1)  519 

«nreinigungsfähig  u.  verunreinigend,  bis  man  (falls  das  Abziehen  vom  Halse  aus  seinen 
Anfang  nahm)  die  Brust  abgezogen  hat.  Hat  man  aber  (das  Abziehen)  von  den  Füßen 
aus  begonnen,  so  gilt  das  ganze  Fell  hinsichtlich  der  Verunreinigung  als  mit  dem  Fleische 
verbunden,  so  daß  es'  verunreinigt  werden  u.  verunreinigen  kann.  Von  dem  Fell  am 
Halse  hat  R.  Jochanan  b.  Nuri  (um  110)  gesagt,  daß  es  nicht  als  mit  dem  Fleisch  ver- 
bunden angesehen  werde;  die  Gelehrten  aber  sagten,  daß  es  als  mit  dem  Fleisch  vei-- 
bunden  angesehen  werde,  bis  man  das  ganze  Fell  abgezogen  habe.  |l  Kelim  19,  8:  Wenn 
an  einem  Schlauch  rir,  an  welchem  die  (mit  abgezogenen)  Hodenhäute  sich  mit  füllen, 
<iiese  schadhaft  geworden  sind,  so  sind  sie  rein,  weil  sie  sich  nicht  mehr  wie  gewöhnlich 
(durch  Aufblasen)  füllen  lassen.  —  Vgl.  aber  auch  Kelim  i!8,  5:  Ein  Schlauch  r^r.,  den 
man  (durch  Aufschneiden)  zu  einer  Decke  gemacht  hat,  u.  eine  Decke,  die  man  (durch 
2us.nähen)  zu  einem  Schlauch  gemacht  hat,  sind  rein.  i|  Schab  IS»**  Bar  (tradiert  von 
Rah,  t  '^47):  Den  Schlauch  (-■;)  mit  dem  Riemen  (s;c-r)  darf  man  am  Sabbat  neigen.  || 
TfAZ  1, 10  (46):  Rabban  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  hat  im  Namen  des  R.  J'^hoschua? 
h.  'SZZ1-  (Q'^pusai?,  um  120)  gesagt:  Aus  den  Schläuchen  n-i:  der  Gojim  darf  man 
nur  Decken  für  die  Tiere  machen  (vgl.  aber  weiter  unten  f  AZ  82*).  Schläuche  der  Gojim, 
von  denen  das  Pech  abgekratzt  ist,  sind  erlaubt;  neue,  die  verpicht  sind,  sind  verboten. 
Wenn  ein  Goi  einen  Schlauch  verfertigt  u.  verpicht,  während  der  Israelit  dabeisteht, 
so  darf  man  ohne  Sorge  Wein  u.  Ol  hineintun.  (Der  Grund  des  Verbotes  liegt  nach  den 
Kommentaren  in  der  Gewohnheit  der  Heiden,  in  die  Schläuche  Wein  zu  tun,  solange 
■das  Pech  noch  warm  ist,  damit  der  Wein  den  Beigeschmack  des  Peches  annehme.  Da 
nun  der  Wein  möglichenfalls  heidnischer  Trankopferwein  war,  so  ist  zu  besorgen,  daß 
^as  Pech  von  Opferwein  durchtränkt  ist.)  Parallelstellen:  p?AZ  -J,  41  ^  40;  bsAZ  88'\  |1 
Chuliiu  14'^  sagen  R.  J^huda,  R.  Jose  u.  R.  Schimfon  (alle  um  150)  zu  R.  Me'ir  (um  150): 
Vielleicht  könnte  der  Schlauch  platzen,  ~':r-,  jt^t"  »'"s-;  die  Stelle  findet  sich  auch  in 
TDeniai  S,  7  (Ö9).  |j  p?  AZ  5,  4^a  13  u.  pQid  1,  (i0'\  5:  R.  Ba  (um  290)  u.  Rab  Huna  (f  '-97) 
haben  im  Namen  Räbs  if  247)  gesagt:  Wenn  jemand  einen  Schlauch  a-"'  (mit  Wein) 
an  sich  zieht  (um  ihn  zu  kaufen)  u.  er  zerreißt  dabei  in  seiner  Hand  -—'z  nvtz-^,  so 
ist  er  nicht  ersatzpflichtig.  |j  ;AZ  30»;  Der  sehr  scharfe  Wein,  der  die  Schläuche  zerreißt 
---t  --ui-.  Ferner  s.  fAZ6ö'^;  Schab  154'^.  |1  Über  Flickarbeiten  an  einem  geplatzten 
Schlauch  lesen  wir  fAZ  82^:  R.  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  hat  im  Namen  des 
R.  J^hoschua?  b.  "zz-p  (?)  gesagt:  Aus  Schläuchen  der  Gojim  darf  man  keine  Decken  für 
«inen  Esel  machen.  .  .  .  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Das  ist  verordnet  worden,  weil  dem 
Israeliten  vielleicht  sein  Sciilauch  platzen  könnte  (•"■;:  "p-")>  u  dann  könnte  er  die  Decke 
jdes  Esels  nehmen  u.  auf  seinen  Schlauch  nähen,  ■:-ir--  (wodurch  der  Vv'^ein  des  Israeliten 
von  dem  früher  im  Schlauch  enthaltenen  heidnischen  Wein  Geschmack  annehmen  könnte). 

9,18:  Ein  Oberster  trat  herzu,  fiel  vor  ihm  nieder. 

dQXMv  bedeutet  nach  Mk  5, 22  hier  soviel  wie  (XQ^KTwccycoyoc  (=  agy^ov 
r»;c  avvayoiyic  bei  Lk8,  41),  entspricht  also  dem  hebr.  rc:xn  rx-.  = 
Synagogenvorsteher.  Vgl.  den  Exkurs:  Das  Synagogeninstitut  Nr.  6.  — 
Über  den  Namen  'lätigog  s.  bei  Mk  5,  22. 

nooat-xvi€i.  —  7TQoffxvreTiLXXfürti'\r]i:r:::rt  „sich  niederwerfen",  Zeichen 
der  Ehrfurcht  u.  Verehrung;  vgl.  S.  78  bei  Mt  2,  2  35. 

K*^th  6S^:  (Als  R.  fÄqiba,  f  um  135,  nach  vieljähriger  Abwesenheit  in  sein  Haus 
zurückkehrte)  lief  sein  Weib  ihm  entgegen,  fiel  auf  ihr  Angesicht  u.  küßte  seine  Füße 
n->--2';  n-T  T-;:ir:':  sp  r-ts  ■:"  r.zzz.  .  .  .  (Dann  kam  auch  ?Aqibas  Schwiegervater)  fiel 
auf  sein  Angesicht  u.  küßte  auf  seine  Füße. 

9,20:  Und  siehe,  eine  Frau,  die  zwölf  Jahre  den  Blutgang 
hatte,  rührte  den  Saum  seines  Kleides  an. 
1.  yvvrj  alf.ioQQoovaa.  —  Im  Rabbin.  nnj ,  eine  an  geschlechtlichen  Aus- 


520  Matth  9,  20(Nr.  1.2) 

Aussen  Leidende.  Über  die  so  entstehenden  Verunreinigungen  s.  den 
Mischnatraktat  c-^^j  Einl.  63.  Hier  kommen  2  Bestimmungen  in  Betracht. 
Zabim  5,  1 :  Wer  einen  mit  Ausfluß  Behafteten  (oder  eine  ~z-t)  berührt  oder  von 
ihm  berührt  wird,  wer  einen  Zäb  in  Bewegung  setzt  oder  von  ihm  gerüttelt  wird,  ver- 
unreinigt Speisen  u.  Flüssigkeiten,  desgleichen  Gefäße,  die  durch  Untertauchen  reia 
werden,  wenn  er  sie  berührt?  aber  nicht,  wenn  er  sie  trägt  lohne  sie  beim  Tragen  zu 
beiühren).  |  5,  6:  Wer  einen  Zäb,  eine  Zaba,  eine  menstruierende  Frau,  eine  Wöchnerin^ 
einen  Aussätzigen,  deren  Lager  u.  deren  Sitz  berührt,  verunreinigt  zwei  Grade  (indem 
das  von  einem  solchen  Berührte  wiederum  verunreinigt)  u.  macht  das  im  dritten  Grade- 
Berührte  untauglich  (zum  Genuß). 

Heilmittel,  wie  sie  die  damalige  ärztliche  Kunst  (vgl.  Mk  5,26;  Lk 
8,43)  gegen  Blutfluß  verordnet": 

Schab  1 10a:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Man  nehme  alexandrinisches  Gummi 
im  Gewicht  eines  Zuz,  s--;  s-2;  (Aloe?,  Alaun?)  im  Gewicht  eines  Zuz  u.  Gartenkrokus 
im  Gewicht  eines  Zuz,  verreibe  sie  miteinander  u.  lasse  die  Blutflüssige  (-it)  diese  drei 
in  Wein  trinken;  unfruchtbar  wird  sie  dadurch  nicht.  —  Oder  man  nehme  drei  Qapii 
(Raschi:  1  Qapiz  =  o  Logi  persische  Zwiebeln,  koche  sie  in  Wein,  lasse  es  die  Frau 
trinken  u.  sage  zu  ihr:  Steh  auf  aus  deinem  Blutfluß  --z-^i  (d.  h.  sei  gesund)!  —  Oder 
man  setze  sie  an  einem  Scheideweg  nieder  u.  lasse  sie  einen  Becher  Wein  in  ihre  Hand 
nehmen;  dann  komme  (ohne  daß  sie  es  ahnt)  jemand  von  hinten,  erschrecke  sie  u. 
sage:  Steh  auf  aus  deinem  Blutfluß!  —  Oder  man  nehme  eine  Handvoll  Kümmel,  eine 
Handvoll  Krokus  u.  eine  Handvoll  Fönnkraut,  koclie  es  in  Wein,  lasse  es  sie  trinken. 
u.  sage  zu  ihr:  Steh  auf  aus  deinem  Blutfluß!  —  Oder  man  nehme  tiU  Weinfaßspunde 
(weiche  sie  ein),  lasse  sie  den  Abguß  trinken  u.  sage  zu  ihr:  Steh  auf  aus  deinem 
Blutfluß!  —  Oder  man  nehme  das  üy-^t  genannte  Kraut  i?i,  koche  es  in  Wein,  lasse 
sie  den  Abguß  trinken  u.  sage  zu  ihr:  Steh  auf  aus  deinem  Blutfluß!  —  Oder  mun 
nehme  die  römische  Brachendistel  (?,  vgl.  Levy  1,  4')U'^.  495ai,  verbrenne  sie  u.  lasse 
die  Frau  sie  während  des  Sommers  in  einem  Leinenlappen  u.  während  des  Winters  in 
einem  Lappen  von  Baumwolle  tragen.  —  Oder  man  grabe  sieben  Gruben  u.  verbrenne 
in  ihnen  junge,  noch  nicht  drei  Jahre  alte  Weinreben  (s.  Einl.  8H,  gOrla);  darauf  nehme 
sie  einen  Becher  Wein  in  ihre  Hand.  u.  dann  lasse  man  sie  sich  von  der  einen  Grube 
erheben  u.  an  einer  andren  nledersiizen  u.  wiederum  von  dieser  sich  erheben  u  an 
einer  andren  niedersitzen  (u.  so  fort  bei  allen  sieben  Gruben)  u  bei  jeder  sage  man  zu 
ihr  (wohl  in  dem  Augenblick,  da  sie  sich  erhebt):  Steh  auf  aus  deinem  Bluttiuß!  — 
Oder  man  nehme  feines  Mehl  u.  bestreit  he  damit  ihre  untere  Körperhälfte  u.  sage  zu 
ihr:  Steh  auf  aus  deinem  Blutfluß!  —  Oder  man  nehme  ein  Straußenei,  verbrenne  es 
(zu  Asche)  u.  lasse  die  Frau  es  (die  Asche)  während  der  Sommerzeit  in  einem  Leinen- 
lappen u.  während  des  Winters  in  einem  Lappen  von  Baumwolle  tragen.  —  Oder  matt 
öflfne  ein  Faß  Wein  in  ihrem  Namen  (d.  h.  wohl,  damit  sie  zuerst  davon  trinke).  — 
Oder  man  nehme  ein  Gerstenkorn,  das  sich  in  dem  Kot  eines  weißen  Maultiers  vor- 
findet. Wenn  sie  es  einen  Ta^  (in  ihre  Hand.  Raschi)  nimmt,  hört  der  Blutfluß  zwei 
Tage  auf;  wenn  sie  es  zwei  Tage  nimmt,  hört  er  drei  Tage  auf,  u.  wenn  sie  es  drei 
Tage  nimmt,  hört  er  für  immer  auf. 

2.  iliparo  Tov  xQaanad'ov  xov  tuaiiov.  —  Über  xgcxanaSov  s.  den 
Exkurs  „^'Q't^"-  —  '^^'^  Erfassen  des  Gewandes  eines  angesehenen 
Mannes  vgl.  Tafan23'^:  Wenn  die  Welt  des  Regens  beduifte,  pflegten 
die  Rabbinen  zu  Chanan  (Chanin?)  ha-Nechba  Nsrin,  dem  Tochtersohne 
Chonis,  des  Kreisziehers  [h-^r.  Einl.  36),  Schulkinder  zu  schicken  u.  si& 
faßten  ihn  an  den  Säumen  seines  Mantels  n^-a-^b?  ■'Vsca  an  u.  sprachen 
zu  ihm:  Vater,  Vater,  gib  uns  Regen!  —  Über  diese  Stelle  s.  den  Exkurs: 
„Fastenfeier"  Nr.  9,  p. 


Matth9, 21.23  521 

9,21:  Denn  sie  sprach  bei  sich  selbst:  Wenn  ich  nur  sein 
Kleid  anrühren  werde,  wird  mir  geholfen  werden. 
Von  Abraham  sagt  R.  Levi  (um  300)  GnR  39  (24''):  Abraham  betete 
für  die  Unfruchtbaren  u.  sie  wurden  bedacht,  u.  für  die  Kranken  u.  sie 
fühlten  Erleichterung.  R.  Huna  (um  350,  so  lies  statt  Rab  Huna)  hat 
gesagt:  Nicht  nur  wenn  Abraham  zu  einem  Kranken  hinging,  sondern 
wenn  der  Kranke  ihn  nur  sah,  fühlte  er  Erleichterung  n-^i^-a. 

9,23:  Als  Jesus  in  das  Haus  des  Obersten  kam  u. 

die  Flötenspieler  u,  den  lärmenden  Haufen  sah. 
xovg  avlrjTag  xal  tov  o^Xor  ^OQvßov/iisrov.  —  Die  Flötenspieler  u.  die 
Klageweiber  —  die  letztern  sind  nach  Mk  5,  38  wohl  ganz  besonders 
unter  dem  o'x^oc  ^oQvßov/Äivog  zu  verstehen  —  gehörten  zu  den  not- 
wendigen Requisiten  einer  Begräbnisfeier.  Selbst  der  ärmste  Mann 
kann  gezwungen  werden,  bei  der  Bestattung  seiner  Frau  mindestens 
zwei  Flötenspieler  u.  eine  Klagefrau  mitwirken  zu  lassen,  u.  fänden 
sich  solche  in  dem  betreffenden  Wohnort  nicht,  so  sind  sie  aus  einer 
Nachbargemeinde  herbeizuschaffen,  a  Aus  den  rabbin.  Quellen  hören  wir 
über  die  Flötenspieler  nichts  Näheres;  doch  ist  einer  gelegentlichen 
Bemerkung  des  Josephus  zu  entnehmen,  daß  sie  die  Klagelieder  ein- 
leiteten, b  Aus  den  Angaben  über  die  Klagefrauen  erhellt,  daß  sie 
namentlich  auf  dem  Wege  vom  Sterbehaus  nach  der  Begräbnisstätte  in 
Tätigkeit  traten,  u.  zwar  besonders  wann  der  Leichenzug  haltmachte, 
um  die  Träger  der  Bahre  sich  ablösen  zu  lassen,  c  Dadurch  ist  nicht 
ausgeschlossen,  daß  sie  auch  im  Sterbehause  selbst  ihre  Klageweisen 
vernehmen  ließen,  wie  es  Mt  9,  23  u.  Mk  5,  38  vorausgesetzt  wird.d  Es 
war  entweder  Chcu-gesang  oder  Wechselgesang;  die  letztere  Weise 
scheint  stark  erschütternd  gewirkt  zu  haben;  wenigstens  wurde  sie  für 
eine  ganze  Reihe  von  Feiertagen  untersagt,  damit  die  Festesfreude  nicht 
allzusehr  gestört  werde. e  Der  Gesang  wurde  durch  das  (rhythmische?) 
Zusammenschlagen  der  Händef  u.  durch  die  Töne  der  Handpaukeg  u, 
der  sog.  Rebi?ithh  begleitet.  Von  den  Klageliedern  selbst  sind  nur 
dürftige  Überbleibsel  erhalten.» 

a.  K'th4,  4:  Der  Ehemann  ist  seiner  Ehefrau  gegenüber  verpflichtet  zum  Unter- 
halt, zur  Loskaufung  (falls  sie  in  Gefangenschaft  gerät)  u.  zur  Bestattung.  R.  J'^huda 
(um  150)  hat  gesagt:  Auch  der  Ärmste  in  Israel  stellt  nicht  weniger  als  zwei 
Flöten(spieler)  =---■;- i  u.  ein  Klageweib  -s:--":.  —  Ähnlich  in  S'^machoth  14.  11  BM  tJ,  1: 
Wenn  einer  einen  Eseltreiber  oder  einen  Fuhrmann  gedungen  hat,  eine  Sänfte  oder 
Flöten(spieleri  a"V~T.  für  eine  Braut  oder  für  einen  Toten  herbeizuschaffen  etc.  —  Schab 
23,  4:  Wenn  ein  Nichtisraelit  an  einem  Sabbat  Flöten  (zur  Trauerklage)  herbeischafft,  so 
darf  ein  Israelit  auf  ilinen  keine  Klagemusik  machen,  es  sei  denn,  daß  sie  aus  einem 
nahen  Ort  (innerhalb  der  Sabbatgrenzen  =  2000  Ellen)  gebracht  werden. 

b.  Josephus,  BellJ  ;^,  9,  .'S:  Es  wurde  verbreitet,  daß  auch  Josephus  bei  der  Ein- 
nahme (von  Jotapata,  im  Juli  67  n.  Chr.)  getötet  worden  sei.  Das  erfüllte  Jerusalem 
mit   der   größten  Trauer.    In    den  einzelnen  Häusern  u.  Verwandtschaften   betrauerte 


^  Flötenspieler  genauer 


522  Matth  9,  23 

jeder  seine  Angehörigen  oder  Freunde  unter  den  Umgekommenen;  die  Trauer  um  den 
Anführer  (nämlich  Jos.  selbst)  wurde  als  Volkstrauer  gehalten.  Dreißig  Tage  lang 
hörte  das  Wehgeklage  in  Jerusalem  nicht  auf;  die  meisten  aber  dingten  Flötenspieler 
avkTjrüg,  die  ihnen  den  Klagesang  einleiteten   oll  ftQtjtioy  sStJQx^*'  ((i'^oTs. 

C.  MQ  3,8:  Man  setzt  (an  den  Zwischenfeiertagen,  d.  h.  an  den  Tagen  zwischen 
den  beiden  ersten  u.  letzten  Feiertagen  des  Passah-  u.  des  Hüttenfestes)  die  Bahre  auf 
der  Straße  nicht  nieder,  um  nicht  zum  Wehklagen  zu  verleiten.  (Daraus  erkennt  man, 
daß  die  beim  Niedersetzen  der  Bahre  eintretende  Pause  für  gewöhnlich  der  Zeitpunkt 
war,  an  dem  die  Klageweiber  besonders  mit  ihren  Weisen  einsetzten;  vgl.  Anm.  ^.) 
Aber  die  Bahre  der  Frauen  setzt  man  niemals  nieder  aus  Gründen  des  Anstandes 
(wörtlich:  der  Ehre  halber).  Die  Klagefrauen  dürfen  an  einem  Zwischenfeiertage  laut 
klagen  r-.ir^,  aber  nicht  in  die  Hände  schlagen  r'.r.ty,,-^.  R.  Jischmasel  (f  um  \^h)  hat 
gesagt:  Die  der  Bahre  ganz  nahe  sind,  dürfen  in  die  Hände  schlagen.  —  Ebenso  über 
das  Niedersetzen  der  Leichen  S'"mach  11.  —  Dagegen  heißt  es  MQ  27'':  In  N'^hardefa 
(in  Babylonien)  hat  man  gesagt:  Daß  Frauenleichen  nicht  niedergesetzt  werden  dürfen, 
hat  man  nur  von  einer  Wöchnerin  gelehrt,  aber  die  übrigen  Frauen  setzt  man  nieder. 
R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Auch  die  übrigen  Frauen  setzt  man  nicht  nieder. 
(Es  scheinen  in  diesem  Punkt  abweichende  Sitten  in  Palästina  u.  Babylonien  be- 
standen zu  haben.) 

d.  Ausdrücklich  haben  wir  den  Klagegesang  in  den  Sterbehäusern  nirgends  er- 
wähnt gefunden;  aber  das  kann  etwas  Zufälliges  sein.  Doch  liest  man  TMQ  "J,  17  (2:U): 
Man  bringt  (an  den  Zwischenfeiertagen)  keine  Flöten  in  ein  Trauerhaus,  wohl  aber 
in  ein  Hochzeitshaus.  —  Hieraus  wird  man  auf  Flötenspiel  im  Sterbehaus  selbst 
schließen  dürfen. 

e.  MQ  :^,  9:  An  den  Neumondstagen,  am  Tempelweihfest  -'^3~  u.  am  Purimfe.st 
dürfen  die  Klageweiber  laut  klagen  u.  in  die  Hände  schlagen,  aber  keine  Klagelieder 
anstimmen,  r-::-p»2  sV.  Wenn  der  Tote  bestattet  ist,  dürfen  sie  nicht  laut  klagen 
r-i-j-^,  auch  nicht  in  die  Hände  schlagen.  Was  ist  Wehklage,  -^i:;?  Wenn  alle  zugleich 
laut  klagen.  Was  ist  Klagelied  -"-  ?  Wenn  eine  anhebt  zu  singen  u.  die  andren  antworten 
nach  ihr,  s.:  „Lehret  eure  Töchter  Wehklage  u.  ein  Weib  das  andre  ein  Klagelied  r-.-.--" 
Jer  9,  19.  Aber  von  der  Zukunft  heißt  es:  „Verschlingen  wird  er  den  Tod  auf  immerdar 
u.  abwischen  wird  Jahve-Elohim  die  Träne  von  jeglichem  Angesicht"  Jes  2ö,  8. 

/.  Zum  Zusammenschlagen  der  Hände  s.  oben  MQ  3,  8.  9  in  Anm.  c  u.  e.  Ferner 
TMQ  2,  17  (231):  Was  ist  mit  dem  Schlagen  auf  die  Brust  Jes  32,  12  gemeint?  Das 
Zusammenschlagen  der  Hände  (man  scheint  also  die  Hände  vor  der  Brust  zus.geschlagen 
zu  haben).  Was  ist  c-V—  (Ausdruck  für  das  Verherrlichen  eines  Toten  seitens  der 
Männer  im  Trauergefolge)?  Das  Ausbreiten  der  Arme  (wobei  man  wohl  die  Hände 
rang).  —  Dagegen  sagt  fUlla  (um  280)  MQ  27'»:  Das  Schlagen  auf  das  Herz  Jes  32,  12 
meint  das  Schlagen  in  die  Hand  (oder  ,7riit  der  Hand")  u.  z^'-.--  ist  das  Aufstampfen 
mit  dem  Fuß.  Bar:  Wer  lobt  (unter  Aufstampfen  des  Fußes),  der  tue  es  nicht  in 
Sandalen  (die  dünn  u.  weich  sind),  sondern  in  (festen)  Schuhen  der  Gefahr  halber. 

g.  Über  die  cii-s  genannte  Handpauke  s.  zu  9,  15  S.  508«.  —  Ferner  Kelim  15,  (i: 
E.  J'huda  (um  150)  sagte:  Die  Handpauke  c-'-s  ist  verunreinigungsfähig  als  Sitz, 
weil  die  Klagefrau  «r-vs  sich  daraufsetzt  (nämlich  wenn  der  Leichenzug  eine  Weile 
anhält).  —  In  TKelimBB  2,8  (592)  findet  sich  sogar  die  Notiz,  daß  sich  die  Klage- 
frauen auf  die  Bahre  gesetzt  hätten.  Es  heißt  hier:  Die  Bahre,  das  Polster  u.  das 
Kissen  des  Toten  ist  nach  R.  Meär  nicht  verunreinigungsfähig,  die  Gelehrten  aber 
sagten :  Sie  sind  verunreinigungsfähig  durch  Druck,  weil  sich  die  Frauen  darauf  zu  setzen 
pflegen,  wenn  sie  ihre  Toten  beweinen  (nämlich  sooft  auf  dem  Gange  nach  der  Be- 
gräbnisstätte die  Bahre  niedergesetzt  wird).  —  Diese  Stelle  gehört  zugleich  zu  den- 
jenigen, aus  denen  zu  schließen  ist,  daß  die  Toten  in  offenem  Sarg  oder  auf  ihrem  Sterbe- 
lager selbst  beigesetzt  wurden,  falls  sie  ihre  Ruhestätte  in  einem  Felsengrab  fanden. 

h.  Kelim  16,  7:  Das  Spielinstrument  r-v-z-  der  Klagefrau  Nr->N:  ist  rein.  —  Nach 
den  Kommentaren  sind  mit  r->-=-  zwei  mehr  als  1  Elle  lange  Hölzer    gemeint,    die 


Matth  9,  23.  24.  25  (Nr.  1.  2)  523 

aneinander  gesclilagen  werden;  Levy  4,  419'^  läßt  die  Rebifith  „aus  dünnen,  viereckigen 
Brettern  zus.gesetzt"   sein. 

i.  Allgemein  heißt  es  TJ^'b  14,  7  (259),  daß  „die  Stimme  der  Klagefrauen  einen 
unter  den  Toten  erwähnt".  —  Genaueres  MQ  28'^:  Was  sagten  die  Klagefrauen? 
Rab  (t  247)  hat  gesagt:  Wehe  um  den  Dahingegangenen!  Wehe  um  den  zugrunde  Ge 
gangenen!  Raba  (f  H52)  hat  gesagt:  Die  Weiber  von  Seh  khanQib  (in  Babylonien) 
sagten  ebenso  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Die  Weiber  von  Seh.  sagten:  Schneide  den 
Zahn  (Knochen)  aus  dem  Gebiß,  so  dringt  das  Wasser  in  die  Koehmaschine,  d.  h. 
wenn  der  Zapfen  von  dem  Boden  des  Wasserbehälters  entfernt  wird,  so  dringt  das 
Wasser  in  den  Kohlenbehälter,  wodurch  das  Feuer  erlischt;  ebenso  verliert  sich  das 
Leben,  wenn  der  Lebensodem  entschwindet  (so  Levy  1,  lOB'"»).  Ferner  hat  Raba  ge- 
sagt: Die  Weiber  von  Seh.  sagten:  Verhüllt  u.  bedecket  euch,  ihr  Berge;  denn  ein 
Sohn  Hoher  u.  ein  Sohn  Großer  war  er  (der  Tote)!  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Die 
Weiber  von  Seh.  sagten:  Die  Sch^ol  (=  Grabi  ist  ein  feines  Gewand  dem  Edlen,  dem 
die  Wegzehrung  ausgegangen  (dem  verarmten  Reichen  ist  der  Tod  die  beste  Erlösung)! 
Ferner  hat  Raba  gesayit:  Die  Weiber  von  Seh.  sagten:  Es  rennt  u.  stürzt  hin  der 
Müßiggänger  (so  fArukh  bei  Levy  1,46'),  u.  an  der  Fähre  nimmt  er  ein  Darlehn  auf 
(hat  nicht  so  viel  erübrigt,  daß  ihm  das  Sterbegewand  aus  seinen  eignen  Mitteln  ge- 
kauft werden  konnte)!  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Die  Weiber  von  Seh.  sagten:  Unsre 
Brüder,  die  Kaufleute,  werden  in  bezug  auf  ihr  Nest  geprüft  (ob  sie  in  ihrem  Laden  = 
Nest  ehrlich  gewesen  in  Handel  u.  Wandel).  Ferner  hat  Raba  gesagt:  Die  Weiber  von 
Seh.  sagten:  Ein  Tod  ist  wie  der  andere,  die  Schmerzen  sind  die  Zugabe!  —  Weiteres 
über  die  Trauerklage  s.  im  Exkurs  „Liebeswerke"  Nr.  4,  IX,  G. 

9,24:  Das  Mägdlein  ist  nicht  gestorben,  sondern  schläft. 
xai^evSei.  —  Derselbe  Tropus  im  rabbin.  Ti?^-  Davon  xr-:'!  der  Ent- 
schlafene, xr^=-2'i  das  Entschlafen.  Beispiele  p^AZ  3, 42'',  1  bei  Mt  27, 45.  — 
Auch  nri^,  aram.  n^:d  liegen,  schlafen  wird  für  „sterben"  gebraucht: 
xnz'r  der  Entschlafene,  die  Leiche.  GnR  96  (GO'^):  Resch  Laqisch  (um 
250)  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  Jakob:  Bei  deinem  Leben,  du  wirst 
schlafen  s:vr,  aber  du  wirst  nicht  sterben  r^zl 

9,25:  Das  Mägdlein  stand  auf. 

riysQ&ij  doppelsinnig  wie  "-er  aufstehn  u.  auferstehn. 

L  Die  Totenauferweckung  eine  Prärogative  Gottes. 

Tafan  2^:  R.  Joehanan  (f  279)  hat  gesagt:  Drei  Schlüssel  sind  in  Gottes  Hand, 
die  in  die  Hand  keines  Bevollmächtigten  gegeben  werden,  nämlich  der  zum  Regen, 
s.  Dt  28,  12,  der  zum  Mutterschoß,  s.  Gn  30,22.  u.  der  zur  Neubelebung  der  Toten,  r"r,T 
n"r":r!,  s.:  „Ihr  werdet  erkennen,  daß  ich  Jahve  bin,  wenn  ich  eure  Gräber  öffne  u.  euch 
aus  euern  Gräbern  steigen  lasse"  Ez87,  18.  —  Dasselbe  in  mannigfachen  Variationen 
Sanh  118^;  GuR73(46");  DtR7(204b);  TanchB  s::-i  §16(78^);  s-i  ^35(58'^);  Midr 
Ps78§5(173'');TargJeruschlIzuGn30,22;TargJeruschlzuDt28, 12;PesiqR42(178'i). 

2.  Die  Auferweckung  der  Toten  erfolgt  durch  die  Gerechten. 

Pes68":  Rab  Chananäel  (um  260)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Dereinst 
werden  die  Gerechten  die  Toten  lebendig  machen;  es  heißt  hier  (Jes  5,  IT):  Es  weiden 
da  Lämmer  nach  ihrem  Wort  (so  der  Midr);  u.  es  heißt  dort  (Mich  7,  14):  „Weiden 
mögen  sie  Basan  u.  Gilead  (so  der  Midr.),  wie  in  alten  Tagen."  Mit  Basan  ist  Elisa 
gemeint,  der  aus  Basan  stammte,  s.:  „Schaphat  in  Basan"  lChr5,  12  u  „Eli&a  der 
Sohn  Sehaphats"  2  Kg  3,  11.  Mit  Gilead  ist  Elias  gemeint,  s.:  „Elias  ausThisbe  Gileads" 
1  Kg  17,  L  (Beweis  durch  Analogieschluß  aus  „weiden"  ;  wie  dieses  von  Elias  u.  Elisa, 
die  Tote  auferweckt  haben,   gesagt  wird,  so  deutet  das  Wort  „weiden"  Jes  5, 17  an, 


524  Matth  9,  25  (Nr.  2—5).  9,  27  (31) 

daß  mit  , Lämmern"  Auferweckte  gemeint  sind,  u.  zwar  durch  ihr,  der  Gerechten, 
Wort  Auferweckte.)  R.  Schemuel  (um  -260)  hat  gesagt.  R.  Jonathan  (um  220)  habe  ge- 
sagt: Dereinst  werden  die  Gerechten  die  Toten  auferwecken,  denn  es  heißt:  „Wiederum 
werden  Greise  u  Greisinnen  auf  den  Plätzen  Jerusalems  sitzen,  ein  jeglicher  seinen 
Stab  in  seiner  Hand"  Sach8,4,  u.:  , Halte  meinen  Stab  an  das  Gesicht  des  Knaben" 
2  Kg  4,  29.  (Wie  2  Kg  4  der  Stab  das  Mittel  der  Totenauf  erweckung,  so  auch  der  Stab 
der  Alten  iu  Sach  8,  4.  Vgl.  Einl.  97,  Nr. -M 

3.  Die  Auferweckung  der  Toten  ein  VVerk  des  Messias. 

So  erst  in  den  späten  PirqeREl  82  (16''):  Warum  heißt  des  Messias  Name  Jinnon? 
(■;-3'' Ps  72,  17).  Weil  er  dereinst  die  im  Staube  Schlafenden  wiid  aufsprossen  lassen 
(•3-5  Tri-  d.  h.  auferwecken).  —  Von  hier  in  Midr  Ps  93,  1   (nicht  in  ed.  Buber). 

4.  Über  Totenauferweckungen  durch  Rabbinen  s.  bii  Mtl4,  2. 

5.  -i-:s-^  auf  ersteh  n;  so  nach  Ün  12,  ISzBSanh  91*^:  (Die  Toten)  stehen 
auf  in  ihren  Leibesfehlern  u  (dann)  werden  sie  geheilt  ymtr.r-o-\  pi^a::  "i-nni:-. 

9,27  21:  Es  folgten  Jesu  zwei  Blinde. 

Tvcflöc,  hebr.  -||r,  N^io,  ""i^d,  aram,  n'-cd  oder  n'^"'":;. 

Zu  dem  Euphemismus  s-^-n:  s-;j:  —  „der  viel  Licht  hat"  s.  pPea4, 19a, 22:  „Ver- 
rücke nicht  uralte  Grenze"  aV'y  's-a;  Spr2i;,  28.  Rah  Jirmeja  um  320)  u  Rab  Joseph 
(t  3:')3).  Der  eine  sagte:  Das  bezieht  sich  auf  die,  welche  aus  Ägypten  heraufgezogen 
sind  {z-.'v  -r-a;  wird  gedeutet  =  a-'Jiy  v;;  „die  Grenze  der  aus  Äg.  Heraufgezogenen", 
■wie  sie  durch  Josua  festgesetzt  war).  Der  andre  sagte:  Damit  sind  die  in  ihrem  Ver- 
mögen Heruntergekommenen  gemeint  (=V«:r  wiederum  —  :---i-,  doch  gegensinnig  = 
----©  „die  Heruntergekommenen"  gedeutet;  für  diese  Erklärungsweise  folgen  dann 
zwei  weitere  Beispiele;  das  erste  lautet:)  Den  Blinden  nennt  man  f<--^-:i:  s-r  „stark 
an  Augenlicht".  (Das  zweite  Beispiel:)  R.  Ji9chaq  (um  800)  hat  gesagt:  Es  heißt:  „Die 
widersetzlichen  Armen  führe  in  dein  Haus"  Jes  58,  7.  (Das  Textwurt  c'-^-"?  von  nn-i 
„die  Umgetriebenen"  wird  gedeutet  c---^-,  von  "•"",  die  Widerspenstigen;  gegen- 
sinnig =  die  Gebeugten,  die  Demütigen,  so  daß  Jes  5«,  7  gemeint  sind  die  „beschei- 
denen, verschämten  Armen").  Das  letztere  Beispiel  auch  LvR  34  (181  ').  ||  GnR80(18''): 
„Noah  war  ein  gerechter  Mann  in  seinen  Generationen"  Gu  H,  9.  R.  Jehuda  (um  150) 
hat  gesagt:  In  „seinen"  Generationen  war  er  ein  gerechter  Mann;  aber  wenn  er  zur 
Generation  Moses  oder  Samuels  gehört  hätte,  wäre  er  kein  Gerechter  gewesen.  Auf 
der  Gasse  sagt  man  zum  Blinden  „Hellsehender"  "i--:  n-jc.   (Randglosse  s-'cc.) 

Das  harte  Los  der  Blindheit  kennzeichnet  treffend  N'^d  64''  Bar: 
Vier  werden  wie  ein  Toter  geachtet:  der  Arme,  s.  Ex  4,  19;  der  Aus- 
sätzige, s.  Nu  12,  12;  der  Blinde  xaic,  s.  KL  3,  3:  „In  Finsternisse  setzte 
er  mich  den  uralten  Toten  gleich";  u.  der,  welcher  keine  Kinder  hat, 
s.  Gn  30,  L  Vgl.  Exkurs:  Aussatz  u.  Aussätzige  Nr.  1,  n. 

Heilmittel  gegen  Blindheit. 

Git  69*:  Gegen  den  Star  nehme  man  einen  Skorpion,  der  siebenfach  gegliedert 
ist  (Raschi:  siebenfarbig  gesprenkelt i  u.  lasse  ihn  im  Schatten  (nicht  in  der  Sonne) 
austrocknen;  dann  pulverisiere  man  einen  Teil  von  ihm  u.  zwei  Teile  Stibium  u.  tue 
davon  drei  Schniinkstifte  voll  in  jedes  Auge,  aber  nicht  mehr.  Wenn  man  das  nicht 
beachtet,  springt  das  Auge  hervor  (aus  seiner  Höhle).  —  Gegen  die  Blindheit,  die 
nachts  entsteht  s-'':--:-  -~>--zv  nehme  man  eine  Haarschnur,  binde  das  eine  Ende  an 
sein  (des  Kranken)  Bein  u.  das  andre  Ende  an  das  Bein  eines  Hundes;  dann  lasse 
man  hinter  ihm  Kinder  Scherben  aufeinanderschlagen  u.  spreche  s';'';:-r  nc:s  sa':;  sex, 
alter  Hund,  närrischer  Hahn!  Darauf  hole  man  sieben  Stücke  Fleisch  aus  sieben 
Häusern,   die   die  Bewohner   dieser  Häuser  (so  nach  Raschij  in  der  Rinne  unter  der 


Matth  9,  27  (?l.  SB).  9,  28  (31.  S)  525 

(Hau3  )Tür^  niederlegen  müssen,  u.  läßt  sie  auf  den  Dungstätten  des  Ortes  zugrunde 
gehn.  Dann  binde  man  die  Haarschnur  vom  Kranken  los  u.  spreche:  Blindheit  des  u. 
des,  des  Sohnes  von  der  u.  der,  verlasse  den  u.  den,  den  Sohn  von  der  u  der,  u. 
durchbohre  den  Hund  in  seinem  Augapfel.  —  Gegen  die  Blindheit,  die  bei  Tage  ent- 
steht, nehme  man  sieben  Milzen  aus  dem  Leib  von  Tieren  u.  brate  sie  im  Napf  eines 
Aderiassers;  dann  setze  man  den  Kranken  im  Hause  nieder,  während  draufjen  ein 
andrer  Mensch  steht.  Zu  diesem  sage  der  Blinde:  Gib  mir,  daß  ich  esse!  Der  Sehende 
(sr^-rr  =  dessen  Auge  aufgetan)  antworte:  Nimm,  iß  ('':-r-s  =c)!  Nachdem  er  dann 
gegessen  hat,  zerbreche  er  den  Napf;  denn  wenn  er  es  nicht  tut,  kehrt  die  Krankheit 
auf  ihn  zurück. 

Erwähnt  sei  noch  M''g24''  Bar:  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Mein 
lebelang  habe  ich  mich  mit  dieser  Schriftstelle  abgequält:  „Daß  du  am 
Mittag  tasten  mußt,  wie  der  Blinde  im  Dunkel"  Dt  28,  29;  was  liegt 
denn  dem  Blinden  daran,  ob  es  dunkel  ist  oder  hell?  —  bis  mir  folgender 
Vot  fall  begegnete.  Einmal  befand  ich  mich  unterwegs  in  tiefster  Nacht 
u.  Dunkelheit;  da  sah  ich  einen  Blinden  x-oio,  der  sich  (ebenfall>)  unter- 
wegs befand,  wie  er  eine  Fackel  in  seiner  Hand  hatte.  Ich  sagte  zu 
ihm:  Mein  iSohn,  was  soll  dir  diese  Fackel?  Er  antwortete  mir:  Solange 
die  Fackel  in  meiner  Hand  ist,  sehen  mich  die  Menschen  u.  hüten  mich 
vor  Gruben,  Dornen  u.  Nesseln. 

i>,  27  23:  Erbarme  dich  unser,  Sohn  Davids. 
vlog  Javti'tS,  als  Bezeichnung  des  Messias  in  der  vorchristl.  Zeit  wohl 
nur  Ps  Sal  1 7,  2 1:  Sieh  daiein,  o  Herr,  u.  laß  ihnen  erstehn  ihren  König, 
den  Sohn  Davids,  zu  der  Zeit,  die  du  erkoren,  Gott,  daß  er  über  deinen 
Knecht  Israel  regiere.  In  der  nachchristl.  jüdischen  Literatur  ist  -i'i'n  -,3 
allgemein  gebiaiichliche  Messiasbezeichnung.  Besonders  häufig  fi^ndet 
sich  die  Wendung:  „Der  Sohn  Davids  kommt"  wsa  "•;•!— ,?,  zB  Sanh  97  u.  98 
in  einer  Bar;  im  Munde  des  R.  J'huda  (um  150),  des  R.  N^'chemja  (um 
150).  des  R.  N'^horai  (um  150),  des  R.  Jose  b.  Qisnia  (um  110)  u.  seiner 
Schüler,  des  R.  El^azar  b.  Schim^on  (um  180),  Rabs  (t2t7),  des  R.  Cha- 
nina(um225),  desR.Chama  b.Chanina(um260)  u.des  R.  Jochanan  (t297). 

i),  28  %:  Glaubt  ihr,  daß  ich  dieses  zu  tun  vermag? 

maii-vnt  Uli  di'naiiKxi  loluo  rroiPffui;  —  Die  Erleuchtung  des  geistigen 
Auges  die  Vorbedingung  der  Öffnung  des  leiblichen  Auges. 

GnR  SB  (84'):  ,Gott  tat  ihre  Augen  auf  Gn  21,  19.  R.  Binjamin  (wohl  b.  Levi, 
um  '^'^^)  hat  gesatjt:  Von  allen  gilt  die  Annahme,  daß  sie  blind  sind  yc-z,  bis  Gott 
ihre  Augen  erleuchtet;  das  folgt  aus:  „Gott  tat  ihre  Augen  auf." 

9,28  23:  Sie  antworteten  ihm:  Ja,  Herr. 

xvoi€.  —  Aramäisches  Äquivalent  der  Anrede  xvgis  ist  ^-j-o  „mein 
Herr"  oder,  wenn  es  sich  um  mehr  als  Einen  Redenden  handelt:  --i^ 
„unser  Herr":  ältere  Form  x^-a  l  Kor  16.22. 

K  th  lO.S'':  Wenn  der  König  Josaphat  von  Juda  einen  Gelehrtenschüler  sah,  er- 
hob er  sich  von  seinem  Thron,  umarmte  u.  kiilate  ihn  u.  redete  ihn  an:  Mein  Meister, 

^  Unter  < s--  ■-  versteht  man  meist  das  Loch  in  den  Türschwellen,  in  denen 

sich  der  Tüizapfen  dreht;  schwerlich  richtig;  s.  Krauß,  Archäologie  1,  358  Anm.494. 


526  Matth  9,  28  (95).  9,  30.  32.  34 

mein  Meister,  mein  Herr,  mein  Herr,  -^^  —^  "3^  ""^.  —  So  auch  Sanh  98*  in  einem 
Gespräch  mit  dem  Messias:  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250i  ging  zu  ihm  (dem  Messias 
in  Rom)  u.  sprach:  Friede  sei  mit  dir,  mein  Meister  u.  mein  Herr  --•:•  --i.  Er  ant- 
wortete ihm:  Friede  sei  mit  dir,  Bar  Levi!  R.  J'hoschuaf  sprach  zu  ihm:  Wann  kommt 
der  Herr  ^t?  Er  antwortete  ihm:  Heute!  !|  Die  Form  --"-  oder  o— p  läßt  sich  aus 
neutestamentl.  Zeit  noch  nicht  belegen,  s.  Dalman  l,2ti8f. 

9, 30:  Ihre  Äugen  wurden  aufgetan,  ccrs(öxd-r^aciv  avxMv  ot  otf^aXfiioi. 

LvR  22  (121  '*)  u.  Midr  Qoh  5,  8  (27»):  Es  geschah  einmal,  daß  zwei  Männer  auf  den 
Wegen  von  Tiberias  gingen;  der  eine  war  blind  •";c  u.  der  andre  war  sehend  -rs«3 
(geöffneten  Auges),  u.  der  Sehende  s- ;"rr  {=  der  Geöffnete)  führte  den  Blinden.  Sie 
setzten  sich  nieder,  um  am  Wege  auszuruhen.  Da  ereignete  es  sich,  daß  sie  von  einem 
Kraute  aßen:  der  Blinde  wurde  sehend  rrrrrs  (geöffnet),  u.  der  Sehende  -'rz  wurde 
blind;  u.  nicht  gingen  sie  von  dort  fort,  bis  jener  Blinde  den  Sehenden  führte.  — || 
GnR  53  (33''):  R.  Schemuel  b.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Als  unsre  Mutter  Sara  be- 
dacht wurde,  wurden  viele  unfruchtbare  Frauen  mit  ihr  bedacht,  viele  Taube  wurden 
hörend,  viele  Blinde  wurdend  sehend  ir-rrr]  (—  sie  wurden  aufgetan)  u.  viele  Wahn- 
sinnige wurden  vernünftig. 

9,32:  Sie  brachten  zu  ihm  einen  stummen  Besessenen. 

xoKföv.  —  2^x  „stumm",  d-r  „taub";  im  Rabbin.  ist  ir^n  häufig  der 
Taubstumme. 

Chag  2'^  Bar  u.  Git  71a  Bar:  Wer  reden  kann,  aber  nicht  hören,  das  ist  ein  Tauber 
s-r.;  wer  hören  kann,  aber  nicht  reden,  das  ist  ein  Stummer  =^s.  Sowohl  dieser,  als 
auch  jener  gelten  in  allen  ihren  Worten  als  vollsintiig  (zurechnungsfähig,  "--•:,  wört- 
lich: als  solche,  deren  Sinne  geöffnet  sind).  Woher,  daß  einer  der  reden,  aber  nicht 
hören  kann,  ein  Tauber  x"--,  einer  der  hören,  aber  nicht  reden  kann,  ein  Stummer 
nVs,  ist?  Es  heißt:  „Ich  bin  wie  ein  Tauber  ü-n,  ich  höre  nicht,  u.  wie  ein  Stummer 
ü'^s,  der  seinen  Mund  nicht  auftut"  Ps  3?<,  14.  Wenn  du  willst,  so  sage,  wie  die  Leute 
(in  sprichwörtlicher  Redensart)  zu  sagen  pflegen :  (Ein  Stummer  ist  einer,)  dem  die  Sprache 
genommen  ist.  (Nach  Raschi  ist  =-s  notarikonartig  gedeutet  =  r!-ii';-3  tprrs.  —  || 
T^'rum  1,2:  Der  c:~,  von  dem  die  Gelehrten  (in  der  Mischna)  reden,  ist  überall  einer, 
der  weder  hören  noch  reden  kann.  —  Mit  Recht  bemerkt  aber  R.  Jona  (um  3.^0) 
pChag  1,  75'',  45.  50,  daß  diese  Regel  keine  allgemein  gültige  sei,  da  es  T'^rum  1,2  auch 
heiße:  Der  x-r-,  der  reden,  aber  nicht  hören  kann,  darf  nicht  Hebe  absondern.  — 
Auch  M'^g2,4  beweist,  daß  die  Mischna  unter  Umständen  unter  dem  i-n  nicht  den 
Taubstummen,  sondern  nur  den  Tauben  versteht;  hier  heißt  es:  Alle  sind  zum  Vor- 
lesen der  Estherrolle  (am  Purimfest)  geeignet  mit  Ausnahme  des  Tauben  s-n,  des 
Irrsinnigen  u.  des  Minderjährigen.  |l  Von  der  Heilung  zweier  Stummer  durch  das 
Gebet  Rabbis  lesen  wir  Chag  3'^:  Zwei  Stumme  waren  in  der  Nachbarschaft  Rabbis, 
die  Tochtersöhne  des  R.  Jochanan  b.  Gudg^da  (um  110),  nach  andren  die  Schwester- 
söhne des  R.  Jochanan;  sooft  Rabbi  in  das  Lehrhaus  ging,  gingen  (auch  sie)  dorthin, 
setzten  sich  vor  ihn  u.  nickten  mit  ihren  Köpfen  u.  bewegten  ihre  Lippen.  Da  flehte 
Rabbi  um  Erbarmen  für  sie  u.  sie  wurden  geheilt.  Es  ergab  sich,  dab  sie  (in  der  Zeit 
ihres  Stummseins)  Halakha,  Siphra  (den  halakhischen  Midr  zu  Lvi,  Siphre  (den  halakh. 
Midr  zu  Nu  u.  Dt)  u.  den  ganzen  Talmud  (d.  h.  hier  die  halakh.  Methode  gelernt  hatten. 

9,34:  Durch  den  Obersten  der  Dämonen  treibt  er 

die  Dämonen  aus. 

Hierzu  s.  bei  Mt  12,  24;  speziell  zum  „Obersten  der  Dämonen"  s.  den 

Exkurs:  Zur  altjüd.  Dämonologie  Nr.  3,  b.  —  Ein   „Fürst  der  Geister" 

xrrrnn  •|itT'^">^  wird  erwähnt  LvR  5  (108  ■',  s.  diesen  Exkurs  Nr.  3,  b  gegen 


Matth  9,37.  10,1  (511)  527 

Ende) ;  ferner  ein  „Herr  der  Geister"  x-m-n  iinnn  pPea  8,  21'',23  =  pSch^q 
5,  49 '\  2,  s.  daselbst  Nr.  5,  a;  in  beiden  Fällen  dürfte  damit  Aschm«'dai, 
der  „König  der  iJämonen"  gemeint  sein. 

0,37:  Die  Ernte  ist  groß,  der  Arbeiter  aber  sind  wenige. 
Formell  ähnlich,  aber  inhaltlich  verschieden  ist  Aboth  2, 15:  R.  Tar- 
phon (um  100)  sagte:   Der  Tag  (die  irdische  Lebenszeit)  ist  kurz,  der 
Arbeit  ist  viel  risi-o,  die  Arbeiter  c-^V^siEri  sind  träge,  der  Lohn  ist  gro& 
u.  der  Hausherr  (  =  Gott)  drängt. 

10,1  51:  Herbeirufend  seine  zwölf  Jünger. 

L  ToiK  /iia^r]Tdg  avzov  =  T^n-^-abr.  Die  Schüler  genossen  nicht  nur 
den  theoretischen  Unterricht  ihrer  Lehrer,  sondern  befanden  sich  als 
ihre  Diener  auch  gern  in  ihrer  Nähe,  um  so  aus  deren  Tun  u.  Lassen 
die  Halakha  möglichst  durch  die  Praxis  kennen  zu  lernen. 

Aboth  6,  5:  Torakenntnis  wird  durch  48  Dinge  erworben,  nämlich  durch  Studium, 
durch  Hören  des  Ohres,  durch  Zurüstung  der  Lippen  .  .  .,  durch  Bedienen  der  Gelehrten 
=-■::-  zivsti:;.  ji  B  rakh  7  '':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  Jochai 
(um  i'>0)  gesagt:  Größer  (wichtiger)  ist  das  Bedienen  der  Tora  (d.  h.  ihrer  Lehrer)  als 
ihr  Erlernen,  s.:  ,Hier  ist  Elisa,  der  Sohn  Schaphats,  welcher  Wasser  auf  die  Hände 
des  Elias  goß"  2  Kg  o,  11.  Welcher  , lernte"  heißt  es  nicht,  sondern  welcher  „goß"; 
das  lehrt,  daß  das  Bedienen  größer  ist.  ||  B'^rakh  47'^:  Die  „Andren"  (="->•,  nach 
Hör  IS''  die  Schüler  des  R.  Meir)  haben  gesagt:  Selbst  wenn  einer  die  Schrift  u. 
die  Miscbna  (den  traditionellen  Lehrstoff)  gelernt,  aber  nicht  die  Gelehrtenschüler 
bedient  hat  r'sr,  so  ist  er  ein  fAm  ha-are9.  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Die 
Halakha  entspricht  der  Meinung  der  „Andren".  Parallelstellen:  LvR  3  (134*^);  Sota 
22^.  II  K^th  9ti'':  R.  J^hoschua?  b.  Levi  lum  250)  hat  gesagt:  Alle  Arbeiten,  die  ein 
Sklave  seinem  Herrn  verrichtet,  verrichtet  ein  Schüler  seinem  Lehrer,  ausgenommen 
das  Auflösen  (Ausziehen)  des  Schuhes.  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Das  hat  man  nur 
für  einen  Ort  angeordnet,  wo  man  ihn  nicht  kennt  (also  aus  dem  Auflösen  der  Schuhe 
schließen  könnte,  daß  er  tatsächlich  ein  Sklave  sei,  eine  Annahme,  der  der  Schüler 
nicht  ausgesetzt  werden  darf);  aber  wo  man  ihn  kennt  (also  weiß,  daß  er  ein  Schüler 
u.  kein  Sklave  ist),  kümmert  man  sich  nicht  darum  (legt  man  keinen  Wert  darauf). 
Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Auch  für  einen  Ort,  wo  man  ihn  nicht  kennt,  hat  man 
dies  nur  bestimmt,  falls  er  (als  wäre  er  ein  Sklave)  keine  Gebetsriemen  angelegt  hat; 
hat  er  aber  solche'  angelegt  (wodurch  jedem  erkennbar,  daß  er  kein  Sklave  ist),  so 
kümmert  man  sich  nicht  darum  (wenn  er  seinem  Lehrer  die  Schuhe  ablöst).  || 
AbothRN36:  R.  f  Aqiba  (f  um  185)  hat  gesagt:  Wer  den  Gelehrten  nichT  als  Schüler 
dient,  der  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt.  —  In  Derekh  Ere<;  Z.  8  gegen 
Ende  lautet  der  Satz:  Wer  den  Gelehrten  nicht  als  Schüler  dient,  der  ist  des  Todes 
schuldig.  II  Sota21'':  fUlla  (um  280i  hat  gesagt:  Ein  schlauer  Bösewicht  ist  derjenige, 
der  Schrift  u.  Mischna  lernt  u.  den  Gelehrtenschülern  nicht  dient.  [1  K  th  96"':  R.  Chijja 
b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Wer  es  seinem  Schüler 
versagt,  ihm  zu  dienen,  der  ist  wie  einer,  der  ihm  Liebe  versagt,  s.:  „Dem  Verzagten 
gebührt  Liebe  von  seinem  Freunde"  Hi6,  14.  Rab  Nachman  b.  JiQchaq  (f  35(i)  sagte: 
Auch  wie  einer,  der  die  Gottesfurcht  ihm  nimmt,  s.:  „und  die  Furcht  vor  dem  All- 
mächtigen wird  er  aufgeben"   Hi  6,  14. 

Einige  Beispiele,  wie  die  Schüler  aus  dem  Verhalten  ihrer  Lehrer 
praktisch  die  Halakha  erlernten. 

TN''gS,2(t;28i:  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Ich  hatte  meinen  Sabbatsvortrag  ge- 
halten u.  ging  mit  R.  Tarphon  (um  100)  in  sein  Haus.    Er  sprach  zu  mir:  J'huda,  mein 


528  Matth  10, 1  (51 1) 

Sohn,  gib  mir  meine  Sandalen,  u.  ich  gab  sie  ihm.  Er  streckte  seine  Hand  aus  nach 
einem  Fenster  u.  gab  mir  dies  mit  Siphra  ■"  statt  ■-)  von  dort  einen  Stock.  Er  f-prach 
zu  mir:  Mein  Sohn,  mit  diesem  Stock  habe  ich  drei  Aussätzige  gereinigt.  (R.  Tarphon 
war  priesterlichen  Geschlechts.)  Ich  (R.  J''huda)  habe  daran  sieben  Haiakhoth  (gesetz- 
liche Bestimmungen!  erlernt:  das  Holz  (Lv  14,4j  darf  von  einer  Zypresse  sein,  seine 
Spitze  ist  abgeschnitten  (?•"-;  Siphra  liest:  n-"  =  an  seiner  Spitze  befindet  sich  Laub), 
seine  Länge  beträgt  eine  Elle,  seine  Dicke  den  vierten  Teil  eines  Bettfußes,  der  in 
zwei  u.  diese  (wieder)  in  vier  Teile  gespalten  wurden  (so  nach  Siphra);  man  bespritzt 
damit  einmal,  auch  zwei-  u.  dreimal  (d.  h.  bis  drei  verschiedene  Aussätzige),  man  er- 
klärt für  rein  sowohl  zu  der  Zeit,  da  der  Tempel  besteht,  als  auch  zu  der  Zeit,  da  er 
nicht  besteht  (denn  so  hat  R.  Tarphon,  der  nach  der  Zerstörung  des  Tempels  wirkte, 
gehnndelt),  u.  man  erklärt  (Aussätzigel  für  rein  im  Landesgebiet  (d.  h.  außerhalb 
Jerusalems).  —  Parallelstellen :  SLv  M,  4  (V69 " ) ;  pSota  -',  18-',  ti  als  Bar.  N  d  7 '' :  R.  Abba 
(um  29U)  hat  gesagt:  .  .  .  Rab  Huna  (t297)  hörte,  wie  eine  Frau  den  Gottesnamen  un- 
nütz n'^uaV  aussprach.  Er  tat  sie  in  den  Bann,  hob  ilm  aber  sofort  in  ihrer  Gegenwart 
wieder  auf.  Daraus  habe  ich  dreierlei  entnommen.  Erstens:  Wer  den  Gottesnamen 
aus  dem  Munde  eines  andren  hört,  muß  diesen  in  den  Bann  tun.  Zweitens:  Hat  er  ihn 
in  seiner  Gegenwart  in  den  Bann  getan,  so  kann  er  diesen  nur  in  seiner  Gegenwart 
wieder  lösen.  Und  drittens:  Zwischen  dem  Bann  u.  seiner  Aufhebung  braucht  nicht 
die  geringste  Zeit  zu  liegen.  Ü  Chullin  106":  Rabbah  bar  bar  Ghana  lum  2!s0)  sagte  es 
(einen  gewissen  Ausspruch)  vor  R  Ammi,  u.  R.  Asi  brachte  vor  ihn  einen  Korb  mit 
Früchten  u.  sie  alJen,  ohne  ihre  Hände  zu  waschen  u.  ohne  mir  i Rabbah  b.  b.  Ch.) 
davon  zu  geben;  dann  sprach  jeder  den  Ldbspiuch  für  sich.  Daraus  habe  ich  dreierlei 
entnommen.  Erstens  findet  kein  Abspülen  der  Hände  für  Früchte  statt  Zweitens:  Man 
vereinigt  sich  nicht  zu  gemeinsamem  Dankgebet  bei  Früchten.  Drittens:  Wenn  zwei 
(zusammen)  essen,  gilt  die  Vorschrift,  daß  sie  (in  bezug  auf  den  Lobspruch)  getrennt 
bleiben  (jeder  hat  ihn  für  sich  zu  sprechen),  li  B^'rakh  ö'i"  wird  erzählt,  wie  R.  fAqiba 
(tum  lo."))  seinen  Lehrer  J'^hoschuaf  u.  ebenso  wie  Schimfon  b.  f  Azzai  (um  11<M  den 
R.  ?Aqiba  in  seinem  Verhalten  auf  dem  Abort  u.  endlich  wie  Rab  Kahaia  lum  2.')0) 
seinen  Lehrer  Rab  (f  247)  bei  der  Ausübung  des  Beischlafs  heimlich  beobachtete;  als 
ihnen  dann  das  Unschickliche  ihrer  Handlungsweise  vorgehalten  wurde,  erklärte  jeder 
von  ihnen:  Hier  handelt  es  sich  um  Torakenntnis  u.  ich  muß  lernen! 

Zu  den  Dienstleistungen  des  Schülers  gehörte  auch,  daß  er  seinen 
Lehrer  auf  dessen  Ausgängen  u.  Reisen  begleitete.  Daher  das  unzählige- 
mal  wiederkehrende  „Der  u.  der  ging  hinter  dem  u.  dem  her."  Damit  wird 
der  hinterher  Gehende  als  Schüler  desjenigen  bezeichnet,  dem  er  nach- 
folgt. SelbstverständHch  suchte  der  Schüler  auch  aus  dem  Verhalten  des 
Lehrers  auf  seinen  Reisen  halakhische  Belehrung  für  sich  zu  gewinnen. 

TP«'sl,27f.  (1.^7):  Es  geschah  einmal,  daß  Rabban  Gamliel  (um  90'  u.  R.  Eifai 
von  fAkko  nach  K^zib  gingen.  Jener  sah  ein  Brot  lam  Wege  liegen)  u.  sprach  zu  seinem 
Sklaven  T  bi:  Nimm  dieses  Brot  auf!  Dann  sah  er  einen  NichtJuden  (der  ihnen  ent- 
gegenkam) u.  sprach  zu  ihm:  Mabgai,  nimm  dieses  Brot  hin!  Es  ging  hinter  ihm 
R.  Elfai;  er  sprach  zu  dem  NichtJuden:  Was  ist  es  um  dich  (wer  bist  du)?  Er  ant- 
wortete ihm:  Ich  bin  aus  den  Stationsorten  iOrtschaften,  die  mit  Militärposten  belegt 
waren).  Und  wie  ist  dein  Name?  Er  antwortete  ihm:  Mabgai  ist  mein  Name.  Er  sprach 
zu  ihm:  Hat  dich  Rabban  Gamliel  jemals  keimengelernt?  Er  antwortete:  Nein!  Von 
hier  haben  wir  gelernt,  daß  Rabban  Gamliel  im  heiligen  Geist  ikraft  prophetischer 
Begabungl  geschaut  hat  (da  er  einen  Unbekannten  mit  Namen  nannte),  u.  aus  seinen 
Worten  haben  wir  dreierlei  gelernt:  daß  Gesäuertes  der  NichtJuden  sofort  nach  dem 
Passahfest  erlaubt  ist,  daß  man  nicht  vorübergeht  an  Eßbarem  (ohne  es  aufzuheben) 
u.  daß  man  sich  nach  der  Mehrzahl  der  Wanderer  richtet  id.  h.  wenn  auf  einem  Wege 
meist  Heiden   verkehren,   so  nimmt  man  an,   daß  das  darauf  Gefundene  heidnischen 


Matth  10,  1  (?11.2)  529 

Ursprungs  ist).  Als  er  K'^zib  erreicht  hatte,  kam  einer  u.  bat  ihn  um  Lösung  seines 
Gelübdes.  Er  fragte  einen,  der  bei  diesem  war:  Hat  er  etwa  ein  viertel  Log  italischen 
Wein  getrunken?  Er  antwortete:  Ja!  In  diesem  Fall,  sprach  er,  muß  er  hinter  uns 
hergehn,  bis  sein  Wein  sich  verloren  hat.  Er  ging  mit  ihm,  bis  sie  an  die  Leiter  von 
Tyrus  kamen.  Dann  stieg  er  von  seinem  Esel,  verhüllte  sich  u.  setzte  sich  nieder  u. 
löste  ihm  sein  Gelübde.  Vielerlei  haben  wir  an  jenem  Tage  gelernt.  Erstens  daß  ein 
viertel  Log  Wein  trunken  macht;  zweitens  daß  ein  Marsch  den  Wein  schwinden  läßt; 
drittens  daß  man  keinen  belehrt,  der  Wein  getrunken  hat,  u.  viertens  daß  man  Ge- 
lübde nicht  löst  beim  Gehen,  Reiten  oder  Stehn,  sondern  verhüllt  u.  im  Sitzen.  — 
Parallelstellen:  pfAZ  l,40-\  44;  ?Er  64'>;  LvR  37  (133'').  II  fAZ  43»;  Rabbah  bar  bar 
Chana  (um  280)  hat  gesagt,  R.  J*^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  habe  gesagt:  Einmal  ging 
ich  hinter  R.  Elfazar  ha-Qappar  dem  Rabbinensohn  (um  220)  auf  einem  Wege  einher; 
er  fand  dort  einen  Ring,  auf  dem  die  Figur  eines  Drachen  war;  er  traf  einen  kleinen 
Goi,  sagte  aber  zu  diesem  nichts;  er  traf  einen  erwachsenen  Goi  u.  sprach  zu  ihm: 
Mache  den  Ring  samt  Götzenbild  gebrauchsunfähig!  Er  schlug  ihn  mit  der  flachen 
Hand  (gab  ihm  einen  Backenstreich,  weil  er  es  nicht  tun  wollte);  da  machte  er  ihn 
gebrauchsunfähig.  Daraus  entnahm  ich  dreierlei.  Erstens  daß  ein  Goi  sein  Götzenbild 
oder  das  eines  andren  gebrauchsunfähig  machen  muß.  Zweitens:  Wer  die  Bedeutung 
des  Götzenbildes  u.  seinen  Kultus  kennt,  muß  es  gebrauchsunfähig  machen;  wer  das 
nicht  kennt  (wie  zB  ein  heidnisches  Kind),  hat  es  nicht  gebrauchsunfähig  zu  machen. 
Drittens:  Ein  Nicht  Jude  kann  es  (auch)  gezwungenerweise  gebrauchsunfähig  machen.  || 
Schab  40 '':  Rab  Ji^chaq  bar  Abdimi  (gegen  300)  hat  gesagt:  Einmal  ging  ich  hinter 
meinem  Lehrer  in  ein  Badehaus  (u.  zwar  an  einem  Sabbat);  ich  wollte  ihm  eine  (warm 
gemachte)  Flasche  mit  (Salb-)Ol  in  die  Badewanne  (oder  in  das  Bassin,  das  aus  einer 
heißen  Quelle  gespeist  wurde)  legen  (damit  das  Salböl  warm  bliebe).  Er  aber  sagte 
zu  mir:  Nimm  ein  zweites  Behältnis  u.  tu  (das  Ol)  hinein  (damit  es  nicht  noch  mehr 
erwärmt  werde).  Ich  entnahm  daraus  dreierlei.  Erstens:  Das  Öl  unterliegt  der  Be- 
stimmung betreffs  des  Heißmachens  (am  Sabbat,  das  nur  in  einem  bestimmten  Maße 
erlaubt  war,  nämlich  solange  die  Hand  die  Hitze  ertragen  konnte).  Zweitens:  Das 
zweite  Behältnis  erhitzt  nicht  (noch  mehr).  Drittens:  Das  Laumachen  (des  Öls)  ist  sein 
Heißmachen  (hat  die  gleiche  Bedeutung,  wie  das  Heißmachen  beim  Wasser).  —  Ferner 
s.  bei  Mt  4, 19  31  S.  187  f.  u.  AbothRN  4  bei  Mt  9, 13  JB  u.  die  Zitate. 

2.   Tovg  doidsxa  (xaif-rjxäg. 

Fünf  Schüler  Jesu  nennt  Sanh  43 ^  Bar:  Fünf  Schüler  hatte  Jesus  'r-:  Matthai, 
Naqqai,  Necjer,  Buni  (Bunai)  u.  Toda.  —  Die  ganze  Stelle  s.  bei  Joh  3, 1  Nr.  2.  —  Die 
Zwölfzahl  der  Apostel  Jesu  findet  sich  in  der  Petruslegende  Beth  ha-Midr  5,  60, 
s.  unten  S.  531.  —  Allgemein  wird  von  den  Schülern  Jesu  (d.  h.  den  Christen)  geredet 
Aboth  5,  19:  Jeder,  an  dem  drei  Dinge  sich  finden,  ist  ein  Schüler  Abrahams;  an  dem 
drei  (andre)  Dinge,  ein  Schüler  Bil?ams  (=  Jesu).  Ein  wohlwollendes  Auge,  ein  be- 
scheidener Sinn  u.  ein  demütiger  Geist  (das  ist)  ein  Schüler  Abrahams.  Ein  miß- 
günstiges Auge,  ein  gieriger  Sinn  u.  ein  hochmütiger  Geist  (das  ist)  ein  Schüler 
Bil?ams  ny-sa  V-ü  -t'o^p.  Und  welcher  Unterschied  ist  zwischen  den  Schülern  A.s  u.  den 
Schülern  B.s?  Letztere  fahren  zum  Gehinnom  hinab,  vgl.:  „Du  aber,  o  Gott,  wirst 
sie  in  die  tiefste  Grube  hinabstürzen;  Blutmenschen  u.  Betrüger  werden  ihre  Tage 
nicht  auf  die  Hälfte  bringen'  Ps  55,  24.  Aber  die  Schüler  unsres  Vaters  Abraham 
nehmen  den  Gan  ?Eden  in  Besitz,  vgl.:  ,Um  denen,  die  mich  lieben,  ein  wirkliches 
Gut  zukommen  zu  lassen  u.  ihre  Schatzkammern  zu  füllen"  Spr.  8,  21.  ||  Spöttisch  wird 
Jesu  Lehrhalle  s-iiscss  (—  i^Edga)  erwähnt  II.  Targ  Esth  zu  7,  9:  Als  Haman  sah, 
daß  seine  Worte  nicht  gehört  wurden,  erhob  er  Klage  u.  Weinen  über  sich  selbst  in- 
mitten des  Schloßgartens:  Höret  mich,  ihr  Bäume  u.  alle  Pflanzen,  die  ich  gepflanzt 
habe  seit  den  Schöpfungstagen;  denn  der  Sohn  des  Hamdatha  ist  im  Begriff  zur  Lehr- 
halle des  Bar  Pandera  (=  zum  Kreuz  Jesu)  hinaufzusteigen.  —  Zu  Bar  Pandera  s. 
bei  Mtl,16  S.  36 ff. 

strack  u.  Billerbeck.  NT  I.  34 


530  Matth  10, 1  (95  1-3).  10,  2  {%.  93  1.  2) 

10,  1  23:  Er  gab  ihnen  Macht  über  unreine  Geister,  sie  aus- 
zutreiben u.  zu  heilen  jede  Krankheit  u.  jede  Schwachheit. 

1.  nvsvßUTu  dxäd^aqra  =  nsri!ic:n  rrin^n  „Geister  der  Unreinheit". 
Zwei  Beispiele  (Chag  3'';  Sanh  65'')  s.  oben  S.  491  f.;  das  Nähere  s.  im 
Exkurs:  Zur  altjüdischen  Dämonologie  Nr.  1,/", 

Hier  sei  nur  noch  Sanh  91^  erwähnt:  Was  bedeutet  .Geschenke"  (die  Abraham 
nach  Gn  25,  6  den  Söhnen  der  Kebsweiber  gab)?  R.  Jirm^'ja  b.  Abba  (um  250)  hat  ge- 
sagt: Das  lehrt,  dafä  er  ihnen  den  Namen  der  Unreinheit  (d.  h.  der  unreinen  Geister 
zwecks  Zauberei)  tradierte.  —  In  der  Parallele  GnR  61  (38'')  fehlt  dieser  Satz. 

2.  sxßaXXsiv  avvä.  —  Allgemein  wird  für  die  messian.  Zeit  die  Herr- 
schaft der  Frommen  über  die  bösen  Geister  in  Aussicht  gestellt.  Test 
Lev  18:  Er  (der  Hohepriester  der  Endzeit)  wird  seinen  Kindern  Gewalt 
geben,  auf  die  bösen  Geister  zu  treten  dwcrsi  i^ovaiav  zoTg.  Tsxvoig  avrov 
TcarsTv  snl  xd  novrjQa  jtvsvfxaxa.  —  Vgl.  den  Exkurs:  Zur  altjüd.  Dä- 
monologie Nr.  7,  Anm.  fn.  h. 

3.  ^sQarcsvsiv  ndffav  vdaov.  —  Von  Krankenheilungen  durch  An- 
hänger Jesu  werden,  soweit  wir  sehen,  nur  zwei*  Fälle  in  der  rabbin. 
Literatur  mitgeteilt,  u.  zwar  TChullin  2,  22  f.  (503)  u.  p? AZ  2  (40^^)  nebst 
Parallelen;  s.  oben  S.  36  u.  38.  Dagegen  wird  ganz  allgemein  davor  ge- 
warnt, sich  von  den  Minim  (=  Judenchristen)  heilen  zu  lassen  TChull 
2,21  (503):  Man  soll  sich  von  ihnen  nicht  heilen  lassen,  sei  es  eine 
Heilung  von  Verraögensstücken  (wie  Sklaven  u.  Vieh),  sei  es  eine  Heilung 
von  Personen  mmsa  rs-i^.  —  Etwas  anders  ?AZ  27^. 

10,  2  51:  Die  Namen  der  zwölf  Apostel  sind  diese. 
cinöaToXog  =  n-ib©,  mit  Suffixen  u.  im  Plural  mbia,  aram.  xmbui,  der 
Abgesandte,  der  Beauftragte,  der  Bevollmächtigte.  Belege  s.  bei  Rom  1, 1. 
—  Tatsächlich  werden  Jesu  Apostel  cin^ibiz;  genannt  in  der  Petruslegende 
Beth  ha-Midr  5,  60,  s.  unten  S.  530/. 

10,2  23:  Simon,  der  genannt  wird  Petrus,  u.  Andreas,  sein  Bruder. 

1.  2ifi(ov  verhält  sich  zu  seiner  Nebenform  ^vfiscov,  Apg  15, 14,  wie 

das  gräzisierte  •■^•^b  zu  "lir-pc  {^=  Erhörung).  Im  Rabbin.  lautet  der  Name 
meist  ■('is^ia,  nur  in  einigen  Fällen  ist  die  Form  )^^^o  üblich  geworden: 
so  R.  Tio-'D  b.  Pazzi  (um  280)  u.  sein  Sohn  R.  J'^huda  b.  -i?2-'D  (um  320). 

2.  JlexQoq  findet  sich  in  dem  Namen  des  R.  Jose  b.  Petros,  des  um 
200  lebenden  Schwiegervaters  des  R.  J^hoschua?  b.  Levi  (um  250).  Hier 
wird  der  Name  bald  otos  LvR  7  (109*^),  bald  cr^^s  p^AZ  3, 42%  25;  pMQ 
3,  82*5,  59  (c^ii^-E  P«siq  158^)  u.  bald  on-w?  GnR  92  (58'');  94  (59«);  ExR 
52  (104*')  geschrieben.  GnR  62  (39^^)  s-jns,  vielleicht  nexQu  zu  lesen. 

Eine  jüdische  Petruslegende. 

Beth  ha-  Midr  5,  60.    Erste  Rezension :  Nach  diesen  Begebenheiten  entstand  ein 

'  Die  Erzählung  von  der  Heilung  eines  Aussätzigen  durch  Petrus  (s.  Beth  ha- 
Midr  5,  60  unten  S.  531  ß)  gehört  späterer  Zeit  an  u.  hat  nicht  den  Wert  einer  selb- 
ständigen Tradition. 


]VIatth  10,2(S2)  531 

großer  Zwist  zwischen  den  Christen  =-"'::"::r;  u.  den  Juden;  denn  wenn  ein  Christ  einen 
Juden  sah,  tötete  er  ihn,  u.  die  Bedrängnis  ward  immer  stärker  dreißig  Jahre  lang. 
Die  Christen  nahmen  zu  in  die  Tausende  u.  Mj'riaden  u.  verhinderten  die  Israeliten 
zum  Feste  hinaufzuziehen  (nach  Jerusalem),  u.  die  Bedrängnis  ward  groß  in  Israel, 
wie  an  dem  Tage,  an  dem  das  (goldene)  Kalb  verfertigt  wurde,  u.  man  wußte  nicht, 
was  man  tun  sollte.  Auch  ihr  Glaube  Erivss  (der  der  Christen)  befestigte  sich  immer 
mehr,  u.  zwölf  Männer  gingen  aus  u.  zogen  umher  in  zwölf  Königreichen  u.  weissagten 
im  Lager  (vgl.  Nu  11,  26  f.")  ihre  Weissagungen,  u.  die  Israeliten  irrten  ab  ihnen  nach. 
Jene  aber  waren  Männer  von  Namen  u.  befestigten  den  Glauben  an  Jesum  vr-  pj-din, 
indem  sie  sagten,  sie  seien  seine  Apostel  ^^-^'•i^•,  u.  es  sammelte  sich  zu  ihnen  eine 
große  Menge  Volks  aus  den  Kindern  Israel.  Die  Gelehrten  sahen  diese  schlimme 
Sache,  u.  sie  mißfiel  ihnen  gar  sehr,  u.  der  eine  sprach  zum  andren:  Wehe  uns!  denn 
wir  haben  gesündigt,  weil  dieses  Schlimme  sich  in  unsren  Tagen  in  Israel  zugetragen 
hat,  dergleichen  wir  u.  unsre  Väter  nicht  gehört  haben,  u.  das  drückte  sie  sehr.  Sie 
saßen  u.  weinten  u.  erhoben  ihre  Augen  gen  Himmel  u.  sprachen:  Ach.  Jahve,  Gott 
des  Himmels,  gib  uns  einen  Rat,  was  zu  tun  ist;  denn  wir  wissen  nicht,  was  wir  tun 
sollen,  u.  auf  dich  sind  unsere  Augen  gerichtet;  denn  unschuldiges  Blut  ist  inmitten 
deines  Volkes  Israel  vergossen  worden  wegen  jenes  Mannes  (nämlich  Jesu).  Bis  wie- 
lange soll  uns  dieser  zum  Fallstrick  ^-'.^'•:  dienen!  Denn  die  Hand  der  Christen  ist 
mächtig  über  uns  u.  sie  töten  uns  in  sehr  großer  Menge,  u.  wir  sind  in  geringer  Zahl 
übriggeblieben;  aber  wegen  der  Verführer  deines  Volkes,  des  Hauses  Israel,  ist  solches 
geschehen,  u.  du  um  deines  Namens  willen  gib  uns  Rat,  was  wir  tun  sollen,  damit 
wir  von  der  Gemeinde  der  Christen  □-^::i:-  r-.yz  geschieden  werden.  Als  sie  auf- 
gehört hatten  zu  reden,  erhob  sich  einer  von  den  Altesten  mit  Namen  Schimfon  Kepha 
sE-3  lyoKJ,  der  sich  einer  Bath-Qol  (Himmelsstimme)  zu  erfreuen  gehabt  hatte 
(Anspielung  auf  2Petrl,18?);  der  sprach  zu  ihnen  (den  Juden):  Höret  mich,  meine 
Brüder  u.  mein  Volk!  Wenn  mein  Wort  in  euren  Augen  gut  ist,  will  ich  jene  Männer 
(die  Christen)  trennen  von  der  Gemeinde  der  Kinder  Israel,  daß  sie  kein  Teil  u.  kein 
Erbe  in  Israel  haben  sollen;  aber  nur  wenn  ihr  die  Verantwortung  auf  euch  nehmt. 
Sie  antworteten  alle:  Wir  wollen  die  Schuld  auf  uns  nehmen;  nur  tu,  wie  du  geredet 
hast.  Schimfon  ben  Kepha  (so  hier!f  ging  in  den  Tempel  u.  schrieb  den  großen  Namen 
(d.  h.  den  Jahvenamen)  auf;  dann  riß  er  sein  Fleisch  auf  u.  legte  die  Schrift  hinein. 
Er  ging  aus  dem  Heiligtum,  brachte  die  Schrift  (den  aufgeschriebenen  Jahvenamen) 
hervor  u.  lehrte  den  Namen.  Darauf  ging  er  in  die  Hauptstadt  der  Christen  (Rom) 
u.  rief  mit  lauter  Stimme:  Wer  an  Jesum  glaubt  vr-2  -j-^rs-r,  der  komme  zu  mir; 
denn  ich  bin  sein  Apostel  imvi-!  Er  sprach  zu  ihnen:  Was  für  ein  Zeichen  begehrt 
ihr  von  mir?  Sie  antworteten:  Die  Zeichen,  die  Jesus  in  seinem  Leben  getan  hat, 
die  tu  auch  du  uns!  Er  sprach:  Bringet  mir  einen  Aussätzigen!  Sie  brachten  ihm 
einen  solchen.  Er  legte  seine  Hände  auf,  u.  siehe,  er  war  geheilt.  Er  sprach  zu  ihnen: 
Bringet  mir  auch  einen  Toten!  Sie  brachten  einen  solchen  vor  ihn.  Er  legte  seine 
Hände  auf  ihn,  u.  er  ward  lebendig  u.  stellte  sich  auf  seine  Füße.  Da  fürchteten  sich 
jene  Leute,  fielen  vor  ihm  nieder  u.  sprachen:  In  Wahrheit,  du  bist  ein  Apostel  Jesu, 
denn  dieser  hat  uns  ebensolches  in  seinem  Leben  getan.  Schim?on  Kepha  sprach  zu 
ihnen:  Ich  bin  ein  Apostel  Jesu,  u.  er  hat  mir  befohlen,  zu  euch  zu  gehn;  schwört 
mir,  daß  ihr  nach  allem  tun  wollt,  wie  ich  euch  gebiete!  Sie  antworteten  alle:  Alles, 
was  du  uns  befehlen  wirst,  wollen  wir  tun.  Schimfon  Kepha  sprach  zu  ihnen:  Wisset, 
daß  Jesus  ein  Feind  der  Israeliten  u.  ihrer  Tora  war,  wie  Jesaja  geweissagt  hat:  „Eure 
Neumonde  u.  eure  Feste  hasset  meine  Seele"  (Jes  1,  14),  u.  wisset  weiter,  daß  er  an 
Israel  kein  Wohlgefallen  hat,  wie  Hosea  geweissagt  hat:  „Denn  ihr  seid  nicht  mein 
Volk"  (Hos  1,  9)  u.  (wisset)  ferner,  daß  er  es  in  seiner  Hand  hat,  sie  in  einem  Augen- 
blick aus  der  Welt  von  jedem  Orte  weg  zu  vertilgen,  aber  er  will  sie  nicht  vernichten, 
sondern  er  will  sie  am  Leben  lassen,  damit  seine  Kreuzigung  (wörtlich:  Aufhängung 
'.r^'hr)  u.  seine  Steinigung  (s.  die  nächste  Anm.)  den  fernsten  Geschlechtern  in  Er- 
innerung  bleibe,    desgleichen    die  Menge   seines   großen   Leidens;    denn   er   hat  alle 

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532  Matth  10,  2  (©  2) 

Strafen  getragen,  um  euch  aus  dem  Gehinnom  zu  erlösen.  Und  nun  läßt  er  euch 
warnen  u.  euch  befehlen,  daß  ihr  fernerhin  kein  Böses  in  bezug  auf  einen  Juden  tun 
sollt,  u.  wenn  ein  Jude  zu  einem  Christen  sagt:  Geh  mit  mir  eine  Parasange,  so  gehe 
er  zwei  Parasangen  mit  ihm,  u.  wenn  ein  Jude  auf  seine  linke  Wange  schlägt,  so 
neige  er  ihm  auch  die  rechte  Wange  hin,  damit  sie  (die  Juden)  ihren  Lohn  in  dieser 
Welt  genießen  u.  in  der  zukünftigen  Welt  im  Gehinnom  gerichtet  werden.  Wenn  ihr 
also  tut,  so  werdet  ihr  gewürdigt  werden  i:Tr,  mit  ihm  (Jesus)  in  seiner  Abteilung 
ns'n^i  zu  sitzen.  Und  siehe,  er  befiehlt  euch,  daß  ihr  nicht  (mehr)  das  Fest  der  süßen 
Brote  feiert,  sondern  den  Tag  seines  Todes,  u.  anstatt  des  Wochenfestes  sollt  ihr  den 
vierzigsten  Tag  feiern,  nachdem  er  gesteinigt  ^  war  u.  hinterher  gen  Himmel  auffuhr, 
u.  anstatt  des  Hüttenfestes  sollt  ihr  den  Tag  seiner  Geburt  feiern  u.  am  achten  Tage 
nach  seiner  Geburt  den  Tag,  an  welchem  er  beschnitten  wurde.  Sie  antworteten  alle : 
Alles  was  du  geredet  hast,  wollen  wir  tun,  aber  nur  wenn  du  bei  uns  bleibst.  Er 
sprach:  Ich  will  unter  euch  wohnen,  wenn  ihr  mir  tut,  wie  er  (Jesus)  mir  befohlen 
hat,  nämlich  daß  ich  keine  Speise  genieße  außer  Brot  der  Not  u.  Wasser  der  Trübsal 
(vgl.  1  Kg  22,  27;  Jes  30,  20).  Ihr  aber  sollt  mir  einen  Turm  in  der  Stadt  (Rom)  er- 
bauen, darin  will  ich  bis  an  den  Tag  meines  Todes  wohnen.  Sie  antworteten:  Wie 
du  gesagt,  so  wollen  wir  tun.  Da  bauten  sie  ihm  einen  Turm  u.  übergaben  ihm  den- 
selben zur  Wohnung,  auch  reichten  sie  ihm  das  Festgesetzte  tagtäglich  bis  an  seinen 
Todestag,  Brot  u.  Wasser,  u.  er  wohnte  daselbst.  Er  diente  aber  lim  geheimen)  dem 
Gott  unserer  Väter  Abraham,  Isaak  u.  Jakob  u.  verfaßte  Gedichte  in  großer  Menge 
(s.  die  nächste  Rezension)  u.  sandte  sie  umher  in  dem  ganzen  Gebiet  Israels,  damit 
es  ihm  zum  Gedächtnis  gereiche  in  jedem  einzelnen  Geschlecht.  Und  alle  seine  Ge- 
dichte, die  er  verfaßte,  sandte  er  an  seine  Lehrer.  Schimfon  aber  wohnte  sechs  Jahre 
in  dem  Turm;  dann  starb  er,  nachdem  er  befohlen  hatte,  ihn  in  dem  Turm  zu  be- 
erdigen, u.  man  tat  also.  Darauf  bauten  sie  für  ihn  (oder  über  ihm?)  ein  häßliches 
Gebäude,  u.  dieser  Turm  ist  noch  bis  jetzt  in  Rom  u.  man  nennt  ihn  (Sct-)Peter  iu-e, 
u.  das  ist  der  Name  eines  Steins  (i2s  =  se-s  ^=  nsxqa,  nexQog);  denn  dort  hat  er  auf 
einem  Stein  bis  an  seinen  Todestag  gesessen. 

Beth  ha-Midr  Ö,  9  ff.  Zweite  Rezension:  In  dieser  Zeit  lebte  in  Israel  einer,  der 
Schimfon  Kepha  genannt  wurde,  weil  er  auf  dem'*Stein  (t=x  =  ss'2)  zu  sitzen  pflegte, 
auf  welchem,  als  er  am  Strom  K^'bar  lag,  der  Prophet  Ezechiel  geweissagt  hat  (vgl. 
Ezl,  3;  3,  15.23;  10,  15.22;  43,3).  Dieser  Schimfon  war  das  Haupt  der  Sänger 
0-1-1O':,  u.  es  pflegte  für  ihn  eine  (Himmels-)Stimme  aus  dem  Stein  auszugehn.  Weil 
er  große  Weisheit  besaß,  waren  sie  (die  Christen)  neidisch  auf  ihn,  daß  ein  solcher 
Mann  sich  in  Israel  fand.  R.  Schimfon  aber  wußte  um  den  Neid;  was  tat  er?  Er 
stieg  zur  Zeit  des  Laubhüttenfestes  am  Tage  des  großen  Hosianna  ^  zum  Ölberg  empor. 
Die  Christen  begannen  mit  R.  Schimfon  zu  sprechen;  er  aber  überwand  sie  in  jeder 
Art  von  Weisheit,  so  daß  sie  ihm  nicht  zu  antworten  vermochten  u.  sich  vor  ihm 
fürchteten.  Da  sie  sahen,  daß  seine  Weisheit  groß  war,  berieten  sie  sich  u.  sprachen: 
,Wir  dürfen  einen  solchen  weisen  Mann  nicht  unter  den  Juden  belassen,  wir  wollen 
ihn  von  ihnen  wegnehmen,  denn  in  kurzer  Zeit  wird  er  unsre  Lehre  -:r-nr  verächt- 
lich machen."  Unmittelbar  darauf  ergriffen  sie  ihn  u.  sprachen  zu  ihm:  ,Wir  wissen, 
daß  in  Israel  kein  Weiser  ist,  der  dir  gleichkommt;  in  deiner  Hand  liegt  die  Macht 
hinzuzufügen  u.  wegzunehmen,  zu  beseitigen,  was  getan  ist,  oder  es  zu  bestätigen. 
Aber  Jahve  hat  Gnade  vor  Jesus  va^  gegeben,  unsre  Religion  n:n:;  zu  bekräftigen,  u. 
alle  unsre  Weisen  sind  Juden,  u.  da  wir  deine  Taten  sahen,  sagten  wir:  ,Der  ist  be- 

^  Daß  hier  u.  auch  schon  weiter  oben  die  Steinigung  als  Todesstrafe  Jesu  er- 
scheint, hat  seinen  Grund  darin,  daß  der  Erzähler  von  seinem  jüdischen  Standpunkt 
aus  die  an  Jesu  vollzogene  römische  Kreuzigungsart  mit  der  jüdischfen  Kreuzigungs- 
strafe identifiziert  hat,  die  nach  Sanh  4  als  Zusatzstrafe  über  diejenigen  zu  verhängen 
war,  die  wegen  Gotteslästerung  u.  Götzendienst  gesteinigt  wurden.  Daß  ein  Gehängter 
zuvor  gesteinigt  war,  war  einem  Juden  selbstverständlich. 

"^  So  hieß  der  siebente  Tag  des  Laubhüttenfestes. 


Matth  10,2  (<B2)  533 

stimmt,  unsre  Religion  zu  bekräftigen'!  Wir  nehmen  mit  jedem  Tage  zu,  u.  die  Juden 
nehmen  immer  mehr  ab;  da  ist  es  für  einen  Mann,  wie  du  bist,  nicht  schicklich,  zu 
ihnen  zu  gehören;  sondern  schließe  dich  uns  an,  daß  du  uns  gute  Gebote  u.  Satzungen 
lehrest  u.  uns  die  zukünftige  Welt  ererben  lassest;  so  wollen  wir  dich  zum  höchsten 
Haupt  über  uns  setzen,  u.  niemand  soll  sein,  der  sagt,  was  du  tun  sollst."  Er  ant- 
wortete: „Eure  Worte  sind  gut,  aber  ich  will  meine  Religion  nicht  verlassen."  Sie 
sprachen:  „Wenn  du  zu  unserer  Partei  ^:ri.3^.  nicht  übertrittst,  so  werden  wir  dich 
u.  alle  Juden  töten,  daß  auch  nicht  einer  von  ihnen  am  Leben  bleibt."  Er  antwortete: 
, Alles  ist  in  der  Hand  des  Himmels,  u.  Jahve  wird  uns  helfen!"  Da  begannen  sie 
die  Juden  zu  töten,  daß  alle  zitternd  u.  bebend  mit  Flehen  vor  R.  Schimfon  kamen 
u.  zu  ihm  sprachen:  ,Tu,  was  sie  gesagt  haben,  u.  errette  uns  aus  ihrer  Hand;  auf 
unsrer  Seele  sei  diese  Sünde,  du  aber  handle  nach  deiner  großen  Weisheit."  Und  die 
Gojira  (hier  —  Christen)  stahlen  u.  raubten  die  Juden  u.  verkauften  sie  für  Ein  Geld- 
stück u.  drei  Juden  um  drei  Geldstücke;  denn  so  war  Jesus  verkauft  worden.'  Als 
R.  Schimfon  solches  sah,  sprach  er:  ,Es  ist  besser,  daß  Schim?on  verderbe  u.  hundert 
seinesgleichen,  als  daß  Eine  Seele  aus  Israel  verderbe!"  Was  tat  er?  Er  erklärte, 
daß  er  sich  ihnen  anschließen  wolle.  Und  siehe,  der  Papst  ^  u.  der  Bischof,*  diese 
zerbrochenen  Unheilstafeln,**  kamen  zu  ihm,  u.  er  sprach  zu  ihnen:  „Was  wollt  ihr 
von  mir?  Wenn  ihr  die  Juden  vertilgen  wollt,  so  will  ich  nicht  bei  euch  wohnen; 
aber  wenn  ihr  tun  wollt,  was  St.  Paulus  -^■se'o  im  Namen  Jesu  geboten  hat,  dessen 
Worte  gelten,  so  ist  es  dies,  was  ihr  zu  tun  habt,  daß  ihr  aufs  neue  die  Bedingungen 
übernehmt  u.  haltet,  die  er  euch  gesagt  hat,  daß  ihr  unterlasset  die  Juden  zu  steinigen, 
u.  daß  ihr  ihnen  gestattet  sich  in  ihren  Häusern  (=  Synagogen)  zu  versammeln;  so 
werden  [die  Greuelhäuser?]  verlassen  werden,  wenn  ihr  es  wollt.  Und  ebenso  müßt 
ihr  sie  zu  unseru^  Versammlungshäusern  zulassen,  damit  auch  sie  zum  Glauben  an 
Jesum  kommen;  denn  wenn  ihr  nicht  also  tut,  so  werden  die  Juden  sagen,  daß  ihr 
sie  verfolgtet,  um  nicht  ihre  eitlen  u.  trügerischen^  Werke  zu  sehen."  Sofort  nahmen 
sie  die  Worte  des  R.  Schimfon  an,  desgleichen  auch  der  Papst,  diese  zerbrochene 
Unheilstafel!  Dann  sprachen  sie:  „Alles,  was  du  uns  befehlen  u.  über  uns  bestimmen 
wirst,  das  wollen  wir  tun."  Es  blieb  damals  bei  dem  Gebot,  daß  jeder  Jude,  der  in 
ihre  Greuelhäuser  komme  wollte,  es  auch  durfte.  —  Ferner  sagte  Schimfon  zu  ihnen: 
„Ich  befehle  euch  u.  nehme  es  als  ein  Gelübde  auf  mich,  daß  ich  in  meinem  ganzen 
Leben  am  sechsten  Tage  (d.  i.  nach  jüdischer  Zählung  am  Freitag)  kein  Fleisch  essen 
will,  w^eil  an  diesem  Tage  Jesus  getötet  ist;  auch  will  ich  mein  lebelang  keinen  Wein 
trinken,  damit  ich  mich  nicht  erfreue,  um  der  Liebe  Jesu  willen,  u.  ich  will  von  allen 
Menschen  abgesondert  allein  in  einem  Hause  sein,  damit  meine  Augen  nicht  abirren, 
u.  um  zu  halten,  was  geschrieben  steht:  ,Von  einer  Lügensache  halte  dich  fern' 
(Ex  2B,  7),  u.  um  als  Bann  auf  mich  zu  nehmen,  daß  ich  abgesondert  sein  will  von 
allen  Menschen,  um  ihnen  Satzungen  u.  Rechte  zu  verordnen  u.  euch  die  Geheimnisse 
der  Ewigkeit  zu  offenbaren,  damit  ihr  die  Wahrheit  erkennet  u.  glaubet.  Siehe,  ich 
befehle  euch,  einen  hohen  Turm  zu  bauen,  damit  ich  alle  Tage  meines  Lebens  darin 
wohne,  damit  ihr  mich  nicht  schädigt  u.  verwirrt  in  meinem  (Gottes-)Dienst  u.  meiner 
Weisheit;  denn  ich  nehme  den  Glauben  nicht  zum  Bösen  an,  sondern  ich  weiß,  daß 

'  Wohl  Textverderbnis;  man  sollte  erwarten:  Sie  verkauften  die  Juden  für  Geld, 
u.  zwar  Einen  Juden  um  30  Geldstücke,  denn  so  war  Jesus  verkauft  worden. 

^  Anachronismen,  wie  der  vorliegende,  der  das  Paf)sttum  älter  sein  läßt  als  das 
Apostolat  Petri,  finden  sich  auch  sonst  in  der  rabbin.  Literatur. 

^  Das  Textwort  lautet  ■;2"p-o'i(r!:)  vescobo  =  STtiaxonog. 

*  Der  Text  bietet  die  Abbreviatur  s"5'i-,  aufzulösen  in  iis  r-ni"5  ^^sr.  Als  schibre 
lüchoth,  d.  h.  als  „Bruchstücke  der  Gesetzestafeln",  werden  jüdische  Gelehrte  bezeich- 
net, denen  durch  Alter  oder  Krankheit  die  Gesetzeskunde  abhanden  gekommen  ist. 
Dementsprechend  werden  hier  die  Leiter  der  Kirche  unter  Beifügung  des  Wortes  ia.yen 
(=  Unheil)  „Scherben  der  Unheilstafeln"  genannt.  Vgl.  oben  S.  241  Anm.  1  u.  Strack, 
Jesus  S.  19*  f. 

^  ?ch.  spricht  hier  bereits  als  Christ  vom  christl.  Standpunkt  aus. 


584  Mattb  10,  2  (93  2) 

dies  der  wahrhaftige  Weg  ist.  Deshalb  sollt  ihr  von  nun  an  u.  fernerhin  niemand 
mehr  durch  Zwang  oder  Zauberei  (?)  nötigen  zu  eurer  Lehre  überzutreten;  vielmehr  . 
soll  er  aus  seinem  guten  Willen  kommen ;  dann  werdet  ihr  die  Juden  zu  eurer  Reli- 
gion herzubringen  u.  sie  einsehen  lehren,  dafs  ihre  ^  Religion  nicht  gut  ist.  Deshalb 
soll  jeder,  welcher  zur  (christlichen)  Religion  übertreten  will,  auf  Grund  seines  freien 
Entschlusses  übertreten.  Ja  selbst  wenn  er  erklärt,  daß  er  auf  Grund  seines  freien 
Entschlusses  übertreten  wolle,  so  wollen  wir  ihn  trotz  alledem  nicht  aufnehmen,  bis 
er  dreißig  Tage  lang  in  dem  Hause  guter  Leute  geweilt  hat;  u.  ein  Kind,  das  noch 
nicht  neun  Jahre  alt  ist,  sollt  ihr  (überhaupt)  nicht  aufnehmen:  denn  ein  Kind  gibt 
seine  Erklärungen  nicht  mit  Einsicht  ab."  —  Sofort  machten  die  Christen  (Gojim)  einen 
großen  Turm,  damit  er  darin  wohne;  u.  dies  ist  das  Eine  Papsttum  (at"xtTi),  das  es 
in  der  Welt  gibt,  das  die  Griechen  "ns"-i^-  {xh'jQog'?)  nennen.  Alles  was  Schimfon 
tat,  geschah  mit  großem  Trug,  um  nicht  ihre  Speise  von  Gefallenem  u.  Zerrißsenem 
zu  essen  u.  um  nicht  vor  ihren  Bildern  anzubeten.  Er  wohnte  dort  in  dem  Turm  allein 
u.  ordnete  viele  Sachen  an  u.  die  Christen  (Gojim)  nahmen  es  als  Bann  auf  sich.  In 
jener  selben  Zeit,  in  der  er  dort  wohnte,  verfaßte  er  große  Lobgesänge  (c":i>:t£  =  xpaX^ol) 
für  Israel,  die  alle  seit  dieser  Begebenheit  unter  seinem  Namen  fortbestehn.  Auch 
schrieb  er:  , Wissen  sollt  ihr,  Haus  Israel,  die  ihr  an  Jahve  u.  an  seine  vollkommene 
Tora  glaubt,  weil  sie  die  Tora  der  Wahrheit  ist,  u.  die  ihr  sein  Eigentum  heißet:  Ich. 
Schimeon  Kepha,  der  ich  aus  Liebe  zu  ihm  all  die  schlimmen  u.  vielen  Nöte  ertrage, 
weil  ich  die  Wahrheit  u.  die  Lüge  kenne,  siehe  —  ihr  empfangt  von  mir  die  Ge- 
dichte, die  ich  verfaßt  habe,  damit  Er  (Gott)  mir  u.  euch  vergebe;  denn  alles  was 
ich  getan  habe,  habe  ich  für  euern  Frieden  u.  zu  eurem  Heil  getan."  Und  sie  empfingen 
das  Schreiben  mit  freudigem  Herzen  u.  sandten  es  dem  Exilarchen  (srr,-;  -j— i  =  Ober- 
haupt der  babylon.  Juden)  u.  legten  die  Gedichte  den  Schulhäuptern  u.  dem  Synedrium 
zur  Einsicht  vor,  welche  sämtlich  erklärten,  daß  sie  schön  u.  lieblich  seien  u.  wert, 
daß  die  Aufseher  sie  in  ihren  Gebeten  sprächen.  Und  noch  bis  heute  pflegt  man  sie 
Sabbat  für  Sabbat  zu  sprechen.  Dieser  Schimfon  Kepha  ist  der,  den  die  Christen 
(Gojim)  St.  Peter,  si'j"£'o,  nennen.  —  Das  von  der  Tradition  (s.  Jellinek,  Beth  ha-Midr 
5,61;  (5,11)  dem  Schim?on  Kepha  zugeschriebene,  zur  sabbatlichen  Morgenliturgie  ge- 
hörende Gebetsstück  Nischmath  kol-chai  lautet  nach  dem  Machzor  Sulzbach  v.  J.  1719 
folgendermaßen:  Die  Seele  alles  Lebenden  preise  deinen  Namen,  Jahve,  unser  Gott, 
u.  der  Geist  alles  Fleisches  verherrliche  u.  erhebe  dein  Gedächtnis,  unser  König,  immer- 
dar. Von  Ewigkeit  zu  Ewigkeit  bist  du  König.  Außer  dir  haben  wir  keinen  König, 
der  erlöst  u.  hilft,  der  befreit  u.  rettet,  der  versorgt  u.  sich  erbarmt  in  jeder  Zeit  der 
Not  u.  Bedrängnis,  niemand  ist  unser  König,  nur  du  allein,  der  Gott  der  Ersten  u. 
der  Letzten,  der  Gott  aller  Geschöpfe,  der  Herr  aller  Geschlechter,  der  gepriesen  wird 
mit  der  Menge  der  Lobgesänge,  der  seine  Welt  leitet  mit  Gnade  u.  seine  Geschöpfe 
mit  Erbarmen.  Und  Jahve  schläft  u.  schlummert  nicht.  Er  weckt  auf  die  Schlum- 
mernden u.  ermuntert  die  Schlafenden,  er  macht  die  Stummen  sprechend  u.  löst  die 
Gefangenen,  er  stützt  die  Fallenden  u.  richtet  auf  die  Gebeugten.  Dicli  allein  wollen 
wir  loben!  Wenn  unser  Mund  voll  wäre  von  Liedern  wie  das  Meer  u.  unsre  Zunge 
von  Jubel  wie  das  Rauschen  seiner  Wogen,  u.  unsre  Lippen  von  Lob  wie  die  Weiten 
des  Firmaments  u.  unsre  Augen  von  Licht  wie  die  Sonne  u.  der  Mond  u.  unsre  Hände 
ausgebreitet  wie  die  Adler  des  Himmels  u.  unsre  Füße  schnell  wie  die  Hinden:  so 
könnten  wir  nimmer  genugsam  dich  loben,  Jahve  unser  Gott  u.  Gott  unsrer  Väter, 
noch  preisen  deinen  Namen  für  eins  von  dem  tausendmal  tausend-  u.  zehntausendmal 
zehntausendfachen  Guten,  das  du  an  unsren  Vätern  u.  an  uns  getan  hast.  Aus 
Ägypten  hast  du  uns  erlöst,  Jahve  unser  Gott,  u.  aus  dem  Diensthaus  uns  befreit; 
im  Hunger  hast  du  uns  gespeist  u.  mit  Überfluß  uns  gesättigt;  von  dem  Schwert 
hast  du  uns  errettet  u.  der  Pest  uns  entgehn  lassen  u.  aus  schlimmen  u.  schweren 
Seuchen  uns  geholfen;  bis  hierher  hat  uns  dein  Erbarmen  beigestanden  u.  deine  Gnade 

*  Lies  -zr-  statt  zzr-   ,eure  Religion". 


Matth  10,  2  (SB  2.  3.61.  2).  10,  3  (Nr.  1)  535 

uns  nicht  verlassen,  u.  nicht  wirst  du  uns,  Jahve  unser  Gott,  verwerfen  für  immer. 
Darum  unsre  Glieder,  die  du  an  uns  verteilt,  u.  der  Geist  u.  die  Seele,  die  du  in 
unsre  Nase  gehaucht,  u.  die  Zunge,  die  du  in  unsern  Mund  gelegt  hast,  siehe,  sie 
sollen  rühmen  u.  preisen  u.  loben  u.  verherrlichen  u.  erheben  u.  fürchten  u.  heiligen 
u.  zum  König  ausrufen  deinen  Namen  (=  dich),  unser  König.  Denn  jeder  Mund  soll 
<3ich  bekennen  u.  jede  Zunge  dir  schwören  u.  jedes  Knie  dir  sich  beugen  u.  jede  Höhe 
vor  dir  sich  niederwerfen,  u.  alle  Herzen  sollen  dich  fürchten  u.  alle  Eingeweide  u. 
Nieren  deinem  Namen  singen,  wie  geschrieben  steht:  „Alle  meine  Gebeine  werden 
sprechen:  Jahve,  wer  ist  wie  du,  der  den  Elenden  errettet  von  dem,  der  stärker  ist, 
als  er,  u.  den  Elenden  u.  Armen  von  seinem  Räuber!"  Ps  35,  10.  i|  Eine  dritte  Rezen- 
sion, inhaltlich  von  den  beiden  obigen  nicht  verschieden,  findet  sich  in  Beth  ha-Midr 
(),  155.  Hier  erscheinen  als  vorpetrinische  Vertreter  des  Christentums,  die  die  neue 
Tora  u.  den  neuen  Kultus  miay  gegeben  haben.  Jochanan  =  Johannes  u.  Abba 
Schaäul  ^  (offenbar  verwechselt  mit  Saulus-Paulus).  Petrus  steht  bei  seinem  Übertritt  zum 
Christentum  bereits  in  einem  Alter  von  70  Jahren;  der  Name  „Kepha*  wird  =  Fels 
y^c  gedeutet,  u.  zwar  nach  dem  Felsen,  in  welchem  für  Schim?on  Kepha  die  Turm- 
wohnung angelegt  wird;  der  Name  „Petrus"  aber  wird  christlicherseits  erklärt  =  ■*«■£ 
^Befreier",  nämlich  der  Christen  vom  jüdischen  Gesetz.  ||  Das  Verhalten  des  Apostels 
Petrus  ist  in  den  drei  Rezensionen  der  Legende  das  gleiche:  nur  zum  Schein  wird 
er  Christ,  um  durch  seine  Autorität  die  Christen  von  Judenverfolgungen  zurückzuhalten. 
Die  Tendenz  der  Dichtung  geht  dahin,  die  kirchlichen  Machthaber  durch  das  Vorbild  des 
humanen  Apostels  zu  gleich  humanem  Verhalten  gegen  die  Juden  zu  bestimmen. 

3.  'Ardgeag.  —  Der  Name  begegnet  in  der  Form  ■'N'^^sn  pK'tli*),  33*,  15, 
wo  die  Familie  eines  gewissen  Bar  Andrai  erwähnt  wird.  —  Ein  R.  Chi- 
n^na  b.  Andrai  ^i"'i3wX  tradiert  im  Namen  des  R.  Zakkai  aus  Kabul  (im 
3.  Jahrh.)pM«g4,  75'\36. 

10,  2  6:  Jakobus,  des  ZebedäusSohn,  u.  Johannes,  sein  Bruder. 

1.  Tov  Zaßedaiov.  —  ^na:  (i^?t),  n:;i2T,  x-örr  =  „Geschenk  Jahves", 
schon  im  AT,  u.,  nicht  selten,  auch  in  nachchristl.  Zeit.  Ein  R.  Zabdai 
b.  Levi  lebte  um  240;  etwas  jünger  ist  R.  Abba  b.  Zabdai  -^x^aT,  oder 
Zabda  sint  pB'^rakh  3,  6%  66.  —  In  der  2.  Hälfte  des  4.  Jahrh.s  tradiert 
R.  Z'^badja  b.  Ja^aqob  b.  Zabdai  im  Namen  des  R.  Jona,  pBnakh  3,  6'',  69. 
Ferners,  bei  Mt  4,  21  S.  188. 

2.  'Iwävvvfi.  —  Der  Apostel  Johannes  wird  als  i:nii  neben  Abba 
Scha^ul  (=  Saulus-Paulus)  Beth  ha-Midr  6, 156  (s.  oben  S.  535«)  erwähnt 
als  derjenige  Apostel,  der  den  Christen  die  neue  Tora  u.  den  neuen 
Kultus  n^nn  minrni  rr^irn  gegeben  hat. 

10,  3:    Philippus   u.   Bartholomäus,   Thomas   u.   Matthäus 
der  Zöllner;  Jakobus,  der  Sohn  des  Alphäus,  u.  Lebbäus 
(genannt  Thaddäus). 
1.  (PikuTvog,  hebraisiert -iQi^ie  oder  iqi^ib.   In  pM'^^g  4,  75^*,  39  wird 
ein  -Eb-^s  b.  Pf'ruta  als  Zeitgenosse  des  R.  Jona  (um  350)  erwähnt;  in 
pM^g  1,  70\  14  lautet  der  Name  NS^bs,  in  pTa'an  4,  68 '\  6  nsr-^bs.  —  Der 
GnR  71  (46 '0  genannte  R.  is^ba  bar  N^horai  verdankt  seine  Existenz 
einem  Schreibfehler:  man  streiche  la  u.  fasse  ixmn;  als  Anrede:  R.  Phi- 
lippos sprach:  N^horai  (um  150),  aus  welchem  Grunde  sagst  du  also? 
*  Abba  Schaäul  war  ein  um  150  lebender  Rabbi. 


536  Matth  10,  3  (Nr.  2—7) 

2.  ßaQ^oXofxatog  =  ^■qh^  ns.  Der  Name  "^ribr,  schon  Nu  13,  22;  2  Sm 
3, 3  (hier  LXX  ©oA^at),  wird  meist  gedeutet  =  „  Furchenreicher " ,  „  Furchen- 
zieher". Franz  Delitzsch,  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  u.  Kirche  1876,  S.597 
faßt  -i^bn  =  f rater  uterinus,  d.  h.  Bruder  von  ein  u.  derselben  Mutter. 
Dann  wären  Targ  Jerusch  I  Gn49,  5:  -j^-asbn  -pnx  ii^i  ^ty-o'a  nicht  die 
„kühnen"  oder  „verwegenen"  {ToXixrjQoi)  Brüder,  sondern  „die  Brüder 
von  Einer  Mutter".  —  Eine  Nebenform  von  ■'ü^n  nz  dürfte  •|i"'7:bFi  ^r 
sein;  in  P'^siqR  22  (112'")  u.  LvR  6  (109»^)  (s.  zu  Mt  5,  34  S.  329 y)  führt 
ein  Betrüger  diesen  Namen;  in  M^^ila  51  •*  heißt  ein  Dämon  -jr^abpi  -,2, 
s.  Exkurs:  Zur  altjüd.  Dämonologie  Nr.  7,  h.  —  Eigennamen  rein  genea- 
logischer Bildung  mit  p  oder  -z  finden  sich  schon  frühzeitig,  zB  Ben 
Sira;  später:  Ben  Paturi  (um  110),  Ben  Zoma  (um  HO),  Ben  «Azzai 
(um  110);  Bar  Qappara  (um  220),  Bar  P^daja  (um  240),  Bar  N^'zira  (im 
3.  Jahrb.),  Bar  Marina  (um  300)  usw.;  im  NT  Barabbas,  Barjesus,  (Bar- 
nabas),  Barsabas,  Bartimäus. 

3.  ©tojaac nach  Job  11,16;  20, 24  =  d'fdvfiog,  d.h.  „Zwilling";  hiernach 
wäre  0.  gräzisiert  aus  axrp  oder  Ds<n,  vgl.  die  Schreibung  cp-in  (ohne  s) 
Gn25,  24;  neuhebr.  Nebenform  dit,  aram.  xiaiin. 

4.  Mad^^aTog,  rabbinisch  "^n??,  "^Nri:?,  K;n^  oder  n^n?a  (Dalman:  x^n-c, 
n^ri-a),  Verkürzung  aus  dem  alttestamentl.  n;nn^  oder  ^in^nn-a  =  „Geschenk 
Jahves".  —  Ein  Mattai  (andre  Lesart:  "^NnD)  aus  Arbel  (um  110  v.  Chr.) 
pflegte  nach  Aboth  1,  7  zu  sagen:  Halte  dich  fern  von  einem  bösen 
Nachbar,  habe  nicht  Gemeinschaft  mit  einem  Gottlosen;  gib  den  Ge- 
danken an  die  (göttliche)  Vergeltung  nicht  auf.  ||  Sch®q  5,  1  erwähnt 
einen  Tempelherrn  Mathja  x^nTc  b.  Sch^muel,  der  über  die  Lose  gesetzt 
war.  II  In  ^Eduj  2,  5  erklärt  ein  R.  J^hoschua'  b.  Mathja  drei  Fragen,  die 
R.  Jischma'el  (f  um  135)  offengelassen  hatte.  —  Ein  öfters  genannter 
R.  Mathja  b.  Cheresch  (Charasch)  hat  vor  dem  Hadrianischen  Kriege  in 
Rom  gewirkt.  —  Ein  Mattai  ist  Sanh  43^  unter  den  fünf  Jüngern  Jesu 
aufgezählt,  s.  zu  Mt  10, 1  S.  529  Nr.  2. 

Mad^^aiog  6  relah'rjg.  —  „Zöllner"  ori^,  xDsi-a  als  Beiname  auch  im 
Rabbinischen:  Ma'jan  der  Zöllner,  s.  pChag  2, 77 «ä,  38  bei  Lk  16, 24  gegen 
Ende;  Ba'ja  der  Zöllner  Sanh  44 '\ 

5.  0  TOI  'Alifcäov.  —  'AXcpaTog  =  xöb^x,  -^sbiN,  zB  RH  17''.  Eine  andre 
Namensform  ist  Ksb^n  TMSch  4,  5  (93)  oder  ^"-elp^n  pMSch  2,  49^  41. 
Hiernach  bedeutet  Alphäus  „Ersatzmann",  „Stellvertreter"  (Sohn,  der 
einen  verstorbenen  Bruder  ersetzt?). 

6.  AsßßttTog,  etwa  -i?^,  wird  meist  mit  z?,  xa!?,  n=?V  =  „Herz"  in 
Zus.hang  gebracht  u.  soll  dann  bedeuten  der  „Beherzte"  oder  das 
„Herzenskind".  —  Dalman,  W^orte  Jesu  1,  40,  vergleicht  Nabatäisches 
-ixnV.  Qid  72 a  wird  nach  der  Lesart  in  'Arukh  ein  Ort  xzb  (in  Babylonien) 
erwähnt,  dessen  Bewohner  MQ  1 1  '^  ixn^  heißen. 

7.  &tt66aiog  =  "rit:  oder  ^><^^,,  nicht  mit  ^^n,  x^^n,  (weibliche)  „Brüste", 
zus.hangend,  sondern  griech.  Osvdäg^  gtip,  crnn.  —  Öfters  im  Rabbin. 


Matth  10,  3  (Nr.  7j.  10,  4  (Nr.  1.  2)  537 

Ein  R.  Jose  b.  Taddai  aus  Tiberias  legt  Derekh  Ere9  1  (18'')  dem  R.  Gam- 
liel  (wohl  dem  IL,  um  90)  eine  eherechtliche  Frage  vor.  ||  Nach  dem 
Tannaiten  R.  Eli<ezer  b,  ^xin  wurde  das  Lied  am  Meer  (Ex  15)  so  vor- 
getragen, daß  Mose  die  einzelnen  Verse  intonierte  u.  das  Volk  ihm  mit 
dem  Schluß  der  Verse  respondierte,  s.  M'^kh  Ex  15, 1  (42^).  Dieser  Ge- 
lehrte auch  Schab  123''  (zweimal) ;  in  pSchab  3,  5<i,  62  u.  6%  1;  pKil  1,  27 ^ 
36;  T'^Er  7,  9  (146)  heißt  er  R.  El<azar  (La^zar)  b.  Taddai.  ||  pB^rakh  0, 
lO'*,  45  tradiert  ein  R.  "^N-in  neben  R.  Simon  (um  280)  im  Namen  des 
R.  J«hoschua'  b.  Levi  (um  250).  —  Zu  xiir  Sanh  43»,  vielleicht  Anspielung 
auf  •'-ir,  s.  bei  Joh  8,  1. 

10,4:  Simon  der  Eiferer  u.  Judas  aus  Karioth, 
der  ihn  auch  überlieferte. 

1.  ^{ficov  0  KavavaToc.  —  'O  Karavatog,  Lk  6,  15  ^r^^oorrjc,  entspricht 
also  dem  Rabbin.  -^Nip  oder  ]^:i^  =  Eiferer.  i|  Über  die  Zelotenpartei 
lesen  wir  Sanh  9,6:  Wenn  jemand  die  Opferschale  entwendet  ^  oder 
mit  einem  Götzennamen  flucht  oder  einer  Aramäerin  (^  Heidin)  bei- 
wohnt, so  dürfen  Eiferer  über  ihn  herfallen  (u.  ihn  niederstoßen,  falls 
sie  ihn  auf  frischer  Tat  ertappen).  —  Aboth  RN  6  (3^):  Als  der  Kaiser 
Vespasian  im  Begriff  stand,  Jerusalem  zu  zerstören,  wollten  Eiferer 
all  jenes  Gut  (Vorräte)  mit  Feuer  verbrennen.  Näheres  bei  Schürer  ^ 
1,486  f.  573  f.  617  ff'.  —  SNu25,6§131  (48 ")  wird  Pin-^chas  (Nu  25,  7) 
genannt:  „Eiferer,  Sohn  eines  Eiferers"  issp  -p  ix:p.  —  Die  Erklärung 
„Simon  aus  Kana"   ist  hiernach  abzulehnen. 

2.  o'IffxaQicorrjc.  —  Lightfoot  vergleicht  a,  st--j-iippiN ,  das  bedeutet 
aber  „Lederrock":  ß,  n~?ps<,  u.  meint,  der  Beiname  enthalte  einen  Hin- 
weis auf  den  Tod  des  Judas  durch  Erhängen;  aber  'x  bedeutet  den 
Erstickungstod  infolge  der  Bräune.  —  Die  richtige  Erklärung  ist  d-ix 
ni^-^rp,  „Mann  aus  Q^rijjoth"  (eine  judäische  Ortschaft,  Jos  15,  25),  vgl. 
schon  Cod.  Sin.  zu  Joh  6,  71  u.  Cod.  D  zB  zu  Joh  12,  4  ano  xagimrov  == 
aus  Q'^rijjoth.  —  Die  nähere  Bezeichnung  eines  Mannes  ist  mehrfach 
mit  ü^N  nach  seinem  Geburts-  oder  Wohnort  gebildet  worden,  zB  ^py 
xaD  ^SD  TüiN  Ja'qob  aus  K^'phar-Sama  oder  K«'phar-S*'khanja,  s.  oben 
S.  36  f.  Ferner  aus  der  tannait.  Periode:  iiv  -iss  u:^«  rnini  Sota  43'*; 
snin-ia  ;y^x  iTrbs  Aboth  3,  7  (um  110);  ^^an  i::\x  onin  Theudas  aus  Rom 
(um  120?)  pBe^aS,  61^  56;  R.  Chalaphta  aus  K-^phar-Chananja  nsD  ©ix 
n^3:n  Aboth  3,  6;  Abba  Judan  aus  Sidon  -p-j.  ^\\  TJ'^b  14,  7  (259);  R.  Eli- 
<ezer  b.  J^huda  aus  K<^phar-50b^]in  -pbnix  nss  c-x  TNidd9,  18  (652);  Cha- 
nanja aus  Ono  iiix  ir-^x  TSanh  2,13  (417);  Jonathan  b.  Charscha  aus 
Genezareth  ^oid-^s  ^-^m;  TBB  5,6  (595);  Jose  b.  Jo<ezer  aus  ^^reda  "i^-^x 
n-T^-^:!  u.  Jose  b.  Jochanan  aus  Jerusalem  olscni  u:\\  Aboth  1,4;  TBQ  8, 13 


'  Das  Entwenden  der  n:c-  dürfte  von  den  Sadduzäern  vollzogen  worden  sein, 
welche  das  Gebot  der  Wasserlibation  (die  am  Laubhüttenfest  aus  einer  Schale  erfolgte) 
in  Abrede  stellten,  Levy4, 345^. 


538  Matth  10,  4  (Nr.  2).  10,  5  (31.  S  1) 

(362);  Ja<aqob  aus  K^phar-Sikhnin  "i-sdc  "^zz  'ü-^ü  s.  oben  S.  37;  Nachum 
(M'^nachem)  aus  Gimzo  it^aa  iü^n,  ein  Lehrer  'Aqibas  TSch^bu  1,  7  (446); 
R.  Schim'on  b.  J-^huda  aus  K^phar-cAkko  -ar  nE2  «"^x  TSotaS,  11  (311).  — 
Zu  la  für  ir-'tt  in  'laxagioj^  Ygl/'lazoßog  =  niü  ©"^n  (Mann  aus  Tob)  bei 
Josephus,  Antiq.  7,  6, 1  (vgl.  LXX  2  Sm  10,  6.  8)  u.  1  Chr  7, 18  LXX  'laovd 
=  Tin  'r^x  (Mann  des  Glanzes). 

Aus  Job  6,  71  geht  übrigens  hervor,  daß  'laxccQtctktjg  bereits  der  Bei- 
name des  Vaters  des  Judas  gewesen  ist. 

10,5  31:  Auf  einen  Weg  zu  Heiden  bieget  nicht  ab. 

?AZ  1,4:  Wenn  innerhalb  einer  Stadt  ein  Götze  ist,  so  ist  (vor  seinem  Fest  oder 
während  desselben  der  Abschluß  von  Geschäften  mit  einem  heidnischen  Bewohner 
jenes  Ortes)  außerhalb  erlaubt;  wenn  der  Götze  außerhalb  ist,  ist  es  drinnen  erlaubt. 
Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Dorthingehn?  Wenn  der  Weg  ausschließlich  zu  diesem 
Orte  führt,  ist  es  verboten;  aber  wenn  man  darauf  auch  nach  einem  andren  Ort  gehn 
kann,  ist  es  erlaubt.  Wenn  in  einer  Stadt  ein  Götze  ist  u.  in  ihr  bekränzte  u.  nicht 
bekränzte  Kaufbuden  sind  —  dies  war  ein  Vorkommnis  in  Beth-Sch*^san,  u.  die  Gelehrten 
haben  gesagt:  Die  bekränzten  sind  verboten  u.  die  nicht  bekränzten  sind  erlaubt. 

10,  5  S:  In  eine  Stadt  von  Samaritanern  gehet  nicht  hinein. 

^cc/naQiTcov  =  nin!i3,  Sing,  -iws,  nach  2  Kg  17,  24.  30;  aram.  nxMs,. 
Plur.  "^Nwa,  oder  nx-^-?'»^,  '^'^t!?^"- 

1.  Die  Stellung,  die  die  alte  Synagoge  in  religionsgesetzlicher  Hin- 
sicht den  Samaritanern  gegenüber  eingenommen  hat,  ist  nicht  zu  allen 
Zeiten  die  gleiche  gewesen.  R.  Eli'ezer  b.  Hyrkanos,  um  90,  der  un- 
entwegte Vertreter  der  älteren  Tradition  u.  Praxis,  stand  ihnen  schroff 
ablehnend  gegenüber;  er  erklärte  sie  auf  Grund  von  2  Kg  17,  25  ff.  für 
Löwenproselyten,  d.  h.  für  Leute,  die  aus  Furcht  sich  nur  äußerlich 
dem  Judentum  angeschlossen  hätten,  innerlich  aber  Heiden  geblieben 
wären,  u.  die  deshalb  in  ihren  Beziehungen  zu  Juden  u.  zum  Judentum 
als  Nichtisraeliten  zu  behandeln  seien.  Vgl.  Chull  2,  7:  Wenn  man  für 
einen  Samaritaner  (^~^3^,  so  mit  bChull  38  '^  zu  lesen  statt  ^-iDib)  schlachtet, 
so  ist  sein  Geschlachtetes  brauchbar  (für  einen  Israeliten),  R.  Eli'ezer 
erklärte  es  für  unerlaubt.  Er  sagte :  Selbst  wenn  man  es  nur  geschlachtet 
hat,  damit  der  Samaritaner  davon  das  Lebernetz  genieße,  ist  es  un- 
erlaubt, weil  für  gewöhnlich  der  Gedanke  des  Samaritaners  (bei  seinen 
Schlachtungen)  auf  den  Götzendienst  gerichtet  ist.  R.  Eli<ezer  dürfte 
damit  die  in  Jesu  Tagen  herrschende  Anschauung  wiedergegeben  haben; 
seinen  Standpunkt  teilen  in  den  nächstfolgenden  Jahrzehnten  R.  Jisch- 
ma<el,  f  um  135,  u.  R.  J'^huda  b.  El<ai,  um  150.  —  Der  Antipode  des 
R.  Eli'Gzer  in  diesem  Stück  war  R.  <Aqiba,  f  um  135;  vielleicht  verfolgte 
dieser  politische  Pläne  mit  seiner  freundlichen  Stellungnahme,  um  die 
Samaritaner  für  den  Kampf  gegen  Rom  zu  gewinnen;  jedenfaUs  er- 
klärte er  die  S.  für  Ganzproselyten  n^s  inij,  womit  ausgesprochen  war, 
daß  sie  als  Israeliten  anzusehen  seien.  Ebenso  R.  Schim'on  b.  Gamliel, 
um  140:  „Ein  S.  ist  in  jeder  Hinsicht  dem  Israeliten  gleich",  zB  pB'^rakh 


Matth  10, 5  (SB  1. 2)  •  539 

7,11^12;  pD«mai  0,25^45;  pK«th3,  27%  55.  —  Beide  Richtungen  aber 
erklärten  das  Konnubium  mit  den  S.  für  unerlaubt. 

pGit  1,43^  61:  Warum  sind  die  S.  illegitim  (hinsichtlich  der  Eingehung  einer  Elie 
mit  ihnen)?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Weil  sie  Löwenproselyten  rr-iN  •'•y  sind 
(u.  deshalb  den  Nichtisraeliten  gleichzuachten).  Darin  liegt  eine  Schwierigkeit  (ein 
Widerspruch):  wenn  einer  nicht  um  Gottes  willen  (nicht  aus  lauteren  Motiven)  zum 
Judentum  übertrat,  später  aber  es  um  Gottes  willen  tat,  soll  man  den  etwa  nicht  auf- 
nehmen? (Ebenso,  soll  man  den  gegenwärtigen  S.  den  Eintritt  in  Israel  verweigern, 
weil  ihre  Vorfahren  nicht  in  reiner  Absicht  sich  Israel  anschlössen?  Welchen  Grund 
hat  also  R.  Jochanan,  das  Konnubium  zu  verbieten?)  R.  Jochanan  hat  im  Namen  des 
R.  Elifezer  (um  90,  so  lies  statt  R.  Ehazar)  gesagt:  Weil,  wenn  ein  Nichtisraelit  oder 
ein  Sklave  einer  Israelitin  beiwohnen,  das  Kind  ein  Bastard  -i.t.'o':^  ist.  —  Aber  es 
hat  doch  R.  fAqiba  (f  um  135)  gesagt:  Die  S.  sind  Ganzproselyten,  -1:1  "^";.  (Was  hat 
er  also  für  einen  Grund,  die  Ehegemeinschaft  mit  ihnen  zu  verbieten?)  Weil  sie  nur 
die  verlobte  Frau  (eines  verstorbenen  Bruders)  zur  Leviratsehe  annehmen,  dagegen  die 
(wirklich)  verheiratete  Frau  (des  verstorbenen  Bruders)  entlassen  (u.  zwar  ohne  die 
Zeremonie  des  Schuhausziehens).  —  Aber  die  Rabbinen  haben  doch  gesagt,  dafs  ein 
Mamzer  die  Leviratsehe  nicht  vollziehen  darf  (also  kann  deren  Unterlassung  seitens 
der  S.  kein  Grund  sein,  diese  vom  Konn.  mit  Israel  auszuschließen;  welchen  Grund 
haben  nun  die  Rabbinen  dafür?)  Weil  die  S.  nicht  der  Einzelbestimmungen  betreffs 
der  Scheidebriefe  kundig  sind  (wodurch  ungesetzliche  Ehen  entstehen,  aus  denen 
illegitime  Kinder  hervorgehn).  Aber  Rabban  Gamliel  (IL,  um  90)  hat  sie  doch  für  taug- 
lich in  bezug  auf  ihre  Scheidebriefe  erklärt  (vgl.  S.  54G;'  Git  1,5;  also  müssen  sie 
in  der  Ausfertigung  der  Scheidebriefe  Sachkunde  besitzen;  welchen  Grund  hat  man 
also,  das  Konn.  mit  ihnen  zu  untersagen?).  R.  Jafaqob  bar  Idi  (um  280)  hat  im  Namen 
des  R.  Jochanan  gesagt:  Weil  mit  ihnen  Höhenpriester  verbunden  sind,  s.  2  Kg  17,32: 
„Sie  machten  sich  aus  ihrer  Mitte  zr-'^-y  Hohenpriester",  d.  h.  sie  machten  einen  Teil 
des  Volkes  oyr;  rap):  zu  Priestern.  R.  Heia  (n'-s,  um  310)  hat  gesagt:  Aus  den  Dornen 
(a-.ii-)  u.  den  Unbrauchbaren  im  Volk  (wählten  sie  ihre  Priester).  —  Dasselbe  mit  Ab- 
weichungen u.  in  breiterer  Ausführung  Qid75-''';  76''.  —  Tr  Kuthim,  ed.  Kirchheim 
1  (31),  gibt  lediglich  die  geltende  Halakha  an:  „Weder  verheiratet  man  an  sie  noch 
heiratet  man  von  ihnen  Frauen."  Vgl.  auch  Tr  Kuthim  2  (36). 

2.  Am  korrektesten  hat  man  das  Verhältnis  zu  den  S.  in  der  Mischna 
geregelt.  Wie  es  scheint,  hat  man  sich  dabei  von  einer  zwiefachen 
Erfahrungstatsache  leiten  lassen.  Die  eine  sprechen  die  Anfangsworte 
des  Traktates  Kuthim  aus:  „Die  Wege  (d.  h.  das  Verhalten)  der  S.  sind 
bald  wie  die  der  Nichtisraeliten  (ni-is),  bald  wie  die  der  Israeliten,  meist 
aber  wie  die  der  Israeliten."  —  Die  andre  hat  Rabban  Schim^on  b.  Gam- 
liel, um  140,  in  die  Worte  gekleidet:  „Mit  jedem  Gebot,  an  welchem 
die  S.  festhalten,  nehmen  sie  es  weit  genauer  als  die  Israeliten"  Qid  76=^; 
TPesl,15{156);pP^sl,27^48;  Git  10^  Chull4^  —  Hiernach  läßt  die 
Mischna  u.  die  ihr  folgende  Praxis  die  S.  überall  da  als  Israeliten 
gelten,  wo  ihr  Verhalten  den  religionsgesetzlichen  Anschauungen  des 
Pharisäismus  entspricht;  andernfalls  sieht  man  sie  als  Nichtisraeliten 
an.   Folgende  Beispiele  zur  Erläuterung. 

1  Die  gegenwärtigen  S.  sind,  weil  ihr  Ursprung  auf  die  eheliche  Gemeinschaft 
israelitischer  Frauen  mit  nichtisraelitischen  Männern  zurückgeht,  als  Bastarde  an- 
zusehen, von  denen  es  J^bS,  3  heißt:  Mamzer  .  .  .  sind  zur  Ehe  verboten,  u.  zwar  für 
immer  (d.  h.  bis  in  ihre  fernste  Nachkommenschaft  hinein),  sowohl  die  männlichen  als 
auch  die  weiblichen  Bastarde. 


540  Matth  10,  5  (a5  2a) 

a.  Reinheitsgesetze. 

TMiqvß,  1  (657):  Das  Land  der  S.  ist  rein;  desgleichen  sind  rein  seine  Wasser- 
ansammlungen (Teiche,  Zisternen  usw.),  seine  Wohnstätten  u.  seine  Wege.  Das  Land 
der  Völker  (auiserhalb  Palästinas)  ist  unrein;  desgleichen  seine  Wasseransammlungen, 
seine  Wohnstätteh  u.  seine  Wege.  —  p?AZ5, 44'',  47:  Dort  (nämlich  Miqv  8, 1)  haben 
wir  gelernt:  ^Das  Land  Israel  ist  rein  u.  seine  Wasseransammlungen  sind  rein."  — 
Das  Land  der  S.  ist  rein,  desgleichen  sind  seine  Wasseransammlungen  u.  seine  Wohn- 
stätten u.  seine  Wege  rein.  , Seine  Wege",  weil  die  Annahme  berechtigt  ist,  daß  sie 
sich  einen  Weg  nur  auf  reinem  (nicht  durch  Gräber  verunreinigten)  Grund  u.  Boden 
aussondern.  „Und  seine  Wasseransammlungen";  R.  Elfazar  b.  Jose  (um  170)  hat  gesagt: 
Was  du  da  sagst  (nämlich  daß  die  Wasseransammlungen  rein  sind),  gilt  in  der  Hin- 
sicht, daß  wir  sie  für  beglaubigt  halten,  daß  sie  nicht  aus  hineingeschöpftem  Wasser 
bestehen;  aber  es  gilt  nicht  in  bezug  auf  das  Maß  der  40Sea;  denn  sie  erklären  Lv  11, 36: 
, Jedoch  eine  Quelle  oder  eine  Zisterne,  also  eine  Wasseransammlung  soll  rein  sein" 
so:  Wie  eine  Quelle  reinigt,  sie  mag  viel  oder  wenig  Wasser  enthalten,  so  reinigt  auch 
eine  Wasseransammlung,  sie  mag  viel  oder  wenig  Wasser  enthalten.  (Nach  der  Fest- 
setzung der  Mischna  Miqv  1,7  muß  eine  Wasserans.,  die  als  Tauchbad  benützt  werden 
soll,  mindestens  40  Sea  =  525  Liter  Quell-,  Fluß-  oder  Regenwasser  [nicht  geschöpftes] 
enthalten;  s.  S.  108 f.)  ||  Nidda  7,  5:  Die  S.  sind  glaubwürdig,  wenn  sie  sagen:  Wir  haben 
hier  (an  der  oder  der  Stelle)  Frühgeburten  begraben  oder  nicht  begraben.  Sie  sind 
beglaubigt  in  bezug  auf  ein  Tier  auszusagen,  ob  es  schon  ein  Erstgeborenes  geworfen 
hat  oder  nicht.  Sie  sind  beglaubigt  in  bezug  auf  die  Kenntlichmachung  der  Gräber.^ 
Aber  sie  sind  nicht  beglaubigt  (in  ihren  Aussagen)  in  bezug  auf  Bäume  oder  aus  einer 
Mauer  hervorspringende  Steine,  die  ein  Grab  beschatten,  auch  nicht  in  bezug  auf  ein 
umgeackertes  Grab  (denn  in  diesen  Stücken  nehmen  sie  es  nicht  genau).  Dies  ist  die 
Regel:  In  allen  Dingen,  in  denen  sie  (mangelnder  Sorgfalt)  verdächtig  sind,  sind  sie 
nicht  beglaubigt.  (Etwas  ausführlicher  Tr.  Kuthim  1.)  —  Nidda  57^  als  Bar  abweichend: 
Wenn  in  einem  Feldstück  ein  Grab  unkenntlich  geworden  ist,  so  ist  ein  S.  beglaubigt 
zu  sagen:  Da  u.  da  ist  kein  Grab,  weil  sich  sein  Zeugnis  nur  auf  das  Grab  selbst  be- 
zieht (u.  in  diesem  Stück  sind  sie  gewissenhaft).  Wenn  ein  Baum  die  Erde  bedeckt, 
so  ist  ein  S.  beglaubigt  zu  sagen:  Unter  ihm  befindet  sich  kein  Grab,  weil  sich  sein 
Zeugnis  nur  auf  das  Grab  selbst  bezieht.  ||  Nidda  4, 1:  Die  Samaritanerinnen  gelten  von 
ihrer  Wiege  an  als  Menstruierende.  Die  Samaritaner  verunreinigen  die  untere  Lage 
des  Lagers  wie  die  obere  (durch  den  an  Samenfluß  Leidenden  verunreinigt  wird;  wie 
die  letztere  nur  Speisen  u.  Getränke  verunreinigt,  so  verunreinigt  auch  die  untere  des- 
jenigen, der  einer  Menstruierenden  beiwohnt,  nur  Speisen  u.  Getränke  Nidda  32^); 
denn  sie  wohnen  Menstruierenden  bei,  weil  ihre  Frauen  wegen  jeder  Blutfarbe  ab- 
gesondert sitzen  (u.  die  sieben  Tage  ihrer  Absonderung  nicht  erst  vom  Eintritt  des 
Menstruums  an  zählen,  sondern  gegebenenfalls  schon  bei  etwa  vorangehenden  ge- 
schlechtlichen Absonderungen  mit  der  Zählung  der  sieben  Tage  beginnen,  so  daß  die 
Bestimmung  von  Lvl5, 19  bei  ihnen  nicht  voll  zur  Geltung  kommt).  Wenn  jemand 
in  ihren  Kleidern  in  das  Heiligtum  geht,  so  macht  er  sich  dadurch  nicht  straffällig; 
auch  verbrennt  man  nicht  die  Hebe,  mit  der  ihre  Kleider  in  Berührung  kommen,  weil 
die  Unreinheit  dieser  zweifelhaft  ist.  —  Der  Anfang  ähnlich  in  TNidda  o,  1  (645).  j 
Nidda  7,  3 f.:  Alle  Blutflecke  (zB  an  Kleidungsstücken),  die  aus  Reqeni  (=  Petra?) 
kommen,  sind  rein;  R.  J*^huda  (um  150)  hat  gesagt:  Sie  verunreinigen,  weil  die  Be- 
wohner Proselyten  sind  u.  leicht  Irrtümer  begehen.  Die  von  Nichtisraeliteh  herkommen, 
sind  rein;  die  von  Israeliten  u.  S.  herkommen,  hat  R.  Meir  (um  150)  für  unrein  erklärt; 
die  Gelehrten  erklärten  sie  für  rein,  weil  sie  betreffs  ihrer  Blutflecke  nicht  verdächtig 
sind.  (Diese  Mischna  ist  verstümmelt;  s.  weiter  unten  Nidda  56*^.)  Alle  Blutflecke, 
die  an  irgendeinem  (von  Israeliten  bewohnten)  Orte  gefunden  werden,  sind  rein,  aus- 

*  Diese  mußten  von  Zeit  zu  Zeit  getüncht  werden,  damit  die  Priester  sich  nicht 
aus  Unkenntnis  daran  verunreinigten. 


Matth  10,  5(95  2a.b)  541 

genommen  die,  die  in  den  inneren  Räumen  (in  denen  die  Frauen  zur  Zeit  der  Men- 
straation  sich  aufhalten)  u.  rings  um  die  unreinen  Hausräume  gefunden  werden.  Die 
(unreinen  Hausräume)  der  S.  verunreinigen  als  ^Bezeltung"  (d.  h.  wie  ein  Raum,  in 
dem  sich  eine  Leiche  befindet),  weil  sie  dort  ihre  Fehlgeburten  begraben.  R.  J^huda 
sagte:  Sie  pflegen  sie  nicht  zu  begraben,  sondern  werfen  sie  hin,  daß  das  Wild  sie  ver- 
schleppt. —  Zur  Mischna  Nidda  7,  3  bemerkt  Nidda  56'':  Sie  ist  so  gemeint:  Die  von 
Israeliten  u.  S.  herkommen,  sind  unrein;  denn  die  S.  sind  Ganzproselyten  r)3s  -^j; 
finden  sie  sich  in  Städten  Israels,  so  sind  sie  rein,  weil  sie  in  betreff  ihrer  Blutflecke 
nicht  verdächtig  sind  u.  sie  (soweit  sie  von  Menstruationsblut  herrühren)  sorgfältig 
verwahren;  finden  sie  sich  in  samaritanischen  Städten,  so  hat  sie  R.  Meir  für  unrein 
erklärt,  weil  sie  in  betreff  ihrer  Blutflecke  verdächtig  sind;  die  Gelehrten  erklärten 
sie  für  rein,  weil  sie  in  betreff  ihrer  Blutflecke  nicht  verdächtig  sind.  —  Die  Mischna 
als  Zitat  auch  BQ  38''.  ||  T'^haroth  5,  8 :  Wenn  sich  eine  blödsinnige  Frau  oder  eine 
Nichtisraelitin  oder  eine  Samaritanerin  in  einer  Stadt  aufhält,  so  sind  alle  in  der  Stadt 
gefundenen  Speichelauswürfe  unrein. 

b.  Speisegesetze. 

pfAZ  5,44<^,  25  Bar:  Anfänglich  hat  man  gesagt:  Warum  ist  der  Wein  aus  äOgdor 
(einer  samaritanischen  Stadt)  verboten?  Wegen  K^phar- Pagasch  (Ortschaft  in  der  Nähe 
von  äOgdor,  aber  von  Heiden  bewohnt);  der  Wein  aus  Burg*'tha  (samaritanisch)  wegen 
Birath-Söriqa  (heidnischer  Nachbarort  von  Burg^'tha);  der  aus  fEn-Kuschith  (sama- 
ritanisch) wegen  K^'phar-Schalem  (heidnisch).  Später  sagte  man:  Der  in  offenen  Fässern 
dastehende  Wein  (eines  S.)  ist  überall  verboten,  der  in  geschlossenen  ist  erlaubt.  Der 
angebohrte  u.  dann  wieder  verschlossene  gilt  wie  der  (immer)  verschlossen  gewesene. 
R.  Ji^chaq  b.  Chaqola  (um  250)  hat  gesagt:  Er  gilt  wie  der  offen  dastehende.  R.  Chanina 
(um  225)  hat  gesagt:  Und  ich  kann  es  nachweisen  (ob  das  Faß  geöffnet  u.  dann  wieder 
verschlossen  worden  ist,  oder  nicht):  wenn  Wachs  (Pech)  darauf  ist,  so  ist  es  nicht 
geöffnet  worden;  wenn  aber  nicht,  so  ist  es  geöffnet  worden.  —  In  der  Parallelstelle 
$AZ  81 "  schließt  sich  daran  die  Frage:  Welcher  Ansicht  war  man  anfänglich  u.  welcher 
Ansicht  war  man  schließlich  (später)?  Anfänglich  (als  man  den  Wein  ganzer  sama- 
ritanischer  Ortschaften  in  heidnischer  Umgebung  verbot)  war  man  der  Meinung,  daß 
ein  S.  sich  um  die  Berührung  (seines  Weines)  durch  einen  Heiden  nicht  kümmere  ohne 
Unterschied,  ob  die  Fässer  offen  oder  geschlossen  waren.  Später  aber  war  man  der 
Meinung,  daß  er  sich  nicht  darum  kümmere,  wenn  sie  offen,  wohl  aber,  wenn  sie  ge- 
schlossen waren.  —  Die  Bar  auch  Tr  Kuthim  2  (36),  hier  mit  dem  Zusatz:  R.  Meir 
(um  150)  hat  gesagt:  All  ihr  Wein  ist  erlaubt,  ausgenommen  derjenige,  der  in  offenen 
Fässern  auf  den  Straßen  steht.  .  .  .  Ihre  Krüge  sind  erlaubt,  wenn  sie  neu  sind;  wenn 
sie  aber  alt  sind,  so  sind  sie  verboten  (weil  der  früher  darin  gewesene  samaritanische 
Wein  ip  sie  eingezogen  sein  könnte).  Der  letzte  Satz  gilt  fAZ2,4  u.  TfAZ4, 10  (467) 
nur  von  den  Krügen  der  Heiden;  seine  Anwendung  auch  auf  die  Weinkrüge  der  S. 
dürfte  erst  in  nachraischnischer  Zeit  erfolgt  sein.  —  Ebenso  gehört  die  Bemerkung 
über  den  samaritan.  Libationswein  Nidda  57^  (s.  die  Stelle  Anm.  c)  einer  späteren  Zeit 
an.  il  ChullS''  Bar:  Das  rituelle  Schlachten  eines  S.  ist  erlaubt.  In  welchem  Fall  gilt 
dies?  Wenn  ein  Israelit  bei  ihm  steht.  Aber  kommt  man  dazu  u.  trifft  ihn  beim 
Schlachten  an,  so  schneidet  man  ein  Stück  wie  eine  Olive  groß  ab  u.  gibt  es  ihm;  ißt 
er  es,  so  ist  es  erlaubt,  von  seinem  Geschlachteten  zu  essen;  wenn  aber  nicht,  so  ist  es 
verboten.  Ebenso  wenn  man  in  seiner  Hand  zehn  ^  Vögel  findet,  von  denen  der  Kopf  des 
einen  abgehackt  ist,  so  gibt  man  ihm  davon;  ißt  er  es,  so  ist  es  erlaubt,  von  seinem 
Geschlachteten  zu  essen;  wenn  aber  nicht,  so  ist  es  verboten.  —  Ähnlich  Tr  Kuth2: 
Man  kauft  kein  Fleisch  von  einem  samaritan.  Schlächter,  es  sei  denn  solches,  welches 

1  -j—isu  5'xj  s-iip-  =  decuria  ^Zehnzahl",  so  Levy  1,421.  Raschi  erklärt  das  Wort 
von  ^p-i,  durchbohren  =  riTi-n^s,  Schnüre,  an  denen  Vögel  aufgezogen,  aufgereiht  sind. 
Da  die  ^Zehnzahl"  unmotiviert  ist,  wird  Raschis  Erklärung  den  Vorzug  verdienen; 
vgl.  das  oben  folgende  Zitat  Tr  Kuth  2. 


542  Matth  10,  5  (SB  2b.  c) 

er  selbst  ißt;  desgleichen  keine  an  Schnüren  aufgezogene  Vögel, ^  c--5r::  i»  r^'-",  es 
sei  denn,  daß  er  sie  zuerst  in  seinen  Mund  steckt  (u.  davon  ißt),  aber  nicht,  wenn 
er  sie  dem  Israeliten  gibt;  denn  sie  sind  längst  verdächtig,  daß  sie  einem  Israeliten 
Gefallenes  zu  essen  geben.  Vgl.  ChuU  b^;  ferner  ChuU  2,  7  unter  Nr.  1.  ||  pfAZ5,44'^,  22: 
R.  J*^huda  b.  Pazzi  (um  320)  hat  im  Namen  des  R.  Ammi  (um  300)  gesagt:  Ein  von  S. 
gebratenes  Ei  ist  erlaubt.  R.  Jafaqob  b.  Acha  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Elfazar 
(um  270)  gesagt:  Die  Speisen  der  S.  sind  erlaubt.  Was  du  da  sagst,  gilt  aber  nur  von 
Speisen,  in  die  man  für  gewöhnlich  keinen  Wein  u.  keinen  Essig  (der  von  Wein  her- 
stammt, s.  über  Wein  oben)  tut;  wenn  es  aber  feststeht,  daß  er  (Wein  u.  Essig)  hinein- 
getan hat,  so  ist  die  Speise  selbst  zur  Nutznießung  (nicht  bloß  zum  Essen)  verboten.  — 
Tr  Kuth  2:  Der  Käse  der  S.  ist  erlaubt.  R.  Schim?on  b.  Elfazar  (um  190)  hat  gesagt:  Der 
von  den  (Land-)Besitzern  selbst  angefertigte  ist  erlaubt,  dagegen  ist  der  der  Händler 
verboten.  Die  von  S.  eingekochten  oder  eingelegten  Speisen,  in  die  man  für  gewöhn- 
lich Wein  u.  Essig  tut,  sind  verboten.  ||  TP's  1.  13 f.  (156):  Von  wann  an  nach  dem 
Passah  sind  gesäuerte  Backwaren  der  S.  (so  nach  den  Parallelen  zu  lesen  statt  ,der 
Heiden"  a^i;)  erlaubt?  Die  der  Besitzer  (die  für  den  eigenen  Hausbedarf  backen)  nach 
drei  Backwochen,-  die  der  Bäcker  in  den  Dörfern  bis  nach  Verlauf  von  drei  Tagen,  die  der 
Bäcker  in  den  Städten,  nachdem  drei  Öfen  voll  abgebacken  sind.  R.  Schim?on  b.  Elfazar 
(um  190)  sagte:  Auch  wenn  man  gesagt  hat:  „Die  der  Besitzer  nach  drei  Backwochen"  — 
wenn  der  Besitzer  (zB)  seinen  Sohn  verheiratet  u.  drei  Öfen  an  Einem  Tage  (zur  Hochzeit) 
abbäckt,  so  ist  (sein  Gesäuertes  sofort)  erlaubt.  Und  wenn  man  gesagt  hat:  , Die  der 
Bäcker  in  den  Dörfern  bis  nach  Verlauf  von  drei  Tagen"  —  wenn  er  (zB)  sich  ge- 
drängt sieht,  drei  Öfen  hintereinander  abzubacken,  so  ist  (sein  Gesäuertes  sofort  hinter- 
her) erlaubt.  R.  Schim?on  b.  Elfazar  hat  ferner  gesagt:  Auch  wenn  man  gesagt  hat: 
„Die  der  Bäcker  in  den  Städten,  nachdem  drei  Öfen  voll  abgebacken  sind",  so  sind 
sie  doch  bis  nach  Verlauf  von  drei  Tagen  verboten,  wenn  er  (zB)  früh' morgens  den 
Sauerteig  für  jenen  ganzen  Tag  abgesondert  hat  (u.  die  Backwaren  nicht  sofort  ver- 
käuflich waren).  Für  welchen  Fall  gelten  diese  Bestimmungen?  Wenn  die  S.  ihr  Passah 
nicht  zugleich  mit  Israel  oder  einen  Tag  früher  halten.  Aber  wenn  sie  ihr  Passah  zu- 
gleich mit  Israel  oder  einen  Tag  später  halten,  so  ist  ihr  Gesäuertes  sofort  nach  dem 
Passah  erlaubt.  (Grund  der  Bar:  Beendigen  die  S.  ihr  Passah  früher  als  Israel,  so 
macht  der  von  ihnen  am  ersten  Tage  nach  ihrem  Passah  zubereitete  Sauerteig,  weil 
er  noch  während  der  jüdischen  Passahfeier  zubereitet  ist,  alles  für  Israel  unbrauchbar, 
in  das  er  gemischt  wird;  erst  vom  vierten  Backen  an  nach  dem  Passahfest  gilt  der 
ungesetzliche  Sauerteig  für  aufgebraucht.)  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  p?Orla  2, 
62'',  56,  wo  die  Bar  inhaltlich  auf  R.Eli?ezer  (um  90)  zurückgeführt  wird;  TrKuth  2(35); 
hier  „Brot"  statt  „Gesäuertes".  il  Sch<^bi?ith  8,  10:  Ferner  sagte  man  vor  R.  ?Aqiba 
(t  um  185):  R.  Elifezer  (um  90)  hat  gesagt:  Wer  Brot  der  S.  ißt,  ist  wie  einer,  der 
Schweinefleisch  ißt.  Er  (R.  f Aqiba)  antwortete  ihnen:  Schweigt!  ich  sage  euch  nicht, 
was  R.  Elifezer  darüber  gesagt  hat.  —  Zu  diesem  Ausspruch  des  R.  Elifezer  liegen 
pSch^'bifith  8,38'',  60  zwei  Äußerungen  erst  aus  späterer  Zeit  vor:  R.  Jose  (um  350) 
hat  gesagt:  Das  will  sagen,  daß  es  verboten  ist,  die  Tochter  eines  Gesetzesunkundigen 
(fAm  ha-are9)  zu  heiraten  (also  „Brot  essen"  euphemistisch  —  „Beischlaf  vollziehen"). 
R.  Chizqijja  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  gesagt:  R.  Elifezer  hat  das 
Gesäuerte  der  S.  sofort  nach  dem  Passah  erlaubt  (s.  weiter  oben). 

c.  Kultus. 

Sch''ql,5:  Obwohl  man  gesagt  hat,  daß  man  Frauen,  Sklaven  u.  Minderjährige 
nicht  auspfänden  dürfe,  so  nimmt  man  doch,  wenn  sie  die  Tempelsteuer  (=  ^j-i  Scheqel) 
entrichten  wollen,  diese  aus  ihrer  Hand  an.  Wenn  dagegen  Nichtisraeliten  ("^=3)  u.  S. 
den  Beitrag  zahlen  wollen,  so  nimmt  man  ihn  nicht  aus  ihrer  Hand  an.  Ferner  nimmt 

'  Siehe  Änm.  auf  voriger  Seite. 

*  Eine  Backwoche  bezeichnet  den  Zeitraum,  der  zwischen  zwei  Backtagen  liegt; 
sie  kann  länger  oder  kürzer  sein  als  eine  Woche  von  sieben  Tagen. 


Matth  10,  5(332c)  543 

man  aus  ihrer  Hand  keine  Geflügelopfer  für  Männer  u.  Frauen,  die  mit  geschlecht- 
lichen Ausflüssen  behaftet  sind,  u.  für  Wöchnerinnen  an,  auch  keine  Sund-  u.  Schuld- 
opfer. Wohl  aber  nimmt  man  aus  ihrer  Hand  an  angelobte  u.  freiwillige  Gaben.  Dies 
ist  die  Regel:  alles  was  angelobt  u.  freiwillig  gegeben  wird,  nimmt  man  aus  ihrer  Hand 
an,  u.  alles  was  nicht  angelobt  u.  freiwillig  gegeben  wird,  nimmt  man  nicht  aus  ihrer 
Hand  an.  Und  so  ist  es  durch  Esra  ausdrücklich  erklärt  worden:  Nicht  euch  und  uns 
gebührt  es,  unsrem  Gott  ein  Haus  zu  bauen  Esra  4,  8.  —  Dasselbe  auch  Tr  Kuth  1. 
N'^d  3,10:  Wer  in  einem  Gelübde  denen  entsagt,  die  den  Sabbat  halten,  dem  sind  die 
Israeliten  u.  die  S.  untersagt  (letztere  halten  also  den  Sabbat  ebenso  heilig,  wie  die 
Israeliten);  wer  in  einem  Gelübde  denen  entsagt,  die  Knoblauch  essen,  dem  sind  die 
Israeliten  u.  die  S.  untersagt;  wer  denen  entsagt,  die  nach  Jerusalem  hinaufziehen, 
dem  sind  die  Israeliten  untersagt  u.  die  S.  erlaubt  (nämlich  um  von  ihnen  Genuß, 
Vorteil  usw.  zu  haben).  ||  Zu  den  Worten  von  Nidda7, 5:  ,Dies  ist  die  Regel:  In  allen 
Dingen,  in  denen  sie  (die  Samaritaner)  verdächtig  sind  (wegen  mangelnder  Sorgfalt), 
sind  sie  nicht  beglaubigt"  (s.  oben  S.  540/S|,  heißt  es  Nidda  57'':  „Um  mit  einzuschließen 
die  Sabbatgrenzen  u.  den  Trankopferwein.  —  Dazu  Raschi:  Die  S.  sind  nicht  beglaubigt 
zu  sagen:  „Bis  hierher  reicht  die  Sabbatgrenze " ;  denn  die  Bestimmung  über  die  Sabbat- 
grenzen ist  eine  rabbinische,  der  die  S.  nicht  zustimmen.  Und  in  bezug  auf  den  Trank- 
opferwein sind  sie  nicht  beglaubigt,  weil  ein  S.  sich  nicht  um  die  Berührung  (seines 
Weines)  seitens  eines  Nichtisraeliten  kümmert.  —  fEr  31  ^  sagt  Rab  Chisda  (f  309),  daß 
mit  denen,  die  das  ?Erubgesetz  nicht  anerkennen  (s.  Mischna  3,2;  6, 1),  die  Samaritaner 
gemeint  seien;  vgl.  auch  Tr  Kuth  1.  ||  Daß  die  Festsetzung  der  Passahfeier  seitens 
der  S.  nicht  immer  mit  derjenigen  der  Juden  übereingestimmt  hat,  zeigt  TP'^s  l,  13f. 
(s.  oben  S.  542«).  —  pP^'s  1,27'*,  45:  Wenn  die  S.  ihre  Ma^Qoth  zugleich  mit  den  Israe- 
liten herstellen,  sind  sie  beglaubigt  in  betreff  des  Fortscliaffens  des  Gesäuerten ;  wenn 
sie  sie  aber  nicht  zugleich  mit  den  Israeliten  herstellen,  sind  sie  in  betreff  des  Fort- 
schaffens  des  Gesäuerten  nicht  beglaubigt.  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Was  du  da 
sagst,  gilt  in  bezug  auf  das  Fortschafi'en  des  Gesäuerten  in  ihren  Häusern,  aber  in 
bezug  auf  das  Fortschaffen  in  ihren  Höfen  sind  sie  verdächtig;  denn  sie  erklären:  Es 
heißt  Ex  12,9:  In  euren  Häusern  soll  kein  Gesäuertes  gefunden  werden;  aber  es 
heißt  nicht:  In  euren  Höfen.  Bar:  Rabban  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Mit 
jedem  Gebot,  das  bei  dön  S.  im  Gebrauch  ist,  nehmen  sie  es  genauer  als  die  Israe- 
liten. R.  Schimfon  (b.  Jochai,  um  150)  hat  gesagt:  Was  du  da  sagst,  das  gilt  von  der 
früheren  Zeit,  als  sie  in  ihren  Dörfern  (unvermischt  mit  Heiden)  wohnten;  aber  jetzt, 
wo  sie  kein  Gebot  u.  keinen  Überrest  eines  Gebotes  mehr  haben,  sind  sie  verdächtig 
u.  entartet.  (R.  Schimfon  vertritt,  wie  R.  J'^huda  den  älteren  Standpunkt  des  R.  Elifezer: 
Die  S.  sind  wie  Heiden.)  ||  TP^'s  1, 15  (156):  Der  ungesäuerte  Kuchen  {~'i^)  der  S.  ist 
erlaubt  u.  man  genügt  damit  (d.  h.  mit  dessen  Genuß)  seiner  Pflicht  am  Passahfest. 
R.  Elifezer  (um  90,  so  lies  statt  R.  Elfazar)  verbot  es,  weil  sie  der  Bestimmungen  über 
die  ungesäuerten  Kuchen  nicht  so  kundig  sind  (lies  i-s-pa  statt  -pTtp-'a)  wie  die 
Israeliten. —  Dasselbe  als  Bar  Qid  76«;  Chullin4''';  GitlO^  In  Tr  Kuth  2  ist  R.  Schimfon 
genannt  statt  R.  Elifezer,  u.  zwar  mit  folgender  Motivierung  des  Verbots:  „Weil  sie 
die  ungesäuerten  Kuchen  nicht  wie  die  Israeliten  (vor  der  Gärung)  zu  bewahren  ver- 
stehen." Diese  Motivierung  stammt  aus  der  Diskussion  in  Chull4^.  ||  Sukka  S**  Bar: 
Die  Laubhütte  der  Nichtisraeliten  (die  diese  für  ihre  Zwecke  hergerichtet  hatten),  die 
L.  der  Weiber,  die  L.  für  das  Vieh,  die  L.  der  S.,  überhaupt  jede  L.  ist  brauchbar 
(um  von  Israeliten  am  Hüttenfest  benützt  zu  werden),  wenn  sie  nur  vorschriftsmäßig 
bedeckt  ist.  Dasselbe  M«n  42 '^.  l|  TfAZ  :{,  12  f.  (464):  Ein  Israelit  darf  einen  Heiden  mit 
Rücksicht  auf  dessen  Übertritt  zum  Judentum  beschneiden ;  aber  nicht  darf  ein  Heide 
einen  Israeliten  beschneiden,  weil  sie  (die  Heiden)  des  Mordes  verdächtig  sind;  das 
sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Ein  Nichtisraelit  darf 
einen  Israeliten  beschneiden,  wenn  andre  bei  ihm  stehn;  unter  vier  Augen  dagegen  ist 
es  verboten,  weil  sie  des  Mordes  verdächtig  sind.  Ein  Israelit  darf  einen  S.  beschneiden, 
aber  ein  S.  darf  keinen  Israeliten  beschneiden,  weil  sie  (die  S.)  im  Hinblick  auf  (2*1;-, 


544  Matth  10,  5(93  2c.d) 

wörtlich :  auf  den  Namen,  s.  bei  10,  41 ;  28, 19)  den  Berg  G.  beschneiden ;  das  sind  Worte 
des  R.  J^huda  (um  150).   R.  Jose  (b.  Chalaphta)  erwiderte  ihm:  Wo  finden  wir  eine  Be- 
schneidung, die  nicht  mit  Rücksicht  auf  den  Bund  (Gottes  mit  Abraham)  erfolgte?  Also 
mag  er  im  Hinblick  auf  den  Berg  Garizim  beschneiden,  bis  seine  Seele  scheidet!  — 
Dasselbe  als  Bar  pJ^b  8,  8'^',  63;  pSchab  19,  17»,  34;  ?AZ  27  »;  ähnlich  auch  Tr  Kuth  1 ; 
vgl.  auch  M<'n42*  u.  fAZ26''.  I!  Git45'':  Rah  Hamnuna  b.  Rabba  aus  Parschunja  (so 
lies  statt  P'^scharunja,  wann?)  hat  als  Bar  gelehrt:  Ein  Torabuch,  Gebetsriemen  u.  Tür- 
pfostenkapseln, die  ein  Häretiker  (Min),  ein  Verräter,  ein  Nichtisraelit,  ein  Sklave,  eine 
Frau,  ein  Minderjähriger,  ein  S.  oder  ein  vom  Judentum  abgefallener  Israelit  geschrieben 
hat,  sind  (zum  Gebrauch)  untauglich;  denn  es  heißt  Dt  6, 8  f.:  „Binde  sie  an  deine  Hand  ..., 
schreibe  sie  auf  die  Pfosten  deines  Hauses",  d.  h.  wer  zum  Umbinden  verpflichtet  ist 
(nämlich  ein  Israelit),   der  ist  zum  Schreiben  verpflichtet;    wem  aber  das  Umbinden 
nicht   obliegt   (wie    einer   der   genannten   Personen),    dem    liegt   auch    das  Schreiben 
nicht  ob.  —  Daselbe  M'^n  42^;  als  Tradent  der  Bar  erscheint  hier  Rah  Chin'^na  b.  Rabba 
aus  ü'z-xt.  II  B^rakh  8,8:  Man  antwortet  mit  Amen,  wenn  ein  Israelit  einen  Lobspruch 
spricht;  aber  wenn  ein  S.  den  Lobspruch  spricht,  so  antwortet  man  nicht  Amen,  bis 
man  den  ganzen  Lobspruch  gehört  hat  (ob  er  auch  der  Vorschrift  entspricht).  —  Das- 
selbe TB<^rakh  3,  26  (8).    In  TB^rakh  5,21  (12)  lautet  die  Tradition:  Wenn  ein  Nicht- 
israelit (-■!;)  den  Lobspruch  mit  Nennung  des  göttlichen  Namens  spricht,  so  antwortet 
man  hinterher  mit  Amen!   wenn  aber  ein  S.  den  Lobspruch  mit  Nennung  des  gött- 
lichen Namens  spricht,  so  antwortet  man  hinterher  nicht  mit  Amen,  bis  man  den  ganzen 
Lobspruch  gehört  hat.  II  B'^rakh  7,  1 :  Wenn  drei  Personen  gemeinschaftlich  (d.  h.  an 
Einem  Tisch  oder  von  Einem  Brot)   gegessen  haben,   so  sind  sie  zum  gemeinschaft- 
lichen Lobspruch  (nach  dem  Essen)  verpflichtet.  Wenn  man  Zweifelhaftes  ^  (d.  h.  Früchte, 
deren  ordnungsmäßige  Verzehntung  zweifelhaft  ist)   oder  ersten  Zehnt,  von  welchem 
die  Zehnthebe  (aber  nicht  die  große  Hebe)  abgesondert  ist,  oder  zweiten  Zehnt  u.  Ge- 
heiligtes, die  ausgelöst  sind  (ohne  daß  das  Zuschlagsfünftel  gezahlt  ist),  gegessen  hat 
(was  streng  genommen  unstatthaft  ist),  ferner  wenn  der  zu  Tische  Dienende  so  viel 
wie  eine  Olive  oder  wenn  ein  S.  mitgegessen  hat,  so  spricht  man  darüber  (nach  dem 
Essen)  den  gemeinschaftlichen  Lobspruch.  Aber  wenn  man  sicher  Unverzehntetes  ('jaü.) 
oder  ersten  Zehnt,   von  welchem   die  Zehnthebe  nicht  abgesondert  ist,   oder  zweiten 
Zehnt  u.  Geheiligtes,  die  nicht  ausgelöst  sind,  gegessen  hat,  oder  wenn  der  zu  Tische 
Dienende  weniger  als  eine  Olive  oder  wenn  ein  Heide  (Nokhri)  mitgegessen  hat,   so 
vereinigt  man  sich  nicht  zu  gemeinschaftlichem  Lobspruch.  ||  Sanh  10, 1 :  Abba  Schaäul 
(um  150)  hat  gesagt:  Auch  wer  den  Namen  (Jahve)  nach  seinen  Buchstaben  (so  wie  er 
geschrieben  wird)  ausspricht,  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt.  —  Dazu  heißt 
es  pSanh  10, 28 '',  4:  R.  Mana  (IL,  um  370)  hat  gesagt:  Wie  zB  die  S.,  wenn  sie  schwören, 
d.  Abgaben  an  Priester,  Leviten,  Arme  usw. 
Pea  2,  7 :  Ein  Feld,  das  die  S.  (für  sich)  abernten  ...  ist  frei  (von  der  Bestimmung 
betreffs  des  Ackerwinkels  Lv  19, 9  f.;  23,22:  nicht  aber,  wenn  sie  es  für  einen  Israeliten 
abernten  pPea  2,  17*,  60).  ||  Tr  Kuth  1  (31):  Man  gewährt  ihnen  (den  samaritan.  Armen) 
die  Nachlese,  das  (auf  dem  Felde)  Vergessene  u.  den  (nicht  abgeernteten)  A.ckerwinkel; 
auch  sie  haben  (die  Bestimmung  über)  Vergessenes  u.  Ackerwinkel.  Sie  (d.  h.  die  sama- 
ritan. Armen)  sind  beglaubigt  in  betreff  der  Nachlese,  des  Vergessenen  u.  des  Acker- 
winkels in  deren  Zeit  u.  in  betreff  des  Armenzehnten  in  dessen  Jahr   (d.  h.  sie  sind 
beglaubigt,  in  der  Erntezeit   zu  sagen,    daß  ihr  Weizen  usw.  aus  der  Nachlese  usw. 
stamme,  u.  im  dritten  u.  sechsten  Jahr  der  Sch'^bifith-Periode,  in  denen  der  Armen- 
zehnt entrichtet  wird,  ihren  Vorrat  an  Früchten  für  Armenzehnt  zu  erklären).  Pea  8,  2 
wird  dieses  Recht  den  Israelit.  Armen  zugesprochen;  in  TPea4,  1  wird  es  den  sama- 
ritan. Armen  zugesprochen  u.  den  heidnischen  Armen  abgesprochen:  ,Die  Armen  der 
S.  sind  (was  ihre  Beglaubigung  zu  obigen  Aussagen  betrifft)  wie  die  Armen  Israels, 
aber  den  Armen  der  Nichtisraeliten  (s^i;)  glaubt  man  in  keiner  Hinsicht."  —  Gleich- 

1  'wn  D*^mai.    Über  die  Aussprache  s.  Einl.  33. 


Matth  10,  5  (5ö2d.  e)  545 

"wohl  ist  auch  den  letzteren  die  Nachlese  usw.  auf  israelitischen  Feldern  nicht  verwehrt 
worden,  s.  Git5,  8:  Man  verhindert  das  Sammeln  der  Nachlese,  des  Vergessenen  u. 
des  Ackerwinkels  durch  die  Armen  der  Nichtisraeliten  (c-u)  nicht  um  des  Friedens 
willen.  II  'fr  Kuth  1  (32):  Ihre  (der  S.)  Früchte  gelten  als  unverzehntet  (^='4),  gleichwie 
die  Früchte  der  Nichtisraeliten.'  (Diese  Bar  bezieht  sich  auf  Früchte,  die  die  S.  an 
Israeliten  verkaufen,  nicht  auf  solche,  die  sie  in  ihrem  eigenen  Haushalt  verbrauchen; 
denn  in  letzterer  Hinsicht  nehmen  auch  sie  es  mit  der  Verzehntung  streng.)  ||  D^mai  5, 9: 
Man  darf  von  dem  Getreide  eines  Israeliten  den  Zehnt  absondern  für  das  einem  Nicht- 
israeliten abgekaufte  Getreide,  von  dem  einem  Nichtisraeliten  abgekauften  für  das 
eines  Israeliten,  von  dem  eines  Israeliten  für  das  einem  S.  abgekaufte,  von  dem  einem 
8.  abgekauften  für  das  einem  andren  S.  abgekaufte  (weil  das  von  einem  S.  gekaufte 
Getreide  als  noch  nicht  verzehntet  gilt).  R.  Elifezer  (um  90)  verbot  von  dem  einem  S. 
abgekauften  den  Zehnt  abzusondern  für  das  einem  S.  abgekaufte  (weil  es  möglichenfalls 
bereits  verzehntet  war).  II  D'^mai  3,  4 :  Wenn  man  Weizen  zu  einem  samaritan.  Müller 
(zum  Mahlen)  bringt  oder  zu  einem  Müller,  der  ein  fAm  ha  are^  ist  (der  vom  Gesetz 
nichts  weiß),  so  darf  von  dem  Weizen  angenommen  werdeq,  daß  er  in  betreff  der  Ver- 
zehntung u.  der  Brachjahrbestimmungen  in  seiner  Verfassung  bleibt  (nicht  etwa  mit 
unverzehntetem  usw.  vertauscht  oder  vermischt  wird).  Bringt  man  ihn  aber  zu  einem 
nichtisraelitischen  Müller,  so  gilt  er  hinterher  als  zweifelhaft  verzehntet  (u.  der  Hebe- 
zehnt ist  noch  einmal  abzusondern).  |!T'rum3.  9:  Die  von  einem  Heiden  (Nokhri)  u. 
einem  S.  (für  ihr  Eigentum)  abgesonderte  Priesterhebe  gilt  als  Priesterhebe,  ihre  Zehnten 
gelten  als  Zehnt,  ihr  Geheiligtes  als  Geheiligtes.  (Die  Auslegung  dieser  Mischna  ist 
jedoch  kontrovers,  s.  die  Kommentare  u.  TT^rum  4,  12  (31);  4, 14  (32).)  ||  B'^rakh  47'^:  Die 
S.  sondern  die  Zehnten  ab,  wie  es  sich  gebührt;  denn  in  bezug  auf  das,  was  in  der  Tora 
geschrieben  steht,  sind  sie  äußerst  vorsichtig;  denn  ein  Autor  (gemeint  ist  R.  Schimfon 
b.  Gamliel,  um  140,  s.  oben  S.bB9y)  hat  gesagt:  Mit  jedem  Gebot,  daran  die  S.  fest- 
halten, nehmen  sie  es  weit  genauer  als  die  Israeliten.  ||  TD'^mai  3,  8  (49):  Es  darf  ein 
israelitischer  Priester  mit  einem  samaritan.  Priester  (die  priesterlichen  Bezüge  innerhalb 
des  samaritan.  Gebietes)  teilen,  weil  er  so  (seinen  Teil)  aus  der  Hand  jenes  rettet; 
aber  nicht  im  Lande  Israel,  weil  er  dadurch  den  priesterlichen  Rechtstitel  jenes  stärken 
würde.-  Auch  im  Lande  Israel  ist  es  erlaubt,  einen  Teil  von  ihm  an  dem  Orte  anzu- 
nehmen, an  dem  von  ihm  bekannt  ist,  daß  er  ein  S.  ist  (so  daß  die  Usurpation  der  Würde 
eines  Israelit.  Priesters  seinerseits  ausgeschlossen  erscheint).  Ähnlich  Tr  Kuth  2  (35). 

e.  Rechtliche  Stellung. 

Mak2,  3:  Alle  müssen  wegen  (unvorsätzlicher  Tötung)  eines  Israeliten  (in  eine 
Asylstadt)  flüchten  u.  die  Israeliten  wegen  ihrer  (Tötung).  Dazu  Mak  S^:  ,Alle  müssen 
wegen  eines  Israeliten  flüchten."  Was  schließt  das  Wort  „alle"  ein?  Es  will  den 
Sklaven  u.  den  S.  einschließen.  Wir  lernen  in  bezug  hierauf,  was  die  Rabbinen  gelehrt 
haben:  Ein  Sklave  u.  ein  S.  müssen  flüchten  u.  werden  gegeißelt  wegen  eines  Israeliten, 
u.  ein  Israelit  muß  flüchten  u.  wird  gegeißelt  wegen  eines  S.  (u.  eines  Sklaven;  letzteres 
nach  Handschr.  Mü.  zu  streichen).  Es  ist  richtig,  daß  ein  Sklave  u.  ein  S.  wegen  eines 
Israeliten  flüchten  muß  u.  gegeißelt  wird ;  er  muß  flüchten,  wenn  er  ihn  getötet  hat, 
u.  er  wird  gegeißelt,  wenn  er  ihm  geflucht  hat.  Aber  muß  denn  ein  Israelit  flüchten 
u.  wird  er  gegeißelt  wegen  eines  S.?  Es  ist  richtig,  daß  er  flüchten  muß,  wenn  er  ihn 
getötet  hat;  aber  wird  er  darum  gegeißelt,  daß  er  ihm  geflucht  hat?  Es  heißt  doch 
Ex  22, 27:  „Einem  Fürsten  in  deinem  Volk  sollst  du  nicht  fluchen!"  Das  gilt  von  einem, 
der  den  Brauch  deines  Volkes  beobachtet!  Vielmehr  hat  Rab  Acha  b.  Ja?aqob  (um  325) 
gesagt:  Damit  ist  einer  gemeint,  der  zB  ein  Zeugnis  wider  ihn  abgelegt  hat  u.  des 
Falscheides  überführt  wurde.  ||  BQ  38  V  Bar:  Wenn  der  Ochse  eines  Israeliten  den  Ochsen 
eines  S.  stößt,  so  ist  man  straffrei;  wenn  aber  der  Ochse  eines  S.  den  Ochsen  eines 

^  Dies  gilt  auch  von  dem  Wein,  den  ein  Israelit  dem  S.  abkauft  D<^mai  7,  4. 
^  Vgl.  K^th  25^*:  Ein  Beweis  für  die  Zugehörigkeit  zum  Priesterstand  ist  die  Zu- 
erteilung  der  Tennenabgabe  an  ihn  im  Lande  Israel. 

Strack  u. Billerbeck,  NT  I.  ,  35 


546  Matth  10,  5(a3  2e) 

Israeliten  stößt,  so  muß  man,  wenn  der  Ochse  fromm  ist,  den  halben  Schaden,  u.  wenn 
er  als  stößig  anerkannt  ist,  den  ganzen  Schaden  ersetzen.  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Wenn 
der  Ochse  eines  Israeliten  den  Ochsen  eines  S.  stößt,  so  ist  man  straffrei;  wenn  aber 
der  eines  S.  den  Ochsen  eines  Israeliten  stößt,  so  muß  man,  mag  er  fromm  oder  an- 
erkannt stößig  sein,  den  vollen  Schadenersatz  leisten.  . . .  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt: 
Diese  Strafe,  die  R.  Meir  festgesetzt  hat,  zielt  auf  ihr  Geld,  damit  sie  (die  Israeliten) 
sich  nicht  mit  ihnen  (den  Samaritanern)  vermischen  (durch  Heirat).  —  Die  Bar  stammt  aus 
TBQ  4, 3  (351),  wo  im  Ausspruch  des  R.  Meir  ^Nichtisraelit"  (Nokhri)  statt  ^Samaritaner" 
gesetzt  ist;  vgl.  auch  BQ  4,  3:  Wenn  der  Ochse  eines  Israeliten  den  Ochsen  von  Ge- 
heiligtem (der  zu  Geheiligtem  gehört)  stößt  oder  der  von  Geheiligtem  den  Ochsen  eines 
Israeliten  stößt,  so  ist  man  straffrei;  denn  es  heißt  Ex  21, 35:  , Falls  der  Ochse  jemandes 
den  Ochsen  seines  Nächsten  stößt",  den  Ochsen  seines  „Nächsten",  aber  nicht  den 
Ochsen  von  , Geheiligtem".  Wenn  der  Ochse  eines  Israeliten  den  Ochsen  eines  Nicht- 
israeliten  (Nokhri)  stößt,  so  ist  man  straffrei;  wenn  aber  der  eines  N.  den  Ochsen  eines 
Israeliten  stößt,  so  muß  man,  mag  er  fromm  oder  anerkannt  stößig  sein,  den  vollen 
Schadenersatz  leisten.  —  Dazu  pBQ  4,4'',  19:  Rah  (f  247)  hat  gesagt:  Es  heißt  Hab  3, 6: 
Er  sah  es  u.  gab  die  Heiden  (Gojim  =  Nichtisraeliten)  frei,  d.  h.  das  Geld  der  Heiden 
gab  er  frei  (nachdem  er  gesehen,  daß  sie  die  sieben  noachischen  Gebote  nicht  hielten). 
Chizqijja  (b.  Chijja,  um  240)  hat  gesagt:  Es  heißt  Dt  33,  2:  ,Er  ließ  aufstrahlen  vom 
Berge  Paran",  nämlich  er  ließ  sein  Angesicht  wider  die  Völker  der  Welt  aufleuchten 
(nachdem  sie  die  Tora  nicht  hatten  annehmen  wollen  u.  deshalb  gab  er  ihr  Vermögen 
preis).  —  Dasselbe  ausführlicher  mit  andren  Autorennamen  BQ  3S*.  ||  Tr  Kuth  2  (34): 
Der  S.  ist  in  bezug  auf  alle  Schäden,  die  in  der  Tora  genannt  werden,  dem  Israeliten 
gleich:  wenn  ein  Israelit  einen  S.  oder  ein  S.  einen  Israeliten  aus  Versehen  tötet,  so 
muß  er  flüchten;  u.  wenn  absichtlich,  so  wird  er  getötet.  Wenn  der  Ochse  eines  Israeliten 
den  Ochsen  eines  S.  stößt,  so  ist  man  straffrei;  wenn  aber  der  Ochse  eines  S.  den 
Ochsen  eines  Israeliten  stößt,  so  muß  mau,  wenn  er  fromm  ist,  die  Hälfte  des  Schadens, 
wenn  er  aber  anerkannt  stößig  ist,  den  vollen  Schaden  ersetzen.  R.  Meir  sagte:  Wenn 
der  Ochse  eines  S.  den  Ochsen  eines  Israeliten  stößt,  so  muß  man,  mag  er  fromm  oder 
anerkannt  stößig  sein,  den  vollen  Schaden  ersetzen,  u.  zwar  von  den  besten  Gütern 
(während  der  vorher  erwähnte  halbe  Schadenersatz  nach  dem  Werte  des  stoßenden 
Tieres  berechnet  wird,  mit  diesem  also  steigt  u.  fällt;  mag  der  schädigende  (fromme) 
Ochse  noch  so  geringwertig  sein  u.  der  durch  ihn  angerichtete  Schaden  noch  so  groß, 
der  Schadenersatz  beträgt  nie  mehr  als  den  halben  Wert  des  stoßenden  Tieres,  s.  BQ 
1,4  Ende).  1|  K'^th  3,  1:  Wegen  folgender  Mädchen  (n-yj  im  Alter  von  12— I2V2  Jahr) 
findet  Geldstrafe  statt  (vgl.  Dt  22, 28 f.;  Ex  22, 15 f.):  wer  einer  ßastardin,  einer  N'^thina 
(Nachkömmling  der  Gibeoniten  Jos  9,  3  ff.),  einer  Samaritanerin  beiwohnt  usw.  —  Das- 
selbe als  Zitat  BQ  38''.  ||  Git  1,  5:  Jedes  Dokument,  auf  dem  ein  S.  als  Zeuge  sich  findet, 
ist  ungültig,  ausgenommen  Scheidebriefe  für  Frauen  u.  Freilassungsbriefe  für  Sklaven. 
Einmal  brachte  man  vor  R.  Gamliel  (um  90)  nach  K'^phar-fAvthanai  den  Scheidebrief 
einer  Frau,  dessen  Zeugen  samaritanische  Zeugen  waren,  u.  er  erklärte  ihn  für  gültig.  — 
Hierzu  pGit  1, 43",  51 :  In  bezug  auf  Geldangelegenheiten  sind  die  S.  verdächtig;  deshalb 
sind  sie  in  Geldsachen  (als  Zeugen)  ungültig;  aber  in  bezug  auf  Inzestsünden  sind  sie 
nicht  verdächtig,  u.  Zeugen  in  Kriminalsachen  sind  wie  Zeugen  in  Inzestsachen.  Hier- 
nach sollten  auch  beide  Zeugen  (auf  einem  Scheidebrief)  S.  sein  dürfen!  Das  ist  etwa» 
andres,  da  sie  mit  den  Einzelbestimmungen  der  Scheidebriefe  nicht  vertraut  sind.  Hier- 
nach sollte  auch  Ein  S.  (als  Zeuge  auf  einem  Scheidebrief)  untauglich  sein!  R.  Abin 
(wohl  IL,  um  370)  hat  gesagt:  Man  kann  es  damit  erklären,  daß  ein  Israelit-am  Ende 
unterschreibt  (hierdurch  ist  die  Korrektheit  des  Scheidebriefes  hinlänglich  sichergestellt). 
—  Parallelstelle  in  andrer  Fassung  Git  10^.  In  Qid  76^^  heißt  es  gleichfalls:  Die  S.  sind 
mit  der  Lehre  über  Verlobung  u.  Scheidung  nicht  vertraut.  —  In  letzterer  Hinsicht  ist 
bemerkenswert  Qid  75'':  Die  S.  vollziehen  die  Leviratsehe  mit  den  verlobten  Bräuten 
(ihrer  kinderlos  verstorbenen  Brüder)  u.  entlassen  die  verheirateten  Frauen  (ihrer  kinderlos 
verstorbenen  Brüder,  ohne  sie  zur  Leviratsehe  zuzulassen).   Sie  deuten  Dt  25,  5:  „Nicht 


Matth  10,5  (SB2e.f)  547 

soll  das  Weib  des  Verstorbenen  auswärts  einem  fremden  Manne  zuteil  werden"  so:  die, 
welche  auswärts  (von  ihrem  Manne,  also  als  dessen  Verlobte  in  ihres  Vaters  Haus) 
wohnt,  soll  nicht  einem  fremden  Manne  (sondern  dem  Levir)  zuteil  werden;  dagegen 
soll  die,  die  nicht  auswärts  (sondern  bei  ihrem  Manne  als  verheiratete  Frau)  wohnt, 
einem  fremden  Mann  (u.  nicht  dem  Levir)  zuteil  werden.  Dasselbe  pJ'^b  1,3*,  30.  Der 
samaritan.  Targum  entspricht  dieser  Tradition,  indem  er  n:sinn  Dt  25,  5  adjektivisch 
wiedergibt:  ■«■'3  ^2;'5  np*s^a  rn'^s  rrs  "hp  s"5  =  nicht  soll  die  auswärtige  Frau  des 
Verstorbenen  einem  auswärtigen  Mann  zuteil  werden.  —  Die  Parallelstelle  pGit  1, 48'^,  61 
s.  oben  S.  539 «.  —  Andersartig  ist  die  Tradition  Tr  Kuth  1  (3H) :  Ein  S.  entläßt  seine 
Schwägei'in  durch  die  Zeremonie  des  Schuhausziehens,  er  gibt  seiner  Frau  den  Scheide- 
brief u.  er  ist  beglaubigt,  den  Scheidebrief  von  einem  Israeliten  aus  dem  Ausland  zu 
überbringen.  ||  Qid  4,  3:  Alle,  die  nicht  in  die  Gemeinde  (Israel)  eintreten  dürfen,  dürfen 
sich  untereinander  heiraten.  R.  J*^huda  (um  150)  verbot  es.  R.  Elifezer  (um  90)  sagte: 
Einer,  dessen  (illegitime  oder  sonst  vom  Eintritt  in  die  Gemeinde  ausschließende)  Her- 
kunft sicher  feststeht,  darf  eine  Person  heiraten,  von  der  das  gleiche  gilt;  dagegen 
dürfen  Personen,  deren  (von  der  Gemeinde  ausschließende)  Abstammung  sicher  feststeht, 
sich  nicht  mit  Personen  verheiraten,  deren  Abstammung  zweifelhaft  ist,  ebensowenig 
dürfen  Personen,  deren  (beiderseitige)  Abstammung  zweifelhaft  ist  (hinsichtlich  der 
Legitimität),  sich  untereinander  verheiraten.  Bei  folgenden  Personen  gilt  die  Abstammung 
als  ungewiß:  bei  dem,  dessen  Vater  unbekannt  ist,  bei  einem  Findelkind  (dessen  Vater 
u.  Mutter  unbekannt  ist)  u.  bei  einem  S.  —  Auch  diese  Mischna  schließt  die  legitime 
Ehe  zwischen  Juden  u.  S.  aus;  s.  oben  S.  539«. 

f.  Handel  u.  Verkehr. 

TfAZ  2,4  (462):  Man  verkauft  ihnen  (den  Nichtisraeliten)  keine  Waffen  u.  keine 
WafiFengeräte,  auch  schärft  man  ihnen  die  Waffen  nicht  (sie  könnten  sie  gegen  Isr.  ver- 
wenden); ferner  verkauft  man  ihnen  keine  Holzblöcke  (wie  sie  zu  Hinrichtungen  durch 
das  Beil  oder  zum  Anschließen  Gefangener  benützt  wurden),  keine  Stricke,  keine  Hals- 
eisen (lies  i^''^''p  statt  T'^tp)  «•  keine  eisernen  Ketten  (alles  eventuell  Marterwerkzeuge 
für  Israeliten);  auch  keine  (Tora-)Bücher  oder  Gebetsriemen  oder  Türpfostenkapseln, 
gleichviel  ob  es  sich  um  einen  Nichtisraeliten  (-•;)  oder  einen  S.  (als  Käufer)  handelt. 
Dagegen  darf  man  ihnen  verkaufen  unreif  geschnittene  Halmfrüchte,  abgemähtes  Ge- 
treide u.  umgehauene  Bäume.  R.  J4iuda  (um  150)  sagte:  Unreife  Halmfrüchte  zum 
Schneiden  unter  der  Bedingung,  daß  sie  geschnitten  werden,  Getreide  zum  Mähen  unter 
der  Bedingung,  daß  es  gemäht  werde.  Bäume  zum  Fällen  unter  der  Bedingung,  daß 
sie  gefällt  werden.  —  Tf  AZ  3,  8:  Man  vermietet  (oder  verpachtet)  ihnen  keine  Häuser, 
Felder  u.  Weinberge,  man  gibt  ihnen  (als  Lohn)  keinen  Anteil  an  Landertrag  oder  Vieh, 
gleichviel  ob  es  sich  um  einen  Nichtisraeliten  oder  um  einen  Samaritaner  handelt.  — 
Der  Anfang  von  TfAZ2,  4  als  Bar  ?AZ  15'^  mit  folgendem  Zusatz:  Warum  (ist  das  auch 
von  den  S.  gesagt  worden)  ?  Wenn  man  sagen  wollte,  weil  sie  des  Blutvergießens  ver- 
dächtig seien,  so  könnte  man  erwidern:  Sind  sie  denn  dessen  verdächtig?  Man  hat 
doch  gesagt:  Man  darf  mit  ihnen  allein  sein;  vielmehr,  weil  er  es  an  einen  Nicht- 
israeliten weiter  verkaufen  wird.  Und  wenn  du  sagen  wolltest:  Ein  S.  tut  keine  Buße 
(läßt  von  dem  Verbotenen  nicht  ab),  ein  Israelit  aber  tut  Buße,  hat  nicht  Rab  Nachman 
(b.  Ja?aqob,  f  320)  gesagt,  Rabbah  b.  Abuha  (Schwiegervater  des  Vorigen,  etwa  um  270) 
.habe  gesagt:  Wie  man  gesagt  hat:  ,Es  ist  verboten  an  einen  NichtJuden  zu  verkaufen", 
so  ist  es  auch  verboten  an  einen  Israeliten  zu  verkaufen,  der  verdächtig  ist  an  einen 
NichtJuden  weiterzuverkaufen?  —  Die  weiteren  Parallelstellen  f  AZ  1,8;  pf  AZ  2, 40*',  45; 
bfAZ20''  erwähnen  die  S.  nicht.  H  TfAZ  3,  1  (463):  Man  darf  in  die  Herbergen  der  S. 
Vieh  einstellen,  auch  männliche  Tiere  bei  weiblichen  Herbergsbesitzern  u.  weibliche 
Tiere  bei  männlichen  Besitzern  u.  weibliche  Tiere  bei  weiblichen  Besitzern.  Man  übergibt 
ihrem  Hirten  Vieh,  u.  man  übergibt  einem  S.  ein  Kind,  um  es  schreiben  oder  ein  Hand- 
werk zu  lehren  u.  um  mit  ihm  allein  zu  sein.  Eine  Tochter  Israels  darf  einer  Samaritanerin 
Geburtshilfe   leisten  u.  deren  Kind  säugen,   u.  eine  Samaritanerin  darf  einer  Tochter 


548  Matth  10,  5  (83  2f.  g) 

Israels  Geburtshilfe  leisten  u.  deren  Kind  säugen  (was  alles  dem  Goi  gegenüber  teils 
überhaupt  nicht,  teils  nur  mit  Einschränkungen  erlaubt  ist,  s.  f  AZ  2,  1 ;  T?AZ  3,  2.  3).  — 
Die  Stelle  als  Bar  ?AZ  15''.  ||  T?AZ  3,  5  (463):  Wenn  sich  ein  Israelit  von  einem  Nicht- 
juden  (Goi)  scheren  läßt,  so  sieht  er  (dabei)  in  den  Spiegel  (um  jede  etwa  gefährliche  Hand- 
bewegung rechtzeitig  wahrnehmen  zu  können);  wenn  er  sich  von  einem  S.  scheren  läßt, 
so  sieht  er  nicht  in  den  Spiegel.  Den  Familiengliedern  des  Rabban  Gamliel  (um  90) 
erlaubte  man  es,  in  einen  Spiegel  zu  blicken,  weil  sie  der  (heidnischen)  Regierung  nahe- 
stehn.  —  Eine  Zus. Stellung  der  hierher  gehörenden  Bestimmungen  gibt  Tr  Kuth  1  (81): 
Man  läßt  die  S.  nichts  erwerben,  was  am  Boden  haftet;  man  verkauft  ihnen  keine 
Schafe  zum  Scheren,  kein  Getreide  zum  Abmähen,  keine  Bäume,  die  in  der  Erde  stehen, 
wohl  aber  Vieh  zum  Schlachten.  Man  verkauft  ihnen  kein  Großvieh,  selbst  dann  nicht, 
wenn  es  einen  Bruch  erlitten  hat;  auch  keine  Eselfüllen  u.  keine  Kälber,  wohl  aber 
verkauft  man  ihnen  diese,  wenn  sie  einen  Bruch  erlitten  haben,  der  nicht  mehr  aus- 
geheilt werden  kann.  Man  verkauft  ihnen  keine  Waffengeräte,  überhaupt  keinen  Gegen- 
stand, durch  welchen  der  Menge  Schaden  entstehen  kann.  Man  leiht  ihnen  u.  von  ihnen 
gegen  Zinsen.'  .  .  .  Eine  Tochter  Israels  leistet  einer  Samaritanerin  keine  Geburtshilfe  u. 
säugt  auch  deren  Kind  nicht;  aber  eine  Samaritanerin  darf  einer  Tochter  Israels  Geburts- 
hilfe leisten  u.  deren  Kind  mit  deren  Erlaubnis  säugen.  (Auch  diese  Bestimmung  fixiert 
späteres  Recht.)  .  .  .  Man  darf  Vieh  bei  einem  samaritan.  Herbergsbesitzer  einstellen  u. 
einen  S.  dingen,  das  Vieh  zu  treiben;  man  darf  sein  Vieh  einem  samaritan.  Hirten  über- 
geben u.  seinen  Sohn  einem  S.,  ihn  ein  Handwerk  zu  lehren;  man  darf  mit  ihnen  allein 
sein  u.  sich  mit  ihnen  an  jedem  Orte  unterhalten  {o—tc^,  vielleicht  verstümmelt  aus 
v'-izrz-i,  so  daß  in  diesem  Wort  ein  Überrest  aus  der  obigen  Bar  über  das  Haarschneiden 
vorläge,  s.  Kirchheim  z.St).  .  .  .  Folgende  Dinge  darf  man  ihnen  nicht  verkaufen:  man 
verkauft  ihnen  keine  gefallenen  u.  zerrissenen,  keine  Greuel-  u.  Kriechtiere,  keine  Fehl- 
geburt eines  Tieres,  kein  unrein  gewordenes  Hebeöl  (so  nach  der  Vermutung  Kirchheims), 
kein  Getränk,  in  das  eine  Maus  gefallen  ist.  kein  todkrankes  Stück  Vieh  u.  kein  Junges, 
das  dem  Leib  des  geschlachteten  Muttertieres  entnommen  ist.  Obwohl  die  Israeliten 
ein  todkrankes  Stück  Vieh  u.  ein  dem  Mutterleib  entnommenes  Tier  essen  dürfen  (wenn 
es  den  sonstigen  rituellen  Anforderungen  entspricht),  so  verkauft  man  es  doch  nicht 
den  S.,  weil  es  ein  auf  Irrtum  beruhender  Kauf  wäre;  u.  wie  man  diese  Dinge  ihnen 
nicht  verkauft,  so  kauft  nian  sie  auch  nicht  von  ihnen;  denn  es  heißt:  „Du  bist  ein 
für  Jahve  deinen  Gott  heiliges  Volk"  Dt  14,21.  Da  du  heilig  bist,  so  mache  nicht  ein 
andres  Volk  über  dich  hinaus  heilig  (was  dadurch  geschehen  würde,  daß  Israel  etwas 
von  den  S.  kaufte,  was  diese  als  unrein  verabscheuen).  —  Diese  Auslegung  von  Dt  14,  21 
findet  sich  anonym  bereits  in  SDt  14,  2  §  97  (94"):  „Du  bist  ein  für  Jahve  deinen  Gott 
heiliges  Volk"  Dt  14,  2.  .  .  .  Werde  nicht  für  ein  andres  Volk  die  Veranlassung  heilig  zu 
sein.  —  Als  Erläuterung  dazu  heißt  es  dann  SDt  14,  21  §  104  (95") :  Heilige  dich  selbst! 
Wenn  dir  erlaubte  Dinge  erlaubt  sind,  die  andre  nach  ihrem  Brauch  als  verboten  an- 
sehen, so  bist  du  nicht  berechtigt,  vor  ihren  Augen  von  der  Erlaubnis  Gebrauch  zu 
machen.  —  Dieser  Satz  als  Bar  auch  N'-d  15";  in  P^s  50  ^  zitiert  ihn  Abaje,  f  338/39, 
während  ihn  Rab  Ghisda,  f  309,  ebendas.  51"  ausdrücklich  mit  Bezug  auf  die  S.  aus- 
spricht: „Denn  diese  Menschen  würden  sich  daran  (an  die  Erleichterungen,  die  sie  bei 
den  Juden  gesehen  haben)  anklammern  u.  daran  auch  bei  andren  Dingen  festhalten" 
(nämlich  um  sich  noch  weitergehende  Erleichterungen  zu  beschaffen). 

g.  Annahme  als  Proselyten. 

Tr  Kuth  2  (36):  Von  wann  an  nimmt  man  die  S.  als  Proselyten  auf?  Wenn  sie  den 
Berg  Garizim  verleugnen  u.  sich  zu  Jerusalem  u.  zur  Auferstehung  der  Toten  bekennen. 

*  Diese  Bestimmung  gehört  in  ihrer  Allgemeinheit  erst  einer  späteren  Zeit  an; 
noch  im  :>.  Jahrh.  hat  man  nur  von  den  S.  in  Cäsarea.  die  sich  von  den  dortigen  Nicht- 
juden  wohl  in  nichts  mehr  unterschieden,  Zinsen  genommen :  R.  Jafaqob  b.  Acba  (um  300) 
hat  im  Namen  des  R.  Chanina  (um  225)  gesagt:  Den  S.  in  Cäsarea  darf  man  gegen 
Zinsen  leihen  pfAZ5,44^53. 


Matth  10,5(SB2g)  549 

Von  da  au  u.  weiter  gilt:  Wer  einen  S.  beraubt,  ist  wie  einer,  der  einen  Israeliten  be- 
raubt (der  S.  ist  in  allen  Stücken  dem  Israeliten  gleich). 

«.  Garizim  u.  Jerusalem. 

GnR  81  (52^):  R.  Jischmafel  b.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  180)  ging  hinauf  nach 
Jerusalem,  um  zu  beten;  er  kam  an  einer  Platane  (auf  dem  Garizim)  vorüber,  wo 
ihn  ein  S.  ■s":':;:;  erblickte,  der  zu  ihm  sprach:  Wohin  gehst  du?  Er  antwortete  ihm: 
Ich  gehe  hinauf,  um  in  Jer.  zu  beten.  Jener  sprach  zu  ihm:  Wäre  es  nicht  besser  für 
dich,  auf  diesem  gesegneten  Berge  (=  G.)  u.  nicht  auf  jenem  Dunghaufen  (srj'^pjsp  = 
Jerusalem)  zu  beten?  Ich  will  euch  sagen,  erwiderte  R.  Jischmafel  b.  Jose,  wem  ihr 
gleicht:  einem  Hunde,  der  gierig  nach  Aas  schnappt.  Weil  ihr  wißt,  daß  ein  Götzen- 
bild unter  ihm  (dem  Garizim)  verborgen  ist,  wie  es  heißt:  , Jakob  verbarg  alle  Götter 
der  Fremde  unter  der  Terebinthe  bei  Sikhem"  Gn  35,  4,  deshalb  .seid  ihr  so  gierig 
darauf.  Da  sprachen  sie:  Der  will  es  (das  Götzenbild)  nehmen!  Sie  berieten  sich 
wider  ihn,  um  ihn  zu  töten.  Da  stand  er  auf  u.  entfloh  in  der  Nacht.  —  In  der 
Parallelstelle  pf  AZ  5,  44 '^,  34  lautet  die  Tradition:  R.  Jischmafel  b.  J.  ging  nach  Neapolis 
(=  Sikhem).  Es  kamen  S.  zu  ihm.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  sehe,  daß  ihr  nicht  diesen 
Berg  verehrt,  sondern  die  Götzenbilder  unter  ihm,  wie  es  heißt  Gn  35,4:  Jakob  ver- 
barg usw.  Da  hörte  er  Stimmen,  die  sprachen:  Wir  wollen  uns  früh  aufmachen  u. 
jene  Dornen  forträumen!  Daraus  entnahm  er,  daß  jene  ihn  töten  wollten.  Er  machte 
sich  früh  auf  u.  entkam,  j  —  Über  die  von  Jakob  verborgenen  Götzenbilder  heißt  es 
im  Buch  der  Jubiläen  31,  1  f . :  Am  Neumonde  des  .  .  .  Monats  redete  Jakob  mit  allen 
Leuten  seines  Hauses,  indem  er  sprach:  Reinigt  euch  u.  wechselt  eure  Kleider;  (u.) 
wir  wollen  uns  aufmachen  u.  hinauf  gen  Bethel  ziehen,  wo  ich  an  dem  Tage,  da  ich 
vor  dem  Angesicht  meines  Bruders  Esau  floh,  ein  Gelübde  tat  dem,  der  mit  mir  war 
u.  mich  in  dieses  Land  in  Frieden  heimkehren  ließ.  Schafft  die  fremden  Götter  hin- 
weg, die  unter  euch  sind!  Und  sie  nahmen  die  fremden  Götter,  u.  was  au  ihren  Ohren 
u.  an  ihrem  Halse  war,  weg,  u.  die  Götzen,  die  Rahel  ihrem  Vater  Laban  gestohlen 
hatte,  gab  sie  alle  dem  Jakob,  u.  er  verbrannte,  zerstieß,  vernichtete  u.  verbarg  sie 
unter  der  Eiche,  die  im  Lande  von  Sichem  war.  —  Die  LXX  übersetzen  Gn  35,4; 
Kai  xcasxQvipsy  aviä  laxioß  vno  xi]v  xsQs'ßw'/oi'  r»;V  iy  Irjxl/uois  u.  setzen  dann  hinzu: 
xnl  KTicöksasy  ccvrd  swg  r/;s  OijueQoy  i^uagctg.  —  über  die  Götzenbilder  vgl.  weiter  S.  553. 
554  f.  II  GnR  32  (19''):  R.Jonathan  (b.  El?azar,  um  220)  ging  hinauf,  um  in  Jerusalem 
zu  beten.  Er  kam  an  einer  Platane  vorbei,  wo  ihn  ein  S.  —':"?»  erblickte,  der  zu  ihm 
sagte:  Wohin  gehst  du?  Er  antwortete  ihm:  Ich  will  hinaufgehn,  um  in  Jer.  zu  beten. 
Jener  sprach  zu  ihm:  Wäre  es  nicht  besser  für  dich,  auf  diesem  gesegneten  Berge 
u.  nicht  auf  jener  Dungstätte  anzubeten?  Er  antwortete  ihm:  Inwiefern  ist  dieser 
Berg  gesegnet?  Er  antwortete:  Weil  er  vom  Wasser  der  Sündflut  nicht  überschwemmt 
wovden  ist  (in  der  Parallele  DtR  3  begründet  mit  Ez  22,  24).  Es  war  verborgen  vor 
den  Augen  des  R.  Jonathan,  so  daß  er  ihm  nicht  antworten  konnte.  In  dem  Augen- 
blick sprach  sein  Eseltreiber  zu  ihm:  Rabbi,  wenn  du  es  mir  erlaubst,  so  will  ich  ihm 
antworten.  Er  sprach:  Nun  wohl!  Darauf  sagte  der  Eseltreiber:  Wenn  dieser  zu  den 
hohen  Bergen  gehört,  so  steht  geschrieben  Gn  7,  19:  ,AlIe  hohen  Berge  unter  dem 
ganzen  Himmel  wurden  (mit  Wasser)  bedeckt."  Wenn  er  aber  zu  den  niedrigen 
Bergen  gehört,  so  hat  die  Schrift  keine  Rücksicht  auf  ihn  genommen  u.  ihn  überhaupt 
nicht  beachtet  (also  kannst  du  deine  Behauptung  aus  der  Schrift  nicht  begründen). 
Alsbald  stieg  R.  Jonathan  von  seinem  Esel  u.  ließ  ihn  drei  Mil  weit  darauf  reiten  u. 
wandte  drei  Schriftstellen  auf  ihn  an:  Dt  7,  14:  , Weder  bei  dir  wird  ein  Unfrucht- 
barer oder  eine  Unfruchtbare  sein,  noch  bei  deinem  Vieh"  -,r>2r:2z-),  d.  h.  selbst  nicht 
bei  den  Viehtreibern  in  eurer  Mitte  cds»  -j-^p-az;  HL  4,  3:  „Wie  ein  Granatscheibchen 
deine  Wange  ~r-,-  hinter  deinem  Schleier  hervor,"  d.  h.  der  Leere  (Unwissende  't-^-', 
so  zu  lesen  statt  rp'~)  in  eurer  Mitte  ist  voll  von  Antworten  wie  der  Granatapfel 
(voll  von  Kernen  ist),  u.  Jes  54,  17:  „Jede  Waffe,  die  wider  dich  geschmiedet  wird, 
wird  kein  Glück  haben,  u.  jegliche  Zunge,  die  mit  dir  zum  Rechten  sich  erhebt,  wirst 


550  MatthlO,5(a3  2g) 

du  überführen;  dies  ist  das  Erbteil  der  Knechte  Jahves."  —  Parallelstellen  Midr  HL 
4,  4(111  b);  DtR3  (200'^). 

Um  dem  Pochen  der  S.  auf  ihren  „gesegneten  Berg"  Garizim  den  Schriftgrund 
zu  entziehen  —  offenbar  stammt  die  Bezeichnung  aus  Dt  11,  29;  27,  12  —  hatte  die 
ältere  Exegese,  deren  Repräsentant  R.  Elifezer,  um  90,  ist,  die  Behauptung  aufgestellt, 
daß  mit  dem  in  den  genannten  Dt.stellen  erwähnten  Garizim  nicht  der  bei  Sikhem 
gelegene,  sondern  ein  andrer  Berg  dieses  Namens  gemeint  sei.  Die  S.  schoben,  um 
die  Heiligkeit  ihres  , gesegneten  Berges"  sicher  zu  stellen,  in  Dt  11,  30  die  Orts- 
bestimmung „gegenüber  von  Sikhem"  ein  u.  mußten  sich  nun  gefallen  lassen,  daß 
man  sie  im  zweiten  nachchristl.  Jahrh.  jüdischerseits  der  Torafälschung  zieh;  immer- 
hin aber  erreichten  sie,  daß  die  jüngere  jüdische  Exegese  anerkannte,  daß  der  Dt  11,  29 
u.  27,  12  erwähnte  Garizim  mit  dem  bei  Sikhem  gelegeneu  Berge  dieses  Namens  iden- 
tisch sei.  SDt  11,  30  §  56  (87''):  „Sind  diese  (nämlich  der  fEbal  u.  Garizim)  nicht  jen- 
seits des  Jordan"  d.  h.  jenseits  des  Jordan  u.  weiterhin  (weithin  jenseits  des  Jordan)? 
so  hat  R.  J'huda  (um  loO)  gesagt.  „  Hinter  dem  Wege,  auf  welchem  die  Sonne  kommt," 
hinter  (d.  h.  westlich  von)  der  Stelle,  an  der  die  Sonne  aufgeht  u.  weiterhin?  (Der 
Standort  der  Israeliten  zur  Zeit  von  Dt  11,  30  war  östlich  vom  Jordan;  „weithin  jen- 
seits des  Jordan*  weist  also  tief  ins  Land  Israel  hinein  westlich  vom  Jordan;  eben- 
dahin weist  die  zweite  Ortsbestimmung:  „Hinter  dem  Wege,  auf  welchem  die  Sonne 
kommt"  =  weitweg  dem  Osten  gegenüber.)  Es  heißt  Gn  12,  6:  „Abräm  zog  im  Lande 
umher  bis  zur  Stätte  von  Sikhem  bis  zur  More-Terebinthe" :  wie  die  Terebinthe, 
von  der  da  die  Rede  ist,  Sikhem  bezeichnet,  so  bezeichnet  die  T.,  von  der  hier  (Dt 
11,  30:  „nahe  bei  den  Terebinthen  von  More")  die  Rede  ist,  Sikhem.  (R.  J'^huda  ver- 
tritt die  spätere  Exegese,  die  den  Garizim  Dt  11,  29  mit  dem  G.  bei  Sikhem  identi- 
fiziert; den  gleichen  Standpunkt  vertritt  der  Nächstgenannte.)  R.  Elfazar  b.  Jose^ 
(b.  Chalaphta,  um  180)  hat  gesagt:  Ich  habe  zu  den  Schriftgelehrten  der  S.  gesagt:  Ihr 
habt  die  Tora  gefälscht,  ohne  etwas  davon  zu  haben ;  denn  ihr  habt  geschrieben:  „Bei  den 
Terebinthen  von  More  bei  Sikhem"  d5»  n-i»;  -jiis  ';:::s  Dt  11,  30.  (Im  samaritan.Targum 
findet  ebenfalls  sich  der  Zusatz  „gegenüber  von  Sikhem"  ü2V  Vap.)  Auch  wir  räumen 
ein,  daß  dies  (die  in  Dt  11,  29  genannten  G.  u.  ?Ebal)  der  Berg  G.  u.  der  Berg  fEba! 
ist,  die  im  Gebiet  der  S.  liegen.  Wir  lernen  das  aus  der  Wortanalogie  (s.  Einl.  97) 
von  Dt  11,  30  u.  Gn  12,  6:  wie  die  More-Terebinthe,  die  dort  (Gn  12,  ö)  erwähnt  wird, 
Sikhem  bedeutet,  so  bezeichnet  auch  die  More-Terebinthe,  die  hier  (Dt  1 1,  30)  erwähnt 
wird,  Sikhem.  Woraus  aber  lernt  ihr  es  (die  ihr  die  Deduktionen  der  jüdischen  Ge- 
lehrten ablehnt)?  R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte:  Dies  (G.  u.  ?Ebal  in  Dt  11,  29)  ist  nicht 
der  Berg  G.  u.  der  Berg  sEbal,  die  im  Gebiet  der  S.  liegen;  denn  es  heißt  Dt  11,  30: 
„Sind  diese  nicht  an  der  Seite  des  Jordan",  d.  h.  dicht  am  Jordan?  „Hinter  dem 
Wege,  auf  dem  die  Sonne  kommt",  hinter  der  Stelle,  da  die  Sonne  untergeht  (also 
ganz  im  Osten  des  Landes  Israel  dicht  am  Jordan)?  „Im  Lande  des  K'^naJaniters"? 
Er  aber  (nämlich  Sikhem)  gehörte  nur  zu  den  Chivvitern  (vgl.  Gn  34,  2);  „der  in  der 
Ebene  wohnt";  sie  aber  (nämlich  die  S.)  wohnen  nur  in  den  Bergen;  „gegenüber  von 
Gilgal",  sie  aber  (die  S.)  können  Gilgal  nicht  sehen  (also  wohnen  sie  nicht  in  der 
Nähe  von  Gilgal  u.  der  Berg  G.  ist  nicht  der  in  ihrem  Gebiet  gelegene  Berg  dieses 
Namens).  R.  Eli?ezer  b.  Ja?aqob  (wohl  IL,  um  150)  sagte:  Die  Schrift  wollte  (in  Dt 
11,  30)  ihnen  nur  zum  zweiten  Mal  den  Weg  anzeigen  (den  die  Israeliten  ziehen  sollten), 
gleichwie  sie  es  früher  (bei  der  Entsendung  der  Kundschafter)  getan  hatte:  auf  diesem 
„Wege"  gehet  u.  nicht  sollt  ihr  auf  den  Äckern  gehn;  „der  wohnt"  d.  h.  durch  be- 
wohntes Land  ziehet  u.  nicht  durch  die  Wüste;  „in  der  Ebene"  d.  h.  durch  Flachland 
ziehet  u.  nicht  durch  die  Berge.  —  Die  Parallele  pSotaT,  21^18  lautet:  Dt  11,  30: 
„Sind  diese   nicht  jenseits   des  Jordan",  vom  Jordan  an  u.  weiterhin  (weit  westlich 


1  Ebenso  in  der  Parallelstelle  Sota  33 '^  dagegen  liest  pSota7,  21«  R.  EUazar 
b.  Schimfon  (um  180).  Bacher,  Tann.  2,  42:].  legt  die  Autorschaft  dem  R.  Schim?on 
b.  El?azar  (um  190j  bei. 


Matth  10,  5  (SB  2g)  551 

vom  Jordan)?  , Hinter  dem  Weg,  auf  dem  die  Sonne  kommt",  hinter  (westlich  von) 
der  Stelle,  da  die  Sonne  aufgeht?  „Im  Lande  des  K'^nafaniters,  der  in  der  Ebene 
wohnt,  gegenüber  von  Gilgal,  nahe  bei  den  Terebinthen  von  More?"  Das  ist  der 
Berg  G.  u.  der  Berg  ?Ebal,  die  im  Gebiet  der  S.  liegen.  Das  sind  Worte  des  R.  J'^huda. 
R.  Eli?ezer  sagte:  Das  ist  nicht  der  Berg  G.  u.  der  Berg  ?Ebal  der  S.;  denn  es  heißt 
Dt  11,  30:  „Sind  diese  nicht  jenseits  des  Jordan",  vom  Jordan  an  u.  weiter?  „Hinter 
dem  Weg,  auf  dem  die  Sonne  kommt",  hinter  der  Stelle,  da  die  Sonne  untergeht? 
„Im  Lande  des  K'^nafaniters?"  Diese  aber  (die  S.  in  Sikhem)  gehören  zu  den  Chivvitern. 
„Der  in  der  Ebene  wohnt?"  Diese  aber  wohnen  zwischen  den  Bergen;  „gegenüber 
von  Gilgal"?  Hier  gibt  es  kein  Gilgal.  „Bei  den  Terebinthen  von  More"?  Hier  gibt 
es  keine  Terebinthen  von  More.  Wie  versteht  dann  aber  R.  Elifezer  „den  Berg  G." 
u.  „den  Berg  fEbal"  in  Dt  11,  29?  Er  sagt:  Zwei  Steinhügel  haben  die  Israeliten 
(dicht  am  Jordan)  hergerichtet,  von  d^nen  sie  den  einen  „Berg  G."  u.  den  andren 
,,Berg  ?Ebal"  nannten.  Nach  der  Meinung  des  R.  J*^huda  sind  die  Israeliten  an  jenem 
Tage  (da  sie  durch  den  Jordan  zogen  bis  hin  zum  G.  u.  fEbal  im  Gebiet  der  S.,  ge- 
folgert aus  Dt  27.  2  in  Verbindung  mit  Vers  12)  120  Mil  weit  gegangen.  Nach  der 
Meinung  des  R.  Elifezer  (der  die  künstlichen  Berge  ?Ebal  u.  G.  dicht  am  Jordanufer 
errichtet  werden  läßt^  haben  sie  sich  nicht  von  der  Stelle  bewegt.  Bar:  R.  Eli?ezer 
b.  Jafaqob  sagte:  Die  Schrift  wollte  ihnen  (den  Israeliten  in  Dt  11,  30)  lediglich  den 
Weg  darlegen  u.  sagen:  Auf  dem  Wege  sollen  sie  gehn  u.  nicht  auf  den  Äckern; 
durch  bewohntes  Land  sollen  sie  ziehen  u.  nicht  durch  die  Wüste;  in  der  Ebene  sollen 
sie  gehn  u.  nicht  durch  die  Berge.  R.  El?azar  b.  Schim?on  hat  gesagt:  Ich  habe  zu 
den  Schriftgelehrten  der  S.  gesagt:  Ihr  habt  eure  Tora  gefälscht  u.  Habt  euch  selbst 
nichts  dadurch  genützt;  denn  ihr  habt  in  eurer  Tora  schreiben  lassen  (Dt  11,  30): 
„Bei  den  Terebinthen  von  More  bei  Sikhem."  Ist  es  denn  nicht  bekannt,  daß  damit 
(nämlich  mit  „Ter.  von  More")  Sikhem  gemeint  ist?  Aber  ihr  kennt  nur  nicht  die 
Auslegung  der  Wortanalogie  in  Gn  12,  6  u.  Dt  11,  30:  wie  dort  mit  den  Ter.  von  More 
Sikhem  gemeint  ist,  so  auch  hier.  —  Die  weitere  Parallele  Sota  33  "^  schließt  sich 
ziemlich  eng  an  Siphre  an.  —  Die  Identifizierung  des  G.  u.  des  fEbal  in  Dt  11,  29  mit 
den  gleichnamigen  Bergen  bei  Sikhem  ist  kanonisiert  worden  durch  Sota  7,  5:  „Als 
die  Israeliten  den  Jordan  überschritten  hatten,  kamen  sie  zum  Berg  G.  u.  zum  Berg 
fEbal,  die  in  Samarien  liegen,  seitwärts  von  Sikhem,  bei  den  Terebinthen  von  More, 
s.  Dt  11,  30  u.  Gn  12,  6;  wie  dort  (Gn  12,  6)  die  Ter.  von  More  Sikhem  bezeichnen,  so 
auch  hier  (Dt  11,  30).  |l  Josephus  berichtet  Ant.  IS,  4,  1  von  einem  Betrüger  zur  Zeit 
des  Pilatus,  der  sich  anheischig  machte,  den  S.  auf  dem  Berge  G.,  den  sie  für  den 
heiligsten  unter  den  Bergen  halten,  die  heiligen  Geräte  zu  zeigen,  die  dort  auf  Moses 
Veranlassung  vergraben  worden  seien:  üvx  äntjr^ccxTo  <fs  &oQvßov  xal  ro  Itt/uaQeiou 
iO^fog'  avaxQSCfSL  yc<Q  avzovg  avrJQ  iv  okiyco  rd  tpEvdog  zi&t'ueyog,  xal  e(p'  rj&ofrj  rrjg 
7jh]fhvog  Ts/i'ciCcDf  rd  nccyra,  xsksvcjf  sni  zo  ragtCsir  oQog  ccvrw  awaX^^stf,  o  ayvö- 
xaiöv  re  aihoi'g  oqlöi'  vnsiXrjTfiai,  lax^Qi^EXo  ts  nuQayevouivoig  dsi^sty  r«  Isgct  axsi'tj 
rfjtfs  xaroQWQvyfAEy«,  Mawastog  rrjde  ccvTcöy  noirjaafxsrov  xatä&saip.  —  Ebenso  sagt 
Joseph.  Bell.  J.  3,7,  32  vom  Berg  G.,  daß  er  den  S.  heilig  sei,  'öueq  avToig  sariv  Ixyiov.  — 
Über  die  Gerichtsverhandlung  vor  Ptolemäus  Philometor,  betr.  die  Heiligkeit  des 
jüdischen  u.  des  samaritan.  Tempels  s.  unten  Nr.  5  Joseph.  Ant.  13,  3,  4.  —  Zum  Fern- 
bleiben von  Jerusalem  als  Charakteristikum  der  S.  s.  N'^d  3. 10  oben  in  Nr.  2,  c  S.  543«. 

^.DieSamaritaneralsLeugnerdesAuferstehungsglaubens, 

Midr  Qoh  5,  10(271^):  Ein  S.  fragte  den  R.  Meir  (um  150)  u.  sprach  zu  ihm: 
Werden  die  Toten  wieder  aufleben?  Er  antwortete  ihm:  Ja!  Jener  sprach:  Lii  ver- 
borgenen oder  frei  öffentlich?  Er  antwortete  ihm:  Frei  öffentlich.  Jener  sprach:  Wo- 
her kannst  du  mir  das  beweisen?  Er  antwortete  ihm:  Nicht  aus  der  Schrift,  auch 
nicht  aus  der  traditionellen  Lehre  (so  hier  nrs's).  sondern  aus  einem  Vorgang  des  ge- 
wöhnlichen Lebens.  In  unsrer  Stadt  lebt  ein  vertrauenswürdiger  Mann ;  jeder  legt  bei 
ihm  im  geheimen  Deposita  nieder  u.  er  gibt  sie  ihnen  frei  öffentlich  wieder.    Da  kam 


552  Matth  10,  5  (S  2.  3) 

einer  u.  deponierte  etwas  bei  ihm  frei  öffentlich;  wie  wird  er  es  ihm  wiedergeben, 
im  geheimen  oder  frei  öffentlich?  Doch, wohl  frei  öffentlich?  Jener  sprach:  Ganz 
gewiß!  R.  Meir  antwortete  ihm:  Wollen  deine  Ohren  nicht  hören,  was  dein  Mund 
spricht?  Die  Menschen  legen  bei  ihren  Frauen  einen  weißen  (Samen- )Tropfen  zur  Auf- 
bewahrung nieder  u.  Gott  gibt  ihnen  diesen  Tropfen  frei  öffentlich  in  der  Gestalt 
eines  schönen  u.  vollkommenen  Geschöpfes  wieder.  Sollte  der  Tote,  der  öffentlich 
dahingeht,  nicht  vielmehr  frei  öffentlich  wiederkehren?  Wie  er  unter  lauten  Stimmen 
(der  Klage)  dahingeht,  so  wird  er  auch  mit  lauten  Stimmen  (der  Freude)  wieder- 
kommen. -  Den  gleichen  Gedanken  hat  R.  Joschijja  (um  140)  ausgesprochen  B'rakh  15'^; 
Sanh  92  ^  ||  Sanh  90'^:  Der  Patriarch  der  Saniaritaner  ^  fragte  den  R.  Meir  (um  150) 
u.  sprach:  Ich  weiß,  daß  die  Entschlafenen  wieder  aufleben  werden;  denn  es  heißt 
Ps  72,  16:  ,Sie  werden  hervoiblühen  (d.  h.  auferstehen)  aus  der  Stadt  wie  das  Gras 
der  Erde."  Aber  wenn  sie  auferstehen,  werden  sie  nackt  oder 'werden  sie  in  ihren 
Kleidern  auferstehn?  Er  antwortete  ihm:  Man  kann  vom  Weizenkorn  aus  die  Schluß- 
folgerung vom  Leichteren  auf  das  Schwerere  ziehen :  wenn  das  Weizenkorn,  das  nackt 
in  die  Erde  gelegt  wird,  in  wer  weiß  wie  vielen  Umkleidungen  wieder  hervorwächst, 
um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  den  Gerechten,  die  in  ihren  Gewändern  begraben 
werden!  ||  SNu  15,  31  §  112  {'6Z^):  , Ausgerottet,  ja  ausgerottet  soll  diese  Seele  werden, 
ihre  Sünde  ist  an  ihr*  Nu  15,  31.  R.  Schim?on  b.  Elfazar  (um  190)  hat  gesagt:  Von 
dieser  Schriftstelle  aus  habe  ich  die  Bücher  der  S.  der  Fälschung  geziehen;  denn  sie 
pflegen  zu  sagen:  Die  Toten  werden  nicht  wieder  aufleben.  Ich  sprach  zu  ihnen: 
Siehe,  es  heißt:  Ausgerottet,  ja  ausgerottet  soll  diese  Seele  werden,  ihre  Sünde  ist 
(trotzdem  die  Ausrottung  hier  unten  an  ihr  vollzogen  ist,  dennoch)  an  ihr!  Die  Worte: 
,Ihre  Sünde  ist  an  ihr"  wollen  nur  besagen,  daß  man  dereinst  wird  müssen  Rechen- 
schaft ablegen  am  Tage  des  Gerichts  (also  müssen  die  Toten  auferstehn,  um  vor 
Gottes  Gericht  erscheinen  zu  können).  —  In  Sanh  90''  lautet  die  Tradition  so: 
R.  Elifezer  b.  Jose  (1.  R.  Elfazar  b.  J.,  um  180)  hat  gesagt:  Mit  diesem  Wort  habe 
ich  die  Bücher  der  S.  n-ns  ■'-e-c  der  Fälschung  geziehen;  denn  sie  pflegen  zu  sagen: 
Es  gibt  keine  Auferstehung  der  Toten  nach  der  Lehre  der  Tora  (hier  im  engern 
Sinn  =  Pentateuch,  den  allein  die  S.  als  verbindlich  anerkennen).  Ich  sprach  zu  ihnen: 
Ihr  habt  eure  Tora  gefälscht, '^  ohne  dadurch  irgendeine  Stütze  füi-  eure  Behauptung 
zu  gewinnen,  daß  die  Wiederbelebung  der  Toten  sich  nicht  aus  der  Tora  beweisen 
lasse;  denn  es  heißt  ja  Nu  15,  31  (wie  oben);  „ausgerottet,  ja  ausgerottet  soll  sie 
werden",  nämlich  in  dieser  Welt;  „ihre  Sünde  ist  an  ihr",  wann  denn?  nicht  in  der 
zukünftigen  Welt  (am  Tage  der  Auferstehung)? 

3.  Gegen  das  Ende  der  mischnischen  Periode  setzte  wieder  eine 
schärfere  Stellungnahme  gegen  die  S.  ein.a  Schon  Rabbi  erklärte,  daß 
sie  in  allen  Stücken  den  NichtJuden  gleichzuachten  seien,  b  Später  warf 
man  ihnen  Taubenverehrung  vor  u.  klagte  sie  des  völligen  Abfalls  zum 
Heidentum  an  unter  Diokletian  (284 — 305  n.  Chr.).  Etwa  um  300  war 
der  völlige  Bruch  zwischen  der  Synagoge  u.  den  S.  zur  vollendeten  Tat- 
sache geworden:  von  da  an  galten  die  letzteren  als  Heiden. c 

O.  pfAZo,  44^',  30:  R.  Schim?on  b.  Elfazar  (um  190)  ging  in  eine  Stadt  der  S. 
'^^•'-'■ovi ;  es  kam  ein  (samaritan.)  Lehrer  zu  ihm,  zu  dem  er  sprach :  Bringe  mir  einen 
verschlossenen  Krug  (Wein) !    Er  antwortete  ihm:  Siehe,  ein  Quell  ist  vor  dir,  trinke 

1  So  nach  der  ansprechenden  Vermutung  Bachers,  Tann  2,  68,  der  statt  des  sinn- 
losen sri'^s  K-MEip  ^=  Königin  Kleopatra  zu    lesen  vorschlägt  -npis-  sp-iuE. 

*  Vermutlich  hat  man  dabei  an  Dt  11,  9  zu  denken,  wo  die  S.  das  Wort  , ihnen" 
tilgten,  aus  welchem  man  jüdischerseits  (zB  Rabban  Gamliel,  um  90,  Sanh  HO'-*)  einen 
Schriftbeweis  für  die  Auferstehung  hernahm:  es  heißt  nicht  „euch"  (den  Lebenden) 
zu  geben,  sondern  „ihnen"  (den  verstorbenen  Vätern)  zu  geben;  also  müssen  diese  einst 
wiederkehren.    Auch  der  samaritan.  Targum  hat  „ihnen"  in  Dt  1,  8  u.  11,  9  getilgt. 


Matth  10,  5  (»  3.  4)  553 

aus  ihm  (u.  nicht  von  dem  Wein  der  Samaritaner,  selbst  wenn  er  in  einem  ver- 
schlossenen Kruge  sich  befindet).  Er  bat  ihn  dringender;  doch  jener  erwiderte:  Siehe, 
ein  Quell  ist  vor  dir,  trinke  aus  ihm!  Als  er  sah,  dafs  er  ihn  weiter  dringend  bat, 
sprach  er  zu  ihin:  Wenn  du  Herr  deiner  Begierde  bist,  siehe,  ein  Quell  ist  vor  dir, 
trinke  aus  ihm;  wenn  aber  deine  Begierde  dein  Herr  ist,  „so  setze  ein  Messer  an 
deine  Kehle,  wenn  du  ein  Gieriger  bist"  (Spr  23,  2);  schon  sind  die  S.  entartet  (in 
Götzendienst).  Kürzer  Chull  6^.  —  Vgl.  auch  das  Urteil  des  R.  Schim'on  b.  Jochai 
(um  löO)  in  pP^s  1,27'',  45  unter  Nr.  2,  c  S.  543,1 

b.  TT''rum4.  14  (32):  Ein  S.  ist  wie  ein  Heide;  das  sind  Worte  Rabbis.  —  Dies 
Urteil  ist  oft  wiederholt  worden,  zB  pB^rakh  7,  11 '',  12;  pK'^th  3,  27^  54;  pD«'mai 
<5.  25"' 44;  pSch^ql,  46'',  8. 

C.  pcAZ  3,  44'',  39:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  den  Wein  der  S.  verboten  (so  daß 
er  wie  der  Wein  der  Heiden  als  Götzenopferwein  galt),  u.  zwar  auf  eine  Aussage  des 
R.  Chijja  (um  280),  des  R.  Asi  (um  300)  u.  des  R.  Ammi  (um  300)  hin.  Diese  waren 
nämlich  auf  den  Königsberg  (Gebirge  Ephraim)  gegangen,  wo  sie  einen  Goi  sahen, 
der  in  bezug  auf  den  Wein  der  S.  sich  verdächtig  machte.  Sie  kamen  u.  sagten  es 
vor  R.  Abbahu.  Dieser  sprach  zu  ihnen:  Das  sollten  wir  nicht  als  Vorwand  nehmen 
(ihren  Wein  zu  verbieten)?  Andre  wollen  als  Grund  folgendes  angeben:  An  einem 
Sabbatvorabend  fand  sich  einmal  im  ganzen  samaritan.  Lande  -;;  -u-'sp  •sii  kein  Wein 
vor;  u.  am  Tag  nach  dem  Sabbat  war  es  voll  von  dem  Wein,  den  die  Heiden  gebracht 
u.  die  S.  von  ihnen  gekauft  hatten.  Andre  wollen  folgenden  Grund  angeben:  Als  der 
Kaiser  Diokletian  hierher  kam,  ordnete  er  an  u.  sprach:  Alle  Nationen  sollen  (ihren 
Göttern)  ein  Trankopfer  darbringen  mit  Ausnahme  der  Juden!  Da  brachten  auch  die 
S.  das  (heidnische)  Trankopfer  dar,  infolgedessen  ihr  Wein  verboten  wurde.  Andre 
wollen  folgenden  Grund  angeben:  Einen  Götzen,  der  wie  eine  Taube  aussieht,  hatten 
sie,  u.  dem  brachten  sie  Trankopfer  dar.  Die  S.  von  Cäsarea  fragten  den  R.  Abbahu 
(dessen  Wohnsitz  Cäsarea  war):  Eure  Väter  haben  von  dem  Unsren  gegessen,  warum 
esset  ihr  nicht  von  dem  Unsren  ?  Er  antwortete  ihnen :  Eure  Väter  haben  ihre  Hand- 
lungen (ihren  Wandel)  nicht  verderbt,  ihr  aber  habt  eure  Handlungen  (heidnisch)  ver- 
derbt. —  Im  Parallelbericht  Chull  6-'  heißt  es:  Rab  Nachman  bar  Ji9chaq  (t  356)  hat 
gesagt:  Ein  Taubenbild  hatten  die  S.  auf  dem  Berg  G.  gefunden,  u.  das  haben  sie 
verehrt  (nach  dem  Zus.hang  zur  Zeit  des  R.  Meir,  um  150)  .  .  .  R.  Abbahu  hatte  den 
R.  Ji^chaq  b.  Joseph  (seinen  Schüler)  ausgesandt,  Wein  von  den  S.  zu  holen.  Dieser 
traf  einen  Alten,  der  zu  ihm  sagte:  Hier  gibt  es  keine  Beobachter  der  Tora.  R.  Ji^chaq 
kam  u.  erzählte  dies  vor  R.  Abbahu.  Dieser  ging  u.  erzählte  es  vor  R.  Ammi  u.  R.  Asi, 
u.  sie  rührten  sich  nicht  von  dannen,  bis  sie  die  S.  zu  völligen  Nichtisraeliten  '—33 
•)->-ii'23  erklärt  hatten.  |1  Sauh  63  "^  s.  unter  der  folgenden  Nr.  4. 

4.  Zur  Geschichte  der  Samaritaner. 

Tanch  ri-'i  (43''):  Die  S.  werden  nicht  zu  den  siebzig  Völkern  (der  Erde)  gerechnet, 
sondern  als  Überbleibsel  von  den  fünf  Völkern,  die  der  König  von  Assur  gefangen 
führte,  s.  2  Kg  17,  24:  Der  König  von  Assur  ließ  Leute  aus  Babel,  aus  Kutha,  aus 
Avva,  aus  Chamath  u.  aus  S'^pharvajim'  kommen  u.  siedelte  sie  in  den  Städten  Sama- 
riens  an.  R.  Jose  (b.  Chalaphta?,  um  150)  sagte:  Er  fügte  zu  ihnen  noch  vier  hinzu, 
so  daß  es  neun  wurden,  s.  Esra  4,  9:  Die  Dinäer,  u.  Apharsathkhäer,  Tarp'läer,  Aphar- 
säer,  Ark'^^väer,  Babylonier,  Schuschankhäer,  D^'häer,  «Elamäer  (im  Tanchumatext  die 
beiden  letzten  Namen:  s—in  u.  •mr:'-:-^).  Als  die  Israeliten  aus  Samarien  fortgeführt 
waren,  sandte  Sanherib  seine  Untergebenen  u.  siedelte  sie  in  Samarien  an,  um  der 
Regierung  Tribut  zu  zahlen.  Gott  sandte  Löwen  unter  sie,  s.  2  Kg  17,  25  f.  Der  König 
ließ  alle  Ältesten  Israels  (im  Exil)  zusammenrufen  u.  sprach  zu  ihnen:  Alle  jene  Jahre, 
da  ihr  in  euerm  Land  gewesen  seid,  hat  euch  kein  Wild  des  Feldes  gewürgt,  warum 
geschieht  es  denn  jetzt?  Sie  dachten:  Wir  wollen  ihm  etwas  sagen,  ob  er  uns  viel- 
leicht nach  unsrem  Land  wieder  entläßt.  Sie  sprachen  also  zu  ihm:  Das  Land  nimmt 
kein  Volk  an,  wenn   es  sich  nicht  mit    der  Tora   beschäftigt  u.  wenn  es   nicht  be- 


554  Matth  10,  5  (»  4) 

sclinitten  ist.  Er  antwortete  ihnen :  Gebt  mir  zwei  aus  eurer  Mitte,  daß  sie  dort  hin- 
gehen u.  jene  unterweisen;  u.  das  Wort  des  Königs  ist  unwiderruflich.  Alsbald  sandten 
sie  den  R.  Dos'^thai  b.  Jannai  u.  den  R.  Sabaja  ^  dorthin,  die  unterwiesen  sie  in  einem 
Torabuch  mit  samaritan.  Schrift.-  Gleichwohl  fürchteten  sie  Jahve  u.  dienten  (zugleich 
auch)  ihren  Göttern  (vgl.  2  Kg  17,  33),  bis  Esra  aus  Babel  heraufzog  u.  Zerubbabel  u. 
Josua  b.  J'^ho^adaq,  die  mit  dem  Bau  des  Heiligturas  begannen,  s.  Esra  5,  2.  In  jener 
Zeit  kamen  die  S.  ■s'z'r.^v  über  sie  zum  Kampf,  180000  Mann  stark.  Aber  waren  es 
denn  S.,  waren  es  nicht  vielmehr  Kuthäer  a—r-3?  Allein  sie  nannten  sich  nach  der 
Stadt  Samaria  „Samaritaner".  Auch  suchten  sie  den  Nehemia  zu  töten,  s.  Neh  6,  2, 
u.  unterbrachen  die  Arbeit  am  Hause  Jahves  zwei  Jahre,  s.  Esra  4,  24.  Was  taten 
Esra,  Z'^rubbabel  u.  Josua?  Sie  versammelten  die  ganze  Gemeinde  zum  Heiligtum 
Jahves  u.  ließen  300  Priester  u.  300  Posaunen  u.  300  Torabücher  u.  300  Kinder  holen: 
dann  stieß  man  in  die  Posaune,  während  die  Leviten  sangen  u.  spielten,  u.  verhängte 
über  die  S.  a"rn:  Acht  u.  Bann  u.  Exkommunikation  durch  das  Geheimnis  des  deutlich 
ausgesprochenen  Jahvenamens  vifo-n  av  u.  durch  eine  Schrift,  die  auf  die  Tafeln  ge- 
schrieben war,  u.  durch  einen  Bann  des  obern  (himmlischen)  u.  des  untern  Gerichts- 
hofs dergestalt,  daß  niemand  aus  Israel  das  Brot  eines  S.  ^r-3  essen  sollte;  von  hier 
aus  hat  man  gesagt:  ,Wer'das  Brot  eines  S.  ißt,  ist  wie  einer,  der  Schweinefleisch 
ißt";  u.  daß  kein  S.  ins  Judentum  aufgenommen  werden  u.  daß  sie  keinen  Anteil  an 
der  Auferstehung  der  Toten  haben  sollten;  denn  es  heißt  Esra  4,  3:  Nicht  euch  u.  uns 
gebührt  es,  das  Haus  Jahves  unseres  Gottes  zu  bauen  (d.  h.  nach  der  Deutung  in 
Pirqe  RE:  weder  in  dieser,  noch  in  der  zukünftigen  Welt)  u.  daß  sie  keinen  Anteil 
u.  keinen  Besitz  (1.  mit  Jalqut  u.  Pirqe  RE  nVn:  statt  ~~.~'^)  u.  kein  Gedächtnis  in 
Jerusalem  haben  sollten.  Dann  unterschrieben  u.  untersiegelten  sie  den  Bann  u.  sandten 
ihn  an  alle  Israeliten  in  Babel;  die  fügten  noch  einen  Bann  hinzu,  u.  der  König  Koresch 
verhängte  über  sie  einen  ewigen  Bann,  wie  es  heißt  Esra  6,  12:  Der  Gott,  welcher 
seinen  Namen  dort  wohnen  läßt,  stürze  jeden  König  u.  Volk,  welches  seine  Hand  aus- 
streckt, um  abzuändern,  um  zu  schädigen  dieses  Gotteshaus  in  Jerusalem.  —  Parallel- 
stellen: Pirqe  RE  38  (21«);  Jalqut  zu  2  Kg  17,  24. 

Sanh  63'^:  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Es  heißt 
2Kgl7,  30f.:  ,Die  Leute  von  Babel  machten  sich  die  p-j:;  r-rc."  Was  ist  das? 
Das  ist  eine  Henne.  „Die  Leute  von  Kuth  machten  sich  den  -;■:."  Was  ist  das? 
Das  ist  ein  Hahn.  „Die  Leute  von  Chamath  machten  sich  die  s-i-i-s."  Was  ist  das? 
Das  ist  ein  kahler  Bock  srrip  sn-ia.  „Die  cAvväer  machten  sich  den  rna:  (der  Text 
in  Sanh  liest  "a:)  u.  den  pri""."  Was  ist  das?  Das  ist  ein  Hund  (Beller,  von  nz: 
bellen)  u.  ein  Esel.  „  Die»  S'pharväer  verbrannten  ihre  Söhne  u.  Töchter  in  Feuer  dem 
Adrammelekh  u.  dem  cAnammelekh,  ~-'?.5?.j  ~?.'r.""'5~i  den  Göttern  von  S^pharvajim." 
Was  ist  das?  Das  ist  ein  Maultier  u.  ein  Pferd;  -psii-s,  weil  es  seinen  Herrn  durch 
das  Tragen  der  Last  ehrt  (i-n,  so  nach  Raschi);  -^'o:?,  weil  es  seinem  Herrn  im 
Kampf  antwortet  ("jy,  hier  wohl  =  erhört,  hilft).  —  Anders  pcAZ  S,  42'',  66:  „Die  Leute 
von  Babel  machten  sich  die  rizz  msD*,  d.  i.  eine  Henne  samt  ihren  Küchlein  Nr^"i;:ir 
n-rrns-i.  ^Die  Leute  von  Kuth  (andre  Ausgaben;  Leute  von  Beth-Schemesch)  machten 
sich  den  h:.^:"  (das  ist  die  Figur  eines  Fußes  V;i  als  Symbol  des  Glücksgottes,  mit 
Rücksicht  auf)  die  Segensspuren  Jakobs  u.  Josephs,  wie  es  heißt  Gn  30,  7 :  Ich  habe 
durch  Zeichendeutung  wahrgenommen,  daß  Jahve  mich  um  deinetwillen  (i-'-ja  = -7:^3) 
gesegnet  hat;  u.  Gn  39,  5  heißt  es:  Jahve  segnete  das  Haus  des  Ägypters  um  Josephs 

*  Der  Name  Dos'thai  stammt  wohl  aus  der  Erinnerung  an  den  samaritan.  Sekten- 
stifter Dositheus;  ein  R.  Dos*^thai  b.  Jannai  lebte  um  180;  statt  n--2C  lie.st  Jalqut  sao; 
Pirqe  RE  r"=T  ''. 

''■  Der  Text  lautet  in  Tanch:  i-siai  "i-p-^-j-iS  t"z  arra  crrs  •-'o'-'.;  in  Pirqe  RE 
D-:-!3i  "iip-ii:!:  sraa  n-Tn  -so  onx  •— tisV^  i^n:;  Jalqut  =  Pirqe  RE  unter  Fortlassung 
von  n-nav  Wir  folgen  dem  Text  von  Pirqe  RE,  halten  Tp-^Lii:  für  Korruptel  aus 
■'p-'j-icc  =  samaritanisch,  u.  a^rnz"  für  eine  erklärende  Randglosse  zu  -p'-i-ic,  ent- 
standen aus  =*r-:. 


Mafcth  10,  5  (33  4)  555 

willen.'  ^ Die  Leute  von  Chamath  machten  sich  die  Nfj-ms*  (Talmudtexfc  liest:  n»3'rs), 
das  ist  ein  Lamm  siys,  wie  es  heißt  Lv  5,  16:  „Der  Priester  schaffe  für  ihn  Sühnung 
durch  den  Widder  des  Schuldopfers*  oxxn  h^s.  ^Die  cAvväer  machten  sich  den  pn:" 
(so  der  Talmudtext  statt  Tan;),  das  ist  ein  Hund,  „u.  den  -r'^n",  das  ist  ein  Esel  si^an. 
,Die  S*^pharväer  verbrannten  ihre  Söhne  u.  Töchter  in  Feuer  dem  Adrammelekh  u. 
dem  cAnammelekh,"  das  ist  ein  Pfau  u.  ein  Fasan.  —  Damit  ist  der  Ausspruch  jenes 
S.  zu  vergleichen,  den  der  Patriarch  Seduna  von  Gaza  mitteilt,  s.  Heidenheim,  Die 
Samaritanische  Pent. -Version,  Genesis  S.VHI  Anm.,  u.  welcher  lautet:  „Denn  unsre 
Väter  haben  die  Tora  Jahves  verlassen  u.  haben  dem  Götzen  V-j-iP  (Hahn)  gedient, 
der  in  der  samaritan.  Sprache  ,Nergal'  heißt."  —  Über  die  Götzenbilder  der  S.  vgl. 
auch  S.  549  u.  553.  Il  Über  die  Gründung  des  Tempels  auf  dem  Garizim  durch  Sanballat 
u.  den  Priester  Manasse  s.  Joseph.  Ant.  11,  8,  2—7.  Il  M'^g  Tacan  9:  Am  21.  Kislev 
(ungefähr  Dezember)  ist  der  Tag  des  Garizimberges;  an  ihm  sind  Trauerriten  nicht 
erlaubt.  An  diesem  Tage  erbaten  sich  die  S.  von  Alexander  dem  Mazedonier  (in  Anti- 
patris,  s.  unten)  das  Haus  unsres  Gottes,  um  es  zu  zerstören.  Sie  sprachen  zu  ihm: 
Verkaufe  uns  ein  Stück  Land  auf  dem  Berge  Morijja  in  Größe  von  5  Kor  Aussaat. 
Er  gab  es  ihnen.  Sie  kamen  u.  taten  es  Schim<on,  dem  Gerechten  (der  aber  zur  Zeit 
Alexanders  des  Großen  nicht  Hoherpriester  war),  kund.  Was  tat  dieser?  Er  legte  die 
Priestergewänder  an  u.  hüllte  sich  in  sie  ein;  die  Vornehmen  Jerusalems  u.  tausend 
Ratsherren  begleiteten  ihn,  bedeckt  mit  weißen  Gewändern;  die  junge  Priesterschaft 
aber  schlug  an  die  Dienstgeräte,  während  Feuerfackeln  die  ganze  Nacht  hindurch  vor 
ihnen  leuchteten  (man  hatte  sich  also  sofort  auf  den  Weg  zum  König  gemacht).  Diese  (die 
Juden)  zogen  von  der  einen  Seite  u.  jene  (die  nach  Jerusalem  gekommenen  samaritan.  Ab- 
gesandten) von  einer  andren  Seite  (nach  Antipatris  in  Alexanders  Lager)  [bis  das  Morgen- 
grauen aufstieg.  Als  das  Morgengrauen  aufgestiegen  war]^  sprach  er  (Alexander)  zu 
ihnen  (den  S.  in  seiner  Umgebung):  Wer  sind  jene?  Es  antworteten  ihm  die  Verräter: 
Das  sind  die  Juden,  die  sich  gegen  dich  empört  haben.  Als  man  nach  Antipatris  kam, 
ging  ihnen  die  Sonne  auf;  als  man  bis  zum  ersten  Wachtposten  gelangt  war,  trafen  sie 
(die  Juden  u.  die  samaritan.  Abgesandten)  zusammen.  Mau  sprach  zu  ihnen:  Wer  seid 
ihr?  Sie  antworteten:  Wir  sind  Männer  aus  Jerusalem  u.  sind  gekommen,  das  An- 
gesicht des  Königs  zu  begrüßen.  Als  Alexander  von  Mazedonien  Schinicon,  den  Ge- 
rechten, erblickte,  stieg  er  herab  von  seinem  Wagen  u.  verneigte  sich  vor  ihm.  Man 
sprach  zu  ihm:  Ein  großer  König  wie  du  soll  sich  vor  diesem  Juden  verbeugen?! 
Er  antwortete:  Das  Bild  dieses  sah  ich  (in  einer  Vision),  als  ich  zum  Kampfe  auszog 
u.  siegte.  Er  sprach  zu  den  Juden:  Zu  welchem  Zweck  seid  ihr  gekommen?  Sie  ant- 
worteten: Den  Ort,  an  welchem  wir  für  dich  u.  für  deine  Herrschaft  beten,  daß  sie 
nicht  zerstört  werde  —  sollten  diese  dich  irreführen,  daß  du  ihn  ihnen  gäbest?  Er 
sprach:  Und  wer  wäre  das?  Sie  antworteten:  Die  Samaritaner,  die  vor  dir  stehen. 
Er  sprach:  Siehe,  sie  sind  in  eure  Hand  gegeben!  Was  machte  man  mit  ihnen?  Man 
durchstach  sie  an  ihren  Fersen  u.  hängte  sie  an  die  Schweife  ihrer  Pferde  u.  schleifte 
sie  über  Dornen  u.  Brennesseln,  bis  man  zum  Berge  G.  kam.  Diesen  pflügte  man  um 
u.  besäte  ihn  mit  Wicken,  gleichwie  sie  dem  Hause  unsres  Gottes  hatten  tun  wollen. 
Und  diesen  Tag,  an  welchem  man  solches  den  S.  getan  hatte,  machte  man  zu  einem 
Festtag.  Dasselbe  als  Bar  Joma  69  ^.  —  Diesen  Vorfall,  aber  mit  andrer  Motivierung, 
verlegt  Joseph.  Ant.  11,  8,  8 — 6  in  die  Zeit  des  Hohenpriesters  Jaddua,  des  wirklichen 
Zeitgenossen  Alexanders  des  Gr.  Wie  der  Name  des  Hohenpriesters,  den  die  Bar  nennt, 
der  geschichtlichen  Situation  nicht  entspricht,  so  ist  auch  die  Veranlassung  der  Gesandt- 
schaft an  AI.  u.  die  Verwüstung  des  Berges  G.,  von  denen  die  Bar  berichtet,  eitel  Legende. 
Der  Schluß  der  Geschichte  wird  herstammen  aus  Reminiszenzen  an  die  Zerstörung  des 


1  <AZ  o,  2:  Wenn  man  die  Figur  einer  Hand  oder  eines  Fußes  findet,    siehe,  so 
sind  diese  (als  Götzenbilder)  verboten,  weil  dergleichen  verehrt  wird. 

2  Die  in  eckige  Klammer  gesetzten  Worte  sind  aus  Joma  69=';  der  Text  in  M'^g 
Ta<an  hat  eine  störende  Lücke. 


556  Matth  10,  5  (5B  4.  5) 

Tempels  auf  dem  G.  durch  Johannes  Hyrkan  bald  nach  dem  Tode  des  Antiochus  VII. 
Sidetes  (f  128  v.Chr.),  s.  Joseph.  Ant.  13,  9,  1 ;  Bell  1,  2,  6.  -  Über  die  unter  Antiochus 
Ephiphanes  (175 — 164  v.  Chr.)  erfolgte  Umwandlung  des  samaritan.  Heiligtums  in 
einem  Tempel  des  Zst'g  Senog  s.  2  Makk  6,  2  u.  Joseph.  Ant.  12,  5,  5  (hier  irrtümlich 
Zsvg  'EXXijyiog).  \\  Joseph.  Ant.  12,4,  1:  Ey  tovtm  xm  X9°*''!'  Ictf/agst^s  ev  TiQÜaaovisg 
noAA«  tovglov6cdovg ixäxwaav,  n^vze  ^cÜQuy  avtiöy  TSfiorrsg,  xai  awjuctTa  dia^Tniactyreg' 
eysvsTo  de  r«rr«  ^n'i  do)(iEQS(og  'Oulov  (IL,  zur  Zeit  des  Ptolemäus  III.  Euergetes 
247—222  V.  Chr.).  1|  Joseph.  Ant.  13,  10,  2 f.:  Kai  aroaisvsi  (Ygxayog,  185—104  v.  Chr.) 
inl  ^üaftaQSiay  nöhv  6}(vgo)iäTt]y  .  .  .  TiQoaßakojy  d'at^trj  qpiXonöytjg  inoXiogxei,  fxiao- 
TJoyrjQwy  lolg  lufiuQEvaiy,  imsQ  lov  MaQtaarjyovg,  dnolxovg  oyzag  'Jov&cdwy  xni  avfi- 
udxovg,  rjSlxrjaay,  vnaxovoyisg  xoTg  xiov  Ivgwy  ßaatXevai  .  .  .  'ygxccyog  /uey  ovv  trjy 
■nöhy  iXwy,  eyiavxiä  nohoQxrjaag,  orx  tjgxsadt]  fiöyo)  xoi'xw,  «AP.«  xai  ndaccv  avirjy 
rjq;üyiaEy,  snixkvaroy  xoig  %sif^c<QQoi,g  noiijaecg'  diaaxdipag  ycig  avxrjy,  wtxs  si'g  /«pa- 
dgng  juexansasiy,  xd  arjfisTn  xoH  ysyEa&nt  tjots  nöh.y  Ki'x^y  «qcft'Afro.  ||  pTaEan  4,  68''55: 
Drei  u.  ein  halbes  Jahr  hat  Hadrian  Beth-ter  (im  Gebirge  Ephraim)  belagert,  während 
R.  Elcazar  aus  ModiEim  (der  Onkel  des  Bar-Kokb^ba)  in  Sack  u.  Asche  saß  u.  täglich 
betete:  Herr  der  Welten,  sitze  heute  nicht  zu  Gericht  (über  uns),  sitze  heute  nicht 
zu  Gericht!  Schon  wollte  Hadrian  abziehen;  da  sprach  ein  S.  zu  ihm:  Ziehe  nicht  ab; 
denn  ich  habe  ersehen,  was  zu  tun  ist,  daß  die  Stadt  dir  übergeben  werde.  Er  ging 
nun  durch  die  Wasserleitung  der  Stadt  hinein  nach  Beth-ter  (um  von  niemand  ge- 
sehen zu  werden).  Als  er  hineingelangt  war,  fand  er  den  R.  Elcazar  aus  ModiHm  im 
Gebet  stehend.  Er  stellte  sich,  als  ob  er  ihm  etwas  in  seine  Ohren  flüsterte.  Die 
Einwohner  der  Stadt  bemerkten  ihn,  führten  ihn  zu  Ben-Kozeba  u.  sprachen  zu  ihm: 
Wir  haben  diesen  Alten  gesehen,  wie  er  deinem  Oheim  etwas  gesagt  hat!  Er  sprach 
zu  ihm:  Was  hast  du  ihm  gesagt  u.  was  hat  er  dir  geantwortet?  Er  sprach:  Wenn 
ich  es  dir  sage,  so  tötet  mich  der  König  (Hadrian),  u.  wenn  ich  es  dir  nicht  sage,  so 
tötest  du  mich;  aber  es  ist  besser  für  mich,  daß  mich  der  König  tötet  u.  nicht  du! 
So  sagte  er  ihm  denn:  Er  (R.  El'azar)  hat  mir  gesagt:  Ich  werde  die  Stadt  ausliefern. 
Ben-Kozeba  ging  zu  R.  El'azar  aus  ModiHm  u.  sprach  zu  ihm:  Was  hat  dir  dieser 
S.  gesagt?  Er  antwortete:  Gar  nichts!  Und  was  hast  du  zu  ihm  gesagt?  Er  ant- 
wortete: Gar  nichts!  Da  gab  er  (Ben-Kozeba)  ihm  einen  Fußtritt  u.  tötete  ihn.  So- 
fort ging  eine  Himmelstimme  aus,  welche  sprach:  Wehe,  du  nichtsnutziger  Hirt,  der 
die  Herde  im  Stich  läßt!  Schwert  über  seinen  Arm  u.  sein  rechtes  Auge!  Sein  Arm 
müsse  gar  verdorren  u.  sein  rechtes  Auge  gar  erblindeö!  (Sach  11,  17).  Du  hast  den 
R.  EUazar  aus  Modilim  getötet,  den  Arm  von  ganz  Israel  u.  das  rechte  Auge ;  deshalb 
soll  der  Arm  dieses  Mannes  (d.  h.  dein  Arm)  gar  verdorren  u.  sein  rechtes  Auge  gar 
erblinden.  Alsbald  wurde  Beth-ter  eingenommen  u.  Ben-Kozeba  getötet.  Man  kam 
mit  seinem  Kopf  zu  Hadrian.  Er  sprach:  Wer  hat  diesen  getötet?  Ein  S.  antwortete: 
Ich  habe  ihn  getötet.  Er  sprach  zu  ihm:  Zeige  mir  sein  Glied  (das  membrum  virile, 
nach  den  Kommentaren  hier  =  Leib).  Er  zeigte  ihm  sein  Glied.  Man  fand  eine 
Schlange  darum  gewunden.  Da  sagte  er:  Wenn  ihn  nicht  die  Gottheit  getötet  hätte, 
wer  hätte  ihn  töten  können!  Dann  wandte  er  auf  ihn  Dt  32,  30  an:  Wenn  nicht  ihr 
Fels  sie  verkauft  u.  Jahve  sie  ausgeliefert  hätte!  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  Midr 
KL  2,  2  (63").  !|  pJ«'b  S,  9^,  14:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Dreizehn  Städte  haben 
sich  in  den  Tagen  der  Religionsverfolgung  (unter  Hadrian)  mit  den  S.  vermischt  (sind 
samaritanisch  geworden). 

5.  Gehässigkeiten,  Feindseligkeiten,  Disputationen  u.  Neckereien. 

Sir  50, 25  f.  (nach  dem  hebr.  Text):  Gegen  zwei  Völker  empfindet  meine  Seele  Ekel 
u.  das  dritte  ist  kein  Volk:  gegen  die  Bewohner  von  Se?ir  u.  Philistäa  u.  das  törichte 
Volk  (-35  -ii,  vgl.  Dt  32,21),  das  in  Sikhem  wohnt.  ||  Joseph.  Antiq.  1S,2,2:  Als  Co- 
ponius  (der  erste  Prokurator  Judäas,  etwa  6 — 9  n.  Chr.)  Judäa  verwaltete,  der,  wie  ich 
gesagt  habe,  mit  Quirinius  dorthin  gesandt  war,  trug  sich  folgendes  zu.  Wenn  das  Fest 
der  ungesäuerten  Brote,   das  wir  Passah  nennen,  gefeiert  wurde,  hatten  die  Priester 


Matth  10,  5  (SB  5)  557 


• 


die  Gewohnheit,  von  Mitternacht  an  die  Tore  des  Tempels  zu  öffnen.  Kaum  war  da- 
mals nun  deren  Öffnung  erfolgt,  da  nahmen  S.,  die  heimlich  nach  Jerusalem  gekommen 
waren,  eine  Verstreuung  menschlicher  Geheine  in  den  Tempelhallen  vor  (um  das  Heilig- 
tum levitisch  unrein  zu  machen).  Infolgedessen  verbot  man  allen  (Samaritanern)  das 
Heiligtum,  woran  man  früher  nicht  gedacht  hatte.  |!  Joseph.  Antiq.  20, 6,  1 :  Den  S.  er- 
wuchs Feindschaft  gegen  die  Juden  aus  folgender  Veranlassung.  Die  Galiläer  hatten 
die  Gewohnheit,  wenn  sie  zu  den  Festen  nach  der  heiligen  Stadt  pilgerten,  ihren  Weg 
durch  das  Gebiet  der  S.  zu  nehmen.  Damals  (etwa  i.  J.  52  n.  Chr.  zur  Zeit  der  Statt- 
halterschaft des  Ventidius  Cumanus)  fingen  etliche  aus  dem  Dorfe  Ginäa,  das  im  Ge- 
biet Samarias  u.  der  großen  Ebene  liegt,  unterwegs  mit  ihnen  eine  Schlägerei  an,  wobei 
sie  ihrer  viele  töteten.  (Es  folgt  dann  der  ausführliche  Bericht  über  die  Rache,  die 
man  jüdischerseits  an  den  S.  nahm,  nachdem  der  von  den  letzteren  bestochene  Cumanus 
die  Bestrafung  der  Schuldigen  abgelehnt  hatte,  über  das  Einschreiten  des  Cumanus 
gegen  die  Juden,  über  die  Verhandlungen  der  Juden  mit  Ummidius  Quadratus,  dem 
Statthalter  von  Syrien,  u.  vor  dem  Kaiser  in  Rom,  die  endlich  zur  Verbannung  des 
Cumanus  führten).  —  Ein  Parallelbericht  findet  sich  Joseph.  Bell.  2, 12,  3  ff.  Der  Vorfall 
ist  ein  Seitenstück  zu  Lk9, 52f.  !|  RH  2,2:  Früher  zündete  man  Signalfackeln  an  (auf 
den  Bergen,  um  den  Anfang  eines  neuen  Monats  bekanntzugeben);  als  aber  die  S. 
damit  Unfug  trieben  (indem  sie  zur  Irreführung  der  Juden  ihrerseits  Bergfeuer  auf- 
lodern ließen),  bestimmte  man,  daß  Boten  ausgesandt  würden  (um  die  Meldung  den 
entfernt  wohnenden  Juden  zu  überbringen).  Vgl.  TRH  1, 2  (210).  Nach  pRH  2,  58=».  5  hat 
Rabbi  die  Signalfackeln  abgeschafft.  pSchebifith  9,  88 '^  29:  (Als  R.  Schimfon  b.  Jochai, 
um  150,  mit  seinem  Sohne  El?azar  das  dreizehnjährige  Höhlenleben  aufgegeben  hatte) 
sprach  er:  W^ir  wollen  Tiberias  reinigen  (durch  Aufsammeln  u.  Entfernen  von  mensch- 
lichen Gebeinen).  Er  nahm  Lupinen  (von  Priesterhebe),  zerschnitt  sie  u.  warf  sie  umher. 
Überall,  wo  sich  ein  Toter  befand  (in  einem  Acker),  kam  er  zum  Vorschein  u.  stieg 
(durch  ein  Wunder)  an  die  Oberfläche  empor.  (Dann  kennzeichnete  er  die  Stelle,  damit 
sich  die  Priester  vor  Verunreinigung  hüten  möchten.)  Ein  S.  hatte  ihn  beobachtet  u. 
sprach:  Ob  ich  nicht  hingehn  soll,  um  diesen  Alten  (^er  Juden  lächerlich  zu  machen? 
Er  nahm  einen  Toten,  ging  hin  u.  verscharrte  ihn  an  einer  Stelle,  die  jener  gereinigt 
hatte.  Dann  kam  er  zu  R.  Schimfon  b.  Jochai  u.  sprach  zu  ihm:  Hast  du  nicht  die  u. 
die  Stelle  gereinigt?  Komm  mit,  so  will  ich  dir  dort  einen  Toten  hervorholen.  R.  Schim?on 
b.  Jochai  sah  im  heiligen  Geist  (d.  h.  durch  prophetische  Begabung),  daß  jener  ihn  dort 
hingelegt  hatte,  u.  sprach:  Ich  bestimme  über  die  Oberen  (—  die  auf  der  Erde  leben), 
daß  sie  hinabfahren  (ins  Grab),  u.  über  die  Unteren  (=  die  in  der  Erde  ruhen),  daß 
sie  emporkommen  (u.  leben).  Und  so  geschah  es.  (Der  S.  starb  u.  der  von  ihm  Ver- 
scharrte stand  auf.)  Dasselbe  P'^siq  89'^;  GnR  79  (51-');  MidrQoh  10,8  (47^);  vgl.  auch 
Schab  34=*.  InMidrEsth  1, 9  (89")  fehlt  dieser  Abschnitt;  desgl.  in  Midr  Ps  17  §  13  (67'').  j| 
pMSch4, 55c,  S:  Ein  S.  sprach:  Ich  will  gehn  u.  diesen  Alten  der  Juden  (gemeint  ist 
R.  Jischmaf el  b.  Jose,  um  180)  lächerlich  machen.  Er  kam  zu  ihm  u.  sprach  zu  ihm: 
Ich  habe  im  Traume  vier  Zedern,  vier  Sykomoren,  ein  Gestell  u.  das  Fell  einer  Kuh 
gesehen,  u.  dieser  Mann  (d.  h.  ich)  saß  u.  trat  darauf.  Er  antwortete :  Möge  der  Geist 
dieses  Mannes  (d.  h.  dein  Geist)  hinschwinden!  Das  ist  gar  kein  Traum;  aber  trotzdem 
sollst  du  nicht  leer  ausgehn:  Die  »vier  Zedern"  bedeuten  die  vier  Seitenbretter  des 
Bettes;  die  „vier  Sykomoren"  die  vier  Füße  des  Bettes;  „das  Gestell"  die  Latten  (die 
den  Boden  des  Bettes  bilden),  „das  Fell"  einen  Tierbalg  mit  Stroh  gefüllt  (1.  n^t  statt 
ü~z),  „die  Kuh"  die  Decke  (die  über  die  Strohunterlage  gebreitet  wird;  so  nach  dem 
Kommentar;  Levy  3, 224 '»i  sri-ir  bedeutet  die  Latten,  eig.  Finger,  über  welche  die  Stricke 
gezogen  werden).  „Dieser  Mann  saß  u.  trat  darauf"  bedeutet:  Dieser  Mann  (=  du) 
wird  darauf  liegen  u.  weder  leben  noch  sterben  können.  Und  so  geschah  es  ihm.  — 
Dasselbe  mit  Abweichungen  Midr  KL  1, 1  (47*').  Voraufgeht  hier  eine  längere  Erzählung, 
wie  R.  Jischma?el  b.  Jose  einen  unwissenden  samaritan.  Traumdeuter  rektifiziert,  um 
dessen  Deutungen  seine  eigenen  entgegenzusetzen.  ||  pMQ  '.i,  SS**,  33:  R.  Schimfon 
b.  Laqisch  (um  250)  reiste  auf  einer  Straße.   Es  gesellte  sich  ein  S.  zu  ihm,  der  eme 


558  Matth  10,  5  (33  5) 

0 

Gotteslästerung  ausstieß,  u.  R.  Scbimfon  zerriß  daiob  sein  Gewand;  jener  stieß  aber- 
mals eine  Gotteslästerung  aus,  u.  dieser  zerriß  wiederum  sein  Gewand.  Dann  stieg  er 
aber  von  seinem  Esel  u.  gab  dem  S.  einen  Schlag  auf  das  Herz  u.  sprach  zu  ihm: 
Du  Frevler,  hat  deine  Mutter  genug  Kleider  für  mich  (daß  ich  die  meinigen  deinet- 
wegen zerreißen  kann)?  —  Dasselbe  pSanh  7,  23'^,  5.  ||  pf  AZ  3, 42',  19:  Als  R.  Abbahu 
(um  300)  starb,  weinten  die  Säulen  von  Cäsarea  (Wohnsitz  des  R.  Abbahu).  Da  sprachen 
die  (dort  wohnenden)  S.:  Die  (Säulen)  lärmen  vor  Freude!  Die  Israeliten  antworteten 
ihnen:  Sollten  die  Fernen  (d.  h.  die  Säulen)  wissen,  wie  die  Nahen  (d.  h.  die  S.)  vor 
Freude  lärmen?  (Über  Abbahu  als  Gegner  der  S.  s.  oben  S.  553  Anm.  f.)  Die  Kommentare 
bieten  als  zweite  Erklärung:  Sollten  die  Fernen  (d.  h.  die  S.)  verstehen,  wie  die  Nahen 
(d.h.  die  Säulen)  lärmen  vor  Trauer?  —  Der  Parallelbericht  inMQ25'\  der  die  Be- 
merkung der  S.  nicht  erwähnt,  enthält  nur  die  Worte:  Als  die  Seele  des  R.  Abbafhu 
zur  Ruhe  einging,  ließen  die  Säulen  von  Cäsarea  Wasser  (=  Tränen)  niederfallen.  — 
Vgl.  die  Erzählung  des  Eusebius,  wie  bei  einer  Christenverfolgung  in  Cäsarea  die 
dortigen  Säulen  Tränen  über  die  vorgekommenen  Greuel  vergossen  hätten,  s.  de  Mart. 
Palaest.  9,  12  (Hist.  eccl.  VIII,  appendix).  ||  pTa?an  3,  66'',  6:  R.  Acha  (um  320)  ver- 
anstaltete dreizehn  Fasten,  aber  es  fiel  kein  Regen.  Als  er  hineinging  (in  die  Synagoge), 
begegnete  ihm  ein  S.,  der  ihm  zurief:  Rabbi,  Rabbi,  drücke  den  Regen  aus  deinem 
Mantel  aus!  Er  erwiderte  ihm:  Beim  Leben  dieses  Mannes  (d.h.  bei  deinem  Leben), 
der  Himmel  wird  Wunder  tun  u.  das  Jahr  wird  ein  fruchtbares  Averden;  aber  dieser 
Mann  (=  du)  wird  nicht  mehr  zu  den  Lebenden  gehören!  Und  der  Himmel  tat  Wunder 
u.  das  Jahr  wurde  ein  fruchtbares;  aber  jener  S.  starb  u.  alle  Leute  sagten:  Kommt, 
seht  die  Sonnenbahre!  (Das  Wort  ist  ironisch  wie  das  obige  vom  Ausdrücken  des 
Mantels.)  ||  LvR  5  (108'')  Bar:  R.  Judan  (um  150)  hat  gesagt:  Wie  jene  S.,  die  zu  betteln 
verstehen.  Da  kommt  einer  von  ihnen  zu  einer  Frau  u.  sagt  zu  Uir:  Wenn  du  eine 
Zwiebel  hast,  gib  sie  mir!  Wenn  sie  sie  ihm  gegeben  hat,  sagt  er:  Ist  eine  Zwiebel 
etwas  ohne  Brot?  Wenn  sie  ihm  Brot  gegeben  hat,  fährt  er  fort:  Gibt  es  eine  Speise 
ohne  Trank?  So  ißt  u.  trinkt  er.  |i  Joseph.  Antiq.  13,  3,  4:  Unter  den  in  Alexandria 
wohnenden  Juden  u.  S.,  die  dep  zur  Zeit  Alexanders  ^  (des  Großen)  auf  dem  Berge  G. 
erbauten  Tempel  verehrten,  war  ein  Streit  ausgebrochen,  u.  zwar  stritt  man  sich  über 
die  beiderseitigen  Heiligtümer  zur  Zeit  eben  dieses  Ptolemäus  (gemeint  istPt.  VI.  Philo- 
metor).  Die  Juden  sagten,  der  Tempel  zu  Jerusalem  sei  der  nach  dem  Gesetz  Mosis 
erbaute,  u.  die  S.  sagten,  der  auf  dem  G.  sei  es.  Sie  gingen  also  den  König  au,  daß 
er  mit  seinen  Vertrauten  die  Verhandlungen  hierüber  in  einer  Gerichtssitzung  anhören 
u.  die  Unterliegenden  mit  dem  Tode  bestrafen  möchte.  Für  die  S.  führten  Sabbäus  u. 
Theodosius*  das  Wort,  für  die  Jerusalemer  aber  u.  die  Juden  Andronikus,  der  Sohn 
des  Messalamus.  Sie  schwuren  aber  bei  Gott  u.  bei  dem  König,  daß  sie  ihre  Beweise 
in  Gemäßheit  des  Gesetzes  vorbringen  wollten;  zugleich  baten  sie  den  Ptolemäus,  daß 
er  denjenigen  töten  möchte,  den  er  beim  Eidbruch  ertappen  sollte.  Nachdem  der  König 
viele  seiner  Vertrauten  zur  Beratung  herangezogen  hatte,  saß  er  zu  Gericht,  indem  er 
die  Sprecher  verhörte.  Die  in  Alexandria  sich  aufhaltenden  Juden  waren  aber  wegen 
der  Männer  äußerst  besorgt,  denen  es  beschieden  war,  die  schwere  Verantwortung  für 
den  Tempel  in  Jerusalem  auf  sich  zu  nehmen;  denn  sie  empfanden  es  schwer,  wenn 
einer  an  dem  Ansehn  dieses  alten  u.  in  der  ganzen  Welt  so  hochberühmten  Heiligtums 
rütteln  sollte.  Nachdem  Sabbäus  u.  Theodosius  eingewilligt  hatten,  daß  Andronikus 
zuerst  das  Wort  nehme,  begann  dieser  seine  Beweisgründe  aus  dem  Gesetz  u.  aus  der 
Aufeinanderfolge  der  Hohenpriester  beizubringen:  wie  jeder  von  diesen  die  hohepriester- 
liche Würde  von  seinem  Vater  her  überkommen  u.  dem  Heiligtum  vorgestanden  habe; 
ferner  wies  er  darauf  hin,  daß  alle  Könige  Asiens  das  Heiligtum  in  Jer.  mit  Weih- 
geschenken u.  kostbaren  Gaben  geehrt  hätten,  während  den  Tempel  auf  dem  G.,  als 

1  Das  ist  ein  Irrtum  des  Josephus;   der  Tempel  des  G.  ist  vermutlich  schon  in 
den  Tagen  des  Nehemia  erbaut  worden,  s.  Schürer'*  2, 21. 

'■*  Vgl.  die  beiden  Namen  Sabaja  u.  Dosethai  Tanch  zv.  (43'')  oben  S.  553  f. 


Matth  10,  5  (SB  5)  559 

ob  er  gar  nicht  vorhanden  gewesen  wäre,  niemand  erwähnt,  noch  auf  ihn  Rücksicht 
genommen  hal&e.  Während  Andronikus  dieses  u.  vieles  andre  dieser  Art  ausführte, 
überzeugte  er  den  König  dermaßen,  daß  dieser  entschied,  daß  das  Heiligtum  in  Jer. 
nach  Maßgabe  der  Gesetze  Mosis  erbaut  sei,  u.  daß  Sabbäus  u.  Theodosius  zu  töten 
seien.  i|  GnR4(4*):  Ein  S.  sprach  zu  R.  Meir  (um  150):  Ist  es  möglich,  daß  der,  von 
dem  geschrieben  steht  Jer '2:5, 24:  , Erfülle  ich  nicht  den  Himmel  u.  die  Erde?"  mit 
Mose  zwischen  den  beiden  Stangen  der  Bundeslade  geredet  hatV  Bringe  mir,  sagte 
R.  Meir,  ein  Vergrößerungsglas,  u.  nun  schau  dein  Bild  darin!  Er  sah  es  groß.  Darauf 
sprach  R.  Meü-:  Bringe  mir  ein  Verkleinerungsglas!  Nachdem  er  es  gebracht  hatte, 
sprach  R.  Meir:  Schau  dein  Bild  darin!  Er  sah  es  klein.  —  Wenn  nun  schon  du,  ver- 
setzte R.  Meir,  der  du  Fleisch  u.  Blut  bist,  dich  selbst  verändern  kannst  in  jede  be- 
liebige Größe,  um  wieviel  mehr  vermag  das  der,  welcher  sprach  u.  die  Welt  ward. 
Wenn  er  will,  heißt  es  von  ihm:  Erfülle  ich  nicht  den  Himmel  u.  die  Erde?  u.  wenn 
er  will,  redet  er  mit  Mose  zwischen  den  beiden  Stangen  der  Bundeslade.  ||  GnR4(4l'j: 
Ein  S.  fragte  den  R.  Meir:  Ist  es  möglich,  daß  Gottes  Brünnlein  Wassers  die  Fülle 
habe  (Ps65, 10)  noch  von  den  sechs  Schöpfungstagen  her,  ohne  daß  es  irgendwie  ab- 
genommen hätte?  Er  antwortete:  Geh  hin  u.  nimm  ein  Bad;  aber  wiege  dich  vor  u. 
nach  dem  Bade !  Jener  ging  hin.  Als  er  herauskam  u.  sich  wog,  hatte  er  um  nichts 
abgenommen.  Da  sprach  R.  Meir  zu  ihm:  All  jener  Schweiß,  der  herausgetreten  ist, 
ist  er  nicht  aus  dir  herausgetreten?  Jener  antwortete:  Ja!  —  Wenn  nun  bei  dir,  er- 
widerte R.  Meir,  der  .du  Fleisch  u.  Blut  bist,  dein  Quell  um  nichts  abgenommen  hat, 
um  wieviel  mehr  wird  dies  vom  Quell  Gottes  gelten!  Da  siehst  du  es:  Gottes  Brünnlein 
hat  Wassers  die  Fülle  seit  den  sechs  Schöpfungstagen  u.  hat  um  nichts  abgenommen.  || 
GuR4  (4*):  Ein  S.  fragte  den  R.  Meir:  Ist  es  möglich,  daß  die  oberen  Wasser  auf  Grund 
eines  (göttlichen)  Wortes  schweben?  (s.  Gnl,t) — 8).  Dieser  antwortete:  Ganz  gewiß! 
Bringe  mir  einen  Trichter  (wohl  eine  enge  Röhre).  Nachdem  man  ihm  einen  solchen  ge- 
bracht hatte,  legte  er  eine  Goldplatte  darüber  (über  die  obere  Öffnung);  aber  das  Wasser 
stand  nicht  (sondern  floß  unten  aus  der  Röhre  ab);  er  legte  eine  Silberplatte  darüber,  aber 
das  Wasser  stand  nicht.  Als  er  aber  seinen  Finger  darauf  legte,  stand  das  Wasser.  —  Du 
hast  ja  deinen  Finger  daraufgelegt!  fiel  der  S.  ein.  Da  sprach  R.  Meir:  Wenn  mein  Finger, 
der  ich  Fleisch  u.  Blut  bin,  das  Wasser  stehen  läßt,  sollte  das  der  Finger  Gottes  nicht  viel 
mehr  tun  ?  |1  GnR  94  (59  *=) :  R.  Meir  sah  einen  S.  "S'^?:»  u.  sprach  zu  ihm :  Von  wem  stammst 
du  ab?  Er  antwortete:  Von  den  Nachkommen  Josephs.  R.  Meir  sprach:  Nein.  Der 
S.  erwiderte:  Von  wem  denn  sonst?  Er  sprach:  Von  den  Nachkommen  Issakhars. 
Jener  sprach:  Woher  weißt  du  das?  R.  Meir  entgegnete:  Weil  es  heißt  Gn  46,  13: 
„Und  die  Söhne  Issakhars  waren  Tola?  u.  Puvva  u.  Job  u.  Schimron"  —  das  sind  die 
S.  n;:~»?«j.  Der  S.  ging  zum  Patriarchen  (der  S.)  u.  sprach  zu  ihm:  Ein  Alter  der  Juden 
hat  mir  etwas  gesagt,  was  mich  in  Erstaunen  gesetzt  hat.  Er  sprach:  Was  ist  das? 
Er  antwortete:  Er  hat  zu  mir  gesagt:  Von  wem  stammt  ihr  ab?  Ich  antwortete:  Von 
den  Nachkommen  Josephs.  Da  sagte  er  zu  mir:  Nein,  sondern  von  den  Nachkommen 
Issakhars;  denn  es  heißt  Gn46, 13:  ,Und  die  Söhne  Issakhars  waren  Tolaf  u.  Puvva 
u.  Job  u.  Schimron"  —  das  sind  die  S.  Der  Patriarch  antwortete:  Bei  deinem  Leben,  aus 
den  Nachkommen  Josephs  hat  er  dich  herausgebracht  u.  in  die  Nachkommen  Issakhars 
hat  er  dich  nicht  hineingebracht.  —  Daß  die  S.  unter  gewissen  Umständen  ihre  Her- 
kunft von  Joseph  betont  haben,  bezeugt  auch  Josephus  mehrfach,  zB  Antiq.  }>,  14,  3: 
oi  xttin  fisy  ztjt'  'Eßgcdwy  y'AuiiriKv  XovHctioi  (:=  'srir),  xma  Je  rr]v  'EXXtJi^iou  ^a/uKQSiTai. 
oV  TiQÖg  fisrctßoktjf  xal  avyyiveuty  oxay  fisy  £v  ngchrovraq  ßk6n(üat*rovg  ^lovdaiovg 
avyyevslg  dnoxaXovaiv,  tu?  f|  'iwarjTiov  qvvieg,  xal  jTJf  dg/jjv  ixsixtsy  rrjg  ngog  ai'rovg 
E^ofTsg  oixstÖTtjzoc'  oTctf  ds  maiaavxag  ctftuaiy,  ovSu^o^sv  nvioig  ngoaijxsiy  Xs'yovaiv, 
ovd'  sivcti  öixcaof  ovJsy  ccvioig  svi'oiag  rj  ys'yovg,  ak^cc  fisioixovg  dXkoE&ysTg  dnoqpuifovaif 
sai'Tovg.  —  Antiq.  11,  8,  6:  Eiai  yaQ  oi  Zn/uc<Qsig  rotovroi,  rrjf  cpvaiv  ...  iv  f^sv  laig 
avfi(poQmg  ofiug  tovg  ^lovdniovg  uQvovfiai  avyysvstg  e^eiy,  o/nokoyovyrsg  jors  Ttjy 
i'kfi&SOKy.  oTccy  de  rt,  tisqI  ainoi'ig  '/.n/UTjQoy  tifwaiy  ix  Tv^rjg,  sSc(l(pyt]g  ernnr^dwaby  nviajy 
Tfl  xoiycjylif,   nQoarjxeiy  aviolg  i.Eyovxsg,  xal  ix  iwy  'luxjtjnov  y£ysa)^oyovyxeg  nvxovg  ex- 


560  Matth  10,  5  (»  5).  10,  8  (31  1.  2) 

yövuy  'E<pQatjuov  xal  Muvaaaov.  \\  P"siq  98*:  Ein  S.  fragte  den  R.  Meir  (um  150):  Sagt 
ihr  nicht,  daß  Jakob,  euer  Vater,  die  Wahrheit  ist?  Er  antwortete :  Ja!  denn  es  steht 
geschrieben:  Du  wirst  Jakob  Wahrheit  verleihen  Micha  7, '20.  Der  S.  sprach:  Nun  hat 
Jakob  den  Stamm  Levi  ausgesondert  (nämlich  als  Zehnt  für  Gott),  also  einen  von  zehn 
Stämmen ;  hätte  er  nicht  auch  noch  von  den  übrigen  zwei  Stämmen  aussondern  (den 
Zehnt  geben)  sollen?  Du  meinst,  erwiderte  R.  Me'ir,  daß  ihrer  zwölf  waren;  ich  meine, 
daß  ihrer  vierzehn  waren;  denn  Ephraim  u.  Manasse,  heißt  es  Gn  48,5,  sollen  mir  wie 
Rüben  u.  Simeon  gehören.  —  Um  so  besser,  versetzte  derS.;  unterstützest  du  damit 
nicht  meine  Worte?  Hast  du  Mehl  hinzugetan,  so  tue  auch  Wasser  dazu!  (Waren  es 
14  Stämme,  so  mußte  er  sogar  noch  vier  über  zehn  hinaus  verzehnten).  Gestehst  du 
mir  zu,  entgegnete  R.  Meir,  daß  es  vier  Mütter  waren  (jene  Mütter  der  Söhne  Jakobs)? 
So  gehen  also  von  ihnen  (den  14  Stämmen)  vier  Erstgeborene  ab;  denn  ein  Erst- 
geborener wird  nicht  verzehntet,  weil  er  schon  als  solcher  heilig  (Gotte  angehörig)  ist, 
u.  Heiliges  löst  Heiliges  nicht  aus  (also  blieben  noch  zehn  Stämme  zu  verzehnten,  u. 
das  hat  Jakob  voll  geleistet  mit  der  Aussonderung  des  einen  Stammes  Levi).  Da  rief 
derS.  aus:  Heil  deiner  Nation,  in  deren  Mitte  du  weilst!  Parallelstellen:  GnR  70  (45»); 
TanchB  nsi  §  12  (12^).  ||  Zwei  weitere  Gespräche  des  R.  Me'ir  mit  Samaritanern  über 
die  Auferstehung  der  Toten  aus  Midr  Qoh  5, 10  \i.  Sanh  90l>  s.  oben  S.  551  f. 

10,8  3t:  Kranke  heilet,  Tote  erwecket. 

1.  da&eyovyras  &£Q«nEv£Ts.  —  Krankenheilungen  durch  Jesu  Jünger  s.  bei  10,1. 

2.1'exQovgiyeiQSTS.  —  Einigen  Rabbinen  werden Totenaufer weckungen  zugeschrieben. 

LvR  10(111''):  „Nimm  Ahron  u.  seine  Söhne  mit  ihm"  Lv8,2.  Das  meint  auch 
Spr  24,  1 1 :  ,  Errette  die,  welche  zum  Tode  geschleppt  werden,  u.  wenn  Leute  zur  Würgung 
hinwanken,  o  tue  Einhalt!"  Antoninus  (s.  Einl.  133)  kam  zu  Rabbi;  er  traf  ihn,  wie 
er  dasaß  u.  seine  Schüler  vor  ihm.  Ant.  sprach  zu  ihm:  Sind  das  die,  von  denen  du 
so  rühmend  sprichst?  Er  antwortete:  Ja  ■j-s!  der  Kleinste  unter  ihnen  kann  Tote  er- 
wecken. Nach  einigen  Tagen  wurde  ein  Diener  des  Ant.  zum  Tode  krank.  Ant.  ließ 
Rabbi  sagen:  Sende  mir  einen  von  deinen  Schülern,  daß  er  mir  diesen  Toten  wieder 
lebendig  mache !  Er  sandte  ihm  einen  von  seinen  Schülern ;  einige  sagen,  es  sei  R.  Schimf  on 
b.  Chalaphta  (um  190)  gewesen.  Dieser  ging  hin  u.  fand  den  Diener  hingestreckt.  Er 
sprach  zu  ihm:  Was  liegst  du  hingestreckt,  während  dein  Herr  auf  seinen  Füßen  steht? 
Sofort  bewegte  er  sich  u.  stand  auf.  II  cAZ  10^:  Ant.  hatte  einen  unterirdischen  Gang, 
der  von  seinem  Hause  nach  dem  Hause  Rabbis  führte.  Täglich  nahm  er  zwei  Diener 
mit;  den  einen  tötete  er  an  der  Tür  von  Rabbis  Haus,  den  andren  tötete  er  an  der 
Tür  seines  eigenen  Hauses;  er  sagte  zu  Rabbi:  Zu  der  Zeit,  da  ich  komme,  soll  niemand 
bei  dir  angetroffen  werden  (damit  die  Zus.künfte  geheimbleiben).  Eines  Tages  traf  er 
den  R.  Chanina  b.  Chama  (um  225)  bei  ihm.  Da  sprach  Ant.:  Habe  ich  nicht  zu  dir  ge- 
sagt: Zu  der  Zeit,  da  ich  komme,  soll  niemand  bei  dir  angetroffen  werden?  Rabbi 
antwortete:  Dieser  ist  kein  Mensch  t):-s  -3  (wörtlich:  Sohn  eines  Menschen).  Er  sprach: 
(Dann)  sage  dem  Diener,  der  an  der  Tür  liegt,  daß  er  aufstehe  u.  komme.  R.  Chanina 
b.  Chama  ging  u.  fand  ihn  tot  vor.  Da  sprach  er:  Wie  soll  ich  es  machen?  Wenn 
ich  gehe  u.  ihm  sage,  daß  er  tot  ist,  so  soll  man  keine  Unglücksbotschaft  bringen; 
lasse  ich  ihn  u.  gehe  fort,  so  würden  wir  die  Regierung  geringschätzen.  Da  bat  er  um 
Erbarmen  für  ihn  u.  machte  ihn  lebendig  n-'-ns-:  u.  sandte  ihn  hinein.  Da  sprach  Ant.: 
Ich  weiß  wohl,  der  Geringste,  der  in  eurer  Mitte  ist,  macht  Tote  lebendig  a-rn  n^nö; 
gleichwohl  zu  der  Zeit,  da  ich  komme,  soll  niemand  bei  dir  angetroffen  werden.  |j 
M'^g7b:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Der  Mensch  ist  verpflichtet,  sich  am  Purimfest  zu 
berauschen,  bis  er  nicht  zu  unterscheiden  weiß  zwischen  „verflucht  sei  Haman!"  u. 
„gesegnet  sei  Mardokhai!"  Rabbah  (f  330)  u.  R.  Z'lira  hielten  miteinander  das  Purim- 
mabl.  Rabbah  berauschte  sich  u.  schlachtete  den  R.  Z'  cira.  Am  nächsten  Tage  bat  er  um 
Erbarmen  u.  machte  ihn  (wieder)  lebendig  n-^rrsn.  Nach  einem  .fahr  sagte  er  zu  ihm:  Es 
komme  der  Herr,  daß  wir  das  Purimmahl  miteinander  halten.  Er  antwortete  ihm:  Nicht 
in  jeder  Stunde  ereignet  sich  ein  Wunder !  \\  Ferner  s.  pSch'^bicith  0, 38 '',  29  oben  S.  557  ß. 


Matth  10,  8  (SB)  561 

10,  8  35:  Umsonst  habt  ihr  empfangen,  umsonst  sollt  ihr  geben. 
Smqsccv  =  D3r(3).  —  Schon  Hillel,  der  Alte  (um  20  v.  Chr.),  hat  davor 
gewarnt,  daß  ein  Gelehrter  seine  Torakenntnisse  zum  eignen  Vorteil 
ausnütze.  Die  gleiche  Mahnung  spricht  R.  Cadoq  (um  50  n.  Chr.)  aus: 
Die  Tora  sei  kein  Spaten,  um  damit  zu  graben,  d.  h.  kein  Mittel  zum 
Geldverdienen,  a  Dem  entsprach  die  Forderung,  daß  der  Unterricht  den 
Gelehrtenschülern  unentgeltlich  zu  erteilen  sei.  Als  Schriftbeweis  diente 
namentlich  Dt  4,  5 ;  doch  auch  andre  Stellen,  b  Zu  den  Disziplinen,  in 
denen  der  Unterricht  umsonst  sein  sollte,  rechnete  man  nach  N«d  4,  3 
(s.  in  g):  Midrasch,  Halakhoth  u.  Haggadoth,  die  drei  Hauptfächer  der 
Traditionswissenschaft.  Der  M.  umfaßte  die  Auslegung  der  Tora  zwecks 
Darstellung  der  ihr  zu  entnehmenden  gesetzlichen  (halakhischen)  Be- 
stimmungen. Die  literarischen  Erzeugnisse  dieser  Tätigkeit  waren  die 
sog.  halakhischen  Midraschim:  M*^khiltha,  Siphra  u.  Siphre  (s.  Einl. 
Kap.  16).  Unter  „Halakhoth"  verstand  man  die  Einzelbestimmungen 
des  geltenden  Rechts  samt  ihrer  Begründung  aus  der  Schrift,  ihrer 
Herleitung  aus  bereits  anderweitig  anerkannten  halakhischen  Sätzen  u. 
ihrer  Anwendung  in  der  juristischen  Praxis.  Mit  „Haggadoth"  endlich 
wurde  das  übrige  Traditionsmaterial  bezeichnet,  soweit  sein  Inhalt  sich 
nicht  auf  die  Halakha  bezog:  vor  allem  die  erbauliche  Auslegung  der 
Oeschichtserzählungen  des  ATs,  die  Darlegung  der  religiös-sittlichen 
Wahrheiten  der  Schrift,  die  Erörterung  des  Verhältnisses  Israels  zu  den 
übrigen  Völkern,  das  unendliche  Gebiet  der  Zukunftshoffnungen  Israels 
u.  was  man  sonst  an  geschichtlichen,  geographischen,  ethnographischen, 
naturkundlichen,  philosophischen  u.  legendarischen  Stoffen  für  mitteilens- 
wert  hielt.  —  Dagegen  w^ar  den  Elementarlehrern,  die  die  Kinder  im 
Lesen  der  Schrift  u.  in  den  Anfangsgründen  des  mündlichen  Gesetzes 
unterwiesen,  die  Annahme  einer  Bezahlung  durchaus  gestattet. c  Sie 
erhielten  nicht  bloß  aus  öffentlichen  Gemeindemitteln  ein  bestimmtes, 
freilich  wohl  nur  niedrig  bemessenes  Gehalt,  d  sondern  waren  auch  be- 
rechtigt, von  den  Eltern  der  Kinder  Schulgeld  zu  erheben  u.  Geschenke 
entgegenzunehmen. e  Auch  hierfür  diente  Dt  4,  5  als  biblische  Recht- 
fertigung, g  Um  aber  den  Grundsatz  der  Unentgeltlichkeit  des  Unter- 
richts auch  in  bezug  auf  den  Elementarunterricht  möglichst  aufrecht- 
zuerhalten, faßte  man  das  Schulgeld  nicht  als  Bezahlung  für  den  Unter- 
richt selbst  auf,  sondern  als  Entschädigung  für  den  Verlust  an  Zeit  u. 
anderweitigem  Verdienst,  der  dem  Lehrer  aus  seiner  Schultätigkeit  er- 
wachse. Andre  sahen  darin  eine  Vergütung  des  Lehrers  für  die  Be- 
aufsichtigung der  Kinder  während  der  Schulzeit,  noch  andre  für  seine 
Mühe,  den  Kindern  die  richtige  Abteilung  der  Verse  u.  Absätze  bei- 
zubringen.* Nachdem  so  den  Kinderlehrern  das  Recht  zuerkannt  war, 
sich  den  Unterricht  in  der  Schrift  bezahlen  zu  lassen,  dehnte  man  diese 
Bestimmung  auf  jeden  Unterricht  in  der  Schrift  aus.  Auch  Erwachsene 
sollten  verpflichtet  sein,  für  ihre  Unterweisung  in  der  Schrift  u.  im 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  36 


562  Matth  10,  8  (SB) 

Targum  ihrem  Lehrer  eine  Entschädigung  zu  gewähren,  g  Man  wird 
hierbei  in  erster  Linie  an  die  Unterweisung  in  der  korrekten  Verlesung 
des  Schrifttextes  beim  Gemeindegottesdienst  zu  denken  haben.  Zu  dieser 
Verlesung  war  ja  jeder  berechtigt,  der  dazu  befähigt  war;  s.  den  Ex- 
kurs: Der  altjüd.  Synagogengottesdienst.  —  So  anerkannt  der  Grundsatz 
der  Unentgeltlichkeit  des  gelehrten  Unterrichts  gewesen  ist  —  daß  er 
überall  streng  zur  Durchführung  gebracht  worden  ist,  wird  man  nicht 
sagen  dürfen ;  es  fehlt  nicht  an  Ausführungen,  die  jenem  Grundsatz  wider- 
sprechen, h  Doch  das  sind  Ausnahmen,  die  die  Regel  selbst  nicht  aufheben. 
a.  Aboth  1, 13:  Hillel  pflegte  zu  sagen:  . .  .  Wer  sich  der  Krone  (d.  h.  des  Gesetzes- 
studiums zu  seinem  eignen  Vorteil)  bedient,  der  schwindet  dahin.  —  Das.  4,  5:  R.  Qadoq 
(I.,  um  50)  sagte:  .  .  .  Mache  die  Tora  nicht  zu  einer  Krone,  um  dich  durch  sie  zu  ver- 
herrlichen, auch  nicht  zu  einem  Spaten,  um  damit  zu  graben.  Und  so  pflegte  Hillel 
zu  sagen:  Wer  sich  der  Krone  bedient,  schwindet  dahin.  Siehe,  jeder,  der  die  Worte 
der  Tora  .sich  zunutze  macht,  nimmt  sein  Leben  aus  der  Welt  fort.  ||  N'^d  62*:  Den 
R.  Tarphon  (um  100)  traf  ein  Mann  zur  Zeit,  da  die  Feigenmesser  bereits  zus.gelegt 
waren  (die  Feigenernte  zu  Ende  ging),  wie  er  (auf  einem  Grundstück  dieses  Mannes 
Feigen)  aß  (was  nach  Beendigung  der  Feigenernte  an  sich  nicht  verboten  war).  Er 
steckte  ihn  in  einen  Sack,  nahm  ihn  u.  trug  ihn  fort,  um  ihn  in  einen  Fluß  zu  werfen. 
Da  rief  Tarphon:  Wehe  dem  Tarphon,  daß  dieser  ihn  tötet!  Als  dieser  Mann  das  hörte, 
ließ  er  ihn  los  u.  entfloh.  R.  Abbahu  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Chanina  b.  Gamliäl 
(um  120)  gesagt:  Sein  lebelang  hat  dieser  Gerechte  (T.)  hierüber  Leid  getragen.  Er 
sprach:  Wehe  mir,  daß  ich  mich  der  Krone  der  Tora  zu  meinem  eignen  Vorteil  bedient 
habe!  (Weil  er  ein  Toralehrer  war,  war  er  ja  von  jenem  Mann  freigelassen  woi'den.) 
Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Wer  sich 
der  Krone  der  Tora  zu  seinem  eignen  Vorteil  bedient,  der  wird  aus  der  Welt  gerissen. 
Das  läßt  sich  durch  eine  Folgerung  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere  beweisen:  wenn 
BelschaQ^ar,  weil  er  sich  der  heiligen  Geräte  bedient  hatte,  die  doch  profan  geworden 
waren  —  denn  es  heißt  Ez7,22:  , Meinen  Schatz  wird  man  entweihen  u.  Einbrecher 
werden  hineinkommen  u.  ihn  entweihen",  nachdem  man  frevlerisch  au  ihnen  gehandelt, 
waren  sie  profan  geworden  —  aus  der  Welt  gerissen  wurde,  s.  Dn5,  30:  um  wieviel 
mehr  gilt  das  von  dem.  der  sich  der  Krone  der  Tora,  die  lebt  u.  in  Ewigkeit  bleibt, 
zu  seinem  eignen  Vorteil  bedient!  Als  R.  Tarphon  (jene  Feigen)  aß,  waren  schon  die 
meisten  Feigenmesser  zus.gelegt  (so  daß  die  noch  an  den  Bäumen  befindlichen  Früchte 
als  Nachlese  jedermann  verstattet  waren);  warum  quälte  ihn  also  jener  Mann?  Weil 
man  jenem  Manne  das  ganze  Jahr  hindurch  seine  Weintrauben  gestohlen  hatte,  u.  als 
er  nun  den  R.  Tarphon  ti-af,  meinte  er,  dieser  sei  es  gewesen,  der  jene  gestohlen  habe. 
Wenn  dem  so  ist,  warum  zermarterte  denn  R.  T.  sich  selbst?  Weil  er  ein  großer  Reicher 
war  u.  jenen  Mann  mit  Geld  hätte  besänftigen  können  (ohne  sich  gerade  der  Krone 
der  Tora  zu  seinem  Vorteil  zu  bedienen).  —  Bar:  ^  Es  heißt  Dt  30, 20:  „Indem  du  Jahve 
deinen  Gott  liebst,  seiner  Stimme  gehorchend,  u.  ihm  anhängst."  Der  Mensch  soll  nicht 
sagen:  Ich  will  die  Schrift  studieren,  damit  man  mich  einen  Gelehrten  nenne;  ich  will 
die  Mischna  (den  Traditionsstofi")  studieren,  damit  man  mich  „Rabbi"  nenne;  ich  will 
die  Mischna  lehren,  damit  ich  ein  Altester  ("t,  ein  Hauptlehrer)  werde  u.  einen  Sitz 
in  der  Akademie  erlange.  Sondern  man  studiere  aus  Liebe  (zur  Tora  u.  zu  dem,  der 
sie  gegeben  hat),  dann  wird  schließlich  die  Ehre  (von  selbst)  kommen,  s.  Spr  7, 3;  3, 17  f. 
R.  EUazar  b.  Qadoq  (wohl  der  Sohn  des  obengenannten  R.  ^adoq,  um  100)  sagte:  Tu 
die  Dinge  um  ihres  Urhebers  (Gottes)  willen  u.  rede  über  sie  um  ihretwillen  (ohne 
selbstische  Nebenzwecke);  mache  sie  nicht  zu  einer  Krone,  um  durch  sie  verherrlicht 
zu  werden,  auch  nicht  zu  einem  Spaten,  um  damit  zu  gäten.  (Dann  folgt  der  Qal-Vachomer- 

J  Eine  ähnliche  Bar  s.  SDtll,13  §41  {79^). 


Matth  10,  8  (S)  563 

Schluß  von  Belscha99ar  wie  S.  562.)  —  Vgl.  auch  Jonathan  b.  ?  Amram,  den  Schüler  Rabbi 
J-^hudasI.  in  BB8^ 

b.  Derekh  Ereij  Zuta  41 :  Mache  deine  Torakenntnis  zu  etwas  Unentgeltlichem  a;-^ 
u.  nimm  keine  Bezahlung  dafür;  denn  Gott  hat  sie  (Tora)  umsonst  gegeben  aana  r.zr:; 
deshalb  soll  man  keine  Bezahlung  für  die  Worte  der  Tora  nehmen;  u.  wenn  du  Bez.  für 
die  Worte  der  Tora  nimmst,  so  wirst  du  erfunden  als  einer,  der  die  ganze  Welt(ordnung) 
zerstört,  ij  B^kh29''^:  Woher  läßt  sich  das  (Nichtannehmen  von  Bez.  aus  der  Schrift) 
beweisen?  Rab  J'^huda  (f '^99)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Weil  die  Schrift 
sagt  Dt  4, 5:  , Siehe,  ich  habe  euch  Satzungen  u.  Rechte  gelehrt",  d.  h.  wie  ich  (Mose) 
euch  umsonst  gelehrt  habe,  so  sollt  auch  ihr  umsonst  lehren!  Die  Bar  lautet  ebenso: 
,Wie  Jahve  mein  Gott  mir  geboten  hat"  (Dt  4,  5),  d.h.  wie  ich  euch  umsonst  gelehrt 
habe,  so  sollt  auch  ihr  umsonst  lehren!  Parallelstellen:  pN'^d  4,  38 '^,  5 1 ;  bN^d  37% 
s.  unten  Anm.^.  \\  SDt  11,22  §48  (84  •■^):  Die  Worte  der  Tora  werden  (Sprö,  15f.)  mit  dem 
Wasser  verglichen.  .  .  .  Wie  das  Wasser  umsonst  a:-  für  die  Welt  da  ist,  so  sind  auch 
die  Worte  der  Tora  umsonst  für  die  Welt  da.  i|  NuR  1  (135''):  „Jah've  redete  zu  Mose 
in  der  Wüste  Sinai"  Nu  1,  1.  Warum  in  der  Wüste  Sinai?  Auf  Grund  dieser  Stelle  haben 
die  Gelehrten  gelehrt:  In  drei  Dingen  ist  die  Tora  gegeben  worden:  in  Feuer,  s.  Ex  19,  18; 
in  Wasser,  s.  Ri  5, 4,  u.  in  der  Wüste,  s.  Nu  1 , 1.  Warum  wurde  die  Tora  in  diesen  drei 
Dingen  gegeben?  Wie  diese  Dinge  für  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  umsonst  vor- 
handen (u.  zu  haben)  sind,  so  sollen  auch  die  Worte  der  Tora  umsonst  sein,  s.  .Jes  55,  1 : 
,Ach,  ihr  Dürstenden  alle,  kommt  zum  Wasser!  u.  wer  kein  Geld  hat,  kommt,  kaufet 
u.  esset!  ja,  kommt,  kaufet  ohne  Geld  u.  ohne  Zahlung  Wein  u.  Milch." 

C.  pN^'d  4, 38'^,  54:  Ebenso  sehen  wir,  daß  die  Mischnalehrer  (der  Kinder,  1.  i":"3r>2 
oder  s"':r^  statt  ■j%-i'3r'2)  ihre  Bezahlung  (für  ihren  Kinderunterricht)  erhalten.  Sieh 
auch  Anm.  d  u.  e. 

d.  pPea  8, 21-'',  88:  Zu  den  Palisaden  (für  die  Stadt)  u.  zu  den  Almosensammlungen 
ripn::  müssen  alle  beitragen,  die  12  Monate  lang  in  einer  Stadt  wohnen.  AVas  ist  damit 
gemeint  (mit  np"!::)?  Das  bezieht  sich  auf  die  Bezahlung  der  Bibel-  u.  Mischnalehrer.  ^  — 
Diese  beziehen  also  ihr  Gehalt  aus  der  Gemeindealmosenkasse;  das  dürfte  zugleich  für 
die  Geringfügigkeit  ihrer  Bezüge  bezeichnend  sein.  —  Zur  Besoldung  aus  der  Gemeinde- 
kasse s.  auch  LvR  SO  (127^)  in  Anm.  f. 

e.  Tafan  24^:  Rab  (f  247)  kam  in  einen  Ort,  in  welchem  er  ein  Fasten  anberaumte; 
aber  es  kam  kein  Regen.  Da  trat  der  Gemeindevorbeter  vor  die  Lade.  Er  sprach  die 
Worte:  „Der  den  Wind  läßt  wehen",  da  brauste  der  Sturm;  er  fuhr  fort:  „Der  den 
Regen  läßt  niederfallen"  (beides  sind  Worte  aus  der  2.  Bitte  des  Achtzehngebetes),  da 
kam  Regen.  Rab  sprach  zu  ihm:  Was  ist  deine  Beschäftigung  (daß  dein  Gebet  sofort 
Erhörung  gefunden  hat)?  Er  antwortete  ihm:  Ich  unterrichte  die  Kinder  in  der  Schrift, 
u.  ich  unterrichte  in  der  Schrift  die  Kinder  der  Armen  wie  die  Kinder  der  Reichen, 
u.  wer  dazu  nicht  imstande  ist,  von  dem  nehme  ich  auch  nicht  das  geringste  (als  Be- 
zahlung) an.  —  Der  Verzicht  auf  Honorar  bildet  hiernach  nur  eine  Ausnahme.  —  Über 
Geschenke  an  die  Lehrer  s.  LvR  30  (127'')  Bar:  Am  Neujahrstage  wird  der  Lebens- 
unterhalt des  Menschen  (für  das  nächste  Jahr  von  Gott)  festgesetzt.  Ausgenommen 
ist  das,  was  er  für  die  Sabbate  u.  Festtage  u.  Neumondstage  ausgibt;  ferner  das,  was 
die  Kinder  in  das  Haus  ihres  Lehrers  (als  Geschenk)  bringen.  Wenn  er  (in  diesen 
Fällen)  reichlich  gibt,  gibt  man  (=  Gott)  ihm  reichlich;  wenn  er  wenig  gibt,  gibt  man 
ihm  wenig.  —  Die  Stelle  ist  zugleich  ein  Beleg  für  die  Verdienstlichkeit  der  dem  Lehrer 
gemachten  Geschenke.  —  Die  parallele  Bar  Be^a  16'"'  bezieht  sich  auf  die  Aufwendungen 
des  Vaters  für  das  gelehrte  Studium  eines  Sohnes;  sie  weiß  daher  nichts  von  Ge- 
schenken, die  in  das  Haus  des  Lehrers  gebracht  werden. 

/.  pN^d4,38'',54:  R.Jischmafel(t.um  135)  hat  gesagt:  (Die Mischnalehrer  der  Kinder) 
empfangen  (in  ihrem  Gehalt)  eine  Bezahlung  für  ihren  Zeitverlust.  —  LvR  30  (127''): 
R.  B^rekhja  (um  340)  u.  R.  Chijja  sein  Vater  ^  haben  im  Namen  des  R.  Jose  b.  N^orai 

'  Zu  , Bibel-  u.  Mischnalehrer"  s.  bei  Mt  2, 4  S.  80  f. 

^  In  diesen  Worten  eine  Textverderbnis,  s.  Bacher,  Paläst.  Amor.  3, 598. 2. 

36* 


564  Matth  10,  8  (SB).  10, 9 

(um  250)  gesagt:  Es  steht  geschrieben  Jer  30,20:  , Heimsuchen  will  ich  alle  seine 
Dränger",  selbst  die  Almosenerheber,  ausgenommen  nur  die  Erheber  der  Besoldung  der 
Bibel-  u.  Mischnalehrer  (der  Kinder),  die  nur  für  den  Zeitverlust  Bezahlung  erhalten.  ! 
N'^dS?''':  Rab  (t  247)  hat  gesagt:  Die  (den  Kinderlehrern  gewährte  Bezahlung)  ist  ein 
Entgelt  für  die  Beaufsichtigung  der  Kinder.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Ein  Entgelt 
für  die  Unterweisung  in  der  Abteilung  der  Verse. 

g.  N''d4, 3:  Wem  durch  Gelübde  der  Genuß  (Nutzen)  von  einem  andren  verwehrt 
ist,  der  darf  diesen  Midrasch,  Halakhoth  u.  Haggadoth  lehren  (denn  dieser  Unterricht 
erfolgt  unentgeltlich,  er  hat  also  keinen  Nutzen  dadurch);  dagegen  darf  er  ihn  nicht 
die  Schrift  lehren  (denn  dieser  Unterricht  ist  zu  honorieren,  so  daß  er  Nutzen  hätte) ; 
wohl  aber  darf  er  seine  Söhne  u.  Töchter  die  Schrift  lehren  (denn  Bezahlung  auf  Grund 
eines  Pfiichtgebotes  wird  dem  Empfänger  nicht  als  Nutznießung  gerechnet,  s.  Ber- 
tinoro).  —  Die  Mischna  handelt  von  einem  Erwachsenen,  der  Unterricht  in  der  Schrift 
erhält;  daß  er  für  den  Unterricht  zu  zahlen  hat,  gilt  als  selbstverständlich  u.  all- 
bekannt. II  pN''d4,o8*=,  51:  Es  steht  geschrieben :  , Siehe,  ich  (Mose)  habe  euch  Satzungen 
u.  Rechte  gelehrt"  Dt  4, 5,  d.  h.  wie  ich  umsonst  gelehrt  habe,  so  sollt  auch  ihr  um- 
sonst lehren.  Etwa  auch  die  Schrift  u.  den  Targum?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  , Satzungen 
u.  Rechte."  Die  Satzungen  u.  die  Rechte  (die  Lehrgegenstände  der  höheren  Schulen 
sind)  sollt  ihr  umsonst  lehren,  aber  nicht  sollt  ihr  die  Schrift  u.  den  Targum  umsonst 
lehren.  —  Weniger  genau  ist  der  Schriftbeweis  in  der  Parallelstelle  N'^'d  37"',  insofern 
aus  Dt4,  5. 14  nur  die  Unentgeltlichkeit  des  Unterrichts  im  Midrasch  gefolgert  wird, 
ohne  daß  auf  den  Unterricht  in  der  Schrift  Rücksicht  genommen  würde. 

h.  B'kh4,  H:  Wenn  jemand  Bezahlung  annimmt,  um  als  Richter  zu  fungieren,  so 
sind  seine  Entscheidungen  ungültig;  um  als  Zeuge  zu  fungieren,  so  ist  sein  Zeugnis 
ungültig;  um  zu  sprengen  oder  zu  heiligen  (zu  entsündigen),  so  gilt  sein  Wasser  als 
Höhlenwasser  (aber  nicht  als  Lustrationswasser^  u.  seine  Asche  als  gewöhnliche  Brand- 
asche (aber  nicht  als  Reinigungsasche).  Wenn  aber  der  Betreffende  (der  Richter  oder 
Zeuge)  ein  Priester  ist,  u.  er  wird  (bei  dem  betreffenden  Geschäft)  unrein,  so  daß  er  seine 
Hebe  nicht  essen  kann,  so  muß  man  (d.  h.  derjenige,  in  dessen  Angelegenheiten  er  sich 
die  Unreinheiten  zugezogen  hat)  ihm  Speise,  Trank  u.  Salbung  verabfolgen;  oder  wenn 
der  Betreffende  ein  Greis  ist,  so  muß  man  ihn  auf  einem  Esel  reiten  lassen,  u.  (über- 
haupt) darf  man  jedfem  (für  etwaige  Versäumnis  in  seinem  eignen  Beruf)  eine  Ent- 
schädigung geben,  die  dem  Tägeslohn  eines  Arbeiters  entspricht.  —  Hierzu  bringt 
B'^kh  29^  zunächst  aus  Dt  4,  5  den  Schriftbeweis  bei,  s.  die  Worte  in  Anm.  6.  Dann 
heißt  es  weiter:  Woher  aber  daß,  wenn  man  nicht  umsonst  lernen  kann,  man  gegen 
Bezahlung  lernen  darf?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Spr2D,  23:  „Kaufe  Wahrheit!" 
Und  woher,  daß  man  nicht  sagen  darf:  Wie  ich  sie  (die  Wahrheit  —  Tora)  gegen  Be- 
zahlung gelernt  habe,  so  will  auch  ich  sie  gegen  Bez.  lehren?  Di^ Schrift  sagt  lehrend 
Spr23,23:  Kaufe  Wahrheit,  aber  verkaufe  sie  nicht.  —  Die  Stelle  läßt  keinen  Zweifel 
aufkommen,  daß  man  sich  hier  u.  da  genötigt  gesehen  hat,  den  empfangenen  Tora- 
unterricht zu  honorieren.  —  Von  einem  bestimmten  Fall  bezeugt  das  Sch'^muel  (f  254)  aus- 
drücklich. pSch'■q4,48^  16  :Rab.Jehuda(t299)  hat  im  Namen  Sch.s  gesagt:  Die  Gelehrten- 
schüler, die  die  Priester  in  den  Halakhoth  betreffs  des  Schlachtens,  des  Blutauffangens 
u.  des  Sprengens  unterwiesen,  erhielten  ihre  Bezahlung  aus  der  Hebe  des  Tempelschatzes. 

10,  9:  Erwerbet  nicht  Gold  .  .  .  für  eure  Gürtel. 

^oh'in  =  Gürtel,  Gurt,  als  Lehnwort  ins  Rabbinische  übergegangen 
in  den  Formen  -,17,  ijiT,  ■p:'iT;  selbst  der  Akkusativ  ^covag  findet  sich  als 
Nominativform.  Zu  dem  haggadischen  Satze,  daß  Engel  bei  der  Gesetz- 
gebung die  Israeliten  mit  "isi:  geschmückt  hätten,  wird  Midr  HL  4,  4 
(110'')  gefragt:  Was  bedeutet  ■^:^i?  R.  Huna,  der  Ältere,  aus  Sepphoris 
(gegen  300)  hat  gesagt:  Es  bedeutet  „Gürtel"  d:it.  —  Der  Gürtel  diente 


Matth  10,9.  10(21.  S)  565 

nicht  nur  zum  Zus. halten  des  Ober-  oder  Untergewandes,  sondern  auch  zur 
Aufnahme  von  Geld  u.  sonstigen  Wertsachen.  Wie  allgemein  üblich  letz- 
teres war,  erkennt  man  namentlich  daraus,  daß  der  Gürtel  ungemein  oft 
geradezu  x-ni^e,  irnj^s  oder  nnsitsN,  d.h.  funda=  Geldbeutel  genannt  wurde. 
pRH  '-*,  ö7  '\  60 :  Zweihundert  Zuz  waren  in  meinem  Geldgürtel  -nr  iS2  eingebunden. 
Schab  10,8:  Wer  am  Sabbat  etwas  hinausträgt  auf  der  Rückseite  seiner  Hand,  mit 
.seinem  Fuß,  in  seinem  Munde,  mit  seinem  Ellbogen,  an  seinem  Ohr,  an  seinem  Haar, 
in  seinem  Geldgürtel  -.p-3ir2,  indem  dessen  Öffnung  nach  unten  ist,  zwischen  seinem 
Geldgürtel  u.  Unterkleid  (p^'j-  =  Hemd),  im  Saum  seines  Unterkleides,  in  seinem  Schuh, 
in  seiner  Sandale,  der  ist  frei  (straflos),  weil  er  auf  ungewöhnliche  Weise  hinausträgt.  || 
B®rakh9,  ö:  Man  soll  auf  den  Tempelberg  nicht  mit  einem  Stock,  nicht  in  Schuhen, 
nicht  mit  dem  Geldgürtel  •■n-.^itz,  nicht  mit  bestaubten  Füßen  gehn.  ||  Tß'rakh  7, 19  (17): 
Man  soll  auf  den  Tempelberg  nicht  mit  Geld  gehn,  das  man  sich  in  das  (leinene)  Hemde 
gebunden  hat,  auch  nicht  mit  Staub  auf  den  Füßen,  auch  nicht  mit  dem  Geldgürtel 
-mj-^Ea,  wenn  man  ihn  außen  (d.  h.  über  dem  Obergewand)  umgebunden  hat.  —  Daß 
auch  Früchte,  wie  Feigen,  Weintrauben  u.  Zuckermelonen  im  Geldgürtel  untergebracht 
werden  konnten,  zeigt  TT^'rum  1,14  (2ti);  in  Sanh  3,8  wird  von  jemand  geredet,  der  ein 
Beweisstück,  etwa  ein  Dokument,  aus  seinem  Geldgürtel  hervorholt.  Vgl.  auch  TKil 
5,15  beiMtlO,  10  S  S.  566. 

10,10  51:  Nicht  einen  Ranzen  für  eine  Reise. 

Tir'jQa  entspricht  dem  hebr.  biT^-in,  b^i-o-i^in,  aram.  xbi^ü-in:  wenn  daneben 
}i-^-q  =  Stock  genannt,  bedeutet  'r  meist  „ Hirtentasche "  (zB  Targ  1  Sm 
17,  40  n^bip-in?  =  hebr.  la^ipb^?);  auch  allgemein  „Ränzel"  oder  „Tasche" 
der  Wanderer. 

Kelim  24, 1 1 :  Dreierlei  Schläuche  u.  dreierlei  Ranzen  i^hj2-^"P  sind  zu  unterscheiden: 
die  das  angegebene  Maß  (von  5  Qab)  halten,  sind  verunreinigungsfähig  durch  Druck; 
die  dies  Maß  nicht  halten,  durch  einen  Toten,  u.  die  aus  Fischhaut  gemacht  sind,  sind 
ganz  rein.  ||  .Pb  16,7:  Einmal  gingen  Leviten  nach  der  Palmenstadt  ^ofar;  unterwegs 
wurde  einer  von  ihnen  krank  u.  sie  brachten  ihn  in  die  Herberge.  Bei  ihrer  Rückkehr 
sprachen  sie  zu  der  Wirtin:  Wo  ist  unser  Genosse?  Sie  antwortete  ihnen:  Er  ist  ge- 
storben u.  ich  habe  ihn  beerdigt.  Man  erlaubte  (auf  diese  Aussage  der  Frau  hin)  seiner 
Frau,  sich  anderweit  zu  verheiratan.  Man  (die  Gelehrten)  sagten  zu  ihm  (zu  R.  ?Aqiba, 
t  um  135,  der  diese  Erlaubnis  auf  die  Aussage  einer  Frau  hin  nicht  erteilt  wissen 
wollte):  Sollte  nicht  eine  Priesterfrau  so  viel  gelten  wie  eine  Wirtin?  Er  antwortete: 
Wenn  die  Wirtin  (als  solche)  beglaubigt  wäre!  (Das  war  sie  aber  nicht.)  Die  Wirtin 
gab  ihnen  seinen  Stock,  seinen  Ranzen  i^s-sr-^r  u.  dasTorabuch  heraus,  die  sich  in  seinem 
Besitz  befunden  hatten  (erst  dadurch  sind  ihre  Worte  beglaubigt  worden).  ||  Schab  .81": 
(Ein  Heide,  der  zum  Judentum  übertreten  will,  um  einmal  Hoherpriester  zu  werden, 
liest  Nu  1,51:  , Der  Fremde  ^t  [d.  h.  der  Nichtlevit],  welcher  sich  nähert,  soll  getötet 
werden."  Da  zieht  der  Heide  den  Schluß:)  Wenn  solches  schon  von  einem  Israeliten 
gilt,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  einem  gewöhnlichen  Proselyten,  der  mit  seinem 
Stock  u.  seinem  Ranzen  ih.'-o^rz  (ohne  jedes  Verdienst)  eben  erst  in  das  Judentum  ein- 
getreten ist.  II  BB  ISS"^"  wird  erzählt,  wie  Schammai  (um  30  v.  Chr.)  mit  Stock  u.  Ranzen 
h'13-r  zu  Jonathan  b.  ?Uzziel  kommt,  um  mit  diesem  wegen  Nichtbeachtung  eines  Testa- 
mentes zu  rechten. 

1<>,  10  ^:  Auch  nicht  zwei  Unterkleider. 
Xitüh',  hebr.  np'ns,  aram.  Jtjws,  xn^iiir.-'s,  ist,  wie  die  römische  Tunika, 
das  Untergewand,  das  meist  aus  Wolle  oder  Leinwand  verfertigt  war  u. 
entweder  auf  der  bloßen  Haut  oder  über  einem  leinenen  Hemd  ("("»"lo. 


566  Matth  10, 10  (JB.  6) 

Npnp)  getragen  wurde.  Ebenso  trugen  die  Römer  unter  ihrer  tunica 
noch  eine  tunica  interior  oder  subucula,  das  eigentliche  Hemde  in 
unserm  Sinn.  —  GnR  84  (54=»)  bemerkt  zu  Gn37,23:  Als  Joseph  zu 
seinen  Brüdern  gekommen  war,  „zogen  sie  ihm  aus"  den  groben  Ober- 
niantel  (ore  =  o"^:^?  ^=  (fsloviov,  paenula,  ärmelloser  Mantel  zum  Schutz 
gegen  die  Unbill  der  Witterung;  s.  Krauß,  Archäol.  1,1691);  „sein 
Untergewand"  nsinD,  das  ist  der  p^ibn  (s.  gleich);  „das  lange  Ärmelkleid", 
das  ist  der  verbrämte  Mantel  (lisis,  paragauda);  „das  auf  ihm  war",  das 
sind  seine  Beinkleider  (N''3?:as  =  feminalia).  —  Hier  wird  die  nana  mit 
dem  p^hn  identifiziert,  u.  in  der  Tat  ist  dies  letztere  Wort  im  Rabbin.  die 
herrschende  Bezeichnungfür  Untergewand  oder  Hemd  (im  weiteren  Sinn). 

M^kh  Ex  22,26(1 02 '0:  «Das  allein  ist  seine  Bedeckung"  Ex  22,  26;  damit  ist  der 
Mantel  (Oberkleid,  ^''V^)  gemeint;  „das  ist  sein  Gewand  für  seinen  Leib",  damit  ist 
das  Unterkleid  (pi^-)  gemeint.  — Vgl.  Targ  Jerusch  I  z.  St. :  „Dies  ist  sein  Oberkleid 
T'-'h-a,  mit  dem  allein  er  sich  bedeckt;  das  ist  das  Hemde  piVn,  sein  anliegendes  Ge- 
wand, das  auf  seine  Haut  fällt."  i|  Be^a  32''  Bar:  Dreier  Leben  ist  kein  Leben:  wer  auf 
den  Tisch  eines  andren  sehen  muß,  über  den  seine  Frau  die  Herrschaft  führt  u.  der,  über 
dessen  Leib  die  Leiden  (Züchtigungen)  herrschen.  Einige  sagen:  Auch  wer  nur  Ein 
Hemde  piVn  hat. 

Das  Tragen  von  zwei  u.  mehr  Untergewändern  auf  Einmal  wird  erwähnt  zB  TKil 
5,15(80):  Man  darf  zwei  üntergewänder  riptVn  übereinander  anziehen  (ohne  damit 
eine  Übertretung  des  Mischstoffgebotes  zu  begehen),  selbst  wenn  man  seinen  Geld- 
gürtel inr-:  außen  (oben  über  beiden  Hemden)  umgebunden  hat;  nur  soll  man  die 
Schnur  (des  Geldgürtels)  zwischen  den  Schultern  durchnehmen  u.  dort  zus.binden.  — 
Hiermit  vgl.  SDt  22, 11  §2:^2(117"):  Darf  man  etwa  nicht  anziehen  ein  Hemde  aus 
Wolle  über  einem  Hemde  aus  Flachs  oder  ein  Hemde  aus  Flachs  über  einem  Hemde 
aus  Wolle?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Dt  22, 11:  Zugleich  ■"---  (d.h.  ein  u.  dasselbe 
Hemde  darf  nicht  aus  Mischstoffen  bestehn).  —  Von  Frauen,  die  mit  drei,  fünf,  sieben 
Hemden  bekleidet  sind,  wird  geredet  Nidda  58  b;  TNiddaS,  5  (643);  7,  2  (648);  Git58'\ — 
Weitere  Stellen  bei  Krauß,  Archäol.  1,  598  Anm.467. 

10,  10  ^:  Auch  nicht  Sandalen. 

fividh  vnodi'iiiiara.  Rabbin.  b^:ö,  aram.  x^^iö;  davon  i^^?o  der  San- 
dalenmacher. Über  die  Beschaffenheit  der  Sandalen  orientieren  folgende 
Stellen;  s.  auch  bei  Mk  6,  9. 

J^b  102b:  R.  Elfazar  (um  270)  fragte  Rab  (f  247):  Wenn  die  Sandale  aus  Leder 
ist  u.  ihre  Bänder  (oder  Schleifen)  aus  Haar  sind,  wie  verhält  es  sich  dann  mit  ihr 
(für  die  Chali^a)?  il  Pb  102b  Bar:  Wenn  die  verwitwete  Schwägerin  die  Zeremonie 
der  ChaliQa  mit  einem  aufgetrennten  Schuh  vollzieht,  der  aber  (noch)  den  größten  Teil 
des  Fußes  bedeckt,  oder  mit  einer  schadhaft  gewordenen  Sandale,  die  aber  (noch)  den 
größten  Teil  des  Fußes  faßt,  oder  mit  einer  Sandale  aus  Kork  oder  mit  einer  Sandale 
aus  Bast  oder  mit  dem  Qab  '  dessen,  dem  ein  Fuß  amputiert  ist,  oder  mit  einem  Halb- 
stiefel oder  mit  einer  Fußstütze  (eine  Art  Stelzfuß),  oder  mit  einer  Socke  aus  Leder; 
ferner  wenn  sie  die  Chali^a  an  einem  Erwachsenen  vollzieht,  mag  dieser  stehen  oder 
sitzen  oder  ausgestreckt  daliegen,  oder  wenn  sie  die  Ch.  an  einem  Blinden  vollzieht, 
so  ist  ihr  Schuhausziehen  gültig.  Aber  wenn  sie  die  Chali9a  mit  einem  aufgetrennten 
Schuh  vollzieht,  der  nicht  (mehr)  den  größten  Teil  des  Fußes  bedeckt,  oder  mit  einer 

^  Qab  entweder  —  u.  dafür  spricht  der  Name  ap  —  ein  ausgehöhltes  Holzstück  zur 
Aufnahme  des  verstümmelten  Beines,  also  eine  Holzkappe,  oder  auch  der  hölzerne  Stelz- 
fuß, s.  Levy  4,233-'»;  Krauß,  Archäol.  1, 183.631  Anm.729. 


Matth  10, 10  (6)  567 

schadhaft  gewordenen  Sandale,  die  nicht  (mehr)  den  größten  Teil  des  Fußes  faßt,  oder 
mit  einer  Handstütze  (Art  Handschuh?)  oder  mit  einer  Socke  aus  Kleidungsstücken ; 
ferner  wenn  sie  die  Chaliga  an  einem  Minderjährigen  vollzieht,  so  ist  ihr  Schuhausziehen 
ungültig.  II  J'^^h  102b:  Rab  J'^'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Mit  einer 
Sandale,  in  die  Leinenzeug  hineingenäht  ist  (oder:  die  aus  Flachssträhnen  zus.genäht 
ist,  vgl.  Raschi)  darf  man  die  Chali9a  nicht  vollziehen;  denn  es  heißt  Ez  16,10:  Ich 
beschuhte  dich  mit  Tachasch(leder;  also  kann  auch  das  Entschuhen  nur  mit  Leder- 
schuhwerk vorgenommen  werden).  ||  J'^b  12,  1  f.:  Wenn  die  verwitwete  Schwägerin  die 
Zeremonie  des  Schuhausziehens  mit  einer  S.  vornimmt,  die  einen  -~y  (Kommentare: 
Hackenleder;  Levy  ;J,  682:  Sohle;  Krauß,  Archäol.  1, 179:  Absatz)  hat,  so  ist  es  gültig; 
wenn  mit  einer  S.,  die  keinen  z-.y  hat,  so  ist  es  ungültig.  .  .  Vollzieht  sie  die  Chali^a 
mit  einer  S.,  die  dem  Schwager  nicht  gehört,  oder  mit  einer  S.  aus  Holz  .  .  .,  so  ist 
die  Chali^a  gültig.  ||  J^b  102*:  (Beim  Schuh  V^-:':)  war  das  Oberleder  oberhalb  (des  Fuß- 
blattes) u.  das  Schnürwerk  oberhalb  des  Oberleders  (nicht  auf  dem  bloßen  Fußblatt); 
in  der  Tora  heißt  es  aber  Dt  25,9:  „Sie  soll  ihm  den  Schuh  von  seinem  Fuß  aus- 
ziehen" u.  nicht  von  oberhalb  des  Oberleders.  (Hieraus  sei  zu  folgern,  daß  die  Chali(ja 
nicht  mit  einem  den  ganzen  Fuß  bedeckenden  Schuh  hy:^  zu  vollziehen  sei.  —  Zugleich 
■darf  den  Worten  entnommen  werden,  daß  die  S.  jedenfalls  kein  bis  über  den  Spann 
des  Fußes  reichendes  Oberleder  hatte,  so  daß  ihr  Schnürwerk  nicht  auf  dem  Oberleder, 
sondern  auf  dem  Fuße  selbst  zu  liegen  kam.)  \\  J*^b  102'':  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Wenn 
ich  nicht  gesehen  hätte,  daß  mein  Oheim  (R.  Chijja,  der  Ältere,  um  200)  die  Zeremonie 
des  Schuhausziehens  mit  einer  S.  vornehmen  ließ,  die  Schnüre  y4'j^  hatte,  so  würde 
ich  die  Chali^a  nur  mit  einer  arabischen  S.  haben  vollziehen  lassen,  die  fest  ansitzt, 
während  wir  die  unsrige,  obwohl  sie  einen  röhrenartigen  Saum  (sr^"3in  zur  Aufnahme 
der  Schnur,  s.  Krauß,  Archäol.  1, 180)  hat,  mit  einem  Band  verknoten,  damit  die  Chali^a 
untadelig  vollzogen  werde. 

Einfacher  als  die  Sandale  war  die  o^f^'^Q  (=  solea  mit  Endung  des 
acc.  plur.,  vgl.  S.  Deiy  c:it)  oder  no-i^^-io  genannte  schlichte  Sohle,  die 
unter  dem  Fuß  mit  Riemen  oder  Bändern  befestigt  wurde;  zu  ihrem 
Unterschied  von  der  S.  wird  bemerkt,  dafs  sie  ohne  einen  ::;rr-,  Hacken- 
leder oder  Absatz,  gewesen  sei, 

Qid  14^  Bar:  Es  heißt  Dt  25,  9:  Sie  soll  , seinen"  Schuh  ausziehen.  Da  höre  ich 
nur  „seinen"  Schuh.  Woher,  daß  es  auch  der  Schuh  jedes  beliebigen  Menschen  sein 
darf  (mit  dem  die  verwitwete  Schwägerin  die  Chali^a  vollzieht)?  Die  Schrift  sagt 
lehrend  Dt  25,  10:  Haus  dessen,  dem  „der"  Schuh  ausgezogen  ward.  „Der"  Schuh 
schließt  (jeden  beliebigen  Schuh)  ein.  Warum  sagt  dann  aber  die  Schrift  in  diesem 
Fall  „seinen"  Schuh?  „Sein"  Schuh  bedeutet  den  Schuh,  der  für  ihn  geeignet  ist 
(ihm  paßt);  da  ist  also  ausgeschlossen  ein  Schuh,  der  so  groß  ist,  daß  er  in  ihm  nicht 
gehen  kann,  oder  der  so  klein  ist,  daß  er  nicht  den  größten  Teil  seines  Fußes  be- 
deckt; ferner  ist  ausgeschlossen  die  „Sohle"  (1.  c^^'-sid?  statt  o"Vio'5''5  nach  'Arukb  bei 
Levy  3,  489^  u.  Krauß,  Archäol.  1,  622  Anm.  686),  weil  sie  keinen  Absatz  zpv  hat.  — 

An  das  Schuhwerk  anknüpfende,  sentenzenartige  Aus- 
sprüche. 

Schab  152*:  Ein  Kastrierter  (Eunuch)  sprach  zu  R.  J'^hoschua^'  b.  Qarcha  (um  150): 
Wie  weit  ist  es  von  hier  bis  nach  Qorchina?  (Qorchina  Anspielung  auf  Qarcha  = 
Kahlkopf j.  Dieser  antwortete  ihm:  Ebensoweit,  wie  von  hier  nach  Guzneja  (Anspielung 
auf  ~sj;;  ■=  Verschnittener;  Levy  1,  310  gibt  die  Wortspiele  wieder  mit:  Glatzia  von 
Glatze  u.  Kastratopol).  Der  Sektierer  (d.  h.  der  Kastrat,  der  ein  Min  war)  sprach: 
Ein  kahler  (abgeschorener)  Bock  kostet  4  Zuz,  ein  kastrierter  Bock  (aber  immer  noch) 
8Zuz!^    Als  er  (der  Sektierer)  bemerkte,    daß  R.  J^hoschua"  b.  Q.  keine  Schuhe  an- 

^  So  lesen  wir  mit  cArukh  bei  Levy  1,70*  unter  sp-s.  Der  Text  hat:  sn-p  sn-i; 
j<-:":r2  Si'Vx  a~~'v  n-V  — ;s  rty^-s:.    Durch  r—V  -^"js  werden  die  letzten  Worte  zu  einer 


568  Matth  10,  10  (ß) 

gelegt  hatte,  sprach  er  zu  ihm:  Der  auf  einem  Roß,  ist  ein  König;  der  auf  einem 
Esel,  ein  freier  Mann;  wer  Schuhe  an  seinen  Füßen  hat,  ist  ein  gewöhnliches  Menschen- 
kind. Wenn  jemand  aber  weder  dieses,  noch  jenes  hat,  dann  ist  der  Verscharrte  u. 
Begrabene  besser  daran,  als  er!  Er  antwortete  ihm:  Verschnittener,  Verschnittener! 
Dreierlei  hast  du  mir  gesagt,  dreierlei  sollst  du  hören:  Der  Schmuck  des  Angesichts 
ist  der  Bart  (u.  der  fehlt  dem  Entmannten);  die  Freude  des  Herzens  ist  ein  Weib; 
ein  Erbteil  Jahves  sind  Kinder  (Ps  127,  3);  gepriesen  sei  Gott,  der  dies  alles  dir  ver- 
sagt hat!  Jener  sprach:  Du  zänkischer  Kahlkopf!  Dieser  erwiderte:  Du  impotenter 
Eunuch,  du  hast  ja  den  Zank  begonnen!  —  Nach  Midr  Qoh  10,7  (47*^)  hat  sich  eine 
gleiche  Neckerei  zwischen  R.  ?Aqiba,  f  um  135,  u.  einem  kaiserlichen  Eunuchen  in 
Rom  abgespielt.  ||  P'^s  \\Z^:  Sieben  sind  vom  Himmel  in  den  Bann  getan;  diese  sind: 
wer  kein  Weib  hat;  wer  ein  Weib,  aber  keine  Kinder  hat;  wer  Kinder  hat,  sie  aber 
nicht  für  das  Torastudium  erzieht;  wer  keine  Gebetsriemen  auf  seinem  Kopf  u.  an 
seinem  Arme,  keine  (^'i^ith  (Quasten)  an  seinem  Kleid  u.  keine  M'^zuza  (Türpfosten- 
kapsel) an  seiner  Tür  hat  u.  wer  seinen  Füßen  die  Schuhe  versagt.  Einige  fügen  noch 
hinzu:  Wer  nicht  mit  zu  Tische  sitzt  als  Mitglied  einer  (frommen)  Genossenschaft, 
die  sich  zur  Ausübung  eines  Pflichtgebotes  gebildet  hat.  ||  Schab  129»:  Rah  J'^huda 
(t  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Immer  verkaufe  der  Mensch  die  Balken 
seines  Hauses  u.  kaufe  (für  den  Erlös)  Schuhe  für  seine  Füße  (denn  es  gibt  nichts 
Schimpflicheres,  als  barfuß  auf  der  Straße  einherzugehen,  Raschi).  Wenn  sich  aber 
einer  zur  Ader  gelassen  u.  nichts  zu  essen  hat,  so  verkaufe  er  seine  Schuhe  von 
seinen  Füßen  u.  verschaffe  sich  daraus  die  Bedürfnisse  einer  Mahlzeit.  Was  gehört 
zu  den  Bedürfnissen  der  Mahlzeit  (nach  einem  Aderlaß)?  Rab  hat  gesagt:  Fleisch; 
Sch*'muel  (f  254)  hat  gesagt:  Wein.  Rab  hat  gesagt:  Fleisch;  denn  Leben  ersetzt 
Leben.  Sch^muel  hat  gesagt:  Wein;  denn  Rotes  (=  Wein)  ersetzt  Rotes  (^=  Blut).  j| 
Midr  KL  1,7  (53''):  ,Als  ihr  kein  Helfer  kam"  KL  1,7.  Die  Rabbinen  Babyjoniens 
sagten:  Wenn  die  junge  Frau  Schläge  bekommt  (lies  Jisor  statt  'lEor),  erinnert  sie 
sich  der  sieben  Hochzeitstage.  Die  Rabbinen  Palästinas  sagten:  Wenn  ein  Sohn  bar- 
fuß gehen  muß,  erinnert  er  sich  des  Wohlbefindens  im  Hause  seines  Vaters.  |1  Midr 
Ruth  1, 19  (129''):  ,Ist  das  Nofomi'?"  Ruth  1, 19.  .  .  .  Vordem  zog  sie  in  ihren  Sänften 
aus,  u.  jetzt  muß  sie  barfuß  einhergehn!  i|  Joma  77»:  Rab  Nachman  bar  Ji^chaq  (f  85ö) 
hat  gesagt:  Es  heißt  Jer  2, 25:  , Halte  deinen  Fuß  zurück,  daß  er  nicht  barfuß  werde, 
11.  deine  Kehle,  daß  sie  nicht  durstig  werde."  Halte  dich  von  dfer  Sünde  zurück,  damit 
dein  Fuß  nicht  zur  Barfüßigkeit  (Zeichen  des  tiefsten  Elends)  komme;  halte  deine  Zung^ 
von  unnützen  Worten  zurück,  damit  deine  Kehle  nicht  zur  Verdürstung  komme.  j|  TanchB 
-rhvr.z  §  16  (26 1>):  R.  JiQchaq  b.  Elfazar  aus  Cäsarea  (um  340)  hat  gesagt:  Was  die  Weis- 
heit zur  Krone  für  ihr  Haupt  gemacht  hat,  das  hat  die  Demut  zur  Sohle  (Sandale)  für 
ihren  Fuß  gemacht.  Es  heißt  Ps  111, 10:  Das  Erste  (im  Sinn  des  Midr  =  das  Höchste, 
das  Haupt)  der  Weisheit  ist  Gottesfurcht;  u.  dort  (Spr22, 4)  heißt  es:  Die  Ferse  der 
Demut  ist  Gottesfurcht  (so  der  Midr,  der  sps  =  „Ferse"  deutet).  —  In  Midr  HL  1, 1  (80-'), 
wo  Rab  Matf^na,  um  270,  als  Autor  genannt  ist,  steht  „Sandale  für  ihre  Ferse"  statt  „Sohle 
für  ihren  Fuß".  Weniger  deutlich  heißt  es  pSchab  1,  3'^,  15  statt  dessen:  „Ferse  (-=  Ab- 
satz) für  ihre  Sohle" ;  Krauß,  Archäol.  1, 623  Anm.  687  will  deshalb  lesen:  „Sohle  für  ihre 
Ferse"  rizj-'^h  c-'Vic.  In  andrer  Fassung  u.  auf  die  Tora  bezogen  Tanch  r^vn^z  1 ''.  —  Der 
Sinn  des  Ausspruchs:  Wie  die  Weisheit  sich  mit  der  Gottesfurcht  schmückt,  wie  mit 
einer  Krone,  oder  auch  in  der  G.  ihr  höchstes  Ziel  erblickt,  so  macht  die  Demut  die 
G.  zur  sicheren  Basis  des  Wandels.  Vgl.  das  ebenfalls  änigmatisch  gemeinte  Wort 
GnR44  (27^):  „Solange  die  Sandale  an  deinem  Fuß  ist,  tritt  das  Dorngestrüpp  nieder", 
mit  welchem  nach  R.  Levi,  um  300,  Gott  Abraham  ermahnt,  sein  Verhalten  nicht  von 
der  Astrologie  bestimmen  zu  lassen,  sondern  umgekehrt  in  Kraft  seiner  monotheistisclien 
Gotteserkenntnis  die  astrologische  Weisheit  zuschanden  zu  machen.  ||  Qid49»:  Einen 


Erwiderung  des  R.  J'^hoschua^  b.  Qarcha;    dann   hat  man  zu  ry^-sa  „SelaS"  (1  S. 
4  Zuz)  zu  ergänzen  u.  zu  s'Jttra   „Zuz". 


Matth  10, 10  (6.  2).  6)-  10,  H- 12  569 

Schuh,  der  für  meinen  Fuß  zu  groß  ist,  mag  ich  nicht.  (Eine  sprichwörtliche  Redensart 
des  Inhalts,  daß  ein  Mann  nicht  gern  eine  Frau  heiratet,  die  nach  ihrer  Abstammung 
höher  steht  als  er  selbst.) 

Über  Auflösen  der  Schuhriemen  s.  S.  1 2 1  bei  Mt  3, 1 1 .  ||  Das  Reisen  ohne 
Schuhe  war  etwas  völlig  Ungewöhnliches;  selbst  diejenigen  Personen, 
die  pflichtmäßig  barfuß  zu  gehen  hatten,  wie  Fastende  u.  Trauernde, 
waren  auf  einer  längeren  Wanderung  von  dieser  Vorschrift  frei. 

TTafan2, 6  (215):  Wem  das  Anlegen  von  Sandalen  (an  einem  Fasttage)  verboten 
ist,  darf,  wenn  er  aus  einer  Stadt  hinausgeht,  solche  anlegen;  naht  er  sich  einer  Stadt, 
so  zieht  er  sie  wieder  aus;  die  gleiche  Bestimmung  gilt  bei  einem,  der  in  den  Bann 
getan  ist  oder  der  trauert.  ||  Ta?an  13*:  Wenn  man  gesagt  hat,  daß  das  Anlegen  von 
Sandalen  verboten  sei  (nämlich  an  einem  Fasttage,  s.  Ta?an  1,6),  so  hat  man  das  nur 
(für  das  Gehen)  in  der  Stadt  gesagt;  aber  auf  der  Reise  ist  es  erlaubt  (Sandalen  zu 
tragen).  Wie  macht  man  es  also?  Geht  er  hinaus  auf  die  Reise,  so  legt  er  sie  an; 
betritt  er  die  Stadt,  so  zieht  er  sie  aus.  —  pTaSan  1,64", 40  Bar:  Ein  Leidtragender  u. 
ein  im  Bann  Befindlicher  dürfen  auf  der  Reise  die  Sandalen  anlegen;  wenn  sie  aber 
in  eine  Stadt  kommen,  so  ziehen  sie  sie  aus.  Dasselbe  gilt  (beim  Fasten)  am  9.  Ab 
(Tag  der  Zerstörung  Jerusalems)  u.  bei  einem  Gemeindefasten. 

Hiernach  wird  die  Mahnung  Jesu  an  seine  Jünger,  keine  Sandalen 
zu  erwerben,  dahin  gehn,  daß  sie  nicht  mehr  als  ein  Paar,  das  sie 
gerade  tragen,  besitzen  sollen. 

10,  lOS:  Auch  nicht  einen  Stab. 
Hitjd^  QÜßöov.  Der  Wanderstab,  h-^^q,  neben  andren  notwendigen  Reise- 
ausrüstungsgegenständen erwähnt  zB  B^'rakh  9, 5,  s.  oben  S.  565«  bei  Mt 
10,  9;  J«b  16,  7  u.  BB  ISS^  s.  oben  bei  31. 

10,10(1:  Denn  der  Arbeiter  ist  seiner  Nahrung  wert. 
Vgl.  die  Zitate  zu  1  Kor  9,  7.  9. 12. 14.  —  Tanch  xan  -^d  119\-  Wer  sich 
mit  der  Tora  beschäftigt,  hat  von  ihr  seinen  Lebensunterhalt  inc:"is. 

10^  11:  Dort  bleibet,  bis  ihr  fortgeht. 

cArakhin  16 b:  Bis  wann  soll  ein  Mensch  seine  Herberge  nicht  ändern  (gegen  eine 
andre  aufgeben)?  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Bis  zum  Schlagen  (bis  der  Wirt  ihn  schlägt); 
Sch^muel  (f  254)  hat  gesagt :  Bis  man  seine  Sachen  hinter  ihm  herwirft.  Beim  Schlagen 
ist  alle  Welt  nicht  geteilter  Meinung,  beim  Hinterherwerfen  seiner  Sachen  ist  alle  Welt 
gleichfalls  nicht  geteilter  Meinung;  wenn  man  geteilter  Meinung  ist,  so  ist  es  in  dem 
Fall,  daß  man  seine  Frau  schlägt.  Der  eine  Autor  meinte :  Da  er  ^hn  selbst  nicht  be- 
leidigt, was  liegt  ihm  daran!  Und  der  andre  Autor  meinte:  Es  kommt  dahin,  daß  er 
vertrieben  wird.  Und  das  alles  warum?  Weil  ein  Autor  gesagt  hat:  Ein  (seine  Herberge 
oft  wechselnder)  Gast  tut  Abbruch  u.  erleidet  Abbruch  (bringt  seinen  Wirt  u.  sich  selbst 
in  Verruf).  Rab  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Woher  aus  der 
Tora,  daß  ein  Mensch  seine  Herberge  nicht  ändern  soll?,  s.  Gn  18,  3:  „Abraham  zog  . . . 
bis  zu  dem  Orte,  wo  sein  Zelt  anfangs  gewesen  war."  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat 
gesagt:  Von  hier:  ,  Abraham  zog  nach  seinen  Stationen"  Gnl3,  3  (d.h.  er  zog  immer 
wieder  dorthin,  wo  er  früher  geweilt  hatte). 

10, 12:  Eintretend  in  das  Haus  grüßt  es  (mit  d.  Friedensgruß). 

Über  den  Friedensgruß  s.  zu  Mt  5, 47  S.  380  ff.  —  Ferner  NuR  21  (190*^):  „Siehe,  ich 
gebe  ihm  (dem  Pin^'chas)  als  meinen  Bund  Frieden"  Nu  25, 12.  Groß  ist  der  Friede, 
den  er  dem  Pin''chas  gegeben  hat;  denn  die  Welt  wird  nur  mit  Frieden  geleitet  (regiert)  u. 


570  Matth  10,  14  {%) 

auch  die  ganze  Tora  ist  Friede,  s.  Spr3, 17:  „Ihre  Wege  sind  liebliche  Wege  u.  alle 
ihre  Steige  sind  Friede."  Wenn  ein  Mensch  von  der  Reise  kommt,  so  wünscht  man 
ihm  Frieden  (im  Friedensgruß)  u.  ebenso  grüßt  man  ihn  des  Morgens  u.  des  Abends 
mit  dem  Friedensgruß.   Dasselbe  Tanch  onjE  238^, 

10,14  %:  Wer  euch  nicht  aufnimmt. 

SDt  11,22  §49  (85*):  „Ihm  anzuhangen"  Dt  11,22.  Ist  es  einem  Menschen  denn 
möglich,  zum  Himmel  emporzusteigen  u.  sich  an  ihn  (Gott)  zu  hängen?  Heißt  es  denn 
nicht  längst  Dt 4, 24:  „Jahve  dein  Gott  ist  ein  verzehrendes  Feuer"?  u.  Dn  7. 9:  „Sein 
Thron  waren  Feuerflammen,  dessen  Räder  flammendes  Feuer"?  Vielmehr  ist  es  so  ge- 
meint: Hänge  dich  an  die  Gelehrten  u.  an  deren  Schüler;  so  rechne  ich  (Gott)  es  dir 
so  an,  als  wärest  du  zum  Himmel  emporgestiegen  u.  hättest  (dort  die  Tora)  in  Empfang 
genommen.  |'  Midr  HL  2,  5  (97*5):  Am  Ende  der  Religionsverfolgung  (unter  Hadrian)  ver- 
sammelten sich  uusre  Lehrer  in  Uscha  (in  Galiläa),  u.  zwar  R.  J'^^huda,  R.  N'^chemja, 
R.  Meir,  R.  Jose  (b.  Chalaphta),  R.  Schimfon  b.  Jochai,  R.  Elicezer  b.  Jose  ha-6'^'lili,  u. 
R.  Elicezer  b.  Jacaqob  (IL,  sämtlich  um  150).  Sie  ließen  den  Ältesten  in  Galiläa  melden: 
Wer  (Tora)  gelernt  hat,  der  komme  u.  lehre,  u.  wer  nicht  gelernt  hat,  der  komme  u. 
lerne!  Sie  versammelten  sich  u.  studierten  u.  taten  alles  Nötige.  Als  die  Zeit  herankam, 
Abschied  zu  nehmen,  sprachen  sie:  Den  Ort,  in  welchem  wir  aufgenommen  worden 
sind  ":t2  ".'-^-ry::,  sollten  wir  leer  (d.  h.  ohne  Segen)  zurücklassen?  .  .  .  Und  nun  trug 
R.  N^chemja  öfi'entlich  vor:  Es  heißt  Dt 23, 4 f.:  „Kein  cAmmouiter  u.  Moabiter  darf  in 
die  Gemeinde  Jahves  eintreten  .  .  .,  dafür,  daß  sie  euch  nicht  mit  Brot  u.  Wasser  ent- 
gegenkamen." .  .  .  Komm  u.  sieh,  wie  Gott  diese  beiden  Völker  gestraft  hat!  Es  heißt 
in  der  Tora:  Kein  'Ammoniter  u.  Moabiter  darf  in  die  Gemeinde  Jahves  eintreten!  Und 
ihr,  Bewohner  von  Uscha,  seid  unsren  Lehrern  entgegengekommen  mit  eurer  Speise  u. 
eurem  Trank  u.  euren  Lagerstätten;  Gott  wird  euch  dafür  guten  Lohn  geben!  —  Nach 
ihm  R.  Meir:  Es  heißt  1  Kg  18, 11:  Es  wohnte  ein  alter  Prophet  in  Bethel  usw.  .  .  . 
Wenn  nun  dieser,  der  den  zurückgeholten  Propheten  betrogen  u.  ihm  Lügenbrot  zu 
essen  gegeben  hatte,  gewürdigt  ward,  daß  der  heilige  Geist  auf  ihm  ruhte  (vgl.  1.3, 20  ff.): 
um  wieviel  mehr  wird  euch,  ihr  Bew.  von  Uscha,  die  ihr  uusre  Lehrer  mit  Speise  der 
Wahrheit  u.  mit  Trank  u.  mit  Lager  aufgenommen  habt  crVapi?,  Gott  guten  Lohn  ver- 
gelten! —  Nach  ihm  R.  Jose:  Es  heißt  2  Sm  6, 11 :  Die  Lade  Jahves  blieb  im  Hause  cObed- 
Edoms  des  Gathiters  drei  Monate,  u.  Jahve  segnete  den  'Obed-Edom  u.  sein  ganzes 
Haus.  .  .  .  Wenn  er  nun  wegen  der  Ehre,  die  er  der  Lade  Gottes  erwies,  die  doch 
weder  aß  noch  trank  noch  redete,  in  der  nur  die  beiden  Steintafeln  sich  befanden  u. 
vor  der  er  nur  ein  Licht  anzündete,  gewürdigt  ward,  gesegnet  zu  werden,  um  wieviel 
mehr  gilt  das  dann  von  euch,  unsre  Brüder,  Bew.  von  Uscha!  —  Nach  ihm  R.  Schiracon: 
Es  heißt  2  Kg  4, 8:  Es  geschah  eines  Tages,  als  Elisa  an  Sunem  vorüberging,  dawar 
daselbst  eine  vornehme  Frau,  die  hielt  ihn  fest  zum  Essen.  .  .  .  Wenn  nun  die  Sunam- 
miterin,  weil  sie  den  Elisa  speiste,  der  Auferweckung  ihres  Sohnes  gewürdigt  ward, 
um  wieviel  mehr 'gilt  das  dann  von  euch,  ihr  Bew.  Uschas,  die  ihr  (unsren  Lehrern) 
Liebe  erwiesen  habt!  —  Nach  ihm  R.  Elicezer  b.  Jose  ha-G'^lili :  Es  heißt  1  Sm  15,  6:  Saul 
sprach  zu  dem  Qeniter  (im  Sinne  des  Midr  =  Jethro):  Auf,  ziehet  fort,  steigt  herab 
aus  der  Mitte  der  fAmaleqiter;  sonst  könnte  ich  dich  zugleich  mit  ihm  austilgen, 
obwohl  du  doch  Liebe  geübt  hast  gegen  alle  Kinder  Israel,  als  sie  aus  Ägypten 
heraufzogen.  Hat  denn  Jethro  allen  Israeliten  Liebe  erwiesen,  hat  er  sie  denn  nicht 
bloß  Mose  erwiesen?  Das  will  dich  lehren,  daß  es  demjenigen,  der  einem  der  Großen 
Israels  Liebe  erweist,  so  angerechnet  wird,  als  wenn  er  sie  allen  Israeliten  erwiesen 
hätte.  Um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  euch,  unsre  Brüder,  ihr  Bew.  von  Uscha!  — 
Nach  ihm  R.  Elicezer  b.  JaEaqob:  Es  heißt  Dt  27,  9:  Mose  u.  die  Priester  u.  Leviten' 
sprachen  zu  ganz  Israel:  Schweige  u.  höre,  Israel!  an  diesem  Tage  bist  du  zu  einem 
Volke  Jahves,  deines  Gottes,  geworden.  Wie,  empfingen  sie  denn  an  diesem  Tage  die 
Tora,  hatten  sie  sie  denn  nicht  schon  vor  vierzig  Jahren  empfangen?  Und  du  sagst: 
Diesen  Tag?  Allein  es  will  lehren,  daß,  weil  Mose  sie  die  Tora  lehrte  u.  sie  dieselbe 


Matth  10,  14  [%.  93).  10,  15  (Nr.  1)  571 

mit  freudigem  Angesicht  annahmen,  es  ihnen  die  Schrift  so  anrechnete,  als  wenn  sie 
die  Tora  an  diesem  Tage  auf  dem  Berge  Sinai  angenommen  hätten.  Deshalb  heißt  es: 
An  diesem  Tage  bist  du  zu  einem  Volke  Jahves,  deines  Gottes,  geworden.  Und  ihr, 
unsre  Brüder,  Bew.  von  Uscha,  die  ihr  unsre  Lehrer  mit  freudigem  Angesicht  auf- 
genommen habt  crhzpv  —  um  wieviel  mehr  gilt  es  von  euch!  —  Dasselbe  als  Bar 
mit  mehrfachen  Abweichungen  B'^^rakhßS'^  s.  bei  10,40.  Noch  andres  daselbst  u.  im 
Exkurs  »Liebeswerke"  Nr.  4,  II. 

10, 14  5B:  Fortgehend  aus  jenem  Haus  oder  Stadt 
schüttelt  d&n  Staub  von  euren  Füßen  ab. 

Das  Land  der  Heiden  galt  als  unrein,  weil  man  überall  Grabstätten 
vermutete.  Erdstaub,  etwa  mit  ausländischen  Bodenerzeugnissen  nach 
Palästina  eingeführt,  konnte  levitisch  reine  Gegenstände  unrein  machen. 
Bei  einer  Wanderung  durch  heidnisches  Gebiet  wird  man  also,  bevor 
man  den  Boden  Palästinas  betrat,  sorgfältig  allen  Staub  von  Schuhwerk 
u,  Kleidung  entfernt  haben,  um  das  Land  Israel  nicht  zu  verunreinigen. 
Schüttelte  man  daher  den  Staub  einer  Stadt  von  den  Füßen  ab,  so 
drückte  man  damit  aus,  daß  man  den  Ort  dem  Gebiet  der  Heiden 
gleichstelle  u.  mit  seinen  Bewohnern  keine  Gemeinschaft  habe.  —  Eine 
andersartige  Gedankenverbindung  liegt  der  Symbolik  des  Ausschütteins 
des  Gewandes  Neh  5, 13  u.  Apg  18,  6  zugrunde. 

TMiqv  G,  1  (657):  Das  Land  der  Völker  ist  unrein;  desgleichen  seine  Wasser- 
ansammlungen (Zisternen,  Teiche  usw.),  seine  Wohnstätten  u.  seine  Wege.  ||  Sanh  12" 
Bar:  Man  darf  kein  Grünkraut  (wie  Kohl  u.  dgl.)  aus  dem  Auslande  nach  dem  Land 
(Israel)  bringen;  aber  unsre  Rabbinen  erlaubten  es.  Welche  Meinungsverschiedenheit 
liegt  dem  zugrunde?  R.  .Firm'^ja  (um  325)  hat  gesagt:  Die  Besorgnis  wegen  der  Erd- 
klöße (die  mit  dem  Grünkraut  eingeführt  werden  u.  Verunreinigungen  im  Lande  Israel 
verursachen  könnten)  lag  als  Meinungsverschiedenheit  zugrunde.  ||  GitS-'^Bar:  Der  Erd- 
staub Syriens  ist  unrein  wie  der  des  Auslandes.  ||  Toharoth  4, 5 :  In  sechs  Zweifelsfällen 
verbrennt  man  die  Priesterhebe  (als  möglichenfalls  unrein  geworden):  wenn  Zweifel 
besteht,  ob  sie  mit  einer  umgepflügten  Grabstätte  oder  mit  Erdstaub,  der  aus  einem 
Lande  der  Völker  stammt,  oder  mit  Kleidungsstücken  eines  EAm  ha-are9  (der  sich  um 
die  Reinheitsgesetze  nicht  kümmert)  oder  mit  vorgefundenen  Gefäßen  (deren  Reinheit 
ungewiß  ist)  oder  mit  Speichelauswurf  oder  mit  menschlichem  Urin  in  Berührung  ge- 
kommen ist,  der  zu  gleichen  Teilen  in  tierischen  Urin  gemischt  ist.  —  Diese  Mischna 
wird  zitiert  zB  Schab  15^.  ||  Ohaloth2,3:  Folgende  Dinge  verunreinigen  durch  Berühren 
u.  Tragen. . . .  Ausländische  Erde  (die  nach  Palästina  verschleppt  wurde).  ||  B'-rakh  19^ : 
R.  J®huda  (t  299)  hat  gesagt,  Sch*^muel  (f  254)  habe  gesagt:  Man  bläst  den  Staub  eines 
Feldes,  in  dem  menschliche  Knochen  ausgepflügt  wurden,  (von  den  Füßen)  ab  u.  geht 
von  dannen  (die  Sache  ist  damit  erledigt).  —  Dieser  Satz  ist  oft  wiederholt  worden, 
s.  zB  K^th  281^;  Nidda  57-'.  —  Das  allerdings  anders  gemeinte  Staubabschütteln  Jes  52, 2 
hat  R.  Acha  (um  320)  einmal  Midr  HL  4, 8  (114^^)  mit  den  Worten  veranschaulicht:  Wie 
eine  Henne,  die  die  Asche  von  ihren  Flügeln  abschüttelt  r.^vz'n.  —  Dasselbe  GnR  75  (AS^).  — 
Sein  Schüler  R.  Judan  (um  350)  hat  das  gleiche  Bild  Midr  Ps  103  §8  (118=*)  auf  Hiob 
angewandt:  Wie  ein  Hahn  (1.  mit  Buber  ■^a;  statt  =-s)  auf  dem  Dunghaufen  sitzt  u. 
sich  schüttelt  '.^-^i'  ^y:r:,  so  hat  Hiob  die  Leiden  von  sich  abgeschüttelt  ly:»:  u.  ist 
erneuert  worden. 

10,15:  Es  wird  dem  Lande  von  Sodom  u.  Gomorra 
erträglicher  ergehn  am  Tage  des  Gerichts. 
1.  Schandtaten  der  Bewohner  von  Sodom  u.  Gomorra. 


572  Matth  10,15  (Nr.  1) 

GnR41  (25'^):  Rabbi  sagte:  Üuter  den  Städten  gibt  es  keine  schlimmere,  als  Sodom 
war,  gleichwie  man  einen  bösen  Menschen  einen  Sodomiter  nennt;  u.  unter  den  Völkern 
gibt  es  kein  härteres,  als  die  Einoriter,  gleichwie  man  einen  harten  Menschen  einen 
Kmoriter  nennt.  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Unter  den  Städten  gibt  es  keine 
schönere,  als  Sodom  war;  denn  Lot  durchzog  alle  Städte  des  Kreises  u.  fand  keinen 
schöneren  Ort  als  Sodom  war,  u.  zwar  waren  sie  (die  Sodomiter)  die  geachtetsten  (oder 
auch  die  achtbarsten)  unter  ihnen.  (In  TSchab  7,  "231?.  [119]  wird  Rabbis  Ausspruch  dem 
R.Jose,  der  des  R.Jose  dem  R.  N*^horai,  um  150,  beigelegt;  dann  folgt  noch  ein  Aus- 
spruch des  Rabban  Schimfon  b.  Gamliöl,  um  140:  Unter  den  Völkern  gibt  es  kein  lang- 
mütigeres ("ir«,  vorsichtig,  gelassen)  als  die  Emoriter;  denn  so  finden  wir,  daß  sie 
Gott  glaubten  u.  nach  Afrika  auswanderten,  u.  Gott  gab  ihnen  ein  Land,  das  so  schön 
war,  wie  ihr  (früheres)  Land,  u.  auch  das  Land  Israel  wurde  nach  ihrem  Namen  be- 
nannt.) —  ,Die  Leute  von  Sodom  aber  waren  böse  u.  sündig  vor  Jahve  gar  sehr*  Gn 
13, 13:  „böse",  nämlich  gegeneinander,  „sündig",  nämlich  durch  Unzuchtssünden,  „vor 
Jahve",  nämlich  als  Götzendiener,  ,gar  sehr",  d.  h.  in  Sachen  des  Blutvergießens.  — 
.ähnliche  Auslegungen  von  Gn  13,  13  finden  sich  Sanh  109^^:  Rab  J'-huda  (t  299)  hat 
gesagt:  „Sie  waren  böse",  nämlich  mit  ihrem  Leibe  (in  Unzuchtssünden),  s.  GnB9,  9: 
„Wie  sollte  ich  dieses  große  Unrecht  (~>~)  tun  u.  mich  wider  Gott  versündigen!" 
..Sündig",  nämlich  mit  ihrem  Hab  u.  Gut  (ariis's),  s.  Dt  15,  9:  „Daß  es  (unbarmherziges 
Verfahren)  eine  Sünde(nschuld)  an  dir  werde."  „Vor  Jahve",  damit  ist  Gotteslästerung 
gemeint;  „gar  sehr",  d.  h.  sie  sündigten  absichtlich.  In  einer  Bar  ist  gelehrt  worden: 
„Sie  waren  böse",  nämlich  mit  ihrem  Hab  u.  Gut,  s.  Dt  15,  9:  „Daß  dein  Auge  miß- 
günstig (ny-')  sei  gegen  deinen  armen  Bruder";  „sündig",  nämlich  mit  ihrem  Leibe, 
s.  Gn39,  9:  Daß  ich  mich  wider  Gott  versündigte!;  „vor  Jahve",  damit  ist  Gottes- 
lästerung gemeint;  „gar  sehr",  das  bezieht  sich  auf  Blutvergießen,  s.  2  Kg  21, 16:  Auch 
unschuldiges  Blut  vergoß  Manasse  „gar  sehr"  viel  in  Jerusalem.  |;  Sauh  109*  Bar:  Die 
Leute  von  Sodom  sind  nur  infolge  des  Guten  übermütig  (hoffärtig)  geworden,  das  Gott 
ihnen  im  Überfluß  hatte  zuteil  werden  lassen.  Was  steht  doch  von  ihnen  geschrieben? 
Hi28,  5ff. :  „Ein  Land,  aus  dem  Brot  hervorwächst,  u.  unten  wird  es  umgewühlt  wie 
von  Feuer.  Eine  Fundstätte  des  Saphirs  ist  sein  Gestein,  u.  Goldstufen  hat  es;  den 
Weg  kennt  der  Adler  nicht,  noch  erspäht  ihn  des  Geiers  Auge,  ihn  betreten  nicht  die 
stolzen  Raubtiere,  noch  schreitet  der  Leu  über  ihn  hin."  Sie  sprachen  nämlich:  Da 
aus  der  Erde  Brot  hervorwächst  u.  Goldstufen  sich  darin  finden,  was  sollen  uns  da  die 
Wandrer,  die  nur  zu  uns  kommen,  um  uns  Mangel  zu  bereiten!  Kommt,  lasset  uns 
das  Gesetz  des  Wanderers  aus  unserm  Land  vergessen  machen,  s.  Hi  28,  4:  Man  bricht 
einen  Schacht,  fern  bleibt  der  Fremde,  vergessen  sind  sie  vom  Wandrer.  —  Nach  den 
älteren  Parallelstellen  TSota  3, 11  f.  (296);  M'-^kh  Ex  15,  1  (42'');  SDt  11, 14  §  48  (81 »)  ist 
Hi  28,  4  als  strafende  Antwort  Gottes  gemeint:  Gott  sprach  zu  den  Leuten  von  Sodom: 
Für  das  Gute,  das  ich  euch  im  Überfluß  habe  zuteil  werden  lassen,  wollt  ihr  den 
Wanderer  aus  eurer  Mitte  vergessen  machen?  Ich  werde  euch  von  der  Welt  vergessen 
machen,  wie  es  heißt  Hi28,  4:  Hervor  bricht  der  Strom  (von  Feuer  u.  Schwefel,  so 
wird  jetzt  der  Vers  gedeutet),  fernab  bleibt  der  Fremde,  vergessen  sind  sie  vom  Wandrer, 
schweben  fern  von  Menschen,  schwanken!  —  Weitere  Parallelen  finden  sich  LvR  4 
(107b);7(110'');MidrQoh2,2(r2b);NuR9(153d).  [1  Sanh  109a:Raba(t  352)  hat  öffent- 
lich vorgetragen:  Was  heißt  Ps62,  4:  „Wie  lange  wollt  ihr  anstürmen  wider  einen 
Mann,  ihn  töten  ihr  alle,  wie  eine  sinkende  Wand,  eine  eingestoßene  Mauer?"  Das 
lehrt,  daß  sie  (die  Sodomiter)  ihre  Augen  auf  die  reichen  Leute  warfen;  man  setzte 
einen  solchen  an  einer  sinkenden  Mauer  nieder  u.  stürzte  diese  dann  auf  ihn;  darauf 
kamen  sie  u.  nahmen  sein  Vermögen  fort.  Ferner  hat  Raba  öffentlich  vorgetragen:  Was 
heißt  Hi24, 10:  „Man  bricht  bei  Nacht  in  Häuser  ein,  sie,  die  bei  Tage  sich  eingeschlossen 
halten,  da  sie  vom  Licht  nichts  wissen  wollen"?  Das  lehrt,  daß  die  Sodomiter  ihre 
Augen  auf  die  reichen  Leute  warfen;  sie  legten  bei  einem  solchen  Balsam  als  Depositum 
nieder,  den  dieser  dann  in  seiner  Schatzkammer  aufbewahrte.  Am  Abend  kamen  sie 
u.  gingen  dem  Duft  des  Balsams  nach  den  Hunden  gleich,  s.  Ps59,  7:    „Am  Abend 


Matth  10,  15  (Nr.  1)  573 

kehren  sie  wieder,  knurren  wie  die  Hunde  u.  laufen  umher  in  der  Stadt."  So  kamen  sie 
u.  brachen  dort  (in  die  Schatzkammern)  ein  u.  nahmen  das  Vermögen  fort.  \\  Sanh  109=*: 
Die  Sodomiter  bestimmten:  Wer  einen  Ochsen  hat,  der  muß  das  (gesamte)  Vieh  einen 
Tag  auf  die  Weide  treiben;  wer  keinen  Ochsen  hat,  der  muß  es  zwei  Tage  auf  die 
Weide  treiben!  Einem  Waisenknaben,  dem  Sohn  einer  Witwe,  übergaben  sie  die  Ochsen 
zum  Weiden.  Er  ging  hin,  nahm  die  Ochsen  u.  tötete  sie.  Er  sprach  zu  ihnen:  Wer 
einen  Ochsen  hat,  nehme  sich  eine  Haut;  wer  keinen  Ochsen  hat,  der  nehme  sich  zwei 
Häute!  Sie  sprachen  zu  ihm:  Was  soll  das?  Er  antwortete:  Das  Ende  des  Rechts  muß 
seinem  Anfang  entsprechen.  Wie  der  Anfang  des  Rechts  war:  Wer  einen  Ochsen  hat, 
der  muß  das  Vieh  einen  Tag  auf  die  Weide  treiben,  u.  wer  keinen  Ochsen  hat,  der  muß 
es  zwei  Tage  auf  die  Weide  treiben,  so  muß  auch  das  Ende  des  Rechts  sein:  Wer  einen 
Ochsen  hat,  der  nehme  eine  Haut;  wer  aber  keinen  Ochsen  hat,  der  nehme  zwei  Häute! 
Ferner  hatten  sie  bestimmt:  Wer  in  einer  Fähre  übersetzt,  hat  einen  Zuz  zu  zahlen; 
wer  aber  ohne  Fähre  übersetzt,  zahlt  zwei  Zuz!  —  Wenn  einer  eine  Reihe  Ziegel  hatte, 
so  kam  jeder,  nahm  sich  einen  Ziegel  u.  sprach:  Ich  habe  ja  nur  einen  genommen  (das 
macht  dich  doch  nicht  arm)!  Wenn  einer  Knoblauch  oder  Zwiebeln  hinschüttete  (etwa 
zum  Trocknen),  dann  kam  jeder  u.  nahm  sich  eine  Knolle  u.  sprach:  Ich  habe  ja  nur 
eine  genommen !  —  Viererlei  Richter  waren  in  Sodom :  Lügner,  Verlogene,  Fälscher  u. 
Rechtsverdreher.  Wenn  einer  das  Weib  eines  andren  gestoßen  hatte,  daß  sie  eine  Fehl- 
geburt tat,  so  sprachen  sie  zu  ihrem  Mann:  Gib  sie  ihm,  damit  er  sie  dir  wieder  schwanger 
mache!  Wenn  einer  dem  Esel  eines  andren  ein  Ohr  abgeschnitten  hatte,  so  sprachen 
sie  zu  dem  Eigentümer:  Gib  ihm  den  Esel,  bis  das  Ohr  wiedergewachsen  ist!  Wenn 
einer  einen  andren  verwundet  hatte,  sprachen  sie  zu  dem  Verwundeten:  Gib  jenem  Lohn 
dafür,  daß  er  dir  Blut  abgelassen  hat!  Wenn  einer  mit  einer  Fähre  übersetzte,  mußte 
er  4  Zuz  zahlen ;  war  er  durch  das  Wasser  gegangen,  so  zahlte  er  8  Zuz.  Einmal  ging 
ein  Walker  dorthin;  als  er  dort  angekommen  war,  sprachen  sie  zu  ihm:  Gib  4  Zuz!  Er 
antwortete  ihnen:  Ich  bin  durchs  Wasser  gegangen.  Sie  sprachen:  Wenn  dem  so  ist. 
so  hast  du  8  Zuz  zu  zahlen,  weil  du  durchs  Wasser  gegangen  bist.  —  Einmal  war 
Elif  ezer,  der  Vogt  Abrahams,  dorthin  gekommen,  u.  man  verwundete  ihn.  Er  ging  zum 
Richter,  der  zu  ihm  sprach:  Gib  jenem  (der  dich  schlug)  Lohn  dafür,  daß  er  dir  Blut 
abgelassen  hat!  Da  nahm  Elif  ezer  einen  Stein  u.  verwundete  damit  den  Richter.  Dieser 
sprach:  Was  soll  das?  Jener  antwortete:  Den  Lohn,  der  mir  jetzt  von  dir  zusteht,  gib 
jenem  (der  mich  geschlagen  hat);  so  bleibt  mein  Geld,  wie  es  war!  —  Die  Sodomiter 
hatten  ein  Bett,  auf  welchem  sie  die  Wanderer  (Gäste)  schlafen  ließen.  War  einer  zu 
lang  (für  das  Bett),  so  kürzten  sie  ihn;  war  er  zu  kurz,  so  streckten  sie  ihn.  Einmal 
war  auch  Eli?ezer,  der  Vogt  Abrahams,  dort  hingekommen.  Sie  sprachen  zu  ihm :  Auf, 
lege  dich  in  das  Bett!  Er  antwortete:  Ich  habe  seit  dem  Tage,  da  meine  Mutter  starb, 
das  Gelübde  auf  mich  genommen,  in  keinem  Bett  zu  schlafen.  —  Wenn  ein  Armer  zu 
ihnen  kam,  gab  ihm  jeder  einen  Denar,  auf  den  er  (der  Geber)  seinen  Namen  schrieb; 
aber  Brot  ließen  sie  ihm  nicht  zukommen.  Wenn  dann  jener  (vor  Hunger)  starb,  kam 
jeder  u.  nahm  seinen  Denar  wieder  an  sich.  —  Folgende  Vereinbarung  hatten  sie  unter- 
einander getroffen:  wer  einen  (fremden)  Mann  zu  einer  Hochzeit  einlud,  der  mußte 
seinen  Mantel  (Obergewand)  ausziehen  (zur  Strafe).  Als  nun  einmal  Hochzeit  war,  kam 
Elisezer  dorthin  u.  man  gab  ihm  kein  Brot.  Als  sie  das  Mahl  halten  wollten,  kam 
Elif  ezer  u.  setzte  sich  an  das  unterste  Ende  von  allen.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Wer  hat 
dich  hierher  geladen?  Er  antwortete  dem,  der  bei  ihm  saß:  Du  hast  mich  eingeladen! 
Da  nahm  dieser  seinen  Mantel  u.  eilte  hinaus  (um  der  festgesetzten  Strafe  zu  entgehen); 
u.  so  machte  er  es  mit  allen,  bis  sie  alle  hinaus  waren;  dann  verzehrte  er  die  Mahl- 
zeit. —  Einmal  ereignete  es  sich,  daß  ein  Mädchen  den  Armen  Brot  in  einem  Wasser- 
krug hinaustrug.  Als  der  Vorfall  bekannt  wurde,  bestrichen  sie  sie  mit  Honig  u.  legten 
sie  auf  das  Dach  einer  Mauer;  da  kamen  Bienen  u.  verzehrten  sie.  Das  meint  Gn  18,  2U: 
jJahve  sprach:  Wenn  das  Geschrei  über  Sodom  u.  Gomorra  demjenigen  über  das 
Mädchen  entspricht,  wahrlich,  dann  ist  ihre  Sünde  gar  schwer  geworden  (der  Midr 
deutet  na-i  =  na"-  „Mädchen").  Rah  J^uda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt: 


574  Matth  10,  15  (Nr.  1.  2).  10,  16  {%.  SB) 

(Das  risr  Gn  18,  20  bedeutet:)  , wegen  des  Mädchens".  —  Parallelstellen  zur  Schluß- 
erzählung: GuRiO  (31l>),  hier  wird  das  Mädchen  verbrannt;  Targ  Jeruschl  zu  Gn  18, 20  f., 
hier  heißt  das  Mädchen  P^letith  r^^-hs .  —  Statt  der  vier  Richter  in  Sanh  109'''  werden 
GnR50(32^)  deren  fünf  genannt:  Lügenverhreiter,  Meister  der  Lüge,  Meister  der  Ge- 
heimnisse (Levy  4, 305  nach  andrer  Lesart:  Rechtsverdreher),  Meister  der  Schlechtigkeit 
u.  — i:b  s5p  (bisher  ohne  befriedigende  Erklärung  geblieben ;  Levys  Deutung  4,  305  = 
xXeTTzäpdg«  , Menschenräuber "  ist  unmöglich;  Dalman  =  axoXons'i'tfga  =  Tausendfuß; 
s.  auch  Krauß,  Lehnw.  2,  541).  ||  GnR  50  (32 '^j:  R.  M^nachema  (um  350)  hat  im  Namen  des 
R.  Bebai  (um  320j  gesagt:  Die  Leute  von  Sodom  hatten  unter  sich  vereinbart:  Jeden 
Fremdling,  der  hierher  kommt,  wollen  wir  beschlafen  u.  ihm  sein  Geld  abnehmen.  |1 
Aboth  5. 10:  Viererlei  Menscheuarten  gibt  es:  Wenn  man  sagt:  ,Das  Meinige  ist  mein  u. 
das  Deinige  ist  dein",  so  ist  das  die  mittelmäßige  Art;  einige  sagen:  Es  ist  sodoraitische 
Art.  ,Das  Meinige  ist  dein  u.  das  Deinige  ist  mein",  so  sagt  der  ?Am  haareQ.  „Das 
Meinige  ist  dein  u.  das  Deinige  ist  dein",  so  sagt  der  Fromme.  ,Das  Deinige  ist  mein 
u.  das  Meinige  ist  mein",  so  sagt  der  Frevler,  ji  Zu  den  Unzuchtssünden  der  Sodomiter 
s.  bei  Judas  7. 

2.  Über  das  Erscheinen  der  Leute  von  Sodom  u.  Gomorra  vor 
Gottes  Richterstuhl  am  jüngsten  Tage  waren  die  Meinungen  im  2.  Jahr- 
hundert geteilt;  jedoch  nimmt  die  Mehrzahl  an,  daß  sie  im  großen 
Gericht  Gottes  stehen  werden;  darin  liegt  zugleich  ihre  Teilnahme  an 
der  Auferstehung  ausgesprochen. 

Sanh  10,  3:  Das  Geschlecht  der  Flut  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  u. 
sie  stehen  nicht  im  (großen)  Gericht  (damit  ist  auch  ihre  Auferstehung  verneint);  denn 
es  heißt  Gn  6,  3:  „Nicht  soll  richten  mein  Geist  im  Menschen  (so  der  Midr)  ewiglich." 
Also  weder  ein  Gericht  (über  sie)  noch  Lebensgeist  (in  ihnen).  Das  Geschlecht  der 
Zerstreuung  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt;  denn  es  heißt  Gn  11,  8:  „Jahve 
zerstreute  sie  von  dort  über  die  Oberfläche  der  ganzen  Erde."  „Jahve  zerstreute  sie", 
nämlich  in  dieser  Welt;  „von  dort",  d.  h.  in  der  zukünftigen  Welt.  Die  Leute  von  Sodom 
haben  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt;  denn  es  heißt  Gn  13,  13:  „Die  Leute 
von  Sodom  waren  böse  u.  sündig  vor  Jahve  gar  sehr."  „Sie  waren  böse",  nämlich  in 
dieser  Welt,  u.  „sündig"  in  der  zukünftigen  Welt;  aber  sie  stehen  im  (großen)  Gericht. 
R.  N'^chemja  (um  150)  sagte:  Weder  jene  noch  diese  stehen  im  (großen)  Gericht;  denn 
es  heißt  Psl,5:  „Darum  werden  die  Gottlosen  nicht  bestehn  im  Gericht,  noch  die 
Sünder  in  der  Gemeinde  der  Gerechten."  „Darum  werden  die  Gottlosen  nicht  bestehn 
im  Gericht",  das  ist  das  Geschlecht  der  Flut;  „noch  die  Sünder  in  der  Gemeinde  der 
Gerechten",  das  sind  die  Leute  von  Sodom.  Da  sagten  sie  (die  Gelehrten)  zu  ihm:  Sie 
stehen  nicht  in  der  Gemeinde  der  Gerechten,  wohl  aber  stehen  sie  in  der  Gemeinde  der 
Gottlosen.  —  Der  obige  Schriftbeweis  aus  Gn  13, 13  als  Bar  Sanh  109^. 

10, 16  51:  Siehe,  ich  sende  euch  wie  Schafe  inmitten  von  Wölfen. 

Tanch  r'-'^^ir  (32b):  Hadrian  sagte  zu  R.  J'hoschuac'  (um  90):  Etwas  Großes  ist  es 
um  das  Schaf  (d.  h.  Israel),  das  unter  siebzig  Wölfen  (den  siebzig  Völkern  der  Welt) 
bestehen  bleibt.  Er  erwiderte:  Groß  ist  der  Hirte,  der  es  errettet  u.  bewacht  u.  sie  (die 
Wölfe)  vor  ihnen  (Israel)  niederbricht;  da  darf  man  sagen:  „Jeglich  Zeug,  das  wider 
dich  geschmiedet  wird,  wird  kein  Glück  haben"  Jes  54,  17. 

10,16  !ß:  Werdet  daher  klug  wie  die  Schlangen 
u.  ohne  Falsch  wie  die  Tauben. 

Midr  HL  2,  14  (lOH).  Es  heißt:  „Meine  Taube  in  den  Felsenritzen"  HL  2,  14. 
R.  J'^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  ge.sagt:  Gott  sprach  in  bezug  auf  die  Israeliten:  Bei 
mir  sind  sie  einfältig  {z-c'^r,  vollkommen,  unschuldig),  wie  die  Tauben  n-:v:,  aber 
unter  den  Völkern  der  Welt  sind  sie  listig,  wie  die  Schlangen  =-'an3:  ci-ry;  das  meint 


Matth  10, 16  (5B).  10, 17  (3t)  575 

Dn  3, 16:  „Da  antworteten  Schadrakh,  Meschakh  u.  cAbed-Nego  u.  sprachen  zum  König 
Nebukadne^ar."  Wenn  es  heißt  „zum  König\  weshalb  dann  noch  „NebukadncQar"? 
Und  wenn  es  heißt  „Nebukadne^ar",  weshalb  dann  noch  ,zum  König"?  Allein  so 
sprachen  sie  zu  ihm:  Wenn  es  sich  um  Tribut,  Kopfsteuern,  öffentliche  Abgaben  u. 
Leistungen  handelt,  so  bist  du  König  über  uns.  Das  wollen  die  Worte  besagen:  ,Zum 
König  NebukadneQar."'  Wenn  es  sich  aber  darum  handelt,  daß  du  uns  befiehlst,  dein 
Götzenbild  anzubeten,  so  bist  du  ein  ^u:--:-^a3  u.  Nebukadne9ar  ist  dein  Name,  d.  h. 
dieser  Mann  (=  du)  u.  ein  ßeller  (=  Hund)  sind  für  uns  ein  u.  dasselbe.  Nebukadne^ar: 
Belle  {nzz  =  ^z:)  wie  ein  Hund;  blähe  dich  auf  wie  ein  Weinschlauch  (sn^^p  =  -3 
„Krug"),  zirpe  ("':::)  wie  eine  Grille!  —  Der  Ausspruch  des  R.  J'^huda  b.  Simon,  aber 
ohne  Hinweis  auf  Dn  S,  16,  wird  Midr  Ps  119  §  1  (244b)  von  R.  J^huda  b.  Schalom,  um 
370,  tradiert;  die  Auslegung  von  Dn  3, 16  auch  LvR  38  (130'')  u.  Midr  Ps  28  §  2  (115^).  || 
GnR  20  (13"):  R.  Elcazar  (um  270)  hat  gesagt:  Auch  im  Fluche  Gottes  liegt  ein  Segen. 
Wenn  Gott  zur  Schlange  nicht  gesagt  hätte:  ,Auf  deinem  Bauche  sollst  du  kriechen* 
Gn  3,  14,  wie  könnte  sie  nach  der  Wand  fliehen  u.  sich  retten,  in  ein  Loch  u.  sich 
retten?  ||  Schab  49^*:  Was  ist  für  ein  Unterschied  zwischen  den  Flügeln  der  Taube  u. 
den  übrigen  Vögeln,  daß  die  Gemeinde  Israel  mit  einer  Taube  verglichen  wird,  wie  es 
heißt:  „Die  Flügel  der  Taube,  mit  Silber  überzogen"  Ps  68, 14?  Wie  die  Flügel  die 
Taube  schützen  (durch  ihre  große  Schnelligkeit),  so  schützen  die  Gebote  Israel.  |!  GnR 
39(24'"'):  „Ich  spreche:  Ach,  daß  ich  Flügel  hätte  wie  die  Taube,  davonfliegen  wollte 
ich  u.  mich  niederlassen!"  Ps  55,  7.  Warum  „wie  die  Taube"?  R.  'Azarja  (um  380)  hat 
im  Namen  des  R.  Judan  (um  350)  gesagt:  Während  sich  alle  Vögel,  wenn  sie  ermüdet 
sind,  auf  einem  Felsen  oder  auf  einem  Baum  ausruhen,  so  zieht  die  Taube,  wenn  sie 
fliegt  u.  ermüdet  ist,  den  einen  ihrer  Flügel  ein  u.  fliegt  mit  dem  andren.  (Dadurch, 
daß  sie  nirgends  Rast  macht,  entgeht  sie  ihren  Feinden.)  ||  ExR  21  (83"):  „Meine  Taube 
in  den  Felsenritzen"  HL  2, 14;  die  Schrift  hätte  sagen  sollen:  „Taube"  in  den  Felsen- 
ritzen, warum  sagt  sie  „meine  Taube"?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gott  sprach 
zu  Israel:  Meine  Taube,  sieh,  was  geschrieben  steht:  ,Und  es  ward  Ephraim  einer 
einfältigen  Taube  gleich  ripii  rir-=,  ohne  Einsicht  (Herz)"  Hos  7,  11.  Gott  sprach:  Bei 
mir  sind  sie  wie  eine  einfältige  Taube  -r'.z  r;:r:;  alles  was  ich  über  sie  beschließe, 
tun  sie  u.  gehorchen  sie  mir;  aber  bei  den  Völkern  der  Welt  sind  sie  hart  wie  die 
wilden  Tiere,  wie  es  heißt:  „  Ein  Löwenjunges  ist  J%uda"  Gn  49,  9,  „Benjamin  ist  ein 
Wolf,  der  zerreißt"  (das.  Vers  27),  „Es  werde  Dan  eine  Schlange  am  Wege"  (das.  Vers  17), 
weil  sie  hart  (fest)  sind  gegenüber  den  Völkern  der  Welt.  Weil  die  Völker  der  Welt  zu 
ihnen  sagen:  Was  wollt  ihr  von  diesem  Sabbat,  den  ihr  beobachtet,  von  dieser  Be- 
schneidung, die  ihr  ausführt?  —  u.  diese  wollen  ihnen  die  Gebotserfüllungen  zunichte 
machen  —  so  werden  sie  hart  (fest)  ihnen  gegenüber  wie  die  wilden  Tiere;  aber  bei 
Gott  sind  sie  wie  eine  fromme  Taube  r.yjr  rin-r  u.  gehorchen  ihm  in  allem,  was  er  über 
sie  beschließt,  s.  Ex 4,  31 ;  24,  7;  deshalb  heißt  es:  „Meine  Taube  in  den  Felsenritzen." 

10,17  51:  Sie  werden  euch  an  liatsversammlungen  ausliefern. 

tlg  avre^Qia,  nr-inriiö,  aram.  i^-inso,  Sing.  •p'^i'inrD. 

Neben  dem  großen,  aus  71  Mitgliedern  bestehenden  Synedrium  in 
Jerusalem  gab  es  nach  Sanh  1,  6  in  Städten,  die  mindestens  120  er- 
wachsene männliche  Mitglieder  zählten,  kleinere  Gerichtshöfe,  die  mit 
23  Personen  besetzt  waren,  a  An  diese  kleineren  Gerichtshöfe,  die 
gleichfalls  als  ■p":']n:c  bezeichnet  wurden, b  ist  an  unsrer  Stelle  zu 
denken,  wie  der  Plural  avvtÖQiu  zeigt.  Über  die  Zuständigkeit  der 
Gerichtshöfe  mit  23  Mitgliedern  belehrt  Sanh  1,  4.  c 

a.  Sanh  1,6:  Das  große  Synedrium  hatte  71  Mitglieder,  das  kleine  23.  Woher,  daß 
das  große  71  hatte?  Weil  es  Nu  11,  16  heißt:  Sammle  mir  70  Männer  aus  den  Ältesten 
Israels.   Und  Mose  zu  ihnen  hinzu,  siehe,  das  sind  71.   (Mose  hinzu,  weil  es  Nu  11, 17 


576  Matth  10, 17  (31) 

heißt:  Sie  sollen  „mit  dir"  tragen.)  R.  J%uda  (um  150)  sagte:  70  (er  erklärte  das  „mit 
dir"  ^=  „wie  du",  Sanh  17**).  —  Woher,  daß  das  kleine  23  Mitglieder  hatte?  Weil  es 
Nu  35, 24 f.  heißt:  »Und  die  Gemeinde  richte  . . .  u.  die  Gemeinde  errette."  Eine  richtende 
Gemeinde  u.  eine  rettende  Gemeinde,  siehe,  das  sind  20.  Und  woher,  daß  eine  „Ge- 
meinde" aus  10  Personen  besteht?  Weil  es  Nu  14,  '27  heißt:  Wie  lange  soll  es  dieser 
bösen  „Gemeinde"  beikommen,  wider  mich  zu  murren?  Josuau.Kaleb  sind  ausgenommen. 
(Man  verstand  unter  der  bösen  „Gemeinde"  speziell  die  Kundschafter,  deren  Zahl  nach 
Abzug  von  Josua  u.  Kaleb  10  betrug;  also  1  Gemeinde  =  10;  die  zweimalige  Erwähnung 
einer  „Gemeinde"  Nu  35,  24 f.  fordert  dann  '20  Personen.)  Und  woher,  daß  man  noch  3 
hinzuzufügen  hat?  Daraus,  daß  es  Ex  23,  2  heißt:  „Du  sollst  nicht  nach  der  (einfachen) 
Majorität  zum  Schlimmen  entscheiden"  (so  der  Midr),  entnehme  ich,  daß  es  zum  Guten 
(zum  Freispruch)  der  Mehrzahl  nur  Eines  bedarf.  Wenn  dem  so  ist,  warum  heißt  es  dann 
Ex  28, 2  (noch  einmal):  „Nach  der  Majorität  zu  entscheiden"  ?  (Um  zu  lehren:)  Nicht  wie 
deine  Entscheidung  zum  Guten  sei  deine  Entscheidung  zum  Schlimmen :  deine  Entscheidung 
zum  Guten  kann  erfolgen  auf  den  Ausspruch  Eines  (d.  h.  mit  1  Stimme  Majorität),  aber 
deine  Entscheidung  zum  Schlimmen  (zur  Verurteilung)  nur  auf  den  Ausspruch  zweier  (mit 
2  Stimmen  Majorität;  also  sind  zu  den  oben  berechneten  20  Mitgliedern  noch  2  hinzu- 
zufügen). Kein  Gerichtshof  aber  darf  geradzahlig  sein;  so  fügt  man  zu  ihnen  noch  einen 
hinzu;  siehe,  so  sind  hier  23.  Wie  viele  (männliche  Einwohner)  müssen  in  einer  Stadt 
sein,  daß  diese  für  ein  Synedrium  geeignet  sei?  120.  R.  N^chemja  (um  150)  sagte:  230, 
entsprechend  den  Oberen  über  zehn.  (Der  Richter  als  ein  Oberer  muß  mindestens 
10  Mann  unter  sich  haben;  mithin  muß  eine  Gemeinde  mit  23  Dekadenführern  wenigstens 
230  Einwohner  zählen.  Die  Halakha  ist  nicht  nach  R.  N^chemja,  s.  Strack  zu  Sanh  1,6.)  — 
Die  Berechnung  der  120  Stadtbewohner  ist  nach  Sanh  17l>  im  einzelnen  folgende:  23  Mit- 
glieder zählt  der  Gerichtshof;  zur  Gerichtsverhandlung  gehören  weiter  3  Reihen  von 
je  23  Gelehrtenschülern,  aus  deren  Zahl  der  eigentliche  Gerichtshof  gegebenenfalls  zu 
ergänzen  ist,  sind  zusammen  92  Personen;  jede  Gemeinde  muß  ferner  10  gottesdienst- 
fähige Männer,  die  viri  otiosi,  haben,  ergibt  zusammen  die  Zahl  102;  eine  Gerichts- 
verhandlung erfordert  weiter  2  Schreiber,  2  Gerichtsdiener,  2  Prozessierende,  2  Zeugen, 
2  Gegenzeugen,  2  Gegenzeugen  gegen  die  letzteren,  das  sind  zusammen  114  Personen: 
ferner  sollen  in  einer  Stadtgemeinde  vorhanden  sein  3  Verwalter  der  Armenkasse,  1  Arzt, 
1  Aderlasser,  1  Dokumentenschreiber,  1  Schlächter  u.  1  Kinderlehrer;  das  wären  zu- 
sammen 122  Personen.  Um  die  Zahl  120  zu  erhalten,  hat  man  anzunehmen,  daß  die 
zuletzt  genannten  Obliegenheiten  nicht  in  der  Hand  immer  nur  Einer  Person  zu 
liegen  brauchten. 

b.  zB  Sanh  1,5:  Gerichtshöfe  r-^n-injc  für  die  Stämme  (das  sind  eben  kleinere 
avyiÖQia)  setzt  man  nur  durch  das  Gericht  von  71  (das  große  Synedrium)  ein.  — 
SLv  20, 4  (365*):  Woher  läßt  sich  beweisen,  daß,  wenn  man  in  den  (kleinen)  Synedrien 
rT^-itnjc  Israels  seine  Augen  (vor  einem  Molokhdiener)  verschließt,  schließlich  auch 
das  große  Synedrium  nii-;;  -^injc  seine  Augen  vor  ihm  verschließen  wird?  .  .  .  Weil 
es  heißt  Lv  20,4:  „Wenn  das  Volk  des  Landes  seine  Augen  verschließend  verschließt." 
(Die  doppelte  Verbalform  wird  auf  zwei  Gerichtsinstanzen  gedeutet.) 

C.  Sanh  1,4:  Kapitalverbrechen  werden  durch  dreiundzwanzig  Personen  abgeurteilt. 
Das  widernatürlich  beiliegende  oder  zuni  Beiliegen  gebrauchte  Vieh  durch  dreiundzwanzig; 
denn  es  heißt  Lv  20, 16:  „Du  sollst  das  Weib  u.  das  Vieh  umbringen";  ferner  Lv20, 15: 
„Und  das  Vieh  sollt  ihr  umbringen."  Das  zu  steinigende  Rind  durch  dreiundzwanzig 
Personen;  s.  Ex  21,29:  „Das  Rind  soll  gesteinigt  werden,  u.  auch  sein  Herr  soll  ge- 
tötet werden."  Wie  die  Tötung  des  Herrn,  so  die  Tötung  des  Rindes  (wie  ein  Mensch 
nur  durch  23  Personen  zum  Tode  verurteilt  werden  darf,  so  auch  das  Rind).  Der  Löwe, 
der  Bär,  der  Leopard,  der  Pardel  u.  die  Schlange  (wenn  sie  einen  Menschen  getötet 
haben)  —  ihre  Tötung  erfolgt  durch  den  Gerichtsspruch  von  23  Personen.  R.  Elicezer 
(um  90)  sagte:  Wer  sie  früher  umbringt  (bevor  sie  einen  Menschen  getötet  haben),  hat 
sich  verdient  gemacht.  R.  'Aqiba  (f  um  135)  sagte:  Ihre  Tötung  erfolgt  durch  den 
Gericlitsspruch  von  23  Personen. 


Matth  10,  17  (S).  10,  18.  20.  23.  25  (31)  577 

10,17  23:  In  ihren  Synagogen  werden  sie  euch  geißeln. 

Über  die  Geißelungsstrafe  s.  bei  2  Kor  11,  24.  —  Daß  die  Geißelung 
in  den  Synagogen  vollzogen  wurde,  sagt  ausdrücklich  wohl  keine  Stelle 
der  rabbin.  Literatur;  aber  nach  Mak  3, 12  vollstreckte  der  Synagogen- 
diener PD33n  -^n  die  Strafe.  Ausdrückliche  Zeugnisse  bietet  das  NT;  s. 
außer  Mt  10^  17  besonders  noch  Mt  23,  34;  Mk  13,  9:  Apg  22, 19.  —  Über 
Synagogen  s.  den  Exkurs:  Das  Synagogeninstitut. 

10,18:  Zum  Zeugnis  ihnen  u.  den  Völkern. 
sig  fXdQxvQiov,  zum  Ausdruck  s.  bei  Mt  8,  4. 

10,20:  Der  Geist  eures  Vaters  ist  es,  der  in  euch  redet. 

rd  TTvsvfia  rov  rrargdg  v}.mv  =  nxJinD  n^n,  Geist  der  Weissagung  oder 
der  Inspiration,  s.  Exkurs:  Die  Inspiration  der  heiligen  Schrift,  Anm.  16. 
Weitere  Beispiele  s.  bei  Mt  3, 17  S.  127  Anm.  ^*;  Lk  2,  25;  Kol  2,  9. 

10,21:  Es  wird  ein  Bruder  einen  Bruder  zum  Tode  ausliefern  usw. 
Belege  s.  im  Exkurs:  Vorzeichen  u.  Berechnung  der  messian.  Zeit  I,  a. 

10,23:  Fliehet  in  die  andre. 

Tanch  -~-i  (55'^):  ,  Wohlan  mein  Volk,  so  geh  in  deine  Kammern,  .  .  .  verbirg  dich 
auf  einen  kurzen  Augenblick"  Jes26. 20.  Gott  sprach:  Ich  habe  zu  euch  gesagt,  daß 
ihr  euch  verbergen  u.  der  Stunde  Raum  geben  sollt  (dem  Verhängnis  nicht  widerstehn 
sollt).  Naboth  gab  der  Stunde  nicht  Raum,  deshalb  steht  von  ihm  geschrieben  1  Kg  2 1,14: 
Naboth  ist  gesteinigt  u.  gestorben.  Mardokhai  widerstand  der  Stunde,  u.  er  mußte  dem 
Bösewicht  schmeicheln;  u.  weil  er  Haman,  dem  Bösewicht,  ein  wenig  widerstand,  wären 
die  Israeliten  bald  aus  der  Welt  vernichtet  worden.  David  dagegen  floh  u.  rettete  sich 
vor  Saul,  u.  ebenso  floh  er  vor  seinem  Sohn  Absalom.  Ebenso  tat  auch  Mose,  s.  Ex  2. 15: 
,Mose  floh  vor  dem  Pharao."  Ebenso  floh  Jakob  vor  Esau,  s.  Hos  12, 13:  „Jakob  floh 
nach  der  Trift  Arams."  Und  auch  die  Väter  der  Welt  gaben  der  Stunde  Raum  u. 
schmeichelten  dem,  in  dessen  Hand  die  Stunde  gegeben  war  (dem  das  Geschick  günstig 
war).  Abraham  schloß  sich  an  Sara  an  (als  wäre  er  etwas  Nebensächliches  u.  Sara  die 
Hauptperson),  wie  es  heißt  Gn  12,  13:  , Damit  es  mir  um  deinetwillen  wohl  gehe." 
Isaak  schmeichelte  dem  Esau,  s.  Gn25,28:  ,lsaak  liebte  den  Esau."  Und  auch  hier 
(,Gn47,29)  heißt  es:  Jakob  rief  seinen  Sohn  Joseph  herbei  (weil  diesem  das  Geschick 
günstig  war).  |!  Eine  weitere  Stelle  aus  Tanch  ^yo»  (245 '*)  s.  bei  Mt  24, 20  JB. 

10,  25  51:  Es  ist  genug  .  .  .,  wenn  der  Knecht  ist  wie  sein  Herr. 

B^rakh  58^  Bar:  Wer  israelitische  Häuser  in  bewohntem  Zustande  sieht,  spricht 
(als  Lobspruch):  Gepriesen  sei,  der  die  Grenze  der  Witwe  feststellt  (Spr  15,25);  wer 
sie  in  zerstörtem  Zustande  sieht,  spricht:  Gepriesen  sei,  der  in  Wahrheit  richtet!  Sieht 
er  die  Häuser  der  Völker  der  Welt  in  bewohntem  Zustande,  so  spricht  er:  Das  Haus 
der  Stolzen  reißt  Jahve  weg  (Spr  15,2.t);  sieht  er  sie  in  zerstörtem  Zustand,  so  spricht 
er:  Als  Gott  der  Rache,  Jahve  als  Gott  der  Rache  erschien  (Ps94,  l)!  cülla  (um  280) 
u.  Rab  Chisda  (f  309)  gingen  auf  einem  Wege  einher;  als  sie  an  die  Tür  des  Hauses 
des  Rab  Ghana  b.  Chanilai  (um  260)  kamen,  wandte  sich  Rab  Chisda  ab  u.  seufzte. 
(Ulla  sprach  zu  ihm:  Warum  seufzst  du?  Es  hat  doch  Rab  (t  247)  gesagt:  Ein  Seufzer 
zerbricht  den  halben  Körper  des  Menschen,  s.  Ez  21, 11 :  Du  Menschenkind,  seufze!  In 
Zerbrochenheit  der  Lenden  u.  Betrübnis  sollst  du  vor  ihren  Augen  seufzen.  Und 
R.  Jochanan  (t279)  hat  gesagt:  Sogar  der  ganze  Körper  des  Menschen  wird  zerbrochen, 
s.  das.  Vers  12:  Es  soll  geschehen,  wenn  sie  zu  dir  sagen:  Warum  seufzst  du?  so  sollst 
du  sprechen:  Über  die  Kunde,  weil  sie  eintrifft,  u.  es  schmilzt  jegliches  Herz  u.  schlaff 

strack  n.Billerbeck.  NT  I.  37 


578  Matth  10,  25  (3t.  S).  10,  26 

werden  alle  Hände  u.  stumpf  jeglicher  Geist  u.  alle  Kniee  zerlaufen  zu  Wasser!  Rab 
Chisda  sprach:  Wie  sollte  ich  nicht  seufzen?  In  diesem  Hause  waren  60  Bäckerinnen 
bei  Tage  u.  60  Bäckerinnen  in  der  Nacht,  die  für  jeden  Bedürftigen  buken;  auch  nahm 
er  seine  Hand  nicht  vom  Beutel  weg  (d.  h.  er  legte  den  Geldbeutel  nicht  aus  seiner 
Hand);  denn  er  dachte,  vielleicht  möchte  ein  Armer  kommen,  ein  Sohn  aus  guter 
Familie,  der  möchte  beschämt  werden  (wenn  er  warten  müßte)  bis  ich  ihm  den  Beutel 
hole;  —  u.  ferner  waren  vier  Türen  im  Haus  nach  den  vier  Richtungen  der  Welt  u. 
wer  hungrig  eintrat,  ging  gesättigt  von  dannen;  auch  ließ  er  Weizen  u.  Gerste  in  den 
Jahren  der  Hijngersnot  draußen  ausschütten,  damit  jeder,  der  sich  schämte,  etwas  bei 
Tage  zu  nehmen,  käme  u.  in  der  Nacht  nähme  —  u.  nun  ist  dieses  Haus  zu  einem 
Schutthaufen  zusammengefallen;  da  sollte  ich  nicht  seufzen?  fUlla  antwortete  ihm: 
So  hat  R.  Jochanan  gesagt:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heiligtum  zerstört  wurde,  ist  der 
Beschluß  über  die  Häuser  der  Gerechten  festgesetzt  worden,  daß  sie  zerstört  werden 
sollen,  wie  es  heißt  Jesö,  9:  ,In  meine  Ohren  (offenbarte)  Jahve  der  Heerscharen: 
Fürwahr,  die  vielen  Häuser  sollen  zur  Wüstenei  werden,  die  großen  u.  schönen  ohne 
Bewohner."  Und  ferner  hat  R.  Jochanan  gesagt:  Dereinst  wird  Gott  sie  (die  Häuser 
der  Gerechten)  wieder  bewohnbar  machen,  s.  Ps  125, 1:  „Die  auf  Jahve  vertrauen,  sind 
wie  der  Berg  Zion."  Wie  Gott  dereinst  den  Berg  Zion  wieder  bewohnbar  machen  wird, 
so  wird  Gott  auch  dereinst  die  Häuser  der  Gerechten  wieder  bewohnbar  machen.  Als 
?ülla  sah,  daß  das  Gemüt  des  Rab  Chisda  sich  nicht  beruhigte,  sprach  er  zu  ihm:  Es 
ist  genug  für  den  Knecht,  wenn  er  ist,  wie  sein  Herr  ii^=  ar-rv  -zy'-i  '.'-.]  (Ist  Gottes 
Haus  zerstört,  so  wundere  sich  der  Diener  Gottes  nicht,  wenn  sein  eigenes  Haus  zer- 
stört wird.)  !!  GnR49  (SO''):  „Sein  Geheimnis  (so  der  Midr)  gewährt  Jahve  denen,  die' 
ihn  fürchten,  u.  seinen  Bund,  daß  er  ihnen  denselben  kundtue"  Ps  25, 14.  Was  ist  das 
Geheimnis  Jahves?  Das  ist  die  Beschneidung;  denn  er  hat  diese  von  Adam  an  bis  hin 
zur  zwanzigsten  Generation  nicht  geoffenbart,  bis  Abraham  auftrat,  u.  dem  hat  er  sie 
gegeben,  s.  Gn  17, 2:  Ich  will  meinen  Bund  zwischen  mir  u.  dir  machen  (so  der  Midr). 
Gott  sprach  zu  ihm:  Wenn  du  dich  beschneidest,  so  sollst  du  das  Geheimnis  Jahves 
empfangen.  ...  In  welchem  Verdienst?  Im  Verdienst  der  Beschneidung,  s.  Ps25, 14 
(wie  oben).  Gott  sprach  zu  Abraham:  Es  ist  genug  für  den  Knecht,  wenn  er  ist,  wie 
sein  Herr  (eingeweiht  in  seines  Herrn  Geheimnis).  \\  Tanch  svr  'd  (llö''):  ,Da  redete 
Jahve  zu  Mose:  Geh,  steige  hinab!"  Ex  32, 7.  Gott  sprach  zu  Mose:  Mich  haben  die 
Menschen  längst  veranlaßt,  von  hier  hinabzufahren,  um  nach  der  Verderbnis  zu  sehen, 
s.  Gn  11, 5f.;  18,21;  so  geh  auch  du  u.  steige  hinab;  es  ist  genug  für  den  Knecht, 
wenn  er  ist,  wie  sein  Herr.  ||  SLv  25,28  (436^):  ,lhr  mit  mir"  --i>-  =rs  (Lv  25,23);  es 
ist  genug  für  den  Knecht,  daß  er  ist,  wie  sein  Herr.  ||  ExR42  (98"):  „Geh,  steige  hinab" 
(Ex  82,7).  R.  Abin  (I.,  um  325;  IL,  um  370)  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  Mose:  Es  miß- 
falle dir  nicht,  daß  ich  zu  dir  gesagt  habe:  ,Geh,  steige  hinab'!  Denn  siehe,  zwei-, 
dreimal  bin  ich  gleichsam  vom  Himmel  zur  Erde  niedergefahren,  um  die  Verderbtheit 
der  Menschen  zu  sehen,  wie  es  heißt  (Gn  11,5):  „Jahve  fuhr  hernieder,  die  Stadt  u. 
den  Turm  zu  sehen";  „wohlan  wir  wollen  hinabfahren"  (das.  Vers  7);  „ich  will  doch 
hinabfahren  u.  sehen"  (das.  18,21);  auch  du,  geh  u.  steige  hinab,  es  ist  genug  für  den 
Knecht,  seinem  Herrn  gleich  zu  sein  ■t:-ip'5  nrn  n-nV  n=y->  i^-i.  —  Diese  sprichwörtliche 
Redensart  findet  sich  weiter  zB  Midr  Ps  27  §5  (113»');  TanchB  -V  -•=  §23(40»^. 

10,25  83:  Wenn  sie  den  Hausherrn  Beelzebul  genannt  haben, 
um  wieviel  mehr  seine  Hausleute! 
noaw  fxäXXov  Schluß  a  minori  ad  majus  s.  zu  Rom  5,  9.  ||  BsekCsßov'X  s.  bei  Mt  18, 24. 

10,26:  Nichts  ist  verhüllt,  was  nicht  offenbar  gemacht, 

u.  verborgen,  was  nicht  bekannt  werden  wird. 

TargQoh  12, 13f.:  Schließlich  wird  eine  Sache,   die  in  der  Welt  im  verborgenen 

getan  wurde,  ganz  bekanntgemacht  u.  von  allen  Menschenkindern  vernommen  werden; 

deshalb  fürchte  das  Wort  Jahves  u.  beobachte  seine  Gebote,  daß  du  dich  nicht  im  ver- 


Matth  10, '27  (311.2)  579 

borgeneu  schuLdig  machst;  u.  wenn  du  dich  schuldig  machst,  so  sei  darauf  bedacht, 
in  Buße  umzukehren;  denn  also  soll  der  Weg  eines  jeden  Menschen  sein.  Denn  jedes 
Werk  wird  Jahve  vor  den  großen  Gerichtstag  bringen  u.  ein  Ding  bekanntmachen, 
das  vor  den  Menschenkindern  verborgen  war,  ob  gut,  ob  böse.  11  Aboth  2, 4'*  Hillel 
pflegte  zu  sagen:  Sage  nicht  von  einem  Worte,  daß  es  nicht  möglich  sei,  es  zu  hören; 
denn  schließlich  wird  es  doch  (von  andren)  gehört  werden.  Vgl.  noch  Qoh  10,20. 

10,  27  %:  Was  ihr  ins  Ohr  hört. 
0  elg  t6  ovg  axovsre.  —  Zur  Erklärung  dieser  Wendung  folgendes: 

1.  Es  war  Sitte,  daß  die  gottesdienstlichen  Redner  ihre  Sabbat- 
oder Festvorträge  nicht  unmittelbar  an  die  Menge  richteten,  sondern 
"sich  dazu  eines  besonderen  Sprechers  xn*,^«  oder  Dolmetschers  ■j^sji^n, 
i:Q!^"i!inp  bedienten.  Der  Vortragende  -dn^  saß,  meist  wohl  auf  einem 
erhöhten  Sitz,  während  sein  Amora  neben  ihm  stand,  um  das  vom 
Vortragenden  ihm  Zugeflüsterte  laut  an  die  Zuhörer  weiterzugeben: 
s.  den  Exkurs:  Der  altjüdische  Synagogehgottesdienst  C,  3. 

2.  Eine  andre  Sitte  verbot,  gewisse  esoterische  Lehren  theosophischen 
oder  kosmogonischen  Inhalts  öffentlich  zu  besprechen.  Der  Lehrer,  falls 
er  in  diese  Lehrstoffe  eingeweiht  war,  übermittelte  sie  unter  vier  Augen, 
auch  wohl  noch  im  Flüstertone,  seinen  vertrautesten  Schülern,  die  sie 
später  unter  gleichen  Kautelen  an  ihre  eigenen  Schüler  weitergaben. 
Diese  Lehren  galten  als  Geheimlehren, 

Chag  2, 1 :  Man  darf  öffentlich  nicht  vortragen  über  die  Blutschandegesetze  vor  drei 
Personen,  über  das  Schöpfungswerk  nicht  vor  zwei  Personen  u.  über  die  Wagenerscheinung 
(Ezlu.  10)  auch  nicht  vor  einem  einzelnen,  es  sei  denn,  daß  dieser  ein  Gelehrter  ist 
u.  ein  selbständiges  Urteil  hat.  —  Die  von  der  Wagenerscheinung  handelnden  Worte 
bereits  als  Lehre  der  Gelehrten  im  Munde  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai,  f  "ro  80, 
pChag  2, 7  7  '•',  45 ;  als  Lehre  des  Rabban  Jochanan  b.  Z.  selbst  TChag  2, 1(233);  Chag  14''.— 
ParalleistellezurganzenMischnas.TChag2,l  Anfang.  ||  P^siqUS'^:  R.  SchimEon  b.  J'^ho- 
9adaq  (um  225)  ließ  den  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260)  fragen:  Weil  ich  von  dir 
gehört  habe,  daß  du  ein  Meister  der  Haggada  bist,  so  sage  mir,  von  wo  das  Licht  in 
die  Welt  ausgegangen  ist.  Er  antwortete:  Gott  hüllte  sich  in  ein  weißes  Gewand,  u. 
die  ganze  Welt  leuchtete  von  dem  Glanz  seiner  Herrlichkeit.  Das  sagte  er  ihm  im 
Flüsterton  ^■v-rJ-iz.  Jener  erwiderte:  Das  sagt  ja  ein  ganzer  Schriftvers:  ,Dich  hüllend 
in  Licht,  wie  in  ein  Gewand,  den  Himmel  ausspannend  wie  ein  Zelttueh"  Ps  104,2! 
Und  du  sprichst  zu  mir  im  Flüsterton?  Er  sprach:  Wie  ich  es  im  Fl.  vernommen  habe, 
so  habe  ich  es  dir  im  Fl.  gesagt.  —  Dasselbe  GnR  3  (3^");  LvR  31  (129'*);  Tanch  hr,^^-. 
(123-'');  TanchB  '^ti-,-^  §  7  (62*);  Midr  Ps  104  ^4  (220 1));  in  ExR  50  (lOS'»)  fehlt  der  Passus 
vom  FL;  in  TanchB  r-iis-13  §  10  (31^)  ist  R.Jonathan  b.EUazar  (um  220)  der  Fragende. 

Aber  auch  andre  Lehren,  die  nicht  allgemein  anerkannt  waren  oder  die  zu  Be- 
denken Veranlassung  gaben,  wurden  im  Fl.  weitergegeben;  zB  ß*^rakh  22*  Bar:  Wenn 
man  auf  einen,  der  eine  nächtliche  Pollution  gehabt  hat,  9  Qab  Wasser  gießt,  so  ist 
er  rein  (dies  war  eine  erleichternde  Entscheidung).  Nachum  aus  Gimzo  (um  90)  flüsterte 
es  nvnh  dem  R.  cAqiba  (f  um  135)  zu,  R.  cAqiba  flüsterte  es  dem  Ben  <  Azzai  (um  110) 
zu:  Ben  (Azzai  aber  ging  hin  u.  lehrte  es  seine  Schüler  auf  dem  Markt  pi^'3  (frei  öffent- 
lich). II  pBeQa  ],60^\(j4:  R.  HoschaSja  der  Ältere  (um  225)  fragte  den  R.  Judan  (IL),  den 
Patriarchen  (um  250):  Hast  du  von  deinem  Vater  (Gamliel  111.)  gehört,  ob  es  erlaubt 
sei,  eine  Henne  (an  den  Zwischenfeiertagen)  zu  tragen?  Wenn  sie  zum  Schlachten  be- 
stimmt ist,  so  ist  es  erlaubt;  wenn  aber  nicht,  so  ist  es  verboten.  Sind  denn  nicht 
alle  Hennen  zum  Schlachten  bestimmt?  Deshalb  muß  es  erlaubt  sein,  auch  wenn  keine 
Bestimmung  über  sie  getroffen  ist.   Das  sagte  er  (R.  Judan)  ihm  im  Flüsterton  T.-::^nhz. 

37* 


580  Matth  10, '27  (SB).  10,  28  (Nr.  1) 

R.  Hoschacja  sprach  zu  ihm:  Warum  sagst  du  das  im  Fl.  zu  mir?  Er  antwortete:  Wie 
ich  es  im  Fl.  vernommen  habe,  so  sage  ich  es  dir  im  FI. 

10,27  2?:  Das  sollt  ihr  auf  den  Dächern  verkündigen. 

xTjQv^aTs  im  twv  dmpuxrwv.  —  Die  Dächer  kommen  als  die  höchsten, 
den  Ton  weithin  tragenden  Standörter  in  Betracht. 

Tanch  onjE  (243 b):  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Wie  oft  wird  am  Freitag  abend 
in  die  Posaune  gestoßen,  damit  die  Leute  von  der  Arbeit  ablassen?  So  haben  uns 
unsre  Lehrer  gelehrt:  Dreimal  wird  am  Freitag  abend  in  die  P.  gestoßen.  In  welcher 
Weise?  Der  Synagogendiener  nimmt  die  P.  u.  steigt  auf  das  höchste  Dach  der  Stadt 
u.  stößt  in  die  P.  Wer  fern  von  der  Stadt  (auf  dem  Felde)  war,  trennte  sich  von  seiner 
Arbeit  u.  kehrte  heim.  Beim  zweitenmal  gingen  die  Nahen  zur  Stadt  zurück.  Beim- 
drittenmal  bewahrte  man  die  warmen  Speisen  (für  den  Sabbat)  auf  u.  zündete  das  Licht 
an.  —  Die  zugrunde  liegenden  Stellen  sind  pSchab  17. 16-',  41;  bSchab  2>b^.  —  Vgl.  den 
Gegensatz:  „im  Flüsterton  sprechen"  u.  ,auf  dem  Markte  lehren"  B'^rakh  22'^  oben 
unter  31.  —  Allgemeiner  heißt  es  MQ  16b:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Wer  sich  mit  der 
Tora  drinnen  d-se^'s  beschäftigt,  den  macht  seine  Lehre  draußen  yi-3»3  bekannt. 

10,  28:  Fürchtet  euch  nicht  vor  denen,  die  den  Leib  töten, 
aber  die  Seele  nicht  zu  töten  vermögen;  fürchtet  aber  viel- 
mehr den,  der  sowohl  die  Seele,  als  auch  den  Leib  in  der 
Hölle  zu  verderben  vermag. 
1.  Mit  denen,  „die  den  Leib  töten,  aber  die  Seele  nicht  zu  töten 
vermögen",  sind  Menschen  gemeint;  dabei  kommt  das  Töten  der  Seele 
als  physisches  Vernichten  in  Betracht;  denn  nur  dieses  geht  über 
Menschenkraft  hinaus,  während  das  sittliche  Zugrunderichten  einer 
Seele  durch  ihre  Verführung  zur  Sünde  gar  wohl  in  andrer  Menschen 
Macht  liegt,  a  Dagegen  ist  der,  welcher  sowohl  die  Seele  als  auch  den 
Leib  zu  verderben  vermag,  Gott.  An  sich  könnte  das  allerdings  auch 
von  einer  satanischen  Macht  ausgesagt  sein,b  aber  der  Zusatz  iv  yesvvi] 
macht  die  Beziehung  auf  Gott  notwendig.  Auch  im  Kabbin.  ist  es  nur 
Gott,  der  das  Urteil  zum  Gehinnom  ausspricht,  c 

a.  SDt  23,  8  §252  (120=*):  R.  Schimcon  (um  150)  sagte:  Die  Ägypter  haben  die 
Israeliten  ins  Meer  gesenkt  u.  die  Edomiter  sind  den  Israeliten  mit  dem  Schwert  ent- 
gegengekommen; u.  doch  hat  sie  die  Schrift  nur  auf  3  Generationen  (vom  Eintritt  in 
die  Volksgemeinde  Israel)  ausgeschlossen.  Die  Ammoniter  aber  u.  die  Moabiter,  weil 
sie  den  Plan  faßten,  die  Israeliten  zur  Sünde  zu  verführen,  hat  die  Schrift  mit  ewiger 
Ausschließung  ausgeschlossen,  um  dich  zu  lehren,  daß  der,  welcher  einen  Menschen 
zur  Sünde  verführt,  für  ihn  schlimmer  ist  als  der,  der  ihn  tötet.  Denn  der  ihn  tötet, 
bringt  ihn  nicht  aus  dieser  Welt  u.  (zugleich)  aus  der  zukünftigen  Welt;  der  ihn  aber 
zur  Sünde  verführt,  bringt  ihn  aus  dieser  Welt  u.  (zugleich)  aus  der  zukünftigen  Welt.  — 
NuR21(191^):  Der  Mörder  tötet  in  dieser  Welt,  aber  er  (der  Ermordete)  hat  Anteil 
an  der  zukünftigen  Welt;  der  zur  Sünde  Verführende  tötet  in  dieser  Welt  u.  (zugleich) 
für  die  zukünftige  Welt.  —  Dasselbe  Tanch  =-:r  239*;  TanchB  cr;:s  §4  (76^^).  —  Diese 
Sätze  entsprechen  inhaltlich  weder  Mt  10,28'^  (denn  sie  reden  nicht  von  der  physischen, 
sondern  von  der  sittlichen  Vernichtung  der  Seele),  noch  Vers  28'*  (da  sie  nicht  Gott, 
sondern  Menschen  zum  Subjekt  haben);  sie  beweisen  nur  den  Gedanken,  für  den  sie 
oben  zitiert  sind,  nämlich  daß  Menschen  durch  ihre  Verführungskünste  Seelen  ver- 
derben können,  so  daß  der  Verführer  mehr  zu  fürchten  ist  als  ein  Mörder. 

b.  Zur  Zerstörung  des  Leibes  u.  der  Seele  durch  satanische  Mächte  s.  den  Exkurs: 
Zur  altjüd.  Dämonologie  Nr.  6,  c — g. 


Matth  10,  28  (Nr.  1.2)  581 

C.  Zum  Gehinnomgericht,  d.  h.  zu  dem  göttlichen  Urteilsspruch,  der  die  Verdammten 
in  den  Gehinnom  verweist,  s.  den  Exkurs:  Sch'ol,  Gehinnom  u.  Gan?Eden  Nr.  II,  o.  — 
Ferner  B^rakh  28'':  Als  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  erkrankt  war,  gingen 
seine  Schüler  zu  ihm,  um  ihn  zu  besuchen.  Als  er  sie  sah,  fing  er  an  zu  weinen.  Seine 
Schüler  sprachen  zu  ihm:  Leuchte  Israels,  rechte  Säule  (1  Kg  7,  21),  starker  Hammer, 
warum  weinst  du?  Er  antwortete:  Wenn  man  mich  vor  einen  König  von  Fleisch  u. 
Blut  führte,  der  heute  hier  u.  morgen  im  Grabe  ist,  so  wäre  sein  Zorn,  falls  er  mir 
zürnte,  kein  ewiger  Zorn,  u.  falls  er  mich  fesselte,  wäre  seine  Fessel  keine  ewige 
Fessel,  u.  falls  er  mich  tötete,  wäre  sein  Töten  kein  ewiges  Töten;  auch  könnte  ich 
ihn  mit  Worten  versöhnen  u.  mit  Geld  bestechen,  u.  trotzdem  würde  ich  weinen. 
Und  jetzt  führt  man  mich  vor  den  König  aller  Könige,  den  Heiligen,  gepriesen  sei  er! 
der  in  alle  Ewigkeiten  lebt  u.  besteht.  Falls  er  mir  zürnt,  ist  sein  Zorn  ein  ewiger 
Zorn,  u.  falls  er  mich  fesselt,  ist  seine  Fessel  eine  ewige  Fessel,  u.  falls  er  mich  tötet, 
ist  sein  Töten  ein  ewiges  Töten.  Auch  kann  ich  ihn  nicht  mit  Worten  versöhnen  noch 
mit  Geld  bestechen;  u.  nicht  bloß  dies,  es  sind  vor  mir  auch  zwei  Wege:  der  eine  ist 
der  zum  (himmlischen)  Gan  cEden  u.  der  andre  ist  der  zum  Gehinnom,  u.  ich  weiß  nicht, 
welchen  man  mich  führen  wird  —  da  sollte  ich  nicht  weinen?  Sie  sprachen  zu  ihm: 
Unser  Lehrer,  segne  uns!  Er  sprach  zu  ihnen:  Es  sei  wohlgefällig  (vor  Gott),  daß  die 
Furcht  vor  dem  Himmel  (=  Gott)  auf  euch  sei,  wie  die  Furcht  vor  Fleisch  u.  Blut. 
Seine  Schüler  sprachen  zu  ihm:  So  weit  (nur  soll  die  Furcht  Gottes  auf  uns  sein,  wie 
die  vor  Menschen  auf  uns  ist)?  Er  antwortete:  Wenn  es  doch  so  wäre  (daß  ihr  Gott 
ebenso  fürchtetet  wie  die  Menschen)!  Wisset,  wenn  ein  Mensch  eine  Sünde  begeht, 
sagt  er:  daß  mich  nur  kein  Mensch  sieht!  (Möchtet  ihr  euch  nur  ebenso  vor  dem  Auge 
Gottes  fürchten!)  —  Dasselbe  AbothRN  25  (7'')-  II  Sanh  91^:  (Der  Kaiser)  Antoninus 
sprach  zu  Rabbi:  Leib  u.  Seele  können  sich  vom  (jüngsten)  Gericht  freimachen.  Wie 
denn?  Der  Leib  kann  sagen:  Die  Seele  hat  gesündigt;  denn  seit  dem  Tage,  da  sie 
aus  mir  geschieden  ist,  siehe,  liege  ich  wie  ein  Stein  im  Grabe  da.  Die  Seele  dagegen 
kann  sagen:  Der  Leib  hat  gesündigt;  denn  seit  dem  Tage,  da  ich  aus  ihm  geschieden 
bin,  siehe,  schwebe  ich  in  der  Luft  wie  ein  Vogel!  Rabbi  erwiderte:  Ich  will  dir  ein 
Gleichnis  sagen.  Ein  König  von  Fleisch  u.  Blut  hatte  einen  schönen  Garten,  in  welchem 
sich  schöne  Frühfeigen  befanden.  Er  setzte  zwei  Wächter  hinein,  einen  lahmen  u.  einen 
blinden.  Da  sprach  der  Lahme  zu  dem  Blinden:  Ich  sehe  schöne  Frühfeigen  im  Garten; 
komm,  laß  mich  (auf  deinen  Schultern)  reiten,  so  wollen  wir  sie  uns  zum  Essen  holen! 
So  holten  sie  sie  sich  u.  aßen  sie.  Nach  einigen  Tagen  kam  der  Besitzer  des  Gartens 
u.  sprach  zu  ihnen:  Wo  sind  die  schönen  Frühfeigen  geblieben?  Der  Lahme  antwortete: 
Habe  ich  denn  Füße,  um  gehn  zu  können?  Der  Blinde  antwortete:  Habe  ich  denn 
Augen,  um  sehn  zu  können?  Was  tat  der  Besitzer?  Er  ließ  den  Lahmen  auf  dem 
Blinden  reiten  u.  richtete  beide  zusammen.  So  wird  auch  Gott  die  Seele  bringen  u. 
sie  in  den  Leib  hineinstreuen  (bei  der  Auferstehung)  u.  dann  beide  zusammen  richten, 
s.  Ps  50,4:  „Er  ruft  zum  Himmel  empor  droben",  das  bezieht  sich  auf  die  Seele,  „u.  zur 
Erde,  um  sein  Volk  zu  richten",  das  bezieht  sich  auf  den  Leib.  —  Nach  LvR4(107'') 
ist  R.  Jischma'el  (f  um  135)  der  Autor;  in  Tanch  s^p'^i  135^  als  Bar;  in  TanchB  s^p'^i 
S  11  (4'')  anonym;  in  M'^kh  Ex  15, 1  (43'')  nur  der  Anfang,  u.  zwar  in  andrer  Fassung.  || 
AbothRN  4(20''):  Fürchte  dich  nicht  vor  einem  untern  Gerichtshof ;  denn  siehe,  deine 
Zeugen  (=  die  gegen  dich  zeugen)  lieben  das  Geld  (können  bestochen  werden) ;  vielmehr 
fürchte  dich  vor  dem  oberen  (himmlischen)  Gerichtshof;  denn  sie  werden  droben  gegen 
dich  zeugen,  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  sie  rufen  Stunde  für  Stunde  Streit  wider  dich  aus. 

2.  lu^  (foßsla^s.  Über  die  prinzipielle  Stellung  der  alten  Synagoge 
zum  Martyrium  s.  oben  S.  221  ff. 

Die  gefeiertsten  jüdischen  Märtyrer,  deren  Ende  ausführlicher  be- 
schrieben ist,  waren  Julianus  u.  Pappus  zur  Zeit  des  Trajanus,  Ta^an 
18'>:  SLv  22,  32  (403«);  M«g  Ta^an  12;  pTa^an  2,  QQ-,  19;  pM-g  1,  70%  44 


582  Matth  10,  28  (Nr.  2).  10,  29  (31.  fB  l) 

Midr  Qoh  3, 17  (21 1');  S'^mach  8  (16');  Midr  Qoh  9, 10  (42'^);  SLv  26,  19 
(452 ä);  R.  ?Aqiba,  hingerichtet  um  135  während  der  hadrianischen 
Religionsverfolgung,  B^rakhei'';  p9, 14'\50;  pSotao,  20^  43;  M''n29^ 
P«^s50-^;  BB  10'';  die  beiden  Brüder  Sch'^^maf  ja  u.  Achijja,  Ta?an 
18^11;  ferner  s.  Raschi  zu  P's  50  u,  BBIO'';  R.  Chananja  b.  T^radjün, 
verbrannt  um  135,  AZ  18=^;  S«^mach8  (16«);  TrKalla  18- SDt32,  4  §  307 
(133=0;  J^huda  b.  Baba,  f  um  135,  Sanh  14^  ?AZ  8''.  —  Eine  öfters 
gebrachte  Märtyrerliste  umfaßt  10  Namen;  die  älteste  dürfte  die  in 
Midr  KL  2,  2  (62'^)  sein:  R.  Jischma^el  (f  um  135),  Rabban  Gamliel 
(sicher  falsch),  R.  J'^schebab,  R.  J*huda  b.  Baba,  R.  Chu9pith  der 
Dolmetsch,  R.  J*^huda  der  Bäcker.  R.  Chananja  b.  T^radjon; 
R.  'Aqiba,  Ben  ?Azzai  u.  R.  Tarphon;  für  den  letzten  setzen  andre 
R.  Elfazar  Charsana  ein.  Dasselbe  mit  Abweichungen  Midr  Ps  9  §  13 
(44'');  Midr  n^^tx  r^hn  in  Beth  ha-Midr2,  66;  Midr  von  den  10  Märtyrern, 
das.  (>,  20.  —  Ein  Teil  dieser  Berichte  oben  S.  223  bei  Mt  5,  10. 

10,  29  3t:  Verkauft  man  nicht  zwei  Sperlinge  für  ein  As? 

1.  dvo  axQov^ict.  —  Nach  Lv  14,  4  ff.  gehörten  zwei  reine  Vögel 
ci'nQ:i  zum  Reinigungsopfer  des  Aussätzigen.  Da  nun  -iei^j  auch  speziell 
den  Sperling  bezeichnet  (s.  Lewysohn,  Zoologie  187),  so  wäre  es  nicht 
unmöglich,  daß  auch  Sperlinge  zu  jenem  Opfer  verwendet  worden  sind. 
In  diesem  Fall  würde  der  Einkauf  von  Sperhngen  nichts  Ungewöhnliches 
gewesen  sein.  Allerdings  geben  die  LXX,  die  sonst  -i^s::  mit  aiQov^ior 
übersetzen  (zB  Ps  11, 1;  84,  3;  104, 17;  124.  7),  gerade  Lv  14,  4  ff.  das 
Wort  mit  dem  allgemeinen  ogvi^iov  wieder. 

2.  ccGGaqiov.  —  (xaaäQiov  =  -lö^x  s.  S.  291  bei  Mt  5,  26.  Die  Gering- 
fügigkeit des  Wertes  war  sprichwörtlich. 

Chull  12,5:  Man  soll  nicht  die  Vogelrautter  samt  den  Jungen  nehmen  (vgl.  Dt  22, 6), 
auch  nicht  um  den  Aussätzigen  zu  reinigen  (wozu  eseinesVogelopfersbedurfteLvl4,4ff.). 
Wenn  nun  bei  einem  Gebote,  das  so  geringfügig  ist  wie  ein  As  ■'D^ss  s-nir,  die  Tora 
sagt:  „Damit  es  dir  wohl  ergehe  u.  du  lange  lebest*  Dt  22, 7,  um  wieviel  mehr  wird 
solches  dann  gelten  bei  den  schweren  (wichtigen)  Geboten  in  der  Tora. 

10,  29^:  Und  doch  fällt  nicht  einer  von  ihnen 
auf  die  Erde  ohne  euren  Vater, 
1.  pSch^bifithi),  38^,22:  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  hielt  sich 
13  Jahre  lang  in  der  Johannisbrothöhle  von  Gadara^  verborgen,  bis 
sein  Körper  mit  Hautausschlägen  überzogen  war.  Nach  Verlauf  der 
13  Jahre  dachte  er,  ob  ich  nicht  hinaustrete  u.  sehe,  was  für  Kunde 
in  der  Welt  ist?  (Er  war  während  der  Religionsverfolgung  geflüchtet 
u.  hofft  jetzt  auf  günstige  Botschaft.)  Er  trat  hinaus  u.  setzte  sich  an 
den  Eingang  der  Höhle;  er  sah  einen  Jäger,  der  Vögel  fing  u.  sein  Netz 
ausspannte.  Sooft  er  eine  Himmelsstimme  hörte,  welche  „frei"  rief,  war 

1  So  nach  Graetz,  Gesch.  d.  Juden*  4,  478  statt  nii-r-:;  auch  in  den  Parallelstellen 
ist  das  Wort  verderbt. 


-       Matth  10, 29  (S5  2.  3)  533 

der  Vogel  gerettet  (er  wurde  nicht  gefangen).  Da  sprach  er:  Ein  Vogel 
geht  nicht  zugrunde  ohne  den  Himmel  (=  Gott),  um  wieviel  weniger 
der  Mensch !  —  Parallelstellen :  P^siq  88  ^  GnR  79  (5 1  =») :  Schab  33 1> :  Midr 
Qoh  10,  8  (47 b) :  Midr  Esth  1,  9  (SO'') ;  Midr  Ps  17  §  13  (67  b). 

2.  Allgemeinere  Sätze  über  die  göttliche  Vorsehung. 
JomaSS'':  Ben  ' Azzai  (um  110)  hat  gesagt:   Mit  deinem  Namen  wird  man  dich 

rufen  u.  auf  deinen  Platz  wird  man  dich  setzen  u.  von  dem  Deinen  wird  man  dir  geben 
(d.  h.  an  dem  dir  von  Gott  Bestimmten  können  Menschen  nichts  ändern).  Kein  Mensch 
darf  etwas  anrühren,  das  einem  andren  zugedacht  ist,  u.  keine  Herrschaft  berührt  sich 
mit  einer  andren  auch' nur  um  Haarbreite.  (Der  Nachfolger  tritt  das  Amt  erst  au,  wenn 
der  Vorgänger  tot  oder  zurückgetreten  ist.)  ||  Chull  7'':  Es  heißt:  „Jahve  ist  Gott,  keiner 
sonst  außer  ihm"  Dt  4, 35.  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt:  Auch  die  Zauberer  sind 
nichts  ohne  ihn.  Ein  Weib  nahm  immer  wieder  Erde  unter  dem  Fuß  des  R.  Chanina 
fort.  Er  sprach  zu  ihr:  Nimm  nur  fort,  dein  Vorhaben  wird  dir  nicht  gelingen;  es  steht 
geschrieben:  „Es  ist  keiner  außer  ihm."  Aber  R.  Jochanan  (f  279)  hat  doch  gesagt: 
Warum  heißt  ihr  Name  c-rx':  Zauberer?  Weil  sie  die  obere  Familie  (den  himmlischen 
Gerichtshof  samt  seinen  Beschlüssen)  schwächen.'  Bei  R.  Chanina  verhielt  es  sich 
anders,  weil  sein  Verdienst  sehr  groß  war.  Ferner  hat  R.  Chanina  gesagt:  Kein  Mensch 
verwundet  seinen  Finger  hier  unten,  man  hätte  es  denn  oben  über  ihn  ausgerufen; 
s.Ps  37,28:  „Von  Jahve  werden  die  Schritte  des  Mannes  bestimmt"  (so  der  Midr)  u. 
Spr20. 24:  „Der  Mensch,  wie  wenig  hat  er  Einsicht  in  seinen  Weg!"  ||  Sanh  29^*:  Rab 
Aschi  (t  427)  hat  gesagt:  .  .  .  Sieben  Jahre  kann  die  Pest  dauern  u.  es  stirbt  doch 
niemand,  wenn  nicht  seine  Zeit  da  ist.  ||  Schab  107'':  Rabbah  (f  330)  hat  gesagt:  Ein 
Autor  (Rab,  s.  'AZ  3'')  hat  doch  gesagt:  Gott  sitzt  u.  ernährt  (die  Welt)  von  den  Hörnern 
der  Büffel  an  bis  hin  zu  den  Eiern  des  Ungeziefers.  ||  BB91b:  Rab  (t247)  hat  gesagt: 
Selbst  den  Brunnenaufseher  setzt  man  vom  Himmel  aus  (in  sein  Amt). 

3.  Göttliche  Vorsehung  u.  menschliche  Freiheit. 

Aboth  3, 15  f.:  (R.  (Aqiba,  f  um  135,  hat  gesagt:)  Alles  ist  (von  Gott)  vorhergesehen, 
aber  die  Freiheit  (der  Entscheidung)  ist  dem  Menschen  gegeben;  mit  Güte  wird  die 
Welt  gerichtet,  aber  alles  richtet  sich  nach  der  Mehrheit  des  (menschlichen)  Tuns. 
(Das  Endurteil  über  den  Menschen  wird  festgesetzt,  je  nachdem  die  Mehrzahl  seiner 
Werke  gut  oder  böse  ist.)  Derselbe  hat  gesagt:  Alles  wird  auf  Pfand  gegeben  u.  ein 
Netz  ist  ausgebreitet  über  alle  Lebenden  (niemand  kann  sich  der  Verantwortlichkeit 
u.  der  Rechenschaftsablegung  entziehen).  Der  Kramladen  ist  geöffnet  u.  der  Krämer 
(Gott)  leiht;  aber  auch  die  Schreibtafel  ist  aufgeschlagen  u.  die  Hand  schreibt;  wer 
borgen  will,  der  komme  u.  borge;  aber  auch  die  Eintreiber  (=  Strafengel)  gehen  be- 
ständig umher  an  jedem  Tage  u.  fordern  vom  Menschen  die  Schuld  ein,  er  mag  es 
wollen  oder  nicht;  sie  haben  auch,  worauf  sie  sich  stützen  (nämlich  die  Eintragungen 
auf  der  Schreibtafel);  das  Gericht  ist  ein  Gericht  der  Wahrheit  u.  alles  ist  für  das 
Mahl  (in  der  seligen  Ewigkeit)  zubereitet.  ||  B*^rakh33b:  R.  Chanina  (um  225)  hat  ge- 
sagt: Alles  liegt  in  der  Hand  des  Himmels  (=  Gottes)  mit  Ausnahme  der  Gottesfurcht. 
s.  Dt  10, 12:  „Und  nun  Israel,  was  fordert  Jahve  dein  Gott  von  dir,  außer  daß  du  Jahve 
deinen  Gott  fürchtest! "  —  Dasselbe  Meg25a;  Nidda  16''.  —  Formell  ähnlich  ist  BM  107b: 
R.  Chanina  hat  gesagt:  Alles  liegt  in  der  Hand  des  Himmels  mit  Ausnahme  der  Er- 
kältung u.  der  Erhitzung  (wörtlich:  der  Eisschollen  u.  der  Kohlen),  s.  Spr22.  5:  „Eis- 
schollen u.  Kohlen  (so  der  Midr)  liegen  auf  dem  Wege  des  Verkehrten;  wer  sein  Leben 
bewahren  will,  hält  sich  fern  von  ihnen."  Ebenso  BB  144b;  fAZ  3b;  als  Bar:  KethSO".!; 
Tanch  '-.^pt  127^:  Wenn  ein  Mensch  seiner  Frau  beiwohnt,  winkt  Gott  dem  Engel  zu. 
der  über  die  Empfängnis  gesetzt  ist  u.  dessen  Name  Lajla  (Nachtengel)  ist,  u.  spricht 
zu  ihm:  Wisse,  daß  in  dieser  Nacht  ein  Mensch  aus  dem  Samen  des  u.  des  gebildet 

'  3"ss3  wird  als  Notarikon  (s.  Einl.  107  Nr.  30)  gedeutet  =  nVy-i  hv  si^»:e  ■j^rä-nä«. 


584  Matth  10,  29  (SB  3).  10,  80.  32 

wird;  behalte  es  u.  habe  acht  auf  diesen  Tropfen;  nimm  ihn  in  deine  Hand  u.  streue 
ihn  auf  der  Tenne  aus  in  365  Teile.  Der  Engel  tut  also,  nimmt  ihn  sofort  in  seine 
Hand  u.  bringt  ihn  vor  den,  der  sprach  u.  es  ward  die  Welt,  u.  spricht  vor  ihm:  Ich 
habe  getan  nach  allem,  was  du  rnir  befohlen  hast;  was  soll  über  ihn  beschlossen 
werden?  Sofort  beschließt  Gott  über  den  Tropfen,  was  er  werden  soll,  ein  Mann  oder 
eine  Frau,  ein  Schwächling  oder  ein  Held,  arm  oder  reich,  kurz  (klein)  oder  lang, 
häßlich  oder  schön,  dick  oder  dünn,  verachtet  oder  geehrt;  u.  ebenso  beschließt  er 
über  alles,  was  ihm  begegnen  soll.  Aber  ob  er  ein  Gerechter  oder  ein  Gottloser  werden 
soll,  beschließt  er  nicht;  das  legt  er  in  die  Hand  des  Menschen  allein,  wie  es  heißt 
Dt  30, 15:  Siehe,  ich  lege  dir  heute  vor  das  Leben  u.  das  Heil,  u.  den  Tod  u.  das  Un- 
heil. —  Vgl.  Sota  2«:  Rah  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (1247)  habe  gesagt:  Vierzig 
Tage  vor  der  Bildung  des  Kindes  geht  eine  Himmelsstimme  aus,  welche  ruft:  Die 
Tochter  des  u.  des  ist  für  den  u.  den  bestimmt,  das  Haus  des  u.  des  für  den  u.  den, 
das  Feld  des  u.  des  für  den  u.  den.  1|  Zu  den  Meinungsverschiedenheiten  der  Pharisäer 
u.  Sadduzäer  über  unsre  Frage  s.  Josephus  im  Exkurs:  Die  Ph.  u.  die  Sadd. 

10,30:  Auch  die  Haare  eures  Kopfes  sind  alle  gezählt. 

BB16*  wird  aus  der  Fürsorge  Gottes  für  das  menschliche  Haar  die  für  den 
Menschen  selbst  veranschaulicht:  Es  heißt  Hi  9,  17:  „Er,  der  im  Sturmesbrausen  mich 
zermalmte  u.  mehrte  meine  unverdienten  Wunden."  Rabbah  (f  330)  hat  gesagt:  Hiob 
hat  mit  dem  Wort  n^yo  (=  Sturmesbrausen)  gelästert  u.  mit  dem  Wort  r^so  (=  Haar) 
hat  man  (=  Gott)  ihm  die  Antwort  gegeben.  Mit  dem  Wort  n-i-o  hat  er  gelästert, 
denn  es  heißt:  ,Der  im  Sturmesbrausen  mich  zermalmte."  Er  sprach  vor  ihm:  Herr 
der  Welt,  vielleicht  zog  ein  Sturmwind  an  dir  vorüber  u.  es  begegnete  dir  eine  Ver- 
wechselung zwischen  -vn  (Hiob)  u.  a-!s  (Feind)!  Mit  dem  Wort  -nyo  hat  man  ihm 
die  Antwort  gegeben,  denn  es  heißt  Hi  38,  Iflf. :  „Es  antwortete  Jahve  dem  Hiob  von 
n-yo  (nach  dem  Midr:  vom  Haar  aus)  u.  sprach:  Gürte  doch,  wie  ein  Mann,  deine 
Lenden!  Ich  will  dich  fragen  u.  du  tu  mir  Bescheid!"  Gott  sprach  zu  ihm:  Viele 
Haare  habe  ich  am  Menschen  geschaffen  u.  für  jedes  einzelne  Haar  habe  ich  ein  Grüb- 
chen für  sich  geschaffen,  damit  nicht  zwei  saugen  möchten  aus  Einem  Gr.;  denn 
wenn  zwei  Haare  aus  Einem  Gr.  saugen  würden,  so  würden  sie  das  Augenlicht  des 
Menschen  dunkel  machen.  Zwischen  dem  einen  Gr.  u.  dem  andren  ist  mir  keine  Ver- 
wechselung begegnet,  zwischen  Hiob  u.  einem  Feind  sollte  mir  eine  Verw.  begegnet 
sein?!  —  ||  Ähnlich  äußert  sich  R.  Levi  (um  300)  TanchB  y«-^Tn  §  8  (IS^-b).  Hier  ist 
noch  Hi  38,  25  mit  herangezogen:  „Wer  spaltet  der  Regenflut  qi:':)  Kanäle?"  mit  der 
Bemerkung:  In  Arabien  nennt  man  das  Haar  sr"j2i.  Hiernach  ist  also  Hi  38,  25  gedeutet 
worden:  Wer  spaltet  dem  Haar  seinen  Kanal  d.  h.  sein  Grübchen?  Zum  Schluß  heißt 
es  dann:  Gott  sprach  zu  Hiob:  Auch  dem  Haar  an  dir  habe  ich  sein  Gr.  geschaffen 
u.  ein  (bestimmtes)  Maß  habe  ich  ihm  gemacht,  wie  es  heißt:  Wer  spaltet  dem  Haar 
seinen  Kanal?  |  Darauf  folgt:  Es  geschah,  daß  ein  Priester,  der  die  Aussatzschäden 
zu  besichtigen  pflegte,  verarmte;  er  wollte  deshalb  ins  Ausland  gehn  u.  rief  sein  Weib 
u.  sprach:  Weil  die  Leute  zu  mir  zu  kommen  pflegen,  um  ihre  Aussatzschäden  be- 
sichtigen zu  lassen,  so  komm,  daß  ich  dich  unterweise,  damit  du  die  Aussatzschäden 
besichtigen  magst.  Wenn  du  siehst,  daß  der  Quell  (das  Grübchen)  des  Haares  eines 
Menschen  vertrocknet,  so  wisse,  daß  er  mit  Aussatz  geschlagen  ist;  denn  jedem  ein- 
zelnen Haar  hat  Gott  seinen  Quell  für  sich  geschafien,  damit  es  daraus  trinke;  ver- 
trocknet sein  Quell,  so  vertrocknet  das  Haar.  Da  sprach  sein  Weib:  Wie,  wenn  Gott 
jedem  einzelnen  Haar  einen  Quell  für  sich  geschaffen  hat,  daß  es  daraus  trinke,  sollte 
dann  Gott  dir,  der  du  ein  Mensch  bist  u.  der  du  sehr  viele  Haare  an  dir  hast  u.  der  du 
deine  Kinder  ernähren  sollst,  nicht  erst  recht  den  Lebensunterhalt  bestimmen  ?  Deshalb 
ließ  sie  ihn  nicht  ins  Ausland  ziehen.  —  Dasselbe  Tanch  i''-=7r  154^- ''. 

10,32:  Jeder,  der  mich  vor  den  Menschen  bekennen  wird. 


Matth  10,  32.  33.  34  (Nr.  1.  2)  585 

GnR  53  (34^):  ,Iii  Isaak  soll  dir  Same  genannt  werden*  Gn  21,  11,  pn-j-s. 
R.  SAzarja  (um  380)  hat  im  Namen  des  Bar  Chittaja  (1.  Hälfte  des  4.  Jahrh.)  gesagt: 
Das  2  (vor  ?-s-)  bedeutet  zwei  (Zahlenwert  von  a):  in  dem,  der  zwei  Welten  bekennt 
r-iiasiy  ':vz  n-n^s  (wird  dir  Same  genannt  werden).  R.  Judan  b.  Schalom  (um  370)  hat 
gesagt:  Es  steht  geschrieben  Ps  105,  5:  , Gedenket  seiner  Wunder,  die  er  getan  hat; 
seine  Zeichen  (sind)  auch  Urteile  seines  Mundes"  (so  scheint  der  Midr  zu  deuten).  Als 
Zeichen  habe  ich  (spricht  Gott)  gegeben,  was  einer  mit  seinem  Munde  ausspricht.  Wer 
zwei  Welten  bekennt,  der  wird  dir  (Abraham)  Same  genannt  werden;  wer  aber  nicht 
zwei  Welten  bekennt,  der  wird  dir  nicht  Same  genannt  werden.  i|  Femer  s.  pB'^rakh  9, 
13b,  33  bei  Mt  16,17. 

10,  33:  Wer  mich  aber  verleugnen  wird. 

uarig  d'  ca>  dovrar-rai  fxs.  —  Rabbin.  -E3,  ^es. 

Schab  116*:  R.  Tarphon  (um  110)  hat  gesagt:  Wenn  jemand  einen  verfolgt,  um 
ihn  zu  töten,  oder  wenn  eine  Schlange  heraneilt,  ihn  zu  beißen,  so  laufe  der  Verfolgte 
in  einen  Götzentempel,  aber  nicht  in  ein  Haus  dieser  Minim  (=  Judenchristen).  Denn 
diese  kennen  (Gott)  u.  verleugnen  -j-^eis  ihn,  jene  aber  kennen  ihn  nicht  u.  verleugnen 
ihn;  u.  über  sie  sagt  die  Schrift  Jes  57,  8:  Hinter  die  Tür  u.  den  Pfosten  setztest  du 
dein  Denkzeichen.  („Hinter"  die  Tür,  statt  ,an"  die  Tür  Dt  6,  9;  11,  20  als  Zeichen 
der  Verachtung  u.  des  Abfalls.)  Dasselbe  TSchab  13,  5  (129).  I|  P«"siq  163*':  R.  Juda 
b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Es  heißt  Hos  14.  2:  Kehre  zurück,  Israel,  zu  Jahve 
deinem  Gott,  d.  h.  selbst  wenn  du  Gott  verleugnet  hast  ^p-ya  r~fs .  \\  BB  154*^: 
R.  Z«^<'ira  (um  300)  hat  gesagt:  Wenn  R.  Jochanan  (f  279)  den  R.  El^azar  (um  270), 
seinen  Schüler,  verleugnen  sollte  'a  — td-  (indem  er  eine  Halakha  desselben  nicht  an- 
erkennt), wird  er  dann  auch  seinen  Lehrer,  den  R.  Jannai  (um  225)  verleugnen  "ies"' 
ider  dasselbe  gelehrt  hat)?  1|  (AZ46b:  R.  'Aqiba  (f  um  135)  sprach  zu  R.  EliEezer  (um 
90):  Rabbi,  verleugne  mich  nicht  •'Z^'Z^r  Vs  (zeihe  mich  nicht  einer  LügeJ  im  Augen- 
blick einer  logischen  Schlußfolgerung;  so  habe  ich  es  von  dir  (selbst)  überkommen.  |j 
BM  71-'  Bar:  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh  die  verblendeten  Aug^n  derer, 
die  auf  Zins  leihen!  Wenn  ein  Mensch  einen  andren  Frevler  nennt,  so  geht  er  mit 
ihm  bis  aufs  Leben;  u.  diese  (die  Wucherer)  bringen  Zeugen  u.  einen  Schreiber  u.  einen 
Schreibstift  u.  Tinte  herbei  u.  schreiben  u.  unterzeichnen:  Dieser  NN  (d.h.  der  Wucherer) 
hat  den  Gott  Israels  verleugnet  is-c-  -nVsa  -fs.  \\  Sanh  102^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt:  Weil  Ahab  an  die  Tore  Samariens  schrieb:  ,Ahab  hat  den  Gott  Israels  ver- 
leugnet" Vs^»^  Tisr  -22,  deshalb  hat  er  keinen  Teil  am  Gotte  Israels. 

10,34:  Ich  bin  nicht  gekommen,  Frieden  zu  bringen, 
sondern  ein  Schwert. 

1,, uäx«'?«istin  der  Form  ■p-'^=:5=/.tax«''o'ov  ins  Rabbin.  übergegangen. 

GnR  99  (63b):  „Ihre  Mord waffen"\--ri^=-?  Gn  49,  5.  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt:  Das  ist  das  griech.  Wort  /uu^aiQiou  ■j-"5»3;  denn  so  nennen  sie  die  Schwerter.  — 
Dasselbe  anonym  Tanch  -n-!  57'^.  ||  LvR  33  (130^):  „Tod  u.  Leben  ist  in  der  Hand  der 
Zunge"  Spr  18.  21.  Aquilas  hat  übersetzt:  Löffel  u.  Schwert  uvatQov  uct/cdgioy  s-^-jü-d 
--^•2'3;  Tod  auf  der  einen  u.  Leben  auf  der  andren  Seite.  ||  GnR  88  (56"):  Rab  (f  247) 
hat  gesagt:  Ein  kurzes  Schwert  ■,"-2'3  hatten  Bigthan  u.  Teresch,  Esth.  2,  21,  in  ihre 
Schuhe  gesteckt. 

2.  Die  Tage  des  Messias  als  eine  Periode  des  Schwertes. 

GnR 42  (26"):  R.  Elfazar  b.  Abina  (um  340)  hat  gesagt:  Wenn  du  siehst,  daß  ein 
Reich  sich  wider  das  andre  (zum  Kampfe)  erregt,  dann  sieh  dem  Kommen  des  Messias 
entgegen.  Wisse,  daß  dem  so  ist:  denn  siehe,  weil  in  den  Tagen  Abrahams  die  Reiche 
sich  widereinander  erregten,  kam  dem  Abraham  die  Erlösung,  s.  Gn  14.  i|  Sanh  97'* 
Bar:  In  der  Jahrwoche,  in  welcher  der  Sohn  Davids  (=  Messias)  kommt,  werden  im 
siebenten  Jahr  Kriege   sein  u.  am  Ausgang   des   siebenten  Jahres    kommt    der  Sohn 


586  Matth  10,  34  (Nr.  2.  3).  10,  35 

Davids.'  ||  Daselbst  97l>:  Rab  Chanan  b.  Tachlipha  ließ  dem  Rab  Joseph  (f  333)  sagen: 
Ich  habe  einen  Menschen  getroffen,  in  dessen  Hand  sich  eine  Rolle  befand,  die  assurith 
(Quadratschrift)  u.  in  der  heiligen  Sprache  geschrieben  war.  Ich  sagte  zu  ihm:  Woher 
hast  du  diese?  Er  antwortete  mir:  Ich  habe  unter  den  Truppen  Roms  gedient  u.  fand 
sie  in  einem  römischen  Archiv.  Hierin  stand  geschrieben:  Nach  4291  Jahren  seit  der 
Weltschöpfung  wird  die  Welt  verwaist  sein;  einen  Teil  von  ihnen  (nämlich  den  Schluß- 
teil) machen  die  Kriege  der  Seeungeheuer  (der  Weltreiche)  u.  die  Kriege  Gogs  u.  Magogs 
aus,  u.  den  Rest  bilden  die  Tage  des  Messias.  Erneuern  aber  wird  Gott  seine  Welt 
erst  nach  7000  Jahren.  —  Ferner  s.  Exkurs:  „Vorzeichen  der  messian.  Zeit",  Anfang. 

3.  ßaXsTv  £iQ}]vrjr  =  ci^'ü  b-^an  „Frieden  werfen"  =  Frieden  stiften 
oder  bringen. ' 

LvR  9  (lll''j:  Bar  Qappara  (um  220)  hat  gesagt:  Groß  ist  der  Friede;  denn  die 
heiligen  Schriften  reden  Erdichtetes  in  der  Tora,  um  Frieden  zu  stiften  ai'^io  V'ort'- 
zwischen  Abraham  u.  Sara;  vgl.  Gn  18,  12:  ,Da  mein  Herr  alt  ist"  mit  Vers  13:  ,Da  ich 
alt  bin."  —  Pea  1,1:  Dies  sind  die  Dinge,  deren  Zinsen  (Früchte)  der  Mensch  in  dieser 
Welt  genießt,  während  ihm  das  Stammkapital  (der  eigentliche  Lohn)  anstehen  bleibt 
für  die  zukünftige  Welt :  Die  Ehrfuixht  gegenüber  den  Eltern,  Liebeserweisungen,  das 
Friedenstiften  cVic  rsa-  zwischen  einem  Menschen  u.  seinem  Nächsten  u.  das  Tora- 
studium vor  ihnen  allen. 

10,35:  Ich  bin  gekommen,  einen  Menschen  zu  entzweien 
mit  seinem  Vater  usw. 

Sota  9,  15:  Kurz  vor  dem  Auftreten  des  Messias  wird  die  Unverschämtheit  groß 
werden  u.  der  Druck  (der  Gewalthaber)  zunehmen.  Der  AVeinstock  gibt  seine  Frucht, 
aber  der  Wein  ist  teuer.  Die  Regierung  wendet  sich  zur  Ketzerei  u.  es  gibt  keine 
Zurechtweisung.  Das  Versammlungshaus  wird  zur  Unzuchtsstätte,  Galiläa  wird  ver- 
wüstet u.  Gablan  (=  Gebalene?)  verheert  werden  u.  die  Einwohner  des  Grenzlandes 
■jiijr!  ziehen  von  Stadt  zu  Stadt  u.  finden  kein  Erbarmen.  Die  Weisheit  der  Gelehrten 
wird  stinkend,  u.  die  sich  vor  der  Sünde  scheuen,  werden  verachtet  u.  die  Wahrheit 
wird  vermißt.  Jünglinge  beschämen  das  Angesicht  der  Greise,  Greise  stehen  auf  vor 
Knaben,  der  Sohn  verunehrt  den  Vater,  die  Tochter  lehnt  sich  wider  ihre  Mutter  auf. 
<lie  Schwiegertochter  wider  ihre  Schwiegermutter,  die  Feinde  des  Mannes  sind  seine 
Hausgenossen  (vgl.  Micha  7,  6).  Das  Aussehen  des  Geschlechts  (der  dann  lebenden 
Generation)  ist  wie  das  Aussehen  des  Hundes,  indem  der  Sohn  sich  nicht  vor  seinem 
Vater  schämt.  Auf  wen  sollen  wir  uns  stützen?  Auf  unsren  Vater,  der  im  Himmel 
ist.  —  Nach  der  Bar  Sanh  97"  gehören  die  Anfangs-  u.  Schlußsätze  dem  R.  N*^chemja, 
der  mittlere  Passus  dem  R.  J''huda  an,  die  beide  um  150  lebten.  —  In  Derekh  Ere«; 
Zuta  6  wird  die  Ausführung  des  R.  J^'huda  dem  Rabban  Gamliel  (um  90)  u.  in  Midr  HL 
2,  13  (lOn)  dem  Resch  Laqisch,  um  250,  beigelegt,  während  als  Autor  der  Schluß- 
sätze (Jünglinge  beschämen  das  Angesicht  der  Greise  usw.)  R.  N*^horai,  um  150,  ge- 
nannt wird.  II  Aus  den  Pseudepigraphen  gehören  hierher  Jubil  23, 19 :  Sie  werden  streiten, 
diese  mit  jenen,  Jünglinge  mit  alten  Leuten,  alte  Leute  mit  Jünglingen,  der  Arme 
mit  dem  Reichen,  der  Niedrige  mit  dem  Großen,  der  Bettler  mit  dem  Mächtigen  wegen 
des  Gesetzes  u.  wegen  des  Bundes.  Denn  sie  haben  Gebot  u.  Bund  u.  Fest  u.  Monat 
u.  Sabbat  u.  Jubiläen  u.  alle  Rechtsbestimmung  vergessen.  ||  Henoch  100,  2:  Ein 
Mann  wird  seine  Hand  nicht  mitleidig  zurückhalten,  seinen  Sohn  oder  Enkel  zu  er- 
schlagen: der  Sünder  wird  seine  Hand  nicht  zurückhalten,  seinen  verehrtesten  Bruder 
zu  töten.  II  4  Esra  (\,  24:  In  jener  Zeit  werden  Freunde  einander  als  Feinde  bekämpfen, 
daß  die  Erde  samt  ihren  Bewohnern  sich  davor  entsetzt.  —  Vgl.  auch  Exkurs:  Vorz. 
der  messian.  Zeit  Nr.  I. 


In  Midr  HL  2, 13  (101  =*)  wird  R.  Jochanan,  j  279,  als  Autor  dieses  Satzes  genannt. 


Matth  10,  37.  38.  39  587 

10,  37:  Wer  Vater  oder  Mutter  mehr  liebt  als  mich, 
ist  meiner  nicht  wert. 

Die  Liebe  zu  den  Eltern  steht  gegenüber  der  Liebe  zu  Gott,  zur 
Tora  u.  zum  Lehrer  in  zweiter  Linie. 

J^b  5^  Bar:  Soll  etwa  die  Ehufurcht  gegen  den  Vater  u.  die  Mutter  den  Sabbat 
verdrängen?  (Darf  ein  Kind  aus  Gehorsam  gegen  der  Eltern  Befehl  den  S.  entheiligen?) 
Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Ein  jeder  hege  Ehrfurcht  vor  seiner  Mutter  u.  seinem  Vater, 
u.  meine  Sabbate  sollt  ihr  beobachten:  ich  bin  Jahve  euer  Gott"  Lv  19,  3.  Ihr  alle 
(Eltern  u.  Kinder)  seid  verpflichtet,  mich  (Gott)  zu  ehren.  (Also  geht  die  Ehrfurcht 
gegen  Gott  der  gegen  die  Eltern  vor.)  Vgl.  BM  32=*.  ||  BM  2,  11:  Hat  ein  Mensch  etwas 
verloren  u.  ebenso  sein  Vater,  so  geht  sein  eignes  Verlorenes  vor;  hat  ein  Mensch 
etwas  verloren  u.  ebenso  sein  Lehrer,  so  geht  sein  eignes  Verlorenes  vor;  hat  sein 
Vater  etwas  verloren  u.  ebenso  sein  Lehrer,  so  geht  das  Verlorene  seines  Lehrers  vor; 
denn  sein  Vater  hat  ihn  in  diese  Welt  gebracht,  aber  sein  Lehrer,  der  ihn  Weisheit 
lehrt,  bringt  ihn  in  das  Leben  der  zukünftigen  Welt.  Wenn  jedoch  sein  Vater  ein 
Gelehrter  ist,  so  geht  das  Verlorene  seines  Vaters  vor.  —  Wenn  sein  Vater  u.  sein 
Lehrer  eine  Last  tragen,  so  hilft  er  erst  die  seines  Lehrers  niederlegen  u.  hinterher 
hilft  er  die  seines  Vaters  niederlegen.  Ist  sein  Vater  u.  sein  Lehrer  im  Gefängnis,  so  • 
löst  er  erst  seinen  Lehrer  aus  u.  hinterher  löst  er  seinen  Vater  aus.  Wenn  aber  sein 
Vater  ein  Gelehrter  ist,  so  löst  er  erst  seinen  Vater  aus  u.  hinterher  seinen  Lehrer.  — 
Hör  13"  Bar:  Wenn  ein  Mensch  u.  sein  Vater  u.  sein  Lehrer  im  Gefängnis  sind,  so 
geht  er  seinem  Lehrer  u.  der  Lehrer  seinem  Vater  vor;  seine  Mutter  aber  geht  allen 
vor  (weil  sie  als  Gefangene  der  Schändung  preisgegeben  ist).  |1  Joseph.  Ant.  11,  5,  4 
wird  von  denen,  die  zur  Zeit  Esras  ihre  heidnischen  Frauen  u.  deren  Kinder  entließen, 
gesagt,  daß  sie  die  Beobachtung  der  Gesetze  höher  stellten  als  die  Liebe  zu  jenen. 

10,38:  Wer  sein  Kreuz  nicht  nimmt. 

Die  Wendung  gxuvqov  kafißdrsir  findet  ihre  Erklärung  aus  der  Sitte, 
daß  der  Verurteilte  selbst  sein  Kreuz  zur  Richtstätte  tragen  mußte. 

GnR  56  (36*^):  „Abraham  nahm  das  Brandopferholz  ii.  legte  es  auf  seinen  Sohn 
Isaak"  Gn  22,  6.  Wie  einer  der  das  Kreuz  zi^h-^  auf  seiner  Schulter  trägt.  —  Ähnlich 
P'^siq  R  ol  (143'^).  —  Nichtjüdische  Zeugnisse  s.  Cremer,  Wörterbuch  der  neutestamentl. 
Gräcität  unter  aravQÖc:;  vgl.  auch  0.  Zöckler,  Das  Kreuz  Christi,  1875,  S.  102. 

Die  Redensart  „das  Kreuz  auf  sich  nehmen"  im  Sinne  von  „den 
Leiden  sich  unterwerfen"  scheint  in  der  älteren  rabbin.  Literatur  sich 
nicht  zu  finden:  diese  gebraucht  dafür  die  Verbindung  r"i*i3":  hs.^  = 
„Leiden  oder  Züchtigungen  annehmen". 

B-'rakh  5^:  Raba  (t  352)  hat  gesagt,  Rab  Chisda  (f  309)  habe  gesagt,  Rab  Huna 
(t  297)  habe  gesagt:  Au  wem  Gott  Wohlgefallen  hat,  den  zerschlägt  er  mit  Leiden, 
s.  Jes53, 10:  „Jahve  gefiel  es  ihn  durch  Krankheit  zu  zerschlagen."  Auch  wenn  er 
sie  nicht  aus  Liebe  hinnimmt  (a'^iap)?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Jes  53,  10:  „Wenn  du 
zum  Schuldopfer  seine  Seele  machst."  Wie  das  Schuldopfer  mit  Wissen  u.  Willen,  so 
auch  Leiden  mit  Wissen  u.  Willen.  Wenn  er  sie  hinnimmt  (o'ssp),  was  ist  sein  Lohn? 
Jes  53,  10:  „So  wird  er  Nachkommenschaft  sehen,  lange  Tage  leben";  u.  nicht  bloß 
dies,  sondern  es  wird  auch  sein  Erlerntes  in  seinem  Besitz  sich  erhalten,  s.  Jes  53,  10: 
„Was  Jahve  wohlgefällt,  wird  in  seiner  Hand  gelingen."  ]i  B'^rakh  62=':  R.  Ammi  (um 
300)  u.  R.  Asi  (um  300)  sagten:  Wir  haben  aus  der  Tradition  gelernt:  Die  (richtige) 
Hinnahme  von  Leiden  -iic-t  nV^p   ist  Schweigen  u.  Beten. 

10,39:  Wer  seine  Seele   findet,   wird  sie  verlieren,   u.  wer 
seine  Seele  verliert  um  meinetwillen,  der  wird  sie  finden. 
Tamid  66''  (andre  Ausgaben  32=*):  (Zehnerlei  fragte  Alexander  von  Mazedonien  die 


588  Matth  10,39.40(211) 

Altesten  des  Südens:)  .  .  .  Was  soll  der  Mensch  tun,  damit  er  lebe?  Sie  antworteten: 
Er  töte  sich  selbst!  Und  was  soll  der  Mensch  tun,  damit  er  sterbe?  Sie  antworteten: 
Er  lebe  sich  selbst  {'"c-^v  ri  n-n-;  das  Verbum  ist  im  Hebr.  transitiv  gemeint:  ,er 
belebe  sich  selbst"  ;=  er  gebe  sich  dem  Wohlleben  hin).  j|  B'"rakh  63'':  Resch  Laqisch 
(um  250)  hat  gesagt:  Woher,  daß  die  Worte  der  Tora  nur  bei  demjenigen  Bestand  be- 
halten, der  sich  selbst  um  ihretwillen  tütet?  Es  heißt  Nu  19,  14:  Das  ist  (rechtes)  Tora- 
studiuni,  wenn  der  Mensch  im  Zelt  (in  den  Hütten  der  Tora)  stirbt  (so  der  Midr).  — 
Dasselbe  Schab  83b;  Git57b.  y  Zu  der  Wendung  „die  Seele  verlieren"  vgl.  AbothRN  ed. 
Schechter  39^:  Wer  ein  Wort  des  Gesetzes  bewahrt,  bewahrt  seine  Seele  ^■stc'?  sin  rczi, 
u.  wer  ein  Wort  des  Gesetzes  zugrunde  richtet,  richtet  seine  Seele  zugrunde  s^.rt  irs: 
■i^s^.  —  Ferner  TMSch  3, 18  (92):  Es  geschah  einmal,  daß  Rabban  Scbimfon  b.  GamliSl 
(um  140),  R.  J^huda  u.  R.Jose  (beide  um  150)  zu  einem  Besitzer  in  K'^zib  gingen;  sie 
sprachen:  Man  hat  keine  Kenntnis  davon,  wie  der  Besitzer  seine  Früchte  ordnungs- 
mäßig verzehntet.  Als  er  sie  bemerkte,  brachte  er  ihnen  einen  Kasten  voll  Golddenare. 
Sie  sprachen  zu  ihm:  Wie  verzehntest  du  ordnungsmäßig  deine  Früchte?  Er  antwortete: 
Ich  sage  so:  Der  zweite  Zehnt,  der  in  Betracht  kommt,  der  sei  ausgelöst  durch  dieses 
As  "^s"x.!  Sie  sprachen:  Geh  u.  iß  dein  Geld;  du  hast  Geld  gewonnen  (verdient  p^3P':;n), 
aber 'du  hast  Seelen  vertilgt  (verloren)  ricr:  nr-a-s'^!  ||  SNu  25,  1  §  181  (47=^):  Ein 
Gleichnis.  Ein  Centurio  (Hauptmann  i'^'J";?)  vollendete  seine  Dienstjahre,  ohne  seinem 
ersten  Centurio  zu  dienen;  vielmehr  floh  er  u.  machte  sich  davon.  Der  König  ließ 
ihn  holen  u.  erklärte  ihn  für  schuldig.  Bevor  er  abgeführt  wurde,  um  getötet  zu 
werden,  sprach  der  König:  Füllet  ihm  ein  Maß  mit  Golddenaren  u.  bringt  es  zu  ihm 
hinaus.  Man  sagte  zu  ihm:  Wenn  du  gehandelt  hättest,  wie  deine  Genossen  gehandelt 
haben,  so  würdest  du  das  Maß  Golddenare  hingenommen  haben  u.  deine  Seele  (dein 
Leben)  wäre  dein;  jetzt  hast  du  deine  Seele  verloren  --stz  rs  n^s  u.  hast  dein  Geld 
verloren.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  einer  Priestertochter,  die  gehurt  hat  (u.  zum  Ver- 
brennungstode abgeführt  wird):  der  Hohepriester  geht  vor  ihr  einher  u.  sagt  zu  ihr: 
Wenn  du  gehandelt  hättest,  wie  deine  Mütter  gehandelt  haben,  so  wärest  du  würdig, 
daß  aus  dir  ein  Hoherpriester  wie  ich  hervorginge;  aber  jetzt  hast  du  dich  selbst  ver- 
loren -■o-^y  PS  r-Ti.s  u.  hast  deine  Ehre  verloren!  ||  Das  Substantivum  ""sai:  i:-,s-'s  = 
„Verlust,  Einbüßung  des  Lebens"  liest  man  zB  BQ  15^:  In  dem  einen  Fall  handelt  es 
sich  um  den  Verlust  des  Lebens,  in  den  beiden  andren  Fällen  handelt  es  sich  nicht  um 
den  Verlust  des  Lebens.  ;!  Ein  Ausspruch  Hilleis  (um  20  v.  Chr.)  lautet  Aboth  1,  13: 
Breitet  der  Name  sich  aus,  geht  der  Name  zugrunde  nas.  (Die  Sucht,  sich  einen  großen 
Namen  zu  machen,  führt  leicht  das  Gegenteil  herbei.)  —  Dazu  heißt  es  AbothRN  12: 
Das  lehrt,  daß  man  dem  Menschen  keinen  (großen)  Namen  bei  der  Herrschaft  (heid- 
nischen Regierung)  machen  soll;  denn  wenn  man  ihm  solchen  Namen  macht,  richten 
sie  ihre  Augen  auf  ihn,  u.  töten  ihn  u.  nehmen  ihm  seine  Habe. 

10,  40  51:  Wer  euch  aufnimmt,  nimmt  mich  auf. 

1.  Lob  der  Gastfreundschaft  im  allgemeinen. 

Schab  127":  Rabbi  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Ebenso  groß  ist  die  Gastfreund- 
schaft (wörtlich:  die  Aufnahme  von  Wanderern),  wie  der  frühzeitige  Besuch  des  Lehr- 
hauses; denn  es  ist  gelehrt  worden  Schab  18,  1:  Man  darf  am  Sabbat  sogar  vier  oder 
fünf  Kästen  mit  Stroh  oder  Getreide  wegräumen  um  der  Gäste  willen  (um  Platz  für 
deren  Aufnahm'fe  zu  gewinnen)  u.  um  Hindernisse  im  Lehrhaus  zu  entfernen  (damit  die 
Schüler  Raum  haben).  Rab  Dimi  von  N'^hardefa  (Schulhaupt  in  Pum  B*^ditha  385 — 3S8) 
hat  gesagt:  Die  Gastfreundschaft  ist  größer  als  der  Besuch  des  Lehrhauses  in  früher 
Morgenstunde;  denn  es  ist  gelehrt  worden  Schab  18,  1:  „Um  der  Gäste  willen"  u.  dann 
erst  „um  Hindernisse  im  Lehrhaus  zu  entfernen".  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab 
(t  247)  habe  gesagt:  Die  Gastfreundschaft  ist  größer  als  die  Begrüßung  der  Sch^khina 
(Gottheit),  s.  Gnl8,  3:  „0  Herr,  wenn  anders  ich  Gnade  in  deinen  Augen  gefunden 
habe,   so  gehe  nicht  weiter."   .(Der  Midr  deutet,  als  ob  Abraham  mit  diesen  Worten 


Matth  10,40  (?t  1.2)  589 

Gott  aufgefordert  habe,  zu  warten,  bis  er  die  drei  Männer  [Vers  2]  als  Gäste  in  sein 
Haus  eingeführt  habe,  s.  Raschi.)  ||  Schab  127  »:  R.  jefauda  b.  Schela^  hat  gesagt,  R.  Asi 
(um  300)  habe  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Von  sechs  Dingen  genießt  der 
Mensch  die  Früchte  in  dieser  Welt,  während  das  Kapital  (der  Hauptlohn)  ihm  anstehen 
bleibt  für  die  zukünftige  Welt:  Gastfreundschaft,  Besuch  der  Kranken,  Andacht  im 
Gebet  (Harren  auf  die  Gebetserhörung),  Besuch  des  Lehrhauses  in  früher  Morgenstunde. 
Erziehung  der  Söhne  für  das  Torastudium  u.  Beurteilung  des  Nächsten  nach  seiner 
verdienstlichen  Seite  (zum  Guten).  —  Mehr  im  Exkurs  „ Liebeswerke "  Nr.  4,  II. 

2.  Verdienstlichkeit  der  den  Gelehrten  erwiesenen  Gastfreundschaft 
u.  Aufmerksamkeit. 

B^rakh  63'':  R.  N*^chemja  (um  150)  begann  (seine  Dankrede  in  Uscha)  zum  Lobe 
der  Gastfreundschaft:  Was  heifät  1  Sm  15,6:  „Saul  sprach  zu  dem  Qeniter  (=  Jethro 
im  Sinn  des  Midr,  vgl.  Nu  10, 29  mit  Ex  3, 1  u.  Rieht  1, 16):  Auf,  ziehet  fort,  steigt  herab 
aus  der  Mitte  des  Amaleqiters,  damit  ich  dich  nicht  mit  ihm  austilge,  da  du  doch  Liebe 
geübt  hast  gegen  alle  Kinder  Israel"?  Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Geringeren  auf 
das  Wichtigere?  Wenn  solches  schon  von  Jethro  gilt,  der  Mose  nur  zu  seiner  eignen 
Ehre  in  seiner  Nähe  weilen  ließ,  um  wieviel  mehr  wird  es  dann  von  demjenigen  gelten, 
der  einen  Gelehrtenschüler  in  seinem  Hause  herbergen  läßt  n-^a^r.,  ihn  speist  u.  tränkt 
u.  ihm  Nutzen  von  seinem  Vermögen  gewährt!  —  Darauf  begann  R.  Jose  (um  150)  zum 
Lobe  der  Gastfreundschaft  u.  trug  vor:  Verabscheue  keinen  Edomiter,  denn  er  ist  dein 
Bruder;  verabscheue  keinen  Ägypter,  denn  du  bist  Fremdling  in  seinem  Lande  gewesen 
Dt  23,  8.  Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Geringeren  auf  das  Wichtigere?  Wenn  solches 
schon  von  den  Ägyptern  gilt,  die  die  Israeliten  nur  zu  ihrem  eigenen  Vorteil  in  ihrer 
Nähe  wohnen  ließen,  s.  Gn  47, 6,  um  wieviel  mehr  wird  es  dann  von  demjenigen  gelten, 
der  einen  Gelehrtenschüler  in  Seinem  Hause  herbergen  läßt,  ihn  speist  u.  tränkt  u.  ihm 
von  seinem  Vermögen  Nutzen  gewährt!  —  Nach  ihm  R.  Elifezer  b.  Jose  ha-G'^lili:  Jahve 
segnete  den  fObed  Edom  um  der  Gotteslade  willen  2  Sm  6, 12.  Gilt  da  nicht  der  Schluß 
vom  Geringeren  auf  das  Wichtigere?  Wenn  von  der  Lade,  die  nicht  aß  u.  trank,  vor 
der  er  nur  fegte  u.  sprengte,  solches  gilt,  um  wieviel  mehr  gilt  es  dann  von  dem,  der 
einen  Gelehrtenschüler  usw.  wie  vorhin.  —  Die  Parallelstelle  aus  Midr  HL  2,  5  (97'^) 
s.  oben  S.  570«  bei  10,  14  51.  |i  K^th  111'':  (R.  Ehazar,  um  270,  hat  gesagt:)  Es  heißt: 
, Indem  du  Jahve  deinen  Gott  liebst,  seiner  Stimme  gehorchend,  u.  ihm  anhängst" 
Dt  30,  20.  Ist  es  denn  einem  Menschen  möglich,  sich  an  die  Sch^'khina  (Gottheit)  zu 
hängen?  Es  ist  so  gemeint:  Wer  seine  Tochter  an  einen  Gelehrtenschüler  verheiratet 
u.  für  die  Gelehrtenschüler  Geschäfte  besorgt  u.  den  Gelehrtenschülern  Nutzen  von 
seinem  Vermögen  gewährt,  dem  rechnet  es  die  Schrift  so  an,  als  ob  er  der  Sch^'khina 
anhange.  (Die  gleiche  Nutzanwendung  macht  derselbe  Autor  unmittelbar  zuvor  zu 
Dt  4,  4.)  —  Dasselbe  NuR  22  (192 <').  II  LvR  34  (131''):  „umherirrende  Arme  bringe  in 
dein  Haus"  Jes  58,  7.  Das  sind  die  Gelehrtenschüler  u.  ihre  Schüler,  die  Israel  über 
Unreines  u.  Reines,  über  Verbotenes  u.  Erlaubtes  belehren,  u.  die  sie  lehren  den  Willen 
ihres  Vaters  im  Himmel  zu  tun;  deshalb  heißt  es:  umherirrende  Arme  bringe  in  das 
Haus.  R.  Abin  (I.  um  225;  IL  um  270)  bat  gesagt:  Wer  einen  Gelehrtenschüler  in  seinem 
Hause  herbergen  läßt,  dem  rechnet  es  die  Schrift  so  an,  als  brächte  er  die  Erstlinge 
dar;  es  heißt  hier  (Jes  58,  7)  , bringe"  u.  es  heißt  dort  (Ex  23, 19):  Die  Erstlinge  deines 
Ackerbodens  sollst  du  zum  Hause  Jahves  deines  Gottes  , bringen".  Wie  hier  von  Erst- 
lingen, so  ist  auch  dort  (Jes  58,  7)  von  Erstlingen  die  Rede.  ||  Tanch  -yc^  245  fe:  Warum 
wurden  alle  Wüstenstationen  dessen  gewürdigt,  daß  sie  in  der  Tora  aufgezeichnet 
wurden?  Weil  sie  die  Israeliten  aufnahmen,  wird  Gott  ihnen  dereinst  ihren  Lohn  geben, 
s.  Jes  35,  1 :  , Lustig  sein  werden  Wüste  u.  Öde,  u.  die  Steppe  wird  frohlocken  u.  blühen 
der  Narzisse  gleich.  Blühend  soll  sie  sicherlich  aufgehn  u.  sich  ermuntern  mit  Froh- 
locken" usw.   Wenn  solches  von  der  Wüste  gilt,  weil  sie  Israel  aufnahm,  um  wieviel 


1  Mehrfach  Tradent  des  R.  Asi,  zB  Schab  126  ^^  *>. 


590  ^^atth  10,  40  (?l  2.  33).  10,  41  (Nr.  1) 

mehr  wird  es  von  dem  gelten,  der  einen  Gelehrtenschüler  in  seinem  Hause  aufnimmt 
'^a^wn!  —  Dasselbe  NuR  23  (193*=).  i|  B^rakh  lOb;  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt, 
R.  Elisezer  b.  Jafaqob  (um  150)  habe  gesagt:  Wer  einen  Gelehrtenschüler  in  seinem  Hause 
hei'bergen  läßt  u.  ihm  von  seinem  Vermögen  Nutzen  gewährt,  dem  rechnet  es  die  Schrift 
so  an,  als  ob  er  die  täglichen  Opfer  darbrächte.  —  Vgl.  Joma  71^:  R.  B^rekhja  (um  340) 
hat  gesagt:  Wer  ein  Traakopfer  auf  dem  Altar  darbringen  will,  der  fülle  die  Kehle 
der  Gelehrtenschüler  mit  Wein;  denn  es  heißt  Spr  8,  4:  „An  euch,  ihr  Männer  (a-r'-s), 
ergeht  mein  Ruf."  (Nach  Raschi  ist  der  ungewöhnliche  Plural  a-s-s  erklärt  „Opfer" 
von  n:2s.)  ||  M®kh  Ex  18,  12  (67^):  „Es  kamen  Ahvon  u.  alle  Ältesten  Israels,  um  vor 
Gott  zu  essen";  warum  sagt  die  Schrift  „vor  Gott"?  Das  lehrt:  Wer  die  Gelehrten 
begrüßt,  ist  wie  einer,  der  die  Sch^khina  begrüßt.  —  Dieser  letzte  Satz  begegnet  mehr- 
fach, zB  Midr  HL  2,  b  (97  b);  Tanch  s;Dr  -r  (118»).  Vgl.  auch  B-^^rakh  W:  R.  Abin,  der 
Levit  (um  370),  hat  gesagt:  Wer  Genuß  von  einem  Mahle  hat,  bei  welchem  ein  Ge- 
lehrtenschüler mit  zu  Tische  sitzt,  der  ist  wie  einer,  der  von  dem  Glanz  der  Sch'^khina 
Genuß  hat,  s.  Ex  18,  12  (wie  oben).  Haben  sie  denn  vor  Jahve  gegessen?  Haben  sie 
nicht  vor  Mose  gegessen?  Allein  es  will  lehren,  daß  wer  Genuß  voa  einem  Mahl  hat, 
bei  welchem  ein  Gelehrtenschüler  mit  zu  Tische  sitzt,  der  ist  wie  einer,  der  von  dem 
Glanz  der  Sch%hina  Genuß  hat.  |i  Aboth  4, 12:  R.  Elfazar  b.  Schammua?  (um  150)  sagte: 
Die  Ehre  deines  Schülers  sei  dir  so  lieb  wie  deine  eigne,  u.  die  Ehre  deines  Genossen 
wie  die  Ehrfurcht  vor  deinem  Lehrer,  u.  die  Ehrfurcht  vor  deinem  Lehrer  wie  die 
Ehrfurcht  vor  Gott.  \\  Sanh  110-'':  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Wer  seinem  Lehrer 
widerspricht,  ist  wie  einer,  der  der  Sch'^khinaf Gottheit)  widerspricht,  s.  Nu  26, 9:  „Welche 
wider  Mose  u.  Ahron  haderten  .  .  .,  als  sie  wider  Jahve  haderten."  R.  Chama  b.  Chanina 
(um  260)  hat  gesagt:  Wer  Streit  mit  seinem  Lehrer  beginot,  ist  wie  einer,  der  ihn  mit 
der  Sch%hina  beginnt,  s.  Nu  20,  13:  „Das  ist  das  Haderwasser,  wo  die  Kinder  Israel 
mit  Jahve  haderten"  (während  Vers  3  nur  gesagt  ist,  daß  sie  mit  Mose  haderten). 
R.  Chanina  b.  Papa  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  wider  seinen  Lehrer  murrt,  ist  wie  einer, 
der  gegen  die  Sch*^khina  murrt,  s.  Ex  16,  8:  „Nicht  gegen  uns  ist  euer  Murren,  sondern 
gegen  Jahve."  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  über  seinen  Lehrer  Arges  denkt, 
ist  wie  einer,  der  über  die  Sch^'khina  Arges  denkt,  s.  Nu  21,  5:  „Das  Volk  redete  wider 
Gott  u.  wider  Mose."  —  Dasselbe  Tanch  n-ip  220''*. 

10,4023:  Wer  mi  ch  auf  nimmt,  nimmt  den  auf,der  mich  gesandt  hat. 

Ein  häufig  ausgesprochener  Grundsatz  lautet:  Der  Gesandte  (d.h. 
der  Beauftragte,  Bevollmächtigte)  eines  Menschen  ist  wie  dieser  selbst. 

B^rakhS,  5:  Wenn  jemand  betet  u.  dabei  sich  irrt,  so  ist  das  ein  schlimmes  An- 
zeichen für  ihn;  u.  wenn  er  der  Beauftragte  der  Gemeinde  (der  Vorbeter)  ist,  so  ist 
das  ein  schlimmes  Vorzeichen  für  seine  Auftraggeber  (Sender),  weil  der  Gesandte  eines 
Menschen  wie  dieser  selbst  ist  -ritss  a^s^ia  •im'-:*!^.  |!  Qid4l'*:  R.  J^hoschua?  b.  Qarcha 
(um  150)  hat  gesagt:  Woher,  daß  der  Abgesandte  eines  Menschen  wie  dieser  selbst  ist? 
Weil  es  Ex  12,  6  heißt:  „Dann  schlachte  es  (das  Passahlamm)  die  Versammlung  der 
ganzen  Gemeinde  Israel  zwischen  den  beiden  Abenden."  Wie,  hat  denn  die  ganze  Ge- 
meinde geschlachtet?  Hat  denn  nicht  bloß  Einer  geschlachtet?  Vielmehr  folgt  hieraus, 
daß  der  Beauftragte.  (Abgesandte)  eines  Menschen  wie  dieser  selbst  ist.  —  Vgl.  auch  BQ 
113^':  Der  Gesandte  eines  Königs  ist  wie  der  König  selbst.  —  Ferner  s.  bei  Joh  13, 16. 

10,41:  Wer  einen  Propheten  aufnimmt  auf  eines  Propheten 
Namen,  der  wird  eines  Propheten  Lohn  empfangen. 
1.  sie.  oroiiia  ngocpr-Tov.  —  eig  hvoijia  =  üxq}?,  das  sowohl  finalen,  als 
auch  kausalen  Sinn  hat.  Im  ersteren  Fall  bedeutet  es:  mit  Rücksicht 
darauf,  daß  etwas  werden  soll,  im  letzteren  Fall:  mit  Rücksicht  darauf, 
daß  etwas  ist  (=  wegen  oder  um  willen). 


Matth  10,41  (Nr.  1.2).  10,42  (Nr.  1)  591 

Beispiele  für  die  finale  Bedeutung.  P^'sö,  2:  Wenn  man  das  Passah  ge- 
schlachtet hat  ■tt»'?  Sv^ü,  ohne  Rücksicht  darauf  (oder  ohne  den  Gedanken  daran),  daß 
es  ein  solches  sein  soll,  u.  wenn  man  sein  Blut  aufgefangen  hat  u.  damit  zum  Altar 
gegangen  ist  u.  es  gesprengt  hat  la^ati  ahv,  ohne  Rücksicht  darauf,  daß  es  das  Blut 
des  Passah  sein  soll,  oder  wenn  man  es  getan  hat  zum  Teil  mit  Rücksicht  darauf 
■i>3tr;"5  u.  zum  Teil  ohne  Rücksicht  darauf  ts:^-:  ah^a,  oder  umgekehrt,  so  ist  es  ungültig. 
Wie  ist  das  zu  verstehen:  zum  Teil  mit  Rücksicht  darauf  (nämlich,  daß  es  ein  P.  sein 
soll),  u.  zum  Teil  ohne  diese  Rücksicht?  Man  vollzieht  die  Opferhandlung  zum  Teil  mit 
dem  Gedanken  daran,  daß  es  ein  P.  sein  soll  rcs;  zvh,  u.  zum  Teil  mit  dem  Gedanken, 
daß  es  ein  Friedmahlopfer  sein  soll  wwi:^  uvi).  ||  Z*=b  4,  6:  Mit  Rücksicht  auf  (oder  im 
Gedanken  an)  sechs  Dinge  c—i^t  r.xv  uvh  wird  ein  Opfer  geopfert:  mit  R.  darauf  was 
es  für  ein  Opfer  sein  soll  rrar  üvh,  mit  R.  auf  den  Opfernden  nair  a-:;V,  mit  R.  darauf 
daß  es  Gott  dargebracht  werden  soll  ="ijn  ^vh,  mit  R.  darauf  daß  es  ein  Feueropfer 
sein  soll  =-r^N  u-jh,  mit  R.  darauf  daß  es  zum  Geruch  sein  soll  n"i  c^V,  u.  mit  R. 
darauf  daß  es  zum  Wohlgefallen  sein  soll  m-'j  zvh.  Das  Sund-  u.  Schuldopfer  wird 
geopfert  auch  noch  mit  R.  auf  die  Sünde  (derentwegen  es  dargebracht  werden  soll) 
sün  cvh.  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  hat  gesagt:  Auch  wenn  einer  in  seinem  Herzen 
keine  Rücksicht  auf  diese  Dinge  genommen  hat  (an  sie  nicht  gedacht  hat),  so  ist  das 
Opfer  gültig;  denn  es  ist  ein  (stillschweigendes)  gerichtliches  Abkommen,  daß  der 
Gedanke  an  jene  Dinge  sich  nur  nach  dem  diensttuenden  Priester  richtet  (dieser  muß 
also  jene  sechsfache  Intention  bei  seinem  Opfern  haben,  sonst  ist  es  ungültig).  Ahnliche 
Stellen  P^s  13'';  Z'^b  1, 1.  —  Ferner  s.  bei  Mt28, 19. 

Beispiele  für  die  kausale  Bedeutung.  Sanh  99'*:  R.  Alexandrai  (um  270)  hat 
gesagt:  Wer  sich  mit  der  Tora  um  ihrer  selbst  willen  ~^^'~  beschäftigt,  der  schafft 
Frieden  in  der  oberen  Familie  (=  Engel  weit)  u.  in  der  unteren  Familie  (=  Israel).  t| 
P<^s  50'':  Rab  J«huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Immerhin  beschäftige 
sich  der  Mensch  mit  der  Tora  u.  den  Pflichtgeboten,  auch  wenn  er  es  nicht  um  ihrer  selbst 
willen  r.^-äh  s'-:-v  tut;  denn  dadurch,  daß  er  es  nicht  um  ihrer  selbst  willen  tut,  gelangter 
dazu,  es  um  ihrer  selbst  willen  ntii-Vzutun.  Dasselbe  Sota  22 '';  47  ^ ;  Nazir  23'';  Sanh  105''; 
Hör  10'';  fArakh  16 '^'.  ||  Sehr  oft  begegnet  die  Verbindung  a-i?-:;  cv\  =  um  Gottes  willen; 
zB  Aboth  2,  2:  Rabban  Gamliel  (III.  um  220)  sagte:  Die  sich  mit  der  Gemeinde  beschäf- 
tigen, sollen  sich  mit  ihnen  (den  Gemeindegfiedern)  um  Gottes  willen  beschäftigen.  — 
Das.  2, 12:  R.  Jose  (der  Priester,  um  100)  sagte:  All  dein  Tun  geschehe  um  Gottes  willen. 

Die  kausale  Bedeutung  liegt  auch  dem  elg  ovof.ia  7iQO(fi'jTov  zugrunde: 
wer  einen  Propheten  aufnimmt  mit  Rücksicht  darauf,  daß  er  ein  Prophet 
ist.  Ebenso  bedeutet  snl  t<^  ovö/xarC  fiöv  Mtl8,.5  „um  meinetwillen". 

2.  0  ös^öfisvog  nQocprjzrii'  .  .  .  fiia^ov  nQüCfr^Tov  krjixxpeTai. 

Formell  kann  verglichen  werden  Sota  5'':  R.  J^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt: 
Wenn  ein  Mensch  zur  Zeit  des  Tempelbestandes  ein  Brandopfer  darbrachte,  so  war  der 
Lohn  des  Br.  n'-jiy  is-j  in  seiner  Hand;  brachte  er  ein  Speisopfer  dar,  so  war  der  Lohn 
des  Sp.  --3?i  i:r  in  seiner  Hand.  ||  pB'^rakh  {),  14*^,  3:  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150) 
sagte:  Wenn  du  siehst,  daß  die  Menschen  ihre  Hände  ganz  u.  gar  von  der  Tora  ab- 
ziehen, so  mache  dich  auf  u.  halte  an  ihr  fest,  so  wirst  du  den  Lohn  aller  =';ir  i:w 
empfangen.  ||  Aboth  5,2:  Zehn  Geschlechter  sind  von  Noah  bis  auf  Abraham,  um  zu 
zeigen,  wieviel  Langmut  bei  ihm  (Gott)  ist;  denn  alle  Geschlechter  erregten  seinen 
Unmut,  bis  unser  Vater  Abr.  kam  u.  den  Lohn  aller  (der  für  alle,  wenn  sie  gerecht 
gewesen  wären,  bestimmt  war)  empfing. 

10,42:  Wer   einen    dieser  Kleinen   mit  einem  Becher  kühlen 
Wassers   tränken   wird    auf  den   Namen   eines  Jüngers   hin, 
wahrlich  ...  er  wird  seinen  Lohn  sicher  nicht  verlieren. 
1.  sva  tm>  fiixQwv  tovzcov.  —  Dafür,  daß  das  dem  fiixQÖg  entsprechende 


592  Matth  10,42(Nr.  1— 3)       * 

yjp  oder  n-^yi,  n'^v],  ^bsolut  gebraucht,  „Schüler"  oder  „Jünger"  be- 
deute, haben  wir  keinen  Beleg  aus  dem  Rabbinischen.  Mit  den  allenfalls 
in  Betracht  kommenden  Stellen  verhält  es  sich  anders. 

Aboth  4, 20:  R.  Jose  b.  J%uda  aus  Babelsdorf  (Zeitgenosse  Rabbis)  pflegte  zu  sagen: 
Wer  von  den  Kleinen  d'ju;;.-  lernt  —  wem  gleicht  der?  Einem,  der  saure  Trauben 
ißt  oder  Wein  aus  seiner  Kelter  trinkt.  Und  wer  von  den  Alten  lernt  —  wem  gleicht 
der?  Einem,  der  reife  Trauben  ißt  oder  alten  Wein  trinkt.  —  Die  „Kleinen*  sind  hier 
nicht  einfach  die  Gelehrteuschüler,  sondern  „junge  Gelehrte".  Ebenso  verhält  es  sich 
mit  pMQ  3,  82'',  22:  Große  (bedeutende  Gelehrte)  sind  vor  ihm,  u.  er  befragt  die  Kleinen 
s-'-i-yT  (d.  h.  die  Unbedeutenden)!  ||  Sota  22-''  Bar:  Eine  Jungfrau,  die  eine  Betschwester 
ist,  u.  eine  Witwe,  die  müßig  herumläuft,  u.  ein  Kleiner  lüp,  dessen  Monate  nicht  voll- 
endet sind  (der  nicht  volle  9  Monate  im  Mutterschoß  ausgetragen  ist)  —  siehe,  diese 
richten  die  Welt  zugrunde.  .  .  .  Wer  ist  mit  einem  Kleinen  gemeint,  dessen  Monate 
nicht  vollendet  sind?  Man  hat  erklärt:  Das  ist  ein  Gelehrtenschüler,  der  wider  seine 
Lehrer  ausschlägt  (widerspenstig  ist).  R.  Abba  (um  290)  hat  gesagt:  Das  ist  ein  Schüler, 
der  es  noch  nicht  erreicht  hat,  Entscheidungen  treffen  zu  dürfen  u.  (trotzdem)  solche 
trifft.  —  Auch  hier  ist  der  „Kleine"  nicht  ein  Schüler  schlechthin,  sondern  ein  „un- 
reifer Schüler".  ||  Ganz  abseits  liegt  GnR  42  (25'^):  Ebenso  dachte  der  König  Ahas  in 
seinem  Sinn  (mit  der  Verführung  des  Volkes  bei  den  Kindern  zu  beginnen),  indem  er 
sagte:  Wenn  es  keine  Kleinen  D'jcp  gibt,  dann  gibt  es  auch  keine  Schüler  ü'-.^yzht^: 
wenn  keine  Seh.,  dann  auch  keine  Gelehrten;  wenn  keine  G.,  dann  auch  keine  Ältesten; 
wenn  keine  Ä.,  dann  auch  keine  Propheten;  u.  wenn  keine  Pr.,  dann  läßt  Gott  seine 
Sch%hina  nicht  auf  ihnen  ruhen  (entzieht  ihnen  seine  Gegenwart  u.  Hilfe).  —  Mit  den 
„Kleinen*  sind  in  dieser  Stelle  überhaupt  keine  Schüler,  sondern  Kinder  gemeint. 

2,  Wertlegung  auf  die  Darreichung  von  Unterstützungen  an  die 
Gelehrten. 

B®rakh  ö4b:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt: 
Alle  Propheten  haben  nur  für  den  geweissagt  (d.  h.  aller  von  den  Propheten  ia  Aussicht 
gestellte  Endlohn  gilt  nur  dem),  der  seine  Tochter  an  einen  Gelehrtenschüler  verheiratet, 
u.  dem  G.schüler  seine  Geschäfte  besorgt  u.  dem  G.schüler  Nutzen  von  seinem  Vermögen 
gewährt.  Aber  betreffs  des  Lohnes  der  G.schüler  selbst  gilt  Jes  <U,  3:  Kein  Auge  hat 
es  gesehen,  Gott,  außer  dir,  was  bereitet  ist  dem,  der  harrt  (so  der  Midr).  —  Dasselbe 
Sanh  99=^.  ||  P«s  öob;  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer  Ware  in  den  Beutel  der 
Gelehrtenschüler  wirft  (d.  h.  durch  Überlassung  von  Waren  ihnen  die  Möglichkeit  zum 
Handel  gibt),  ist  würdig,  in  der  oberen  (himmlischen)  Akademie  zu  sitzen,  s.  Qoh  7, 12: 
In  den  Schatten  der  Weisheit  (in  den  Kreis  der  oberen  Gelehrtenwelt)  gelangt  man 
durch  den  Schatten  des  Silbers  (durch  den  Schutz,  den  man  den  Gelehrten  durch  ihre 
Versorgung  gewährt;  so  der  Midr).  il  K^'th  105l>:  Wer  einem  Gelehrtenschüler  ein  Ge- 
schenk bringt,  der  ist  wie  einer,  der  Erstlingsfrüchte  darbringt.  ||  K'^th  lllb:  (R.  Elfazar, 
um  270,  hat  einmal  vor  R.  Jochanan,  f  279,  den  Gesetzesunkundigen,  den  ?  Amme  ha-are?, 
die  Teilnahme  an  der  Auferstehung  abgesprochen.)  Als  er  aber  sah,  daß  R.  Jochanan 
sich  deshalb  grämte,  sagte  er  zu  ihm:  Rabbi,  ich  habe  für  sie  ein  Heilmittel  gefunden 
auf  Grund  der  Tora.  Es  heißt:  „Ihr,  die  ihr  an  Jahve  eurem  Gott  hinget,  ihr  alle  seid 
heute  am  Leben"  Dt  4,  4.  Ist  es  denn  möglich,  an  der  Sch^khina  (Gottheit)  zu  hangen? 
Allein  es  ist  so  gemeint:  wenn  einer  (der  ein  ?Am  ha-are^  ist)  seine  Tochter  an  einen 
Gelehrtenschüler  verheiratet  u.  für  den  G.schüler  Handelsgeschäfte  treibt  u.  den  G.- 
schülern  von  seinem  Vermögen  Genuß  gewährt,  so  rechnet  es  ihm  die  Schrift  so  an, 
als  ob  er  der  Sch'^^khina  anhinge  (u.  so  gewinnt  er  Anteil  an  der  Auferstehung). 

3.  ov  fiTj  dTToXs'ffrj  zov  fiid^or  amov.  —  Sehr  oft  wird  die  Treue  u. 
Zuverlässigkeit  Gottes  im  Lohnzahlen  hervorgehoben.  „Gott  kürzt  den 
Lohn  keines  Menschen"  rr^-a  bs  isu:  nspo  id-^x  r\^"pr\  ist  zu  einer  stereo- 
typen Wendung  geworden,  s.  zB  P«s  118";  Nazir  23'';  BQ  38'*;  u.  die 


Matth  10,  42  (Nr.  3).  11,5  (Nr.  li  593 

namentlich  im  Lv  sich  findenden  Worte:  „Ich  bin  Jahve"  werden  gern 
durch  die  andren  erläutert:  Ich  bin  ein  Richter-,  um  Rache  zu  nehmen, 
u.  zuverlässig  ion3,  den  Lohn  zu  zahlen,  s.  zB  SLv  18,  2.  3.  4  u.  ö. 

Abotli  2,  16:  R.  Tarphon  (um  100)  sagte:  Zuverlässig  ist  dein  Arbeitgeber,  daß  er 
dir  den  Lohn  für  deine  Arbeit  zahlt.  —  M®n  44^*:  (Gott  spricht:)  Ich  bin  es,  der  dereinst 
bestraft,  u.  ich  bin  es,  der  dereinst  den  Lohn  zahlt. 

11,  5:  Blinde  sehen  wieder  u.  Lahme  gehen  umher.  Aussätzige 

werden  gereinigt  u.  Taube  hören,  u.  Tote  werden  erweckt  u. 

Arme  empfangen  frohe  Botschaft. 

1.  In  der  messian.  Heilszeit  erwartete  man  Heilung  aller  Krank- 
heiten.» Man  nahm  an.  daß  der  Messias  seinem  Volk  Israel  alle  jene 
Güter  wiederbringen  werde,  die  durch  Adams  Fall  verloren  gegangen 
waren;  dazu  gehörte  natürlich  auch  die  Beseitigung  von  Krankheit  u. 
Tod.b  Diese  Erwartung  hatte  übrigens  für  das  jüdische  Denken  nichts 
Exorbitantes.  Die  Tage  des  Messias  erreichten  damit  nur  die  Höhenlage 
der  Zeit  der  Gesetzgebung  am  Sinai;  denn  auch  damals  war  Israel  frei 
vom  Kranken  u.  Sterben,  c 

a.  Jubil23.26 — 30:  In  jenen  Tagen  (der  Heilsvollendung)  werden  die  Kinder  an- 
fangen, die  Gesetze  zu  suchen  u.  das  Gebot  zu  suchen  u.  auf  den  Weg  der  Gerechtig- 
keit umzukehren.  Und  die  Tage  werden  anfangen,  viel  zu  werden  u.  zu  wachsen  unter 
jenen  Menschenkindern  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  u.  von  Tage  zu  Tage,  bis  ihre 
Tage  nahe  kommen  an  1000  Jahre,  u.  [zwar]  an  mehr  Jahre  als  die  [frühere]  Menge 
der  Tage.  Und  es  gibt  keinen  Alten  u.  keinen,  der  seiner  Tage  satt  ist,  sondern  sie 
werden  alle  Knaben  u.  Kinder  sein  (d.  h.  jugendliche  Frische  behalten).  Und  alle  ihre 
Tage  werden  sie  in  Frieden  u.  Freude  vollenden  u.  leben,  indem  es  keinen  Satan  u. 
keinen  Bösen  gibt,  der  [sie]  verdirbt,  sondern  alle  ihre  Tage  werden  Tage  des  Segens 
u.  des  Heils  sein.  Und  dann  wird  Gott  seine  Knechte  heilen,  U;  sie  werden  sich  er- 
heben u.  werden  tiefen  Frieden  schauen  u.  werden  ihre  Feinde  vertreiben,  u.  die  Ge- 
rechten werden  zuschauen  u.  danken  u.  sich  freuen  bis  in  alle  Ewigkeit  in  Freude  u. 
werden  an  ihren  Feinden  all  ihr  Gericht  u.  all  ihren  Fluch  sehen.  |[  Henoch5,  8f. : 
Danach  (=  am  Ende  der  Tage)  wird  den  Auserwählten  Weisheit  verliehen  werden;  alle 
diese  werden  leben  u.  nicht  mehr  sündigen,  weder  aus  Versehen  noch  aus  Übermut, 
u.  in  dem  erleuchteten  Menschen  wird  Licht  u.  in  dem  verständigen  Verstand  sein. 
Sie  werden  sich  nicht  verschulden  noch  sich  versündigen  alle  ihre  Lebenstage  u.  auch 
nicht  durch  die  Zornglut  [Gottes]  sterben,  sondern  sie  werden  die  Zahl  ihrer  Lebens- 
tage vollenden.  Ihr  Leben  wird  in  Frieden  gedeihen,  u.  die  Jahre  ihrer  Wonne  werden 
in  ewigem  Jubel  u.  Frieden  während  all  ihrer  Lebenstage  viele  sein.  ||  Henoch25,  5 — 7: 
Des  Lebensbaumes  Frucht  wird  den  Auserwählten  zum  Leben  [dienen],  u.  er  wird  zur 
Speise  an  den  heiligen  Ort  bei  dem  Hause  Gottes,  des  Königs  der  Ewigkeit,  verpflanzt 
werden.  Dann  werden  sie  sich  überaus  freuen  u.  fröhlich  sein  u.  in  das  Heiligtum  ein- 
gehen, indem  sein  Duft  ihre  Gebeine  erfüllt.  Sie  werden  ein  längeres  Leben  auf  Erden 
führen,  [als  das]  welches  deine  Väter  gelebt  haben,  u.  in  ihren  Tagen  wird  weder 
Trübsal  noch  Leid  oder  Mühe  u.  Plage  sie  berühren.  Da  pries  ich  den  Herrn  der 
Herrlichkeit,  den  König  der  Ewigkeit,  daß  er  solches  für  die  gerechten  Menschen  zu- 
bereitet, solches  geschaffen  u.  verheißen  hat,  [es]  ihnen  zu  geben.  ||  Henoch96, 3:  Ihr 
Leidenden,  fürchtet  euch  nicht;  denn  Heilung  wird  euch  zuteil  werden  (zur  Zeit  der 
Erlösung);  helles  Licht  wird  euch  scheinen,  u.  ihr  werdet  die  Stimme  der  Ruhe  vom 
Himmel  her  hören.  |1  Orac.  Sib.  :!,  367  ff.:  Heitere  Ruhe  wird  (in  der  Heilszeit)  in  das 
Land  Asien  kommen.  Europa  wird  dann  glückselig  sein,  nährend  der  Himmel,  viele 
Jahre  [u.]  Gesundheit  gebend.  ;  .  .  |1  4  Esra  7,  121:  (Was  hilft  es  uns),  daß  uns  Stätten 

Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  38 


594  Matthll,5(Nr.  1) 

voll  Genesuug  u.  Frieden  (in  der  Endzeit)  bereitet  sind,  wenn  wir  im  Elend  dahin- 
gegangen sind?  .  .  .  Daß  das  Paradies  erscheinen  soll,  dessen  Früchte  ewig  bleiben, 
die  Sättigung  u.  Heilung  verleihen,  wenn  wir  doch  niemals  hineinkommen,  weil  wir 
an  scheußlichen  Orten  verweilt  haben?  ||  4Esra  8,  52ff.:  Für  euch  (die  Gerechten)  ist 
(in  der  Endzeit)  das  Paradies  eröffnet,  der  Lebensbaum  gepflanzt  .  .  .,  die  Krankheit 
vor  euch  getilgt,  der  Tod  verborgen,  der  Hades  entflohen,  die  Vergänglichkeit  ver- 
gessen, die  Schmerzen  vorüber;  aber  des  Lebens  Schätze  sind  euch  am  Ende  offenbar,  jj 
Apoc.  Bar.  29,  7:  Winde  werden  von  mir  (Gott)  ausgehen  (in  den  Tagen  des  Messias), 
um  Morgen  für  Morgen  den  Duft  der  aromatischen  Früchte  mit  sich  zu  führen,  u.  am 
Ende  des  Tages  Wolken,  die  heilungbringenden  Tau  herabträufeln.  ||  Das.  73, 2  f.:  Als- 
dann (in  den  Tagen  des  Messias)  wird  Gesundheit  herabsteigen  im  Tau  u.  Krankheit 
wird  sich  entfernen.  Und  Sorge  u.  Trübsal  u.  Seufzer  werden  unter  den  Menschen 
vergehen,  u.  Freude  wird  auf  der  ganzen  Erde  einherwandeln,  u.  es  wird  auch  nie- 
mand vorzeitig  sterben.  ||  P^'siq  76^*,  13:  R.  Acha  (um  320)  hat  im  Namen  des  R.  Eli?ezer 
b.  Chalaphta  (Zeit  ungewiß)  gesagt:  Alles,  was  Gott  dereinst  tun  u.  in  seiner  Welt  er- 
neuern wird,  das  hat  er  zum  Teil  längst  zuvor  getan  durch  seine  gerechten  Propheten 
in  dieser  Welt.  Inwiefern?  Gott  sprach:  Ich  werde  dereinst  (in  der  messian.  Zeit)  die 
Toten  auferwecken;  das  hat  er  längst  so  getan  durch  Elias,  Elisa  u.  Ezechiel.  Gott 
sprach:  Ich  werde  dereinst  das  Meer  trocken  machen;  das  hat  er  längst  so  getan 
durch  Mose.  Gott  sprach:  Ich  werde  dereinst  die  Augen  der  Blinden  öffnen;  das  hat 
er  längst  so  getan,  s.  2  Kg  6, 17.  —  Pai-allelstellen,  auch  mit  andren  Autorennamen: 
LvR27  (125^):  MidrQoh3,15  (201»);  Tanchn:,:s  174b;  TanchB -t:s  §12  (46^');  vgl.  auch 
GnR77  (49«).  ||  GnR20(13«):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  In  der  Zukunft  (=  Tage 
des  Messias)  wird  alles  geheilt  werden  mit  Ausnahme  der  Schlange  u.  der  Gibeoniten, 
s.  Jes  65,25  u.  Ez48, 19.  —  Parallelstelle  Midr  Ps  1  §10  (5b);  vgl.  auch  pQid  4,65b,50; 
NuR8(149b);  Midr  Sm  28  §7  (67  b).  ||  TanchB  -J^^^yi  §7  (24*):  Alle  mit  Leibesfehlern 
Behafteten  werden  in  der  zukünftigen  Welt  (den  Tagen  des  Messias)  geheilt  werden; 
aber  die  Schlange  wird  nicht  geheilt  werden.  .  ,  .  Die  Menschen  werden  geheilt  werden, 
s.  Jes  35, 5 f.:  Dann  werden  aufgetan  werden  die  Augen  der  Blinden  u.  die  Ohren  der 
Tauben  geöffnet.  Dann  wird  wie  ein  Hirsch  springen  der  Lahme  u.  jubeln  die  Zunge 
des  Stummen.  —  Dasselbe  Tanch  v^^-s^z  159^;  vgl.  daselbst  -i-j-i  53»;  GnR  95  (60=^).  ]| 
Sanh91b:  ReschLaqisch  (um  250)  stellte  zwei  Schriftstellen  einander  gegenüber.  Jer31,8: 
, Siehe,  ich  bringe  sie  her  aus  dem  Nordland  u.  sammle  sie  aus  den  Winkeln  der  Erde, 
darunter  Blinde  u.  Lahme*  usw.;  u.  Jes  35,6:  „Dann  wird  wie  ein  Hirsch  springen  der 
Lahme  u.  jubeln  die  Zunge  des  Stummen*  usw.  Wie  ist  das  zu  verstehn?  Sie  werden 
(zunächst)  dastehn  in  ihren  Gebrechen  (nach  der  Auferstehung  in  der  messian.  Zeit) 
u.  dann  werden  sie  geheilt  werden.  —  Zur  Auferstehung  der  Toten  in  den  Tagen  des 
Messias  s.  bei  Offb  20, 5. 

b.  s.  GnR  12  oben  S.  19  bei  Mt  1, 3  S. 

C.  M'^kh  Ex  20, 18  (78b):  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Die  Worte  in  Ex  20, 18  wollen 
das  Lob  Israels  verkündigen;  denn  als  sie  alle  vor  dem  Berg  Sinai  standen,  um  die 
Tora  in  Empfang  zu  nehmen  (anzunehmen),  gab  es  unter  ihnen  keinen  Blinden:  „Alles 
Volk  sah  den  Donner  u.  die  Flammen.*  Woher,  daß  auch  Stumme  nicht  unter  ihnen 
waren?  Es  heißt  Ex  19, 8:  „Alles  Volk  antwortete.*  Dieselbe  Stelle  lehrt  auch,  daß 
Taube  nicht  unter  ihnen  waren:  „Alles,  was  Jahve  geredet  hat,  wollen  wir  tun*  (also 
müssen  sie  Jahves  Wort  gehört  haben).  Woher,  daß  auch  Lahme  nicht  unter  ihnen 
waren?  Es  heißt  Ex  19, 17:  „Sie  stellten  sich  unten  am  Berge  auf.*  Die  Schrift  lehrt 
auch,  daß  Blöde  nicht  unter  ihnen  waren,  s.  Dt  4,  35:  Dir  ward  solches  gezeigt,  damit 
du  einsehen  möchtest,  daß  Jahve  Gott  ist  (also  mußten  sie  Verstand  u.  Überlegung 
besitzen.)  ||  SNu  5,  3  §1  (Ib):  R.  Jose  der  Galiläer  (um  110)  sagte:  Komm  u.  sieh,  wie 
schwer  die  Macht  der  Sünde  ist;  denn  solange  die  Israeliten  ihre  Hände  nicht  nach 
der  Sünde  ausgestreckt  hatten,  waren  Flußbehaftete  u.  Aussätzige  nicht  unter  ihnen; 
nachdem  sie  aber  ihre  Hände  nach  der  Sünde  ausgestreckt  hatten  (gemeint  ist  die  An- 
betung des  Kalbes),  waren  Flußbehaftete  u.  Aussätzige  unter  ihnen.  ||  LvR  18  (118'"'): 


MatthlI,5(Nr.  1)  595 

R.  Schim?on  b.  Jocliai  (um  150 j  hat  gelehrt:  Als  die  Israeliten  am  Berge  Sinai  standen 
n.  sprachen:  Alles  was  Jahve  geredet  hat,  wollen  wir  tun  u.  darauf  hi3ren  Ex  24,  7, 
war  kein  Flußbehafteter  oder  Aussätziger  unter  ihnen,  auch  kein  Lahmer  oder  Blinder 
oder  Stummer  oder  Tauber  oder  Blödsinniger;  in  bezug  auf  jene  Zeit  heißt  es  HL 4,  7: 
,Ganz  schön  bist  du,  meine  Freundin,  u.  kein  Fehl  ist  an  dir."  Als  sie  aber  (mit  dem 
Kalbe)  gesündigt  hatten,  vergingen  nur  wenige  Tage,  da  fanden  sich  unter  ihnen  Fluß-' 
behaftete  u.  Aussätzige;  in  bezug  auf  jene  Zeit  heißt  es  Nu  5,  2:  ,Sie  sollen  jeden  Aus- 
sätzigen u.  Flußbehafteten  aus  dem  Lager  schicken.''  —  Dasselbe  Midr  HL  4,  7  (113*); 
ähnlich  anonym  P'^siqR  7  (28*).  1  P«'siq  SS'-i:  R.  Nachman  (um  400)  u.  R.  Elsazar  b.  Jose 
(um  400)  haben  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  gesagt;  der  eine:  Gott  sprach  zu  den 
Israeliten  (mit  den  Worten  Ex  12,2:  Dieser  Monat  sei  euch  as'^  mn  •:j-,'-7i):  Eine  neue 
Erlösung  wird  euch  dereinst  (in  diesem  Monat,  dem  Nisan)  sein.  Der  andre  sagte: 
Neues  von  der  zukünftigen  Zeit  bringt  dieser  Monat  euch.  Wie  es  von  der  (messian.) 
Zukunft  heißt  Jes35, 5:  ,Dann  werden  aufgetan  werden  die  Augen  der  Blinden",  so 
heißt  es  auch  hier  (bei  der  Erlösung  aus  Ägypten)  Ex  20,  18:  „Alles  Volk  sah  die 
Donner  u.  die  Flammen."  Wie  es  von  der  Zukunft  heißt  Jes35,  5:  ,Die  Ohren  der 
Tauben  werden  geöffnet",  so  heißt  es  auch  hier  Ex  24,  7:  ,  Alles  was  Jahve  geredet 
hat,  wollen  wir  tun  u.  darauf  hören" ;  das  lehrt,  daß  Taube  nicht  unter  ihnen  waren. 
Wie  es  von  der  Zukunft  heißt  Jes3ö,  6:  „Dann  wird  wie  ein  Hirsch  springen  der 
Lahme",  so  heißt  es  auch  hier  Ex  19,  17:  „Sie  stellten  sich  unten  am  Berge  auf." 
Wie  es  von  der  Zukunft  heißt  Jes35, 6:  „Die  Zunge  des  Stummen  wird  jubeln",  so 
heißt  es  auch  hier  Ex  19,  8:  „Alles  Volk  antwortete  zugleich"  usw.  —  Dasselbe. 
P«siqR15(78ii);  vgl.  auch  P'siq  107*.  ||  NuR  7  (Anfang):  Spr25,  4:  Man  entfernt  die 
Schlacken  vom  Silber,  so  entsteht  für  den  Goldschmied  ein  Gerät  daraus.  R.  Tanchuma 
b.  Abba  (um  380)  hat  gesagt:  Was  heißt  das:  „Man  entfernt  die  Schlacken  vom  Silber"  ? 
Solange  das  Untaugliche  im  Silber  ist,  zeigt  dieses  seine  Schönheit  nicht;  wird  es 
aber  von  dem  Untauglichen  geläutert,  so  zeigt  es  sofort  sein  Lob.  Man  entfernt  die 
Schlacken  vom  Silber,  u.  danach  heißt  es:  so  entsteht  für  den  Goldschmied  ein  Gerät 
daraus.  Wie?  Als  die  Israeliten  aus  Ägypten  zogen,  waren  sie  der  Mehrzahl  nach  mit 
Gebrechen  (Fehlern)  behaftet,  weil  sie  sich  mit  Lehm  u.  Ziegeln  abmühen  u.  auf  die 
höchsten  Stellen  eines  Baues  emporsteigen  mußten.  Wenn  nun  einer  beim  Bauen  be- 
schäftigt war,  so  kam  es  vor,  daß  beim  Emporsteigen  zur  Höhe  des  Bauwerks  ein 
Stein  herabfiel  u.  seine  Hand  verwundete  oder  daß  ein  Balken  oder  Lehm  in  sein  Auge 
drang,  so  daß  er  erblindete.  So  waren  sie  mit  Gebrechen  behaftet  worden.  Als  sie 
nun  in  die  Wüste  Sinai  kamen,  sprach  Gott:  Ist  das  etwa  ein  Ruhm  für  die  Tora, 
wenn  ich  sie  einem  Geschlecht  von  Krüppeln  gebe?  Und  wenn  ich  warte,  bis  andre 
aufkommen,  so  verzögere  ich  die  Gesetzgebung.  Was  tat  Gott?  Er  befahl  den  Engeln, 
daß  sie  zu  den  Israeliten  hinabfahren  u.  sie  heilen  sollten.  Wisse,  daß  dem  so  ist. 
R.  J%uda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt  (so  lies  statt:  R.  J'^huda  hat  gesagt,  R.  Simon 
hat  gesagt):  Woher,  daß  Lahme  nicht  unter  ihnen  waren?  s.  Ex  19,17:  „Sie  stellten 
sich  unten  am  Berge  auf."  Das  Sichaufstellen  geschieht  aber  nur  mit  den  Füßen, 
Woher,  daß  solche  nicht  unter  ihnen  waren,  denen  die  Hand  abgehackt  war?  s.  Ex  19,8: 
„Alles  was  Jahve  geredet  hat,  wollen  wir  tun."  Woher,  daß  Taube  nicht  unter  ihnen 
waren?  s.  daselbst  24,7:  „Und  darauf  hören."  Woher,  daß  Blinde  nicht  unter  ihnen 
waren?  s.  Ex  20,  18:  „Alles  Volk  sah  die  Donner"  usw.  Woher,  daß  Stumme  nicht 
unter  ihnen  waren?  s.  Ex  19,8:  „Das  ganze  Volk  antwortete."  Da  findet  man  also, 
daß  sie  alle  geheilt  waren.  Und  wenn  du  es  nicht  von  hier  lernen  wolltest,  so  kannst 
du  es  aus  einer  andren  Stelle  lernen;  denn  es  heißt  Ex  15, 26:  „Jede  Krankheit,  die 
ich  den  Ägyptern  aufgelegt  habe,  will  ich  nicht  auf  dich  legen."  Da  hast  du,  daß  sie 
geheilt  waren.  Aber  als  sie  jene  Tat  mit  dem  Kalbe  begangen  hatten,  kehrten  sie  zu 
ihren  Gebrechen  zurück  u.  wurden  Flußbehaftete  u.  Aussätzige,  s.  Ex  32, 25,  wo  s—z  nach 
Lv  13,45  „aussätzig"  bedeutet.  —  Dasselbe  unter  dem  Autornamen  des  R.  J^'hoschua? 
b.  Levi,  um  250,  Tanch  i-n^  SS»».  —  Weitere  Parallelen:  P''siq  106b  (Autor:  R.  J^'huda 
b.  Sima,  1.  Simon);  TanchB  i^r^  §  12  (38*j;  hier  R.  J'huda  b.  Schalom,  um  370,  als  Autor 

38* 


596  Matthll,5  (^Nr.  1.2).  11,7 

genannt;  in  beiden  Stellen  geht  ein  Gleichnis  vorauf.  ||  LvR  18  (118'):  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Elisezer  b.  Jose  ha-6^1ili  (um  150)  gesagt:  Als  die  Israe- 
liten am  Berge  Sinai  standen  u.  sprachen:  Alles  was  Jahve  geredet  hat,  wollen  wir 
tun  u.  darauf  hören  (Ex  24, 7),  rief  Gott  den  Todesengel  u.  sprach  zu  ihm :  Obwohl 
ich  dich  zum  Weltherrscher  -iiä'^pi'sTip  =  xoafioygcirwQ  über  die  Geschöpfe. gesetzt  habe, 
'so  sollst  du  doch  mit  dieser  Nation  nichts  zu  schaffen  haben;  denn  sie  sind  meine 
Kinder,  s.  Dt  14, 1 :  Ihr  seid  Söhne  Jahves,  eures  Gottes.  Ferner  heißt  es  Dt  5,20:  ,A]s 
ihr  die  Stimme  mitten  aus  der  Finsternis  heraus  hörtet."  Gibt  es  denn  Finsternis  oben? 
Es  heißt  doch  Dn  2, 22:  „Licht  hat  bei  ihm  seine  Wohnstätte "  I  Allein  damit  ist  der 
Todesengel  gemeint,  der  Finsternis  genannt  wird.  Das  meinen  auch  die  Worte  Ex  32. 16: 
„Die  Tafeln  waren  ein  Werk  Gottes  u.  die  Schrift  war  Schrift  Gottes,  r^.^n  (eingegraben) 
auf  die  Tafeln."  Lies  nicht  riin,  sondern  r-^n  (=  „Freiheit"  stand  auf  den  Tafeln). 
R.  J'huda  (um  150),  R.  N^'chemja  (um  150,  so  zu  lesen  statt  „Nachman")  u.  die  Rabbinen. 
R.  J^'huda  hat  gesagt:  Damit  ist  die  Freiheit  vom  Todesengel  gemeint.  R.  N^'chemja 
sagte:  Die  Freiheit  von  den  (Welt-)Reichen;  die  Rabbinen  sagten:  Die  Freiheit  von 
Leiden.  —  Parallelstellen  mit  Abweichungen  ExR  32  (93'^- '');  41  (97«");  51  (103^);  NuR 
16  (181  d);  TanchB  x-si  §9  (13=0;  Tanch  -'s  r.hv  214^;  TanchB  r,hv  Nachtrag  §  1  (38 *>).  || 
?AZ  5"  Bar:  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Die  Israeliten  haben  die  Tora  nur  empfangen,  damit 
der  Todesengel  keine  Gewalt  über  sie  haben  sollte. 

2.  Deutung  von  Jes  35,  5  im  geistlichen  Sinn  ist  uns  begegnet  nur: 
Aggad.  B^resch.  69  §  1  (47'^):  R.  Aschjan  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Chilqijja 
tum  320)  gesagt:  In  dieser  Welt  verursachten  es  die  Sünden,  daß  die  Israeliten  taub 
gegen  die  Tora  wurden  ü.  blind,  daß  sie  die  Sch'^khina  nicht  sahen,  s.  Jer  6, 10:  „Siehe, 
eine  Vorhaut  hat  ihr  Ohr,  daß  sie  nicht  aufmerken  können."  Deshalb  wurden  sie  taub, 
daß  sie  die  Tora  nicht  lernten  u.  ihre  Augen  wurden  verschlossen,  daß  sie  die  Sch'^khina 
nicht  sahen.  Ebenso  ruft  auch  Jesaja  42,  18:  Ihr  Tauben,  höret,  ihr  Blinden,  blicket 
her!  Sie  aber  antworteten  ihm:  Wir  können  nicht  sehen;  denn  es  heißt:  „Tasten  müssen 
wir  wie  die  Blinden  an  der  Wand"  Jes  59, 10.  Auch  können  wir  nicht  hören,  s.:  „Ich 
bin  wie  ein  Tauber,  ich  höre  nicht"  Ps  38, 14.  Was  wird  nun  Gott  in  der  Zukunft  (in 
der  messian.  Zeit)  tun?  Er  wird  sie  zunächst  auferwecken,  u.  dann  öffnet  er  ihre  Augen 
u.  Ohren,  wie  es  heißt:  „Dann  werden  aufgetan  werden  die  Augen  der  Blinden  u.  die 
Ohren  der  Tauben  geöffnet"  Jes  35, 5.  Dann  werden  sie  Worte  Jahves  hören,  wie  es 
heißt:  „Deine  Ohren  werden  das  Wort  hören"  Jes  30,  21;  auch  werden  sie  ihn  (Gott) 
sehen,  wie  er  sie  unterrichtet,  s. :  „Nicht  mehr  unsichtbar  machen  wird  sich  dein  Lehrer, 
sondern  deine  Augen  werden  deinen  Lehrer  sehen"  (der  Midr  deutet  -'^t:  Jes  30, 20 
singularisch  auf  Gott).  In  jener  Stunde  wird  der  Vers  erfüllt  sein:  „Das  hörende  Ohr 
u.  das  sehende  Auge,  die  hat  Jahve  alle  beide  geschaffen"  Spr  20. 12.  Weder  ein  Engel 
noch  ein  Seraph  hat  solches  gemacht,  sondern  Jahve  hat  alle  beide  geschaffen.  —  Vgl. 
aber  auch  Targ  Jes  42,  6  f.  oben  S.  69  bei  Mt  1, 21  a. 

11,  7:  Ein  Rohr,  vom  Winde  hin  u.  her  bewegt, 

Ta?an20'*:  R.Jonathan  (um  220)  hat  gesagt:  Besser  ist  der  Fluch  gewesen,  mit 
dem  Achijja,  der  Schilonite.  Israel  geflucht  hat,  als  der  Segen,  mit  dem  sie  Bil?am, 
der  Frevler,  gesegnet  hat.  Achijja  fluchte  ihnen  mit  einem  Rohr  r.:p:  „Jahve  wird 
(möge)  Israel  schlagen,  wie  das  Rohr  -:p  im  Wasser  wankt"  1  Kg  14, 15.  Wie  das  Rohr 
am  Ort  des  Wassers  steht  u.  sein  (Wurzel-)Stock  wiederkommt  u.  seiner  Wurzeln  viele 
sind,  u.  selbst  wenn  alle  Winde  in  der  Welt  kommen  u.  wider  es  wehen,  so  können 
sie  es  doch  nicht  von  seiner  Stelle  rücken,  sondern  es  bewegt  sich  mit  ihnen  hin  u.  her, 
u.  schweigen  die  Winde,  so  steht  das  Rohr  an  seiner  Stelle.  Aber  Bilfam  hat  sie  mit 
einer  Zeder  gesegnet:  „Gleich  Zedern  am  Wasser"  Nu  24,  6.  Wie  die  Zeder  nicht  am 
Ort  des  Wassers  steht  u.  ihr  (Wurzel- iStock  nicht  wiederkommt  u.  ihrer  Wurzeln  nicht 
viele  sind,  selbst  wenn  alle  Winde  der  Welt  wider  sie  wehen,  so  können  sie  sie  nicht 
von  ihrer  Stelle  rücken;  wenn  aber  der  Südwind  gegen  sie  weht,  so  entwurzelt  er  sie 


.Matthll,9.  10.  11  (51)  597 

u.  stürzt  sie  um.  (So  möge  es  auch  Israel  ergebn!)  —  Und  nicht  bloß  dies,  sondern 
das  Rohr  wird  auch  für  würdig  erachtet,  daß  man  von  ihm  das  Schreibrohr  (o-üinp 
xdA««o?)  hernimmt,  um  damit  das  Torabuch,  die  Propheten  u.  die  Hagiographen  zu 
schreiben.  —  Unsre  Lehrer  haben  gelehrt  (als  Bar):  Immer  sei  der  Menscli  weich  (nach- 
giebig) wie  das  Rohr  u.  nicht  sei  er  hart  wie  die  Zeder. 

11,9:  Mehr  als  ein  Prophet. 

BB  12":  R.  Abdimi  aus  Chaipha  (um  280)  hat  gesagt:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heilig- 
tum zerstört  ward,  wurde  die  Prophetie  den  Propheten  genommen  u.  den  Gelehrten 
gegeben.  So  wäre  also  der  Gelehrte  (als  solcher)  kein  Prophet?  Er  hat  es  so  gemeint: 
Obwohl  sie  von  den  Propheten  genommen  wurde,  so  ist  sie  doch  nicht  von  den  Ge- 
lehrten genommen  worden.  Amemar  (um  400)  hat  gesagt:  Der  Gelehrte  ist  mehr  als 
ein  Prophet  s^s:':  ^r'y.  denn  es  heißt  Ps  90, 12:  „Ein  Prophet  ist  das  weise  Herz"  (so 
deutet  der  Midr  die  Worte  nusn  aaV  s-an).  Wer  wird  an  wen  gehängt?  Doch  wohl 
der  Kleine  an  den  Großen!  (Das  Wesentliche  ist  das  weise  Herz,  die  Prophetie  nur 
Begleiterscheinung;' folglich  steht  der  rsrr,  der  Gelehrte,  höher,  als  der  Prophet). 

11,10:  Siehe,  ich  sende  meinen  Boten  vor  dir  her, 
welcher  deinen  Weg  vor  dir  bereiten  wird. 

Die  Wiederkunft  des  Propheten  Elias  am  Ende  der  Tage  ist  ein 
feststehender  Glaubensartikel  der  alten  Synagoge  gewesen,  Älteste 
Belegstelle  Sir  48, 10  (hebr.):  „Von  dem  (Elias)  geschrieben  ist,  daß  er 
bereit  steht  für  die  festgesetzte  Zeit,  den  Zorn  zu  beschwichtigen  vor 
dem  Entbrennen,  das  Herz  der  Väter  den  Kindern  wieder  zuzuwenden 
u.  die  Stämme  Israels  wiederherzustellen."  —  Hier  folgen  Stellen,  in 
denen  Mal  3,  1  gedeutet  wird. 

Tanch  -h  r;5;ö  212''  u.  NuR16(181^):  Gott  sprach  zu  den  Israeliten:  Weil  in 
dieser  Welt  meine  Boten  Fleisch  u.  Blut  waren,  wurde  über  sie  beschlossen,  daß  sie 
nicht  in  das  Land  (Israel)  kommen  sollten ;  aber  in  der  zukünftigen  Welt  sende  ich 
euch  meinen  Boten  plötzlich,  daß  er  den  Weg  vor  mir  bahne,  s.  Mal  3, 1.  —  Daß  Elias 
unter  dem  „Boten"  zu  verstehen  ist,  zeigt  Targ  .leruscb  I  zu  Nu  25, 12,  wo  Pin*'chas- 
Elias  ausdrücklich  als  der  ßundesengel  von  Mal  -3, 1  bezeichnet  wird :  In  einem  Eide 
sage  ihm  (dem  Pin*^chas  =  Elias)  in  meinem  Namen:  Siehe,  ich  schließe  mit  ihm  meinen 
Friedensbund,  u.  ich  will  ihn  zum  Bundesengel  (Mal  3, 1)  machen,  u.  er  wird  leben  in 
Ewigkeit,  um  den  Exulanten  frohe  Botschaft  am  Ende  der  Tage  zu  bringen.  1|  ExR 
32  (93''):  Gott  sprach  zu  Mose:  Der,  welcher  die  Väter  behütet  hat,  wird  auch  die  Kinder 
behüten.  Und  so  findest  du  es  bei  Abraham;  als  er  seinen  Sohn  Isaak  segnete,  sprach 
er  zu  ihm:  „Jahve,  der  Gott  des  Himmels,  der  wird  seinen  Engel  vor  dir  her  senden" 
Gn24, 7.  Und  was  hat  unser  Vater  Jakob  zu  seinen  Söhnen  gesagt?:  „Der  Engel,  der 
mich  von  allem  Übel  erlöste"  Gn  48, 16.  Gott  sprach  zu  Mose:  Auch  jetzt  wird  der, 
der  die  Väter  behütet  hat,  die  Kinder  behüten,  s.  Ex  23,  20:  „Siehe,  ich  sende  einen 
Engel  vor  dir  her"  .  .  .  Und  ebenso  wird  es  in  der  Zukunft  sein,  wann  er  sich  offen- 
baren wird,  dann  kommt  die  Erlösung  für  Israel,  wie  es  heißt  Mal  3, 1 :  Siehe,  ich  sende 
meinen  Engel  usw. 

11,1151:  Unter  von  Weibern  Geborenen  ist  kein  Größerer 

erstanden. 
SV  yevvYjToiq  yvvaixm>  =  n^i'x  i'h- . 

AbothRN  2  (2*^^):  Als  Mose  zur  Höhe  emporstieg,  um  die  Gesetzestafeln  in  Empfang 
zu  nehmen,  murrten  die  Engel  hinter  ihm  drein  u.  sprachen:  Was  hat  es  mit  dem  von 
einem  Weibe  Geborenen  nax  •:•!'■:-  auf  sich,  daß  er  zur  Höhe  emporgestiegen  ist?  — 


598  Matthll.ll  (35).  11,12 

In  Schab  88^',  wo  R.  J^hoschuaf  b.Levi  (um  250)  als  Autor  genannt  ist,  sagen  die  Engel: 
Was  will  der  von  einem  Weibe  Geborene  r-.va  -•'--  zwischen  uns?  \\  NuR4  (Mit«)  sagt 
R.  Hoschafja  (um  225)  mit  Bezug  auf  die  Jakobsleiter:  Heil  dem  vom  Weibe  Geborenen 
n-i-K  •:'!•:",  der  so  den  König  u.  seine  Dienerschar  hat  bei  sich  stehen  sehen!  —  Ähnlich 
sagt  derselbe  Autor  LvR  35  (132  b)  mit  Bezug  auf  die  Gottesverheißung  Gn  28, 15:  Heil 
dem  vom  Weibe  Geborenen,  der  solches  aus  dem  Munde  seines  Schöpfers  hören  darf! 

11,11  ^:  Der  Kleinere  im  Himmelreich  ist  größer  als  er, 

Vergleichen  läßt  sich  M'^'kh  Ex  15,2  (44'"»):  , Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich 
rühmen"  Ex  15, 2.  R.Eli?ezer  (um 90)  sagte:  Auf  Grund  welcher  Stelle  kann  man  sagen, 
daß  eine  Magd  am  Schilfmeer  gesehen  hat,  was  nicht  Ezechiel  noch  die  übrigen  Pro- 
pheten gesehen  haben?  Von  ihnen  heißt  es  Hos  12,11:  ,.Ich  redete  in  Gleichnissen 
durch  die  Propheten" ;  u.  Ez  1, 1  heißt  es:  Da  wurden  die  Himmel  aufgetan  u.  ich^ah 
Erscheinungen  Gottes  (göttliche  Visionen).  (Am  Schilfmeer  aber  sahen  alle  Gott  von 
Angesicht  zu  Angesicht.)  Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  in  eine  Stadt 
kommt,  u.  mit  ihm  ist  das  Gefolge,  das  ihn  umringt;  Mächtige  sind  zu  seiner  Rechten 
u.  zu  seiner  Linken  u.  Heerhaufen  vor  ihm  u.  hinter  ihm.  Alle  fragen:  Welches  ist 
der  König?  weil  er  ein  Mensch  ist  gleichwie  sie.  Aber  als  Gott  sich  am  Schilfmeer 
offenbarte,  hatte  keiner  zu  fragen:  Welches  ist  der  König?  sondern  als  sie  ihn  sahen, 
erkannten  sie  ihn  u.  hoben  alle  an  u.  sprachen:  „Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich 
rühmen!"  —  Ähnlich  M*^kh  Ex  19, 11  (72")  zu  den  Worten:  „Jahve  wird  auf  den  Berg 
Sinai  herabkommen  vor  den  Augen  des  ganzen  Volkes"  Ex  19,  II :  Das  lehrt,  daß  sie 
in  jener  Stunde  gesehen  haben,  was  Ezechiel  u.  Jesaja  nicht  gesehen  hat,  s.  Hos  12, 11.  || 
ExR23(85*):  R.  B'rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie  groß  die  sind,  die 
ins  Schilfmeer  hinabgestiegen  sind!  Wie  oft  hat  .sich  Mose  niedergeworfen  u.  gefleht 
vor  Gott,  bis  er  ihn  sein  Bild  (seine  Ähnlichkeit)  sehen  ließ:  ,Laß  mich  doch  deine 
Herrlichkeit  sehen!"  Ex  33,  IS.  Und  Gott  sprach  zu  ihm:  „Mein  Angesicht  kannst  du 
nicht  schauen"  Vers  20.  Und  endlich  ließ  er  es  ihn  in  einem  Zeichen  sehen,  wie  es  heißt: 
„Wenn  dann  meine  Herrlichkeit  vorüberzieht"  Vejs22.  Die  Lebewesen,  die  den  (gött- 
lichen) Thron  tragen,  kennen  Gottes  Bild  nicht;  u.  wenn  ihre  Zeit  naht,  daß  sie  ein 
Lied  (vor  Gott j  singen,  sprechen  sie:  An  welchem  Ort  er  sich  befindet,  wir  wissen  es 
nicht,  ob  er  hier  ist  oder  an  einem  andren  Ort;  aber  an  welchem  Ort  er  sich  auch 
befinden  mag,  gepriesen  sei  die  Herrlichkeit  Jahves  von  ihrem  Orte!  (vgl.  Ez  3.  12). 
Aber  von  denen,  die  aus  dem  Schilfmeer  heraufstiegen,  zeigte  jeder  einzelne  mit  seinem 
F'inger  auf  ihn  u.  sprach :  Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich  rühmen !  |i  Midr  Ruth  1 , 1 7  ( 1 28  "j : 
„Kleine  u.  Große  sind  dort,  u.  der  Knecht  ist  seines  Herrn  entledigt"  Hi  3, 19.  R.  Simon 
(um  280)  hat  gesagt:  Wer  in  dieser  Welt  klein  ist,  kann  groß  werden,  u.  wer  groß 
ist,  kann  klein  werden ;  wer  aber  in  der  zukünftigen  Welt  klein  ist,  kann  nicht  groß 
werden,  u.  wer  groß  ist,  kann  nicht  klein  werden.  „Und  der  Knecht  ist  seines  Herrn 
entledigt",  das  ist  der,  der  den  Willen  seines  Schöpfers  i^::"!"  tut  u.  seinen  bösen  Trieb 
(statt  i^si-  ist  offenbar  zu  lesen  i-^::'')  erzürnt;  stirbt  er,  so  geht  er  von  dannen  zur 
Freiheit;  wie  es  heißt:  Der  Knecht  ist  seines  Herrn  (d.  h.  des  bösen  Triebes)  ent- 
ledigt. —  In  P'siqR  Anhang  3  (198  b)  sagt  R.Jonathan,  um  220,  mit  Bezug  auf  Hi  3, 19: 
Weiß  denn  nicht  jedermann,  daß  dort  Kleine  u.  Große  sind?  Die  Stelle  will  lehren: 
In  dieser  Welt  wird  nicht  erkannt,  wer  klein  u.  wer  groß  ist.  —  Vgl.  BM  85  b:  R.  Jirm'ja 
(um  820)  sprach  zu  R.  Z'^f  ira  (um  300) :  Was  heißt  Hi  3,19:  Kleine  u.  Große  sind  dort  usw.  ? 
Wissen  wir  denn  nicht,  daß  Kleine  u.  Große  dort  sind?  Vielmehr  ist  der  Sinn:  Wer  sich 
selbst  um  der  Worte  der  Tora  willen  in  dieser  Welt  klein  macht  (erniedrigt),  der  wird 
in  der  zukünftigen  Welt  groß  sein,  u.  wer  sich  selbst  in  dieser  Welt  um  der  Worte  der 
Tora  willen  einem  Sklaven  gleichmacht,  der  wird  in  der  zuk.  Welt  ein  Freier  sein. 

11,12:  Von  den  Tagen  Johannis  des  Täufers  bis  jetzt 

leidet  das  Himmelreich  Gewalt. 
ßtä^erai.  —  Ein  Gewaltanwenden  gegen  das  Gottesreich,  wenn  auch 


Matthll,l2  599 

nicht  im  Sinne  von  Mt  11,  12,  kennt  auch  die  rabbin.  Literatur.  Man 
versteht  darunter  den  Versuch,  den  Anbruch  der  messian.  Zeit  in  ge- 
waltsamer Weise  herbeizuführen. 

Midr  HL 2,  7  (99^):  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Zwei  Beschwörungen 
finden  sich  hier  (HL  2,  7  u.  o,  5),  die  eine  (ist  gerichtet)  an  Israel  u.  die  andre  an  die  Völker 
der  Welt.  Gott  beschwur  die  Israeliten,  sich  nicht  gegen  das  Joch  der  Weltreiche  zu  em- 
pören, u.  er  beschwur  die  Weltreiche,  das  Joch  auf  Israel  nicht  allzu  schwer  zu  machen; 
denn  wenn  sie  das  Joch  auf  Israel  allzu  schwer  machten,  würden  sie  veranlassen, 
daß  der  Endtermin  (•,•-  =  Tage  des  Messias)  vor  seiner  bestimmten  Zeit  komme  (da 
Gott  um  seines  Volkes  willen  die  Tage  der  Bedrückung  verkürzen  würde,  vgl.  Mt 
24,  22).  .  .  .  R.  Chelbo  (um  300)  sagte:  Vier  Beschwörungen  finden  sich  hier  (HL  2, 7; 
3,  5;  5,  8;  8,  4);  Gott  beschwur  die  Israeliten,  sich  nicht  gegen  die  Weltreiche  zu 
empören;  den  Endtermin  (=  messianische  Zeit)  nicht  gewaltsam  herbeizuführen  s's:» 
y-r.  hv  i-n-:-;  ihre  Geheimnisse  den  Völkern  der  Welt  nicht  zu  offenbaren  u.  nicht 
als  Mauer  (d.  h.  in  geschlossenen  Reihen,  in  kompakten  Massen)  aus  dem  Exil  hinauf- 
zuziehen (nach  Jerusalem;  letzteres  würde  eben  ein  Versuch  sein,  die  Tage  des  Messias 
gewaltsam  herbeizuführen).  Wenn  dem  aber  so  ist,  wozu  dann  der  König,  der  Messias? 
Er  kommt,  um  die  Exilierten  Israels  zu  sammeln.  R.  Huna  (s-:is  =  s"3in  =  srr, 
um  350)  hat  gesagt:  Mit  vier  Schwüren  hat  Gott  sie  beschworen  entsprechend  den 
vier  Generationen,  die  die  festgesetzte  Zeit  (die  Erlösungszeit)  gedrängt  haben  •■•:.--.  u. 
dabei  zu  Falle  gekommen  sind.  Diese  sind:  die  Generation  in  den  Tagen  ?Amrams,' 
ferner  die  in  den  Tagen  des  Dinai,*  die  in  den  Tagen  des  Ben  Kozeba  (=  Bar  Kokh^'ba) 
u.  endlich  die  in  den  Tagen  des  Schuthelach  b.  Ephraim»  (vgl.  Nu  26,  35;  I  Ohr 7,  20).  — 
Parallelstellen  mit  mannigfachen  Abweichungen:  Tanch  z-'^z-  2";  TanchB  a-'^ai  §4(1^); 
das.  Zusätze  zu  z"':-  §  3  (2'^).  K'^th  111  •'  heifst  es:  daß  sie  den  Endtermin  nicht  ent- 
fernen oder  hinausschieben  sollten  :p-i*  svj  statt  •---.'  sH";  docii  kennt  Raschi  auch 
die  letztere,  jedenfalls  richtige  Lesart.  |l  LvR  19  (118'^'):  „Saget  zu  den  z->  —rö]" 
Jes  35,4.  R.  Hoscha?ja,  der  Ältere  (um  225),  hat  gesagt:  Das  sind  die,  die  zerstörten 
Herzens  sind,  s.  Nah  2,  6:  „Sie  zerstören  -nn»:-  die  Mauer"  (so  der  Midr).  R.  J*^hoschua? 
b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Wie  die,  die  den  Endtermin  drängen  rp"*'"  (den  An- 
bruch der  messian.  Zeit  beschleunigen  wollen),  s.  Gn  24,  4ti:  „Sie  ließ  eilends  "r^rr 
ihren  Krug  herab." 

Die  Ankunft  des  Messias  kann  beschleunigt  werden: 
a.  durch  Buße.  JomaSö'^:  R.  Jose  der  Galiläer  (um  110,  so  ist  zu  lesen  statt 
R.  Jonathan,  s.  Bacher,  Tann.-  1,  362)  hat  gesagt:  Groß  ist  die  Buße;  denn  sie  bringt 
die  (messian.)  Erlösung  herbei,  li  Midr  HL  5,  2  (118«):  u.  P'siq  163b:  R.  Levi  (um  300) 
hat  gesagt:  Wenn  die  Israeliten  auch  nur  Einen  Tag  Buße  täten,  so  wüi-den  sie  so- 
fort erlöst  werden  u.  es  käme  sofort  der  Sohn  Davids  (der  Messias),  s.  Ps  95, 7 ;  in 
pTaFan  1, 64'S  26  ist  R.  Tanchum  b.  Chijja,  um  300,  als  Autor  genannt.  üpTaf  an  1, 64",  20 : 
Die  Israeliten  sprachen  zu  Jesaja  (vgl.  Jes  21,  11  f.):  Unser  Lehrer  Jesaja,  wieviel  ist 
uns  von  dieser  Nacht  (der  gegenwärtigen  Weltzeit)  vergangen?  Er  antwortete:  Wartet 
auf  mich,  bis  ich  angefragt  habe.  Als  er  angefragt  hatte,  kehrte  er  zu  ihnen  zurück. 
Sie  sprachen:  •:''.ii  -n  i>3Vi?  d.  h.  was  hat  der  Hüter  der  Welten  gesagt  -cvs  h^-hiz  r!>3 
z-jVijT?    Er  antwortete:  Der  Hüter  hat  gesagt:   Es  kommt  der  Morgen  u.  auch  die 

^  Vielleicht  ist  hierbei  an  Sota  12^  gedacht,  wonach  fAmram  u.  seine  Zeitgenossen 
ihre  Frauen  entließen,  um  durch  den  Verzicht  auf  Fortpflanzung  Israel  aussterben  zu 
lassen  u.  so  allem  Jammer  des  Volks  ein  für  allemal  ein  Ende  zu  machen. 

2  Gemeint  ist  Elsazar  b.  Dinai,  um  40  n.  Chr.,  einer  der  Anführer  der  Zeloten,  s. 
Sota  9,  9;  Joseph.,  Bell  2,  12,  4;  Ant.  20,  6,  I. 

'^  In  P'-'siq  85''  wird  erzählt,  daß  die  Kinder  des  Schuthelach  die  Erlösung  aus 
Ägypten  30  Jahre  (so  lies  statt  „80  Jahre")  zu  früh  berechnet  hatten  u.  deshalb  auf 
ihrem  Zuge  nach  Kanafan  umkamen:  s.  auch  M'^kh  Ex  15,  14  (50'^);  Sanh  92'';  ExR 
20(82'^);  Midr  HL  2,7  (99 •'',). 


600  ^latth  11,  12 

Nacht.  Sie  sprachen:  „Und  auch  die  Nacht?"  (Auf  Erlösung  folgt  wiederum  Knecht- 
schaft?) Er  antwortete:  Nicht  wie  ihr  es  meint;  vielmehr  der  Morgen  (kommt)  für 
die  Gerechten  u.  die  Nacht  für  die  Gottlosen,  der  Morgen  für  Israel  u.  die  Nacht  für  die 
Völker  der  Welt.  Da  sprachen  sie:  Wann  denn?  Er  antwortete:  Wann  ihr  wollt,  will  auch 
er  (Gott).  Wenn  ihr  fragen  wollt,  fraget I  Sie  sprachen:  Wer  hält  es  denn  zurück?  Er 
antwortete:  Die  Buße.  Kelirt  zurück  (in  Buße)!  —  Sanh  97b:  R.  Eli?ezer  (ben  Hyrkanos, 
am  90)  sagte:  Wenn  die  Israeliten  Buße  tun,  werden  sie  erlijst.  Rab  (f  247)  sagte:  Es 
hängt  von  der  Buße  u.  guten  Werken  ab.  —  Ferner  s.  oben  S.  162  ff.  bei  Mt  4, 17  ?l. 

b.  durch  Halten  der  Gebote.  Schab  118^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen 
des  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Wenn  die  Israeliten  nur  zwei  Sabbate 
vorschriftsmäßig  hielten,  so  würden  sie  sofort  erlöst  werden;  wie  es  heißt:  „So  spricht 
Jahve  zu  den  Verschnittenen,  die  meine  Sabbate  (Plural,  also  mindestens  zwei)  halten" 
Jes  56,  4,  u.  hinterher  heißt  es  (Vers  7):  Die  will  ich  zu  meinem  heiligen  Berge  ge- 
langen lassen  (in  der  messian.  Zeit).  1|  pTafan  I,  64 a,  28:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt: 
Wenn  die  Israeliten  Einen  Sabbat  halten  würden,  wie  sich's  gebührt,  so  würde  sofort 
der  Sohn  Davids  (=  Messias)  kommen.  Welchen  Schriftgrund  gibt  es  dafür?  Ex  16,  25: 
Mose  sprach:  , Esset  es  heute;  denn  ein  Ruhetag  ist  dieser  Tag  für  .Jahve"  —  also 
nur  Ein  Tag.  Ferner  heißt  es  Jes  30,  15:  -(ly-i-TP  rns-i  T^zr::z.  d.  h.  durch  einen  Sabbat- 
tag ("i"»)  u.  Ruhigbleiben  werdet  ihr  erlöst  werden.  —  Dasselbe,  aber  mit  andrem 
Schriftbeweis  Midr  Ps  95  §2  (210b).  In  LvR  3  (106'')  u.  Midr  Qoh  4,  6  (23a)  ^ird 
R.  Chijja  b.  Abba,  um  280,  als  Autor  genannt.  ||  DtR  6  (2u3b):  Wenn  du  dieses  Gebot 
(Dt  22,  6  f.  betreffend  Loslassen  der  Vogelmutter)  hältst,  so  beschleunigst  du  das 
Kommen  des  Königs,  des  Messias,  von  dem  auch  ein  Loslassen  ausgesagt  wird,  s. 
Jes  32,  20:  Wohl  euch,  die  ihr  (in  den  Tagen  des  Messias)  loslassen  könnt  den  Fuß 
des  Stieres  und  des  Esels.  ||  ExR  25  (87*):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gott 
sprach  zu  den  Israeliten:  Da  ich  für  das  Ende  (d.  h.  die  Tage  des  Messias)  eine  be- 
stimmte Zeit  festgesetzt  habe,  an  der  es  kommen  soll,  ob  sie  Buße  tun  oder  nicht, 
so  kommt  es  zu  seiner  bestimmten  Zeit;  wenn  sie  aber  Buße  tun  auch  nur  Einen 
Tag,  so  lasse  ich  es  außerhalb  (vor)  seiner  bestimmten  Zeit  kommen,  s.  Ps  95,  7 : 
, Heute,  wenn  ihr  auf  seine  Stimme  hört!"  Und  gleichwie  wir  finden,  daß  der  Sohn 
Davids  wegen  (der  Beobachtung)  aller  Gebote  kommt  (vor  der  festgesetzten  Zeit),  so 
kommt  er  auch  (vorzeitig)  wegen  des  Haltens  Eines  Sabbattages,  weil  der  Sabbat  alle 
übrigen  Gebote  aufwiegt.  ||  ExR  30  (91b):  „Mein  Heil  ist  nahe,  zu  kommen"  Jes  56,  1. 
Gott  spricht:  Ich  bringe  das  Heil;  denn  es  heißt:  „Jahves  ist  das  Heil!"  Ps  o,  9.  Und 
wer  das  Recht  übt,  von  dem  schreibe  ich,  daß  er  das  Heil  (d.  h.  die  messian.  Heilszeit) 
nähert  (beschleunigt).  Vgl.  den  Ausspruch  des  R.  Levi,  um  300,  in  DtR  5  (202»). 

C.  durch  Torastudium.  Sanh  99b:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  (Wer  sich 
mit  der  Tora  um  ihretwillen,  ohne  selbstische  Nebenzwecke  beschäftigt)  der  nähert 
auch  die  (messian.)  Erlösung,  s.  Jes  51,  16:  „Ich  will  meine  Worte  in  deinen  Mund 
legen  ...  u.  zu  Zion  sage  ich:  Mein  Volk  bist  du." 

d.  durch  Wohltätigkeit.  BB  10«  Bar:  R.  J'huda  (um  150)  hat  gesagt:  Groß 
ist  die  Wohltätigkeit,  denn  sie  nähert  (beschleunigt)  die  (messian.)  Erlösung,  s.:  „Haltet 
das  Recht  u.  übet  Wohltätigkeit  (so  der  Midr);  denn  mein  Heil  ist  nahe,  zu  kommen" 
Jes  56,  1. 

Umgekehrt  kann  der  Anbruch  der  messian.  Heilszeit  durch 
das  Verhalten  Israels  verzögert  werden. 

Tanch  a-as:  25'':  Du  findest,  daß  Israel  erst  erlöst  werden  wird  (nämlich  in  den 
Tagen  des  Messias),  wenn  sie  alle  eins  sind  (wörtlich:  ein  Bund),  wie  es  heißt:  ,In 
jenen  Tagen  u.  zu  jener  Zeit,  ist  Jahves  Spruch,  werden  die  Söhne  Israels  kommen, 
sie  u.  die  Söhne  Judas  zusammen  (als  ein  Ganzes)"  Jer  50,  4.  —  Dasselbe  TanchB 
D-3S3  §4  (25^).  II  Nidda  13*»,  13  Bar:  Die  Proselyten  u.  die  mit  kleinen  Mädchen 
Scherzenden  halten  den  Messias  zurück.  Betreffs  der  Proselyten  stimmt  es  mit  der 
Meinung  des  R.  Chelbo  (um  300)  überein.    Denn  R.  Chelbo  hat  gesagt:  Schlimm  sind 


Matth  11.  12.  18  (Nr.  1)  601 

die  Proselyten  für  Isi'ael  wie  Aussatz.*  Aber  was  ist  es  um  die  mit  kleinen  Mädchen 
Scherzenden?  Wenn  man  sagen  wollte,  es  handle  sich  dabei  um  unnatürliche  Unzucht, 
so  würden  sie  ja  die  Steinigung  verdient  haben ;  oder  wenn  es  sich  dabei  um  nichtigen 
Samenerguß  handelte,  so  würden  sie  ja  die  Flut  verdient  haben  (d.  h.  sie  würden  von 
Oott  bestraft  werden  etwa  durch  Ertrinken;  wie  sollten  also  dergleichen  Leute  die 
Ankunft  des  Messias  verzogern  können!)  Vielmehr  handelt  es  sich  um  solche,  die 
eine  Unmündige  (die  noch  nicht  12  Jahre  alt  ist)  heiraten,  mit  der  sie  keine  Kinder 
zeugen  können;  denn  R.  .Tose  (=  R.  Asi,  um  300)  hat  gesagt:  Der  Sohn  Davids 
(Messias)  kommt  nicht  eher,  als  bis  alle  Seelen,  die  inkorporiert  werden  sollen 
r!^;:s  n-ix-jr,  5=,'-  zu  Ende  (tatsächlich  inkorporiert)  sind.  (Indem  also  die  Männer, 
die  Unmündige  heiraten,  keine  Kinder  erzeugen,  verzögern  sie  die  Inkorporierung  der 
Seelen  u.  damit  die  Ankunft  des  Messias.)  Denn  es  heißt  Jes  57,  16:  Nicht  auf  ewig 
will  ich  hadern  u.  nicht  für  immer  zürnen;  denn  der  Geist  (=  die  Geister)  u.  die 
Seelen,  die  ich  geschaffen,  würden  vor  mir  hinschwinden  (aus  Trauer  darüber,  daß 
sie  nicht  inkorporiert  werden.  So  ist  die  Inkorporierung  aller  erschaffeneu  Seelen  ein 
Zeichen,  daß  Gottes  Zorn  vorüber  ist  u.  die  messian.  Erlösung  anheben  soll;  wer  daher 
jene  verzögert,  der  verzögert  auch  diese.  Anders  deuten  Jes  57, 16  Raschi  u.  Bacher, 
Amor  2,  172,  s.  bei  Joh  1,1  fV  ('(o/tj  tjy  6  köyog  C,  5).  —  Der  Ausspruch  des  R.  Chelbo  auch 
J^b47^109'5;  K^U  70'^;  der  des  R.  Asi  J^-b  62'';  öS*»;  fAZ5'\  Sanh  97«:  Wenn  R.Z'?ira 
(um  300)  die  Rabbinen  damit  (mit  der  Frage,  wann  der  Messias  kommen  werde)  beschäftigt 
fand,  sprach  er  zu  ihnen :  Ich  bitte  euch,  schiebt  es  nicht  hinaus  in  die  Ferne ;  denn  ich  habe 
gelernt:  Drei  kommen  unerwartet,  nämlich  der  Messias,  ein  Fund  u.  ein  Skorpion. 

11,13:  Alle  Propheten  u.  das  Gesetz  haben  bis  Johannes 

geweissagt. 
1.  Tora  u.  Propheten,  ihr  Verhältnis  zueinander. 
M'^g  14"  Bar:  48  Propheten  u.  7  Prophetinnen  haben  den  Israeliten  ge weissagt, 
n.  sie  haben  nichts  vermindert  u.  nichts  vermehrt  an  dem,  was  in  der  Tora  geschrieben 
steht,  ausgenommen  die  Verlesung  der  Estherrolle  (am  Purimfeste,  wovon  die  Tora 
noch  nichts  weiß).  1|  Midr  Ruth  2,  4  (130b):  R.  Chelbo  (um  300)  hat  im  Namen  des 
R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  gesagt:  85  Älteste,  von  denen  30  u.  mehr  Propheten 
waren,  waren  in  Nöten  um  diesen  Vers:  ,Dies  sind  die  Gebote,  welche  Jahve  dem 
Mose  geboten  haf  Lv  27,  34.  „Dies  sind  die  Gebote"  (also  gibt  es  keine  andren); 
man  darf  nicht  hinzufügen  u.  man  darf  nicht  wegnehmen,  u.  kein  Prophet  ist  von  da 
an  berechtigt,  noch  irgendetwas  Neues  (in  der  Tora  nicht  Enthaltenes)  zu  befehlen; 
u.  Mardokhai  u.  Esther  fordern  von  uns,  etwas  Neues  bei  uns  einzuführen?!  (Gemeint 
ist  das  Purirafest  Esth  9, 20  ff.)  —  Dasselbe  pM^g  1 .  70  '\  40.  |i  ExR  42  (98 '') :  R.  J^hoschua? 
b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  .  .  .  Mose  hat  alle  Worte  der  Propheten  u.  das  Seine  ge- 
sagt; u.  alles,  was  (später  von  einem  Propheten)  geweissagt  worden  ist,  das  stammte 
aus  der  Prophetie  Moses.  '  Tauch  -r-  89-^  u.  ExR  28  (88^):  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat 
gesagt:  Auch  was  die  Propheten  dereinst  weissagen  sollten,  das  haben  sie  alle  vom 
Berge  Sinai  empfangen;  denn  es  heißt  Dt  29,  13  f.:  Nicht  mit  euch  allein  schließe  ich 
diesen  Bund  .  .  .,  sondern  „mit  jedem,  der  heute  mit  uns  hier  vor  Jahve  steht",  d.  h. 
mit  dem,  der  bereits  erschaffen  ist  u.  in  der  Welt  sich  befindet;  „u.  mit  jedem,  der 
heute  nicht  mit  uns  hier  ist*,  d.  h.  mit  dem,  der  dereinst  erschaffen  werden  wird.    Es 


'  R.  Chelbo  erklärt  --tz:  Jes  14,1  nicht:  es  „werden  sich  eingliedern"  die  Fremd- 
linge (Proselyten)  in  das  Haus  Jakobs,  sondern:  es  werden  zu  rr.zz  (=  Ausschlag, 
Aussatz,  vgl.  Lv  13,  2;  14,  56)  die  Proselyten  für  das  Haus  Jakobs,  u.  zwar  weil  sie 
durch  mangelhaftes  Beobachten  der  Gebote  die  Ankunft  des  Messias  aufhalten. 

-  Die  Worte  setzen  die  Präexistenz  der  Seelen  voraus.  Unter  q-.-  versteht  man 
meist  (so  auch  Raschi)  den  Aufenthaltsort  der  präexistierenden  Seelen.  Man  kommt 
aber  gar  wohl  mit  der  gewöhnl.  Bedeutung  „Körper"  aus:  ri^^sa  r'^vz  sind  dann  die 
Seelen,  die  für  den  Körper,  die  Inkorporation  bestimmt  sind;  vgl.  Bacher,  Pal.  Amor. :^,  172. 


602  Matthll,13(Nr.  1.2) 

heißt  nicht:  Der  heute  nicht  mit  uns  hier  , steht",  sondern:  Der  heute  nicht  mit  uns 
hier  ^.ist".  Damit  sind  die  (präexistenten)  Seelen  gemeint,  die  dereinst  erschaffen 
(d.  h.  inkorporiert)  werden  sollen,  von  denen  ein  , Stehen"  nicht  ausgesagt  werden 
kann;  denn  auch  sie  sind  in  der  (ohigen)  allgemeinen  Aussage  mitenthalten.  So  heißt 
es  auch  Mal  1,  1:  Orakel,  Wort  Jahves  an  Israel,  das  in  der  Hand  Maleakhis  war. 
Es  heißt  nicht:  Wort  Jahves  ,an  Maleakhi",  sondern:  ,Das  in  der  Hand  Maleakhis 
war",  um  dich  zu  lehren,  daß  die  Weissagung  schon  längst  vom  Berge  Sinai  her  in 
seiner  Hand  gewesen  ist.  Ebenso  hat  Jesaja  gesagt:  „Tretet  her  zu  mir,  höret  solches; 
nicht  insgeheim  habe  ich  von  Anfang  an  geredet;  von  der  Zeit  her,  da  es  ward,  bin 
ich  dabei,  u.  nunmehr  hat  mich  Jahve  gesandt  mit  seinem  Geiste"  Jes48,  16.  Jesaja 
wollte  sagen :  Seit  der  Stunde,  da  die  Tora  gegeben  wurde,  habe  ich  diese  Weissagung 
empfangen;  das  meinen  die  Worte:  Seit  der  Zeit,  da  die  Tora  ward,  bin  ich  dabei; 
allein  nunmehr  erst  hat  mich  Jahve  Elohim  gesandt  mit  seinem  Geiste;  denn  bis 
jetzt  war  mir  nicht  die  Erlaubnis  erteilt  worden  zu  weissagen.  Und  nicht  die  Pro- 
pheten allein  (haben  ihre  Prophetieu  vom  Sinai  lier  empfangen  i,  sondern  auch  alle 
Weisen,  die  waren  u.  die  dereinst  sein  werden  (haben  ihre  Worte  dort  empfangen); 
denn  es  heißt  Dt  5,  19:  Diese  Worte  redete  Jahve  zu  eurer  ganzen  Gemeinde.  —  Der 
Midr  faßt  ,eure  ganze  Gemeinde"  im  absoluten  Sinn  =  Gemeinde  Israel,  die  damals 
war  u.  die  im  Lauf  der  Geschlechter  sein  wird.  Die  ganze  Stelle  aber  will  besagen, 
daß  die  Gleichheit  der  Quelle,  aus  der  die  Worte  der  Propheten  u.  der  Weisen  zu- 
gleich mit  der  Tora  bei  der  Gesetzgebung  geflossen  sind,  die  Übereinstimmung  ihres 
Inhalts  verbürge.  ^  \\  Die  Anwesenheit  der  präexistenten  Menschenseelen  bei  der 
sinaitischen  Gesetzgebung  hatte  ähnlich,  wie  R.  Ji^chaq,  bereits  R.  Sch®muel  b.  Nachman 
(um  260)  aus  Dt  29,  13  f.  erwiesen,  s.  Tauch  =-=•.::  crs  26''*  u.  TanchB  3-2s:  §8  (25  b) 
bei  Joh  1,  1  iy  (<QX!i  V*'  "  ^öyng  C,  o.  ||  SLv  27,  34:  „Diese  Gebote  sind  es,  welche  Jahve 
dem  Mose  an  die  Kinder  Israel  am  Berge  Sinai  geboten  hat"  Lv  27,  34.  ,.Diese  Gebote" 
(also  keine  andren) :  nicht  ist  ein  Prophet  berechtigt,  von  da  an  etwas  Neues  zu  lehren.  — 
Dasselbe  Schab  104=';  M'g  3'';  Joma  SO'"*;  T«m  116=^  (=  16a  in  andren  Ausg.);  s.  oben 
auch  Midr  Ruth  2,  4. 

2.  Die  Frage,  bis  auf  welche  Zeit  sich  die  Weissagungen  der  Pro- 
pheten beziehen,  wurde  verschieden  beantwortet,  je  nach  dem  Charakter, 
den  man  den  Tagen  des  Messias  beilegte.  Sah  man  in  diesen  eine  Zeit 
vollkommener  irdischer  Herrlichkeit,  in  der  die  Auferstehung  erfolgt 
u.  der  Tod  ein  Ende  hat,  so  nahm  man  an,  daß  sämtliche  Verheißungen 
der  alttest.  Prophetie  eben  in  der  messian.  Periode  in  Erfüllung  gehen 
würden.  Man  formte  den  Satz:  Die  Propheten  haben  nur  auf  die  Tage 
des  Messias  geweissagt.  Dies  war  der  Standpunkt  der  vorchristl.  Syn- 
agoge, für  die  „die  Tage  des  Messias"  u.  „die  zukünftige  Welt"  noch 
in  eins  zus.fielen;  desgleichen  der  Standpunkt  hervorragender  palä- 
stinischer Gelehrter  seit  dem  3.  nachchristl.  Jahrb.,  die  zwar  die  Tage 
des  Messias  von  der  zukünftigen  Welt  begrifflich  unterschieden,  aber 
jene  in  einer  Weise  idealisierten,  daß  sie  kaum  hinter  dem  Verklärungs- 
zustand der  letzteren  zurückblieben.  —  Sah  man  dagegen  in  den  Tagen 
des  Messias  eine  Zeit,  die  sich  von  dem  gegenwärtigen  Weltlauf  nur 
dadurch  unterscheiden  würde,  daß  die  Knechtung  Israels  durch  die 
Weltreiche  aufhörte,  so  erwartete  man  die  Erfüllung  der  alttest.  Ver- 
heißungen nach  ihrem  vollen  Umfang  erst  in  der  zukünftigen  Welt. 

B'^rakh  34b:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Alle  Propheten  haben  nur 
in  bezug  auf  den  geweissagt,  der  seine  Tochter  an  einen  Gelehrtenschüler  verheiratet 
(u.  diesem  durch  eine  reiche  Mitgift  das  Studium  ermöglicht)  oder  für  einen  G.schüler 


Matthll,]3{Nr.  2)  603 

ein  Geschäft  betreibt  oder  einem  G.schüler  Genuß  von  seinem  Vermögen  gewährt; 
aber  in  bezug  auf  die  G.schüler  selbst  gilt  Jes  64,  3:  „Kein  Auge  hat  gesehen,  o  Gott, 
außer  dir,  was  bereitet  ist  dem,  der  harrt"  (so  der  Midr.  Die  Worte  wollen  besagen, 
daß  alle  Verheißungen  der  Propheten  nicht  über  den  Lohn  hinausgehen,  den  die 
Wohltäter  der  Gelehrten  in  den  Tagen  des  Messias  zu  erwarten  haben ;  daß  dagegen 
der  Lohn,  der  den  Gelehrten  selbst  für  das  Torastudium  zugedacht  ist,  den  Augen 
der  Propheten  verhüllt  geblieben  ist,  weil  dieser  Lohn  erst  in  der  zukünftigen  Welt 
ausgeteilt  wird.)  R.  Chijja  b.  Abba  hat  gesagt:  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Alle  Propheten 
haben  nur  auf  die  Tage  des  Messias  geweissagt;  aber  in  bezug  auf  die  zukünftige 
Welt  gilt  Jes  64,  8  (wie  oben).  Verschieden  davon  ist  die  Meinung  Sch*^muels  (f  254); 
denn  Sch'^muel  hat  gesagt:  Zwischen  dieser  Welt  u.  den  Tagen  des  Messias  ist  kein 
weiterer  Unterschied,  als  der  betreifs  der  Knechtung  durch  die  Weltreiche  (die  in  den 
Tagen  des  Messias  aufhört),  wie  es  heißt  Dt  15,  11:  Es  Avird  nicht  an  Armen  fehlen 
mitten  im  Lande  (auch  nicht  in  den  Tagen  des  Messias;  also  bringen  nicht  diese, 
sondern  erst  die  zukünftige  Welt  die  Verwirklichung  des  prophetischen  Zukunftsbildes). 
R.  Chijja  b.  Abba  hat  gesagt:  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Alle  Propheten  haben  nur  in 
bezug  auf  die  Bußfertigen  geweis.sagt  (u.  deren  Lohn);  aber  in  bezug  auf  die  voll- 
kommenen Gerechten  (u.  deren  Lohn)  gilt  Jes  64,  3  (wie  oben).  Verschieden  davon  ist 
die  Meinung  des  R.  Abbahu  (um  300).  Denn  R.  Abbahu  hat  gesagt:  An  der  Stelle, 
an  der  die  Bußfertigen  stehen  werden,  können  dereinst  die  vollkommenen  Gerechten 
nicht  stehen  (jene  nehmen  eine  höhere  Rangstufe  ein,  als  diese);  denn  es  heißt: 
„Frieden,  Frieden  den  Fernen  u.  den  Nahen!"  Jes  57,  19.  Erst  steht  „den  Fernen" 
(d.  h.  denen,  die  sich  durch  Sünde  von  Gott  entfernt  hatten  u.  später  Buße  taten)  u. 
dann  „den  Nahen"  (den  vollkommenen  Gerechten,  die  immer  bei  Gott  geblieben). 
R.  Jochanan  kann  dir  darauf  erwidern:  Wer  ist  unter  einem  „Fernen"  zu  verstehen? 
Derjenige,  der  sich  von  Anfang  an  von  einer  Übertretung  ferngehalten  hat  (also  der 
vollkommene  Gerechte),  u.  wer  ist  unter  einem  „Nahen"  zu  verstehen?  Derjenige,  der 
einer  Übertretung  nahe  war  u.  sich  nun  von  ihr  entfernt  hat  (also  der  Bußfertige). 
Was  ist  das,  was  ein  Auge  nicht  gesehen  hat  (Jes  64.  3)?  R.  J'^'hoschuaf  b.  Levi  (um 
250)  hat  gesagt:  Das  ist  der  Wein,  der  in  seinen  Trauben  seit  den  6  Schöpfungstagen 
aufbewahrt  wird  (für  die  Gerechten).  R.  Sch'^muel  b.  Nachraan  (um  260)  hat  gesagt: 
Das  ist  ?Eden,  über  das  kein  Menschenauge  je  Gewalt  gehabt  hat.  Wenn  du  aber 
sagen  wolltest:  Wo  ist  denn  der  erste  Mensch  gewesen?  doch  im  Garten!  u.  wenn 
du  weiter  sagen  wolltest:  der  Garten  u.  fEden  sind  doch  dasselbe,  so  sagt  die  Schrift 
lehrend  Gn  2,  10:  Ein  Fluß  ging  von  ?Eden  aus,  den  Garten  zu  tränken.  Der  Garten 
für  sich  u".  fEden  für  sich  (also  nicht  identisch).  —  Dasselbe  Sanh  99  a,  nur  daß  zum 
Schluß  Resch  Laqisch,  um  250,  statt  des  R.  Sch^'muel  b.  Nachman  als  Autor  genannt 
ist;  vgl.  auch  Schab  63»;  151b;  peg  ßga.  ||  Jalqut  zu  Jes  64,  3:  R.  Acha  (um  320)  hat 
gesagt:  Alle  Segnungen,  Güter  u.  Tröstungen,  die  die  Propheten  gesehen  haben,  hat 
Gott  nicht  umsonst  (ohne  Absicht)  aufzeichnen  lassen,  um  sie  bekannt  zu  machen, 
sondern  damit  sich  die  Israeliten  mit  der  Tora  beschäftigen  u.  Lohn  empfangen  möchten. 
Wenn  du  sagen  wolltest:  Die  Propheten  haben  den  Lohn  ganz  gesehen,  so  s.  Jes  64,  3 
(wie  oben).  Ebenso  aber  ist  es  auch  unmöglich  zu  sagen,  daß  sie  ihn  nur  teilweise 
gesehen  hätten;  denn  es  heißt:  „Kein  Ding  tut  Jahve  Elohim,  er  habe  denn  seinen 
Ratschluß  seinen  Knechten  geoffenbart,  den  Propheten"  Amos  3,  7.  Wie  haben  sie  ihn 
nun  gesehen?  R.  B^'rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Wie  durch  eine  Faßritze.  R.  Chijja 
(b.  Abba,  um  280)  hat  gesagt:  Wie  durch  eine  Türritze.  R.  Levi  (um  300,  so  lies  statt 
„Rabbi")  hat  gesagt:  Die  Mahlzeit  (das  Freudenmahl)  haben  sie  gesehen,  den  (vollen) 
Lohn  haben  sie  nicht  gesehen.  R.  Jose  (wohl  der  Amoräer  um  350)  hat  gesagt:  Weder 
das  Mahl  noch  den  Lohn  haben  sie  gesehen.  —  Die  Stelle  stammt  aus  Midr  Qoh  1,  8  (9«), 
wo  der  Text  teils  verstümmelt  ist,  teils  andre  Autoren  nennt.  Der  Schluß  lautet  hier: 
R.  Schimfon  b.  Chalaphta  (um  190)  hat  gesagt:  Alle  Güter,  Segnungen  u.  Tröstungen,  die 
die  Propheten  in  dieser  Welt  gesehen  haben,  haben  sie  in  bezug  auf  die  Bußfertigen  ge- 
sehen ;  aber  von  dem,  der  sein  lebelang  keine  Sünde  geschmeckt  hat,  gilt  Jes  64, 3  (wie  oben  /. 


(304  Matth  11,  14.  15.  16.  17.  19(51.  SB) 

11,14:  Er  ist  Elias,  der  da  kommen  soll.   Sieh  den  betr.  Exkms. 

11,  15:  Wer  Ohren  hat,  der  hörel 
R.  J'hoschuaf  b.  Qarcha  (um  150)  leitet  seine  Auslegung  einer  Schriftstelle,  um 
die  Aufmerksamkeit  der  Höi-er  zu  gewinnen,  mit  den  Worten  ein:  Daß  das  Ohr  sich 
spalten,  d.  h.  ötfnen  möchte  -iT'n  y-zp-i;  -n=!  So  M^kh  Ex  19,  5  (70^,  s.  bei  Joh.  1,  11). 
In  der  Parallelstelle  P^'siqRll  (46^)  steht  dafür  v^ü^v  '•suj  -jTsr!  ypsr  srj-i)  =  vielleicht 
möchte  das  Ohr  des  Hörenden  sich  spalten,  d.  h.  öffnen!  ||  R.  Elifezer  (um  90)  gebraucht, 
um  die  Aufmerksamkeit  des  R.  f  Aqiba  auf  eine  bestimmte  Schriftdeutung  hinzulenken, 
SLv7,  18  (159b)  die  Wendung:  , Biege  deine  Ohren  um,  zu  hören."  ||  Chullin  89»: 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Elfazar  b.  Schim?on  (um  180)  gesagt:  Überall 
wo  du  die  Worte  des  R.  Eli?ezer  b.  Jose  ha-G'^lili  in  der  Haggada  findest,  mache  deine 
Ohren  einem  Trichter  gleich  (damit  dir  nichts  von  ihnen  verloren  geht).  Parallel- 
stellen: pQid  1,  61  d,  38;  P«siqR  10  (38b).  ||  Midr  KL  Einl.  22  (34b)  sagt  Resch  Laqisch 
tum  250)  zu  den  Worten  Jes  5,  8:  ,ln  meine  Ohren  (offenbarte)  Jahve  Q^baoth":  Wie 
einer,  der  in  die  Ohren  seines  Nächsten  schreit,  u.  zwar  nicht  bloß  in  eins,  sondern 
in  beide  —  ebenso  (offenbarte)  Jahve  Q^baoth  in  meine  Ohren. 

11,  16:  Wem  soll  ich  dies  Geschlecht  vergleichen? 
.  Über  die  Einleitungsformeln  bei  Gleichnissen  s.  unter  Mk  4,  30. 

11,  17:  Wir  flöteten  euch,  u.  ihr  habt  nicht  getanzt;  wir 
weinten,  u.  ihr  habt  euch  nicht  (zur  Trauer)  geschlagen. 
Sanh  103»:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim'on  b.  Jochai  (um  150) 
gesagt:  Was  heißt  Spr  29,  9 :  „Rechtet  ein  weiser  Mann  mit  einem  närrischen  Mann, 
ob  er  aufbraust  oder  lacht,  es  gibt  keine  Ruhe"?  Gott  sprach:  Ich  habe  über  Ahas 
gezürnt  u.  habe  ihn  in  die  Hand  der  Könige  von  Damaskus  hingegeben;  da  „opferte 
er  den  Göttern  von  Damaskus,  die  ihn  doch  geschlagen,  u.  meinte:  die  Götter  der 
Könige  Syriens,  die  leisten  ihnen  ja  Hilfe,  denen  opfere  ich,  daß  sie  mir  beistehen; 
aber  die  gereichten  ihm  dazu,  ihn  u.  ganz  Israel  zu  Falle  zu  bringen"  (2Chr28,  23). 
Mit  Amaga  habe  ich  gelacht  (gescherzt)  u.  gab  die  Könige  von  Edom  in  seine  Hand; 
da  brachte  er  ihre  Götter  u.  verehrte  sie,  wie  es  heißt:  „Und  es  geschah,  nachdem 
Ama^ja  von  der  Niederlage  der  Edomiter  heimgekommen,  brachte  er  die  Götter  der  Söhne 
SeUr  mit  u.  stellte  sie  als  Götter  für  sich  auf,  indem  er  vor  ihnen  niederfiel  u.  ihnen 
räucherte"  2  Chr  25, 14.  Rab  Papa  (f  376)  hat  gesagt:  Das  ist  es,  was  die  Leute  (im  Sprich- 
wort) sagen :  Ob  man  einem  etwas  vorweint,  der  nichts  versteht,  oder  ob  man  einem  zulacht, 
der  nichts  versteht,  wehe  dem,  der  nicht  zu  unterscheiden  weiß  zwischen  gut  u.  böse! 

11,19  3t:  Siehe,  ein  Fresser  u.  Weintrinkerl 
oiVoTioTj;?.  pSch^^qS,  47",  3:  Eine  Matrone  sah  den  R.  Jona  (um  350),  wie  sein  Ge- 
sicht (rot)  leuchtete.  Sie  sprach:  Alter,  Alter,  eins  von  diesen  drei  Dingen  findet  sich 
an  dir:  entweder  bist  du  ein  Weintrinker  a^^n  ^-irr,  oder  einer,  der  Geld  auf  Zins  ver- 
leiht, oder  einer,  der  Schweine  züchtet.  —  Die  Antwort  nebst  Parallelen  s.  bei  Lk  15,  15. 
ffdyos.  Targ  Ri  14,  14:  Vom  Esser  s"^?s?.  kam  Essen.  i|  pMaEaä  3,  50'',  41  wird  von 
R.  Elcazar  b.  Schim'on  (um  180)  gesagt,  er  sei  ein  starker  Esser  i"^?s  gewesen. 

11,19  23:  Die  Weisheit  ist  gerechtfertigt  worden. 

sdixaio)^»].  p':i:i^  p"'":^^,  Gottes  Tun  als  gerecht  u.  richtig  anerkennen. 

SLv  10,  3  (188-'»):  (Nach  dem  Tode  des  Nadab  u.  Abihu)  ging  Mose  zu  Ahron,  um 
ihn  zu  trösten.  Er  sprach  zu  ihm:  Mein  Bruder  Ahron,  vom  Sinai  wurde  zu  mir  ge- 
sagt: „Ich  werde  dieses  Haus  heiligen;  durch  einen  großen  Mann  werde  ich  es 
heiligen."  Ich  dachte,  entweder  durch  mich  oder  durch  dich  würde  das  Haus  ge- 
heiligt werden.  Jetzt  sind  deine  Söhne  als  solche  erfunden  worden,  die  größer  sind, 
als  ich  u.  du;  denn  durch  sie  ist  das  Haus  geheiligt  worden.    Als  Ahron  solches  ge- 


Matth  11,  21  (9t.  »).  11,22.23(31)  605 

hört  hatte,  erkannte  er  das  göttliche  Gericht  als  gerecht  an  '--r;  rs  prr:;  u.  schwieg, 
8.  Lv  10,3:  „Und  Ahron  schwieg."  So  pflegen  die  Gerechten  die  göttliche  Entscheidung 
(■)—!,  Urteil,  Gericht)  als  gerecht  anzuerkennen  (cp—is^s).  Abraham  erkannte  das  Urteil 
als  gerecht  an  (--'4),  s.:  , Obwohl  ich  Staub  u.  Asche  bin"  Gn  18,27.  Jakob  erkannte  die 
Entscheidung  als  richtig  an,  s.:  ,Ich  bin  zu  klein  für  all  die  Gnadenerweisnngen  u.  all  die 
Treue,  die  du  an  deinem  Knecht  getan  hast"  Gn  82, 11.  David  erkannte  das  Gericht  als 
gerecht  an,  s.:  „Es  stinken,  eitern  meine  Wunden  infolge  meiner  Torheit"  Ps  38,  6. 

11,2121:  Wehe  dir  Chorazin,  wehe  dir  Bethsaida! 

Xoga^eiv,  heut  Chirbet  Keräze,  nördlich  von  Teil  Chum,  vielleicht 
identisch  mit  dem  M^'n  85"^  erwähnten  c^^n-:  Rabbi  Jose  (um  150)  hat 
gesagt:  Auch  vom  Weizen  aus  'd  u.  K'^phar-Achim  würde  man  (für 
Tempelzwecke)  genommen  haben,  wenn  sie  näher  bei  Jerusalem  ge- 
legen hätten.  —  TM«n  9,  2  (525)  c^-n^n  statt  '=. 

Brid^aaidcc  xn-^ij  ir^s  =  Stätte  des  Fischfangs  (Fischhausen)  am  Ost- 
ufer des  Jordans  oberhalb  seiner  Einmündung  in  den  See  Genezareth. 
Hier  gründete  der  Tetrarch  Philippus  eine  Stadt,  der  erzu  Ehren  der 
Julia,  der  Tochter  des  Augustus,  den  Namen  lovhdg  gab,  Mk  8,  22  ff. 
u.  Lk9, 10.  Ob  Mt  11,  21;  Mk  6,  45  (vgl.  Vers  53);  LklO,  13:  Johl,44: 
12,  21  ein  andrer  Ort  desselben  Namens  gemeint  ist,  ist  streitig.  Vgl. 
Schürer  4  2,  208  f. 

In  pM**g  1,  70-',  52  wird  ein  Ort  namens  riv^Ti'-i  oder  5<r-i-i:|  erwähnt 
u.  mit  npDn  Jos  19,  33  identifiziert  (auch  die  LXX  [x«<  Naßox]  haben 
apjn  als  besonderen  Ort  gefaßt).  Vielleicht  ist  mit  diesem  nrii-^s  das 
galiläische  B.  gemeint. 

11,21  33:  In  Sack  u.  Asche  hätten  sie  Buße  getan. 
Über  diese  Sitte  u.  ihre  Bedeutung  s.  Exkurs :  Vom  Fasten  Nr,  3.  — 
Vgl,  noch  cnnax  lon  (Jalqut  R'^ubeni  zu  Gn  33, 1  fol,  55*1):  Was  das  An- 
legen des  Sackes  betrifft,  so  wisse,  wenn  man  den  Sack  anlegt,  um 
vor  Gott  zu  beten,  u,  wenn  man  sein  Anliegen  von  ihm  erbeten  hat, 
so  zerreißt  man  (^=  Gott)  alle  bösen  Verhängnisse,  die  es  in  der  Welt 
gibt,  u,  macht  sie  zunichte;  u,  das  ist  das  Köstliche  des  Sackanlegens, 
daß  das  Gebet  des  Menschen  nicht  leer  zurückkommt. 

11,22:  Am  Gerichtstag. 
€v  rjfisQo.  xQiaswc.  —  ■ji'nri  ci-",  xri  m'i  „Tag  des  (göttlichen)  Gerichts", 
auch  s<2^  x;iT  ni"'  „Tag  des  großen  Gerichts";  Beispiele  s.  Exk.  „Sch^ol" 
usw.  II,  10,  a.  b. 

ll,23  2l:UndduKapernaum,bistdu  nicht  bis  zum  Himmel  er  höht 
worden?  Bis  in  die  Unterwelt  wirst  du  hinabgestoßen  werden, 
fir]  sioq  ovqavoi)   vipco^Tjai]:   ewc   aSov  xaTaßißaad^i]aij.    Vgl.  Jes  14, 
13^15;  Am  9,  2;  Ob  4;  Hab  2,  9;  Ps  139,  8. 

Chag  13 '^  Bar:  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  hat  gesagt:  Welche  Antwort 
hat  die  Himmelsstimme  jenem  Frevler  (Nebukadne^ar)  in  der  Stunde  gegeben,  da  er 
sprach  Jes  14,  14:  „Ich  will  auf  Wolkenhöhen  steigen,  will  dem  Allerhöchsten  mich 
gleichstellen"?   Eine  H.  ging  aus,  die  zu  ihm  sprach:  Du  Frevler,  Sohn  eines  Frevlers, 


606  Matth  1 1 ,  2ö  (51.  35).  11,  25  (%.  »  1) 

-wieviel  sind  der  Jahre  des  Menschen?  70  Jahre!  Ist  nicht  von  der  Erde  bis  zum 
Firmament  ein  Weg  von  500  Jahren?  Und  die  Dicke  des  Firmaments  ist  ein  Weg  von 
500  Jahren  u.  ebenso  der  Zwischenraum  von  einem  Firmament  bis  zum  andren  (deren 
es  7  gibt):  u.  die  Füße  der  heiligen  Tiere  haben  eine  Ausdehnung  wie  diese  alle  zumal, 
u.  ebenso  die  Knöchel  u.  die  Unterschenkel  u.  die  Oberschenkel  u.  die  Hüften  u.  die 
Leiber  u.  die  Hälse  u.  die  Häupter  u.  die  Hörner  der  heiligen  Tiere,  u.  über  ihnen  ist 
der  Thron  der  Herrlichkeit,  u.  seine  Füße  haben  eine  Ausdehnung  wie  diese  allzumal . . ., 
u.  du  sagst:  Ich  will  auf  Wolkenhöhen  steigen?  Fürwahr  in  die  Sch^ol  wirst  du  hinab- 
gestürzt. —  Einen  Weheruf  des  Rabban  Jochanan  b.  Z.  über  Galiläa  s.  oben  S.  157;'  (pSchab 
1({,  LS«*,  50).  II  P^siq  150'':  R.  Schemuöl  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  (Das  Auf-  u. 
Niedersteigen  der  Engel  an  der  Leiter  in  Jakobs  Traum)  zeigt,  daß  Gott  unsern  Vater  Jakob 
die  Engelfürsten  der  Völker  sehen  ließ.  .  .  .  Als  der  Engelfürst  Edoms  (=  Roms)  immer 
höher  u.  höher  stieg,  da  fürchtete  sich  unser  Vater  Jakob  u.  sprach:  Vielleicht  gibt  es 
für  den  kein  Niedersteigeu !  Da  sprach  Gott  zu  ihm :  Fürchte  dich  nicht,  Israel  (Jer  30, 10), 
auch  wenn  du  ihn  bei  mir  würdest  sitzen  sehen,  so  stürze  ich  ihn  (doch)  von  dort  hinab 
i-i^-.iTi  -:s,  s.  Obadja  4.  ||  pN'^d  3,  38'',  60:  R.  Huna  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Acha 
(um  320;  so  ist  zu  lesen)  gesagt:  Dereinst  wird  sich  Esau,  der  Frevler  (hier  das  christ- 
liche Rom  gemeint),  in  seinen  Gebetsmantel  hüllen  u.  zu  den  Gerechten  im  Gan  ?Eden 
setzen  in  der  zukünftigen  Zeit.  Aber  Gott  wird  ihn  von  dort  wegziehen  u.  hinausschaffen, 
s.  Obadja  4.  Vgl.  Tanch  i::  139'\ 

fc'öjc  äöov.  —  adrjc  nicht  =  nsn^j  „Hölle",  sondern  =  ^xd  „Unterwelt"; 
s.  Exkurs:  „SclT^ol"  usw.  1, 1  Ende;  I,  3  Anm.  5. 

11,  23  SB:  Wenn  in  Sodom  die  Machttaten  geschehen  wären, 
die  in  dir  geschehen  sind. 

H  €v  2o66iiioig  iYsvtj^rjaav.  Formell  vergleichbar  ist: 
GnR  28  (17''):  R.  B'^rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Im  Stamme  Juda  u.  Benjamin  ist 
geschehen,  was  nicht  bei  den  Sodomitern  geschehen  ist.  Bei  den  S.  steht  geschrieben: 
.Ihre  Sünde  ist  wahrlich  .sehr  schwer  geworden"  Gnl8,  20.  Und  vom  Stamm  Juda 
steht  geschrieben:  ,Die  Schuld  des  Hauses  Israel  u.  Juda  ist  sehr  sehr  groß"  Ez  9,  9. 
Und  von  jenen  ist  kein  Rest  übriggeblieben,  aber  von  diesen  ist  ein  Rest  übriggeblieben. 
Jenes  (Sodom),  ,das  in  Einem  Augenblick  umgekehrt  wurde"  (KL  4,  6),  streckte  seine 
Hände  nicht  zu  Almosen  aus,  „es  bewegten  sich  keine  Hände  darin"  (KL 4, 6);  aber 
diese  (die  Israeliten)  streckten  ihre  Hände  zu  Almosen  aus  (deshalb  blieb  ein  Rest 
von  ihnen  übrig).  —  Ähnliches  vor  u.  hinter  dieser  Stelle. 

Über  d.Sodomiteru.  ihr  Erscheinen  zum  jüngsten  Gerichts,  bei  Mt  10, 15, 

11,25  31:  In  jener  Zeit  antwortete  Jesus  u.  sprach. 
ccTcoxQi^elg  .  .  .  sine  f.  —  Zu  dieser  Ausdrucksweise  vgl.  Midr  Qoh  7,  2 
(32''):  Im  Namen  des  R.  Meir  (um  150)  ist  gelehrt  worden:  Überall,  wo 
es  (im  AT)  heißt:  Er  antwortete  u.  sprach  so  u.  so  (wie  zB  Hi  4, 1), 
siehe,  da  hat  der  Betreffende  im  heiligen  Geist  (kraft  prophetischer 
Inspiration)  geredet.  —  Die  hinter  „siehe"  noch  stehenden  Worte:  „in 
der  heiligen  Sprache"  sind  aus  einem  ähnlichen  hermeneutischen  Grund- 
satz (s.  SNu  6,  23  §  39)  irrtümlich  eingedrungen. 

11,25  93:  Ich  preise  dich,  Herr  Himmels  u.  der  Erde, 
daß  du  dieses  .  .  .  den  Einfältigen  offenbart  hast. 

1.   s^ofioloyui'inai  aoi. 

Kalla  I8l>:  (Als  R.  f  Aqiba,  t  um  135,  in  einem  bestimmten  Fall  den  Beweis  für 
seine  Behauptung  erbracht  hatte,  daß  ein  Kind  von  frechem  Aussehen  ein  illegitimes 


Matth  11,  25  (SB  2.  8).  11,  26.  28  607 

u.  zur  Zeit  des  Menstruums  empfangenes  Kind  sei)  sprachen  R.  Elifezeru.  R.  J'^hoschuaf 
(beide  um  90):  Gepriesen  sei  Jahve,  der  Gott  Israels,  der  sein  Geheimnis  dem  R.  f  Aqiba 
(ihrem  Schüler)  geoifenbart  hat! 

2.  xvQis  cov  ovQavov  xal  rijg  y/^g  =  abi:?  ?ia  •1:12-  „Herr  der  Welt", 
eine  sehr  häufige  Anrede  an  Gott.  Beispiele  s.  bei  Lk  10,21  u.  Hebr  1,2. 

3.  xal  ansxäXvipac,   aincl  VTqnioic. 

BB  12i>:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heiligtum  zerstört 
wurde,  ist  die  Prophetie  den  Propheten  genommen  u.  den  Narren  u.  den  Kindern  ge- 
geben worden.  —  Daselbst  folgendes  Beispiel  einer  Prophetie  aus  Kindermund:  Das 
Töchterchen  des  Rab  Chisda  (f  309)  saß  auf  den  Füßen  ihres  Vaters;  es  saßen  aber 
vor  ihm  (als  seine  Schüler)  Raba  (f  352)  u.  Rammi  b.Chama  (der  etwas  älter  als  Raba 
war).  Rab  Chisda  sprach  zu  seinem  Töchterchen  (scherzend):  Wen  von  diesen  beiden 
willst  du  (als  Mann)  haben?  Sie  antwortete:  Sie  beide!  Da  sprach  Raba:  Und  ich 
will  der  letzte  sein.  (Dem  entsprach  die  spätere  Lebensgeschichte  des  Kindes:  als 
Witwe  des  Rammi  b.  Chama  wurde  sie  die  Gemahlin  Rabas,  der  sie  überlebt  hat; 
s.  Bt'rakh56-'-  oben  S.  60  f. 

11,26:  Weil  es  so  wohlgefällig  vor  dir  war. 

-j'jsV«  ■(■i:^'^  Ti"  sehr  häufig  in  Gebeten:  ,es  sei  wohlgefällig  vor  dir"  =  es  sei  dein 
Wille;  s.  zB  R^rakh  19'i  oben  S.455/.  j|  pB^rakh  4,  7'",  28:  Was  pflegte  R.  N<'chonja  b.  Ha- 
qana  (um  70)  bei  seinem  Eintritt  ins  Lehrhaus  zu  sprechen?  Es  sei  wohlgefällig  vor 
dir,  Jahve,  mein  Gott  u.  Gott  meiner  Väter,  daß  ich  nicht  aufbrause  gegen  meine  Ge- 
nossen, u.  meine  Genossen  niclit  gegen  mich  aufbrausen;  daß  wir  das  Reine  nicht  für 
unrein  u.  das  Unreine  nicht  für  rein  erklären;  daß  wir  das  Erlaubte  nicht  verbieten  u. 
das  Verbotene  nicht  erlauben,  u.  ich  so  beschämt  erfunden  würde  in  dieser  u.  in  der 
zukünftigen  Welt.  —  Parallelstelle:  B"rakh  28 1>.  —  Seltener  ist  das  bloße  ■ji::-'  ■'n-  ohne 
-j-:e^»3,  zB  B'^rakh  28 b;  (Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  sprach  zu  seinen  Schülern:)  Es  sei 
wohlgefällig,  daß  die  Furcht  Gottes  auf  eucli  sei,  wie  die  Furcht  vor  Fleisch  u.  Blut.  — 
Die  ungekürzte  Stelle  s.  S.  581 «. 

11,28:  Her  zu  mir  alle,  die  ihr  mühselig  u.  beladen  seid, 
u.  ich  will  euch  erquicken  (beruhigen). 

uvanavam  vfiuq.  —  Das  besänftigende,  erquickende  Moment  in  der 
Wirksamkeit  des  Messias  wird  im  Rabbin.  nur  selten  berührt. 

Henoch  48,4:  Er  (der  Menschensohn-Messias)  wird  ein  Stab  für  die  Gerechten  u. 
Heiligen  sein,  damit  sie  sich  auf  ihn  stützen  u.  nicht  fallen;  er  wird  das  Licht  der 
Völker  u.  die  Hotfnung  derer  sein,  die  in  ihrem  Herzen  betrübt  sind.  ||  P'siqR  37  (163''): 
(Der  Messias)  wird  zu  ihnen  sagen:  Ihr  Väter  der  Welt,  alles,  was  ich  getan  habe,  habe 
ich  nur  euretwegen  u.  eurer  Kinder  wegen,  zu  eurer  Ehre  u.  zur  Ehre  eurer  Kinder 
getan,  damit  sie  von  diesem  Guten  genießen,  das  Gott  Israel  reichlich  gespendet  hat. 
Dann  werden  ihm  die  Väter  der  Welt  antworten:  Ephraim,  unser  gerechter  Messias, 
möge  dein  Sinn  Beruhigung  finden,  denn  du  hast  den  Sinn  deines  Schöpfers  u.  unsern 
Sinn  beruhigt  -.itv-.'.  -:ip  r;;-  r-^ri-n  rpy,-  -ijn.  ]|  P^siq  149'"*:  Die  Israeliten  werden 
sich  des  Lichtes  des  Messias  erfreuen  u.  sagen:  Heil  der  Stunde,  da  der  Messias  er- 
schaifen  (=  geboren)  wurde;  Heil  dem  Leibe,  aus  dem  er  hervorging;  Heil  dem  Ge- 
schlechte, das  ihn  sah;  Heil  dem  Auge,  das  gewürdigt  wurde,  ihn  zu  schauen!  Denn 
das  Öffnen  seiner  Lippen  ist  Segen  u.  Friede  u.  sein  Reden  Erquickung  des  Geistes 
rm  rr::;  Majestät  u.  Hoheit  ist  in  seinem  Gewand  (andre  Lesart:  in  seinem  Herzen) 
n.  Sicherheit  u.  Ruhe  in  seinem  Wort,  u.  seine  Zunge  ist  Vergebung  u.  Verzeihung, 
n.  sein  Gebet  ein  wohlgefälliger  (Opfei--)Duft,  u.  sein  Flehen  Heiligkeit  u.  Reinheit. 
Heil  den  Israeliten  wegen  des,  was  ihnen  verwahrt  ist!  s.  Ps  31, 20.  —  Dasselbe 
P'^siqR  37  (164'»). 


608  Matthll,29(3l) 

11,29  5t:  Nehmet  auf  euch  mein  Joch. 
agart  tot  'Qvyöv  fiov  —  i^si  ^hz'p_.  —  bir  „Joch,  Last*"  findet  sich  in  übertra- 
genem Sinn  =  „Obhegenheit,  Verpflichtung"  in  folgenden  Verbindungen. 

a.  =-"2^  n3b:2  bir  ,Joch  des  Himmelreichs".  Mit  der  Übernahme  des 
Jochs  des  H.  ist  die  Anerkennung  Gottes  als  des  Königs  u.  Herrn  von 
Israel  gemeint,  oft  auch  das  Bekenntnis  zu  ihm,  als  dem  Einen  u. 
wahren  Gott:  u.  da  dieses  Bekenntnis  täglich  zweimal  bei  der  Rezitation 
des  Sch'^'ma?  abgelegt  wird,  bedeutet  die  Wendung:  „das  Joch  des  H. 
auf  sich  nehmen"  nicht  selten  soviel  wie:  „das  Sch<^ma?  rezitieren".  — 
Beispiele  s.  bei  c,  im  Exk.  über  das  Sch'^maf  u.  bei  Mt  4, 17  S.  176  f .  Anm.  l—n. 
Hier  noch  zwei  Stellen,  die  zeigen,  daß  man  statt  'r  '^  V.v  h-yp  ohne 
Änderung  des  Sinnes  auch  einfach  sagen  konnte  =i^ir  ni^b^  ^ap. 

B'^rakh  10'>:  R.  Ji^cliaq  (um  ;300)  hat  gesagt,  R.  Joclianan  (f  279)  habe  gesagt, 
R.Jose  b.  Chanina  ^  (um  270)  habe  im  Namen  des  R.  Elifezer  b.  Ja?aqob  (IL,  um  150) 
gesagt:  Was  heißt:  ,Ihr  sollt  nicht  essen  um  des  Blutes  willen"  Lv  19,26?  (so  der 
Midr).  Ihr  sollt  nicht  essen,  bevor  ihr  gebetet,  um  eures  Blutes  (Lebens)  willen.  R.  JiQchaq 
hat  gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt,  R.  Jose  b.  Chanina  ^  habe  im  Namen  des  R.  Elifezer 
b.  Jafaqob  gesagt:  Wer  ifst  u.  trinkt  u.  (erst)  hinterher  betet,  von  dem  sagt  die  Schrift 
1  Kg  14,  9:  „Du  hast  mich  hinter  deinen  Rücken  geworfen."  Lies  nicht:  Du  hast  mich 
hinter  deinen  „Rücken"  -",i  geworfen,  sondern:  Du  hast  mich  deinem  Stolzen,  -"^sj 
(deinem  Vollbauch),  nachgesetzt.  Gott  sagt:  Nachdem  sich  dieser  stolz  gebärdet  (indem 
er  ohne  Gebet  aß),  nimmt  er  (hinterher)  das  Himmelreich  (die  Gottesherrschaft)  auf 
sich  ="wtc  ri^Va  vVy  '53p.  |!  Seder  Elij  R  16  (82):  (Ein  Schüler)  sprach  zu  mir  (Elias): 
Rabbi,  worin  unterscheidet  sich  Jesaja,  der  Sohn  des  AmoQ,  von  allen  (übrigen)  Pro- 
pheten, die  alles  Gute  u.  alle  Tröstungen  den  Israeliten  geweissagt  haben?  Ich  ant- 
wortete ihm:  Mein  Sohn,  darin,  daß  er  die  Gotteshenschaft  (Himmelreich)  mit  Freude 
auf  sich  genommen  hat,  s.  Jes  6,  8 — 10. 

b.  mm  hvj  „Joch  der  Tora",- 

Abotli  3,  5:  R.  N'^'chonja  b.  Ha-qana  (um  70)  sagte:  Wer  das  Joch  der  Tora  auf  sich 
nimmt,  dem  nimmt  man  (Gott)  ab  das  Joch  der  Regierung^  u.  das  Joch  der  irdischen 
Sorgen  v.n  t";::  Vi'  (Joch  der  irdischen  Beschäftigung);  wer  aber  das  Joch  der  Tora 
von  sich  wirft  "~"s~,  dem  legt  man  das  Joch  der  Regierung  u.  das  Joch  der  irdischen 
Sorgen  auf.  ||  Sanli  94'^:  Was  heißt:  In  der  ersten  Zeit  hat  man  es  sich  leicht  gemacht 
im  Lande  Zebuion  u.  im  Lande  Naphtali,  aber  der  Spätere  hat  es  sich  schwer  ge- 
macht? (so  der  Midr  Jes  8,  23).  Nicht  wie  die  Früheren  (d.  h.  das  Reich  Israel),  die  sich 
das  Joch  der  Tora  leicht  machten;  aber  die  Späteren  (d.h.  das  Zeitalter  des  Hiskia) 
machten  sich  das  Joch  der  Tora  schwer.  ||  Tanch  rri^an  rsn  32^:  Mose  sprach  vor 
Gott:  Herr  der  Welt,  zwei  Joche  hast  du  auf  deine  Kinder  gelegt,  das  Joch  der  Tora 
u.  das  Joch  der  Knechtschaft  unter  den  Weltreichen.  Gott  antwortete:  Alle  seine 
Heiligen  sind  in  deiner  Hand  Dt  33,  3.  Wer  sich  mit  der  Tora  beschäftigt,  der  bleibt 
vor  der  Knechtschaft  der  Weltreiche  bewahrt. 

c.  r^^^l12  bir   „Joch  der  Gebote".'^ 

B^'rakh  2,2:  R.  J%oschua?  b.  Qarcha  (um  150)  hat  gesagt:  AVarum  geht  im  Sch<^maf 

^  Der  Name  ,R.  Jose  b.  Chanina"  an  dieser  Stelle  der  Traditionskette  hat  etwas 
Auffallendes;  nach  Bacher,  Pal.  Amor.  1,421,  ist  der  Text  verderbt. 

^  „Joch  der  Tora"  nicht  ohne  weiteres  identisch  mit  „Joch  der  Gebote":  jenes 
bedeutet  in  erster  Linie  die  Verpflichtung  zum  Torastudium,  dieses  die  Verpflichtung 
zur  praktischen  Betätigung  der  einzelnen  Vorschriften  des  Gesetzes. 

'  ^   Man  hat  dabei  an  die  heidnische  Weltmacht  zu  denken,  die  Steuern  u.  Fron- 
dienste auferlegt. 


Matthll,29(2l)  609 

der  Abschnitt  Dt  6,4—9:  „Höre,  Israel"  usw.  dem  Abschnitt  Dtll,  13—21:  „Wenn 
ihr  ernstlich  auf  meine  Gebote  hören  werdet"  usw.  vorauf?  Damit  man  zuerst  das 
Joch  der  Gottesherrschaft  (des  Himmelreichs)  auf  sich  nehme  u.  hinterher  das  Joch 
der  Gebote  (erst  das  Bekenntnis  zu  dem  Einen  Gott,  dann  die  Willenserklärung,  seine 
Gebote  zu  halten).  —  Auch  ,Joch  des  u.  des  Gebotes"  kann  gesagt  werden,  s.  V-y 
r^;-;  „Joch  des  Wucher-  oder  Zinsverbotes"  in  dem  Zitat  SLv  25,  38  unter  e.  —  Die 
Targumim  setzen  für  msa  ''i^y  das  gleichbedeutende  Nj-ips  i^?.  So  Targ  HL  1, 10;  Wie 
schön  ist  ihr  (der  Israeliten)  Nacken,  das  Joch  meiner  Gebote  zu  tragen;  u.  es  wird 
auf  ihnen  liegen,  wie  das  Joch  auf  dem  Nacken  des  Ochsen,  wenn  dieser  auf  dem 
Felde  pflügt  u.  so  für  sich  selbst  u.  für  seinen  Herrn  den  Unterhalt  beschafft.  —  Targ 
Ruths,  11:  Und  nun,  meine  Tochter,  fürchte  dich  nicht!  Alles  was  du  sagst,  will  ich 
dir  tun;  denn  bekannt  ist  es  vor  allen,  die  an  der  Stätte  (wörtlich:  im  Tor)  des  großen 
Synedriums  meines  Volkes  sitzen,  daß  du  ein  rechtschaffenes  Weib  bist,  u.  daß  die  Kraft 
in  dir  ist,  das  Joch  der  Gebote  Jahves  zu  tragen.  —  Targ  KL  3,  27:  Gut  ist  es  für  den 
Mann,  daß  er  sich  gewöhne,  das  Joch  der  Gebote  in  seiner  Jugend  zu  tragen. 

d.  naian  b^  nbiy  (nsw)   „Joch  der  Buße". 

fAZ  5'"':  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  R.  Jonathan  (um  220)  habe 
gesagt:  Was  heißt  2  Sm  23, 1:  „Ausspruch  Davids,  des  Sohnes  Isais,  u.  Ausspruch  des 
Mannes,  der  hoch  (hy)  erhoben  ward"?  Ausspruch  Davids,  des  Sohnes  Isais,  der  das 
Joch  {hy  —  hv)  der  Buße  aufgerichtet  hat.  —  Dasselbe  MQ  16''. 

e.  Nin  "ii"!::  ••:i^-lpil  bir  bis  „Joch  des  Heiligen,  gepriesen  sei  er!"  u. 
damit  gleichbedeutend  n-^a^'  bir  „Joch  des  Himmels"  =  „Joch  Gottes", 

ExR  30  (89''):  Weil  die  zehn  Stämme  das  Joch  des  Heiligen,  gepriesen  sei  er!  nicht 
auf  sich  nehmen  wollten,  kam  Sanherib  über  sie  u.  führte  sie  fort  ins  Exil.  ||  SLv  25,  38 
(442  a):  Dein  Geld  sollst  du  ihm  nicht  auf  Zins  geben.  .  .  .  Ich  bin  Jahve  euer  Gott 
Lv  25,  37  f.  Auf  Grund  dieser  Stelle  hat  man  gesagt:  Wer  das  Joch  des  Zinsverbotes 
auf  sich  nimmt,  nimmt  das  Joch  des  Himmels  (Gottes)  auf  sich ;  u.  wer  das  Joch  des 
Zinsverbotes  von  sich  wirft  (p-ittr.),  wirft  das  Joch  des  H.  von  sich  p-nE.  |!  Sota47'': 
Als  die  sich  mehrten,  die  die  Person  im  Gericht  ansahen,  nahm:  „Ihr  sollt  euch  vor 
niemand  fürchten"  Dt  1,  17  ein  Ende.  .  .  .  Man  warf  das  Joch  des  Himmels  von  sich, 
u.  man  (Gott)  legte  auf  sie  das  Joch  von  Fleisch  u.  Blut. 

f.  ml  -lan  bis-  „Joch  von  Fleisch  u.  Blut"  =  menschliches  Joch. 
AbothRN  20  Anf. :  R.  Chananja,  der  Vorsteher  der  Priester  (um  70),  hat  gesagt: 

Wer  die  Worte  der  Tora  zu  Herzen  nimmt,  von  dem  weichen  die  (sorgenvollen)  Ge- 
danken an  das  Schwert,  die  (sorgenvollen)  G.  an  den  Hunger,  die  G.  der  Torheit,  die 
G.  an  Unzucht,  die  G.  der  Leidenschaft  (des  bösen  Triebes),  die  G.  an  einen  gottlosen 
Mann,^  die  G.  an  Eiteles,  die  (sorgenvollen)  G.  an  das  Joch  von  Fleisch  u.  Blut;  denn 
so  steht  im  Psalmbuch  von  David,  dem  König  Israels,  geschrieben:  „Die  Befehle  Jahves 
sind  rechtschaffen,  erfreuend  das  Herz;  das  Gebot  Jahves  ist  rein,  erleuchtend  die 
Augen"  Ps  19, 9.  Wer  aber  die  Worte  der  Tora  nicht  zu  Herzen  nimmt,  dem  gibt  man 
die  (sorgenvollen)  Gedanken  an  das  Schwert,  die  (sorgenvollen)  G.  an  den  Hunger,  die 
G.  der  Torheit,  die  G.  an  Unzucht,  die  G.  der  Leidenschaft,  die  G.  an  ein  gottloses 
Weib,  die  G.  an  Eiteles,  die  (sorgenvollen)  G.  an  das  Joch  von  Fleisch  u.  Blut.  Denn 
so  steht  im  Deuteronomium  {7:-)ir<  n}v^)  von  unsrem  Lehrer  Mose  geschrieben:  „Sie 
(die  Flüclie  u.  Strafgerichte)  werden  an  dir  zu  einem  Zeichen  u.  Wunder  sein  u.  an 
deinem  Samen  auf  ewig.  Dafür  daß  du  nicht  vor  Überfluß  an  allem  mit  Freude  u. 
Herzenslust  Jahve  deinem  Gotte  dientest,  wirst  du  deinem  Feinde  dienen,  den  Jahve 
wider  dich  entsenden  wird,  in  Hunger  u.  Durst  u.  Blöße  u.  Mangel  an  allem,  u.  er  wird 
deinem  Halse  ein  eisernes  Joch  auflegen,  bis  er  dich  vernichtet  hat'  Dt  28, 46 — 48.  — 
Ferner  8.  Sota  47  *>  (oben  bei  e). 

^  Die  Worte  y-  -^j-s  -^ir--  scheinen  nach  Analogie  des  parallelen  ny-  ncs  'r  im 
zweiten  Satz  auf  Päderastie  zu  zielen. 

Stvack  u.  Billerbeck,  NT  I.  39 


610  Matth  11.  29  {%.  SB).  11,  30.  12,  1  (Nr.  1) 

g.  nabo  biy  „Joch  der  (irdischen)  Regierung" ,  s.  Aboth  3, 5  oben  S.  608. 

h.  y-ix  111  bis  „Joch  der  weltlichen  Beschäftigung,  der  irdischen 
Sorgen",  s.  ebendaselbst. 

i.  bir  absolut  im  Sinn  von  „Joch  Gottes"  oder  von  „Joch  des  Himmel- 
reichs". 

zB  Sch^'bu  IS''  Bar:  Rabbi  öagte:  Für  alle  Übertretungen,  die  in  der  Tora  erwähnt 
werden,  schafft  der  Versöhnungstag  Sühnung,  gleichviel  ob  man  Buße  tut  oder  nicht; 
ausgenommen  ist  derjenige,  der  das  Joch  von  sich  wirft  (der  Gott  verleugnet,  Raschi), 
der  Deutungen  der  Tora  kundgibt  (die  der  Halakha  nicht  entsprechen,  so  nach  einigen 
Textzeugen  zu  Aboth  3, 11 ;  dann  allgemeiner:  der  mit  frechem  Sinn  sich  an  die  Worte 
der  Tora  macht,  Raschi)  u.  der  den  Bund  am  Fleisch  (d.  h.  den  Beschneidungsbund) 
bricht  (durch  den  inianceafiog;  so  nach  pPea  1,  \6^,  33).  Tut  ein  solcher  Buße,  so  schafft 
der  Versöhnungstag  für  ihn  Sühnung;  wenn  aber  nicht,  so  schafft  der  Versöhnungstag 
für  ihn  nicht  Sühnung.  Was  ist  der  Schriftgrund  Rabbis?  Was  in  einer  Bar  gelehrt 
wird:  , Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet"  Nu  15,  31,  das  ist  der,  welcher  das  Joch 
abwirft  u.  halakhawidrige  Deutungen  in  der  Tora  kundgibt;  „u.  sein  Gebot  hat  er  ge- 
brochen", das  ist  der,  welcher  den  Bund  am  Fleisch  bricht;  „ausgerottet,  ja  ausgerottet 
soll  diese  Seele  werden",  „ausgerottet",  nämlich  vor  dem  Versöhnungstag;  „ja  aus- 
gerottet", nämlich  nach  dem  Versöhnungstag.  Etwa  auch,  wenn  er  Buße  getan  hat? 
Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Ihre  Sünde  ist  an  ihr",  da  kann  ich  nur  sagen,  wenn  ihre 
Sünde  an  ihr  ist  (also  wenn  der  Betreffende  nicht  Buße  getan  hat).  —  Dasselbe  ohne 
den  Schriftbeweis  Joma  85^.  —  In  gleichem  Sinn  steht  h^y  absolut  pPea  1, 161»,  23.  32. 

11,29  93:  Ihr  werdet  Erquickung  (Ruhe)  finden  für  eure  Seelen. 
€VQrj(J€T€  aruTiavoiv  raig   ipvx<^ig  v/ncov. 

Rabbinische  Wendungen:  'i-'hy  rrs:  rar.  Midr  HL  2, 2  (95^):  Gott  sah  eine  Rosen- 
lilie, nämlich  die  Israeliten,  u.  er  nahm  sie  u.  roch  äaran,  als  die  Israeliten  die  10  Ge- 
bote ordneten;  u.  es  beruhigte  sich  seine  Seele  i'hy  vct:  rzx',  als  die  Israeliten  sprachen: 
Wir  wollen  tun  u,  gehorchen  (Ex  24,  7).  —  Dasselbe  LvR  23(121 '').  I|  "inyn  nr:;  =  „je- 
mandes Sinn  beruhigt  sich".  Schab  152^:  Möge  dein  Sinn  sich  beruhigen,  denn  du  hast 
meinen  Sinn  beruhigt  T>-T  ns  rnana  Tryn  nijp.  Ferner  s.  P'^'siqR37  (IßS'**)  bei  Mt  11, 28.  |i 
'h  m-i  r-i  nvy  r=  „jemandem  Beruhigung  des  Geistes  verschaffen".  Chag  161»:  R.Jose 
(um  150)  hat  gesagt:  Abba  El?azar  (?)  hat  mir  erzählt:  Einmal  hatten  wir  ein  Kalb 
von  den  Friedmahlsopfern,  u.  wir  schafften  es  in  den  Vorhof  der  Frauen,  u.  die  Frauen 
stemmten  ihre  Hände  darauf;  nicht  daß  die  Handauflegung  bei  den  Frauen  üblich  ge- 
wesen wäre,  sondern  um  den  Frauen  Beruhigung  zu  verschaffen  a-r;-?  mn  rn;  r-rj-'i. 

11,  30:  Meine  Last  ist  leicht. 
Wie  umgekehrt  Qorach  einmal  agitatorisch  die  drückende  Schwere 
des  Gesetzes  seinen  Zeitgenossen  klargemacht  hat,  s.  bei  Apg  15, 10. 

12,1:  In  jener  Zeit  wanderte  Jesus  am  Sabbat  durch  die 

Saatfelder;  seine  Jünger  aber  hungerte,  u.  sie  fingen  an 

Ähren  auszuraufen  u.  zu  essen. 

1.  ToTc  aäßßaaiv.  —  r-zt,  pl.  Mnar,  aram.  xns:;,  pl.  "'rac.  Hebr.  rrr 

wurde  gräzisiert  zu  occßßaxov,^  das  aram.  xnaa;  zu  aäßßaza.  Td  aäßßaxa 

ist  erstens:    „der  Sabbat ",b  zweitens:   „die  Sabbate ",c  drittens  (was 

hier  außer  Betracht  bleibt):   „die  Woche".   Welche  Bedeutung  in  den 

einzelnen  Fällen  zutrifft,  ergibt  auch  der  Zus.hang  nicht  immer  sicher, 

s.  zB  Mt  12, 5. 10.  Der  Dativ  von  r«  aäßßaxa  heißt  sowohl  %oig  aixßßaai,^ 

als  auch  roTg  aaßßäxoig.e 


.  Matth  12,  1  (Nr.  1.  2)  611 

a.  Mtr2,2.5.8;  24,20;  Mk2.27;  6,2;  16,1;  Lk  6, 1.6.7;  Joh  5,9. 10. 16. 18  u.  ö. 
Josephus  Ant.  3, 10, 7:  Die  Schaubrote  werden  gebacken  am  Freitag  rt]  tiqo  xov  anßßdiov, 
am  Sabbat  früh  rw  accßßaiM  nowt  werden  sie  gebracht  u.  auf  den  heiligen  Tisch  ge- 
legt. .  .  .  Dort  bleiben  sie  bis  zum  nächsten  S.  t'wf  xov  stsqov  aaßßniov.  —  c.  Apion  2,  2 
fünfmal,  darunter  die  Wortdeutung:  xo  fiev  ydo  aüßßcaov  xatd  tj;V  ^lovdalav  (fidXexxou 
(Ivdiinvalg  ioiiy  uno  Tiavxog  eqyov.  —  Bell.  J.  2,  17, 10  Ende;  Vita  32. 

b.  Mt  28, 1  oxps  ar<ßß(<xoi)y  =  nach  Ausgang  des  S.;  Lk  4,  16  r;fxsQa  xmu  aaßßäxuiv 
=  Tag  des  S.,  ebenso  Apg  13, 14;  16, 13;  Josephus  Ant.  12,6,2  aaßßnxfav  fj/nsQn  —  am 
Tage  des  S.  —  Das.  3,  6,  6:  xi^y  ydq  kßSourjv  ij^usguy  adßßaxa  xaXovusr.  —  Das.  3, 10,  1 : 
xctxd  ds  £ß66fxi]y  i][ieQ(cv,  rjxig  adßßnza  xaXsixni. 

C.  Apgl7,2:  (r«/J/}fa«  r()/«.  —  LXX2Chr31,3;  Jesl.lS;  Ez46,3. 

d.  So  durchgängig  im  NT,  zB  Mt  12, 1.5. 10. 11. 12.  -  lMakk2,38.  —  Josephus 
Ant.  13,  8,  4:  ovx  eaxiv  &s  rjfxTv  ovts  sy  xolg  adßßaan',  oilxs  iy  xf]  eoQxrj  oSeveu'.  — 
Vita  54:  exr»;  üjQa  (12  Uhr  mittags),  xaf^'  ijy  xolg  adßßccatv  dQiaxonoist'a&eKi  (Frühmahl 
halten)  vöfxi^ov  sanv  rjfxlu.  —  Bell.  J.  1,  7,  3:  vtieq  uövov  ydq  xov  aiöfMaxog  dfxvvovxca 
(verteidigen  sie  sich)  xkI   xolg  adßßaaii'. 

e.  LXX  Nu  28, 10 ;  2  Chr  2,  4.  Josephus  Ant.  3, 12, 6 :  x«t  xoig  außßdxoig  xcd  xcctg  Xo(- 
nalg  jj/usgaig.  —  Das.  11,8,7:  x'tjg  er  xoTg  aaßßdxoig  nctQavofXLKg  Gesetzesübertretung 
an  den  Sabbaten. 

2.  Ol  d^  f.ic{d^rjzal  avrov  insiraaav.  —  Der  Hunger  der  Jünger  am 
Sabbat  steht  in  eigentümlichem  Kontrast  mit  der  Bestimmung,  daß  der 
S.  durch  gut  Essen  u.  Trinken  u.  schöne  Kleidung  zu  ehren  u.  zu  heiligen 
sei.  —  Vgl.  hierzu  auch  das  Stellenmaterial  bei  Lk  14, 1. 

P^s  68 fe:  R.  J^hoschua?  (um  90)  hat  gesagt:  Die  Freude  an  einem  Festtag  ist  gleich- 
falls ein  Gebot;  denn  in  einer  Bar  heißt  es:  R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte:  Dem  Menschen 
liegt  an  einem  Festtage  nur  ob,  entweder  zu  essen  u.  zu  trinken,  oder  zu  sitzen  u.  zu 
studieren.  R.  J^'hoschuaf  hat  gesagt:  Man  teile  ihn,  daß  eine  Hälfte  auf  das  Essen  u. 
Trinken,  u.  die  andre  Hälfte  auf  das  Lehrhaus  kommt.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gfesagt: 
Beide  haben  dieselbe  Schriftstelle  (als  Beweis  für  ihre  Meinungen)  ausgelegt.  In  einer 
Stelle  heißt  es:  „Versammlungsfeier  für  Jahve  deinen  Gott"  Dt  16,  8,  u.  in  einer  Stelle 
heißt  es:  ,  Versammlungsfeier  für  euch  soll  sein"  Nu  29, 35.  R.  Eli?ezer  meinte:  Entweder 
ganz  für  Jahve  oder  ganz  für  euch;  dagegen  meinte  R.  J'^'hoschua?:  Man  teile  eine 
Hälfte  Jahve,  die  andre  Hälfte  euch  zu.  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Alle  stimmen 
überein  in  bezug  auf  das  Wochenfest  (Pfingsten),  daß  wir  da  gleichfalls  das  ,für  euch* 
nötig  haben,  weil  es  der  Tag  ist,  an  dem  die  Tora  gegeben  wurde.  Rabbah  (f  380)  hat 
gesagt:  Alle  stimmen  in  bezug  auf  den  S.  überein,  daß  wir  da  gleichfalls  das  „für 
euch"  nötig  haben;  denn  es  heißt  Jes  58,  13:  ,Wenn  du  den  S.  eine  Lust  (ein  Ver- 
gnügen) nennst."  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt:  Alle  stimmen  in  bezug  auf  das  Purim- 
fest  überein,  daß  wir  da  gleichfalls  das  „für  euch"  nötig  haben,  denn  es  steht  von 
ihm  geschrieben  „Tage  des  Gelages  u.  der  Freude"  Esth  9,  22.  —  Die  Meinung  des 
R.  J^hoschua?  anonym  auch  SDt  16,  8  §  135  (101b).  n  Midr  HL  5,  16  (121  b):  R.  Acha 
Cum  320)  u.  R.  Tanchum  b.  Chijja  (um  300)  haben  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279) 
gesagt:  Es  heißt  Ez  20, 20:  „Und  meine  Sabbate  heiligt!"  Womit  sollst  du  ihn  heiligen? 
Heilige  ihn  mit  Essen  u.  Trinken  u.  mit  reinem  Gewand;  denn  es  heißt  daselbst:  „Daß 
.sie  zum  Zeichen  seien  zwischen  mir  u.  euch,  daß  man  erkenne,  daß  ich,  Jahve,  euer 
Gott  bin."  Ich,  Jahve,  bin  zuverlässig,  daß  ich  euch  guten  Lohn  zahle.  —  Dasselbe 
unter  Anlehnung  an  Lv  19, 3  in  TanchB  s-.i-i  22  (80b).  i|  DtR  3  (199  ^^):  Du  meinst  (spricht 
Gott),  ich  hätte  dir  den  S.  zu  deinem  Nachteil  gegeben?  Ich  habe  ihn  dir  nur  zu  deinem 
Besten  gegeben.  Inwiefern?  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Du  heiligst  den  S. 
durch  Essen  u.  Trinken  u.  reines  Geward  u.  bereitest  dir  selbst  (dadurch)  Genuß,  u. 
ich  gebe  dir  (noch  obendrein)  Lohn  dafür;  denn  es  heißt  Jes  58,  13:  Wenn  du  den  S. 
eine  Lust  nennst  usw.  Was  steht  hinterher  geschrieben?  „Dann  sollst  du  deine  Lust 
finden   an  Jahve  u.  er  wird  dir  die  Wünsche  deines  Herzens  gewähren."    (Jes  58,  14 

39* 


612  Matthl2,  l.(Nr.  2) 

mit  Ps  37,4  verbunden.)  1'  pSchab  15,  lb'\  48:  R.  Chaggai  (um  330)  hat  im  Namen  des 
R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  gesagt:  Die  Sabbate  u.  die  Festtage  sind  nur  zum 
Essen  u.  Trinken  gegeben  worden;  aber  weil  der  Mund  davon  übelriechend  wird,  er- 
laubte man  ihm,  sich  an  denselben  mit  den  Worten  der  Tora  zu  beschäftigen.  R.  B^rekhja 
(um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Chijja  bar  Ba  (um  280)  gesagt :  Die  Sabbate  u.  die  Fest- 
tage sind  nur  gegeben  worden,  daß  man  sich  an  ihnen  mit  den  Worten  der  Tora  be- 
schäftige. Die  Bar  (s.  oben  P'^'s68b)  unterstützt  sowohl  diesen,  wie  jenen.  Wie  soll  er 
es  machen?  Soll  er  entweder  den  ganzen  S.  sitzen  u.  essen?  oder  soll  er  sitzen  u. 
sich  mit  den  Worten  der  Tora  beschäftigen?  Eine  Stelle  sagt:  Es  ist  ein  S.  für  Jahve 
Lv23, 3;  u.  eine  andre  sagt:  Versammlungsfeier  für  Jahve  deinen  Gott  Dt  16,8.  (Ein 
Zitat  ist  unrichtig;  es  fehlt  ein  solches,  das  die  Bestimmung  des  S.  ,,für  euch*  be- 
weist.) Wie  nun?  Weise  den  halben  (S.  oder  Festtag)  dem  Torastudium  u.  den  halben 
dem  Essen  u.  Trinken  zu.  —  Dasselbe  in  andrer  Fassung  unter  Umkehrung  der  Autor- 
schaft P'^siqR23  (121»).  |1  B'^rakh  31b:  R.  Ehazar  (um  270)  hat  im  Namen  des  R.Jose 
b.Zimra  (um  220)  gesagt:  Wenn  jemand  am  S.  im  Fasten  sitzt,  so  zerreißt  man  (=  Gott) 
zwar  einen  seit  siebzig  Jahren  über  ihn  gefaßten  Gerichtsbeschluß;  gleichwohl  aber 
verhängt  man  auch  wiederum  über  ihn  einen  Urteilsspruch  wegen  Unterlassung  des 
Sabbatsgenusses.  (Das  sabbatliche  Wohlleben  ist  also  eine  sittliche  Pflicht ;  das  Fasten 
am  S.  war  nur  in  Ausnahmefällen  gestattet;  ein  Beispiel  s.  oben  S.  55.) 

Schab  \ll^  Bar:  Wieviel  Mahlzeiten  ist  der  Mensch  verpflichtet  am  S.  zu  genießen? 
Drei.  R.  Chidqa  (um  120)  hat  gesagt:  Vier.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Beide  (Bar 
u.  R.  Chidqa)  haben  ein  u.  dieselbe  Schriftstelle  (als  Beweis  für  ihre  Meinung)  ausgelegt, 
nämlich  Ex  16,25:  ,Mose  sprach:  Esset  es  diesen  Tag  (heute);  denn  Ruhetag  für  Jahve 
ist  dieser  Tag;  diesen  Tag  werdet  ihr  es  nicht  auf  dem  Felde  finden."  R.  Chidqa  meinte: 
Das  sind  drei  Mahlzeiten  an  diesem  Tage  außer  derjenigen  am  Vorabend  (das  dreimalige 
n-:--  in  Ex  16,25  wird  als  Hinweis  auf  die  drei  Sabbatmahlzeiten  gedeutet);  die  Rab- 
binen  (die  Autoren  der  Bar)  meinten,  es  seien  drei  Mahlzeiten  zusammen  mit  der- 
jenigen des  Vorabends.  Wir  haben  gelernt  (in  Schab  16,2):  ,  Kommt  eine  Feuersbrunst 
am  Abend  zum  S.  aus,  so  rettet  man  Speise  für  drei  Mahlzeiten"  (die  am  Sabbattag 
zu  halten  sind).  Könnte  das  nicht  heißen,  wenn  er  noch  nicht  gegessen  hat?  Vielmehr-, 
wenn  er  gegessen  hat.  „Kommt  die  Feuersbrunst  des  Morgens  aus  (also  am  Sonnabend), 
so  rettet  man  Speise  für  zwei  Mahlzeiten."  Könnte  das  nicht  heißen,  wenn  er  noch 
nicht  gegessen  hat?  Vielmehr,  wenn  er  gegessen  hat.  „Kommt  sie  am  Nachmittag  aus, 
so  rettet  man  Speise  für  Eine  Mahlzeit."  Könnte  das  nicht  heißen,  wenn  er  noch  nicht 
gegessen  hat?  Vielmehr,  wenn  er  gegessen  hat.  (Diese  Deutung  ist  im  Sinn  des  R.  Chidqa, 
der  vier  Sabbatmahlzeiten  fordert.)  Da  es  aber  am  Schluß  der  Mischna  heißt:  ,R.  Jose 
(um  150)  sagte:  Man  rettet  stets  Speise  für  drei  Mahlzeiten",  so  folgt  daraus,  daß  der 
erste  Autor  (von  dem  der  Anfang  obiger  Mischna  Schab  16,  2  stammt)  drei  Mahlzeiten 
angenommen  hat.  Es  ist  also  richtig,  daß  die  Mischna  nicht  der  Meinung  des  R.  Chidqa 
entspricht  (sondern  derjenigen  der  Rabbinen  in  der  eingangs  erwähnten  Bar).  —  In 
pSchab  1(J,  15^^,  1  vertritt  R.  Hundoqos  =  R.  Chidqa  u.  in  M^'h  zu  Ex  16, 25  (58l>)  R.Z'^riqa, 
wofür  jedoch  zu  lesen  ist  ,R.  Chidqa",  die  Meinung  der  Rabbinen,  daß  drei  S.mahlzeiten 
vorgeschrieben  seien;  s.  hierzu  Bacher,  Tann. *  1,447  u.  Krauß,  Lehnwörter  2,  224.  |j 
M%hExl6, 25  (58b):  R.  Eli?ezer  (um90,  so  lies  statt  „R.  El?azar")  sagte:  Wenn  es  euch 
gelingt  (wörtlich:  wenn  ihr  gewürdigt  werdet),  den  S.  zu  beobachten,  so  werdet  ihr 
von  drei  Strafgerichten  errettet:  vom  Tage  Gogs  u.  Magogs,  von  den  Wehen  des  Messias 
u.  vom  Tag  des  großen  Gerichts;  deshalb  heißt  es  Ex  16,25:  Esset  es  diesen  Tag.  — 
Mit  der  richtigen  S.beobachtung  sind  die  drei  S.mahlzeiten  gemeint,  wie  Schab  118^  be- 
weist: R.  Schim?on  bei  Pazzi  (um  280)  hat  gesagt,  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  habe 
im  Namen  des  Bar  Qappara  (um  220)  gesagt:  Wer  die  drei  Mahlzeiten  am  S.  hält,  wird 
errettet  von  drei  Strafgerichten:  von  den  Wehen  des  Messias,  vom  Gehinnomgericht 
u.  von  dem  Kriege  Gogs  u.  Magogs.  —  Der  Schriftbeweis  wird  dann  durch  Analogie- 
schluß geführt  aus  dem  dreimaligen  av  in  Ex  16, 25  u.  demselben  Wort  in  Mal  3, 23; 
Zeph  1,15  u.  Ez38, 18.  ||  TB^rakh  5, 1  (11):  Am  Vorabend  des  S.  soll  man  vom  Nach- 


Matth  12,  1  (Nr.2)  613 

mittag  an  u.  weiter  nichts  essen,  damit  man  mit  Verlangen  (nämlich  nach  Speise)  in 
den  S.  eintrete;  das  sind  Worte  des  R.  J^huda  (mn  150).  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Man 
darf  weiterhin  essen,  bis  es  dunkel  wird.  —  Dasselbe  pP'^s  10,  37  b,  32;  p-^syQb,  hier 
neben  dem  S.  auch  die  Festtage  genannt.  \\  Schab  11  Ob:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt: 
Immer  ordne  der  Mensch  seinen  Tisch  am  Vorabend  des  S.,  auch  wenn  er  nur  so  viel 
(Speise)  nötig  hat,  wie  eine  Olive  groß  ist.  R.  Chaniua  (um  225)  hat  gesagt:  Immer 
ordne  der  Mensch  seinen  Tisch  beim  Ausgang  des  S.,  auch  wenn  er  nur  so  viel  nötig 
hat,  wie  eine  Olive  groß  ist.  Warmes  Wasser  zum  Ausgang  des  S.  ist  ein  Labsal; 
warmes  Brot  zum  Ausgang  des  S.  ist  ein  Labsal.  Für  R.  Abbahu  (um  300)  bereitete 
man  zum  Ausgang  des  S.  ein  dreijähriges  Kalb,  von  welchem  er  die  Nieren  zu  essen 
pflegte.  Als  sein  Sohn  Abimi  herangewachsen  war,  sprach  dieser  zu  ihm:  Warum  willst 
du  dies  alles  (nämlich  das  nicht  genossene  Fleisch  des  Kalbes)  umkommen  lassen? 
Wir  wollen  doch  die  Nieren  vom  Vorabend  des  S.  (für  deine  Mahlzeit  am  Ende  des  S.) 
aufbewahren  (so  daß  nur  Ein  Kalb  geschlachtet  zu  werden  braucht).  Mau  wollte  es 
tun;  da  kam  ein  Löwe  u.  fraß  es  (das  gesparte  Kalb,  nämlich  zur  Strafe  dafür,  daß 
man  aus  Sparsamkeitsgründen  der  Ehre  des  S.  etwas  entziehen  wollte). 

GnRH  (8  b):  ,Gott  segnete  den  siebenten  Tag"  6n  2,  3.  Er  segnete  ihn  für  die 
Ausgaben  (die  der  S.  hinsichtlich  des  Essens  u.  Trinkens  erheischt).  R.  Levi  (um  oUO) 
hat  im  Namen  des  R.Jose  b.  Chanina  (um  270)  gesagt:  Für  jeden  Schöpfungstag,  bei 
welchem  eine  Abnahme  (ein  Hinschwinden  de.s  Erschaffenen)  statthat,  steht  ein  Segen 
geschrieben,  infolgedessen  keine  Abnahme  eintritt.  Am  fünften  Schöpfungstage  wmden 
die  Vögel  u.  die  Fische  geschaffen,  u.  die  Menschen  schlachten  die  Vögel  u.  essen  sie 
u.  fangen  die  Fische  u.  essen  sie,  u.  bei  ihm  steht  ein  Segen  geschrieben,  so  daß  keine 
Abnahme  (der  Vögel  u.  Fische)  eintritt.  Am  sechsten  Tage  wurde  der  Mensch  u.  das 
Vieh  erschaffen,  u.  die  Menschen  schlachten  das  Vieh  u.  essen  es,  u.  die  Menschen 
sterben,  u.  bei  ihm  steht  ein  Segen  geschrieben,  so  daß  keine  Abnahme  eintritt.  Was 
hast  du  nun  in  bezug  auf  den  siebenten  Schöpfungstag  zu  sagen  (bei  welchem  gleich- 
falls ein  Segenswort  steht)?  R.  Levi  hat  im  Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260) 
gesagt:  (Der  Segen  steht  beim  siebenten  Tag)  um  der  (Sabbat-) Ausgaben  willen  (daß 
sie  keine  Vermögensabnahme  verursachen).  R.  Elfazar  (um  270)  hat  im  Namen  des 
R.  Jose  (b.  Zimra?,  um  220)  gesagt:  Um  der  Schwächlichen  willen  (daß  die  opulenten 
.S.mahlzeiten  ihrer  Gesundheit  nicht  schaden).  —  Gott  segnete  den  siebenten  Tag  mit 
Wohlgeschmack.  Unser  Lehrer  (Rabbi)  bereitete  dem  (Kaiser)  Antoninus  an  einem  S. 
ein  Mahl.  Er  ließ  ihm  kalte  Speisen  vorsetzen.  Er  aß  von  ihnen  u.  es  schmeckte  ihm 
gut.  Darauf  bereitete  er  ihm  ein  Mahl  an  einem  Wochentag.  Er  ließ  ihm  warme  Speisen 
vorsetzen.  Der  Kaiser  sprach  zu  ihm:  Jene  haben  mir  besser  geschmeckt  als  diese. 
Er  antwortete :  Diese  ermangeln  eines  Gewürzes.  Der  Kaiser  sprach :  Wie,  sollte  dem 
Keller  des  Königs  etwas  mangeln?  Er  antwortete  ihm:  Der  S.  mangelt  ihnen;  hast 
du  Sabbat?  —  R.  Jischmafel  b.  Jose  (um  ISO)  fragte  Rabbi:  In  welchem  Verdienst  leben 
die  Kinder  Babels  (die  babylonische  Judenschaft)?  Er  antwortete  ihm:  Im  V.  der  Tora 
(d.  h.  des  Torastudiumsj.  Und  in  welchem  V.  die  Kinder  des  Landes  Israel?  Er  ant- 
wortete: Im  V.  der  (ordnungsmäßigen)  Zehntabsonderung.  Und  die  Leute  im  Ausland? 
Weil  sie  die  Sabbate  u.  Feiertage  ehren  (nämlich  mit  kostbaren  Mahlzeiten).  —  R.  Chijja  ^ 
b.  Abba  (um  280)  hat  erzählt:  Einmal  lud  mich  ein  Mann  in  Laodiceaein;  man  setzte 
eine  Tafel  vor  uns,  die  auf  sechzehn  Stützen  ruhte,  u.  auf  ihr  stand  von  allem,  was 
in  den  sechs  Schöpfungstagen  erschaffen  worden  ist.  Ein  Kind  aber  saß  an  ihrer  Mitte, 
das  laut  verkündigte:  ,Jahves  ist  die  Erde  u.  ihre  Fülle,  der  Erdkreis  u.  die  darauf 
wohnen*  Ps24, 1.  Warum  dies  alles?  Damit  das  Herz  des  Hausherrn  sich  nicht  stolz 
erhebe.  Ich  sprach  zu  ihm:  Mein  Sohu,  aus  welchem  Grunde  bist  du  all  dieser  Herrlich- 
keit gewürdigt  worden?  Er  antwortete:  Ich  bin  Fleischer  gewesen,  u.  jedes  schöne 
Stück  Vieh,  das  ich  an  allen  Tagen  der  Woche  zu  Gesicht  bekam,  habe  ich  für  den 
S.  ausgesondert.   Da  sprach  ich  zu  ihm:  Nicht  umsonst  bist  du  (jener  Herrlichkeiten) 

^  Nach  D.O.  Straschun  ist  zu  lesen:  Chanina. 


614  Matth  12,  1  (Nr.  2) 

gewürdigt  worden.  —  R.  Tanchuma  (um  380)  hat  erzählt:  Einmal  geschah  es  in  Rom 
am  Rüsttag  auf  das  große  Fasten  (=  Versöhnungstag),  daß  dort  ein  Schneider  war; 
der  ging,  um  sich  einen  Fisch  zu  kaufen.  Da  traf  es  sich,  daß  er  u.  der  Diener  eines 
Präfekten  bei  einem  solchen  standen.  Sie  trieben  den  Preis  hoch,  bis  er  auf  zwölf 
Denare  zu  stehen  kam ;  dafür  erwarb  ihn  jener  Schneider.  Zur  Essenszeit  sprach  der 
Präfekt  zu  seinem  Diener:  Warum  bringst  du  mir  keinen  Fisch?  Er  antwortete:  Mein 
Hen-,  wie  sollte  ich  es  vor  dir  leugnen?  Als  ich  danach  ausging,  war  dort  nur  Ein 
Fisch  vorhanden;  da  traf  es  sich,  daß  ich  u.  ein  Jude  dabeistanden;  dieser  trieb  den 
Preis  hoch  u.  ich  trieb  ihn  auch  hoch,  bis  er  auf  zwölf  Denare  zu  stehen  kam;  würdest 
du  es  wohl  gewünscht  haben,  daß  ich  dir  einen  Fisch  für  zwölf  Denare  brächte?  Er 
sprach  zu  ihm:  Wer  war  jener?  Er  antwortete:  Der  u.  der.  Er  sandte  nach  ihm  aus. 
Als  jener  kam,  fragte  der  Präfekt:  Warum  issest  du,  jüdischer  Schneider,  einen  Fisch 
für  zwölf  Denare?  Er  antwortete:  Mein  Herr,  wir  haben  einen  Tag,  der  schafft  uns 
für  alle  Sünden,  die  wir  an  allen  Tagen  eines  Jahres  begangen  haben.  Sühnung;  müssen 
wir  den  nicht,  wenn  er  kommt,  ehren?  Der  Präfekt  sprach:  Da  du  einen  Beweis  für 
deine  Sache  beigebracht  hast,  so  bist  du  entlassen.  Wie  lohnte  Gott  es  dem  Schneider? 
Als  dieser  den  Fisch  aufriß,  ließ  ihn  Gott  darin  eine  kostbare  Perle  vorfinden.  — 
Parallelstellen  Schab  119^^;  P<^'siqR  23  (119-»).  |,  Über  Joseph  den  S.verehrer  s.  bei  13,  46. 
Schab  119**:  Was  man  für  den  S.  borgt,  das  bezahlt  die  Woche.  |1  Be^a  16^  Bar:  Von 
Schammai  dem  Alten  (um  30  v.  Chr.)  hat  man  erzählt:  Sein  lebelang  hat  er  zu  Ehren 
des  S.  gegessen;  fand  er  ein  schönes  Stück  Vieh,  so  sagte  er;  Dies  für  den  S.!  Fand 
er  ein  andres  schöneres,  so  stellte  er  das  zweite  für  den  S.  zurück  u.  verzehrte  das 
erste.  Aber  Hillel  der  Alte  (um  20  v.  Chr.)  hatte  ein  andres  Verfahren  (eine  andre 
Regel),  weil  all  sein  Tun  um  Gottes  willen  geschah;  denn  er  sagte:  Gepriesen  sei 
Jahve  Tag  für  Tag.  Die  Bar  lautet  ebenso:  Die  Schule  Schammais  sagte:  Vom  ersten 
Tage  deiner  Woche  an  denke  an  deinen  S.  (ihn  zu  ehren  mit  Speise  u.  Trank).  Und 
die  Schule  Hilleis  sagte:  Gepriesen  sei  Jahve  Tag  für  Tag.  (Vgl.  das  nächste  Zitat.)  j| 
P«siqR23  (115b):  R.  Simlai  (um  250)  hat  gesagt:  „Gedenke  des  S."  Ex  20, 8,  nämlich 
ehe  er  kommt;  „beobachte  den  S."  Dt  5, 12,  nämlich  wenn  er  gekommen  ist.  Wie  dies? 
Kommt  dir  etwas  Wertvolles  (zB  ein  schönes  Stück  Vieh)  vor,  so  bestimme  es  für  den 
S.;  ein  neuer  Gegenstand,  so  bestimme  ihn  für  den  S.  Schammai  der  Alte  (s.  das  vorige 
Zitat)  pflegte  vom  ersten  Tag  der  Woche  an  Holz  (?  c-sv)  für  den  S.  zu  kaufen.  Hillel 
der  Alte  hatte  eine  andre  größere  Regel;  er  pflegte  zu  sagen:  All  dein  Tun  geschehe 
um  Gottes  willen!  R.  Abbahu  (um  oOO)  hat  gesagt:  Wenn  dir  etwas  Wertvolles  vor- 
kommt, selbst  am  ersten  Tage  der  Woche,  so  bestimme  es  für  den  S.  R.  Tanchuma 
(um  380)  hat  erzählt:  Wenn  wir  am  vierten  Wochentag  (Mittwoch)  Früchte  aßen  u.  es 
kam  uns  eine  schöne  Dattel  vor,  so  sagten  wir:  „Sie  seien  für  den  S.  ausgesondert!" 

Schab  118  3;  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Jose  (b.  Zimra,i  um  220) 
gesagt:  Wer  den  S.  vergnügt  begeht,  dem  gibt  man  (=  Gott)  grenzenlosen  Besitz,  s.: 
„Dann  sollst  du  deine  Lust  finden  an  Jahve,  u.'ich  will  dich  einherfahren  lassen  auf 
den  Höhen  des  Landes,  u.  ich  lasse  dich  genießen  das  Erbteil  Jakobs,  deines  Vaters" 
Jes58, 14.  Nicht  wie  der  Besitz  Abrahams  war,  von  dem  es  heißt:  „Auf,  ziehe  im 
Lande  umher  nach  seiner  Länge  u.  Breite"  Gn  13, 17;  auch  nicht  wie  das  Gebiet  Isaaks 
war,  von  dem  es  heißt:  „Dir  u.  deinem  Samen  werde  ich  alle  diese  Länder  geben" 
Gn  26,  3,  sondern  wie  das  Gebiet  Jakobs  ist,  von  dem  es  heißt:  Du  wirst  dich  aus- 
breiten nach  Westen  u.  Osten  u.  Norden  u.  Süden  Gn28, 14.  (Bei  Jakob  fehlt  jede  Be- 
grenzung seines  Gebietes.)  Rab  Nachman  b.  Ji(;chaq  (f  356)  hat  gesagt:  (Wer  den  S. 
vergnügt  begeht,)  der  wird  vor  der  Knechtschaft  der  Weltreiche  bewahrt;  es  heißt  hier 
Jes  58, 14:  Ich  lasse  ihn  auf  den  Höhen  des  Landes  einherfahren,  u.  heißt  dort  Dt  33, 29: 
Du  wirst  auf  ihre  Höhen  treten.  Rah  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  ge- 
sagt: Wer  den  S.  vergnügt  begeht,  dem  gewährt  man  (=  Gott)  die  Wünsche  seines 
Herzens,  s. :  „Habe  deine  Lust  an  Jahve.  so  wird  er  dir  geben,  was  dein  Herz  wünscht" 


'  So  nach  Bacher,  Pal.  Amor.  1, 111. 


Matthl2,  1  (Nr.  2).  12,2  615 

Ps87,4.  Ich  weiß  nicht,  was  mit  ^Lust"  gemeint  ist;  da  es  aber  heißt:  ,Wenn  du 
den  S.  eine  Lust  heißest"  Jes  58, 18,  so  sage:  Damit  ist  die  S.freude  gemeint.  Wodurch 
macht  man  ihn  zu  einer  Lust?  Rab  J^'huda  b.  Sch^muel  b.  Schelath  (um  300)  hat  im 
Namen  Rabs  gesagt:  Durch  ein  Gericht  aus  Mangold,  durch  große  Fische  u.  Knoblauch- 
köpfe. —  Eine  Parallelstelle  mit  Abweichungen  im  einzelnen  s.  P*^siqR23(120^>;  12H).  || 
Schab  118'':  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  hat  gesagt:  Möge  mein  Teil  bei  denen  sein, 
die  am  S.  drei  Mahlzeiten  halten!  ||  Über  die  sabbatliche  Kleidung  vgl.  außer  oben  S.611  j'. 
(MidrHL  5, 16  u.  DtR  3)  noch  M^kh  Ex  12, 16  (12^):  Es  soll  am  ersten  Tage  heilige  Fest- 
versammlung sein  Ex  12,  16.  Ihr  sollt  ihn  heiligen  durch  Speise  u.  Trank  u.  reines  Ge- 
wand. —  Dasselbe  SLv  23,  35  (413'');  P'^siqR  23  (115b).  j,  pPeaS,  21b,  1:  R.  Qhanina 
(um  225)  hat  gesagt:  Der  Mensch  muß  zwei  Gewänder  haben,  eins  für  die  Woche  u. 
eins  für  den  S.  Denn  es  heißt  Ruth  3,3:  ,Und  du  bade  u.  salbe  dich  u.  lege  deine 
Gewänder  an."  War  sie  denn  nackt?  Vielmehr  sind  damit  die  Sabbatkleider  gemeint. 
Als  das  R.  Simlai  (um  250)  in  der  Gemeinde  öffentlich  vortrug,  weinten  die  Genossen 
vor  ihm;  sie  sprachen  zu  ihm:  Rabbi,  wie  unser  Gewand  in  der  Woche  ist,  so  ist  es 
auch  am  S.  Er  sprach  zu  ihnen:  Gleichwohl  müßt  ihr  daran  eine  Veränderung  (zu 
Ehren  des  S.)  vornehmen.  —  Dasselbe  Midr  Ruth  3,  3  (133b);  pegiqR  23  (115b);  vgl. 
Schab  113b,  wo  R.  Elifezer  =  R.  Elfazar  b.  P^dath  (um  270)  Ruth  3, 3  auf  die  S.kleider 
deutet.  II  P'^siqR23  (117  b):  Rabbi  hat  gesagt:  Heiligt  den  S.  mit  dem  Gewand!  R. Chanina 
(um  225)  hat  gesagt:  Man  muß  sich  (zu  Beginn  des  S.)  einhüllen.  R.  Abbahu  (um  300) 
hat  gesagt:  Man  muß  (unter  die  Alltagskleidungsstücke  ein  besonderes  für  den  S.) 
mischen.  Abin  b.  Chisdai  (um  270)  hat  gesagt:  Man  muß  (das  Alltagskleid  für  den  S.) 
herunterlassen.  —  Parallelstelle  mit  andret  Autorenangabe  GnR  11  (8*).  |1  Wie  die  heid- 
nische Welt  über  diese  Art  der  S.verehrung  spottete,  zeigt  Midr  KL  Einl.  Nr.  17  (33b j: 
R.  Abbahu  (in  Cäsarea,  um  300)  begann  seinen  Vortrag  mit  Ps  69, 13:  „Es  reden  über 
mich,  die  im  Tore  sitzen",  das  geht  auf  die  Völker  der  Welt,  die  in  den  Theatern  u. 
Zirkussen  sitzen,  „u.  Lieder  singen,  die  Rauschtrank  trinken";  sie  sitzen  u.  essen  u. 
trinken,  u.  wenn  sie  berauscht  sind,  sitzen  sie  u.  reden  über  mich  u.  verspotten  mich 
u.  sagen:  „Daß  wir  nur  nicht  Johannisbrot  essen  müssen,  wie  die  Juden!"  Ferner  sagen, 
sie  zueinander:  Wieviel  Jahre  willst  du  leben?  Und  man  antwortet:  So  lange,  wie  ein 
S.hemde  der  Juden!  Dann  führen  sie  ein  Kamel  in  ihre  Theater,  das  seine  Decken 
auf  sich  hat.  Und  man  fragt  einander:  Warum  trauert  denn  dies  Kamel  (daß  es  in 
Decken  gehüllt  ist)?  Man  antwortet:  Die  Juden  halten  das  Brachjahr.  u.  weil  sie  kein 
Grünkraut  haben  (des  Brachjahres  wegen),  so  essen  sie  diesem  seine  Dornsträucher 
ab :  deshalb  trauert  es  über  sie.  Dann  lassen  sie  einen  Mimen  in  ihr  Theater  kommen, 
dessen  Kopf  kahl  geschoren  ist.  Sie  fragen  einander:  Warum  ist  denn  dessen  Kopf  kahl 
geschoren?  Der  Mime  antwortet:  Die  Juden  beobachten  die  Sabbate,  u.  alles,  was  sie 
in  den  Wochentagen  erarbeiten,  essen  sie  am  S.  auf;  u.  weil  sie  (infolgedessen)  kein  Holz 
zum  Kochen  haben,  zerbrechen  sie  ihre  Bettstellen,  um  damit  zu  kochen;  darum  müssen 
sie  dann  auf  der  Erde  schlafen,  u.  da  sie  dadurch  voller  Staub  werden,  müssen  sie 
sich  mit  Ol  salben;- deshalb  ist  das  Öl  teuer  (so  daß  ich  mein  Haar  mußte  abscheren 
lassen).  —  Dasselbe  anonym  Midr  KL  3, 14  (70a). 

12,2:  Deine  Jünger  tun,  was  nicht  erlaubt  ist 
an  einem  Sabbat  zu  tun. 
39  Hauptarbeiten  niDx^^p  nbwS  waren  am  Sabbat  verboten.»  Angeblich 
waren  das  diejenigen  Arbeiten,  die  zur  Herstellung  der  Stiftshütte  nötig 
gewesen  waren. b  Die  Festsetzung  ihrer  Zahl  auf  39  (vierzig  weniger 
eins)  begründete  man  exegetisch  mit  Ex35,  l.c  Jede  der  39  Haupt-" 
arbeiten  begriff  eine  Reihe  von  Unterarbeiten  n-inbin  unter  sich.    Im 
3.  Jahrh.  treten  Systematisierungsversuche  hervor,  jeder  Hauptarbeit 
sei  es  6,  sei  es  39  Nebenarbeiten  unterzuordnen. d  Zu  diesen  Haupt-  u. 


6l6  Matthl2,2 

Nebenarbeiten  kam  dann  aber  noch  eine  größere  Anzahl  anderweitiger 
Tätigkeiten,  die  aus  Gründen  der  Sabbatsruhe  rabbinisch  verboten 
waren;  auch  sie  hat  bereits  die  Mischna  im  einzelnen  festgesetzt. e  — 
Das  nach  Dt  23,  26  erlaubte  Ausraufen  von  Ähren  wurde  als  eine  ünter- 
arbeit  des  Erntens  angesehen  u.  war  als  solche  am  S.  verboten.*  Unter 
Umständen  hätte  die  Tat  der  Jünger  Jesu  mit  dem  Steinigungstode 
bestraft  werden  können. g 

a.  Schab?,  2:  Hauptarbeiten  (die  am  S  verboten  sind)  gibt  es  vierzig  weniger 
eins.  Wer  ^sät  u.  -pflügt  u.  -^ erntet  u.  ''Garben  bindet;  wer  ^drischt  u.  ^worfelt;  wer 
''Früchte  reinigt;  wer  "^mahlt  u.  ^siebt  u.  ^^knetet  u.  ^^bäckt;  wer  ^^Wolle  schert; 
wer  sie  ■'■'wäscht  u.  sie  ^^klopft  (oder  ausschüttelt)  u.  sie  ^^färbt;  u.  wer  ■'^spinnt  u. 
^7 webt  u.  ^*zwei  Fäden  (auf  dem  Webstuhl)  aufzieht  u.  ^^zwei  Fäden  flicht  u.  ^Ozwei 
Fäden  trennt;  wer  ^'^ einen  Knoten  schürzt  u.  ^-^auflöst  u.  -^-^zwei  Stiche  näht;  wer 
^^ einen  Riß  macht,  um  mit  zwei  Stichen  festzunähen;  wer  25eine  Gazelle  fängt,  sie 
-^schlachtet  u.  sie  -^^ enthäutet;  wer  sie  -^^ einsalzt  u.  ^^ihr  Fell  zurichtet  u.  es  •^'^ ab- 
schabt u.  es  •'^ zerschneidet;  wer  ■5-^zwei  Buchstaben  schreibt  u.  •'■^ auslöscht,  um  zwei 
Buchstaben  zu  schreiben;  wer  •'^baut  u.  -'^einreißt;  wer  (Feuer)  '?<5 auslöscht  u.  ■5'' an- 
zündet; wer  38mit  dem  Hammer  schlägt,  •'^wer  aus  einem  Bereich  ^  in  einen  andren 
trägt  —  siehe,  das  sind  Hauptarbeiten,  vierzig  weniger  eins. 

b.  Schab  49 b;  Wir  haben  gelernt  (s.  oben  Schab  7,  2):  Hauptarbeiten  gibt  es  vierzig 
weniger  eins.  Wem  entsprechend  (sind  diese  Hauptarbeiten  festgesetzt  worden)? 
R.  Chanina  b.  Chama  (um  225)  hat  gesegt:  Sie  entsprechen  den  Arbeiten  an  der  Stifts- 
hütte. R.  Jonathan  b.  EUazar  (um  220)  hat  gesagt:  So  hat  R.  Schim'on  b.  Jose  b.  Laqonia 
(gegen  200)  gesagt:  Sie  entsprechen  dem  39  maligen  Vorkommen  des  Wortes  „Arbeit" 
rss^i  in  der  Tora.  (Die  hier  dann  folgende  Diskussion  zeigt,  daß  die  Zählung  des  Wortes 
„Arbeit"  nicht  zutriffst;  dann  heißt  es  weiter:)  Eine  Bar  lautet  so,  wie  der,  welcher 
gesagt  hat:  Sie  entsprechen  den  Arbeiten  an  der  Stiftshütte;  denn  in  einer  Bar  heißt 
es:  Man  macht  sich  (der  S. entheiligung)  nur  schuldig  wegen  einer  Arbeit,  die  ihres- 
gleichen bei  der  Stiftshütte  hatte.  Jene  (die  Verfertiger  der  Stiftshütte)  säten  (zur 
Gewinnung  von  Pflanzen-Farbstofi"en,  Raschi), "  u.  ihr  sollt  nicht  säen  (am  S.);  jene 
ernteten,  u.  ihr  sollt  nicht  ernten;  jene  hoben  die  Bretter  vom  Erdboden  auf  den 
Wagen,  u.  ihr  sollt  nicht  aus  einem  öffentlichen  Bereich  in  einen  Privatbereich  hinein- 
schaffen ;  jene  legten  die  Bretter  vom  Wagen  auf  die  Erde,  u.  ihr  sollt  nicht  aus  einem 
Privatbereich  hinausschaffen  in  einen  öffentlichen  Bereich;  jene  luden  von  einem 
Wagen  auf  den  andren,  u.  ihr  sollt  nicht  aus  einem  Privatbereich  in  einen  andren 
Privatbereich  hinausschaffen.  —  Die  obige  Tradition  des  R.  Jonathan  in  seinem  eigenen 
Namen  pSchab  7,  9b  53.  ü  BQ  2a:  Wir  haben  gelernt:  Hauptarbeiten  gibt  es  vierzig 
weniger  eins.  Es  heißt  „Hauptarbeiten",  weil  es  Unterarbeiten  gibt;  ihre  Unterarbeiten 
sind  ihnen  gleich.  Es  macht  keinen  Unterschied:  eine  Hauptarbeit  (versehentlich  am 
S.  verrichtet)  erfordert  ein  Sündopfer,  u.  ebenso  erfordert  eine  Unterarbeit  ein  Sünd- 
opfer. Es  macht  keinen  Unterschied :  eine  Hauptarbeit  (absichtlich  am  S.  verrichtet) 
erfordert  die  Steinigung,  u.  ebenso  erfordert  eine  Unterarbeit  die  Steinigung.  Was  ist 
nun  für  ein  Unterschied  zwischen  einer  Hauptarbeit  u.  einer  Unterarbeit?  Es  folgt 
daraus,  daß,  wenn  man  zwei  Hauptarbeiten  oder  zwei  Unterarbeiten  zusammen  (zu 
gleicher  Zeit)  vollbringt,  man  für  jede  einzelne  sich  schuldig  macht.  Wenn  man  aber 
eine  Hauptarbeit  u.  eine  zu  ihr  gehörende  Unterarbeit  vollbringt,  so  macht  man  sich 
nur  Einmal  (wegen  der  Hauptarbeit)'  schuldig.  Wenn  nun  aber  R.  Eli<ezer  (um  90) 
wegen  einer  Unterarbeit  gelegentlich  einer  Hauptarbeit  für  schuldig  erklärt  hat  (s. 
K*^  3,  10),  warum  nennt  er  die  eine  Arbeit  „Hauptarbeit"  u.  die  andre  „Unterarbeit"? 
Die,  welche  beim   Bau   der  Stiftshütte   erwähnt  wird,   nennt  er  Hauptarbeit,   u.  die. 


'  Über  die  einzelnen  Sabbat-Bereiche  s.  Einl.  S.  37  f. 


Matthl2, 2  617 

•welche  beim  Bau  der  Stiftshütte  nicht  erwähnt  wird,  nennt  er  Unterarbeit.  i|  Schab  73 1>: 
Abaje  (f  338/39)  u.  Raba  (1352)  haben  beide  gesagt:  Alle  Arbeiten,  die  beim  Bau  der  Stifts- 
hütte stattfanden,  hat  man  als  Hauptarbeit  gerechnet,  auch  wenn  eine  einer  andren  ähn- 
lich war  (so  daß  sie  als  deren  Unterarbeit  hätte  gewertet  werden  können). 

C.  M*kh  Ex  35, 1  (110^):  „Mose  sprach  zu  ihnen:  Dies  sind  die  Dinge"  o-'^atr!  rtrs 
Ex  35,  1.  Rabbi  sagte:  Darin  liegen  die  39  Arbeiten,  die  ihnen  Mose  mündlich  mit- 
geteilt hat.  —  Wie  das  gemeint  ist,  zeigen  folgende  Stellen.  Schab  97b  Bar:  Rabbi 
sagte:  ü-^^z-^ ,  ="i2-r:,  2"3-:n  rt'rss,  das  sind  die  39  Arbeiten,  die  dem  Mose  auf  dem 
Sinai  gesagt  worden  sind.  (Der  Beweis  ist  so  zu  verstehen:  ü^^z-.  als  Plural  bedeutet 
2  Dinge;  dann  bedeutet  z—z-r.  mit  dem  Artikel  3  Dinge;  dazu  kommt  der  Zahlenwert 
von  n^s  mit  36,  mithin  D--:^ri  nhtt  ^  36  +  3  =  39  Dinge.)  —  Dasselbe  mit  R.  Nathan 
(um  160)  als  Autor  Schab  70 'K  —  In  pSchab  7,  9  b,  63  sagt  R.  Chanina  aus  Sepphoris- 
im  Namen  des  R.  Abbahu  (um  300):  Das  s  (in  n5s)  ist  =  1,  das  '"=  =  30,  das  n  ==  5, 
•^z-  (Singular)  =  1,  a-^sT  (Plural)  —  2;  von  hier  aus  sind  die  39  Arbeiten  in  der  Tora 
erwiesen.  Die  Rabbinen  von  Cäsarea  aber  führten  den  Beweis  nur  aus  dem  Wort  nVs: 
s  =  1,  ^  =  30,  n  (=  n)  =  8;  denn  sie  trugen  kein  Bedenken,  n  u.  n  ohne  Unterscheidung: 
auszulegen.  (Die  Buchstaben  s,  n,  rr  u.  y  können  nach  der  haggadischen  Hermeneutik 
miteinander  vertauscht  werden.)  — ^  Weitere  Parallelen  finden  sich  in  Tanch  --p  221»; 
NuR18  (185  a). 

d.  pSchab  7,  9b,  67:  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  Schim'on  b.  Laqisch  (um  250)  be- 
schäftigten sich  mit  diesem  Kapitel  (Schab  7)  3\'2  Jahr  lang,  bis  sie  aus  ihm  39  Unter- 
arbeiten für  jede  einzelne  Hauptarbeit  hergeleitet  hatten.  Wo  sie  eine  Unterarbeit  an 
eine  Hauptarbeit  anlehnen  konnten,  taten  sie  es;  wo  sie  es  nicht  konnten,  machten 
sie  die  betreffende  Arbeit  zu  einer  Unterarbeit  vom  „Schlagen  mit  dem  Hammer" 
(s.  Schab  7,  2  oben  S.  616«).  Die  Söhne  des  R.  Chijja  des  Älteren  (J'^^huda  u.  Chizqijja,^ 
um  240)  beschäftigten  sich  mit  diesem  Kapitel  6  Monate.  Sie  leiteten  aus  ihm  sechs 
Unterarbeiten  für  jede  Hauptarbeit  her.  Die  Söhne  des  R.  Chijja  des  Alteren  hielten 
sich  an  die  Regel  ihres  Vaters;  denn  R.  Chijja  (um  200)  lehrte:  Ernten,  winzern, 
Oliven  pflücken,  abschneiden,  ausraufen  (-Vr),  Feigen  pflücken  —  das  alles  (zusammen 
6  Arbeiten)  gehört  zum  Ernten. 

e.  Be^a  5,  2:  Wegen  folgender  Beschäftigungen  (macht  man  sich  am  Sabbat  u. 
an  den  Feiertagen  schuldig)  aus  Gründen  der  Sabbatsruhe:  man  darf  nicht  auf  einen 
Baum  steigen,  nicht  auf  einem  Tier  reiten,  nicht  auf  dem  Wasser  schwimmen,  nicht 
in  die  Hände  klatschen,  nicht  auf  die  Hüfte  schlagen  (Zeichen  der  Erregung),  nicht 
tanzen.  Wegen  folgender  Beschäftigungen  macht  man  sich  schuldig,  obwohl  sie  an 
sich  freistehen  (u.  zum  Teil  auf  einem  Gebot  beruhen) :  man  darf  nicht  Gericht  halten, 
sich  nicht  mit  einer  Frau  verloben,  nicht  die  Zeremonie  des  Schuhausziehens  (bei 
Verweigerung  der  Scliwagerehe)  vornehmen,  nicht  die  Schwagerehe  vollziehen.  Wegen 
folgender  Beschäftigungen  macht  man  sich  schuldig,  obwohl  sie  auf  einem  Gebot  be- 
ruhen: man  darf  nichts  heiligen,  keine  Abschätzung  vornehmen,  nichts  als  Banngut 
bestimmen,  auch  nicht  Hebe  u.  Zehnt  absondern. 

f.  Zum  Ausraufen  ('^jt)  von  Ähren  als  Unterarbeit  des  Ernteus  s.  den  Schlu& 
von  Anm.  d.  —  Ferner  vgl.  Maimonides,  Schab  8:  Metens  sabbato  vel  tautillum  reus- 
est.  Et  vellere  spicas  est  species  messionis.  Et  quicunque  aliquid  decerpit  a  ger- 
minatione  sua,  reus  est  sub  nomine  metentis.  ||  Auch  die  Verzehntung  der  ausgeriebeneu 
Körner  kam  beim  Essen  der  Jünger  in  Frage.  'Eduj  2,  6:  Drei  Dinge  hat  R.  Jischmacei 
(t  um  135)  gesagt,  ohne  daß  ihm  R.  ( Aqiba  (t  um  135)  zustimmte:  Wer  Knoblauch, 
Herlinge  u.  Kornähren  (am  Freitag),  solange  es  noch  Tag  ist,  zerstückelt  (zerreibt), 
der  darf,  wie  R.  Jischmacei  sagte,  es  nach  Eintritt  der  Dunkelheit  fertigmachen  (um 
es  zu  essen);  aber  R.  S Aqiba  sagte:  Er  darf  es  nicht  fertigmachen.  [1  Ma<as  4,  5:  Wenn 
einer  Gerstenkörner  abschält,  so  darf  er  sie  einzeln  abschälen  u.  essen  (ohne  sie  ver- 
zehnten  zu  müssen);  wenn  er  sie  aber  abschält  u.  in  seine  Hand  legt,  so  ist  er  (zur 
Verzehntung)  verpflichtet.  Wenn  einer  Weizenähren  ausreibt,  so  kann  er  sie  von  einer 
Hand  in  die  andre  blasen  (um  die  Spreu  zu  entfernen)  u.  essen  (ohne  verzehnten  zu 


618  Matthl2,2. 3 

müssen);  wenn  er  aber  bläst  u.  in  seinen  Schoß  fallen  läßt,  so  ist  er  (zur  Verzehntung) 
verpflichtet.  —  ße^a  12b:  Es  erwiderte  Abaje  (f  338/39)  dem  Raba:  Wer  Ähren  aus- 
reibt am  Rüsttag  auf  den  S.  für  den  folgenden  Tag,  darf  es  von  einer  Hand  in  die 
andre  blasen  u.  essen,  aber  nicht  in  einen  Brotkorb  u.  nicht  in  eine  Schüssel.  Wer 
Ähren  ausreibt  am  Rüsttag  auf  einen  Feiertag  für  den  folgenden  Tag,  darf  immer 
auf  die  Hand  blasen  (Raschi :  immer  wenig)  u.  essen  u.  auch  in  einen  Brotkorb  u.  in 
eine  Schüssel,  aber  nicht  auf  eine  Platte  u.  nicht  in  eine  Schwinge  u,  nicht  in  ein 
Sieb.  Vgl.  auch  Be9a  13b. 

g.  Sanh7,  4:  Dies  sind  die,  welche  gesteinigt  werden:  wer  der  Mutter  beiwohnt 
oder  dem  Weibe  des  Vaters  oder  der  Schwiegertochter;  wer  einem  Männlichen  bei- 
wohnt oder  einem  Vieh,  u.  das  Weib,  das  sich  von  einem  Vieh  beiwohnen  läßt;  u.  der 
(Gottes-)Lästerer  u.  der  Götzendiener  u.  wer  von  seinem  Samen  dem  Molokh  gibt  u. 
der  Totenbeschwörer  u.  der  Wahrsager  u.  wer  den  Sabbat  entweiht,  wer  seinen 
Vater  u.  seine  Mutter  verflucht  u.  wer  einem  verlobten  Mädchen  beiwohnt  u.  wer  (zum 
Oötzendienst)  verführt  u.  wer  (von  Gott)  abwendig  macht  u.  der  Zauberer  u.  der  un- 
bändige u.  widerspenstige  Sohn.  —  Daselbst?,  8:  „Wer  den  Sabbat  entweiht"  Nu  15,  35, 
nämlich  durch  etwas,  wofür  man  bei  vermessenem  Tun  Ausrottung,  bei  uuvorsätzlichem 
Tun  ein  Sündopfer  schuldig  ist.  (Drei  Strafen  sind  zu  unterscheiden:  S.schändung  vor 
Zeugen  u.  trotz  vorhergegangener  Verwarnung  erfordert  Steinigung;  S.schändung  ohne 
Zeugen  u.  ohne  Verwarnung  bedingt  Ausrottung  durch  Gottes  Hand;  versehentliche 
S.schändung  wird  durch  ein  Sündopfer  gesühnt.)  —  Ferner  s.  BQ  2  a  in  Anm.  h. 

12,3:  Habt  ihr  nicht  gelesen,  was  David  tat, 
als  er  hungrig  war,  u.  die  bei  ihm? 

Ti  €TtoitjGav  Javsid;  —  Die  Behandlung  des  Vorfalls  1  Sm  2l,  2 — 7 
in  der  rabbin.  Literatur  verfolgt  meist  den  Zweck,  Davids  Verhalten 
zu  rechtfertigen. 

M*'nll,  2:  Sowohl  bei  den  beiden  Erstlingsbroten  (Lv  23.  17),  als  auch  bei  den 
Schaubroten  geschieht  ihr  Kneten  u.  Aufmachen  außerhalb  (des  Heiligtums),  ihr  Backen 
aber  innerhalb;  auch  verdrängen  diese  Tätigkeiten  den  Sabbat  nicht.  R.  J^huda  (um 
150)  sagte:  Alles  Tun  an  ihnen  geschieht  innerhalb  (des  Heiligtums);  R.  Schimcon 
(um  150j  sagte:  Immer  gewöhne  dich  daran,  zu  sagen:  Die  beiden  Erstlingsbrote  u. 
die  Schaubrote  sind  tauglich  im  Vorhof  u.  tauglich  in  Beth-Phage  (sie  dürfen  auch 
außerhalb  des  Tempelbezirks  hergestellt  werden).  —  Dazu  bM'^^n'95b:  R.  Abbahu 
fo.  Kahana(?)  hat  gesagt:  Beide  (nämlich  R.  J^'huda  u.  R.  SchimJon)  haben  ein  u.  die- 
selbe Schriftstelle  (als  Beweis  für  ihre  Meinung)  ausgelegt,  nämlich  1  Sm  21,  6:  smi 
-553  •^-;p-'  nvn  "s  ?s  5in  ---.  R.  J'^huda  hat  gemeint:  David  traf  sie  an  einem  Wochen- 
tag (Freitag),  wie  sie  (die  Schaubrote)  buken;  er  sprach  zu  ihnen:  Nach  Art  profaner 
Brote  backt  ihr;  auch  wenn  das  Brot  heute  durch  die  Gerätschaften  (Backutensilien 
bis  hin  zum  Backofen)  geheiligt  wird,  so  wird  es  (bis  zum  Sabbat,  an  welchem  es 
auf  den  Schaubrottisch  zu  bringen  ist)  durch  das  Liegenbleiben  über  Nacht  untauglich. 
(Da  die  Backgerätschaften  heiligen,  müssen  sie  im  Heiligtum  sich  befunden  haben, 
u.  muß  deshalb  die  Zubereitung  der  Brote,  im  Sinne  des  R.  J'^huda,  im  Vorhof  erfolgt 
sein;  R.  J^huda  faßt  also  1  Sm  21,  6  so:  „Das  ist  Profanes,  auch  wenn  es  (das  Brot) 
heute  durch  die  Geräte  geheiligt  wird.")  R.  Schim'on  meinte:  David  traf  sie  am 
»Sabbat,  wie  sie  die  Schaubrote  buken;  er  sprach  zu  ihnen:  Ihr  wolltet  es  nicht  nach 
Art  profaner  Brote  herstellen  (u.  weil  ihr  fürchtetet,  daß  die  Brote  durch  das  Liegen- 
bleiben über  Nacht  untauglich  würden,  so  nahmt  ihr  das  Backgeschäft  am  Sabbat 
selbst  vor;  aber  ganz  unnötigerweise);  der  Ofen  heiligt  doch  nicht,  der  Tisch  ist  es, 
welcher  heiligt.  (Da  die  Backgerätschaften  die  Brote  nicht  heiligen,  so  kann  deren 
Herstellung  auch  außerhalb  des  fleiligtums  erfolgen;  R.  Schim?on  faßt  1  Sm  21,  6  so: 
„Das  ist  Profanes;  wird  es  denn  etwa  auch  heute  durch  die  Geräte  geheiligt'?")  — 
Aber  kann  man  denn  sagen,   daß  David  sie  in  der  Stunde  des  Backens  antraf?    Es 


Mattlil2. 3. 4  •  619 

heißt  doch  lSm21,  7:  „Da  gab  ihm  der  Priester  Heiliges;  denn  es  war  dort  kein 
anderes  Brot  außer  den  Schaubroten,  die  vor  Jahve  weg  entfernt  (abgenommen)  waren I" 
(Also  handelt  es  sich  nicht  um  eben  gebackene,  sondern  um  solche  Brote,  die  bereits 
vom  Schaubrottisch  abgeräumt  waren.)*  Was  wollen  also  die  Worte  „eine  Art  Profanes" 
besagen,  die  er  zu  ihnen  sprach?  Sie  hatten  zu  ihm  so  gesagt:  Es  ist  kein  Brot  vor- 
handen außer  den  Schaubroten,  die  vor  Jahve  weg  entfernt  sind.  Da  antwortete  ihnen 
David:  Ohne  Zweifel  sind  die  Brote,  sobald  sie  nicht  mehr  den  Bestimmungen  wegen 
Veruntreuung  (Vergreifung  an  Heiligem)  unterliegen,'  etwas  Profanes.  Aber  selbst 
wenn  auch  das  zuträfe,  daß  sie  heute  durch  die  Geräte  (durch  die  Auflegung  auf  den 
Schaubrottisch)  geheiligt  wären,  dennoch  gebt  sie  mir,  es  handelt  sich  (bei  mir)  um 
einen  Gefährdeten  (um  einen  vom  Heißhunger  Befallenen).'-  lSm2I,6  wird  jetzt  so 
gefaßt:  Es  (das  Brot)  ist  ja  eine  Art  Profanes;  u.  selbst  wenn  es  heute  durch  die 
Geräte  geheiligt  worden  wäre  —  gebt  es  her,  es  liegt  ein  Notfall  vor!  11  Jalqut  zu  1  Sm 
21,  5  (§  180)  aus  J®lamni^denu:  Der  Priester  sprach  zu  David:  Weißt  du  nicht,  daß,  wer 
ein  Weib  berührt  hat.  Heiliges  nicht  essen  darf?  David  antwortete:  Es  sind  nun  drei 
Tage,  daß  wir  kein  Weib  erkannt  haben,  wie  es  heißt  1  Sm  21,6:  „Wahrlich,  ein  Weib 
war  uns  verschlossen  seit  gestern  u.  vorgestern  u.  die  Sachen  der  Knaben  waren  heilig." 
Es  war  aber  Sabbattag,  u.  David  sah  sie,  wie  sie  am  S.  die  Schaubrote  buken,  wie  es 
Do6g  sie  gelehrt  hatte.  Da  sprach  David  zu  ihnen:  Was  macht  ihr  da!  Ihr  Backen 
verdrängt  den  S.  nicht,  sondern  nur  ihr  Aufschichten  (auf  den  Schaubrottisch),  wie  es 
heißt  Lv24,  8:  „Am  S.  soll  er  sie  aufschichten."  Da  er  dort  nur  die  Schaubrote  vor- 
fand, sprach  David  zum  Priester:  Gib  mir,  damit  wir  nicht  vor  Hunger  sterben,  denn 
Lebensgefahr  verdrängt  den  S.  Und  wieviel  aß  David  in  jener  Stunde?  R.  Huna  (um  350) 
hat  gesagt:  An  die  sieben  Sea  hat  David  gegen  seinen  Hunger  gegessen,  denn  Heiß- 
hunger befiel  ihn.  (Zur  Herstellung  der  12  Schaubrote  wurden  24  Zehntel  Epha  gebraucht, 
das  waren  genauer  7,2  Sea.)  H  Sanli  108b:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Jose 
b.  Qisma  (Qosma?  um  110)  gesagt:  Etwas  Großes  ist  es  um  das  Essen  (Speise);  denn  es 
hat  zwei  Geschlechter  von  Israel  entfernt  (die  Ammoniter  u.  Moabiter  nach  Dt  23,  4  f.). 
R.  Jochanan  hat  in  seinem  eigenen  Namen  gesagt:  Es  entfernt  die  Nahen  (Ammon  u. 
Moab),  es  nähert  die  Entfernten  (Jethro,  Ex  2,20  verglichen  mit  1  Chr  2,55  u.  Ri  1, 16). 
es  verbirgt  die  Augen  vor  den  Frevlern  (Mikha,  vgl.  Ri  17,10),  es  läßt  die  Sch^'khina 
auf  den  Bafalspropheten  ruhen  (s.  1  Kg  13.  20)  u.  es  rechnet  ein  Versehen  als  mut- 
willigen Vorsatz  an.  Denn  Rab  J*^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt: 
Wenn  Jonathan  dem  David  zwei  Brote  mit  auf  den  Weg  gegeben  hätte,  dann  würde 
Nob,  die  Priesterstadt,  nicht  hingemordet,  Doeg,  der  Edomiter,  nicht  verstoßen,  Saul 
u.  seine  drei  Söhne  nicht  getötet  worden  sein  (denn  dies  alles  folgte  aus  dem  Vorgang 
in  1  Sm21).  \\  M«n29a:  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Ein  großes  Wunder 
geschah  an  dem  Schaubrot:  Es  war  bei  seiner  Entfernung  wie  es  bei  seinem  Hinlegen 
war  (nämlich  noch  frisch  u.  warm),  wie  es  heißt  1  Sm  21,7:  „Indem  er  das  Brot  warm 
hinlegte  an  dem  Tage,  da  man  es  (vom  Schaubrottisch)  hinwegnahm"  (so  der  Midrj.  — 
Dasselbe  M'^n  96^;  Chag  26;  die  letzte  Stelle  zeigt,  daß  dieses  Wunder  zu  allen  Zeiten 
sich  wöchentlich  an  den  Schaubroten  wiederholte. 

Zum  Gedanken  Mt  12, 3,  daß  die  Sabbatheiligung  hinter  der  Erhaltung 
des  menschlichen  Lebens  zurückzustehen  habe,  s.  bei  Mt  12, 10. 

12,4:  Wie  .  .  .  sie  die  Schaubrote  aßen,  was  zu  essen  ihm 
u.  den  Seinen  nicht  erlaubt  war  außer  den  Priestern'? 
Die  Bestimmungen  betreffs  der  Schaubrote  s.  bei  Hebr  9,  2. 


'  Dieser  Zeitpunkt  tritt  nach  M^?il2,  7  nach  Darbringung  des  Räucherwerks  ein. 

-  Über  einen  solchen  sagt  Joma  8, 6:  Wen  Heißhunger  (s'i'aiMs  =  ßoi^hfioc,  ßovXifxiu) 
befällt,  dem  gibt  man  (an  dem  großen  Fasttage,  dem  Versöhnungstage)  selbst  Unreines 
(gesetzlich  verbotene  Dinge)  zu  essen,  bis  sich  seine  Augen  aufhellen  (vgl.  1  Sm  14,27.29). 


620  MatthI2, 5 

12,5:  Oder  habt  ihr  nicht  im  Gesetz  gelesen,  daß  am  Sabbat 
die  Priester  im  Tempel  den  Sabbat  entweihen  u.  (doch)  un- 
schuldig aind? 

Alle  Pflichtgebote,  die  von  der  Tora  an  eine  bestimmte  Zeit  ge- 
bunden sind,  verdrängen  den  Sabbat,  wenn  ihre  Zeit  auf  diesen  fällt. 
So  heißt  es  oft:  der  Tempeldienst  verdrängt  den  S.  raujn  rx  nnii  .-niz:r, 
zB  Schab  132''  (dreimal);  J**b  7^  (zweimal);  oder  die  Beschneidung  nsi^a 
verdrängt  den  Sabbat,  zB  N«d  3,11;  Schab  1 32 ».  ||  RH  1,4:  Wegen  zweier 
Neumonde  entheiligt  man  den  S.  ^  r^'zwji  rx  iibbira  (=  rd  aäßßarov 
ßsßtjXovaiv),  wegen  des  Nisan  u.  wegen  des  Tischri  (damit  die  Feste 
dieser  Monate  an  den  von  der  Tora  bestimmten  Tagen  gefeiert  werden); 
denn  in  diesen  gehen  die  Abgesandten  nach  Syrien  (um  dort  die  Fest- 
setzung des  Neumonds  u.  der  Feiertage  zu  melden)  u.  in  diesen  setzt 
man  die  Feiertage  fest.  Als  das  Heiligtum  noch  stand,  entheihgte  man 
den  S.  auch  wegen  aller  übrigen  Neumonde,  um  die  Zeit  für  das  (Neu- 
monds-)Opfer  richtig  zu  bestimmen.  ||  Auch  die  rabbin.  Verordnungen 
betreffs  der  S.ruhe  ma^  galten  für  den  Tempeldienst  nicht:  mrr  -i-^x 
inp?2n,  vgl.  pJoma  1,  38 '\  59. 

R.  Eli'ezer  b.  Hyrkanos,  um  90,  der  Vertreter  der  älteren  Praxis, 
wollte  das  Recht  der  S.verletzung  auch  für  sämthche  Handlungen  in 
Anspruch  nehmen,  durch  die  die  Ausführung  der  betreffenden  Pflicht- 
gebote am  S.  ermöglicht  werde.  Sein  Grundsatz  lautet  Schab  131^: 
r3ü:n  rx  "(TTn  rfit^a  -^ninD-a  „was  die  Ausführung  eines  Pflichtgebotes 
ermöglicht,  verdrängt  den  S.".  Diesen  Grundsatz  wandte  er  an  auf  die 
Vorbereitung  der  beiden  Erstlings- (Pfingst-)Brote,  des  Feststraußes, 
der  Festhütte,  des  Posaunenblasens  u.  der  Beschneidung,  das.  131*- ''.  — 
Die  Meinung  des  R.  Eli'ezer  drang  jedoch  nicht  durch;  als  Halakha 
(gültige  Norm)  wurde  vielmehr  eine  Regel  des  R.  'Aqiba  (f  um  135) 
festgesetzt,  nach  welcher  nur  diejenigen  Arbeiten  zur  Ausführung  eines 
Pflichtgebotes  am  S.  vorgenommen  werden  sollten,  die  nicht  bereits 
tags  zuvor  geschehen  oder  auf  den  nächsten  Tag  verschoben  werden 
konnten.    Einige  Beispiele  zur  Erläuterung. 

Schab  18,  3:  Alles,  was  zur  Beschneidung  nötig,  führt  man  am  S.  aus.  |  Schab  19, 1: 
R.  EliEezer  sagte:  Wenn  man  das  Beschneidungsmesser  nicht  am  Vortag  des  S.  hin- 
gebracht hat,  so  bringt  man  es  am  S.  offen  (unverdeckt)  hin  (damit  jeder  sehen  kann, 
was  man  am  S.  trägt).  Zur  Zeit  der  Gefahr  (einer  Religionsverfolgung)  verdeckte  man 
es  vor  Zeugen.  Ferner  hat  R.  Elicezer  gesagt:  Man  darf  Holz  zerschneiden,  um  Kohlen 
daraus  zu  machen  u.  um  ein  eisernes  Gerät  (als  Beschneidungsmesser)  herzustellen. 
Als  allgemeine  Regel  hat  R. 'Aqiba  ausgesprochen:  Jede  Arbeit,  die  man  am  S.vortag 
verrichten  kann,  verdrängt  nicht  den  S.;  die  man  aber  am  S.vortag  nicht  verrichten 
kann,  verdrängt  den  S.  il  P'^s  6, 1:  Folgende  Verrichtungen  am  Passahlamm  verdrängen 
den  S.:  Das  Schlachten  desselben,  das  Sprengen  seines  Blutes,  die  Reinigung  seiner 
inneren  Teile  u.  die  Opferung  seiner  Fettstiicke;  dagegen  verdrängen  das  Braten  des- 


*  Die,  welche  das  Erscheinen  des  Neumonds  vor  dem  Gerichtshof  bezeugen  wollen, 
dürfen  am  S.  über  die  S.grenze  hinausgehen. 


Mattli  12,  5  Q21 

selben  u.  das  Abwaschen  seiner  Eingeweide  den  S.  nicht;  auch  sein  Auflegen  auf  die 
Schulter  u.  sein  Herbeibringen  von  einem  Punkt  außerhalb  der  S.grenze  u.  das  Aus- 
schneiden eines  Geschwürs  an  ihm  verdrängen  den  S.  nicht  (das  Braten  des  Passah- 
lammes geschah  in  diesem  Fall  erst  nach  Eintritt  der  Dunkelheit).  R.  Elicezer  sagte: 
Sie  verdrängen  ihn. —  I  6,2:  R.  Elicezer  hat  gesagt:  Ist  da  nicht  die  Schlußfolgerung 
zu  ziehen:  Wenn  das  Schlachten,  das  (sonst)  als  Arbeit  verboten  ist,  den  S.  verdrängt, 
sollten  da  nicht  diese  Verrichtungen,  die  nur  mit  Rücksicht  auf  die  S.ruhe  (s.  bei  Mt  12, 2) 
verboten  sind,  den  S.  verdrängen?  R.  J'^hoschua?  (um  90)  antwortete:  Ein  Feiertag 
bringt  den  Gegenbeweis,  an  welchem  man  als  Arbeit  Verbotenes  erlaubt  u.  wegen  S.ruhe 
Verbotenes  verboten  hat.  R.  Elicezer  sprach  zu  ihm:  Was  soll  das?  Wie  kann  in  das 
freie  Belieben  Gestelltes  einen  Beweis  abgeben  in  bezug  auf  ein  Pflichtgebot?  R.  cAqiba 
antwortete:  Das  Besprengen  (eines  an  einer  Leiche  Verunreinigten,  das  am  siebenten, 
auf  einen  S.  fallenden  Tag  unterbleibt)  bringt  den  Gegenbeweis;  denn  obwohl  es  ein 
Pflichtgebot  u.  nur  wegen  der  S.ruhe  verboten  ist,  verdrängt  es  dennoch  nicht  den  S. 
Auch  du  wundere  dich  nicht  über  jene  (obigen)  Verrichtungen,  daß  sie,  obgleich  sie 
Pflichtgebote  u.  nur  der  vS.ruhe  wegen  verboten  sind,  den  S.  nicht  verdrängen.  Dagegen 
R.  Elicezer:  Auch  in  bezug  auf  das  Besprengen  ziehe  ich  die  Schlußfolgerung:  Wenn 
das  Schlachten  (des  Passahlammes),  das  (sonst)  als  Arbeit  verboten  ist,  den  S.  ver- 
drängt, sollte  dann  das  Besprengen,  das  nur  der  S.ruhe  wegen  verboten  ist,  nicht  erst 
recht  den  S.  verdrängen?  R.  cAqiba  antwortete:  Oder  umgekehrt:  wenn  das  Besprengen, 
das  nur  der  S.ruhe  wegen  verboten  ist,  den  S.  nicht  verdrängt,  sollte  dann  das  Schlachten, 
das  als  Arbeit  verboten  ist,  nicht  erst  recht  den  S.  nicht  verdrängen?  R.  Elicezer  ant- 
wortete: Du  entwurzelst,  was  in  der  Tora  geschrieben  ist:  „zwischen  den  beiden  Abenden 
zu  seiner  bestimmten  Zeit*  (vgl.  Nu  9,  3),  gleichviel  ob  an  einem  Wochentag  oder  an 
einem  S.  R.  cAqiba  erwiderte:  Rabbi  (=  mein  Lehrer)  bringe  mir  (aus  der  Tora)  eine 
bestimmte  Zeitangabe  für  jene  Verrichtungen  bei,  wie  eine  bestimmte  Zeitangabe  sich 
für  das  Schlachten  findet!  Als  allgemeine  Regel  hat  R.  cAqiba  gesagt:  Alle  Arbeit, 
die  man  am  S.vortag  verrichten  kann,  verdrängt  den  S.  nicht;  das  Schlachten  (des 
Passahlammes),  das  man  am  S.vortag  nicht  ausführen  kann,  verdrängt  den  S.  ||  Zu  RH 
1,  4  (oben  S.  620«)  heißt  es  in  einer  Bar  RH  21  b:  In  der  früheren  Zeit  hat  man  den  S. 
auch  wegen  aller  übrigen  Neumonde  entheiligt;  nachdem  das  Heiligtum  zerstört  worden 
war,  sagte  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80):  Gibt  es  denn  (noch)  ein  Opfer  (am 
Neumond,  um  dessentwillen  vordem  der  S.  entheiligt  werden  durfte)?  Da  verordnete 
man,  daß  man  ihn  nur  wegen  des  Nisan  u.  des  Tischri  entheiligen  dürfe.  ||  Weiter 
seien  angeführt  cAZ  21^:  Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan 
(t  279)  habe  gesagt:  Eine  Krankheit,  derentwegen  man  den  S.  entheiligen  darf,  darf 
man  sich  von  ihnen  (Nichtisraeliten)  nicht  heilen  lassen.  Einige  sagen:  Rabbah  bar 
bar  Ghana  hat  gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Eine  innerliche  Wunde  hhr,  5-i-  ns« 
darf  man  sich  von  ihnen  nicht  heilen  lassen.  ||  GnR  7  (5''):  (R.  Chaggai,  um  o'jO)  sagte: 
Wenn  ein  Sohn  der  Völker  (x'y'ss  12  —■  Nichtisraelit)  zu  dir  käme  u.  zu  dir  sagte:  Ich 
möchte  Jude  werden  unter  der  Bedingung,  daß  man  mich  am  S.tag  oder  am  Versöhnungs- 
tag beschneidet,  dürfte  man  sie  seinetwegen  entweihen?  Entweiht  man  denn  einen  S. 
oder  Versöhnungstag  nicht  bloß  wegen  eines  Sohnes  einer  Israelitin?  ||  GnR  34  (211)) 
Bar:  R.  Schimcon  b.  EKazar  (um  190)  sagte:  Wegen  eines  lebenden  Kindes,  das  einen 
Tag  alt  ist,  darf  man  den  S.  entheiligen  (zwecks  Lebenserhaltung),  aber  wegen  Davids, 
des  Königs  von  Israel,  als  er  gestorben  war,  durfte  man  den  S.  niclit  entheiligen. 
Solange  ein  Mensch  lebt,  darf  man  seinetwegen  den  S.  entheiligen;  aber  wenn  er 
gestorben  ist,  darf  man  seinetwegen  den  S.  nicht  entheiligen.  —  Die  Bar  findet  sich 
TSchab  17,  19  (137);  in  Schab  151b  ist  Rabban  Schim'on  b.  Gamliel,  um  140,  irrtümlich 
als  Autor  genannt.  ||  TanchB  'sca  §  1  (81a):  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Wenn  jemand 
von  einem  Heerestrupp  oder  von  Räubern  verfolgt  wird,  darf  er  den  S.  entweihen 
(um  sich  zu  rettenj?  So  haben  unsre  Lehrer  gelehrt  (s.  RH2,  5):  Wer  von  einem 
Heerestrupp  oder  von  Räubern  verfolgt  wird,  darf  den  S.  entweihen  u.  sein  Leben 
retten;  denn  so  finden  wir  es  bei  David:  als  Saul  ihn  töten  wollte,  floh  er  vor  ihm  u. 


622  Matth  12,  5.  7.  8.  10  (Nr.  1) 

entkam.^  ünsre  Lehrer  haben  gesagt:  Es  geschah  einmal,  daß  (an  einem  S.)  schlimme 
Schriftstücke  von  der  (heidnischen)  Regierung  an  die  Großen  von  Sepphoris  gelangten.  Man 
kam  u.  fragte  den  R.  Elcazar  b.  P'-Yata  (um  110):  Schlimme  Schriftstücke  sind  an  uns  von  der 
Regierung  gelangt;  sollen  wir  fliehen?  Ertrug  Bedenken  zu  sagen:  .Fliehet am  Sabbat!' 
u.  sprach:  Da  fragt  ihr  mich?  Geht  u.  fragt  Jakob  u.  Mose  u.  David!  Von  Jakob  steht 
geschrieben:  „Geflohen  ist  Jakob  nach  der  Trift  Arams"  Hos  12, 13;  von  Mose  steht  ge- 
schrieben: „Da  floh  Mose  vor  dem  Pharao"  Ex 2, 15;  von  David  steht  geschrieben:  „David 
war  geflohen  u.  entkommen"  1  Sm  19,  18.  Ferner  heißt  es:  „Wohlan  mein  Volk,  so 
geh  in  deine  Kammern"  Jes  26,  20.  Dasselbe  Tanch  ^szm  nVs  Anfang;  NuR  23  Anfang.  || 
Schließlich  sei  auf  etliche  Verrichtungen  hingewiesen,  die  nach  cEr  10, 11  fi".  im  Tempel 
am  S.  erlaubt,  aber  außerhalb  des  Tempels  verboten  waren:  Mit  einem  (an  einem  Strick) 
herabhangenden  Riegel  darf  man  (am  S.)  im  Heiligtum  zuschließen,  aber  nicht  außerhalb 
nr-rs^.  Die  untere  Angel  (einer  Tür)  darf  man  im  H.  wieder  einbringen,  aber  nicht 
außerhalb.  Man  darf  ein  Pflaster  (einen  Verband,  der  sich  an  einem  Priester  gelöst 
hatte)  im  H.  wieder  anlegen,  aber  nicht  außerhalb.  Man  darf  eine  (gesprungene)  Saite 
im  H.  wieder  zus. knüpfen,  aber  nicht  außerhalb.  Man  darf  ein  Geschwür  (an  einem 
Opfertier)  im  H.  entfernen,  aber  nicht  außerhalb ;  mit  einem  Instrument  ist  es  hier  u. 
dort  verboten.  Wenn  ein  Priester  sich  den  Finger  beschädigt,  so  darf  er  ihn  im  H. 
mit  Bast  umwickeln,  aber  nicht  außerhalb.  Man  darf  Salz  auf  die  Altarrampe  streuen, 
damit  die  Priester  nicht  ausgleiten.  Man  darf  am  S.  schöpfen  aus  dem  Brunnen  der 
Exulanten  u.  aus  dem  großen  Brunnen  mit  dem  Rade  u.  aus  dem  Brunnen  mit  dem 
kalten  Wasser  an  einem  Festtage  (diese  Brunnen  befanden  sich  im  Tempelbezirk).  Ein 
Reptil,  das  sich  im  H.  vorfindet,  darf  ein  Priester  mit  seinem  Gürtel  hinausschaffen, 
um  nicht  das  Unreine  darin  verweilen  zu  lassen.  Das  sind  Worte  des  R.  Jochanan 
b.  B'^roqa  (um  110).  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Mit  einer  hölzernen  Zange,  um  nicht  die 
Unreinheit  zu  vermehren.  Von  welchen  Steilen  schafft  man  es  hinaus?  Aus  dem 
Tempelgebäude  -:-- ,  aus  der  Vorhalle  cv.s  u.  aus  deni  Raum  zwischen  Vorhalle  u. 
Brandopferaltar.  Das  sind  Worte  des  R.  SchimSon  b.  Nannos  (um  110).  R.  (Aqiba  (f  um  135) 
sagte:  Von  jeder  Stelle  schafft  man  es  hinaus,  durch  deren  absichtliches  Betreten  .sich 
ein  Unreiner  der  Ausrottung  u.  bei  versehentlichem  Betreten  eines  Sündopfers  schuldig 
macht;  an  allen  übrigen  Stellen  aber  deckt  man  einen  Kessel  darüber. 

12,7:  Erbarmen  will  ich  u.  nicht  Opfer,  eXsog  ^sXco  xal  ov  ^vaiccv. 

Dazus.  beiMt9, 13. 

So  würdet  ihr  die  Schuldlosen  nicht  verurteilen. 
Joma  19b:  R.  J%oschua<  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  Rechtschaffene  (Fromme) 
in  Verdacht  hat,  wird  an  seinem  Leibe  gestraft. 

12,  8:  Herr  des  Sabbats  ist  der  Menschensohn. 
Hierüber  s.  zu  Mk  2,  28. 

12,10:  Ist  es  erlaubt  am  Sabbat  zu  heilen? 
1.  d  e^sariv  xolq  aäßßaoiv;  Ebenso  fragt  einmal  R.  Meir  (um  150) 

r^-i-fj  nnr-n  „ist  der  Sabbat  dazu  freigegeben"  =  ist  es  am  S.  erlaubt? 

pBe^ao,  63  a,  34:  Rabbi  bereitete  seinem  Sohn  Schimfon  das  Hochzeitsmahl,  u.  sie 
klatschten  auf  die  Rückseite  ihrer  Hände  am  S.  R.  Me'ir  ging  vorüber  u.  hörte  ihren 
Schall.  Er  rief:  Meine  Lehrer  (Herren),  ist  es  erlaubt  am  S.  rzvr;  n-inrs?  Rabbi  hörte 
seine  Stimme  u.  sprach:  Wer  ist  das,  der  uns  in  unsrem  Hause  strafen  will?  Manche 
sagen,  so  habe  er  gesagt :  Wer  ist  das,  der  uns  in  unsrem  Hause  Zurückhaltung  (Schweigen) 
gebieten  will?  R.  Me'ir  hörte  seine  Stimme  u.  entfloh.   Sie  gingen  hinaus  u.  liefen  dem 


'  Zu  der  Annahme,  daß  Davids  Flucht  an  einem  S.  erfolgte,  s.  M*^n  95*'  u.  Jalqufc 
zu  1  Sm21,5beiMtl2,  3. 


Matth  12,10  (Nr.  2)  623 

Entlaufenden  nach.  Da  wehte  der  Wind  die  Kopf  binde  vom  Nacken  des  R.  Meir.  Rabbi 
blickte  aus  dem  Fenster  u.  sah  den  Nacken  des  R.  Meir  von  hinten.  Er  sagte:  Ich  habe 
Torakenntnis  nur  erlangt,  weil  ich  den  Nacken  des  R.  Meir  von  hinten  gesehen  habe.  |) 
Be9a2'21'  liest  man  die  Wendung:  p  ri»:;"':  -n^i  rz-:.z  „am  S.  darf  man  ebenso  tun". 

2.  d  s^saxiv  Toig  aüßßaaiv  ^sQansvaai;  —  Die  eigene  Antwort  der 
Pharisäer  würde  gelautet  haben:  Das  Heilen  am  S.  ist  bei  drohender 
Lebensgefahr  erlaubt;  aber  wo  keine  Gefahr  im  Verzuge,  ist  es  unbedingt 
verboten.»  —  Im  ersteren  Fall  durften  Heilmittel  angewandt  werden, 
wie  sie  die  damalige  ärztliche  Kunst  an  die  Hand  gab:b  auch  sym- 
pathetische Kuren  u.  dgl.  waren  angesichts  drohender  Gefahr  am  S. 
nicht  untersagt,  c  —  Im  letzteren  Falle  galten  Dinge,  die  auch  ein 
gesunder  Mensch  als  Nahrung  genießt  oder  zur  Pflege  seines  Körpers 
verwendet,  nicht  als  Heilmittel;  sie  durften  daher  auch  einem -leicht 
Erkrankten  am  S.  gereicht  werden,  d  —  Der  Kasuistik  eröffnete  die 
Frage  der  S.heilungen  ein  weites  Gebiet  zur  Betätigung,  e  In  dem 
Mtl2,  lOif.  vorliegenden  Falle  würde  sie  entschieden  haben:  da  die 
vertrocknete  Hand  eine  unmittelbare  Lebensgefahr  für  den  Leidenden 
nicht  in  sich  schließt,  ist  die  Heilung  am  S.  nicht  gestattet. 

a.  M'^khExSl,  13  (109a):  Einmal  befanden  sich  R.Jischma<el(t  um  135) u.R. El'azar 
b.cAzarja  (um  100)  u.  R.  cAqiba  (f  um  135)  unterwegs  auf  einer  Reise;  Levi  aber,  der 
Haarkräusler  u.  R.  Jischma'el  b.  R.  Elcazar  b.  t'^Azarja  (um  130)  gingen  hinter  ihnen  her 
(als  Schüler).  Vor  ihnen  wurde  die  Frage  aufgeworfen :  Woher  läfst  sich  (aus  der  Schrift) 
erweisen,  daß  die  Rettung  eines  Menschenlebens  «r:  r-.-E  den  S.  verdrängt?  R.  Jischmalel 
antwortete:  Wenn  beim  Einbruch  der  Dieb  betroffen  wird,  u.  er  wird  geschlagen,  daß 
er  stirbt,  so  ist  seinetwegen  keine  Blutschuld  Ex  2"i^,  1.  Siehe,  da  gilt  der  Schluß  vom 
Leichteren  auf  das  Schwerere:  wenn  man  da,  wo  es  zweifelhaft  ist,  ob  der  Dieb  kam, 
um  zu  stehlen  oder  um  zu  töten,  u.  wo  es  sich  um  Blutvergießen  handelt,  das  das 
Land  verunreinigt  u.  die  Sch^khina  (Gottheit)  sich  entfernen  läßt,  ein  Menschenleben 
verdrängen  darf  (um  das  eigene  zu  retten)  —  um  wieviel  mehr  gilt  dann  von  der 
Rettung  eines  Menschenlebens,  daß  sie  den  S.  verdrängt!  R.  Elcazar  b.cAzarja  ant- 
wortete: Wenn  die  Beschneidung,  die  nur  eins  von  den  Gliedern  des  Menschen  betriift, 
den  S.  verdrängt,  um  wieviel  mehr  gilt  das  in  bezug  auf  den  ganzen  übrigen  Leib! 
Man  antwortete  ihm:  In  deinem  Falle  müßte  es  sich,  wie  dort,  so  auch  hier  um  Nicht- 
zweifelhaftes handeln  (von  Zweifellosem,  wie  die  Beschneidung  ist,  darf  man  nicht  auf 
Zweifelhaftes,  wie  die  Lebenserhaltung  ist,  schließen).  R.  cAqiba  sagte;  Wenn  die  Hin- 
richtung (eines  Mörders,  der  ein  Priester  ist)  den  Opferdienst  verdrängt,  der  den  S. 
verdrängt,  um  wieviel  mehr  gilt  es  dann  von  der  Rettung  des  menschlichen  Lebens, 
daß  sie  den  S.  verdrängt!  —  R.Jose,  der  Galiläer  (um  110)  sagte:  Wenn  es  heißt: 
,Nur,  -s,  meine  Sabbate  sollt  ihr  beobachten!"  Ex  31, 13,  so  will  dieses  „nur"  einen 
Unterschied  machen:  es  gibt  Sabbate,  die  du  verdrängen  darfst,  u.  es  gibt  Sabbate, 
an  denen  du  ruhen  mußt.  R.  Schimcon  b.  M'^'nasja  (um  180)  sagte:  Siehe,  es  heißt:  „Be- 
obachtet den  Sabbat,  denn  er  ist  heilig  für  euch"  Ex  31, 14,  d.  h.  euch  ist  der  S.  über- 
geben (ausgeliefert)  u.  nicht  seid  ihr  dem  S.  übergeben  (ausgeliefert).  —  R.  Nathan  * 
sagte:  Die  Kinder  Israel  sollen  den  S.  beobachten,  indem  sie  den  S.  halten  für  ihre 
Geschlechter  Ex  31,  16,  d.  h.:  entweihe  Einen  S.  (um  der  Erhaltung  deines  Lebens 
willen),  damit  du  (wenn  du  dein  Leben  gerettet  hast)  viele  Sabbate  beobachten  kannst!  — 
Parallelstellen  mit  zum  Teil  breiterer  Beweisführung  u.  andren  Autorennamen :  TSchab 
15,161(134);  Joma85a,  hier  die  Schlußbemerkung:  Rab  Phuda  (t  299)  hat  gesagt, 

'  Gemeint  ist  der  zur  Schule  des  R.  Jischmacel  gehörende  R.  Jonathan  (b.  Joseph), 
um  140;  vgl.  Bacher,  Tann.  2,362. 


624  Matth  12,  10  (Nr.  2) 

Sch^'muel  (f  254)  habe  gesagt:  Wenn  ich  dort  (bei  den  obigen  Verhandlungen  der 
palästinischen  Gelehrten)  gewesen  wäre,  so  würde  ich  als  meine  Meinung,  die  besser 
ist  als  die  jener,  gesagt  haben :  Der  Mensch  soll  durch  die  Satzungen  der  Tora  leben 
(vgl.  Lv  18, 5),  nicht  aber  soll  er  infolge  derselben  sterben!  Raba  (f  352)  hat  gesagt: 
Oegen  jene  Autoritäten  alle  kann  man  Einwendungen  erheben,  ausgenommen  Sch^'muSl, 
gegen  den  es  keine  Einwendung  gibt.  —  Die  Ausführung  des  R.  EUazar  b.  cAzarja  auch 
Schab  132a;  TanchB  zv-^  §  8  (91a) ;  Tanch  i^r-  88'';  die  des  R.  Schim'con  b.  M'^nasja  M^kh 
Ex  31, 14  (109b);  die  des  R.  Nathan  (Jonathan)  anonym  Tanch  i-r-  88b  u.  TanchB  =«•''1 
§8  (91a).  R.  Schimfon  b.  M<^nasja  als  Autor  Joma  85b.  ||  Der  Ausspruch  Sch^'muels  ist 
in  TSchab  15, 17  (184)  bereits  in  der  Beweisführung  desR.  cAqiba  enthalten;  anonym 
Tanch  -yor  245  a;  TanchB  -yo«  §  1.  ||  TSchab  15, 17  (184):  Es  gibt  nichts,  was  der  Rettung 
des  menschlichen  Lebens  entgegensteht  (auch  kein  S.),  ausgenommen  drei  Dinge:  Götzen- 
dienst, Unzucht  u.  Blutvergießen  (d.  h.  nicht  darf  man  durch  Begehung  dieser  Kardinal- 
sünden das  eigene  oder  fremdes  Leben  retten  wollen.  Einen  Ausnahmefall  auf  Grund 
von  Er  22, 1  s.  im  vorigen  Zitat).  Dasselbe  K^h  19a;  Joma  82a.  _  In  pSchab  14.  U^,  38 
ist  dieser  Gedanke  so  ausgedrückt :  R.  Jataqob  b.  Idi  (um  280)  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan 
(t  279;  so  wird  zu  lesen  sein  statt  „R.  Jonathan")  gesagt:  Man  darf  sich  durch  alles 
heilen  lassen,  nur  nicht  durch  Götzendienst,  Unzucht  u.  Blutvergießen.  ||  TanchB  -'s  ~[h 
§20  (88b):  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Ist  es  einem  Menschen  erlaubt,  am  S.  zu  heilen? 
So  haben  unsre  Lehrer  gelehrt:  Lebensgefahr  verdrängt  den  S. ;  wenn  es  aber  zweifel- 
haft ist,  ob  er  gesund  wird  oder  nicht,  so  verdrängt  man  (seinetwegen)  den  S.  nicht; 
^ber  der  Beschneidung  wegen  verdrängt  man  (in  jedem  Fall)  den  S.  ||  Tanch  -'■>  -'•>  19  b: 
Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Ist  es  einem  Menschen  erlaubt,  seine  Plage  (Krankheit) 
am  S.  zu  heilen?  So  haben  unsre  Lehrer  gelehrt:  Jede  Lebensgefahr  verdrängt  den 
S.,  die  Beschneidung  u.  ihre  Heilung  verdrängt  (gleichfalls)  den  S.  ||  DtR  10  Anfang: 
Wenn  ein  Israelit  an  seinem  Ohr  Schmerzen  hat,  darf  er  es  am  S.  heilen?  So  haben 
die  Gelehrten  gelehrt:  Jede  Lebensgefahr  verdrängt  den  S.,  u.  wenn  die  Ohrenplage 
eine  Gefahr  ist,  so  darf  man  sie  am  S.  heilen. 

b.  In  welchen  Fällen  man  Gefahr  als  vorliegend  erachtete,  zeigt  folgende  Stellen- 
auswahl. —  Joma  8,6:  R.  Mattja  b.  Cheresch  (um  180)  hat  gesagt:  Wenn  jemand  in 
seiner  Kehle  Schmerzen  hat,  so  darf  man  ihm  ein  Heilmittel  am  S.  in  den  Mund  geben, 
weil  das  eine  Lebensgefahr  ist;  u.  jede  Lehensgefahr  verdrängt  den  S.  —  |  Joma  8,  7: 
Wenn  über  jemand  ein  Einsturz  erfolgte  u.  es  zweifelhaft  ist,  ob  er  sich  darunter  be- 
findet oder  nicht,  ob  er  lebt  oder  tot  ist,  ob  er  ein  Nichtisraelit  -^23  ist  oder  ein  Israelit, 
so  darf  man  (am  S.)  den  Schutthaufen  über  ihm  wegräumen;  findet  man  ihn  am  Leben, 
so  räumt  man  weiter  über  ihm  fort;  wenn  er  aber  tot  ist,  so  läßt  man  ihn  liegen.  — 
Dasselbe  TanchB  ar--  §  8  (91a).  ||  Schab  18,  3:  Es  ist  verboten,  an  einem  Feiertage  (u.  erst 
recht  am  S.)  einem  werfenden  Tier  Beistand  zu  leisten  (durch  Entnahme  des  Jungen), 
wohl  aber  darf  man  es  sonstwie  unterstützen  (durch  äußern  Druck  u.  dgl.).  Einer  Frau 
leistet  man  am  S.  Geburtshilfe,  man  ruft  für  sie  eine  Sachverständige  (Hebamme)  auch 
von  ferne  (wörtlich  von  Ort  zu  Ort)  herbei,  man  entheiligt  ihretwegen  (durch  allerlei 
Dienstverrichtungen)  den  S.,  u.  man  bindet  den  Nabel  (was  als  ein  Knotenmachen  am 
S.  eigentlich  verboten  wäre).  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Man  darf  ihn  auch  abschneiden.^  j 
TSchab  15, 11 — 15(133):  Mau  darf  am  S.Veranstaltungen  zur  Rettung  menschlichen 
Lebens  treffen,  u.  wer  eifrig  darin  ist,  verdient  Lob  u.  braucht  sich  keine  Genehmigung 

*  Betreffs  des  Versöhnungstages  setzt  Joma  8, 5  f.  in  Sonderheit  fest:  Wenn  eine 
schwangere  Frau  durch  den  Duft  von  Speisen  nach  diesen  begierig  wird,  so  gibt  man 
ihr  zu  essen,  bis  sie  befriedigt  ist.  Einem  Kranken  reicht  man  Speise  auf  Grund  des 
Gutachtens  von  Sachverständigen;  wenn  Sachverständige  nicht  da  sind,  so  reicht  man 
ihm  Speise  auf  Grund  seines  eigenen  Gutachtens,  bis  er  sagt:  „Genug!"  Wenn  je- 
manden der  Heißhunger  packt,  so  reicht  man  ihm  selbst  unreine  (nicht  erlaubte)  Dinge 
als  Speise  dar,  bis  seine  Augen  sich  erhellen.  Wenn  jemanden  ein  toller  Hund  ge- 
bissen hat,  so  läßt  man  ihn  den  Leberlappen  des  Hundes  nicht  essen  (weil  es  ein  un- 
wirksames Mittel  ist).   R.  Mattja  b.  Cheresch  (um  130)  hat  es  erlaubt. 


Matth  12,  I0(Nr.2)  625 

dazu  vom  Gerichtshof  zu  erbitten.  Wenn  zB  einer  ins  Meer  gefallen  ist  u.  nicht  heraus- 
kann, oder  wenn  sein  Schiff  im  Meer  unterging  u.  er  nicht  herauskann,  so  steigt  man 
hinab  u.  holt  ihn  von  dort  heraus,  u.  man  braucht  sich  dazu  keine  Genehmigung  vom 
Gerichtshof  zu  erbitten.  —  Fiel  jemand  in  eine  Grube  u.  kann  nicht  herauf,  so  reißt 
man  ihm  eine  Erdschichte  los  u.  holt  ihn  von  da  herauf,  u.  man  braucht  sich  dazu 
keine  Genehmigung  vom  Gerichtshof  zu  erbitten.  —  Wenn  ein  Kind  in  ein  Haus 
hineingeraten  ist  u.  nicht  herauskann,  so  zerbricht  man  ilim  die  Türen  des  Hauses, 
selbst  wenn  sie  von  Stein  wären,  u.  holt  es  herauf  u.  heraus  von  dort,  u.  man  braucht 
sich  dazu  keine  Genehmigung  vom  Gerichtshof  zu  erbitten.  Man  löscht^  u.  isoliert 
eine  Feuersbrunst  am  S.,  u.  wer  eifrig  darin  ist,  verdient  Lob  u.  braucht  sich  keine 
Genehmigung  dazu  vom  Gerichtshof  zu  erbitten.  —  Wenn  einen  eine  Schlange  ge- 
bissen hat,  so  ruft  man  für  ihn  aus  jedem  beliebigen  Ort  (auch  wenn  dieser  über  die 
S.grenze  hinausliegt)  einen  Arzt  herbei;  man  schlachtet  auch  eine  Henne  für  ihn  u. 
schneidet  Lauch  für  ihn  ab,  ohne  dafs  man  diesen  zu  verzehnten  braucht.  Das  sind 
Worte  Rabbis;  R.  Schim'on  b.  Elcazar  (um  190)  sagte:  Man  muß  ihn  verzehnten.  — 
Man  darf  am  S.  heißes  Wasser  für  einen  Kranken  bereiten,  sei  es  um  es  ihn  trinken 
zu  lassen,  sei  es  um  ihn  zu  heilen;  u.  man  sagt  nicht:  , Wartet  es  ab,  ob  er  am  Leben 
bleiben  wird",  sondern  seine  Lebensgefahr  verdrängt  den  S..  wenn  sie  auch  nicht  in 
bezug  auf  den  gegenwärtigen,  sondern  erst  in  bezug  auf  den  nächsten  S.  besteht.  Auch 
hat  man  nicht  bestimmt,  daß  etwas  auf  Grund  des  Gutachtens  von  Frauen  oder  von 
Samaritanern  vorgenommen  werden  dürfe;  vielmehr  zieht  man  zu  ihnen  die  Ansicht 
israelitischer  Männer  mit  heran.  —  Teile  hiervon  als  Bar  in  Joma  83''.  84^.  ||  pSchab 
14, 14 ^*,  12:  R.  Z'  cira  (um  300),  R.  Ba  b.  Zutra  (um  270),  R.  Chanina  {um  225)  haben  im 
Namen  Rabbis  gesagt:  Man  darf  am  S.  den  Knochen  des  Kopfes  (wenn  er  verrenkt 
ist)  wieder  einbringen  (in  die  Höhe  richten).  R.  Chijja  b.  Marja  (um  370),  R.Jona  (um  350), 
R.  Z'^^ira,  R.  Ba  b.  Zutra,  R.  Chanina  haben  im  Namen  Rabbis  gesagt:  Die  Adern  der 
Ohren  (?  die  nach  Raschi  sich  senken,  wodurch  die  Kinnladen  lose  werden ;  anders 
Levy  1,43  a  u.  52a- 1")  darf  man  am  S.  hochbringen.  Dort  (in  Babylonien)  hat  man  im 
Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Ein  Auge,  das  heraustritt,  darf  man  am  S. 
heilen.  R.  Abbahu  (um  3U0)  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  gesagt:  Die  obere  Seite 
der  Hände  u.  der  Füße  gilt  (im  Falle  ihrer  Verletzung)  als  (Lebens-)Gefährdung  (ihre 
Heilung  ist  daher  am  S.  erlaubt).  R.  Abbahu  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  gesagt: 
Das  Rote  (in  den  Augen)  gilt  als  Gefahr.  R.  Abun  (1.?  um  325;  IL?  um  370)  hat  ge- 
sagt: Man  darf  für  ihn  (den  Erkrankten  als  Heilmittel  dagegen)  Skorpionenstachel  am 
S.  sammeln.  .  .  .  Die  Rabbinen  von  Cäsarea  sagten:  Der  Frosch  (eine  Krankheit  unter 
der  Zunge)  gilt  als  Gefahr.  R.  Chizqijja  aus  EAkko  hat  im  Namen  der  Rabbinen  von 
Cäsarea  gesagt:  Die  Spinne  (krebsartiges  Leiden?)  gilt  als  Gefahr.  R.Sch^muel  b.  Ji9chaq 
(um  300)  hat  gesagt:  Der  Brand  (an  Wundstellen)  gilt  als  Gefahr.  R.  Jirm'^^ja  (um  320) 
hat  gesagt:  Man  legt  Gesäuertes  (selbst)  am  Passahfest  auf.  —  Verschlucktes  darf 
man  am  S.  herausholen.  .  .  .  R.  Abbahu  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  gesagt:  Der 
Scharbock  gilt  als  eine  Gefahr.  —  Dasselbe  pcAZ  2.  40'',  14.  Parallelstellen  im  bT  zu 
den  einzelnen  Sätzen  JAZ  28»-  b.  29».  ||  Tanch  -^t-  88»:  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Wenn 
jemand  in  seinem  Munde  Schmerzen  hat,  darf  man  ihn  am  S.  heilen?  So  haben  unsre 
Lehrer  gelehrt:  Wer  in  seinem  Munde  Schmerzen  hat,  dem  darf  man  am  S.  ein  Heil- 
mittel in  seinen  Mund  legen  der  Lebensgefahr  halber,  u.  jede  Lebensgefahr  verdrängt 
den  S.  (s.  oben  JomaS,  6);  denn  die  Tora  sagt:  Entheilige  seinetwegen  Einen  S.,  damit 
er  viele  Sabbate  beobachte.  (Es  ist  das  kein  biblisches  Wort,  sondern  eine  rabbin.  Deutung 
von  Ex  31,  16,  s.  R.  Nathan  in  M^kh  Ex  31, 13  oben  S.  623;-.)  R.  Jochanan  (1279)  hat  ge- 
sagt: Alles  was  von  den  Lippen  an  nach  innen  liegt,  verdrängt  (falls  man  Schmerzen 
daran  empfindet)  den  S.  u.  man  darf  es  am  S.  heilen.  —  Der  Ausspruch  des  R.  Jochanan 


1  Das  steht  im  Widerspruch  mit  Schab  16, 5  f.  u.  TSchab  13,9;  doch  vgl.  pSchab 
16,7  (15'',  33)  u.  Raschi  zu  Joma  84b,  der  an  eine  Feuersbrunst  denkt,  bei  der  ein 
Menschenleben  gefährdet  ist. 

Straek  u.  Billerbeck,  NT  I.  40 


626  Matth  1-2,  lÜ(Nr.  2) 

wird  in  pSchab  14, 14'',  9  dem  R.Ba  b.Zabda(üm  270)  zugeschrieben  u.  dann  dahin  richtig- 
gestellt: R.  Z'^Hra  (um  300)  habe-  im  Namen  des  R.  Ba  b.  Zabda  gesagt:  Alles,  was  von 
der  (Mund-)Höhlung  •;•;-  an  nach  innen  zu  liegt,  darf  man  (falls  es  erkrankt)  am  S. 
heilen.  —  Dasselbe  p'AZ2,40'',  10.  —  Daher  V-:r.  5»  n:-:  =  innere  Wunde.  ||  cAZ28a: 
Rab  Zutra  b.  Tobijja  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  (t  247)  habe  gesagt:  Wegen  jeder  Wunde, 
die  eine  Abschätzung  nötig  macht  (ob  nämlich  der  Betreffende  am  Leben  bleiben  werde 
oder  nicht)  entheiligt  man  den  S.  R.  Schamman  b.  Abba  (um  270)  hat  gesagt.  R.  Jochanan 
(t  279)  habe  gesagt:  Das  hitzige  Fieber  ist  wie  eine  innere  Wunde  u.  man  entweiht 
seinetwegen  den  S.  II  EAZ  28 a:  Sch'^muel  hat  gesagt:  Eine  (Schwert-)Wunde  gilt  als 
Gefahr,  u.  man  darf  ihretwegen  den  S.  entweihen.  Welches  Heilmittel  ist  dagegen? 
Um  das  Blut  zu  stillen,  Kresse  in  Essig;  um  (das  Fleisch)  heraufzubringen  (d.h.  um 
die  Wunde  sich  schließen  zu  lassen).  Abgeschabtes  von  Gras  u.  Dornen  oder  Würmer 
vom  Dunghaufen  (so  Raschi,  doch  fast  zu  ungeheuerlich;  ob  xrp'i-pis  s^p-:  im  Cod.  M 
^^  Fetzen,  Charpie  aus  zilizischem  Gewebe?).  i|  TanchB  -yoM  §  1  (81a):  Es  lehre  uns 
unser  Lehrer:  Wenn  jemand  von  Kriegsscharen  oder  von  Räubern  verfolgt  wird,  darf 
er  den  S.  entweihen  (durch  Überschreiten  der  S.grenze  auf  der  Flucht,  durch  Tragen 
von  Waffen  u.  dgl.)  ?  Die  Fortsetzung  der  Stelle  s.  S.  62 1  7  bei  Mt  12,5.  —  Zugrunde  liegt 
RH  2,  ö:  In  früherer  Zeit  durften  sich  die  Neumondszeugen  den  ganzen  Tag  über  (falls 
es  ein  S.  war)  von  dort  (einem  bestimmten  Gehöft  in  Jerusalem)  nicht  entfernen.  Da 
verordnete  Rabban  Gamliel,  der  Alte  (um  '60 — 40  n.  Chr.),  daß  sie  (auch  am  S.)  2000  Ellen 
weit  nach  jeder  Richtung  hin  gehen  dürften  (wenn  sie  von  auswärts  gekommen  waren; 
sie  sollten  also  in  diesem  Stück  als  Einwohner  Jerusalems  gelten).  Und  nicht  bloß 
diese,  sondern  auch  eine  Hebamme,  die  zur  Geburtshilfe  kam,  oder  wer  kam,  um  aus 
einer  Feuersbrunst  oder  vor  einer  Kriegsschar  oder  vor  einem  (ausgetretenen)  Strom 
oder  aus  einem  Einsturz  retten  zu  helfen,  siehe,  diese  sind  wie  die  Bewohner  der  (be- 
treffenden) Stadt  u.  haben  2000  Ellen  nach  jeder  Richtung  (außerhalb  der  Stadtmauer; 
kommen  sie  mit  diesen  2000  Ellen  dann  an  die  S.grenze  ihres  eignen  Wohnsitzes  heran, 
so  dürfen  sie  auch  noch  diese  Strecke  gehn).  Vgl.  'Er  4,  3  u.  Maimonides  zu  EEf  44. 

In  diesen  Zus. hang  gehört  auch  die  Frage,  ob  es  erlaubt  sei,  am  S.  zu  kämpfen. 
Die  ältere  Zeit  hat  die  Frage  verneint.  Jubil.  50, 12:  Wer  am  S.  fastet  u.  Krieg  führt, 
soll  sterben.  —  Diesem  Grundsatz  getreu  läßt  sich  1  Makk2,  32ff.  eine  große  Schar 
lieber  hinmorden,  als  daß  sie  zu  den  Waffen  greift.  Damals  wurde  aber  auch  auf  Be- 
treiben des  Mattathias  der  Beschluß  gefaßt,  wenn  nicht  zum  Angriff,  so  doch  wenigstens 
zur  Verteidigung  am  S.  zu  kämpfen:  näg  lit^fi-Qwnog  ög  idv  eXffrj  ngdg  rj/nug  sig  noXsfxov 
ifi  tjusoa  TüJt^  anßßfcToji',  no'A£/Li>jawuey  xareretyri  uvtov  lMakk2,41.  Mit  Bezug  hierauf 
sagt  JosephusAntiq.  12,6,2:  x«t  f<XQi  dsvQO  /uefEi  71  «0'  »/jU/V  x(u  attßßchoig,  elnors  (fsrjasis, 
fj(c%safi(ci.  Also  nur  im  Notfall  ist  von  der  Waffe  am  S.  Gebrauch  zu  machen.  —  In 
Übereinstimmung  hiermit  heißt  es  Antiq.  14, 4, 2:  Wenn  die  Feinde  (am  S.)  den  Kampf 
beginnen  u.  losschlagen,  gestattet  das  Gesetz,  sie  abzuwehren;  wenn  sie  aber  etwas 
andres  ausführen,  läßt  das  Gesetz  die  Abwehr  am  S.  nicht  zu.  Ferner  s.  Bell.  J.  1,  7, 3 
oben  S.  611.  —  Die  spätere  Zeit  scheint  aber  auch  der  Offensive  am  S.  nicht  abgeneigt 
gewesen  zu  sein.  So  lesen  wir  TcEr  4,5  — 8  (142):  Wenn  Gojim  gegen  die  Städte  Israels 
heraufziehen,  so  zieht  man  wider  sie  mit  W^affen  aus  u.  entweiht  ihretwegen  den  S. 
In  welchem  Fall?  Wenn  sie  der  Menschen  wegen  kommen  (um  an  ihnen  Rache  zu 
nehmen  oder  um  sie  wegzuschleppen);  kommen  sie  aber  nicht  der  Menschen  wegen 
(etwa  bloß  um  Vieh  zu  rauben),  so  zieht  man  nicht  wider  sie  mit  Waffen  aus  u.  ent- 
weiht ihretwegen  nicht  den  S.  Ziehen  sie  aber  gegen  Städte  herauf,  die  dicht  an  der 
Grenze  liegen,  auch  nur  um  Stroh  u.  Stoppeln  wegzunehmen,  so  zieht  man  mit  Waffen 
wider  sie  aus  u.  entweiht  ihretwegen  den  S.  In  früherer  Zeit  legte  man  (am  S.)  die 
Waffen  in  der  Nähe  der  Stadtmauer  nieder;  einmal  mußte  man  zu  ihnen  zurückkehren, 
u.  man  drängte  sich  zum  Ergreifen  der  Waffen  also,  daß  man  sich  gegenseitig  tötete. 
Da  verordnete  man,  daß  ein  jeder  seine  Waffen  in  sein  Haus  zurückbringe.  Wenn  ein 
Heerlager  zu  einem  freiwilligen  (nicht  von  der  Tora  angeordneten)  Kampfe  auszieht, 
80  beginnt  man  die  Belagerung  einer  nichtisraelitischen  Stadt  mindestens  drei  Tage 


Matth  12,  10  (Nr.  2)  627 

vor  dem  S. ;  wenn  man  sie  aber  begonnen  hat,  so  unterbricht  man  sie  auch  am  S. 
nicht;  u.  so  hat  Hillel,  der  Alte  (um  20  v.  Chr.),  vorgetragen:  „Bis  sie  zu  Falle  kommt" 
Dt  20,  20,  u.  wäre  es  auch  an  einem  S.  Wenn  Gojim  eine  Stadt  einschließen  oder  ein 
Strom,  desgleichen  wenn  ein  Schiff  Schiffbruch  erleidet  im  Meer,  desgleichen  wenn  ein 
einzelner  von  Gojim  oder  von  Räubern  oder  von  einem  bösen  Geist  verfolgt  wird,  siehe, 
so  dürfen  sie  ihretwegen  den  S.  entweihen,  um  sich  zu  retten.  —  Als  Bar  in  p5  Er  4, 
2I"1,  56:  JEr45a.  ■ 

C.  TSchab  7,  2.S  (119):  Man  darf  am  S.  einen  Geheimspruch  flüstern  wegen  des 
bösen  Blickes,  wegen  einer  Schlange  u.  wegen  eines  Skorpions  (d.  h.  zur  Heilung  der 
von  ihnen  angerichteten  Schäden;  nach  andrer  Erklärung:  damit  sie  keinen  Schaden 
anrichten);  auch  darf  man  über  das  Auge  (einen  kühlenden  Gegenstand,  zB  von  Metall) 
führen.  R.  Schim'on  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Aber  nur  etwas,  was  man  am  S.  von 
seiner  Stelle  wegnehmen  darf.  Nicht  darf  man  (am  S.)  einen  Dämonenspruch  flüstern 
(so  nach  der  handschriftl.  Lesart  d'tj  "313).  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Auch  an  einem 
Wochentag  darf  man  keinen  Dämonenspruch  flüstern  (d.  h.  keinen  Spruch  mit  dem 
Namen  eines  Sched).  ||  pSchab  14, 14*=, 40:  Man  darf  am  S.  einen  Geheimspruch  flüstern 
betreffs  des  Auges,  der  Eingeweide,  der  Schlangen  u.  der  Skorpionen;  auch  darf  man 
über  das  Auge  führen.  Einmal  befiel  den  R.  <Aqiba  (f  um  135)  Augenschmerz;  da  führte 
man  darüber  am  S.  Gegenstände  (Geräte  =-■;:)  hinweg.  —  In  Sanh  101  a  Bar:  Man  darf 
am  S.  den  Unterleib  salben  u.  reiben  (befühlen);  auch  darf  man  eine  Beschwörungs- 
formel gegen  Schlangen  u.  Skorpione  am  S.  flüstern ;  auch  darf  man  am  S.  einen  Gegen- 
stand über  das  Auge  führen.    (Fortsetzung  ähnlich  wie  oben  in  der  Tosephta). 

d.  Schab  14,0:  Man  darf  am  S.  keinen  griechischen  Ysop  essen  (angeblich  ein 
Mittel  gegen  Würmer),  weil  es  keine  Speise  der  Gesunden  ist;  dagegen  darf  man  ^i;yi^ 
(Wasserminze?)  essen  u.  Hirtenrohr  trinken  (weil  diese  auch  von  Gesunden  genossen 
werden).  Alle  (gewöhnlichen)  Speisen  darf  man  am  S.  zur  Heilung  essen  (genauer: 
als  Nahrungsmittel  müssen  die  Speisen  gegessen  werden,  nicht  als  Heilmittel;  als 
letztere  dürfen  sie  aber  wirken  B'^'rakh  88»);  u.  alle  Getränke  darf  man  trinken,  aus- 
genommen Palmen wasser  u.  den  Becher  der  Unfruchtbarkeit,  weil  diese  (Heilmittel) 
gegen  die  Gelbsucht  sind;  wohl  aber  darf  man  Palmenwasser  gegen  den  Durst  trinken 
u.  sich  mit  Wurzelöl  salben,  weil  es  nicht  zur  Heilung  dient.  —  Das.  14, 4 :  Wer  Zahn- 
schmerzen hat,  darf  dagegen  (am  S.)  keinen  Essig  einschlürfen,  aber  er  kann,  wie  es 
gewöhnlich  geschieht,  etwas  in  Essig  eintauchen,  u.  wenn  er  so  geheilt  wird,  dann 
wird  er  geheilt  (vgl.  oben  B'^rakh  38a).  Wer  Lendenschmerzen  hat,  darf  sich  nicht  mit 
Wein  u.  Essig  salben  (einreiben),  wohl  aber  mit  Öl  (dem  üblichen  Salbungsmittel), 
doch  nicht  mit  Rosenöl  (das,  weil  ein  ungewöhnliches  Salbungsmittel,  als  Heilmittel 
angesehen  werden  müßte).  Königskinder  dürfen  Rosenöl  auf  ihre  Wunden  streichen, 
denn  damit  pflegen  sie  sich  auch  an  Wochentagen  zu  salben.  R.  Schim<on  (um  150) 
sagte:  Alle  Israeliten  sind  Königskinder.  —  Ausführlicher  TSchab  12,8(127):  Man  darf 
am  S.  nicht  Mastix  (wohlriechendes  Harz)  kauen,  wenn  man  Heilung  damit  beabsichtigt; 
wenn  es  aber  wegen  des  Mundgeruches  geschieht,  so  ist  es  erlaubt.  Man  darf  keine 
trockene  Spezerei  auf  die  Zähne  bringen,  wenn  man  damit  Heilung  beabsichtigt;  wenn 
es  aber  wegen  des  Mundgeruches  geschieht,  so  ist  es  erlaubt.  —  |  Das.  12, 9:  Wer  Zahn- 
schmerzen hat,  der  darf  dagegen  keinen  Essig  schlürfen  u.  ihn  wieder  ausspeien;  wohl 
aber  darf  er  ihn  einschlürfen  u.  herunterschlucken;  auch  darf  er  etwas,  wie  es  üblich 
ist,  darin  eintauchen,  ohne  sich  deshalb  Sorge  zu  machen.  —  |  Das.  12, 1 0 :  Wer  Schmerzen 
in  seinem  Halse  hat.  darf  nicht  mit  Öl  gurgeln,  wohl  aber  darf  er  reichlich  Öl  in  Fisch- 
brühe tun,  die  mit  Wein  u.  Salz  vermischt  ist,  u.  es  herunterschlucken.  -  |  Das.  12, 11: 
Wer  Kopfschmerzen  hat,  desgleichen  wer  mit  Ausschlägen  behaftet  ist,  darf  sich  mit 
Öl  einreiben,  aber  nicht  mit  Wein  u.  Essig,  weil  Öl  gewöhnlich  zum  Salben,  Wein  u. 
Essig  aber  nicht  gewöhnlich  zum  Salben  dienen.  —  |  Das.  12,  12:  Man  darf  sich  Öl  auf 
eine  Wunde  streichen,  nur  soll  man  es  nicht  mit  Werg  oder  Lappen  aufnehmen  u.  es 
auf  die  Wunde  legen.  Man  darf  einem  Kranken  eine  Einreibung  mit  Liniment  am  S. 
machen,  wenn  man  es  bereits  am  S.vortag  (aus  Wein  u.  Öl)  zus.gerührt  hatte;  hatte 

40* 


628  Matth  12,  10  (Nr.  2) 

man  es  aber  nicht  am  S. Vortag  zus.gerührt,  so  ist  es  verboten,  weil  man  es  nicht  erst 
eigens  am  S.  zusammenrührt;  auch  rührt  man  nicht  Wein  u.  Ol  am  S.  für  einen  Kranken 
zusammen.  R.  Schim'on  b.  EUazar  (um  190)  sagte  im  Namen  des  R.  Meir  (um  150):  Man 
darf  Wein  u.  Öl  für  einen  Kranken  am  S.  zus. rühren.  R.  Schimton  b.  Elcazar  hat  erzählt: 
Einmal  war  R.  Meir  erkrankt,  u.  wir  wollten  es  ihm  machen  (nämlich  Wein  u  Öl  am 
S.  zus. rühren):  aber  er  ließ  es  uns  nicht  zu.  Wir  sagten  zu  ihm:  Rabbi,  sollen  wir 
deine  Worte,  während  du  noch  lebst,  aufheben?  Er  antwortete:  Wenn  ich  auch  so 
gesagt  habe,  so  ist  es  mir  doch  mein  lebelang  nicht  in  den  Sinn  gekommen,  die  Worte 
meiner  Genossen  (die  in  diesem  Stück  anders  lehrten)  zu  übertreten.  —  |  Das.  12, 1?.: 
Man  darf  Pfützenwasser  (?)  u.  stechendes  Wasser  (n^^pf  "■n  =  Wasser,  das  die  Galle 
durchbohrt  Schab  110»)  trinken;  auch  darf  man  das  Gesicht,  die  Hände  u.  die  Füße 
hineinhalten,  aber  nicht  eine  Sandale  darin  abspülen;  R.  Jochanan,  der  Sandalenmacher 
(um  140),  erlaubte  es.  R.  Schinicon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Eine  Frau  darf  ihr  Kind 
in  Wein  waschen,  auch  wenn  sie  fiir  dasselbe  damit  Heilung  beabsichtigt.  Man  darf 
sich  im  Wasser  (den  warmen  Quellen)  von  Tiberias  u.  im  Weltmeer  baden,  aber  nicht 
in  Wasser,  worin  man  etwas  eingeweicht  hat,  auch  nicht  im  Meer  von  Sodom.  wenn 
man  Heilung  damit  beabsichtigt;  wenn  man  es  aber  tut,  um  aus  Unreinheit  zur  Reinheit 
zu  gelangen,  so  ist  es  erlaubt.  —  I  Das.  12,  14:  Man  darf  kein  Wasser  auf  einen  trocknen 
Schwamm  gießen  u.  auf  die  Wunde  legen;  aber  man  darf  es  auf  seine  Füße  gießen, 
daß  es  auf  den  Schwamm  abläuft.  Man  darf  trocknes  Werg  u.  einen  trocknen  Schwamm 
auf  seine  Wunde  legen,  aber  nicht  trocknen  Bast  oder  trockne  (Zeug-)E'etzen  (die  zum 
Heilen  der  Wunde  beitragen).  —  Dasselbe  zum  Teil  auch  pSchab  14,14'^^,  55;  Schab 
lila.  134a.  109a;  B'rakh86a;  pB^rakh  1,  3a,9;  vgl.  pBe^a  1,60'',  18.  ||  Schab  22,6:  Man 
darf  sich  (am  S.)  salben  u.  den  Ceib  reiben;  aber  man  darf  sich  nicht  mit  Anstrengung 
abreiben.  Man  darf  in  keine  Schlammpfütze  steigen  (um  zu  baden,  da  ein  etwaiges 
Versinken  schwierige  Rettungsarbeiten  nötig  machen  würde).  Man  bewirkt  kein  Er- 
brechen am  S.;  man  darf  kein  Kind  strecken  (um  Verrenkungen  zu  beseitigen),  man 
darf  keinen  Bruch  (an  Arm  oder  Bein)  einbringen.  Wer  sich  die  Hand  oder  den  Fuß 
verrenkt  hat,  soll  sie  nicht  in  kaltem  Wasser  schütteln,  aber  er  darf  sie  wie  gewöhnlich 
waschen,  u.  wenn  er  dadurch  geheilt  wird,  so  wird  er  geheilt.  —  Sanh  101a  Bar:  Man 
darf  sich  am  S.  salben  u.  den  Leib  reiben,  nur  darf  man  es  nicht  in  der  Weise  machen, 
in  der  man  es  an  einem  Wochentage  macht.  Wie  soll  man  es. machen?  R.  Chama 
b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Erst  salbt  man  sich  u.  hinterher  reibt  man  sich; 
R.  Jochanan  (t  279)  hat  gesagt:  Man  salbt  u.  reibt  sich  zu  gleicher  Zeit.  —  Dasselbe 
Schab  147'}.  ||  Tanch  n'i-ra  85»:  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Darf  man  am  S.  ein  Pflaster 
auf  eine  Wunde  legen?  So  haben  unsre  Lehrer  gelehrt:  Es  ist  verboten,  am  S.  ein 
Pflaster  zum  erstenmal  auf  eine  Wunde  zu  legen;  aber  wenn  man  es  am  S.vortag  getan 
hat,  so  ist  es  erlaubt.  —  cEr  10,13  —  14:  (Die  im  Dienst  befindlichen  Priester)  dürfen 
(ein  abgefallenes)  Pflaster  im  Heiligtum  wieder  auflegen,  aber  nicht  außerhalb  des 
Tempels;  zum  erstenmal  ein  solches  aufzulegen  ist  (am  S.)  verboten,  hier  wie  dort.  .  .  . 
Wenn  sich  ein  Priester  den  Finger  verletzt  hat,  so  darf  er  ihn  (am  S.)  im  Heiligtum 
mit  Bast  umwickeln,  aber  nicht  außerhalb  des  Tempelgebietes;  wenn  es  geschieht,  um 
das  Blut  herauszupressen,  ist  es  hier  wie  dort  verboten.  ||  pSchab  14,  14'\  17:  Rab  (t247) 
liat  gesagt:  Wein  ist  äußerlich  für 'das  Auge  (am  S.)  erlaubt,  für  das  Innere  des  Auges 
verboten  (dort  gilt  er  als  Salbungs-,  hier  als  Heilmittel).  Sch'^muel  (f  254)  hat  gesagt: 
Nüchternen  Speichel  (Sp.  eines  Menschen,  der  an  dem  betreffenden  Tage  noch  nichts 
genossen  hat)  am  S.  auf  ein  Auge  zu  legen  ist  verboten.  Hieraus  kannst  du  auch  die 
Bestimmung  in  bezug  auf  die  Hautflechte  entnehmen  (d.  h.  auch  für  sie  ist  Speichel 
am  S.  nicht  erlaubt).  —  Dasselbe  p'AZ2, 40'',  18;  Schab  108b  mit  andrer  Autorenangabe; 
in  TanchB  rz  §13(19»)  nur  der  zweite  Ausspruch  unter  dem  Namen  des  R.  Chijja  b.  Abba 
(um  280).  II  <Er  103 b  Bar:  Wenn  an  einem.  Priester  ein  Geschwür  entstanden  ist,  so  darf 
es  ihm  einer  seiner  Kollegen  (am  S.)  mit  seinen  Zähnen  abschneiden.  Mit  seinen  Zähnen, 
ja;  mit  einem  Instrument,  nein;  sein  Kollege,  ja;  er  selbst,  nein.  (Das  ungewöhnliche 
Verfahren  erscheint  nicht  als  Heilungsverfahren.)  |i  'Eduj2.5:  Drei  Dinge  besprach  man 


Matth  12,  10  (Nr.  2).  12, 11  (^29 

vor  R.  Jischmaiel  (t  um  135);  aber  er  sagte  von  ihnen  nicht,  ob  sie  verboten  oder  er- 
laubt seien.  R.  J^'hoschuac  b.  Mattja  (in  der  2.  Hälfte  des  2.  Jahrh.s?)  hat  sie  entschieden: 
wenn  jemand  am  S.  ein  Geschwür  aufsticht,  um  eine  Öffnung  herzustellen,  so  ist  er 
(der  S.Schändung)  schuldig;  wenn  er  es  aber  tat,  um  den  Eiter  herauszulassen,  so  ist 
er  frei.  Ferner  betreffs  dessen,  der  eine  Schlange  am  S.  fängt:  wenn  er  sich  damit 
befa&t,  damit  sie  ihn  nicht  beiße,  so  ist  er  frei,  wenn  aber  zu  Heilungszwecken,  so  ist 
er  schuldig.  —  Die  erste  Entscheidung  etwas  ausfüiirlicher  auch  T<Eduj  1,  8  (455). 
e.  Beispiele  bieten  die  Zitate  in  h — ä,  überall. 

12, 11:  Welchen  Menschen  wird  es  unter  euch  geben,  der  Ein 

Schaf  haben  u.,   falls   dieses  am  Sabbat  in  eine  Grube  fiele, 

es  nicht  erfassen  u.  aufbringen  wird? 

Die  hierüber  geltenden  Bestimmungen  lauten: 

Schab  128b:  Rah  J'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rah  (f  247)  habe  gesagt:  Wenn  ein 
Stück  Vieh  (am  S.)  in  einen  Wassergraben  gefallen  ist,  so  bringt  man  Decken  u. 
Polster  u.  legt  sie  ihm  unter.  Kommt  es  herauf,  so  kommt  es  herauf  (man  braucht 
sich  keine  Sorgen  wegen  etwaiger  S.entheiligung  zu  machen).  Man  wandte  ein:  Wenn 
ein  Stück  Vieh  in  einen  Wassergraben  gefallen  ist,  so  versorgt  mau  es  mit  Futter  an 
seiner  Stelle  (an  der  es  sich  gerade  befindet),  damit  es  nicht  sterbe.  Mit  Futter,  ja; 
mit  Decken  u.  Polstern,  nein!  Es  liegt  hier  kein  Widerspruch  vor:  in  dem  einen  Fall 
ist  die  Versorgung  mit  Futter  möglich,  in  dem  andren  Fall  ist  sie  nicht  möglich.  Ist 
sie  möglich,  ja  (so  beschafft  man  sie);  ist  sie  aber  nicht  möglich,  so  bringt  man  Decken 
u.  Polster  u.  legt  sie  ihm  unter.  Aber  das  bedeutet  doch  ein  Vernichten  von  Gegen- 
ständen aus  ihrem  fertigen  Zustand  heraus  (was  als  ein  -rc,  „Einreißen",  am  S.  ver- 
boten ist)!  Man  meinte,  daß  das  Vernichten  von  Gegenständen  aus  ihrem  fertigen  Zu- 
stande heraus  ein  rabbinisches,  der  Schmerz  lebender  Wesen  (—  Tierquälerei)  aber  ein 
biblisches  Verbot  sei;  da  komme  das  biblische  Verbot  u.  verdränge  das  rabbinische 
Verbot.  —  In  dieser  Stelle  kommen  zwei  Richtungen  zu  Wort:  eine  strengere,  die 
wohl  das  Füttern  des  Tieres  in  seiner  gefährdeten  Lage,  aber  nicht  seine  Rettung  aus- 
ihr  erlaubt;  u.  eine  freiere,  die  zur  Vermeidung  von  Tierquälerei  unter  Berufung  auf 
die  Tora  —  man  wird  an  Ex  23,  5  zu  denken  haben  —  erlaubt,  dem  Tier  die  Be- 
freiung zu  ermöglichen.  Aus  dem  Umstand,  daß  Jesus  in  unsrem  Verse  mit  den  Geg- 
nern e  concessis  verhandelt,  ist  zu  entnehmen,  daß  zu  seiner  Zeit  die  mildere  Praxis 
üblich  war.  jl  Die  beiden  folgenden  Stellen  beziehen  sich  nicht  auf  den  S.,  sondern  auf 
einen  Festtag.  Da  die  Bestimmungen  über  die  Heilighaltung  des  S.  u.  des  Festtags 
sich  nicht  deckten  —  an  einem  Festtage  war  zB  die  Zubereitung  der  Speisen,  nötigenfalls 
sogar  das  Schlachten  eines  Tieres  nachgegeben,  s.  Be^a  5,  2  u.  3,  3  — ,  so  darf  man 
von  der  Festtagspraxis  nicht  ohne  weiteres  auf  die  sabbatliche  Praxis  schließen. 
Immerhin  sind  die  beiden  Stellen  auch  für  Mt  12,  11  lehrreich.  Be^a  3,4:  Wenn  ein 
erstgebornes  Stück  Vieh  (an  einem  Feiertag)  in  eine  Grube  fällt,  so  soll,  wie  R.  J'^huda 
(um  150)  sagte,  ein  Sachverständiger  hinabsteigen  u.  es  besichtigen.  Wenn  sich  an 
ihm  ein  Leibesfehler  findet  (der  schon  vor  dem  Hinabstürzen  in  die  Grube  an  ihm 
vorhanden  war),  so  holt  man  es  herauf  -H-  u.  schlachtet  es;  wenn  aber  nicht,  so 
darf  man  es  nicht  schlachten.  (Zur  Verwendung  eines  mit  einem  Leibesfehler  be- 
hafteten erstgebornen  Tieres  im  eignen  Haushalt  des  Besitzers  s.  Dt  15,  21  f.)  ||  TBe^a 
3,  2  (205):  Wenn  ein  Stück  Vieh  samt  seinem  Jungen  (die  an  ein  u.  demselben  Tage 
nicht  geschlachtet  werden  dürfen,  an  einem  Feiertage)  in  eine  Grube  fällt,  so  holt 
man  nach  R.  EliSezer  (um  90)  das  erste  herauf  unter  der  Bedingung,  es  zu  schlachten, 
u.  dann  schlachtet  man  es;  das  andre  aber  versorgt  man  mit  Futter  an  seinem  Ort, 
damit  es  nicht  sterbe.  (R.  EliJezer  gestattet  nach  der  strengen  Observanz  selbst  an 
einem  Feiertage  das  Herausholen  aus  der  Grube  nur  zwecks  Schlachtung;  folgt  diese 
nicht  nach,  so  bleibt  das  Tier  in  der  Grube.)  R.  J'hoschua'  sagte:  Man  holt  das  erste 
herauf  unter   der  Bedingung  es  zu  schlachten,   u.  hinterher   schlachtet  man  es  nicht 


630  ^^I^tth  12,  12.  18—21 

(etwa  mit  der  Begründung,  daß  es  zu  mager  sei).  Dann  handelt  man  schlau  u.  liolt 
das  zweite  Tier  herauf  unter  der  Bedingung,  es  zu  schlachten.  Wollte  er  auch  (früher, 
ehe  die  Tiere  in  die  Grube  gefallen  waren)  das  eine  von  ihnen  nicht  schlachten,,  so 
hat  er  (jetzt)  die  Berechtigung  dazu  in  seiner  Hand.  —  Als  Bar  in  Be9a  87»;  Schab  lITb; 
pP^s  3,  30-\  59;  pBecja  3,  62  a,  38. 

12,12:  Also  ist  es  erlaubt  am  Sabbat  Gutes  zu  tun. 

Besonders  auffallend  tritt  dieser  Grundsatz  in  folgenden  beiden  Aussprüchen  zu- 
rück. Schab  12 a;  R.  Schim<on  b.  El'azar  (um  190)  sagte  im  Namen  des  R.  Schimfon 
b.  Gamliel  (um  140):  Man  tröstet  nicht  Trauernde  u.  man  besucht  nicht  Kranke  am 
S.;  das  sind  Worte  der  Schule  Schammais;  die  Schule  Hillels  erlaubte  es.  —  R.  Chanina 
(um  225)  hat  gesagt:  Mit  Mühe  hat  man  es  erlaubt,  am  S.  Trauernde  zu  trösten  u. 
Kranke  zu  besuchen.  (Grund:  Die  S.freude  soll  nicht  gestört  werden  durch  andrer 
Leute  Schmerz,  Raschi.  Nach  dem  weiteren  Ausspruch  des  R.  Chanina:  „Mit  Mühe 
erlaubte  man  das  Grüßen  am  S."  pSchab  lö,  15lJ,  2;  P^siqR  23  [116^],  könnte  der 
Grund  auch  in  dem  Bestreben  liegen,  am  S.  möglichst  wenig  zu  sprechen.)'  ||  TSchab 
IG,  22  (136):  R.  Schim'on  b,  El'azar  (um  190)  sagte:  .  .  .  Man  betet  für  einen  Kranken 
am  S.  nicht.  Die  Schule  Hilleis  hat  es  aber  erlaubt,  il  Humaneren  Geist  atmet  folgende 
Stelle.  Schab  30 »-b;  Diese  Frage  wurde  vor  R.  Tanchum  aus  Nave  (wohl  gleich 
R.  Tanchuma  b.  Abba,  um  380)  aufgeworfen:  Darf  man  vor  einem  Kranken  am  S. 
ein  Licht  auslöschen  (das  den  Kranken  belästigt)?  W^as  nun  die  Frage  betrifft,  die 
ich  vor  euch  gefragt  habe  (Höflichkeitsform  statt:  „die  ihr  vor  mir  gefragt  habt"), 
so  wird  eine  Leuchte  -;.  genannt  u.  die  Seele  des  Menschen  wird  gleichfalls  ~;  genannt 
(vgl.  Spr  20,  27:  Eine  Leuchte  vor  Jahve  ist  des  Menschen  Seele);  da  ist  es  besser, 
daß  die  Leuchte  von  Fleisch  u.  Blut  (d.  h.  die,  welche  ein  Mensch  anzündet)  aus- 
gelöscht werde  vor  der  Leuchte  Gottes.  —  Das  Anzünden  u.  Auslöschen  von  Feuer  u. 
Licht  gehört  zu  den  für  den  S.  verbotenen  39  Hauptarbeiten,  s.  oben  S.  616.  Doch 
schon  die  Mischna  läßt  einige  Ausnahmen  zu:  Wer  ein  Licht  auslöscht,  weil  er  sich 
fürchtet  vor  Gojim,  vor  Räubern,  vor  einem  bösen  Geist,  oder  wenn  er  es  wegen 
eines  Kranken  tut,  damit  dieser  einschlafe,  ist  straffrei,  Schab  2,  5. 

12,18—21:  Das  Propheten  wort  Jes  42,  1—4  wird  vom  Targum 
auf  den  Messias  gedeutet:  „Siehe,  mein  Knecht,  der  Messias,  den  ich 
herbeibringe,  mein  Erwählter,  an  dem  mein  Memra  Wohlgefallen  hat! 
Meinen  heiligen  Geist  werde  ich  auf  ihn  legen,  mein  Recht  wird  er 
den  Nationen  kundtun.  Nicht  wird  er  schreien  noch  rufen  noch  seine 
Stimme  nach  außen  hin  erheben.  Demütige,  die  dem  geknickten  Rohr 
gleichen,  werden  nicht  zerbrochen;  Dürftige,  die  wie  verglimmende 
Dochte  sind,  werden  nicht  erlöschen:  getreulich  wird  er  das  Recht 
hinaustragen.  Er  wird  nicht  ermüden  noch  ermatten,  bis  daß  er 
das  Recht  auf  Erden  einsetzt,  u.  seiner  Lehre  werden  ferne  Völker 
harren." 

Im  übrigen  ist  die  Verwendung  dieser  Prophetenworte  in  der  rabbin. 
Literatur  selten  u.  ziemlich  nichtssagender  Art.  B^'rakhSG^:  R.  J'^hoschua' 
b,  Levi  (um  2.50)  hat  gesagt:  Wer  einen  Rohrstab  im  Traum  sieht,  der 
sage  eilends  Jes  42,  3:  „Geknicktes  Rohr  wird  er  nicht  zerbrechen", 
bevor  ihm  noch  der  andre  Yers  einfällt  2  Kg  18,  21:  Siehe,  du  vertraust 
auf  jenen  geknickten  Rohrstab,  auf  Ägypten,  auf  den  sich  einer  stützen 
will,  u.  dann  geht  er  durch  seine  Hand  u.  durchbohrt  sie.  —  Der  letzte 
Schriftvars  würde  dem  Traum  eine  unheilvolle  Bedeutung  beilegen;  des- 


Matth  12,  22.  23.  24  (Nr.  1.2)  Ö3 1 

halb  soll  man  schnell  Jes42,3  mit  seiner  guten  Vorbedeutung  sprechen; 
s.  oben  S.  55,  m  u.  S.  62.  Vgl.  J«b  93 b. 

12,22:  Ein  blinder  u,  stummer  Besessener. 
6aifiovi\^6f^evog,  s.  Exkurs:   „Zur  altjüd.  Dämonologie."  —  xmcfüc,  s.  zu  Mfc  9,  32. 

12,23:  Dieser  ist  doch  nicht  der  Sohn  Davids? 

viög  Javsld,  s.  ZU  Mt  9,  27. 

12,24:  Dieser  treibt  die  Dämonen  nur  durch  Beelzebul, 
den  Fürsten  der  Dämonen,  aus. 

1.  Jesus  als  Zauberer. 

Justinus  Martyr,  Dial.  c.  Tryph.  69:  Kai  yrtg  ^uäyov  sirrti  ctv'jof  eiö^^uwi'  'Asysiv 
xttl  'AKonXdvov  (vgl.  Joh  7,  12).  —  Pionius  (als  Märtyrer  250  n.  Chr.  in  Smyrna  ge- 
storben), Acta  Sanctorum,  1.  Februar  (bei  Strack,  Jesus  S.  9*):  Dicunt  (Judaei)  praeterea, 
Christum  necromantiam  exercuisse  ejusque  vi  post  crucem  fuisse  suscitatum.  —  Origenes, 
c.  Celsum  1,  28  (bei  Strack  S.  9*):  Oviug  [Iqaovg]  diu  nsi'iat'  si'i  A'iyimiov  fxtaffaQytjaag 
xaxsi  övvi'.fAEMv  iiytaf  nsigcc^f^elg,  i(f'  ccig  Aiyvnjioi  as^iPi'vovxca,  snra'ijXSsf  er  mig 
&vv(ifj.sai  jusya  (fQoriöv,  xcä  &i'  ctvidg  Üsof  nviov  eii'ijyöosvas.  \\  Sanh  107'':  Ein  Autor 
hat  gesagt:  Jesus  hat  Zauberei  getrieben  u.  Israel  verführt  u.  verleitet.  —  Dasselbe 
Sota  47a.  II  Sanh  43«''  Bar:  Am  Rüsttag  des  Passah  hat  man  Jesum  gehängt,  u.  ein  Aus- 
rufer ging  40  Tage  vor  ihm  her  (u.  rief):  Er  soll  gesteinigt  werden,  weil  er  Zauberei 
getrieben  u.  Israel  verführt  u.  verleitet  hat.  Jeder,  der  eine  Rechtfertigung  für  ihn 
weiß,  komme  u.  mache  sie  für  ihn  geltend!  Aber  man  fand  keine  Rechtfertigung  für 
ihn  u.  so  hängte  man  ihn  am  Rüsttag  des  Passah.  —  In  einer  Petruslegende  (Beth 
ha-Midrasch  (J,  11,  18)  sagen  die  Juden  zu  Schimeon  Kepha.  der  scheinbar  Christ  wird, 
um  den  Feindseligkeiten  der  Christen  gegen  die  Juden  ein  Ende  zu  machen:  Du  mußt 
in  das  Heiligtum  gelin  u.  den  Schem  ha-m'^^phorasch  (den  deutlich  ausgesprochenen 
Jahvenamen)  erlernen,  wie  Jesus  getan  hat,  damit  du  alle  beliebigen  Zeichen  voll- 
bringen kannst  u.  sie  dir  Glauben  schenken.  H  Ferner  s.  Sanh  lu7b  oben  S.  84  f.; 
TSchabll,  15  (126)  nebst  Parallelen  oben  S.  38  f. 

2.  €v  1(0  Btel^eßovX.  —  Die  Lesart  BssX'Qeßovß  {=  nrinr  bya  „Fliegen- 
gott") ist,  weil  durch  Rücksichtnahme  auf  2  Kg  1,  2  ff.  entstanden,  mit 
den  besten  handschriftl.  Zeugen  abzulehnen.  Es  bliebe  auch  unerklärlich, 
weshalb  man  dem  Obersten  der  Dämonen  gerade  den  Namen  jener 
ekronitischen  Gottheit  von  2  Kg  1, 2  ff.  gegeben  hätte.  Diese  Schwierig- 
keit würde  allerdings  durch  die  Annahme  gehoben  werden,  daß  die 
aramäische  Wiedergabe  von  n^^T  bra,  nämlich  N^a"^^  bra,  lautlich  wie 
xnn'n  bsr?  (d.  h.  Feind)  geklungen  habe,  u.  da  letzteres  eine  passende 
Bezeichnung  für  den  „Feind"  schlechthin,  den  Satan,  gewesen  sei,  so 
habe  man  dank  jenes  Wortspiels  den  Fliegengott,  xnaii  brr,  zum  hv- 
xasn,  zum  Satan,  dem  Obersten  der  Dämonen,  gemacht  (s.  Riehm, 
Handwörterbuch  des  bibl.  Altertums  1, 158).  —  Allein  es  ist  doch  mehr 
als  fraglich,  ob  man  das  hebr.  mn:  hvi  aramäisch  wirklich  durch  hvz 
Nn::i-i  wiedergegeben  hat:  der  Targum  behält  2  Kg  1  durchgängig  das 
hebr.  n^n:  b?a  bei;  u.  die  neutestamentl.  \jes,Sivi  BetX^eßovß,  die  ebenfalls 
das  hebr.  s^at  aufweist,  spricht  nicht  dafür.  ||  Das  textkritisch  allein 
gesicherte  BssX^eßovl  erscheint  im  NT  (Mt  10,  25;  12,  24.  27;  Mk  3,  22; 
Lk  11, 15.  18.  19)  als  Eigenname  des  Teufels.  In  der  jüdischen  Literatur 


632  Matth  12,  24  (Nr.  2) 

begegnet  dieser  Satansname  nirgends.  Die  Erklärung  des  Namens  ist 
streitig.  Man  faßt  BesX^sßovX  entweder  als  eine  rein  lautliche,  für 
griechische  Zungen  leichter  auszusprechende  Umformung  von  BaeX^s- 
ßovß,  wie  Ambakum  statt  Ambakuk  (Habakuk)  oder  Beliar  statt  Belial. 
oder  wie  Bab-el-Mandeb  vulgär  Bab-el-Mandel  ausgesprochen  wird.  Bei 
dieser  Erklärung  bleibt  die  Frage  unbeantwortet,  wie  es  kam,  daß 
gerade  der  Philistergott  B.  dem  Satan  seinen  Namen  gab.  —  Oder  man 
deutet  BssXlsßovl  =  ^jqt  ^5?  „Herr  der  Wohnung",  d.  h.  des  Gebietes, 
in  welchem  die  Dämonen  hausen.  Diese  Deutung  hat  für  sich,  daß  sie 
ein  Zurückgreifen  auf  Beelzebub  unnötig  macht;  gegen  sie  spricht,  daß 
b^2T  im  Rabbin.  nur  die  Wohnung  Gottes,  den  Himmel  a  oder  den  Tempel b 
bezeichnet.  Daß  man  aber  jüdischerseits  die  Bezeichnung  der  heiligen 
Gotteswohnung  mit  dem  Namen  des  Teufels  in  Verbindung  gebracht 
hätte,  ist  schwer  glaublich.  —  Oder  man  deutet  BssX^sßovX  =  V^ait  b3?2, 
d.h.  , Mistgott",  u.  beruft  sich  dafür  auf  die  jüdische  Gepflogenheit, 
Gegenstände  u.  Handlungen,  die  mit  dem  Götzendienst  etwas  zu  schaffen 
hatten,  durch  leichte  Umformung  ihrer  Bezeichnungen  lächerlich  u. 
verächtlich  zu  machen.  So  habe  man  auch  in  diesem  Fall  durch  Ver- 
änderung des  Namens  Beelzebub  (Fliegengott)  in  Beelzebul  (Mistgott) 
seinem  Abscheu  gegen  den  Götzendienst  Ausdruck  geben  wollen.  Mit 
dieser  jüdischen  Gewohnheit,  mißliebige  Namen  kakophemistisch  um- 
zuformen, hat  es  seine  Richtigkeit ;c  bedenklich  bleibt  nur,  daß  diese 
Erklärung  gleichfalls  Beelzebub  u.  Beelzebul  identifiziert,  ohne  die  Um- 
wandlung des  Götzennamens  Beelzebub  in  einen  jüdischen  Satansnamen, 
irgendwie  begreiflich  zu  machen.  —  Wir  halten  es  deshalb  für  das 
Richtige,  daß  man  bei  der  Erklärung  des  Wortes  BssX'QeßovXJQ^e  Bezug- 
nahme auf  Beelzebub  unterläßt  u,  sich  lediglich  an  die  Verwendung  des 
Verbums  bnj  u,  seiner  Derivate  im  rabbin.  Sprachgebrauch  hält.  Hier  zeigt 
sich,  daß  h-2.\  (wörtlich  „düngen")  u,  das  Nomen  h^z^\  das  Darbringen 
des  götzendienerischen  Opfers  u,  das  Substantivum  bs?  (wörtlich  „Dung") 
das  heidnische  Opfer  selbst,  speziell  das  Opferblut  bezeichnen,  d  Es 
bedurfte  auch  in  diesem  Fall  nur  eines  leichten  Buchstabenwechsels 
u.  das  solenne  nnj  „opfern"  wurde  zum  verächtlichen  bnj  „düngen", 
„Beelzebul"  bedeutet  also  auch  nach  dieser  Erklärung  „Mistgott",  aber 
der  Oberste  der  Dämonen  trägt  diesen  Namen  nicht  in  Anlehnung  an 
den  Götzennamen  Beelzebub,  sondern  weil  ihm  der  biia-^T,  das  Düngen, 
d.  h.  der  gesamte  götzendienerische  Opferkultus  galt.  Analog  bezeichnete 
riNTpruin,  wörtlich  „die  Unreinheit",  alles  was  mit  dem  Dämonenwesen 
in  Verbindung  stand,  bezw.  die  Dß.monen  selbst,  e 

a.  zB  Chag  12b:  Sieben  Himmel  gibt  es,  u.  diese  heißen:  ""V"  —  velum,  Vor- 
hang, "•--  Firmament,  3"~~»  der  Verdünnende,  Mahlende  (im  Sinn  des  Midr),  ^nat 
Wohnung,  ••r-c  Wohnung,  •■s'i  Stätte  u.  r'zy:,  (nach  dem  Midr  wohl  ^=  das  Dunkel) 
.  .  .  h^zi,  darin  befinden  sich  (das  himmlische)  Jerusalem,  das  Heiligtum  u.  ein  er- 
bauter Altar,  u.  Mikhael,  der  große  Fürst,  steht  u.  bringt  auf  ihm  das  Opfer  dar  usw. 
(Die  ganze  Stelle  bei  2  Kor  12,  2.) 


Matth  12,  24  (Nr.  2)  (533 

b.  zB  BH  17 a;  -r-sT  bedeutet  nichts  andres  als  das  Heiligtum,  s.  1  Kg  8,  18:  Gebaut 
habe  ich  ein  Haus  als  Wohnung  "siaT  dir.   Siehe  Exkurs:  ^Sch^ol"  usw.  11,2,«. 

C.  <AZ  3,  6:  Wenn  jemand  ein  Haus  dicht  neben  einem  Götzenhaus  hat  (der  Art, 
daß  beide  Gebäude  die  Scheidewand  gemeinsam  haben)  u.  sein  Haus  stürzt  ein,  so 
ist  es  verboten,  es  (in  der  bisherigen  Weise)  wiederaufzubauen.  Wie  soll  er  es  machen? 
Er  gehe  (mit  der  Hausgrenze)  vier  Ellen  zurück  in  seinen  eigenen  Bezirk  u.  baue 
(damit  ein  Zwischenraum  zwischen  seinem  Haus  u.  dem  des  Götzen  entsteht).  Gehört 
er  (der  Grund  u.  Boden,  auf  dem  die  gemeinsame  Wand  stand)  ihm  u.  dem  Götzen, 
so  wird  halb  u.  halb  gerechnet  (u.  die  ihm  zustehende  Hälfte  darf  auf  jene  vier  Ellen 
mit  verrechnet  werden).  Die  Steine,  das  Holz  u.  der  Schutt  dieser  Wand  verunreinigen 
wie  Kriechtiere,  denn  es  heißt:  , Verabscheuen  sollst  du  es"  Dt  7,  26  (alles  was  zum 
Götzenbild  gehört).  R.  <Aqiba  (f  um  135)  sagte:  Wie  eine  Menstruierende  (ver- 
unreinigen jene  Wandüberreste),  denn  es  heißt;  „Wegwerfen  wirst  du  sie  wie  eine 
Menstruierende  (der  Midr  deutet  ni-i  =  m:);  hinaus  s::!  wirst  du  ihm  (dem  Götzen- 
bild) zurufen"  Jes  30,  22.  Wie  eine  Menstruierende  durch  ^rf^gung  (als  Last)  ver- 
unreinigt, so  verunreinigt  auch  ein  Götze  (d.  h.  alles  was  zu  ihm  in  Beziehung  steht) 
durch  Tragung.  —  R.  <Aqibas  Satz  auch  Schab  9,  1 ;  die  ganze  Ausführung  ähnlich  in 
TZabim  ö,  e;  (680).  —  Zu  dieser  Mischna  bemerkt  pEAZS,  43=\  54:  Was  ist  der  Grund 
für  R.  lAqiba?  ,Für  eitel  Greuel  sollst  du  es  halten"  Dt  7,  26,  wie  eine  Menstruierende. 
W^as  ist  der  Grund  der  Rabbinen?  „Durchaus  verabscheuen  sollst  du  es"  Dt  7,  26, 
wie  ein  Kriechtier.  Wie  erklären  nun  die  Rabbinen  den  Schriftgrund  des  R.  cAqiba: 
,Für  eitel  Greuel  sollst  du  es  halten?"  (Sie  erklären:)  Mache  ihn  (den  Götzen)  zu 
Schmutz,  mache  ihn  häßlich  (verunstalte  ihn)!  Woher  haben  die  Rabbinen  dies:  „Mache 
ihn  häßlich"?  R.  Sch'^muel  (b.  Jicchaq,  um  300)  u.  R.  Abbahu  (um  300)  haben  im  Namen 
des  R.  EUazar  (um  270)  gesagt:  Es  heißt:  „Schmutzig  benenne  ihn"  Jes  30,  22  (so  der 
Midr,  indem  er  su  von  sn::  oder  -s::  „schmutzig,  häßlich  sein"  herleitet».  Nennen  sie 
(die  Heiden)  ihren  Götzen  „Gottesgesicht"  niVs  ':t,  so  sage  man  (der  Israelit)  dazu 
„Hundsgesicht"  a'ss  'zt;  nennen  sie  ihn  „Becherauge"  eis  ]">•,  so  sage  man  dazu 
„Dornenauge"  V'F  T^l  nennen  sie  ihn  „Glücksgott"  s--j,  so  sage  man  dazu  „Lächer- 
liches" (?  s-V;  =  ys).ou<?  oder  Exkremente?  s.  Levy  1,  301  '■'■  u.  334 '^).  —  Dasselbe  mit 
geringen  textlichen  Abweichungen  pSchab  5),  1 1  *ä,  18.  ||  T'AZ  (!,  4  (469):  Allen  Orten,  die 
zum  Lobe  eines  Götzen  benannt  werden,  gibt  man  Beinamen  zum  Schimpf:  nennen 
sie  ihn  „Gottesgesicht",  so  sagt  man  dazu  „Hundsgesicht";  nennen  sie  ihn  „Auge  des 
Alls"  hz  yy,  so  sagt  man  dazu  „Dornenauge";  nennen  sie  ihn  „Glücksgott"  s-;-^;,  so 
sagt  man  dazu  s-"*::.  1|  'AZ45'*  Bar:  R.  EliEezer  (um  90)  sagte:  Woher,  daß  der,  welcher 
einen  Götzen  vernichtet  hat,  ihn  hinterher  völlig  ausrotten  muß?  Die  Schrift  sagt 
lehrend:  „Ihr  sollt  ihren  Namen  von  .jenem  Ort  weg'  austilgen"  Dt  12,  3.  R. 'Aqiba 
(t  um  135)  sagte  zu  ihm:  Heißt  es  denn  nicht  schon:  „Gänzlich  zerstören  sollt  ihr  alle 
Orte,  wo  die  Heiden,  die  ihr  verdrängt,  ihre  Götter  verehrten"  Dt  12,  2?  Wenn  dem  so 
ist,  was  will  die  Schrift  lehrend  sagen  mit:  Ihr  sollt  ihren  Namen  von  jenem  Ort  weg 
austilgen?  Man  soll  den  Namen  umnennen  (ändern).  Etwa  zum  Lobe?  Meinst  du 
wirklich  zum  Lobe?  Aber  vielleicht  weder  zum  Lobe  noch  zum  Schimpf!  Die  Schrift 
sagt  lehrend:  „Ganz  verabscheuen  u.  für  eitel  Greuel  sollst  du  es  halten"  Dt  7,  26. 
Wie  zB?  Nannten  sie  (den  Götzentempel)  „Glanzhaus"  s^'-s;  r-3  (so  Levy  1,334'*  von 
(cyXttut,  andre  nach  dem  Syrischen  =  Versammlungshaus),  so  sagt  man  dazu  s— 3  r-a 
(Ferkelhaus  oder  Schandhaus  von  ^oi'qoc:);  nannten  sie  den  Götzen  „Königsgesicht" 
-i'i's  'zt,  so  sagt  man  dazu  „Hundsgesicht";  nannten  sie  ihn  „Auge  des  Alls",  so  sagt 
man  dazu  „Dornenauge".  ||GnR39:  Von  dort  zog  Abram  nach  dem  Bergland  östlich 
von  Beth-El  Gn  12,8.  Früher  hieß  der  Ort  Beth-El  (Gottes  Haus),  jetzt  heißt  er 
„Stätte  des  Unheils"  -in  r-2.  R.  Eli'ezer  (um  90)  hat  gesagt:  Da  es  (das  Gotteshaus 
der  Christenheit)  nicht  verdient  „Haus  der  Tugend"  h^y-  r-=  genannt  zu  werden,  so 
nennt  man  es  „Haus  der  Taufe  i'syn  r-a;  dort  (in  Babylonien)  nennt  man  einen  guten 
Arbeiter  s'-rsy  (tugendhaft,  tüchtig)  u.  das  Nachtgeschirr  nennt  man  m^oy  (=  cifxidn, 
boshaftes  AV ortspiel  zu  --ly..  Taufe),  s.  Levy  1.492''  nach  ed.  Konstantinopel  1512.  — 


634  Matth  12,24  (Nr.  2.  3) 

Dasselbe  als  Bar,  aber  mit  korrumpiertem  Text  pSchab  J>,  11'',  25;  p'cAZ  3,  43*,  60.  II 
Hierher  gehört  auch  die  Veränderung  des  Wortes  ivayyshov  in  V*V?  r>'  =  ,Unheils- 
rand"  oder  ••"5";  T'-:.  =  „ Sündenrand ".  Schab  116":  R.  Meir  (um  150)  nannte  es  „Un- 
heilsrand"  (Unheilsschrift),  R.  Jochanan  (f  279)  nannte  es  ^Sündenrand"  (Sünden- 
schriftl.  —  Amolo,  Erzbischof  von  Lyon  841— 852  (bei  Strack,  Jesus  S.  15*  f.):  Sanctos 
apostolos  impie  immutato  vocabulo  appellant  apostatas,  tamquam  non  missos  a  deo 
sed  refugas  legis  suae.  Evangelium  .  .  .  ipsi  propria  lingua  malitiosissime  immutantes 
vocant  Havongalion,  quod  interpretatur  Latine  iniquitatis  revelatio,^  asserentes  videlicet 
quod  non  in  eo  mysterium  salutis  humanae,  sed  iniquitas,  qua  totus  mundus  in  errorem 
mitteretur,  fuerit  revelata.  1|  Endlich  vgl.  M'^g25l>:  Rah  Nachman  (b.  Ja<aqob,  f  320) 
hat  gesagt:  Jede  Verspottung  ist  verboten,  ausgenommen  die  Verspottung  eines  Götzen, 
die  erlaubt  ist;  denn  es  heißt  Jes  46,  1 :  Eingeknickt  ist  Bei,  es  duckt  sich  Nebo; 
ferner  das.  Vers  2:  Eingeknickt  u.  niedergeduckt  sind  sie  allesamt,  können  die  Last 
nicht  von  sich  gehen  lassen  (d.  h.  im  Sinne  des  Midr:  ihren  Unrat,  ob  sie  sich  vor 
Schmerzen  winden  u.  ducken).  R.  Jannai  (um  225)  hat  gesagt:  Von  dieser  Stelle 
(Hos  10,  5)  ist  der  Beweis  zu  erbringen:  „Für  das  Kälberstück  von  Beth-Aven  sind 
besorgt  die  Bewohner  von  Samarien;  denn  traurig  ist  seinethalben  sein  Volk,  u.  seine 
Pfaffen  schreien  auf  seinetwegen,  wegen  seiner  Herrlichkeit,  daß  sie  von  ihm  geht* 
Lies  nicht  ma:  , seine  Herrlichkeit",  sondern  "-^'as  , seine  Schwere"  (^  Last  ■=  Unrat, 
wie  vorhin).  Rab  Huna  b.  Manoach  hat  im  Namen  des  Rah  Acha  b.  Iqa  (?)  gesagt: 
Es  ist  dem  Israeliten  erlaubt  zu  einem  Goi  zu  sagen:  Nimm  den  Götzen  u.  lege  ihn 
auf  sein  Schin-Tav  (=  r©  Gesäß  Jes  20,  4).  —  Parallelstelle,  doch  ohne  den  letzten 
Satz,  Sanh63l>.  |l  Aus  dem  AT  vgl.  schon  Nu  32,  38  „geänderten  Namens";  Psl6,  4 
„nicht  will  ich  ihreNamenauf  meine  Lippen  nehmen";  Dn  „cAbedN'^'go"  für  „Abed  N^'bo". 

d.  TSAZ  2,  5  (462):  Man  darf  in  die  Theater  der  Gojim  des  Götzendienstes  wegen 
nicht  gehn;  das  sind  M^'orte  des  R.  Meir  (um  150).  Die  Gelehrten  sagten:  Wenn  sie 
opfern,  ist  es  des  Götzendienstes  wegen  verboten;  wenn  sie  aber  nicht  opfern,  ist  es 
verboten,  weil  Spötter  dort  sitzen  (vgl.  Ps  1,  1).  Die  Ausgabe  Zuckermandel  liest  beide 
Male  =-n3T'2  „opfern";  die  Wiener  Handschrift  hat  a-^aTi  „düngen"  =  opfern.  So  auch 
die  Bar  ?AZ  IS^:  In  die  Theater  u.  Zirkusse  darf  man  nicht  gehn,  weil  man  dort  den 
Götzen  den  Dung  düngt  T"yV  V-i3«t  er  a">V3T>20  ^zt-c;  das  sind  die  Worte  des  R.  Me'ir. 
Die  Gelehrten  sagten:  Wo  man  opfert  (=-V3t>3  =  düngt),  ist  es  verboten,  weil  man 
in  den  Verdacht  des  Götzendienstes  kommt;  wo  man  aber  nicht  opfert  r'^sar^s,  ist  es 
verboten  wegen  des  Sitzes  der  Spötter.  ||  pB'rakh9,  13l>,  57:  R.  Jose  b.  Bun  (um  350) 
hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um  oOO)  gesagt:  Sieht  man  sie  (die  Heiden),  wie  sie  den 
Götzen  opfern  d-'sstö,  so  spricht  man  Ex  22,  19:  Wer  den  Götzen  opfert,  sei  gebannt.  |j 
Midr  HL  1,  1  (78*):  (Joseph)  kam  eines  Tages  in  das  Haus,  um  seine  Arbeit  zu  ver- 
richten Gn39,  11.  R.  J**huda  (um  150)  sagte:  Ein  Schand-  u.  Misttag  war  es  ("-5ia-j  ai- 
^la-'Ti,  d.  h.  der  Ehren-  u.  Opfertag  eines  Nilfestes).  —  In  P  siqR  6  (23=*):  Der  Misttag 
5^3"T  a^-  des  Nils  war  es.  In  GnR  87  (55*^):  Der  Schandtag  Via'j  oi'  des  Nils  war  es. 
Tanch  ar-i  46*  liest:  Jener  Tag  war  ein  Opfertag  des  Nils  z-h'i  hx  imat  a-^-.  || 
fAZ49''  Bar:  Wenn  ein  Feld  mit  dem  Mist  '-2t  (=  Opferblut)  eines  Götzen  gedüngt 
worden  ist,  so  darf  das  Feld  (nach  Einer  Ansicht)  besät  werden. 

e.  Sanh  91  ^:  R.  Jirm^'ja  b.  Abba  (um  250)  hat  gesagt:  .  .  .  Abraham  übergab  (den 
Nachkommen  seiner  Kebsweiber)  den  Namen  der  Unreinheit  (=  Dämonennanien,  durch 
welche  jene  Zauberei  trieben). 

3.  ccQxovTi  TOiv  dm/jioiiorr.  —  Als  Haupt  aller  Satane  erscheint 
a,  Sammael,  s.  oben  S.  136  bei  Mt  4,  l.  —  \  ß,  LvR  5  (108=»)  wird  ein 
„Fürst  der  Geister"  Nrnm  rn^"»»  erwähnt.  GnR  36  (22»)  liest  dafür 
der    .Sched   Sch^'madon'':    dieser   Name   ist   wohl  =  Aschm^dai,   der 


*  Die  Erklärung  ,revelatio'  ist  unrichtig:  ■■-'s-j  geht  nicht  auf  *-5  „kundtun,  offen- 
baren" zurück,  sondern  auf-?.?  „leer  sein",  u.  bedeutet  den  leeren  Rand  eines  Schriftstückes. 


Matth  12,  2"..  27.09.  :^0  635 

König  der  Dämonen;  s.  den  Exkurs:  Altjüdische  Dämonologie  Nr.  3.  —  1 
y,  Beliar,  s.  bei  2  Kor  6, 15. 

12,  25:  Jedes  Reich,  das  wider  sich  selbst  gespalten  ist,  wird 
verwüstet  u.  jede  Stadt  oder  Haus,  die  wider  sich  selbst  ge- 
spalten, werden  nicht  bestehen. 

Derekh  Erep  Zuta5:  R.  Elicezer  {.sonst  meist  ElSazar)  Ha-qappar  (um  220)  sagte: 
Groß  ist  der  Friede,  aber  verhaßt  die  Parteiuug.  Groß  ist  der  Friede,  denn  obwohl  sie 
Götzendienst  trieben,  konnte  ihnen  gewissermaßen  die  Sch'khina  (Gottheit)  nichts 
anhaben,  wie  es  heißt:  „Versippt  mit  Götzen  ist  Ephraim  —  laß  ihn  in  Ruhe!"  Hos  4, 17. 
Aber  wenn  unter  ihnen  Parteiung  ist,  wie  heißt  es  da  von  ihnen?  „Geteilt  ist  ihr  Herz; 
nunmehr  werden  sie  es  büßen"  Hos  10,  2.  Wie  das?  Ein  Haus,  in  welchem  Parteiung 
ist,  wird  schließlich  sicherlich  zerstört  ^2~^\  '^'°  rpiVr;^  ^3  uj-r  r-:.  Und  die  Gelehrten 
sagten:  Ist  Parteiung  in  einer  Synagoge,  so  wird  diese  schließlich  sicherlich  losgerissen 
-rrrn's  T.fz.  Wenn  zwei  Gelehrtenschüler  in  einer  Stadt  wohnen  u.  einen  Gerichtshof 
bilden  u.  zwischen  ihnen  ist  Parteiung,  so  werden  sie  schließlich  sicherlich  sterben. 
Abba  Scha^ul  (um  150)  sagte:  Parteiung  in  einem  Gerichtshof  bedeutet  Zerstörung  der 
Welt.  —  Der  Anfang  auch  SNu  6, 26  §  42  (12b);  in  GnR  38  (53»)  Rabbi  als  Autor  genannt. 

12,27:  Durch  wen  treiben  eure  Söhne  aus? 
Hierzu  s.  Exkurs  über  Dämonologie  Nr.  7,  h. 

12,27:  Deshalb  werden  sie  eure  Richter  sein. 
Der  Gedanke  begegnet  öfters  in  der  rabbin.  Literatur,  daß  der  Mensch 
im  göttl.  Gericht  an  seinesgleichen  gemessen  werde;  s.  bei  Mt  12,41  93. 

12,  29:  Wenn  er  nicht  zuvor  den  Starken  gebunden  hat. 

J'»jö'?y.  —  Test  Levi  18:  Beliar  wird  von  ihm  (dem  Hohenpriester  der 
messian.  Endzeit)  gebunden  werden,  u.  er  wird  seinen  Kindern  Gewalt 
geben,  auf  die  bösen  Geister  zu  treten. 

12,30:  Wer  nicht  mit  mir  sammelt,  der  zerstreut. 

0  /t/;  (Tvväyon'  fiei'  s'ßov  axogni^si.  —  Der  Sinn  der  Worte  ist  klar: 
wer  nicht  mit  mir  das  Reich  Gottes  fördert,  schädigt  es.  Ob  dies  die 
genuine  Bedeutung  des  Ausspruchs  Jesu  gewesen  ist? 

Jalqut  zu  Nu  27,  2  (1  §  773)  bringt  aus  Siphre  Zuta  folgenden  Ausspruch:  So  hat 
Hillel  (um  20  v.  Chr.)  gesagt:  In  einer  Zeit,  da  man  zerstreut  (nämlich  seine  Wege, 
d.  h.  da  man  von  Gott  abweicht,  vgl.  Jer3,  13),  sammle  (halte  zurück)  den  Fuß;  an 
einem  Orte,  da  niemand  zuspringt  (zu  einer  Ware,  um  sie  zu  erwerben),  da  kaufe;  an 
einem  Orte,  da  es  keine  Männer  gibt,  bemühe  dich  ein  Mann  zu  sein!  —  Die  Redensart 
vom  Sammeln  u.  Zerstreuen  des  Fußes  auch  SDt  32, 25  §  321  (137b):  Zur  Zeit  des  Krieges 
sammle  den  Fuß  (halte  ihn  zurück,  damit  du  nicht  in  die  Gewalt  des  Feindes  fällst); 
zur  Zeit  der  Hungersnot  zerstreue  den  Fuß  (mache  der  Wege  viel,  damit  du  Nahrung 
kaufst).  —  Der  Ausspruch  Hillels  ist  später  (so  wohl  auch  Bacher,  Tann.-  1,6)  um- 
gemodelt u.  auf  das  Einsammeln  u.  Austeilen  der  Gotteslehre  gedeutet  worden.  So 
schon  TB'^rakh  7,24  (17):  Hillel,  der  Alte,  sagte:  Zur  Zeit,  da  man  sammelt,  streue 
aus;  u.  zur  Zeit,  da  man  ausstreut,  sammle.  Zur  Zeit,  da  du  siehst,  daß  die  Lehre 
beliebt  bei  Israel  ist  u.  alle  sich  ihrer  freuen,  da  streue  sie  aus,  s.  „Mancher  streut 
freigebig  aus  u.  wird  noch  reicher"  Spr  11,  24;  u.  zur  Zeit,  da  du  siehst,  daß  die  Lehre 
von  Israel  vergessen  ist  u.  niemand  nach  ihr  fragt,  da  sammle  sie  ein  (halte  sie  zurück), 
denn  es  heißt:   „Zeit  zu  handeln  ist  es  für  Jahve,  sie  haben  deine  Lehre  gebrochen" 


636  Matth  12,  30.  32(Nr.  1) 

Ps  119,  126.  —  Ebenso  in  Midr  Spr  5, 16.  —  In  pB'^rakh  J),  14*',  .5  zum  Teil  aramäisch: 
Hillel,  der  Alte,  pflegte  zu  sagen:  Wenn  man  sammelt,  streue  aus;  wenn  man  ausstreut, 
fea.^.imle.  Ebenso  hat  Hillel  gesagt:  Wenn  du  siehst,  daß  die  Tora  beliebt  ist  bei  Israel  u. 
alle  »ich  ihrer  freuen,  streue  aus;  u.  wenn  nicht,  sammle.  —  Ähnlich  Midr  Sm  1  (21 1>).  — 
Die  Bar  B'^rakh  63»  schließt  sich  zunächst  an  die  Tosephta  an.  Dann  folgt:  Bar  Qappara 
(um  220)  hat  ötfentlich  vorgetragen:  , Wird's  billig,  dann  sammle,  kaufe;  an  einem  Ort, 
da  kein  Mann  ist,  da  sei  du  ein  Mann",  ein  Ausspruch,  der  nach  Siphre  Zuta  (s.  oben) 
Hillel  angehört. 

Dürfte  man  annehmen,  daß  die  Worte  vom  Sammeln  u.  Zerstreuen  in 
Jesu  Mund  ursprünglich  in  der  speziellen  Bedeutung  vom  Zurückhalten  u. 
Gehenlassen  des  Fußes  gemeint  waren,  so  würde  der  Sinn  von  Mt  1 2, 30 "^ 
sein:  Wer  nicht  bei  mir  ausharrt,  der  macht  viele  Wege  u.  verliert  sich. 

12,  32:  Wer  (ein  Wort)    wider   den    heiligen  Geist   redet,    dem 

wird  nicht  vergeben  werden,    weder  in   dieser  Welt  noch  in 

der  zukünftigen  Welt. 

I.Sünden,  die  auf  Grund  ihrer  Sühnung  in  dieser  Welt  vergeben  werden. 

TJomaö,  6  ff.  (190):  R.  Jischniacel  (t  um  135)  sagte:  Eine  vierfache  Sühnung  gibt 
es.  Wer  ein  Gebot  übertritt  u.  Buße  tut,  geht  nicht  von  dannen,  ohne  daß  man  (=  Gott) 
ihm  vergibt,  s.:  „Kehret  wieder  (in  Buße),  ihr  abtrünnigen  Söhne,  ich  will  eure  Ab- 
irrungen heilen"  Jer  3, 22.  —  Wer  Verbote  übertritt  u.  Buße  tut,  der  bleibt  in  der  Schwebe 
lohne  sofortige  Vergebung  u.  Bestrafung),  bis  der  Versöhnungstag  Sühnung  schafft,  s.: 
„An  diesem  Tage  wird  man  für  euch  Sühnung  schaffen,  um  euch  zu  reinigen;  von 
allen  euren  Sünden  sollt  ihr  vor  Jahve  rein  werden"  Lv  16,  30.  —  Wer  Übertretungen 
begeht,  auf  die  Ausrottung  oder  gerichtliche  Todesstrafen  gesetzt  sind,  u.  Buße  tut, 
den  hält  diese  u.  der  Versöhnungstag  in  der  Schwebe,  u.  (erst)  Leiden  schaffen  (volle) 
Sühnung,  s.:  „Ich  will  heimsuchen  mit  dem  Stecken  ihren  Frevel  u.  mit  Plagen  ihre 
Missetat"  Ps  89,  33.  —  Aber  wenn  der  Name  Gottes  durch  einen  entheiligt  worden  ist 
u.  er  dann  Buße  getan  hat,  so  hat  weder  die  Buße  Kraft  (die  Strafe)  hinauszuschieben, 
noch  der  Versöhnungstag  ihm  Sühnung  zu  verschaffen,  sondern  die  Buße  u.  der  Ver- 
söhnungstag schaffen  ein  Drittel  S.,  u.  die  Leiden  an  den  übrigen  Tagen  des  Jahres 
schaffen  ein  Drittel  S..  u.  der  Todestag  schafft  volle  S.,  s.:  „Nimmer  gesühnt  werden 
soll  euch  dieser  Frevel,  bis  daß  ihr  sterbet"  Jes  22,  14.  —  Diese  Ausführung  auch  M®kh 
Ex  20,  7  (76  a);  pJoma  s,  45  b,  60;  pSanh  10,  27  «,  47;  pSch^bu  1,  33  b,  52;  Joma  86  a;  Aboth 
RN  29;  Midr  Spr  10  §  1  (33a).  ||  joma  8, 8 f.:  Sündopfer  u.  Schuldopfer  füi-  bewußte  Sünden 
schaffen  Sühnung.  Der  Tod  u.  der  Versöhnuugstag  schaffen  S.  in  Verbindung  mit  der 
Buße.  Die  Buße  schafft  S.  wegen  leichter  Übertretungen  von  Geboten  u.  Verboten ;  bei 
schweren  Übertretungen  schiebt  sie  (die  Bestrafung)  hinaus,  bis  der  Versöhnungstag 
kommt  u.  S.  schafft.  Wer  spricht:  „Ich  will  immer  weiter  sündigen  u.  immer  wieder 
Buße  tun",  dem  gibt  man  (Gott)  keine  Gelegenheit,  Buße  zu  tun;  (wer  spricht:)  „Ich 
will  sündigen  u.  der  Versöhnungstag  wird  S.  schaffen",  dem  schafft  der  Versöhnungstag 
keine  S.  Die  Sünden  eines  Menschen  gegen  Gott  sühnt  der  V.tag;  die  Sünden  eines 
Menschen  gegen  seinen  Nächsten  sühnt  der  V.tag  erst,  wenn  er  diesen  ausgesöhnt  hat. 
Dies  hat  R.  EUazar  b.  cAzarja  (um  100)  vorgetragen:  „Von  allen  euren  Sünden  vor  Jahve 
sollt  ihr  rein  werden"  Lv  16,  30,  d.  h.  die  Sünden  eines  Menschen  gegen  Gott  sühnt  der 
V.tag;  die  Sünden  aber  eines  Menschen  gegen  seinen  Nächsten  sühnt  der  V.tag  erst, 
wenn  er  diesen  ausgesöhnt  hat.  —  Dazu  wird  Joma  87»  gefragt:  Warum  heißt  es:  Ich 
will  sündigen  u.  Buße  tun?  Es  ist,  wie  Rab  Huna  (f  297)  im  Namen  Rabs  (f  247) 
gesagt  hat.  Rab  Huna  hat  gesagt,  Rab  habe  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  Einmal,  zweimal 
eine  Übertretung  begangen  hat,  so  ist  sie  ihm  erlaubt.  Meinst  du  wirklich,  sie  ist  ihm 
erlaubt?  Vielmehr  sie  wird  ihm  so,  als  ob  sie  ihm  erlaubt  wäre.  Vgl.  die  schärfere 
Fassung  AbothRN  39  Anfang:  Für  fünf  gibt  es  keine  Vergebung:  wer  viel  bereut  (weil 


Matth  12,  32  (Nr.  1—4)  637 

or  immer  weiter  sündigt);  wer  viel  sündigt;  wer  in  einem  frommen  Zeitalter  sündigt; 
wer  sündigt  mit  dem  Gedanken,  Buße  zu  tun,  u.  wer  sich  der  Entheiligung  des  gött- 
lichen Namens  schuldig  macht.  —  Bacher,  Tann.*  1,  279  ist  geneigt,  diesen  Ausspruch 
dem  R.cAqiba  (tum  i:->5)  zuzuschreiben.  ||  TJomaö,  9  (190):  Das  Sündopfer,  das  Schuld- 
opfer, der  Tod  u.  der  Versöhnungstag,  sie  alle  sühnen  nur  in  Gemeinschaft  mit  Buße; 
s.  Lv23,  27:  „.Jedoch  -s  am  10.  dieses  7.  Monats"  usw.  (-;s  hat  einschränkende  Be- 
deutung:) Wenn  er  Buße  tut,  wird  ihm  Sühnung  zuteil,  wenn  nicht,  so  wird  ihm  keine 
Sühnung  zuteil.  R.  El'azar  (b.  Scharnrnua',  um  150)  sagte:  Es  heißt:  „Und  er  vergibt" 
Ex  84,  7,  er  vergibt  den  Bußfertigen,  aber  nicht  den  Unbußfertigen.  R.  J^'huda  (um  150) 
sagte:  Der  Tod  u.  der  Versöhnungstag  sühnen  in  Verbindung  mit  der  Buße.  Die  Buße 
sühnt  in  Verbindung  mit  dem  Tode  u.  der  Todestag  durch  Buße.  (Der  Text  ist  hier 
schwerlich  in  Ordnung.)  —  Der  anonyme  Eingangssatz  kürzer  in  SLv  2-^,  27  (412») ;  der 
AusspruchdesR.ElcBzar  ausführlicher  Joma  86 a.  \\  JomaHS^'Bars.  unt'erNr.4.  |j  Sanh44b 
Bar:  Einmal  wurde  ein  Mensch  zur  Hinrichtung  abgeführt;  er  sagte:  Wenn  diese  Schuld 
(derentwegen  er  verurteilt  war)  auf  mir  liegt,  so  möge  mein  Tod  nicht  die  Sühne  für  alle 
meine  Verschuldungen  sein;  wenn  aber  diese  Schuld  nicht  auf  mir  liegt,  so  möge  mein 
Tod  die  Sühne  für  alle  meine  Verschuldungen  sein  u.  der  Gerichtshof  u.  ganz  Israel 
soll  schuldlos  (an  meinem  Tode)  sein;  den  Zeugen  aber  soll  keine  Vergebung  in  Ewig- 
keit zuteil  werden.  Als  die  Gelehrten  das  hörten,  sagten  sie:  Ihn  zurückzuführen  ist 
nicht  möglich,  da  der  Gerichtsbeschluß  bereits  gefaßt  ist.  also  werde  er  hingerichtet; 
aber  das  Eisen  hange  am  Halse  der  Zeugen  (sie  haben  die  Verantwortung  zu  tragen)!  — 
Die  Bar  findet  sich  TSanh  9,  5  (429). 

2.  Sünden,  die  in  der  zukünftigen  Welt  vergeben  werden  sei  es  auf 
Grund  ihrer  Sülinuiig  durch  das  Feuer  des  Gehinnoms,  sei  es  auf  Grund 
der  göttlichen  Gnade. 

Hierüber  s.  Exkurs:  Sch^ol,  Gehinnom  u.  Gan  JEden  II,  5  u.  6.  —  Hier  sei  nur  noch 
auf  Targ  Jernsch  II  zu  Gn4,  7  verwiesen:  Wenn  du  dein  Tun  gut  (schön)  machst  in 
dieser  Welt,  wird  dir  vergeben  u.  erlassen  werden  in  der  zukünftigen  Welt;  wenn  du 
aber  dein  Tun  nicht  gut  machst  in  dieser  Welt,  so  wird  dir  deine  Sünde  behalten  (auf- 
bewahrt zur  Bestrafung)  für  den  Tag  des  großen  Gerichts  (am  jüngsten  Tage). 

3.  Sünden,  die  in  der  zukünftigen  Welt  nicht  vergeben  werden,  weil  es 
für  sie  niemals  eine  Sühnung  gibt.  —  Hierzu  s.Exk.  „Sch'ol*  usw.  II,  5. 6. 

4.  ^ic  6'  ay  sTTTfi  xaroc  tov  ursv/uuToc  rov  ayiuv.  —  Das  rabbin.  Juden- 
tum verstand  unter  dem  heiligen  Geist  den  Geist  der  Prophetie  u.  In- 
spiration, „Wider  den  heihgen  Geist  reden"  würde  also  soviel  gewesen 
sein  wie:  „frech  wider  die  Tora  reden".  Diese  Sünde  wurde  zu  den 
unvergebbaren  Sünden  gerechnet. 

Aboth  3,  1 1  :  R.  EI<azar  aus  Moditim  hat  gesagt:  Wer  die  heiligen  Gaben  (wie  Opfer, 
Geweihtes)  entheiligt,  wef  die  Feiertage  verachtet,  wer  seinen  Genossen  öffentlich 
beschämt,  wer  den  Bund  unsres  Vaters  Abraham  (durch  Wiederherstellung  der  Vorhaut) 
zunichte  macht,  wer  das  Gesicht  wider  die, Tora  aufdeckt  rf^ira  d'je  n?;??-  (r=  wer 
frech  gegen  die  Tora  redet),  der  hat,  auch  wenn  (sonst)  gute  Taten  in  seiner  Hand  sind, 
keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  (weil  diese  Sünden  nicht  vergeben  werden).  — 
Parallelstelle  SNu  15,31  §  U2^33a).  —  Anders  urteilt  Jonia85b  Bar:  Rabbi  sagte:  Alle 
Übertretungen,  die  es  in  der  Tora  gibt,  gleichviel  ob  man  Buße  getan  hat  oder  nicht, 
sühnt  der  Versöhnungstag,  ausgenommen  wer  das  Joch  ider  Gottesherrschaft)  von  sich 
wirft  (d.  h.  Gott  verleugnet)  u.  wer  das  Gesicht  wider  die  Tora  aufdeckt  u.  wer  den 
Fleischesbund  bricht  (die  Besclineidung  verachtet).  Wenn  ein  solcher  Buße  tut,  schafft 
der  V.tag  Sühne;  wenn  er  aber  nicht  Buße  tut,  schafft  der  V.tag  keine  Süline.  —  Ebenso 
Sch'^bu  13a;  K^rith  79  » (andre  Ausgaben  7a) ;  mit  Abweichungen  pJoma  N,  45  ^,  54 ;  pSch'^bu 
1.  H:-!^),  46  ;  Joma  87  =1.  |!  Sanh  10. 1 :  Dies  sind  die,  welche  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen 


638  Matth  12.  32  (iNr.  4.  5).  12,  33  (i\r.  1) 

Welt  haben:  wer  sagt:  ,Es  gibt  keine  Auferstehung  der  Toten"  u.:  ,Die  Tora  ist  nicht 
von  Gott"  u.  der  Freidenker.  |l  Sanh  99 «  Bar:  „Das  Wort  Jahves  hat  er  veraclitet  .  ,  ., 
ausgerottet  soll  diese  Seele  werden"  Nu  15,  31,  das  geht  auf  den,  welcher  sagt:  Die 
Tora  stammt  nicht  von  Gott.  Und  auch  wenn  er  sagt:  Die  ganze  Tora  stammt  von 
Gott  mit  Ausnahme  dieses  Verses,  den  nicht  Gott,  sondern  Mose  aus  seinem  eignen 
Munde  gesagt  hat,  ist  ein  solcher,  von  welchem  gilt:  Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet. 
Und  auch  wenn  er  sagt:  Die  ganze  Tora  stammt  von  Gott  mit  Ausnahme  dieser 
Forschung  (dieser  oder  jener  von  den  Rabbinen  aus  der  Tora  hergeleiteten  Lehre), 
dieser  Schlußfolgerung  aus  dem  Leichteren  auf  das  Schwerere,  dieses  Analogieschlusses, 
so  ist  er  ein  solcher,  von  welchem  gilt:  Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet! 

5.  fu'ff  SV  lovco)  T(Tj  alüui  ovTs  ir  zro  ixi-Xkom.  —  Über  diese  u.  die 
zukünftige  Welt  s.  den  entsprechenden  Exkurs. 

12,33:  Denn  aus  der  Frucht  wird  der  Baum  erkannt. 

1.  ^ns,  Frucht,  als  Bezeichnung  der  Folge  eines  Gedankens  oder 
einer  Handlung  bereits  im  AT:  Jes3,  10;  10,12;  Jerl7,  10;  Hos  10,  13; 
Spr  1,31  u.  ö.  Ebenso  bezeichnet  im  Rabbin.  -^^s  «,  die  Folge,  die  aus 
dem  Gedanken  oder  der  Handlung  eines  Menschen  erwächst;  ß,  die 
Folge,  die  Gott  sei  es  als  Lohn,  sei  es  als  Strafe  über  einen  Menschen 
bringt.  Im  letzteren  Fall  ist  -^-e  oft  der  einzelne  Lohn  oder  die  einzelne 
Strafe,  gewissermaßen  die  Zins-  oder  Abschlagszahlung;  dann  be- 
zeichnet i-p  das  Stammkapital,  d.  h.  den  vollen  Lohn  u.  die  volle  Strafe, 
die  dem  Menschen  erst  bei  der  Endabrechnung  in  der  zukünftigen  Welt 
ausgezahlt  werden.  Vgl.  auch  S.  466  bei  Mt  7, 16  5t. 

Ein  klassischer  Beleg,  der  zugleich  die  Frage  beantwortet,  inwieweit  Gott  den 
Menschen  für  seine  Gedanken  verantwortlich  macht,  findet  sich  TPeaI,2 — 4  (18): 
Wegen  folgender  Dinge  wird  ein  Mensch  in  dieser  Welt  bestraft,  während  das  Stamm- 
kapital '--  ihm  in  der  zukünftigen  Welt  anstehen  bleibt:  Götzendienst,  Unzucht,  Blut- 
vergießen u.  Verleumdung,  die  so  schwer  wiegt  wie  alle  übrigen  zusammen.  Das  Ver- 
dienst (=  verdienstliche  Handlung)  hat  ein  Stammkapital  u.  auch  Zinsen  r-"E,  wie  es 
heißt  Jes  3, 10:  „Saget  vom  Gerechten,  daß  er  es  gut  haben  werde  (in  der  zukünftigen 
Welt  bei  Austeilung  des  "t),  daß  sie  die  Frucht  "-z  ihrer  Taten  genießen  werden" 
(als  Zinsen  oder  Abschlagszahlung  in  dieser  Welt).  Die  Übertretung  (abgesehen  von 
den  vier  oben  erwähnten  Sünden)  hat  ein  Stammkapital  u.  keine  Zinsen,^  wie  es  heißt 
Jes  3,  11:  ,Wehe  dem  schlimmen  Frevler;  denn  was  seine  Hände  vollbracht  haben, 
wird  ihm  angetan  werden"  (so  der  Midr,  um  im  Gegensatz  zu  Vers  10  oben  nur  Eine 
Strafandrohung  zu  gewinnen,  die  dann  auf  die  zukünftige  Welt  bezogen  wird).  Wie 
halte  ich  dann  aber  aufrecht:  ,Sie  sollen  essen  von  der  Frucht  ihres  Weges  u.  von 
ihren  Ratschlägen  satt  werden"  Spr  1,31?  (Hier  wird  ja  von  den  Zinsen  der  bösen 
Werke,  also  von  irdischen  Strafen  gehandelt  neben  dem  Sattwerden,  der  vollen  Strafe 
in  der  zuk.  Welt!)  Es  ist  so  gemeint:  Eine  Übertretung,  die  Früchte  trägt  (weitere 
Übertretungen  veranlaßt),  hat  Früchte  (empfängt  ihre  Strafe  in  dieser  Welt),  u.  die 
keine  Früchte  trägt,  hat  keine  Früchte.  (Hiernach  werden  in  der  gegenwärtigen  u.  in 
der  zuk.  Welt  bestraft  «,  die  zuerst  genannten  vier  Kardinalsünden,  ß,  sämtliche  Sünden, 
aus  denen  neue  Sünden  hervorwachsen;  nur  in  der  zuk.  Welt  diejenigen  Sünden,  die 
auf  Erden  ohne  weitere  Sündenfolge  blieben.)  Eine  gute  Absicht  rechnet  Gott  als  Tat, 
eine  böse  Absicht  rechnet  Gott  nicht  als  Tat;  denn  es  heißt:  „Wenn  ich  Bosheit  in 
meinem  Herzen  beabsichtigt  hätte,   so  würde  Jahve  nicht  darauf  achten'  Ps  66, 18. 


^  Gott  läßt  den  Sünder  in  dieser  Welt  oft  unbestraft,  damit  dessen  Strafe  um  so 
größer  ist  in  der  zukünftigen  Welt. 


Matth  12,  83  (Nr.  1.2).  12,  84.  36  (Nr.  1)  639 

Wie  halte  ich  dann  aber  aufrecht:  „Siehe,  ich  bringe  Unheil  über  dieses  Volk  als 
Frucht  (Straffolge)  ihrer  Gedanken"  Jer6,  19?  Es  ist  so  gemeint:  Eine  gute  Absicht, 
die  Gutes  wirkt,  zählt  Gott  zu  den  Werken,  u.  die  kein  Gutes  weiter  wirkt,  zählt  er 
nicht  als  Werk  (ebenso  verhält  es  sich  mit  einer  bösen  Absicht:  sie  wird  nur  dann 
bestraft,  wenn  aus  ihr  Unheil  hervorgeht).  Parallelstellen  mit  einzelnen  Abweichungen 
Qid  40"  u.  pPea  1,  16'',  1 :  in  letzterer  Stelle  folgt:  Was  du  da  sagst,  gilt  von  Israel; 
aber  bei  den  Gojim  gilt  das  Umgekehrte:  Die  gute  Absicht  rechnet  Gott  nicht  (als 
Tat),  denn  es  heißt:  ,Bis  zum  Sonnenuntergang  war  er  darauf  bedacht,  ihn  zu  retten" 
Dnti,  15,  u.  nicht  steht  geschrieben:  „Und  er  rettete  ihn".  Die  böse  Absicht  aber 
rechnet  er  als  Tat,  denn  es  heißt:  „Wegen  der  Tötung,  wegen  der  Gewalttat  an  deinem 
Bruder  Jakob"  Obadja9f.  (so  der  Midr).  Aber  hat  denn  Esau  den  Jakob  getötet? 
Allein  weil  er  beabsichtigte  ihn  zu  töten,  rechnet  es  ihm  die  Schrift  so  an,  als  ob  er 
ihn  getötet  hätte. 

2.  ex  TOI'  xagnoi'  i6  d't'rdQoi'  yivMaxerm,  ohne  Bild:  Die  Absicht  (der 
Gedanke)  eines  Menschen  wird  aus  seinem  Tun  erkannt  =  rnsi?  irn^n^a 
T^iTi'^  -irr  Chull  IS**  (zweimal). 

12,  34:  Otterngezüchte.   Zu  ysfi'tjuteia  f/nfi'wf  s.  Mt  3,  7. 

12,34:  Aus  dem  Überfluß  (Überschwang)  des  Herzens 
redet  der  Mund. 

Midr  Ps  9  §2  (40"^):  R.  Sch'^mueP  hat  als  tannaitische  Tradition  im  Namen  des 
R.  J^huda  (um  150)  gelehrt:  Wenn  dir  jemand  sagen  will,  wann  der  Erlösungstermin 
(=  messianische  Zeit)  anbrechen  wird,  so  glaube  ihm  nicht,  weil  es  heißt:  „Der  Rache- 
tag ist  in  meinem  Herzen"  Jes63,4.  Das  Herz  hat  es  dem  Munde  nicht  kundgetan, 
wem  könnte  es  der  Mund  kundtun!  —  In  Midr  Qoh  12,  9  (54'')  ist  der  Schlußsatz,  wohl 
irrtümlich,  von  seiner  Stelle  gerückt  u.  einem  Ausspruch  des  R.  J^'hoschuaf  b.  Levi  über 
die  Begräbnisstätte  Moses  angehängt  worden.  ]|  GnR  84  (53'^'):  „Seine  Brüder  haßten 
ihn  u.  vermochten  nicht  freundlich  mit  ihm  zu  reden"  Gn  37,  4.  R.  Ahaba  b.  Z'^fira 
(gegen  350)  hat  gesagt:  Aus  der  Schande  der  Stammväter  erfährst  du  ihr  Lob.  Dort 
(2Sml3, 22)  heißt  es:  „Absalom  redete  mit  Amnon  weder  Böses  noch  Gutes;  denn 
Absalom  haßte  den  Amnon";  was  in  seinem  Herzen  war,  blieb  in  seinem  Herzen 
n-a-'Ta  r;"3'Vs  '-.  Aber  hier  (Gn  37,4)  heißt  es:  Sie  vermochten  nicht  freundlich  mit 
ihm  zu  reden  ;  was  in  ihren  Herzen  war,  war  auch  in  ihrem  Munde  i'miia  "jirrs-iVa  --:.  — 
In  der  Parallelstelle  Midr  Ps  28  §4  (115 '')  heißt  es  von  den  Stammvätern  s-siEa  sa-^^a-;  u. 
von  Absalom  s»3"ie3  s's  ss-'-sst  =  was  im  Herzen,  (war)  im  Munde,  bezw.:  nicht  im  Munde. 

12,36:  über  jedes  unnütze  Wort  .  .  .  werden  sie  am  Tage 
des  Gerichts  Rechenschaft  ablegen. 

1.  n(iy  ^tjfia  ttQyöf.  pChag2, 77'',  22:  „Siehe,  der  Bildner  der  Berge  u.  Schöpfer  des 
Geistes  u.  der  dem  Menschen  ansagt,  was  dessen  Reden"  (Sinnen)  Am  4, 18.  Dies  ist  eine 
von  den  sechs  Schriftstellen,  bei  denen  Rabbi,  wenn  er  sie  las,  zu  weinen  pflegte. . . .  Auch 
die  Worte,  in  denen  keine  Sünde  ist,  werden  dem  Menschen  auf  seine  (himmlische) 
Tafel  geschrieben.  —  Etwas  abweichende  Parallelstellen:  Midr  KL  3, 29  (71  b);  Midr 
Qoh  12, 14(55'').  11  ChagSb:  Was  heißt  in  Am  4, 13:  „Dessen  Reden"?  Rab  (f  247)  hat 
gesagt:  Auch  das  überflüssige  Reden  --t-«  nn-o  des  Mannes  mit  seiner  Frau  wird 
man  ihm  in  seiner  Sterbestunde  (vor  Gottes  Richterstuhl)  kundtun.  —  LvR26(124'^) 
wird  an  einen  Ausspruch  des  R.  Jafbe^  (gegen  300)  der  Satz  angeschlossen:  Selbst 
die  Worte,  die  keinen  wesentlichen  Inhalt  haben  x-^sa  nna  V'*-»  selbst  ein  leichtfertiges 
Gespräch  n^j?  rsn-r,  das  ein  Mann  mit  seinem  Weibe  führt,  werden  auf  die  Tafel  des 


^  Lies  nach  Midr  Qoh:  R.  Schaiul  aus  Nave,  im  4.  Jahrb.,  falls  identisch  mit  Schela 
aus  Nave;  Bacher,  Pal.  Amor.  3,  749. 


640  Matth  12.  36  (Nr.  1.  2,i.  12,  38 

Menschen  geschrieben,  u.  in  seiner  Sterbestunde  liest  man  sie  ihm  vor.  ij  Ta?an  11  ^ : 
Man  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  in  die  Ewigkeit  hinübergeht,  so  gehen  alle  seine 
Werke  vor  ihm  her  u.  sagen  zu  ihm:  So  u.  so  hast  du  getan  an  dem  u.  dem  Ort  u. 
an  dem  u.  dem  Tag;  sagt  er  dann:  Ja  (so  ist  es),  so  spricht  man  zu  ihm:  Untersiegle, 
untersiegle!  s.  Hi37,  7:  , Durch  die  Hand  eines  jeden  Menschen  untersiegelt  er."  Und 
nicht  nur  dies,  sondern  der  Mensch  erkennt  das  Gericht  auch  als  gerecht  an  u.  sagt 
zu  ihnen:  Ihr  habt  mich  recht  (wörtlich:  schön)  gerichtet,  s.:  ,Auf  daß  du  recht  be- 
haltest in  deinem  Reden,  rein  seiest  in  deinem  Richten"  Pst1,6.  ||  f  AZ  IS-*^:  R.  Schimfon 
b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  bedeutet:  „Die  Sünde  meiner  Fersen  umgibt 
mich"?  Ps  49,  6.  Die  Sünden,  auf  die  ein  Mensch  in  dieser  Welt  mit  seinen  Fersen 
getreten  (d.  h.  die  er  für  nichts  geachtet)  hat,  umringen  ihn  am. Tage  des  Gerichts.  |! 
Joma77  ':  „Nimm  deinen  Fuß  in  acht  vor  dem  Barfußwerden  u.  deine  Kehle,  daß  sie 
nicht  durstig  werde"  Jer  2, 25.  Rab  Nachman  b.  JiQchaq  (f  o5ti)  hat  gesagt:  Halte  dich 
von  der  Sünde  zurück,  damit  dein  Fuß  nicht  in  Gefahr  komme,  barfuß  gehen  zu  müssen 
(hinaus  ins  Exil,  so  Raschi).  Halte  deine  Zunge  fern  von  unnützen  Worten,  d-^m:?  n—2-, 
damit  deine  Kehle  nicht  dem  Durst  anheimfalle  (im  Gehinnom?).  ||  TargQoh5,  2: 
Törichtes  Geschwätz  kommt  bei  einer  Menge  unnützer  Worte  ••^;w3  l""?:'"?:;.  II  GuRÖ^SS"): 
R.  Chanina  (um  225)  u.  R.  MarinoS  haben  beide  im  Namen  des  Abba  N^horai  (um  150j 
gesagt:  Wenn  jemand  ein  wohlbegründetes  Wort  -pinia  "z-,  vor  R.  Tarphon  (um  100) 
sagte,  so  pflegte  dieser  zu  sagen  (um  seinen  Beifall  auszudrücken):  »Knauf  u.  Blüte" 
(s.  Ex  25,  33)!  Wenn  aber  jemand  ein  Wort  der  Nichtigkeit  ^v»?-'  ''■''  ''^"  sagte,  so 
pflegte  er  zu  sagen:  „Mein  Sohn  wird  nicht  mit  euch  hinabziehen!"  (s.  Gn  42,  38). 
Das.  91  (öS'*):  (Die  Söhne  Jakobs  sprachen  zu  ihrem  Vater,  s.  Gn  43,  3  ff.:)  Jener  (Joseph) 
hat  Worte  der  Wahrheit  zu  uns  geredet,  u.  wir  sollten  ihm  Worte  der  Nichtigkeit 
nVü3  "5»  c-^3T  antworten?  .  .  .  R.  Levi  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina 
(um  260)  gesagt:  Niemals  hat  unser  Vater  Jakob  ein  Wort  der  Nichtigkeit  n'iua  hv  -z-- 
geredet.  .  .  . 

2.  Dem  duodoiaovffiv . .  Köyov  entspricht  das  häufige  -iis^jn"!  "pn  ipi?  T'l"'nr. 

GnR  26  (17''):  R.  Acha  (um  3J0)  hat  gesagt:  Auch  die  unfruchtbaren  Bäume  werden 
(am  Tage  des  Gerichts)  Rechenschaft  u.  Rechnung  abzulegen  haben  'm  ^t  ir--:  i^Try. 
Die  Rabbinen  sagten  es  auf  Grund  der  Stelle  Dt  20,  19:  „Wie  der  Mensch  ist  der 
Baum  des  Feldes"  (so  der  Midn:  wie  der  Mensch  R.  u.  R.  abzulegen  hat,  so  auch  die 
Bäume.  ||  Aboth4, 22:  (R.  Elfazar  Ha-qappar,  um  180)  sagte:  Ohne  deinen  Willen  bist 
du  geschaffen,  u.  ohne  deinen  Willen  bist  du  geboren,  u.  ohne  deinen  Willen  lebst  du, 
u.  ohne  deinen  Willen  stirbst  du,  u.  ohne  deinen  Willen  wirst  du  R.  u.  R.  abzulegen 
haben  vor  dem  König  aller  Könige,  gepriesen  sei  er!  |!  Aboth  3,  1 :  f  Aqabja  b.  Mahalahei 
(um  70)  pflegte  zu  sagen:  Achte  genau  auf  drei  Dinge,  u.  du  wirst  nicht  in  die  Gewalt 
der  Sünde  kommen.  Wisse,  woher  du  gekommen  bist  (aus  einem  übelriechenden  Tropfen ). 
u.  wohin  du  gehst  (zu  Maden  u.  Würmern),  u.  vor  wem  du  R.  u.  R.  abzulegen  haben 
wirst;  nämlich  vor  dem  König  der  Könige,  gepriesen  sei  er!  —  Zum  Gericht  in  der 
Sterbestunde  s.  Exkurs:   „Sch*^ol"  usw.  11,8. 

12,  38:  Wir  wünschen  von  dir  ein  Zeichen  zu  sehen. 

Zeichenforderung  zur  Beglaubigung  von  Worten  u.  Personen. 

Sanh  98":  Den  R.  Jose  b.  Qisma  (um  110)  fragten  seine  Schüler:  Wann  kommt  der 
Sohn  Davids  (=  Messias)?  Er  antwortete:  Ich  fürchte,  ihr  könntet  von  mir  ein  Zeichen 
rix  fordern.  Sie  sprachen:  Wir  werden  von  dir  kein  Zeichen  fordern.  Er  sprach: 
Wenn  dieses  Tor  (von  Cäsarea?  oder  von  Tiberias?,  s.  Bacher,  Tann.^  1,  3y8f.)  wird 
eingestürzt  u.  aufgebaut  sein  u.  wiederum  eingestürzt  u.  aufgebaut  sein  wird  u.  wiederum 
eingestürzt  u.  aufgebaut  sein  wird  (so  nach  der  richtigen  Lesart)  u.  wiederum  eingestürzt 
sein  wird,  dann  wird  der  Sohn  Davids  kommen,  noch  bevor  man  es  wieder  aufgebaut 
hat.  Da  sprachen  sie:  Unser  Lehrer,  gib  uns  ein  Zeichen!  Er  sprach  zu  ihnen:  Habt 
ihr  nicht  also  zu  mir  gesagt,  daß  ihr  kein  Zeichen  von  mir  fordern  wollt?   Sie  ant- 


Matth  12,38.39(911.2)  641 

worteten:  Gleichwohl!  Er  sprach:  So  mögen  sich  die  Wasser  der  Grotte  von  Pameas 
(Quellort  des  Jordans)  in  Blut  verwandeln!  Da  verwandelten  sie  sich  in  Blut.  —  Ähn- 
lich TanchB  -^vi  §8  (83b).  ||  Vgl.  ferner  das  Zitat  aus  BM  59 b  hei  Mt  3, 17  S.  127 y.  |] 
Sanh  9;3b:  Bar  Kozeba  (=  Bar  Kokh^ba)  regierte  3\/2  Jahre.  Er  sprach  zu  den  Rabbinen: 
Ich  bin  der  Messias.  Sie  antworteten:  Von  Messias  steht  geschrieben,  daß  er  riecht 
u.  richtet  (nach  dem  Geruch  richtet  ohne  nähere  Untersuchung,  vgl.  -rr^irti  Jes  11,3);  . 
wir  wollen  sehen,  ob  er  riecht  u.  richtet!  Als  sie  nun  sahen,  daß  er  nicht  riechen  u. 
richten  konnte,  töteten  sie  ihn.  (Daß  die  Juden  Bar  Kokh'^'ba  getötet  hätten,  ist  un- 
historisch.) il  P''siqR36(162''^):  Unsre  Lehrer  haben  gelehrt:  Wenn  der  König,  der  Messias 
sich  offenbaren  wird,  wird  er  kommen  u.  auf  dem  Dach  des  Heiligtums  stehen.  Dann 
wird  er  den  Israeliten  verkündigen  u.  ihnen  sagen:  Ihr  Geplagten,  die  Zeit  eurer  Er- 
lösung ist  da;  u.  wenn  ihr  es  nicht  glaubt,  so  sehet  auf  mein  Licht,  das  über  euch 
aufstrahlt,  s. :  „Stehe  auf,  werde  Licht;  denn  dein  Licht  kommt  u.  die  Herrlichkeit 
Jahves  strahlt  auf  über  dir"  Jes  60,  1.  —  Hier  bietet  der  Messias  den  Juden  selbst 
ein  Zeichen  an.  1|  ExR9(73b):  R.  J'^huda  b.  Schalem  (um  370)  hat  gesagt:  Mit  Recht 
hat  der  Pharao  gesagt:  „Gebet  für  euch  (zu  eurer  Beglaubigung)  ein  Zeichen*  rfc 
Ex  7,9.  Ebenso  findest  du  es  bei  Noah.  Nach  all  den  Zeichen  (Wundern  d-?:),  die  ihm 
Gott  in  der  Arche  getan  hatte,  führte  er  ihn  heraus  u.  sprach  zu  ihm:  „Nicht  mehr 
soll  eine  Sündflut  kommen,  um  alles  Fleisch  ^  zu  vernichten."  Da  fing  Noah  an,  ein 
Zeichen  (^="0,  Gt]fxsioi)  zu  fordern,  bis  Gott  zu  ihm  sprach  Gn9, 13:  „Meinen  Bogen 
gebe  ich  im  Gewölk."  Wenn  nun  Noah,  der  Gerechte,  ein  Zeichen  gefordert  hat,  um 
wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  dem  gottlosen  Pharao.  Ebenso  findest  du  es  bei  Hiskia. 
Als  Jesaja  kam  u.  zu  ihm  sagte  2  Kg  20,  5:  Sa  hat  Jahve  gesagt:  .  .  .  „Siehe,  ich  heile 
dich,  am  dritten  Tage  wirst  du  in  das  Haus  Jahves  hinaufgehn",  fing  er  an,  ein  Zeichen 
l^'ü  zu  fordern,  wie  es  heißt  das.  Vers 8:  Es  sprach  Hiskia:  Was  ist  das  Zeichen  r-s 
dafür,  daß  ich  in  das  Haus  Jahves  hinaufgehen  werde?  und  wenn  Hiskia,  der  Ge- 
rechte, ein  Zeichen  forderte,  mußte  es  nicht  erst  recht  der  Frevler  Pharao?  Als  Chananja, 
Mischael  u.  fAzarja  in  den  Feuerofen  hinabstiegen,  stiegen  sie  nur  auf  ein  Zeichen  hin 
hinab.  Wie  denn?  „Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns"  (Ps  115, 1)  hat  Chananja  gesprochen; 
„deinem  Namen  gib  Ehre"  (das.)  hat  Mischael  gesprochen;  „ob  deiner  Gnade,  ob  deiner 
Wahrheit"  (das.)  hat  sAzarja  gesprochen.  Und  (der  Engel)  Gabriel  hat  nach  ihnen  ge- 
antwortet: Warum  sollen  die  Heiden  sagen:  „Wo  ist  doch  ihr  Gott?"  (das.  Vers 2). 
Nachdem  das  die  ganze  Nacht  hindurch  in  ihrem  Munde  geläufig  gewesen  war,  em- 
pfingen sie  jenes  Zeichen  p'o  u.  stiegen  hinab.  LTnd  wenn  du  es  nicht  von  dieser  Stelle 
lernen  willst,  so  lerne  es  von  einer  anderen  Stelle;  denn  es  heißt:  „Höre  doch,  Josua, 
du  Hoherpriester,  du  u.  deine  Genossen,  welche  vor  dir  sitzen,  denn  Männer  eines 
Wunderzeichens  rsis  sind  sie"  Sach  3,8.  Und  wer  waren  sie?  R.  J^huda  b.  Schalom  hat 
gesagt:  Es  waren  Chananja,  Mischael  u.  ?Azarja,  denen  dieses  Zeichen  p'O  geschah. 
Und  wenn  nun  die  Gerechten  ein  Zeichen  fordern  ]^'Z)  n'vpz'c,  um  wieviel  mehr  dann  die 
Gottlosen.  ||  Weiteres  bei  Mt  16, 1  u.  1  Kor  1,  22;  ferner  Sanh  90»  bei  Mt  7, 15  S.  465. 

12,39  51:  Ein  böses  u.  ehebrecherisches  Geschlecht 
verlangt  ein  Zeichen. 

1.  ysvsd  novTjQÜ  =  sü^n  wsni  Targ  Onk  Gn  6,  o.  —  Solch  ein  Geschlecht 
sollte  nach  allgemeiner  Annahme  die  Generation  sein,  in  der  der  Messias 
erscheinen  würde;  s.  den  Exk.:  Vorzeichen  der  messian.  Zeit  usw.  I,  a. 

2.  yevsd . . .  ij,oixccXig,  wohl  bildlich  gemeint  =  Geschlecht,  das  treulos 
Gotte  abtrünnig  geworden  ist,  nach  der  bekannten  alttest.  Auffassung 
von  dem  Bundesverhältnis  zwischen  Gott  u.  Israel  als  einem  Ehebund; 
vgl.  Jes  57,  3:  n:Tm  cix;^  yiT;  Vers  4:  ip\r  ^^t  :->r2  •^ih-'.  —  Faßt  man  y.  ii. 

^  So  wird  Gn9, 11  zitiert, 
strack  u.Billerbeck.  NT  I.  41 


642  Matth  12,39(?l  2.  83  1) 

im  eigentlichen  Sinn  als  Geschlecht,  dessen  charakteristische  Sünde  die 
Unzucht  ist,  so  würden  die  geschichtlichen  Zeugnisse  dem  nicht  gerade 
widersprechen. 

Die  diesbezüglichen  Zitate  aus  den  Pseudepigraphen  s.  bei  Rom  2, 22.  Aus  der 
rabbin.  Literatur  sei  auf  den  klassischen  Beleg  verwiesen  Sota  9, 9:  Seitdem  die  Ehe- 
brecher sich  mehrten,  hörte  das  Trinken  der  bitteren  Wasser  (des  Eiferwassers)  auf, 
u.  zwar  machte  ihm  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  ein  Ende,  weil  es  heißt 
Hos  4, 14:  Nicht  heimsuchen  will  ich  eure  Töchter,  wenn  sie  buhlen,  u.  eure  Bräute, 
wenn  sie  ehebrechen.  —  Dazu  bemerkt pSotaJ>,  24'',  20:  Denn  es  steht  geschrieben:  ,Denn 
sie  selbst  gehen  mit  den  Huren  abseits"  Hos  4, 14;  ferner  s.  Nu  5,27:  ,Das  Weib  wird 
zu  einer  Verfluchung  werden  inmitten  ihres  Volkes",  nämlich  wenn  ihr  Volk  vollkommen 
ist,  nicht  aber,  wenn  ihr  Volk  unzüchtig  ist.  Und  Nu  5, 31  heißt  es:  „Und  der  Mann 
ist  frei  von  Verschuldung."  Wann  wird  das  Weib  seine  Verschuldung  tragen  (Nu  5, 31)? 
Wenn  der  Mann  rein  von  Schuld  ist.  —  Dies  besagt:  Weil  das  ganze  Volk  u.  insonderheit 
die  Männerwelt  der  Unzucht  frönte,  wollte  Rabban  Jochanan  b.  Z.  auf  Grund  von  Hos 
4,14'''  nicht  die  Frauenwelt  allein  bestraft  wissen.  —  Farblos  Sota47'':  Als  die  sich 
mehrten  mit  dem  emporgereckten  Halse  u.  den  lüstern  blickenden  Augen  (vgl.  Jes  3, 16), 
da  mehrte  sich  das  Trinken  des  Eiferwassers;  aber  es  wurde  dann  abgeschafft. 

Doch  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  das  Judentum  selbst  für  die  schlimm- 
ste Volkssünde  der  .Jahrzehnte  vor  der  Tempelzerstörung  nicht  die  Un- 
zucht gehalten  hat,  sondern  die  im  geheimen  schleichende  Gehässigkeit. 

TM<^nl3,22(533):  R.  Jochanan  b.  Tortha  (um  110)  hat  gesagt:  Warum  ist  Schilo 
zerstört  worden?  Wegen  der  Verachtung  der  heiligen  Opfer,  die  sich  darin  vorfand. 
Warum  ist  Jerusalem,  der  erste  Bau,  zerstört  worden?  Wegen  des  Götzendienstes, 
der  Unzucht  u.  des  Blutvergießens  in  seiner  Mitte.  Aber  während  des  letzten  Baues 
wissen  wir  doch  von  ihnen  (den  Israeliten),  daß  sie  sich  mit  dem  Torastudium  mühten 
u.  sorgfältig  auf  die  Zehnten  achteten  —  warum  sind  sie  in  die  Verbannung  gezogen 
(nach  der  Zerstörung  i.  J.  70  n.  Chr.)?  Weil  sie  den  Mammon  liebten  u.  sich  unter- 
einander haßten,  um  dich  zu  lehren,  daß  der  gegenseitige  Haß  schlimm  ist  vor  Gott 
u.  daß  ihn  die  Schrift  gleichsetzt  dem  Götzendienst,  der  Unzucht  u.  dem  Blutvergießen.  — 
Ähnlich  pJoma  1,38°,  48;  stark  erweitert  auch  durch  biblische  Belegstellen  Joma  9^'^; 
ein  Bruchstück  auch  NuR  7  (148'^). 

12,  .39^:  Es  wird  ihm  kein  Zeichen  gegeben  werden, 

außer  dem  Zeichen  des  Propheten  Jona. 
Der  Prophet  Jona  in  der  jüdischen  Haggada. 

1.  Jonas  Herkunft. 

GnR  98  (62  *) :  R.  J^huda  b.  Nachman  (um  2ö0)  u.  R.  Levi  (um  300)  erhielten  an  jedem 
Sabbat  zwei  Sela?,  um  die  Gemeinde  des  R.  Jochanan  (bis  zu  dessen  Vortrag  durch 
ihre  eigenen  Vorträge)  zusammenzuhalten.'  R.  Levi  sprach:  Jona  war  vom  Stamm 
Zebuion,  s.  Jos  19,  10. 13:  Da  wurde  das  dritte  Los  für  die  Söhne  Zebuions  gezogen  .  .  ., 
u.  ihre  Grenze  geht  ostwärts  nach  Gath-Chepher.  Und  2  Kg  14,  25  heißt  es:  ,Jona, 
Sohn  Amittais,  der  aus  Gath  Chepher  (also  dem  Stamm  Zebuion)  stammte."  Das  sind 
die  Bergrücken  von  Sepphoris.  Darauf  trug  R.  Jochanan  vor:  Jona  war  aus  dem  Stamme 
Ascher,  s. :  „Ascher  verdrängte  nicht  die  Bewohner  von  fAkko  u.  die  Bewohner  von 
(^idon"  Ri  1,31;  u.:  „Stehe  auf,  ziehe  nach  (^arpath,  welche  zu  (^idon  gehört"  1  Kg  17,9. 
(Die  Stellen  sind  beweiskräftig  nur  unter  der  Voraussetzung,  daß  R.  Jochanan  den  von 
Elias  auferweckten  Sohn  der  Witwe  von  (^arpath  mit  dem  Propheten  Jona  identifiziert 
hat,  s.  die  nächsten  Zitate.)  R.  Levi  sagte  zu  R.  J^'huda  (so  lies  mit  pSukka  statt 
,R.  Jochanan"):  Obgleich  der  (nächste)  Sabbat  dir  (zum  Vortrag)  gehört,  so  nimm  die 

^  sri-.iiV;  über  r^'^u  —  zusammenhalten  s.  Bacher,  Pal.  Amor.  1,217.  3. 


Matth  12,  39(951.2)  Ö43 

beiden  Selaf  u.  laß  mich  (zum  Vortrag  an  deiner  Stelle)  eintreten.  Dann  sprach  er: 
Obwohl  uns  R.  Jochanan  am  vergangenen  Sabbat  gelehrt  hat,  daß  Jona  vom  Stamm 
Ascher  war,  so  ist  doch  vielmehr  sein  Vater  vom  Stamm  Zebuion  u.  seme  Mutter  vom 
Stamm  Ascher  gewesen;  denn  es  heißt:  , Zebuion,  seine  Hüfte  (so  der  Midr)  ist  gegen 
(^idon"  Gn49, 13;  d.h.  die  Hüfte,  aus  der  .Jona  hervorging  (also  sein  Vater)  ist  von 
(Jidon  (Zebuion)  gewesen.  —  Dasselbe  mit  Vertauschung  der  Autorennamen  pSukka 
."),  .55^44.  —  II  Midr  Ps  26  §7  (110 '0:  Der  Sohn  der  Witwe  von  ^arpath  ist  Jona,  der 
Sohn  des  Amittai  gewesen.  ]|  PirqeREl  33:  Elias  ging  nach  (^arpath,  wo  ihn  eine  Witwe 
mit  großen  Ehren  aufnahm;  das  war  die  Mutter  des  Jona. 

2.  Jonas  Berufung  u.  die  Motive  seiner  Flucht. 

pSukka  5, 55*,  54:  R.  Jona  (um  350)  hat  gesagt:  Jona,  der  Sohn  des  Amittai,  ge- 
hörte zu  den  Festpilgern,  u.  als  er  zu  der  Freude  in  der  Halle  der  Wasserlibation  (am 
Abend  des  zweiten  Tages  des  Laubhüttenfestes)  kam,  ruhte  der  heilige  Geist  auf  ihm 
(ward  ihm  die  Weissagung  zuteil,  s.  Jona  1,  If.).  Das  will  dich  lehren,  daß  der  heilige 
Geist  (Geist  der  Prophetie)  nur  auf  einem  fröhlichen  Herzen  ruht.  j|  M%h  zu  Ex  12,  1  (1  b); 
Wisse,  daß  die  Sch'^^khina  (Gottheit)  sich  nicht  im  Auslande  offenbart  (nämlich  nach 
der  Besitznahme  Kanaans  durch  Israel);  s. :  ,Da  machte  sich  Jona  auf,  um  nach 
Tarschisch  zu  fliehen"  Jona  1,3.  Wie,  vor  Gott  wollte  er  fliehen?  Heißt  es  denn  nicht 
längst:  „Wohin  soll  ich  gehn  vor  deinem  Geist.  .  .  .  Wenn  ich  aufsteige  zum  Himmel, 
.so  bist  du  da.  .  .  .  Flöge  ich  mit  Flügeln  der  Morgenröte  .  .  .,  so  würde  auch  dort  deine 
Hand  mich  führen"?  Ps  139,  7  ff.  Ferner  s.:  ,Die  Augen  Jahves  schweifen  über  die 
ganze  Erde"  Sach4, 10;  „An  jeglichem  Ort  sind  die  Augen  Jahves,  beobachtend  die 
Bösen  u.  die  Guten"  Spr  15,3;  „Wenn  sie  in  die  Unterwelt  durchbrächen  .  .  .  u.  wenn 
sie  in  den  Himmel  hinaufstiegen  .  .  .  u.  wenn  sie  sich  versteckten  auf  dem  Gipfel  des 
Karmel,  so  will  ich  sie  von  dort  greifen  u.  holen"  Amos  9, 2  f. ;  „Es  gibt  keine  Finsternis 
noch  Todesschatten,  darin  sich  verbergen  könnten  die  Übeltäter"  Hi  34,  22.  Vielmehr 
sprach  Jona:  Ich  will  in  das  Ausland  gehn,  an  einen  Ort,  an  dem  die  Sch'^khina  nicht 
weilt  u.  sich  nicht  offenbart;  denn  die  Gojim  nähern  sich  (leicht)  der  Buße,  damit  sie 
Israel  (in  seiner  Unbußfertigkeit)  nicht  schuldig  erscheinen  lassen.  Gleich  dem  Knecht 
eines  Priesters,  der  seinem  Herrn  entlaufen  war.  Er  sprach:  Ich  will  auf  einen  Be- 
gräbnisplatz gehen,  an  einen  Ort,  an  den  mein  Herr  mir  nicht  folgen  darf.  Sein  Herr 
aber  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  deinesgleichen  (die  dir  folgen  u.  dich  zurückbringen 
können)!  So  sprach  Jona:  Ich  will  ins  Ausland  gehn,  an  einen  Ort,  an  dem  die  Sch%hina 
sich  nicht  offenbart;  denn  die  Nichtisraeliten  nähern  sich  (leicht)  der  Buße,  damit  sie 
Israel  nicht  schuldig  erscheinen  lassen.  Da  sprach  Gott  zu  ihm:  Ich  habe  Boten,  die 
deinesgleichen  sind  (die  zu  dir  passen),  s.:  „Jahve  warf  einen  großen  Wind  auf  das 
Meer"  Jona  1,4.  ||  pSanh  11,30b,  45:  R.  Jona  (um  350)  hat  gesagt:  Jona,  der  Sohn  des 
Am.,  ist  ein  Prophet  der  Wahrheit  gewesen.  Du  findest,  als  Gott  zu  ihm  sprach: 
„Mache  dich  aufi  gehe  nach  Ninive,  der  großen  Stadt,  ü.  predige  wider  sie;  denn  ihre 
Bosheit  ist  vor  mein  Angesicht  aufgestiegen"  Jona  1,2,  da  sprach  Jona:  Ich  weiß,  daß 
die  Nichtisraeliten  sich  (leicht)  der  Buße  nähern;  u.  siehe,  wenn  ich  nun  hingehe  u. 
wider  sie  weissage  u.  sie  dann  Buße  tun,  so  wird  Gott  an  den  gottlosen  Israeliten  (die 
in  Unbußfertigkeit  verhan-en)  Rache  nehmen.  Was  liegt  mir  also  ob  zu  tun?  Ich 
werde  fliehen!  Da  machte  sich  Jona  auf  um  nach  Tarschisch  zu  fliehen  vor  dem  An- 
gesichte Jahves  Jona  1,3.  —  Der  Gedanke,  daß  Jona  im  Interesse  seines  Volkes  ge- 
flohen sei,  tritt  hervor  auch  M®kh  Ex  12,  1  (2'^):  R.Jonathan  (gemeint  ist  der  um 
140  n.  Chr.  lebende  Vertreter  der  Schule  Jischmafels)  sagte:  Jona  ist  weggegangen, 
nur  um  sich  selbst  im  Meer  dem  Untergang  zu  weihen;  denn  er  sprach  zu  ihnen: 
„Hebet  mich  auf  u.  schleudert  mich  ins  Meer"  Jona  1,  12.  Ebenso  findest  du  es"  bei 
den  Vätern  (Israels)  u.  den  Propheten,  daß  sie  sich  selbst  für  Israel  dahingaben.  — 
Als  Beispiele  werden  dann  genannt  Mose  nach  Ex  32,32;  Nu  11,  15  u.  David  nach 
2Sm  24, 17.  —  Vgl.  auch  M^kh  Ex  12, 1  (2^):  Man  kann  sagen,  daß  von  drei  Propheten 
der   eine  die  Ehre  des  Vaters  (Gottes)  u.  die  Ehre  des  Sohnes  (Israels)  gesucht  hat. 

41* 


644  Matth  12,39  (5Ö2.  8) 

Der  zweite  suchte  die  Eine  des  Vaters,  aber  nicbt  die  Ehre  des  Sohnes.  Der  dritte 
suchte  die  Ehre  des  Sohnes,  aber  nicht  die  Ehre  des  Vaters.  Jeremia  suchte  die  Ehre 
des  Vaters  u.  die  Ehre  des  Sohnes,  s.  KL  3,42:  Wir  waren  abtrünnig  u.  widerspenstig 
(diese  Worte  haben  die  Ehre  des  Vaters  im  Auge);  du  hast  nicht  vergeben  (diese 
Worte  suchen  Israels  Ehre).  Deshalb  wurde  (zum  Lohn  dafür)  sein  Weissagen  ver- 
doppelt, s.  Jer36,  32:  Es  wurden  noch  viele  Worte  gleicher  Art  „hinzugefügt".  Elias 
suchte  die  Ehre  des  Vaters,  aber  nicht  die  Ehre  des  Sohnes,  s.:  ,1m  Eifer  habe  ich 
geeifert  um  Jahve,  den  Gott  der  Heerscharen;  denn  die  Kinder  Israel  haben  deinen 
Bund  verlassen"  usw.  1  Kg  19,  14.  Und  wie  heißt  es  darauf?  Da  sprach  Jahve  zu  ihm: 
Geh  hin,  kehre  auf  deinen  Weg  zurück  .  .  .  u.  Elisa  sollst  du  zum  Propheten  salben 
an  deiner  Statt.  Mit  den  Worten  „an  deiner  Statt"  sollte  dem  Propheten  nichts  andres 
gesagt  werden  als:  Ich  mag  deine  Prophetie  nicht  (zur  Strafe  für  das  einseitige  Suchen 
der  Ehre  Gottes).  Jona  suchte  die  Ehre  des  Sohnes,  aber  nicht  die  Ehre  des  Vaters.  Darum 
heißt  es:  „Es  erging  das  Wort  Jahves  an  Jona  zum  zweitenmal  also"  (Jona  3,1).  Zum 
zweitenmal  wurde  mit  ihm  geredet,  aber  nicht  zum  drittenmal  (zur  Strafe  für  das  ein- 
seitige Suchen  der  Ehre  Israels).  —  Der  den  Propheten  Jona  betreffende  Ausspruch 
ist  nach  J'^b  98''  von  R.  f  Aqiba,  f  um  135.  i|  PirqeREl  10  Anf. :  An  einem  fünften  Wochen- 
tag (Donnerstag)  ist  Jona  vor  Gott  geflohen.  Warum  ist  er  geflohen?  Das  erste  Mal 
hatte  Gott  ihn  gesandt  (mit  der  Weissagung),  daß  Jarobfam  das  Gebiet  Israels  wieder- 
gewinnen werde,  u.  seine  Worte  erfüllten  sich,  s.  2  Kg  14,25.  Ein  zweites  Mal  hatte 
er  ihn  nach  Jerusalem  gesandt  (mit  der  Androhung),  daß  dieses  zerstört  werden  sollte. 
Weil  .sie  aber  Buße  taten,  handelte  Gott  nach  der  Fülle  seiner  Gnade  u.  ließ  sich  des 
Unglücks  gereuen,  so  daß  es  nicht  zerstört  wurde.  Da  nannten  die  Israeliten  den  Jona 
einen  falschen  Propheten.  Das  dritte  Mal  sandte  er  ihn  nach  Ninive.  Da  zog  Jona 
bei  sich  selbst  diese  Schlußfolgerung:  Ich  weiß,  daß  dieses  Volk  sich  leicht  der  Buße 
nähert;  wenn  sie  nun  jetzt  Buße  tun,  so  wird  Gott  seinen  Zorn  über  Israel  senden, 
u.  nicht  genug,  daß  mich  die  Israeliten  einen  falschen  Propheten  genannt  haben,  sondern 
auch  die  Völker  der  Welt  werden  es  tun.  Siehe,  so  will  ich  an  einen  Ort  fliehen,  von 
dem  nicht  gesagt  wird,  daß  Gottes  Herrlichkeit  daselbst  sei  (so  daß  sich  Gott  mir 
dort  nicht  offenbaren  wird).  Sowohl  vom  Himmel  heißt  es,  daß  Gottes  Herrlichkeit 
daselbst  sei,  s.  Ps  113,4,  als  auch  von  der  Erde  heißt  es,  daß  Gottes  H.  daselbst  sei, 
s.  Jes  6, 3.  Deshalb  ging  Jona  nach  Joppe  hinab  (um  aufs  Meer  zu  gelangen,  von  dem 
nicht  gesagt  wird,  daß  Gottes  H.  daselbst  sei). 

3.  Jona  auf  dem  Meere. 

PirqeREl  10:  Jona  ging  hinab  nach  Joppe,  fand  aber  dort  kein  Schiff,  in  das  er 
hätte  steigen  können;  u.  das  Schiff,  in  das  er  (später)  stieg,  war  von  Joppe  zwei  Tage- 
reisen entfernt.  Was  tat  Gott,  um  ihn  zu  versuchen?  Er  ließ  über  das  Schiff"  einen 
Sturmwind  im  Meer  hereinbrechen,  der  es  nach  Joppe  zurückbrachte.  Als  Jona  das 
sah,  freute  er  sich  in  seinem  Herzen  u.  sprach:  Jetzt  erkenne  ich,  daß  meine  Reise 
Glück  haben  wird.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  will  mit  euch  ziehen!  Sie  antworteten: 
Wir  fahren  nach  der  Küste  (oder  Inseln)  des  Meeres  von  Tarschisch.  Er  sprach:  Ich 
komme  mit  euch.  Auf  allen  Schiffen  war  es  üblich,  daß  man,  wenn  man  es  verließ,  den 
Fahrpreis  bezahlte;  Jona  aber  in  der  Freude  seines  Herzens  bezahlte  den  Preis  im 
voraus,  s.  Jona  1,3.'  Als  sie  eine  Tagereise  weit  vom  Lande  entfernt  waren,  erhob  sich 
wider  sie  ein  Sturmwind  im  Meer  rechts  u.  links,  während  die  Fahrt  aller  übrigen 
Schiffe,  die  ausfuhren  u.  einfuhren,  glücklich  bei  ruhiger  See  vor  sich  ging.  Das  Schiff, 
in  welches  Jona  gestiegen  war,  befand  sich  in  großer  Not,  wie  es  heißt:  „Das  Schiff 
wollte  scheitern"  Jona  ),  4.   R.  Chananja ^  sagte:  Aus  allen  70  Sprachen  befanden  sich 

*  N«'d  38"  dient  die  Stelle  als  Beweis  für  Jonas  Reichtum.  R.  Jochanan  (f  279) 
sagte:  Er  bezahlte  den  Fährlohn  (^oder  den  Wert?j  des  ganzen  Schiffes.  R.  Romanos 
(um  200)  hat  gesagt:  der  Fährlohn  (oder  der  Wert?)  des  Schiffes  betrug  4000  Golddenare. 

^  Die  Autornamen  sind  in  PirqeREl  meist  fingiert  u.  deshalb  für  die  Bestimmung 
der  Zeit  eines  Ausspruchs  wertlos. 


Matth  12,  39  (©  3)  645 

Leute  auf  dem  Schiff  u.  jeder  hielt  sein  Götzenbild  in  seiner  Hand,  wie  es  heißt:  ,Da 
fürchteten  sich  die  Seeleute  u.  schrien  jeder  zu  seinem  Gott"  Jona  1,  5;  u.  sie  warfen 
sich  nieder  u.  sprachen:  Wir  wollen  jeder  zu  seinem  Gott  rufen,  u.  der  Gott,  der  hören 
u.  uns  aus  dieser  Not  erretten  wird,  soll  (der  wahre)  Gott  sein!  Da  schrien  sie  jeder 
zu  seinem  Gott;  aber  es  half  ihnen  nichts.  Und  Jona  war  vor  Betrübnis  seiner  Seele 
in  tiefen  Schlaf  gesunken.  Da  trat  der  Befehlshaber  der  Schiffsmannschaft  an  ihn 
heran  u.  sprach  zu  ihm:  Siehe,  wir  stehen  zwischen  Tod  u.  Leben,  u.  du  liegst  in 
tiefem  Schlafe  da!  Aus  welchem  Volk  bist  du?  Er  antwortete:  Ich  bin  ein  Hebräer. 
Jener  sprach:  Haben  wir  nicht  gehört,  daß  der  Gott  der  Hebräer  groß  ist?  Steh  auf 
u.  rufe  zu  deinem  Gott!  vielleicht  wird  Gott  Bedacht  auf  uns  nehmen  u.  ein  Wunder 
an  uns  tun,  wie  er  euch  am  Schilfmeer  getan  hat.  Jona  sprach:  Ich  will  euch  nicht 
verhehlen,  daß  diese  Not  meinetwegen  über  euch  gekommen  ist;  nehmt  mich  u.  werft 
mich  ins  Meer,  so  wird  das  Meer  stille  werden  um  euch  her,  s.  Jona  1,  12.  R.  Schimfon 
(der  Name  pseudepigraphisch)  sagte:  Die  Leute  nahmen  es  nicht  an,  ihn  ins  Meer  zu 
werfen,  sondern  warfen  die  Lose  über  sich;  da  fiel  das  Los  auf  Jona,  s.  Jona  1,  7.  Was 
taten  sie?  Sie  nahmen  die  Gerätschaften,  die  sich  im  Schilf  befanden,  und  warfen  sie 
ins  Meer,  um  das  Schiff  zu  erleichtern;  aber  es  nützte  nichts.  Sie  beabsichtigten  zurück 
ans  Pestland  zu  gelangen;  aber  sie  vermochten  es  nicht.  Was  taten  sie?  Sie  nahmen 
den  Jona  u.  traten  in  das  Hinterteil  des  Schiffes  u.  sprachen:  Ewiger  Gott,  Jahve,  laß 
nicht  unschuldiges  Blut  über  uns  kommen:  denn  wir  wissen  nicht,  von  welcher  Be- 
schaffenheit dieser  Mann  ist  (d.  h.  welche  Bewandtnis  es  mit  ihm  hat).  Jona  sprach 
zu  ihnen:  Um  meinetwillen  ist  diese  Not  über  euch  gekommen;  nehmt  mich  u.  werfet 
mich  ins  Meer.  Alsbald  nahmen  sie  ihn  u.  ließen  ihn  (ins  Meer)  hinab  bis  an  seine 
Knie.  Da  stand  das  Meer  von  seinem  Brausen  ab.  Sie  nahmen  ihn  wieder  zu  sich  (ins 
Schiff  zurück);  da  tobte  das  Meer  um  sie  her.  Sie  ließen  ihn  hinab  bis  an  seinen 
Nabel;  da  stand  das  Meer  von  seinem  Brausen  ab.  Sie  zogen  ihn  herauf  zu  sich,  da 
tobte  das  Meer  weiter  um  sie  her.  Sie  ließen  ihn  hinab  bis  an  seinen  Hals,  da  stand 
das  Meer  von  seinem  Brausen  ab;  u.  noch  einmal  zogen  sie  ihn  empor  zu  sich,  da 
tobte  das  Meer  weiter  um  sie  her.  Dann  ließen  sie  ihn  ganz  hinab,  u.  sofort  stand 
das  Meer  von  seinem  Brausen  ab.  —  R.  Tarphon  (der  Name  pseudepigraphisch)  sagte: 
Seit  den  sechs  Schöpfungstagen  war  jener  Fisch  dazu  bestimmt,  den  Jona  zu  ver- 
schlingen,^ s. :  , Und  Jahve  bestimmte  einen  großen  Fisch,  den  Jona  zu  verschlingen" 
Jona  2,  1.  Erging  in  seinen  Rachen  hinein,  wie  wenn  ein  Mensch  in  eine  große  Synagoge 
eintritt  u.  darin  steht.  Die  beiden  Augen  des  Fisches  waren  wie  Fenster  (1.  r'-tir^rs 
^=  Ejucfdifiazci,  Krauß,  Lehn w.  2,  61),  die  dem  Jona  leuchteten.  R.  Meir  (Name  pseud- 
epigraphisch) sagte:  Eine  Perle  hing  im  Innern  des  Fisches,  die  dem  Jona  leuchtete, 
wie  die  Sonne,  wenn  sie  zu  Mittag  leuchtet,  u.  sie  ließ  ihn  alles  sehen,  was  im  Meer 
u.  in  den  Urtiefen  ist,  u.  darauf  bezieht  sich:  , Licht  ist  gesät  für  den  Gerechten" 
Ps97,  IL  —  Der  Fisch  sprach  zu  Jona:  Weißt  du  nicht,  wann  mein  Tag  kommt,  im 
Maul  des  Liyjathan  verspeist  zu  werden?  Jona  antwortete:  Bring  mich  hin  zu  ihm. 
Dann  sprach  er  zum  Livjathan:  Deinetwegen  bin  ich  (hierher)  herabgekommen,  um  die 
Stätte  deiner  Wohnung  zu  sehen;  denn  ich  werde  dereinst  die  Schlinge  an  deine  Zunge 
legen,  um  dich  hinaufzuziehen  u.  zu  schlachten  für  das  große  Mahl  der  Gerechten  (in 
der  zukünftigen  Welt,  s.  Exkurs:  Sch'ol  usw.  III  gegen  Ende).  Da  zeigte  ihm  Jona  das 
Siegel  Abrahams  (d.h.  die  Beschneidungsstelle)  u.  sprach  zu  ihm:  Siehan  den  Bund! 
Und  der  Livjathan  blickte  hin  u.  floh  vor  Jona  zwei  Tagereisen  weit.  Da  sprach  Jona 
zu  dem  Fisch:  Siehe,  ich  habe  dich  aus  dem  Maul  des  Livjathan  errettet;  nun  laß 
mich  alles  sehen,  was  im  Meer  u.  in  den  ürtiefen  ist.  Da  zeigte  ihm  der  Fisch  den 
großen  Strom   der  Wasser  des  Ozeans,   s.:    ,Der  Abgrund  umringte  mich"  Jona  2,  6. 


>  Vgl.  GnR5  (4''):  R.  Jirm'^ja  b  Eifazar  (um  27'0)  hat  gesagt:  Mit  allem,  was  Gott 
in  den  sechs  Schöpfungstagen  geschaffen  hat,  hat  er  eine  Vereinbarung  getroffen  (be- 
treffs der  Wunder,  die  an  einem  bestimmten  Geschöpf  oder  durch  dasselbe  geschelien 
sollten).    Als  Beleg  wird  auch  der  Fisch  Jonas  genannt. 


646  Matth  12,39  (83  3) 

Ferner  zeigte  er  ihm  das  Schilfmeer,  durch  welches  die  Israeliten  hindurchgezogen  sind, 
s.:  , Schilfgras  war  um  mein  Haupt  gewunden."  Er  zeigte  ihm  den  Ort,  aus  dem  die 
Brandungen  des  Meeres  u.  seine  Wogen  hervorbrechen;  er  zeigte  ihm  die  Säulen  der 
Erde  u.  ihre  Grundfesten,  s. :  ,Die  Erde,  ihre  Riegel  schlössen  sich  hinter  mir  auf 
immer";  er  zeigte  ihm  den  Gehinnom,  s.:  ,Du  brachtest  aus  der  Grube  herauf  mein 
Leben,  Jahve  mein  Gott";  er  zeigte  ihm  die  unterste  Sch'^ol,  s. :  „Aus  dem  Bauche 
der  Sch*^ol  habe  ich  geschrien,  du  hast  meine  Stimme  vernommen";  er  zeigte  ihm  den 
Tempel  Gottes,  s.:  ,Zu  den  Enden  (Ausläufern)  der  Berge  bin  ich  hinabgefahren" 
(2,  3 — 7).  Von  hier  aus  lernen  wir,  daß  Jerusalem  auf  sieben  Bergen  steht.  Er  zeigte 
ihm  den  Grundstein,  der  auf  den  Urtiefen  befestigt  ist  unterhalb  des  Tempels  Jahves, 
u.  auf  welchem  die  Söhne  Qorachs  stehen  u.  flehen.  Da  sprach  der  Fisch  zu  ihm: 
Jona,  siehe,  du  stehst  unterhalb  des  Tempels  Jahves;  bete,  so  wirst  du  erhört  werden. 
Jona  sprach  zum  Fisch:  Stehe  still  an  dem  Ort,  da  du  stehst,  denn  ich  will  beten. 
Der  Fisch  stand  still,  u.  Jona  begann  vor  Gott  zu  beten  u.  sprach:  Herr  der  Welt,  du 
wirst  genannt  der,  welcher  erniedrigt  u.  erhöht:  ich  bin  erniedrigt,  so  erhöhe  mich! 
Du  wirst  genannt  der,  welcher  tötet  u.  lebendig  macht:  .siehe,  meine  Seele  ist  dem 
Tode  nahe,  so  mache  mich  lebendig!  Aber  er  wojrde  nicht  erhört,  bis  aus  seinem 
Munde  dieses  Wort  kam,  daß  er  sprach:  „Was  ich  gelobt  habe,  das  will  ich  erfüllen" 
{s.  2,  10);  ich  habe  gelobt,  den  Livjathan  heraufzuholen  u.  vor  dir  zu  schlachten;  ich 
will  es  erfüllen  am  Tag  der  Errettung  Israels.  Alsbald  gab  Gott  dem  Fisch  einen 
Wink,  daß  er  den  Jona  ausspie.  —  Es  sahen  die  Seeleute  (von  Jonas  Schiff)  alle  diese 
Zeichen  u.  großen  Wunder,  die  Jahve  an  Jona  tat.  Sofort  standen  sie  auf  u.  warfen 
ein  jeder  seinen  Götzen  ins  Meer,  s.  2,  9:  „Die  da  warteten  nichtiger  Eitelkeiten,  ver- 
ließen ihre  Schande"  (—  Götzen,  so  der  Midr).  Dann  kehrten  sie  nach  Joppe  zurück 
u.  zogen  hinauf  nach  Jerusalem,  um  das  Fleisch  ihrer  Vorhaut  beschneiden  zu  lassen. 
S.Jon  1,  l(i:  „Es  fürchteten  die  Seeleute  Jahven  gar  sehr  u.  schlachteten  Jahve  Opfer." 
Wie,  ein  Opfer  hätten  sie  geschlachtet?  Man  nimmt  doch  kein  Opfer  von  einem  Götzen- 
diener an!  '  Allein  es  ist  damit  das  Blut  des  Bundes  (das  Beschneidungsblut)  gemeint, 
das  wie  Opferblut  ist.  Und  sie  gelobten  (vgl.  Jona  1,  16),  daß  ein  jeder  sein  Weib  u. 
alles,  was  er  hatte,  anleiten  wolle,  den  Gott  Jonas  zu  fürchten.  Und  was  sie  gelobt 
hatten,  erfüllten  sie;  u.  in  bezug  auf  sie,  die  Proselyten,  die  Proselyten  der  Gerechtig- 
keit (d.h.  Vollproselyten)  heißt  es:  „Sprechen  mögen  es  die  den  Herrn  fürchten 
(^Proselyten);  denn  seine  Gnade  währet  ewiglich!"  Ps  118,4.-  —  Jalqut  zu  Jona  1 
§  550  bringt  obigen  Abschnitt  aus  den  PirqeREl  mit  größeren  Einschaltungen:  Jona 
geht  aus  dem  Leib  des  ersten  Fisches  in  den  eines  zweiten  Fisches  über,  in  dessen 
Enge  er  endlich  beten  lernt;  das  Gebet  selbst  ist  wesentlich  erweitert.  Mit  Jalqut 
stimmt  der  Midrasch  Jona  überein.  ||  Midr  Ps  26  §  7  (110''):  Der  Sohn  der  Witwe  von 
(j^arpath,  das  ist  Jona,  der  Sohn  des  Amittai,  war  ein  vollkommner  Gerechter;  er 
wurde  geläutert  im  Schlund  der  Fische  (Plural  wie  im  Jalqut  s.  voriges  Zitat)  u.  in 
den  Wogen  der  Meere;  aber  er  starb  nicht,  sondern  Jahve  gebot  dem  Fjsche,  daß  er 
Jona  aufs  trockne  Land  spie  Jona  2.  11,  u.  während  seines  Lebens  ist  er  wegen  seiner 
Ehre  in  den  Gan  ?Eden  eingegangen.  —  Unter  den  neun  Personen,  die  nach  der 
Tradition  (in  Derekh  Ere^  Zuta  1  Ende)  lebendig  ins  Paradies  eingegangen  sind,  wird 
Jona  nicht  aufgezählt.  Die  Meinung  wird  wohl  dahin  gehn,  daß  Jona  im  Fische  den 
Gan  fEden  gesehen  habe,  gleichwie  er  nach  PirqeREl  den  Gehinnom  erblickt  hat. 
Zu  letzterer  Meinung  vgl.  auch  ?Er  19^:  R.  Jirm'^ja  b.  Elafzar  (um  270)  hat  gesagt:  Drei 
Eingänge  hat  der  Gehinnom,  einen  in  der  Wüste,  einen  im  Meer  u.  einen  in  Jerusalem. 
In  der  Wüste:  „So  fuhren  sie  (Qorach  u.  sein  Anhang)  lebendig  in  die  Sch'^ol  (=  Ge- 
hinnom) hinab"  Nu  16,  33.  Im  Meer:  „Aus  dem  Bauche  der  Sch^'ol  habe  ich  geschrien, 
du  hast  meine  Stimme  vernommen"  Jona  2,  3.   In  Jerusalem:   „Jahve,  der  seine  lichte 


^  Dieser  Satz  entspricht  in  seiner  Allgemeinheit  nicht  der  Halakha. 
^  So  nach  der  Parallelstelle  Midr  Jona  (Beth  ha-Midrasch  1,  99).    Oder  es  ist  mit 
den  Worten  p-s  ■--;  u^^ir,  hy  der  Anfang  der  13.  Bitte  des  Achtzehn-Gebetes  zitiert. 


Matth  12,  39  (S  3.  4)  647 

Flamme  hat  auf  Zion  u.  seinen  Feuerofen  zu  Jerusalem"  Jes31,9.  —  Die  Lage  des 
Gan  ?Eden  hätte  man  sich  in  diesem  Fall,  wie  auch  sonst  (s.  Exkurs:  Sch*^ol  usw. 
III,  2,. f),  am  äußersten  Ende  des  Ozeans  gedacht.  |j  Jalqut  zu  Jos  2,  16  §  12  (ausGnR56): 
Gott  läßt  die  Gerechten  nicht  länger  als  drei  Tage  in  Not.  Als  Beweisstellen  werden 
dann  beigebracht  Hos  6,  2;  Gn  42,  18;  Jona  2,  1 :  Jona  war  in  den  Eingeweiden 
des  Fisches  drei  Tage  u.  drei  Nächte;  Esra  8,  15;  Esth  5,  1.  —  Die  einleitenden 
Worte  fehlen  jedoch  in  GnR  56  (35*^);  dagegen  finden  sie  sich  GnR91  (öT^)  in  dieser 
Fassung:  Niemals  läßt  Gott  die  Gerechten  drei  Tage  lang  in  Not;  so  lernen  wir  es 
von  Joseph  (vgl.  Gn  42,  17),  von  Jona,  von  Mardokhai  u.  von  David;  desgleichen  aus 
Hos  6,  2;  s.  die"^ ungekürzte  Stelle  bei  Mt  16,  21.  ||  pB  rakh  0,  13»,  42:  R.  Judan  (um  350) 
hat  im  Namen  des  R.  Ji^chaq  (um  300)  gesagt:  Ein  Mensch  hat  einen  Schutzherrn 
(Patron);  man  meldet  diesem:  Dein  Schützling  ist  ergriffen  worden!  Er  antwortet:  Ich 
werde  für  ihn  eintreten.  Man  meldet  ihm:  Siehe,  er  wird  zur  Verurteilung  abgeführt! 
Er  antwortet:  Ich  werde  für  ihn  eintreten.  Man  meldet  ihm:  Siehe,  er  ist  ins  Wasser 
gestürzt  worden!  Wo  ist  nun  der  Schützling  u.  wo  sein  Schutzherr'?  Aber  Gott  errettete 
den  Jona  aus  dem  Innern  des  Fisches,  s.  Jona  2,  11.  —  Eine  ähnliche  Ausführung  wird 
dem  R.  Elfazar  (um  270)  zugeschiieben  pBerakh  1),  13'\  15. 

4.  Ninives  Buße. 

GnR  37  (22"):  „Er  baute  Ninive  .  .  .  u.  Resen,  zwischen  Ninive  u.  Kelach;  das  ist 
die  große  Stadt"  Gn  10,  Uf.  Wir  wissen  nicht,  ob  Resen  oder  ob  Ninive  ,die  große 
Stadt"  ist.  Aber  aus  „Ninive  war  eine  große  Stadt  vor  Gott"  Jona  3,  3  ist  zu  entnehmen, 
daß  Ninive  mit  der  großen  Stadt  (in  Gn  10)  gemeint  ist.  ||  Jalqut  zu  Jona  3,  3  §  550 
(aus  einem  „Midrasch"):  Ninive  hatte  einen  umfang  von  drei  Tagereisen.  Es  gab  in 
Ninive  12  Straßen,  u.  in  jeder  von  ihnen  wohnten  12000  Menschen;  jede  Straße 
hatte  12  Durchgänge  (zu  den  einzelnen  Häuserkomplexen),  iu  jedem  Durchgang  waren 
12  Höfe,  jeder  Hof  hatte  12  Häuser,  in  jedem  Haus  wohnten  12  Helden  u.  jeder 
Held  hatte  12  Söhne.  Als  Jona  auf  dem  Markte  predigte,  wurde  seine  Stimme  eine 
Strecke  von  40  Tagereisen  weit  gehört,  u.  man  hörte  seine  Stimme  in  jedem  einzelnen 
Haus.  In  jener  Stunde  gelangte  die  Angelegenheit  vor  Asnappar,  den  König  von  Ninive 
(vgl.  Esra  4, 10).  \\  PirqeREl43:  R.  N'^chonja  b.  Ha-qana  (der  Name  ist  pseudepigraphisch) 
sagte:  Willst  du  die  Kraft  der  Buße  kennen  lernen,  komm  u.  sieh  es  an  dem  Pharao, 
dem  König  von  Ägypten,  der  sich  gar  sehr  gegen  den  höchsten  Fels  {y~"  ~'-i,  eine 
auffällige  Gottesbezeichnung)  empört  hatte:  Wer  ist  Jahve,  daß  ich  auf  seine  Stimme 
hören  sollte?  Ex  5,  2.  Und  mit  demselben  Ausdruck,  mit  welchem  er  gesündigt  hatte, 
tat  er  Buße:  „Wer  ist  wie  du  unter  den  Göttern,  Jahve?"  Ex  15,  11  (der  Midr  legt 
dies  Wort  dem  Ph.  in  den  Mund).  Und  Gott  errettete  ihn  aus  dem  Tode.  Woher  läßt 
es  sich  beweisen,  daß  der  Pharao  nicht  starb?  Weil  es  heißt:  „Denn  sonst  liätte  ich 
meine  Hand  ausgestreckt  u.  dich  .  .  .  geschlagen,  u.  du  wärest  von  der  Erde  weggetilgt 
worden"  Ex  9, 15.  Gott  ließ  ihn  aber  inmitten  der  Toten  am  Leben,  damit  er  die  Kraft 
seiner  Stärke  erzähle.  Und  woher,  daß  er  ihn  am  Leben  ließ?  „Aber  um  deswillen 
ließ  ich  dich  am  Leben,  auf  daß  ich  dich  meine  Kraft  sehen  ließe"  Ex  9,  16.^  Der 
Pharao  ging  u.  wurde  König  von  Ninive.  Die  Leute  von  Ninive  erließen  Bedrückungs- 
edikte (vgl.  Jes  10,  1)  u.  beraubten  einander  u.  kamen  in  unnatürlicher  Unzucht  über- 
einander, u.  was  dergleichen  böse  Werke  mehr  waren.  Als  nun  Gott  den  Jona  sandte, 
wider  die  Stadt  zu  weissagen,  daß  sie  zerstört  werden  sollte,  hörte  es  der  Pharao  u. 
erhob  sich  von  seinem  Thron  u.  zerriß  seine  Gewänder  u.  kleidete  sich  in  Sack  u. 
Asche  u.  ließ  in  seinem  ganzen  Volke  ausrufen,  daß  sein  ganzes  Volk  drei  Tage  lang 
fasten  sollte;  jeder  aber,  der  nach  diesen  Worten  nicht  tun  würde,  sollte  mit  Feuer 
verbrannt  werden.  Was  tat  er?  Er  stellte  die  Männer  auf  die  eine  Seite  u.  die  Frauen 
auf  die  andre  Seite  (jedes  Geschlecht  sollte  für  sich  Buße  tun).  Desgleichen  stellte 
er  alle  reinen  Tiere  auf  die  eine  Seite,  alle  unreinen  auf  die  andre  u.  auch  ihre  Jungen 

1  M^khEx  14,28(39'')  vertritt  R.  N'chemja  (um  150)  auf  Grund  von  Ex  9,  16  die 
Meinung,  daß  der  Pharao  am  Leben  geblieben  sei. 


648  Matth  12,  39  (So  4.  5) 

(abgesondert)  auf  eine  Seite.  Und  die  Jungen  sahen  die  Euter  der  Muttertiere  u.  wollten 
saugen,  u.  die  Muttertiere  sahen  ihre  Jungen  u.  wollten  sie  säugen  u.  schrieen.  Es 
waren  ihrer  aber  mehr  als  12  Myriaden  Menschen  (s.  Jona  4,  11);  u.  Jahve  ließ  sich 
des  Unheils  gereuen,  das  er  geredet  hatte  (3,  10).  Vierzig  Jahre  hielt  er  ihnen  seinen 
Zorn  auf  entsprechend  den  vierzig  Tagen  (3,  5).  die  er  Jona  nach  Ninive  gesandt  hatte; 
nach  Verlauf  von  vierzig  Jahren  kehrten  sie  zu  ihren  früheren  Werken  gar  sehr  zurück; 
da  wurden  sie  als  Tote  verschlungen  in  die  unterste  Sch*^ol,  s. :  ,Aus  der  Stadt  ächzen 
Sterbende"  Hi  24,  12  (der  Midr  liest  c-r-:  statt  =^-;).  1|  pTafan  2,  65'',  27:  R.  Schimfon 
b.  Laqisch(uni  250)  hat  gesagt:  Eine  trügerische  Buße  r^'-^-  vr  nzTirr  haben  die  Leute  von 
Ninive  getan.  Was  haben  sie  getan?  R.  Huna  (um  850)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon 
b.  Chalaphta  (um  190)  gesagt:  Sie  stellten  die  Kälber  nach  innen  u.  ihre  Muttertiere 
nach  außen  hin  auf  u.  ebenso  die  Eselsfüllen  nach  innen  u.  ihre  Muttertiere  nach 
außen;  die  einen  brüllten  hier  u.  die  andren  brüllten  dort.  Da  sprachen  die  Niniviten 
(zu  GottJ:  Wenn  man  (Gott)  sich  nicht  über  uns  erbarmt,  so  erbarmen  wir  uns  nicht 
über  diese.  Das  meint  Joel  1,  18:  Wie  stöhnt  doch  das  Vieh,  sind  verwirrt  die  Rinder- 
herden, weil  sie  keine  Weide  haben;  auch  die  Schafherden  müssen  büßen.  R.  Acha 
(um  320)  hat  gesagt:  In  Arabien  macht  man  es  so.  —  ,Es  sollen  sich  in  Sacktuch 
hüllen  die  Menschen  u.  das  Vieh  u.  zu  Gott  rufen  mit  Gewalt"  np^tr:;  Jona  3,  8.  Was 
heißt  , mit  Gewalt"?  R.  Schimfon  b.  Chalaphta  hat  gesagt:  Der  Unverschämte  besiegt 
den  Schlimmen,^  um  wieviel  mehr  den  Allgütigen  der  Welt.  —  ,Es  soll  umkehren 
ein  jeder  von  seinem  schlimmen  Wege  u.  von  dem  Frevel,  der  an  seinen  Händen* 
Jona  3,  8.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Was  sie  (an  Geraubtem)  in  ihrer  Hand 
hatten,  gaben  sie  (infolge  ihrer  Büßfertigkeit)  zurück;  aber  was  sie  in  den  Kisten  u. 
Kästen  u.  Türmen  hatten,  gaben  sie  nicht  zurück.  —  Dasselbe  P^'siq  161 '';  stark  ab- 
weichend u.  anonym  Ta?an  16*;  hier  zum  Schluß  statt  der  Meinung  des  R.  Jochanan 
diejenige  des  Babyloniers  Sch'^muel  (f  254):  Selbst  wenn  er  einen  Balken  geraubt  u. 
in  einem  Palast  verbaut  hatte,  riß  er  den  ganzen  Palast  ein  u.  gab  den  Balken  an 
dessen  Eigentümer  zurück.^  \\  RH  16'':  R.  Ji^chaq  (um  :-iOO)  hat  gesagt:  Vier  Dinge  zer- 
reißen den  (göttlichen)  Gerichtsbeschluß  über  einen  Menschen:  Almosen,  s.:  „Almosen 
retten  vom  Tode"  Sprll,4  (so  der  Midr);  Gebetsschrei,  s.:  ,Sie  schrieen  zu  Jahve  in 
ihrer  Not,  u.  aus  ihren  Ängsten  führte  er  sie  heraus"  Psl07,  28;  Namensänderung, 
s.  Gn  17  15 f.;  Änderung  der  Handlungsweise,  s.:  ,Da  sah  Gott  .  .  .,  daß  sie  umkehrten 
von  ihrem  schlimmen  Wege,  u.  es  reuete  Gott  des  Übels"  Jon  3,  10.  Einige  fügen  noch 
hinzu  die  Änderung  des  Wohnsitzes,  s.  Gn  12,  1  f.  —  Den  gleichen  Gedanken  vertreten 
R.  Elfazar  (um  270)  u.  Rah  Joseph  (f  333)  GnR  44  (27*^);  P^siqR  Zusätze  4  (200'');  P^siq 
191  a;  s.  auch  pTafan  2,  65b,  3;  MidrQoh  7,  14  (^Ö'^).  —  H  Ferner  s.  Midr  KL  Einl.  Nr.31 
bei  Mt  12,  41  SB  (Nr.  2)  u.  Tafan  2,  1. 

5.  Jonas  Mißmut. 

Jalqut  zu  Jona  4:  Als  Gott  von  den  Leuten  Ninives  sah,  daß  sie  umkehrten  (in 
Buße)  von  ihrem  W(^ge,  ließ  er  ab  von  seinem  Zorn.  Er  erhob  sich  von  dem  Thron 
des  strengen  Rechts  u.  setzte  sich  auf  den  Thron  der  Barmherzigkeit;  ausgesöhnt 
sprach  er:  Ich  habe  vergeben.  Alsbald  fiel  Jona  auf  sein  Angesicht  u.  sprach:  Hei;r 
der  Welt,  ich  weiß,  daß  ich  vor  dir  gesündigt  habe,  vergib  mir  meine  Missetat,  daß 
ich  auf  das  Meer  geflohen  bin,  denn  ich  kannte  nicht  die  Kraft  deiner  Stärke;  nun 
aber  habe  ich  sie  kennen  gelernt:  „Ich  habe  erfahren,  daß  du  bist  ein  Gott  gnädig 
u.  barmherzig"  Jona  4,  2.  —  Gott  sprach  zu  ihm:  Du  hast  meine  Ehre  geschont,  da 
du  vor  mir  auf  das  Meer  entflohst;  auch  ich  habe  deine  Ehre  geschont,  da  ich  dich 


1  scz-,  so  lies  mit  Pesiq  161  *  u.  Jalqut  Jona  3,  8  statt  s— rsV.  Zur  Sentenz  vgl. 
Sanh.  105^:   Die  Unverschämtheit  nützt  auch  Gott  gegenüber.  Vgl.  bei  Lk  11,8. 

^  Diese  Praxis  entsprach  der  Ansicht  der  Schule  Schammais;  nach  der  Hillels 
wäre  nur  der  Wert  des  gestohlenen  Balkens  dem  Bestohlenen  zu  ersetzen  gewesen  u. 
zwar  yz'sr  r:pp  c-r-i,  d.h.  damit  die  Bußfertigen  nicht  in  ihrer  Existenz  gefährdet  werden, 
s.  Git5,  5;pGit5,  47-\58;  pBQ9,  6'i,24;  Git55'';  TBQ  10,  5  (367);  BQ66'\ 


Matth  12,  39  (SB  5).  12,  40.  41  (?l)  649 

aus  dem  Bauch  der  Seh'  ol  errettete.  Von  der  großen  Hitze  aber  im  Innern  des  Fisches 
war  sein  Kleid  u.  sein  Mantel  u.  sein  Haar  verbrannt;  u.  die  Fliegen  u.  Mücken  u. 
Ameisen  u.  Flöhe  setzten  sich  auf  ihn  u.  peinigten  ihn,  bis  daß  seine  Seele  zu  sterben 
begehrte,  s.:  „Da  wünschte  er  seiner  Seele  zu  sterben"  Jona  4,  8.  Auf  Grund  dieser 
Stelle  hat  man  gesagt:  Wer  die  Möglichkeit  hat,  für  einen  andren  um  Erbarmen  zu 
bitten  oder  ihn  zur  Buße  zu  führen,  u.  es  nicht  tut,  der  gerät  in  Not.  Was  tat  Gott? 
Er  ließ  zu  Häupten  des  Jona  über  Nacht  eine  Rizinusstaude  aufwachsen  u.  am  Morgen 
traten  daran  275  Blätter  hervor  u.  der  Schatten  eines  jeden  Blattes  betrug  vier  Spannen 
u.  eine  Handbreite;  vier  Männer  konnten  sich  in  den  Schatten  unter  der  Rizinusstaude 
setzen,  um  die  Sonnenhitze  abzuschwächen.  Da  bestimmte  Gott  einen  Wurm;  der  stach 
den  Rizinus,  daß  er  vertrocknete  u.  abstarb;  u.  die  Fliegen  u.  Mücken  setzten  sich 
auf  Jona  u.  peinigten  ihn  auf  allen  Seiten,  bis  seine  Seele  zu  sterben  begehrte.  In 
jener  Stunde  ließen  seine  Augen  Tränen  fallen  dem  Regen  gleich  vor  Gott,  der  zu 
ihm  sprach:  Jona,  warum  weinst  du?  Empfindest  du  Betrübnis  über  diesen  Rizinus, 
den  du  nicht  großgezogen,  den  du  nicht  gedünget,  den  du  nicht  mit  Wasser  getränkt 
hast?  Auf  den,  der  in  einer  Nacht  entstand  u.  in  einer  Nacht  vertrocknete,  bist  du 
also  bedacht,  u.  ich  sollte  nicht  auf  Ninive,  die  große  Stadt  bedacht  sein?  In  jener 
Stunde  fiel  Jona  auf  sein  Angesicht  u.  sprach:  Leite  deine  Welt  mit  dem  Maß  des 
Erbarmens,  wie  es  heißt:  „Jahve  unser  Gott  ist  barniheizig  u.  vergebend"  Dn  9,  9.  || 
Git  Hl '':  Es  heißt:  ,Es  geschah,  als  die  Sonne  aufging,  da  besteilte  Gott  einen  schwülen 
r*i---  Ostwind"  Jona  4,  8.  Was  bedeutet  '-?  Rab  J'^huda  (t  299)  hat  gesagt:  Wenn  er 
weht,  macht  er  Furche  an  Furche  im  Meer  (der  Midr  bringt  '-  in  Verbindung  mit 
vi~  „pflügen").  Rabbah  (t  330)  sprach  zu  ihm:  Wie  könnte  es  dann  aber  heißen:  »Die 
Sonne  stach  auf  Jonas  Haupt,  daß  er  verschmachtete?"  Jona  4,  8.  (Jener  Wind  würde 
ja  Kühlung  bringen.)  Vielmehr,  sprach  Rabbah,  wenn  er  weht,  bringt  er  alle  Winde 
vor  sich  zum  Schweigen  (er  erklärt  'r  von  tri-.-  „schweigen").  [|  Schab  21":  Rabbah  bar 
bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt:  Ich  selbst  habe  den  Rizinus  des  Jona  gesehen;  er 
gleicht  dem  (jJ'loliba  (Rizinusart),  er  wächst  an  Wassersümpfen,  man  zieht  ihn  über 
den  Eingang  eines  Kramladens  hin  u.  von  seinen  Körnern  bereitet  man  ein  Öl,  u. 
unter  seinen  Zweigen  ruhen  alle  Kranken  (1.  -n—D  statt  --^12)  Palästinas  aus. 

12,40:  Drei  Tage  u.  drei  Nächte. 
Zu  dem  dreitägigen  i^ufenthalt  Jonas  im  Innern  des  Fisches  s.  GnR 
91;  Jalqut  zu  Jos2, 16  §  12  oben  S.647«  u.  GnR  56  Anfang  bei  Mt  17,23.  — 
Betreffs  der  Zählung  der  drei  Tage  hat  man  zu  beachten,  daß  selbst 
bei  halakhischen  Festsetzungen  der  Teil  eines  Tages  als  ganzer  Tag 
gerechnet  worden  ist.  pSchab  9, 12*,  15.  17:  R.  Jischma'el  (f  um  135) 
behandelte  den  Teil  einer  rr.-j  (hier  =  12  Stunden)  als  ganze  'Ona  (als 
12  Stunden).  ...  In  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  R.  El'azar  b.  <Äzarja 
(um  100)  sagte:  Ein  Tag  u.  eine  Nacht  bilden  eine  'Ona  (hier  = 
24  Stunden),  u.  der  Teil  einer  'Ona  gilt  als  ganze  'Ona.  —  P'^s  4»:  Der 
Teil  eines  Tages  gilt  als  ganzer  Tag.  (Entsprechendes  gilt  vom  Teil 
eines  Monats  u.  eines  Jahres.) 

12,41  51:  Leute  von  Ninive  werden  aufstehen  im  Gericht 
mit  diesem  Geschlecht. 

avaarrjaovxai  sv  rfi  xQiaei.  Sanh  10, 3 :  Das  Geschlecht  der  Flut  hat  keinen  Anteil  an 
der  zukünftigen  Welt  u.  sie  stehen  nicht  im  (großen)  Gericht  auf  "-2  ""•?■?  TS^;  denn 
es  heißt:  „Nicht  soll  richten  mein  Geist  über  den  Menschen  ewiglich"  Gn  6,  3.  Die 
Leute  von  Sodom  haben  keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt;  aber  sie  stehen  im  (großen) 
Gericht  auf  •■-?  ■;—:■!:•.    R.  N'^chemja  (um  150)  sagte:  Weder  jene  noch  diese  stehen 


650  Matth  12,41  (83  1) 

im  (großen)  Gericht  auf;  Psl,5:  „Darum  werden  die  Gottlosen  nicht  stehn  im  Ge- 
richt", das  bezieht  sich  auf  das  Geschlecht  der  Flut;  ,noch  die  Sünder  in  der  Gemeinde 
der  Gerechten",  das  bezieht  sich  auf  die  Leute  von  Sodom.  Da  sagte  man  zu  ihm:  In 
der  Gemeinde  der  Gerechten  stehen  sie  nicht  auf,  wohl  aber  in  der  Gemeinde  der  Gottlosen. 

12,41  23:  Und  werden  es  verurteilen,  weil  sie  Buße  taten 
auf  die  Predigt  des  Jona. 

1,  xal  xataxQivovaiv  avTi]v.  Daß  das  bußfertige  Verhalten  der  Nini- 
viten  nicht  zu  einer  Anklage  wider  das  unbußfertige  Israel  werden 
möchte,  war  das  Hauptmotiv  zu  Jonas  Flucht,  s.  oben  S.  64B  f. 

Der  Gedanke,  daß  der  Mensch  im  göttl.  Gericht  an  seinesgleichen  werde  gemessen 
u.  so  durch  seinesgleichen  werde  gerichtet  werden,  begegnet  P''siqR  35  (161a):  „Juble 
u.  freue  dich,  Tochter  ZionI  .  .  .  Und  anschließen  werden  sich  viele  Heidenvölker 
Jahven  an  jenem  Tage"  usw.  Sach  2,  14  f.  R.  Chanina  b.  Papa  (um  800)  hat  gesagt: 
Die  Schriftstelle  redet  ausschließlich  von  jener  Stunde,  da  Gott  alle  Völker  der  Welt 
in  der  Zukunft  richten  wird.  In  jener  Stunde  läßt  Gott  alle  Proselyten,  die  in  dieser 
Welt  zum  Judentum  übergetreten  sind,  kommen  u.  richtet  alle  Völker  in  deren  Gegen- 
wart. Wenn  er  dann  zu  den  Völkern  sagen  wird:  Warum  habt  ihr  mich  verlassen  u. 
den  Götzen  gedient,  an  denen  nichts  Wesenhaftes  ist,  so  werden  sie  antworten:  Herr 
der  Welt,  wenn  wir  an  deine  Tür  gekommen  wären,  so  hättest  du  uns  nicht  auf- 
genommen. Dann  wird  er  sagen:  Die  Proselyten  aus  eurer  Mitte  sollen  wider  euch 
zeugen.  Sofort  läßt  er  alle  Proselyten  kommen,  die  übergetreten  sind,  u.  diese  richten 
(verurteilen)  c*:-  jene  u.  sagen  zu  ihnen:  Warum  habt  ihr  ihn  verlassen  u.  den  Götzen 
gedient,  an  denen  nichts  Wesenhaftes  ist?  War  Jethro  nicht  ein  Götzenpriester?  Als 
er  aber  an  die  Tür  Gottes  kam,  hat  dieser  ihn  aufgenommen.  Sind  nicht  auch  wir 
Götzendiener  gewesen?  Als  wir  aber  an  die  Tür  Gottes  kamen,  hat  er  uns  aufgenommen. 
Sofort  werden  alle  Gottlosen  infolge  der  Antwort  (oder  der  Bekehrung?)  der  Pro- 
selyten zuschanden.  Und  Gott  fällt  das  Urteil  u.  sie  verschwinden  aus  der  Welt,  s.: 
Mit  einem  Male  werden  sie  zu  Narren  u.  zu  Toren  werden;  gezüchtigt  sind  die  Eitel- 
keiten, Holz  ist  das!  Jer  10,  8.  —  Eine  ähnliche  Ausführung  von  R.  Alexandrai  (um  270) 
in  P^siqR40  (167b);  vgl.  auch  Midr  Ps  9  §  11  (44a).  l|  Joma35b  Bar:  Der  Arme,  der 
Reiche  u.  der  Frevler  werden  in  das  (große)  Gericht  kommen.  Man  sagt  zum  Armen: 
Warum  hast  du  dich  nicht  mit  der  Tora  beschäftigt?  Wenn  er  dann  sagen  wird: 
Ich  bin  arm  gewesen  u.  mußte  mich  um  meinen  Lebensunterhalt  bemühen,  wird  man 
zu  ihm  sagen:  Bist  du  etwa  ärmer  gewesen  als  Hillel?  Zu  dem  Reichen  wird  man 
sagen:  Warum  hast  du  dich  nicht  mit  der  Tora  beschäftigt?  Wenn  er  dann  sagen 
wird:  Ich  bin  reich  gewesen  u.  mußte  mich  um  meine  Güter  bemühen,  wird  man  zu 
ihm  sagen:  Bist  du  etwa  reicher  gewesen  als  R.  Elfazar  b.  Charsom  (zur  Zeit  des 
Tempelbestandes)?  Zu  dem  Gottlosen  wird  man  sagen:  Warum  hast  du  dich  nicht 
mit  der  Tora  beschäftigt?  Wenn  er  dann  sagen  wird:  Ich  bin  schön  gewesen  u.  wurde 
umgetrieben  von  dem  bösen  Triebe  (der  Wollust),  wird  man  ihm  antworten:  Bist  du 
etwa  schöner  gewesen  als  Joseph?  So  wird  Hillel  erfunden  werden  als  derjenige,  der 
die  Armen  als  schuldig  erscheinen  läßt  a-'-n»;;  R.  Elfazar  b.  Charsom  als  derjenige, 
der  die  Reichen  als  schuldig  erscheinen  läßt,  Joseph  als  derjenige,  der  die  Gottlosen 
als  schuldig  erscheinen  läßt.  i|  Aboth  RN6:  Tag  für  Tag  brachte  R.  ?Aqiba  (während 
seiner  Studienzeit)  ein  (von  ihm  selbst)  gesammeltes  Bund  Stroh.  Die  eine  Hälfte  ver- 
kaufte er,  um  seinen  Lebensunterhalt  davon  zu  bestreiten,  u.  die  andre  machte  er  für 
sich  selbst  zurecht.  Seine  Nachbarn  traten  zu  ihm  u.  sprachen:  ?Aqiba,  du  richtest 
uns  mit  dem  Rauch  (vom  Stroh)  zugrunde;  verkaufe  es  an  uns  u.  kaufe  dir  dafür  Ol 
u.  studiere  beim  Licht  der  Lampe.  Er  antwortete:  Große  Vorteile  genieße  ich  davon: 
ich  studiere  dabei;  ich  wärme  mich  daran  u.  ich  kann  darauf  schlafen.  Dereinst  wird 
R.  ?Aqiba  alle  Armen  im  (jüngsten)  Gericht  schuldig  erscheinen  lassen;  denn  wenn 
man  (Gott)  zu  ihnen  sagen  wird:  Warum  habt  ihr  nicht  (Tora)  gelernt?    u.  sie  ant- 


Matth  12,  41  (33  1.  2j.  12,  42  (21.  »)  651 

Worten  werden:  „Weil  wir  arm  waren",  wird  man  zu  ihnen  sagen:  Ist  niclit  R.  ?Aqiba 
überaus  arm  u.  bedürftig  gewesen?  Und  wenn  sie  dann  sagen  werden:  ,Weil  wir 
eine  große  Familie  hatten",  wird  man  ihnen  antworten:  Hatte  nicht  auch  R.  f Aqiba 
Söhne  u.  Töchter?  Daß  er  aber  seinen  Studien  nachgehn  konnte,  kam  daher,  daß  sein 
Weib  Rahel  tugendhaft  war.  ||  TanchB  rw^r  S  3  (45 ''j:  In  der  zukünftigen  Welt  wird 
Gott  jeden  einzelnen  Menschen  mit  seinen  Berufsgenossen  richten,  u.  der  Gerechte 
wird  mit  den  Treuen  leben  (Anspielung  auf  Hab  2,  4).  —  Dasselbe  Tanch  r>:iT  100  •*.  | 
Aus  den  Apokryphen  vgl.  Weish  4,  16. 

2.  ort  ^£iev6i]ac(v  si'g  t6  xtJQvy/uu  'lotva.  Midr  KL  Einl.  Nr.  31:  Einen  Propheten 
habe  ich  nach  Ninive  gesandt,  u.  er  hat  sie  zur  Umkehr  in  Buße  gebracht;  u.  wie 
viele  Propheten  habe  ich  an  diese  Israeliten  in  Jerusalem  gesandt!  s.  2  Kg  17,  13.  — 
Zur  Buße  Ninives  s.  oben  S.  647  f.  Nr.  4. 

12,  42  3C:  Eine  Königin  des  Südens. 

ßaaihaacc  vörov.  —  Ganz  vereinzelt  ist,  wohl  um  das  Anstößige 
eines  Frauenbesuches  am  Hofe  Salomos  zu  beseitigen,  die  „Königin" 
von  Saba  (1  Kg  10, 1)  umgedeutet  worden  in  die  „Regierung"  von  Saba, 
worunter  man  dann  etwa  einen  königlichen  Gesandten  zu  verstehen  hat. 

BB  15'':  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (b.  Elfazar. 
um  220)  habe  gesagt:  Wer  sagt,  daß  mit  sar  rrVy  eine  Frau  gemeint  sei,  der  irrt. 
'v  r^'-T's  bedeutet  die  Regierung  von  Saba  s:w-  srirt-:. 

12,  42  ^:  Um  die  Weisheit  Salomos  zu  hören. 
Midr  Spr  1,  1  (20''):  „Aber  die  Weisheit  —  von  wo  erlangt  man  sie"?  Hi  28, 12. 
Das  bezieht  sich  auf  die  Königin  von  Saba.  Als  sie  von  Salomos  Weisheit  hörte,  sprach 
sie:  Ich  will  gehn  u.  sehen,  ob  er  weise  ist  oder  nicht.  Woher,  daß  sie  von  seiner 
Weisheit  gehört  hatte?  Es  heißt  1  Kg  10,  1:  „Die  Königin  von  Saba  hörte  von  dem 
Ruf  Salomos  u.  kam,  um  ihn  mit  Rätselfragen  zu  prüfen."  Was  heißt  mit  Rätselfragen? 
R.  Jirm^ja  b.  Schalom  ^  hat  gesagt:  Sie  sprach  zu  ihm:  Bist  du  Salomo,  von  dem  u. 
von  dessen  Regierung  u.  von  dessen  Weisheit  ich  gehört  habe?  Er  antwortete:  Ja! 
Sie  sprach:  Wenn  ich  dich  etwas  frage,  wirst  du  mir  antworten?  Er  antwortete: 
Wenn  Jahve  Weisheit  gibt,  aus  seinem  Mund  stammt  Erkenntnis  u.  Einsicht  Spr  2,  6. 
Sie  sprach:  Was  ist  dies:  „Sieben  gehen  fort,  neun  kommen  an,  zwei  schenken  ein 
u.  einer  trinkt?"  Er  antwortete  ihr:  Fürwahr,  die  sieben  Tage  der  Menstruation  gehen 
fort,  die  neun  Monate  der  Schwangerschaft  kommen  an,  die  beiden  Brüste  schenken 
ein  u.  das  Kind  trinkt.-  Sie  sprach:  Ein  großer  Weiser  bist  du;  aber  wenn  ich  dich 
noch  etwas  frage,  wirst  du  mir  antworten?  Er  antwortete:  Wenn  Jahve  Weisheit  gibt. 
Sie  sprach:  Was  ist  dies:  „Ein  Weib  spricht  zu  ihrem  Sohn:  dein  Vater  ist  mein 
Vater,  dein  Großvater  ist  mein  Mann,  du  bist  mein  Sohn  u.  ich  bin  deine  Schwester?" 
Er  antwortete:  Fürwahr,  das  sind  die  beiden  Töchter  Lots!  —  Noch  eine  Probe  machte 
sie.  Sie  ließ  Kinder  von  gleicher  Gestalt  u.  in  gleicher  Kleidung  vor  ihn  bringen  u. 
sprach:  Sondere  die  Knaben  u.  Mädchen  voneinander  ab!  Er  winkte  seinen  Eunuchen, 
daß  sie  ihm  Nüsse  u.  geröstete  Ähren  brächten.  Dann  begann  er  diese  vor  sie  hin 
zu  streuen.  Die  Knaben,  weil  sie  sich  nicht  schämten,  legten  sie  in  ihre  (aufgehobenen) 
Kleider;  die  Mädchen,  weil  sie  sich  schämten,  legten  sie  in  ihre  Tücher.  Salomo 
sprach:  Das  sind  Knaben  u.  das  sind  Mädchen!  Sie  antwortete:  Mein  Sohn,  ein  großer 
Weiser  bist  du!  —  Noch'eine  Probe  machte  sie.  Sie  ließ  Unbeschnittene  u.  Beschnittene 
kommen  u.  sprach:  Sondere  mir  die  Beschnittenen  von  den  Unbeschnittenen  aus!  Als- 
bald  winkte   er  dem  Hohenpriester,    daß   er   die  Lade   des  Bundes   öffnete.    Die  Be- 


^  Ein  Amoräer  unbestimmter  Zeit,  Bacher,  Pal.  Amor.  3,  766. 
-  Dieses  Rätsel  ist  in  etwas  abweichender  Gestalt  Midr  KL  1.  1  einem  Athener 
vorgelegt,  dem  R.  Jochanan,  f  279,  die  Auflösung  vermittelt. 


652  Matth  12,  42  (SB).  12,  43.  44.  49 

schnittenen  unter  ihnen  neigten  sich  mit  ihrer  halben  Gestalt  (knieten  nieder,  ohne 
den  Oberkörper  auf  die  Erde  zu  werfen),  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  auch  ihr  An- 
gesicht ward  erfüllt  vom  Glanz  der  Sch'khina  (Gottheit);  u.  die  Unbeschnittenen  unter 
ihnen  fielen  auf  ihr  Angesicht  nieder.  Alsbald  sprach  er:  Das  sind  Unbeschnittene 
u.  das  sind  Beschnittene!  Sie  sprach:  Woher  hast  du  das?  Er  antwortete:  Von  Biham, 
wie  es  heißt  Nu  24,4:  „Welcher  ein  Gesicht  schaut  seitens  des  Allmächtigen,  nieder- 
fallend u.  geöffneter  Augen.''  AVenn  er  nicht  niedergefallen  wäre  (mit  dem  ganzen 
Körper  auf  die  Erde),  so  hätte  er  (als  Unbeschnittener)  überhaupt  nichts  geschaut. 
Und  wenn  du  es  nicht  von  Bilfam  lernen  willst,  so  komm  u.  lerne  es  von  Hiob.  Als 
die  drei  Freunde  Hiobs  kamen,  um  ihn  zu  trösten,  sprach  er  zu  ihnen:  „Auch  ich 
habe  ein  Herz,  wie  ihr;  aber  ich  falle  nieder  aus  eurer  Mitte"  Hi  12,  8  (so  der  Midr), 
d.  h.  ich  (der  ich  ein  Beschnittener'  bin)  falle  nicht  (mit  dem  ganzen  Körper  zur  Erde) 
nieder  gleichwie  ihr.  In  jener  Stunde  sprach  sie  zu  Salomo:  Ich  glaubte  den  Reden 
nicht,  bis  daß  ich  kam  u.  meine  eignen  Augen  es  sahen  usw.  1  Kg  10, 7  ff. 

12,43:  Durchwandert  er  wasserlose  Stätten. 
Vgl.  den  Exkurs  über  Dämonologie  Nr.  4  u.  die  Auslegung  von  Joel 
2,  20:   ,Ich  will  den  Nordländer  (=  den  Heimlichen,  Versteckten,  d.h. 
den  bösen  Trieb  oder  Satan)  nach  einem  Lande  der  Dürre  u.  Einöde 
wegtreiben "  Sukka  52  "^  im  Exk. :  „  Der  gute  u.  der  böse  Trieb "  Nr.  4,  b. 

12,44:  Ich  will  in  mein  Haus  zurückkehren, 
aus  dem  ich  gegangen  bin. 
•  Vgl.  im  Exkurs  über  Dämonologie  Nr.  7,  h  Joseph.  Ant.  8,  2,  5  (ein 
Dämon  wird  beschworen,  nicht  mehr,  in  den  betreffenden  Menschen 
zurückzukehren) ;  Nr.6,/'Chulll05^  (der  Dämon  der  Armut  sagt:  „Wehe, 
er  hat  mich  aus  meinem  Hause  vertrieben."  Dieselben  Worte  spricht 
der  Satan  Git  52 » :  rx^r'^-y^  x^::^  xinnb  n^psN  "^ni,  s.  oben  S.  2 1 7  «  bei  Mt  5, 9). 

12,49:  Siehe,  meine  Mutter. 

Gott  nennt  Israel   „Mutter", 

Midr  HL  8,  I  1(  1Ü8>'):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um 
150)  fragte  den  Elfazar  b.  Jose  (um  180)  u.  sprach  zu  ihm:  Hast  du  vielleicht  von 
deinem  Vater  (R.  Jose  b.  Chalaphta,  um  150)  gehört,  was  die  Worte:  „Mit  dem  Kranze, 
mit  welchem  ihn  (Salomo)  seine  Mutter  bekränzt  hat"  HL  8,  1 1  bedeuten?  Er  ant- 
wortete: Ja.  Damit  verhält  es  sich,  wie  mit  einem  König,  der  eine  einzige  Tochter 
hatte,  die  er  über  alles  liebhatte.  Er  nannte  sie  „meine  Tochter"  u.  ließ  nicht  nach, 
sie  zu  lieben,  bis  er  sie  „meine  Schwester"  nannte,  u.  er  ließ  nicht  nach,  sie  zu  lieben, 
bis  er  sie  „meine  Mutter"  nannte.  So  hat  auch  Gott  Israel  über  alles"  lieb  u.  er  nennt 
sie  „meine  Tochter":  „Höre,  Tochter"  Ps  45,  11.  Und  nicht  läßt  er  nach  sie  zu  lieben, 
bis  er  sie  „meine  Schwester"  nennt:  „Tu  mir  auf,  meine  Schwester,  meine  Freundin" 
HL  5,  2;  u.  nicht  läßt  er  nach  sie  zu  lieben,  bis  er  sie  „meine  Mutter"  nennt,  s. 
Jes  51,  4:  „Lauschet  auf  mich,  mein  Volk,  u.  was  meine  Mutter  betrifft  ("«sV),  so 
höret  auf  mich"  (so  deutet  der  Midr  -ssV  „mein  Volk").  Da  erhob  sich  R.  Schimfon 
b.  Jochai,  küßte  ihn  auf  sein  Haupt  u.  sprach:  Wenn  ich  nur  gekommen  wäre,  um 
diesen  Grund  zu  hören,  so  wäre  es  genug!  R.  Chanina  b.  Jipchaq  (um  825)  hat  gesagt: 
Wir  sind  die  ganze  Schrift  durchgegangen  u:  haben  nicht  gefunden,  daß  Bathschebaf 
ihrem  Sohn  Salomo  einen  Kranz  gemacht  hat,  u.  du  sagst:  „Mit  dem  Kranze,  mit 
welchem  ihn  seine  Mutter  bekränzt  hat"  HL  3,  1 1 !    Vielmehr  wie  eine  Krone  gefaßt 


'  Hiob  gilt  der  Mehrzahl  der  Tannaiten  als  ein  Israelit,  BB  15 1>. 


Matth  12,  50.  13,  3  (Nr.  1.  2)  653 

wird  in  Edelsteine  u.  Perlen,  so  war  die  Stiftshütte  ausgezeichnet  durch  blauen  Pur- 
pur, roten  Purpur,  Karmesin  u.  Byssus  (vgl.  Ex  26,  1).  —  Hiernach  besagt  HL  3,  11, 
daß  die  Gemeinde  Israel,  bildlich  die  Mutter,  den  Salomo,  d.  h.  den  Gott,  dessen  der 
Friede  ist,  umkränzt  hat  mit  den  Teppichen  der  Stiftshütte,  in  der  Gott  wohnte. 
Parallelstellen:  P'^siq4«;  ExB52(I040;  NuR  12  (leß«-);  TanchB  -ips  §8(67^')- 

12,  50:  Wer  den  Willen  meines  Vaters  im  Himmel  tut. 

SDt  11,  12  §40  (79a):  R.  Schinifon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Gleich  einem  König, 
der  viele  Söhne  u.  Sklaven  hatten,  u.  sie  wurden  unter  seiner  Hand  ernährt  u.  versorgt: 
aber  der  Schlüssel  zur  Vorratskammer  war  in  seiner  Hand.  Wenn  sie  seinen  Willen 
tun  -:^::-  c-n-,  öffnet  er  die  Vorratskammer,  u.  sie  essen  u.  sättigen  sich;  wenn  sie 
aber  seinen  Willen  nicht  tun,  schließt  er  die  V.  zu,  u.  sie  müssen  vor  Hunger  sterben. 
Ebenso  wenn  die  Israeliten  Gottes  Willen  tun  aipia  Vr  i:i::-  c-ian-  =ro-:,  „wird  dir 
Jahve  seinen  guten  Schatz,  den  Himmel,  auftun*  Dt  28,  12;  wenn  sie  aber  Gottes 
Willen  nicht  tun,  dann  „entbrennt  der  Zorn  Jahves  gegen  euch,  u.  er  verschliel.-t  den 
Himmel,  daß  kein  Regen  fällt"  Dt  11,  17.  |i  ExR  21  (83b):  Wer  den  Willen  Gottes  tut 
cipwn  7::-  r-ciy  u.  sein  Herz  im  Gebet  zur  Andacht  richtet,  den  erhört  er  (Gott)  in 
dieser  Welt  u.  ebenso  in  der  Zukunft,  s.  Jes  65,  24.  —  Vgl.  auch  oben  S.  219  u.  220  bei 
Mt  5,  9.  ferner  Midr  Qoh  5,  11  (28  a)  bei  Mt  13,  18. 

13,3:  Er  sprach  zu  ihnen  vieles  in  Gleichnissen. 
€v  naQaßolatg.  —  Hebr.  ^t^-c  (Plur.  c^irp)  =  Darstellung.  bu:a  ist 
a,  die  kurze  u.  körnige  Darstellung  eines  Gedankens  durch  Sentenz  u. 
Sprichwort;  ß,  die  mehr  oder  minder  ausführliche  Darstellung  eines  Ge- 
dankens unter  Benützung  eines  Bildes,  eines  Vergleichs,  einer  Fiktion; 
dann  bedeutet  biro :  Bild,  Allegorie,  Parabel,  Fabel,  Erdichtetes,  Analogen. 

1.  Einleitungsformeln,  naii  inin  rnab  h^^  -jb  bi^ij^x  =  ich  will  dir  ein 
Gleichnis  sagen.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  —  nmn  n^h  h'c-o  -b^-a 
n-ain  =  man  sagte  ein  Gleichnis;  womit  läßt  sich  das  vergleichen?  — 
niaii  i2in  ~i2h  =  womit  läßt  sich  das  vergleichen?  —  Kürzer:  'h  h^r^  --= 
ein  Gleichnis  von  dem  u.  dem;  oder  auch  bloß  cisb  „gleich  einem 
Menschen";  -^uh   „gleich  einem  König".   Belege  s.  bei  Mk  4,  30. 

2.  Wertschätzung  des  Maschal. 

?Er21i>:  Rab  Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  Was  heißt  das:  ,Es  redete  (Salomo) 
dreitausend  Sprüche  (•sr^a)  u.  seiner  Lieder  waren  tausendundfünf  1  Kg  5,  12V  Das 
lehrt,  daß  Salomo  zu  jedem  Wort  der  Tora  8000  Sprüche  (Gleichnisse)  u.  zu  jedem 
Wort  der  Schriftgelehrten  1005  Gründe  beigebracht  hat  Raba  if  352)  hat  öffentlich 
vorgetragen:  Was  heißt:  „Abgesehen  davon,  daß  Qoheleth  ein  Weiser  war.  lehrte  er 
auch  das  Volk  Erkenntnis,  er  prüfte  i-ts  u.  forschte  u.  stellte  viele  Sprüche  {z-:-v^) 
auf  Qoh  12,9?  Er  lehrte  das  Volk  Erkenntnis,  d.  h.  er  belehrte  es  durch  Merkmale 
für  die  Gründe  der  Gesetze  (oder:  durch  Akzentzeichen?)  u.  gab  Verständnis  durch 
Beibringung  von  Analoga.  „Er  prüfte,  forschte  u.  stellte  viele  Sprüche  auf."  ?UlIa 
(um  280)  hat  gesagt,  R.  Elfazar  (um  270,  so  lies  statt  R.  EIi?ezer)  habe  gesagt:  An- 
fänglich glich  die  Tora  einem  Korb,  der  keine  Henkel  (Griffe)  hatte,  bis  Salomo  kam 
u.  Henkel  (d-:ts,  Deutung  des  ■•I'?)  daran  machte.  (Durch  seine  Sprichwörter  u.  Gleich- 
nisse machte  Salomo  das  Schwerverständliche  für  das  Volk  faßbar.)  —  Der  letzte  Satz 
auch  J'^b21a;  ferner  vgl.  das  nächstfolgende  Zitat.  ||  Midr  HL  1,  1  (79a):  Es  heißt: 
„Zumal  da  Qoheleth  ein  Weiser  war"  Qoh  12,  9  (so  der  Midr).  Wenn  ein  andrer  Mensch 
sie  (die  3  Bücher  Salomos)  gesagt  hätte,  so  müßtest  du  deine  Ohren  neigen,  um  diese 


654  Matth  18,  3  (Nr.  2.  3) 

Worte  zu  hören;  um  -wieviel  mehr  da  sie  Salomo  gesagt  hat.  Wenn  er  sie  aus  seinen 
eignen  Gedanken  heraus  gesagt  hätte,  so  müßtest  du  deine  Ohren  neigen,  um  sie  zu 
hören;  um  wieviel  mehr,  da  er  sie  im  heiligen  Geist  (d.  h.  durch  Inspiration)  gesagt 
hat,  u.  um  wieviel  mehr,  da  Qoheleth  auch  ein  Weiser  gewesen  ist,  der  das  Volk  Er- 
kenntnis lehrte  u.  prüfte  ■•"'<  u.  forschte  u.  viele  Sprüche  (Gleichnisse)  aufstellte.  Er 
prüfte  die  Worte  der  Tora  u.  erforschte  sie,  d.  h.  er  machte  Henkel  (=-:ts)  für  die  Tora. 
Du  findest,  daß  es  vor  dem  Auftreten  Salomos  kein  Gleichnis  (s-crnr  =  (fstyfj.a)  ge- 
geben hat.  Rab  Nachman'  hat  zwei  Erklärungen  gegeben.  Erstens:  Gleich  einem 
großen  Palast,  der  viele  Eingänge  hatte;  wer  hineinging,  irrte  vom  Eingangs- 
wege ab.  Da  kam  ein  Schlaukopf  u.  nahm  ein  Knäuel  (Bindfäden)  u.  knüpfte  es 
an  den  Eingangsweg;  jeder  konnte  nun  hinein-  u.  herausgehn  vermittelst  des 
Knäuels  (vgl.  die  griechische  Sage  vom  Ariadnefaden).  So  konnte  vor  dem  Auftreten 
Salomos  niemand  das  Wort  der  Tora  verstehn;  als  aber  Salomo  aufgetreten  war,  be- 
gannen alle  Einsicht  in  die  Tora  zu  gewinnen.  Zweitens:  Gleich  einem  Rohrdickicht, 
in  das  niemand  einzudringen  vermochte.  Da  kam  ein  Schlaukopf  u.  nahm  eine  Sichel  u. 
hieb  ab  (so  daß  ein  Weg  entstand);  nun  begannen  alle  hineinzugehn  u.  herauszukommen. 
Ebenso  tat  Salomo  (indem  er  durch  seine  Gleichnisse  das  Toradickicht  gangbar  machte). 
R.  Jose  (vermutlich  der  Amoräer  um  350)  hat  gesagt:  Gleich  einer  großen  Kiste,  die 
mit  Früchten  angefüllt  ist,  aber  keinen  Handgriff,  its,  hat,  so  daß  sie  nicht  fort- 
bewegt werden  kann.  Da  kam  ein  Schlaukopf  u.  machte  ihr  Handgriffe;  nun  begann 
man  sie  durch  die  H.  fortzubewegen.  So  konnte  niemand  vor  dem  Auftreten  Salomos 
die  Worte  der  Tora  verstehen ;  als  aber  Salomo  auftrat,  begannen  alle  Einsicht  in  die 
Tora  zu  gewinnen.  —  R.  Schela  (aus  K^phar-T^marta?,  um  280)  hat  gesagt:  Gleich 
einem  großen  Gefäß,  das  mit  kochendem  Wasser  angefüllt  ist  u.  keinen  Handgriff  hat, 
daran  man  es  fortbewegen  kann.  Da  kam  einer  u.  machte  einen  H.  daran,  nun  be- 
gann man  es  an  seinem  H.  fortzubewegen.  R.  Chanina  (um  22.5)  hat  gesagt:  Gleich 
einem  tiefen  Brunnen,  der  voll  Wasser  ist  u.  dessen  Wasser  kühl  u.  angenehm  u.  gut 
sind;  aber  kein  Mensch  vermochte  davon  zu  trinken.  Da  kam  einer  u.  band  Strick 
an  Strick  u.  Seil  an  Seil,  bis  er  daraus  schöpfen  konnte;  da  begannen  alle  zu  schöpfen 
u.  zu  trinken.  So  gelangte  Salomo  von  Wort  zu  Wort,  von  Gleichnis  zu  Gleichnis  zum 
Geheimnis  der  Tora,  vgl.:  „Sprüche  Salomos,  des  Sohnes  Davids,  des  Königs  von 
Israel,  welche  dazu  dienen,  daß  m.an  die  Weisheit  (=  Tora)  erkenne"  usw.  Spr  1,  If. 
Durch  die  Sprüche  (Gleichnisse)  Salomos  gelangte  man  zum  Verständnis  der  Worte 
der  Tora.  —  Die  Rabbinen  sagten:  Nicht  sei  das  Gleichnis  etwas  Geringes  in  deinen 
Augen,  denn  durch  ein  Gl.  kann  der  Mensch  zum  Verständnis  der  Worte  der  Tora  ge- 
langen. Gleich  einem  I^önig,  der  ein  Goldstück  in  seinem  Hause  oder  eine  kostbare 
Perle  verloren  hat;  kann  er  sie  nicht  durch  einen  Docht  im  Werte  eines  Asses  wieder- 
finden? So  sei  auchi  ein  Gl.  nichts  Geringes  in  deinen  Augen,  denn  durch  ein  Gl.  kann 
ein  Mensch  zum  Verständnis  der  Worte  der  Tora  gelangen.  Wisse,  daß  dem  so  ist; 
denn  siehe,  Salomo  ist  durch  das  Gl.  zu  den  Feinheiten  der  Tora  gelangt.  —  Parallel- 
stellen zu  Einzelheiten  s.  GnR  12  (S*');  zu  Rab  Nachmans  Gleichnissen  Midr  Qoh  2,  12 
(14-^);  zu  R.  Chaninas  Gleichnis  GnR  93  (58'')- 

3.  Das  Gleichnis  ist  in  den  palästin.  Schulen  eins  der  beliebtesten 
Darstellungsmittel  gewesen:  auffallend  selten  aber  wird  es  von  den 
babylon.  Gelehrten  angewendet.  —  Aus  vorchristl.  Zeit  ist  uns  in  der 
rabbin.  Literatur  nur  ein  Gleichnis  Hillels  (um  20  v.  Chr.)  begegnet. 

LvR  34  (130''):  Es  heißt:  , Seiner  eignen  Seele  tut  wohl  der  Liebreiche"  Spr  11,  17. 
Das  geht  auf  Hillel,  den  Alten.  Wenn  er  von  seinen  Schülern  sich  verabschiedete, 
pflegte  er  weit  u.  immer  weiter  mit  ihnen  zu  gehen.  Seine  Schüler  sprachen  zu  ihm: 
Rabbi,  wohin  gehst  du?    Er  antwortete:  Um  eine  Gebotserfüllung  zu  vollbringen.    Sie 


^  Trotz  des  babylonischen  Titels  „Rab"  ist  hier  mit  Rab  Nachman  der  um  400 
lebende  palästinische  Träger  dieses  Namens  gemeint. 


•  Matth  13,  3(Nr.  3).  13,4.  5.  8  655 

sprachen:  Was  ist  das  für  eine  Gebotserfüllung?  Er  antwortete:  Ich  will  im  Bade- 
haus ein  Bad  nehmen.  Sie  sprachen:  Ist  das  eine  Gebotserfüllung?  Er  antwortete: 
Ja!  Wenn  der,  welcher  über  die  Bildsäulen  der  Könige  gesetzt  ist,  die  man  in  den 
Theatern  u.  Zirkussen  aufstellt,  diese  abwischt  u.  abspült  u.  man  ihm  seinen  Unterhalt 
dafür  gibt,  u.  nicht  bloß  dies,  wenn  er  auch  noch  mit  den  Großen  des  Reiches  geehrt 
wird:  um  wieviel  mehr  muß  ich  das  tun,  der  ich  nach  Gottes  Bild  u.  Ähnlichkeit  ge- 
schaffen worden  bin,  s.  Gn  1,  26.  Wenn  Hillel  sich  von  seinen  Schülern  verabschiedete, 
pflegte  er  weit  u.  immer  weiter  mit  ihnen  zu  gehn.  Seine  Schüler  sprachen  zu  ihm : 
Rabbi,  wohin  gehst  du?  Er  antwortete:  Um  ein  Liebeswerk  an  einem  Gast  im  Hause 
zu  vollbringen.  Sie  sprachen:  Hast  du  täglich  einen  Gast?  Er  antwortete :  Ist  denn  nicht 
diese  arme  Seele  ein  Gast  im  Körper?  Heute  ist  sie  hier,  morgen  ist  sie  nicht  mehr  hier! 

In  der  mischnischen  Periode  war  es  namentlich  R.  Mei'r  (um  150), 
der  als  Gleiehnisredner  Ruf  hatte. 

Sanh  38*^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wenn  R.  Meir  einen  Lehrvortrag  hielt, 
so  trug  er  ein  Drittel  hindurch  halakhische  Tradition  vor,  ein  Drittel  hindurch  Haggada 
u.  ein  Drittel  hindurch  Gleichnisse.  R.  Jochanan  hat  gesagt:  300  Fuchsfabeln  standen 
dem  R.  Meir  zur  Verfügung,  u.  wir  haben  nur  eine  davon  (so  die  richtige  Lesart  statt 
„drei";  s.  Bacher,  Tann.  2, 7).  —  Vgl.  Sota  9,  15:  Als  R.  Meir  starb,  hörten  die  Gleichnis- 
redner auf.  (Die  Worte  wollen  nicht  besagen,  daß  mit  dem  Tode  des  R.  Meir  die 
Gleichnisse  außer  Übung  gekommen  seien,  sondern  nur,  daß  sich  in  der  ersten  Zeit 
nach  seinem  Tode  niemand  als  Gleichnisredner  mit  R.  Meir  habß  messen  können. 
Eine  Zus.stellung  der  Meirschen  Gleichnisse  gibt  Bacher,  Tann.  2,  57—60.) 

13,4:  Den  Weg  entlang. 
Betreffs  der  die  Felder  begrenzenden  u.  schneidenden  Wege  u.  Fuß- 
steige hat  die  Mischna  Pea  2,  2  festgesetzt,  daß  sie  als  Trennungen 
anzusehen  seien,  die  zum  Stehenlassen  des  Ernterandes  auf  dem  be- 
treffenden Feldstück  verpflichten:  Folgende  Dinge  bilden  eine  Trennung, 
so  daß  die  Pea  (s.  Lv  19,  9)  zu  entrichten  ist:  ein  Fluß,  ein  Teich,  ein 
Privatweg,  ein  öffentlicher  Weg,  ein  öffentlicher  Fußsteig,  auch  ein 
Privatfußsteig,  der  während  des  Sommers  u.  des  Winters  liegen  bleibt, 
ferner  ein  Brachfeld,  ein  Neubruch  u.  eine  andre  Fruchtgattung. 

13,5:  Auf  das  Felsige. 
Daß  man  unter  Umständen  Felsboden  besät  hat,  zeigt  pKil  1,  27^, 
47:  R.  Schim'on  b,  Laqisch  (um  250)  hat  eingeräumt,  daß  derjenige, 
welcher  längs  des  Meeres  oder  auf  einen  Felsen  n7j^ö  oder  auf  Steine 
ni"bD  oder  auf  harten  Boden  Diir-np  sät,  frei  ist  (von  den  die  Mischsaat 
betreffenden  Bestimmungen,  weil  das  Gesetz  ein  so  ungewöhnliches 
Aussäen  nicht  im  Auge  gehabt  hat).  —  Steinigtes  u.  deshalb  schlechtes 
Land  heißt  ri-iist.  —  Git  5,  1:  Schadenersatz  schätzt  man  (dem  Be- 
schädigten) vom  besten  Felde  n-'i"'?  (des  Ersatzpflichtigen)  ab,  die 
Schuldforderung  eines  Gläubigers  vom  mittelmäßigen  u.  die  Hochzeits- 
verschreibung einer  Frau  vom  schlechtesten  ni-nnT.  —  Das.  5,  2:  Aus 
den  Gütern  der  Waisen  wird  Zahlung  nur  von  pi-iint  geleistet. 

13,8:  Das  eine  hundertfältig,  das  andre  sechzigfältig, 

das  andre  dreißigfältig. 
Die  Fruchtbarkeit  Palästinas  wird  serühmt: 


656  Matth  13,8  « 

pPea  7,20*,  53:  Einmal  gingen  R.  Abbaliu  (um  300)  u.  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270) 
u.  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250)  durch  den  Weinberg  von  Varon.  Der  Pächter  brachte 
ihnen  einen  Pfirsich;  sie  aßen  davon  u.  ihre  Eseltreiber,  u.  es  blieb  noch  etwas  übrig; 
man  schätzte  seine  Größe  gleich  einer  Pfanne  von  K^'phar-Chananja,  die  ein  Sea  Linsen 
faßt.  Nach  einiger  Zeit  gingen  sie  dort  abermals  vorüber;  der  Pächter  brachte  ihnen 
zwei  oder  drei  Pfirsiche  in  der  Hand.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Von  jenem  Baum  (von 
welchem  du  uns  das  vorige  Mal  gegeben  hast)  möchten  wir  haben.  Er  antwortete: 
Von  dem  sind  diese.  Sie  bezogen  darauf  den  Schriftvers:  ,Gott  machte  Fruchtlan'd 
zur  Salzsteppe  wegen  der  Bosheit  der  darin  Wohnenden"  Ps  107,34.  —  R.  Chanina 
(um  225)  hat  gesagt:  Als  ich  (aus  Babylonien)  hierher  (nach  Palästina)  heraufzog,  nahm 
ich  meinen  u.  meines  Sohnes  u.  meines  Eseltreibers  Gurt,  um  sie  um  den  Stamm  eines 
Johannisbrotbaumes  des  Landes  Israel  zu  legen,  aber  sie  reichten  nicht  zu.  Ich  schnitt 
eine  Frucht  vom  Johannisbrotbaum  ab,  da  floß  so  viel  Honig  heraus,  daß  meine  Hände 
davon  voll  waren.  *  R.  Jochanan  ( f  279)  hat  gesagt :  Schöner  war  eine  (schlecht  schmeckende) 
Spätfeige  in  unsrer  Kindheit,  als  die  Pfirsiche,  die  wir  in  unsrem  Alter  aßen;  denn, 
in  seinen  Tagen  hatte  sich  die  Welt  geändert.  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt: 
Ein  Sea  Weizen  aus  Arbela  (bei  Sepphoris)  brachte  ein  Sea  Feinmehl,  ein  Sea  gewöhn- 
liches Mehl,  ein  Sea  Kleie,  ein  Sea  Schrot  u.  ein  Sea  Hülsen;  jetzt  aber  kaum  ein  Sea 
Mehl.''  —  R.  Huna  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Abun  (1.,  um  825)  gesagt:  Zimt 
diente  als  Ziegenfutter  u.  die  Israeliten  bauten  ihn  an.  R.  Huna  hat  im  Namen  des 
R.  Abin  gesagt:  Die  beiden  Lämmer,  die  man  täglich  als  Tamidopfer  darbrachte,  legte 
man  auf  ein  Kamel  u.  ihre  Füße  reichten  bis  auf  die  Erde.  R  Huna  hat  im  Namen 
des  R.  Idi  (wohl  der  II.  gemeint,  um  310)  gesagt:  Einmal  hatte  jemand  eine  Ziege  an 
einen  Feigenbaum  gebunden;  als  er  hinkam,  fand  er  Honig  (von  den  Feigen)  u.  Milch 
(aus  dem  Euter  der  Ziege)  miteinander  vermischt.  —  Rabbi  sagte  zu  R.  P^rida:  Kannst 
du  mir  nicht  jene  (allbekannten)  Traubenkämme  in  deinem  Weinberg  zeigen?  Er  ant- 
wortete: Ja.  Er  ging  mit  ihm  hinaus,  um  sie  zu  zeigen.  Als  Rabbi  noch  in  einiger 
Entfernung  war,  erblickte  er  etwas  wie  einen  Ochsen.  Er  sprach  zu  R.  P^rida:  Ver- 
wüstet der  Ochse  nicht  den  Weinberg?  Dieser  erwiderte:  Das,  was  du  für  einen  Ochsen 
hältst,  ist  ein  Traubenkamm.  Da  zitierte  Rabbi  den  Schriftve'rs :  „Solange  der  König 
an  seiner  Tafel,  gab  meine  Narde  ihren  Duft"  HL  1, 12.  Das  Heiligtum  ist  zerstört  u. 
du  stehst  da  in  deiner  Kraft?  Man  suchte  nach  ihnen  u.  fand  sie  nicht.  (Das  Wort 
Rabbis  hatte  als  Fluchvvort  gewirkt.)  —  Man  brachte  vor  Rabbi  zwei  Rettiche  aus  der 
Zeit  zwischen  Neujahr  u.  dem  großen  Fasttage  (=  Versöhnungstag),  u.  zwar  nach  dem 
Ausgang  eines  Brachjahres,  u.  sie  erforderten,  daß  man  sie  auf  ein  Kamel  lud.  Rabbi 
sprach:  Sind  diese  nicht  verboten?  Sind  sie  nicht  Nachwuchs  aus  dem  Brachjahr? 
Man  antwortete  ihm:  Nach  Ausgang  des  Neujahrstages  sind  sie  gesät  worden.  In  jener 
Stunde  erlaubte  Rabbi,  daß  man  nach  Ausgang  des  Brachjahres  Grünkraut  (Kohl,  Ge- 
müse) kaufe.  Alsbald  warf  man  vor  ihm  die  Frage  auf:  Was  bedeutet:  „Es  verfaulen 
die  Früchte,  statt  daß  man  sie  zusammenbringt"  Joel  1,  17?  (so  der  Midr).  Er  ant- 
wortete: Statt  daß  wir  sonst  den  Honig  zus. scharrten,  scharren  wir  jetzt  Fauliges 
(Morsches)  zusammen  (s.  Bacher,  Tann.  2, 480).  —  Jemand  besaß  einmal  eine  Reihe 
von  Feigenbäumen;  als  er  hinkam,  fand  er  eine  Scheidewand  aus  Honig  rings  um 
sie.  —  Ein  Mensch  besäte  ein  Feld  mit  Rüben,  u.  (sofort)  konnte  er  sie  aushacken 
u.  verkaufen.  —  Einmal  kam  ein  Fuchs  u.  machte  sich  sein  Lager  im  Kopfende  einer 
Rübe  zurecht  (so  groß  war  sie).  —  In  Sichin  (th-zj  bei  Sepphoris)  war  einmal  ein  Senf- 
strunk, an  dem  drei  Stengel  sich  befanden;  als  der  eine  von  ihnen  abspaltete,  bedeckte 
man  damit  eine  Töpferhütte  u.  fand  daran  drei  Qab  Senf.  —  R.  Schimfon  b.  Chalaphta 
(um  190)  hat  gesagt:  Ein  Senfstengel  hat  auf  meinem  Besitztum  gestanden,  auf  den  ich 
hinaufgestiegen   bin,   wie   man  auf  die  Spitze  eines  Feigenbaumes  steigt.  —  Jemand 

'  Dieser  Ausspruch  des  R.  Chanina  auch  NuR9(154'»);  Midr  Sm  13  §7. 
^  Die  Aussprüche  des  R.  Chanina,  des  R.  Jochanan  u.  des  R.  Chijja  b.  Abba  auch 
pSota  1,  17'',  16;  die  des  R.  Jochanan  u.  des  R.  Chijja  b.  Abba  ferner  pSota  J>,  24b,  49. 


Matth  13,  8  657 

hatte  einmal  ein  Sea  Bohnen  gesät,  u.  sie  brachten  300  Sea.  Da  sagte  man  zu  ihm: 
Gott  hat  angefangen  dich  zu  segnen.  Er  erwiderte  ihnen:  Geht  ab,  es  ist  ja  böser  Tau 
darauf  gefallen;  andernfalls  wäre  das  Doppelte  daraus  geworden!  —  R.  Schim?on 
b.  Chalaphta  hat  erzählt:  Einmal  sagte  R.  J'^huda  (um  150)  zu  seinem  Sohn  in  Sikhnin: 
Steige  empor  (zum  Söller)  u.  hole  uns  Feigen  aus  den  Fässern.  Er  stieg  empor  u. 
streckte  seine  Hand  aus  u.  fand  (das  Paß)  voll  Honig.  Er  sprach:  Vater,  es  ist  voll 
Honig.  Dieser  antwortete:  Stecke  nur  deine  Hand  tief  hinein  u.  du  wirst  Feigen  herauf- 
holen. —  Einmal  sagte  R.  Jose  (um  150)  zu  seinem  Sohn  in  Sepphoris:  Steige  empor  u. 
hole  Feigen  vom  Söller.  Er  stieg  hinauf  u.  fand,  daß  der  Söller  von  Honig  schwamm.  — 
Einzelnes  aus  den  Schlußsätzen  auch  K^'th  111b;  SDt  32, 18  §316  (135^).  ||  K^th  lllb; 
R.  Chijja  b.  Ad(d)a  (um  250)  unterwies  die  Kinder  des  Resch  Laqisch  in  der  Schrift; 
er  hatte  drei  Tage  versäumt  u.  kam  nicht  wieder.  Als  er  zurückkam,  sprach  Resch 
Laqisch  zu  ihm:  Warum  hast  du  so  lange  versäumt?  Er  antwortete:  Mein  Vater  hat 
mir  einen  Weinstock  hinterlassen,  von  welchem  ich  am  ersten  Tage  300  Trauben  ab- 
geschnitten habe,  von  denen  jede  ein  Faß  Wein  bringt;  am  zweiten  Tage  habe  ich 
300  Trauben  abgeschnitten,  von  denen  je  zwei  ein  Faß  bringen;  am  dritten  Tage  habe 
ich  300  Trauben  abgeschnitten,  von  denen  je  drei  ein  Faß  bringen,  u.  dabei  habe  ich 
mehr  als  die  Hälfte  für  herrenloses  Gut  erklärt.  Er  sprach  zu  ihm:  Wenn  du  nicht 
jene  Tage  verabsäumt  hättest,  so  würde  er  noch  mehr  gebracht  haben.  —  Rammi 
b.  J'^^chezq^el  (wann?)  kam  nach  B^'ne-Baraq  (südöstlich  von  Jaffa);  er  sah  Ziegen,  die 
unter  Feigenbäumen  fraßen,  u.  Honig  tropfte  von  den  Feigen  u.  Milch  tropfte  von  den 
Ziegen,  u.  beides  vermischte  sich  miteinander.  Da  sagte  er:  Das  ist  es,  was  geschrieben 
steht:  Von  Milch  u.  Honig  fließend  (zB  Ex  3,8).  R.  Jafaqob  b.  Dosethai  hat  gesagt:  Von 
Lud  bis  Ono  sind  drei  Mil.  Einmal  hatte  ich  mich  früh  des  Morgens  aufgemacht;  da 
ging  ich  bis  an  die  Knöchel  im  Honig  der  Feigen.  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  ge- 
sagt: Ich  selbst  habe  gesehen,  wie  es  von  Milch  u.  Honig  floß  bei  Sepphoris  u.  zwar 
16  Mil  im  Geviert.  Rabbah  bar  bar  Ghana  (um  280)  hat  gesagt:  Ich  selbst  habe  ge- 
sehen, wie  das  ganze  Land  Israel  von  Milch  u.  Honig  floß,  u.  zwar  in  einer  Aus- 
dehnung, wie  die  von  Be-Mekhse  bis  zur  Burg  von  Tolbanqe  [^--zz'^'.r,  s.  Neubauer 
S.  352;  beide  Örtlichkeiten  liegen  in  Babylonien),  22  Parasangen  lang  u.  6  Para- 
sangen  breit.  —  R.  Chelbo  (um  300),  R.  Avira  u.  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  kamen 
an  einen  Ort,  an  welchem  man  ihnen  einen  Pfirsich  vorsetzte,  der  so  groß  war  wie 
eine  Pfanne  aus  K'^phar-Hino.  Wie  groß  war  eine  Pfanne  aus  K''phar-Hino?  Fünf  Sea 
(fassend).  Von  dem  Pfirsich  aßen  sie  ein  Drittel,  ein  Drittel  erklärten  sie  für  herren- 
loses Gut  u.  ein  Drittel  legten  sie  ihrem  (Reit-)Tier  vor.  Nach  Verlauf  eines  Jahres 
kam  R.  El?azar  (um  270)  dorthin;  man  brachte  ihm  einen  Pfirsich,  den  er  in  seine 
Hand  fassen  konnte.  Da  sprach  er  (Ps  107,34):  ,Gott  machte  Fruchtland  zur  Salz- 
steppe wegen  der  Bosheit  der  darin  Wohnenden."  —  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  (um  250) 
kam  nach  Gabla,  wo  er  Trauben  sah,  die  wie  Kälber  dastanden.  Er  sagte:  Sind  da 
Kälber  zwischen  den  Weinstöcken?  Man  antwortete:  Es  sind  Weintrauben.  Da  sprach 
er:  Land,  Land,  halte  deine  Früchte  zurück!  Für  wen  bringst  du  deine  Früchte  hervor? 
Für  diese  Gojim,  die  sich  um  unsrer  Sünden  willen  wider  uns  erheben?  Im  nächsten 
Jahr  kam  R.  Chijja  (b.  Abba,  um  280)  dorthin.  Er  sah  die  Trauben  wie  Ziegen  dastehn 
(sie  waren  also  kleiner  als  im  Vorjahr).  Er  sprach:  Sind  da  Ziegen  zwischen  den  Wein- 
stöcken? Sie  antworteten  ihm:  Geh  u.  tu  uns  nicht  wie  dein  Genosse!  (Das  Wort  des 
R.  J'^hoschua?  b.  Levi  hatte  nach  ihrer  Meinung  als  Fluchwoit  gewirkt.)  —  Bar:  Wenn 
das  Land  Israel  gesegnet  wird,  bringt  ein  Fleck  von  1  Sea  Aussaat  5  Myriaden  Kor.^ 
Als  ^ofan  bewohnt  war,  brachte  eine  Fläche  von  1  Sea  Aussaat  70  Kor;   denn  nach 

^  Nach  Raschi  zu  BM  105b  rechnete  man  auf  1  Kor  (=  30  Sea)  Aussaat  eine  Acker- 
fläche von  1500  Ellen  Länge  u.  50  Ellen  Breite.  Hiernach  würde  zur  Aussaat  von  1  Sea, 
die  Elle  =  0,44  m  (Krauß,  Arch.  2,  389.391)  gerechnet,  eine  Fläche  von  2500x0,44 
X  0,44  =  484  qm  (rund  500  qm)  nötig  gewesen  sein.  Daß  ein  solches  Feldstück 
50000  Kor,  d.  h.  anderthalbmillionenfache  Frucht  gebracht  habe,  sucht  der  Text  durch 
die  folgende  exegetische  Spielerei  zu  zeigen. 

Strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  42 


658  Matthl3,8 

einer  Bsr  hat  R.  Me'ir  (um  150)  gesagt:  Ich  habe  gesehen,  daß  im  Tal  Beth-Sch^'an 
(—  Skythopolisi  ein  Feldstück  von  1  Sea  Aussaat  70  Kor^  gebracht  hat.  Unter  allen 
LäncTern  gilit  es  nun  kein  vorzüglicheres,  als  das  Land  Ägypten;  denn  es  heißt:  „Wie 
der  Garten  Jahves,  wie  das  Land  Ägypten"  Gnlo,  10;  u.  im  ganzen  Lande  Ägypten 
gibt  es  nichts  Vorzüglicheres  als  ^o?an  (=  Tanis  in  Unterägypten);  denn  dort  weihte 
man  die  Könige,  wie  es  heißt:  „Denn  in  ^o?an  Sind  seine  (Israels)  Fürsten  eingetroffen" 
Jes  30,4  (um  dem  dortigen  König  zu  huldigen,  s.  Raschi).  Und  im  ganzen  Lande  Israel 
gibt  es  keine  felsigere  Gegend  als  Hebron,  denn  man  pflegte  dort  die  Entschlafenen 
zu  bestatten;  u.  trotzdem  ist  Hebron  siebenmal  mehr  angebaut  gewesen  als  (^o?an,  wie 
es  heißt:  , Hebron  war  siebenfach  angebaut  vor  (j)o?an  Ägyptens"  Nu  13,  22  (so  der 
Midr).  Was  heißt  „gebaut"?  Wenn  du  sagen  wolltest,  es  bedeute  „erbaut"  im  eigent- 
lichen Sinn,  wäre  es  denn  möglich,  daß  ein  Mensch  seinem  jüngsten  Sohn  ein  Haus 
baute,  bevor  er  ein  solches  seinem  älteren  Sohn  erbaut  hätte?  Denn  es  heißt:  Die 
Söhne  Harns  waren  Kusch,  Mi9rajim,  Put  u.  K<=nafan  GnlO,  6.  (Wenn  also  Nu  13,22 
besagen  sollte,  daß  Hebron  in  Kanaan  sieben  Jahre  vor  ^o^an  in  Ägypten  erbaut  worden 
sei,  so  wäre  für  Harns  jüngsten  Sohn  Kanafan  der  Wohnsitz  früher  bereitet  worden  als 
für  den  älteren  Mi9rajim.)  Vielmehr  will  Nu  13,22  besagen,  daß  Hebron  siebenmal 
mehr  angebaut  gewesen  sei  als  Co?an.  (Also  brachte  I  Sea  Aussaat  in  Hebron  490  Kor, 
d.  h.  siebenmal  mehr  als  in  ^o?an.)  Und  das  gilt  vom  felsigen  Boden  cl--u;  aber  auf 
nichtfelsigem  Boden  brachte  1  Sea  Aussaat  500  Kor;  u.  das  gilt  wiederum  für  den  Fall, 
daß  das  Jahr  kein  besonders  gesegnetes  war;  aber  von  einem  gesegneten  heißt  es: 
„Isaak  säte  in  diesem  Lande  u.  erntete  in  diesem  Jahr  hundertfältig;  denn  Jahve 
segnete  ihn"  Gn  26, 12.  (So  bringt  in  einem  gesegneten  Jahr  1  Sea  Aussaat  100  x  500 
oder  5  Myriaden  Kor,  was  zu  beweisen  war.)  —  Bar:  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt: 
1  Sea  (Weizen)  in  Judäa  brachte  5  Sea  (Mehl):  1  Sea  gewöhnliches  Mehl,  1  Sea  Fein- 
mehl, 1  Sea  Kleie,  1  Sea  Schrot  u.  1  Sea  Hülsen.  —  Ein  Sektierer  sagte  zu  R.  Chanina 
(um  225):  Mit  Recht  lobt  ihr  euer  Land.  Mein  Vater  hinterließ  mir  ein  Stück  Land 
von  1  Sea  Aussaat;  davon  habe  ich  Öl,  Wein,  Getreide,  Hülsenfrüchte,  u.  davon  weiden 
meine  Herden.  —  Ein  Emoriter  fragte  einen  Bewohner  des  Landes  Israel:  Wieviel 
habt  ihr  von  jener  Dattelpalme,  die  am  Jordanufer  steht,  abgepflückt  (an  Datteln  ge- 
erntet)? Er  antwortete:  60  Kor.-  Jener  sprach:  Noch  seid  ihr  kaum  ins  Land  hinein- 
gekommen,^ da  habt  ihr  es  auch  schon  verwüstet;  wir  haben  120  Kor  davon  gepflückt. 
Er  antwortete:  Auch  ich  habe  nur  von  Einer  Seite  (des  Baumes)  zu  dir  geredet.  — 
Rab  Chisda  (f  309 j  hat  gesagt:  Was  bedeutet:  „Ich  will  dir  ein  liebliches  Land  geben, 
ein  Besitztum  der  Zierde  "zu"  Jer  3, 19?  Warum  wird  das  Land  Israel  mit  einer  Gazelle 
{'2-4  heißt  auch  Gazelle)  verglichen?  Um  dir  zu  sagen:  Wie  bei  einer  Gazelle  die  (ab- 
gezogene) Haut  ihr  Fleisch  nicht  (mehr)  umspannt,  so  faßt  auch  das  Land  Israel  seine 
Früchte  nicht.  Eine  andre  Erklärung:  Wie  die  G.  schneller  ist  als  alle  übrigen  Tiere 
des  Feldes,  so  ist  das  Land  Israel  vor  allen  übrigen  Ländern  schnell,  seine  Früchte 
zur  Reife  zu  bringen.  Wenn  du  aber  sagen  wolltest:  „Wie  die  G.  schnell  u.  ihr  Fleisch 
nicht  fett  ist,  so  ist  auch  das  Land  Israel  zwar  schnell,  seine  Früchte  zur  Reife  zu 
bringen,  aber  seine  Früchte  sind  nicht  fett",  so  sagt  die  Schrift  lehrend:  „ein  Land, 
das  von  Milch  u.  Honig  überfließt"  Ex  3, 8,  d.h.  seine  Früchte  sind  fetter  als  Milch 
u.  süßer  als  Honig.''  ||  P*^s  87 '^  sagt  R.  Elfazar  (um  270)  beiläuflg:  Sät  denn  nicht  ein 
Mensch  1  Sea  aus,  nur  um  etliche  Kor  einzuernten?  (Wenn  er  nur  2  Kor  erntete,  so 
bedeutete  das  eine  HOfältige  Frucht.)  '.]  DtR  3  (200=^):  Die  Rabbinen  haben  gesagt:  Von 
der  Redlichkeit  (1.  ip:->:.s  statt  ir-iii-s)  eines  Menschen  lerne  verstehen  die  Redlichkeit 


1  Das  wäre  eine  2 100  fache  Frucht  gewesen. 

'  l  Sea  =  13,131  Liter;  1  Kor  =  30  Sea  =  393,93  Liter;  60  Kor  ^-  23H,4  Hektoliter. 

ä  Das  Gespräch  hätte  hiernach  zur  Zeit  der  Besitzergreifung  des  Landes  durch  die 
Israeliten  stattgefunden. 

*  Parallelstellen  zu  Einzelheiten  finden  sich  M'gtj^':  Sota  34b;  NuR  16  (181b); 
SDtll,10§37  (75b.7*;b). 


MatthlS,  8.  11  659 

(Treue,  Zuverlässigkeit)  Gottes.  Als  R.  Pin''chas  b.  Jair  (um  200)  in  einer  Stadt  des 
Südens  wohnte,  geschah  es,  daß  Leute  dorthin  kamen,  um  ihren  Lebensunterhalt  da- 
selbst zu  suchen.  Sie  besaßen  2  Sea  Gerste,  die  sie  ihm  zur  Aufbewahrung  übergaben; 
sie  vergaßen  sie  aber,  als  sie  weiterzogen.  R.  P.  säte  sie  in  jedem  Jahre  aus,  brachte 
sie  auf  die  Tenne  u.  .sammelte  sie  in  die  Kornkammer  ein.  Nach  sieben  Jahren  kamen 
jene  Genossen  wiederum  dorthin,  um  jene  zwei  Sea  einzufordern.  R.  P.  erkannte  sie 
sogleich  wieder  u.  sprach:  Kommt  u.  empfanget  eure  Schatzkammern  ( Magazine K  Siehe, 
von  der  Redlichkeit  eines  Menschen  lerne  ei-kennen  die  Redlichkeit  Gottes.  ||  SLv 
26,4(448*):  ,Ich  gebe  euch  eure  Regengüsse  zu  ihrer  Zeit"  Lv  26, 4,  d.  h.  in  den 
Sabbatnächten.  In  den  Tagen  des  Schimfon  b.  Schatach  (um  90  v.Chr.)  u.  in  den  Tagen 
der  Königin  ''z'i^hv '  geschah  es,  daß  die  Regengüsse  regelmäßig  in  den  Sabbatnächten 
niederfielen,  bis  die  Weizenkörner  so  groß  wurden  wie  Nieren  u.  die  Gerstenkörner 
wie  Olivenkerne  u.  die  Linsen  wie  Golddenare.  Die  Gelehrten  wickelten  davon  ein  u. 
legten  sie  als  ein  Beweisstück  für  die  kommenden  Geschlechter  nieder,  um  kundzutun, 
was  die  Sünde  verursacht,  um  zu  bestätigen,  was  geschrieben  steht:  „Eure  Verschul- 
dungen brachten  diese  (die  Zeiten  des  Regens  u.  der  Ernte)  aus  der  Ordnung,  u.  eure 
Sünden  hielten  das  Gute  von  euch  zurück"  Jer  5,  25.  —  Dasselbe  auch  Tafan2;^*.  ;i 
Weiteres  bei  Mt  4,12  S.  154  if.  -  Ein  begeistertes  Loblied  auf  das  Land  Israel  liest 
man  SDt  1 1,  10—15  §  37—43. 

13,11:  Die  Geheimnisse  des  Himmelreichs. 

/.ivavrjQiov  im  Rabbinischen:  -p-iiLJOri  u.  "pnipip^. 

Allgemein  ist  von  den  Geheimnissen  Israels  die  Rede  ExR  19  (81  *^):  ,Er  tut  sein 
Wort  Jakob  kund,  Israel  seine  Satzungen  u.  Rechte"  Ps  147,  19.  Gott  sprach  zu  ihnen: 
Keine  andre  Nation  soll  sich  mit  Israel  vermischen,  noch  seine  Geheimnisse  riTcn 
kennen  lernen;  sondern  ihr  sollt  für  euch  allein  sein  in  dieser  Welt. 

Im  einzelnen  werden  als  Geheimnis  bezeichnet 

a.  Die  traditionelle  Lehre  Israels.  P  siqR  5  (141»):  R.  J^huda  b.  Schalom 
(um  370)  hat  gesagt:  Mose  wünschte,  daß  die  Mischna  (d.  h.  die  traditionelle  Lehre) 
schriftlich  gegeben  würde;  Gott  aber  sah  voraus,  daß  die  Völker  die  (schriftliche)  Tora 
übersetzen  u.  sie  griechisch  lesen  würden  (nämlich  in  den  LXX)  u.  sagen:  Nicht  diese 
sind  (das  wahre)  Israel!  Gott  sprach  zu  ihm:  Siehe,  Mose,  die  Völker  werden  dereinst 
sagen:  Wir  sind  (das  wahre)  Israel,  wir  sind  die  Kinder  Gottes!  Und  die  Israeliten 
werden  sagen:  Wir  sind  die  Kinder  Gottes!  Und  jetzt  halten  sich  die  Wagschalen 
das  Gleichgewicht.  Dann  sagt  Gott  zu  den  Völkern:  Wie  sagt  ihr,  daß  ihr  meine  Kinder 
seid?  Ich  weiß  nur,  daß  der,  der  mein  Geheimnis  ^''v  i-i^-l^o«  in  seiner  Hand  hat,  mein 
Sohn  ist.  Sie  sprechen:  Und  was  ist  dein  Geheimnis?  Er  antwortet:  Das  ist  die  Mischna 
(die  traditionelle  Lehre).  —  Dasselbe  ExR47  Anfang;  Tanch  s—i  22b;  sar  -s  120b; 
TanchB  s-^^i  §6  (44b).  Vgl.  auch  R.  Chelbo  (um  300)  Midr  HL  2,  7  (99»):  Gott  beschwur 
Israel,  daß  sie  ihr  Geheimnis  nicht  den  Völkern  der  Welt  offenbaren  sollten. 

ö.  Die  Beschneidung.  TanchB -5  -V  §23  (40^):  „Das  Geheimnis  Jahves  'n  -io 
gehört  denen,  die  ihn  fürchten,  u.  sein  Bund,  um  ihnen  denselben  kundzutun"  Ps25, 14. 
Und  was  ist  das  Geheimnis  -tc  Gottes?  Das  ist  die  Beschneidung;  denn  Gott  hat  das 
Geheimnis  i^-i-joa  der  Beschneidung  nur  Abraham  kundgetan.  —  Parallelstellen:  Tauch 
-•  -h  20'' ;  GnR  49  (30 '^) ;  Aggad  B'resch  16  §  2  ( 1 6 -'). 

C.  Die  Zeit  des  Anbruchs  der  Tage  des  Messias.  Tanch  --'^  56=*:  Isaak  u. 
Jakob  wollten  beide  das  Geheimnis  ]'-"jC':  Gottes  offenbaren.  Von  Isaak  steht  ge- 
schrieben: „Er  rief  seinen  älteren  Sohn  Esau"  Gn  27,  1 ;  er  wollte  ihm  das  Ende  (y-^  "J*, 
d.h.  den  Beginn  der  messian.  Zeit)  offenbaren,  aber  Gott  verbarg  es  vor  ihm.   Jakob 


1  LvR35(132'^)  ns'i-j-a.  Gemeint  ist  die  Gemahlin  des  Alexander  Jannäus,  die 
Königin  Alexandra  Salome,  die  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  die  Herrschaft  führte 
von  78— (i9  v.  Chr.  —  SDt  1 1 ,  14  S  42  (80 •')  nennt  die  Königin  -:•;-- ;  das  wäre  die  Königin 
Helena  von  Adiabene,  um  45  n.  Chr. 

42* 


660  Matth  13,  11.  r2i?l) 

wollte  seinen  Söhnen  das  Ende  ypr:  rs  offenbaren:  denn  es  heißt:  „Und  Jakob  berief 
seine  Söhne"  Gn49, 1. 

d.  Die  Monatseinschaltung  (Kalenderberechnung).  pRH  2,  ö8b,  22: 
R.  Ehazar  (um  270)  hat  gesagt:  „Und  es  kommt  meine  Hand  über  die  Propheten,  die 
Eitles  schauen  u.  lügnerisch  wahrsagen:  im  Geheimnis  -"C  meines  Volkes  werden  sie 
nicht  sein"  Ezl3,9;  damit  ist  das  Geheimnis  der  Monatseinschaltung  ^is^yn  tid  ge- 
meint. —  Ebenso  deutet  R.  Ehazar  Ez  13,9  K^th  112^.  |1  ExR  15  (79a):  Gott  hat  das 
Geheimnis  -iio  des  Mondes  (d.  h.  der  Rechnung  nach  Mondjahren)  den  Israeliten  über- 
geben, damit  sie  danach  zählen,  während  die  Völker  nach  der  Sonne  zählen. 

e.  Gewisse  Stoffe  der  Tora,  besonders  die  „Gründe  der  Tora"  r;-»n  -'pj.-i:  u. 
die  kosniologischen  u.  theosophischen  Geheimlehren  r-rs-a  r;-i;i';>5  u.  "^s"*?.  ""i^S'?.  — 
AbothR, 2:  (R.  Me'ir,  um  150,  sagte:)  Die  Tora  gibt  ihm  (dem  sich  mit  ihr  um  ihrer 
selbst  willen  Beschäftigenden)  Königswürde  u.  Herrschaft  u.  Erforschung  des  Rechts, 
u.  man  offenbart  ihm  die  Geheimnisse  der  Tora  --n-r  -t-.  ||  Chag  14a:  Rab  Nachman 
b.  JiQchaq  (f  356)  hat  gesagt:  Die  Worte:  „Die  da  weggerafft  wurden"  Hi  22,  16  sind 
zum  Segen  geschrieben.  Damit  sind  die  Gelehrtenschüler  gemeint,  die  sich  wegen  der 
Worte  der  Tora  in  dieser  Welt  einschränken;  Gott  aber  wird  ihnen  in  der  zukünftigen 
Welt  das  Geheimnis  (der  Tora)  -'c  offenbaren,  s.  Hi22,  16:  „Wie  ein  Strom  ist  hin- 
gegossen ihr  (der  Tora)  Geheimnis"  (so  der  Midr).  ||  P''s  119a:  Was  bedeutet  nssttV 
p^riy  (zu  stattlicher  Bekleidung  Jes  28, 18)?  Das  ist  der,  der  die  Dinge  bedeckt  nssan 
(geheimliält),  die  der  „Alte  an  Tagen"  (i'tt'i"'  P'p?  Dn  7,9)  bedeckt  hat.  Und  was  sind 
das  für  Dinge?  Das  sind  die  Geheimnisse  der  Tora  n-»r  --rc  (Raschi:  :T3^-^^:  r-.-wc 
r-rs-3  r-i-i-3i);  andre  sagen:  Das  ist  der,  der  die  Dinge  bekanntmacht,  die  der  Alte 
der  Tage  bedeckt  hat.  Was  sind  das  für  Dinge?  Das  sind  die  Gründe  der  Tora  "n^'a 
r!-ir  (die  Gründe,  die  für  die  Festsetzung  der  einzelnen  Gesetzesbestimmungen  maß- 
gebend gewesen  sind,  zB  für  die  Durchlochung  des  Ohrs  des  Sklaven  Ex  21, 6  oder 
für  die  Ausschließung  des  Eisens  vom  Altarbau  Dt  27,  5,  s.  TBQ  7,5.6).  ||  Sanh  21  b; 
R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Warum  sind  die  Gründe  der  Tora  n^r  •■oi-a  nicht 
bekanntgemacht  worden?  Siehe,  in  zwei  Schriftstellen  sind  ihre  Gründe  bekannt- 
gemacht worden;  da  ist  durch  sie  ein  Großer  der  Welt  zu  Falle  gekommen.  Es  steht 
geschrieben:  „Er  halte  sich  nicht  viele  Weiber,  daß  sein  Herz  nicht  abtrünnig  werde" 
Dt  17, 17;  Salomo  sprach:  Ich  werde  viele  halten  u.  nicht  abtrünnig  werden.  Ubd  es 
steht  geschrieben:  „Und  es  geschah  in  der  Zeit,  da  Salomo  alt  geworden,  wendeten 
seine  Weiber  sein  Herz  ab  zu  anderen  Göttern"  1  Kg  11,4.  Ferner  steht  geschrieben: 
„Er  halte  sich  nicht  viele  Pferde"  Dt  17,  16;  aber  Salomo  sprach:  Ich  werde  viele 
halten  u.  doch  das  Volk  nicht  nach  Ägypten  zurückführen.  Und  es  steht  geschrieben : 
,Es  kam  ein  Gespann  herauf  aus  Ägypten  für  600  Sekel  Silbers  u.  ein  Pferd  für  150" 
1  Kg  10,  29.  II  Neue  P''siqtha  (Jellinek,  Beth  ha-Midr  G,  47):  ünsre  Rabbinen  haben  ge- 
lehrt: In  der  Zukunft  wird  Gott  dasitzen  u.  ihnen  die  Gründe  der  Tora  n-i<r  -ayts  ent- 
hüllen, weshalb  er  uns  das  Schwein  (s.  Dt  14, 18)  u.  Blut  u.  Fett  (s.  Lv  7,22 — 27)  u. 
Fleisch  in  Milch  (s.  Ex  23,  19)  verboten  hat.  ...  —  Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs: 
„Sch*^ol"  usw.  111,4,  m  Ende.  —  Zu  den  kosmologischen  u.  theosophischen  Geheimlehren 
vgl.  Exkurs:  „Memra  Jahves"  Nr.2,d;  Exk.:  „Sch«ol"  usw.  III.  3,f  (pChag  2,  77^,57). 

13, 12  51:  Wer  da  hat,  dem  wird  gegeben  werden. 

Vgl.  Spr  1,5;  9,9.  —  B'^rakh  55»:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gott  gibt  Weis- 
heit nur  dem,  der  Weisheit  besitzt,  s.  Dn  2, 21 :  „Er  gibt  Weisheit  den  Weisen  u.  Wissen 
den  Einsichtigen. "  Rab  Tachlipha  b.  Ma? araba  hörte  es  u.  sagte  es  vor  R.  Abbahu  (um  300). 
Dieser  sprach  zu  ihm:  Ihr  lehrt  es  auf  Grund  jener  Stelle;  wir  lehren  es,  weil  es  heißt: 
„In  das  Herz  aller,  die  weisen  Herzens  sind,  habe  ich  Weisheit  gegeben"  Ex  31,6.!! 
M^kh  Ex  15,  26  (53**):  „Wenn  du  hörend  hören  wirst"  Ex  15,26.  Von  hier  aus  hat  man 
gesagt:  Wenn  ein  Mensch  auf  Ein  Gebot  hört,  so  läßt  man  (=  Gott)  ihn  auf  viele 
Gebote  hören,  s.:  Hörend  wirst  du  hören  (so  der  Midr).  Wenn  ein  Mensch  Ein  Gebot 
vergißt,  so  läßt  man  ihn  viele  Gebote  vergessen,  s. :  „Wenn  du  vergißt,  so  wirst  du 


Matth  13, 12  (3t.  5B)  661 

Jahve  vergessen"  Dt  8, 19  (so  der  Midr).  Diese  Auslegung  scheint  nach  54''*  R.  J'^hoschuaf, 
um  90,  zur  seinigen  gemacht  zu  haben.  —  Parallelstellen:  M'^'kh  Ex  19, 5  (70 "^j ;  in  andrer 
Form  SDt  12, 28  §  79  (91  '■^).  Zwei  ähnliche  Aussprüche  von  Schim?on  b.  f  Azzai  (um  110) 
in  M^-kh  Ex  15,26  (54a- b).  ||  ß^rakh  40=^:  R.  Z'^fira  (um  300),  nach  andren  R.  Chanina 
b.  Papa  (um  300)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  daß  Gottes  Art  nicht  ist  wie  die  Art  von 
Fleisch  u.  Blut.  Bei  den  Menschen  ist  es  so,  daß  ein  leeres  Gefäß  etwas  aufnimmt, 
aber  nicht  ein  volles  Gefäß;  aber  bei  Gott  ist  es  nicht  also;  bei  ihm  nimmt  ein  volles 
Gefäß  auf,  aber  kein  leeres;  s.:  , Hörend  wirst  du  hören*  Ex  15,26,  d.  h.  wenn  da 
hörst,  so  wirst  du  (weiter)  hören;  wenn  aber  nicht,  so  wirst  du  nicht  hören.  Eine 
andre  Erklärung:  Wenn  du  auf  Altes  hörst,  wirst  du  auf  Neues  hören;  wenn  sich  aber 
dein  Herz  abwendet,  so  wirst  du  nichts  mehr  hören.  —  Parallelstelle:  Sukka  46 ^  j 
BQ  92'':  Raba  (f  352)  fragte  den  Rabbah  b.  Mari:  Woher  läßt  sich  das  Wort  beweisen, 
das  die  Leute  zu  sagen  pflegen:  Den  Armen  verfolgt  die  Armut?  Er  antwortete:  Aus 
dem,  was  wir  gelernt  haben  (Bik3,  8):  Die  Reichen  brachten  ihre  Erstlinge  dar  in 
silbernen  u.  goldenen  Körben,  u.  die  Armen  in  Rutenkörben  aus  abgeschälten  Weiden- 
trieben; diese  Körbe  u.  die  Erstlinge  wurden  den  Priestern  gegeben.  (Die  Armen  mußten 
ihre  Körbe  abgeben,  während  die  Reichen  sie  behielten).  Er  sprach  zu  ihm:  Du  sagst 
es  auf  Grund  dieser  Stelle,  ich  sage  es  auf  Grund  dieser  Stelle:  (Der  Aussätzige) 
rufe:  Unrein,  unrein!  (Lv  13,45.)  (Zu  seinem  Elend  hat  der  Aussätzige  selbst  noch 
diesen  Schimpf  zu  fügen.)  Das  Sprichwort  wird  auch  Chull  105''  zitiert,  i]  Aboth  1, 13: 
Hillel,  um  20  v.  Chr.,  pflegte  zu  sagen:  Wer  sich  einen  (großen)  Namen  machen 
will,  verliert  seinen  Namen,  u.  wer  nicht  (zu  seinem  Wissen)  hinzufügt,  der  macht 
(seinem  Wissen)  ein  Ende.  ||  BB  12'':  Wem  man  {—  Gott)  Unheil  sendet,  dem  sendet 
man  nicht  alsbald  Glück,  u.  wem  man  Glück  sendet,  dem  sendet  man  nicht  alsbald 
Unheil.  —  Nur  der  erste  Teil  des  Sprichworts  in  BQ  78"^.  ||  Midr  Qoh  1,  7:  Eine  Matrone 
fragte  den  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150)  u.  sprach  zu  ihm:  Was  bedeutet:  ,Er  gibt 
Weisheit  den  Weisen  u.  Wissen  den  Einsichtigen"  Dn2, 21?  Hätte  die  Schrift  nicht 
sagen  sollen:  Er  gibt  Weisheit  den  Nichtweisen  u.  Wissen  den  Nicht  einsichtigen?  Er 
antwortete:  Ein  Gleichnis.  Wenn  zu  dir  zwei  Menschen  kommen,  um  von  dir  Geld  zu 
borgen,  einer  ist  reich  u.  der  andre  ist  arm,  wem  von  ihnen  leihst  du,  dem  Reichen 
oder  dem  Armen?  Sie  sprach:  Dem  Reichen.  Er  sprach:  Und  warum?  Sie  antwortete: 
Wenn  der  Reiche  mein  Geld  verliert,  so  hat  er,  wovon  er  bezahlen  kann;  aber  wenn 
der  Arme  mein  Geld  verliert,  wovon  soll  er  mir  zahlen?  Er  sprach  zu  ihr:  Und  wollen 
deine  Ohren  nicht  hören,  was  du  mit  deinem  Munde  aussprichst?  Wenn  Gott  Weis- 
heit den  Törichten  gäbe,  so  würden  sie  sitzen  u.  davon  sprechen  in  den  Aborten  u. 
Theatern  u.  Badeanstalten;  allein  Gott  hat  Weisheit  den  Weisen  gegeben,  u.  diese 
sitzen  u.  sprechen  davon  in  den  Synagogen  u.  Lehrhäusern.  ||  Ferner  s.  bei  Mt  25, 29. 

13,  12  $B:  Wer  nicht  hat,  von  dem  wird  genommen  werden, 

was  er  hat. 
GnR20(13^):  R.  Acha (um  320)  u.R.  Asi (um 300) haben  im  Namen  des  R. Hoscha  ja 
(um  225;  so  lies;  Bacher,  Pal.  Amor.  1,  102.  3)  gesagt:  Gott  sprach  zur  Schlange:  Ich 
hatte  dich  zum  König  über  das  Vieh  u.  das  Wild  gemacht,  aber  du  hast  nicht  gewollt; 
ich  hatte  dich  geschaffen,  daß  du  in  aufrechter  Haltung  einhergehen  solltest  wie  der 
Mensch,  aber  du  hast  nicht  gewollt,  so  wirst  du  auf  deinem  Bauche  einhergehn;  ich 
hatte  dich  geschaffen,  daß  du  Speisen  wie  der  Mensch  essen  solltest,  aber  du  hast  nicht 
gewollt,  so  wirst  du  Staub  alle  Tage  deines  Lebens  essen.  Du  wolltest  Adam  töten 
u.  die  Eva  heiraten;  bei  deinem  Leben!  ,Ich  werde  Feindschaft  setzen  zwischen  dir  u. 
dem  Weibe"  (Gn  3,  15).  Hierauslerne:  was  sie  begehrte,  wurde  ihr  nicht  gegeben,  u. 
was  in  ihrer  Hand  war,  wurde  von  ihr  genommen  i^v-o  5ü-d  n*3a  nni.  Ebenso  finden 
wir  es  bei  Qain,  Qorach,  Bilfam,  Doeg,  Achithophel,  Gehazi,  Absalom,  Ädonijjahu, 
?Uzijjahu  u.  Haman:  was  sie  begehrten,  wurde  ihnen  nicht  gegeben,  u.  was  in  ihrer 
Hand  war,  wurde  von  ihnen  genommen.  Parallelstellen:  TSotai,  17 — 19  (301);  Sota9''.  || 
TSota4,  16  (301):  Wie  (die  ehebrecherische  Frau)  dem  Ehemann  verboten  ist  (zur  Fort- 


662  xMatth  13, 13.  14f. 

Setzung  der  Ehe),  so  ist  sie  dem  Buhlen  verboten  (zur  Eingehung  der  Ehe),  weil  sie 
ihre  Augen  auf  einen  gelenkt  hat,  der  ihr  nicht  bestimmt  ist.  Was.  sie  begehrte,  wird 
ihr  nicht  gegeben,  u.  was  sie  in  ihrer  Hand  hatte,  wird  von  ihr  genommen.  —  Dasselbe 
als  Bar  Sota  9''  mit  dem  Zusätze:  Denn  von  jedem,  der  seine  Augen  auf  etwas  lenkt, 
was  ihm  nicht  gehört,  gilt:  was  er  begehrt,  gibt  man  (=  Gott)  ihm  nicht,  u.  was  in 
seiner  Hand  ist,  nimmt  man  von  ihm. 

13,13:  Weil  sie  sehend  nicht  sehen  u.  hörend  nicht  hören 

noch  verstehen. 

Chagl2''Bar:  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Wehe  den  Menschen,  die  sehen  u.  nicht 
wissen,  was  sie  sehen;  die  stehen  und  nicht  wissen,  worauf  sie  stehen!  1|  GnR  91  (57*=): 
„Jakob  sah,  daß  Getreide  in  Ägypten  war"  Gn  42,  1.  Wie,  war  denn  Jakob  in  Äg., 
daß  er  das  Getreide  in  Äg.  sah,  weil  die  Schrift  sagt:  Er  sah,  daß  Getreide  in  Äg. 
war?  Und  hat  er  nicht  zu  seinen  Söhnen  gesagt:  , Siehe,  ich  habe  gehört,  daß  Getreide 
in  Äg.  ist"  Gn42,  2?  Allein  von  dem  Tage  an,  da  Joseph  gestohlen  war,  war  der 
heilige  Geist  (^=  Geist  der  prophetischen  Begabung)  von  Jakob  gewichen,  so  daß  er 
sah  u.  nicht  sah,  hörte  u.  nicht  hörte  !•?:■•:;  ■u'si  yij";»'!  ns-i^  i:'si  nsi-. 

13,  14f.:  Jes6,  9f.  in  der  rabbinischen  Literatur. 

M^kh  Ex  19,  2(69''):  R.  El?azar  b.  Jose  (um  180)  trug  öffentlich  vor:  , Sooft  man 
sie  bedrängte,  empfand  er  (Gott)  selbst  Bedrängnis"  Jes63,  9;  u.  er  sprach:  „Doch 
mein  Volk  sind  sie"  Jes  63,  8.  Wie,  war  es  denn  nicht  vor  ihm  offenbar,  daß  sie  ihn 
täuschen  würden?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „dennoch"  is;  es  war  ihm  offenbar.  Und 
was  wollen  nun  die  Worte  sagen:  „Ich  will  ihnen  zum  Helfer  werden"?  (so  zitiert  der 
Midr  Jes63, 8).  Er  will  sagen:  Nicht  wie  Menschenkindern,  die  Verdruß  bereiten  werden, 
will  ich  ihnen  helfen,  sondern  wie  M.,  die  dereinst  in  Ewigkeit  nicht  an  ihm  treulos 
handeln  werden.  (Gott  errettet  also  Israel  in  der  Gegenwart  trotz  aller  Untreue,  weil 
er  auf  die  zukünftige  Treue  hinausblickt.)  Ebenso  heißt  es:  „Sie  beredeten  ihn  mit 
ihrem  Munde,  mit  ihrer  Zunge  logen  sie  ihm.  Ihr  Herz  war  aber  nicht  fest  an  ihm 
u.  sie  hielten  nicht  treu  an  seinem  Bund"  Ps78,  3Hf.  Und  trotzdem  heißt  es  daselbst 
(Vers  38):  „Aber  er  ist  barmherzig,  sühnt  Missetat"  (wiederum  weil  er  die  spätere 
Umkehr  sieht).  Ferner  heißt  es:  „Mache  das  Herz  dieses  Volkes  stumpf  u.  beschwere 
seine  Ohren  u.  verstreiche  seine  Augen,  daß  es  nicht  sehe  mit  seinen  Augen  u.  mit 
seinen  Ohren  höre  u.  sein  Herz  Einsicht  gewinne;  kehrt  es  aber  um,  so  wird  ihm 
Heilung"  Jes  6,  10  (so  der  Midr).  Kehrt  es  in  Buße  um:  die  Worte  wollen  bewirken, 
daß  es  umkehrt  u.  ihm  Heilung  wird.  |l  RH  17'':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Groß 
ist  die  Buße,  denn  sie  zerreißt  den  Gerichtsbeschluß  (Gottes)  über  einen  Menschen; 
s.:  „Mache  das  Herz  dieses  Volkes  stumpf  usw.  .  .  .,  u.  kehrt  es  um  (in  Buße),  so  wird 
ihm  Heilung"  Jes  H,  10.  Rab  Papa  (f  376)  sagte  zu  Abaje  (f  338/39):  Vielleicht  bezieht 
sich  das  auf  die  Zeit  vor  der  Fassung  des  (göttlichen)  Gerichtsbeschlusses.  Er  ant- 
wortete: Es  steht  geschrieben:  „und  es  wird  ihm  Heilung  (Milderung)".  Was  bedarf 
der  Milderung?  Sage:  Das  ist  der  Gerichtsbeschluß  (also  war  er  bereits  gefaßt).  || 
M®gl7'':  Aus  welchem  Grunde  hat  man  die  Benediktion  r.zwr  („Buße",  die  5.  Bitte 
des  Achtzehn-Gebets)  nach  der  Benediktion  -r:  (Erkenntnis,  Einsicht)  gesagt?  Weil 
es  heißt:  „Sein  Herz  wird  Einsicht  gewinnen,  daß  es  umkehrt  u.  ihm  Heilung  wird" 
Jes  6,  10.  Wenn  dem  so  ist,  dann  sollte  man  die  Benediktion  nsiE-  „Heilung"  (Nr.  8) 
gleich  nach  r,zrvr  sagen.  Meine  das  nicht;  denn  es  heißt:  „Er  soll  umkehren  zu  Jahve, 
80  wird  er  sich  sein  erbarmen,  u.  zu  unsrem  Gott,  denn  er  will  reichlich  vergeben" 
Jes  55,  7.  Aber  warum  stützest  du  dich  gerade  auf  diese  Stelle?  Stütze  dich  auf  jene, 
Jes  ß,  10.  An  einer  andren  Stelle  steht  geschrieben:  „Der  dir  alle  deine  Sünde  vergibt, 
der  Heilung  schafft  all  deinen  Gebrechen,  der  ausder  Grube  dein  Leben  erlöst"  Ps  103, 3 f.; 
man  sollte  also  nVris?  „Erlösung"  (Nr.  7)  u.  hn-e-^  (Nr.  8)  nach  der  rrn-^o  „Vergebung" 
Nr.  6)  sagen.  Aber  es  heißt:  „Er  kehrt  um  u.  es  wird  ihm  Heilung"  Jes  6,  10.  Diese 
Heilung  (in  Jes  6,  10)  meint  nicht  eine  H.  der  Krankheiten  (wie  die  naiB-),   sondern 


Matth  13,  14f.  16  663 

eine  H.,  die  in  der  Vergebung  rtn^Vo  besteht.  ||  Seder  ElijR  16  (82):  (Ein  Gelebrten- 
schüler  fragt  den  im  großen  Lehrhaus  zu  Jerusalem  erscheinenden  Propheten  Elias:) 
Rabbi,  wodurch  unterscheidet  sich  Jesaja,  der  Sohn  des  Amo9,  von  allen  übrigen  Pro- 
pheten, die  alle  Güter  u.  Tröstungen  Israel  ge weissagt  haben?  Ich  (Elias)  antwortete 
ihm:  Mein  Sohn,  weil  er  die  Herrschaft  des  Himmels  (Gottes)  mit  Freude  auf  sich 
genommen  hat,  vgl.  Jes  6,  8ff.:  „Da  hörte  ich  die  Stimme  Jahves  sprechen:  Wen  soll 
ich  senden  u.  wer  wird  ausgehen?  Da  sagte  ich:  Siehe,  da  bin  ich,  sende  mich!  Und 
er  sprach:  Gehe  hin  u.  sage  zu  diesem  Volke  da:  Höret  nur  immerzu  u.  versteht's 
nicht,  u.  sehet  immerfort,  aber  merket's  nicht.  Mache  das  Herz  dieses  Volkes  stumpf 
u.  beschwere  seine  Ohren  u.  verstreiche  seine  Augen,  daß  es  nicht  sehe  mit  seinen 
Augen  u.  mit  seinen  Ohren  höre  u.  sein  Herz  verstehe,  so  daß  es  umkehrte  (in  Buß- 
fertigkeit) u.  ihm  Heilung  würde."  —  Wie,  wolltest  du  etwa  meinen,  daß  Gott  kein 
Wohlgefallen  an  der  bußfertigen  Umkehr  Israels  habe  (wie  es  die  Schlußworte  der 
J^sajastelle  zu  besagen  scheinen)?  Das  sei  ferne.  Gleich  einem  König  von  Fleisch  u. 
Blut,  dessen  einziger  Sohn  in  einer  Provinz  weilt.  Er  schickt  einen  Gesandten  an  ihn 
u.  läßt  ihm  sagen:  Schlachte  viele  Ochsen,  iß  Fleisch  u.  viele  Lämmer  u.  trinke  viel 
Wein!  Da  fing  er  (der  Sohn)  an  zu  schlafen  u.  wurde  träge  in  der  Bearbeitung  der 
Äcker  u.  Rieselfelder.  Und  das  alles  (war  vom  König  befohlen  worden  doch  nur) 
damit  der  Sohn  des  Königs  hinausgehe,  um  mit  ihm  (dem  Gesandten)  die  Arbeit  auf 
dem  Felde  zu  verrichten,  u.  damit  sein  Vater  käme  u.  an  ihm  Befriedigung  fände. 
Allein  Gott  weiß,  daß  Jesaja  die  Antwort  nicht  an  ihrer  (richtigen)  Stelle  wiedergegeben 
hat.  In  der  Tat,  von  denen,  über  die  es  heißt:  „Frei  offen  soll  Jerusalem  liegen  vor 
Menge  an  Menschen  u.  Vieh  in  ihrem  Innern;  u.  ich  will  ihr  sein  zur  feurigen  Mauer 
ringsum"  Sach2,  8f.;  über  die  es  weiter  heißt:  „Wiederum  werden  sitzen  Greise  u. 
Greisinnen  auf  den  Plätzen  Jerusalems"  Sach  8,  4  —  von  denen  sollte  Gott  auf  die 
Frage:  „Bis  wie  lange,  Jahve?"  Jesu,  11  gesagt  haben:  „Bis  daß  die  Städte  verheert 
sind  bewolmerlos  u.  die  Häuser  menschenleer"?!  Fürwahr  der  Mensch  muß  wissen, 
vor  wem  er  steht,  u.  was  er  sagen  soll  vor  dem,  der  größer  ist  als  er  selbst!  Die 
Gelehrten  haben  gelehrt  (Aboth  4,  18):  „Suche  deinen  Genossen  nicht  zu  besänftigen 
in  der  Stunde  seines  Verdrusses."  —  Die  Meinung  der  Stelle  geht  dahin,  daß  Jes.  Gott 
mißverstanden  u.  Gottes  Worte  in  ihr  Gegenteil  verkehrt  habe,  gerade  so  wie  es  der 
Gesandte  im  Gleichnis  mit  den  Worten  des  Königs  tat:  während  Gottes  Auftrag  an. 
Jes.  die  Herbeiführung  bußfertiger  Gesinnung  auf  selten  Israels  bezweckte,  verkehrte 
Jes.  durch  Mißverständnis  der  göttlichen  Antwort  (in  Vers  11)  Gottes  Worte  dahin, 
daß  die  Verstockung  Israels  in  Unbußfertigkeit  als  beabsichtigter  Zweck  (in  Vers  10) 
erscheint.  ||  Diese  Stellen  zeigen,  daß  die  alte  Synagoge  Jes  6,  10  nicht  von  einem 
Gottesgericht  zur  Verstockung  Israels  verstanden  hat;  das  letzte  Zitat  polemisiert  aus- 
drücklich gegen  solche  Auffassung.  Dementsprechend  wird  der  mit  seinem  n-:-*-  an 
u.  für  sich  zweideutige  Targum  zu  Jes  6,  10  so  wiederzugeben  sein:  Mache  stumpf  das 
Herz  dieses  Volkes  u.  schwer  seine  Ohren  u.  dunkel  seine  Augen,  ob  sie  nicht  viel- 
leicht s'^Vri  mit  ihren  Augen  sehen  u.  mit  ihren  Ohren  hören  u.  mit  ihrem  Herzen 
aufmerken  u.  umkehren  möchten,  daß  ihnen  vergeben  werden  könnte. 

13,16:  Selig  eure  Augen,  daß  sie  sehen,  u.  eure  Ohren. 

daß  sie  hören. 
Man  preist  selig  den,  der  Großes  sieht,  Herrliches  erlebt,  Schönes 
sagt,  Segen  wirkt  u.  dgl, 

PsSal4,  23:  Selig  fiaxägioi,  die  den  Herrn  in  ihrer  Unschuld  fürchten.  |ö,  16: 
Selig  fxuxÜQiog,  dessen  Gott  in  hinreichendem  Maße  gedenkt.  |  6,  1 :  Selig  fiaxdQiog  der 
Mann,  dessen  Sinn  bereit  ist,  des  Herrn  Namen  anzurufen.  |  17,44:  Selig  uccxagtog, 
wer  in  jenen  (messianischen)  Tagen  leben  wird  u.  schauen  darf  das  Heil  Israels. 
Ähnlich  18,  6;  s.  auch  10, 1.  —  H  Als  R.  El?azar  b.  gArakh  (um  90)  u.  R.  J%oschua? 
b.  Chananja  (um  90)  unter  Anteilnahme  der  oberen  Welt  einen  Vortrag  über  die  Vv^'agen- 


664  ^latth  13,  It).  17.  18 

ersclieinung  Ezechiels  gehalten  haben,  ruft  ihr  Lehrer  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai 
tt  um  80)  Chag  14 '^  aus:  Heil  dir  t^»s,  Abraham,  unser  Vater,  daß  El'azar  b.  cArakh 
aus  deinen  Lenden  hervorgegangen  ist!  Heil  euch  u.  Heil  eurer  Mutter!  Heil  meinen 
Augen,  daß  sie  solches  sahen  is-  ']5iä  -j-y  — üs  =:r-:"':v  — rsi  s:— i's!  ||  Joma  8,  9: 
R.  cAqiba  (tum  135)  hat  gesagt:  Heil  euch  =:--ün,  Israel!  vor  wem  steht  ihr  rein  da 
u.  wer  ist  es,  der  euch  reinigt?  Euer  Vater  im  Himmel.  ||  'Er  öS'':  (R.  J*'hoschuaJ.  um  90, 
küßt  einen  Knaben,  der  eine  kluge  Rede  geführt  hat,  mit  den  Worten:)  Heil  euch, 
Israeliten!  denn  ihr  seid  alle  große  Gelehrte  von  den  Gro(^en  an  bis  hin  zu  den  Kleinen.  || 
Joma87^:  Heil  den  Gerechten  c^p'nu';  sn^i^s!  Nicht  genug,  daß  sie  selbst  Verdienste 
besitzen,  sie  erwerben  auch  Verdienste  für  ihre  Kinder  u.  Kindeskiuder  bis  ans  Ende 
aller  Geschlechter.  .  .  .  Wehe  den  Gottlosen  a*y;a-'"5  an'5  --s!  Nicht  genug,  daß  sie  sich 
selbst  verschulden,  sie  laden  auch  Schuld  auf  ihre  Kinder  u.  Kindeskinder  bis  ans  Ende 
aller  Geschlechter.  ||  Nach  der  Bar  JomaSrt'*  sagen  die  Leute  von  einem  wohlgesitteten 
Torabeflissenen:  Heil  seinem  Vater,  der  ihn  Tora  lernen  ließ;  Heil  seinem  Lehrer,  der 
ihn  Tora  lehrte!  |i  Apok  Bar  54,  10:  Heil  meiner  Mutter  unter  denen,  die  geboren  haben, 
u.  gepriesen  sei  unter  den  Weibern  sie,  die  mich  geboren  hat.  i|  TanchB  "-z-'^iz  §  14  (7  a): 
,Er  umgab  ihn,  hatte  auf  ihn  acht,  behütete  ihn  wie  seinen  Augapfel"  Dt  32, 10.  Was 
heißt:  ,er  umgab  ihn"?  Er  umringte  ihn  mit  den  Wolken  der  Herrlichkeit;  „er  hatte 
auf  ihn  acht",  er  gab  ihnen  Einsicht  in  die  Worte  der  Tora;  ,er  behütete  ihn",  selig 
die  Ohren,  die  hörten.  —  Ferner  s.  bei  Mt  5,  3  Nr.  1 ;  Lk  1 1,  27. 

13,  17:  Viele  Propheten  u.  Gerechte  begehrten  zu  sehen  .  .  . 
u.  haben  nicht  gesehen. 
M''kh  Ex  15,2(44a):  , Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich  rühmen"  Ex  15,2.  R.  Eli?ezer 
(um  90)  sagte:  Woher  kann  man  sagen,  daß  eine  Magd  am  Meer  gesehen  hat,  was 
weder  Ezechiel  noch  alle  übrigen  Propheten  gesehen  haben?  Weil  es  von  diesen  heißt: 
,In  Gleichnissen  redete  ich  durch  die  Propheten"  Hos  l'i,  11 ;  u.  ferner  heißt  es:  „Der 
Himmel  tat  sich  auf  u.  ich  sah  göttliche  Gesichte"  Ez  1,  1.  Gleich  einem  König  von 
Fleisch  u.  Blut,  der  in  eine  Stadt  kam;  ein  Kreis  von  Menschen  umgab  ihn,  Helden 
zu  seiner  Rechten  u.  zu  seiner  Linken,  Truppen  vor  ihm  u.  hinter  ihm;  alles  fragt: 
Welches  ist  der  König?  Denn  er  ist  Fleisch  u.  Blut  wie  jene  (die  ihn  umgeben  u.  ohne 
weiteres  nicht  von  diesen  zu  unterscheiden).  Aber  als  sich  Gott  am  Meer  offenbarte, 
hatte  keiner  von  ihnen  zu  fragen:  Welches  ist  der  König?  Sondern  als  sie  ihn  sahen, 
erkannten  sie  ihn,  u.  alle  hoben  an  u.  sprachen:  »Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich 
rühmen!"  —  Eine  ähnliche  Ausführung  liest  man  von  R.  Hoscha?ja  (wohl  der  IL  ge- 
meint, um  300)  DtR  7  (204  <^)  u.  von  R.  B^reklija  (um  340)  ExR  23  (85«).  ü  Targ  Jerusch  I 
Nu24,  o:  Ausspruch  Bilfams,  Sohns  des  B"^?or,  u.  Ausspruch  des  Mannes,  der  geehrter 
ist  als  sein  Vater:  denn  die  verborgenen  Geheimnisse,  was  vor  den  Propheten  verhüllt 
war,  wurde  ihm  offenbart.  —  Ähnlich'so  das.  Vers  4  u.  15.  |j  M^'kh  Ex  19,  1 1  (72^):  ^Am 
dritten  Tage  wird  Jahve  vor  den  Augen  des  ganzen  Volkes  herabkommen"  Ex  19, 11, 
das  lehrt,  daß  sie  in  jener  Stunde  gesehen  haben,  was  Ezechiel  u.  Jesaja  niclit  gesehen 
hat;  s.  Hos  12,11:   „In  Gleichnissen  redete  ich  durch  die  Propheten." 

13,18:  Ihr  nun  höret  das  Gleichnis  vom  Säemann. 
.  Trotz  der  großen  Fülle  von  Gleichnissen  in  der  rabbin.  Literatur 
wird  eine  ausdrückliche  Auslegung  der  einzelnen  Züge  eines  Gleich- 
nisses verhältnismäisig  sehr  selten  gegeben.  Meist  begnügt  man  sich 
damit,  den  Hauptgedanken  der  Parabel  bei  der  Anwendung  nachklingen 
zu  lassen,  indem  man  die  Einzeldeutung  dem  Hörer  überläßt. 

Ausgeführte  Beispiele:  MidrQohö,  11:  R.  B'rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Ein 
Gleichnis.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König,  der  einen  Garten  hatte, 
den  er  seinem  Solin  übersah.   Wenn  sein  Sohn  seinen  Willen  tat,  achtete  der  König 


Mattli  13,  18. 19  (Sl.  JB)  665 

darauf,  wo  sich  eine  schöne  Pflanze  in  der  Welt  befand;  sie  pflanzte  er  dann  im  Garten 
seines  Sohnes  an.  Wenn  aber  sein  Sohn  nicht  seinen  Willen  tat,  achtete  er  darauf, 
welche  Pflanze  schön  u.  henlich  im  Garten  war;  die  riß  er  dann  aus.  Der  König,  das 
ist  Gott;  der  Garten,  das  ist  die  Welt,  nach  andren  Israel.  Wenn  diese  den  Willen 
Gottes  tun,  achtet  er  darauf,  wer  ein  Gerechter  unter  den  Völkern  der  Welt  ist,  wie 
zB  Jethro,  Rahab,  Ruth  u.  Antoninus  (der  Freund  Rabbis);  einen  solchen  bringt  er 
dann  u.  schliefat  ihn  (als  Proselyten)  an  Israel  an.  Wenn  diese  aber  nicht  seinen  Willen 
tun,  hat  er  darauf  acht,  wer  ein  Gerechter  in  Israel  ist,  u.  den  nimmt  er  dann  von 
ihnen  (durch  den  Tod).  —  pB'^rakh  2,  5'',  65  verwendet  bereits  Resch  Laqisch  (um  250) 
dies  Gleichnis  in  einer  Leichenrede  auf  R.  Chijja  b.  Ad(d)a,  den  Nefi"en  des  Bar  Qappara. 

NuR  16  (180'^):  R.  Acha,  der  Ältere,^  eröffnete  seinen  Vortrag  mit:  , Verdorrt  ist 
das  Gras,  verwelkt  die  Blume;  aber  das  Wort  unseres  Gottes  wird  ewiglich  bestehn* 
.fes  40,  8.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  Könige,  der  einen  Freund  hatte. 
Er  vereinbarte  mit  ihm  u.  sprach:  Geh  mit  mir,  so  wei-de  ich  dir  ein  Geschenk  geben. 
Er  ging  mit  ihm,  starb  aber.  Der  König  sprach  zu  dem  Sohn  seines  Freundes:  Obwohl 
dein  Vater  gestorben  ist,  so  will  ich  doch  von  dem  Geschenk,  das  ich  ihm  versprochen 
habe,  nicht  zurücktreten;  komm  u.  nimm  du  es  in  Empfang.  Ebenso  verhält  es  sich 
hiermit  (oder:  so  ist  die  Bedeutung  -'^-•n  -,d):  der  König,  das  ist  der  König  aller  Könige, 
u.  der  Freund  ist  Abraham,  s.  Jes  41,8;  Gott  sprach  zu  ihm:  Komm,  gehe  mit  mir,  s. 
Gn  12, 1  ;  er  vereinbarte  mit  ihm,  ihm  ein  Geschenk  zu  geben,  s.  Gn  13,  15.  17.  Gott 
sprach  zu  Mose  (=  Sohn  im  Gleichnis):  Obwohl  ich  mit  den  Vätern  vereinbart  habe, 
ihnen  das  Land  zu  geben,  u.  sie  gestorben  sind,  so  trete  ich  doch  nicht  zurück,  vielmehr 
, das  Wort  unsres  Gottes  wird  ewiglich  bestehn"  Jes  40,  8.  j!  Midr  Qoh  5,  10  (28*):  Der 
Patriarch  R.  J'huda  (I.  oder  IL?)  sagte  ein  Gleichnis.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen? 
Mit  einem  König,  der  einen  Weinberg  hatte,  den  er  einem  Pächter  übergab.  Der  König 
sprach  zu  seinen  Knechten:  Geht,  leset  meinen  Weinberg  u.  nehmt  meinen  Teil  u.  legt 
den  Teil  des  Pächters  an  seinen  Ort!  Sie  gingen  sofort  u.  taten  nach  dem  Wort  des 
Königs.  Da  fing  jener  Pächter  an  zu  schreien  u.  zu  weinen.  Der  König  sprach  zu  ihm: 
Habe  ich  denn  irgendetwas  von  dem  Deinigen  genommen?  Habe  ich  denn  nicht  von 
dem  Meinigen  genommen?  Er  antwortete:  Mein  Herr  König,  solange  dein  Teil  bei 
meinem  Teil  war,  war  mein  Teil  gesichert  vor  Raub  u.  Diebstahl;  jetzt  da  du  dein  Teil 
dahingenommen  hast,  siehe,  liegt  mein  Teil  da  zu  Raub  u.  Diebstahl.  Der  König,  das 
ist  der  König  aller  Könige,  Gott;  der  Pächter,  das  ist  der  Vater  u.  die  Mutter  eines 
Menschen.  Solange  die  Seele  (=  Gottes  Anteil)  im  Menschen  ist,  bleibt  dieser  erhalten; 
wenn  er  aber  stirbt,  siehe,  so  ist  er  für  die  Made  u.  das  Gewürm  da,  s.  Hi  25,  6.  ||  Weitere 
Beispiele  P'^siqR  10  (35b);  ExR  20  (82a);  ferner  s.  TanchB  m^j^a  §  10  bei  Mt  13, 38;  Tanch 
-i'sN  178a  bei  Mt  18,27;  Tanch  srr  -r  110»  im  Exkurs:  Gleichnis  von  den  Arbeitern  im 
Weinberg  Nr.  8. 

1'^,  19  91:  Jeder  der  das  Wort  vom  Reiche  hört.  .  .  . 
Zu  den  vier  Klassen  von  Hörern  in  Mt  13,  19 — 23  vgl.  Aboth  5, 15: 
Vier  Arten  gibt  es  unter  den  vor  den  Gelehrten  (als  Schüler)  Sitzenden: 
Schwamm,  Trichter,  Seiher  u.  Sieb.  Dem  Schwamm  gleicht,  wer  alles 
aufsaugt;  dem  Trichter,  wer  auf  der  einen  Seite  aufnimmt  u.  auf  der 
apdren  hinausläßt;  dem  Seiher,  wer  den  Wein  hinausläM  u.  die  Hefe 
zurückbehält;  dem  Sieb,  wer  das  Staubmehl  hinausläßt  u.  das  Kraft- 
mehl zurückbehält. 

13,19  35:  Kommt  der  Böse. 

0  TTovrjQÜg  =  isj-in;  dies  war  im  Rabbin.  keine  gangbare  Bezeichnung 
des  Satans;  s.  S.  422  f.  bei  Mt  6,  13. 

1  Wohl  der  um  320  n.  Chr.  lebende  Gelehrte,  Bacher,  Pal.  Amor.  3,  157. 


666  Matth  13,21.22 

13,  21  31:  Er  hat  keine  Wurzel  in  sich. 

Sir  40,  15  (hebr.):  Die  Wurzel  des  Ruchlosen  liegt  auf  einer  Felsen- 
klippe (u.  vergeht),  rbo  -(Tü  h-j  r;2n  tuiiü:.  Vgl.  auch  Sir  23,  25;  Weish  4,  3. 

13,21  Sß:  Wenn  Trübsal  oder  Verfolgung  um  des  Wortes 
willen  entsteht,  nimmt  er  sofort  Anstoß. 

NuR  16  (ISl'^):  In  bezug  auf  jenes  Geschlecht  (von  Nu  14,1)  hat  Jesaja  gesagt: 
,Am  Tage  deines  Pflanzens  umzäuntest  du  es,  u.  am  Morgen  brachtest  du  deine  Saat 
zur  Blüte"  Jes  17,  11,  d.  i.  an  dem  Tage,  da  er  gedachte  euch  in  das  Land  zu  pflanzen, 
seid  ihr  zu  Schlacken  a";-c  (Deutung  von  'i-visr  Jes  17, 11)  geworden;  ,u.  am  Morgen 
brachtest  du  deine  Saat  zur  Blüte",  bevor  die  Hitze  a^aj  kam,  blühtet  ihr.  .  .  . 

13,22:   Die  Sorge   der  Weltzeit  u.  der  Betrug  des  Reichtums 

erstickt  das  Wort. 

Be^a  15b  Bar:  Einmal  saß  R.  Elifezer  (um  90)  u.  trug  den  ganzen  Tag  hindurch  die 
den  Festtag  betreffenden  Halakhoth  vor.  Die  erste  Schar  (seiner  Zuhörer)  ging  fort 
(weil  ihnen  der  Vortrag  zu  lang  wurdej.  Er  sprach:  Das  sind  die  Besitzer  von  Tonnen. 
Als  die  zweite  Schar  fortging,  sagte  er:  Das  sind  die  Besitzer  von  Fässern.  Von  der 
dritten  Schar  sagte  er:  Das  sind  die  Besitzer  von  Krügen;  von  der  vierten  Schar  sagte 
er:  Das  sind  die  Besitzer  von  Flaschen;  von  der  fünften  Schar  sagte  er:  Das  sind  die 
Besitzer  von  Bechern.  Als  auch  die  sechste  Schar  fortzugehn  anfing,  sagte  er:  Das 
sind  die  Besitzer  des  Fluches  (der  Armut).  Er  richtete  seine  Augen  auf  seine  Schüler, 
deren  Mienen  sich  zu  verändern  anfingen,  u.  sprach:  Meine  Kinder,  nicht  von  euch  rede 
ich,  sondern  von  denen,  die  fortgegangen  sind,  die  das  Leben  der  Ewigkeit  dahinten 
lassen,  um  sich  mit  dem  Leben  der  flüchtigen  Stunde  zu  befassen.  (Je  mehr  Wohl- 
habenheit im  Hause,  desto  früher  verläßt  man  die  gottesdienstlichen  Vorträge,  um  das 
festliche  Mahl  daheim  zu  bereiten  u.  die  bVeuden  derTafel  zu  genießen.)  —  Die  Wendung: 
„Das  Leben  der  Ewigkeit  dahinten  lassen,  um  sich  mit  dem  Leben  der  flüchtigen  Stunde 
zu  befassen"  findet  sich  im  Munde  des  R.  Schim?ou  b.  Jochai  (um  150)  Schab  33'^;  im 
Munde  des  R.  Jochanan  (f  279)  Tafan  21«;  im  Munde  Rabas  (t  352)  Schab  lO'*.  —  Den 
Gegensatz  von  c^'-j  -'-  u.  ~yv  --n  verwendet  auch  R.  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140) 
pB^rakh  3,  6^,  17.  —  R.  Pin^chas  b.  Jair  i  (um  200)  stellt  Midr  HL  1,  1  (79'^)  gegenüber: 
„Das  Leben  der  flüchtigen  Stunde  dieser  Welt"  u.  „Das  Leben  der  zukünftigen  Welt".  |j 
Git7C:  Von  8  Dingen  ist  ein  großes  Maß  schädlich  u.  ein  geringes  Maß  zuträglich: 
Wandern,  Beischlaf,  Reichtum,  Arbeit,  Wein,  Schlaf,  warmes  Wasser  (als  Bad  u.  Trank) 
u.  Aderlaß.  —  Raschi  bemerkt  in  bezug  auf  großen  Reichtum:  er  läßt  das  Torastudium 
vernachlässigen  u.  macht  das  Herz  hochmütig.  ll  Joma35'':  Der  Arme  u,  der  Reiche 
kommen  in  Gottes  Gericht.  Beide  fragt  man :  Warum  hast  du  dich  nicht  mit  der  Tora 
beschäftigt?  Antwortet  der  Arme:  Ich  mußte  mich  um  meinen  Lebensunterhalt  be- 
mühen, so  verweist  man  ihn  auf  Hillel  u.  dessen  Armut.  Antwortet  der  Reiche:  Ich 
mußte  mich  um  meine  Güter  bemühen,  so  verweist  man  ihn  auf  R.  Elfazar  b.  Charsom  u. 
dessen  Reichtum.  —  Die  ganze  Stelle  s.  S.650  bei  Mt  12,41.  |i  ExR  31  (91^j:  Als  Salomo 
den  Tempel  erbaut  hatte,  sprach  er  in  seinem  Gebet  zu  Gott:  Herr  der  Welt,  wenn 
ein  Mensch  zu  dir  betet,  daß  du  ihm  Vermögen,  '•'r:^,  geben  möchtest,  u.  du  weißt,  daß 
es  ihm  schädlich  ist,  so  gib  es  ihm  nicht.  Wenn  du  aber  siehst,  daß  einem  Menschen 
sein  Reichtum  zuträglich  ist,  so  gib  ihm.  i;  Aboth  4,9:  R.  Jonathan  ^  sagte:  Wer  die  Tora 
in  Armut  hält,  wird  sie  schließlich  in  Reichtum  halten;  wer  die  Tora  im  Reichtum 
vernachlässigt,  wird  sie  schließlich  in  Armut  (d.  h.  vor  Armut)  vernachlässigen. 


*  Bacher,  Tann.  2,  499.  2;  Amor.  Ü,  335.  9  will  Pin'^'chas  b.  Chama  (um  360)  lesen. 
2  Es  scheint  der  um  140  n.Chr.  le.bende  Schüler  des  R.  Jischma^el  gemeint  zu  sein; 
s.  Bacher.  Tann.  2,  354.  2. 


Matth  13,  25.  27  667 

13,  25  5t:  Während  die  Leute  schliefen,  kam  sein  Feind. 

M^kh  Ex  17,  S  (tiH):  R.  jehoschua?  (um  90)  u.  R.  El?azar  Chisma  (um  110)  haben 
gesagt:  Weil  sich  die  Israeliten  von  den  Worten  der  Tora  abgesondert  hatten,  kam 
?Amaleq  wider  sie;  denn  der  Feind  kommt  nur  wegen  der  Sünde  u.  Übertretung.  — 
Andre  sagten:  Rephidim  Ex  17, 8  bedeutet  das  Erschlaffen  der  Hände  d-t  "vb^;  ^  weil  die 
Israeliten  ihre  Hände  von  den  Worten  der  Tora  abgezogen  hatten,  kam  der  Feind  wider  sie; 
denn  der  Feind  kommt  nur  wegen  des  Abziehens  der  Hände  von  der  Tora,  s  2  Chr  1  2,  1  f. 

eX^QÖ?  =  s:vr ,  Bezeichnung  des  bösen  Triebes  =  Satan;  s.  Exkurs:  Der  gute  u.  der 
böse  Trieb  Nr. 4,  h  (Sukka  52»);  Nr.  6,  f  (AbothRN  16;  SDt  11, 18  §45);  Nr.  7,  d  (GnR  54). 

13,25  S:  Er  säte  Lolch  inmitten  des  Weizens. 

Zi^äviov,  Lolch  oder  Tollkorn,  lolium  temulentum,  eine  Grasart,  die 
etwa  0,60  Meter  hoch  wird  u.  schwärzliche  Körner  bringt,  die  den 
Weizenkörnern  an  Größe  nachstehen.  Die  im  Altertum  verbreitete 
Meinung,  daß  der  Lolch  entarteter  Weizen  sei,  begegnet  auch  im 
Rabbin.  in  jener  haggadischen  Etymologie,  die  den  hebr.  Namen  -sit, 
aram.  nj^it,  mit  dem  Verbum  n:j   „buhlen"  in  Verbindung  bringt. 

Kil  1,1:  Weizen  u.  Lolch  tj^t  gelten  nicht  als  Mischsaaten  untereinander  (sie  werden 
also  nicht  als  verschiedene  Fruchtarten  gerechnet).  ]i  T°rum2,  H:  Bei  allem,  was  nicht 
Mischsaat  untereinander  ist,  darf  man  die  Hebe  vom  Besseren  für  das  Schlechtere 
absondern,  aber  nicht  vom  Schlechteren  für  das  Bessere.  Wenn  man  aber  (aus  Ver- 
sehen) die  Hebe  vom  Schlechteren  abgesondert  hat,  ist  die  Hebe  gültig,  nur  nicht, 
wenn  man  sie  von  Lolch  •^':^^  für  Weizen  abgesondert  hat,  da  jener  nicht  zur  Speise 
dient  (ungenießbar  ist).  11  GnR  28  (18a):  R.  ?Azarja  (um  380)  hat  im  Namen  des  R.Phuda 
b.  Simon  (um  320)  gesagt:  Alles  hatte  zur  Zeit  des  Flutgeschlechts  sein  Tun  verderbt. 
Der  Hund  begattete  sich  mit  dem  Wolf  u.  der  Hahn  mit  dem  Pfau;  das  meint:  „Alles 
Fleisch  hat  seinen  Weg  verderbt"  Gn6,12.  Alle  „Menschen"  haben  ihren  Weg  verderbt, 
steht  nicht  geschrieben,  sondern  alles  „Fleisch"  (also  auch  die  Tierwelt)  hat  seinen 
Weg  verderbt.  R.  Lulianai  b.  Tabrinai  (um  330)  hat  im  Namen  des  R.  Ji9chaq  (um  300) 
gesagt:  Auch  die  Erde  buhlte  nn:*:;  hatte  man  Weizen  in  sie  gesät,  so  brachte  sie  Lolch 
■j'jflT  hervor.  Dieser  Lolch  wächst  seit  der  Zeit  des  Flutgeschlechts.  ||  pKil  1,  26*^,  84: 
R.  Ba  b.  Zabda  (um  270)  hat  gesagt:  An  einigen  Orten  läßt  man  ihn  iden  Lolch)  für 
die  Tauben  stehn.  R.  Jona  (um  350)  hat  gesagt:  Der  Lolch  ist  eine  Art  Weizen;  aber 
auch  die  Früchte  buhlen,  s.:  „Damit  nicht  die  Erde  buhle"  Lv  19,  29  (so  der  Midr);  aus 
dieser  Stelle  sieht  man,  daß  die  Früchte  buhlen.  1|  NuR  4  (141t>):  Gott  sprach:  „Teuer 
bist  du  in  meinen  Augen"  Jes43,  4.  Allen  Völkern  der  Welt  habe  ich  keine  Zählung 
gegeben,  aber  dir  (Israel)  habe  ich  eine  Zählung  gegeben.  Gleich  einem'  König,  der 
viele  Tennen  hatte,  u.  alle  waren  befleckt  u.  voll  von  Lolch  c-:it,  darum  achtete  er 
nicht  auf  ihre  Zählung;  u.  er  hatte  Eine  Tenne;  er  sah,  daß  sie  schön  war;  er  sprach 
zu  seinem  Hausvogt:  Jene  Tennen  sind  befleckt  u.  voll  von  Lolch,  deshalb  achtete  ich 
nicht  auf  ihre  Zählung;  aber  bei  dieser  nimm  zur  Kenntnis,  wieviel  Kor  sie  enthält, 
wieviel  Säcke,  wieviel  Scheffel.  .  .  . 

13,27:  Die  Knechte  (Sklaven)  des  Hausherrn. 

olxo6sa7i6Ti]g  =  n":2n  bra,  meist  der  Haus-  oder  Grundbesitzer. 

Pea4, 1:  Der  Feldrand  wird  gegeben  von  dem,  was  am  Boden  haftet.  Vom  auf- 
gezogenen Wein  u.  von  der  Palme  nimmt  der  Besitzer  n-:n  '^ya  ab  u.  verteilt  es  an 
die  Armen.  |  5,  7:  Eine  Garbe,  die  die  Arbeiter  (auf  dem  Felde)  vergessen  haben,  aber 
nicht  der  Besitzer  r'ZT.  'sya,  oder  die  der  Besitzer  vergessen  hat,  aber  nicht  die  Arbeiter, 
oder   vor    welche   sich   die  Armen  gestellt  haben  oder  die  sie  mit  Stoppeln  bedeckt 

^  Notarikondeutung,  s.  Einl.  107  Nr.  SO. 


668  Matth  13,29.30.31  (3t) 

haben,  siehe,  die  gilt  nicht  als  Vergessenes.  —  D'^mai  5,  7:  Wer  vom  Besitzer  kauft  u. 
dann  noch  einmal  etwas  von  ihm  kauft,  darf  von  dem  einen  für  das  andre  verzehnten. 

13,29:  Damit  ihr  nicht,  wenn  ihr  den  Lolch  sammelt, 
zugleich  damit  den  Weizen  ausreißet. 

BQ  92^:  Raba  (t  352)  sagte  zu  Rabbah  b.  Mari  (um  820):  Aus  welcher  Schrift- 
stelle läßt  sich  das  Sprichwort  beweisen:  Mit  der  Unkrautsstaude  wird  der  Kohl  ge- 
züchtigt (=  ausgerissen;  Sinn:  der  Unschuldige  muß  mit  dem  Schuldigen  leiden)'?  Er 
antwortete:  Weil  geschrieben  steht:  , Warum  hadert  ihr  wider  mich?  Ihr  alle  habt 
an  mir  gefrevelt!"  Jer  2,  29.  („Ihr  alle",  also  auch  der  Prophet.)  Er  sprach  zu  ihm: 
Du  sagst  es  auf  Grund  dieser  Schrittstelle ;  ich  sage  es  auf  Grund  von:  „Wie  lange 
weigert  ihr  euch  meine  Gebote  u.  meine  Weisungen  zu  beobachten?"  Ex  16,  28.  («Ihr", 
also  auch  Mose  u.  Ahron  werden  zu  den  Widerspenstigen  gezählt.)  i]  BM  83  '^  s.  S.  672 
bei  Mt  13,  39  93. 

13,  30:  Bis  zur  Ernte.  Vgl.  Midr  Ps  8  §  1  (37^)  u.  Midr  HL  8,  14  Ende  bei  Vers  41 . 

13,  30:  Meine  Scheuer.    Hierzu  s.  bei  Mt  3,  12. 

13,31  3t:  Das  Himmelreich  ist  gleich  einem  Senfkorn. 

^('rairi,  aivamg   „Senf,  hebr.  b'i-in,  aram.  xb'^i-ir;. 

Die  Mischna  kennt  zwei  Senfsorten.  Kil  1,1:  Der  (gewöhnliche)  Senf  u.  der  ägyp- 
tische Senf  gelten  nicht  als  Mischsaaten  untereinander.  ||  Als  heterogen  werden  Senf  u. 
ein  Kraut  namens  icsV  (=  '/.«ipüi^?],  lapsana,  Andorn)  angesehen.  Kil  1,5:  Der  Senf  u. 
der  "Ci',  obgleich  sie  einander  ähnlich  sind,  sind  Mischsaaten  untereinander. 

Der  Senf  wurde  teils  als  Körnerfrucht,  teils  als  Gemüse  angebaut;  s.  zB  TMafas 
3,  7  (84):  Hatte  man  den  Senf  der  Körner  wegen  ausgesät  u.  sah  man  ihn  dann  als  Ge- 
müse (Grünkraut)  an,  so  müssen  die  Körner  u.  das  Kraut  verzehntet  werden.  |!  Die 
Körner  wurden  durch  Einlegen  oder  Versüßen  schmackhaft  gemacht;  als  besonderer 
Leckerbissen  galt  Ochsenzunge  in  S.  bereitet.  Doch  wird  vor  häufigem  Genuß  des  S. 
gewarnt.  Auch  als  Taubenfutter  fanden  die  Körner  Verwendung.  Von  der  Senfstaude 
wurden  namentlich  die  Blütenknospen  als  menschliche  Speise  hergerichtet.  Die  Blüten 
selbst  hatten  als  gefürchtetes  Bienenfutter  Ruf.  TSchab  8,  9  (120):  (Wer  am  Sabbat 
aus  einem  Bezirk  in  den  andren  hinausträgt)  Lauch,  Senf,  Lupinen  u.  alles,  was  sonst 
eingelegt  wird,  sei  es  nachdem,  sei  es  bevor  man  es  süß  gemacht  hat,  in  der  Größe 
einer  getrockneten  Feige  (der  macht  sich  der  Sabbatentheiligung  schuldig).  Vgl.  TMSch 
!,  13  (87).  !|  Schab  134''  Bar:  Man  darf  (am  Sabbat)  den  S.  nicht  in  seinem  Siebe  sieben, 
man  darf  ihn  nicht  durch  eine  Holzkohle  süß  machen.  Aber  in  einer  Bar  ist  doch  ge- 
lehrt worden:  Man  darf  ihn  durch  eine  Kohle  süß  machen!  Das  ist  kein  Widerspruch. 
In  dem  einen  Fall  handelt  es  sich  um  ein  glühendes  Metallstück  als  Kohle  u.  in  dem 
andren  um  eine  Holzkohle.  Vgl.  TJom  tob  3,  15  (206).  \\  NuR  13  (169^):  (R.  Sch^muel 
b.  Nachman,  um  260,  hat  gesagt:)  Alles,  was  in  den  sechs  Schöpfungstagen  geschaffen  ist, 
bedarf  der  Zubereitung,  der  Senf  zB.  bedarf  der  Versüßung.  —  Derselbe  Satz  im  Munde 
des  R.  Hoschafja  (um  225)  einem  Philosophen  gegenüber  GnR  11  (8'=).  11  BM  86^:  Warum 
holte  Abraham  drei'  Rinder?  Es  wäre  doch  an  einem  genug  gewesen!  Rab  Chanan 
b.  Rabba  (um  250)  hat  gesagt:  Um  ihnen  (den  drei  Männern  Gn  18,  1  f.)  drei  Zungen 
mit  Senf  als  Speise  vorzusetzen.  In  ChuUin  13:)'^  sagt  Raba,  f  352:  Wir  wollen  eine 
Zunge  in  S.  essen.  ||  B'^rakh40*:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer  S.  alle  dreißig 
Tage  einmal  zu  essen  pflegt,  hält  Krankheiten  von  seinem  Hause  fern,  aber  nicht, 
wer  ihn  täglich  ißt,  weil  er  schädlich  ist  in  bezug  auf  Schwächung  des  Herzens.  || 
TSchab  14,8  (131):  Man  darf  (am  Sabbat)  den  S.  von  einer  Stelle  nach  einer  andren 
schaffen,  weil  er  Futter  für  die  Tauben  ist.  —  Dasselbe  als  Bar  pSchab  18,  16",  27; 
Schab  128».  i|  TMafa§:^,7  (84):  R.  J^hoschuaf  (um  90)  hat  gesagt:  Mein  lebelang  hat 

'  Die  Zahl  drei  wird  gefolgert  aus  den  3  Adjektiven  Gnl8, 7. 


\ 
Matth  13,  31  (31.  S).  13,  32.  .33  (Nr.  1)  669 

sich  mein  Herz  nicht  erdreistet,  einem  Menschen  zu  sagen:  Geh,  pflücke  dir  die  Senf- 
knospen ab  u.  lege  sie  ein,  u.  du  bist  frei  von  der  Absonderung  der  Zehnten.  ||  Ma?as 
4,6:  Rabban  Gamliel  (um  90)  sagte:  Die  Blütenknospen  des  S.  sind  zehntpflichtig.  || 
BB  2,  10:  Man  muß  Senfaussaaten  von  Bienenstöcken  fernhalten  (weil  Bienen,  die  auf 
Senfblüten  gehen,  ihren  eignen  Honig  verzehren,  Raschi).  R.  Jose  (um  l-^iO)  erlaubte 
es  nach  BB  IS'"*,  weil  der  Besitzer  des  Senffeldes  zu  dem  der  Bienen  sagen  konnte: 
Statt  daß  du  zu  mir  sagst:  , Entferne  deinen  S.  von  meinen  Bienen",  entferne  du  deine 
Bienen  von  meinem  S. ;  denn  sie  kommen  u.  verzehren  die  Blüten  meines  S.  —  Dass.  BB  2b  •'. 

13,31  23:  Er  säte  es  auf  seinen  Acker. 

Der  Senf  wird  auch  von  der  Mischna  zu  den  Feldfrüchten  u.  nicht 
zu  den  Gartenfrüchten  gerechnet:  sein  Anbau  auf  Gartenbeeten  war 
geradezu  untersagt. 

Kil3,  2:  Alle  Arten  Feldsämereien  sät  man  nicht  auf  ein  (Garten-)Beet  u.  alle 
Arten  Gemüse  (Grünzeug)  sät  man  auf  ein  (Garten-)Beet.  Der  Senf  u.  die  kleinen 
Erbsen  sind  Feldsämereien,  die  große  Erbse  ist  eine  Gemüseart.  |i  TKil  *2,  8  (75):  Auch 
wenn  man  den  Senf  aussät,  um  ihn  als  Gemüse  zu  verwenden,  sät  man  ihn  doch  nicht' 
auf  ein  (Garten-)Beet. 

13,  32  51:  Das  zwar  das  Icleinste  ist  unter  allen  Samenkörnern. 

Die  geringfügigste  Quantität  pflegte  man  mit  der  Größe  eines  Senf- 
kornes zu  bezeichnen. 

pB<^rakh  5,  8'^,  36:  Wenn  eine  Frau  einen  Tropfen  (Blut)  wahrnimmt  so  groß  wie 
ein  Senfkorn,  sitzt  sie  u.  wartet  die  sieben  Tage  der  Reinigung  ab;   -----  -j^v:  ns'i:, 

dafür  B'-rakh  31  ''^:  h-.^no  d-  rs-j  —  ein  Blutstropfen  wie  ein  Senfkorn.  1,  Lv  R  ol  (129'') : 
R.  Hoscha?ja  b.  Schammai  aus  Cäsarea  (um  370)  hat  im  Namen  des  R.  Jicchaq  b.  Z'^fira 
(im  4.  Jahrh.)  gesagt:  Nie  geht  das  Sonnenrad  unter,  bevor  es  nicht  geworden  ist  wie 
ein  Senfkorn  Blut.  (Beweis  durch  Analogieschluß  aus  ^-l■l^s  Ps  19,  6  u.  Gn  18,  1 1.)  j| 
Nidda  5, 2:  (Geschlechtliche  Ausflüsse  beim  Mann)  verunreinigen,  so  gering  sie  auch  sein 
mögen,  selbst  bei  so  wenig  wie  ein  Senfkorn  ■j-'-nn  yj-zz,  u.  noch  weniger  als  das. 

13,32  93:  Ist  es  größer  als  die  Kräuter  u.  wird  ein  Baum. 

1.  fui^or  T(Jör  Äaxccvcor.  —  Daß  der  Senf,  auch  wenn  er  in  erster 
Linie  der  Körner  wegen  angebaut  wurde,  doch  auch  zum  Grünzeug 
(rä  läxara  =  p-,;;,  aram.  n^'i;:)  gerechnet  werden  konnte,  zeigen  die 
Zitate  TMa<as  3,  7  u.  TKil  2,  8  bei  Vers  3151  u.  ^. 

2.  yivexai   dirÖQOV. 

Siehe  pPea  7,  20",  53  bei  Vers  8.  —  Aus  K'^th  111  ''  stehe  hier  folgendes:  Als  Bar 
hat  Rah  Joseph  (f  333)  vorgetragen:  In  Sichin  yr^-^v  wurden  einmal  einem  Manne  von 
seinem  Vater  drei  Senfstangen  hinterlassen;  die  eine  von  ihnen  brach  ab,  u.  man  fand 
an  ihr  9  Qab  Senf  u.  mit  ihrem  Holz  deckte  man  eine  Töpferhütte. 

Zu  dem  ganzen  Parabel  wort  Vers  31  f.  vgl.  Ta'an  4*:  Raba  (f  352) 
hat  gesagt:  Ein  Gelehrter  gleicht  dem  Korn  unter  der  Erdscholle;  wenn 
er  einmal  emporgeschossen  ist,  schießt  er  immer  weiter  empor. 

13,33:  In  drei  Sea  Weizenmehl,  bis  alles  durchsäuert  war. 
1.  GccTov  =  riNO,  Plur.  -i^xo  u.  nixc,  aram.  n^io,  determ.  Nrxo.  —  Von 
dem  später  gebräuchlichen  Seamaß  nahm  man  an,  daß  es  um  ^'s  größer 

^  Die  Negation  fehlt  im  Text,  ist  aber  notwendig. 


670  Matth  13,  33  (Nr.  1.  2).  18,  35  {%) 

sei  als  das  biblische,  a  —  Drei  Sea  rechnete  man  auf  das  Bath  oder 
Epha;b  nach  unten  setzte  man  1  Sea  =  24  Log  oder  6  Qab.c  Nimmt  man 
an,  daß  1  Sea  =  13,131  Liter  war,  so  betrug  1  Qab  2,1885  Liter,  1  Log 
0,547  Liter,  1  Epha  oder  1  ßath  39,393  Liter.  —  Der  Preis  für  1  Sea  Brotmehl 
wird  öfters  mit  V*  Sela'  =  1  Zuz  oder  1  Denar  (etwa  65  ^)  angegeben. d 

a.  M'^n  7,  1 :  Fünf  jerusalemische  Sea  sind  sechs  Wüstensea. 

b.  M*'n  77^:  Wie  1  Bath  ;3  Sea  enthält,  so  enthält  auch  1  Epha  3  Sea.  ||  Targ  Onk 
Exl6,  3H:  1  fOmer  ist  der  10.  Teil  von  3  Sea.  (Statt  ,3  Sea"  hat  der  Grundtext 
„1  Epha",  also  ist  1  Epha  =  3  Sea  gesetzt) 

c.  pT'^rura  10, 47  "','20:  Wieviel  beträgt  1  Sea?  24  Log.  \]  Para  1, 1  entsprechen  3  Bröt- 
chen, die  aus  1  Qab  Mehl  gebacken  sind,  18  Brötchen,  die  aus  1  Sea  gebacken  sind; 
also  1  Sea  =  6  Qab. 

d.  Pea  8,  7 :  Man  gibt  einem  Armen,  der  von  Ort  zu  Ort  wandert,  nicht  weniger 
(^aus  der  Armenkasse)  als  ein  Brot  für  ein  1  Pondion  (bei  einem  Preise)  von  4  Sea 
(Mehl)  für  1  Sela?.  Die  gleiche  Preisbestimmung  ?Er  8,  2.  —  Da  1  Selaf  4  Denare  oder 
4  Zuz  betrug,  so  kostete  1  Sea  Brotmehl  (=  13,13  Liter)  1  Zuz  oder  1  Denar  =  rund 
65  Pf.  —  1  Pondion  (=  2  As)  war  der  48.  Teil  von  1  Selaf  oder  der  12.  Teil  von  1  Zuz, 
also  rund  =  5,5  Pf.  Für  5,5  Pf.  erhielt  man  mithin  ein  Brötchen,  das  aus  dem  12.  Teil 
von  18,  18  Liter  Mehl,  d.  h.  aus  rund  1,1  Liter  Mehl  bereitet  war. 

2.  €cog  ov  et.v}-i(äit-r^  oXov. 

Betreffs  der  Zeit,  die  der  Teig  zur  Durchsäuerung  nötig  hatte,  liest  man  pMSch 
o,  56^  15:  Die  Töchter  von  Lydda  kneteten  ihren  Teig,  gingen  hinauf  (nach  Jerusalem), 
beteten  u.  kamen  wieder  hinab,  ehe  er  noch  durchsäuert  war.  —  Wohl  nur  auf  die 
beginnende  Durchsäuerung  bezieht  sich  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250)  P^'s46^:  So- 
lange ein  Mensch  gebraucht,  um  von  Migdal-Nunja  nach  Tiberias  1  Mil  zu  gehen.  (1  Mil 
erforderte  etwa  18  Minuten  Marschzeit,  s.  Krauß,  Archäol  2,  891.) 

13,85  51:  Das  durch  den  Propheten  [Jesaja]  Gesagte. 

'Haatov  ist  als  Glosse  zu  tilgen,  „Prophet"  steht  in  weiterem  Sinn, 
wie  im  Rabbin.  Qoheleth  ein  Prophet  genannt  wird,  oder  wie  die  Ge- 
schichtsbücher des  ATs  zu  den  prophetischen  Schriften  gerechnet 
werden,  a  Als  Prophet  konnte  jeder  bezeichnet  werden,  durch  den  der 
heilige  Geist,  d.  h.  der  Geist  der  Inspiration,  der  prophetischen  Be- 
gabung, redete,  b  In  diesem  Sinn  wird  Asaph,  dem  das  Zitat  hier  an- 
gehört (s.  Ps  78,  2),  schon  2  Chr  29,  30  nfn  „Seher"  =  Prophet  genannt." 

a.  Midr  Qoh  1,  1  (4^):  Bei  drei  Propheten  wurde  ihre  Prophetie,  weil  diese  Worte 
der  Kränkungen  (Strafen)  enthielt,  an  ihren  Namen  geknüpft:  Worte  Qoheleths  (Qoh  1, 1), 
Worte  des  Arnos  (Am.  1,  1),  Worte  des  Jeremia  (.Jer  1,  1).  ü  BB  14'^  Bar:  Die  Reihen- 
folge der  Propheten  (der  prophetischen  Bücher  im  Kanon)  ist:  Jos,  Ri,  Sm,  Kg,  Jer, 
Ez,  Jes  u.  die  zwölf  (kleinen  Propheten).  ||  BB  12'':  R.  Abdimi  aus  Chaipha  (um  280) 
hat  gesagt:  Seit  dem  Tage,  da  das  Heiligtum  zerstört  ward,  ist  die  Prophetie  von  den 
Propheten  genommen  u.  den  Gelehrten  gegeben  worden.  So  wäre  also  der  Gelehrte 
(vordem)  kein  Prophet  gewesen?  Er  hat  es  so  gemeint:  Obwohl  sie  von  den  Pro- 
pheten genommen  worden  ist,  ist  sie  von  den  Gelehrten  nicht  genommen  worden. 
Targ  Qoh  1,  1:  Worte  der  Prophetie,  die  Qoheleth  geweissagt  hat  -2:r,>:-. 

b.  Genau  so,  wie  es  von  einem  Ausspruch  des  Propheten  Jes  oder  Jer  heißen 
kann:  „Das  ist  im  heiligen  Geist  durch  Jes,  durch  Jer  gesagt  worden"  (zB  P'siqR 
158*;  162'^;  198'''),  wird  von  einem  Wort  Davids  oder  Salomos  gesagt:  „Das  ist  im 
heiligen  Geist  durch  David,  durch  Salomo  gesagt  worden",  zB  P^'.siqR  161"  mit  Bezug 
auf  Ps  SC,  10;   160-''  mit  Bezug  auf  HL  8.  9;  Midr  Qoh  1,  1  mit  Bezug  auf  Spr  22,29. 


Matth  13,  35  (SB).  13,  38.  39  (31)  671 

Damit  werden  sämtliche  alttest.  Autoren  mit  den  Propheten  im  engern  Sinn  auf  gleiche 
Linie  gestellt. 

13,35  23:   Ich  will  in  Gleichnissen  meinen  Mund  öffnen,   will 
seit  Grundlegung  (der  Welt)  Verborgenes  verkündigen. 

Midr  Ps  78,  2  (172'^)  gibt  folgende  Auslegung  dieses  Verses:  Damit  man  dir  nicht 
sage:  Die  Psalmen  sind  keine  Tora  (Lehre),  so  wisse:  auch  sie  sind  Tora;  u.  auch  die 
Propheten  sind  Tora;  deshalb  heißt  es  Ps  78,  1 :  , Vernimm,  mein  Volk,  meine  Tora." 
Und  nicht  die  Worte  allein,  sondern  auch  die  Rätsel  nt-rtn  u.  die  Gleichnisse  nVra 
sind  Tora.  Ebenso  hat  Gott  zu  Ez  gesagt:  „Du  Menschenkind,  bilde  ein  Rätsel  u. 
sprich  ein  Gleichnis  zum  Hause  Israel"  EzlT,  2;  ebenso  hat  Salomo  gesagt:  „Daß 
man  verstehe  Gleichnisspruch  u.  schwierige  Rede,  die  Worte  der  Weisen  u.  ihre  Rätsel" 
Sprl,6.  Darum  sagt  Asaph:  „Auftun  will  ich  in  Gleichnisrede  meinen  Mund,  will 
aussprechen  Rätsel  aus  der  Vorzeit"  Ps  78,  2.  Man  sagte  zu  Asaph:  Woher  weißt  du 
das,  hast  du  es  etwa  gesehen?  Er  antwortete:  Durch  Hörensagen  weiß  ich  es,  wie  es 
heißt  (Vers  3):  „Was  wir  hörten,  so  daß  wir  es  wissen,  u.  unsere  Väter  uns  erzählten."  || 
Targ  Ps  78, 2  hat  die  rin-n  „Rätsel"  verwandelt  in  ii^r;  „Freuden":  Ich  will  in  Gleichnis- 
rede meinen  Mund  auftun,  ich  will  Freuden  (Freudiges)  aussprechen  aus  der  Vorzeit. 

13,38:  Der  Acker  ist  die  Welt. 
In  einigen  jüdischen  Gleichnissen  wird  die  Welt  mit  einem  Garten  verglichen; 
s.  Midr  Qoh  5, 11  (28'-^)  S.664f.  bei  Vers  18.  —  Ferner  TanchB  r-:v.'  ij  10  (3''):  R-  Jannai 
(um  225)  hat  gesagt:  „Jahve  ist  in  seinem  heiligen  Tempel,  Jahve,  der  im  Himmel 
seinen  Thron  hat  —  seine  Augen  sehen,  seine  Wimpern  prüfen  die  Menschenkinder" 
Psll,4.  Womit  läßt  .sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König,  der  einen  Garten  hatte, 
in  den  er  Arbeiter  brachte;  am  Eingang  des  Gartens  aber  befand  sich  ein  Schatzhaus 
voll  von  allem  Guten.  Der  König  sprach:  Wer  seine  Arbeit  von  ganzer  Seele  tun 
wird,  der  soll  seinen  Lohn  von  hier  empfangen;  wer  aber  seine  Arbeit  nicht  von  ganzer 
Seele  tun  wird,  den  lasse  ich  in  meinen  Palast  kommen,  um  ihn  zu  richten.  Wer  ist 
dieser  König?  Das  ist  der  König  aller  Könige,  Gott;  u.  was  ist  der  Garten?  Das  ist 
diese  Welt.  Gott  hat  die  Menschenkinder  hineingesetzt,  daß  sie  die  Tora  beobachten, 
u.  hat  mit  ihnen  vereinbart  u.  zu  ihnen  gesagt:  Wer  die  Tora  in  Wahrheit  beobachtet, 
siehe,  vor  dem  liegt  der  Gan  ?Eden  (~  Schatzhaus  im  Gleichnis);  wer  aber  die  Tora  nicht 
in  Wahrheit  beobachtet,  siehe,  vor  dem  liegt  der  Gehinnom.  Gott  sprach:  Obwohl  es  so 
scheint,  als  ob  ich  meine  Sch*^khina  (göttliche  Gegenwart)  von  dem  (zerstörten)  Heiligtum 
nach  oben  zurückgezogen  habe,  so  sehen  doch  meine  Augen !  Parallelstelle :  ExR  2  (68 ''). 

13,39  %:  Die  Ernte  ist  die  Vollendung  (das  Ende)  der  Weltzeit. 

ovvxiXeia  alwvoq.  —  Entsprechende  Ausdrücke  finden  sich: 
Assumptio  Mosis  12,4:  usque  ad  exitum  saeculi.  —  4Esra7,113:  finis  temporis 
hujus.  —  Apok  Bar  27,  15  u.  30,  3:  finis  temporum;  29,8:  ad  finem  temporis;  54,21: 
in  fine  saeculi  vindicta  erit  de  iis,  qui  improbe  egerunt;  69,4:  in  fine  saeculi;  83,7: 
consummatio  vero  saeculi  tuno  ostendet  virtutem  magnam  gubernatoris  eius,  quando 
omnia  venient  ad  Judicium.  —  Ass  Mos  1,  17:  in  consummatione  exitus  dierum.  — 
Dnl2,  4:  v;;  rv  -iv,  LXX:  ew?  xaigov  avyieXsiag;  12,13:  !"■;■"  X~.-<  LXX:  avyiekeia 
ijfxsQiöy;  7,26  aram.:  sr-o  -^y,  LXX:  ew?  iskov?,  vgl.  das  bloße  Yp\  12,  13.  • —  Die 
Targumim  geben  das  alttest.  =""3:;~  ~"""~S3  wieder  mit  s^-iv  r\'.zz  =  „am  Ende  der 
Tage",  zB  Onk  u.  J^rusch  1  Gn  49,  1.  —  Im  Rabbin.  bezeichnet  das  ungemein  häufige 
Ti?.~  (eigentlich:  bestimmte  Zeit,  Termin)  das  Ende,  d.  h.  den  Anbruch  der  messian. 
Zeit,  zB.  Derekh  Ere9  10:  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Wer  das  Ende  7p~  (=  Tage  des 
Messias I  angibt  (berechnet),  hat  keinen  Teil  an  der  zukünftigen  Welt.  —  Sachlich  nicht 
verschieden  davon  ist  z-yz  riioa  „am  Ende  an  der  Ferse"  =  ganz  am  Ende,  zB  Midr 
HL  1,  8  (89 1'),  s.  oben  S.  Sü  bei  Mt  2,  15. 


672  Matth  13,39(8).  13,41 

13,  39S:  Die  Schnitter  sind  Engel. 

Gott  als  Vertilger  der  Dornen  in  seinem  Weinberg  BM  8Z'^:  R.  El?azar  b.  Schimfon 
(um  180)  nahm  (in  römischen  Diensten)  Diebe  fest.  Da  ließ  ihm  R.  J'^hoschna?  b.  Qarcha 
(um  150)  sagen:  Essig,  Sohn  des  Weines  (unedler  Sohn  eines  edlen  Vaters,  nämlich 
des  R.  Schimfon  b.  Jochai),  wie  lange  willst  du  das  Volk  unsres  Gottes  zur  Tötung 
preisgeben?  Er  ließ  ihm  sagen:  Dornen  vertilge  ich  aus  dem  Weinberg!  Er  ließ  ihm 
sagen:  Da  möge  der  Herr  des  Weinbergs  (=  Gott)  kommen  u.  seine  Dornen  vertilgen! 

13,41:  Der  Menschensohn  wird  seine  Engel  senden. 

Die  von  der  Mitwirkung  der  Engel  beim  Endgericht  handelnden 
Stellen  aus  den  Pseudepigraphen  s.  bei  Mt25,  31.  Aus  der  rabbin. 
Literatur  kommt  hier  in  Betracht: 

Midr  Ps  8  §  1  (37"):  ,Dem  Musikvorsteher  n-r;r!  hy,  ein  Psalm  von  David"  Ps  8,  1. 
Das  meint  die  Schriftstelle:  „Schlaget  die  Sichel  au,  denn  ausgereift  ist  die  Ernte! 
Kommt,  tretet,  denn  voll  ist  die  Kelter*  Joel  4,  13.  Zu  wem  wird  Gott  sagen:  „Schlaget 
die  Sichel  an"?  R.  Pin'^chas  (um  860)  hat  im  Namen  des  R.  Chilqijja  (um  320)  gesagt: 
Zu  den  Engeln.  Die  RabBinen  aber  sagten:  Zu  den  Israeliten;'  denn  diese  singen 
weder  bei  der  Getreideernte  ^-::-  noch  bei  der  Weinlese  -"ria  noch  beim  Olivenpflückeu 
(p"!c»;,  man  erwartet  das  Subst.  p^c^a),  sondern  nur  an  der  Kelter,  wie  es  heißt:  „Dem 
Musikvorsteher  nach  dem  Keltergesang  (so  scheint  der  Midr  r'nr.  zu  fassen),  ein  Lied 
von  David"  Ps  8,  1.  „Getreideernte",  das  geht  auf  Babel  s.  Jer  51,  33;  „Weinlese", 
das  geht  auf  Griechenland  s.  Sach  9,  13  (diese  Stelle  ist  ohne  Beweiskraft;  man  wird 
Vers  15  heranzuziehen  haben);  „Olivenpfiücken*,  das  geht  auf  Medien  s.  Esth  7,  10 
(der  Midr  scheint  bei  „Baumstamm"  an  einen  Olivenbaum  gedacht  zu  haben);  „Kelter", 
das  geht  auf  Edom  (=  Rom)  s.  Jes  H3,  3.  —  Du  findest  die  Erlösung  an  vier  Wörter 
gehängt:  „Weinlese",  „Getreideernte",  „Gebärerin"  u.  „Balsam",  u.  wenn  sie  vor  ihrer 
Zeit  losgerissen  werden,  haben  ihre  Besitzer  keinen  Nutzen  von  ihnen.  Das  meint  die 
Stelle:  „Schlaget  die  Sichel  an,  denn  ausgereift  ist  die  Ernte"  (hier  ist  die  Erlösung 
an  das  Wort  „Getreideernte"  ^■'::p  geknüpft).  An  „Weinlese",  s. :  „Wenn  Winzer  a-isia 
über  dich  kommen,  werden  sie  keine  Nachlese  lassen"  Jer  49,  9;  an  „Gebärerin",  s.: 
„Er  wird  sie  hingeben  bis  zu  der  Zeit,  da  die  Gebärerin  geboren  hat"  Micha  5,  2.  An 
„Balsam",  s.:  „Flieh,  mein  Lieber,  u.  mach'  dich  der  Gazelle  gleich  oder  dem  Jungen 
der  Hirsche  auf  den  Balsambergen!"  HL  8,  14.  —  Im  Anschluß  an  diese  allegorisch 
auf  die  Enderlösung  ausgelegte  Stelle  HL  8,  14  sei  verwiesen  auf  Midr  HL  8,  14  Ende: 
Mit  viererlei  wird  die  Erlösung  (inii";«;)  Israels  verglichen:  mit  der  Getreideernte,  der 
Weinle.se,  Balsam  u.  der  Gebärerin.  Mit  der  Getreideernte:  wenn  ein  Feld  vor  der 
Zeit  abgeerntet  wird,  ist  selbst  das  Stroh  nicht  gut;  wenn  zur  rechten  Zeit,  so  ist  es 
gut;  das  meint:  „Schlaget  die  Sichel  an,  denn  ausgereift  i.st  die  Ernte"  Joel  4,  13.  — 
Mit  der  Weinlese:  wenn  man  in  einem  Weinberg  die  Weinlese  hält  vor  der  Zeit, 
ist  selbst  der  Essig  nicht  gut;  wenn  zur  rechten  Zeit,  so  ist  er  gut.  So  heißt  es: 
nh  ijy  ".•an  n^3  Jes  27,  2,  das  will  sagen:  Lst  der  Weinberg  zu  Wein  geworden 
(völlig  ausgereift),  dann  schneide  ihn  (nh  lar  doppelsinnig:  „schneide  ihn"  oder  „be- 
singe ihn").  —  Mit  Balsam:  wenn  ßalsamstauden  abgepflückt  werden,  solange  sie 
weich  u.  frisch  sind,  so  verbreitet  sich  kein  Duft  von  ihnen;  wenn  sie  aber  trocken 
sind  u.  dann  abgepflückt  werden,  verbreitet  sich  Duft  von  ihnen.  —  Mit  der  Gebärerin: 
wenn  ein  Weib  vor  der  Zeit  gebiert,  so  kann  das  Kind  nicht  leben;  wenn  aber  zur 
rechten  Zeit,  so  bleibt  es  am  Leben.   Darum  steht  geschrieben:  „Er  wird  sie  hingeben 


'  P'^siq  187''  fragen  die  Israeliten  Gott:  Wie  wird  das  Gericht  (über  die  Völker) 
zur  Ausführung  gelangen?  Werden  sie  in  die  Hand  der  Engel  gegeben  werden  oder 
werden  sie  im  Gehinnom  bestraft  werden?  Gott  antwortet:  Alles  hängt  von  euch  ab 
u.  die  Vollmacht  liegt  in  eurer  Hand,  sie  zu  töten  mit  jeder  beliebigen  Todesart:  der 
Bluträcher  soll  den  Mörder  töten  Nu  35,  21;  ferner  s.  Ez  25.  14. 


Matth  13,41.42.43  573 

bis  zu  der  Zeit,  da  die  Gebärerin  gebiert*  Micha  5,  2.  —  Die  Tendenz  der  Stelle  geht 
darauf,  daß  Israel  die  Zeit  der  Erlösung  nicht  drängen,  nicht  mit  Gewalt  herbeibringen 
soll.  —  Der  Gedanke  an  eine  Mitwirkung  der  Engel  beim  Endgericht  klingt  nur  leise 
an.  Tanch  D-üsia  16 »:  Wenn  Gott  die  Völker  richten  wird  (am  jüngsten  Tage),  richtet 
er  ihre  Götter  (d.  h.  ihre  Engelfürsten)  mit  ihnen,  s.  Jes  66, 16  (hierzu  s.  Midr  HL  2, 1 
[95a]  im  Exkurs:  Gerichtsgemälde  usw.).  Wenn  sie  im  Feuer  nicht  bestehen  können, 
fliehen  sie,  u.  Gott  sitzt  u.  sendet  wider  sie  Engel  mit  Halseisen  u.  Ketten,  u.  sie  werfen 
sie  ins  Feuer,  s.  Mal  3, 19.  —  Dasselbe  TanchB  d^-je-iü  §  10  Anfang.  I!  Midr  Ruth  1, 1  (s. 
Exkurs:  Gerichtsgemälde  usw.)  wird  ausgeführt,  daß  der  Engel  Mikhael,  statt  Israel 
zu  verteidigen,  wegen  ihrer  Sünden  im  jüngsten  Gericht  verstummen  werde.  —  Gibt 
es  weitere  hierher  gehörende  rabbin.  Ausspräche? 

13,42:  Sie  werden  sie  in  den  Feuerofen  werfen. 
Dort  wird  sein  Heulen  u.  Zähneknirschen. 

1.  xfe|Utvog  Tov  TcvQog,  ebenso  Mt  13,  50;  xa/^uvog  fxsyäkrj  Offb  9,  2. 

-  Henoch  98, 3 :  Weil  ihnen  (den  Toren)  Wissen  u.  Weisheit  fehlt,  werden  sie  zusammen 
mit  ihren  Schätzen,  mit  all  ihrer  Herrlichkeit  u.  Eine  untergehn  u.  in  Schmach,  durch 
Mord  u.  in  großer  Armut  in  den  Feuerofen  geworfen  werden.  —  Die  rabbin.  Gelehrten 
haben  den  Gehinnom  als  Feuerofen  bezeichnet  auf  Grund  des  Ausdrucks  -"r  =  „Ofen* 
in  Jes  31, 9  u.  Mal  3, 19.  M'^kh  Ex  20, 18  (78^):  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  Woher  kann 
man  sagen,  daß  Gott  unsrem  Vater  Abraham  den  Gehinnom  gezeigt  hat?  Weil  es  heißt: 
,Als  aber  die  Sonne  untergegangen  u.  dichte  Finsternis  eingetreten  war,  siehe  da  — 
ein  Ofen"  -nsr  Gn  15,  17;  damit  ist  der  G.  gemeint,  s.:  „Er  hat  einen  Ofen  T:n  in 
Jerusalem"  Jes  31,9.  (Nach  dieser  Stelle  nahm  man  an,  daß  der  Eingang  zum  G.  dicht 
bei  Jerusalem  liegen  werde.)  —  Als  weitere  Belege  s.  GnR26  (I7a);  Midr  Ps  21  §5  (90'-); 
?AZ  3"^;  GnR  78  (20a);  ExR  15  (79aj  im  Exkurs  Sch'^ol  usw.  11,  10,  k;  ferner  fEr  19» 
u.  P^siq  186b  das.  Ill,  10,  bb.  —  Der  Ausdruck  „Ofen  der  Gehenna"  auch  4Esra  7,36, 
s.  genannten  Exk.  II,  8,  b.  \\  Statt  „Feuerofen"  findet  sich  „Feuerpfuhl"  Xifxyr]  lov  nvgög 
Offb  19,20;  20,  10. 14. 15;  21,8;  Hen  90, 26 f.,  s.  Exk.  Sch^^ol  usw.  111,  8,  b.  —  Andre  Be- 
zeichnungen: loderndes  Feuer  Hen  100,9;  hellbrennende  Feuerflammen  Hen  108, 4f.; 
schmerzhaftes  Feuer  Hen  102,1;  Flammenfeuer  Ps  Sali  2, 4;  ewiges  Feuer  (außer  Mt  18,8; 
25, 41 ;  Brief  Jud  7)  Test  Seb  10;  4  Makk  12,  12  u.  gr.  Baruchapok  4,  sämtliche  Stellen  s. 
in  Exk.  Sch'^ol  usw.  II,  8,  d.  —  Über  die  Feuerstrafe  im  G.  handeln  Exk.  II,  8,  b  u.  (/ — i. 

2.  ßaXovGiv.  Hehr.  T^-iin,  i-::  (aram.  t^^w)  u.  -r:. 

ExR  19  (81 "):  Gott  verwirft  die  Unbeschnittenen  u.  läßt  sie  hinabfahren  (oder  stürzt 
sie  hinab)  dt-^iö  in  den  Gehinnom.  —  GnR  55  (35  b):  R.  J^hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat 
gesagt:  Von  dort  (vom  Berge  Morijja)  wird  Gott  die  Völker  der  Welt  schleudern  u.  in  den 
G.  stürzen  •;-!-ii':.  —  P^siq  186b:  R.  Sch^muel  b.Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Der  G. 
befindet  sich  bei  Jerusalem,  u.  Gott  wird  sitzen  u.  sie  (die  Völker)  für  schuldig  erklären 
u.  sie  hinabstürzen  -j-i^^i«  in  den  G.  |!  Qid40b:  R.  El?azar  b.  (^adoq  (um  100)  hat  gesagt: 
Gott  vergilt  reichlich  Gutes  den  Gottlosen  in  dieser  Welt,  um  sie  (in  der  zukünftigen 
Welt)  hinauszustoßen  "^vj-s  u.  die  unterste  Stufe  einnehmen  zu  lassen.  ||  Midr  HL  2, 1 
(95a):  Die  Gemeinde  Israel  spricht:  Wenn  ich  hingegeben  bin  r;:ir3  in  die  Tiefen  des  G. 

3.  o  xXavi^fxog.  —  Geschrei  u.  Wehklage  im  G.  wird  äußerst  selten 
erwähnt,  s.  Hen  108,  3  ff.  im  Exkurs:  Sch'^ol  usw.  H,  8,  d. 

4.  ßQvyf.ing  tmv  odovzwv.  —  „Mit  den  Zähnen  knirschen"  =  t^^ü  pnn 
als  Ausdruck  der  Wut  u.  der  Verzweiflung  der  Verdammten,  s.  Midr  Qoh 
1,  15  (IIa)  im  Exkurs:  Sch'^ol  usw.  H,  3,  d. 

13,43:  Die  Gerechten  werden  leuchten  wie  die  Sonne. 
Grundstelle  Dnl2,3.  —  Rabbin.  Parallelen:   SDt  1, 10  §  10  (67a)   nebst  Parallel- 
stellen im  Exkurs:  Sch-^ol  usw.  III,  3,  m  Ende;  —  GnR  12  (9«)  oben  S.  19.  ||  Midr  Qoh 
strack  u.Billerbeck,  NT  I.  43 


(574  ^'^latth  13,43.44 

1,  7  (8a):  R.  Jirm'^ja  b.  EUazar  (um  270)  hat  gesagt:  Dereinst  wird  Gott  das  Licht  (den 
Glanz)  des  Angesichts  der  Gerechten  erneuern  in  der  Zukunft,  wie  es  heißt:  , Die  ihn 
lieben,  sind  wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer  Macht"  Ri  5,81.  !|  Sanh  100»:  R.  J'^huda 
b.  Simon  (um  320)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Wer  sein  Angesicht  um  der  Worte  der 
Tora  willen  in  dieser  Welt  schwarz  werden  läßt  (infolge  von  Entbehrungen),  dessen 
(Angesichts-)Glanz  wird  Gott  in  der  zukünftigen  Welt  leuchten  lassen,  s.r  ,Sein  An- 
blick wie  der  Libanon"  HL  5, 15.  (Vermutlich  ist  mit  , Libanon",  wie  oft,  der  Tempel 
gemeint.) 

13,44  31:  Gleich  einem  im  Acker  verborgenen  Schatz. 

^rjaavQog  xsxQV}.i}ievog  =  nnjs  pii's-j^,  s.  P''sll9='. 

LvR  5(108''):  Nach  etlichen  Tagen  ging  Abba  Judan  (in  Antiochia,  um  90),  um 
auf  der  andren  Hälfte  seines  Feldes  zu  pflügen.  Während  er  pflügte,  öffnete  sich  die 
Erde  vor  ihm  u.  seine  Kuh  stürzte  dort  hinein  u.  erlitt  einen  Bruchschaden.  Er  stieg 
hinab,  um  sie  heraufzuholen;  da  erleuchtete  ihm  Gott  seine  Augen  u.  er  fand  dort 
einen  Schatz  -^a-c.  Er  gprach:  Zu  meinem  Besten  ist  das  Bein  meiner  Kuh  gebrochen! 
(Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs:  Altjüdische  Privatwohltätigkeit  Nr.  4, /.)  Parallelstelle 
pHor;J,48a,39.  ||  MidrHL4,18(116a):  R.  Schimfon  b.Jochai  (um  150)  hat  gelehrt:  Gleich 
einem  Menschen,  dem  an  einem  Ort  voller  Unrat  ein  Erbe  zufiel.  Der  Erbe  war  träge  u. 
ging  hin  u.  verkaufte  es  für  eine  geringe  Kleinigkeit.  Der  Käufer  aber  ging  hin  u.  grub 
emsig  darin  u.fand  darin  einen  Schatz  s";-c.  Davon  baute  er  einen  großen  Palast.  Dann  ging 
der  Käufer  auf  den  Markt,  u.  Sklaven  gingen  hinter  ihm  her,  die  er  von  jenem  Schatz 
gekauft  hatte.  Als  das  der  Verkäufer  sah,  grämte  er  sich  u.  sprach:  Wehe,  was  habe 
ich  da  eingebüßt!  Parallelstellen  mit  Abweichungen  M%h  Ex  14,  5  (:5'2a);  P^siq  84».  — 
In  ExR  20  (82')  ist  an  die  Stelle  des  Schatzes  im  Acker  eine  in  ihrem  Wert  verkannte 
Perlenschnur  getreten.  ||  pBM  'J,  8*^,39:  Alexander  von  Mazedonien  zog  hinauf  zum  König 
QaQJa  (wohl  besser  Ländername:  s;eue  Kaania).  Dieser  zeigte  ihm  viel  Gold  u.  Silber. 
Alexander  sprach  zu  ihm:  Deines  Goldes  u.  deines  Silbers  bedarf  ich  nicht;  ich  bin 
nur  gekommen,  um  euer  Verfahren  kennen  zu  lernen,  wie  ihr  verkauft  u.  richtet. 
Während  er  so  mit  ihm  verhandelte,  kam  ein  Mensch,  der  mit  einem  andren  eine 
Rechtssache  hatte  ('"s-).  Der  letztere  hatte  nämlich  von  ihm  ein  Feldstück  gekauft,  u. 
als  er  es  umgrub,  fand  er  darin  einen  Schatz  si-o  von  Denaren.  Der  Käufer  nun  sagte: 
Den  Unrat  (auf  dem  Felde)  habe  ich  mitgekauft,  aber  den  Schatz  habe  ich  nicht  ge- 
kauft. Der  Verkäufer  sagte:  Den  Unrat  u.  alles,  was  sicTi  darin  befindet,  habe  ich  ver- 
kauft. Während  sie  so  miteinander  verhandelten,  sprach  der  König  zu  dem  einen  von 
ihnen:  Hast  du  einen  Sohn?  Er  antwortete:  Ja-j-s!  Darauf  sprach  er  zu  dem  andren : 
Hast  du  eine  Tochter?  Er  antwortete:  Ja  i's!  Da  sprach  der  König:  So  verheiratet 
sie  miteinander  u.  der  Schatz  gehöre  ihnen  beiden!  Alexander  begann  zu  lachen.  Der 
König  sprach:  Warum  lachst  du?  habe  ich  nicht  schön  entschieden?  Wenn  nun  diese 
Rechtssache  bei  euch  vorgelegen  hätte,  wie  würdet  ihr  entschieden  haben?  AI.  ant- 
wortete: Man  hätte  diesen  u.  jenen  getötet,  u.  der  Schatz  wäre  dem  König  zugefallen.  — 
Parallelen:  P^siq  74'^;  GnR  33  (20"!;  LvR  27  (125'');  TanchB  •^•'os  §9(441^);  Tanch 
-'■i'js  173''.  !|  Die  Frage  nach  dem  Eigentumsrecht  an  dem  im  Acker  gefundenen  Schatz 
ist  juristisch  nicht  nach  dem  jüdischen  Fundrecht  zu  beurteilen,  sondern  nach  den 
zivilrechtlichen  Bestimmungen  über  den  Verkauf  von  Liegenschaften.  BB4,8f.  setzt 
darüber  fest:  Wenn  jemand  ein  Feld  verkauft,  hat  er  (zugleich)  die  Steine  verkauft, 
die  für  dasselbe  nötig  sind  (um  eine  Mauer  daraus  zu  errichten).  Aber  nicht  hat  er 
(zugleich)  die  Steine  verkauft,  die  für  dasselbe  nicht  nötig  sind.  .  .  .  Wenn  er  aber 
zu  ihm  gesagt  hat:  Es  selbst  (das  Feld)  u.  alles,  was  darin  ist,  siehe,  so  ist  dies 
alles  verkauft.  • 

13,44  23:  Er  verkauft  alles,  was  er  hat. 
ib  r-r  nr  hz  —-2,  s.  zB  ?'s  49 '^  bei  Joh  2,  1  Nr.  3,  o. 


Matth  18,46.47  (575 

13,46:  Als  er  eine  kostbare  Perle  fand. 

fxagyaQiTTjg  (fiaQyaQhig,  fxaQys'XXior)  rabbinisch  =  öi-J^bj-iri,  sr-'sa-i^, 
N;r>-:-g,  r-^VsTg,  sn-'bs'i-?. 

Schab  ]  19^:  Joseph,  der  die  Sabbate  ehrte  {-zvi  "-^'.-o,  Sabbatverehrer,  Beiname  des 
in  Rede  stehenden  Joseph),  hatte  in  seiner  Nachbarschaft  einen  Goi,  der  sehr  viele  Güter 
hatte.  Zu  diesem  hatten  Wahrsager  "s-Vs  gesagt:  Alle  deine  Güter  wird  Joseph,  der 
S.verehrer,  verzehren.  Da  ging  er  hin.  verkaufte  alle  Güter  u.  kaufte  für  sie  eine  Perle 
tir'Zi-^12,  die  er  an  seine  Mütze  setzte  (durch  Festnähen).  Als  er  einmal  in  einer  Fähre 
über  ein  Wasser  fuhr,  entriß  ihm  der  Sturm  seine  Mütze  u.  warf  sie  ins  Wasser,  u. 
ein  Fisch  verschlang  sie.  Man  zog  (später)  den  Fisch  aus  dem  Wasser  u.  brachte  ihn 
an  einem  Freitag  gegen  Abend  (in  die  Stadt).  Man  sagte:  Wer  wird  ihn  denn  jetzt 
kaufen  (so  unmittelbar  vor  Sabbatanbruch j?  Man  sprach  zu  ihnen:  Geht  u.  bringt  ihn 
zu  Joseph,  dem  S.verehrer,  der  zu  kaufen  pflegt.  Sie  trugen  ihn  dorthin  u.  er  kaufte 
ihn.  Als  er  ihn  aufrifs,  fand  er  die  Perle  darin,  die  er  für  13  Maß  (sp-5-i-)  Golddenare 
verkaufte.  —  Vgl.  die  Geschichte  von  dem  jüdischen  Schneider  in  Rom,  GnRH  bei 
Mt  12,1  S.  613f.  |]  ExR30(9l''):  Gleich  einem  Kaufmann,  der  unterwegs  übernachten 
wollte.  Er  hörte,  daß  Räuber  sich  auf  dem  Wege  aufhielten.  Was  tat  er?  Er  nahm 
seine  Waren  u.  machte  sie  (durch  Tausch)  zu  Edelsteinen  u.  Perlen  rv-rrn-:;  dann  begab 
er  sich  auf  die  Reise.  Als  ihn  die  Räuber  ergriffen,  sprachen  sie  zu  ihm:  Was  hast  du 
in  deinem  Besitz?  Er  antwortete  ihnen:  Glaswaren.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Wieviel 
sind  sie  wert?  Er  antwortete:  Zwei  oder  drei  Stück  für  ein  Selaf.  Sie  sprachen  unter- 
einander: Deswegen  sollten  wir  ihn  töten?  Sie  ließen  ihn  los.  Er  kam  in  die  Stadt 
uü  begann  seine  Behälter  zu  öffnen  u.  setzte  sich  nieder  zum  Verkauf.  Als  jene  Räuber 
dorthin  kamen,  sahen  sie  ihn,  wie  er  saß  u.  verkaufte.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Wieviel 
kostet  dies?  Er  antwortete:  Das  kostet  '20  Goldstücke  u.  das  30  Goldstücke.  Sie 
sprachen:  Hast  du  uns  nicht  auf  dem  Wege  gesagt:  Zwei  oder  drei  für  ein  Selaf?  Er 
antwortete:  Ja!  allein  in  jener  Stunde  war  ich  an  einem  Ort  des  Todes;  jetzt  aber, 
wenn  ihr  mir  seinen  Preis  nicht  zahlen  wollt,  dürft  ihr  es  nicht  nehmen.  So  weiß  ein 
Israelit,  der  ein  Gebot  erfüllt,  in  dieser  Welt  nicht  den  Lohn  dafür,  aber  in  der  zuk. 
Welt,  wenn  sie  den  Lohn  für  die  Gebotserfüllungen  sehen  werden,  werden  sie  staunen.  ;| 
Über  , Perle"  zur  Bezeichnung  eines  schönen  Ausspruchs  s.  bei  Mt  7,  6  S.  447  f. 

13,47:  Gleich  einem  Netze,  das  .  .  .  von  allerlei  Art 
z  u  s  a  ni  m  e  n  b  r  i  n  g  t . 

Chullin  63'':  Abimi  b.  Abbahu  (um  33U)  hat  als  Bar  gelehrt:  700  Fischarten  gibt  es, 
SOO  Arten  von  Heuschrecken  u.  Vögel  ohne  Zahl.  Ji  Über  die  Vergleichung  der  Menschen 
mit  den  Fischen  sagt  ?AZ  3b. 4^:  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Sch'^muel  (f  2ö4)  habe 
gesagt:  Was  heißt:  ,Du  machst  Menschen  den  Fischen  des  Meeres  gleich,  dem  Ge- 
würm, das  keinen  Herrscher  über  sich  hat"  Hab  1,14?  Warum  werden  die  Menschen 
mit  den  Fischen  des  Meeres  verglichen?  Um  dir  zu  sagen:  Wie  die  Fische,  die  im 
Meer  leben,  wenn  sie  aufs  Trockene  kommen,  sofort  sterben,  so  sterben  auch  alsbald 
die  Menschen,  wenn  sie  sich  von  den  Worten  der  Tora  u.  von  den  Gebotserfüllungen 
scheiden.*  Eine  andre  Erklärung:  Wie  die  Fische,  die  im  Meer  leben,  sofort  sterben, 
wenn  die  Sonne  sie  sticht,  so  sterben  alsbald  die  Menschen,  wenn  die  Sonne  sie  sticht. 
Eine  andre  Erklärung:  Wie  von  den  Fischen  im  Meer  der,  welcher  größer  ist  als  der 
andre,  diesen  verschlingt,  so  würde  auch  unter  den  Menschen,  wenn  nicht  die  Furcht 
vor  der  Regierung  da  Vpäre,  der,  welcher  größer  ist  als  der  andre,  diesen  verschlingen.  | 
Eine  Charakterisierung  der  Gelehrtenschüler  nach  vier  Klassen  von  Fischen  durch 
Gamliel,  den  Alten,  s.  bei  Apg  5,  34  Anm.  f. 

(TayrjVT]  =  n-in  „Schleppnetz",  zB  BQ  80"^  nebst  Parallelen  S.  185  f. 

*  Diesen  Gedanken  hat  bereits  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  in  seinem  Gleichnis  von  dem 
Fuchs  u.  den  Fischen  dem  Pappos  b.  J^'huda  gegenüber  ausgeführt,  Bar  B*^rakh  61^. 

43* 


676  Matth  IH,  51.  f)2  (21.  JB  1.  2) 

13,  49  f.,  dazu  s.  13,  39—42. 
13,51:  Sie  sprachen  zu  ihm:  Ja! 

Dem  vai  entspricht  im  Eabbin.  -in,  aram.  -jix. 

Beispiele:  pBM  2,  8^  39  S.  674;  LvR  10  S.  560.  1|  Wa  10,  3:  (Beim  Schneiden  der 
Erstlingsgarbe  Lv23,  10)  sagt  man  (zur  Volksmenge):  Ist  die  Sonne  untergegangen? 
Sie  antworten:  Ja  in  (—  i'-)!  Ist  die  Sonne  untergegangen?  Sie  antworten:  Ja  "jn! 
Ist  dies  die  Sichel?  Sie  antworten:  Ja  ■]-!  Ist  dies  der  Kasten?  Sie  antworten:  Ja  ]-.  |i 
Ferner  s.  S.  336  f.  bei  5,37. 

13,  52  %:  Je'der  Schriftgelehrte,  der  zum  Jünger  gemacht  ist 
für  das  Himmelreich. 

YQCcfjtfiarevg  [la^Tqxsvd^atg  rrj  ßaoilsia  rm'  ovQavcov.  —  Nach  Dalman, 
Worte  Jesu  1,  87  könnte  man  im  Jüdisch-Aram.  dafür  setzen:  «•so  bs 
Ni^;::n  i<r'i:bo(=)b  T^abr  i<^n^,  jeder  Schriftgelehrte,  welcher  Schüler  des 
Gottesregiments  ist,  —  Vgl.  auch  ips  „erfahren,  kundig",  das  freilich 
etymologisch  nicht  entspricht. 

Qid  10b:  Du  bist  kundig  in  den  internsten  Dingen  der  Tora  n-nn  i-nna  ■'pa  nns; 
pK'th  5,  29*^,  56  dafür:  Du  bist  kundig  in  den  Geheimnissen  der  Tora  rs^tr  "ir'«D3.  || 
Joma  49  a:  R.  Chanina  (um  225)  hatte  Kenntnisse  in  der  Heilkunde  rixisia  yz.  ||  Git  86  b: 
Unsre  Lehrer,  die  erfahren  waren  in  der  Halakha  n':''^rt  ^ata  ■j-'X"par!. 

13.  52  S8:   Ein  Hausherr,   der  seinem   Schatze  Neues  u.  Altes 

entnimmt. 

1.  olxodsarcoTrjg  =  n-^an  b^%,  s.  bei  13,  27. 

2.  £x  zov  &rj<savQOV  amov. 

Git  67  a  wird  R.  fAqiba  mit  einer  vollen  Schatzkammer,  on'is  "'^'^s/  verglichen. 
Bar:  Isi  b.  J'^huda  (um  170)  hat  das  Lob  der  Gelehrten  aufgezählt.  (Er  sagte:)  R.  Meür 
(um  150)  ist  ein  Gelehrter  u.  ein  (Dokumenten-)Schreiber.  R.  J^huda  (um  150)  ist  ein 
Gelehrter,  wenn  er  will. ^  R.  Tarphon  (um  100)  ist  ein  Nußhaufen.  R.  Jischmafel  (fum  135) 
ist  ein  gefüllter  Kramladen.  R.  fAqiba  (fum  135)  ist  eine  volle  Schatzkammer.  R.  Jochanan 
b.  Nuri  (um  110)  ist  ein  Korb  der  Spezereikrämer.  R.  Ehazar  b.  sAzarja  (um  100)  ist 
ein  Korb  mit  Gewürzen.  Die  Mischna  des  R.  Elifezer  b.  Jafaqob  ([.  um  90;  11.^  um  150) 
ist  ein  Qab  (d.  h.  wenig  umfangreich),  aber  rein  (gediegen).  R.  Jose  (b.  Chalaphta, 
um  150)  hat  die  Rechtskunde  bei  sich  (er  ist  die  Rechtskunde  in  Person).  R.  Schimfon 
(b.  Jochai,  um  150)  mahlt  viel  (studiert  viel)  u.  läßt  nur  wenig  heraus.  Es  ist  gelehrt 
worden:  Er  vergißt  wenig,  u.  was  er  herausläßt,  lär3t  er  nur  als  Kleie  (Unbrauchbares) 
heraus.  —  Als  Erläuterung  dient  eine  Charakterisierung,  die  nach  AbothRN  18  Anfang 
Rabbi  über  etliche  Gelehrte  gegeben  hat:  Den  R.  Tarphon  nannte  er  einen  Steinhaufen, 
nach  andren  einen  Nußhaufen;  wenn  man  eine  von  ihnen  wegnimmt,  dann  fallen  sie 
alle  klappernd  die  eine  auf  die  andren.  Dem  ähnlich  verhielt  es  sich  mit  R.  Tarphon: 
wenn  ein  Gelehrtenschüler  zu  ihm  kam  u.  zu  ihm  sagte:  Unterweise  mich!  dann  brachte 
er  herbei  Schrift,  Mischna  (Traditionsstoff),  Midrasch  (Schriftbeweis),  Halakhoth  (fest- 
gesetzte Rechtsnormen)  u.  Haggadoth  (nichthalakhische  Lehren);  u.  wenn  er  von  ihm 
ging,  war  er  des  Segens  u.  alles  Guten  voll.  Den  R.  ?Aqiba  nannte  er  einen  vollen 
Schatz,  DiVa  isin.^  Wem  glich  R.  ?Aqiba?  Einem  Arbeiter,  der  seinen  Korb  nimmt  u. 
auf  den  Acker  geht.    Findet  er  Weizen,   so  legt  er  ihn  hinein,  ebenso  Gerste,  Spelt. 

'  So  wird  mit  Levy  1, 235  »  zu  lesen  sein  statt  oi-^a  '::is  (verschlossene  Schatzkammer). 
-  Raschi :  Wenn  er  gelassen  u.  ruhig  in  seinen  Worten  sein  wollte,  war  er  ein  Gelehrter. 
2  Die  Erwähnung  des  R.  Elifezer  b.  J.  neben  den  Schülern  ?Aqib^  läßt  an  den 
Jüngeren  dieses  Namens  denken;  doch  gilt  J^b  49^  obige  Charakteristik  dem  Älteren. 


Matth  13,  52  (83  2.  3).  13,  54  (?l)  677 

Bohnen  u.  Linsen.  Wenn  er  aber  nach  Hause  kommt,  dann  sucht  er  auseinander  den 
Weizen  für  sich  u.  ebenso  die  Gerste  u.  den  Spelt  u.  die  Bohnen  u.  die  Linsen.  So 
hat  es  auch  R.  f  Aqiba  gemacht:  er  machte  die  ganze  Tora  (Lehre)  zu  lauter  Ringen. 
(Durch  feste  Gliederung  u.  sichere  Abgrenzung  der  einzelnen  Disziplinen  machte  er 
die  Lehre  handlich;  ähnlich  hat  man  das  Gleichnis  einen  Handgriff  oder  eine  Ose  für 
die  Tora  genannt,  s.  S.  653  bei  Vers  3.)  Den  R.  El?azar  b.  f  Azarja  nannte  er  einen  Korb 
der  Spezereikrämer.  Wem  glich  R.  Elfazar?  Einem  Krämer,  der  seinen  Korb  (oder 
Kasten)  nimmt  u.  damit  in  eine  Stadt  zieht.  Die  Leute  der  Stadt  kommen  u.  fragen 
ihn:  Hast  du  feines  Öl,  hast  du  Balsam  bei  dir?  So  verhielt  es  sich  auch  mit 
R.  Elfazar  b.  f Azarja:  wenn  Gelehrtenschüler  zu  ihm  kamen  u.  ihm  eine  Frage  aus 
der  Schrift  vorlegten,  so  antwortete  er  (aus  der  Schrift)  u.  ebenso  wenn  sie  ihm  eine 
Frage  vorlegten  aus  der  Mischna  oder  dem  Midr  oder  den  Halakhoth  oder  den  Hag'ga- 
doth  (im  Unterschiede  von  R.  Tarphon,  der  seine  Antworten  aus  allen  möglichen 
Disziplinen  hernahm).  —  Im  Anschluß  an  diese  Ausführung  wird  dann  der  obige  Aus- 
spruch des  Isi  b.  J^'huda  in  knapperer  Form  u.  mit  mehrfachen  Abweichungen  gebracht. 

3.  xaivd  xal  naXaiä. 

AbothRN  18:  Als  R.  J*^hoschuaf  (b.  Chananja,  um  90)  alt  geworden  war,  kamen 
seine  Schüler,  um  ihn  zu  besuchen.  Er  sprach  zu  ihnen:  Meine  Kinder,  was  Neues 
üjnn-n  nia  gab  es  für  euch  im  Lehrhaus?  —  Fortsetzung  bei  Mt  7,6  S.447  f.  aus  Chag  3&. 
—  In  der  Parallelstelle  M'^kh  Ex  13,  2  (23a)  sagt  R.  J'hoschuaf  zu  den  Schülern:  Wäre 
es  möglich,  daß  R.  Elfazar  b.  ?  Azarja  dort  den  Sabbatvortrag  gehalten  hätte,  ohne  euch 
etwas  Neues  zu  sagen  ^a-:  csV  rnn  s';-?  Als  er  dann  von  dem  Inhalt  des  Vortrags  ge- 
hört hat,  sagt  er:  Gibt  es  etwas,  was  neuer  wäre  als  dies?  Siehe,  ich  bin  ein  Siebzig- 
jähriger, u.  erst  heute  bin  ich  gewürdigt  worden,  dies  Wort  zu  hören.  Weitere  Paral- 
lelen finden  sich  TSota  7,9  (307);  pChag  1,  75'',  34;  Chag  3-\  ||  Jad  4,  3:  R.  Jose,  der  Sohn 
der  Damaszenerin  (um  130)  kam  zu  R.  Elifezer  (um  90)  nach  Lud;  dieser  sprach  zu 
ihm:  Was  hattet  ihr  heute  Neues  sii::-  im  Lehrhaus?  Er  antwortete:  Man  hat  ab- 
gestimmt u.  festgesetzt,  daß  f  Ammon  u.  Moab  (d.  h.  die  Israeliten  östlich  vom  Jordan) 
im  Brachjahr  den  Armenzehnt  abzusondern  haben.  Da  weinte  R.  Elifezer  u.  sprach: 
,Das  Geheimnis  Jahves  gehört  denen,  die  ihn  fürchten,  u.  sein  Bund,  daß  er  ihnen 
denselben  kundtue"  Ps  25,  14.  Geh  u.  sage  ihnen:  Macht  euch  keine  Sorge  (wegen 
eurer  Abstimmung  und  eures  Beschlusses);  denn  ich  habe  es  von  Rabban  Jochanan 
b.  Zakkai  (f  um  80)  empfangen,  u.  dieser  hatte  es  von  seinem  Lehrer  u.  sein  Lehrer 
wiederum  von  seinem  Lehrer  gehört  u.  so  fort,  daß  es  eine  Halakha  von  Mose  vom 
Sinai  her  ist,  daß  f  Ammon  u.  Moab  im  Brachjahr  den  Armenzehnt  abzusondern  haben.  — 
R.  Elifezer  leugnet  damit,  daß  jene  Festsetzung  etwas  Neues  sei.  Parallelstellen:  TJad 
■2,16(683);  Chag  3''  als  Bar  mit  einzelnen  Ausschmückungen,  ebenso  Midr  Ps  25  §  13 
(107'^).  II  fEr21'^:  „Neue,  auch  alte  (Edelfrüchte),  die  habe  ich,  mein  Lieber,  dir  auf- 
bewahrt* HL  7,  14.  Die  Gemeinde  Israel  spricht  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  viele  Vor- 
beugungsbestimmungen habe  ich  über  mich  selbst  festgesetzt  (das  sind  die  neuen  Edel- 
früchte), mehr  als  du  über  mich  festgesetzt  hast  (=  alte  Edelfrüchte),  u.  ich  habe  sie 
gehalten.  Rab  Chisda  (f  309)  sprach  zu  demjenigen  unter  unsren  Rabbinen,  der  die 
Aggada  vor  ihm  ordnete  ^-^co  (—  vortrug):  Ist  dir  vielleicht  zu  Ohren  gekommen,  was 
,neue,  auch  alte"  bedeutet?  Er  antwortete  ihm:  Das  eine  sind  die  leichten  Gebote, 
das  andre  die  schweren.  Er  sprach  zu  ihm:  Ist  denn  die  Tora  zu  verschiedenen  Malen 
(nach  u.  nach)  gegeben  worden  (daß  die  einen  Gebote  älter  sind  als  die  andren)?  Viel- 
mehr redet  das  eine  von  den  Worten  der  Tora  (=  alte  Früchte)  u.  das  andre  von  den 
Worten  der  Schriftgelehrten  (—  neue  Früchte). 

13,  54  5t:  Er  lehrte  sie  in  ihrer  Synagoge. 
eSidaaxsv  ccvTovg  iv  xfi  (Tvraycoyfj  avxwv.  —  Die  Berechtigung  zum 
Lehren  stand  jedem  zu,  der  dazu  befähigt  war;  s.  Exkurs:  Der  alt- 
jüdische Synagogengottesdienst. 


678  Matth  13,  54  (J8).  13,  55.  57 

13,  54^:  Woher  kommt  diesem  diese  Weisheit  u.  die  Kräfte? 
Da  nach  allgemeiner  Annahme  die  Weisheit  nur  in  den  Schulen  der 
Weisen  u.  durch  den  Umgang  mit  den  Gelehrten  erworben  werden 
konnte,  so  schien  die  Frage,  woher  Jesu  Weisheit  stamme,  berechtigt, 
da  man  von  dessen  Aufenthalt  in  einer  Gelehrtenschule  nichts  gehört 
hatte.  Der  Gedanke  an  die  ärmlichen  Verhältnisse,  aus  denen  Jesus 
stammte,  hat  jene  Frage  nicht  eingegeben,  da  es  ja  sattsam  bekannt 
war,  daß  den  Kindern  armer  Eltern  die  Lehrhäuser  nicht  verschlossen 
waren;  vgl.  bei  Mt  10,8  58. 

.  N'^dSl'':  Man  schickte  von  dort  (Palästina)  die  Botschaft  (an  die  babylonischen 
Gelehrten):  Seid  vorsichtig  in  bezug  auf  die  Vernachlässigung  (des  Haares,  der  Kleidung 
u.  der  Körperpflege,  weil  dadurch  allerlei  Krankheiten  entstehn  können),  seid  vorsichtig 
in  bezug  auf  die  Genossenschaft  (weil  nur  das  im  Kreise  gleichgesinnter  Genossen  be- 
triebene Studium  fruchtbar  ist)  u.  seid  vorsichtig  in  bezug  auf  die  Kinder  armer  Leute, 
weil  von  diesen  die  Tora  ausgeht,  wie  es  heißt  Nu  24,  7:  Wasser  (häufiges  Bild  für 
Tora)  fließt  aus  seinen  (Israels)  Geringen  (der  Midr  liest  Tsns;  statt  i''~~^  =  „aus  seinen 
Rinnen").  Warum  findet  man  nicht,  daß  aus  den  Kindern  der  Gelehrtenschüler  Gelehrten- 
schüler hervorgehn?  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt:  Damit  man  nicht  sage,  die  Lehre 
(Tora)  sei  ein  Erbgut  für  diese.  Rab  Schescheth  b.  Idi  (um  350)  hat  gesagt:  Damit  sie 
nicht  stolz  auf  die  Gemeinde  herabblicken.  Mar  Zutra  (gegen  400)  sagte:  Weil  sie  sich 
der  Gemeinde  (anmaßend)  bemächtigen.  Rab  Aschi  (f  427)  sagte:  Weil  Sie  zu  den 
Leuten  „Esel"  sagen.  ...  |;  In  der  Bar  Sanh  1071»  erscheint  Jesus  als  Schüler  des 
R.  J'hoschuaf  b.  P^'rachja,  der  etwa  ll'O  Jahre  vor  Jesu  gelebt  hat;  s.  oben  S.84f. 

13.55  91:  Ist  dieser  nicht  des  Zimmermanns  Sohn? 

Origenes,  Contra  Celsum  1,28  (den  giiech.  Text  s.  bei  Strack,  Jesus,  S.  9*):  Er 
(ein  Jude)  sagt,  daß  sie  (Jesu  Mutter)  von  ihrem  Gatten,  der  seinem  Handwerk  nach  ein 
Zimmermann  zexküv  gewesen,  verstoßen  worden  sei,  nachdem  sie  als.  Ehebrecherin 
überführt  war.  Ferner  sagt  er,  daß  sie  von  ihrem  Mann  vertrieben  ehrlos  herumgeint 
sei  u.  Jesum  heimlich  (im  Dunkeln)  geboren  habe,  i  Ferner  s.  Sanh  106-'  oben  S.  43ff 
u.  das  zu  „Naggar"  Bemerkte  S.  41;/. 

13,  55iö:  Heißt  seine  Mutter  nicht  MariaV 

Die  im  rabbin.  Schrifttum  vorliegenden  Erinnerungen  an  Maria,  die  Mutter  Jesu, 
sind  durchweg  gehässiger  Art.  Doch  darf  nicht  übersehen  werden,  daß  es  bei  einem 
Teil  der  Stellen  zweifelhaft  ist,  ob  sie  überhaupt  von  Jesu  Mutter  handeln.  Außer 
den  Zitaten  hier  %  s.  Kalla  18 '^  J'b  4.  13;  P'^siqR  21  {100";  101")  oben  S.42f.; 
Schab  104 b  oben  S.39  y;  TSotaö,  9  (:-!02)  oben  S.40  «;  Chag  4^  oben  S.  147.  —  Zu  Mirjam. 
Tochter  des  fEli  Boglim  (B'^'Qalim),  s.  bei  Eli  Lk  3, 23. 

13,57:  Ein  Prophet  ist  ungeehrt  nur  in  seiner  Vaterstadt. 

Andersartig  ist  Schab  1451»:  Warum  sind  die  Gelehrtenschüler  in  Babylonien  (durch 
schöne  Kleidung)  gekennzeichnet?  Weil  sie  nicht  Kinder  ihres  Ortes  sind  (sondern 
von  außerhalb  zugezogen);  denn  die  Leute  pflegen  zu  sagen:  In  meinem  üeimatsort 
ist  es  mein  Name  (der  mir  Ehre  einträgt),  außerhalb  meines  Heimatsortes  aber 
meine  Kleidung.  1|  Näher  kommt  an  Mt  13,  -il  heran  pTafan  4,  08^,24:  Als  Rabbi 
starb,  befahl  er  seinem  Sohn  u.  sprach:  Mache  es  nicht  so  (wie  ich  es  gemacht  habe, 
der  ich  jährlich  zwei  Gelehrte  ordinierte),  sondern  ordiniere  sie  alle  auf  Einmal  u.  den 
R.  Chanina  b.  Chama  (um  225,  so  ist  zu  lesen  statt  „R.  Chama  b.  Chanina)  ordiniere  zu- 
erst. Warum  hatte  er  diesen  nicht  ordiniert?  R.  Darösa  hat  gesagt:  Weil  man  in 
Sepphoris  wider  ihn  als  Sepphorenser  Geschrei  erhob.  (Grund:  weil  er  als  Sepphorenser 
in  Sepphoris  nichts  galt.)   Doch  ist  der  Text  unsicher. 


Matth  14,  2.  3  679 

14,2:  Er  ist  von  den  Toten  auferstanden. 
Daß  man  die  Wiederbelebung  eines  Toten  bereits  in   der   gegen- 
wärtigen Zeit   (nicht  bloß  erst  nach  Anbruch  der  Tage  des  Messias 
oder  der  zukünftigen  Welt)  für  möglich  gehalten  hat,  beweist  LvR  10 
(llld);  JAZ  10^  u.  M^g  7b;  s.  S.  560  bei  Mt  10,  8  31  Nr.  2. 

14,3:  Herodes  hatte  den  Johannes  ergriffen,  gebunden 
u.  ins  Gefängnis  gelegt. 

1.  Herodes.  Josephus  Ant.  18,  5,2:  Einige  der  Juden  meinten,  daß 
das  Heer  des  Herodes  (Antipas,  4  v.  Chr.  bis  39  n-.  Chr.)  von  Gott  ver- 
nichtet worden  sei  (nämlich  in  dem  Krieg  des  Herodes  gegen  den 
Araberkönig  Aretas,  dessen  Tochter  er  um  der  Herodias  willen  ver- 
stoßen hatte),  u.  zwar  habe  Gott  diese  gar  gerechte  Strafe  über  ihn 
gebracht  wegen  der  Tötung  des  Johannes,  der  den  Beinamen  „der 
Täufer"  führte.  Her.  hatte  nämlich  diesen  töten  lassen,  der  ein  treff- 
licher Mann  war  u.  den  Juden  befahl,  sith  der  Tugend  zu  befleißigen  u. 
Gerechtigkeit  aneinander  u.  Frömmigkeit  gegen  Gott  zu  üben  u.  dann 
zur  Taufe  zu  kommen.  Denn  in  dieser  Weise  werde  die  Taufe  Gott 
angenehm  erscheinen,  wenn  man  sie  nicht  zur  Sühnung  (Abbitte) 
einiger  Sünden  anwende,  sondern  zur  Reinigung  des  Körpers,  nachdem 
nämlich  bereits  zuvor  die  Seele  durch  Gerechtigkeit  gereinigt  worden 
sei.  Als  nun  auch  andre  sich  ihm  zuwandten  (denn  durch  das  Hören 
seiner  Worte  fühlten  sie  sich  gar  sehr  gehoben),  befürchtete  Herodes, 
es  möchte  das  überaus  große  Vertrauen,  das  J.  bei  den  Leuten  genoß, 
zu  einem  Aufstand  führen;  denn  es  hatte  den  Anschein,  als  ob  sie 
alles  auf  seinen  Rat  hin  ausführen  würden.  Er  hielt  es  deshalb  für 
richtiger,  J.  vorher  beiseite  zu  schaffen,  ehe  er  noch  Neuerungen  ins 
Werk  gesetzt,  als  hinterher  nach  geschehenem  Umsturz  das  Hinein- 
geraten in  schwierige  Verhältnisse  bereuen  zu  müssen.  So  wurde  J. 
infolge  jenes  Argwohns  des  Her,  gefangen  genommen  u.  nach  der 
(zuvor  erwähnten)  Festung  Machärus  gebracht,  in  der  er  getötet  wurde. 
Die  Juden  aber  meinten,  daß,  um  diesen  zu  rächen,  das  Verderben 
über  das  Heer  (des  Her.)  hereingebrochen  sei,  indem  Gott  dem  Her. 
übelwollte,  —  Hierzu  s.  Schürer  ^  1,  436  f. 

2.  cpi'Xaxr,  rabbin,  "'p^'^Q. 

LvR  30  (128b):  Nach  einigen  Tagen  wurde  jener  Räuber  eingefangen  -!''%-'::s  u.  im 
Gefängnis  gebunden  "p'i'S-  canrsi  {-=  ins  Gefängnis  gesperrt).  -  Autor  R.Levi,  um  300. 
Purallelstelle  P'^siq  182  a;  -p'-j-ea  2n"«-r-N-i  =  er  wurde  ins  Gefängnis  gelegt,  ü  In  einer 
Ausdeutung  der  10  ägyptischen  Plagen  sagt  R.  ßerekbja  (um  340)  P'siqR  17  (89l>): 
Darauf  band  er  die  Ägypter  in  Gefängnissen  n-p^-ra  "i^a-,  in  Finsternis.  —  Parallel- 
stelle P'^siq  67a:  Er  warf  sie  in  Gefängnisse  r'.'phzz  cs":-i.  ||  Meist  heißt  das  Gefängnis 
D--^,csr  r-z  oder  auch  ^'ii'-~  r'z.  B^rakh  9^:  Ein  Gleichnis.  (Gleich)  einem  Menschen, 
der  im  Gefängnis  gebunden  war  c'^icsn  r^^a  »lan  n-ni;;  es  sagten  die  Leute  zu  ihm: 
Morgen  wird  man  dich  aus  dem  Gef.  ="'^cx:r  r-<z'o  herauslassen  u.  dir  viel  Geld  geben. 
Er  sprach  zu  ihnen:  Lasset  mich,  bitte,  heute  heraus,  ich  begehre  gar  nichts!  |j  B'^rakh  61b: 
Wenige  Tage   darauf  ergriffen  sie  den  R.  ^Aqiba  (f  um  185)  u.  warfen  ihn  ins  Gef. 


680  Matth  14,  4.  6  (31) 

^"'ics-  r-sa  iniran-,  il  pj<^b  1*2, 12'^, 55:  R.  Jochanan,  der  Sandalenverfertiger,  ging  an 
dem  Gef.  rir'sn  r-a  des  R.  fAqiba  vorüber. 

14,4:  Es  ist  dir  nicht  erlaubt  sie  zu  haben. 
SLv20, 21  (373a):  ,Wenn  ein  Mann  das  Weib  seines  Bruders  ehelicht,  so  ist  das 
abscheuliche  Unreinheit  --:;  die  Blöße  seines  Bruders  hat  er  aufgedeckt:  kinderlos 
sollen  sie  sein"  Lv  20,21.  Wenn  ein  .Mann",  damit  ist  ein  Minderiähriger  (der  noch 
nicht  13  Jahre  alt  ist)  ausgeschlossen,  ,das  Weib  seines  Bruders  ehelicht":  vom  Weibe 
des  Bruders  väterlicherseits  redet  die  Schrift.  Oder  redet  sie  von  dem  Weibe  des  Bruders 
auch  mütterlicherseits?  Und  zwar  könnte  man  diese  Schlußfolgerung  ziehen:  die  Schrift 
hat  verboten  die  Schwester  seiner  Mutter  u.  die  Schwester  seines  Vaters  (vgl.  Lv  20,  19), 
u.  desgleichen  hat  sie  verboten  das  Weib  seines  Bruders;  wie  nun  die  Schwester  seines 
Vaters  u.  die  Schwester  seiner  Mutter,  ob  väterlicherseits  oder  mütterlicherseits,  ver- 
boten ist,  so  ist  auch  das  Weib  seines  Bruders  verboten  sowohl  väterlicherseits,  als 
auch  mütterlicherseits.  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  20, 21:  „Nidda  ist  es."  Da  rede  ich 
nur  von  dem  Weibe  eines  Bruders,  mit  der  es  sich  verhält  wie  mit  einer  Menstruierenden 
(n-:):  wie  diese  zeitweise  verboten  u.  dann  wieder  erlaubt  ist,  so  handelt  es  sich  auch 
um  das  Weib  eines  Bruders,  das  bald  verboten,  bald  erlaubt  ist.  Und  welches  Weib 
des  Bruders  ist  bald  verboten,  bald  erlaubt?  Das  ist  das  Weib  des  Bruders  väterlicher- 
seits. Wenn  sie  Kinder  hat  (beim  Ableben  ihres  Manues),  so  ist  sie  verboten;  wenn 
sie  keine  Kinder  hat,  so  ist  sie  erlaubt  (für  die  Eingehung  der  Leviratsehe  mit  ihr). 
, Kinderlos  sollen  sie  sein" :  wenn  sie  Kinder  haben,  so  werden  sie  ihre  Kinder  begraben; 
wenn  sie  keine  Kinder  haben,  so  werden  sie  ohne  Kinder  sterben.  Vgl.  J'b55a;  Leq  tob 
zu  Lv20, 21  (•_',  57a).  ||  K'-r  1, 1 :  In  36  Fällen  ist  die  Strafe  der  Ausrottung  (durch  Gottes 
Hand)  in  der  Tora  festgesetzt:  .  .  .  Wenn  jemand  dem  Weibe  seines  Bruders  beiwohnt. . .  . 

.     14,6  51:  Am  Geburtstage  des  Herodes. 

ysvsain  ist  als  vV'^p-'^r.,  x^o-^rs  u.  n;'Cv:?  ins  Rabbin.  übergegangen.  — 
Der  pT  versteht  'AZ  1.  3:  a-^rr-^  Vr  xiois^  ciii  vom  „Geburtstag"  der 
Könige  u.  der  bT  vom  Tag  des  „Regierungsantritts"  der  Könige.  Die 
Midraschim  u.  Targumim  dürften  durchgängig  dem  pT  folgen. 

fAZ  1,3:  Dies  sind  die  Feste  der  Heiden  (vor  denen  es  drei  Tage  lang  verboten 
ist,  mit  ihnen  Geschäfte  zu  machen):  Die  Kaienden,  die  Saturnalien  (vom  17. — 24.  De- 
zember), die  Q'^^ratisim,'  der  G'^nusjatag  der  Könige,  der  Geburtstag  n-;'r:n  =•-  u.  der 
Todestag  (jedes  Heiden).  So  R.  Meir  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten  (erleichternd): 
Bei  jedem  Todesfall,  bei  dem  Verbrennen  stattfindet,  ist  Götzendienst;^  bei  welchem 
aber  kein  Verbrennen  stattfindet,  ist  kein  Götzendienst.  |l  p?AZ  1,  39*^,  37:  Vr  s-3-:;  ni' 
u^zh-o,  der  Geburtstag  der  Könige,  s.  Gn  40,  20:  Am  dritten  Tage,  am  Geburtstage  =•- 
r-i?r  des  Pharao,  veranstaltete  dieser  ein  Gastmahl.  „Geburtstag  u.  Todestag":  bis 
hierher  (d.  h.  bis  zu  diesen  Worten  redet  die  Mischna  von  Festen)  für  die  Gesamtheit, 
von  da  an  u.  weiter  (von  Festen)  für  den  einzelnen.  (Während  mit  dem  G'^nesjatag 
der  Geburtstag  der  Könige  gemeint  ist,  bezieht  sich  -ii~:  c"  auf  den  Geburtstag  der 
einzelnen  Heiden,  mit  denen  der  Jude  in  Verkehr  stand ;  vgl.  weiter  unten  die  Diskussion 
im  bT.)  i!  pRH  :i,  59",  16:  R.  J''hoschuaP  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  fAmaleq  ist  ein 
Zauberer  gewesen.  Was  tat  er?  Er  stellte  seine  Leute  an  ihrem  Geburtstage  s-o-:-;  ova 
auf  (zum  Kampf),  indem  er  sagte,  daß  nicht  leicht  ein  Mensch  an  seinem  Geburtstag 
fallen  werde.  Was  tat  Mose?  Er  brachte  die  Gestirne  in  Unordnung,  s.  Hab  3,  11  u.  10. 

1  c-c"^-- ,  von  xoäxog  mit  hebr.  Pluralbildung,  andre  Lesart  c-c-u^-  —  xorirrjOLg. 
fAZ8'':  jSch'^muel  (f  254)  sagte:  Das  ist  der  Tag,  an  welchem  Rom  die  Herrschaft 
erlangte."    (Wohl  Jahrestag  der  Schlacht  bei  Actium,  2.  Sept.  31  v.Chr.) 

^  Bei  der  Crematio  wurde  Wein  auf  den  Holzstoß  gegossen;  darin  säTi  man  jüdischer- 
seits  eine  götzendienerische  Weinlibation. 


Matth  14,  6  (3i)  681 

?AZ  lOa;  Was  ist  der  s-d-^jj  ov  der  Könige?  Rab  J<^huda  (f  299)  hat  gesagt:  Der 
Tag,  an  welchem  sie  den  König  einsetzten  (also  Tag  des  Regierungsantritts).  Aber  in 
einer  Bar  heißt  es  doch:  ,Der  s-ci:3  nv  u.  der  Tag,  an  welchem  sie  den  König  ein- 
setzten!" (Da  beide  Tage  nebeneinander  genannt  u.  so  voneinander  unterschieden  werden, 
kann  die  sie  identifizierende  Meinung  nicht  richtig  sein.)  Das  ist  keine  Widerlegung: 
mit  dem  einen  Ausdruck  (s-o-:.i  ni-)  ist  seine  (des  Königs)  Einsetzung  gemeint  u.  mit 
dem  andren  (,Tag,  an  welchem  sie  den  König  einsetzten")  ist  die  Einsetzung  seines 
Sohnes  (als  Mitregent)  gemeint.  Aber  stellen  sie  (die  Römer)  denn  als  König  den  Sohn 
des  Königs  auf?  Rab  Joseph  (f  333)  hat  doch  als  Bar  gelehrt:  Es  heißt  Obadja  2» 
, Siehe,  gering  habe  ich  dich  (Edom  =  Rom)  gemacht  unter  den  Nationen",  weil  sie 
nämlich  zum  König  nicht  den  Sohn  des  Königs  (sondern  irgendeinen  Günstling  der 
Legionen)  einsetzten;  ^  „verachtet  bist  du  gar  sehr",  weil  sie  nämlich  keine  eigne  Schrift 
u.  Sprache  haben.  (Der  Babylonier  Joseph  urteilt  ohne  Kenntnis  von  Rom.)  —  Vielmehr 
was  ist  der  ncij-j  dv  (sic!)?^  Es  ist  der  Geburtstag  r.i^hn  av.  Aber  in  einer  Bar  heißt 
es  doch:  sei:-:  r—  (sie!)  u.  rt— Vn  ci-  (beide  Ausdrücke  nebeneinander  genannt,  also 
nicht  einerlei)!  Das  ist  keine  Widerlegung:  der  erste  Ausdruck  bezeichnet  seinen  (des 
Königs)  Geburtstag,  der  andre  den  Geburtstag  seines  Sohnes.  Aber  in  einer  Bar  heißt 
es  doch:  „Sein  G^^nusatag  u.  der  G'^nusatag  seines  Sohnes,  sein  Geburtstag  {■rr-h'n  nv) 
u.  der  Geburtstag  seines  Sohnes"  (also  kann  „Genusatag"  u.  „Geburtstag"  nicht  ein  u, 
dasselbe  sein)!  Vielmehr  was  ist  der  G^nusatag?  Es  ist  der  Tag,  an  welchem  sie  den 
König  einsetzten,  u.  es  liegt  kein  Widerspruch  vor  (wenn  es  in  der  Bar  oben  heißt: 
„Der  G'^nusatag  u.  der  Tag,  an  welchem  sie  den  König  einsetzten):  der  erste  Ausdruck 
bezieht  sich  auf  seine  u.  der  andre  auf  seines  Sohnes  Einsetzung.  Und  wenn  dir  das 
als  eine  Widerlegung  erscheinen  sollte,  daß  man  ja  (in  Rom)  nicht  den  Sohn  des  Königs 
als  König  einsetzt,  so  setzt  man  ihn  doch  auf  Grund  einer  Anfrage  (beim  Senat)  ein, 
wie  zB  Severus,  der  Sohn  des  Antoninus,  König  geworden  ist.  (Der  bT  hält  hiernach 
an  der  Erklärung  des  Rab  J^huda  fest,  daß  der  G^nesjatag  den  Tag  des  Regierungs- 
antritts bedeutet.) 

GnRy8(56«):  „Am  dritten  Tage"  Gn  40,  20,  das  war  der  Geburtstag  des  Pharao 
't  ■■5-'  -s-3-:;  CT  (entsprechend  dem  textlichen:  nv^s-rs  r^ri^'n  o").  ||  P*^siqR  28/24  (121  >>) : 
(R.  M'^nachem,  um  350,  hat  gesagt:)  Als  Gott  sprach:  „Gedenke  des  Sabbats,  daß  du 
ihn  heiligest"  Ex  20,  8,  sagten  die  Völker  der  Welt:  Welcher  König  wünscht,  daß  man 
(seinen)  Geburtstag  s-c-:-;  cv  nicht  ehre?  Und  Gott  wünscht,  daß  die  Israeliten  den 
Sabbattag  ehren!  —  In  der  Parallelstelle  NuR  8  (149*)  ist  der  Text  korrumpiert:  statt 
r:^-n  c"  lies  s-c^:-)  ni".  1|  Abba  Gorjon  1  (4''):  Warum  veranstaltete  Achaschverosch  ein 
Festmahl  (vgl.  Esth  1,3)?  Einige  sagen:  Die  Provinzen  hatten  sich  wider  ihn  erhoben 
u.  er  hatte  sie  besiegt.  Andre  sagen:  Sein  Geburtstag  war  -•-  i'^'i"  s-c-rj  3V.  !l  ExR  15 
(76*'):  „Dieser  Monat  sei  euch  erster  Monat"  Ex  12, 2.  Gleich  einem  König,  dem  ein 
Sohn  geboren  ward  u.  der  (darob)  einen  Festtag  veranstaltete.  Dieser  Sohn  wurde  ge- 
fangen genommen  u.  blieb  daselbst  lange  Zeit.  Nach  einiger  Zeit  wurde  jener  Sohn 
ausgelöst  u.  der  König  machte  ihm  diesen  Tag  zum  Geburtstag  s-c^:;  c--  (ließ  ihn 
fortan  als  G.  des  Sohnes  feiern).  So  auch  zählten  die  Israeliten,  bevor  sie  nach  Ägypten 
hinabgezogen  waren,  nach  einer  früheren  Zeit  (lies  iai"i;'r;  das  textliche  -'^zv-ch  =  „nach 
der  Knechtung"  gibt  keinen  Sinn).  Nachdem  sie  aber  hinabgezogen  u.  dort  in  Knecht- 
schaft geraten  waren,  tat  Gott  ihnen  Wunder,  so  daß  sie  erlöst  wurden.  Da  fingen  sie 
an  nach  den  Monaten  zu  zählen,  wie  es  heißt:  „Dieser  Monat  sei  euch  erster  Monat."  || 
Targ  Jeruschl  Ga40,  20:  Am  dritten  Tage  war  der  Geburtstag  des  Pharao  nc:i:;  =i- 
nv-^s-t.  Targ  Onk  setzt  dafür  •r.y^t-i  a-.'-'-r-2  s':v.  ||  Targ  Esth  3,8  wirft  Haman  den 
Juden  unter  andrem  vor:  Unser  Brot  u.  unsre  Speise  essen  sie  nicht,  uusren  Wein 
trinken  sie  nicht,  unsre  Geburtstage  {sih  --;  s-cijj  '•C'-)  beobachten  sie  nicht. 

^  Man  erkennt  hieraus,  wie  die  ungeordnete,  dem  Zufall  überlassene  Thronfolge 
Rom  in  den  Augen  der  Provinzialen  verächtlich  gemacht  hat. 

2  sc-:-;  SV  ist  als  Singularform  gedacht;  das  beweist,  daß  man  s-c-:-;  in  der  Ver- 
bindung s*c-:-;  z',',  dem  griechischen  ysfeaia  entsprechend,  als  Plural  gemeint  hat. 


682  Matth  14,  6  (SB) 

14,  6  S:  Tanzte  die  Tochter  der  Herodias  in  (ihrer)  Mitte. 
Der  Tanz  ist  eine  viel  geübte  Kunst  gewesen;  denn  das  Rabbin,  hat 
für  „tanzen"  eine  ganze  Reihe  von  Ausdrücken:  b^ina  =  sich  drehen; 
yspb  hüpfen,  springen;  n;3-ic  hüpfen,  tanzen.  Der  Tanz,  ein  Zeichen 
fröhlicher  Stimmung,  dient  vor  allem  der  Belustigung  andrer.  In  erster 
Linie  sind  es  Männer,  die  am  Tanz  teilnahmen;  selbst  hochangesehene 
Rabbinen  verschmähen  das  Tanzen  nicht ;d  auch  Engel  führen  Reigen- 
tänze auf;e  sogar  von  Gott  erwartet  man,  daß  er  dereinst  in  der 
Vollendungszeit  vor  den  Gerechten  einen  Reigen  anführen  werde.* 
Seltener  werden  tanzende  Frauen  erwähnt. g  Den  gemeinsamen  Tanz 
beider  Geschlechter  miteinander  scheint  man  nicht  gekannt  zu  haben. 

a.  5nn  s.  GnR  74  in  Anm.  e;  Ta?an  4,  8  in  Anm.  g. 

b.  r^r^  s.  pChag  2,  77  a,  49  jn  Anm.  e. 

C.  i(ji.  Be9a5,  2:  Aus  Gründen  (sabbatlicher)  Ruhe  darf  man  (an  einem  Sabbat 
oder  Feiertag)  nicht  auf  einen  Baum  steigen,  nicht  auf  einem  Tier  reiten,  nicht  auf 
dem  Wasser  schwimHien,  nicht  in  die  Hände  klatschen,  nicht  auf  die  Hüfte  schlagen 
u.  nicht  tanzen  T-p->'3  s^i.  —  Dasselbe  TSchab  Ende  (138).  ||  TSchab  6,  2  (117):  Wenn 
man  vor  einer  Feuerflamme  auf  die  Hüften  schlägt  u.  in  die  Hände  klatscht  u.  tanzt 
-tpi^sm,  siehe,  so  gehört  das  zu  den  emoritischen  (heidnischen)  Gebräuchen.  !|  Über  den 
Unterschied  von  vep  u.  -pi  heißt  es  pBe9a  5,  63  a,  41 :  R.  Jirm^ja  (um  320)  u.  R.  Z'^fira 
(um  300)  haben  im  Namen  des  Rab  Huna  (f  297)  gesagt:  Bei  dem  v^^-p  genannten 
Hüpfen  oder  Tanzen  reißt  man  beide  Füße  zugleich  (vom  Boden)  los;  bei  dem  •'^p'": 
genannten  reißt  man  einen  Fuß  los  u.  setzt  den  andren  nieder.  —  Weiter  s.  pChag  2, 
77b,  34;  Midr  Qoh  3,  2  in  Anm.  d;  GnR  74  in  Anm.  e;  LvR  12  u.  Qid  63a  in  Anm.^. 

d.  pChag  '2,  77  b,  34:  Nachdem  sie  (die  Großen  Jerusalems  bei  der  Beschneidungs- 
feier  des  Elischaf  b.  Abuja,  um  120)  gegessen  u.  getrunken  hatten,  fingen  sie  an,  in  die 
Hände  zu  klatschen  u.  zu  tanzen  ■j'np-''ii  (so  lies  statt  Tpnp^'c).  ||  Rabbinen  tanzen  zur 
Belustigung  von  Brautpaaren,  s.  K'^th  17a  S.  514«  bei  Mt  9, 15.  |i  Fromme  Männer,  unter 
ihnen  auch  R.  Schim?on  (I.)  b.  Gamliel  (f  um  70),  tanzen  am  Laubhüttenfest  im  Weiber- 
vorhof  vor  der  Volksmenge,  s.  Sukka  5.  1 — 4;  TSukka4,  Iff.  im  Exkurs:  „Das  Laub- 
hüttenfest"  Nr.V.  |i  Midr  Qoh  3,  2  (16b):  R.  Schim?on  b.  Chalaphta  (um  190)  zog  (mit  den 
Leuten  von  ?En  T'^^ena  zu  einer  Beschneidungsfeier  nach  Sepphoris)  hinauf.  Als  sie  an 
das  Tor  kamen,  trafen  sie  auf  den  Lärm  von  Jünglingen,  die  zu  ihm  sagten:  Du  darfst 
dich  von  hier  nicht  wegrühren,  bis  du  uns  ein  wenig  vorgetanzt  hast  '^':>  -r-,~>z  pst  -ty. 
Er  antwortete  ihnen:  Das  paßt  nicht  zu  mir,  denn  ich  bin  ein  alter  Mann.  |l  Ein  Heide 
tanzt  vor  Juden  Sunh  104  b. 

e.  GnR  74  (48a):  „Jakob  zog  seines  Weges,  u.  es  begegneten  ihm  Engel  Gottes' 
Gn  32,  2.  Wie  viele  Engel  tanzten  u.  hüpften  a'npi'st  D-'sn  vor  unsrem  Vater  Jakob  her, 
als  er  in  das  Land  (Israel)  eintrat?  R.  Huna  (um  350)  h'at  im  Namen  des  R.  Aibo  (um 
320)  gesagt:  60  Myriaden  Engel  tanzten  c-'jn  damals  vor  unsrem  Vater  Jakob  her.  Die 
Rabbinen  sagten:  120  Myriaden.  |i  pChag  2, 77a,  49;  Dienstengel  hüpften  i-iis-r;  vor  ihnen 
(R.  Jochanan  b.  Zakkai,  f  um  80,  u.  R.  El?azar  b.  ?Arakh  nach  einem  Vortrag  des  letzteren 
über  die  Wagenerscheinung  Ez  1 ),  wie  Hochzeitsgäste  sich  vor  dem  Bräutigam  freuen. 

/.  Tafan  31a:  Dereinst  wird  Gott  den  Gerechten  einen  Reigentanz  veranstalten 
h'.r.n  r'vsh-  s.  die  ganze  Stelle  nebst  Parallelen  im  Exkurs  „Sch'^ol"  usw.  111,4,«.  In 
einer  der  letzteren:  ,Gott  tanzt  mit  ihnen"  nnTjy  Vn. 

g.  LvR  12  (113'^):  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt:  80  Arten  von  Tänzen  hat  die 
Tochter  des  Pharao  in  jener  Nacht  (da  sie  Salomo  geheiratet  hat)  getanzt  ttp"^  "=■'2  '2 
~-p-'.  II  Ta?an  4,  8:  (Am  15.  Ab  u.  am  Versöhnungstag)  zogen  die  Töchter  Jerusalems 
hinaus  u.  tanzten  r-V^rr  in  den  Weinbergen.  —  Die  ganze  Stelle  s.  bei  Joh  2, 1  Nr.  3,  l.  \\ 
In  der  Bar  Qid  63a  gagt  einer  zu  einer  Frau,  die  er  sich  angeloben  will:  „Sitze  bei  mir 


Matth  14,  7.  10.  11.17  (Nr.  1.2)  683 

zu  meiner  Gesellschaft,  so  will  ich  dich  mir  angeloben,  spiele  vor  mir,  tanze  tip-'  vor 
mir,  mache  (Kunststücke)  wie  in  jener  Rennbahn!"  (lies  oio-it  statt  o-^'o-'n). 

14,  7:  Er  bezeugte  mit  einem  Schwur. 
Über  den  unbedachtsam  entfahrenen  Schwur  -^r^^  ry^nuj  s.  bei  Mt  5,33 
S.  321;  über  dabei  übliche  Schwurformeln  bei  5,36  S.  334. 

14,10:  Er  ließ  den  Johannes  im  Gefängnis  enthaupten. 

Vgl.  Josephus  Ant.  18  oben  S.  679.  ||  Sanh  7, 1 :  Vier  Todesarten  sind  dem  Gerichtshof 
übergeben:  Steinigung  t^\'~.'^,  Verbrennung  ^t-.V ,  Enthauptung  j-n  u.  Erdrosselung psn. 
—  Das.  l,"-i:  Das  gesetzliche  Verfahren  für  die,  welche  enthauptet  werden:  man  schlug 
ihm  den  Kopf  mit  dem  Schwert  ab.  wie  es  die  (römische)  Regierung  tut.  Das  Weitere 
S:  S.  270«  bei  Mt5,  '21.  ||  Sanh  9, 1 :  Und  dies  sind  die,  welche  enthauptet  werden  •;-;';:n3n  : 
der  Mörder  (s.  Lv  26, 25)  u.  die  Einwohner  einer  abwendig  gemachten  Stadt  (s.  Dt  13, 16). 

14,11:  Sein  Haupt  wurde  auf  einer  Schüssel  gebracht. 

Midr  Esth  1,  19  (QU):  (M®mukhan)  sprach  zu  ihm:  Mein  Herr  König,  laß  ein  Wort 
aus  deinem  Munde  gehn,  so  bringe  ich  ihr  (der  Vaschti)  Haupt  auf  einer  Schüssel  oipsq 
(=  (ft'ffxoc  Scheibe,  Schüssel).  —  Das.  zu  1,21  (91  a):  ,Es  dünkte  das  Wort  gut  in  den  Augen 
des  Königs  u.  der  Fürsten":  der  Befehl  erging,  u.  er  brachte  ihr  Haupt  auf  einer  Schüssel. 

14,  17:  Wir  haben  hier  nur  fünf  Brote  u.  zwei  Fische. 

1.  Die  häufigsten  Bezeichnungen  für  „Brot"  sind:  cnb,  aram.  xrr-b, 

PB,  xr,i5,  Nns-''!,  "123  (speziell  rundes  Brot)  u.  (nur  im  bT)  X'on?, 

Wenn  von  „Brot"  rt  schlechthin  die  Rede  ist,  heißt  es  pChalla  1,  57",  47,  so  ist 
damit  ausschließlich  das  aus  Weizen  oder  Gerste  gemeint.  Doch  wird  alsbald  hinzu- 
gefügt: Wo  man  Brot  aus  allem  ißt,  wird  mit  „Brot"  schlechthin  lediglich  das  aus  den 
fünf  (im  Lande  Israel  wachsenden)  Getreidearten '  bezeichnet.  —  Oft  aber  setzte  man 
die  Getreideart  hinzu,  aus  der  es  bereitet  war.  „Gerstenbrot*  (Joh  6,  9  bei  der  Speisung 
der  Fünftausend)  hieß  ''"y'v  rc,  zB  Sch^bu  3,2,  im  babylon.  Dialekt  '^y::i  s'inj,  zB 
Schab  140b:  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Wer  Gerstenbrot  essen  kann  (weil  er  es 
verträgt)  u.  Weizenbrot  (trotzdem)  ißt,  der  übertritt  das  Verbot:  „Du  sollst  nicht  ver- 
derben" Dt  20,  19.  —  Hiernach  galt  Weizenbrot  gewissermaßen  als  Luxus.  —  Brot  aus 
Spelt  ■j-'sDir  PE  (Schebu  3,  2)  hielt  man  für  wohlschmeckender  als  Gerstenbrot;  gleichwohl 
erfreute  sich  letzteres  im  Benediktionsritus  eines  gewissen  Vorzugs  vor  dem  ersteren: 
„Ist  Weizenbrot  yi:'-  rt  u.  Gerstenbrot  da,  so  spricht  man  den  Lobspruch  (s.  bei  Mt  14, 1 9) 
über  ersterem.  Ist  ein  angebrochenes  Weizenbrot  da  u.  ein  ganzes  Gerstenbrot,  so  spricht 
man  den  Lobspruch  über  ersterem.  Ist  Gerstenbrot  u.  Speltbrot  da,  so  spricht  man  den 
Lobspruch  über  ersterem.  Ist  Speltbrot  nicht  schmackhafter?  Aber  (so  tat  man)  weil 
die  Gerste  zu  den  sieben  Fruchtarten  (von  Dt  8,  8)  gehört,  während  der  Spelt  nicht  zu 
ihnen  gehört."  TBerakh4,  11  (9);  pßerakh  G,  10b,  41  als  Bar. 

2.  Die  verschiedenen  Zubereitungsarten  der  Fische  zählt  N'^d  20'' 
auf:  Fleisch,  das  aus  dem  Fleischerladen  kommt,  ißt  man,  je  nachdem 
man  will,  in  Salz  (d.  h.  gepökelt)  oder  gebraten  oder  gekocht  oder 
gebrüht;  dasselbe  gilt  vom  Fisch,  der  aus  dem  Fischladen  kommt.  — 
Besonders  beliebt  war  der  mit  Salz  eingelegte  Fisch,  a  „Eingesalzenes" 
nibp  schlechthin  bezeichnet  deshalb  meist  den  eingepökelten  Fisch. b 
Die  Lake,  die  aus  Fischsaft  u.  Salz  bestand,  hieß  "f:?;«^  vor  dem  Genuß 
des  Fisches  wurde  sie  durch  mehrfaches  Ausdrücken  entfernt,  d   Daß 

'  Diese  5  Arten  sind:  nun  Weizen,  •n-^'isv  Gerste,  rasna,  pl.  """is^s  Emmer  (Spelt), 
^sn»  rh'zv  Kolbenhirse  u.  ys'p  Hafer  (Mischna  P'^s  2,  5). 


684  Matth  14,  17  (Nr.2) 

Pökelfische  nicht  als  ärmliche  Kost  galten,  erkennt  man  daraus,  daß 
sie  angesehenen  Gästen  vorgesetzt  wurden,  e  Selbst  beim  Mahle  der 
Gerechten  in  der  Zukunft  wird  der  Livjathan  in  gepökeltem  Zustande 
als  Leckerbissen  gereicht  werden.*  In  einer  diätetischen  Regel  wird 
das  Wasser  als  bester  Trunk  zum  Fisch  empfohlen,  g  —  Bei  der  hervor- 
ragenden Bedeutung  gerade  der  eingelegten  Fische  für  die  Ernährung  des 
jüdischen  Volkes  liegt  es  nahe,  an  solche  in  erster  Linie  Mt  14, 17  zu  denken. 

a.  Berakh  44»:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Ein  Mahl,  bei  welchem  es  keinen  ein- 
gelegten Fisch  ^  gibt,  ist  kein  Mahl.  ||  BB  74  b:  Eingelegter  Fisch  schmeckt  gut. 

b.  Ned  6,  3:  Wer  sich  durch  ein  Gelübde  ,das  Eingesalzene"  --'^sn  versagt,  dem  ist 
nur  Salzfisch  ;i  hv  r.^h-oTi  verboten;  (wer  aber  bei  seinem  Gelöbnis  sagte:)  , Eingesalzenes 
n-^'3  will  ich  nicht  essen!"  dem  ist  alles  Eingesalzene  verboten.  ||  B^rakh  6,  7 :  Bringt  man 
zu  Anfang  (vor  Beginn  des  eigentlichen  Mahles)  vor  ihn  (den  Gast)  eingelegten  Fisch 
ri'hn  nebst  Brot,  so  spricht  er  den  Lobspruch  über  den  eingelegten  Fisch  u.  läßt  das  Brot 
(von  einem  Lobspruch)  frei;  denn  das  Brot  ist  dabei  nur  Nebensache.  —  Ferner  s.  Anm.  a. 

C.  Terum  10,8:  Wenn  man  unreinen  Fisch  zusammen  mit  reinem  Fisch  eingelegt 
hat,  so  ist  die  Lake  ^■'is  des  ganzen  zwei  Sea  enthaltenden  Fasses  verboten,  falls  sich 
darin  unreiner  Fisch  im  Gewicht  von  10  Zuz  in  Judäa,  gleich  5  Selaf  in  Galiläa,  be- 
findet. R.  Jehuda  (um  150)  sagte:  Ein  Viertel  (Log  unreine  Lake)  in  zwei  Sea  (Lake 
überhaupt).  R.  Jose  (um  150)  sagte:  (Wenn)  der  sechzehnte  Teil  darin  (unreine  Lake) 
ist,  so  ist  die  ganze  Lake  unrein.  Vgl.  Ghullin  99^;  R.Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat 
gesagt:  Nicht  alle  Maße  sind  (in  bezug  auf  das  Geschmackverleihen)  gleich;  denn 
siehe,  das  Maß  der  Fischlake  beträgt  fast  zweihundert  (erst  wenn  der  200.  Teil  einer 
Flüssigkeit  Fischlake  ist,  schmeckt  das  Ganze  nach  dieser).  Denn  wir  haben  gelernt: 
Die  Lake  eines  unreinen  Fisches  ist  verboten;  R.  Jehuda  (um  L50)  sagte:  Ein  Viertel 
Log  in  2  Sea  (das  ist  der  192.  Teil).  Aber  R.  Jehuda  hat  doch  gesagt:  Art  in  Art  vergeht 
nicht  (also  verliert  unreine  Fischlake  niemals  ihren  Geschmack  in  reiner  Fischlake)! 
Bei  der  Fischlake  verhält  es  sich  anders,  denn  sie  ist  bloß  eine  Ausschwitzung  (sie 
enthält  nur  Fischsaft  ohne  kompakte  Fischbestandteile;  deshalb  verliert  sich  ihr  Ge- 
schmack mit  der  Zeit  in  größeren  Mengen  andrer  Fischlake). 

d.  Vgl.  das  nächste  Zitat. 

e.  MQ  1 1  a:  (Raba,  f  352,  hatte  erlaubt,  an  den  Zwischenfeiertagen  Fische  zu  fangen 
u.  einzulegen.)  Abaje  (f  338/39)  sagte  zu  ihm:  Wir  haben  aber  doch  gelernt  (MQ  1, 10): 
Alles  Einlegbare,  davon  man  noch  an  den  Zwischentagen  selbst  essen  kann,  darf  man 
(an  den  Zwischentagen)  einlegen  (die  Fische  aber  sind  wegen  der  Salzmenge  in  so  kurzer 
Zeit  noch  nicht  genießbar).  Er  antwortete:  Auch  diese  können  wegen  des  Ausdrückens 
(des  Salzes)  gegessen  werden.  So  hat  man  für  Sch'^'muel  (f  254)  sechzig  Auspressungen 
gemacht  u.  er  aß.  Raba  kam  in  das  Haus  des  Exilarchen  u.  man  machte  für  ihn  sechzig 
Auspressungen  u,  er  aß.  Rab  (f  247)  kam  in  das  Haus  des  Rab  Schappir;  man  setzte  ihm 
einen  Fisch  vor,  von  d em  ein  Drittel  gekocht,  ein  Drittel  eingelegt  u.  ein  Drittel  gebraten  war. 

/.  BB  74b:  (Rab  J'^huda,  f  299,  hat  gesagt,  Rab,  f  247)  habe  gesagt:  Gott  hat  das 
Weibchen  (des  Livjathan)  getötet  u.  es  für  die  Gerechten  in  der  Zukunft  eingesalzen. 
Hierzu  s.  Exkurs:  „Sch^ol"  usw.  111,  4,  j:) — x. 

g.  MQ  11  a;  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Der  Fischer  Ada  (Adda)  hat  mir  gesagt: 
Erstens,  der  Fisch  ist  am  besten  kurz  zuvor,  ehe  er  übelriechend  wird.  Zweitens:  Den 
Fisch  brate  mit  seinem  Bruder  (d.  h.  mit  Salz,  das  wie  die  Fische  aus  dem  Meerwasser 
entsteht,  Raschi),  lege  ihn  ein  mit  seinem  Vater  (d.  h.  mit  Wasser),  iß  ihn  mit  seinem 
Sohne  (d.  h.  mit  der  Lake,  die  von  ihm  kommt)  u.  trinke  dazu  seinen  Vater  (d.  h.  Wasser). 
Drittens:  Fische,  Kresse  u.  Milch  soll  der  Körper,  aber  nicht  das  Bett  tragen  (d.h.  nach 
ihrem  Genuß  soll  man  sich  bewegen,  aber  nicht  ruhen).  Viertens:  Nach  Fisch,  Kresse 
u.  Milch  Wasser,  aber  nicht  Rauschtrank;  Rauschtrank,  aber  nicht  Wein. 

^  Lies  mit  Handschrift  München  u.  fArukh  -"^^  statt  n^*:  =  Salz. 


Matth  14,  19  (3t.  5B  1)  685 

14,19  51:  Zum  Himmel  aufblickend  sprach  er. 
Das  Aufblicken  zum  Himmel  beim  Gebet  war,  wenigstens  später, 
nicht  allgemein  üblich;  s.  zu  Lk  18, 13. 

14,19  93:  Sprach  den  Lobspruch  u.  (das  Brot)  brechend 
gab  er  die  Brote  den  Jüngern. 

1.  svkoyrjasv,  hebr.  -"^s  =  er  sprach  eine  ßenediktion,  einen  Lob- 
spruch. Es  war  eine  schöne  Sitte  im  jüdischen  Volk,  daß  man  keine 
Speise  aß,  ohne  vor  u.  nach  ihrem  Genuß  Gott  dafür  zu  danken. a  Den 
Schriftbeweis  fand  man  in  Lv  19,  24. b  Sämtliche  Lobsprüche,  die  vor 
dem  Genuß  über  Speise  u.  Trank  zu  sprechen  waren,  begannen  mit 
den  Worten:  „Gepriesen  seist  du,  Jahve  unser  Gott,  König  der  Welt." 
Die  Fortsetzung  lautete  dann  verschieden  je  nach  der  Speise,  die  man 
aß.  Beim  Brot  zB:  „Der  du  das  Brot  aus  der  Erde  lassest  hervor- 
gehn."    Vgl.  den  Exkurs:  Ein  altjüdisohes  Gastmahl  Nr.  6. 

Umfangreicher  waren  die  Benediktionen  nach  dem  Genuß  einer 
Speise  oder  eines  Trankes.  Die  Halakha  unterscheidet  hier  drei  Fälle. 
1.  Nach  dem  Genuß  von  Brot  (aus  den  fünf  Getreidearten),  das  als 
Hauptspeise  galt,  während  alles  dazu  Genossene,  wie  Fleisch,  Fisch,  Ge- 
müse usw.,  nur  als  Zukost  angesehen  wurde  u,  ohne  besondere  Benediktion 
blieb,  hatte  man  das  eigentliche  Tischdankgebet  -iiTjan  rsia  zu  sprechen, 
das  anfänglich  aus  zwei,  später  aus  drei  u.  endlich  aus  vier  Gebeten 
bestand,  die  nach  ihrem  Inhalt  genannt  wurden  iTn  r=-in  (Benediktion: 
„der  speist"),  ■j^Nn  'i  (B.  für  das  Land  Israel),  .-idis  '-  (B.:  „der  Jerusalem 
erbaut")  u.  a'^^Lp^ni  ni-L:n  'n  (B.:  „der  Gute  u.  der  Gutes  erweist").  Biblisch 
begründet  sah  man  dies  Dankgebet  besonders  in  Dt  8,  10.  c  Ausführ- 
licheres s.  im  Exkurs:  Ein  altjüdisches  Gastmahl  Nr.  11.  —  ||  2.  Nach 
Speisen,  die  aus  den  fünf  Getreidearten  (S.  685()')  nicht  als  Brot 
zubereitet  waren,  ferner  nach  dem  Genuß  der  in  Dt  8,  8  genannten 
Baumfrüchte  (Weintrauben,  Feigen,  Granatäpfel,  Oliven  u.  Dattelhonig), 
desgleichen  nach  dem  Trinken  von  Wein:  ein  Lobspruch  dreifachen 
Inhalts,  dessen  Anfang  u.  Schluß  je  nach  der  Art  des  Genossenen  sich 
richtete,  s.  den  genannten  Exkurs  Nr.  12,  e,  ß.  —  ||  3.  Nach  allen  übrigen 
Speisen,  auch  nach  Wasser,  das  man  zur  Stillung  des  Durstes  trank, 
sprach  man:  Gepriesen  seist  du,  Jahve  unser  Gott,  König  der  Welt,  der 
viele  belebte  Wesen  erschuf  u.  ihren  Bedarf  für  alles,  was  er  erschaffen. 
Gepriesen  sei  der  ewig  Lebende!  Vgl.  denselben  Exkurs  Nr.  12,  e,  y. 

a.  B'^rakli  35^:  Es  ist  dem  Menschen  verboten,  irgend  etwas  von  dieser  Welt  ohne 
Benediktion  zu  genießen.  Die  Bar  fügt  hinzu:  Wer  etwas  von  dieser  Welt  ohne  ß. 
genießt,  der  begeht  die  Sünde  der  Veruntreuung  (gegen  Gott).  Was  für  eine  Abhilfe 
gibt  es?  Er  gehe  zu  einem  Gelehrten.  .  .  .  Raba  (f  852)  hat  gesagt:  Er  gehe  frühzeitig 
zu  einem  Gelehrten,  damit  dieser  ihn  die  Benediktionen  lehre,  auf  daß  er  nicht  der 
Sünde  der  Veruntreuung  anheimfalle.  Rab  J'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Sch<^muel  (f  254) 
habe  gesagt:  Wer  von  dieser  Welt  ohne  B.  etwas  genießt,  der  ist  wie  einer,  der  von 
Gott  Geheiligtem  genießt,  s.:  „Jahves  ist  die  Erde  u.  ihre  Fülle"  Ps  24,  1.  R.  Levi 
(um  300)  stellte  einander  gegenüber  Ps  24,  1  u.  Ps  115,  16;  ,Der  Himmel  ist  Himmel 


686  Matth  14,  19(©1) 

für  Jahve,  aber  die  Erde  hat  er  den  Menschenkindern  gegeben."  Darin  liegt  kein 
Widerspruch:  jenes  gilt  vor  der  Benediktion,  dieses  nach  ihr.  R.  Chanina  b.  Papa  (um 
lOO)  hat  gesagt:  Wer  von  dieser  Welt  etwas  ohne  B.  genießt,  der  ist  wie  einer,  der 
Gott  u.  die  Gemeinde  Israel  beraubt,  s. :  „Wer  Vater  u.  Mutter  beraubt  u.  sagt:  'Es  ist 
keine  Sünde-,  der  ist  ein  Genosse  dessen,  der  zugrunde  richtet"  Spr  28,  24.  Mit  , Vater" 
ist  Gott  gemeint,  s.:  Ist  nicht  er  dein  Vater,  der  dich  erschaffen  hat?  Dt  32,  6.  „Mutter" 
ist  die  Gemeinde  Israel,  s.:  „Höre,  mein  Sohn,  auf  die  Zucht  deines  Vaters  u.  laß  nicht 
fahren  die  Unterweisung  deiner  Mutter"  Spr  I,  8.  Was  ist  gemeint  mit  „Genosse  dessen, 
der  zugrunde  richtet"?  R.  Chanina  b.  Papa  hat  gesagt:  Der  ist  ein  Genosse  des 
Jarobfam  ben  Nebat,  der  die  Israeliten  zugrunde  gerichtet  hat  für  ihren  Vater  im 
Himmel.  ||  B'^rakh  lO**:  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  ge- 
sagt, R,  Jose  b.  Chanina'  (um  27o)  habe  im  Namen  des  R.  Elifezer  b.  Jafaqob  (IL, 
um  150)  gesagt:  Was  heißt:  „Dir  sollt  nicht  essen  um  des  Blutes  willen"  Lv  19,26? 
(so  der  Midr).  Ihr  sollt  nicht  essen,  bevor  ihr  gebetet,  um  eures  Blutes  (Lebens) 
willen.*  R.  Ji^chaq  hat  gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt,  R.  Jose  b.  Chanina  habe  im 
Namen  des  R.  Eli?ezer  b.  Jafaqob  gesagt:  Wer  ißt  u.  trinkt  u.  hinterher  (erst)  betet, 
von  dem  sagt  die  Schrift:  ,Du  hast  mich  hinter  deinen  Rücken  geworfen"  1  Kg  14,  9. 
Lies  nicht  -"■;  =  deinen  Rücken,  sondern  --n;  =  deinen  stolzen  (Vollbauch).  Gott 
spricht:  Nachdem  sich  dieser  stolz  erhoben  hat  (essend  ohne  Gebet),  nimmt  er  die 
Gottesherrschaft  (im  Gebet  hernach)  auf  sich! 

b.  SLv  19,  24  (357"):  „Alle  ihre  Frucht  sei  eine  Weihung  zu  Lobeserhebungen  für 
Jahve"  Lv  19,  24;  das  lehrt,  daß  (jede  Frucht)  einer  Benediktion  vorher  u.  nachher  (d.  h. 
vor  u.  nach  ihrem  Genuß)  bedarf  (denn  es  steht  der  Plural  „Lobeserhebungen").  Von 
hier  aus  hat  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  gesagt:  Der  Mensch  soll  nichts  schmecken  (essen),  be- 
vor er  den  Lobspruch  gesprochen  hat.  —  Dasselbe  als  Bar  B'^rakh  35 '\ 

C.  TB'-rakh  7,  1  (14):  Die  Benediktion  bei  der  Aufforderung  zu  gemeinsamem  Tisch- 
dankgebet i-s'-Tn  rs-s  (s.:  „Ein  altjüdisches  Gastmahl"  Nr.  11)  ist  aus  der  Tora,  s.: 
„Wenn  du  gegessen  hast  u.  satt  bist,  so  preise"  Dt  8,  10;  das  ist  die  B.  bei  der 
Aufforderung  zu  gemeinsamem  Tischdankgebet;  „Jahven  deinen  Gott"  (das.),  das  ist 
die  B.  1  (-jin  'z);  „für  das  Land",  das  ist  die  (2.)  B.  für  das  Land  (r^s^  i'^^^);  «das 
gute",  das  bezieht  sich  auf  Jerusalem  (—  3.  B.,  npz  'z);  ebenso  heißt  es  Dt  3,  25: 
Diesen  guten  Berg  u.  den  Libanon  (-—  Bei;g  Zion  u.  Tempel,  letzterer  wird  oft  unter 
Libanon  verstanden);  „das  er  dir  gegeben  hat"  Dt  8,  10,  das  ist  die  B.:  „Der  Gute  u. 
der  Gutes  tut"  (die  4.  B^rakha  3".:'2.-i  aiun  r^^z).  Woher,  daß  man,  wie  man  hinter- 
her, so  auch  vorher  eine  B.  zu  sprechen  hat?  Die  SchTift  .sagt  lehrend:  „das  er  dir 
gegeben  hat",  d.  h.  von  dem  Augenblick  an,  da  er  dir  etwas  gibt  (also  noch  bevor 
das  Gegebene  genossen  ist).  —  Ähnlich  in  M'^kh  Ex  13,3  (23*^).  Hier  schließt  sich 
folgende  Ausführung  an:  Da  höre  ich  nur  in  bezug  auf  das  Tischgebet,  daß  man  zu 
einem  Lobspruch  nach  dem  Essen  verpflichtet  ist;  woher,  daß  man  auch  vorher  vec- 
pflichtet  ist?  R.  Jischmafel  (f  um  135)  lehrte  es  durch  einen  Schluß  vom  Leichteren 
auf  das  Schwerere:  wenn  man  zu  einem  Lobspruch  verpflichtet  ist,  nachdem  man  sich 
satt  gegessen  hat,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann,  wenn  man  nach  Speise  Verlangen 
trägt!  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  Siehe,  es  heißt:  „Wenn  ihr  in  die  Stadt  geht,  werdet 
ihr  ihn  antreffen,  ehe  er  zur  Bama  zum  Essen  hinaufgeht;  denn  das  Volk  ißt  nicht, 
bevor  er  kommt;  denn  er  selbst  soll  das  Schlachtopfer  segnen;  erst  darnach  essen  die 
Geladenen"  1  Sm  9,13.  R.  Ji^chaq  (um  150)  sagte:  Es  heißt:  „Verehret  Jahve  euren 
Gott,  so  wird  er  dein  Brot  u.  dein  Wasser  segnen"  Ex  23,  25.  Wann  ist  es  dein  Brot? 
Bevor  du  es  gegessen  hast.  —  Beide  Stellen  als  Bar  mit  Abweichungen  im  einzelnen 

*  Daß  R.  Jochanan  als  Tradent  des  R.  Jose  b.  Chanina  erscheint,  ist  auffallend, 
nicht  gerade  unmöglich.  Wir  wissen  auch  sonst  von  R.  Jose  b.  Ch.,  daß  er  vor 
R.  Jochanan  tannaitische  Traditionen  vorgetragen  hat;  s.  Bacher,  Pal.  Amor.  1,  421.  Von 
einer  solchen  Tr.  kann  R.  Jochanan  mit  Berufung  auf  R.  Jose  b.  Ch.  gesprochen  haben. 

*  Bacher,  Tann.  2,  285  deutet  das  zz^:-.  hy.  Esset  nicht,  bevor  ihr  „für  euer 
Blut"  gebetet. 


Matth  14,  19  (!B  1— 3j.  14,20  (Nr.  1—3)  687 

pB'^rakh  48''.  Nach  pB'^rakh  7,  1 1  =*,  41  gehört  der  oben  aus  der  Tosephta  gebtachte 
Schriftbeweis  für  das  Tischdankgebet  dem  R.  Jischma?el  (f  um  135)  an;  die  aus  der 
M'^khiltha  beigebrachten  Sätze  finden  sich,  mit  zum  Teil  andren  Autorennamen,  in 
pB-^-rakh  7,  11  •%  55.  II  TanchB  yp':  §  14  (99^):  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Auf  Grund 
welcher  Stelle  hat  man  angeordnet,  über  die  Speise  einen  Lobspruch  zu  sprechen? 
Weil  es  heißt:  „Wenn  du  gegessen  hast  u.  satt  bist,  so  preise"  Dt  8,  10.  Siehe,  man 
soll  hinterher  preisen;  woher,  daß  man  es  auch  vor  dem  Essen  soll?  R.  Chijja  (um  200) 
hat  im  Namen  des  R.  fAqiba  (f  um  135)  gelehrt:  Es  heißt:  ,Eine  Weihung  zu  Lobes- 
erhebungen für  Jahve"  Lv  19,24;  das  lehrt,  daß  man  vorher  u.  nachher  zu  einer  Be- 
nediktion verpflichtet  ist.    (Der  Beweis  liegt  in  dem  Plural   , Lobeserhebungen".) 

2.  Wie  streng  man  schon  in  frühester  Zeit  auf  die  Speisebenediktionen 
gehalten  hat,  zeigt  die  Kontroverse  der  Schule  Schammais  u.  Hillels 
über  die  Frage,  was  man  zu  tun  habe,  falls  man  sie  vergaß, 

B^'rakh  8,7:  Wer  gegessen  hat  u.  vergaß,  die  Benediktionen  zu  sprechen,  der  soll 
nach  den  Worten  der  Schule  Schammais  an  seinen  Platz  zurückkehren  u.  die  B. 
sprechen.  Die  Schule  Hillels  sagte:  Er  soll  sie  an  der  Stelle  sprechen,  an  der  ihm 
die  Erinnerung  kommt  (daß  er  das  Gebet  unterlassen  habe).  Bis  wie  lange  ist  man 
zur  B.  (nachträglich)  verpflichtet?  Bis  die  Speise  im  Magen  verdaut  ist.  ||  B  rakh  50^: 
Rab  J''huda  (f  299)  hat  gesagt:  Wenn  man  (die  B.  vor  dem  Essen)  vergessen  u.  die 
Speisen  in  den  Mund  gebracht  hat  ohne  B.,  so  bringe  man  sie  auf  die  eine  Seite  (des 
Mundes)  u.  spreche  die  B. ;  die  eine  Bar  lautet:  Man  schlucke  sie  herunter,  u.  eine 
andre:  Man  speie  sie  aus,  u.  noch  eine  lautet:  Man  bringe  sie  auf  die  eine  Seite  des 
Mundes.  Darin  liegen  keine  Widersprüche:  die  eine  Bar,  daß  man  sie  herunterschlucken 
soll,  bezieht  sich  auf  Getränke;  die  andre,  daß  man  sie  ausspeien  solle,  bezieht  sich 
auf  etwas,  was  dadurch  nicht  widerlich  wird  (u.  hinterher  wieder  in  den  Mund  ge- 
steckt u.  gegessen  werden  kann),  u.  die  dritte  Bar,  daß  man  sie  auf  die  eine  Seite  des 
Mundes  bringen  soll,  bezieht  sich  auf  etwas,  was  (durch  Ausspeien)  widerlich  wird.  || 
pB'^'rakh  6,  10b,  i ;  Rab  Huna  (f  297)  hat  gesagt:  Wer  etwas  in  seinen  Mund  genommen 
u.  vergessen  hat,  die  B.  zu  sprechen,  der  soll  es,  falls  es  ein  Getränk  war,  ausspeien, 
u.  falls  es  Speise  war,  an  die  Seiten  (des  Mundes)  bringen  (u.  dann  die  B.  sagen). 
R.  JiQchaq  b.  Mari  hat  vor  R.  Jose  b.  Abin  (um  350)  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279) 
gesagt:  Auch  Speisen  soll  man  ausspeien;  denn  es  heißt:  ,Mein  Mund  ist  von  deinem 
Ruhme  (u.  nicht  von  etwas  andrem)  voll "  Ps  7 1 ,  8.  —  Der  letzte  Ausspruch  auch  B^rakh  5 1  *. 

3,  xXäaag.  —  In  der  Regel  war  es  der  Hausvater,  der  mit  der 
Benediktion  über  das  Brot  (N'':j'i5:n  rs-is  „der  das  Brot  läßt  hervorgehn") 
die  Mahlzeit  eröffnete,  um  den  Tischgenossen  davon  zu  reichen;  s.  das 
Nähere  im  Exkurs:  „Ein  altjüdisches  Gastmahl"  Nr.  7,  m — p. 

, Brechen"  des  Brotes  wird  meist  durch  y^z  ausgedrückt,  zB  Chullin  7^;  B'^rakh  46»; 
47  a;  seltener  »•s]^,  zB  pB^rakh  (>,  IQa,  57;  bisweilen  auch  c^e,  zB  RH  29l>. 

14,20:  Sie  hoben  das  Übriggebliebene  an  Brocken  auf, 
zwölf  volle  Körbe. 

1.  Über  die  Pflicht,  die  während  des  Essens  auf  die  Erde  gefallenen 
Brocken  aufzusammeln,  s.  den  Exk.:  „Ein  altjüd.  Gastmahl"  Nr.  10,  d. 

2.  x6(pivog,  hebr.  ns^ip,  zB  B^rakh  32^:  In  der  Schule  des  R.  Jannai 
(um  225)  sagte  man:  Der  Löwe  brüllt  nicht  bei  einem  Korb  voll  Stroh, 
sondern  bei  einem  Korb  voll  Fleisch  (Sinn :  Der  Überfluß  macht  übermütig}. 

3.  Beispiele  wunderbarer  Segnungen: 

Joma  39a  Bar:  In  den  40  Jahren,  in  denen  Schimfon  der  Gerechte  (I.,  um  300; 
IT.,  um  200)  (als  Hoherpriester)  fungierte,  kam  das  Los  (am  Versöhnungstage,  s.  Lvl6,  8) 


688  Matth  14,  20  (Nr.  3).  14,  25 

in  der  Rechten  herauf;  von  da  an  u.  weiter  kam  es  bald  in  der  Rechten,  bald  in  der 
Linken  herauf,  u.  der  glänzende  Streifen  iZeug,  der  am  V.tage  am  Eingang  des  Tempels 
angebracht  war)  wurde  weiß  (zum  Zeichen  der  Sündenvergebung);  von  da  an  u.  weiter 
wurde  er  bald  weiß  u.  bald  nicht.  Die  auf  der  Westseite  (des  siebenarmigen  Leuchters 
befindliche)  Lampe  brannte  (ohne  je  zu  erlöschen) ;  von  da  an  u.  weiter  brannte  sie  bald, 
u.  bald  erlosch  sie.  Das  Feuer  des  Holzstoßes  (auf  dem  Brandopferaltar)  war  mächtig 
(erhielt  sich  brennend),  u.  die  Priester  hatten  nicht  nötig  Holz  zum  Holzstoß  herbei- 
zuschaffen außer  den  beiden  Holzscheiten  (die  zur  Erhaltung  der  Flamme  regelmäßig 
für  die  Nacht  hinzugefügt  wurden),  die  zur  Erfüllung  der  Gebote  betreffs  des  Holzes 
dienten;  von  da  u.  weiter  war  es  bald  mächtig,  bald  nicht,  so  daß  die  Priester  nicht 
unterlassen  durften  den  ganzen  Tag  Holz  heranzuschaffen.  Segen  wurde  auf  die  Erst- 
lingsgarbe (Lv  23,  9)  u.  auf  die  beiden  Brote  (Lv  23,  17)  u.  auf  die  Schaubrote  gelegt, 
u.  jeder  Priester,  auf  den  davon  soviel  wie  eine  Olive  kam,  aß  es  u.  wurde  teils  satt, 
teils  aß  er  u.  ließ  noch  übrig;  von  da  an  u.  weiter  wurde  Fluch  auf  die  Erstlingsgarbe 
u.  die  beiden  Brote  u.  auf  die  Schaubrote  gelegt,  u.  auf  jeden  Priester  kam  soviel  wie 
eine  Bohne.  Die  Bescheidenen  zogen  ihre  Hände  zurück,  u.  die  Gierigen  nahmen  u. 
aßen.  I|  Hör  11  ^  Bar:  In  dem  Salböl,  das  Mose  in  der  Wüste  bereitet  hat,  hat  man  die 
Wurzeln  gekocht  (die  zu  seiner  Herstellung  dienten);  das  sind  Worte  des  R.  J%uda 
(um  löO).  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Es  würde  ja  nicht  einmal  gereicht  haben,  um  die 
Wurzeln  zu  bestreichen!  Vielmehr  hat  man  die  Wurzeln  in  Wasser  eingeweicht,  dann 
ließ  man  das  Ol  darüber  fließen,  daß  es  den  Geruch  anziehe  u.  abschwäche.  R.  .l^huda 
antwortete:  Wie,  ist  denn  nur  Ein  Wunder  an  dem  Salböl  geschehen?  War  es  nicht 
von  vornherein  nur  12  Log?  Und  davon  ist  gesalbt  worden  die  Stiftshütte  u.  ihre  Ge- 
räte, Ahron  u.  seine  Söhne  die  ganzen  sieben  Einweihungstage,  u.  das  Ganze  ist  (un- 
vermindert) noch  für  die  Zukunft  vorhanden,  wie  es  heißt:  „Ein  mir  heiliges  Salböl 
soll  dies  sein  für  eure  Geschlechter"  Ex  30,31.  —  Dann  folgt  eine  ähnliche  (ausführ- 
lichere) Bar.  Parallelstellen:  K^'rS-';  LvR10(112'');  pSota  8,  22«,  18;  pSch'^^q  6,  49^47. 
GnR  11  (8=*):  R.  Eli?ezer  (unj  90)  sagte:  Gott  hat  den  7.  Tag  mit  Licht  gesegnet  (vgl. 
Gn  2,  3).  Es  geschah  einmal,  daß  ich  die  Lampe  am  Sabbatabend  anzündete,  u.  als 
ich  wiederkam,  fand  ich  sie  am  Ausgang  des  Sabbats  brennend,  u.  es  fehlte  nichts 
(das  Ol  hatte  nicht  abgenommen!.  ||  Schab  21  ^'  Bar:  .  .  .  Als  die  Griechen  in  den  Tempel 
eindrangen,  verunreinigten  sie  alles  Öl  im  Tempel,  u.  als  die  Herrschaft  der  Hasmonäer 
erstarkte  u.  jene  besiegte,  suchte  man  u.  fand  nur  Einen  Krug  mit  Ol,  der  unter  dem 
Siegel  (Verschluß)  des  Hohenpriesters  dalag;  es  war  aber  darin  nur  für  Einen  Tag  zu 
brennen.    Da  geschah  ein  Wunder  u.  man  brannte  davon  acht  Tage. 

14,25:  In  der  vierten  Nachtwache. 
Ri  7,  19  wird  „die  mittlere  Nachtwache"  nj-iDirn  nnb^^^xn,  Targ: 
xr?!"i^p  ixrjTJ?,  erwähnt.  Also  war  die  Nacht  in  drei  Nachtwachen 
(nn^?ai;-x)  von  je  vier  Stunden  eingeteilt.  —  Die  dritte  Nachtwache  heißt 
Ex  14.24  u.  1  Sm  11,  11  „die  Morgen-Nachtwache"  -j^ian  nnöi^x,  Targ: 
x-?^  ry^^.  Wenn  die  M'^kh  zu  Ex  14,  24:  „Es  geschah  in  der  Morgen- 
Nachtwache",  bemerkt:  „Das  war  zugleich  mit  dem  Aufstrahlen  der 
Sonne"  nann  -pn  oy  nin  nt,  so  will  sie  damit  sagen,  daß  das  Eingreifen 
Gottes  in  der  letzten  Minute  der  Morgen-Nachtwache  erfolgte.  Diese 
selbst  reichte  also  bis  zum  Aufgang  der  Sonne,  —  Mit  ri-i^aii-x  mn  KL 
2,19  ist  aber  nicht,  wie  gewöhnlich  erklärt  wird,  die  „erste  der  Nacht- 
wachen", sondern  der  Anfang  der  einzelnen  Nachtwachen  gemeint.  — 
Auch  Babylonien  u.  das  ältere  Griechenland  zählten  drei  Nachtwachen. 
Dagegen  teilten  die  Römer  die  Nacht  in  vier  Nachtwachen  von  je  drei 
StundenDauer.  deren  Beginn  durch  Trompetensignaleangekündigt  wurde. 


Matth  14,  25  689 

Aus  dem  römischen  Heerwesen  übernahmen  auch  die  herodianischen 
Truppen  die  Einrichtung  der  vier  Nachtwachen;  das  beweisen  die  vier 
Wachtposten  von  je  vier  Mann  Apg  12, 4:  jedem  der  vier  Posten  lag 
der  Wachtdienst  während  einer  Nachtwache  ob.  —  Josephus  ist  die 
Vierteilung  der  Nacht  so  geläufig,  daß  er  sie  ohne  weiteres  auf  die 
alttestamentl.  Zeit  überträgt.  So  sagt  er  Antiq.  5,  6,  5,  daß  Gideon  sein 
Heer  um  die  vierte  Nachtwache  heranführte  xard  terdQrrjv  (fvXaxrjv. 
Auch  Antiq.  18,  9,  6  erwähnt  er  die  (fvlaxi]  xsxäQxri.  —  Das  NT,  das 
ebenfalls  vier  Nachtwachen  annimmt,  setzt  die  Einbürgerung  der 
römischen  Sitte  im  jüdischen  Volk  voraus.  Die  öevxsQa  u.  xQixrj  (fvXaxij 
wird  Lk  12,  38,  die  xsxäqxrj  Mt  14,  25  u.  Mk  6,  48  genannt;  populäre 
Bezeichnungen  der  vier  Nachtwachen  Mk  13,35:  oxps,  f.i€aovvxxiov, 
dXsxxoQO(f(oviaq  (um  den  Hahnenschrei)  u.  ngooL 

Für  die  Synagoge  in  Jesu  Tagen  hatte  die  Frage,  ob  drei  oder 
vier  Nachtwachen  anzunehmen  seien,  praktische  Bedeutung  nur  in 
bezug  auf  den  nächtlichen  Wachtdienst  im  Tempel.  Die  Mischna  Mid 
1,  1.  2  sagt  über  diesen  Punkt  nichts.  Doch  wird  man  aus  dem  Um- 
stände, daß  die  Tradition  gerade  einen  der  angesehensten  Lehrer  der 
älteren  Zeit,  nämlich  den  R.  Eli<ezer  (um  90),  die  Dreiteilung  wider- 
spruchslos vertreten  läßt,  wohl  folgern  dürfen,  daß  im  Tempeldienst 
die  alten  drei  Nachtwachen  beibehalten  worden  sind.  Erst  ein  volles 
Jahrhundert  nach  der  Zerstörung  des  Tempels  hören  wir  von  einer 
Kontroverse  zwischen  R.  Nathan  (um  160)  u.  Rabbi  über  die  Frage,  ob 
drei  oder  vier  Nachtwachen  zu  zählen  seien,  wobei  Rabbi  die  letztere 
Meinung  vertritt.  Ein  origineller  Versuch  im  pT,  die  beiden  Einteilungen 
in  Einklang  zu  bringen,  meinte,  auch  in  früherer  Zeit  sei  die  Nacht 
immer  in  vier  Nachtwachen  geteilt  worden,  doch  habe  man  nur  ihrer  drei 
gezählt,  da  während  der  ersten  die  Leute  noch  nicht  geschlafen  hätten. 

Lightfoot  zu  Mt  14,  25  (2,  330)  sagt:  ,Die  Juden  erkennen  nur  8  Nachtwachen  an; 
denn  dies  ist  bei  ihnen  ein  gewöhnliches  Wort  (nam  hoc  apud  eos  tritum):  piiaos 
Tih-h  hv  sn  w^-s-i'  Vigilia  est  tertia  pars  noctis."  —  Das  hat  man  vielfach  so  verstanden, 
als  ob  das  von  Lightfoot  Angeführte  ein  gang  u.  gäber  altrabbinischer  Ausspruch 
sei.  Daher  sagen  Win  er,  Realwörterbuch  ^  2,  131 ;  Riehm,  Handwörterbuch  des  Bibl. 
Altertums,  1884,  S.  1050  irrig,  die  Talmudisten  hätten  nur  3  Nachtwachen  gezählt. 

a.  R.  Elifezer  (um  90)  als  Vertreter  der  Dreiteilung  der  Nacht.  B'^rakh  1,  1:  Von 
wann  an  rezitiert  man  das  Sch'^ma?  am  Abend?  Von  der  Stunde  an,  da  die  (unrein 
gewesenen)  Priester  eintreten,  um  ihre  Hebe  zu  essen,  bis  zum  Ende  der  ersten  Nacht- 
wache n:^4Js-n  r-bTcs-  qio  ly.  Das  sind  Worte  des  R.  Eli?ezer.  —  Hierzu  bB'^rakh  3^: 
Was  hat  R.  Elifezer  gemeint?  Wenn  er  gemeint  hat:  Drei  Nachtwachen  ni-^sB^s 
(Sing.  n->3«j':)  hat  die  Nacht,  so  hätte  er  sagen  sollen:  Bis  4  Uhr  (d.  h.  bis  10  Uhr 
abends  liest  man  das  Sch^'ma?);  u.  wenn  er  gemeint  hat:  Vier  N.  hat  die  Nacht,  so 
hätte  er  sagen  sollen:  Bis  3  Uhr  (d.  h.  bis  9  Uhr  abends  liest  man  das  Sch'^maf). 
Immer  hat  er  gemeint:  Drei  N.  hat  die  Nacht,  u.  das  können  wir  daraus  entnehmen: 
wie  es  N.  im  Himmel  gibt,  so  gibt  es  N.  auf  Erden.  Denn  in  einer  Bar  heißt  es: 
R.  Elifezer  sagte:  Drei  N.  hat  die  Nacht,  u.  in  jeder  einzelnen  sitzt  Gott  u.  brüllt  wie 
ein  Löwe,  wie  es  heißt  Jer  25,  30:  Jahve  brüllt  von  der  Höhe  u.  von  seiner  heiligen 
Wohnung  läßt  er  seine  Stimme  schallen;  brüllend  brüllt  er  über  seine  Flur.  (Das 
Strack  u.Billerbeek,  NT  I.  44 


690  Matth  14,  25 

dreimalige  Brüllen  entspricht  den  drei  N.)  R,  Ji^chaq  b.  Sch^muel  (um  250)  hat  im 
Namen  Rabs  (f  247)  gesagt:  Drei  N.  hat  die  Nacht,  u.  in  jeder  einzelnen  N.  sitzt  Gott 
u.  brüllt  wie  ein  Löwe  u.  sagt:  Wehe,  daß  ich  mein  Haus  zerstört  u.  meinen  Tempel  ver- 
brannt u.  meine  Kinder  unter  die  Völker  der  Welt  in  die  Verbannung  geführt  habe! 

b.  Die  Kontroverse  zwischen  R.  Nathan  u.  Rabbi.  —  TB^rakh  1,  1  (1):  Rabbi  sagte: 
Vier  N.  r^r-^vn  sind  in  der  Nacht.  .  .  .  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  Drei  N.  sind  in  der 
Nacht;  denn  es  heißt:  ^Zu  Anfang  der  mittleren  N."  Ri  7,  19,  u.  es  gibt  eine  , mittlere* 
nur,  wenn  es  eine  vor  ihr  u.  nach  ihr  gibt.  ||  pB^rakh  1,  2^",  9:  Rabbi  sagte:  Vier  Wachen 
gibt  es  bei  Tage  u.  vier  Wachen  in  der  Nacht.  R.  Nathan  sagte:  Drei,  s.:  „Zu  Anfang 
der  mittleren  N."  Ri  7,  19.  R.  Zeriqan  (um  300)  u.  R.  Ammi  (um  300)  haben  im  Namen 
des  R.  Schim?on  b,  Laqisch  (um  250)  als  Schriftgrund  Rabbis  genannt:  ,üm  Mitter- 
nacht stehe  ich  auf,  dich  zu  preisen  ob  der  Rechtssprüche  deiner  Gerechtigkeit' 
Ps  119,62.  Und  ferner  steht  geschrieben  das.  Vers  148:  Zuvorkamen  meine  Augen 
den  N.  (r^^i^jics  schließt  als  Plural  mindestens  zwei  N.  in  sich;  diese  decken  sich  mit 
der  Vers  62  genannten  Zeit  „um  Mitternacht";  sind  aber  um  Mitternacht  zwei  N.  ver- 
gangen, so  besteht  eine  ganze  Nacht  aus  vier  N.).  R.  Chizqijja  (um  350)  hat  gesagt: 
R.  Zeriqan  (um  300)  u.  R.  Ba  (um  290);  der  eine  hat  den  Schriftgrund  Rabbis  (Ps  1 19,  62), 
u.  der  andre  den  Schriftgrund  des  R.  Nathan  (Ri  7,  19)  gesagt.  Wie  erklärt  nun  R.  Nathan 
die  Schriftstelle  Rabbis:  „Um  Mitternacht"?  Bald  (traf  bei  David  zu)  „um  Mitternacht" 
u.  bald  (traf  zu)  „meine  Augen  kamen  den  N.  zuvor".  Wie  das?  Wenn  David  ein  Mahl 
der  Könige  veranstaltete  (das  sich  lange  hinzog),  dann  galt:  „Um  Mitternacht"  (stehe 
ich  auf,  dich  zu  preisen);  u.  wenn  »er  ein  Mahl  für  sich  allein  hielt  (das  nur  kurze 
Zeit  währte),  dann  galt:  „Meine  Augen  kamen  den  N.  zuvor"  (noch  ehe  die  zweite  N. 
anbrach,  stand  ich  auf.  Die  Zeitangaben  in  Ps  119,  62  u.  148  decken  sich  also  nicht; 
darum  darf  man  daraus  keinen  Schluß  ziehen  in  bezug  auf  die  Anzahl  der  N.).  Wie 
erklärt  Rabbi  die  Schriftstelle  des  R.  Nathan:  „Zu  Anfang  der  mittleren  N."?  R.  Huna 
(um  350)  hat  gesagt:  Das  Ende  der  zweiten  u.  der  Anfang  der  dritten  N.  bilden  (bei 
Annahme  von  vier  N.)  die  Mitte  der  Nacht.  (Rabbi  deutet  also  Ri  7,  19:  Zu  Anfang 
der  die  Mitte  der  Nacht  bildenden  N.,  d.  h.  zu  Anfang  der  dritten  N.;  dann  liegen  je 
zwei  N.  vor  u.  nach  Mitternacht,  d.  h.  es  gibt  auch  nach  Ri  7,  19  vier  N.).  R.  Mana 
(um  370)  hat  gesagt:  Ist  das  richtig?  Steht  denn  Ri  7,  19  geschrieben:  „Die  mittleren" 
(ni:^3T,  Plural)?  steht  nicht  geschrieben  „die  mittlere*  (hjist,  Sing.)?  Die  erste 
wurde  nicht  mitgezählt;  denn  bis  dahin  sind  die  Menschen  noch  wach.  (Obwohl  in 
Wirklichkeit  Ri  7,  19  vier  N.  anzunehmen  sind,  werden  doch  nur  die  drei  letzten  ge- 
zählt, weil  die  Zeit  der  ersten  noch  nicht  als  Nacht  empfunden  wurde.  Darum  bedeutet 
die  „mittlere"  N.  die  „dritte"  N.,  u.  nicht  die  „zweite*.  Diese  Deutung  rührt  nicht 
von  R.  Mana  her,  sondern  von  R.  Huna,  der  damit  den  Einwurf  Manas  entkräften  will.)  || 
B^rakh  3'^  Bar:  Vier  N.  n^soa  hat  die  Nacht.  Das  sind  Worte  Rabbis.  R.  Nathan 
hat  gesagt:  Drei.  Was  ist  der  Schriftgrund  des  R.  Nathan?  Weil  geschrieben  steht 
Ri7,  19:  „Zu  Beginn  der  mittleren  N."  Es  ist  gelehrt  worden:  Es  gibt  eine  mittlere 
nur  dann,  wenn  es  eine  vor  ihr  u.  eine  nach  ihr  gibt.  Was  bedeutet  nach  Rabbi  die 
mittlere?  Eine  mittlere  unter  den  mittleren.  Und  R.  Nathan?  (Er  erwiderte:)  Steht 
denn  geschrieben:  Eine  mittlere  unter  den  mittleren?  „Die  mittlere*  steht  geschrieben. 
Was  ist  der  Schriftgrund  Rabbis  (für  seine  vier  N.)?  R.  Zeriqan  (um  300)  hat  gesagt, 
R.  Ammi  (um  300)  habe  gesagt,  R.  Jehoschuaf  b.  Levi  (um  250)  habe  gesagt:  Eine 
Schriftstelle  lautet:  „Um  Mitternacht  stehe  ich  auf,  dich  zu  preisen  ob  der  Rechts- 
sprüche deiner  Gerechtigkeit*  Ps  119,62,  u.  eine  andre  lautet:  „Zuvorkamen  meine 
Augen  den  N."  das.  Vers  148.  Wie  das?  Vier  N.  hat  die  Nacht.  (Zu  diesem  Beweise 
s.  oben.)  Und  R.  Nathan  verstand  das  nach  R.  Jehoschuag  (um  90);  denn  wir  haben 
gelernt  (s.  Berakh  1,  2):  „R.  Jehoschuaf  sagte:  Bis  um  9  Uhr  (wörtlich:  bis  zur  Stunde  3, 
darf  man  des  Morgens  das  Schema?  rezitieren);  denn  so  ist  es  die  Weise  der  Könige, 
um  9  Uhr  aufzustehen."  Sechs  Stunden  der  Nacht  (von  Mitternacht  bis  6  Uhr  früh) 
u.  zwei  Stunden  vom  Tage  (von  6  Uhr  bis  zu  Beginn  der  9.  Stunde),  das  sind  zwei  N. 
(also  eine  N.  =  vier  Stunden).    Der  Gegenbeweis  gegen  Rabbi  ist  hier  anders  geführt 


Matth  14,  25.  26.  36.  15,  1.  2  (31 1)  69 1 

als  oben  im  pT;  er  beruht  darauf,  daß  R.Nathan  unter  den  N.,  denen  Davids  Augen 
zuvorkamen,  nicht,  wie  Rabbi,  die  Zeit  vor  Mitternacht  versteht,  sondern  die  acht  Stunden 
(=  zwei  N.)  nach  Mitternacht,  die  andre  Könige  länger  als  David  schliefen).  Rab 
Aschi  (t  427)  hat  gesagt:  Auch  eine  u.  eine  halbe  N.  nennt  man  „Nachtwachen"  (als 
ob  es  zwei  volle  wären).  —  Rab  Aschi  will  sagen,  daß  die  sechs  Stunden  bis  Mitter- 
nacht Ps  119,  62  gar  wohl  Ps  119,  148  „Nachtwachen"  genannt  werden  könnten,  ohne 
daß  man  daraus,  wie  Rabbi,  folgern  müßte,  daß  schon  sechs  Stunden  zwei  volle  N. 
ausmachten,  oder  anders  ausgedrückt,  daß  die  Nacht  in  vier  N.  zerfalle.  Denn  wenn 
jene  sechs  Stunden  streng  genommen  auch  nur  1  ^ji  N.  wären,  so  könnte  der  gewöhn- 
liche Sprachgebrauch  sie  doch  schon  als  (zwei)  , Nachtwachen"  bezeichnen,  da  die  an- 
gefangene zweite  N.  als  volle  N.  angesehen  werde. 

14,26:  Sagend,  daß  es  ein  Gespenst  sei. 

Der  Volksglaube  erzählt  mehrfach  von  v*^imderbaren  Erscheinungen 
auf  dem  Meer. 

BB  73a:  Rabbah  (bar  bar  Ghana,  um  280)  hat  gesagt:  Seefahrer  haben  mir  erzählt: 
Als  eine  Welle  das  Schiff  zum  Sinken  bringen  wollte,  erschien  etwas  wie  ein  weißer 
Feuerstrahl  an  ihrer  Spitze  (Raschi:  das  war  ein  Engel  des  Verderbens) ;  u.  wir  schlugen 
mit  einer  Stange  nach  ihm,  auf  der  die  Worte  eingraviert  waren:  „Ich  bin,  der  ich  bin, 
Jah,  Jahve  (^«baoth,  Amen,  Amen,  Sela!"  Da  ward  es  still.  !|  Das.  74b  Bar:  R.  Eli?ezer 
(um  90)  u.  R.  J%oschua?  fuhren  einmal  auf  einem  Schiff.  R.  Elif  ezer  schlief  u.  R.  J^'hoschua? 
war  wach.  Da  fuhr  R.  J'^hoschuaf  zusammen,  so  daß  R.  E^lifezer  erwachte.  Da  sprach 
dieser:  Was  ist  das,  J^'hoschua«,  warum  fuhrst  du  zusammen?  Er  erwiderte:  Ich  habe 
ein  großes  Licht  im  Meer  gesehen.  Jener  sprach:  Vielleicht  hast  du  die  Augen  des 
Livjathan  gesehen,  wie  es  heißt:  „Seine  Augen  sind  wie  die  Wimpern  der  Morgen- 
röte" Hi41, 10.  II  Vgl.  M^g  3a:  R.  jehoschua'  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Es  ist  dem 
Menschen  verboten  einem  andren  in  der  Nacht  den  Friedensgruß  zu  entbieten,  denn 
man  hat  zu  befürchten,  daß  es  ein  Sched  (Dämon)  sei.  —  Sanh44a  ist  R.  Jochanan 
(t  279)  als  Autor  angegeben. 

14,38:  Du  bist  der  Sohn  Gottes.    &eov  viog,  s.  bei  Rom  1,3. 

14,34:  Nach  Genezaret.    revvi^auQet,  s.  S.  154  ff.  bei  Mt4, 12  u.  S.  184. 

14:,  36:  Daß  sie  nur  die  Quaste:  seines  Kleides  berührten. 
xQccaTtsöov,  s.  den  Exkurs:  Qi^ith.  —  Zum  Erfassen  des  Gewandes 
eines  angesehenen  Mannes  vgl.  Ta<an  23''  S.  520/  bei  Mt  9,  20. 

15,1:  Pharisäer  u.  Schriftgelehrte  aus  Jerusalem. 
Das  große  Ansehen  der  jerusalemischen  Gelehrten  bezeugt  Midr 
KL  1, 1  (44»):  R.  Huna  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Jose  (—  Rab 
Joseph,  f  333)  gesagt:  Überall,  wohin  einer  von  den  Jerusalemern  nach 
der  Provinz  kam,  stellte  man  ihm  einen  Sessel  hin,  sich  darauf  zu 
setzen,  damit  man  seine  Weisheit  höre. 

15,  2  51:  Warum  übertreten  deine  Jünger  die  Überlieferung 
{naqüdooig)  der  Ältesten  (Alten)? 
1.  In  welcher  Achtung  die  c-'DpT  insn  oder  n'^jp:  rh.-^-q  standen,  er- 
kennt man  aus  folgenden  Stellen: 

pB«^rakh  1,  3b,47:  Mischna:  R.  Tarphon  (um  100)  hat  gesagt:  Ich  befand  mich 
unterwegs  u.  streckte  mich  (des  Abends)  nieder,  um  das  Sch^mac  nach  den  Worten 
der   Schule   Schammais   (im   Liegen)   zu   rezitieren,    u.  ich    brachte   mich    selbst   da- 

44* 


692  Matth  15,2(511) 

durch  in  Gefahr  vor  den  Räubern.  Man  antwortete  ihm:  Du  hättest  es  verdient,  dir 
selbst  Strafe  zuzuziehen,  weil  du  die  Worte  der  Schule  Hillels  übertreten  hast  (die 
das  Liegen  beim  Rezitieren  des  abendlichen  Schema?  nicht  für  nötig  hielt).  Gemara: 
(Die  Genossen)  haben  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Nahe  verwandt  o-'i'in 
sind  die  Worte  der  Schriftgelehrten  (d.  h.  die  mündl.  Tora)  den  Worten  der  schriftl. 
Tora  u.  ebenso  beliebt  (wertvoll)  wie  die  Worte  der  Tora,  s.  HL  7, 10:  Dein  Gaumen 
(=  mündl.  Tora  oder  Worte  der  Gelehrten)  ist  wie  der  beste  Wein  (=  Wein  der  schriftl. 
Tora).  Schimton  b.  Va  (—  Abba,  um  280)  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  gesagt: 
Nabe  verwandt  sind  die  Worte  der  Schriftgelehrten  den  Worten  der  Tora  u.  beliebter 
(wertvoller)  als  die  Worte  der  Tora,  s.  HL  1, 2:  Köstlicher  sind  deine  Geliebten  (=  Worte 
der  Schriftgelehrten)  als  der  Wein  (der  schriftl.  Tora).  R.  Ba  bar  Kohen  (um  350)  hat 
im  Namen  des  R.  Juda  b.  Pazzi  (um  320)  gesagt:  Hieran  kannst  du  erkennen,  daß  die 
Worte  der  Schriftgelehrten  beliebter  sind  als  die  Worte  der  Tora:  siehe,  wenn  R.  Tarphon 
das  Schema?  (überhaupt)  nicht  rezitiert  hätte,  so  hätte  er  lediglich  ein  Gebot  über- 
treten; weil  er  aber  die  Worte  der  Schule  Hillels  übertrat,  machte  er  sich  des  Todes 
schuldig;  denn  es  heißt:  „Wer  die  Mauer  (der  Satzungen  der  Schriftgelehrten)  durch- 
bricht, den  beißt  die  Schlange"  (d.  h.  den  trifft  der  Bann  u.  der  Tod)  Qoh  10,  8. 
R.  Jischmafel  (f  um  135)  hat  gelehrt:  Die  Worte  der  Tora  enthalten  Verbotenes  u.  Er- 
laubtes, leichte  u.  schwere  Gebote;  aber  die  Worte  der  Schriftgelehrten  sind  alle  schwer 
(wichtig).  Daran  kannst  du  erkennen,  daß  dem  also  ist:  Dort  (Sanh  11,3)  haben  wir 
gelernt:  Wer  sagt:  „Um  die  Gebetsriemen  ist  es  nichts",  um  die  Worte  der  Tora  zu 
übertreten,  ist  straffrei;  (sagt  er  aber:)  „Fünf  Fächer  (müssen  sie  haben)",  um  zu  den 
Worten  der  Schriftgelehrten  hinzuzufügen,  so  macht  er  sich  schuldig.  (Zur  Erklärung 
s.  oben  S.82  bei  Mt2,4.)  R.  Chananja  b.  Ad(d)a  ^  hat  im  Namen  des  R.  Tanchum  b.  Chijja 
(um  300)  gesagt :  Wichtiger  sind  die  Worte  der  Ältesten,  als  die  Worte  der  Propheten ; 
s.:  „,Predigt  doch  nicht!'  predigen  sie.  Nicht  predigen  soll  man  auf  solches  hin?  Nicht 
weichen  sollen  die  Schmähungen?"  Micha  2, 6.  Ferner  s. :  „Ich  will  dir  predigen  zu 
Wein  u.  Rauschtrank",  das.  Vers  11.  (Diese  Stellen  sollen  beweisen,  daß  es  falsche 
Propheten  gibt.)  Prophet  u.  Ältester,  wem  gleichen  sie?  Einem  König,  der  zwei  Ge- 
heimschreiber ^  in  eine  Provinz  (oder  Stadt)  entsendet;  betreffs  des  einen  von  ihnen 
schreibt  er:  Wenn  er  euch  nicht  meine  Unterschrift  u.  mein  Siegel  zeigt,  so  glaubt 
ihm  nicht.  Betreffs  des  andren  aber  schreibt  er:  Wenn  er  euch  auch  nicht  meine  Unter- 
schrift u.  mein  Siegel  zeigt,  so  glaubt  ihm  auch  ohne  Unterschrift  u.  Siegel.  Ebenso 
heißt  es  betreffs  eines  Propheten:  „Wenn  er  dir  ein  Zeichen  oder  Wunder  gibt"  Dt  13,  2 
usw.  Aber  hier  (d.  h.  betreffs  der  Ältesten)  heißt  es:  „Nach  Maßgabe  der  Belehrung, 
die  sie  dir  erteilen,  u.  nach  der  Rechtsentscheidung,  die  sie  dir  sagen  werden,  sollst 
du  handeln;  weiche  von  dem  Spruch,  den  sie  dir  verkündigen  werden,  nicht  rechts  noch 
links  ab"  Dt  17, 11.  —  ParallelstellenpSanh  11, 30^51 ;  pf  AZ2, 4P,40;  MidrHL  1,2  (SS^). , 
f  AZ  2, 6:  (R.  J^hoschua?,  um  90)  sprach  zu  ihm:  Mein  Bruder  R.  Jischmafel  (f  um  135), 
wie  liesest  du  HL  1,2:  „Köstlicher  sind  Tj-'i'in  als  Wein"?  oder:  „Köstlicher  sind  '^•^T' 
als  Wein"?  (Das  Maskulinum  zeigt,  daß  die  Worte  eine  Anrede  Israels  an  Gott  sind: 
Köstlicher  sind  deine  Lieben,  d.  h.  die  Worte  der  schriftl.  Tora,  als  Wein.  Das  Femininum 
im  zweiten  Fall  macht  die  Worte  zu  einer  Anrede  Gottes  an  die  Gemeinde  Israel: 
Köstlicher  gind  deine  Lieben^  d.  h.  die  Worte  deiner  Gelehrten  oder  die  Worte  der 
mündl.  Tora,  als  der  Wein  der  schriftl.  Tora.)  R.  Jischmafel  antwortete:  Köstlicher  sind 
~-y-.  Jener  sprach:  So  verhält  es  sich  nicht;  denn  siehe,  der  nächste  Vers  enthält 
darüber  Belehrung:  „Zu  riechen  sind  deine  Salben  köstlich  .  .  .  Darum  lieben  dich 
Jungfrauen"  (wie  hier  unter  „Jungfrauen"  die  Gemeinde  Israel  zu  verstehen  ist,  so 
ist  diese  auch  Vers  2  als  Sprecherin  zu  denken).    Die  Stelle  findet  sich  auch  TPara 


1  Wenn  identisch  mit  Chanina  b.Idi  (vgl.  Bacher,  Pal.  Amor.  3,  555),  etwa  um  300. 

2  ■j-^U'sVe,  andre  Ausgaben  ■['•»ür'i^E;  nach  Krauß,  Lehnw.  2, 459  =  diplomatarius ; 
andre  erklären  das  Wort  =  nolefxoyoräQtog  (?),  Kriegsnotar,  oder  =  frumentarius, 
Proviantmeister,  Furier,  oder  =  protonotarius. 


Matth  15,  2(3t  1.2)  693 

10,  3  (639).  —  Vgl.  ?AZ  85=':  Als  Rab  Dirai  (um  820)  kam  (nämlich  aus  Palästina  nach 
Babylonien),  sprach  er:  Die  Gemeinde  Israel  hat  vor  Gott  gesagt:  Herr  der  Welt,  lieb- 
licher sind  mir  die  Worte  deiner  Lieben  (d.  h.  der  Schriftgelehrten),  als  der  Wein  der 
(schriftl.)  Tora.  —  Diese  Stelle  zeigt,  daß  man  auch  bei  maskulinischer  Fassung  des 
-fmi  die  Meinung  des  R.  Jischma?el  in  HL  1,  2  hineinlegen  konnte.  ||  fEr  21  ^  s.  S.  677/ 
beiMtl3,52.  II  8Er21'':  Raba  (t  352)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt:  ,Und 
übrigens,  mein  Sohn,  laß  dich  warnen;  kein  Ende  ist  des  vielen  Büchermachens" 
Qoh  12,12?  Mein  Sohn,  sei  vorsichtiger  bei  den  Worten  der  Schriftgelehrten,  als  bei 
den  Worten  der  Tora;  denn  in  den  Worten  der  Tora  gibt  es  Gebote  u.  Verbote  (u.  nur 
wegen  Übertretung  der  letzteren  macht  man  sich  des  Todes  schuldig);  aber  bei  den 
Worten  der  Schriftgelehrten  gilt,  daß,  wer  sie  übertritt,  des  Todes  schuldig  ist.  Wenn 
du  aber  sagen  wolltest:  Wenn  diese  so  Wesentliches  enthalten,  warum  sind  sie  nicht 
aufgeschrieben  worden?  (so  wisse:)  Kein  Ende  ist  des  vielen  Büchermachens;  u.  viel 
Studieren  ist  Ermüdung  des  Leibes.  Rab  Papa  b.  Acha  b.  Ad(d)a  (um  350)  hat  im  Namen  des 
Rab  Acha  b.  ?ülla  (um  300)  gesagt:  Das  lehrt,  daß  jeder,  der  über  die  Worte  der  Ge- 
lehrten lacht,'  in  siedendem  Kot  gerichtet  (bestraft)  wird.  Ij  Tanch  soj  202'''^:  Nicht  soll 
der  Mensch  sagen :  Die  Gebote  der  Ältesten  halte  ich  nicht,  weil  sie  nicht  zur  Tora 
gehören.  Gott  spricht:  Meine  Kinder,  ihr  habt  kein  Recht,  also  zu  sprechen ;  vielmehr, 
was  sie  über  euch  festsetzen,  habt  ihr  zu  halten,  s. :  Handle  nach  Maßgabe  des  Spruchs, 
den  sie  dir  verkündigen  werden  Dt  17, 10.  Weshalb?  Denn  auch  ihren  Worten  stimme 
ich  zu,  s.:  , Beschließest  du  etwas,  so  kommt's  zustande"  Hi  22,  28.  Du  kannst  es 
daraus  entnehmen:  siehe,  als  Jakob  den  Manasse  u.  Ephraim  segnete,  was  steht  da 
geschrieben?  Er  setzte  Ephraim  dem  Manasse  vor  Gn48, 20,  er  bevorzugte  also  den 
Jüngeren  vor  dem  Alteren,  u.  Gott  bestätigte  seine  Entscheidung.  Wann  denn?  Bei 
den  Opfern  der  Stammfürsten;  denn  der  Stamm  Ephraim  brachte  zuerst  sein  Opfer 
dar  u.  dann  Manasse,  s.  Nu  7, 48. 54.  ||  Mak22'':  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Wie  dumm 
sind  doch  die  andren  Menschen,  die  vor  einer  Torarolle  aufstehen,  aber  vor  einem 
großen  Mann  (Gelehrten)  nicht  aufstehn;  denn  siehe,  im  Torabuch  steht  geschrieben: 
,  Vierzig  Schläge  lasse  er  ihm  geben"  Dt  25, 3.  Da  kamen  die  Rabbinen  u.  zogen  einen 
Schlag  ab.  (Das  Wort  der  Gelehrten  ist  also  maßgebend.)  ||  K'^th  83^:  Die  Gelehrten 
haben  für  ihre  Worte  (Verordnungen)  eine  größere  Stützung  (Befestigung,  p^.^n)  ge- 
macht als  für  die  Tora.  ||  fEr  3''^:  Rabina  (I.,  f  422;  IL,  f  500)  hat  gesagt:  Das  Gesetz 
betreffs  der  Festhütte  ist  biblisch,  es  bedarf  keiner  Stützung;  dasjenige  betreffs  des 
Durchgangs  "ia^  ist  rabbinisch,  es  bedarf  einer  Stützung.  ||  Z*'b  101 »:  Rabbi  sagte:  Das 
Trauern  in  der  Nacht  stammt  nicht  aus  den  Worten  der  Tora,  sondern  aus  den  Worten 
der  Soph^rim  (Schriftgelehrten).  Immer  stammt  es  von  den  Rabbinen,  u.  die  Gelehrten 
haben  für  ihre  Worte  eine  größere  Stützung  gemacht  als  für  die  Tora.  Weiter  s.  S.  81  f. 
beiMt2,4. 

2.  Die  Bedeutung,  die  man  den  väterlichen  Überlieferungen  beimaß, 
erhellt  aus  folgenden  Stellen: 

AbothS,  13:  Derselbe  (nämlich  R.  ?Aqiba,  t«ml35)  pflegte  zu  sagen:  Die  Über- 
liefemng  ist  ein  Zaun  für  die  Tora  n^-rV  ;;p  r^it-z.  —  R.  ?Aq.  will  damit  sagen,  daß 
die  Überlieferungen  der  Alten  (das  mündl.  Gesetz)  die  Übertretung  des  schriftl.  Ge- 
setzes verhindern  sollen.  Das  galt  besonders  von  den  rabbin.  Vorbeugungsverordnungen 
i^'lh  pl-  ^■^^^■)•  B®rakhl,l:  Von  wann  an  rezitiert  man  das  Schema?  am  Abend? 
Von  der  Stunde  an,  da  die  (rein  gewordenen)  Priester  sich  anschicken,  ihre  Hebe  zu 
essen,  bis  zum  Ende  der  ersten  Nachtwache.  Das  sind  Worte  des  R.  Elifezer  (um  90). 
Aber  die  Gelehrten  sagten:  Bis  Mitternacht.  Rabban  Gamliel  (IL,  um  90)  sagte:  Bis 
das  Morgengrauen  aufsteigt.  Und  nicht  allein  dies,  sondern  in  bezug  auf  alles,  wovon 
die  Gelehrten  gesagt  haben:  ,Bis  Mitternacht",  gilt  das  Gebot:  „Bis  das  Morgengrauen 

1  ;r!5  , eifrig  studieren"  Qoh  12, 12  wird  =  :y5  „verlachen"  gedeutet;  nach  Git57% 
wo  obige  Auslegung  des  Rab  Acha  b.  ?ü.  wiederholt  wird,  ist  siedender  Kot  Strafe' Jesu 
iu  der  Hölle. 


694  Matth  15,  2  («  2-4) 

aufsteigt."  Wenn  dem  so  ist,  wozu  haben  die  Gelehrten  gesagt:  ,ßis  Mitternacht"? 
Um  den  Menschen  von  der  Übertretung  fernzuhalten.  (Die  strengere  Vorschrift  der 
Gelehrten  soll  die  Versäumung  des  letzten  zulässigen  Termins  unmöglich  machen  u. 
so  ein  schützender  Zaun  für  diesen  sein.)  i|  Schab  13-":  Nicht  soll  ein  mit  Ausfluß  be- 
hafteter Pharisäer  r-iis  zusammen  mit  einem  mit  Ausfluß  behafteten  ?Am  ha-are9  essen, 
damit  er  sich  nicht  an  ihn  (an  sein  Tun  u.  Treiben)  gewöhne.  .  .  .  Abaje  (f  338/39)  hat 
gesagt:  Es  ist  ein  Vorbeugungsverbot  ni^::,  damit  er  ihm  nicht  unverzehntete  Dinge 
zum  Essen  gebe.  (Damit  letzteres  unbedingt  vermieden  werde,  wird  jedes  Zus.essen 
mit  einem  ?Am  ha-are^  verboten.)  |1  Beca  2^:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Was  ist  der 
Grund,  daß  (am  Sabbat)  vom  Baum  abgefallene  Früchte  am  Sabbat  nicht  gegessen 
werden  dürfen?  Es  ist  ein  Vorb. verbot,  damit  nicht  einer  (auf  den  Baum)  emporsteige 
u.  pflücke.  (Das  Abpflücken  der  Früchte  an  einem  S.  war  als  eine  Art  des  Emtens  Über- 
tretung eines  biblischen  Verbotes;  diese  zu  verhüten,  wird  um  das  biblische  Verbot 
wie  ein  schützender  Zaun  das  rabbin.  V.verbot  gestellt,  daß  am  Sabbat  abgefallenes 
Obst  am  S.  zum  Genuß  verboten  sei.)  ||  Lv  18,6 — 18  werden  die  Verwandtschaftsgrade 
aufgezählt,  welche  ein  Ehehemmnis  bilden.  Um  dieses  Verbot  gegen  Übertretungen  zu 
hüten,  fügten  die  Gelehrten  den  verbotenen  Graden  je  einen  Grad  nach  oben  oder  unten 
hinzu.  So  wird  zur  Mutter  Lv  18, 7  hinzugefügt  die  Großmutter  väterlicher-  u.  mütter- 
licherseits, zum  Weibe  des  Vaters  Vers  8  das  Weib  des  Großvaters  väterlicher-  u.  mütter- 
licherseits, zur  Schwiegertochter  Vers  15  die  Schwiegertochter  des  Sohnes  u.  der  Tochter 
usw.,  s.  J®b  2P. 

3.  Den  Schriftbeweis  für  die  vorbeugende  Gesetzgebung  fand  man 
in  Lv  18,  30. 

J'^b  21":  Rab  Kahana  (um  250)  hat  gesagt:  , Beobachtet  das  mir  gegenüber  zu 
Beobachtende",  Lv  18, 30,  d.i.  machet  eine  Bewachung  :^";'?.'4'?  für  das  mir  gegenüber 
zu  Beobachtende.  —  Diese  Erklärung  deckt  sich  mit  dem  Satz  der  Männer  der  Großen 
Synagoge  Aboth  1,1:  Machet  einen  Zaun  für  die  Tora  n'^'ir;  j^p  vjy.  —  In  MQ  5=* 
findet  sich  die  Erklärung  des  Rab  Kahana  im  Munde  des  Rab  Aschi  (t427).  In  Wirklich- 
keit ist  sie  älter  als  beide  Autoren;  s.  SLv  18, 30(342''):  , Beobachtet  das  mir  gegen- 
über zu  Beobachtende",  hütet  (schützt)  mir  das  zu  Beobachtende. 

4.  Damit  die  rabbin.  V.verbote  sich  in  angemessenen  Schranken 
hielten,  bestimmte  man,  daß  ein  solches  Verbot  weder  die  Gemeinde 
allzusehr  belasten,  noch  selbst  wieder  durch  ein  weiteres  V.verbot  ge- 
stützt werden  dürfe. 

BQ79'':  Man  legt  der  Gesamtheit  kein  V.verbot  rt-i-^Tj  auf,  es  sei  denn,  daß  die 
•Mehrzahl  der  Gesamtheit  dabei  bestehen  kann.  |;  Be9a3a:  Errichtet  u.  beschließt  man 
denn  ein  V.verbot  für  ein  andres  V.verbot  niT;V  n-irj?  (Die  Antwort  ist:  Nein!)  —  Im 
pT  sagt  man  dafür:  Gibt  es  denn  einen  Zaun  für  einen  Zaun  -i-i;'i  -ns  ■i-TpPesl,27'',  52; 
pSanh5,22'i,57. 

Besonders  hat  sich  R.  Chijja  (um  200)  gegen  das  Überwuchern  der  V.verbote  ge- 
wandt. GnR  19  (12''):  ,Von  den  Früchten  der  Bäume  im  Garten  dürfen  wir  essen" 
Gn3. 2.  Das  ist  es,  was  geschrieben  steht:  ,Füge  nicht  hinzu  zu  seinen  Worten:  er 
würde  dich  überführen  u.  du  stündest  dann  als  Lügner  da"  Spr  30,  6.  R.  Chijja  hat 
gelehrt:  Du  sollst  den  Zaun  itjn  nicht  allzuhoch  machen  um  die  Hauptsache,  damit 
er  nicht  umfalle  u.  die  Pflanzen  zerknicke  (laß  die  V.Verbote  nicht  das  eigentliche 
Gottesgebot  überwuchern).  So  hat  Gott  gesagt:  „Denn  an  dem  Tage,  da  du  von  ihm 
issest,  wirst  du  gewißlich  sterben"  Gn  2,  17,  Eva  aber  sagte  nicht  also,  sondern  auch, 
daß  Gott  gesagt  habe:  ,Und  ihr  sollt  ihn  auch  nicht  anrühren"  Gn3, 3.  Als  nun  die 
Schlange  die  Eva  vor  dem  Baum  vorübergehn  sah,  nahm  sie  diese  u.  stieß  sie  gegen 
ihn  u.  sprach  zu  ihr:  Siehe,  du  bist  nicht  gestorben!  u.  wie  du  nicht  durch  sein  Be- 
rühren gestorben  bist,  so  wirst  du  auch  nicht  sterben  durch  das  Essen  von  ihm,  sondern 
Gott  weiß:   an   welchem  Tage  ihr   davon   esset,  werden   eure  Augen  aufgetan  usw. 


Matth  15,  2  (3t  4.  S  1.  2)  695 

Gn3,ö.  (Der  menschliche  Zaun:  „Ihr  sollt  ihn  auch  nicht  anrühren"  um  das  eigent- 
liche Gottesgebot:  ,Du  sollst  nicht  von  ihm  esseu"  hat  den  Sündenfall  veranlaßt.)  — 
AbothRN  1 :  Welches  ist  der  Zaun  j-c,  den  der  erste  Mensch  für  seine  Worte  gemacht 
hat?  Siehe,  es  heißt:  „Und  Jahve-Elohim  gebot  dem  Menschen  also:  Von  allen  Bäumen 
des  Gartens  darfst  du  essen;  aber  von  dem  Baum  des  Erkennens  von  Gut  u.  Böse, 
von  dem  sollst  du  nicht  essen;  denn  an  dem  Tage,  da  du  von  ihm  issest,  wirst  du 
gewißlich  sterben."  Der  erste  Mensch  mochte  aber  zu  Eva  nicht  so  sagen,  wie  Gott 
zu  ihm  gesagt  hatte,  sondern  sagte  so  zu  ihr,  indem  er  einen  Zaun  für  seine  Worte 
machte  weit  über  das  hinaus,  was  ihm  Gott  gesagt  hatte:  „Aber  von  den  Früchten 
des  Baumes,  welcher  inmitten  des  Gartens",  hat  Gott  gesagt,  „von  denen  sollt  ihr 
nicht  essen  u.  sollt  ihn  nicht  berühren,  damit  ihr  nicht  sterbet" ;  denn  er  wollte  sich 
u.  Eva  vor  dem  Baum  selbst  durch  eine  Berührung  hüten.  In  jener  Stunde  hatte  die 
Schlange,  der  Bösewicht,  einen  Plan  in  ihrem  Herzen  gefaßt;  sie  sprach:  Da  ich  den 
Menschen  (Adam)  nicht  zu  Falle  zu  bringen  vermag,  so  will  ich  gehn  u.  Eva  zu  Falle 
bringen.  Sie  ging  u.  setzte  sich  zu  ihr  u.  machte  des  Geschwätzes  viel  mit  ihr:  Wenn 
betreffs  des  Anrührens  uns  Gott  nach  deinen  Worten  Befehl  gegeben  hat,  siehe,  so 
will  ich  ihn  anrühren  u.  werde  nicht  sterben ;  auch  du  wirst  nicht  sterben,  wenn  du 
ihn  anrührst.  Was  tat  die  Schlange,  der  Bösewicht,  in  jener  Stunde?  Sie  stand  auf 
u.  berührte  den  Baum  mit  ihren  Händen  u.  Füßen  u.  schüttelte  ihn,  bis  seine  Früchte 
zur  Erde  fielen.  Was  hat  nun  die  Veranlassung  zur  Berührung  (des  Baumes)  gegeben? 
Der  Zaun,  den  der  erste  Mensch  errichtet  u.  für  seine  Worte  gemacht  hat.  Von  hier 
aus  hat  man  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  für  seine  (Gottes)  Worte  einen  Zaun  macht, 
so  wird  er  nicht  in  seinen  Worten  (selbst)  bestehen  können.  Von  hier  aus  hat  man  ge- 
sagt: Es  soll  der  Mensch  nicht  zu  den  Worten  hinzufügen,  die  er  gehört  hat,  vgl.  Spr  30, 6. 

15,2  35:  Denn  sie  spülen  nicht  di  eH  an  de  ab,  we  11  nsieBrotessen. 

1.  Das  gewöhnliche  Waschen  der  Hände  hieß  nii-^nn  (von  yn-^  waschen, 
baden).  Die  Untertauchung  der  Hände,  die  vor  dem  Genuß  von  Heiligem 
(wie  Opferfleisch)  nötig  war  u.  die  eine  Wassermenge  von  40  Sea  er- 
forderte, wurde  mit  nV^n-j  (von  ba-j  untertauchen)  bezeichnet.  Die  rituelle 
Abspülung  (nicht  Waschen)  der  Hände,  um  die  es  sich  Mt  15, 2  handelt, 
nannte  man  rih-^-ci  oder  o^i^  nbiLi?  (von  bc:  erheben,  hinaufbringen).  Das 
Verbum  b-j;  selbst  wird  entweder  absolut  gebraucht  u.  bedeutet  dann: 
, hinauf  bringen",,  nämlich  Wasser  auf  die  Hände  =  „die  Hände  durch 
Begießen  abspülen",  oder  es  wird  elliptisch  mit  c^^^,  auch  c^Tb  ver- 
bunden, während  die  Wendung  vollständig  etwa  gelautet  haben  würde: 
ö"i*!i  br  n";?2  b:::  „Wasser  auf  die  Hände  bringen  oder  gießen".  bT  ver- 
wendet statt  bo:  häufig  ^lya,  xiäri. 

2.  Die  Sitte  des  Händeabspülens  wird  vereinzelt  auf  Salomo  zurück- 
geführt ;a  die  gewöhnliche  Meinung  aber  geht  dahin,  daß  sie  auf  einer 
Anordnung  der  Schriftgelehrten  beruhe. b  Offen  bleibt  nur  die  Frage, 
ob  man  die  c^n^  nb^-jj  auf  Grund  einer  Schriftstelle c  oder  ohne  Rücksicht- 
nahme auf  eine  solche  aus  bestimmten  anderweitigen  Motiven  eingeführt 
habe,  Die  erstere  Annahme  sah  Lv  15, 11  als  Schriftgrund  an  (in  einem 
speziellen  Fall  auch  Lv  20,  7) ;  die  andre  erklärte  die  Anordnung  des 
Händeabspülens  aus  dem  Bestreben,  die  Bestimmungen  über  das  Essen 
der  profanen  Speisen  denjenigen  anzunähern,  die  für  das  Essen  der 
Hebe  seitens  der  Priester  bestanden,  d  Und  in  der  Tat  stand  in  der 
Praxis  die  ="^'t'  rb^-j;  in  engster  Beziehung  zum  Essen:  sie  sollte  sowohl 


696  Matth  15,  2  (»  2) 

vor  Tisch  als  auch  nach  Tisch  ausgeführt  werden,  möglichst  auch  noch 
während  der  Tafel,  falls  das  Mahl  aus  mehreren  Gängen  bestand.« 
Nach  jüdischer  Anschauung  bildete  das  Brot  den  Hauptbestandteil  einer 
Mahlzeit;  was  sonst  noch  aufgetragen  wurde,  galt  als  Zukost.*  Wenn 
daher  Mt  15,  2  über  die  Jünger  Klage  geführt  wird,  daß  sie  das  Ab- 
spülen der  Hände  beim  Essen  des  „Brotes"  unterließen,  so  ist  damit 
jenes  Begießen  der  Hände  mit  Wasser  gemeint,  wie  es  vor  u.  nach 
Tisch  üblich  war.  —  Auch  beim  Genuß  von  Früchten  empfahl  man 
jenes  Abspülen  der  Hände  aus  Gründen  der  Reinlichkeit,  doch  waren 
die  Meinungen  hierüber  geteilt,  g  Sonst  wurde  es  noch  ausgeführt  be- 
sonders des  Morgens  unmittelbar  nach  dem  Aufstehn  (hier  zum  Teil 
aus  abergläubischen  Motiven) h  u.  wohl  auch  vor  dem  Gebet.» 

a.  Schab  14b :  R^b  J^huda  (f  299)  hat  gesagt,  Schcmuel  (f  254)  habe  gesagt:  A1& 
Salomo  die  fErubin  (wörtlich:  , Vermischungen",  s.  Einl.  S. 38f.)  u.  das  Abspülen  der 
Hände  a-T'  rh^vs  anordnete,  ging  eine  Himmelsstimme  aus,  welche  rief:  „Mein  Sohn, 
wenn  dein  Herz  weise  wird,  dann  wird  auch  mein  Herz  sich  freuen"  Spr  23, 15,  u. : 
„Werde  weise,  mein  Sohn,  u.  erfreue  mein  Herz,  damit  ich  demjenigen,  der  mich 
(deinetwegen)  schmäht,  Antwort  erteilen  kann"  Spr  27, 11.  —  Dasselbe  ?Er2l'^. 

b.  pSchab  1, 3  ^',  40 :  Hillel  (um  20  v.  Chr.)  u.  Schammai  (um  30  v.  Chr.)  trafen  Fest- 
setzungen über  die  Reinheit  der  Hände.  R.  Jose  b.  Abin  (um  350)  hat  im  Namen  des 
R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Man  hatte  die  Halakha  (auch  früher)  besessen,  aber  man 
hatte  sie  vergessen;  da  traten  sie  beide  auf  u.  trafen  (mit  ihrer  Meinung)  zusammen 
mit  der  Ansicht  der  Früheren.  —  Parallelstelle  Schab  14t>;  ferner  s.  Chullin  106-^  in 
Anm.  d.  \\  Der  älteren  Zeit,  da  die  Sitte  des  Händeabspülens  sich  durchzusetzen  be- 
gann, gehört  auch  f Eduj  5,  6.  7  an:  Wen  hat  man  in  den  Bann  getan?  Den  Elifezer 
b.  Chanokh,  der  an  dem  Abspülen  der  Hände,  n—;''  r'i-i;:  (so  Cod.  München),  gerüttelt 
hat.  Und  als  er  gestorben  war,  schickte  der  Gerichtshof  u.  ließ  einen  Stein  auf 
seinen  Sarg  legen;  das  lehrt,  daß  man,  wenn  einer  in  den  Bann  getan  ist  u.  im 
Bann  stirbt,  seinen  Sarg  mit  Steinen  belegt.  In  seiner  Sterbestunde  sagte,  er  zu 
seinem  Sohn :  Mein  Sohn,  tritt  zurück  von  den  vier  Dingen,  die  ich  gesagt  habe.  Er 
antwortete:  Und  warum  bist  du  nicht  zurückgetreten?  Er  sprach:  Ich  habe  (meine 
Lehre)  aus  dem  Munde  einer  Mehrheit  vernommen,  u.  jene  (meine  Gegner)  haben  aus 
dem  Munde  einer  Mehrheit  vernommen;  ich  bestand  auf  meinöu  Überlieferung  u.  jene 
bestanden  auf  ihrer  Überlieferung.  Aber  du  hast  aus  dem  Munde  eines  einzelnen  u. 
aus  dem  Munde  einer  Mehrheit  vernommen;  da  ist  es  besser,  die  Worte  des  einzelnen 
zu  lassen  u.  sich  an  die  Worte  der  Mehrheit  zu  halten.  Er  sprach :  Mein  Vater,  empfiehl 
mich  deinen  Genossen !  Er  antwortete :  Ich  werde  dich  nicht  empfehlen.  Er  sprach  zu 
ihm:  Hast  du  vielleicht  ein  Unrecht  an  mir  gefunden?  Er  antwortete:  Nein!  Deine 
Taten  werden  dich  nähern  u.  deine  Taten  werden  dich  entfernen. 

C.  Vgl.  den  Beweis  aus  Lv  15, 1 1  in  Anm.  d  u.  aus  Lv  20, 7  in  Anm.  e.  —  Das  Ab- 
spülen der  Hände  gehört  zu  den  7  MiQvoth  d^'rabbanan,  welche  den  613  alttestament- 
lichen  Geboten  u.  Verboten  später  hinzugefügt  worden  sind.  Die  Benediktion:  „Ge- 
priesen seist  du,  Jahve  unser  Gott,  König  der  Welt,  der  uns  durch  seine  Gebote  geheiligt 
u.  uns  das  Gebot  gegeben  hat  betreffs  der  a^T^  n's-ü:"  beruht  auf  den  allgemeinen  Sätzen 
Dt  17,11;  32,  7,  aus  denen  man  die  göttl.  Autorität  auch  der  traditionellen  Lehre  ableitete. 

d.  Chullin  106*:  Rah  Idi  b.  Abin  (um  310)  hat  gesagt,  Rab  Ji^chaq  b.  Aschjan  (wohl 
um  300,  vgl.  Sukka42ä)  habe  gesagt:  Das  Abspülen  der  Hände  beim  Genuß  profaner 
Speisen  geschieht  wegen  Annäherung  an  die  Hebe  u.  ferner  wegen  eines  Gebotes. 
Was  ist  das  für  ein  Gebot?  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Es  ist  das  Gebot  gemeint, 
daß  man  auf  die  Worte  der  Gelehrten  hören  muß  (u.  die  a---'  rh^-jiz  beruht  auf  solchen 
Worten  der  Gelehrten j.   Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Es  ist  das  Gebot  gemeint,  daß  man 


Matth  15,2  (SB  2)  697 

auf  die  Worte  des  R.  Elfazar  b.  ?Arakh  (um  90)  hören  muß;  denn  es  heißt:  „Jeder, 
den  der  mit  einem  Ausfluß  Behaftete  berührt,  ohne  daß  er  seine  Hände  in  Wasser  ab- 
gespült hat,  der  soll  seine  Kleider  walken!'  Lvl5, 11  usw.  R.  Elfazar  b.  fArakh  hat 
gesagt:  Auf  diese  Stelle  haben  die  Gelehrten  das  Abspülen  der  Hände  aus  der  Tora 
gestützt  (begründet).  —  Der  Ausspruch  des  R.  El?azar  b.  fArakh  auch  SLv  15,11  (295  a).  — 
Zur  „Annäherung  an  die  Hebe"  vgl.  pBik  2, 64'^^',45;  pChag  2, 78^»,  34;  ferner  Chag2, 5: 
Man  muß  die  Hände  abspülen  zum  Genuß  von  profanen  Speisen,  von  Zehnt  u.  von  Hebe; 
zum  Genuß  von  Heiligem  muß  man  sie  (in  40  Sea  Wasser)  untertauchen  ";^-?'2-^tt .  — 
Diese  Mischna  wird  zitiert  pBik  2, 64*^,  36. 

e.  Hierher  gehörende  Belege  (aus  B^rakh  46b;  Chullin  104M05a- b;  B«rakh8,2; 
Joma30a;  pB'^rakh  8, 12«, 48)  s.  im  Exkurs:  Ein  altjüd.  Gastmahl  ^x.l,g—i;  Nr.9,&.c; 
Nr.  10,  e — g;  ferner  vgl.  die  vorige  Anm.  d.  —  ChuUin  105»  wird  die  Regel  aufgestellt: 
„Das  erste  u.  das  letzte  Wasser  (d.  h.  die  Händeabspülung  vor  u.  nach  Tisch)  ist  Pflicht, 
das  mittlere  Wasser  (d.  h.  die  Händeabspülung  während  des  Essens)  ist  Sache  des  freien 
Beliebens."  Dieser  Regel  entsprach  die  Praxis.  Abweichend  davon  lautet  eine  Bar 
pB^'rakh  S,  12»,  28;  pChalla  2,58*^,35:  Das  Wasser  vor  der  Mahlzeit  ist  Sache  des  freien 
Beliebens;  aber  das  Wasser  nach  der  Mahlzeit  ist  Pflicht.  Die  Bar  findet  sich  TB^rakh 
5,  13  (12).  Aber  schon  die  Ausdeutung  u.  Umdeutung,  die  diese  Bar  im  pT  u.  in 
Chullin  105  a  erfahren  hat,  zeigen  zur  Genüge,  daß  diese  abweichende  Tradition  für 
die  Praxis  bedeutungslos  gewesen  ist.  Auffallend  bleibt  allerdings,  daß  jene  Bar  in 
späteren  Midraschwerken  -  Tanch  pV=  236  b;  TanchB  p"'3  §24  (73=1);  NuR  20  (190  a)  _ 
sich  wie  die  allein  gültige  Norm  einführt.  —  |I  Chullin  107  b :  Der  Vater  Sch^'muels  fand 
Sch^muel  (f  254),  als  er  weinte;  er  sprach  zu  ihm:  Warum  weinst  du?  Weil  mich 
mein  Lehrer  geschlagen  hat.  Weshalb  denn?  Er  sagte  zu  mir:  Du  hast  meinem  Sohne 
zu  essen  gegeben  u.  hast  dir  nicht  deine  Hände  abgespült  Trxii  n^i  !  Aber  warum  hast 
du  sie  nicht  abgespült?  (fragte  der  Vater).  Schemuel  antwortete:  Er  ißt  u.  ich  soll  mir 
die  Hände  abspülen?  Er  antwortete  ihm:  Nicht  genug,  daß  er  (der  Lehrer)  nicht  ge- 
lernt hat,  er  schlägt  auch  noch!  Die  Halakha  ist:  Der  Essende  bedarf,  wenn  ihm  ein 
andrer  zu  essen  gibt,  der  Abspülung  der  Hände;  nicht  aber  der,  welcher  zu  essen  gibt.  ]| 
Der  Schriftbeweis  für  das  Begießen  der  Hände  vor  u.  nach  dem  Essen  wird  aus  Lv20, 7 
geführt  Berakh53b:  Rab  Jehuda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt  —  u. 
andre  haben  gesagt,  in  einer  Bar  werde  gelehrt:  „Zeigt  euch  heilig"  Lv20, 7,  damit 
ist  das  erste  Wasser  (die  Händeabspülung  vor  Tisch)  gemeint;  „u.  seid  heilig"  (das.), 
damit  ist  das  zweite  Wasser  (nach  Tisch)  gemeint. 

/.  Vgl.  hierzu  den  Exkurs:  „Ein  altjüd.  Gastmahl"  Nr.  3. 

g.  Chullin  106»:  R.Hoschafja  (um  225)  hat  gesagt:  Das  Händeabspülen  beim  Genuß 
von  Früchten  hat  man  nur  der  Reinlichkeit  wegen  verordnet.  .  .  .  Rab  Nachman  (t320) 
hat  gesagt:  Wer  seine  Hände  beim  Genuß  von  Früchten  abspült,  ist  einfach  ein  Hoch- 
mütiger. —  Dieser  Ausspruch  des  Rab  N.  auch  Chag  18  b.  —  Ebenso  erklärt  Rabbah  bar 
bar  Ghana  auf  Grund  der  Praxis  des  R.  Ammi  u.  des  R.  Asi:  „Es  findet  kein  Abspülen 
der  Hände  für  den  Genuß  von  Früchten  statt"  Chullin  106  a,  s.  oben  S.  528/?.  —  Eine 
andersartige  allgemeine  Regel  liest  man  pB^rakh  8, 12  a,  40:  R.  Huna  (um  350)  hat  ge- 
sagt: Das  Abspülen  der  Hände  findet  nur  für  das  Essen  von  Brot  statt.  R.Hoschafja 
(um  225)  hat  gelehrt:  Bei  allem  (Eßbaren),  woran  die  Feuchtigkeit  eines  Getränkes  haftet. 
R.Zegira  (um  300)  hat  gesagt:  Auch  wer  Lupinen  abschneidet,  soll  seine  Hände  abspülen. 

h.  Berakh51a:  R.  Jischmafel  b.  Elischa?  (f  um  135)  hat  gesagt:  Dreierlei  hat  mir 
Suriel,  der  Engel  des  Angesichts,  gesagt:  Nimm  des  Morgens  dein  Hemd  nicht  aus 
der  Hand  des  Dieners,  um  es  anzuziehen  (sondern  nimm  es  selbst  von  seinem  Ort); 
laß  dir  (des  Morgens)  deine  Hände  nicht  abspülen  von  einem,  der  seine  eigenen  Hände 
nicht  abgespült  hat,  u.  reiche  den  Becher  mit  Spargeltrank  ^  nur  dem  zurück,  der  ihn 
dir  gegeben  hat,  weil  die  Takhsephith  (Name  einer  Dämonenschar)  —  einige  sagen, 
weil  eine  Schar  der  Engel   des  Verderbens   den  Menschen  belauern  u.  sagen:  Wann 

ci^icps,  s.  aber  Krauß,  Lehnw.  2, 93f. 


698  Matth  15, 2  (33  2.  3) 

wird  der  Mensch  einem  von  diesen  drei  Dingen  anheimfallen,  daß  er  gefaßt  werden 
kann?  —  In  den  folgenden  Worten  berichtet  dann  R.  Jehoschua?  b.  Levi  (um  250),  daß 
die  beiden  ersten  Verhaltungsmaßregeln  ihm  vom  Todesengel  mitgeteilt  seien.  ||  Joma??^: 
Von  Schammai,  dem  Alten  (um  30  v.  Chr.)  hat  man  erzählt,  daß  er  (seinem  Kinde  am 
Versöhnungstage,  an  welchem  das  Waschen  des  Körpers  verboten  war)  auch  nicht  mit 
Einer  Hand  (weil  sie  unabgespiilt  war)  zu  essen  geben  wollte;  da  verordnete  man, 
daß  er  mit  beiden  Händen  zu  essen  geben  sollte.  Aus  welchem  Grunde  (handelte 
Schammai  also)?  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Wegen  des  Dämons  Schibbetha  (der 
auf  den  Händen  ruht,  die  man  des  Morgens  nicht  gewaschen  hat,  u.  wenn  diese  Hände 
eine  Speise  berühren,  so  bringt  der  Genuß  derselben  Gefahr,  Levy  4, 507).  Dasselbe 
Chullin  107b;  vgl.  auch  die  Erzählung  Tafan  20^,  wie  Rab  Huna  (f  297)  einen  Krug 
mit  Wasser  an  der  Tür  seines  Hauses  anbrachte,  aus  welchem  die  Eintretenden  zur 
Abwehr  der  Schibbethagefahr  ihre  Hände  zuvor  abspülen  mußten.  ll  Schab  108'' :  R.  Muna 
(um  180)  pflegte  zu  sagen:  Die  Hand,  die  (des  Morgens,  bevor  sie  mit  Wasser  ab- 
gespült ist)  das  Auge  oder  die  Nase  oder  den  Mund  oder  das  Ohr  oder  die  Aderlaß- 
stelle oder  die  Geschlechtsteile  oder  den  After  oder  den  Krug  berührt,  die  werde  ab- 
gehauen: die  Hand  macht  blind,  die  Hand  macht  taub,  die  Hand  bringt  Polj^pen  hervor. 
Bar:  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  Es  gibt  eine  Dämonin  Bath-Chorin  (die  „Freie",  die 
an  den  des  Morgens  nicht  gewaschenen  Händen  haftet),  die  genau  darauf  achtet,  bis 
man  (des  Morgens)  seine  Hände  dreimal  wäscht  (yir;— r). 

i.  B^rakh  14 b;  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer  das  Joch  des  Himmelreichs 
(der  Gottesherrschaft)  vollkommen  auf  sich  nehmen  will,  der  verrichte  (des  Morgens) 
seine  Notdurft  u.  spüle  seine  Hände  ab  u.  lege  die  Gebetsriemen  an  u.  rezitiere  das 
Schemac  u.  bete  (das  Achtzehn-Gebet)  —  das  ist  die  vollkommene  Gottesherrschaft. 
R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Wer  seine  Notdurft 
verrichtet  u.  (des  Morgens)  seine'  Hände  abspült  u.  die  Gebetsriemen  anlegt  u.  das 
Schema'  rezitiert  u.  betet  (das  Achtzehn-Gebet),  dem  rechnet  es  die  Schrift  so  an,  als 
wenn  er  den  Altar  erbaut  u.  ein  Opfer  darauf  dargebracht  hätte,  s. :  „Ich  wasche  meine 
Hände  in  Reinheit  u.  will  deinen  Altar  umgeben,  o  Jahve"  Ps26,6.  — Vgl.  Schab  50b  Bar: 
Man  wäscht  "'ni-i  sein  Gesicht,  seine  Hände  u.  seine  Füße  täglich  um  seines  Schöpfers 
willen;  denn  es  heißt:  „Alles  hat  Jahve  seinetwegen  gemacht"  Spr  16,4.  —  Das  früheste 
Zeugnis  für  das  Waschen  der  Hände  vor  dem  Morgengebet  ist  wohl  der  Brief  des 
Aristeas  §  304—306:  In  der  Frühe  aber  erschienen  sie  (die  Übersetzer  der  LXX)  täglich 
bei  Hofe,  machten  dem  König  ihre  Aufwartung  u.  gingen  dann  zu  ihrer  Stätte  fort. 
Wie  es  aber  Sitte  aller  Juden  ist,  wuschen  sie  im  Meer  ihre  Hände,  u.  wenn  sie  dann 
gebetet  hatten,  widmeten  sie  sich  der  Lektüre  u.  der  Übersetzung  des  einzelnen.  Ich 
stellte  aber  auch  die  Frage,  warum  sie  die  Hände  waschen  u.  dann  erst  beten.  Und 
sie  erklärten,  es  sei  ein  Zeugnis,  daß  sie  nichts  Übles  getan  hätten  (denn  jede  Tätigkeit 
geschieht  durch  die  Hände),  indem  sie  in  schöner  u.  frommer  Weise  alles  auf  Ge- 
rechtigkeit u.  Wahrheit  bezogen. 

3.  Das  Abspülen  der  Hände  erfolgte  durch  ein  zweimaliges  Be- 
gießen, das  erste  u.  das  zweite  Wasser  ^  genannt,  a  Jeder  Guß  erforderte 
1/4  Log  Wasser  (etwa  0,137  Liter),  doch  genügte  unter  Umständen  auch 
ein  geringeres  Quantum,  b  Zum  Begießen  bediente  man  sich  eines  Ge- 
fäßes; die  hohle  Hand  dazu  zu  benützen,  war  verboten. c  Jeder  konnte 
das  Abspülen  seiner  Hände  selbst  vornehmen:  man  nahm  das  Wasser- 
gefäß etwa  zwischen  die  Knie,  neigte  es  zur  Seite  u.  ließ  seinen  Inhalt 
über  die  Hände  fließen  ;d  dabei  durfte  man  beide  Hände  zu  gleicher 


^  Die  Ausdrücke  bezeichnen  auch  das  Abspülen  der  Hände  vor  Tisch  u.  nach 
Tisch  (s.  den  Exkurs:  „Ein  altjüd.  Gastmahl"  Nr. 7  u.  Nr.  10);  vor  Verwechselungen 
muß  man  sich  also  hüten. 


Matth  15,2  (5B3)  699 

Zeit  oder  auch  die  eine  nach  der  andren  überströmen  lassen.  Im  letztern 
Fall  war  aber  Vorsicht  geboten,  damit  die  reine  Hand  nicht  wieder 
durch  die  andre  unrein  wurde,  e  Der  Bequemlichkeit  halber  wird  man 
das  Begießen  wohl  meist  durch  eine  andre  Person  haben  ausführen 
lassen:  tauglich  zu  diesem  Geschäft  war  jedermann;  selbst  ein  Affe 
konnte  es  vornehmen.*  Das  zu  verwendende  Wasser  mußte  natürlich 
rein  sein  u.  sollte  noch  nicht  zu  andren  Zwecken  gedient  haben,  g  Das 
von  den  Händen  abfließende  Wasser  fing  man  entweder  in  einem  unter- 
gestellten Gefäß  auf  oder  man  ließ  es  auf  die  Erde  laufen,  h  Es  war 
auch  nicht  verboten,  zwischen  derp  ersten  u.  zweiten  Guß  den  Standort 
zu  wechseln,  so  daß  das  erste  Wasser  in  diesem  u.  das  zweite  Wasser 
in  jenem  Winkel  ablaufen  konnte,  i  Bei  Gastmählern,  die  eine  größere 
Anzahl  von  Personen  zus.führten,  wird  es  vorgekommen  sein,  daß 
mehrere  zu  gleicher  Zeit  ihre  Hände  neben-  oder  übereinander  zum 
Abspülen  hingestreckt  haben.  Die  Mischna  hat  dies  ausdrücklich  ge- 
billigt, k  —  Damit  die  Hände  durch  das  Abspülen  wirklich  rituelle 
Reinheit  gewannen,  hatte  man  besonders  auf  folgendes  zu  achten. 
Erstens:  Beim  erstmaligen  Begießen  darf  sich  nichts  an  der  Hand  be- 
finden, was  etwa  das  Herankommen  des  Wassers  an  irgendeine  Stelle 
der  Hand  verhinderte.!  Zweitens:  Derjenige,  der  seine  Hände  abspült 
oder  abspülen  läßt,  muß  mit  seiner  Intention  das  begleiten,  was  an 
ihm  geschieht."»  Drittens:  Nach  der  Theorie  erstreckt  sich  die  Un- 
reinheit der  Hand  bis  an  das  Handgelenk;  das  erste  auf  die  Hand 
gebrachte  Wasser  nimmt  die  Unreinheit  von  der  Hand,  wird  aber  selbst 
dadurch  unrein ;  der  zweite  Wasserguß  reinigt  nicht  die  Hand  (sie  ist 
bereits  durch  das  erste  Wasser  rein  geworden),  sondern  vielmehr  das 
erste  an  der  Hand  zurückgebliebene  Wasser,  aber  nur  bis  hin  zum 
Handgelenk,  nicht  darüber  hinaus.  Daraus  ergab  sich,  daß  das  erste 
Wasser  die  ganze  Hand  bis  zum  Handgelenk  überströmen  mußte; 
andernfalls  blieb  sie  unrein.  Falls  das  erste  Wasser  über  das  Hand- 
gelenk hinaus  auf  den  Unterarm  geflossen  war,  lag  die  Möglichkeit 
nahe,  daß  es  nach  erfolgtem  zweiten  Wasserguß,  zumal  wenn  auch 
dieser  über  das  Handgelenk  hinausgegangen  war,  auf  die  rein  ge- 
wordene Hand  zurückfloß  u.  diese  abermals  unrein  machte.  Um  ein 
solches  Zurückfließen  zu  verhindern,  wurde  empfohlen,  die  Hände  beim 
Abspülen  so  zu  halten,  daß  die  Fingerspitzen  nach  oben  zeigten  u.  das 
Handgelenk  unten  lag.  n  In  dieser  Haltung  mußten  die  Hände  dann  natür- 
lich bleiben,  bis  man  sie  nach  dem  zweiten  Guß  abgetrocknet  hatte,  o 

a.  Siehe  TJad  1, 1 — 2  in  Anm.  h;  Jad  2,  3  in  Anm.  e.  ti;  Jad  2,  2  in  Anm.  /.  /. 

b.  Jad  1, 1  Mit  einem  Viertel  Log  Wasser  spült  man  die  Hände  eines,  auch  zweier 
ab,  mit  einem  halben  Log  die  von  drei,  auch  von  vier  Personen,  mit  einem  Log  die 
von  fünf,  von  zehn  u.  von  hundert  Personen;  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Nur  darf  es  beim 
letzten  unter  ihnen  nicht  weniger  als  ein  Viertel  Log  betragen.  (Nach  den  Kommentatoren 
bezieht  sich  diese  Mischna  nicht  auf  die  Menge  des  ersten,  sondern  des  zweiten  Wassers; 
das  erste  Begießen  erfordere  für  jeden  einzelnen  ein  Viertel  Log  u.  nicht  weniger.)  Beim 


700  .Matthl5,2(a5  3) 

zweiten  Begießen  darf  man  nachgießen,  aber  nicht  beim  ersten.  ||  TJad  1, 1 — 2  lautet 
die  Bestimmung  so:  Mit  einem  Viertel  Log  Wasser  begießt  man  die  Hände  eines,  aber 
nicht  zweier;  mit  einem  halben  Log  die  von  drei,  aber  nicht  von  vier  Personen;  mit 
einem  Log  die  von  fünf,  aber  nicht  von  zehn  oder  von  hundert  Personen.  Beim  ersten 
Begießen  darf  man  nachgießen,  aber  nicht  beim  zweiten;  das  sind  Worte  des  R.  Meir 
(um  150).  R.Jose  sagte:  Mit  einem  Viertel  Log  Wasser  begießt  man  die  Hände  auch 
von  zwei  Personen,  mit  einem  halben  Log  die  von  drei,  auch  von  vier  Personen,  mit 
einem  Log  die  von  fünf,  von  zehn  u.  von  hundert  Personen.  Beim  zweiten  Begießen 
darf  man  nachgießen,  aber  nicht  beim  ersten.  Auf  welche  Weise?  Wenn  jemand  das 
erste  Wasser  auf  die  Hände  gegossen  u.  sie  abgewischt  hat,  u.  hinterher  gießt  er  das 
zweite  Wasser  auf  sie,  ohne  daß  dieses  genügt,  bis  an  das  Handgelenk  zu  reichen,  so  gießt 
er  nach.  (Die  Halakha  richtet  sich  nicht  nach  den  Worten  des  R.  Jose,  Maimonides  zu 
Jad  1, 1.)  Gleichviel  ob  man  eine  Hand  oder  bei3e  Hände  abspült,  ob  man  die  Hand  eines  Er- 
wachsenen oder  eines  Minorennen  abspült:  zum  Begießen  ist  ein  Viertel  Log  Wasser  nötig. 
C.  Jad  1,  2:  Man  darf  die  Hände  aus  jeder  Art  Gefäß  abspülen,  selbst  aus  Gefäßen 
von  Kuhdünger,  Steinen  u.  Erde.  Man  spült  die  Hände  nicht  ab  aus  Seitenstücken  von 
Gefäßen  (die  zerbrochen  sind),  auch  nicht  aus  Bodenstücken  eines  Hohlgefäßes,  auch 
nicht  aus  dem  Deckel  eines  Gefäßes;  auch  darf  man  die  Hände  eines  andren  nicht  aus 
der  hohlen  Hand  abspülen;  denn  man  schöpft,  heiligt  u.  sprengt  Entsündigungswasser 
u.  spült  die  Hände  ab  nur  mit  Gefäßen.  —  Sehr  ausführlich  handelt  hierüber  TJad  1, 
6 — 9.  I  Das  Verbot,  die  Hände  eines  andren  aus  der  hohlen  Hand  abzuspülen,  findet 
sich  auch  TJad  2,  7  (682). 

d.  Jad  1,5:  Man  darf  ein  Faß  (Gefäß)  zwischen  seine  Kniee  nehmen  u.  so  die 
Hände  abspülen;  man  darf  ein  Faß  (Gefäß)  auf  die  Seite  neigen  u.  so  die  Hände  ab- 
spülen. Selbst  ein  Affe  darf  die  Hände  abspülen.  R.  Jose  (um  150)  erklärte  dies  beides 
für  verwerflich.  ||  TJad  1,  14  (681):  Man  darf  den  Wärmekessel  öffnen  u.  daraus  die 
Hände  abspülen;  oder  wenn  man  aus  einer  Wasserröhre  (Rinne,  Kanal),  die  ein  Viertel 
Log  faßt,  die  Hände  abgespült  hat,  so  sind  diese  rein.  R.  Jose  sagte:  Seine  Hände 
.sind  unrein ;  doch  gab  R.  Jose  zu,  daß  die  Hände  rein  seien,  wenn  man  sie  zwischen 
die  Kniee  oder  Ellbogen  nehme  u.  (aus  einem  zwischen  den  Knieen  oder  unter  dem 
Ellbogen  gehaltenen  Gefäß)  abspüle. 

e.  Jad  2,  3:  Spült  man  mit  dem  ersten  Wasser  jede  Hand  für  sich  ab  (d.h.  nicht 
beide  Hände  durch  Einen  Guß),  u.  hinterher  spült  man  mit  dem  zweiten  Wasser  beide 
Hände  (zugleich)  ab,  so  sind  sie  unrein.  (Durch  das  gemeinsame  zweite  Wasser  gelangt 
das  unrein  gewordene  6rste  Wasser  von  der  einen  Hand  auf  die  andre  u.  macht  sie  so 
wieder  unrein.)  Spült  man  dagegen  mit  dem  ersten  Wasser  die  beiden  Hände  (zugleich) 
ab,  u.  hinterher  spült  man  mit  dem  zweiten  Wasser  jede  Hand  für  sich  ab,  so  ist  diese 
rein.  Hat  man  die  eine  Hand  abgespült  u.  reibt  sie  dann  mit  der  andren  (nicht  ab- 
gespülten) ab,  so  ist  sie  unrein  (weil  die  Unreinheit  der  nicht  abgespülten  Hand  durch 
das  Reiben  auf  sie  übergeht).  Reibt  man  die  abgespülte  Hand  an  seinem  Kopf  oder 
an  einer  Wand  ab,  so  ist  sie  rein.  —  Die  Parallelstelle  TJad  2,4  (682)  redet  ausdrücklich 
vom  Abspülen  jeder  Hand  für  sich  ntt:s>'''5  in  miav?  it.  Der  letzte  Mischnasatz  lautet 
in  TJad  1,3  (681):  Wer  seine  Hände  abspült,  muß  sie  abreiben.  Reibt  er  sie  an  der 
andren  ab,  so  ist  sie  unrein ;  hat  er  sie  am  Kopf  oder  an  einer  Wand  abgerieben  u. 
hinterher  berührt  er  diese  (Stellen  am  Kopf  oder  an  der  Wand)  wieder,  so  ist  sie  unrein 
(denn  das  am  Kopf  u.  an  der  Wand  abgewischte  Wasser  des  ersten  Gusses  war  unrein). 

/.  Jad  1,  5:  Alle  sind  tauglich,  einem  andren  die  Hände  abzuspülen,  auch  ein  Taub- 
stummer, ein  Schwachsinniger  u.  ein  Minorenner  (d.h.  einer,  der  noch  nicht  13  Jahre 
alt  ist).  .  .  .  Selbst  ein  Affe  darf  die  Hände  abspülen.  (Die  Meinung  des  R.  Jose  über 
den  letzten  Punkt  s.  in  Aum.  d.)  Parallelstelle:  TJad  1, 12  (681). 

g.  Jad  1,  3  ff. :  Wasser,  das  zum  Tränken  des  Viehs  ungeeignet  geworden  ist,  ist, 
wenn  es  sich  in  Gefäßen  befindet,  (zum  Abspülen  der  Hände)  ungeeignet,  wenn  es  sich 
in  Erdvertiefungen  befindet,  geeignet.  Ist  Tinte,  Gummiharz  u.  Vitriol  hineingefallen  u. 
dadurch  das  Aussehen  (die  Farbe  des  Wassers)  verändert  worden,  so  ist  es  ungeeignet. 


Matth  15,  2  (SB  3)  701 

Hat  man  mit  dem  Wasser  bereits  eine  Verrichtung  ausgeführt  oder  Brot  darin  ein- 
geweicht, so  ist  es  ungeeignet.  Schimfon  aus  Teman  (um  110)  sagte:  Wenn  man 
beabsichtigt  hatte,  es  darin  einzuweichen,  u.  es  fiel  in  ein  andres  Wasser,  so  ist  es 
(ersteres)  geeignet.  Hat  man  darin  Gefäße  ausgespült  oder  Maße  (Gewichte  u.  dgl.) 
abgewaschen,  so  ist  es  ungeeignet.  Hat  man  darin  ausgespülte  Gefäße  nachgespült  oder 
neue  ausgespült,  so  ist  es  geeignet.  R.  Jose  (um  150)  erklärte  es  für  ungeeignet,  wenn 
es  mit  neuen  Gefäßen  geschah.  Wasser,  in  das  der  Bäcker  Brote  getaucht  hat,  ist 
ungeeignet;  wenn  er  seine  Hände  darin  abgespült  hat,  ist  es  tauglich.  —  Parallelstelle: 
TJad  1, 10  f.  (681).  —  Über  die  Verwendung  von  kaltem  u.  warmem  Wasser  zur  Hände- 
abspülung  s.  Chull  105''  im  Exkurs:  „Ein  altjüd.  Gastmahl"  Nr.  10,  f. 

h..  Siehe  Chull  105»  im  genannten  Exkurs  Nr.  7,  h  u.  Nr.  10,  f. 

i.  Jad  2,  2 :  Hat  man  die  Hände  mit  dem  ersten  Wasser  an  der  einen  Stelle  be- 
gossen u.  mit  dem  zweiten  Wasser  an  einer  andren  Stelle,  u.  es  fällt  dann  Brot  von 
Hebe  auf  das  erste  Wasser,  so  ist  das  Brot  unrein  (denn  das  erste  Wasser  hat  die 
Unreinheit  der  Hände  aufgenommen);  fällt  das  Brot  aber  auf  das  zweite  Wasser  (das 
keine  Unreinheit  der  Hände  aufnimmt),  so  ist  es  rein.  Hat  man  die  Hände  mit  dem 
ersten  u.  zweiten  Wasser  an  ein  u.  derselben  Stelle  abgespült,  u.  es  fällt  dann  Brot  von 
Hebe  hinein,  so  ist  es  unrein  (denn  es  kommt  mit  dem  ersten  Wasser  in  Berührung). 

k.  .Jad  2,  3 :  Es  dürfen  vier  oder  fünf  Personen  ihre  Hände  nebeneinander  oder 
übereinander  abspülen  lassen;  nur  müssen  sie  voneinander  los  sein,  damit  das  Wasser 
(überall)  auf  sie  kommt.  ||  TJad  2, 7  (682):  Es  dürfen  vier  oder  fünf  Personen  ihre  Hände 
nebeneinander  abspülen  lassen,  ohne  daß  sie  sich  um  viererlei  Sorge  zu  machen  brauchen, 
nämlich:  daß  sie  unrein  würden  (durch  das  von  der  Hand  des  andren  abfließende  oder 
abspritzende  Wasser),  daß  mit  dem  Wasser  bereits  eine  Verrichtung  ausgeführt  sei 
(insofern  es  zur  Reinigung  der  Hände  des  Vordermanns  diente),  daß  ihre  Hände  nicht 
aus  einem  Gefäß  abgespült  würden  (sondern  durch  Wasser,  das  von  den  Händen  eines 
andren  abfließt),  u.  daß  ihre  Hände  nicht  mit  einem  Viertel  Log  Wasser  abgespült  würden. 

/.  Jad  2,  2:  Befindet  sich  (beim  Begießen  mit  dem  ersten  Wasser)  ein  Holzsplitter 
oder  ein  Steinchen  auf  den  Händen,  so  sind  diese  unrein,  weil  das  zweite  Wasser  nur 
das  auf  der  Hand  befindliche  (erste)  Wasser  (nicht  die  Hände  selbst)  reinigt.  R.  Schim?on 
b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Wenn  etwas,  was  zu  den  Wassererzeugnissen  gehört,  auf 
der  Hand  sich  befand,  so  ist  sie  rein.  |i  TJad  1,4  (681):  Alles,  was  am  Körper  eine 
Scheidung  macht  (zwischen  ihm  u.  dem  Wasser  im  Tauchbad),  macht  auch  eine  Scheidung 
beim  Abspülen  der  Hände  u.  bei  der  Heiligung  der  Hände  u.  Füße  im  Tempel  (ähnlich 
in  der  Bar  Chull  106*^).  —  Das.  2, 3  (682):  Rabban  Schimfon  b.  Gamliel  sagte:  Wenn  man 
die  Hände  mit  dem  ersten  Wasser  abgespült  hat  u.  hinterher  findet  sich  auf  seinen 
Händen  ein  Insekt,  dessen  Entstehen  vom  Wasser  herrührt,  so  sind  seine  Hände  rein.  — 
Vgl.  auch  Jad  2,  3  in  Anm.  k. 

tn.  TJad  2, 3  (682):  Wenn  der,  welcher  seine  Hände  abspült,  dies  mit  aufmerksamer 
Absichtlichkeit  tut,  so  sind  seine  Hände  rein;  wenn  aber  nicht,  so  sind  seine  Hände 
unrein.  Dasselbe  als  Bar  Chag  18 '\  —  Das.  1, 13  (681):  Wenn  beim  Abspülen  der  Hände 
der,  welcher  sich  die  Hände  abspülen  läßt,  seine  Gedanken  darauf  gerichtet  hält,  der 
aber,  welcher  sie  abspült,  nicht;  oder  wenn  der,  welcher  sie  abspült,  seine  Gedanken 
darauf  gerichtet  hält,  der  aber,  welcher  sie  abspülen  läßt,  nicht,  so  sind  seine  Hände 
rein.  R.Jose  (um  150)  sagte:  Seine  Hände  sind  unrein.   Vgl.  auch  TJad  2,  4  (682). 

n.  Jad  2,  3:  Die  Hände  werden  unrein  u.  rein  bis  an  das  Handgelenk  pr.vTi  "i?.  Wie 
dies?  Hat  er  die  Hände  mit  dem  ersten  Wasser  bis  an  das  Handgelenk  abgespült  u. 
mit  dem  zweiten  Wasser  über  das  Handgelenk  hinaus,  u.  es  läuft  dann  etwas  wieder 
auf  die  Hand  zurück,  so  ist  diese  rein  (denn  das  zurücklaufende  Wasser  stammt  von 
dem  zweiten  Wasser,  welches  rein  ist)-.  Hat  er  die  Hände  mit  dem  ersten  u.  zweiten 
Wasser  über  das  Handgelenk  hinaus  abgespült,  u.  hinterher  läuft  dann  etwas  auf  die 
Hand  zurück,  so  ist  diese  unrein  (denn  das  zurücklaufende  Wasser  stammt  zum  Teil 
von  dem  durch  die  Unreinheit  der  Hand  unrein  gewordenen  ersten  Wasser  u.  „das 
zweite  Wasser  reinigt  [wie  es  Jad  2,  2  heißt]  nur  das  [erste]  Wasser,  das  sich  auf  der 


702  Matth  15,  2  (S5  3.  4) 

Hand  befindet").  ||  TJad  2,  4  (682):  Wenn  man  seine  Hände  abspült  u.  das  Wasser  (d.  li. 
sowohl  das  erste,  als  auch  das  zweite)  läuft  bis  an  das  Handgelenk,  so  sind  die  Hände 
rein;  wenn  es  aber  nicht  so  weit  läuft,  so  sind  sie  unrein;  ist  es  zweifelhaft,  ob  es  so 
weit  gelaufen  ist,  so  sind  sie  rein.  R.Jose  (um  150)  sagte:  Seine  Hände  sind  unrein.  || 
TJad  2,  2  (682) :  Wer  seine  Hände  mit  Wasser  abspült,  muß  seine  Hände  in  die  Höhe 
richten,  es  möchte  sonst  das  über  das  Handgelenk  hinausgeflossene  Wasser  wieder 
zurückfließen  u.  die  Händö  unrein  machen.  —  Dasselbe  als  Bar  Sota  4*^.  Hier  fordert  Rab 
(t  247)  das  Hochrichten  der  Hände  speziell  beim  Abspülen  der  Hände  vor  Tisch:  Rab 
Chijja  bar  Aschi  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  habe  gesagt:  Beim  ersten  Wasser  (d.  h.  hier 
beim  Händeabspülen  vor  der  Mahlzeit)  muß  man  die  Hände  in  die  Höhe  richten  (damit 
das  zurücklaufende  Wasser  die  Hände  nicht  aufs  neue  verunreinige);  beim  letzten  Wasser 
(d.  h.  beim  Händeabspülen  nach  dem  Essen)  muß  man  seine  Hände  nach  unten  richten 
(damit  der  durch  das  Essen  mit  den  Fingern  an  die  Hände  gekommene  Schmutz  nicht 
über  das  Handgelenk  hinaus  auf  den  Unterarm  gelange,  sondern  auf  die  Erde  oder  iu 
das  untergestellte  Gefäß  ablaufe).  ||  Eine  abweichende  Tradition  über  die  Frage,  wie  weit 
das  Wasser  die  Hände  überströmen  müsse,  findet  sich  pB^'rakhS,  12",  37:  R.  Jose  (um  350) 
hat  im  Namen  des  R.  Chijja  b.  Aschi  (um  270),  u.  R.  Jona  (um  350)  u.  R.  Chijja  b.  Aschi 
haben  im  Namen  Rabs  (f  247)  gesagt:  Das  Abspülen  der  Hände  muß  für  den  Genuß 
von  Hebe  bis  an  das  Handgelenk  u.  für  den  Genuß  der  gewöhnlichen  Speise  bis  an  die 
Stelle  geschehen,  an  der  die  Finger  mit  der  Hand  verbunden  sind,  jl  Chull  106^  Bar: 
Das  Abspülen  der  Hände  für  den  Genuß  der  gewöhnlichen  Speise  geschieht  bis  an  das 
Gelenk  piEn  ->•  (d.  h.  bis  an  das  2.  Gelenk  in  der  Mitte  der  Finger);  für  den  Genuß  von 
Hebe  bis  an  das  Gelenk  p^E-  -ty  (d.  h.  bis  an  die  Stelle,  an  der  die  Finger  mit  der 
Hand  verbunden  sind);  die  Heiligungswaschung  der  Hände  u.  Füße  (aus  dem  ivs.  vgl. 
Ex  30, 18  ff.)  im  Tempel  bis  an  das  Gelenk  p-en  -.'j  (d.  h.  bis  an  das  Handgelenk). 

O.  Sota  4**:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  Brot  ißt,  ohne  die  Hände  ab- 
getrocknet zu  haben,  der  ist  wie  einer,  der  unreines  Brot  ißt,  s.:  ,Jahve  sprach:  Also 
werden  die  Kinder  Israel  das  Brot  unrein  essen"  Ez4, 13.  (Wie  hier  das  verächtlich 
zubereitete  Brot  „unreines"  Brot  heißt,  so  ißt  der  unreines  Brot,  der  es  in  verächtlicher 
Weise,  ohne  zuvor  die  Hände  abzutrocknen,  verzehrt,  Raschi.) 

4.  Urteile  über  das  Händeabspülen. 

fEr  21*'  Bar:  Als  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  gebunden  im  Gefängnis  lag,  war  R.  J°hoschua? 
der  Gräupner  sein  Diener.  Täglich  brachte  man  ihm  Wasser  nach  Maß.  Eines  Tages 
traf  ihn  (den  R.  J^hoschua?)  der  Aufseher  des  Gefängnisses;  dieser  sprach  zu  ihm: 
Heute  ist  dein  Wasser  zu  viel;  du  sollst  wohl  damit  das  Gefängnis  durchbrechen?! 
Damit  goß  er  die  Hälfte  fort  u.  die  andre  Hälfte  gab  er  ihm.  Als  er  zu  R.  ?Aqiba  kam, 
sagte  dieser  zu  ihm:  J*'hoschuaf,  weißt  du  nicht,  daß  ich  ein  Greis  bin,  u.  daß  mein 
•Leben  an  deinem  Leben  hängt?  Da  erzählte  er  ihm  jenen  Vorfall.  ?Aqiba  sprach  zu 
ihm:  Gib  mir  Wasser,  daß  ich  meine  Hände  abspüle.  Er  antwortete  ihm:  Zum  Trinken 
reicht  es  nicht  zu;  zum  Händeabspülen  sollte  es  zureichen?  Er  sprach  zu  ihm:  Was 
soll  ich  tun,  da  man  sich  deshalb  des  Todes  schuldig  macht?  Es  ist  besser,  ich  sterbe 
den  Tod  durch  mich  selbst,  als  daß  ich  mich  über  die  Meinung  meiner  Genossen 
hinwegsetze  (indem  ich  die  Satzungen  der  Gelehrten  betreffs  des  Händeabspülens  über- 
trete). Man  erzählt:  ?Aqiba  aß  nichts,  bis  er  (J'^hoschuaf)  ihm  Wasser  brachte  u.  seine 
Hände  abspülte.  Als  die  Gelehrten  davon  hörten,  sagten  sie:  Wenn  er  so  (handelt) 
in  seinem  Alter,  um  wieviel  mehr  in  seiner  Jugend ;  wenn  so  im  Gefängnis,  um  wie- 
viel mehr,  wenn  nicht  im  Gefängnis!  ||  B'^rakh  19*'':  R.  J^'hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat 
gesagt:  In  24  Stellen  tut  der  Gerichtshof  in  den  Bann  wegen  der  Ehrfurcht  vor  dem 
Lehrer  u.  sie  alle  haben  wir  in  unsrer  Mischna  gelernt.  Es  sprach  zu  ihm  R.  Elfazar 
(um  270):  Wo  denn?  Er  antwortete  ihm:  Suche  u.  du  wirst  finden. *  Er  ging  hinaus, 
prüfte  u.  fand  drei:  Wer  das  Abspülen  der  Hände  verachtet,  wer  hinter  der  Bahre  der 
Gelehrtenschüler  Schlechtes  (über  den  Verstorbenen)  redet  u.  wer  sich  hoffärtig  gegen 

'  Über  r,svr\  '="'5  vgl.  Einl.  13;'. 


Matth  15,2  (33  4)  703 

Gott  benimmt  (der  wird  in  den  Bann  getan).  Wer  das  Abspülen  der  Hände  verachtet. 
Wie  verhält  es  sich  damit?  Wir  haben  gelernt  (nämlich  ?Eduj  5,  6):  R.  J'^huda  (um 
150;  so  lies  statt  R.  Jose)  hat  gesagt:  Das  sei  ferne,  daß  fAqabja  b.  Mahalalsel  (um 
70)  in  den  Bann  getan  wäre;  denn  der  Vorhof  schloß  sich  (am  Rüsttag  auf  Passab, 
vgl.  P'^s  5.  5)  hinter  keinem  in  Israel,  der  an  Weisheit  u.  Reinheit  u.  Sündenscheu  dem 
fAqabja  b.  Mahalabel  gleichgekommen  wäre.  Vielmehr  wen  hat  man  in  den  Bann  ge- 
tan? Den  Elfazar  b.  Chanokh  usw.,  s.  oben  S.  696.  ||  B*^rakh  47''  Bar:  Wer  ist  ein 
f  Am  ha-are9?  Wer  seine  profanen  Speisen  nicht  in  Reinheit  (d.  h.  nicht  mit  abgespülten 
Händen)  ißt.  Das  sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150).  1|  Sota  4'':  Rab  f  Avira  (um  380) 
hat  öffentlich  vorgetragen,  u.  zwar  hat  er  es  bald  im  Namen  des  R.  Ammi  (um  300) 
u.  bald  im  Namen  des  R.  Asi  (um  300)  gesagt:  Wer  Brot  ohne  Händeabspülung  ißt, 
ist  wie  einer,  der  einer  Hure  beiwohnt;  denn  es  heißt  Spr  6,  26:  Durch  ein  buhlerisches 
Weib  verschuldet  sich   (zur  Strafe),  wer  an   sein  Brot  kommt  ohne  Abspülung  der 

Hände  (so  der  Midr) ^    R.  Z«'riqa  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Elfazar  (um  270) 

gesagt:  Wer  das  Abspülen  der  Hände  geringschätzt,  wird  aus  der  Welt  gerissen.  1| 
Schab  62*^:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt,  andre  haben  gesagt,  in  einer  Bar  werde 
gelehrt:  Drei  Dinge  bringen  den  Menschen  in  Armut,  nämlich:  wer  vor  seinem  Bett 
nackt  uriniert,  wer  das  Abspülen  der  Hände  geringschätzt,  u.  den  seine  Frau  ins  An- 
gesicht verwünscht  (weil  er  nicht  genügend  für  ihren  Putz  sorgt).  Wer  das  Abspülen 
der  Hände  geringachtet.  Raba  (t  352)  hat  gesagt:  Das  hat  man  nur  von  dem  ge- 
sagt, der  seine  Hände  überhaupt  nicht  abspült;  wenn  sie  aber  jemand  abspült  u.  nicht 
abspült  (d.  h.  nicht  gründlich  dabei  verfährt),  so  kümmert  man  sich  nicht  darum.  Das 
ist  aber  nicht  richtig;  denn  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Ich  habe  sie  abgespült 
mit  beiden  Händen  voll  Wasser  u.  man  (d.  h.  Gott)  gab  mir  dafür  beide  Hände  voll 
Gutes.  II  Derekh  EreQ  Zuta  8  (fehlt  in  der  Ausg.  Amsterdam  1644  ff.):  Ein  Gelehrten- 
schüler, der  das  Abspülen  der  Hände  geringachtet,  siehe,  der  ist  verächtlich.  !|  pB^rakh 
8,  12^31:  R.  Jafaqob  b.  Idi  (um  280)  hat  gesagt:  Wegen  des  ersten  Wassers  (d.  h. 
wegen  Unterlassung  des  Händeabspülens  vor  dem  Essen)  wurde  Schweinefleisch  ge- 
gessen. Wegen  des  zweiten  Wassers  (d.  h.  wegen  Unterlassung  des  Händeabspülens 
nach  dem  Essen)  wuide  eine  Frau  aus  ihrem  Hause  entlassen.  Ebenso  pChalla  2, 58 ^',  39.  — 
Dasselbe  sagt  Rab  Dimi  (um  320)  ChulllOö^  als  Bar  angeführt  Joma  SS*»  mit  der 
Abweichung:  Das  zweite  Wasser  tötete  ein  Menschenleben;  (vgl.  Rabin  CliuUin  106^ 
Anfang).  Was  mit  den  Worten  gemeint  ist,  zeigt  TanchB  p'-2  §24(73=*):  Zur  Zeit  der 
Religionsverfolgung  (unter  Kaiser  Hadrian)  kochte  ein  israelitischer  Händler  reines 
Fleisch  u.  Schweinefleisch  u.  verkaufte  es,  damit  man  nicht  merken  sollte,  daß  er  ein 
Jude  sei.  Und  so  war  sein  Brauch:  wer  in  seinen  Laden  trat  u.  sich  die  Hände  nicht 
abspülte,  von  dem  wußte  er,  daß  er  ein  Götzendiener  war,  u  dem  setzte  er  Schweine- 
fleisch vor.  Wer  aber  seine  Hände  abspülte  u.  die  (Tisch-)Benediktion  sprach,  von  dem 
wußte  er,  daß  er  ein  Jude  war,  u.  dem  reichte  er  reines  Fleisch  als  Speise.  Einmal 
trat  ein  Jude  ein,  um  dort  zu  speisen.  Da  er  die  Hände  nicht  abspülte,  nahm  er  an, 
daß  er  ein  Götzendiener  sei;  er  setzte  ihm  Schweinefleisch  vor;  er  aß,  ohne  die  Bene- 
diktion zu  sprechen;  er  kam,  um  mit  ihm  wegen  des  Brotes  u.  des  Fleisches  Rech- 
nung zu  machen;  das  Schweinefleisch  wurde  aber  zu  einem  höheren  Preis  verkauft. 
Er  sprach  zu  dem  Gast:  Meine  Forderung  an  dich  beträgt  so  u.  so  viel  für  das  Fleisch, 
das  du  gegessen  hast;  denn  das  Stück  hat  einen  Wert  von  10  Minen.  Er  antwortete 
ihm:  Gestern  hast  du  es  mir  für  8  gegeben  u.  heute  willst  du  10?  Der  Händler 
sprach:  Es  war  vom  Schwein,  was  du  gegessen  hast!  Als  er  so  zu  ihm  sprach, 
richteten  sich  diesem  die  Haare  auf,  u.  er  wurde  bestürzt  u.  zitterte;  er  sprach:  Im 
geheimen  bin  ich  ein  Jude  u.  du  hast  mir  Schweinefleisch  gegeben!    Da  antwortete 


*  Zu  dieser  Auslegung,  der  Raba  (f  352)  daselbst  widerspricht,  vgl.  die  Deutung  von 
Spr  6,  26  durch  R.  Elfazar,  um  270:  Wer  verursacht  es  ihm,  daß  er  an  einem  buhlerischen 
Weib  zu  Falle  kommt?  Dies,  daß  er  ein  Laib  Brot  aß,  das  nicht  verzehntet  war, 
LvR15(115d). 


704  Matth  15,2(93  4.  6) 

jener:  Möge  dein  Geist  ausgehn!  Da  ich  sah,  daß  du  ohne  Händeabspülung  u.  ohne 
ßenediktion  aßest,  nahm  ich  an,  daß  du  ein  Götzendiener  seiest.  Von  hier  haben  die 
Gelehrten  gesagt:  Das  erste  Wasser  hat  zum  Genuß  von  Schweinefleisch  geführt;  das 
letzte  Wasser  aber  hat  ein  Menschenleben  getötet.  Einmal  aß  ein  Mensch  Hülsen- 
früchte, ohne  sich  (hinterher)  die  Hände  abzuspülen.  Er  ging  hinab  auf  die  Straße, 
während  seine  Hände  von  den  Hülsenfrüchten  besudelt  waren.  Es  sah  ihn  ein  andrer; 
dieser  ging  hin  u.  sagte  zu  der  Frau  jenes  Mannes:  Dein  Mann  läßt  dir  als  Zeichen 
sagen,  daß  er  eben  Hülsenfrüchte  gegessen  hat,  du  sollst  ihm  den  u.  den  Ring  schicken. 
Nach  einiger  Zeit  kam  ihr  Mann;  er  sprach  zu  ihr:  Wo  ist  der  Ring?  Sie  sprach  zu 
ihm:  Es  kam  einer  unter  Angabe  deiner  Zeichen,  u.  dem  habe  ich  ihn  gegeben.  Da 
ward  er  voll  Zorns  u.  erhob  sich  u.  erschlug  sie.  Deshalb  ist  derjenige,  der  sich  nach 
dem  Essen  nicht  die  Hände  abspült,  wie  einer,  der  ein  Menschenleben  tötet.  —  Parallel- 
stelle: Tanch  p'53  236''.  |1  pSchab  1,  S«',  32:  In  einer  Bar  ist  im  Namen  des  R.  Me'ir 
(um  150)  gelehrt  worden:  Wer  im  Lande  Israel  seinen  festen  Wohnsitz  hat  u.  seine 
profanen  Speisen  in  Reinheit  (mit  abgespülten  Händen)  ißt  u.  die  heilige  Sprache 
spricht  u.  das  Schema'  am  Morgen  u.  am  Abend  rezitiert,  der  kann  sich  darauf  ver- 
lassen, daß  er  dem  Leben  der  zukünftigen  Welt  angehört.  —  Dasselbe  pSch'^'q  3,  47*^,  62. 
In  SDt  32,  43  §  333  (140*')  fehlen  die  Worte  vom  Essen  der  profanen  Speisen  in  Rein- 
heit. II  pB^'rakh  8,  12=^,  23:  R.  Chijja  (um  280)  hat  im  Namen  des  R.  Schim.on  b.  Laqisch 
(um  250)  gesagt:  Um  die  Teighebe  abzusondern  (in  Reinheit)  u.  um  die  Hände  ab- 
zuspülen, muß  der  Mensch  4Mil  gehn  (bis  er  Wasser  findet).  R.  Abbahu  (um  300)  hat 
im  Namen  des  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  gesagt:  Das  gilt  aber  nur  für  die  Richtung 
nach  vom;  zurückzugehen  aber  den  Weg  (um  4  Mil)  bemüht  man  ihn  nicht.  —  Das- 
selbe pChalla  2,  58«,  31. 

In  den  babylon.  Schulen  scheint  man  der  d^i^  nb^-js  weniger  Bedeutung 
beigelegt  zu  haben.  Vgl.  zB  Rabs  Meinung,  daß  nur  das  Abspülen  der 
Finger  nötig  sei,  pB'^rakh  8, 12^,  37  in  Nr.  3,  Anm,  w,  ferner  Rabas  Urteil 
über  das  oberflächliche  Abspülen  der  Hände  Schab  62''  in  Nr.  4, 

Weiter  gehören  hierher  pßerakh  8,  12^,42:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Wer  seine 
Hände  des  Morgens  abgespült  hat,  den  belästigt  man  damit  nicht  in  der  Dämmerung.  || 
Chull  106^:  Rab  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  des  Morgens  seine  beiden  Hände  ab- 
gespült hat,  so  kann  er  dabei  (in  seinen  Gedanken)  ausmachen,  daß  dies  für  den 
ganzen  Tag  gelten  soll.  R.  Abina  (L?  f  etwa  420;  IL?  f  499)  sagte  zu  den  Leuten  in 
der  Ebene  von  <Araboth  (in  der  Nähe  von  Sura):  Ihr  zB,  die  ilir  kein  Wasser  habt, 
möget  euch  eure  Hände  des  Morgens  früh  abspülen  u.  dabei  (in  euren  Gedanken)  aus- 
machen, daß  dies  für  den  ganzen  Tag  gelten  soll.  Einige  sagen:  In  der  Zeit  der  Not, 
ja  (darf  man  so  verfahren)!  aber  in  einer  Zeit,  da  keine  Not  ist,  nein!  Das  weicht  ab 
von  der  Meinung  Rabs.  Einige  aber  sagen:  Auch  in  der  Zeit,  da  keine  Not  ist,  darf  man 
es.  Das  entspricht  der  Meinung  Rabs.  —  Den  gleichen  Rat,  wie  oben  den  Bewohnern  der 
Ebene  von  cAraboth,  erteilt  R.  Abina  den  Eseltreibern  pßerakh  8, 12»,  42. 

15,  2  6:  „Brot  essen"  agtov  iaO^Uiv  =  tin^  b?«  oder  xtisi"!  T\1'^  (wört- 
lich: Brot  wickeln,  zusammenrollen)  allgemein  üblicher  Ausdruck  für 
„eine  Mahlzeit  halten".  Das  hing  damit  zus.,  daß  das  Brot  als  der  Haupt- 
bestandteil eines, Mahles  galt,  s.  den  Exkurs:  „Ein  altjüd.  Gastmahl" 
Nr.  3,  e  u.  /"  u.  bei  Mk  3,  20. 

0-5  -srN;  zB  Gn  31,  54;  37,  25;  43,  25;  Ex  2,  20;  18,  12  u.  ö.,  aram.  s^n;  "^^s^,  zB 
mehrmals  B^rakh  42'':  Wir  wollen  gehn  u.  das  Brot  dort  u.  dort  essen  =  Mahlzeit 
halten  s'sn'j  h-i'z^i.  ||  Sanh  100'':  Womit  soll  ich  das  Brot  essen  san^  ^-is's  'S'ia?  — 
Gleichbedeutend  s«n:  ^ss,  zB  BM  1131':  Schemuel  (f  254)  hat  gesagt:  Gegen  alles  weiß 
ich  ein  Heilmittel,  ausgenommen  diese  drei  Fälle:  .  .  .;  u.  wer  Brot  gegessen  hat  'jisst 
S!:n3  {—  sein  Mahl  gehalten  hat)  u.  nicht  vier  Ellen  weit  (hinterher)  gegangen  ist. 


Matth  15,  4  m)  705 

srt:--!  ^T-^s  zB  ß^rakh  22  b;  Rab  Papa  (f  376)  u.  Rab  Huna  b.  J^hoschua'  u.  Rabba 
b.  Sch'^muel  aßen  npe^^  13113  miteinander.  ||  TaEan  23'^:  Als  die  Rabbinen  (bei  Abba 
Cliilqijja,  um  50  n.  Chr.)  eintraten,  saß  er  u.  speiste  srB-'i  -j-i3,  u.  er  sagte  nicht  zu 
den  Rabbinen:  Kommt,  esset  ein  Stückchen  Brot  srs-i  ihs  ^3113. 

15,4  31:  Ehre  den  Vater  u.  die  Mutter, 
Das  Gebot:  ,Du  sollst  deinen  Vater  u.  deine  Mutter  ehren"  wird 
einmal  als  das  schwerste  unter  den  schweren  Geboten  bezeichnet,  wohl 
weil  kein  Mensch  imstande  ist,  es  seinem  ganzen  Inhalt  u.  Umfang 
nach  zu  erfüllen.  Über  die  Wertschätzung  u.  Tragweite,  die  man  dem 
4.  Gebot  beigelegt  hat,  geben  die  nachfolgenden  Zitate  Aufschluß. 

pPea  1,15^',  13:  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Die  Schrift  stellt  das 
leichteste  unter  den  leichten  Geboten  dem  schwersten  unter  den  schweren  Geboten 
gleich.  Das  leichteste  unter  den  leichten  Geboten  ist  das,  welches  das  Freilassen  der 
Vogelmutter  betrifft  Dt  22,  6  f.,  u.  das  schwerste  unter  den  schweren  Geboten  ist  das, 
welches  die  Ehrfurcht  vor  den  Eltern  betrifft  Ex  20,  12;  u.  bei  beiden  steht  geschrieben 
(u.  darin  besteht  ihre  Gleichstellung) :  „  Damit  du  lange  lebest. "  —  Dasselbe  pQid  1 ,  61 '',  58. 
In  P^siqR  23/24  (121  ^j;  Tanch  2py  6";  TanchB  zpy  §3  (9'\)  ist  die  Ausführung  dem 
R.  Schimcon  b.  Jochai  (um  150)  zugeschrieben;  DtR  6  (203")  fehlt  der  Name  des  Autors,  [j 
M®kh  Ex  20;  12  (77»):  ,Du  sollst  deinen  Vater  u.  deine  Mutter  ehren."  Da  höre  ich, 
daß  es  mit  Worten  zu  geschehen  habe.  Die  Schrift  sagt  lehrend:  ,Ehre  Jahve  von 
deiner  Habe"  Spr  3,  9;  (ebenso  ehre  die  Eltern)  mit  Speise  u.  Trank,  mit  Kleidung  u. 
Reinigung.  Eine  andre  Erklärung:  , Du  sollst  deinen  Vater  ehren."  Da  es  heißt:  „Der 
Mann  (^=  jeder)  hege  (Ehr-)Furcht  vor  seiner  Mutter  u.  seinem  Vater"  Lv  19,  3,  so  höre 
ich  nur.  daß  das  Gebot  dem  Manne  gilt.  Woher,  daß  es  auch  der  Frau,  dem  Tumtom  * 
u.  dem  Mannweib  gilt?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  ,Ehre  deinen  Vater"  (ganz  allgemein). 
Wie  beim  Ehren  kein  Unterschied  ist  zwischen  Frau  u.  Mann,  so  hat  man  auch  bei 
der  (Ehr-)Furcht  keinen  Unterschied  gemacht  zwischen  Mann  u.  Frau.  Das  sind  Worte 
des  R.  Jischmafol  (f  um  135).  R.  J'^huda  b.  Bathyra  (um  110)  sagte:  Siehe,  es  heißt: 
,Der  Mann  (=  jeder)  hege  (Ehr-)Furcht  vor  seiner  Mutter  u.  seinem  Vater,  u.  meine 
Sabbate  sollt  ihr  beobachten"  Lv  19,  3.  Wie  beim  Sabbat  kein  Unterschied  ist  zwischen 
Mann  u.  Frau  u.  Tumtom  u.  Mannweib,  so  sollst  du  auch  bei  der  (Ehr-)Furcht  keinen 
Unterschied  machen  zwischen  Mann  u.  Frau,  zwischen  Tumtom  u.  Mannweib.  Rabbi 
sagte:  Die  Ehrerbietung  gegen  den  Vater  u.  die  Mutter  ist  vor  dem,  welcher  sprach 
u.  die  Welt  ward,  so  beliebt,  daß  er  die  Ehrerbietung  u.  Ehrfurcht  vor  jenen  der  Ehr- 
erbietung u.  Ehrfurcht  vor  ihm  gleichstellt,  desgleichen  die  Verwünschung  jener  seiner 
eignen  Verwünschung.  Es  steht  geschrieben:  „Ehre  deinen  Vater  u.  deine  Mutter" 
Ex  20, 12,  u.  in  bezug  auf  Ihn  steht  geschrieben :  ,Ehre  Jahve  von  deiner  Habe"  Spr  3,  9. 
Er  stellt  (hier  also)  die  Ehrerbietung  gegen  den  Vater  u.  die  Mutter  der  Ehrerbietung 
gegen  Gott  gleich.  —  Es  heißt:  „Ein  jeder  hege  Ehrfurcht  vor  seiner  Mutter  u.  seinem 
Vater"  Lv  19,3,  u.  in  bezug  auf  Ihn  steht  geschrieben:  „Jahve  deinen  Gott  sollst  du 
fürchten"  Dt  6,  13.  Er  stellt  (hier  also)  die  Furcht  vor  dem  Vater  u.  der  Mutter  der 
Furcht  vor  Gott  gleich.  —  Es  heilH:  „Wer  seinen  Vater  u.  seine  Mutter  verwünscht" 
Ex  21,  17,  u.  in  bezug  auf  Ihn  heißt  es:  „Falls  irgend  jemand  seinen  Gott  verwünscht" 
Lv  24,  15.  Er  stellt  (hier  also)  die  Verwünschung  des  Vaters  u.  der  Mutter  der  Ver- 
wünschung Gottes  gleich.  Komm  u.  sieh  den  Lohn.  Es  heißt:  „Ehre  .Jahve  von  deiner 
Habe"  Spr  3,  9,  u.  dementsprechend  heißt  es:  „So  werden  deine  Speicher  sich  füllen 
mit  Überfluß"  das.  Vers  10.  Ferner  heißt  es:  „Ehre  deinen  Vater  u.  deine  Mutter" 
Ex20, 12,  u.  dementsprechend  heißt  es:  „Damit  deine  Tage  lang  werden"  daselbst.  „Jahve 

'  =i*j?3-t:,  eig.  der  Verstopfte,  d.  h.  diejenige  Abnormität,  bei  welcher  die  Geschlechts- 
teile eines  Menschen  dermaßen  mit  einer  Haut  überzogen  sind,  daß  das  Geschlecht 
nicht  zu  erkennen  ist,  Levy  2,  165 '\ 

strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  45 


706  "  Matth  15,  4  (51) 

deinen  Gott  sollst  du  fürchten"  Dt  6,  13,  u.  (dementsprechend  heißt  es:)    ^Aufgehn 
wird  euch,  die  ihr  meinen  Namen  fürchtet,   die  Sonne  der  Gerechtigkeit"  Mal  3,  20. 
„Ein  jeder  hege  Ehrfurcht  vor  seiner  Mutter  u.  seinem  Vater,  u.  meine  Sabbate  sollt 
ihr  beobachten."  Wie  heißt  es  vom  Sabbat?  „Wenn  du  zurückhältst  vom  Sabbat  deinen 
Fuß  .  .  .,   dann  sollst   du   deine  Lust   finden  an  Jahve,   u.  ich  will   dich    einherfahren 
lassen  auf  den  Höhen  des  Landes"  Jes58, 13  f.  —  Parallelstellen:  Qid  30^  (zweimal).  32»; 
SLv  19,3  (343a  zweimal);  pPeal,  15^53;  pQid  1,  6l'\40;  P''siqR23/24  (122b).  ||  K'^r6,9: 
R.  Schimcon  (um  150)  sagte:  „Vater"  steht  (in  der  Schrift)  überall  vor  „Mutter".    Soll 
die  Ehrerbietung  vor  dem  Vater  größer  sein  als  die  vor  der  Mutter?    Die  Schrift  sagt 
lehrend:  „Ein  jeder  hege  Ehrfurcht  vor  seiner  Mutter  u.  seinem  Vater"  Lv  19,  3  (hier 
steht  „Mutter"  vor  „Vater").    Das  lehrt,  daß  beide  gleichwertig  sind.    Aber  die  Ge- 
lehrten sagten:  „Vater"  steht  überall  vor  „Mutter",  weil  er  (der  Sohn)  u.  seine  Mutter 
verpflichtet  sind  zur  Ehrerbietung  gegen  seinen  Vater.  —  Parallelstellen :  M'^kh  Ex  20,  1 2 
(77  b);  die  Mischna  wird  zitiert  SLv  1 9, 3  ( 343  a).  Vgl.  P^siqR  23/24  ( 122  a).  ||  Mekh  Ex  20, 1 2 
(77b):  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:    Offenbar  u.  kund  war  es  vor  dem,  welcher  sprach 
u.  es  ward  die  Welt,  daß  der  Mensch  seine  Mutter  mehr  ehrt  als  seinen  Vater,  weil 
sie  ihm  mit  Worten  gut  zuredet;  deshalb  läßt  er  bei  der  Ehrerbietung  das  Wort  „Vater" 
voraufgehn.    Und  es  war  vor  dem,  welcher  sprach  u.  es  ward   die  Welt,   offenbar  u. 
kund,    daß  sich   der  Mensch  vor  seinem  Vater  mehr  fürchtet  als  vor  seiner  Mutter, 
weil  jener  ihn  die  Tora  lehrt;    deshalb   läßt  er  (Lv  19,  3)   das  Wort  „Mutter"    dem 
Wort  „Vater"   voraufgehn.   (Die  Textworte  ds's  as  D-'-tpn  sind  umzustellen:  as  a-Tpr; 
as'-;).  —  In  der  Bar  Qid  30b  wird  Rabbi  als  Autor  genannt.  Vgl.  Qid  31»:   Der  Sohn 
einer  Witwe   fragte  den  R.  Elifezer:  Wenn  mein  Vater  u.  meine  Mutter  (zu  gleicher 
Zeit)  zu  mir  sagen:    „Gib  mir  Wasser  zu  trinken",  wer  von  ihnen   geht  voran?    Er 
antwortete:   Laß  die  Ehre   deiner  Mutter  u.  erweise  deinem  Vater  Ehre;    denn  du  u. 
deine  Mutter  seid  zur  Ehrerbietung  gegen  deinen  Vater  verpflichtet.    Darauf  ging  er 
zu  R.  Jehoschua?  (um  90);   dieser  gab  ihm   dieselbe  Antwort.    Da  sprach  er:    Rabbi, 
wie  aber,  wenn  sie  (die  Mutter)  entlassen  (geschieden)  ist?    Er  antwortete:  An  deinen 
Augenbrauen  (d.  h.  an  deinen  infolge  vielen  Weinens  ausgefallenen  Wimpern)  wird  er- 
kannt,   daß   du  der  Sohn  einer  Witwe  bist  (also  in  Wirklichkeit  nie  vor  eine  solche 
Entscheidung  gestellt  wirst;  deshalb  höre  eine  Scherzantwort:)  Gieß  ihnen  Wasser  in 
ein  Becken  u.  dann  locke  sie,  wie  man  Hühner  lockt.  !!  SLv  19,3  (343a):  Worin  be- 
steht die  Ehrfurcht  vor  dem  Vater?    Man  setze  sich  nicht  auf  seinen  Platz,  man  rede 
nicht  an  seiner  Stelle  u.  man  widerspreche  seinen  Worten  nicht.  Worin   besteht  die 
Ehrerbietung:  Man  speist  u.  tränkt  ihn,  man  kleidet  u.  bedeckt  ihn,  man  führt  ihn  ein 
u.  aus.  —  TQidl,  11  (336):  Welches  sind   die  Pflichten   des  Kindes  gegenüber  dem 
Vater?    Man  speist  u.  tränkt  ihn,  man  kleidet  u.  bedeckt  ihn,   man  führt  ihn  ein  u. 
aus,  man  wäscht  ihm  sein  Gesicht,  seine  Hände  u.  seine  Füße,  gleichviel  ob  Sohn  oder 
Tochter  (wörtlich:  ob  Mann  oder  Weib).    Nur  daß  der  Mann  die  Möglichkeit  in  seiner 
Hand   hat,  also  zu  tun,  während  die  Frau  unter  der  Gewalt  ihres  Mannes  steht.  — 
Weitere  Parallelstellen:  pQid  1,  61  b,  44;  pPea  1,  15",  58,  hier  mit  dem  Zusatz:  Wenn 
sie   (die  Tochter)  aber  verwitwet  oder  geschieden   ist,   so   gilt  sie  als   eine,    die   die 
Möglichkeit   dazu   m   ihrer  Hand   hat;   Qid  31b;   PegiqR  23/24  (122a).  |i  Qid  30b  Bar: 
Drei  vereinigen  sich  zur  Bildung  des  Menschen:  Gott,  sein  Vater  u.  seine  Mutter.  Wenn 
ein  Mensch  seinen  Vater  u.  seine  Mutter  ehrt,  spricht  Gott:   Ich  rechne  es  ihnen  so 
an,  als  ob  ich  in  ihrer  Mitte  wohnte  u.  sie  mich  ehrten.    Ein  Mischnalehrer  trug  vor 
Rab  Nachman  (f  3'20)  als  Bar  vor:  Wenn  ein  Mensch  seinen  Vater  u.  seine  Mutter  be- 
trübt, spricht  Gott:  Ich  habe  recht  getan,  daß  ich  nicht  in  ihrer  Mitte  wohne;  denn 
wenn  ich  in  ihrer  Mitte  wohnte,  so  hätten  sie  mich  betrübt.  |i  Pea  1,1:  Folgendes  sind 
die  Dinge,  von  denen  der  Mensch  die  Zinsen  (Früchte)  in  dieser  Welt  genießt,  während 
das  Kapital  (der  Hauptlohn)  ihm  für  die  zukünftige  Welt  anstehen    bleibt:    die  Ehr- 
erbietung gegen  den  Vater  u.  die  Mutter,  die  Erweisung  von  Liebeswerken,  das  Frieden- 
stiften  zwischen   einem   Menschen   u.  seinem   Nächsten   u.  das  Torastudium,    das  so 
schwer  wiegt,  wie  diese  alle.  ||  pPea  1,  15  ^  14:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  im  Namen  des 


Matth  15,  4  (?l)  707 

R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Man  fragte  den  R.  Elifezer  (um  90):  Wieweit  reicht  die 
Ehrerbietung  gegen  den  Vater  u.  die  Mutter?  Er  antwortete:  Mich  fragt  ihr  danach? 
Geht  u.  fragt  den  Dama  b.  N^thina  (s.  die  weitere  Erzählung  bei  Rom  1,  30).  Die  Mutter 
des  R.  Tarphon  (um  100}  war  hinabgegangen,  um  sich  an  einem  Sabbat  im  Hof  zu 
ergehn.  R.  Tarphon  ging  u.  legte  seine  beiden  Hände  unter  ihre  Füße,  u.  sie  ging  über 
sie  hin,  bis  sie  ihr  Ruhebett  erreichte.  Als  er  einmal  erkrankt  war,  gingen  die  Ge- 
lehrten, um  ihn  zu  besuchen.  Sie  sprach  zu  ihnen:  Bittet  für  meinen  Sohn  Tarphon; 
denn  er  hat  mir  Ehre  erwiesen  mehr  als  recht  ist.  Sie  sprachen  zu  ihr:  Was  hat  er 
dir  getan?  Und  sie  erzählte  ihnen  jenen  Vorfall.  Da  antworteten  sie:  Wenn  er  das 
auch  tausendmal  tausendmal  getan  hätte,  hätte  er  noch  nicht  die  Hälfte  von  der  Ehr- 
erbietung erreicht,  von  der  die  Tora  spricht.  —  Die  Mutter  des  R.  Jischma?el  if  um  18.5) 
kam  u.  beklagte  sich  über  ihn  bei  unsren  Lehrern.  Scheltet  meinen  Sohn  Jischmafel, 
denn  er  erweist  mir  keine  Ehre.  In  jener  Stunde  erbleichten  die  Angesichter  unsrer 
Lehrer.  Sie  sprachen:  Wäre  es  möglich,  daß  R.  Jischmafel  seinen  Eltern  keine  Ehre 
erwiese?  Was  hat  er  dir  getan?  Sie  erzählte  ihnen:  Wenn  er  aus  dem  Versammlungs- 
haus kommt,  will  ich  ihm  seine  Füße  abspülen  u.  von  dem  Wasser  trinken,  u.  er  ge- 
stattet es  mir  nicht.  Da  sagten  sie  zu  ihm:  Weil  es  ihr  Wunsch  ist,  so  ist  es  ihr& 
Ehre!  R.  Mana  (wohl  der  Jüngere,  um  870)  sagte:  Schön  haben  die  Müller  (im  Sprich- 
wort) gesagt:  Jeder  Mensch  hat  sein  Verdienst  im  Korbe  (d.  h.  verschieden  sind  die 
Verdienste  verteilt:  anders  war  es  bei  R.  Tarphon  u.  anders  bei  R.  Jischmacel).  Die 
Mutter  des  R.  Tarphon  sagte  so  zu  ihnen,  u.  sie  erwiderten  ihr  so;  die  Mutter  des 
R.  Jischmacel  sagte  so  zu  ihnen,  u.  sie  erwiderten  ihr  so.  —  R.  Z'^'ira  (um  .300)  betrübte- 
sich  u.  sprach:  0  daß  ich  doch  einen  Vater  u.  eine  Mutter  hätte,  die  ich  ehren  könnte, 
damit  ich  den  Gau  (Eden  ererbte!  Als  er  aber  jene  beiden  Traditionen  hörte,  sprach 
er:  Gepriesen  sei  der  Barmherzige,  daß  ich  weder  Vater  noch  Mutter  habe!  So  wie 
R.  Tarphon  hätte  ich  nicht  tun  können  u.  so  wie  R.  Jischmacel  hätte  ich  nicht  auf  mich 
genommen!  R.  Abun  (der  Jüngere,  um  370)  sagte:  Ich  bin  frei  von  der  Ehrerbietung 
gegen  die  Eltern.  Man  erzählte:  Als  seine  Mutter  mit  ihm  schwanger  ging,  starb  sein 
Vater,  u.  als  sie  ihn  gebar,  starb  sie.  —  Es  kann  einer  seinem  Vater  gemästete  Hühner 
(Kapaune)  zu  essen  geben  u.  doch  den  Gehinnom  erben;  u.  es  kann  ein  andrer  ihn  an 
die  Mühle  bringen  u.  doch  den  Gan  cEden  erben.  Wie  zB  jenes?  Ein  Mensch  pflegte 
seinen  Vater  mit  gemästeten  Hühnern  zu  speisen.  Einmal  sprach  sein  Vater  zu  ihm : 
Mein  Sohn,  woher  hast  du  diese?  Er  antworte:  Alter,  "Alter,  iß  u.  schweige;  denn 
Hunde  fressen  u.  schweigen!  So  ward  er  erfunden  als  einer,  der  seinem  Vater  gemästete 
Hühner  zu  essen  gab  u.  doch  den  Gehinnom  erbte.  Wie  kann  einer  seinen  Vater  an 
die  Mühle  bringen  u.  doch  den  Gan  cEden  erben?  Ein  Mensch  mahlte  an  der  Mühle; 
da  lief  ein  Befehl  ein,  die  Müller  zusammenzuberufen.  Er  sprach :  Vater,  komm  u. 
mahle  für  mich;  wenn  es  Beschimpfung  gibt,  so  ist  es  mir  lieber,  ich  werde  davon 
betroffen  u.  nicht  du,  u.  wenn  es  Schläge  gibt,  so  ist  es  mir  lieber,  ich  werde  davon 
betroffen  u.  nicht  du.  So  ward  er  erfunden  als  einer,  der  seinen  Vater  an  die  Mühle 
brachte  u.  doch  den  Gan  fEden  erbte.  —  R.  Abbahu  (um  300)  hat  im  Namen  des 
R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  gesagt:  Woher,  wenn  sein  Vater  zum  Sohn  sagt:  Wirf 
die  Börse  (voll  Geldes)  ins  Meer!  daß  er  ihm  zu  gehorchen  hat?  Dies  gilt  in  dem 
Falle,  daß  er  noch  eine  andre  Börse  (mit  Geld)  hat  u.  daß  er  dadurch  den  Sinn  seine» 
Vaters  beruhigt.  —  Dasselbe  pQid  1, 6 1 ",  67 ;  einzelnes  daraus  mit  Abweichungen  Qid  3 1  ^  •  "^ ; 
pesiqR  23/24  (122^-124 ^')-  H  pPea  1,  15^2  Bar:  R.  Schimton  b.  Jochai  (um  150)  hat 
gesagt:  Groß  ist  die  Ehrerbietung  vor  dem  Vater  u.  der  Mutter;  denn  Gott  hat  sie 
höher  gestellt  als  die  Ehrerbietung  vor  ihm.  Es  heißt:  ,Ehre  deinen  Vater  u.  deine 
Mutter"  Ex  20,  12,  u.  es  heißt:  „Ehre  Jahve  von  deiner  Habe"  Spr  3,  9.  Wodurch  ehrt 
man  ihn  von  der  Habe?  Man  sondert  ab  die  Nachlese,  die  vergessene  Garbe  u.  die 
Ackerecke;  man  sondert  ab  die  Hebe,  den  ersten  Zehnt,  den  zweiten  Zehnt,  den 
Armenzehnt  u.  die  Teighebe;  man  macht  eine  Festhütte,  einen  Feststrauß,  eine  Posaune, 
Gebetsriemen  u.  Kleidertroddeln;  man  speist  die  Armen  u.  die  Hungrigen  u.  man  tränkt 
die  Durstigen:   wenn  du  etwas  hast,  bist  du  zu  alledem  verpflichtet;   wenn  du  aber 

45* 


708  Matth  15,4(51) 

nichts  hast,  bist  du  zu  keinerlei  davon  verpflichtet.  Aber  wo  er  zu  der  Ehrerbietung 
vor  den  Eltern  kommt,  heißt  es:  Gleichviel  ob  du  Vermögen  besitzest  oder  nicht:  ,ehre 
deinen  Vater  u.  deine  Mutter",  auch  wenn  du  an  den  Türen  bettelnd  herumgehen 
mußt!  —  Dasselbe  pQid  1,  61b,  47;  P'siqR  23/24  (r22b).  ||  Qid  31^;  R.  Abbahu  (um  300) 
hat  gesagt:  Mein  Sohn  Abimi  zB  hat  das  Gebot  der  Ehrerbietung  (gegen  die  Eltern)  ge- 
balten. Fünf  ordinierte  Söhne  hatte  Abimi  zu  Lebzeiten  seines  Vaters.  Wenn  R.  Abbahu 
zu  ihm  ging  u.  an  der  Tür  rief,  dann  ging  Abimi  eilends,  um  ihm  zu  öffnen,  u.  rief: 
Ja.  ja!  bis  er  dorthin  kam.  (Der  Sohn  meldete  sich  drinnen,  damit  der  Vater  draußen 
nicht  unnötigerweise  mehrmals  zu  rufen  brauchte.)  Eines  Tages  sagte  Abbahu  zu  ihm, 
daß  er  ihm  Wasser  zu  trinken  geben  möchte;  während  er  es  ihm  brachte,  war  Abbahu 
«ingeschlummert;  gebückt  blieb  er  bei  ihm  stehn,  bis  er  erwachte.  Es  gelang  dem 
Abimi.  ,Ein  Psalm  von  Asaph"  Ps  79  auszulegen  (was  ihm  vorher  nicht  geglückt  war; 
das  war  sein  Lohn  für  die  dem  Vater  erwiesene  Pietät.  Die  Auslegung  selbst  ist 
nicht  mitgeteilt.  Raschi  erwähnt  die  Meinung,  daß  die  Deutung  dem  Worte  ^i^t* 
^Lied*  gegolten  habe,  an  dessen  Stelle  man  nach  dem  Inhalt  des  ganzen  Psalms 
hätte  ^Klagegesang"  ~:'-  erwarten  sollen.  Die  von  Abimi  gefundene  Deutung  wäre 
gewesen:  Gott  ließ  seinen  Zorn  am  Tempelgebäude  aus,  um  Israel  selbst  zu  schonen; 
deshalb  , Freudenlied "  berechtigt  statt  „Trauerlied^  vgl.  Midr  Ps  79  §  3).  Rah  Jafaqob 
b.  Abuha  sagte  zu  Abaje  (f  338/39):  Wie  zB  soll  ich  mich  verhalten?  Wenn  ich  aus 
dem  Lehrhaus  komme,  reicht  mir  mein  Vater  den  Becher  u.  meine  Mutter  mischt  ihn 
mir.  Er  antwortete:  Von  deiner  Mutter  darfst  du  es  annehmen,  aber  nicht  von  deinem 
Vater;  denn  weil  dieser  ein  Sohn  der  Tora  (ein  Gelehrter)  ist,  könnte  sein  Sinn  des- 
wegen schwach  (verdrießlich)  werden.  Wenn  Rab  Joseph  (f  333)  die  Fußtritte  seiner 
Mutter  hörte,  sprach  er:  Ich  will  aufstehn  vor  der  Sch«^khina  (Gottesgegenwart),  welche 
kommt.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wohl  dem,  der  sie  (seine  Eltern)  nicht  ge- 
sehen hat  (weil  es  nicht  möglich  ist,  die  ihnen  gebührende  Ehre  in  vollstem  Maße 
ihnen  zu  erweisen,  u.  man  so  ihretwegen  Strafe  zu  erwarten  hat,  Raschi).  Als  die 
Mutter  des  R.  Jochanan  mit  ihm  schwanger  ging,  starb  sein  Vater;  als  seine  Mutter 
ihn  gebar,  starb  sie.  Ebenso  war  es  bei  Abaje  (f  338/39).  Aber  Abaje  pflegte  doch 
zu  sagen:  , Meine  Mutter  hat  mir  gesagt*  (also  kann  sie  doch  nicht  bei  der  Geburt 
gestorben  sein)!  Es  ist  damit  die  gemeint,  die  ihn  groß  gezogen  hat  (Stiefmutter).  R.  Asi 
(um  300)  hatte  eine  alte  Mutter,  die  zu  ihm  sagte:  Ich  will  Schmucksachen  haben. 
Er  tat  ihr  den  Willen.  Sie  sprach:  Ich  will  einen  Mann  haben.  Er  antwortete:  Ich 
•will  darüber  nachdenken.  Sie  sprach:  Ich  will  einen  Mann  haben,  der  so  schön  ist. 
wie  du!  Da  verließ  er  sie  u.  ging  nach  dem  Lande  Israel.  Als  er  hörte,  daß  sie  ihm 
folgte,  ging  er  zu  R.  Jochanan  u.  sprach  zu  ihm:  Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Weg- 
gang aus  dem  Lande  (Israel)  ins  Ausland?  Er  antwortete  ihm:  Ein  solcher  ist  ver- 
boten. Aber  wie  verhält  es  sich  damit,  wenn  man  einer  Mutter  entgegengehen  will? 
Er  antwortete  ihm:  Das  weiß  ich  nicht.  R.  Asi  wartete  (nach  der  Lesart  n-^rs  statt 
rrr-  =  „er  brauste  auf)  ein  wenig;  dann  ging  er  noch  einmal  zu  ihm.  R.  Jochanan 
sprach  zu  ihm:  Asi,  wenn  du  ziehen  willst,  so  möge  dich  Gott  in  Frieden  zurück- 
führen. .  .  .  Inzwischen  erfuhr  R.  Asi,  daß  der  Sarg  (seiner  eben  verstorbenen  Mutter) 
ankäme  (nämlich  aus  Babylonien).  Da  sagte  er:  Wenn  ich  das  gewußt  hätte,  wäre 
ich  nicht  fortgegangen.  —  Bar:  Man  hat  den  Vater  während  er  lebt  zu  ehren  u.  man 
hat  ihn  im  Tode  zu  ehren.  Auf  welche  Weise  während  seines  Lebens?  Hört  man  auf 
das  Wort  seines  Vaters  an  einem  Ort  (weil  er  daselbst  in  Ansehen  steht),  so  soll  der 
Sohn  (zu  den  Ortsbewohnern)  nicht  sagen:  Entsendet  mich  um  meinetwillen,  macht 
mir  eilends  dies  oder  das  um  meinetwillen,  entlasset  mich  um  meinetwillen;  sondern 
in  allen  diesen  Fällen  sage  er:  Um  meines  Vaters  willen.  In  welcher  Weise  im  Tode? 
Wenn  er  eine  Tradition  aus  dem  Munde  seines  Vaters  mitteilt,  so  soll  er  nicht  sagen : 
,So  hat  mein  Vater  gesagt",  sondern:  „So  hat  mein  Vater,  mein  Herr  (oder  mein 
Lehrer)  gesagt;  siehe  ich  will  die  Sühne  für  sein  Lager  sein!"  (Raschi  erklärt  die 
letzten  Worte :  Über  mich  möge  alles  Unheil  kommen,  was  bestimmt  ist,  über  seine 
Seele  zu  kommen.)    Diese  Worte  sage  er  aber  nur  während  der  (ersten)  zwölf  Monate 


Matth  15.  4  (51.  SB)  709 

(nach  seines  Vaters  Tode;  denn  das  Gericht  über  die  gottlosen  Israeliten  im  Gehinnom 
dauert  nur  zwölf  Monate,  Raschi).  Von  da  an  u.  weiter  sagt  er:  Sein  Gedächtnis  sei 
zum  Segen  für  das  Leben  der  zukünftigen  Welt!  ||  Qid  32*:  Man  fragte  den  R.  Elifezer 
(um  90):  Wieweit  geht  die  Ehrerbietung  vor  dem  Vater  u.  der  Mutter?  Er  antwortete: 
So  weit,  daß,  wenn  er  eine  Börse  (voll  Geldes)  nähme  u.  würfe  sie  in  Gegenwart  seines 
Sohnes  ins  Meer,  dieser  ihn  nicht  beschämt  (durch  ein  Wort  des  Vorwurfs  oder  Tadels).  \\ 
Qid  32'*  Bar:  Wenn  sein  Vater  die  Worte  der  Tora  übertritt,  so  soll  der  Sohn  nicht 
zu  ihm  sagen:  Mein  Vater,  du  hast  die  Worte  der  Tora  übertreten,  sondern  er  sagt 
zu  ihm:  Mein  Vater,  steht  also  in  der  Tora  geschrieben?  , Steht  also  in  der  Tora  ge- 
schrieben?" auch  mit  diesen  Worten  könnte  er  ihn  betrüben  (denn  sie  besagen  nichts 
andres  als:  Du  hast  die  Tora  übertreten);  vielmehr  sagt  er  zu  ihm:  Mein  Vater,  eine 
Stelle  steht  in  der  Tora  geschrieben,  die  lautet  (u.  wenn  der  Sohn  die  Stelle  zitiert 
hat,  überläßt  er  es  seinem  Vater,  seinen  Fehltritt  einzusehn).  R.  Ji^chaq  b.  Schela  hat 
gesagt,  Rab  Matf^na  (um  275)  habe  gesagt,  Rab  Chisda  (f  309)  habe  gesagt:  Wenn 
ein  Vater  auf  die  ihm  gebührende  Ehre  verzichtet,  so  ist  darauf  verzichtet  (d.  h.  er 
darf  verzichten);  wenn  dagegen  ein  Lehrer  auf  die  ihm  gebührende  Ehre  verzichtet, 
so  ist  darauf  nicht  verzichtet  id.  h.  der  Schüler  hat  trotz  des  Verzichtes  seinem  Lehrer 
alle  Ehre  zu  erweisen).  1|  SLv  19,  3  (344*):  Wenn  etwa  ein  Vater  oder  eine  Mutter  ihrem 
Sohn  befehlen,  eins  von  allen  in  der  Tora  aufgezeichneten  Geboten  zu  übertreten,  soll 
er  auf  sie  hören?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  , Meine  Sabbate  sollt  ihr  beobachten,  ich 
bin  Jahve"  Lv  19,  3,  ihr  alle  seid  zu  meiner  Verehrung  verpflichtet  (der  Sohn  hat  Gott 
zu  gehorchen).  —  Dasselbe  als  Bar  J^b  6*.  ||  pPea  1,  15^60  wird  mit  Bezug  auf  die 
Bestimmung,  daß  der  Sohn  den  Vater  zu  speisen  u.  zu  tränken  habe  (s.  SLv  19,  3  oben 
S.  706),  gefragt:  Aus  wessen  Mitteln?  Huna  b.  Chijja  (gegen  300?)  sagte:  Aus  den 
Mitteln  des  Alten  (des  Vaters);  einige  sagen:  Aus  seinen  (des  Sohnes)  Mitteln.  — 
Dasselbe  P'^siqR  23  24  (122-').  Die  gleiche  Frage  wird  Qid  32*  aufgeworfen.  Hier  ant- 
wortet Rab  J'='huda  (t299):  ,Aus  den  Mitteln  des  Sohnes",  während  R.Nathan  b.Hoscha?ja 
(um  270)  sagt:  „Aus  den  Mitteln  des  Vaters."  Die  weitere  Diskussion  im  bT  zeigt,  daß  die 
Halakha  der  Meinung  des  R.  Nathan  b.  Hoschafja  entspricht.  —  Selbstverständlich  war 
der  Sohn  zur  Erhaltung  des  Vaters  verpflichtet,  wenn  der  letztere  ohne  eigenes  Ver- 
mögen war.  Vgl.  außer  pPea  1,  15'^^,  2  oben  S.  707  ^^  noch  pPea  1,  15*',  23:  R.  Jonathan 
(um  220)  u.  R.  Jannai  saßen  beieinander.  Es  kam  ein  Mann  u.  küßte  die  Füße  des 
R.  Jonathan.  R.  Jannai  sprach  zu  ihm:  Welche  Wohltat  hat  dir  dieser  heute  zu  ver- 
gelten? R.  Jonathan  antwortete:  Einmal  klagte  er  bei  mir  über  seinen  Sohn,  daß 
dieser  ihn  ernähren  sollte.  Ich  sagte  zu  ihm:  Geh,  versammle  die  Gemeinde  wider 
ihn  u.  beschäme  ihn  (vor  allen  Leuten  durch  Vorbringung  deiner  Klage).  R.  Jannai 
sprach:  Warum  hast  du  ihn  denn  nicht  gezwungen  (zur  Unterstützung  seines  Vaters 
durch  einen  Gerichtsbeschluß)?  R.  Jonathan  antwortete:  Kann  man  ihn  denn  dazu 
zwingen?  Jener  sprach:  Das  ist  dir  noch  fraglich?  Da  änderte  R.  Jonathan  seine 
Meinung  u.  setzte  die  Tradition  (Halakha)  in  seinem  (des  R.  Jannai)  Sinn  fest.  Da 
kamen  R.  Jafaqob  b.  Acha  (um  300)  u.  R.  Sch^'muel  b.  Nachman  (um  260)  u.  sagten  im 
Namen  des  R  Jonathan,  daß  man  den  Sohn  zwingen  dürfe,  den  Vater  zu  ernähren. 
R.  Jose  b.  Bun  (um  350)  hat  gesagt:  0  daß  mir  doch  alle  Traditionen  so  klar  wären, 
wie  diese,  daß  man  den  Sohn  zwingen  darf,  den  Vater  zu  ernähren!  Parallelstellen: 
pQid  1,  61  ^  3;  P'^siqR  23/24  (122b).  Iq  andrer  Fassung  u.  mit  Einführung  des  R.  Chanina 
(um  225)  an  Stelle  des  R.  Jannai  K''th49b. 

15,  4  23:  Wer  Vater  oder  Mutter  flucht,  soll  des  Todes  sterben. 
Sanh  7, 8:  „Wer  seinen  Vater  oder  seine  Mutter  verwünscht"  Lv  20, 9,  ist  schuldig 
erst,  wenn  er  sie  mit  einem  Gottesnamen  verwünscht.  Hat  er  sie  mit  einem  Beinamen 
verwünscht,  so  erklärte  ihn  R.  Meir  (um  150)  für  schuldig,  die  Gelehrten  aber  für  frei. 
(Die  eigentlichen  Gottesnamen  sind  nach  Sch'"bu35=*:  ■;n,  a-nVs.  mn^,  »j-s,  r-,  ^-ir  u. 
nisa:i. —  Alle  übrigen  Namen  sind  Beinamen  oder  Nebenbezeichnungen.)  1|  Sch'^^bu4, 13: 
Wenn  jemand  sagt:  Ich  beschwöre   euch   bei  Adonai,   bei  Jahve,   bei  Schaddai,   bei 


710  Matth  15,  4  (SB) 

<^'^baoth,  beim  Gnädigen  u.  Barmherzigen,  beim  Langmütigen,  bei  dem,  der  groß  ist 
an  Huld,  oder  bei  allen  übrigen  göttlichen  Beinamen,  so  sind  sie  schuldig  (der  Be- 
schwörung Folge  zu  leisten).  Wer  mit  Nennung  eines  von  allen  diesen  Namen  Gott 
verwünscht  (s.  Lv24, 15  f.),  der  ist  schuldig.  Das  sind  Worte  des  R.  Meür;  die  Gelehrten 
aber  erklärten  ihn  (bei  Gebrauch  eines  Beinamens)  für  frei.  Wer  seinen  Vater  oder 
seine  Mutter  mit  Nennung  eines  von  allen  diesen  Namen  verwünscht,  ist  schuldig. 
Das  sind  Worte  des  R.  Meir;  die  Gelehrten  aber  erklärten  ihn  (beim  Gebrauch  eines 
Beinamens)  für  frei.  (Die  Halakha  richtet  sich  nach  der  Meinung  der  Gelehrten.)  || 
SLv  24,  16  (424'""):  „Wenn  er  den  Namen  lästert,  soll  er  getötet  werden"  Lv  24,  16. 
R.  M^'nachem  b.  Jose  (um  180)  hat  gesagt:  Die  Worte  wollen  den  mit  einschließen,  der 
seinen  Vater  oder  seine  Mutter  verwünscht,  daß  er  nämlich  erst  schuldig  sei,  wenn 
er  sie  mit  einem  (eigentlichen)  Gottesnamen  verwünscht  (nicht  mit  einer  umschreiben- 
den Nebenbenennung).  —  Diese  Auslegung  des  R.  M'^nachem  b.  J.  wird  Sch^bu36*  so 
zitiert:  Wer  sind  die  Gelehrten  (die  im  Gegensatz  zu  R.  Me'ir  in  Sch'^'bu  4,  13  frei- 
sprechen)? Es  ist  R.  M^'nachem  b.  Jose.  Denn  in  einer  Bar  heißt  es:  Wenn  er  den 
Namen  lästert,  soll  er  getötet  werden  Lv  24, 16.  Was.  will  die  Schrift  lehrend  mit  dem 
Wort  „Namen"  sagen?  Sie  will  damit  eine  Lehre  geben  in  bezug  auf  den,  der  seinen 
Vater  oder  seine  Mutter  verwünscht,  daß  er  nämlich  erst  schuldig  sei,  wenn  er  sie 
mit  einem  (eigentlichen)  Gottesnamen  verwünscht.  —  Dasselbe  Sanh66a.  —  Ferner 
vgl  M^kh  Ex  21, 1 7^(88 a).  |1  SLv  20,  9  (365'^):  „Jeder  -j-s  iü-s,  der  seinen  Vater  u.  seine 
Mutter  verwünscht,  soll  getötet  werden;  seinen  Vater  u.  seine  Mutter  hat  er  verwünscht: 
seine  Blutschuld  haftet  an  ihm"  Lv  20,  9.  „Ein  Mann"  "ii-N  bedeutet  nur  einen  Mann; 
woher,  daß  auch  eine  Frau  (eine  die  Eltern  verwünschende  Tochter)  gemeint  ist?  Die 
Schrift  sagt  lehrend:  tti^x  w'"s,  d.  h.  jeder  (mit  Einschluß  der  Frau).  „Der  seinen  Vater 
verwünscht",  aber  nicht  den  Vater  seines  Vaters;  „u.  seine  Mutter",  aber  nicht  den 
Vater  seiner  Mutter.  „Seinen  Vater",  d.h.  seinen  wirklichen  Vater,  nicht  aber  seinen 
angeblichen  (zweifelhaften);  „seine  Mutter",  d.  h.  seine  wirkliche  Mutter,  nicht  aber 
seine  angebliche  (zweifelhafte).  „Seinen  Vater  u.  seine  Mutter  hat  er  verwünscht"; 
was  will  damit  die  Schrift  lehrend  sagen?  Da  es  heißt:  „Wer  seinen  Vater  u.  seine 
Mutter  verwünscht,  der  soll  getötet  werden"  Ex  21,  17,  so  könnte  damit  gemeint  sein, 
daß  man  erst  schuldig  sei,  wenn  man  beide  zusammen  verwünscht  hat.  Da  sagt  die 
Schrift  lehrend:  „Seinen  Vater  u.  seine  Mutter  hat  er  verwünscht"  Lv  20, 9,  d.  h.  seinen 
Vater  hat  er  verwünscht,  seine  Mutter  hat  er  verwünscht,  auch  wenn  er  nur  einen 
von  ihnen  beiden  verwünscht  hat  (ist  er  schuldig).  Ist  denn  nicht  ein  Proselyt  schuldig 
wegen  (Verwünschung)  seiner  Mutter,  ohne  daß  er  schuldig  wird  wegen  (Verwünschung) 
seines  Vaters?  ^  Das  sind  Worte  des  R.  Jose,  des  Galiläers  (um  110).  R.  f  Aqiba  (f  um  135) 
sagte:  „Seinen  Vater  u.  seine  Mutter  hat  er  verwünscht":  wer  wegen  seines  Vaters 
schuldig  ist,  ist  schuldig  wegen  seiner  Mutter;  u.  wer  nicht  wegen  seines  Vaters 
schuldig  ist,  ist  nicht  wegen  seiner  Mutter  schuldig.  (Also  die  Verwünschung  allein 
der  Mutter  macht  nicHt  schuldig.)  R.  fAqiba  gab  aber  zu,  daß  ein  ^—ri-^  (d.  h.  jemand, 
dessen  Vater  unbekannt  ist)  schuldig  werde  wegen  (Verwünschung)  seiner  Mutter,  auch 
wenn  er  sich  wegen  seines  Vaters  nicht  schuldig  machen  könne.  —  Parallelstellen: 
M'^kh  Ex  21, 17  (88a);  Sanh  66»;  85^  ||  Sanh  11.  1:  „Wer  seinen  Vater  oder  seine  Mutter 
schlägt"  Ex  21, 15,  ist  schuldig  erst,  wenn  er  ihnen  eine  Wunde  beigebracht  hat.  Dies 
ist  das  Schwerere  bei  dem  Verwünschenden  gegenüber  dem  Schlagenden,  daß  der, 
welcher  nach  dem  Tode  verwünscht,  schuldig  ist,  aber  der,  welcher  nach  dem  Tode 
schlägt,  frei  (denn  einen  Toten  kann  man  nicht  mehr  verwunden).  ||  SLv  20, 9(365''): 
„Seinen  Vater  u.  seine  Mutter  hat  er  verwünscht"  Lv  20,  9,  auch  nach  deren  Tod  kann 
es  geschehen.  Aber  könnte  man  nicht  folgern:  weil  der  (die  Eltern)  Schlagende  u. 
ebenso  der  sie  Verwünschende  sich  schuldig  macht,  so  kann,  gleichwie  der  Schlagende 
sich  nur  an  den  Lebenden  schuldig  macht,  auch  der  Verwünschende  sich  nur  an  den 

1  Wegen  der  Zuchtlosigkeit  heidnischen  Ehelebens  galt  es  der  Synagoge  als  aus- 
gemachte Sache,  daß  kein  Proselyt  seinen  wirklichen  Vater  kenne. 


Matth  15,  4  (58).  15,  5  (Nr.  1)  711 

Lebenden  schuldig  machen?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  , Seinen  Vater  u.  seipe  Mutter 
hat  er  verwünscht",  auch  nach  ihrem  Tode  kann  es  geschehen.  —  Parallelstellen: 
M'^kh  Ex 21, 17  (88a);  Sanh85^  [1  Sanh  7,4:  Folgende  werden  gesteinigt:  .  .  .  Wer  seinen 
Vater  oder  seine  Mutter  verwünscht.  ||  SLv  20,  9  (36!^ a);  ^Seine  Blutschuld  haftet  an 
ihm",  d.  h.  mit  Steinigung  wird  er  bestraft.  |1  M^kh  Ex21, 17  (88»):  „Wer  seinen  Vater 
oder  seine  Mutter  verwünscht,  soll  getötet  werden"  Ex  21, 17,  nämlich  durch  Steinigung. 
Du  sagst:  „Durch  Steinigung";  oder  nicht  vielmehr  durch  irgendeine  der  Todesstrafen, 
•die  in  der  Tora  genannt  werden?  Siehe,  du  hast  zu  folgern:  Es  heifst  hier:  „Seine 
Blutschuld  haftet  an  ihm"  Lv  20,9,  u.  es  heißt  dort:  „Ihre  Blutschuld  haftet  an  ihnen" 
Lv  20, 27.  Wie  in  letzterer  Stelle  Steinigung  gemeint  ist,  so  auch  in  ersterer.  —  Das- 
selbe Sanh  66  a;  SLv  20,9  (368a). 

15,  5:  Ihr  aber  sagt:  Wer  zum  Vater  oder  zur  Mutter  sagt:  „Eine 
Opfergabe  sei  jeder  Genuß,  den  du  von  mir  haben  könntest", 
der  darf  seinen  Vater  oder  seine  Mutter  durchaus  nicht  ehren. 

SwQov  6  sccv  s'^  £f.iov  diifeXrjd^f^g. 

1.  Man  versteht  diese  Wendung  meist  so,  daß  der  Sohn  durch  sie 
das  dem  Vater  oder  der  Mutter  Zustehende  als  Opfergabe  dem  Heilig- 
tum geweiht  habe,  um  es  so  den  empfangsberechtigten  Eltern  zu  ent- 
ziehen. Das  letztere  ist  richtig:  die  Eltern  sollen  ihrer  Subsistenz- 
mittel  beraubt  werden;  aber  unrichtig  ist,  daß  dieser  Zweck  durch 
Umwandlung  der  Bezüge  der  Eltern  in  eine  Weihegabe  an  den  Tempel 
erreicht  worden  sei.  Dieser  Zweck  wurde  viel  billiger  erreicht:  Der 
Sohn  erklärte  einfach  in  der  Form  eines  Gelöbnisses,  daß  jeder  Genuß, 
den  die  Eltern  von  ihm  haben  könnten,  für  sie  wie  eine  Opfergabe 
sein  solle,  dann  war  ihnen  jeder  Nießbrauch  am  Vermögen  des  Sohnes 
ebenso  versagt,  wie  es  jedermann  verboten  war,  von  einer  Opfer-  oder 
Weihegabe  an  den  Tempel  irgendwelchen  Nutzen  zu  haben.  Der  Sohn 
behielt  auf  diese  Weise  das  Seine,  ohne  irgend  etwas  an  den  Tempel 
abgeben  zu  müssen,  u.  die  Eltern  waren  ihrer  Ansprüche  an  den  Sohn 
beraubt.  —  Die  Worte  dcÖQor  o  sdv  s'§  ifxov  w(fsXrj^jjq\  entsprechen  genau 
der  Gelöbnisformel,  die  man  zB  N'^d  8,  7  liest:  "-h  nin:  nriNn  ü:ip.  Dabei 
ist  das  Wortunding  cj-ip,  wofür  auch  niip  oder  ojip  gesagt  wird,  eine 
absichtliche  Verstümmelung  von  -s-^p  =  „  Opfergabe" ,  äwoov  (die  Parallel- 
stelle Mk  7, 11  hat  den  Terminus  xoqßäv  beibehalten),  u,  die  Formel  ist 
zu  übersetzen:  „Opfergabe  (oder:  wie  Opfergabe)  sei,  was  du  von  mir 
genießen  könntest";  darin  liegt,  daß  jeder  Genuß  oder  Nutzen,  den  der 
Angeredete  von  dem  Gelobenden  haben  könnte,  dem  ersteren  verwehrt 
u.  entzogen  sein  solle  wie  eine  Gott  geweihte  Opfergabe.  —  Wenn  der 
Gelobende  seinerseits  auf  jeden  Nutzen  von  dem  Angeredeten  ver- 
nichten will,  lautet  die  Gelöbnisformel:  r|^  npn?  "^jn^  cjip  =  „eine  Opfer- 
gabe sei,  was  ich  von  dir  genießen  könnte".  —  Im  Laufe  der  Zeit,  als 
mit  dem  Tempel  der  Opferkultus  untergegangen  war,  trat  der  ursprüng- 
liche Gedanke,  daß  etwas  wie  eine  Opfergabe  sein  sollte,  mehr  u.  mehr 
in  den  Hintergrund;  -p-p  =  nrp  wurde  zu  einem  gewöhnlichen  Schwur- 
oder Beteuerungswort;  statt  des  früheren  -ib  nsns  ^rNd  ddp  konnte  man 


712  Matth  15,5(Nr.  1-3) 

jetzt  auch  sagen:  -\h  nsn;  ■':\viy  t:3p  =  „ich  gelobe,  daß  ich  keinen 
Nutzen  von  dir  haben  will".  Auch  diese  Abänderung  der  Gelöbnisformel 
zeigt,  wie  wenig  bei  der  ursprünglichen  Formel  an  eine  Umwandlung 
eines  versagten  Gegenstandes  in  eine  wirkliche  Opfergabe  zu  denken 
ist.  Das  zeigt  sich  weiter,  wenn  man  die  sonst  gebräuchlichen  Ge- 
löbnis- u.  Entsagungsformeln  vergleicht. 

2.  Die  gebräuchUchsten  Gelöbnis-  u.  Entsagungsformeln. 

N^d  1,1:  Alle  Nebenbenennungen  (Umschreibungen)  der  Gelübde  gelten  den  Gelübden 
gleich.  Wenn  jemand  zu  einem  andren  sagt:  Ich  bin  durch  Gelübde  dir  versagt,  von 
dir  getrennt,  von  dir  entfernt,  daß  ich  von  dem  Deinigen  nichts  esse,  daß  ich  von  dem 
Deinigen  nichts  koste,  so  ist  es  (das  Essen,  Kosten  usw.)  verboten.  (Das  Gelübde  ist 
gültig.)  II  Das.  1,2:  Wenn  man  zu  einem  andren  sagt:  orp,  -j-p,  orip,  so  gilt  das  als 
Nebenbenennung  für  -js^p  =  Opfer.  ||  Das.  1,3:  Wenn  jemand  sagt:  Nicht  profan  soll 
sein,  was  ich  von  dem  Deinigen  essen  könnte,  oder:  nicht  geeignet,  nicht  makellos, 
nicht  rein,  unrein,  übriggebliebenes  Heiliges,  Verwerfliches  soll  es  sein,  so  ist  der 
Genuß  verboten.  Sagt  er:  Wie  ein  Opferlamm,  wie  die  Tempelhallen,  wie  Altarholz, 
wie  Altarfeuer,  wie  der  Altar,  wie  das  Heiligtum,  wie  Jerusalem  (soll  mir  das  u.  das 
sein),  oder  gelobt  er  mit  (bei)  irgendeinem  der  Altardienstgeräte,  siehe,  so  hat  dieser, 
auch  wenn  er  das  Wort  „Opfer"  -z^p  nicht  erwähnt  hat,  doch  mit  ^z^p  gelobt.  R.  Jehuda 
(um  150)  sagte:  Wer  bloß  „Jerusalem"  sagt  (statt  „wie"  Jer.),  der  hat  nichts  gesagt 
(sein  Gelübde  ist  ungültig),  jj  Das.  1,4:  Wenn  einer  sagt:  Opfer  ■ja'^p,  Ganzopfer,  Speis- 
opfer, Sündopfer,  Dankopfer,  Friedensopfer  sei,  was  ich  von  dem  Deinigen  essen  könnte, 
90  ist  der  Genuß  verboten;  R.  Jehuda  erlaubte  ihn  (er  forderte  auch  hier,  wie  vorhin 
bei  Jerusalem,  ein  „wie"  vor  dem  Gelöbniswort).  Wenn  man  sagt  "?■';>"  (das  Opfer), 
'z-jp^t  (wie  ein  Opfer)  oder  iz"  (Opfer)  sei,  was  ich  von  dem  Deinigen  essen  könnte, 
so  ist  der  Genuß  verboten.  Sagt  er:  „Zum  Opfer  l^-^pV,  ich  will  nichts  essen  von  dem 
Deinigen!"  so  ist  nach  R.  Meir  (um  150)  der  Genuß  verboten.  Wenn  jemand  zu  einem 
andren  sagt:  orp  sei  mein  Mund,  der  mit  dir  spricht,  meine  Hand,  die  mit  dir  arbeitet, 
mein  Fuß,  der  mit  dir  geht,  so  ist  es  (das  Sprechen,  Arbeiten.  Gehn  mit  dem  andren) 
verboten.  ||  Das.  2, 1 :  Wenn  einer  sagt:  nj-p  (hier  allgemein  =  ich  gelobe),  daß  ich  nicht 
schlafen,  daß  ich  nicht  reden,  daß  ich  nicht  gehn  will;  oder  wenn  einer  zu  seiner 
Frau  sagt:  n:"p,  daß  ich  dir  nicht  beiwohnen  will,  so  gilt  diesem:  „Er  soll  sein  Wort 
nicht  entweihen;  gemäß  allem,  was  aus  seinem  Munde  geht,  soll  er  tun!"  Nu  30,  o. 
Wenn  jemand  sagt:  Schwur  ny^z'4,  daß  ich  nicht  schlafen,  daß  ich  nicht  reden,  daß 
ich  nicht  gehn  will,  so  ist  es  ihm  verboten.  ||  Das.  2, 2:  (In  andren  Fällen)  ist  es  mit 
Gelübden  strenger  zu  nehmen,  als  mit  Schwüren.  Wenn  zB  jemand  sagt:  Qonara,  wenn 
ich  eine  Laubhütte  baue,  wenn  ich  einen  Feststrauß  nehme,  wenn  ich  die  Gebetsriemen 
anlege,  so  ist  es  (das  Bauen  einer  Laubhütte  usw.)  ihm  verboten,  da  er  einen  Gelübde- 
ausdruck i'zyp)  gebraucht  hat;  gebraucht  er  aber  einen  Schwurausdruck  (zB  ny^.a'r), 
so  ist  es  ihm  erlaubt,  weil  man  nicht  schwören  kann,  die  Gebote  zu  übertreten  (ein 
solcher  Schwur  wäre  ein  nichtiger  Schwur,  s.  zu  Mt5, 33  S.  322«),  —  Wenn  also  Mt  15, 5 
der  Sohn  statt  JioQoy  eine  Wendung  mit  öqxos  gebraucht  hätte,  hätte  er  nichts  gesagt. 

3.  Nichtige  Gelöbnisse. 

Ned3, 1:  Viererlei  Gelübde  haben  die  Gelehrten  für  nichtig  erklärt:  «,  Ansporn- 
gelübde. Es  verkauft  zB  jemand  einen  Gegenstand  u.  sagt:  Qonam  (=  allgemein:  ich 
gelobe),  daß  ich  dir  von  einem  Sela?  nichts  ablasse!  Und  der  andre  (der  Käufer)  sagt: 
Qonam,  daß  ich  dir  zum  Scheqel  nichts  zulege!  während  doch  beide  zu  drei  Denaren 
bereit  sind.  R.  Elifezer  b.  Jafaqob  (wohl  der  II.,  um  150)  sagte:  Auch  wenn  einer  einen 
andren  durch  ein  Gelübde  nötigen  will,  daß  er  bei  ihm  essen  soll  (so  gilt  dies  als  ein 
Ansporngelübde  u.  ist  ungültig).  Man  kann  erklären:  Jedes  Gelübde,  das  ich  geloben 
werde,  ist  ungültig  (dann  ist  es  ungültig);  nur  muß  man  dieser  Erklärung  in  dem 
Augenblick  des  Gelübdes  eingedenk  sein.  \\  ß,  N^d  3,2:  Übertreibungsgelübde.  Es  sagt 


Matth  15,  5  (Nr.  8.  4)  713 

jemand:  Qonani,  wenn  ich  nicht  auf  diesem  Wege  (dieser  Reise)  so  viel  Menschen  ge- 
sehen habe,  wie  einst  aus  Ägypten  gezogen  sind!  wenn  ich  nicht  eine  Schlange  ge- 
sehen habe,  die  so  groß  war,  wie  ein  Preßbalken!  !|  y,  Auf,  Irrtum  beruhende  Gelübde. 
(Es  sagt  jemand:  Qonam,)  wenn  ich  gegessen,  wenn  ich  getrunken  habe!  u.  hinterher 
erinnert  er  sich,  daß  er  gegessen  u.  getrunken  hat.  (Oder:  Qonam,)  daß  ich  nicht 
essen,  daß  ich  nicht  trinken  werde!  u.  hinterher  vergaß  er. sein  Gelübde  u.  aß  u.  trank. 
Oder  es  sagt  jemand:  Qonam,  daß  meine  Frau  keinen  Genuß  von  mir  haben  soll,  weil 
sie  meinen  Geldbeutel  gestohlen  u.  weil  sie  meinen  Sohn  geschlagen  hat!  u.  es  wird 
bekannt,  daß  sie  ihn  nicht  geschlagen  u.  daß  sie  ihn  nicht  gestohlen  hat.  Oder  es 
sieht  jemand,  wie  Leute  seine  Feigen  verzehren,  u.  er  ruft:  Diese  seien  euch  Qorban! ' 
u.  dann  ergibt  sich,  daß  es  sein  Vater  u.  seine  Brüder  waren,  bei  denen  noch  andre 
sich  befanden.  Die  Schule  Schammais  sagte:  Jene  dürfen  weiter  essen  (Vater  u.  Brüder 
waren  von  dem  Gelobenden  nicht  gemeint);  aber  denen,  die  sich  bei  ihnen  befinden, 
ist  es  verboten.  Die  Schule  Hillels  sagte:  Diese  wie  jene  dürfen  weiter  essen  (nach 
dem  Grundsatz:  Ist  ein  Gelübde  zum  Teil  aufgehoben,  so  ist  es  ganz  aufgehoben).  || 
d,  Ned3.3:  Infolge  einer  Zwangslage  nicht  ausführbare  Gelübde,  zB  jemand  hat  einen 
andren  durch  ein  Gelübde  genötigt,  bei  ihm  zu  speisen,  u.  dieser  (der  Geladene)  oder 
sein  Sohn  erkrankt,  oder  es  hält  ihn  ein  Strom  zurück.  (Zu  beachten  ist,  daß  die  durch 
ein  Gelübde  erzwungene  Annahme  einer  Einladung  hier  nicht,  wie  R.  Elifezer  b.  Ja?aqob 
oben  wollte,  zu  den  von  vornherein  ungültigen  Ansporngelübden  gezählt  wird.)  ||  Ned  o,  4: 
Man  darf  Mördern,  Räubern  u.  (willkürlich  fordernden)  Zöllnern  durch  ein  Gelübde 
versichern,  daß  etwas  Hebe  sei,  auch  wenn  es  keine  Hebe  ist;  daß  etwas  der  Regierung 
gehöre,  auch  wenn  es  ihr  nicht  gehört.  Die  Schule  Schammais  sagte,  man  könne  diese 
Versicherung  mit  jedem  Gelübdeausdruck  abgeben,  nur  nicht  mit  dem  Wort  „Schwur"; 
die  Schule  Hillels  sagte:  Auch  mit  dem  Wort  , Schwur".  Die  Schule  Schammais  sagte: 
Man  soll  (gegenüber  den  Räubern  usw.)  nicht  selbst  mit  einem  Gelübde  anfangen 
(sondern  es  erst  auf  eine  Aufforderung  hin  aussprechen);  die  Schule  Hillels  sagte:  Man 
darf  damit  anfangen.  Die  Schule  Schammais  sagte:  Das  (in  solcher  Lage  gesprochene) 
Gelübde  darf  sich  nur  auf  das  beziehen,  was  man  ihn  durch  Gelübde  versichern  läßt; 
die  Schule  Hilleis  sagte:  Auch  auf  etwas,  was  man  ihn  nicht  durch  Gelübde  versichern 
läßt.  Sagt  man  zB  zu  ihm:  „Sprich:  „Qonam,  daß  meine  Frau  keinen  Genuß  von  mir 
haben  soll  (wenn  dies  oder  das  nicht  Hebe,  königliches  Gut  oder  dergleichen  ist)",  u. 
er  sagt:  „Qonam,  daß  meine  Frau  u.  meine  Kinder  keinen  Genuß  von  mir  haben 
sollen",  so  ist  es  nach  der  Schule  Schammais  der  Frau  erlaubt  (von  ihm  Genuß  zu  haben), 
aber  seinen  Kindern  verboten.  Die  Schule  Hilleis  sagte:  Beiden  Teilen  ist  es  erlaubt. 

4.  Beispiele  von  Gelöbnissen,  durch  die  der  Gelobende  entweder 
selbst  Verzicht  leistet  oder  andre  zum  Verzicht  nötigt. 

N'^d  3, 10:  Wer  durch  Gelübde  denen,  die  den  Sabbat  halten,  entsagt  (d.  h.  auf 
Nutzen  von  ihnen  verzichtet),  dem  sind  die  Israeliten  u.  die  Samaritaner  verboten; 
wer  den  (am  Sabbatvorabend)  Knoblauch  Essenden  entsagt,  dem  sind  die  Israeliten  u. 
die  Samaritaner  verboten ;  wer  den  nach  Jerusalem  Hinaufziehenden  (Festpilgern)  ent- 
sagt, dem  sind  die  Israeliten  verboten,  dagegen  die  Samaritaner  erlaubt.  il  Das.  3, 1 1 : 
Wer  sagt:  „Qonani,  daß  ich  keinen  Nutzen  von  den  Kindern  Noahs  haben  will!"  dem 
sind  die  Israeliten  erlaubt  u.  die  Völker  verboten;  „daß  ich  keinen  Nutzen  vom  Samen 
Abrahams  haben  will",  dem  sind  die  Israeliten  verboten  u.  die  Völker  erlaubt;  „daß 
ich  keinen  Nutzen  von  den  Israeliten  haben  will",  der  muß  zu  einem  höheren  Preis 
kaufen  u.  zu  einem  niedrigeren  Preis  verkaufen.  (Wer  sagt:  „Qonam,)  daß  die  Israeliten 
keinen  Nutzen  von  mir  haben  sollen!"  der  muß  zu  einem  niedrigeren  Preise  kaufen 
u.  zu  einem  höheren  Preis  verkaufen,  wenn  die  andren  auf  ihn  hören  wollen.  (Sagt 
er:  , Qonam,)  daß  ich  iceineu  Nutzen  von  ihnen  haben  will,  u.  daß  sie  keinen  Nutzen 
von  mir  haben  sollen",   so   darf  er  von  den  Völkern  (p-xj-s,   Nichtisraeliten)  Nutzen 

^  Qorban  hier  genau  so  gebraucht  wie  tfiögoy  15,  2  u.  xoQßär  Mk  7, 11. 


714  Matth  15,  5(Nr.4.  5) 

haben.  „Qonara,  daß  ich  von  Unbeschnittenen  keinen  Nutzen  haben  will!"  so  sind  ihm 
unbeschnittene  Israeliten  erlaubt  u.  Beschnittene  unter  den  Völkern  verboten.  ,Qonam, 
daß  ich  von  Beschnittenen  keinen  Nutzen  haben  will",  so  sind  ihm  unbeschnittene 
Israeliten  verboten  u.  Beschnittene  unter  den  Völkern  der  Welt  erlaubt;  denn  der  Name 
, Vorhaut"  dient  nur  zur  Bezeichnung  dieser,  s.:  „Alle  Heiden  sind  unbeschnitten  u. 
das  ganze  Haus  Israel  ist  unbeschnittenen  Herzens"  Jer9,  26;  ferner  s.  lSml7,  36; 
2  Sm  1, 20.  ll  N^d  4, 1 :  Zwischen  jemandem,  dem  der  (=  jeder)  Genuß  von  einem  andren 
durch  Gelübde  versagt  ist,  u.  jemandem,  dem  nur  Speise  von  einem  andren  durch  Ge- 
lübde versagt  ist,  ist  kein  weiterer  Unterschied  als  der,  daß  der  letztere  das  Recht  hat, 
die  Grundstücke  (des  Versagenden)  zu  betreten  u.  dessen  Gefäße  zu  benutzen,^  soweit 
man  in  ihnen  keine  Nahrungsmittel  zubereitet.  Wenn  jemandem  durch  Gelübde  Speise 
von  einem  andren  versagt  ist,  so  darf  dieser  (der  Versagende)  jenem  kein  großes  u. 
kein  kleines  Sieb  leihen,  auch  keine  Mühlsteine  oder  einen  Backofen;  wohl  aber  darf 
er  ihm  ein  Hemd,  einen  Ring,  einen  Mantel  u.  Oiirringe  (Nasenringe)  leihen,  überhaupt 
alles,  womit  man  nicht  Nahrungsmittel  bereitet.  An  einem  Orte  aber,  an  dem  man 
dergleichen  gegen  Geld  verleiht,  darf  er  ihm  auch  diese  nicht  leihen  (er  würde  ihm 
dadurch  Geldausgaben  ersparen,  was  dem,  dem  die  Speise  versagt  ist,  zur  Beschaffung 
seines  Unterhalts  zugute  käme).  ||  Das.  4, 2 f.:  Wem  der  (=  jeder)  Genuß  von  einem 
andren  durch  Gelübde  versagt  ist,^  für  den  darf  der  Versagende  die  Scheqelabgabe 
entrichten,  auch  darf  er  für  ihn  eine  Schuld  bezahlen,  ferner  muß  er  ihm  Verlornes 
(das  der  Versagende  gefunden  hatte)  zurückgeben.  An  einem  Ort.  an  welchem  man 
dafür  (für  die  Ablieferung  eines  Fundes)  Lohn  empfängt,  fällt  der  Nutzen  dem  Heiligtum 
zu.  Er  darf  auch  für  ihn  seine  Hebe  u.  seine  Zehnten  mit  seinem  Wissen  u.  Willen 
absondern;  (wenn  der  Versagende  ein  Priester  ist)  darf  er  auch  für  ihn  die  Vogelopfer 
der  mit  Ausfluß  behafteten  Männer  u.  Frauen  u.  die  der  Wöchnerinnen  darbringen, 
ferner  die  Sund-  u.  Schuldopfer;  auch  darf  er  ihn  Midrasch  (Auslegung),  Halakhoth  u. 
Haggadoth  lehren,  aber  nicht  die  Schrift;  wohl  aber  darf  er  die  Schrift  dessen  Söhne 
u.  Töchter  lehren  (s.  hierzu  bei  Mt  10,8  f8,g  S.  564);  fei-ner  darf  er  seine  Frau  u.  seine 
Kinder  ernähren,  obgleich  jener  zu  deren  Unterhalt  verpflichtet  ist;  doch  darf  er  nicht 
sein  Vieh,  weder  das  unreine,  noch  das  reine,  mit  Futter  versorgen.  .  . .  Das.  4, 4:  Wenö 
jemandem  der  (=;  jeder)  Genuß  von  einem  andren  durch  Gelübde  versagt  ist,  u.  dieser 
(der  Versagende)  kommt,  um  ihn  (in  einer  Krankheit)  zu  besuchen,  so  darf  er  bei  ihm 
stehen,  aber  nicht  bei  ihm  sitzen;  auch  darf  er  ihm  selbst  Heilung  zuteil  werden  lassen, 
aber  nicht  seinein  Besitz  (wie  Vieh  u.  Sklaven).  Er  darf  mit  ihm  in  einer  großen  Wanne 
baden,  aber  nicht  in  einer  kleinen  (in  dieser  würde  das  Wasser  wesentlich  steigen,  so 
daß  der  andre  dadurch  Nutzen  hätte);  er  darf  mit  ihm  in  Einem  Bett  schlafen.  R.  J'^huda 
(um  150j  sagte:  Im  Sommer,  aber  ijicht  in  der  Regenzeit  (=  Winter),  denn  in  letzterer 
würde  er  ihm  (durch  Erwärmung)  Nutzen  gewähren.  Er  darf  mit  ihm  auf  Einem  Polster 
zu  Tische  liegen;  er  darf  mit  ihm  an  Einem  Tische  essen,  aber  nicht  aus  Einer  Schüssel; 
wohl  aber  aus  einer  Schüssel,  die  herumgereicht  wird.  Nicht  darf  er  mit  ihm  aus  dem 
großen  Napf  essen,  den  man  den  Arbeitern  vorsetzt;  auch  soll  er  nicht  mit  ihm  (auf 
dem  Felde)  in  einer  Reihe  arbeiten;  das  sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150);  die  Ge- 
lehrten sagten:  Er  darf  es  in  einiger  Entfernung  von  ihm.  |1  Das.  4,6:  Wenn  jemandem 
der  Genuß  von  einem  andren  durch  Gelübde  versagt  ist,  so  darf  er  ihm  nichts  leihen 
u.  auch  nichts  von  ihm  borgen,  ihm  kein  Darlehn  gewähren  u.  keins  von  ihm  nehmen, 
ihm  nichts  verkaufen  u.  nichts  von  ihm  kaufen. 

5.  Vorstehende  Zitate  zeigen  zur  Genüge,  welche  Tragweite  die 
Worte:  du)QOY  o  idv  i's,  ef-iov  o)(f8h]^i]g  für  den  davon  betroffenen  Vater 
hatten,  zumal  dieser  durch  sie  deutlich  gekennzeichnet  wird  nicht  als 


^  Beides  wäre  den  Eltern  Mtl5,5  versagt  gewesen. 

*  Die  hier  folgenden  Zitate  zeigen,  was  den  Eltern  Mt  15,  5  versagt  u.  was  ihnen 
zu  gewähren  war. 


Matth  15,  5  (Nr.  5.  6)  715 

«ein  Vdn-ü  "in-a  (dem  der  Lebensunterhalt  durch  ein  Gelübde  versagt  ist), 
-•sondern  als  ein  nxDii  ^n-a  (dem  jeder  Genuß  von  dem  Versagenden  ent- 
:zogen  ist).  Dergleichen  aus  Haß  u.  in  Feindschaft  ausgespiochene  Ge- 
lübde, die  die  Schädigung  eines  andren  bezweckten,  konnten  durch 
Auflösung  unwirksam  gemacht  werden.  Der,  welcher  das  Versagungs- 
gelübde  ausgesprochen  hatte,  begab  sich  (nach  einer  Bar  in  Gemein- 
schaft mit  dem  davon  Betroffenen)  zu  einem  Gelehrten,  um  die  Auf- 
hebung des  Gelübdes  nachzusuchen,  i^i:  br  bNc:;  diese  konnte  von  dem 
■Gelehrten  ausgesprochen  werden,  sobald  ein  triftiger  Grund  vorlag. 

N'^d9, 4:  Ferner  hat  R.  Meir  (um  150)  gesagt:  Man  eröffnet  dem  Gelobenden  eine 
Möglichkeit  (die  Rücknahme  des  Gelübdes  zu  begründen)  aus  Stellen,  die  in  der  Tora 
geschrieben  stehn.  Man  sagt  zu  ihm:  Wenn  du  gewußt  hättest,  daß  du  (mit  deinem 
■Gelübde)  übertreten  würdest  die  Worte:  „Du  sollst  nicht  Rache  ausüben  noch  Zorn 
nachtragen;  du  sollst  deinen  Bruder  nicht  hassen  in  deinem  Herzen;  du  sollst  deinen 
Nächsten  lieben,  wie  dich  selbst"  Lvl9, 17f.,  u.  „Dein  Bruder  soll  neben  dir  leben" 
Lv  25,  86;  denn  vielleicht  verarmt  er,  u.  du  hättest  dann  (infolge  deines  Gelübdes)  keine 
Möglichkeit  ihn  zu  versorgen  (dann  würdest  du  das  Gelübde  gewiß  nicht  ausgesprochen 
iaben)!  Sagt  er  dann:  „Wenn  ich  gewußt  hätte,  daß  dem  so  ist,  hätte  ich  das  Gelübde 
nicht  getan",  so  wird  das  Gelübde  für  gelöst  erklärt.'  ||  N'^d65*Bar:  Wenn  jemandem 
■der  Genuß  von  einem  andren  durch  Gelübde  versagt  ist,  so  löst  man  dem  Gelobenden 
-das  Gelübde  nur  in  Gegenwart  jenes  (des  davon  Betroffenen);  anders  TN^d  2, 10  (278). 

6.  Aber  auch  ohne  dafä  das  Gelübde  aufgelöst  wurde,  gab  es  Mittel 
u.  Wege,  seine  drückendsten  Härten  zu  beseitigen.  Die  Mischna  be- 
stimmt hierüber: 

N'='d  4,  7  u.  8:  Wenn  jemandem  der  Genuß  von  einem  andren  durch  ein  Gelübde 
versagt  ist,  so  daß  er  nicht  hat,  was  er  essen  soll,  so  kann  er  (der  Gelobende)  zu 
■einem  Krämer  gehn  u.  sagen:  Dem  u.  dem  Mann  ist  meinerseits  ein  Genuß  von  mir 
durch  Gelübde  versagt  worden,  u.  ich  weiß  nicht,  was  ich  tun  soll  (um  ihn  nicht  um- 
kommen zu  lassen);  dann  darf  der  Krämer  jenem  geben  u.  kommen,  um  von  diesem 
■die  Bezahlung  zu  empfangen.  Oder  ist  sein  (des  durch  das  Gelübde  Geschädigten)  Haus 
zu  bauen,  seine  Mauer  auszubessern,  sein  Feld  abzuernten,  so  kann  er  (der  Gelobende) 
zu  Arbeitsleuten  gehen  u.  sagen:  Dem  u.  dem  Mann  ist  meinerseits  ein  Genuß  von 
inir  durch  Gelübde  versagt  worden,  u.  ich  weiß  nicht,  was  ich  tun  soll.  Dann  können 
«diese  bei  jenem  (dem  Geschädigten)  arbeiten  u.  kommen,  um  von  diesem  (dem  Ge- 
lobenden) den  Lohn  in  Empfang  zu  nehmen.  Reisen  beide  (der  Gelobende  u.  der  vom 
OelUbde  Betroffene)  miteinander  u.  er  (der  letztere)  hat  nicht,  was  er  essen  kann,  so 
kann  jener  einem  andren  etwas  als  Geschenk  geben,  u.  dann  ist  es  ihm  erlaubt  (davon  zu 
essen).  Wenn  kein  andrer  bei  ihnen  ist,  so  legt  er  es  auf  einen  Stein  oder  auf  eine 
Mauer  u.  sagt:  Das  ist  öffentliches  Gut  für  jeden,  der  es  haben  will.  Dann  darf  der 
•andre  davon  nehmen  u.  essen  (denn  das  Genossene  ist  ja  jetzt  nicht  mehr  Eigentum 
•des  Gelobenden).   R.  Jose  (um  150)  verbot  es  (den  letztern  Modus). 

'  In  der  Allgemeinen  Evang. -Luth.  Kirchenzeitung,  1921  Nr.  38  u.  39,  spricht 
Heinr.  Laible- Rothenburg  o.  Tbr.  in  einem  Aufsatz  über  „Korban"  (Mk  7,  10 — ^13  = 
Mt  15,4 — 6)  Sp.  613  die  Meinung  aus,  daß  man  in  Jesu  Tagen  die  Auflösung  der  Ge- 
lübde noch  nicht  gekannt  habe,  da  sonst  die  Pharisäer  darauf  würden  hingewiesen 
haben.  —  Aber  schon  der  noch  vor  der  Zerstörung  Jerusalems  i.  J.  70  wirkende  R.  ^adoq 
XL.  der  eifrigste  Vertreter  der  alten  Traditionen  R.  Elifezer  (um  90)  kennen  sie  u.  reden 
von  ihr  wie  von  einer  altgewohnten  Einrichtung,  s.  N'^d  9,  1  in  Nr.  8.  Oder  sollte  sich 
die  Meinung  des  R.  Qadoq  u.  des  R.  Elifezer  ei'st  unter  dem  Einfluß  des  Protestes  Jesu 
Mtl5, 3ff.  herausgebildet  haben?  —  Im  übrigen  decken  sich  Laibles  Ausführungen 
meist  mit  den  vorstehenden. 


716  Matth  15,  5  (Nr.  7.  8) 

7.  Ein  geschichtliches  Beispiel  für  das  von  Jesu  Mt  15,  5  gerügte 
Vorgehn  eines  Sohnes  gegen  seine  Eltern  bietet: 

N'^d  5,6:  Einmal  hatte  jemand  in  Beth-Choron  (nordwestlich  von  Jerusalem)  seinem 
Vater  jeden  Genuß  von  ihm  durch  ein  Gelübde  versagt.  Als  er  seinem  Sohn  Hochzeit 
machte,  sprach  er  zu  einem  andren:  Hof  u.  Gastmahl  seien  dir  als  Geschenk  gegeben, 
aber  sie  gehören  dir  nur.  damit  mein  Vater  komme  u.  mit  uns  beim  Hochzeitsmahl 
esse.  Jener  antwortete:  Wenn  sie  mir  gehören,  so  sind  sie  Gott  geheiligt!  Er  sagte 
zu  ihm:  Ich  habe  dir  das  Meinige  nicht  geschenkt,  damit  du  es  Gotte  heiligen  solltest. 
Jener  antwortete:  Du  hast  mir  das  Deinige  nur  geschenkt,  damit  du  u.  dein  Vater 
miteinander  essen  u.  trinken  u.  ihr  euch  untereinander  aussöhnen  könnt  u.  die  Schuld 
(durch  Gelübde  Versagtes  genossen  zu  haben)  auf  seinem  (des  Vaters)  Haupt  liege. 
Als  die  Sache  vor  die  Gelehrten  kam,  erklärten  sie:  Jedes  Geschenk,  das,  wenn  mau 
(der  Empfänger)  es  heiligt,  nicht  geheiligt  werden  darf,  ist  kein  Geschenk.  (Dieser 
Weg,  das  Gelübde  zu  umgehen,  war  also  nicht  gangbar,) 

8.  Daß  Feindschaft  zwischen  den  Eltern  u.  Kindern  gerade  nicht 
selten  zu  Versagungsgelübden,  sei  es  des  Vaters  zuungunsten  eines 
Kindes,  sei  es  des  Sohnes  zuungunsten  der  Eltern,  geführt  hat,  zeigt 
die  Mischna  mit  folgenden  Bestimmungen. 

BQ9, 10:  Wenn  jemand  zu  seinem  Sohne  sagt:  ,Qonam,  du  sollst  keinen  Genuß 
von  dem  Meinigen  haben",  so  beer'bt  der  Sohn  den  Vater,  wenn  dieser  stirbt.  (Setzte 
aber  der  Vater  hinzu,  daß  das  gelten  solle)  bei  seinem  Leben  u.  nach  seinem  Tode, 
so  beerbt  der  Sohn  den  Vater  nicht,  wenn  dieser  stirbt;  aber  er  kann  es  seinen  Kindern 
oder  seinen  Brüdern  zuwenden.  Und  wenn  er  nichts  (zum  Leben)  hat,  so  kann  er  ein 
Darlehn  aufnehmen,  u.  die  Gläubiger  kommen  u.  fordern  die  Schuld  ein  (von  seinem 
Erbschaftsanteil).  ||  N'^d  9, 1:  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Man  gibt  einem  Menschen  Ge- 
legenheit (die  Bereuung  u.  Rücknahme  eines  Gelübdes  zu  begründen)  durch  den  Hinweis 
auf  die  Ehre  seines  Vaters  u.  seiner  Mutter.  (Man  sagt  ihm  etwa :  Wenn  du  gewußt 
hättest,  daß  deine  Eltern  durch  deine  leichtfertigen  Gelübde  in  üble  Nachrede  bei  den 
Leuten  kommen  würden,  würdest  du  dann  das  G.  ausgesprochen  haben?  Sagt  er  dann: 
,Wenn  ich  das  gewußt  hätte,  hätte  ich  das  G.  nicht  ausgesprochen",  so  darf  der  Ge- 
lehrte das  G.  lösen.)  Die  Gelehrten  aber  verboten  dies;  R.  (^adoq  (wohl  der  Altere, 
um  60)  sagte:  Statt  daß  man  ihm  einen  Ausweg  eröffnet  durch  die  Ehre  seines  Vater» 
u.  seiner  Mutter,  eröffne  man  ihm. einen  solchen  lieber  mit  dem  Hinweis  auf  die  Ehre 
Gottes.  (Man  sage  ihm:  Wenn  du  gewußt  hättest,  daß  du  vor  Gott  ein  Böser  würdest 
genannt  werden,  würdest  du  dann  das  G.  ausgesprochen  haben?)  Wenn  so  (wie  R. Elifezer 
will),  hören  die  G.  auf  (man  würde  der  Eltern  wegen  sagen,  daß  man  das  G.  bereue, 
während  man  es  vielleicht  nicht  bereut.  Die  Deutung  der  Worte  ist  kontrovers,  s.  N'^d  64 '^ 
u.  die  Kommentare).  Doch  gaben  die  Gelehrten  dem  R.  Elifezer  zu,  daß  man,  falls  es 
sich  um  eine  Sache  zwischen  einem  Sohn  u.  seinen  Eltern  handle  (falls  zB  der  Sohn 
wie  Mt  15,5  seinen  Eltern  den  Genuß  von  dem  Seinigen  durch  ein  G.  entzogen  habe), 
ihm  einen  Ausweg  durch  den  Hinweis  auf  die  den  Eltern  gebührende  Ehrerbietung^ 
eröffnen  dürfe.  —  Die  letzten  Worte  sind  bedeutsam  in  bezug  auf  Mt  15,5:  Die  Ge- 
lehrten geben  zu,  daß  die  durch  ein  G.  herbeigeführte  Ausschließung  der  Eltern  vom 
Genuß  des  Vermögens  des  Sohnes  eine  Verletzung  der  Ehrerbietung  gegen  Vater  u. 
Mutter,  also  eine  Übertretung  eines  Gottesgebotes  sei.  Gleichwohl  gilt  es  ihnen  unter 
dem  Zwange  der  von  ihnen  selbst  festgestellten  Satzungen  über  das  Gelübdewesen  als  aus- 
gemachte Sache,  daß  das  durch  kein  Gottesgebot  zu  begründende  u.  inhaltlich  unsittliche 
G.  dem  4.  Gebot  gegenüber  so  lange  zu  Recht  bestehe,  bis  seine  lediglich  durch  Menschen- 
satzung eingeführte  Aufhebung '  durch  einen  Gelehrten  ausgesprochen  ist.  Diese  Misclma 

'  Vgl.  Ghag  1,8:  Die  Auflösung  der  Gelübde  schwebt  in  der  Luft.  u.  es  ist  nichts 
da  (in  der  Schrift),  worauf  sie  sich  stützen  könnte.  Die  Halakhoth  über  den  Sabbat, 
die  Festopfer  u.  die  Vergreifung  an  Geheiligtem  gleichen  Bergen,  die  an  einem  Haar 


Matth  15,6(Ni-.  1.2)  717 

ist  mithin  ein  vollgültiger  Beweis  für  die  Berechtigung  der  Anklage  in  Mtl5,6:  Ihr  habt 
das  Gesetz  Gottes  um  eurer  Überlieferung  willen  außer  Gültigkeit  gesetzt. 

15,6:  Ihr  habt  das  Gesetz  Gottes  wegen  eurer  Überlieferung 

ungültig  gemacht. 

1.  Speziell  das  4.  Gebot  hat  nach  rabbin.  Auffassung  zurückzustehen 
gegenüber  den  Pflichten,  die  die  Satzungen  über  das  Gelübdewesen, a 
<3ie  Sabbatheiligungb  u.  andre  Pflichtgebote c  auferlegen. 

a.  Siehe  bei  Mt  15.  5  Nr.  7  u.  8. 

b.  i^h  h^  Bar:  Soll  etwa  die  Ehrerbietung  gegen  den  Vater  u.  die  Mutter  den  Sabbat 
■verdrängen?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Ein  jeder  hege  Ehrfurcht  vor  seiner  Mutter  u. 
seinem  Vater  u.  meine  Sabbate  sollt  ihr  beobachten"  Lv  19,  3.  Ihr  alle  seid  zur  Ehr- 
erbietung gegen  mich  verpflichtet  (hinterher  kommt  die  Eiirerbietung  gegeneinander). 

C.  Qid  82'^:  El?azar  b.  Mattja  (um  120)  sagte:  Wenn  mein  Vater  zu  mir  sagt:  „Gib 
mir  Wasser  zum  Trinken"  u.  ein  Pflichtgebot  (wie  Bestattung  eines  Toten,  Raschi)  ist 
TM  üben,  so  lasse  ich  die  Ehre  meines  Vaters  u.  tue  das  Pflichtgebot;  denn  ich  u.  mein 
Vater  sind  zu  einem  solchen  verpflichtet.  Isi  b.  J*^huda  (um  170)  sagte:  Wenn  man  das 
Pflichtgebot  durch  andre  kann  üben  lassen,  so  soll  man  es  durch  andre  üben  lassen 
u.  selbst  einhergehn  in  der  Ehrerbietung  gegen  den  Vater. 

2.  Aufhebung  einzelner  alttest.  Gesetze  durch  rabbin.  Autoritäten. 
Sota  9,9:  Seitdem  die  Mörder  sich  mehrten,  hörte  das  Kalb  auf  nVt^a,  dem  das 

Oenick  gebrochen  ward  (d.  h.  das  Gesetz  Dt  21, 1 — 9  wurde  aufgehoben).  Das  war,  als 
Elfazar  b.  Dinai^  auftrat  u.  T'^china  b.  P^rischa.  Ben  P'rischa  hiels  er  ursprünglich,  dann 
nannte  man  ihn  Ben  Harapchan  (Mörder).  ||  TSota  14,  1  (320 1:  R.  Jochanan  b.  Zakkai 
(t  um  80)  sagte:  Als  die  Mörder  sich  mehrten,  hörte  das  Kalb  auf,  dem  das  Genick 
gebrochen  wurde;  denn  das  Kalb,  dem  das  Genick  zu  brechen  war,  kam  nur  in  Zweifels- 
fällen zur  Verwendung;  jetzt  aber  mordet  man  öffentlich.  —  Dasselbe  als  Bar  Sota  47''.  1| 
Sota  9,  9:  Als  die  Ehebrecher  sicli  mehrten,  horten  die  Bitterwasser  auf  -ppr  (d.  h.  das 
'Gesetz  Nu  5, 11  ff.  wurde  aufgehoben).  Und  zwar  war  es  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai 
(t  um  80),  der  sie  abschaffte  "-"=•:-,  weil  es  heißt:  „Nicht  heimsuchen  will  ich  es  an 
«uren  Töchtern,  daß  sie  huren,  u.  an  euren  Schwiegertöchtern,  daß  sie  die  Ehe  brechen; 
denn  sie  selbst  gehen  mit  den  Huren  abseits"  Hos  4,  14.  ||  TSota  14,2  (320):  Als  die 
Ehebrecher  sich  mehrten,  hörten  die  (Bitter-)  Wasser  auf  -per,  die  man  nur  in  Zweifels- 
fällen trinken  ließ.  Ij  Sota  9, 10:  Der  Hohepriester  Jochanan  (d.  h.  Johannes  Hyrkanus 
135 — 104  V.  Chr.)  hat  das  Bekenntnis  in  bezug  auf  den  Zehnten  (d.  h.  die  Vorschrift 
Dt  26, 12— 15)  abgeschafft  ^-aj;-.  —  Dasselbe  xMSch  5, 15.  —  TSota  18, 10  (320)  wird 
diese  Neuerung  auf  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  zurückgeführt,  der  durch  Kommissionen, 
die  das  Land  bereisten,  in  Erfahrung  gebracht  hatte,  daß  die  Zehnten  nicht  mehr  so  gegeben 
würden,  wie  das  Bekenntnis  in  Dt  26,  1 2  ff.  voraussetzt.  —  Die  gleiche  Motivierung  der  Auf- 
hebung des  Zehntbekenntnisses  durch  den  Hohenpriester  Jochanan  Sota  47  '^ ;  pSota  9, 24  », 
42;  pMSch  5, 56^',  19.  —  Das  Nähere  s.  im  Exk.:  Abgaben  von  den  Bodenerzeugnissen. 

hangen;  denn  Schriftstellen  für  |je  sind  wenige  vorhanden,  aber  Halakhoth  in  Menge. 
Die  Rechtsordnungen  aber  u.  die  Kultusgesetze,  die  Reinheits-,  Unreinheits-  u.  Blut- 
schandebestimmungen  haben,  worauf  sie  sich  stützen  können  (in  der  Schrift);  diese  sind 
der  Kern  (die  Hauptsache)  der  Tora.  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  TChag  1,9(233). 

-  Ein  Führer  der  Zelotenpartei  um  40  n.  Chr.;  vgl.  Joseplj.  Ant.  2i5,  ti,  I ;  Bell.  2, 12, 4. 

•'  "5-3T-^-;  oder  '"ap--?  nach  Schürer*  2,  427  f.  =  ngotjßo'Äij,  das  Hinbringen,  Über- 
geben, nämlich  einer  Deklaration.  ||  Krauß,  Lehnw.  "2,  482  =  viooßohj  =  nugdßoXov, 
Sukkumbenzgeld,  jüd.  Appellation.  ||  Levy  4,  106  —  ngog  ßovh]:  in  diesem  Falle  wäre 
das  Wort  auszusprechen  -i-zi'^t ,  vgl.  für  diese  Deutung  Git  36'*:  Was  bedeutet  •513D:ib? 
Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  -tsiai  ■'iiaci-E  (1.  -osb-ia  ons)  —  ngö?  ßovXsvtcdg  ,vor 
den  Ratsherren"  abgegebene  Erklärung.  —  Es  wird  mit  Pr.  die  gerichtliche  Erklärung 
eines  Gläubigers  bezeichnet,  durch  welche  das  Verfallen  einer  Schuldforderung  während 
des  Sabbatjahres  ausdrücklich  ausgeschlossen  wird. 


718  Matth  15,  6  (Nr.  2).  15,  7.  8.  9.  11  (Nr.  1) 

Schebifith  10,  8  ff.:  Der  Prosbol^  hebt  die  Verpflichtung  des  Schulderlasses  (inii 
ßrachjahr  Dt  15, 1  ff.)  auf.  Dies  ist  eins  von  den  Dingen,  die  Hillel  der  Alte  (um  20  v.  Chr.> 
angeordnet  hat.  Als  er  nämlich  sah,  daß  die  Leute  sich  weigerten,  einander  Geld  zu' 
leihen  u.  so  zu  übertreten,  was  in  der  Tora  geschrieben  steht:  „Hüte  dich,  daß  nicht, 
bei  dir  ein  Gedanke  aufkomme,  ein  nichtswürdiger,  nämlich:  es  naht  das  siebente  Jahr,, 
das  Erlaßjahr,  u.  dann  dein  Auge  deinen  armen  Bruder  scheel  ansehe,  u.  du  ihm  nichts, 
gebest"  Dt  15,  9  —  da  verordnete  Hillel  den  Prosbol.  Das  ist  der  wesentliche  Inhalt, 
eines  Pr. :  „Ich,  der  u.  der,  jibergebe  euch,  den  Richtern  in  dem  u.  dem  Ort,  (hiermit  die- 
Erklärung),  daß  ich  jede  mir  zustehende  Schuldforderung  zu  jeder  Zeit,  da  ich  will 
(also  auch  im  Schemittajahr)  eintreiben  darf.  Die  Richter  unterschreiben  es  dann  oder 
die  Zeugen."  (Tatsächlich  war  damit  das  Gesetz  Dt  15,  1  ff.  beseitigt.)  —  Wenn  einer  von. 
fünf  Personen  Geld  entleiht,  so  muß  man  für  jeden  einzelnen  einen  Prosbol  schreiben. 
Wenn  aber  fünf  von  einem  entleihen,  so  schreibt  man  nur  Einen  Pr.  für  alle.  Mani 
schreibt  einen  Pr.  nur  in  bezug  auf  Grund  u.  Boden;  besitzt  der  Schuldner  solchen 
nicht,  so  läßt  ihn  der  Gläubiger  von  seinem  Grundstück  etwas,  u.  wäre  es  noch  so- 
wenig, erwerben.  |!  Git4,  3:  Hillel  ordnete  den  Prosbol  des  allgemeinen  Wohles  halber 
an  (wörtlich :  wegen  Erhaltung  der  Welt). 

15,7:  Heuchler,  schön  (=  richtig,  treffend)  hat  über  euch 

geweissagt. 

xaköjg  i7iQ0(frjTsvaev.  —  Im  Rabbin.  entspricht  das  häufige  ""sxj?  "i"sr 
=  er  hat  schön  (richtig)  gesagt.  ||  vnoxQnai  s.  bei  Mt  23,  3. 

Midr  Esth  1,  3  (X5''):  R.  Nathan  (um  160)  hat  gesagt:  Zehn  Teile  Heuchelei  gibt  es-. 
in  der  Welt,  neun  in  Jerusalem  u.  einen  in  der  ganzen  (übrigen)  Welt.  —  Die  Parallel- 
stellen AbothRN  2»  Anfang  u.  Qid  49  b  enthalten  diesen  Satz  nicht. 

15,  8:  Dieses  Volk  ehrt  mich  mit  den  Lippen,  ihr  Herz 

aber  hält  sich  fern  von  mir  (Jes  29, 13). 

Targ  Jes  29,  13:  Ihr  Herz  hält  sich  fern  pr-rs  von  der  Furcht  vor  mir.  ||  Schön 
sagt  Raba  (f  352)  einmal  Sanh  106 1>:  Gott  will  das  Herz  '>-a  s=''5  r.z"pr,,  s.  1  Sm  16,  7: 
Jahve  verlangt  das  Herz. 

15,9:  Umsonst  aber  ehren  sie  mich,  indem  sie  als  Lehren 
Menschengebote  lehren. 
Zu  diesem  Zitat  aus  Jes  29, 13  s.  bei  Kol  2,  22. 

15, 11:  Nicht  was  in  den  Mund  eingeht,  macht  den  Menschen 

gemein  (unrein),   sondern  was  aus  dem  Munde  ausgeht,   das. 

macht  den  Menschen  gemein. 

1.  Die  halakhische  Ausdeutung  von  Lv  17,  15. 

SLv  17,  15  (335^):  „Jeder,  der  Gefallenes  oder  Zerrissenes  ißt,  der  walkfe  seine 
Kleider  u.  bade  sich  in  Wasser;  u.  er  wird  bis  zum  Abend  unrein  sein,  dann  aber  rein" 
Lv  17,  15.  Verunreinigt  es  (das  von  Gefallenem  usw.  Genossene)  etwa  die  Kleider,^ 
während  es  in  den  Eingeweiden  ist?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Er  walke  seine  Kleider 
u.  bade  sich  in  Wasser,  u.  er  wird  bis  zum  Abend  unrein  sein,  dann  aber  rein."  Es 
verunreinigt  die  Kleider  nicht,  während  es  in  den  Eingeweiden  ist.  (Denn  angenommen, 
jemand  äße  Gefallenes  erst  gegen  den  Abend  hin,  so  würde  er  doch,  falls  er  die  Kleider 
gewaschen  u.  ein  Bad  genommen  hat,  am  Abend  wieder  rein  sein,  obwohl  er  das  vom 
Gefallenen  Genossene  noch  bei  sich  hat;  also  kann  dieses,  während  es  in  den  Eingeweiden 
ist,  die  Kleider  nicht  verunreinigen.)  Vielleicht  verunreinigt  es  die  Kleider  nicht,  während 
es  in  den  Eingeweiden  ist,  wohl  aber  während  es  im  Munde  ist?!  Die  Schrift  sagt 
lehrend:  „Jede  Seele"  Lvl7, 15  (=  jeder  Lebende  =  jeder):  an  der  Stelle,  wo  das  Lebert 


Matth  15,  11  (Nr.  1-4)  719 

(die  Seele)  ist  (d.  h.  im  Schlund),  macht  es  (das  vom  Gefallenen  Genossene)  unrein, 
nicht  in  den  Eingeweiden  u.  nicht  im  Munde.  So  macht  es  vielleicht,  wenn  er  es  aus- 
speit, die  Kleider  unrein  durch  das  Herausgehn  (aus  dem  Munde  nrs-::''  -^-)?!  Die 
Schrift  sagt  lehrend:  Jede  Seele,  welche  „ißt":  beim  Essen  macht  es  unrein,  aber  nicht 
beim  Herausgehn.  ...  —  Im  physischen  Sinn  gilt  also  die  Umkehrung  von  Jesu  Wort: 
■was  in  den  Menseben  durch  den  Schlund  eingeht,  macht  unrein,  aber  nicht  was  beim 
Ausspeien  aus  seinem  Munde  herausgeht. 

2.  ov  To  siasQxöiisvoV  slg  t6  at6/,ia  xoivoT  xov  ccvd-QcoTTov. 

Sehr  frei  hat  in  diesem  Stück  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  geurteilt. 
Pesiq40l>:  (Rabban  Jochanan  b.  Z.  sprach  zu  seinen  Schülern:)  Bei  eurem  Leben,  nicht 
der  Tote  verunreinigt  u.  nicht  das  Wasser  macht  rein,  aber  es  ist  eine  Verordnung  des 
Königs  aller  Könige;  Gott  hat  gesagt:  Eine  Satzung  habe  ich  festgesetzt,  eine  Verordnung 
habe  ich  angeordnet;  kein  Mensch  ist  berechtigt,  meine  Verordnung  zu  übertreten;  denn 
es  heißt:  „Dies  ist  die  Satzung  der  Tora,  die  Jahve  geboten  hat"  Nu  19,  2.  —  Dasselbe 
TanchB  rp-  §26  (60a);  Tanch  rpr.  226»;  NuR  19  (186b);  PegiqR  14  (65a). 

3.  xoirovv,  gemein,  unrein  machen,  in  eigentlicher  u.  übertragener 
Bedeutung.  „Rein"  nin-L:  (Verb.  nn-L:)  u.  „unrein"  a-cr^  (Verb,  n^-j,  aram. 
n-d:?)  in  ethischem  Sinn  findet  sich  im  Rabbin.  verhältnismäßig  selten. 

JornaSSb;  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  bedeutet:  „Wie  Gott  der 
Spötter  spottet,  so  gibt  er  den  Demütigen  Gnade"?  Spr  3,  34.  Wer  sich  verunreinigen 
will  (durch  Sünde),  dem  gibt  man  (Gott)  Gelegenheit;  wer  sich  rein  halten  will,  dem 
verhilft  man  (Gott)  dazu.  In  der  Schule  des  R.  Jischmafel  (j  um  135)  hat  man  gelehrt: 
Gleich  einem  Menschen,  der  Naphtha  u.  Balsam  verkauft.  Soll  er  (das  übelriechende) 
Naphtha  einmessen,  so  sagt  man  zu  ihm:  ,Miß  du  selbst!"  Soll  er  aber  Balsam  ein- 
messen, so  sagt  man  zu  ihm:  „Warte,  daß  ich  mit  dir  gemeinsam  messe,  damit  wir 
beide  duften."  In  der  Schule  des  R.  Jischma?el  ist  gelehrt  worden:  Die  Sünde  verstopft 
das  Herz  des  Menschen,  wie  es  heißt:  „Nicht  sollt  ihr  euch  durch  sie  verunreinigen, 
daß  ihr  durch  sie  unrein  werdet"  Lvll,4S.  Lies  nicht  (d.h.  erkläre  nicht):  daß  ihr 
unrein  werdet  ar'2t:2i,  sondern  a-j?3ü:i  (von  Ow-ii;),  daß  ihr  verstopft  werdet.  —  Bar: 
„Nicht  sollt  ihr  euch  durch  sie  verunreinigen,  daß  ihr  durch  sie  unrein  werdet"  Lv  11,  43: 
Wenn  sich  jemand  ein  wenig  verunreinigt  (durch  Sünden),  so  verunreinigt  man  (Gott) 
ihn  viel  (gibt  ihm  reichliche  Gelegenheit  dazu);  verunreinigt  er  sich  auf  Erden,  so 
verunreingt  man  ihn  auch  vom  Himmel;  verunreinigt  er  sich  in  dieser  Welt,  so  ver- 
unreinigt man  ihn  auch  in  der  zukünftigen  Welt.  —  Der  Ausspruch  des  Resch  Laqisch 
auch  M'^n  29"^;  Schab  104»;  fAZ  55«.  ||  Schab  152b  Bar:  „Der  Geist  kehrt  zu  Gott  zurück, 
der  ihn  gegeben  hat"  Qoh  12,  7.  Gib,  wie  er  ihn  dir  in  Reinheit  gegeben  hat,  auch  du 
ihm  ihn  in  Reinheit.  —  Einen  ähnlichen  Ausspruch  überliefert  R.  Sch*^muel  b.  Nachman,* 
um  260,  im  Namen  des  R.  Abdimi  aus  Chaipha  (um  280)  Midr  Qoh  12,  7  (53  b);  LvR  18 
(117'').  I!  pM^g  1,  71  ^  36:  R.  Jafaqob  b.  Abaje  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  ge- 
sagt: Hab  auf  dich  acht,  damit  du,  wenn  du  in  das  Haus  Gottes  abberufen  wirst,  rein 
u.  unschuldig  bist.  (Doch  ist  die  Erklärung  streitig,  s.  die  Kommentare.)  ||  B®rakh  17'': 
R.  Mei'r  (um  150)  pflegte  zu  sagen:  (Gott  spricht:)  Entschließe  dich  mit  ganzem  Herzen  u. 
mit  ganzer  Seele,  meine  Wege  zu  erkennen  u.  an  den  Türen  meiner  Tora  zu  wachen  (vgl. 
Spr  8, 34);  bewahre  meine  Tora  in  deinem  Herzen  u.  vor  deinen  Augen  stehe  meine  Furcht; 
hüte  deinen  Mund  vor  jeder  Sünde  u.  reinige  u.  heilige  dich  von  aller  Schuld  u.  Sünde. 

4.  Ein  Ausspruch  des  Inhalts,  daß  ein  unreines,  unsittliches  Wort, 
das  über  die  Lippen  eines  Menschen  geht,  diesen  gemein  u.  unrein 
mache,  ist  uns  in  der  rabbin.  Literatur  nicht  begegnet.   Ein  „unreines 


^  Ob  R.  JiQchaq  b.  Nachman  (um  280)  zu  lesen  ist?  In  LvR  18  heißt  der  Tradent 
R.  Jischmafel  b.  N.;  R.  Jischmafel  vermutlich  falsche  Auflösung  der  Abkürzung  ^"i  = 
R.  JiQchaq. 


720  Matth  15,  11  (Nr.  4).  15,  13 

Wort"  würde  ein  Wort  sein,  das  Unreines  bezeichnet  oder  von  Un- 
reinem handelt,  während  ein  „reines  Wort"  ein  W^ort  ist,  das  von  An- 
stößigem dezent  redet, 

GnR  32(19'):  R.  Judan  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.Jochanan  (f  279),  R.ß'^rekhja 
(um  340)  im  Namen  des  R.  El?azar  (um  270)  u.  R.  Ja?aqob  aus  K'^^phar  Chanin  (um  280} 
im  Namen  des  R.  J'^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  gesagt:  Wir  finden,  daß  Gott  zwei  u. 
drei  Wörter  in  der  Tora  gewunden  wiedergegeben  hat.  um  kein  unreines  Wort  ns'svj  -i^-: 
aus  seinem  Munde  gehn  zu  lassen.  Es  heißt  Gn  7,  2:  „Von  allem  reinen  Vieh  sollst  du 
dir  je  sieben  nehmen,  ein  Männchen  u.  sein  Weibchen."  Dann  heißt  es  weiter  aber 
nicht:  ,u.  von  dem  , unreinen'  Vieh",  sondern:  „u.  von  dem  Vieh,  welches  .nicht  rein' 
ist"  usw.  —  Diese  Ausführung  sehr  oft,  mit  Abweichungen  im  einzelnen,  zB  LvR  26 
(124^);  NuR19  (ISö-^);  pesiq  30b;  Tanch  r:,-  223b;  TanchB  r-n  §6  (53^);  P^siqR  14' 
(57b);  MidrPs  1  S  3  (2-'^);  12  §4  (54*);  P^s3a).  jl  PesS-i  Bar  aus  der  Schule  desR.Jisch- 
ma?el  (f  um  135):  „Immer  spreche  ein  Mensch  in  reinen  Ausdrücken  n— p:  •jic'ia;  denn 
siehe,  bei  dem  mit  Fluß  behafteten  Mann  heißt  es  (Lv  15,  9):  Jeder  „Reitsitz"  .  .  .  soll 
unrein  sein;  bei  der  Frau  aber  heißt  es  „Sitz"  (Reitsitz  würde  unziemlich  sein)^  ||  GnR  86 
(55  b):  Er  überließ  alles,  was  ihm  gehörte,  der  Hand  Josephs,  nur  nicht  das  Brot,  welches 
er  aß  Gn  39,  6.  Das  ist  eine  reine  Ausdrucksweise  -73  'fi-v'^  (d.  h.  „das  Brot,  das  er  aß", 
ist  euphemistische  Bezeichnung  für  „sein  Weib"). 

15,13:  Jede  Pflanze,  die  mein  himmlischer  Vater  nicht 
gepflanzt  hat,  wird  ausgerissen  werden. 

Die  Gemeinde  Israel,  insonderheit  die  Frommen  in  ihrer  Mitte, 
nicht  selten  als  eine  Pflanzung  Gottes  gedacht. 

Jubill,16:  Ich  werde  sie  (Israel)  umändern  zu  einer  Pflanze  der  Gerechtigkeit.  1 
16,26:  Er  (Abraham)  wußte  u.  erkannte,  daß  von  ihm  die  Pflanze  der  Gerechtigkeit 
(d.  h.  Israel)  ausgehn  würde.  |  21,  24:  Er  wird  dich  (Isaak)  segnen  in  all  deinem  Tun  u. 
wird  aus  dir  eine  Pflanze  der  Gerechtigkeit  (^  Israel)  erwecken  auf  der  ganzen  Erde 
durch  alle  Geschlechter  der  Erde.  |  36,6:  Gedenkt,  meine  Söhne  (Esau  u.  Jakob),  des 
Gottes  Abrahams,  auf  daß  er  euch  pflanze  im  Land  als  eine  Pflanze  der  Gerechtigkeit, 
die  nicht  ausgerottet  wird  für  alle  Geschlechter  in  Ewigkeit.  —  |l  Henoch  10,16:  Er- 
scheinen soll  die  Pflanze  der  Gerechtigkeit  u.  der  Wahrheit  (d.h.  Israel).  |  62,8:  Die 
Gemeinde  der  Heiligen  u.  Auserwählten  wird  gesäet  werden  (nämlich  in  den  Tagen  des 
Messias).  |  84,  6  schließt  Henoch  ein  Gebet  mit  den  Worten:  Und  nun,  mein  Herr,  ver- 
tilge von  der  Erde  das  Fleisch,  das  dich  erzürnt  hat;  aber  das  Fleisch  der  Gerechtigkeit 
u.  Rechtschaff"enheit  richte  auf  als  eine  ewige  Samenpflanze  u.  verbirg  nicht  dein  An- 
gesicht vor  der  Bitte  deines  Knechtes,  o  Herr!  \  93,  2:  Henoch  sprach:  Betreffs  der 
Kinder  der  Gerechtigkeit,  betreffs  der  Auserwählten  der  Welt  u.  betreffs  der  Pflanze  der 
Gerechtigkeit  u.  Rechtschaffenheit  —  davon  will  ich  zu  euch  reden.  |  93,  5:  Danach 
wird  am  Ende  der  dritten  (Welt-)Woche  ein  Mann  als  Pflanze  des  Gerichts  erwählt 
werden  (damit  ist  Abraham  gemeint),  u.  nach  ihm  wird  die  ewige  Pflanze  der  Gerechtig- 
keit (d.h.  Israel)  kommen.  |  93,10:  Am  Ende  der  7. Weltwoche  werden  die  auserwählten 
Gerechten  der  ewigen  Pflanze  der  Gerechtigkeit  auserwählt  werden,  um  siebenfache 
Belehrung  über  seine  ganze  Schöpfung  zu  empfangen.  —  |  Ps  Sal  14,  3  ff.:  Des  Herrn 
Fromme  werden  in  ihm  ewiges  Leben  haben;  des  Herrn  Paradies,  die  Bäume  des  Lebens, 
sind  seine  Frommen.  Ihre  Pflanzung  cpvxEia  ist  festgewurzelt  in  Ewigkeit;  sie  werden 
flicht  ausgerottet  werden  ovx  sxtilKrjaovTai,,  solange  der  Himmel  steht:  denn  Gottes  Teil 
u.  Erbe  ist  Israel.  —  ||  Weish  4,  3  ff.  wird  das  Bild  in  bezug  auf  die  Gottlosen  durch- 
geführt: Die  kinderreiche  Schar  der  Gottlosen  aber  wird  (ihnen)  keinen  Nutzen  stiften, 
u.  als  aus  unechten  Schößlingen  (hervorgegangen)  wird  sie  keine  Wurzel  in  die  Tiefe 
treiben,  noch  wird  sie  es  zu  einem  festen  Grunde  bringen.  Und  wenn  sie  auch  eine 
Zeitlang  in  Zweigen  hochschießt,   so  wird  doch  das  unsicher  Emporgekommene  vom 


Matth  15,  13.  14.  19  721 

Winde  liin  u.  lier  bewegt  u.  durch  die  Gewalt  der  Stürme  (zuletzt)  entwurzelt  werden 
sxQtCM,9i^aETfii.  Ringsum  werden  die  unentwickelten  Äste  abgeknickt  werden,  u.  ihre 
Fracht  wird  unbrauchbar,  unreif  zum  Essen  u.  zu  nichts  zu  gebrauchen  sein.  Denn  die 
aus  ungesetzlichem  Beischlafe  gezeugten  Kinder  werden  Zeugen  sein  der  Schlechtigkeit 
wider  ihre  Eltern  bei  ihrer  (letzten)  Prüfung  (am  Gerichtstage).  ||  Im  Rabbin.  ist  das 
Bild  nur  selten  verwertet  worden.  JomaSS'^:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt, 
R.  Jochanan  (t  279)  habe  gesagt:  Gott  sah,  dafs  der  Gerechten  wenige  sein  würden;  da 
erhob  er  sich  u.  pflanzte  sie  hinein  in  die  einzelnen  Generationen,  s.  lSm2,  8:  Dem 
Jahve  gehören  die  Grundsäulen  der  Erde  (bikllich  =  die  Gerechten)  u.  er  baute  auf  sie 
den  Weltkreis.  (Weil  die  Gerechten  den  Weltbestand  sichern,  verteilte  sie  Gott  auf  die 
einzelnen  Perioden  der  Weltzeit.)  Das  „Pflanzen"  bedeutet  hier  soviel  wie:  „erzeugt 
werden  lassen*;  so  auch  Sanh87'':  Sch'altiel  (vgl.  1  Chr3,  17)  hieß  er,  weil  Gott  ihn 
pflanzte  (erzeugt  werden  liefä)  nicht  nach  Art  der  (übrigen)  Gepflanzten:  denn  es  ist 
traditionell,  daß  eine  Frau  im  Stehen  nicht  schwanger  wird,  sie  aber  (die  Mutter  des 
Sch'^altiel)  ist  im  Stehen  schwanger  geworden,  s.  oben  S.  35.  Vgl.  auch  pJ'^b  1,  2'\  9: 
R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150)  pflanzte  fünf  Pflanzungen,  d.  h.  er  erzeugte  fünf  Söhne.  |! 
Jalqut  zu  Ps  1,  3  werden  die  Psalmworte:  „Der  ist  wie  ein  Baum,  gepflanzt  an  Wasser- 
bächen"  gedeutet:  auf  Adam,  „den  Gott  in  den  Gan  ?Eden  pflanzte";  auf  Noah,  „den 
Gott  in  die  Arche  pflanzte";  auf  Abraham,  „den  Gott  in  das  Land  Israel  pflanzte,  nach 
andren  in  den  Gan  fEden",  u.  auf  den  Stamm  Levi,  „den  Gott  in  das  Land  Israel 
pflanzte".  ||  In  der  bekannten  Stelle  pChag  2,77^,5;  Chag  14l>:  „Vier  sind  in  den  Pardes 
(Paradies)  eingegangen"  usw.  wird  über  Acher,  d.h.  Elischaf  b.  Abuja,  um  120,  gesagt: 
, Er  hieb  die  Pflanzungen  ab"  ris'u:3  v^'P-  Wenn  mit  dem  „Paradies",  wie  man  meist 
annimmt,  die  theosophisch-kosmogonische  Gnosis  gemeint  ist,  so  dürfte  das  „Abhauen 
der  Pflanzungen"  seitens  Achers  sich  auf  die  Verwüstungen  beziehen,  die  dieser  jüdische 
Apostat  mit  seinen  Lehren  u.  seinen  Taten  in  Israel  anrichtete.  |1  Midr  HL  6,  2  (122  =»)  = 
pßerakh  2,  5^  2  s.  oben  S.  21  Anm.  c. 

15,  14:  Blinde  Blindenführer  sind  sie. 
Vgl.  die  sprichwörtliche  Redensart  BQ  52":  Wenn  ein  Hirt  über  seine 
Herde  ziirnt.  macht  er  den  Leithammel  bhnd  (wörtlich:  zur  Blindheit). 

15, 19:  Aus  dem  Herzen  kommen  arge  Gedanken,  Morde,  Ehe- 
bruch e,  Hurereien,  Diebstähl  e.falscheZeugnisse,  La  Störungen. 

pB*^rakh  1,3*^,18:  „Du  sollst  nicht  ehebrechen.  Daß  ihr  nicht  eurem  Herzen  u. 
euren  Augen  nachschweift,  denen  ihr  nachbuhlt"  Nu  15,  39.  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt: 
Das  Herz  u.  das  Auge  sind  die  beiden  Mittler  der  Sünde.  Es  heißt:  „Gib,  mein  Sohn, 
dein  Herz  mir  u.  deinen  Augen  laß  meine  Wege  Wohlgefallen"  Spr  23,  26.  Gott  spricht: 
Wenn  du  mir  dein  Herz  u.  dein  Auge  gibst,  so  weiß  ich,  daß  du  mir  angehörst.  —  In 
TanchB  r:;»  §  31  (37 1>),  NuR  17  (182'^)  anonym:  Das  Herz  u.  die  Augen  sind  die  Mittler 
für  den  Leib,  denn  sie  verführen  den  Leib  zur  Buhlerei  ":!':;  Tanch  n';r  (216")  liest 
wohl  infolge  eines  Versehens  s-r-:  statt  a-:?-:;  ebenfaHs  anonym  steht  der  Ausspruch 
NuR  10  (157«').  II  Midr  Qoh  1, 16  (IIb):  Jch  sprach  mit  (=")  meinem  Herzen"  Qoh  1,  16. 
Das  Herz  sieht,  Qoh  1, 16;^ört,  1  Kg  3,  9;  redet,  Qoh  1. 16;  geht,  2  Kg  5,  26;  fällt,  1  Sm 
17,  32;  steht,  Ez  22, 14;  freut  sich,  Ps  16,  9;  schreit,  KL  2,  18;  wird  getröstet,  Jes  40,  2; 
betrübt  sich  ij-js's,  Dt  15, 10 ;  wird  verhärtet.  Ex  9, 12 ;  wird  weich.  Dt  20.  3 ;  betrübt  sich 
2usr-,  Gn  6,  6;  bebt,  Dt  28,  67;  wird  zerbrochen,  Ps51,  19;  erhebt  sich  stolz,  Dt  8,  14; 
ist  widerspenstig,  Jer  5,  23;  ersinnt,  1  Kg  12,  33;  hat  arge  Gedanken  tn-irn:,  Dt  29,  18; 
walltauf,  Ps  45,  2;  denkt,  Spr  19,  21 ;  begehrt,  Ps21,  3;  schweift  ab,  Spr  7,  25;  buhlt, 
Nu  15,  39;  wird  gestärkt,  Gn  18,  5;  wird  gestohlen,  Gn  31,  20;  wird  gebeugt,  Lv  26,  41; 
wird  überredet,  Gn  34,  3;  taumelt,  Jes  21,  4;  ängstigt  sich,  1  Sm  4, 13 ;  wacht,  HL  5,  2; 
liebt.  Dt  6,  5;  haßt,  Lv  19, 17;  eifert,  Spr  23,  17;  wird  geprüft,  Jer  17,  10;  wird  zerrissen, 
Joel2,  13;  sinnt,  Ps49,  4;  ist  wie  Feuer,  Jer  20,  9;  ist  wie  ein  Stein,  Ez36,  26;  kehrt 
Strack  11.  Billerbeck,  NT  I.  46 


722  Matth  15, 19.  26 

um  in  Buße,  Jer  24,  7;  entbrennt,  Dt  19,  6;  stirbt,  1  Sm  2ö,  37;  zerfließt,  Jos  7,  5;  nimmt 
Worte  auf.  Dt  6,  6;  nimmt  Furcht  auf,  Jer  32,  40;  rühmt,  Ps  1 11, 1 ;  gelüstet,  Spr  6,  25  ; 
wird  verhärtet,  Spr  28, 14;  tut  sich  gütlich,  Ri  16,25;  bereitet  Trug,  Spr  12,20;  redet 
in  seinem  Innern,  1  Sm  1,13;  liebt  Geschenke,  Jer  22,  17;  schreibt  Worte  auf,  Spr  3,  3; 
bereitet  Unheil,  Spr  6,  14;  nimmt  Gebote  an,  Spr  10,  8;  übt  Vermessenheit,  Jer  49,  16; 
macht  Ordnungen  (Pläne),  Spr  16, 1 ;  brüstet  sich,  2  Kg  14, 10.  |1  Derekh  EreQ  Zuta  6  (fehlt 
in  Ausg.  Amsterdam):  Der  Anfang  der  Sünde  sind  die  argen  Gedanken  des  Herzens 
aVn  •nr-'rt,  das  zweite  danach  ist  Spötterei,  das  dritte  Hochmut,  das  vierte  Härte 
(ünbarmherzigkeit),  das  fünfte  Müßiggang,  das  sechste  grundloser  Haß  u.  das  siebente 
das  neidische  Auge.  Das  ist  es,  was  Salomo  gemeint  hat:  „Wenn  er  (der  Hassende) 
seine  Stimme  lieblich  macht,  glaube  ihm  nicht;  denn  sieben  Greuel  sind  in  seinem 
Herzen"  Spr  26,  25.  j!  GnR  67  (43^):  ,Esau  sprach  in  seinem  Herzen"  Gn27,  41.  Die 
Gottlosen  befinden  sich  in  der  Gewalt  ihres  Herzens:  Der  Tor  spricht  in  z  seinem 
Herzen  Ps  14,  I ;  Esau  sprach  in  seinem  Herzen  Gn  27,  41 ;  Jarobfam  sprach  in  seinem 
Herzen  1  Kg  12,26  u.  Haman  sprach  in  seinem  Herzen  Esth  6,  6.  Aber  die  Gerechten 
haben  ihr  Herz  in  ihrer  Gewalt:  Hanna  redete  zu  ~y  ihrem  Herzen  1  Sm  1,  13;  David 
redete  zu  -x  seinem  Herzen  1  Sm  27, 1 ;  Daniel  nahm  es  auf  iy  sein  Herz  Dn  1,8.  Sie 
gleichen  damit  ihrem  Schöpfer,  von  dem  es  heißt:  ,Jahve  sprach  zu  •sx  seinem  Herzen" 
Gn  8, 21.  (Das  ~y  oder  Vx  läßt  den  Menschen  gegenüber  dem  Herzen  als  den  Befehlenden 
erscheinen,  während  das  2  der  ersten  Zitatenreihe  die  Gefolgschaft,  die  Hörigkeit  aus- 
drückt, in  der  der  Mensch  sich  seinem  Herzen  gegenüber  befindet.)  |!  pJoma  S,  45'',  51: 
Das  Brandopfer  schafft  Sühnung  für  den  argen  Gedanken  des  Herzens  a^rs  i^.riiri  hy.  \\ 
Joma29'*:  Die  Gedanken  an  die  Sünde  ^-^~y  '"i^""  (=  unkeusche  Phantasiebilder) 
sind  schlimmer  als  die  Sünde  selbst.  H  Midr  Qoh  7,  2  (32''):  Warum  schlägt  man  sich 
(bei  einem  Trauerfall)  auf  das  Herz?  Um  (damit)  zu  sagen,  daß  alles  von  dort  kommt 
(die  Sünde,  die  den  Tod  verursacht).  —  Vgl.  auch  bei  Mk  7,  21  f. 

15,26:  Das  Brot  der  Kinder  zu  nehmen  u.  den  Hündlein 

hinzuwerfen. 

Der  Hund  sbr,  aram.  xabs,  der  nicht  den  eigentlichen  Haustieren, 
ri^Tiz,  sondern  den  in  Freiheit  lebenden  Tieren,  rrn,  zugezählt  wurde, a 
galt,  wenn  auch  gelegentlich  seine  Brauchbarkeitb  u.  Treue c  anerkannt 
wird,  als  das  verachtetste,  frechste  u.  elendeste  Geschöpf,  d  Es  prägte 
sich  deshalb  die  gehässigste  Verachtung  darin  aus,  wenn  man  einen 
Menschen  einen  Hunde  nannte,  oder  wenn  man  einem  Hunde  den 
Namen  eines  verhaßten  Menschen  beilegte,  f  —  xvvÜQia  würde  wieder- 
zugeben sein  hebr.  mit  c^nbrn  i-ri:.,  aram.  mit  Nri-"jp  xni-^-^-.g 

a.  Kil  8,  6:  Der  Hund  gehört  zur  Kategorie  der  wilden  Tiere,  n-rr.  R.  Meir  (um  150) 
sagte:  Zur  Kategorie  der  Haustiere,  niana. 

b.  BQ  80*  u.  80'':  R.  Jischmafel  (f  um  135)  sagte:  Man  darf  aufziehen  Dorf  hunde,* 
Katzen,^  Affen  u.  Wiesel,  die  sich  in  Dornhecken  aufhalten,  weil  diese  Tiere  zum  Rein- 
halten des  Hauses  (durch  Verzehren  der  Abfälle  u.  durch  Vertilgung  der  Mäuse  usw.) 
geeignet  sind.  —  ||  P'^s  113*:  Rah  (f  247)  sagte  zu  Rab  Asi:*  Wohne  nicht  in  einer 
Stadt,  in  der  kein  Pferd  wiehert  u.  in  der  kein  Hund  bellt.  (Der  Hund  schlägt  an, 
wenn  Diebe  nahen,    u.  das  Pferd   dient   zu  deren  Verfolgung.)  i[  Sanh  105*  Bar:    Ein 

•  y-fz  n-aVs.  Raschi  erklärt  «,  kleine  Hunde,  ß,  große  Jagdhunde,  die  keinen 
Schaden  anrichten.  —  Die  Mischna  bestimmt  über  das  Aufziehen  von  Hunden:  Man  soll 
keinen  Hund  aufziehen,  es  sei  denn,  daß  er  an  eine  Kette  gelegt  ist,  BQ  7,  7. 

^  Eine  andre  Norm  über  die  Katzen'  hat  Rab,  f  247,  aufgestellt:  Die  Katze  darf 
man  töten,  u.  es  ist  verboten,  sie  am  Leben  zu  erhalten.  BQ  SO**. 

2  Jedenfalls  nicht  der  aus  Babylonien  stammende  u.  später  in  Palästina  lebende 
Rabbi  Asi  (um  300),  s.  pSch<;q  1,  47*,  37. 


Matth  15,  26  723 

Gleichnis.  (Gleich)  zwei  Hunden,  die  bei  einer  Herde  waren  u.  sich  gegenseitig  anbellten. 
Als  ein  Wolf  über  den  einen  kam,  dachte  der  andre:  Wenn  ich  ihm  nicht  helfe,  so  tötet 
der  Wolf  heute  diesen  u.  morgen  mich.  Da  machten  sich  beide  auf  u.  töteten  den  V/olf. 

C.  P^siq  79*^:  Hirten  hatten  einmal  gemelkt;  es  kam  eine  Schlange  u.  fraß  von 
der  Milch.  Der  Hund  (der  die  Schlange  beobachtet  hatte)  sah,  daß  die  Hirten  sich 
niederließen,  um  (von  der  Milch)  zu  genießen;  er  begann  sie  anzubellen,  sie  aber 
achteten  nicht  darauf;  zuletzt  flachte  er  sich  auf,  fraß  (von  der  Milch)  u.  starb.  Sie 
begruben  ihn  u.  setzten  ihm  (für  seine  Treue)  ein  Denkmal.  Bis  heute  heißt  dieses 
,das  Denkmal  des  Hundes'*  ss'^s-:  sri:.  —  Dasselbe,  doch  ohne  den  Schlußsatz,  pT®r  N, 
46'^,  28.  I!  Hör  13=*:  Den  R.  Elfazar  (b.  gadoq  I.V  um  100;  der  IL?  um  150)  fragten  seine 
Schüler:  Warum  kennt  der  Hund  seinen  Herrn  u.  warum  kennt  die  Katze  ihren  Herrn 
nicht?  (Der  Hund  bewahrt  dem  Menschen,  die  Katze  dem  Hause  Anhänglichkeit.)  Er 
antwortete:  Wenn  der,  welcher  etwas  ißt,  wovon  eine  Maus  gegessen  hat,  vergeßlich 
wird,  um  wieviel  mehr  gilt  das  von  der  Katze,  die  die  Maus  selbst  frißt! 

d.  Be^a  25'':  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Drei  Hartnäckige  (Un- 
beugsame, yiy)  gibt  es;  das  ist  Israel  unter  den  Nationen,  der  Hund  unter  den  Tieren 
u.  der  Hahn  unter  den  Vögeln;  einige  fügen  auch  noch  hinzu  die  Ziege  unter  den  Haus- 
tieren u.  noch  andre  den  Kaperstrauch  unter  den  Bäumen.  —  Die  Parallelstelle  ExR4'2 
(99*):  R.  Jaqim*  (um  350)  hat  gesagt:  Drei  Starrsinnige  (Unverwüstliche  oder  auch 
Freche,  o-E'sn)  gibt  es:  Der  Starrsinnige  unter  den  Tieren  ist  der  Hund,  unter  den 
Vögeln  der  Hahn  u.  unter  den  Nationen  Israel.  R.  Ji9chaq  b.  R®dipha  (um  ;->30)  hat  im 
Namen  des  R.  Ammi  (um  300)  gesagt:  Meinst  du  etwa,  daß  dies  zum  Schimpf  gereicht? 
Nein,  vielmehr  zum  Ruhm:  entweder  Jude  oder  gekreuzigt,  3-v.i  is  --:n-  -s!  ||  Sota  9,  15 
heißt  es  von  der  Frechheit  der  vor  Anbruch  der  messian.  Zeit  lebenden  Generation:  Das 
Aussehen  des  Geschlechts  gleicht  dem  Hunde!  ||  Schab  155l>  Bar:  Man  darf  dem  Hunde 
(am  Sabbat)  Futter  vorlegen,  aber  nicht  dem  Schwein.  Was  für  ein  Unterschied  ist 
zwischen  beiden?  Die  Erhaltung  des  einen  (des  Hundes)  liegt  dir  ob,  die  des  andren 
aber  nicht.  (Raschi:  Verflucht  der  Mensch,  der  Schweine  aufzieht.)  —  R.  Jona  (um  350> 
trug  am  Eingang  des  Patriarchenhauses  vor:  Was  bedeutet:  „Der  Gerechte  kennt  die 
Angelegenheit  der  Geringen"  Spr29,  7?  Gott  weiß  vom  Hunde,  daß  seine  Speise  eine 
geringe  ist;  deshalb  hält  seine  Nahrung  in  seinem  Leibe  drei  Tage  lang  vor.  —  Rab 
Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  Daraus  (nämlich  aus  Gottes  Fürsorge  für  den  Hund) 
entnehme  ich,  daß  es  eine  gute  Sitte  («y^s  t^-s)  ist,  dem  Hunde  ein  Stück  rohes 
Fleisch  hinzuwerfen.  Und  wie  groß  soll  es  sein?  Rab  Mari  (um  850)  hat  gesagt:  In 
der  Größe  seines  Ohres;  u.  hinterher  der  Stock  (damit  der  Hund  sich  nicht  an  diese 
Stelle  hingewöhne).  Diese  Worte  gelten  vom  Weideplatz,  aber  nicht  von  der  Stadt,  denn 
hier  würde  er  sich  (dem  mitleidigen  Geber)  anschließen.  Rab  Papa  (f  370)  hat  gesagt; 
Es  gibt  keinen,  der  ärmer  wäre,  als  der  Hund  (dem  nur  wenige  etwas  reichen),  u. 
keinen,  der  reicher  wäre,  als  das  Schwein  (das  seine  Nahrung  in  Hülle  u.  Fülle  erliält).  — 
In  der  Bar  zu  Anfang  dieser  Stelle  handelt  es  sich  um  einen  Hund,  der  das  Eigentum 
eines  bestimmten  Besitzers  ist  u.  deshalb  auch  von  seinem  Herrn  sein  Futter  empfängt; 
in  den  folgenden  Sätzen  ist  von  herrenlos  umherschweifenden  Hunden  die  Rede,  die 
von  mitleidigen  Menschen  vielleicht  etwas  Speise  erhalten,  um  dann  möglichst  schnell 
wieder  verscheucht  zu  werden.  Daß  der  Besitzer  für  das  Futter  seiner  Hunde  sorgte, 
erkennt  man  auch  aus  Challa  1,8:  Der  Teig  für  die  Hunde  unterliegt  der  Teighebepflicht, 
wenn  die  Hirten  davon  essen;  wenn  aber  die  Hirten  nicht  davon  essen,  so  unterliegt 
er  nicht  der  Teighebepflicht.  —  Die  Hirten  buken  also  besonderes  Brot  für  ihre  Hunde. 
Daß  man  andrerseits  den  Hunden  gab,  was  sonst  nicht  zu  verwerten  war,  zeigt  die 
Redensart:  „Man  wirft  es  den  Hunden  hin."  M^kh  Ex  22,  30  (103b):  ,Dem  Hunde  sollt 
ihr  es  vorwerfen"  Ex  22,  30.  „Dem  Hunde",  d.h.  als  ob  es  ein  Hund  wäre  (sollt  ihr 
auf  dem  Felde  Zerrissenes  fortwerfen).  Du  sagst:  „Als  ob  es  ein  Hund  wäre";  oder 
nicht  doch  vielmehr  dem  Wortlaut  gemäß  „dem  Hunde"  sollt  ihr  es  hinwerfen?  Die 

*  Nach  Bacher,  Pal.  Amor.  1,  371  ist  der  Name  verderbt  aus  R.  Schimson  b.  Laqisch. 

46* 


724  Matth  15,26 

Schrift  sagt  lehrend:  „Gefallenes  (~;33,  verschieden  von  "i—j,  Zerrissenes)  sollt  ihr 
überhaupt  nicht  essen;  dem  Fremdling  in  deinen  Toren  magst  du  es  geben,  daß  er 
es  esse,  oder  es  dem  Ausländer  verkaufen"  Dt  14,  21.  Gilt  da  nicht  der  Schluß  voni 
Leichteren  auf  das  Schwerere?  Wenn  Gefallenes,  das  durch  Tragen  (den  Träger)  unrein 
macht,  zum  Nießbrauch  (zB  zum  Verkauf  an  NichtJuden  oder  als  Speise  für  Sklaven) 
erlaubt  ist,  wäre  ^s  da  nicht  recht,  daß  Zerrissenes,  welches  durch  Tragen  nicht  unrein 
macht,  zum  Nießbrauch  erlaubt  wäre?  Was  will  da  d\p  Schrift  lehrend  sagen  mit  den 
Worten:  „Dem  Hunde  sollt  ihr  es  vorwerfen"?  Sie  will  dich  lehren,  daß  der  Hund 
geehrter  ist  als  der  Sklave;  denn  Zerrissenes  für  den  Hund  u.  Gefallenes  für  den 
Sklaven;  ferner  will  sie  dich  lehren,  daß  Gott  keinem  Geschöpf  den  Lohn  kürzt.  Da 
-es  heißt:  „Gegen  die  gesamten  Kinder  Israel  soll  kein  Hund  seine  Zunge  spitzen" 
Ex  11,  7,  so  hat  Gott  gesagt:  Gib  ihm  seinen  Lohn  (nämlich  mit  dem  Wort:  „Dem 
Hunde  sollt  ihr  es  vorwerfen"  Ex22,  :-iO).  —  Dasselbe  zum  Teil  in  ExR81  (92'"^);  vgl. 
auch  die  Kontroverse  zwischen  R.  Mei'r  u.  R.  J'^'huda  (um  150)  in  P's  21b.  ||  Chullin  4,  2: 
Wenn  einem  Tier,  das  zum  erstenmal  wirft,  das  Gebären  schwer  wird,  so  darf  man 
das  .Junge  gliederweise  zerschneiden  u.  es  den  Hunden  hinwerfen.  ||  P'^s  118^*:  Rab 
Schescheth  (um  2tJ0)  hat  im  Namen  des  R.  Ehazar  b.  f  Azarja  (um  100)  gesagt:  Wer  eine 
Verleumdung  ausspricht  u.  wer  eine  Verleumdung  annimmt  u.  wer  ein  falsches  Zeugnis 
gegen  einen  andren  ablegt,  der- ist  wert,  daß  man  ihn  den  Hunden  vorwirft;  denn  es 
■heißt:  „Dem  Hunde  sollt  ihr  es  vorwerfen"  Ex  22,  80,  u.  unmittelbar  darauf  folgt:  „Du 
sollst  kein  falsches  Gerücht  aussprechen"  Ex  23,1.  11  Das  Ärgste,  was  Goliath  als  Strafe 
für  seine  Lästerungen  treffen  konnte,  faßt  der  Midrasch  in  die  Worte:  „Er  starb  wie 
ein  Hund",  ExR  81  (91  «^i.  H  BQ  92b:  Raba  (f  352)  sagte  zu  Rabbah  b.  Mari:  Woher  läßt 
sich  das  Sprichwort:  „  Kin  Hund  verschlingt  vor  Hunger  Exkremente"  aus  der  Schrift 
lieweisen?    Er  antwortete:  Aus  Spr  27,  7. 

e.  „Hund"  als  Bezeichnung  für  einen  unwissenden  Menschen  LvR  9 
(110^):  R.  .Jannai  (um  225)  befand  sich  einmal  unterwegs.  Er  sah  einen  Menschen,  der 
gar  schön  gekleidet  war.  R.  Jannai  sprach  zu  ihm :  AVill  uns  der  Herr  die  Aufmerksamkeit 
erweisen,  bei  uns  einzukehren.  Er  antwortete:  Ja.  Er  führte  ihn  in  sein  Haus  u.  speiste 
u.  tränkte  ihn.  Er  prüfte  ihn  in  der  Schrift,  fand  aber  nichts;  in  der  Mischna,  fand 
aber  nichts;  in  der  Haggada.  fand  aber  nichts:  im  Talmud  (Halakha),  fand  aber  nichts. 
Er  sprach  zu  ihm:  Nimm  (den  Becher),  sprich  das  Tischgebet!  Er  antwortete:  Möge 
es  Jannai  in  seinem  Hause  sprechen!  R.  Jannai  sprach  zu  ihm:  Vermagst  du  nach- 
zusprechen, was  ich  dir  sagen  werde?  Er  antwortete:  Ja!  So  sprich:  Ein  Hund  hat 
das  Brot  (Jannais)  gegessen.  Da  erhob  sich  der  Gast,  faßte  ihn  an  u.  sprach  zu  ihm: 
Wie,  mein  Erbteil  befindet  sich  bei  dir,  u.  du  willst  es  mir  vorenthalten?  Er  antwortete: 
Was  ist  denn  dein  Erbteil  bei  mir?  Er  sprach:  Einmal  ging  ich  an  einem  Schulhaus 
vorüber  u.  hörte  die  Stimmen  der  Kinder,  welche  sagten:  „Gesetz  trug  uns  Mose  auf 
als  Erbteil  der  Gemeinde  Jakobs"  Dt  33,  4.  Als  Erbteil  „für  Jakob"  steht  hier  nicht 
iieschrieben,  sondern  als  Erbteil  der  „Gemeinde  Jakobs".  (Gemeinsames  Erbteil  Israels 
ist  die  Tora;  indem  du  mich  „Hund"  nennst,  schließt  du  mich  aus  der  Gemeinde  Israel 
aus  u.  bringst  mich  damit  um  mein  Erbteil.)  R.  Jannai  sprach  zu  ihm:  Durch  welches 
Verdienst  bist  du  gewürdigt  worden,  an  meinem  Tisch  zu  speisen?  Er  antwortete:  Mein 
lebelang  habe  ich  kein  böses  Wort  gehört  u.  es  seinem  Urheber  (Herrn)  zurückgegeben, 
u.  nie  habe  ich  zwei  miteinander  zanken  sehen,  ohne  Frieden  zwischen  ihnen  zu  stiften. 
Er  sprach  zu  ihm:  All  diese  gute  Sitte  ist  dir  eigen,  u.  ich  habe  dich  „Hund"  genannt! 

„Hund"  als  Bezeichnung  der  Gottlosen.  ExR  9  (73'^):  „Den  Stab  deiner 
Macht  wird  Jahve  ausstrecken  von  Zion  aus"  Ps  110,  2.  Gott  schlägt  die  Gottlosen  nur 
mit  einem  Stabe.  Weshalb?  Weil  sie  den  Hunden  gleichen,  s. :  „Sie  kehren  wieder  am 
Abend,  knurren  wie  die  Hunde"  Ps  59,  7.  Wie  es  bei  dem  Hunde  Brauch  ist,  daß  er 
mit  einem  Stock  geschlagen  wird,  so  werden  auch  die  Gottlosen  geschlagen;  deshalb 
heißt  es:  „Den  Stab  deiner  Macht"  usw.  Ps  110,2. 

„Hund"  als  Bezeichnung  der  Heiden.  Midr  Ps4  §  11  (24^):  „Du  hast  Freude 
in  mein  Herz  gegeben,  mehr  als  ihnen  in  der  Zeit,  da  ihres  Kornes  u.  Mostes  viel  ist" 


Matth  15,26  725 

Ps4,  8.  Die  Israeliten  sprachen  (zu  Gott):  Wenn  du  den  Völkern  der  Welt  darum,  daß 
sie  sieben  (die  sog.  noachischen)  Gebote  gehalten  haben,  Gutes  in  dieser  Welt  im  Überfluß 
als  Lohn  darreichst,  um  wieviel  mehr  wirst  du  uns,  denen  Hl 3  Gebote  befohlen  sind, 
Gutes  im  Überfluß  gewähren  in  der  zukünftigen  Welt.  Wenn  wir  deshalb  den  Wohlstand 
der  Völker  der  Welt  sehen,  so  freuen  wir  uns,  wie  es  heißt:  Du  hast  Freude  in  mein 
Herz  gegeben,  sooft  (so  scheint  der  Midr  ry?:  Ps  4,  8  zu  fassen)  ihres  Kornes  u.  Mostes 
viel  ist.  R.  .J'^'hoschuH?  b  Levi  (um  2.50)  sagte:  Gleich  einem  König,  der  ein  Mahl  ver- 
anstaltete u.  die  Gäste  eintreten  u.  an  dem  Eingang  seines  Palastes  sich  niedersetzen 
ließ.  Als  diese  sahen,  wie  die  Hunde  herauskamen  mit  Fasanen  u.  Kapaunen-  u.  Kalbs- 
köpfen in  ihrem  Maul,  fingen  sie  an  zu  sagen:  Wenn  für  die  Hunde  solches,  um  wieviel 
mehr  beim  Gastmahl  selbst!  Und  die  Völker  der  Welt  ="';-:.t;  n-.?3is  *  gleichen  den  Hunden, 
wie  es  heißt:  ,Die  Hunde  sind  gar  gierig"  Jes  56,  11.  Wenn  diese  in  Wohlbehagen  sich 
befinden  in  dieser  Welt^  wird  es  nicht  mit  Israel  um  so  mehr  der  Fall  sein  in  der 
Zukunft?  II  GnR  81  (52='):  R.  .lischmacel  b.  Jose  (um  180)  ging  hinauf,  um  in  Jerusalem 
zu  beten.  Er  kam  an  einer  Platane  vorüber,  wo  ihn  ein  Samaritaner  erblickte,  der  zu 
ihm  sprach:  Wohin  gehst  du?  Er  antwortete:  Ich  gehe  hinauf,  um  in  Jerusalem  za 
beten.  Jener  sprach:  Wäre  es  dir  nicht  besser,  auf  diesem  gesegneten  Berge  (d.  h.  den* 
Garizim)  zu  beten,  als  auf  jenem  Misthaufen?  Er  antwortete:  Ihr,  wem  gleicht  ihr? 
Dem  Hunde,  der  gierig  ist  auf  Aas.  Ebenso  weil  ihr  wißt,  daß  unter  ihm  (dem  Garizim) 
ein  Götzenbild  verborgen  ist,  wie  es  heißt:  „Jakob  verbarg  sie  unter  der  Terebinthe 
bei  Sikhem"  Gn  35,  4,  darum  seid  ihr  so  gierig  darauf.  ||  pSchab  J),  11 '',  23:  (Einen 
Götzen),  den  sie  (die  Heiden)  „Angesicht  des  Königs"  nennen,  nennt  man  (Israel) 
„Angesicht  des  Hundes".  Dasselbe  ?AZ  46**.  ||  M^'g  7'^:  „Es  soll  heilige  Festversammlung 
für  euch  sein"  Ex  12,16;  für  euch,  u.  nicht  für  die  Fremden  (die  Nichtisraeliten);  für 
euch,  u.  nicht  für  die  Hunde  (  —  Nichtisraeliten).  ||  PirqeREl  29:  Wer  mit  einem  Götzen- 
diener zusammen  ißt,  ist  wie  einer,  der  mit  einem  Hunde  zusammen  ißt;  wie  der 
Hund  unbeschnitten  ist,  so  ist  auch  der  Götzendiener  unbeschnitten.  ||  LvR33  (130''):  „Sie 
sprachen  zum  König  Nebukadnegar"  Dn  3, 16.  Wenn  „König",  wozu  „Nebukadnepar"? 
wenn  „Nebukadne^ar",  wozu  „König"?  Allein  sie  sprachen:  In  bezug  auf  die  Abgaben 
u.  die  Naturalleistungen  u.  die  Strafgelder  u.  die  Kopfsteuern  bist  du  König  über  uns; 
aber  in  bezug  auf  diese  Sache,  von  der  du  zu  uns  sprichst  (Anbetung  des  Götzenbildes), 
bist  du  Nebukadne9ar  u.  Nebukadne^ar  ist  dein  Name;  du  u.  ein  Hund,  ihr  seid  für  uns 
gleich.  —  Dasselbe  NuR  15  (179b);  Midr  Ps  28  §  2  (115''). 

/.  fAZ54b:  Ein  Philosoph  fragte  den  Rabban  Gamliel  (IL,  um  90):  In  eurer  Tora 
steht  geschrieben:  „Jahve  dein  Gott  ist  ein  verzehrendes  Feuer,  ein  eifriger  Gott'' 
Dt  4,  24.  Weshalb  eifert  er  gegen  die  Verehrer  eines  Götzen  u.  nicht  gegen  diesen  selbst? 
Er  erwiderte  ihm :  Ich  will  dir  ein  Gleichnis  sagen.  Ein  König  von  Fleisch  u.  Blut  hatte 
einen  Sohn.  Dieser  hatte  sich  einen  Hund  aufgezogen,  dem  er  einen  Namen  nach  dem 
Namen  seines  Vaters  beilegte;  u.  sooft  er  schwur,  sagte  er:  Beim  Leben  des  Hundes 
„Abba"  (=  „mein  Vater").  Als  der  Vater  das  hörte,  über  wen  wird  er  gezürnt  haben, 
über  den  Sohn  oder  über  den  Hund?  Doch  wohl  über  den  Sohn!  .  .  .  ||  Tanch  n^jT-r  100^ : 
Der  Tyrann  Rufus  (Tinejus  Rufus,  182  n.  Chr.  Statthalter  von  Judäa)  fragte  einmal  den 
R.  f  Aqiba  (f  um  135):  Warum  halst  Gott  uns,  wie  es  heißt:  „Esau  hasse  ich"  Mal  1,  3? 
Er  antwortete:  Morgen  will  ich  dir  die  Antwort  geben.  Am  nächsten  Tage  sprach 
Rufus  zu  ihm:  R.  f  Aqiba,  was  hast  du  in  dieser  Nacht  geträumt  u.  was  hast  du  (im 
Traum)  gesehen?  Er  antwortete:  „Ich  hatte  im  Traum  in  der  Nacht  zwei  Hunde,  der 
eine  hieß  Rufus  u.  der  andre  Rufina."  Alsbald  ward  der  Statthalter  zornig  u.  sprach: 
Du  hast  die  Namen  deiner  Hunde  nach  meinem  Namen  u.  nach  dem  Namen  meines 
Weibes  genannt;  du  bist  des  Todes  schuldig.  R.  ? Aqiba  antwortete:  Was  ist  denn  für 
ein  Unterschied  zwischen  dir  u.  ihnen  (den  Hunden)?   Du  issest  u.  trinkst,  jene  essen 


.  ^  So  richtig  ed.  Venedig  1546;  falsch  unter  dem  Druck  der  russ.  Zensur  ed.  Warschau 
1875  s"i:yn  n-ais-,  u.  Buber  zus.hangswidrig:  „Die  Gottlosen  unter  den  Israeliten" 
Vsi',c'  'sv^',  ohne  eine  abweichende  Lesart  zu  erwähnen! 


726  Matth  15,26.27.28.  16,1 

u.  trinken;  du  bist  auf  Fortpflanzung  bedacht,  jene  sind  auf  Fortpflanzung  bedacht;  du 
stirbst  u.  jene  sterben.  Weil  ich  nun  ihre  Namen  nach  deinem  Namen  genannt  habe, 
zürnst  du;  u.  während  Gott  den  Himmel  ausspannt  u.  die  Erde  gründet,  tötet  u.  lebendig 
macht,  nimmst  du  ein  Stück  Holz  u.  nennst  es  ^Gott"  nach  seinem  Namen;  muß  er 
euch  da  nicht  hassen? 

g.  LvR  19  (119 '"'J:  Das  Sprichwort  sagt:  Ein  gutes  Junges  -^■-  von  einem  bösen 
Hund  ziehe  nicht  auf,  ein  böses  Junges  von  einem  bösen  Hund  erst  recht  nicht.  |1 
K^'th  61b  wird  von  einer  Frau  geredet,  die  mit  Hündchen  sr";up  sr">n?j  (wörtlich:  mit 
kleinen  Hunden)  oder  Brettspiel  (^-;u-'-:  lies  —:>--:,  Raschi  =  r"--px!-s  ==  echecs  =^ 
Schach)  spielt.  ||  Schab  155  b  heißen  Hündchen  oder  kleine  Hunde  ^-'j-t  xrs"*;*:n5. 

15,27:  Die  Hündchen  essen  von  den  Brocken, 
die  vom  Tisch  ihrer  Herren  fallen. 

BB8^:  Rabbi  öffnete  in  den  Jahren  einer  Hungersnot  seine  Speicher.  Er  sprach: 
Es  mögen  eintreten  die  Kenner  der  Schrift,  der  Mischna,  des  Talmuds,  der  Halakha  u. 
der  Haggada;  aber  die  Gesetzesunkundigen  sollen  nicht  eintreten.  Da  drängte  sich 
R.Jonathan  b.  fAmram  herzu  u.  trat  ein  u.  sprach:  Rabbi,  ernähre  mich!  Er  sprach 
zu  ihm:  Hast  du  die  Schrift  studiert?  Er  antwortete:  Nein!  (Über  den  Grund  dieser 
Leugnung  s.  hernach.)  Hast  du  die  Mischna  gelernt?  Er  sprach:  Nein!  Wenn  dem 
so  ist,  erwiderte  Rabbi,  wie  kann  ich  dich  ernähren?  Jener  sprach:  Ernähre  mich  wie 
einen  Hund  oder  einen  Raben  (von  den  Abfällen).  -Da  versorgte  er  ihn.  Als  er  hinaus- 
gegangen war,  grämte  sich  Rabbi  u.  sprach:  Wehe  mir,  daß  ich  mein  Brot  einem 
?Am  ha-are(;  gegeben  habe!  Da  sprach  sein  Sohn  R.  Schimfon  zu  ihm:  Vielleicht  ist 
es  dein  Schüler  Jonathan  b.  ?Amram  gewesen,  der  niemals  einen  Genuß  (Vorteil)  von 
der  Ehre  der  Tora  haben  wollte  (u.  der  deshalb  seine  Gesetzeskenntnis  verleugnet  hat). 
Man  forschte  nach  u.  fand  es  also.  Da  sprach  Rabbi:  Es  sollen  alle  eintreten.  i|  Vgl. 
auch  das  Gebet  der  Hanna  B'rakh  31'':  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Seit  dem 
Tage,  da  Gott  seine  Welt  geschaffen,  hat  es  keinen  Menschen  gegeben,  der  Gott 
,(^"baoth''  genannt  hätte,  bis  Hanna  kam.  Sie  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  von 
all  den  vielen  Scharen  r-^sa-.:  -sau,  die  du  in  deiner  Welt  geschaffen  hast,  sollte  es  in 
deinen  Augen  zu  schwer  sein,  mir  Einen  Sohn  zu  schenken?  Womit  läßt  sich  die 
Sache  vergleichen?  Mit  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  seinen  Knechten  ein 
Mahl  veranstaltete.  Ein  Armer  kam,  stand  an  der  Tür  u.  sprach:  Gebt  mir  ein  Stück- 
chen Brot;  aber  man  nahm  auf  ihn  keine  Rücksicht.  Da  drängte  er  sich  herzu,  trat 
zum  König  u.  sprach:  Mein  Herr  König,  von  depi  ganzen  Mahl,  das  du  veranstaltet 
hast,  sollte  es  zu  schwer  in  deinen  Augen  sein,  mir  ein  Stückchen  Brot  zu  geben? 

V'X'«,  Brocken  =  'ry^'z,,  zB  TBn-akh  6,  4  (13);  B^rakh  52'^;  seltener 
a-;y±  ChuU  105 "^i  s.  Exk.:  Ein  altjüdisches  Gastmahl  Nr.  10,  d;  dort  auch 
Aberglaube,  der  sich  an  die  vom  Tisch  fallenden  Brocken  knüpfte. 

15,28:  Groß  ist  dein  Glaube. 

M^kh  Ex  14,  31  (40''):  Groß  war  der  Glaube  nr»isn  rtV:-:;,  mit  welchem  die  Israeliten 
an  den  glaubten,  der  da  sprach  u.  es  ward  die  Welt;  denn  zum  Lohn  dafür,  daß  die 
Israeliten  an  Jahve  glaubten,  wohnte  der  heilige  Geist  (=  Geist  der  Inspiration  oder 
Prophetie)  auf  ihnen,  daß  sie  ein  Lied  sangen,  s. :  „Sie  glaubten  an  Jahve  u.  an  seinen 
Knecht  Mose"  Ex  14,  31,  u.  dann  heißt  es:  , Damals  sangen  Mose  u,  die  Kinder  Israel 
Jahve  dieses  Lied." 

15,  32—38,  s.  dazu  das  bei  Mt  14,  16  ff.  Bemerkte. 

16,1:  Sie  forderten  ihn  auf,  ihnen  ein  Zeichen 
vom  Himmel  zu  zeigen. 
SDt  13,  2  §  83  u.  84  (92»):  ,Wenn  mitten  unter  dir  ein  Prophet  oder  Träumer  auf- 
tritt u.  dir  ein  Zeichen  oder  Wunder  gibt"  Dt  13,  2.  ,E^jl  Zeichen",  nämlich  am  Himmel, 


Matth  16, 1.  2.  3  727 

■wie  es  heißt:  ,Sie  (die  Lichtkörper  am  Himmel)  sollen  dienen  zu  Zeichen"  Gn  1,  14; 
,ein  AVunder*,  nämlich  auf  Erden,  s.:  ,Wenn  auf  der  Schur  allein  Tau  u.  auf  dem 
ganzen  Boden  es  trocken  sein  wird"  Ri  6,  37;  ferner  daselbst  (Vers  40):  Gott  bewirkte 
es  so  in  jener  Nacht  usw.  —  „Und  das  Zeichen  u.  Wunder  trifft  ein,  das  er  dir  ver- 
heißen" Dt  13,  3.  R.  Jose,  der  Galiläer  (um  110)  hat  gesagt:  Sieh,  wie  weit  die  Schrift 
auf  die  letzten  Gedanken  der  Götzendiener  n^T  m'ay  eingeht  u.  ihnen  Macht  beilegt; 
selbst  wenn  er  die  Sonne  u.  den  Mond,  die  Sterne  u.  Tierkreisbilder  zum  Stillstehn 
bringt,  so  sollst  du  auf  sie  nicht  hören.  Weshalb?  „Denn  Jahve  euer  Gott  versucht 
euch,  um  zu  erfahren,  ob  ihr  Jahve  euren  Gott  liebt"  Dt  13,  4.  R.  f  Aqiba  (f  um  135) 
hat  gesagt:  Das  sei  ferne,  daß  Gott  die  Sonne  u.  den  Mond  u.  die  Tierkreisbilder  den 
Götzendienern  stillstehn  ließe;  die  Worte  reden  vielmehr  von  solchen,  die  anfänglich 
Propheten  der  Wahrheit  waren  u.  hinterher  Propheten  der  Lüge  wurden,  wie  Ghananja 
b.  ?Azzur  (vgl.  Jer  28,  1).  —  Die  Kontroverse  zwischen  R.  Jose  u.  f  Aqiba  als  Bar  in 
Sanh  90^*.  II  Sanh  90»:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (t  279)  habe  ge- 
sagt: Sooft  dir  ein  Prophet  sagen  sollte:  „Übertritt  die  Worte  der  Tora",  höre  auf  ihn, 
ausgenommen  Götzendienst;  selbst  wenn  er  dir  die  Sonne  stillstehn  ließe  in  der  Mitte 
des  Firmaments,  so  sollst  du  nicht  auf  ihn  hören.  —  Ein  ähnlicher  Satz  in  SDt  18,  15 
§  175  (107b);  jeb  90  b.  II  SDt  18,  19  S  177  (108^):  Wenn  ein  Prophet  anfängt  zu  weis- 
sagen u.  ein  Zeichen  u.  Wunder  gibt,  so  hört  man  auf  ihn;  wenn  aber  nicht,  so  hört  man 
nicht  auf  ihn.  —  Dasselbe  pSanh  11,  30^  38.  ||  Weiteres  s.  bei  Mt  12,  38.  —  Ein  Zeichen 
vom  Himmel  a^-o-c-  '^^  bietet  R.  Eli?ezer  (um  90)  seinen  halakhischen  Gegnern  an  zum 
Beweis,  daß  seine  Entscheidung  richtig  sei  BM  59  b,  s.  S.  127;'  bei  Mt3,  17. 

16,  2:  Heiteres  Wetter  (gibt  es),  denn  feurig  rot  ist  der  Himmel. 

BB  84*:  Rab  Papa  (f  376)  hat  gesagt:  Daraus  (nämlich  aus  einer  Bestimmung 
in  BB  5,  6)  entnehme  ich,  daß  die  Sonne  rot  ist.  Du  kannst  es  daran  erkennen,  daß 
sie  des  Morgens  u.  des  Abends  rot  erscheint;  wenn  wir  sie  aber  nicht  den  ganzen 
Tag  hindurch  so  sehen,  so  liegt  es  daran,  daß  unsre  Augen  nicht  kräftig  genug  sind.  — 
Die  weitere  Ausführung  über  den  Grund  der  Röte  der  Sonne  in  BB  84 **  s.  im  Exkurs: 
,Sch''ol"  usw.  II,  9  hinter  Anm.  c. 

16,3:  Das  Angesicht  (Aussehen)  des  Himmels 
versteht  ihr  zu  beurteilen. 

Einige  rabbinische  Wetterregeln. 

Tafan  9b:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Ein  Anzeichen  von  Regen  sind  lichte 
(durchschimmernde)  Wolken  r-n--s.  Was  sind  lichte  Wolken?  Rab  Papa  (f  376)  hat 
gesagt:  Eine  dünne  Wolke  unterhalb  einer  dicken  Wolke.  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  ge- 
sagt: Fällt  Staubregen  (Sprühregen)  vor  heftigem  Regen,  so  kommt  heftiger  Regen;  fällt 
er  nach  heftigem  Regen,  so  hört  der  heftige  Regen  auf.  Fällt  er  vor  heftigem  Regen, 
so  kommt  heftiger  Regen;  dafür  diene  dir  als  Merkmal  das  Sieb  (aus  welchem  erst 
■das  feine,  dann  das  grobe  Mehl  fällt);  fällt  er  nach  heftigem  Regen,  so  hört  der 
heftige  Regen  auf,  dafür  diene  dir  als  Merkmal  der  Kot  der  Ziegen  (erst  groß,  dann 
klein).  ?Ulla  (um  280)  kam  nach  Babylonien;  er  sah  lichte  Wolken  u.  sprach:  Schaffet 
die  Geräte  fort,  denn  jetzt  kommt  heftiger  Regen.  Aber  es  kam  kein  heftiger  Regen. 
Da  sagte  er:  Wie  die  Babylonier  trügen,  so  trügen  auch  ihre  Regengüsse.  ||  pTafan 
2,  65b,  8:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Weht  der  Nordwind,  decke  deine  Ziegel 
ab  (es  bleibt  trocknes  Wetter).  —  In  Sepphoris  gab  es  Alte,  die,  wenn  der  erste  Früh- 
regen fiel  (im  Monat  Marcheschvan,  November),  den  Erdstaub  berochen  u.  die  Feuchtig- 
keit des  (nächsten)  Jahres  vorherzusagen  verstanden.  i|  Joma  21b:  R,  Ji(jchaq  b.  Abdimi 
.(lim  300)  hat  gesagt:  Am.  Ausgang  des  letzten  Feiertags  des  Laubhüttenfestes  schauten 
alle  auf  den  Rauch  der  Altarholzschicht:  neigte  er  sich  nach  Norden,  so  freuten  sich 
^ie  Armen,  während  die  Besitzer  sich  betrübten;  denn  dann  waren  die  Regengüsse 
des  (nächsten)  Jahres  zahlreich  u.  die  Früchte  wurden  faulig  (sie  hielten  sich  nicht  u. 
mußten   billig  verkauft  werden).    Neigte  er  sich   nach  Süden,   so   betrübten  sich   die 


728  ^^latth  16,3.6 

Armen,  während  die  Besitzer  sich  freuten;  denn  dann  waren  die  Regengüsse  des 
(nächsten)  Jahres  nicht  zahlreich,  u.  die  Früchte  konnten  aufbewahrt  werden  (sie 
hielten  sich  lange,  infolgedessen  ihr  Preis  stieg).  Neigte  er  sich  nach  Osten,  so  freuten 
sich  alle  (der  Westwind  verbürgte  ein  normales  Jahr);  neigte  er  sich  nach  Westen, 
so  betrübten  sich  alle  (der  Ostwind  brachte  Dürre  u.  Mifsernte).  Stieg  er  aber  gerade 
auf  wie  eine  Palme,  um  sich  (allmählich)  zu  zerstreuen,  so  war  daraus  nichts  zu  ent- 
nehmen (statt  — z-k:  wird  zu  lesen  sein  ^-z'12).  (Zum  Verständnis  der  Stelle  ist  zu 
bemerken,  daß  nach  RH  1,  2  am  Laubhüttenfest  der  göttliche  Gerichtsbeschluß  über 
die  Regenverhältnisse  des  nächsten  Jahres  festgesetzt  wird ;  deshalb  glaubte  man  am 
letzten  Tage  des  L.  in  der  Rauchsäule  über  dem  Brandopferaltar  eine  Andeutung  über 
den  Ausfall  des  Gerichtsbeschlusses  lesen  zu  dürfen.)  Der  Autor  sagt:  „Neigt  er  sich 
nach  Osten,  so  freuen  sich  alle;  neigt  er  sich  nach  Westen,  so  betrüben  sich  alle." 
Man  wandte  ein:  Der  Ostwind  ist  immer  gut;  der  Westwind  ist  immer  schädlich;  der 
Nordwind  ist  für  den  Weizen  gut,  wenn  dieser  den  dritten  Teil  seiner  Reife  erlangt 
hat,  u.  schädlich  für  die  Oliven  zu  der  Zeit,  da  sie  Knospen  treiben;  der  Südwind  ist 
für  den  Weizen  schädlich,  wenn  dieser  den  dritten  Teil  seiner  Reife  erlangt  hat,  u. 
gut  für  die  Oliven  zu  der  Zeit,  da  sie  Knospen  treiben.  Und  Rab  Joseph  (f  333),  nach 
andren  Mar  Zutra  (um  300)  hat  gesagt:  Als  Merkmal  diene  dir:  der  Tisch  (mit  den 
Schaubroten)  auf  der  Nordseite  (im  Heiligen)  u.  der  Leuchter  auf  der  Südseite;  jener 
(der  Nordwind)  macht  des  Seinigen  (des  Brotes)  viel  u.  dieser  (der  Südwind)  macht 
des  Seinigen  (des  Olivenöles)  viel.  Es  liegt  hier  kein  Widerspruch  vor:  der  Inhalt  der 
letzten  Sätze  gilt  für  uns  (in  Babylonien),  die  von  R.  Ji^chaq  b.  Abdimi  vertretene 
Überlieferung  gilt  für  sie  (im  Lande  Israel).  —  Dasselbe  Bß  147";  hier  schließt  sich 
noch  folgender  Satz  an:  Bar:  Abba  Schaml  (um  150)  sagte:  Ist  der  Feiertag  des 
Wochenfestes  (=  Pfingsten)  klar  (heiter),  so  ist  das  ein  schönes  Zeichen  für  das  ganze 
Jahr.  R.  Z^bid  (um  330)  sagte:  Das  gilt  vom  ersten  Tage  des  Neujahrs;  ist  dieser 
warm,  so  ist  das  ganze  Jahr  warm ;  ist  er  aber  kalt,  so  ist  das  ganze  Jahr  kalt. 

IG,  3:  Die  Zeichen  der  Zeiten. 
Über  die  Vorzeichen  der  Tage  des  Messias  s.  den  diesbezügl.  Exkurs. 

1(»,  4;  dazu  s.  bei  Mt  12,39. 
16, 6:  Hütet  euch  vor  dem  Sauerteig  der  Pharisäer  u.  Sad du zäer. 

Die  Jünger  verstanden  das  Wort  zunächst  in  dem  Sinne,  in  welchem 
man  auch  sonst  von  dem  „Gesäuerten  des  u.  des"  redete, a  u.  meinten^ 
daß  Jesus  sie  warnen  wolle,  Brot  von  den  Pharisäern  u.  Sadduzäern 
anzunehmen.  Erst  hinterher  kommt  ihnen  die  Erkenntnis,  daß  unter 
dem  S.  der  Ph.  u.  Sadd.  deren  Lehre  zu  verstehen  sei.  In  der  rabbin, 
Literatur  die  einer  Lehre  zugrunde  liegende  treibende  Kraft  „S."  ge- 
nannt wohl  nur  pChag  '2,  76%  37:  R.  Chijja  b.  Ba  (um  280)  hat  gesagt: 
Hätten  sie  (Isr.)  mich  verlassen  (spricht  Gott),  so  würde  ich  Nachsicht 
üben,  vielleicht  daß  sie  meine  Tora  beobachteten  (vgl.  Jerl6, 11)!  Denn 
wenn  sie  mich  verließen,  aber  meine  Tora  beobachteten,  so  würde  der 
S.  darin  n^t^  ^iscn  sie  mir  (wieder)  nahebringen.  —  Dasselbe  P'^siq  121"; 
dagegen  liest  Midr  KL  Einl.  Nr.  2  (29  '^) :  n^^:j  mx^n  „  das  Licht  in  ihr" .  — 
Im  Rabbin,  bezeichnet  sonst  „S."  ^'iNb,  nixi-c:,  nixö,  "i.xio,  x'^'^n^ö,  -io 
im  bildlichen  Sinn  entweder  den  bösen  Trieb  y-^n  nij-b  im  Menschen 
oder  die  schlechte  Art  u.  Gesinnungc  eines  Menschen.  In  ähnlichem 
Sinn  wird  auch  „Essig"  bildlich  gebraucht ;d  dagegen  ist  „etwas  zu 
Essig"  oder  „sauer  werden  lassen"  gleich  „etwas  hinausschieben". e 


Matth  16,  G.  13.  14  729 

a.  pSch'^^bifith  8, 38 1>,  61 :  R.  Elfazar  (um  270)  erlaubte  das  Gesäuerte  der  Samaritaner 
sofort  nach  dem  Passah.  \\  Chullin  4":  Das  Gesäuerte  derer,  die  eine  Übertretung  begehen 
(u.  das  Gesäuerte  vor  dem  Passah  aus  ihren  Häusern  nicht  fortschaffen)  ist  nach  dem 
Passah  sofort  erlaubt.        b.  Beispiele  s.  im  Exk. :  „Der  gute  u.  der  böse  Trieb"  Nr.  4,  c. 

C.  p?AZ  2,  4P,  8:  Ein  Proselyt  war  Haarschneider  u.  Astrolog;  in  seiner  Astrologie 
hatte  er  geschaut,  daß  die  Juden  sein  Blut  vergießen  würden;  das  bezog  sich  aber  nur 
auf  seinen  Übertritt  zum  Judentum  (d.  h.  auf  seine  Beschneidung).  Er  wurde  Jude;  kam 
aber  einer  zu  ihm,  um  sich  die  Haare  schneiden  zu  lassen,  so  tötete  er  ihn.  Wie  viele 
von  solchen  hat  er  getötet?  R.  EI?azar  b.  Jose  (der  Jüngere,  gegen  400  n.  Chr.)  hat 
gesagt:  Achtzig;  R.  Jose  b.  Bun  (um  350)  hat  gesagt:  Dreihundert.  Schließlich  betete 
man  für  ihn,  u.  er  kehrte  zu  seinem  Sauerteig  (früheren  Art  -^i-s-c)  zurück  (er  wurde 
wieder  Heide).  —  In  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  Wenn  ein  NichtJude  (heilige)  Bücher, 
Gebetsriemen,  Türpfostenkapseln  verkauft,  so  kauft  man  solche  nicht  von  ihm.  Aber 
in  einer  Bar  ist  doch  auch  gelehrt  worden:  Es  geschah  einmal,  daß  ein  NichtJude  in 
Sidon  (heilige)  Bücher,  Gebetsriemen  u.  Türpfostenkapseln  verkaufte;  als  die  Sache  vor 
die  Gelehrten  kam,  sagten  sie:  Es  ist  erlaubt,  von  ihm  zu  kaufen.  R.  Sch'^muel  b.  Nathan 
(gegen  300)  hat  im  Namen  des  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  gesagt:  Es  handelte  sich 
um  einen  Proselyten,  der  zu  seiner  (früheren)  Art  ^^is-c  zurückgekehrt  war.  ||  BM  59  *> 
Bar:  R.  Elifezer  der  Altere  (um  90)  sagte:  Warum  ermahnt  die  Tora  an  36  Stellen, 
oder,  wie  andre  sagen,  an  46  Stellen  zur  Vorsicht  in  bezug  auf  den  Proselyten  (daß 
man  ihn  nicht  kränken  solle  u.  dgl.)?  Weil  seine  Art  ii'c  (sein  Sauerteig)  böse  ist  (u.  er 
leicht  ins  Heidentum  zurückfällt).  ||  GnR  70  (45-'):  Man  hat  gesagt:  Wenn  R.  J'^hoschua? 
(um  90)  nicht  so  langmütig  mit  dem  (Proselyten)  'Aqilas  umgegangen  wäre,  so  wäre  dieser 
zu  seiner  (früheren)  Art  i^ic  zurückgekehrt  (wieder  Heide  geworden).  —  In  der  Parallel- 
stelle Midr  Qoh  7,  8  (ed.  1519)  steht  ^-is^r  statt  i^ic.  —  Über  <Aqilas  s.  zu  1  Kor  16, 19. 

d.  BM  83 1«:  R.  .l'^hoschua!  b.  Qarcha  (um  150)  ließ  dem  R.  EHazar  b.  SchimEon  (der 
den  Römern  Schergendienste  leistete)  sagen:  Essig,  Sohn  des  Weines  (]'"'  "ja  V'^in,  d.  h. 
entarteter  Sohn  eines  braven  Vaters),  wie  lange  willst  du  das  Volk  unsres  Gottes  zur 
Hinschlachtung  ausliefern?  —  In  der  Parallelstelle  aramäisch:  s-^sr;  12  sVn  pMa'as  8, 
50*^,  47.  il  Chullin  lOö''  findet  sich  zweimal  die  Redensart:  In  dem  u.  dem  Stück  bin  ich 
im  Vergleich  mit  meinem  Vater  s^i^r  -«3  ahn  =  Essig,  Sohn  des  Weines  (der  Vater 
beobachtete  eine  strengere  Gesetzespraxis  als  der  Sohn).  ||  RH  3i>.  4»  beseitigt  R.  Ji9chaq 
(um  300)  einen  Widerspruch  zwischen  mehreren  Aussagen  über  den  König  Darius  mit 
den  Worten:  Da  liegt  kein  Widerspruch  vor;  in  dem  einen  Fall  handelt  es  sich  um  die 
Zeit,  bevor  er  sauer  (gottlos)  geworden  war  •;"^~~'^  s-;ip,  u.  in  dem  andren  um  die 
Zeit,  nachdem  er  sauer  geworden  war.  Rab  Kahana  (um  300)  warf  ein:  Ist  er  denn  sauer 
geworden  v"'''^'^  "'s!?   Woher  läßt  sich  beweisen,  daß  er  sauer  geworden  ist  \-aT.^-.'> 

e.  M^'khEx  12, 17  (13a):  „Beobachtet  die  ungesäuerten  Brote"  Ex  12,17.  R.  Joschijja 
(um  140)  sagte:  Lies  nicht  so  rvii'?-,  sondern  r-:;»jrT  „die  Gebote":  wie  man  das  un- 
gesäuerte Brot  nü^  nicht  sauer  werden  läßt,  so  soll  man  auch  ein  Pflichtgebot  n^i:»? 
nicht  sauer  werden  lassen  (auf  die  lange  Bank  schieben) ;  sondern  wenn  ein  Pfl.  in 
deine  Hand  kommt,  so  tue  es  sofort.  ||  Sanh  35»;  Raba  (f  352)  sagte:  yi^sr;  i— i-s  Jes  1, 17 
bedeutet:  Heil  dem  Richter,  der  seine  Prozeßsache  sauer  werden  läßt  (die  Urteilsfällung 
bis  zum  nächsten  Tage  hinausschiebt). 

16,13:  Wer  sagen  die  Leute,  daß  des  Menschen  Sohn  sei? 
vioq  zov  avi^Qomov  als  Messiasbezeichnung  s.  bei  8, 20  (S.  485)  u.  24, 30. 

16,  14:  Andre  (sagen:)  Elias,  noch  andre  aber:  Jeremias 

oder  einer  der  Propheten. 
'HXsiuv.  —  Über  die  an  Elias  geknüpften  messian.  Erwartungen  u. 
die  Vorläufer  des  Messias  s.  den  Exkurs:  Der  Prophet  Elias  nach  seiner 
Entrückung  u.  bei  seiner  Wiederkehr. 


730  Matth  16, 14.  17  (3t.  SB) 

'l£Q€/j.iar.  —  Das  Erscheinen  des  Jeremia  vor  Anbruch  der  messian. 
Zeit  wird  erwartet: 

4  Esra  2, 17  ff. :  Noli  timere,  mater  filiorum,  quoniam  te  elegi,  dicit  dominus.  Mittam 
tibi  adiutorium  pueros  iiieos  Isaiam  et  Jeremiani,  ad  quorum  consilium  sanctificavi  et 
paravi  tibi  arbores  duodecim  giavatas  variis  fructibus,  et  totidem  fontes  fluentes  lac  et 
mel,  et  montes  immensos  Septem  habentes  rosam  et  lilium,  in  quibus  gaudio  iniplebo 
filios  tuos.  —  Die  Stelle  stammt  von  einer  christlichen  Hand  u.  verdankt  ihren  Ursprung 
wohl  erst  einer  Reflexion  über  Mt  16, 14. 

In  der  altjüdischen  Literatur  erscheint  Jeremia  nirgends  als  Vor- 
läufer des  Messias.  Auch  in  den  Legenden  2Makk2,4ff. ;  15, 13  ff.,  aus 
denen  nach  Bertholdt,  Keil,  Nösgen  u.  andren  dieVorstellung  in  Mt  16,14 
geflossen  sein  soll,  hat  Jer.  nichts  mit  der  messian.  Zeit  zu  schaffen, 

2Makk2,  4ff. :  'Es  stand  in  der  Schrift,  wie  der  Prophet  (Jer.)  auf  erhaltenen 
Gottesbefehl  das  Zelt  u.  die  Bundeslade  sich  nachtragen  ließ.  Wie  er  aber  an  den  Berg 
kam,  von  wo  herab  Mose  Gottes  Erbteil  geschaut  hatte,  da  ging  Jer.  hin  u.  fand  eine 
höhlenartige  Behausung:  dahinein  brachte  er  das  Zelt  u.  die  Lade  u.  den  Räucheraltar 
u.  verwahrte  den  Zugang.  Später  kamen  etliche  von  seinen  Begleitern,  um  sich  den 
Weg  zu  bezeichnen,  u.  konnten  ihn  nicht  finden.  Da  Jer.  das  erfuhr,  sprach  er  tadelnd : 
Der  Ort  soll  unbekannt  bleiben,  bis  dafj  Gott  sein  Volk  wieder  versammelt  u.  ihm  Gnade 
erweist.  —  Bertholdt,  Christologia  Judaeorum  S.  67  f.  bringt  hierzu  aus  Josephus  Gorio- 
nides einen  Parallelbericht,  an  dessen  Schluß  Jer.  sagt:  ,Nemo  hominum  seiet  locum, 
donec  venero  ego  et  Elias" ;  aber  die  auf  Jer.  bezüglichen  Worte  fehlen  wenigstens  in 
unsrer  Ausgabe  des  Josippon,  Amsterdam  1728,  Blatt  lob.  jj  2  Makk  15,  12  ft'.:  Das  darin 
(in  einem  Traum  des  Judas  Makkabäus)  enthaltene  Gesicht  war  aber  dieses:  Onias 
(der  III.),  der  einstige  Hohepriester,  habe  mit  ausgestreckten  Händen  für  das  ganze 
Gemeinwesen  der  Juden  gebetet.  Dann  sei  ihm  ebenso  ein  Mann  erschienen,  durch 
graues  Haar  u.  Würde  ausgezeichne't  u.  um  denselben  eine  wunderbare  u.  hochherrliche 
Majestät.  Onias  aber  habe  angehoben  u.  gesagt:  Dieser  ist  der  Freund  seiner  Brüder,  der 
viel  betet  für  das  Volk  u.  die  heilige  Stadt,  Jeremia,  der  Prophet  Gottes.  Jer.  aber  habe 
mit  ausgestreckter  Hand  dem  Judas  ein  goldenes  Schwert  gegeben  u.  dabei  gesagt:  Nimm 
das  heilige  Schwert  als  ein  Geschenk  von  Gott;  durch  es  wirst  du  die  Feinde  vernichten! 

fV«  rujy  ■nQ0(f7]Tiöi';  s.  hierzu  bei  Joh  6,  14  u.  Apg  3,  22. 

16,  16:   Du   bist  der  Christ,   der  Sohn  des  lebendigen  Gottes. 

Zu  6  XQiaiög  s.  S.  6  ff.  u.  zu  d  viSg  rov  f^eov  bei  Rom  1,  3. 

16, 17  51:  Barjona. 
BaQicovä  =  xji^  i2.    Solche  Abkürzung,  aus  -^zrrr  (•rrt'i'i)  Joh  1,42; 
21,15  ist  sonst  nicht  nachweisbar  (Dalman,  Gramm.- S.  179). 

16,17  23:  Fleisch  u.  Blut. 

accQ^  xal  aijjia.  —  d'iT  -iizj2  häufige  Umschreibung  für  „Mensch", 
meist,  wie  auch  hier,  im  Gegensatz  zu  dem  unvergänglichen  Gott. 

Sir  (hebr.)  14,  18:  Wie  die  Blattknospe  am  grünen  Holz:  die  eine  wird  welk  u.  die 
andre  sproßt  —  so  sind  die  Geschlechter  von  Fleisch  u.  Blut:  das  eine  stirbt  u.  das 
andre  kommt  zur  Reife.  ||  B*'rakh28b:  Als  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  er- 
krankt war,  besuchten  ihn  seine  Schüler.  Als  er  sie  sah,  fing  er  an  zu  weinen.  Sie 
sprachen  zu  ihm:  Leuchte  Israels,  rechte  Säule  (vgl.  2  Chr  3, 17),  fester  Hammer,  warum 
weinst  du?  Er  antwortete:  Wenn  man  mich  vor  einen  König  von  Fleisch  u.  Blut  führte, 
der  heute  hier  ist  u.  morgen  im  Grabe  —  wenn  er  über  mich  zürnte,  so  wäre  sein  Zorn 
kein  ewiger  Zorn,  u.  wenn  er  mich  fesselte,  so  wäre  seine  Fessel  keine  ewige  Fessel, 


Matth  16,  17  (58).  16,  18  (Nr.  1)  731 

n.  wenn  er  mich  tötete,  so  wäre  sein  Töten  kein  ewiger  Tod;  auch  könnte  ich  ihn  mit 
Worten  besänftigen  u.  mit  Geld  bestechen  —  so  würde  ich  gleichwohl  weinen.  Und 
jetzt,  da  man  mich  vor  den  König  aller  Könige,  den  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  führt, 
der  da  lebt  u.  bleibt  in  alle  Ewigkeiten  —  wenn  er  über  mich  zürnt,  ist  sein  Zorn  ein 
«wiger  Zorn;  wenn  er  mich  fesselt,  ist  seine  Fessel  eine  ewige  Fessel;  wenn  er  mich 
tötet,  ist  sein  Töten  ein  ewiger  Tod ;  auch  kann  ich  ihn  nicht  mit  Worten  besänftigen 
-u.  mit  Geld  bestechen;  u.  nicht  bloß  dies,  es  sind  auch  zwei  Wege  vor  mir,  der  eine 
ist  der  zum  Gan  fEden  u.  der  andre  der  zum  Gehinnom,  u.  ich  weiß  nicht,  welchen 
man  mich  führen  wird  —  da  sollte  ich  nicht  weinen?  Sie  sprachen:  Unser  Lehrer, 
«egne  uns!  Er  antwortete:  Möchte  es  (Gottes)  Wille  sein,  daß  die  Furcht  vor  Gott  bei 
•euch  sei  so,  wie  die  Furcht  vor  Fleisch  u.  Blut.^  Die  Schüler  sprachen:  Weiter  nicht? 
Er  antwortete:  Wenn  es  doch  so  wäre  (daß  der  Mensch  Gott  so  fürchtete  wie  die 
Menschen)!  Wisset,  wenn  ein  Mensch  eine  Übertretung  begeht,  sagt  er:  Daß  mich  nur 
nicht  ein  Mensch  sieht!  ||  GnR  1  (2''):  ,Denn  du  bist  groß  u.  wundertätig,  du  bist  Gott 
Allein"  Ps  86, 10.  Wie  es  auf  Erden  Brauch  ist,  wird  ein  König  von  Fleisch  u.  Blut  in 
■einer  Stadt  (oder  Provinz)  gepriesen  u.  die  Großen  der  Stadt  (Provinz)  werden  mit  ihm 
gepriesen;  denn  sie  tragen  mit  ihm  seine  Last.  Aber  Gott  nicht  also:  er  hat  allein  die 
Welt  geschaffen,  er  wird  allein  in  der  Welt  gepriesen,  er  wird  allein  in  seiner  Welt 
verherrlicht,  ij  GnR  1  (2'^):  Wie  es  auf  Erden  Brauch  ist,  wird  ein  König  von  Fleisch  u. 
Blut  in  einer  Stadt  (Provinz)  gepriesen,  bevor  er  ihr  öffentliche  oder  Privat-Bäder  erbaut 
•hat;  zuerst  erwähnt  er  seinen  Namen  u.  schließlich  sein  Werk.  Aber  der  Einzige  der 
Welt  wirkt  zuerst  u.  hinterher  wird  er  gepriesen.  Schimfon  b.  fAzzai  (um  110)  sagte: 
Deine  Herablassung  macht  mich  groß  (2  Sm  22,  .36).  Fleisch  u.  Blut  erwähnt  (zuerst) 
seinen  Namen  u.  dann  seinen  Titel  (wörtlich:  sein  Lob):  NN  Augustalis;  NN  ngoiriaiog 
(oder  nowKtToi,  der  Vornehme).  Aber  Gott  nicht  also:  erst  nachdem  er  die  Bedürfnisse 
seiner  Welt  erschaffen  hatte,  erwähnt  er  hinterher  seinen  Namen,  s.  Gn  1,1:  ,1m  Anfang 
■erschuf,  u.  dann  folgt:  „Gott",  11  fEr  19":  R.  Jirm'*ja  b.  Elfazar  (wohl  der  Jüngere, 
«ra  270)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  daß  nicht  wie  Gottes  Art  die  Art  von  Fleisch  u. 
Blut  ist.  Die  Art  von  Fl.  u.  Bl.  ist  es,  daß  man,  wenn  ein  Mensch  den  Tod  durch  die 
Regierung  verdient  hat,  ihm  einen  Knebel  (Stück  Holz)  in  den  Mund  legt,  damit  er 
<lem  König  nicht  fluche;  Gottes  Art  aber  ist  es,  daß  der  Mensch,  wenn  er  den  Tod 
durch  Gott  verdient  hat,  schweigt,  s.  Ps  65,2:  Dir  gegenüber  ist  Schweigen  usw.  || 
Weitere  Beispiele  s.  pB^rakh  1>,  13»,  27:  Fl.  u.  Bl.  hat  einen  Schutzherrn.  —  Das.  Z.  31: 
Kann  denn  FI.  u.  Bl.  der  Regierung  entfliehen?  —  Das.  13^,  1:  Wenn  der,  welcher  sich 
•an  Fl.  u.  Bl.  hängt,  gerettet  wird,  um  wieviel  mehr  der,  welcher  sich  an  Gott  hängt!  — 
Das.  Z.  4:  Wenn  der,  dessen  Name  lautet  wie  der  von  Fl.  u.  Bl.  (wie  der  eines  Menschen) 
gerettet  wird,  um  wieviel  mehr  der,  dessen  Name  wie  der  Name  Gottes  ist!  —  Das. 
Z.  33:  Fleisch  u.  Blut  (=  ein  Mensch)  hat  einen  Verwandten;  wenn  es  (Fl.  u.  Bl.  =  der 
betreffende  Mensch)  reich  ist,  bekennt  sich  dieser  zu  ihm,  u.  wenn  es  arm  ist,  ver- 
leugnet es  dieser;  aber  Gott  nicht  also.  .  .  .  ||  „König  von  Fleisch  u.  Blut"  =  mensch- 
licher König  im  Gegensatz  zum  König  aller  Könige  zB  B'^rakh  28^  (s.  oben),  Midr  Ps  21 
§2  bei  Hebr2,7;  Sanh91aim  Exk.:  Allgemeine  Auferstehung?  Nr.4  E;  IkZh^^;  Wrakh. 
31b;  ExR43  (99a)  oben  S.  725.  726  u.  141;'.  H  Bloß  -:r2  in  der  Verbindung  -ia  '}z.  Sa 
im  cAlenu-Gebet:  „Alle  Kinder  des  Fleisches  (Menschen)  werden  deinen  Namen  an- 
rufen." —  Weitere  Belege  s.  bei  1  Kor  3, 1.  3. 

10, 18:  Aber  auch  ich  sage  dir:  Du  bist  Petrus,  u.  auf  diesem 

Pelsen   will   ich   meine  Gemeinde   bauen,   u.  die  Pforten  der 

Unterwelt  werden  sie  nicht  überwältigen. 

1.   xccyu)  dt  Goi  /fc'yotj  oti  av  si  JIstqoc,  xal  sm  ravTi]  tj]  ntToa.  —  Im 

griech.  Text  bilden  die  Worte  öv  ii  Tlktooc  einen  selbständigen  Satz; 

*  -Furcht  vor  Menschen*   cti  ira  '::s  rtiiij  zweimal  in  Nazir  9,  5. 


732  Matth  16, 18(iNr.  1.2) 

das  beweist  vor  allem  das  öxi,  das  eine  direkte  Rede  einführt,  u.  die 
Korrespondenz,  die  zwischen  dem  ov  si  6  Kgiaroq  Vers  16  u.  dem  av  sC 
IlicQoc  besteht.  Der  ganze  Satz  ist  dann  so  zu  deuten :  Aber  auch  ich 
sage  dir:  Du  bist  Petrus,  du  hast  dich  als  Felsenmann  bewährt,^  indem 
du  als  erster  meine  Messiaswürde  u.  meine  Gottessohnschaft  gläubig 
bekannt  hast,  u.  auf  diesem  Felsen,  d.  i.  auf  dieser  von  dir  gläubig 
bekannten  Tatsache  meiner  Messiaswürde  u.  meiner  Gottessohnschaft, 
will  ich  meine  Gemeinde  bauen.  —  Aber  eine  andre  Frage  ist,  ob  dieser 
Text  auch  wirklich  dem  Wortlaut  der  Rede  in  Jesu  Mund  voll  entspricht. 
Jesus  wird  gesagt  haben  (aramäisch):  cin-je  nx  -b  --on  n:«  rix  (=  hebr. : 
01— l;s  nnx  ?;b  -i^x  i3x  es).  In  diesen  Worten  hat  der  Übersetzer  pn  (nri5<) 
als  erstes  Wort  einer  direkten  Rede  gedeutet:  „Du  bist  Petrus",  als 
ob  Jesus  gesagt  hätte:  's  x^in  nx.  In  Wirklichkeit  aber  ist  t^x  lediglich 
betonende  Wiederholung  des  in  -?  liegenden  Pronomens  der  2.  Person, 
vgl.  Hag  1,4:  orx  csl:  =  „euch,  ja  euch",  s.  Strack,  Gram.  §81,  Ges. 
§  135,  2.  Jesu  Worte  sind  also  zu  übersetzen:  Auch  ich  sage  dir,  ja  dir, 
Petrus  (sage  ich  es,  weil  du  als  erster  meine  Messiaswürde  u.  meine 
Gottessohnschaft  bekannt  hast):  Auf  diesem  Felsen  (auf  der  Tatsache 
meiner  Messiaswürde  u.  meiner  Gottessohnschaft)  will  ich  meine  Ge- 
meinde bauen.  —  Das  xuyM  6s  aoi  /.t'ya)  tritt  damit  an  die  Seite  der 
dem  Petrus  gewordenen  Gottesoffenbarung:  Gott  hat  dir  meine  Messias- 
würde u.  meine  Gottessohnschaft  offenbart,  u.  ich  füge  dir,  Petrus,  gegen- 
über hinzu:  Auf  dem  Felsengrund  dieser  Wahrheit  will  ich  meine  Ge- 
meinde bauen.  —  Diese  Fassung  der  Worte  Jesu  empfiehlt  sich  wegen 
ihrer  Einfachheit  von  selbst:  vor  allem  beseitigt  sie  jeden  Zweifel 
darüber,  was  unter  dem  Felsen  der  Gemeinde  Jesu  zu  verstehn  ist. 

2.  sTii  laviij  %fi  näxQu  oixodo}.i)]öO!i  f.iov  xijv  exxh^aiar.  —  Das  Bild 
vom  Bauen  begegnet  oft  in  der  rabbin.  Literatur;  schon  der  alttestam. 
Ausdruck  „Haus  Israel"  legte  es  nahe,  vgl.  zB  Ruth  4, 11  f.  So  erscheint 
Gott  als  Baumeister  der  W'elt;  an  andren  Stellen  wird  die  Tora  als  Bau- 
meisterin der  Welt  bezeichnet,  auch  als  Schöpfungsplan  u.  Schöpfungs- 
werkzeug wird  sie  angesehen,  s.  Beispiele  bei  Joh  1 , 1  —4  Nr.  4.  —  Häufig 
wird  über  den  Grund  reflektiert,  der  es  Gott  ermöglicht  hat,  seine  Welt 
zu  schaffen.  Als  solcher  wird  genannt:  «,  die  Tora;  so  R,  Banna>a(um  220) 
GnR  1  (2«),  R.  Acha  (um  320)  GnR  1  (2^"),  R.  J'^huda  b.  Simon  (um  320) 
LvR  23  (121''),  R.  Judan  (um  350)  GnR  12  (8^'),  anonym  Tanch  i-r^  89'\  \ 
fi,  Abraham;  so  R.  J'^hoschua'^  b.  Qarcha  (um  150)  GnR  12  (9^),  R.  Levi 
(um  300)  GnR  12  (8^"),  R.  Chalaphta  b.  Kahana  (ein  Amoräer  ungewisser 
Zeit)  Tanch B  r-^  -r  §  6  (60"),  R.  Judan  (um  350)  Midr  Ps  104  §  15  (222 "), 
R,  Tachlipha  (wann?)  TanchB  r-^Trx-n  §  16  (6*).  |  y,  Jakob;  so  R,  Abbahu 


^  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  die  Beilegung  des  Namens  Petrus,  die  war  ja 
nach  Joh  1,  42  bereits  bei  der  Berufung  des  Apostels  erfolgt,  sondern  um  das  Zeugnis, 
daß  der  Apostel  durch  das  eben  abgelegte  Bekenntnis  seinen  Beinamen  als  Felsenmann 
bewährt  habe. 


Matth  U>,  18  (Nr.  2.  3)  733 

<um  300)  LvR  36  (133'^),  R.  Chanina  b.  Ji9chaq  (um  325)  LvR  36  (133^).  \ 
J,  Mose;  so  R.  Acha  (um  320)  LvR  36  (133 '0.  \  f,  die  Gerechten;  so  R.  Jose 
b.  Chanina  (um  270)  Midr  Ps  45  §  9  (107").  |  s,  Israel.  Belege  s.  im  Ex- 
kurs: „Diese  Welt"  usw.  II,  2,  u.  —  In  diesen  Stellen  heißt  es  überein- 
stimmend, daß  die  Welt  nur  um  Abrahams  oder  um  Moses  oder  um 
Israels  willen  erschaffen  worden  sei.  Darin  liegt,  daß  die  Verdienste 
der  Genannten  Gott  eine  Bürgschaft  gewesen  seien,  daß  das  Ziel  des 
göttl.  Weltplanes  werde  erreicht  werden,  u.  eben  weil  Gott  die  Ver- 
wirklichung des  Weltzwecks  durch  die  Genannten  im  voraus  gesichert 
sah,  darum  können  sie  selbst  als  der  Grund  angesehen  werden,  auf 
den  hin  die  Welt  ins  Dasein  gerufen  wurde,  oder  als  die  sichere  Grund- 
lage, auf  der  Gott  seine  Welt  erbaute. 

GnR66  (42b):  R.  Huna  (um  350)  eröffnete  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  seinen 
Vortrag  mit  Ps  75,4:  ,0b  auch  die  Erde  zerfließt  mit  all  ihren  Bewohnern  .  .  .,  ich, 
ich  habe  (ihre  Säulen)  festgestellt."  Jch":  als  die  Israeliten  (am  Sinai)  die  Worte  auf 
sich  nahmen:  ,lch  bin  Jahve  dein  Gott"  Kx  20,2,  da  „habe  ich  (der  Erde)  Säulen  fest- 
gestellt. Sela",  u.  die  Welt  wurde  (durch  dieses  Verdienst  Israels)  fundamentiert  (lies 
ccan:  statt  zzzr:).  li  GnR  14(10^):  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Für  ge- 
wöhnlich wenn  ein  Mensch  (ein  Bauherr)  einen  mächtigen  Balken  hat,  wohin  wird  er 
•den  legen?  Doch  in  die  Mitte  des  Speisesaales,  damit  er  die  Balken  vor  ihm  u.  hinter 
ihm  trage.  Ebenso  warum  hat  Gott  den  Abraham  in  der  Mitte  der  Geschlechter  er- 
schaffen? Damit  er  die  Geschlechter  vor  ihm  u.  nach  ihm  trage.  —  Parallelstelle: 
MidrQoh:^,  11  (19*).  ||  Besonders  eng  berührt  sich  mit  Mt  16,  18  folgende  Stelle  aus 
J'^lamm'^'denu  in  Jalqut  1  §766:  ,Vom  Gipfel  der  Felsen  :— •::  seh'  ich  ihn"  Nu  23,  9. 
Ich  sehe  jene,  die  der  Weltschöpfung  vorhergegangen  sind.  Gleich  einem  König,  der 
«inen  Bau  aufführen  wollte.  Immer  tiefer  ließ  er  graben  u.  suchte  das  Fundament 
(den  Grundstein  ci--*?."?^.  =  .VfufAto?)  zu  legen;  aber  er  fand  Wassersümpfe;  u.  ebenso 
an  vielen  (andren)  Stellen.  Da  ließ  er  nur  noch  an  Einer  Stelle  graben,  u.  er  fand  in 
der  Tiefe  einen  Felsen  s;-^-:  [ueTgr.}.  Da  sprach  er:  Hier  will  ich  bauen!  Und  er  legte 
■das  Fundament  u.  baute.  So  suchte  Gott  die  Welt  zu  erschaffen,  u.  er  saß  u.  dachte 
nach  über  das  Geschlecht  des  Enosch  u.  das  Geschlecht  der  Flut.  Er  sprach:  Wie 
kann  ich  die  Welt  erschaffen,  da  diese  Gottlosen  erstehn  u.  mich  ärgern  werden!  Als 
aber  Gott  auf  Abraham  schaute,  der  erstehn  sollte,  sprach  er:  Siehe,  ich  habe  einen 
Felsen  s-^-^z  gefunden,  auf  dem  ich  die  Welt  bauen  u.  gründen  kann.  Deshalb  nannte 
er  Abraham  einen  Felsen,  ~-^,  s.  Jesöl,  1:  „Blicket  auf  den  Felsen,  aus  dem  ihr  ge- 
hauen seid."  Auch  die  Israeliten  nennt  er  Felsen  a—i--  (als  Belegstelle  ist  wohl  Nu  23,  9 
gedacht).  —  Eine  ganz  ähnliche  Stelle,  in  der  aber  „die  Väter"  statt  Abrahams  genannt 
sind,  findet  sich  ExR  1.5  (76').  —  i|  Zu  Gott  als  Baumeister  der  Welt  s.  auch  M'^kh  Ex 
15,  11  (49'')  u.  GnR  1  (2"). 

3.  ri]r  exxhjaiar.  —  f'xy.Xr^ffi'a  bezeichnet  seiner  Etymologie  nach 
zunächst  die  Gesamtheit  aller  durch  das  Evangelium  zu  Christo  Be- 
rufenen, also  die  neutestamentl.  Heilsgemeinde,  die  Kirche ;  so  Mt  1 6, 1 8 ; 
Apg  5.  11;  9,  31;  Rom  16,  23:  1  Kor  6,  4;  sodann  die  Einzelgemeinde 
in  ihrer  örtlichen  Begrenzung;  so  Apg  8, 1;  13, 1;  14  27;  Rom  16, 1;  1  Kor 
4,17;  IThessl.l.  —  Das  AT  gebraucht  zur  Bezeichnung  der  israe- 
litischen Volksgemeinde  bnjr  (LXX  sxxlijai'a  u.  aviaYMYij)  u.  nn"  (LXX 
(Tvrayujyti).  —  Die  Rabbinen  verwenden  bnp  u.  mr  nur  selten;  jenes 
zur  Bezeichnung  größerer.»  dieses  meist  zur  Bezeichnung  kleinerer  Ge- 
meinschaften b  (Einzelgemeinde,  Gerichtskollegium  usw.).   Der  eigent- 


734  Matth  16, 18  (Nr.  3) 

liehe  rabbinische  Ausdruck  für  die  israelitische  Gesamt-  u.  Einzel- 
gemeinde ist  ^!i3u,  aram.  x-^sia^,  =  Haufen,  Gesamtheit,  im  Gegensatz, 
zum  einzelnen  i"'r.';.c  Daneben  erscheint  sehr  häufig  die  Wendung  no:?; 
hitr^^i  =  „Gemeinde  Israel",  eine  Personifizierung  des  gläubigen  Gesamt- 
israels, das  gleichsam  als  Mutter  den  einzelnen  Gliedern  des  Volkes  als- 
den  Kindern  gegenübergestellt  werden  kann;  vergleichen  läßt  sich  das- 
alttestamentl.  Ti'':i  zB  Jes49, 14  oder  auch  der  mni  152?  bei  Deutero- 
jesaja,  soweit  er  das  ideale  Israel  bezeichnet.  Doch  scheint  der  Ausdruck; 
bx^iri  rczz  jüngeren  Datums  zu  sein;  er  findet  sich  zuerst  im  Munde^ 
des  R.  Jehoschua<  b.  Levi  u.  des  R.  Schim'on  b.  Laqischd  (beide  um  250),. 
in  einer  anonymen  Ausführung  auch  schon  M'kh  Ex  15,  2  (44'^)  u.  SDt 
32,  1,  §  306  (130'')  zweimal.  Die  frühere  Zeit  sagte  statt  bx-ia-'  ro^s 
einfach  bNnc^  so  SDt  33,  2  §343  (143=»). 

a.  -"i^.  —  Hör  ],5:  Entschied  ein  Gericlitshof  (irrtümlich)  u.  die  ganze  Gemeinde 
hr-pri  5a  oder  ihi-e  Mehrzahl  handelte  nach  seinem  Wort,  so  bringt  man  einen  Farren. 
(als  Sttndopfer)  dar.  .  . .  Das  sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150).  R.  J'^^huda  (um  150)  sagte: 
Die  zwölf  Stämme  bringen  zwölf  Farren  dar.  .  .  .  ||  pHor  1,46**,  54:  R.  Meir  sagte:  Alle 
Stämme  werden  ( zusammen)  eine  Gemeinde  h'np  genannt.  R.  J^'huda  sagte :  Jeder  einzelne 
Stamm  wird  eine  Gemeinde  -np  genannt.  ||  Hör  b'^  Bar:'  R.  Schimfon  b.  Elfazar  (um  190) 
sagte  in  seinem  eigenen  Namen:  Wenn  sechs  Stämme  gesündigt  haben  u.  sie  sind  die- 
Mehrzahl  der  (ganzen)  Gemeinde  hr-,  oder  wenn  sieben  gesündigt  haben,  auch  wenn 
sie  nicht  die  Mehrzahl  der  (ganzen)  Gemeinde  Vn-  sind,  so  bringen  sie  einen  Farreni 
dar.  II  pjeb8,9b,49:  R.jehuda(um  150)  sagte:  Vier  Gemeinden  r-^r^  gibt  es  (Dt 23,  3.4): 
Die  Gemeinde  hnp  der  Priester,  die  Gemeinde  der  Leviten,  die  Gemeinde  der  (übrigen) 
Israeliten  u.  die  Gemeinde  der  Proselyten.  .  .  .  Die  Rabbinen  sagten:  Drei  Gemeindea 
r'-:-np  sind  es  (nämlich  die  drei  zuerst  genannten).  —  In  der  Bedeutung  „Gemeinde- 
versammlungen" steht  r-''>"  zB  B'^'rakh  61b:  R.  sAqiba  (f  um  135)  hatte  'p  zus.berufen. 

b.  --y.  —  -r-v  —  Gesamtgemeinde  M'^kh  Ex  14, 15  (35-^):  R.  Meir  (um  150)  sagte- 
(Gott  sprach  zu  Mose:)  Dem  ersten  Menschen,  der  ein  einzelner  war,  habe  ich  trocknes 
Land  bereitet  (s.  Gn  1,9),  u.  der  Gemeinde  dieser  Heiligen  (o^r:^p  ny  =  Israel)  sollte- 
ich  kein  trocknes  Land  (zum  Durchzug  durch  das  Meer)  bereiten?  —  my  als  Bezeich- 
nung kleinerer  Gemeinschaften  zB  B'rakh  6-':  R.  Jicjchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Woher 
läßt  sich  beweisen  in  hetug  auf  zehn  Personen,  welche  beten,  daß  die  Sch'^khina  (Gott- 
heit) unter  ihnen  weilt?  s.  Ps  82,  1:  ,Gott  steht  da  in  der  Gemeinde  Gottes"  -s  nsa 
(also  bilden  schon  zehn  Personen  eine  ~~y,  vgl.  das  nächste  Zitat).  i|  Sanh  1,6:  Woher,, 
daß  eine  Gemeinde  --,y  aus  zehn  Personen  besteht?  s.  Nu  14,27:  „Wie  lange  soll  es 
dieser  bösen  Gemeinde  .  .  .?"  Josua  u.  Kaleb  sind  ausgenommen.  —  Nu  14,27  wird 
auf  die  Kundschafter  gedeutet;  da  deren  Anzahl  zwölf,  also  ohne  Josua  u.  Kaleb  zeha 
betrug,  u.  diese  zehn  Nu  14,  27  eine  n-j-  heißen,  so  folgt  daraus,  daß  zu  einer  my 
(mindestens)  zehn  Personen  gehören.  ||  pMSch  2,  53*^,  2  wird  „eine  heilige  Gemeinde" 
nx-rp  r.-.v  erwähnt,  mit  der  R.  Jose  b.  M'^schullam  u.  R.  Schimfon  b.  M'^nasja  (beide- 
um  180)  gemeint  sind.  —  In  bezug  auf  sie  wird  Midr  Qoh9,9(42^)  gefragt:  Warum 
nennt  Rabbi  sie  „heilige  Gemeinde"?  .  .  .  Weil  sie  den  Tag  drittelten:  ein  Drittel  für 
die  Tora,  ein  Drittel  für  das  Gebet  u.  ein  Drittel  für  die  Arbeit.  Einige  sagen:  Sie  be- 
schäftigten sich  mit  der  Tora  in  den  Wintertagen  u.  mit  der  Arbeit  in  den  Sommer- 
tagen. II  BQgub  wird  mehrfach  der  Ausspruch  des  R.  Schimfon  aus  Teman  (um  110> 
zitiert,  daß  die  Faust,  die  geschlagen  hat,  dem  Gerichtskollegium  u.  den  Zeugen  n-y'5 
c^-y^i  zu  übergeben  (vorzulegen)  sei. 

C.  "i::::,  meist  =  Einzelgemeinde.  B'rakh  8b :  R.  J^'hoschuac  b.  Levi  (um  550)  hat 
gesagt:  Es  ist  dem  Menschen  verboten,  hinter  der  Synagoge  vorüberzugehn  zu  der  Zeit, 
da  die  Gemeinde  -i:u-  (darin)  betet.  ||  TB'rakh  3,  5  (6):  R.  J'huda  (um  150)  hat  gesagt: 


Matth  16,  18  (Nr.  3)  735 

Wenn  R.  cAqiba  (f  um  135)  mit  der  Gemeinde  i-^san  as  betete,  so  machte  er  es  kurz 
der  Gesamtheit  wegen.  ||  Aboth  2,  2:  Rabban  Gamliel,  der  Sohn  des  Patriarchen  R.  J'^huda, 
(um  220)  sagte:  .  .  .  Alle,  die  sich  mit  der  Gemeinde  ^^zli^r\  dv  abmühen,  sollen  sich 
mit  ihnen  (den  Gemeindegliedern)  um  Gottes  willen  (u.  nicht  aus  selbstischen  Neben- 
absichten) abmühen.  |i  Joma22b:  Sch*^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  zum 
Vorsteher  über  die  Gemeinde  -i3-.i:^  hy  gesetzt  wird,  wird  er  reich.  .  .  .  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schinicon  b.  J'^ho^adaq  (um  225)  gesagt:  Man  stellt  als 
Vorsteher  über  die  Gemeinde  nur  einen  an,  dem  eine  Butte  mit  Kriechtieren  hinten 
herunterhängt:  denn  wenn  sein  Sinn  stolz  wird,  sagt  man  zu  ihm:  Wende  dich  rück- 
wärts  (u.  sieh,  was  dir  anhängt:  Familienmakel).  ||  RH  17»:  Rab  J'^huda  (f  299)  hat 
gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Jeder  Gemeindevorsteher,  der  übertriebene  Furcht 
nicht  um  Gottes  willen  über  die  Gemeinde  ^laun  hy  bringt,  sieht  keinen  Sohn  als 
Gelehrtenschüler.  .  .  . 

-?.2i:  =  Gesamtgemeinde.  Aboth  2, 4:  Hillel  (um  20  v.  Chr.)  pflegte  zu  sagen:  Sondre 
dich  nicht  von  der  Gemeinde  (ii:::n  ^■o  =  von  der  Gesamtheit)  ab.  ||  Ta'an  IIa  Bar: 
Wenn  die  Israeliten  sich  in  Not  beiinden  u.  es  sondert  sich  einer  von  ihnen  ab,  dann 
kommen  die  beiden  Dienstengel,  die  den  Menschen  geleiten,  u.  legen  ihm  ihre  Hände 
auf  sein  Haupt  u.  sagen:  Dieser  NN,  der  sich  von  der  Gemeinde  -laun  ^yj  (=  von  der 
Gesamtheit)  abgesondert  hat,  soll  den  Trost  der  Gemeinde  -iz-s  nicht  sehen!  (Die  Fort- 
setzung der  Stelle  bei  Lk  12, 19).  ||  RH  17a  (Bar):  Die  sich  von  den  Wegen  der  Gemeinde 
-^as  (=  Gesamtheit)  absondern,  .  .  .  die  stürzen  in  den  Gehinnom  hinab.  ||  Joma7,5: 
Man  befragte  die  Urim  u.  Tummim  nicht  für  einen  Privatmann,  sondern  nur  für  einen 
König  u.  für  einen  Gerichtshof  u.  für  einen,  dessen  die  Gemeinde  -ii3::n  (=  Gesamt- 
heit) bedurfte.  ||  BQ  79 b  Bar:  Man  erläßt  keine  Verordnung  für  die  Gemeinde  ~y 
"■lasn  (=  für  die  Gesamtheit),  es  sei  denn,  daß  die  Mehrzahl  der  Gemeinde  dabei 
bestehen  kann. 

-^z-s  als  Gegensatz  von  t":-  —  SNu  10, 10  §  77  (19b):  , Stoßet  in  die  Trompeten 
zu  euren  Brandopfern  u.  zu  euren  Friedmahlsopfern "  Nu  10, 10.  Von  den  Opfern  der 
Gemeinde  iias  (=  Gesamtheit)  redet  die  Schrift.  Du  sagst:  von  denen  der  Gemeinde 
.redet  die  Schrift;  oder  nicht  vielmehr  sowohl  von  denen  der  G.  als  auch  von  denen  des 
einzelnen  -^--?  Wovon  handelt  die  (ganze)  Stelle?  Von  der  G.  R.  Schinicon  b.  cAzzai 
(um  110)  sagte:  Von  denen  der  G.  redet  die  Schrift;  oder  sowohl  von  denen  der  G. 
als  auch  von  denen  des  einzelnen?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  ,Zn  euren  Brandopfern 
u.  zu  euren  Friedmahlsopfern."  .  .  .  Ii  Joma2,  6  stehen  die  Gemeindeopfer  -la::  r^zz^p 
den  Opfern  eines  einzelnen  th^  ruaip  gegenüber.  ||  Zur  Ausgleichung  einander  wider- 
sprechender Sätze  dient  RH  18 a  die  Formel:  Dort  handelt  es  sich  um  einen  einzelnen 
Tn-«,  hier  um  die  Gemeinde  -nau  {-=  Gesamtheit). 

d.  -ia-j^  roja.  —  P^^s  118^:  R.  Schimcon  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  be- 
deutet Ps  113,9:  n'an  n-ipy  "»a-i-Ta  (seßhaft  machte  er  die  Unfruchtbare  des  Hauses)? 
Die  Gemeinde  Israel  hn'Z'^  rziz  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  deine  Kinder  (sach- 
lich =  meine  Kinder,  die  einzelnen  Israeliten  gegenüber  der  'r^  'a)  haben  mich  dem 
Wiesel  gleichgemacht,  das  am  , Grunde  des  Hauses"  (r-an  r~py)  wohnt.  —  Ein  Klage- 
wort der  Gemeinde  Isr.  über  ihre  Kinder,  die  durch  ihre  Sünden  es  veranlaßt  haben, 
daß  sie  in  «der  Tiefe  weilen  muß;  s.  Bacher,  Pal.  Amor.  2, 370,  wo  jedoch  die  Angabe 
der  Fundstelle  (P'^s  IIS^J)  fehlt.  ||  B'^rakh  32'»:  „Zion  spricht:  Verlassen  hat  mich  Jahve 
u.  Jahve  hat  mich  vergessen"  Jes49, 14.  Resch  Laqisch  (=  R.  Schim'on  b.  L.)  hat  ge- 
sagt: Die  Gemeinde  Israel  'r^  '33  (entspricht  genau  dem  iru  Jes49,  14)  sprach  vor 
Gott:  Herr  der  Welt,  wenn  ein  Mensch  eine  Frau  zu  seiner  ersten  Frau  hinzunimmt, 
so  gedenkt  er  des  Tuns  der  ersten;  aber  du  hast  mich  verlassen  u.  mich  vergessen!  — 
Sieh  auch  die  dem  R.  Schimcon  b.  L.  zugeschriebene  Auslegung  von  HL  8,  10  in  BB  7  '^ 
bei  Mt  17, 26.  1|  Schab  88^:  R.  J^^hoschuac  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Was  bedeutet 
HL  1,13:  „Das  Myrrhenbündlein  ist  mir  mein  Lieber,  das  zwischen  meinen  Brüsten 
ruht"?  Die  Gemeinde  Israel  'v^  ':a  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  auch  wenn  er 
mir  Angst  u.  Bitterkeit  bereitet  (-5  la^ai  -i::-'«  zur  Deutung  von  ^Tsn  ii^s),  weilt  mein 


736  Matth  16,  18  (Nr.  4.  5).  16,  19  {%) 

Lieber  an  meinem  Busen.  ||  Ungemein  häufig  wird  so  die  'c  ro::  redend  eingefülirt 
in  den  Midraschim;  9.  zB  Midr  HL  1,4  ((S6'')  zweimal,  Autoren:  R.  Judan,  um  3.50.  u. 
R.  ^ Azarja,  um  380 ;  1 , 5  (87  b),  anonym ;  1 ,  (i (SS"),  R. Simon,  um 280 ;  1 ,  14 (93 "),  R.  B-^rekhja, 
um  340:  2,  1  (94l>),  anonj'm;  2,4(97'*),  K.  Levi,  um  300;  2,.5(97a)  zweimal,  anonym; 
2,  9  (99b),  R.  Ji^chaq,  um  300;  2,  9  (100»),  anonym;  3.  1  (103b),  R.  Levi,  um  300: 
-5,2(118»),  anonym;  6,1(122»),  anonym. 

4.  nvXai   ccdov. 

iuh^g  =  vsr  wird  im  NT  noch  streng  unterschieden  von  ysEiia.  =  z\-rrz ,  aram. 
-;~"f.:  jenes  bezeichnet  das  Totenreich,  dieses  die  Hölle.  Erst  im  rabbin.  Schrifttum 
ist  die  Sch^'ol  völlig  vom  G.  verdrängt  worden:  beide  Größen  bedeuten  für  das  rabbin. 
Judentum  die  Hölle,  d.  h.  «,  den  zwischenzeitlichen  u.  ß,  den  endzeitlichen  Strafort  der 
Gottlosen;  s.  Exkurs:  „Sch^ol,  Gehinnom  u.  Gan  'Eden*  1  u.U.  \\  m^^nt  udov  —  Tore 
oder  Pforten  der  Unterwelt.  Der  Ausdruck  stammt  aus  Jes38, 10:  '•;:s*i?  'y^v;  Targ: 
--s"i  'y?r,  LXX:  nv'Aai  üdov.  Weish  Hi,  13:  ov  ydg  Cw/;?  >ta<  Unvciiov  i'iovaltti'  s'/sig. 
xcä  xmicysig  eis  nvXag  üdov  xnl  rlfüysig.  —  3Makk5,  51:  ui'6ßöi]ac(v  g^ioi^rj  usyaXrj 
üfföÖQK  rot'  TTJg  dnüay^g  Svväuewg  6vvüaii]i'  ixersvovxsg,  oiy.reiQcti  /usia  inicpayeing 
avToig  rj&i]  ngog  7ii''/.{(ig  ädov  xctflearwiag.  —  Ps  Sal  16,  2:  avvsyyvg  (nahe)  nt/doi' 
<i(hv.  —  Die  rabbin.  Stellen  s.  im  Exkurs:  „Scli'^ol"  usw.  II,  9,  h  u.  i.  ||  Von  den  Toren 
oder  Pforten  z'-yx  des  Gehinnoms  unterscheidet  das  rabbin.  Schrifttum  die  Eingänge 
=--rir  des  G.;  auch  Apoc  Bar  59,  9  redet  vom  os  gehennae  =  Öffnung  oder  Eingang 
des  G.;  s.  genannten  Exkurs  II,  9,  e — g. 

5.  ov  xaiioxvaovGir  avir^c. 

x«r«ff;Ki'f'»' =  überwältigen,  besiegen  zB  LXX  2Chr8,  3:  x(d  rj'li^e  2"«A<ij,mw»'  sig 
lhcta(i)ß((  xcä  xrcTia/vasi'  avTtjy  (~--y  'i~i').  -7  Weish  7,30:  Keine  Bosheit  überwältigt 
die  Weisheit,  aocpUtg  de  ot'  xcttia/vsi  (andre  Lesart:  ovx  c(yTia;(t<si)  xnxla.  —  Das.  10, 11 : 
Da  man  ihn  (Jakob  bei  Laban)  aus  Habgier  vergewaltigte  xcciia^fvöi'Twr,  stand  sie  (die 
Weisheit)  ihm  bei.  —  TestRub4:  Denn  wenn  die  Hurerei  den  Sinn  nicht  überwältigt 
(bezwingt),  wird  euch  auch  Beliar  nicht  überwältigen,  s(h'  yaQ  ^1]  xccTia^fiiar,  1)  noqveln 
rrjy  syroiar  (andre  Lesart:  r^c  sri'oiag),  ords  o  Bsklcep  xnzia^i^aei  v/uiüy.  —  Rabbin. 
•j-r  =  über  jemanden  Gewalt  bekommen,  ihm  etwas  anhaben.  'Er  19»;  Chag27'^:  Resch 
Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Das  Feuer  des  Gehinnoms  hat  den  Frevlern  unter  den 
Israeliten  nichts  an  ^  kann  ihnen  keinen  Schaden  zufügen,  sie  nicht  vernichten,  i's 
■-s— j-  'yriEs  ruVi;:;  sjn-;  '•:■::  ms;  Chag27a:  R.  EUazar  (um  270)  hat  gesagt:  Den  Ge- 
lehrtenschülern tut  das  Feuer  des  Gehinnoms  nichts  an  p-  raVir  -j's.  Siehe  Exkurs: 
^Sch^ol"  usw.  II,  4,  a  u.  II,  5  (vor  Anm.  39). 

Daß  die  Pforten  der  Unterwelt  keine  Gewalt  über  die  Gemeinde 
Jesu  haben  werden  Mt  16,  18,  sagt,  daß  diese  von  ewiger  Dauer 
sein  wird. 

10, 19  %:  Ich  werde  dir  die  Schlüssel  des  Himmelreichs  geben. 
Das  Schlüsselbild  schon  Jes  22, 22 :  Ich  lege  den  Schlüssel  des  Hauses 
Davids  auf  seine  Schulter  (vgl.  Jes  9,5),  daß  er  öffne  u.  niemand* schließen 
könne,  u,  schließe  u.  niemand  öffnen  dürfe.  Targ:  Ich  werde  den  Schlüssel 
des  Heiligtums  u.  die  Herrschaft  des  Hauses  Davids  in  seine  Hand  geben, 
u.  er  wird  öffnen  u.  es  ist  niemand  da,  der  zuschließt,  u.  er  wird  zu- 
schließen u.  es  ist  niemand  da,  der  öffnet,  LXX:  xai  Swao)  avtf^  Tr]v 
xXtTöa  oi'xov  /lavid  sm  voi  o^iko  avvov'  xai  avoi'Sei  xai  ovx  aarai  o  ano- 
xXiiwv,  xai  xXeCcsei  xai  ovx  s'arai  6  avoiycav.  —  Die  Übergabe  der  Schlüssel 
symbolisiert  die  Übertragung  der  Macht  auf  den  Hausverwalter,  a  Von 
letzterem  gilt  dann  der  Satz:  Der  Beauftragte  ist  wie  sein  Auftrag- 


Matth  16,  19  (31)  737 

geber.b  Umgekehrt  bedeutet  die  Rückgabe  der  Schlüssel  an  den  Haus- 
herrn die  Niederlegung  des  Haushalteramtes,  c  —  Einmal  wird  bildlich 
mit  dem  „Öffnen"  u.  „Schließen"  auch  die  Lehrgewalt  der  Schriftgelehrten 
bezeichnet,  d  —  |I  Was  es  um  die  Schlüsselgewalt  ist,  besagt  der  Schluß- 
satz; s.  bei  16, 19  23. 

a.  Sanh  113a:  Elias  der  Tisbite,  von  den  Beisassen  GiUads,  sprach  zu  Ahab:  So 
wahr  Jahve,  der  Gott  Israels,  lebt,  vor  dem  ich  stehe,  es  soll  diese  Jahre  weder  Tau 
noch  Regen  kommen  1  Kg  17,1.  Da  bat  er  um  Erbarmen,  u.  man  (=  Gott)  gab  ihm 
die  Schlüssel  des  Regens  (so  dafs  er  als  Gottes  Bevollmächtigter  über  das  Kommen 
u.  Ausbleiben  des  Regens  gebieten  konnte).  .  .  .  Und  es  geschah  nach  diesen  Dingen, 
daß  der  Sohn  der  Frau,  der  Besitzerin  des  Hauses,  erkrankte  1  Kg  17, 17.  Da  bat  Elias 
um  Erbarmen,  daß  man  (Gott)  ihm  den  Schlüssel  zur  Wiederbelebung  der  Toten  gebe. 
Man  sprach  zu  ihm:  Drei  Schlüssel  werden  keinem  Beauftragten,  ~"V^>  gegeben:  der 
zur  Geburt  (zum  Schwangerwerden),  der  zum  Regen  u.  der  zur  Wiederbelebung  der 
Toten;  soll  man  etwa  sagen:  Zwei  sind  in  der  Hand  des  Schülers  (des  Elias)  u.  (nur) 
einer  in  der  Hand  des  Lehrers  (Gottes)?  Bringe  jenen  (den  ihm  bereits  gegebenen  zum 
Regen)  u.  nimm  diesen  (den  zur  Totenauferweckung).  |1  Tacan  2^:  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  gesagt:  Drei  Schlüssel  sind  in  der  Hand  Gotte.s,  die  in  die  Hand  keines  Beauf- 
tragten gelegt  werden,  nämlich  der  zum  Regen,  der  zur  Geburt  (Empfängnis)  u.  der 
zur  Wiederbelebung  der  Toten.  Der  Schlüssel  zum  Regen,  s.  Dt  28,  12:  Jahve  (also 
kein  andrer)  wird  dir  seinen  guten  Schatz  auftun,  den  Himmel,  den  Regen  zu  seiner 
Zeit.  Der  Schlüssel  zur  Geburt,  s.  Gn  30,22:  Da  gedachte  Gott  an  Rahel  u.  erhörte  sie 
u.  öffnete  ihren  Mutterschoß.  Der  Schlüssel  zur  Wiederbelebung  der  Toten,  s.  Ez  37, 13: 
Ihr  werdet  erkennen,  daß  ich  Jahve  bin,  wenn  ich  eure  Gräber  öffne.  Im  Abendland 
{—  Palästina)  fügte  man  noch  den  Schlüssel  der  Ernährung  hinzu,  wie  es  heißt  Ps  145, 16: 
Du  tust  deine  Hand  auf  u.  sättigst  alles  Lebende  mit  Erwünschtem.  Aus  welchem 
Grunde  hat  R.  Jochanan  diesen  nicht  mitgezählt?  Er  meinte,  der  zum  Regen  sei  der- 
selbe wie  der  zur  Ernährung.  —  Parallelstellen:  GnR73(46'')  mit  R.  Bebai  (um  320) 
als  Autor;  in  DtR7  (204b)  u.  Midr  Ps  78  §  5  (173b)  R.  Jonathan  (um  220)  als  Autor; 
anonym  P«siqR  42  (178»).  Vier  Schlüssel  zählt  Targ  Jerusch  I  Dt  28, 12  u.  Targ  Jerll 
Gn30,22.  ||  Schab  31a:  Rabbah  b.  Huna  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  Torakenntnis  be- 
sitzt, aber  keine  Gottesfurcht,  der  gleicht  einem  Schatzmeister,  dem  man  die  inneren 
Schlüssel  übergab,  ohne  ihm  die  äußeren  Schlüssel  zu  übergeben.  Wie  soll  er  hinein- 
kommen? ||  P^'siq  53b:  R.  JiQchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einem  König,  der  viele 
Schatzkammern  hatte,  u.  zu  jeder  einzelnen  besaß  er  den  Schlüssel;  als  aber  sein  Sohn 
auftrat,  übergab  er  ihm  die  Schlüssel.  —  Dasselbe  P^siqR  15  (77  a),  vgl.  pRH  1,57^,24.  ]! 
Git56a:  Rab  Chisda  (f  309)  pflegte  alle  Schlüssel  seinem  Diener  zu  übergeben,  aus- 
genommen den  zum  Holzvorrat. 

b.  Der  häufig  wiederholte  Satz  lautet  B^rakh  5,5:  -n'.ni:  a^s  hv  •-rr-r,  der  Be- 
auftragte (Bevollmächtigte,  wörtlich:  Abgesandte)  eines  Menschen  ist  wie  er  selbst. 

C.  Apok  Bar  10,18:  Ihr  aber,  ihr  Priester,  nehmt  die  Schlüssel  des  Heiligtums  u. 
werft  sie  empor  zur  Höhe  des  Himmels  u.  gebt  sie  dem  Herrn  hin  u.  saget:  Bewache 
du  dein  Haus;  denn  siehe,  wir  sind  (wie  es  die  Zerstörung  des  Tempels  beweist)  als 
trügerische  Haushalter  erfunden  worden!  —  AbothRN4:  Öffne,  Libanon  (=  Tempel), 
deine  Pforten,  daß  Feuer  deine  Zedern  verzehre  Sach  li,  1.  Damit  sind  die  Hohen- 
priester im  Heiligtum  gemeint,  die  ihre  Schlüssel  in  ihrer  Hand  hatten  u.  sie  (bei  der 
Zerstörung  des  Tempels)  in  die  Höhe  warfen  u.  vor  Gott  sprachen:  Herr  der  Welt, 
hier  sind  deine  Schlüssel,  die  du  uns  übergeben  hast;  denn  wir  sind  nicht  zuverlässige 
Verwalter  gewesen,  das  Werk  des  Königs  zu  tun  u.  vom  Tisch  des  Königs  zu  essen.  — 
Parallelen  mit  ausschmückenden  Erweiterungen:  pSch^q  G,  50»,  48;  Tatan29a  (s.  bei 
Mt4,5S.  151);  LvRl9(119a). 

d.  SDt  32, 25  s.  bei  Mt  16, 19  33,  Anm.  c. 

Straek  u.Billerbeck,  NT  I.  '         47 


738  Matth  16, 19  (SB  1) 

16, 19  SB:  Was  du  auf  Erden  binden  wirst,  das  wird  im  Himmel 

gebunden  sein,  u.  was  du  auf  Erden  lösen  wirst,  das  wird  im 

Himmel  gelöst  sein. 

1.  o  sdv  ^t'^(Tr]g  .  .  .  o  idv  kvarjg.  —  Kraft  der  ihm  übertragenen 
Schlüsselgewalt  darf  Petrus  „binden"  u.  „lösen".  Die  Parallele  Mt  18, 15 ff, 
läßt  keinen  Zweifel,  daß  mit  dem  „Binden"  die  Ausschließung  aus  der 
Gemeinde  durch  Bannspruch  u.  mit  dem  „Lösen"  die  Aufhebung  des 
Bannes  gemeint  ist.  Bei  dieser  Erklärung  des  Bindens  u.  Lösens  wird 
allerdings  den  beiden  griechischen  Verben  dssiv  {6hv)  u.  Xvsn'  eine 
Bedeutung  beigelegt,  die  sie  an  sich  nicht  haben.  Diese  Schwierigkeit 
schwindet  aber,  wenn  man  annimmt,  daß  deeiv  u.  Xiifiv  nur  eine  wört- 
liche Wiedergabe  ihrer  aramäischen  Äquivalente  '^ön  u.  n-^tt  (hebr.  -dx 
u.  i^n)  sind.  Auch  diese  Verben  bedeuten  zunächst  wörtlich  „binden* 
u.  „lösen",  werden  dann  aber  speziell  gebraucht,  um  das  Verhängen 
u.  Aufheben  des  Bannes  auszudrücken,  a  Wie  nahe  es  übrigens  dem 
griechisch  redenden  Juden  gelegen  hat,  das  Verhängen  u.  Lösen  des 
Bannes  gerade  durch  ds'siv  u.  ?<.v€iv  auszudrücken,  zeigt  Bell.  Jud.  1,  5,  2. 
Josephus  berichtet  hier,  wie  es  die  Pharisäer  verstanden  hätten,  sich 
in  die  Gunst  der  Königin  Alexandra  (78 — 69  v.  Chr.)  einzuschleichen 
u.  allmählich  alle  Gewalt  an  sich  zu  reißen;  dabei  sagt  er  von  ihnen 
wörtlich:  „Sie  vertrieben  u.  führten  zurück,  wen  sie  wollten;  sie  lösten 
u.  banden",  d.  h.  sie  hoben  den  Bann  auf  u.  verhängten  ihn,  diwxeiv  ts 
xal  xaräyeiv  ovg  ii^eXoisv,  Xvsiv  ts  xal  6sTv.  Josephus  gebraucht  also 
6t'8iv  u.  Xvsiv  ohne  jede  nähere  Hinzufügung,  genau  wie  sie  Mtl8, 18 
gebraucht  sind,  ein  deutlicher  Beweis,  wie  wenig  mißverständlich  die 
beiden  griechischen  Verben  als  Fachausdrücke  auch  einem  griechischen 
Ohr  gewesen  sind,  wenn  man  nur  die  Schulausdrücke  ""cx  u.  xn^j  (i''~f^) 
kannte. 

Sachlich  folgt  aus  Mt  18, 18  für  16, 19,  daß  zu  der  dem  Petrus  über- 
tragenen Schlüsselgewalt  jedenfalls  die  Ausübung  der  Disziplinargewalt 
bis  hin  zur  Verhängung  des  Bannes  gehört  hat.  Verkehrt  aber  würde 
es  sein,  wenn  man  aus  18,  18  folgern  wollte,  daß  de'siv  u.  Xvsiv  16, 19 
lediglich  das  Verhängen  u.  Lösen  des  Bannes  bedeuten  könne,  woraus 
dann  weiter  folgen  würde,  daß  die  Schlüsselgewalt  des  Apostels  nur 
in  seiner  Disziplinargewalt  bestanden  hätte.  Man  darf  nicht  übersehen, 
daß  es  sich  18, 15  ff.  um  einen  Straffall  handelt;  in  einem  solchen  Zus.- 
hang  können  dtsiv  u.  Xv6l^'  naturgemäß  nur  Akte  der  DiszipHnargewalt 
bezeichnen.  16, 19  aber  liegt  eine  Beschränkung  auf  u.  durch  einen 
bestimmten  Einzelfall  nicht  vor;  wenn  da  also  ganz  allgemein  von 
einem  „Binden"  u.  „Lösen"  geredet  wird,  so  darf  jedenfalls  von  vorn- 
herein nicht  die  Möglichkeit  in  Abrede  gestellt  werden,  daß  mit  diesem 
Binden  u.  Lösen  außer  der  Bannverhängung  u.  Bannaufhebung  auch 
noch  etwas  andres  gemeint  sein  könne,  falls  eine  anderweitige  in  den 
Zus.hang  passende  Bedeutung  des  Bindens  u.  Lösens  nachweisbar  ist. 


Matth  16, 19  (SB  1)  739 

Hier  ist  noch  einmal  auf  denrabbin.  Sprachgebrauch  zurückzugreifen. 
-DN  u.  ^inn  (xiü;)  bedeuten  nicht  bloß  „den  Bann  verhängen",  bezw.  „auf- 
heben", sondern  vor  allem  auch  (in  halakhischen  Lehrentscheidungen) 
„verbieten"  u.  „erlauben".  Die  Schriftgelehrten  „binden",  bezw.  „lösen", 
d.  h.  sie  erklären  etwas  für  verboten,  bezw.  für  erlaubt,  b  Es  liegt  kein 
Grund  vor,  diese  Bedeutung  dem  däsir  u.  Xvsiv  Mtl6,  19  zu  versagen. 
Wenn  Petrus  als  Gottes  Hausverwalter  berufen  war,  die  Disziplinar- 
gewalt im  Hause  Gottes  auszuüben,  so  mußte  er  auch  in  der  Lage  sein, 
in  jedem  Fall  autoritativ  zu  entscheiden,  was  nach  der  göttlichen  Haus- 
ordnung im  Reiche  Gottes  Rechtens  u.  was  nicht  Rechtens  sei,  was  als 
erlaubt  u.  was  als  verboten  zu  gelten  habe.  Die  Disziplinargewalt  des 
Apostels  hatte  damit  seine  Lehrgewalt  zur  unbedingten  Voraussetzung; 
erst  die  Vereinigung  beider  Gewalten  in  seiner  Hand  machte  die  Schlüssel- 
gewalt aus,  die  ihm  übertragen  war.  Bedeutsam  für  den  vorliegenden 
Zus. hang  ist  auch  dies,  daß  die  Lehrentscheidungen  der  Rabbinen  einmal 
bildlich  geradezu  als  ein  „Öffnen"  u.  „Schließen"  bezeichnet  werden. c 
Man  erkennt  daraus,  wie  n.ahe  es  der  jüdischen  Anschauung  gelegen  hat, 
bei  demSchlüsselbilde  gerade  an  dieLehrgewaltmenschlicher  Autoritäten 
zu  denken,  u.  wie  wenig  angebracht  es  deshalb  ist,  in  der  Lehrgewalt  des 
Petrus  nicht  einen  wesentlichen  Teil  seiner  Schlüsselgewalt  zu  sehen. 

Hiernach  bezeichnen  die  beiden  Verba  hier  erstens  Akte  der  Lehr- 
gewalt („verbieten"  u.  „erlauben");  zweitens  Akte  der  Disziplinargewalt 
(„den  Bann  verhängen"  u.  „den  Bann  aufheben"). 

a.  ^ZK  u.  K-^v  MQ  16»:  Scli'^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Ein  Posaunenstoß  verhängt 
den  Bann  (verkündet  seine  Verhängung)  u.  ein  P.  hebt  ihn  auf  (verkündet  seine  Auf- 
hebung), d.  h.  auf  die  Verhängung  des  Bannes  kann  sofort  seine  Aufhebung  folgen; 
--r  lan-ii  "icx  012.  (Über  dies  Posaunenblasen  s.  den  Exkurs:  „DerSynagogenbann"  B,  2.)  j 
Die  Tosaphisten  zu  M'^n  34l>  u-  bringen  zu  MQ  16  a  eine  Erklärung,  in  der  ziz  =  „zwei* 
gedeutet  wird:  Zwei  Gelehrtenschüler  verhängen  den  Bann  "j-^-Cis  u.  zwei  andre  können 
ihn  lösen  ^th^.  —  Andre  Stellen  für  ^os  in  der  Bedeutung  ,den  Bann  verhängen* 
haben  wir  nicht  gefunden;  doch  vgl.  die  oben  mitgeteilte  Äußerung  des  Josephus  über 
die  Pharisäer:  'Xvsiv  re  xnl  dsty\  ||  ^cs  bedeutet  auch  „durch  Zauberspruch  binden  oder 
festmachen" :  Schab  81  ^■.  Rab  Chisda  (f  309)  u.  Rabbah  b.  Rab  Huna  (f  322)  waren  auf 
ein  Schiff  gegangen.  Eine  Matrone  sprach  zu  ihnen:  Lasset  mich  bei  euch  sitzen  (lies 
•nan-s  statt  pns)!  Sie  ließen  sie  nicht  sitzen.  Da  sprach  jene  etwas  u.  bannte  das 
Schiff  fest  rr-ics.  Es  sprachen  jene  etwas  u.  lösten  es  s-r,■^'-r■.  Weitere  Belege:  Targ 
Jerusch  I  Dt  18, 11 ;  24, 6;  Targ  Ps  58, 6;  Targ  Jerusch  II  Dt  24, 6.  —  1|  Für  gewöhnlich 
ist  bannen  =  in  den  Bann  tun  hebr.  nn:  u.  c"}~-,  aram.  •'-5,  a--,  s'^-x  u.  r-srj.  Da- 
gegen wird  für  das  Lösen  des  Bannes  allgemein  i-nn,  aram.  N~r  gebraucht. 

b.  "CS,  aram.  'cx  =  verbieten,  "r-,  aram.  s';«;  =  erlauben ;  daher --s"«  Verbot, 
Verbotenes,  ir-  Erlaubnis,  Erlaubtes.  Die  beiden  Verba  stehen  entweder  absolut«  oder 
mit  dem  Akkusativ  einer  Persona  oder  Sache./ 

«.  T*'r  5,4:  Wenn  1  Sea  unreine  Hebe  in  100  Sea  r^ine  Hebe  gefallen  ist,  hat  die 
Schule  Schammais  (alles)  verboten  ■,'-c":n  u.  die  Schule  Hillels  erlaubt  ^iTtt.  ||  TJ'^b 
1,11  (242):  Obwohl  die  Schule  Schammais  verbot  ■j-'-'Cis  u.  die  Schule  Hillels  erlaubte 
•j^^T«,  hinderte  sie  das  doch  nicht,  bei  Reinem  sich  gegenseitig  behilflich  zu  sein 
(indem  sie  zB  Gefäße  einander  liehea,  s.  Raschi  J'='b  IS^).  ||  pSchab  1,4a, 59:  Man  über- 
sendet keine  Briefe  durch  einen  Nichtisraeliten  am  Rüsttag  des  Sabbats  u.  auch  nicht 

47* 


740  Matth  16, 19  (93  1) 

am  5.  Wochentag  (Donnerstag).  Die  Schule  Schamniais  verbot  i'-cik  auch  am  4.  ^\''ochen- 
tag;  die  Schule  Hillels  aber  erlaubte  y^rii.  .  .  .  Man  tritt  keine  Seereise  an  am  Rüst- 
tag des  Sabbats  u.  auch  nicht  am  5.  Wochentag.  Die  Schule  Schammais  verbot  ■j-io-'x 
auch  am  4.  Wochentag;  aber  die  Schule  Hilleis  erlaubte  •'"'-r>:.  ||  V^s  4,5:  Die  Gelehrten 
sagten:  In  Judäa  arbeitet  man  an  den  Rüsttagen  des  Passahfestes  bis  mittags,  in 
Galiläa  arbeitet  man  gar  nicht.  Was  die  Nacht  (zum  Rüsttage)  betrifft,  so  verbietet 
"]"iois  die  Schule  Schammais  (den  Galiläern),  aber  die  Schule  Hillels  erlaubt  y^'rn 
bis  zum  Aufstrahlen  der  Sonne.  H  Pea  6, 11 :  Wenn  jemand  Früchte  in  Syrien  verkauft 
u.  sagt:  ,Sie  sind  aus  dem  Lande  Israel",  so  muß  man  sie  verzehnten  (während  die 
in  Syrien  selbst  gewachsenen  Früchte  der  Zehntpflicht  nicht  unterlagen).  Sagt  er  weiter: 
„Sie  sind  verzehntet",  so  ist  er  beglaubigt;  denn  der  Mund,  der  (zuerst)  verbot  -iDs, 
derselbe  Mund  hat  (hinterher)  erlaubt  ""rn  (war  sein  erster  Ausspruch  glaubwürdig, 
dann  auch  der  zweite).  ||  TJ*^b4,6(245):  Ein  Gelehrter,  der  eine  Prozeßsache  entscheidet, 

der  für  unrein  u.  rein  erklärt,  der  verbietet  u.  erlaubt  --r-i  -os ||  P^sß,  2:  R.J'^hoschua' 

(um  90)  sprach  zu  ihm:  Der  Festtag  entscheide  (sei  Beweis):  an  ihm  hat  man  mit  Rück- 
sicht auf  die  Arbeit  erlaubt  — "rn  u.  mit  Rücksicht  auf  das  Feiern  (aus  Gründen  der 
Ruhe)  verboten  -cn.  ||  pJom  Tob  1,60a,  53:  R.  Jochanan  (f  279)  ging  von  Sepphoris 
hinab  nach  Tiberias;  er  sprach:  Warum  bringt  ihr  diesen  Alten  (=  Gelehrten)  zu  mir? 
Denn  ich  erlaube  (erkläre  für  erlaubt)  "-r  S3s,  u.  er  verbietet  "Cs;  ich  verbiete  u.  er 
erlaubt.  11  pSchab  19, 16*^,46:  An  Bar  Marina  (um  300)  trat  der  Fall  heran  (nach  einer 
Regel  des  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi,  um  250,  zu  handeln).  Er  fragte  den  R.  Simon  (um  280), 
u.  dieser  erlaubte  sir;  er  fragte  den  R.  Ammi  (um  300),  u.  dieser  verbot  ^cs.  Da 
brauste  R.  Simon  auf.  Aber  ist  denn  nicht  so  in  einer  Bar  gelehrt  worden:  Hat  man 
sich  bei  einem  Gelehrten  erkundigt  u.  dieser  erlaubte  i'rn,  so  darf  man  einen  andren 
Gelehrten  befragen,  ob  der  vielleicht  verbietet  los'  (weshalb  also  das  Aufbrausen  des 
R.  Simon)?  R.  Judan  (wohl  =  R.  Jehuda  b.  Simon,  um  320)  hat  gesagt:  Die  Sache  war 
so:  er  fragte  den  R.  Ammi,  u.  dieser  verbot  ihm  n^ls  -ds;  er  fragte  den  R.  Simon,  u. 
dieser  erlaubte  stj;  .  Da  brauste  R.  Ammi  auf  entsprechend  dem,  was  in  einer  Bar 
gelehrt  ist:  Hat  man  sich  bei  einem  Gelehrten  erkundigt,  u.  dieser  verbot  ^os,  so  soll 
man  keinen  andren  Gelehrten  fragen,  ob  der  vielleicht  erlaubt  "<-r".  Vgl.  Bar  <AZ  7  a.  ] 
pSchab  6,  T'^,  41:  R.  Z^cira  (um  300)  antwortete:  Verbiete  nicht  u.  erlaube  nicht  sV 
^ir^r  sVt  i^ot  .  Man  soll  am  Sabbat  nicht  in  einen  Spiegel  sehen.  Wenn  er  an  der 
Wand  befestigt  ist,  so  erlaubte  it«  Rabbi,  die  Gelehrten  aber  verboten  "'^ois. 

ß.  Jeb  1,4  u.  (Ed4,8:  Die  Schule  Schammais  erlaubte  i'-i-r«  den  Brüdern  die  Neben- 
frauen (der  verbotenen  Verwandtschaftsgrade  zur  Leviratsehe);  die  Schule  Hillels  ver- 
bot ^"DiK.  II  Ned9, 5:  (Ein  Mann  hatte  durch  ein  Gelübde  jedem  Genuß  von  seiner 
Frau  entsagt  u.  sollte  sie  unter  Auszahlung  der  ihr  zustehenden  Hochzeitsverschreibung 
entlassen.  Da  er  nicht  zahlen  konnte,  ging  er  den  R.  'Aqiba,  f  um  185,  um  Auflösung 
des  Gelübdes  an  u.  erklärte:)  Wenn  ich  gewußt  hätte,  daß  es  sich  damit  so  verhält, 
60*  hätte  ich  kein  Gelübde  abgelegt.  Da  erklärte  R.  cAqiba  sie  (die  Frau)  für  erlaubt 
wn-pn  (zu  fernerem  Genuß;  das  Gelübde  war  also  aufgehoben).  |!  Jeb2, 10:  Wenn  ein 
Gelehrter  eine  Frau  infolge  eines  Gelübdes  als  verboten  für  ihren  Mann  erklärt  hat 
10K  (so  daß  sie  nun  von  ihrem  Mann  entlassen  werden  muß),  so  darf  dieser  (Gelehrte) 
sie  nicht  heiraten.  Parallelstelle:  TJ^b  4,  6  (245).  i|  Besonders  häufig  ist  in  diesem  Fall 
die  persönliche  passive  Konstruktion.  N^d  3, 6:  Wer  durch  ein  Gelübde  den  Seefahrenden 
(d.h.  dem  Nutzen  von  ihnen)  entsagt,  dem  ist  erlaubt  "^r-^,  (Genuß  oder  Nutzen  zu 
haben)  von  den  auf  dem  Festlande  Wohnenden.  Wer  den  Bewohnern  des  Festlandes 
entsagt,  dem  ist  verboten  "^os  (Genuß  zu  haben)  von  den  Seefahrenden,  weil  diese 
mitenthalten  sind  in  dem  allgemeinen  Begriff  , Festlandsbewohner ".  Ähnliches  3, 7. 8. 10.  !| 
Das.  7,9:  (Wenn  der  Ehemann  zu  seiner  Frau  sagt:  Ich  gelobe,)  daß  du  von  mir  keinen 
Genuß  haben  sollst  bis  zum  Passahfest,  wenn  du  bis  zum  Laubhüttenfest  in  das  Haus 
deines  Vaters  gehst,  so  ist,  wenn  sie  vor  dem  Passahfest  hinging,  ihr  verboten  n'^r.os, 
von  ihm  bis  zum  Passahfest  Genuß  zu  haben;  geht  sie  nach  dem  Passahfest  hin,  so 
gilt  Nu  30,  3:  ,Er  soll  sein  Wort  nicht  entweihen."    (Sagt  er:  Ich  gelobe.)  daß  du  von 


Matth  16, 19(931.2)  741 

mir  bis  zum  Laubhüttenfest  keinen  Genuß  haben  sollst,  wenn  du  bis  zum  Passahfest 
in  das  Haus  deines  Vaters  gehst,  so  ist,  wenn  sie  vor  dem  Passahfest  hinging,  ihr 
verboten  n~ios,  von  ihm  bis  zum  Laubhüttenfest  Genuß  zu  haben;  es  ist  ihr  aber 
erlaubt  mni)3  nach  dem  Passahfest  hinzugehn.  ||  Das.  3,2:  Sieht  einer,  wie  Leute  seine 
Feigen  essen,  u.  er  ruft:  ,Sie  sind  Opfer  für  euch"  (euch  verboten),  u.  es  findet  sich 
dann,  daß  es  sein  Vater  u.  seine  Brüder  sind,  bei  denen  sich  noch  andre  befinden,  so 
ist  es  nach  der  Schule  Schammais  jenen  (seinen  Angehörigen)  erlaubt  -j^^rntt  (weiter 
zu  essen);  aber  denen,  die  sich  bei  ihnen  befinden,  verboten  ■j^iiss.  Die  Schule  Hillels 
sagte:  Jenen  wie  diesen  ist  es  erlaubt  •fin»;. 

/.  pB'^rakh  4,  7  *■,  28 :  (Beim  Eintritt  in  das  Lehrhaus  pflegte  R.  N^chonja  b.  Haqana, 
um  70,  zu  beten:)  Es  sei  wohlgefällig  vor  dir,  Jahve,  mein  Gott  u.  Gott  meiner  Väter, 
daß  ich  nicht  aufbrause  gegen  meine  Kollegen,  u.  daß  meine  Kollegen  nicht  aufbrausen 
gegen  mich;  daß  wir  das  Reine  nicht  für  unrein  u.  das  Unreine  nicht  für  rein  erklären; 
daß  wir  das  Erlaubte  nicht  verbieten  u.  das  Verbotene  nicht  erlauben  rs  110x3  s^*:; 
iiDsn  rs  1T3  s'*;!  iniort.  I]  p'Orla  1, ßl^, 27:  R.  Chijja  (um  200)  lehrte:  Alles  was  ich 
dir  an  einer  andren  Stelle  verboten  habe,  erlaube  ich  dir  hier  zip-o^  -;h  t-ühv  r.-o  V= 
■)S3  -^h  -n-irn  ^ns.  —  Das  ~>2  53  entspricht  dem  o  Mt  16, 19  u.  dem  o'act  Mt  18;  18.  || 
pSchab  3,6^21:  Man  verbot  i'^os  ihnen  das  Baden  (am  Sabbat  in  den  warmen  Bädern 
von  Tiberias)  u.  erlaubte  in-rn  ihnen  das  Schwitzen.  Man  verbot  ""'os  ihnen  (später) 
das  Baden  u.  das  Schwitzen.  ||  Sanh99b:  Raba  (t  352)  hat  gesagt:  Wie  zB  jene  aus 
dem  Hause  des  Binjamin,  des  Arztes,  die  sagten:  Was  nützen  uns  die  Rabbinen? 
Niemals  haben  sie  uns  einen  Raben  (zum  Essen)  erlaubt  "i^'i"  oder  eine  Taube  uns  ver- 
boten ".-Ds!  Wenn  sie  vor  Raba  aus  dem  Hause  des  Binjamin,  des  Arztes,  Verletztes 
(Schadhaftes  hs"-"^)  brachten  u.  er  daran  einen  Grund  zur  Erlaubnis  si-r^n^  sah, 
sprach  er  zu  ihnen:  Da  seht  ihr,  daß  ich  euch  einen  Raben  erlaube  s:^i»;  wenn  er 
daran  einen  Grund  zum  Verbot  siid-s5  sah,  sprach  er  zu  ihnen:  Da  seht  ihr,  daß  ich 
euch  eine  Taube  verbiete  s2ios.  ||  Tanch  n^rx^^  2^:  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt: 
Nur  mit  Mühe  (d.  h.  ungern,  so  scheint  pnn»2  hier  gemeint  zu  sein)  hat  man  den  Gruß 
am  Sabbat  erlaubt  i^t-.  ||  Beispiele  passiver  Konstruktion  s.  Be9al,4;  cEduj4,2;  5,1. 

C.  SDt32,25  §321  (138'"^):  Es  heißt  2 Kg 24, 16:  , Schmiede  •:;-r;r!  u.  Schlosser  "^icwn, 
tausend,  alles  tüchtige  u.  kriegsgeübte  Männer,  u.  der  König  von  Babel  brachte  sie 
als  Verbannte  nach  Babel."  (Die  Worte  werden  allegorisch  auf  die  exilierten  Schrift- 
gelehrten gedeutet.)  «i-;-  (=  Schmied):  einer  redet  u.  alle  (übrigen)  schweigen  (wie 
Stumme,  »7",  Deutung  von  'ä-~);  ^jo^sm  (^  der  Schlosser  =  der  Verschließende);  alle 
sitzen  vor  ihm  u.  lernen  von  ihm;  nachdem  er  geöffnet,  schließt  niemand  zu  (bei  seiner 
Lehrentscheidung  behält  es  sein  Bewenden),  um  zu  erfüllen,  was  gesagt  ist  Jes  22,22: 
Er  öffnet  u.  niemand  schließt  zu,  er  schließt  zu  u.  niemand  öffnet.  (Die  Schlüssel- 
gewalt Jes  22, 22  schließt  die  Lehrgewalt  in  sich.  —  Parallelstellen:  Sanh  S8^;  Git88*; 
Tanhns  9a;  y^^ijn  i56b. 

2.  £<JTtti  dsd€[X£voi'  .  .  .  iarai  XsXvfxävov  iv  roTg  ovgavoTg.  —  „Im 
Himmer  ist  in  diesem  Zus.hang  soviel  wie  „vor  Gott";»  die  Worte 
bedeuten  also,  daß  die  Entscheidungen  vor  Gott  werden  Geltung  haben, 
von  Gott  werden  anerkannt  werden.  —  Die  gleiche  Stellung  nimmt 
nach  rabbin.  Anschauung  Gott  den  halakhischen  Entscheidungen  gegen- 
über ein,  die  die  Rabbinen  treffen.  Mit  der  Tora  ist  auch  deren  theo- 
retische Auslegung  u.  praktische  Anwendung  in  Israels  Hand  gelegt 
worden.  „Nicht  im  Himmel  ist  das  Gebot"  (Dt  30, 12)  ruft  R.  J-^hoschua' 
(um  90)  aus,  als  eine  Himmelsstimme  eine  halakhische  Entscheidung 
im  Sinne  des  R.  Eli'ezer  (um  90)  herbeizuführen  versuchte.  Er  wollte 
damit  sagen:  Nachdem  die  Tora  Israel  übergeben  worden  ist,  steht 
auch  die  Entscheidung  darüber,  was  nach  der  Tora  Rechtens  ist,  aus- 


742  Matth  16, 19  (»  2) 

schließlich  Israel  zu;  u.  Gott  unterwarf  sich  der  Entscheidung  des 
rabbin.  Gerichtshofes,  s.  BM  59'^  oben  S.  127  f.i  —  Aus  Moses  Tätigkeit 
werden  drei  Anordnungen  genannt,  die  er  nach  eigenem  Gutdünken 
traf  u.  die  Gott  hinterher  stillschweigend  anerkannte:  er  fügte  den 
beiden  Ex  19, 10  genannten  Tagen  noch  einen  dritten  hinzu,  er  hielt 
sich  von  seinem  Weibe  fern  u.  er  zerbrach  die  Gesetzestafeln.  In  einer 
andren  Stelle  wird  gesagt,  daß  Mose  viele  Dinge  über  Gott  beschlossen 
habe  u.  daß  seine  Beschlüsse  von  Gott  bestätigt  worden  seien. b  — 
R.  J^hoschua'  b.  Levi  (um  250)  zählt  drei  Fälle  auf,  in  denen  der  obere 
Gerichtshof,  d.  h.  Gott  u.  sein  Engelrat, c  den  Anordnungen  des  unteren 
Gerichtshofs  zugestimmt  habe;  diese  drei  Fälle  betrafen  die  Verlesung 
der  Estherrolle,  die  Entbietung  des  Friedensgrußes  mit  dem  Gottes- 
namen u.  die  Zehntablieferung  NehlO,  40.d  —  Speziell  wird  von  der 
Bannverhängung  gesagt,  daß  sie  im  Himmel  anerkannt  werde,  u.  hinzu- 
gefügt, daß  Gott  die  Dauer  des  Bannes  sogar  noch  verlängere,  e  Der 
himmlische  Ger.  verschärft  also  unter  Umständen  die  Strafen  des 
irdischen,  in  andren  Fällen  mildert  er  sie  aber  auch  herab. *  —  Ganz 
besonders  ist  es  die  Kalenderordnung  u.  die  damit  zus.hangende  Fest- 
setzung des  Festzyklus,  über  die  der  untere  Ger.  ganz  selbständig  zu 
befinden  hat.  Während  vor  der  sinaitischen  Gesetzgebung  Gott  das 
Kalenderwesen  geordnet  u.  geregelt  hat,  ist  dieses  seit  der  Gesetz- 
gebung so  völHg  in  Israels  Hände  übergegangen,  daß  der  obere  Ger. 
nur  hinnehmen  kann,  was  der  untere  darüber  bestimmt  hat.g  Aller- 
dings wird  diese  schroffe  Meinung  hier  u.  da  durch  die  Annahme  ab- 
geschwächt, daß  Gott  bei  der  Festsetzung  der  Kalenderordnung  im 
Rate  Israels  gegenwärtig  sei,  um  die  Gelehrten  vor  Irrtümern  zu  be- 
wahren, h  —  Am  allgemeinsten  lautet  das  Urteil  in  dem  freilich  späten 
Targum  zum  HL  8, 13:  Salomo  sagt  am  Ende  seiner  Weissagung  (d,  h. 
am  Schluß  des  HLs) :  Dereinst  wird  der  Herr  der  Welt  zur  Gemeinde 
Israel  sagen:  .  .  .  Laß  mich  hören  die  Lehre,  die  Stimme  deiner  W^orte; 
wenn  du  sitzest  freizusprechen  u.  zu  verurteilen;  so  werde  ich  allem 
zustimmen,  was  du  getan  hast. 

In  den  bisher  besprochenen  Stellen  ist  es  immer  die  geordnete 
Obrigkeit  Israels,  deren  Entscheidungen  Geltung  vor  Gott  zuerkannt 
wird.  Daneben  fehlt  es  aber  auch  nicht  an  Stimmen,  die  jedem  Ge- 
rechten die  Macht  beilegen  wollen,  durch  seine  Entscheidungen  Gottes 
Verordnungen  u.  Beschlüsse  aufzuheben,  so  daß  nicht  Gottes,  sondern 
des  Gerechten  Wort  gilt.»  Mit  dergleichen  Anschauungen  hat  die  Zu- 
sage an  Petrus  Mt  16, 19  nichts  gemein. 

a.  GnR75  (48«):  Heil  den  Gerechten,  denn  sie  werden  auf  Erden  -(-sa  u.  im 
Himmel  c-^isra  gesegnet;  u.  so  ist  es  die  Regel,  s.  Jes  65,  16:  „Wer  auf  der  Erde  ge- 
segnet -wird,  wird  gesegnet  von  dem  Gott  der  Treue"  (so  der  Midr),  um  dir  kund- 
zutun, daß  all  den  Segnungen  entsprechend,  mit  denen  Isaak  den  Jakob  gesegnet  hat, 


1  Die  Parallelen  s.  im  Exkurs:  „Der  Synagogenbann "  B,  6  Anm. «. 


Matth  16, 19  (SB  2)  743 

ihn  auch  Gott  von  oben  gesegnet  hat.  —  wovz  ,im  Himmel*  entspricht  hier  genau 
dem  ii«  Tibsa  Jes  65,  16.  ||  P^s  113^:  Sieben  sind  vom  Himmel  (=  von  Gott)  in  den 
Bann  getan:  wer  kein  Weib  hat;  wer  ein  Weib,  aber  keine  Kinder  hat;  wer  Kinder 
hat,  sie  aber  nicht  für  das  Torastudium  erzieht;  wer  keine  Gebietsriemen  an  seinem 
Kopf  u.  an  seinem  Arm  hat  u.  keine  Quasten  an  seinem  Kleid  u.  keine  Türpfosten- 
kapsel an  seinem  Eingang  u.  wer  Schuhe  seinen  Füßen  vorenthält.  Einige  fügen  noch 
hinzu:  wer  nicht  in  einer  Genossenschaft  für  Gebotserfüllung  zu  Tische  liegt.  —  Für 
n-':«"?  i'^i^  »vom  Himmel  Gebannte"  wird  Ta'an  1,  7  gesagt  nipa'i  i'sits  =  ,von  Gott 
{wörtlich  ,vom  Ort")  Gebannte*.  ||  Tacan  14^:  Wie  Menschen,  die  von  Gott  in  den  Bann 
getan  sind  mp'sV  T'Bits,  bis  man  sich  über  sie  vom  Himmel  o-wm  i'j  erbarmt  =  bis 
sich  Gott  ihrer  erbarmt.  — Weitere  Beispiele  für  „Himmel"  =  Gott  s.  bei  Mt  4.  17  S. 

b.  Schab  87a  Bar:  Dreierlei  hat  Mose  nach  seinen  eigenen  Gedanken  getan,  u. 
Gott  stimmte  ihm  bei.  Er  fügte  einen  Tag  nach  seinen  Gedanken  hinzu.  Welche 
Forschung  stellte  «r  an?  Es  heißt  Ex  19,  10:  „Heute  u.  morgen*;  der  heutige  Tag 
also  soll  sein  wie  der  morgende  Tag;  wie  der  morgende  Tag  seine  Nacht  bei  sich 
hat,  so  soll  auch  der  heutige  Tag  seine  Nacht  bei  sich  haben;  die  Nacht  von  heute 
aber  ist  (bereits)  vergangen  (der  Tag  hebt  ja  mit  dem  Vorabend  an);  daraus  entnehme 
ich.  daß  zwei  Tage  gemeint  sind  außer  dem  gegenwärtigen  (also  eigentlich  drei  Tage; 
daher  Moses  Anordnung  Ex  19,  15:  Seid  auf  drei  Tage  bereit!).  Woher,  daß  Gott  ihm 
beigestimmt  hat?  Weil  die  Schekhina  (Gottheit)  erst  in  der  Frühe  des  Sabbats  gegen- 
wärtig war.  [Zugrunde  liegt  hier  die  Annahme,  daß  der  dritte  Tag  ein  Sabbat  war  u. 
Ex  19,  10  am  voraufgehenden  Mittwoch  gesprochen  worden  ist.  Andersartig  ist  die 
Tradition  M^kh  Ex  19,  10  (71  b).]  Er  sonderte  sich  von  seinem  Weibe  (dauernd)  ab. 
Welche  Forschung  stellte  er  an?  Eine  Schlußfolgerung  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere. 
Er  sagte:  Wenn  die  Tora  zu  den  Israeliten,  mit  denen  die  Schekhina  nur  eine  Stunde 
sprach  u.  denen  er  (Gott)  die  Zeit  dafür  festbestimmt  hat,  sagt:  „Seid  auf  drei  Tage 
bereit,  nahet  euch  nicht  dem  Weibe"  Ex  19,  15  —  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von 
mir,  mit  dem  die  Schekhina  zu  jeder  Stunde  spricht,  ohne  daß  er  mir  dafür  die  Zeit 
fest  bestimmt  hat!  Woher,  daß  Gott  ihm  beigestimmt  hat?  Weil  es  Dt  5,  27  heißt: 
Geh  u.  sprich  zu  ihnen:  „Zieht  euch  zu  euren  Zelten  (im  Sinn  des  Midr  =  zu  euren 
Weibern)  zurück",  u.  darauf  heißt  es  Vers  18:  Du  aber  bleibe  hier  bei  mir  (also  auch 
weiterhin  von  deinem  Weibe  abgesondert).  Er  zerbrach  die  Tafeln.  Welche  Forschung 
stellte  er  an?  Er  sprach:  Wenn  in  bezug  auf  das  Passahopfer,  das  nur  eins  ist  von 
den  613  Geboten,  die  Tora  sagt:  Kein  Sohn  der  Fremde  soll  davon  essen  Ex  12,  43  — 
um  wieviel  mehr  gilt  es  dann  in  bezug  auf  die  ganze  Tora  u.  für  die  abtrünnigen 
Israeliten  (daß  sie  an  den  Toratafeln  keinen  Anteil  haben  sollen)!  Woher,  daß  Gott 
ihm  beigestimmt  hat?  Weil  es  heißt  Ex  84,  1:  Welche  du  zerbrochen  hast  (so  sagt 
Gott,  ohne  Mose  deshalb  zu  tadeln;  also  hat  er  ihm  beigestimmt).  —  Dasselbe  J^b  62a; 
in  ExR46  (101  a)  ist  die  erste  Anordnung  Moses  durch  eine  andre  ersetzt.  ||  Jalqut 
Schim  1  §729  aus  J^amm'^denu:  Du  findest  viele  Dinge,  die  Mose  über  Gott  beschlossen 
hat  u.  dieser  bestätigte  seinen  Beschluß.  Es  heißt  Ex  11,4:  Mose  sprach:  So  hat  Jahve 
gesprochen:  „Um  Mitternacht  ziehe  ich  aus  mitten  durch  Ägypten."  Und  Gott  hatte 
ihm  nur'gesagt:  „Ich  werde  das  Land  Ägypten  in  dieser  Nacht  durchziehen"  Ex  12, 12. 
Und  Ex  12,29  heißt  es:  „Und  in  der  Mitte  der  Nacht,  da  hatte  Jahve  alles  Erstgeborene  im 
Lande  Ägypten  erschlagen"  (also  hatte  sich  Gott  nach  Moses  Wort  Ex  11,4  gerichtet). 

C.  Der  obere  Gerichtshof  ■V?;'?  '"^  r~  ^'s  steht  dem  untern  Ger.  -"J"?  h-ö  ■;■'-  n-'a 
gegenüber;  jener  bezeichnet  den  Engelrat  Gottes,  dieser  das  Synedrium  Israels.  Für 
„oberen  Ger."  kann  unter  Umständen  auch  gesagt  werden  die  „obere  Familie"  n^'^^e 
nVi-5:  hv  =  Engelwelt,  während  die  „untere  Familie"  n-j^s  h-^  's  eine  Bezeichnung  für 
Gesamtisrael,  speziell  für  die  Gelehrten  ist.  —  GnR55(35a):  R.  El<azar  (um  270)  hat 
gesagt:  „Und  Gott"  o^n'jsni  Gn  22, 1,  das  ist  er  (Gott)  u.  sein  Gerichtshof  ^:''-t  r^si  sin. 
(Das  n  hat  einschließende  Bedeutung,  es  fügt  zu  Gott  noch  seinen  Gerichtshof  hinzu.)  |j 
pSanhl,  18a,  48:  R.  J'^huda  b.  Pazzi  (um  320)  hat  gesagt:  Auch  Gott  richtet  nicht  als 
«inzelner  (d.  h.  nicht  für-sich  allein),  s.lKg22,19;  aber  er  untersiegelt  allein,  s.DnlO,21. 


744  Matth  16, 19  (JB  2) 

R.  Jochanan  (f  279)  bat  gesagt:  Niemals  tut  Gott  etwas  in  seiner  Welt,  bis  er  sich 
mit  dem  oberen  Ger.  beraten  bat,  s.  Dn  10,  1.  —  Die  Parallelstelle  Sanh  38  b  bringt* 
Dn4, 14  als  Belegvers  u.  setzt  für  , oberen  Ger."  ein  „die  obere  Familie";  beide  Aus- 
drücke bedeuten  also  hier  einunddasselbe,  nämlich  den  Engelrat  Gottes.  ||  Der  obere 
u.  der  untere  Ger.  nebeneinander  genannt  zB  Mak  28 1»;  pB*^rakh  9, 14'',  l'i  in  Anm.rf; 
pRH2,  58b,26  in  Anm.7(.  jl  Die  obere  u.  untere  Familie  nebeneinander  Sanh9Sl>:  Was 
bedeutet  Jer30, 6:  ,Alle  Gesichter  verwandeln  sich  in  Blässe"?  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  gesagt:  Damit  ist  die  obere  Familie  (=  Engelwelt)  u.  die  untere  Familie  (=  Israel) 
gemeint,  nämlich  in  der  Stunde,  da  Gott  sagen  wird:  Jene  (die  Heidenvölker)  sind  ein 
Werk  meiner  Hände  u.  diese  (Israeliten)  sind  ein  Werk  meiner  Hände;  wie  kann  ich 
jene  wegen  dieser  vernichten?  (Vor  Entsetzen  über  diese  Worte  verwandeln  sich  die 
Angesichte  der  Engel  u.  der  Israeliten  in  Totenblässe.)  —  Das.  99  b;  R.  Alexandrai 
(um  270)  hat  gesagt:  Jeder,  der  sich  mit  der  Tora  um  ihretwillen  beschäftigt,  stiftet 
Frieden  in  der  oberen  u.  der  unteren  Familie,  s.  Jes  27,  5:  , Befaßte  er  sich  mit  meiner 
Macht  (=  Tora),  so  würde  er  mir  Frieden  schaffen,  ja  Frieden  würde  er  mir  schaffen" 
(so  der  Midr,  der  zugleich  das  zweimalige  Frieden  auf  die  Engel  u.  Israel,  hier  wohl 
speziell  auf  die  Gelehrtenwelt  deutet). 

d.  Mak  23b:  R.  J<^hoschuac  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Dreierlei  hirt  der  untere 
Gerichtshof  getan  u.  der  obere  (himmlische)  Ger.  stimmte  ihnen  bei:  betreffs  der  Ver- 
lesung der  Estherrolle,  betreffs  der  Entbietung  des  Friedensgrußes  (mit  dem  Gottes- 
namen) u.  betreffs  der  Darbringung  des  Zehnten.  Die  Verlesung  der  Estherrolle,  s. 
Esth9, 27:  ,Man  bestätigte  u.  die  Juden  nahmen  es  an";  man  bestätigte  droben  nVj;';i, 
was  sie  unten  n-j-;-:  *  angenommen  hatten.  Die  Entbietung  des  Friedensgrnßes,  s. 
Ruth  2, 4:  Siehe,  Bocaz  kam  aus  Bethlehem  u.  sprach  zu  den  Schnittern:  ,Jahve  sei 
mit  euch!"  (Da  der  Jahvename  nicht  ausgesprochen  werden  durfte,  bedeutet  seine 
Verwendung  in  jenem  Gruß  nach  späterer  Anschauung  eine  Neuerung,  die  der  Be- 
stätigung von  oben  bedurfte.)  Und  es  heißt  Ri  6,  12:  (Der  Engel)  sprach  zu  ibm:  „Jahve 
mit  dir,  du  starker  Held."  Was  wollen  diese  Worte  (Ri  6, 12)?  Wenn  du  sagen  wolltest: 
Bo'az  hat  das  (Grüßen  mit  dem  Jahvenamen)  nach  seinem  eigenen  Gutdünken  getan, 
ohne  daß  man  ihm  vom  Himmel  x-o-:;^  beistimmte,  so  komm  u.  höre:  Jahve  mit  dir, 
du  starker  Held.  (Diese  Worte  im  Munde  eines  Engels  bedeuten  die  Bestätigung  der 
Grußformel  des  BoEaz.)  Die  Darbringung  des  Zehnten  (in  der  Neb  10, 39  f.  festgesetzten 
Weise),  s.  Mal 3, 10:  Bringet  den  ganzen  Zehnten  zum  Schatzhause  usw.  —  Die  Parallele 
pB'^rakhJ),  14'^,  13,  deren  Eingangsworte  lauten:  , Drei  Dinge  beschloß  i^t:  der  untere 
Gerichtshof  u.  der  obere  stimmte  ihnen  bei",  erwähnt  nicht  die  Zehntablieferung,  sondern 
setzt  dafür  die  Bannung  Jerichos  ein.  Andre  Parallelen  mit  vielen  Abweichungen  s. 
MidrRuth2,4(130b);  MidrPs57  §2  (148b);  Tanch-^-1  56b;  TanchB -n- §10(109a). 

e.  Seder  ElijR  27 :  Wer  von  unten  n-j-iV?  (vom  unteren  Gerichtshof  auf  Erden)  für 
Einen  Tag  gebannt  ist,  für  den  gibt  es,  auch  wenn  man  ihn  gelöst  hat  iV  i^-rn,  keine 
Lösung  von  oben  r^'-^y^zh,^  (vom  Himmel,  vom  oberen  Ger.)  vor  3  Tagen;  wer  für  3  Tage 
von  unten  gebannt  ist,  für  den  gibt  es,  auch  wenn  man  ihn  gelöst  hat,  keine  Lösung  von 
oben  vor  7  Tagen;  wer  für  7  Tage  von  unten  gebannt  ist,  für  den  gibt  es,  auch  wenn  man 
ihn  gelöst  hat,  keine  Lösung  von  oben  vor  30  Tagen ;  wer  für  30  Tage  von  unten  gebannt  ist, 
für  den  gibt  es,  auch  wenn  man  ihn  gelöst  hat,  keine  Lösung  von  oben  in  alle  Ewigkeiten. 

/.  Ganz  allgemein  wird  die  obere  Strafgerechtigkeit  im  Vergleich  mit  der  unteren 
als  hart  hingestellt  GnR  35  (21*^):  ,Wenn  der  Bogen  im  Gewölk  ist,  so  werde  ich  ihn 
sehen,  zu  gedenken  an  die  ewige  Bestimmung,  welche  gilt  zwischen  Gott  u.  allen 
lebendigen  Wesen"  Gn9,  16.  Zwischen  „Gott",  damit  ist  die  obere  Strafgerechtigkeit 
gemeint;  u.  „allen  lebendigen  Wesen",  damit  ist  die  untere  Str.  gemeint.  Die  obere 
Str.  ist  hart  (streng)  u.  die  untere  ist  milde  (schlaff).  —  Die  Autorschaft  ist  ganz  un- 
sicher. —  Milder  als  die  untere  Str.  erscheint  die  obere  pBik  2, 64*^,  43:  «(Wer  im  Alter 
von  50  Jahren  stirbt,  stirbt  durch  Ausrottung.)  R.Abin  b.Tanchumb.T^riphon(=  TQvg^ojy, 

'  Dieses  nVy^sV  u.  r.'j:^h  entspricht  dem  tV  ror?  oigrd'oi'g  u.  etjl  ifjg  yf^s  Mt  16, 19. 


Matth  16, 19  (JB  2)  745 

wann?)  entnahm  den  Schriftbeweis  dafür  von  Ps90, 10:  ,ünsre  Lebenszeit  umfaßt 
siebzig  Jahre";  von  ihnen  gehen  20  Jahre  (die  Jugendzeit)  ab,  in  denen  der  obere  Ge- 
richtshof nicht  straft  u.  ausrottet,  folglich  kann  man  sagen:  Wer  im  Alter  von  50  Jahren 
stirbt,  stirbt  durch  Ausrottung.  —  Die  Strafmündigkeit  eines  Israeliten  trat  hiernach 
für  den  oberen  Ger.  erst  nach  Vollendung  des  20.  Lebensjahres  ein;  der  untere  Ger.  da- 
gegen ließ  sie  für  das  männliche  Geschlecht  bereits  nach  vollendetem  Id.  Lebensjahre 
eintreten  (vgl.  hierzu  bei  Lk  2,42);  urteilte  also  in  diesem  Fall  strenger.  —  Der  Satz, 
daß  der  obere  Ger.  den  Menschen  in  semen  ersten  20  Lebensjahren  nicht  bestrafe, 
auch  pSanh  11,  30  b.  29;  ferner  s.  Schab  89  b  oben  S.  120;  vgl.  auch  MQ  28  a. 

g.  P''siq43b:  R.  Simon  (um  280)  hat  gesagt:  „Deine  Berechnungen  sind  bei  uns" 
(so  deutet  der  Midr  Ps  40, 6):  jene  ganzen  2448  Jahre,  bevor  die  Israeliten  aus  Ägypten 
zogen,  hatte  Gott  dagesessen  u.  Berechnungen  vorgenommen  u.  Schaltjahre  festgesetzt 
u.  die  Jahre  geheiligt  u.  die  Monate  erneuert;  als  aber  die  Isr.  aus  Äg.  auszogen,  über- 
gab er  dies  alles  ihnen,  s.  Ex  12,  1:  ,ünd  Jahve  sprach  zu  Mose  u.  Ahron  im  Lande 
Ägypten  also."  Was  heißt  „also"?  Er  sprach  zu  ihnen:  Von  hier  an  u.  weiter,  siehe, 
ist  jenes  euch  übergeben,  s.  Ex  12, 2 :  Dieser  Monat  sei  euch  (für  eure  weiteren  An- 
ordnungen in  Sachen  des  Kalenderwesens)  erster  Monat.  —  Dasselbe  P'^siqR  15  (67  b).  || 
P'='siq53b:  R.  Hoschafja  (um  225)  hat  als  tannaitische  Tradition  gelehrt:  Wenn  der 
untere  Gerichtshof  beschlossen  u.  gesagt  hat:  , Heute  ist  Neujahr",  so  spricht  Gott  zu 
den  Engeln  des  Dienstes:  Stellet  den  Richterstuhl  auf  u.  auch  den  Verteidiger  u.  An- 
kläger (s.  zu  den  Lesarten  Buber);  denn  der  untere  Ger.  hat  beschlossen  u.  gesagt: 
Heute  ist  Neujahr.  (Am  Neujahrstage  sitzt  Gott  zu  Gericht  über  die  Welt.)  Verzögert 
sich  die  Ankunft  der  Neumondszeugen,  oder  entschließt  sich  der  (untere)  Ger.  (den 
Neujahrstag)  um  einen  Tag  hinauszuschieben,  so  spricht  Gott  zu  den  Engeln  des  Dienstes: 
Entfernet  den  Richterstuhl  u.  den  Verteidiger  u.  den  Ankläger,  denn  der  untere  Ger. 
hat  beschlossen  u.  gesagt:  Morgen  ist  Neujahr.  Und  was  ist  der  Schriftgrund?  Ps81,5: 
„Denn  die  Satzung  (Festsetzung)  für  Israel  ist  (geltendes,  bindendes)  Recht  für  den 
Gott  Jakobs"  (so  der  Midr).  R.  Pin^chas  (um  860)  u.  R.  Chilqijja  (um  320)  haben  im 
Namen  des  R.  Simon  (um  280)  gesagt:  Sofort  versammeln  sich  alle  Engel  des  Dienstes 
vor  Gott  u.  sagen:  Herr  der  Welt,  wann  ist  Neujahr?  Und  er  antwortet:  Mich  fragt 
ihr?  Ich  u.  ihr,  wir  wollen  den  unteren  Gerichtshof  fragen.  Das  meint  Dt  4,  7:  „Wie 
Jahve  unser  Gott  bei  all  unsren  Zusammenberufungen  zu  ihm"  (so  der  Midr);  denn 
„unsre  Zus.berufungen"  bedeutet  nichts  andres  als  die  Festzeiten,  s.  Lv23, 4:  „Dies 
sind  die  Festzeiten  Jahves,  heilige  Festversammlungen,  welche  ihr  ausrufen  sollt.' 
R.  Krusp*^dai  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Für  die  Ver- 
gangenheit (Zeit  vor  der  Gesetzgebung)  gilt:  „Dies  sind  die  Festzeiten  Jahves,  heilige 
Festversammlungen",  von  da  an  u.  weiter  gilt:  „Die  ihr  ausrufen  sollt",  d.  h.  wenn 
ihr  sie  ausgerufen  habt,  sind  es  Festzeiten  Jahves;  wenn  nicht,  so  sind  es  keine  Fest- 
zeiten Jahves.  —  Dasselbe  mit  vielfachen  Abweichungen  pRHl,57^,  12;  P^siqR  15(77"); 
DtR2  (198'"*).  —  Der  Satz:  „Wenn  ihr  sie  ausgerufen  habt,  sind  es  Festzeiten;  wenn 
nicht,  sind  es  keine  Festzeiten"  bereits  mehrfach  SLv  23,4  (404 •'').  |1  ExR15(76a):  Die 
Dienstengel  sprachen  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  wann  wirst  du  die  Festzeiten  bestimmen, 
wie  es  heißt  Dn4, 14:  „Auf  der  Wächter  Beschluß  ruht  die  Sache"?  Er  antwortete: 
Ich  u.  ihr,  wir  werden  dem  beistimmen,  was  die  Israeliten  beschließen  u.  wie  sie  die 
Schaltjahre  anordnen,  s.  Ps57,  3:  „Ich  will  ausrufen  für  Gott,  den  Höchsten  (Fest- 
versammlungen), für  Gott,  der  mit  mir  beschließt"  (so  der  Midr);  ferner  s.  Lv23,  4: 
„Dies  sind  die  Festzeiten  Jahves,  heilige  Festversammlungen,  welche  ihr  ausrufen  sollt." 
Nur  jene,  ob  zur  Zeit  oder  zur  Unzeit,  sind  für  mich  Festzeiten.  Gott  sprach  zu  den 
Israeliten:  Früher  lag  es  in  meiner  Hand,  s.  Ps  104, 19:  „Er  machte  den  Mond  für  die 
Festzeiten";  aber  von  hier  an  u.  weiter,  siehe,  ist  es  in  eure  Hand,  in  eure  Macht  ge- 
geben: wenn  ihr  sagt:  Ja!  so  ist  es  ja;  wenn  ihr  sagt:  Nein!  so  ist  es  nein;  jeden- 
falls soll  dieser  Monat  euch  gehören;  u.  nicht  bloß  dies,  sondern  wenn  ihr  ein  Jahr 
zum  Schaltjahr  machen  wollt,  siehe,  so  bin  ich  mit  euch  einverstanden.  Deshalb  heißt 
es  Ex  12,2:  „Dieser  Monat  .sei  euch."  ||  Vgl.  auch  Pirqe  REIS. 


746  Matth  16, 19  (SB  2) 

h.  P^'siqlSlb;  „Wohl  dem  Volk,  das  sich  auf  das  Posaunenblasen  (am  Neujahrs- 
tag) versteht*  (so  deutet  der  Midr  Ps  89, 16).  R.  Abbahu  (um  300)  hat  die  Schriftstelle 
auf  die  fünf  Ältesten  ^  gedeutet,  die  zus. zutreten  pflegten,  um  ein  Jahr  zum  Schaltjahr 
zu  machen.  Was  tut  Gott?  Er  verläßt  den  oberen  Rat  u.  steigt  hernieder  u.  zwängt 
seine  Sch®khina  zwischen  sie  unten,  u.  die  Dienstengel  sprechen :  Ist  das  der  Starke, 
ist  das  der  Starke,  ist  das  Gott,  ist  das  Gott,  von  dem  geschrieben  steht  Ps89,  8: 
Gott,  schrecklich  im  Rate  der  Heiligen  gar  sehr?  Den  oberen  Rat  verläßt  er  u.  steigt 
hernieder  u.  zwängt  seine  Sch*5khina  unten  zusammen!  Warum  das  alles?  Wenn  sie 
in  einer  Sache  irren,  erleuchtet  Gott  ihr  Angesicht  in  der  Halakha,  s.  Ps  89, 16:  ,Jahve, 
im  Lichte  deines  Angesichtes  entscheiden  sie  die  Halakha*  (so  dürfte  der  Midr  ]^■i\-' 
gefaßt  haben).  —  Parallelstellen:  LvR29(127b);  Midr  Ps  81  §4  (123b);  vgl.  auch 
PirqeRE18.  i|  ExR  15(77'^):  Die  Anordnung  eines  Schaltjahres  geschieht  durch  zehn 
Älteste.  Wenn  unsre  Lehrer  sich  versammelten,  um  ein  Schaltjahr  anzuordnen,  ver- 
sammelten sich  zehn  erfahrene  Älteste  im  Lehrhause  u.  der  stellvertretende  Vorsitzende 
des  Synedriums  gehörte  zu  ihnen.  Sie  schlössen  die  Türen  u.  verhandelten  über  die 
Sache  die  ganze  Nacht.  Um  Mitternacht  sprachen  sie  zu  dem  stellvertretenden  Vor- 
sitzenden: Wir  wollen  das  Jahr  zu  einem  Schaltjahr  machen,  so  daß  dieses  Jahr 
13  Monate  hat;  beschließest  du  es  mit  uns?  Wenn  er  dann  sagte:  Was  eure  Meinung 
ist,  damit  stimme  auch  ich  überein  —  dann  ging  ein  Licht  aus  vom  Lehrhaus  u.  kam 
vor  sie,  u.  sie  wußten,  daß  Gott  ihnen  beistimmte,  s.  Psll2, 4:  ,In  der  Finsternis 
strahlt  ein  Licht  auf  den  Rechtschaffenen.*  Was  sie  beschließen,  beschließt  Gott  mit 
ihnen,  s.  P3  57,3:  „Ich  will  ausrufen  für  Gott,  den  Höchsten  (Festversammlungen), 
für  Gott,  der  mit  mir  beschließt*  (so  der  Midr).  ||  Einen  etwas  abweichenden  Stand- 
punkt scheint  R.  El'azar  b.  ^adoq  (wohl  der  IL,  um  150)  zu  vertreten,  wenn  er  pRH  2, 58  •>,  27 
sagt:  Wenn  der  obere  Gerichtshof  sieht,  daß  der  untere  Ger.  ihn  (den  Monatsanfang) 
nicht  heiligt,  so  heiligt  er  ihn. 

i.  MQ  16^:  , Gesagt  hat  zu  mir  der  Gott  Israels,  geredet  der  Fels  Israels:  Ein 
Herrscher  über  Menschen,  gerecht,  ein  Herrscher  voll  Gottesfurcht*  2  Sm  23, 3.  Was 
meint  er  damit?  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  So  meint  er  es:  Gesagt  hat  zu  mir 
der  Gott  Israels,  geredet  der  Fels  Israels:  Ich  (Gott)  herrsche  über  den  Menschen; 
wer  herrscht  über  mich?  Der  Gerechte.  Denn  ich  treffe  eine  Verordnung  u.  er  hebt 
sie  auf.  .  .  .  „Tachk^moni*  2  Sm  23,8  (das  Wort  wird  auf  David  gedeutet).  Rab  (f  247) 
hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  ihm:  Weil  du  dich  selbst  erniedrigt  hast,  sollst  du  sein 
wie  ich  'i'.'o's  snr;  denn  ich  treffe  eine  Verordnung  u.  du  hebst  sie  auf.  Vgl.  DtR 
10  (206b).  II  Schab  63*:  R.  Asi  (um  300)  oder,  wie  auch  gesagt  worden  ist,  R.  Chanina 
(um  225)  hat  gesagt:  Selbst  wenn  Gott  eine  Bestimmung  getroffen  hat,  er  (der  Ge- 
rechte) hebt  sie  auf,  s.  Qoh8,4f.  ||  pTa'an  3,67»,  14:  (Chonja,  der  Kreiszieher,  f  um 
65  v.Chr.)  ließ  ihm  (dem  Schimcon  b.  Schatach)  sagen:  Gott  hebt  seine  Entscheidung 
auf  wegen  der  Entscheidung  eines  Gerechten;  aber  nicht  hebt  Gott  die  Entscheidung 
eines  Gerechten  auf  wegen  der  Entscheidung  eines  andren  Gerechten.  .  .  .  R.  ß^rekhja 
(um  340),  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  u.  R.  Z^Hra  (um  300)  haben  im  Namen  des  Rab 
Chisda  (f  309),  nach  andren  im  Namen  des  Rab  Matt^na  (um  270)  gesagt:  Es  heißt 
Hi22,28:  , Beschließest  du  etwas,  so  kommt  es  zustande.*  Was  will  die  Schrift  lehrend 
sagen?  Auch  wenn  er  (Gott)  so  sagt  u.  du  sagst  so,  so  gilt  dein  Wort  u.  mein  Wort  gilt 
nicht.  ,Wenn  sie  (die  Wege)  abwärts  führen,  so  sprichst  du:  Empor*  das.  Vers 29, 
d.  h.  wenn  ich  (Gott)  sagte:   Sie  sollen  abwärts  führen,  u.  du  sagst:   Sie  sollen  zur 

1  Ebenso  in  der  Parallele  LvR  29.  Genauer  Sanh  1,2:  Die  Einschaltung  (eines 
Tages)  beim  Monat  geschieht  durch  drei  (Gelehrte),  die  Einschaltung  (eines  Monats) 
beim  Jahr  durch  drei.  So  R.  Meir  (um  150).  Rabban  Schim'on  b.  Gamliel  (um  140)  sagte: 
Mit  drei  beginnt  man,  mit  fünf  verhandelt  man  u.  mit  sieben  beschließt  man ;  wenn 
man  aber  mit  drei  (gleich  zu  Anfang  einstimmig)  beschlossen  hat,  so  ist  die  Ein- 
schaltung gültig.  —  Nach  ExR  15  (s.  oben  im  Text)  gehörten  zur  Anordnung  eines 
Schaltjahres  zehn  Älteste,  nach  Pirqe  REl  8  drei:  doch  wird  hinzugefügt:  R.  El'azar  (?) 
sagte:  Sie  geschieht  durch  zehn. 


Matth  16,21.22(«1.2)  747 

Höhe  führen  —  so  gilt  dein  Wort  u.  mein  Wort  gilt  nicht.  „Dem  Niedergebeugten  hilft  er 
auf  das.  Vers29,  d.  h.  wenn  ich  sie  niederzubeugen  gedachte  durch  Unglück,  u.  du  gedenkst 
ihnen  aufzuhelfen,  ao  gilt  dein  Wort  u.  mein  Wort  gilt  nicht.  Wenn  ich  sagte:  , Gerettet 
soll  er  werden,  wenn  er  rein  (unschuldig)  ist"  (so  der  Midr  das.  Vers  30),  u.  du  sagst:  Er  soll 
gerettet  werden,  auch  wenn  er  nicht  rein  ist  —  so  gilt  dein  Wort  u.  mein  Wort  gilt  nicht. 

16,  21  5t:  Daß  er  vieles  werde  leiden  müssen  u,  getötet  werden. 

Zum  leidenden  Messias  der  alten  Synagoge  s.  bei  Lk  24, 26. 

16,21  S:  Und  am  dritten  Tage  auferweckt  werden. 
Der  Gedanke,  daß  die  Auferstehung  der  Toten  am  dritten  Tag  nach 
dem  Weltende  erfolgen  soll,  wird  auf  Grund  von  Hos  6,  2  an  folgenden 
Stellen  ausgesprochen. 

Pirqe  RE151:  Alle  Bewohner  der  Erde  werden  den  Tod  zu  schmecken  bekommen, 
wie  es  heißt  (?):  Tage  werden  sein,  da  es  keine  Seele  eines  Menschen  oder  eines 
Tieres  auf  der  Erde  gibt.  s.  Jes  51,6:  Ihre  Bewohner  werden  wie  Mücken  sterben. 
Und  am  dritten  Tage  wird  er  sie  erneuern  u.  sie  lebendig  machen  u.  sie  vor  sich  stellen, 
s.  Hos  6,2:  Er  wird  uns  lebendig  machen  innerhalb  zweier  Tage,  am  dritten  Tage  wird 
er  uns  auferwecken,  daß  wir  leben  vor  seinem  Angesicht.^  ||  GnR91  (57*^):  Niemals 
läßt  Gott  die  Gerechten  (länger  als)  drei  Tage  in  Not;  so  lernen  wir  es  von  Joseph 
(vgl.  Gn42, 17),  von  Jona,  von  Mardokhai  u.  von  David.  Ferner  s.  Hos  6, 2:  Er  wird 
uns  lebendig  machen  usw.  ||  Sanh97'*:  Rab  Qattina  (um  270)  hat  gesagt:  6000  Jahre 
wird  die  Welt  bestehn  u.  1000  Jahre  wird  sie  zerstört  sein:  s.  Jes  2, 11:  Jahve  allein 
wird  erhaben  dastehn  an  jenem  Tage  (u.  1  Gottestag  ist  nach  Ps  90, 4  =  1000  J.).  Abaje 
(t  338/39)  hat  gesagt:  2000  Jahre  (wird  sie  zerstört  sein);  denn  es  heißt  Hos  6, 2 :  Er 
wird  ims  lebendig  machen  innerhalb  zweier  Tage  u.  am  dritten  Tage  wird  er  uns  auf- 
erwecken (u.  2  Gottestage  sind  =  2000  J.).  —  Dasselbe  RH  31».'—  Ferner  s.  bei  Mt  12, 
39.  40  S.  647.  649  u.  bei  Mt  17, 23  S.  760. 

16,22  31:  Fing  an  ihn  zu  bedrohen. 

1.  iJQ'^azo  =  b^nrn,  aram.  ■^-oy,  häufig  abundierend  gebraucht. 

Dalman,  Worte  1,  21  verweist  zB  auf  pB<^rakh  1,2<=,  17:  R.  Huna  (um  350)  hat  ge- 
sagt: Man  kann  es  aus  der  gewöhnlichen  Umgangssprache  lernen:  Der  König  begann 
'^v  hinauszugehn;  auch  wenn  er  (noch)  nicht  hinausging,  sagt  man,  daß  er  hinaus- 
ging. Dagegen  sagt  man:  ,Er  begann  ■'i-i;  einzutreten"  erst  in  dem  Augenblick,  da  er 
eintritt.  \\  Das.  9, 14l>,  51 :  R.  cAqiba  (f  um  135)  begann  — s  das  Sch^^mac  zu  rezitieren 
u.  lachte.  ||  Das.  4,7*^,5:  Man  sagte  zu  R.  Zinon  (Zenon?,  um  90),  dem  Aufseher  der 
Akademie:  Sprich  (d.  h.  schließe  die  Versammlung) !  Er  begann  '■:)-'r[rr,  u.  sprach;  u. 
alles  Volk  fing  an  n'i'nrn  u.  erhob  sich  usw.  ||  Das.  8, 12  b,  34:  Die  ganze  Welt  fing  an 
hT,rr,  ein  Lied  anzustimmen.  |1  Das.  9,13^,24:  Jeder  fing  an,  seinen  Götzen  in  seine 
Hand  zu  nehmen  u.  ihn  anzurufen;  aber  es  nützte  nichts.  —  pP'^sö,  33^,  11:  Er  fing 
an  vnrn  ihnen  Forschungen  vorzutragen.  —  MidrQoh5, 10:  Da  fing  der  Pächter  an 
iTTrn  zu  schreien  u.  zu  weinen. 

2.  sniriiim^LXX  Gn37,10;  Sach3,2;  Ps68,30;  119,21;  Ruth  2, 16 
=  155  „anfahren,  bedrohen";  aram.  irr«. 

Eine  gute  Parallele  zu  Mt  16, 22  ist  GnR  56  (35'=):  Abraham  sprach  zu  Isaak:  Möge 
er  (Gott)  jenen  Mann  betrüben,  der  ihn  angefahren  hat  ■'Sj  (nämlich  den  Satan,  der 
den  Isaak  von  der  Opferung  abzumahnen  versucht  hatte;  wie  das  "ly:  hier  beim  Ab- 
mahnen von  Leiden  gebraucht  ist,  genau  so  das  inLxifu'.v  Mtl6, 22). 

»  Auch  nach  4  Esra  7,  29  ff.  werden  am  Ende  dieses  Äons  alle  sterben,  die  Menschen- 
odem  in  sich  haben,  mit  Einschluß  des  Messias;  die  Auferstehung  erfolgt  aber  erst 
nach  sieben  Tagen. 


748  Matth  16,22  (85).  16,23 

16,22  23:  Gnädig  sei  er  (Gott)  dir  (=  „Behüte  Gott!"). 

ll€(xk  aoi.  —  Die  LXX  geben  2  Sm  20,  20;  23, 17;  1  Chr  11, 19  mit 
l'lewg  r^\-hr\  (=  fern  sei  esl)  wieder;  wie  das  gemeint  ist,  zeigt  die 
weitere  Übersetzung  des  r-i^-^T,  mit  /t/y  yevono  LXX  Jos  22,  29;  24, 16; 
Gn  44,  7. 17;  ilsooq  also  =  Gott  bewahre!  Sämtliche  Targume  zu  diesen 
Stellen  ersetzen  nb-^bn  mit  d-  =  „ Fernhaltung "  oder  „Schonung".  Im 
Rabbin.  steht  dafür  die  vollere  Formel  n'ibd'i  cn  „Erbarmen  u.  Heil"  = 
Gott  behüte,  das  sei  ferne! 

Beispiele:  Schab  138 1»  Bar:  Dereinst  wird  die  Tora  von  Israel  vergessen  sein,  s. 
Am8,  llf.  R.  SchimJon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Das  sei  fern  n^h•ü^  ort,  daß  die  T. 
von  Isr.  vergessen  würde,  s.  Dt  31, 21:  „Sie  wird  aus  dem  Munde  seines  Samens  nicht 
vergessen  werden."  li'Edujö,  6:  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Das  sei  fern,  daß  cAqabja 
(um  70)  in  den  Bann  getan  worden  wäre.  —  pP'^s  (5, 33'',  57:  Das  sei  fern  ni^»i  o-, 
daß  er  (R.  J'^hoschua't  b.  Qaposai,  Dalnian:  "c-sp,  um  120)  nach  Herrschaft  getrachtet 
hätte.  II  Targ  Jerusch  I  Nu  31, 50:  Es  sei  ferne  von  uns  i^  on,  daß  wir  auf  alles  dies 
(die  Beutestücke)  die  Augen  gelenkt  u.  eins  davon  angeblickt  hätten,  damit  wir  uns 
nicht  durch  eins  davon  schuldig  machten  u.  den  Tod  sterben  müßten,  in  welchem 
die  Gottlosen  in  der  zukünftigen  Welt  sterben;  u.  das  möge  uns  (zum  Guten)  ge- 
dacht werden  am  Tage  des  großen  Gerichts,  um  für  unsre  Seelen  vor  Jahve  Sühnung 
zu  beschaffen! 

16,23:  Du  hast  nicht  im  Sinn  das,  was  Gottes, 
sondern  das,  was  der  Menschen  ist. 
rd  Tov  O^sov  .  .  .  Tci  zwv  avd^Qomoiv.  —  Ähnliche  Gegensätze  sind  im 
Rabbinischen : 

a.  ~'-c~  -''-^  „eigene  Angelegenheiten"  u.  s;««i7  ""-•;  „Gottes  Angelegenheiten". — 
B'^rakh  7^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim'on  b.  Jochai  (um  150) 
gesagt:  Man  darf  sich  über  die  Gottlosen  entrüsten  in  dieser  Welt,  s.  Spr28,  4.  Aber 
R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  doch  gesagt:  AVenn  du  siehst,  daß  dem  Gottlosen  die  Stunde 
lächelt,  so  entrüste  dich  nicht  über  ihn,  s.  Ps  10,  5.  Das  ist  kein  Widerspruch:  in  dem 
einen  Fall  (beim  Ausspruch  des  R.  Ji^chaq)  handelt  es  sich  um  eigene  Angelegen- 
heiten, in  dem  andren  um  göttliche  Angelegenheiten.  —  Dasselbe  M*^g  6^. 

b.  ~"4.%~.  „deine  Geschäfte"  u.  D^^sj  '^t-  „Geschäfte  Gottes".  —  Schab  113**: 
Deine  Geschäfte  sind  (am  Sabbat)  verboten,  aber  Gottes  G.  (d.  h.  Gott  wohlgefällige  Hand- 
lungen, wie  Festsetzung  von  Almosen  u.  dgl.j  sind  erlaubt.  1|  Schab  114^:  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  Wer  ist  ein  Gelehrtenschüler'?  Derjenige,  welcher  sein  Geschäft 
^■it-  dahinten  läßt  u.  sich  mit  den  Geschäften  Gottes  bemüht. 

C.  D'n5x  — 3-i  „Worte,  Angelegenheiten  Gottes"  u.  •,":s  ^-;-  „weltliche  Beschäfti- 
gung". —  AbothRNl:  R.  Mattja  b.  Cheresch  (um  loO)  sprach  zu  R.  Joschijja:  Rabbi, 
was  hast  du,  daß  du  die  Worte  des  lebendigen  Gottes  verläßt  u.  dich  in  die  weltliche 
Beschäftigung  vertiefst?  ||  Dasselbe  in  anderer  Wendung  Beija  IS*»:  (R.  Elicezer,  um  90, 
sagte  von  gewissen  Leuten,  die  seinen  Lehrvortrag  verließen:)  Sie  lassen  das  ewige 
Leben  dV's  -;-  dahinten  u.  beschäftigen  sich  mit  dem  Leben  der  Stunde  -yv  '^r;,  s.  die 
ganze  Stelle  bei  Mt  13,  22  S.  (366.  —  Der  gleichen  Wendung  bedienen  sich  R.  Schim'on 
b.  Jochai  (um  150)  Schab  33b;  R.  SchimSon  b.  Garaliel  (um  140)  pMQ  3,  82b,  59; 
R.  Jochanan  (f  279)TaJan 21  a;  Raba(t  352)  Schab  10^;  s.  diese  Stellen  bei  Mt  19, 16Nr.2. 

16,  24:  Er  nehme  sein  Kreuz. 
uQÜXti)  x6v  atavQov  avrov;  s.  bei  Mt  10,  38  S.  587. 

16,  25:  Wer  sein  Leben  retten  will  usw.;  s.  bei  Mt  10,  39. 


Matth  16, 26  (2t.  33)  749 

16,26  5t:  Denn  was  wird  ein  Mensch  für  Nutzen  haben? 

ri  yctQ  wqishid^r^asTai  ccv^qcottoc:  —  Vgl.  die  Frage  Qoh  1,3:  "(inni  n^ 
öin)!.  —  Im  Rabbin.:  ib  'r-i  (n-^^jn)  nxjn  rt'z  „welchen  Nutzen  hat  man?" 
oder:  a-^^ri^  n-a  „was  nützt  es?" 

MidrQoh  1,  3  (5a):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Was  für  einen  Nutzen,  nsjn, 
haben  die  Menschen  davon,  daß  sie  sich  einen  Schatz  sammeln  an  Gehotserfüllungen 
u.  guten  Werken?  Es  ist  genug  für  sie  (an  Lohn,  spricht  Gott),  daß  ich  ihnen  die 
Sonne  aufgehen  lasse.  Die  Rabbinen  sagten:  Was  für  einen  Nutzen,  nsir,,  haben  die 
Gerechten  davon,  daß  sie  sich  einen  Schatz  sammeln  an  Gebotserfüllungen  u.  guten 
Werken?  Es  ist  genug  für  sie,  daß  ich  dereinst  ihr  Angesicht  erneuern  werde  dem 
Rad  der  Sonne  gleich,  s.  Ri  5,  31.  —  Dasselbe,  doch  nicht  in  Frageform,  P'^siqBO*; 
LvR  28  (126 1>).  |]  GnR  10  (7  c):  Alles  Verlangen  des  Menschen  ist  nur  auf  die  Erde  ge- 
richtet. Und  welchen  Nutzen,  n-'sn,  hat  er  davon?  s.  Hi  7,  1':  Wie  die  Tage  eines  Tage- 
löhners sind  seine  Tage.  ||  Ta'an  8»:  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt 
Qoh  10,  11:  „Wenn  die  Schlange  beißt,  wo  die  Beschwörung  versäumt  ist,  so  hat 
keinen  Nutzen  der  Beschwörer  (wörtlich:  der  Mann  der  Zunge  --.^hr.  hyz)'}  In  der  Zu- 
kunft (d.  h.  in  der  messianischen  Z^jt)  werden  sich  alle  Tiere  versammeln  u.  zur 
Schlange  kommen  u.  sagen:  Der  Löwe  erdrosselt  u.  frißt,  der  Wolf  zerreißt  u.  frißt; 
aber  welchen  Nutzen,  nssn,  hast  du  (von  deinem  Beißen)?  Dann  wird  sie  antworten: 
Auch  der  Mann  der  Zunge  (der  Verleumder)  hat  keinen  Nutzen.  ||  pB'rakh  2,  4^*,  42: 
Was  nützt  ihm  das,  n'h  N-ani  's^c,'  daß  seine  Aussprüche  in  seinem  Namen  tradiert 
werden?  |i  LvR  20  (101'=):  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit 
Qoh  2,  2:  Zum  Lachen  sprach  ich:  Es  ist  unsinnig,  u.  zur  Freude:  Was  schafft  die  da? 
Wenn  das  Lachen  gemischt  ist  (mit  Trauer),  was  nützt  da  die  Freude  s''"3n»3  smn  n~. 

16,  26  23:  Wenn  er  die  ganze  Welt  gewinnen, 
seine  Seele  aber  einbüßen  würde. 

€cxr  Tov  xoüfiov  oXor  xsQdr'jar^. 

pBM  2,  8"=,  26:  Schimcon  b.  Schatach  (um  90  v.  Chr.)  wollte  lieber  das  „Gepriesen 
sei  der  Gott  der  Juden!"  (im  Munde  der  Heiden)  hören,  als  den  Gewinn  dieser  ganzen 
Welt  s-s'"^?  -p-nn  ^  •^;s-:.  ||  MidrQoh  5,  14  (29a):  Im  Namen  des  R.  Mefr  (um  150)  ist 
gelehrt  worden.-  Wenn  der  Mensch  in  die  Welt  kommt,  sind  seine  Hände  zusammen- 
gezogen (geschlossen),  als  ob  er  sagen  wollte:  Die  ganze  Welt  ist  mein;  ich  will  sie 
in  Besitz  nehmen!  Und  wenn  er  aus  der  Welt  scheidet,  sind  seine  Hände  ausgestreckt 
(geöffnet),  als  wollte  er  sagen:  Ich  habe  auch  nicht  das  geringste  von  dieser  Welt  in 
Besitz  genommen  o^Vs  T.t-r.  aViyn  '^^^  T^rrj  ^5'5,  s.  Qoh  5,  14.  ü  "~riar;  u.  t2S  =  „gewinnen 
u.  verlieren"  nebeneinander  TMSch  3,  18  (92):  Geld  hast  du  gewonnen,  aber  Seelen 
hast  du  verloren  (s.  bei  Mt  10,  39  S.  588). 

Ti]v  de  ipvxTjv  avTov  ^rjfiKüi^f^:  —  Zu  der  Wendung  „die  Seele  ein- 
büßen, verlieren"  s.  bei  Mt  10, 39.  — Nicht  um  den  unersetzhchen  Ver- 
lust einer  Menschenseele,  wie  in  Mt  16,26,  sondern  um  den  unendlichen 
W^ert  eines  Menschenlebens  handelt  es  sich  in  folgenden  Stellen. 

Sanh  4,  5:  (Bei  der  Verwarnung  der  Zeugen  sagt  man:)  Wisset,  daß  nicht  wie  Geld- 
prozesse Kriminalprozesse  sind.  Bei  G.  kann  ein  Mensch  geben,  u.  es  wird  ihm 
Sühnung;  aber  bei  K.  haftet  sein  (des  Hingerichteten)  Blut  u.  das  Blut  seiner  (möglich 
gewesenen,  durch  die  Hinrichtung  aber  unmöglich  gewordenen)  Nachkommen  an  ihm 
bis  ans  Ende  der  Welt.  Denn  so  finden  wir  es  bei  Kain,  der  seinen  Bruder  tötete; 
denn  es  heißt  Gn  4,  10:  „Die  Blute"  (Plural)  deines  Bruders  schreien  zu  mir.  Es  heißt 
nicht  „das  Blut"  deines  Bruders,  sondern  „die  Blute"  -^-,  nämlich  sein  Blut  u.  das  Blut 


*  In  den  Ausgaben  Venedig  und  Krakau  fehlt  -s": 


750  Matth  16,  26  (SB.  6  1) 

seiner  Nachkommen  .  .  .  Deshalb  wurde  Adam  als  einziger  geschaffen,  um  dich  zu 
lehren,  daß  man  (Gott)  es  jedem,  der  Eine  Seele  (=  Ein  Menschenleben)  ^  vernichtet, 
so  anrechnet,  als  ob  er  eine  ganze  Welt  vernichtet  hätte,  u.  daß  man  es  jedem,  der 
Eine  Seele  ^  erhält,  so  anrechnet,  als  ob  er  eine  ganze  Welt  erhalten  hätte.  ||  AbothRN  31 : 
Durch  zehn  Worte  ist  die  Welt  erschaffen  worden.  Wozu  brauchen  das  die  zu  wissen, 
die  in  die  Welt  kommen?  Es  will  lehren,  daß  es  die  Schrift  jedem,  d.er  Ein  Gebot  er- 
füllt u.  der  Einen  Sabbat  beobachtet  u.  der  Eine  Seele  (am  Leben)  erhält,  so  anrechnet, 
als  ob  er  die  ganze  Welt  erhielte,  die  durch  zehn  Worte  erschaffen  wurde.  Und  jedem, 
der  Eine  Übertretung  begeht  u.  der  Einen  Sabbat  entweiht  und  der  Eine  Seele  ver- 
nichtet, rechnet  man  es  so  an,  als  ob  er  die  ganze  Welt  vernichtete,  die  durch  zehn 
Worte  erschaffen  wurde. ^  Denn  so  finden  wir  es  bei  Kain,  der  seinen  Bruder  Abel 
tötete;  denn  es  heißt  Gn  4,  10:  Horch,  ,die  Blute"  deines  Bruders  usw.  Ein  Blut  hatte 
er  vergossen,  von  vielen  Bluten  wird  geredet.  Das  lehrt,  daß  das  Blut  seiner  Kinder 
u.  seiner  Kindeskinder  u.  aller  seiner  Nachkommen  bis  ans  Ende  aller  Generationen, 
die  bestimmt  waren,  aus  ihm  hervorzugehn  —  daß  diese  alle  standen  u.  schrien  vor 
Gott.  Da  lernst  du,  daß  Ein  Mensch  soviel  wert  ist  wie  das  ganze  Schöpfungswerk. 
R.  N^chemja  (um  150)  sagte:  Woher  (läßt  es  sich  beweisen),  daß  Ein  Mensch  soviel 
wert  ist  wie  das  ganze  Schöpfungswerk?  Weil  es  Gn  5,  1  heißt:  Dies  ist  die  Urkunde 
der  ToPdoth  (Erzeugungen)  Adams.  Und  doft  (Gn  2,  4)  heißt  es:  ,Dies  sind  die 
ToFdoth  des  Himmels  u.  der  Erde,  als  sie  geschaffen  wurden."  Wie  es  sich  dort  um 
Erschaffung  u.  Herstellung  handelt,  so  handelt  es  sich  auch  hier  um  Erschaffung  u. 
Herstellung  (d.  h.  der  gleiche  Ausdruck  Tol^'doth,  der  in  beiden  Stellen  die  gleiche  Be- 
deutung hat,  will  den  Menschen  als  der  ganzen  Welt  gleichwertig  bezeichnen). 

Zur  ganzen  Sentenz  Mt  16,  26  vgl.  Aboth  2, 1:  Rabbi  sagte:  Sei  auf 
ein  leichtes  Gebot  bedacht,  wie  auf  das  schwere;  denn  du  kennst  den 
Lohn  der  Gebote  nicht.  Berechne  den  Verlust  bei  einer  Gebotserfüllung 
gegenüber  ihrem  Lohn  u.  den  Vorteil  bei  einer  Übertretung  gegenüber 
ihrem  Schaden.  ||  N''d41«:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Arm  ist  nur 
derjenige,  der  arm  an  Wissen  ist.  Im  Abendland  (Palästina)  sagt  man: 
Wer  dieses  hat,  hat  alles;  wer  dieses  nicht  hat,  was  hat  er?  Erwarb 
er  dieses,  was  mangelt?  Erwarb  er  dieses  nicht,  was  erwarb  er?  — 
Parallelstellen:  LvR  1  (105-^);  NuR  19  (185 «J);  Midr  Qoh  7,  23  (37«). 

16,26  6:  Oder  was  wird  ein  Mensch  geben  als  Entgelt 
für  seine  Seele? 

1.  avxttXXay^a  bedeutet:  «,  den  Kaufpreis,  der  als  Entgelt  gezahlt  wird.  So  LXX 
1  Kg2I,2:  dwau)  aoi  uQyvQiov  ('.vrä'k'Aayp.a,  i^na,  cifj.nehöv6g  aov  roiJroj;.  ||Sir  6,  15:  ,Fiir 
einen  treuen  Freund  gibt  es  keinen  Preis" ;  hebr.  --rjM,  griech.  urxnl'Aayy.a.  —  Das. 
26,  14:  Für  eine  wohlerzogene  Seele  ist  kein  Preis,  «Vr.,  (zu  hoch). 

ß,  Ersatz,  Ersatzmann.  —  Sir  44,  17:  Noah,  der  Gerechte,  wurde  fromm  erfunden; 
zur  Zeit  der  Vernichtung  (der  Menschheit  durch  die  Flut)  wurde  er  der  Ersatzmann 
^"'^~~;  griech.  «Vr.  Das  Wort  q^^~r,  das  man  weder  im  AT,  noch  in  der  rabbin. 
Literatur  liest,  findet  sich  im  hebr.  Sirach  in  der  Bedeutung  , Ersatz"  noch  46,  12  u. 
48,.  8.    Der  griech.  Text  hat  46,  12  t(vrlXK^a)laaa6f^Evor,  48,  8  Siado^ovg  Nachfolger.  j| 

^  Die  Worte  ,aus  Israel"  sind  ein  irrtümlicher  Zusatz. 

2  Vgl.  Aboth  5,  1 :  Durch  zehn  Worte  (d.  h.  durch  das  zehnmalige  ,Gott  sprach" 
im  Schöpfungsbericht)  ist  die  Welt  erschaffen  worden.  Was  will  die  Schrift  lehrend 
damit  sagen?  Hätte  sie  denn  nicht  durch  Ein  Wort  erschaffen  werden  können?  (Sie  will 
lehren,)  daß  man  die  Gottlosen  strafen  wird,  die  die  Welt  verderben,  die  durch  zehn  Worte 
erschaffen  ist,  u.  daß  man  guten  Lohn  den  Gerechten  geben  wird,  die  die  Welt  erhalten, 
die  durch  zehn  Worte  erschaffen  ist.  (Die  zehn  Worte  verzehnfachen  Strafe  u.  Lohn.) 


Matth  16,  26  (6  1.  2).  16,  27.  28  751 

Äquivalente  für  tivxdX'krcyfxu  in  seiner  ersten  Bedeutung  im  Rabbin.:  ^"2-  =  Preis,  Wert, 
oder  "isis,  li'"?  =  Lösegeld,  oder  "'ip'/S,  'sk'I''^,  x=i^"?^£  =  Loskaufung.  Targ  Ps  49,  8f. : 
Seinen  Bruder,  der  gefangen  ist,  kann  ein  Mann  nicht  loskaufen  mit  seinem  Vermögen, 
nicht  kann  er  Gott  eine  Loskaufung  für  ihn  n"3;:i^2  geben.  Zu  teuer  ist  seine  Los- 
kaufung r;"'3|5'^n-:.  ||  Zur  Wiedergabe  von  ehr.  in  seiner  zweiten  Bedeutung  bieten  sich 
dar:  n-nwr  u.  q"'?'r;  oder  ""?"Vt.-  —  Sanh  22»:  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat 
gesagt :  Für  alles  gibt  es  einen  Ersatz,  r^^'.^r,  nur  nicht  für  das  Weib  der  Jugend.  || 
pB^rakh  2,  5^,  25:  Als  R.  Simon  b.  Z^bid  (gegen  300)  entschlafen  war,  kam  R.  s;^ 
(=  Heia,  um  310)  u.  hielt  über  ihn  die  Abschieds-(Trauer-)Rede:  Vier  Gebrauchs- 
gegenstände der  Welt  gibt  es  u.  für  sie  alle,  wenn  sie  verloren  gehn,  ist  Ersatz  "("E*^- 
vorhanden,  s.  Hi  28,  If. :  „Für  Silber  gibt  es  einen  Fundort  u.  eine  Stätte  für  das 
Gold,  das  man  ausschmilzt.  Eisen  entnimmt  man  dem  Erdreich  u.  Gestein  schmelzt 
man  zu  Kupfer."  Wenn  diese  verloren  gehen,  so  gibt  es  für  sie  Ersatz  "'E^^n.  Aber 
wenn  ein  Gelehrtenschüler  stirbt,  wer  bringt  uns  einen  Ersatz  für  ihn  irE-^r;,  wer 
bringt  uns  einen  Austausch  für  ihn  ir'^i'sr?  s.  Hi  28,  12 ff.:  Weisheit  —  von  wo  erlangt 
man  die  usw.  —  Parallelstellen  mit  mehrfachen  Abweichungen  pHor  3,  48  b,  43;  GnR  91 
(58a);  MidrHL6,  2(122b);  Midr  Qoh  5, 11  (28^'). 

2.  Zu  dem  Gedanken,  daß  niemand  u.  nichts  die  Seele  eines  Menschen 
aus  dem  Gericht  Gottes  erretten  kann,  s.  die  Belege  im  Exkurs:  Sch'^ol 
usw.  II,  3,  c.  d.  —  Hier  sei  nur  noch  hingewiesen  auf: 

Apok  Bar  85,  12  f.:  (Beim  Endgericht  ist)  nicht  eine  Gelegenheit  fürs  Gebet  u.  nicht 
eine  Entsendung  von  Bitten  u.  nicht  Erlangen  von  Erkenntnis  u.  nicht  Hingabe  von 
Liebe  u.  nicht  Gelegenheit  für  die  Reue  der  Seele  u.  nicht  Fürbitten  für  Vergehungen 
u.  nicht  Gebet  der  Väter  und  nicht  Flehen  der  Propheten  u.  nicht  Hilfe  der  Gerechten. 
Es  ist  dort  aber  der  Urteilsspruch  zum  Verderben  u.  der  Weg  zum  Feuer  u.  der  Pfad, 
der  zur  Gehenna  heranführt.  , 

16,27:  Er  wird  vergelten  einem  jeden  nach  seinem  Tun. 
Zu  diesem  Zweck  werden  alle  Werke  des  Menschen  nach  altjüdischer 
Lehre  in  den  himmlischen  Büchern  aufgezeichnet;  darum  wird  keine 
seiner  Taten  vergessen.  In  der  Gerichtsstunde  kommen  alle  Werke  des 
Menschen  herbei,  um  diesem  zur  Anerkennung  einzeln  aufgezählt  zu 
werden.  Der  Richterspruch  erfolgt  dann  nach  der  Mehrzahl  der  Werke. 
Die  Belege  hierzu  s.  im  Exkurs:  Sch^ol  usw.  II,  3,  b  u.  e — h. 

16,28:  Die  den  Tod  nicht  schmecken  werden. 
ysvaad-ai  ^aväiov. 

4Esra6,  26:  Da  erscheinen  die  Männer,  die  einst  emporgerafft  sind,  die  den  Tod 
nicht  geschmeckt  haben  seit  ihrer  Geburt  (wie  Henoch  u.  Elias).  ||  GnR  9  (7'^):  R.  Chama 
b.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Der  erste  Mensch  hatte  den  Geschmack  des  Todes 
nicht  schmecken  sollen  (nr-Ji  zvc  ns-j-'  sVw-).  (Warum  wurde  der  Tod  über  die  Frommen 
u.  über  die  Gottlosen  verhängt?)  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Um 
jenen  doppelten  Lohn  zu  geben  u.  -um  diese  doppelt  zu  strafen.  Um  den  Gerechten 
Lohn  zu  geben  dafür,  daß  sie  (eigentlich)  den  Geschmack  des  Todes  nicht  hatten 
schmecken  sollen  u.  (gleichwohl)  den  Geschmack  des  Todes  auf  sich  nahmen;  deshalb 
heißt  es  Jes61,7:  Sie  werden  deshalb  in  ihrem  Lande  doppelten  Besitz  erlangen. 
Um  die  Gottlosen  aber  zu  strafen,  weil  die  Gerechten  den  Geschmack  des  Todes  nicht 
hatten  schmecken  sollen  u.  den  Tod  um  ihretwillen  (der  Gottlosen  wegen)  auf  sich 
nahmen;  deshalb  heißt  es  Jerl7,  18:  Mit  zwiefältigem  Zerbrechen  zerbrich  sie(ai3r; 
der  Midr  liest  irrtümlich  vi—  ,sie  sollen  erlangen").  !|  GnR  21  (14''):  R.  B^'rekhja 
(um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Cbanina  (um  225)  gesagt:  Wie  Elias  den  Geschmack 


752  Matth  16,  28.  17,  2 

des  Todes  nicht  geschmeckt  hat  (rn:  aya  cyi;  s'is),  so  hatte  auch  Adam  den  Geschmack 
des  Todes  nicht  schmecken  sollen.  |i  Targ  Jerusch  I  Dt  32,  1:  Mose  sprach  in  seinem. 
Herzen:  Ich  will  als  Zeugen  für  dieses  Volk  nicht  Zeugen  nehmen,  die  den  Tod  in 
dieser  Welt  schmecken  srir^»:  -j'^syt:!;  siehe,  ich  will  als  Zeugen  solche  Zeugen  nehmen, 
die  nicht  den  Tod  in  dieser  Welt  schmecken  (gemeint  sind  Himmel  u.  Erde).  ||  Joma78'': 
Sch*^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Wer  den  Geschmack  des  Todes  schmecken  will, 
srir-»3-  is^yj  Byj'';';  'yzr  is's  -sn,  der  ziehe  Schuhe  an  u.  schlafe  (er  schlafe  in 
Schuhen).  i|  Midr  Qoh  12,  5  (53"):  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Obwohl  alle  den 
(gleichen)  Tod  schmecken,  so  hat  doch  (hinterher)  jeder  eine  Welt  für  sich.  — 
Dasselbe  LvR  18  (IIT*-"),  s.  die  ganze  Stelle  im  Exkurs:  „Sch'^ol"  usw.  HI,  3,  q.  — 
Ferner  s.  bei  Joh  8,  52. 

17,2  3t:  Sein  Angesicht  leuchtete  wie  die  Sonne. 
Dereinst  werden  die  Angesichter  der  Gerechten   zu  siebenfacher 
Herrlichkeit,  zum  Glanz  der  Sonne,  des  Mondes,  der  Sterne,  der  Blitze 
usw.,  verklärt  werden. 

Siphre  zu  Dt  1,  10  §  10  (67 »)  s.  im  Exkurs:  „Sch^ol'  III,  3,  m.  ||  Henoch  38,  4:  Von 
nun  an  werden  die,  welche  die  Erde  besitzen,  nicht  mehr  mächtig  noch  erhaben  sein, 
u.  sie  werden  das  Antlitz  der  Heiligen  nicht  anzuschauen  vermögen,  weil  der  Herr 
der  Geister  sein  Licht  auf  das  Angesicht  der  Heiligen  u.  auserwählten  Gerechten 
strahlen  läßt.  |j  ApokBar5I,3:  Auch  die  herrliche  Erscheinung  derer,  die  jetzt  auf 
Grund  meines  Gesetzes  gerecht  gehandelt  haben.  ...  —  deren  Glanz  wird  alsdann 
in  verschiedener  Gestalt  erstrahlen,  u.  das  Aussehen  ihrer  Angesichter  wird  sich  ver- 
wandeln in  ihre  leuchtende  Schönheit,  so  daß  sie  annehmen  und  empfangen  können 
die  unsterbliche  Welt,  die  ihnen  alsdann  verheißen  ist.  Il  4Esra  7, 97:  Die  sechste 
(Freude  der  Gerechten  in  der  Sterbestunde  ist),  daß  ihnen  gezeigt  wird,  wie  ihr  Antlitz 
einst  wie  die  Sonne  leuchten  soll,  u.  wie  sie  dem  Sternenlichte  gleichen  sollen.  |] 
Henoch  104,2:  Ihr  werdet  wie  die  Lichter  des  Himmels  leuchten  und  scheinen.]! 
slaw.  Henoch  66,  7:  Selig  sind  die  Gerechten,  weil  sie  leuchten  werden  mehr  denn  die 
Sonne  siebenfach.  —  Weiter  s.  Henoch  39,  7;  51,  5;  ApokBarSl,  10;  4Esra7,  125; 
Midr  Qoh  1,  7  bei  17,  2  SB;  Midr  Qoh  1,  3  bei  16,  26  9t.  —  Mose  leuchtete  wie  die  Sonne, 
s.  DtR  1 1  (207  <=)  bei  Mt  4, 1  S.  146. 

17,2  ^:  Seine  Kleider  wurden  weiß  wie  das  Licht. 

Auch  die  Kleider  der  Herrlichkeit  gehören  zu  den  Heilsgütern  der 
Zukunft. 

Henoch  62,  15  f.:  Die  Gerechten  und  Auserwählten  werden  sich  von  der  Erde  er- 
heben u.  aufhören,  ihren  Blick  zu  senken,  u.  werden  mit  dem  Kleid  der  Herrlichkeit 
angetan  sein.  Und  dies  soll  euer  Kleid  sein,  ein  Kleid  des  Lebens  bei  dem  Herrn 
der  Geister;  eure  Kleider  werden  nicht  veralten  u.  eure  Herrlichkeit  wird  nicht  ver- 
gehen vor  dem  Herrn  der  Geister.  ||  slaw.  Henoch  22,  8:  Der  Herr  sprach  zu  Mikhael: 
Tritt  herzu  u.  entkleide  Henoch  von  seinen  irdischen  Kleidern  u.  salbe  ihn  mit  meiner 
schönen  Salbe  u.  kleide  ihn  in  die  Kleider  meiner  Herrlichkeit.  ll  Midr  Qoh  1,7:  R.  Jirm^ja 
b.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Dereinst  wird  Gott  das  Licht  (den  Glanz)  des  An- 
gesichtes der  Gerechten  in  der  zukünftigen  Zeit  erneuern,^  s.  Ri  5,  31 :  ,Die  ihn  lieben, 
sind  wie  der  Aufgang  der  Sonne  in  ihrer  Macht."  Wie  er  ihr  Angesicht  erneuert,  so 
erneuert  er  auch  ihre  Kleider:  heute  halbseidene,  morgen  ganzseidene.  —  Vgl.  die 
„Röcke  von  Licht"  GnR  20  (14=")  oben  S.  97.  |1  Speziell  vom  Messias  heißt  es  P'^siqR  37 
(163^):  R.  Schimfon  b.  Pazzi  (um  280)  hat  gesagt:  In  jener  Stunde  (seines  öffentlichen 
Hervortretens)  wird  Gott  den  Messias  bis  an  den  höchsten  Himmel  erhöhen  u.  über 

'  Der  Glanz  des  Angesichtes  gehört  zu  den  sechs  Dingen,  die  infolge  der  Sünde  Adams 
verloren  gingen  u.  vom  Messias  wiedergebracht  werden,  s.  GnR  12  (9'')  bei  Mt  1,3  S.  19. 


Matth  17,  2.  3  (Nr.  1)  753 

ihn  ausbreiten  von  dem  Glanz  seiner  Herrlichkeit  vor  den  Völkern  der  Welt,  vor  den 
gottlosen  Persern  (=  Römern?).  Dann  wird  er  zu  ihm  sagen:  Ephraim  (ein  Kose- 
name), Messias  unsrer  Gerechtigkeit  (=  unser  gerechter  Messias),  richte  über  diese 
u.  verfahre  mit  ihnen,  wie  es  deiner  Seele  beliebt.  ||  NuR  15  (179'^):  Den  König,  den 
Messias,  bekleidet  Gott  mit  seinem  (Gottes)  Gewand,  s.  Ps  21,  6:  Majestät  u.  Herrlich- 
keit legst  du  auf  ihn.  —  Genauer  sagt  R.  Simon  (um  280)  Midr  Ps  21  §2  (89b):  Die 
Krone  eines  Königs  von  Fleisch  u.  Blut  darf  man  nicht  aufsetzen;  aber  Gott  wird  seine 
Krone  dem  König,  dem  Messias,  gelien,  wie  es  heißt  Ps21,  4:  Du  setzest  auf  sein 
Haupt  eine  Krone  von  Gold.  Den  Purpur  eines  Königs  von  Fleisch  u.  Blut  darf  man 
nicht  anlegen;  aber  Gott  gibt  ihn  dem  König,  dem  Messias,  s.  Ps21,6:  Majestät  u. 
Herrlichkeit  legst  du  auf  ihn. 

17,3:  Und  siehe,  ihnen  erschien  Mose  u.  Elias. 

1.  Die  Frage,  ob  Mose  wie  Elias  u.  Henoch,  ohne  den  Tod  zu 
schmecken,  im  Jenseits  Aufnahme  gefunden  habe,  ist  wenig  erörtert 
worden.  Zwar  schon  Josephus  scheint  sie  verneinen  zu  wollen  ;a  in 
einer  Bar  wird  sie  bejaht,  b  Dies  hat  aber  keine  allgemeinere  An- 
erkennung gefunden,  c  Den  meisten  gilt  als  selbstverständlich,  dafs 
Mose  gestorben  sei.d  u.  zwar  weil  Gott  den  Tod  über  alle  Menschen 
gleicherweise  verhängt  habe.e  Höchstens  wird  hier  u.  da  die  Ansicht 
ausgesprochen,  daß  Moses  Seele  nicht  in  die  Hand  des  Todesengels  ge- 
geben, sondern  unmittelbar  von  Gott  durch  einen  Kufs  hinweggenommen 
sei,^  u.  daß  über  seinen  Leichnam  die  Verwesung  keine  Gewalt  gehabt 
habe.g  Selbst  in  den  jüngeren  Midraschwerken,  die  Moses  Ende  aus- 
führlich behandelt  u.  mit  Sagen  ausgeschmückt  haben, h  tritt  nirgends 
der  Gedanke  hervor,  daß  Mose  lebend  ins  Jenseits  hinübergegangen  sei.^ 
Trotzdem  hat  man  es  nicht  für  unmöglich  gehalten,  daß  Mose  aus  der 
andren  Welt  auf  Erden  erscheinen  könne.'  Mtl7,3  setzt  also  nicht  die 
Annahme  voraus,  daß  er  einst  lebend  entrückt  sei. 

a.  Joseph.  Ant.  4,  8,  48  Ende:  Als  er  (Mose)  noch  Eleazar  u.  Josua  umarmte  u.  mit 
ihnen  redete,  wurde  er,  indem  plötzlich  eine  Wolke  über  ihm  stand,  in  ein  Tal  hinab 
dem  Anblick  entzogen.  In  den  heiligen  Büchern  aber  schrieb  er,  daü  er  gestorben 
sei,  weil  er  befürchtete,  man  möchte  sich  erkühnen  zu  sagen,  daß  er  wegen  seiner 
überragenden  Tugenden  sich  empor  zur  Gottheit  zurückgezogen  habe.  —  Über  ander- 
weitige Besorgnisse  vor  dem  Mißbrauch  des  Leichnams  u.  des  Grabes  Moses  vgl. 
Vassiliev,  Anecdota  graeco-byzantina  1,258  bei  Lueken,  Michaels. 121  (Sammael  =  Satan 
will  das  Volk  zur  Anbetung  des  toten  Mose  verführen);  ferner  Leqach  tob  zu  Dt  34,  6 
(•_',  68a):  Warum  ist  das  Grab  Moses  nicht  bekanntgegeben  worden?  Damit  die  Israe- 
liten nicht  dort  ein  Heiligtum  gründeten  u.  dort  opferten  u.  räucherten.  Ferner  damit 
die  Völker  der  Welt  sein  Grab  nicht  verunreinigten  mit  ihren  Götzenbildern  u.  Greueln.  — 
Bacher,  pal.  Amoräer  1,  474  führt  folgenden  Ausspruch  des  R.  Chanina  (um  260)  aus 
Sota  14a  (?)  an:  „Warum  wurde  das  Grab  Moses  jedem  menschlichen  Auge  verborgen? 
Damit  nicht  Israel,  wenn  das  Heiligtum  zerstört  u.  das  Volk  aus  seinem  Lande  ver- 
bannt ist,  zur  Grabstätte  Moses  käme,  um  dort  weinend  zu  verharren  u.  zu  Mose  zu 
flehen:  0  Mose,  unser  Lehrer,  tritt  im  Gebet  für  uns  ein!  Moses  würde  für  sie  ein- 
treten u.  das  Verhängnis  zunichte  machen;  denn  die  Frommen  sind  im  Tode  Gott  noch 
werter  als  während  ihres  Lebens." 


*  Nicht  hierher  gehört  natürlich  die  oft  ausgesprochene  Meinung,  daß  Mose  zur 
Empfangnahme  der  Tora  aus  Gottes  Hand  zum  Himmel  aufgefahren  sei. 
strack  11.  Billerbeck,  NT  I.  48 


754  Matth  17,  3  (Nr.  1) 

b.  SDt  34,  5  §357  (149b):  Etliche  sagen:  Mose  ist  nicht  gestorben,  sondern  er 
steht  u.  dient  ohen.  Es  heißt  hier  (Dt34,  5):  ,dort",  u.  es  heißt  dort  (Ex  34,  28):  Er 
war  „dort*  bei  Jahve.  —  Diese  Bar  wird  auch  Sota  13 ^  gebracht,  mit  der  Schluß- 
folgerung: Wie  er  dort  (Ex  34,  28)  stand  u.  diente,  so  steht  er  auch  hier  (Dt  34,  5) 
u.  dient  (vor  Gott).  —  Leqach  tob  zu  Dt  34,  5  (2,  67 b)  felilen  die  Eingangsworte:  „Mose 
ist  nicht  gestorben";  als  Schlußbemerkung  wird  hinzugefügt:  „Das  lehrt,  daß  die  Ge- 
rechten nicht  sterben."  Die  Bar  ist  also  umgedeutet  auf  das  Fortleben  der  Seelen 
vor  Gott;  vgl.  Leqach  tob  zu  Dt  34,  7  (2,  68a). 

C.  Auch  die  Assumptio  Mosis  kennt  schwerlich  die  Himmelfahrt  Moses.  1,  15  u. 

10,  14  spricht  Mose  von  seinem  Hingang  zur  Ruhe  seiner  Väter;  damit  ist  sein  Tod 
gemeint.  Dagegen  heißt  es  10,  12:  Erunt  enim  a  morte  receptionem  mea  usque  ad 
adventum  illius  tempora  CCL  (250  Zeiten).  Das  'receptionem',  wie  es  dasteht,  spottet 
jeder  Deutung;  faßt  man  es  als  eine  in  den  Text  gedrungene  Randbemerkung,  so 
kennt  auch  diese  Stelle  nur  den  Tod  Moses.  Es  wäre  doch  auch  seltsam,  wenn  eine 
Schrift,  aus  der  vermutlich  das  Zitat  des  Briefes  Judas  Vers  9  über  den  Streit  um 
Moses  Leichnam  stammt,  die  Himmelfahrt  Moses  als  Ausgang  seines  Lebens  an- 
genommen hätte. 

d.  zB  R.  Elifezer  (um  90)  SDt  34,  5  §  357  (149  b)  =  Sota  13  b;  R.  Elfazar  aus  Modinm 
ff  um  135)  SNu31,5  §  157  (59b);  R.Meir  (um  150)DtRll  (207a;  dasselbe  anonym 
Tanch  -snan  rsr  31b);  R.  Schimson  b.  Jochai  (um  150)  SDt  31, 14  §304  u.  305  (I29^aj; 
R.  Jehuda  b.  Elfai  (um  150)  SNu  12,  15  §  106  (28b);  R.  Jose  b.  J^uda  (um  180)  TSota 

11,  10  (315);  R.Jonathan  b.  EKazar  (um  220)  B'-rakh  18b;  R.  Jochanan  (t279)  Sota  13b; 
R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  Sota  14  a ;  R.  Elf  azar  b.  PMath  (um  270)  MQ  28  a  =  BB  17  a, 
s.  die  Stelle  in  Anm. /";  R.  Ji(jchaq  (um  300)  Tanch  ns^an  psti  31b  =  DtR  11  (207a); 
R.  Levi  (um  300)  DtR  9  (206a);  s.  die  Stelle  in  Anm.  e;  R.  Abin  (L  um  325;  11.  um  370) 
P^siq  198b;  dasselbe  anonym  Tanch  ns^sn  pstj  31a.  Endlich  s.  auch  Sota  1,  9:  Wer 
ist  uns  größer  als  Mose,  mit  dem  sich  nur  Gott  (bei  seinem  Tode)  befaßte?  s.  Dt  34,  6: 
Er  begrub  ihn  im  Tal. 

e.  DtR  9  (205 '\):  Mose  sprach:  Herr  der  Welt,  nach  all  den  vielen  Ehren,  die 
meine  Augen  gesehen  haben,  soll  ich  sterben?  Gott  antwortete:  Mose,  wer  ist  der 
Mann,  der  da  lebt  u.  den  Tod  nicht  sieht?  (vgl.  Ps  89,  49).  Was  heißt  das:  Wer  ist 
der  Mann  usw.?  R.  Tanchuma  (um  380)  hat  gesagt:  Wer  ist  ein  Mann  wie  Abraham, 
der  in  den  Feuerofen  (Nimrods)  hinabstieg  u.  gerettet  wurde?  Und  hinterher  heißt  es 
Gn  25,  8:  Abraham  verschied  u.  starb.  Wer  ist  ein  Mann  wie  Isaak,  der  seinen  Hals 
auf  dem  Altar  hinstreckte?  Und  hinterher  heißt  es  Gn  27,  2:  Ich  bin  alt  geworden 
u.  weiß  den  Tag  meines  Todes  nicht.  Wer  ist  ein  Mann  wie  Jakob,  der  mit  dem  Engel 
rang?  Und  hinterher  heißt  es  Gn  47,  29:  Es  nahten  die  Tage  Israels  zu  sterben.  Wer 
ist  ein  Mann  wie  Mose,  der  mit  seinem  Schöpfer  von  Angesicht  zu  Angesicht  redete? 
Und  hinterher  heißt  es  Dt  31,  14:  Siehe,  genaht  sind  die  Tage,  da  du  sterben  mußt. .  . . 
R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  schwangeren 
Weibe,  die  ins  Gefängnis  geworfen  war;  dort  gebar  sie  einen  Sohn  u.  zog  das  Kind 
auf.  Als  der  König  an  dem  Gef.  vorüberging,  fing  jenes  Kind  an  zu  rufen:  Mein  Herr 
König,  warum  muß  ich  im  Gef.  liegen?  Der  König  antwortete  ihm:  Wegen  der  Sünde 
deiner  Mutter  befindest  du  dich  hier.  So  sprach  Mose:  Herr  der  Welt,  36  Verbote 
mit  der  Ausrottungsstrafe  gibt  es;  wenn  ein  Mensch  eins  von  ihnen  übertritt,  ist  er 
des  Todes  schuldig.  Habe  ich  vielleicht  eins  derselben  übertreten?  Warum  verhängst 
du  über  mich  den  Tod?  Gott  antwortete:  Wegen  der  Sünde  des  ersten  Menschen 
mußt  du  sterben,  der  den  Tod  über  die  Welt  gebracht  hat.  —  In  der  Bar  BB  17a; 
•Schab  55b,  die  vier  Menschen  nennt,  die  infolge  des  Rates  der  Schlange,  d.  h.  infolge 
der  durch  die  Schlange  veranlaßten  Sünde  Adams  starben,  fehlt  Moses  Name.  Der 
Gedanke  an  Stellen  wie  Nu  20,  12;  27,  13 f.;  Dt  82,  50 f.  ließ  es  wohl  nicht  zu,  Mose 
von  eigener  Sünde  freizusprechen.  Vgl.  Schab  55b  Bar:  R.  Schim'on  b.  Elfazar  (um  190) 
hat  gesagt:  Auch  Mose  und  Ahron  sind  infolge  von  Sünde  gestorben,  s.  Nu  20,  12.  — 
Die  letzte  Bar  auch  in  SNu  27,  14  §  137  (51b). 


Matth  17,3  (Nr.  1)  755 

/.  BB  17a  Bar:  Über  sechs  hat  der  Todesengel  keine  Gewalt  gehabt  (d.  h.  ihre 
Seele  wurde  von  Gott  selbst  hinweggenommen);  diese  sind:  Abraham,  Isaak,  Jakob, 
Mose,  Ahron  u.  Mirjam.  Abraham,  Isaak  u.  Jakob,  weil  es  von  ihnen  heißt:  Mit  , allem" 
hatte  Jahve  Abraham  gesegnet  Gn  24,  1,  von  „allem"  aß  ich  (Isaak)  Gn  27,  33,  , alles" 
habe  ich  (Jakob)  ja  Gn  33,  11.  („Alles"  Gute  besaßen  sie,  also  auch  die  Freiheit  vom 
Todesengel.)  Mose,  Ahron  u.  Mirjam,  weil  es  von  ihnen  heißt  Nu  33,  38  u.  Dt  34,  .5: 
nr^  -E  hs  (^  auf  Jahves  Geheiß,  vom  Midr  gedeutet  =  am  Munde,  d.  h.  durch  einen 
Kuß  Jahves).  Aber  bei  der  Mirjam  steht  doch  nicht  geschrieben  'n  "s  hv !  R.  Elcazar 
(um  270)  hat  gesagt:  Auch  Mirjam  starb  durch  einen  Kuß  np-^iüja;  das  folgt  aus  der 
Analogie  des  Wortes  „dort"  bei  Mirjam  Nu  20,  1  u.  bei  Mose  Dt  34,  5.  (Die  Gleichheit 
eines  Woi-tes  in  verschiedenen  Stellen  gestattet  die  ganze  Situation  der  einen  Stelle 
in  die  andere  einzutragen,  so  in  diesem  Fall  das  'r,  -s  hy;  vgl.  Einl.  S.  97,  Nr.  2.)  Aber 
warum  ist  denn  bei  der  Mirjam  nicht  gesagt  worden  „am  Munde  Jahves"?  Weil  es  un- 
geziemend gewesen  wäre,  das  zu  sagen  (da  es  sich  um  eine  Frau  handelt).  —  R.  ElEazars 
Ausspruch  noch  MQ  28»;  die  Deutung  des  ^s  hy  „Kuß"  auch  Targ  Jerusch  I  Dt  34,  5. 

g.  BB  17a  Bar:  Über  sieben  hat  Wurm  u.  Verwesung  keine  Gewalt  gehabt;  diese 
sind:  Abraham,  Isaak  u.  Jakob,  Mose,  Ahron  u.  Mirjam  u.  Benjamin,  der  Sohn  Jakobs. 
Abr.,  Is.  u.  Jakob,  da  es  von  ihnen  lieißt:  Mit  allem,  von  allem,  alles,  s.  das  vor.  Zitat; 
Mose,  Ahron,  u.  Mirjam,  weil  es  von  ihnen  heißt:  Am  Munde  Jahves,  s.  das  vor.  Zitat. 
Von  Benjamin,  dem  Sohne  Jakobs,  heißt  es  Dt  33,  12:  Der  Liebling  Jahves  wohnt 
sicher  bei  ihm  (auch  im  Grabe  sicher  vor  Verwesung).  Einige  fügen  noch  David  hinzu, 
s.  Ps  16,9:  Auch  mein  Fleisch  wird  sicher  wohnen.  1|  PesiqR  21  (102a):  R.  Schim'on 
b.  Jochai  (um  löO)  hat  gesagt:  Wenn  aus  dem  Grabe  Moses  ein  kleines  Loch  sich 
öffnete,  so  würde  die  ganze  AVeit  vor  seinejn  (des  Loches)  Licht  (=  Glanz)  nicht  be- 
stehen können.  Wenn  so  das  Loch,  wie  erst  das  (ganze)  Grab!  Und  wenn  so  das 
Grab,  wie  erst  Mose!  (Die  Meinung  ist,  daß  Moses  Leiche  der  Strahlenglanz  verblieben 
ist,  s.  Friedmann  z.  St.)  ||  SDt  84,  7  §  357  (150a):  „Es  war  nicht  gewichen  nnV"  Dt  34,  7. 
R.  EliJezer  b.  Ja'aqob  (um  150)  hat  gesagt:  Lies  nicht  ""V,^  sondern  nrr"';.,  „die  Feuchtig- 
keit (=  Saft,  Frische)  war  nicht  gewichen".  Wenn  man  jetzt  das  Fleisch  (den  Körper)  Moses 
berühren  könnte,  so  würde  seine  Frische  dahin  u.  dahin  (nach  allen  Seiten)  hervortreten. 

h.  Es  sei  verwiesen  auf  DtR9(205<^);  11  (207a— 208b  Ende;  s.  oben  S.  146f.); 
Tanch  i:-rsi  3b— 5^;  ^=^2-  rsr  31a_32b;  TanchB  ^arrs^  §  6  (ob— 7b;  Targ  Jerusch  I 
zu  Dt  34, 5  ff. ;  Midr  vom  Ableben  Moses  bei  Jellinek,  Beth  ha-Midr  1, 1 1 5—  1 29 ;  G,  7 1  —78. 

i.  Midr  KL  Einl.  Nr.  24  (38a):  (R.  Schemuel  b.  Nacbman,  um  260,  hat  gesagt: 
Als  das  Heiligtum  zerstört  war),  hob  Mose  an  u.  sprach :  Herr  der  Welt,  bin  ich  nicht 
ein  treuer  Hirt  gewesen  über  Israel  40  Jahre  lang  u.  vor  ihnen  hergelaufen  wie  ein 
Roß  durch  die  Steppe  (vgl.  Jes  63,  13)?  Und  als  die  Zeit  herannahte,  daß  sie  in  das 
Land  (Kanaan)  einziehen  sollten,  hast  du  über  mich  beschlossen,  daß  in  der  Wüste 
meine  Gebeine  fallen  sollten  —  u.  jetzt,  wo  sie  in  die  Verbannung  gezogen,  hast  du 
mich  holen  lassen,  über  sie  zu  klagen  u.  zu  weinen  —  gerade  so,  wie  die  Leute  im 
Sprichwort  sagen:  Aus  dem  Glück  meines  Herrn  kommt  kein  Glück  mir,  aber  aus 
seinem  Unglück  erwächst  auch  mir  Unglück.  In  jener  Stunde  sprach  Mose  zu  Jeremia: 
Geh  vor  mir  her,  denn  ich  will  gehn  u.  sie  geleiten  u.  sehen,  wer  seine  Hand  auf  sie 
gelegt  hat.  Jeremia  erwiderte:  Unmöglich  ist  es  des  Weges  zu  ziehen  vor  Erschlagenen! 
Trotz  alledem,  entgegnete  Mose.  Sofort  gingen  sie  bis  an  die  Ströme  Babels.  Als  die 
Exulanten  Moses  ansichtig  wurden,  sprachen  sie  untereinander:  Der  Sohn  (Amrams 
ist  aus  seinem  Grabe  gekommen,  um  uns  aus  der  Hand  unsrer  Dränger  zu  erlösen. 
Da  ging  eine  Himmelsstimme  aus,  welche  rief:  Unabänderlicher  Beschluß  ist  es  vor 
mir!  Alsbald  sprach  Mose  zu  ihnen:  Meine  Kinder,  euch  zurückzuführen  ist  nicht  mög- 


1  Welche  Erklärung  des  nhV  mit  dieser  Bemerkung  abgelehnt  wird,  ist  nicht 
recht  ersichtlich.  Vielleicht  hat  man  an  die  Deutung  „seine  Kinnbacke,  seine  Wange" 
(von  ■^nV)  zu  denken,  wie  Targ  Jerusch  I  übersetzt:  Es  fielen  nicht  aus  die  Zähne 
seiner  Kinnbacke  r-PC'^.  Vgl.  auch  LXX  Dt  34,  7. 

48* 


756  Matth  17,  3  (Nr.  2) 

lieh,  denn  schon  ist  der  Beschluß  beschlossen;  aber  mijge  euch  Gott  zurückführen  in 
Bälde!  und  damit  verließ  er  sie.  .  .  .  |1  Wie  R.  Schemuel  b.  Nachman  hier  den  Mose 
aus  seinem  Grabe  an  den  Wassern  Babylons  erscheinen  läßt,  ebenso  dichtet  er  im  An- 
fang dieser  Legende,  daß  auch  Abraham  in  das  zerstörte  Heiligtum  eingetreten  sei, 
um  vor  Gott  zu  klagen.  Man  erkennt  daraus,  daß  das  Erscheinen  Verstorbener  aus 
ihren  Gräbern  dem  jüdischen  Denken  keine  besonderen  Schwierigkeiten  bereitet  hat. 

2.  Neben  Elias  oder  in  Verbindung  mit  dem  Messias  wird  Mose  in 
der  älteren  jüdischen  Literatur  nicht  erwähnt.  Mt  17,  3  steht  in  dieser 
Hinsicht  beispiellos  da.  Als  Vorläufer  oder  Mitarbeiter  des  Messias 
werden  in  den  Pseudepigraphen  genannt:  Henoch,  Elias,  Esra,  Baruch 
u.  der  Hohepriester  der  messian.  Zeit;a  in  der  rabbin.  Literatur  außer 
Elias  besonders  der  Messias  ben  Joseph  oder  ben  Ephraim,  vereinzelt 
auch  der  Kohen  Qedeq  (der  Hohepriester  der  Messiaszeit)  u.  ein  Messias 
ben  Manasse.b  Moses  Name  begegnet  hier  nirgends.  Erst  der  spät 
(um  900?)  entstandene  Midrasch  zum  5.  Buch  Mose  D^barim  Rabba 
(s.  Einl.  206  f.)  hat  Mose  einmal  mit  Elias  in  Verbindung  gebracht  u. 
ihn  so  unter  die  Vorläufer  des  Messias  eingereiht,  c  Dieser  eine,  noch 
dazu  anonym  ^  überlieferte  Ausspruch  ist  natürlich  nicht  geeignet,  uns 
über  die  Anschauungen  der  früheren  Zeit  zu  belehren.  Allerdings  hat 
auch  diese  dem  Mose  eine  ganz  bestimmte  Aufgabe  für  die  Endzeit 
zugewiesen;  aber  sein  Verhältnis  zum  Messias  wird  dabei  nirgends  be- 
rührt: wie  nämlich  Mose  bei  den  in  der  Wüste  Gefallenen  begraben 
worden  ist,  um  deren  Sünde  zu  sühnen,  d  so  soll  er  dereinst  bei  der 
Auferstehung  der  Toten  das  Wüstengeschlecht  durch  sein  Verdienst 
wiederbringen  u.  an  ihrer  Spitze  seinen  Lohn  empfangen,  e  —  Zu  Orac. 
Sibyll.  5,  256  —  259,  wo  möglichenfalls  Mose  vom  Flimmel  her  als  Messias 
erwartet  wird,  s.  bei  Mt  1, 1  S.  12  f. 

a.  Henoch  89,  52:  Eins  von  ihnen  (nämlich  Elias)  rettete  sich  u.  wurde  nicht  ge- 
tötet, entsprang  u.  schrie  über  die  Schafe  (^^  Israeliten),  u.  sie  wollten  es  töten,  aber 
der  Herr  der  Schafe  {=  Gott)  rettete  es  aus  der  Gewalt  der  Schafe,  brachte  es  zu  mir 
(Henoch)  herauf  (in  den  Himmel)  u.  ließ  es  (da)  wohnen.  |  90,  31 :  Darauf  nahmen  mich 
(Henoch)  jene  drei  weiß  Gekleideten  (=  Engel),  die  mich  zuvor  hinaufgebracht  hatten, 
bei  der  Hand,  u.  indem  die  Hand  jenes  Böckchens  (=  Elias)  mich  ergriff,  brachten 
sie  mich  hinauf  (nach  dem  neuen  Jerusalem)  u.  setzten  mich  (samt  Elias)  inmitten 
jener  Schafe  nieder,  bevor  das  Gericht  begann.  4  Esra  14,  9:  Du  (Esra)  sollst  aus  den 
Menschen  entrückt  werden  u.  wirst  fürderhin  bei  meinem  Sohn  (dem  Messias)  u.  bei 
deinen  Genossen  (im  Himmel  oder  im  Paradies)  verweilen,  bis  die  Zeiten  um  sind 
(die  messian.  Zeit  anbricht).  |  14,  49:  Damals  ist  Esra  entrückt  u.  an  die  Stätte  seiner 
Genossen  aufgenommen  worden,  jj  Apok  Bar  13,  3:  Du  (Baruch)  sollst  bestimmt  auf- 
bewahrt werden  bis  zum  Ende  der  Zeiten,  damit  du  dann  da  seiest,  um  Zeugnis  ab- 
zulegen. I  76,  2:  Du  (Baruch)  wirst  allerdings  von  dieser  Erde  fortgehen,  aber  nicht 
zum  Tode,  sondern  aufbewahrt  zu  werden  für  das  Ende  der  Zeiten.  Ij  4  Esra  6,  26:  Da 
(vor  Beginn  der  Heilszeit)  erscheinen  die  Männer,  die  einst  emporgerafft  sind,  die  den 
Tod  nicht  geschmeckt  haben  seit  ihrer  Geburt  (wie  Henoch,  Elias,  Baruch,  Esra).  |  7,  28: 
Denn  mein  Sohn,  der  Christus,  wird  sich  offenbaren  samt  allen  bei  ihm  (wie  zB  Henoch, 


'  Volz,  Jüd.  Eschatologie,  S.  191,  verleitet  durch  ein  voranstehendes  Wort  des 
Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80),  hat  ohne  Grund  auch  unsern  Ausspruch  diesem 
Autor  beigelegt. 


Matth  17,  3  (Nr.  2)  757 

Elias  usw.)  u.  wird  den  Übriggebliebenen  Freude  geben,  4Ö0  Jahre  lang.  |i  Test  Levi  18: 
Dann  wird  der  Herr  dem  Priestertum  einen  neuen  Priester  (den  Hohenpriester  der 
niessian.  Heilszeit)  erwecken,  welchem  alle  Worte  des  Herrn  werden  enthüllt  werden. 
Und  er  selbst  wird  ein  Gericht  der  Wahrheit  halten  auf  der  Erde  in  einer  Menge  von 
Tagen  .  .  .  wie  ein  König.  .  .  .  Dieser  wird  leuchten  wie  die  Sonne  auf  der  Erde  u. 
jedes  Dunkel  von  der  Erde  wegnehmen,  u.  es  wird  Friede  auf  der  ganzen  Erde  sein.  .  .  . 
Die  Himmel  werden  sich  öffnen  u.  aus  dem  Tempel  der  Herrlichkeit  wird  über  ihn 
Heiligkeit  kommen  mit  väterlicher  Stimme.  .  .  .  Und  die  Herrlichkeit  des  Höchsten 
wird  über  ihn  gesprochen  werden,  u.  der  Geist  des  Verstandes  u.  der  Heiligung  wird 
auf  ihm  ruhen.  ...  Er  wird  keinen  Nachfolger  haben  bis  in  die  fernsten  Geschlechter 
bis  in  Ewigkeit.  Und  zur  Zeit  seines  Priestertums  wird  jede  Sünde  vergehen,  u.  die 
Gottlosen  werden  aufhören  Böses  zu  tun.  .  .  .  Und  er  selbst  wird  die  Türen  des  Para- 
dieses öffnen  u.  er  wird  wegstellen  das  gegen  Adam  drohende  Schwert  u.  wird  den 
Heiligen  zu  essen  geben  von  dem  Holz  des  Lebens,  u.  der  Geist  der  Heiligkeit  wird 
auf  ihnen  sein.  Und  Beliar  wird  von  ihm  gebunden  werden,  u.  er  wird  seinen  Kindern 
Gewalt  geben,  auf  die  bösen  Geister  zu  treten.  .  .  . 

b.  Die  Belege  s.  im  Exkurs:   „Elias"  II,  2,  k. 

C.  DtR3(201'^):  Gott  sprach:  Mose,  bei  deinem  Leben,  wie  du  dein  Leben  für 
Israel  in  dieser  Welt  dahingegeben  hast,  so  sollt  ihr  in  der  Zukunft,  wenn  ich  ihnen 
den  Propheten  Elias  kommen  lasse,  beide  zusammen  kommen.  Woher  läßt  sich  das 
beweisen?  Es  steht  geschrieben  Nah  1,3 f.:  Jahve  ist  langsam  von  Zorn,  aber  groß 
an  Kraft,  u.  ungestraft  läßt  er  sicher  nicht  ausgehn.  Jahve  im  Schilf  (der  Midr  deutet 
-i^,o  Sturm  =  qno  Schilf)  u.  im  Wetter  ist  sein  Weg  usw.  Im  ,  Schilf,  das  bezieht 
sich  auf  Mose,  s.  Ex2,  3:  Sie  setzte  ihn  ins  Schilf;  u.  im  , Wetter",  das  geht  auf 
Elias,  s.  2  Kg  2,  1 1  f.  In  jener  Stunde  aber  (bei  seiner  dereinstigen  Wiederkehr)  wird 
er  kommen  u.  euch  trösten,  s.  Mal  3,  23  f. 

d.  Sota  14»;  R.  Chamab.  Chanina  (um  260)  hat  gesagt:  Warum  ist  Mose  bei  Beth-P'^for 
begraben  worden?  (s.  Dt  34, 6).  Damit  er  für  die  Tat  mit  dem  Pejor  (Nu  25)  Sühnung  schaffe. 

e.  Tanch  •;:r;rNi  5'':  Warum  ist  Mose  im  Auslande  begraben  worden?  Damit  die 
im  Auslande  Gestorbenen  durch  sein  Verdienst  Wiederaufleben  (auferstehn).  ||  P'^siqR 
Zusatz  3  (199-''):  Warum  ist  Mose  in  der  Wüste  gestorben?  Damit  das  Geschlecht  der 
Wüste  durch  sein  Verdienst  wiederkehre  u.  auferstehe.  —  Parallelstelle:  P'='siq  159^.  ij 
DtR2(197''):  Gott  sprach  zu  Mose:  Wenn  du  hier  bei  ihnen  (den  in  der  Wüste  Ge- 
storbenen, lies  1'-^  statt  f^us)  begraben  wirst,  so  werden  diese  durch  dein  Verdienst 
mit  dir  kommen  (bei  der  Auferstehung).  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Womit  läßt  sich 
das  vergleichen?  Mit  einem,  dessen  Geld  an  einem  finstern  Ort  verstreut  worden  war. 
Er  sagte:  Wenn  ich  sage:  Leuchtet  mir,  daß  ich  meine  (kleinen)  Geldmünzen  sammle, 
dann  kümmert  sich  kein  Mensch  um  mich.  Was  tat  er?  Er  nahm  ein  Goldstück  u. 
warf  es  dazwischen;  dann  fing  er  an  zu  schreien  und  sprach:  Leuchtet  mir!  ich  hatte 
Ein  Goldstück,  das  ist  mir  hier  weggefallen!  Da  leuchtete  man  ihm.  Was  tat  er, 
nachdem  er  das  Goldstück  an  sich  genommen  hatte?  Er  sprach  zu  ihnen:  Bei  eurem 
Leben!  wartet  auf  mich,  daß  ich  die  Geldmünzen  aufsammle,  und  er  sammelte  sie  auf. 
So  wurden  durch  das  Verdienst  des  Goldstücks  die  Geldmünzen  aufgesammelt.  Ebenso 
hat  Gott  zu  Mose  gesagt:  Wenn  du  bei  ihnen  in  der  Wüste  begraben  wirst,  so  werden 
sie  durch  dein  Verdienst  kommen  u.  du  wirst  an  ihrer  Spitze  kommen,  s.  Dt  33,  21: 
Er  kommt  an  der  Spitze  des  Volkes  (so  der  Midr).  —  In  ExR2(68'^)  sagt  R.  Levi: 
Gott  sprach  zu  Mose:  Dies  Zeichen  sei  dir:  in  der  Wüste  ließest  du  sie  u.  aus  der 
Wüste  wirst  du  sie  in  der  Zukunft  herausbringen,  s.  Hos  2,  16:  Deswegen  siehe,  will 
ich  sie  locken  u.  in  die  Wüste  schaffen.  i|  Tanch  rpn  227'':  , Deshalb  sollt  ihr  diese 
Versammlung  nicht  in  das  Land  bringen"  Nu  20,  12.  Gott  sprach  zu  Mose:  Mose,  wie 
willst  du  denn  in  das  Land  kommen?  Gleich  einem  Hirten,  der  auszog,  um  die  Herde 
des  Königs  zu  weiden,  u.  die  Herde  wurde  gefangen  fortgeführt.  Da  wollte  der  Hirt 
den  Palast  des  Königs  betreten.  Der  König  sprach  zu  ihm:  Man  wird  sagen,  daß  du 
die  Herde  der  Gefangennahme  überlassen  hast  (u.  davongelaufen  bist).   Ebenso  sagte 


758  Matth  17,  3  (Nr.  2).  17,  15.  17 

Gott  zu  Mose:  Mose,  wäre  das  ein  Ruhm  für  dich,  daß  du  60  Myriaden  ausgeführt  u. 
in  der  Wüste  begraben  hast  u.  ein  andres  Geschlecht  (in  das  Land  Kanaan)  einführst? 
Jetzt  wird  man  sagen:  Die  in  der  Wüste  Gestorbenen  haben  keinen  Teil  an  der  zu- 
künftigen Welt!  Vielmehr  bleibe  an  ihrer  Seite  und  dann  komme  in  Gemeinschaft  mit 
ihnen,  s.  Dt  33,  21:  Er  kommt  an  der  Spitze  des  Volkes  (so  der  Midr).  —  Parallelen: 
TanchB  r-n  §  32  (61b);  NuR  19  (186«=).  II  Tanch  a^--'  133 1>:  Gott  sprach  zu  Mose:  In 
dieser  Welt  habe  ich  dich  zum  Haupt  über  ganz  Israel  gemacht,  u.  in  der  zukünftigen 
Welt,  wenn  die  Gerechten  kommen  werden,  ihren  Lohn  in  Empfang  zu  nehmen,  sollst 
du  an  der  Spitze  von  ihnen  allen  kommen,  s.  Dt  33,  21:  Er  kommt  an  der  Spitze  des 
Volkes.  —  Dasselbe  TanchB  n"-i  §6  (3«). 

'HleU'.g.  —  Über  Elias  im  gegenwärtigen  Äon  u.  über  seine  Aufgabe  bei  Anbruch 
der  messian.  Zeit  s.  den  Exkurs:  Elias  I  u.  II. 

17,5:  Eine  Stimme  aus  der  Wolke.  —  Dazu  vgl.  bei  Mt3, 17. 

17,12:  So  steht  auch  dem  Menschensohn  bevor  von  ihnen  zu  leiden. 
Über  den  leidenden  Messias  der  Synagoge  s.  bei  Lk  24,  26. 

17,15:  Er  ist  mondsüchtig. 

Die  Krankheit  wird  Vers  18  auf  einen  bösen  Geist,  daiixovior  = 
nr^  nr,,  zurückgeführt;  sie  äußert  sich,  wie  aus  den  Worten:  „Oft 
fällt  er  ins  Feuer  u,  oft  ins  Wasser"  Vers  15''  zu  entnehmen  ist,  in 
epileptischen  Anfällen;  das  oeXr^ricc^sTai  endlich  bezeugt  den  Einfluß 
des  Mondes  auf  die  Krankheit.  Ungewiß  bleibt,  ob  der  Mond  als  natür- 
licher Krankheitserreger  in  Betracht  kommt,  oder  ob  die  Periode  des 
Mondscheins  als  die  Zeit  gedacht  ist,  in  der  der  böse  Geist  seine  Wirk- 
samkeit ausübt.  In  letzterer  Hinsicht  wäre  zu  verweisen  auf  Targ 
Ps  121,  6:  Bei  Tage,  wenn  die  Sonne  herrscht,  sollen  dich  die  Morgen- 
dämonen nicht  schlagen,  noch  die  Nachtgespenster,  wenn  der  Mond 
in  der  Nacht  herrscht,  1|  P«^s  111«:  R.  JiQchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Was 
bedeutet  Ps  23,4:  „Auch  wenn  ich  wandle  im  Tale  der  Schatten  (so  der 
Midr),  so  fürchte  ich  kein  Unheil;  denn  du  bist  bei  mir"?  Das  bezieht 
sich  auf  den,  der  im  Schatten  einer  alleinstehenden  Palme  u.  (über- 
haupt) im  Mondscheinschatten  schläft.  (Im  Mondscheinschatten  hausen 
gern  die  Dämonen,  s.  Raschbam.  Daß  diese  Meinung  alt  ist,  beweist  die 
auf  R.  Ji9chaqs  Ausspruch  folgende,  fast  wörtlich  gleichlautende  Bar.) 

Die  Epilepsie  sieht  der  Talmud  meist  als  Strafe  für  eine  gegen  den 
Anstand  verstoßende  Ausübung  des  Beischlafes  an.  So  Bar  P's  112'^; 
K'^th  60'\  —  Auf  dämonische  Einflüsse  wird  die  Epilepsie  zurückgeführt 
in  der  Bar  Git  70*:  Wer  vom  Abort  kommt,  soll  sein  Bett  nicht  be- 
dienen (den  Beischlaf  nicht  vollziehen),  bis  er  so  lange  Zeit  gewartet 
hat,  wie  nötig  ist,  um  ein  halbes  Mil  (1  Mil  :=  2000  Ellen)  zu  gehen, 
weil  der  Dämon  des  Aborts  ihn  begleitet,  u.  wenn  er  den  Beischlaf 
gleich  vollzieht,  werden  ihm  epileptische  Kinder  ■■'e::  ni:^.  ||  Über  die 
Dämonen  als  Erreger  von  Krankheiten  s.  den  Exk. :  Dämonologie  Nr.  6,  e. 

17,15:  Oft  fällt  er  ins  Feuer  u.  oft  ins  Wasser.  —  Hierzu  s.  bei  Mk  9,  18. 

17, 17:  0  ungläubiges  u.  verkehrtes  Geschlecht. 

o)  ysvhcc  .  .  .  dieatoafint'vr..  So  LXX  für  Vnbrs  ...  in  Dt  32,  5. 


Matth  17, 17.20.21  759 

SDt  §308  (133b):  Mose  sprach  zu  den  Israeliten:  Verkehrt  seid  ihr.  verdreht  s-'i-inVrE 
seid  ihr,  ihr  geht  (gehört)  nur  ins  Feuer.  Gleich  eitiem,  der  einen  krummgebogenen  Stock 
in  seiner  Hand  hat,  den  er  einem  Handwerker  übergibt,  um  ihn  geradezurichten.  Er  sucht 
ihn  im  Feuer  geradezurichten;  wenn  er  nicht  gerade  wird,  so  sucht  er  ihn  durch  eine  Walze 
geradezumachen;  wenn  er  (dann  noch)  nicht  gerade  wird,  klopft  er  ihn  mit  einem  Beil  u. 
legt  ihn  ins  Feuer.  Ebenso  heißt  es  Ez  2 1 ,  36 :  Ich  will  dich  in  die  Hand  von  Brandmenschen 
legen,  von  Schmieden  des  Verderbens.  —  Eine  andre  Erklärung:  Ein  verkehrtes  u.  ver- 
drehtes Geschlecht.  Mose  sprach  zu  den  Israeliten:  Mit  dem  Mafse,  mit  welchem  ihr 
messet,  messe  ich  euch.  Ebenso  heißt  es  2  Sm  22,27:  Gegen  den  sich  rein  Bewahrenden 
hältst  du  dich  rein  u.  gegen  den  Verdrehten  lassest  du  dich  verkehrt  finden. 

17,20:  Wie  ein  Senfkorn.   Hierzu  s.  bei  Mt  13,  32. 

17,20:  Ihr  werdet  zu  diesem  Berge  sprechen: 
Versetze  dich  von  hier  dorthin! 

, Berge  entwurzeln"  oder  „ausreißen"  ist  eine  sprichwörtliche  Wendung,  die  soviel 
bedeutet  wie:  „unmöglich  Scheinendes  möglich  machen".  Sanh24^:  fUlla  (um  280) 
hat  gesagt:  Wenn  man  den  Resch  Laqisch  (um  250)  im  Lehrhaus  sah,  so  erschien  er 
wie  einer,  der  Berge  entwurzelte  u.  sie  aneinander  zerrieb  -r.-i^  ht  i^n^'^:!  c^n  ^piy  -isss 
(d.  h.  er  verstand  alle  halakhischen  Schwierigkeiten  durch  seineu  Scharfsinn  zu  be- 
seitigen). Rabina  (1.  ?,  f  um  420,  II.  ?,  f  499)  hat  gesagt:  Erschien  denn  nicht  R.Meir 
(um  150),  wenn  man  ihn  im  Lehrhaus  sah,  wie  einer,  der  Berge  von  Bergen  (die  aller- 
größten Berge)  entwurzelte  u.  sie  aneinander  zerrieb?  —  Mit  „ Bergentwurzeier ' 
a—n  -pi»  bezeichnete  man  also  einen  Gelehrten,  der  scharfsinnig  zu  disputieren  ver- 
stand, während  man  denjenigen,  der  diese  Gabe  nicht  besaß,  aber  über  eine  umfassende 
Kenntnis  des  gesamten  halakhischen  Traditionsstoffes  verfügte,  „Sinai"  nannte.  Der 
letzteren  Bezeichnung  lag  die  Anschauung  zugrunde,  daß  das  ganze  halakhische  Material 
bereits  Mose  auf  dem  Sinai  offenbart  worden  sei.  Horaj  14'^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt:  Rabban  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  u.  die  Rabbinen  waren  darüber  ver- 
schiedener Meinung.  Der  eine  sagte:  Ein  „Sinai"  ist  vorzüglicher,  u.  die  andren  sagten: 
Ein  „Bergentwurzeier"  ist  vorzüglicher.  Rah  Joseph  (f  333)  war  ein  „Sinai",  Rabbah 
(t  380)  war  ein  „Bergentwurzeier".  Man  ließ  (aus  Babylonien,  als  die  Wahl  zum 
Schulhaupt  von  Pumb^ditha  zwischen  Rah  Joseph  u.  Rabbah  schwankte)  dort  (in 
Palästina)  anfragen:  „Wer  von  ihnen  verdient  den  Vorzug?"  Man  antwortete  ihnen : 
der  „Sinai"  ist  vorzüglicher;  denn  ein  Autor  hat  gesagt:  Alle  haben  den  Weizen- 
.besitzer  nötig  (die  Kenntnis  der  Halakhoth  ist  das  erste  Notwendige).  Gleichwohl 
nahm  Rab  Joseph  die  Wahl  nicht  an  usw.  —  Parallelstelle:  B'^rakh  64a.  ||  Von  der 
weltlichen  Obrigkeit  sagt  Sch^muel  (f  254)  BB  3^:  Wenn  die  Obrigkeit  sagt:  „Ich 
reiße  Berge  aus",  so  reißt  sie  sie  aus  u.  wird  nicht  andrer  Meinung  (d.h.  sie  nimmt 
ihre  Entscheidungen  nicht  zurück,  auch  nicht  unter  den  schwierigsten  Verhältnissen, 
also  lehne  dich  nicht  gegen  sie  auf).  i|  Im  eigentlichen  Sinn  wird  die  Wendung  ge- 
braucht Sota9'>:  Es  heißt  Ri  13,  24:  „Der  Geist  Jahves  fing  an,  ihn  (Simson)  zu  drängen 
im  Lager  Dans,  zwischen  (^or?a  u.  Eschtaol."  R.  Asi  (um  300)  hat  gesagt:  (^orfa  u. 
Eschtaol  waren  zwei  große  Berge,  u.  Simson  entwurzelte  sie  und  zerrieb  sie  aneinander.  |i 
LvR  8  (110^) :  Was  heißt  „zwischen  Qor^a  u.  Eschtaol"  Ri  13, 25?  R.  Sch^muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt:  Das  lehrt,  daß  er  zwei  Berge  nahm  u.  sie  aneinander  schlug, 
wie  wenn  ein  Mensch  zwei  Steine  (Erdschollen)  nimmt  u.  sie  aneinander  schlägt. 

R.  Elifezer,  um  90,  befahl  einmal  einem  Johannisbrotbaum,  sich  mit  seinen  Wurzeln 
aus  dem  Erdreich  loszureißen.  Das  Wunder  sollte  als  Gottesentscheidung  die  Richtigkeit 
einer  von  ihm  vorgetragenen  Meinung  beweisen,  s.  die  Stelle  im  Exkurs:  „Der  Synagogen- 
bann" B,  6  Anm.  «;  ein  Teil  davon  (BM  59  b)  auch  bei  Mt  3,  17  S.  127  Anm.  d. 

IT,  21:  Diese  Art  fährt  nicht  aus  außer  durch  Gebet  u.  Fasten. 
ixnoQsvsTCii  =  N:i;;  oder  pSD. 


760  Matth  17,  21.  23.  24  (Nr.  1) 

M*?ila  51l>  (=  fol  17b  in  andren  Ausgaben):  R.  Schimron  b.  Jochai  (um  150)  sprach: 
Ben  T'^'lamjon  (Name  eines  Dämons),  fahre  aus  s::,  Ben  T'lamjon!  Als  er  ihn  anrief,  kam 
er  heraus  pr:  u.  hob  sich  davon.  —  Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs:  „Altjüd.  Dämonologie" 
Nr.  7,  h.  —  Josephus  Ant  N,  2,  5  gebraucht  das  Verbum  SQis'i'rci,  s.  die  Stelle  ebenda. 

£v  TTQoaevxJ]'  Als  besonders  wirksam  gegen  die  bösen  Geister  galt 
das  Rezitieren  des  Schema?,  des  3.  u.  des  91.  Psalms;  letzterer  wurde 
deshalb  geradezu  „das  Lied  gegen  die  Plagegeister  (Dämonen)"  ge- 
nannt. —  Belege  s.  im  Exkurs  über  Dämonologie  Nr.  7,  c. 

xal  vr^arsia.  —  Das  Fasten  als  Abwehrmittel  gegen  böse  Geister, 

Tafan  22''  Bar:  Wenn  Nichtisraeliten  oder  ein  Strom  (durch  Ausuferung)  eine 
Stadt  eingeschlossen  haben,  wenn  ein  Schiff  auf  dem  Meer  treibt,  wenn  ein  einzelner 
von  Nichtisraeliten  oder  Räubern  oder  einem  bösen  Geist  (der  in  ihn  gefahren  ist, 
Raschi)  verfolgt  wird  (so  wird  deshalb  Lärm  geblasen).  Wegen  aller  dieser  Vorfälle 
darf  sich  der  einzelne  durch  Fasten  kasteien.  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Der  einzelne  darf 
sich  nicht  durch  Fasten  kasteien,  er  möchte  dadurch  der  Menschen  (u.  ihrer  Unter- 
stützung) benötigt  werden  u.  die  Menschen  möchten  sich  seiner  nicht  erbarmen. 

Das  Fasten  als  wirksame  Unterstützung  des  Gebetes. 

pB'^rakh  4,  8»,  1 :  ,Jahve  wird  dich  erhören  am  Tage  der  Bedrängnis"  Ps  20,  1.  Von 
hier  aus  hat  man  gesagt:  Wer  betet,  ohne  erhört  zu  werden,  der  soll  fasten.  —  Der 
Midr  deutet  „Tag  der  Bedrängnis"  =  „Tag  des  Fastens".  —  Dasselbe  pTafan  2,  65"^,  4. 

l/,23:  Am  dritten  Tage  wird  er  auferstehen. 

tJi  tqi'ti]  rfUQfc,  s.  bei  Mtl2,  40  u.  16,21.  Vgl.  noch: 
GnR  56  Anfang :  Am  3.  Tage,  da  erhob  Abraham  seine  Augen  Gn  22,  4.  Es  steht 
geschrieben  Hos  6, 2:  Er  wird  uns  lebendig  machen  in  zwei  Tagen;  am  3.  Tage  wird 
er  uns  auferwecken,  daß  wir  vor  ihm  leben.  —  Vom  3.  Tage  der  Stämme  steht  ge- 
schrieben Gn42,  18:  Joseph  sagte  am  S.Tage  zu  ihnen.  —  Vom  3.  Tage  der  Kund- 
schafter Jos  2,  16:  Haltet  euch  dort  drei  Tage  verborgen.  —  Vom  S.Tage  der  Gesetz- 
gebung Ex  19,  16:  Und  am  3.  Tage  waren  Donner  und  Blitze.  —  Vom  3.  Tage  Jonas 
Jona  2,  1:  Es  war  Jona  in  den  Eingeweiden  des  Fisches  drei  Tage  u.  drei  Nächte.  — 
Vom  3.  Tage  der  aus  dem  Exil  Heraufziehenden  Esra  8,  15:  Wir  lagerten  daselbst 
drei  Tage.  —  Vom  3.  Tage  der  Wiederbelebung  der  Toten  Hos  6,  2  (s.  oben).  —  Vom 
3.  Tage  der  Esther  Esth  5.  1 :  Am  3.  Tage  legte  Esther  das  Königtum  an  (so  der  Midr), 
das  Königtum  des  Hauses  ihres  Vaters.  In  welchem  Verdienst  (ist  der  3.  Tag  ein» 
Rettungstag)?  Die  Rabbinen  sagten:  Im  Verdienst  des  3.  Tages  der  Gesetzgebung, 
s.  oben  Ex  19,  16.  R.  Levi  (um  300)  sagte:  Im  Verdienst  des  3.  Tages  unsres  Vaters 
Abraham,  s.  oben  Gn  22,  4. 

17,24:  Die,  welche  die  Doppeldrachme  einnahmen. 

Nach  Ex  30, 11  ff.  war  eine  Musterungssteuer  in  Höhe  eines  halben 
Scheqels  von  jedem  zwanzigjährigen  Israeliten  zu  entrichten ;  der  Ertrag 
der  Steuer  diente  zur  Bestreitung  der  Kultusbedürfnisse.  Nach  dem 
Vorbild  dieser  Abgabe  wurde  in  den  Tagen  des  Nehemia  eine  Kopf- 
steuer in  Höhe  eines  Drittel-Scheqels  eingeführt,  die  gleichfalls  Kultus- 
zwecken dienen  sollte,  s.Neh  10,  33  f.  Identisch  mit  dieser  Kopfsteuer 
ist  die  zur  Zeit  Jesu  wiederum  einen  halben  Scheqel  betragende  Tempel- 
steuer, die  jeder  zwanzigjährige  Jude  zu  zahlen  hatte. 

1.  Höhe  der  Steuer.  Die  Mischna  nennt  die  Tempelsteuer  hp,^_, 
Plural  f^b-r,  faßt  aber  das  Wort  nicht  im  Sinn  von  „Scheqelmünze" 
(^  1  Sela?  =  4  Drachmen  oder  4  Denare),  sondern  im  Sinn  von  „Scheqel- 


Matth  17,  24(Nr.  1.2)  761 

abgäbe";  dabei  setzt  sie  die  Höhe  der  Abgabe,  die  '/2  Münzscheqel  oder 
1/2  Sela?  (=  2  Drachmen,  didgaxi-iov,  oder  =  2  Denare,  etwa=  1,30  JS) 
betrug,  als  bekannt  voraus. 

Bemerkenswert  ist  die  Tradition  Sch«q2, 4:  R.  J*^huda  (um  150)  sagte:  Auch  die 
Scheqelabgabe  a-'^p-i-  hatte  keine  festbestimmte  Höhe.  Als  die  Israeliten  aus  dem  Exil 
heraufgezogen  waren  (Zeit  der  Perserherrschaft),  zahlten  sie  {ch-r::)  in  Dareiken  (einer 
persischen  Münze);  dann  in  S'^lacim  (1  Selac  =  4  Drachmen),  noch  später  in  T<^baEim 
(1  Tebac  =  V2  Sela*),  u.  endlich  wollte  man  sie  in  Denaren  (1  Denar  =  1  Drachme 
^=  ^4  Selac)  entrichten.  —  Dazu  pSch'^q  '2, 46'^',  10:  Als  die  Israeliten  aus  dem  Exil  herauf- 
zogen, entrichteten  sie  die  Scheqelabgabe  in  Dareiken,  das  ist  in  (Gold-)Denaren;  dann 
in  S'^'laHm,  das  ist  zu  verstehen,  wie  das  Wort  lautet;  dann  in  T'^bafin,  d.  h.  in  halben 
S^^IaEim;  endlich  versuchten  sie  sie  in  Denaren  zu  entrichten,  das  ist  in  Viertel-S^laHm. 
Aber  man  nahm  das  nicht  an,  weil  es  Neh  10,33  heißt:  Wir  stellten  uns  Gebote  auf, 
die  Scheqelabgabe  h--ar.  in  drei  Teilen  während  eines  Jahres  zu  entrichten  (der  Midr 
gewinnt  durch  diese  Deutung  von  n^r'i-i;  die  Möglichkeit,  die  Scheqelabgabe  zur  Zeit 
des  Nehemia  nicht  einen  Drittel-,  sondern  einen  halben  Münzscheqel  betragen  zu  lassen). 
R.  Chilqijja  (um  320)  hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  820)  gesagt:  Aus  dieser  Stelle 
folgt,  daß  man  seine  Scheqelabgabe  iV-r  in  drei  Teilen  dreimal  im  Jahr  entrichten 
muß;  ferner,  daß  man  die  Gesamtheit  nicht  öfter  als  dreimal  in  einem  Jahr  bemühen 
darf.  R.  Abin  (1.?,  um  325,  II.?,  um  370)  hat  gesagt:  Aus  dieser  Stelle  ergeben  sich 
die  drei  Sea,  die  drei  Kasten  u.  das  dreimalige  Absondern  (von  denen  Mischna  Sch'^q  3 
die  Rede  ist,  s.  die  Stelle  bei  Nr.  5,  d — g).  —  Es  heißt  Ex  30, 13:  Dies  sollen  sie  geben, 
jeder,  der  zu  den  Gemusterten  hinübertritt:  einen  halben  Scheqel  (hier  als  Münz- 
bezeichnung gemeint).  R.  J^huda  (um  150)  u.  R.  Nechemja  (um  150).  Der  eine  hat  ge- 
sagt: Weil  sie  in  der  Hälfte  (Mitte)  des  Tages  gesündigt  haben,  sollen  sie  die  Hälfte 
eines  Scheqels  entrichten.  Der  andre:  Weil  sie  in  der  sechsten  Tagesstunde  (mittags 
12  Uhr)  *  gesündigt  haben,  sollen  sie  die  Hälfte  eines  Scheqels  entrichten,  die  sechs 
Skrupel  ("'P'?""',  1  Skrupel  =  1,137  Gramm)  beträgt.  R.  Jehoschua'  b.  Nechemja  (um  350) 
hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  gesagt:  Weil  sie  die  10  Worte 
(Gebote)  übertreten  haben,  soll  jeder  einzelne  10  Gera  (=  V*  Scheqel  nach  Ex  30, 13) 
geben.  .  .  .  R.  Pin^chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Weil  sie 
den  Erstgeborenen  der  Rahel  für  20  Silberlinge  verkauft  haben,  von  denen  auf  jeden 
unter  ihnen  1  Teba'  (=  2  Silberlinge  =  '/^  Sela'  oder  ^'2  Scheqel)  entfiel,  deshalb  soll 
jeder  von  ihnen  als  seine  Scheqelabgabe  "ih-v  einen  Tebac  entrichten.  —  Zwei  Zeug- 
nisse des  Josephus  über  die  Höhe  der  Scheqelabgabe  s.  bei  Nr.  3  u.  Nr.  7,  b. 

2.  Der  Erhebungstermin. 

Scheq  1,1  u.  3:  Am  1.  des  Monats  Adar  (des  letzten  Monats  des  gottesdienstl. 
Jahres,  das  mit  dem  Nisan  begann)  erläßt  man  die  öffentliche  Bekanntmachung  be- 
treffs der  Scheqelabgabe  a^5p-an  hy.  —  Am  15.  Adar  stellten  die  Geldwechsler'"'  ihre 
Tische  im  Lande'  auf,  am  25.  im  Heiligtum.^  Sobald  sie  sie  im  Heiligtum  aufstellten, 
begann  man  zu  pfänden  (d.  h.  die  Säumigen  zwangsweise  zur  Zahlung  anzuhalten,  näm- 
lich im  Lande,  vgl.  Nr.  4,  «).  |1  TSch^q  1,  6  (174):  Sobald  die  Geldwechsler  im  Heiligtum 
sich  niederließen,  begann  man  zu  pfänden.  Die  Israeliten  wurden  aber  wegen  ihrer 
Scheqelabgaben  p-"5p-:)  h>-  gepfändet,  damit  die  Opfer  für  die  Gesamtheit  von  den  Scheqel- 
abgaben  im  Heiligtum   dargebracht  würden.   Womit  läßt  sich  das  vergleichen?   Mit 


'  Die  Sünde  mit  dem  goldenen  Kalb  begann  mittags  12  Uhr,  s.  Schab  89*  bei 
Mt  4, 1  S.  140  y.  II  Parallelen:  GnR  18  (12');  ExR  41  (98*);  Tanch  a-ar  '=  115b;  TanchB 
N-i!r  -2  §  13  (56  b). 

^  Die  Tempelsteuer  wurde  nach  der  alten  (heiligen)  Währung  entrichtet.  Die  Geld- 
wechsler gaben  gegen  eine  geringe  Vergütung  dergleichen  Münzstücke  ab,  s.  Nr.  4. 

^  Die  Ausdrücke  rr.^-.-sz  u.  w""^?  werden  von  den  Kommentaren  verschieden  ge- 
deutet: ((,  =  in  Jerusalem  u.  im  Heiligtum,  ß,  =  im  Lande  u.  in  Jerusalem,  y,  wie  oben. 


762  Matth  17,  24  (Nr.  2.  3) 

einem,  der  eine  Wunde  an  seinem  Fuß  hatte  u.  den  der  Arzt  am  Fuß  verband  u.  schnitt, 
um  ihn  zu  heilen  (so  Wiener  Handschrift).  So  hat  auch  Gott  gesagt:  Die  Israeliten 
sollen  wegen  ihrer  Scheqelabgabe  gepfändet  werden,  damit  die  Opfer  für  die  Gesamt- 
heit von  ihnen  dargebracht  werden  können,  weil  die  Opfer  für  die  Gesamtheit  Ver- 
söhnung u.  Sühne  schaffen  zwischen  Israel  u.  ihrem  Vater  im  Himmel.  Und  ebenso 
finden  wir  es  bei  der  Scheqelhebe,  die  die  Israeliten  in  der  Wüste  entrichteten,  s. 
Ex  30, 16:  Nimm  das  Versöhnungsgeld  von  den  Kindern  Israel  u.  gib  es  für  den  Dienst 
am  Offenbarungszelt,  damit  es  den  Kindern  Israel  zum  Gedenken  bei  Jahve  diene,  um 
für  eure  Seelen  Deckung  zu  bewirken.  ||  pSch^'q  1,45'-,  23:  Warum  am  Ersten  im  Adar? 
Damit  die  Israeliten  ihre  Scheqelabgaben  in  der  dafür  festgesetzten  Zeit  entrichten, 
u.  damit  die  Hebe  der  Schatzkammer  aus  der  neuen  Scheqelabgabe  zu  ihrer  bestimmten 
Zeit  am  Ersten  im  Nisan  erhoben  werden  kann.  R.  Sch^'muel  b.  Ji^chaq  (um  300)  hat 
gesagt:  Die  Hebe  der  Schatzkammer  soll  sein  wie  zu  Anfang;  denn  es  heißt  Ex  40, 17: 
^Im  1.  Monat  im  2.  Jahr  am  1.  des  Monats  (d.  h.  am  1.  Nisan)  wurde  die  Wohnung 
aufgerichtet",  u.  in  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  An  dem  Tage,  da  die  Wohnung  auf- 
gerichtet ward,. an  demselben  Tage  wurde  die  Hebe  entrichtet.  .  .  . 

3.  Die  zur  Tempelsteuer  verpflichteten  Personen.  Ver- 
pflichtet zur  Seh. abgäbe  war  jeder  zwanzigjährige  männliche  Israelit, 
gleichviel  ob  er  in  Palästina  oder  im  Ausland  wohnte.  Nur  die  Priester 
erhoben  den  Anspruch,  von  dieser  Steuer  frei  zu  sein;  ein  Anspruch, 
der  von  den  Schriftgelehrten  allerdings  bestritten  wurde.  Frei  von  der 
T.,  aber  zur  Zahlung  berechtigt  waren  Frauen,  Sklaven  u.  Minorenne 
(unter  20  Jahren).  Wenn  ein  Vater  angefangen  hatte,  für  seinen  noch 
unmündigen  Sohn  zu  zahlen,  war  er  fortan  dauernd  dazu  verpflichtet. 

Sch'^q  1,3 — 5:  Wen  pfändete  man?  Leviten,  Israeliten,  Proselyten  u.  freigelassene 
Sklaven;  aber  nicht  Frauen,  Sklaven  u.  Minorenne  (a-süp).  Ein  Minorenner,  dessen 
Vater  angefangen  hatte,  für  ihn  die  Scheqelabgabe  zu  entrichten,  darf  es  hinterher 
nicht  mehr  unterlassen.  Ferner  pfändet  man  die  Priester  nicht  um  des  lieben  Friedens 
willen.  (Die  der  Pfändung  Unterworfenen  sind  die  rechtlich  Verpflichteten.)  —  R.  J'^huda 
(um  150)  hat  gesagt:  Ben  Bukhri  hat  in  Jahne  (Sitz  des  Synedriums  nach  der  Zer- 
störung Jerusalems)  bezeugt,  daß  ein  Priester,  der  die  Scheqelabgabe  entrichtet,  damit 
keine  Sünde  begeht.  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  antwortete  ihm:  Nicht  also; 
sondern  ein  Priester,  der  die  Scheqelabgabe  nicht  entrichtet,  begeht  eine  Sünde.  Nur 
daß  die  Priester  diese  Schriftstelle  zu  ihrem  Vorteil  auslegten:  „Jedes  Speisopfer  eines 
Priesters  soll  ganz  (in  Rauch)  aufgehn,  es  soll  nicht  gegessen  werden"  Lv  6, 16.  Wenn 
nun  (sagten  sie)  die  Pflichtgarbe  u.  die  beiden  Erstlingsbrote  u.  die  Schaubrote  unser 
sind  (insofern  sie  aus  den  auch  von  uns  gezahlten  Geldern  der  T.  angeschafft  werden), 
wie  dürften  wir  sie  essen?!  (Nun  dürfen  wir  sie  aber  essen,  folglich  haben  wir  zu 
ihren  Anschaffungskosten  aus  der  T.  nicht  beizutragen.)  —  Wenn  man  auch  gesagt 
hat:  Man  pfändet  nicht  Frauen,  Sklaven  u.  Minorenne  (weil  sie  nicht  zu  den  Ver- 
pflichteten gehören),  so  nimmt  man  doch  die  Scheqelabgabe,  falls  sie  sie  entrichten, 
aus  ihrer  Hand  an.  Wenn  aber  ein  Nichtisraelit  oder  ein  Samaritaner  die  Scheqel- 
abgabe entrichten  will,  so  nimmt  man  sie  nicht  aus  ihrer  Hand  an.  ....  So  ist  es  in 
Esra4, 3  ausdrücklich  erklärt  worden:  Nicht  euch  u.  uns  gebührt  es,  unsrem  Gotte 
ein  Haus  zu  bauen.  Il  pSch-^q  1,46'\63:  R.  B'^rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Der  Schrift- 
grund  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  war  Ex  30,  13:    „Dies  (ht)   sollen  sie  geben", 

d.  h.  12  (Zahlenwert  von  r."i)  Stämme  (also  auch  die  Priester)  sollen  geben R.  J'^huda 

(um  150)  u.  R.  N*^chemja  (um  150).  Der  eine  sagte  (mit  Bezug  auf  die  Worte  Ex  30, 14: 
n'Tiper!  hs  -aivr;  Vs):  Jeder,  der  durch  das  (Rote)  Meer  gezogen  ist  (^ayt),  soll  (den 
Scheqel)  entrichten  (also  auch  die  Priester).  Der  andre  sagte:  Jeder,  der  zu  den  Ge- 
musterten übertrat,  soll  ihn  entrichten  (also  nicht  die  Priester  u.  Leviten,  die  nach 
Nul,47ft\  nicht  zu  den  Gemusterten  gehörten).   Der,  welcher  sagt:  Jeder,  der  durch 


Matth  17,24  (Nr.3.4)  763 

das  Meer  gezogen  ist,  soll  geben,  ist  eine  Stütze  für  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai;  der, 
welcher  sagt:  Jeder,  der  zu  den  Gemusterten  übertrat,  soll  geben,  ist  eine  Stütze  für 
Ben  Bukhri.  |1  Über  die  Verpflichtung  der  jüdischen  Diaspora  zur  T.  belehren  folgende 
Stellen.  Philo,  De  monarchia  2  §  3  (Mang  2, 224) :  Einkünfte  hat  das  Heiligtum  nicht 
nur  aus  Landerträgen,  sondern  noch  viel  größere  andre,  die  zu  keiner  Zeit  zugrunde 
gehn  werden.  Denn  solange  das  Menschengeschlecht  dauern  wird,  werden  immer  auch 
die  Einkünfte  des  Heiligtums  erhalten  bleiben,  da  sie  ewig  fortdauern  mit  der  ganzen 
Welt.  Denn  es  besteht  die  Vorschrift,  daß  alle  vom  20.  Lebensjahr  an  eine  Spende 
entrichten.  Die  Abgaben  aber  werden  ^Lösegelder",  ?.vr()c(,  genannt.  Deshalb  gibt  man 
auch  die  Spenden  bereitwilligst,  fröhlich  u.  guter  Dinge,  als  ob  man  zugleich  mit  ihrer 
Ablieferung  sollte  Erlösung  aus  Knechtschaft  oder  Heilung  von  Krankheiten  finden  u. 
die  sicherste  Freiheit  zugleich  mit  allgemeinster  Wohlfahrt  ernten.  Da  das  Volk  gar 
sehr  zahlreich  ist,  so  sind  auch  die  Spenden,  wie  es  billig  ist,  überaus  reichlich.^  Fast 
in  jeder  Stadt  befindet  sich  eine  Schatzkammer  für  die  heiligen  Gelder,  zu  denen  die 
Einkünfte  zu  fließen  pflegen,  u.  zu  bestimmten  Zeiten  werden  als  Überbringer  der 
heiligen  Gelder  Männer  aus  den  vornehmsten  Familien  erkoren.  Aus  jeder  Stadt  werden 
die  Angesehensten  gewählt,  um  die  Hoffnung  der  einzelnen  unversehrt  hinaufzubringen; 
denn  auf  den  gesetzlichen  Spenden  ruhen  die  Hoffnungen  der  Frommen.  i|  Josephus, 
Antiq  18,  9,  1 :  Die  Juden  pflegten  im  Vertrauen  auf  die  natürliche  Sicherheit  jener 
Örtlichkeiten  (gemeint  sind  die  Städte  N'^harde'a  u.  Nisibis)  die  T.,  t6  didgcexf^ov,  die 
jeder  einzelne  Gotte  zu  zahlen  pflegt,  dort  zu  deponieren,  desgleichen  auch  was  sonst 
an  Weihgeschenken  vorhanden  war.  Sie  bedienten  sich  jener  Städte  gewissermaßen 
als  Schatzkammer.  Von  dort  aber  wurde  das  Geld  zur  bestimmten  Zeit  nach  Jerusalem 
hinaufgesandt,  indem  viele  Tausende  von  Menschen  an  der  Überbringung  desselben 
teilnahmen,  da  man  die  Räubereien  der  Parther  fürchtete,  denen  Babylonien  zins- 
pflichtig war.  —  Rabbinische  Zeugnisse  s.  unter  Nr.  5;  ebenda  auch  über  die  Zeiten 
zur  Abführung  der  eingekommenen  Gelder. 

4.  Die  Erhebung  der  Tempelsteuer.  —  Die  Einziehung  der  T. 
wird  im  Mutterlande  in  ähnlicher  Weise  erfolgt  sein,  wie  sie  Philo 
(s.  oben  S.  763)  für  die  Diaspora  voraussetzt,  d.  h.  jede  Ortsgemeinde 
wird  bestimmte  Personen  mit  der  Entgegennahme  der  Scheqelabgabe 
für  ihren  Bezirk  beauftragt  haben  (vgl.  ot  rd  öidQccyjia  XaaßärovTsg 
Mt  17,  24).  In  einem  Einzelfalle  hören  wir,  daß  die  Familienglieder 
Gamliels  I.  (um  30 — 40  n.  Chr.)  ihren  Scheqel  unmittelbar  an  einen 
Beamten  im  Heiligtum  selbst  abgeliefert  haben,  weil  sie  wünschten,  daß 
ihr  Geld  sofort  zur  Befriedigung  von  Kultusbedürfnissen  Verwendung 
finden  möchte. a  Zur  Aufnahme  der  eingehenden  Scheqelgelder  dienten 
sog.  „Posaunen"  riisiir,  d.  h.  posaunenartige  Behälter,  die  oben  an  ihrer 
Einwurfsstelle  eng  geformt  waren  u.  nach  unten  hin  sich  erweiterten. 
Ihre  Form  sollte  nach  den  Kommentaren  Sicherheit  gegen  diebische 
Hände  bieten.  Dergleichen  Behälter  waren  nicht  blofs  im  Heiligtum, 
sondern  auch  in  den  Ortschaften  des  Landes  im  Gebrauch,  b  —  Da  die 
Geldwechsler,  welche  vollgültige  Münzsorten  zum  Umtausch  bereit 
hielten,   naturgemäß  nicht  in  allen  Ortschaften  zu  finden  waren,   so 


*  Auch  rabbinische  Quellen  reden  von  dem  Reichtum  der  Scheqelbeiträge  aus  der 
entfernteren  Diaspora.  TSch<'q2, 4  (175):  (Die  dritte  Hebe,  die  15  Tage  vor  dem  Laub- 
hüttenfest aus  den  Scheqelgeldern  der  fern  liegenden  Länder  abgehoben  wurde,  s. 
Nr.  5  d — (/)  war  die  reichste  von  allen,  weil  sich  darin  Goldstatere  snr  hv  nx"j".:-s 
u.  Golddareiken  vorfanden.   Dasselbe  als  Bar  pSch^qS,  47*^,  42. 


764  Matth  17,  24  (Nr.  4) 

kamen  die  Erheber  der  T.  gewiß  oft  genug  in  die  Lage,  nicht  vor- 
schriftsmäßiges Geld  annehmen  zu  müssen.  Um  den  Tempelschatz  vor 
Einbuße  zu  bewahren,  war  für  diesen  Fall  die  Bezahlung  eines  geringen 
Aufgeldes  in  Höhe  von  etwa  2, P/o  festgesetzt  worden.  Unter  Um- 
ständen konnte  sich  das  Aufgeld  aber  auch  verdoppeln.  Wenn  zB 
einer  zur  Bestreitung  seiner  Abgabe  einen  Sela',  der  2  Doppel drachmen 
wert  war,  hingab  u.  das  zuviel  gezahlte  eine  Didrachmon  in  Gestalt 
eines  halben  Münzscheqels  zurückerhielt,  so  hatte  er  nicht  bloß  für 
das  minderwertige  Sela',  sondern  auch  noch  für  das  herausgezahlte 
vollwichtige  (heilige)  Scheqelstück  ein  Aufgeld  zu  entrichten.  Frei 
hiervon  waren  diejenigen,  die  ihre  Steuer  in  vorschriftsmäßiger  Münze 
zahlten;  die  andre  Meinung  des  R.  Meir  (um  150)  hat  nie  halakhische 
Anerkennung  gefunden.  Ferner  waren  davon  frei  alle  diejenigen  Per- 
sonen, die  die  T.  gaben,  ohne  dazu  verpflichtet  zu  sein,  also  Frauen, 
Sklaven  u.  Minorenne.  (Über  weitere  Befreiungen  geben  die  unten 
folgenden  Zitate  Aufschluß.)  c  Wie  es  scheint,  wurde  das  vereinnahmte 
Aufgeld  von  den  Steuereinnehmern  hinterher  zur  Umwechslung  der 
minderwertigen  Münzsorten  gegen  vollwertige  bei  den  Geldwechslern 
verwandt.  Daraus  würde  man  schließen  dürfen,  daß  auch  die  letzteren 
2,l°/o  Aufgeld  bei  ihren  Wechselgeschäften  erhoben.  Doch  werden  auch 
andre  Verwendungszwecke  für  das  Aufgeld  namhaft  gemacht.  Die  ver- 
schiedenen Angaben  über  diesen  Punkt  beweisen,  daß  man  sich  schon 
zu  Anfang  des  2.  Jahrh.  über  die  Sache  nicht  mehr  klar  war.d 

a.  Sch'q  3,3:  Die  Familienglieder  des  Rabban  Gamliel  (I.)  pflegten  (in  das  Heilig- 
tum) zu  kommen  mit  ihrer  Scheqelabgabe  in  den  Fingern;  sie  legten  sie  vor  denjenigen 
hin,  der  das  Abheben  der  Gelder  (aus  dem  Tempelschatz,  s.  Nr.  5)  besorgte.'  Dieser 
tat  sie  dann  eilends  absichtlich  in  den  Kasten  (in  welchem  die  dem  Tempelschatz  ent- 
nommenen Gelder  sich  befanden,  vgl.  Nr.  5).  Es  gewährte  ihnen  innere  Beruhigung, 
heißt  es  pSch*'q  3, 47"=,  40,  daß  die  Opfer  zuerst  von  dem  Ihrigen  dargebracht  würden. 

b.  Sch'^q  2, 1 :  Wie  posaunenartige  Behälter  im  Heiligtum  waren,  so  waren  solche 
auch  im  Lande  (in  denen  die  eingehenden  Scheqelabgaben  aufgesammelt  wurden,  bevor 
sie  in  die  Tempelschatzkammer  abgeführt  wurden).  i|  Das.  6, 1.5:  Dreizehn  , Posaunen" 
waren  im  Heiligtum.  Auf  ihnen  befand  sich  die  Aufschrift:  „Neue  Scheqelabgaben" 
"'■?■'"  r"p.  rA-lte  Scheqelfibgaben"  •'-.'r.y  r'""",  , Geflügelopfer",  „Tauben-Ganzopfer", 
„Holz",  „Weihrauch",  „Gold  zu  Sprengbecken";  (die  übrigen)  sechs  waren  für  frei- 
willige Spenden.  (Hiernach  dienten  nur  zwei  dieser  r:^EVj  zur  vorläufigen  Aufnahme 
der  Scheqelgelder.)  ,Neue  Scheqelabgaben"  waren  die,  welche  jedes  Jahr  (d.  h.  für 
das  laufende  Jahr)  einkamen;  alte  waren  diejenigen,  welche  jemand  nicht  im  vorigen 
Jahr  ("E'v^'!^.)  entrichtet  hatte  u.  (nun  nachträglich)  im  folgenden  Jahr  entrichtete.  — 
Der  letzten  Bemerkung  darf  man  entnehmen,  daß  das  Pfändungsrecht  gegenüber 
säumigen  Zahlern  nicht  sehr  streng  gehandhabt  worden  ist,  oder  auch,  daß  es  nicht 
schwer  fiel,  sich  der  Steuer  unbemerkt  zu  entziehen. 


'  Das  geschah  zum  1.  Nisan,  s.  Nr.  5.  Dies  würde  also  der  Tag  gewesen  sein,  an 
welchem  das  Haus  Gamliel  seine  Tempelsteuer  entrichtete.  Da  ein  Rabban  Gamliel  seiner 
Pflicht  gewiß  nicht  verspätet  nachgekommen  ist,  kann  sich  die  Notiz,  daß  am  25.  Adar 
die  Pfändungen  begannen  (s.  Nr.  2),  nicht  auf  Jerusalem,  sondern  nur  auf  das  Land  be- 
ziehen. Wie  die  Bewohner  des  Landes  eine  zehntägige  Frist  zum  Zahlen  hatten,  so  wird 
man  auch  den  Jerusalemern  eine  ähnliche  Frist  vom  2ö.  Adar  an  eingeräumt  haben. 


•"  Matth  17,  24(Nr.4.5)  765 

C.  Scli*^q  1,6 f.:  Folgende  sind  zu  Aufgeld  (•"3'?"p  =  xö'AXvßoy)  verpflichtet:  Leviten, 
Israeliten,  Proselyten  u.  freigelassene  Sklaven,  aber  nicht  (Priester),  Frauen,  Sklaven 
u.  Minorenne.  Wenn  jemand  die  Scheqelabgabe  für  einen  Priester,  für  eine  Frau,  für 
einen  Sklaven,  für  einen  Minorennen  entrichtet,  so  ist  er  (vom  Aufgeld)  frei.  Wenn 
jemand  für  sich  selbst  u.  für  einen  andren  die  Scheqelabgabe  entrichtet,  so  ist  er  zu 
Einem  Aufgeld  verpflichtet;  R.  Meir  sagte  zu  doppeltem  Aufgeld.  Wer  einen  Selac  gibt  u. 
ein  Scheqelstück  (=  ^/2  Scheqel)  zurückerhält,  ist  zu  zweifachem  Aufgeld  verpflichtet.  — 
Wer  für  einen  Armen,  einen  Nachbar,  für  einen  Landsmann  (geschenkweise)  die  Scheqel- 
abgabe entrichtet,  ist  (vom  Aufgeld)  frei;  wenn  er  es  aber  ihnen  nur  leiht,  so  ist  er 
dazu  verpflichtet.  .  .  .   Wie  hoch   ist  das  Aufgeld?    Eine  Silbermaca  (auf  1  Selac;   da 

1  MaJa  =  V^*  Selac  ist,  so  würde  das  Agio  4,16,  rund  4,2  "/o  betragen);  das  sind  Worte 
des  R.  Me'ir;  die  Gelehrten  sagten:  Eine  halbe  Mafa  (also  2,1  %).  ||  TSch^'q  1,8  (174): 
Wenn  Vormünder  für  Mündel  die  Scheqelabgabe  entrichten,  so  sind  sie  zum  Aufgeld 
verpflichtet.  Wer  einen  Scheqel  (geraeint  ist  ein  Scheqelstück  im  Wert  eines  halben 
Scheqels)  entrichtet,  ist  zum  Aufgeld  verpflichtet,  das  sind  Worte  des  R.  Meir;  die 
Gelehrten  sagten:  AVer  einen  Scheqel  (wie  oben)  entrichtet,  ist  frei  vom  Aufgeld.  Wer 

2  Denare  (=  ^s  Scheqel)  entrichtet,  ist  zum  Aufgeld  verpflichtet.  Gab  man  einen  Seja?, 
um  einen  (halben)  Scheqel  zurückzuerhalten,  so  ist  man  zu  zweifachem  Aufgeld  ver- 
pflichtet; das  sind  Worte  des  R.  Me'ir;  die  Gelehrten  sagten:  Zu  einem  Aufgeld  (hier 
weicht  die  Tosephta  von  der  Mischna  ab).  Wie  hoch  ist  das  Aufgeld?  Eine  Silber- 
maca (oder)  ',21  von  1  Selac  Silber,  das  sind  Worte  des  R.  Me'ir;  die  Gelehrten  sagten: 
Die  Hälfte  einer  4  As  geltenden  Ma?a  (also  2  As;  da  1  Selaf  =  96  As  ist,  so  betragen 

2  As-_:  -  oder  2,12,  abgekürzt  2,1  "/o,  wie  nach  der  Mischna). 

d.  TSch^'q  1,8  (174):  Wozu  gebrauchte  man  die  Aufgelder?  Sie  fielen  den  Erträgen 
der  Scheqelabgaben  zu,  das  sind  Worte  des  R.  Me'ir  (um  150);  R.  Ehazar  (b.  Scham- 
mua?,  um  150)  sagte:  Sie  fielen  den  freiwilligen  Spenden  zu;  R.  Schim?on  aus  Schizor 
(gleichfalls  ein  Tanna'it)  sagte:  Man  verwandte  sie  zu  Goldplatten  zum  Belegen  (der 
Wände  u.  des  Fußbodens)  des  Allerheiligsten  (vgl.  Sch*'q4,4  unter  Nr.  6).  Schimfon 
b.  ?Azzai  (um  110)  sagte:  Die  Wechsler  empfingen  sie  als  ihren  Lohn.  —  Die  Stelle 
findet  sich  auch  pSch*^q  1  Ende  mit  dem  Zusatz:  Einige  sagen:  c'2"!t  rs::"r!3,  d.i.  nach 
Levy  1,460'':  , Zur  Bestreitung  der  Wegebaukosten".  Die  Kommentatoren  teils:  «,  ,Die 
Wechsler  saßen  am  15.  Adar  im  Lande  u.  am  25.  im  Heiligtum,  u.  dies  (das  Aufgeld) 
war  ihr  Lohn.  Nachdem  sie  anfänglich  im  Lande  waren,  gingen  sie  hintei'her  nach 
dem  Heiligtum;  das  ist  gemeint  mit  3'3-t  rs::"inV,  d.  h.  die  Wechsler  empfingen  das 
Aufgeld  als  , Reiseunkosten',  aber  nicht  als  ihren  Lohn"  (wie  Ben  ?Azzai  in  der  Tosephta 
meint),  teils:  ß,  ,Die  Wechsler  erhoben  die  Scheqelabgaben  im  Lande,  wie  Moses  Mai- 
monides  (1135 — 1204)  geschrieben  hat;  sie  empfingen  das  Aufgeld  als  Lohn,  rxa-r-s 
DT-n,  d.h.  „für  das  Hinschaffen  der  Scheqelabgaben  nach  Jerusalem".  —  Beide  Er- 
klärungen gehen  von  der  Annahme  aus,  daß  die  Geldwechsler  yz-'v:-  die  offiziell  mit 
der  Einziehung  der  T.  Beauftragten  gewesen  seien.  Davon  wissen  die  alten  Quellen 
nichts.  Vermutlich  haben  die  Steuererheber  das  eingegangene  Kleingeld,  um  die  Über- 
führung nach  Jerusalem  zu  erleichtern,  bei  den  Geldwechslern  gegen  Großgeld  um- 
getauscht u.  die  Wechslergebühr  aus  den  eingegangenen  Aufgeldern  bestritten,  so  daß 
Schim?on  b.  fAzzai  mit  Recht  sagen  kann,  daß  die  Wechsler  das  Aufgeld  als  ihren  Lohn 
empfangen  hätten.  Weiter  wird  man  anzunehmen  haben,  daß  auch  die  Kosten,  die  durch 
die  Ablieferung  der  Steuer  an  den  Tempelschatz  entstanden,  aus  den  Aufgeldern  gedeckt 
worden  sind.  Darauf  wird  sich  beziehen  a'2~"!  rx::ir!5  =  für  Wege-  oder  Reiseausgaben. 

5.  Ablieferung  der  Steuererträge  an  den  Tempelschatz.  — 
Zur  Erleichterung  des  Transports  der  eingegangenen  Scheqelgelder 
nach  Jerusalem  'war  deren  Umwechslung  in  Goldmünzen  gestattet.» 
Die  Ablieferung  selbst  erfolgte  zu  drei  verschiedenen  Zeiten  im  Jahr: 
Palästina  lieferte  ab  einen  halben  Monat  vor  dem  Passahfest,  also  bis 


766  Matth  17,24(Nr.  5) 

zum  1.  Nisan,  damit  die  Gemeindeopfer  im  neuen  gottesdienstl.  Jahr 
sofort  aus  den  neuen  Scheqelerträgen  dargebracht  werden  könnten. 
Für  das  nahe  Ausland,  wie  Moab  u.  Ammon,  lief  der  Termin  einen 
halben  Monat  vor  dem  Wochenfest  ab.  Aus  den. ferner  liegenden 
Ländern  erwartete  man  die  Gelder  spätestens  einen  halben  Monat  vor 
dem  Laubhüttenfest,  d  Dies  war  das  Fest,  zu  welchem  die  meisten 
Festpilger  aus  der  Diaspora  nach  Jerusalem  zu  wallfahrten  pflegten. 
Unter  ihrem  Schutz  konnten  Geldtransporte  am  sichersten  erfolgen; 
redet  doch  Josephus  (s.  oben  S.  763)  von  vielen  Tausenden  von  Menschen, 
die  an  der  Überbringung  der  Gelder  teilnahmen.  Im  Mutterland  ließen 
die  einzelnen  Ortschaften  die  Gelder  durch  bezahlte  Kräfte  überbringen, 
die,  eben  weil  sie  Bezahlung  erhielten,  für  etwaige  selbstverschuldete 
Verluste  ersatzpflichtig  waren.  Ging  ein  Geldtransport  durch  höhere  Ge- 
walt zugrunde,  etwa  infolge  eines  Schiffbruches  oder  eines  räuberischen 
Überfalls,  so  waren  die  bezahlten  Überbringer  nicht  ersatzpflichtig, 
sobald  sie  die  wirkliche  Ursache  des  Verlustes  eidlich  erhärteten.  In 
diesem  Falle  hatte  entweder  der  Tempelschatz  oder  diejenige  Gemeinde, 
aus  der  die  Sendung  stammte,  den  Verlust  zu  tragen.  Der  Tempelschatz 
dann,  wenn  die  anderweitig  abgelieferten  neuen  Scheqelabgaben  zur  Zeit 
des  Eintritts  jenes  Verlustes  tatsächlich  bereits  für  Kultusbedürfnisse 
abgesondert  u.  damit  in  Gebrauch  genommen  waren  (s.  nächsten  Absatz). 
Mit  diesem  Augenblick  galt  der  Tempelschatz  als  Eigentümer  aller, 
auch  der  noch  nicht  abg'elieferten  Gelder.  War  die  Sendung  aber  vor 
der  Aussonderung  der  neuen  Steuererträge  für  gottesdienstliche  Zwecke 
zugrunde  gegangen,  so  hatte  die  absendende  Gemeinde  als  Besitzerin 
für  den  Schaden  aufzukommen,  b  Immer  aber  hatte  die  Ursprungs- 
gemeinde Ersatz  zu  leisten,  falls  sie  die  Gelder  durch  nicht  bezahlte 
Boten  übersandte,  c 

Die  abgelieferten  Steuererträge  wurden  in  der  Tempelschatzkammer 
deponiert,  um  von  hier  an  drei  bestimmten  Terminen  unter  Beobachtung 
eines  gewissen  Zeremoniells  zur  Verwendung  für  den  Kultus  entnommen 
zu  werden.  Die  drei  Termine  waren  ein  halber  Monat  vor  dem  Passah-, 
Wochen-  u.  Laubhüttenfest,  so  daß  jede  der  drei  Erhebungen  (nr^ir) 
aus  der  Schatzkammer  aus  neu  eingelieferten  Geldern  erfolgen  konnte,  d 
Der  die  Erhebung  vornehmende  Beamte  (c-i'rn)  ging  unter  Anwendung 
aller  Vorsichtsmaßregeln,  die  seinen  ehrlichen  Namen  zu  schützen  im- 
stande waren,  in  die  Schatzkammer  e  u.  füllte  hier  drei  Kasten  (na^ip)  mit 
Scheqelgeldern  an.  Die  Kasten  faßten  je  drei  Sea  (1  Sea  =  13,13  Liter) 
u.  waren  durch  die  hebräischen  Buchstaben  x,  r,  :  gekennzeichnet,  nach 
einer  andren  Tradition  durch  die  griechischen  «,  ß,  y.  Nach  der  Reihen- 
folge der  Buchstaben  wurden  die  Kasten  u.  ihr  Inhalt  in  Gebrauch  ge- 
nommen. ^  —  Die  erstmalige  Füllung  der  Kasten  (15  Tage  vor  Passah) 
geschah  mit  der  Erklärung:  „Dies  ist  aus  dem  Lande  Israel  für  ganz 
Israel,  für  das,  was  (bereits)  eingezogen  ist,  u.  für  das,  was  noch  ein- 


Matth  17,  24(Nr.ö)  767 

gezogen  werden  soll."  g  Mit  dieser  Erklärung  ging  die  gesamte  Tempel- 
steuer  des  laufenden  Jahres  rechtlich  in  das  Eigentum  des  Tempels 
über,  u.  alle  Kultusbedürfnisse,  obwohl  sie  zu  Anfang  des  neuen  Jahres 
in  Wirklichkeit  nur  erst  aus  den  Scheqelerträgen  des  Mutterlandes  be- 
stritten wurden,  wurden  nunmehr  so  angesehen,  als  ob  sie  aus  den 
Beiträgen  der  gesamten  Judenschaft  auf  dem  ganzen  Erdkreis  gedeckt 
wären.  Jeder  Israelit  durfte  sich  jetzt  sagen,  daß  die  Opfer,  die  für 
die  Gesamtheit  u.  damit  auch  für  ihn  täglich  im  Tempel  dargebracht 
wurden,  dargebracht  würden  aus  seinen  eignen  Mitteln.  —  Bevor  der 
Beamte  die  Schatzkammer  verließ,  breitete  er  über  die.  nicht  ab- 
gehobenen, dort  zurückbleibenden  Scheqelgelder  Felldecken,  auf  welche 
dann  die  bis  zum  zweiten  Erhebungstermin  (15  Tage  vor  dem  Wochen- 
fest) eingehenden  Beträge  geschüttet  wurden.  Es  geschah  dies,  damit 
die  Neueingänge  nicht  mit  dem  Gelde  vermischt  würden,  von  dem 
bereits  eine  Erhebung  stattgefunden  hatte.  —  In  gleicher  Weise  verfuhr 
man  am  zweiten  u.  dritten  Hebetermin,  nur  daß  die  Eingangsworte  der 
zu  sprechenden  Erklärung  nicht  auf  das  Land  Israel,  sondern  auf  die 
näher,  bezw.  auf  die  entfernter  liegenden  Länder  Bezug  nahmen.  Ferner 
unterblieb  beim  drittenmal  das  Bedecken  der  Geldreste,  g 

a.  Sch'^q  2, 1 :  Man  darf  die  Scheqelgelder  umwechseln  gegen  (Gold-)Dareiken  der 
Last  wegen  auf  der  Reise. 

b.  Sch*^q  2, 1 :  Wenn  die  Einwohner  einer  Stadt  ihre  Scheqelabgaben  durch  (be- 
zahlte) Boten  übersenden  u.  die  Gelder  gestohlen  werden  oder  zugrunde  gehen,  so 
müssen  die  Boten,  falls  die  Hebe  (aus  der  Tempelschatzkammer  bereits)  erhoben  ist, 
den  Tempelschatzmeistern  o""'3t:.  den  Eid  (betreffs  der  Ursache  des  Verlustes)  leisten ; 
wenn  sie  aber  noch  nicht  erhoben  war,  leisten  sie  den  Eid  den  Einwohnern  der  Stadt, 
u.  diese  haben  die  Scheqelabgabe  (noch  einmal)  an  Stelle  der  in  Verlust  geratenen  zu 
leisten.  Werden  die  Gelder  wiedergefunden  oder  geben  die  Diebe  sie  zurück,  so  gelten 
beide  (Aufbringungen)  als  Scheqelabgaben,  u.  es  wird  ihnen  nichts  davon  für  das  nächste 
Jahr  zugute  gerechnet.  —  Über  die  verschiedene  Auffassung  dieser  Stelle  s.  pSch^'q 
2,  46  ",  25  nebst  Kommentatoren. 

C.  Rambam  zu  vorstehender  Mischna:  Wenn  die  Einwohner  einer  Stadt  ihre  Scheqel- 
abgaben durch  nicht  bezahlte  Hüter  gesandt  haben,  so  sind  sie  verpflichtet,  in  jeder 
Hinsicht  Ersatz  zu  leisten,  auch  wenn  die  Erhebung  (aus  der  Tempelschatzkammer) 
bereits  erfolgt  war,  weil  sie  sich  mutwillig  an  ihnen  versündigt  haben,  indem  sie  sie 
durch  nicht  bezahlte  Hüter  übersandten. 

d.  Sch*^q  3, 1 :  Zu  drei  Zeiten  im  Jahre  erhebt  man  die  Scheqelgelder  aus  der  Tempel- 
schatzkammer (nsi'V):  in  der  Hälfte  (o^'s)  vor  Passah,  in  der  Hälfte  vor  dem  Wochen- 
fest u.  in  der  Hälfte  vor  dem  Laubhüttenfest.  1|  TSch*^q  2, 1  (175):  Was  bedeutet  „die 
Hälfte  vor  Passah,  die  Hälfte  vor  dem  W.  u.  die  Hälfte  vor  dem  L."?  R.Jose  b.  J®huda 
(um  180)  sagte:  Nicht  weniger  als  15  Tage  vor  dem  (betrefienden)  Fest  (also  „die  Hälfte 
vor"  =  „\'s  halben  Monat  vor").  ||  pSch'-q  3,47'',  8:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Wie 
wir  gelernt  haben:  die  bedeutet  „Hälfte",  nämlich  die  Hälfte  von  30  Tagen  vor  dem 
Feste,  in  welcher  man  die  das  Fest  betreifenden  Bestimmungen  vorträgt. 

e.  Sch^q3, 2  u.  3:  Der  erhebende  Beamte  geht  nicht  in  die  Schatzkammer  hinein 
mit  einem  Umwurf,  der  Unterärmel  hat,  nicht  in  Schuhen  oder  Sandalen,  nicht  mit 
den  Gebetsriemen,  nicht  mit  einem  Amulett:  er  möchte  vielleicht  verarmen  u.  dann 
würde  man  sagen:  „Wegen  Versündigung  gegen  die  Schatzkammer  ist  er  verarmt"; 
oder  er  möchte  vielleicht  reich  Averden,  u.  dann  würde  man  sagen:   „Von  der  Hebe 


768  Matth  17,24(Nr.  5) 

aus  der  Schatzkammer  ist  er  reich  geworden";  denn  der  Mensch  muß  den  Pflichten 
gegenüber  den  Menschen  ebenso  nachkommen,  wie  er  den  Pflichten  gegenüber  Gott 
nachkommt;  wie  es  heilst:  Ihr  werdet  rein  sein  vor  Jahve  u.  vor  Israel  (Nu  32, 22. 
also  vor  beiden  gleicherweise);  ferner  s.  Spr3, 4:  Dann  wirst  du  Gnade  u.  feinen  Ver- 
stand gewinnen  in  den  Augen  Gottes  u.  der  Menschen.  .  .  .  Der  Erhebende  erhebt  (die 
Gelder)  nicht  eher,  als  bis  er  (die  ihn  Begleitenden)  gefragt  hat:  Soll  ich  erheben? 
u.  diese  ihm  dreimal  geantwortet  haben:  Erhebe,  erhebe,  erhebe!  ||  TSch'-'q  2, 1  (175): 
Wenn  der  Erheber  hineingeht,  um  aus  der  Schatzkammer  (Scheqelgelder)  zu  erheben, 
so  befühlt  (untersucht)  man  ihn  bei  seinem  Hineingehn  u.  bei  seinem  Herauskommen; 
auch  spricht  man  mit  ihm  von  dem  Augenblick  an,  da  er  hineingeht,  bis  zu  dem  Augen- 
blick, da  er  herauskommt  (damit  er  kein  Geld  in  seinem  Mund  verberge),  um  zu  er- 
füllen, was  gesagt  ist  Nu  32, 22  (s.  oben);  ferner  s.  Dt  (5,18:  So  tue  denn  was  recht 
u.  gut  ist  in  Jahves  Augen,  d.  h.  was  gut  ist  in  den  Augen  Gottes  u.  was  recht  ist 
in  den  Augen  der  Menschen;  das  sind  Worte  des  R.  ?Aqiba  (f  um  135).  Ferner  heißt 
es  Spr3,4  (s.  o.).  ||  pSch'^q  :5,  47^  30:  R.  Jischma?el  (f  um  135)  hat  gelehrt:  Ein  Voll- 
haariger soll  des  Verdachtes  halber  die  Erhebung  nicht  vornehmen.  In  einer  Bar  ist 
gelehrt  worden:  Die  Schatzmeister  rieben  ihm  mit  groben  Tüchern  die  Haare  aus- 
einander; ferner  ist  in  einer  Bar  gelehrt  worden:  Sie  redeten  mit  ihm  von  dem  Augen- 
blick an,  da  er  hineinging,  bis  zu  dem  Augenblick,  da  er  herauskam.  Dann  hätte  er 
doch  lieber  seinen  Mund  mit  Wasser  füllen  sollen!  R.  Tanchuma  (um  380)  hat  gesagt: 
Des  Lobspruches  halber  (den  er  zu  sprechen  hatte,  konnte  das  nicht  geschehen). 

/.  Sch^'qS,  2:  In  drei  Kasten  von  je  drei  Sea  Inhalt  erhebt  man  die  Scheqelgelder 
aus  der  Schatzkammer;  auf  ihnen  war  geschrieben:  Aleph,  Beth,  Gimel.  R.  Jischma?el 
(f  um  135)  sagte:  Griechisch  war  auf  ihnen  geschrieben:  Alpha,  Betha,Gamla(=  Gamma).  Ij 
TSch^qS,  1  (175):  Warum  hatte  man  auf  die  Kasten  ein  Aleph,  ein  Beth  u.  ein  Gnnel 
geschrieben?  Weil  man  anfing  aus  dem  ersten  Kasten  das  Geld  (zur  Bestreitung  der 
Ausgaben)  herauszunehmen.  Wenn  der  erste  ganz  aufgebraucht  war,  bezahlte  man  aus 
dem  zweiten;  wenn  der  zweite  ganz  aufgebraucht  war,  bezahlte  man  aus  dem  dritten; 
wenn  alle  drei  ganz  aufgebraucht  waren  u.  der  Termin  war  da,  eine  (neue)  Erhebung 
vorzunehmen,  so  nahm  man  sie  aus  den  neuen  (inzwischen  eingegangenen)  Scheqel- 
geldern  vor;  wenn  aber  der  Termin  dazu  noch  nicht  da  war,  so  erhob  man  von  den 
alten  Scheqelgeldern  (aus  denen  die  letzte  Erhebung  erfolgt  war).  HpSch^'q  3, 47*^,47: 
Warum  stand  auf  ihnen  ein  Aleph,  Beth  u.  Gimel?  Um  zu  sagen,  daß  man  den  Inhalt 
des  ersten  Kastens  vor  dem  des  zweiten  verwendet  u.  den  des  zweiten  vor  dem  des 
dritten.   (Die  beiden  Negationen  ^s  u.  «^  des  Textes  sind  zu  streichen.) 

g.  Sch'^qS,  4:  Wenn  er  die  erste  Erhebung  vorgenommen  hatte  (vor  dem  Passah), 
bedeckte  er  (das  in  der  Schatzkammer  verbleibende  Scheqelgeld)  mit  einer  Unterlage 
(aus  Fell);  wenn  er  die  zweite  vorgenommen  hatte  (vor  dem  Wochenfest),  deckte  er 
eine  Unterlage  darüber;  bei  der  dritten  (vor  dem  Laubhüttenfest)  deckte  er  keine 
darüber;  denn  das  Bedecken  geschah  nur,  damit  er  nicht  aus  Versehen  eine  Hebe  nehme 
von  etwas,  von  dem  sie  bereits  genommen  war.  Die  erste  Erhebung  vollzog  er  im 
Namen  des  Landes  Israel,  die  zweite  im  Namen  der  Städte  in  seiner  nächsten  Um- 
gebung u.  die  dritte  im  Namen  Babels  u.  Mediens  u.  der  entfernten  Länder.  ||  TSch'^q 
2,3(175):  Bei  der  ersten  Erhebung  sprach  der  erhebende  Beamte:  „Siehe,  das  ist  aus 
dem  Lande  Israel  für  das  gesamte  Israel",  dann  deckte  er  eine  Unterlage  darüber, 
weil  die  Leute  aus  Syrien  ihre  Scheqelgelder  darauf  legen  sollten.  Bei  der  zweiten 
sagte  er:  , Siehe,  das  ist  aus  Ammon  u.  Moab  u.  den  Städten,  die  um  das  Land  Israel 
liegen  (für  das  gesamte  Israel)";  dann  deckte  er  eine  Unterlage  darüber,  weil  die  Leute 
aus  Babel  ihre  Scheqelgelder  darauf  legen  sollten.  Bei  der  dritten  sagte  er:  „Siehe, 
das  ist  im  Namen  Babels  u.  Mediens  u.  der  entfernten  Länder  für  das  gesamte  Israel"; 
u.  dann  deckte  er  nichts  darüber.  .  .  .  Riß  er  die  Unterlage  fort  (lies  -ir  statt  •>:-o-z), 
so  daß  die  Überreste  miteinander  vermischt  wurden,  so  vermischt  er  sie  nicht  mit  den 
vorjährigen;  denn  vielleicht  müßte  einer  noch  eine  Erhebung  vornehmen  (weil  die  Gelder 
der  früheren  nicht  zureichten)  u.  dann  würde  er  erfunden  als  einer,  der  von  altem  Geld 


Matth  17,  24  (Nr.  6.  7)  769 

eine  Hebe  nimmt.  —  Man  macht  die  Erhebung  „für  Gepfändetes  u.  für  Scheqelgeld. 
das  noch  erhoben  werden  soll",  das  sind  Worte  des  R.  Me'ir  (um  150;;  R.Jose  (um  150) 
sagte:  Man  macht  die  Erhebung  „für  bereits  erhobene  u.  für  noch  zu  erhebende  Scheqel- 
abgaben".  —  Nach  den  Kommentaren  galt  R.  Joses  Meinung;  seine  Worte  sind  des- 
halb oben  S.  766  f.  in  die  Erklärungsformel  eingefügt  worden.  —  Die  Erhebungsformel 
der  Tosephta  als  Bar  in  pSch'q  3,47^40. 

6.  Verwendung  der  Scheqelgelder. 

Sch*'q  4,  1  —4 ;  Was  machte  man  mit  der  Hebe  (von  den  Scheqelgeldern)  ?  Man 
kaufte  dafür  die  Tamidopfer,  die  Zusatzopfer  (an  den  Festtagen)  u.  ihre  Trankopfer, 
die  Pflichtgarbe,  die  beiden  .(Erstlings-)Brote,  die  Schaubrote  u.  alle  Gemeindeopfer. 
Auch  die  Wächter  der  Nachwüchse  im  Brachjahr  (aus  denen  die  Pflichtgarbe  zu  nehmen 
war)  erhielten  ihren  Lohn  aus  dem  aus  der  Schatzkammer  Erhobenen.  R.  Jose  (um  150) 
sagte:  Wenn  es  jemand  als  freiwilliges  Gelübde  geloben  will,  darf  er  sie  unentgeltlich 
bewachen.  Man  antwortete  ihm:  Auch  du  sagst  ja,  daß  sie  (die  Pflichtgarben)  nur  aus 
Gemeindemitteln  dargebracht  werden  (also  darf  keinerlei  persönliche  Leistung  an  ihnen 
haften).  Die  rote  Kuh,  der  (am  Versöhnungstage  in  die  Wüste)  zu  entsendende  Bock 
u.  der  Streifen  von  glänzendem  Stoff'  wurden  von  dem  aus  der  Schatzkammer  Er- 
hobenen bestritten.  Der  Steg  für  die  rote  Kuh,'-'  der  Steg  für  den  in  die  Wüste  zu 
sendenden  Bock,'  der  Streifen  von  glänzendem  Stoff  zwischen  seinen  Hörnern,''  der 
Wasserkanal  (des  Tempelberges),  die  Stadtmauer  (Jerusalems)  u.  ihre  Türme  u.  (über- 
haupt) alle  Stadtbedürfnisse  (wie  Erhaltung  der  Wege  u.  Zisternen,  Besoldung  der  Stadt- 
wächter) wurden  aus  den  Überresten  in  der  Schatzkammer  (aber  nicht  aus  dem  für 
die  Opferbedürfnisse  in  den  drei  Kasten  Erhobenen)  bestritten.  —  Was  machte  man 
mit  dem,  was  von  den  Überresten  in  der  Schatzkammer  übrigblieb?  Man  kaufte  dafür 
Wein,  Ol  u.  Mehl  (zum  Wiederverkauf  an  diejenigen,  die  dergleichen  zu  ihren  Privat- 
opfern gebrauchten),  u.  der  Gewinn  daraus  gehörte  dem  Heiligtum.  Das  sind  Worte 
des  R.  Jischmasel  (f  um  135).  R.  fAqiba  (f  um  135)  sagte:  Man  zieht  keinen  Gewinn 
aus.  Geheiligtem  (wie  die  Scheqelgelder  solches  sind)  u.  aus  Armengeldern.  —  Was 
machte  man  mit  dem  Überrest  der  Hebe  (d.  h.  des  in  den  drei  Kasten  Erhobenen)? 
(Man  ließ  daraus  anfertigen)  Goldplatten  zum  Belegen  (der  Wände  u.  des  Fußbodens)  des 
AUerheiligsten.  —  Noch  andre  Verwendungszwecke  Sch'^q  4,  4  f.;  pSch^'q  4,  48%  16. 

7.  Die  Scheqelsteuer  hörte  nach  der  Mischna  mit  der  Zerstörung 
des  Tempels  auf.  a  Das  ist  richtig,  soweit  es  sich  um  ihre  Verwendung 
für  jüdische  Kultuszwecke  handelte.  In  Wirklichkeit  ist  sie  auf  An- 
ordnung der  römischen  Behörden  auch  später  noch  entrichtet  W(frden; 
nur   wurde   sie  jetzt  als  fiscus  Judaicus  an  den  Tempel  des  Jupiter 

'  Nach  den  Kommentaren  ist  ein  karmesinroter  Streifen  gemeint,  der  in  den  Brand 
der  roten  Kuh  geworfen  wurde,  s.  Nu  19,6. 

^  Auf  diesem  wurde  die  Kuh  vom  Tempelberg  nach  dem  Ölberg  geschafft,  s.  Para  3, 6. 

^  Joma  6,4:  Einen  Steg  machte  man  (für  den  Bock  u.  seinen  Treiber  vom  Heilig- 
tum an  bis  hinaus  ins  Freie)  der  Babylonier  wegen,  die  den  Bock  an  seinem  Haar 
rissen  u.  riefen:  ,Ninim  mit  (unsre  Sünde)  u.  geh  hinaus,  nimm  mit  u.  geh  hinaus I" 
(Der  erhöht  angelegte  Steg  sollte  diese  Zudringlichkeiten  verhindern.)  Nach  der  Bar 
Joma  66'^  riefen  sie:  ,Was  zögert  dieser  Bock,  während  die  Schulden  des  Geschlechtes 
groß  sind?!"  Vgl.  pJoma  <>.  48^'.  14. 

'  Joma  4,  2:  Man  band  einen  Streifen  von  glänzendem  (Purpur-) Stoff  an  den  Kopf 
des  zu  entsendenden  Bockes.  —  Das.  6,  6  (Der  Treiber)  teilte  den  Streifen  von  glänzen- 
dem Stoff:  die  eine  Hälfte  band  er  an  den  Felsen  u.  die  andre  zwischen  seine  Hörner, 
dann  stieß  er  ihn  rücklings  hinab.  —  Die  Tradition  redet  noch  von  einem  andren 
Streifen  glänzenden  Stoffes,  der,  wie  R.  Jischma^el,  f  um  135.  Joma  6, 8-  sagt,  an  die 
Tür  des  Tempels  geknüpft  wurde;  sobald  der  Bock  die  Wüste  erreicht  hatte,  wurde 
dieser  Streifen  weiß,  s.  Jesl,18:  Wenn  eure  Sünden  wie  Scharlach  wären,  sollen  sie 
weiß  werden  wie  Schnee. 

Strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  49 


770  ^atth  17,  24  (Nr.  7).  17,  25 

Capitolinus  in  Rom  abgeliefert,  b  Bemerkenswert  ist  die  Notiz,  daß, 
als  es  unter  Hadrian  zum  Wiederaufbau  des  Tempels  schien  kommen 
zu  sollen,  zwei  angesehene,  später  als  Märtyrer  gefeierte  Männer, 
namens  Pappos  u.  Julianus,  alsbald  wieder  Geldwechslertische  für  die 
aus  der  Diaspora  nach  Palästina  Wallfahrenden  aufstellen  ließen  ;c  doch 
wohl  im  Gedanken  an  die  Tempelsteuer. 

a.  Sch^qS,  8:  Die  Scheqelabgaben  u.  die  Erstlinge  sind  in  Gebrauch  nur  zur  Zeit 
des  Tempelbestandes. 

b.  Josephus,  BellJud  7,6,6:  Den  Juden,  wo  sie  sich  auch  befinden  mochten,  legte 
er  (der  Kaiser  Vespasian)  eine  Steuer  auf,  indem  er  befahl,  daß  jedermann  jährlich 
zwei  Drachmen  (=  V«  Scheqel)  an  das  Kapitol  abführen  sollte,  wie  sie  es  vordem  an 
den  Tempel  in  Jerusalem  gezahlt  hatten.  —  Zeugnisse  nichtjiidischer  Schriftsteller 
s.  bei  Schürer"  2,315;  3, 117 f. 

C.  GnR64(40''):  In  den  Tagen  des  R.  J'hoschuaf  b.  Chananja  (um  90)  erließ  die 
frevlerische  Regierung  (d.  h.  Rom)  ein  Edikt,  daß  das  Heiligtum  erbaut  werden  sollte. 
Es  stellten  Pappos  u.  Lulianus  (=  Julianus)  Wechslertische  {yrs--.  =  TQciTieCc<)  von 
sAkko  bis  Antiochia  auf,  die  die  aus  der  Verbannung  Heraufziehenden  mit  Silber  u. 
Gold  u.  allem  Bedarf  versehen  sollten. 

17,25:  Zölle  oder  Steuern. 

Ts'Xog  =  or'D,  nc=-?  bezeichnet  den  Zoll,  der  für  ein-  oder  ausgeführte 
Handelsartikel,  wie  Getreide,  Öl,  Vieh,  Sklaven,  Perlen,  Kleiderstoffe  usw., 
an  den  Grenzen  der  Zollgebiete  oder  an  Brückenübergängen  zugunsten 
des  kaiserlichen  Fiskus  oder  autonomer  Stadtbezirke  erhoben  wurde ; 
s.  bei  Mt  5,  46.  ||  xtjvaog  bezeichnet  die  eigentlichen  Steuern,  die  als 
Personal- u.  Realabgaben  erhoben  wurden.  ||  Die  Steuern  im  allgemeinen 
heißen  im  Rabbin.  -psp,  von  d^  =  Abgabe,  Tribut;  rc^s,  wohl  zus.- 
hangend  mit  di-q  (Los),  etwa  =  Auflage.  Spezielle  Steuerarten:  Per- 
sonalsteuern:  p^ä>a  =  Kopfsteuer;  x^pia-^n ,  J?/,aocrm  =  fiskalische  Abgabe. 
Realsteuern:  xjii'iit,  wohl  dasselbe  wie  Nj-isx  (annona)  =  Jahresabgabe  an 
Naturalien,  N|^p-j  =  Grundsteuer;  x^'jr.^x  (ayya^jfm)  =  Frondienst. 

LvR  33  (130"=):  R.  Sch-^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Nebukadne^ar  sprach 
zu  Daniel:  Hat  euch  Mose  nicht  also  in  der  Tora  geschrieben:  Ihr  werdet  dort  Göttern 
dienen,  dem  Werk  von  Menschenhand,  Dt  4,  28?  (was  soll  also  deine  Weigerung,  mein 
Götzenbild  anzubeten?)  Er  antwortete:  Mein  Herr  König,  nicht  vom  Anbeten  (handelt 
jene  Stelle),  sondern  vom  Dienstbarsein  mit  Abgaben  (i"cy)  u.  Naturallieferungen 
(r-r:i:-s)  u.  Strafgeldern  (r-,-»:-T  =  C»?,"'«)  u.  Kopfgeldern  (rr^jiij).  Denn  R.  Sch^muel 
b.  Nachman  hat  gesagt:  Dort  (in  Rom)  nennt  man  die  Könige  , Götter"  (solche  Götter 
hat  Mose  Dt  4,  28  gemeint).  ||  pPea  1,  15'',  51.  R.  Abba  (um  290)  hat  gesagt:  Wenn 
du  Almosen  aus  deinem  Beutel  gibst,  wird  dich  Gott  bewahren  vor  Auflagen  (r="s) 
u.  Strafgeldern  u.  Kopfgeldern  u.  Naturallieferungen.  —  In  GnR  1  (3«)  ein  R.  di'ji^ss  * 
als  Autor  genannt.  i|  P*^siq  11  b:  R.  Ja'aqob  (b.  Acha,  um  300)  begann  seinen  Vortrag 
(im  Namen  des  R.  Jonathan  aus  Beth-Gubrin,  um  270)  mit  Spr  15,  19:  „Des  Faulen 
Weg  ist  wie  eine  Dornhecke. "  „Der  Weg  des  Faulen",  das  bezieht  sich  auf  Esau, 
den  Frevler  (=  Rom);  „wie  eine  Dornhecke";  denn  einem  Dorngestrüpp  gleicht  jener: 
wenn  du  es  hier  losmachst,  so  hängt  es  sich  dort  an;  so  wendet  sich  auch  Esau, 
der  Frevler,  überallhin  (fordernd):  Bringe  deine  Kopfsteuern,  bringe  deine  fiskalischen 
Abgaben  {-rc-i-^^-),  bringe  deine  Naturallieferungen !    Und  wenn  er  nichts  hat,  bestraft 

*  c"nsi":3s  =  EvSfjfxog;  s.  aber  auch  Einl.  S.  145  Anm.  1. 


Matth  17,  25.  26  771 

er  ihn  u.  läßt  ihn  schwören.  —  Eine  ähnliche  Ausführung  in  P^'siqR  10  (33 1>)  u.  Tanch 
NXT  -=  109 1>.  II  pSch^bicith  4,  35  b,  32:  R.  Chanina  b.  Papa  (um  300)  u.  R.  Schemuel 
b.  Nachnian  (um  260)  gingen  einmal  in  einem  Brachjahr  an  einem  (Nichtisraeliten) 
vorüber,  der  ackerte.  R.  Sch^muel  b.  N.  sprach  zu  diesem:  Glück  zu!  R.  Chanina 
b.  Papa  sprach  zu  ihm:  Hat  uns  nicht  der  Lehrer  (d.  h.  du)  also  gelehrt:  ,Und  die 
Vorübergehenden  werden  nicht  sprechen:  der  Segen  Jahves  komme  über  euch!"  Ps  129,  8, 
von  hier  aus  sei  es  verboten,  den  im  Brachjahr  Ackernden  zuzurufen:  Glück  zu?  Er 
antwortete:  Du  verstehst  zu  lesen,  aber  auszulegen  verstehst  du  nicht!  „Und  nicht 
werden  die  Vorübergehenden  sprechen",  das  bezieht  sich  auf  die  Völker  der  Welt,  die 
aus  der  Welt  dahinschwinden  werden;  sie  sagten  zu  Israel  nicht:  „Der  Segen  Jahves 
komme  über  euch!"  Was  sagt  Israel  zu  ihnen?  „Wir  segnen  euch  im  Namen  Jahves" 
Ps  129,8.  Nicht  genug,  dafs  alle  Segnungen  um  unsretwillen  in  die  Welt  kommen,  ohne- 
daß  ihr  zu  uns  sagt:  „Kommt  u.  nehmet  für  euch  von  diesen  Segnungen",  sondern 
ihr  wälzt  auch  noch  auf  uns  Auflagen  ("D'e)  u.  Strafgelder,  Kopfsteuern  u.  Natural- 
lieferungen!  ||  MidrKLS,  7  (69'^):  „Er  machte  meine  Fessel  schwer"  KL  3,  7,  d.h.  er  legte 
drückend  auf  mich  Naturalabgaben,  fiskalische  Steuern  u.  Kopfgelder.  il  LvR23(122^): 
R.  Chanina  b.  Abba  ^  (?)  hat  gesagt:  . . .  Obwohl  man  von  den  Israeliten  beitreibt  Natural- 
abgaben u.  Frondienste  (n-'-jss),  ist  ihr  Herz  gerichtet  auf  ihren  Vater  im  Himmel, 
s.  Ps25, 15.  —  Dasselbe  Midr  HL  2,2  (95  b)  unter  dem  Autornamen  des  R.  Huna,  um  350; 
statt  rv- 1J3S  =  Frondienste  liest  diese  Stelle  ri"iit-i'.2,  von  Krauß,  Lehnw.  2,  298 
emendiert  in  i"i"?"C"'"?"  =  xQvaäQyvQov  =  Gold-  u.  Silbermünze ;  so  hieß  eine  den 
Innungen  auferlegte  Gewerbesteuer,  die  in  Zwischenräumen  von  vier  Jahren  erhoben 
wurde,  s.  Levy  2, 413^  ||  BM  73'':  Das  Land  ist  der  Grundsteuer  (spci:)  unterworfen,  u. 
der  König  sagt:  Wer  die  Grundsteuer  entrichtet,  der  soll  den  Nutzen  vom  Lande  haben. 

17,26:  So  sind  also  die  Söhne  frei. 

Ein  ähnlicher  Gedanke,  der  aber  aus  bestimmten  Gründen  abgelehnt 
wird,  liegt  vor  Sukka  30^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des 
R.  Schim'on  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Was  bedeutet  Jes  61,  8:  „Ich, 
Jahve,  liebe  das  Recht,  hasse  bübischen  Raub"?  Gleich  einem  König 
von  Fleisch  u.  Blut,  der  an  einem  Zollhaus  vorüberging.  Er  sagte  zu 
seinen  Dienern:  Gebet  den  Zöllnern  den  ZollI  Sie  antworteten  ihm: 
Gehört  dir  denn  nicht  der  ganze  Z'oll?  (Also  sind  wir  doch  davon  frei!) 
Er  sprach  zu  ihnen:  Von  mir  sollen  alle  Vorübergehenden  lernen,  daß 
sie  sich  nicht  dem  Zoll  entziehen  dürfen.  Auch  Gott  hat  gesagt:  Ich 
hasse  bübischen  Raub;  von  mir  sollen  es  meine  Kinder  lernen,  daß 
sie  sich  von  Raub  fern  halten. 

Freiheit  von  der  Tempelsteuer  nahmen  die  Priester  für  sich  in 
Anspruch  auf  Grund  von  Lv  6, 16 ;  s.  Sch'^q  1, 3—5  bei  Mt  17, 24  Nr.  3.  — 
Mehrfach  hören  wir  auch,  daß  die  Rabbinen  das  Privilegium  der  Ab- 
gabenfreiheit für  sich  forderten;  allerdings  fiel  der  Nachweis  ihres 
Rechtsanspruches  etwas  gewunden  aus. 

BB7'':  R.  J'^huda  IL,  der  Patriarch  (um  250)  legte  die  Kosten  einer  Mauer  den 
Rabbinen  auf.  Resch  Laqisch  (um  250)  sprach:  Die  Rabbinen  bedürfen  keines  Schutzes 
(also  sind  sie  zum  Bau  einer  Schutzmauer  nicht  beitragspflichtig);  s.  Ps  139, 18:  „Will 
ich  sie  zählen,  so  ist  ihrer  mehr,  denn  des  Sandes."  „Will  ich  sie  zählen",  wen  denn? 
Wenn  du  es  von  den  Gerechten  sagen  wolltest,  daß  sie  zahlreicher  seien  als  der  Sand, 

^  Der  Name  wird  Korrupte!  sein  aus  R.  Chunja  b.  Abin;  dann  ist  damit  der  in  der 
Parallelstelle  Midr  HL  2, 2  genannte  R.  Huna  gemeint.  An  den  babyl.  Amora  Chanan 
b.  Abba,  um  250,  ist  schwerlich  zu  denken. 

49* 


772  Matth  17,26 

so  steht  ja  von  ganz  Israel  Gn  22. 17  geschrieben:  , Dem  Sande  gleich  am  Ufer  des 
Meeres";  können  da  die  Gerephten  selbst  (die  doch  nur  ein  Teil  vom  ganzen  Israel 
sind)  zahlreicher  sein  als  der  Sand?  Vielmehr  so  ist  es  gemeint:  AVill  ich  sie,  nämlich 
die  Werke  der  Gerechten  zählen,  so,  ist  ihrer  mehr  denn  des  Sandes.  Da  gilt  der  Schluß 
vom  Leichteren  auf  das  Schwerere:  Wenn  der  Sand,  der  geringer  ist  an  Zahl,  schützt 
(wie  eine  Mauer)  wider  das  Meer,  sollten  da  nicht  die  Werke  der  Gerechten,  die 
größer  sind  an  Zahl,  sie  viel  mehr  schützen?  Als  er  zu  R.  Jochanan  (f  279)  kam,  sagte 
dieser  zu  ihm:  Warum  hast  du  ihm  (dem  Patriarchen)  nicht  von  dieser  Stelle  aus  ge- 
antwortet: „Ich  bin  eine  Mauer,  u.  meine  Brüste  Türmen  gleich"  HL  8, 10?  „Ich  bin 
eine  Mauer",  damit  ist  die  Tora  gemeint,  ,u.  meine  Brüste  Türmen  gleich",  damit  sind 
die  Gelehrtenschüler  gemeint.  Und  Resch  Laqisch  hat  die  Stelle  verstanden,  wie  sie 
(später)  Raba  (f  352)  ausgelegt  hat:  „Ich  bin  eine  Mauer",  das  geht  auf  die  Gemeinde 
Israel,  „u.  meine  Brüste  Türmen  gleich",  das  geht  auf  die  Synagogen  u.  Lehrhäuser.  — 
Rab  Chanan  (=  Nachman)  b.  Chisda  (um  300)  legte  den  Rabbinen  eine  Kopfsteuer 
(s;-i2  =  dem  palästinischen  r"~jV:)  auf;  da  sprach  Rab  Nachman  b.  Jicchaq  (f  356)  zu 
ihm:  Du  hast  (damit)  die  Tora,  die  Propheten  u.  die  Hagiographen  übertreten.  Die 
Tora,  s.  Dt  33, 3:  „Ja  er  liebte  Völker,  alle  seine  Heiligen  sind  in  deiner  Hand."  Mose 
sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  auch  wenn  du  die  Völker  liebst  (u.  Israel  ihnen  unter- 
wirfst), so  werden  (oder  „mögen")  doch  alle  seine  (Israels)  Heiligen  in  deiner  Hand 
(unter  deinem  Schutz)  sein!  „Und  sie  sind  gelagert  i:r  zu  deinen  Füßen"  Dt  33,  3. 
Rab  Joseph  (f  333)  hat  als  tannaitische  Tradition  gelehrt:  Damit  sind  die  Gelehrten- 
schüler gemeint,  die  sich  ihre  Füße  wund  laufen  (i-rnr'i)  von  einer  Stadt  zur  andren 
u.  von  einem  Land  zum  andren,  um  Tora  zu  lernen.  ,Es  empfängt  aus  deinen  Worten" 
(das.),  d.  h.  um  zu  nehmen  u.  zu  geben  aus  den  Worten  Gottes  (=^  um  in  Rede  u. 
Widerrede  über  die  Tora  zu  debattieren;  die  Wendung  ist  aus  der  Handelssprache  her- 
genommen).^ —  Die  Propheten,  s.  Hos  8, 10:  Ja,  wenn  sie  lernen  unter  den  Völkern, 
so  will  ich  sie  nun  sammeln,  u.  wenn  es  wenige  sind,  so  sollen  sie  los  sein  von  der 
Steuer  des  Königs  u.  der  Fürsten  (so  der  Midr).  fUUa  (um  280)  hat  gesagt:  Dieser 
Vers  ist  in  der  aramäischen  Sprache  gesagt  worden:  wenn  sie  alle  studieren  {i:r  zur 
Erklärung  des  Textwortes  13^-),  so  will  ich  sie  nun  sammeln  (so  hat  das  Exil  ein 
Ende),  u.  wenn  wenige  von  ihnen  (studieren),  so  sollen  sie  (diese  wenigen,  also  die 
Gelehrtenschüler)  los  sein  von  der  Steuer  des  Königs  u.  der  Fürsten.  —  Die  Hagio- 
graphen, s.  Esra7,24:  Niemand  soll  ermächtigt  sein  ihnen  aufzulegen  Steuer,  Abgabe 
u.  Zoll.  Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt:  „Steuer"  n-i^,  das  ist  die  Abgabe  an  den  König 
(-Visn  r:»:);  „Abgabe"  ihj,  das  ist  das  Kopfgeld  (rV.-.b;  res)  u.  „Zoll"  ~5n,  das  sind 
die  Naturallieferungen  (s;i3-n).  ||  BßS^:  Rab  J'^huda  (t  299)  hat  gesagt:  Alle  müssen 
beitragen  zu  den  Kosten  der  Stadttore,  auch  Waisenkinder;  aber  die  Rabbinen  bedürfen 
des  Schutzes  nicht.  Alle  müssen  beitragen  zum  Ausgraben  eines  (öffentlichen)  Brunnens 
(so  Raschi),  auch  die  Rabbinen;  aber  das  haben  wir  nur  für  den  Fall  gesagt,  daß  die 
Stadtbewohner  nicht  selbst  als  Arbeiterschar  hinausziehen  (sondern  bloß  mit  ihren 
Geldbeiträgen  sich  daran  beteiligen);  wenn  sie  aber  als  Arbeiterschar  selbst  hinaus- 
ziehen, so  sind  die  Rabbinen  nicht  solche,  die  als  Arbeiterschar  hinausziehen.  (Hier 
werden  Frondienste  einfach  als  uiclit  standesgemäß  abgelehnt.)  Dasselbe  BM  lOS". 

Aus  dem  Beweis,  den  Jesus  für  sein  Freisein  von  der  Scheqelabgabe 
führt,  folgt,  daß  er  sich  eine  Stellung  zu  Gott  beigelegt  hat.  wie  sie 
sonst  keinem  Israeliten  eignet.  Diese  Folgerung  kann  nicht  beseitigt 
werden  mit  dem  Hinweis  darauf,  daß  ja  auch  Petrus  an  der  Steuer- 
freiheit teilnehme;  denn  diese  genießt  Petrus  nicht  unmittelbar  wegen 
seiner  Stellung  zu  Gott,  sondern  mittelbar  wegen  seiner  Stellung  zu 

^  Die  Meinung  ist  vermutlich  diese:  Da  die  Gelehrtenschüler  sich  nur  um  die  An- 
gelegenheiten Gottes  bemühen,  sollen  sie  mit  den  Angelegenheiten  der  Welt,  also  auch 
mit  deren  Steuerauflagen,  verschont  bleiben. 


Matth  17,27.  18,1.3  773 

Jesu:  weil  Petrus  zu  den  Angehörigen  des  Sohnes  zählt,  darum  ist  er 
in  dessen  Steuerprivilegiuni  miteingeschlossen. 

17,27  51:  Den  Fisch,  der  zuerst  emporsteigt. 

Tur  uraßccvia  =  n'~'rr;. 

GnR  5  (4<^):  ,Die  Ansammlung  der  Wasser  nannte  er  Meere*  c-w  (Plur.)  Gn  1,10. 
R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  1501  hat  gesagt:  War  es  denn  nicht  (bloß)  Ein  Meer?  Was 
will  die  Schrift  lehrend  sagen  mit  , Meeren"?  Allein  ein  Fisch,  der  bei  ?Akkb  empor- 
steigt r;5n"  (=  herauskommt),  gleicht  dem  Geschmack  nach  nicht  einem,  der  bei  Sidon 
oder  bei  Apamea  emporsteigt  nV'y. 

TTOODTOV   =   "irCN". 

Nazir  5, 2:  (Wenn  einer  gelobt:)  Der  Golddenar,  der  zuerst  in  meine  Hand  kommt 
(wörtlich:  emporkommt)  ivi-s-i  -T'a  n^y-r,  siehe,  der  soll  Geheiligtes  sein!  u.  es  kommt 
einer  aus  Silber  liinein  rVi",  so  sagte  die  Schule  Schammais:  Es  ist  Geheiligtes;  aber 
die  Schule  Hilleis  sagte:  Es  ist  nicht  Geheiligtes.  (Gelobt  er:)  Das  Faß  Wein,  das 
zuerst  in  meine  Hand  kommt  r:rus-  —z  r-y^-jr-::,  siehe,  das  soll  Geheiligtes  sein!  u. 
es  kommt  eins  mit  Ol  hinein,  so  sagte  die  Schule  Schammais:  Es  ist  Geheiligtes;  aber 
die  Schule  Hilleis  sagte:  Es  ist  nicht  Geheiligtes. 

17,27  23:  Du  wirst  einen  Stater  finden. 

Gtavu'iQ  findet  sich  im  Rabbin.  in  der  Form  «""inox  oder  n^^j:»«;  Bei- 
spiele s.  bei  Mt  5,  26  u.  17,  24  S.  763  J.  —  Seinem  Werte  nach  betrug 
der  Stater  1  Sela<  =  4  Denare  =  2  öiögay^iia',  er  genügte  also  zur  Ent- 
richtung der  Tempelsteuer  für  zwei  Personen. 

Ein  Schneider  in  Rom,  der  den  Versöhnungstag  ehrt,  u.  Joseph,  der  Sabbatverehrer, 
■werden  von  Gott  dadurch  belolmt,  daß  jeder  eine  kostbare  Perle  in  einem  Fisch  findet, 
s.  GnR  11  (8'^)  oben  8.614«  u.  Schab  119^'  oben  S.  675«. 

18,1:  Wer  ist  ein  Größerer  im  Himmelreich? 

Zu  dieser  Frage  s.  bei  Mt  5, 19  JB.  —  Die  jüdischen  Gelehrten  haben 
die  Frage  verschieden  beantwortet.  Auf  Grund  von  Ps  11,  7  meinte 
man,  dafs  die  Klasse  der  Rechtschaffenen  n-^-c;-'  die  höchste  Abteilung 
vor  Gott  bilde;  andre  ließen  die  erste  Abteilung  gebildet  werden  von 
denen,  die  sich  auf  ihre  Torakenntnis  u.  guten  Werke  stützen  könnten, 
oder  auch  von  den  Schrift-  u.  Mischnalehrern,  die  die  Kinder  treulich 
oder  wahrheitsgemäß  unterrichteten.  Noch  andre  stellten  die  Ältesten 
u.  Lehrer  am  höchsten,  die  viele  zur  Gerechtigkeit  angeleitet  hätten. 
Allgemeinere  Anerkennung  hat  wohl  der  Satz  gefunden,  daß  den  Mär- 
tyrern der  erste  Platz  vor  Gott  zukomme.  Belege  s.  im  Exkurs:  „Sch'^ol, 
Gehinnom  u.  Gan  <Eden"  III,  3,  n. 

18,  3:  Wie  die  Kindlein. 
Das  Kind  als  Bild  der  Sündenreinheit  P''siq61'*:  „Zwei  einjährige 
Lämmer"  ni-c^s  Nu  28,  3.  Die  Schule  Schammais  sagte:  d^Ct^»  denn  sie 
drücken  die  Schuld  Israels  nieder  -"^ly^is,  s,  Micha  7, 19:  „Er  wird  nieder- 
drücken ii"i22-  unsre  Verschuldungen."  Die  Schule  Hillels  sagte:  Alles 
was  niedergedrückt  wird,  schwimmt  schließhch  oben;  vielmehr  o^r^?, 
weil  sie  die  Schuld  Israels  abwaschen  •"£?=•?  u.  .sie  (die  Isr.)  machen 


774  Matth  18,  4.  5 

wie  ein  eiiijähriges  Kind,  das  rein  von  jeder  Sünde  ist.  —  Parallel- 
stelle P^siqR  16  (84»). 

18,4:  Wer  sich  nun  s  elbst  erniedrigen  wird.. .der  ist  derGrößere. 

Siehe  die  Zitate  bei  Mt5, 19  u.  23, 12;  ferner  ?Er  54=' bei  Mt  5.3  S.192f.  1|  LvR  1(105') : 
So  bat  Hillel  (um  20  v.Chr.)  gesagt :  Meine  (Selbst-)Erniedrigung  ist  meine  Erhöhung,  meine 
(Selbst-)Erhöhung  ist  meine  Erniedrigung,  s.  Ps  113, 5  f.:  „Der  in  der  Höbe  thront,  der  in 
die  Tiefe  blickt. "  —  Über  Hillels  Auffassung  dieser  Psalmworte  vgl.  ExR45  ( 100  '^) :  R.  Tan- 
chuma  b.  Abba  (um  380)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Spr  25, 7 :  Denn  besser  ist  es,  daß  man 
zu  dir  sage:  „Rücke  herauf  hierher I",  als  daß  man  dich  erniedrige.  Hillel  sagte:  Meine 
(Selbst-)Erniedrigung,  das  ist  meine  Erhöhung  u.  meine  (Selbst-)Erhöhung  ist  meine  Er- 
niedrigung. Es  ist  besser  für  einen  Menschen,  daß  man  sage:  „Steige  erapornach  oben",  als 
daß  man  zu  ihm  sage:  „Steige  hinab  nach  unten."  David  bat  gesagt  Ps  113, 5:  rzivh  'r.'zi'zr.. 
d.  h.  wenn  ich  mich  selbst  erhöhe,  so  erniedrigt  man  meinen  Sitz,  das  meinen  die  Worte 
Ps  113,5:  „Mein  mich  selbst  Erhöhen^  (führt)  zum  Niedersitzen";  u.  wenn  ich  mich 
selbst  erniedrige,  so  erhöht  man  mich,  wie  es  heißt  Ps  113, 6:  „Mein  mich  selbst  Er- 
niedrigen^ (führt)  zum  Fürchten."  ^  Was  hat  es  mir  verursacht,  daß  alle  Länder  sich 
fürchten,  wie  es  heißt  1  Chr  14,  17:  Der  Name  Davids  ging  aus  in  alle  Lande,  u.  Jalive 
legte  die  Furcht  vor  ihm  auf  alle  Völker?  Weil  ich  mich  selbst  erniedrigt  habe.  |! 
Sota  10'':  „Von  David  ein  d~?'?"  Ps56,  1.  Wie  David  in  seiner  .lugend  sich  selbst  er- 
niedrigt hat  i'^-pn  (wörtlich:  klein  gemacht  hat)  bei  dem,  der  größer  war  als  er,  um 
Tora  zu  lernen,  so  auch  nachdem  er  groß  geworden  war.  —  arri  ist  als  Notarikon 
(s.  Einl.  S.  107  Nr.  30)  gedeutet  :=  T?  „niedrig"  u.  ar  „unversehrt",  also  Ps  56, 1:  Von 
David,  dem  „dauernd  (in  der  Jugend  wie  im  Mannesalter)  Niedrigen",  sich  selbst  Er- 
niedrigenden. —  Zu  Davids  Selbsterniedrigung  s.  auch  MQ  16''  bei  Mt  16, 19  S.  746. 

18,5:  Wer  ein  einziges  solches  Kind  auf  Grund 
meines  Namens  aufnimmt,  nimmt  mich  auf. 

Zum  ganzen  Satze  s.  bei  Mt  10,40.  'j  Verdienstlichkeit  der  Versorgung 
von  Waisenkindern: 

M'^g  13'':  AVer  einen  Waisenknaben  oder  ein  Waisenmädchen  in  seinem  Hause  auf- 
zieht, dem  rechnet  es  die  Schrift  so  an,  als  ob  er  sie  erzeugt  hätte.  —  Dasselbe  Sanh  19'' 
auf  Grund  einer  längeren  Reihe  von  Belegstellen.  |;  K'^'thöO":  „Wohl  denen,  die  das 
Recht  beobachten,  dem,  der  Wohltätigkeit  übt  zu  jeder  Zeit"  (so  der  Midr  Ps  106,3). 
Kann  man  denn  zu  jeder  Zeit  Wohltätigkeit  üben?  . .  .  R.  Sch'^'muel  b.  Nachman  (um  260) 
hat  gesagt:  Damit  ist  derjenige  gemeint,  der  einen  Waisenknaben  oder  ein  Waisen- 
mädchenin  seinem  Hause  aufzieht  u.  sie  verheiratet.  ||  K'=^thl03'':  Als  R.  Chanina  (um  225) 
u.  R.  Chijja  (um  200)  miteinander  stritten,  sagte  R.  Chanina  zu  R.  Chijja:  Mit  mir  willst 
du  streiten?  Wenn,  was  Gott  verhüten  wolle!  die  Tora  von  Israel  vergessen  würde, 
so  wollte  ich  sie  durch  mein  scharfsinniges  Disputieren  wiederherstellen.  R.  Chijja  ant- 
wortete: Ich  habe  bewirkt,  daß  die  Tora  von  Israel  nicht  vergessen  wird;  ich  liabe 
Flachs  genommen  u.  gesponnen  u.  flocht  Schlingen  u.  fing  Gazellen  u.  ernährte  mit 
dem  Fleisch  Waisenkinder  u.  bereitete  Pergamentrollen  aus  den  Fellen  der  Gazellen 
zu  u.  ging  in  einen  Ort,  in  welchem  es  keine  Kinderlehrer  gab,  u.  schrieb  die  fünf 
Torarollen  für  fünf  Kinder  auf  u.  lehrte  die  sechs  Mischnaordnungen  sechs  Kinder, 
indem  ich  zu  jedem  Kinde  sagte:  Lehre  deine  Ordnung  deinen  Genossen!  Das  ist  es. 
was  Rabbi  gesagt  hat:  AVie  groß  sind  die  AVerke  Chijjas!  —  Dasselbe  BM  85''.  Vgl. 
auch  bei  Mt  18, 10  31.  ||  snl  rw  ovo^axi  ixov  =  -?tt?5,  s.  bei  Mt  10,41. 

'  In  -n"3;>;n  ist  ■  am  Ende  als  Pronomen  suffixum  gedeutet  =  der  mich  Erhöh^de 
=  ich,  wenn  ich  mich  erhöhe  =  mein  mich  selbst  Erhöhen.  Ebenso  -h-zv^r,  =  der  mich 
Erniedrigende  =  wenn  ich  mich  selbst  erniedrige  =^  mein  micli  selbst  Erniedrigen. 

2  n':x-5  nach  Analogie  von  rs'j-  Ez  33. 12  u.  rs'-s-:  Lv  8,  33  gefaßt  =  s-V  =  x-!'"::, 
vgLlSm  18.29. 


Matth  18,  6  {%.  SB.  6  1)  775 

18,  6  51:  Wer  einen  dieser  Kleinen  ärgern  wird. 
(jxardaXt^eii'  =  dem  kausativen  bjrrx  (bibl.  b^r=n);  zB  TargMal2,8: 
Ihr  habt  vielen  zum  Anstoß  gereicht  (d.  h,  viele  zu  Falle  gebracht  iwbprx, 
Textwort:  =nb-i«=n)  durch  die  Lehre.  —  Ferner  s.  bei  Mto,29  6  S.303. 

18,6  23:  Dem  frommt  es. 

avfuji-Qfi  avTO)  ■^=  ib  ri:,  es  wäre  ihm  besser. 

?Er  IS'*  Bar:  2'/2  Jahr  waren  die  Schule  Schammais  u.  die  Schule  Hillels  geteilter 
Meinung;  die  einen  sagten:  Es  wäre  besser  für  den  Menschen  (o^sV  ih  r.'.z),  wenn  er 
nicht  erschaffen  wäre,  als  daß  er  erschaffen  wurde.  Die  andren  sagten:  Es  ist  besser 
für  den  Menschen,  daß  er  erschaffen  worden  ist,  als  wenn  er  nicht  erschaffen  worden 
wäre.  Sie  stimmten  ab  u.  beschlossen:  Es  wäre  besser  für  den  Menschen,  wenn  er 
nicht  erschaffen  wäre,  als  daß  er  erschaffen  wurde ;  nun  aber,  da  er  erschaffen  worden 
ist,  soll  er  seine  Werke  prüfen.  ||  K'^thO?'':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des 
R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Es  wäre  besser  für  den  Menschen,  daß  er  sich 
selbst  in  einen  Feuerofen  würfe,  als  daß  er  das  Angesicht  eines  andren  öffentlich  be- 
schämt. —  Dasselbe  Sota  10'\  ||  pB'^rakh  1,  3'^  25:  Wer  lernt,  um  nicht  danach  zu 
handeln,  dem  wäre  es  besser,  wenn  er  nicht  geboren  wäre.  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt:  Wer  lernt,  um  nicht  danach  zu  handeln,  dem  wäre  es  besser,  wenn  sich  seine 
Nachgeburt  um  sein  Gesicht  gewendet  hätte,  so  daß  er  nicht  zur  Welt  gekommen 
wäre.  —  Dasselbe  LvR  35  (132«);  vgl.pSchab  1, 3^  8.  H  Ferner  s.p?AZ2(40^)  oben  S.38; 
TanchB  pia  §2  bei  Mt  18, 8  f. 

Aramäisch  sagt  man  -■'h  a-j  ,es  wäre  ihm  besser";  s.  bei  Mt  5,  29  S  S.302f. ;  u. 
Targ  Jerusch  I  Gn  38, 25  bei  Mt  18, 8  f. 

18,6  6:  Daß  ein  Eselsmühlstein  um  seinen  Hals  gehängt 
u.  er  in  die  Tiefe  des  Meeres  versenkt  würde. 
1.  iivXog  orixög.  —  -r  Vd  c-^nn  =  „Handmühle"  u.  -."i^ar;  bd  c-n*  = 
„  Eselsmühle "  werden  einander  gegenübergestellt,  a  Die  erstere  wird 
auch  =nx  bd  =-::;■;  „Menschenmühle"  genannt. b  Die  Bezeichnungen  legen 
es  nahe,  als  das  unterscheidende  Merkmal  beider  Arten  von  Mühlen 
die  sie  bewegende  Kraft  anzusehen.  Auch  bezeugen  einige  talmudische 
Stellen  ausdrücklich  die  Verwendung  von  Eseln  für  den  Betrieb  von 
Mühlen, c  Gleichwohl  ist  diese  Erklärung  des  Namens  „Eselsmühle'" 
nicht  allseitig  anerkannt.  Es  wird  nämlich  eine  Unterlage  erwähnt, 
auf  der  die  größeren  Mühlen  so  befestigt  wurden,  daß  sie  nicht  von 
ihrer  Stelle  entfernt  werden  konnten,  während  der  Transport  der 
leichteren,  sog.  „Handmühlen"  keine  Schwierigkeit  verursachte.  Und 
da  diese  Unterlage  den  Namen  mrr;  =  „Esel"  führte  (wir  würden  in 
diesem  Fall  von  einem  „Bock"  sprechen),  so  seien  die  auf  einem  solchen 
Untergestell  befestigten  Mühlen  „Eselsmühlen"  genannt  worden.  So 
namentlich  R.  Chanan^eld  in  den  Tosaphoth  zu  BB  20^.  Jedenfalls  werden 
mit  „Eselsmühlen"  die  größeren  u.  schwereren  Mühlen  bezeichnet,  auch 
wenn  sie  nicht  durch  Esel  in  Bewegung  gesetzt  wurden,  e  —  Bei  beiden 
Arten  von  Mühlen  bildeten  die  beiden  übereinander  befindlichen  Mühl- 
steine die  Hauptbestandteile.  Bei  der  Handmühle  hieß  der  untere  Stein 
{vgl.  „untere  Scheibe"  r^rirn  nbs  Hi  41,16)  nsd^  =  der  „Liegende", f 
^  So  vokalisiert  Krauß,  Archäol.  1,96;  Dalman  u.  Levy4, 551:  a:^. 


776  Matth  18,6(61) 

oder  auch  schlechthin  n-n-,g  welches  Wort  eigentlich  die  beiden  Steine 
oder  die  ganze  Mühle  bezeichnet,  zB  Ex  11,  5;  Nu  11,  8;  Jes  47,  2.  Aus 
seiner  Mitte  ragte  ein  Zapfen  h  x:-:i-2  empor,  um  den  der  obere,  in  ihn 
eingelassene  Stein  wie  um  seine  Achse  sich  drehte.  Der  obere  Stein 
selbst  hieß  „Reiter"  oder  „Läufer"!  :;-i  (vgl.  Ri9,53;  2Smll,21  u. 
Dt  24,  6:  die  LXX  zur  letzten  Stelle  geben  3=n  mit  emavhov  wieder). 
In  der  Mitte  des  oberen  Steins  befand  sich  eine  trichterartige  Öffnung, 
die  Einschüttstelle  für  die  Gretreidekörner,  u.  gegen  seinen  Rand  hin 
ein  Handgriff  (wohl  eine  Art  Pflock),  an  dem  er  um  den  Zapfen  des 
unteren  Steines  im  Kreise  gedreht  wurde.  Nach  einer  Angabe  der 
Mischna  wäre  der  Radius  des  oberen  Steines  eine  Handbreit  kleiner 
gewesen  als  der  des  unteren  Steines.»  —  Bei  den  größeren  Mühlen 
(Eselsmühlen)  war  der  untere  Stein  an  seiner  oberen  Fläche  konvex  aus- 
gearbeitet; er  verjüngte  sich  also  nach  oben  hin;  von  dieser  seiner  Ge- 
stalt führte  er  den  Namen  b^^in-üx  oder  rirhvpN  =  aroößilog  „Kreisel". 
Der  obere  Stein  war  dementsprechend  an  seiner  unteren  Fläche  konkav 
gehalten,  so  daß  er  mantelartig  den  unteren  Stein  fest  überdeckte.  Er 
glich  so  durchaus  keiner  Scheibe  oder  runden  Platte,  sondern  vielmehr 
einem  großen  flachen  steinernen  Eimer,  der  über  den  kreiseiförmigen 
unteren  Stein  gestülpt  war.  Nach  dieser  seiner  Form  hieß  er  r";;r  (nach 
Krauß  =  xokXccd^oc  „  Fruchteimer ").  Auch  bei  den  größeren  Mühlen  war 
der  Radius  des  unteren  Steines  um  eine  Handbreit  größer  als  der  des 
oberen  Steines,  k  Zum  Ganzen  s.  Krauß,  Arcliäol.  1,  95 — 97. 

Mit  dem  „Eselsmühlstein"  tiv/Mg  ovixoq  bei  Mt  u.  Mk  9,  42,  bezw.  mit 
dem  lid^oc  fivhxög  bei  Lk  17, 2  ist  jedenfalls  der  obere  Stein  der  größeren 
Mühlen,  der  rbp,  gemeint:  nur  dieser  war  durchlocht,  so  daß  er  an 
etwas  gehängt  werden  konnte,  u.  nur  dieser  war  transportabel.! 

a.  jHandmühle"  -■  hv  =■--  zB  ZabimS,  2:  Wenn  ein  mit  Ausfluß  Behafteter  u. 
ein  Reiner,  sei  es  stehend,  sei  es  sitzend,  zusammen  weben  oder  mahlen  (so  wird  der 
Reine  dadurch  unrein).  R.  Schim?on  (um  150)  erklärte  ihn  in  allen  diesen  Fällen  für 
rein,  ausgenommen,  wenn  sie  zus.  an  der  Handmiihle  mahlen,  i  P'^s  11-':  Das  Mahlen 
auf  der  Handmühle  t-  s---3  n:i--j.  ||  K'^th  59*^  wird  zu  der  Mischna  (K'^th  5,  5),  daß 
die  Frau  verpflichtet  sei,  für  den  Mann  Mehl  zu  mahlen,  bemerkt:  Meinst  du,  daß  sie 
(selbst)  mahlen  muß?  Vielmehr  sage:  Sie  muß  mahlen  lassen.  Oder  wenn  du  willst, 
sage:  Auf  der  Handmühle  {a-\^-.  z^rr^z)  muß  sie  es  (aber  nicht  auf  einer  großen  u. 
schweren).  —  Hand-  u.  Eselsmühle  nebeneinander  erwähnt:  TKel  bab.  m.  2, 14  (580): 
Ein  Nagel,  den  man  in  eine  Handmühle  oder  eine  Eselsmühle  ="-^3  ix  -f  h-a  a-rr^^a 
-^■c-  Vr  steckt,  ist  verunreinigungsfähig.  i|  TBB  1,3  (398)  s.  Anm. /.-. 

b.  Ohal8,3:  Folgende  Dinge  tragen  Unreinheit  weiter,  ohne  davor  zu  schützen: 
. . .;  außerdem  noch  die  ^Menschenmühle"  =-s  h-v  n-TT-r;.  ßertinoro:  Damit  ist  die  trag- 
bare Handmühle  gemeint,  um  auszuschließen  die  nicht  tragbare  Tiermühle  n^rr^-  a--^. 

C.  MQ  lO'*:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Einem  Pferde,  auf  welchem  man  reitet, 
u.  einem  Esel,  auf  welchem  man  reitet,  darf  man  an  den  Zwischenfeiertagen  die  Hufe 
beschneiden,  aber  nicht  einem  Esel  der  Mühle  (=  der  eine  Mühle  treibt).  Rah  J'^huda 
(t  299)  erlaubte  es,  von  den  Hufen  eines  Esels  der  Mühle  etwas  abzunehmen.  |!  f  AZ  Iß^: 
Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Mar  J^'huda  hat  mir  erzählt,  daß  die  Leute  des  Mar  Jochani 

1  Krauß  a.  a.  0.  liest  :=--,  vgl.  1  Kg  22,  34  u.  2  Kg  9,  17. 


Matth  18,  6  (6  1)  777 

mit  Wildeseln  an  der  Mühle  mahlten.  |1  Tanch  r-jsi?«:  99*:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt: 
Die  bösen  Geister  haben  eine  Maske  vor  ihrem  Gesicht,  wie  die  Esel  der  Müller  (die 
mit  verbundenen  Augen  an  der  Mühle  gehen). ^ 

d.  Die  Worte  des  R.  Chananiel  (b.  Chuschiel,  etwa  990—1050,  s.  Einl.  S.  160)  lauten: 
Die  jEselsmühlen"  verursachen  keine  Erschütterung  (s.  Anm. /u.  A);  denn  nicht  ein 
Esel  mahlt  daran,  sondern  der  hölzerne  Unterbau,  der  die  Mühle  trägt,  heißt  „Esel" 
^•i-o-,  wie  auch  sonst  Traghölzer  «Esel"  genannt  werden.  So  Kell8,  6:  Die  beiden 
Stangen  des  Bettes  u.  der  Eselsuntersatz  ^i-sr:  sind  rein.  Ebenso  das  Holzgestell,  das 
einen  Kasten,  eine  Lade,  einen  Schrank  trägt,  s.  (TKel  bab.  m.  8, 3):  Das  Esels- 
gestell ""'S-  unter  dem  Rahmen  der  Bettstelle  u.  die  Holzstücke  unter  den  Füßen  sind 
rein.  Ebenso  wird  das  Holzgestell,  auf  das  sich  der  Sehmied  stützt,  „Esel"  genannt, 
s.  (Kell4, 3):  Das  Eselsgestell -Ti-  der  Schmiede  ist  verunreinigungsfähig.  So  wurde 
auch  für  die  Mühle  eine  Art  Lager  zurechtgemacht,  auf  das  der  (untere)  Mühlstein, 
'5-a-.ti:sx ,  gelegt  wurde,  u.  ein  Mensch  saß  gegenüber  auf  einem  erhöhten  Platz,  während 
seine  Füße  nach  unten  gespreizt  waren,  u.  er  drehte  die  Rundung  (pihi  d.  h.  den  oberen 
Stein)  mit  seinen  Füßen  u.  mahlte.  —  In  der  Mischna  wird  das  Eselsgestell  '^'.^r.  der 
Mühle  erwähnt  Zabim  4,  2  f . :  Wenn  ein  mit  Ausfluß  Behafteter  an  den  unteren  Mühl- 
stein, l5'ai^-j::s,  oder  an  das  Eselsgestell  der  Handmühle  schlägt  (oder  stößt),  so  ist 
es  (das  infolge  des  Stoßes  Herunterfallende)  rein;  schlägt  (oder  stößt)  er  an  den  obei-en 
Mühlstein,  r^'-;'^ ,  so  ist  es  unrein.  (Grund:  Der  obere  Mühlstein  ist  beweglich,  der  untere 
aber  nicht.)  —  Diese  Stelle  lehrt,  daß  auch  größere  Mühlen  —  denn  um  eine  solche 
handelt  es  sich  wegen  Erwähnung  ihres  Eselsgestells  u.  ihres  "i'ai^u-.:«  —  mit  der  Hand 
in  Bewegung  gesetzt  wurden  u.  ebendeshalb  „Handmühlen",  i^  hv  a-n-,  genannt  werden 
konnten.  Ferner  zeigt  sie,  daß  auch  bei  einer  Handmühle,  die  nicht  von  einem  Esel 
getrieben  wird,  dennoch  von  einem  „Esel"  -••^•cr.  gesprochen  wird,  ein  starkes  Zeugnis 
für  die  Meinung,  daß  die  „Eselsmühle"  ihren  Namen  von  dem  Eselsgestell  u.  nicht  von 
dem  sie  treibenden  Esel  hatte. 

e.  s,  Zabim  4, 2  f  in  Anm.  d.  f.  s.  BB  2, 1  in  Anm.  i;  TBB  1,  3  in  Anm.  k. 

g.  Dt  24,  6  heißt  es:  Man  pfände  nicht  Mühle  u.  (oberen)  Mühlstein  as-;  c"--, 
d.  h.  weder  die  ganze  Mühle  noch  einen  Teil  von  ihr.  Dagegen  deuten  die  alten  jüdischen 
Ausleger:  Nicht  den  unteren  (a^"^)  u.  nicht  den  oberen  Mühlstein  (aa^);  zB  SDt24,  6 
>5  272  (123'"'):  Man  pfände  nicht  aa"n  aT-i  .  .  .  Warum  wird  gesagt  aaii  a^ni?  Wie 
die  besonders  genannten  a-rri  u.  as^  zwei  Gerätschaften  sind,  die  Eine  Arbeit  voll- 
bringen, u.  wie  man  sich  für  die  Pfändung  des  einen  für  sich  u.  für  die  Pfändung  des 
andren  für  sich  schuldig  macht,  so  macht  man  sich  überall  bei  zwei  Geräten,  die  zur 
Verrichtung  Einer  Arbeit  dienen,  für  die  Pfändung  des  einen  für  sich  u.  für  die  Pfändung 
des  andren  für  sich  schuldig.  —  Die  Bezeichnung  „zwei  Gerätschaften"  für  a--n  u. 
aai  zeigt,  daß  man  unter  diesen  die  beiden  Mühlsteine  verstanden  hat.  ||  BM  9,  13: 
Wer  die  Mühle  (a-n-,  d.h.  die  ganze  Mühle)  pfändet,  übertritt  ein  Verbot  u.  macht 
sich  wegen  zweier  Geräte  schuldig,  s.  Dt  24, 6:  Man  pfände  nicht  den  unteren  u.  den 
oberen  Mühlstein.  —  Ebenso  deuten  Rab  Huna  (f  297)  u.  Rab  J'-huda  (f  299)  BM  115'\ 
Nach  dieser  traditionellen  Auslegung  wird  auch  Targ  Onk  u.  Targ  Jerusch  I.:  saaii  s"n^ 
zu  verstehen  sein.  Nur  die  LXX  zu  Dt  24,  6  denken  mit  ihrem  fxx<Xor  ovds  enifxvhov, 
wie  das  ovöe  fordert,  bei  {iv'Aou  an  die  ganze  Mühle  u.  bei  sniinvhoy  speziell  an  den 
oberen  Mühlstein. 

h.  Vgl.  P'^s94'':  s--— :  sru-aa  wie  der  Zapfen  im  Mühlstein. 

i.  BB  2, 1 :  Eine  (Hand-)Mühle  muß  man  (von  der  Wand  des  Nachbarn)  drei  Hand- 
breiten vom  unteren  Mühlstein,  aar ,  an,  das  sind  vier  Handbreiten  vom  oberen  Mühl- 
stein, aa-,  an  fernhalten.  —  Die  Worte  lehren  zugleich,  daß  der  äußere  Rand  des 
unteren  Mühlsteins  ringsum  eine  Handbreit  über  die  Peripherie  des  oberen  Steines 
hinausreichte.  —  Eine  Parallelstelle  s.  in  Anm.  A-.  —  Als  Grund  für  die  Mischna  wird 

*  fAZ  16^  redet  R.  Jochanan  (f  279)  von  einem  Pferde,  das  man  in  der  Mühle 
mahlen  läßt. 


778  Matth  18,  6  (6  1—3).  18,  7  (?l) 

BB  20'^  die  durch  die  Bewegung  der  Handmühlen  entstehende  Erschütterung  (z-v7 
s— ^— j)  angegeben. 

k.  TBB1,3(398):  Man  muß  eine  Haudmühle  (von  der  Mauer  des  Nachbarn)  drei 
Handbreiten  vom  z2v  an,  vierH.  vom  231  an  fernhalten;  Eselsmühlen  drei  Handbreiten 
vom  ^-si-w^j-s  au,  vier  H.  vom  rhp  an.  —  Der  die  Eselsmühlen  betreffende  Satz  als 
Bar  in  BB20l>  mit  der  Bemerkung,  daf3  das  Geräusch  der  Eselsmlihlen  der  Grund  für 
ihr  Fernhalten  sei  (sVp  airi).  Eine  Erschütterung  wurde  durch  sie  nicht  verursacht, 
•da  sie  auf  einem  festliegenden  Untergestell  befestigt  waren. 

/.  BB4, 3:  Wenn  jemand  ein  Haus  verkauft,  so  hat  er  den  '^zi^u-j-s  mitverkauft, 
aber  nicht  den  r::-.  —  Jener,  weil  unbeweglich  festgemacht,  gilt  als  Zubehör  des  Hauses ; 
•dieser",  weil  transportabel,  wird  zum  Mobiliar  gerechnet,  das  ohne  nähere  Abmachung 
nicht  ohne  weiteres  mit  dem  Haus  in  den  Besitz  des  Käufers  übergeht.  —  Dasselbe  in  der 
Bar  BB  65b.  |]  Ferner  vgl.  Zabim  4, 2  f.  in  Anm.  d.  ||  GnR  28  (17  <=) :  R.  Levi  (um  300)  hat 
im  Namen  des  R.  Jochanan  {f  279)  gesagt:  Selbst  der  kreiseiförmige  Stein  der  Mühle 
(□-!-!-!  ^u  i-i-i-^'L;^»)  wurde  (durch  die  Sündfiut)  weggewischt  (obgleich  er  so  unerschütter- 
lich festliegt);  s.Gn6,7;  7,4.  —  Parallelstellen:  LvRSl  (riO'-);  Midr  HL  4, 1  (109^). 

2.  fjLvXoc  oiixog  TitQi  töv  TQaxrjXor.  —  Der  „Mühlstein  auf  dem  Hals" 
scheint  eine  sprichwörtliche  Redensart  gewesen  zu  sein  zur  Bezeichnung 
drückendster  Sorge  u.  Not. 

Qid  29 b  Bar:  (Ein  Vater)  hat  (seinen  Sohn)  Tora  zu  lehren  u.  ihm  ein  Weib  zu 
nehmen.  Er  soll  ihn  (zuerst)  Tora  lehren  u.  hinterher  ihm  ein  Weib  nehmen;  u.  wenn 
es  ihm  nicht  möglich  ohne  Weib,  so  soll  er  ihm  ein  Weib  nehmen  u.  ihn  hinterher 
Tora  lehren.  Rab  J''huda  (f  299)  hat  gesagt,  Sch'muel  (f  254)  hat  gesagt:  Die  Halakha 
ist:  er  nimmt  ihm  ein  Weib  u.  hinucrher  läßt  er  ihn  Tora  lernen.  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  gesagt:  Ein  Mühlstein  auf  dem  Halse  ■"isi::3  c-^n-^  u.  er  soll  sich  mit  der  Tora 
beschäftigen?  Es  liegt  keine  Meinungsverschiedenheit  vor:  Das  eine  (die  Meinung 
Sch'^muels)  gilt  bei  uns(in  Babylonien),  u.  das  andre  bei  ihnen  (in  Palästina).  ||  Sanh93t': 
Es  heißt  Jesll,3:  'n  rNi-;:  in—r:-!  (sein  Wohlgefallen  hat  er  an  der  Furcht  Jahves). 
R.  Alexandrai  (um  270)  hat  gesagt:  Das  lehrt,  daß  man  ihn  (den  Messias)  mit  Geboten 
u.  Leiden  belastet  wie  mit  Mühlsteinen  (aTt^-r).  —  Der  Midr  bringt  '.r^^r:  in  Verbindung 
mit  -r:-i  „zerreiben",  dem  Stammwort  zu  =■■": .  —  Vgl.  auch  P'^^siqR  36  (162-'):  Man  hat 
gesagt:  In  der  Jahrwoche,  in  welcher  der  Sohn  Davids  (=  Messias)  kommt,  wird  man 
eiserne  Balken  bringen  u.  ihm  auf  seinen  Hals  legen,  bis  seine  Gestalt  niedergebeugt 
ist.  —  In  demselben  Zus.hang  ist  vorher  von  einem  eisernen  Joch,  iT^a  ;•><,  die  Rede, 
unter  das  man  den  Messias  bringen  werde,  s.  das.  161  b. 

3.  Zum  xararcorciafiog  vgl.  Josephus,  Antiq.  H,  15, 10:  Nachdem  die 
Oaliläer  von  ihren  Machthabern  abgefallen  waren,  versenkten  sie  die  An- 
hänger des  Herodes  in  den  See  (Genezareth).  Ferner  Contra  Apion.  1, 34: 
Die  Aussätzigen  (unter  den  Juden)  ließ  der  ägyptische  König  Bokchoris 
an  Bleiplatten  binden  u.  in  das  Meer  werfen.  ||  Die  Beschwerung  eines 
in  den  Euphrat  zu  werfenden  Buches  mit  einem  Stein  schon  Jer  51,  63. 

18,  7  %:  Wehe  der  Welt  .  .  .;  wehe  dem  Menschen. 

Oval  =  lix,  "»^ . 

BB  91 ":  Rab  Chanan  b.  Rabba  (um  250)  hat  gesagt,  Rab  (t  247)  habe  gesagt;  An  dem 
Tage,  da  unser  Vater  Abraham  aus  der  Welt  schied,  standen  die  Großen  der  Welt  in  der 
Trauerreihe  u.  sprachen:  Wehe  der  Welt  a'sisV  15  ^is,  die  ihren  Führer  verlor,  u.  wehe 
dem  Schiff,  das  den  Steuermann  verlor!  j|  P'^siq  72*"':  Haman  sprach:  Wehe  diesem  Mann 
s^i;  -'z  s^rtrr"-  :-.•<'■>  ■<-i  (d.  h.  mir),  der  Schloßhauptmann  [xö/ut]?  ncdcaiojf)  u.  comes  curator 
(Leiter  der  Volksernährung)  war  u.  nun  Bademeister  u.  Barbier  geworden  ist!  —  Parallel- 
stellen LvR  28  (126'');  Midr  Esth  6,  10  [99'');  P^'siqR  18  (93^K  —  Über  die  verschiedenen 


Matth  18,7(33.6).  18,  8  f.  779 

Lesungen  u.  ihre  Bedeutung  s.  ßuber  zu  P'^siqTä^;  Friedmann  zu  P'^^siqR  93  ^ ;  Levy 
4,  266*  u.  Krauß,  Lelinw.  2,  .509.  |i  GnR  10  (8-^):  Wehe  der  Welt  wegen  seiner  Gerichte 
1-r-:^  uh'r/'i  -:s!  —  Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs  „Sch^'o!"  usw.  11,  9,  e.  |1  Ferner  s. 
Tafan2la  bei  MtlS,  8f. 

18,  7  ®:  Wegen  der  Ärgernisse. 

ccno  con  oxaröäXon'.  —  Das  alttestamentl.  brrr!  =  Anstoß,  Ärgernis 
wird  von  Targ  Onk  u.  Targ  Jerusch  I  zu  Lv  19, 14  wiedergegeben  mit  Nbjrri , 
bezw.  i<bp!in.  Ebenso  setzt  Targ  Jonathan  Nbpn  für  h^zi-c  Jer  6, 21;  Ez  7, 19; 
14,  3;  18, 30;  44, 12.  —  Im  Rabbin.  wird  in  diesem  Sinn  nbprn  gebraucht. 

B'^r'^kh  4, 'J:  (R.  N^'chonja  b.  Ha-qana,  um  70  n.  Chr.)  sprach  zu  ihnen:  Wenn  ich 
(in  das  Lehrhaus^  eintrete,  bete  ich,  daß  kein  Anstoß  -Vpn  durch  mich  kommen  möge,  jj 
Sanh  7,  4:  Wer  ei  ;r  Mannspersoa  oder  einem  Vieh  beiliegt  u.  das  W;-;b,  da:;  ein  Vieu 
beiliegen  läßt  (die  verden  gesteinigt).  Wenn  der  Mv.<'sch  gesün  •  .  I.at,  wjs  hat  das 
Vieh  gesündigt  (daß  es  getötet  werden  soll,  Lv  20,  1.5  f.)?  Allein  weil  dem  Meuschen 
durch  es  n^pr,  Anlaß  zur  Sünde,  gekommen  ist,  deswegen  hat  die  Schrift  gesagt:  Es 
soll  gesteinigt  werden.  Eine  andre  Erklärung:  Damit  nicht  das  Vieh  auf  dem  Markt 
vorübergehe  u.  man  dann  sage:  Das  ist  dasjenige  (Tier),  dessentwegen  der  u.  der  ge- 
steinigt worden  ist.  —  Vgl.  auch  das  nächste  Zitat. 

18,7  6:  Durch  den  das  Ärgernis  kommt. 

Sank  55*:  Rab  Schescheth  (um  260)  hat  gesagt:  Ihr  habt  es  gelernt:  Wenn  von 
den  Bäumen,  die  weder  essen  noch  trinken  noch  riechen,  die  Tora  sagt:  Vernichte, 
verbrenne  u.  vertilge  sie  (vgl.  Dt  12,  2  f.),  weil  dem  Mensel  -u  Jurcli  sie  ein  Anlaß  zur 
Sünde  kam  •--  Vy  nipr  d-:s^  s21  ";-sin,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  dem,  der 
einen  andren  von  den  Wegen  des  Lebens  verleitet  (nyrrir!)  zu  den  Wegen  des  Todes. 

18,  8  f.:  Wenn  aber  deine  Hand  oder  dein  Fufs  dich  ärgert,  so 

haue  ihn  ab  .  .  .;  es  ist  dir  besser  ins  Leben  verstümmelt  oder 

lahm  einzugehn,  als  zwei  Hände  oder  zwei  Füße  habend  ins 

ewige  Feuer  geworfen  zu  werden. 

Zum  ganzen  Satze  s.  Mt  5,  29  f. 

Tanchß  pVa  §2  (67  a):  „Balaq  sah'  Nu  22,  2.  Es  wäre  besser  für  die  Gottlosen 
(a-yr--;  rsi:),  wenn  sie  blind  wären;  denn  ihre  Augen  bringen  den  Fluch  in  die  Welt. 
Vom  Flutgeschlecht  heißt  es  Gn6,  2:  Es  sahen  die  Söhne  Elohims,  daß  die  Töchter 
der  Menschen  schön  waren.  Ferner  s.  Gn9,  22:  Da  sah  Ham,  der  Vater  Kanaans,  die 
Blöße  seines  Vaters.  Gn  12,  15:  Es  sahen  sie  (Sara)  die  Hofleute  des  Pharaos.  Gn  34,2: 
Da  sah  sie  (Dina)  Sikhem,  der  Sohn  Chamors.  Ebenso  heißt  es  hier  (Nu  22,  2):  Balaq 
sah.  —  Dasselbe  Tanch  -hz  231  a;  NuR  20  (188^).  i|  Tafan  21a:  Von  Nachum  aus  Gimzo 
(um  90  n.  Chr.)  hat  man  erzählt,  daß  er  auf  beiden  Augen  blind  u.  an  beiden  Händen 
verstümmelt  u.  an  beiden  Füßen  amputiert  u.  am  ganzen  Körper  voll  Aussatzes  war. 
Er  lag  in  einem  Haus,  das  einzustürzen  drohte,  u.  die  Füße  seines  Bettes  standen  in 
Becken  mit  Wasser,  damit  nicht  die  Ameisen  zu  ihm  emporkriechen  möchten.  Einmal 
wollten  seine  Schüler  ^  sein  Bett  u.  hinterher  die  (übrigen)  Gerätschaften  hinausräumen 
(aus  dem  baufälligen  Hause  wegschaffen).  Er  sprach  zu  ihnen:  Meine  Kinder,  räumet 
(erst)  die  Geräte  u.  hinterher  mein  Bett  hinaus;  denn  ich  gebe  euch  die  Versicherung, 
daß,  solange  ich  im  Hause  bin,  das  Haus  nicht  einstürzt.  Sie  räumten  die  Gerätschaften 
hinaus  u.  hinterher  sein  Bett;  dann  stürzte  das  Haus  ein.  Da  sprachen  sie  zu  ihm: 
Rabbi,  wenn  du  ein  so  vollkommener  Gerechter  bist,  warum  ist  solches  (die  Verstümm- 
lung deines  Körpers)  über  dich  gekommen?  Er  antwortete:  Meine  Kinder,  das  habe 

^  Zu  den  Schülern  dieses  Nachum  gehörte  auch  R.  f  Aqiba,  f  um  135. 


780  Matth  18,8f.  10(31) 

ich  mir  selbst  verursacht;  denn  einmal  befand  ich  mich  auf  dem  Wege  nach  dem 
Hause  meines  Schwiegervaters  u.  bei  mir  war  eine  Ladung  für  drei  Esel;  die  eine 
enthielt  Speise,  die  andre  Getränke  u.  die  dritte  allerlei  Kostbarkeiten.  Da  kam  ein 
Armer  u.  trat  mir  in  den  Weg  u.  sprach:  Versorge  mich  mit  Speise!  Ich  antwortete: 
Warte,  bis  ich  den  Esel  abgeladen  habe.  Ich  hatte  den  Esel  noch  nicht  abgeladen, 
als  seine  Seele  schon  ausging.  Da  fiel  ich  auf  sein  Angesicht  u.  sprach:  Meine  Augen, 
welche  sich  deiner  Augen  nicht  erbarmten,  mögen  erblinden;  meine  Hände,  die  sich 
deiner  Hände  nicht  erbarmten,  mögen  verstümmelt  werden;  meine  Füße,  die  sich  deiner 
Füße  nicht  erbarmten,  mögen  abgehauen  werden;  u.  mein  Sinn  beruhigte  sich  nicht, 
bis  ich  sprach:  Mein  ganzer  Körper  möge  voll  Aussatzes  sein!  Seine  Schüler  sprachen: 
Wehe  uns  1:5  -:s,  daß  wir  dich  so  sehen  müssen!  Er  antwortete:  Wehe  mir  "V  "is, 
wenn  ihr  mich  nicht  so  sehen  würdet  (denn  dann  stände  mir  die  Strafe  für  meine 
Unbarmherzigkeit  noch  in  der  zukünftigen  Welt  bevor,  während  die  gegenwärtigen 
Leiden  bereits  jetzt  die  Sühne  sind  für  meine  Sünde)!  Warum  nannte  man  ihn  Nachum 
aus  Gimzo  -t  =;?  Weil  er  bei  allem,  was  ihm  begegnete,  sprach:  Auch  dies  -t  d-i  möge 
zum  Guten  (Segen)  sein!  ||  Targ  Jerusch  I  Gn  38,  25:  (J%uda  sprach:)  Es  ist  mir  besser 
-V  z'^  (s.  bei  18,  6  Sß),  ich  werde  in  dieser  Welt  beschämt,  die  eine  vergängliche  Welt 
ist,  als  daß  ich  vor  meinen  gerechten  Vätern  in  der  zukünftigen  Welt  beschämt  werde; 
es  ist  mir  besser  ■'5  n-c,  daß  ich  in  dieser  Welt  in  erlöschendem  Feuer  brenne,  als  daß 
ich  in  der  zukünftigen  Welt  in  verzehrendem  Feuer  gebrannt  werde. 

18, 10  5t:  Seh  et  ZU,  daß  ihr  nicht  einen  dieser  Kleinen  verachtet. 

Wertschätzung  der  Kinder,  insonderheit  der  Schulkinder. 

Schab  llO"^:  Rab  Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  Jerusalem  ist  nur  zerstört  worden, 
weil  sie  darin  die  Schulkinder  müßig  gehen  ließen  (statt  sie  in  die  Schule  zu  schicken); 
denn  es  heißt  Jer  6,  II:  (Der  Zornglut  Jahves  bin  ich  voll).  .  .  .  Gieß  (sie)  aus  über  das 
Kind  auf  der  Straße  usw.  Was  ist  der  Grund  des  Ausgießens?  Weil  das  Kind  auf  der 
Straße  ist  (statt  in  der  Schule).  .  .  .  Rab  J^'huda  (f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe 
gesagt:  Was  bedeutet:  , Tastet  meine  Gesalbten  nicht  an  u.  tut  meinen  Propheten 
kein  Leid"  Ps  105,  15?  , Tastet  meine  Gesalbten  nicht  an",  damit  sind  die  Schulkinder 
gemeint;  ,u.  meinen  Propheten  tut  kein  Leid",  damit  sind  die  Gelehrtenschüler  gemeint. 
Resch  Laqisch  (um  250)  hat  im  Namen  des  Patriarchen  R.  J^'huda  (IL,  um  250)  gesagt: 
Die  Welt  besteht  nur  wegen  des  Hauches  der  Schulkinder.  Rab  Papa  (f  376)  sagte  zu 
Abaje  (f  388/39):  Was  ist  (dann  erst)  mein  u.  dein  Hauch!  Er  antwortete  ihm:  Nicht 
gleicht  der  Hauch,  darin  Sünde  ist,  dem  Hauch,  darin  keine  Sünde  ist.  Ferner  hat 
Resch  Laqisch  im  Namen  des  Patriarchen  R.  J'^huda  IL  gesagt:  Man  läßt  die  Schulkinder 
selbst  zum  Bau  des  Heiligtums  nicht  (aus  der  Schule)  frei,  und  Resch  Laqisch  hat  zu 
dem  Patriarchen  R.  J'^huda  II.  gesagt:  So  habe  ich  es  von  meinen  Vätern  —  oder,  wie 
andre  sagen,  von  deinen  Vätern  empfangen:  Jede  Stadt,  in  der  es  keine  Schulkinder 
gibt,  zerstört  man.  Rabina  (I.  ?,  t  um  420;  IL  ?,  f  499)  hat  gesagt:  Man  tut  sie  in  den 
Bann.  |1  N'^d  81 »:  Man  ließ  von  dort  (von  Palästina  nach  Babylonien)  sagen:  Habt  acht 
auf  die  Kinder  der  Armen  (nehmt  euch  ihrer  besonders  an) ;  denn  von  ihnen  wird 
Tora  ausgehen,  s.  Nu  24,  7:  Wasser  (=  Tora)  rinnt  aus  seinen  Geringen  (Niedrigen, 
Armen;  so  der  Midr).  —  Ahnliches  wird  Sanh  96 *  dem  R.  J^huda  b.  Bathyra  in  Nisibis 
(um  110)  in  den  Mund  gelegt:  Habt  acht  auf  die  Kinder  der  ?Amme  ha-areg  (der  un- 
wissenden Leute),  denn  von  ihnen  wird  Tora  ausgehn.  —  Vgl.BMSöi^:  Rab  J'^'huda 
(f  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt;  nach  andren  hat  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280) 
gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt;  nach  andren  hat  R.  Sch'muel  b.  Nachman 
(um  260)  gesagt,  R.  Jonathan  (um  220)  habe  gesagt:  Wer  den  Sohn  seines  Genossen  Tora 
lehrt,  der  ist  würdig  in  der  oberen  Akademie  zu  sitzen,  s.  Jer  15,  19:  „Wenn  du  wieder- 
kehrst, will  ich  dich  wiederkehren  lassen;  vor  meinem  Angesicht  sollst  du  stehn" 
(das  gilt  erst  recht  vom  Lehrer,  der  andre  zur  Umkehr  veranlaßt).  Wer  aber  den  Sohn 
eines  ? Am  ha-are^  Tora  lehrt,  dessentwegen  hebt  Gott  sogar  einen  gefaßten  Beschluß 


Matth  18, 10  (31. 5B,)  "  781 

auf,  s.  das.:  ,Und  wenn  du  Edles  hervorbringst  aus  Verächtlichem,  wie  mein  Mund 
sollst  du  sein"  (auch  Beschlüsse  aufheben,  die  aus  meinem  Mund  gegangen  sind;  vgl. 
bei  Mt  16,  19  SB  S.  742.  0-  II  Midr  Qoh  10.  7  (47'^)  sagt  R.  fAqiba  (f  um  135):  Eine  Gabe 
(wörtlich:  ein  Erbe)  Gottes  sind  Kinder.  ||  Midr  KL  1,  6  (53»):  ;Von  der  Tochter  Zion 
wich  alle  ihre  Herrlichkeit"  KL  1,6;  mit , Herrlichkeit"  sind  die  Kinder  gemeint.  R.  J^huda 
(b.  Simon  um  320)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie  lieb  die  Kinder  vor  Gott  sind:  das 
Synedrium  zog  in  die  Verbannung,  aber  die  Sch*^khina  (Gottheit)  zog  nicht  mit  ihnen; 
die  Priesterabteilungen  zogen  in  die  Verb.,  aber  die  Sch*^khina  zog  nicht  mit  ihnen. 
Als  aber  die  Kinder  in  die  Verb,  zogen,  zog  die  Sch^'khina  mit  ihnen,  s.  KL  1,  5:  „Ihre 
Kindlein  zogen  in  die  Verbannung,  gefangen  vor  dem  Dränger  her",  u.  sofort  folgt 
Vers  6:  Von  der  Tochter  Zion  wich  all  ihre  Herrlichkeit.!!  Midr  HL  2, 4  (97»):  R.  Issakhar 
(aus  K'^phar  Mandu?  um  350?)  hat  gesagt:  AVenn  ein  Kind  für  Mose  liest  ,Mase*, 
für  Ahron  „Ahran",  für  fEphron  ,?Ephran",  spricht  Gott:  Auch  sein  Stammeln  ist 
mir  lieb!  —  Vgl.  auch  bei  Mt  18.  5. 

18,10  5B:  Ihre  Engel. 

Ol  ayytkoi  ainmv.  —  Zu  den  Schutz-  u.  Geleitsengeln  eines  Menschen 
s.bei  Apg  12, 15  u.  1  Kor  11, 10.  Hier  noch  einige  Stellen. 

TSchab  17,  2f.  (136):  R.Elieezer  b.  Jose  Ha-g^ili  (um  150)  sagte:  Wenn  du  siehst, 
daß  sich  ein  Gerechter  auf  den  Weg  (auf  eine  Reise)  begibt,  u.  du  beabsichtigst  dieselbe 
Straße  zu  ziehen,  so  beschleunige  deine  Reise  um  seinetwillen  drei  Tage  oder  verzögere 
sie  um  seinetwillen  um  drei  Tage,  damit  du  in  seiner  Gemeinschaft  reisen  kannst: 
denn  Engel  des  Dienstes  geleiten  ihn,  s.  Ps  91,  11:  „Denn  seine  Engel  wird  er  dir  ent- 
bieten, daß  sie  dich  behüten  auf  allen  deinen  Wegen."  Und  wenn  du  siehst,  daß  sich 
ein  Gottloser  auf  den  Weg  begibt,  u.  du  beabsichtigst  dieselbe  Straße  zu  ziehen,  so 
beschleunige  deine  Reise  um  seinetwillen  drei  Tage  oder  verzögere  sie  um  seinetwillen 
drei  Tage,  damit  du  nicht  in  seiner  Gemeinschaft  reisen  mögest;  denn  die  Engel  des 
Satans  begleiten  ihn,  s.  Ps  109,6:  ,  Bestelle  wider  ihn  den  Bösen  u.  der  Satan  stehe 
gegen  seine  Rechte"  (so  der  Midr).  —  Dasselbe  T?AZ  1,  17f.  (461),  nur  daß  statt 
, Dienstengel"  gesagt  ist  „Engel  des  Friedens";  Tanch  n-:?!":  40''.  ||  Schab  119'':  Rab 
Chisda  (f  309)  hat  gesagt.  Mar  ?Uqba  (L,  um  220)  habe  gesagt:  Wenn  jemand  am  Abend 
vor  Sabbat  betet  u.  spricht  Gn  2,  1 :  „So  wurden  vollendet  der  Himmel  u.  die  Erde*  usw.. 
so  legen  die  beiden  Dienstengel,  die  den  Menschen  begleiten,  ihre  Hände  auf  sein 
Haupt  u.  sprechen  zu  ihm:  Deine  Verschuldung  ist  gewichen  u.  deine  Sünde  ward  ge- 
sühnt (Jes6,7j!  Bar:  R.Jose  b.  J'^huda  (um  180)  sagte:  Zwei  Dienstengel  begleiten  den 
Menschen  am  Abend  vor  Sabbat  aus  der  Synagoge  in  sein  Haus;  der  eine  ist  ein  guter 
u.  der  andre  ein  böser  Engel.  Wenn  er  in  sein  Haus  kommt  und  findet  die  (Sabbat-) 
Lampe  angezündet  u.  den  Tisch  gedeckt  u.  sein  Lager  zurechtgemacht,  dann  spricht 
der  gute  Engel:  Möge  es  am  nächsten  Sabbat  ebenso  sein!  Und  der  böse  Engel  ant- 
wortet gezwungen:  Amen!  Wenn  aber  nicht,  dann  spricht  der  böse  Engel:  Möge  es 
am  nächsten  Sabbat  ebenso  sein!  u.  der  gute  Engel  antwortet  gezwungen:  Amen!  j! 
Tanch  n-jsa-:  99'i:  (R.  Jicchaq,  um  800,  eröffnete  seinen  Vortrag  mit)^  Ps§l,  11:  Seine 
Engel  wird  er  dir  entbieten,  daß  sie  dich  behüten  auf  allen  deinen  Wegen.  Vollbringt 
der  Mensch  Eine  Gebotserfüllung,  so  übergibt  man  (=  Gott)  ihm  Einen  Engel;  vollbringt 
er  zwei  Gebotserfüllungen,  so  übergibt  mau  ihm  zwei  Engel;  vollbringt  er  alle  Gebote, 
so  übergibt  man  ihm  viele  Engel,  wie  es  heißt:  „Seine  Engel  wird  er  dir  entbieten." 
Wer  sind  diese  Engel?  Das  sind  die,  die  ihn  vor  den  bösen  Geistern  (i"-';-;  =  Schäd- 
lingen) behüten,  wie  es  heißt  Ps91,7:  Zufallen  (^ie"')  werden  dir  zu  deiner  Seite 
tausend  u.  zehntausend  zu  deiner  Rechten  (so  der  Midr).  Was  bedeutet  sii-?  Daß  sie 
mit  dem  Menschen  Frieden  machen,  s.  lChrl2,  19:  Von  Manasse  fielen  etliche  dem 
David    zu  (i^ss);    ferner  s.  das.  Vers  20:    Als  er  nach  Ciqlag  zog,   fielen  sie  ihm  von 

^  Die  eingeklammerten  Worte  sind  zu  ergänzen,  s.  Bacher,  pal.  Amor.  2^.  219. 


782  Matth  18, 10  (SB) 

Manasse  zu  ("'s:),  ^ünd  zehntausend  zu  deiner  Rechten."  Warum  zur  Linken  (=  "•^'^ 
Ps  91,  7)  tausend  u.  zur  Rechten  zehntausend?  Weil  die  Linke  keiner  Engel  bedarf; 
denn  der  Name  Gottes  (d.  h.  der  Jahvename)  steht  auf  den  Gebetsriemen  geschrieben 
u.  diese  befinden  sich  auf  der  Linken,  s.  Dt  6,  8:  Binde  sie  zum  Zeichen  an  deine  Hand 
(-"  —  linke  Hand).  R.  Chanina  (b.  Abbahu,  um  340)  erwiderte  ihm:  Es  steht  hier  nicht: 
Es  werden  ^sein"  zu  deiner  Seite  tausend,  sondern:  es  werden  , fallen"  h',t'  (so  jetzt 
der  Midr).  Weil  die  Linke  nicht  ausgestreckt  wird  zur  Vollbringung  von  Pflichtgeboten, 
darum  fällt  sie  (r-s):)  nur  tausend  böse  Geister;  u.  weil  die  Rechte  ausgestreckt  wird 
zur  Vollbringung  von  Pflichtgeboten,  darum  fällt  sie  zehntausend  büse  Geister.  — 
R.  J*'hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt  Ps91,  7:  Zufallen  werden  dir 
zu  deiner  Seite  tausend?  Gott  übergibt  jedem  einzelnen  Israeliten  zehntausend  u.  tausend 
Engel,  daß  sie  ihn  behüten  u.  ihm  den  Weg  bahnen;  u.  einer  von  ihnen  ruft  vor  ihm 
aus  u.  spricht:  Gebt  Ehre  dem  Ebenbild  Gottes!  Denn  die  ganze  Welt  ist  voll  von 
(bösen)  Geistern  u.  Schädlingen  ("i'p^T«  =  Dämonen).  R.  J^'huda  b.  Schalom  (um  370) 
hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um  800)  gesagt:  Im  Hohlraum  der  Welt  gibt  es  keinen 
Fleck  in  der  Größe  von  einem  Viertel  Qab  Aussaat,  an  dem  sich  nicht  neun  Qab 
Mazziqin  befänden.  Wie  sind  sie  beschaffen?  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Eine  Maske 
(s-i-iiE  =  forma)  haben  sie  vor  ihrem  Gesicht,  wie  die  Esel  der  Müller  (die  mit  verbun- 
denen Augen  in  der  Mühle  gehen),  u.  wenn  die  Sünden  (des  betreffenden  Menschen) 
dazu  Veranlassung  geben,  wird  die  Maske  weggenommen  u.  der  Mensch  wird  verwirrt 
(irrsinnig).  Wenn  aber  der  Engel  vor  ihm  ausruft,  so  bleibt  der  Mensch  in  Frieden; 
schweigt  er,  so  wird  der  Mensch  beschädigt  u.  der  Engel  spricht:  Wir  wollen  den  u. 
den  hingeben,  s.  Hi33,  22:  ,Es  naht  sich  seine  Seele  der  Grube  u.  sein  Leben  den 
Tötenden."  Es  heißt  hier  nicht  , den  Toten",  sondern  den  Tötenden,  d.  h.  jenen  Engeln 
des  Verderbens,  denen  er  übergeben  ward.  Woher,  daß  der  Engel  vor  ihm  ausruft? 
Weil  es  heißt  das.  Vers  23 f.:  ,Wenn  für  ihn  da  ist  ein  fürsprechender  Engel,  einer 
unter  tausend",  d.  h.  wenn  unter  jenen  Tausenden  einer  ist,  der  vor  ihm  ausruft,  „um 
dem  Menschen  zu  verkündigen  seine  Rechtschaffenheit"  —  in  jener  Stunde  „erbarmt 
er  sich  seiner  u.  spricht:  Erlöse  ihn  vom  Hinabsinken  in  die  Grube,  ich  habe  Sühnung 
gefunden".  Sage  also:  Wenn  er  viele  Gebotserfüllungen  hat,  behüten  ihn  zehntausend 
u.  tausend  Engel,  u.  wenn  er  vollkommen  ist  in  Torakenntnis  u.  in  guten  Werken,  so 
behütet  ihn  Gott,  wie  es  heißt  Ps  121,5:  Jahve  ist  dein  Hüter,  Jahve  ist  dein  Schatten 
über  deiner  rechten  Hand.  Und  so  findest  du  es  bei  Jakob,  von  dem  es  heißt  Gn  25,27: 
Jakob  war  ein  frommer  Mann,  einer  der  in  Zelten  wohnte;  „ein  frommer  Mann"  durch 
gute  Werke,  „der  in  Zelten  wohnte",  der  mit  der  Tora  sich  beschäftigte  u.  sehr  viele 
Gebotserfüllungen  hatte;  deshalb  wurden  ihm  Lager  von  Engeln  überwiesen,  die  ihn 
behüten  sollten,  s.  Gn  32,  2  ff. :  Jakob  zog  seines  Weges  u.  es  begegneten  ihm  Engel 
Gottes.  Da  sagte  Jakob,  als  er  sie  gesehen  hatte:  Das  Heerlager  Gottes  ist  dies.  Und 
er  nannte  den  Namen  dieses  Ortes  Machanajim  (Lager).  Ferner  s.  Gn  28,  12 f.:  Siehe, 
die  Engel  Gottes  stiegen  an  der  Leiter  auf  u.  ab.  Und  siehe,  Jahve  stand  bei  ihm  u. 
sprach :  Ich  bin  Jahve  usw.  Siehe,  ich  bin  mit  dir  u.  werde  dich  behüten  überall,  wo 
du  gehst  (das.  Vers  15).  R.  Hoschafja  (um  225)  hat  gesagt:  Wohl  dem  Weibgeborenen, 
welcher  sient,  wie  der  König  aller  Könige  samt  seiner  Familie  (=  Engelwelt)  ihn  be- 
hütet, u.  welcher  Engel  in  seiner  Sendung  senden  darf,  wie  es  heißt  Gn  32,  4:  Jakob 
sandte  Engel  (so  der  Midr)  vor  sich  her  zu  seinem  Bruder  Esau.  Ebenso  heißt  es 
Gn48,  16:  Der  Engel,  der  mich  von  allem  Übel  erlöste.  Die  Schrift  hat  gesagt  Spr 
20,7:  Wer  in  seiner  Unsträflichkeit  dahinwandelt  als  ein  Gerechter  —  Heil  seinen 
Söhnen  nach  ihm!  —  Parallelstellen  zu  einzelnen  Ausführungen:  iVIidr  Ps9I  §4  (199''); 
17  §8  (65'');  NuR12  (165^);  LvR  35  (132'');  DtR4(20r^).  ||  Midr  Qoh  10,  20  (49''): 
„Die  Geflügelten  verraten  die  Rede"  Qoh  10,20.  R.  Bun  (=  Abin  L,  um  325,  IL, 
um  370)  hat  gesagt:  Wenn  der  Mensch  schläft,  sagt  es  (was  der  Mensch  tut  oder  läßt) 
der  Leib  der  Seele  (nsc:),  diese  dem  Geist  (vt:),  dieser  dem  Engel  (Schutzengel  dieses 
Menschen),  dieser  dem  Kerub,  dieser  dem  Geflügelten.  Wer  ist  das?  Das  ist  der  Seraph. 
Und  der  Seraph  bringt  das  Wort  u.  verkündigt  es  vor  dem,  welcher  sprach  u.  es  ward 


Matth  18, 10  (5B.  6)  783 

die  Welt.  —  Dasselbe  LvR  32  (129  «J);  ähnlich  R.  Acha,  um  320,  in  P»^siqR  8  (29'*).  |1 
GnR  59  (87^):  Jahve  wird  seinen  Engel  vor  dir  her  senden  Gn  24,  7.  R.  Dosa  (um  300) 
hat  gesagt:  Das  ist  der  dafür  bestimmte  Engel.  Als  unser  Vater  Abraham  sagte:  Er 
wird  seinen  Engel  vor  dir  her  senden,  bestimmte  ihm  Gott  zwei  Engel;  den  einen, 
um  die  Rebekka  (an  den  Brunnen)  hinauszuführen,  u.  den  andren,  um  den  Elifezer 
zu  geleiten.  —  Vgl.  Targ  Jerusch  I  zu  Gn  24,  7.  1|  Chag  16«:  R.  Z<^riqa  (um  800)  hat  ge- 
sagt: Die  beiden  Engel  des  Dienstes,  die  den  Menschen  begleiten,  legen  Zeugnis  von 
ihm  ab,  s.  Ps91,ll:  Seine  Engel  wird  er  vor  dir  entbieten,  daß  sie  dich  beobachten 
(so  der  Midr)  auf  allen  deinen  Wegen.  —  Dasselbe  als  Tradition  aus  der  Schule  des 
Rab  Schela  (um  220)  Tafan  11=*.  ||  Ta?an  11''  Bar:  Wenn  die  Israeliten  sich  in  Not  be- 
finden u.  einer  sondert  sich  von  ihnen  ab,  dann  kommen  die  beiden  Dienstengel,  die 
den  Menschen  begleiten,  u.  legen  ihre  Hände  auf  sein  Haupt  u.  sagen:  Dieser  N  N, 
der  sich  von  der  Gemeinde  abgesondert  hat,  soll  den  Trost  der  Gemeinde  nicht  sehen.  |[ 
B'^rakh60'':  Wer  auf  den  Abort  geht,  spricht:  Seid  geehrt,  ihr  Geehrten,  ihr  heiligen 
Diener  des  Höchsten  (Raschi:  das  sind  die  Engel,  die  den  Menschen  begleiten),  gebet 
Ehre  dem  Gott  Israels;  lasset  ab  von  mir, 'bis  ich  eingetreten  bin  u.  meine  Absicht 
ausgeführt  habe  und  wieder  zu  euch  komme.  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Der  Mensch 
sage  nicht  also;  vielleicht  könnten  sie  (die  Geleitsengel)  ihn  verlassen  u.  von  dannen 
gehn;  vielmehr  sage  er:  Behütet  mich,  behütet  mich;  helft  mir,  helft  mir;  stützt  mich, 
stützt  mich;  wartet  auf  mich,  wartet  auf  mich,  daß  ich  hineingehe  u.  Avieder  heraus- 
komme. II  TanchB  y.-^^  §  2  (22''):  ,Sage  nicht  vor  dem  Gottesboten  (isi':  =  Priester), 
daß  es  Übereilung  war"  Qoh  5.  5,  d.  h.  sage  nicht  vor  dem  Engel  ~shv,  der  über  dich 

gesetzt  ist ||  Sanh  20 '^:  Was  bedeutet  c:--  (=  Divan,  Sanh  2,  3)?   sUlla  (um  280) 

hat  gesagt:  Das  Ruhelager  des  Scbutzgeistes  sn;. 

18,10  6:  Sehen  allezeit  das  Angesicht  meines  Vaters. 

Die  rabbin.  Gelehrten  vertreten  vielfach  die  umgekehrte  Meinung, 
daß  die  Engel  das  Angesicht  Gottes  nicht  schauen  können:  nur  die 
höchsten  Engel  weilen  in  der  M^chi^a  (Abteil)  Gottes:  alle  übrigen 
empfangen  ihre  Befehle  hinter  dem  Vorhang  -rirrs  hervor. 

SLv  1,  1  (7  b):  R.  Dosa  (1.  ?,  um  90;  II.  ?,  um  180)  sagte:  Siehe,  es  heißt  Ex  33,  20: 
, Nicht  wird  ein  Mensch  mich  sehen  u.  leben  bleiben"  "-;.  Während  ihres  Lebens 
sehen  sie  (die  Menschen)  mich  nicht;  aber  in  ihrem  Tode  werden  sie  mich  sehen. 
Ebenso  heißt  es  Ps  22,  30:  Vor  ihm  werden  sich  beugen  alle,  die  in  den  (Grabes-)Staub 
sinken  usw.  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  sagte:  Auch  die  heiligen  Lebewesen  (rvn  =  -m  in 
Ex  33, 20),  die  den  Thron  der  Herrlichkeit  tragen,  sehen  die  Herrlichkeit  (Gottes) 
nicht.  R.  Schimfon  (b.  ?Azzai,  um  110,  s.  Bacher,  Tann^  1,  419)  sagte:  Nicht  als  ob  ich 
auf  die  Worte  meines  Lehrers  (d.  h.  f  Aqibas)  etwas  erwidern  wollte,  aber  hinzufügen 
möchte  ich  etwas:  Nicht  wird  ein  Mensch  mich  sehen,  noch  ein  (ewig)  Lebender  (so 
jetzt  "-1  gedeutet),  d.  h.  auch  die  Engel,  die  ein  ewiges  Leben  leben,  sehen  nicht  die 
Herrlichkeit  (Gottes).  —  Die  Parallelstelle  SNu  12,  8  §  103  (27'')  lautet:  , Nicht  wird 
ein  Mensch  mich  sehen  tti."  R.  ?Aqiba  sagte:  ,Ein  Mensch",  das  ist  wörtlich  zu  ver- 
stehn;  ^'m",  damit  sind  die  Dienstengel  gemeint  (wieR.Schimfon  b.  f  Azzai).  R.  Schim?on 
aus  Teman  (um  110)  sagte:  Nicht  als  ob  ich  die  Worte  des  R.  ?Aqiba  beseitigen  wollte, 
aber  hinzufügen  möchte  ich  etwas:  ,Ein  Mensch",  das  ist  wörtlich  zu  verstehn,  „"~"i", 
damit  sind  die  heiligen  Chajjoth,  die  Dienstengel  gemeint.  R.  Elfazar  b.  Jose  (um  180) 
sagte:  Nicht  bloß,  daß  sie  ihn  nicht  sehen,  sie  hören  ihn  auch  nicht,  s.  Ez  3,  12:  Da 
hob  mich  der  Geist  weg  u.  ich  hörte  ein  mächtig  lautes  Getöse  hinter  mir:  Gepriesen 
sei  die  Herrlichkeit  Jahves  an  seiner  Stätte!^   Und  was  will  die  Schrift  lehrend  mit 

1  Die  Stelle  beweist  nicht,  daß  die  Engel  Gottes  Stimme  nicht  hören,  sondern 
daß  sie  Gottes  Aufenthaltsort  nicht  kennen;  deshalb  ihr  Lobspruch:  »Gepriesen  sei 
die  Herrlichkeit  Jahves  an  seiner  Stätte",  d.  h.  wo  auch  immer  er  sich  befinden  mag; 
s.  S.  784  das  Zitat  ExR  23. 


784  Mattli  18,  10  (ß).  18,  12  (91) 

den  Worten  sagen:  ,  Nicht  wird  ein  Mensch  mich  sehen  „*"■'''?  Solange  erlebt,  sieht 
er  mich  nicht;  aber  er  wird  mich  in  der  Sterbestunde  sehen,  s.  Ps22,  30:  Vor  ihm 
werden  sich  beugen  alle  usw.  |1  ExR  28  (85''):  R.  B'rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Komm 
u.  sieh,  wie  groß  die  gewesen  sind,  die  in  das  (Rote)  Meer  hinabgingen.  Wie  oft  hat 
sich  Mose  niedergeworfen  u.  gefleht  vor  Gott  (mp^r;  'ish),  bis  er  das  Abbild  sah,  wie 
€s  heißt  Ex  33, 18:  Laß  mich  doch  deine  Herrlichkeit  sehen!  Gott  antwortete  ihm:  Du 
kannst  nicht  mein  Angesicht  schauen  (Vers  20),  u.  zuletzt  ließ  er  ilin  ein  Zeichen  sehen, 
s.  Ex  33,  22  f.  Die  Chajjoth,  die  den  Gottesthron  tragen,  kennen  nicht  die  Erscheinung 
Gottes,  u.  wenn  ihre  Zeit  naht,  ihm  ein  Lied  zu  singen,  sagen  sie:  Welches  ist  seine  Stätte? 
Wir  wissen  nicht,  ob  er  hier  ist  oder  an  einer  andren  Stätte,  vielmehr  an  jeder  Stätte,  da 
er  ist,  sei  gepriesen  die  Herrlichkeit  Jahves  an  seiner  Stätte  (Ez  3,  12)!  Aber  die  in  das 
(Rote)  Meer  hinabgingen,  wiesen  ein  jeder  mit  dem  Finger  hin  u.  sprachen:  Dieser  da 
ist  mein  Gott,  den  will  ich  rühmen  Ex  15,2.  |j  Chag  12^:  Dort  (in  lAraboth,  im  siebenten 
Himmel)  sind  die  Ophannim  (Radengel)  u.  Seraphim,  die  heiligen  Chajjoth  u.  die 
Engel  des  Dienstes  und  der  Thron  der  Herrlichkeit,  auf  welchem  der  König,  der  ewig 
bleibende  Gott,  hoch  u.  erhaben  thront  in  cAraboth.  .  .  .  Und  Finsternis  u.  Gewölk  u. 
Dunkel  umgeben  ihn,  s.  Ps  18,  12:  Er  machte  Finsternis  zu  seiner  Hülle,  rings  um  sich 
her  zu  seiner  Hütte  Wasserdunkel,  Dunstgewölk.  Aber  gibt  es  denn  vor  Gott  s-^3  ^^- 
Finsternis?  Es  heißt  doch  Dn  2,  22:  Er  offenbart  Tiefes  u.  Verborgenes;  weiß,  was  in 
Finsternis  ist,  u.  Licht  wohnt  bei  ihm!  Das  ist  kein  Widerspruch:  die  eine  Stelle  be- 
zieht sich  auf  die  inneren  u.  die  andre  auf  die  äußeren  Gemächer  Gottes  (in  den 
inneren  Gemächern  wohnt  Gott  unnahbar  u.  unsichtbar).  ||  Pirqe  REl  4:  Ein  Vorhang 
r:-!^t  ist  vor  ihm  (Gott)  ausgebreitet,  u.  sieben  Engel,  die  zuerst  erschaffen  wurden 
(die  7  Erzengel),  dienen  vor  ihm  innerhalb  des  Vorhangs,  u.  dies  ist  der  sogenannte 
Pargod  (Vorhang).  .  .  .  Und  die  Chajjoth  stehen  am  Thron  seiner  Herrlichkeit,  u.  sie 
wissen  die  Stätte  seiner  Herrlichkeit  nicht,  antworten  u.  sagen:  An  jeder  Stätte,  da 
seine  Herrlichkeit  ist,  sei  gepriesen  die  Herrlichkeit  Jahves  an  seiner  Stätte!  |!  Tharg 
Hi2H,9:  Er  erfaßt  (sich  damit  umhüllend)  das  Dunkel  von  seinem  Thron,  damit  die 
Engel  ihn  nicht  schauen;  er  breitet  wie  einen  Vorhang  (n--;-!?)  darüber  aus  die  Wolken 
seiner  Herrlichkeit.  \\  Chag  16*  Bar:  Sechserlei  hat  man  von  den  Schedim  (Dämonen) 
gesagt:  'in  drei  Stücken  sind  sie  wie  die  Dienstengel  u.  in  drei  Stücken  wie  die 
Menschenkinder.  In  drei  Stücken  wie  die  D.:  sie  haben  Flügel,  sie  fliegen  von  dem 
einen  Ende  der  Welt  bis  zum  andren,  u.  sie  wissen,  was  zukünftig  sein  wird.  Sie 
wissen?  Meinst  du  wirklich?  Vielmehr  sie  hören  es  hinter  dem  Vorhang  hervor  -^"irts-: 
r-i-zr,,  wie  die  D.  .  .  .  |'i  Targ  Jerusch  I  Gn  37, 17  sagt  Gabriel  zu  Joseph :  Ich  habe  hinter 
dem  Vorhang  hervor  gehört,  daß  mit  diesem  (dem  heutigen)  Tage  die  ägyptische 
Knechtschaft  ihren  Anfang  nimmt.  II  Sanh89b:  Als  Satan  sah,  daß  Abraham  auf  ihn 
nicht  hörte,  sprach  er  zu  ihm:  Zu  mir  stahl  sich  ein  Wort  (Hi  4,  12),  so  habe  ich  hinter 
dem  Vorhang  hervor  gehört:  Ein  Lamm  zum  Brandopfer  u.  nicht  Isaak  zum  Brandopfer! 

18, 12  5(:  Hundert  .  .  .  eins  .  .  .  neunundneunzig. 
Dieses  Zahlenverhältnis  wird  öfters  angewandt. 

Pea4,  If. :  Die  Ackerecke  wird  gegeben  von  dem,  was  am  Erdboden  haftet.  Bei 
hochgezogenem  Wein  u.  bei  der  Dattelpalme  nimmt  der  Besitzer  (die  als  Pea  bestimmten 
Früchte)  ab  u.  verteilt  sie  an  die  Armen.  R.  Schim'on  (um  150)  sagte:  Auch  bei  den 
glatten  Nüssen.  Selbst  wenn  99  (Arme)  sagen,  daß  man  (die  Früchte)  verteilen  solle, 
u.  Einer  sagt,  daß  man  sie  aufraffen  wolle  (nachdem  der  Besitzer  sie  hingeworfen), 
so  hört  man  auf  diesen  einen,  weil  er  gesagt  hat,  wie  die  Halakha  (die  gesetzliche 
Norm)  ist.  Bei  dem  hochgezogenen  Wein  u.  der  Dattelpalme  ist  es  nicht  so:  selbst 
wenn  99  sagen,  man  wolle  aufraffen,  u.  Einer  sagt,  man  solle  verteilen,  so  hört  man 
auf  diesen,  weil  er  gesagt,  wie  die  Halakha  ist.  ||  pSchab  14,  H*^^,  42:  Rab  (t  247)  u. 
R.  Chijja,  der  Ältere  (um  200),  haben  beide  gesagt:  99  sterben  infolge  des  (bösen) 
Blicks  u.  Einer  durch  die  Hand  Gottes  (a-iD  ^-rz).    R.  Chanina  (um  225)  u.  Sch'muSl 


Matth  18,  12  (31.  SB).  18, 13. 14  (31)  785 

(t  254)  haben  beide  gesagt:  99  sterben  infolge  von  Erkältung  u.  Einer  durch  die  Hand 
Gottes. ...  R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  im  Namen  des  R.  Jonathan  (um  220) 
gesagt:  99  sterben  infolge  von  Erhitzung  u.  Einer  durch  die  Hand  Gottes.  Die  Rabbinen 
sagten:  99  sterben  infolge  von  Fahrlässigkeit  u.  Einer  durch  die  Hand  Gottes.  R.  Elcazar 
(um  270)  hat  gesagt:  99  sterben  an  der  Galle  u.  Einer  durch  die  Hand  Gottes.  — 
Dasselbe  LvR  16  (116'i);  vgl.  BM  107b.  ||  Verschärft  ist  das  Zahlenverhältnis  pQid 
1,61^',  34:  Wenn  999  Engel  gegen  einen  Menschen  Schuld  geltend  machen  u.  Einer 
macht  für  ihn  Verdienst  geltend,  so  läßt  Gott  die  Wagschale  des  Verdienstes  sinken 
(d.  h.  er  entscheidet  zugunsten  des  Menschen),  s.  Hi  33,  23  f.  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt:  R.  EliEezer  b.  Jose  Ha-g®lili  (um  150)  habe  gesagt:  Selbst  wenn  999  Engel  gegen 
ihn  Schuld  geltend  machen  u.  Ein  Engel  macht  für  ihn  Verdienst  geltend,  so  läßt  Gott 
die  Wagschale  des  Verdienstes  sinken;  u.  das  gilt  nicht  bloß,  wenn  dieser  Engel  ganz 
(ungeteilt)  Verdienst  geltend  macht,  sondern  selbst  wenn  999  Teile  (der  Aussagen) 
jenes  Engels  Schuld  geltend  machen  u.  ein  Teil  Verdienst,  so  läßt  Gott  die  Schale  des 
Verdienstes  sinken.  Welches  ist  der  Schriftgrund?  Es  heißt  Hi  33,  23  nicht:  Wenn 
für  ihn  ein  Engel  ist  von  tausend,  sondern:  Wenn  für  ihn  ein  Engel  ist,  ein  Teil  von 
tausend  {^ha  -:»3  -r.a),  d.  h.  ein  Teil  von  tausend  Teilen  jenes  Engels.  .  .  .  Was  du  da 
sagst,  das  gilt  von  dieser  Welt  (von  den  Entscheidungen  Gottes  während  des  irdischen 
Lebens  des  betreffenden  Menschen);  aber  in  der  zuk.  W.  (im  göttlichen  Gericht)  erwirbt 
die  Mehrzahl  der  Verdienste  den  Gan  'Eden.  —  Parallelen:  Schab  32»;  PesiqR  10  (38b). 

18,12^:  Geht  er  nicht  hin,  die  neunundneunzig 
entlassend  .  .  .,  u.  sucht  das  verirrte? 

Durch  ein  ähnliches  Gleichnis  wird  das  liebevolle  Achten  Gottes  auf  einen  Ge- 
fährdeten veranschaulicht  GnR  86  (55b):  Jahve  war  mit  ihm  (mit  Joseph,  Gn  39,  2). 
Siehe,  mit  den  übrigen  Stammvätern  war  er  nicht?  R.  Judan  (um  350)  hat  gesagt: 
Das  ist  gleich  einem  Viehtreiber,  der  zwölf  Tiere  vor  sich  hatte,  die  mit  Wein  beladen 
waren.  Eins  von  ihnen  lief  in  das  Warenlager  eines  Nichtisraeliten  hinein.  Da  ließ 
er  die  elf  zurück  u.  ging  jenem  nach.  Man  sagte  zu  ihm:  Was  lassest  du  die  elf  zu- 
rück u.  gehst  dem  einen  nach?  Er  antwortete  ihnen:  Jene  befinden  sich  in  einem 
öffentlichen  Bezirk  (unter  aller  Menschen  Augen)  u.  ich  brauche  nicht  zu  besorgen,  daß 
aus  dem  Wein  (heidnischer)  Libationswein  gemacht  wird.  So  sind  jene  (11  Brüder 
Josephs)  groß  u.  im  Machtbereich  ihres  Vaters;  aber  dieser  (Joseph)  ist  klein  u.  sich  selbst 
überlassen  (in  seiner  eigenen  Macht);  deshalb  heißt  es:  Jatve  war  mit  Joseph. 

18,13:  Er  freut  sich  über  das  eine  mehr  als  über 
die  neunundneunzig  nicht  verirrten. 

Unter  dem  Gesichtspunkt  des  Lohnes  sagt  R.  Abbahu  (um  300)  von  den  bußfertig 
Umkehrenden  B'rakh  37  b ;  An  dem  Platze,  an  welchem  die  Bußfertigen  einst  stehen 
werden,  werden  selbst  die  vollkommenen  Gerechten  nicht  stehen  können  (jene  nehmen 
also  eine  höhere  Rangstellung  ein  als  diese);  s.  Jes  57,  19:  , Frieden,  Frieden  den 
Fernen  u.  den  Nahen";  den  , Fernen"  (die  vor  ihrer  Buße  fern  waren  in  Sünden)  zuerst 
u.  hinterher  den  , Nahen"  (die  sich  in  Sünden  nie  entfernt  hatten).  Dasselbe  Sanh  99 a. 

18,14  21:  So  ist  es  nicht  Wille  vor  eurem  himmlischen  Vater. 

Aus  Scheu  vor  Anthropomorphismen  vermied  man  es  gern,  Gott 
Tätigkeiten  unmittelbar  zuzuschreiben;  man  bediente  sich  statt  dessen 
umschreibender  Wendungen,  die  das  Betreffende  „vor  Gott"  geschehen 
ließen;  s.  zB  im  NT  Mt  11,26:  svdoxia  syävsTo  ^\u7TQoai/-sr  aov.  Lk  12,6: 
xal  &v  i^  avTO)}  ovx  earir  iniXeXr^ai^uvor  svwniov  xov  ^sov.  Vgl.  auch 
Lkl5,  7.  10. 

strack  u.Billerbeck,  NT  I.  50 


786  -"^atth  18, 14  (51.  33) 

Dem  x^eh]uct  tunQoad^fy  lov  nccTQÖg  t'/naif  entspricht  das  targumische  "";  d~  s;>;-^= 
,es  ist  Wille  vor  Jahve".  Targ  Ril3, 23:  Wenn  es  Wille  vor  Gott  wäre,  daß  wir 
sterben  sollen  nsw.  pt^:-;  ""^  u-.p  s-y->  i'ss.  ||  1  Sm  2,  25:  Es  ist  Wille  vor  Jahve  sie 
zu  töten.  Weitere  Beispiele  s.  Targ  HL  2,7;  3,  5;  Jes  53,  10;  Hos  8,  13;  Jona  1,  14; 
s.  auch  bei  Lk  12,  6.  —  Im  Rabbin.  ungemein  häufig  als  Gebetsanfang:  -;':e5«  -jnsi  --" 
-'^  r=  es  sei  Wille  vor  dir,  Jahve,  es  sei  dir  wohlgefällig;  zB  B'^rakh  16^  (mehrmals); 
]  7  »  (mehrmals) ;  pB^'rakh  T^,49;  8  ^  45. 

18,14^:  Daß  eins  dieser  Kleinen  verloren  gehe. 
Teilnahme  der  Kinder  an  der  zukünftigen  Welt. 

TSanh  13,  1  f.  (434) :  Die  Kinder  der  Gottlosen  im  Lande  (Israel)  haben  keinen 
Teil  an  der  zukünftigen  Welt  (d.  h.  sie  werden  nicht  auferweckt,  sondern  vergehen); 
s.  Mal  3,  19:  Siehe,  der  Tag  kommt,  brennend  wie  ein  Ofen;  u.  es  werden  alle  Über- 
mütigen u.  wer  immer  Gottlosigkeit  verübt,  zur  Spreu,  u.  verbrennen  wird  sie  der  Tag, 
der  da  kommt,  spricht  Jahve  der  Heerscharen,  so  daß  er  ihnen  weder  Wurzel  noch 
Zweig  wird  lassen.  Das  sind  Worte  des  Rabban  Gamliel  (um  90).  R.  J'^hoschuac  (um  90) 
sagte:  Sie  kommen  in  die  zukünftige  Welt  (sie  werden  auferweckt  zur  Seligkeit).  Es 
heißt  hier  Ps  1 16,  6:  Jahve  behütet  die  Einfältigen  (=  Kinder),  u.  es  heißt  dort  Dn  4,  20: 
Haut  den  Baum  ab  u.  vernichtet  ihn,  doch  seinen  Wurzelstock  laßt  in  der  Erde.  Rabban 
Gamliel  sagte:  Wie  halte  ich  dann  aufrecht  Mal  8,  19:  „daß  er  ihnen  weder  Wurzel 
noch  Zweig  wird  lassen"?  (, Wurzel"  bedeutet  nach  R.  G.  die  gottlosen  Väter  u.  „Zweig" 
deren  Kinder;  beide  wird  der  Tag  Jahves  vernichten.)  R.  J'^hoschuac  antwortete  ihm: 
Gott  wird  ihnen  keine  Gebotserfüllung  u.  keinen  Rest  einer  Gebotserfüllung,  sei  es 
von  ihnen  selbst,  sei  es  von  ihren  Vätern  her,  belassen  (auf  die  hin  sie  Lohnansprüche 
könnten  geltend  machen.  R.  J'^^hoschuac  deutet  also  „Wurzel"  u.  „Zweig"  auf  das 
Verdienst  der  Väter  u.  das  der  Gottlosen;  die  Kinder  der  letzteren  kommen  für  ihn  in 
Mal  3,  19  überhaupt  nicht  in  Betracht).  Eine  andre  Erklärung:  „Wurzel"  ist  die  Seele; 
„Zweig"  der  Leib  (auch  nach  dieser  Erkl.  ist  Mal  3,  19  nur  von  den  Gottlosen  selbst, 
nicht  von  ihren  Kindern  die  Rede).  Die  Kinder  der  Gottlosen  unter  den  Nichtisraeliten 
L-t;  werden  weder  auferweckt  noch  gerichtet.  —  Dasselbe  mit  einigen  Änderungen 
als  Bar  Sanh  not»;  in  AbothRN  36  erweitert  noch  durch  eine  neue  Erklärung.  Kurz 
pSch'^bi'ith  4,  35*^,  29:  Die  Rabbinen  von  Cäsarea  sagten:  Die  Kinder  der  Nichtisraeliten 
c'i;  u.  die  Heerhaufen  des  Nebukadne^ar  werden  weder  auferweckt  noch  gerichtet,  u. 
von  ihnen  heißt  es  Jer  51,  89:  Daß  sie  einschlafen  zu  ewigem  Schlafe,  um  nicht  zu 
erwachen.  |1  pSch'bifith  4,  35'=,  81:  Von  wann  an  (d.  h.  von  welchem  Lebensalter  an) 
werden  die  Kinder  der  Israeliten  auferweckt?  R.  Chijja,  der  Ältere  (um  200)  u. 
R.  Schim'on  b.  Rabbi  (um  220).  Der  eine  sagte:  Von  da  an,  da  sie  geboren  wurden. 
Er  beruft  sich  auf:  „Kommen  werden  sie  u.  seine  Gerechtigkeit  kundtun  dem  Volk, 
das  geboren  ward,  daß  er  es  vollbracht  hat*  Ps  22,  32.  Der  andre  sagte:  „Von  da  an, 
da  sie  sprachen."  Er  beruft  sich  auf:  „Die  Nachkommenschaft,  der  man  erzählen  wird 
von  Jahve,  wird  ihm  dienen  in  alle  Geschlechter"  Ps  22,  31  (so  der  Midr).  Im  Namen 
des  R.  Meir  (um  150)  ist  gelehrt  worden:  Von  da  an,  wo  ein  Kind  versteht,  in  der 
Synagoge  mit  „Amen"  zu  antworten,  s.  Jes  26,  2:  Tuet  die  Tore  auf,  daß  ein  gerechtes 
Volk  einziehe,  das  die  „Amen"  n^:'3S  beobachtet  (oder  sagt;  so  der  Midr).  Dort  (in 
Babylonien)  sagte  man:  Von  da  an,  da  sie  beschnitten  wurden,  s.  Ps88,  16:  Elend 
bin  ich  u.  verscheidend  von  Jugend  an,  ich  trage  die  Furcht  vor  dir  (an  mir,  in  der 
Beschneidung).  Die  Rabbinen  von  hier  (Palästina)  sagen:  Von  da,  da  sie  geboren 
wurden,  s.  Ps  87,  5:  Zu  Zion  wird  man  sagen:  Jeder,  der  darin  geboren  ward,  den 
stellt  der  Höchste  sicher  (so  der  Midr).  R.  Elcazar  (um  270)  sagte:  Selbst  die  Fehl- 
geburten (werden  auferweckt  werden);  s.  Jes  49,  6:  Daß  du  mir  wiederbringest  die 
(als  Embryo)  Gebildeten  (also  noch  nicht  Gehörnen)  in  Israel  (so  der  Midr).  —  Parallel- 
stelle Sanh  110^.  ||  Zu  dem  allgemeinen  Gedanken:  Gott  will  nicht,  daß  jemand  verloren 
gehe,  s.  bei  2  Petr  3,  9. 


Matth  18,  15  787 

18,15:  Wenn  dein  Bruder  sündigt,^  so  geh  hin  u.  weise 
ihn  zurecht  zwischen  dir  u.  ihm  allein. 

f^kkyxfir  =  ■n'^z'^n.  —  Die  Pflicht,  den  irrenden  Nebenmenschen  durch 
Vorhaltung  u.  Rüge  seiner  Sünde  auf  den  rechten  Weg  zurückzubringen, 
hat  die  alte  Synagoge  aus  Lv  19, 17  hergeleitete  Mehrfach  wird  auf  den 
Segen,  bezw.  Unsegen  hingewiesen,  der  aus  der  Übung,  bezw.  Unter- 
lassung dieser  Pflicht  hervorgeht.»  Im  großen  u.  ganzen  aber  scheint 
man  das  Zurechtweisen  eines  andren  für  sehr  schwierig  u.  undankbar 
gehalten  zu  haben.  Aus  dem  Anfang  des  2.  Jahrh.  n.  Chr.  liegt  ein  Aus- 
spruch angesehener  Schriftgelehrter  vor,  der  eigentlich  nichts  andres 
als  eine  Bankrotterklärung  des  damaligen  Judentums  auf  dem  Gebiet 
brüderlicher  Zuchtübung  bedeutet.  Das  machte  die  pharisäische  Selbst- 
gerechtigkeit, die  vielleicht  in  jener  Zeit  besonders  empfindlich  gewesen 
ist:  man  war  weder  geneigt,  einem  andren  das  Recht  der  Kritik  ein- 
zuräumen, noch  auch  willens,  sich  seiner  Kritik  zu  unterwerfen,  b  Damit 
dürfte  es  zus. hangen,  daß  die  Synagoge  so  eingehende  Bestimmungen 
über  das  Zuchtverfahren,  wie  sie  Jesus  Mt  18, 15  ff.  für  seine  Gemeinde 
getroffen  hat,  überhaupt  nicht  kennt;  außerdem  erwecken  die  Bestim- 
mungen, die  man  in  dieser  Hinsicht  wirklich  aufgestellt  hat,  den  Ein- 
druck, daß  sie  mehr  der  Theorie  gedient  als  in  der  Praxis  Anwendung 
gefunden  haben.  Aus  Lv  19, 17  hatte  man  den  Grundsatz  entwickelt, 
daß  man  die  Zurechtweisungen  zwar  immer  wieder  erneuern  dürfe, 
aber  auch  daß  man  sich  versündige,  sobald  man  durch  sie  den  Zurecht- 
gewiesenen (öffentlich)  beschäme ;c  u.  aus  1  Sm  20,  30  f.  entnahm  man 
weiter,  daß  die  Rügen  einzustellen  seien,  falls  der  davon  Betroffene  sie 
mit  Schlägen,  Flüchen  u.  anschreienden  Worten  (Drohungen)  erwidere,  d 
Diese  ganz  verständigen  Bestimmungen  mußten  aber  für  die  Praxis 
gegenstandslos  werden,  seitdem  man  anfing,  die  bequeme  Theorie  aus- 
zubilden, daß  die  bescheidene  Zurückhaltung,  die  das  Zurechtweisen 
unterläßt,  noch  vorzüglicher  sei  als  das  Zurechtweisen  selbst.  Wer 
wird  rügende  Worte  sprechen,  wenn  das  Schweigen  als  größere  Tugend 
giltle  —  Genauer  geregelt  war  das  brüderliche  Zuchtverfahren  speziell 
für  die  Fälle,  in  denen  es  sich  um  die  Versöhnung  eines  Beleidigten 
durch  den  Beleidiger  handelte,  s.  darüber  bei  Mt  18,  21. 

a.  Aboth  RN  29:  Einige  sagen  (R.  Me'ir,  um  150,  habe  gesagt):  Hast  du  Genossen, 
von  denen  ein  Teil  dich  zurechtweist  ttt'si-s  u.  ein  Teil  dich  lobt,  so  liebe  den,  der 
dich  zurechtweist,  u.  hasse  den,  der  dich  lobt;  denn  der  dich  zurechtweist,  bringt  dich 
ins  Leben  der  zukünftigen  Welt,  u.  der  dich  lobt,  bringt  dich  aus  der  Welt.  |1  Tamid  62"^ 
(in  andren  Ausgaben  fol.  28-^)  Bar:  Rabbi  sagte:  Welches  ist  der  gerade  Weg,  den 
sich  der  Mensch  erwählen  soll?  Er  liebe  die  Zurechtweisungen  r-nr-nr^;  denn  so- 
lange es  Zur.  in  der  Welt  gibt,  kommt  Zufriedenheit  (ri^  rr;:  =  Gemütsruhe,  Befriedi- 
gung) in  die  Welt,  Glück  u.  Segen  kommen  in  die  Welt  u.  Unheil  verschwindet  aus 
der  Welt,  s.  Spr  24,  25 :  Denen,  die  zurechtweisen,  geht  es  wohl,  u.  über  sie  kommt 
Segnung  mit  Gutem.    R.  Sch^muel  b.  Nachman   (um  260)  hat  gesagt,   R.  Jochanan 

^  Die  Worte  sig  ae  hinter  ('(uagrijarj  sind  wohl  zu  tilgen. 


788  Matth  18, 15 

(t  279;  ob  R.  Jonathan,  um  220,  zu  lesen?)  habe  gesagt:  Wer  einen  andren  um  Gottes- 
willen (d.  h.  aus  lauteren  Zwecken,  ohne  Nebenabsichten)  zurechtweist  n-si'sn,  der  er- 
langt das  Abteil  Gottes  (kommt  in  die  nächste  Gottesnähe);  s.  Spr  28,  23:  Wer  einen 
Menschen  zurechtweist,  der  ist  (kommt,  unmittelbar)  nach  mir  (so  deutet  der  Midr 
^^ns).  Und  nicht  bloß  dies,  sondern  man  (=  Gott)  zieht  auch  über  ihn  den  Faden 
der  Huld  (Anmut),  s.  Spr  28,  23:  Er  findet  Huld  mehr  als  der  Zungenglätter.  —  Das- 
selbe Tanch  c.zzvn  94  '^  mit  geringen  Abweichungen ;  statt  R.  Jochanan  hier  R.  Jonathan.  || 
DtR  1  (195'^):  Woher,  daß  derjenige,  der  die  Zurechtweisung  annimmt,  Segen  erlangt? 
Weil  Salomo  ausdrücklich  also  sagt:  Denen,  die  zurechtweisen,  geht  es  wohl  u.  auf 
sie  (die  Zurechtgewiesenen)  kommt  Segnung  mit  Gutem  Spr  24,  25.  ||  Schab  119'': 
R.  cAmram  b.  Schinicon  b.  Abba  (um  320)  hat  gesagt,  R.  SchimEon  b.  Abba  (um  280) 
habe  gesagt,  R.  Chanina  (um  220)  habe  gesagt:  Jerusalem  ist  nur  zerstört  worden, 
weil  der  eine  den  andren  nicht  zurechtgewiesen  hat  in-sin,  s.  KL  1,6:  ,lhre  Fürsten 
wurden  Widdern  gleich,  die  keine  Weide  finden."  Wie  von  den  Widdern  der  eine  seinen 
Kopf  an  die  Schwanzseite  des  andren  legt,  so  senkten  auch  die  Israeliten,  die  zu  jener 
Generation  (zur  Zeit  der  Tempelzerstörung)  gehörten,  ihr  Angesicht  zur  Erde,  ohne  daß 
einer  den  andren  zurechtwies. 

b.  SDt  1,  1  §  1  (64^):  R.  Tarphon  (um  100)  hat  gesagt:  Beim  Tempeldienst,  ob  es 
einen  gibt  in  dieser  Generation,  der  imstande  ist,  eine  Zurechtweisung  hinzunehmen? 
R.  cAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Beim  Tempeldienst,  ob  es  in  dieser  Generation 
einen  gibt,  der  weiß,  wie  man  zurechtweist  (nämlich  so,  daß  man  ihn  nicht  beschämt)? 
R.  Jochanan  (b.  Nuri,  um  110)  hat  gesagt:  Ich  nehme  für  mich  Himmel  u.  Erde  zu 
Zeugen,  daß  dem  R.  t  Aqiba  mehr  als  fünfmal  meinetwegen  von  Rabban  Gamliel  (IL, 
um  90)  Vorwürfe  gemacht  worden  sind,  weil  ich  mich  über  ihn  beschwert  hatte,  in- 
folgedessen Rabban  Gamliel  ihm  Vorwürfe  machte  (ihn  bestrafte).  Aber  ich  weiß  von 
ihm  (R.  (Aqiba),  daß  er  mir  um  so  mehr  seine  Liebe  geschenkt  hat,  um  zu  erfüllen, 
was  geschrieben  steht  Spr  9,  8:  Weise  nicht  den  Spötter  zurecht,  damit  er  dich  nicht 
hasse;  weise  den  Weisen  zurecht,  u.  er  wird  dich  lieben.  —  Dasselbe  mit  Änderungen 
als  Bar  <Arakh  16'^;  hier  zu  dem  Ausspruch  des  R.  1  arphon  der  Zusatz:  ,Auch  wenn 
er  zu  ihm  sagt:  Nimm  den  Splitter  (c?."';^.)  zwischen  deinen  Augen  weg,  antwortet  er 
ihm:  Nimm  den  Balken  (n';ip)  zwischen  deinen  Augen  weg!"  —  Die  genaueste  Wieder- 
gabe der  verschiedenen  Aussprüche  dürfte  SLv  19,  17  (352''')  vorliegen:  R.  Tarphon  hat 
gesagt:  Beim  Tempeldienst,  ob  in  dieser  Generation  einer  zurechtweisen  kann?  (d.h. 
berechtigt  ist  zurechtzuweisen?  Wenn  er  zu  ihm  sagt  [so  würde  aus  der  Bar 'Arakh 
zu  ergänzen  sein]:  ,Nimm  den  Splitter  zwischen  deinen  Augen  weg,  so  kann  er  ihm 
antworten:  Nimm  den  Balken  zwischen  deinen  Augen  weg",  d.  h.  deine  größeren 
Sünden  lassen  dich  nicht  berechtigt  erscheinen,  andren  Leuten  Rügen  zu  erteilen). 
R.  Elcazar  b.  cAzarja  (um  100)  hat  gesagt:  Beim  Tempeldienst,  ob  in  dieser  Generation 
einer  eine  Zurechtweisung  annehmen  kann?  R.  c Aqiba  hat  gesagt:  Beim  Tempeldienst, 
ob  in  dieser  Generation  einer  weiß,  wie  man  zurechtweist  (nämlich  ohne  den  Zurecht- 
gewiesenen zu  beschämen)?  R.  Jochanan  b.  Nuri  hat  gesagt:  Ich  nehme  Himmel  u. 
Erde  für  mich  zu  Zeugen,  daß  cAqiba  mehr  als  vier-  oder  fünfmal  meinetwegen  vor 
R.  Gamliel  gestraft  (geschlagen)  worden  ist,  weil  ich  mich  über  ihn  beklagt  hatte; 
aber  trotzdem  habe  ich  gewußt,  daß  er  mir  größere  Liebe  zuwenden  würde,  um  zu 
erfüllen,  was  geschrieben  steht  Spr  9,  8,  s.  oben. 

C.  SLv  19,  17  (352^):  ,Du  sollst  deinen  Bruder  nicht  hassen"  Lv  19,  17.  Etwa  du 
sollst  ihm  nicht  fluchen,  du  sollst  ihn  nicht  schlagen,  du  sollst  ihm  keinen  Backen- 
streich geben?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  ,In  deinem  Herzen"  Lv  19,  17.  Ich  soll  es 
nur  vom  Haß  im  Herzen  verstehn  (sagen).  Und  woher,  daß  man,  wenn  man  ihn  vier- 
oder  fünfmal  zurechtgewiesen  hat,  ihn  immer  wieder  zurechtweist?  Die  Schrift  sagt 
lehrend:  , Zurechtweisend  weise  ihn  zurecht"  Lv  19,  17  (d.  h.  immer  aufs  neue,  s.  Einl. 
S.  109  a).  Sollst  du  ihn  etwa  auch  zurechtweisen,  daß  sein  Angesicht  sich  verändert 
(infolge  Beschämung)?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Du  sollst  seinetwegen  nicht  Sünde 
zu  tragen  haben  (was   durch   die  Bloßstellung  des  andren   geschehen  würde).  —  In 


Matth  18, 15  789 

cArakh  16''  als  Bar:  Du  sollst  deinen  Bruder  in  deinem  Herzen  nicht  hassen.  Etwa: 
du  sollst  ihn  nicht  schlagen,  du  sollst  ihm  keinen  Backenstreich  geben,  du  sollst  ihm 
nicht  fluchen?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  In  deinem  Herzen.  Den  Haß,  der  im  Herzen 
ist,  meint  die  Schrift.  Woher,  daß  man,  wenn  man  etwas  Unziemliches  an  einem  andren 
sieht,  verpflichtet  ist,  ihn  zurechtzuweisen?  Weil  es  heißt:  Du  sollst  ihn  zurechtweisend 
zurechtweisen  {r.^iir  ~:'~).  AVenn  man  ihn  zurechtgewiesen  hat  u.  er  nimmt  es  nicht 
an,  woher,  daß  man  ihn  wiederum  zurechtweisen  soll?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Du 
sollst  ihn  zurechtweisen",  ganz  allgemein  (ohne  Einschränkung,  also  immer  wieder). 
Etwa  auch,  wenn  sein  Angesicht  sich  verändert?  (Raschi:  Wenn  man  ihn  öffentlich 
zurechtweist,  um  ihn  zu  beschämen.)  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Du  sollst  seinetwegen 
nicht  Sünde  zu  tragen  haben.  —  Kürzer  BM  31  '■^.  \\  B^'rakh  31  b  leitet  R.  El'azar  (um  270) 
die  Pflicht  der  Zurechtweisung  aus  1  Sm  1, 14  her. 

d.  cArakhl6'^:  Bis  wohin  die  Zurechtweisung?  (Wie  lange  soll  man  mit  der 
Zurechtweisung  fortfahren?)  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Bis  zum  Schlagen  (d.  h.  bis  der 
Zurechtgewiesene  den  Zurechtweisenden  mit  Schlägen  abweist).  Sch*^muel  (f  254)  hat 
gesagt:  Bis  zum  Fluchen.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Bis  zum  Anschreien: 
{te-'t:,  häufig  Bezeichnung  des  niedrigsten  Banngrades).  Das  entspricht  der  Meinung 
der  Taimaiten:  R.  Eli?ezer  (um  90)  hat  gesagt:  Bis  zum  Schlagen;  R.  J^'hoschuaf  (um 
90):  Bis  zum  Fluchen;  Ben  ?Azzai  (um  110):  Bis  zum  Anschreien.  Rab  Nachman 
b.  Jicjchaq  (f  356)  hat  gesagt:  Alle  drei  haben  einunddieselbe  Schriftstelle  (zugunsten 
ihrer  Meinung)  ausgelegt.  Es  heißt  1  Sm  20,  30:  Da  entbrannte  der  Zorn  Sauls  gegen 
Jonathan  u.  er  sprach  zu  ihm:  Du  Sohn  verdrehter  Empörung,  weiß  ich  nicht,  daß  du 
dem  Sohne  Isais  den  Vorzug  gibst  zum  Schimpf  für  dich  u.  zur  Schande  für  deine 
Mutter?  Ferner  heißt  es  das.  Vers  33:  Und  Saul  ergrifl'  den  Speer  wider  ihn,  um  ihn 
zu  schlagen  (treffen).  Für  den,  welcher  sagt:  ,Bis  zum  Schlagen",  spricht,  daß  es 
heißt:  ,Um  ihn  zu  schlagen".  Für  den,  welcher  sagt:  „Bis  zum  Fluchen",  spricht, 
daß  es  heißt:  „Zum  Schimpf  für  dich  u.  zur  Schande  für  deine  Mutter".  Für  den, 
welcher  sagt:  „Bis  zum  Anschreien",  spricht,  daß  es  heißt:  „Da  entbrannte  der  Zorn 
Sauls".  Wenn  man  sagt:  „Bis  zum  Anschreien",  so  redet  die  Stelle  (doch  auch)  vom 
Schlagen  u.  Fluchen  (also  ist  für  die  Meinung:  „bis  zum  Anschreien"  kein  Beweis  aus 
ihr  herzunehmen).  Es  ist  hier  (in  diesem  Fall)  anders:  denn  wegen  der  außerordent- 
lichen Liebe,  die  Jonathan  zu  David  besaß,  gab  er  gar  sehr  sein  Leben  preis  (d.  h. 
wegen  seiner  Liebe  zu  David  brach  Jonathan  seine  Zui'echtweisungen  nicht  sofort  beim 
ersten  Anschreien  seitens  Sauls  ab,  sondern  fuhr  darin  fort  bis  zum  Fluchen  u.  Schlagen; 
deshalb  ist  aus  diesem  ungewöhnlichen  Fall  kein  Beweis  gegen  die  Meinung:  „bis 
zum  Anschreien"  herzuholen). 

e.  ?Arakhl6'':  Es  fiagte  ihn  (wen?)*  R.  J'^huda  b.  Schim?on:'  Zurechtweisung, 
die  um  ihrer  selbst  willen  (ohne  Nebenabsichten,  um  Gottes  willen)  geübt  wird,  u. 
Demut  (die  aus  Bescheidenheit  einen  andren  nicht  zurechtweisen  will),  die  nicht  um 
ihrer  selbst  willen  (sondern  zur  Erreichung  andrer  Zwecke,  zB  um  nicht  Feindschaft 
zu  erregen)  geübt  wird  —  welche  von  ihnen  ist  vorzüglicher?  Er  antwortete:  Räumst 
du  nicht  ein,  daß  Demut,  um  ihrer  selbst  willen  geübt,  vorzüglicher  ist?  Denn  ein 
Autor  hat  gesagt:  Die  Demut  ist  die  größte  unter  ihnen  (den  Tugenden)  allen.'  So 
ist  sie  auch,  nicht  um  ihrer  selbst  willen  geübt,  vorzüglicher.  Denn  Rab  J'^huda  (f  299) 
hat  gesagt,   Rab  (f  247)  habe  gesagt:    Immer  beschäftige  sich  der  Mensch  mit  der 

^  Der  Text  scheint  fehlerhaft  zu  sein:  Wer  ist  der  Gefragte?  Ist  mit  R.  J^huda 
b.  Schimfon  R.  J'^huda  b.  Simon,  um  320,  gemeint? 

'  Vgl.  ?AZ  20b,  31:  (R.  Pin'-chas  b.  Jair,  um  200,  hat  gesagt:)  Die  Frömmigkeit 
r^-.'zr._  ist  die  größte  unter  allen  (Tugenden),  s.  Ps  89,  20:  Damals  redetest  du  durch 
Gesicht  zu  deinen  Frommen  (nur  zu  diesen;  also  stehen  sie  Gott  am  nächsten).  Andrer 
Meinung  war  R.  J<^hoschua;  b.  Levi  (um  250);  denn  dieser  hat  gesagt:  Die  Demut  ist 
die  größte  von  allen,  s.  Jes61,l:  Jahve  hat  mich  gesalbt,  frohe  Botschaft  zu  ver- 
kündigen den  Demütigen.  „Den  Frommen"  ist  nicht  gesagt,  sondern  „den  Demütigen"; 
da  lernst  du,  daß  die  Demut  die  größte  von  allen  ist. 


790  Matth  18,  lö.  16 

Tora  u.  den  Gebotserfüllungen,  auch  wenn  es  nicht  um  ihrer  selbst  willen  geschieht; 
denn  daraus,  daß  es  nicht  um  ihrer  selbst  willen  geschieht,  kommt  (mit  der  Zeit), 
daß  es  um  ihrer  selbst  willen  geschieht.  Welcher  Art  ist  die  Zurechtweisung,  die  um 
ihrer  selbst  willen  geübt  wird,  u.  die  Demut,  die  nicht  um  ihrer  selbst  willen  geübt 
wird?  Wie  die  des  Rab  Huna  (f  297)  u.  des  Chijja  b.  Rab  (um  260).  Als  sie  beide 
vor  Sch^muel  (f  254)  saßen,  sprach  Chijja  b.  Rab  zu  diesem:  Es  sehe  der  Herr,  wie 
er  (Huna)  mich  quält  (schlägt).'  Da  nahm  er  (Huna)  es  auf  sich,  daß  er  ihn  nicht 
mehr  quälen  wollte.  Als  Chijja  b.  Rab  hinausgegangen  war,  sagte  Huna  zu  Scli'^muel : 
So  u.  so  hat  er  getan.  Dieser  antwortete:  Warum  hast  du  es  ihm  nicht  in  seiner 
Gegenwart  gesagt?  Er  sprach:  Das  sei  ferne,  daß  der  Same  Rabs  durch  mich  beschämt 
werden  sollte!  —  (Obgleich  die  bescheidene  Zurückhaltung  Hunas  nicht  um  ihrer  selbst 
willen  erfolgte,  sondern  aus  Ehrerbietung  gegen  Rab,  so  ist  ihr  doch  der  Vorzug  ein- 
zuräumen vor  einer  etwaigen  Zurechtweisung,  die  den  Chijja  b.  Rab  hätte  beschämen 
können.  Mit  diesem  Grundsatz  konnte  natürlich  die  Unterlassung  jeder  Zurechtweisung 
gerechtfertigt  werden.)  —  Daß  es  an  Zuchtübung  vielfach  gefehlt  hat,  kann  man  auch 
aus  K'^th  105'^  entnehmen:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Wenn  die  Leute  einer  Stadt 
einen  hervorragenden  Gelehrten  (i:=i'3  sa-n::  Einl.  S.  2)  lieben,  so  geschieht  das  nicht, 
weil  er  so  gar  vorzüglich  ist,  sondern  weil  er  sie  in  den  himmlischen  (göttl.)  Dingen 
nicht  (strafend)  zurechtweist  s'n^r  -V^sa  ^n'^  r;:v:  sV-. 

18,16:  Damit  auf  zweier  oder  dreier  Zeugen  Mund 
jedes  Wort  gestellt  werde. 

Grundstellen:  Nu  35,  30;  Dt  17,  6;  19,  15.  —  SNu  85,  30  §  161  (62'^):  ,Ein  Zeuge 
kann  nicht  gegen  eine  Person  aussagen"  Nu  35,  30.  Dies  ist  die  Hauptstelle  (nach 
der  andre,  minder  bestimmte,  zu  deuten  sind):  jede  Stelle,  in  der  das  Wort  „Zeuge" 
gesagt  ist,  ist  nach  der  allgemeinen  Regel  von  zwei  Zeugen  zu  verstehen,  bis  dir  die 
Schrift  speziell  von  Einem  Zeugen  redet.  —  Parallelstelle  Sanh  30*.  I!  Sota  1,  1:  Wenn 
ein  Mensch  auf  seine  Frau  eifersüchtig  wird,  so  verwarnt  er  sie,  wie  R,  Elicezer  (um 
90)  sagte,  in  bezug  auf  seine  Eifersucht  auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  hin;  dann 
kann  er  sie  auf  die  Aussage  Eines  Zeugen  hin  oder  auch  auf  seine  eigene  Aussage 
hin  (das  Eiferwasser)  trinken  lassen.  R.  J'^hoschuac  (um  90)  sagte:  Er  verwarnt  sie 
in  bezug  auf  seine  Eifersucht  auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  hin  u.  läßt  sie  trinken 
auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  hin.  —  Das.  1,2:  Wie  verwarnt  er  sie  in  bezug  auf 
seine  Eifersucht?  Hat  er  ihr  vor  zwei  Zeugen  gesagt:  Du  sollst  mit  dem  u.  dem 
Manne  nicht  sprechen  u.  sie  spricht  (hinterher  doch)  mit  ihm,  so  ist  sie  ihrem  Mann 
noch  immer  zum  ehelichen  Umgang  erlaubt ;  auch  darf  sie  (wenn  sie  die  Frau  eines 
Priesters  ist)  Hebe  essen.  Ging  sie  aber  mit  ihm  (dem  verbotenen  Manne  nach  ihrer 
Verwarnung)  im  geheimen  in  ein  Haus  (Gemach)  u.  verweilte  dort  mit  ihm  so  lange, 
daß  sie  verunreinigt  sein  konnte,  so  ist  sie  (fortan  ihrem  Mann)  zum  ehelichen  Um- 
gang verboten;  auch  darf  sie  nicht  Hebe  essen.  Und  wenn  er  (ihr  Ehemann  vor  Aus- 
trag der  Sache)  stirbt,  so  hat  sie  (gegebenenfalls  an  den  Brüdern  des  Mannes)  die 
Zeremonie  des  Schuhausziehens  vorzunehmen,  darf  aber  nicht  die  Schwagerehe  ein- 
gehen. II  pt^sllS'':  Drei  liebt  Gott:  wer  nicht  zornig  wird,  wer  sich  nicht  berauscht 
ü.  wer  nicht  starrsinnig  ist.  Drei  haßt  Gott:  wer  mit  dem  Munde  so  sagt  u.  im  Herzen 
anders;  wer  für  einen  andren  Zeugnis  abzulegen  weiß  u.  es  nicht  tut,  u.  wer  etwas 
Schändliches  an  einem  andren  sieht  u.  als  einziger  wider  ihn  Zeugnis  ablegt,  wie  in 
jener  Geschichte  des  Tobijja.  Dieser  hatte  gesündigt  u.  es  kam  Ziggod  als  einziger 
u.  legte  wider  ihn  vor  Rab  Papa  (f  376)  Zeugnis  ab.  Da  ließ  dieser  den  Z.  geißeln. 
Z,  sprach  zu  ihm:  Tobijja  hat  gesündigt  u.  Z.  bekommt  die  Schläge?  Er  antwortete: 
Ja,  denn  es  steht  geschrieben  Dt  19,  15:  Nicht  soll  ein  einzelner  Zeuge  gegen  jemand 
auftreten.  Und  du  willst  allein  wider  ihn  zeugen?  Einen  bösen  Ruf  hast  du  über  ihn 
in  der  Welt  ausgebracht.  —  Die  sprichwörtlich  gewordene  Redensart  von  Tobijja  u. 
Ziggod  auch  Mak  11».  |i  Mak  1.7:   „Auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  oder  dreier  Zeugen 


Matth  18,  16.  17  791 

soll  der  zu  Tötende  getötet  werden"  Dt  17,  6.  Wenn  das  Zeugnis  durch  zwei  fest- 
gemacht wird,  wozu  hat  die  Schrift  noch  besonders  , durch  drei"  gesagt?  Um  drei 
Zeugen  zweien  gleichzustellen:  wie  drei  zwei  als  falsche  Zeugen  erklären,  so  können 
zwei  drei  als  falsche  Zeugen  erklären.  Und  woher  (daß  sie)  sogar  hundert  (als  falsche 
Zeugen  erklären  können)?  Die  Schrift  sagt  lehrend  (zweimal)  Zeugen.  (Daraus  wird 
geschlossen,  daß  „zweier  Z.  oder  dreier  Z."  nur  der  Anfang  einer  beliebig  fortzusetzenden 
Reihe  sei.)  R.  Schinicon  (um  150)  sagte:  Wie  zwei  erst,  nachdem  sie  beide  als  falsche 
Zeugen  dastehen,  getötet  werden,  so  werden  drei,  nachdem  sie  drei  als  falsche  Z.  da- 
stehen, getötet.  Und  woher  (daß)  sogar  hundert  (erst  nachdem  sie  alle  als  falsche 
Z.  dastehen,  getötet  werden)?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  , Zeugen".  R.  'Aqiba  (f  um  135) 
sagte :  Der  dritte  kommt  nur  vor,  damit  man  gegen  ihn  streng  verfahre  u.  das  Urteil 
über  ihn  gleich  dem  über  jene  mache.  (Die  an  sich  überflüssige  Erwähnung  des  dritten 
Z.  soll  andeuten,  daß  die  Bestrafung  dieses  u.  aller  weiteren  falschen  Z.  ebenso  streng 
sein  soll  wie  die  der  beiden  ersten  falschen  Z.)  Wenn  nun  die  Schrift  den,  der  sich 
den  Übertretern  zugesellt,  ebenso  straft  wie  die  Übertreter,  um  wieviel  mehr  wird  sie 
dem,  der  sich  den  Gebot  Ausübenden  zugesellt,  Lohn  vergelten  (auszahlen)  gleichwie 
den  Gebot  Ausübenden!  —  Dasselbe  SLv  5,  17  (120 ^j. 

18, 17  3(:  Sage  es  der  Gemeinde. 

Daß  anrüchige  Personen  der  Gemeinde  öffentlich  bekannt  gegeben 
wurden,  zeigen  folgende  Stellen: 

Sanh  26'':  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt,  R.  Elfazar  (um  270)  habe  gesagt:  Alle 
(die  als  Zeugen  untauglich  sind)  ^  müssen  durch  den  Gerichtshof  öffentlich  bekannt  gemacht 
werden.  Betreffs  des  Hirten  waren  Rab  Acha  (b.  Raba,  f  419)  u.  Rabina  (I.,  f  uni  420) 
geteilter  Meinung.  Der  eine  hat  gesagt:  Er  bedarf  der  öffentlichen  Bekanntmachung 
(falls  er  als  Zeuge  untauglich  sein  soll);  der  andre  hat  gesagt:  Er  bedarf  ihrer  nicht 
(da  er  von  vornherein  im  Verdacht  steht,  daß  er  sein  Vieh  auf  fremde  Felder  treibt 
u.  dadurch  Raub  begeht).  Zugunsten  dessen,  der  gesagt  hat:  „Er  bedarf  der  Bekannt- 
machung nicht",  ist  dies,  daß  Rab  J%uda  (t  299)  gesagt  hat,  Rab  (f  247)  habe  ge- 
sagt: Ein  Hirt,  von  dem  nichts  (Ungünstiges)  bekannt  geworden  ist,  ist  (als  Zeuge) 
untauglich  ^  (weil  er  trotzdem  verdächtig  ist).  Aber  nach  der  Meinung  dessen,  der  ge- 
sagt hat:  „Er  bedarf  der  (ausdrücklichen)  Bekanntmachung"  (falls  er  als  Zeuge  un 
tauglich  sein  soll),  was  soll  da  (jenes  Wort):  „Ein  Hirt,  von  dem  nichts  (Ungünstiges) 
bekannt  geworden  ist,  ist  (gleichwohl  als  Zeuge)  untauglich"?  (Muß  er  erst  als  un- 
tauglich bekannt  gemacht  werden,  so  ist  er  doch  nicht  von  vornherein  untauglich  bloß, 
weil  er  Hirt  ist!)  Es  will  sagen,  daß  man  ihn  bekannt  macht,  auch  wenn  nichts  (Un- 
günstiges) über  ihn  verlautet.  —  Auf  einer  Schenkungsurkunde  waren  zwei  Räuber 
(als  Zeugen)  unterschrieben.  Rab  Papa  b.  Sch^muel  (um  340)  gedachte  sie  (die  Urkunde) 
für  gültig  zu  erklären,  weil  man  sie  (die  Unterzeichner)  nicht  (als  untaugliche  Zeugen) 
bekannt  gemacht  hatte.  Da  sagte  Raba  (f  352)  zu  ihm :  Wenn  wir  bei  denen,  die  nach 
der  Meinung  der  Rabbinen  Räuber  sind,  die  öffentliche  Bekanntmachung  fordern,  müssen 
wir  darum  die  ö.  B.  bei  denen  fordern,  die  nach  der  Tora  Räuber  sind?  |1  K'^th49'': 
Wenn  ein  solcher  (d.  h.  ein  Vater,  der  seine  Kinder  nicht  ernähren  wollte)  vor  Rab 
Chisda  (f  309)  kam,  sagte  dieser:  Kehrt  einen  Mörser  in  der  Gemeindeversammlung 
um.  daß  er  (entweder  dieser  Vater  oder  der  Synagogendiener,  s.  Raschi)  sich  hinauf- 
stelle u.  sage  (öffentlich  bekanntmache):  Der  Rabe  liebt  seine  Jungen,  aber  dieser 
Mann  liebt  seine  Kinder  nicht!  1|  Qid  81":  Mar  Zutra  (t417)  ließ  (einen  Mann,  der  mit 
der  Ehefrau  eines  andren  allein  zusammengewesen  war)  geißeln  u.  öffentlich  kekannt 

^  Nach  RH  1,8  u.  Sanh  3,3  waren  als  Zeugen  untauglich:  Der  Würfelspieler,  der 
auf  Zins  Leihende,  die,  welche  Tauben  (im  Wettspiel)  fliegen  lassen,  die  mit  dem  Ertrag 
des  Sabbatjahres  Handeltreibenden  u.  die  Sklaven.  —  Die  Bar  Sanh  25  ^  fügt  noch  hinzu : 
Die  Räuber  u.  die  Gewalttätigen,  ferner  die  Hirten,  die  Steuererheber  u.  die  Zöllner. 

*  Dieser  Ausspruch  findet  sich  Sanh  25 '\ 


792  ^»latth  18,  17.  18 

machen  (aus  welchem  Grunde  er  gegeißelt  sei,  nämlich,  weil  er  des  Ehebruchs  ver- 
dächtig, aber  nicht  des  Ehebruchs  überführt  sei).  Rab  Nachman  aus  Parhetja  sagte  zu 
RabAschi(t  427):  Der  Herr  möge  gleichfalls  geißeln  u.  öffentlich  bekannt  machen 
lassen!  Er  antwortete:  Man  könnte  es  in  dem  einen  Fall  hören  u.  in  einem  andren 
nicht,  il  Joma86'':  Zwei  gute  Führer  (Versorger)  sind  den  Israeliten  erstanden,  Mose 
u.  David.  Mose  sprach:  Meine  Sünde  möge  aufgesehrieben  werden  (in  der  Schrift),  s. 
Nu  20, 12:  Jahve  sprach  zu  Mose  u.  zu  Ahron:  „Weil  ihr  an  mich  nicht  geglaubt  habt, 
daß  ihr  mich  vor  den  Augen  der  Kinder  Israel  geheiligt  hättet,  deswegen  sollt  ihr 
diese  Versammlung  nicht  in  das  Land  bringen."  David  sagte:  Meine  Sünde  möge  nicht 
aufgeschrieben  werden,  s.  Fso2, 1:  ,Wohl  dem,  dem  die  Übertretung  verziehen,  dem 
die  Sünde  bedeckt  ist."  Womit  läßt  sich  das  Verhalten  Moses  u.  Davids  vergleichen? 
Mit  zwei  Frauen,  die  vom  Gerichtshof  bestraft  (gegeißelt)  wurden.  Die  eine  hatte  Un- 
zucht getrieben  (sie  wünschte  nicht,  daß  der  Grund  ihrer  Bestrafung  bekannt  gemacht 
würde;  ihr  glich  David);  u.  die  andre  hatte  unreife  Feigen  vom  Brachjahre  gegessen. 
Diese  sprach  zu  den  Richtern:  Ich  bitte  euch,  gebt  bekannt,  weshalb  ich  bestraft 
worden  bin,  damit  man  nicht  sage:  Weswegen  jene  bestraft  ist,  ist  (auch)  diese  be- 
straft worden.  Da  brachte  man  unreife  Feigen  vom  Brachjahre,  hängte  sie  an  ihren 
Hals  u.  ließ  vor  ihr  öffentlich  ausrufen  u.  sagen :  Des  Brachjahres  wegen  ist  sie  be- 
straft worden.  Parallelstellen:  SDt3,2o  §26  (70^);  NuR  19  (ISÖ-^);  nach  LvR31  (129») 
ist  R.  Jimda  (um  150)  der  Autor  der  Ausführung.  i|  MQ  16-':  (Raba,  f  352,  hat  gesagt:)- 
Woher  läßt  es  sich  aus  der  Schrift  beweisen,  daß  man  seine  (des  mit  dem  Bann  Be- 
straften) Verfehlungen  einzeln  in  der  Gemeinde  angibt?  Weil  es  heißt  Ri  5,23:  Weil 
sie  Jahve  nicht  zu  Hilfe  kamen.  (Diese  Worte  geben  nach  Raba  den  Grund  des  Bann- 
spruchs über  Meroz  ausdrücklich  an.)  i|  Ferner  s.  pPea  1,  lo*^",  23  bei  Mt  15,  4  S.  709. 

18,17  SB:  Er  sei  dir  wie  der  Heide  u.  der  Zöllner. 

wansQ  6  id^vixöq.  —  Über  das  Verhalten  des  Juden  gegen  Heiden 
s.  den  Exkurs:  „Die  Stellung  des  Judentums  zum  Heidentum."  —  Die 
Wendung:  „Er  sei  dir  wie  der  Heide"  auch  Schab  105''  Bar:  R.  Schim^on 
b.  El^azar  (um  190)  sagte  im  Namen  des  Chilpha  b.  Agra  (um  150),  der 
es  im  Namen  des  R.  Jochanan  b.  Nuri  (um  110)  sagte:  Wer  seine  Kleider 
im  Zorn  zerreißt,  wer  seine  Gefäße  im  Zorn  zerbricht,  wer  sein  Geld  im 
Zorn  verstreut  —  der  sei  in  deinen  Augen  wie  der  Götzendiener.  Denn 
so  ist  es  der  Kunstgriff  (wörtlich:  das  Handwerk)  des  bösen  Triebes: 
heute  sagt  er  zu  ihm:  „Tue  das"  u.  morgen  sagt  er  zu  ihm:  „Tue  das", 
bis  er  zu  ihm  sagt:   „Diene  dem  Götzen",  u.  er  geht  hin  u.  dient. 

xal  {olffiiso)  0  Tskmi^q  —  hierzu  s.  bei  Mt  5,  46. 

Über  die  Verpflichtungen,  die  im  Verkehr  mit  einem  Gebannten  zu 
beobachten  waren,  s.  den  Exkurs:  „Der  Synagogenbann"  B,  3.  4  u.  C. 

18,18:  Was  auch  immer  ihr  auf  Erden  binden  werdet,  wird 
im  Himmel  gebunden  sein,  u.  was  auch  immer  ihr  auf  Erden 
lösen  werdet,  wird  im  Himmel  gelöst  sein. 
6rj(TriT€  .  .  .  Xvoi]Ts.  —  Der  Zus. hang  fordert  die  Bedeutung  „den 
Bann  verhängen"  u.  „den  Bann  lösen";  vgl.  bei  Mtl6, 19^.  Hier  sei 
darauf  hingewiesen,  daß  auch  die  Synagoge  den  Bann  als  Abschluß  eines 
förmlichen  Disziplinarverfahrens  gekannt  hat.  Wenn  zB  ein  Schuldner 
von  einem  Gerichtshof  zur  Zahlung  seiner  Schuld  verurteilt  war,  sich 
aber   weigerte   zu   zahlen,   forderte  ihn  der  Gerichtshof  durch  einen 


Matth  18, 18. 19  793 

Gerichtsdiener  auf,  an  einem  der  drei  nächsten  Gerichtstage  ^  an  der 
Gerichtsstätte  zu  erscheinen.  Die  Vorladung  hatte  genau  die  Sache  zu 
bezeichnen,  um  die  es  sich  handelte,  u,  den  Richter  namhaft  zu  machen, 
in  dessen  Hand  die  Angelegenheit  gelegt  war.  Erschien  der  Schuldner 
u.  erkannte  er  nunmehr  das  Urteil  an,  so  war  die  Sache  erledigt.  Er- 
schien er  aber  nicht  oder  erklärte  er  dem  Gerichtsdiener,  daß  er  der 
Vorladung  nicht  Folge  leisten  würde,  so  wurde  er  nach  Ablauf  der 
ihm  gesetzten  Frist  vom  Gerichtshof  mit  dem  Bann  belegt,  u,  zwar 
zunächst  für  die  gewöhnliche  Dauer  des  Bannes,  d.  h.  auf  30  Tage. 
Ließ  der  Schuldner  diese  Zeit  verstreichen,  ohne  in  sich  zu  gehen,  so 
wurde  der  Bann  auf  weitere  30  Tage  verlängert.  Vergingen  auch  diese 
fruchtlos,  so  sprach  der  Gerichtshof  den  schärferen  Bann  D'^n  über  ihn 
aus,  der  auf  ihm  blieb,  bis  er  seinen  Gläubiger  befriedigte  u.  beim 
Gerichtshof  die  Lösung  des  Bannes  nachsuchte.  Starb  er  im  Bann,  so 
ließ  der  Gerichtshof  einen  Stein  auf  den  Sarg  legen  zum  Zeichen,  daß 
er  die  Steinigung  verdient  habe.  —  Siehe  den  Exkurs:  „Der  Synagogen- 
bann"  B,  1,  o;  B,  8,  c. 

l'arai  ^sdej-ura  si'  ovqavoi^  s.  bei  Mt  16, 19  S  Nr.  2.  —  Bemerkenswert 
ist,  daß  sich  unter  den  altsynagogalen  Bannformeln  auch  diese  findet: 
^siiü"i  inbxT  Nrnairn  '^inib  =  „er  sei  im  Bann  des  Gottes  Israels";  es 
scheint  darin  zu  liegen,  daß  der  betreffende  Bann  im  Namefl  Gottes  u. 
mit  Wirkung  für  Gott  ausgesprochen  werde. 

ChuUin  132  b :  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Ein  Priester,  der  (als  Fleischer  oder  Vieh- 
besitzer) die  (Priester-)Gaben  nicht  absondert  (um  sie  an  einen  andren  Priester  zu  ent- 
richten), der  sei  im  Bann  des  Gottes  Israels.  ||  ?AZ  25"  sagt  Rab  M*^nasse  (um  300)  zu  Dieben: 
Möge  es  (Gottes)  Wille  sein,  daß  diese  Menschen  (=  ihr)  in  seinem  Bann  seien! 

18, 19:  Wenn  zwei  von  euch  übereinstimmen  auf  Erden  über 
irgendeine  Sache,  die  sie  erbitten  werden,  so  wird  sie  ihnen 

zuteil  werden. 

Zur  Kraft  des  gemeinsamen  Gebetes  s. : 

B^'rakh  8'"^:  R.  Acha  b.  Chanina  (um  300)  hat  gesagt:  (Daß  die  Gebete  in  der  Syn- 
agoge zur  Zeit,  da  die  Gemeinde  darin  betet,  erhört  werden)  folgt  aus  Hi  36,  5:  Gott 
wird  die  vielen  (die  in  der  Syn.  beten)  nicht  verachten  (so  der  Midr);  ferner  s.  Ps55, 19: 
Er  erlöst  in  Frieden  meine  Seele  vom  Kriege  wider  mich;  denn  die  Menge  (der  beten- 
den Gemeinde,  in  deren  Mitte  er  selbst  betet)  war  um  mich  (so  dürfte  der  Midr  die 
Stelle  gefaßt  haben).  Eine  Bar  lautet  ebenso:  R.  Nathan  (um  160)  hat  gesagt:  Woher, 
daß  Gott  das  (gemeinsame)  Gebet  der  vielen  nicht  verachtet?  s.  Hi  36,  5  u.  Ps  55, 19. 
Gott  spricht:  Wer  sich  mit  der  Tora  beschäftigt  u.  mit  Liebeswerken,  u.  wer  zusammen 
mit  der  Gemeinde  betet,  dem  rechne  ich  das  so  an,  als  ob  er  mich  u.  meine  Kinder 
aus  den  Völkern  der  Welt  heraus  erlöst  hätte.  —  Die  Bar  in  SNu  27, 12  §  135  (5H).  || 
Midr  KL  3,8  (69 fe):  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Mit  wem  läßt  sich  der  vergleichen, 
der  mit  der  Gemeinde  betet?  Mit  Menschen,  die  dem  König  eine  Krone  machten.  Da 
kam  ein  Armer  u.  gab  seinen  Teil  dazu.  Wie,  wird  der  König  etwa  sagen:  Weil  dies 
ein  Armer  ist,  nehme  ich  sie  nicht  an?  Sofort  nimmt  er  sie  an  u.  setzt  sie  aufsein 
Haupt.  Ebenso  wenn  zehn  Gerechte  im  Gebet  stehen  u.  ein  Gottloser  steht  unter  ihnen, 

^  Gerichtstage  Avaren  der  Montag  u.  Donnerstag  jeder  Woche. 


794  Watth  18,  20 

soll  daGottsageu:  Weil  dies  ein  Gottloser  ist,  nehme  ich  ihr  GeLet  nicht  an?  ||DtR2(19S'*): 
„Ich  lichte  mein  Gebet  zu  dir,  Jahve,  zur  Zeit  des  Wohlgefallens"  Ps  69,  14.  Weil 
David  ein  einzelner  war  (für  sich  allein  betete),  sagte  er:  ,Zur  Zeit  des  Wohlgefallens"; 
aber  das  Gebet  der  Gesamtheit  (Gemeinde)  kommt  niemals  leer  zurück. 

18,20:  Wo  zwei  oder  drei  auf  meinen  Namen  versammelt 
sind,  da  bin  ich  mitten  unter  ihnen. 

Aboth  3,2:  R.  Chanina  b. T'^'radjon  (f  um  135)  sagte:  Wenn  zwei  (zusammen)  sitzen, 
ohne  daß  Worte  der  Tora  zwischen  ihnen  (Gesprächsstoff)  sind,  so  ist  das  ein  Sitz  der 
Spötter,  s.  Ps  1, 1 :  „Auf  dem  Sitz  der  Spötter  sitzt  er  nicht."  Aber  wenn  zwei  (beieinander) 
sitzen  u.  Worte  der  Tora  sind  zwischen  ihnen,  so  weilt  die  Sch'^khina  (Gottheit)  unter 
ihnen,  s.  Mal  3, 16:  „Da  besprachen  sich  die  Gottesfürchtigen  der  eine  mit  dem  andren 
(also  zwei),  u.  es  horchte  Jahve  u.  hat's  gehört,  u.  es  wurde  ein  Gedenkbuch  geschrieben 
vor  ihm  für  die  Gottesfürchtigen  u.  die  da  achten  sginen  Namen."  —  Da  höre  ich  nur 
von  zweien;  woher,  daß  auch,  wenn  nur  Einer  sitzt  u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigt, 
Gott  ihm  seinen  Lohn  bestimmt?  s.  K,L  3,28:  Er  sitze  allein  u.  schweige,  denn  er 
empfängt  (so  der  Midr).  |!  Aboth  3,6:  R.  Chalaphta  b.  Dosa  aus  K'^phar-Chananja*  (in 
Galiläa)  sagte:  Wenn  zehn  sitzen  u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigen,  so  weilt  die 
Sch%kina  unter  ihnen,  s.  Ps  82, 1:  Gott  steht  da  in  der  Gemeinde  {~--j)  Gottes  (u.  zu 
einer  n-:'j  gehören  nach  Nu  14,27,  wo  die  zehn  widerspenstigen  Kundschafter  eine  my 
genannt  werden,  zehn  Personen).  Woher  auch  bei  fünf  ?  Es  heißt  Am  9, 0:  Seine  Ver- 
einigung hat  er  auf  Erden  begründet  (so  der  Midr).'^  Woher  auch  bei  dreien?  Weil 
es  Ps  82,  1  heißt:  Inmitten  der  Götter  (=  Richter,  u.  ein  Gerichtshof  wird  von  drei 
Personen  gebildet)  hält  er  Gericht.  Und  woher  auch  bei  zweien?  s.  Mal  3, 16  (wie  im 
vorigen  Zitat).  Und  woher  auch  bei  Einem?  s.  Ex  20,  24:  An  jedem  Ort,  wo  ich  ein 
Gedächtnis  meines  Namens  stiften  werde,  will  ich  zu  dir  (also  dem  einzelnen)  kommen 
u.  dich  segnen.  —  Dasselbe  anonym  M'^kh  Ex  20,  24  (80 1>);  in  B^'rakh  6"  R.  Ji9chaq 
(um  300)  als  Autor  genannt;  in  diesen  beiden  Stellen  fehlt  der  auf  fünf  Personen  be- 
zügliche Passus.  —  Vgl.  auch  AbothRNS  Anf. :  J^'hoschuaf  b.  P^'racbja  (um  110  v.  Chr.j 
sagte:  Verschaffe  dir  einen  Lehrer  u.  erwirb  dir  einen  Studiengenossen  u.  beurteile 
jedermann  zum  Guten  (wörtlich:  nach  der  Wagschale  des  Verdienstes  hin).  Erwirb  dir 
einen  Studiengenossen.  Wie  ist  das  gemeint?  Es  will  lehren,  daß  sich  der  Mensch 
einen  Genossen  erwerben  soll,  mit  dem  er  gemeinsam  ißt,  trinkt,  die  Schrift  u.  die 
Tradition  studiert,  schläft  u.  ihm  alle  seine  Geheimnisse,  das  Geheimnis  der  Tora  u. 
das  Geheimnis  der  Sitte  offenbart;  wenn  sie  sitzen  u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigen 
u.  einer  von  ihnen  irrt  sich  in  der  Halakha  oder  über  den  Anfang  eines  Kapitels,  oder 
wenn  er  Unreines  für  rein  u.  Reines  für  unrein  erklärt,  woher,  daß  sie,  wenn  sein 
Genosse  ihn  zurechtbringt,  guten  Lohn  für  ihre  Arbeit  haben?  Weil  es  heißt  Qoh4, 9: 
Besser  sind  zwei  als  Einer,  sie  haben  guten  Lohn  für  ihre  Mühe.  Wenn  drei  sitzen 
u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigen,  so  rechnet  es  ihnen  Gott  so  an,  als  ob  sie  eine  Ver- 
einigung m*;«  vor  ihm  geworden  wären,  s.  Am  9, 6  (wie  oben).  Wenn  zwei  sitzen  u. 
sich  mit  der  Tora  beschäftigen,  so  wird  ihr  Lohn  droben  angenommen,  s.  Mal  3,  16 
(wie  oben).  „Die  Jahve  fürchten",  das  sind  die,  welche  eine  Entschließung  fassen  u. 
sagen:  Wir  wollen  gehn  u.  die  Gebundenen  lösen  u.  die  Gefangenen  loskaufen;  ihnen 
gibt  Gott  reichliche  Gelegenheit  dazu  u.  sie  führen  es  alsbald  aus.  „Die  auf  seineu 
Namen  achten",  das  sind  die,  die  in  ihrem  Herzen  erwägen  u.  sagen:  Sollen  wir  gehn 
u.  die  Gebundenen  lösen  u.  die  Gefangenen  loskaufen?  Denen  gibt  Gott  keine  Ge- 
legenheit dazu  u.  ein  Engel  kommt  u.  schlägt  sie  zu  Boden.  Wenn  ein  einzelner  sitzt 
u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigt,  so  wird  sein  Lohn  droben  angenommen,  s.  KL  3,  28 


'  Um  180,  wenn  identisch  mit  Abba  Chalaphta  aus  K*'phar- Chananja,  der  BM94^ 
im  Namen  des  R.  Meir  tradiert. 

*  Inwiefern  die  „Vereinigung"  r;-::;x  gerade  die  Fünfzahl  erfordern  soll,  ist  nicht 
klar;  etwa  nr«;«  =  etwas,  was  man  mit  den  fünf  Fingern  fassen  kann? 


Matth  18,  20.21  795 

(wie  oben).  |t  Sanli  39'':  Der  Kaiser  (wohl  Hadrian)  sprach  zu  Rabban  Gamliel 
(um  90):  Ihr  sagt:  Überall,  wo  zehn  versammelt  sind,  weilt  die  Sch®khina.  Wie  viele 
Sch*^khiuas  gibt  es  denn?  Da  rief  er  den  Diener  (des  Kaisers)  u.  schlug  ihn  gegen 
den  Hals.  Er  sprach  zu  ihm:  Wozu  das?  (Er  antwortete:)  Die  Sonne  scheint  in  das 
Haus  des  Kaisers  hinein  (das  hätte  der  Diener  verhindern  sollen)!  Er  sprach:  Die  Sonne 
ist  in  der  ganzen  Welt.  Rabban  Gamliel  erwiderte:  Wenn  die  Sonne,  die  doch  nur 
einer  von  den  tausendmaltausend  Myriaden  von  Dienern  vor  Gott  ist,  in  der  ganzen 
Welt  ist,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  der  Sch'^khina!  ||  B'^rakh  5  '^:  Abba  Binjamin 
(ein  Tannait  unbestimmter  Zeit)  sagte:  Wenn  zwei  (in  die  Synagoge)  kommen,  um  zu 
beten,  u.  der  eine  von  ihnen  wird  früher  mit  seinem  Gebet  fertig  u.  wartet  nicht  auf 
den  andren  u.  geht  fort,  so  zerreißt  man  (=  Gott)  sein  Gebet  vor  ihm,  s.  Hi  18,4: 
Du,  der  sich  selbst  zerreifät  in  seinem  Zorn,  soll  deinetwegen  verödet  werden  das  Land? 
Und  nicht  bloß  dies,  sondern  er  veranlaßt  auch  die  Sch'^khina,  daß  sie  sich  von  Israel 
entfernt,  s.  das.:  Soll  wegrücken  der  Fels  von  seinem  Ort?  Denn  der  »Fels"  ist  nichts 
andres  als  Gott,  s.  Dt  32,  18:  ,Du  versäumtest  den  Felsen,  der  dich  geboren."  Und 
wenn  er  auf  ihn  wartete,  was  ist  sein  Lohn?  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt: 
Er  ist  würdig  der  Segnungen  Jes  48,  18  f.:  Wenn  du  wolltest  lauschen  auf  meine  Ge- 
bote, da  wird  wie  der  Sand  dein  Same  u.  deines  Leibes  Sprossen  wie  seine  Körner 
usw.;  da  würde  dem  Strome  gleich  deine  Wohlfahrt  u.  deine  Gerechtigkeit  gleich  den 
Meereswogen.  (Der  Text  hat  die  beiden  Verse  in  umgekehrter  Reihenfolge.)  ||  Midr 
Ps  90  §10  (196='):  Warum  heißt  Gottes  Name  S'^p«  =  Ort?  Weil  an  jedem  Ort,  an 
welchem  Gerechte  stehn,  er  sich  dort  bei  ihnen  befindet,  s.  Ex  20,  24:  ,An  jedem  Ort, 
wo  ich  ein  Gedächtnis  meines  Namens  stiften  werde,  werde  ich  zu  dir  kommen  u.  dich 
segnen."  Ferner  s.  Gn28, 11:  „Er  traf  auf  Gott  sipiss  u.  übernachtete  daselbst."  — 
Die  Stelle  stammt  aus  PirqeREl  35.  |i  Ferner  s.  Qid  30  b  bei  Mt  15, 4  31  S.  706. 

18,  21:  Wie  oft  darf  mein  Bruder  gegen  mich  sündigen 
u.  soll  ich  ihm  vergeben?    Bis  siebenmal? 

Der,  welcher  einem  andren  ein  Unrecht  zugefügt  hat,  ist  verpflichtet, 
den  Gekränkten  durch  Abbitte  zu  versöhnen;  nur  unter  dieser  Be- 
dingung vergibt  Gott  das  Unrecht,  a  Die  Abbitte  erfolgt  in  Gegenwart 
von  Zeugen,  braucht  aber  nur  dreimal  wiederholt  zu  werden,  falls  der 
Beleidigte  unversöhnlich  bleibt. b  Die  Meinung  (Lightfoot,  Schöttgen, 
Keil  usw.),  daß  nach  pharisäischer  Lehre  der  Beleidigte  nur  dreimal 
nötig  habe,  einunddemselben  Beleidiger  Verzeihung  angedeihn  zu  lassen, 
ist  aus  dem  rabbin.  Schrifttum  nicht  belegt.  Die  dafür  beigebrachten 
Stellen  sind  unrichtig  aufgefaßt.  Höchstens  könnte  man  aus  dem  Satz, 
daß  Gott  einem  Menschen  dieselbe  Sünde  nur  zwei-  bis  dreimal  ver- 
gebe, folgern,  daß  auch  der  Mensch  seinem  Nächsten  gegenüber  zu 
keinem  andren  Verhalten  verpflichtet  sei;  diese  Folgerung  aber  ist 
nirgendwo  tatsächlich  ausgesprochen,  c 

a.  Belege  s.  bei  Mt  5,  24  u.  6,  14  f.  —  Ferner  vgl.  Joma  8,  9:  Für  Versündigungen 
des  Menschen  gegen  Gott  schafft  der  Versöhnungstag  Sühnung; '  für  Versündigungen 
des  Menschen  gegen  seinen  Nächsten  schafft  der  Versöhnungstag  keine  Sühnung,  bis 
er  seinen  Nächsten  versöhnt  hat.  Das  hat  R.  Elfazar  b.  ?Azarja  (um  100)  erklärt  aus 
den  Worten. Lv  16, 30:  „Von  allen  euren  Sünden  vor  Jahve  sollt  ihr  rein  werden"  (so 
der  Midr):  für  die  Versündigungen  des  Menschen  gegen  Gott  schafft  der  Versöhnungs- 

^  Dabei  bleibt  die  Frage  offen,  ob  die  sühnende  Kraft  des  Versöhnungstages  wirk- 
sam wird  nur  in  Verbindung  mit  der  Buße  des  Menschen,  so  R.  Jischmasel,  f  um  135 
TJom5, 7(190)  u.  Parallelen,  oder  auch  ohne  sie,  so  Rabbi  Joma  87". 


796  -^^atth  18,  21 

tag  Sühnung;  für  die  Versündigungen  des  Menschen  gegen  seinen  Nächsten  schafft  der 
V.tag  keine  Sühnung,  bis  er  seinen  Nächsten  versöhnt  hat.  |i  Joma87'':  Rah  Joseph 
b.  ',zr,  (=  -an?)  warf  vor  R.  Abbahu  (um  300)  die  Frage  auf:  Es  heißt  (in  vorstehender 
Mischna) :  Für  Versündigungen  des  Menschen  gegen  seinen  Nächsten  schafft  der  V.tag 
keine  Sühnung,  bis  er  seinen  Nächsten  versöhnt  hat  (also  gibt  es  doch  eine  Vergebung). 
Steht  denn  aber  nicht  geschrieben  lSm2, 25:  Wenn  ein  Mensch  gegen  einen  andren 
sündigt,  so  richtet  ihn  (""'Vi)  Gott?  Was  ist  Gott?  Ein  Richter  (ist  er  in  diesem  Fall, 
u.  nicht  ein  Vergeber).  In  diesem  Fall  müßte  ich  den  Schluß  der  Schriftstelle  deuten: 
Wenn  sich  aber  ein  Mensch  gegen  Jahve  versündigt,  wer  wollte  Richter  für  ihn  sein? 
(Die  Antwort  müßte  lauten:  , Niemand";  u.  doch  hat  Gott  viele  Rächer  zur  Hand; 
folglich  ist  die  Deutung  nicht  richtig.)  Vielmehr  ist  es  so  gemeint:  Wenn  sich  ein  Mensch 
gegen  einen  andren  versündigt  u.  ihn  (begütigend)  bittet  (I'-e),  so  vergibt  ihm  Gott;  wenn 
sich  aber  ein  Mensch  gegen  Jahve  versündigt,  wer  bittet  für  ihn?  Buße  u.  gute  Werke. 

b.  pJoma  8,  45'',  19:  Sch'^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Der,  welcher  gegen  einen  andren 
gesündigt  hat,  muß  zu  ihm  sagen:  „Ich  habe  mich  verschuldet  gegen  dich."  Wenn 
jener  es  annimmt,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht,  so  bringe  er  Männer  herbei  u.  ver- 
söhne ihn  in  deren  Gegenwart,  s.  Hi33, 27:  ,Er  mache  eine  Reihe*  samt  den  Männern" 
(so  der  Midr);  er  bilde  eine  Reihe  aus  den  Männern  u.  sage:  „Ich  habe  gesündigt  u. 
Gerades  krumm  gemacht,  u.  es  ward  mir  nicht  vergolten"  Hi  33,27.  Wenn  er  also  tut, 
dann  sagt  die  Schrift  über  ihn  Hi  38, 28 :  Erlöst  hat  er  seine  -  Seele  vom  Hingang  in 
die  Grube  u.  sein'^  Leben  freut  sich  am  Licht.  Ist  er  (der  Beleidigte)  gestorben,  so 
muß  er  ihn  an  seinem  Grabe  versöhnen  u.  sagen:  „Ich  habe  mich  gegen  dich  ver- 
schuldet." II  Joma  87'"':  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Wer  seinen  Nächsten  auch  nur 
mit  Worten  gekränkt  hat,  muß  ihn  versöhnen,  s.  Spr  6, 1  ff.:  „Mein  Sohn,  wenn  du  für 
deinen  Nächsten  Bürge  geworden  bist  u.  für  einen  andren  deinen  Handschlag  gegeben 
hast,  wenn  du  verstrickt  bist  durch  die  Worte  deines  Mundes  (durch  die  du  jemand 
gekränkt  hast,  Raschi),  so  tue  doch  dieses,  mein  Sohn,  damit  du  dich  rettest" :  wenn 
du  Vermögen  besitzest,  so  öffne  ihm  die  Handfläche,  u.  wenn  nicht,  so  mache  der  Freunde 
(.Fürsprecher)  viele  bei  ihm.  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Er  muß  ihn  in  drei  Reihen 
zu  je  drei  Mann  (u.  zwar  dreimal  in  je  einer  Reihe)  versöhnen,  s.  Hi  33, 27 :  Er  mache 
eine  Reihe'  samt  den  Männern  u.  sage:  Ich  habe  gesündigt  u.  Gerades  krumm  ge- 
macht, u.  es  ward  mir  nicht  vergolten.  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270):  Wer  Verzeihung 
bei  seinem  Nächsten  nachsucht,  der  suche  sie  nicht  öfter  als  dreimal  nach,  s.  GnöO,  17: 
„.\ch  bitte,  vergibt  doch  ...  u.  nun  vergib  doch"  (3  Bittworte,  ein  Hinweis  auf  drei- 
maliges Bitten).  Wenn  er  (der  Beleidigte)  aber  gestorben  ist,  so  schaffe  er  zehn  Männer 
herbei  u.  stelle  sie  an  seinem  Grabe  auf;  dann  soll  er  sagen:  Ich  habe  gesündigt  an 
Jahve,  dem  Gott  Israels,  u.  an  diesem  NN,  den  ich  verletzt  habe.  —  Der  Ausspruch 
des  R.  Jose  b.  Chanina  ist  zitiert  Joma  87"^.  —  Die  Parallelstelle  aus  P^siqR  38  (164'^) 
s.  bei  Mt  6, 14  f.  S.  425.  —  Über  Abbitte  am  Grabe  vgl.  Chag  22  b,  oben  S.  285;'. 

C.  Schöttgen  verweist  auf  den  Ausspruch  des  R.  Jose  b.  Chanina  Joma  87"'-'^  (s. 
Anm.h);  aber  das  Wort  handelt  nicht  davon,  wie  oft  man  vergeben  solle,  sondern  wie 
oft  man  um  Vergebung  bitten  müsse.  —  Lightfoot  zitiert  Joma  86  b  Bar:  R.  Joseb.J'^huda 
(um  180)  sagte:  Wenn  ein  Mensch  eine  Übertretung  Einmal  begeht,  so  vergibt  man 
ihm;  wenn  zum  zweitenmal,  so  vergibt  man  ihm;  wenn  zum  drittenmal,  so  vergibt 
man  ihm;  wenn  zum  viertenmal,  so  vergibt  man  ihm  nicht,  s.  Am  2,4:  So  spricht 
Jahve:  Um  dreier  Missetaten  Judas  (der  Talmudtext  liest:  Israels),  ja  um  vierer  willen 
wende  ich  es  nicht  mehr  ab;  ferner  s.  Hi33, 29:  Siehe,  dies  alles  tut  Gott  zweimal, 
dreimal  dem  Mann.  Was  soll  die  zweite  Stelle?  Wenn  du  sagen  wolltest,  jene  Worte 
(Am  2)  beziehen  sich  auf  die  Gesamtheit,  aber  nicht  auf  den  einzelnen,  so  komm  u. 
höre:  „Siehe,  dies  alles  tut  Gott  zweimal,  dreimal  dem  Manne  (also  dem"  eineelnen); 
von  da  an  u.  weiter  vergibt  man  ihm  nicht  mehr,  s.  Am  2,  4 :   Um  dreier  Missetaten 


1  -»B'  wird  abgeleitet  von  r.-'x  =  Reihe. 
»  Der  Talmudtext  gibt  das  Q'^re. 


Matth  18,  22.  23.  25  {«)  797 

Judas  willen  usw.  —  Die  Stelle  handelt  nicht  vom  Vergeben  seitens  eines  Menschen, 
sondern  von  dem  Vergeben  seitens  Gottes;  das  unbestimmte  „man*  ist,  wie  ungezählte 
Male  im  Rabbin.,  Ersatz  für  den  gern  vermiedenen  Gottesnamen.  Daß  allein  von  Gott 
die  Rede  ist,  beweisen  auch  genügend  die  beiden  Schriftzitate. 

18,22:  Siebenzigmal  sieben,  ißdo/j^rixorräxig  friTci. 
Gn4,  24:  „Siebenfach  wird  Kain  gerächt,  aber  Lemekh  siebenund- 
siebzigmal."  Die  letzte  Zahl  in  Test  Benj  7  umgewandelt  in  ißäof.irjxoriaxic 
smci  u.  die  erste  in  inraxomoi:  In  700  Jahren  wurde  Kain  gerichtet, 
Lamech  aber  in  70 mal  7  (Jahren).  Die  Vergröfaerung  der  ersten  Zahl 
auf  700  beweist  klar,  daß  die  Testamente  ^ßSoi^irixorraxig  tmä  nicht  = 
77 mal,  sondern  =  70mal  7  verstanden  wissen  wollen.  —  Wie  die  LXX 
ihr  iß6of.ii.xorTccx(c  tmä  Gn  4,  24  gemeint  haben,  bleibt  ungewiß.  — 
Targ  Onk  u,  Jerusch  I  haben  die  Zahlen  des  Grundtextes  beibehalten. 

18,23:  Gleich  einem  menschlichen  König,  der  mit  seinen 
Knechten  abrechnen  wollte. 

dv&Qojno}  ßaai'/.sT  a-^i  ira  -^h■o  »König  von  Fleisch  u.  Blut"  =  menschlicher  König; 
Gegensatz:  der  König  aller  Könige  =  Gott.  Beispiele  s.  bei  Mt  16, 17  SB.  ||  avyägai  "käyor 
=  ■j'^;:«?-  n-by  oder  7-ü~  (a»")  a^-.  \\  pBQ  10, 7 '»,52:  Wir  wissen  nicht,  ob  unser  Vater 
zuletzt  (vor  seinem  Tode)  Abrechnung  gehalten  hat  -iz-ar,  nvv.  —  Dieselben  Worte 
daselbst  noch  öfters.  ||  BB  78lJ:  Kommt,  wir  wollen  eine  gewöhnliche  Abrechnung  halten 

18,25  51:  Da  er  nicht  hatte  zu  bezahlen,  befahl  der  Herr, 
daß  er  verkauft  werde. 

Der  Fall  ist  zu  beurteilen  nach  Ex  22,  2:  „Er  (der  Dieb)  muß  Ersatz 
geben.  Wenn  er  nichts  hat,  so  werde  er  um  sein  Gestohlenes  verkauft." 
Dazu  heißt  es  Josephus,  Antiq.  16,  1,  1:  'ExäXavov  ydq  ol  vofioi  xejQa- 
nXÜGiov  xccraßakeTv  vor  xXsTivrjv,  ovx  s^ovra  6t  jiinQÜaxsG^ai  fih',  dXk' 
oini  ys  ToTg  dXXocfvXoig,  ovo'  mcts  6irp'€xf^  rr^r  SovXsfar  vTtofJLSisiv  edtt 
yc(o  difeialhai  iisxd  l'^aaxiar.  (Vorher  u.  nachher  ist  die  Rede  von  der 
Verschärfung  des  Gesetzes  durch  Herodes  I.  dahin,  daß  der  Verkauf 
des  Diebes  auch  ins  Ausland  erlaubt  wurde.) 

Die  traditionelle  Auslegung  des  Gesetzes. 

M'^kh  Ex  22,  2  (95b):  ,Wenn  er  nichts  hat,  so  werde  er  um  sein  Gestohlenes  ver- 
kauft." Wenn  ich  daraus  entnehmen  wollte,  daß  er  für  immer  verkauft  werde,  so  sagt 
die  Schrift  lehrend  Ex  21,  2:  Sechs  Jahre  soll  er  dienen  u.  im  siebenten  soll  er  frei 
ausgehn.  „Er  werde  verkauft  um  sein  Gestohlenes" :  für  nicht  weniger  u.  für  nicht 
mehr.  R.  J^iuda  (um  150)  sagte:  Wenn  er  weniger  gestohlen  hat,  als  er  wert  ist, 
so  wird  er  nicht  verkauft;  wenn  aber  mehr,  als  er  wert  ist,  so  hat  der  Bestohlene 
n3-:;r!  Vsa  die  freie  Wahl:  wenn  er  ihn  verkaufen  will,  so  darf  er  es;  wenn  nicht,  so 
schreibt  er  (der  Schuldner)  ihm  eine  (Schuld-)Urkunde.  R.  Eli;ezer  (um  90)  sagte:  Hat 
er  weniger  gestohlen,  als  er  wert  ist,  so  wird  er  nicht  verkauft;  wenn  aber  mehr,  als 
er  wert  ist,  so  muß  er  (der  Bestohlene)  sich  daran  genügen  lassen,  wenn  er  sich  (durch 
den  Verkauf  des  Diebes)  zur  Hälfte  bezahlt  macht  u.  zur  Hälfte  Verlust  erleidet.  — 
Der  letzte  Satz  schließt  den  nochmaligen  Verkauf  des  Diebes  nach  Ablauf  seiner  sechs- 
jährigen Sklavenzeit  aus.  Dazu  vgl.  pSota  3, 19'^  54:  Der  Mann  wird  wegen  seines  Ge- 
stohlenen verkauft,  aber  nicht  wegen  des  doppelten  Ersatzes  (s.  Ex  22, 3);  wegen  seines 
Gestohlenen,   aber  nicht  wegen  Überführung  als  falscher  Zeuge  (u.  der  damit  unter 


798  ^tatth  18,  25  (31.  SB).  18,  27 

Umständen  verbundeneu  Verpflichtung  zur  Ersatzleistung) ;  wegen  seines  Gestohlenen 
wird  er  nicht  zum  zweitenmal  verkauft.  Aber  liegt  ihm  nicht  die  Ersatzpflicht  ob? 
Daraus  ist  zu  entnehmen,  daß  dies  bei  einunddemselben  Diebstahl  gilt,  aber  bei  zwei 
(verschiedenen)  Diebstählen  wird  er  zum  zweitenmal  verkauft.  Dasselbe  als  Bar  Qid  IS'^.  — 
Abweichend  lautet  eine  andre  Bar  Qid  IS'*:  Beträgt  sein  Gestohlenes  1000  (Zuz),  u.  hat 
er  (der  Dieb)  einen  Wert  von  500,  so  wird  er  verkauft  u.  abermals  verkauft;  beträgt  sein 
Gestohlenes  500,  u.  hat  er  einen  Wert  von  1000,  so  wird  er  überhaupt  nicht  verkauft, 
R.  Elifezer  sagte:  Wenn  sein  Gestohlenes  seinem  Kaufpreis  entspricht,  wird  er  ver- 
kauft, sonst  nicht.  ||  Der  Verkauf  des  Diebes  erfolgte  auf  gerichtlichem  Wege.  M'^kh 
Ex  21,2  (81b):  „Falls  du  einen  hebräischen  Knecht  kaufst"  Ex  21, 2;  will  die  Schrift- 
stelle von  einem  durch  einen  Gerichtshof  Verkauften  sagen,  daß  er  ihm  (dem  Käufer) 
u.  dessen  Sohn  dienen  muß,  oder  redet  sie  nur  von  einem,  der  sich  selbst  (wegen  Ver- 
armung, s.  Lv25,39;  Dt  15, 12)  verkauft  hat?  Wenn  es  Lv25,39  heißt:  „Falls  dein 
Bruder  neben  dir  verarmt  u.  sich  dir  verkauft,  so  ist  von  einem,  der  sich  selbst  ver- 
kauft, die  Rede;  was  will  da  die  Schrift  lehrend  sagen  mit  den  Worten  Ex  21, 2:  „Falls 
du  einen  hebräischen  Knecht  kaufst"?  Die  Stelle  will  von  dem,  der  durch  einen  Ge- 
richtshof wegen  seines  Gestohlenen  verkauft  wird,  sagen,  daß  er  ihm  (seinem  Käufer) 
u.  dessen  Sohn  zu  dienen  hat  (also  beim  Tode  des  Käufers  nicht  freizulassen  ist,  sondern 
in  den  Besitz  des  Sohnes,  als  des  Erben,  übergeht);  vgl.  Qid  17b.  ||  SDtl5,12  §118  (98b): 
Woher,  daß,  wenn  ein  Gerichtshof  ihn  verkauft,  man  ihn  nur  an  dich  (einen  Israeliten) 
verkaufen  soll?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Dt  15, 12:  Falls  dein  Bruder  an  dich  verkauft 
wird  (an  dich,  also  einen  Israeliten). 

18,  25S:  Und  das  Weib  u.  die  Kinder. 
Die  Halakha  kennt  den  Verkauf  der  Frau  nicht: 

Sota  3,  8:  Die  Frau  wird  für  ihr  Gestohlenes  nicht  verkauft.  —  TSota  2,9  (295): 
Die  Frau  wird  nicht  verkauft  oder  zum  zweitenmal  verkauft.  —  Die  Frau  folgt  aber 
dem  Mann  in  die  Sklaverei  (Ex  21, 3)  u.  wird  von  dem  Herrn  ihres  Mannes  ernährt. 
M%hEx  21,  3  (82b):  „Sein  Weib  geht  mit  ihm  aus"  Ex  21,  3.  R.  Ji^chaq  (um  150?) 
sagte:  Ist  denn  von  einem  „Kommen"  die  Rede,  da  die  Schrift  von  einem  „Ausgehen" 
redet?  Was  will  die  Schrift  lehrend  sagen  mit  den  Worten :  „Sein  Weib  geht  mit  ihm 
aus*  ?  Das  zeigt,  daß  er  (der  Käufer  ihres  Mannes)  zu  ihrem  ünterlialt  u.  zum  Unter- 
halt seiner  Kinder  verpflichtet  ist.  Vgl.  Qid  22^ 

Verkauf  der  Kinder  (vgl.  2  Kg  4,  l). 

Ganz  allgemein  heißt  esGit4,  9:  Wenn  einer  sich  selbst  u.  seine  Kinder  ":2  an 
Fremde  n^irj  (=  Nichtisraeliten)  verkauft,  so  löst  man  ihn  nicht  aus.  —  Die  Mischna 
unterscheidet  nicht  zwischen  Söhnen  u.  Töchtern;  sie  nimmt  an,  daß  Kinder  beiderlei 
Geschlechts  vom  Vater  verkauft  werden  können.  Dagegen  wird  M'^'kh  Ex  21,  7  (84.*)  zu 
den  Worten:  „Falls  jemand  seine  Tochter  verkauft"  Ex  21,  7  ausdrücklich  bemerkt: 
Seine  Tochter  darf  er  verkaufen,  aber  seinen  Sohn  darf  er  nicht  verkaufen.  —  Ebenso 
liest  man  wenige  Zeilen  weiter:  Den  Sohn  zu  verkaufen  ist  der  Vater  nicht  berechtigt.  — 
Ein  Gläubiger  verkauft  die  Kinder  seines  Schuldners  genau  so,  wie  es  in  Jesu  Gleichnis 
geschieht,  SDt3,23  §26  (70  b):  Gleich  einem,  der  vom  König  1000  Kor  Weizen  in  einem 
Jahr  entlieh.  Alle  sagten:  Unmöglich  kann  dieser  auf  jene  1000  Kor  zu  stehn  kommen! 
Der  König  pfändete  ihn  u.  schrieb  ihm  eine  Quittung  (Erlassungsurkunde).  Einmal 
sandte  er  u.  ließ  ihm  nichts  übrig.  Der  König  kam  in  sein  Haus  u.  nahm  seine  Söhne 
u.  seine  Töchter  u.  stellte  sie  auf  den  Verkaufsstein  (auf  dem  die  Sklaven  u.  Sklavinnen 
bei  ihrem  Verkauf  zu  stehen  pflegten).  In  jener  Stunde  wußte  man,  daß  nichts  mehr 
in  seinem  Besitz  war  (die  Kinder  das  letzte,  was  er  besaß). 

18,27:  Und  er  erließ  ihm  die  Schuld  (wörtlich:  Darlehn). 

Tanch  ■-'itts  HS'':  Ihr  sollt  euch  am  ersten  Tage  (des  Laubhüttenfestes)  prächtige 
Baumfrüchte  nehmen  Lv  23,  40.   Ist  es  denn  der  erste  Tag?  Ist  es  nicht  der  fünfzehnte 


Matth  18,27.  2S  (31)  799 

Tag?  u.  du  sagst:  ,am  ersten  Tage"?  Allein  es  ist  der  erste  Tag  für  die  Sünden- 
rechnung. R.  Mani  (um  370)  u.  R.  J*^hoschuac  von  Siklinin  (um  330)  haben  im  Namen 
des  R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einer  Stadt,  die 
dem  König  Steuerreste  schuldig  war.  Der  König  hatte  hingesandt,  sie  einzutreiben; 
aber  die  Stadt  gab  nichts,  da  der  Schuldbrief  -co  groß  war.  So  das  erstemal.  Als  er 
nun  zum  zweitennlal  hingesandt  hatte,  um  die  Schuld  einzutreiben,  u.  man  (wiederum) 
nichts  gab,  was  tat  da  der  König?  Er  sprach  zu  seinem  Hofstaat:  Auf!  wir  wollen 
gegen  sie  ziehen!  Als  sie  etwa  10  Mil  weit  gezogen  waren,  hörten  es  die  Bewohner 
jener  Stadt,  u.  die  Großen  der  Stadt  begannen  dem  König  entgegenzuziehen.  Er  sprach 
zu  ihnen:  AVer  seid  ihr?  Sie  antworteten:  Wir  sind  Leute  aus  der  u.  der  Stadt,  nach 
der  du  gesandt  hast,  um  Steuern  von  uns  einzutreiben.  Er  sprach :  Und  was  begehrt 
ihr?  Sie  antworteten:  Wir  bitten  dich,  übe  Barmherzigkeit  an  uns;  denn  wir  haben 
nichts  zu  geben.  Er  sprach:  Euretwegen  will  ich  euch  die  Hälfte  erlassen  n'S's.  Während 
er  weiterzog,  machten  sich  die  Angehörigen  der  Mittelklassen  ^  der  Stadt  auf  u.  traten 
vor  ihn  in  einer  Entfernung  von  etwa  5  Mil.  Er  sprach  zu  ihnen:  Wer  seid  ihr?  Sie 
antworteten:  Leute  aus  der  u.  der  Stadt,  nach  der  du  gesandt  hast,  um  Steuern  ein- 
zutreiben, u.  wir  haben  keine  Möglichkeit  zu  bestehen,  vielmehr  bitten  wir  dich:  Er- 
barme dich  über  uns!  Er  sprach  zu  ihnen:  Schon  habe  ich  die  Hälfte  erlassen  ^r-:n, 
u.  um  euretwillen  will  ich  genau  die  Hälfte  (der  noch  verbliebenen  Hälfte)  erlassen! 
Während  er  weiterzog,  machten  sich  alle  Stadtbewohner  zu  ihm  auf,  die  Großen  u. 
die  Kleinen.  Er  sprach  zu  ihnen:  Was  begehrt  ihr?  Sie  antworteten:  Unser  Herr  König, 
wir  haben  keine  Möglichkeit  zu  geben,  was  wir  dir  schuldig  sind  "'s  z'z^'n  '.la-i;  n's . 
Er  sprach:  Schon  habe  ich  die  Hälfte  u.  (nochmals)  genau  die  Hälfte  erlassen,  u.  um 
euretwillen  will  ich  das  Ganze  erlassen  n'j-s;  aber  von  hier  an  u.  weiter  hebt  der 
Anfang  der  (neuen)  Rechnung  an.  Der  , König"  ist  der  König  aller  Könige,  der  Heilige, 
gepriesen  sei  er!  Die  , Bewohner  der  Stadt"  sind  die  Israeliten,  die  alle  Tage  des  Jahres 
Sündenschulden  aufhäufen.  Was  tut  Gott?  Er  sagt  zu  ihnen:  Tut  Buße  von  Neujahr 
(1.  Tischri)  an!  Und  sie  demütigen  sich^  u.  gelangen  zum  Versühnungstag  (10. Tischri) 
u.  fasten  an  ihm  u.  tun  Buße,  u.  Gott  vergibt  '•^n^.'o  ihnen.  Und  was  tun  sie?  Am 
Vortage  von  Neujahr  fasten  die  Großen  des  Zeitalters,  u.  Gott  erläßt  ^t}'^  ihnen  ein 
Drittel  ihrer  Schulden;  u.  von  Neujahr  an  bis  zum  Versöhnungstage  fasten  einzelne 
(aber  immer  noch  Angesehene,  der  Mittelklasse  im  Gleichnis  entsprechend),  u.  Gott 
erläßt  ein  Drittel  ihrer  Schulden ;  u.  am  Versöhnungstag  fasten  alle  Israeliten  u.  bitten 
um  Erbarmen,  Männer  u.  Frauen  u.  Kinder,  u.  Gott  erläßt  ihnen  alles,  s.  Lv  16,30: 
Denn  an  diesem  Tage  wird  man  für  euch  Sühnung  schaffen.  Was  tun  die  Israeliten? 
Sie  nehmen  ihre  Feststräuße  am  ersten  Feiertage  des  Laubhüttenfestes  u.  loben  u. 
preisen  vor  Gott;  u.  Gott  erweist  sich  ihnen  gnädig  u.  vergibt  ihnen  u.  spricht:  Siehe 
ich  habe  euch  alle  eure  früheren  Schulden  erlassen  "r-m-i ,  aber  von  jetzt  an  hebt  der 
Anfang  einer  (neuen)  Rechnung  an.  Deshalb  heißt  es:  Nehmet  euch  am  ersten  Tag 
Lv  2o,  40,  nämlich  am  ersten  Tag  für  die  (neue)  Sündenrechnung.  —  Dasselbe  TanchB 
-'i'3S  §30(51»);  P''siql82b;  LvR  30  (128'');  Midr  Qoh  9,  7  (41'');  in  den  drei  letzten 
Stellen  R.  Mani  aus  Sch'^eb  (um  350)  als  erster  Tradent. 

18,  28  5t:  Er  würgte,  enriyev. 
?AZ4":  R.  Abbahu  (um  800)  hatte  den  Minim  (hier  =  Judenchristen)  gegenüber 
den  Rab  Saphra  (um  300)  als  einen  bedeutenden  Menschen  gerühmt.  Sie  erließen  ihm 
die  Steuern  für  13  Jahre  (13  als  runde  Zahl).  Eines  Tages  trafen  sie  ihn  u.  sprachen 
zu  ihm:  Es  heißt  Am  3,  2:  ,Nur  euch  habe  ich  erkannt  von  allen  Geschlechtern  des 
Erdbodens;  deswegen  will  ich  heimsuchen  an  euch  alle  eure  Verschuldungen."  Gibt 
es  denn  einen,  der  seinen  Zorn  gegen  seinen  Freund  ausläßt?  Er  schwieg  u.  antwortete 
ihnen  nicht  das  geringste.  Da  warfen  sie  ihm  ein  Tuch  um  seinen  Hals  u.  quälten 
ihn  ri"'5  n-iysw  (würgten  ihn). 

'  Lies  mit  den  Parallelen  -:i:-2  statt  •2i"'^3. 
*  Lies  i-j:::  mit  TanchB  statt  reis:. 


800  Matth  18,  28  (SB).  18,  32.  33 

18,  28  S8:  Wenn  du  was  schuldig  bist. 

Tanch  3-'as»«3  97^:  Komm  u.  sieh,  was  für  ein  Unterschied  zwischen  dem  Tun  der 
Menschenkinder  u.  dem  Tun  Gottes  ist.  Wenn  ein  Mensch  einem  andren  200  oder 
10000  oder  300  (Zuz)  schuldet  u.  dieser  zu  ihm  sagt:  „Gib  mir  das  Meine"  'hv  rx  -^h  -r 
u.  jener  ihm  antwortet:  „Ich  besitze  nichts",  so  heben  sie  sofort  Streit  an  u.  beschimpfen 
sich  imtereinander.  Gott  aber  nicht  also.  Du  findest,  daß  im  Sommer  der  Tag  von  der 
Nacht  (Zeit)  entleiht,  von  der  Sonnenwende  im  Tebeth  (Dezember)  an  bis  hin  zur 
Sonnenwende  im  Tammuz  (Juli);  u.  von  der  Sonnenwende  im  Tammuz  an  bis  hin  zur 
Sonnenwende  im  Tebeth  entleiht  die  Nacht  vom  Tage.  Da  gibt  es  nicht  Rede  u.  da 
gibt  es  keine  Worte,  nicht  wird  ihre  Stimme  gehört  (Ps  19,  4).  Deshalb  warnte  Gott 
Mose,  daß  er  zu  den  Israeliten  sagen  sollte  Ex  24,  22:  „Wenn  du  meinem  Volk  Geld 
leihst",  so  sollst  du  nicht  in  verächtlicher  Weise  mit  ihm  umgehn,  denn  es  ist  mein 
Volk.  —  Dasselbe  Tanch  o-üsictt  §  7  (42'').  1|  LvR  5  (109*)  sagt  ein  Pächter  zum  Grund- 
herrn: Kannst  du  mir  wohl  zehn  Denare  geben?  Er  antwortete  ihm:  Geh,  erfülle  (be- 
stätige), was  ich  bei  dir  habe  =  was  ich  von  dir  zu  foi'dern  habe  -35  -"h  r-s-;  n^j.  1|  Midr  Ps 
45  §  5  ( 136 ''') :  Gleich  einem,  der  zur  Gerichtsstätte  hinaufging ;  es  traf  ihn  sein  Gläubiger, 
der  zu  ihm  sagte:  Gib  mir,  was  du  mir  schuldig  bist  -'5  i'-r;  nrs»  ri3  ^'5  ',r !  Er  antwortete 
ihm:  Wenn  ich  jetzt  von  der  Gerichtsstätte  weggehen  werde,  werde  ich  es  dir  geben. 

18,32:  Böser  Knecht. 

dotde  novt^Qs,  aramäisch  =  x;i":  x'^=". 

68  4*^:  Eines  Tages  kam  Herodes  zu  Baba  b.  Buta  (den  er  hatte  blenden  lassen) 
u.  setzte  sich  vor  ihn;  er  (Herodes)  sprach  zu  ihm:  Sieh,  Herr,  was  dieser  böse  Knecht 
st;"'3  s-!2»  ■'sr  getan  hat!  (So  nennt  sich  Herodes  selbst,  um  den  Baba  b.  Buta,  der 
nicht  weiß,  daß  H.  vor  ihm  sitzt,  zu  einer  offenen  Aussprache  über  den  König  listig 
zu  bewegen.)  ||  GnR  6  (5^^):  R.  Ji(;chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Josua  sprach  zur  Sonner 
Du  böser  Knecht  si)"'a  snay,  bist  du  nicht  an  meinen  Ahn  (nämlich  Joseph)  verkauft 
worden?  Hat  dich  nicht  mein  Ahn  also  im  Traum  gesehen:  Und  siehe,  die  Sonne  u. 
der  Mond  u.  elf  Sterne  verneigten  sich  vor  mir  Gn37,  9?  Sofort  stand  die  Sonne 
still  u.  der  Mond  blieb  stehn  Jos  10,  13.  —  Dasselbe  GnR  84  (53'');  97  (61-'').  1|  Midr 
KL  Einl.  Nr.  28  (35'^):  Rabbi  hat  gesagt:  Zehn  Jahre  lang  war  eine  Himmelsstimme  im 
Palast  des  Nebukadnepar  ausgegangen,  welche  sprach:  Böser  Knecht  xcn  sna?,  geh, 
zerstöre  das  Haus  deines  Herrn  (=  Gottes).  ||  Zu  dem  Vorwurf:  „Böser  Knecht"  vgl. 
Tanch  rp-  229*:  Woher  läßt  es  sich  beweisen,  daß,  wenn  einer  gegen  einen  andren 
gesündigt  hat  u.  zu  ihm  sagt:  „Ich  habe  gesündigt",  er  (der  Beleidigte)  ein  „Sünder" 
genannt  wird,  wenn  er  jenem  nicht  vergibt?  Weil  es  1  Sm  12,23  heißt:  Und  auch  ich, 
fern  sei  es  von  mir,  daß  ich  an  Jahve  „sündigen"  sollte,  indem  ich  abließe  für  euch  zu 
beten.  —  Dasselbe  NuR  19  (187b). 

18,33:   Hättest  du   dich   nicht  auch  deines  Mitknechts  er- 
barmen müssen,   wie  auch  ich  mich  deiner  erbarmt  habe? 

Tanch  a't::^':  97b:  Wenn  du  das  Gewand  deines  Nächsten  als  Pfand  nimmst, 
sollst  du  es  ihm  bis  zum  Sonnenuntergang  zurückgeben  Ex  22,  25.  Gott  spricht:  Wieviel 
bist  du  mir  schuldig!  Du  sündigst  vor  mir  u.  ich  habe  Geduld  mit  dir  -5  i'P"?'?  "3», 
u.  deine  Seele  steigt  täglich  Abend  für  Abend  zu  mir  empor  (wenn  du  schläfst),  um 
Rede  u.  Antwort  zu  stehen  (über  die  Taten  des  Menschen  am  vergangenen  Tage),  u. 
ob  sie  sich  gleich  verschuldet  hat,  so  gebe  ich  dir  deine  Seele  (jeden  Morgen)  wieder, 
der  du  mir  verschuldet  bist:  so  sollst  auch  du,  obgleich  er  dir  verschuldet  ist,  ihm 
bis  zum  Sonnenuntergang  zurückgeben,  wenn  du  ihn  gepfändet  hast.  Dasselbe  TanchB 
z'vzvr.  §9  (43a).  II  ExRSl  (91b):  Es  gibt  keinen  Menschen,  der  Gott  nicht  schuldig 
wäre;  aber  er  ist  gnädig  u.  barmherzig  u.  vergibt  alles  Frühere,  s.  Ps79,  8:  Gedenke 
nicht  unserer  früheren  Sünden  (so  der  Midr).  Gleich  einem,  der  sich  von  einem  Geld- 
verleiher Geld  borgte  u.  es  vergaß  (zurückzuzahlen).   Nach  einiger  Zeit  kam  er  u.  trat 


Matth  IS,  33.  19,3.4  801 

vor  ihn  hin  u.  sprach:  Ich  weiß,  dal3  ich  dir  schuldig  bin.  Er  antwortete:  Wozu  ge- 
denkst du  der  früheren  Schuld,  sie  ist  längst  aus  meinem  Herzen  geschwunden!  So 
auch  der  Herr  der  Welt:  die  Menschen  sündigen  vor  ihm,  u.  er  sieht,  dal3  sie  nicht 
Buße  tun,  u.  er  erläßt  ihnen  alles  Früliere;  u.  wenn  sie  dann  umkehren  u.  kommen, 
um  der  Sünde  zu  gedenken,  die  sie  früher  getan  haben,  sagt  er:  Gedenket  nicht  der 
früheren  Sünden!  Auf  Grund  welcher  Schriftstelle  aber  kann  man  sagen,  daß,  wenn 
ein  Mensch  umkehrt  u.  Buße  tut,  auch  wenn  viele  Sünden  an  ihm  sind,  Gott  ihm 
diese  als  Verdienst  auslegt'?  Weil  es  Ez  33,  19  heißt:  „Wenn  der  Gottlose  umkehrt  von 
seiner  Gottlosigkeit  u.  Recht  u.  Gerechtigkeit  übt,  so  wird  er  ihretwegen  leben."  Alle 
seine  Freveltateu,  die  er  vollbracht  hat,  sollen  ihm  nicht  gedacht  werden.' Deshalb  warnt 
er  betreffs  des  Armen,  du  sollst  ihm  nicht  wie  ein  Wucherer  sein  Ex  22,  24  u.  ihn  nicht 
nackt  hinstellen.  (Zu  dieser  Auslegung  von  Ez  33, 19  s.  Joma  S6^;  TanchB  .x:i'-,  §  22  (80 1>.) 

1 S,  35 :  We nn  ihr  nicht  vergebt  ein  jeder  seinem  Bruder. 
Siehe  bei  Mt  6, 14  f. 

19, 3:  Ob  man  sein  Weib  zufolge  jeden  Grundes  entlassen  dürfe. 

Die  Frage  wurde  von  der  Schule  Hillels  bejaht,  s.  bei  Mt  5,  32.  Aus 

di'eser  Frage  in  Verbindung  mit  der  andren  in  Vers  7  darf  gefolgert  werden, 

daß  die  Pharisäer  in  Vers  3  zu  den  Hilleliten  gehört  haben;  s.  bei  Vers  7. 

1*.>,  4:   Als  ein  Männliches  u.  Weibliches  hat  er  sie  gemacht. 
Gn  1,  27''  u.  5,  2''  nach  hag'gadischer  Deutung. 

M-^khEx  12,  40  (19'''):  Die  Wohnzeit  der  Kinder  Israel,  die  sie  in  Ägypten  u.  im 
Lande  Kanaan  u.  im  Lande  Goseu  gewohnt  hatten,  war  430  Jahre.  Das  ist  eins  von 
den  Dingen,  die  man  dem  König  Ptolemäus  geschrieben  hat  [d.  h.  eine  von  deu  Stellen, 
die  die  LXX'  abweichend  übersetzt  haben:  /;'»'  yMnöxr^acw  si'  yfj  AiyvnTM  xui  eV  yf 
Xc'.vKdi',  während  der  masoret.  Text  liest:  die  sie  „in  Ägypten"  gewohnt  hatten].  Ebenso 
schrieben  sie  für  ihn:  , Gott  schuf  im  Anfang"  Gn  1, 1  [statt:  , Im  A.  schuf  Gott".  Un- 
richtig. LXX  haben :  f''('<QXli  enou]aEf  Öeoc].  (Ferner  schrieben  sie:)  „Ich  will  den  Menschen 
machen  als  Bild  u.  Ähnlichkeit"  Gn  1,26.  [Auch  das  trifft  nicht  zu;  LXX:  noniawfAH' 
ui'Ü^wnof  xta^  tixofu  ijuetf'gccy  xiei  x«.^'  o/btoiwatr.]  (Ferner:)  ,Den  Mann  u.  seine 
Öffnungen  ^'z-"^i  schuf  er  sie  Gn  1,27;  5,2  [gleichfalls  nicht  richtig,  LXX  an  beiden 
Stellen:  t'<()a£f  xcu  firj'/.v  inoirjaey  (o'iovi].  Die  Parallelstellen  geben  die  angebliche 
Änderung  der  LXX  in  Gn  1,  27,  bezw.  5,  2  so  wieder:  pM'g  1,  71 '",  42  u.  GnPu  8  (Ö'-): 
üs-^3  raipr  i:t  =  M^kh;  dagegen  M''g9'',  Sepher  Tora  1  §  9  u.  Tanch  r'.^v  65*:  -:t 
is^2  nap:-i  ^  Mann  u.  Weib  (d.  h.  als  Mannweib)  schuf  er  ihn.  In  TanchB  rusi;  §  19 
(6»)  u.  TraktSoph  1,8  ax^2  Tizj>i^  ^3t  wird  man  nacli  M'^'g9''  vs^a  lesen  müssen.  — 
Zur  Erklärung  der  auffallenden  Erscheinung,  daß  deu  LXX  Worte  zugeschrieben  werden, 
die  sie  nicht  enthalten,  haben  Weiß  (M'kh  zu  Ex  12,  40)  u.  andere  jüdische  Gelehrte 
nach  dem  Vorgang  von  Z.  Frankel,  Vorstudien  zu  der  Septuag.  S.  81,  angenommen,  daß 
es  sich  uicht  um  die  LXX  handle,  sondern  um  einen  hebr.  Pentateuch-Kodex,  der  dem 
König  Ptolemäus  für  seine  Bibliothek  verehrt  worden  sei;  die  Veränderungen  aber 
seien  an  diesem  Kodex  vorgenommen  worden,  um  im  voraus  „jedes  Mißverständnis, 
im  Falle  Ptolemäus  oder  einer  seiner  Nachfolger  ihn  übersetzen  lassen  wollte,  zu  ent- 
fernen". Ein  harmonistischer  Notbehelf!  Wahrscheinlich  sind  einzelne  haggadische  Aus- 
legungen von  Pentateuchstellen,  die  von  einem  abweichenden  hebr.  Text  auszugehn 
schienen,  mit  gleichfalls  vom  masoret.  Text  abweichenden  griech.  Übersetzungen  ver- 
mengt u.  allmählich  ebenfalls  den  LXX  zugeschrieben  worden.  So  auch  die  haggad. 
Deutungen  von  Gn  1,  27  u.  5,  2.  Vielleicht  wollte  man  die  Schwierigkeit  beseitigen,  daß 
nach  Gn  1  von  vornherein  ein  Menschenpaar  geschaffen  zu  sein  schien,  während  nach 
Gn  2  Gott  zunächst  den  Mann  u.  erst  später  ans  ihm  das  Weib  bildete. 

^  Vgl.  Exkurs:  Stellung  des  Judentums  zum  Heidentum  Nr.  4,  B,  m, //,  o. 
strack  U.Bill  orbock,  NT  I.  51 


802  -^latth  19,4.5 

Deutung  von  ~::  u.  -z-z  —  , Mannweib" :  GnR  8  ('v''):  R.  Jirm''ja  b.  ElSazar  (um  270) 
hat  gesagt:  Als  Gott  den  ersten  Menschen  schuf,  erscliuf  er  ihn  als  Mannweib  cij-;-.-!-:», 
c'yjgoyvi-oc.  Das  meinen  die  Worte  Gn  5,  2:  Als  Mann  u.  Weib  schuf  er  sie.  R.  Sch'^muel 
b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Als  Gott  den  ersten  Menschen  schuf,  erschuf  er 
ihn  als  Doppelmenschen  (mit  zwei  Angesichtern);  dann  zersägte  er  ihn  u.  machte  ilim 
zwei  Rücken,  den  einen  auf  dieser  Seite  u.  den  andren  auf  der  andren  Seite.  Man 
antwortete  ihm:  Es  steht  doch  aber  geschrieben  Gn2,  21:  Er  nahm  eine  von  seinen 
Rippen  (y'-u)!  Er  sprach:  (Das  will  sagen:)  Eine  von  den  beiden  (auseinandergesägten) 
Seiten,  s.  Ex  26,  20:  Für  die  zweite  Seite  vVs  der  Wolmung.  —  Parallelstellen  mit  zum 
Teil  andren  Autorennamen:  Brakhöl''';  5Er  IS-^;  LvR  14  (114^');  Midr  Ps  139  §5  (264'^; 
265  a);  vgl.  auch  GnR  17  (12;^). 

J'^b63a:  R.  El'azar  (um  270)  hat  gesagt:  Wer  kein  Weib  hat,  ist  kein  Mensch; 
denn  es  heißt  Gn  5,  2:  Als  ein  Männlein  u.  ein  Weiblein  schuf  er  sie;  u.  er  segnete 
sie  u.  nannte  ihren  Namen  Mensch  (also  nicht  der  Eine  Teil  heifjt  , Mensch",  sondern 
beide  Teile  zusammen  werden  , Mensch"  genannt).  Vgl.  GnR  17(11''):  R.  Chijja  b.  Gamda 
(3.  Jahrh.)  hat  gesagt:  (Wer  kein  Weib  hat)  ist  auch  kein  vollständiger  Mensch,  s. 
Gn  5,  2  (wie  vorhin);  das  will  sagen:  Sie  beide  zusammen  heißen  „Mensch". 

U),  5:  Gn  2,  24  in  der  Halakha. 

Sanh  58a  Bar:  , Darum  soll  der  Mensch  (der.  zum  Judentum  übertretende  Noachide) 
seinen  Vater  u.  seine  Mutter  entlassen"  (so  der  Midr  Gn 2, 24).  R.  Elicezer  (um  90)  sagte: 
, Seinen  Vater",  d.  h.  die  Schwester  seines  Vaters  (falls  er  diese  vor  seinem  Übertritt 
zum  Judentum  geheiratet  hatte);  „seine  Mutter",  d.  h.  die  Schwester  seiner  Mutter. 
R.  (Aqiba  (tum  135)  sagte:  „Seinen  Vater",  d.h.  das  Weib  seines  Vaters;  „seine  Mutter", 
d.i.  seine  Mutter  im  eigentlichen  Sinn:  „und  er  schließt  sich  mit  seinem  Weib  zu- 
sammen" Gn  2,  24,  u.  nicht  mit  einem  Mann;  mit  „seinem"  Weib,  u.  nicht  mit  dem 
Weib  eines  andren;  „u.  sie  werden  zu  Einem  Leib",  damit  sind  die  gemeint,  die  Ein 
Leib  werden;  es  sind  also  ausgeschlossen  Vieh  u.  Wild,  die  (mit  dem  Menschen  bei 
widernatürlicher  Unzucht)  nicht  Ein  Leib  werden.  —  Der  Autor  hat  gesagt:  R.  Elicezer 
sagte:  „Seinen  Vater",  d.  h.  die  Schwester  seines  Vaters.  Oder  soll  ich  sagen,  damit 
sei  sein  Vater  im  eigentlichen  Sinn  des  Wortes  gemeint?  Das  wäre  ja  dasselbe  wie: 
„Er  schließt  sich  zusammen",  aber  nicht  mit  einem  Mann  (also  auch  nicht  mit  seinem 
Vater).  Oder  soll  ich  sagen,  damit  sei  das  Weib  seines  Vaters  gemeint?  Das  wäre  ja 
dasselbe  wie:  An  „seinem"  Weibe  (wird  er  hangen),  aber  nicht  an  dem  Weibe  eines 
andren.  Oder  soll  ich  sagen,  daß  die  nach  dem  Tode  (des  Vaters)  erfolgte  Verheiratung 
mit  der  Mutter  gemeint  sei?  Dagegen  spricht  die  Analogie  mit  dem  Wort  „seine 
Mutter":  wie  mit  „seine  Mutter"  eine  nicht  auf  der  Ehe  beruhende  Verwandtschaft 
gemeint  ist  („seine  Mutter"  soll  ja  die  „Schwester  seiner  Mutter"  bedeuten),  ebenso 
muß  auch  mit  dem  Wort  „seinen  Vater"  eine  nicht  auf  der  Ehe  beruhende  Verwandt- 
schaft gemeint  sein  (nämlich  die  Schwester  des  Vaters).  (R.  Eli'ezer  sagte:)  „Seine 
Mutter",  d.  h.  die  Schwester  seiner  Mutter.  Oder  soll  ich  sagen,  damit  sei  seine  Mutter 
im  eigentlichen  Sinn  des  Wortes  gemeint?  Das  wäre  ja  dasselbe  wie:  An  „seinem" 
Weibe  (soll  er  hangen)  u.  nicht  an  dem  Weibe  eines  andren.  Oder  soll  ich  sagen,  daß 
die  nach  dem  Tode  (des  Vaters)  erfolgte  Verheiratung  mit  der  Mutter  gemeint  sei? 
Dagegen  spricht  die  Analogie  mit  dem  Wort  „seinen  Vater":  wie  mit  „seinen  Vater" 
nicht  sein  wirklicher  Vater  (sondern  die  Schwester  seines  Vaters)  gemeint  ist,  so 
auch  mit  „seine  Mutter"  nicht  seine  wirkliche  Mutter  (sondern  die  Schwester  seiner 
Mutter).  —  R.  cAqiba  sagte:  „Seinen  Vater",  d.h.  das  Weib  seines  Vaters.  Odersoll 
ich  sagen,  damit  sei  sein  Vater  im  eigentlichen  Sinn  des  Wortes  gemeint?  Das  wäre 
ja  dasselbe  wie:  „Er  schließt  sich  zusammen",  aber  nicht  mit  einem  Mann  (also  auch 
nicht  mit  seinem  Vater).  In  diesem  Fall  würde  ja  aber  „das  Weib  des  Vaters"  auch 
dasselbe  sein  wie:  An  „seinem"  Weibe  (soll  er  hangen)  u.  nicht  am  Weibe  eines  andren 
(also  auch  nicht  an  dem  seines  Vaters).  Die  Heirat  nach  dem  Tode  (des  Vaters)  ist 
gemeint.    (R. 'Aqiba  hat  gesagt:)    „Seine  Mutter",    d.h.  seine  Mutter  im  eigentlichen 


Matth  19,  5.  6  303 

Sinn  des  Wortes.  Aber  das  wäre  doch  dasselbe  wie:  An  „seinem"  Weibe  (soll  er  hangen), 
u.  nicht  am  Weibe  eines  andren  (also  auch  nicht  an  dem  seines  Vaters).  ,  Seine  Mutter" 
bedeutet  die  von  seinem  Vater  Genotzüchtigte  (die  wohl  seine  Mutter,  aber  nicht  Ehe- 
weib seines  Vaters  genannt  werden  kann).  —  Worin  liegt  ihre  Meinungsverschieden- 
heit? R.  EliEezer  meinte,  die  Analogie,  die  zwischen  den  Ausdrücken  „seinen  Vater" 
n.  „seine  Mutter"  bestehe,  u.die  Analogie,  die  zwischen  den  Ausdrücken  „seine  Mutter" 
u.  „seinen  Vatei"  bestehe,  komme  zu  ihrem  Recht  nur  bei  der  Auslegung  auf  die 
Schwester  (des  Vaters,  bezw.  der  Mutter).  Dagegen  meinte  K.  <Aqiba,  es  sei  richtiger, 
den  Ausdruck  „seinen  Vater"  auf  das  Weib  des  Vaters  zu  beziehen,  weil  diese  „Blöfse 
seines  Vaters"  genannt  werde  (vgl.  Lv  18,  7  f.),  u.  es  nicht  auf  die  Schwester  seines 
Vaters  zu  beziehen,  weil  diese  „Blutsverwandte  seines  Vaters",  aber  nicht  „Blöße 
seines  Vaters"  (vgl.  Lv  18,  12)  genannt  werde.  ||  Sanh  -58'^:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  ge- 
sagt, R.  Chanina  (um  229)  habe  gesagt:  Wenn  ein  Noachide  seiner  Frau  auf  unnatür- 
liche Weise  beiwohnt,  ist  er  straffällig,  weil  es  heißt  Gn2,  24:  „Er  wird  sich  an- 
schließen", aber  nicht  auf  unnatürliche  Weise.  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Gibt  es  denn 
etwas,  wofür  ein  Israelit  nicht  straffällig,  während  der  Nichtisraelit  dafür  straffällig 
wäre  (wie  R.  Chanina  meint)?  Vielmehr  hat  Raba  gesagt:  Wenn  ein  Noachide  dem 
Weibe  eines  andren  auf  unnatürliche  Weise  beiwohnt,  bleibt  er  straffrei.  Weshalb?  Es 
heißt:  An  „seinem"  Weibe  (soll  er  hangen),  aber  nicht  am  Weibe  eines  andren;  „er 
soll  hangen",  nicht  aber  auf  unnatürliche  Weise.  ||  pQid  1,  58'',  8:  R.  Elfazar  hat  im 
Namen  des  R.  Chanina  gesagt:  Woher  läßt  es  sich  beweisen,  daß  unzüchtige  Gedanken 
hegende  Noachiden  wegen  Unzucht  verwarnt  sind  gleichwie  die  Israeliten  ?  Die  Schrift 
sagt  lehrend  Gn  2,  24:  An  „seinem"  Weibe  wird  er  hangen,  aber  nicht  am  Weibe  eines 
andren;  an  seinem  „Weibe"  wird  er  hangen;  aber  nicht  an  einem  Männlichen  oder  an 
einem  Stück  Vieh.  R.  Sch'^muel,'  R.  Abbahu  (um  300),  R.  Ehazar  (um  270)  haben  im 
Namen  des  R.  Chanina  (um  225)  gesagt:  Wenn  ein  Noachide  seiner  Frau  auf  unnatür- 
liche Weise  beiwohnt,  wird  er  getütet.  Weshalb?  Es  heißt  Gn  2, 24:  „Er  wird  an  seinem 
Weibe  hangen  u.  sie  werden  zu  Einem  Leib",  an  der  Stelle  (soll  er  an  ihr  hangen), 
an  der  sie  Einen  Leib  bilden.  —  Parallelstelle:  GnR18(12''). 

10,  6:  Was  nun  Gott  zusammengefügt  hat. 

P'^siq  11^:  Eine  Matrone  fragte  den  R.Jose  b.  Chalaphta  (um  150):  In  wieviel 
Tagen  hat  Gott  seine  Welt  geschaffen?  Er  antwortete:  In  sechs  Tagen,  s.  Ex  31,  17: 
In  sechs  Tagen  hat  Jahve  den  Himmel  u.  die  Erde  gemacht.  Sie  sprach :  Und  was 
tut  er  seitdem?  R.Jose  antwortete:  Er  bringt  die  Ehepaare  zusammen:  die  Tochter 
von  dem  u.  dem  soll  dem  u.  dem,  das  Geld  von  dem  u.  dem  soll  dem  u.  dem,  das 
Weib  von  dem  u.  dem  soll  dem  u.  dem  gehören!  —  Das  kann  ich  auch,  versetzte 
die  Matrone.  Wie  viele  Knechte  u.  Mägde  habe  ich!  aber  in  einer  kleinen  Stunde  kann 
ich  sie  miteinander  verbinden!  R.  Jose  sprach:  Mag  dies  leicht  sein  in  deinen  Augen, 
vor  Gott  ist  es  so  schwer  wie  das  Spalten  des  Schilfmeeres.  Darauf  verließ  er  sie 
u.  ging  fort.  Was  tat  die  Matrone?  Sie  nahm  1000  Knechte  u.  1000  Mägde,  stellte 
sie  reihenweise  auf  u.  sprach:  Der  u.  der  soll  die  u.  die  heiraten;  u.  so  verband  sie 
sie  in  Einer  Nacht.  Am  nächsten  Morgen  kamen  sie  zu  ihr:  dem  war  der  Kopf  zer- 
spalten; dem  das  Auge  ausgerissen,  dem  der  Fuß  gebrochen;  der  sagte:  Die  will  ich 
nicht;  u.  die  sagte:  Den  will  ich  nicht.  Da  sandte  die  Matrone  hin  u.  ließ  den  R.  Jose 
b.  Chalaphta  kommen.  Sie  sprach  zu  ihm:  Eure  Tora  ist  Wahrheit,  schön  u.  löblich 
ist  sie;  alles,  was  du  gesagt  hast,  hast  du  schön  gesagt!  —  Habe  ich  es  dir  nicht 
gesagt,  entgegnete  R.  Jose,  wenn  es  auch  leicht  ist  in  deinen  Augen,  vor  Gott  ist  es 
so  schwer  wie  das  Spalten  des  Schilfmeers!  Parallelstellen:  GnR  68  (43 1>);  LvR8  (1  IQb); 
NuR3  (139^');  TanchB  ^z-.^z  §  18  (8  b);  Midr  Sm  5  i?  13  (31b).  |1  MQ  18^:  Rab  J^'huda 
(t  299)  hat  gesagt,  Sch<^muel  (f  254)  habe  gesagt:   Tag  für  Tag  geht  eine  Himmels- 

'  Nach  Bacher,  pal.  Amor.],  17,  vermutlich  =  R.  Sch^muel  b.  Chijja  (b.  J''huda, 
um  300). 

51* 


804  Matth  19,  6.  7  (Nr.  1) 

stimme  aus,  welche  ruft:  Die  Tochter  von  dem  u.  dem  soll  dem  u.  dem,  das  Feld  von 
dem  u.  dem  soll  dem  u.  dem  gehören.  Aber  vielleicht  kommt  ihm  ein  andrer  mit 
seinem  Gebet  zuvor?!  So  hörte  einst  Raba  (f  3-52),  wie  ein  Mann  betete  u.  sprach: 
Möge  mir  die  u.  die  beschieden  sein!  Er  sprach  zu  ihm:  Bitte  nicht  also;  wenn 
sie  dir  bestimmt  ist,  so  entgeht  sie  dir  nicht;  wenn  aber  nicht,  so  könntest  du 
Jahve  verleugnen  (weil  er  das  Gebet  nicht  erhört  hat).  Nach  diesem  hörte  er 
ihn.  wie  er  (im  Gebet)  sprach:  Möge  entweder  er  (sein  Nebenbuhler)  vor  ihr  oder 
sie  vor  ihm  sterben!  Da  sprach  er  zu  ihm:  Habe  ich  dir  nicht  gesagt,  daß  du 
nicht  also  deswegen  beten  sollst?  Rab  (f  247)  hat  im  Namen  des  R.  Rauben 
b.  Aristobulos  (um  150;  s.  Einl.  131  «)  gesagt:  Aus  der  Tora  u.  aus  den  Propheten  u. 
aus  den  Hagiographen  läßt  es  sich  beweisen,  daß  von  Jahve  das  Weib  dem  Manne 
wird.  Aus  der  Tora,  s.  Gn  24,  50:  Da  antworteten  Laban  u.  Bethuöl  u.  sprachen:  „Von 
Jahve  ist  dies  au.sgegangen."  Aus  den  Propheten,  s.  Ril4,4:  „Sein  Vater  u.  seine 
Mutter  merkten  nicht,  daß  es  von  Jahve  war."  Aus  den  Hagiographen,  s.  Spr  19,  14: 
„Haus  u.  Habe  ist  Erbteil  von  den  Vätern,  aber  von  Jahve  kommt  ein  verständiges 
Weib.«  —  Teilweise  Parallelstelle  GnR  68  (43b).  \\  Sota  2^:  R.  Sch''muel  b.  Jicchaq 
(um  300)  hat  gesagt:  Wenn  Resch  Laqisch  (um  250)  den  Abschnitt  von  der  ver- 
dächtigen Frau  (Nu  5,  11  ff.)  zu  erklären  begann,  sagte  er  also:  Man  (d.  h.  Gott)  gesellt 
dem  Menschen  die  Frau  zu  nur  nach  seinem  Tun,  s.  Ps  125,3:  Nicht  wird  ruhen  die 
Familie  (Stamm)  des  Frevlers  auf  dem  Erbteil  der  Gerechten.  Rabbah  bar  bar  Ghana 
(um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  27'»)  habe  gesagt:  Sie  zu  verbinden,  ist  ebenso 
schwer  wie  das  Spalten  des  Schilfmeeres,  s.  Ps-68,  7:  „Gott  verhilft  den  Einsamen 
zum  Hausstand,  er  führt  die  Gefangenen  zur  Freiheit  hinaus."  (Der  Midr  denkt  beim 
letzten  Satz  an  die  Befreiung  Israels  aus  Ägypten  u.  folgert  daraus,  daß  neben  diesem 
Satz  der  andre  steht,  der  von  der  Begründung  der  Familie  handelt,  daß  beides,  die 
Stiftung  einer  Ehe  u.  das  Spalten  des  Schilfmeers,  gleich  große  Gotteswerke  sind.) 
Ist  es  denn  so?  Es  hat  doch  Rab  J'huda  (f  299)  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt: 
Vierzig  Tage  vor  der  Bildung  des  Kindes  (im  Mutterleib,  also  im  Augenblick  der 
Empfängnis)  geht  eine  Himmelsstimme  aus,  welche  spricht:  Die  Tochter  von  dem  u. 
dem  ist  bestimmt  für  den  u.  den,  das  Haus  von  dem  u.  dem  für  den  u.  den,  das  Feld 
von  dem  u.  dem  für  den  u.  den!  (Wie  kann  da  also  gesagt  werden,  daß  der  Mann 
die  Frau  empfange  nach  dem  Wert  seiner  Handlungen?)  Das  ist  kein  Widerspruch: 
das  eine  (die  Zuweisung  der  Frau  durch  die  Bath-Qol  in  der  Stunde  der  Empfängnis) 
bezieht  sich  auf  die  erste  Gattin;  das  andre  (die  Zuweisung  der  Frau  nach  Maßgabe 
der  Würdigkeit  des  Mannes)  bezieht  sich  auf  die  zweite  Gattin.  Vgl.  J^b  63'"*:  R.  El'azar 
(um  270)  hat  gesagt:  Was  heißt  Gn  2,  18:  „Ich  will  ihm  eine  Hilfe  machen,  die  ihm 
entspricht"?  Verdient  er  es,  so  hilft  sie  ihm;  verdient  er  es  nicht,  so  ist  sie  gegen 
ihn.  Einige  sagen:  R.  EUazar  warf  die  Frage  auf:  Es  steht  geschrieben  Gn  2,  18: 
';-;:2,  u.  wir  sprechen  es  -n::: :  verdient  er  es  (ist  er  würdig),  so  ist  sie  ihm  entsprechend 
(ihn  ergänzend,  '-::':);  verdient  er  es  nicht  (ist  er  unwürdig),  so  ist  sie  wie  seine  Geißel 
(■r;j£  =  •p-??':  die  ihn  geißelt).    Dasselbe  zum  Teil  u.  anonym  GnR  17  (11''). 

10,  7:  Wozu  nun  hat  Mose  geboten,  einen  Scheidebrief 
zu  geben  u.  (sie)  zu  entlassen? 

1.  AVie  hier  die  Anordnung  des  Scheidebriefes  Dt  24, 1  als  Beweis- 
mittel gegen  den  Grundsatz  der  Unauflösbarkeit  der  Ehe  verwandt 
wird,  so  haben  die  Hilleliten  ihre  erleichternde  Ehescheidungspraxis 
gleichfalls  auf  Grund  von  Dt  24,  1  ff.  den  Schammaiten  gegenüber  zu 
rechtfertigen  versucht;  vgl.  Git9,10;  SDt 24,1  §269  (122^');  pGit9,50", 
27;  bGitQO'' bei  Mt5,32  S.  313f.  Man  darf  daraus  schHeßen,  dafs  die 
Jesum  Mt  19,  3  versuchenden  Pharisäer  zu  den  Anhängern  Hillels 
gehört  haben.  —   Über  Scheidebriefe  s.  beiMt5,  31. 


Matth  19,  7  (Nr.  2.  3).  19,  8.  10.  12  0«)  805 

2.  Der  Scheidebrief  als  göttliche  Institution. 

pQid  1,  58<^,  18:  R.  Jochanan  (=  Chanin  oder  Chanan)  von  Sepphoris  (um  300) 
[R.  Acha  R.  Chanina]'  hat  im  Namen  des  R.  Sch'muel  b.  Nachman  (um  260)  gesagt: 
Es  heifst  Mal  2,  16:  ,Tch  hasse  Scheidung,  spricht  Jahve,  der  Gott  Israels."  Für  Israel 
habe  ich  die  Ehescheidung  eingesetzt,  aber  nicht  für  die  Völker  der  Welt.  R.  Chananja  ' 
liat  im  Namen  des  R.  Pin''chas  '  gesagt :  Im  ganzen  Abschnitt  r,-D-z  (d.  h.  im  ganzen  Pro- 
phetenbuch Maleachi)  steht  (immer)  geschrieben:  , Jahve  der  Heerscharen"  (womit  der 
Gott  der  ganzen  Welt  bezeichnet  wird),  u.  hier  (Mal  2,  16)  steht  geschrieben:  „Der  Gott 
Israels",  um  dich  zu  lehren,  daß  Gott  seinen  Namen  nur  mit  den  Ehescheidungen  in 
Israel  verbunden  hat  (diese  sanktionierend).  Der  letzte  Satz  mit  den  richtigen  Namen: 
„R.  Acha  im  Namen  des  R.  Chanina  b.  Papa"  auch  GnR  18  (12'^),  s.  bei  Mk  10,  12. 

3.  Daß  unter  Umständen  auch  die  jüdische  Frau  das  Recht  hatte,  sich 
von  ihrem  Manne  scheiden  zu  lassen,  s.  bei  Mt  5, 32  S.  318  u.  Mk  1@,  12. 

19,8:  Mose  hat  erlaubt  mit  Rücksicht  auf  eure  Hartherzigkeit. 

1.  Das  Wort  konnte,  sobald  ein  Gegensatz  zwischen  Mose  u.  Gott 
darin  gefunden  wurde,  gar  sehr  zum  Schlimmen  ausgelegt  werden. 

SanhlO,!:  Und  dies  sind  die,  welche  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt 
haben:  wer  sagt:  Es  gibt  keine  Auferstehung  der  Toten,  und:  Die  Tora  ist  nicht  von 
Gott,  u.  der  Freidenker  (Epikureer).  —  Dazu  Sanh  99 '^  Bar:  „Das  Wort  Jahves  hat  er 
verachtet  .  .  .  ausgerottet,  ja  ausgerottet  werden  soll  diese  Seele"  Nu  15,  31;  das  ist 
der,  welcher  sagt:  Die  Tora  ist  nicht  von  Gott  (wörtlich:  vom  Himmel);  u.  selbst  wenn 
er  sagte:  Die  ganze  Tora  ist  von  Gott  mit  Ausnahme  dieses  (oder  jenes)  Verses,  den 
nicht  Gott,  sondern  Mose  aus  seinem  eigenen  Munde  gesprochen  hat,  so  gilt  von  ihm : 
Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet.  Und  selbst  wenn  er  sagt:  Die  ganze  Tora  ist  von 
Gott  mit  Ausnahme  dieser  (oder  jener)  rabbinischen  Forschung  (Festsetzung),  mit  Aus- 
nahme dieses  (oder  jenes)  Schlusses  vom  Leicliteren  auf  das  Schwerere,  mit  Ausnahme 
dieses  (oder  jenes)  Analogieschlusses,  so  gilt  von  ihm :  Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet. 

2.  Von  einer  ähnlichen  Nachgiebigkeit  der  Tora  gegenüber  mensch- 
licher Leidenschaft  redet: 

Qid21b  Bar:  Es  heißt  Dt  21,  11:  „Wenn  du  unter  den  Gefangenen  siehst",  zur 
Zeit  der  Gefangenschaft,  „ein  Weib",  selbst  auch  ein  verheiratetes,  „von  schöner  Ge- 
stalt"; die  Tora  sagt  das  lediglich  mit  Rücksicht  auf  den  bösen  Trieb  (die  geschlecht- 
liche Leidenschaft):  es  ist  besser,  daß  die  Israeliten  Fleisch  von  Tieren  essen,  die  vor 
dem  Verenden  abgeschlachtet  wurden,  als  daß  sie  das  Fleisch  von  verendetem  Aas 
essen.    (Die  Tora  wählt  von  zwei  Übeln  das  kleinere.) 

1S>,  }>:  Wer  sein  Weib  entläßt  außer  auf  Grund  von  Hurerei  .  .  ., 
der  bricht  die  Ehe,  s.  bei  Mt5,  32. 

11),  10:  Es  frommt  nicht  zu  heiraten. 
Das  Ungewöhnliche  dieses  Wortes  wird  am  besten  empfunden,  wenn 
man  bedenkt,  daß  die  alte  Synagoge  das  Heiraten  des  Mannes  für  ein 
Pflichtgebot  erklärt  hat,  s.  bei  Joh  2,  1  Nr.  1, 

19, 12  5(:  Es  gibt  Verschnittene,  welche  von  Mutterleibe 

so  geboren  sind. 

svvovxoi  sx  xoiXiag  jLit^iQog.  —  hn  Rabbin.  wird  ein  solcher  nan  o^-:p 

genannt:  „von  der  Sonne  an  kastriert,  d.  h.  der  schon  von  seiner  Geburt 

*  Die  Namen  in  der  eckigen  Klammer  sind  zu  streichen;  sie  gehören  in  den  nächsten 
Satz,  wo  zu  lesen  ist :  R.  Acha  (um  320)  hat  im  Namen  desR.  Chanina  b.  Papa  (um  300)  gesagt. 


806  Matth  19, 12  {%.  »I 

an  Eunuch  war",  Levy-,  69'\  Nach  andren  rührt  die  Bezeichnung 
daher,  daß  der  Betreffende  durch  Hitze  oder  Fieber  impotent  wurde. 
Gleichbedeutend  mit  rrcn  oi-d  ist  a-^^^t;  o-^no  vom  Himmel,  d.  h.  von  Gott 
verschnitten  J^b  75 '\  80'';  Raschi  zur  ersteren  Stelle  gibt  unter  andren 
die  Erklärung:  verschnitten  „vom  Mutterleibe  an"  "idx  •'s^^.  Gegensatz: 
der  durch  Menschen  Verschnittene  cnx  öi"tf),  s.  19, 12$B. 

p.T'b  8,  9<^,  17:  Wer  ist  ein  von  der  Sonne  an  Verschnittener?  R.  Chijja  (um  280) 
bat  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Jeder,  den  die  Sonne  auch  nicht  eine 
Stunde  in  Tüchtigkeit  (Zeugungskraft)  gesehen  (beschienen)  hat.  ||  J^b  79^^:  Wie  ver- 
hält es  sich  mit  dem  von  der  Sonne  an  Verschnittenen?  Rab  Ji^chaq  b.  Joseph  (um 
330)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  habe  gesagt:  Das  ist  der,  der  nicht  eine  Stunde  in  .seiner 
Tüchtigkeit  erlebt  hat.  Woran  erkennt  man  es?  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Wenn 
jemand  uriniert,  ohne  dabei  einen  Bogen  zu  machen  (d.  h.  ohne  daß  der  AVasserstrahl 
bogenförmig  von  ihm  geht).  Woher  kommt  das?  Daher,  daß  seine  Mutter  in  der 
Mittagssonne  Brot  buk  n.  ein  ungemischtes  starkes  Getränk  trank.  —  J'^b  80'^  u.  TJ®b 
10,  6  (252)  Bar:  Wer  ist  ein  von  der  Sonne  an  Verschnittener?  Wer  20  Jahre  alt  ist, 
ohne  die  beiden  Haare  (als  Pubertätszeichen)  gebracht  zu  haben;  u.  wenn  er  sie  aucli 
hinterher  bringt,  so  gilt  er  doch  in  jeder  Hinsicht  als  Verschnittener.  Und  das  sind 
die  Merkmale:  wer  keinen  Bart  hat,  u.  dessen  Haar  dünn  ist,  u.  dessen  Körper  glatt 
(=  unbehaart)  ist.  Rabban  Schinvon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte  im  Namen  des  R.  J4iuda 
b.  Jair:  Dessen  Urin  keinen  Schaum  macht.  Andre  sagen:  Wer  uriniert,  ohne  dabei 
einen  Bogen  zu  machen;  andre:  Dessen  Samenausfluß  matt  (nicht  zusammenhangend) 
ist  (s.Levy  1,517  sit);  andre:  Dessen  Urin  nicht  übelriechend  wird;  andre:  Wer  in 
der  Regenzeit  läuft,  ohne  daß  sein  Körper  eine  Ausdünstung  hervorbringt.  R.  Schinvon 
b.  EHazar  (um  190)  sagte:  Dessen  Stimme  schwach  (fein)  ist,  so  daß  man  nicht  erkennen 
kann,  ob  sie  die  eines  Mannes  oder  einer  Frau  ist.  —  J^'b  80  fe:  Der  (von  der  Sonne  an) 
Verschnittene  gleicht  der  Unfruchtbaren:  wie  die  Unfruchtbare  durch  Gottes  Hand 
(unfruchtbar  geworden  ist),  so  auch  der  Verschnittene  durch  Gottes  Hand. 

19, 12  23:  Verschnittene,  welche  von  den  Menschen 
verschnitten  wurden. 

ivvovxoi  vno  Tö3r  dv^Qomior.  —  Rabbin.  r^x  C"~p. 

J^'bS,  4:  R.  J%oschuaE  (um  90)  sagte:  Ich  habe  gehört,  daß  ein  Verschnittener 
die  Zeremonie  des  Schuhausziehens  an  sich  darf  vollziehen  lassen,  u.  daß  man  sie  seine 
Frau  (an  seinen  Brüdern)  vollziehen  läßt;  u.  (wiederum  habe  ich  gehört),  daß  weder 
er  sie  an  sich  vollziehen  lassen  darf,  noch  daß  man  sie  seine  Frau  vollziehen  läßt; 
u.  ich  weiß  das  nicht  zu  erklären.  Da  sprach  R.  fAqiba  (f  um  135):  Ich  will  es  er- 
klären: ein  von  Menschen  Verschnittener  darf  die  Z.  des  Seh.  an  sich  vollziehen  lassen 
u.  man  läßt  sie  seine  Frau  (an  seinen  Brüdern)  vollziehen,  weil  er  eine  Zeit  der  (ge- 
schlechtlichen) Tüchtigkeit  gehabt  hat  (bevor  er  verschnitten  wurde);  ein  von  der 
Sonne  an  Verschnittener  läßt  die  Z.  des  Seh.  nicht  an  sich  vollziehen  u.  auch  seine 
Frau  läßt  man  sie  nicht  vollziehen,  weil  er  niemals  eine  Zeit  (geschlechtlicher)  Tüchtig- 
keit gehabt  hat.  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Nicht  so;  vielmehr  der  von  der  Sonne  an 
Verschnittene  läßt  die  Z.  des  Seh.  an  sich  vollziehen  u.  ebenso  läßt  man  .sie  seine  Frau 
vollziehen,  weil  es  für  ihn  (vielleicht)  eine  Heilung  gibt;  der  von  Menschen  Ver- 
schnittene läßt  die  Z.  weder  an  sich  vollziehen,  noch  läßt  man  sie  seine  Frau  voll- 
ziehen, weil  es  für  ihn  keine  Heilung  gibt.  Es  bezeugte  R.  Jehoschuac  b.  Bathyra 
(wann?)  betreffs  des  Ben  N^gussath,  daß  dieser  als  ein  von  Menschen  Verschnittener 
in  Jerusalem  gelebt,  u.  daß  man  seine  Frau  zur  Leviratsehe  zugelassen  habe.  Das 
dient  zur  Bestätigung  der  Worte  des  R.  lAqiba.  |1  Zab  2,  1 :  Durch  geschlechtlichen  Aus- 
fluß werden  alle  unrein,  auch  Proselyten,  auch  Sklaven,  sowohl  freigelassene,  als  auch 
nicht  freigelassene,  der  Taubstumme,  der  Irrsinnige,  der  Minderjährige,  der  von  Menschen 


xMattL  19,  12  (SB.  6).  19,  13  (31)  807 

Verschnittene,  der  von  der  Sonne  an  Verschnittene  usw.  —  Eine  ähnliche  Aufzählung 
in  TMeg  i?,  7  (223) :  Alle  sind  zum  Lesen  der  (Esther-)  Rolle  verpflichtet:  Priester, 
Leviten,  Israeliten,  Pioselyten,  freigelasssene  Sklaven,  Entweihte  (d.  h.  Söhne,  die  aus 
der  illegitimen  Ehe  eines  Priesters  stammten  u.  deshalb  zum  Priesterdienst  nicht  zu- 
gelassen wurden),  Tempelsklaven,  Bastarde,  ein  von  Menschen  Verschnittener,  ein  von 
der  Sonne  an  Verschnittener  usw.  |i  Das  Verbot  der  Kastrierung  fand  man  Lv  22,  24 
ausgesprochen:  Ein  Tier,  dem  die  Hoden  zerquetscht,  zerschlagen,  abgerissen  oder  ab- 
geschnitten sind,  sollt  ihr  Jahven  nicht  darbringen.  Dazu  heißt  es  SLv  22,  24  (399-^): 
,lhr  sollt  nicht  darbringen";  da  höre  ich  nur,  dafs  man  es  nicht  darbringen  soll  (als 
Opfer).  Woher,  daß  man  es  nicht  machen  (die  Kastrierung  nicht  ausführen)  soll?  Die 
Schrift  sagt  lehrend  Lv  22,  24:  „In  eurem  Lande  sollt  ihr  es  nicht  machen.*  Da  höre 
ich  nur  von  unversehrten  Tieren,  woher  auch  in  bezug  auf  fehlerhafte?  Die  Schrift 
sagt  lehrend  (ganz  allgemein):  „Ihr  sollt  nicht  machen."  Da  höre  ich  nur  vom  Vieh 
(=  Haustiere),  woher  auch  in  bezug  auf  Wild  u.  Geflügel?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
„In  eurem  Lande"  (d.  h.  an  allen  Tieren,  die  in  eurem  Lande  leben).  Da  höre  ich  nur 
vom  Lande  (Israel),  woher  auch  in  bezug  auf  das  Ausland?  Die  Schrift  sagt  lehrend 
(ganz  allgemein):  „Ihr  sollt  nicht  machen."  Woher  auch  in  bezug  auf  den  Menschen? 
Die  Schrift  sagt  lehrend:  „an  euch",  so  nach  den  Worten  des  Ben  Chabina  (?).  — 
Wie  die  Schlußworte  gemeint  sind,  zeigt  Schab  110'*  Bar:  Woher,  daß  die  Kastrierung 
an  einem  Menschen  verboten  ist?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv22,  24:  „In  eurem 
Lande  sollt  ihr  es  nicht  machen",  d.  h.  an  euch  sollt  ihr  es  nicht  machen;  das  sind 
Worte  des  R.  Chanina  (?).  („In  eurem  Lande"  =  an  allem  in  eurem  Lande,  also  auch 
nicht  an  Menschen.) 

19, 12  6:  Verschnittene,  die  sich  selbst  um  des  Himmelreichs 
willen  verschnitten  haben. 

So  blieb  um  der  Tora  willen  einst  Ben  <Azzai  (um  110)  unverraählt.  TJ'^b  8,  4  (250): 
Ben  EAzzai  sagte:  Wer  sich  nicht  mit  der  Fortpflanzung  befaßt,  dem  rechnet  es  die 
Schrift  so  an,  als  ob  er  das  (göttliche)  Ebenbild  verminderte;  s.  Gn  9,  6:  In  seinem 
Bilde  hat  Gott  den  Menschen  gemacht  (u.  darauf  folgt  Vers  7:)  Ihr  aber  seid  frucht- 
bar u.  mehret  euch.  Da  sprach  R.  EUazar  (b.  t Azarja,  um  100)  zu  ihm:  Schön  sind 
Worte,  wenn  sie  aus  dem  Munde  ihrer  Täter  kommen;  mancher  trägt  schön  vor  u. 
hält  (das  Vorgetragene  auch  seinerseits)  schön;  Ben  c'Azzai  trägt  schön  vor,  hält  aber 
nicht  schön  (da  er  unverheiratet  bleibt)!  Er  antwortete:  Was  soll  ich  tun?  Meine 
Seele  hängt  an  der  Tora  (u.  der  Beschäftigung  mit  ihr;  da  bleibt  für  die  Ehe  keine 
Zeit);  mag  die  Welt  durch  andre  erhalten  werden!  —  Dasselbe  als  Bar  J'^b  ßo^, 
ferner  GnR  34  (21  ^j. 

1*),  13  51:  Kindlein  wurden  zu  ihm  gebracht,  damit  er 

ihnen  die  Hände  auflegte  u.  betete. 
Kinder  treten  vor  ihren  Vater,  Schüler  vor  ihren  Lehrer  mit  der 
Bitte,  daß  er  für  sie  bete,  sie  segne.   Die  Handauflegung  dient  dabei 
zur  Übermittlung  des  Segens. 

Gn  20  (It)"'):  Rabban  Gamliel  (um  90)  verheiratete  seine  Tochter.  Sie  sprach  zu 
ihm:  Mein  Vater,  bete  für  mich  *;y  -lu  sax!  Er  sprach  zu  ihr:  Möge  es  dir  nicht 
beschieden  sein,  hierher  (in  dein  Elternhaus)  zurückzukehren!  Sie  gebar  einen  Sohn; 
sie  sprach  zu  ihm:  Mein  Vater,  bete  für  ihn  •'isy  '"^s.  Er  sprach  zu  ihr:  Möge  nie 
der  Weheruf  in  deinem  Munde  aufhören!  Sie  sprach  zu  ihm:  Mein  Vater,  bei  zwei 
Freuden,  die  mir  gekommen  sind,  hast  du  mir  geflucht!  Er  antwortete:  Zwei  Gebets- 
wünsche sind  es  gewesen:  weil  du  dich  wohlfühlen  möchtest  in  deinem  Hause,  darum 
(mein  Wunsch:)  möge  es  dir  nicht  beschieden  sein,  hierher  (als  geschiedene  Frau) 
zurückzukehren;  u.  weil  dein  Sohn  am  Leben  bleiben  möchte,  darum  (mein  Wunsch:) 
möge  nie  der  Weheruf  in  deinem  Munde  aufhören:  Wehe,  daß  mein  Sohn  nicht  ge- 


808  Matth  19,  13  («.  SB).  19,  16  (Nr.  1.  2) 

trunken  hat!  welie,  Jafs  mein  Sobn  nicht  gegessen  hat!  wehe,  daß  mein  Sohn  nicht 
in  die  Synagoge  gegangen  ist!  i|  Midr  Ps  20  §9  (88'^):  Rabban  Gamliel  (um  90)  ging 
einmal  zu  R.  Chilpha  b.  Qaroja;  der  sprach  zu  ihm:  Bete  für  mich  "Vy  '^VErr!  Er 
antwortete:  Er  gebe  dir  nach  deines  Herzens  Wunsch,  Ps  20,  5!  ||  B^rakh  28'':  Als 
Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  erkrankt  war,  gingen  seine  Schüler  zu  ihm, 
um  ihn  zu  besuchen.  .  .  .  Sie  sprachen  zu  ihm:  Unser  Lehrer,  segne  uns  •:r"'a  "j-s-! 
Er  antwortete  ihnen:  Es  möge  (Gottes)  Wille  sein,  daß  die  Furcht  vor  Gott  c"'^»  k^ii 
auf  euch  sei,  wie  die  Furcht  vor  Fleisch  u.  Blut  (—  vor  Menschen)!  Seine  Schüler 
sprachen:  Nur  bis  daliin  (soll  die  Furcht  vor  Gott  bei  uns  reichen  u.  nicht  weiter)? 
Er  antwortete:  0,  daß  es  so  sein  möchte!  Wisset,  wenn  ein  Mensch  eine  Übertretung 
begeht,  sagt  er:  Daß  mich  nur  kein  Mensch  sieht!  ||  M*'g  28''':  Zur  Zeit  des  Ablebens 
des  R.  J^'hoschuac  b.  Qarcha  sprach  Rabbi  zu  diesem:  Segne  mich  ":3"'i !  Er  antwortete: 
Es  sei  (Gottes)  Wille,  daß  du  die  Hälfte  meiner  Lebenstage  erreichst.  (Jener  sprach:) 
Sie  ganz  nichtV  Er  antwortete:  Sollen,  die  nach  dir  kommen,  das  Vieh  weiden?  (Wenn 
du  so  alt  würdest  wie  ich,  würden  deine  Söhne  zu  spät  zur  Patriarchenwürde  ge- 
langen.) II  Im  Siddur  S'^phath  Emeth,  Rödelheim  188ö,  S.  44  heißt  es:  Der  Minhag 
(=  Brauch)  ist,  am  Sabbat  u.  Festtag  (vor  der  Abendmahlzeit)  seine  Kinder  (unter 
Handauflegung)  zu  segnen,  wobei  man  zu  den  Söhnen  spricht:  ^Es  mache  dich  Gott 
wie  Ephraim  u.  Manasse"  (vgl.  Gn  48,  20),  u.  zu  den  Töchtern:  „Es  mache  dich  Gott 
wie  Sara,  Rebekka,  Rahel  u.  Lea!"  Vgl.  auch  Trakt  Soph  18,  5  bei  Lk  2,  28.  ||  Über  das 
Auflegen  der  Hände  bei  der  Ordination  der  jüdischen  Gelehrten  s.  bei  Apg  6,  (5  Nr.  1  u.  r,. 

19,13^:  Diie  Jünger  aber  schalten  (bedrohten)  sie. 

K^th  6-3"  u.  N'd  50-':  (Als  R  cAqiba  nach  vieljähriger  Abwesenheit  von  seinem 
Hause  mit  einer  großen  Schar  von  Schülern  heimkehrte,  gbig  ihm  seine  Frau  entgegen) 
•fiel  auf  ihr  Angesicht  u.  küßte  seine  Füße.  Da  wollten  seine  Diener  (Jünger)  sie  fort- 
stoßen. Er  aber  sprach  zu  ihnen:  Lasset  sie;  das  Meine  u.  das  Eure. ist  das  Ihre  (was 
ich  bin  u.  was  ihr  seid,  verdanken  wir  ihr)! 

19,14:  Denn  solcher  ist  das  Himmelreich. 
Zur  Teilnahme  der  Kinder  an  der  zukünftigen  Welt  s.  bei  Mt  18,  14  iB. 

19,16: Wel ch esG u te  SO  1 1  ich  tun,damitjchewigesL eben  erlange? 

1.  Berakh  28^  Bar:  Als  R.  Elicezer  (um  90)  erkrankte,  kamen  seine  Schüler,  um 
ihn  zu  besuchen.  Sie  sprachen  zu  ihm:  Rabbi,  lehre  uns  die  Wege  des  Lebens,  daß 
wir  auf  ihnen  das  Leben  der  zuk.  Welt  erlangen  ssn  aV-yn  —r:'?  pa  rrT:\  Er  ant- 
wortete :  Geht  behutsam  um  mit  der  Ehre  eurer  Genossen,  haltet  eure  Kinder  vom  (bloßen) 
Lesen  (der  Schrift)  zurück  u.  lasset  sie  sitzen  zwischen  den  Knieen  der  Gelehrtenschüler 
(Selbststudium  ohne  die  leitende  Hand  eines  Lehrers  führt  leicht  irre);  u.  wenn  ihr 
betet,  wisset,  vor  wem  ihr  steht!    So  werdet  ihr  das  Leben  der  zuk.  Welt  erlangen. 

2,  ^oyrj  alohiog.  —  Die  entsprechenden  rabbin.  Ausdrücke  sind: 

a.  aV-y  -;;rr  (s.  schon  Dn  12, 2)  =  ewiges  Leben ;  Gegensatz  r.yv  -f-  =  Leben  der  flüch- 
tigen Stunde,  zeitliches  Leben.  Bepa  \b^  sagt  R.  Elicezer  (um  90)  von  denen,  die  die  Lehr- 
vorträge verlassen:  ,Sie  lassen  das  ewige  Leben,  um  sich  mit  dem  Leben  der  Stunde  zu 
beschäftigen."  —  Ebenso  urteilt  R.  SchimJon  b.  Jochai,  um  150,  über  Leute,  die  er  mit 
Landarbeit  beschäftigt  sieht  Schab  33 1>;  desgleichen  Raba  (f  352)  über  Rab  Hamnuna 
(um  290),  als  dieser  lange  Zeit  im  Gebet  verweilt,  statt  sich  mit  der  Tora  zu  be- 
schäftigen Schab  lO».  —  R.  Jochanan  (f  279)  legt  dies  Urteil  zwei  Engeln  in  den  Mund, 
als  er  sich  mit  seinem  Genossen  llpha  anschickt,  das  Torastudium  aufzugeben  Ta?an  21  =*; 
doch  ist  hier  ohne  Änderung  des  Sinnes  zu  o'^iy  hinzugefügt  san,  so  daß  der  Gegen- 
satz: „Leben  der  Stunde"  u.  „Leben  der  zukünftigen  Welt"  entsteht.  —  |i  pMQ  3,  82  b,  59 
folgert  Rabban  SchimSon  b.  Gamliel,  um  140,  aus  der  Berechtigung  des  Leidtragenden, 
an  der  Sabbatmahlzeit  teilzunehmen,  dessen  Verpflichtung,  am  Sabbat  alle  Gebote  zu 


Matth  19,  16  (Nr.  3).  19,  17  (?l.  8.  g)  809 

beobachten:  „Das  Leben  der  flüchtigen  Stunde  hast  du  ihm  gestattet,  mußt  du  ihm  das 
Leben  der  Ewigkeit  (das  in  der  Beobachtung  der  Tora  liegt)  nicht  erst  recht  gestatten?" 

b.  Kzr:  D^iy  "i^r;  =  , Leben  der  zuk.  Welt";  Gegensatz  -jn  nvy  -^r;  , Leben  dieser 
Welt".    Beispiele  im  Exkurs:  , Diese  Welt,  Tage  des  Messias  u.  die  zuk.  Welt." 

3.  nc(  ax'l'  Cf'^'i»'  f^iohior.  —  Rabbinisch:  xin  üh'.v  i^nb  nzr;  s.  oben 
.B«rakh  28''.  —  In  demselben  Sinn:  N2n  obirb  r,z;:  zB  BB  10 ^'  Bar:  Wer 
sagt:  Dieser  Sela?  sei  zu  Almosen  bestimmt,  damit  meine  Kinder  am 
Leben  bleiben  u.  damit  ich  die  zukünftige  Welt  erlange  Nnn  zh'-jb  i-!=it<c, 
der  ist  ein  vollkommener  Gerechter.  —  Die  Parallelstelle  RH  4"  liest 
N^n  abni-n  "^nb;  P's  S":  ., Damit  ich  ein  Sohn  der  zukünftigen  Welt  werde." 

11),  17  %:  Was  fragst  du  mich  über  das  Gute? 

Der  Vers  wird  so  zu  deuten  sein :  Was  fragst  du  mich  noch  nach  dem 
Guten  ?  Einer  ist  der  Gute  I  Also  ist  die  Befolgung  seines  Willens  das  Gute, 
das  du  zu  tun  hast;  —  willst  du  zum  Leben  eingehn,  halte  die  Gebote! 

Die  Tora  u.  ihre  Beobachtung  als  das  Gute  schlechthin,  zB  AbothG,  .3:  Die  Un- 
sträflichen werden  Gutes  besitzen  Spr28, 10.  , Gutes"  meint  nichts  andres  als  die  Tora, 
s.  Spr4, 2:  Einen  guten  Kauf  habe  ich  euch  gegeben,  meine  Tora  verlasset  nicht  (so 
der  Midr).  |1  B'Yakh  5^:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wenn  es  jemand  möglich  ist, 
sich  mit  der  Tora  zu  beschäftigen,  u.  er  tut  es  nicht,  so  bringt  Gott  häfsliche  u.  ihn 
erregende  Leiden  über  ihn,  s.  Pso9,  3:  Ich  verstummte  in  Stille,  ich  schwieg  vom  Guten. 
da  ward  mein  Schmerz  aufgeregt.  Das  „Gute"  meint  nichts  andres  als  die  Tora,  s. 
Spr4,  2  (wie  oben).  |!  ?AZ  19'^:  R.  Alexandrai  (um  270)  rief  aus:  Wer  wünscht  Leben, 
wer  wünscht  Leben?  Da  versammelten  sich  alle  zu  ihm  u.  sprachen:  Gib  uns  Leben! 
Er  antwortete:  Wer  ist  der  Mann,  der  Leben  begehrt?  Behüte  deine  Zunge  vor  Bösem. 
Weiche  vom  Bösen  u.  tue  das  Gute  Ps  34, 13  — 15.  Wenn  etwa  einer  sagen  wollte:  Ich 
habe  meine  Zunge  behütet  vor  Bösem  u.  meine  Lippen,  daß  sie  nicht  Trug  redeten,  nun 
will  ich  mich  dem  Schlaf  ergeben!  so  sagt  lehrend  die  Schrift:  Er  weiche  vom  Bösen 
u.  tue  das  Gute!  L"nd  das  „Gute"  meint  nichts  andres  als  die  Tora,  s.  Spr4,  2  (wie  oben). 

10,  17  23:  Einer  ist  der  Gute. 

B^rakh  9.2:  Über  Regenfälle  u.  gute  Nachrichten  spricht  man  den  Lobspruch:  Ge- 
priesen sei  der  Gute  u.  der  Gütige  s-va-i  =vjr.  ||  pChag  2,  77'",  5:  (Als  R.  Meir,  um  150, 
die  Nachricht  erhielt,  daß  das  Grab  seines  Lehrers,  des  Apostaten  R.  Elischa?  b.  Abuja, 
in  Flammen  stehe,  ging  er  hinaus  u.)  nahm  seinen  Mantel  u.  breitete  ihn  darüber  u. 
sprach  (mit  Ruth  3,  13):  „Bleib  diese  Nacht  hier",  bleib  in  dieser  Welt,  die  der  Nacht 
gleicht;  „u.  am  Morgen",  das  ist  die  zukünftige  Welt,  die  ganz  Morgen  ist;  „wenn  dich 
der  Gute  erlösen  will,  so  erlöse  er"  (so  der  Midr),  das  geht  auf  Gott,  der  gut  ist,  s. 
Psl45,  9:  Gut  ist  Jahve  gegen  alle.  „Wenn  er  aber  nicht  Lust  hat  dich  zu  erlösen, 
so  werde  ich  dich  erlösen,  so  wahr  Jahve  lebt!"  Da  erlosch  das  Feuer.  —  Dasselbe 
Midr  Ruth  3, 13  (135«);  Midr  Qoh  7,  8  (34=').  ||  M'^n  53'^:  (R.  fEzra,  um  400?,  hat  gesagt:) 
Es  komme  der  Gute  u.  empfange  das  Gute  von  dem  Guten  für  die  Guten.  „Es  komme 
der  Gute",  das  ist  Mose,  s.  Ex  2,2:  Sie  sah,  daß  er  schön  (gut)  war;  „u.  empfange  das 
Gute",  das  ist  die  Tora,  s.  Spr4, 2  (wie  oben);  „von  dem  Guten",  das  ist  Gott,  s. 
Ps  145,  9  (wie  oben);  „für  die  Guten",  das  sind  die  Israeliten,  s.  Ps  125,4:  Tue  Gutes, 
.Tahve,  den  Guten.  ||  P^siq  I6H:  R.  Schim?on  b.  Chalaphta  (um  190)  hat  gesagt:  Der 
Freche  besiegt  (durch  sein  unaufhörliches  Bitten)  den  Bösen,  um  wieviel  mehr  den 
Guten  der  Welt  (d.  h.  Gott).  —  pTafan  2,  65 b,  32  liest  „die  Güte  der  Welt". 

19,  17(?:  Wenn  du  willst  in  das  Leben  eingehn. 
f^c  r/r  uj)i'i  !-irrfk^(-n<  =  xnn  zh-sh  xi^.  aram.  irNi  x-sbrV  srN. 


810  Mattli  19, 17  (0".  2)).  19,  18  (5(  1.  2) 

Sanli  QS'"^  fragt  R.  J'hoschuaf  b.  Levi  (um  250)  den  Propheten  Elias:  a^'->:;h  kj-px 
-rs-  „werde  ich  in  die  zukünftige  Welt  kommen?"  —  Hebräisch  heißt  es:  z'^iyh  y^z  ]r. 
ttzn  , diese  kommen  in  die  zuk.  Welt",  zB  Sanh  110l>  (7 mal).  ll  Targ  Ps  40,  8:  ",-;V  hhy 
«•:'?>•  =  in  das  ewige  Leben  eintreten.  Hebräisch  o;::.  So  Aboth  4,  16:  R.  Ja?aqob  (um 
170)  sagte:  Diese  Welt  gleicht  einem  Vorzimmer  vor  der  zuk.  Welt;  rüste  dich  im  Vor- 
zimmer, damit  du  in  den  Speisesaal  (d.h.  die  zuk.  Welt)  eingehen  mögest  "?.:!?iö. 

19,17  2):  Halte  die  Gebote. 
Über  die  Anzahl  der  Gebote  (613)  u.  deren  Einteilung  in  365  Ver- 
bote u.  248  Gebote  s.  den  Exkurs:  Was  hat  die  alte  Synagoge  über  den 
göttl.  Ursprung  ihrer  kanonischen  Bücher  gelehrt?  Anm.  10. 

1{),  18:  Du  sollst  nicht  töten  (s.  bei  Mt  5,21). 

1J>,  18:  Du   sollst  nicht  ehebrechen  (s.  bei  Mt  5,27.  28;  Rom  2.22). 

19, 18  5(:  Du  sollst  nicht  stehlen. 

1.  Man  unterschied  drei  Kategorien  von  Diebstählen,  Erstens: 
Täuschung  (rrn  rsn^:.-,  wörtlich:  „das  Stehlen  der  Gedanken"),  gleich- 
viel ob  der  Täuschende  dadurch  Vermögensvorteil  hatte  oder  nicht.  — 
Zweitens:  Sachdiebstahl  (fünf  Unterabteilungen  nach  Maßgabe  der 
Straf  höhe).  —  Drittens:  Menschenraub. 

TBQ  7,8  (358):  Sieben  Arten  Diebe  gibt  es.  Der  erste  von  allen  ist  derjenige, 
welcher  die  Gedanken  der  Menschen  stiehlt  (durch  Täuschung),  wer  (zB)  in  einen  andren 
dringt,  ihn  als  Gast  bewirten  zu  dürfen,  u.  dabei  gar  nicht  die  Absicht  hat,  ihn  ein- 
zuladen ;  oder  wer  ihm  viele  Geschenke  macht  u.  dabei  weiß,  daß  jener  sie  nicht  an- 
nimmt; wer  für  ihn  (Wein-)Fässer  aufmacht  (um  dem  andren  damit  zu  zeigen,  wie  sehr 
er  ihn  ehre),  obgleich  sie  (bereits)  an  den  Händler  verkauft  sind  (ihm  also  gar  nicht 
mehr  gehören);  wer  unrecht  handelt  mit  Maßen  u.  trügerisch  mit  Gewichten;  oder  wer 
Rohr  (lies  rn-;  statt  m-;)  mischt  unter  Fönnkraut  u.  Essig  unter  Öl.  .  .  .  Und  nicht 
bloß  dies  (daß  er  Menschen  täuscht),  man  sieht  ihn  auch  als  einen  solchen  an,  der, 
wenn  er  den  Höchsten  täuschen  könnte,  es  tun  würde;  denn  jeder,  der  Menschen 
täuscht,  wird  ein  Dieb  genannt,  s.  2  Sm  15,7:  ,So  stahl  Absalom  das  Herz  der  Israe- 
liten" (d.  h.  er  täuschte  sie,  führte  sie  hinter  das  Licht).  —  (Das.  §11  u.  12:)  Über 
diesen  (die  mit  Täuschung  umgehen)  steht  (als  ärgerer  Dieb)  «,  der,  welcher  zum  Nieß- 
brauch Verbotenes  stiehlt;  er  ist  frei  von  Ersatzleistung;  ß,  wer  Dokumente,  Grund- 
stücke u.  Geheiligtes  stiehlt;  er  bezahlt  nur  das  Grundkapital  (d.  h.  den  Wert  des  ge- 
stohlenen Gegenstandes  ohne  weiteren  Zuschlag);  ;',  wer  Vieh,  Wild,  Geflügel,  Kleidung, 
Früchte,  geheiligte  Gerätschaften  oder  das  Erstgeborene  eines  Esels  stiehlt;  er  zahlt 
doppelten  Ersatz  (vgl.  Ex  22,  3);  cT,  wer  ein  Rind  stiehlt,  es  schlachtet  u.  verkauft; 
er  bezahlt  das  Fünffache;  s,  wer  ein  Schaf  stiehlt;  er  bezahlt  das  Vierfache;  s.  Ex  21,  37: 
Falls  jemand  ein  Rind  oder  ein  Schaf  stiehlt  u.  schlachtet  oder  es  verkauft,  so  soll 
er  fünf  Stück  Rindvieh  statt  des  Rindes  erstatten  u.  vier  Stück  Kleinvieh  statt  des 
Schafes.  —  (Das.  §13:)  Über  diesen  steht  derjenige,  der  andrer  Leute  Kind  stiehlt; 
denn  er  wird  deshalb  an  seinem  Leben  bestraft  (s.  weiter  unten).  —  Dasselbe  mit  Ab- 
weichungen M%h  Ex  22,  8  (95b).  Die  für  „Täuschungen"  beigebrachten  Beispiele  rühren 
nach  Chullin  94^*  von  R.  Meir,  um  150,  her;  anonym  liest  man  sie  pD'^mai  4, 24 ■',  52 ; 
pfAZ  1,39^46.  —  Chullin94'*  findet  sich  auch  der  Ausspruch  Sch'^muels  (f  254):  Das 
Täuschen  der  Menschen  ist  verboten,  auch  das  Täuschen  der  Nichtisraeliten. 

2.  Die  ältesten  rabbin.  Auslegungen,  die  wir  vom  7.  Gebot  haben, 
zeigen,  daß  man  Ex  20,  15:  „Du  sollst  nicht  stehlen"  nicht  auf  Sach- 
diebstähle, sondern  auf  Menschenraub  bezogen  hat.  Der  Wortlaut  nötigte 


Matth  19,  18  (1t  2)  811 

nicht  dazu;  er  ist  so  allgemein  gehalten,  daß  er  Diebstahl  jeglicher 
Art  unter  sich  befassen  kann.  Die  Beschränkung  auf  Menschenraub 
dürfte  deshalb  einer  halakhischen  Theorie  zuliebe  erfolgt  sein.  Wie  ein 
Israelit  nur  bestraft  werden  konnte,  wenn  die  Tora  für  sein  Vergehn 
ausdrücklich  eine  Strafe  festgesetzt  hatte  u.  wenn  er  vor  Begehung 
seiner  Tat  ihretwegen  verwarnt  worden  war,  so  forderte  die  Theorie 
auch  für  die  Verbote  selbst  den  Nachweis  aus  der  Tora,  einmal,  daß  sie 
in  der  Form  einer  Verwarnung,  also  als  Verbote  ausgesprochen  seien, 
u.  sodann  daß  ihnen  eine  Straf  bestimmung  beigegeben  sei.  Nun  findet 
sich  die  Festsetzung  der  Strafe  für  Menschenraub  Ex  21,16  u.  Dt  24, 7; 
aber  für  das  ausdrückliche  Verbot  des  Menschenraubes  in  Form  der 
Verwarnung  schien  die  Tora  keinen  Beleg  zu  bieten.  So  entschloß  man 
sich,  Ex  20,15  zu  dieser  Verwarnung  zu  machen;  damit  war  dann  die 
Beschränkung  von  Ex  20, 15  auf  Menschenraub  von  selbst  gegeben.  Da- 
gegen sah  man  die  Verwarnung  betreffs  des  Sachdiebstahls  in  Lvl9,ll 
u.  die  dazu  gehörenden  Straf  bestimmungen  Ex  21,  37  ff.  gegeben.»  — 
Die  Deutung  von  Ex  20, 15  auf  Menschenraub  läßt  sich  bis  ins  erste  nach- 
christl.  Jahrh.  zurückverfolgen.  Denn  sie  tritt  bereits  im  NT  hervor, 
nämlich  1  Tim  1,10,  wo  zwischen  den  Übertretern  des  6.  Gebotes  {ttöqvoic, 
aoGei'oxoicaic)  u.  den  Übertretern  des  8.  Gebotes  {ifi^vacaig,  stiiöqxoiq)  als 
Übertreter  des  7.  Gebotes  nur  der  Menschenräuber  u.  Menschenverkäufer, 
aydQaTTodiaci]c,  genannt  wird.^  —  Doch  ist  die  Auslegung  von  Ex  20, 15 
auf  Menschenraub  durchaus  nicht  die  im  Rabbinischen  einzig  u.  allein 
anerkannte  gewesen.  Die  Haggada,  die  sich  in  freieren  Formen  als  die 
Halakha  bewegt,  hat  die  Stelle  auch  vom  Sachdiebstahl  verstanden,  b 

a.  Wk\\  Ex  20, 15  (77b):  ,üu  sollst  nicht  stehlen"  Ex  20, 15.  Warum  whd  das  ge- 
sagt? Wenn  es  Ex  21, 16  heifst:  „Wer  einen  Menschen  stiehlt  u.  ihn  verkauft,  der  soll 
getötet  werden",  so  hören  wir  von  der  Strafe.  Woher  läßt  sich  die  Verwarnung  (vor 
Menschenraub)  erweisen?  Die  Schx-ift  sagt  lehrend :  Du  sollst  nicht  stehlen!  Siehe  das 
ist  die  Verwarnung  für  den  Menschendieb  (wörtlich:  für  den  Seelendieb  vzz  a:-:;).  Du 
sagst  für  den  M.dieb;  oder  nicht  vielmehr  für  den  Dieb  von  Geld?  Wenn  es  Lvl9,  11 
heißt:  „Ihr  sollt  nicht  stehlen",  so  ist  das  die  Verwarnung  für  den  Gelddieb;  was  will 
also  die  Schrift  lehrend  sagen  mit:  „Du  sollst  nicht  stehlen"  Ex  20, 15?  Die  Schrift 
redet  vom  M.dieb.  Oder  wäre  etwa  diese  Stelle  die  Verwarnung  für  den  Gelddieb  u. 
jene  (Lv  1^,  11)  die  Verwarnung  für  den  M.dieb?  Wenn  du  es  meinen  wolltest,  so  geh 
w.  lerne  es  aus  den  13  (exegetischen)  Regeln  (vgl.  weiter  unten).  Drei  Gebote  sind  an 
dieser  Stelle  gesagt  (nämlich:  morden,  ehebrechen,  stehlen  Ex  20, 13  —  15);  zwei  davon 
sind  (früher)  erklärt  u.  das  eine  ist  nicht  erklärt;  da  lernen  wir  das  nicht  erklärte  aus 
dem  erklärten:  wie  das  erklärte  (5.  u.  6.  Gebot)  ein  Gebot  ist,  dessentwegen  man  sich 
der  gerichtlichen  Todesstrafe  schuldig  macht,  so  ist  auch  das  nicht  erklärte  (das  7.  Ge- 
bot) ein  Gebot,  dessentwegen  man  sich  der  gerichtl.  Todesstrafe  schuldig  macht.  Darum 
mußt  du  sagen,  nicht  wie  es  in  dem  letzten  Ausspruch,  sondern  wie  es  in  dem  ersten 
Ausspruch  heißt:  Diese  Stelle  (Ex  20,  15)  ist  die  Verwarnung  für  den  M.dieb  u.  jene 
Stelle  (Lv  19, 11)  ist  die  Verwarnung  für  den  Gelddieb.  —  Dasselbe  mit  geringen  Ab- 
weichungen M'kh  Ex  21,  16  (87b);  als  Bar  Sanh  86=';  hier  geht  vorauf:  Woher  läßt  sich 

'  Der  Verfasser  des  1.  Timotheusbriefes  ist  hiernach  jedenfalls  ein  Mann  mit 
rabbin.  Schulung  gewesen. 


812  Matth  19, 18  (21  2) 

die  Verwarnung  für  den  M.dieb  erweisen?  R..  Joschijja  (IL,  am  280)  hat  gesagt:  Aus 
den  Worten:  Du  sollst  nicht  stehlen  Ex  20, 15.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Aus 
den  Worten:  Sie  sollen  nicht  verkauft  werden,  wie  man  einen  Sklaven  verkauft  Lv  25, 42. 
Damit  sind  sie  aber  nicht  verschiedener  Meinung:  der  eine  denkt  an  das  Verbot  des 
Stehlens  (Ex  21,16  u.  findet  die  Verwarnung  in  Ex  20,  15),  u.  der  andre  denkt  an  das 
Verbot  des  Verkaufens  (Ex  21,  16  u.  findet  die  Verwarnung  in  Lv  25, 42).  —  Mit  den 
18  Regeln,  die  oben  erwähnt  werden,  sind  die  von  R.  Jischma?el  (f  um  135)  für  die 
Auslegung  des  ATs  aufgestellten  13  Normen  (Middoth)  gemeint,  die  eine  Erweiterung 
der  7  Middoth  Hillels^  darstellen.  Von  diesen  13  Regeln  ist  es  die  12.,  auf  die  das 
obige  M'kh.zitat  Bezug  nimmt;  sie  entspricht  der  7.  Regel  Hillels  u.  lautet:  -':"9-  "^a- 
-:-;v'3  „etwas,  was  aus  seinem  Zusammenhang  zu  erlernen  ist".  Diese  Regel,  auf  Ex  20, 1 5 
angewandt,  ergibt  folgende  Schlußfolgerung:  Ex  20, 15  steht  im  Zus. hang  mit  Ex  20, 
13  u.  14.  Die  Übertretungen  der  Verbote  in  Ex  20, 13  f.  werden  mit  dem  Tode  bestraft; 
folglich  muß  auch  Ex  20,  15  von  einem  Diebstahl  handeln,  auf  den  Todesstrafe  gesetzt 
ist.  Das  ist  aber  nicht  der  Gelddiebstahl,  sondern  nur  der  Menschendiebstahl  nach 
Ex  21, 16  u.  Dt  24,  7.  —  Mit  derselben  Regel  wird  dann  in  der  Bar  Sanh  86 '^  bewiesen, 
daß  die  Verwarnung  betreffs  des  Gelddiebstahls  in  Lv  19, 11:  „Ihr  sollt  nicht  stehlen" 
enthalten  sei.  Von  dem  Gelddieb  redet  die  Stelle.  Du  sagst:  Vom  Gelddiebe;  oder 
nicht  vielmehr  vom  M.dieb?  Sage:  Geh  u.  lerne  von  den  13  Regeln,  nach  denen  die 
Tora  erklärt  wird:  „Etwas,  was  aus  seinem  Zus. hang  zu  erlernen  ist";  wovon  redet 
die  Schrift  (Lv  19, 11)?  Von  Geld.  Auch  hier  (in  den  Worten:  Ihr  sollt  nicht  stehlen 
Lv  19,11)  handelt  es  sich  um  Geld.  —  Kürzer  SLv  19,11  (348 '^j:  „Ihr  sollt  nicht  stehlen" 
Lv  19, 11.  Was  will  die  Schrift  lehrend  damit  sagen?  Da  es  heißt,  daß  man  Gestohlenes 
doppelt  zu  ersetzen  habe,  s.  Ex  22,  3,  so  lernen  wir  daraus  die  Strafe.  Woher  die  Ver- 
warnung? Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  19, 11 :  „Ihr  sollt  nicht  stehlen!"  Ihr  sollt  nicht 
stehlen,  um  (den  Bestohlenen  nur)  zu  ärgern;  ihr  sollt  nicht  stehlen,  auch  nicht  in  der 
Absicht,  um  doppelten  oder  um  vier-  u.  fünffachen  Ersatz  zu  leisten  (also  handelt 
Lvl9, 11  vom  Gelddiebstahl).  —  Die  letzten  Sätze  auch  pSanh  8,  261',  7;  11,30-',  15. 
Voran  geht  in  diesen  Stellen  folgende  Frage:  Woher  läßt  sich  die  Verwarnung  in  bezug 
auf  den  ersten  Diebstahl  entnehmen?  (Erster  Diebst.  ist  der  in  der  Tora  zuerst  Ex  20, 15 
envähnte,  d.  h.  Menschenraub.)  Aus  den  Worten:  „Du  .sollst  nicht  stehlen"  Ex  20,15. 
Woher  läßt  sich  die  Verwarnung  in  bezug  auf  den  zweiten  Diebstahl  (d.  h.  den  Geld- 
diebst.)  entnehmen?  Aus  den  Worten:  „Ihr  sollt  nicht  stehlen"  Lv  19,11.  ||  Ein  Bei- 
.  spiel  für  die  Deutung  von  Ex  20,  15  auf  Menschenraub  in  der  haggadischen  Literatur 
findet  sich  Pi^siqR  21  (107"):  „Du  hast  mich  beredet,  Jahve,  u.  ich  ließ  mich  über- 
reden; du  hast  mich  erfaßt  u.  wurdest  übermächtig  Jer  20, 7.  Die  Gemeinde  Israel 
sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  du  hast  mich  beredet,  bevor  du  mir  die  Tora  gabst; 
dann  hast  du  das  Joch  der  Gebote  auf  meinen  Hals  gelegt  u.  ich  bin  durch  sie  in  Strafe 
geraten.  Wenn  ich  die  Tora  nicht  angenommen  hätte,  wäre  ich  wie  eine  der  Nationen, 
ohne  Lohn  u.  ohne  Strafe.  (Nun  folgt  die  Anwendung  dieser  Gedanken  auf  jedes  einzelne 
Gebot;  beim  7.  Gebot  heißt  es  dann:)  Du  hast  mir  gut  zugeredet  am  Sinai:""  „Du  sollst 
nicht  stehlen"  Ex  20,  15,  u.  du  hast  mich  erfaßt  u.  bist  übermächtig  geworden:  „Wer 
einen  Menschen  stiehlt .  .  .,  der  soll  getötet  werden"  Ex  21, 16.  (Auch  hier  sind  Ex  20, 15 
u.  21,  16  als  zus  gehörig  gedacht  wie  Verwarnung  u.  Strafe.)*  —  AusTargOnk,  Jeruschl 
u.  II  läßt  sich  über  die  Auffassung  von  Ex  20, 15  u.  Lv  19,  1 1  nichts  entnehmen. 

b.  PesiqR21  (106'>):  Warum  wurden  die  10  Gebote  in  der  Einzahl  gesprochen? 
Weil  die  einzelnen  sie  verabsäumen  (unbeachtet  lassen).  ...  So  hat  das  Gebot:  „Du 
sollst  nicht  stehlen"  Akhan  verabsäumt.  (Das  Gebot:  „Du  sollst  nicht  stehlen'  wird  hier 
zu  den  10  Geboten  gerechnet,  also  handelt  es  sich  um  Ex  20, 15;  Akhans  Diebstahl 
war  nach  Jos  7.  21  ft'.  ein  Sachdiebstahl;  folglich  hat  man  unsre  Stelle  Ex  20, 15  nicht 
auf  Menschenraub,  sondern  auf  gewöhnlichen  Diebstahl  bezogen.)  ||  PesiqR  21  (108'): 


1  Vgl.  Einl.  S.  96— 100. 

2  Ein  weiteres  Beispiel  aus  der  Haggada  s.  Seder  ElijR  24. 


Mattli  19,  18  (312.  83)  813 

Die  10  Gebote  sind  entsprechend  den  10  Worten  gesagt  worden,  durch  die  die  Welt 
geschaffen  worden  ist.  (Es  folgt  der  Nachweis  im  einzelnen;  betreffs  des  7.  Gebotes 
liiutet  die  Ausführung:)  ,Du  sollst  nicht  stehlen'  Ex  20,  15  entspricht  den  Worten 
Gn  1,29:  „Siehe,  ich  gebe  euch  alle  Samen  tragenden  Pflanzen"  usw.  Gott  sprach: 
Niemand  unter  euch  soll  seine  Hand  nach  Diebstahl  ausstrecken  u.  nach  dem  Geld  des 
andren,  sondern  nur  nach  dem,  was  zum  herrenlosen  Gut  gehört,  wie  diese  Pflanzen. 
Auch  hier  ist  das  Verbot  des  Sachdiebstahls  in  den  10  Geboten,  also  in  Ex  20, 15  aus- 
gesprochen gefunden.  II  PesiqR21  (108  b):  Die  10  Gebote  sind  entsprechend  den  10  Piagen 
gesagt  worden,  die  Gott  über  die  Ägypter  in  Ägypten  gebracht  hat.  (In  der  Einzel- 
ausführung heißt  es  dann  zum  7.  Gebot:)  Das  Verbot:  „Du  sollst  nicht  stehlen"  ent- 
spricht der  Heuschreckenplage.  Es  heißt  (von  den  Heuschrecken  Joel2,  9):  „Durch 
die  Fenster  dringen  sie  ein,  wie  der  Dieb."  ||  Seder  ElijR  24  (131):  „Du  sollst  nicht 
stehlen"  Ex  20,  15;  das  hat  Joseph  gehalten,  wie  es  heißt  Gn  47, 14:  Joseph  brachte 
alles  Geld  .  .  .  zusammen  für  das  Getreide  .  .  .  u.  Joseph  brachte  das  Geld  in  das  Haus 
des  Pharaos.  Eine  andre  Erklärung:  „Du  sollst  nicht  stehlen",  das  haben  die  Stamm- 
väter gehalten;  denn  es  heißt  Gn44, 8:  Wie  sollen  wir  Silber  oder  Gold  aus  dem  Hause 
deines  Herrn  stehlen?  j!  pB^rakh  1,  S*^,  9:  Warum  werden  diese  (Schemaf-)Abschnitte 
täglich  rezitiert?  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Weil  die  10  Gebote  in  ihnen  enthalten 
sind.  .  .  .  „Du  sollst  nicht  stehlen",  dem  entspricht  Dt  11,14:  Du  wirst  „dein"  Korn 
einsammeln;  aber  nicht  das  Korn  eines  andren.  ||  Aus  der  haggadischen  Ausführung 
Mekh  Ex  20, 16  (78^)  geht  nicht  mit  Bestimmtheit  hervor,  ob  Ex  20,  15  auf  Sach-  oder 
Menschen-Diebstahl  bezogen  ist. 

1*),  18  lö:  Du  sollst  nicht  falsches  Zeugnis  reden. 

Mekh  Ex  20, 16  (77l>j:  „Du  sollst  gegen  deinen  Nächsten  nicht  als  falscher  Zeuge 
aussagen"  Ex  20,  16.  Warum  wird  das  gesagt?  Wenn  es  Dt  19,  19  heißt:  „Ihr  sollt 
ihm  (dem  Lügenzeugen)  antun,  wie  er  gedachte  seinem  Bruder  es  anzutun",  so  hören 
wir  die  Strafe,  aber  die  Verwarnung  hören  wir  nicht.  Da  sagt  die  Schrift  lehrend:  Du 
sollst  gegen  deinen  Nächsten  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen.  |i  Targ  Jerusch  I  Ex  20, 1 6 : 
Mein  Volk,  itir  Kinder  Israel,  leget  kein  Zeugnis  gegen  eure  Nächsten  als  Zeugen  der 
Lüge  ab,  nicht  als  Genossen  u.  nicht  als  Verbündete  derer,  die  als  Zeugen  der  Lüge 
Zeugnis  ablegen.  Nicht  sollen  in  der  Gemeinde  Israel  Leute  gesehen  werden,  die  als 
Zeugen  der  Lüge  Zeugnis  ablegen,  damit  nicht  eure  Kinder  nach  euch  sich  aufmachen 
u.  gleichfalls  sich  gewöhnen  Gemeinschaft  zu  haben  mit  denen,  die  als  Zeugen  der 
Lüge  Zeugnis  ablegen;  denn  wegen  der  Zeugen  der  Lüge  entweichen  die  Wolken, 
so  daß  kein  Regen  niederfällt,  u.  Dürre  kommt  über  die  Welt.  —  Dasselbe  Targ 
Jerusch  II,  doch  mit  den  Schlußworten:  Denn  wegen  der  Zeugen  der  Lüge  wird  die 
Regierung  erregt  gegen  die  Menschenkinder  u.  kommt  Verbannung  über  die  Welt.  |i 
P^siqR  21  (107  b):  Die  5  letzten  Gebote  sind  entsprechend  den  5  ersten  Geboten  ge- 
sagt worden:  .  .  .  Du  sollst  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen  entspricht  dem  Gebot: 
Gedenke  an  den  Ruhetag,  daß  du  ihn  heiligest.'  Gott  spricht:  Wenn  du  ein  falsches 
Zeugnis  gegen  deinen  Nächsten  ablegst,  so  rechne  ich  es  dir  so  an,  als  ob  du  über 
(gegen)  mich  bezeugtest,  daß  ich  meine  Welt  nicht  in  sechs  Tagen  erschaffen  u.  am 
siebenten  nicht  geruht  habe.  —  Parallelstelle  M'-'kh  Ex  20, 16  (78«).  i|  P''siqR21  (108  '): 
Die  10  Gebote  sind  entsprechend  den  10  Worten  gesagt  worden,  durch  die  die  Welt 
erschaffen  wurde.  .  .  .  „Du  sollst  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen"  entspricht  dem 
Wort:  Gott  sprach:  Wir  wollen  Menschen  machen  Gnl,26.  Gott  sprach:  Siehe,  ich 
habe  dir  deine  Genossin  (d.  h.  deine  Seele)  nach  meiner  Ähnlichkeit  geschaffen,  u.  du 
bist  (mit  ihr)  verbunden  worden,  daß  du  meinem  Bilde  gleichst,  so  bezeuge  wider 
deinen  Nächsten  kein  falsches  Zeugnis!  ||  P^siqR21  (!08b):  Die  10  Gebote  sind  ent- 
sprechend den  10  Plagen  gesagt  worden,  die  Gott  über  die  Ägypter  in  Ägypten  ge- 
bracht hat.  ...  „Du  sollst  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen"  entspricht  der  Finsternis- 
plage. Gott  sprach:  Wenn  dir  dein  Zeugnis  nicht  klar  ist  wie  dieses  Licht,  so  bezeuge 
es  nicht,  j!  P'^siqR  24  (125''):  Du  sollst  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen.  R.  Sch^'muel 


814  Matth  19, 18  (58).  19,  20  [%) 

b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Wir  finden,  dafs  Gott  alles  in  seiner  Welt  erschaffen 
hat  mit  Ausnahme  der  Lüge,  die  er  nicht  geschaffen,  u.  mit  Ausnahme  der  Falschheit, 
die  er  nicht  gemacht  hat.  Vielmehr  die  Menschen  haben  sie  in  ihrem  Herzen  ersonnen, 
s.  Jes  59,  lo:  ,In  sich  aufnehmen  u.  ausstoßen  aus  dem  Herzen  Reden  der  Lüge."  || 
Seder  ElijR  24:  „Du  sollst  nicht  als  falscher  Zeuge  aussagen";  haltet  es,  ,so  seid  ihr 
meine  Zeugen  u.  ich  bin  Gott"  Jes  43, 12;  übertretet  ihr  es  aber,  „was  soll  ich  dir  be- 
zeugen, was  soll  ich  mit  dir  vergleichen?"  KL2, 13.  \\  pB*'rakh  1,  3^,9:  Warum  werden 
diese  (Sch^maf-)Abschnitte  täglich  rezitiert?  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Weil  die 
10  Gebote  in  ihnen  enthalten  sind.  ...  ,Du  sollst  gegen  deinen  Nächsten  nicht  als 
falscher  Zeuge  aussagen",  dem  entspricht  Nu  15, 41 :  Ich  bin  Jahve  euer  Gott,  u.  Jer  10, 10: 
Jahve  Elohim  ist  Wahrheit  (so  der  Midr).  ||  Über  die  Ausfragung  der  Zeugen  u.  die  Be- 
strafung der  falschen  Zeugen  s.  bei  Mt  26,  59. 

19,  19:  Ehre  den  Vater  u.  die  Mutter  (s.  bei  Mt  15,4;  Eph  6,  2). 
Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst  (s.  bei  Mt5,43). 

19,  20  5t:  Dies  alles  habe  ich  beobachtet. 

€(fv'lc('§cc  =  ^^i,  aram.  -rj;. 

Daß  der  Mensch  die  Fähigkeit  besitze,  die  Gebote  Gottes  restlos  zu 
erfüllen,  stand  den  rabbin.  Gelehrten  so  fest,  daß  sie  allen  Ernstes  von 
Leuten  redeten,  die  die  ganze  Tora  von  A — Z  gehalten  hätten. 

Aboth  3,  15:  (R.  fAqiba,  f  u»i  135,  hat  geöfigt:)  Alles  ist  (von  Gott)  zuvorversehen, 
die  Freiheit  ist  (dem  Menschen)  verliehen  (so  daß  er,  wenn  er  will,  Gottes  Willen  er- 
füllen kann).  i|  GnR22(15"):  R.  Chanina  b.  Papa  (um  300)  hat  gesagt:  .  .  .  Wenn  du 
sagen  wolltest,  der  böse  Trieb  sei  nicht  in  deiner  Gewalt,  so  sagt  die  Schrift  lehrend 
Jes 26, 3:  ,Er  ist  dir  anvertraut"  (so  der  Midr).  Ferner  habe  ich  dir  längst  in  der  Tora 
geschrieben  Gn4,7:  Du  sollst  über  sie  (die  Sünde)  Herr  sein.  —  Dasselbe  mit  fast 
gleichen  Worten  unmittelbar  darauf  R.  Simon  (um  280).  ü  Joma  38 1>:  R.  Cliijja  b.  Abba 
(um  2b0)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Wenn  die  Mehrzahl  der  Lebens- 
jahre eines  Menschen  dahingegangen  ist,  ohne  daß  er  gesündigt  hat,  so  sündigt  er 
weiter  nicht  mehr;  s.  lSm2,  9:  Die  Füße  seiner  Frommen  behütet  er  (Gott).  In  der 
Schule  des  R.  Schela  lum  220)  sagte  man:  Wenn  die  Gelegenheit  zu  einer  Übertretung 
dem  Menschen  Einmal,  zweimal  kommt  u.  er  sündigt  nicht,  so  sündigt  er  weiter  nicht 
mehr,  s.  (wie  oben)  1  Sm  2, 9.  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  heißt  Spr3,  34: 
,Wenn  er  (Gott)  der  Spötter  spottet,  so  gibt  er  den  Demütigen  Gnade"?  Will  sich 
einer  verunreinigen,  so  eröffnet  man  (=  Gott)  ihm  dazu  die  Möglichkeit;  will  einer 
rein  sein,  so  unterstützt  man  ihn  dabei.  —  Joma  39-' Bar:  „Ihr  sollt  euch  nicht  durch 
sie  (Kriechtiere)  verunreinigen,  so  werdet  ihr  nicht  verunreinigt  werden"  Lv  11,43. 
Wenn  sich  ein  Mensch  ein  wenig  verunreinigt,  so  verunreinigt  man  (Gott)  ihn  viel; 
wenn  unten,  so  verunreinigt  man  (Gott)  ihn  von  oben;  wenn  in  dieser  Welt,  so  ver- 
unreinigt man  ihn  in  der  zukünftigen  Welt.  Bar:  „Heiligt  euch,  so  werdet  ihr  heilig 
sein"  (so  der  Midr  Lv  11,44).  Wenn  sich  ein  Mensch  ein  wenig  heiligt,  so  heiligt  man 
(Gott)  ihn  viel;  wenn  unten,  so  heiligt  man  ihn  von  oben;  wenn  in  dieser  Welt,  so 
heiligt  man  ihn  in  der  zukünftigen  Welt.  —  Der  Ausspruch  des  Resch  Laqisch  auch 
Schab  104^  fAZ55^  M*^n29''. 

Schab  55=':  R.  Acha  b.  Chanina  (um  300)  hat  gesagt:  Gott  sprach  zu  Gabriel:  Geh 
u.  mache  auf  die  Stirn  der  Gerechten  ein  Tav  (Zeichen  in  Kreuzform)  von  Tinte,  da- 
mit die  Engel  des  Verderbens  über  sie  keine  Gewalt  bekommen,  u.  auf  die  Stirn  der 
Gottlosen  ein  Tav  von  Blut,  damit  die  Engel  des  Verderbens  über  sie  Gewalt  be- 
kommen (vgl.  Ez9, 4).  Da  sprach  die  Eigenschaft  der  göttl.  Gerechtigkeit  vor  Gott: 
Herr  der  Welt,  inwiefern  sind  denn  diese  von  jenen  verschieden?  Er  antwortete:  Jene 
sind  vollendete  Gerechte  u.  diese  sind  vollendete  Gottlose.  ...  Es  heißt  Ez9, 6:  „An 
meinem  Heiligtum   sollt  ihr  den  Anfang   machen."  .  .  .    Rab  Joseph  (f  333)   hat  als 


Matth  19,20(51)  815 

tannaitische  Tradition  gelehrt:  Lies  nicht:  „an  meinem  Heiligtum",  sondern  ,an  meinen 
Heiligen",  das  sind  die  Menschenkinder,  die  die  ganze  Tora  gehalten  haben  vom  Aleph 
bis  zum  Tav  (von  A  bis  Z).  .  .  .  Und  was  bedeutet  das  Tav?  R.  Sch^'muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt:  Das  sind  die  Menschenkinder,  die  die  ganze  Tora  gehalten  haben 
vom  Aleph  bis  zum  Tav.  —  Die  Erklärung :  vollkommene  Gerechte  sind  die,  welche  die  Tora 
vom  Aleph  bis  zum  Tav  gehalten  haben,  findet  sich  öfters,  zB  fAZ  4^*;  Midr  KL2, 1  (62-''). 
Als  solche,  die  die  ganze  Tora  gehalten  haben  u.  sündios  durch  das  Leben  ge- 
gangen sind,  galten  die  Erzväter,  Elias,  Hiskia,  auch  wohl  Mose  u.  Ahron.  Qid4,  14: 
Von  unsrem  Vater  Abiaham,  Friede  über  ihn!  heißt  es  Gn24, 1:  Er  war  alt,  hoch- 
betagt u.  Jahve  hatte  ihn  mit  allem  gesegnet.  Wir  finden,  daf3  Abraham,  unser  Vater, 
die  ganze  Tora  gehalten  hat,  ehe  sie  gegeben  war,  wie  es  heißt  Gn  26,5:  Zum  Lohn 
dafür,  daß  Abr.  auf  meine  Stimme  gehört  u.  das  mir  gegenüber  zu  Beobachtende  be- 
obachtet hat,  meine  Gebote,  meine  Satzungen  u.  meine  Anweisungen.  —  lnJoma2Sb 
Rab  (t  247)  als  Autor.  H  BB  17'':  Über  drei  hat  der  böse  Trieb  keine  Gewalt  gehabt: 
über  Abraham,  Isaak  u.  Jakob;  denn  es  heißt  von  ihnen:  „mit  allem"  (segnete  ihn 
Jahve  Gn  24,1),  „von  allem"  (aß  Isaak  Gn  27,33)  u.  „alles"  (hatte  Jakob  Gn  83, 11).  (Der 
Besitz  von  „allem"  schließt  auch  die  Freiheit  vom  bösen  Triebe  in  sich.)  ||  LvR27  (125'): 
R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  Wenn  jemand  zu  dir  sagen  sollte:  „Wenn  der  erste  Mensch 
nicht  gesündigt  u.  von  jenem  Baum  nicht  gegessen  hätte,  würde  er  ewig  am  Leben 
geblieben  sein?"  so  antworte  ihm:  Das  ist  längst  geschehen.  Weil  Elias  nicht  gesündigt 
hat,  lebt  er  fort  in  Ewigkeit.  —  Dasselbe  Midr^Qoh  3,  15  (20^).  j|  pB'^rakh  4,  81^,  38: 
, Hiskia  wandte  sein  Angesicht  zur  Wand"  Jes38, 2.  Nach  welcher  Wand  erhob  er 
seine  Augen?  Die  Rabbinen  sagten:  Nach  den  Wänden  seines  Herzens  (s.  Jer4, 19) 
erhob  er  seine  Augen.  Er  sprach  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  ich  bin  die  248  Glieder 
durchgegangen,  die  du  an  mir  gebildet  hast,  u.  ich  habe  nicht  gefunden,  daß  ich  dich 
mit  einem  von  ihnen  erzürnt  habe;  um  wieviel  mehr  wirst  du  mir  meine  Seele  (Leben) 
schenken !  Parallelstellen :  pSanli  10, 28 ",  1 2. 28 ;  Midr  Qoh  5, 6  (26 ») ;  in  B  rakh  1 0 b  fehlen 
die  Worte  des  Hiskia  an  Gott.  II  Schab  55'':  R.  Ammi(um  300)  hat  gesagt:  Es  gibt  keinen 
Tod  ohne  Sünde  u.  keine  Leiden  (Züchtigungen)  ohne  Schuld.  „Keinen  Tod  ohne  Sünde", 
s.  Ez  18,20:  „Die  Seele,  die  da  sündigt,  die  soll  sterben;  ein  Sohn  soll  nicht  die  Schuld 
des  Vaters  tragen,  noch  der  Vater  die  Schuld  des  Sohnes  tragen;  die  Gerechtigkeit  des 
Gerechten  wird  über  ihm  sein  u.  die  Bosheit  des  Bösen  wird  über  ihm  sein."  „Keine 
Leiden  ohne  Schuld",  s.  Ps  89, 38:  „Ich  will  heimsuchen  mit  dem  Stecken  ihren  Frevel  u. 
mit  Plagen  ihre  Schuld."  [Bis  hierher  auch  in  LvR  37  (133'^'.)]  Man  entgegnete:  Die  Engel 
des  Dienstes  haben  vor  Gott  gesagt:  Herr  der  Welt,  warum  hast  du  den  Tod  über  den 
ersten  Menschen  verhängt?  Er  antwortete:  „Ich  habe  ihm  ein  leichtes  Gebot  gegeben 
u.  er  hat  es  übertreten!  Sie  sprachen:  Sind  denn  nicht  Mose  u.  Ahron,  die  die  ganze 
Tora  gehalten  haben,  gestorben?  Er  antwortete:  Ein  Geschick  trifft  den  Gerechten 
wie  den  Gottlosen  Qoh  9, 2.  —  Diese  Antwort  entspricht  der  Meinung  jenes  Mischna- 
lehrers;  denn  in  einer  Bar  heißt  es:  R.  Schimfon  b.  EUazar  (um  190)  sagte:  Auch  Mose 
u.  Ahron  sind  wegen  ihrer  Sünde  gestorben,  wie  es  heißt  Nu  20,  12:  „Darum,  daß  ihr 
nicht  an  mich  geglaubt  habt."  Siehe,  hättet  ihr  an  mich  geglaubt,  so  wäre  eure  Zeit 
noch  nicht  gekommen  von  der  Welt  zu  scheiden.  —  Man  entgegnete:  Vier  sind  infolge 
des  Rates  der  Schlange  gestorben  (nicht  wegen  ihrer  eignen  Sünde,  sondern  wegen  des 
durch  die  Schlange  über  die  Menschheit  gekommenen  Todesgeschicks),  nämlich:  Ben- 
jamin, der  Sohn  Jakobs,  gAmram,  der  Vater  Moses,  Isai,  der  Vater  Davids,  u.  Kiliab, 
der  Sohn  Davids.  Bei  allen  ist  es  traditionell  mit  Ausnahme  Isais,  des  Vaters  Davids, 
von  dem  es  die  Schrift  deutlich  (ausdrücklich)  sagt;  s.  2Sm  17,25:  „Absalom  hatte  den 
f Amasa  an  Stelle  Joabs  über  das  Heer  gesetzt,  u.  ?Amasa  war  der  Sohn  eines  Mannes, 
der  Jithra  der  Israelit  hieß,  der  zu  Abigal,  der  Tochter  des  Nachasch,  der  Schwester 
(y  rujas,  der  Mutter  Joabs,  eingegangen  war."  Aber  war  sie  denn  die  Tochter  des 
Nachasch?  war  sie  nicht  die  Tochter  Isais,  s.  1  Ohr  2, 16:  „Ihre  (Davids  u.  seiner  Brüder) 
Schwestern  waren  y  ruja  u.  Abiga'il"?  Allein  (die  Stelle  2Sm  17,25  ist  so  gemeint:) 
sie  war  die  Tochter  desjenigen,  der  infolge  des  Rates  der  Schlange  (i'":)  starb  (d.  h.  sie 


816  Matth  19,  20  (5t.  SB).  19,  21  (?t) 

war  in  Wirklichkeit  die  Tochter  Isais,  der  2  Sni  17,  25  aus  dem  angegebenen  Grunde 
•sT-.z  genannt  wird).  Wessen  Meinung  ist  das?  W^enn  du  willst,  sage:  Die  jenes  Mischna- 
lehrers  über  die  Dienstengel,  u.  sie  bezieht  sich  auf  Mose  u.  Ahron.  Aber  nicht  ent- 
spricht es  der  Meinung  des  R.  Schimfon  b.  Elfazar.  Es  ist  daraus  zu  entnehmen,  daß 
63  einen  Tod  ohne  Sünde  u.  Leiden  ohne  Schuld  gibt.  Der  Einwand  des  R.  Ammi 
(s.  oben)  aber  bleibt  bestehn  (ist  nicht  widerlegt).  —  Die  Bar  über  die  vier  infolge  des 
Schlangenrates  Gestorbenen  auch  BB  17".  1|  Vgl.  Midr  Qoh  1,  8  (91'):  R.  Schim?on  b.  0ha- 
laphta  (um  190)  hat  gesagt:  Alle  Güter,  Segnungen  u.  Tröstungen,  die  die  Propheten 
in  dieser  Welt  geschaut  haben,  haben  sie  für  die  Bußfertigen  geschaut  (nämlich,  daß 
diese  sie  dereinst  empfangen  sollen);  dem  aber,  der  nie  eine  Sünde  sein  lebelang  ge- 
sclimeckt  hat,  gilt  Jes  64,  3:  Kein  Auge  (auch  kein  Prophetenauge)  hat  gesehen,  o  Gott, 
außer  dir,  was  bereitet  ist  denen,  die  harren  (so  der  Midi-).  ||  Chag4'J:  R.  EUazar 
(um  270)  püegte  zu  weinen,  wenn  er  an  die  Stelle  kam:  „Samuel  sprach  zu  Saul: 
Warum  hast  du  mich  aufgestört,  mich  heraufkommen  zu  lassen"?''  lSm28, 15.  Wenn 
Samuel  der  Gerechte  sich  vor  dem  Gericht  fürchtete  (da  er  meinte,  vor  den  Richter- 
stuhl Gottes  zitiert  zu  Averden),  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  uns!  Wie  verhielt 
sich  das  mit  Samuel?  Es  heißt  1  Sm  28, 13:  Das  Weib  sprach  zu  Saul:  , Göttliche  Er- 
scheinungen aTt":5s  sehe  ich,  wie  sie  heraufkommen."  Wie  „sie"  heraufkommen;  daraus 
ist  zu  entnehmen,  daß  es  zwei  waren.  Der  eine  war  Samuel,  u.  der  andre?  Samuel 
war  nämlich  gegangen  u.  brachte  Mose  mit  sich.  Er  sprach  zu  ihm  (Mose):  Vielleicht, 
was  Gott  verhüten  wolle,  werden  wir  vors  Gericht  gefordert;  stehe  bei  mir,  denn  es 
gibt  kein  Wort,  das  in  der  Tora  geschrieben  steht,  das  du  nicht  gehalten  hast! 

K«th  77  b:  R.  Chanina  b.  Papa  (um  300)  war  des  Todesengels  Freund.  Als  seine 
Seele  zur  Ruhe  eiugehn  sollte,  sagte  er  zu  diesem:  Bringe  das  Torabuch  u.  sieh  zu, 
ob  irgend  etwas  darin  geschrieben  steht,  was  ich  nicht  gehalten  habe;  s.  die  ganze 
Stelle  bei  Mt  4,  1  S.  148  «.  ||  In  der  Erzählung  SanhlOl"  (s.  bei  Mt  6,  2  S.  390)  fragt 
R.  Eli?ezer  (um  90)  den  R.  ?Aqiba  (f  um  135):  Habe  ich  irgend  etwas  von  der  ganzen 
Tora  nicht  gehalten,  so  daß  es  durch  Leiden  gesühnt  werden  müßte?  ||  T'^mura  115 "^ 
wird  von  einem  Frommen  erzählt,  daß  er  nur  Eine  Sünde  auf  sich  gehabt  habe,  die 
darin  bestand,  daß  er  gegen  die  Worte  der  Gelehrten  Kleinvieh  (eine  Ziege)  im  Lande 
Israel  gehalten  hatte.  ||  pTa?an  3, 66*',  35:  Als  feindliche  Streifscharen  in  seine  Stadt 
kamen,  nahm  Levi  b.  Sisi  (um  200)  ein  Torabuch,  stieg  zum  Dach  (Söller)  empor  u. 
sprach:  Herr  der  Welten,  wenn  ich  Ein  Wort  von  diesem  Torabuch  nicht  befolgt  habe, 
so  mögen  sie  eindringen;  wenn  aber  nicht,  so  mögen  sie  abziehn!  Alsbald  wurde  nach 
ihnen  geforscht,  aber  sie  wurden  nicht  angetroffen. 

10,20  58:  Was  fehlt  (mangelt)  mir  noch? 
Die  Frage  erinnert  an  jenen  Sota  22''  charakterisierten  Pharisäer, 
welcher  spricht:  Was  ist  meine  Pflicht,  daß  ich  sie  tue?  u.  dessen 
eigentliche  Meinung  dann  dahin  gedeutet  wird:  Was  ist  noch  meine 
Pflicht,  dafs  ich  sie  tue  niarxi  in  -^n^in  rr:?  Gut  Raschi:  „Was  ist  noch 
zu  tun,  was  ich  nicht  getan  hätte?  Er  gibt  sich  selbst  damit  den 
Anschein,  als  hätte  er  alles  erfüllt"  (die  ganze  Tora  gehalten).  Die 
ganze  Stelle  s.  im  Exkurs:  Die  Pharisäer  u.  Sadduzäer  Nr.  2,  D,  b. 

10,  21  3(:  Wenn  du  vollkommen  sein  willst. 
-•^i  "■'■:»,  vollendeter  oder  vollkommener  Gerechter,  häufig  Gegensatz 
zum  vollkommenen  Gottlosen  n:-:;.  rr-^.  Jener  ein  Mensch,  der  die  ganze 
Tora  von  Aleph  bis  Tav  gehalten  habe;  s.  bei  Mt  19, 20  51.  Beispiele:  RH 
16''  (s.  bei  Mt  1. 19  S.50/) :  ferner  B«^rakh  7 ^>  (mehrmals);  61  "^  (mehrmals) ; 
lEr  21'';  RH  17''  (mehrmals) ;  Git  68'' ;  Qid  40''  (mehrmals) ;  ?AZ  4« ;  Chul  89». 


Matth  19,  21  (SB)  817 

10,21  ^:  Verkaufe  deine  Habe  u.  gib  den  Armen. 

Das  Darangeben  der  Habe  als  Prüfstein  der  Gottesliebe: 
B®rakh61b  Bar:  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Wenn  es  Dt  6,  5  heißt:  So  liebe  denn 
Jahve  ,von  deiner  ganzen  Seele",  warum  dann  noch  ,mit  aller  deiner  Kraft"?  Und 
wenn  es  heißt  ,mit  aller  deiner  Kraft",  warum  dann  noch  „von  deiner  ganzen  Seele"? 
Allein  wenn  du  einen  Menschen  hast,  dem  sein  Leib  (seine  Person)  lieber  ist  als  sein 
Geld,  so  heißt  es  „von  deiner  ganzen  Seele" ;  u.  wenn  du  einen  Menschen  hast,  dem 
sein  Geld  lieber  ist  als  sein  Leib  (seine  Person),  so  heißt  es  „mit  aller  deiner  Kraft" 
{^  Habe).  —  Dasselbe  P'-s  25». 

Beispiele  für  die  Hingabe  des  Vermögens  um  der  Tora  oder  der 
Armen  willen. 

P'^siq  178^:  R.  Jochanan  (t  279)  ging  von  Tiberias  hinauf  nach  Sepphoris,  indem  er 
sich  auf  die  Schulter  des  R.  Chijja  b.  Abba  stützte.  Sie  kamen  an  ein  Feldstück.  Er 
sprach:  Das  hat  mir  gehört,  u.  ich  habe  es  verkauft,  um  mich  mit  der  Tora  beschäftigen 
zu  können.  Sie  kamen  an  ein  Olivenfeld.  Er  sprach:  Dies  Olivenfeld  hat  mir  gehört,  u. 
ich  habe  es  verkauft,  um  mich  mit  der  Tora  beschäftigen  zu  können.  Da  fing  R.  Chijja 
b.  Abba  an  zu  weinen  u.  sprach:  Ich  weine,  weil  du  dir  nichts  für  dein  Alter  gelassen 
hast.  Er  antwortete:  Chijja,  mein  Sohn,  Chijja,  mein  Sohn,  ist  das  gering  in  deinen 
Augen,  daß  ich  etwas  verkauft  habe,  was  in  sechs  Tagen  erschaffen  worden  ist,  s. 
Ex  31, 17,  u.  dafür  etwas  erworben  habe,  was  in  40  Tagen  u.  40  Nächten  gegeben  worden 
ist?  s.  Ex  34,  28:  „Er  war  dort  bei  Jahve  40  Ta?8  u.  40  Nächte."  Als  R.  Jochanan  ent- 
schlafen war,  hat  sein  Zeitalter  auf  ihn  HL  8,  7  angewandt:  „Wenn  einer  den  ganzen 
Reichtum  seines  Hauses  um  die  Liebe  gäbe",  mit  welcher  R.  Jochanan  die  Tora  geliebt 
hat,  „nur  verachten  würde  man  ihn"!  —  Dasselbe  erweitert  durch  Hinzufügung  eines 
Weinbergs  als  dritten  Verkaufsobjektes  LvR  30  (127^);  Midr  HL  8,  7  {rSV>};  ExR  47 
(102^);  TanchB  s-rn  -r  §  19  (60'^).  H  LvR  37  (138 <^):  Es  war  einmal  ein  Mann,  der  zwei 
Söhne  hatte.  Der  eine  von  ihnen  gab  Almosen  u.  der  andre  nicht.  Jener  verkaufte  sein 
Haus  u.  alles,  was  er  hatte,  u.  gab  es  weg  als  Almosen.  Einmal  gab  ihm  seine  Frau 
am  Hoschasnatage  (dem  7.  Tag  des  Laubhüttenfestes)  zehn  Obolen,  "'öVie,  u.  sprach: 
Kaufe  dafür  deinen  Kindern  etwas  vom  Markt.  Dort  begegneten  ihm  die  Almosen- 
einnehmer.  Sie  sprachen:  Siehe,  da  kommt  der  Almosenfreuud!  Und  zu  ihm  sprachen 
sie:  Gib  deinen  Teil  für  diese  Almosensammlung;  denn  wir  wollen  ein  s'^ip  '  für  eine 
Waise  kaufen.  Er  gab  ihnen  die  zehn  Obolen.  Da  er  sich  schämte  nach  Hause  zu 
gehn,  ging  er  in  die  Synagoge.  Dort  sah  er  Überbleibsel  von  den  Orangen  (Ethrogim), 
die  die  Kinder  am  Hoscha?natage  zu  zerbröckeln  pflegen,  wie  wir  gelernt  haben  (Sukka 
4,  7):  Sofort  warfen  die  Kinder  ihre  Feststräuße  (a'^'-)  hin  u.  aßen  ihren  Ethrog.  Er 
nahm  davon,  füllte  es  in  einen  Sack  u.  trat  eine  Seereise  an,  bis  er  in  die  Hauptstadt 
eines  Königs  kam.  Dort  traf  es  sich  gerade,  daß  der  König  an  Unterleibsbeschwerden 
litt.  Man  sagte  ihm  als  Heilmittel:  Iß  von  jenen  Orangen,  mit  denen  die  Juden  am 
Hoschasnatage  beten,  so  wirst  du  genesen.  Damals  durchsuchte  man  alle  Schiffe  u.  alle 
Städte,  fand  aber  dergleichen  nicht.  Man  ging  u.  fand  diesen  Mann,  wie  er  auf  dem 
.Sack  .saß.  Man  sprach  zu  ihm:  Hast  du  etwas  bei  dir?  Er  antwortete:  Ich  bin  ein 
armer  Mann  u.  habe  nichts  zu  verkaufen.  Sie  suchten  im  Sack  nach  u.  fanden  darin 
von  jenen  Orangen.  Sie  fragten:  Woher  rühren  diese?  Er  antwortete:  Von  denen,  mit 
welchen  die  Juden  am  Hoscha?natage  beten.  Man  lud  den  Sack  auf  u.  brachte  ihn  vor 
den  König.  Der  König  aß  jene  Orangen  u.  genas.  Darauf  leerte  man  den  Sack  u.  füllte 
ihn  mit  Denaren.  Der  König  sprach  zu  ihm:  Sprich  noch  eine  Bitte  für  dich  aus,  ich 
will  sie  gewähren!  Er  antwortete:  Ich  bitte,  daß  mein  Hab  u.  Gut  (das  ich  verkauft 
habe)  mir  wieder  zuteil  werde,  u.  daß  alles  Volk  (meines  Wohnortes)  mir  entgegenkomme 
(bei  meiner  Rückkehr).  Man  tat  ihm  also.  Als  er  nach  jener  Stadt  kam,  ging  ein  Herold 

*  Nach  Matt. K'^hunna  ein  Schmuckgegenstand;  Dalman  will  lesen  aV-p  =  xoXoßiov, 
eine  Art  Unterkleid. 

strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  52 


818  Matth  19,  21  (SB).  19,  22  (Nr.  1) 

vor  ihm  her,  u.  alles  Volk  zog  ihm  entgegen,  auch  sein  Bruder  u.  dessen  Kinder.  Als 
diese  einen  Fluß  durchschritten,  gerieten  sie  in  eine  Flußströmung,  die  sie  fortschwemmte 
(u.  umkommen  ließ).  So  kam  es,^  daß  er  in  sein  Haus  eintrat  u.  den  Besitz  seines 
Bruders  erbte,  um  zu  erfüllen,  was  gesagt  ist  Hi  34, 11 :  Des  Menschen  Tun  vergilt  er 
ihm.  II  fAZ  64''»:  Vor  Rabbah  b.  Abuha  (um  270)  kamen  einst  Leute,  zu  denen  er  sagte: 
Geht  u.  verkauft  alles,  was  ihr  habt,  i:V  p-^st  ms  Vr,  u.  dann  werdet  Proselyten.  || 
Weitere  Beispiele  großer  Wohltätigkeit  s.  im  Exkurs:  Die  private  Wohltätigkeit  Nr.  3; 
ebendaselbst  Nr.  3  u.  4  auch  über  die  Maximalhöhe  der  Almosen  u.  über  den  Lohn  u.  die 
Verdienstlichkeit  der  Wohltätigkeit. 

10,21:  Du  wirst  einen  Schatz  im  Himmel  haben  (s.  bei  Mt6, 19f.  u.  1  Tim 6,19). 
10,22:  Er  ging  betrübt  davon,  denn  er  hatte  viele  Besitztümer. 

1.  Armut  nach  altjüdischer  Anschauung  ein  sehr  schweres  Leiden. 

ExR  31  (92^):  Es  gibt  nichts  Schwereres  in  der  Welt  als  Armut;  denn  sie  ist  das 
schwerste  unter  allen  Leiden  in  der  Welt,  ünsre  Lehrer  haben  gesagt:  Alle  Leiden 
auf  die  eine  Seite  (gelegt)  u.  die  Armut  auf  die  andre  Seite  (so  halten  sie  sich  die 
Wage).  Willst  du  es  erkennen,  so  komm  u.  sieh:  als  Satan  Hiob  vor  Gott  verklagte, 
sprach  er  zu  ihm  1,  9ff. :  Du  hast  ihm  Vermögen  u.  Kinder  geschenkt  u.  du  verschonst 
sie.  Hast  du  nicht  selbst  einen  Zaun  gezogen  um  ihn  u.  um  sein  Haus  u.  um  alles 
was  er  hat?  Aber  strecke  doch  deine  Hand  aus  u.  taste  an  alles  was  er  hat!  Da 
sprach  Gott  zu  Hiob:  Was  willst  du,  Armut  oder  Leiden?  Hiob  antwortete:  Herr  der 
Welt,  ich  will  alle  Leiden,  die  es  in  der  Welt  gibt,  auf  mich  nehmen,  nur  nicht  Armut, 
daß  ich,  wenn  ich  auf  den  Markt  ginge,  keine  P^'ruta  (kleinste  Münze)  in  meiner  Hand 
hätte,  um  zu  kaufen,  was  ich  essen  möchte.  Als  er  nun  mit  Leiden  gezüchtigt  wurde, 
was  steht  fla  geschrieben?  Er  fing  an  zu  schreien  gegen  die  göttliche  Gerechtigkeit, 
s.  Hi23,  3:  0  daß  ich  ihn  doch  anzutreffen  wüßte!  Da  sprach  Elihu  zu  ihm:  Was 
schreist  du?  Hast  du  nicht  gesagt,  daß  du  nicht  Armut,  sondern  Leiden  wolltest?  Bist 
du  es  nicht,  der  sich  Leiden  erwählt  hat?,  s.  36,  21 :  ,Hüte  dich,  wende  dich  nicht  zum 
Unrecht,  denn  dies  hast  du  erwählt  vor  Armut."  Also  ist  die  Armut  das  schwerste 
unter  allen  Leiden.  |[  BB  116^:  R.  Pin'^chas  b.  Chama  (um360)  hat  öffentlich  vorgetragen: 
Schwerer  ist  Armut  im  Hause  eines  Menschen,  als  50  Plagen;  denn  es  heißt  Hi  19, 21 : 
, Erbarmt  euch  mein,  erbarmt  euch  mein,  ihr  Freunde!  Denn  die  Hand  Gottes  hat  mich 
getroffen."  Da  sprachen  seine  Freunde:  „Hüte  dich,  wende  dich  nicht  zum  Unrecht, 
denn  dies  hast  du  erwählt  vor  Armut"  36,  21.  —  Der  Beweis  ist  so  gedacht  (s.Raschi): 
die  10  Plagen  sind  durch  Gottes  , Finger"  (Ex  8,  15)  über  Ägypten  gebracht  worden; 
Gottes  „Hand"  mit  5  Fingern  lastet  dann  auf  Hiob  so  schwer  wie  50  Plagen;  u.  doch 
hat  Hiob  diesen  den  Vorzug  gegeben  vor  der  Armut,  also  diese  noch  ärger  als  50  Plagen.  i| 
N^d64'^Bar:  Vier  werden  einem  Toten  gleichgeachtet:  der  Arme,  der  Aussätzige, 
der  Blinde  u.  der,  welcher  keine  Kinder  hat.  Der  Arme,  s.  Ex  4,  19:  Es  sind  gestorben 
alle  Männer,  die  nach  deinem  Leben  trachteten.  (Diese  Männer  sollen  Dathan  u.  Abiram 
gewesen  sein;  da  diese  aber  noch  zur  Zeit  Qorachs .lebten  (Nu  16,  1),  so  erklärte  man: 
das  „Sterben"  wolle  ausdrücken,  daß  sie  in  ihren  Vermögensverhältnissen  herunter- 
gekommen waren,  arm  also  =  tot;  so  Resch  Laqisch,  um  250,  N''d  64''.)  Der  Aussätzige, 
s.  Nu  12,  12:  Nicht  möge  sie  (Mirjam  in  ihrem  Aussatz)  gleich  dem  Toten  werden.  Der 
Blinde,  s.  KL  3,  6:  In  Finsternisse  setzte  er  mich,  den  ewig  Toten  gleich.  Der,  welcher 
keine  Kinder  hat,  s.  Gn  30,  1:  Gib  mir  Kinder;  wenn  nicht,  so  bin  ich  eine  Tote  (so 
der  Midr).  —  Parallelstelle:  <AZ5'>.  Ferner  s.  N^d  7b  bei  Nr.  3  Anm.  c.  ||  Be^a  32b: 
Nathan  b.  Abba  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Wer  auf  den  Tisch 
andrer  sehen  muß,  um  den  ist  die  Welt  finster  geworden,  s.  Hi  15,23:  Er  schweift 
umher  nach  Brot:   wo  ist  es?    Er  weiß,  bereitsteht  ihm  zur  Hand  ein  finsterer  Tag. 

*  Matt.  Kehunna  vermutet  nsrcs:  =  „er  wurde  erfunden  als"  (=  so  kam  es,  daß) 
für  "sras^  =  so  wurde  er  belohnt. 


Matth  19,22  (Nr.  1—3)  819 

Rab  Chisda  (t  309)  hat  gesagt:  Auch  sein  Leben  ist  kein  Leben.  Bar:  Dreier  Leben 
ist  kein  Leben;  diese  sind:  wer  auf  den  Tisch  eines  andren  sehen  mufs,  über  den  sein 
Weib  herrscht  u.  über  dessen  Leib  Leiden  herrschen.  Einige  sagen :  Auch  der,  der  nur 
Ein  Hemde  hat  (u.  infolgedessen  von  Ungeziefer  geplagt  wird).  Und  der  erste  Lehrer 
meint:  Er  kann  sein  Gewand  nachsehen  (u.  es  von  Ungeziefer  säubern;  deshalb  ist  der 
Besitzer  nur  Eines  Hemdes  nicht  zu  denen  zu  rechnen,  deren  Leben  kein  Leben  ist).  || 
fEr41feBar:  Drei  Dinge  lassen  den  Menschen  sich  hinwegsetzen  über  die  eigne  Meinung 
u.  über  die  Meinung  seines  Schöpfers  (d.  h.  sie  können  ihn  zur  Verzweiflung  bringen): 
die  Nichtisraeliten  d-i;,  ein  böser  Geist  (Melancholie,  Jähzorn  u.  dgl.)  u.  aufreibende 
(den  Menschen  zermürbende)  Armut.  In  bezug  worauf  folgt  hieraus  etwas?  In  bezug 
darauf,  daß  man  für  sie  um  Erbarmen  (vor  Gott)  flehen  soll.  Drei  erblicken  das  An- 
gesicht des  Gehinnoms  nicht:  die  durch  Armut  Zermürbten,  die  Unterleibsleidenden  u. 
die  von  der  (heidnischen)  Obrigkeit  Verfolgten  (so  die  Tosaphisten;  Raschi:  ,der,  welcher 
Gläubiger  T'ta'is  hat").  Einige  sagen:  Auch  der,  welcher  ein  böses  Weib  hat.  Dereine 
(der  das  böse  Weib  hier  nicht  in  Betracht  zieht)  meint,  es  sei  Pflichtgebot,  ein  böses 
Weib  (durch  Scheidebrief)  zu  entlassen;  u.  der  andre  meint  es  für  den  Fall,  daß  die  ihr 
auszuzahlende  Hochzeitsverschreibung  sehr  groß  ist,  oder  auch,  daß  er  Kinder  von  ihr 
hatu.  sie  (deshalb)  nicht  entlassen  mag.  In  bezug  worauf  folgt  hieraus  etwas?  In  bezug 
darauf,  daß  man  (jene  Leiden)  aus  Liebe  hinnehmen  soll  (als  Sühnemittel,  vgl.  Raschi). 

2.  Eine  gewisse  innere  Freiheit  gegenüber  äußerer  Armut  tritt  in 
folgenden  Stellen  hervor. 

N*'d4n:  Abaje  (t  388/39)  hat  gesagt:  Wir  haben  als  Tradition  überkommen :  Es 
gibt  keinen  Armen  außer  dem,  der  arm  ist  an  Wissen.  Im  Abendland  (=  Palästina) 
sagt  man:  Hat  er  dieses,  hat  er  alles;  hat  er  dieses  nicht,  was  hat  er?  Erwarb  er 
dieses,  was  mangelt  ihm?  Erwarb  er  dieses  nicht,  was  hat  er  erworben?  —  Das 
palästinische  Sprichwort  in  der  Fassung:  ,Hast  du  Wissen  erworben,  was  mangelt  dir? 
Mangelt  dir  Wissen,  was  hast  du  erworben?"  im  Munde  R.  Levis  (um  300)  P'^siq  33*>; 
NuR19(185'^);  Midr  Qoh  7,  23  (^T'*);  TanchB  rpn  §  10  (Sö^*).  ||  LvR  1  (105^):  R.  Tan- 
chuma  (um  380)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Spr  20,  15:  ,Man  hat  Gold  u.  viele  Perlen; 
aber  ein  kostbar  Gerät  sind  Lippen  der  Erkenntnis."  Wie  es  auf  Erden  zu  sein  pflegt, 
kann  ein  Mensch  Gold  u.  Silber,  Edelsteine  u.  Perlen  u.  alles  Begehrenswerte  u.  Gute 
in  der  Welt  besitzen;  hat  er  aber  kein  Wissen,  welchen  Besitz  hat  er?  Das  Sprichwort 
sagt:  Hast  du  Wissen  erworben  usw.  —  Dasselbe  gekürzt  TanchB  s^p-'i  §  2  (2").  i| 
Midr  Qoh  9,  16  (45b):  Ich  sprach:  Besser  ist  Weisheit  als  Stärke;  aber  die  Weisheit  des 
Armen  ist  verachtet  Qoh  9,  16.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  War  denn  die  Weis- 
heit des  R.  fAqiba  (f  um  135),  weil  er  arm  war,  verachtet?  Vielmehr  ist  damit  ein 
Ältester  (Gelehrter)  gemeint,  der  dasitzt  u.  seine  Worte  armselig  macht;  ^  wie  zB  ein 
Ältester,  der  sitzt  u.  vorträgt:  „Ihr  sollt  die  Person  nicht  ansehn  im  Gericht"  Dt  I,  17, 
u.  er  selbst  sieht  die  Person  an;  ,du  sollst  kein  Geschenk  annehmen"  Dt  16,  19,  u. 
er  selbst  nimmt  ein  solches  an;  ,du  sollst  nicht  auf  Zins  leihen"  Lv  25,  37,  u.  er 
selbst  leiht  auf  Zins.  .  .  .  Daraus  ist  erwiesen,  daß  niemand  arm  ist,  es  sei  denn 
der,  der  seine  Worte  armselig  macht  (oder  gefährdet).  —  In  der  Parallelstelle  Midr 
Ruth  1,  2  (124l>)  wird  der  „Arme"  erklärt:  „das  ist  der,  der  sich  durch  seine  Worte  ver- 
ächtlich macht"  ■^T2.  II  Sanh  76'':  Rab  Kahaua  (um  250)  hat  im  Namen  des  R.  fAqiba 
(t  um  135)  gesagt:  Du  hast  keinen  Armen  in  Israel  außer  dem  schlauen  Bösewicht  u. 
dem,  der  seine  mannbare  Tochter  warten  läßt  (ohne  sie  zu  verheiraten,  um  ihre  Arbeits- 
kraft für  sich  selbst  auszunützen).  So  wäre  also  der,  der  seine  m.  T.  warten  läßt,  kein 
schlauer  Bösewicht?  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  So  hat  er  es  gemeint:  Welcher  Arme 
ist  ein  schlauer  Bösewicht?  Der,  welcher  seine  m.  T.  warten  läßt. 

3.  Abgesehen  von  etlichen  abergläubischen  Vorstellungen  über  das 
Verarmen  eines  Menschen, a  hat  man  die  Armut  meist  für  eine  Schickung 

1  Matt  K*h  ■SC'; ;  Bacher,  pal.  Amor.  1, 236  vokalisiert  ]tz-^  =  „er  bringt  in  Gefahr" 

52* 


820  Matth  19,  22  (Nr.  3) 

Gottes b  gehalten,  die  den  Menschen  trifft  entweder  als  Strafe  für  be- 
stimmte Übertretungen c  oder  zu  seiner  Prüfung  u.  Läuterung,  d 

a.  P'slll^:  Ein  Haken  (zum  Daranhängen)  im  Haus  ist  schlimm  für  die  Armut 
(begünstigt  das  Verarmen),  wie  es  im  Sprichwort  heißt:  Wer  den  Brotkorb  hochhängt, 
hängt  seine  Nahrung  hoch  (verursacht  sich  selbst  Mangel).  Aber  das  hat  man  nur  be- 
treffs des  Brotes  gesagt;  dagegen  kommt  bei  Fleisch  u.  Fischen  nichts  darauf  an,  weil 
es  da  üblich  ist.  Kleie  im  Haus  (achtlos  verschüttet)  ist  schlimm  für  die  Armut;  Brot- 
krumen im  Haus  (achtlos  umhergeworfen)  sind  schlimm  für  die  Armut;  in  den  Nächten 
zu  den  Sabbaten  u.  zum  Mittwoch  weilen  die  Dämonen  darauf.  Der  Engelfürst  der 
Nahrung  führt  den  Namen  Naqid  (der  Reine),  der  Engelfürst  der  Armut  heißt  Nabel 
(der  Schmutzige).  Eine  Schüssel  auf  der  Öffnung  eines  Fasses  ist  schlimm  für  die 
Armut.  II  Chul  10515  handelt  speziell  von  umherliegenden  Brotbrocken  als  Ursache  der 
Verarmung;  s.  im  Exkurs  über  Dämonologie  Nr.  6  Anm./".  j.  Schab  62b:  K.  Abbahu 
(um  300)  hat  gesagt,  nach  andren  hat  man  es  in  einer  Bar  gelehrt:  Dreierlei  bringt 
den  Menschen  in  Armut,  nämlich  wenn  er  vor  seinem  Bett  nackt  uriniert,  wenn  er 
das  Abspülen  der  Hände  geringschätzt,  u.  wenn  die  eigene  Frau  ihm  ins  Gesicht  flucht. 
Wenn  er  vor  seinem  Bett  nackt  uriniert:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Das  hat  man  nur 
für  den  Fall  gesagt,  daß  er  sein  Gesicht  seinem  Bett  zuwendet;  aber  wenn  er  es  nach 
außen  hin  (d.h.  vom  Bett  abgewandt)  tut,  so  kommt  nichts  darauf  an;  u.  auch  von 
dem,  der  sein  Gesicht  seinem  Bett  zuwendet,  hat  man  es  nur  gesagt,  wenn  er  auf  die 
Erde  uriniert;  aber  wenn  er  ein  Gefäß  benützt,  so  kommt  nichts  darauf  an.  Wenn  er 
das  Abspülen  der  Hände  geringschätzt:  Raba  hat  gesagt:  Das  hat  man  nur  gesagt, 
wenn  er  seine  Hände  überhaupt  nicht  wäscht;  aber  wenn  er  sie  wäscht  u.  nicht  wäscht 
(d.h.  nur  so  obenhin),  so  kommt  nichts  darauf  an.  Aber  das  ist  doch  nicht  richtig! 
Denn  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Ich  wasche  mich  mit  beiden  Händen  voll  Wasser, 
u.  man  (=  Gott)  hat  mir  beide  Hände  voll  Gutes  gegeben.  Wenn  die  eigene  Frau  ihm  ins 
Gesicht  flucht:  Raba  hat  gesagt:  Ihrer  Schmucksachen  wegen.  Das  gilt  aber  nur,  wenn  er 
es  dazu  hat  (ihr  solche  zu  kaufen)  u.  es  nicht  tut.  (Zugrunde  liegt  der  Gedanke:  Schmutz 
macht  arm;  denn  der  Dämon  der  Armut  heißt  Schmutz  '^2:  u.  haust  im  Schmutz.) 

b.  Qid4, 14:  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Immer  lasse  der  Mensch  seinen  Sohn  ein  rein- 
liches u.  leichtes  Handwerk  lernen  u.  flehe  zu  dem,  dem  (aller)  Reichtum  u.  (alles)  Ver- 
mögen gehört;  denn  es  gibt  kein  Handwerk,  in  dem  nicht  Armut  u.  Reichtum  sich  findet; 
denn  die  Arm^^t  hängt  nicht  vom  Handwerk  ab  u.  auch  der  Reichtum  hängt  nicht  vom 
Handwerk  ab,  vielmehr  richtet  sich  alles  nach  des  Menschen  Würdigkeit.  —  Parallel- 
steilen:  TQid 5,15(343);  pQid4,66b,35;  bQid  82l>.;ipesiq  IIb.  12a:  Eine  Matrone  fragte 
den  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150).  Was  tut  Gott  seit  der  Weltschöpfung V  R.  B'rekhja 
(um  340)  hat  gesagt,  R.  Jose  b.  Chalaphta  habe  ihr  geantwortet:  Er  sitzt  u.  macht 
Leitern;  den  einen  läßt  er  emporsteigen  u.  den  andren  herab,  den  einen  macht  er 
gering  (arm)  u.  den  andren  reich;  denn  Gott  ist  ein  gerechter  Richter,  den  einen  er- 
niedrigt u.  den  andren  erhöht  er  Ps  75,  8.  —  Parallelstellen:  GnR68(43b);  LvR  8 
(UOb;  HOC);  NuR3  (139«');  TanchB  rna«  §9  (81»).  —  Der  gleiche  Gedanke  TanchB 
b"lSE»»:  §8  (43a):  Gott  spricht  (zum  hartherzigen  Reichen):  Wisse,  daß  ich  es  bin,  der 
jenen  arm  u.  dich  reich  gemacht  hat;  ich  kann  dich  auch  wieder  einmal  arm  machen. 
R.  Nachman  (um  400)  hat  gesagt:  Sieh,  was  geschrieben  steht  Dt  15,  10:  Geben  sollst 
du  ihm,  u.  dein  Herz  sei  nicht  verdrießlich,  indem  du  ihm  gibst.  Darauf  aber  heißt 
es  nicht:  , damit  (ii''3')  Jahve  dich  segne",  sondern:  „Jahve  wird  dich  segnen  '^Vja 
nrn  "ia-ir."  Was  bedeutet  V-^iz?  Wisse,  daß  damit  ein  Rad  "';:';?  gemeint  ist:  ich  habe 
jenen  arm  u.  dich  reich  gemacht;  veranlasse  mich  nicht,  das  Rad  zu  drehen,  daß  ich 
dich  arm  mache  {r,Tn  -zr-r,  V';;:^:  am  Rade  hängt  diese  Sache).  —  ExR31  (91*^):  Ein 
Rad  ist  in  der  Welt;  nicht  wer  heute  reich  ist,  ist  auch  morgen  reich,  u.  wer  heute 
arm  ist,  ist  nicht  auch  morgen  arm ;  vielmehr  den  einen  bringt  es  hinab  u.  den  andren 
empor,  s.  Ps75,  8:  Gott  ist  ein  Richter,  den  einen  erniedrigt  er  u.  den  andren  erhöht 
er.  —  Die  Deutung  des  '-'-:z  Dt  15,  10  auf  das  in  der  Welt  sich  drehende  Glücksrad 


Matth  19,  22  (Nr.3)  821 

ist  alt,  sie  wird  bereits  der  Schule  des  R.  Jischina?el  (f  um  135)  zugeschrieben.  So 
Schab  151"^  Bar:  R.  Elfazar  lia-Qappar  (um  180)  sagte:  Immer  bitte  der  Mensch  um  Er- 
barmen gegen  dieses  Geschick  (der  Verarmung);  denn  wenn  er  selbst  nicht  hineingerät, 
gerät  sein  Sohn  hinein,  u.  wenn  dieser  nicht,  so  sein  Sohnessohn;  denn  es  heifst  Dt  15, 10: 
,Am  Rade  hängt  die  Sache"  (so  der  Midr).  In  der  Schule  des  R.  Jischma?el  ist  ge- 
lehrt worden:  Ein  Rad  ist  da,  das  sich  in  der  Welt  dreht.  Rab  Joseph  (f  333)  hat  gesagt : 
Wir  haben  durch  Tradition  empfangen,  daß  ein  hervorragender  Gelehrter  iia^»:  sa-is 
nicht  verarmt.  Aber  wir  seilen  es  doch,  daß  (auch)  ein  solcher  verarmt!  Dann  aber 
geht  er  doch  nicht  (bettelnd)  an  den  Türen  umher.  R.  Chijja  (wohl  der  Altere  um  200) 
sagte  zu  seiner  Frau:  Wenn  ein  Armer  kommt,  geh  ihm  mit  Brot  entgegen,  damit 
man  deinen  Kindern  (gleicherweise)  entgegenkomme.  Sie  spi'ach:  Du  fluchst  ihnen! 
Er  antwortete:  Es  heißt  Dt  15,  10:  Am  Rade  hängt  die  Sache,  u.  in  der  Schule  des 
R.  Jischmafel  ist  gelehrt  worden:  Ein  Rad  ist  da,  das  sich  in  der  Welt  dreht.  — 
Parallelstellen  zu  den  Aussprüchen  des  R.  Elfazar  ha-Qappar  u.  des  R.  Nachman:  LvR  34 
(131 ";  131'');  Midr  Ruth  2,  19  (133^).  —  Anders  gewandt  ist  das  Bild  vom  Rade  LvR34 
(131*^):. R.  Nachman  hat  gesagt:  Es  heißt  Dt  15,  10:  ,Am  Rade  hängt  die  Sache.''  Diese 
Welt  gleicht  einem  Schöpfrade:  das  volle  Gefäß  wird  geleert,  das  geleerte  wird  ge- 
füllt. —  Ebenso  Midr  Ruth  2,  19  (133»).  ||  Über  Reichtum  als  eine  Gabe  Gottes  s.  auch 
bell  Tim  6,  17. 

C.  Schab  33'''  Bar:  Vier  Kennzeichen  ■j-s's-o  gibt  es.  Das  Kennzeichen  der  ünzuchts- 
sünde  ist  Wassersucht  (d.h.  diese  ist  die  Strafe  für  jene);  das  Kennzeichen  des  grund- 
losen Hasses  ist  Gelbsucht;  das  Kennzeichen  des  Hochmuts  ist  Armut,  das  Kennzeichen 
der  Verleumdung  ist  Bräune.  ||  N*^d  7b:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Wer  die  Erwähnung  des 
göttlichen  (Jahve-)Namens  aus  dem  Munde  eines  andren  hört,  muß  diesen  in  den  Bann 
tun,  u.  wenn  er  es  nicht  tut,  so  soll  er  selbst  wie  ein  Gebannter  sein;  denn  überall, 
wo  sich  die  Nennung  des  göttlichen  Namens  findet,  da  findet  sich  Armut,  u.  Armut 
ist  dem  Tode  gleich,  wie  es  heißt  Ex  4,  19:  Es  sind  gestorben  alle  Männer,  die  nach 
deinem  Leben  trachteten  (s.  N'd  64 b  oben  Nr.  1).  |]  Git  38^:  Rabbah  (f  330)  hat  gesagt: 
Wegen  dieser  drei  Dinge  kommen  Besitzer  in  ihren  Vermögensverhältnissen  herab: 
wer  seine  Sklaven  zur  Freiheit  entläßt  (vgl.  Lv  25,  46:  Auf  ewig  a'-;^?  mögt  ihr  durch 
sie,  d.  h.  die  nichtjüdischen  Sklaven,  Sklavenarbeit  tun  lassen;  ihre  Freilassung  wider- 
spricht also  dieser  Anordnung).  Ferner  diejenigen,  die  am  Sabbat  ihre  Güter  durch- 
suchen (mustern,  was  als  Übertretung  des  Sabbatgebotes  galt)  u.  diejenigen,  die  ihre 
Sabbatmahlzeit  ansetzen  zur  Zeit  des  Vortrages  im  Lehrhause  (statt  ins  Lehrhaus  zu 
gehn).  II  LvR34  (131^):  „Arme,  Heimatlose  führe  in  dein  Haus"  Jes58,  7;  das  sind 
Besitzer,  die  in  ihrer  Ehre  u.  ihrem  Vermögen  heruntergekommen  sind.  Was  hat  es 
ihnen  verursacht,  daß  sie  arm  geworden  sind?  Weil  sie  nicht  ihre  Hände  (^barmherzig) 
den  Armen  entgegengestreckt  u.  weil  sie  nicht  den  Willen  ihres  Vaters  im  Himmel  getan 
haben.  ||  Tanch  c-üEr":  97 b;  R.  Schela  (aus  K'^phar  T^marta,  um  280)  hat  gesagt: 
Komm  u.  sieh,  was  geschrieben  steht:  Verhärte  dein  Herz  nicht  u.  verschließ  deine 
Hand  nicht  vor  deinem  armen  Bruder  Dt  15,  7.  Was  bedeutet  „vor  deinem  Bruder''? 
Es  heißt  nicht  „vor  dem  Armen'',  sondern  „vor  deinem  Bruder";  beide  (Reiche  u.  Arme) 
sind  gleich;  verursache  es  dir  also  nicht  selbst,  daß  du  werdest,  wie  er  ist.  (Hart- 
herzigkeit führt  zur  Armut.)  ||  Midr  Ps  7  §  1 1  (34i>j:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Als 
Gott  zu  Noah  sprach:  Nimm  zu  dir  immer  zwei  von  jeder  Art  in  den  Kasten,  da 
kamen  sie  alle  u.  gingen  hinein  in  den  Kasten,  s.  Gn7,  15.  Als  sie  zu  Noah  kamen, 
gingen  sie  hinein,  jedes  mit  seiner  Genossin.  Da  kam  die  Lüge  und  wollte  eintreten. 
Noah  sprach  zu  ihr:  Du  kannst  nicht  eintreten,  es  sei  denn,  daß  eine  Genossin  mit 
dir  kommt.  Die  Lüge  ging  u.  suchte  eine  Genossin.  Da  begegnete  sie  der  Verarmung.^ 
Diese  sprach  zu  ihr:  Woher  kommst  du?  Sie  antwortete:  Von  Noah;  denn  ich  ging  u. 
wollte  in  den  Kasten  eintreten,  aber  er  ließ  es  nicht  zu,  es  sei  denn,  daß  ich  eine 
Genossin  hätte;  willst  du,  so  sei  meine  Genossin!  Die  Verarmung  sprach  zur  Lüge: 

1  ^~~z ,  vgl.  dazu  Bacher,  pal.  Amor.  2,  308. 


822  Matth  19,  22  (Nr.  ?,.  4) 

Was  gibst  du  inir?  Diese  sprach:  Ich  will  mit  dir  festsetzen,  daß  du  alles  in  Empfang 
nehmen  sollst,  was  ich  erwerbe.  Danach  gingen  sie  beide  in  den  Kasten.  Als  sie  aus 
dem  Kasten  gegangen  waren,  brachte  die  Lüge  zusammen  u.  die  Verarmung  nahm  eins 
nach  dem  andren  in  Empfang,  aber  nichts  verblieb,  auch  nicht  das  geringste.  Da  ging 
die  Lüge  zur  Verarmung  u.  sprach:  Gib  mir,  was  ich  erworben  habe!  Sie  antwortete: 
Haben  wir  nicht  also  miteinander  vereinbart,  daß  ich  alles,  was  du  zusammenbringst, 
empfangen  soll?  Sie  konnte  nichts  dagegen  vorbringen.  Darum  sagt  das  Sprichwort: 
Was  die  Lüge  erzeugt,  das  nimmt  die  Verarmung  weg!  —  Die  Schlußworte  nach  Raschi 
zu  Ps  7,  15.  II  Hierher  gehört  auch  P'^siq  117»:  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Die  Israe- 
liten müssen  Johannisbrot  nötig  haben;  dann  tun  sie  Buße.  R.  fAqiba  (f  um  135)  hat 
gesagt:  Schön  ist  die  Armut  für  die  Tochter  Jakobs,  wie  ein  roter  Riemen  am  Halse 
des  Schimmels.  —  Erst  die  härteste  Strafe,  wie  Armut,  bringt  Israel  zur  Besinnung 
u.  Umkehr;  deshalb  steht  ihm  Armut  schön.  Das  Wort  ist  oft  wiederholt,  zB  Chag  9l>; 
LvR13(114b);  35(132^);  Midr  HL  1,  4  (86b). 

d.  Ex  31  (Gl'^):  Wohl  dem  Menschen,  der  in  seiner  Versuchung  besteht;  denn  es 
gibt  keinen  Menschen,  den  Gott  nicht  versuchte.  Den  Reichen  versucht  er,  ob  seine 
Hand  den  Armen  sich  öffne,  u.  den  Armen  versucht  er,  ob  er  Leiden  (Züchtigungen) 
hinnehme  ohne  Murren,  s.  Jes58,  7:  „Arme,  Heimatlose  führe  in  dein  Haus."  Wenn 
der  Reiche  in  seiner  Versuchung  besteht  u.  Wohltätigkeit  übt,  so  genießt  er  seinen 
Reichtum  in  dieser  Welt,  während  das  Stammkapital  (der  Hauptlohn)  ihm  anstehen 
bleibt  für  die  zukünftige  Welt.  u.  Gott  bewahrt  ihn  vor  dem  Gehinnomgericht,  s.  Ps41,2: 
„Wohl  dem,  der  gegen  den  Elenden  billig  handelt,  am  Tage  des  Unglücks  (nach  dem 
Midr  =  am  Gerichtstage)  wird  ihn  Jahve  erretten."  Und  wenn  der  Arme  in  seiner  Ver- 
suchung besteht  u.  sich  nicht  auflehnt,  so  empfängt  er  in  der  Zukunft  Doppeltes, 
8.  Ps  18,  28:  „Dem  armen  Volk  hilfst  du."  Von  wem  lernst  du  das?  Von  Hiob,  der 
in  dieser  Welt  gezüchtigt  wurde,  u.  Gott  ersetzte  ihm  Doppeltes,  s.  Hi  42,  10.  Aber 
wenn  des  Reichen  Auge  mißgünstig  ist,  so  schwindet  er  u.  sein  Vermögen  aus  dieser 
Welt,  s.  Qoh  5, 18:  „Es  geht  zugrunde  solcher  Reichtum  durch  einen  schlimmen  Zufall", 
weil  sein  Auge  mißgünstig  ist  gegenüber  den  Almosensammlern.  —  Dasselbe  Tanch 
n-uEcis  94b.  Ij  Midr  Ps  5  §  2  (26a):  R.  Chanin  b.  Ada  (Adda) »  hat  gesagt:  Die  Tora  sagt: 
„Länge  der  Tage  ist  in  ihrer  Rechten,  in  ihrer  Linken  Ehre  u.  Reichtum"  Spr  3,  16. 
Wenn  die  Söhne  der  Armen  sich  in  ihrer  Armut  mit  der  Tora  beschäftigen,  so  lasse 
ich  sie  310  Welten  besitzen,  s.  Spr  8,  21 :  „Um  denen,  die  mich  lieben,  reelles  Gut  (».":)* 
zukommen  zu  lassen  u.  ihre  Schatzkammern  zu  füllen."  Und  warum  sind  sie  arm  in  dieser 
Welt?  Damit  sie  sich  nicht  mit  eitlen  Dingen  befassen  u.  (darüber)  die  Tora  vergessen; 
denn  man  muß  sein  Handelsgeschäft  dahintenlassen  u.  sich  mit  der  Tora  beschäftigen, 
da  die  Tora  allem  voraufgegangen  ist,  s.  Spr.  8,  22:  „Jahve  hat  mich  (Weisheit  =  Tora) 
geschaffen  als  den  Anfang  seines  Weges,  als  frühestes  seiner  Werke,  vorlängst. 

4.  Bei  der  Einschätzung  der  Armut  als  drückendste  Last  kann  es 
nicht  überraschen,  wenn  häufig  die  Frage  in  den  Vordergrund  sich 
schiebt,  wie  der  Mensch  der  Armut  entgehn  u.  zu  Reichtum  gelangen 
mag.  In  welcher  Richtung  sich  dabei  die  Gedanken  bewegt  haben, 
zeigen  die  nachfolgenden  Stellen. 

LvR22  (120"^):  „Das  Überflüssige  der  Erde  gehört  mit  zum  Weltall"  (so  der  Midr 
Qoh  5,  8).  R.J^'huda  (um  150)  hat  gesagt:  Selbst  die  Dinge,  die  du  als  überflüssig  für 
die  Welt  ansiehst,  auch  sie  gehören  zum  Weltall,  zum  Bestände'  der  Welt:  der  Bast, 
um  Stricke  daraus  zu  machen;  die  Blätter  (der  Palme),  um  Siebe''  daraus  zu  flechten. 

*  Wenn  =  Chanina  b.  Idi,  dann  gegen  300;  s.  Bacher,  pal.  Amor.  3,  555. 

*  D-,  dem  Zahlenwert  nach  =  310,  wird  hier,  wie  auch  sonst  mehrfach,  =  310  Welten 
gedeutet. 

'  Lies  mit  Midr  Qoh  5,  8  ir^'in  statt  •r'"ir. 

*  Vgl.  hierzu  Bacher,  Tann.  2,  265. 


Matth  19,  22  (Nr.  4)  823 

,Ein  König  ist  dem  Felde  dienstbar"  (das.):  selbst  wenn  einer  ein  König  wäre  u.  von 
einem  Ende  der  Welt  bis  zum  andren  herrschte,  dem  Felde  ist  er  dienstbar.  Hat  das 
Land  Ertrag  gebracht,  so  ergeht  es  ihm  gut;  hat  es  keinen  Ertrag  gebracht,  so  hat  er 
nichts.  Deshalb:  ,Wer  Silber  liebt,  wird  Silbers  nicht  satt"  (das.  Vers  9);  wer  den 
Mammon  liebt,  wird  des  Mammons  nicht  satt;  denn  wer  nach  dem  Mammon  rennt  u. 
jagt  u.  keinen  Landbesitz  hat,  was  hat  er  für  Nutzen?  —  R.  Jischma?el  (Sch®muel) 
b.  Tanchum  u.  R.  Chanin  b.  ß^rekhja  haben  im  Namen  des  R.  Jirm^ja  (um  320)  gesagt: 
Es  heißt  Ez27,  29:  „Absteigen  werden  von  ihren  Schiffen  alle,  die  das  Ruder  hand- 
haben; die  Seeleute,  alle  Segler  des  Meeres  werden  aufs  Land  treten."  Wissen  wir 
denn  nicht,  daß  sie  ans  Land  treten  (wozu  muß  das  erst  gesagt  werden)?  Allein  es 
ist  so  gemeint:  Wenn  das  Schiff  eines  Menschen  im  Meer  untergegangen  ist  u.  er  hat 
Landbesitz,  so  kann  er  sich  auf  die  Erde  stellen  (hat  an  seinem  Lande  eine  sichere 
Existenzbasis);  hat  er  aber  keinen  Landbesitz,  so  gibt  es  keine  größere  Nichtigkeit  als 
diese.  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  im  einzelnen  Midr  Qoh  5, 8  (26*).  Vgl.  auch  J'^b  63* : 
R.  EUazar  (um  270)  hat  gesagt:  Wer  keinen  Landbesitz  hat,  ist  kein  Mensch,  s.  Psll5, 16: 
Der  Himmel  ist  Himmel  für  Jahve  u.  die  Erde  hat  er  den  Menschenkindern  gegeben. . . . 
R.  Elfazar  hat  gesagt:  Dereinst  werden  alle  Gewerbetreibende  sich  auf  Landbesitz 
stellen,  s.  Ez  27,29  (wie  oben).  —  Ein  andres  Urteil  des  R.  Elfazar  über  die  Einträglichkeit 
der  Landwirtschaft  s.  im  nächsten  Zitat.  ||  J'^b  63^*:  R.  Elfazar  hat  gesagt:  Es  gibt  kein 
weniger  einträgliches  Gewerbe,  als  der  Landbau  ist;  denn  es  heißt  Ez27,  29  (s.  oben): 
,Sie  werden  herunterkommen"  (so  der  Midr  ifi^i).  R.  Elfazar  sah  ein  Feld,  auf  welchem 
Kohl  der  Breite  nach  (auf  den  Beeten)  gepflanzt  war;  er  sprach:  Auch  wenn  man  dich 
der  Länge  nach  pflanzte,  das  Betreiben  eines  Handelsgeschäftes  ist  besser  als  du!  — 
Rab  (t  247)  ging  zwischen  Ährenfeldern ;  er  sah,  wie  sie  wogten;  er  sprach:  Wenn  du 
auch  noch  so  sehr  wogst,  das  Betreiben  eines  Handelsgeschäftes  ist  besser  als  du!  — 
Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Bei  lOOZuz  in  einem  Handelsgeschäft  gibt  es  täglich  Fleisch 
u.  Wein;  bei  100  Zuz  im  Landbau  gibt  es  Salz  (oder  Melde)  u.  Grummet;  u.  nicht  bloß 
dies,  es  läßt  ihn  auch  auf  der  Erde  schlafen  (zur  Bewachung  der  Früchte)  u.  verursacht 
ihm  Händel.  ^  Rab  Papa  (f  376)  hat  gesagt:  Säe  (selbst  aus)  u.  kaufe  (deine  Nahrungs- 
mittel) nicht;  auch  wenn  es  sich  gleichbliebe  (die  Selbstgewinnung  der  Früchte  sich 
nicht  billiger  stellte,  als  ihr  Einkauf  auf  dem  Markt),  es  haftet  ein  Segen  daran.  Ver- 
kaufe (was  du  hast  u.  treibe  mit  dem  Erlös  Handelsgeschäfte),  so  wirst  du  nicht 
herunterkommen.  Das  bezieht  sich  auf  Polster;  aber  ein  Mantel  möchte  für  ihn  nicht 
mehr  angetroffen  werden  (darum  verkaufe  man  einen  solchen,  der  das  Ehrenkleid  ist, 
nicht).  Stopfe  zu  (ein  Loch  in  der  Wand),  aber  nimm  keinen  Reparaturbau  vor;  nimm 
einen  Reparaturbau  vor  (wenn  es  nicht  anders  möglich  ist),  aber  keinen  Neubau;  wer 
sich  auf  Bauen  einläßt,  verarmt.  Springe  zu  u.  kaufe  Land;  aber  zögere,  wenn  du  ein 
Weib  nimmst.  Steige  eine  Stufe  herab,  wenn  du  ein  Weib  nimmst;  steige  eine  Stufe 
empor,  wenn  du  einen  Freund  wählst.  —  Der  Satz:  „Bauen  macht  arm"  auch  Sota  1 1  -'.  || 
Sanh58b:  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Der  Landbesitz  (u.  seine  Bewirtschaftung) 
ist  den  Männern  des  Arms  verliehen,  s.  Hi  22,  8:  Der  Mann  des  Arms  —  ihm  gehört 
das  Land!  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Was  besagt  Spr  12,11:  „Wer  seinen 
Acker  bebaut  taiy,  wird  reichlich  Brot  haben"?  Wenn  sich  der  Mensch  selbst  gleichsam 
zum  Sklaven  nass  seines  Landes  macht,  wird  er  reichlich  Brot  haben;  wenn  aber  nicht, 
wird  er  nicht  reichlich  Brot  haben.  —  Beide  Worte  wollen  die  Unverträglichkeit  des 
Landbaues,  der  einen  ganzen  Mann  erfordert,  mit  dem  Torastudium  hervorheben.  || 
LvR  3  (106*^):  R.  Ji^chaq  (um  300)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Qoh  4,  6:  „Besser  eine 
Hand  voll  Ruhe,  als  beide  Fäuste  voll  Mühe  u.  windigen  Strebens."  Besser  daran  ist 
der,  der  zehn  Goldstücke  hat  u.  damit  Handel  treibt  u.  sich  davon  ernährt,  als  der, 
welcher  hingeht  u.  auf  Zins  entleiht.  Im  Sprichwort  sagt  man:  Wer  ein  Darlehn  gegen 
Zinsen  nimmt,  verliert  das  Seine  u.  auch  das,  was  ihm  nicht  gehört  (sondern  dem 
Gläubiger).  Vielmehr  „windiges  Streben"  ist  sein  Wunsch,  Geschäftsmann  genannt  zu 
werden.  —  Besser  daran  ist  der,  welcher  hingeht  u.  arbeitet  u.  Almosen  von  dem 
Seinigen  gibt,  als  der,  welcher  hingeht  u.  raubt  u.  erpreßt  u.  Almosen  gibt  von  dem, 


824  Matth  19,'82  (Nr.4) 

was  andren  Leuten  gehört.  Im  Sprichwort  sagt  man:  Sie  buhlt  für  Äpfel  u.  verteilt 
(den  Buhlerlohn)  an  Kranke.  Vielmehr  , windiges  Streben"  ist  sein  Wunsch,  ein  Barm- 
herziger (Bar-Mi^va  hier  =  Almosenspender)  genannt  zu  werden.  —  Besser  daran  ist 
der,  welcher  einen  Garten  hat  u.  ihn  düngt  u.  behackt  u.  sich  von  ihm  nährt,  als  der, 
welcher  die  Gärten  andrer  um  die  Hälfte  (des  Ertrags)  übernimmt.  Im  Sprichwort  sagt 
man :  Wer  Einen  Garten  pachtet,  kann  Vögel  (Geflügel)  essen,  wer  aber  (viele)  Gärten 
pachtet,  den  essen  die  Vögel.  Vielmehr  ,  windiges  Streben"  ist  sein  Wunsch,  ein  Besitzer 
von  Anwesen  genannt  zu  werden.  —  Dasselbe  anonym  mit  Abweichungen  Midr  Qoh  4,  6 
(23").  II  Chul  84":  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer  reich  werden  will,  befasse  sich 
mit  Kleinvieh.  Rab  Ciiisda  (f  309)  hat  gesagt:  Was  besagt  Dt  7,  13:  „Die  Anzucht 
ri-irv-j  deiner  Schafe"?  Daß  sie  ihre  Besitzer  reich  machen,  n^»yi2.  ||  Daselbst  84 '^: 
R.  Jochanan  hat  gesagt:  Wenn  einer,  dem  sein  Vater  Geld  hinterließ,  es  durchbringen 
will,  so  kleide  er  sich  in  Gewänder  von  Leinwand  u.  bediene  sich  gläserner  Gefäße  u. 
miete  Arbeiter  u.  weile  nicht  bei  ihnen.  ||  Nidda  70 ^  Bar:  (Zwölf  Fragen  legten  die  Leute 
von  Alexandria  dem  R.  Jehoschuaf  b.  Chananja,  um  90,  vor;  davon  lautet  die  eine:)  Was 
soll  der  Mensch  tun,  damit  er  reich  werde?  Er  antwortete:  Er  treibe  viel  Handel  u. 
kaufe  u.  verkaufe  in  Redlichkeit!  Man  sprach  zu  ihm:  Viele  haben  also  getan  u.  es  hat 
nichts  geholfen;  vielmehr  er  bitte  um  Erbarmen  den,  dem  der  Reichtum  gehört,  s.  Hag 
2,  8:  „'Mßin  ist  das  Silber  u.  mein  das  Gold."  Was  will  uns  das  lehren?  Daß  das  eine 
ohne  das  andre  nicht  genügt.  (Bete  und  arbeite!)  ||  BM42''':  R.  Jicchaq  (um  300)  hat 
gesagt:  Immer  finde  sich  das  Geld  des  Menschen  in  seiner  Hand,  s.  Dt  14,25:  , Fasse 
das  Geld  in  deiner  Hand  zusammen."  Ferner  hat  R.  Jicchaq  gesagt:  Immer  drittele  der 
Mensch  seine  Gelder:  ein  Drittel  für  Landbesitz,  ein  Drittel  für  Handelsgeschäfte  u.  ein 
Drittel  sei  unter  seiner  Hand  (jederzeit  ihm  zur  Verfügung  stehend).  Vgl.  BM  107": 
(R.  Jochanan,  f  279,  hat  gesagt:)  „Gesegnet  bist  du  auf  dem  Felde"  Dt  28,  3;  deine 
Güter  sollen  gedrittelt  sein;  ein  Drittel  in  Getreide,  ein  Drittel  in  Olivenbäumen  u.  ein 
Drittel  in  Weinstöcken  (schlägt  die  eine  Fruchtgattung  fehl,  so  gleichen  die  andren  den 
Schaden  aus).  1!  P'^s  49":  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wenn  eine  Priestertochter  einen 
(gewöhnlichen)  Israeliten  heiratet,  so  gilt  ihre  Verbindung  nicht  als  schön.  Wie  verhält 
es  sich  damit?  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Sie  wird  entweder  eine  Witwe  oder  eine 
Geschiedene,  oder  sie  bleibt  ohne  Nachkommen.  In  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  Er 
begräbt  sie  oder  sie  begräbt  ihn  oder  bringt  ihn  in  Armut.  Wirklich?  R.  Jochanan  hat 
doch  gesagt:  Wer  reich  werden  will,  der  hänge  sich  an  den  Samen  Ahrons;  um  so  mehr 
werden  ihn  Torastudium  u.  Priesterscliaft  reich  machen.  Das  ist  kein  Widerspruch:  in 
dem  einen  Fall  handelt  es  sich  um  einen  Gelehrtenschüler,  in  dem  andren  um  einen 
fAm  ha-are9  (Gesetzesunkundigen).  .  .  .  Rab  Papa  (t  376)  hat  gesagt:  Wenn  ich  nicht 
eine  Priestertochter  geheiratet  hätte,  wäre  ich  nicht  reich  geworden.  ||  BM  59":  R.  Ghelbo 
(um  300)  hat  gesagt:  Immer  sei  der  Mensch  bedacht  auf  die  Ehrung  seines  Weibes; 
denn  es  findet  sich  Segen  im  Hause  des  Menschen  nur  wegen  seiner  Frau,  s.  Gn  12, 16: 
Abram  tat  er  Gutes  um  ihretwillen.  Das  ist  es,  was  Raba  (f  352)  den  Leuten  von 
Machuza  gesagt  hat:  Ehret  eure  Frauen,  damit  ihr  reich  werdet,  jj  Sanh  92":  R.  El?azar 
(um  270)  hat  gesagt:  Jeder  Mensch,  der  Wissen  hat,  wird  schließlich  reich  werden,  s. 
Spr  24, 4:  Durch  Wi.ssen  werden  die  Kammern  gefüllt  mit  allerlei  kostbarer  u.  lieblicher 
Habe.  ||  BB25'^:  R.  Ji9chaq  (um  800)  hat  gesagt:  Wer  weise  werden  will,  der  wende 
sich  (beim  Gebet)  nach  Süden,  u.  wer  reich  werden  will,  wende  sich  nach  Norden.  Als 
Merkmal  können  dir  dienen  der  Tisch  (im  Heiligen  des  Tempels)  im  Norden  u.  der 
Leuchter  im  Süden.  R.  J^ioschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Immer  wende  man  sich 
nach  Süden;  denn  dadurch,  daß  man  weise  wird,  wird  man  reich,  s.  Spr  8,  16:  In  ihrer 
(der  Weisheit)  Linken  ist  Ehre  u.  Reichtum.  i|  Aboth  4,  9:  R.  Jonathan  (um  140)  sagte: 
Wer  die  Tora  in  Armut  hält,  wird  sie  schließlich  in  Reichtum  halten,  u.  wer  die  Tora 
im  Reichtum  vernachlässigt,  wird  sie  schließlich  vor  Armut  vernachlässigen.  —  Parallel- 
stelle: AbothRNSO  Anfang,  ij  Schab  119":  Rabbi  fragte  den  R.  Jischma?el  b.  Jose  (um 
ISO):  Wodurch  haben  die  Reichen  im  Lande  Israel  (ihren  Reichtum)  erlangt?  Er  ant- 
wortete ihm:  Weil  sie  (ordnungsmäßig)  ihren  Zehnten  geben:  s.  Dt  14,  22:  „Verzehntend 


Matth  19,22  (Nr.  4.  5)  825 

verzehnte  allen  Ertrag  deiner  Aussaat",  d.  li.  v^rzehnte  lir,  damit  du  reich  werdest 
-irsrrr.  Wodurch  haben  ihn  die  in  Babel  erlangt?  Er  antwortete:  Weil  sie  die  Tora 
ehren.  Und  wodurch  die  in  den  übrigen  Ländern?  Er  antwortete:  Weil  sie  den  Sabbat 
ehren.  Denn  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Einmal  war  ich  bei  einem  Haus- 
besitzer in  Laodicea  als  Gast.  Man  brachte  einen  goldenen  Tisch  vor  ihn,  an  dem 
sechzehn  Menschen  zu  tragen  hatten,  u.  sechzehn  silberne  Ketten  waren  daran  befestigt 
u.  Schüsseln  u.  Becher  u.  Krüge  u.  Flaschen  befanden  sich  darauf,  sowie  alle  Arten  von 
Speisen  u.  alle  Arten  von  köstlichen  Früchten  u.  Vv'^ohlgerüchen.  Als  sie  ihn  hingestellt 
hatten,  sprachen  sie:  Jahven  gehört  die  Erde  u.  ihre  Fülle  (Ps  24,  1);  u.  als  sie  ihn  ent- 
fernten, sprachen  sie:  Der  Himmel  ist  Himmel  für  Jahve  u.  die  Erde  hat  er  den  Menschen- 
kindern gegeben  Ps  115,  16.  Ich  sprach  zu  ihm:  Mein  Sohn,  wodurch  hast  du  dies  alles 
erlangt?  Er  antwortete:  Ich  bin  Fleischer  gewesen,  u.  bei  jedem  Stück  Vieh,  das  schön 
war,  sagte  ich:  Das  soll  für  den  Sabbat  sein!  Da  sprach  ich  zu  ihm:  Gepriesen  sei 
Gott  mp'sn,  der  dich  dies  alles  hat  erlangen  lassen!  —  Parallelstellen:  GnR  11  (8^); 
P-^siqR  23  (119'').  Vgl.  das  sprichwortartige  Wort  im  Munde  eines  Alten  Schab  119«: 
Was  man  für  den  Sabbat  borgt,  bezahlt  der  Sabbat.  ll  Ta?an  8*^:  R.  Jochauan  (f  279)  hat 
gesagt:  Verzehntend  verzehnte.  Dt  14,22;  verzehnte,  damit  du  reich  werdest.  ||  B'rakh  «l-S'"* : 
Rab  Nachman  b.  Ji^chaq  (t  3.56)  hat  gesagt:  Wer  (die  Abgaben  an  die  Priester  richtig) 
abgibt,  wird  schließlich  reich  werden;  denn  es  heißt  Nu  5,  10:  „Wer  dem  Priester  gibt, 
dem  soll  zuteil  werden"  (so  der  Midr),  dem  soll  Vermögen  zuteil  werden.  Ij  pSchab  (>,  8*^^,  63  : 
Als  R.  Jochanan  (f  279)  einmal  über  einen  Markt  ging,  sah  er  einen,  der  einige  Honig- 
kuchen verkaufte.  Er  sprach  zu  ihm:  Davon  ernährst  du  dich?  Er  antwortete:  Ja!  Er 
verließ  ihn  u.  ging  weiter.  Nach  einer  Weile  ging  er  wiederum  an  ihm  vorüber.  Da 
sprach  dieser  zu  ihm:  Rabbi,  bete  für  mich;  denn  von  der  Stunde  an  (da  du  fortgingst) 
habe  ich  nichts  mehr  verkauft.  Er  antwortete:  Verändere  deinen  Platz;  denn  manchmal 
veranlaßt  die  Veränderung  des  Namens  u.  manchmal  die  Veränderung  des  Ortes  (die 
Aufhebung  eines  bösen  Verhängnisses).  —  Die  Kraft,  ein  schlimmes  Verhängnis  auf- 
zuheben, wird  GnR  44  (27 '^j  noch  beigelegt  dem  Gebet,  den  Almosen,  der  Buße,  den 
guten  Werken  u.  dem  Fasten.  |l  Schab  1-56 •':  R.  Chanina  (um  225)  sagte:  Das  Gestirn  (die 
Konstellation)  macht  weise  u.  das  Gestirn  macht  reich,  u.  es  gilt  das  Gestirn  (auch)  für 
Israel;  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Es  gilt  das  Gestirn  nicht  für  Israel,  s.  Jer  10, 2.  — 
Schab  löö**:  Auf  der  Schreibtafel  des  R.  J'^hoschua?  b.Levi  (um  250)  stand  geschrieben: 
Wer  am  8.  Wochentag  (=  Dienstag)  geboren  ist,  wird  ein  reicher  u.  wollüstiger  Mann. 
Weshalb?  Weil  an  ihm  die  Kräuter  erschaffen  wurden  (die  sich  schnell  vermehren). 
Es  sprach  R.  Chanina:  Geht  u.  sagt  dem  Bar  Levi:  Nicht  das  Gestirn  des  Tages  ist  der 
Veranlasser,  sondern  das  Gestirn  der  (Geburts-)Stunde.  Wer  unter  der  Herrschaft  der 
Venus  geboren  wird,  wird  ein  reicher  u.  wollüstiger  Mann,  weil  ihm  das  Feuer  angeboren 
ist.  (Die  Stundenherrschaft  üben  die  Gestirne,  bei  der  Sonne  angefangen,  in  dieser 
Reihenfolge  aus:  Sonne,  Venus,  Merkur,  Mond,  Saturn,  Jupiter,  Mars;  dann  hebt  die 
Reihe  immer  wieder  von  vorn  an.  Die  Sonne  regiert  am  Sonntag  früh  von  6—7  Uhr, 
dann  regiert  in  derselben  Stunde  am  Montag  der  Mond,  am  Dienstag  Mars,  am  Mittwoch 
Merkur,  am  Donnerstag  Jupiter,  am  Freitag  Venus,  am  Sonnabend  Saturn.  Die  früh  von 
6 — 7  Uhr  herrschenden  Gestirne  sind  die  Gestirne  der  betreffenden  Tage;  von  ihnen 
rühren  die  Namen  der  Wochentage  in  den  einzelnen  Sprachen  her.)  |j  Über  Almosen  als 
Quelle  des  Reichtums  s.  im  Exkurs:  „Die  Privatwohltätigkeit"  Nr.  B  (Tasan  24^*);  Nr.  4 
Anm.  nLvR5)  u.  Nr.  5. 

5.  Aussprüche  verschiedenen  Inhalts. 

LvR  34  (131  ■'):  Acht  Namen  gibt  es  für  den  Armen:  -jy,  ■•i":s,  ".C",  '■Z'";,'-",  ~~, 
'"0,  l-~.  Er  heißt  ":y  im  gewöhnlichen  Sinn;  "vas,  weil  er  nach  allem  Verlangen  hat 
asr-s;  'pzfi,  weil  er  jedermann  verächtlich  ist  'iTa,  s.  Qoh  9,  16:  Die  Weisheit  des 
Armen  ist  verachtet;  uj-  ist  der  an  Gütern  Arme,  V-  ist  der  in  seinem  Vermögen 
Heruntergekommene  (Geschwächte  --^m»?),  --;  ist  der  Zerknirschte  ~~""'"; :  er  sieht 
etwas  u.  kann  es  nicht  essen,  er  sieht  etwas  u.  kann  es  niciit  kosten  u.  trinken;  -":, 


826  Mattli  19,  22  (Nr.  5).  19,  23  (Nr.  1.2) 

weil  er  sich  vor  jedermann  beugt,  er  ist  wie  zur  Unterschwelle  geworden  (auf  die 
jeder  Fuß  tritt).  Zu  -hr.  (vgl.  ns-:-  Ps  10,  8.  10.  14)  fehlt  die  Erklärung;  andre  Aus- 
gaben lesen  übrigens  -Vn.  1|  BQ  92''':  Im  Sprichwort  heißt  es:  Dem  Armen  läuft  die 
Armut  nach.  —  Dasselbe  BB  174b;  Chul  105  b.  |!  Qid49b:  Zehn  Maß  (Qab)  Reichtum 
sind  über  die  Welt  herabgekommen;  neun  erhielten  die  Römer  u.  eins  die  ganze  übrige 
Welt.  Zehn  Maß  Armut  sind  über  die  Welt  herabgekommen;  neun  erhielt  Babel  u. 
eins  die  ganze  übrige  Welt.  (Die  Armut  Babels  wird  dann  gedeutet  auf  die  „Armut 
an  Tora".)  —  Nach  Midr  Esth  1,  3  (SS**)  gehört  diese  Ausführung  dem  R.  Nathan,  um 
160,  an;  hier  werden  die  9  Maß  Armut  -ih  beigelegt,  d.  h.  entweder  Lydda  oder  Lydien. 
Vgl.  AbothRN  28.  |1  Pes  HS":  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Drei  macht  Gott  täglich 
(rühmend  im  Himmel)  bekannt:  Den  Unverheirateten,  der  in  einer  Großstadt  wohnt  u. 
nicht  sündigt  (in  ünkeuschheit);  den  Armen,  derVerlornesseinemBesitzer  wieder  zustellt, 
u.  den  Reichen,  der  seine  Früchte  im  verborgenen  verzehntet.  |j  Pes  113b  Bar:  Vier  kann 
der  Verstand  nicht  fassen.  Diese  sind:  Ein  hochmütiger  (stolzer)  Armer,  ein  (infolge 
seines  Geizes)  abmagernder  Reicher,  ein  Alter,  welcher  hurt,  u.  ein  Gemeindevorsteher, 
der  sich  eitler  Weise  über  die  Gemeinde  stolz  erhebt.  Einige  fügen  noch  den  hinzu,  der  sein 
Weib  einmal,  zweimal  (durch  Scheidung)  entlassen  hat  u.  sie  (trotzdem)  wiederninlmt. 

19,  23:  Ein  Reicher  wird  schwer  in  das  Himmelreich  eingehn. 

1.  Wer  ist  reich? 

pPea  4,  18*,  60:  (1  Chr  22,  14:  Siehe,  in  meiner  Armut  habe  ich  für  das  Haus  Jahves 
gerüstet  100000  Talente  Gold  usw.)  R.  Abin  (I„  um  325;  11.,  um  370)  hat  gesagt: 
Was  bedeutet  „in  meiner  Armut"  ("'•'JJ'a,  so  der  Midr)?  Daß  es  keinen  Reichtum  vor 
dem  gibt,  welcher  sprach  u.  es  ward  die  Welt.  (Reichtum  ist  also  stets  ein  relativer 
Begriff.)  Dasselbe  pGit  8,  49 '^^,  6;  pBM  1,7«',  59.  |1  Schab  25b  Bar:  Wer  ist  reich?  Wer 
an  seinem  Reichtum  Befriedigung  findet;  das  sind  Worte  des  R.  Meir  (um  150).  R.  Tarphon 
(um  100)  sagte:  Wer  100  Weinberge,  100  Feldstücke  u.  100  Sklaven  hat,  die  darin 
arbeiten.  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  sagte:  Wer  ein  Weib  hat,  das  schön  an  Werken  ist. 
R.  Jose  (der  Galiläer?,  um  110,  oder  b.  Chalaphta?,  um  150)  sagte:  Wer  einen  Abort 
in  der  Nähe  seines  Tisches  hat.  Aboth  4,  1:  Ben  Zoma  (um  110)  sagte:  .  .  .  Wer  ist 
reich?  Der,  welcher  sich  seines  Loses  (Teiles)  freut,  s.  Ps  128,2:  Wenn  du  von  der 
Arbeit  deiner  Hände  dich  nährst,  woiil  dir  u.  du  hast  es  gut  (so  der  Midr):  „wohl  dir" 
in  dieser  Welt,  „u.  du  hast  es  gut"  in  der  zuk.  Welt.  —  Parallelstelle:  AbothRN  23.  || 
Tamid  66'':  (Alexander  der  Gr.  fragte  die  Ältesten  des  Südens:)  Wer  wird  wohl  reich 
genannt?   Sie  antworteten:  Wer  ist  reich?   Der,  welcher  sich  seines  Loses  freut. 

2.  Der  Reichtum,  wenn  er  recht  gebraucht  wird,  gereicht  dem 
Gerechten  zum  Schmuck  u.  Segen  ;a  die  Frommen  lieben  deshalb  ihr 
Geld  mehr  als  ihren  Leib,  b 

a.  TSanhll,8  (432):  R.  Schimfon  b.  J'^^huda  (aus  K<^phar  Ikos,  s.  Einl.  131)  hat 
im  Namen  des  R.  Schimfon  (b.  Jochai,  um  150)  gesagt:  Schönheit,  Kraft,  Weisheit, 
Reichtum,  Alter,  Ehre  (u.  Ruhm)  u.  Kinder  sind  ein  Schmuck  für  die  Gerechten  selbst 
u.  auch  ein  Schmuck  für  die  Welt,  s.  Spr  16,31:  Ein  herrliches  Diadem  ist  Greisen- 
haar; Sprl7,  6:  Ein  Diadem  für  Greise  sind  Kindeskinder;  Spr  20,  29:  Der  Jünglinge 
Schmuck  ist  ihre  Kraft,  u.  der  Greise  Schmuck  ist  das  graue  Haar;  Jes  24,  23:  Vor 
seinen  Ältesten  ist  Ehre.  R.  Schimfon  b.  M'^nasja  (um  180)  sagte:  Das  sind  die  sieben 
Eigenschaften  (Kennzeichen,  wörtlich:  Maße),  die  die  Gelehrten  an  den  Gerechten  auf- 
gezählt haben,  u.  alle  waren  vorhanden  bei  Rabbi  u.  seinen  Söhnen.  —  Parallelstellen: 
Aboth  6,  8;  pSanh  11,  30^  43.  |l  Schab  92 *:  Ein  Autor  hat  gesagt:  Die  Sch^'khina 
(göttliche  Gegenwart,  hier  speziell  der  Geist  der  Prophetie)  ruht  nur  auf  einem  Weisen, 
einem  Starken,  einem  Reichen  u.  einem  Mann  von  schöner  Gestalt.  —  N®d  38*: 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gott  läßt  seine  Sch*^khina  nur  auf  einem  Starken, 
einem  Reichen,  einem  Weissen  u.  einem  Demütigen  ruhen,  u.  sie  alle  lassen  sich  von 


Matth  19,  23  (Nr.  2.  3j  827 

Mose  her  beweisen  (folgt  umständlicher  Schriftbeweis).  —  R.  Jochanan  hat  gesagt: 
Alle  Propheten  sind  reich  gewesen.  Woher  wissen  wir  das?  Von  Mose,  Samuel,  Arnos 
u.  Jona  (folgt  Schriftbeweis),  ü  Segen  des  zum  Wohltun  verwandten  Reichtums  s.  ExR  31 
(91'^)  oben  S.  822,  ferner  Exkurs  über  private  Wohltätigkeit  Nr.  4. 

b.  Sota  12*:  Sie  nahm  einen  Kasten  aus  Papyrus  für  ihn  Ex  2,  3.  Was  hat  es 
mit  dem  Papyrus  auf  sich?  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Daraus  ergibt  sich,  daß 
die  Gerechten  ihr  Geld  lieber  haben  als  ihren  Leib  (als  sich  selbst);  u.  dies  alles,  weil 
sie  ihre  Hände  nicht  nach  Raub  ausstrecken  (u.  deshalb  wissen,  wie  schwer  Vermögen 
zu  erwerben  ist).  —  Vgl.  zur  Psychologie  der  Reichen  Chul  46*:  ■;-::'3p»3  •{•-'■vy,  die 
Reichen  sind  sparsam  (wörtlich:  scharren  zusammen). 

3.  Der  Reichtum  hat  seine  großen  Gefahren  :a  er  führt  leicht  zur 
Gleichgültigkeit  u,  Auflehnung  gegen  Gottb  u.  bringt  mancherlei  ün- 
segen  über  seinen  Besitzer,  falls  dieser  in  Unbarmherzigkeit  seine  Hand 
gegen  die  Armen  verschließt,  c 

a.  ExR  31  (91'^):  Als  Salomo  den  Tempel  gebaut  hatte,  sprach  er  in  seinem  Gebet 
zu  Gott:  Herr  der  Welt,  wenn  ein  Mensch  vor  dir  beten  sollte,  daß  du  ihm  Vermögen 
Ti^i3  geben  möchtest,  u.  du  weißt,  daß  es  ihm  schädlich  sein  wird,  so  gib  ihm  nicht; 
wenn  du  aber  siehst,  daß  einem  Menschen  sein  Reichtum  wohlansteht,  so  gib  ihm; 
s.  2  Chr  6,  oÜ:  Du  wollest  einem  jeden  geben  nach  all  seinen  Wegen,  wie  du  sein  Herz 
kennst.  Dasselbe  Tanch  a-UEto^s  95=*.  —  ||  GittinTO-"':  Von  acht  Dingen  ist  ein  Über- 
maß schädlich,  aber  ein  bescheidenes  Maß  schön;  diese  sind:  Reisen  (zu  Fuß),  Beischlaf, 
Reichtum,  Arbeit,  Wein,  Schlaf,  warmes  Wasser  (als  Trank  u.  Bad)  u.  Aderlaß. 

b.  GnR  28  (17^'):  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Alle  (Propheten)  haben  ihren 
Unwillen  über  das  Silber  u.  Gold  ausgesprochen,  das  mit  ihnen  (Israel)  aus  Ägypten 
gekommen  ist,  s.  Jesl,22:  Dein  Silber  ist  zu  Schlacken  geworden;  Hos  2,  10:  Des 
Silbers  u.  des  Goldes  schaffte  ich  ihr  viel,  für  den  Ba?al  haben  sie  es  verwendet;  das. 
8,  4:  Ihr  Silber  u.  ihr  Gold  machten  sie  sich  zu  Bildsäulen,  damit  es  ausgerottet  werde,  jj 
Pirqe  REl  25  (12''):  Die  reichsten  Leute  der  Welt  sind  die  Sodomiter  gewesen  infolge 
des  guten  u.  fetten  Landes,  in  welchem  sie  wohnten.  .  .  .  Sie  vertrauten  nicht  auf  den 
Schutz  ihres  Bildners,  sondern  auf  die  Menge  ihres  Reichtums;  denn  der  Reichtum 
treibt  von  seinen  Besitzern  die  Gottesfurcht  weg,  da  sie  auf  ihre  eigene  Kraft  ver- 
trauen. II  Joma  35 '^  Bar:  Der  Arme,  der  Reiche  u.  der  Gottlose  kommen  ins  Gericht. 
Zum  Armen  wird  man  (Gott)  sagen:  Warum  hast  du  dich  nicht  mit  der  Tora  be- 
schäftigt? Wenn  er  dann  sagen  wird:  Ich  bin  arm  gewesen  u.  war  mit  meinem  Unter- 
halt beschäftigt,  so  wird  man  ihm  sagen:  Bist  du  etwa  ärmer  gewesen,  alsHillel 
(um  20  V.  Chr.)?  .  .  .  Zum  Reichen  wird  man  sagen:  Warum  hast  du  dich  nicht  mit 
der  Tora  beschäftigt?  Wenn  er  dann  sagen  wird;  Ich  bin  reich  gewesen  u.  war  mit 
meinem  Vermögen  beschäftigt,  dann  wird  man  ihm  sagen:  Bist  du  etwa  reicher  ge- 
wesen, als  R.  Elfazar  (b.  Charsom,  ein  Priester  zur  Zeit  des  Tempelbestandes)?  .  .  . 
Zum  Gottlosen  wird  man  sagen:  Warum  hast  du  dich  nicht  mit  der  Tora  beschäftigt? 
Wenn  er  dann  sagen  wird:  Ich  bin  schön  gewesen  u.  war  umgetrieben  von  dem  bösen 
Triebe,  dann  wird  man  ihm  sagen:  Bist  du  etwa  schöner  gewesen,  als  Joseph?  .  .  . 
B-^rakh  32'«:  Was  heißt  Di-Zahab  (Dt  1,  1)?  In  der  Schule  des  R.  Jannai  (um  225)  hat 
man  gesagt:  So  hat  Mose  vor  Gott  gesprochen:  Herr  der  Welt,  das  Silber  u.  Gold, 
das  du  den  Israeliten  in  Überfluß  gegeben  hast,  bis  sie  sagten:  Es  ist  genug  (■-,  Di- 
Zahab  also  =  genug  Gold!),  hat  es  verursacht,  daß  sie  das  Kalb  verfertigt  haben.  In 
der  Schule  des  R.  Jannai  hat  man  gesagt:  Der  Löwe  brüllt  nicht  bei  einem  Korb  voll 
Stroh,  sondern  bei  einem  Korb  voll  Fleisch.  R.  Hoschafja  (um  225)  hat  gesagt:  Gleich 
einem  Menschen,  der  eine  magere,  aber  starkknochige  Kuh  hatte;  er  fütterte  sie  mit 
Wicken,  da  schlug  sie  gegen  ihn  aus.  Er  sprach  zu  ihr:  Was  ist  der  Grund,  daß  du 
gegen  mich  ausschlägst?  Nur  die  Wicken,  mit  denen  ich  dich  gefüttert  habe.  R.  Chijja 
b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (t  279)  habe  gesagt:  Gleich  einem  Menschen, 
der  einen  Sohn  hatte;  er  badete  u.  salbte  ihn,  er  gab  ihm  Speise  u.  Trank,  er  hängte 


828  Matth  19,23  (Nr.  8).  19,24 

ihm  einen  Beutel  (voll  Geld)  um  seinen  Hals  u.  setzte  ihn  an  die  Tür  der  Buhldirnen. 
■Was  sollte  nun  der  Sohn  tun,  um  nicht  zu  sündigen?  Rab  Acha  b.  Huna  hat  im 
Namen  des  Rab  Schescheth  (um  260)  gesagt:  Das  ist  es,  was  die  Leute  zu  sagen 
pflegen:  Der  volle  Bauch  ist  von  böser  Art;  s.  Hos  13,  6:  Da  sie  satt  geworden,  über- 
hob sich  ihr  Herz;  deshalb  haben  sie  mich  vergessen.  —  Parallelstelle:  Sanh  102".  | 
Daß  das  Flutgeschlecht,  die  Leute  von  Sodom,  die  Generation  des  Turmbaues  u.  des 
Wüstenzuges,  die  Kinder  Hiobs  u.  die  zehn  Stämme  sich  nur  infolge  ihres  Wohlstandes 
u.  Überflusses  gegen  Gott  empört  haben,  wird  ausführlich  dargelegt  SDt  32,  15  §318 
(136"),  zum  Teil  auch  Sanh  108'';  109''». 

C.  Siehe  den  Exkurs  über  private  Wohltätigkeit  Nr.  5.  —  Ferner  Be^a  32"^:  Rab 
Nathan  b.  Abba  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Die  Reichen  Babels 
fahren  hinab  in  den  Gehinnom.  Als  Schabb'thai  b.  Marinos  nach  Babel  kam,  bat  er 
sie  um  Beschäftigung,  aber  sie  gaben  ihm  keine;  um  Nahrungsmittel,  aber  auch  da- 
mit versahen  sie  ihn  nicht.  Da  sprach  er:  Diese  stammen  von  dem  „großen  Gemisch" 
lEx  12,38)  ab;  denn  es  heißt  Dt  13.  18:  , Damit  Jahve  dir  Erbarmen  schenke  (im, 
Sinne  des  Midr:  gegen  andre)  u.  sich  dein  erbarme."  Wer  sich  über  die  Menschen  er- 
barmt, von  dem  ist  gewiß,  daß  er  zum  Samen  unsres  Vaters  Abraham  gehört;  wer 
sich  aber  nicht  über  die  Menschen  erbarmt,  von  dem  ist  gewiß,  daß  er  nicht  zum 
Samen  unsres  Vaters  Abraham  gehört. 

19,24:Leichteristes,  dafseiiiKameldurcheinNadelöhreingeht. 

B^'rakh  55 1^:  R.  Sch<=muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um  220) 
habe  gesagt:  Mau  (Gott)  läßt  den  Menschen  (im  Traum)  nur  die  Gedanken  seines 
Herzens  sehen;  s.  Dn  2,  29.  Raba  (t  352)  hat  gesagt:  Du  kannst  es  auch  daraus  er- 
kennen, daß  man  keinen  Menschen  (im  Traum)  sehen  läßt  eine  Palme  aus  Gold  oder 
einen  Elefanten,  der  durch  ein  Nadelöhr  n-j-^^t  sr^ip  geht.  (An  dergleichen  denkt  nie- 
mand, deshalb  träumt  er  nicht  davon.)  ||  BM  38  b:  (Rab  Schescheth,  um  260,  sagte  zu 
Rab  ?Amram,  als  dieser  eine  spitzfindige  Einwendung  machte:)  Du  bist  wohl  aus 
Pumb'ditha,  wo  man  einen  Elefanten  durch  ein  Nadelröhr  nü-ij-  sEipa  gehen  läßt!  ij 
Eine  ähnliche  sprichwörtliche  Redensart  findet  sich  Jeb45''':  Das  Kamel  in  Medien 
tanzt  in  einem  Qab  (Maß)  herum. 

Kamel  als  Maßbestimmung  BB  2  Ende:  Wenn  ein  Baum  in  einen  öfl'entlichen 
Bezirk  hinüberhängt,  so  darf  man  so  viel  wegschneiden,  daß  ein  Kamel  u.  sein  Reiter 
(darunter)  vorübergehen  kann.  R.  .Jehuda  (um  150)  sagte:  Ein  Kamel,  das  mit  Flachs 
oder  mit  Kebenbündeln  beladen  ist. 

Zur  sprichwörtlichen  Verwendung  des  Nadelöhrs  s.  auch  Midr  HL  5,  2  (IIS-'^): 
,Tu  mir  auf,  meine  Schwester"  HL  5,  2.  R.  so^  (=  Jose,  um  350)  hat  gesagt:  Gott 
sprach  zu  den  Israeliten:  Tut  mir  auf  eine  Öffnung  der  Buße  so  groß  wie  ein  Nadel- 
öhr u-i:  h-j:  n-iriD,  so  will  ich  euch  Türen  öffnen,  in  die  Wagen  u.  Karren  hinein- 
können. —  Dasselbe  P^siq  163^,  wo  statt  n-!i-3  das  gleichbedeutende  nninr,  s.  bei 
Mt  4,  17  S.  168.  —  !|  GnR  1  (2"):  R.  Tanchum  (um  380)  hat  gesagt:  Wenn  in  einem 
Schlauch  ein  Loch  ist  wie  eine  Nadelspitze  urr^i  hv  rt-in:,  so  geht  alle  seine  Luft 
hinaus;  u.  der  Mensch  ist  voll  von  Höhlungen  u.  Öffnungen,  u.  seine  Luft  (sein  Geiste 
geht  nicht  von  ihm.   (Der  ganze  Absatz  nicht  bei  Theodor.) 

IJ»,  27— 30,  S.Exkurs:  Gleichnis  von  den  Arbeitern  im  Weinberg. 

19,28:  Bei  der  Wiedergeburt. 
if  Trj  Tia'Aiyyst'saUc.  —  Zur  Welterneuerung  s.  bei  Offb  21,  1. 

19,28:  Auf  dem  Thron  seiner  Herrlichkeit,   s.  bei  Mt25,'3i. 

19,28:  Richtend  die  zwölf  Stämme  Israels. 
Zur  Teilnahme  der  Gerechten  am  Endgericht  s.  Exkurs:  Scheol  usw.  II,  10  d  u.  m. 
Die. Gerechten  als  Vollstrecker  des  göttlichen  Gerichtsurteils  s.  daselbst  II,  10. 


Matth  19,  29  («.  83)  829 

19,29  31:  Wird  vielfältig  (andre  Lesart:  hundertfältig)  empfangen. 
Pesiq  126t>:  R.  Jehoschuaf  b.  Nechemja  (um  350)  hat  gesagt:  Wie  dem  Hiob,  der 
doppelt  gezüchtigt  wurde,  doppelter  Lohn  c:5E33  t^v  gegeben  worden  ist,  so  wird  auch 
Jerusalem  mit  Doppeltem  getröstet  werden,  s.  Jes40,  1:  „Tröstet,  tröstet  (zweimal!) 
mein  Volk."  II  Targ  HL  8,7:  Der  Herr  der  Welt  sagte  zu  seinem  Volk,  dem  Hause 
Israel:  Wenn  ein  Mann  den  ganzen  Reichtum  seines  Hauses  hingibt,  um  Weisheit 
(hier  =  halakhische  Kenntnisse)  im  Exil  zu  erwerben,  so  gebe  ich  ihm  Doppeltes  >-e;s 
wieder  in  der  zukünftigen  Welt,  u.  alle  Beute,  die  man  von  den  Heerlagern  Gogs  er- 
beuten wird,  wird  ihm  gehören. 

19,29  2^:  Er  wird  ewiges  Leben  erlangen  (ererben). 
Co)rjv  aimiov  xhjQovoiir^asi.  —  Frühester  Beleg  für  diese  Wendung 
wohl  Henoch40,  9:   Der  vierte  (Thronengel),    der   über  die  Buße   u. 
die  Hoffnung  derer  gesetzt  ist,    die  das  ewige  Leben  ererben,    heißt 
Phanuel.  —  Das  Rabbinische  hat  dafür  folgende  Verbindungen: 

a.  san  cVnyn  tß-i-  „die  zukünftige  Welt  in  Besitz  nehmen  (ererben)".  Qid  40*^: 
R.  Elfazar  b.  Qadoq  (1.  um  100)  hat  gesagt:  .  .  .  Gott  bringt  Züchtigungen  über  die  Ge- 
rechten in  dieser  Welt,  damit  sie  die  zuk.  Welt  in  Besitz  nehmen. 

b.  san  oViyn  -'-  u;--  „das  Leben  der  zuk.  Welt  in  Besitz  nehmen".  pP'^s  6,  SS",  50: 
Drei  haben  ihre  Krone  in  dieser  Welt  niedergelegt  u.  das  Leben  der  zuk.  Welt  in  Be- 
sitz genommen.  Diese  sind  Jonathan,  der  Sohn  Sauls,  Elfazar  b.  fAzarja  (um  100,  der 
dem  Rabban  Gamliel  II.  wieder  wich)  u.  die  Ältesten  der  Familie  Bathyra  (die  Hillel 
den  Platz  räumten). 

C.  Tiy  ■;  Tii-'^  „den  Gan  fEden  in  Besitz  nehmen".  pB*^rakh  4,  7 '',  28.  34 :  (Beim 
Verlassen  des  Lehrhauses  betete  R.  N^chonja  b.  Ha-qana,  um  70:)  .  .  .  Ich  mühe  mich, 
um  den  Gan  fEden  in  Besitz  zu  nehmen.  —  Aramäisch:  ■^y  ■];  r~-.  pPea  1,  15*^^,  42: 
R.  Z'^fira  (um  300)  sprach:  0  dai3  ich  doch  Eltern  hätte,  daß  ich  sie  ehren  könnte,  um 
den  Gan  fEden  in  Besitz  zu  nehmen  '>'  ';  n-ji. 

d.  San  oV-yr;  ir;;  „die  zuk.  Welt  erlangen  oder  in  Besitz  nehmen".  Abothö,  19: 
Die  Jünger  unsres  Vaters  Abraham  .  .  .  nehmen  die  zuk.  Welt  in  Besitz  i"'5~i:,  .  .  . 
die  Jünger  Bilfams  (=  Jesu)  ererben  den  Gehinnoni  zzm  --a;-";". 

e.  «an  n'siyr!  ^t;  ^nj  „das  Leben  der  zuk.  Welt  in  Besitz  nehmen".  Sota  7'':  (Wer 
sich  nicht  schämt,  ein  Sündenbekenntnis  abzulegen,  was  ist  sein  Ende?)  Er  nimmt 
in  Besitz  V-j  das  Leben  der  zuk.  Welt. 

/.  py  p  Vnj.  Tauch  '■^••av  152^:  Wer  sich  mit  der  Tora  beschäftigt  u.  mit  Gottes 
Geboten,  der  wird  den  Gan  fEden  in  Besitz  nehmen  '•}-r.-r. 

g.  San  n^iy^  nsj  „die  zuk.  Welt  erlangen,  ihrer  gewürdigt  werden".  fAZ  4*:  (Gott 
spricht:)  Ich  will  sie  (Isr.)  durch  ihr  Geld  in  dieser  Welt  erlösen,  damit  sie  die  zuk. 
Welt  erlangen,  san  d'sis^  i3T"tt>. 

h.  San  n^iyn  ^^rS  nar.  Tanch  ■::  144*^:  Wegen  des  Geldes  .  .  .  erlangt  er  das 
Leben  der  zuk.  Welt  san  'yn  ^-^nV  naiT. 

i.  -rs-:  s'9":y  -cn  „die  zuk.  Welt  in  Besitz  nehmen".  Targ.  Ruth  2,  13:  Du  hast 
mir  die  Zusicherung  gegeben,  daß  ich  die  zuk.  Welt  in  Besitz  nehmen  werde. 

k.  San  c^n-n  -'n  -n^p^  „das  Leben  der  zuk.  Welt  erwerben".  Aboth2, 7:  Hillel 
pflegte  zu  sagen :  .  .  .  Wer  sich  die  Worte  der  Tora  erworben  hat,  hat  sich  das  Leben 
der  zuk.  Welt  erworben  n;;;. 

Anm.:  Ob  r-;^,  r";i-',  ^nj,  icn  mit  „ererben"  oder  mit  „erlangen,  in  Besitz  nehmen" 
zu  übersetzen  ist,  muß  der  jedesmalige  Zus. hang  ergeben;  an  u.  für  sich  liegt  die  Be- 
deutung „ererben"  nicht  in  den  Verben;  da  jedoch  Jesu  Jünger  im  Kindesverhältnis 
zu  Gott  stehen,  ist  in  Stellen  wie  Mt  19,  29  die  Wiedergabe  des  ihnen  entsprechenden 
xXt]Qoi'ouE?i'  durch   „ererben"  nicht  unberechtigt. 


830  ^fatth  19,30.  20,1.2(91) 

19,  30:  Viele  Erste  werden  Letzte  u.  Letzte  Erste  sein. 

BB  10^:  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Man  fragte  Salomo:  Wer  ist  ein  Sohn 
der  zukünftigen  Welt?  Er  antwortete  ihnen:  Der,  von  dem  es  Jes  24,  23  heißt:  Seinen 
Ältesten  gegenüber  Ehre!  —  Das  entspricht  jenem  Vorfall  mit  Joseph,  dem  Sohn  des 
R.  J'hoschuaf  (b.  Levi,  um  250).  Als  dieser  nämlich  krank  war,  wurde  er  entrückt 
(im  Fiebertraum).  Sein  Vater  sprach  (hinterher)  zu  ihm:  Was  hast  du  gesehen?  Er 
antwortete  ihm :  Eine  umgekehrte  Welt  habe  ich  gesehen,  die  Obersten  zu  unterst  u. 
die  Untersten  zu  oberst.  Er  sprach  zu  ihm :  Eine  lautere  Welt  hast  du  gesehen  (d.  h. 
eine  Welt,  in  der  der  wirkliche  Wert  eines  Menschen  in  die  Erscheinung  tritt).  Uns  aber, 
wie  hast  du  uns  (dort)  gesehen?  Er  antwortete:  Wie  wir  hier  geachtet  sind,  so  sind  wir 
auch  dort  geachtet.  Ich  hörte  aber,  wie  man  (dort)  sagte:  Wohl  dem,  der  hierher  kommt 
u.  hat  sein  Gelerntes  bei  sich.  Weiter  hörte  ich,  wie  man  sagte:  In  dem  Abteil  der  von 
der  (heidnischen)  Regierung  Getöteten  (d.  h.  der  Märtyrer)  kann  kein  (andrer)  Mensch 
bestehen  (die  Märtyrer  nehmen  die  höchste  Rangstufe  in  der  jenseitigen  Welt  ein). 

20, 1 — 16:  Das  Gleichnis  von  den  Arbeitern  im  Weinberg,  s. 
dazu  u.  besonders  über  die  altsynagogale  Lohnlehre  den  gleichnamigen 
Exkurs.    Hier  nur  Bemerkungen  zu  Einzelheiten. 

20,  1:  Er  ging  mit  dem  frühen  Morgen  aus,  Arbeiter  zu  mieten. 
Die  Arbeitszeit  gemieteter  Arbeiter  begann  mit  dem  Aufstrahlen 
der  Sonne  u.  endete  mit  dem  Erscheinen  der  Sterne,  a  Entscheidend 
war  im  einzelnen  Fall  die  Ortssitte,  b  Dabei  galt  als  Regel,  daß  der 
Weg  zur  Arbeitsstätte  innerhalb  der  Arbeitszeit  zurückgelegt  wurde, 
nicht  aber  die  abendliche  Heimkehr  des  Arbeiters,  c  Wollte  ein  Haus- 
herr, olxodsaTTÖrrjc,  r^'^zn  bvz,  also  des  Morgens  seine  Arbeiter  dingen 
-izlL-,  so  mußte  er  in  aller  Frühe  zur  Stelle  sein,  d  Je  nach  der  Art  der 
Arbeit  wurden  die  Arbeiter  für  den  Tag  oder  die  Nacht  gemietet;  auch 
das  Mieten  für  einzelne  Stunden,  desgleichen  das  für  längere  Zeiträume 
bis  hin  zu  sieben  Jahren  wird  erwähnt,  e 

a.  Die  Tosaphisten  bemerken  zu  BM83^  hy.i:  „Die  Arbeitszeit  währt  vom  Auf- 
strahlen der  Sonne  7?.->2  bis  zum  Aufgang  der  Sterne,  aber  nicht  von  dem  (früher  er- 
scheinenden) Grauen  des  Morgenrots  an."    Vgl.  Joma28'',  s.  Anm.  c?. 

b.  BM  7, 1 :  Wenn  jemand  Arbeiter  mietet  u.  zu  ihnen  sagt,  daß  sie  des  Morgens 
früh  anfangen  u.  des  Abends  spät  aufhören  sollen,  so  ist  er  an  einem  Ort,  wo  man 
nicht  frühmorgens  anzufangen  u.  spätabends  aufzuhören  pflegt,  nicht  berechtigt,  sie  zu 
zwingen.  .  .  .  Alles  nach  der  Ortssitte. 

C.  BM83''':  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Bei  seiner  Heimkehr  nimmt  der 
Arbeiter  von  seiner  Zeit  (die  nach  Schluß  der  Arbeitszeit  beginnt);  bei  seinem  Ausgang 
(zur  Arbeit)  von  der  des  Hausherrn;  s.  Ps  104,  22  f.:  Aufgeht  die  Sonne,  sie  (die  wilden 
Tiere)  ziehen  sich  zurück  u.  legen  sich  in  ihr  Lager;  ausgeht  der  Mensch  (mit  auf- 
gehender Sonne)  an  sein  Werk  u.  an  seine  Arbeit  bis  zum  Abend  (der  mit  dem  Er- 
scheinen der  Sterne  beginnt). 

d.  Joma28^:  R.  J^huda  b.  Bathyra  (um  110)  sagte:  Ist  die  ganze  Ostseite  (des 
Himmels)  hell  geworden  bis  nach  Hebron  hin,  dann  geht  alles  Volk  an  sein  Geschäft. 
(Raschi:  Diese  Worte  beziehen  sich  nicht  auf  die  Arbeiter,  sondern  auf  den  Hausherrn, 
der  sich  gar  früh  aufmachen  muß,  um  Arbeiter  zu  finden,  die  er  mieten  kann.) 

e.  Siehe  BM  9, 1 1  bei  Vers  8. 

20,2  51:  Nachdem  er  mit  den  Arbeitern  übereingekommen  war. 
Die  mündliche  Verabredung  war  für  beide  Teile  bindend. 


Matth  20,  2  {%.  33).  20,  3  (?l.  SB)  831 

BM6,  If. :  Wenn  jemand  Handwerker  mietet,  u.  sie  täuschen  sich  gegenseitig,  so 
steht  ihnen  nur  gegenseitige  üble  Nachrede  (keine  gerichtliche  Klage)  zu.  Mietete  jemand 
einen  Eseltreiber  oder  einen  Fuhrmann,  um  einen  Tragsessel  u.  Flöten  für  eine  Braut 
oder  einen  Verstorbenen  herbeizuschaffen,  oder  (mietete  er)  Arbeiter,  um  seinen  Flachs 
aus  dem  Waschteich  (in  welchem  er  eingeweicht  wurde)  herauszuholen,  oder  für  sonst 
eine  Sache,  die  verderben  kann,  u.  diese  werden  andrer  Meinung  (stehen  von  der  Arbeit 
ab),  so  kann  er  (der  Arbeitgeber)  an  einem  Ort,  an  welchem  niemand  (für  den  mit  den 
wortbrüchigen  Arbeitern  verabredeten  Lohn  zu  haben)  ist,  andre  auf  ihre  Kosten  mieten 
oder  sie  (die  ersten  Arbeiter  durch  Bietung  eines  höheren  Lohnes)  täuschen  (ohne  dafs 
er  gerichtlich  genötigt  werden  kann,  den  höheren  Lohn  wirklich  zu  zahlen).  Wenn 
jemand  Handwerker  mietet  u.  diese  stehen  von  der  Arbeit  ab,  so  haben  sie  die  Unter- 
hand (d.  h.  das  Recht  des  Arbeitgebers  geht  vor).  Wenn  der  Hausherr  zurücktritt  (von 
der  Vereinbarung),  so  hat  er  die  Unterhand.  Jeder,  der  (an  der  Verabredung)  etwas  ändert, 
hat  die  Unterhand;  ebenso  jeder,  der  zurücktritt. 

20,2  23:  Um  einen  Denar  für  den  Tag. 

Auch  Tob  5, 14  wird  eine  Drachme  =  1  Denar  (s.  S.  291  u.  293)  als  Tagelohn  ver- 
einbart, il  GnR()l  (38*^)  wird  erzählt,  wie.  die  Ismafeliter,  Kana?aniter  u.  Ägypter  ihre 
Streitsachen  wider  die  Juden  vor  Alexander  den  Großen  bringen.  Der  Anwalt  der 
letzteren  ist  ein  gewisser  G^bia?  b.  Qosem  =  „Buckliger,  Sohn  eines  Wahrsagers" 
(Sanh  91'''  Bar:  G^bicha  b.  P^sisa).  Die  Ägypter  sagten:  Auf  Grund  ihrer  Tora  kommen 
wir  gegen  sie;  60  Myriaden  sind  von  uns  fortgezogen,  beladen  mit  silbernen  u.  goldenen 
Gerätschaften,  s.  Ex  12,  36:  „Sie  leerten  die  Ägypter  aus";  sie  sollen  uns  unser  Silber 
u.  unser  Gold  wiedergeben!  Es  sprach  G.  b.  Q.  zu  Alexander:  Mein  Herr,  60  Myriaden 
Menschen  haben  bei  ihnen  210  Jahre  gearbeitet;  was  sie  von  ihnen  an  Silber  u.  Gold 
mitgenommen  haben,  das  haben  sie  als  ihren  Lohn  mitgenommen,  einen  Denar  für  den 
Tag.  Die  Philosophen  saßen  u.  rechneten  nach,  u.  sie  waren  noch  nicht  bis  zu  100  Jahren 
gekommen,  als  sich  ergab,  daß  das  ganze  Land  Ägypten  hätte  konfisziert  werden 
müssen.  ||  BB  86'':  Wenn  jemand  einen  Arbeiter  mietet,  mit  ihm  auf  der  Tenne  zu 
arbeiten,  den  Tag  für  einen  Denar.  .  .  .  ||  ?AZ  62'''  Bar:  Wenn  jemand  zu  einem  Arbeiter 
sagt:  Hier  hast  du  diesen  Denar  u.  sammle  für  mich  Grünkraut  heute.  .  .  . 

Geringer  war  der  tägliche  Arbeitsverdienst  Hillels  gewesen.  Joma35'':  Man  hat 
von  Hillel  dem  Alten  erzählt,  daß  er  (anfänglich)  Tag  für  Tag  (als  Arbeiter)  arbeitete 
u.  1  Tropa'ik  (=  '/2  Denar,  s.  S.  294)  verdiente;  die  Hälfte  davon  gab  er  dem  Wärter 
des  Lehrhauses  u.  die  Hälfte  davon  für  seinen  u.  seiner  Hausgenossen  Lebensunterhalt.  || 
R.  Meir  (um  150)  verdiente  als  Dokumentenschreiber  wöchentlich  12  Denare,  also  täglich 
2  Denare.  Midr  Qoh  2, 18  (15"):  R.  Meir  war  ein  ganz  auserlesener  Schreiber  u.  hatte 
für  seine  Arbeit  wöchentlich  3  Selaf  (=  12 -Denare);  für  einen  Teil  (d.h.  für  1  Drittel) 
aß  u.  trank  er;  für  einen  Teil  kleidete  er  sich  u.  mit  dem  letzten  versorgte  er  (arme) 
Gelehrte.  Seine  Schüler  sagten  zu  ihm:  Rabbi,  was  tust  du  für  deine  Kinder?  Er 
antwortete:  Wenn  sie  gerecht  (fromm)  sind,  wird  ihnen  geschehen  nach  dem,  was  David 
gesagt  hat:  Nie  habe  ich  den  Gerechten  verlassen  gesehen  oder  seinen  Samen  nach 
Brot  suchen  Ps  37,25;  wenn  aber  nicht,  wozu  sollte  ich  das  Meinige  den  Feinden 
Gottes  hinterlassen?  s.  Qoh2, 18f. 

20,3  31:  Um  die  dritte  Stunde. 
Über  das  Mieten  von  Arbeitern  für  einige  Stunden  des  Tages  s.  BM  9, 11  bei  Vers  8.  — 
Zur  jüdischen  Stundenzählung  in  Vers  3.  5  u.  6  s.  bei  Job  4,  52  u.  11,9. 

20,3  S:  Er  sah  andre  auf  dem  Markt  müßig  stehen. 

Sprichwörtlichen  Charakter  scheint  das  Wort  zu  haben:  Geh  hinaus  u.  sieh,  wie 
viele  Nichtstuer  gibt  es  auf  dem  Markt  spira  s:"'»  '.^V^?  ^^^  ''"  P'-'  P''s55a;  51''; 
B'='rakh  17''.  ||  Von  Leuten,  die  an  den  Straßenecken  herumsitzen  nu^p  -aci",  Ecken- 
stehern, redet  R.  N'^chonja  b.  Haqana  (um  70)  B^rakh  28'';  s.  bei  Mt  6, 5  S.  401 «. 


832  Matth  20,  8.  12 

20,8:  Als  es  aber  Abend  geworden. 

Dieser  häufig  wiederkehrende  Zug  (s.  Exkurs  Nr.  8)  hängt  wohl  mit 
den  Bestimmungen  Lv  19, 13  u.  Dt  24, 15  zus.,  nach  denen  der  Lohn  dem 
Arbeiter  am  Tage  der  Arbeit  selbst  auszuzahlen  war;  in  der  Praxis 
galt  diese  Bestimmung  aber  nur  für  den  Fall,  daß  der  Arbeiter  die 
sofortige  Auszahlung  seines  Lohnes  ausdrücklich  beanspruchte.  Auch 
blieb  der  Arbeitsherr  straffrei,  wenn  er  dem  Arbeiter  eine  Anweisung 
auf  Auszahlung  seines  Lohnes  übergab,  die  ein  Dritter  begleichen  sollte. 
Entstand  Streit  darüber,  ob  der  Lohn  gezahlt  oder  nicht  gezahlt  war, 
so  brauchte  der  Arbeiter,  wenn  der  gesetzliche  Löhnungstag  noch  nicht 
.verstrichen  war,  nur  einen  Eid  abzulegen,  daß  er  ohne  Löhnung  ge- 
blieben sei,  u.  seine  Forderung  galt  ohne  weiteres  als  gerichtlich  an- 
erkannt. Hatte  er  aber  den  gesetzlichen  Löhnungstag  vorübergehen 
lassen,  so  hatte  er  Zeugen  für  die  Rechtmäßigkeit  seiner  Forderung 
beizubringen.  Es  lag  also  im  Interesse  des  Arbeiters  selbst,  seinen  Lohn 
sofort  nach  beendeter  Arbeit  sich  zu  erbitten. 

BM  9, 11:  Der  für  die  Tageszeit  gemietete  Arbeiter  fordert  (—  darf  fordern)  seinen 
Lohn  die  ganze  folgende  Nacht  hindurch  ein;  der  für  die  Nachtzeit  gemietete  fordert 
ihn  den  ganzen  folgenden  Tag  hindurch  ein;  der  für  einige  Stunden  gemietete  fordert 
ihn  den  ganzen  folgenden  Tag  oder  die  ganze  folgende  Nacht  hindurch  ein  (je  nach- 
dem er  für  die  Tageszeit  oder  für  die  Nachtzeit  gemietet  war);  der  für  eine  Woche 
oder  für  einen  Monat  oder  für  ein  Jahr  oder  für  eine  Siebenheit  von  Jahren  gemietete 
fordert  ihn,  wenn  er  bei  Tage  aus  dem  Dienst  tritt,  den  ganzen  Tag  hindurch  ein,  u. 
wenn  er  in  der  Nacht  aus  dem  Dienst  tritt,  die  ganze  Nacht  u.  den  ganzen  folgenden 
Tag.  (Die  hier  genannten  Forderungszeiten  sind  die  gesetzlichen  Ablöhnungstermine.)  |{ 
Das.  9, 12:  Sowohl  betreffs  des  Lohnes  für  Menschen,  als  auch  betreffs  des  Lohnes  für 
Vieh  oder  Geräte  gilt  Dt  24, 15:  „An  seinem  (Arbeits-)Tage  gib  ihm  seinen  Lohn",  u. 
Lv  19,13:  „Nicht  soll  der  Lohn  des  Tagelöhners  bis  zum  Morgen  bei  dir  bleiben."  In 
•welchem  Fall  gilt  dies?  Wenn  er  seinen  Lohn  verlangt;  verlangt  er  ihn  aber  nicht, 
so  begeht  er  (der  Hausherr  mit  der  Nichtauszahlung)  keine  Übertretung;  verweist  er 
ihn  an  einen  Kaufmann  oder  Geldwechsler,  so  begeht  er  keine  Übertretung.  Ein  ge- 
mieteter Arbeiter  schwört  zu  seiner  (lechten)  Zeit  (falls  ihm  der  Lohn  voi-enthalten 
■wird),  u.  empfängt  ihn  dann.  War  aber  seine  (rechte)  Zeit  (zur  Forderung)  verstrichen, 
so  schwört  er  nicht,  um  zu  empfangen.  Hat  er  jedoch  Zeugen,  daß  er  zu  seiner  Zeit 
gefordert  hat  (ohne  seinen  Lohn  zu  empfangen),  so  schwört  er  u.  empfängt.  In  betreff 
eines  Beisassen  macht  man  sich  strafbar  wegen  Dt  24,  15:  „An  seinem  Tage  gib  ihm 
seinen  Lohn";  aber  man  macht  sich  nicht  straTbar  wegen  Lv  19,13:  „Nicht  soll  der 
Lohn  des  Tagelöhners  bis  zum  Morgen  bei  dir  bleiben."  (Grund:  Lv  19,  13  handelt  vom 
„Nächsten"  =  Israelit;  der  Beisaß  gilt  als  Nichtisraelit;  übrigens  gehen  die  Meinungen 
über  Lv  19,  13  auseinander,  s.  BM  111''.)  —  Die  exegetische  Begründung  vorstehender 
Mischnasätze  s.  SLv  19, 13  (349^')  u.  SDt  24, 15  §  278  (123'^).  —  Eine  Parallelstelle  zur 
Mischna  mit  Erweiterungen  bietet  TBM  10,2-6  (398);  vgl.  pBMD,  12^  60;  BM  110''. 

20,11:  Sie  murrten  wider  den  Hausherrn. 
Vgl.  pB'-rakh  2,  S«-,  15;  s.  Exkurs  Nr.  8. 

20,12:  Diese  Letzten  haben  Eine  Stunde  gearbeitet, 

u.  du  hast  sie  uns  gleichgemacht. 
fAZ  10'':  Wie  verhält  es  sich  mit  Q*'tifah  b.  Schalom  (Schallum?)?    Ein  Kaiser 
(Hadrian?),  der  die  Juden  haßte,  sprach  zu  den  Großen  des  Reiches:  Wenn  jemandem 


Matth  20,  12.  14.  15  833 

ein  Geschwür  am  Fuß  entsteht  (er  meinte  damit  die  Juden  als  Krebsschaden  am  römischen 
Volkskörper),  soll  er  es  wegschneiden,  um  am  Leben  zu  bleiben,  oder  soll  er  es  lassen 
IT.  Pein  leiden?  Sie  antworteten:  Er  schneide  es  weg,  damit  er  lebe.  Da  sprach  zu 
ihnen  (besser:  zu  ihm)  Q^tifah  b.  Schalom:  Erstens  wirst  du  nicht  imstande  sein,  sie 
alle  auszurotten;  denn  es  heißt  Sach  2,  10:  Habe  ich  euch  doch  wie  die  vier  (so  nach 
der  Lesart  ra-sa)  Winde  des  Himmels  zerstreut!  Was  ist  damit  geraeint?  Wenn  man 
sagen  wollte  „nach"  den  vier  Winden,  so  steht  doch  „wie"  die  vier  Winde;  „in"  die 
vier  Winde  müßte  es  heißen!  Allein  es  ist  so  gemeint:  Wie  die  Welt  nicht  ohne  die 
Winde  sein  kann,  so  kann  die  Welt  nicht  ohne  Israel  bestehn.  Und  sodann  würde  man 
dich  eine  verstümmelte  Herrschaft  heißen.  Der  Kaiser  erwiderte:  Ein  schönes  Wort 
hast  du  gesprochen;  gleichwohl,  wer  den  König  besiegt,  den  wirft  man  in  die  Gemonien 
(gemoniae  scalae,  ein  Abhang  in  Rom,  von  dem  die  Hingerichteten  gestürzt  wurden). 
Als  man  ihn  abführte,  sprach  eine  Matrone  zu  ihm:  Wehe  dem  Schiff,  das  ohne  Zoll- 
schein fährt!  (Bildlich  für:  Wehe  dem,  der  ins  Jenseits  hinübergeht,  ohne  den  Zoll 
der  Beschneidung  entrichtet  zu  haben !)  Da  fiel  er  auf  die  Spitze  seiner  Vorhaut  u. 
schnitt  sie  so  ab  (nach  dem  Münchener  Codex  beugte  er  sich  nieder  u.  biß  die  Vor- 
haut mit  seineu  Zähnen  ab)  u.  sprach:  Ich  habe  meinen  Zoll  entrichtet.  Als  man  ihn 
hinabstürzte,  sprach  er:  All  mein  Vermögen  soll  dem  R.  ?Aqiba  (f  um  135)  u.  seinen 
Genossen  gehören!  Da  ging  R.  fAqiba  hinaus  u.  trug  vor:  „Es  soll  Ahron  u.  seinen 
Söhnen  gehören"  Lv  24,  9;  die  Hälfte  Ahron  u.  die  Hälfte  seinen  Söhnen.  Eine  Himmels- 
stimme aber  ging  aus  u.  rief:  Q'^tifah  b.  Schalom  ist  bestimmt  für  das  Leben  der  zu- 
künftigen Welt!  Rabbi  weinte  (als  er  diese  Geschichte  hörte)  u.  sprach:  Mancher  er- 
wirbt seine  Welt  in  Einer  Stunde  u.  mancher  erwirbt  seine  Welt  in  vielen  vielen 
Jahren!  —  Denselben  Ausspruch  tat  Rabbi,  als  er  von  dem  bußfertigen  Tode  des 
R.  Elf  azar  b.  Durd'^ja  u.  dem  freiwilligen  Tode  des  Henkers  des  R.  Chananja  b.  T'Yadjon 
(t  um  135)  hörte,  s.  fAZ  17'''  u.  18». 

sTioi'riacir  absolut  =  rr^-  „sie  haben  gearbeitet". 

Tanch  s-:;r  -3  110^:  Gleich  einem  König,  der  Arbeiter  für  seine  Arbeit  mietete. 
Während  sie  arbeiteten  yv^■s ,  nahm  der  König  einen  von  ihnen  u.  erging  sich  mit  ihm. 
Am  Abend  kamen  die  Arbeiter,  um  ihren  Lohn  zu  empfangen.  Könnte  der  König  zu 
jenem  sagen:  Du  hast  mit  ihnen  nur  zwei  Stunden  gearbeitet  r-ui-,  empfange  nach 
dem,  was  du  gearbeitet  hast  r-ri-ü?  s.  im  Exkurs  Nr.  8. 

20,14:  Nimm  das  Deine. 
aqov  t6  aar  ==  -b\L;-rx  bi::,  zB  BM  6,  6. 

20,15:  Ist  dein  Auge  mißgünstig? 

6  bffd^aXixog  novrjQog  ==  n;*"^  yx  „das  böse  Auge":  Mißgunst,  Neid, 
dem  andren  Böses  Gönnen;  vgl.  'i':^:  v^_  „der  Mißgünstige"  Spr23,  6; 
28,22.  —  nzi-j  -,■;?  „das  gute  Auge":  Wohlwollen,  das  andren  Gutes 
gönnt,  vgl.  ■,'^y  nro  „wer  gütigen  Blickes  ist"  Spr  22,  9. 

Aboth  2,9:  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  sprach  zu  seinen  Schülern:  Geht 
hinaus  u.  sehet  zu,  welches  der  gute  (rechte)  Weg  sei,  an  den  sich  der  Mensch  halten 
soll.  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Das  gute  Auge.  R.  J^oschua?:  Ein  guter  Genosse 
(Studienfreund).  R.  Jose  der  Priester:  Ein  guter  Nachbar.  R.  Schimfon  b.  N'^thanäel: 
Wer  auf  die  Folgen  blickt.  R.  Elfazar  b.  ?Arakh:  Ein  gutes  Herz.  Er  antwortete:  Ich 
gebe  den  Worten  Elfazars  den  Vorzug  vor  euren  Worten;  denn  in  seinen  Worten  sind 
eure  Worte  mitenthalten.  —  Er  sprach  zu  ihnen:  Geht  hinaus  u.  sehet  zu,  welches 
der  böse  Weg  sei,  von  dem  sich  der  Mensch  fernhalten  soll.  R.  Eli?ezer  sagte:  Das 
böse  Auge.  R.  J'^hoschua?:  Ein  böser  Genosse.  R.  Jose:  Ein  böser  Nachbar.  R.  Schim?on: 
Wer  entleiht  u.  nicht  bezahlt.  .  .  .  R.  El?azar  sagte:  Ein  arges  (böses)  Herz.  Er  ant- 
wortete: Ich  gebe  den  Worten  EUazars  den  Vorzug  vor  euren  Worten;  denn  in  seinen 

Strack  u.  Billerbeck,  NT  l.  -  53 


834  ^atth  20,  15 

Worten  sind  eure  Worte  mitenthalten.  i|  Aboth  2,  11:  R.  J<^hosclma5:  (um  90)  sagte:  Ein 
böses  Auge  (=  Neid)  u.  der  böse  Trieb  u.  der  Hafs  gegen  die  Menschen  bringen  einen 
Menschen  aus  der  Welt  (verkürzen  sein  Leben).  |i  Aboth  5, 19:  Wer  ein  gütiges  Auge 
u.  einen  demütigen  Geist  u.  eine  gelassene  Seele  hat,  der  gehört  zu  den  Schülern 
unsres  Vaters  Abraham.  Wer  aber  ein  böses  Auge  u.  einen  hochmütigen  Geist  u.  eine 
aufgeblasene  Seele  hat,  der  gehört  zu  den  Schülern  des  Frevlers  Bilfam  (=  Jesu).  || 
BB64'':  R.  fAqiba  (f  um  135)  meinte:  Ein  Verkäufer  verkauft  mit  wohlwollendem 
Auge,  he;  "1'=,  deshalb  muß  zB  der  Verkäufer  eines  Hausgrundstücks,  der  einen  dazu 
gehörenden  Brunnen  für  sich  zurückbehalten  hat,  den  Zugang  zum  Brunnen  erst  wieder 
dem  Käufer  des  Hausgrundstücks  abkaufen,  da  nach  dem  Grundsatz  vom  günstigen 
Auge  des  Verkäufers  anzunehmen  ist,  daß  alles,  was  nicht  ausdrücklich  vorbehalten 
worden  ist,  in  den  Besitz  des  Käufers  übergeht.  Die  Rabbinen  aber  meinten:  Ein  Ver- 
käufer verkauft  mit  mißgünstigem  Auge  nyi  -j-ya  (deshalb  gelte  der  Zugang  zum 
Brunnen  von  vornherein  als  nicht  mitverkauft).  |1  Aboth  5, 13:  Vier  Arten  gibt  es  bei 
denen,  die  ein  Almosen  geben:  wer  will,  daß  er  selbst  gebe,  aber  andre  nicht  geben, 
dessen  Auge  ist  mißgünstig  -y^  auf  die  Habe  andrer;  wer  will,  daß  andre  geben,  aber 
er  selbst  nicht  gebe,  dessen  Auge  ist  mißgünstig  auf  die  eigne  Habe;  daß  er  selbst 
gebe  u.  andre  geben,  das  ist  ein  Frommer;  daß  er  selbst  nicht  gebe  u.  andre  (gleich- 
falls) nicht  geben,  das  ist  ein  Gottloser.  |j  AbothRN40:  Vier  Sinnesarten  gibt  es  unter 
den  Schülern:  wer  will,  daß  er  selbst  lerne  u.  andre  (gleichfalls)  lernen,  der  ist  ein 
wohlwollendes  Auge  n^-j  ■)-?;  (wer  will,)  daß  er  selbst  lerne,  andre  aber  nicht  lernen, 
der  ist  ein  mißgünstiges  Auge  nsi  -j-y;  daß  andre  lernen,  er  selbst  aber  nicht  lerne, 
der  ist  von  mittelmäßiger  Art  (andre  sagen,  das  sei  sodomitische  Art) ;  daß  er  selbst 
nicht  lerne  u.  andre  (auch)  nicht  lernen,  das  ist  ein  vollendeter  Gottloser.  ||  SLv25,  23: 
„Denn  mir  gehört  das  Land",  nicht  soll  dein  Auge  darin  mißgünstig  sein  na -:-y  y-r  3n.  j| 
BM84'':  R.  Jochanan  (t279)  pflegte  sich  an  die  Türen  des  Tauchbades  zu  setzen.  Er 
sagte:  Wenn  die  Töchter  Israels  aus  dem  Pflichtbade  steigen,  so  sollen  sie  mir  be- 
gegnen, damit  sie  Söhne  haben  so  schön  wie  ich,  u.  die  die  Tora  lernen  wie  ich.  Die 
Rabbinen  sagten  zu  ihm:  Fürchtet  sich  der  Herr  nicht  vor  einem  bösen  Auge  sj-y: 
sü-z?  Er  antwortete:  Ich  bin  vom  Samen  Josephs  abstammend,  über  den  das  böse 
Auge  keine  Gewalt  hatte,  s.Gn  49,22:  „Ein  junger  Fruchtbaum  ist  Joseph,  ein  junger 
Fruchtbaum  an  einer  Quelle"  yy  -hs .  Und  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Lies  nicht 
"1"?  ^r".  an  einer  Quelle,  sondern  ']'^y  '•'-^y  =  die  das  (böse)  Auge  übersteigen  (ihm  nicht 
unterworfen  sind).  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Von  hier  ist  der  Schrift- 
beweis zu  entnehmen:  „Sie  mögen  sich  wie  Fische  vermehren  auf  Erden"  Gn48, 16; 
wie  über  die  Fische,  die  das  Wasser  im  Meer  bedeckt,  das  Auge  keine  Gewalt  hat, 
so  hat  auch  über  den  Samen  Josephs  das  (böse)  Auge  keine  Gewalt.  —  Parallelstellen 
B"rakh20^  ohne  Bezugnahme  auf  R.  Jochanan  B«rakh  55^;  Sota  36'';  BB  118^; 
GnR  97  (61  =*).  ||  T^r  4,  3:  Das  Maß  der  (Priester-)Hebe:  ein  wohlwollendes  Auge  ns;  -,:>: 
gibt  \'4o,  die  Schule  Schammais  sagte:  Vso;  ein  mittelmäßiges  (gibt)  Väo  u.  ein  miß- 
günstiges ns-ni  '/eo.  |1  pBB  4, 14'^,  10:  V/er  ein  Geschenk  gibt,  soll  mit  einem  wohl- 
wollenden Auge  r.s'  yy  geben;  auch  wer  etwas  weiht  (heiligt),  soll  mit  wohlwollendem 
Auge  weihen.  ||  ExR  31  (91''):  Wenn  ein  Reicher  mißgünstigen  Auges  r,y^  yy  ist,  so 
geht  er  u,  seine  Habe  ui':^  aus  dieser  Welt  dahin,  wie  es  heißt:  „Es  geht  solcher 
Reichtum  verloren  durch  einen  schlimmen  Unfall"  y  -'sya  Qoh5, 13,  weil  sein  Auge 
mißgünstig  ist  nyi  i]-y^  gegenüber  dem  Almoseneinnehmer.  H  SotaSS**:  R.  J^hoschuaf 
b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Man  gibt  den  Becher  des  Segens,  um  (nach  Tisch)  den 
Lobspruch  zu  sprechen,  nur  dem  der  wohlwollenden  Auges  ist  yy  aia';,  s.  Spr22,  9r 
„Wer  gütigen  Auges  ist,  der  wird  gesegnet  T^'a:;  denn  er  gibt  von  seinem  Brot  dem 
Geringen."  Lies  nicht  ^''<",  sondern  ^:.a-  =  ersoU  segnen  (den  Lobspruch  sprechen).  |1 
Targ  Jerusch  I  Gn  42, 5 :  Es  kamen  die  Söhne  Israels  jeder  durch  je  ein  Tor,  damit 
der  böse  Blick  sic'a  sr-y  nicht  über  sie  herrsche.  |  Das.  zu  Ex  33, 8:  Sooft  Mose  aus 
dem  Lager  ging  nach  dem  Zelt,  machten  sich  alle  Gottlosen  des  Volkes  auf  u.  stellten 
sich  jeder  an  den  Eingang  seines  Zeltes  u.  blickten  mit  bösem  Auge  sia-a  ss'ya  hinter 


Matth  20, 19.21  835 

Mose  her,  bis  er  zum  Zelte  kam.  |  Das.  zu  Nu  33, 55:  Und  es  wird,  was  ibr  von  ibnen 
übriglaßt,  zu  solchen  werden,  die  mit  einem  bösen  Auge  auf  euch  sehen. 

20,19:  Sie  werden  ihn  den  Heiden  übergeben 
zum  Verspotten  u.  Geißeln. 

Von  einer  Gefangensetzung  U.Verspottung  des  Messias  durch  d.  Heiden 
wird  erst  P^^siqR  34—37  (wohl  aus  dem  Anfang  des  10.  Jahrh .s)  gesprochen. 

P''siqR37(162i>):  Dereinst  werden  die  Väter  der  Welt  (Ehrenbezeichnung  der  Patri- 
archen) im  Nisan  hintreten  u.  zum  Messias  sagen:  Ephraim  (ein  Kosename),  unser  ge- 
rechter Messias,  obgleich  wir  deine  Väter  sind,  bist  du  doch  größer  als  wir,  weil  du 
die  Sünden  unsrer  Kinder  getragen  (d.  h.  unter  ihnen  gelitten)  hast.  Und  über  dich 
sind  schwere  Strafen  ergangen,  wie  sie  nicht  über  die  Früheren  u.  über  die  Späteren 
ergangen  sind ;  du  bist  zum  Gelächter  u.  Gespött  unter  den  Völkern  der  Welt  Israels 
wegen  geworden  u.  saßest  in  Finsternis  u.  Dunkel,  u.  deine  Augen  sahen  kein  Licht. 
Deine  Haut  zog  sich  über  deinen  Knochen  zusammen  u.  dein  Leib  ward  trocken  (dürr) 
wie  Holz;  deine  Augen  wurden  dunkel  vom  Fasten  u.  deine  Kraft  vertrocknete  wie 
ein  Scherben  —  all  dieses  wegen  der  Sünden  unsrer  Kinder.  (Die  Meinung  ist,  daß 
der  Messias  durch  Israels  Schuld  in  die  Hände  der  Heiden  gerät.)  Willst  du  nun,  daß 
unsre  Kinder  von  diesem  Guten  genießen,  das  Gott  (in  der  angebrochenen  messian. 
Zeit)  den  Israeliten  reichlich  gespendet  hat?  Vielleicht  hast  du  kein  Wohlgefallen  an 
ihnen  wegen  der  Not,  die  du  ihretwegen  über  die  Maßen  ausgestanden  hast,  u.  weil 
man  dich  in  den  Kerker  geworfen  hat.  Dann  wird  er  ihnen  antworten:  Väter  der  Welt, 
alles,  was  ich  getan  habe,  habe  ich  nur  euertwegen  u.  eurer  Kinder  wegen  getan  u. 
zu  eurer  Ehre  u.  zur  Ehre  eurer  Kinder,  damit  sie  von  diesem  Guten  genießen,  das 
Gott  den  Israeliten  reichlich  gespendet  hat.  Die  Väter  der  AVeit  werden  zu  ihm  sagen: 
Ephraim,  unser  gerechter  Messias,  mögest  du  in  deinem  Innern  Befriedigung  empfinden, 
der  du  deinem  Schöpfer  u.  uns  Befriedigung  bereitet  hast!  —  Über  den  leidenden 
Messias  s.  bei  Lk  24, 26. 

20,19:  Am  dritten  Tage  wird  er  auferweckt  werden  (s.  S.  649.  747.  760). 
20,21:  Einer  zu  deiner  Rechten  u.  einer  zu  deiner  Linken. 
Beim  Vorhandensein  von  drei  Personen  schrieb  die  Sitte  vor,  daß 
der  Vornehmste  seinen  Platz  in  der  Mitte,  der  Zweitgrößte  zu  seiner 
Rechten  u.  der  Dritte  zu  seiner  Linken  einnehme. 

Joraa3,  9:  Der  Hohepriester  begab  sich  (am  Versöhnungstage)  auf  die  Ostseite 
nördlich  vom  Altar,  der  Segen  ]:".  (Schürer*  2,  321 :  Tempelhauptmann)  zu  seiner  Rechten 
u.  das  Haupt  der  diensttuenden  Priesterabteilung  zu  seiner  Linken;  dort  befanden  sich 
die  beiden  Böcke  usw.  ■ —  Dazu  .Jonia37^:  Rab  J"^huda  (f  299)  hat  gesagt:  Wer  zur 
Rechten  seines  Lehrers  geht,  der  ist  ein  ungebildeter  Mensch;  wir  haben  gelernt:  Der 
Segen  zu  seiner  Rechten  u.  das  Haupt  der  diensttuenden  Priesterabteilung  zu  seiner 
Linken.  —  Bar:  Wenn  drei  auf  einem  Wege  (nebeneinander)  gehen,  so  geht  der  Lehrer 
(Größte)  in  der  Mitte,  der  Größere  (Altere  von  den  beiden  andren)  rechts  u.  der  Kleinere 
(Jüngere)  links.  Und  so  finden  wir  es  bei  den  drei  Dienstengeln,  die  zu  Abraham 
kamen:  Mikhael  in  der  Mitte,  Gabriel  rechts  u.  Raphael  links.  —  Wer  genau  ander 
Seite  seines  Lehrei-s  geht,  ist  ein  ungebildeter  Mensch,  wer  hinter  seinem  Lehrer  geht, 
ist  ein  hochmütiger  Mensch;  denn  seitwärts  (d.  h.  halbrechts,  bezw.  halblinks  nach 
hinten)  soll  er  gehn.  —  Die  zuerst  angeführte  Bar  auch  ?Er54''.  ü  TSanh  8,  1  (427): 
Der  Gerichtshof  (Sanhedrin)  war  geordnet  wie  der  Halbkreis  einer  Tenne,  damit  sie 
einander  sehen  könnten.  Der  Nasi  s-r:  (Fürst)  saß  in  der  Mitte  u.  die  Ältesten  saßen 
rechts  u.  links.  R.  Elfazar  b.  Qadoq  (um  150)  hat  gesagt:  Wenn  Rabban  Gamliel  (um  90) 
in  Jahne  den  Vorsitz  führte,  saß  mein  (Groß-)Vater  u.  noch  ein  andrer  rechts  u.  die 
(übrigen)  Altesten  links.    Und  warum  saß  noch  einer  bei  dem  Altesten  rechts?  Wegen 

53* 


836  Matth20,21.22  (?t.  Sj 

der  Ehre  des  Ältesten.  ||  ?Er  54'':  R.  J'liuda  (um  löO)  sagte:  Immer  ist  Ahron  zur 
Rechten  Moses  einhergegangen.  \\  Midr  PslS  §29  (79*):  R.  Judan  (um 350)  hat  im  Namen 
des  R  Chama  (um  260)  gesagt:  In  der  Zukunft  wird  Gott  den  König,  den  Messias,  zu 
seiner  Rechten  sitzen  lassen,  s.  Ps  110,1,  u.  Abraham  zu  seiner  Linken,  u.  das  An- 
gesicht Abrahams  wird  sich  entfärben  u.  er  wird  zu  Gott  sagen:  Mein  Enkel  sitzt  zur 
Rechten  u.  ich  zur  Linken?  L^nd  Gott  wird  ihn  begütigen  u.  zu  ihm  sagen:  Dein  Enkel 
zu  meiner  Rechten  u.  ich  zu  deiner  Rechten,  s.  das.  Yers  5 :  Der  Herr  zu  deiner  Rechten  — 
er  zerschmettert  Könige. 

20,  22  9(:  Ihr  wisset  nicht,  was  ihr  bittet. 

Beispiele  unbesonnenen  u.  verkehrten  Bittens  Ta?an4^:  R.  Sch'muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um  220)  habe  gesagt:  Drei  haben  in  unrichtiger  Weise 
gebeten;  zweien  hat  man  (=  Gott)  in  richtiger  (gewünschter)  Weise  geantwortet  u. 
einem  hat  man  in  nicht  gewünschter  Weise  geantwortet.  Diese  sind:  Elifezer  der  Knecht 
Abrahams,  Saul  vSohn  des  Qisch,  u.  Jephtah  der  Gileadit.  Eli?ezer  der  Knecht  Abrahams: 
,Es  möge  nun  geschehen:  das  Mädchen,  zu  welchem  ich  sage:  , Neige,  bitte,  deinen 
Krug,  damit  ich  trinke' . . .,  das  hast  du  für  deinen  Knecht,  für  Isaak,  bestimmt"  Gn  24, 14. 
Es  hätte  auch  eine  Lahme  oder  eine  Blinde  sein  können!  Man  (^  Gott)  antwortete 
ihm  aber  in  erwünschter  Weise,  u.  es  wurde  ihm  Rebekka  bestimmt  (oder  zugesellt).  — 
Saul  Sohn  des  Qisch:  „Der  Mann,  der  ihn  (Goliath)  schlägt,  den  wird  der  König  sehr 
reich  machen,  u.  seine  Tochter  wird  er  ihm  zum  Weibe  geben"  lSml7, 25.  Es  hätte 
auch  ein  Sklave  oder  ein  Bastard  sein  können!  Man  antwortete  ihm  aber  in  erwünschter 
Weise,  u.  es  wurde  ihm  David  bestimmt.  —  Jephtah  der  Gileadit:  „Es  soll  geschehen, 
das  Herauskommende,  was  aus  den  Türen  meines  Hauses  heraus  mir  entgegenkommen 
wird,  .  .  .  das  soll  Jahve  gehören"  Ri  11,81.  Es  hätte  auch  etwas  Unreines  sein  können. 
Man  antwortete  ihm  in  nicht  erwünschter  Weise;  es  wurde  ihm  seine  Tochter  be- 
stimmt. .  .  .  R.  B"rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Auch  die  Gemeinde  Israel  hat  nicht 
richtig  gebeten,  u.  Gott  hat  ihnen  in  erwünschter  Weise  geantwortet:  „Lasset  uns  er- 
kennen, danach  trachten,  daß  wir  erkennen  Jahve:  wie  Morgengrauen  sicher  ist  sein 
Aufgang,  u.  kommen  wird  er  wie  der  Regengufs  zu  uns"  Hos  6,  8.  Gott  antwortete: 
Meine  Tochter,  du  bittest  um  etwas,  was  manchmal  begehrenswert  u.  manchmal  nicht 
begehrenswert  ist;  aber  ich  will  dir  etwas  sein,  was  immer  begehrenswert  ist:  Ich 
werde  wie  der  Tau  sein  für  Israel  Hos  14,6.  Und  ferner  bat  die  Gemeinde  Israel  nicht 
richtig,  indem  sie  vor  ihm  sprach:  „Herr  der  Welt,  lege  mich  wie  einen  Siegelring  an 
dein  Herz,  wie  einen  Siegelring  an  deinen  Arm"  HL  8, 6.  Gott  antwortete  ihr:  Meine 
Tochter,  du  bittest  um  etwas,  was  manchmal  gesehen  u.  manchmal  nicht  gesehen  wird; 
aber  ich  will  etwas  mit  dir  machen,  was  immer  gesehen  wird:  „Siehe,  auf  die  Hände 
habe  ich  dich  gezeichnet"  Jes  49, 16.  —  Der  Ausspruch  des  R.  Jonathan  anonym  u. 
erweitert  durch  Kalebs  Gelübde  Ril,12  auch  GnR60(37f). 

20,  22®:  Könnt  ihr  den  Kelch  trinken? 
10  non'^Qior  =  ois  „Kelch",  bereits  dem  AT  geläufiger  Ausdruck 
für  Geschick  (Freude  oder  Leid). 

Maityr  Jes  5, 13:  Den  Propheten,  die  bei  ihm  waren,  sagte  Jesaja,  bevor  er  zersägt 
wurde:  Geht  in  die  Gegend  von  Tyrus  u.  Sidon;  denn  mir  allein  hat  Gott  den  Becher 
gemischt.  [!  pP<^s  10, 37*^,  5:  (Wo  ist  der  Schriftbeweis  für  die  4  Becher  Wein  der  Passah- 
feier?) Die  Rabbinen  sagten:  Sie  entsprechen  den  4  Bechern  der  Strafe  msy-ir  hv  riDi:, 
die  Gott  dereinst  die  Völker  der  Welt  wird  trinken  lassen,  s.  Jer  25, 15:  So  hat  Jahve, 
der  Gott  Israels,  zu  mir  gesprochen:  Nimm  diesen  Becher  des  Zornweins  aus  meiner 
Hand  u.  gib  ihn  zu  trinken  allen  Völkern;  Jer  51, 7:  Ein  goldner  Becher  war  Babel 
in  Jahves  Hand,  der  die  ganze  Erde  trunken  machte;  von  ihrem  Wein  haben  die  Nationen 
getrunken,  deshalb  wurden  rasend  die  Nationen;  Ps75,  9:  Ein  Becher  ist  in  Jahves 
Hand  .  .  .  fürwahr  seine  Hefen  müssen  schlürfen,  austrinken  alle  Gottlosen  der  Erde; 


Matth  20,  22  (SB)  837 

u.  Ps  11,  6:  Er  lasse  regnen  über  die  Gottlosen  Schlingen,  Feuer  u.  Schwefel  u.  Glut- 
wind sei  ihr  Becherteil.  Was  bedeutet  „ihr  Becherteil "?  R.  Abin  (I.  um  325,  II.  um  370) 
hat  gesagt:  Einen  Doppelbecher  (■;"~"j's  -Ve-t  =  din^ovy  noTt^Qioy),  wie  der  Doppel- 
becher nach  dem  Bade.  Und  ihnen  entsprechend  wird  Gott  dereinst  die  Israeliten 
4  Becher  der  Tröstungen  ri's-:  Va  rici:  trinken  lassen,  s.  Ps  16,5:  Jahve  ist  mein 
Besitz  u.  mein  Becherteil;  Ps23,  5:  Du  salbest  mein  Haupt  mit  Ol,  mein  Becher  hat 
Überfluß;  u.  Ps  116, 13:  Ich  will  den  Becher  der  Heilstaten  erheben.  Das  {r^'S-w,  Heils- 
taten) sind  zwei.  (Ps  116,13  mithin  Beweisstelle  für  den  3.  u.  4.  Becher  des  Trostes.) 
Parallelstellen  mit  Abweichungen:  GnRS8(56");  Midr  Ps  75  ^5  4  (170*),  hier  mit  der 
Einleitung:  Du  findest,  daß  es  4  Becher  zum  Guten  u.  4  Becher  zum  Schlimmen  gibt,  j 
Chul  92'^:  (An  dem  Weinstock  waren  drei  Ranken  Gn  40, 10.)  R.  Jirm'^ja  b.  Abba  (um  250) 
hat  gesagt:  Cer  Weinstock  bedeutet  Israel,  s.  Ps80, 9:  , Einen  Weinstock  versetztest 
du  aus  Ägypten."  Die  drei  Ranken  sind  die  drei  Feste,  an  denen  die  Israeliten  in  jedem 
Jahr  (nach  Jerusalem)  hinaufzogen.  „Und  während  er  im  Sprossen  war,  trat  auch  schon 
seine  Blüte  hervor"  (Gn40, 10):  es  kam  die  Zeit  für  die  Israeliten,  daß  sie  sich  ver- 
mehren sollten,  s.  Ex  1,7:  Die  Kinder  Israel  waren  fruchtbar  u.  nahmen  überhand.  „Es 
trat  seine  Blüte  hervor":  es  kam  die  Zeit  für  die  Israeliten,  daß  sie  erlöst  werden 
sollten,  s.  Jes63,  3:  Ihr  Saft  spritzte  auf  meine  Kleider  u.  alle  meine  Gewänder  habe 
ich  besudelt.  „Seine  Kämme  ließen  Trauben  reifen"  (Gn40, 10):  es  kam  die  Zeit  für 
Ägypten,  den  Taumelkelch  zu  trinken.  Das  ist  es,  was  Raba  (f  352)  gesagt  hat:  Warum 
die  drei  Becher,  die  von  Ägypten  gesagt  werden  (Gn  40, 11)?  Der  eine  ist  der,  den  es 
in  den  Tagen  Moses  getrunken  hat;  der  andre  der,  den  es  in  den  Tagen  des  Pharaos 
N 'kho  getrunken  hat,  u.  der  dritte  ist  der,  den  es  dereinst  trinken  wird  mit  allen 
Völkern^  —  Rabas  Ausspruch  auch  Sota9a.  :|  SDt  32,  34  §324  (138b):  Jst  dies  nicht 
bei  mir  verborgen  o-,';;?  Dt  32,34."  R.  Elifezer  b.  Jose  Ha-g'^lili  (um  150)  sagte:  Ein 
Becher,  der  verborgen  ist  u.  dem  etwas  mangelt,  ist  vielleicht  matt  (wenig  stark)? 
Die  Schrift  sagt  lehrend  Ps75,  9:  „Denn  ein  Becher  ist  in  der  Hand  Jahves  u.  er 
schäumt  von  Wein."  Vielleicht  ist  nur  seine  Hälfte  darin?  Die  Schrift  sagt  lehrend 
Ps75,9:  „Er  ist  voll  von  Mischtrank."  Vielleicht  daß  auch  nicht  Ein  Tropfen  fehlt? 
Die  Schrift  sagt  lehrend  (das.):  „Er  schenkt  ein  davon."  Von  jenem  Tropfen  haben 
die  Leute  des  Flutgeschlechts  u.  die  Leute  des  Geschlechts  der  Zerstreuung  u.  die  Leute 
von  Sodom  u.  Gomorra  u.  der  Pharao  u.  seine  ganze  Streitmacht,  Sis^'ra  u.  seine  ganze 
Menge,  Nebukadnegar  u.  seine  ganze  Sti-eitmacht,  Sanherib  u.  seine  ganzen  Kriegsheere 
getrunken,  u.  von  jenem  Tropfen  werden  dereinst  alle  trinken,  die  in  die  Welt  kommen, 
bis  ans  Ende  aller  Geschlechter;  u.  ebenso  heißt  es  (Jes  25,6):  „Herrichten  wird  Jahve 
(^^baoth  allen  Völkern  auf  diesem  Berge  ein  Mahl  von  fetten  Bissen,  ein  Mahl  von 
Hefenweinen,  von  fetten  Bissen,  die  markvoll,  von  Hefenweinen,  die  durchgeseiht."  ^ 
Vielleicht  Hefenweine,  die  noch  etwas  nötig  haben?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Hefen- 
weine, die  durchgeseiht",  Hefenweine,  in  denen  nur  noch  Bodensatz  vorhanden  ist.  Ferner 
beißt  es  (Jer  51,  7):  „Ein  goldener  Becher  war  Babel  in  Jahves  Hand" ;  ferner  (Ez23,  32): 
„Den  Becher  deiner  Schwester  sollst  du  trinken,  der  da  tief  u.  weit  —  zum  Gelächter 
u.  Gespött  wirst  du  werden  — ,  der  da  reichlich  zu  fassen  vermag."  Wie  es  die  Art 
des  Goldes  ist,  daß,  nachdem  es  zerbrochen  ward,  eine  Wiederherstellung  möglich,  so 
wird  die  Strafe,  wenn  sie  von  den  Völkern  abgelassen  hat,  dereinst  wieder  zu  ihnen 
zurückkehren;  wenn  sie  aber  Israel  erreicht,  was  sagt  da  die  Schrift?  „Und  trinken 
sollst  du  ihn  u.  ausschlürfen  u.  seine  Scherben  benagen"  (das.  Vers  34).  Wie  es  die 
Art  eines  irdenen  Gerätes  ist,  daß  es,  nachdem  es  zerbrochen  ward,  keine  Wieder- 
herstellung für  dasselbe  gibt,  so  wird  auch  die  Strafe,  wenn  sie  von  Israel  abgelassen 
hat,  dereinst  nicht  mehr  zu  ihnen  zurückkehren.  i|  Midr  Ps  75  §  4  (170*):  „Denn  ein 
Becher  ist  in  der  Hand  Jahves"  Ps  75,  9.  Vielleicht  ist  er  leer?  Die  Schrift  sagt  lehrend 
(das.):  „Er  ist  voll  von  Mischtrank";  vielleicht  ist  er  kahmig?  Die  Schrift  sagt  lehrend 
(das.):  „Er  schäumt",  weil  er  gegoren  hat  u.  alt  ist.  R.  Judan  u.  R.  Chania  u.  R.  Ji^chaq 

'  Siphre  hat  Jes  25, 6  etwas  abweichend  zitiert. 


838  Matth  20,  22  (93).  20,  23.  26.  27 

haben  im  Namen  des  K.  Cliijja  (diese  Tradenten-  u.  Autorenangabe  ist  ganz  unsicher) 
gesagt:  In  der  Zukunft  wird  Gott  zum  Pharao  sagen:  „Trinke  deinen  Becher",  u.  dieser 
wird  ihm  antworten :  Herr  der  Welt,  ich  habe  meinen  Becher  bereits  in  dieser  Welt 
getrunken.  Gott  wird  zu  ihm  sagen:  Was  du  getrunken  hast,  das  war  nur  wie  ein 
Tröpfchen  (vgl.  Buber,  Anm.  14),  s.  Ps  95,9:  „Er  schenkt  ein  davon."  Aber  jetzt  (heißt 
es  das.):  „Fürwahr  seine  Hefen  müssen  aussaugen,  trinken  alle  Gottlosen  der  Erde"; 
du  hast  ihn  getrunken,  aber  nicht  ausgesogen,  wie  es  heißt  (Jes  29,9):  Trunken  sind 
sie,  doch  nicht  von  Wein,  taumeln,  doch  nicht  von  Met.  R.  Elifezer  b.  Jose  Ha-g^liJi 
(um  150,  vgl.  das  vorige  Zitat)  sagte:  „Ist  dies  nicht  verborgen  o^»::  bei  mir?  (Dt  32, 84)" 
für  die  Verworfenen  e-o^s'55?  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Und  aus  welchem  Becher 
(werden  sie  trinken  müssen)?  Das  wird  ein  Becher  aus  Tiberias  sein,  weil  dieser  nicht 
ganz  u.  gar  gleichmäßig  ist,  daß  man  ihn  ganz  auf  einmal  ausgießen  Ifann,  sondern 
wie  eine  Flasche  (1.  snspjp  statt  sr^pV^p),  die  unten  weit  u.  oben  eng  ist,  s.  Ez23,  32: 
Den  Becher  deiner  Schwester  sollst  du  trinken,  der  da  tief  u.  weit.  (Hier  folgt  die 
eingangs  zitierte  Parallelstelle  zu  pP^s  10,  37'-,5.)  ||  SDt33,8  §349  (144'^):  „Und  von 
Levi  sprach  er"  Dt  33,  8.  Warum  wird  von  ihm  geredet  (während  Schimf on  unerwähnt 
bleibt)?  Weil  Schim?on  u.  Levi  aus  Einem  Becher  getrunken  haben  (d.  h.  das  gleiche 
Geschick  haben),  s.  Gn  49,  7:  „Verflucht  sei  ihr  Zorn,  daß  er  heftig,  u.  ihr  Grimm,  daß 
er  schwer  war!  Ich  will  sie  zerteilen  in  Jakob  u.  zerstreuen  in  Israel."  —  Leqach  tob 
zu  Dt  33,  8  (64»):  R.  Schim?on  b.  El?azar  (um  190)  hat  gesagt:  Überall  wo  die  Schrift 
den  Namen  Schimfons  u.  Levis  zusammen  erwähnt,  trinken  beide  aus  Einem  Becher 
(haben  beide  das  gleiche  Schicksal),  s.  Gn49,  7:  „Verflucht  sei  ihr  Zorn"  usw. 

20,23:  Denen  es  von  meinem  Vater  bereitet  (bestimmt)  ist. 
rJToiiiaaTai  =  )iz},  )z^T-i,  "isn,    aram.  nnrrs;   alle   mit  der  Doppel- 
bedeutung: „bereiten"  (bereitstellen)  u.  „bestimmen";  s.  bei  Mt25,34. 

20,26:  Wer  unter  euch  groß  werden  will,  soll  euerDiener  sein. 

Qid32^:  R.  Elifezer  (um  90)  u.  R.  J*^hoschua?  u.  R.  Qadoq  lagen  einmal  zu  Tische  im 
Hochzeitshause  des  Sohnes  des  Rabban  Gamliel  (II.)  u.  Rabban  Gamliel  stand  u.  schenkte 
ihnen  ein.  Er  gab  den  Becher  dem  R.  Elifezer,  aber  er  nahm  ihn  nicht  an.  Da  gab  er 
ihn  dem  R.  J'^^hoschuaf  u.  dieser  nahm  ihn  an.  R.  Elifezer  sprach  zu  ihm:  Was  ist  das, 
J%oschuaf,  wir  sitzen  u.  Rabban  Gamliel,  der  Rabbinensohn  (eine  Ehrenbezeichnung), 
steht  u.  schenkt  uns  ein?!  Er  erwiderte  ihm:  Wir  finden  einen  Größeren,  als  wir  sind, 
der  zu  Tische  gedient  hat.  Abraham  war  gröfser,  als  wir  sind,  u.  er  hat  zu  Tische 
gedient,  s.  Gn  18,  8:  „Er  stand  vor  ihnen" ;  u.  wenn  ihr  etwa  sagen  wolltet,  daß  sie  ihm 
wie  Engel  des  Dienstes  erschienen  wären,  so  glichen  sie  ihm  nur  Arabern,  u.  da  sollte 
bei  uns  Rabban  Gamliel,  der  Rabbinensohn,  nicht  stehn  u.  uns  einschenken?!  R.  ^!adoq 
sprach  zu  ihnen:  Wie  lange  laßt  ihr  die  Ehre  Gottes  dahinten  u.  beschäftigt  euch  mit 
der  Ehre  von  Menschen?  Gott  läßt  die  Winde  wehen  u.  die  Wolken  aufsteigen  u.  den 
Regen  niederfallen  u.  die  Erde  grünen  u.  deckt  den  Tisch  vor  jedermann  —  u.  da  sollte 
bei  uns  nicht  Rabban  Gamliel,  der  Rabbinensohn,  stehn  u.  uns  einschenken?! 

20,  27:  Wer  unter  euch  Erster  sein  will,  soll  euer  Diener  sein. 

Hör  10 '^  Bar:  „Wenn  ein  Fürst  sündigt"  Lv4,  22;  ausgenommen  ist  ein  Kranker 
(ein  solcher  Fürst  braucht  das  Lv  4, 23  vorgeschriebene  Opfer  nicht  darzubringen).  Wird 
er  denn  darum,  daß  er  krank  ist,  aus  seiner  Fürstenwürde  verstolsen?  Rah  Abdimi 
b.  Chama^  hat  gesagt:  Ausgenommen  ist  ein  mit  Aussatz  behafteter  Fürst;  s.  2  Kg  15,5: 
Jahve  schlug  den  König  u.  er  war  aussätzig  bis  an  den  Tag  seines  Todes  u.  wohnte  in 
dem  Haus  der  BVeiheit,  u.  Jotham,  der  Sohn  des  Königs,  war  über  das  Haus  (gesetzt). 
Es  heißt:  „in  dem  Haus  der  Freiheit"  r-tü"?nn  r-<z,  weil  er  bis  dahin  (als  Träger  der 
Königswürde)  ein  Knecht  war.    Es  verhält  sich   damit,   wie   mit  jenem  Erlebnis  des 

*  Ein  Amoräer  aus  unbestimmter  Zeit;  Bacher,  pal.  Amor.  3,  757. 


Matth  20,  27.  21,  1  {%)  839 

Rabban  Gamliel  (um  90)  u.  des  R.  J'^hoschua?,  die  einmal  gemeinschaftlich  auf  einem 
Schilf  reisten.  Rabban  Gamliel  hatte  Brot  bei  sich,  R.  J'^hoschua?  Brot  u.  Mehl.  Als 
•das  Brot  des  Rabban  Gamliel  aufgebraucht  war,  mußte  er  sich  auf  das  Mehl  des 
R.  J*^hosc]iuaf  verlassen.  Er  sprach  zu  ihm :  Woher  wußtest  du  denn,  daß  uns  allen 
diese  Verzögerung  entstehen  würde,  daß  du  Mehl  mitnahmst?  Er  antwortete:  Ein  Stern 
geht  nach  70  Jahren  (d.h.  alle  70  Jahre)  auf  u.  führt  die  Schiffer  irre;  da  dachte  ich: 
Vielleicht  geht  er  auf  u.  führt  uns  irre.  R.  G.  sprach:  Das  alles  weißt  du,  u.  du  mußt 
zu  Schiffe  gehn  (um  dir  den  Lebensunterhalt  zu  erwerben)?  Er  antwortete:  Während 
du  dich  über  mich  wunderst,  wundere  ich  mich  über  zwei  Schüler,  die  du  auf  dem 
Lande  hast,  nämlich  R.  Ehazar  Chisma  (?)  u.  R.  Jochanan  b.  Gudgada,  die  zu  berechnen 
{abzuschätzen)  verstehn,  wieviel  Tropfen  im  Meer  sind;  u.  doch  haben  sie  kein  Brot 
zu  essen  u.  kein  Kleid  anzuziehen.  Da  richtete  Rabban  Gamliel  seine  Gedanken  darauf, 
sie  an  die  Spitze  (einer  Gemeinde)  zu  stellen.  Als  er  ans  Land  gegangen  war,  schickte 
er  nach  ihnen;  sie  kamen  aber  nicht;  als  er  abermals  schickte,  kamen  sie.  Er  sprach 
zu  ihnen:  Ihr  meint  wohl,  daß  ich  euch  Herrschaft  verleihen  will?  Dienstbarkeit  will 
ich  euch  verleihen,  s.  1  Kg  12,  7:  Sie  redeten  zu  ihm  u.  sprachen:  Wenn  du  heute  zum 
Diener  dieses  Volkes  wirst  u.  ihnen  dienst  u.  ihnen  dich  fügst  u.  freundliche  Worte  zu 
ihnen  redest,  so  werden  sie  dir  alle  Tage  Diener  sein. 

21,1  31:  Bethphage. 

B>ji/(fay)]  =^  -ijNr  r^^i  oder  i;s  n-^a  „ Feigenstätte "  wird  halakhisch 
zu  Jerusalem  gerechnet,  u.  zwar  als  entlegenster  Stadtteil. 

M'^n  11,2:  Sowohl  bei  den  beiden  Broten  (Lv  23,  17),  als  auch  bei  den  Schaubroten 
findet  das  Kneten  u.  Zurichten  außerhalb  (des  Vorhofes),  aber  ihr  Backen  innerhalb  (des 
Vorhofes)  statt,  u.  nicht  verdrängen  diese  Arbeiten  den  Sabbat  (d.  h.  ihretwegen  darf 
der  S.  nicht  entheiligt  werden).  R.  J'^huda  (um  150)  sägte:  Alle  Verrichtungen  an  ihnen 
«rfolgen  innerhalb  (des  Vorhofes).  R.  Schimfon  (um  150)  sagte:  Immer  gewöhne  dich 
daran,  zu  sagen:  Die  beiden  Brote  u.  die  Schaubrote  sind  tauglich  im  Vorhof  (hergestellt) 
u.  tauglich  in  Bethphage  (hergestellt).  Parallelstelle:  TM^n  11,  1  (529).  —  Das  vom 
entferntesten  Stadtteil  Gesagte  gilt  erst  recht  vom  übrigen  Jerusalem.  —  i|  M'^n  7,  3: 
Wer  das  Dankopfer  innerhalb  (des  Vorhofes)  schlachtet  u.  das  dazu  gehörige  Brotopfer 
(Lv  7, 13)  außerhalb  der  Mauer  bereitet,  heiligt  damit  nicht  das  ßrotopfer.  —  Dazu 
M^'n  78'^:  Was  heißt:  „außerhalb  der  Mauer"  ?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Außerhalb 
der  Mauer  Bethphages  (d.  h.  außerhalb  des  äußersten  Umkreises  Jer.s);  u.  Resch  Laqisch 
(um  250)  hat  gesagt:  Außerhalb  der  Mauer  des  Vorhofes.  .  .  .  Die  Bar  stimmt  mit 
R.  Jochanan  überein:  Wer  das  Dankopfer  innerhalb  (des  Vorhofes)  schlachtet  u.  das 
dazu  gehörige  Brotopfer  außerhalb  der  Mauer  von  Bethphage  bereitet,  heiligt  damit 
nicht  das  Brotopfer.  —  Diese  Bar  findet  sich  TM^nS,  18  (524);  die  Kontroverse  zwischen 
R.  Jochanan  u.  Resch  Laqisch  auch  P'"s63t>.  —  \\  P^sS,  6:  Der  Leidtragende  (vor  dem 
sein  Toter  liegt),  der  den  Schutthaufen  (unter  dem  ein  Mensch  verschüttet  liegt)  Weg- 
räumende, der,  welchem  man  die  Freilassung  aus  dem  Gefängnis  zugesichert  hat,  ferner 
der  Kranke  u.  der  Greis,  welche  soviel  wie  eine  Olive  essen  können  —  für  die  schlachtet 
man  (das  Passahlamm);  aber  für  sie  alle  schlachtet  man  nicht  besonders;  denn  sie 
könnten  das  Passahopfer  zur  Untauglichkeit  bringen  (da  sie  es  vielleicht  doch  nicht 
essen  könnten;  sie  haben  sich  deshalb  einer  Passahgenossenschaft  anzuschließen).  — 
Dazu  P'^s  91":  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Was  man  da  gesagt  hat,  gilt  von  einem 
heidnischen  Gefängnis  nur,  wenn  es  sich  außerhalb  der  Mauer  von  Bethphage  (von 
Groß- Jerusalem)  befindet;  aber  wenn  es  sich  innerhalb  der  Mauer  von  B.  befindet,  so 
schlachtet  man  für  ihn  (den  Gefangenen)  besonders,  weil  man  es  ihm  hintragen  kann, 
damit  er  es  esse.  (Außerhalb  Jer.s  durfte  das  Passahlamm  überhaupt  nicht  gegessen 
werden;  in  B.  war  also  sein  Genuß  noch  erlaubt.)  ||  Sanh  14b  u.  Sota  45'':  Wenn  er  (der 
s-i5:73  "ipT,  der  gegen  eine  Synedrialentscheidung  sich  auflehnende  Gelehrte)  sie  (die 
Synedristen)  in  B.  antrifft  u.  sich  (dort)  wider  sie  auflehnt,  zB  wenn  sie  ausgegangen 


840  ^latth  21,  1  [^.  SB) 

waren  zur  Abmessung  (der  Wegstrecke)  anläßlich  des  Kalbes,  dem  das  Genick  zu 
brechen  ist  (Dt  21,1  ff.),  oder  zur  Hinzufügung  (eines  Bezirkes)  zur  Stadt  oder  zu  den 
Vorhöfen:  so  könnte  man  meinen,  daß  seine  Auflehnung  als  (wirkliche  u.  deshalb 
strafbare)  Auflehnung  anzusehen  sei.  Darum  sagt  die  Schrift  lehrend  Dt  17,  8:  Mache 
dich  auf  u.  ziehe  zu  der  Stätte  hinauf,  die  Jahve  erwählen  wird  (=^  zum  Tempelbezirk). 
Das  lehrt,  daß  es  der  Ort  zustande  bringt.  (Nur  am  Sitz  des  Synedriums  in  der  Quader- 
halle, nicht  in  B.  oder  sonstwo  in  Jer.,  wird  die  Auflehnung  des  Zaqen  Mamre  zu 
einer  strafbaren  Handlung.)  —  Auch  in  den  Worten:  „Wenn  jemand  innerhalb  der 
Mauer  von  B.  drischt"  BM  90*  bezeichnet  B.  (pars  pro  toto)  den  ganzen  Umkreis  Jer.s.  |1 
Anders  verhält  es  sich  mit  SNu  29,35  §  151  (bb^):  Am  achten  Tage  soll  euch  Ver- 
sammlungsfeier r^-ii'  sein  Nu  29,  35.  Zurückhalten  ^^y  will  ihn  (den  Festpilger)  die 
Schrift,  daß  er  nicht  hinausgehe  (aus  Jer.).  Siehe,  wenn  er  sein  Geheiligtes  von  B. 
nach  Jer.  gebracht  hat,  so  könnte  ich  annehmen,  daß  er  es  in  Jer.  verzehren  u.  in  B. 
übernachten  dürfe.  Da  sagt  die  Schrift  lehrend:  Am  achten  Tage  soll  euch  ri:ii-  (im 
Sinne  des  Midr:  Zurückhaltung  in  Jer.)  sein.  Zurückhalten  will  ihn  die  Schrift,  daß  er 
nicht  hinausgehe.  (Diese  Deutung  erwähnt  auch  Raschi  zu  Nu  29,  35.)  —  Hier  steht  B. 
im  Gegensatz  zu  Jer.,  ist  also  nicht  zu  diesem  gerechnet  worden. 

21,1  S:  Ölberg. 

TÖ  oQog  xMv  iXaiMv.  —  Dieser  Name  auch  Mt  24,  3;  26,  30;  Mk  11, 1; 
13,3;  14,26;  Lk  19,37;  22,39;  Job  8,1;  dagegen  Lk  19,29;  21,37  kurz- 
weg 0  'EXaio'}}',  Genitiv  'Elamvog  Apg  1,  12.  (In  LXX  o  skaiMv  appella- 
tivisch „Olivenplantage"  Ex  23, 11;  Dt  6,  11;  Jos  24,  13;  Neh  9,  25.)  — 
Das  AT  redet  vom  Ölberg,  ohne  ihn  zu  nennen,  Ez  11,  23:  „Der  Berg, 
der  gegen  Morgen  von  der  Stadt",  Targ  xniT  -^-j.  Ausdrücklich  wird  der 
Ö.  im  AT  nur  Sach  14,4  genannt,  u.  zwar  als  c'in^;tri  nn,  Targ  xn^T  n-j, 
LXX  To  oQog  TMv  iXamv.  N^niT  -si-j  (Plural  von  ^tp])  im  Targum  zu 
2  Sm  15,  30  u.  zu  2  Kg  23,  13;  an  letzterer  Stelle  wird  das  textliche 
r^r-ä^sn  -ir;  (Berg  des  Verderbers,  vgl.  1  Kg  11,7)  ersetzt  durch  Nni^pKr:  -^n 
=  Ölberg.  (Auch  Schab  56''  Bar  zitiert  R.  Jose  [um  150]  2  Kg  23, 13  mit 
r;r-r^!-;  -n  statt  r.^n-ü-or,  -n;  vermutlich  hat  man  das  letztere  nur  für  eine 
kakophemistische  Umformung  des  ersteren  gehalten.)  ^  ||  xn^^-?  ^"j 
„Berg  des  Öles",  in  den  Targumen  zB  Jerusch  I  zu  Gn  8,  11:  Es  kam 
die  Taube  zu  Noah  zur  Abendzeit,  u.  siehe,  ein  aufgenommenes  Öl- 
baumblatt, das  abgebrochen  war,  lag  in  ihrem  Schnabel;  sie  hatte  es 
vom  Ölberg  xriUJiTD  -ivj  genommen.  (Diese  Tradition  vertritt  GnR  33  [20 '^J 
R.  Levi,  um  300,  s.  S.  841.)  jj  Targ  HL  8, 5:  Salomo  hat  als  Prophet  gesagt: 
Wenn  die  Toten  Wiederaufleben,  wird  sich  der  Ö.  xrit-Q  ^i-j  spalten  u.  alle 
Toten  Israels  werden  unterhalb  von  ihm  hervorkommen;  u.  au.ch  die  Ge- 
rechten, die  in  der  Verbannung  gestorben  sind,  werden  durch  Höhlungen 
unterhalb  der  Erde  kommen  u.  unterhalb  des  Ö.  snu:^  -.ii:  hervorkommen. 

Josephus  hat  Antiq.  7,  9,  2  die  Genitivform  öid  xov  'Elaimoq  oqoik\ 
für  ihn  hieß  also  der  Berg  o  'Elaiwr,  wie  Lk  1 9, 29 ;  2 1 ,  37.  So  wohl  auch 
in  Verbindungen  wie  ttqoc  ijgog  t6  nQoaayoqsvöi-Uvuv^EXaiwv  Knt\(\.  20,8,6 
oder  xuTcc  To'Elcaon'  xaXov^ierov  oqoq  Bell.  J.  5,  2,  3  (also  nicht '£/la'wi' 
von  iXaia).  Nach  B.  J.  lag  der  Ö.  6  Stadien  (1110  m)  östlich  von  Jer., 
durch  das  Kidrontal  von  der  Stadt  getrennt;  nach  Antiq.  20,  8,  6  nur 
5  Stadien  (925  m);  nach  Apg  1, 12  einen  Sabbatweg  (2000  Ellen). 


Matth  21, 1  (SB)  841 

Erwähnungen  in  der  tabbin.  Literatur.  ParaS,  6f. :  Man  machte  (sooft  eine  rote 
Kuh  —  s.  Nu  19  —  verbrannt  werden  sollte)  eine  Brücke  vom  Tempelberg  (über  das 
Kidrontal  hinweg)  nach  dem  0.  nnii^an  irt,  Gewölbe  über  Gewölbe,  u.  zwar  das  (obere) 
Gewölbe  gegenüber  dem  massiven  Unterbau  (des  unteren  Gewölbes),  wegen  der  Gräber 
der  Tiefe;  auf  dieser  Brücke  gingen  der  Priester,  der  die  Kuh  verbrennen  sollte,  u.  die 
Kuh  u.  die  Teilnehmer  zum  Ö.  r-.r.vor,  it-  hinaus.  (Die  Brücke  verhütete,  daß  man  sich 
auf  dem  Wege  nach  dem  0.  au  unbekannterweise  vorhandenen  Gräbern  verunreinigte.) . . . 
Die  Ältesten  des  Volkes  waren  schon  vorher  nach  dem  Ö.  nntü^sn  ^n  hinausgegangen.  | 
Para  3, 11 :  Man  teilte  (die  von  der  roten  Kuh  gewonnene  Asche)  in  drei  Teile:  der  eine 
wurde  niedergelegt  im  Chel  (einer  schmalen  Terrasse  dicht  aufserhalb  der  den  innern 
Vorhof  umgebenden  Mauer),  der  andre  auf  dem  Ö.  nnatsn  ^n,  u.  der  dritte  wurde  an 
alle  Priesterabteilungen  verteilt.  Diese  Mischna  ist  fast  wörtlich  wiederholt  SNu  19,9 
§  124  (43l>)  mit  dem  Zusatz:  ,  Außerhalb  des  Lagers"  Nu  19, 9,  d.  i.  auf  dem  Ö.  r.nv-ir,  -n. 
(Ebenso  werden  SNu  19,  3  §  123  (42b)  die  Worte:  „Man  führe  sie  (die  rote  Kuh)  hinaus 
vor  das  Lager"  Nu  19,  3  erklärt:  nach  dem  Ö.  nnr^n  in.)  —  TParaiJ,  14  (633)  ergänzt 
die  Mischna  in  folgender  Weise:  Von  dem  Teil,  der  an  alle  Priesterabteilungen  verteilt 
wurde,  besprengte  man  die  Israeliten  (in  den  einzelnen  Ortschaften  des  Landes,  damit 
sie  nicht  nötig  hätten,  nach  Jer.  hinaufzuziehen,  Bertinoro) ;  von  dem,  der  auf  dem  Ö. 
niedergelegt  wurde,  heiligte  (besprengte)  man  die  (Hohen-)Priester  (für  die  andren  Kühe, 
Raschi  zu  Nu  19,  9),  u.  den  Teil  im  Chel  bewahite  man  auf,  s.  Nu  19,  9:  Es  diene  der 
Gemeinde  der  Kinder  Israel  zur  Aufbewahrung.  Vgl.  auch  Targ  Jerusch  I  zu  Nu  19,9.  || 
RH  2,  4:  Von  wo  begann  man  mit  dem  Anzünden  der  Signalfackeln  (zur  Verkündigung 
des  Neumondstages)?  Vom  Ö.  '^"•ü'cn  ^-  nach  Sartaba  hin  usw.  —  Parallelstelle:  TRH 
3,  2  (210).  ii  pTaf an  4,  69^*,  37:  Zwei  Zedern  standen  auf  dem  Ö.  ni-irtin  ~r,  usw.;  s.  bei 
Mt  21,12  Anm.d.  \\  ^ch^bu  16=*:  AbbaSchaiul  (um  150)  hat  gesagt:  ZweiTeiche  waren  auf 
dem  Ö.  nn-ü'sn  -n  usw.;  s.  die  Stelle  im  Exkurs:  „Abgaben  von  den  Bodenerzeugnissen ' 
Nr.  5  gegen  Ende.  |j  GnR  33  (20*^):  Von  wo  brachte  die  Taube  das  Ölbaumblatt?  R.  Abba 
b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Von  den  Scliößlingen  im  Lande  Israel  brachte  sie  es. 
R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Vom  0.  rtr.xyor]  -n  brachte  sie  es;  denn  das  Land  Israel 
war  von  der  Sündflut  nicht  überschwemmt  worden;  das  ist  es,  was  Gott  zu  Ezechiel 
sagte:  Das  Land,  das  nicht  gereinigt,  das  nicht  überschwemmt  wurde  zur  Zeit  des  Zorns 
Ez  22,24.  —  Parallelstellen  mit  Abweichungen  LvR  31  (129=);  Midr  HL  1, 15  (94«);  4,  1 
(109^).  II  Leqach  tob  Nu 24, 17  (2, 129»):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Gott  wird  ausziehen, 
um  mit  ihnen  (Gog  u.  Magog)  zu  kämpfen,  s.  Sachl4,  3:  „Ausziehen  wird  Jahve  u. 
streiten  mit  diesen  Völkern";  u.  die  Berge  werderi  weichen  u.  die  Hügel  wanken  u.  der  0. 
c"f"!r!  ^~  wird  sich  spalten  von  seiner  Mitte  an;  u.  Gott  fährt  auf  ihn  herab  u.  die 
Israeliten  fliehen  u.  werden  errettet,  s.  Sach  14,5:  Ihr  werdet  fliehen  ins  Tal  meiner 
Berge.  ||  RH  31  •'^:  Rab  J'^huda  b.  Idi  (wann?)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (t  279)  habe  gesagt: 
Zehn  Stationen  hat  die  Sch*^khina  (Gottheit)  bei  ihrem  Abzug  (aus  dem  Tempel)  nach 
der  Schrift  gemacht:  .  .  .  Von  der  Kapporeth  (Sühndeckel)  auf  den  Kerub,  vom  Kerub 
auf  den  (andren)  Kerub,  vom  (andren)  Kerub  auf  die  Unterschwelle,  s.  Ex  25,  22;  2  Sm 
.22, 1 1 ;  Ez  10, 4;  von  der  U.  in  den  Vorhof,  s.  Ez  10, 4;  vom  V.  auf  den  Altar,  s.  Am  9,  1 ; 
vom  A.  auf  das  Dach,  s.  Spr  21,9  (wo  unter  dem  Weib  die  Gemeinde  Israel  zu  verstehen 
ist);  vom  Dach  auf  die  Mauer,  s.  Am  7,  7;  von  der  Mauer  nach  der  Stadt,  s.  Micha  6,  9; 
von  der  Stadt  auf  den  Berg,  s.  Ez  11,28:  Es  erhob  sich  die  Herrlichkeit  Jahves  aus 
der  Stadt  u.  nahm  ihren  Stand  auf  dem  Berge,  der  gegen  Morgen  von  der  Stadt  (d.  h.  auf 
dem  Ö.;  so  auch  Targum  zu  Ez  11,23);  vom  Berg  nach  der  Wüste,  s.  Spr  21, 19  (wo 
Weib  =  Gemeinde  Israel),  u.  von  der  Wüste  erhob  sie  sich  u.  ließ  sich  nieder  an  ihrem 
Ort  (im  Himmel),  s.  Hos  5, 15.  —  Dasselbe  Midr  KL  Einl.  Nr.  25  (39=*);  P^siq  lU^:  in 
beiden  Stellen  wird  der  ="r:t~  "~  ausdrücklich  genannt;  vgl.  auch  Targ  Ezll,23.  |! 
P^siqll5«:  R.  Jonathan  (um  220)  hat  gesagt:  3V2  Jahr  (so  nach  den  Parallelstellen 
statt  13\'2  J.)  verweilte  die  Sch*^khina  (nach  ihrem  Scheiden  aus  dem  Tempel)  auf  dem  Ö. 
DTTn  "ir,  dreimal  verkündigend  u.  rufend:  Ich  will  gehn  u.  an  meinen  Ort  zurückkehren, 
bis  daß  sie  es  büßen  u.  mein  Angesicht  suchen;  in  ihrer  Bedrängnis  werden  sie  nach 


842  Matth21,2. 5 

mir  ausspähen.  —  Parallelstellen:  Midr  KL  Einl.  Nr.  25(39^);  pesiqR31  (US*^);  Midr 
Ps  10  §  2  (46"^),  liier  ohne  Nennung  des  Ülbergs. 

21,2:  Eine  Eselin  angebunden  u.  ein  Füllen  bei  ihr. 

oioy  .  .  .  xai  n(t)Xor.  —  Sach  9,  9:  m:rx— ,2  ^•^v-h•J^  '^^•orrh^  =  „auf 
einem  Esel  u.  auf  einem  Füllen,  dem  Jungen  von  Eselinnen".  LXX  zu 
Sach  9,9:  imol^vYiüv  xai  nwXov  rtov.  —  BB  5,3:  Wenn  jemand  eine 
Eselin  -renn  rj<  verkauft,  so  hat  er  das  Füllen  n-t?  mitverkauft.  — 
BB  78'':  Warum  heifat  das  Eselsfüllen  0:^0?  Weil  es  dem  sanften  Zureden 
nn-ip  folgt.  —  Nach  dem  griechischen  ya'vöaQor  heißt  pBMO,  11=',  24  das 
Eselsfüllen  auch  ■::;;  "i'i'r^'^J,  der  kleine  oder  junge  Esel. 

Über  das  Mieten  u.  Vermieten  von  Eseln  bestimmt  die  Mischna  zB  BM  6,  3:  Wenn 
jemand  einen  Esel  mietet  zu  einer  Reise  im  Gebirge,  u.  er  läßt  ihn  durch  eine  Tal- 
gegend ziehen  oder  umgekehrt,  so  ist  er,  selbst  wenn  jede  Strecke  zehn  Mil  beträgt 
(also  beide  Wege  gleich  weit  sind),  falls  der  Esel  stirbt,  ersatzpflichtig.  —  Wenn  jemand 
einen  Esel  mietet  u.  dieser  erblindet,  oder  er  wird  zum  Frondienst  (für  die  Regierung) 
herangezogen,  so  kann  er  (der  Vermieter)  zu  ihm  (dem  Mieter)  sagen:  Hier  hast  du 
das  Deine  vor  dir  (dein  Geld  zurück)!  (Die  vis  maior  hebt  den  Mietsvertrag  ohne  Ent- 
schädigungsanspruch auf.)  Stirbt  der  Esel  aber  oder  bricht  er  ein  Bein,  so  muß  der 
Vei-mieter  ihm  einen  andren  Esel  stellen.  —  Wenn  jemand  einen  Esel  mietet  zu  einer 
Reise  im  Gebirge,  u.  er  läßt  ihn  durch  eine  Talgegend  ziehen,  u.  der  Esel  gleitet  aus 
(u.  verunglückt),  so  ist  er  frei  von  Ersatz;  wenn  sich  aber  der  Esel  erhitzte  (u.  in- 
folgedessen starb),  so  ist  der  Mieter  ersatzpflichtig.  Hatte  er  ihn  'jedoch  gemietet  zu 
einer  Reise  durch  eine  Talgegend,  u.  er  läßt  ihn  durch  ein  Gebirge  ziehen,  so  ist  er, 
wenn  er  ausgleitet,  ersatzpflichtig,  u.  wenn  er  sich  erhitzt,  frei  von  Ersatz;  erhitzte 
er  sich  aber  infolge  des  Steigens,  so  ist  er  ersatzpflichtig.  —  BM6,  5:  Wenn  jemand 
einen  Esel  mietet,  um  ihn  mit  Weizen  zu  beladen,  u.  er  belädt  ihn  mit  Gerste,  so  ist 
er  (falls  der  Esel  verunglückt)  ersatzpflichtig.  Mietete  er  ihn,  um  ihn  mit  Getreide  zu 
beladen,  u.  er  belädt  ihn  mit  Stroh,  so  ist  er  ersatzpflichtig  (im  Fall  eines  Unglücks), 
weil  der  große  Umfang  die  Fortschaffung  erschwert.  Mietete  er  ihn,  um  einen  Lethekh 
(ö  Epha,  etwa  197  1)  Weizen  zu  holen,  u.  er  ließ  ihn  einen  L.  Gerste  holen,  so  ist  er 
frei  von  Ersatz  (weil  das  Gewicht  der  Gerste  geringer  ist);  wenn  er  aber  zu  seiner 
(gewöhnlichen)  Last  hinzufügt,  so  ist*ersatzpflichtig.  Wieviel  muß  man  zu  seiner  (gew. 
Last)  hinzugefügt  haben,  um  ersatzpflichtig  zu  sein?  Symmachus  (b.  Joseph,  um  180) 
sagte  im  Namen  des  R.  Meir  (um  150):  Ein  Sea  (=  13,181  1)  bei  einem  Kamel,  drei 
Qab  (=  V'ä  Sea)  bei  einem  Esel. 

21,5:  Sach  9,  9  in  der  rabbin.  Literatur. 

In  den  Pseudepigraphen  wird  auf  Sach  9,  9  nirgends  Bezug  ge- 
nommen; dagegen  ist  in  der  rabbin.  Literatur  die  Deutung  der  Stelle 
auf  den  Messias  gang  u.  gäbe. 

GnR  75  (48*^):  (Es  ward  mir  Stier  u.  Esel  Gn  32,  6:)  Die  Rabbinen  (Zeitgenossen  des 
R.  J*^huda  u.  R.  N*^chemja,  also  um  150)  sagten:  Mit  „Stier"  ist  der  Kriegsgesalbte  (d.h. 
der  Messias  b.  Joseph  oder  b.  Ephraim  s.  bei  Lk  24, 26)  gemeint;  denn  es  heißt  Dt  33,  17 : 
,Sein  erstgeborner  Stier  (=  Ephraim),  prachtvoll  ist  er."  Mit  „Esel"  ist  der  König, 
der  Messias  (Ben  David),  gemeint;  denn  es  heißt  Sach  9,  9:  Arm  u.  reitend  auf  einem 
Esel  usw.  Parallelstellen:  Tanch  nVr-'i  38«;  TanchB  ni-^^i  §  5  (82'').  II  GnR  98  (62 «) : 
„Er  bindet  an  den  Weinstock  seinen  Esel  u.  an  die  Edelrebe  sein  Eselsfüllen.  Er 
wäscht  in  Wein  sein  Gewand  u.  in  Traubenblut  seinen  Mantel"  Gn  49, 11.  Die  Rabbinen 
(Zeitgenossen  des  J^'huda  u.  N'^chemja,  um  150)  haben  gesagt:  Ich  (Gott)  bin  gebunden  an 
den  Weinstock  (d.h.  an  Israel)  u.  an  die  Edelrebe  seiner  Stadt  (=  Jerusalem,  -•;>  =  "i^y). 


Matth21,5  843 

u.  „sein  Esel"  bedeutet:  wenn  der  kommen  wird,  von  dem  es  Sach  9,  9  heißt:  Arm  u. 
reitend  auf  einem  Esel  usw.  „Er  wäscht  in  Wein  sein  Gewand",  denn  er  (der  Messias) 
macht  ihnen  (den  Israeliten)  die  Worte  der  Tora  klar  (lies  ^iir:^  statt  larrTj);  „u.  in 
Traubenblut  seinen  Mantel",  denn  er  berichtigt  ihre  Irrtümer  (nnio  nach  r-crt  „in 
Irrtum  verleiten"  gedeutet).  —  Parallelstelle:  GnR  99  (63«).  In  Tanch  -n-i  57 ^  fehlt  die 
Bezugnahme  auf  Sach9, 9.  j]  Sanh  98=*:  R.  Alexandrai  (um270)  hat  gesagt:  R.  J^'hoschua? 
b.  Levi  (um  250)  hat  gegenübergestellt  Dn  7,  13:  „Siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels 
kam  einer,  wie  ein  Menschensohn",  u.  Sach  9,  9:  „Arm  u.  reitend  auf  einem  Esel." 
V/enn  sie  (Israel)  Verdienste  haben  (dessen  würdig  sind),  kommt  er  mit  den  Wolken 
des  Himmels;  wenn  sie  keine  Verdienste  haben,  (kommt  er)  arm  u.  reitend  auf  einem 
Esel.  Der  König  Schabor  (I.)  sagte  zu  Sch®muel  (f  254):  Ihr  sagt,  der  Messias  werde 
auf  einem  Esel  kommen;  ich  will  ihm  ein  schimmerndes  Pferd  (Schimmel)  senden,  wie 
ich  es  besitze.  Er  antwortete  ihm :  Hast  du  denn  eins  von  tausend  Farben  (wie  sein 
Esel  tausendfarbig  sein  wird)'?  ||  Sanh  99a:  R.  Hillel  (wenn  der  Sohn  des  R.  Sch^muel 
b.  Nachman,  dann  um  300)  sagte:  Es  gibt  für  die  Israeliten  keinen  Messias  (mehr), 
denn  sie  haben  ihn  bereits  in  den  Tagen  des  Hiskia  genossen.  Rab  Joseph  (f  333)  hat 
gesagt:  Möge  es  dem  R.  Hillel  sein  Herr  (Gott)  verzeihen!  Wann  lebte  Hiskia?  Zur 
Zeit  des  ersten  Tempels.  Und  siehe,  Sacharja  hat  zur  Zeit  des  zweiten  Tempels  ge- 
weissagt u.  gesprochen:  Frohlocke  gar  sehr,  Tochter  Zion!  Jauchze,  Tochter  Jerusalem I 
Siehe,  dein  König  kommt  zu  dir  —  gerecht  u.  heilvoll  ist  er,  arm  u.  reitend  auf  einem 
Füllen,  dem  Jungen  von  Eselinnen  Sach  9,  9.  Il  Midr  Qoh  1,  9  (9  '^) :  R.  B'^'rekhja  (um  340) 
hat  im  Namen  des  R.  Ji9chaq  (um  300)  gesagt:  Wie  der  erste  Erlöser  (Mose),  so  der 
letzte  Erlöser  (der  Messias):  wie  es  vom  ersten  Erlöser  heißt  Ex  4,  20:  „Es  nahm  Mose 
sein  Weib  u.  seine  Sühne  u.  ließ  sie  auf  einem  Esel  reiten"  —  so  vom  letzten  Erlöser 
Sacli  9,  9 :  Arm  u.  reitend  auf  einem  Esel.  —  Dasselbe  unter  dem  Autornamen  des 
R.  Levi  (um  300)  Midr  Sm  14  §  9  (45  •>).  \\  B'^rakh  56^':  Wer  einen  Esel  im  Traum  sieht, 
darf  auf  das  (messian.)  Heil  hoffen:  s.  Sach  9,  9.  ||  Tanch  r-ias^a  2»;  So  hat  der  Prophet 
Jesaja  gesagt  (32,20):  „Wohl  euch,  die  ihr  säet  au  allen  Wassern" ;  damit  sind  die 
gemeint,  die  sich  mit  der  Tora  beschäftigen,  die  dem  Wasser  verglichen  wird,  s.  Jes  55, 1 : 
Auf,  ihr  Dürstenden  alle,  kommt  zum  Wasser.  „Die  ihr  freien  Lauf  lasset  dem  Fuße 
des  Stieres",  damit  ist  der  Messias  Ben  Joseph  gemeint,  der  mit  einem  Stier  verglichen 
wird  (vgl.  Dt  33,  17)  „u.  (dem  Fuß)  des  Esels",  damit  ist  der  Messias  Ben  David  ge- 
meint, s.  Sach  9,  9.  —  Vgl.  DtR  6  (203 1>):  Was  bedeutet  Dt  22,  7 :  „Laß  die  Vogelmutter 
los"?  Wenn  du  dieses  Gebot  erfüllst,  so  beschleunigst  du  das  Kommen  des  Königs, 
des  Messias,  von  dem  (gleichfalls)  ein  Freilassen  geschrieben  steht,  s.  Jes  32,  20:  „Die 
ihr  freien  Lauf  lasset  dem  Fuß  des  Stiers  u.  des  Esels."  (Die  nähere  Auslegung  dieser 
Worte  ergänze  nach  Tanch  n-:;s-.=  2«.)  ||  Midr  Ps  60  §3  (153a):  „Mein  ist  Gilead" 
Ps  60,  9.  Ich  bin  es,  der  dem  Giieaditen  Jephtah  ein  Zeichen  getan  hat,  u.  ich  bin  es, 
der  dem  Gideon,  Sohn  des  Joasch,  aus  dem  Stamm  Manasse  ein  Zeichen  getan  hat: 
aber  seine  Hilfe  war  eine  Hilfe  für  einen  Augenblick  (vorübergehender  Art);  in  der 
Zukunft  jedoch  werde  ich  euch  helfen  durch  den  Messis^  Ben  Ephraim  (=  Ben  Joseph) 
u.  durch  den  Messias  Ben  David  aus  dem  Stamm  Juda.  „Ephraim  der  Schutz  meines 
Hauptes"  Ps  60,  9;  denn  er  (Messias  Ben  Ephraim)  übernimmt  das  Joch  der  Herrschaft 
zuerst;  u.  hinterher  „Juda. mein  Herrscherstab"  (das.);  damit  ist  der  Messias  Ben  David 
gemeint.  „Moab  ist  mein  Waschbecken"  (das.  Vers  10);  s.  Jes  11,  14:  „Sie  fliegen  auf 
die  Schulter  der  Philister  meerwärts,  zusammen  plündern  sie  die  Morgenländer,  Edom 
u.  Moab  werden  von  ihrer  Hand  in  Beschlag  genommen."  Das  meinen  die  Worte: 
„Moab  ist  mein  Waschbecken":  ein  Mensch  wäscht  seine  Füße  in  einem  Becken  u. 
dabei  tritt  er  es  nieder.  „  Auf  Edom  werfe  ich  meinen  Schuh"  Ps  60,  10,  um  es  zu  zer- 
treten, s.  Jes  26,  6:  „Es  zertritt  sie  der  Fuß."  Das  ist  der  Fuß  Gottes,  s.  Jes  63,  3: 
„So  trat  ich  sie  in  meinem  Zorn  u.  stampfte  sie  in  meinem  Grimm."  „Es  zertritt  sie 
der  Fuß,  ja  die  Füße  des  Armen"  Jes  26,  6,  damit  ist  der  König,  der  Messias,  gemeint, 
s.  Sach  9, 9:  Arm  u.  reitend  auf  einem  Esel,  jj  TanchB '-'ns  §  18  (o6a):  R.  Abbahu(um  300) 
liat  gesagt:  Alle  Hilfe,  die  Israel  kommt,  ist  eine  Hilfe  für  Gott,  s.  Ps91,  15 f.:  „Ich 


844  "  Matth2I,5. 8 

(Gott)  bin  mit  ihm  in  Not  .  .  .,  ich  will  ihn  sehen  lassen  meine  Hilfe  (im  Sinne  des 
Midr:  die  mir,  nämlich  Gott,  zuteil  wird).  .  .  .  R.  B^rekhja,  der  Priester,  der  Rabbinen- 
sohn  (um  340)  hat  gesagt:  Siehe,  was  geschrieben  steht  Sach  9,  9:  , Frohlocke  gar  sehr, 
Tochter  Zion  ..  .  gerecht  u.  einer,  dem  Hilfe  wird,  ist  er."  „Der  hilft"  s-v.'c,  heißt 
es  nicht,  sondern  „dem  geholfen  wird"  yx^i.  —  Der  gleiche  Gedanke  in  breiterer  Aus- 
führung u.  anonym  ExR30(9lb).  ||  Midr  HL  1, 4  (87a):  „Wir  wollen  frohlocken  u. 
deiner  uns  freuen"  HL  1,4.  Gleich  einer  Matrone,  deren  Gemahl,  der  König,  samt 
seinen  Söhnen  u.  Schwiegersöhnen  in  ein  fernes  Land  gezogen  war.  Man  kam  u.  sagte 
.zu  ihr:  Deine  Söhne  sind  gekommen!  Sie  sprach:  Was  habe  ich  davon?  meine  Schwieger- 
töchter mögen  sich  freuen!  Als  ihre  Schwiegersöhne  kamen,  sagte  man  zu  ihr:  Deine 
Schwiegersöhne  sind  gekommen!  Sie  sprach:  Was  habe  ich  davon?  Meine  Töchter 
mögen  sich  freuen!  Man  sagte  ihr:  Der  König,  dein  Gemahl,  ist  gekommen!  Sie  sprach: 
Das  ist  eine  vollkommene  Freude,  Freude  über  Freude!  So  werden  in  der  Zukunft  (in 
der  messian.  Zeit)  die  Propheten  kommen  u.  zu  Jerusalem  sagen:  „Deine  Söhne  kommen 
von  ferne  her"  Jes60,  4!  Und  sie  antwortet  ihnen :  Was  habe  ich  davon?"  Und  deine 
Töchter  werden  an  der  Seite  getragen"  (das.);  sie  antwortet:  Was  habe  ich  davon? 
Wenn  man  aber  zu  ihr  sagt:  „Siehe,  dein  König  kommt  zu  dir,  gerecht  u.  heilvoll" 
Sach  9,  9,  dann  sagt  sie:  Das  ist  eine  vollkommene  Freude,  s.  Sach  9,  9:  „Frohlocke 
gar  sehr,  Tochter  Zion!"  ]!  DtR4Ende:  „Wann  Jahve,  dein  Gott,  dein  Gebiet  erweitern 
wird"  Dt  12,  20.  Die  Rabbinen  sagten:  Das  redet  von  Jerusalem;  wer  wird  das  Wohl- 
ergehen Jer.s  sehen  können,  wenn  Gott  es  erweitert?  .  .  .  Dann  gehen  die  Worte  in 
Erfüllung  Mal  3,  4.  23.  24;  3,  1;  Sach  1,  16.  17  u.  Sach  9,  9:  Frohlocke  gar  sehr,  Tochter 
Zion!  Jauchze,  Tochter  Jer.!  Siehe,  dein  König  kommt  zu  dir  usw.  ||  GnR  56  (35''): 
R.  JiQchaq  (um  300)  hat  gesagt:  Es  wird  der  Ort  (Jerusalem)  dereinst  ferne  von  seinen 
Besitzern  (den  Israeliten)  sein  (nämlich  während  der  Exilszeit).  Etwa  für  immer?  Die 
Schrift  sagt  lehrend  Ps  132,  14:  „Das  ist  meine  Ruhestätte  in  Ewigkeit,  hier  will  ich 
wohnen",  wenn  jener  kommen  wird,  von  dem  geschrieben  steht  Sach  9,  9:  Arm  u. 
reitend  auf  einem  Esel."  1|  Pirqe  REl  31:  „Araham  machte  sich  früh  am  Morgen  auf  u. 
machte  seinen  Esel  zurecht"  Gn  22,  3.  Das  war  der  Esel,  auf  welchem  Mose  ritt,  als 
er  nach  Ägypten  kam,  s.  Ex  4,  20,  u.  dieser  Esel  wird  es  sein,  auf  welchem  dereinst 
der  Sohn  Davids  (=  Messias)  reiten  wird,  s.  Sach  9,  9.  ü  P^'siqR  34  (159''):  „Gerecht  u. 
heilvoll  ist  er"  Sach  9,  9;  das  ist  der  Messias,  denn  er  erkannte  das  Gericht  über 
Israel  als  gerecht  an,  als  man  über  ihn  lachte  u.  er  im  Gefängnis  lag,  und  (deshalb) 
heißt  er  „gerecht".  Warum  heißt  er  „heilvoll"?  Wenn  er  das  Gericht  über  sie  als 
gerecht  anerkannt  hat,  wird  er  zu  ihnen  sagen:  Seid  ihr  nicht  alle  meine  Kinder? 
Fürwahr,  ihr  werdet  alle  Heil  erfahren  durch  Gottes  Erbarmen.  „Niedrig  u.  reitend 
auf  einem  Esel";  das  ist  der  Messias.  Und  warum  wird  er  „niedrig"  genannt?  Weil 
er  alle  jene  Jahre  erniedrigt  wurde  im  Gefängnis  u.  die  Frevler  aus  Israel  über  ihn 
lachten.  „Reitend  auf  einem  Esel",  um  der  Gottlosen  willen,  die  kein  Verdienst  haben, 
macht  er  sich  auf  u.  erinnert  (mit  seinem  Reiten  auf  einem  Esel)  an  das  Verdienst  der 
Väter*  (eines  Abraham,  der  i\ji  Gehorsam  gegen  Gottes  Gebot  sich  aufmachte,  selbst 
seinen  Esel  zu  gürten  Gn  22,  3).  —  Zum  mangelnden  Verdienst  der  Gottlosen  s. 
Sanh98a  oben  S.843«. 

21,8:  Breiteten  ihre  Kleider  auf  den  Weg. 

Jalqut  zu  Ex  2, 15  (1,  §  168):  Eilends  zogen  die  Kuschiten  ein  jeder  sein  Kleid  aus 
u.  legten  es  auf  die  Erde  u.  errichteten  eine  große  Tribüne  u.  setzten  Mose  darauf; 
stießen  in  die  Posaunen  u.  riefen:  Es  lebe  der  König!  Es  lebe  der  König!  Vgl.  auch 
2  Kg  9,  13.  II  K®th  66 •>  Bar:  Von  Naqdimon  b.  Gorjon  (um  50  n.  Chr.)  hat  man  erzählt: 
Wenn  er  von  seinem  Hause  nach  dem  Lehrhaus  (in  Jerusalem)  ging,  breitete  man 
wollene  Zeuge  unter  ihm  aus  (denn  er  war  sehr  reich);  u.  dann  kamen  die  Armen  u. 
legten  sie  hinter  ihm  zusammen.  (Die  ganze  Stelle  s.  bei  Joh  3, 1.)  ||  Midr  KL  1, 16  (57  a): 


1  Der  Text  ist  hier  schwerlich  in  Ordnung,  s.  Friedmann. 


Matth  21,8.  9  (3t  1)  845 

Es  geschah,  daß  J'^'hoschuaf  b.  Gamliel  sich  die  Mirjam,'  die  Tochter  des  Boethos, 
verlobte,  u.  der  König  setzte  ihn  als  Hohenpriester  ein.  Einmal  ging  sie,  um  zu- 
zuschauen; sie  sprach:  Ich  will  gehn  u.  ihn  sehen,  wenn  er  am  Versöhnungstag  im 
Heiligtum  vorliest.  Man  schaffte  für  sie  Teppiche  hinaus  von  der  Tür  ihres  Hauses 
bis  zur  Tür  des  Heiligtums,  damit  ihre  Füfse  nicht  die  Barfüßigkeit  empfänden  (denn 
am  Vers.tage  hatte  alles  barfuß  zu  gehen),  u.  trotzdem  empfanden  sie  sie.  |1  Midr  KL 
Einl.  Nr.  25  (39^):  Die  Rabbinen  sagten:  Sie  (die  Trauernden)  breiteten  ihm  (zu  Ehren 
des  verstorbenen  Königs  Hiskia)  Teppiche  aus  von  der  Tür  ihrer  Häuser  bis  zu  den 
C4räbern  der  Söhne  Davids;  u,  das  alles  warum?  Damit  ihre  Füße  die  Barfüßigkeit 
nicht  empfänden  (denn  Leidtragende  gingen  barfuß  einher),  u.  trotzdem  empfanden  ihre 
Füße  sie.  Da  sprach  Jeremia  zu  ihnen:  Wenn  eure  Füße  zu  der  Zeit,  da  ihr  Teppiche 
von  der  Tür  eurer  Häuser  bis  zu  den  Gräbern  der  Söhne  Davids  ausgebreitet  habt,  die 
Barfüßigkeit  empfanden,  um  wieviel  mehr  wird  es  der  Fall  sein,  wenn  eure  Füße  sich 
stoßen  werden  an  den  Bergen  des  Dunkels  (s.  Jer  13,  16)!  ||  Targ  Esth  8,  15:  Als 
Mardokhai  aus  der  Tür  des  Königs  ging,  waren  die  Straßen  mit  Myrten  bestreut. 

21,  9  ?(:  Hosianna  dem  Sohne  Davidsl 
1.  coffarrd^  Nji'irin,  xj-j^rin  =  x:  nr-^din  „hilf  doch"  Psll8,2o.  Der 
H.ruf  war  als  Bestandteil  des  Hallel  jedermann  in  Israel  geläufig;  es 
hat  darum  nichts  Auffallendes,  wenn  nach  Mt  21,  15  auch  die  Kinder 
in  denselben  einfielen.  —  Die  alte  Synagoge  unterschied  zwischen  dem 
großen  Hallel  u.  dem  Hallel  schlechthin.  Ersteres  umfaßte  die  Psalmen 
120 — 136,  nach  andrer  Tradition  die  Psalmen  135  u.  136,  oder  auch 
bloß  den  136.  Psalm;  »letzteres  die  Psalmen  118—118.  Nach  einer  alten 
Tradition  sind  die  Hallelpsalmen  113 — 118  bereits  von  Mose  u.  den 
Kindern  Israel  am  Roten  Meer  gesungen  worden ;  ^  andre  Überlieferungen 
brachten  sie  mit  sonstigen  wunderbaren  Errettungen  in  der  Geschichte 
des  jüd.  Volkes  in  Verbindung. b  Jedenfalls  nahmen  die  Hallelpsalmen 
113  —  118  schon  zur  Zeit  des  Tempelbestandes  eine  hervorragende 
Stellung  im  Ritus  der  einzelnen  Feste  ein,  eine  Stellung,  die  sie  auch 
später  in  der  synagogalen  Festliturgie  behauptet  haben,  —  Das  Hallel 
wurde  rezitiert:  1,  bei  der  Schlachtung  der  Passahlämmer  im  Tempel 
am  Nachmittag  des  14.  Nisan;c  2.  bei  der  häuslichen  Passahfeier  am 
Abend  des  14.  Nisan;d  3.  am  1.  Passahtag  (15.  Nisan),  am  1.  Pfingsttag, 
an  den  acht  Tagen  des  Laubhüttenfestes  u.  an  den  acht  Tagen  des 
Tempelweihfestes  (Chanukka)  nach  der  Darbringung  des  Morgen- 
tamids.e  Besonders  feierlich  gestaltete  sich  der  Vortrag  des  H.  am 
Laubhüttenfest,  indem  die  im  Tempel  anwesende  Menge  bei  bestimmten 
Psalmversen  den  Feststrauß  in  ihren  Händen  schüttelte.  Nach  Dar- 
bringung der  Zusatzopfer  des  Laubhüttenfestes  zogen  die  Priester 
Einmal  (am  siebenten  Tag  des  Festes  siebenmal)  um  den  Brandopfer- 
altar, den  Ruf  PsllS,  25  wiederholend:  Jahve,  hilf  doch;  Jahve,  laß 
es  gelingen!  Das  Volk  aber  rief:  „Schönheit  dir,  o  Altarl"  oder:  „Gott 
u.  dir,  0  Altar!"   Vgl.  den  Exkurs:  Das  Laubhüttenfest. 

1  J-^b6,  4  heißt  sie  Martha.  Vgl.  Schürer-«  2,  273. 

"  Hiermit  hängt  zusammen,  daß  das  Hallel  B'rakhSß''^  das  „ägyptische  H."  ge- 
nannt wird:  Raba  (f  352)  sagte  zu  dem  Traumdeuter:  Ich  ließ  im  Traum  das  äg.  H. 
vorlesen.  Er  sprach  zu  ihm  (den  Traum  deutend) :  Es  werden  dir  Wunder  geschehen. 


346  Matth  21,9  (511) 

a.  P^s  HS'':  Von  wo  an  beginnt  das  grofse  Hallel?  R.  J'huda  (um  150)  sagte:  Von 
, danket  Jahve"  Ps  136,  1  bis  „an  den  Strömen  Babels"  Ps  137,  1;  R.  Jochanan  (f  279) 
sagte:  Von  „Stufenlied"  Ps  120,  1  bis  „an  den  Strumen  Babels";  Rab  Acha  b.  Jafaqob 
(um  325)  hat  gesagt:  Von  „denn  Jakob  hat  sich  Jahve  erwählt"  Ps  135,  4  bis  „an  den 
Strömen  Babels".  Warum  heißt  es  das  „große  Hallel"?  R.  Jochanan  hat  gesagt:  Weil 
Gott  in  der  Höhe  der  Welt  wohnt  u.  allen  Geschöpfen  Speise  zuteilt,  vgl.  Ps  136,  25.  — 
Dasselbe  Midr  Ps  136  §  1  (260*).  |1  Tafan  3,  9:  Einmal  hatte  man  in  Lydda  ein  Fasten 
angeordnet,  u.  es  fielen  Regengüsse,  bevor  es  Mittag  war.  Da  sprach  R.  Tarphon 
(um  100)  zu  ihnen:  Geht  u.  esset  u.  trinket  u.  machet  einen  Feiertag  (das  Fasten 
wurde  also  aufgehoben)!  Und  sie  gingen  u.  aßen  u.  tranken  u.  machten  einen  Feiertag; 
dann  kamen  sie  zwischen  den  beiden  Abenden  (in  der  Dämmerung)  u.  lasen  das  große 
Hallel.  —  Dazu  pTafan  3,  67»,  52:  Welches  ist  das  große  Hallel?  R.  Parnakh  (um  270) 
hat  im  Namen  des  R.  Chanina  (um  225)  gesagt:  „Danket  dem  Gott  der  Götter,  denn 
seine  Gnade  währet  ewiglich!  Danket  dem  Herrn  der  Herren,  denn  seine  Gnade  währet 
ewiglich"  (d.h.  Ps  136).  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Nur  daß  man  anhebt  mit:  „Die 
ihr  steht  im  Hause  Jahves"  (d.h.  mit  Ps  135).  Warum  (besteht  das  große  H.)  aus  diesen 
beiden  Abschnitten  (nämlich  aus  Ps  135  u.  136)?  R.  Z'^dra  (um  300),  R.  Abbahu  (um  300) 
haben  im  Namen  des  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260)  gesagt:  Weil  das  Niederfallen 
der  Regengüsse  darin  enthalten  ist.  Das  trifft  zu  nach  der  Meinung  des  R.  Jochanan ; 
denn  es  heißt  Ps  135,  7:  Der  die  Dünste  aufsteigen  läßt  vom  Ende  der  Erde  usw.  Aber 
wie  trifft  es  zu  nach  der  Meinung  des  R.  Chanina  (der  das  große  H.  nur  aus  Ps  136 
bestehen  läßt)?  Darum  daß  es  Psl36,  25  heißt:  Der  Speise  gibt  allem  Fleisch,  denn 
seine  Gnade  währet  ewiglich!  (Der  allen  Geschöpfen  gedeckte  Tisch  setzt  das  recht- 
zeitige Niederfallen  des  Regens  voraus.)  R.  Ba  (um  290)  u.  R.  Simon  (um  280)  haben 
beide  gesagt:  (Das  Ta?an  3,  9  erwähnte  große  H.)  ist  das  unsre  (d.h.  das  H.,  das  wir 
an  den  Festtagen  beten,  also  =  Ps  113—118).  R.  J^hoschua?  b.Levi(um250)  hat  gesagt: 
Es  ist  das  unsre.  Bar  Qappara  (um  220)  hat  gesagt:  Es  ist  das  unsre.  Bar  Qappara 
folgte  dabei  seiner  (auch  sonst  bezeugten)  Ansicht;  denn  wir  haben  dort  (P^s  5,  7)  ge- 
lernt: Ihr  lebelang  ist  die  dritte  Abteilung  (vgl.  hierzu  Anm.  c)  nicht  bis  zu  „Liebe  be- 
wegt mich,  weil  Jahve  hört"  Ps  116, 1  gelangt,  weilihreTeilnehmer  nicht  zahlreich  waren. 
Bar  Qappara  lehrte  (als  tannait.  Tradition):  Das  ist  das  große  H.  (also  =  Ps  113— 118). 
Ein  Vorbeter  ^  trat  vor  die  Lade  (um  an  einem  Fasttage  nach  eingetretenem  Regen  das 
große  H.  zu  beten);  er  sprach  zu  ihnen  (zur  versammelten  Menge):  Sprecht  mir  nach, 
was  ich  sage!  Das  besagt  doch,  daß  es  (das  große  H.)  nicht  das  unsre  ist  (d.h.  das 
die  Psalmen  113— 118  umfassende;  denn  dann  hätte  er  es  ihnen  nicht  vorzusprechen 
brauchen;  also  ist  mit  dem  großen  H.  Ps  135 f.  gemeint).  R.  Mana  (wohl  IL,  um  370) 
hat  gesagt:  Es  ist  das  unsre  damit  gemeint:  es  war  nämlich  ein  großes  Wunder  ge- 
schehen; deshalb  sagte  der  Vorbeter  zu  ihnen:  Sprecht  mir  nach,  was  ich  sage!  (damit 
sie  es  alle  wie  aus  Einem  Munde  sprächen,  oder  auch,  weil  sich  unter  ihnen  Leute 
befanden,  die  die  Hallelpsalmen  113 — 118  nicht  auswendig  wußten).  Parallelstelle 
pP'^sö,  32'',  47.  Man  sieht  aus  diesen  Stellen,  daß  die  Bezeichnung  „großes  H."  bereits 
im   3.  Jahrhundert  umstritten  war. 

b.  P^sin»:  Rab  J^'huda  (t  299)  hat  gesagt,  Sch^'muel  (f  254)  habe  gesagt:  Das 
Lied  in  der  Tora  (Ex  15)  haben  Mose  u.  die  Israeliten  in  der  Stunde  gesungen,  da  sie 
aus  dem  Meer  emporstiegen.  AVer  aber  hat  das  H.  (Ps  113  —  118)  gesagt?  Die  Propheten, 
die  unter  ihnen  waren,  haben  es  für  die  Israeliten  festgesetzt,  daß  sie  es  zu  jeder  Zeit 
u.  in  bezug  auf  jede  Not  sagen  sollten,  damit  diese  nicht  über  sie  käme,  u.  wenn  sie 
Erlösung  gefunden,  sollten  sie  es  wegen  ihrer  Erlösung  sagen.  .  .  .  Wer  hat  das  H. 
gesagt  (=  verfaßt)?  R.Jose  (um  150)  sagte:  Mein  Sohn  El?azar  (b.  Jose,  um  180)  sagte: 
Mose  u.  die  Israeliten  haben  es  in  der  Stunde  gesagt,  da  sie  aus  dem  Meer  empor- 
stiegen. Aber  seine  Genossen  sagten,  daß  es  David  gesagt  habe.  Jedoch  scheinen  seine 

1  "3S  "3  -n  „ein  Sohn  des  Betens",  s.  dazu  Z.  Frankel,  EinL  in  d.  Jerus.  Talmud 
70a,  Levyl,9''. 


Matth21,9(9ll)  §47 

(R.  Elf  azars)  Worte  den  Vorzug  vor  ihren  Worten  zu  verdienen :  sollte  es  möglich  sein, 
daß  sie  ihre  Passahlämmer  geschlachtet  u.  ihre  Feststräuße  genommen  hätten  (in  der 
Zeit  vor  David),  ohne  ein  Lied  (nämlich  das  H.)  zu  singen?  .  .  .  Bar:  Wer  hat  das  H. 
(Ps  113 — 118)  gesagt?  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Mose  u.  die  Israeliten  haben  es  gesagt. 
Als  sie  nämlich  am  Meer  standen,  sprachen  sie:  Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns  Ps  115,  1, 
u.  der  heilige  Geist  (s.  bei  Lk  2,  25  6  4)  antwortete  ihnen:  Um  meinetwillen  will  ich  es 
tun!  (vgl.  Jes  48,  11).  R.  J'huda  (lies:  R.  J'hoschua?,  um  90)  sagte:  Josua  u.  die  Israe- 
liten haben  es  gesagt.  Als  nämlich  die  Könige  Kana?ans  wider  sie  auftraten,  sprachen 
sie  (Josua  u.  seine  Zeitgenossen):  Nicht  uns,  Jahve!  u.  es  antwortete  der  heilige 
Geist  usw.  R.  El?azar  aus  Modifim  (f  um  1.35)  sagte:  D^bora  u.  Baraq  haben  es  gesagt. 
Als  nämlich  Sis*^ra  wider  sie  auftrat,  sprachen  sie:  Nicht  uns,  Jahve!  u.  der  heilige 
Geist  antwortete  ihnen:  Um  meinetwillen,  um  meinetwillen  will  ich  es  tun!  R.  Elfazar 
b.  fAzarja  (um  100)  hat  gesagt:  Hiskia  u.  sein  Anhang  haben  es  gesagt.  Als  nämlich 
Sanherib  wider  sie  auftrat,  sprachen  sie:  Nicht  uns,  Jahve!  u.  der  heilige  Geist  ant- 
wortete usw.  R.  f Aqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Chananja,  Mischael  u.  fAzarja  haben 
es  gesagt.  Als  nämlich  Nebukadnecjar,  der  Frevler,  wider  sie  auftrat,  sprachen  sie: 
Nicht  uns,  Jahve!  u.  der  heilige  Geist  usw.  R.  Jose  der  Galiläer  (um  110)  sagte: 
Mardokhai  u.  Esther  haben  es  gesagt.  Als  nämlich  Haman,  der  Frevler,  wider  sie 
auftrat,  sprachen  sie:  Nicht  uns,  Jahve!  u.  der  heilige  Geist  usw.  Die  Gelehrten  sagten: 
Die  Propheten  in  ihrer  Mitte  haben  es  für  die  Isi'aeliten  festgesetzt,  daß  sie  es  zu  jeder 
Zeit  u.  in  bezug  auf  jede  Not  sagen  sollten,  damit  sie  nicht  über  die  Israeliten  käme, 
u.  sooft  sie  Erlösung  gefunden,  sollten  sie  es  sagen  ihrer  Erlösung  wegen.  —  ||  P'^s  118»: 
Da  es  ein  großes  H.  gibt  (Ps  135  f.),  warum  sagen  wir  (in  bezug  auf  jede  Not  u.  Er- 
rettung) dieses  (die  H.psalmen  113 — 118)?  Weil  in  diesem  fünferlei  enthalten  ist:  der 
Auszug  aus  Ägypten,  die  Spaltung  des  Schilfmeeres,  die  Gesetzgebung,  die  Auferweckung 
der  Toten  u.  die  Wehen  des  Messias.  Der  Auszug  aus  Ägypten,  s.  Ps  114,  1:  Da  Israel 
aus  Ägypten  zog.  Die  Spaltung  des  Schilfmeeres,  s.  Ps  114,3:  Das  Meer  sah  es  u. 
floh.  Die  Gesetzgebung,  s.  Psll4,4:  Die  Berge  hüpften  wie  Widder.  Die  Auferweckung 
der  Toten,  s.  Ps  116,  9:  Ich  werde  wandeln  vor  Jahve  in  den  Landen  der  Lebendigen. 
Die  Wehen  des  Messias,  s.  Ps  115,  1:  Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns!  R.  Jochanan  (f  279) 
hat  gesagt:  Die  Worte:  , Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns!"  beziehen  sich  auf  die  Knech- 
tung (Israels)  unter  die  Reiche  (der  Welt).  Nach  andren  hat  R.  Jochanan  gesagt:  Die 
Worte:  , Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns!"  beziehen  sich  auf  den  Krieg  Gogs  u.  Magogs.  — 
Rab  Nachman  b.  Ji^chaq  (f  356)  hat  gesagt:  (Das  H.  wird  gesagt,)  weil  darin  von  der 
Errettung  der  Seelen  der  Gerechten  aus  dem  Gehinnom  die  Rede  ist,  s.  Ps  116,  4:  Ach, 
Jahve,  errette  meine  Seele.  Chizqijja  (um  240)  hat  gesagt:  Weil  darin  von  dem  Hinab- 
steigen der  Gerechten  in  den  Feuerofen  u.  von  ihrem  Heraufsteigen  aus  ihm  die  Rede 
ist.  Von  ihrem  Hinabsteigen,  s.  Ps  115,  1:  „Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns",  das  sagte 
Chananja;  , sondern  deinem  Namen  gib  Ehre"  Ps  115,  1,  so  sagte  Mischael;  „ob  deiner 
Gnade  u.  ob  deiner  Wahrheit  (das.)  sagte  ?Azarja;  „warum  sollen  die  Heiden  sagen: 
Wo  ist  doch  ihr  Gott?"  Ps  115, 2,  das  sagten  alle  drei.  In  bezug  auf  ihr  Heraufsteigen  aus 
dem  Feuerofen  heißt  es:  „Rühmet  Jahven  alle  Völker"  Ps  1 17,  1,  das  sagte  Chananja; 
„preiset  ihn,  alle  Nationen"  (das.),  so  sprach  Mischael;  „denn  überreichlich  ist  gegen  uns 
seine  Gnade"  Ps  117,2  sagte  fAzarja;  „u.  ewig  besteht  Jahves  Wahrheit,  Hallelujah!" 
(das.)  sagten  alle  drei.  (Folgen  andre  ähnliche  Auslegungen  von  Ps  1 17,  2.)  —  |!  pB°rakh  2, 
.4'',  52:  R.  Abin  (I.,  um  325;  IL,  um  370)  hat  gesagt:  Auch  das  H.  ist  in  (zeitlicher) 
Reihenfolge  gesagt:  „Da  Israel  aus  Ägypten  zog"  (PslH)  geht  auf  die  Vergangen- 
heit; „Nicht  uns,  Jahve,  nicht  uns!"  (Ps  115)  auf  die  gegenwärtigen  Geschlechter; 
„Liebe  bewegt  mich,  weil  Jahve  meine  Stimme  hört"  (Ps  116)  auf  die  Tage  des  Messias; 
„Bindet  das  Festopfer  mit  Seilen"  (Ps  118,27)  auf  die  Tage  Gogs  u.  Magogs  (deren 
Scharen  gemeint  sind  mit  Ps  118,  10);  „Mein  Gott  bist  du  u.  ich  danke  dir"  (Ps  118,28) 
auf  die  Zukunft  (hier  =  zukünftige  Welt,  f  Olam  der  Vollendung).  —  Dasselbe  pM«'g  2, 
73a,  21;  LvR30(128b);  P^'siqlSlb;  Midr  Ps  26  §  6  (109b). 

C.  P^'s  5,  5:   Das  Passahofer  wird  in  drei  Abteilungen   geschlachtet,   s.  Ex  12,6: 


848  •     Matth  21,9(911) 

, Schlachten  soll  es  die  ganze  Versammlung  der  Gemeinde  Israel":  „Versammlung", 
„Gemeinde'^,  „Israel"  (also  drei  Abteilungen).  .  .  .  Das.  5,7:  Ist  die  erste  Abteilung 
herausgekommen  (aus  dem  Tempelvorhof),  so  i.st  die  zweite  eingetreten;  ist  die  zweite 
herausgekommen,  so  ist  die  dritte  eingetreten.  Wie  das  Tun  der  ersten  war,  so  das 
Tun  der  zweiten  u.  dritten.  Man  (die  Leviten)  hat  (dabei)  das  H.  (Ps  113—118)  rezitiert. 
Hat  man  (das  H.)  vollendet,  so  hat  man  es  wiederholt  u.,  wenn  man  es  wiederholt 
hat,  zum  drittenmal  rezitiert,  obgleich  sie  es  ihr  lebelang  nicbt  zum  drittenmal  (bis 
zu  Ende)  rezitiert  haben.  R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Ihr  lebelang  ist  die  dritte  Ab- 
teilung nicht  bis  zu  den  Worten  Ps  116,  1  gelangt:  „Liebe  bewegt  mich",  weil  ihre 
Teilnehmer  nicht  zahlreich  waren.  Vgl.  auch  P'^s  9,  3  in  Anm.  (/. 

d.  P'-'s  10,  6:  Wie  weit  sagt  man  das  H.  nach  Füllung  des  zweiten  Bechers  beim 
Passahmahl?  Die  Schule  Schammais  sagte:  Bis  Ps  113,9:  „Die  Mutter  der  Kinder 
freut  sich."  Die  Schule  Hillels  sagte:  Bis  Ps  114,  8:  „Kiesel  zu  einer  Wasserquelle".  — 
P^slO,  7:  Man  hat  ihm  den  dritten  Becher  eingefüllt,  u.  er  spricht  den  Segen  über 
seine  Mahlzeit  (das  Schlußtischgebet).  Den  vierten;  er  vollendet  das  H.  u.  spricht  den 
Segen  über  den  Gesang.  —  ||  P^s  9,  3:  Das  erste  Passah  verpflichtet  zum  H.  bei  seinem 
Essen,  das  zweite  (im  Monat  Ijjar,  s.  Nu  9,  1  ff.)  verpflichtet  nicht  zum  H.  bei  seinem 
Essen;  aber  dieses  wie  jenes  verpflichtet  zum  H.  bei  seiner  Darbringung  (im  Tempel, 
s.  Anm.  c).  —  Hierzu  P's  95'*:  Das  erste  Passah  verpflichtet  zum  H.  bei  seinem  Essen 
usw.  Woher  diese  Worte?  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon 
b.  J^ho^adaq  (um  225)  gesagt:  Die  Schrift  sagt  Jes  30,  29:  „Das  Lied  wird  euch  sein 
wie  in  der  Nacht,  da  das  Fest  eingeweiht  wird."  Die  Nacht,  die  für  das  Fest  geweiht 
ist,  verpflichtet  zum  H.;  die  Nacht,  die  nicht  für  ein  Fest  geweiht  ist  (wie  der  Abend 
des  14.  Ijjar,  auf  den  kein  Festtag  folgt)  verpflichtet  nicht  zum  H.  „Dieses  aber  wie 
jenes  verpflichtet  zum  Hallel  bei  seiner  Darbringung."  Weshalb?  Wenn  du  w-illst, 
sage:  „Die  Nacht"  schliefst  aus,  aber  der  Tag  (an  dem  die  Lämmer  für  das  zweite 
Passah  geschlachtet  werden)  schließt  nicht  aus.  Wenn  du  willst,  sage:  Ist  es  möglich, 
daß  die  Israeliten  ihre  Passahopfer  schlachten  u.  ihre  Feststräuße  (am  Laubhüttenfest) 
nehmen  sollten,  ohne  das  H.  zu  singen? 

e.  fArakh  10'':  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  J"^ho9adaq 
(um  225)  gesagt:  An  18  Tagen  (im  Jahr)  sagt  der  einzelne  das  ganze  H.  (Ps  113 — 118): 
an  den  8  Tagen  des  Laubhüttenfestes,  an  den  8  Tagen  des  Tempelweihfestes  (Chanukka 
im  Monat  Kislev,  etwa  Dezember),  am  ersten  Feiertag  des  Pussahfestes  u.  am  ersten 
Feiertag  des  Pfingstfestes.  (Ähnlich  bereits  in  TSukka  3,  2.)  In  der  Diaspora  aber  an 
21  Tagen:  an  den  9  Tagen  des  Laubhüttenfestes,  an  den  8  Tagen  des  Tempelweih- 
festes, an  den  beiden  (ersten)  Feiertagen  des  Passahfestes  u.  an  den  beiden  Feiertagen 
des  Pfingstfestes.'  Was  ist  für  ein  Unterschied,  daß  wir  das  H.  am  Laubhüttenfest  an 
jedem  Tage,  u.  daß  wir  es  am  Passahfest  nicht  an  jedem  Tage  sagen?  Die  (Tage)  des 
Laubhüttenfestes  unterscheiden  sich  voneinander  durch  ihre  Opfer,  die  des  Passahfestes 
unterscheiden  sich  nicht  durch  ihre  Opfer.  Dann  sollte  man  das  H.  am  Sabl^at  sagen, 
der  sich  durch  seine  Opfer  (von  den  übrigen  Tagen)  unterscheidet!  Dieser  wird  nicht 
-yia  „Festtag"  genannt.  Dann  sollte  man  es  am  Neumondstage  sagen,  der  „Festtag" 
genannt  wird!  (Vgl.  Sch'^bu  10^,  wo  auf  KL  1,  15  als  Beleg  verwiesen  ist.)  Dieser  ist 
nicht  geheiligt  durch  das  Verbot  der  Verrichtung  einer  Arbeit;  denn  es  heißt  Jes  30,  29: 
„Das  Lied  (Hallel)  wifd  euch  sein  wie  in  der  Nacht,  da  das  Fest  eingeweiht  wird." 
Die  Nacht,  die  für  das  Fest  geheiligt  ist,  verpflichtet  zum  Lied  (Hallel),  die  aber  nicht 
für  das  Fest  geheiligt  ist,  verpflichtet  nicht  zum  Lied.  Dann  sollte  man  es  sagen,  am 
Neujahrstag  u.  am  Versöhnungstag,  die  „Festtag"  genannt  werden  u.  die  geheiligt  sind 
durch  das  Verbot  der  Verrichtung  einer  Arbeit!  Da  geschieht  es  nicht  wegen  dessen, 
was  R.  Abbahu  (um  300)  gesagt  hat.  Denn  dieser  hat  gesagt:  Die  Dienstengel  sprachen 


*  Die  Auslandsgemeinden  feierten  (u.  feiern)  wegen  möglichen  Zweifels  über  die 
richtigen,  im  Mutterland  festzusetzenden  Neumondstage  an  den  drei  großen  Festen 
(Passah,  Pfingsten,  Laubhütten)  zwei  erste  Feiertage,  auch  zwei  Neujahrstage. 


Mafcth  21,9  (^t  1.2)  849 

vor  Gott:  Herr  der  Welt,  warum  sagen  die  Israeliten  vor  dir  kein  Lied  (Hallel)  am 
Neujahrstage  u.  am  Versöhnungstage?  Er  antwortete:  Der  König  sollte  auf  dem  Ge- 
richtsthron sitzen,  während  die  Bücher  der  Lebendigen  u.  der  Toten  vor  ihm  auf- 
geschlagen liegen,  u.  die  Israeliten  sollten  vor  mir  ein  Lied  singen?!  Aber  beim  Tempel- 
weihfest trifft  doch  weder  das  eine  noch  das  andre  zu  (es  heißt  weder  „Festtag", 
noch  ist  es  geheiligt  durch  die  Arbeits  verböte),  u.  doch  sagt  man  das  Hallel!  Es  ge- 
schieht des  Wunders  wegen.  Dann  sollte  man  es  am  Purimfest  sagen,  an  welchem 
(gleichfalls)  ein  Wunder  geschah!  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt:  (Es  unterbleibt 
am  Purimfest,)  weil  man  kein  Lied  wegen  eines  Wunders  sagt,  das  sich  im  Ausland 
zutrug.  Rab  Nachman  b.  Jipchaq  (f  356)  wandte  ein:  Siehe,  der  Auszug  aus  Ägypten 
war  ein  Wunder,  das  sich  im  Ausland  zugetragen  hat,  u.  doch  sagte  man  das  H.!  Es 
verhält  sich  damit,  wie  es  in  einer  Bar  heißt:  Solahge  die  Israeliten  nicht  in  das  Land 
(Israel)  eingezogen  waren,  waren  alle  Länder  tauglich,  daß  man  in  ihnen  ein  Lied 
(Gotte)  sang;  seitdem  sie  aber  in  das  Land  eingezogen  sind,  sind  nicht  alle  Länder 
tauglich,  daß  man  in  ihnen  ein  Lied  singe.  Rab  Nachman  (f  320)  hat  gesagt:  Das 
Lesen  (der  Estherrolle  am  Purimfest)  vertritt  das  H.  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Wohl, 
dort  (beim  Auszug  aus  Ägypten)  waren  jene  Israeliten  Knechte  Jahves  u.  nicht  Knechte 
des  Pharaos;  waren  sie  auch  hier  (bei  ihrer  Errettung  vor  Haman)  Knechte  Jahves 
u.  nicht  Knechte  des  Achaschverosch?  Wir  sind  ja  noch  immer  Knechte  des  Achasch- 
verosch!  Und  mit  Bezug  auf  Rab  Nachman,  der  gesagt  hat,  das  Lesen  (der  Esther- 
rolle) vertrete  das  H.,  gilt  ja  die  Bar:  Seitdem  die  Israeliten  in  das  Land  eingezogen 
waren,  waren  nicht  alle  Länder  tauglich,  daß  man  in  ihnen  ein  Lied  sang;  nachdem 
sie  aber  (wiederum)  in  die  Verbannung  gezogen  sind,  hat  man  sie  (die  außerpalästinischen 
Länder)  wieder  freigegeben  (zum  Gesang  nach  einem  Wunder),  wie  vordem.  —  Teil- 
weise parallel  M^g  14^  u.  Tafan  28''.  Die  zuletzt  genannte  Stelle  bringt  zunächst  den 
Ausspruch  des  R.  Schim?on  b.  J'^hopadaq  über  die  18,  bezw.  21  Tage,  an  denen  das^ 
ganze  H.  zu  sprechen  ist.  Darauf  folgt:  Als  Rab  (f  247)  nach  Babel  kam,  sah  er, 
wie  sie  das  H.  am  Neumondstage  rezitierten  (was  nach  obigen  Stellen  in  Palästina 
nicht  geschah);  da  wollte  er  sie  unterbrechen.  Als  er  aber  sah,  daß  sie  (bei  der 
Rezitation  des  H.)  Stellen  überschlugen,  sagte  er:  Daraus  ist  zu  entnehmen,  daß  dieser 
Brauch  von  ihren  Vätern  her  sich  bei  ihnen  findet.  —  Die  babylonische  Sitte  hat  sich 
später  wohl  überall  eingebürgert.  Nach  den  jüdischen  Gebetbüchern  wird  daher  das 
H.  gegenwärtig,  allerdings  mit  Auslassung  von  Ps  115,  1 — 11;  116,  1  —  11,  auch  an  den 
Neumondstagen  u.  an  sämtlichen  Tagen  des  Passahfestes  rezitiert. ^ 

2.  waavvd  TO)  vUo  Javeiö.  Der  Hosiannaruf  erscheint  hier  auf  das 
engste  mit  den  messian.  Hoffnungen  verknüpft,  deren  ErfüUung  die 
Menge  von  Jesu  erwartet  hat.  Daß  man  auch  sonst,  wenigstens  in  der 
nachtannai'tischen  Periode,  gewisse  Verse  der  Hailelpsalmen  mit  dem 
messian.  Gedanken  in  Verbindung  gebracht  hat,  beweist  P^s  118»  u. 
pBn-akh  2,  4^  52  in  Nr.  1  Anm.  b.  Weiteres  s.  bei  Lk  22,  19. 

Eine  Deutung  von  Ps  118,  21  ff.  auf  David  bietet  Pes  119*:  R.  Schßmuel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt,  R.  Jonathan  (um  220)  habe  gesagt:  Jch  danke  dir,  denn  du  er- 
hörtest mich"  Ps  118,21,  hat  David  (bei  seiner  Erwählung)  gesagt.  „Der  Stein,  den 
die  Bauleute  verworfen,  ist  zum  Hauptstein  der  Ecke  geworden"  Vers  22,  hat  Isai  ge- 
sagt (mit  Bezug  auf  den  zunächst  übersehenen  David).  „Von  Jahve  ist  das  geschehen" 
Vers  23,  das  haben  Davids  Brüder  gesagt.    „Dies  ist  der  Tag,  den  Jahve  gemacht  hat" 


1  Nicht  gehört  hierher  der  Ausspruch  des  R.Jose,  um  150:  Möge  mein  Teil  mit 
denen  sein,  die  das  H.  täglich  ganz  rezitieren.  Wirklich?  Ein  Autor  hat  doch  aber 
gesagt:  Wer  das  H.  täglich  rezitiert,  der  ist  wie  einer,  der  schmäht  u.  lästert!  Wie 
wir  gesagt  haben,  sind  damit  die  Psalmverse  (mit  t's^n,  d.  h.  Ps  148  u.  150)  gemeint 
Schab  118  b.  —  Nach  Tr.  Soph'^rim  19  (13'')  beziehen  sich  die  Worte  des  R.  Jose  auf 
die  sechs  täglich  zu  betenden  Psalmen,  d.  h.  auf  Ps  145 — 150. 

strack  n.Billerbeck,  NTI.  54 


850  Matth  21,9  (312.  33.  ß).  21,12 

Vers  24,  hat  Samuel  gesagt.  ,Ach  Jahve,  hilf  doch  !"  Vers  25,  haben  seine  Brüder  ge- 
sagt. ,Ach  Jahve,  laß  doch  gelingen!"  Vers  25,  hat  David  gesagt.  , Gesegnet  sei,  der 
da  kommt,  im  Namen  Jahves!"  Vers  26,  hat  Isai  gesagt.  ,Wir  segnen  euch  vom  Hause 
Jahves"  Vers  26,  hat  Samuel  gesagt.  „Jahve  ist  Gott,  u.  er  leuchtete  uns!"  Vers  27, 
haben  sie  alle  gesagt.  „Bindet  das  Festopfer  mit  Seilen"  Vers  27  hat  Samuel  gesagt. 
„Mein  Gott  bist  du  u.  ich  will  dir  danken"  Vers  28  hat  David  gesagt.  „Mein  Gott, 
ich  will  dich  erhöhen  Vers  28,  haben  sie  alle  gesagt.  —  Ähnlich  Targ  Ps  118,  22 — 29, 
s.  bei  xMt2I,42Nr.  2  S.  876. 

Wie  eng  übrigens  im  Bewußtsein  des  jüd.  Volkes  der  Hosiannaruf 
mit  dem  Palmzweig  verknüpft  war,  so  daß  das  Ergreifen  eines  solchen 
(s.  Joh  12, 13)  in  einem  Augenblick,  wie  der  Mt  21,  1  ff.- geschilderte  war, 
gar  wohl  unwillkürlich  das  Hosianna  auf  aller  Lippen  legen  konnte, 
erkennt  man  am  besten  daraus,  daß  der  Laubhüttenfeststrauß,  dessen 
Hauptstück  ja  ein  Palmzweig  war  u.  mit  dessen  Schütteln  man  den  fest- 
lichen Hosiannaruf  begleitete,  selbst  geradezu  „Hosianna"  x;?^3in  ge- 
nanntwurde. Sukka37'':  Rabbah  (fSSO)  hat  gesagt:  Man  stecke  nicht  den 
Palmzweig  (nachträglich  von  oben  aus)  in  den  Hoscha?na  (Feststrauß) 
hinein  (sondern  binde  ihn  von  vornherein  mit  den  Myrten-  u.  Bachweiden- 
zweigen zusammen).  Andre  Beispiele:  Sukka  Sl'';  34»;  ST^*  (mehrmals). 

21,9  93:   Gesegnet  sei,   der  da  kommt,  im  Namen  des  Herrn! 

Eine  Deutung  dieser  Worte  aus  Ps  118,  26  auf  David  Pes  119»  s.  S.  850«.  —  Eine 
andre  Deutung  auf  die  messian.  Enderlösung  s.  Midr  Ps  118  §22  (244»):  „Dies  ist  der 
•l'ag,  den  Jahve  gemacht  hat"  Ps  118,24.  Alle  Erlösungen,  die  den  Israeliten  in  der 
Vergangenheit  gekommen  sind,  hatten  nacji  sich  (neue)  Knechtschaft;  aber  von  jetzt 
an  u.  weiter  (nach  der  messian.  Enderlösung)  folgt  keine  Knechtschaft  mehr,  s.  Jes 
12,  5f.  „Ach  Jahve,  hilf  doch"  Ps  118,  25.  Die  Leute  von  Jerusalem  werden  von  drinnen 
sagen:  Ach  Jahve  hilf  doch!  u.  die  Leute  Judäas  werden  von  draußen  sagen:  „Ach 
Jahve,  gib  doch  Gelingen"  (das.).  Die  Leute  Jer.s  werden  von  drinnen  sagen:  „Gesegnet 
sei,  der  da  kommt,  im  Namen  Jahves!"  (Vers  26),  u.  die  Leute  Judäas  werden  von 
draußen  sagen:  „Wir  segnen  euch  vom  Hause  Jahves"  (das.).  Die  Leute  Jer.s  werden 
von  drinnen  sagen:  „Jahve  ist  Gott  u.  er  leuchtete  uns"  (Vers  27),  u.  die  Leute  Judäas 
werden  von  draußen  sagen:  „Bindet  das  Festopfer  mit  Seilen  bis  zu  den  Hö/nern  des 
Altars"  (das.).  Die  Leute  Jer.s  werden  von  drinnen  sagen:  „Mein  Gott  bist  du,  ich  will 
dich  preisen"  (Vers  28),  u.  die  Leute  Judäas  werden  von  draußen  sagen:  „Mein  Gott, 
ich  will  dich  erhöhen"  (das.).  Die  Leute  Jer.s  u.  die  Leute  Judäas  werden  ihren  Mund 
auftun  u.  Gott  loben  u.  sagen:  „Danket  Jahve,  denn  er  ist  gütig,  denn  auf  ewig  (währt) 
seine  Gnade!"  (Vers  29). 

21,9  6:  Hosianna  in  den  Höhen. 

Targ  Ps  148,  1 :  Hallelujah!  Preiset  Jahven,  heilige  Wesen,  vom  Himmel  aus;  preiset 
ihn,  alle  Kräfte  der  Engel  der  Höhe! 

21,12:  Alle,  welche  im  Heiligtum  verkauften  u.  kauften. 
Den  Verkauf  des  Trankopferweins  hatte  das  Tempelärar  in  eigene 
Regie  übernommen  ;a  auch  Geflügelopfer,  wie  Tauben, 'konnten  jederzeit 
im  Heiligtum  von  der  Tempel  Verwaltung  gekauft  werden,  b  Es  war 
aber  niemand  verwehrt,  seinen  Bedarf  an  Opfertieren  freihändig  bei 
Viehhändlern  zu  decken;  letztere  werden  Sch^'q  7,  2  ausdrücklich  er- 
wähnt, c  Ein  besonders  schwunghafter  Handel  mit  Oofertieren  scheint 


Matth21,12  851 

in  der  Nähe  des  Tempels  am  Ölberg  getrieben  zu  sein;d  doch  fehlt 
es  auch  nicht  an  Andeutungen,  daß  die  Händler  ihre  Ware  auf  dem 
Tempelberg  selbst  feilboten,  e 

a.  ScheqS,  3:  Vier  Siegel(niaiken)  gab  es  im  Heiligtum,  mit  den  Aufschriften: 
Kalb,  Widder,  Böcklein,  Sünder.  Ben  ?Azzai  (um  110)  sagte:  Fünf  mit  aramäischen 
Aufschriften:  Kalb,  Widder,  Böcklein,  armer  Sünder  u.  reicher  Sünder.  Das  Siegel  mit 
jKalb"  diente  (zum  Ankauf  des  Weines)  zu  den  Trankopfern  bei  Rinderopfern;  es 
mochten  diese  groß  oder  klein,  männlich  oder  weiblich  sein.  Das  mit  »Böcklein"  diente 
zu  den  Traukopfern  bei  den  Kleinviehopfern,  großen  u.  kleinen,  männlichen  u.  weib- 
lichen, mit  Ausnahme  der  Widderopfer.  Das  mit  , Widder"  diente  lediglich  zu  den 
Trankopfern  bei  Widderopfern.  Das  mit  „Sünder"  diente  zu  den  Trankopfern  bei  den 
drei  Tieropfern  der  Aussätzigen.  —  Scheq  5,  4:  Wer  Trankofer  wünschte,  ging  zu 
Jochanan,  der  über  die  Siegel  gesetzt  war;  er  gab  Geld  u.  empfing  von  ihm  das  (be- 
treifende) Siegel.  Er  ging  damit  zu  Achijja,  der  über  die  Trankopfer  gesetzt  war,  u. 
empfing  von  ihm  dafür  das  (betreifende)  Trankopfer.  Am  Abend  kamen  beide  zu- 
sammen: Achijja  holte  die  Siegel  heraus  u.  empfing  (von  Jochanan)  das  Geld.  War 
mehr  Geld  vorhanden  (als  die  Marken  erforderten),  so  gehörte  es  zum  Geheiligten 
(Tempelschatz);  war  weniger  vorhanden,  so  hatte  Jochanan  es  zu  ersetzen;  denn  das 
Geheiligte  hatte  die  Oberhand  (das  Vorrecht).  —  Scheq  5^  5;  Wenn  jemand  sein  Siegel 
verlor,  ließ  man  ihn  bis  zum  Abend  warten;  fand  sich  dann  so  viel  (Geld  mehr)  vor, 
wie  sein  Siegel  betrug,  so  gab  man  ihm  (sein  Trankopfer) ;  wenn  aber  nicht,  so  gab 
man  es  ihm  nicht.  Auch  stand  der  Name  des  Tages  (auf  den  Siegeln)  geschrieben 
der  Betrüger  wegen. 

b.  Scheq  6,  5:  Dreizehn  posaunenartige  Behälter  (Geldbüchsen)  waren  im  Heilig- 
tum; auf  ihnen  stand  geschrieben:  Neue  Scheqelabgaben  (s.  bei  Mt  17,  24),  alte  Scheqel- 
abgaben,  Geflügelopfer,  Tauben  zu  Ganzopfern,  Holz,  Weihrauch,  Gold  zu  Sprengbecken; 
sechs  waren  für  freiwillige  Gaben.  .  .  .  „Geflügelopfer"  bedeutete  Turteltaubenopfer; 
, Tauben  zu  Ganzopfern"  bedeutete  die  Opfer  von  jungen  Tauben,  u.  alle  waren  Ganz- 
opfer. So  R.  Jehuda  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten:  „ Geflügelopfer "  dienten 
sowohl  zu  Sündopfern,  als  auch  zu  Ganzopfern;  „Tauben  zu  Ganzopfern"  dienten  nur 
zu  Ganzopfern.  —  Über  diese  für  uns  belanglose  Meinungsverschiedenheit  s.  pScheq 
<>,  50  b,  21  u.  die  Kommentare. 

C.  Scheq  7,  2  u.  TScheq  3,  9  (178):  Geld,  das  (in  Jerusalem)  vor  dem  Stand  der 
(Opfer-)  Viehhändler  gefunden  wird,  gilt  stets  als  zweiter  Zehnt  (bestimmt  zu  Friedmahls- 
opfern).—  Speziell  auf  den  Handel  mit  Geflügelopfern  bezieht  sich  Kr  1,7:  Es  trug 
sich  einmal  zu,  daß  die  Geflügelopfer  in  Jerusalem  auf  einen  Golddenar  zu  stehen 
kamen.  Da  sprach  R.  Schimfon  b.  Gamliel  (I.,  gegen  Ende  des  Tempelbestandes):  Bei 
diesem  Tempel!  Ich  will  in  der  Nacht  nicht  schlafen,  bis  sie  für  (Silber-)Denare  zu 
haben  sind.  Da  ging  er  in  den  Gerichtshof  u.  lehrte:  Wenn  eine  Frau  fünf  zweifel- 
lose Geburten  oder  fünf  zweifellose  Blutausflüsse  gehabt  hat,  so  bringt  sie  Ein  Opfer 
(von  Geflügel),  u.  dann  darf  sie  am  Opferschmaus  teilnehmen,  während  sie  für  die 
übrigen  (vier)  Fälle  nicht  zu  einem  Opfer  verpflichtet  ist.  (Nach  der  Halakha  wäre  sie 
zu  fünf  Opfern  verpflichtet  gewesen;  die  Entscheidung  des  R.  Schimfon  b.  G.  stellt  einen 
Ausnahmefall  dar,  der  in  der  herrschenden  Teuerung  begründet  war.)  Da  kamen  die 
Geflügelopfer  an  demselben  Tage  auf  einen  viertel  (Silber-)Denar  zu  stehn. 

d.  pTafan  4, 1)9»,  87:  Zwei  Zedern  standen  auf  dem  Ölberg.  Unter  der  einen  von 
ihnen  verkauften  vier  Kaufhallen  Reines  (zum  Reinigungsopfer  Gehöriges),  u.  von  der 
andren  holte  man  monatlich  40  Sea '  junge  Tauben  herunter,  von  denen  man  Geflügel- 
opfer an  alle  Israeliten  zur  Genüge  abgeben  konnte. 

e.  Mit  Bezug  auf  ße9a2,  4:  „Die  Schule  Schammais  sagte:  Man  darf  Friedens- 
opfer (an  einem  Feiertage)  darbringen,  aber  nicht  die  Hände  auf  sie  aufstemmen;  da- 


1  1  Sea  =  13,  131  Liter. 


852  Matth  21,  12.13  (91  1.2) 

gegen  darf  man  (der  einzelne)  keine  Ganzopfer  (an  einem  Feiertage)  darbringen;  die 
Schule  Hillels  sagte:  Man  darf  Friedensopfer  u.  Ganzopfer  darbringen  u.  die  Hände  auf 
sie  aufstemmen"  —  wird  pJom  tob  2,  61^,  13  berichtet,  dafs  die  Schule  Schammais,  als 
sie  einmal  die  Oberhand  gewann,  versucht  habe,  die  Halakha  nach  ihrer  Meinung  fest- 
zulegen. Dann  heißt  es:  Es  war  daselbst  Baba  b.  ßuta  (Zeitgenosse  Herodes  des 
Großen)  von  den  Schülern  der  Schule  Schammais;  der  wußte,  daß  die  Halakha  war 
wie  die  Meinung  der  Schule  Hillels.  Einmal  betrat  er  den  Vorhof  u.  fand  ihn  verödet 
(weil  niemand  mehr  auf  Grund  der  schammaitischen  Lehrmeinung  an  einem  Feiertag 
ein  Opfer  darbrachte).  Da  sprach  er:  Mögen  veröden  die  Häuser  derer,  die  das  Haus 
unsres  Gottes  verödet  haben!  Was  tat  er?  Er  ließ  3000  Stück  Kleinvieh  vom  Klein- 
vieh Qedars  kommen  u.  untersuchte  sie  betreffs  (etwaiger)  Leibesfehler  u.  stellte  sie 
auf  dem  Tempelberg  auf.  Er  sprach  zu  den  Israeliten:  Höret  mich,  meine  Brüder, 
Haus  Israel;  wer  will,  bringe  Ganzopfer,  bringe  sie  u.  stemme  seine  Hände  auf;  (wer 
will,)  bringe  Friedensopfer,  bringe  sie  u.  stemme  seine  Hände  auf.  In  jener  Stunde 
wurde  die  Halakha  festgelegt  nach  der  Meinung  der  Schule  Hillels,  u.  niemand  sagte 
ein  Wort.  —  Ähnlich  in  TChag  2,  11  (236).  ||  Schab  15a:  Vierzig  Jahre  vor  der  Zerstörung 
des  Tempels  wanderte  das  Synedrium  (aus  der  Quaderhalle)  aus  u.  nahm  seinen  Sitz 
in  den  Kaufhallen  (auf  dem  Tempelberg,  in  denen  vermutlich  Opferbedürfnisse  feil- 
geboten wurden).  —  Diese  Nachricht  tradiert  R.  Jischma?el  im  Namen  seines  Vaters, 
des  R.  Jose,  um  150.  Später  wird  die  Übersiedelung  des  Synedriums  aus  der  Quaderhalle 
in  die  Kaufhallen  von  R.  Jochanan  (f  279)  erwähnt  RH  31=*-'^.  —  Ganz  gelegentlich 
spricht  von  diesen  Kaufhallen  auch  Abba  b.  Kahana  (um  310),  indem  er  Midr  KL  4,  4 
(75a)  sagt,  daß  von  ihnen  ein  Wasserkanal  seinen  Ausgang  genommen  habe. 

21,  12:  Die  Tische  der  Wechsler  (s.  bei  Mt  17,  24). 
21,13  5t:  Mein  Haus  soll  ein  Bethaus  genannt  werden. 

1.  0  olxög  fxov.  —  „Haus  Jahves"  1^^1^•^  n^a  bereits  1  Sm  1,  7.  24;  3, 15; 
der  Targ  stets:  iin  xir^p-a  nia  =  Heiligtum  Jahves;  LXX  überall  oixog 
xvQi'ov  „Haus  des  Herrn".  Der  letztere  Ausdruck  dann  auch  in  den 
Apokryphen,  zB  3  Esra  5,  57.  60;  6,  20.  22.  24.  26.  27.  28;  8,  46.  —  n-s 
c-^nbxn  „Haus  Gottes"  =  Tempel  zB  ExR  52  (104^=). 

2.  ohoc  uooaevxrjC-  —  Grundstelle  Jes  56,  7:  nsstn  n-^z;  Targ:  ^h's  r^a 
„Haus  des  Betens";  LXX:  o  oixog  ^.lov  oi'xog  nQoaevxr^c  xh]0^t'^(Tsrai. 

Jes  56, 7  in  der  rabbin.  Literatur:  Berakh7a:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen 
des  R.Jose  (um  150)  gesagt:  Woher,  daß  Gott  betet?  s,:  ,Ich  will  sie  zu  meinem 
heiligen  Berge  bringen  u.  will  sie  fröhlich  machen  im  Hause  meines  Gebetes"  Jes  56,  7 ; 
„ihres  Gebetes"  heißt  es  nicht,  sondern  „meines  Gebetes";  hieraus  folgt,  daß  Gott 
betet.  Was  betet  er?  Rab  Zutra  b.  Tobijja  (um  270)  hat  gesagt,  Rab  (t  247)  habe  ge- 
sagt: Es  sei  Wille  vor  mir  (d.  h.  es  möge  mein  Wille  sein),  daß  mein  Erbarmen  meinen 
Zorn  unterdrücke  u.  mein  Erbarmen  über  meine  Strafgerechtigkeit  triumphiere,  u.  daß 
ich  mit  meinen  Kindern  nach  dem  Maß  des  Erbarmens  verfahre  u.  sie  eintreten  lasse 
nach  innen  zu  von  der  Linie  des  strengen  Rechts  (d.  h.  daß  ich  sie  milder  beurteile, 
als  es  nach  dem  Buchstaben  des  strengen  Rechts  geschehen  müßte).  |!  In  einer  Bar 
über  die  Reihenfolge  der  einzelnen  Benediktionen  im  Achtzehn-Gebet  heißt  es  Meg 
17b.  iga;  Wenn  Jerusalem  erbaut  ist  (Benediktion  14),  dann  kommt  David  (=  Messias), 
s.  Hos  3,  5:  Nachher  werden  wiederkehren  die  Kinder  Isr.  u.  suchen  nach  Jahve,  ihrem 
Gott,  u.  nach  David,  ihrem  König  (15.  Bened.  nach  der  babyl.  Rezension);  u.  wenn  David 
gekommen  ist,  dann  kommt  das  Gebet  (16.  Bened.),  s.  Jes  56,  7:  Ich  will  sie  zu  meinem 
heiligen  Berge  bringen  u.  in  meinem  Bethaus  fröhlich  machen;  u.  wenn  das  Gebet  ge- 
kommen ist,  dann  kommt  der  Opferdienst  (17.  Bened.)  .  .  .  ||  pBerakh  4,  8b,  62  Bar: 
Der  Blinde  u.  wer  die  Himmelsrichtungen  nicht  genau  bestimmen  kann,  die  beten  nach 
oben  (zum  Himmel)  hin,  s.  1  Kg  8,  44:  ,Sie  beten  zu  Jahve."    Die,  welche  stehen  u. 


Matth21,  13  [%2.  S).  21,  15  853 

beten  im  Auslande,  wenden  ihr  Angesicht  nach  dem  Lande  Israel  hin.  Weshalb?  ,Sie 
beten  zu  dir  in  der  Richtung  nach  ihrem  Lande,  das  du  ihren  Vätern  gegeben  hast" 
(das.  Vers  48).  Die,  welche  stehen  u.  beten  im  Lande  Israel,  wenden  ihr  Angesicht 
nach  Jerusalem  hin.  Weshalb?  „Sie  beten  zu  dir  (Text:  mn-i  ha)  in  der  Richtung  der 
Stadt,  die  du  erwählt  hast"  (das.  Vers  44).  Die,  welche  stehen  u.  beten  in  Jerusalem, 
wenden  ihr  Angesicht  nach  dem  Tempelberg  hin:  Sie  beten  ...  in  der  Richtung  des 
Hauses,  welches  ich  deinem  Namen  gebaut  habe  (das.  Vers  44).  Die,  welche  stehen 
u.  beten  auf  dem  Tempelberg,  wenden  ihr  Angesicht  nach  dem  Allerheiligsten.  Wes- 
halb? „Was  sie  beten  nach  diesem  Orte  hin,  das  höre  du  hin  zum  Orte  deines  Wohnens 
zum  Himmel  u.  erhöre  u.  vergib"  (das.  Vers  30;  doch  ist  das  Zitat  ungenau).  Somit 
wenden  die  im  Norden  Stehenden  ihr  Angesicht  nach  Süden,  die  im  Süden  Stehenden 
nach  Norden,  die  im  Osten  Stehenden  nach  Westen  u.  die  im  Westen  nach  Osten.  So- 
mit betet  ganz  Israel  nach  Einem  Ort;  das  meint  Jes56,  7:  Mein  Haus  wird  heifsen 
Bethaus  für  alle  Völker.  ||  Pesiq  100 »:  R.  Luljanus  (=  Julianus)  aus  Südjudäa  hat  im 
Namen  des  R.  Juda  b.  Simon  (um  320)  gesagt:  Gott  spricht:  Du  hast  vier  Hausgenossen: 
Sohn,  Tochter,  Knecht  u.  Magd;  auch  ich  habe  vier:  Leviten,  Fremdling,  Waise  u. 
Witwe,  u.  alle  in  Einem  Verse:  „Sei  fröhlich  an  deinem  Feste,  du  u.  dein  Sohn  u. 
deine  Tochter  u.  dein  Knecht  u.  deine  Magd  u.  der  Levit  u.  der  Fremdling  u.  die  Waise 
u.  die  Witwe  in  deinen  Toren"  Dt  16,  14.  Gott  spricht:  Ich  habe  dir  gesagt,  daß  du 
den  Deinen  u.  den  Meinen  erfreuen  sollst  an  den  Festtagen,  die  ich  dir  gegeben  habe; 
wenn  du  also  tust,  so  erfreue  auch  ich  den  Deinen  u.  den  Meinen,  diese  wie  jene 
werde  ich  dereinst  in  dem  Hause  der  Erwählung  n-'nan  r'z  (d.  h.  im  Tempel)  erfreuen, 
s.  Jes5G,  7:  Ich  werde  sie  erfreuen  in  meinem  Bethaus.  —  Parallelstellen:  Tanch  ns^ 
13b;  TanchBns^  §17  (14«). 

21, 13  $8:  Ihr  aber  macht  es  zu  einer  Räuberhöhle. 

üTTT^Xaiov  hjaiMv.  —  Grundstelle  Jer  7, 11:  Ist  denn  eine  Räuberhöhle 
ci:j"ie  r^yj-c  dieses  Haus  geworden  ?  —  Targ :  Ist  denn  gleich  einer  Versamm- 
lungsstätte  von  Gottlosen  dieses  Haus  geworden?  —  LXX:  {xr;  aTn]Xaiov 
kjiaxMv  ö  ot'xögfxov . .  .,•=  „doch  nicht  eine  Räuberhöhle  ist  mein  Haus. . .?!" 

Zu  dem  Urteil  Jesu  vgl.  P^s  57»  =  TM^n  13,  ISff.  21  bei  Joh  18,  13  Anm.  bu.c  — 
Ferner  Pes  57a  Bar:  Vier  Rufe  hat  der  Vorhof  ausgestoßen.  Zuerst:  Gehet  hinaus  von 
hier,  ihr  Söhne  fEIis;  denn  ihr  habt  den  Tempel  verunx-einigt.  Ferner:  Geh  hinaus 
von  hier,  Issakhar^  aus  Kephar-Barqai,  der  sich  selbst  ehrt  u.  die  heiligen  Opfer 
Gottes  entweiht;  denn  er  pflegte  seine  Hände  mit  feiner  Seide  zu  umwickeln  u.  so  den 
Opferdienst  zu  verrichten.  Drittens:  Erhebet,  ihr  Tore,  eure  Häupter,  daß  Jischmafel 
b.  Phiabi  (wohl  der  Jüngere,  etwa  59—61  n.  Chr.  Hoherpriester),  der  Schüler  des 
Pinechas  (s.  Nu  25,  7ff".)  eintrete  u.  das  Hohepriestertum  verwalte.  Viertens:  Erhebet, 
ihr  Tore,  eure  Häupter,  daß  Jochanan  b.  Nidbai  ^  (so  lies  statt  "'ss":),  der  Schüler  des 
"s-.:e  (?),  eintrete  u.  seinen  Bauch  von  den  heihgen  Opfern  Gottes  fülle! 

21,  15:  Die  Kinder,  die  im  Heiligtum,  riefen  u.  sprachen: 
Hosianna  dem  Sohne  Davids! 
Die  Kinder  wurden  möglichst  früh  daran  gewöhnt,  ihren  Feststrauß 
zu  schütteln,  sobald  sie  am  Laubhüttenfest  beim  Hallelgesang  im  Tempel 
die  Worte  x:  nr^i^in  „ach  hilf  doch"  (Ps  118,25)  vernahmen.  —  Sukka 
3, 15  u.  TChag  1,  2  (232):  Ein  Kind,  das  zu  schütteln  versteht,  ist  zum 
Nehmen  des  Feststraußes  verpflichtet ;s.Exk.:  „Das  Laubhüttenfest."  — 

^  Nach  dem  Zusammenhang  ein  Hoherpriester. 

2  Der  Hohepriester  Ananias,  Sohn  des  Nedebaios  (47—59  n.  Chr.),  der  wegen  seiner 
Habgier  verrufen  war,  s.  Joseph.  Ant.  2^',  9,  2  bei  Joh  18,  13  Anm.  b. 


854  Matth  21,15. 16 

Außerdem  folgt  aus  der  Tosephta,  daß  die  Kinder  schon  frühzeitig  in 
der  Schule  im  Vorlesen  oder  Rezitieren  des  Hallel  geübt  wurden,  so 
daß  ihnen  der  Hosiannaruf  nichts  Unbekanntes  sein  konnte. 

TSota(>,2f.  (303):  R.  $Aqiba  (f  um  135)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Als  die  Israe- 
liten aus  dem  Meer  emporstiegen,  wohnte  der  heilige  Geist  auf  ihnen,  u.  sie  sprachen 
das  Lied  (Ex  15, 1  ff.),  wie  wenn  ein  Kind  das  Hallel  (d.  h.  Ps  113 — 118)  im  Sclmlhaus 
vorliest  u.  man  ihm  jeden  einzelnen  Satz  nachspricht.  Mose  sagte:  „Singen  will  ich 
Jahven"  Ex  15,1,  u.  die  Israeliten  sagten:  „Singen  will  ich  Jahven."  Mose  sagte: 
„Meine  Stärke  u.  Sang  ist  Jahve"  Ex  15,2,  u.  die  Isr.  sagten:  „Meine  Stärke  u.  Sang 
ist  Jahve."  R.  Elifezer  b.  Jose  Ha-g®lili  (um  150)  sagte:  (Sie  sprachen  das  Lied)  wie 
wenn  ein  Erwachsener  das  Hallel  in  der  Synagoge  vorliest  (rezitiert)  u.  man  ihm  mit 
dem  ersten  Wort  (d.h.  mit  Halleluiah!  PsllB,  1  nach  jedem  Satz)  antwortet.  Mose 
sagte:  „Singen  will  ich  Jahven",  u.  die  Israeliten  sagten:  „Singen  will  ich  Jahven." 
Mose  sagte:  „Meine  Stärke  u.  Sang  ist  Jahve",  u.  die  Isr.  sagten;  „Singen  will  ich 
Jahven"  (so  ist  zu  lesen).  R.  N'^chemja  (um  150)  sagte:  (Sie  sprachen  das  Lied)  wie 
wenn  Leute  das  Sch*^ma?  (gemeinschaftlich  in  der  Synagoge)  rezitieren;  denn  es  heißt 
Ex  15,1 :  „Sie  sprachen  sprechend",  das  lehrt,  daß  Mose  zuerst  anhob,  u.  die  Israeliten 
fuhren  sprechend  nach  ihm  fort  bis  zum  Ende  (des  Satzes).  Mose  sagte:  „Damals  sang 
Mose",  u.  die  Isr.  sagten:  „Singen  will  ich  Jahven."  M.  sagte:  „Meine  Stärke  u.  Sarig 
ist  Jahve",  u.  die  Isr.  sagten:  „Dieser  ist  mein  Gott,  den  will  ich  rühmen"  Ex  15,2. 
M.  sagte:  „Jahve  ist  ein  Kriegsmann",  u.  die  Isr.  sagten:  „Jahve  ist  sein  Name" 
Ex  15,8.  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  pSotao,  20^6;  als  Bar  Sota  30'*.  —  Vgl. 
SukkaS,  10:  Wenn  ein  Sklave  oder  eine  Frau  oder  ein  Kind  jemand  das  Hallel  vor- 
lesen (rezitieren),  so  spricht  er  ihnen  (Satz  für  Satz)  nach,  was  sie  sagen,  u.  das  ge- 
reicht ihm  zur  Schande  (denn  er  sollte  es  selbst  können).  Wenn  es  ihm  aber  ein  Er- 
wachsener vorliest,  so  antwortet  er  ihm  (nach  jedem  Satz)  mit  Hallelujah! 

21,16:  Aus  dem  Munde  von  Unmündigen  u.  Säuglingen 
hast  du  dir  ein  Lob  bereitet. 

Ps  8,  3  in  der  rabbin.  Literatur. 

M'^^kh  Ex  15, 1  (42^):  R.  Jose,  der  Galiläer  (um  110)  sagte:  Siehe,  es  heißt  Ps  8,  3: 
„Aus  dem  Munde  der  Kinder  u.  Säuglinge  hast  du  Ruhm^  begründet."  Aus  dem  Munde 
der  „Kinder"  z^hhiy ,  das  sind  die  im  Mutterleib,  s.  Hi3, 16:  Oder  verscharrter  Fehl- 
geburt gleich  wäre  ich  nicht,  gleich  Kindern  z'hhy ,  die  das  Licht  nie  sahen.  „Säug- 
linge" a-pjT  sind  die  an  der  Mutterbrust  Saugenden,  s.  Joel2,  16:  Versammelt  die 
Kinder  u.  die  an  der  Brust  Saugenden  "-v  -pr-.  Rabbi  sagte:  „Kinder"  sind  die  Kinder 
auf  der  Gasse,  s.  Jer  9,20:  Auszurotten  das  Kind  hh^.s  von  der  Gasse.  Ferner  s.  KL  4, 4: 
Die  Kinder  a-'Vbiy  verlangten  Brot.  „Säuglinge"  sind  die  an  der  Mutterbrust,  s.  Joel  2, 10. 
Diese  wie  jene  taten  ihren  Mund  auf  u.  sprachen  ein  Lied  vor  Gott  (am  Schilfmeer), 
s.  Ex  15,  1:  „Singen  will  ich  Jahven."  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Auch  die  Frucht 
im  Mutterleib  tat  ihren  Mund  auf  u.  sprach  ein  Lied  vor  Gott,  s.  Ps  68, 27 :  In  Gemeinde- 
versammlungen priesen  sie  Gott  den  Herrn  von  der  Quelle  Israels  an.  —  Ahnlich  in 
Midr  Ps  8  §  5  (39  ») ;  Tanch  nh^z  80  '* ;  abweichend  TSota  6, 4  (303) ;  pSota  5, 20  ^  1 1 ;  als 
Bar  Sota  30'*;  s.  auch  bei  Lk  1, 15  6.  ||  Midr  HL  1,4  (85''):  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt: 
Als  die  Israeliten  vor  dem  Berge  Sinai  standen,  die  Tora  zu  empfangen,  sprach  Gott 
zu  ihnen:  Sollte  ich  euch  die  Tora  umsonst  geben?  Vielmehr  bringet  mir  gute  Bürgen, 
daß  ihr  sie  beobachten  wollt,  so  will  ich  sie  euch  geben.  Sie  sprachen:  Herr  der  Welt, 
unsre  Väter  sollen  Bürgen  für  uns  sein.  Er  antwortete:  Eure  Väter  bedürfen  (selbst) 
der  Bürgen.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem,  der  ging,  um  vom  König 
ein  Darlehn  zu  nehmen.  Dieser  sprach  zu  ihm:  Bringe  mir  einen  Bürgen,  so  will  ich 
dir  das  Darlehn  geben.    Jener  ging  u.  brachte  ihm  einen  Bürgen.   Der  König  sprach 

1  So  der  Midr  für  rr.   LXX  ratoy,  danach  Mt  21, 16.  —  Targ  N:ry  =  Macht. 


Matth  21, 16. 17  855 

zu  ihm:  Dein  Bürge  bedarf  (selbst)  eines  Bürgen.  Er  ging  u.  brachte  einen  zweiten 
Bürgen.  Der  König  sprach:  Dein  Bürge  bedarf  eines  Bürgen.  Als  er  ihm  den  dritten 
Bürgen  brachte,  sprach  er:  Wisse,  daß  ich  dir  um  dieses  willen  das  Darlehn  geben 
will.  So  sprach  Gott  zu  den  Israeliten,  als  sie  dastanden,  die  Tora  zu  empfangen:  Ich 
will  euch  meine  Tora  geben;  bringet  mir  gute  Bürgen,  daß  ihr  sie  beobachten  wollt, 
so  will  ich  sie  euch  geben.  Sie  sprachen:  Unsre  Väter  sollen  Bürgen  für  uns  sein. 
Gott  antwortete:  Gegen  eure  Väter  habe  ich  etwas.  Gegen  Abraham  habe  ich,  daß  er 
gesagt  hat:  Woran  soll  ich  erkennen,  daß  ich  es  in  Besitz  nehmen  werde?  Gn  15,8. 
Gegen  Isaak  habe  ich,  daß  er  Esau  geliebt  hat,  während  ich  ihn  haßte,  s.  Mal  1,3: 
Und  Esau  haßte  ich.  Gegen  Jakob  habe  ich,  daß  er  gesagt  hat:  Verhüllt  ist  mein  Weg 
vor  Jahve  u.  an  meinem  Gott  geht  mein  Recht  vorüber  Jes  40, 27.  Allein  bringet  mir 
gute  Bürgen,  so  will  ich  sie  euch  geben.  Sie  sprachen:  Herr  der  Welt,  unsre  Propheten 
sollen  Bürgen  für  uns  sein.  Er  antwortete:  Ich  habe  etwas  gegen  sie,  s.  Jer2,8:  Die 
Hirten  frevelten  an  mir  u.  die  Propheten  prophezeiten  durch  Ba?al;  u.  s.  Ez  13,4:  Wie 
Füchse  in  den  Ruinen  sind  deine  Propheten  geworden.  Vielmehr  bringet  mir  gute  Bürgen, 
so  will  ich  sie  euch  geben.  Sie  sprachen:  Siehe,  unsre  Kinder  sollen  Bürgen  für  uns 
sein.  Gott  antwortete:  Wahrhaftig,  das  sind  gute  Bürgen;  ihretwegen  will  ich  euch 
die  Tora  geben!  Das  meint  Ps8,  3:  Aus  dem  Munde  der  Kinder  u.  Säuglinge  hast  du 
dir  Macht  begründet  (so  jetzt  der  Midr).  Und  mit  , Macht"  ist  nichts  andres  gemeint 
als  die  Tora,  s.  Ps  29, 11:  Jahve  wird  seinem  Volk  „Macht"  (=  Tora  im  Sinn  des  Midr) 
geben.  Wenn  nun  der  Schuldner  zur  Rückzahlung  aufgefordert  wird  u.  er  hat  nichts 
zu  bezahlen,  wer  wird  angefaßt?  Nicht  der  Bürge?  Daraus  ist  zu  verstehen  Hos  4,  6: 
Du  hast  der  Tora  deines  Gottes  vergessen,  so  will  auch  ich  deiner  Kinder  vergessen.  — 
Parallelstellen:  Midr  Ps  8  §4  (38'0;  Tanch  •:;;-i  bO^. 

21, 17:  Bethanien. 

ßri^avi'a  wird  nach  dem  Vorgang  Lightfoots  (2, 202)  meist  identifiziert 
mit  dem  tahnudischen  ^rn  r^z,  angeblich  ==  „Dattelstätte",  indem  man 
"i;-in  mit  ifj"'"^  in  Verbindung  bringt,  das  ,dactyIos  palmarum,  ad  ma- 
tiiritatem  non  perductos'  bezeichnen  soll.  Aber  Nmx  ist  die  unreife 
Feige,  s.  Levy  1,  35=*.  Jedoch  wissen  wir  nichts  Genaueres  über  die 
Lage  jenes  ■'rn  ni^;  auch  lautet  der  Name  des  Ortes  in  den  palästin. 
Quellen  wesentlich  anders. 

P'^'s  53''':  Man  darf  (im  Brachjahr  in  den  Häusern  aufgesammelte)  getrocknete 
Feigen  essen,  bis  die  (unreifen)  Feigen  von  Beth-Hini  (an  den  Bäumen)  nicht  mehr 
vorhanden  sind.  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Die  Feigen  von  Beth-Hini  u.  die  unreifen 
Feigen  (■j'ns)  von  Tubänja  werden  (in  der  Halakha)  nur  in  bezug  auf  die  Verzehntung 
(nicht  in  bezug  auf  das  Brachjahr)  erwähnt;  denn  wir  haben  gelernt  (in  einer  Bar): 
Die  Feigen  von  Beth  Hini  u.  die  unreifen  Feigen  von  Tubänja  sind  zehntpflichtig.  — 
$Arukh  liest  statt  -:-r;  n-;  hier  "jnr  r-3  u.  die  Münchener  Handschrift  -jr'^a.  —  Die 
Parallelstelle  fEr  28*^  bietet  zweimal  die  Form  -jvr-s  (Taubenhaus);  hier  Handschrift  M. 
das  zweite  Mal  -jsi  n-a.  —  Dagegen  lautet  die  Stelle  in  TSch<^bifith  7, 14(71):  Man 
ißt  von  den  Feigen,  bis  die  Feigen  von  -ps:r-a'  zu  Ende  sind.  R.  J'^huda  hat  gesagt : 
Die  Feigen  von  •:^-_:^'z  ^  werden  nur  in  bezug  auf  die  Verzehntung  erwähnt:  Die  Feigen 
von  -;-:p-=i  u.  die  unreifen  Feigen  (-:'r!s)  von  Tubänja  sind  zehntpflichtig.  —  Als  Varianten 
erscheinen  hier:  -r  r-a  oder  -rs.  |l  BM  88^  Bar:  Warum  sind  die  Kaufläden  von  Beth- 
Hino  (so!)  drei  Jahre  vor  Jerusalem  zerstört  worden?  Weil  sie  ihre  Worte  (nur)  auf 
die  der  Tora  gründeten;  denn  sie  sagten:  Es  heißt  Dt  14, 22 f.:  „Du  sollst  genau  ver- 
zehnten  .  .  .  u.  sollst  essen",  (also  der  Essende,  der  Konsument  soll  verzehnten.)  aber 
nicht  der  Verkäufer;    „den   Ertrag  deiner  Aussaat",   also   (der  Produzent)   nicht  der 

'  Die  Vokalisierung  so  in  der  Erfurter  Handschrift. 


856  Matth21,17.  19  (3tl) 

Käufer.  —  Statt  im  r-a  lesen  die  palästin.  Schriftwerke  entweder  "jn  -ja  =  ^Söiine 
Chanan%  so  SDt  14, 22  §  105  (95**),  oder  ^jn  -:=  =  , Söhne  Chanon",  so  pPea  1, 16^48.  — 
Lightfoot  (2, 409  f.)  bringt  diese  Kaufläden  von  Beth-Hino  mit  den  pTafan  4,69^,  37  er- 
wähnten Kaufhallen  auf  dem  Olberg  in  Verbindung  (s.  bei  Mt21,r2  Anm.cZ  S.  851)  u. 
folgert  dann,  daß  unser  Bethanien,  weil  gleichfalls  am  Olberg,  mit  Beth-Hino,  bezw. 
Beth-Hini  identisch  sein  müsse;  s.  bei  Joh  18, 13  Anm.  (Z.  ||  Chul53*:  Als  Rab  Dimi 
(um  320)  kam  (nämlich  von  Palästina  nach  Babylonien),  sagte  er:  Einmal  trug  es  sich 
zu,  daß  ein  Fuchs  ein  Lamm  erdrosselte  im  Bade  von  Beth-Hini.  Die  Sache  kam  vor 
die  Gelehrten,  u.  sie  erklärten:  Es  gibt  eine  Erdrosselung  noi^-i  (durch  einen  Fuchs).  — 
Unmittelbar  darauf  wird  dieser  Vorfall  noch  einmal  erzählt,  aber  mit  der  Folgerung: 
Es  gibt  keine  noii-  (durch  einen  Fuchs).  —  Lightfoot:  Hier  im  Bade  von  Beth-Hini 
konnten  die  Unreinen  das  Tauchbad  nehmen,  u.  nachdem  sie  dann  dort  in  den  nahen 
Kaufläden  (von  Beth-Hini,  s.  die  vorige  Stelle)  das  zur  Reinigung  Nötige  eingekauft 
hatten,  sich  nach  Jerusalem  begeben,  um  sich  im  Tempel  reinigen  zu  lassen.  —  Ein 
Beweis  für  die  Identität  von  Bethanien  u.  Beth-Hini  ist  damit  natürlich  nicht  erbracht. 

21,19  21:  Einen  Feigenbaum  sehend  ging  er  auf  ihn  zu 
u.  fand  an  ihm  nur  Blätter. 

1.  Über  die  Entwicklungsphasen  der  Bäume  u.  speziell  der  Feigen- 
bäume (j-irxn)  während  eines  Jahres  sagt  TSch'^bifith  4,  20  (67):  Wenn 
bei  einem  Baume  Fruchtansatz  vor  dem  15.  Sch'^bat  (11.  Monat,  ungefähr 
Februar)  erfolgt  ist  rn'n-'s  irjDr.u:  -(b^x  hz,  so  gehören  die  (daraus  sich 
entwickelnden)  Früchte  (was  ihre  Verzehntung  anlangt)  zum  vorher- 
gehenden Jahr;  erfolgt  der  Fruchtansatz  nach  dem  15.  Sch'bat,  so  ge- 
hören sie  zum  folgenden  Jahr.^  R.  N'^chemja  (um  150)  hat  gesagt:  Für 
welchen  Fall  hat  man  dies  gesagt?  Mit  Bezug  auf  einen  Baum,  der 
zwei  Triebe  macht  (in  Einem  Jahr  u.  der  also  zwei  Ernten  gibt;  ein 
solcher  Baum  heißt  x'^B'i'^^,  xnsi'n  =  di(poQog);  aber  ein  Baum,  der  nur 
Einen  Trieb  macht,  wie  der  Ölbaum  u.  die  Dattelpalme  u.  der  Johannis- 
brotbaum, wird,  auch  wenn  Fruchtansatz  vor  dem  15.  Sch^bat  erfolgte, 
angesehen,  als  ob  der  Fruchtansatz  nach  dem  15.  Sch^bat  erfolgt  wäre. 
(Der  Feigenbaum  gehörte  nicht  zur  letztgenannten,  sondern  zu  der 
erstgenannten  Kategorie  von  Bäumen,  er  machte  also  zwei  Triebe.) 
R.  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Vom  Treiben  der  Blätter  (beim 
Feigenbaum)  bis  zum  Erscheinen  der  unreifen  Feigen  dauert  es  50  Tage; 
von  den  unreifen  Feigen  (a^^s),  bis  sie  Fallobst  (notreifes,  zuerst  ab- 
fallendes) werden,  50  Tage;  von  da  an  bis  zu  den  (guten  reifen)  Feigen 
50  Tage.  Rabbi  sagte:  In  allen  (Stadien)  immer  40  Tage,  u.  alle  Früchte, 
die  vor  dieser  Zeit  da  sind,  gehören  (in  bezug  auf  ihre  Verzehntung) 
dem  vergangenen  Jahr  an;  die  nach  dieser  Zeit  da  sind,  gehören  dem 
kommenden  (neuen)  Jahr  an.  —  Dasselbe  als  Bar  pSch'^bifith  4,  35'^,  11; 
bRH15''.  —  -jir;  (vgl.  HL  2, 13)  kann  als  Subjekt  sowohl  den  Baum 
haben  (pT),  als  auch  die  Frucht  (Tos  u.  bT),  vgl.  im  Deutschen:  „der 
Baum  setzt  an"   u.   -die  Frucht  setzt  an".   Schon  diese  Konstruktion 


•  Nach  RH  1,1  ließ  die  Schule  Hillels  das  Jahr  für  die  Bäume  mit  dem  15.  Sch^bat, 
die  Schule  Scbamniais  mit  dem  1.  Sch'^bat  beginnen.  Solche  Festsetzung  war  nötig,  da  die 
Früchte  des  einen  Jahres  nicht  durch  Früchte  eines  andren  verzehntet  werden  sollten. 


Matth  21,  19  (511.2J  857 

des  Verbums  -j:r;  verbietet  seine  Wiedergabe  durch  , Knospen  treiben" 
(so  Levy  2,  81).  Richtig  wohl  die  Glosse  zu  pSch^bi^ith  -4,  35*^,  40:  nbnrrt 
c-^:Nrb  n-j:n  N-n  -piEn,  der  Anfang  der  unreifen  Feigen  (ihr  Fruchtansatz), 
wird  bei  den  Feigen  als  n-jsn  bezeichnet.  —  Wenn  nun  zwischen  dem 
(nach  Raschi  u.  Bertinoro  zur  Mischna  im  Nisan  erfolgenden)  Hervor- 
treten der  Feigenblätter  u.  dem  Erscheinen  der  ersten  jungen  Früchte 
CJE  erfahrungsmäßig  50  oder  doch  mindestens  40  Tage  liegen  sollen, 
so  konnte  Jesus  an  diesen  jungen  Trieben  selbstverständlich  in  der 
Passahwoche  noch  keine  Frucht  zu  finden  hoffen,  auch  wenn  der  Baum 
im  Blätterschmuck  prangte;  Mk  11, 13:  o  ydo  xaiqog  ovx  ijv  avxcor.  Aber 
die  Tos  redet  auch  von  Bäumen  —  u.  der  Feigenbaum  gehörte  in  erster 
Linie  zu  ihnen  — ,  an  denen  sich  Fruchtansatz  bereits  vor  dem  15.  Sch^bat, 
also  mindestens  45  Tage  vor  dem  1.  Nisan  fand.  Das  waren  Früchte, 
die  in  der  letztjährigen  Vegetationsperiode  angesetzt  hatten,  aber  im 
Vorjahre  nicht  mehr  zur  Entwicklung  gelangt  waren.  (Wird  doch  von 
einigen  Feigenarten  ausdrücklich  berichtet,  daß  ihre  Früchte  erst  im 
zweiten  oder  dritten  Jahr  am  Baum  zur  Reife  gelangten.)  a  Wenn  dann 
im  folgenden  Frühjahr  die  Natur  zu  neuem  Leben  erwachte  u.  der  Saft 
anfing  in  die  Bäume  zu  steigen,  begann  auch  für  diese  alten  Frucht- 
ansätze eine  neue  Entwicklungsperiode.  Eine  solche  Frucht  konnte  Jesus 
in  der  Passahwoche,  also  etwa  55  Tage  nach  dem  15.Sch^bat,  gar  wohl 
erwarten,  zumal  an  einem  Baum,  dessen  volles  Laub  seine  Kraft  u. 
Gesundheit  zu  verbürgen  schien. 

a.  Seh' bifith  5, 1 :  Die  -vr  r-:^  genannte  (weiße)  Feigenart  hat  ihr  Brachjahr  im 
zweiten  Jahr  (der  neuen  Jahrwoche),  weil  sie  nach  drei  Jahren  Frucht  bringt.  R.  J^'huda 
fum  150)  sagte:  Die  persischen  Feigen  haben  ihr  Brachjahr  in  dem  auf  das  Er.  folgenden 
Jalir,  weil  sie  nach  zwei  Jahren  Frucht  bringen.  Man  antwortete  ihm:  Man  hat  es  nur 
von  den  weißen  Feigen  rr.v  nj:  gesagt.  —  Nach  TSch*^'bifith  4, 1  (65)  antwortete  man 
dem  R.  J'huda:  Siehe,  die  bei  dir  in  Tiberias  tragen  doch  nur  einjährige  Früchte!  In 
pSch'^bifith  5,  35'^',  41  lautet  die  Antwort:  Siehe,  sie  sind  bei  dir  in  Tiberias  u.  tragen 
Frucht  nach  Einem  Jahr!  Er  sprach  zu  ihnen:  Siehe,  sie  sind  bei  euch  in  Sepphoris 
u.  tragen  Frucht  nach  zwei  Jahren.  —  Zu  obiger  Mischna  bemerkt  pSch^'biath  5,  35 '^',  8: 
Welches  ist  die  rm;  rt:z  genannte  Feigenart?  Die  kleienfarbige  [n^^'Z't  =  tiixvqIi;).^ 
Bringen  diese  in  jedem  Jahre  Frucht  oder  Einmal  in  drei  Jahren?  Sie  bringen  in  jedem 
Jahre  Frucht;  nur  daß  sie  ihre  Früchte  erst  nach  drei  Jahren  voll  zur  Reife  bringen. 
Woher  weiß  man  denn  (aus  welchem  Jahre  die  Frucht  stammt)?  Daher,  daß  man 
einen  Faden  daran  bindet,  hat  R.  Jona  (um  350)  gesagt.  Sch'^'muel  (f  254)  hat  als 
tanna'itische  Tradition  gelehrt:  Man  steckt  Spänchen  hinein.  —  Nach  diesen  Stellen 
würde  die  betreffende  Feigenart  niemals  ohne  Fruchtbehang  gewesen  sein.  —  Josephus 
versichert  Bell  Jud  3, 10,  8  von  der  Gegend  am  See  Genezareth,  daß  sie  die  königlichen 
Früchte,  Weintrauben  u.  Feigen,  zehn  Monate  hindurch  ohne  Unterbrechung  dargeboten 
habe,  s.  bei  Mt4, 12  S.  154.   Ferner  s.  bei  Mk  11, 13. 

2,  Gleichnisartige  u.  symbolische  Verwendung  des  Feigenbaums. 

fEr  54":  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jocbanan  (f  279)  habe  gesagt, 
was  bedeutet:  ,Wer  den  Feigenbaum  hütet,  wird  seine  Frucht  essen"  Spr  27,  18? 
Warum  werden  die  Worte  der  Tora  mit  einem  Feigenbaum  verglichen?  Wie  ein  Mensch 
an  einem  Feigenbaum,  sooft  er  ihn  durchsucht,  Feigen  findet,  so  findet  auch  ein  Mensch 

^  So  Dalman,  Wtb.;  da  allerdings  auf  eine  Olivenart  bezogen. 


858  Mattb  21, 19  (3t  2.  SB) 

an  den  Worten  der  Tora  Genuß,  sooft  er  über  sie  nachsinnt.  1|  MidrQolio,  11  (28^): 
Was  ist  für  ein  Unterschied  zwischen  dem  Tode  der  Jünglinge  u.  dem  Tode  der  Alten? 
R.  J'^huda  u.  R.  N*^chemja  (beide  um  150).  R.  J'^huda  sagte:  Wenn  eine  Leuchte  von 
selbst  erlischt,  so  ist  das  gut  für  sie  u.  für  den  Docht;  u.  wenn  sie  nicht  von  selbst 
erlischt,  so  ist  das  schädlich  für  sie  u.  für  den  Docht.  R.  N^'chemja:  Wenn,  eine  Feige 
zu  ihrer  Zeit  gepflückt  wird,  so  ist  das  gut  für  sie  u.  für  den  Feigenbaum;  u.  wenn 
sie  nicht  zu  ihrer  Zeit  gepflückt  wird,  so  ist  das  schädlich  für  sie  u.  für  den  Feigen- 
baum. R.  Chijja  der  Altere  (um  200)  u.  seine  Schüler,  nach  andren  R.  Schimfon  b.  Cha- 
laphta  (um  190)  u.  seine  Schüler,  nach  andren  R.  fAqiba  (f  um  135)  u.  seine  Schüler 
salsen  einmal  unter  einem  Feigenbaum  Schriftforschungen  vortragend.  Der  Besitzer  des 
Feigenbaums  aber  pflegte  sich  frühe  aufzumachen  u.  seinen  Feigenbaum  abzusammeln. 
Da  sprachen  sie:  Wir  wollen  unsren  Platz  verändern,  vielleicht  hat  er  uns  in  Verdacht 
(wir  könnten  ihn  seiner  Feigen  berauben).  Sie  ließen  sich  an  einem  andren  Ort  nieder. 
Als  sich  der  Besitzer  des  Feigenbaums  am  nächsten  Morgen  früh  aufmachte,  seinen 
Feigenbaum  abzusammeln,  u.  jene  nicht  antraf,  ging  er  ihnen  nach  u.  fand  sie  u. 
sprach  zu  ihnen:  Meine  Lehrer,  eine  Wohltat  hattet  ihr  mir  erwiesen;  sie  wollt  ihr 
mir  entziehen?  Sie  sprachen:  Das  sei  ferne!  Er  antwortete:  Warum  habt  ihr  euch  an 
einer  andren  Stelle  niedergelassen?  Sie  sprachen:  Wir  dachten:  Vielleicht  hat  er  uns 
in  Verdacht!  Er  antwortete:  Das  sei  ferne!  Ich  will  euch  aber  sagen,  warum  ich  mich 
früh  aufmachte  u.  den  Baum  absammelte:  wenn  nämlich  die  Sonne  die  Früchte  be- 
strahlt, so  bekommen  sie  Maden.  ...  Da  sprachen  sie:  Schön  kennt  der  Besitzer  des 
Feigenbaums  die  (rechte)  Stunde  seines  Feigenbaums;  wenn  es  richtig  ist,  daß  er  ab- 
gesammelt wird,  dann  sammelt  er  ihn  ab.  So  weiß  auch  Gott,  wann  die  Stunde  des 
Gerechten  da  ist,  u.  dann  nimmt  er  ihn  (aus  der  Welt)  weg.  —  Dasselbe  mit  zum  Teil 
nndren  Autorennamen  Midr  HL  6,2  (122^);  GnR  62  (39a);  ohne  die  einleitende  Kontro- 
verse^zwischen  R.  J*huda  u.  R.  N''chemja  auch  pB^rakh  2,  5*=,  8.  |!  Chag  5'':  R.  Jochanan 
(t  279)  weinte,  wenn  er  an  die  Stelle  Hi  15, 15  kam:  „Siehe,  auf  seine  Heiligen  traut 
er  nicht."  Wenn  er  auf  seine  Heiligen  nicht  traut,  auf  wen  soll  er  trauen?  Eines 
Tages  ging  er  auf  einem  Wege;  da  sah  er  einen  Mann,  der  Feigen  abnahm;  die,  welche 
zur  Reife  gelangt  waren,  ließ  er  zurück  (am  Baum)  u.  die,  welche  nicht  zur  Reife  ge- 
langt waren,  nahm  er.  Er  sprach  zu  ihm:  Sind  jene  nicht  viel  besser?  Er  antwortete: 
Wir  wollen  sie  für  die  Reise;  diese  halten  sich,  jene  halten  sich  nicht.  Da  sagte 
R.  Jochanan:  Das  ist  es,  was  geschrieben  steht:  „Siehe,  auf  seine  Heiligen  traut  er 
nicht!"  (Gott  nimmt  Fromme  in  der  Jugend  hinweg,  damit  sie  nicht  Sünder  werden.)  j| 
Eine  haggadische  Deutung  GnR  19(1 3^):  „Sie  nähten  Feigenblätter  n:sr  n;^;  zusammen" 
(Gn3,  7).  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  15ö)  hat  gesagt:  Blätter,  die  Trauerklage  -:(«"r 
in  die  Welt  gebracht.  —  Zugrunde  liegt  die  Meinung,  daß  die  verbotene  Frucht  die 
Feige  war,  s.  GnR  15  (ll-'). 

21,19  23:  Nimmermehr  soll  aus  dir  eine  Frucht 
hervorgehn  in  Ewigkeit! 

Wie  dem  Blick  (s.  bei  Apg  13,  9),  so  wurden  auch  dem  Wort  dos 
Menschen  unheilvolle  Kräfte  zugeschrieben. 

BQ93'^:  R.  Ji(;chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Nie  sei  der  Fluch  eines  gewöhnlichen 
(sclüichten)  Menschen  gering  in  deinen  Augen;  denn  siehe,  Abimelekh  fluchte  der  Sara, 
u.  es  erfüllte  sich  an  ihrer  Nachkommenschaft,  s.  Gn  20,  16:  Das  sei  dir  zur  Ver- 
hüllung der  Augen!  Er  sprach  zu  ihr:  Weil  du  es  vor  mir  verheimlicht  u.  nicht  kund- 
getan hast,  daß  er  dein  Mann  ist,  u.  mir  so  diesen  Schmerz  verursacht  hast,  so  möge 
es  Gottes  Wille  sein,  daß  dir  Kinder  werden,  die  verhüllt  (umflort)  an  den  Augen  sind! 
und  es  erfüllte  sich  an  ihrer  Nachkommenschaft,  s,  Gn27,  1:  Als  Isaak  alt  u.  seine 
Augen  trübe  geworden  waren  usw.  —  Dasselbe  kürzer  M'^g  28»;  in  M'^g  15  a  R.  Chanina, 
um  225,  als  Autor;  vgl.  GnR  52  (33 b).  —  ||  Besonders  galt  das  strafende  Fluchwort  der 
Rabbinen  als  todbringend.   Aboth2, 10  (auch  AbothRN  15):  R.  Elifezer  (um  90)  sagte: 


Matfch  21,  19  (So).  2!,  23  (Nr.  1)  859 

Wärme  dich  am  Feuer  der  Gelehrten,  gehe  aber  behutsam  mit  ihren  Kohlen  um,  damit 
du  dich  nicht  verbrennst;  denn  ihr  Beißen  ist  das  Beißen  eines  Fuchses  u.  ihr  Stechen 
das  Stechen  eines  Skorpions  u.  ihr  Zischeln  das  Zischehi  einer  Giftschlange,  u.  alle 
ihre  Worte  sind  wie  Feuerkohlen.  ||  Schab  110*:  Abaje  (f  338/39)  sprach  zu  ihnen:  Viel- 
leiclit  hat  ihn  die  Schlange  der  Rabbinen  gebissen,  gegen  die  es  keine  Heilung  gibt; 
s.  Qoh  10,8:  Wer  den  Zaun  (der  rabbin.  Satzungen)  einreißt,  den  beißt  eine  Schlange. 
(„Schlange  der  Rabbinen",  entweder  das  bannende  Slrafwort  der  Rabbinen  oder,  so 
Raschi,  eine  Schlange,  die  auf  das  Wort  der  Rabbinen  hin  den  Betreffenden  gebissen  hat.) 
Beispiele:  pB^'rakh  1,3*, 25:  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  sah  einen,  der  die 
Nachwüchse  im  Brachjahr  einsammelte.  Er  sprach  zu  ihm:  Ist  das  nicht  verboten? 
Und  sind  das  nicht  Nachwüchse?  Er  antwortete:  Bist  du  es  nicht,  der  es  erlaubt  hat? 
Er  sprach:  Sind  denn  nicht  meine  Genossen  andrer  Meinung  gewesen  als  ich?  Dann 
wandte  er  auf  ihn  Qoh  10,8  an:  Wer  den  Zaun  (der  rabbin.  Satzungen)  einreißt,  den 
beißt  eine  Schlange.  Und  so  geschah  es  jenem.  —  Parallelstellen:  pSch^bidth  J),  38**,  19; 
Pesiq  90'^;  GnR  79  (51»).  1|  Tafan  23"^:  R.  Mani  (IL,  um  870)  pflegte  sich  vor  R.  Jiijchaq 
b.  Eljaschib  (um  350)  einzufinden.  Er  sprach  zu  ihm:  Die  Reichen  aus  dem  Hause 
meines  Schwiegervaters  ärgern  mich!  Da  sprach  R.  Ji9chaq  b.  E.:  Sie  mögen  verarmen! 
Da  verarmten  sie.  Er  sprach  zu  ihm:  Sie  bedrängen  mich  (wegen  ihrer  Verarmung)! 
Da  sprach  R.  Ji^chaq  b.  E.:  Sie  mögen  reich  werden!  Da  wurden  sie  reich.  Er  sprach: 
Die  Menschen  in  meinem  Haus  (damit  ist  speziell  seine  Gattin  gemeint)  gefallen  mir 
nicht.  Er  sprach  zu  ihm:  Wie  ist  ihr  Name?  (Antwort:)  Hanna.  So  möge  Hauna  schön 
werden!  Und  sie  ward  schön.  Er  sprach  zu  ihm:  Sie  überhebt  sich  (wegen  ihrer  Schön- 
heit) gegen  mich!  Er  antwortete:  Wenn  dem  so  ist,  so  möge  Hanna  zu  ihrer  (früheren) 
Schwärze  (Häßlichkeit)  wieder  zurückkehren!  Da  kehrte  Hanna  zu  ihrer  Schwärze 
wieder  zurück.  |i  Schab  80'':  Es  kam  jemand  vor  Rabbi  u.  sagte  zu  ihm:  Dein  Weib 
ist  mein  Weib  u.  deine  Kinder  sind  meine  Kinder.  Rabbi  antwortete  ihm:  Willst  du 
einen  Becher  Wein  trinken?  Er  trank  u.  platzte  auf.  Einer  kam  vor  R.  Chijja  (wohl 
der  Ältere,  um  200)  u.  sagte  zu  ihm:  Deine  Mutter  ist  mein  Weib  u.  du  bist  mein 
Sohn.  Er  antwortete:  Willst  du  einen  Becher  Wein  trinken?  Er  trank  u.  platzte  auf.  Ji 
fEr63*:  R.  Elifezer  (um  90)  hatte  einen  Schüler,  der  eine  halakhische  Entscheidung 
vor  ihm  traf.  R.  Elifezer  sagte  zu  seinem  Weibe  Imma  Schalom:  Es  soll  mich  wundern, 
wenn  dieser  sein  (angefangenes)  Jahr  zu  Ende  brächte!  Und  er  brachte  es  nicht  zu 
Ende.  Sie  sprach  zu  ihm:  Bist  du  ein  Prophet?  Er  antwortete  ihr:  Ich  bin  kein  Prophet 
u.  auch  kein  Prophetensohn;  aber  so  habe  ich  es  durch  Tradition  überkommen:  Wer  vor 
seinem  Lehrer  eine  halakhische  Entscheidung  trifft,  ist  des  Todes  schuldig.  —  Dasselbe 
SLvl0,l(189'');pSch<^bifith6,36«,7;pGitl,43^29;P''siql72a;LvR20(119'^).  |1  Schab 
108»:  Rah  (f  247)  fluchte  u.  sprach:  Wer  uns  geärgert  hat  (gemeint  ist  Sch^muel,  f  254 J, 
dem  möge  man  keine  Söhne  erstehn  lassen!  Und  so  geschah  es.  Vgl.  auch  Rabs  Aus- 
spruch Sanh90'^:  Der  Fluch  eines  Gelehrten,  selbst  wenn  grundlos  ausgesprochen,  kommt 
(geht  in  Erfüllung).  ||  M'^g  b^:  Rab  (f  247)  sah  einen  Mann,  der  am  Purimfest  Flachssamen 
säte;  da  fluchte  er  ihm  u.  der  Flachs  ging  nicht  auf.  I!  Ta?an  24-^  wird  erzählt,  wie  ein 
Feigenbaum  auf  Befehl  eines  Rabbinensohnes  zur  Unzeit  Früchte  hervorbringt,  damit 
dessen  Arbeiter  ihren  Hunger  stillen  können  ;s.  bei  Mk  11, 13.  \\  pTaf  an  3, 66 ''j  6,  s.  S.8647. 

21,21:  Wenn  ihr  zu  diesem  Berge  sagen  werdet:    Hebe  dich  weg! 
(s.  bei  Mt  17,20  S.  759). 

21,  22:  Was  ihr  im  Gebete  glaubend  bitten  werdet,  werdet  ihr  empfangen 

(s.  beiMtl8, 19  S.793). 

21,23:  In  was  für  Macht  tust  du  dieses  u,  wer  hat  dir 

diese  Macht  gegeben? 
1.  Die  Vollmacht  zum  selbständigen  Lehren  u.  Entscheiden  wurde 
durch  die  Ordination  erteilt,  s.  bei  Apg  6,  6  Nr.  1  u.  5,  —  Ferner: 


860  Matth  21,23  (Nr.  1.2) 

Sota22''  Bar:  Eine  betende  Jungfrau,  eine  müßig  herumgehende  Witwe  u.  ein  Kind, 
dessen  Monate  nicht  voll  sind  (das  nicht  ausgetragen  ist),  die  verderben  die  Welt.  .  .  . 
Was  ist  ein  Kind,  dessen  Monate  nicht  voll  sind?  Man  hat  es  so  erklärt:  Das  ist  ein 
Gelehrtenschüler,  der  seine  Lehrer  verachtet  (wörtlich:  gegen  sie  ausschlägt).  R.  Abba 
(wohl  der  I.,  um  290)  hat  gesagt:  Das  ist  ein  Schüler,  der  es  nicht  bis  zum  Lehren 
(Entscheiden)  gebracht  hat  u.  (doch)  lehrt.  Denn  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt,  Rab 
Huna  (t  297)  habe  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Was  heißt:  „Viel  sind  der  Er- 
schlagenen, die  sie  hingestreckt  hat,  u.  groß  die  Summe  der  von  ihr  Erwürgten" 
Spr7,  26?  „Viel  sind  der  Erschlagenen,  die  sie  hingestreckt  hat",  damit  ist  ein  Ge- 
lehrtenschüler gemeint,  der  es  nicht  bis  zum  Lehren  (Entscheiden)  gebracht  hat  u.  (doch) 
lehrt.  „Und  groß  ist  die  Summe  der  von  ihr  Erwürgten",  damit  ist  ein  Gelehrten- 
schüler gemeint,  der  es  bis  zum  Lehren  (Entscheiden)  gebracht  hat  u.  nicht  lehrt.  Und 
bis  wie  lange  (dauert  es,  bis  man  selbständig  lehren  u.  entscheiden  darf)?  Bis  zum 
40.  (Lebens-)Jahr.  —  Der  2.  Teil  auch  fAZ  19 '\ 

2.  Die  Frage  an  Jesum  in  Mt21,23  war  geeignet,  der  Ausgangspunkt 
einer  gerichtlichen  Untersuchung  gegen  ihn  zu  werden.  Es  würde  seinen 
Gegnern  gewiß  nicht  schwer  geworden  sein,  in  seinem  Auftreten  im 
Tempel  irgend  etwas  zu  entdecken,  was  gegen  die  Halakha  verstieß.  In 
diesem  Falle  würde  vermutlich  das  gegen  den  x-p??  -pj ,  den  dissentieren- 
den Lehrer,  übliche  Verfahren  gegen  Jesum  zur  Anwendung  gekommen 
sein,  vorausgesetzt,  daß  man  ihm  die  Autorität  eines  selbständigen 
Lehrers  zuerkannt  hätte.  —  Das  Verfahren  selbst  beschreibt: 

Sanh  11,  1.2  u.  4:  Dies  sind  die,  welche  erdrosselt  werden:  wer  seinen  Vater  oder 
seine  Mutter  schlägt  u.  wer  eine  Person  aus  Israel  stiehlt  u.  der  Gelehrte,  welcher 
sich  gegen  den  (obersten)  Gerichtshof  auflehnt  s'^'aia  •jpr,  u.  der  falsche  Prophet  u.  wer 
im  Namen  eines  Götzen  weissagt  u.  wer  einem  Eheweibe  beiliegt.  .  .  .  „Der  Gelehrte, 
welcher  sich  gegen  den  Gerichtshof  auflehnt",  s.  Dt  17, 8 — 13:  Wenn  dir  eine  Sache 
zu  schwierig  zur  Entscheidung  zwischen  Blut  u.  Blut,  zwischen  Rechtshandel  u.  Rechts- 
handel usw.  —  Drei  Gerichtshöfe  waren  dort:  einer  saß  am  Eingang  des  Tempelberges 
(wohl  am  Osttor  des  Frauenvorhofes,  23  Mitglieder,  Bar  Sanh  88'^)  u.  einer  am  Eingang 
des  Vorhofes  (der  Israeliten,  gleichfalls  23  Mitglieder,  Sanh  88'')  u.  einer  in  der  „Quader- 
halle ^  (71  Mitglieder,  Sanh  88'').  Man  kam  zu  dem,  welcher  am  Eingange  des  Tempel- 
berges war,  u.  er  (der  angefochtene  Gelehrte)  sagte:  So  habe  ich  gedeutet  u.  so  haben 
meine  Genossen  gedeutet,  so  habe  ich  gelehrt  u.  so  haben  meine  Genossen  gelehrt. 
Wenn  sie  (die  Mitglieder  des  ersten  Gerichtshofes)  eine  Überlieferung  (betreffs  der 
streitigen  Frage)  hatten,  sagten  sie  sie  ihnen;  wenn  aber  nicht,  so  gingen  sie  zu  dem 
Gerichtshof,  welcher  am  Eingang  des  Vorhofes  war.  Und  er  sagte:  So  habe  ich  ge- 
deutet u.  so  haben  meine  Genossen  gedeutet,  so  habe  ich  gelehrt  u.  so  haben  meine 
Genossen  gelehrt.  Wenn  sie  eine  Überlieferung  hatten,  sagten  sie  sie  ihnen;  wenn  aber 
nicht,  kamen  diese  u.  jene  (die  beiden  Parteien  u.  die  beiden  ersten  Gerichtshöfe)  zu 
dem  großen  Gerichtshof,  welcher  in  der  „Quaderhalle"  saß  (nach  Sanh  88''  an  den 
Sabbaten  u.  an  den  Festtagen  im  Chel,  d.  h.  auf  der  schmalen  Terrasse,  die  sich  außen 
um  die  Mauer  des  innern  Vorhofes  herumzog);  denn  von  dort  ging  die  Tora  für  ganz 
Israel  aus,  vgl.  Dt  17, 10:  Von  jenem  Orte,  welchen  Jahve  erwählen  wird.  (Ihnen  wurde 
die  Frage  vorgelegt;  wenn  sie  eine  Überlieferung  hatten,  so  sagten  sie  sie  ihnen,  wenn 
aber  nicht,  so  erhoben  sie  sich  zur  Abstimmung:  waren  zB  die  für  unrein  Erklärenden 
in  der  Majorität,  so  erklärte  man  (die  fragliche  Sache)  für  unrein;  waren  die  für  rein 
Erklärenden  in  der  Majorität,  so  erklärte  man  für  rein,  Sanh88b).  Kehrte  er  (der  ver- 
klagte Gelehrte)  zu  seiner  Stadt  zurück  u.  lehrte  wieder,  wie  er  gewohnt  war,  so  war 


^  r'Tjn  rsr':  „Halle  am  Xystos",  nach  Schürer*  2, 263  ff.  wahrscheinlich  an  der 
westlichen  Grenze  des  Tempelberges;  nach  W.  Bacher  innerhalb  der  Tempelarea. 


Matth21,23  (Nr.2).  21,24  861 

er  frei  (blieb  straflos);  wenn  er  aber  anwies,  so  (wie  er  lehrte)  zu  handeln,  war  er 
schuldig;  denn  es  heißt  Dt  17,  12:  „Aber  der,  welcher  in  Vermessenheit  handelt." 
Er  ist  also  schuldig  erst,  wenn  er  anweist  zu  handeln.  Ein  (Gelehrten-)Schüler,  der 
angewiesen  hat  zu  handeln,  ist  frei  (denn  er  hatte  gar  nicht  das  Recht,  selbständig 
zu  lehren  u.  zu  entscheiden).  Man  tijtet  ihn  nicht  durch  den  Gerichtshof  in  seiner  Stadt 
u.  nicht  durch  den.  Gerichtshof  in  Jahne  (Sitz  des  Synedriums  nach  der  Zerstörung 
Jerusalems),  sondern  man  bringt  ihn  (nur)  hinauf  zu  dem  großen  Gerichtshof  in  Jer. 
u.  verwahrt  ihn  (dort)  bis  zum  (nächsten)  Feste  u.  tötet  ihn  während  des  Festes;  denn 
es  heißt  Dt  17,  13:  Ganz  Israel  soll  es  hören  u.  sich  fürchten.  Das  sind  Worte  des 
R.  fAqiba  (f  um  135).  R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Man  verschiebt  seine  Bestrafung  nicht, 
sondern  tötet  ihn  sofort;  dann  schreibt  man  (Briefe)  u.  schickt  sie  an  alle  Orte:  Der 
u.  der,  Sohn  des  u.  des,  ist  durch  den  Gerichtshof  zum  Tode  verurteilt  worden  (denn 
es  heißt  nicht:  Ganz  Israel  soll  es  , sehen"  u.  sich  fürchten,  sondern  es  „hören"  u. 
sich  fürchten,  SanhSQa). 

21,24:  Fragen  will  auch  ich  euch  ein  Wort. 
Die  Gegenfrage  als  Antwort  auf  eine  Frage  mehrfach  in  Religions- 
gesprächen. 

P<'siq40a:  Ein  Heide  fragte  den  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80):  Was  ihr 
da  (mit  der  Asche  von  der  roten  Kuh)  macht,  erscheint  mir  wie  eine  Art  Zauberei. 
Man  bringt  eine  Kuh,  schlachtet  u.  verbrennt  sie;  dann  zerstößt  man  sie  u.  nimmt 
ihre  Asche  auf,  u.  wenn  einer  von  euch  durch  einen  Toten  unrein  geworden  ist,  dann 
spritzt  man  davon  zwei-  oder  dreimal  auf  ihn  u.  sagt  zu  ihm:  Du  bist  rein!  Dieser 
antwortete:  Ist  noch  niemals  der  Geist  der  Verwirrung  (Besessenheit)  in  diesen  Menschen 
(d.  h.  in  dich)  gefahren?  Er  antwortete:  Nein!  R.  Jochanan  b.  Z.  sprach:  Hast  du  noch 
nie  einen  Menschen  gesehen,  in  den  der  Geist  der  Besessenheit  gefahren  war?  Er  ant- 
wortete: Ja!  Und  was  macht  ihr  mit  einem  solchen?  Er  antwortete:  Man  nimmt 
Wurzeln  u.  räuchert  sie  unter  ihm  u.  spritzt  Wasser  auf  ihn;  dann  flieht  der  böse  Geist. 
R.  Jochanan  b.  Z.  sprach  zu  ihm :  Wollen  deine  Ohren  nicht  hören,  was  dein  Mund 
geredet  hat?  Ebenso  ist  auch  dieser  Geist  ein  Geist  der  Unreinheit,  s.  Sach  13,2.  Man 
spritzt  auf  ihn  Reinigungswassef,  so  flieht  er.  —  Dasselbe  TanchB  r--  §26  (59b); 
P'^'siqR  14  (65a).  ||  Ta?an  7»:  Die  Tochter  des  Kaisers  (Hadrian)  sagte  zu  R.  J^'hoschua? 
b.  Chananja  (um  90):  Ei,  so  herrliche  Weisheit  in  einem  so  häßlichen  Gefäße!  (R.  J<"ho- 
schuaf  soll  nicht  schön  gewesen  sein.)  Er  sprach  zu  ihr:  Tut  dein  Vater  den  Wein 
in  irdene  Gefäße?  Sie  antwortete:  In  welche  sonst  tut  man  ihn  denn?  Er  sprach: 
Ihr,  die  ihr  so  angesehene  Leute  seid,  solltet  ihn  in  goldene  u.  silberne  Gefäße  tun! 
Sie  ging  u.  erzählte  es  ihrem  Vater.  Darauf  ließ  sie  den  Wein  in  goldene  u.  silberne 
Gefäße  füllen,  u.  —  er  wurde  sauer.  Man  kam  u.  teilte  es  dem  Kaiser  mit.  Er  sprach 
zu  seiner  Tochter:  Wer  hat  dir  das  gesagt?  Sie  antwortete:  R.  J''hoschua?  b.  Chananja. 
Er  ließ  diesen  kommen  u.  sprach  zu  ihm:  Warum  hast  du  ihr  dies  gesagt?  Wie  sie 
zu  mir  gesprochen  hat,  versetzte  R.  J^hoschuaf,  so  habe  ich  ihr  geantwortet.  Aber, 
sprach  sie,  es  gibt  doch  auch  schöne  Männer,  die  gelehrt  sind!  Wären  sie  häßlich, 
entgegnete  R.  J'^hoschua?,  so  wären  sie  noch  gelehrter.  (Eitelkeit  kostet  Zeit,  die  dem 
Studium  verloren  geht.)  li  Sanh  65 b:  Der  Tyrann  Rufus,  der  Frevler,  (=  Tinejus  Rufus, 
132  n.  Chr.  Statthalter  von  Judäa)  fragte  den  R.  ?Aqiba:  Was  ist  denn  für  ein  Unter- 
schied zwischen  dem  einen  Tag  (Sabbat)  u.  den  übrigen  Tagen?  R.  fAqiba  antwortete: 
Was  ist  denn  für  ein  Unterschied  zwischen  dem  einen  Mann  (Rufus)  u.  andren  Männern? 
Rufus  entgegnete:  Mein  Herr  (der  Kaiser)  wollte  es  so!  R.  fAqiba  sprach:  Auch  be- 
treffs des  Sabbats  wollte  es  mein  Herr  (Gott)  so!  1|  TanchB  y-'s  §9  (97a):  Eine  Matrone 
fragte  den  R.Jose  b.  Chalaphta  (um  150)  u.  sprach  zu  ihm:  Ist  das  das  ganze  Lob 
Gottes,  daß  er  den  Weisen  Weisheit  gibt,  wie  es  heißt  Dn  2,21 :  Er  gibt  Weisheit  den 
Weisen?  Müßte  es  nicht  vielmehr  heißen:  Er  gibt  den  Toren  Weisheit?  Er  antwortete 
ihr:  Besitzt  du  einen  Schmuck?    Sie  sprach:   Ja!  —  Wenn  nun  jemand  kommt,   um 


862  Matth  21,24.  25 

sich  deinen  Schmuck  zu  borgen,  wirst  du  ihn  ihm  leihen?  Sie  sprach:  Wenn  es  ein 
vermögender  Mann  ist,  würde  ich  ihm  meinen  Schmuck  leihen.  Da  sprach  R.  Jose: 
Du  also  leihst  deinen  Schmuck  nur  einem  vermögenden  Mann,  u.  Gott  soll  die  Weis- 
heit Toren  geben?  —  Dasselbe  in  breiterer  Ausführung  Midr  Qoh  1,  7  (7b).  ||  TanchB 
r--L'N^:  §2  (Ib):  Eine  Matrone  fragte  den  R.Jose  b.Chalaphta  (um  150):  In  wieviel  Tagen 
hat  Gott  seine  Welt  geschaffen?  Er  antwortete  ihr:  Am  ersten  Tage.  Woher  kannst 
du  mir  das  beweisen?  Er  sprach  zu  ihr:  Hast  du  jemals  ein  Mahl  gegeben?  Sie  ant- 
wortete: Ja!  Wie  viele  Gänge  ließest  du  auftragen?  Sie  sprach:  So  u.  so  viel.  Hast 
du  alle  auf  einmal  deinen  Gästen  vorsetzen  lassen?  Nein,  sprach  sie;  ich  habe  alle 
Speisen  auf  einmal  kochen  lassen,  aber  vorsetzen  ließ  ich  Gang  für  Gang.  (So  auch 
die  Schöpfung:  am  ersten  Tage  wurde  alles  auf  einmal  geschaffen;  an  den  folgenden 
Tagen  trat  dann  das  Erschaffene  einzeln  in  der  gottgewollten  Reihenfolge  in  die  Er- 
scheinung.) Il  GnR  27  (17^'):  Ein  Heide  fragte  den  R.  J'^hoschuaf  b.  Qarcha  (um  150)  u. 
sprach  zu  ihm:  Sagt  ihr  nicht,  daß  Gott  das  Zukünftige  sieht?  Er  antwortete:  Ja.  Da 
sagte  jener:  Es  steht  doch  aber  geschrieben:  Gott  betrübte  sich  in  sein  Herz  hinein 
(darüber,  daß  er  Menschen  geschaffen)  Gn6,  6!  R.  J^hoschuaf  sprach:  Ist  dir  einmal 
ein  Knabe  geboren  worden?  Jener  sprach:  Ja!  —  Was  tatest  du  da?  Ich  habe  mich 
gefreut  u.  habe  alle  Welt  erfreut.  —  Hast  du  denn  aber  nicht  gewußt,  sprach  R.  Jeho- 
schuaf,  daß  dein  Sohn  schließlich  sterben  wird?  Jener  sprach:  Zur  Zeit  der  Freude 
Freude,  zur  Zeit  der  Trauer  Trauer!  —  So  ist  es  auch  bei  Gott,  sprach  R.  Jehoschuar. 

21,25:  Vom  Himmel  oder  von  Menschen? 

f^  ovQavov  =  tri-qt{r^  '^-q.  —  Man  vermied  gern  den  Gebrauch  der 
eigentlichen  Gottesnamen  u.  ersetzte  sie  durch  Umschreibungen  ;i  zu 
diesen  gehört  auch  tr,-q-c,  aram.  n- •?;;',  Himmel  =  Gott;  so  schon  Dn  4,23. 
In  sprachlicher  Hinsicht  ist  bemerkenswert,  daß  Diau;  als  Gottesbezeich- 
nung fast  nie  den  Artikel  vor  sich  hat,  weil  es  eben  für  das  Sprach- 
gefühl zu  einem  Eigennamen  geworden  war,  daß  es  dagegen  in  der 
Verbindung  mit  der  Präposition  -'2  den  Artikel  behält.  Der  Gedanke  an 
die  ursprüngliche  lokale  Bedeutung  des  q^^"^  macht  sich  hier  noch  so 
stark  geltend,  daß  die  Sprache  ein  f^m'n  "ip  (=  von  Gott)  verträgt. 

Sanh  10,  1:  Ganz  Israel  hat  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  (Äon  der  absoluten 
Vollendung,  anhebend  mit  der  Auferstehung  der  Toten);  denn  es  heißt  Jes60,  21: 
„Dein  Volk,  allesamt  sind  sie  Gerechte;  für  immer  werden  sie  das  Land  besitzen." 
Und  dies  sind  die,  welche  keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt  haben:  wer  sagt:  Es  gibt 
keine  Auferstehung  der  Toten  u.  die  Tora  ist  nicht  von  Gott  c-^s-lti  p  u.  der  Epikureer 
(Freidenker).  ||  N'^'d  10,  6:  Einer  Frau,  die  auf  die  Leviratsehe  wartet,  mag  es  sich  um 
Einen  Schwager  oder  um  zwei  handeln,  darf  der  Schwager  nach  R.  Eli?ezer  (um  90) 
ein  Gelübde  zunichte  machen.  R.  J'hoschua?  sagte:  Wenn  es  sich  um  Einen  Schwager 
handelt,  aber  nicht  bei  zweien.  R.  ?Aqiba  sagte:  Weder  bei  einem,  nocli  bei  zweien. 
R.  Eli?ezer  sagte:  Wenn  bei  einer  Frau,  die  er  sich  selbst  erwirbt,  der  Ehemann  ihre 
Gelübde  zunichte  machen  darf,  sollte  es  da  nicht  recht  sein  bei  einer  Frau,  die  man 
ihn  von  Gott  her,  n-'s-rn  -j»;,  erwerben  läßt,  daß  er  ihre  Gelübde  zunichte  macheu  darf? 
R.  fAqiba  erwiderte:  Was  du  von  einer  Frau  sagst,  die  der  Ehemann  sich  selbst  er- 
wirbt u.  auf  die  andre  kein  Recht  haben,  darfst  du  nicht  von  einer  Frau  sagen,  die 
man  ihn  von  Gott  her,  c-i-i-rt  -ji,  erwerben  läßt  u.  auf  die  andre  (die  übrigen  Schwäger) 
ein  Recht  haben.  —  ||  Sanh  99'''  Bar:  „Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet  u.  sein  Gebot 
gebrochen"  Nu  15,  31,  das  bezieht  sich  auf  den,  welcher  sagt:  Die  Tora  ist  nicht  von 
Gott  a-ttrn  p.  .  .  .  Auch  wenn  einer  sagt:  Die  ganze  Tora  ist  von  Gott  D"tt-:;n  p  mit 
Ausnahme  dieses  Verses,  den  nicht  Gott,  sondern  Mose  aus  seinem  eignen  Mund  ge- 

^  Siehe  den  Exkurs:  Memra  Jahves  Nr.  3. 


Matth  21,  25  863 

sagt  hat,  so  gilt  von  einem  solchen:  Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet.  Und  selbst 
wenn  einer  sagte:  Die  ganze  Tora  ist  von  Gott  wazn  -ji;  ausgenommen  diese  Subtilität, 
dieser  Schluß  vom  Leichtern  auf  das  Schwerere,  dieser  Analogieschluß  —  so  gilt  von 
einem  solchen:  das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet.  ||  SDt  13,  18  §  96  (93'^):  Rahban 
Gamliel,  der  Rabbinensohn  (IL,  um  90)  sagte:  Solange  du  dich  über  die  Menschen 
erbarmst,  erbarmt  man  sich  über  dich  seitens  Gottes  s-iswT!  ■j'i.  —  Dasselbe  Schab  151'' 
als  Bar;  vgL  auch  TBQ  9,  30  (366)  u.  pBQ  8,  ö^,  19. 

Andre  Verbindungen,  in  denen  d-«-:;  „Gott"  bedeutet.  BQ  6,  4:  Wenn  jemand  einen 
Brand  (eine  brennende  Fackel)  durch  einen  Taubstummen,  einen  Blödsinnigen  oder  ein 
unmündiges  Kind  übersendet  (u.  dadurch  einen  Brand  verursacht),  so  ist  er  frei  nach 
menschlichem  Recht  c-s  "r-a.,  aber  schuldig  nach  göttlichem  Recht  z-'c-o  ^:—.z .  \  Mak  9" : 
Raba  (t  352)  erwiderte  dem  Rab  Chisda  (1^809):  Es  heifst  Gn20,  3:  „Siehe,  du  mufst 
sterben  wegen  des  Weibes,  das  du  genommen  hast."  Könnte  man  nicht  meinen  durch 
die  Hände  eines  Menschen  ms  ^--z?  Nein,  vielmehr  durch  die  Hände  Gottes  c^-v  -t^:.  || 
Joma  22'^:  (Hos  2,  1  heißt  es  einmal:  Die  Zahl  der  Kinder  Israel  wird  sein  wie  der 
Sand  des  Meeres  —  also  zählbar  oder  meßbar,  im  Sinne  des  Midr;  u.  darauf  heißt 
es:  „Der  nicht  zu  messen  u.  nicht  zu  zählen  ist").  .  .  .  Rabbi  hat  im  Namen  des  Abba 
Jose  b.  Dos^thai  (um  160)  gesagt:  Darin  liegt  kein  Widerspruch;  hier  (unzählbar)  durch 
Menschen  dis  ^i'z;  dort  (zählbar)  durch  Gott  n'!;-i?  •'t'2.  ||  Tanch  p^z  2S1^:  Siehe,  ein 
Mann  von  den  Kindern  Israel  kam  herein  Nu  25,  6.  Zu  welchem  Zweck  tat  er  das? 
Um  dich  zu  lehren,  daß  er  weder  Gott  c'üvh,  noch  den  Menschen  rr^;V  Ehre  erwies. 
In  bezug  auf  ihn  ist  gesagt  worden:  „Ein  aufgeblasener  Frecher  wird  Spötter  genannt" 
Spr21,24.j|DtR3(20ib):  Man  fragte  den  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (fumSO):  Warum 
waren  die  ersten  (Gesetzes-)Tafeln  ein  Werk  Gottes  D"?3r  n-üy«,  u.  die  zweiten  ein 
Werk  von  Menschen  e-s  nrs):?  —  ||  Sanh27a:  Raba  (f  352)  kann  sagen:  R.  Me'ir 
(um  150)  redet  dort  (wo  er  sagt,  daß  ein  überführter  falscher  Zeuge  bei  allen  Gesetzen 
in  der  Tora  als  Zeuge  untauglich  sei  Sanh27a)  nur  von  einem,  der  als  falscher  Zeuge 
in  einem  Geldprozeß  überführt  wurde;  denn  ein  solcher  ist  schlecht  gegen  Gott  c-':tt)'5 
u.  schlecht  gegen  die  Menschen  rv-aV.  Aber  hier,  wo  es  sich  um  jemanden  handelt, 
der  schlecht  gegen  Gott  z'Kzh ,  aber  nicht  schlecht  gegen  die  Menschen  rr^z";  ist 
(nämlich  um  einen  Apostaten,  der  rituell  verbotenes  Fleisch  ißt),  hat  es  R.  Meir  nicht 
so  gemeint.  ||  Aboth  1,  3:  Antigonus  aus  Sokho  (angeblich  ein  Schüler  des  Schim?on  des 
Gerechten)  hat  gesagt:  Die  Furcht  Gottes  a^ar  s^t»:  sei  bei  euch!  [j  Aboth  4, 12:  R.  Elfazar 
b.  Schammuaf  (um  150)  sagte:  Es  sei  dir  die  Ehre  deines  Schülers  so  lieb  wie  deine 
eigene  Ehre  u.  die  Ehre  deines  Nächsten  wie  die  Ehrfurcht  vor  deinem  Lehrer  u.  die 
Ehrfurcht  vor  deinem  Lehrer  wie  die  Ehrfurcht  vor  Gott  n-wr  siitts.  |1  Aboth  1,  11; 
Abtaljon  (um  50  v.  Chr.)  sagte:  Ihr  Gelehrten,  seid  vorsichtig  mit  euren  Worten,  ihr 
möchtet  euch  verschulden  mit  einer  Verschuldung,  die  zur  Verbannung  führt,  u.  hinaus- 
ziehen müssen  an  einen  Ort  schlechten  Wassers  (schlechter  Lehre),  u.  die  Schüler,  die 
nach  euch  kommen,  würden  davon  trinken  u.  sterben,  u.  die  Folge  wäre,  daß  der 
Name  Gottes  z-ov  ü-j  entheiligt  würde,  ü  Aboth  4,  4:  R.  Jochanan  b.  B^roqa  (um  HO) 
sagte:  Wer  den  Namen  Gottes  z^^v  =r  im  geheimen  entheiligt,  der  wird  bestraft 
öffentlich;  bei  der  Entweihung  des  göttlichen  Namens  ist  es  gleichviel,  ob  einer  es 
unvorsätzlich  oder  in  Vermessenheit  tut.  11  Aboth  2,  2:  Rabban  Gamliel  b.  J®huda  ha- 
Na§i  (um  220)  sagte:  Alle,  die  sich  mit  der  Gemeinde  (u.  deren  Angelegenheiten)  be- 
schäftigen, sollen  sich  mit  ihnen  beschäftigen  um  Gottes  willen  z-ov  zvh.  Aboth  2, 12: 
R.  Jose,  der  Priester  (um  100),  sagte:  ...  All  dein  Tun  geschehe  um  Gottes  willen 
c-?2tt;  zxh.  II  Aboth  4,  11:  R.  Jochanan,  der  Sandalenmacher  (um  140),  sagte:  Jede  Ver- 
einigung, die  um  Gottes  willen  z'tiv  e-:;V  erfolgt,  wird  bestehen  bleiben;  die  aber  nicht 
um  Gottes  willen  z-^v  a-a;  erfolgt,  wird  nicht  bestehen  bleiben.  |i  Das.  5,  17:  Jeder 
Streit,  der  um  Gottes  willen  n-ar  uv-:  geführt  wird,  wird  bestehen  bleiben  (hat  bleibenden 
Erfolg),  der  aber  nicht  um  Gottes  willen  geführt  wird,  wird  nicht  bestehen  bleiben. 
Welches  ist  ein  Streit  um  Gottes  willen?  Der  Streit  Hilleis  u.  Schammais  (um  30  v.  Chr.). 
Und  einer  nicht  um  Gottes  willen?   Das  ist  der  Streit  Qorachs  u.  seiner  ganzen  Rotte,  jj 


864  Mattb2I,25 

B'rakh  16b:  Rab  (f  247)  pflegte  nach  seinem  Gebet  zu  sagen:  Es  sei  woblgefällig  vor 
dir,  Jabve  unser  Gott,  dafs  du  uns  gebest  ein  langes  Leben  .  .  .,  daß  in  uns  sei  Liebe 
zur  Tora  u.  Furcht  Gottes  a-ar  rsi-.  ||  B°rakh  33b:  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt: 
Alles  steht  in  Gottes  Hand  a'^sr  '•i'z,  ausgenommen  die  Gottesfurcht  u^'ov  rs-i-.  — 
Dasselbe  M<^g25a;  Nidda  16b.  ||  Schab  113^:  Deine  Angelegenheiten  sind  am  Sabbat 
verboten,  Gottes  Angelegenheiten  a-^sr  -::En  sind  erlaubt.  i|  B"rakh7b:  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  gesagt:  Man  darf  sich  über 
die  Gottlosen  in  dieser  Welt  entrüsten.  .  .  .  R.  Ji^chaq  (um  800)  hat  gesagt:  Wenn  du 
siehst,  daß  einem  Gottlosen  die  Stunde  lächelt,  so  entrüste  dich  nicht  wider  ihn.  .  .  . 
Es  liegt  kein  Widerspruch  vor:  in  dem  einen  Falle  handelt  es  sich  um  die  eigenen 
Angelegenheiten  h-i^t  •''-■'as,  im  andren  um  Gottes  Angelegenheiten  s-'orT  '^h^'az  (u. 
wo  es  sich  um  göttliche  Dinge  handelt,  darf  man  sich  wider  die  Gottlosen  entrüsten). 
fEr  13a:  (R.  Me'ir,  um  150,  hat  erzählt:)  Als  ich  zu  R.  Jischmafel  (f  um  135)  kam,  sagte 
er  zu  mir:  Mein  Sohn,  was  ist  deine  Beschäftigung?  Ich  antwortete:  Ich  bin  ein 
(Torarollen-)Schreiber  {-^hz'-s  =  libellarius\  Er  sprach  zu  mir:  Mein  Sohn,  sei  vorsichtig 
bei  deinem  Werk,  denn  dein  Werk  ist  ein  Gotteswerk  a-wr  rrsi'^;  vielleicht  möchtest 
du  einen  Buchstaben  auslassen  oder  einen  Buchstaben  zuviel  setzen,  u.  dann  würdest 
du  erfunden  als  einer,  der  die  ganze  Welt  zerstört.  |lBrakh53b:  (Nach  der  Schule 
Schammais  soll  jemand,  der  das  Tischgebet  nach  dem  Essen  vergessen  hat  u.  von 
dannen  gegangen  ist,  umkehren  u.  es  nachholen;  nach  der  Schule  Hillels  soll  er  es 
an  der  Stelle  sprechen,  an  der  er  sich  seiner  Unterlassung  bewußt  wird  B^'rakhS,  7. 
Hierzu  folgende  Bar:)  Die  Schule  Hilleis  sagte  zur  Schule  Schammais:  Nach  euren 
Worten  müßte  also  jemand,  der  oben  auf  einer  Burg  gegessen  hat  u.  aus  Vergeßlich- 
keit herabging,  ohne  den  Lobspruch  zu  sprechen,  auf  die  Höhe  der  Burg  zurückkehren 
u.  den  Lobspruch  sprechen?  Die  Schule  Schammais  antwortete:  Nach  euren  Worten 
müßte  jemand,  der  den  Geldbeutel  oben  auf  einer  Burg  vergaß,  nicht  wieder  empor- 
steigen u.  ihn  an  sich  nehmen!  Der  eignen  Ehre  halber  soll  man  emporsteigen,  nicht 
viel  mehr  um  der  Ehre  Gottes  willen  a'^'sr  m^s'';?  ||  P'^s  57»:  Ferner  rief  der  Vorhof 
(des  Tempels)  aus:  Geh  hinaus  von  hier,  Issakhar  aus  K^phar-Barqai,  der  sich  selbst 
ehrt  u.  die  heiligen  Opfer  Gottes  a-ttr  ^z-.p  entweiht!  —  Derselbe  Ausdruck  w^v  "^v-ip 
folgt  dann  wenige  Zeilen  später  noch  einmal.  Die  ganze  Stelle  s.  bei  Mt21,  18  SB.  || 
P'^s57a:  (Als  die  Hohenpriester  die  den  Priestern  zustehenden  Häute  von  den  Opfer- 
tieren sich  mit  Gewalt  aneigneten)  erhoben  sich  deren  Besitzer  u.  heiligten  sie  Gotte 
ü'-^^h  üvsi^-.prt.  —  Diese  Wendung  das.  noch  einmal.  Ausführlich  findet  sich  das  Zitat  bei 
Job  18,  13,  u.  zwar  nach  der  Parallelstelle  TM'^n  13, 18  ff.  (533).  Auch  in  dieser  Tosephta- 
stelle  zweimal  die  Wendung  z->2-::h  ara-rpn.  1|  Berakh  ob:  Gibt  es  denn  einen  Zweifel 
vor  Gott  s-«--  '^p  sp-EO  S3-X  -n?  !|  K^'th  105b:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Wenn 
einen  hervorragenden  Gelehrten  die  Einwohner  seiner  Stadt  lieben,  so  geschieht  das  nicht, 
weil  er  so  gar  vorzüglich  ist,  sondern  weil  er  sie  in  den  göttlichen  Dingen  n-wx^t  'h-^yiz 
nicht  strafend  zurechtweist.  |1  Joma86a:  Abaje  hat  gesagt:  Wie  es  in  einer  Bar  heißt: 
„Du  sollst  Jabve  deinen  Gott  lieben"  Dt  6,  5,  d.h.  es  soll  der  Name  Gottes  a"ar  es 
um  deinetwillen  geliebt  werden,  jl  Chag  12  b:  Gibt  es  denn  Finsternis  vor  Gott  s-^s-j  "»sp?  j| 
pSch'^'bifith  y,  88'^,  25:  (R.  Schimfon  b.  Jochai,  um  150,  hat  gesagt:)  Ein  Vogel  geht  nicht 
zugrunde  ohne  Gott  s-i»  •'lylsa»:,  um  wieviel  weniger  ein  Mensch.  |1  Sanh  105«:  Rab 
Nachman  (f  320)  hat  gesagt:  Die  Unverschämtheit  hilft  selbst  Gotte  gegenüber  irVa 
n-r.'s .  II  pTa?an  3, 66  '^,  6 :  R.  Acha  (um  320)  veranstaltete  dreizehn  Fasten,  ohne  daß  Regen 
fiel.  Als  er  hinging,  begegnete  ihm  ein  Samaritaner;  der  sprach  zu  ihm  (höhnend): 
Rabbi,  Rabbi,  drück  deinen  Mantel  vom  Regen  aus!  Er  antwortete  ihm:  Beim  Leben 
dieses  Mannes!  Gott  s-ar  wird  Wunder  tun  u.  das  Jahr  wird  ein  glückliches  werden; 
aber  dieser  Mann  (^  du)  wird  es  nicht  erleben.  Und  Gott  tat  Wunder  -"o-j  s-atü  Tnayi, 
u.  das  Jahr  wurde  ein  glückliches,  u.  jener  Samaritaner  starb.  i|  Ned  11,  12:  Gott  d'kv 
sei  Richter  zwischen  mir  u.  dir!  I|  Gaben  des  Himmels  '-o  r-^^r):  werden  erwähnt  Tanch 
r-'j^  244b.  II  In  allen  diesen  Stellen,  abgesehen  von  ''^^n  -ji:,  erscheint  'lo  ohne  Artikel; 
nur  zweimal  ist  uns  'lün  begegnet,  u.  zwar  erstens  im  Munde  des  R.  Elif  ezer,  um  90, 


Matth21,25.28  865 

der  pJonia  6,  43*^,  41  sagt:  So  möge  es  den  Feinden  Gottes  ergehn  D-»:rr!  -a-is  -rt"  ■:! 
u.  zweitens  Derekh  Erep  Zuta  2  Anf.,  wo  es  heißt:  All  dein  Tun  geschelie  um  Gottes 
willen  a-'T'j  uv'--.  liefeeGott  D-»stür;  rs  u.  fürchte  dich  vor  Gott  a-^sn  •;':.  —  Nicht  hierher 
gehört  die  Beteuerungsformel  c'^^'i"  (bei  Gott),  wo  der  Artikel  offenbar  gebraucht  wird, 
um  die  Formel  dem  sonst  üblichen  !3-nVsr;  (bei  Gott)  gleichzugestalteu.  TChul  2, 24  (508): 
(R.  Elifezer,  um  90,  sagte  zu  R.  ?Aqiba,  f  um  1:35:)  Bei  Gott  =-';-i;n,  du  rufst  eine  Er- 
innerung bei  mir  wach.  —  Parallelstelle  Midr  Qoh  l,8(8b).  ||  SDt  33,  19  §354  (147a): 
R.Jose  (um  150)  hat  erzählt:  Einmal  ging  ich  von  K^'zib  nach  Tyrus';  ich  traf  einen 
Alten  u.  entbot  ihm  den  Fried ensgrufs.  Ich  sprach  zu  ihm:  Woraus  nimmst  du  deinen 
Lebensunterhalt?  Er  antwortete  mir:  Aus  der  Purpurschnecke.  Ich  sprach  zu  ihm: 
Wird  sie  denn  gefunden?  Er  antwoitete  mir:  Bei  Gott  a-'arr!,  es  gibt  eine  Stelle  im 
Meer,  die  auf  Bergen  liegt,  u.  Eidechsen  umringen  sie,  u.  kein  Mensch  kommt  dahin, 
den  die  Eidechsen  nicht  bissen,  so  daß  er  stirbt  u.  an  seinem  Ort  verwest.  Ich  sagte: 
Bei  Gott  n-irn ,  daraus  erkennt  man,  daß  es  (was  im  Meere  umkommt)  aufbewahrt 
wird  für  die  Gerechten  in  der  zukünftigen  Welt.  (Vorher  war  ausgeführt,  daß  das 
Weltmeer  alle  darin  versunkenen  Schätze  in  das  Meer  von  Joppe  ausspeit,  wo  sie  für 
die  Gerechten  aufbewahrt  werden.)  —  o'nVsn  (bei  Gott)  findet  sich  zB  Chul54a:  Rab 
Nachman  (f  320)  hat  gesagt:  Bei  Gott,  Rab  (f  247)  hat  darüber  gelehrt.  —  Wenige 
Zeilen  weiter  sagt  dasselbe  R.  Chijja  b.  Joseph,  um  260.  —  Ebendaselbst  versichert 
R.  Jochanan  (t279):  Bei  Gott,  alle  jene  Jahre,  die  jener  (Rab)  als  Schülerin  der  Akademie 
(Rabbis)  diente,  habe  ich  stehend  zugehört.  ||  Weitere  Beispiele  des  metonymischen 
Gebrauchs  von  a-'a-i-  für  Gott  s.  noch  Joma  14^:  Beugung  durch  die  Hände  des  Himmels 
u.  durch  Menschenhände  a-ar  — i-a  -•:•,'  u.  ats  --'a  '>•.  |  Sukka9a:  z^i2v  ao  =  der 
Name  Gottes.  BQ  22»:  Frei  von  menschlichen  Gerichten  ats  'z'fo,  aber  schuldig  der 
göttlichen  Gerichte  a-o-i>  -:--!.  —  N^dS^:  Den  Namen  Gottes  a'»:»  üv  zu  Nichtigem 
aussprechen.  —  Neg  11,3:  Die  durch  Gottes  Hände  vo-n  --i-a  gefärbten  Häute  (die  von 
Natur  farbigen  Felle)  werden  unrein,  die  durch  Menschen  Hände  b-:n  ---a  gefärbten  werden 
nicht  unrein.  —  Targ  Ruth  1, 1:  Zehn  große  Hungersnöte  sind  vom  Himmel  s;';tü  -^  be- 
schlossen worden.  —  Targ  Qoh  8, 15:  Was  ihm  vom  Himmel  s^jsb  •';  gegeben  worden  ist. 

Beispiele  zu  c'_-qvi  md^^o  Reich  Gottes  s.  bei  Mt  4, 17  S.  172  ff. 

21,28:  Ein  Mensch  hatte  zwei  Söhne  usw. 

ExR27(88a):  Die  Rabbinen  (Zeitgenossen  des  R.  N^chemja  um  150)  sagten:  Mit 
den  Worten  Spr  6,  1 :  „Mein  Sohn,  wenn  du  für  deinen  Nächsten  Bürge  geworden  bist" 
sind  die  Israeliten  gemeint;  denn  sie  sind  Bürgen  zwischen  sich  u.  Gott  (nämlich  einer 
für  den  andren).  .  .  .  Wie  war  es  mit  ihrer  Bürgschaft?  Als  Gott  die  Tora  geben  wollte, 
nahm  sie  kein  einziges  Volk  an,  sondern  nur  Isi-ael.  Gleich  einem  König,  der  ein  Feld 
hatte,  das  er  Pächtern  (Kolonen)  zu  überlassen  wünschte.  Er  rief  den  ersten  u.  sprach: 
Willst  du  dieses  Feld  übernehmen?  Er  antwortete:  Dazu  habe  ich  nicht  die  Kraft,  es 
ist  zu  schwer  für  mich.  Ebenso  fragte  er  den  zweiten,  dritten  u.  vierten;  aber  sie 
übernahmen  es  nicht.  Da  rief  er  den  fünften  u.  sprach  zu  ihm:  „Willst  du  dieses  Feld 
übernehmen?"  Er  antwortete:  Ja!  „Unter  der  Bedingung,  daß  du  es  bestellst?"  Er  ant- 
wortete: Ja!  Als  er  es  aber  angetreten  hatte,  ließ  er  es  brach  liegen.  Über  wen  wird 
der  König  aufgebracht  sein,  über  jene,  die  sagten :  'Wir  können  es  nicht  übernehmen', 
oder  über  den,  der  es  übernahm  u.,  nachdem  er  es  übernommen  u.  angetreten  hatte, 
es  brach  liegen  ließ?  Nicht  über  den,  der  es  übernahm?  Ebenso  als  sich  Gott  am 
Berg  Sinai  offenbarte,  ließ  er  keine  Nation  dahinten,  bei  der  er  nicht  anklopfte;  aber  sie 
wollten  es  nicht  auf  sich  nehmen,  sie  (die  Tora)  zu  beobachten;  als  er  aber  zu  den 
Israeliten  kam,  sagten  sie:  'Alles  was  Jahve  geredet  hat,  wollen  wir  tun  u.  gehorchen' 
Ex  24,  7.  Darum  ist  es  in  der  Ordnung,  daß  ihr  gehorchet;  das  meint  auch  Jer2,  4: 
'Höret  Jahves  Wort,  Haus  Jakobs!'  Wenn  aber  nicht,  so  werdet  ihr  der  Bürgschaft 
wegen  bestraft  werden;  das  meint  Spr  6,1:  Mein  Sohn,  wenn  du  für  deinen  Nächsten 
Bürge  geworden  bist.  ||  In  gewisser  Hinsicht  kann  auch  verglichen  werden  Tanch 
Strack  u.Billerbeck,  NTI.  55 


866  Matth  21,  28.  29.  31  («.  SB).  21,  32 

■'3-2»  150^:  Gleich  den  Schreiben  eines  Königs,  die  in  die  Provinzen  (Städte)  des  König- 
reichs gebracht  wurden.  In  allen  Städten  stand  man  u.  entblößte  die  Häupter  u.  las 
sie  mit  Furcht  u.  Zittern  u.  Beben.  Als  sie  aber  in  die  Stadt  des  Königs  gebracht 
wurden,  zerriß  u.  verbrannte  man  sie.  So  haben  auch  die  Israeliten  gehandelt.  Als 
Gott  seinen  Gesandten  an  die  Völker  der  Welt  schickte,  taten  diese  Buße,  hüllten  sich 
in  einen  Sack  u.  fasteten.  So  taten  die  Leute  von  Ninive,  s.  Jona  3,  7  f.  .  .  .  Und  die 
Völker  der  Welt  fürchteten  sich  vor  Gott  u.  nahten  sich  der  Buße.  Aber  Israel  hatte 
einen  harten  Nacken,  s.  Jer  36,  23:  Sobald  Jehudi  drei  oder  vier  Seiten  gelesen  hatte, 
schnitt  er  (der  König)  es  weg  .  .  .  u.  warf  es  ins  Feuer. 

21,29:  Ich  will  nicht. 
ov  ^äXcü,  etwa  nriii  li^x;  zB  B^rakh  7*  Bar  im  Namen  des  R.  J^hoschua? 
b.  Qarcha  (um  150):  So  sprach  Gott  zu  Mose:  Als  ich  wollte  (nämlich 
mich  dir  offenbaren),  wolltest  du  nicht  (vgl.  Ex  3,6);  jetzt,  da  du  willst, 
will  ich  nicht  .1:111 13\^<  n^iin  nrxir  i^irrr  (vgl.  Ex  33, 18. 20).  —  Die  Parallel- 
stelle ExR45  (101^)  verwendet  dasVerbum  uijss. 

21,29:  Ich  will  nicht  ...  u.  er  ging  hin. 

Vgl.  das  öfters  zitierte  Wort  BM87a:  Es  heißt  Gn  18,5:  „Ich  will  einen  Bissen 
Brot  holen",  u.  hinterher  (Vers  7):  Abraham  lief  zu  den  Rindern  usw.  R.  El?azar 
(um  270)  hat  gesagt:  Hieraus  erhellt,  daß  die  Gerechten  wenig  sagen  (versprechen) 
u.  viel  tun.  Die  Gottlosen  aber  sagen  viel  u.  tun  gar  nichts.  Woher  dies?  Von  Ephron, 
s.  Gn23,  lOff.  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  Tanch  s^^i  22b;  p^a  234a;  NuR  20 
(189b);  DtRl  (195"). 

21,31  51:  Wer  von  den  beiden  hat  den  Willen  des  Vaters  getan? 
Dergleichen  Fragen  sind  auch  in  rabbin.  Gleichnissen  üblich. 

DtR  7  (204a):  R.  Schimfon  b.  Chalaphta  (um  190)  hat  gesagt:  Wer  die  Worte  der 
Tora  lernt,  sie  aber  nicht  hält,  dessen  Strafe  ist  schwerer,  als  dessen,  der  überhaupt 
nicht  lernt.  Womit  läßt  sich  das  vergleichen?  Mit  einem  König,  der  einen  Baumgarten 
hatte;  er  setzte  zwei  Kolonen  (Pächter)  hinein:  der  eine  pflanzte  Bäume  u.  hieb  sie 
(wieder)  ab,  u.  der  andre  pflanzte  überhaupt  nicht,  hieb  aber  auch  nicht  ab.  Über  wen 
wird  der  König  zürnen?  Nicht  über  den,  der  gepflanzt  hatte  u.  sie  (wieder)  abhieb? 
Ebenso  wer  die  Worte  der  Tora  lernt  usw.  —  Weitere  Beispiele  ExR  27  oben  S.  865 ; 
TBQ7,2  bei  Mt  22,  8  S.  880. 

21,31  33:  Die  Zöllner  u.  die  Huren  kommen  vor  euch 
in  das  Reich  Gottes. 
Nach  pharisäischer  Anschauung  galt  eijie  wirksame  Buße  u.  Umkehr 
der  Zöllner  oder  Räuber  für  ungemein  schwer,  insofern  dazu  die  Rück- 
gabe des  erpreßten  Gutes  an  die  Eigentümer  gehörte,  eine  Bedingung, 
deren  Erfüllung  ja  einfach  unmöglich  war,  wenn  man  den  geschädigten 
Eigentümer  gar  nicht  kannte.  Über  erleichternde  Bestimmungen  für 
derartige  Fälle  s.  das  Gleichnis  vom  Pharisäer  u.  Zöllner  Lk  18, 14. 

21,32:  Johannes  kam  zu  euch  auf  (mit)  einem  Weg 

der  Gerechtigkeit. 

o^og  dixaioavvYjg  =  ni^iri  rp^.  Spr  16, 31,  „Weg  der  Gerechtigkeit",  ist 

entweder  ein  Weg,  der  der  Gerechtigkeit  entspricht,  oder  ein  Weg,  der 

die  Gerechtigkeit  fordert.  —  Im  ersteren  Sinn  LXX  Spr  8,  20:  ev  oöoTg 


Matth21,32.33(3ll.2)  867 

dixaioavvrjg  =  np-i:i  mxn  nsQinaxw.  16,  31:  iv  ds  odoig  dixaioavvijg  = 
npn:! -;-iin  svQiaxszai.  21,16:  civr]o  nXarc6}.i€vog  i^  d6ov  dixaioavvi^q  = 
^s^rn  r^T}.^'  Ii^  letzteren  Sinn  an  unsrer  Stelle.  —  Ähnlich  wie  von 
Johannes  hier  gesagt  wird,  daß  er  auf  oder  mit  einem  Wege  kam,  der 
Gerechtigkeit  forderte,  wird  Dn  12,  3  von  solchen  geredet,  „die  die 
Menge  zur  Gerechtigkeit  anleiten"  c-^nnn  ip^-i::7:. 

Ferner  s.  Abothö,  18:  Wer  die  Menge  zum  verdienstlichen  Handeln  anleitet  "ST^sn, 
über  den  kommt  keine  Sünde;  wer  aber  die  Menge  zur  Sünde  verführt,  dem  gibt  man 
(Gott)  nicht  die  Möglichkeit,  Buße  zu  tun.  Mose  hat  verdienstlich  gehandelt  n:t  u.  hat 
die  Menge  zum  verdienstlichen  Handeln  angeleitet  nsr,  u.  das  Verdienst  der  Menge 
wurde  ihm  als  eigenes  zugerechnet,  s.  Dt  33,  21:  „Die  Gerechtigkeit  Jahves  hat  er 
geübt  u.  seine  Rechte  gemeinsam  mit  Israel"  (also  Israels  gerechtes  Tun  zugleich 
Moses  Tun).  Jarobfam  hat  gesündigt  u.  die  Menge  zur  Sünde  verführt,  u.  die  Sünde 
der  Menge  wurde  ihm  zugerechnet,  s.  1  Kg  15,  30. 

21,  33  3(:  Er  pflanzte  einen  Weinberg  u.  umgab  ihn  mit  einem 
Zaun  u.  grub  in  ihm  eine  Kelter  u.  baute  einen  Turm. 

1.  Die  Aufzählung  der  einzelnen  Arbeiten  soll  die  Sorgfalt  ver- 
anschaulichen, die  auf  den  Weinberg  verwandt  worden  ist;  ebenso  in 
der  Grundstelle  Jes  5, 1  f. 

Von  sieben  Schülern  des  R.  f Aqiba  (t  um  135)  wird  uns  pChagS,  78'',  13.  21  er- 
zahlt, daß  sie  gelegentlich  einer  Zusammenkunft  in  der  Ebene  Rimmon  je  sieben  ver- 
schiedene Deutungen  von  Jes  5,  1  vorgetragen  haben,  von  denen  die  des  R.  Schimfon 
b.  Jochai  das  meiste  Lob  ernteten.  Die  Auslegungen  selbst  sind  uns  nicht  überliefert 
worden.  Vielleicht  gehört  die  Sukka  49 a  mitgeteilte  Auslegung  des  R.  Jose,  eines  Teil- 
nehmers an  jener  Versammlung,  zu  ihnen.  R.  Jose  (b.  Chalaphta,  um  150)  sagte:  Die 
Schithin'  sind  hohl  u.  reichen  hinab  bis  zur  ürtiefe  (T^hom),  wie  es  heißt  Jes  5,  If. : 
,Ich  will  singen  von  meinem  Herzensfreund,  ein  Lied  meines  Freundes  von  seinem 
Weinberg:  Einen  Weinberg  hatte  mein  Herzensfreund  auf  fettem  Berggipfel;  er  be- 
hackte ihn,  reinigte  ihn  von  Steinen,  bepflanzte  ihn  mit  Edelreben  u.  baute  einen  Turm 
hinein  u.  hieb  auch  eine  Kelter  darin  aus."  „Edelreben",  der  Tempel;  „Turm",  der 
(Brand opf er-) Altar;  „Kelter*,  die  Schithin.  —  In  den  Parallelstellen  steht  richtiger  der 
Sing  r-v,  so  TSukkaS,  15  (197);  TMefil  1,  16  (558);  pSukka4,  54^  1. 

2.  Die  Umzäunung  der  Weinberge  ist  wohl  allgemein  üblich 
gewesen,  s.  außer  Jes  5,  5  noch  Nu  22,  24;  Ps  80, 13. 

Kil  4,  2  ff. :  Was  versteht  man  unter  dem  Umgang  h'.n^z  des  Weinbergs?  Den  Raum 
zwischen  dem  Weinberg  (d.  h.  seinem  bepflanzten  Teil)  u.  dem  Zaun  (oder  Mauer,  ^-:). . . . 
R.  Jehuda  (um  150)  sagte:  Dies  (d.  h.  dieser  Zwischenraum)  ist  nur  die  Umzäunung  des 
Weinbergs.  Was  versteht  man  aber  unter  dem  Umgang  des  Weinbergs?  Den  Raum 
zwischen  zwei  Weinbergen  (von  denen  der  eine  reihenweise  von  Osten  nach  Westen 
u.  der  andre  von  Norden  nach  Süden  bepflanzt  ist).  Was  ist  ein  Zaun?  der  10  Hand- 
breiten hoch  ist.  .  .  .  Eine  Scheidewand  von  Rohrstäben,  wenn  zwischen  den  einzelnen 
Stäben  nicht  ein  Zwischenraum  von  drei  Handbreiten  ist,  so  daß  ein  Böcklein  hindurch 
kann,  siehe,  die  gilt  als  Scheidewand.  ||  TQid  1,11  (336):  Rabban  Gamliel  (um  90)  sagte: 
Wer  ein  Handwerk  ausübt,  womit  läßt  sich  der  vergleichen?  Mit  einem  Weinberg, 
der  von  einer  Mauer  umgeben  ist  .  .  .,  in  den  Vieh  u.  Wild  nicht  eindringen  können, 


1  Der  r-iü  oder  r-r  „Grund,  Fundament"  war  ein  1  Kubikelle  großer  Hohlraum 
unter  der  südwestlichen  Ecke  des  Brandopferaltars,  in  den  der  Trankopferwein  abfloß. 
Nach  der  Schule  des  R.  Jischma?el  (fum  135)  gehörte  der  Schith  zu  den  Urschöpfungen : 
r'BS"'3  (Gn  1,  1)  =  r^v  s-ia  „er  schuf  den  Schith",  Sukka  49». 

55* 


868  Matth  21,33(5(3) 

u.  die  Vorübergehenden  essen  nicht,  was  darin  ist,  u.  sehen  nicht,  was  darin  ist.  Wer 
aber  kein  Handwerk  ausübt,  wem  gleicht  dieser?  Einem  offen  daliegenden  W.,  in  den 
Vieh  U.Wild  eindringen  können,  u.  die  Vorübergehenden  esseUj  was  darin  ist,  u.  sehen, 
■was  darin  ist.    (Ein  Handwerk  die  sicherste  Existenzgrundlage.) 

3.  Zum  Turm  vgl.  Midr  Spr  16  §  11  (41b):  R.Jose  der  Galiläer  (um  110)  hat  ge- 
sagt: Gleich  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  einen  grofsen  Baumgarten  hatte,  u. 
er  baute  einen  großen  Turm  hinein.  .  .  .  u.  mietete  Arbeiter  u.  trug  ihnen  auf,  sich  mit 
ihrer  Arbeit  zu  befassen.  Da  machte  sich  der  König  auf  u.  stieg  empor  zur  Spitze  des 
Turmes;  er  sah  jene,  sie  aber  sahen  ihn  nicht.  .  .  .  |!  ExR  2  (6(Sb):  R.  Jannai  (um  225) 
hat  gesagt:  Obwohl  seine  Schekhina  (Gottheit)  im  Himmel  weilt  (seitdem  das  Heilig- 
tum zerstört  ist),  so  sehen  (doch)  seine  Augen,  seine  Wimpei'n  prüfen  die  Menschen- 
kinder Ps  11,4.  Gleich  einem  König,  der  einen  Baumgarten  hatte,  u.  er  liefj  Arbeiter 
hineinschaffen  u.  baute  auch  einen  hohen  Turm  darin.  Die  Parallelstelle  TanchB  ri-cv 
§  10  (3^)  gedenkt  des  Turmes  nicht,  läßt  aber  den  König  am  Eingang  des  Gartens 
ein  Schatzhaus  errichten.  ||  In  einem  andren  Gleichnis  wird  die  obere  Welt  mit  einem 
Söller  verglichen,  der  über  einem  Baumgarten  erbaut  ist;  beide,  das  soll  der  Mensch 
wissen,  sind  nur  zum  Ansehen  da.  TChag2,  6  (234):  (Als  R.  Jehoschuaf,  um  90,  den 
Ausspruch  des  durch  seine  metaphysischen  Spekulationen  von  Sinnen  gekommenen 
Ben  Zoma  gehört  hatte,  daß  zwischen  den  oberen  u.  unteren  Wassern  kaum  ein  Zwischen- 
raum von  einer  Handbreite  sei)  sagte  er:  Ein  Gleichnis.  Womit  läßt  sich  das  ver- 
gleichen? Mit  dem  Baumgarten  eines  Königs,  über  dem  ein  Söller  erbaut  ist.  Was 
liegt  dem  Menschen  in  bezug  auf  diesen  ob?  Allein  daß  er  hinsieht  u.  nur  daß  er  seine 
Augen  nicht  von  ihm  abzieht.  —  In  pChag  2,  77"=,  61 :  Man  soll  auf  ihn  blicken,  aber 
ihn  nicht  berühren  (d.  h.  sich  nicht  mit  ihm  befassen).  ||  Besonders  aber  diente  der 
Turm  wegen  des  weiten  Ausblicks,  den  er  gewährte,  den  Wächtern  des  Weinbergs 
zum  Aufenthaltsort;  meist  mußten  sie  sich  allerdings  an  einer  Wächterhütte  (Jes  1,8) 
genügen  lassen.  ExR  20  (82  b):  Es  geschah,  ---i,  als  der  Pharao  das  Volk  entließ 
Ex  13,  17.  Das  ist  es,  was  geschrieben  steht  HL  4,  13:  Deine  Entlassenen*  —  ein 
Baumgaiien  von  Granaten.  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einem,  der  ein  Feld 
besaß,  in  welchem  sich  ein  Steinhaufen  befand;  er  machte  sich  auf  und  verkaufte  es. 
Der  Käufer  entfernte  den  Steinhaufen  u.  fand  unter  ihm  eine  Quelle.  Da  pflanzte  er 
Weinstöcke,  Reihe  um  Reihe,  auch  allerlei  Arten  von  Gewürzbäumen  u.  Granatbäume, 
stellte  sie  aufrecht  an  Pfählen,  baute  einen  Turm  u.  setzte  einen  Wächter  hinein.  Wer 
vorüberging,  rühmte  es.  Auch  jener  Mann,  der  es  verkauft  hatte,  ging  vorüber  u.  sah 
es  voll  von  allem  Guten.  Da  sprach  er:  Wehe  mir,  daß  ich  solches  verkauft  habe; 
wehe  mir,  daß  ich  solches  meinen  Händen  entgehen  ließ!  So  waren  die  Israeliten  in 
Ägypten  ein  Steinhaufen,  s.  HL  4,  12:  Ein  verschlossener  Garten  ist  meine  Schwester 
Braut,  ein  verschlossener  Haufen  (so  der  Midr),  ein  versiegelter  Quell.  Als  sie  aber  aus- 
zogen, wurden  sie  ein  Baumgarten  von  Granaten,  wie  ein  Weinstock,  s.  Ps  80,9:  „Einen 
Weinstock  versetztest  du  aus  Ägypten" ;  wurden  sie  lauter  Reihen,  Reuben,  Schimfon, 
Levi  u.  Jehuda,  u.  ebenso  alle  übrigen.  Er  pflanzte  darin  allerlei  Arten  von  Gewürz- 
bäumen, s.  HL  4,  14:  Narde  u.  Krokus,  Kalmus  u.  Zimt;  er  pflanzte  darin  Apfelbäume, 
s.  HL  8,  5:  Unter  dem  Apfelbaum  weckte  (erregte)  ich  dich.  Er  stützte  sie  mit  Stäben 
(Röhren);  damit  sind  die  Röhren  des  (siebenarmigen)  Leuchters  gemeint;  er  fand  darin 
lebendiges  Wasser,  s.  HL  4,  15:  Ein  Quell  der  Gärten,  Brunn  lebendigen  Wassers;  er 
baute  darin  einen  Turm,  s.  Jes  5,  2:  Baute  einen  Turm  hinein  u.  hieb  auch  eine  Kelter 
darin  aus;  er  setzte  einen  Wächter  hinein,  s.  Ps  121,  5:  „Jahve  ist  dein  Hüter,  Jahve 
dein  Schatten  über  deiner  rechten  Hand."  Alle  Zeit,  da  die  Menschen  die  Israeliten 
sahen,  rühmten  sie  sie.  Und  wer  hat  sie  gerühmt?  Bilfam,  der  Frevler,  s.  Nu  24,  5  f.: 
Wie  schön  sind  deine  Zelte,  Jakob.  .  .  .  Gleich  bewässerten  Tälern,  die  sich  weithin 
ausdehnen.   Biham  sah  sie  u.  staunte;  der  Pharao  sah  sie  Reihe  für  Reihe,  Priester, 


*  ^-nbio  wird  erklärt  nach  nica  Ex  13,  17.  Diese  Deutung  ist  alt,  schon  bei  R.Jose 
dem  Galiläer,  um  110;  s.  M^kh  Ex  14,  5  (32a). 


Matth21,33(3t3.4.  SBl)  869 

Leviten  u.  (gewöhnliche)  Israeliten,  Fahnen  um  Fahnen  —  da  hob  er  an  zu  schreien  u.  sprach : 
Wehe  diesem  Mann  (d.h.  mir),  der  solche  aus  seiner  Hand  entließ!  Deshalb  heißt  es  Ex 
13, 17:  Ein  Wehe  entstand,  als  der  Pharao  das  Volk  entließ.  —  Der  Midr  deutet  "r^i  = 
■'~!i  ■'■'I  „wehe  u.  ach!";  s.  Rab  (f  247)  M^g  II  ».  ||  Eine  Wächterhütte  im  Weinberg  rr^'^VJ 
D'^Sitü,  die  eine  Höhe  von  zehn  u.  eine  Breite  von  vier  Handbreiten  bat,  erwähnt  Kil5,3. 
4.  Kelter  im  Weinberg.  Kil5,3:  In  eine  Kelter  im  Weinberg  2^:3-u  Pi" ,  wenn 
sie  zehn  Handbreiten  tief  u.  vier  breit  ist,  darf  man,  wie  R.  Elifezer  (um  90)  sagte, 
säen;  die  Gelehrten  aber  verboten  es  (wegen  des  Mischsaatengesetzes). 

21,33  50:  Er  gab  ihn  an  Landarbeiter  (Weingärtner)  aus. 

1.  Die  entsprechende  hebräische  Wendung  lautet  in  der  Bar  P^siq- 
tha  99=^:  »■^■ixb  nim:  xin,  „er  (der  Besitzer)  gibt  es  (ein  Feld)  an  einen 
Landmann  (Kolonus)  aus"  (s.  das  Zitat  Anm.  a).  Umgekehrt  sagte  man 
vom  Pächter:  „Er  übernimmt  ein  Feld,  eine  Plantage,  einen  Weinberg 
usw.  von  einem  andren"  ninn^  c-:  -ib-^xn  n-^z  mo  h2.p_^.  Demgemäß: 
„Pächter"  -^zj:  (der  Übernehmende),  „Pacht"  oder  „Pachtung"  rn;b?f? 
(Übernahme).  —  Je  nach  der  Art  der  Pachtzahlung  unterschied  man: 

Erstens:  eine  Pachtung,  für  welche  ein  bestimmter  Bruchteil  (die 
Hälfte,  ein  Drittel,  ein  Viertel  usw.)  des  jedesmaligen  Ernteertrages  an 
den  Grundherrn  abzuführen  war,  hieß  r^oi^x  oder  r^io-i-iy,  der  Pächter 
c-i-N  oder  o-^yj  (wir  übersetzen  „Kolonus").  —  Der  Pachtzins  stieg 
oder  fiel  je  nach  der  Güte  der  Ernte.  ||  Zweitens:  eine  Pachtung,  für 
welche  ein  fest  bestimmtes  Quantum  von  Getreide,  Öl,  Wein  usw.  zu 
leisten  war:  n-^rn,  r^nisn,  n^=n;  der  Unternehmer  ^--in,  T^zn,  n-izn,  von  n=n 
„pachten"  (wir  übersetzen  „Pächter").  |1  Drittens:  eine  Pachtung,  für 
die  eine  festgesetzte  Geldsumme  als  Pachtpreis  gezahlt  wurde:  r^-^:'.;-; 
der  Unternehmer  n:fi^  (wir  übersetzen   „Mieter" ).a 

nio-i-ix  u.  m-ii=n  werden  häufig  nebeneinander  genannt,  wo  man 
den  Begriff  „Pachtung"  möglichst  umfassend  ausdrücken  will.b  — 
Das  Verbum  bap  ist  von  so  allgemeiner  Bedeutung,  wie  unser  ^über- 
nehmen", konnte  also  vom  Eingehn  jeder  Art  Pachtung  gebraucht 
werden.  Meist  folgt  daher  das  genauere  Verbum  i=n  oder  nzir.c  Folgt 
ein  solches  Verbum  nicht,  so  darf  man  annehmen,  daß  es  sich  um  einen 
c^^K,  Kolonus,  handelt.  So  gewinnt  mrbsp  unter  Umständen  die  spezielle 
Bedeutung  von  --c-^n  u.  bap  ist  Ersatz  für  das  fast  ungebräuchliche 
^yj,  pachten. id  _  Ähnlich  kann  ^diü  als  der  weitere  Begriff  den  ^=-n 
unter  sich  befassen,  e  An  einigen  Stellen  werden  neben  den  Kolonen 
u.  Pächtern  noch  die  •pibsp  u.  neben  Pachtverträgen  eines  Kolonus  ---j-a 
nTio-^iN  die  der  mab^p  erwähnt;  da  halte  man  sich  gegenwärtig,  daß 
■bnp  den  Übernehmer  u.  r^.:h-:.p  die  Übernahme  nicht  bloß  einer  Pachtung, 
sondern  auch  jeder  beliebigen  Verpflichtung  bezeichnen  kann.^ 

a.  Pesiq  99»:  Im  Namen  des  R.  Nechemja  (um  150)  ist  als  tannaitische  Tradition 
gelehrt  worden:  Im  gewöhnlichen  Leben  ist  es  so,  daß,  wenn  ein  Mensch  ein  Feld  hat, 
er  es  an  einen  Kolonus  d-^s  ausgibt  gegen  die  Hälfte,  das  Drittel  oder  das  Viertel  (des 
gesamten  Ernteertrages);    aber  Gott  verfährt  nicht  also;    sondern    er  läßt  die  Winde 

1  TChaila  2,  5  (99).    c^s  ist  „verloben^ 


870  Matth21,33(S8l) 

wehen  u.  die  Wolken  aufsteigen  u.  die  Regengüsse  niederfallen  u.  den  Tau  hervor- 
brechen u.  die  Gewächse  groß  u.  die  Früchte  fett  werden,  u.  er  hat  uns  befohlen,  vor 
ihm  nur  ein  Zehntel  abzusondern;  deshalb  ermahnt  Mose  die  Israeliten:  Du  sollst 
pünktlich  verzehnten  Dt  14,  22.  —  Dasselbe  im  Namen  des  R.  Chijja  (um  200)  Tanch 
nsi  13a.  In  breiterer  Ausführung  ExR41  (97^);  hier  der  Anfang:  Ein  Mensch  gibt 
sein  Feld  einem  Kolonus  in  Pacht  (nc-sV)  u.  dieser  gibt  die  Aussaat  u.  stellt  die 
Arbeitskraft,  u.  dann  teilt  er  mit  ihm  zu  gleichen  Teilen.  1|  TD'maiG,  2  (56):  Was  ist 
der  Unterschied  zwischen  einem  Mieter  ":"r  u.  einem  Pächter  "3"~?  Der  Mieter  (mietet) 
für  Geld,  der  Pächter  (pachtet)  für  Früchte.  —  In  pD'^maiG,  25»,  57  noch  hinzugefügt:  Und 
der  „Übernehmende"  '^sp^n  (hier  =  Kolonus)  für  die  Hälfte,  das  Drittel  oder  das  Viertel 
(des  ganzen  Ernteertrags).  Vgl.  auch  die  Zitate  bei  c. 

b.  TPea  3,  ]  (20):  Wenn  jemand  das  Abmähen  eines  Feldes  übernimmt,  so  darf 
sein  Sohn  nicht  hinter  ihm  Nachlese  halten.  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Sein  Sohn  darf 
hinter  ihm  Nachlese  halten.  Aber  ein  Sohn  der  Kolonen  u.  Pächter  niirnni  •j-c-'^sr! 
oder  (der  Sohn)  eines,  der  sein  Getreide  an  einen  andren  zum  Abmähen  verkauft  hat, 
darf  hinter  ihm  Nachlese  halten.  ||  TT'^rum  2,  11  (27):  Wenn  ein  Israelit  ein  Feld  in 
Syrien  erwirbt,  so  ist  dieses,  auch  wenn  er  es  wieder  an  einen  Nichtisraeliten  ver- 
kauft hat,  der  Zehnt-  u.  Brachjahrspflicht  unterworfen,  weil  es  vorher  (als  jüdischer 
Besitz)  derselben  unterworfen  war.  Aber  bei  (in  der  Hand  von)  Kolonen  u.  Pächtern 
■j-'^rinn-,  -j-c— xn  u.  Erbpächtern,  oder  wenn  ein  Nichtisraelit  seiu  Feld  einem  Israeliten 
verpfändet  hat,  auch  wenn  der  Israelit  nach  den  gesetzlichen  Bestimmungen  mit  ihm 
verfährt,  ist  es  von  der  Zehnt-  u.  Brachjahrspflicht  frei.  |1  Bikl,2:  Die  Kolonen  u. 
Pächter  niisrrni  -i-c^-isr;,  die  Sikarier  u.  Räuber  bringen  aus  demselben  Grunde  (die 
Erstlingsfrüchte)  nicht  dar,  weil  es  heißt  Ex  23,  19:  Das  Erste,  die  Erstlinge  „deines* 
Ackerbodens  (u.  ihnen  gehört  der  Ackerboden  nicht  eigentümlich).  —  Bik  1, 11 :  R.  J%uda 
(um  150)  sagte:  Auch  die  Inhaber  einer  Kolonusstelle  oder  einer  Pachtung  ric-^s  ">5y3 
m^^r-1  bringen  die  Erstlinge  dar  u.  legen  das  Bekenntnis  (Dt  26,  5ff.)  ab.  —  Näheres 
über  diese  Kontroverse  s.  pBik  1  Ende. 

C.  BM  9,  2:  Wenn  jemand  ein  Feld  von  einem  andren  übernimmt  ^z'^.'o-n,  u.  dieses 
ist  ein  künstlich  bewässertes  oder  ein  Baumfeld  (Plantage),  so  darf  er,  wenn  eine 
Quelle  versiegt  oder  ein  Baum  abgehauen  wird,  dem  Verpächter  von  seinem  Pachtzins 
iii2rT  nichts  abziehen.  Hatte  der  Pächter  aber  gesagt:  Verpachte  "^i:-  mir  „dieses" 
künstlich  bewässerte  Feld  oder  „dieses"  ßaumfeld,  .'^o  darf  er,  wenn  eine  Quelle  ver- 
siegt oder  ein  Baum  abgehauen  wird,  ihm  von  seinem  Pachtzins  i"i:r;  abziehen.  — 
Bik  9,  4:  Wenn  einer  ein  Feld  von  einem  andren  übernimmt  '•>z--:r.  u.  das  Unkraut 
nicht  beseitigen  Avill  u.  zu  dem  Verpächter  sagt:  Was  geht  das  dich  an,  da  ich  dir  ja 
die  Pacht  rr-izr,  gebe!  so  hört  man  nicht  auf  ihn,  weil  er  (der  Verpächter)  zu  ihm 
sagen  kann:  Morgen  trittst  du  heraus  aus  der  Pachtung,  u.  dann  bringt  mir  das  Feld 
Gras!  —  Bik  9,  6:  Wenn  einer  ein  Feld  von  einem  andren  übernimmt  "^rap^in,  u.  die 
Heuschrecken  fressen  es  ab,  oder  es  wird  durch  Unwetter  verwüstet,  so  darf  der 
Pächter,  wenn  es  sich  um  eine  (allgemeine)  Landplage  handelt,  dem  Verpächter  von 
seinem  Pachtzins  ^^is-  abziehen;  wenn  es  sich  aber  nicht  um  eine  Landplage  handelt, 
so  darf  er  ihm  von  seinem  Pachtzins  nicht  abziehen.  R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  Wenn 
er  es  von  ihm  für  Geld  übernahm  ni-^aa  i:»3-n  -'-iz-p  ns,  so  darf  er  ihm  in  keinem  Fall 
von  seinem  Pachtzins  abziehen. -;— Bik  9, 7:  Wenn  einer  ein  Feld  von  einem  andren 
übernimmt  '->z-.-c-  für  10  Kor  Weizen  jährlich  u.  das  Korn  fällt  schlecht  aus,  so  gibt 
er  ihm  (den  Pachtzins)  von  diesem  (schlechten).  Ist  aber  sein  Weizen  gut,  so  darf  er 
nicht  zu  ihm  sagen:  „Siehe,  ich  will  dir  (das  ausbeuungene  Korn)  vom  Markte  kaufen", 
sondern  er  muß  ihm  von  jenem  (guten)  geben.  —  Bik  9,  10:  Wenn  einer  ein  Feld  von 
einem  andren  übernimmt  '-z-^n  auf  „eine  Jahrwoche"  für  700  Zuz,  so  ist  das  Brach- 
jahr darin  miteinbegriffen.  Übernahm  er  es  aber  von  ihm  auf  „sieben  Jahre"  für  700  Zuz, 
so  ist  das  Brach  jähr  nicht  darin  miteinbegriffen. 

In  allen  diesen  Stellen  erhält  hz-^r^  seinen  konkreten  Inhalt  erst  aus  dem  Zus.hang. 
Die  Derivata  von  -:-  u.  die  festbestimmte  Höhe  der  Naturalabgabe  (10  Kor  Weizen) 


Matth21,33  (331.  2)  871 

zeigen,  daß  es  sich  um  eine  nii^sn,  Pachtung  gegen  festen  Fruchtzins  handelt,  während 
die  Erwähnung  der  Geldahgabe,  bezw.  der  700  Zuz  es  unzweifelhaft  macht,  daß  von 
einer  n-^'sj  die  Rede  ist.  —  Der  Vollständigkeit  halber  möge  auch  ein  Beispiel  folgen, 
in  welchem  das  unbestimmte  iap^sn  seine  nähere  Bestimmung  durch  ein  späteres  c-s 
erhält.  TBM  9,  14  (392):  Wenn  jemand  ein  Feld  von  einem  andren  übernimmt  hzi'p-^r., 
so  mäht  er,  bindet  die  Garben  (oder:  macht  Getreidehaufen)  u.  worfelt.  Dann  kommen 
die  Feldmesser,  die  Feldgräber,  der  Aufseher  u.  der  Ökonom  (das  alles  sind  Gemeinde- 
beamte) u.  nehmen  (ihren  Anteil)  mitten  daraus  (d.  h.  von  der  gesamten  Masse,  bevor 
sie  zwischen  Verpächter  u.  Unternehmer  geteilt  ist);  aber  der  Brunnengräber  u.  der 
Bademeister,  der  Haarschneider  u.  der  Schiffer  nehmen,  wenn  sie  kommen  auf  Grund 
eines  Anspruchs  an  den  Besitzer,  vom  Anteil  des  Besitzers,  u.  wenn  sie  auf  Grund 
eines  Anspruchs  an  den  Kolonus  c-'y  kommen,  vom  Anteil  des  Kolonus  (d.  h.  nach- 
dem die  Ernteerträge  zwischen  Verpächter  u.  Kolonus  geteilt  sind). 

d.  TD'^maiG,  1  (56):  Wer  ein  Feld  von  einem  Nichtisraeliten  ■'ij  übernimmt  hzip^sn 
(nämlich  als  Kolonus),  nimmt  den  Zehnten  (vom  ganzen  Ernteertrag)  ab  u.  gibt  dem 
Verpächter  seinen  Anteil.  Rabban  Schim?on  b.  Gamliel  (um  140)  hat  gesagt:  Wie  aber, 
wenn  der  Nichtisraelit  seine  Früchte  nicht  verzehnten  will?  Vielmehr  teilt  man  sie 
(unverzehntet)  u.  legt  sie  vor  ihn  hin.  —  D^mai  6,  1;  Wer  ein  Feld  von  einem  Israeliten, 
einem  Samaritaner  oder  einem  Nichtisraeliten  übernimmt  h^'p^on  (nämlich  als  Kolonus), 
teilt  vor  ihren  Augen  (den  ganzen  Ernteertrag,  ohne  diesem  zuvor  den  Zehnten  zu  ent- 
nehmen); wer  aber  ein  Feld  von  einem  Israeliten  pachtet  (für  ein  bestimmtes  Quantum 
Getreide  als  "^air;),  nimmt  die  Priesterhebe  ab  u.  dann  gibt  er  ihm  (sein  Quantum).  — 
In  BM  101a  wird  einmal  gesagt,  daß  der  "'sap^s  dem  i:"-  gleiche,  u.  ein  andermal,  daß 
der  Vap«  nicht  dem  -^'^n  gleiche.  In  beiden  Fällen  ist  mit  dem  hzpn  der  Kolonus  o-^s 
gemeint.  Ebenso  heißt  es  BM  104»,  daß,  was  von  der  sn-jj^ap  gelte,  nicht  von  der 
sr^3i3rt  gelte,  u.  ebenso  umgekehrt;  auch  hier  bezeichnet  sris'^ap  das  Pachtverhältnis 
des  Kolonus  im  Gegensatz  zu  dem  des  ^sin. 

e.  TBM  9,  8  (891):  Wenn  jemand  ein  Feld  von  einem  andren  liiietet  ^s/iu  u.  er 
hatte  in  dem  einen  Jahr  es  urbar  gemacht  u.  im  andren  Jahr  besät,  so  darf  der  Ver- 
pächter zur  Zeit  der  Tenne  (des  Dreschens)  nicht  zu  ihm  sagen:  ,Gib  mir  meinen 
Pachtzins  -^irn  für  beide  Jahre",  sondern  er  gibt  ihn  für  jedes  Jahr  besonders.  —  Das 
"■i:-  u.  die  Situation  der  Tenne  zeigen,  daß  es  sich  nicht  um  eine  Pachtung  gegen  bares 
Geld  handelt,  sondern  um  eine  ni'sn,  eine  Pachtung  gegen  feste  Naturalabgaben. 

/.  MQ  11  fe;  (Rabban  Schim?on  b.  Gamliel,  um  140,  hat  gesagt:)  Für  Kolonen 
"j-D-^Nn  u.  Pächter  -i"^"":::::  u.  solche,  die  eine  Arbeit  übernommen  haben  ■j-'j'japn,  sollen 
(zur  Zeit  einer  Familientrauer)  andre  ihre  Arbeit  verrichten.  —  Raschi  denkt  bei  ■j-j^apn 
speziell  an  bezahlte  Feldhüter.  \\  BB  10,  4:  Man  schreibt  Pacht-  u.  sonstige  Übernahme- 
verträge rn3V:;p.i  r?,D"-is.  ^"^{ii-d  nur  mit  Vorwissen  beider,  u.  der  Übernehmer  hat  die 
Kosten  zu  tragen,    'p""  '««  """-^  auch  pMQ3,  82a,  46. 

2.  Die  Verwendung  des  Wortes  yswQyog  Mt  21,  33  ff.  macht  es  un- 
zweifelhaft, daß  das  im  Gleichnis  Jesu  vorausgesetzte  Pachtverhältnis 
das  von  Kolonen  i-iöi-ix  gewesen  ist.  Auch  mancherlei  Einzelzüge  im 
Gleichnis  finden  ihre  Erläuterung  in  dem,  was  uns  in  den  rabbin. 
Schriften  über  die  -po^^x  mitgeteilt  wird.  So  hören  wir  hier,  daß  die 
Kolonen  nicht  bloß  Ländereien,  sonderh  auch  Plantagen  u.  Weinberge 
übernahmen;»  daß  nicht  bloß  Ein  Kolonus,  sondern  auch  mehrere  an 
einer  Pachtung  beteiligt  sein  konntenb  (vgl.  den  Plural  yswQyoi);  daß 
mit  den  Kolonen  nicht  bloß  kurzfristige,  sondern  auch  langfristige 
Pachtverträge  bis  hin  zu  Erbpachtverträgen  abgeschlossen  wurden,  c 
Erst  ein  längere  Zeit  währender  Pachtbesitz  macht  es  verständlich, 
daß  in  den  yswQyoi  die  Hoffnung  aufkommen  konnte,  sie  würden  nach 


872  Matth  21,  33  (SB  2) 

Beseitigung  des  Erbsohnes  in  den  Eigentumsbesitz  des  Weinbergs  ge- 
langen (Mt  21,  38).  —  Die  Pflichten  des  Kolonus  waren  genau  um- 
schrieben, teils  durch  Vertrag,  d  teils  durch  Gewohnheitsrecht  u.  örtliche 
Sitte,  e  Der  Anteil  des  Grundherrn  an  den  Ernteerträgen  wird  wohl 
regelmäßig  im  Pachtvertrag  festgelegt  worden  sein.d  Für  die  Ver- 
pachtung von  Weinbergen  galten  einige  besondere  Bestimmungen,  f  Da 
die  Weinberge  nicht  bloß  mit  Weinstöcken,  sondern  auch  mit  allerlei 
Fruchtbäumen,  selbst  mit  Getreide  bestanden  waren, g  so  fiel  dem  Ver- 
pächter selbstverständHch  sein  vertragsmäßiger  Anteil  auch  aus  diesen 
Erträgen  des  Weinbergs  zu.  Das  hat  man  besonders  bei  Mt21,34  im 
Auge  zu  behalten,  um  die  dort  erwähnten  Früchte  nicht  etwa  auf  die 
der  Weinkulturen  zu  beschränken.  —  Das  Verhältnis  der  Gutsherren 
zu  ihren  Kolonen  ist  nicht  immer  friedlich  u.  freundHch  gewesen.  Es 
gab  träge  Kolonen,  die  unordentlich  wirtschafteten  u.  das  Land  ver- 
wildern ließen ;  dann  verminderten  sich  die  Einkünfte  der  Grundherren 
aus  ihrem  Ernteanteil,  was  unliebsam  empfunden  wurde,  h  Andre  Kolonen 
kamen  u.  bettelten  den  Besitzer  um  bare  Geldvorschüsse  an.i  Auch 
Klagen  über  diebische  Kolonen  fehlen  nicht,  k  Andrerseits  hören  wir  aber 
auch,  daß  es  kein  Schimpf  für  einen  Grundherrn  sei  —  u.  wäre  es  auch 
der  König  — ,  mit  seinem  Kolonus  zu  sprechen,  u.  ferner  wie  ein  König  es 
nicht  verschmäht,  mit  einem  seiner  Kolonen  sich  in  seinem  Baumgarten 
zu  ergehn,  als  wäre  er  einer  seinesgleichen.!  —  Zwei  Gleichnisse,  die  in 
einzelnen  Zügen  an  Mt  21, 33  ff.  erinnern,  seien  zum  Schluß  beigefügt. m 

a.  TBM  9,  20  (392):  Wenn  einer  ein  Feigenfeld  von  einem  andren  (als  Kolonus) 
übernimmt  '"^zpiz- ^  so  hat  er,  wo  es  üblich  ist,  die  Früchte  zu  Feigenklumpen  zu  ver- 
arbeiten, sie  zu  solchen  zu  verarbeiten;  wo  es  üblich  ist,  getrocknete  Feigen  daraus 
herzustellen,  hat  er  solche  daraus  herzustellen;  wo  es  üblich  ist,  Feigenkuchen  daraus 
zu  machen,  hat  er  solche  daraus  zu  machen,  u.  man  ändert  nichts  an  der  Sitte  des 
Ortes.  (Von  diesem  ortsüblichen  Produkt  der  Feigenzubereitung  erhielt  dann  der  Ver- 
pächter seinen  festgesetzten  Anteil).  ||  Zur  Verpachtung  eines  Weinbergs  an  einen  Kolo- 
nus s.  die  Zitate  unter  f.    Ferner  vgl.  DtR  7  bei  Mt  21,  31  51  S.  S66. 

b.  Peaö,  5:  Wenn  zwei  Kolonen  ein  Feld  in  Pacht  n-D^isa  genommen  haben,  so 
können  sie  sich  gegenseitig  (falls  sie  arm  sind)  ihren  Anteil  am  Armenzehnt  geben.  || 
D*^mai6,  8:  Wenn  zwei  Kolonen  ein  Feld  in  Pacht  ric--'!s-3  genommen  haben  .  .  .,  so 
kann  der  eine  zum  andren  sagen:  Nimm  du  den  Weizen  an  dieser  Stelle,  u.  ich  nehme 
ihn  an  jener;  nimm  du  den  Wein  an  dieser  Stelle,  u.  ich  nehme  ihn  an  jener.  Aber  nicht 
darf  er  zu  ihm  sagen:  Nimm  du  den  Weizen  u.  ich  die  Gerste,  nimm  du  den  Wein  u.  ich 
das  Öl.  —  Ferner  s.  SDt  32,  9  in  Anm.  m  u.  DtR  7  bei  Mt  21,31  S.  866. 

C.  BM9,  9:  Wer  ein  Feld  von  einem  andren  (als  Kolonus)  übernimmt  '-^z-^r.  auf 
wenige  Jahre,  darf  es  nicht  mit  Flachs  besäen  (weil  dieser  das  Land  zu  sehr  aus- 
saugt), auch  stehn  ihm  keine  Aste  von  den  Sykomoren  zu  (daß  er  diese  stutzen  dürfte). 
Übernahm  er  es  aber  auf  sieben  Jahre,  so  darf  er  es  im  ersten  Jahr  mit  Flachs  be- 
säen, auch  stehen  ihm  die  Aste  der  Sykomoren  zu  (weil  diese  in  sieben  Jahren  wieder 
neue  starke  Äste  getrieben  haben).  —  Über  Erbpächter  vgl.  BB  46 b;  (Ein  Kolonus  hat 
kein  Ersitzungsrecht  BB  3,  3).  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Das  gilt  von  den  Erb- 
pächtern r-3s  -.-3  -c-is  (die  ein  Grundstück  dauernd  in  Pacht  haben  u.  das  Pachtrecht 
auf  ihre  Kinder  vererben).  —  In  pBik  1,  64'',  55  die  Gegenüberstellung:  ein  Kolonus 
auf  (kurze)  Zeit  u.  ein  K.  für  immer  (=  Erbpächter)  üh','/->  c^-s  .  .  .  r,>-äh  d^-n. 


Matth  21,  33(83  2)  873 

d.  Zu  den  Pachtverträgen  n^c-s.  •'^cr  vgl.  Nr.  1  Anm.  f.  —  Der  Wortlaut  eines 
solchen  Vertrages  war  nach  TBM  9,  13  (392) :  Ich  (der  Kolonus  h^i'y^T^)  will  urbar  machen, 
säen,  jäten,  mähen  u.  die  Getreidehaufen  vor  dir  aufstellen;  dann  kannst  du  kommen 
u.  die  Hälfte  fortnehmen  vom  Getreide  u.  vom  Stroh,  u.  ich  für  meine  Arbeit  u.  meinen 
Kostenaufwand  die  andre  Hälfte.  —  Etwas  ausführlicher  bei  der  Aufzählung  der  dem 
Kolonus  obliegenden  Feldarbeiten  BM  105 -i.  Vgl.  auch  EM  9,  3  in  Anm.  //.  —  In  obigem 
Vertrag  ist  jedem  der  beiden  Kontrahenten  die  Hälfte  des  Ernteertrags  ausbedungen; 
daß  dem  Kolonus  auch  weniger,  ein  Drittel  oder  ein  Viertel  auferlegt  wurde,  zeigt 
P''3iq99a  in  Nr.  1  Anm.  a. 

e.  Einige  Beispiele  zur  Erläuterung.  BM  9,  5:  Wenn  einer  ein  Feld  von  einem  andren 
(als  Kolonus)  übernimmt  u.  dieses  nicht  zuträgt,  so  ist  er  verpflichtet,  wenn  so  viel 
darauf  ist,  daß  man  einen  Getreidehaufen  daraus  ei-richten  kann,  sich  weiter  damit  zu 
befassen.  R.  Phuda  (um  150)  sagte:  Was  Bestimmtes  hat  denn  ein  Getreidehaufen! 
Vielmehr  wenn  soviel  darauf  ist,  wie  die  Aussaat  betrug.  —  Dasselbe  TBM  9,  13  (391).  || 
TBM  9,  16  (392):  Wenn  jemand  von  einem  andren  ein  Feld  (als  Kolonus)  übernommen 
hat  u.  es  das  erste  Jahr  besäte,  aber  es  ging  nichts  auf,  so  zwingt  man  ihn,  es  auch 
im  zweiten  Jahr  zu  besäen;  hatte  er  es  im  zweiten  Jahr  besät,  ohne  daß  etwas  auf- 
ging, so  zwingt  man  ihn  nicht,  es  im  dritten  Jahr  zu  besäen.  |1  BM9,  8:  Wenn  einer 
ein  Feld  von  einem  andren  (als  Kolonus)  übernommen  hat,  um  es  mit  Gerste  zu  be- 
säen, so  darf  er  es  nicht  mit  Weizen  besäen ;  um  es  mit  Weizen  zu  besäen,  so  darf  er 
es  mit  Gerste  besäen  (weil  diese  den  Boden  weniger  aussaugt,  Bertinoro).  R.  Schim?on 
b.  Gamliel  (um  140)  verbot  es.  Vgl.  TBM  9,32.  ||  BM  9,  1:  Venn  einer  ein  Feld  von 
einem  andren  (als  Kolonus)  übernimmt,  so  muß  er,  wo  es  üblich  ist,  das  Getreide  zu 
mähen,  es  mähen ;  wo  es  üblich  ist,  es  auszureißen,  muß  er  es  ausreißen ;  wo  es  üblich 
ist,  hinterher  zu  pflügen,  muß  er  es  pflügen;  alles  nach  dem  Brauch  des  (betreffenden) 
Ortes.  Vgl.  auch  TBM  J>,  20  in  Anm.  a. 

f.  TBM  9,  19  (392):  Wer  einen  Weinberg  von  einem  andren  (als  Kolonus)  über- 
nimmt, muß  sich  mit  ihm  befassen,  bis  er  aus  seinem  Ertrag  Wein  gemacht  hat; 
Oliven,  bis  er  sie  in  Haufen  gebracht  hat;  Flachs,  bis  er  Bündel  daraus  gemacht  hat. 
Dann  teilt  er  u.  gibt  ihm  (dem  Besitzer);  dieser  schafft  seinen  Teil  in  die  Stadt  u. 
jener  schafft  seinen  Teil  in  die  Stadt.  (Man  beachte,  wie  hier  Oliven  u.  Flachs  als  Er- 
träge eines  Weinbergs  aufgeführt  werden.)  ||  BM  9,  1 :  Wie  sie  (der  Besitzer  u.  sein 
Kolonus)  sich  das  Getreide  teilen,  so  teilen  sie  auch  (untereinander)  das  Stroh  u.  die 
Stoppeln,  Wie  sie  (bei  der  Verpachtung  eines  Weinbergs)  den  Wein  teilen,  so  teilen 
sie  auch  die  abgeschnittenen  Reben  u.  die  Stützpfähle,  u.  beide  haben  die  Stützpfähle 
zu  beschaffen,  il  Chag  25 1«:  (Abaje  [f  338/39]  hat  gesagt:)  Dem  Kolonus  liegt  es  ob, 
70  Tage  vor  dem  Keltern  um  die  Krüge  (Fässer)  sich  zu  bemühen. 

g.  Krauß,  Archäologie  2,  228:  „Weinberge  in  dem  heutigen  Sinne  des  Wortes  gab 
es  eigentlich  in  Palästina  nicht,  sondern  nur  Obstgärten,  in  denen  allerlei  Fruchtbäume 
nebeneinander  standen."  —  Vgl.  LvR  23  in  Anm.  h  u.  TBM  9,  19  in  Anm.  f.  —  Kil  5,  8: 
Alle  Arten  Feldsaaten  gelten  nicht  als  Kihajim  (Mischsaaten,  Heterogenes)  in  einem 
Weinbei'g  (falls  sie  nur  die  vorschriftsmäßige  Entfernung  von  den  Weinstöcken  haben). 

h.  LvR  23  (121  f'):  R.  fAzarja  (um  380)  hat  im  Namen  des  R.  J<^huda  b.  Simon 
(um  320)  gesagt:  Gleich  einem  König,  der  einen  Baumgarten  hatte,  in  den  er  eine 
Reihe  Feigenbäume  u.  eine  Reihe  Weinstöcke  u.  eine  Reihe  Granatapfelbäume  u.  eine 
Reihe  Apfelbäume  pflanzte.  Dann  überließ  er  ihn  an  einen  Kolonus  u.  ging  davon. 
Nach  einiger  Zeit  kam  der  König,  um  den  Baumgarten  zu  besichtigen,  um  zu  wissen, 
was  aus  ihm  geworden  sei.  Da  fand  er  ihn  voll  von  Dornen  u.  Disteln.  Er  ließ  Holz- 
hauer kommen,  die  ihn  niederhauen  sollten.  Da  blickte  er  auf  jene  Dornen  u.  sah 
darin  eine  Rosenblüte;  er  nahm  sie  u.  roch  daran;  da  beruhigte  sich  sein  Gemüt.  Der 
König  sprach:  Um  dieser  Blume  willen  soll  der  ganze  Baumgarten  erhalten  bleiben. 
(So  ist  um  Israels  willen  die  Welt  erhalten  geblieben.)  —  Dasselbe  Midr  HL  2,  2  (95b).  j| 
BM9,3:  Wenn  jemand  ein  Feld  von  einem  andren  als  Kolonus  übernimmt  u.  es  un- 
bebaut liegen  läßt,  so  schätzt  man  es  ein,  wieviel  es  hätte  bringen  können,  u.  er  gibt 


874  Matth21,33(SB2) 

ihm  (dem  Verpächter  den  ihm  davon  zustehenden  Anteil) ;  denn  so  schrieb  er  ihm  (im 
Pachtvertrag):  Wenn  ich  es  unbebaut  liegen  lasse  u.  nicht  bestelle,  so  will  ich  aufs 
beste  (nach  der  höchsten  Schätzung)  bezahlen.  —  Dasselbe  erweitert  TßM  9,  12  (391).  — 
Vgl.  ferner  ExR  27  bei  Mt  21,  28  S.  865  y. 

i.  LvR5  (lOS'i):  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt:  Mancher  Kolonus  versteht  zu 
bitten  u.  mancher  K.  versteht  nicht  zu  bitten.  Der,  welcher  zu  bitten  versteht,  wenn 
er  sieht,  daß  er  in  seiner  Pachtung  hei-unterkoramt,  zeigt  guten  Mut,  kämmt  sein 
Haar,  säubert  seine  Kleidung,  nimmt  mit  heiterer  Miene  einen  Stock  in  seine  Hand 
u.  einen  Ring  an  seine  Finger  u.  geht  zu  seinem  Arbeitsherrn.  Dieser  spricht  zu  ihm: 
Sei  gegrüßt,  mein  lieber  Kolonus!  Wie  geht  es  dir?  Er  antwortet:  Gut!  Und  wie 
steht  es  um  das  Land?  (Er  antwortet:)  Du  wirst  so  glücklich  sein,  dich  an  dem  BVucht- 
ertrag  zu  sättigen.  Was  machen  die  Ochsen?  Du  wirst  so  glücklich  sein,  dich  an 
ihrem  Fett  zu  sättigen.  Was  machen  die  Ziegen?  Du  wirst  so  glücklich  sein,  dich  an 
ihren  Böckleiu  zu  sättigen.  Da  sagt  er  zu  ihm:  Was  ist  dein  Begehr?  Er  antwortet 
ihm:  Ist  es  dir  möglich,  mir  zehn  Denare  zu  geben?  Er  spricht  zu  ihm:  Wenn  du 
zwanzig  haben  willst,  nimm  sie  dir!  —  Der  aber,  welcher  nicht  zu  bitten  versteht, 
geht  mit  struppigem  Haar,  mit  besudelten  Kleidern  u.  mit  verdrießlichem  Gesicht  zu 
seinem  Arbeitsherrn.  Wenn  dieser  ihn  fragt  u.  zu  ihm  sagt:  Wie  steht  es  mit  dem 
Lande?  dann  antwortet  er:  Wenn  es  nur  soviel  brächte,  wie  wir  hineingesteckt  haben! 
Was  machen  die  Ochsen?  Er  antwortet:  Sie  sind  mager.  Jener  spricht:  Was  ist  dein 
Begehr?  Er  antwortet:  Ist  es  dir  möglich,  mir  zehn  Denare  zu  geben?  Dann  sagt 
jener:  Geh,  bezahle,  was  ich  von  dir  zu  fordern  habe. 

k.  B*^rakh  5b:  Dem  Rab  Huna  (f  297)  wurden  400  Faß  Wein  sauer.  Da  gingen 
Rab  J'^'huda,  der  Bruder  des  Rab  Salla  des  Frommen,  u.  die  Rabbinen  zu  ihm  —  nach 
andren  Rab  Adda  b.  Ahaba  u.  die  Rabbinen  — ;  sie  sprachen  zu  ihm:  Es  wolle  der 
Herr  (prüfend)  achthaben  auf  seine  Sachen  (ob  nicht  ein  böses  Werk  als  Ursache  seines 
Verlustes  darunter)!  Er  antwortete:  Bin  ich  verdächtig  in  euren  Augen?  Sie  sprachen: 
Ist  etwa  Gott  verdächtig,  daß  er  ein  Urteil  fälle  ohne  Recht  (strafe  ohne  Ursache)? 
Er  antwortete:  Wenn  einer  da  ist,  der  etwas  über  mich  gehört  hat,  so  sage  er  es! 
Sie  sprachen :  Es  ist  uns  zu  Ohren  gekommen,  daß  der  Herr  die  Weinranken  seinem 
Kolonus  nicht  gegeben  habe  (vgl.  BM  9,  1  in  Anra.  f).  Er  antwortete:  Hat  er  mir  denn 
irgend  etwas  von  ihnen  gelassen?  Er  hat  ja  alles  gestohlen!  —  Vgl.  auch  SDt  32,  9 
in  Anm.  in. 

l.  LvR  1  (105^):  Gott  rief  Mose  Lv  1,1.  Hat  er  nicht  auch  Adam  gerufen?,  s.:  „Gott 
rief  Adam"  Gn  3,  9.  Allein  es  ist  keine  Schande  für  einen  König,  mit  seinem  Kolonus 
zu  sprechen.  (Adam  als  Bebauer  des  Paradieses  als  Gottes  K.  gedacht.  Ebenso  wird 
weiterhin  Noah  Gottes  Viehhirt  u.  Abraham  Gottes  Gastwirt  genannt )  ||  SLv  26,  12  (451  a) : 
,Ich  wandle  in  eurer  Mitte"  Lv  26,  12.  Gleich  einem  König,  der  ausging,  um  mit 
seinem  Kolonus  im  Baumgarten  zu  lustwandeln.  Jener  aber  verbarg  sich  vor  ihm. 
Da  sprach  der  König:  Warum  verbirgst  du  dich  vor  mir?  Siehe,  ich  bin  deinesgleichen. 
So  wird  Gott  dereinst  in  der  Zukunft  mit  den  Gerechten  lustwandeln  im  Gan  ?Edenusw. 

m.  SDt32,  9  §312  (134b):  „Jahves  Anteil  ist  sein  Volk"  Dt  32,  9.  Gleich  einem 
König,  der  ein  Feld  hatte,  das  er  Kolonen  übergab.  Diese  fingen  an,  fortzunehmen  u. 
zu  stehlen.  Da  nahm  er  es  ihnen  ab  u.  übergab  es  ihren  Söhnen.  Die  fingen  an  noch 
schlechter  zu  sein.  Als  ihm  ein  Sohn  geboren  wurde,  sprach  er  zu  ihnen:  Entfernt 
euch  aus  dem  Meinen;  es  ist  nicht  möglich,  daß  ihr  darinnen  seid;  gebt  mir  meinen 
Teil  (den  im  Pachtvertrag  festgesetzten),  daß  ich  ihn  mir  ersehe  (auswähle)!  Ebenso 
als  unser  Vater  Abraham  in  die  Welt  gekommen  war,  ging  aus  ihm  Verwerfliches  her- 
vor: Ismafel  u.  die  Söhne  der  Q^tura.  Dann  kam  unser  Vater  Isaak  in  die  Welt  u.  es 
ging  Verwerfliches  aus  ihm  hervor,  Esau  u.  die  Stammhäupter  Edoms;  sie  fingen  an 
schlechter  zu  sein  als  die  Früheren.  Als  aber  Jakob  kam,  ging  aus  ihm  nichts  Ver- 
werfliches hervor,  sondern  alle  seine  Söhne  wurden  tauglich  geboren,  gleichwie  er, 
s.  Gn25,  27:  Jakob  war  ein  Mann  ohne  Fehl,  in  Zelten  wohnend.  Woher  ersah  sich 
Gott  seinen  Teil?  Aus  Jakob,  s.  Ps  135,  4.  ||  TanchB  n^iü3  §  7  (29a):  Es  geschah  -n-i, 


Matth  21,  33  (93  2).  21,  34.  35.  41.  42  (Nr.  1)  875 

da  der  Pharao  das  Volk  entließ.  Wer  hat  wehe!^  gerufen?  Die  Kanajaniter  haben 
wehe!  gerufen.  Gleich  einem  König,  der  einen  kleinen  Sohn  hatte,  auch  hatte  er  ein 
Besitztum  (s-ois  =  ovaia  =  Anwesen).  Da  der  König  in  ein  fernes  Land  zu  ziehen 
wünschte,  sprach  er  zu  einem  Kolonus,  er  solle  das  Besitztum  hüten  u.  von  seinen  Er- 
trägen genießen,  bis  sein  Sohn  erwachsen  sei;  darauf  übergab  er  es  ihm.  Als  der  Sohn 
des  Königs  erwachsen  war,  verlangte  er  das  Besitztum;  sofort  fing  der  Kolonus  an 
wehe!  zu  rufen.  Ebenso  als  die  Israeliten  in  Ägypten  wohnten,  wohnten  die  Kana?aniter 
im  Lande  Israel  u.  behüteten  es  u.  aßen  seine  Früchte;  als  sie  aber  hörten,  daß  die 
Israeliten  aus  Ägypten  ausgezogen  wären,  fingen  sie  an  wehe!  zu  rufen. 

21,34:  Seine  Früchte. 
Daß  mit  den  Früchten  des  Weinbergs  nicht  bloß  die  Erträge  der  Weinstöcke  ge- 
meint sein  müssen,  s.  bei  Mt  21,  33  S.  873f.  Anm.^r. 

21,35:  Die  Weingärtner  nahmen  seine  Knechte,  schlugen 
den  einen,  töteten  den  andren,  steinigten  den  dritten. 

LvR  11  (118^):  Gleich  einer  Provinz,  die  dem  König  Steuerreste  schuldete.  Der 
König  sandte  den  Schatzmeister.  Was  taten  die  Bewohner  der  Provinz?  Sie  machten 
sich  auf  u.  erhängten  u.  brandschatzten  jenen.  ||  P*'siq  125'^:  R.  fAzarja  (um  380)  hat 
im  Namen  des  R.  Judan  b.  Simon  (um  320)  die  Stelle  (Ps  45,  8)  auf  Jesaja  ausgelegt. 
Jesaja  sagte:  Ich  erging  mich  in  meinem  Lehrhause;  ,da  hörte  ich  die  Stimme  Jahves 
sagen:  Wen  soll  ich  senden  u.  wer  wird  für  uns  gehen?"  Jes  6,  8.  Ich  habe  f  Arnos 
gesandt  u.  sie  haben  ihn  „Stammler"  genannt.  R.  Pin*^chas  (um  360)  hat  gesagt: 
Warum  wird  sein  Name  ?Amos  genannt?  Weil  er  ein  Stammler  C'.'j-cs  (=  ipsXXdg)  an 
seiner  Zunge  war.  Sie  sagten:  Gott  hat  seine  ganze  Welt  gelassen,  um  seine  Sch'^khina 
auf  diesem  Stammler  ruhen  zu  lassen,  auf  diesem  mit  der  verstümmelten  Zunge!  Da 
habe  ich  den  Mikha  gesandt,  u.  sie  haben  ihn  auf  die  Wange  geschlagen,  „mit  dem 
Stecken  schlagen  sie  auf  die  Wange  den  Richter  Israels"  Micha  4, 14.  Wen  soll  ich 
von  nun  an  senden  u.  wer  wird  für  uns  gehen?  Und  ich  (Jesaja)  sprach:  „Siehe,  da 
bin  ich,  sende  mich"  Jes  6,  8.  Gott  antwortete:  Jesaja,  mein  Sohn,  sie  sind  wider- 
spenstig, sie  sind  belästigend;  nimmst  du  es  auf  dich,  dich  von  ihnen  schlagen  u.  ver- 
achten zu  lassen?  Er  sprach:  Auch  unter  dieser  Bedingung.  „Meinen  Rücken  biete  ich 
dar  den  Schlagenden  u.  meine  Wangen  den  Raufenden"  Jes  50,  6;  u.  (auch  so)  bin  ich 
nicht  wert,  daß  ich  in  deiner  Sendung  zu  deinen  Kindern  gehe!  Da  sprach  Gott  zu 
ihm:  Jesaja,  „-du  liebst  Gerechtigkeit  u.  hassest  Gottlosigkeit"  Ps  45,  8,  du  liebst  es, 
meine  Geschöpfe  für  gerecht  zu  erklären,  u.  du  hassest  es,  sie  für  schuldig  zu  er- 
klären; „darum  hat  dich  Gott  gesalbt  mit  Freudenöl  vor  deinen  Genossen"  (das.).  Was 
heißt  „vor  deinen  Genossen"?  Gott  sprach  zu  ihm:  Bei  deinem  Leben,  alle  Propheten 
weissagen,  der  eine  immer  aus  dem  Munde  des  andren,  der  Geist  des  Elia  ruhte  auf 
Elisa,  s.  2Kön2,15,  der  Geist  Moses  ruhte  auf  den  70  Ältesten,  s.  Nu  11,25;  aber 
du  wirst  weissagen  aus  dem  Munde  der  Allmacht  (des  Allmächtigen),  „der  Geist  des 
Allherrn  Jahve  ruht  auf  mir"  usw.  Jes  61, 1.  Ferner  s.  Midr  KL  Einl.  31  bei  Mt  12,41 
S.  651  u.  bei  23,  37  5t  Nr.  2. 

21,41:  Er  wird  den  Weinberg  an  andre  Weingärtner  ausgeben. 

Vgl.  SDt  32, 9  bei  Mt  2  ] ,  33  S.  874  ;-  Anm.  m. 

21,42:  Ein  Stein,  den  die  Bauleute  verworfen  haben, 

ist  zum  Eckstein  geworden. 
l.Psll8,22f.  wird  gedeutet«,  auf  Abraham.  PirqeREl  24:  Abraham, 
der  Sohn  Terachs,  ging  an  ihnen  (den  Erbauern  des  babyl.  Turmes) 

1  Zur  Deutung  des  -n-i  =  -ni  ^^i  s.  ExR  20  (82b)  bei  Mt  21,  33  S.  868. 


876  Matth  21,  42  (Nr.  1—3).  21,  43 

vorüber  u.  sah  sie,  wie  sie  die  Stadt  bauten;  da  fluchte  er  ihnen  im 
Namen  seines  Gottes,  s.  Ps  55,  10.  Sie  aber  verachteten  sein  Wort  wie 
einen  Stein,  der  zur  Erde  geworfen  ist.  Und  legt  man  denn  nicht  jeden 
auserlesenen  u.  kostbaren  Stein  nur  an  die  Ecken  des  Hauses?  Und  in 
bezug  auf  ihn  (Abraham)  sagt  die  Schrift  Ps  118,  22  f.:  Der  Stein,  den 
die  Bauleute  verworfen  haben  usw.  —  ||  ß,  auf  David.  P^s  119*,  s.  bei 
Mt21,9S.849y.  II  TargPsll8,22ff,  s.  die  folgende  Nr.2.—  ||  y,  auch  die 
messian.  Deutung  ist  nicht  unbekannt  gewesen,  s.  Raschi  zu  Micha  5,1: 
„Aus  dir  soll  mir  hervorgehn";  damit  ist  der  Messias,  der  Sohn  Davids, 
gemeint;  ebenso  heißt  es  Ps  118,22:  Der  Stein,  den  die  Bauleute  usw. 

2.  Ol  oixoöof^Lovvreq  =  -ji-]:?;  letzteres  in  übertragener  Bedeutung 
öfters  =  Gelehrte. 

pJoma  3, 40*^,  26:  R.  Z'='?ira  (um  300)  lobte  den  R.  Heia  u.  nannte  ihn  Baumeister 
der  Tora  sr-^-s-:  n-33.  ||  Schab  114^:  Was  bedeutet  ■i"s:a  (in  Miqv9,7)?  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  Damit  sind  die  Gelehrtenschüler  gemeint,  die  sich  ihr  lebelang  mit 
der  Erbauung  der  Welt  beschäftigen  (indem  sie  die  Tora  studieren  u.  auslegen).  || 
B'^rakh  64^;  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt,  R.  Chanina  (um  225)  habe  gesagt:  Die 
Gelehrtenschüler  mehren  den  Frieden  in  der  Welt,  s.  Jes54, 13:  Alle  deine  Erbauer 
(=  Gelehrtenschüler)  werden  Jünger  Jahves  sein  u.  groß  wird  der  Friede  sein,  den 
deine  Erbauer  bringen  (so  der  Midr).  Lies  nicht  -'iz  deine  Söhne,  sondern  "iz  deine 
Erbauer.  ||  Midr  HL  1,5  (87"^):  „Töchter  Jerusalems"  HL  I,  5.  Die  Rabbinen  sagten:  Lies 
nicht  r-:^  „Töchter"  Jerusalems,  sondern  t-z-z  „Erbauer"  Jer.s;  damit  ist  das  große 
Synedrium  Israels  gemeint,  welche  sitzen  u.  sie  erbauen  [y^z^,  so  ExR23  wohl  richtiger, 
als  y-'z'^  =  sie  machen  einsichtig)  durch  jede  Frage  U.Entscheidung.  —  Parallelstelle 
ExR  23  (85  b).  II  Targ  Ps  11 8, 22  -  29 :  Einen  Jüngling  (gemeint  ist  David)  ließen  die  Bau- 
meister (d.  h.  Samuel  u.  sein  Gerichtshof)  dahinten;  er  war  unter  (lies  "j-2  statt  'iz) 
den  Söhnen  Isais  u.  er  erlangte  es,  zum  König  u.  Herrscher  (Wiedergabe  von  njs  ^-s-) 
ernannt  zu  werden.  „Von  Jahve  ist  das  geschehen",  das  haben  die  Baumeister  gesagt. 
„Das  ist  wunderbar  vor  uns"  haben  die  Söhne  Isais  gesagt.  „Diesen  Tag  hat  Jahve 
gemacht"  haben  die  Baumeister  gesagt.  „Lasset  uns  freuen  u.  fröhlich  darin  sein" 
haben  die  Söhne  Isais  gesagt.  „Ach  bitte  nun,  Jahve!"  haben  die  Baumeister  gesagt. 
„Ach  bitte,  Jahve,  gib  nun  Gelingen!"  haben  Isai  u.  sein  Weib  gesagt.  „Gepriesen  sei, 
der  da  kommt  im  Namen  des  Memra  Jahves!"  haben  die  Baumeister  gesagt.  „Preisen 
soll  man  euch  (die  ihr)  vom  Heiligtum  Jahves"  (seid,  d.  h.  die  Baumeister),  hat  David 
gesagt.  „Gott  Jahve  erleuchtet  uns"  haben  die  Stämme  des  Hauses  Juda  gesagt.  „Bindet 
das  Lamm  zum  Festopfer  mit  Ketten  (Seilen),  bis  ihr  es  opfert  u.  sein  Blut  ausschüttet 
am  Hörn  des  Altars",  hat  Samuel,  der  Prophet,  gesagt.  „Mein  Gott  bist  du,  u.  ich  will 
dir  danken,  mein  Gott,  ich  will  dich  rühmen"  hat  David  gesagt.  Samuel  antwortete 
u.  sprach:  „Preiset,  Gemeinde  Israel,  danket  vor  Jahve;  denn  er  ist  gütig,  denn  ewig 
ist  seine  Güte."  Vgl.  hierzu  P'^s  119«  bei  Mt  21,9  S.849;'. 

3.  siq  HecfaXrji'  yo)riag.  —  nrö  cNi  =  Eckstein  Ps  118,22  ist  vom 
Targum  bildlos  gedeutet  =  „König  u.  Herrscher"  yJb^^-i  -^^?2,s.inNr.2.  — 
N'^g  13,2  heißt  der  Eckstein  ri"ij2d  i^xn  =  der  Stein,  der  sich  an  der 
Ecke  befindet;  vgl.  auch  PirqeREl  24  oben  Nr.  1. 

21,43:  Von  euch  wird   das  Reich  Gottes  genommen  u.  einem 
Volk  gegeben  werden,  das  seine  Früchte  bringt. 

Dem  Ausdruck  nach  ist  vergleichbar  Chag5'>:  (Meine  Seele  wird  weinen  wegen 
n-j,  Jer  13, 17.)  Was  heißt  „wegen  rt-j"?  R.  Sch<^muel  b.  Ji9chaq  (um  300)  hat  gesagt: 
Wegen  der  „Hoheit"  Israels,  die  von  ihnen  genommen  u.  den  Völkern  der  Welt  ge- 


Matth21,43.44.45  877 

geben  worden  ist  a?i>'n  ri'sis'^  r.:r:i  crt's  nits-jr  ha^z^  h-a  ■;rvx;  -^rE-s.  (Die  unverkürzte 
Steiles,  bei Llc  15, 10.)  —  Vgl.  auch  1  Sm  15,28.  —  |i  Midr  Esth  1,  2  (85a):  R.  Aibo  (um  320) 
hat  gesagt:  Es  heißt  Ps22, 29:  „Denn  Jahves  ist  das  Reich  u.  er  herrscht  über  die 
Völker"  u.  du  sagst  (Esth  1,2):  „Auf  dem  Thron  seines  Reiches"?  Aber  in  der  Ver- 
gangenheit war  das  Reich  (die  Herrschaft)  bei  Israel  gewesen;  als  sie  aber  sündigten, 
wurde  das  Reich  von  ihnen  genommen  u.  den  Völkern  der  Welt  gegeben;  das  meint 
Ez  30, 12:  „Ich  habe  das  Land  in  die  Hand  böser  Leute  verkauft"  —  R.  JiQchaq  (um  300) 
sagte:  In  die  Hand  böser  Verwalter  — ;  morgen,  wenn  Israel  Buße  tut,  nimmt  Gott 
das  Reich  von  den  Völkern  der  Welt  u.  gibt  es  den  Israeliten  wieder.  Wann?  „Und 
heraufziehen  werden  Befreier.  .  .  u.  es  wird  das  Reich  Jahve  zufallen",  Obadja21.j 
Midr  Ps  75  §5  (170l>):  Als  die  Israeliten  gesündigt  hatten,  wurden  (die  10  ihnen  in  der 
Schrift  beigelegten  Hörner)  von  ihnen  genommen  u.  den  Völkern  der  Welt  gegeben, 
s.  Dn  7,  7:  (Das  4.  Tier)  hatte  10  Hörner.  .  .  .  Solange  die  Hörner  der  Gottlosen  Bestand 
haben,  sind  die  Hörner  Israels  abgehauen,  s.  KL  2, 3.  Wenn  er  aber  die  Hörner  der 
Gerechten  erhöhen  wird,  werden  die  Hörner  der  Gottlosen  abgehauen,  s.  Ps  75, 11 : 
„Alle  Hörner  der  Gottlosen  werde  ich  abhauen",  u.  sofort  (Vers  12):  „Die  Hörner  des 
Gerechten  werden  erhöht  werden." 

21,44:  Wer  auf  diesen  Stein  fällt,  der  wird  zerschellen; 
auf  welchen  er  aber  fällt,  den  wird  er  zerstäuben. 
Midr  Esth  3,  6  (94 1>):  R.  Schim?on  b.  Jose  b.  Laqonia  (gegen  200)  hat  gesagt:  In 
dieser  Welt  werden  die  Israeliten  mit  den  Felsen,  s.  Nu  23,9;  Jes  51,  1,  u.  mit  den 
Steinen,  s.  Gü49, 24;  Psll8, 22,  verglichen;  u.  die  Völker  der  Welt  werden  mit  Scherben 
verglichen,  s.  Jes  30, 14.  Fällt  der  Stein  auf  den  Topf,  wehe  dem  Topf!  Fällt  der  Topf 
auf  den  Stein,  wehe  dem  Topf;  so  oder  so,  wehe  dem  Topf!  Ebenso  auch  nimmt  jeder, 
der  sich  mit  den  Israeliten  einläßt,  sein  Teil  unter  ihren  Händen  hin.  Und  ebenso  heißt 
es  im  Traume  des  Nebukadne^ar  Dn2, 45:  Ein  Stein  riß  sich  vom  Felsen  los  u.  zer- 
schmetterte das  Eisen,  Erz  usw.  —  Dieser  Stein  in  Dn  2,  34. 45  wird  meist  auf  den 
Messias  gedeutet;  s.  zB  TanchB  rrs^-r  §6  (46b):  (Daniel)  hat  den  König,  den  Messias, 
geschaut,  s.  Dn2,  34:  „Du  warst  im  Schauen,  bis  daß  ein  Stein  losgerissen  wurde." 
Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Das  ist  der  König,  der  Messias.  „Der  traf  (schlug) 
das  Bild  an  seine  Füße"  (das.),  d.  h.  alle  Reiche,  die  sich  am  Bilde  befanden.  Und  in 
welchem  Verdienst  wird  der  König,  der  Messias,  mit  einem  Stein  verglichen?  Im  Ver- 
dienste Jakobs,  s.  Gn  49,24:  Von  dort  der  Hirt,  der  Stein  Israels  (nach  dem  Midr 
=  Jakob).  „Vom  Felsen  riß  sich  der  Stein  los"  Dn2, 45,  denn  er  wird  die  ganze  Welt 
vernichten,  s.  Jes  11,4:  Er  schlägt  die  Erde  mit  dem  Stab  seines  Mundes.  In  jener 
Stunde  werden  die  Israeliten  in  Ruhe  u.  Sicherheit  wohnen,  s.  Ez28, 26:  Sie  werden 
ungestört  (auf  ihrem  Boden)  wohnen  u.  Häuser  bauen  usw. 

21,45:  Sie  erkannten,  daß  er  über  sie  spreche. 
Diese  Erkenntnis  konnte  ihnen  nicht  schwer  fallen,  da  seit  Jes  5 
der  „Weinberg"  als  Bild  des  Volkes  Israel  den  Juden  geläufig  war. 

Sukka49a  s.  bei  Mt21,33  S.867.  ||  Tanch  ':-^-s  151  a;  Gleich  einem  Könige,  der 
einen  Weinberg  hatte.  Er  hatte  aber  drei  Feinde.  Was  taten  sie?  Der  eine  riß  die 
Ranken  ab,  der  andre  schnitt  die  Traubenkämme  ab  u.  der  dritte  entwurzelte  die  Wein- 
stöcke. Der  König,  das  ist  der  König  aller  Könige,  Gott;  sein  Weinberg,  das  ist  Israel, 
s.  Jes  5,7:  „Der  Weinberg  Jahves  der  Heerscharen  ist  das  Haus  Israel."  Ihre  drei 
Feinde  sind  der  Phsiao,  Nebukadnegar  u.  Haman.  Der  Pharao  riß  die  Ranken  ab,  s. 
Ex  1,22:  „Jeden  neugeborenen  Sohn  sollt  ihr  in  den  Nil  werfen."  Nebukadnegar  schnitt 
die  Traubenkämme  ab,  s.  Jer29, 2:  „Nach  dem  Wegzuge  der  Schmiede  u.  Schlosser." 
Haman  der  Frevler  entwurzelte  die  Weinstöcke,  s.  Esth  3, 13:  „Zu  vernichten,  zu  morden 
u.  umzubringen  alle  Juden,  vom  Knaben  bis  zum  Greise,  Kindlein  u.  Weiber  an  Einem 
Tage."  —  Parallelstelle:  GnR42(26a). 


878  Matth  22,  2—14 

22,2 — 14:  Gleichnis  vom  hochzeitlichen  Kleide. 

Rabbinische  Gleichnisse,  in  denen  einzelne  Gedanken  anklingen. 

Schab  153»:  Dort  (Aboth  2, 10)  haben  wir  gelernt:  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Be- 
kehre dich  (in  Buße)  einen  Tag  vor  deinem  Tode.  Seine  Schüler  fragten  den  R.  Elifezer: 
Weiß  denn  der  Mensch,  welchen  Tag  er  sterben  wird?  Er  antwortete:  Um  so  mehr 
tue  er  es  heute,  vielleicht  könnte  er  morgen  sterben;  so  wird  er  sein  lebelang  in  Buße 
erfunden  werden.  Und  auch  Salomo  in  seiner  Weisheit  hat  gesagt:  Zu  aller  Zeit  seien 
deine  Kleider  weiß  u.  deinem  Haupt  mangle  nie  das  Öl!  Qoh  9, 8.  R.  Jochanan  b.  Zakkai 
(t  um  80)  hat  gesagt:  Gleich  einem  König,  der  seine  Knechte  zu  einem  Gastmahl  ein- 
lud i'jT,  ohne  ihnen  eine  bestimmte  Zeit  festzusetzen.  Die  Klugen  unter  ihnen  putzten 
sich  und  setzten  sich  am  Eingang  des  Palastes  nieder.  Sie  sagten:  Sollte  irgend  etwas 
dem  Haus  des  Königs  mangeln?  (In  seinem  Haushalt  ist  alles  stets  vorhanden,  also 
kann  das  Mahl  jeden  Augenblick  beginnen.)  Die  Törichten  unter  ihnen  gingen  an  ihre 
Arbeit.  Sie  sagten:  Gibt  es  irgendein  Gastmahl  ohne  mühsame  Vorbereitung?  Plötzlich 
verlangte  der  König  nach  seinen  Knechten.  Die  Klugen  unter  ihnen  traten  vor  ihn  hin, 
wie  sie  waren,  geputzt;  die  Törichten  traten  vor  ihn  hin,  wie  sie  waren,  besudelt.  Der 
König  freute  sich  über  die  Klugen  u.  zürnte  über  die  Törichten.  Er  sprach:  Diese,  die 
sich  zum  Mahle  geputzt  hatten,  sollen  sitzen  u.  essen  u.  trinken;  jene  aber,  die  sich 
zum  Mahle  nicht  geputzt  hatten,  sollen  stehn  u.  zusehen.  Der  Schwiegersohn  des 
R.  Meir  hat  im  Namen  des  R.  Meir  (um  150)  gesagt:  Auch  sie  würden  so  als  Diener 
erscheinen  (ihre  Strafe  muß  aber  eine  größere  sein)!  Vielmehr  diese  wie  jene  sitzen 
(zu  Tisch) ;  aber  diese  essen  u.  jene  hungern,  diese  trinken  u.  jene  dürsten ;  s.  Jes  65, 1 3  f. : 
So  spricht  Jahve:  Siehe,  meine  Knechte  werden  essen,  ihr  aber  hungrig  bleiben;  siehe, 
meine  Knechte  werden  trinken,  ihr  aber  durstig  sein;  siehe,  meine  Knechte  werden 
Freude  haben,  ihr  aber  verzweifeln.  Siehe,  meine  Knechte  werden  jubeln  vor  Herzens- 
lust, ihr  aber  werdet  aufschreien  vor  Herzenspein  u.  vor  Gebrochenheit  des  Geistes 
heulen.  —  Mehrfach  abweichend  Midr  Qoh  9,  8  (42 ''):  Zu  aller  Zeit  seien  deine  Kleider 
weiß  u.  deinem  Haupt  mangle  nie  das  Öl  Qoh  9,  8.  R.  Jochanan  b.  Zakkai  hat  gesagt: 
Wenn  die  Schrift  von  weißen  Kleidern  spräche,  wieviel  weiße  Kleider  haben  die  Völker 
der  Welt!  Und  wenn  die  Schrift  von  guten  Ölen  spräche,  wieviel  gute  Öle  haben  die 
Völker  der  Welt!  Siehe,  sie  spricht  aber  nur  von  Gebotserfüllungen  u.  guten  Werken 
u.  Torastudium.  R.  J'^huda  der  Fürst  sagte  ein  Gleichnis:  Gleich  einem  König,  der  ein 
Gastmahl  veranstaltete  u.  (Gäste)  einlud  "ifT.  Er  sprach:  Geht,  badet  euch,  säubert 
euch,  salbet  euch,  waschet  eure  Kleider  u.  bereitet  euch  zum  Gastmahl!  Er  setzte 
ihnen  aber  keine  bestimmte  Zeit  fest.  Die  Klugen  gingen  am  Eingang  des  Palastes 
auf  u.  ab;  sie  sagten:  Sollte  der  Palast  des  Königs  an  irgend  etwas  Mangel  haben? 
Die  Törichten  aber  bekümmerten  sich  nicht  um  das  Wort  des  Königs.  Sie  sprachen : 
Schließlich  werden  wir  vom  Gastmahl  des  Königs  doch  etwas  merken!  Gibt  es  denn 
irgendein  Gastmahl  ohne  Mühe  u.  Pestsetzung  der  Tischordnung?  (so  Matt.  K®hunna). 
Da  ging  der  Kalkanstreicher  zu  seinem  Kalk,  der  Töpfer  zu  seinem  Lehm,  der  Schmied 
zu  seiner  Kohle,  der  Walker  nach  seinem  Waschhaus.  Plötzlich  befahl  der  König,  alle 
sollten  zum  Mahl  kommen.  Man  trieb  sie  zur  Eile  an:  die  einen  kamen  in  ihrem 
Schmuck  u.  die  andren  in  ihrer  Häßlichkeit.  Da  freute  sich  der  König  über  die  Klugen, 
daß  sie  das  Wort  des  Königs  beachtet  u.  auch  den  Palast  (durch  saubere  Kleidung) 
in  Ehren  gehalten  hatten.  Über  die  Törichten  aber  zürnteer.  Der  König  sprach:  Die, 
welche  sich  für  das  Mahl  bereit  gehalten  haben,  sollen  kommen  u.  vom  Mahl  des 
Königs  essen,  u.  die,  welche  sich  nicht  bereit  gehalten  haben,  sollen  nicht  vom  Mahl 
des  Königs  essen.  Sollten  sie  sich  etwa  aufmachen  u.  sich  entfernen?  Da  sprach  noch 
einmal  der  König:  Nein!  sondern  die  einen  sollen  zu  Tische  liegen  u.  essen  u.  trinken; 
u.  die  andren  sollen  auf  ihren  Füßen  stehen  u.  leiden  u.  zusehen  u.  Qual  empfinden. 
So  wird  es  auch  sein  in  der  Zukunft.  Das  ist  es,  was  Jesaja  gesagt  hat  65, 13:  Siehe, 
meine  Knechte  werden  essen  usw.  Zivtai  (^smt  ,  wohl  der  Schwiegersohn  des  R.  Meir) 
hat  im  Namen  des  R.  Meir  gesagt:  Die  einen  lagen  zu  Tische,  aßen  u.  tranken,  u.  die 


Matth22,  2— 14.  22,2  879 

andren  lagen  zu  Tische,  ohne  zu  essen  u.  zu  trinken.  Nicht  gleicht  der  Schmerz  dessen, 
welcher  steht  (u.  andre  essen  sieht),  dem  Schmerze  dessen,  der  zu  Tische  liegt  (u.  nicht 
essen  darf).  Der  welcher  steht,  ohne  zu  essen  u.  zu  trinken,  gleicht  dem,  der  zu  Tische 
dient;  wer  aber  zu  Tische  liegt  u.  nicht  ißt,  dessen  Schmerz  ist  doppelt  u.  verdoppelt, 
u.  sein  Angesicht  wird  gelb.  Das  ist  es,  was  der  Prophet  sagt  Mal  3, 18:  Und  wiederum 
werdet  ihr  den  Unterschied  sehen  zwischen  dem  Gerechten  u.  Gottlosen.  ...  Es  ist 
gelehrt  worden:  Bekehre  dich  (in  Buße)  einen  Tag  vor  deinem  Tode.  Seine  Schüler 
fragten  den  R.  Elifezer:  Rabbi,  weiß  denn  ein  Mensch,  wann  er  sterben  wird,  daß  er 
(einen  Tag  zuvor)  Buße  tue?  Er  antwortete:  Muß  er  da  nicht  um  so  mehr  heute  Buße 
tun,  da  er  ja  am  folgenden  Tag  sterben  könnte?  Und  so  würde  er  sein  lebelang  im 
Stand  der  Buße  erfunden  werden.  Deshalb  heißt  es:  Zu  jeder  Zeit  seien  deine  Kleider 
weiß  usw.  —  Eine  weitere  Parallelstelle  s.  Midr  Spr  16, 11  (42*).  ||  Midr  Qoh  3,9(17''): 
R.  Pin^'chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Rauben  (gegen  300)  gesagt:  Gleich  einem 
König,  der  ein  Gastmahl  veranstaltete  u.  dazu  Gäste  (oder  auch  Wanderer)  einlud  -st. 
Der  König  befahl:  Jeder  soll  mitbringen,  worauf  er  sich  (bei  Tisch)  niederlegen  kann. 
Die  einen  brachten  Decken,  die  andren  Matratzen,  andre  Bettpolster,  andre  Sessel, 
andre  Stühle,  andre  Holzklötze  u.  noch  andre  Steine.  Der  König  sah  es  sich  an  u. 
sprach:  Jeder  soll  sich  auf  dem  niederlassen,  was  er  mitgebracht  hat.  Die,  welche  auf 
den  Hölzern  u.  Steinen  saßen,  murrten  wider  den  König  u.  sprachen:  Ist  das  eine  Ehre 
für  einen  König,  daß  wir  auf  Hölzern  u.  Steinen  sitzen  sollen?  Als  es  der  König  hörte, 
sprach  er  zu  ihnen:  Ist  es  nicht  genug,  daß  ihr  den  Palast,  der  mir  so  viele  Ausgaben 
gemacht  hat,  mit  Steinen  u.  Holzklötzen  schändet,  daß  ihr  euch  auch  erdreistet,  gegen 
mich  Anklagen  vorzubringen?  Eure  Ehrung  habt  nur  ihr  selbst  euch  bereitet!  So 
werden  dereinst  in  der  Zukunft  die  Gottlosen  im  Gehinnom  gerichtet  (bestraft)  werden; 
da  werden  sie  murren  gegen  Gott:  Siehe,  wir  hatten  auf  das  Heil  Gottes  gewartet  u. 
nun  kommt  solches  über  uns?!  Dann  wird  Gott  ihnen  antworten:  Seid  ihr  nicht  in 
der  Welt,  in  der  ihr  wäret,  die  Urheber  von  Parteiung  u.  Verleumdung  u.  allen  Schlech- 
tigkeiten, die  Urheber  von  Zwistigkeiten  u.  Gewalttätigkeiten  gewesen?  Das  meint 
JesöO,  Jl:  „Siehe,  ihr  alle  seid  Brandstifter  u.  gürtet  euch  mit  Flammenpfeilen "; 
deshalb  , gehet  hin  in  die  Glut  eures  Feuers  u.  an  euren  Brandpfeilen  sollt  ihr  ver- 
brennen", damit  ihr  nicht  saget:  „Von  meiner  Hand  ward  euch  solches";  nein,  sondern 
ihr  selbst  habt  es  euch  bereitet.  Deshalb  „zur  Peinigung  sollt  ihr  euch  hinlegen",  von 
eurer  Hand  ward  euch  solches. 

22,2:  Gleich  einem  König,  der  seinem  Sohne  Hochzeit  machte. 

enoirjaEv  yccfxovg  reo  vtal  avxov  =  -;3  nrioia  misD  -nw  s.  Midr  Qoh  1,3  (5'')  bei 
Lk  14, 12.  Aramäisch  B^'rakh  3P:  n^ia^  nViV-  izy  ^va  ai  Rab  Aschi  (f  427)  machte 
seinem  Sohne  Hochzeit.  —  Andre  Bezeichnungen  für  Hochzeitsfeier  u.  Hochzeitsmahl 
waren:  nn'^-b  =  Freudenfest,  zB  DtR  9  (205*^):  Unsre  Lehrer  haben  erzählt:  Es  geschah 
einmal,  daß  R.  Schim?on  b.  Chalaphta  (um  190)  zu  einem  Beschneidungsfest  ging,  u.  es 
bereitete  ihnen  der  Vater  des  Kindes  ein  Mahl  u.  ließ  sie  Wein  trinken,  der  sieben 
Jahre  alt  war.  Er  sprach  zu  ihnen:  Von  diesem  Wein  werde  ich  alt  werden  lassen  für 
die  Hochzeitsfeier  meines  Sohnes  "^33  hv  inniori.  —  Ferner  sni^r;  (ebenfalls  =  Freuden- 
fest), zBGit68'':  (Der  Dämonenfürst  Aschm^'dai)  sah  eine  Hochzeitsfeier,  snnn,  bei 
der  man  sehr  fröhlich  war.  Da  weinte  er.  .  .  .  Man  sprach  zu  ihm:  Warum  hast  du 
geweint,  als  du  die  Hochzeitsfeier  sahst?  Er  antwortete:  Der  Mann  muß  innerhalb  von 
30  Tagen  sterben  u.  sie  muß  (zur  Vollziehung  der  Leviratsehe)  auf  einen  unmündigen 
Schwager  13  Jahre  lang  warten.  —  |  Am  häufigsten:  nrco  (eigentlich  „das  Trinken"), 
aram.  sn-ni:?'?  oder  sp^.r'i-'?.  pK'^th  1, 25*,  23:  Mose  hat  die  siebentägige  Hochzeits- 
feier angeordnet  nrttJ'sr;  "c  rsz-c.  |  GnR  3  (3''):  -nr-j-'j-:  s^^oi^  rsz^-vh  npt^  sjn  "5vp 
„das  u.  das  will  ich  für  die  sieben  Tage  meiner  Hochzeit  aufbewahren".  |  pB^rakh 
6,  10",  47:   R.Jona  (um  350)  u.  R.Jose    gingen    zur   H.   des  R.  Chanina   aus  Anath 


880  Matth  22,  3  (3t.  SB).  22,  4 

22,  3  5(:  Die  Geladenen  zur  Hochzeit  zu  rufen. 

xaXsaai,  hebr.  n;;?,  arara.  riii,  u.  -{n^;  für  besonders  dringliches  Ein- 
laden: :-jC,  :"~p. 

TBQ  7,  2  (357) :  R.  Meir  (um  150)  sagte  im  Namen  des  Rabban  Gamliel  (um  90) 
folgendes  Gleichnis:  Gleich  zweien  Menschen,  die  in  einer  Stadt  ein  Hochzeitsmahl 
r,r-::'2  veranstalteten.  Der  eine  lud  die  Einwohner  der  Stadt  ein  s^p,  aber  den  König 
lud  er  nicht  ein.  Der  andre  lud  weder  den  König,  noch  die  Einwohner  der  Stadt  ein. 
Wessen  Strafe  wird  die  größere  sein?  Der  die  Bewohner  der  Stadt,  aber  nicht  den 
König  einlud  s^p.  —  BQ  TQ''  bringt  dies  Gleichnis  als  Bar,  setzt  aber  überall  v?.'  für 
N-'p.  II  LvR  28  (126'^):  Rabbi  lud  (zur  Hochzeit  seines  Sohnes  Schimfon)  alle  Rabbinen 
ein  ms,  aber  nicht  den  Bar  Qappara.  Da  schrieb  ihm  dieser  an  seine  Haustür:  Nach 
deiner  Freude  mußt  du  sterben;  welchen  Gewinn  hast  du  von  deiner  Freude?  Als 
Rabbi  dies  erblickte,  sprach  er:  Wer  ist  es,  den  wir  nicht  eingeladen  haben  "irniiu, 
daß  er  diese  Worte  schrieb?  Man  sagte  ihm:  Bar  Qappara.  Er  antwortete:  Morgen 
veranstalte  ich  ein  Frühmahl  ■i-i;^"??.  (=  itQiaiov,  s.  bei  Lk  14, 12)  für  ihn.  Er  veranstaltete 
ein  Frühmahl  iitic-s  u.  lud  ihn  ein  -•:::.  —  Eine  Parallelstelle  aus  MidrQohl,3  s. 
bei  Lk  14, 12.  |1  TBQ  7,8  (358):  Sieben  Diebe  gibt  es:  der  erste  unter  allen  ist  der,  der 
die  Menschen  täuscht:  wer  (zB)  einen  andren  dringlich  einlädt  ^ic;-,  daß  er  sein  Gast 
sein  möchte,  u.  in  seinem  Herzen  hat  er  (gar)  nicht  die  Absicht  ihn  einzuladen  in«-pV.  || 
Chul  94"  Bar:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Man  lade  einen  andren  nicht  zum  Gast- 
mahl dringend  ein  an^c  ts,  wenn  man  weiß,  daß  jener  nicht  daran  teilnimmt.  — 
Die  Parallelen  s.  bei  22, 3  SB. 

22,3^:  Sie  wollten  nicht  kommen. 

Über  einen  Zöllner  Bar  Mafjan  wird  pSanh  6,  23^  33  =  pChag  2,  77*^,45  berichtet: 
Einmal  bereitete  er  ein  Frühmahl  i-^uo^-is  für  die  Ratsherren;  aber  sie  kamen  nicht. 
Da  sagte  er:  Die  Armen  sollen  kommen  u.  es  verzehren,  damit  es  nicht  umkomme.  — 
Der  Bericht  sieht  dies  als  das  einzige  Verdienst  an,  das  sich  Bar  Ma?jan  in.  seinem 
Leben  vor  Gott  erworben  hatte.  Damit  er  seinen  Lohn  dafür  nicht  erst  im  Jenseits, 
sondern  bereits  in  dieser  Welt  erhalte,  fügte  es  Gott,  daß  bei  seinem  Begräbnis  alle 
Leute  seines  Wohnortes  von  der  Arbeit  feierten,  um  ihn  zu  Grabe  zu  geleiten.  Damit 
hatte  er  seinen  Lohn  dahin.  Im  Jenseits  aber  mußte  er  an  dem  Ufer  eines  Stromes 
stehen  u.  sich  vergeblich  abmühen,  an  das  Wasser  zu  gelangen;  s.  die  ganze  Stelle 
unter  Lk  16,24  6.  jj  Das  Ablehnen  einer  Einladung  scheint  nicht  gerade  selten  gewesen 
zu  sein.  Sanh  23"  Bar:  So  verfuhren  diejenigen,  die  reiner  Gesinnung  in  Jerusalem 
waren:  .  .  .  Sie  gingen  zu  einem  Gastmahl  nur  dann,  wenn  sie  wußten,  wer  mit  ihnen 
zu  Tische  liegen  würde.  (Andernfalls  lehnten  sie  also  ab.  Vgl.  auch  B''rakh43t>  Bar: 
Sechs  Dinge  sind  eine  Schande  für  einen  Gelehrtenschüler:  ...  Er  liege  nicht  zu  Tische 
in  der  Gesellschaft  der  gesetzesunkundigen  Leute  f  Amme  ha-are9. . . .)  ||  TBB  G,  14  (406) : 
R.  Meir  (um  150)  pflegte  zu  sagen:  Man  soll  einen  andren  nicht  nötigen  a^c-,  bei  ihm 
zu  speisen,  wenn  man  von  ihm  weiß,  daß  er  es  nicht  tut.  —  Dasselbe  als  Bar  Chul  94"; 
anonym  Derekh  Ere?  7 ;  in  andrer  Fassung  M^'kh  Ex  22,  3  (95  b).  ||  N'^d  8, 7 :  Wenn  jemand 
in  einen  andren  dringt  ="'?,  bei  ihm  zu  speisen,  u.  dieser  sagt:  Ich  gelobe,  daß  ich 
nicht  in  dein  Haus  komme,  daß  ich  keinen  Tropfen  Kaltes  bei  dir  koste!  so  darf  er 
doch  sein  Haus  betreten  u.  Kaltes  bei  ihm  trinken;  denn  er  hatte  (bei  seinem  Gelübde) 
nur  ein  ordentliches  Gastmahl  (förmliches  Essen  u.  Trinken)  im  Auge. 

22,  4:  Wiederum  sandte  er  andre  Knechte. 
Wenn  wir  einer  Nachricht  in  Midr  KL  4,2  (74")  Glauben  schenken  dürfen,  wäre 
ein  zweimaliges  Einladen  der  Gäste,  wenig.stens  in  Jerusalem,  allgemeine  Sitte  gewesen. 
Es  heißt  hier  zu  KL  4, 2:  „Zions  Söhne,  die  teuersten":  Worin  bestand  ihr  hoher  Wert 
-P'-^p-?  Wenn  ein  Provinziale  eine  Jerusalemerin  heiratete,  so  schenkte  er  ihr  ihr  Ge- 
wicht (soviel  sie   wog)   in   Gold,   u.  ebenso  wenn   ein  Jerusalemer  eine  Provinzialin 


Matth  22,  4.  7.  9  881 

heiratete,  so  schenkte  man  ihm  sein  Gewicht  in  Gold.  —  Oder  worin  bestand  ihr  hoher 
Wert?  Wenn  einer  von  ihnen  eine  Frau  heiratete,  die  vornehmer  als  er  war,  so  ließ 
er  Tische  {für  die  Hochzeitstafel)  herrichten,  die  die  Ausgaben  für  das  Hochzeitsmahl 
überstiegen  (um  anzudeuten:  wie  das  Untergeordnete  —  die  Tische  —  wertvoller  als 
die  Hauptsache  —  das  Mahl,  so  die  dem  Mann  untergeordnete  Frau  vornehmer  als  ihr 
Herr).  War  sie  aber  von  niedrigerer  Herkunft  als  er,  so  ließ  er  die  Ausgaben  für  das 
Hochzeitsmahl  die  für  die  Tische  übersteigen  (die  Hauptsache  wertvoller  als  das  Neben- 
sächliche; die  Hauptperson,  der  Mann,  vornehmer  als  die  Frau).  —  Oder  worin  bestand 
ihr  hoher  Wert?  Keiner  von  ihnen  ging  zu  einem  Gastmahl  n-iyc,  bevor  er  nicht 
zweimal  gerufen  (eingeladen)  war  n:'j3»  s-'-:v  ly. 

22,4:  Mein  Mahl  habe  ich  bereitet. 
iiQiaxov  s.  das  Nähere  bei  Lk  14, 12. 

22,4:  Meine  Stiere  ii.  mein  Mastvieh  ist  geschlachtet 
u.  alles  bereit. 

1.  Die  Worte  drücken  aus,  daß  alle  Vorbereitungen  zur  Hochzeit  beendet  sind,  u, 
daß  deshalb  das  Mahl  unaufschiebbar  ist.  ÄhnlichK''th3'^  u.4^:  Sein  (des  Veranstalters 
des  Hochzeitsmahles)  Brot  ist  gebacken,  sein  Schlachtvieh  ist  geschlachtet  n-ato  iria-j 
u.  sein  Wein  ist  gemischt.  11  Zum  Einschlachten  von  Vieh  für  eine  Hochzeitsfeier  vgl. 
Schebifith7,  4:  Wenn  einer  ein  erstgeborenes  Stück  Vieh  (das  Fehler  hat  u.  deshalb 
nicht  geheiligt  werden  kann)  zum  Hochzeitsmahl  seines  Sohnes  1:2  n.— i)^5  oder  zu 
einem  Fest  gekauft  hat  u.  dessen  nicht  bedarf,  so  darf  er  es  verkaufen.  |i  K'-'r  3,  7 : 
R.  fAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  Ich  habe  den  Rabban  Gamliel  (um  90)  u.  den  R.  J^ho- 
schua?  (um  90)  auf  dem  Markt  von  Emmaus  gefragt,  wohin  sie  gegangen  waren,  um 
ein  Stück  Vieh  zum  Hochzeitsmahl  des  Sohnes  des  Rabban  Gamliel  zu  kaufen,  usw. 

2.  xal  ncivra  sTOitiu  =  •pir'o  brti. 

Aboth  3,  16  sagt  R.  fAqrba  (f  um  135):  Alles  ist  zum  Mahle  (in  der  zukünftigen 
Welt)  bereitet  ^■;nycV  '^■^r-o  hz-. 

22,6:   Sie  griffen  seine  Knechte,   verhöhnten   u.  töteten  sie  (s.  bei  21,  35). 

22,  7:  Der  König  ward  zornig,  sandte  seine  Heere  aus  .  .  .  ' 
u.  zündete  ihre  Stadt  an. 

'  Tanch  irTsn  29»;  R.  Sch^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Ein  Gleichnis. 
Womit  läßt  sich  das  vergleichen  ?  Mit  einem  König,  der  in  einer  Stadt  wohnte,  deren 
Bewohner  ihn  geärgert  hatten.  Der  König  ärgerte  sich  u.  zog  daraus  etwa  zehn  Mil 
fort,  dann  machte  er  halt.  Es  sah  ihn  jemand,  der  zu  den  Einwohnern  der  Stadt  sagte: 
Wisset,  daß  euch  der  König  zürnt,  u.  er  will  seine  Legionen  gegen  die  Stadt  schicken, 
um  sie  zu  zerstören;  geht  u.  versöhnt  ihn,  daß  er  zu  euch  zurückkehre.  .  .  .  ||  GnR51 
(32*^):  Gleich  zwei  Städten,  die  sich  gegen  den  König  empörten.  Der  König  sprach: 
Die  eine  soll  mit  ihrem  eignen  Feuer  verbrannt  werden  u.  die  andre  soll  auf  Kosten 
des  Staatsschatzes  verbrannt  werden.  So  auch  dort  Jes34,  9:  „Da  wandeln  sich  ihre 
Bäche  zu  Pech  u.  ihr  Staub  zu  Schwefel",  aber  hier  Gn  19,  24:  „Jahve  ließ  über  Sodom 
u.  über  Gomorra  Schwefel  u.  Feuer  regnen." 

22,9:  Geht  an  die  Durchgänge  der  Wege  (=  Kreuzwege) 
u.  rufet  zur  Hochzeit,  soviele  ihr  findet. 
dis^odoi  TCöv  oöwv,  etwa  =  ni^Tn  m'ü'^E. 

-'  '  ■    T     :  T   T 

GnR22(15a):  Gleich  einem  Räuber,  der  an  einem  Scheideweg  =-5-t  r-j-iE3  saß 
(s.  die  Stelle  im  Exkurs:  Der  gute  u.  der  böse  Trieb  Nr.  7  Anm.  c).  ||  P^s  111^:  Wenn 
zwei  Frauen  an  einem  Scheideweg  a-s^-i  r'v-tz  sitzen,  die  eine  auf  dieser  Seite  der 
Straße  u.  die  andre  auf  jener  Seite,  u.  ihr  Gesicht  einander  zugewandt  haben,  so  ist  es 

strack  u  Billerbeck.  NT  I.  56 


882  Matth22,  9. 11.13 

sicher,  daß  sie  mit  Zaubereien  beschäftigt  sind.  (Exk.:  Zur  altjüd.  Dämonologie  Nr.  3 
Anm.  c  Ende.)  |1  Sanh  13*^  pvrn  -;pT  „Alte  von  der  Strafse"  sind  gewöhnliche  Alte,  wie 
sie  gerade  von  der  Straße  aufgelesen  sind. 

Daß  es  wirklich  vorgekommen  ist,  daß  an  Stelle  der  ursprünglich 
Geladenen  allerlei  andres  Volk  das  hergerichtete  Mahl  verspeiste,  zeigt 
die  Geschichte  vom  Zöllner  Bar  Ma^jan,  s.  bei  22,  3$ö  S.  880. 

22, 11:  Der  nicht  mit  einem  hoch  zeitlichen  Kleid  bekleidet  war. 

(Öl,  das  zur  priesterlichen  Hebe  gehört  u.  unrein  geworden  ist,  darf  in  einem 
priesterl.  Hoclizeitshaus  in  den  Lampen  verbrannt  werden,  aber  nicht  in  einem  priesterl. 
Trauerhaus.  So  R.  Jehuda,  um  150,  Terumll,10.)  Dazu  pTerum  ll,48i>,  29:  Was  ist 
der  Grund  des  R.  J^huda?  Weil  ihre  Kleider  in  einem  Hochzeitshaus  rein  sind,  darum 
befassen  sie  sich  nicht  damit  (das  Öl  mitzunehmen  u.  es  aufaerhalb  des  Priesterhauses 
zu  verwenden).  —  Die  ganze  Stelle  s.  bei  Mt9,  15  S.  514  Anm.  t. 

Daß  man  von  den  Gästen  nicht  bloß  an  der  Hochzeitstafel,  sondern  bei  jedem 
Gastmahl  ein  Erscheinen  in  angemessener  u.  sauberer  Kleidung  erwartete,  zeigen  die 
oben  S.  878  f.  gebrachten  Gleichnisse.  —  Außerdem  sei  auf  ein  beißendes  Wort  verwiesen, 
das  Jalta,  die  Gemahlin  des  Rab  Nachman  b.  Ja?aqob  (f  320),  dem  sUlla  entbieten  ließ, 
als  sie  sich  durch  diesen  gekränkt  fühlte.  Berakhöl^:  ?Ulla  kam  in  das  Haus  des 
Rab  Nachman,  um  das  Biot  zu  brechen  (als  Gast  bei  ihm  zu  speisen).  Er  sprach  den 
Tischsegen  (das  Dankgebet  nach  Schluß  der  Tafel)  u.  gab  den  Becher  des  Segens  dem 
Rab  Nachman.  Rab  Nachman  sagte  zu  ihm:  Es  möge  der  Herr  den  Becher  des  Segens 
der  Jalta  übersenden.  (Frauen  beteiligten  sich  für  gewöhnlich  nicht  an  einem  Gast- 
mahl; um  sie  zu  ehren,  übersandte  man  ihnen  den  Becher  des  Segens  mit  dem  darin 
enthaltenen  Wein.)  Er  antwortete:  So  hat  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Die  Frucht  des 
Schoßes  der  Frau  wird  nur  gesegnet  durch  die  Frucht  des  Leibes  des  Mannes;  s. 
Dt  7,  13:  ,Er  wird  segnen  die  Frucht  deines  (des  Mannes)  Leibes."  „Ihres  Leibes" 
heißt  es  nicht,  sondern  „die  Frucht  deines  Leibes".  Die  Bar  lautet  ebenso.  ...  In- 
zwischen hatte  Jalta  davon  gehört.  Sie  stand  im  Zorn  auf  u.  ging  in  den  Weinspeicher 
u.  zerbrach  400  Fässer  Wein.  Rab  Nachman  sagte  zu  ihm:  Es  möge  ihr  der  Herr  einen 
andren  Becher  übersenden!  Er  (tat  es  u.)  ließ  ihr  sagen:  Dieser  ganze  Pokal  ist  von 
dem  Wein  des  Segens.  Sie  ließ  ihm  sagen:  Von  Herumläufern  kommt  Gerede  u.  von 
Fetzen  (Lumpen)  Ungeziefer!  —  Aus  dieser  Antwort  darf  man  entnehmen,  daß  sich  f  Ulla 
nicht  bloß  gern  unangemeldet  als  Gast  an  der  Tafel  seiner  Standesgenossen  einstellte, 
sondern  auch  dabei  in  einem  Anzug  erschien,  der  zu  Beanstandungen  Veranlassung  bot. 

22,13:  Werfet  ihn  hinaus. 

exßccXers  ccvior.  —  Rabbin.  -lyj,  aram.  nn-j  ^=  hinausstoßen. 

Chagl5*:  Elischa?  b.  Abuja  (der  oft  genannte  Apostat,  um  120)  sagte:  Weil  ich 
(wörtlich:  dieser  Mann)  aus  jener  Welt  hinausgestoßen  bin  -i— j'x,  so  will  ich  gehn, 
um  diese  Welt  zu  genießen.  ||  Qid  31  *;  Abimi  b.  Abbahu  (um  330)  hat  als  tannaitische 
Tradition  gelehrt:  Es  kann  einer  seinem  Vater  Fasanen  als  Speise  reichen,  u.  man 
stößt  ihn  doch  aus  der  (zukünftigen)  Welt  hinaus  1-"-^-;  u.  ein  andrer  kann  seinen 
Vater  an  der  Mühle  mahlen  lassen,  u.  man  bringt  ihn  doch  in  das  Leben  der  zuk.  Welt.  1| 
Qid  4013:  (R.  El?azar  b.  Qadoq,  um  100,  hat  gesagt:)  Gott  gibt  Gutes' den  Gottlosen  im 
Überfluß  in  dieser  Welt,  um  sie  hinauszustoßen  "i-t^-u'-  (aus  der  zuk.  Welt)  u.  erben 
zu  lassen  die  unterste  Stufe  (im  Gehiunom),  s.  Spr24,  12:  Manch  ebener  Weg  liegt 
vor  einem  Mann,  u.  das  Ende  davon  sind  Wege  zum  Tode.  j|  BB  15^:  Gott  hat  ihm  (Hiob) 
seinen  Lohn  verdoppelt  in  dieser  Welt,  um  ihn  aus  der  zuk.  Welt  hinauszustoßen  i-f-'; . 

Wie  schwer  die  Weg  weisung  von  einer  Tafel  als  Kränkung  empfunden 
wurde,  zeigt  Git  55  b;  Wegen  QamQa  u.  Bar  Q.  ist  Jerusalem  zerstört  worden.  Ein 
Mann,  der  mit  Qam9a  befreundet,  aber  mit  Bar  Q.  verfeindet  war,  veranstaltete  ein  Gast- 


Matth  22, 13.  14.  15. 16  883 

mahl.  Er  sprach  zu  seinem  Diener:  Geh,  hole  mir  den  Qam9a!  Er  ging  u.  holte  (in- 
folge Verwechslung  der  Namen)  den  Bar  Qam^a.  Er  (der  Gastgeber)  kam  u.  fand  diesen 
dasitzend.  Er  sprach  zu  ihm:  Da  du  mein  Feind  bist  (wörtlich:  da  dieser  Mann  dieses 
Mannes  Feind  ist),  was  willst  du  hier?  Steh  auf  u.  geh  hinaus!  Er  antwortete:  Weil 
ich  gekommen  bin,  so  laß  mich  hier;  ich  will  dir  den  Wert  dessen  bezahlen,  was  ich 
esse  u.  trinke.  Jener  sprach:  Nein!  Er  antwortete:  Ich  will  dir  den  Wert  deines  halben 
Mahles  bezahlen.  Jener  sprach:  Nein!  Er  antwortete:  Ich  will  dir  den  Wert  deines 
ganzen  Mahles  bezahlen.  Jener  sprach:  Nein!  Er  faßte  ihn  bei  der  Hand,  ließ  ihn  auf- 
stehn  u.  schaffte  ihn  hinaus  n-prs".  Da  sprach  Bar  Qam9a  (bei  sich  selbst):  Weil  die 
Rabbinen  dagesessen  haben,  ohne  jenem  zu  wehren,  so  kann  ich  daraus  entnehmen, 
daß  es  ihnen  genehm  gewesen  ist.  Er  sprach  weiter:  Ich  werde  gehn  u.  sie  beim 
König  verleumden.  Er  ging  u.  sprach  zum  Kaiser:  Die  Juden  haben  sich  gegen  dich 
empört!  Er  antwortete:  Kann  man  das  sagen?  Er  sprach:  Sende  ihnen  ein  Opfer,  so 
siehst  du,  ob  sie  es  opfern  werden.  Er  ging  u.  sandte  durch  ihn  ein  dreijähriges  Kalb. 
(Bar  Qam^a  brachte  dem  Tier  dann  einen  Fehler  bei,  so  daß  seine  Opferung  unzulässig 
wurde.   Das  wurde  die  Veranlassung  zum  Kriege.)  —  Dasselbe  Midr  KL  4,  2  (74'"'). 

22,  13:  In  die  äußerste  Finsternis;  dort  wird  Heulen  u. 
Zähneknirschen  sein  (s.  bei  8, 12  S.  478;'). 

22,  14:  Viele  sind  berufen,  aber  wenige  sind  auserwählt. 

4:Esra8,  3:  Viele  sind  geschaffen,  wenige  aber  gerettet.  —  Nach 
Dalman,  Worte  Jesu  1,  97  würde  der  Ausspruch  aramäisch  in  Jesu  Mund 
gelautet  haben:  )^tT'^  "P"''^!'!  TV^]  ''"^^':^' 

In  der  rabbin.  Literatur  wird  die  Frage,  ob  einst  viele  oder  wenige 
werden  selig  werden,  verschieden  beantwortet,  je  nachdem  die  Frage 
auf  die  zwischenzeitliche  oder  auf  die  endgeschichtliche  zukünftige  Welt 
bezogen  wird.  Denkt  man  an  die  erstere,  also  an  die  himmlische  Selig- 
keit zwischen  Tod  u.  Auferstehung,  so  fehlt  es  nicht  an  Stimmen,  nach 
denen  es  verhältnismäßig  nur  wenige  sein  werden,  die  sofort  zur  vollen 
Seligkeit  des  Himmels  eingehn  dürfen,  ohne  zuvor  dem  Läuterungs- 
feuer des  Gehinnoms  anheimzufallen. a  Denkt  man  dagegen  an 
die  endgeschichtliche  zuk.  Welt  nach  der  Auferstehung  der  Toten,  so 
gilt  der  Satz,  daß  ganz  Israel  an  der  zuk,  Welt  Anteil  haben  wird.b 

a.  Men  29^:  R.  Jehuda  (um  150)  hat  gesagt:  Warum  ist  die  zuk.  W.  (=  himmlische 
Welt  der  Seelen)  durch  den  Buchstaben  Jod  (den  kleinsten)  erschaffen  worden?  Weil  der 
Gerechten  darin  wenige  sind  (s.  bei  5, 18  S.  247  f.  u.  im  Exk.:  „Scheol"  usw.  III,  3,  ic).  \\ 
Sanh  97b  nebst  Parallelen  s.  bei  5,8  S.21lf.  u.  in  demselben  Exk.:  „Scheol"  usw.  III,  3,  o. 

b.  Sanh  10, 1:  Ganz  Israel  hat  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  (nach  der  Auferstehung 
der  Toten),  s.  Jes60,  21:  „Und  dein  Volk,  die  sind  allesamt  Gerechte;  für  immer  werden 
sie  das  Land  besitzen.  —  Über  die  wenigen  Ausgeschlossenen  s.  denselben  Exk.  II,  5. 

22,15:  Um  ihn  in  einem  Wort  zu  fangen. 
7r«ytJ£iifn'fr2öyf-),etwa  =  n?^i^:5,s.GnR37(22^);63(40'^)bei4,19$ßS.188. 

22,  16:  Meister,  wir  wissen,  daß  du  wahrhaftig  bist  usw. 
Keth  50  b  liest  man  folgende  captatio  benevolentiae:  R.  Schimfon  b.  Eljaqim  sagte 
vor  R.  Elfazar  (um  270):  Meister,  ich  weiß  von  dir,  daß  du  nicht  nach  dem  Maß  des 
strengen  Rechtes  verfährst,  sondern  nach  dem  Maß  der  Barmherzigkeit;  aber  die 
Schüler  möchten  es  sehen  u.  die  Halakha  (in  der  abweichenden  Form)  für  alle  Zukunft 
festsetzen. 

56* 


884  Matth  22,  17.  20 

32, 17:  Ist  es  erlaubt,  dem  Kaiser  Steuer  zu  geben  oder  nicht? 
xi]r(Toc  in  diesem  Zus.hang  =  tributum  capitis.  —  Unter  welchem 
Gesichtspunkt  weite  Kreise  des  jüdischen  Volkes  diese  römische  Steuer- 
auflage betrachtet  haben,  zeigt  am  besten  Josephus,  Antiq.  18, 1, 1: 
'lovdag  di  ravXaviTrjC  arijQ,  ix  TtoXscog  ovof.ia  FäfiaXa,  2d6dovxov  (fUQiaaiov 
TTQockaßiifierog,  r^TTsfyero  stcI  anoaxüasi,  rr^v  xs  cmoTi'f.irjatv  (Steuerein- 
schätzung) ovdh'  aXXo  rj  avrixQVg  dovXelav  STiKfSQSiv  Xeyomg  xal  tr^g 
iXsvO^eqiag  in'  uriiXi'jipei  naQaxaXovvxeg  ro  sd^vog.  Bell.  Jud.  2,  8,  1:  ^Enl 
Tovrov  (unter  Coponius)  rh  oirr^Q  FaXiXaTog  ^lovdag  ovojna  dg  ccTToataair 
irrjys  xovg  iicixoJQiovg,  xaxi^cor,  ei  (föoov  xa  "^Pcojiiaiotg  xsXstv  VTTOixivovai^ 
xal  fAsxd  xov  d^eör  oi'aovai  ^vrjxoig'dsanoxag.  —  Das.  2, 17,  8:'Öc  {'lovöag 
ra?uXaTog)  r^v  ao(fiaxi]g  Seivöxaxog  xal  ircl  Kvqtjviov  ttox^  ^lovöaiovg 
ovsiöiaag,  ort  "^Pay/iafoig  vnsxäaoovxo  fxsxd  xov  ^eöv. 

22,  20:  Wessen  ist  dieses  Bild  u.  die  Aufschrift? 

Als  allgemein  anerkannter  Grundsatz  galt:  das  Herrschaftsgebiet 
eines  Königs  deckt  sich  mit  dem  Gültigkeitsgebiet  seiner  Münzen. 

pSanh  2,  20'',  17:  Abigail  erblickte  den  David  1  Sm  25,  23.  Sie  sprach  zu  ihm: 
Mein  Herr  David,  was  habe  ich  (Übles)  getan,  was  meine  Söhne  u.  was  mein  Vieh? 
Er  antwortete:  Dein  Mann  Nabal  hat  die  Königsherrschaft  Davids  beschimpft  Vsp  .  Sie 
sprach:  Bist  du  ein  König?  Er  antwortete:  Hat  mich  nicht  Samuel  zum  König  ge- 
salbt? Sie  sprach:  Bis  jetzt  gilt  noch  die  Münze  {-'^'i'.^,  moneta)  unsres  Herrn  Saul!  — 
In  der  Parallelstelle  M^g  141»:  Noch  ist  Saul  am  Leben,  u.  deine  Münze,  -vau,  ist  nicht 
ausgegangen  in  die  Welt.  ||  GnR  39  (24^):  Die  Leute  sagen  (im  Sprichwort):  Von  einem 
Haus  in  ein  andres  (umziehen)  kostet  ein  Hemd,  von  einer  Stadt  in  eine  andre  einen 
Teil  des  Lebens.  Du  aber  (sprach  Gott  zu  Abraham  Gn  12,  1  ff.)  sollst  keine  Einbuße 
erleiden  weder  am  Leben  noch  am  Gelde.  R.  B^reklija  (um  340)  hat  im  Namen  des 
R.  Chelbo  (um  300)  gesagt:  (Gott  sagte  dem  Abraham  mit  dem  Wort:  Ich  will  dich 
zu  einem  großen  Volk  machen  usw.,)  daß  seine  Münze  in  die  Welt  ausgehen  werde 
(seine  Herrschaft  Anerkennung  finden  werde).  Vier  Männer  gibt  es,  deren  Münze  in 
die  (ganze)  Welt  ausgegangen  ist  (überall  gangbar  u.  gültig  war):  Abraham,  s.Gn  12,2: 
„Ich  will  dich  zu  einem  großen  Volk  machen";  seine  Münze  ist  ausgegangen  (anerkannt 
worden  u.  damit  auch  seine  Herrschaft).  Welcher  Art  war  seine  Münze?  Ein  Greis 
u.  eine  Greisin  (=  Abraham  u.  Sara)  auf  der  einen  Seite,  ein  Jüngling  u.  eine  Jung- 
frau (Isaak  u.  Rebekka)  auf  der  andren.  —  Josua,  s.  Jos  6,  27:  „Jahve  war  mit  Josua 
u.  sein  Ruf  ging  über  die  ganze  Erde";  es  ging  seine  Münze  aus  in  die  Welt.  Welcher 
Art  war  sie?  Ein  Stier  auf  der  einen  Seite,  eine  Antilope  auf  der  andren  (vgl.  Dt  33, 17).  — 
David,  s.  1  Ohr  14,  17:  „Der  Name  Davids  ging  aus  in  alle  Länder";  es  ging  seine 
Münze  aus  in  die  Welt.  Welcher  Art  war  seine  Münze?  Ein  Stab  u.  eine  Tasche  (vgl. 
1  Sm  17,  10)  auf  der  einen  Seite  u.  ein  Turm  auf  der  andren  (vgl.  HL  4,  4).  —  Mar- 
dokhai,  s.  Esth  9,4:  „Mardokhai  war  groß  im  Hause  des  Königs  u.  sein  Gerücht  ging 
hinaus  in  alle  Länder";  seine  Münze  ging  aus.  Welcher  Art  war  seine  Münze?  Ein 
Sack  u.  Asche  auf  der  einen  Seite,  eine  goldene  Krone  auf  der  andren  (vgl.  Esth  4,  1 ; 
8,15).  —  Nach  Midr  Esth  8,  15  (100^)  zeigte  Mardokhais  Münze  ihn  selbst  auf  der 
einen,  Esther  auf  der  andren  Seite.  —  Vgl.  Sanh  104'':  „Als  zu  leicht  erfand  (beim 
Wiegen)  Jahve  meine  Starken  in  meiner  Mitte"  KL  1,  15,  wie  wenn  einer  zum  andren 
sagt:  Diese  Münze  ist  ungültig  (weil  zu  leicht).  —  Wie  Münzen  nach  dieser  Stelle 
außer  Kurs  gesetzt  werden  können,  wenn  sie  nicht  mehr  das  volle  Gewicht  haben,  so 
können  auch  diejenigen  eines  früheren  Herrschers  beim  Thronwechsel  durch  seinen 
Nachfolger  für  ungültig  erklärt  werden ;  mit  der  Herrschaft  steht  u.  fällt  das  Münz- 


Matth  22,  20.  21  {%.  SB),  22,  23  885 

recht.  BQ9,  2:  Wenn  einer  eine  Münze  stahl  u.  sie  wurde  (nach  dem  Diebstahl)  un- 
gültig, so  kann  der  Dieb  zu  dem  Bestohlenen  sagen:  Hier  liegt  das  Deine  vor  dir  (er 
braucht  ihm  keine  gangbare  Münze  als  Ersatz  zu  geben).  Dazu  BQ  97^:  Sie  wurde  un- 
gültig, d.  h.  die  Regierung  erklärte  sie  (bei  einem  Thronwechsel)  für  ungültig.  —  Wie 
sehr  das  populäre  Empfinden  geneigt  war,  einen  Beweis  für  die  Herrschaft  eines  Königs 
im  Kursieren  seiner  Münzen  zu  sehen,  ergibt  sich  besonders  daraus,  daß  die  Macht 
eines  Herrschers  geradezu  seine  , Münze"  genannt  wird.  ExR  15  (79*)  wird  den  Fröschen 
folgendes  Wort  an  die  Ägypter  in  den  Mund  gelegt:  Die  Münze  (=  Kraft,  Macht)  eures 
Gottes  (des  Nils)  ist  dahin,  u.  die  eure  sollte  Bestand  behalten?  Deshalb  heißt  es 
Ps78,  45:  Die  Frösche  verderbten  sie  (die  Ägypter). 

22,2151:  Sie  sagten:  Des  Kaisers. 

?AZ6^:  Ein  Sektierer  sandte  an  seinem  Festtage  dem  Patriarchen  J^huda  (IL,  um  250) 
einen  Kaiserdenar  (einen  Denar  mit  dem  Kaiserbild,  vgl.  bei  Mt  5,  26,  51,  2;  um  eine 
solche  Münze  handelt  es  sich  auch  Mt  22,  19).  Resch  Laqisch  (um  250)  saß  vor  dem 
Patriarchen.  Dieser  sprach:  Was  soll  ich  machen?  Nehme  ich  ihn  an,  so  geht  er  u. 
dankt  dafür  (seiner  Gottheit);  nehme  ich  ihn  nicht  an,  so  entsteht  mir  Feindschaft. 
Resch  Laqisch  sprach:  Nimm  u.  wirf  ihn  in  seiner  Gegenwart  in  eine  Grube.  Er  ant- 
wortete: Dann  hegt  er  erst  recht  Feindschaft.  Ich  meine  (sagte  Resch  L.),  wie  mit 
der  Rückseite  der  Hand  (in  ungewöhnlicher  Weise)  soll  es  geschehn. 

22,2123:  So  gebet  dem  Kaiser,  was  des  Kaisers  ist, 
u,  Gotte,  was  Gottes  ist. 

pSch*^q  3, 47  ",  33  (in  Erweiterung  von  Sch-^q  H,  2) :  R.  Schemuel  b.  Nachman  (um  260) 
hat  im  Namen  des  R.  Jonathan  (um  220)  gesagt:  Wir  finden  in  der  Tora,  in  den  Pro- 
pheten u.  in  den  Hagiographen,  daß  der  Mensch  seinen  Pflichten  gegen  die  Menschen 
naclikommen  muß,  wie  er  denen  gegen  Gott  nachkommen  muß.  In  der  Tora,  s.  Nu  32,  22: 
Ihr  sollt  rein  sein  vor  Jahve  u.  vor  Israel.  In  den  Propheten,  s.  Jos  22,  22:  Der  Herr 
Gott  Jahve,  der  Herr  Gott  Jahve,  der  weiß  es,  u.  Israel,  das  soll  es  wissen!  In  den 
Hagiographen,  s.  Spr3,  4:  Dann  wirst  du  Gnade  u.  feinen  Verstand  gewinnen  in  den 
Augen  Gottes  u.  der  Menschen.  |[  Aboth  3,  7:  R.  EUazar  b.  J'^huda  aus  Bartotha  (um  110) 
sagte:  Gib  ihm  (Gott)  von  dem  Seinen;  denn  du  u.  das  Deine  gehört  ihm.  Und  so  heißt 
es  bei  David:  Denn  von  dir  (Gott)  kommt  alles,  u.  aus  deiner  Hand  haben  wir  es  dir 
gegeben  1  Chr  29, 14.  — Über  die  Zitationsformel  „bei  David"  s.  bei  Rom  1 1,  2  u.  Mk  12, 26. 

22, 23:  Di  e  Sa  ddazäer,  welche  sagen,  es  gebe  keine  Auferstehung. 

Die  Zeugnisse  des  Josephus  s.  im  Exkurs:  „Die  Pharisäer  u.  die  Sadd." 
Nr.  4  A.  II  Die  rabbin.  Tradition  führt  die  Leugnung  der  Auferstehung  auf 
die  Schüler  des  Antigonus  von  Sokho  (um  150  v.  Chr.?)  zurück,  s.  AbothRN 
5  Anf.  in  demselben  Exkurs  Nr.  3,  a.  —  Die  Sadd.  erscheinen  als  Leugner 
der  Auferstehung  Sanh  90 '\  s.  bei  Mt  22, 32  Nr.  2,  A.  —  Lightfoot  2,  355^ 
zitiert  aus  Tanch  fol.  3=^:  Sadducaei  negant  dicuntque  (s.  Hiob  7,  9):  De- 
ficit nubes  atque  abit;  sie  descendens  in  sepulchrum  non  redit. 

In  den  Apokryphen  u.  Pseudepigraphen  werden  als  Leugner  der  Auferstehung 
allgemein  die  Gottlosen  (Libertinisten)  genannt.  Weish  2,  1  ff. :  Sie  (ol  aasßsi'g)  sprechen 
bei  sich  selbst,  verkehrt  urteilend:  Kurz  ist  u.  traurig  unser  Leben,  u.  nicht  gibt  es 
ein  Heilmittel  beim  Tode  des  Menschen,  u.  nicht  hat  man  gehört  von  einem  Befreier 
aus  der  Unterwelt.  Denn  durch  Zufall  sind  wir  entstanden,  u.  darnach  werden  wir  sein, 
als  wären  wir  nie  gewesen.  Denn  Dunst  ist  der  Hauch  in  unsrer  Nase,  u.  das  Denken 
ein  Funke  in  der  Bewegung  unsres  Herzens,  nach  dessen  Erlöschen  der  Leib  zu  Asche 
wird  u.  der  Atem  {nysi'/ua)  wie  feine  Luft  verfliegt.  .  .  .  Nicht  gibt  es  eine  Wieder- 
holung unsres  Endes,  weil  es  versiegelt  ist  u.  keiner  wiederkehrt.  ||  Henoch  102,  6ff. : 


886  Matth  22,  23.  24 

Wenn  ihr  (Gerechten)  sterbt,  so  sprechen  die  Sünder  über  euch:  »Wie  wir  sterben, 
so  sterben  die  Gerechten.  Was  haben  sie  für  Nutzen  von  ihren  (guten)  Taten  gehabt? 
F  Siehe,  wie  wir,  so  sterben  sie  in  Kummer  u.  Finsternis.  Was  ist  ihr  Vorzug  vor  uns? 
Von  jetzt  an  sind  wir  gleich.  Was  werden  sie  empfangen  u.  schauen  in  Ewigkeit? 
Denn  siehe,  auch  sie  sind  tot,  u.  von  jetzt  an  schauen  sie  nicht  (mehr)  das  Licht  bis 
in  Ewigkeit.  ||  Eine  Leugnung  der  Auferstehung  bei  gleichzeitiger  Betonung  des  Fort- 
lebens des  Geistes  liegt  vor  Jubil  23,  31 :  Ihre  (der  Gerechten)  Gebeine  werden  Inder 
Erde  ruhen  (zur  Zeit  der  Heilsvollendung),  u.  ihr  Geist  wird  viel  Freude  haben,  u.  sie 
werden  erkennen,  daß  Gott  es  ist,  der  Gericht  hält  u.  Gnade  übt  an  Hunderten  u. 
Tausenden,  u.  (zwar)  an  allen,  die  ihn  lieben. 

22,24:  Wenn  einer  stirbt,  ohne  Kinder  zu  haben,  so  soll  sein 
Bruder  sein  Weib   als  Schwager  heiraten   u.  seinem   Bruder 

Samen  erwecken. 

Das  Leviratsgesetz  Dt  25, 5  nach  rabbin,  Auslegung. 

SDt25,  5  §  288  (125^).-  „Wenn  Brüder  beisammen  wohnen"  Dt  25,  -5.  Ausgenommen 
ist  sein  (des  Verstorbenen)  Bruder,  der  nicht  mit  ihm  (dem  Verstorbenen  zugleich)  in 
seiner  Welt  war.  Auf  Grund  dieser  Stelle  hat  man  gesagt  (J*^b  2,  1):  Wenn  zwei  Brüder 
vorhanden  sind  u.  der  eine  von  ihnen  stirbt  (kinderlos  unter  Hinterlassung  seiner 
Witwe),  u.  dann  wird  ihnen  noch  ein  Bruder  geboren,  u.  darauf  nimmt  der  zweite  die 
Frau  seines  Bruders  zur  Schwagerehe  u.  stirbt:  dann  ist  die  erste  Witwe  (die  des 
zuerst  verstorbenen  Bruders)  frei  (von  der  Verpflichtung  zur  Leviratsehe),  weil  sie  die 
Frau  eines  Bruders  war,  der  nicht  zugleich  mit  ihm  (dem  dritten  Bruder)  in  der  Welt 
war;  die  zweite  aber  ist  frei  (dem  dritten  Bruder  gegenüber)  als  Nebenfrau  der  ersten 
(beide  waren  nebeneinander  in  der  Ehe  mit  dem  zweiten  Bruder).  —  Wenn  Brüder 
, beisammen"  wohnen:  da  sind  ausgenommen  (von  der  Pflicht  zur  Leviratsehe)  Brüder 
müttlicherseits.  Da  wir  aber  in  der  Tora  von  Brüdern  finden,  daß  der  Bruder  mütter- 
licherseits gleich  ist  dem  Bruder  väterlicherseits,  so  könnte  es  sich  in  diesem  Falle 
ebenso  verhalten!  Die  Schrift  sagt  lehrend  i^-r:-'  (in  jeder  Hinsicht  eins  u.  gleich);  da 
sind  ausgenommen  seine  (des  Verstorbenen)  Brüder  mütterlicherseits.  „Und  einer  von 
ihnen  stirbt"  Dt  25,  5:  da  höre  ich  nur,  wenn  es  zwei  sind  u.  einer  von  ihnen  stirbt. 
Woher,  daß  dies  auch  gilt,  wenn  ihrer  mehrere  sind?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Und 
einer  von  ihnen  (ganz  allgemein,  ohne  Rücksicht  auf  eine  bestimmte  Zahl)  stirbt." 
Woher  (daß  Dt  25,  5  gilt),  auch  wenn  alle  sterben?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Nicht 
soll  das  Weib  des  Verstorbenen  auswärts  eines  fremden  Mannes  werden."  Und  warum 
wird  gesagt:  „einer  von  ihnen"?  Das  Weib  (die  Witwe)  „eines"  wird  zur  Schwagerehe 
genommen,  aber  nicht  das  Weib  von  zweien.  Auf  Grund  dieser  Stelle  hat  man  gesagt 
(nämlich  J®b  3,  9):  Wenn  drei  Brüder  mit  drei  untereinander  nicht  verwandten  Frauen 
(r-^-3:)  verheiratet  sind  und  einer  von  ihnen  stirbt,  u.  der  zweite  gibt  ihr  (der  Witwe) 
seine  Zusage  u.  darauf  stirbt  er:  so  haben  beide  Witwen  die  Zeremonie  des  Schuh- 
ausziehens vorzunehmen,  werden  aber  nicht  zur  Leviratsehe  zugelassen;  denn  es  heißt: 
wenn  „einer"  von  ihnen  stirbt  .  .  .,  soll  der  Schwager  zu  ihr  eingehn,  d.  h.  zu  einer, 
die  an  Einen  Schwager  u.  nicht  die  an  zwei  Schwäger  gebunden  ist.^  —  „Nicht  soll 
das  Weib  des  Verstorbenen  auswärts  eines  fremden  Mannes  werden"  Dt  25,  5.  Wozu 
habe  ich  diese  Worte  nötig?  Weil  wir  dort  gesagt  haben:  „Die  Frau  (Witwe)  'eines' 
wird  zur  Leviratsehe  genommen,  aber  nicht  die  Frau  von  zweien",  so  könnte  das  viel- 
leicht auch  in  diesem  Falle  gelten  (nämlich  daß  der  dritte  Bruder  sie  nicht  als  Levir 
heiraten  dürfe,  wenn  der  zweite  die  Leviratsehe  mit  ihr  vollzogen  hatte  u.  dann  starb). 
Die  Schrift  sagt  lehrend :  Nicht  soll  das  Weib  des  Verstorbenen  auswärts  eines  fremden 
Mannes   werden.    Wie   macht   er  (der  dritte  Bruder)  es?    Entweder  vollzieht  sie  die 

^  Da  der  Schwager  die  L.ehe  mit  ihr  noch  nicht  vollzogen  hat,  gilt  sie  noch  als 
Witwe  ihres  verstorbenen  Mannes;  durch  das  Ehe  versprechen  seitens  des  Schwagers 
ist  sie  aber  auch  an  diesen  gebunden. 


Matth  22,  24.  25.  28  887 

Zeremonie  des  Schuhausziehens  oder  sie  wird  zur  L.ehe  genommen.  —  ,  Ein  es 'fremden 
Mannes."  Wenn  jemand  seiner  Schwägerin  den  Scheidebrief  gibt,  so  macht  er  sie 
untauglich  (zur  Ehe)  für  ihn  selbst  u.  für  die  Brüder.  Aber  vielleicht  möchte  der 
Scheidebrief  sie  freigeben  (zur  anderweitigen  Ehe)  u.  man  könnte  die  Schlußfolgerung 
ziehen:  Wenn  die  Zeremonie  des  Schuhausziehens,  welche  eine  (Ehe-)Frau  nicht  frei- 
gibt, die  Schwägerin  freigibt,  sollte  da  der  Scheidebrief,  der  eine  (Ehe-)Frau  freigibt, 
nicht  erst  recht  die  Schwägerin  freigeben?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Nicht  soll  das  Weib 
des  Verstorbenen  auswärts  eines  fremden  Mannes  werden",  es  sei  denn  auf  Grund  des 
Vollzugs  des  Schuhausziehens.  —  Wer  seiner  Schwägerin  das  Eheversprechen  gegeben 
hat,  der  hat  sie  für  sich  selbst  erworben,  aber  untauglich  gemacht  für  die  Brüder 
(wenn  er  nämlich  hinterher  sein  Wort  nicht  hält).  Macht  etwa  das  Eheversprechen  die 
L.ehe  perfekt?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Ihr  Schwager  soll  ihr  beiwohnen",  also  die 
Beiwohnung  macht  sie  perfekt,  nicht  aber  das  Eheversprechen.  —  „Ihr  Schwager  soll 
ihr  beiwohnen",  gleichviel  ob  er  es  versehentlich  oder  absichtlich,  gezwungen  oder 
freiwillig  tut,  selbst  wenn  sie  es  versehentlich  u.  er  absichtlich  oder  er  es  versehentlich 
u.  sie  absichtlich  tut.  —  ,Und  er  soll  sie  sich  zum  Weibe  nehmen  u.  die  Schwagerehe 
mit  ihr  schließen"  Dt  25,  5;  er  soll  nehmen,  u.  zwar  soll  er  sie  nehmen;  er  soll  die 
Schwagerehe  eingehen,  u.  zwar  soll  er  sie  mit  ihr  eingehen.  Damit  sind  ausgeschlossen 
(von  der  L.ehe)  die  Nebenfrauen  aller  wegen  Blutschande  verbotenen  Frauen.  Und  so 
bat  man  (J'^b  1,  1)  gesagt:  Fünfzehn  Kategorieen  von  Frauen  befreien  (zugleich  mit  sich 
selbst)  ihre  Nebenfrauen  u.  deren  Nebenfrauen  von  der  Zeremonie  des  Schuhausziehens 
u.  von  der  L:ehe  bis  ins  unendliche,  nämlich  (wenn  des  Verstorbenen  Frau  ist  des 
Levirs)  Tochter  oder  Tochtertochter  oder  Sohnestochter  oder  Tochter  seiner  Frau  usw.  — 
„Und  der  Erstgeborene,  den  sie  gebiert,  soll  auf  den  Namen  seines  verstorbenen 
Bruders  zu  stehen  kommen"  Dt  25,  6;  soll  er  etwa,  wenn  sein  Name  Jose  (=;  Joseph)  ist, 
Jose,  oder  wenn  sein  Name  Jochanan  ist,  Jochanan  heißen?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
„auf  den  Namen  seines  Bruders",  ganz  allgemein  (ohne  Ausnahme).  Warum  wird  ge- 
sagt: „Der  Erstgeborene"?  Das  will  lehren,  daß  dem  ältesten  Bruder  die  Pflicht  der 
L.ehe  obliegt.^  —  nDen  sie  gebiert",  das  schließt  (von  der  L.ehe)  aus  die  Unfrucht- 
bare u.  die  nicht  mehr  zum  Gebären  fähig  ist.  „Er  soll  zu  stehen  kommen  auf  den 
Namen  seines  Bruders",  u.  nicht  auf  den  Namen  der  Brüder  des  Vaters.  —  Seines 
„verstorbenen"  Bruders:  weil  dort  (s.  oben)  gesagt  ist:  „die  Frau  (Witwe)  eines  u. 
nicht  die  Frau  von  zweien  wird  zur  L.ehe  genommen" ;  woher,  daß,  wenn  der  erste 
Bruder  starb,  der  zweite  die  L.ehe  vollziehen  soll,  u.  daß,  wenn  der  zweite  starb,  der 
dritte  die  L.ehe  vollziehen  soll?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  seines  „verstorbenen" 
Bruders.  Mit  dem  Wort  „verstorben"  (weil  es  ganz  allgemein,  ohne  nähere  Zusatz- 
bestimmung gesagt  ist)  erweitert  die  Schrift  (den  Kreis  derer,  die  zur  L.ehe  verpflichtet 
sind).  „Nicht  soll  sein  Name  aus  Israel  ausgelöscht  werden"  Dt  25,  6;  das  schließt 
den  Verschnittenen  aus;  denn  sein  Name  ist  ausgelöscht  (vgl.  Dt  23,  2;  mit  der  Witwe 
eines  Verschnittenen  sollte  also  die  Leviratsehe  nicht  vollzogen  werden).  —  Ausführlich 
handelt  von  der  L.ehe  der  Traktat  J'^bamoth. 

22,25:  Bei  uns  waren  sieben  Brüder. 

pj^b  4,  6*>,  35  wird  erzählt,  wie  einer  von  13  Brüdern  auf  dem  Wege 
der  Leviratsehe  die  12  Witwen  seiner  verstorbenen  12  Brüder  geehelicht 
hat,  s.  die  Stelle  bei  1  Tim  3,  2  Anm.  m. 

22,28:  Wessen  Weib  von  den  sieben  wird  sie  sein? 
Die  Frage  will  den  Auferstehungsglauben  ins  Lächerliche  ziehen; 


^  J^b  2, 8  heißt  es  genauer:  Das  Gebot,  die  Leviratsehe  zu  vollziehen,  gilt  dem  Älte- 
sten; wenn  ihm  aber  ein  jüngerer  Bruder  zuvorkam,  so  besitzt  sie  dieser  (rechtsgültig). 


888  Matth  22,  28 

in  dieser  Hinsicht  kann  sie  mit  jener  andren  verglichen  werden,  die 
einmal  in  Alexandria  an  R.  J^hoschua?  (um  90)  in  bezug  auf  die  Auf- 
erstandenen gerichtet  worden  ist.a  Dagegen  berechtigt  nichts  zu  der 
Annahme,  daß  auch  die  der  Frage  zugrunde  liegende  Vorstellung  von 
der  Wiederaufnahme  des  ehelichen  Lebens  seitens  der  Auferstandenen 
lediglich    als   eine  Frucht   sadduzäischen  Spottes   anzusehen   sei.    Im 
Gegenteil,  soweit  man  in  der  alten  Synagoge  an  die  Auferstehung  der 
Toten  geglaubt  hat  —  u.  das  ist  sicherlich  bei  der  großen  Mehrzahl 
des  Volkes  der  Fall  gewesen  — ,  hat  man  es  wohl  für  selbstverständlich 
gehalten,  daß  das  eheliche  Leben  bei  den  Auferstandenen  genau  so  in 
Geltung  u.  Übung  sein  werde  wie  vordem  während  des  gegenwärtigen 
Äons.   Nur  so  erklärt  sich  die  ohne  Widerspruch  gebliebene  Annahme, 
daß  die  Auferweckten  Ezechiels  (Ez  37, 1  ff.)  nach  ihrer  Wiederbelebung 
Söhne  u,  Töchter  gezeugt  hätten,  b   Ausdrückliche  Zeugnisse  für  das 
eheliche  Leben  der  Auferstandenen  in  der  zuk.  Welt  liegen  allerdings 
nicht  vor;  denn  die  wenigen  Stellen,  die  von  der  Kindererzeugung  in 
der  Zukunft  handeln,  sind  nicht  eindeutig;  sie  scheinen  sich  mehr  auf 
die  Tage  des  Messias   als   auf  die  eigentliche  zukünftige  Welt  nach 
der  Auferstehung  zu  beziehen,  c  Nur  Eine  Stelle  ist  uns  aus  der  späteren 
Zeit  bekannt  geworden,  die  den  Geschlechtsverkehr  in  der  Zukunft  für 
verboten  erachtet ;d  aber  auch  hier  ist  weniger  an  die  Zeit  nach  der 
Auferstehung  als  an  die  Tage  des  Messias  gedacht.  Namhafte  Vertreter 
des  mittelalterlichen  Judentums,  zB  Maimonides  (1185 — 1204),  haben 
das  geschlechtliche  Leben  der  Auferstandenen   für  das  Normale  an- 
gesehen, u.  zwar  mit  der  Begründung,  daß  die  Organe  des  menschlichen 
Leibes  zur  Benützung  gegeben  seien,  e   Sie  haben  damit  nur  die  Ge- 
danken ausgesprochen,  von  denen  wir  annehmen  dürfen,  daß  sie  auch 
in  der  alten  Zeit  maßgebend  gewesen  sind.  Nichts  hat  mit  unsrer  Frage 
der  Satz  des  Babyloniers  Rab  (f  247)  zu  schaffen,  nach  welchem  es  in  der 
zuk.  Welt  kein  Essen  u.  Trinken  u.  keine  Fortpflanzung  gibt.  Denn  mit 
der  zuk.  Welt  ist  hier  die  himmlische  Welt  der  Seelen,  also  die  Zeit  vor 
der  Auferstehung  gemeint;  s.  B^rakh  17 '»  bei  Mt  5, 8  S.  2 10  u.  22, 30  %. 

a.  Nidda  70^:  (Die  Leute  von  Alexandrien  fragten  den  R.  J°hoschuaf  b.  Chananja:) 
Bedürfen  die  Toten  (bei  der  Auferstehung)  in  der  Zukunft  der  Besprengung  (mit  dem 
Reinigungswasser)  am  3.  u.  am  7.  Tage  (Nu  19,  12),  oder  bedürfen  sie  deren  nicht?  Er 
antwortete:  Wenn  sie  aufleben  werden,  werden  wir  es  über  sie  wissen. 

b.  Sanh  92 b;  R.  Elifezer  b.  Jose  Ha-g'^Iili  (um  150)  sagte:  Die  Toten,  die  Ezechiel 
wiederbelebt  hat,  sind  nach  dem  Lande  Israel  heraufgezogen  u.  haben  Weiber  genommen 
u.  Söhne  u.  Töchter  gezeugt.  Es  trat  R.  J'^huda  b.  Bathyra  auf  seine  Füße  u.  sprach: 
Ich  gehöre  zu  ihren  Enkelkindern,  u.  dies  sind  die  Gebetsriemen,  die  mir  der  Vater 
meines  Vaters  von  ihnen  hinterlassen  hat.  j]  Seder  ElijR  5:  „So  spricht  der  Allherr  Jahve: 
Von  den  vier  Winden  komm  heran,  o  Geist,  u.  blase  diese  Gemordeten  an"  (Ez  37,  9); 
das  lehrt,  daß  sie  NebukadneQar,  der  König  von  Babel,  getötet  hatte.  Und  schließlich 
wurden  sie  wieder  lebendig  und  stellten  sich  auf  ihre  Füße  u.  vermehrten  sich  (pflanzten 
sich  fort).  —  Vgl.  auch  Pirqe  REl  33:  „Und  als  sie  die  Schar  erblickten,  warfen  sie 
den  Mann  in  das  Grab  des  Elisa.    Da  kam  der  Mann  in  Berührung  mit  den  Gebeinen 


Matth  22,  28.  29.  30  («)  889 

des  Elisa  u.  ward  wieder  lebendig"  (2  Kg  13,  21),  u.  darnach  erzeugte  er  den  Cliananiäel 
b.  Schallum  (s.  Jer  32,  7.  9). 

C.  Midr  Ps  73  §4(168''):  R.  Simon,  der  Fromme  (um  210),  hat  gesagt:  In  dieser 
Welt  geht  ein  Mensch,  um  (am  Sabbat)  Feigen  zu  sammeln,  u.  der  Feigenbaum  sagt 
nichts;  aber  in  der  Zukunft  -Tvh  geht  ein  Mensch,  um  eine  Feige  am  Sabbat  zu 
pflücken,  u.  sie  ruft  ihm  zu :  Es  ist  Sabbat!  In  dieser  Welt  geht  ein  Mensch,  um  seiner 
menstruierenden  Frau  beizuwohnen,  u.  sein  Lager  hindert  ihn  nicht  daran;  aber  in  der 
Zukunft  will  ein  Mensch  gehn,  während  seine  Frau  eine  Menstruierende  ist,  da  ruft 
ihm  der  Stein  zu:  Sie  ist  eine  Menstruierende!  —  Ältere  Ausgaben  fügen  als  Beleg- 
stelle hinzu  Hab  2,  11:  Der  Stein  aus  der  Wand  wird  schreien  usw.  ||  Midr  Ps  146  §4 
(268«):  Was  bedeutet:  „Er  erlaubt  Verbotene"  Psl46,  7?  (so  deutet  der  Midr:  „Er 
löst  Gebundene").  Nichts  ist  mehr  verboten  als  eine  menstruierende  Frau;  denn  eine 
Frau,  die  Blut  (an  sich)  wahrnimmt,  hat  Gott  ihrem  Manne  verboten;  aber  in  der  Zu- 
kunft s"a'^  Try-  erlaubt  er  sie,  „und  auch  die  (Lügen-)Propheten  u.  den  Geist  der  Un- 
reinheit will  ich  aus  dem  Lande  vergehen  lassen"  Sach  13,2,  u.  mit  „Unreinheit"  ist 
nichts  andres  als  die  (Menstruations-)Absonderung  gemeint,  s.  Lv  18,  19:  „Einem  Weibe 
in  der  Absonderung  ihrer  Unreinheit  sollst  du  nicht  nahen."  —  Die  Vorstellung  geht 
also  dahin,  daß  in  der  Zukunft  die  Menstruation  aufhören  wird  u.  die  Frau  deshalb  zu 
jeder  Zeit  dem  Mann  erlaubt  ist.  |i  Schab  30'':  Rabban  Gamliel  (um  90)  trug  vor:  Der- 
einst wird  die  Frau  jeden  Tag  gebären,  s.  Jer  31,  8:  „Schwangere  u.  Gebärende  zu- 
gleich" (schwanger  werden  u.  gebären  fällt  in  eins  zusammen).  In  dieser  Hinsicht, 
meint  Rabban  G.,  sei  die  Henne  ein  Analogen  im  gegenwärtigen  Äon.  —  Vgl.  Henoch 
10,  17.  —  Was  diese  Zitate  für  die  Zukunft  in  Aussicht  stellen,  geht  allerdings  über 
die  Ordnung  des  gegenwärtigen  Weltlaufs  hinaus;  deshalb  könnte  man  geneigt  sein, 
sie  auf  die  zuk.  Welt  nach  der  Auferstehung  zu  beziehen.  Gleichwohl  glauben  wir  sie 
auf  die  messiauische  Periode  deuten  zu  sollen,  da  deren  Verhältnisse  u.  Zustände  auch 
sonst  in  überschwenglicher  Weise  idealisiert  werden.  Dazu  kommt,  daß  wenigstens 
die  letzte  Stelle  (Schab  30'')  schon  von  den  rabbin.  Gelehrten  auf  die  Tage  des  Messias 
bezogen  worden  ist,  s.  Kalla  R4a  bei  Mt  22,30  51. 

d.  Midr  Psl46  §4(268^):  Einige  sagen:  Auch  der  Beischlaf  ist  in  der  Zukunft 
verboten.  Wisse,  daß  dem  so  ist.  Denn  an  dem  Tage,  da  sich  Gott  auf  dem  Berge 
Sinai  offenbarte,  um  Israel  die  Tora  zu  geben,  verbot  er  den  Beischlaf  drei  Tage  lang, 
s.  Ex  19,  15:  „Seid  auf  drei  Tage  bereit,  nahet  euch  nicht  dem  Weibe" ;  wenn  er  ihnen 
aber  da,  als  er  sich  ihnen  Einen  Tag  offenbarte,  den  Beischlaf  drei  Tage  lang  verbot, 
sollte  es  ihnen  nicht  dann  in  der  Zukunft  sia':  -^'rvh  verboten  sein,  wenn  die  Sch^'khina 
(göttliche  Gegenwart)  unter  ihnen  (dauernd)  weilt?  —  Da  das  Verweilen  der  Sch^khina 
unter  Israel  sowohl  in  der  messian.  Zeit  als  auch  in  der  zuk.  Welt  erwartet  wurde, 
so  bleibt  die  Beziehung  der  Worte  unsicher;  da  aber  die  Stelle  sachlich  mit  den  in 
Anm.  c  aus  Midr  Ps  146  §  4  gebrachten  Zitaten  zus.gehört,  verstehen  wir  sie  wie  diese 
von  den  Tagen  des  Messias. 

e.  Die  Belege  s.  bei  Eisenmenger  2,  943 — 948. 

22,29:  Ihr  versteht  die  Schriften  nicht. 
Vergleichen  läßt  sich  die  Wendung:  Du  verstehst  (wohl  die  Schrift 
nach  ihrem  Wortlaut)  zu  lesen,  aber  du  verstehst  sie  nicht  zu  erklären, 
zB  pB^rakh  2,  4^,  2  bei  Mt  22,  32  S.  892. 

22,30  5t:  Bei  der  Auferstehung  freien  sie  nicht, 
noch  werden  sie  gefreit. 
Diese  Worte  dürften  den  landläufigen  Anschauungen  zur  Zeit  Jesu 
durchaus  widersprochen  haben;  s.  zu  22,  28.  —  Keine  eigentlichen  Par- 
allelen zu  Jesu  Ausspruch  bilden  diejenigen  ähnlichen  Stellen,  die  sich 


890  Matth  22,  30  (3t) 

auf  die  himmlische  Welt  der  Seelen,  also  auf  die  Zeit  vor  der  Auf- 
erstehung beziehen.    Solche  Stellen  sind: 

B^^rakh  17*'^:   Ein  Gewohnlieitsspruch  f<;:.-'>;  im  Munde  Rabs  (f  247):   In  der  zuk. 
Welt  (=  Welt   der  Seelen)   gibt  es  nicht  Essen  u.  Trinken,  nicht  Zeugung  u.  Fort- 
pflanzung, nicht  Handel  noch  Wandel,  nicht  Neid  noch  Feindschaft  noch  Streit;  sondern 
die  Gerechten  sitzen  da  mit  ihren  Kronen  auf  ihren  Häsptern  u.  laben  sich  an  dem 
Glanz  der  Sch'^khina,  vgl.  Ex  24,  11:  ,Sie  schauten  Gott,  u.  (so)  aßen  u.  tranken  sie."  — 
Zur  Deutung  dieser  Stelle  auf  den  zwischenzeitlichen  ?01am  ha-ba,  d.  h.  auf  die  Welt 
der  Seelen    vgl.  bei  Mt  5,  8  S.  210,    ferner   Kalla    Rabbathi   (ed.  Coronel,  Wien  1864) 
4*  Bar:  In  der  zuk.  Welt  sin  a"^"y  gibt  es  nicht  Essen  u.  Trinken,  nicht  Zeugung  u. 
.  Fortpflanzung;  sondern  die  Gerechten  sitzen  da  mit  ihren  Kronen  auf  ihren  Häuptern 
u.  laben  sich  an   dem  Glanz  der  Sch^khina,  s.  Ex  24,  11  (wie  oben).    Man  erwiderte: 
(Es  heißt  K^'th  1 1 1 '' :)    „Es  wird  Überfluß  an  Getreide  im  Lande  sein,  auf  dem  Gipfel 
der  Berge"  Ps72,  16;   dazu  hat  man  gesagt:  Nicht  wie  diese  Welt  ist  die  zuk.  Welt 
(hier  =  Tage  des  Messias):  in  dieser  Welt  gibt  es  Mühe  beim  Keltern  u.  beim  Trauben- 
lesen; in  der  zuk.  Welt  läßt  Gott  einen  Wind  aus  seinen  Vorratskammern  ausgehn,  der 
weht  über  sie  hin  u.  läßt  sie  zur  Erde  fallen;  der  Mensch  geht  auf  das  Feld,  holt  die 
Fülle  seiner  Früchte  (soviel  er  nötig  hat);  davon  hat  er  seinen  Unterhalt  u.  den  Unter- 
halt seiner  Hausgenossen.  —  Wenn  du  also  meinst,  wie  es  in  der  Bar  heißt  (daß  es 
in  der  zuk.  Welt  kein  Essen  u.  Trinken  gebe),  wozu  brauchen  sie  dann  Lebensunterhalt? 
Ferner  steht  geschrieben  Jer31,8:  „Schwangere  u.  Gebärende  zugleich",  es  wird  die 
Frau  an  jedem  Tage  gebären  nach  dem  Schluß  aus  dem  Leichteren  auf  das  Schwerere 
(von  der  Henne  s.  Schab  30''  bei  Mt  22,  28  Anm.  c.  —  Wie  kann  da  also  in  der  Bar 
gesagt  werden,  in  der  zuk.  Welt  gebe  es  keine  Zeugung  u.  Fortpflanzung?).  Allein  das, 
was  in  der  Bar  gelehrt  wird,   bezieht  sich  auf  die  Zeit  vor  der  Wiederbelebung  der 
Toten  (also  auf  die  himmlische  Welt  der  Seelen),  u.  dort  (K^h  111'^  u.  Schab  30  b)  be- 
zieht sich  das  Gesagte  auf  die  Tage  des  Messias.  ||  Aboth  RNl:   Am  siebenten  Tag 
(—  Sabbat),  was  sangen  die  Leviten  beim  Tempelgottesdienst?    „Ein  Psalm,  ein  Lied 
auf  den  Sabbattag"  Ps  92,  1,  d.  h.  auf  den  Tag,  der  ganz  Sabbat  ist;  denn  an  ihm  gibt 
es  kein  Essen  u.  Trinken,  auch  nicht  Handel  u.  Wandel,  sondern  die  Gerechten  sitzen 
da  mit  ihren  Kronen  auf  ihren  Häuptern  u.  laben  sich  am  Glanz  der  Sch^khina,  s.  Ex 
24,  11:    „Sie  schauten  Gott  u.  (auf  diese  Weise)  aßen  u.  tranken  sie",  wie  die  Engel 
des  Dienstes.  —  Der  Tag,  der  ganz  Sabbat  ist,   bedeutet  den  Ruhetag  der  Seelen  in 
der  himmlischen  Welt  zwischen  Tod  u.  Auferstehung.  ||  Jalqut  1  §  111  zu  Gn  25,  31: 
„Verkaufe  mir  jetzt  ai-3  deine  Erstgeburt."    Man  hat  gesagt:  Als  Jakob  u.  Esau  im 
Leibe  ihrer  Mutter  waren,  sprach  Jakob  zu  Esau:  Mein  Bruder,  zwei  Welten  liegen  vor 
uns,  diese  Welt  u.  die  zuk.  Welt.    In  dieser  Welt  gibt  es  Essen  u.  Trinken,  Handel  u. 
Wandel,  Heiraten  nrs  v.v-h  u.  Kindererzeugen;  aber  in  der  zuk.  Welt  gibt  es  alle  jene 
Dinge  nicht.  Willst  du,  so  nimm  du  diese  Welt,  u.  ich  werde  die  zuk.  Welt  nehmen, 
wie  es  heißt:  „Verkaufe  mir  jetzt  av:  deine  Erstgeburt",  nämlich  wie  an  jenem  Tage 
(arn  insa  Deutung  des  a-i-a  in  Gn  25,  31),  da  sie  im  Leibe  ihrer  Mutter  waren.   Sofort 
verleugnete  Esau  die  Auferstehung  der  Toten,  s.  Gn25,  32:  Da  sagte  Esau:  Siehe,  ich 
gehe  zum  Tode  (u.  damit  ist  mein  Leben  für  immer  beendet).  In  jener  Stunde  nahm  Esau 
als  seinen  Teil  diese  Welt  hin,  u.  Jakob  nahm  als  seinen  Teil  die  zuk.  Welt  hin  (die  im 
Himmel  beginnt  als  Welt  der  Seelen  u.  nach  der  Auferstehung  offenbar  wird  als  escha- 
tologischer  fOlam  ha-ba).    Und  als  Jakob  aus  dem  Hause  Labans  kam,  u.  Esau  seine 
Söhne  u.  Töchter,  Knechte  u.  Mägde  sah,  sprach  dieser  zu  ihm:  Jakob,  mein  Bruder,  hast 
du  nicht  so  zu  mir  gesagt,  daß  du  die  zuk.  Welt  nehmen  wolltest,  während  ich  diese  Welt 
nehmen  sollte?    Woher  hast  du  diese  ganze  Habe,  deren  du  dich  erfreuen  kannst? 
Esau  dachte  bei  sich:  Wenn  ihm  Gott  diese  Welt,  die  nicht  sein  Teil  ist,  als  seinen 
Lohn  gegeben  hat,  wieviel  mehr  wird  das  dann  von  der  zuk.  Welt  gelten,  die  sein  Teil  ist! 
Sofort  sprach  Esau:  Wenn  du  willst,  so  komm,  so  wollen  wir  eine  Genossenschaft  (ein 
Kompagnongeschäft)  bilden:  nimm  du  die  Hälfte  dieser  Welt  u.  die  Hälfte  der  zuk.  Welt. 


Matth  22,  30  (SB)  891 

22,  30  ^:  Sie  sind  wie  die  Engel  im  Himmel. 
Henocb  51,4:  Alle  (die  Auferstandenen  u.  Gerechten  in  der  messian.  Zeit)  werden 
Engel  im  Himmel  werden.  —  104,  6:  Ihr  (die  Gerechten)  sollt  Genossen  der  himm- 
lischen Heerscharen  werden.  —  Apok  Bar  51,10:  In  den  Höhen  jener  Welt  werden  sie 
(die  Gerechten  nach  der  Auferstehung  u.  dem  Gericht)  wohnen  u.  den  Engeln  gleichen 
u.  den  Sternen  vergleichbar  sein.    Und  sie  werden  verwandelt  werden  zu  allen  mög- 
lichen Gestalten,  die  sie  sich  (nur)  wünschen:  von  der  Schönheit  bis  zur  Pracht  u.  von 
dem  Lichte  bis  zum  Glänze  der  Herrlichkeit.  \\  P*"siqR  43  (179'^):  (Hanna)  gelobte  ein  Ge- 
lübde u.  sprach:  Jahve  der  Heerscharen  1  Sm  1,11.  Was  heifät  ,Jahve  der  Heerscharen" 
((j3*^baoth) '?  R.  J'^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Hanna  sprach  vor  Gott:  Herr  der 
Welt,  es  gibt  ein  Heer  oben  u.  es  gibt  ein  Heer  unten.    Die  Angehörigen  des  oberen 
Heeres  essen  u.  trinken  nicht,   sie   pflanzen  sich  nicht  fort  u.  sterben  nicht,  sondern 
leben  in  Ewigkeit.  Und  die  Angehörigen  des  unteren  Heeres  essen  u.  trinken  u.  pflanzen 
sich  fort  u.  sterben.    Ich  aber  weiß  nicht,  zu  welchem  Heer  ich  gehöre  (da  ich  zwar 
esse,  aber  doch  nicht  gebäre)  usw.  —  Dasselbe  kürzer  im  Namen  Rabs,  f  247,  IVIidr 
Sm  2  §  4  (24*^).  ||  Chag  16'''  Bar:  Sechs  Dinge  werden  von  den  Dämonen  (Schedim)  aus- 
gesagt.   In  dreien  gleichen  sie  den  Dienstengeln:  sie  haben  Flügel  wie  die  D.  u.  fliegen 
von  einem  Ende  der  Welt  bis  zum  andren  wie  die  D.,  u.  sie  wissen,  was  zukünftig 
sein  wird,  wie  die  D.    Meinst  du  wirklich:  sie  wissen  es?  Vielmehr  sie  hören  es  hinter 
dem  Vorhang  hervor  (der  Gott  verbirgt),  wie  die  D.    Und  in  dreien  gleichen  sie  den 
Menschenkindern:  sie  essen  u.  trinken  wie  die  M.,  sie  pflanzen  sich  fort  wie  die  M. 
u.  sie  sterben  wie  die  M.  —  Sechs  Dinge  hat  man  von  den  Menschenkindern  ausgesagt; 
in  dreien  gleichen  sie  den  Dienstengeln:  sie  haben  Verstand  wie  die  D.,  u.  sie  gehen 
in  aufrechter  Haltung  einher  wie  die  D.,  u.  sie  sprechen  in  der  heiligen  Sprache  wie 
die  D.    In   dreien   gleichen    sie   den  Tieren:   sie   essen   u.  trinken  wie  die  Tiere,  sie 
pflanzen  sich  fort  wie  die  Tiere  u.  sie  sondern  Exkremente  aus  wie  die  Tiere.    Parallel- 
stelle: Aboth  RN  37.  —  Eine  ähnliche  Ausführung  in  GnR  8  Iß')  u.  14  [10").  Vgl.  auch 
GnR  8  (6'^'):    R.  Taphrai  hat  im  Namen   des  R.  Acha  (um  320)   gesagt:    Die   Oberen 
(Engel)  sind  im  Bild  u.  in  der  Ähnlichkeit  (Gottes)  geschaffen  worden  u.  sie  pflanzen 
sich  nicht  fort;  die  Unteren  (Tierwelt)  pflanzen  sich  fort,  sind  aber  nicht  im  Bild  u. 
in   der  Ähnlichkeit    geschaffen  worden.    Da  sprach   Gott  (bei    der   Erschafl'ung    des 
Menschen):   Siehe,  ich  will  ihn  im  Bild  u.  in  der  Ähnlichkeit  schaffen  nach  Art  der 
Oberen,  u.  er  soll  sich  fortpflanzen  nach  Art  der  Unteren.    R.  Taphrai  hat  im  Namen 
des  R.  Acha  gesagt:  Gott  sprach:  Wenn  ich  ihn  (nur)  nach  Art  der  Oberen  schaffe, 
so  stirbt  er  nicht;  wenn  (nur)  nach  Art  der  Unteren,  so  stirbt  er  u.  bleibt  nicht  am 
Leben.  Vielmehr'  siehe,  ich  will  ihn  nach  Art  der  Oberen  u.  nach  Art  der  Unteren  er- 
schaffen: sündigt  er,  so  muß  er  sterben,  sündigt  er  nicht,  so  soll  er  leben.  —  Das- 
selbe GnR  14  (10*=).  IITanch  cr.z-s  241'':  R.  Ji^chaq  (um  300)   hat   gesagt:   Es  heißt 
Nu  28,  2:    „Meine  Opfergabe,  meine  Speise  zu  meinen  Feueropfern. "   Wenn  du  sagen 
wolltest,  daß  es  vor  mir  Essen  u.  Trinken  gebe,  gibt  es  denn  vor  mir  Essen  u.  Trinken? 
Lerne  es  von  den  Dienstengeln  Ps  104,  4:  , Seine  Diener  flammendes  Feuer."  Wovon 
nähren  sie  sich?  R.  Judau  b.  Ji^chaq  (lies:  R.  Judan,  um  350,  im  Namen  des  R.  Ji9chaq) 
hat  gesagt:  Vom  Glänze   der  Sch%hina  (Gottheit)  nähren  sie  sich,  s.  SprlÖ,  15:   Im 
Licht  des  Angesichtes  des  Königs  ist  Leben(sunterhalt).    R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um 
250)  hat  gesagt:  Es  heißt  Nu  28,  6:   „Das  fortwährende  Brandopfer,  das  auf  dem  Berg 
Sinai    hergerichtet  wurde."    Hat  man  denn  ein  Brandopfer  auf  dem  Berg  Sinai   her- 
gerichtet?   Allein  wenn  du  sagen  wolltest,  es  gebe  vor  ihm  (Gott)  Essen  u.  Trinken, 
so  lerne  es  von  unsrem  Lehrer  Mose.  Wie  heißt  es  von  ihm?    „Und  er  war  dort  bei 
Jahve  40  Tage  u.  40  Nächte,  ohne  Brot  zu  essen  u.  ohne  Wasser  zu  trinken"  Ex  34,  28. 
Wenn  es  vor  mir  Essen  u.  Trinken  gäbe,  so  würde  er  von  dem  gegessen  u.  getrunken 
haben,  wovon  ich  aß  u.  trank;  u.  wenn  Mose,  der  in  meiner  Sendung  (Auftrag)  ging, 
40  Tage  u.  40  Nächte  kein  Brot  gegessen  u.  kein  Wasser  getrunken  hat,  um  wieviel  mehr 
gilt  das  dann  von  Gott!  Parallelstellen:  P^siqö?«;  P-^siqR  16  (80^);  NuR21  (192^).— 
Zu  dem  Satz:  Vor  Gott  gibt  es  kein  Essen  u.  Trinken,  s.  schon  SNu  28,  8  §  143  Ende. 


892  Matth  22,  32  (Nr.  1) 

22,32:  Ich  bin  der  Gott  Abrahams.  .  .  .  Nicht  ist  er 
ein  Gott  Toter,  sondern  Lebender. 

1.  Den  Gedanken,  daß  Gott  zu  den  Verstorbenen  in  einem  nahen  Ver- 
hältnis stehe,  diese  also  für  ihn  nicht  tot  sind,  sondern  leben,  finden  wir: 

Tanch  r-,^Vip  SS'*:   R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  hat  gesagt:   Gott  verbindet 
seinen  Namen  (u.  damit  sich  selbst)  mit  den  Gerechten  nicht  während  ihres  Lebens, 
sondern  erst  nach  ihrem  Tode,  s.  Psl6,  3:   „Mit  den  Heiligen,  die  in  der  Erde  sind" 
(so  der  Midr).  Wann  sind  sie  „Heilige"?  Wenn  sie  in  der  Erde  begraben  sind;  denn 
solange  sie  noch  am  Leben  sind,  verbindet  Gott  seinen  Namen  nicht  mit  ihnen  darum, 
daß  Gott  nicht   das  Vertrauen  zu  ihnen  hat,    daß  sie  der  böse  Trieb  nicht  verführt. 
Wenn  sie  aber  gestorben  sind,  verbindet  Gott  seinen  Namen  mit  ihnen.    Aber  siehe, 
wir  finden  doch,  daß  Gott  seineu  Namen  mit  Isaak,  dem  Gerechten,  während  seines 
Lebens  verbunden  hat;  denn  so  spracl>  er  zu  Jakob:  Ich  bin  Jahve,  der  Gott  deines 
Vaters  Abraham  u.  der  Gott  Isaaks  Gn  28,  13  (hier  ist  der  Gottesname  in  Verbindung 
mit  Isaak,  obwohl  dieser  damals  noch  am  Leben  war).    R.  B'^'rekhja  (um  340)  u.  die 
Rabbinen.    Die  Rabbinen   sagten:    Er  (Gott)  sah  seine  (Isaaks)  Asche   gleichsam  zu- 
sammengebracht auf  dem  Altar  (d.  h.  weil  Isaak  als  Opfer  dargebracht  worden  war, 
galt  er  vor  Gott  als  ein  Verstorbener).    R.  B^rekhja  hat  gesagt:  Weil  er  auf  seinen 
Augen  erblindet  war,  galt  er  als  tot;  denn  er  war  in  seinem  Hause  verborgen,  u.  der 
böse  Trieb  hatte  von  ihm  abgelassen.  —  Eine  ähnliche  Ausführung  in  Midr  Ps  16  §2 
((50'');  hier  der  Schluß:  R.  Pin^chas  (b.  Chama,  um  360)  hat  gesagt:  Wenn  die  Väter 
der  Welt  (die  Patriarchen)  gewollt  hätten,  daß  ihre  Wohnung  oben  (im  Himmel)  sein 
sollte,  so  hätten  sie  es  gekonnt;    gleichwohl  wurden  sie  erst  Heilige  genannt,  nach- 
dem sie   gestorben  waren  u.  der  Felsblock  (vor  der  Grabhöhle)  verrammelt  war.  — 
In  diesen  Zus.hang  gehört  auch  pB'^rakh  2,  4^',  1 :  (R.  Chijja,  der  Ältere,  um  200,  hatte 
dem  R.  Jonathan,  um  220,  wegen  Hinwegschreitens  über  Grabhügel  Vorhaltungen  ge- 
macht;) R.Jonathan  'erwiderte:  Wissen  sie  (die  Toten)  denn  etwas?    Steht  nicht  also 
geschrieben  Qoh  9,  5:   „Die  Toten  wissen  von  gar  nichts"?    Er  sprach  zu  ihm:  Zu  lesen 
(die  Schrift)  verstehst  du,  auszulegen  verstehst  du  nicht.    „Denn  die  Lebenden  wissen, 
daß  sie  sterben  werden"  Qoh  9,  5,  damit  sind  die  Gerechten  gemeint,  die  auch  in  ihrem 
Tode  Lebende  genannt  werden.    „Und  die  Toten  wissen  von  gar  nichts",  damit  sind 
die  Gottlosen  gemeint,  die  auch  während  ihres  Lebens  Tote  genannt  werden.  Woher, 
daß  die  Gottlosen    auch    während  ihres  Lebens  Tote    genannt   werden?    s.  Ezl8, 32: 
Ich  habe  nicht  Gefallen  am  Tode  des  Toten.  Wie,  stirbt  denn  der  Tote?  Allein  da- 
mit sind  die  Gottlosen  gemeint,  die  auch  während  ihres  Lebens  Tote  genannt  werden. 
Und  woher,  daß  die  Gerechten  auch  in  ihrem  Tode  Lebende  genannt  werden?    Siehe 
Dt  34,  4:  Jahve  sprach  zu  ihm:  „Dies  ist  das  Land,  das  ich  Abraham,  Isaak  u.  Jakob  zu- 
geschworeu  habe,  sagend."  Was  will  die  Schrift  lehrend  sagen  mit  dem  Wort  „sagend" 
(das  an  sich   überflüssig  ist  u.  deshalb   etwas  Besonderes   enthält)?    Gott  sprach  zu 
Mose:  Geh  u.  sage  (dies  enthält  das  -'na'')  den  Vätern  (den  genannten  drei  Patriarchen): 
Alles,  was  ich  (Gott)  mit  euch  vereinbart  habe,  das  habe  ich  euren  Kindern  nach  euch 
getan.    (Daraus,   daß  Gott  mit  diesen  Gerechten  während   ihres  Todeszustandes  also 
verhandelt,  folgt,  daß  sie  Gotte  als  Lebende  gelten.)  Parallelstelle  mit  andrem  Schrift- 
beweis B<^rakh  IS'*-''.  ||  ExR  44  (100**):  „Gedenke  an  Abraham"  usw.  Ex  32,  13.  Warum 
erwähnt  hier  Mose  die  drei  Väter?    R.  Abin  (I.  um  325;  II.  um  370)  hat  gesagt:  Gott 
sprach  zu  Mose :  Ich  fordere  von  dir,  wie  ich  von  Sodom  zehn  gefordert  habe ;  stelle 
mir  von  ihnen  zehn  Gerechte,  so  will  ich  sie  (die  Israeliten)  nicht  vertilgen.    Er  ant- 
wortete: Herr  der  Welt,  ich  will  sie  dir  stellen;  siehe,  ich,  Ahron,  Ehazar,  Ithamar, 
Pin^'chas,  Josua  u.  Kaleb.    Gott  sprach  zu  ihm:    Siehe,    das  sind  sieben,  wo  sind   die 
drei  (übrigen)?    Mose  wußte  nicht,  was  er  tun  sollte.    Dann  sprach  er  zu  ihm:  Herr 
der  Welt,  leben  sie,  die  Toten?    Er  antwortete  ihm:  Ja!    Er  sprach:  Wenn  die  Toten 
leben,  so  gedenke  an  Abraham,  an  Isaak  u.  an  Israel  (—  Jakob),  siehe,  so  sind  es  zehn. 
Darum  hat  er  die  drei  Väter  erwähnt. 


Matth  22,  32  (Nr.  2)  893 

2.  Die  rabbin.  Gelehrten  haben  die  Auferstehung  der  Toten  begründet 
teils  durch  einzelne  Schriftworte,  teils  durch  die  alttest.  Erzählungen  von 
bereits  erfolgten  Totenauferweckungen,  teils  durch  Vernunftschlüsse. 

A.  Beweise  aus  einzelnen  Schriftstellen. 

Sanh  90^:  Die  Sadduzäer  fragten  den  Rabban  Gamligl  (um  90):  Woher  läßt  sich 
beweisen,  daß  Gott  die  Toten  wieder  beleben  wird?    Er  antwortete:  Aus  der  Tora  u. 
aus  den  Propheten  u.  aus  den  Hagiographen.  Sie  aber  nahmen  es  von  ihm  nicht  an 
(sprachen  seiner  Beweisführung  die  Beweiskraft  ab).  Aus  der  Tora,  s.  Dt  31,  16:  ^Jahve 
sprach  zu  Mose:  Siehe,  du  legst  dich  nun  zu  deinen  Vätern  u.  wirst  auferstehn."  '  Sie 
erwiderten  ihm:    Aber  vielleicht  ist  zu   lesen:    „Und  dieses  Volk  wird  aufstehen ^  u. 
fremden  Göttern  nachhuren. "  —  Aus  den  Propheten,  s.  Jes26, 19:  „Leben  werden  deine 
Toten,  meine  Leichen  werden  auferstehn.  Wachet  auf  u.  jubelt,  Bewohner  des  Staubes; 
denn  ein  Tau  der  Lichter  ist  dein  Tau,  u.  die  Erde  wird  die  Schatten  herausgeben." 
(Man  erwiderte:)    Aber   vielleicht   handelt  es  sich  (hier)  um  die  Toten,    die  Ezechiel 
wieder  belebt  hat  (vgl.  Ez  37,  u.  dann  hat  Jes  26  keine  Beweiskraft  in  bezug  auf  die 
Totenauferweckung  am  Ende  der  Tage).  —  Aus  den  Hagiographen,  s.  HL  7, 10:  „Deine 
Gaumen    wie    der  beste  Wein,    der   meinem  Lieben   glatt   eingeht  u.  die  Lippen    der 
Schlafenden   (=  Toten    im  Sinn  des  Midr)    murmeln   läßt."    (Man   erwiderte:)    Aber 
vielleicht  bewegten  sich  ihre  Lippen  in  gewöhnlicher  Weise.  Das  entspricht  der  Meinung 
des  R.  Jochanan  (f  279) ;  denn  dieser  hat  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  J^hoQadaq  (um  225) 
gesagt :  Wenn  eine  Halakha  in  eines  Verstorbenen  Namen  in  dieser  Welt  gesagt  wird,  so 
bewegen  sich  seine  Lippen  im  Grabe,  wie  es  heißt:  Er  läßt  die  Lippen  der  Schlafenden 
(=  Toten)  sich  bewegen  (murmeln).  (Diese  Auslegung  nach  R.  Jochanan  entspricht  der 
Meinung  der  Sadduzäer  schwerlich ;  sie  werden  bei  ihrer  Erwiderung  wohl  an  Schlafende, 
aber  nicht  an  Tote  gedacht  haben.)  Endlich  nannte  er  ihnen  diese  Schriftstelle:  „Das 
Land,   das  Jahve  euren  Vätern  geschworen  hat,   ihnen  zu  geben"  Dt  11,  9  (vgl.  1,  8). 
„Euch"  zu  geben,  heißt  es  nicht,  sondern  „ihnen".   (Da  die  Väter  gestorben  sind,  ist_ 
ihr  Auferstehn  notwendig,  wenn  Gottes  Zusage  Wirklichkeit  werden  soll.)  Von  dieser 
Stelle  aus  läßt  sich  die  Auferstehung  der  Toten  aus  der  Tora  beweisen.   Einige  sagen: 
Von  folgender  Schriftstelle  aus  hat  er  ihnen  geantwortet:   „Ihr  aber,  die  ihr  an  Jahve 
eurem  Gott  hinget,  seid  allesamt  heute  am  Leben"  Dt  4,  4.  Die  Worte  sind  doch  selbst- 
verständlich:  Ihr  seid  allesamt  „heute"  am  Leben;  vielmehr  wollen  sie  besagen:  Selbst 
an  dem  Tage,  da  alle  Welt  tot  ist,  werdet  ihr  am  Leben  sein;  wie  ihr  alle  heute  am 
Leben  seid,  so  werdet  ihr  auch  in  der  zuk.  Welt  (infolge  der  Auferstehung)  alle  am 
Leben  sein.  —  Die  Römer  fragten  den  R.  J^oschua?  b.  Chananja  (um  90):  Woher  läßt 
sich  beweisen,  daß  Gott  die  Toten  wieder  beleben  wird,  u.  daß  er  weiß,  was  zukünftig 
sein  wird?   Er  antwortete  ihnen:  Beides  folgt  aus  dieser  Stelle:  Jahve  sprach  zu  Mose: 
Siehe,  du  legst  dich  nieder  zu  deinen  Vätern  u.  wirst  auferstehn;  dieses  Volk  aber  wird 
fremden  Göttern  nachhuren  Dt  81, 16.    Aber  vielleicht  ist  zu  lesen:   Und  dieses  Volk 
wird  aufstehn  u.  fremden  Göttern  nachhuren  (s.  oben  Z.  11).    Er  antwortete:    Nehmt 
wenigstens  die  Hälfte  an,  nämlich  daß  er  weiß,  was  zukünftig  sein  wird.  —  Es  ist 
auch  gesagt  worden,  R.  Jochanan  habe  im  Namen  des  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150) 
gesagt:  Woher,  daß  Gott  die  Toten  wieder  beleben  wird,  u.  daß  er  weiß,  was  zukünftig 
sein  wird?  s.  Dt  31,  16:  Siehe,  du  legst  dich  nieder  usw.  —  Bar:  R.  Eli?ezer  b.  R.  Jose 
(um  150)  hat  gesagt:  Bei  diesem  Wort  (nämlich  Dt  11,  9:  Das  Land,  das  Jahve  euren 
Vätern  geschworen  hat,  ihnen  zu  geben)  habe  ich  die  Bücher  der  Samaritaner  Lügen 
gestraft;   denn  sie  behaupten,   daß  die  Wiederbelebung  der  Toten  sich  nicht  aus  der 

1  Nach  R.  Isi  b.  J'^huda,  um  170,  gehört  Dt  31,16  zu  den  fünf  Stellen  der  Tora,  in 
denen  die  Beziehung  eines  Wortes  zum  Vorhergehenden  oder  zum  Nachfolgenden  zweifel- 
haft ist,  s.  M^kh  Ex  17, 9  (61  b)  u.  Parallelen.  Während  nun  R.  Gamliel  das  Wort  cpi  zum 
Vorhergehenden  zieht  u.  so  einön  Beweis  für  die  Auferstehung  gewinnt,  verbinden  es 
die  Sadduzäer  mit  dem  Nachfolgenden  u.  entkräften  so  die  Beweisführung  des  R.  G. 


894  Matth  22,  32  (Nr.  2) 

Tora  beweisen  lasse. ^   Ich  habe  ihnen  geantwortet:  Ihr  habt  eure  Tora  gefälscht,'^  ohne 
dadurch  irgendeine  Stütze  für  eure  Behauptung  zu  gewinnen,  daß  die  Wiederbelebung 
der  Toten  sich  nicht  aus  der  Tpra  beweisen  lasse;  siehe,  es  heißt  ja  Nu  15,31 :   „Aus- 
gerottet, ja  ausgerottet  soll  diese  Seele  werden,  ihre  Sünde  ist  an  ihr."    „Ausgerottet, 
ja  ausgerottet  soll  sie  werden",  nämlich  in  dieser  Welt  (durch  frühzeitigen  Tod);   „ihre 
Sünde  ist  an  ihr",  wann  denn?  nicht  in  der  zuk.  Welt  (bei  der  Auferstehung)?  —  In 
SNulö,31§112  EndeR.Schinuon  b.Elfazar,  um  190,  Autor.  11  GnR20(14a):  „Erde  bist 
du  u.  zu  Erde  sollst  du  wiederkehren"  Gn  3, 19.  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  hat  ge- 
sagt: Von  hier  ist  ein  Hinweis  auf  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  zu  ent- 
nehmen.   „Erde  bist  du  u.  zur  Erde  sollst  du  gehn"  itp,  heißt  es  nicht,  sondern  „du 
sollst  wiederkehren"  z-wr.    (Der  lebende  Mensch  ist  Erde;    soll   er  zu  solcher  Erde 
zurückkehren,  so  muß  er  aufs  neue  belebt  werden.)  jl  Sanh  91  *>  Bar:  „Ich  töte  u.  ich 
mache  lebendig"  Dt  32,  39;  etwa  so,  daß  der  Tod  sich  bei  dem  einen  u.  das  Leben  bei 
einem  andren  findet,  wie  es  in  der  Welt  zu  sein  pflegt?   Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Ich 
habe  zerschlagen  u.  ich  werde  heilen"  Dt  32,  39:  wie  das  Zerschlagen  u.  das  Heilen  bei 
einunddemselben  stattfindet,  so  auch  das  Töten  u.  Beleben  bei  einunddemselben.   Von 
hier  aus  hat  man  eine  Antwort  für  die,  welche  sagen,  die  Wiederbelebung  der  Toten 
sei  nicht  aus  der  Tora  (erweisbar).   Bar:  R.  Mei'r  (um  150)  hat  gesagt:  Woher  ist  die 
Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  zu  erweisen?  s.  Exl5, 1:  „Da  wird  Mose  u. 
die  Kinder  Israel  Jahve  dieses  Lied  singen."    Es  heißt  nicht:  „er  sang"  ^r,  sondern 
„er  wird  singen"  "i'^r-.    Von  hier  aus  hat  man  einen  Beweis  für  die  Wiederbelebung 
der  Toten  aus  der  Tora.   Ebenso  Jos  8,  30:   „Da  wird  Josua  Jahve,  dem  Gott  Israels, 
einen  Altar  bauen."    Es  heißt  nicht:  „er  hat  gebaut",  sondern  „er  wird  bauen"  ria-. 
Von  hier  aus  hat  man  einen  Beweis  für-  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora 
(Tora  hier  im  weitern  Sinn  =  heilige  Schrift).  .  .  .  R.  J*-'hoschuaF  b.  Levi  (um  250)  hat  ge- 
sagt: Woher  läßt  sich  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  beweisen?  s.  Ps84, 5: 
„Wohl  denen,  die  in  deinem  Hause  wohnen;  noch  werden  sie  dich  preisen.   Sela."    Es 
heißt  nicht:  „sie  haben  dich  gepriesen",  sondern  „sie  werden  dich  preisen".   Von  hier 
■  aus  hat  man  einen  Beweis  für  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  {—  Schrift). 
R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279)  habe  gesagt:  Woher  läßt 
sich  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  erweisen?  s.  Jes  52,  8:   „Horch,  deine 
Späher,  sie  erheben  ihre  Stimme  allesamt,  sie  werden  jauchzen."    Es  heißt  nicht:  „sie 
jauchzten",  sondern  „sie  werden  jauchzen".   Von  hier  aus  hat  man  einen  Beweis  für 
die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  (=  Schrift).  —  Die  1.  Bar  auch  P''s68'*.  |1 
Sanh  90b:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Woher  läßt  sich  die  Wiederbelebung  der 
Toten  aus  der  Tora  beweisen?  s.  Nu  18,  28:  „Gebt  davon  die  Hebe  für  Jahve  an  den 
Priester  Ahron."    Wie,  lebt  denn  Ahron  in  Ewigkeit  —  er  ist  ja  nicht  einmal  in  das 
Land  Israel  hineingekommen  — ,  daß  sie  ihm  die  Hebe  geben  sollen?  Allein  es  will 
lehren,  daß  er  dereinst  leben  u.  Israel  ihm  die  Hebe  geben  wird.    Von  hier  aus  hat 
man  einen  Beweis  für  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora.  ||  Sanh  92^:  Raba 
(t  352)  hat  gesagt:  Woher  läßt  sich  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  be- 
weisen? s.  Dt  33,  6:  „Es  lebe  Rüben  u.  sterbe  nicht."    „Es  lebe  Ruhen"  in  dieser  Welt 
,u.  sterbe  nicht"  in  der  zuk.  Welt.  —  Rabina  (wohl  der  I.,  f  um  420)  hat  gesagt:  Von 
hier  aus:    „Und  viele,  die  im  Erdenstaub  schlafen,  werden  erwachen,  die  einen  zum 
ewigen  Leben,  die  andren  zur  Schmach  u.  ewigen  Verdammnis"  Dn  12,  2.   Rah  Aschi 
(t  427)  hat  gesagt:  Von  hier  aus:  Du  aber  geh  zum  Ende;  ruhe  u.  steh  auf  zu  deinem 
Lose  am  Ende  der  Tage  Dn  12, 13.  |i  Sanh  90^  Bar:  R.  Simai  (um  210)  sagte:  Woher 

'  Diese  Behauptung  zu  stützen,  hatten  sie  das  Wort  „ihnen"  Dt  11,9  gestrichen; 
ebenso  hat  es  der  samaritanische  Targum  Dt  1,  8  u.  11,9  getilgt. 

2  Von  einer  andren  Fälschung  berichtet  R.  El?azar  b.  Schimfon,  um  180:  Ich  habe 
zu  den  Schriftgelehrten  der  Samaritaner  gesagt:  Ihr  habt  eure  Tora  gefälscht,  ohne  euch 
dadurch  zu  nützen;  denn  ihr  habt  in  eurer  Tora  geschrieben  Dt  11,  30:  Nahe  bei  den 
Eichen  von  More,  Sikhem.  (Auch  der  samaritanische  Targum  liest  den  Zusatz:  „gegen- 
über von  Sikhem".)  Ist  es  denn  nicht  bekannt,  daß  dies  Sikhem  ist?  pSota  7,  21  ^  29. 


Matth  22,  32  (Nr.  2)  895 

läßt  sich  die  Wiederbelebung  der  Toten  aus  der  Tora  beweisen?  s.  Ex  6,  4:  ,Auch  habe 
ich  meinen  Bund  mit  ihnen  errichtet,  ihnen  das  Land  Kana?an  zu  geben."  Es  heißt 
nicht  ,euch",  sondern  „ihnen".  —  Vgl.  SDt32,  2  §  306  (132«):  So  hat  R.  Simai  gesagt: 
Es  gibt  keinen  Abschnitt  (in  der  Schrift),  in  welchem  nicht  die  Wiederbelebung  der 
Toten  angedeutet  wäre;  nur  daß  wir  nicht  die  Kraft  besitzen,  sie  (in  diesem  Sinn)  zu 
deuten.  Denn  es  heißt  Ps  50,4:  „Er  ruft  zum  Himmel  empor  droben  u.  zur  Erde,  um 
sein  Volk  zurichten."  ,Er  ruft  zum  Himmel  empor  droben",  das  bezieht  sich  auf  die 
Seele,  „u.  zur  Erde,  um  sein  Volk  zu  richten",  d.  h.  den,  mit  dem  er  rechten  will  (nämlich 
den  Körper  nach  der  Auferstehung;  der  Midr  deutet  i'jv  „sein  Volk"  =  -•sy  „mit  ihm").^ 
Und  woher,  daß  die  Stelle  (Dt32, 1)  nur  von  der  Wiederbelebung  der  Toten  spricht? 
Weil  es  Ez  37,  9  heißt:  Von  den  vier  Winden  komme  heran,  o  Geist,  u.  blase  diese 
Gemordeten  an  usw. 

B.  Die  früheren  Totenauferweckungen  verbürgen  die  Auferstehung 
in  der  zukünftigen  Welt. 

TanchB  sr:  §30  (21*):  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wenn  die  Sektierer  zu 
dir  sagen,  daß  Gott  die  Toten  nicht  wiederbeleben  wird,  so  antworte  ihnen:  Siehe, 
Elias  bezeugt  es,  durch  den  er  einen  Toten  wiederbelebt  hat.  —  Parallelstellen: 
'  Tanch  s^-:  201«;  NuR  14  (172*^);  Aggad.  B'resch.  52  Anfang  R.  B^'rekhja,  um  340,  als 
Autor.  II  P'^siq  76«:  R.  Acha  (um  320)  hat  im  Namen  des  R.  Eli?ezer  b.  Chalaphta  (wann?) 
gesagt:  Alles,  was  Gott  dereinst  tun  u.  erneuern  wird  in  seiner  Welt  in  der  Zukunft, 
das  hat  er  zum  Teil  schon  vorher  getan  in  dieser  Welt  durch  seine  gerechten  Propheten. 
In  welcher  Weise?   Gott  hat  gesagt:  Ich  werde  die  Toten  wiederbeleben;  längst  aber 

hat  er  also  getan  durch  Elias  u.  Elisa  u.  Ezechiel Parallelstellen  LvR  27  (125^);  Midr 

Qoh  3, 15  (20^);  in  Tanch  m>:s  Mi^'  u.  TanchB  -^-.■a»  §  12  (46«)  R.  Sch^muel  b.  Nachman, 
um  260,  Autor;  in  GnR 77  (49 "}  R.  J'^'huda  b.  Simon,  um 320,  Autor.  ||  P^'siqR  Zusätze  1(192'*): 
„Was  sein  wird,  war  schon  längst"  Qoh  3, 15.  Gott  sagt:  Ich  habe  gesagt,  daß  ich  die 
Toten  in  der  Zukunft  wiederbeleben  werde,  u.  die  in  die  Welt  kommen,  fragen  ver- 
wundert: Sollte  er  sie  wohl  wiederbeleben  können?  Gott  antwortet  ihnen:  Was  wundert 
ihr  euch  darüber,  daß  ich  die  Toten  wiederbeleben  will?  Habe  ich  nicht  längst  Tote  in 
dieser  Welt  wiederbelebt  durch  Elias  u.  Elisa  u.  Ezechiel?  Was  sein  wird,  war  schon  längst 
in  dieser  Welt.  —  Nach  P«siq  76«  geht  dieser  Ausspruch  zurück  auf  R.  J'^huda,  um  150. 

C.  Vernunftschlüsse. 

Sanh91«:  Ein  Sektierer  sagte  zuG'^biha  b.P'^sisa:^  AVehe  euch,  ihr  Schuldbeladenen, 
die  ihr  sagt:  Die  Toten  werden  wieder  aufleben!  Wenn  die  Lebenden  sterben  müssen, 
sollten  die  Toten  wieder  aufleben  können?  Er  erwiderte:  Wehe  euch,  ilu-  Schuld- 
beladenen, die  ihr  sagt:  Die  Toten  werden  nicht  wieder  aufleben!  Wenn  die,  die  nicht 
waren,  leben,  dann  sollten  die,  die  waren,  nicht  wieder  aufleben?  Der  Sektierer  sprach: 
Einen  Schuldbeladenen  nennst  du  mich?  Wenn  ich  aufstehe,  gebe  ich  dir  einen  Fuß- 
tritt u.  mache  dir  deinen  Höcker ^  gerade!  Dieser  antwortete:  Wenn  du  das  tun  wirst, 
dann  wirst  du  ein  geschickter  Arzt  genannt  werden  u.  großen  Lohn  empfangen.  | 
Sanh90'*:  Der  Kaiser  (Hadrian)  sagte  zu  Rabban  Gamliel  (IL,  um  90):  Ihr  sagt,  daß 
die  Entschlafenen  wieder  aufleben  werden;  sie  sind  doch  zu  Staub  geworden,  u.  kann 
Staub  wieder  aufleben?  Da  sprach  Gamliels  Tochter  zu  ihrem  Vater:  Laß  ihn,  ich 
werde  ihm  antworten!  In  unsrer  Stadt,  sprach  sie,  gibt  es  zwei  Töpfer;  der  eine  bildet 
(die  Gefäße)  aus  Wasser  u.  der  andre  aus  Lehm.  Welcher  von  ihnen  verdient  das 
größere  Lob?  Der  Kaiser  antwortete:  Der,  welcher  aus  Wasser  bildet.  Sie  sprach: 
Wenn  er  (Gott)  aus  Wasser  (dem  menschlichen  Samentropfen)  einen  Menschen  schafft, 
um  wieviel  mehr  kann   er  es  aus  Lehm  (dem  Grabesstaub)!  ||  GnR  14  (10^):   Einem 


*    Diese   Deutung   von  Ps  50, 4  vertritt   auch    Rabbi    dem  Antoninus   gegenüber 
Sanh  91a.  b^  s.  den  Exkurs:  Allgemeine  Auferstehung  der  Toten?  Nr.  4,  E. 
-  Nach  Sanh  91«  ein  Zeitgenosse  Alexanders  d.  Gr.?! 
3  KT,"-:  =  s>"-=5,  der  Name  des  Mannes,  bedeutet:   „der  Bucklige", 


896  Matth  22,  32  (Nr.  2) 

Mann  in  Sepphoris  war  sein  Sohn  gestorben;  nach  einigen  saß  ein  Sektierer  bei 
ihm.  R.  Jose  b.  Chalaphta  (um  150)  ging  zu  ihm,  um  ihn  zu  begrüßen.  Als  man  den 
R.  Jose  lachend  dasitzen  sah,  fragte  man  ihn:  Warum  lachst  du?  Er  erwiderte:  Wir 
haben  das  Vertrauen  zu  dem  Herrn  des  Himmels,  daß  du  sein  (des  verstorbenen  Sohnes) 
Angesicht  wiedersehen  wirst  in  der  zuk.  Welt.  Jener  Sektierer  sprach  zu  ihm:  Hat 
dieser  Mann  denn  nicht  genug  an  seinem  Schmerz,  daß  du  kommst,  ihn  noch  mehr 
zu  quälen?  Kann  man  Scherben  wieder  zusammenleimen?  Heißt  es  nicht  (Ps2,  9): 
Wie  ein  Töpfergefäß  sollst  du  sie  zerschmeißen?  R.  Jose  antwortete:  Ein  irdenes  Gefäß 
empfängt  seine  Bildung  durch  Wasser  u.  man  macht  es  fertig  im  Feuer;  ein  Glasgefäß 
empfängt  seine  Bildung  durch  Feuer  u.  man  macht  es  fertig  im  Feuer.  Wenn  nun  jenes 
zerbrochen  wird,  gibt  es  etwa  für  dasselbe  eine  Wiederherstellung?  Wenn  aber  dieses 
zerbrochen  wird,  gibt  es  etwa  für  dasselbe  keine  Wiederherstellung?  Jener  erwiderte : 
Allerdings,  u.  zwar  weil  das  letztere  durch  Blasen  gebildet  wurde.  R.  Jose  sprach: 
Mögen  deine  Ohren  hören,  was  dein  Mund  spricht!  Wenn  es  für  das,  was  durch  das 
Blasen  eines  Menschen  gebildet  wurde,  eine  Wiederherstellung  gibt,  um  wieviel  mehr 
wird  es  eine  solche  geben  für  das,  was  durch  das  Einblasen  seitens  Gottes  (s.  Gn  2,  7) 
gebildet  war.  —  Dasselbe  MidrPs  2  §11  (15 '*).'[[  Sanh91  "^:  In  der  Schule  desR.  Jischma?el 
(t  um  135)  hat  man  eine  Schlußfolgerung  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere  von  Glas- 
gefäßen aus  gelehrt:  Wenn  es  für  Glasgefäße,  deren  Herstellung  durch  den  Odem  (das 
Blasen)  eines  Menschen  erfolgt,  falls  sie  zerbrochen  werden,  eine  Wiederherstellung 
gibt,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  vom  Menschen,  der  durch  den  Odem  Gottes  ent- 
steht! II  SanhQH:  Ein  Sektierer  sagte  zu  R.  Ammi  (um  300):  Ihr  sagt,  daß  die  Ent- 
schlafenen wieder  lebendig  werden.  Sie  sind  doch  zu  Staub  geworden,  u.  kann  Staub 
wieder  aufleben?  Er  antwortete:  Ich  will  dir  ein  Gleichnis  sagen.  Womit  läßt  sich 
die  Sache  vergleichen?  Mit  einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  seinen  Dienern  befahl: 
Geht  u.  baut  mir  einen  großen  Palast  an  einer  Stelle,  an  welcher  weder  Wasser  noch 
Erde  (als  Baumaterial)  vorhanden  ist.  Sie  gingen  hin  u.  bauten  ihn;  aber  nach  einigen 
Tagen  fiel  er  wieder  ein.  Er- sprach  zu  ihnen:  Baut  ihn  noch  einmal  an  einer  Stelle 
auf,  an  welcher  Erde  u.  Wasser  ist.  Sie  antworteten:  Wir  können  es  nicht.  Da  ward 
er  zornig  auf  sie  u.  sprach:  An  einer  Stelle,  an  der  es  keine  Erde  u.  kein  Wasser  gab, 
habt  ihr  gebaut,  um  wieviel  mehr  müßt  ihr  es  jetzt  vermögen  an  einer  Stelle,  an  der 
es  Wasser  u.  Erde  gibt!  (Die  Folgerung  aus  dem  Gleichnis  fehlt:  wenn  Gott  den 
Menschen  aus  nichts  entstehen  ließ,  um  wieviel  mehr  wird  er  ihn  neu  erstehn  lassen 
aus  dem  Staub  der  Verwesung.)  Und  wenn  du  es  nicht  glaubst  (sprach  R.  Ammi  zu 
dem  Sektierer),  so  geh  hinaus  in  das  Tal  u.  betrachte  die  Maus,  die  heute  zur  Hälfte 
Fleisch  u.  zur  Hälfte  Erde  ist,  morgen  aber  regt  sie  sich  u.  ist  ganz  Fleisch  geworden.^ 
Wolltest  du  aber  sagen,  daß  das  erst  nach  langer  Zeit  geschehe,  so  steige  auf  einen 
Berg  u.  sieh,  wie  heute  dort  nur  Eine  Schnecke  ist,  morgen  aber,  wenn  der  Regen 
niedergegangen  ist,  ist  er  ganz  voll  Schnecken.  ||  Midr  Qoh  5, 10  (27  ^) :  Ein  Samaritaner 
fragte  den  R.  Meir  (um  150):  Werden  die  Toten  wieder  aufleben?  Er  antwortete:  Ja! 
Werden  sie  im  verborgenen  oder  frei  öffentlich  auf  erstehn?  R.  Meir  sprach:  Frei  öffent- 
lich. Woher  kannst  du  mir  das  beweisen?  R.  Me'ir  sprach :  Nicht  aus  der  Schrift,  auch 
nicht  aus  der  mündlichen  Lehre,  sondern  aus  einem  Vorgang  des  gewöhnlichen  Lebens 
will  ich  dir  antworten.  In  unserer  Stadt  lebte  ein  vertrauenswürdiger  Mann;  alle  Welt 
legte  im  verborgenen  bei  ihm  Wertgegenstände  zur  Verwahrung  nieder,  u.  er  gab  sie 
ihnen  frei  öffentlich  wieder  zurück.  Da  kam  einer  u.  legte  etwas  öffentlich  bei  ihm 
nieder;  wie  wird  er  es  diesem  zurückgeben?  Doch  wohl  öffentlich?  Ganz  gewiß  (ant- 
wortete der  Samaritaner).  R.  Me'ir  sprach:  Sollten  deine  Ohren  nicht  hören,  was  dein 
Mund  spricht?  Die  Männer  legen  bei  ihren  Frauen  einen  weißen  (Samen-)Tropfen  zur 
Aufbewahrung  nieder,  u.  Gott  gibt  ihnen  diesen  Tropfen  in  Gestalt  eines  schönen  voll- 
kommenen Geschöpfs  öffentlich  zurück.  Sollte  der  Tote,  der  öffentlich  dahingeht,  nicht 
vielmehr  öffentlich  wiederkommen?  Wie  er  mit  lauten  Stimmen  (der  Klage)  dahingeht, 

'  Über  dieses  Tier  s.  Lewysohn,  Zoologie  d.  Talmuds,  §494. 


Matth  22,  32  (Nr.  2).  22,  34  (51)  897 

so  wild  er  auch  mit  lauten  Stimmen  (der  Freude)  wiederkommen  (bei  der  Auferstehung).  || 
Sanh92a:  R.  T^bi  (Tabai?)  hat  gesagt,  R.  Joscbijja  (IL,  um  280)  habe  gesagt:  Was 
bedeutet  Spr  30, 16:  „Die  Sch*='olu.  die  Verschlossenheit  des  Mutterleibes,  die  Erde,  welche 
des  Wassers  nicht  satt  wird"?  Was  hat  die  Sch'^ol  inhaltlich  neben  dem  Mutterschoß 
zu  schaffen?  Um  dir  zu  sagen:  Wie  der  Mutterschoß  aufnimmt  u.  herausgibt,  so  nimmt 
auch  die  Sch^ol  auf  u.  gibt  wieder  heraus.  Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Leichteren 
auf  das  Schwerere?  Wenn  der  Mutterschoß,  der  im  verborgenen  aufnimmt,  von  sich 
gibt  unter  lauten  Stimmen  (voll  Freude  u.  Schmerz),  ist  es  da  nicht  in  der  Ordnung, 
daß  die  Sch'^ol,  die  aufnimmt  unter  Stimmen  (der  Klage)  wieder  herausgibt  unter  lauten 
Stimmen  (der  Freude?)'  Von  hier  hat  man  eine  Antwort  für  die,  welche  sagen,  die 
Wiederbelebung  der  Toten  lasse  sich  nicht  aus  der  Tora  beweisen.  —  Dasselbe  B'^rakh  15'^; 
in  Midr Qoh  3, 2  ( 1 6 «)  u.  5, 10  (27  '^)  R.  Jonathan  aus  Beth-Gubrin,  um  270,  Autor,  jj  Sanh 90  ^ : 
Die  Königin  Kleopatra  (lies  mit  Bacher,  Tann  2, 68:  „Der  Patriarch  der  Samaritaner") 
fragte  den  R.  Meir  (um  150):  Ich  weiß,  daß  die  Entschlafenen  wieder  aufleben  werden, 
wie  es  heißt  Ps  72, 16:  Sie  werden  hervorblühen  aus  der  Stadt  wie  das  Gras  der  Erde. 
Aber  wenn  sie  auferstehn,  werden  sie  nackt  auferstehn  oder  in  ihren  Kleidern?  Er 
antwortete:  Hier  ist  vom  Weizenkorn  aus  die  Schlußfolgerung  vom  Geringeren  auf  das 
Wichtigere  zu  ziehen:  wenn  das  Weizenkorn,  das  nackt  in  die  Erde  kommt,  in  wer 
weiß  wie  vielen  Umkleidungen  wieder  hervorwächst,  um  wieviel  mehr  gilt  dann  von 
den  Gerecliten,  die  in  ihren  Gewändern  begraben  werden,  daß  sie  auch  in  ihren  Ge- 
wändern wieder  auferstehn  werden.  —  Dasselbe  Midr  Qoh  5,  10  (27lj);  in  K^thlll'j 
wird  diese  Schlußfolgerung  dem  R.  Chijja  b.  Joseph,  um  260,  beigelegt.  —  Rabbi  be- 
weist das  Auferstehn^in  Kleidern  aus  Hi  38, 14,  s.  pK^th  12,  35«,  1 1 ;  pKil  0, 32  b,  3;  vgl. 
Midr  Qoh  5, 10  (27b).  ||  Midr  Ps  25  §2  (105b):  R.  Alexandrai  (um  270)  hat  gesagt:  Bei 
Fleisch  u.  Blut  legt  man  Neues  zur  Verwahrung  nieder,  u.  wenn  es  einige  Zeit  bei  ihm 
gelegen  hat  u.  er  es  zurückgibt,  so  ist  es  abgenützt  u.  alt  geworden.  Aber  wenn  man 
bei  Gott  Abgenütztes  u.  Verbrauchtes  zur  Verwahrung  niederlegt,  so  gibt  er  es  neu 
zurück.  Das  kannst  du  an  Folgendem  erkennen.  Siehe,  wenn  ein  Arbeiter  den  ganzen 
Tag  hindurch  Arbeit  verrichtet  hat,  so  ist  seine  Seele  müde  in  ihm  u.  abgenützt;  u. 
wenn  er  dann  schläft,  so  ist  er  abgemüht  u.  gibt  seine  Seele  hin,  u.  sie  wird  in  die 
Hand  Gottes  zur  Verwahrung  gelegt.  Am  Morgen  aber  kehrt  sie  als  ein  neues  Geschöpf 
in  seinen  Leib  zurück,  wie  es  heißt  KL  3,  23:  „Die  alle  Morgen  erneuten  (Seelen)  — 
groß  ist  deine  Treue."  R.  Schimfon  (?)  sagte  im  Namen  des  R.  Simon  (um  280):  Daraus, 
daß  du  uns  des  Morgens  erneuerst,  glauben  u.  erkennen  wir,  daß  du  uns  unsre  Seelen 
wiedergeben  wirst  bei  der  Wiederbelebung  der  Toten.  —  Kürzer  in  GnR78(49'^)  u. 
Midr  KL  3,23  (71b).  ||  MidrPs  19  §  1  (81 1^):  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt:  Zweierlei 
leugnen  die  Völker  der  Welt  nicht;  sie  geben  zu,  daß  Gott  die  Welt  in  sechs  Tagen 
geschaffen  hat,  u.  daß  er  die  Toten  wiederbeleben  wird.  Inwiefern?  Wenn  einer  hin- 
geht u.  einen  Totengeist  oder  einen  Wahrsagegeist  oder  einen  Toten  durch  Zauberei 
heraufbeschwört,  so  mag  es  ihm  alle  Tage  der  Woche  gelingen,  ihn  heraufzubeschwören, 
aber  am  Sabbat-  gelingt  es  ihm  nicht,  ihn  heraufzubeschwören.  Das  Vieh  aber  läßt 
sich  auch  an  einem  Wochentag  nicht  heraufbeschwören  (wörtlich:  steigt  nicht  herauf), 
weil  es  in  der  Zukunft  nicht  wiederbelebt  wird.  (Die  Seele  des  Tieres  dauert  nach  dem 
Tode  nicht  fort;  deshalb  kann  sie  nicht  heraufbeschworen  werden;  umgekehrt  bezeugt 
das  Heraufbeschwören  einer  Menschenseele  deren  Fortdauer  nach  dem  Tode  u.  damit 
die  dereinstige  Wiederbelebung  der  Toten.) 

22,34  31:  Daß  er  den  Sadduzäern  den  Mund  gestopft  habe. 
(fi[i6o)  =  cor.    Dt  25, 4:  cbnr  xb,  LXX:  ov  (fiimasiq  ßovv  aXocorza 
-du   sollst   dem   dreschenden  Ochsen   nicht  das  Maul  verbinden*.  — 


^  Raschi  denkt  bei  den  lauten  Stimmen  an  die  große  Posaune  des  Gerichtstages. 
-  Diese  Auszeichnung  des  Sabbats  rührt  davon  her,  daß  Gott  an  ihm  nach  dem 
sechstägigen  Schöpfungswerk  geruht  hat,  vgl.  Sanh  65  b;  GnRH  (8  b). 

Strack  u.Billerbeck,  NTI.  57 


898  Matth  22,  34  (31.  33).  22,  35 

Im  übertragenen  Sinn:  jemand  den  Mund  stopfen  =  ihn  zum  Schweigen 
bringen. 

Sota  85^  sagt  Kaleb:  Wenn  ich  rede,  so  werden  (die  murrenden  Israeliten)  auch 
gegen  mich  etwas  sagen  u.  mir  den  Mund  stopfen  '^  7>2Cn.  ||  Sanh  82 1>:  Wie  sagt  man 
(zu  den  Zeugen  in  Geldprozessen,  um  die  Wahrheit  ihrer  Aussagen  zu  prüfen)?  Rab 
J'^huda  (t  299)  hat  gesagt:  So  sagt  man  zu  ihnen:  Wer  sagt  denn,  daß  es  so  ist,  wie 
ihr  gesagt  habt?  fUlla  (um  280)  erwiderte:  Siehe,  da  binden  wir  ihnen  ja  den  Mund 
zu  •-'■;  -jz-oD-!  (Durch  Anzweifelung  ihrer  Aussagen  bringen  wir  sie  dahin,  daß  sie 
überhaupt  kein  Zeugnis  ablegen.)  Binde  man  ihnen  nur  den  Mund  zu  '»acr:--:"!  Heißt 
es  denn  nicht  in  einer  Bar:  R.  Schimfon  b.  El?azar  (um  190j  sagte:  Man  läßt  die  Zeugen 
von  Ort  zu  Ort  gehn,  damit  ihr  Sinn  (falls  sie  unrichtige  Aussagen  gemacht  haben) 
verwirrt  werde  u.  sie  ihre  Aussagen  zurücknehmen? 

22,34^:  Sie  traten  zusammen. 
avvrjxOrjaav  im  to  aviö.  So  haben  die  LXX  "ri^  s-iöi'd  Ps2,2  wieder- 
gegeben; Targ  Ps2,  2:  x'^ns  ■ii^snn':  =  sie  gesellten  sich  zusammen. 

22,35:  Ein  Rechtskundiger  (Schriftgelehrter),  roixixog. 

Gewöhnlich  heißen  die  Schriftgelehrten  im  NT  yQu^pLatsTc^  im 
Rabbinischen  c'-Eio  oder  D-ipzn;  s.  bei  Mt  2,  4  S.  79.  Wenn  nun,  ab- 
gesehen von  Mt  22, 35,  besonders  Lk  (7,  30;  10,25;  11,45.46.52;  14,3) 
die  Schriftgelehrten  als  voi^iiy.oi  bezeichnet,  so  wäre  es  an  sich  möglich, 
daß  er  dabei  eine  bestimmte  Kategorie  von  Schriftgelehrten  im  Auge 
gehabt  hätte.  In  der  späteren  Profan gräzität  war  ja  ro/^iixog  geradezu 
zum  terminus  technicus  für  „Jurist"  geworden  (s.  Schürer*  2,  374);  so 
könnte  auch  Lk,  dem  sonst  ygai^ifiarsig  durchaus  geläufig  ist  (s.  5,21; 
6,  7;  9,  22;  11,  53;  15,  2;  Apg  4,  5;  6, 12;  23,  9  u.  ö.),  durch  rontxdg 
haben  andeuten  wollen,  daß  in  den  betreffenden  Fällen  diejenigen 
gemeint  seien,  deren  Spezialfach  die  Gesetzeskunde,  das  Recht  war: 
die  „Halakhisten".  Je  nach  den  Spezialfächern  Schrift-,  Mischna-,'^ 
Halakha-,  Haggada-kundige  usw.  zu  unterscheiden  war  den  Rabbinen 
nicht  fremd,  a  Wahrscheinlich  aber  hat  Lukas  durch  den  Ausdruck  rofiixög 
seinen  nichtjüdischen  Lesern  lediglich  klarmachen  wollen,  daß  sie  bei  den 
jüdischen  Schriftgelehrten  stets  an  Gesetzeskundige  u.  Gesetzesausleger 
zu  denken  hätten;  einen  bestimmten  Unterschied  aber  zwischen  yoain- 
liartTc  u.  vofuxoi  zu  machen  hat  ihm  wohl  fern  gelegen.  Dazu  kommt, 
daß  voi-uxog  im  NT  geradezu  als  Standesbezeichnung  erscheint  (vgl. 
auch  Tit3, 13);  das  war  angängig,  wenn  es  nur  ein  andrer  Ausdruck 
für  YQ-  war.  Auch  beweist  Aggadath  B'^reschith  36,  daß  man  vofnxog 
im  allgemeinen  Sinn  =^  „Schriftgelehrter"  gefaßt  hat.b 

a.  Sanh  101'^  Bar:  Wer  einen  Vers  des  Hohenliedes  zitiert  u.  ibn  zu  einer  Art 
Gesang  macht  oder  wer  einen  (Bibel-)Vers  bei  einem  Gastmahl  zur  Unzeit  (bei  un- 
passender Gelegenheit)  zitiert,  der  bringt  Unheil  in  die  Welt.  Denn  die  Tora  umgürtet 
sich  mit  einem  Sack  (Trauergewand)  u.  tritt  hin  vor  Gott  u.  spricht  zu  ihm:  Herr  der 
Welt,  deine  Kinder  haben  mich  einer  Zither  gleichgemacht,  auf  der  die  Heiden  spielen! 
Gott  antwortet:  Meine  Tochter,  wenn  sie  essen  u.  trinken,  womit  sollen  sie  sich  be- 
schäftigen? Sie  antwortet:  Herr  der  Welt,  wenn  sie  Kenner  der  Schrift  s';-'^  """.?,  so 
mögen  sie  sich  mit  der  Tora  (^  Pentateuch),  den  Propheten  u.  den  Hagiographen  be- 


Matth  22,  35  899 

schäftigen;  wenn  sie  Kenner  der  Mischua  r:r-;  -'^-Jz  (Kenner  des  traditionellen  Lehr- 
stoifes)  sind,  so  mögen  sie  sich  mit  Midrasch  ^  (Auslegung  der  Schrift,  hier  speziell  ihrer 
gesetzlichen  Teile),  den  Halakhoth  (den  einzelnen  Gesetzesbestimmungen,  wie  sie  von 
den  Schriftgelehrten  für  die  Praxis  festgesetzt  sind)  u.  den  Haggadoth  (den  Schrift- 
auslegungen nichthalakhischen  Inhalts)  beschäftigen;  u.  wenn  sie  Kenner  des  Talmuds 
rT^Vr  ^hi-2  (der  dialektischen  Begründung  u.  Erörterung  der  Halakhoth)  sind,  so  mögen 
sie  sich  am  Passahfest  mit  den  das  F.  betreffenden  Halakhoth  u.  am  Pfingstfest  mit 
den  das  Pf.  betreffenden  Halakhoth  u.  am  Laubhüttenfest  mit  den  das  L.  betreffenden 
Halakhoth  beschäftigen.  ||  LvR36(133''):  Wie  es  am  Weinstock  Weintrauben  u.  Rosinen 
gibt,  so  gibt  es  unter  den  Israeliten  Kenner  der  Schrift,  Kenner  der  Mischna,  Kenner 
des  Talmuds  u.  Kenner  der  Haggada.  i|  BM  33^:  R.  J^huda  b.  El?ai  (um  150)  hat  öffent- 
lich vorgetragen:  Was  bedeutet:  , Höret  das  Wort  Jahves,  die  ihr  euch  fürcmet  in 
betreff  seines  Wortes"  Jes  66,  5?  Damit  sind  die  Gelehrtenschüler  gemeint  (die  in  sämt- 
lichen Disziplinen  des  Torastudiums  bewandert  sind);  „gesagt  haben  eure  Brüder",  das 
sind  die  Kenner  der  Schrift;  „eure  Hasser",  das  sind  die  Kenner  (nur)  der  Mischna;, 
„die  euch  verstoßen  haben",  das  sind  die  gesetzesunkundigen  Leute.  .  .  .  il  Chag  14»: 
Es  heißt  Jes  3, 1 :  .Tahve  wird  .  .  .  wegnehmen  „Stab",  das  sind  die  Kenner  der  Schrift; 
„Stütze",  das  sind  die  Kenner  der  Mischna  .  .  .;  „jeglichen  Stab  des  Brotes",  das  sind 
die  Kenner  des  Talmuds  .  .  .;  „u.  jeglichen  Stab  des  Wassers",  das  sind  die  Kenner 
der  Haggada  .  .  .;  „den  Helden",  das  ist  der  Kenner  der  Traditionen,  il  ?Er2lb:  (Raba, 
t  352.  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  bedeutet:)  „Laß  uns  früh  aufbrechen  zu  den 
Weinbergen"  HL  7, 13?  Damit  sind  die  Synagogen  u.  Lehrhäuser  gemeint;  „schauen, 
ob  die  Rebe  aufsproßte",  die  Kenner  der  Schrift;  „aufgegangen  sei  die  Blüte",  die 
Kenner  der  Mischna;  „zur  Blüte  die  Granaten  kamen",  die  Kenner  der  G^'mara.  1|  LvR  'S 
(106"=):  R.  JiQchaq  (um  300)  eröffnete  seinen  Vortrag  mitQoh4, 6:  „Besser  eine  Hand 
voll  Ruhe,  als  beide  Fäuste  voll  Mühe  u.  windigen  Strebens."  Besser  ist  der  daran,  der 
zwei  Mischnaordnungen  lernt  u.  in  ihnen  bewandert  ist,  als  der,  welcher  Halakhoth 
lernt  u.  in  ihnen  nicht  bewandert  ist;  nur  windiges  Streben  ist  sein  Begehr,  ein 
Halakhakundiger  -ph^r.  -3  genannt  zu  werden.  Besser  ist  der  daran,  der  Halakhoth  lernt 
u.  in  ihnen  bewandert  ist,  als  der,  welcher  Halakhoth  u.  die  Normen  der  halakhischen 
Schriftauslegung  lernt  u.  in  ihnen  nicht  bewandert  ist;  nur  windiges  Streben  ist  sein 
Begehr,  Kenner  der  Normen  •sV-r'a  -3  genannt  zu  werden.  Besser  ist  der  daran,  der 
Halakhoth  u.  die  Normen  der  hal.  Schriftauslegung  lernt  u.  in  ihnen  bewandert  ist,  als 
derjenige,  der  Halakhoth  u.  die  Normen  der  hal.  Schriftauslegung  u.  Talmud  lernt  u.  in 
ihnen  nicht  bewandert  ist;  nur  windiges  Streben  ist  sein  Begehr,  ein  Kenner  der  Lehre 
(der  talmudischen  Diskussionen  ■jeVin  -o)  genannt  zu  werden.  —  Ein  Teil  hiervon  auch 
Midr  Qoh  4,  6  (2S'').  \\  GnR  12  {9^):  R.  J''huda  (II.),  der  Patriarch  (um  250),  fragte  den 
R.  Sch'^'muel  b.  Nachman  (um  260):  Da  ich  von  dir  gehört  habe,  daß  du  ein  Kenner  der 
Haggada  (n-;r;  hyj,  ein  Haggadist)  bist,  (so  sage  mir:)  was  bedeutet  Ps  68,  5:  Machet 
Bahn  dem,  der  in  den  Steppen  daherfährt,   "cv  n-2'? 

b.  Aggad  B*^resch  36:  Wo  ist  der  Schreiber  -e-s  Jes  33, 18,  d.  h.  wo  sind  ihre  Schrift- 
gelehrten -^p?:3-  (=  ol  fofj.ixol)'?  —  Git  67''^  (u.  Parallelen)  ist  -ipTs-:  yofzixrj  [eniairjfx^]) 
„Gesetzeskunde".  Bar:  Isi  b.  J^huda  (um  160)  hat  das  Lob  der  Gelehrten  aufgezählt: 
R.  Meir  (um  150)  ist  ein  Gelehrter  u.  ein  Schreiber  (von  Torarollen);  R.  J*^"huda  (um  150) 
ist  ein  Gelehrter,  wenn  er  will;  R.  Tarphon  (um  100)  ein  Nußhaufen  (der  zusammenfällt, 
wenn  eine  Nuß  weggenommen  wird;  so  brachte  R.  Tarphon  auf  jede  Frage,  die  angeregt 
wurde,  sofort  aus  allen  Gebieten  der  Torawissenschaft  eine  Antwort);  R.  Jischmasel 
(tum  135)  ein  gefüllter  Kramladen;  R.  sAqiba  (f  um  135)  eine  verschlossene  (nach 
andrer  Lesart:  eine  volle)  Schatzkammer;  R.  Jochanan  b.  Nuri  (um  HO)  eine  Krämer- 
büchse (in  der  alles  enthalten  ist);  R.  El?azar  b.  fAzarja  (um  100)  eine  Gewürzbüchse; 
die  Mischna  (der  Traditionsstoff)  des  R.  Elifezer  b.  Jafaqob  (I.,  um  90,  s.  Bacher,  Tann.^ 
1,  62)  ist  ein  Qab,  aber  rein  (klein  an  Umfang,  aber  zuverlässig):  R.  Jose  (um  150)  hat 

^  Über  den  vorauszusetzenden  Text  s.  Bacher,  Tann. '^1,187  u.477. 

57* 


900  Matth22,  35.36  (Nr.  1) 

die  Gesetzeskunde  bei  sich  '^v  'P'^"-,  d.  h.  die  einsclilägigen  Gesetzesbestimmungen 
sind  ihm  stets  gegenwärtig.  —  Das  Bereithaben  des  Wissens  wird  mehrfach  gerühmt,  s. 
P-^s  59»;  BB  10b;^Midr  Qoh  9. 10  (42b);  K'th  77b  u.  MQ  28»  der  Satz:  Selig  der  Mensch, 
der  hierher  (ins  Jenseits)  kommt  u.  sein  Wissen  in  seiner  Hand  hat  i--^  i---::r-.  —  Eine 
Parallelstelle  zu  Git  67  a  s.  AbothRN  18  (6b),  hier  ••:>•  -p-T:.  Der  Ausspruch  über  R.  Jose 
findet  sich  noch  fErl4b;  Git  67»;  BQ24a,  hierüberall  -^y  •-•-:-:;  B"='kh  37» -,-j-  --.-:; 
fEr  51»  Tsy  ipi":;. 

2'2,  36:  Welches  Gebot  ist  groß  im  Gesetz? 
1,  Anzahl  der  Gebote.  Die  alte  Synagoge  hat  613  Einzelsatzungen 
riijpfSing.  n;^^)  in  der  Tora  gezählt,  u.  zwar  248  Gebote  (nbr  rrj.-Q  = 
Tu-Gebote,  oder  kurz  n'q'j  =  tu)  u.  365  Verbote  [ri^yr  ^^  -"i^'r  ^^  Tu- 
nicht-Gebote,  oder  kurz  nir-n  nh,  oft  auch  bloß  -xb  =  nicht,  Plur.  7";X^). 
Wie  alt  diese  Zählung  ist,  läßt  sich  nicht  feststellen.  Von  den  365  Ver- 
boten hat  unsres  Wissens  zuerst  R.  Schim?on  b.  fAzzai  (um  110)  u.  von 
der  Gesamtzahl  613  zuerst  R.  Schim^on  b.  El^azar  (um  190)  gesprochen, 
aber  so,  daß  man  daraus  erkennt,  daß  diese  Zahlen  zu  ihrer  Zeit  bereits 
allgemein  bekannt  gewesen  sind.a  Die  Begründung  der  Zahl  613  aus, 
dem  Zahlenwert  des  Wortes  n-^v  wird  in  den  palästinischen  Quellen 
auf  R.  Simlai  oder  auf  R.  J«hoschua?  b.  Levib  (beide  um  250),  in  den 
babylonischen  auf  Rab  Hamnunac  (um  290)  zurückgeführt.  Auch  die 
Parallelisierung  der  248  Gebote  mit  den  248  Gliedern  des  menschlichen 
Körpers  u.  der  365  Verbote  mit  den  365  Tagen  des  Sonnenjahrs  knüpft 
sich  an  den  Namen  des  R,  Simlai  ;d  später  ist  sie  dem  R.  Abba  (um  290) 
u.  dem  R.  Judan  b.  Simon  (um  320)  beigelegt  worden,  e 

a.  Die  Ausführung  des  R.  Schim?on  b.  f  Azzai  in  SDt  12, 23  §  76  s.  bei  Nr.  2  Anm.  b.  \\ 
M®kh  Ex  20,  2  (74»):  R.  Schimfon  b.  El?azar  hat  gesagt:  Gleich  einem  König,  der  zwei 
Aufseher  einsetzte;  den  einen  setzte  er  über  den  Strohvorrat  u.  den  andren  über  den 
Silber-  u.  Goldschatz.  Der  über  das  Stroh  Gesetzte  machte  sich  der  untreue  verdächtig 
u.  murrte  darüber,  dafa  man  ihn  nicht  über  den  Silber-  u.  Goldschatz  gesetzt  hatte.  Da 
sprach  der  über  das  Silber  u.  Gold  Gesetzte  zu  ihm:  Du  Narr  s-^-7.  (^=:  (>"k^'-  Mt  5,  22), 
Stroh  hast  du  hinterzogen,  hättest  du  es  beim  Silber  u.  Gold  nicht  erst  recht  getan? 
Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere?  Wenn  die  Noachiden  in 
den  sieben  Geboten  (die  ihnen  befohlen  waren  u.  die  sie  auf  sich  genommen  hatten) 
nicht  haben  bestehn  können,  um  wieviel  weniger  hätten  sie  es  vermocht  in  bezug  auf 
die  613  Gebote  in  der  Tora. 

b.  ExR  33  (94*=):  R. Simlai  hat  öffentlich  vorgetragen:  613  Gebote  sind  den  Israeliten 
durch  Mose  gegeben  worden,  denn  soviel  beträgt  der  Zahlenwert  von  :^-t.  Aber  dieser 
beträgt  ja  nur  611!  Woher  die  beiden  (fehlenden)?  Die  Rabbinen  haben  gesagt:  „Ich 
bin  der  Herr  dein  Gott*  u.-  „nicht  sollst  du  einen  andren  Gott  außer  mir  haben"  haben 
sie  aus  dem  Munde  der  Allmacht  (selbst)  gehört,  u.  611  hat  ihnen  Mose  gesagt.  |! 
P'^siqR  22  (111»):  Wieviel  Worte  (^  Gebote)  haben  die  Israeliten  aus  dem  Munde  der 
Allmacht  (selbst)  vernommen?  R.  J'^hoschuaf  b.  Levi  hat  gesagt:  Zwei  Worte;  u.  die 
Rabbinen  sagten:  Alle  (zehn)  Worte.  Wie  steht  doch  hinter  allen  Worten  geschrieben? 
Sie  sprachen  zu  Mose:  Rede  du  mit  uns,  u.  wir  wollen  hören;  aber  nicht  möge  Gott 
mit  uns  reden,  damit  wir  nicht  sterben  Ex  20, 19.  (Diese  Worte  hinter  den  10  Geboten 
ein  Beweis,  daß  das  Volk  zuvor  bereits  sämtliche  Gebote  aus  Gottes  Mund  gehört  hatte.) 
Was  hat  R.  J^hoächua?  b.  Levi  darauf  geantwortet?   Er  war  andrer  Meinung:  ^  weil  es 


^  Der  obigen  Übersetzuna;  liegt  ein  leicht  verbesserter  Text  zugrunde. 


Matth  22,  36(Nr.l.2)  901 

nämlich  kein  Früher  oder  Später  in  der  Tora  gibt/  könne  man  sagen,  daß  sie  schon 
nach  2  oder  3  Worten  zu  Mose  sprachen:  Rede  du  mit  uns!  (d.  h.  Ex  20, 19  gehört  sachlich 
hinter  20,  3).  R.  sAzarja  (um  380)  u.  R.  J^huda  b.  Schim?on  (um  320)  u.  R.  Schimfon  (= 
Simon,  um  280)  haben  im  Namen  des  R.  J'hoschua?  b.  Levi  gesagt:  Es  heißt  Dt  33, 4: 
„Die  Tora  hat  uns  Mose  befohlen  als  Besitztum  der  Gemeinde  Jakobs."  Die  ganze  Tora 
umfaßt  613  Gebote,  der  Zahlenwert  aber  von  n—r  kommt  nur  auf  611  zu  stehn;  611  Ge- 
bote (=  m-r  Dt  33, 4)  hat  also  Mose  zu  uns  geredet,  (die  beiden  an  613  fehlenden,  näm- 
lich:) „Ich  bin  Jahve  dein  Gott"  u.:  „Nicht  sollst  du  einen  andren  Gott  außer  mir  haben" 
(nach  jüdischer  Zählung  das  1.  u.  2.  Gebot)  hat  Mose  nicht  zu  uns  gesagt  (sondern  vielmehr 
Gott).  —  Parallelstellen:  Midr  HL  1 , 2  (82=*,  zweimal) ;  PirqeREl  41  gegen  Ende ;  ExR42  (98'^i). 
C.  Mak  23'':  Rah  Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  Welche  Schriftstelle  gibt  es  (für 
die  Gebotsanzahl  613) V  Dt  33,4:  „Die  Tora  hat  uns  Mose  befohlen  als  Besitztum."  Das 
Wort  n—.r  beträgt  seinem  Zahlenwert  nach  611.  (Diese  611  Gebote  umfaßt  die  von 
Mose  befohlene  Tora  Dt  33,4.)  Aber:  „Ich  bin  der  Herr  dein  Gott"  u. :  „Nicht  sollst  du 
einen  andren  Gott  außer  mir  haben"  (d.  h.  die  beiden  an  613  fehlenden  Gebote)  haben 
sie  (nicht  von  Mose,  sondern)  aus  dem  Munde  der  Allmacht  (selbst)  vernommen. 

d.  Mak  23b:  R.  Simlai  hat  öffentlich  vorgetragen:  613  Befehle  sind  Mose  gesagt 
worden:  365  Verbote  ■■is"';  nach  der  Zahl  der  Tage  eines  Sonnenjahrs  u.  248  Gebote  n-i-y 
entsprechend  den  Gliedern  eines  Menschen. 

e.  P''siq  10 1  ''^:  (R.  Judan  b.  Simon)  hat  gesagt:  Dir  (Israel)  sind  am  Sinai  613  Befehle 
gegeben  worden,  248  Gebote  u.  365  Verbote.  Die  248  entsprechend  den  248  Gliedern, 
die  an  einem  Menschen  sind.  Jedes  einzelne  Glied  spricht  zum  Menschen:  Ich  bitte 
dich,  tu  durch  mich  dieses  (oder  jenes)  Gebot!  Die  365  Verbote  entsprechen  den  Tagen 
des  Sonnenjahrs.  Jeder  einzelne  Tag  spricht  zum  Menschen:  Ich  bitte  dich,  begeh  an 
mir  nicht  diese  (oder  jene)  Übertretung!  —  R.  Abba  (um  290)  als  Autor  genannt  in 
Tanchß  N::r  §2  (17^);  ebenso  wird  zu  lesen  sein  Tanch  s::n  -;  19''  statt  R.  Ad(d)a; 
anonym  steht  die  Ausführung  in  Midr  Spr31  §29  (55b). 

2.  Einteilung  der  613  Gebote.  Die  sämtlichen  Gebote  der  Tora  hat 
man  eingeteilt  in  leichte  Gebote  nir;?  ni:^^  (Sing.  Ji\p_  n^ifr)  u.  in  schwere 
Gebote  rn^^on  r'i:j-a  (Sing,  n-^i^n  '-2).^  Doch  drücken  diese  Benennungen 
nicht  immer  ein  u.  dasselbe  aus.  Man  nannte  „leichte  Gebote"  erstens 
solche,  die  an  die  Kraft  oder  den  Besitz  des  Menschen  nur  geringe 
Anforderungen  stellten;  schwere  dann  diejenigen,  die  viel  Geld  er- 
forderten oder  wohl  gar  mit  Lebensgefahr  verknüpft  waren.  In  diesem 
Sinn  wurde  zu  den  leichten  Geboten  gezählt  zB  Dt  12,  23  (Verbot  des 
Blutgenusses),  Lv  23,  42  (Laubhüttengebot),  Dt  22,  7  (Gebot  der  Frei- 
lassung der  Vögelmutter),  Gn  2,  17  (Essen  der  verbotenen  Frucht);b  zu 
den  schweren  Geboten  zB  Ex  20, 12  (du  sollst  deinen  Vater  u.  deine 
Mutter  ehren),  Gn  17, 10  (ßeschneidungsgebot).c  —  Es  lag  ja  nun  nahe, 
je  nach  den  geringeren  oder  höheren  Anforderungen,  die  ein  Gebot  an 
einen  Menschen  stellte,  den  Wert  u.  die  Bedeutung  des  Gebotes  selbst 
einzuschätzen.  So  kam  es,  daß  man  zweitens  unter  einem  schweren 
Gebot  ein  „wichtiges"  Gebot  u.  unter  einem  leichten  Gebot  ein  minder- 
wichtiges oder  „geringes"  Gebotd  verstand,  nni^n  iti^jts  war  dann  soviel 
wie  r^Y"  rT-::-2  oder  ns-  '^  „ein  großes  Gebot"  =  svxoXi]  ixsyähi  Mt  22, 36, 
u.  nhp  niü-ü  wurde  jetzt  gleichbedeutend  mit  x-;^'^:i:t  n'-jj-o  dem  „kleinen" 

1  --.^^zi  ^ms'^1  =-:pii3  -j-s,  s.  Einl.  S.  108  Nr.  32;  d.  h.  die  Abschnitte  in  der  Tora  sind 
nicht  streng  chronologisch  geordnet,  so  daß  aus  dem  Nachstehn  von  Ex  20, 19  hinter  Ex 
20,2—17  nicht  die  zeitliche  Priorität  von  Ex  20,2— 17  vor  Ex  20, 19  gefolgert  werden  darf. 


902  Matth  22,  36  (Nr.  2) 

oder  „geringen"  Gebot,e  vgl.  die  irvoXal  släyiazai  Mt5,19.  Die  Frage, 
welche  Gebote  zu  den  schweren  oder  wichtigen  ii.  welche  zu  den  leichten 
oder  geringen  gehören,  wird  von  einer  Bar  dahin  beantwortet,  daß  zu 
den  letzteren  alle  diejenigen  Gebote  zu  rechnen  seien,  deren  Übertretung 
die  Buße  für  sich  allein  sühne,  u.  zu  den  ersteren  alle  diejenigen,  auf 
deren  Übertretung  die  Ausrottung  oder  die  gerichtliche  Todesstrafe 
gesetzt  seiJ  In  einer  andren  Ausführung  hören  wir,  daß  leichte  oder 
geringe  Gebote  solche  seien,  um  die  sich  die  Menschen  nicht  viel  zu 
kümmern  pflegen,  g  Dem  subjektiven  Ermessen  war  hier  jedenfalls  viel 
freier  Spielraum  gelassen.  Im  einzelnen  wird  als  ein  leichtes  oder  ge- 
ringes Gebot  einmal  die  nach  jüdischer  Weise  vorzunehmende  Verknotung 
der  Schuhriemen  bezeichnet. h  Als  schwere  oder  wichtige  Gebote  galten 
nach  allgemeinster  Annahme  die  betreffs  des  Götzendienstes,  der  Un- 
zucht, des  Blutvergießens,  der  Entheiligung  des  göttlichen  Namens, 
der  Sabbatheiligung,  der  Verleumdung  des  Nächsten,  des  Torastudiums 
u.  der  Auslösung  von  Gefangenen.»  Auch  das  Schaufäden-  (^i^ith-)  Gebot 
wird  an  einer  Stelle  dahin  gerechnet. k 

a.  Einige  Beispiele  s.  bei  Mt  5, 19  5t  S.  249.  ||  Ferner  s.  die  nachfolgenden  Zitate. 

b.  SDt  12,23  §  76  (9015):  R  Schinifon  b.  ?Azzai(um  HO)  hat  ge.sagt:  Wenn  dich  die 
Schrift  beim  Blutgenuß,  dem  gegenüber  es  unter  allen  Geboten  kein  leichteres  i:'a'3  ;p 
gibt,  also  warnt  (nämlich  mit:  „Nur  bleibe  fest"  Dt  12,23),  um  wieviel  mehr  gilt  diese 
Warnung  dann  bei  allen  übrigen  Geboten.  —  Hier  heißt  das  Gebot  Dt  12, 23  das 
leichteste  unter  allen  Geboten,  weil  seine  Beobachtung  keine  besonderen  Anforderungen 
an  die  Kraft  des  Menschen  stellt.  —  Vorauf  gehen  die  Worte:  R.  Schimcon  b.  cAzzai  hat 
gesagt:  Siehe,  365  Verbote  n-ryn  sV  sind  in  der  Tora;  aber  bei  keinem  heißt  es  wie  bei 

.diesem:  Bleibe  fest!  ||cAZ3^:  (Am  Gerichtstage  werden  die  Völker  der  Welt  zu  Gott 
sagen:)  Herr  der  Welt,  gib  uns  die  Tora  noch  einmal  (wie  du  sie  uns  seinerzeit  am 
Sinai  angeboten  hast),  so  wollen  wir  sie  halten!  Gott  wird  ihnen  antworten:  Ihr  größten 
Narren  in  der  Welt,  wer  am  Rüsttag  auf  Sabbat  gearbeitet  hat,  der  kann  am  Sabbat 
essen;  wer  aber  am  Rüsttag  auf  Sabbat  nicht  gearbeitet  hat,  wovon  will  der  am  Sabbat 
essen?  Aber  gleichwohl  ein  leichtes  Gebot  nVp  rnü»:  habe  ich  u.  „Sukka"  (Laubhütte) 
ist  sein  Name,  geht  u.  haltet  es!  .  .  .  Warum  nennt  man  es  ein  leichtes  Gebot?  Weil 
damit  kein  Verlust  am  Geldbeutel  verbunden  ist.  (Die  Autorschaft  schwankt  zwischen 
R.  Chanina  b.  Papa,  um  300,  u.  R.  Simlai,  um  250,  s.  'cAZ  2».)  |1  Chullin  12,  5:  Man  darf 
die  Vogelmutter  samt  den  Jungen  nicht  nehmen,  selbst  nicht,  um  einen  Aussätzigen  zu 
reinigen  (Lv  14,  4  ff.).  Wenn  nun  aber  die  Tora  bei  einem  so  leichten  Gebot  nVp  m::«, 
bei  dem  es  sich  um  den  Wert  eines  As  (etwa  3  r))  handelt,  sagt:  damit  es  dir  wohl 
ergehe  u.  du  lange  lebest  Dt  22,  7,  um  wieviel  mehr  wird  das  dann  von  den  schweren 
Geboten  n-ii-  r-u-3  in  der  Tora  gelten!  Vgl.  pQid  1,  61 '^  58  in  Anm.  c.  ||  Schab  55b: 
Die  Engel  des  Dienstes  sprachen  vor  Gott:  Herr  der  Welt,  warum  hast  du  den  Tod 
über  den  ersten  Menschen  verhängt?  Er  antwortete:  Ein  leichtes  Gebot  -i-  --j-s  hatte 
ich  ihm  befohlen,  u.  er  hat  es  übertreten.  Vgl.  Tanch  y.r.r^^  4^:  Mose  sprach  zu  Gott: 
Der  erste  Mensch  verdiente  es  zu  sterben;  denn  ein  leichtes  Gebot  hattest  du  ihm 
befohlen,  u.  er  hat  es  übertreten. 

C.  pQid  1,  61  b,  58:  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Die  Schrift  macht  das 
leichteste  unter  den  leichten  Geboten  -r-'-i-.-::  -Vp  --^''.  dem  schwersten  unter  den 
schweren  Geboten  ■r',^-.-c-T\  ■j's  r;-^-»:-!  gleich.  Das  leichteste  unter  den  leichten  Geboten 
ist  das  Freilassen  der  Vogelmutter  Dt  22,  7,  u.  das  schwerste  unter  den  schweren  Ge- 
boten ist  die  Elirfurcht  vor  den  Eltern;  u.  bei  beiden  steht  geschrieben:  Damit  du  lange 
lebst.  -  Parallelstelle:  DtR  6  (203»).  —  Das  4.  Gebot  heifst  das  schwerste  unter  den 


Matth  22,  36  (Nr.  2)  903 

schweren  Geboten,  weil  der  kindlichen  Pietät  keine  Grenze  im  Gesetz  gezogen  ist,  u. 
deshalb  kein  Kind  seinen  Pflichten  gegen  die  Eltern  voll  genügen  kann;  zugleich  stellte 
dies  Gebot  unter  Umständen  die  höchsten  Anforderungen  an  das  Vermögen  des  Sohnes.  — 
Unter  einem  ganz  neuen  Gesichtspunkt  wird  dann  das  4.  Gebot  von  R.  Abin  (I.,  um  325) 
betrachtet.  Es  heißt  weiter:  R.  Abin  hat  gesagt:  Wenn  bei  einer  Sache,  die  einer 
Schuldabtragung  gleicht,  geschrieben  steht:  „Damit  es  dir  wohl  ergehe  u.  du  lange 
lebest"  (vgl.  Dt  5, 16),  muß  das  dann  nicht  um  so  mehr  gelten  bei  einer  Sache  {—  Gebot), 
mit  der  Geldverlust  u.  Lebensgefahr  verbunden  ist?  —  R.  Abin  zählt  das  4.  Gebot 
nicht  zu  den  schweren  Geboten:  alle  Leistungen  des  Kindes  an  die  Eltern  bedeuten 
lediglich  eine  Rückgabe  dessen,  was  das  Kind  zuvor  von  diesen  empfangen  hatte;  da 
das  4.  Gebot  somit  streng  genommen  dem  Kinde  keine  Einbuße  an  seinem  eigenen 
Vermögen  zumutet,  so  gehört  es  nach  R.  Abin  zu  den  leichten  Geboten  u.  kann  als 
solches  nunmehr  den  schweren  gegenübergestellt  werden,  mit  denen  Geldverlust,  bezw. 
Lebensgefahr  verbunden  ist.  Der  Kommentar  P*'ne  Mosche  fügt  hinzu,  daß  unter  den 
Geboten  mit  Geldverlust  zu  verstehen  seien  die  Hebe-  u.  Zehntabgaben  u.  dgl.,  u.  unter 
denen  mit  Lebensgefahr  zB  die  Beschneidung.  —  Diese  Gebote  gehören  also  unter 
allen  Umständen  zu  den  schweren  Geboten,  u.  zwar  weil  sie  besondere  Anforderungen 
an  den  Menschen  stellen.  —  Zum  Beschneidungsgebot  vgl.  auch  N'^d  32^:  Groß  ist  die 
Beschneidung,  denn  sie  wiegt  alle  übrigen  Gebote  in  der  Tora  auf,  s.  Ex  34,  27.  — 
Doch  bringen  diese  Worte  weniger  die  Schwere  als  die  Wichtigkeit  des  Beschneidungs- 
gebotes  zum  Ausdruck. 

d.  J''b47^  Bar:  Wenn  ein  Proselyt  in  dieser  Zeit  zum  Judentum  übertreten  will, 
...  so  macht  man  ihn  mit  einem  Teil  der  leichten  (minderwichtigen)  u.  mit  einem  Teil 
der  schweren  (wichtigen)  Gebote  bekannt.  \\  Tafan  1 1^:  Wie  man  (=  Gott)  den  Gerechten 
den  Lohn  in  der  zukünftigen  Welt  auszahlt  auch  für  ein  leichtes  (geringes)  Gebot,  das 
sie  getan  haben,  so  zahlt  man  den  Gottlosen  den  Lohn  aus  in  dieser  Welt  auch  für 
ein  leichtes  Gebot,  das  sie  getan  haben  (damit  sie  in  der  zuk.  Welt  keinen  Lohn  mehr 
zu  beanspruchen  haben).  ||  Tanch  pVa  236 b:  Gott  ermahnt  die  Israeliten,  daß  sie  sich 
auch  nicht  gegen  die  leichten  (geringen)  Gebote  verfehlen  sollen,  s.  Dt  32,  47:  „Denn 
«s  ist  kein  leeres  Wort  für  euch,  sondern  es  ist  euer  Leben."  Auch  wenn  du  irgendein 
Gebot  für  leer  u.  leicht  ansiehst,  ist  doch  Leben  darin  u.  Länge  der  Tage,  s.  Dt  32,  47 : 
Durch  dieses  Wort  werdet  ihr  lange  auf  dem  Boden  wohnen.  ||  cEr  21l>:  Rab  Chisda 
(t  309)  sagte  zu  jenem  Gelehrten,  der  die  Haggada  vor  ihm  zu  ordnen  (vorzutragen) 
pflegte:  Hast  du  vielleicht  gehört,  was  mit  „den  neuen,  auch  alten"  HL  7, 14  gemeint  ist? 
Er  antwortete:  Damit  sind  die  leichten  u.  die  schweren  Gebote  gemeint.  II  SDt  12,28  §  79 
(91a):  „Halte  diese  Worte,  die  ich  dir  gebiete"  Dt  12,28;  es  soll  dir  ein  leichtes  Gebot  so 
lieb  (wertvoll)  sein  wie  ein  schweres  (wichtiges)  Gebot  (denn  Gott  hat  sie  beide  geboten). 

e.  n'ii-i;  n-:i":.  DtR  6  (203»):  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Du  sollst 
nicht  sagen:  Weil  dieses  Gebot  ein  großes  ist  nv,-;;  -nr,  r.'.-^^r.,  will  ich  es  tun,  weil 
sein  Lohn  zahlreich  ist;  u.  weil  dieses  Gebot  gering  nVp  ist,  will  icli  es  nicht  tun.  || 
r^.z-'  niu":.  BB  8=^:  Iphra  Ormuzd,  die  Mutter  des  Königs  Sehabor,  schickte  einen  Beutel 
mit  Denaren  an  Rab  Joseph  (f  333)  u.  ließ  ihm  sagen:  „Für  ein  großes  Gebot"  n-i:i'25 
na-!  Rab  Joseph  saß  u.  sann  darüber  nach,  was  mit  dem  großen  Gebot  gemeint  sein 
möchte.  Da  sagte  Abaje  (f  338/39)  zu  ihm:  Aus  dem,  was  Rab  Sch*^muel  b.  J'^huda 
{um  280)  als  tannaitische  Tradition  gelehrt  hat,  nämlich  daß  man  Waisenkinder  nicht 
zu  Wohltätigkeitsabgaben  heranziehe,  selbst  nicht  zur  Auslösung  von  Gefangenen,  ent- 
nehme ich,  daß  die  Auslösung  von  Gefangenen  ein  großes  Gebot  r.z-'  r.-^^  ist.  Raba 
(t  352)  sagte  zu  Rabbah  b.  Mari  (um  320):  Woher  dies,,  was  die  Rabbinen  gesagt  haben, 
daß  die  Auslösung  von  Gefangenen  ein  großes  Gebot  ist?  Er  antwortete:  Weil  es  heißt 
Jer  15,  2:  Geschehen  soll  es,  wenn  sie  zu  dir  sagen:  Wohin  sollen  wir  hinausziehen?, 
so  sollst  du  zu  ihnen  sagen:  So  hat  Jahve  gesprochen:  Wer  dem  Tode  verfallen  ist, 
zum  Tode;  u.  wer  dem  Schwert,  zum  Schwert;  u.  wer  dem  Hunger,  zum  Hunger;  u. 
wer  der  Gefangenschaft,  zur  Gefangenschaft.  (Beweis:  Die  Aufzählung  eine  Klimax, 
deren   letzte  Stufe   die   schlimmste;    deshalb  Auslösung  aus   der  Gefangenschaft  ein 


904  Matth  22,  36  (Nr.  2) 

großes  Gebot.)  ||  AbotliRN  2:  Eile  zu  einem  geringen  Gebot  -;-  n-:;«:,  denn  es  führt 
dich  zu  einem  großen  Gebot  rjzi  'k.  \\  s^-j-t  msi.  Targ  Jerusch  II  Nu  13,1:  Für  eio 
kleines  Gebot  s^-yr  'i  (so  lies  mit  Levy,  Chald.  Wörterb.  2,  61'i),  das  ein  Mensch  tut, 
empfängt  er  großen  Lohn. 

/.  Sch'^bu  39»:  (Bei  der  Eidesvermahnung  sagen  die  Richter  zu  dem  Schwörenden:) 
Wisse,  daß  die  ganze  Welt  erbebte,  als  Gott  sprach:  Du  sollst  den  Namen  Jahves 
deines  Gottes  nicht  zu  Nichtigem  aussprechen  Ex  20,  7,  Aus  welchem  Grunde  (erbebte 
die  Welt)'?  Wenn  man  sagen  wollte,  weil  jenes  Gebot  vom  Sinai  gegeben  wurde,  so 
wurden  die  10  Gebote  doch  auch  (von  dort)  gegeben.  Oder  wenn  man  sagen  wollte, 
weil  (jenes  Gebot)  ein  wichtiges  s^-ir;  war,  war  es  denn  (vor  allen  andren)  wichtig? 
Wir  haben  doch  in  einer  Bar  gelernt:  Mit  den  Übertretungen  (die  die  Buße  für  sich 
allein  sühnt)  sind  die  leichten  (geringen)  Gebote  u.  Verbote  gemeint, ^  mit  Ausschluß 
von:  „du  sollst  den  Namen  Jahves  nicht  zu  Nichtigem  aussprechen"  (also  wird  dieses 
Gebot  doch  eigentlich  zu  den  leichten  Geboten  gerechnet)!  Mit  den  schweren  aber 
sind  diejenigen  gemeint,  auf  welche  Ausrottung  u.  gerichtliche  Todesstrafe  gesetzt  ist, 
mit  Einschluß  von:  „du  sollst  den  Namen  Jahves  nicht  zu  Nichtigem  aussprechen". 
Vielmehr  ist  der  Grund,  wie  man  gelehrt  hat:  Von  allen  Übertretungen  in  der  Tora 
heißt  es:  Er  vergibt  (läßt  ungestraft),  hier  aber  heißt  es:  Er  wird  nicht  ungestraft 
lassen  Ex  20,  7.  —  Die  zitierte  Bar  findet  sich  TJom  5,  5  (190);  Bezug  wird  auf  sie  ge- 
nommen Jörn  85  b.  _  Zu  den  wichtigen  Geboten,  auf  deren  Übertretung  die  Ausrottung 
gesetzt  ist,  werden  zB  das  Beschneidungs- u.  das  Passahgebot  gezählt.  SLv  4,2  ((ig»): 
Wenn  jemand  in  Schwachheit  sich  versündigt  gegen  eins  von  allen  Verboten  Jahves 
Lv4, 2;  soll  ich  die  Gebote  ausschließen,  derentwegen  man  sich  nicht  der  Ausrottung 
schuldig  macht,  aber  soll  ich  nicht  das  Passah-  oder  das  Beschneidungsgebot  aus- 
schließen, derentwegen  man  sich  der  Ausrottung  schuldig  macht? 

g.  Tanch  zt-y  b'^:  „Warum  muß  ich  mich  fürchten  in  den  Tagen  des  Unglücks? 
Die  Schuld  meiner  Fersen  umgibt  mich"  (so  der  Midr  Ps49, 6).  Gepriesen  sei  der  Name 
Gottes,  der  Israel  die  Tora  gegeben  hat,  in  der  613  Gebote  enthalten  sind;  u.  es  sind 
darunter  geringe  u.  wichtige  n-i':--!  r^'p■,  u.  eben  weil  es  darunter  geringe  Gebote 
gibt,  um  die  die  Menschen  sich  nicht  kümmern,  sondern  die  sie  unter  ihre  Fersen 
(Füße)  werfen,  weil  sie  gering  sind,  deshalb  fürchtete  sich  David  vor  dem  Tage  des 
Gerichts  (=  des  Unglücks)  u.  sprach:  Herr  der  Welt,  ich  fürchte  mich  nicht  wegen 
der  wichtigen  (schweren)  Gebote  in  der  Tora,  weil  sie  wichtig  sind.  Weswegen  fürchte 
ich  mich?  Wegen  der  geringen  Gebote;  vielleicht  möchte  ich  eins  von  ihnen  über- 
treten haben,  sei  es,  daß  ich  es  ausführte,  sei  es,  daß  ich  es  nicht  ausführte,  weil  es 
ein  geringes  war;  u.  du  hast  doch  gesagt:  Sei  vorsichtig  bei  einem  leichten  Gebot  wie 
bei  einem  schweren  Gebot!  (Dieses  Zitat  stammt  aus  Aboth  2, 1 ;  man  beachte,  wie 
hier  ein  Miscbnawort  genau  so  als  ein  Gotteswort  zitiert  wird,  wie  sonst  ein  Schrift- 
wort.) Parallelstelle:  TanchB  zpy  §  1  (8b). 

h.  Sanh  74a:  Was  ist  ein  leichtes  Gebot?  Raba  b.  Ji^chaq  hat  gesagt,  Rab  (f  247) 
habe  gesagt:  Auch  eine  Veränderung  am  Schuhriemen  (die  ein  Jude  gegen  die  jüd. 
Sitte  vornimmt,  um  der  Verfolgung  zu  entgehen);  s.  oben  S.  222  f. 

/.  Zu  Götzendienst,  Unzucht  u.  Mord  s.  bei  Mt  5, 10  (S.  221—223);  ferner  s.  einige 
unter  den  nachfolgenden  Zitaten. 

Götzendienst.  pN'^d  3,38'^,  12:  Götzendienst  ist  die  schwerste  unter  allen  Sünden.  1| 
Hör  8«:  Welches  ist  das  Gebot,  das  alle  (übrigen)  Gebote  aufwiegt?  Sage:  das  ist  der 
Götzendienst. 

Blutvergießen.  SDt  19, 11  §  187  (108b):  Wenn  jemand  ein  leichtes  Gebot  übertritt, 
so  wird  er  schließlich  ein  schweres  Gebot  übertreten  .  .  .,  bis  er  zum  El.  gelangt  (das 
als  schwerste  Sünde  gedacht  ist). 


1  Joma  8,  8  sagt  hierüber:  Die  Buße  schafft  Sühnung  für  leichte  Übertretungen 
von  Geboten  u.  Verboten,  u.  bei  den  schweren  hält  sie  (die  Strafvollstreckung)  in  der 
Schwebe,  bis  der  Versühnungstag  kommt  u.  Sühnung  schafft. 


Matth  22,  36  (Nr.  2.  3).  22,  37  905 

Entheiligung  des  göttlichen  Namens.  pN'^d  3,38^  13:  R.  Judan  b.  Pazzi  (um  320) 
hat  gesagt:  Die  Enth.  des  göttl.  N.  ist  die  schwerste  unter  allen  Sünden,  s.  Ez  20,39. 

Sabbatheiligung.  pN'^d  3, 38^,  4:  In  der  Tora,  den  Propheten  u.  den  Hagiographen 
finden  wir,  daß  das  Sabbatgebot  so  schwer  wiegt,  wie  alle  (übrigen)  Gebote  in  der  Tora 
(zusammen).  In  der  Tora  s.  Ex  16,  28  f.,  in  den  Proph.  s.  Ez  20,21,  in  den  Hagiographen 
s.  Neh  9, 13. 14.  (Beweis:  Erwähnung  des  Sabbats  neben  den  übrigen  Geboten.)  pB'^rakh 
1,  3*^,  14:  , Damit  ihr  an  alle  meine  Gebote  gedenket"  Nu  15,40.  Rabbi  hat  gesagt:  Damit 
ist  das  Sabbatgebot  gemeint,  das  alle  (übrigen)  Gebote  in  der  Tora  aufwiegt,  s.  Neh  9,  14: 
„Du  tatest  ihnen  deinen  heiligen  Sabbat  kund  u.  befählest  ihnen  Gebote  u.  Satzungen 
u.  Gesetz",  um  dich  wissen  zu  lassen,  daß  das  S. gebot  die  Gebote  der  Tora  aufwiegt.  || 
pN''d  3,  38t>,  8:  R.  El<azar  b.  Abina  (um  340)  hat  gesagt:  Das  Wort  n-iif?  bei  „Sabbat" 
Neh  9, 14  ist  plene  geschrieben,  um  dich  wissen  zu  lassen,  daß  das  S.gebot  so  schwer 
wiegt,  wie  alle  (übrigen)  Gebote  der  Tora  (zusammen).  ||  AbothRN  38:  R.  Schimcon 
b.  Gamliel  (um  140)  saß  voller  Entsetzen  da  u.  sprach:  Wehe  uns,  daß  wir  getötet 
werden  wie  Sabbatschänddr  u.  Götzendiener  u.  Blutschänder  u.  Blutvergießer!  (Hier 
steht  die  Sabbatschändung  auf  einer  Linie  mit  den  drei  oft  genannten  Hauptsünden.) 

Verleumdung  des  Nächsten.  'Arakhin  15^  Bar  aus  der  Schule  des  R.  Jischmacel 
(t  um  135):  Wer  Verleumdungen  redet,  begeht  Sünden,  die  so  schwer  wiegen  wie  di& 
drei  Sünden  des  Götzendienstes,  der  Blutschande  (Unzucht)  u.  des  Blutvergießens;  s. 
bei  Mt5, 11  SB,  Nr.  2.  ||  TPeal,2(18):  Wegen  folgender  Dinge  wird  der  Mensch  in  dieser 
Welt  bestraft,  während  ihm  das  Kapital  (die  Hauptstrafe)  anstehn  bleibt  in  der  zuk. 
Welt:  wegen  Götzendienstes,  wegen  Unzucht,  wegen  Blutvergießens  u.  wegen  Ver- 
leumdung, die  so  schwer  wiegt  wie  jene  alle.  —  Dasselbe  pPea  1, 15"^,  55.  ||  LvR37  (133"^^): 
R.  Sch'^muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Wer  ein  Gelübde  tut  u.  sein  Gelübde 
(d.  h.  seine  Erfüllung)  verzögert,  der  gerät  schließlich  in  Götzendienst,  Unzucht,  Blut- 
vergießen u.  Verleumdung.  (Beachte,  wie  hier  überall  die  Verleumdung  neben  den  drei 
Hauptsünden  genannt  wird.) 

Torastudium.  Pea  1,1:  Folgende  sind  die  Dinge,  deren  Früchte  ein  Mensch  in  dieser 
Welt  genießt,  während  ihm  das  Kapital  (der  Hauptlohn)  anstehn  bleibt  für  die  zuk.  Welt: 
Ehrfurcht  gegen  die  Eltern,  Erweisung  von  Liebeswerken,  Friedenstiften  zwischen  einem 
Menschen  u.  seinem  Nächsten  u.  Torastudium,  das  so  schwer  wiegt  wie  jene  alle. 

Auslösung  von  Gefangenen,  s.  BB8^  in  Anm.  e. 

k.  WA  25 »:  Ein  Autor  hat  gesagt:  Das  Schaufädengebot  wiegt  alle  übrigen  Gebote 
in  der  Tora  auf.  —  Ähnlich  die  Bar  M'^n  43  b.  ||  Anders  ist  die  Wertung  des  Schau- 
fädengebotes M'^n  44a  Bar:  R.  Nathan  (um  160)  hat  gesagt:  Es  gibt  kein  leichtes  Gebot 
in  der  Tora,  das  ohne  Lohn  wäre  in  dieser  u.  in  jener  Welt;  nur  weiß  ich  nicht,  wie 
groß  er  ist.  Geh  u.  lerne  es  vom  Schaufädengebot.  (Es  folgt  dann  eine  Erzählung, 
nach  der  ein  Jude  durch  die  Schaufäden  vor  Unzucht  bewahrt  bleibt.)  Hier  ist  das- 
Schaufädengebot  zu  den  leichten  Geboten  gerechnet. 

3.  Der  Frage  des  Schriftgelehrten:  „Welches  Gebot  ist  groß  im 
Gesetz?"  entspricht  am  meisten  die  Frage  in  Hör  8";  s.  Nr.  2  Anm.  i. 

22,87:  Du  sollst  den  Herrn  deinen  Gott  lieben  in  deinem  ganzen 
Herzen  u.  in  deiner  ganzen  Seele  u.  in  deinem  ganzen  Denken. 

Dt  6,  5  nach  altjüdischer  Auslegung. 

Targ  OnkDt  6,  5:  Du  sollst  Jahve  deinen  Gott  lieben  ari-^r  mit  deinem  ganzen 
Herzen  u.  mit  deiner  ganzen  Seele  u.  mit  all  deinen  Gütern  (Vermögen).  |1  Targ  Jerusch  I: 
Mose,  der  Prophet,  sprach  zum  Volk,  dem  Haus  Israel:  Befolgt  den  wahren  Gottes- 
dienst eurer  Väter  u.  liebet  -ji^r^r  Jahve  euren  Gott  mit  den  beiden  *  Trieben  eures 
Herzens  u.  auch  wenn  er  eure  Seele  (euer  Leben)  wegnimmt,  u.  mit  all  eurem  Geld 
■;i::t?2»3.  |1  B*^rakh61b  Bar:  R.  Elicezer  (um  90)  sagte:  Wenn  es  Dt  6,  5  heißt:  „mit  deiner 

^  Deutung  der  beiden  z  in  zzi-,  s.  weiter  unten. 


906  Matth22, 37 

gauzen  Seele",  warum  lieifst  es  dann  noch:  „mit  all  deinem  Vermögen"?  Und  wenn 
es  heißt:  „mit  all  deinem  Vermögen",  warum  heißt  es  dann  noch:  „mit  deiner  ganzen 
Seele"?  Aber  da  manchem  Menschen  sein  Leib  (u.  Leben)  lieber  ist,  als  sein  Geld 
irnis,  deshalb  heißt  es:  „mit  deiner  ganzen  Seele"  (—  mit  deinem  ganzen  Leben);  u. 
da  manchem  Menschen  sein  Geld  lieber  ist,  als  sein  Leib  (u.  Leben],  deshalb  heißt 
es:  „mit  all  deinem  Vermögen"  (-;-!is'i  also  im  Sinn  von  Geld  u.  Gut  gefaßt).  R.  c Aqiba 
(t  um  135)  sagte:  „Mit  deiner  ganzen  Seele",  auch  wenn  er  deine  Seele  nimmt  (=  Targ 
Jerusch  I).  .  .  .  Als  man  den  R.  (Aqiba  zur  Tötung  abführte,  war  die  Zeit  der  Sch^mac- 
rezitation.  Man  kämmte  ihm  sein  Fleisch  mit  eisernen  Kämmen  ab  u.  er  nahm  das 
Joch  der  Herrschaft  des  Himmels  auf  sich  (d.  h.  er  rezitierte  das  Sch''ma().  Es  sprachen 
seine  Schüler  zu  ihm:  Unser  Lehrer,  bis  hierher  (d.  h.  es  ist  genug,  höre  hier  auf)! 
Er  antwortete  ihnen:  Mein  lebelang  bin  ich  in  Sorge  gewesen  um  diesen  Vers:  „mit 
deiner  ganzen  Seele",  auch  wenn  er  die  Seele  nimmt;  ich  sprach:  Wann  wird  es 
mir  möglich  sein,  es  zu  erfüllen?  Und  jetzt,  da  es  mir  möglich  ist,  sollte  ich  es 
nicht  erfüllen?  (Fortsetzung  s.  oben  S.  224.)  —  Die  Auslegung  des  R.  Elicezer  auch 
P^'s  25-\-  in  SDt  6,5  §  32  (73a)  dem  R.  Eli'<ezer  b.  Ja^aqob  (II.,  um  150)  beigelegt.  || 
SDt  6,  5  §82  (73a):  „Du  sollst  Jahve  deinen  Gott  lieben"  Dt  6,  5.  Handle  aus  Liebe. 
Die  Schrift  macht  einen  Unterschied  zwischen  einem,  der  aus  Liebe  handelt,  u. 
«inem,  der  aus  Furcht  handelt.  Wer  aus  Liebe  handelt,  dessen  Lohn  ist  doppelt  u. 
verdoppelt,  s.  Dt  10, 20:  Jahve  deinen  Gott  sollst  du  fürchten  u.  ihn  verehren  u.  an 
ihm  hangen  (in  Liebe;  das  letztere  schließt  das  Fürchten  u.  Verehren  in  sich  u.  empfängt 
deshalb  dreifachen  Lohn).  Manch  einer,  wenn  er  sich  vor  einem  andren  fürchtet  u. 
von  diesem  belästigt  wird,  verläßt  ihn  u.  geht  von  dannen;  aber  du  handle  aus  Liebe; 
denn  nirgends  gibt  es  Liebe  da,  wo  Furcht  ist,  u.  Furcht  da,  wo  Liebe  ist  (vgl.  1  Joh  4, 18), 
ausgenommen  allein  in  dem  Verhältnis  zu  Gott.  —  Eine  andre  Erklärung:  „Dusollst 
Jahve  deinen  Gott  lieben",  d.  h.  mache  ihn  bei  allen  Menschen  beliebt,^  wie  dein  Vater 
Abraham,  s.  Gn  12,5:  „Abraham  nahm  sein  Weib  .  .  .  u.  alle  Seelen,  die  sie  gemacht 
hatten  in  Charran."  Nicht  wahr,  wenn  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  sich  zusammen- 
täten, um  Eine  Mücke  zu  schaffen  u.  ihr  Leben  einzuflößen,  so  würden  sie  sie  nicht 
•erschaffen  können;  was  will  da  die  Schrift  lehrend  sagen  mit  den  Worten:  „u.  die 
Seelen,  die  sie  in  Charran  gemacht  hatten"?  Es  will  lehren,  daß  unser  Vater  Abraham 
sie  zu  Proselyten  gemacht  u.  unter  die  Flügel  der  Sch'^khina  (Gottheit)  gebracht  hat. 
{Das  war  der  Weg,  auf  dem  Abraham  Gott  bei  den  Menschen  beliebt  machte.)  — 
„Mit  deinem  ganzen  Herzen",  d.  h.  mit  deinen  beiden  Trieben,  mit  dem  guten  Trieb 
u.  mit  dem  bösen.  —  Eine  andre  Erklärung.-  „Mit  deinem  ganzen  Herzen",  daß  dein 
Herz  nicht  geteilt  sei  gegen  Gott.  —  „Und  mit  deiner  ganzen  Seele",  auch  wenn  er 
deine  Seele  nimmt  (vgl.  oben  R.  cAqibas  Deutung).  Und  ebenso  heißt  es  Ps  44,23: 
,Um  deinetwillen  werden  wir  gemordet  den  ganzen  Tag,  sind  wir  wie  Schlachtschafe 
geachtet."  R.  Schim'on  b.  M*'nasja  (um  180)  sagte:  Kann  denn  ein  Mensch  an  jedem 
Tage  gemordet  werden?  Allein  Gott  rechnet  es  den  Gerechten  so  an,  als  ob  sie  an 
jedem  Tag  gemordet  würden  (um  seinetwillen).  Schimfon  b.  cAzzai  (um  HO)  sagte:  „Mit 
deiner  ganzen  Seele",  liebe  ihn  bis  zum  Auspressen  der  Seele  (bis  hin  zum  letzten 
Blutstropfen,  vgl.  Bacher,  Tann. ^  1,418).  (Hier  folgt  unter  dem  Autornamen  des  R.EliJezer 
b.  Ja'aqob  der  Ausspruch  des  R.  Elicezer  oben  in  B^rakhGl'').  R.  'Aqiba  (f  um  135; 
so  zu  lesen  statt  R.  Ja'aqob)  sagte:  Wenn  es  heißt:  „mit  deiner  ganzen  Seele",  dann 
doch  selbstverständlich  erst  recht  „mit  deinem  ganzen  Vermögen"  "n-cl  (Wozu  also 
wird  letzteres  noch  besonders  hervorgehoben?)  Allein  es  will  sagen:  Für  jedes  Maß, 
welches  er  dir  zumißt,  sowohl  für  das  Maß  der  Güte,  als  auch  für  das  Maß  der  Strafe, 
liebe  ihn.  (Der  Midr  deutet  -;s':  Kraft,  Vermögen  =  "v,  Maß.)  .  .  .  R.  Meir  (um  150) 
sagte:  Siehe,  es  heißt:  „Du  sollst  Jahve  deinen  Gott  lieben  mit  deinem  ganzen  Herzen", 
liebe  ihn  mit  deinem  ganzen  Herzen,  wie  unser  Vater  Abraham,  s.  Gn  18, 19:  „Ich  habe 
ihn  erkoren,  daß  er  seinen  Kindern  u.  seinem  Hause  nach  ihm  anbefehle"  usw.   Des- 


^  Man  erwartet  irzrisrr  statt  :r:ir;s. 


Matth22,  37.40(Nr.  1.2)  907 

halb  heißt  es:  Du  sollst  Jalive  deinen  Gott  lieben  mit  deinem  ganzen  Herzen.  „Und 
mit  deiner  ganzen  Seele",  wie  Isaak,  der  sich  selbst  auf  dem  Altar  band,  ,u.  mit  all 
deinem  Dank"  (so  der  Midr,  -s»:  =  r-iti  deutend),  danke  ihm,  wie  Jakob,  s.  Gn32, 11: 
Ich  bin  zu  klein  für  all  die  Gnadenerweisungen  u.  all  die  Treue,  die  du  an  deinem 
Knecht  getan  hast  usw.  Parallelstellen:  TB^rakh?, 7(15):  B^rakh  54a;  pB^rakhÖ,  14b,38. 
Zugrunde  liegt  allen  diesen  Stellen  B*^rakh  9,  5 :  Man  muß  für  das  Schlimme  danken, 
wie  man  für  das  Gute  dankt,  s.  Dt  6,  5:  Du  sollst  Jahve  deinen  Gott  lieben  usw.  „Mit 
deinem  ganzen  Herzen",  mit  deinen  beiden  Trieben,  mit  dem  guten  u.  mit  dem  bösen. 
„Und  mit  deiner  ganzen  Seele",  auch  wenn  er  deine  Seele  nimmt;  „u.  mit  deinem 
ganzen  Vermögen",  mit  deinem  ganzen  Geld  (v':'2).  Eine  andre  Erklärung:  „mit  deinem 
ganzen  Vermögen"  -ts-i-Vra,  für  jedes  Maß,  das  er  dir  zumißt,  für- alles  danke  ihm 
mit  Kraft  gar  sehr!  (Im  Hebr.  ein  schönes  Wortspiel:  -V  ^l^'a  N^.nu;  r;-'?!  n--3  V::; 
-s-2  -S-:  -"5  n-i':  ^in  51:5.  —  Die  Deutung  des  doppelten  3  in  zzh  auf  den  guten  u.  bösen 
Trieb  des  menschlichen  Herzens  gehört  nach  TB'^rakh  7,  7  (15)  dem  R.  Me'ir,  um  150, 
an.)  |!  Joma86-i:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  In  der  Bar  heißt  es:  „Du  sollst  Jahve 
deinen  Gott  lieben",  es  soll  der  Name  Gottes  um  deinetwillen  geliebt  werden.  ||  LXX 
Dt  6, 5:  xc.l  dyctnjjasig  xvqiov  roV  Usov  aov  iS  o'/.?]<;  rijq  diavolag  aov  xcd  e|  oA?/f  r}]g 
xpv^fjg  aov  xal  iS  okijg  xrjg  dv^äfiEcug  aov. 

22,39:   Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst   (s.  bei  Mt  5,  43). 

22,40:  In  diesen  beiden  Geboten  hängt  das  ganze  Gesetz 
u.  die  Propheten. 

1.  Versuche  innerhalb  der  alten  Synagoge,  die  gesamten  Einzel- 
forderungen der  Tora  auf  einige  große  Grundprinzipien  zurückzuführen. 

a.  Hillel,  um  20  v.  Chr.:  Was  dir  unliebsam  ist,  das  tu  auch  du  deinem 
Nächsten  nicht.  Das  ist  die  ganze  Tora,  das  andere  ist  ihre  Auslegung; 
s.  bei  5,43  S.  357  Anm.  6-. 

b.  R.  fAqiba,  f  um  135:  Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben,  wie  dich 
selbst  Lvl9,18;  das  ist  ein  großer  allgemeiner  Grundsatz  in  der  Tora 
n-:inr  bn:  hh:;  ni;  s.  S.  357  f. 

c.  Ben  ?Äzzai,  um  HO:  Als  Gott  Adam  erschuf,  machte  er  ihn  nach 
der  Ähnlichkeit  Gottes  Gn  5, 1;  das  ist  ein  größerer  allgemeiner  Grund- 
satz als  jener  (des  R.  ^Aqiba)  nto  bin:  hh^  ht;  s,  bei  5, 43  S.  358  e  u.  f. 

d.  Bar  Qappara,  um  220.  B^rakh  fe-'':  Bar  Q.  hat  öffentlich  vor- 
getragen: Welches  ist  der  kleinste  Schriftabschnitt,  an  welchem  alle 
wesenthchen  Bestimmungen  (die  Hauptsachen)  der  Tora  hangen  ^nrrn 
nn  -p^^br  n-,ir  -^si:  bD->:;  tiy^p  rrjns?  „Auf  allen  deinen  Wegen  erkenne  ihn, 
so  wird  er  deine  Pfade  ebnen"  Spr  3,  6. 

e.  R.  Simlai,  um  250.  TanchB  a^-jsiuj  §  10  (16'^):  R.  Simlai  hat  gesagt: 
613  Gebote  sind  dem  Mose  auf  dem  Sinai  gesagt  worden;  dann  kam 
David  u.  brachte  sie  auf  elf,  s.  Ps  15,2—5.  Jesaja  brachte  sie  auf  sechs, 
s.  Jes  33, 15.  Mikha  brachte  sie  auf  drei,  s.  Mich  6,  8.  Amos  brachte  sie 
auf  zwei,  s.  Am  5,4:  Suchet  mich  u.  lebet!  Habakuk  brachte  sie  auf 
eins,  s.  Hab  2,4:  Der  Gerechte  soll  kraft  seiner  Glaubenstreue  leben.  — 
Dasselbe  mit  mehrfachen  Abweichungen  Mak  23 '\  s.  bei  Gal  3, 11. 

2.  xQ£i.iaTai,  ihm  entspricht  genau  das  von  Bar  Qappara  (s.  oben 
bei  d)  gebrauchte  ^^br  =  angehängt,  hangend.   Wie  der  Ausdruck  ge- 


908  Matth  22,  40  (Nr.  2.  3) 

meint  ist,  erhellt  aus  Chag  1,8:  Die  Auflösung  der  Gelübde  schwebt  in 
der  Luft  ^^ix:;  ■,'^nT:3  (hat  keinen  Halt  an  ausdrücklichen  Bestimmungen 
der  schriftlichen  Tora)  u.  hat  nicht,  womit  man  sie  stützen  kann.  Die 
Halakhoth  betreffs  des  Sabbats,  der  Festfeiern  u.  der  Veruntreuungen 
an  Geheiligtem,  siehe,  die  sind  wie  Berge,  die  an  einem  Haar  hangen 
n7:;-r?  i'^^s^ri,  denn  für  sie  gibt  es  wenig  Schrift{belege),  aber  viele 
Halakhoth  (traditionelle  Bestimmungen  der  mündlichen  Tora).  Die 
Rechtssachen  u.  die  Kultusangelegenheiten  u.  die  Bestimmungen  über 
(levitische)  Reinheit  u.  Unreinheit  u.  über  die  verbotenen  Ehen,  die 
haben,  womit  man  sie  stützen  kann,  sie  sind  die  Hauptsachen  (der 
wesentliche  Inhalt)  der  Tora.  —  Diese  Mischna  stammt,  wie  aus  den 
Parallelstellen  T^Er  11, 23  f.  (154)  u.  TChag  1, 9  (233)  entnommen  werden 
kann,  aus  der  Zeit  des  R.  J^hoschua?,  um  90.  —  Das  Haar,  an  dem 
Berge  hangen,  bedeutet  den  schwachen  Halt,  den  gewisse  Halakhoth 
an  der  Schrift  haben;  die  Wendung  will  also  sagen,  daß  der  Haken  der 
biblischen  Gesetzesbestimmungen,  an  den  die  Schriftgelehrten  die  un- 
gezählten Halakhoth  über  Sabbat-  u.  Festfeier  usw.  gehängt  haben,  nur 
sowenig  Tragfähigkeit  besitze  wie  etwa  ein  Haar,  das  Berge  halten 
soll.  Gleicherweise  will  Bar  Qappara  in  seinem  Ausspruch  (s.  oben  d) 
sagen,  daß  Spr  3, 6  ein  fester  Haken  sei,  an  den  alle  Hauptbestimmungen 
der  Tora  gehängt  werden  könnten,  d.  h.  in  einem  andren  Bilde  ge- 
sprochen, daß  Spr  3,  6  ein  sicheres  Fundament  sei,  auf  das  alle  Haupt- 
bestimmungen der  Tora  gestellt  werden  könnten,  insofern  diese  Schrift- 
stelle einen  Grundsatz  ausspreche,  auf  den  schließlich  alle  Bestimmungen 
der  Tora  sich  zurückführen  oder  aus  dem  sie  sich  herleiten  ließen. 
Ebenso  bezeichnet  Jesus  die  Liebe  zu  Gott  u.  zum  Nächsten  als  die- 
jenigen Gebote  der  Schrift,  an  die  alle  übrigen  Gebote  gehängt,  d.  h.  auf 
die  sie  zurückgeführt  oder  aus  denen  sie  abgeleitet  werden  können.  — 
Sachlich  dasselbe  ist  es,  wenn  R.  ?Aqiba  u.  Ben  fAzzai  in  ihren  Aus- 
sprüchen (s.  oben  b  u.  c)  das  Gebot  der  Nächstenliebe  Lv  19, 18  als  einen 
großen  allgemeinen  Grundsatz  b^s  in  der  Tora  bezeichnen;  auch  sie 
sprechen  damit  aus,  daß  das  Gebot  der  Nächstenliebe  dasjenige  Gebot 
sei,  in  welchem  alle  übrigen  Gebote  der  Tora  prinzipiell  mitenthalten 
seien.  —  Zu  diesem  hhz  des  R.  fAq.  u.  Ben  ?Az.  vgl.  M*^kh  Ex  15,26  (54"): 
R.  El^azar  aus  Modi^im  (f  um  135)  sagte:  (Wenn  du)  „hörend"  (hörst) 
Ex  15,26;  ist  es  vielleicht  etwas  Freigestelltes?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
Wenn  du  hörend  „hörst";  Pflicht  ist  es  u.  nicht  etwas  Freigestelltes. 
Wenn  du  „hörst",  das  ist  der  allgemeine  Grundsatz  bbrn,  in  welchem 
die  (ganze)  Tora  enthalten  ist  i=  r^h'hz  mirnu.-.  —  R.  El.  will  sagen,  das 
Anhören  der  Schrift  sei  prinzipiell  die  erste  Pflicht  des  Isr.,  denn  von 
ihrer  Erfüllung  hange  schließlich  das  Halten  der  Tora  ab;  vgl.  Rom  10, 17: 
aqa  /;  TiiffTig  s'^  äxotjg. 

3.  0  ro/uioc  xal  ot  nqocfijcai.  Zur  Zweiteilung  des  Kanons  s.  bei  Mt5, 1 7  % 
(oben  S.  240). 


Matth  22,  43.  46.  2.3,  2.  3  (51)  909 

22,42:  Sie  sagen  zu  ihm:  Davids  (Sohn). 

Zu  dieser  Antwort  s.  bei  Mt  1, 1  (6  1)  S.  11  ff.  —  Zur  Bezeichnmis;  des  Messias  als 
,Ben  David*  s.  bei  Mt  9, 27  S  S.  525. 

22,43:  Wie  nennt  nun  David  ihn  im  Geist  einen  Herrn? 

SV  nvfvaaTi  =  ty^-^r}  r.'^r'z  =  im  Geist  prophetischer  Begabung  oder 
im  Geist  der  Inspiration,  s.  bei  Lk  2,  25  (f  (Nr.  1 — 4). 

lArakh  15b:  R.  Acha  b.  Chanina  (um  300)  sagte:  Für  den  Verleumder  gibt  es  keine 
Wiederherstellung  (Rettung),  denn  schon  hat  ihn  David  im  heiligen  Geist  ausgerottet, 
s.  Psl2, 4:  Ausrotten  wird  Jahve  all  die  glatten  Lippen,  die  Zunge,  die  da  Großes 
redet.  —  Weiteres  s.  im  Exk.:  Die  Inspiration  der  heiligen  Schrift  Anm.  18—22. 

22,44:  Es  sprach  der  Herr  zu  meinem  Herrn. 

Hierzu  s.  den  Exkurs:  Der  110.  Psalm  in  der  altrabbin.  Literatur. 

22,46:  Niemand  konnte  ihm  ein  Wort  antworten. 

M'^gTaian  8:  Die  Sadduzäer  verzehrten  das  Speisopfer  bei  den  Tieropfern  (gemeint 
sind  die  Sp.,  die  in  Verbindung  mit  Trankopfern  namentlich  bei  den  Brandopfern  dar- 
zubringen waren  u.  die  die  Mischna  M'^u  6,  2  ganz  dem  Altar  zuweist).  Da  machte  sich 
Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  an  sie  u.  sprach  zu  ihnen :  Ihr  Toren,  woher  habt 
ihr  das?  Und  es  war  niemand  unter  ihnen,  der  ihm  ein  Wort  erwiderte  zr.z  r-rr.  sV- 
-z-  iV  —Tn-ir  -:rTs  außer  Einem  Ältesten  usw.,  s.  die  ganze  Stelle  im  Exkurs:  Die 
Pharisäer  u.  die  Sadduzäer  Nr.  4  B,  b,  s.  —  Eine  ähnliche  Erzählung  über  Rabban 
Jochanan  b.  Z.  u.  die  Boethosäer  in  M^nöS»,  hier:  ■3"r'3  rj-rt':;  -r:s  cts  n-n  sV-  „u.  es 
war  kein  Mensch  da,  der  ihm  geantwortet  hätte" ;  s.  die  Stelle  bei  Mt  5, 22  S.  280«. 

23,2:  Auf  Mos  es  Stuhl  sitzen  dieSchriftgelehrtenu.d.  Pharisäer. 

snl  xr^Q  MwvGewc  xa^s'ÖQag  =  ."lüiTan   N~~ir;Tr. 

Mit  den  Worten:  „sie  sitzen  auf  Moses  Stuhl"  werden  die  Schrift- 
gelehrten als  Inhaber  der  Lehrgewalt  bezeichnet.  —  Durch  einen 
Gelehrten  aus  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.s  erfahren  wir,  daß  es  eine 
besondere  Art  von  Lehnstühlen  (wohl  Sesseln  für  die  Schulhäupter) 
gegeben  hat,  welche  man  „Mose-Stuhl"   nir^n  i<->-rp  nannte. 

P'^siq  7l>:  „Einen  runden  Kopf  hatte  der  Thron  nach  hinten  zu"  1  Kg  10, 19.  R.  Acha 
(um  320)  hat  gesagt:  Wie  ein  Mosestuhl.  —  Vgl.  Bacher,  pal.  Amor.  3, 138;  Krauß, 
Archäol.<J,208.  —  In  der  Parallelstelle  Midr  Esth  1,2  (85  a)  ist  der  Text  verderbt.— 
Anders  verhält  es  sich  mit  der  s-^-^r-  Moses  ExR  43  (99t>):  „Ich  saß  auf  dem  Berge 
40  Tage  u.  40  Nächte"  (so  der  Midr  Dt  9, 9).  Ist  es  denn  möglich,  daß  Mose  saß,  während 
Gott  stand?  R.  Darosai  (im  4.  Jahrb.)  hat  gesagt:  Einen  Lehnstuhl  r-.—.r-  machte  ihm 
Gott  nach  Art  des  Lehnstuhls  eines  Advokaten;  wenn  diese  vor  einen  Herrscher  treten, 
so  scheinen  sie  zu  stehen,  während  sie  lediglich  sitzen.  Und  auch  hier  (in  Moses  Fall) 
war  es  so:  um  ein  Sitzen  handelte  es  sich,  das  wie  ein  Stehen  erschien. 

23,3  5t:  Alles  nun,  was  sie  euch  sagen,  das  tut. 
Die  Rabbinen  forderten  unbedingten  Gehorsam  gegen  die  Lehr- 
entscheidungen der  geordneten  Instanzen  auf  Grund  von  Dt  17, 10  f. 
Umgekehrt  sicherten  sie  demjenigen  Schuld-  u.  Straffreiheit  zu,  der  im 
Gehorsam  gegen  eine  falsche  Entscheidung  eines  Gerichtshofs  tat- 
sächlich eine  Gesetzesübertretung  begangen  hatte. 


910  Matth  23,  3  (5i.  SB) 

SDt  17,  10  §  154  (lOö'"^):  „Du  sollst  nach  dem  Wort  tun,  das  sie  dir  verkündigen 
werden  von  jenem  Ort  aus,  den  Jahve  erwählen  wird"  (also  von  Jerusalem  aus)  Dt  17, 10. 
Wegen  (Nichtachtung)  einer  Entscheidung  des  großen  Gerichtshofes  in  Jerusalem  macht 
man  sich  des  Todes  schuldig;  aber  nicht  macht  man  sich  des  Todes  schuldig  wegen 
(Nichtachtung)  einer  Entscheidung  des  Gerichtshofes  in  Jahne  (weil  Dt  17,  10  nur  von 
Jer.  handelt).  „Nach  der  Tora,  die  sie  dich  lehren"  Dt  17,  11:  wegen  der  Worte  der 
Tora  (u.  ihrer  Nichtbeachtung)  macht  man  sich  des  Todes  schuldig;  aber  nicht  macht 
man  sich  des  Todes  schuldig  wegen  der  Worte  der  Soph^rim  (der  Schriftgelehrten 
früherer  Zeit).  „Und  nach  der  Rechtsentscheidung,  die  sie  dir  sagen  werden,  sollst 
du  tun":  das  bezieht  sich  auf  die  Gebote;  „weiche  nicht  von  der  Tora,  die  sie  dir 
verkündigen  werden"  :  das  bezieht  sich  auf  die  Verbote;  „nach  rechts  oder  nach  links"  : 
auch  wenn  sie  in  deinen  Augen  nach  links  zeigen,  während  es  rechts  ist,  oder  nach 
rechts,  während  es  links  ist,  höre  auf  sie.  —  Parallelstelle  Sanh  86*^;  zum  Teil  auch 
Midr  HL  1,  2  (84'"').  ||  Hör  1,1:  Wenn  ein  Gerichtshof  (von  Gelehrten)  entschieden  hat, 
eins  von  allen  in  der  Tora  genannten  Geboten  zu  übertreten,  u.  ein  einzelner  geht 
dann  hin  u.  tut  aus  Irrtum  nach  ihrem  Ausspruch  —  gleichviel  ob  sie  es  taten  u.  er 
zugleich  mit  ihnen,  oder  ob  sie  es  taten  u.  er  nach  ihnen,  oder  ob  sie  es  nicht  taten 
u.  er  (allein)  tat  es  — ,  so  ist  er  frei  (von  Schuld  u.  Strafe),  weil  er  dem  Gerichtshof 
gefolgt  ist.  — Vgl.  pB'^rakh  1 ,  3 '',  58 :  R.  Chananja  b.  Ad(d)a  hat  im  Namen  des  R.Tanchum 
b.  Chijja  (um  300)  gesagt:  Gewichtiger  sind  die  Worte  der  Ältesten  (Gelehrten),  als- 
die  Worte  der  Propheten.  .  .  .  Prophet  u.  Ältester,  wem  gleichen  sie?  Gleich  einem 
König,  der  zwei  von  seinen  Geheimschreibern ^  in  eine  Provinz  (oder  Stadt)  entsandte; 
über  den  einen  von  ihnen  schrieb  er:  Wenn  er  euch  nicht  meine  Unterschrift  u.  mein 
Siegel  zeigt,  so  glaubt  ihm  nicht.  Und  über  den  andren  von  ihnen  schrieb  er:  Auch 
wenn  er  euch  nicht  meine  Unterschrift  zeigt,  so  habt  ihr  ihm  zu  glauben  ohne  Unter- 
schrift U.Siegel.  Ebenso  heißt  es  über  den  Propheten  Dt  13, 2:  „Wenn  er  dir  ein 
Zeichen  u.  Wunder  gibt";  dagegen  heißt  es  hier  Dt  17,  11:  Nach  der  Tora,  die  sie 
(die  Ältesten  =  Gelehrten)  dich  lehren  .  .  .  sollst  du  tun.  —  Dasselbe  pSanh  11,  30 '^  1 ; 
p?AZ  2,41^49;  Midr  HL  1,2  (84").  ||  P-^siqR  3  (7'^:  Man  sage  nicht:  Ich  erfülle  die 
Gebote  der  Ältesten  nicht,  weil  sie  nicht  aus  der  Tora  stammen.  Gott  sagt  zu  einem 
solchen:  Nein,  mein  Sohn,  sondern  alles,  was  sie  über  dich  verordnen,  erfülle.  Dt  17, 11: 
Nach  der  Weisung,  die  sie  dir  erteilen  usw. 

23,  3  S:  Nach  ihren  Werken  aber  tuet  nicht; 
denn  sie  sagen  es  u.  tun  es  nicht. 

Diesbezügliche  ungünstige  Urteile  über  die  Pharisäer  s.  im  Exkurs: 
Die  Phar.  u.  die  Sadduzäer  Nr.  2.  —  Daß  Theorie  u.  Praxis  bei  den  Ge- 
lehrten häufig  auseinandertielen,  erkennt  man  an  den  diese  Erscheinung 
bekämpfenden  Aussprüchen. 

SLv  26,  3  (448'''):  „Wenn  ihr  in  meinen  Satzungen  wandeln  u.  meine  Gebote  be- 
obachten und  sie  tun  werdet"  Lv26,  3;  damit  ist  der  gemeint,  welcher  lernt,  um  da- 
nach zu  tun;  nicht  aber  der,  welcher  lernt,  um  nicht  danach  zu  tun;  denn  wer  lernt, 
um  nicht  danach  zu  tun,  dem  wäre  es  besser,  wenn  er  nicht  geboren  wäre.  ||  LvR  35 
(132'^):  R.  Chijja  (um  2G0)  hat  gelehrt:  Wer  lernt,  um  nicht  danach  zu  tun,  dem  wäre 
es  besser,  wenn  er  nicht  geboren  wäre.  R.  Jochanan  (t  279)  hat  gesagt:  Wer  lernt, 
um  nicht  danach  zu  tun,  dem  wäre  es  besser,  wenn  sich  seine  Nachgeburt  um  ihn 
geschlungen  hätte  u.  er  nicht  an  die  Luft  der  Welt  herausgetreten  wäre.  —  Parallel- 
stelle pB'^^rakh  1,3  b,  24.  |!  DtR  7  (204-'')  s.  bei  Mt  21,  31  31.  j|  B'^rakh  17 » :  Ein  Gewohnheits- 
spruch im  Munde  Rabas  (f  352):  Der  Endzweck  der  Weisheit  ist  Buße  u.  gute  Werke; 

^  ■;"13':Ve,  Krauß,  Lehnwörter,  denkt  an  diplomatarius  =  Sekretär,  Bewahrer  der 
kaiserlichen  Geheimschriften;  andere  an  nowTovotÜQios  oder  no'Asf^oyoTägiog  oder 
frumentarius  (Proviantmeister). 


Matth  23,  3  (SB).  23,  4  (51)  9  H 

es  soll  der  Mensch  nicht  die  Schrift  u.  die  Mischna  studieren  u.  seinen  Vater  oder 
seine  Mutter  oder  seinen  Lehrer  oder  einen,  der  gröfser  als  er  ist  an  Weisheit  u.  Zahl 
{y.'i,  Alter?),  verachten;  vgl.  Ps  111,  10:  „Der  Weisheit  Anfang  ist  die  Furcht  Jahves; 
gute  Einsicht  haben  alle,  die  sie  (die  Gebote)  tun."  Die  sie  „lernen",  heifst  es  nicht, 
sondern  die  sie  „tun",  die  sie  um  ihrerselbstwillen  tun,  aber  nicht,  die  sie  nicht  um 
ihrerselbstwillen  tun;  wer  sie  nicht  um  ihrerselbstwillen  tut,  dem  wäre  es  besser,  da& 
er  nicht  erschaffen  wäre.  1|  Joma  72 1»;  Von  innen  u.  von  aufsen  sollst  du  sie  (die  Bundes- 
lade mit  Gold)  überziehen  Ex  25,  11.  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Ein  Gelehrtenschüler, 
dessen  Inneres  nicht  ist  wie  sein  Äußeres  (der  anders  denkt  als  er  handelt),  ist  kein 
Gelebrtenschülev.  Abaje  (f  338/89^  nach  andren  Rabbah  b.  fUlIa?  (um  400  oder  Rabba 
b.  fUlla?  um  300)  hat  gesagt:  Ein  solcher  wird  ein  Abscheulicher  genannt,  s.  Hi  15, 16.  ]] 
ExR43(991j):  Wenn  ein  Ältester  (Gelehrter)  eine  Entscheidung  trifft  u.  will,  da& 
andere  seine  Entscheidung  annehmen,  so  muß  er  selbst  sie  zuerst  halten.  Autor: 
R.  Ji^chaq,  um  300.  !|  Aboth  1,  15:  Schammai  (um  30  v.  Chr.)  sagte:  Mache  dein  Tora- 
studium zu  einer  festgestellten  Pflicht  (zu  einer  festen  Einrichtung);  sprich  wenig,  aber 
tu  viel.  II  TJ^bS,  4  (250):  Ben  fAzzai  (um  110)  sagte:  Wer  sich  nicht  mit  der  Fort- 
pflanzung befaßt  (=  unverheiratet  bleibt),  dem  rechnet  es  die  Schrift  so  an.  als  ob 
er  das  (göttliche)  Ebenbild  verminderte;  s.  Gn  9,  6f. :  Denn  in  seinem  Bilde  hat  Gott 
den  Menschen  gemacht  (u.  unmittelbar  darauf  folgt:)  Ihr  aber  seid  fruchtbar  u.  mehret 
euch!  Da  sagte  R.  Elfazar  (b.  ?Azarja)  zu  ihm:  Schön  sind  Worte,  wenn  sie  aus  dem 
Munde  ihrer  Täter  kommen;  mancher  trägt  schön  vor  u.  hält  (auch  das  Vorgetragene) 
schön;  Ben  ?Azzai  trägt  schön  vor,  hält  aber  nicht  schön  (denn  er  war  unbeweibt  ge- 
blieben). Er  antwortete  ihm:  Was  soll  ich  tun?  Meine  Seele  hängt  an  der  Tora;  so 
mag  die  Welt  durch  andere  erhalten  werden!  —  Parallelstellen:  J^'b  6'6^;  GnR  34  (21*^).  }| 
Targ  Jeruscli  I  Nu  23,  19:  Nicht  wie  die  Worte  eines  Menschen  ist  das  Wort  des 
lebendigen  u.  ewig  bleibenden  Gottes,  des  Herrn  aller  Welten,  Jahves ;  denn  ein  Mensch 
sagt  (etwas)  u.  (dann)  weigert  er  sich  (es  zu  tun).  Und  auch  seine  Werke  gleichen 
nicht  den  Werken  der  Kinder  des  Fleisches,  die  beraten  u.  dann  wieder  zurücktreten 
von  dem,  was  sie  beschlossen  haben.  Aber  der  Herr  aller  Welten,  Jahve,  hat  zugesagt, 
dieses  Volk  so  zahlreich  zu  machen  wije  die  Sterne  des  Himmels  u.  sie  in  Besitz, 
nehmen  zu  lassen  das  Land  der  Kana?aniter;  sollte  er,  was  er  gesagt  hat,  nicht  tun? 
u.  was  er  geredet,  sollte  er  es  nicht  halten?  ||  Chag  15b  ga^t  eine  Tochter  des  Apostaten 
Acher  (=  Elischa?  b.  Abuja,  um  120)  zu  dem  Patriarchen  J^'huda  I.  in  bezug  auf  ihren 
Vater:   „Gedenke  seiner  Torakenntnis  u.  gedenke  nicht  seiner  Taten!" 

23,4  91:  Sie  binden  schwere  Lasten  u.  legen  sie 
auf  die  Schultern  der  Menschen. 

Bei  diesen  drückenden  Lasten a  wird  man  in  erster  Linie  an  die 
kleinlich  genauen  halakhischen  Bestimmungen  zu  denken  haben,  mit 
denen  die  rabbinische  Auslegung  die  einzelnen,  in  das  Leben  des  Volkes 
tief  eingreifenden  Gebote  belastet  hatte,  wie  zB  die  Gebote  über  Rein- 
heit u.  Unreinheit,  über  Zehnten  u.  Heiliges,  über  Fasten  u.  Beten,  über 
Heiligung  der  Sabbat-  u.  Feiertage  u.dgl.;  sodann  aber  auch  an  die 
sog.  n'i^K>,  Verhütungsvorschriften,  mit  denen  man  die  biblischen  Ge- 
bote wie  mit  einem  Zaun  umgeben  hatte,  um  sie  so  vor  Übertretung 
zu  sichern.  So  fügte  man  zB  den  Lv  18,  6  ff.  zur  Ehe  verbotenen  Ver- 
wandtschaftsgraden überall  nach  oben  u.  unten  noch  einen  zweiten  Grad 
hinzu  (J'b  21»);  um  die  Mischehen  mit  Heiden  zu  verhindern,  unterband 
man  durch  die  18  auf  dem  Söller  des  Chananja  b.  Chizqijja  b.  Garon 
gefaßten  Beschlüsse  überhaupt  jeglichen  Verkehr  mit  Nichtisraeliten 


912  Matth  23,  4  (?t) 

(s.  Exk. :  Stellung  des  Judentums  zur  nichtjüdischen  Welt  Nr.  3  Anm.  b  u. 
Nr.  5E).  Diese  Vorbeugungstheorie  wird  bereits  von  den  „Männern  der 
Oroßen  Synagoge"  ^  empfohlen  ;b  befolgt  ist  sie  von  der  alten  Sjmagoge 
wohl  zu  allen  Zeiten,  je  nachdem  die  Verhältnisse  dazu  Anlaß  boten. c 
Ihrer  Überspannung  hatte  man  zwar  gewisse  Schranken  gezogen,  d  Doch 
war  es  einem  ungelehrten  Juden,  der  für  sich  u.  die  Seinen  das  zum 
Leben  Nötige  ehrlich  erwerben,  zugleich  seinem  Gott  in  treuer  Frömmig- 
keit dienen  wollte,  einfach  unmöglich,  die  schier  zahllosen  Sätze  der 
Schriftgelehrten  zu  kennen,  geschweige  denn  zu  beobachten.  Wenn  man 
aber  die  Befolgung  dieser  rabbinischen  Satzungen  der  der  biblischen 
Gebote  gleichwertig  machte,  waren  schwere  Gewissenskonflikte  gerade 
für  zartere  religiöse  Gemüter  unvermeidlich. e 

a.  Vgl.  den  oft  vorkommenden  Ausdruck  ---r  '-.•:  „Joch  der  Tora"  oder  r-::-?  ;-.• 
„Joch  der  Gebote".  Aboth  3,  5:  R.  N'^chonja  b.  Ha-qana  (um  70)  pflegte  zu  sagen: 
Wenn  jemand  das  Joch  der  Tora  auf  sich  nimmt,  so  wird  ihm  das  Joch  der  Regierung 
u.  das  Joch  der  weltlichen  Beschäftigung  abgenommen.  ||  Sanh  94 b  wird  von  den 
Früheren  (den  10  Stämmen)  gesagt:  Sie  machten  sich  das  Joch  der  Tora  leicht  = 
warfen  es  von  sich  -^in  "s-y  an-Vy^s  i;-n  u.  von  den  Späteren  (Generation  des  Hiskia): 
Sie  machten  sich  das  Joch  der  Tora  schwer  'r  Vny  ■a-r.-^hv  ■!--=:-.  |j  B'^rakh  2,  2: 
R.  J^hoschuas  b.  Qarcha  (um  150)  hat  gesagt:  Warum  geht  (im  Sch*^maf)  Dt  6,  4 — 9 
dem  Abschnitt  Dt  11,  13 — 21  vorauf?  Damit  man  zuerst  das  Joch  der  Gottesherrschaft 
auf  sich  nehme  u.  hinterher  das  Joch  der  Gebote.  Vgl.  bei  Mt  11, 29  5i.  Speziell  von  der 
mündlichen  Tora,  d.  h.  von  der  traditionellen  Gesetzesauslegung  der  Rabbinen,  heißt 
€S  Tanch  -;  S^-b;  Die  mündliche  Tora  ist  schwer  zu  erlernen  u.  es  gibt  bei  ihr  grofse 
Not.  ...  Es  gibt  bei  ihr  Subtilitäten  (a'p^'P")  der  leichten  u.  schweren  Gebote,  u.  sie 
ist  hart  wie  der  Tod  (vgl.  HL  8,  6). 

b.  Aboth  1,1:  (Die  Männer  der  Großen  Synagoge  ri'^i-;-  rzzt)  haben  3  Worte 
gesagt:  Seid  vorsichtig  beim  Richten,  stellet  viele  Schüler  auf  u.  machet  einen  Zaun 
;-~  um  die  Tora.  —  Vgl.  B^'rakh  1,1:  Von  wann  an  liest  man  das  Schema?  am  Abend? 
Von  der  Zeit  an,  da  die  (unrein  gewesenen)  Priester  wieder  (in  das  Heiligtum)  ein- 
treten dürfen,  um  ihre  Hebe  zu  essen  (d.  h.  vom  Erscheinen  der  Sterne  an)  bis  hin 
zum  Ende  der  ersten  Nachtwache  (etwa  abends  10  Uhr).  Das  sind  Worte  des  R.  Elifezer 
(um  90).  Die  Gelehrten  sagten:  Bis  hin  zur  Mitternacht;  Rabban  Gamliel  (um  90) 
sagte:  Bis  zum  Emporsteigen  des  Morgengrauens.  .  .  .  Und  nicht  bloß  hierbei,  sondern 
bei  allem,  wovon  die  Gelehrten  „bis  Mitternacht"  gesagt  haben,  gilt,  daß  der  gesetz- 
lichen Pflicht  genügt  werden  darf,  bis  das  Morgengrauen  emporsteigt.  Wenn  aber  dem 
so  ist,  warum  haben  dann  die  Gelehrten  gesagt:  „bis  Mitternacht"?  Um  den  Menschen 
von  der  Übertretung  fernzuhalten.  (Man  fordert  erschwerend  „bis  Mitternacht",  um 
so  die  Erfüllung  bis  zum  Morgengrauen  ganz  sicherzustellen.)  —  Den  Zweck,  den  die 
Gelehrten  bei  ihrer  Entscheidung  im  Auge  hatten,  bezeichnet  die  Bar  B^'rakh  4^  bildlich 
mit  den  Worten:  Die  Gelehrten  haben  einen  Zaun  für  ihre  Worte  gemacht. 

C.  Die  biblische  Begründung  für  die  r-^v;,  zB  für  das  Kenntlichmachen  der  Grab- 
stellen, für  Ausdehnung  der  Blutschandegesetze  auf  die  zweiten  Grade,  hat  man  mehr- 
fach in  Lvl8,  30  gefunden:  „Beobachtet  das  mir  gegenüber  zu  Beobachtende."  Rab 
Aschi  (t  427)  hat  gesagt:  Machet  einen  Schutz  {r~^x-!2)  um  das  mir  gegenüber  zu  Be- 
obachtende MQ  5^.  |]  Die  gleiche  Erklärung  von  Lv  18,  30  gibt  Rab  Kahana,  um  375, 
J'^b  21^*.  —  Dasselbe  meint  auch  Avohl  SLv  18,  30  mit  den  Worten:  „Beobachtet  das  mir 


'  Nach  der  Tradition  ein  Kollegium  von  120  Männern,  die  in  der  Zeit  nach  Esra 
bis  hinab  auf  Schimson  den  Gerechten  (I.,  um  300)  die  religiösen  Angelegenheiten 
regelten  und  entschieden;  s.  Einl.  S.  7.  117. 


Mattb  23,  4  (5t.  S)  913 

gegenüber  zu  Beobachtende",  das  will  den  Gerichtshof  in  bezug  hierauf  ermahnen  (näm- 
lich Vorbeugungsmaf3regeln  gegen  die  Übertretung  der  Gebote  zu  treffen). 

d.  BQld^  Bar:    Obgleich  man   gesagt   hat,    dafs  man   kein  Kleinvieh  im  Lande  ' 
Israel  aufziehe  (s.  BQ  7,  7),  so  zieht  man  doch  Großvieh  auf,  weil  man  ein  Verhütungs- 
verbot r-.-7;  nur  in  dem  Fall  für  die  Gemeinde  anordnet,  daß  die  Mehrzahl  der  Ge- 
meinde dabei  bestehen  kann.  |!  Beca  '2b:  (Rabbah,  f  330,  hat  gesagt:)  Für  etwas  un- 
gewöhnliches haben  die  Rabbinen  kein  V.verbot  erlassen.  ||  Be^a  3=^:  (Abaje,  f  388/39, 
hat  gesagt:)  Wir  würden   ja  ein  V.verbot   für  ein  V.verbot  erlassen   7-:-i:~h  r-r;  ^^r;3! 
(was  nicht  statthaft  ist).  Ähnlich  pP''sl,27<'  (2mal):  t';"'  "^;  lu",  gibt  es  denn  einen 
Zaun  für  einen  Zaun?  1!  GnR  19  (12''):  Von  den  Früchten  des  Baumes,  welcher  inmitten 
des  Gartens,    hat  Gott   gesagt,  von    denen  sollt  ihr  nicht  essen  u.  sollt  auch   nicht 
daran  rühren  Gn  3,  3.    Das  meint  auch  Spr  30,  6:  Füge  nicht  hinzu  zu  seinen  Worten: 
er  würde  dich  überführen  u.  du  stündest  dann  als  Lügner  da.    R.  Chijja  (um  200)  hat 
als  tannaitische  Tradition  gelehrt:  Mache  den  Zaun  nicht  hoch  über  das  eigentliche 
Verbot  hinaus,   damit  er  nicht  einfalle  u.  die  Pflanzungen  umbreche.    So  hatte  Gott 
gesagt  Gn  2,  17 :  „Denn  an  dem  Tage,  da  du  von  ihm  issest,  wirst  du  gewißlich  sterben," 
Sie  (Eva)  sagte  aber  nicht  so,    sondern  auch,    daß  Gott  gesagt  habe:   Ihr  sollt  auch 
nicht  daran  rühren  Gn  3,  3.    Da  nun  die  Schlange  sah,  wie  sie  (Eva)  au  dem  Baum 
vorüberging,  nahm  sie  sie,  stieß  sie  gegen  den  Baum  u.  sprach:  Siehe,  du  stirbst  nicht! 
Wie  du  nicht  durch  sein  Berühren  gestorben  bist,  so  wirst  du  auch  nicht  durch  das 
Essen  von  ihm  sterben!  —  Daß  die  Meinungen  über  den  Wert  einiger  rabbinischer 
Verhütungsverbote  gar  geteilt  waren,  zeigt  pSchab  1,  3<=,  26:  Jener  Tag  (an  welchem 
die  18  Beschlüsse  auf  dem  Söller  des  Chananja  b.  Ghizqijja  b.  Garon  gefaßt  wurden) 
war  für  Israel  schlimm,  wie  der  Tag,  an  welchem  das  (goldene)  Kalb  gemacht  wurde. 
R.  Elisezer  (um  90,  Anhänger  der  Schule  Schammais)  sagte:  An  jenem  Tage  machte 
man   dem  Maß   einen  Haufen.    R.  J'hoschua?  (um  90,  Anhänger  der  Schule  Hillels) 
sagte:  An  jenem  Tage  strich  man  es  ab.    R.  Eli?ezer  sagte  zu  ihm:  Wenn  dem  Maß 
(der  biblischen  Satzungen)  etwas  mangelte  u.  man  machte  es  voll  (durch  jene  18  rabbi- 
nischen  Beschlüsse),  so  tat  man  doch  recht  daran!    Gleich  einem  Faß,  das  voll  von 
Nüssen  ist;    soviel  Sesam  (Mohn)  du  auch  hineintust,  es  faßt  ihn  (denn  er  füllt  nur 
die  Lücken   zwischen   den  Nüssen  aus;   so  waren   auch  jene  18  Bestimmungen  eine 
nützliche  Ergänzung   der  biblischen  Satzungen).    R.  J^^hoschua?  sagte  zu  ihm:  Wenrr 
es  voll  war  u.  man  machte,  daß  ihm  etwas  mangelte,  das  wäre  recht?    Gleich  einem 
Faß,   das  voll  von  Öl  ist;   soviel  Wasser  du  hineintust,   soviel  Öl  verschüttet  es  (so 
haben  jene  18  Bestimmungen  die  biblischen  Satzungen  nicht  verbessert,  sondern  ver- 
wässert).   Parallelstelle:  Schab  153^. 

e.  Vgl.  die  Zitate  bei  Mt  2, 4  S.  81  f.  u.  bei  15, 2  51  S.  691  ff. 

23,4S8:  Sie  selbst  aber  wollen  si  6  mit  ihr  eniFinger  nicht  bewegen. 

pSotaS,  19^  16:  R.  Z<^riqa  (um  300)  hat  im  Namen  des  Rab  Huna  (f  297)  gesagt: 
Der,  weicher  für  sich  selbst  in  erleichterndem  Smn  u.  in  bezug  auf  andre  in  er- 
schwerendem Sinne  entscheidet  (ist  ein  schlauer  Gottloser).  —  Dafür  Sota  21'':  Der 
es  sich  selbst  leicht  macht  u.  andren  schwer.  |1  B«rakh  22«  sagt  R.  J^huda,  um  150, 
von  sich:  Wenn  ich  auch  bei  andren  erleichternd  entscheide,  so  entscheide  ich  in  be- 
zug auf  mich  selbst  in  erschwerendem  Sinn.  ||  Chul  4315:  Wer  tun  will  nach  den  Worten 
der  Schule  Schammais,  der  darf  es;  wer  nach  den  Worten  der  Schule  Hillels,  der 
darf  es;  wer  nach  den  Erleichterungen  der  Schule  Schammais  u.  nach  den  Erl.  der 
Schule  Hilleis  (d.  h.  wer  in  jedem  Einzelfall  immer  der  erleichternden  Schule  folgt), 
der  ist  ein  Gottloser;  wer  nach  den  Erschwerungen  der  Schule  Schammais  u.  nach 
den  Erschw.  der  Schule  Hilleis,  über  den  sagt  die  Schrift  Qoh  2,  14:  Der  Tor  wandelt 
in  Finsternis.  —  Dasselbe  als  Bar  fEr  tJb;  RH  14^.  ||  R.  Me'ir  (um  150)  sagt  von  sich: 
Wenn  ich  auch  für  andre  in  erleichterndem  Sinn  entschieden  habe,  so  entscheide  ich 
in  bezug  auf  mich  selbst  in  erschwerendem  Sinn;  s.  pB'^'rakh  1,  3=*,  9  nebst  Parallelen 


strack  u.  Billerbeck,  NT  I. 


58 


914  Matth  23,  5.  6  (51) 

bei  Mk  6, 13.  ||  Sukka  29b  s.  bei  5,  5  S.  199.  ||  Dem  cl"«xn'Aw  x/rf/V  entspricht  einiger- 
maßen das  hebr.  yi::s.2  >■;:.  Abotli  RN  2  sagt  eine  Frau  von  ihrem  Mann:  ^Selbst 
mit  seinem  kleinen  Finger  hat  er  mich  nicht  angerührt." 

23,5  51:  Alle  ihre  Werke  tun  sie,  um  von  den  Menschen 

gesehen  zu  werden, 
pB'^rakhO,  14 '^  40:  Sieben  Klassen  von  Pharisäern  gibt  es:  Der  SchuUerpharisäer.  .  .  . 
Der  Schulterpharisäer  trägt  seine  Gebotserfüllungen  auf  der  Schulter  (d.  h.  allgemein 
zur  Schau).  —  Die  ganze  Stelle  im  Exkurs:  Die  Pharisäer  u.  die  Sadd.  Nr.  2.  — Vgl. 
die  Warnung  Hillels  (um  20  v.  Chr.)  Aboth  1,  13:  Wer  sich  einen  Namen  machen  will, 
verliert  den  Namen;  wer  nicht  hinzufügt,  macht  aufhören;  wer  nicht  (Tora)  lernt,  ist 
des  Todes  schuldig,  u.  wer  sich  der  Krone  (der  Torakenntnis)  zu  seinem  eignen  Vorteil 
bedient,  der  geht  zugrunde.  —  Ferner  Aboth  4,  5:  R.  (^adoq  (um  70  n.  Chr.)  sagte: . .  . 
Mache  (die  Torakenntnis)  nicht  zu  einer  Krone,  um  damit  großzutun,  auch  nicht  zu 
einem  Grabscheit,  um  damit  zu  graben  (Geld  zu  verdienen).  Und  so  hat  Hillel  gesagt: 
Wer  sich  der  Krone  (der  Torakenntnis)  zu  seinem  eigenen  Vorteil  bedient,  der  geht 
zugrunde.  Siehe,  da  lernst  du:  Wer  von  den  Worten  der  Tora  Nutzen  zieht,  der  bringt 
sein  Leben  aus  der  Welt.  —  Vielfach  hat  besonders  der  Wohltätigkeitsbetrieb  dem 
Zwecke  gedient,  „um  von  den  Menschen  gesehen  zu  werden",  s.  den  Exkurs  über  die 
private  Wohltätigkeit;  ferner  s.  bei  Mt  6,  2.  5. 

23.5  23:  Sie  machen  ihre  Denkzettel  (Gebetsriemen)  breit. 
Über  die  Phylakterien  oder  T'^phillin  s.  den  betreffenden  Exkurs.  — 

Das  Breitmachen  war  möglich,  weil  deren  Grüßenverhältnisse  von  der 
Halakha  nicht  normiert  waren,  s.  Exk.  Nr.  3  A.  —  Da  die  Stelle,  an  der 
die  Kopft^philla  getragen  wurde,  für  zwei  T'^phillinkapseln  Platz  bot,  hielt 
es  Fl.  Chaggai  (um  330)  sogar  zulässig,  zwei  Kopft^phillin  anzulegen. 

pfEr  10,  26'\  34:  Will  jemand  (am  Wochentag  zwei  Kopft^'phillin)  anlegen,  so  tue  er 
es.  —  Zum  ostentativen  Tragen  der  Ph.  seitens  Scheinheiliger  s.  Exkurs  Nr.  6  Anm.«. 

23,5  6:  Sie  machen  ihre  Kleiderquasten  groß. 
Nur  das  Mindestmaß  der  Schaufäden  hatte  die  Halakha  festgesetzt; 
sie  konnten  also  nach  Belieben  vergrößert  werden ;  s.  Exk.  über  die  9i9ith. 

23.6  31:  Sie  lieben  den  ersten  Platz  bei  den  Gastmählern. 
Um  300  n.  Chr.  war  es  üblich,  die  Rangordnung  bei  Tisch  nach  dem 

Alter  der-Geladenen  festzusetzen.  BB  120=*:  R.  Amrai  (um  300)  hat  ge- 
sagt: In  der  Akademie  geht  es  nach  der  Gelehrsamkeit  (der  Gelehrteste 
sitzt  obenan),  bei  Tisch  aber  nach  dem  Alter  (der  Älteste  sitzt  obenan).  — 
In  der  älteren,  für  Mt23,6  maßgebenden  Zeit  galten  andre  Grundsätze. 
TB'rakho,  5  (12):  Wie  war  die  Ordnung  (Reihenfolge)  beim  Zutischeliegen?  Wenn 
zwei  Speisepolster  da  waren,  lag  der  Angesehenste  C-i";)^  am  Kopfende  des  ersten 
Polsters  u.  der  zweite  nach  ihm  unterhalb  von  ihm  (d.  h.  auf  dem  zweiten  Polster  so, 
daß  sein  Kopf  sich  etwa  in  Brusthöhe  des  Angesehensten  befand).  Wenn  drei  Polster 
da  waren,  lag  der  Angesehenste  am  Kopfende  des  mittleren  Polsters;  der  zweite  nach 
ihm  oberhalb  von  ihm  (d.  h.  hinter  dem  Angesehensten  so,  daß  des  letzteren  Kopf  sich 
in  Brusthöhe  des  zweiten  befand);  der  dritte  nach  ihm  unterhalb  von  ihm  (dem  An- 
gesehensten, so  wie  es  beim  Vorhandensein  von  zwei  Polstern  üblich  war).   So  ordnete; 


'  *;•-;  hier  nicht  der  „Älteste",  sondern  der  Angesehenste,  wie  in  den  §§  6  u.  7. 


Matth  23,  6  (51.  JB)  915 

man  immer  weiter  (d.  h.  der  vierte  hatte  seinen  Platz  neben  dem  zweiten,  der  fünfte 
neben  dem  dritten,  der  sechste  neben  dem  vierten  usw.;  vgl.  den  Exkurs:  Ein  alt- 
jüdisches Gastmahl  Nr.  4).  —  Dasselbe  als  Bar  pTafan  4,  68^,  51;  B  rakh46b.  —  Vgl. 
auch  Hör  13^  Bar:  Wenn  der  s^-i:  (Präsident  des  Synedriums,  Oberhaupt  der  Akademie) 
eintritt,  steht  alles  Volk  (die  ganze  Versammlung)  u.  setzt  sich  erst,  wenn  er  zu  ihnen 
sagt:  Setzt  euch!  Wenn  der  ]"'n  r->z  ns  (der  Vizepräsident)  eintritt,  bildet  man  für  ihn 
eine  Reihe  auf  dieser  Seite  u.  eine  Reihe  auf  jener  Seite,  bis  er  (durch  diese  beiden 
Reihen  von  Stehenden  hindurchschreitend)  sich  auf  seinen  Platz  gesetzt  hat.  Wenn 
der  33-^  (der  , Gelehrte")  eintritt,  bleibt  die  eine  Reihe  sitzen,  während  die  andre 
steht,  bis  er  sich  auf  seinen  Platz  gesetzt  hat.  Die  Söhne  von  Gelehrten  u.  die  Ge- 
lehrtenschüler dürfen,  wenn  die  Mehrzahl  ihrer  bedarf,  über  die  Köpfe  des  Volkes  hin- 
wegschreiten (um  nach  vorn  zu  gelangen). .  . .  Die  Söhne  der  Gelehrteuschüler,  deren 
Väter  zu  Gemeindevorstehern  ernannt  sind,  dürfen,  wenn  sie  Kenntnis  besitzen,  um 
zuzuhören,  eintreten  u.  vor  ihren  Vätern  Platz  nehmen,  während  ihr  Rücken  dem  Volk 
zugewandt  ist.  Wenn  sie  aber  keine  Kenntnis  besitzen,  um  zuzuhören,  so  dürfen  sie 
eintreten,  müssen  aber  vor  ihren  Vätern  so  Platz  nehmen,  daß  ihr  Angesicht  dem  Volk 
zugewandt  ist.  R.  Ehazar  b.  (^ado(i  (1.  um  100,  11.  um  150)  sagte:  Auch  bei  einem  Gast- 
mahl macht  man  sie  zum  Anhängsel  (ihrer  Väter,  sie  sitzen  also  bei  diesen  oben- 
an). .  .  .  Raba  (f  352)  hat  (mit  Bezug  auf  den  letzten  Satz)  gesagt:  Bei  Lebzeiten 
ihrer  Väter,  in  Gegenwart  ihrer  Väter  (um  diese  damit  zu  ehren). 

Da  also  für  die  Tischordnung  in  der  älteren  Zeit  das  Ansehen  der 
Gäste  maßgebend  gewesen  ist,  wie  hätten  sich  da  nicht  Eitelkeit  u. 
Ehrgeiz  hervorwagen  sollen?  Vgl.  auch  den  nächsten  Abschnitt. 

23,  6  ^:  Die  ersten  Sitze  in  den  Synagogen. 

Elbogen,  Die  Religionsanschauungen  der  Pharisäer  S.  38f.  schreibt: 
„Im  Evangelium  des  Mt  wird  gegen  die  Schriftgelehrten  der  Vorwurf 
erhoben,  daß  sie  auf  besondere  Ehrungen  in  den  Synagogen  Anspruch 
erhoben  (23,  6).  An  diesem  Punkte  können  wir  nun  die  Strafrede  des 
Evang.  kontrollieren  u.  feststellen,  daß  nach  allen  sonstigen  Berichten 
über  die  Synagogen  gerade  das  Gegenteil  sich  als  wahr  erweist.  Das 
sollte  der  Geschichtsforschung  ein  wichtiger  Fingerzeig  sein  für  den 
Grad  der  Glaubwürdigkeit,  die  wir  der  Polemik  des  Evang.  beimessen 
dürfen."  In  einer  Anm.rügtE.,  daßSchürer^  2, 317  sogar  verallgemeinernd 
schreibe:  „Überhaupt  machten  dieRabbinen  überall  auf  den  ersten  Rang 
Anspruch"  u.  er  behauptet:  „Bei  Gastmählern  saß  man  nach  dem  Alter, 
s.  BB  120'\"  —  Aber  der  letzte  Satz  ist  irreführend,  da  man  in  der  älteren 
Zeit  nach  dem  Ansehn  zu  Tische  gelegen  hat  (s.  oben),  u.  auch  die  ersten 
Sätze  sind  nicht  richtig.  TM^g  4,  21  (227)  heißt  es:  Wie  saßen  (in  den 
Synagogen)  die  Ältesten  {ü^:pi  =  Gelehrte)?  Ihr  Angesicht  war  dem 
Volke  zugewandt  u.  ihr  Rücken  dem  Heiligen  (d.  h.  dem  Toraschrank).  — 
Die  Gelehrten  haben  hiernach  in  den  Synagogen  nicht  inmitten  des 
übrigen  „Volkes"  gesessen,  sondern  haben  bevorzugte  Plätze  inne- 
gehabt. Vielleicht  hat  das  Streben  nach  Ehrenplätzen  in  den  Synagogen 
erst  in  Jesu  Tagen  seinen  Anfang  genommen;  die  Tosephtastelle  würde 


*  Der  Chakham  (identisch  mit  dem  a'-:t^,-o  =  Vorzüglichster  des  Gelehrtenkollegiums) 
ist  der  Referent,  bezw.  der  Diskussionsleiter. 

58* 


9  1 6  Matth  23,  6  (S).  23,  7  (Nr.  1 ) 

dann  beweisen,  dafs  dies  Streben  von  Erfolg  gewesen  ist.  Wenn  aber 
Mt  über  eine  geringfügige  Einzelheit,  die  selbst  jüdische  Gelehrte  von 
Ruf  heute  noch  in  Abrede  stellen,  sich  genau  unterrichtet  erweist,  darf 
man  auch  der  ganzen  Polemik  in  Kap.  23  Vertrauen  entgegenbringen. 

pPea  8, 2 1 1»,  44 :  Ein  Blinder  kam  nach  dem  Wohnort  des  R.  Elicezer  b.  Jacaqob 
(um  150).  R.  El.  setzte  sich  unter  ihn.  Man  dachte:  „Wenn  das  nicht  ein  angeseliener 
Mann  wäre,  so  hätte  sich  R.  El.  b.  J.  nicht  unter  ihn  gesetzt",  u.  so  sorgte  man  in 
ehrenvollster  Weise  für  seine  Verpflegung.  Er  sprach:  Warum  dies?  Sie  antworteten: 
R.  El.  hat  sich  unter  dich  gesetzt.  Da  betete  er  dieses  Gebet  für  ihn:  Du  hast  Liebe 
erwiesen  einem,  der  gesehen  wird  u.  nicht  sieht  (vgl.  pSch'q  5, 49b,  18);  der,  welcher 
sieht  u.  nicht  gesehen  wird  (d.  h.  Gott),  nehme  deine  Freundlichkeit  (wörtlich:  Be- 
sänftigung) an  u.  vergelte  dir  Liebe!  —  Ob  der  Vorfall  in  einer  Synagoge  oder  in  einem 
Lehrhaus  sich  zugeti'agen  hatV  Jedenfalls  zeigt  die  Stelle,  daß  die  Menge  daran  ge- 
wöhnt war,  aus  der  Platzordnung,  die  die  Gelehrten  beobachteten,  auf  deren  Ansehn 
zu  schließen.  Die  Platzfrage  kann  also  mindestens  keine  nebensächliche  Frage  für  die 
jüd.  Gelehrten  gewesen  sein.  ||  Wie  sehr  die  Rüge  Jesu  am  Platze  war,  beweist  auch 
folgender  Ausspruch  des  Schinicon  b.  cAzzai  (um  110)  AbothRN  25:  Rücke  von  deinem 
(dem  dir  zukommenden)  Platz  zwei  oder  drei  Stufen  hinunter.  Es  ist  dir  besser,  daß 
man  zu  dir  sage:  , Rücke  herauf,  als:  „Rücke  hinunter!"  s.  Spr25,  7:  Besser  ist  es, 
daß  man  zu  dir  sage:  „Rücke  herauf"!  als  daß  man  dich  erniedrige  vor  einem  Vor- 
nehmen, den  deine  Augen  gesehen  haben.  —  Die  Parallelstelle  LvR  1  (105*^)  bei 
Mt  18,  4.  —  Wenn  die  gewünschte  Bescheidenheit  immer  geübt  worden  wäre,  hätte 
Ben  tAzzai  sie  in  dieser  Weise  nicht  zu  fordern  brauchen.  ||  Tacan21t':  Rab  Nachman 
b.  Chisda  (um  800,  der  ein  allgemeines  Fasten  angeordnet  hatte)  sagte  zu  Rab  Nach- 
man b.  Ji^chaq  (f  o56,  der  beim  Fastengottesdienst  unter  den  gewöhnlichen  Leuten  saß, 
vgl.  Rasclii):  Es  stehe  doch  der  Herr  auf  u.  komme  zu  uns!  Er  antwortete:  Wir  haben 
gelernt:  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Nicht  der  Platz  (Ort)  eines  Menschen  ehrt  diesen, 
sondern  der  Mensch  ehrt  seinen  Platz.  Denn  so  finden  wir  es  beim  Berge  Sinai:  so- 
lange die  Sch^khiua  (Gottheit)  auf  ihm  weilte,  sagt  die  Tora  Ex  33,  3:  Auch  das  Klein- 
vieh u.  das  Rindvieh  darf  nicht  gegen  diesen  Berg  hin  weiden.  Als  aber  die  Sch'^khina 
sich  von  ihm  entfernt  hatte,  sagt  die  Tora  Ex  19,  13:  Wenn  man  das  Widderhorn  bläst, 
sollen  sie  an  den  Berg  emporsteigen.  Ebenso  finden  wir  es  bei  der  Stiftshütte  in  der 
Wüste:  solange  sie  aufgeschlagen  war,  sagt  die  Tora  Nu  5,  2:  Sie  sollen  jeden  Aus- 
sätzigen .  .  .  aus  dem  Lager  fortschicken.  Waren  aber  die  Vorhänge  (der  Stiftshütte) 
zusammengerollt,  dann  durften  mit  Fluß  Behaftete  u.  Aussätzige  dort  hineinkommen. 
Da  sagte  er  zu  ihm:  Wenn  dem  so  ist,  dann  wollen  wir  aufstehn  u.  zu  dem  Herrn 
kommen.  Man  antwortete  ihm  (dem  Rab  Nachman  b.  Chisda):  Es  ist  besser,  daß  die 
Mine,'  die  von  einer  halben  Mine '  stammt,  zur  Mine,  die  von  einer  ganzen  Mine  stammt, 
geht,  als  daß  die  Mine,  die  von  einer  ganzen  Mine  stammt,  zur  Mine,  die  von  einer 
halben  Mine  stammt,  geht.  —  Auch  diese  Stelle  zeigt,  daß  die  Gelehrten  in  den  gottes- 
dienstlichen Versammlungen  bevorzugte  Plätze  innehatten. 

23,7:  „Rabbi"  genannt  werden. 
1.  'Paßßst,  ir-  „mein  Herr",  „mein  Lehrer",  y-j  in  der  Bedeutung 
„Lehrer"  schon  im  Munde  des  um  110  v.  Chr.  lebenden  J^hoschua? 
b.  Pn-achja:  Schaffe  dir  einen  Lehrer  nn  u.  erwirb  dir  einen  Studien- 
genossen -an  Aboth  1,6.  —  Gegen  Ende  des  1.  Jahrb. s  n.  Chr.  wird  ist 
Titel  der  palästinischen  Gesetzeslehrer,  wobei  das  Personalsuffix  seine 

1  o-r  •]3  r.:-2  wörtlich:  Mine,  Sohn  der  Hälfte;  „Mine"  bildliche  Bezeichnung  eines 
anerkannten  Gelehrten,  „halbe  Mine"  Bezeichnung  eines  mittelmäßigen  Gelehrten.  Beide 
Rab  Nachman  sind  Minen,  aber  Chisda,  der  Vater  des  einen,  ist  größer  als  Ji^chaq, 
der  Vater  des  andren. 


Matth  23,  7  (Nr.  1 .  2j.  23,  8  (?lj  9  1 7 

ursprüngliche  Bedeutung  verlor  (vgl.  „monsieur");  ^  in  Babylonien  be- 
diente man  sich  des  Titels  ::n.  ||  -z-:  „unser  Lehrer"  findet  sich  als  ehrender 
Titel  des  Jochanan  b.  Zakkai,  f  um  80,  u.  einiger  Nachkommen  Hillels 
(s.  Einl.  120(J),  ist  nach  Dalman,  Worte  Jesu  1,  273,  „die  ältere  jüdische 
Bezeichnung  des  von  der  römischen  Regierung  anerkannten  Hauptes  der 
Juden"  (doch  wird  schon  Gamliel  I.  Rabban  genannt).  Das  T^Eduj  3,  4 
(360)  über  den  Unterschied  von  Rabbi  u.  Rabban  Gesagte  ist  nicht  von 
Belapg.  Gamliels  III.  Vater,  J'^huda  L,  heißt  kurzweg  „Rabbi",  ■äi^j^ri  ^lai 
„unser  heiliger  Lehrer",  oder  x-rrri  „Fürst,  patriarcha",  welcher  Titel 
auch  seinen  Nachfolgern  eignete. 

2.  Im  NT  ist  „Rabbi"  ehrende  Anrede  „mein  Herr,  mein  Meister". 
Ebenso  wird  Hillel  LvR34  (130'^^)  zweimal  angeredet  (s.  bei  Mtl3,3 
S.  654  f.),  u.  die  Schüler  des  Nachum  aus  Gimzo  (um  90)  fragen  ihren 
Meister,  obgleich  er  den  Titel  „Rabbi"  nicht  führte,  mit  der  Anrede 
„Rabbi" ,  s.  Ta^an  21^  Ferner  s.  Mak  24^  bei  Mt  23,9  S.  919 ;  AbothRN  14 
bei  Mt  25, 14  ff.  Nr.  2. 

23,8  51:  Ihr  aber  sollt  euch  nicht  „Rabbi"   nennen  lassen. 

Warnung  vor  Ehrsucht. 

Abotli  1, 13:  Hillel  (um  20  v.  Chr.)  pflegte  zu  sagen:  Wer  sich  eiuen  Namen  machen 
will,  büßt  den  Namen  ein  .  .  .  u.  wer  sich  der  Krone  (des  Torastudiums  für  selbstische 
Zwecke)  bedient,  schwindet  dahin.  —  Aboth  4,  5  s.  bei  23,  5  5t.  ||  Das.  6,  4 :  Suche 
nicht  Größe  für  dich  u.  verlange  nicht  nach  Ehre.  Über  dein  Lernen  hinaus  handle 
(gute  Werke  gelten  mehr  als  das  Studium)  u.  laß  dich  nicht  gelüsten  nach  den  Tischen 
der  Könige;  denn  dein  Tisch  ist  größer  als  ihr  Tisch  u.  deine  Krone  größer  als  ihre 
Krone,  u.  zuverlässig  ist  dein  Arbeitsherr  (Gott),  daß  er  dir  den  Lohn  deiner  Arbeit 
auszahlen  wird.  —  SDt  11,22  §48  (84b):  „.Jahve  euren  Gott  zu  lieben"  Dt  11,22.  Viel- 
leicht möchtest  du  sagen :  Siehe,  ich  will  Tora  lernen,  damit  ich  ein  Gelehrter  heiße, 
damit  ich  einen  Sitz  in  der  Akademie  erlange,  damit  ich  lange  lebe  in  der  zukünftigen 
Welt;  darum  sagt  die  Schrift  lehrend:  „Zu  lieben  Jahve  euren  Gott."  Lerne  überall 
(ohne  Nebenabsichten),  schließlich  wird  (auch)  die  Ehre  kommen.  Und  so  heißt  es 
Spr  4, 22 :  Leben  sind  die  Worte  der  Tora  für  jeden,  der  sie  erlangt,  u.  seinem  ganzen 
Leibe  Heilung.  Und  3, 18:  Ein  Lebensbaum  ist  sie  denen,  die  sie  ergreifen,  u.  wer  sie 
festhält,  ist  glückselig.  Und  4,  9:  ,Sie  wird  deinem  Haupte  einen  anmutigen  Kranz 
verleihen;  sie  wird  dich  mit  einer  prangenden  Krone  beschenken",  „einen  anmutigen 
Kranz"  in  dieser  Welt,  „mit  einer  prangenden  Krone  wird  sie  dich  beschenken"  in  der 
zukünftigen  Welt.  Und  3,  16:  „Dauer  der  Tage  ist  in  ihrer  Rechten",  nämlich  in  der 
zukünftigen  Welt,  „u.  in  ihrer  Linken  Ehre  u.  Reichtum",  nämlich  in  dieser  Welt. 
R.  El'azar  b.  ^adoq  (I.,  um  100)  sagte:  Übe  die  Worte  der  Tora  um  ihrer  Ausübung 
willen,  rede  von  ihnen  um  ihrer  selbst  willen.  Und  also  pflegte  er  zu  sagen:  Wenn 
das  Leben  BelsaQars,  weil  er  sich  der  Geräte  des  Heiligtums  bediente,  die  doch  profane 
Geräte  waren,  aus  dieser  Welt  u.  aus  der  zukünftigen  Welt  entwurzelt  wurde  —  um 
wieviel  mehr  gilt  dann  von  dem,  der  sich  des  Gerätes,  durch  welches  diese  u.  die  zuk. 
Welt  erschaö"en  wurde  (d.  h.  der  Tora)  bedient  (für  selbstische  Zwecke),  daß  sein  Leben 
aus  dieser  u.  der  zuk.  Welt  entwurzelt  werde!  —  Dasselbe  mit  Erweiterungen  als  Bar 
N*^d  62-'»;  hier  als  Anfangsworte:  Es  soll  der  Mensch  nicht  sagen:  Ich  will  die  Schrift 
studieren,  damit  man  mich  einen  Gelehrten  nenne;  ich  will  den  Traditionsstoff  (Mischna) 

^  Später  wurde  der  Titel  „Rabbi"  durch  Ordination  verliehen;  Nichtordinierte 
wurden  bei  ihrem  bloßen  Namen  genannt. 


918  Matth  23,  8  (51.  SB.  6).  23,  9  (Nr.  1.  2) 

studieren,  damit  man  mich  „Rabbi"  nenne,  damit  ich  ein  Altester  "t  werde  u.  einen 
Sitz  in  der  Akademie  erlange  u.sw.  —  Den  Gedanken,  den  R.  ElEazar  b.  (^adoq  aus 
Belsa^ars  Geschick  gefolgert  hat,  spricht  fast  mit  denselben  Worten  R.  Jochanan,  f  279, 
aus  Wä  62a.  \\  SDt  11,  13"§41  (79^):  Jahve  euren  Gott  zu  lieben"  Dt  11, 13.  Vielleicht 
möchtest  du  sagen:  Siehe,  ich  will  die  Tora  studieren,  damit  ich  reich  werde  u.  damit 
ich  „Rabbi"  genannt  werde  u.  damit  ich  Lohn  empfange;  deshalb  sagt  die  Schrift 
lehrend:  „Zu  lieben  Jahve  euren  Gott."  Alles  was  ihr  tut,  sollt  ihr  nur  aus  Liebe  tun. 

23,8  S:  Einer  ist  euer  Lehrer,   v^nwi-  o  6i6ccaxa?.oc,  aram.  =  ■'idsi':!. 

In  formeller  Hinsicht  ist  vergleichbar  Aboth4,  8:  R.  Jischma^el 
b.  Jose,  um  180,  pflegte  zu  sagen:  Sei  nicht  allein  Richter;  denn  allein 
richtet  nur  einer  (nämlich  Gott)  nns  xbx  in-in''  -i  ■|"'5<ir. 

23,8  (f:  Ihr  alle  seid  Brüder, 

Zur  Anrede:   „mein  Bruder",  „unsre  Brüder"  s.  bei  Apg  23, 1  u.  bei  Mt  5,22  SB. 

23,9:  Einen  Vater  von  euch  sollt  ihr  nicht  auf  Erden  nennen. 

1.  Nach  Bn^akh  16''  Bar  sollen  nur  die  drei  Patriarchen  Abraham, 
Isaaku,  Jakob  „Väter"  genannt  werden:  Man  nennt  „Väter"  t'idn  nur  die 
drei,  u.  man  nennt  „Mütter"  r^rtizii  nur  die  vier  (Sara,  Rebekka,  Lea  u. 
Rahel).  —  Unter  dem  Ehrennamen  „Väter"  oder  „Väter  der  Welt"  wird 
denn  auch  tatsächlich  oftmals  von  den  drei  Stammvätern  Israels  geredet. 

Brakh'iet»:  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Die  Gebete  (d.  h.  das  drei- 
malige Beten  morgens,  nachmittags  u.  abends)  haben  die  Väter  angeordnet.  —  Wer 
hier  unter  den  „Vätern"  zu  verstehen  ist,  zeigt  die  dann  folgende  Bar:  Abraham  hat 
das  Morgengebet  angeordnet;  Isaak  das  Nachmittagsgebet;  u.  Jakob  das  Abendgebet.  || 
RH  10  b  Bar:  R.  Elicezer  (um  90)  sagte:  Im  Tischri  wurden  die  Väter  (Abraham  u.  Jakob) 
geboren,  im  Tischri  sind  die  Väter  gestorben;  am  Passahfest  wurde  Isaak  geboren.  .  .  . 
R.  J'^hoschua«  sagte:  Im  Nisan  wurden  die  Väter  geboren,  im  Nisan  sind  die  Väter  ge- 
storben; am  Passahfest  wurde  Isaak  geboren.  Weitere  Beispiele  s.  M^hEx  16, 10(56t>); 
17,9(61b);  17,12(62a).  SLv  26,42  (458a);  TK'^r  4, 15  (567).  ||  „Väter  der  Welt"  zB 
Midr  Ps  8  §4  (38bj:  Als  Gott  Israel  die  Tora  geben  wollte,  sprach  er  zu  ihnen:  Stellet 
mir  Bürgen,  daß  ihr  die  Tora  halten  werdet!  Sie  sprachen  zu  ihm:  Siehe,  die  Väter 
der  Welt  aViyn  n^as  sind  Bürgen  für  uns.  —  In  MidrHL  1,4  (851»),  wo  R.  Meir,  um  150, 
als  Autor,  steht  dafür  „unsre" Väter";  in  Tanch  it-J'i  50l>  werden  auch  die  Namen  der 
drei  Erzväter  genannt.  ||  TanchB  t->3  §11  (98*):  So  haben  unsre  Lehrer  gelehrt:  Man 
betet  nicht  mehr  als  die  drei  Gebete,  die  die  Väter  der  Welt  angeordnet  haben.  — 
Ferner  s.  Tanch  yp^s  49*;  Midi- Ps  55  §  1  (146a);  aramäisch  a-ihy  rr.z^^  TargJeruschl 
Dt  28, 15;  TargPs68, 16;  99,6. 

2.  Die  Bar  in  Nr.  1  ist  nicht  ein  striktes  Verbot.  Schon  der  Name  des 
Mischnatraktats  rinx  beweist,  daß  :n,  determiniert  n^n  kein  seltener  Ehren- 
name Gelehrter  oder  sonst  angesehener  Männer  gewesen  ist.  Vgl.  ferner: 

(Eduj  1,4:  Warum  werden  die  Worte  Schammais  u.  Hillels  zwecklos  erwähnt  (da 
die  Halakha  in  den  vorliegenden  Fällen  sich  nicht  nach  ihnen  gerichtet  hat)?  Um  die 
künftigen  Geschlechter  zu  lehren,  daß  ein  Mensch  nicht  auf  seinen  Worten  bestehen 
soll;  denn  siehe,  die  „Väter  der  Welt"  (d.  h.  Seh.  u.  H.)  haben  auf  ihren  Worten  nicht 
bestanden.  —  Auch  R.  Jischma<el  u.  R.  cAqiba  werden  „Väter  der  Welt"  genannt 
pRH  1,56^21  u.  pScheq3,47b,22:  R.  Jirm^ja  (um  320)  u.  R.  Meascha  (IL,  um  320)  haben 
im  Namen  des  R.  Sch'muel  b.  Ji^-chaq  (um  300)  gesagt,  daß  über  den  Zeitpunkt  der 
Viehverzehntung  die  Väter  der  Welt  verschiedener  Meinung  gewesen  seien.  Wer  waren 
jene  Väter  der  Welt?  R.  Jona  (um  350)  hat  vor  R.  Jirm'^ja  als  tannaitische  Tradition 
gelehrt:  R.  Jischmacel  u.  R.  tAqiba  (waren  es).  —  Weitere  Beispiele  s.  bei  Mk  11,  10.  — 


Matth  23, 9  (Nr.  2.  3).  23, 10  919 

Das  Ehrenprädikat  „Abba"  ist  einer  großen  Anzahl  von  Namen  beständig  vorangesetzt, 
so  daß  es  mit  diesen  allmählich  wie  zu  einer  Einheit  verwachsen  erscheint.  Beispiele 
aus  älterer  Zeit:  Abba  Chilqijja  (um  50  n.  Chr.),  Abba  Scha'ul  b.  Batnith  (um  70),  Abba 
Jose  b.  Jochanan  aus  Jerusalem  (um  70),  Abba  Chanin  (um  140),  Abba  Chalaphta  (um  120), 
Abba  Jose  aus  Machoz  (um  140),  Abba  SchaJul  (um  150),  Abba  Kohen  aus  Bardala 
(um  150?),  Abba  Jose  b.  Dos'^thai  (um  160),  Abba  Jose  b.  Chanin  (um  180),  Abba  Gorjon 
aus  Sidon  (um  180?),  Abba  Eltazar  b.  Gamla  (um  200),  Abba  Binjamin  u.  Abba  Doresch 
(zwei  Tannaiten  unbestimmter  Zeit).  —  Eine  Bar  B'^rakh  Ißt»  verbietet  die  Verwendung 
der  Ehrenbezeichnung  „Abba"  nur  in  bezug  auf  Sklaven,  u.  selbst  dies  hat  Rabban 
Gamliel  in  seinem  Hause  nicht  beobachtet.  Die  Bar  lautet:  Sklaven  u.  Sklavinnen  nennt 
man  nicht  „Vater"  NN  u.  „Mutter"  NN;  aber  die  des  Rabban  Gamliel  (um  90)  nannte 
man  „Abba"  NN  u.  „Imma"  («T^^)  NN.  Das  ist  ja  ein  Vorfall,  der  (die  Bar)  aufhebt! 
Es  geschah,  weil  sie  angesehen  waren.  —  Parallelstelle  pNidda  1,49^,  43. 

3,  Als  Anrede  an  Gelehrte  ist  ^::n  mein  Vater,  aram.  nsn,  nicht 
üblich  gewesen. 

Mak  24»:  Wenn  der  König  Josaphat  einen  Gelehrtenschüler  sah,  stand  er  von  seinem 
Thron  auf,  umarmte  u.  küßte  ihn  u.  redete  ihn  an  „mein  Vater  mein  Vater,  mein  Lehrer 
mein  Lehrer,  mein  Herr  mein  Herr",  ■-'o  -t's  ^z-  'z^  '-s  '=s.  Die  Worte  -as  "sx  stehen 
weder  in  der  Handschrift  München  noch  in  der  Parallelstelle  K^'th  103  b.  Und  auffallend 
ist,  daß  da,  wo  das  AT  selbst  gerade  zu  dieser  Anrede  aufforderte  (2Kg2, 12;  5,13; 
6,21;  13,  14)  der  Prophetentargum  für  -ns  setzt  -a^  „mein  Lehrer"  oder  ^^^  „mein 
Herr".   Auch  1  Sm  24,  12  ist  -as  übersetzt  mit  -:•-•:  =  mein  Herr. 

23,9:  Einer  ist  euer  Vater  der  himmlische,  s.  bei  6, 4. 
23, 10:  Au  ch  sollt  ihr  euch  nicht  Führ  er  x«r>?^yi^Ta/'nennen  lassen. 
Durch  Lightfoot  (zu  23,  7)  ist  es  übljch  geworden,  n-\iy2  als  das 
rabbinische  Äquivalent  von  xa^rjyrjrrjg  anzusehen.  Aber  wo  der  gegen- 
wärtige Talmudtext  die  Anrede  ini-a  hat,  ist  zu  lesen  ^y2  „mein  Herr". 
Daraus  hat  Dalman,  Worte  Jesu  1, 276,  den  Schluß  gezogen,  daß  Mt  23, 10 
nur  eine  andre  Rezension  von  Vers  8  sei,  u.  daß  ein  besonderes  semitisches 
Äquivalent  zu  xft^/yy/yrj^'g  nicht  gesucht  zu  werden  brauche.  Will  man 
ein  solches,  so  kann  man  an  D3"3,  sö3"5  oder  an  rrn?^  denken. 

a.  z:-t.  B'Yakh28a:  R.  J^hoschuac  (um  90)  sagte  zu  Rabban  Gamliel  (IL):  Wehe 
dem  Zeitalter,  dessen  Führer  c:-e  (Versorger,  Vorsteher)  du  bist,  der  du  die  Not  der 
Gelehrtenschüler  nicht  kennst  bei  dem,  womit  sie  sich  erhalten  u.  ernähren.  |1  <Arl7a: 
Geteilter  Meinung  waren  über  ■r-'^  ^-i  Ps  24,  6  der  Patriarch  R.  J'huda  IL  (um  250) 
u.  die  Rabbinen.  Der  eine  (wohl  die  letzteren)  sagte:  Eine  Generation  entspricht  dem 
Führer  zi-t;  u.  der  andre  sagte:  Der  'z  entspricht  seiner  Generation.  1|  Ta<an  9»:  R.Jose 
b.  J^'huda  (um  180)  sagte:  Drei  gute  wc:-z  sind  den  Israeliten  erstanden,  nämlich  Mose, 
Ahron  u.  Mirjam,  u.  drei  gute  Gaben  sind  durch  sie  (oder  ihretwegen)  gegeben  worden: 
der  Brunnen  (der  Israel  durch  die  Wüste  begleitete),  die  Wolke  u.  das  Manna.  —  Sehr 
häufig  ist  '•:  Bezeichnung  des  Gemeindevorstehers.  pPea  8,  21»,  31 :  Man  wollte 
den  R.  'Aqiba  zum  ':  ernennen;  da  sagte  er  zu  ihnen:  Ich  will  mich  (erst)  mit  meiner 
Frau  beraten.  ||  Sanh  92 a;  R.  ElSazar  (um  270)  hat  gesagt:  Jeder  't,  der  die  Gemeinde 
mit  Sanftmut  geleitet  hat  ;"n:':,  der  ist  würdig,  daß  er  sie  in  der  zukünftigen  Welt 
leitet,  s.  Jes  49, 10.  ||  pPea  8,  21  a,  17:  R.  Chelbo  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Ba  bar 
Zabda  (um  270)  gesagt:  Man  stellt  als  Parnasin  nicht  weniger  als  drei  an.  .  .  .  R.  Jose 
(b.  Chanina,  um  270)  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  (t279)  gesagt:  Man  stellt  zwei 
Brüder  nicht  (zu  gleicher  Zeit)  als  P.  an. 

b.  :--:a.  BB  91  a;  Rab  Chanan  b.  Rabba  sa^  (um  250)  hat  gesagt,  Rab  (t  247)  habe 
gesagt:  An  jenem  Tage,  da  unser  Vater  Abraham  von  der  Welt  schied,  stellten  sich 


920  Mattli23,  10. 11 

alle  Großen  der  Völker  der  Welt  in  der  Traaerreihe  auf  u.  sprachen:  Wehe  der  Welt, 
die  ihren  Führer  ij-n:-:  verlor,  u.  wehe  dem  Schiff,  das  seinen  Steuermann  verlor!  || 
ExR40  (97  a):  Gott  holte  dem  Mose  das  Buch  des  ersten  Menschen  u.  zeigte  ihm  (darin) 
alle  Geschlechter,  die  auftreten  werden  von  der  Weltschöpfung  an  bis  hin  zur  Auf- 
erstehung der  Toten,  jedes  Geschlecht  samt  seinen  Königen,  jedes  Geschlecht  samt 
seinen  Führern  v;-n:>3,  jedes  Geschlecht  samt  seinen  Propheten.  Ähnliche  Aufzählungen 
s.  pesiqR23(115a);  TanchB  i^r^rsi  §6(6b).  ||  Gott  als  Führer  der  Welt  GnR  39  {2S''): 
Jahve  sprach  zu  Ahram:  „Geh  aus  deinem  Lande"  usw.  (Gn  12,  1).  ...  R.  Ji9chaq 
(um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einem,  der  von  Ort  zu  Ort  zog  u.  eine  Burg  brennen  sah; 
er  sprach  (bei  sich  selbst):  Man  möchte  meinen,  daß  diese  Burg  ohne  Führer  ;-r!;^3  s;a 
ist.  Da  blickte  der  Herr  der  Burg  auf  ihn  u.  sprach  zu  ihm:  Ich  bin  der  Herr  der 
Burg!  Ebenso  als  unser  Vater  Abraham  dachte,  man  könnte  meinen,  daß  diese  Welt 
ohne  Führer  ;-r:'3  sVa  sei,  blickte  Gott  auf  ihn  u.  sprach  zu  ihm:  Ich  bin  der  Herr 
der  Welt!  1|  Tanch  d-:e  2401»:  Mose  sprach  zu  Gott:  Wenn  du  einen  Führer  j-nj*;  über 
sie  (Israel)  setzen  willst,  so  setze  einen  Menschen  über  sie,  der  jeden  nach  seiner 
Sinnesart  verträgt.  —  Als  Anrede  wird  weder  ~^~t  noch  ;-n:"3  gebraucht. 

23,11:  Der  Größere  von  euch  soll  euer  Diener  sein. 
Von  einem  Schüler  verlangte  man  wohl,  daß  er  seinem  Lehrer  diene  ;a 
er  sollte  so  durch  den  täglichen  Umgang,  durch  das  Vorbild  seines  Lehrers 
praktisch  in  die  geltende  Halakha  eingeführt  werden,  b  Aber  daß  ein 
Größerer  der  Diener  eines  Geringeren  sei,  hat  man  wohl  nie  gefordert. 
Und  als  Rabban  Gamliel  (um  90)  tatsächlich  einmal  bei  Tisch  seinen 
Gästen  dienen  wollte,  rief  das  mehr  Staunen  als  Anerkennung  hervor,  c 

a.  B^rakh  7  b :  R.  Jochanan  (f  279)  hat  im  Namen  des  R.  Schimcon  b.  Jochai  (um  150) 
gesagt:  Wichtiger  ist  das  Bedienen  der  Tora  {—■  der  Toralehrer)  als  ihr  Studium;  s. 
2  Kg  3, 11 :  Hier  ist  Elisa,  der  Sohn  Schaphats,  welcher  Wasser  auf  die  Hände  des  Elias 
goß.  Der  , gelernt"  hat,  heißt  es  nicht,  sondern  der  „gegossen"  hat.  Das  lehrt,  daß 
ihre  Bedienung  wichtiger  ist  als  ihr  Studium.  |1  B'^rakhi?'»  Bar:  Wenn  einer  auch  die 
Schrift  u.  den  Traditionsstoff  (Mischna)  studiert,  aber  nicht  die  Gelehrtenschüler  be- 
dient hat  (im  tagtäglichen  Umgang  mit  ihnen),  so  ist  er  ein  cAm  ha-are9  (ein  Gesetzes- 
unkundiger). II  K'th96-a:  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt,  R.  Jochanan  (f  279) 
habe  gesagt:  Wer  seinen  Schüler  hindert,  ihm  zu  dienen,  ist  wie  einer,  der  ihm  die 
Liebe  versagt,  s.  Hi  6,  14:  Der  seinem  Freunde  Liebe  entzieht  (so  der  Midr,  vgl.  Raschi). 
Rab  Nachman  b.  Jipchaq  (f  356)  sagte:  Er  ist  auch  wie  einer,  der  die  Gottesfurcht  von 
sich  wirft;  s.  Hi  das.:  Und  die  Furcht  vor  dem  Allmächtigen  wird  er  aufgeben.  i|  Ferner 
s.  Sota  21b  bei  Mt  10,1  S.  527.  ||  Derekh  Ere?  Zuta  8:  (R.  <'Aqiba,  f  um  135)  pflegte  zu 
sagen:  Wer  die  Gelehrten  nicht  bedient,  ist  des  Todes  schuldig. 

b.  Abothö,5:  Durch  48  Dinge  wird  Torakenntnis  erworben:  .  .  .  durch  Studium, 
durch  Hören  des  Ohrs,  durch  Zurüstung  der  Lippen,  durch  Einsicht  des  Herzens,  durch 
Angst,  durch  Furcht,  durch  Demut,  durch  Freude,  durch  Reinheit,  durch  Bedienen  der 
Gelehrten  usw.  —  Geschichtliche  Beispiele  bei  Mt  10,  I  S.  527  f. 

C.  SDt  11 ,  10  §  38  (77  a):  Einmal  lagen  R.  Elifezer  (um  90)  u.  R.  J^hoschuac  u.  R.  ^adoq 
zu  Tische  bei  dem  Hochzeitsmahl  eines  Sohnes  des  Rabban  Gamliel.  Rabban  G.  mischte 
dem  R.  EliEezer  einen  Becher;  aber  dieser  wollte  ihn  (aus  Ehrfurcht  vor  Rabban  G.) 
nicht  annehmen.  R.  J'^hoschuac  nahm  ihn  an.  R.  Eli'ezer  sprach  zu  ihm:  Was  soll  das, 
J^hoschuac,  daß  wir  zu  Tische  liegen  u.  Rabban  G.  steht  u.  bedient!  R.  J'^^hoschuac  ant- 
wortete: Laß  ihn  nur  bedienen!  Abraham,  der  Größte  der  Welt,  hat  die  Dienstengel 
bedient  (Gn  18, 2 ff.).  Gilt  da  nicht  der  Schluß  vom  Größeren  auf  das  Geringere?  Wenn 
Abraham,  der  Größte  der  Welt,  die  Dienstengel  bedient  hat,  obwohl  er  sie  für  götzen- 
dienerische Araber  hielt,  sollte  da  Rabban  G.  nicht  uns  bedienen?  Da  sprach  zu  ihnen 
R.  Qadoq  (so  lies  statt  R.  Ji^chaq):  Ihr  laßt  die  Ehre  Gottes  dahinten  u.  befaßt  euch 


Matth23, 11.12.  13  (511)  921 

mit  der  Ehre  von  Fleisch  u.  Blut:  Der,  welcher  sprach  u.  es  ward  die  Welt,  läßt  die 
Winde  wehen  u.  die  Dünste  u.  Wolken  aufsteigen  u.  die  Regengüsse  niederfallen  u. 
das  Aufsprießende  wachsen  u.  richtet  den  Tisch  her  für  jedermann  —  da  sollte  uns 
Gamliel,  der  Rabbinensohn,  nicht  bedienen?  —  Parallelstellen  mit  Abweichungen 
M^kh  Ex  1 8, 1 2  (67  a)  s.  bei  Lk  22, 27 ;  Qid  32  b.  In  Midr  Spr  9,  2  (3 1  b)  ist  T^'bi,  der  Sklave 
des  Rabban  G.,  für  diesen  genannt,  u.  R.  EUazar  b.  cAzarja  (um  100)  sagt,  daß  er  wohl 
eigentlich  den  T^bi  bedienen  müßte. 

23, 12:  Wer  sich  selbst  er  höhen  wird,  derwird  erniedrigt  werden, 
u.  wer  sich  selbst  erniedrigen  wird,  der  wird  erhöhet  werden. 

!Er  13  b,  35:  Wer  sich  selbst  erniedrigt,  den  wird  Gott  erhöhen,  u.  wer  sich  selbst 
erhöht,  den  wird  Gott  erniedriegen.  Wer  der  Größe  nachläuft  (d.  h.  nach  Ehren  strebt), 
vor  dem  flieht  die  Größe;  u.  wer  vor  der  Größe  flieht,  dem  läuft  sie  nach.  Wer  die 
Stunde  (das  Geschick)  drängt,  den  drängt  die  Stunde;  u.  wer  von  der  Stunde  sich 
drängen  läßt,  dem  steht  die  Stunde  bei.  —  (Die  3.  Sentenz  auch  sonst  mehrfach,  zB 
B'^rakh  64  a  im  Munde  des  R.  Abin  I.,  um  325,  IL,  um  370.)  H  Derekh  EreQ  Zuta  9:  Wenn 
du  dich  selbst  erniedrigst,  so  wird  dich  Gott  erhöhen;  aber  wenn  du  dich  selbst  groß 
machst  vor  deinen  Genossen,  so  wird  dich  Gott  erniedrigen.  (In  Ausg.  Amsterdam  I 
Kap.  5  fehlt  der  erste  Satz.)  ||  Tanch  s^p^-i  133»;  Des  Menschen  Hochmut  wird  ihn  er- 
niedrigen; aber  der  Demütige  wird  Ehre  erlangen,  s.  Spr  29, 23.  Wer  der  Herrschaft 
(dem  Herrschenwollen)  nachläuft,  vor  dem  flieht  die  H. ;  wer  aber  vor  der  Herrschaft 
flieht,  dem  läuft  die  H.  nach.  (Geschichtliche  Beispiele:  Saul  u.  Mose  einerseits;  Abi- 
melekh,  Sohn  des  Jerubba'al,  andrerseits.  ||  Sanh  17 *:  Jahve  sprach  zu  Mose:  Ver- 
sammle mir  siebzig  Männer  Nu  11, 16.  Da  sprachen  Eldad  u.  Medad:  Wir  sind  nicht 
geeignet  zu  jener  Größe  (Würde).  Gott  sprach:  Weil  ihr  euch  selbst  gering  gemacht 
habt,  siehe,  so  will  ich  Größe  zu  eurer  Größe  hinzufügen.  1|  AbothRN  11:  R.  Jose  (um  150) 
sagte:  Steige  hinab  empor  u.  steige  empor  hinab.  Wer  sich  selbst  erhöht  wegen  der 
Worte  der  Tora,  den  wird  man  (=  Gott)  schließlich  erniedrigen,  u.  wer  sich  selbst 
wegen  der  Worte  der  Tora  erniedrigt,  den  wird  man  schließlich  erhöhen.  |1  Ferner  s. 
bei  Mt5,3  Nr.  8  S.  192  ff.;  5, 19  S.  249  f.  u.  18,4  8.774. 

23, 13  31:  Wehe  aber  euch,  ihr  Schriftgelehrten  u.  Pharisäer, 

ihr  Heuchler. 

1.  Rabbinische  Zeugnisse  über  heuchlerische  Pharisäer  s.  im  Exkurs; 
„Phar.  u.  Sadd."  Nr.  2.  —  Wir  fügen  hier  hinzu: 

pJ^'b  13,  13  ^  33:  Es  kam  einmal  eine  Chali9a- Angelegenheit  (Vermeidung  der 
Leviratsehe  durch  die  Zeremonie  des  Schuhausziehens)  vor  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280). 
Er  sprach  zu  dem  Levir:  Mein  Sohn,  diese  Frau  (die  Schwägerin)  will  sich  mit  dir 
nicht  auf  dem  Wege  der  Leviratsehe  verehelichen;  laß  sie  also  die  Zeremonie  des 
Schuhausziehens  vornehmen  u.  nimm  ihre  Verpflichtung  dir  gegenüber  von  ihr;  so  kann 
sie  sicli  auf  dem  Wege  (nicht  erzwungener)  Verheiratung  mit  dir  vermählen.  (So  sagte 
R.  Chijja  b.  Abba,  um  die  Verheiratung  zu  hintertreiben;  denn  er  wußte,  daß  der  von 
ihm  empfohlene  Weg  nicht  gangbar  sei.)  Nachdem  der  Levir  sie  die  Zeremonie  des 
Schuhausziehens  hatte  vornehmen  lassen,  sprach  R.  Chijja  b.  A.  zu  ihm:  Wenn  Mose 
U.Samuel  kämen,  könnten  sie  es  nicht  erlauben  (daß  sie  deine  Frau  wird)!  Da  rief 
jener  über  ihn  aus:  Weise  sind  sie,  um  Übles  zu  tun;  aber  Gutes  zu  tun  verstehen 
sie  nicht  (Jer  4,  22).  Vgl.  J'^b  106=*.  ||  Midr  Esth  1,  3  (85  b).  (Bar  im  Namen  des  R.  Nathan, 
um  160:)  Zehn  Teile  (Portionen)  Heuchelei  sind  in  der  Welt,  neun  (davon)  sind  in 
Jerusalem  u.  einer  in  der  ganzen  übrigen  Welt,  s.  Jer  23,  15:  Von  den  Propheten 
Jerusalems  ist  Heuchelei  (so  heid-  im  Sinn  des  Midr)  ausgegangen  ins  ganze  Land.  — 
In  der  Parallele  Qid  49b  fehlt  dieser  Satz;  dagegen  findet  sich  hier  eine  Zwischen- 
bemerkung des  R.  Jochanan  (f  279)  über  den  Scheffel  Schlechtigkeit  Sach  5,  8ft'. :  Das 
ist  die  Heuchelei  u.  der  Hochmut,    die  auf  Babel  herabgekommen  sind.  —  Die  Aus- 


922  Matth  23, 13(311.2) 

legung  des  R.  Jochanan  findet  sich  auch  in  AbothRN  28:  Du  findest  keine  Heuchelei, 
die  der  H.  von  Babel  gleicht,  s.  Sach  5,  11:  Um  ihr  ein  Haus  zu  bauen  im  Lande 
Sinfar.  —  Zwar  hat  R.  Jonathan  (b.  El?azar,  um  220)  auf  Grund  von  Jes  33,  14  den 
exegetischen  Kanon  aufgestellt,  daß  ~t^:-  in  der  Schrift  immer  r-.:-^  =  „Häresie" 
(so  lies  statt  "i":'^)  bedeute,  s.  GnR48  (30^);  doch  ist,  wie  „Hochmut"  neben  "ntM-  be- 
weist, dieser  Kanon  in  obigen  Stellen  nicht  berücksichtigt  worden;  'r.  bedeutet  an  ihnen, 
wie  fast  durchgängig  im  Rabbiuischen,  „Heuchelei".  — Vgl.  auch  Midr  Qoh  4,  1  bei  Nr.  2. 

2.  Verurteilung  der  Heuchelei. 

B^'rakh  28'"^:  Rabban  Gamliel  II.  (um  90)  hatte  öffentlich  verkündigt:  Ein  Schülei-, 
dessen  Inneres  nicht  wie  sein  Äußeres  ist  (der  sich  anders  stellt,  als  er  denkt),  soll 
nicht  in  das  Lehrhaus  eintreten.  ||  Joma  72b:  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Ein  Gelehrten- 
schüler, dessen  Inneres  nicht  seinem  Äußeren  entspricht,  ist  kein  Gelehrtenschüler.  || 
P's  1131»:  Drei  haßt  Gott:  Wer  eins  mit  dem  Munde  redet  u.  eins  mit  dem  Herzen 
(anders  spricht,  als  er  denkt);  wer  ein  Zeugnis  für  einen  andren  weiß  u.  es  nicht  für 
ihn  ablegt;  wer  etwas  Schändliches  an  einem  andren  wahrnimmt  u.  wider  ihn  als  ein- 
ziger ein  Zeugnis  ablegt.  (Das  Zeugnis  ist  für  die  Sache  zwecklos,  da  zweier  Zeugen 
Aussage  nötig  ist,  aber  nachteilig  für  die  beschuldigte  Person.)  ||  Joma  86  b:  Die  Heuchler 
muß  man  öffentlich  bekannt  machen  um  der  Heiligung  des  göttlichen  Namens  willen. 
(Raschi:  Die  Leute  lernen  von  den  Taten  eines  solchen,  da  sie  ihn  für  einen  Gerechten 
halten;  u.  ferner,  wenn  über  ihn  Strafe  kommt,  sagen  die  Leute:  Was  hat  dem  sein 
Verdienst  [seine  Tugend]  genützt?!)  1|  Sota  411':  R.  El?azar  (um  270)  hat  gesagt:  Ein 
Mensch,  in  welchem  Heuchelei  ist,  bringt  Zorn  in  die  Welt,  s.  Hi  36,  13:  Die  heuch- 
lerischen Herzens  schaffen  Zorn  (so  der  Midr).  Und  nicht  allein  dies,  auch  ihr  Gebet- 
wird  nicht  erhört,  s.  das.:  Sie  flehen  nicht;  denn  er  verwehrt  es  ihnen  (so  der  Midr). . . . 
Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Einen  Menschen,  in  dem  Heuchelei  ist,  verwünschen 
selbst  die  Embrj-os  im  Schoß  ihrer  Mutter,  s.  Spr  24,  24:  „Wer  zum  Schuldigen  spricht: 
Du  hast  recht,  den  verwünschen  Völker,  verfluchen  Nationen."  Unter  „verwünschen" 
ist  nichts  andres  als  „Fluch"  zu  verstehen,  s.  Nu  23,  8,  u.  mit  „Nationen"  ist  nichts 
andres  als  „Embryos"  gemeint,  s.  Gn  25,  23.  Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Ein  Mensch, 
in  welchem  Heuchelei  ist,  fällt  in  den  Gehinnom,  s.  Jes  5,  20:  Wehe  denen,  die  das 
Böse  gut  u.  das  Gute  bös  nennen  usw.  Was  steht  hinterher  geschrieben?  „Darum 
gleichwie  des  Feuers  Zunge  Stoppeln  verzehrt  u.  Heu  in  der  Flamme  verbrannt  wird, 
soll  ihre  Wurzel  wie  Moder  sein"  usw.  Jes  5,  24.  Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Wer 
seinem  Nächsten  gegenüber  heuchelt,  fällt  schließlich  in  seine  Hand;  u.  fällt  er  nicht 
in  seine  Hand,  so  fällt  er  in  die  Hand  seiner  Söhne,  u.  fällt  er  nicht  in  die  Hand 
seiner  Söhne,  so  fällt  er  in  die  Hand  seiner  Enkel,  s.  Jer  28,  6 :  Jer.  sprach  zu  Chananja: 
Amen,  so  soll  Jahve  tun,  es  erfülle  Jahve  deine  Worte.  Und  Jer  37,  13  f.  heißt  es: 
Und  er  (Jer.)  kam  ins  Benjamintor;  dort  aber  war  ein  Befehlshaber  der  Wache  namens 
Jir^ijja,  Sohn  Schelemjas,  des  Sohnes  Chananjas,  u.  der  ergriff  den  Propheten  Jer.  u. 
führte  ihn  zu  den  Fürsten.  Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Jede  Gemeinde,  in  der 
Heuchelei  ist,  ist  verachtet  wie  eine  Menstruierende,  s.  Hi  15,34:  Eine  heuchlerische 
Gemeinde  ist  gemieden  -nas;;  denn  man  pflegt  in  den  Seestädten  eine  Menstruierende 
eine  „Gemiedene"  "-.^^  zu  nennen.  Was  bedeutet  m«;;?  Eine  die  von  ihrem  Mann 
gemieden  wird.  Ferner  hat  R.  Elfazar  gesagt:  Eine  Gemeinde,  in  der  Heuchelei  ist, 
zieht  schließlich  in  die  Verbannung.  Es  steht  hier  (Hi  15,  34)  geschrieben:  Eine  heuch- 
lerische Gemeinde  ist  gemieden;  u.  es  steht  dort  (Jes  49,  21)  geschrieben:  Du  wirst 
in  deinem  Herzen  sprechen:  Wer  hat  mir  diese  geboren,  da  ich  doch  verwaist  u.  ge- 
mieden (r.-.'.^h:),  ins  Exil  gezogen  u.  verstoßen  war?  Rab  Jirm<^ja  b.  Abba  (um  250) 
hat  gesagt:  Vier  Klassen  dürfen  das  Angesicht  der  Sch'^khina  nicht  begrüßen  (können 
Gott  nicht  schauen):  die  Spötter,  die  Heuchler,  die  Lügner  u.  die  Verleumder.  Die 
Spötter,  s.  Hos  7,5:  Er  zieht  seine  Hand  zurück  vor  den  Spottenden  (so  der  Midr); 
die  Heuchler,  s.  Hil3,  16:  Nicht  darf  vor  ihm  ein  Heuchler  erscheinen;  die  Lügner, 
s.  Ps  101,7:  Wer  Lügen  redet,  wird  nicht  bestehn  vor  meinen  Augen;  die  Verleumder, 


Matth23,  13  {%  2.  SB)  923 

s.  Ps  5,  5.  —  Der  Ausspruch  des  Jirm'^'ja  h.  Abba  auch  Sanh  103'^;  anonym  Midr  Ps  101 
§  3  (214'')-  !1  Midr  Qoh  4,  1  (22^*):  „Wiederum  sah  ich  alle  Bedrückungen,  welche  ver- 
übt werden  unter  der  Sonne"  Qoh  4,  1.  R.  Binjamin  (b.  Levi,  um  325)  hat  die  Stelle 
auf  die  Heuchler  des  Torastudiums  ausgelegt.  Alle  Welt  meint,  daß  ein  solcher  ein 
Schriftkundiger  sei,  während  er  kein  Sehr,  ist,  daß  er  ein  Mischnakundiger  sei,  während 
er  kein  M.  ist.  Er  hüllt  sich  in  seinen  Mantel  u.  hat  die  T'^phillin  (Gebetsriemen)  auf 
seinem  Kopf—  „u.  siehe  da,  Tränen  der  Bedrückten  u.  haben  keinen  Tröster"  (Qoh  4,  1). 
Da  spricht  Gott:  An  mir  ist  es,  sie  zu  bestrafen,  s.  Jer48,  10:  Verflucht  sei,  wer  das 
Werk  Jahves  mit  Trug  treibt  (so  der  Midr).  —  Eine  ähnliche  Warnung  vor  heuch- 
lerischem Torastudium  leitet  R.  Binjamin  aus  Qoh  5,  5  ab,  s.  Midr  Qoh  5,  5  (26'5).  — 
Ein  geschichtl.  Beleg  pB'^'rakh  "i,  4<",  6  im  Exkurs  über  die  T'^phillin  Nr.  6  Anm.  n. 

23,1393:Weilihr  das  Himmel  reich  vor  den  Menschen  verschließt. 

Zu  den  „Schlüsseln  des  Himmelreichs"  s.  bßi  16,  19  5t  u.  ^;  über 
„aufschließen"  u.  „zuschließen"  als  Bezeichnung  der  Lehrgewalt  der 
Schriftgelehrten  s.  16, 19  S.  741  Anm.  c. 

Sanh  4415:  R.Jose  b.  Chauina(um270)  hat  gesagt:  Drei  Namen  hat  der  Engel  Gabriel: 
■;--p-2  (der  harte  Worte  Sprechende),  v^V'^  (der  Verstopfende)  u.  "j-^ry  (der  Verschlie- 
ßende). "'p5"E,  weil  er  ein  hartes  Urteil  gegen  Gott  aussprach  (nämlich  wegen  des 
Gottesspruchs  Ezl6,  8);  "i^j'^-s,  weil  er  die  Sünden  Israels  verstopft  (nicht  vor  Gott 
kommen  läßt);  "^^''S,  weil,  wenn  er  zuschließt  (die  Pforte  der  himmlischen  Barm- 
herzigkeit), niemand  wieder  öffnen  kann.  Über  die  r-;ipCE  nii  vgl.  auch  Tanch  pst- 
r!3-2n  32a  u.  TanchB  -^=^n  §5  (28b).  ||  Als  Beleg  für  das  „Zuschließen  des  Himmel- 
reichs" seitens  der  Schriftgelehrten  kann  in  gewissem  Sinn  die  genaue  Feststellung 
derjenigen  Personen  dienen,  die  an  der  zukünftigen  Welt  keinen  Anteil  haben.  Sanh 
10,  1 :  Ganz  Israel  hat  Anteil  an  der  zuk.  Welt;  s.  Jes  60,  21 :  Und  dein  Volk  sind  alle- 
samt Gerechte;  für  immer  werden  sie  das  Land  besitzen.  —  Und  dies  sind  die,  welche 
keinen  Anteil  au  der  zuk.  Welt  haben:  wer  sagt:  Es  gibt  keine  Auferstehung  der 
Toten,  u. :  Die  Tora  ist  nicht  vom  Himmel  (=  von  Gott),  u.  der  Epikureer  (Freidenker, 
der  verächtlich  von  der  Tora  u.  den  Gelehrten  spricht).  R.  fAqiba  (f  um  135)  sagte: 
Auch  wer  in  den  nichtkanonischen  Büchern  liest  u.  wer  über  einer  Wunde  (Zauber- 
sprüche) flüstert  u.  sagt:  Alles  Leiden,  das  ich  den  Ägyptern  auferlegt  habe,  werde 
ich  nicht  auf  dich  legen  Ex  15, 26.  Abba  Schasul  (um  150)  sagte:  Auch  wer  den  (Jahve-) 
Namen  mit  seinen  Buchstaben  ausspricht.  —  Sanh  10,2:  Drei  Könige  u.  vier  Privat- 
leute haben  keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt.  Drei  Könige:  Jarobsam  u.  Ahab  u.  M^^nasse. 
R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  M<^nasse  hat  Anteil  an  der  zuk.  Welt;  s.  2  Ghr  33,  13:  Er 
betete  zu  Ihm;  da  ließ  Er  sich  von  ihm  erbitten  u.  hörte  sein  Gebet  u.  brachte  ihn 
zurück  nach  Jerusalem  zu  seinem  Königreich.  Da  erwiderten  die  Gelehrten  ihm:  Zu 
seinem  Königreich  hat  er  ihn  zurückgebracht,  aber  nicht  zum  Leben  der  zuk.  Welt. 
Und  vier  Privatleute:  Bilfam  (vgl.  Nu  31,  8.  16)  u.  Doeg  (vgl.  1  Sm  21  f.)  u.  Achithophel 
{vgl.  2  Sm  15)  u.  Gechazi  (vgl.  2  Kg  5,  20).  —  Sanh  10,  3:  Das  Geschlecht  der  Flut  hat 
keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt  u.  sie  stehen  nicht  Itu  (End-)Gericht;  s.  Gn  6,  3:  Nicht 
soll  richten  mein  Geist  über  den  Menschen  in  Ewigkeit:  weder  Gericht  noch  Geist 
(gibt  es  für  sie  in  der  Ewigkeit).  —  Das  "Geschlecht  der  Zerstreuung  hat  keinen  An- 
teil an  der  zuk.  Welt;  s.  Gn  11,8:  Jahve  zerstreute  sie  von  dort  über  die  Oberfläche 
der  ganzen  Erde.  „Jahve  zerstreute  sie",  in  dieser  Welt,  „u.  von  dort  zerstreute  sie 
Jahve",  in  der  zuk.  Welt.  —  Die  Leute  von  Sodom  haben  keinen  Anteil  an  der  zuk. 
Welt;  s.  Gn  13, 13:  Die  Leute  von  Sodom  waren  böse  u.  sündig  vor  Jahve  gar  sehr.  „Sie 
waren  böse",  in  dieser  Welt,  „u.  sündig",  in  der  zuk.  Welt.  Aber  sie  stehen  im  Gericht. 
R.  N^chemja  (um  150)  sagte:  Weder  diese  noch  jene  stehen  im  Gericht;  denn  es  heißt: 
Darum  werden  die  Gottlosen  nicht  stehen  im  Gericht,  noch  die  Sünder  in  der  Gemeinde 
der  Gerechten  Ps  1,  5.  „Darum  werden  die  Gottlosen  nicht  stehn  im  Gericht",  das  ist 
das  Geschlecht  der  Flut;  „noch  die  Sünder  in  der  Gemeinde  der  Gerechten",  das  sind 


924  Matth  23,  13  (S).  23,  15  (?l) 

die  Leute  von  Sodom.  Man  antwortete  ihm:  Nicht  werden  sie  in  der  Gemeinde  der 
Gerechten  stehn,  wohl  aber  in  der  Gemeinde  der  Gottlosen.  —  Die  Kundschafter 
haben  keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt;  s.  Nu  14,37:  Es  starben  die  Männer,  welche 
üble  Nachrede  über  das  Land  ausgebracht  hatten,  durch  eine  Plage  vor  Jahve.  „Sie 
starben",  in  dieser  Welt;  „durch  eine  Plage",  in  der  zuk.  Wjelt.  —  Das  Geschlecht  der 
Wüste  hat  keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt,  u.  sie  stehen  nicht  im  Gericht;  denn  es 
heißt  Nu  14,  35:  In  dieser  Wüste  sollen  sie  aufgerieben  werden,  u.  da  sollen  sie  sterben. 
Das  sind  Worte  des  R.  ?Aqiba  (f  um  135).  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Von  ihnen  heißt 
es  Ps  50,  5:  Versammelt  mir  meine  Frommen,  die  den  Bund  mit  mir  beim  Opfer 
schlössen.  —  Die  Rotte  Qorach  wird  nicht  (wieder)  heraufkommen;  s.  Nu  16,  33:  ,Da 
bedeckte  sie  die  Erde",  in  dieser  Welt,  „u.  sie  verschwanden  aus  der  Versammlung", 
in  der  zuk.  Welt.  Das  sind  Worte  des  R.  f  Aqiba.  R.  Eli?ezer  sagte:  Von  ihnen  heißt 
es  1  Sm2,  6:  Jahve  tötet  u.  macht  lebendig,  er  stürzt  hinab  in  die  Sch*^ol  u.  er  führt 
herauf.  ||  Sanh  103b  Bar:  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Absalom  hat  keinen  Anteil  an  der 
zuk.  Welt;  s.  2  Sm  18,  15:  Sie  erschlugen  den  Absalom  u.  töteten  ihn.  ,Sie  erschlugen 
ihn",  in  dieser  Welt;  „u.  sie  töteten  ihn",  in  der  zuk.  Welt.  Bar:  R.  Schimfon 
b.  Elfazar  (um  190)  sagte  im  Namen  des  R.  Meir:  Achaz  u.  Achazja  u.  alle  Könige 
*  Israels,  von  denen  geschrieben  steht:  „Sie  taten,  was  böse  war  in  Jahves  Augen", 
leben  nicht  wieder  auf  u.  werden  nicht  gerichtet.  ||  Sanh  104^:  Wer  hat  sie  (die  von 
der  zuk.  Welt  Ausgeschlossenen)  aufgezählt?  Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Die 
Männer  der  Großen  Synagoge  (in  der  Zeit  nach  Esra)  haben  sie  aufgezählt.  Rab  J'huda 
(t  299)  hat  gesagt,  Rab  (f  247)  habe  gesagt:  Sie  wollten  noch  einen  (nämlich  Salomo) 
hinzuzählen.  Da  erschien  aber  das  Bild  seines  Vaters  u.  streckte  sich  vor  ihnen  nieder 
(um  Mitleid  bittend)  u.  sie  beachteten  es  nicht.  Da  kam  Feuer  vom  Himmel  u.  das 
Feuer  leckte  an  ihren  Sesseln,  u.  sie  beachteten  es  nicht.  Da  ging  eine  Bath-Qol 
(Himmelsstimme)  aus,  welche  zu  ihnen  sprach  Spr22, '^19:  Sahst  du  einen  Mann,  der 
hurtig  war  in  seinem  Werk?  Vor  Königen  soll  er  stehn,  aber  nicht  vor  Niedrigen! 
Der,  welcher  mein  Haus  vorangehen  ließ  seinem  Haus,  u.  nicht  nur  dies,  der  auch 
mein  Haus  baute  in  sieben  Jahren,  während  er  sein  Haus  in  dreizehn  Jahren  baute, 
der  soll  vor  Königen  stehn,  aber  nicht  vor  Niedrigen!  u.  sie  beachteten  es  nicht.  Da 
ging  eine  Bath-Qol  aus,  welche  rief  Hi34,  33:  Soll  er  nach  deinem  Sinn  Vergeltung 
üben,  wenn  du  verwirfst,  wenn  du  erwählst  u.  nicht  ich? 

23,15  51:  Ihr  umfahret  das  Meer  u.  das  Trockne, 
Einen  Proselyten  zu  machen. 

Über  die  einzelnen  Kategorien  von  Proselyten  s.  bei  Apg  13,  16.  — 
Über  die  Aufnahme  der  Pr.  durch  Beschneidung,  Tauchbad  u.  Opfer- 
darbringung  s.  bei  Mt  3,  6. 

In  der  Zeit  nach  der  Zerstörung  des  2.  Tempels  hat  die  Synagoge 
eine  besondere  Rührigkeit  zur  Gewinnung  von  Proselyten  nicht  ent- 
faltet. Im  allgemeinen  stand  man  den  Pr.  freundlich  gegenüber.  Der 
universalistische  Grundsatz,  daß  allen  Heiden  zu  jeder  Zeit  der  Eintritt 
ins  Judentum  offenstehe, a  wurde  festgehalten;  es  blieb  im  großen  u. 
ganzen  auch  Glaubenssatz,  daß  in  der  messian.  Zeit  alle  Völker  den 
Anschluß  an  Israel  vollziehen  würden,  b  Man  gewann  der  Zerstreuung 
des  jüdischen  Volks  über  die  Erde  hin  den  tröstlichen  Gedanken  ab, 
daß  die  göttl.  Vorsehung  dabei  die  Mehrung  der  Pr.  im  Auge  habe.c 
Man  sah  in  der  Bekehrung  einzelner  Heiden  den  Tatbeweis,  daß  Gott 
Israel  lieb  habe.d  Man  schrieb  das  Fortbestehen  der  in  Sünde  ver- 
sunkenen heidnischen  Welt  dem  Verdienst  der  aus  ihrer  Mitte  hervor- 


Matth23, 15  (31)  925 

gehenden  Pr.  zu.e  Diesen  Anschauungen  entsprach  das  Verhalten  gegen 
die  Pr.  Der  Pr.,  der  durch  seinen  Übertritt  zum  Judentum  einem  neu- 
gebornen  Kinde  gleich  geworden  istj  soll  dem  Israeliten  gleichgestellt 
werden ;g  man  soll  ihn  nicht  mit  Worten  kränken;  man  soll  ihn  viel- 
mehr liebhaben,  gleichwie  auch  Gott  die  Pr.  liebe. h  —  Aber  aus  dem 
allem  hat  die  Synagoge  in  der  Zeit,  von  der  wir  hier  sprechen,  keinen 
Antrieb  hergenommen,  nun  auch  tatsächlich  irgendwie  in  intensiver 
Weise  für  das  Judentum  Propaganda  zu  machen.  Man  verharrte  in 
Passivität;  die  Initiative  sollte  von  der  andren  Seite  ausgehen;  der 
Heide  soll  von  selbst  kommen  u.  um  Einlaß  bitten;«  u.  selbst  wenn  er 
freiwillig  kommt,  wird  ihm  die  Tür  nicht  sofort  weit  aufgetan.  Man 
weist  ihn  auf  das  Verantwortungsvolle  seines  Schrittes  hin  in  einer 
Zeit,  die  so  ernst  u.  trübe  für  Israel  geworden  ist;k  man  prüft  seine 
Beweggründe;!  man  stößt  ihn  mit  der  einen  Hand  zurück,  um  ihn  mit 
der  andren  festzuhalten ;m  ja  erst  wenn  er  dreimal  um  Aufnahme  nach- 
gesucht hat,  so  fordert  eine  Stimme,  soll  man  ihm  seinen  Wunsch  er- 
füllen." Zwar  wird  einmal  auf  Grund  von  Lv  5,  1  Gott  das  Wort  an 
Israel  in  den  Mund  gelegt:  Wenn  ihr  meine  Gottheit  nicht  den  Völkern 
der  Welt  kundtut,  strafe  ich  euch!  Dieses  Wort  scheint  ja  der  Synagoge 
ihre  Missionspflicht  auf  das  Gewissen  zu  binden;  allein  in  Wirklichkeit 
ist  dem  nicht  so;  denn  sofort  wird  die  Aufgabe,  den  Namen  Gottes  der 
Welt  zu  verkündigen,  auf  den  Fall  beschränkt,  daß  die  Heiden  den 
Israeliten  die  Verleugnung  des  göttl.  Namens  zumuten;  in  solchem  Falle 
ist  den  Heiden  gegenüber  der  Name  des  wahren  Gottes  laut  zu  be- 
kennen u.  nicht  zu  verleugnen.  Das  Wort  zielt  also  nicht  auf  die  Ge- 
winnung der  Heiden  für  Israels  Glauben,  sondern  auf  die  Selbstbehauptung 
Israels  inmitten  der  Heidenwelt,  o 

Man  wird  diese  passive  Haltung  der  nachchristl.  Synagoge  aus  der 
geschichtlichen  Lage  zu  begreifen  haben,  in  der  sich  das  jüdische  Volk 
nach  dem  Fall  Jerusalems  u.  später  nach  dem  verunglückten  Aufstand 
unter  Bar  Kokh^ba  befand.  Den  Führern  des  Volks  kam  damals  alles 
darauf  an,  die  Massen  bei  der  jüdischen  Fahne  festzuhalten  u.  mit  dem 
selbstbewußten  Gedanken  zu  erfüllen,  daß  Israel,  auch  wenn  es  die 
Freiheit  verlor,  dennoch  ein  Volk  sei,  u.  zwar  das  einzige  Volk,  das 
eine  Verheißung  u.  darum  eine  Zukunft  habe.  Wie  hätte  man  da,  wo 
der  innere  Auf-  u.  Ausbau  des  jüdischen  Gemeindewesens  alle  Kräfte 
vollauf  in  Anspruch  nahm,  Neigung  haben  sollen.  Außenstehende  an 
sich  zu  ziehen,  die  bei  der  ersten  besten  Gelegenheit  vielleicht  wieder 
abtrünnig  wurden!  —  Dazu  kam,  daß  die  ernsteren  Kreise  der  Heiden- 
welt, aus  denen  früher  die  jüdischen  Pr.  hervorgegangen  waren,  je 
länger  je  mehr  der  jungen  Kirche  sich  zuwandten.  Schon  um  150  n.  Chr. 
hatte  eine  erste  Autorität  unter  den  jüdischen  Schriftgelehrten,  R.  N^- 
chemja,  klar  erkannt,  daß  die  Zukunft  im  römischen  Weltreich  dem 
Christentum  gehöre. P   Wie  hätte  man  da  an  eine  schon  verloren  ge- 


926  Matth  23, 15  (31) 

gebene  Sache  noch  Mühe  wenden  sollen!  —  Endlich  mußte  auf  den 
jüdischen  Missionseifer  lähmend  das  große  Mißtrauen  einwirken,  das 
man  den  Pr.  trotz  aller  Betonung  der  Liebespfiicht  gegen  sie  vielfach 
entgegenbrachte.  So  spricht  R.  Eli?ezer  b.  Hyrkanos,  um  90,  es  als  Er- 
fahrungssatz aus,  daß  die  Pr.  leicht  in  ihr  altes  heidnisches  Wesen 
zurückfielen. q  Noch  in  der  messian,  Zeit,  so  fürchten  andre,  würden 
sie  dem  Judentum  den  Ptücken  kehren,  um  mit  Gog  u.  Magog,  den 
Feinden  des  Messias,  gemeinschaftliche  Sache  zu  machen.»*  Lehrreich 
sind  in  dieser  Hinsicht  die  Antworten  auf  die  Frage,  warum  über  die 
Pr.  so  viele  Nöte  zu  kommen  pflegten.  Alle  Antworten  spiegeln  das 
geringe  Vertrauen  wider,  das  man  sei  es  in  das  frühere,  sei  es  in  das 
gegenwärtige  sittliche  Verhalten  der  Pr.  gesetzt  hat.s  Was  aber  das 
Schlimmste:  man  meinte,  unter  den  Sünden  der  Pr.  müsse  Israel  selbst 
leiden:  Unglück  kommt  über  den,  der  Pr.  aufnimmt, t  ja  ganz  Israel 
sieht  die  Erfüllung  der  messian.  Hoffnung  um  ihretwillen  in  die  Ferne 
gerückt;  denn  die  Pr.  halten  das  Kommen  des  Messias  auf,«  sie  sind 
gefährlich  für  Israel  wie  Aussatz,  v  Wie  hätte  man  aus  solchen  Stim- 
mungen heraus  Freudigkeit  haben  sollen,  siegesgewiß  Mission  zu  treiben ! 
Aber  aus  dieser  Haltung  der  Synagoge  seit  dem  Ende  des  1.  nach- 
christl.  Jahrh.s  darf  man  nicht  schließen  auf  die  vorhergegangene  Zeit. 
Jesu  Ausspruch  23,  15  bezeugt  den  Eifer  des  Judentums  seiner  Zeit  in 
der  Proselytenmacherei  auf  das  deutlichste.  Daß  wir  ein  ähnliches  be- 
stimmtes Zeugnis  im  rabbin.  Schrifttum  nicht  finden,  darf  nicht  wunder- 
nehmen: geschichtliches  Material  aus  der  Zeit  Jesu  bietet  diese  Literatur 
ja  überhaupt  nur  spärlich:  u.  was  hätten  die  Späteren  für  Grund  gehabt 
festzustellen,  daß  die  frühere  Zeit  in  einem  so  wichtigen  Stück  einen 
wesentlich  andren  Standpunkt  eingenommen  hätte,  wie  sie  selbst,  die 
Späteren!  Gleichwohl  steht  Jesu  Wort  nicht  vereinzelt  da.  Die  ungemein 
rührige  Missionstätigkeit,  die  die  jüdische  Diaspora  zum  Teil  bereits 
in  vorchristl.  Zeit  entfaltet  hat,  wird  durch  die  auf  dem  Boden  des 
hellenistischen  Judentums  erwachsene  Propagandaliteratur  bewiesen, 
s.  Schürer*  3,  553 ff.  Daß  der  Erfolg  kein  geringer  gewesen  ist,  bezeugt 
nicht  bloß  Josephus,  sondern  auch  Seneca  u.  Dio  Cassius,  s.  daselbst 
S.  164  ff.  Vor  allem  aber  beachte  man  die  Tatsache,  daß  in  der  Apg 
überall  Pr.  als  Mitglieder  der  jüdischen  Diasporagemeinden  erscheinen 
(13,16.26.43.50;  16,14;  17,4.17).  Sollte  wirklich  das  pharisäische 
Judentum  des  Mutterlandes  zu  diesen  Erfolgen  nicht  mitgewirkt  haben? 
Das  ist  schwer  glaublich.  In  einem  Falle  wenigstens,  gelegentlich  des 
Übertritts  des  Königshauses  von  Adiabene  zum  Judentum  (um  50  n.  Chr.), 
berichtet  Josephus,  Antiq.  20,  2,  4,  ausdrücklich,  daß  ein  palästinischer 
Jude  namens  El^azar^  den  König  Izates  zur  Annahme  der  Beschneidung 
u.  damit  zum  vollen  Anschluß  an  das  Judentum  bestimmt  habe.  Und 

^  Die  Aussage  des  Jos.  ,n('(pv  ttsqI  rd  ndxQia  &oxiöy  ccxQißijg  siycet'  charakterisiert 
ihn  unzweideutia;  als  einen  Pharisäer. 


Matth  23,  15  (91)  927 

dieser  Fall  ist  gewiß  nicht  der  einzige  gewesen.  Außerdem  werden 
zwei  Bestimmungen  der  Schule  Hillels  erwähnt  (s,  bei  Mt  3,  6  Nr.  2 — 4 
S.  102  ff.),  die  die  Tendenz  verraten,  den  Pr.  den  Übertritt  zu  erleichtern. 
An  Hillel  selbst  wird  rühmend  hervorgehoben,  daß  er  durch  seine  milde 
Freundlichkeit  Heiden  für  das  Judentum  gewonnen  habe,  die  sich  durch 
Schammais  Barschheit  abgestoßen  fühlten,  w 

a.  Midr  Ps  100  §  1  (212b):  ,Ein  Psalm  zum  Lobpreis  rir-rV.  Jauchzet  Jahve,  alle 
Lande"  Ps  100,  1.  R.  Jafaqob  b.  Abaje  (um  340,  so  lies  mit  Bacher,  pal.  Amor.  3,  122) 
hat  im  Namen  des  R.  Acha  (um  320)  gesagt:  Ein  Psalm  zum  Bekenntnis  (so  wird 
nip'i  gedeutet).  Gott  sprach:  Bekennen  mögen  sich  "m^  zu  mir  alle  Völker;  so  nehme 
ich  sie  an  (nämlich  als  Proselyten);  s.  Jes45,  23:  „Bei  mir  habeich  geschwoi-en,  aus 
meinem  Munde  ist  Richtiges  hervorgegangen  .  .  .,  daß  mir  sich  beugen  wird  jegliches 
Knie,  mir  schwören  jegliche  Zunge."  Wenn  sich  mir  jegliches  Knie  beugen,  jegliche 
Zunge  schwören  wird,  nehme  ich  sie  an.  |1  M'kh  zu  Ex  17,  16  (64-''):  (Er  sprach:  Wahr- 
lich, die  Hand  zum  Throne  Jahs,  Krieg  hat  Jahve  gegen  f  Amaleq  von  Geschlecht  zu 
Geschlecht  Ex  17,  16).  R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte:  Geschworen  hat  Gott  beim  Thron 
seiner  Herrlichkeit,  wenn  einer  von  allen  Völkern  kommt,  so  sollen  sie  ihn  (als  Pr.) 
annehmen,  ?Amaleq  aber  u.  sein  Haus  sollen  sie  nicht  annehmen;  s.  2  Sm  1,  13:  David 
sprach  zu  dem  Knaben,  der  ihm  berichtet  hatte:  Woher  bist  du?  Er  antwortete:  Der 
Sohn  eines  famaleqitischen  Pr.  (so  der  Midr)  bin  ich.  In  jener  Stunde  erinnerte  sich 
David  dessen,  was  unsrem  Lehrer  Mose  gesagt  worden  ist:  Wenn  von  allen  Völkern 
in  der  Welt  einer  kommt,  um  Pr.  zu  werden,  so  sollen  sie  ihn  annehmen;  aber  wenn 
er  aus  fAmaleqs  Hause  ist,  sollen  sie  ihn  nicht  annehmen.  Sofort  sprach  David  zu 
ihm  das.  Vers  16:  Dein  Blut  komme  auf  dein  Haupt;  denn  dein  Mund  hat  Zeugnis 
gegen  dich  abgelegt.  Parallelstellen:  P'^siq  28b;  p<^'siqR  12  (51-^);  Tanch  s::r  '3  23*; 
TanchB  siir  §  18  (22^).  ||  ExR  19  (81b):  „Nicht  sage  der  Sohn  der  Fremde,  der  sich 
an  Jahve  angeschlossen  hat,  also:  Gewißlich  absondern  wird  mich  Jahve  von  seinem 
Volk"  Jes  56,  3.  Hieb  hat  gesagt:  Nicht  soll  draußen  der  Pr.,  ger,  übernachten  (so 
der  Midr  Hi31,32).  Gott  erklärt  niemand  für  verwerflich,  sondern  jeden  nimmt  er 
an  (als  Pr.),  die  Tore  sind  zu  jeder  Stunde  geöffnet,  u.  wer  eintreten  will,  darf  ein- 
treten. Deshalb  heißt  es:  Draußen  soll  der  Pr.  nicht  übernachten.  Die  ganze  Stelle 
s.  bei  Apg  10,  o5.  i|  LvR2(184b):  (R.  Schimfon  b.  Gamliel,  um  140,  sagte  zu  einem 
Heiden:)  Mein  Sohn,  so  haben  die  Gelehrten  in  der  Mischna  (d.  h.  als  Tradition)  gelehrt: 
Wenn  ein  Fremdling  kommt,  um  Pr.  zu  werden,  so  streckt  man  ihm  die  Hand  entgegen,, 
um  ihn  unter  die  Flügel  der  Sch'^khina  zu  bringen  (zu  dieser  Wendung  vgl.  Ruth  2, 12). 

b.  zB  fAZ24^:  R.  Eli?ezer  (um  90)  hat  gesagt:  Alle  werden  in  der  Zukunft  (d.  h. 
in  der  messian.  Zeit)  sich  aufdrängende  Proselyten  sein.  Welche  Schriftstelle  besagt 
das?  Zeph3,  9:  Dann  will  ich  zuwenden  den  Völkern  gereinigte  Lippe,  daß  sie  alle 
den  Namen  Jahves  anrufen.  —  Wenige  Zeilen  vorher  bringt  Rab  Joseph  (f  333)  Zeph  3,  9 
als  Schriftbeweis.  1!  ?AZ  3b  Bar:  R.  Jose  (um  150)  sagte:  In  der  Zukunft  (d.  h.  in  den 
Tagen  des  Messias)  werden  die  Völker  der  Welt  kommen,  um  Pr.  zu  werden.  ||  p?AZ 
2,40^,  13. 19:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  „Sie  wogen  meinen  Lohn  dai-,  dreißig  Silberlinge" 
Sachll,12.  Das  sind  die  dreißig  Gebote,  die  dereinst  die  Noachiden  auf  sich  nehmen 
werden.  .  .  .  R.  Chijja  b.  Lulianai  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Hoschafja  (um  225) 
gesagt:  Alle  Gebote  werden  dereinst  die  Noachiden  auf  sich  nehmen  (sie  werden 
also  VoU-Proselyten  sein).  Und  welches  ist  der  Schriftgrund?  s.  Zeph  3,  9  (wie  oben).  — 
Zur  entgegengesetzten  Meinung,  daß  in  den  Tagen  des  Messias  keine  Pr.  angenommen 
werden,  s.  Anm.  r. 

C.  V^B  87 b;  R.  El?azar  (um  270,  so  lies  statt  R.  Elifezer)  hat  gesagt:  Gott  hat  die 
Israeliten  mitten  unter  die  Völker  in  die  Verbannung  geführt,  nur  damit  Pr.  zu  ihnen 
hinzugefügt  würden,  s.  Hos  2,  25:  „Ansäen  will  ich  sie  mir  auf  der  Erde."  Sät  denn 
ein  Mensch  ein  Sea  aus  zu  andrem  Zweck,  als  um  sehr  viele  Kor  dafür  einzubringen? 


928  Matth  23,  15  (5t) 

d.  MidrHL6,2  (122^)  =  Midr  Qoli  5, 11  (28'');  pB'^rakh  2,  5«,  2,  s.  bei  Mt  1,5  S.21. 

e.  GnR28(17''):  R.  Chanin  (um  300)  hat  gesagt:  In  den  Seestädten  sind  Dinge 
geschehen,  wie  sie  nicht  im  Flutgeschlecht  geschehen  sind,  s.  Zeph2,  5:  „Wehe,  Be- 
wohner des  Striches  am  Meer,  Volk  der  c^r^s"  (Kreter),  d.  h.  Volk,  das  Ausrottung  r-3 
verdient.  Durch  welches  Verdienst  bestehen  sie  fort?  Durch  das  Verdienst  Eines  Heiden 
u.  durch  das  Verdienst  Eines  Gottesfiirchtigen,  den  sie  in  jedem  Jahre  (als  Pr.)  stellen. 

/.  J'^b48l':  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Ein  Pr.,  der  zum  Judentum  übergetreten  ist, 
ist  wie  ein  Kind,  das  (eben)  geboren  ist  -^iri)  "up^-  —  Dem  Zus. hang  nach  (s.  Anm.  s) 
besagen  die  Worte:  ein  Pr.  wird  durch  seine  Bekehrung  frei  von  früherer  Sündenscliuld 
u.  Sündenstrafe.  —  Der  Grundsatz:  „ein  Pr.  gleicht  dem  neugebornen  Kinde"  ist  später 
auch  halakhisch  verwertet  worden;  s.  dazu  Job  3,  3  Nr.  2. 

g.  J''b  4715:  Hat  der  Pr.  das  Tauchbad  genommen  (nach  der  Beschneidung)  u.  ist  er 
herausgestiegen  (aus  dem  Bade),  siehe,  so  ist  er  in  allen  Dingen  wie  ein  Israelit. 

A.'" Belege  s.  bei  Mt  5,43  bes.  S.  355  f.  —  Ferner  s.  Midr  Ruth  1,18  (129b):  „Als 
sie  sah,  dafs  Ruth  fest  entschlossen  war,  mit  ihr  zu  ziehen,  hörte  sie  auf,  ihr  zuzureden" 
Ruth  1,  18.  R.  J*'huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Komm  u.  sieh,  wie  beliebt  vor 
Gott  die  Proselyten  sind:  als  sie  (Ruth)  ihren  Sinn  daraufgerichtet  hatte,  zum  Juden- 
tum überzutreten,  stellt  die  Schrift  sie  der  Naemi  gleich.  (Nach  dem  Kommentar  Matt 
K^unna  liegt  der  Beweis  in  den  Worten:  „So  zogen  die  beiden  dahin.")  ||  TanchB  -V  -fi 
§6  (32^):  Resch  Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Geliebt  (vor  Gott)  ist  ein  Pr.,  der  über- 
getreten ist,  mehr  als  die  Israeliten,  da  sie  am  Berge  Sinai  standen.  Weshalb?  Wenn 
diese  nicht  die  Donnerstimmen  u.  die  Blitze  u.  die  erbebenden  Berge  u.  den  Ton  der 
Posaunen  wahrgenommen  hätten,  so  würden  sie  die  Tora  nicht  angenommen  haben; 
u.  jener,  der  nichts  davon  wahrgenommen  hat,  kommt  u.  gibt  sich  selbst  an  Gott  hin 
u.  nimmt  die  Gottesherrschaft  (Himmelreich)  auf  sich.  Hast  du  einen,  der  mehr  ge- 
liebt wäre  als  dieser?  Es  geschah  einmal,  daß  Onkelos,  der  Pr.  (um  120,  d.i.  Aquila,  der 
das  AT  ins  Griechische  übersetzte),  einen  Gelehrten  (Altesten)  fragte:  Inwiefern  liebt 
denn  Gott  den  Pr.,  da  e*s  heißt  Dt  10, 18:  „Er  hat  den  Pr.  (so  der  Midr)  lieb,  ihm  Brot 
u.  Kleidung  zu  geben"?  Siehe,  ist  das  alles,  Brot  u.  Kleidung?  Er  antwortete  ihm: 
Hat  denn  nicht  unser  Vater  Jakob  nur  um  dieses  gebeten,  da  es  heißt  Gn  28,  20:  Wenn 
Gott  mir  Brot  zu  essen  u.  Kleidung  anzuziehen  gibt?  Unsre  Lehrer  haben  gesagt: 
Geliebt  ist  der  Pr.,  da  Gott  von  sich  selbst  schreiben  ließ  Jer  14,8:  Warum  willst  du 
wie  ein  Fremdling  Ger  (=  Proselyt)  im  Lande  sein?  —  Dasselbe  Tanch  ^V  -V  IT''.  — 
Nach  GnR  70  (44 d),  Midr  Qoh  7,8  (34"^)  richtete  Onkelos  seine  Frage  an  R.  Eli?ezer, 
um  90.  II  Chag  5*:  Resch-Laqisch  (um  250)  hat  gesagt:  Wer  das  Recht  eines  Pr.  Ger 
beugt,  ist  wie  einer,  der  das  Recht  oben  (d.  h.  das  Recht  Gottes)  beugt,  s.  Mal  3, 5. 

/.  Midr  Qoh  8,10  (40"):  (Der  Vers  Qoh  8, 10)  redet  von  den  Pr.,  die  kommen  u. 
Buße  tun;  „u.  von  heiliger  Stätte  gingen  sie  aus",  weil  sie  an  heiliger  Stätte  wandelten, 
d.  h.  in  den  Synagogen  u.  Lehrhäusern;  „u.  wurden  vergessen  in  der  Stadt",  es  wurden 
die  bösen  Werke  vergessen;  „die  da  recht  gehandelt",  es  fanden  sich  ihre  guten  Werke, 
die  sie  in  der  Stadt  getan  haben.  „Auch  das  ist  eitel."  R.  Ji9chaq  (um  300)  hat  ge- 
sagt: Das  ist  nicht  eitel  (daß  sie  sich  bekehrt  haben),  aber  das  ist  eitel,  wemi  sie 
nicht  von  selbst  kamen.  R.  Bun  (I.,  um  325,  IL,  um  370)  hat  gesagt:  Die  Gerechten 
(Israeliten)  gingen  dorthin  (wo  Proselyten  erstehn  sollten)  u.  (dann)  kamen  sie  (Pr.); 
so  ging  Joseph  zur  Asnath  (vgl.  Gn  41,45;  46,  20),  Josua  zur  Rahab,  Bo?az  zur  Ruth, 
Mose  zu  Chobab  (vgl.  Nu  10,  29).  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Das  ist  nicht  eitel, 
vielmehr  dies,  dar3  die  Menschen,  rrian,  nicht  (freiwillig)  kamen,  um  sich  unter  den 
Flügeln  der  Sch%hina  heiligen  zu  lassen. 

k.  J^b  47  a ;  s.  die  Stelle  bei  Mt  3,  6  S.  1 10  y.  \\  J^bam  47 1^ :  R.  Elf  azar  (um  270)  hat 
gesagt:  Es  heißt  Ruth  1,  18:  Als  Naemi  sah,  daß  sie  fest  entschlossen  war,  mit  ihr 
zu  ziehen,  hörte  sie  auf,  ihr  zuzureden.  Sie  sprach:  Es  ist  uns  verboten  die  Sabbat- 
grenze (zu  überschreiten).  (Ruth  sprach:)  „Wohin  du  gehen  wirst,  da  werde  ich  hin- 
gehen!" Es  ist  uns  das  Alleinsein  (mit  einem  Manne)  verboten.  (Ruth:)  „Wo  du  ver- 
weilen wirst,  werde  ich  weilen!"    Es  sind  uns  613  Gebote  aufgetragen  worden.  (Ruth:) 


Matth23,  15  (3t)  929 

, Dein  Volk  mein  Volk!"  Es  ist  uns  Götzendienst  verboten.  (Ruth:)  ^Dein  Gott  mein 
Gott!*  Viererlei  Todesstrafen  sind  dem  Gerichtshof  übeigehen.  (Ruth:)  ,Wo  du  sterben 
wirst,  werde  ich  sterben!"  Zweierlei  Gräber  (für  die  Hingerichteten)  sind  dem  Gerichts- 
hof übergeben.  (Ruth:)  „Und  daselbst  werde  ich  begraben  werden!"  (Ruth  1,16  f.) 
Sofort  heifst  es:  Als  sie  sah,  daß  sie  fest  entschlossen  war  usw.  Die  Parallelstelle 
Midr  Ruth  1, 16  (128")  mit  vielen  Abweichungen  s.  bei  Mt  1,5  S.  25  Anm.  c. 

/.  M'^n44'*:  (R.  Chijja,  um  200,  sprach  zu  einer  Heidin,  die  zum  Judentum  über- 
treten wollte:)  Meine  Tochter,  hast  du  etwa  deine  Augen  auf  einen  von  den  Gelehrten- 
schülern geworfen?  (Siehe  Exk.  über  (^'iQith  Nr.  5.)  —  Ferner  s.  J'-b  24''  bei  Apg  18, 16. 

m.  pSanh  10, 29'^  31:  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Nicht  soll  draußen  weilen 
der  Proselyt,  meine  Tür  öffne  ich  dem  Wanderer  Hi  31,32.  Hieraus  folgt,  daß  man 
(den  Fr.)  mit  der  Linken  fortstößt  u.  mit  der  Rechten  herzubringt;  nicht  wie  Elisa 
getan  hat,  der  den  Gechazi  mit  seinen  beiden  Händen  fortstieß  (vgl.  2  Kg  5, 27).  —  Der 
Satz:  „Stets  soll  die  Linke  wegstoßen  u.  die  Rechte  (wieder)  heranziehen"  als  Bar 
Sota  47a  u.  Sanh  107 '\  —  R.  Jochanans  Auslegung  dem  R.  Ji^chaq  (um  300)  beigelegt 
MidrRuth  1,11  (127 'J). 

n.  Midr  Ruth  1,11  (127 '0=  R-  Schemuel  b.  Nachman  (um  260)  hat  im  Namen  des 
R.  Judan  b.  Chanina ^  gesagt:  An  drei  Stellen  steht  hier  geschrieben:  „Kehret  heim" 
(Ruth  1,8. 11. 12),  entsprechend  den  drei  Malen,  die  man  einen  Pr.  wegstößt  (abweist); 
quält  er  aber  darüber  hinaus,  so  nimmt  man  ihn  auf. 

O.  LvR  6  (109*^):  „Wenn  er  nicht  Anzeige  macht  u.  seine  Verschuldung  trägt" 
Lv5, 1.  (Gott  sprach  zu  den  Israeliten):  Wenn  ihr  meine  Gottheit  den  Völkern  der  Welt 
nicht  verkündigt,  siehe,  so  bestrafe  ich  euch.  Wann?  „Wenn  sie  zu  euch  sagen  werden: 
Befraget  die  Totengeister"  usw.  Jes8, 19. 

p.  Sanh  97a  Bar:  R.  N'chemja  (um  150)  sagte:  In  dem  Zeitalter,  in  welchem  der 
Ben  David  (—  Messias)  kommt,  .  .  .  wird  sich  die  ganze  Regierung  (d.  h.  das  römische 
Weltreich)  der  Häresie  minüth  (dem  Christentum)  zuwenden  u.  kein  Rügen  wird  statt- 
finden. Das  ist  eine  Stütze  für  R.  Ji^chaq  (um  300);  denn  er  hat  gesagt:  Ben  David 
kommt  erst,  wenn  die  ganze  Regierung  sich  der  Häresie  zugewandt  hat.  —  R.  N'^chemjas 
Ausspruch  auch  Midr  HL  2, 13  (101 ")  u.  Derekh  Erep  Zuta  10;  in  Sota  9, 15  anonym. 

^.  M^kh  Ex  22, 20  (101  a)  s.  bei  Mt  5, 43  S.  355. 

r.  J^'bam  241»  Bar:  In  den  Tagen  des  Messias  nimmt  man  keine  Pr.  auf.  Ebenso 
hat  man  auch  in  den  Tagen  Davids  u.  Salomos  keine  Pr.  aufgenommen  (weil  nur  die 
äußere  glückliche  Lage  Israels  für  ihren  Übertritt  bestimmend  gewesen  wäre).  R.  El?azar 
(um  270)  hat  gesagt:  Welche  Schriftstelle  gibt  es  dafür?  Jes  54,  15:  Siehe,  Pr.  soll 
man  werden  ohne  mich  (d.  h.  zu  der  Zeit,  da  Gott  nicht  mit  Isr.  ist);  wer  Pr.  wird 
bei  dir  (in  deiner  gegenwärtigen  gedrückten  Lage),  der  wird  dir  zufallen  (dein  glück- 
liches Los  in  der  Zukunft  teilen),  aber  kein  andrer.  ||  fAZ  3l>  Bar:  R.  Jose  (um  150) 
sagte:  In  der  (messian.)  Zukunft  werden  die  Völker  der  Welt  z'^s-n.  r-mis  kommen, 
um  Pr.  zu  werden.  Aber  nimmt  man  denn  von  ihnen  (in  der  Zukunft  Proselyten)  auf? 
In  einer  Bar  ist  doch  gelehrt  worden:  Man  nimmt  in  den  Tagen  des  Messias  keine 
Pr.  auf,  gleichwie  man  in  den  Tagen  Davids  u.  Salomos  keine  Pr.  aufgenommen  hat! 
Allein  (R.  Jose  wollte  damit  sagen,)  daß  sie  Pr.  sein  würden,  die  sich  von  selbst  auf- 
drängen; u.  sie  werden  T'^phillin  an  ihren  Köpfen  u.  an  ihren  Armen,  Schaufäden  an 
ihren  Kleidern,  eine  Türpfostenkapsel  an  ihren  Türen  anbringen;  wenn  sie  aber  den 
Krieg  Gogs  u.  Magogs  sehn  werden,  werden  sie  zu  diesen  sagen:  Gegen  wen  seid  ihr 
gekommen?  Dann  wird  man  ihnen  antworten :  Gegen  ihn  (Gott)  u.  gegen  seinen  Messias, 
s.  Ps2, 1:  Warum  toben  die  Heiden  u.  sinnen  die  Nationen  Eitles?  Dann  wird  jeder 
seine  Gebote  (d.  h.  die  T'^phillin  usw.)  abreißen  u.  sich  davon  machen,  s.  Ps  2, 3 :  Lasset  uns 
zerreißen  ihre  Bande.  Und  Gott  sitzt  u.  lacht,  s.  das.  Vers  4:  Der  im  Himmel  thront,  lacht. 

S.  Jeb48b  Bar:  R.  Chananja  b.  Gamliel  (um  120)  sagte:  Weshalb  sind  die  Pr.  in 
dieser  (gegenwärtigen)  Zeit  gedrückt  u.  kommen  Leiden  über  sie?  Weil  sie  die  sieben 

'  R.  J«^huda  b.  Chananja  (Chanina)  ein  Tannait,  s.  Bacher,  Tann.  2, 555. 
strack  u.  Billerbeck,  NT  I.  59 


930  Matth  23, 15  {%) 

Gebote  der  Noacbiden  (vor  ihrem  Übertritt  zum  Judentum)  nicht  gehalten  haben.  R.  Jose 
(um  150)  sagte:  Ein  Pr.,  der  übergetreten  ist,  gleicht  einem  (eben)  geborenen  Kinde 
(er  hat  für  frühere  Verfehlungen  nicht  zu  büßen);  vielmehr  weshalb  sind  sie  gedrückt? 
Weil  sie  sich  nicht  auf  die  Einzelheiten  der  Gebote  so  verstehn,  wie  die  Israeliten. 
Abba  Chanan  (Chanin,  um  140)  sagte  im  Namen  des  R.  Elifezer  (um  90):  Weil  sie  nicht 
aus  Liebe  (zu  Gott),  sondern  aus  Furcht  handeln.  Die  andren  sagten:  Weil  sie  ge- 
zögert hatten,  sich  unter  die  Flügel  der  Sob'^khina  zu  begeben.  R.  Abbahu  (um  300) 
oder,  wie  auch  gesagt  worden  ist,  R.  Chanina  (um  225)  hat  gesagt:  Welche  Schrift- 
stelle gibt  es  dafür?  Ruth  2, 12:  Jahve  vergelte  dein  Tun  u.  vollkommen  werde  dein 
Lohn  von  selten  Jahves,  des  Gottes  Israels,  unter  dessen  Flügel  dich  zu  bergen  du 
(eilends,  ohne  Verzögerung)  gekommen  bist. 

t.  Jeb  109b:  R.  Ji<;chaq  (um  300)  hat  gesagt:  Was  heißt  Spr  11, 15:  ,Gar  übel  er- 
geht es  dem  Menschen,  der  sich  für  einen  andren  verbürgt"  ?  Unglück  über  Unglück 
kommt  auf  die,  welche  Pr.  annehmen.  (Der  Midr  deutet  -7  a^y  -2  =  ^s^iü-3  z'-<t  s^yart 
,wer  Fremde,  d.  h.  Pr.,  unter  die  Israeliten  mischt".) 

U.  Nidda  13^  Bar:  Die  Proselyten  .  .  .  verzögern  das  Kommen  des  Messias  (indem  sie 
durch  ihre  Sünden  das  für  die  Ankunft  des  Messias  notwendige  Verdienst  Israels  mindern). 

V.  Qid70b:  R.  Chelbo  (um  300)  hat  gesagt:  Schlimm  wie  Aussatz  r-rc  sind  die 
Pr.  für  Israel;  s.  Jes  14,  1 :  Der  Fremdling  (=  Pr.)  wird  sich  an  sie  anschließen  u. 
sie  werden  am  Hause  Jakobs  zum  Aussatz  (so  faßt  der  Midr  ?-Ecr).  Es  heißt  hier 
•r.zz:^  u.  es  heißt  dort  Lv  14,  56:  „In  bezug  auf  den  Aussatz",  r-ss"-.  —  Dieser  Aus- 
spruch des  R.  Chelbo  auch  J'b  109b;  47  b;  Nidda  13  b. 

w.  Schab  31  a  Bar:  Einmal  kam  ein  Heide  vor  Schammai  (um  30  v.  Chr.)  u.  sprach 
zu  ihm:  Wie  viele  Toroth  habt  ihr?  Er  antwortete  ihm:  Zwei,  die  schriftliche  u.  die 
mündliche  Tora.  Er  sprach  zu  ihm :  In  bezug  auf  die  schriftliche  schenke  ich  dir  Ver- 
trauen, nicht  aber  in  bezug  auf  die  mündliche;  nimm  mich  als  Pr.  an  unter  der  Be- 
dingung, daß  du  mich  die  schriftliche  Tora  lehrst.  Da  fuhr  ihn  Schammai  an  u.  ließ 
ihn  mit  einem  Verweis  gehen.  Er  kam  vor  Hillel,  der  ihn  als  Pr.  annahm.  Am  ersten 
Tag  sagte  ihm  Hillel  das  Alphabet  (-:";  ="s);  am  nächsten  Tage  kehrte  er  es  um  (sagte 
die  Buchstaben  in  andrer  Reihenfolge).  Jener  sprach:  Siehe,  hast  du  es  mir  gestern 
nicht  so  gesagt?  Er  antwortete:  Hast  du  dich  nicht  auf  mich  verlassen  (da  du  die 
am  ersten  Tage  gelehrte  Reihenfolge  der  Buchstaben  als  richtig  annahmst)?  So  verlaß 
dich  auch  in  bezug  auf  die  mündliche  Tora  auf  mich!  —  Ein  andermal  kam  ein  Heide 
vor  Schammai  u.  sprach  zu  ihm:  Nimm  mich  als  Pr.  an  unter  der  Bedingung,  daß  du 
mich  die  ganze  Tora  lehrst,  während  ich  auf  Einem  Bein  stehe.  Da  stieß  er  ihn  mit 
einem  Maßstock  fort,  den  er  in  seiner  Hand  hatte.  Er  kam  vor  Hillel,  der  ihn  (unter 
der  gestellten  Bedingung)  als  Pr.  annahm.  Hillel  sprach  zu  ihm:  Was  dir  unlieb  ist, 
das  tu  auch  deinem  Nächsten  nicht;  das  ist  die  ganze  Tora  u.  das  andre  ist  ihre  Aus- 
legung; geh  hin  u.  lerne  das!  —  Ein  andermal  war  ein  Heide  hinter  einer  Synagoge 
(Schulhaus)  vorübergegangen  u.  hörte,  wie  der  Lehrer  die  Worte  sprach  Ex  28,4:  „Dies 
sind  die  Kleider,  welche  sie  machen  sollen:  einen  Brustschmuck  u.  ein  Schulterkleid." 
Er  fragte:  Für  wen  sind  diese?  Man  antwortete  ihm:  Für  den  Hohenpriester.  Da  sprach 
jener  Heide  bei  sich  selbst:  Ich  werde  gehen  u.  Pr.  werden,  damit  sie  mich  zum  Hohen- 
priester machen.  Er  kam  vor  Schammai  u.  sprach  zu  ihm:  Nimm  mich  als  Pr.  an  unter 
der  Bedingung,  daß  du  mich  zum  Hohenpriester  machst.  Er  stieß  ihn  mit  einem  Maß- 
stock fort,  den  er  in  seiner  Hand  hatte.  Er  kam  vor  Hillel,  der  ihn  als  Pr.  annahm. 
Hillel  sprach  zu  ihm:  Stellt  man  einen  als  König  auf,  der  nicht  die  Einrichtungen  (Ver- 
ordnungen) der  Regierung  kennt?  Geh  u.  lerne  die  Einrichtungen  der  Regierung.  Er 
ging  u.  las  in  der  Schrift.  Als  er  an  die  Worte  Nu  1,51  kam:  „Der  Fremde  ^i  {=  Nicht- 
Levit),  welcher  sich  nähert,  soll  getötet  werden",  sprach  er  zu  ihm:  Über  wen  ist  diese 
Schriftstelle  gesagt?  Er  antwortete  ihm:  Selbst  über  David,  den  König  Israels.  Da 
zog  jener  Pr.  bei  sich  selbst  den  Schluß  vom  Größeren  auf  das  Geringere:  wenn  in 
bezug  auf  die  Israeliten,  die  Kinder  Gottes  genannt  werden  u.  von  denen  es  wegen 
der  Liebe,  mit  der  Gott  sie  liebt,  in  der  Schrift  heißt  Ex  4,  22:    „Mein  erstgeborner 


Matth  23,  15  (5(.  23).  23,  16  (Nr.  1)  931 

Sohn  ist  Israel!"  geschrieben  steht:  „Der  Fremde,  welcher  sich  nähert,  soll  getötet 
werden"  —  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  von  einem  geringen  Pr.,  der  mit  seinem  Stab 
u.  seiner  Tasche  kam  (ohne  Gebotserfüllungen  u.  gute  Werke)!  Er  kam  darauf  vor 
Schammai  u.  sprach  zu  ihm:  War  ich  denn  überhaupt  imstande,  Hoherpriester  zu  werden? 
Steht  denn  nicht  in  der  Tora  geschrieben:  Der  Fremde,  welcher  sich  nähert,  soll  ge- 
tötet werden?  Dann  kam  er  vor  Hillel  u.  sprach  zu  ihm:  Du  sanftmütiger  Hillel,  mögen 
Segnungen  auf  deinem  Haupte  ruhen  dafür,  daß  du  mich  unter  die  Flügel  der  Sch'^khina 
gebracht  hast!  —  Nach  einiger  Zeit  trafen  sich  jene  drei  (Proselyten)  an  einem  Orte; 
sie  sprachen:  Das  Aufbrausen  Schammais  wollte  uns  aus  der  Welt  bringen,  die  Sanft- 
mut Hilleis  hat  uns  unter  die  Flügel  der  Sch'khina  gebracht.  —  Vgl.  die  Bar  Schab  30 b: 
Immer  sei  der  Mensch  sanftmütig  wie  Hillel,  u.  nicht  sei  er  aufbrausend  wie  Schammai. 

23,  15  ^:  Kind  der  Hölle,  viov  yeewrfi  =  crri-r--?- 
RH  17a  sngt  Raba  (f  352),  daß  die  Bewohner  von  Machuza  (am  Tigris)  =:-!•;  -la 
Kinder  des  Gehinnoms  genannt  würden.  ||  B  rakh  10 ^  deutet  B'rurja,  die  Gemahlin  des 
R.  Meir  (um  150)  Jes54, 1:  die  Gemeinde  Israel  gleicht  einem  unfruchtbaren  Weibe,  weil 
sie  keine  Kinder  für  den  G.  geboren  hat.  —  Die  ganze  Stelle  s.  im  Exkurs:  „Sch''ol" 
usw.  II,  7,  d.  II  Joma  72'':  Raba  (f  352)  sagte  zu  den  Rabbinen:  Ich  bitte  euch,  erwerbt 
euch  nicht  einen  zwiefachen  G.  D:n-j  T^r  ■ini-'r  h^  (indem  ihr  einmal  von  dieser  Welt 
nichts  habt,  weil  ihr  dem  Torastudium  obliegt,  u.  indem  ihr  weiter  des  ewigen  Lebens 
verlustig  geht,  falls  euch  bei  all  eurem  Studium  die  wahre  Gottesfurcht  fehlt).  — 
Über  viög  u.  ■:;  zur  Bezeichnung  der  Zugehörigkeit  s.  beiMtS,  12. 

23,16:  Blinde  Führer  (vgl.  hierzu  bei  Mtl5, 14). 

23,16:   Wenn  jemand   beim  Tempel  schwört,    so   ist   das 
nichts;  wer  aber  beim  Golde  des  Tempels  schwört,  der 

ist  schuldig  (verpflichtet), 
1.  Schwur  beim  Tempel:  als  Beispiele  s.  Qid  71^;  K'^r  1, 7;  K^'th  2, 9 
bei  Mt  5,  36  S.  334 /.  —  Gelübdeformeln  mit  dem  Wort  „Tempel"  oder 
Altar  galten  als  verbindlich.  N'^dl,3:  (Wer  sagt:  dies  oder  das  soll 
mir  sein)  wie  ein  Opferlamm,  wie  die  Tempelhallen,  wie  Altarholz,  wie 
Altarfeuer,  wie  der  Altar,  wie  der  Tempel,  wie  Jerusalem;  oder  wer 
mit  (bei)  irgendeinem  der  Altardienstgeräte  gelobt,  siehe,  so  hat  dieser, 
auch  wenn  er  das  Wort  p-p  (Opfer)  gar  nicht  erwähnt  hat,  doch  mit 
(bei)  p-ip  gelob't.  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Wer  sagt  „Jerusalem"  (soll 
mir  dies  oder  das  sein,  statt  „wie"  Jerusalem),  der  hat  überhaupt  nichts 
gesagt  (sein  Gelübde  ist  unverbindlich).  —  Parallelstelle  TN^d  1, 3  (276) ; 
hier  lautet  der  Ausspruch  des  R.  J'^huda:  Wer  sagt  „Jerusalem",  der 
hat  überhaupt  nichts  gesagt,  weil  er  nur  mit  dem  Wort  -nip  (Opfer) 
selbst  zu  geloben  beabsichtigte,  —  Aus  der  Bemerkung  des  R.  J4iuda, 
der  häufig  Vertreter  älterer  Traditionen  ist,  wird  man  schHeßen  dürfen, 
daß  die  frühere  Zeit  tatsächlich  dergleichen  Unterschiede  bei  den  Ge- 
lübdeformeln gemacht  hat,  wie  sie  die  Worte  Jesu  Mt  23, 16  u,  18  beim 
Schwur  bezeugen.  Allerdings  lassen  sich  die  von  Jesu  angeführten 
Unterscheidungen  zwischen  Beteuerungen  „beim  Tempel"  u,  „beim  Gold 
des  Tempels",  „beim  Altar"  u.  „bei  der  Altargabe"  aus  den  rabbinischen 
Schriften  nicht  belegen;  aber  auf  gleicher  Linie  mit  ihnen  liegt  die  Bar 
N«d  14'':  Wer  bei  der  Tora  gelobt,  hat  überhaupt  (gar)  nichts  gesagt; 

59* 


932  Matth  23,  16  (Nr.  2).  23, 17.  18.  19.  23  (31) 

wer  aber  bei  dem  in  ihr  Geschriebenen  gelobt,  dessen  Worte  gelten, 
s.  S.  335i.  Als  Grund  dieser  Bar  wird  dann  unter  andrem  angegeben, 
daß  der  allgemein  „bei  der  Tora"  Gelobende  vielleicht  nur  bei  ihrem 
Pergament,  nicht  bei  ihrem  Inhalt  gelobt  habe.  —  Weitere  subtile  Unter- 
scheidungen bei  den  Gelübdeformeln  s.  in  den  Zitaten  zu  Mt  15,  5. 

2.  ovdsv  iariv:  im  Rabbinischen  lautet  die  entsprechende  Formel: 
„Er  hat  nichts  gesagt"  üi^d  ^^n  xb,  s.  in  Nr.  1  den  Ausspruch  des 
R.  J^'huda  u.  die  Bar  N'^d  li^\  —  Dem  ogefkei  entspricht  2^n,  zB  N-^d  2, 3: 
Es  gibt  ein  Gelübde  in  einem  (andren)  Gelübde,  aber  es  gibt  keinen 
Schwur  in  einem  (andren)  Schwur.  Wie  dies?  Sagt  einer:  „Siehe,  ich 
will  ein  Naziräer  sein,  wenn  ich  esse;  siehe,  ich  will  ein  Naziräer  sein, 
wenn  ich  esse!"  u.  er  ißt  dann,  so  ist  er  für  jedes  einzelne  Gelübde 
schuldig  ::in  (er  muß  zweimal  dreißig  Tage  lang  Naziräer  sein  u.  zwei- 
mal das  Opfer  des  Naziräers  darbringen).  Sagt  er  aber:  „Schwur,  daß 
ich  nicht  esse,  Schwur,  daß  ich  nicht  esse"^  u.  er  ißt  dann,  so  ist  er 
nur  Einmal  schuldig  -^r  (ein  Opfer  zu  bringen). 

23, 17:  W^er  ist  größer,  das  Gold  oder  der  Tempel? 
Diese  Frageformel  ist  bei  Diskussionen  nicht  unbeliebt  gewesen. 
Einige  Beispiele  s.  bei  Lk  22,  27  Nr.  3. 

23, 18:  Wer  schwört  beim  Altar  .  .  .,  bei  der  Gabe  auf  ihm. 
Vgl.  das  bei  23, 16  Bemerkte.  —  Aus  den  Beispielen  S.335  Anm.^  er- 
kennt man,  daß  nicht  bloß  beim  Altar  im  allgemeinen  geschworen  wurde, 
sondern  auch  speziell  beim  inneren  Altar,  bezw,  bei  dessen  Hörnern. 

23,  19:  Der  Altar,  der  die  Gabe  heiligt. 

Z«^b9, 1:  Der  Altar  heiligt  das,  was  für  ihn  bestimmt  ist.  —  Das.  9,  7:  Gleichwie 
der  Altar  das  für  ihn  Bestimmte  heiligt,  so  heiligt  auch  die  Rampe  (die  zum  Altar 
empor  führt).  Gleichwie  der  Altar  u.  die  Rampe  das  für  sie  Bestimmte  heiligen,  so 
heiligen  auch  die  (Tempel-)Gefäße  (das  in  sie  hinein  Getane).  Die  Gefäße  für  Flüssiges 
heiligen  das  Flüssige  u.  die  Maße  für  Trockenes  heiligen  das  Trockene;  aber  nicht 
heiligen  die  Gefäße  für  Flüssiges  das  Trockene,  u.  nicht  die  Maße  für  Trockenes  das 
Flüssige.  Heilige  Geräte,  die  durchlöchert  worden  sind,  heiligen,  wenn  sie  noch  teil- 
weise den  Dienst  verrichten,  den  sie  verrichteten,  als  sie  unversehrt  waren;  wenn  aber 
nicht,  so  heiligen  sie  nicht.  Alle  aber  heiligen  nur  im  Heiligtum.  —  M®n  12,  1:  Wenn 
Speis-  u.  Trankopfer  unrein  wurden,  bevor  man  sie  durch  die  Gefäße  geheiligt  hatte, 
so  findet  bei  ihnen  die  Auslösung  statt;  nachdem  man  sie  durch  die  Gefäße  geheiligt 
hatte,  findet  bei  ihnen  keine  Auslösung  statt. 

23,22:  Wer  beim  Himmel  schwört,  schwört  beim  Throne  Gottes 
u.  bei  dem  darauf  Sitzenden  (s.  bei  Mt  5,  34  S.  331— 334). 

23,23  51:  Ihr  verzehntet  Minze  u.  Dill  u.  Kümmel. 
Der  Verzehntung  unterlagen  nachDt  14, 22  f.  dieErträge  an  Korn,  Most 
u.  Öl.  Die  rabbin.  Auslegung  hat  den  Kreis  der  zehntpflichtigen  Boden- 
erzeugnisse namentl.  durch  Einbeziehung  der  Hülsenfrüchte  u.  Grünkräu- 
ter erweitert,  s.  den  Exk.  über  Abgaben  von  den  Bodenerzeugnissen  Nr.  3. 


Matth  23,  23  {%.  58).  23,  24  933 

1.  i'jdvoa/uof  Minze.  Das  Blattwerk  der  M.  s:-:-  ist  nach  Scli'bi?itli  7,  1  genießbar 
für  Menschen  u.  unterliegt  dem  Brachjahrgesetz.  —  Schab  128'''  wird  sr;-:s.  Minze  durch 
NV-:,  s-r:  erklärt.  —  Git69'^:  Gegen  Herzklopfen  nehme  man  drei  Eier  mit  s--:-3  u. 
ein  Ei  mit  Kümmel  sr-ss  u.  ein  Ei  mit  Sesam  u.  esse  es.  Auch  fAZ29'^  ist  s-:-:  ein 
Heilmittel  gegen  Herzbeschwerden.  —  Ein  ausdrückliches  Zeugnis  für  die  Verzehn- 
tung  der  M.  ist  uns  nicht  bekannt. 

2.  uvrj&oy  Dill,  hebr.  rz,'v.  Über  die  Verzehntung  besagt  Ma?as4,  5:  R.  Eli?ezer 
(um  90)  sagte:  Am  Dill  wird  verzehntet  der  Same,  das  Kraut  u.  die  Samenbehälter. 
Die  Gelehrten  aber  sagten:  Same  u.  Kraut  werden  nur  an  Kresse  u.  Rauke  verzehntet 
(also  ist  das  Dillkraut  der  Verzehntung  nicht  unterworfen).  In  ?AZ  7  ^  wird  die  Meinung 
des  R.  Elifezer  bereits  von  Nachum  dem  Meder  (um  70)  vertreten.  ||  fUqQin  3,4:  Wenn 
Dill  rata  im  Topf  seinen  Geschmack  mitgeteilt  hat,  so  kommt  er  nicht  mehr  als  Hebe 
in  Betracht  (so  daß  ein  Nichtpriester,  der  davon  genießt,  straffrei  bleibt);  auch  ist  er 
(einmal  abgekocht)  nicht  als  Speise  verunreinigungsfähig  (weil  er  nicht  mehr  als  Speise 
angesehen  wird). 

3.  xv^ivop  Kümmel,  hebr.  yi^'q,  aram.  sr'ss.  D'^mai  2,  1:  Folgende  Dinge  werden 
als  D'mai  (zweifelhaft  verzehntet)  überall  (auch  im  Ausland)  verzehntet:  Feigenkuchen, 
Datteln,  Johannisbrot,  Reis  u.  Kümmel.  ||T'^'rum  10, 4:  Wenn  man  einen  Ofen  mit  Kümmel 
von  Priesterhebe  geheizt  u.  dann  Brot  darin  gebacken  hat,  so  ist  das  Brot  (dem  Nicht- 
priester zum  Genuß)  erlaubt,  weil  es  nicht  den  Geschmack  des  Kümmels,  sondern  nur 
den  Geruch  des  Kümmels  hat.  —  Nach  fEduj  5,  3  forderte  die  Schule  Hillels  (nicht 
die  Schammais)  Verzehntung  des  Schwarzkümmels  n^-  . 

23,23  23:  Das  Schwerere  (Wichtigere)  des  Gesetzes,  das  Ge- 
richt u.  die  Barmherzigkeit  u.  die  Treue,  lasset  ihr  dahinten. 
Vgl.  die  Stellen  bei  Mk  12, 40.— Über  die  Verwerflichkeit  der  Heuchelei 
s.  bei  Mt  23, 13  31  Nr.  2.  —  Zu  den  drei  Werken,  die  Jesus  fordert,  s.  Targ 
Micha  6,  8:  Soll  dir  ein  Mensch  ansagen,  was  gut  ist  u,  was  Jahve  von 
dir  fordert?  Nur  ein  Gericht  der  Wahrheit  halten  u.  Liebeswerke  gern 
haben  u.  sei  demütig,  zu  wandeln  in  der  Furcht  deines  Gottes.  ||  In 
bezug  auf  die  Rechtspflege  heißt  es  TSota  14,  3  (320) :  Seitdem  sich  die 
Lüstlinge  mehrten,  hörte  die  Ehre  der  Tora  auf  u.  das  Recht  wurde 
verderbt;  seitdem  sich  die  Einflüsterer  von  Einflüsterungen  beim  Rechts- 
verfahren mehrten  (die  die  Richter  im  geheimen  beeinflußten),  kam 
heftiger  Zorn  in  die  Welt,  u.  die  Sch^'khina  entfernte  sich  von  Israel. 

23, 24:DiedieMücke  durchsei hen,dasKamel  aber  verschlucken. 

Wohl  sprichwörtliche  Redensart.  Die  von  Wettstein  irrig  angeführte 
Stelle  B°rakh  63-'^  ts^-ü^n  yaipi  d-^dü  ^ny^  bedeutet:  „Er  richtete  Schaltjahre 
ein  u.  setzte  Schaltmonate  fest."  —  Die  Mücke,  t^tr^  wird  öfters  als 
Repräsentantin  der  geringfügigsten  Geschöpfe  genannt. 

SDt  6,  5  §  32  (73'*^):  Wenn  alle,  die  in  die  Welt  kommen,  sich  vereinigen  wollten, 
um  eine  einzige  Mücke  zu  schaffen  u.  in  sie  eine  Seele  zu  bringen,  so  würden  sie  dazu 
nicht  imstande  sein.  Was  will  da  die  Schrift  lehrend  sagen  Gn  12,5:  «Alle  Seelen, 
die  sie  in  Charran  gemacht  (erworben)  hatten?"  Das  will  lehren,  daß  unser  Vater 
Abraham  sie  zum  Judentum  bekehrt  u.  unter  die  Flügel  der  Sch^'khina  gebracht  hat.  — 
Dieser  mehrfach  wiederholte  Satz  ist  später  dem  R.  Jose  b.  Zimra,  um  220,  beigelegt 
worden,  s.  pSanh  7,  25«>,  48;  GnR  39  (24«);  P^sigR  43  (181«)  u.  ö.  ||  Git  56^:  (Als  Titus 
Gott  verhöhnte,  sprach  dieser:)  Ein  geringfügiges  Geschöpf  nVp  n-"ia  habe  ich  in  meiner 
Welt,    „Mücke"  ist  sein  Name,   mit  dem  sollst  du  Krieg  führen.    (Eine  Mücke  soll 


934  Mattli23,24.  25(Nr.  1) 

dann  ins  Gehirn  des  Titas  eingedrungen  sein  u.  die  Ursache  seines  Todes  geworden 
sein.)  Parallelstelle  LvR  18  (ISö"^).  ||  Sanh  38'^  Bar:  Der  Mensch  ist  am  Freitag  er- 
schaffen worden.  Warum?  Damit,  wenn  er  in  seinem  Innern  sich  stolz  erhebt,  man 
zu  ihm  sagen  könne:  Die  Mücke  ist  dir  beim  Schöpfungswerk  vorangegangen. 

Dem  divki^etv  entspricht  das  hebr.  -io  =  durchseihen. 

Schab  20,  2 :  Man  darf  (am  Sabbat)  den  Wein  durch  Tücher  oder  durch  ein  Weiden- 
geflecht seihen  "::z^.  —  Davon  r^^c-?  der  Seiher.  ||  Chulü?'':  „Und  alles  Gewimmel, 
das  auf  der  Erde  wimmelt,  ist  ein  Greuel,  soll  nicht  gegessen  werden"  Lv  11,41,  das 
will  die  --v;-!-!:-  einschließen,  die  man  seiht  (beim  Seihen  im  Seihtuch  zurückbehält).  — 
Die  •,-x;'ir!3-'  sind  Insekten,  die  als  „Wasserschlängelchen"  oder  „ Kellerfliegen "  erklärt 
werden,  s.  Levy  2,  215'^;  Raschi  versteht  darunter  kleine  Mücken,  die  sich  zwischen 
den  Weinfässern  aufhalten.  |1  Über  das  verschiedene  Verhalten  der  Menschen  zu  In- 
sekten, die  mit  Getränken  in  Berührung  kommen,  s.  TSota  5, 9  (302)  bei  Mt  1, 16  S.  40  «.  \\ 
Hör  11^:  Hat  einer  Einen  Floh  oder  Eine  Mücke  rip'  gegessen  (um  Gott  damit  zu 
ärgern,  also  aus  Trotz),  siehe,  so  ist  er  ein  Abtrünniger  ■"3«{;:. 

Über  das  Kamel  vgl.  bei  Mt  19,  24.  —  Vgl.  noch  Schab  12=^  Bar: 
R.  Elifezer  (um  90)  hat  gesagt:  Wer  eine  Laus  am  Sabbat  tötet,  ist 
wie  einer,  der  ein  Kamel  tötet  (denn  töten  ist  töten). 

23,25:  Ihr  reinigt  das  Äußere  des  Bechers  u.  der  Schüssel. 

1.  Einige  Mischnasätze  mögen  die  peinliche  Genauigkeit  beleuchten, 
mit  der  man  auf  die  Reinheit  von  Geräten  (Gefäßen)  achtete. 

Kelim2,  1:  An  hölzernen,  ledernen,  knöchernen  u.  gläsernen  Geräten  gelten  ihre 
glatten  (platten)  Teile  für  rein,  ihre  vertieften  (die  Inhalt  aufnehmen  können)  als  ver- 
unreinigungsfähig. Wurden  sie  zerbrochen,  so  gelten  sie  (die  Bruchstücke)  für  rein 
(weil  sie  nicht  mehr  verwendbar  sind).  Macht  man  aus  ihnen  wieder  Geräte,  so  nehmen 
sie  von  da  an  u.  weiter  vrieder  Unreinheit  an.  Irdene  Gefäße  u.  solche  aus  Laugensalz 
(^ri)  sind  in  bezug  auf  ihre  Unreinheit  gleich:  sie  werden  unrein  u.  verunreinigen  in 
ihrem  Luftraum  (ohne  daß  tatsächliche  Berührung  erforderlich  ist);  sie  werden  unrein 
an  ihrer  (ausgehöhlten)  Unterseite,  aber  nicht  an  ihrer  Außenseite.  Und  ihre  Zer- 
brechung  ist  ihre  Reinigung.  —  Das.  2,  7:  Verunreinigungsfähig  unter  den  irdenen  Ge- 
fäßen sind:  eine  Platte  (Tafel),  die  einen  Rand  hat,  eine  ganze  (unversehrte)  Kohlen- 
pfanne u.  eine  Platte  (Tafel),  die  aus  lauter  schüsselartigen  Abteilungen  besteht.  Wird 
eine  von  diesen  (Abteilungen)  durch  ein  Kriechtier  verunreinigt,  so  sind  nicht  alle  ver- 
unreinigt. Wenn  die  Platte  aber  einen  hochstehenden  Rand  hat  (der  ihre  einzelnen 
Abteilungen  überragt),  so  sind,  wenn  eine  von  den  Abteilungen  verunreinigt  wurde, 
alle  verunreinigt  (weil  der  Luftraum  über  der  Platte  durch  deren  hochstehenden  Rand 
allen  Plattenabteilungen  gemeinsam  geworden  ist).  —  Das.  11,  1:  An  den  metallenen 
Geräten  sind  ihre  glatten  (platten)  u.  ihre  vertieften  Teile  verunreinigungsfähig.  Wurden 
sie  zerbrochen,  so  gelten  sie  für  rein;  macht  man  aus  ihnen  wieder  Geräte,  so  kehren 
sie  zu  ihrer  früheren  Unreinheit  wieder  zurück.  R.  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte: 
Nicht  zu  jeder  Unreinheit,  sondern  nur  zu  der,  die  von  einem  Toten  herrührte.  — 
Das.  25,  3:  Bei  den  Wein-  u.  Ölmaßen,  beim  Gabellöffel  (einem  Gerät,  das  aus  Gabel 
u.  Löffel  bestand),  beim  Senfsieb  u.  beim  Weinseiher  ist  die  Außenseite  von  der  Innen- 
seite zu  unterscheiden.  So  R.  Me'ir  (um  150).  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Man  braucht 
sie  nicht  zu  unterscheiden.  R.  Schimfon  (um  150)  sagte:  Man  hat  sie  zu  unterscheiden: 
sind  sie  an  ihrer  Außenseite  verunreinigt  worden,  so  ist  das,  was  in  ihnen  ist,  rein, 
obwohl  man  (das  ganze  Gerät  behufs  Reinigung)  untertauchen  muß.  —  Das.  25,  6:  Die 
Fußgestelle  der  Gefäße  u.  ihre  Ränder  u.  ihre  Henkel  u.  die  Griffe  der  zum  Aufnehmen 
geeigneten  Gefäße  trocknet  man  ab,  wenn  unreine  Flüssigkeiten  darangekommen  sind, 
so  sind  sie  rein.  Alle  andren  Gerätschaften  aber,  die  nicht  Granatäpfel  halten  können 
u.  die  keine  Rückseiten  u.  kein  Inneres  haben,  sind,  wenn  unreine  Flüssigkeiten  an 


Mattli23,  25  (Nr.  1.2)  935 

einen  Teil  von  ihnen  gekommen  sind,  ganz  unrein.  Wenn  an  einem  Gefäß  die  Außen- 
seiten durch  unreine  Flüssigkeiten  unrein  geworden  sind,  so  sind  die  Außenseiten  un- 
rein, dagegen  sind  sein  Inneres,  sein  Rand,  sein  Henkel  u.  seine  Griffe  rein.  Sobald 
das  Innere  unrein  geworden  ist,  ist  alles  unrein.  —  Das.  25, 7 f.:  Bei  allen  Gefäßen 
sind  zu  unterscheiden  die  Außenseiten,  das  Innere  u.  der  Henkel  (wörtlich:  Stelle  des 
Anfassens).  R.  Tarphon  (um  100)  sagte:  Das  gilt  in  hezug  auf  einen  großen  hölzernen 
Trog;  R.  fAqiba  (f  um  185)  sagte:  (Auch)  in  bezug  auf  die  Becher.  R.  Me'ir  (um  150) 
sagte:  In  bezug  auf  unreine  u.  auf  reine  Hände.  R,.  Jose  (um  150)  sagte:  Man  hat  es 
nur  in  bezug  auf  reine  Hände  gesagt.  Wenn  zB  die  Hände  rein  sind  u.  die  Außen- 
seiten eines  Bechers  unrein,  u.  man  faßt  den  Henkel  an,  so  hat  man  nicht  zu  be- 
fürchten, daß  die  Hände  durch  die  Außenseiten  des  Bechers  unrein  werden.  Hat  man 
aus  einem  Becher,  dessen  Außenseiten  unrein  sind,  getrunken,  so  hat  man  nicht  zu 
befürchten,  daß  das  Getränk  im  Munde  durch  die  Außenseiten  des  Bechers  unrein 
wird  u.  wiederum  seinerseits  den  Becher  unrein  macht.  —  Das.  30,  1 :  Von  den  gläsernen 
Gerätschaften  sind  die  flachen  rein  u.  die  vertieften  (wörtlich:  die  etwas  aufnehmen 
können)  verunreinigungsfähig.  Wurden  sie  zerbrochen,  so  sind  sie  rein;  machte  man 
aus  ihnen  wieder  Geräte,  so  nehmen  sie  von  da  an  u.  weiter  wieder  Unreinheit  an. 
Eine  Platte  u.  (glatte)  Schüssel  von  Glas  sind  rein;  wenn  sie  einen  Rand  haben,  sind 
sie  verunreinigungsfähig.  Der  Boden  einer  (zerbrochenen)  Schale  oder  einer  (zerbrochenen) 
Schüssel  von  Glas  gilt,  wenn  man  ihn  in  Gebrauch  nimmt  (weil  er  noch  etwas  fassen 
kann)  als  rein;  wenn  man  sie  aber  mit  Kreide  abi'ieb  oder  mit  einer  Feile  glättete, 
so  sind  sie  verunreinigungsfähig.  —  Das.  30,  3 :  Ein  Becher,  dessen  größerer  Teil  be- 
schädigt ist,  gilt  als  rein;  sind  drei  schadhafte  Stellen  an  ihm  in  seinem  größeren 
Teil,  so  gilt  er  als  rein.  R.  Schim?on  (um  150)  sagte:  Wenn  er  den  größeren  Teil  des 
(hineingefüllten)  Wassers  verschüttet  (durch  die  schadhaften  Stellen  abfließen  läßt), 
gilt  er  als  rein.  Hat  er  ein  Loch  bekommen  u.  man  besserte  ihn  mit  Zinn  oder  mit 
Pech  aus,  so  gilt  er  als  rein.  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Wenn  mit  Zinn,  so  ist  er  ver- 
unreinigungsfähig; wenn  mit  Pech,  so  ist  er  rein.  —  Zum  Verständnis  dieser  Stellen 
s.  das.  25,  9:  Alle  Gegenstände  kommen  zu  ihrer  Verunreinigungsfähigkeit  durch  ihre 
Bestimmung;  aber  sie  verlieren  ihre  Verunreinigungsfähigkeit  nur  durch  eine  Verände- 
rung an  ihrer  Herrichtung;  die  (neue)  Herrichtung  hebt  die  (alte)  Herrichtung  auf  u. 
(zugleich)  die  (frühere)-  Bestimmung;  eine  neue  Bestimmung  aber  hebt  weder  die 
(frühere)  Herrichtung  noch  die  (frühere)  Bestimmung  auf.  (Ein  Mensch  trägt  zB  einen 
Ring  an  seiner  Hand;  durch  diese  Bestimmung,  als  Fingerreif  zu  dienen,  wird  der 
Ring  verunreinigungsfähig.  Später  wird  derselbe  Ring  bestimmt,  irgendwie  an  einem 
Tier  Verwendung  zu  finden;  am  Tier  würde  der  Ring  der  Theorie  nach  nicht  ver- 
unreinigungsfähig sein;  gleichwohl  behält  er  die  Fähigkeit  dazu,  da  die  bloße  neue  Be- 
stimmung des  Ringes  die  frühere  nicht  aufhebt.  Soll  der  Ring  die  Verunreinigungs- 
fähigkeit im  Dienst  des  Tieres  verlieren,  so  ist  am  Ringe  selbst  eine  Veränderung  vor- 
zunehmen; diese  Veränderung  an  der  Form  des  Ringes  hebt  dann  die  ursprüngliche 
Bestimmung  u.  damit  zugleich  die  Verunreinigungsfähigkeit  auf.) 

2.  über  die  Reinigung  der  Geräte  s.: 

fAZ  5,  12:  Wenn  man  einen  Gebrauchsgegenstand  von  einem  Heiden  kauft  (diese 
Gegenstände  gelten  als  unrein),  so  soll  man  das,  was  man  unterzutauchen  pflegt, 
untertauchen;  was  man  auszubrühen  pflegt,  ausbrühen;  was  man  mit  der  Flamme  aus- 
zuglühen pflegt,  ausglühen.  Den  Bratspieß  u.  den  Rost  glüht  man  mit  der  Flamme  aus; 
das  Messer  schleift  man  ab,  so  ist  es  rein.  (Vgl.  Lv  6,  21;  Nu  31,  22  f.  u.  Siphre  zur 
letztren  Stelle  §  158.)  |1  Miqv  10,  1:  Wenn  man  ein  Gefäß  mit  der  Öffnung  nach  unten 
untergetaucht  hat,  so  ist  es,  als  hätte  man  es  nicht  untergetaucht.  Hat  man  es  ordnungs- 
mäßig untergetaucht,  aber  ohne  den  Henkel,  (so  genügt  das  erst,)  bis  man  es  auf  die 
Seite  geneigt  hat.  Ein  Gefäß,  das  an  beiden  Enden  eng  u.  in  der  Mitte  weit  ist,  ist  nicht 
eher  rein,  als  bis  man  es  auf  die  Seite  geneigt  hat.  Eine  Flasche,  deren  Mündung  (nach 
innen)  umgebogen  ist,  ist  nicht  eher  rein,  als  bis  man  sie  an  der  Seite  durchlöchert. 


936  Matth  23,  25  (Nr.  2).  23,  27 

Über  das  zum  Untertauchen  geeignete  Wasser  s.  bei  Mt3, 6  S.  108f. 

Nur  auf  die  spezielle  Vorschrift  Lv  6,  21:  ,Das  eherne  Gefäß  (in  welchem  der 
priesterliche  Auteil  am  Sündopfer  gekocht  ist)  werde  abgerieben  u.  mit  Wasser  ab- 
gespült", bezieht  sich  Z'bll,7:  Das  Abreiben  ist  wie  das  Abreiben  des  Bechers  (s. 
w.  u.)  u.  das  Abspülen  ist  wie  das  Abspülen  des  Bechers.  Das  Abreiben  geschieht  mit 
heißem  Wasser  u.  das  Abspülen  mit  kaltem  Wasser.  Den  Bratspieß  u.  den  Bratrost 
spült  man  mit  heißem  Wasser  ab.  —  Ausführlicher  SLvti,  21:  Das  Abreiben  ist  wie 
das  Abreiben  des  Bechers  u.  das  Abspülen  geschieht  wie  das  Abspülen  des  Bechers. 
Das  Abreiben  u.  das  Abspülen  geschieht  mit  kaltem  Wasser.  Den  Bratspieß  u.  den  Brat- 
rost spült  man  mit  heißem  Wasser  ab.  . . .  Soll  etwa  das  Abspülen  auch  hier  mit  40  Sea 
Wasser  (wie  sonst  üblich)  geschehen?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Lv  6, 21 :  ,Mit  Wasser" ; 
mit  Wasser,  soviel  es  ist;  mit  Wasser,  aber  nicht  mit  Wein  oder  mit  gemischtem  Wein; 
mit  Wasser,  um  alles  Wasser  für  tauglich  zu  erklären  u.  erst  recht  das  Wasser  im 
(großen  Tempel-)Becken  "v:.  —  Mit  dem  oben  erwähnten  „Becher"  ist  der  Becher  ge- 
meint, über  dem  der  Lobspruch  beim  Tisch-Schlußgebet  gesprochen  wurde.  Von  diesem 
Becher,  heißt  es  B  rakh  51^,  seien  zehn  Dinge  gesagt  worden,  zu  denen  auch  dies  ge- 
hört, daß  er  abzuwischen  u.  abzuspülen  sei:  „Das  Abwischen  nn-.n  geschieht  von  innen 
u.  das  Abspülen  r-.t-j:-::  von  außen." 

23,25:  Inwendig  sind  sie  voll  von  Raub  u.  Unenthaltsamkeit. 
Belege  s.  bei  Mk  12,  40;  ferner  s.  TM'^n  1.'^  22  (583)  bei  Mt23,  28. 

23,27:  Ihr  gleichet  übertünchten  Gräbern. 

Die  Gräber  wurden  im  Frühjahr  mit  Kalk  getüncht,  damit  sie 
jedermann  als  solche  kenntlich  würden.  Praktische  Bedeutung  hatte  die 
Einrichtung  namentlich  für  Priester,  indem  sie  ihnen  die  Möglichkeit 
bot,  sich  von  Gräbern  als  Stätten  der  Unreinheit  fernzuhalten. 

Sch*^q  1,  1:  Am  15.  Adar  (etwa  März)  .  .  .  macht  man  sich  an  das  Herstellen  (Aus- 
bessern) der  Wege  u.  der  Straßen  u.  der  Wasseransammlungen  .  .  .,  auch  kennzeichnet 
man  die  Gräber  n-apr;  rs  ■i':';:i'in.  —  TSch'^ql,4:  Am  15.  des  Monats  (Adar)  gehen 
die  vom  Gerichtshof  Beauftragten  aus  u.  kennzeichnen  den  Ort  der  Unreinheit  (=  Gräber), 
damit  die  Menge  nicht  dadurch  strauchle  (in  Sünde  gerate).  \\  MSch  5, 1 :  Eine  vierjährige 
Weinpflanzung  (deren  Frucht  auszulösen  war)  macht  man  durch  (herum)gelegte  Erd- 
schollen kenntlich,  eine  Stelle  mit  fOrlaanpflanzungen  (1  —  3  jährigen  Pflanzungen,  s. 
Lvl9,  23)  durch  Töpferlehm,  eine  Stelle  mit  Gräbern  durch  Kalk,  u.  zwar  löst  man 
diesen  (im  Wasser)  auf  u.  gießt  ihn  hin.  —  In  einer  Besprechung  dieser  Misclina  in 
BQ  69^  heißt  es:  Der  Kalk  diente  als  Zeichen,  weil  er  weiß  ist,  wie  die  Totengebeine, 
u.  man  löste  ihn  auf  u.  goß  ihn  (um  das  Grab)  aus,  damit  er  noch  weißer  würde.  || 
MQ  1,  2:  Man  darf  (an  den  Zwischenfeiertagen)  .  .  .  die  Gräber  kennzeichnen.  —  Dazu 
pSch^q  1,  46",  22:  Hat  man  sie  denn  nicht  schon  im  Monat  Adar  gekennzeichnet?  Du 
kannst  es  so  erklären,  daß  ein  heftiger  Regenguß  niederfiel,  der  es  (gemeint  ist  die 
Kalktünche)  wegspülte.  .  .  .  Woher  läßt  sich  der  Schriftbeweis  für  das  Kennzeichnen 
der  Gräber  beibringen?  R.  B'Yekhja  (um  840)  hat  gesagt,  R.  Jafaqob,  der  Tochtersohn 
Jafaqobs  (um  320)  habe  im  Namen  des  R.  Huna  aus  B'^rath-Chauran  (um  230)  gesagt  — 
nach  R.  Jose  (um  350)  hat  es  R.  Ja?aqob  b.  Acha  (um  300)  im  Namen  des  R.  Huna 
aus  B  rath-Chauran  gesagt;  nach  R.  Chizqijja  (um  350)  hat  es  R.  fUzziel  b.  Huna  von 
Beth-(B''rath-)Chauran  (um  270)  im  Namen  des  R.  Huna  aus  Beth-(B'^rath)-Ghauran  ge- 
sagt — :  Es  heißt  Lv  13,45:  „Das  Unreine  soll  .unrein'!  rufen"  (so  der  Midr);  die  Un- 
reinheit soll  dir  mit  ihrem  Munde  (d.  h.  mit  ihrer  Kalktünche)  zurufen  u.  zu  dir  sagen: 
Bleibe  fern!  R.  Heia  (um  310)  hat  im  Namen  des  R.  Sch'^'muel  b.  Nachman  (um  260) 
gesagt:  (Der  Schriftbeweis  sei  zu  führen  aus  Ez  39,  15:)  Wandrer  wandern  im  Lande 
umher,  u.  sieht  einer  ein  Menschengebein,  so  errichtet  er  daneben  ein  Kennzeichen. 
„Gebein",  daraus  ist  zu  entnehmen,  daß  man  über  Gebeinen  ein  Kennzeichen  macht; 


Matth  23,  27.  28.  29  (Nr.  1)  937 

„von  einem  Menschen",  daraus  ist  zu  entnehmen,  daß  man  über  einem  Rückgrat  (Rumpf) 
u.  über  einem  Schädel  ein  Kennzeichen  macht;  „u.  errichtet",  daraus  ist  zu  entnehmen, 
daß  man  auf  einem  festliegenden  Stein  ein  Kennzeichen  macht.  Wenn  du  sagen  wolltest: 
,Auf  einem  lose  daliegenden  Stein",  so  könnte  dieser  wandern  u.  an  einer  andren 
Stelle  etwas  als  unrein  bezeichnen  (was  doch  nicht  unrein  ist);  „daneben",  d.  h.  an 
reiner  Stelle  (die  den  Fundort  des  Toten  oder  des  Grabes  umgibt);  „ein  Kennzeichen", 
hieraus  ist  die  Pflicht  der  Kennzeichnung  zu  entnehmen.  Parallelstellen :  pMSch  5, 55 '',  39 ; 
pMQ  1,  80^,  60;  vgl.  MQ  5:\  II  Übrigens  wurden  Gräber,  die  als  solche  jedermann  kennt- 
lich waren,  nicht  getüncht.  MQ  b^  Bar.  Man  kennzeichnet  nicht  zweifellose,  wohl  aber 
zweifelhafte  Grabstellen;  u.  dies  sind  zweifelhafte:  die  von  Gebüsch  verdeckt  oder  von 
Mauerteilen  überragt  sind,  ferner  ein  umgepflügtes  Gräberfeld. 

Daß  auch  Rabbinen  sich  an  der  Kennzeichnung  von  Gräbern  be- 
teiHgten,  zeigt  das  Beispiel  des  R.  Banna^a,  um  220,  u.  des  R.  Schim?on 
b.  Laqisch,  um  250;  s.  BQ  58";  BM  85  b. 

23,28:    So    erscheinet   auch   ihr   äußerlich    den   Menschen 
gerecht,  inwendig  aber  seid  ihr  voll  Heuchelei  u.  Gesetz- 
losigkeit (Ungerechtigkeit). 
Beleges,  im  Exkurs  überPharisäer  u.SadduzäerNr. 2  u. bei Mk  12,40; 
Lkl6, 14;  ferner  s.  pJ^bl2,13%33  bei  Mt23, 13  5(  S.921.  —  Besonders 
wird  den  letzten   Ge.schlechtern   vor   der  Zerstörung  Jerusalems   im 
Jahre  70  Geldliebe  u.  Haß  zum  Vorwurf  gemacht. 

TM'^^n  13,  22  (533):  R.  Jochanan  b.  Tortha  (um  HO)  hat  gesagt:  Warum  ist  Schilo 
zerstört  worden?  Wegen  der  darin  herrschenden  Verachtung  des  Heiligen.  Warum  ist 
der  erste  Tempelbau  Jerusalems  zerstört  worden?  Wegen  des  Götzendienstes,  der  Un- 
zucht u.  des  Blutvergießens,  die  darin  herrschten.  Aber  von  denen  zur  Zeit  des  zweiten 
Tempels  wissen  wir  doch,  daß  sie  sich  mit  der  Tora  beschäftigten  u.  sorgfältig  waren 
bei  den  Zehntabgaben;  warum  sind  sie  in  die  Verbannung  geführt  worden?  Weil  sie 
das  Geld  (Mammon)  liebten  u.  sich  untereinander  haßten.  Das  &0II  dich  lehren,  daß 
gegenseitiger  Haß  schlimm  ist  vor  Gott,  u.  daß  die  Schrift  ihn  gleichsetzt  dem  Götzen- 
dienst, der  Unzucht  u.  dem  Blutvergießen.  —  Parallelstellen  pJoma  1,  38*^,  48 ;  Joma  9" 
(s.  oben  S.  366  Nr.  3);  9'\  —  Vgl.  auch  BM  73 '^  bei  Lk  16,  14.  1|  Joma  72'^:  Raba  (f  352) 
hat  gesagt:  Jeder  Gelehrtenschüler,  dessen  Inneres  nicht  wie  sein  Äußeres  ist,  ist 
kein  Gelehrtenschüler.  Abaje  (f  338/39),  nach  andren  Rabbah  b.  ?Ulla  (um  400?)  hat 
gesagt:  Er  wird  ein  Abscheulicher  genannt,  s.  Hil5,  16:  „Vollends  der  Abscheuliche 
u.  Verdorbene,  der  Mann,  der  wie  Wasser  Frevel  trinkt." 

23,29:  Ihr  bauet  die  Gräber  der  Propheten  u.  schmücket 
die  Denkmäler  der  Gerechten. 
1.  Monumentale  Grabdenkmäler  werden  erwähnt  (vgl.  schon  Jes22, 16 
Schebna)  1  Makk  13,  27ff. :  Simon  setzte  einen  Bau  auf  das  Grab  seines 
Vaters  u.  seiner  Brüder,  so  hoch,  daß  man  ihn  weithin  sehen  konnte, 
auf  der  Rückseite  u.  der  Vorderseite  aus  polierten  Steinen,  u.  stellte 
darauf  sieben  Pyramiden,  eine  der  andren  gegenüber,  für  seinen  Vater, 
seine  Mutter  u.  seine  vier  Brüder  (die  siebente  für  sich  selbst).  An 
diesen  aber  ließ  er  Kunstwerke  anbringen,  indem  er  große  Säulen 
umhersetzte,  u.  an  den  Säulen  brachte  er  Waffenrüstungen  an  zu  ewigem 
Gedächtnis,  u.  neben  den  Waffenrüstungen  waren  Schiffe  eingemeißelt, 
damit  sie  von  allen  gesehen  würden,  die  das  Meer  befuhren.  So  war  das 


938  Matth  23,  29  (Nr.  1—3) 

Orabmal  (o  tdcfog),  das  er  in  Modei'n  errichtete;  es  befindet  sich  dort  bis 
auf  den  heutigen  Tag.  —  Eine  einfache  Stele  in  Pyramidenform  wird  das 
Denkmal  {^arr^/iu)  gewesen  sein,  das  Herodes  d.  Gr.  am  Eingang  zu  den 
Oräbern  Davids  u.  Salomos  errichten  ließ,  nachdem  er  diese  zuvor  ihrer  gol- 
denen Schmucksachen  u.  Kleinodien  beraubt  hatte.  Joseph.  Antiq.  l(>,  7, 1 : 
j-ur^iiia  Xevxr^q  nergag  enl  to)  (TTOf.itfp  xarsaxsväaazo  noXvxeXtQ  Trj  öancirr^. 

2.  Etwas  Seltenes  können  Grabmäler  bei  den  Juden  kaum  gewesen 
sein.  So  vertritt  R.  Nathan  (um  160)  die  Ansicht,  daß,  wenn  Gelder 
zur  Bestattung  eines  Toten  gesammelt  worden  seien,  ein  etwa  ver- 
bleibender Rest  zur  Aufstellung  eines  Grabmals  verwendet  werden 
dürfe,  a  Hier  wird  also  auch  dem  Ärmsten  unter  Umständen  ein  Denk- 
stein oder  dergleichen  nicht  versagt.  Umgekehrt  macht  R.  Schim^on 
b.  Gamliel  (um  140),  wohl  um  Luxusausgaben  dem  gerade  nicht  mit 
Reichtümern  gesegneten  Gelehrtenstand  zu  ersparen,  den  Grundsatz 
geltend,  daß  die  Gerechten  der  Denkmäler  nicht  bedürfen,  da  ihre 
Worte  das  Gedächtnis  ihres  Namens  sicherten. b  Selbst  einem  Hunde 
ist  ein  Grabmal  zuteil  geworden,  c 

a.  Sch®q2,  5:  Der  Rest  des  für  Arme  Gesammelten  gehört  den  Armen;  der  Rest 
des  für  einen  bestimmten  Armen  Ges.  gehört  diesem  Armen;  der  Rest  des  für  Ge- 
fangene Ges.  gehört  den  Gefangenen;  der  Rest  des  für  einen  bestimmten  Gefangenen 
Ges.  gehört  diesem  Gefangenen;  der  Rest  des  für  Tote  Ges.  gehört  den  Toten;  der 
Rest  des  für  einen  bestimmten  Toten  Ges.  gehört  seinen  Erben.  R.  Me'ir  (um  150) 
sagte:  Der  Rest  des  für  einen  bestimmten  Toten  Ges.  soll  liegenbleiben,  bis  Elias 
kommt  (u.  Entscheidung  darüber  trifft);  R.  Nathan  (um  160)  sagte:  Von  dem  Rest  des 
für  einen  bestimmten  Toten  Ges.  baut  man  diesem  ein  Denkmal  '■äzi  über  (oder:  bei) 
seinem  Grabe.  ||  pSch'q  2,  47*,  6:  Im  Namen  des  R.  Nathan  hat  man  gelehrt:  Von  dem 
Rest  des  für  einen  bestimmten  Toten  Ges.  soll  man  diesem  ein  Denkmal  lar:  über 
(oder:  bei)  seinem  Grabe  erbauen  u.  ein  Sprengen  (wohlriechender  Essenzen)  an  seinem 
Totenbett  vornehmen.  —  Statt  -rj  in  der  Parallelstelle  GnR  82  (52 d)  r-a  =  Haus,  Bau; 
in  Sanh48*'^  cii2'-  =  domus. 

b.  pSch®q  2,  47%  8:  Rabban  Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Den  Gerechten 
errichtet  man  keine  Denkmäler  rvi's:,  ihre  Worte  (Aussprüche)  sind  ihr  Gedächtnis 
ir^=7.  —  Dasselbe  GnR  82  (52''). 

C.  P*^siq  79'^:  Wenn  Jahve  Wohlgefallen  hat  an  den  Wegen  eines  Mannes,  bewirkt 
«r,  daß  auch  seine  Feinde  mit  ihm  Frieden  halten  Sprl6,  7.  R.  Me'ir  (um  150)  sagte: 
Damit  ist  der  Hund  gemeint.  Hirten  hatten  einmal  Milch  gemelkt;  es  kam  eine  (giftige) 
Schlange  u.  fraß  davon;  der  Hund  hatte  es  gesehen.  Als  sie  sich  nun  setzten,  um  zu 
essen,  fing  er  an,  sie  anzubellen;  sie  aber  achteten  nicht  darauf;  schließlich  machte 
er  sich  auf  u.  fraß  u.  starb.  Da  begruben  sie  ihn  u.  errichteten  ihm  ein  Denkmal  s-^-ej; 
bis  jetzt  wird  es  das  Grabmal  des  Hundes  saV:-:  xrE;  genannt.  —  Dasselbe,  aber  ohne 
den  Schlußsatz,  pT^rum  8,  46  %  27. 

3.  Im  einzelnen  werden  folgende  Grabmäler  erwähnt: 

a.  na^-jx  \r??. ,  nach  Levy3,  426=*  „ein  geschlossenes  Denkmal  am 
Grabe,  d.  h.  das  keine  Öffnung  zum  Eingang  hat";  nach  Krauß,  Archäol. 
2,  80  „massive  Blöcke  oder  Monolithe,  die  nur  als  Denksteine  dienten". 
In  Verbindung  mit  einem  solchen  Monument  erscheinen  Hsp,  Hütten 
oder  Schuppen,  die  vorübergehend  als  Aufenthaltsorte  dienen  konnten. 

Ohal  7, 1 :  Wer  ein  massives  Grabmal  r:<2rL:N  ;üe3  an  den  Seiten  berührt,  ist  rein, 
weil  die  Unreinheit  senkrecht  auf  u.  nieder  durchdringt.  (Vorausgesetzt  scheint  zu  sein, 


Matth  23,  29  (Nr.  0).  23,  32  939 

daf3  das  Grabmal  nicht  auf  dem  Grabe  selbst,  sondern  seitwärts  davon  steht.)  Wenn 
aber  die  Stelle  der  Unreinheit  (über  welcher  das  Grabmal  steht)  so  groß  ist,  wie  eine 
Handbreite  im  Geviert,  so  ist  der,  welcher  irgendeine  Stelle  (des  Monuments)  berührt, 
unrein;  denn  es  ist,  wie  das  geschlossene  Grab  (dessen  Berührung  verunreinigt).  Ver- 
bindet man  unmittelbar  mit  ihm  (dem  Grabmal  über  einer  unreinen  Stelle)  Hütten 
(Lauben,  Schuppen,  n:c),  so  sind  diese  unrein.  R.  J'^huda  (um  150)  erklärte  sie  für 
rein.    (Die  Halakha  ist  nicht  nach  ihm.) 

b.  Ein  aufzwei  Seiten  durchbrochenes  (auf  Säulen  ruhendes?)  Grabmal 
n^mm^  ^rr^  nii-src;  •::z:.  Das  Charakteristische  dieser  Monumente  war, 
daß  sie  keinen  Aufenthaltsraum  für  Menschen  boten;  s.  T?Er  (>,  4f.'bei  c. 

c.  Grabmäler  mit  u.  ohne  einen  Aufenthaltsraum  für  Menschen. 
fErö,  1:  Wie  erweitert  man  Städte  (durch  Einbeziehung  von  Ausbauten  zwecks 

Festsetzung  der  Sabbatgrenze)?  Wenn  ein  Haus  (an  der  Stadtgrenze)  zurücksteht  u. 
ein  andres  vorspringt,  .  .  .  wenn  Brücken  u.  Grabmäler  rmt:  da  sind,  in  denen  sich 
ein  Aufenthaltsraum  n-^-r  befindet,  so  läßt  man  das  Maß  von  ihnen  ausgehn  u.  bildet 
daraus  eine  viereckige  Fläche,  damit  man  die  Winkel  gewinne.  |1  Tf Er  (5,  4  f.  (144): 
Folgende  Baulichkeiten  werden  (in  den  Stadtbezirk)  miteinbezogen:  ein  Grabmal  -iit:, 
das  vier  Ellen  im  Geviert  groß  ist.  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Seine  Wände  u.  Gesimse 
werden  miteinbezogen.  Ferner  eine  Grabanlage  (iz".  =  tdcfog)  u.  eine  Brücke,  die 
einen  Aufenthaltsraum  ----  r-z  enthalten,  ein  Götzentempel,  in  dem  sich  ein  Auf- 
enthaltsraum  für  Priester  befindet,  Stallungen  u.  Speicher  auf  dem  Felde,  die  einen 
Aufenthaltsraum  haben  .  .-.,  die  werden  miteinbezogen  (in  die  Stadt).  Folgende  Baulich- 
keiten werden  nicht  miteinbezogen:  ein  Grabmal  •:;t:,  das  auf  zwei  Seiten  hierhin  u. 
doithin  durchbrochen  ist,  eine  Grabanlage  -•z-  u.  eine  Brücke  ohne  einen  Aufenthalts- 
raum, ein  Götzentempel  ohne  einen  Aufenthaltsraum  für  Priester,  Stallungen  u.  Speicher 
auf  dem  Felde,  die  keinen  Aufenthaltsraum  haben  .  .  .,  die  werden  nicht  miteinbezogen. 
(Die  Nennung  der  auf  zwei  Seiten  durchbrochenen  Grabmäler  neben  solchen  Baulich- 
keiten, die  ohne  einen  Aufenthaltsraum  für  Menschen  sind,  beweist,  daß  jene  Grabmäler 
selbst  zu  dieser  Kategorie  von  Baulichkeiten  gehört  haben.)  —  Dasselbe  als  Bar  ?Er  55  ^. 

d.  Grabmäler,  die  zur  Beisetzung  von  Leichen  benützt  wurden. 
TAhillO,  7  (607j:  Wenn  der  Sarg  hineingebaut  ist  in  die  Wand  eines  Grabmals 

Tt's:,  so  ist,  wenn  derselbe  auch  noch  so  wenig  im  Innern  des  Grabmals  sichtbar 
wird,  der,  welcher  in  dieses  eintritt,  unrein;  wenn  der  Sarg  aber  nicht  sichtbar  wird, 
so  wird  der  Eintretende  unrein  nur  gegenüber  von  dessen  Bedeckung.  Hat  man  ein 
Grabmal  ':itj  über  dem  Sarge  erbaut,  so  ist  es  wie  ein  geschlossenes  Grab  u.  ver- 
unreinigt ringsum  von  allen  Seiten.  |j  Sanh48''':  Wenn  man  ein  Grabmal  'i-r:  für  einen  Leben- 
den erbaut  hat,  so  ist  es  zum  Nießbrauch  gestattet;  hat  man  aber  Eine  Steinschicht 
im  Namen  eines  Toten  (für  einen  T.)  hinzugefügt,  so  ist  es  zam  Nießbrauch  verboten. 
Um  welchen  Fall  handelt  es  sich  hier?  Wenn  man  einen  Toten  hineingelegt  hat.  || 
TAhil  17,  4,  (615):  Von  den  Grabmälern  rvaz^  im  Lande  Israel  darf  man  annehmen,  daß 
sie  rein  sind  (weil  für  gewöhnlich  keine  Leichen  darin  beigesetzt  werden);  ausgenommen 
sind  nur  diejenigen,  die  (durch  Kalktünche  als  wirkliche  Gräber)  gekennzeichnet  sind. 

23,32:  Machet  das  Maß  eurer  Väter  voll. 
fArakhin  15'':  „So  finden  wir,  daß  der  Gerichtsbeschluß  über  unsre  Väter  in  der 
Wüste  nur  wegen  der  bösen  Zunge  (Verleumdung)  besiegelt  worden  ist"  f  Arakh  3,  5. 
Aus  welchem  Grunde?  Etwa  weil  bis  dahin  ihr  Maß  nicht  voll  war  "irso  ah'^  s':;? 
Denn  Rab  Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  Gott  straft  einen  Menschen  nicht,  bevor 
sein  Maß  voll  ist  ^rso  a'^^rrv  -.y,  s.  Hi  20,  22:  Wenn  voll  ist  seine  Menge  (die  Menge 
seiner  Sünden),  kommt  die  Not  über  ihn  (so  der  Midr).  Resch  Laqisch  (um  250)  hat 
gesagt:  Die  Schrift  sagt  Nu  14,  22:  „Sie  haben  mich  nun  schon  zehnmal  versucht." 
Deswegen  wurde  der  Gerichtsbeschluß  untersiegelt.  —  Der  Ausspruch  des  Rab  Hamnuna 


940  Matth  23,  33.  35  (Nr.  1) 

auch  Sota  9^.  ||  Aus  dem  AT  kann  verglichen  werden  Crn  15,16;  Targ  Onk  u.  Jerusch  I 
übersetzen  die  Stelle  wörtlich. 

23,33:  Ihr  Schlangen,  ihr  Otterngezücht  (s.  bei  Mt  3,  7). 

Im  Rabbin.  findet  sich  syjg  als  or:^:  u.  sxiSru  als  x;=s5,  Np?y. 

M^kh  Ex  15,  22  (52»^):  „Otter  u.  geflügelter  Drache"  Jes  30,6.  nyes  (Otter)  be- 
deutet nichts  andres  als  c:v  e/t?  =  Otter.  Man  hat  gesagt:  Wenn  die  Otter  den 
Schatten  eines  Vogels  sieht,  der  in  der  Luft  fliegt,  u.  wenn  sie  (dann)  den  Vogel  sieht, 
so  wird  dieser  an  seinen  Schatten  gebannt  u.  seine  Glieder  fallen  ihm  ab.  —  Der  schwer- 
lich korrekte  Text  lautet  in  den  Parallelen  sehr  verschieden,  s.  Tanch  r'^xz  Sßi^;  TanchB 
r:Vr3  §  17  (32b);  Leqach  tob  Ex  15,  22  (50b).  ||  BM  84b:  (Als  man  den  R.  Elfazar 
b.  Schimfon,  um  180,  in  der  Grabeshöhle  seines  Vaters  beisetzen  wollte),  fand  man  eine 
Otter  S3:>',  die  sich  um  die  Höhle  gelegt  hatte.  Man  rief  ihr  zu:  Otter,  Otter,  öffne 
deinen  Mund  (laß  deinen  Schwanz  aus  deinem  Munde  los),  daß  der  Sohn  zu  seinem 
Vater  komme!.  Da  gab  sie  ihnen  den  Eingang  frei. 

23,33:  Vor  dem  Gericht  der  Hölle. 
Siehe  Exkurs:  „Sch^ol"  usw.  II,  Nr.  3  gegen  Ende;  vgl.  auch  bei  Mt  3,7  S.  115  f. 

23,34:  Ihr  werdet  in  euren  Synagogen  geißeln  (s.  bei  Mtl0,17). 

23,35:  Bis  zum  Blut  des  Zachar  ia,  des  Sohn  es  des  Bar  ach  ja,i  den 
ihr  zwischen  dem  Tempel(hausj  u.  dem  Altar  gemordet  habt. 

1.  Die  Ermordung  des  Z^kharja  b.  J'^^hojada?  2  Chr  24,  20ff.  in  der 
rabbin.  Überlieferung. 

Ältester  Bericht  pTa?au  4,69'\56:  R.  Jochanan  (t  279)  hat  gesagt:  80000  junge 
Priester  sind  wegen  des  Blutes  des  Z'^kharja  getötet  worden.  R.  Judan  (um  350)  fragte 
den  R.  Acha  (um  320):  Wo  hat  man  den  Z'^kharja  getötet?  Im  Vorhof  der  Weiber  oder 
im  Vorhof  der  Israeliten?  Er  antwortete:  Weder  im  Vorhof  der  Israeliten  noch  im  Vor- 
hof der  Weiber,  sondern  im  Vorhof  der  Priester  (also  in  der  Nähe  des  ßrandopfer- 
altars);  u.  nicht  ging  man  mit  seinem  Blut  um,  wie  mit  dem  Blut  eines  Widders  u. 
wie  mit  dem  Blut  einer  Gazelle.  Dort  (Lv  17, 13)  steht  geschrieben:  „Er  soll  sein  Blut 
ausgießen  u.  es  mit  Erde  bedecken";  aber  hier  hieß  es:  Ihr  Blut  ist  in  ihrer  Mitte, 
auf  nackten  Felsen  (vgl.  Ri  9,  5)  hat  sie  (die  Blutstadt  Jerusalem)  es  fließen  lassen, 
nicht  es  auf  die  Erde  gegossen,  daß  der  Staub  es  zudeckte  Ez  24,7.  Das  alles  warum? 
Um  Grimm  heraufzubriugen,  um  gewaltige  Rache  zu  nehmen,  habe  ich  ihr  Blut  auf 
nackten  Felsen  geraten  lassen,  daß  es  nimmer  zugedeckt  werde  Ez  24,  8.  Sieben  Über- 
tretungen begingen  die  Israeliten  an  jenem  Tage  (der  Ermordung  Z'^^^kharjas):  sie  töteten 
einen  Priester  u.  Propheten  u.  Richter,  sie  vergossen  unschuldiges  Blut,  sie  ver- 
unreinigten den  Voihof,-  u.  es  geschah  an  einem  Sabbat  u.  Versöhnungstag.  Als  N'^bu- 
zar^adan  hierher  heraufzog,  sah  er,  wie  das  Blut  aufwallte  zz^r.-  Er  sprach  zu  ihnen: 
AVas  ist  das  mit  diesem?  Sie  antworteten:  Es  ist  das  Blut  von  Stieren  u.  Lämmern 
u.  Widdern,  die  wir  auf  dem  Altar  als  Opfer  dargebracht  haben.   Sofort  ließ  er  Stiere 

1  Baouxiov  beruht  wohl  auf  einer  Verwechselung  des  Vaternamens  des  Z'kharja 
2  Chr  24,  20  ft'.  mit  dem  des  Propheten  Z'^^kharja  Sach  1,1;  Jes  8, 2 ;  s.  aber  auch  die  Zitate 
TargKL  2,  20  u.  Josippon  80  S.  94 1  f.  - 

-  Zugrunde  liegt  der  Glaube,  daß  das  Blut  eines  Ermordeten  sich  in  Bewegung 
befinde,  bis  der  Mord  durch  die  Hinrichtung  des  Mörders  Sühnung  gefunden  habe. 
DtR2  (198'^'):  Es  geschah  einmal  bei  zwei  Brüdern,  daß  der  eine  von  ihnen  den  andren 
tötete.  Was  machte  ihre  Mutter?  Sie  nahm  einen  Becher  u.  füllte  ihn  mit  seinem  Blut 
an  u.  stellte  ihn  in  einen  Turm  (=  Vorratsraum).  Täglich  ging  sie  hinein  u.  fand  jenes 
Blut,  wie  es  aufwallte  ocir.  Einmal  ging  sie  hinein  u.  blickte  es  an  u.  fand  es  schweigend 
(nicht  in  Bewegung).  In  jener  Stunde  wußte  sie,  daß  ihr  andrer  Sohn  getötet  sei. 
(,Vgl.  schon  Gn  4,  10.) 


Matth  23,35  (Nr.  I)  941 

11.  Widder  u.  Lämmer  bringen  u.  darüber  schlacbten,  aber  noch  immer  wallte  das  Blut 
auf.  Da  sie  es  ihm  nicht  bekannten,  hängte  man  Stricke  (•""-r  --r?'?)  an  der  Richt- 
stätte auf  1  (um  die  Priester  aufzuhängen).  Da  sprachen  sie:  Gott  gefällt  es,  sein  Blut 
von  unsren  Händen  zu  fordern!  Sie  sprachen  zu  N'^buzarsadan:  Es  ist  das  Blut  eines 
Priesters  u.  Propheten  u.  Richters,  der  wider  uns  das  alles  geweissagt  hat,  was  du  uns 
getan  hast,  u.  wir  erhoben  uns  gegen  ihn  u.  töteten  ihn.  Sofort  ließ  er  80000  junge 
(d.  h.  dienstfähige)  Priester  bringen  u.  darüber  (über  dem  Blut  Z'^kharjas)  schlachten; 
aber  noch  immer  wallte  das  Blut  auf.  In  jener  Stunde  beschalt  er  es  u.  sprach:  Willst 
du  etwa,  daß  dein  ganzes  Volk  um  deinetwillen  vernichtet  werde?  Sofort  ward  Gott 
von  JVlitleid  erfüllt  u.  sprach:  Wenn  dieser,  der  Fleisch  u.  Blat  u.  grausam  ist,  von 
Mitleid  mit  meinen  Kindern  erfüllt  wird,  um  wieviel  mehr  muß  das  dann  von  mir 
gelten,  von  dem  geschrieben  steht  Dt  4,  81 :  Jahve  dein  Gott  ist  ein  barmherziger  Gott; 
er  wird  nicht  von  dir  lassen,  noch  dich  verderben,  noch  des  Bundes  mit  deinen  Vätern 
vergessen,  den  er  ihnen  zugeschworen.  Sofort  gab  er  dem  Blut  einen  AVink,  da  ward 
es  an  seiner  Stelle  verschlungen.  1|  Die  Parallele  bGit  57*^:  R.  Chijja  b.  Abin  (ein  Zeit- 
genosse Rabas,  also  etwa  um  330)  hat  gesagt,  R.  J'^hoschua?  b.  Qarcha  (um  150)  habe 
gesagt:  Ein  Alter  von  den  Bewohnern  Jerusalems  hat  mir  erzählt:  In  diesem  Tal  (ge- 
meint ist  Biqsath-Jadajim  bei  Bethter)  hat  N'buzariadan,  der  Oberste  der  Leibwache, 
211  Myriaden  getötet  u.  in  Jerusalem  hat  er  94  Myriaden  auf  Einem  Stein  getötet,  bis 
ihr  Blut  kam  u.  das  Blut  Z'kharjas  berührte,  um  zu  erfüllen,  was  gesagt  ist  Hos 4, 2: 
Blut  berührt  sich  mit  Blut.  Er  fand  das  Blut  des  Z*^kharja,  wie  es  aufwallte  u.  sich 
erhob.  Er  sprach:  Was  ist  das?  Sie  antworteten:  Es  ist  Blut  von  Schlachtopfern,  das 
ausgegossen  worden  ist.  Er  ließ  solches  bringen:  aber  es  glich  jenem  nicht.  Er  sprach 
zu  ihnen:  Wenn  ihr  es  mir  sagt,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht,  so  lasse  ich  euch 
euer  Fleisch  mit  eisernen  Kämmen  abkämmen.  Sie  sprachen:  Was  sollen  wir  dir  sagen? 
Ein  Prophet  war  unter  uns,  der  uns  (strafend)  zurechtwies  in  göttlichen  Dingen;  da 
erhoben  wir  uns  gegen  ihn  u.  töteten  ihn,  u.  siehe,  wer  weiß  wie  viele  Jahre  sind  es, 
daß  sich  sein  Blut  nicht  beruhigt.  Er  antwortete:  Ich  will  es  beruhigen.  Er  nahm  das 
große  Synedrium  u.  das  kleine  Synedrium  u.  tötete  sie  über  ihm  (dem  Blut  Z^kharjas) ; 
aber  es  beruhigte  sich  nicht.  Er  nahm  Jünglinge  u.  Jungfrauen  u.  tötete  sie  darüber, 
aber  es  beruhigte  sich  nicht.  Er  nahm  Schulkinder  u.  tötete  sie  darüber,  aber  es  be- 
ruhigte sich  nicht.  Da  sprach  er  zu  ihm:  Z'^kharja,  Z'^kharja,  die  Besten  unter  ihnen 
habe  ich  vernichtet;  willst  du,  daß  ich  sie  alle  vernichte?  Als  er  also  sprach,  be- 
ruhigte sich  das  Blut.  In  jener  Stunde  dachte  er  in  seinem  Innern  an  Buße.  Er  sprach: 
Wenn  es  diesen  wegen  Eines  Menschenlebens  also  erging,  um  wieviel  mehr  wird  es 
dann  diesem  Mann  (d.  h.  mir)  so  ergehn,  der  alle  diese  Menschenleben  getötet  hat! 
Da  machte  er  sich  davon;  er  sandte  sein  Testament  (sr-j-s  ^lir)  an  seine  Familie  u. 
trat  zum  Judentum  über.  In  einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  Nafaman  (2  Kg  5)  war  ein 
Beisaßproselyt  arir  ";;  N^buzariadan  war  ein  wirklicher  Proselyt  ~^~'-j.  ";.  —  Ebenso 
mit  geringen  Abweichungen  Sanh96''.  ||  In  der  Midraschliteratur  schließt  sich  der  Be- 
richt P'^siq  122*  eng  an  den  pT  an;  eine  Verbindung  der  Überlieferung  beider  Talniude 
liegt  vor  MidrKL  2,2  (64^);  4,  13  (76=»);  Midr  Qoh  3, 16  (21  a);  Midr  KL  Einl.  Nr.  23  (36») 
u.  Midr  Qoh  10,  4  (46'-);  an  den  beiden  letzten  Stellen  wird  die  Tötung  des  Z^lftrja 
zum  Teil  mit  dessen  Hochmut  begründet.  —  In  Midr  KL  Einl.  Nr.  5  (30'^)  findet  sich 
nur  die  Frage  des  R.  Judan  an  R.  Acha  betreffs  der  Stelle,  an  der  Z^kharja  erschlagen 
wurde.  ||  TargKL  2,20:  Ihr  habt  den  Z<'kharja,  den  Sohn  des  flddo,'^  den  Hohenpriester 
u.  zuverlässigen  Propheten,  im  Heiligtum  Jahves  am  Versöhnungstage  getötet,  weil  er 
euch  (strafend)  zurechtgewiesen  hat,  daß  ihr  nicht  tun  solltet,  was  böse  vor  Jahve.  — 
Ausführlicher  Targ  2Chr  24,  20  f.:  Der  Geist  der  Prophetie  von  Jahve  her  wohnte  (ruhte) 
auf  Z'^kliarja  b.  J^bojadaf,  dem  Priester.   Als  er  die  Sünde  des  Königs  u.  des  Volkes 

'  P'^siq  122*  liest:  y-.-y^  "isVn  -j^kd  „er  nahm  sie  u.  hängte  sie  an  der  Rieht  statte  auf*. 

2  Hier  ist,  wie  in  Mt  23,  35,  an  Z'kharja,  den  Sohn  B*^rekhjas,  des  Sohnes  fiddos 

(Sach  1,1)  gedacht ;  auch  ?Er  21  ^  wird  der  Prophet  Sacharja  kurz  als  Sohn  fiddos  bezeichnet. 


942  Matth23,35(Nr.  1.2) 

sah,  wie  man  dem  Götzenbilde  Räuclierwerk  anzündete  im  Heiligtum  Jalives  auf  dem 
Altar  am  Versöbnungstage  u.  wie  die  Priester  Jahves  es  unterließen,  Brand-  u.  Trank- 
opfer u.  das  Opfer  des  Tages  samt  den  Zusatzopfern  darzubringen,  wie  es  im  Buch 
der  Tora  Moses  vorgeschrieben  ist,  trat  er  vor  das  Volk  hin  u.  sprach:  So  spricht 
Jahve:  Warum  übertretet  ihr  die  Gebote  Jahves,  daß  ihr  kein  Glück  mehr  habt?  Weil 
ihr  den  Dienst  Jahves  verlassen  habt,  wird  er  euch  verlassen.  Und  sie  empörten  sich 
gegen  ihn  u.  steinigten  ihn  nach  dem  Befehl  des  Königs  im  Vorhof  des  Heiligtums 
Jahves.  ||  Josippon  80:  Vor  dem  heiligen  Tempel  in  deiner  Mitte  wurde  hingeschlachtet 
•jnr:  der  gerechte  u.  fromme  Prophet  Z^harja;  u.  er  lag  da  ohne  Grab,  u.  die  Erde 
bedeckte  sein  Blut  nicht,  sondern  noch  immer  steigt  es  empor  u.  schreit  (wörtlich: 
zirpt)  in  deiner  Mitte.  —  Wahrscheinlich  ist  hier  an  den  Sach  1, 1  genannten  Propheten 
Sach.,  Sohn  B^rekhjas,  gedacht.  Ferner  s.  Midr  KL  2,  20. 

2.  Anderweitige  Mordtaten  im  Heiligtum. 

Joseph.  Antiq.  11,  7, 1 :  Als  der  Hohepriester  Eljaschib  verstorben  war,  überkam 
sein  Sohn  Juda  das  Hohepriestertum.  Nach  diesem  empfing  dessen  Sohn  Johannes  die 
hohepriesterliche  Würde,  dessentwegen  Bagoses,  der  Feldherr  des  zweiten  Artaxerxes, 
den  Tempel  entheiligte  u.  den  Juden  einen  Tribut  auferlegte:  sie  sollten  vor  Dar- 
bringung der  täglichen  (Tamid-)Opfer  für  jedes  Lamm  aus  dem  Tempelschatz  50  Drachmen 
entrichten.  Die  Ursache  hiervon  war  diese:  Johannes  hatte  einen  Bruder  Jesus;  diesem 
hatte,  da  er  sein  P  reund  war,  Bagoses  das  Hohepriestertum  versprochen.  Im  Vertrauen 
darauf  reizte  Jesus  im  Tempel  seinen  Bruder  so,  daß  dieser  ihn  tötete.  .  .  .  Als  Bagoses 
dies  erfuhr,  sprach  er  voll  Zorns:  ,In  eurem  Tempel  habt  ihr  gewagt,  einen  Mord  zu 
begehn?"  u.  drang  sogar  in  den  Tempel  ein.  ||  TJoma  1, 12  (181):  Es  geschah  einmal 
bei  zwei  Priestern,  daß  sie  gleich  schnell  die  Rampe  (zum  Brandopferaltar)  hinauf- 
liefen (um  das  Vorrecht  zu  erlangen,  die  Asche  wegzuräumen);  da  stieß  der  eine  von 
ihnen  seinen  Genossen  vier  Ellen  zurück;  der  aber  nahm  ein  Messer  u.  bohrte  es  jenem 
in  das  Herz.  Da  kam  R.  (^adoq  (um  60,  selbst  ein  Priester)  u.  stellte  sich  an  den  Ein- 
gang zur  Vorhalle  (des  Tempelgebäudes)  auf  dem  Tempelberg  u.  sjjrach:  Höret  mich, 
unsre  Brüder,  Haus  Israel!  Es  heißt  Dt  21, 1  f.:  „Wenn  ein  Erschlagener  auf  dem  Boden 
gefunden  wird,  den  Jahve  dein  Gott  dir  zur  Besitznahme  geben  will,  auf  dem  Felde 
liegend,  ohne  daß  man  in  Erfahrung  gebracht  hat,  wer  ihn  erschlagen  hat,  so  sollen 
deine  Altesten  u.  Richter  hinausgehen  u.  bis  zu  den  Städten  hinmessen,  die  rings  um 
den  Ermordeten  liegen."  Kommt  u.  laßt  uns  messen,  wem  es  obliegt  das  Kalb  zur 
Stelle  zu  schaffen,  dem  Tempel  oder  dem  Vorhof!  Da  brach  alles  Volk  in  Weinen  aus. 
Darauf  kam  der  Vater  u.  sprach:  Noch  zuckt  mein  Sohn  (ist  noch  am  Leben)  u.  das 
Messer  ist  nicht  (durch  Berührung  mit  einem  Leichnam)  unrein  geworden!  Das  lehrt, 
daß  die  Unreinheit  des  Messers  sie  schlimmer  dünkte  als  das  Blutvergießen.  —  Parallel- 
stellen: TSch^bl,  4  (446);  SNu  35,  34  §  161  (62^);  pJoma  2,39^  13;  Joma23M!  Hier 
mag  auch  der  Bericht  des  Josephus  über  die  Ermordung  des  Z-kharja  b.  Barukh  Platz 
finden,  auf  welche  einige  Ausleger  Mt  23,  35  beziehen.  BelIJ4,  5, 4:  Sie  (die  Zeloten 
zu  Anfang  des  jüdischen  Krieges  gegen  Rom)  hatten  sich  vorgenommen,  einen  der  an- 
geseiiensten  Männer,  den  Z'^kharja  b.  Barukh,  zu  töten.  Es  ärgerte  sie,  daß  der  Mann 
alles  böse  Wesen  gar  sehr  haßte  u.  die  Freiheit  liebte;  auch  war  er  reich,  so  daß  sie 
nicht  bloß  hoffen  durften,  sein  Vermögen  an  sich  zu  reißen,  sondern  auch  sich  einen 
Mann  vom  Halse  zu  schaffen,  der  imstande  war,  zu  ihrer  eignen  Beseitigung  bei- 
zutragen. Sie  beriefen  siebzig  gewöhnliche  Leute  als  Richterkollegium  u.  klagten  den 
Z'^kharja  ohne  Beweis  an,  daß  er  das  Land  an  die  Römer  vei'rate.  Er  aber  entkräftete 
mit  mutigen  Worten  die  wider  ihn  vorgebrachten  Anklagen  u.  zieh  seine  Gegner  ihrer 
zahlreichen  Gesetzwidrigkeiten.  Trotz  dem  Toben  der  Zeloten  sprachen  die  Richter  ihn 
frei.  Da  fielen  zwei  der  Zeloten  mitten  im  Tempel  über  den  Zekharja  her  u.  töteten 
ihn,  indem  sie  ihm  höhnend  zuriefen:  „Da  hast  du  auch  unsre  Stimme  u.  eine  zu- 
verlässigere Freisprechung!"  Darauf  warfen  sie  ihn  aus  dem  Heiligtum  hinab  in  den 
dabeiliegenden  Abgrund. 


Matth  23,  35  (Nr.  3.  4).  23,  37  (3t.  33).  23,  38  943 

3.  Die  Worte  „vom  Blute  Abels  an  bis  hin  zum  Blute  des  Z'^kharja" 
Mt  23,  25  erwecken  den  Eindruck,  als  ob  die  Tötung  des  Z^kbarja  als 
letzter  Prophetenmord  gemeint  sei,  von  dem  das  AT  berichtet.  Das  würde 
voraussetzen,  daß  bereits  in  Jesu  Tagen  das  Buch  der  Chronik  am  Ende 
des  Kanons  gestanden  habe.  Vgl.  den  Exk.:  Der  alttestamentl.  Kanon. 

4.  Zwischen  dem  Tempel  (j'«oc)  u.  dem  Brandopferaltar.  Die  Entfernung 
vom  Br.  bis  zur  Tempelvorhalle  n^six  betrug  (nach  Middoth  5, 1)  22  Ellen. 

23,  37  3(:  Jerusalem,  Jerusalem,  die  du  tötest  die  Propheten 
u.  steinigst  die  zu  dir  gesandt  sind. 

1.  Die  Wiederholung  eines  Namens  in  der  Anrede  ist  ungemein 
häufig  (vgl.  schon  Gn  22, 11;  Ex  3,  4),  s.  Git  57»^  bei  Mt  23,  35  S.  941 
(Z'^kharja,  Z'-kharja);  pB^'rakh  2,  5=*,  16:  Jude,  Jude,  spanne  deine  Kuh 
aus!  (s.  bei  Mt  2,  5  S.  83).  —  pSchab  8,  11%  35:  Alter,  Alter  (sagte  eine 
Matrone  zu  R.  J^huda,  um  150),  entweder  bist  du  ein  Weintrinker  oder 
ein  Wucherer  oder  ein  Schweinezüchter.  —  LvR  25  (123 '^):  Alter,  Alter, 
hättest  du  es  früh  (in  deiner  Jugend)  getan,  so  brauchtest  du  es  nicht 
spät  zu  tun.  —  Midr  Qoh  5,14  (29'"^):  Weinberg,  Weinberg,  wie  schön 
bist  du!  —  Mak  24^  s.  bei  Mt  23,  9  S.  919.  —  Sukka  56^  bei  Mt  7, 15  (^ 
S.  466«.  Zur  Verdoppelung  des  Anrufs  s.  bei  Lk  22,  31. 

2.  Alttestamentliche  Beispiele  von  Prophetenmorden  s.  1  Kg  18, 4. 13; 
19,10;  2  Chr24,20ff.  (Z^kharja);  Jer  26,  20ff.  (Urijja);  vgl.  auch  2  Kg 
21, 16;  24,  4.  —  Die  rabbin.  Schriften  erwähnen  besonders  die  Tötung 
des  Jesaja  u.  des  Z^'kharja;  s.  bei  Hehr  11,  37  u.  Mt  23,  35.  —  Raschi 
belegt  die  Worte:  „u.  nun  Mörder"  Jesl,2l  mit  der  Ermordung  des 
Urijja  u.  des  Z'kharja;  ähnlich  Jer  2,  30  mit  der  Tötung  des  Z'^kharja  u. 
des  Jesaja.  Z'^kharja  u.  Urijja  nebeneinander  auch  Midr  Qoh  3, 16  Anfang. 
—  Ferner  s.  bei  Mt2I,35.  ||  P^siqR  26  (129«):  Jeremia  sprach  zu  Gott: 
Ich  kann  nicht  wider  sie  (die  Israeliten)  weissagen;  welcher  Prophet 
wäi*e  ihnen  erstanden,  den  sie  nicht  zu  töten  gesucht  hätten?! 

23,3733:Wie  eine  Henne  ihre  Küchlein  sammeltunterihre  Flügel. 

LvR  25  (123''):  Eine  Henne,  wenn  ihre  Jungen  klein  sind,  sammelt  sie  u.  nimmt 
sie  unter  ihre  Flügel  u.  erwärmt  sie  u.  pickt  vor  ihnen  her.  Wenn  sie  aber  grofs  ge- 
worden sind  u.  eins  von  ihnen  sich  ihr  nähern  will,  pickt  sie  auf  seinen  Kopf  u.  sagt 
zu  ihm:  Geh,  picke  in  deinem  Duughaufen.  Ebenso  als  die  Israeliten  in  der  Wüste 
waren,  war  40  Jahre  lang  das  Manna  herabgefallen  u.  der  Brunnen  aufgestiegen;  u. 
die  Wachteln  fanden  sich  für  sie  ein  u.  die  Wolken  der  Herrlichkeit  umgaben  sie  u. 
die  Wolkensäule  ging  vor  ihnen  her;  als  sie  aber  in  das  Land  (Israel)  einziehen  wollten, 
sprach  Mose  zu  ihnen:  Jeder  von  euch  nehme  seine  Hacke  u.  gehe  hinaus  u.  pflanze 
sich  Anpflanzungen,  s.  Lvl9,23.  —  Zu  den  „Flügeln*  Gottes  als  Bild  des  Schutzes 
s.  Psl7,8;  36,8;  57,2;  61,5;  63,8;  91,4;  Dt3?,  11;  Ruth  2, 12.  Auf  Grund  der  letzten 
Stelle  wird  dann  im  Rabbin.  das  Aufnehmen  eines  Proselyten  ins  Judentum  bezeichnet 
mit:  „unter  die  Flügel  der  Sch^khina  bringen" ;  Beispiele  s.  bei  Mt  3,  6 ;  23, 15 ;  Apg  13, 16. 

23,38:  Euer.  Haus. 
n:?,  Haus,  absolut  =  Tempel,  zB  l  Kg  6, 2  ff. ;  2  Chr  3, 6  ff.  Ebenso  im 


944  '         ^Jatth  23,  38.  24,  1 .  2  (Nr.  1) 

Rabbin.,  zB  in  den  Verbindungen  nisn  ^h  =  Tempelberg  (schon  Mi  3, 12) 
Mid  1,  1  u.  oft.  r-^ari  i:sn  nVüi  n-^an  ■':£a  =  wenn  der  Tempel  besteht  u, 
wenn  der  T.  nicht  besteht  zB  Chul  5, 1.  —  Wo  n^"  in  der  Bedeutung 
„Tempel"  ein  Suffix  bei  sich  hat,  bezieht  sich  dieses  immer  auf  Gott.^ 

M^'g  12''':  Rab  Nachman  b.  Cliisda  (um  300)  hat  öffentlich  vorgetragen:  Was  heißt 
Jes  45, 1  :  So  spricht  Jahve  zu  seinem  Gesalbten,  zu  Koresch  —  den  ich  festhalte  an 
seiner  Rechten  usw.?  Ist  denn  Koresch  der  Messias  gewesen?  Vielmehr  hat  Gott  zu 
dem  Gesalbten  (dem  Hohenpriester)  gesagt:  Ich  muß  bei  dir  Klage  führen  über  Koresch; 
ich  hatte  gesagt,  daß  er  mein  Haus  -p-3  bauen  (vgl.  Esra  1,2;  2  Chr  36,  28)  u.  meine 
Verbannten  sammeln  sollte,  u.  er  sagt:  Wer  unter  euch  ist  von  seinem  ganzen  Volk  . .  ., 
der  ziehe  hinauf  . .  .  u.  baue  das  Haus  Jahves  (Esra  1,  3).  |j  TSukka4,3(198)  u.  SukkaSS-"^ 
Bar:  Hillel  der  Alte  (um  20  v.  Chr.)  sagte:  (Gott  spricht:)  An  den  Ort,  den  mein  Herz 
liebt,  bringen  mich  meine  Füße;  wenn  du  in  mein  Haus  ^r^zh  (=  Tempel)  kommst, 
so  will  ich  in  dein  Haus  kommen;  u.  wenn  du  nicht  in  mein  Haus  kommst,  so  werde 
ich  nicht  in  dein  Haus  kommen;  s.  Ex  20, 24:  An  jedem  Ort,  wo  ich  ein  Gedächtnis 
meines  Namens  stiften  werde  (=  den  mein  Herz  liebt),  werde  ich  zu  dir  (=:=  in  dein 
Haus)  kommen  u.  dich  segnen.  —  M^h  Ex  20,  24  (SO"^)  R.  Eli?ezer  b.  Jafaqob  (um  90) 
als  Autor.  Vgl.  auch  AbothRN  12.  |!  Sanh  104''  rühmt  Gott  von  Salomo:  Er  hat  mein 
Haus  seinem  Hause  vorangehen  lassen;  er  hat  mein  Haus  in  sieben  Jahren  erbaut  u. 
sein  Haus  hat  er  in  dreizehn  Jahren  erbaut.  —  Ein  weiteres  Beispiel  s.  Sanh  96''. 

Danach  ist  „euer  Haus"  Mt23,38  nicht  der  Tempel,  sondern  „euer 
Gemeinwesen". 

23,39:  Gesegnet  sei,  der  da  kommt  im  Namen  des  Herrn  (s.  bei  21,  9  SB). 

24,1:  Die  Bauten  (Baulichkeiten)  des  Heiligtums. 

Sukka  51 ''  Bar  u.  BB  4=*:  Wer  die  Freude  des  Wasserschöpfens  (am  Laubhüttenfest) 
nicht  gesehen  hat,  der  hat  sein  Lebtag  keine  Freude  gesehen.  Wer  nicht  Jerusalem  in 
■seiner  Herrlichkeit  gesehen  hat,  hat  niemals  eine  liebliche  Stadt  gesehen.  Wer  nicht  das 
Heiligtum  in  seiner  Bauausführung  ir333  gesehen  hat,  der  hat  niemals  einen  Pracht- 
bau isiii2  ■;;??  gesehen.  Was  ist  damit  gemeint?  Abaje  (f  338/39),  nach  andren  Rab 
Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Damit  ist  das  Bauwerk  des  Herodes  gemeint.  Woraus  hatte 
er  es  erbaut?  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Aus  Alabaster  u.  Marmor;  andre  sagen:  Aus 
Alabaster,  stibiumfarbigen  Steinen  u.  Marmor.  Den  einen  Rand  (der  Steinschicht)  ließ 
er  hervor-  u.  den  andren  zurücktreten  zwecks  Aufnahme  des  Kalks.  Er  wollte  es  mit 
Gold  überziehen;  aber  die  Rabbinen  sprachen  zu  ihm:  Laß  es,  denn  so  ist  es  sehr  schön; 
denn  es  gewährt  einen  Anblick  wie  die  Meereswogen  (nämlich  in  seinen  verschieden- 
farbigen Steinschichten).  ||  Über  die  Möglichkeit  vom  Ölberg  aus  die  Tempelbaulich- 
keiten zu  sehen  s.  bei  Mk  13,3. 

24,2:  Nicht  wird  hier  ein  Stein  auf  dem  andren  gelassen 
werden,  der  nicht  niedergerissen  würde. 

Zur  Tempel  zerstörung  (s.  Josephus,  Bell.6,4.5.  Schürer^  1,630 ff.). 

1.  Am  8.  Ab  (etwa  August)  des  Jahres  70  n.  Chr.  wurden  die  Tore 
zum  äußeren  Tempelplatz  verbrannt.  Am  9.  Ab  beschließt  Titus,  das 
eigentliche  Tempelgebäude  zu  schonen.  Da  aber  die  Juden  am  folgenden 
Tage  zwei  Ausfälle  vom  inneren  Vorhofe  aus  machten,  legten  die  Soldaten 
neue  Feuerbrände  an,  u.  das  herrliche  Bauwerk  ging  in  Flammen  auf.^ 

'  Git  56^^.57''  neben  ij'^rsT!  1.  -ij-ra  „unsre  Häuser",  nicht  ',:'r*z. 

2  Nach  der  jüdischen  Tradition  am  9.  Ab  u.  (s.  Seder  f  OlamR)  im  J.  68  n.  Chr. 


Matth  24,  2  (Nr.  2)  945 

2.  Rabbinische  Überlieferungen. 

Ta?an4,6  u.M^'g  Ta?anith  Ende:  Fünf  Dinge  begegneten  unsren  Vätern  am  17.Tam- 
muz  (4.  Monat,  etwa  Juli)  u.  fünf  am  9.  Ab  (5.  Monat,  etwa  August).  Am  17.  Tammuz 
wurden  die  (ersten)  Gesetzestafeln  zerbrochen,  hörte  das  tägliche  (Morgen-  u.  Abend-) 
Opfer  auf,  wurde  die  Stadt  erbrochen,  verbraunte  Apostumos  die  Tora  u.  stellte  man 
ein  Götzenbild  im  Tempel  auf.  Am  9.  Ab  wurde  über  unsre  Väter  beschlossen,  daß  sie 
nicht  in  das  Land  (Israel]  einziehen  sollten  (wegen  ihres  Ungehorsams  auf  dem  Wüsten- 
zuge), wurde  das  Haus  (d.  i.  der  Tempel)  zum  ersten  u.  zum  zweiten  Male  zerstört, 
wurde  Beth-ter  eingenommen  u.  die  Stadt  (Jerusalem)  gepflügt.  —  ||  Das  Aufhören  des 
Tamidopfers,  spöe'Aexiauög,  am  17.  Tammuz  bezeugt  auch  Josephus  Bell.  G,  2, 1.  Mit  dem 
„Spalten"  oder  „Aufbrechen"  der  Stadt  (der  Ausdruck  stammt  aus  Jer  39, 2  ^=  Jer52,  7; 
2  Kg  25, 4)  scheint  die  Eroberung  der  Burg  Antonia  gemeint  zu  sein  Joseph.  Bell.  6, 2, 1. 1| 
Die  Späteren  fügen  den  uns  hier  interessierenden  Sätzen  der  Mischna  folgende  Er- 
läuterungen hinzu:  pTa?an  4,  68 "^'j  26  u.  pB'rakh  4-,  7'^,  22:  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt: 
(Die  .Belagerten  ließen  den  Belagernden)  zwei  Kisten  mit  Gold  (an  der  Mauer)  hinab 
u.  diese  zogen  ihnen  dafür  zwei  Böckchen  (zu  den  Tamidopfern)  hinauf.  Einmal  zogen 
sie  ihnen  zwei  Schweine  hinauf.  Diese  waren  noch  nicht  bis  zur  halben  Höhe  der  Mauer 
gekommen,  als  ein  Schwein  sich  gegen  die  Mauer  stemmte  u.  40  Parasangen  weit  vom 
Lande  Israel  wegsprang.  In  jener  Stunde  brachten  es  die  Sünden  dahin,  d^ß  das  täg- 
liche Opfer  aufhörte  u.  das  Haus  (d.  i.  der  Tempel)  zerstört  wurde.  —  (Ähnliche  Ge- 
schichten aus  den  Zeiten  der  Griechen  u.  der  späteren  Makkabäer  s.  pTafan  4,68*^^,21 ; 
pB^rakh4,7*\18;  Mön64i^;  BQ82'';  Sota49^)i|  TTafan  4,  10(220):  „Am  9.  des  Monats 
(Tammuz)  wurde  die  Stadt  erbrochen"  (Jer  39, 2;  52,6.7),  nämlich  das  erste  Mal  (in 
der  babylonischen  Periode);  aber  das  zweite  Mal  (in  der  römischen  Zeit)  am  17.  Tammuz. 
Dasselbe  Seder  ^OlamR  80;  als  Bar  Tagan28''.  ||  pTafan  4,68=,66:  (Am  17.  Tammuz) 
hat  Apostumos  die  Tora  verbrannt.  Wo  hat  er  sie  verbrannt?  R.  Acha  (um  320)  hat 
gesagt:  An  der  Furt  von  Lydda.  Die  Rabbinen  sagten:  An  der  Furt  von  Tarlosa.  „Man 
stellte  ein  Götzenbild  im  Tempel  auf."  Ein  Tanna'it  hat  gelehrt:  „Es  war  aufgestellt 
worden"  (muß  es  heißen  u.  nicht:  „Man  stellte  auf").  Wer  sagt:  „Es  war  aufgestellt 
Würden",  bezieht  die  Worte  auf  das  Götzenbild  des  Manasse  (also  auf  die  Zeit  des 
I.Tempels);  wer  aber  sagt:  „Man  stellte  auf",  meint  das  Götzenbild  des  Apostumos, 
s.  auch  bei  Mt  5,  4  S.  196  Anm.  c.  !|  Tasan28'^:  Durch  Tradition  haben  wir  überkommen, 
daß  Apostumos  die  Tora  verbrannt  hat.  Woher  läßt  es  sich  (aus  der  Schrift)  beweisen, 
daß  er  ein  Götzenbild  aufgestellt  hat?  s.  Dn  12,  11:  „Von  der  Zeit,  da  das  Tamidopfer 
abgeschafft  u.  der  verwüstende  Greuel  aufgestellt  wird";  es  war  also  Einer.  Dagegen 
heißt  es  Dn9,  27;  Auf  dem  Flügel  verwüstende  Greuel  (Mehrzahl).  Raba  (t  352)  hat 
gesagt:  Zwei  sind  es  gewesen,  aber  der  eine  war  auf  den  andren  gefallen  u.  hatte  ihn 
zerbrochen.  Man  fand  (auf  dem  unversehrten  Götzenbilde)  geschrieben:  Du  wolltest 
das  Haus  (den  Tempel)  zerstören;  deshalb  habe  ich  an  deiner  Hand  Vergeltung  geübt 
(indem  ich  sie  dir  abgebrochen  habe).  —  Den  Stellen  kann  man  entnehmen,  daß  ihre 
Autoren  über  Apostumos  u.  das  Götzenbild  Genaueres  nicht  gewußt  haben. 

TTa?an  4,  9  (220):  R.  Jose  (um  150,  der  Hauptredaktor  der  offiziellen  Chronologie 
der  alten  Synagoge)  sagte:  Man  (=  Gott)  wälzt  Verdienst  auf  einen  verdienstlichen 
Tag  u.  Schuld  auf  einen  schuldbeladenen  Tag.  Denn  als  das  Haus  (der  Tempel)  zum 
ersten  Male  zerstört  wurde,  geschah  es  an  einem  Sonntag  raü  ■'s:i:a,  ferner  im  ersten 
Jahr  einer  (siebenjährigen)  Brachperiode,  die  Priesterabteiluug  des  J^hojarib  hatte  den 
Tempeldienst  u.  es  war  der  9.  Ab.  Und  ebenso  war  es  bei  der  Zerstörung  des  2.  Tempels 
(auch  sie  geschah  an  einem  9.  Ab,  der  ein  Sonntag  war  u.  dem  1.  Jahr  einer  Brachjahr- 
periode angehörte).^  Die  Leviten  standen  auf  ihrem  Dukhan  (einer  Estrade  östlich  vom 
Altarj  u.  sangen:  „Und  er  läßt  ihr  Unheil  auf  sie  zurückkehren"  usw.  Ps  94,  23.  (Die 
letzte  Bemerkung  ist  zu  beanstanden:  am  Sonntag  wurde  von  den  Leviten  Ps  24  ge- 
sungen,   während  Ps  94  der  Mittwochspsalm  war,   s.  Tamid  7,  4.)  —  Dasselbe  Seder 

*  Das  Jahr  zuvor  68,69  n.  Chr.  war  tatsächlich  ein  Brachjahr  oder  Sabbatjahr. 
Strack  u.Billerbeck,  KT  I.  60 


946  Matth  24,  2  (Nr.  2) 

fOlamR  30;  als  Bar  pTafan  4,  68'^,  25;  ?Arakh  1 1  b.  —  Ausführlicher  in  Ta?an  29  »:  ,,  Am 
9.  Ab  wurde  das  Haus  (Tempel)  zum  ersten  u.  zum  zweiten  Male  zerstört.  Es  heilst; 
2  Kg  25, 8 f.:  Im  5.  Monat  (Ab),  am  7.  Tage  des  Monats,  das  war  das  19.  Jahr  des  Königs 
Nebukadne9ar,  kam  N^'buzar'adan  u.  verbrannte  das  Haus  Jahves  usw.  Dagegen  heifst 
es  Jer  52, 12:  Im  5.  Monat,  am  10.  Tage  des  Monats.  In  einer  Bar  heißt  es:  Man  kann 
nicht  sagen:  „am  7.  Tage  des  Monats",  da  es  schon  heißt  (Jer  52):  „am  10.  Tage  des 
Monats";  u.  man  kann  nicht  sagen:  „am  10.  Tage  des  Monats",  da  es  schon  heißt 
(2 Kg  25):  „am  7.  Tage  des  Monats".  Wie  also?  Am  7.  Tage  des  Monats  drangen  die 
Fremden  in  den  Tempel  ein  u.  aßen  u.  buhlten  den  7.,  den  8.  u.  den  9.  Tag,  u.  kurz 
vor  dem  Dunkelwerden  (am  9.  Tag)  zündeten  sie  darin  das  Feuer  an,  das  den  ganzen 
folgenden  Tag  immer  weiter  brannte,^  wie  es  heißt  Jer  6, 4:  Wehe  uns,  denn  es  neigt 
sich  der  Tag,  es  dehnen  sich  die  Abendschatten.  Und  dies  ist  es,  was  R.  Jochanan 
(t  279)  gesagt  hat:  Wenn  ich  in  jener  Generation  gelebt  hätte,  so  hätte  ich  den  Fast- 
tag auf  den  10.  Ab  festgesetzt,  weil  an  ihm  der  größte  Teil  des  Tempels  verbrannt 
ist.  Und  die  Rabbinen  (haben  den  9.  Ab  als  Fasttag  bestimmt),  weil  der  Beginn  der 
Strafe  das  Schwerste  ist.  Woher,  daß  das  Haus  zum  zweiten  Male  am  9.  Ab  zerstört 
worden  ist?  In  einer  Bar  heißt  es:  Man  wälzt  Verdienst  auf  einen  verdienstlichen  Tag 
u.  Schuld  auf  einen  schuldbeladenen  Tag.  Man  hat  gesagt:  Als  das  Heiligtum  zum 
ersten  Ma4e  zerstört  wurde,  war  jener  Tag  der  Vorabend  des  9.  Ab  (also  der  8.  Ab), 
ferner  war  es  ein  Sonntag  im  ersten  Jahr  einer  Brachjahrperiode  u.  die  Priesterabteilung 
des  J*'hojarib  versah  den  Dienst,  die  Leviten  aber  sangen  ein  Lied  u.  standen  auf  ihrem 
Dukhan.  Welches  Lied  haben  sie  gesungen?  Ps94,  23:  „Er  läßt  ihr  Unheil  auf  sie 
zurückkehren,  durch  ihre  eigene  Bosheit  wird  er  sie  vertilgen."  Und  noch  nicht  hatten 
sie  gesagt:  „Vertilgen  wird  sie  Jahve  unser  Gott"  (das.),  da  kamen  schon  die  Fremden 
u.  überwältigten  sie.  Und  ebenso  war  es  bei  der  Zerstörung  des  2.  Tempels.  —  Auf- 
fallend ist,  daß  hier  der  8.  Ab  als  Tag  der  Zerstörung  erscheint.  Wenn  der  Ausdruck 
3sa  nya.-i  a-^y  (Vortag  zum  9.  Ab)  nicht  versehentlich,  sondern  mit  Bedacht  gesetzt 
ist,  würde  die  Einäscherung  der  äußeren  Tempeltore,  die  ja  auch  nach  Josephus  (s.  oben) 
am  8.  Ab  erfolgte,  als  Anfang  der  Zerstörung  angesehen  sein. 

pJomal,38'^,57:  Man  fragte  den  R.Eli'ezer  (um 90):  Waren  die  späteren  Geschlechter 
(die  zur  Zeit  des  2.  Tempels)  frömmer  als  die  früheren  (zur  Zeit  des  I.Tempels)?  Er 
antwortete:  Euer  Zeuge,  der  Tempel,  möge  den  Beweis  liefern!.  Unsre  Väter  (zur  Zeit 
des  1.  Tempels)  haben  das  (Dach-)Gebälk  beseitigt,  s.  Jes  22, 8 :  „Er  hat  die  Decke  Judas 
gelüftet";  aber  wir  haben  die  Wände  zerschlagen  (bis  auf  den  Grund),  s.  Ps  137,  7: 
„Die  da  riefen:  Reißt  nieder,  reißt  nieder,  bis  auf  den  Grund  reißt  sie  nieder!"  —  Parallel- 
stellen: Joma9b;  MidrPs  137  §10  (263 b). 

SDt32,38  §328  (139b):  R.  Nediemja  (um  150)  sagte:  Titus,  der  Sohn  der  Gattin 
des  Vespasian  (also  des  letztern  Stiefsohn),  ging  in  das  Allerheiligste  u.  zerschnitt  den 
Vorhang  mit  dem  Schwert  u.  sprach:  Wenn  er  ein  Gott  ist,  so  komme  er  u.  hindre 
es!  —  Parallelstellen:  LvR  20  (llO'^^);  22  (120");  NuR  18  (185^);  Midr  Qoh  5,  8  (26b).  j| 
Git56^:  Vespasianus  Cäsar  kam  u.  belagerte  Jerusalem  drei  Jahre.  .  .  .  Abba  Siqra 
(sicarius,  der  eigentliche  Name  war  Ben  Battiach),  das  Oberhaupt  der  Zeloten  (wört- 
lich: der  Zügellosen  ^:^^-?)  in  Jerusalem,  war  der  Sohn  der  Schwester  des  Rabban 
Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80).  Dieser  ließ  ihm  sagen:  Komm  heimlich  zu  mir!  Als  er 
kam,  sprach  Rabban  Joch,  zu  ihm:  Wie  lange  wollt  ihr  also  handeln  u.  das  Volk  durch 
Hunger  töten?  (Die  Zeloten  hatten  die  Getreidevorräte  verbrannt.)  Er  antwortete:  Was 
soll  ich  tun?  Denn  wenn  ich  ihnen  etwas  sage,  so  töten  sie  mich.  Rabban  J.  sprach 
zu  ihm:  Ersieh  für  mich  ein  Mittel,  daß  ich  hinauskomme  (aus  Jerusalem);  vielleicht 
gibt  es  noch  eine  geringe  Rettung.  Abba  Siqra  sprach  zu  ihm:  Stelle  dich,  als  wärest 
du  krank,  u.  die  Leute  mögen  kommen  u.  sich  nach  dir  erkundigen.  Dann  laß  etwas 
Übelriechendes  in  deine  Nähe  legen  u.  man  sage,  daß  du  gestorben  seist.  Endlich 
sollen  deine  Schüler  zu  dir  kommen  (um  dich  hinauszutragen),  aber  kein  andrer  Mensch, 

1  Ähnlich  in  pTafau  4,  69^,  63. 


Matth  24,  2  (Nr.  2)  947 

damit  man  nicht  merke,  daß  du  leicht  bist;  denn  jene  wissen,  daß  ein  Lebender  leichter 
ist  als  ein  Toter.  Er  tat  so,  u.  R.  Eli'ezer  ging  auf  der  einen  Seite,  R.  J^hoschuac  auf 
der  andren.  Am  Tore  wollten  die  Wächter  in  den  Sarg  stechen  (um  das  Hinausschaffen 
eines  Lebenden  zu  verhindern);  aber  Abba  Siqra  sprach:  Soll  man  etwa  sagen:  Selbst 
ihren  Lehrer  haben  sie  durchbohrt?  Da  wollten  sie  ihn  stoßen  (ob  er  vielleicht  einen 
Schmerzenston  ausstoßen  würde).  Er  sprach  zu  ihnen:  Soll  man  etwa  sagen:  Ihren 
Lehrer  haben  sie  gestoßen?  Man  öffnete  das  Tor,  so  daß  er  hinausgelangte.  Als  er 
zu  Vespasian  kam,  sprach  er:  Friede  über  dich,  König!  Friede  über  dich,  König!  Dieser 
antwortete:  Zwiefachen  Todes  bist  du  schuldig;  einmal  weil  ich  nicht  König  bin  u. 
du  mich  König  genannt  hast;  u.  sodann,  wenn  ich  König  bin,  warum  bist  du  nicht 
früher  zu  mir  gekommen?  Rabban  J.  sprach:  Wahrlich,  du  bist  König;  denn  wenn  du 
nicht  ein  König  wärest,  würde  Jerusalem  nicht  in  deine  Hand  gegeben  werden;  denn 
es  steht  geschrieben:  „Der  Libanon  fällt  durch  einen  Herrlichen"  Jes  10,34.  Mit  „Herr- 
licher" ^'Ts  ist  ein  König  gemeint,  s.  Jer30, 21;  u.  „Libanon"  bedeutet  nichts  andres 
als  das  Heiligtum,  s.  Dt  3,  25.  Wenn  du  aber  gesagt  hast:  „Wenn  ich  ein  König  bin, 
warum  bist  du  nicht  früher  zu  mir  gekommen?"  so  haben  es  die  Zeloten  bei  uns  nicht 
zugelassen.  Er  antwortete:  Wenn  man  ein  Faß  mit  Honig  hat  u.  eine  Schlange  ist 
herumgewunden,  würde  man  das  Faß  nicht  der  Schlange  wegen  zerbrochen  haben? 
(Ihr  hättet  Jerusalem  sollen  wehrlos  machen,  dann  waren  die  Zeloten  ungefährlich.) 
Da  schwieg  Rabban  J.  Rab  Joseph  (f  333),  nach  andren  R.  cAqiba,  hat  auf  ihn  an- 
gewandt: „Die  Weisen  läßt  er  den  Rückzug  antreten  u.  ihr  Wissen  macht  er  töricht" 
Jes 44, 25.  Er  hätte  ihm  antworten  sollen:  Man  nimmt  eine  Zange,  u.  man  nimmt  die 
Schlange  u.  tötet  sie;  aber  das  Faß  läßt  man  bestehn!  —  Inzwischen  kam  ein  Ge- 
sandter aus  Rom  zu  ihm,  der  zu  ihm  sprach:  Auf,  der  Kaiser  ist  gestorben,  u.  die  An- 
gesehenen von  Rom  sind  willens,  dich  an  die  Spitze  zu  stellen.  —  Vespasian  hatte 
gerade  einen  Schuh  angezogen;  er  wollte  den  andren  anziehen,  aber  er  kam  nicht 
hinein.  Er  wollte  den  ersten  wieder  ausziehen,  aber  er  ging  nicht  ab.  Er  sprach :  Was 
hat  das  zu  bedeuten?  Rabban  J.  sagte:  Sorge  dich  nicht!  Eine  gute  Botschaft  ist  dir 
gekommen;  da  heißt  es:  Gute  Botschaft  macht  die  Knochen  markig  Spr  15,30.  Er 
sprach:  Welche  Abhilfe  gibt  es?  Rabban  J.  erwiderte:  Laß  einen  Menschen  kommen, 
mit  dem  du  unzufrieden  bist,  daß  er  an  dir  vorübergehe;  denn  es  heißt  Spr  17,22:  Ein 
niedergeschlagenes  Gemüt  macht  das  Gebein  trocken  (dürr).  Er  tat  also  u.  er  kam 
hinein  (in  den  Schuh).  Er  sprach  zu  ihm:  Da  ihr  so  gar  weise  seid,  warum  bist  du 
nicht  früher  zu  mir  gekommen?  Er  antwortete:  Habe  ich  es  dir  nicht  gesagt?  Jener 
sprach:  Ich  habe  es  dir  auch  gesagt.  Darauf  fuhr  er  fort:  Ich  gehe  fort  u.  sende  einen 
andren  Mann  hierher;  aber  erbitte  etwas  von  mir,  was  ich  dir  geben  soll.  Er  sprach 
zu  ihm:  Gib  mir  Jahne  samt  den  Gelehrten  darin,  ferner  die  Familienglieder  des  Rabban 
Gamliel  u.  Arzte,  die  den  R.  (^'adoq  heilen  können.  —  Da  wandte  Rab  Joseph,  nach 
andren  R.  [Aqiba,  auf  ihn  an:  „Er  läßt  die  Weisen  den  Rückzug  antreten  u.  ihr  Wissen 
macht  er  töricht."  Er  hätte  ihm  sagen  sollen:  Laß  diesmal  von  Jerusalem  ab!  Aber 
Rabban  J.  meinte,  daß  er  dies  alles  nicht  gewähren  würde,  u.  daß  es  dann  auch  keine 
geringe  Rettung  gebe.  .  .  .  Als  Vespasian  fortgegangen  war,  sandte  er  den  Titus.  Es 
heißt  Dt  32,  37:  Wo  sind  ihre  Götter,  der  Fels,  auf  den  sie  trauten?  Das  geht  auf 
Titus,  den  Frevler,  der  Gott  schmähte  u.  lästerte.  Was  tat  er?  Er  ergriff  eine  Buhlerin 
mit  seiner  Hand,  ging  in  das  Allerheiligste  des  Tempels,  breitete  eine  Torarolle  aus 
u.  beging  auf  ihr  die  Sünde  (mit  der  Buhlerin).  Darauf  nahm  er  ein  Schwert  u.  zer- 
schnitt den  Vorhang.  Es  geschah  aber  ein  Wunder:  es  spritzte  Blut  (aus  dem  Vor- 
hang) hervor;  u.  Titus  meinte,  er  habe  ihn  selbst  (Gott)  getötet,  wie  es  heißt  Ps74, 4: 
Es  brüllten  deine  Widersacher  mitten  in  deinem  Tempel,  setzten  ihre  Zeichen  zu  Zeichen 
ein.  .  .  .  Was  tat  Titus?  Er  nahm  den  Vorhang  u.  machte  daraus -eine  Art  Korb  u. 
holte  alle  Geräte,  die  im  Tempel  waren,  u.  legte  sie  hinein;  dann  ließ  er  sie  auf  ein 
Schiff  bringen,  um  sich  in  seiner  Stadt  verherrlichen  zu  lassen'  (im  Triumph),  wie  es 

^  Von  den  nach  Rom  geschafften  Tempelgegenständen  sind  später  dort  noch  ge- 

60* 


948  Matth  24,  2  (Nr.  2) 

heißt  Qoh  8, 10:  Dann  habe  ich  Frevler  gesehen  in  Haufen  u.  sie  kamen  u.  zogen  fort 
von  heiliger  Stätte  u.  ließen  sich  verherrlichen  in  der  Stadt,  daß  sie  solche  Taten  getan 
(so  der  Midr).  Lies  nicht  n"-3p  „Begrabene",  sondern  a-ii-ap  „Zusammengebrachte"  (in 
Haufen);  lies  nicht  '.r.^rv".  „sie  wurden  vergessen",  sondern  irt^no^-i  „sie  ließen  sich 
verherrlichen".  Einige  scgen,  es  sei  d-i"i3-  „Begrabenes",  im  eigentlichen  Sinn  gemeint; 
denn  selbst  Dinge,  die  verborgen  (vergraben)  waren,  wurden  ihnen  entdeckt.  (Dann 
ist  die  Qohelethstelle  so  gefaßt:  Ich  habe  Frevler  gesehen  — Vergrabenes,  u.  es  kam 
zum  Vorschein  —  die  zogen  fort  usw.)  Es  erhob  sich  wider  Titus  ein  Ungestüm  auf 
dem  Meer,  um  ihn  zu  verschlingen.  Er  sprach:  Es  will  mir  scheinen,  als  ob  der  Gott 
dieser  (Juden)  seine  Stärke  nur  im  Wasser  habe:  es  kam  der  Pharao,  er  ließ  ihn  ver- 
sinken in  Wasser;  es  kam  Sis'^ra,  er  ließ  ihn  versinken  in  Wasser.  Auch  gegen  mich 
erhebt  er  sich,  um  mich  in  Wasser  versinken  zu  lassen.  Wenn  er  ein  Held  ist,  so 
komme  er  aufs  Festland,  mit  mir  Krieg  zu  führen.  D.a  ging  eine  Himmelsstimme  aus, 
die  ihm  zurief:  Frevler,  Sohn  eines  Frevlers,  Kindeskind  des  Frevlers  Esau!  Ein  ge- 
ringes Geschöpf  habe  ich  in  meiner  Welt,  Mücke  ist  sein  Name;  steige  ans  Land  u. 
führe  mit  ihr  Krieg!  Als  er  ans  Land  gestiegen  war,  kam  eine  Mücke  u.  drang  in 
seine  Nase  u.  bohrte  sich  nach  seinem  Gehirn  durch  sieben  Jahre  lang.  Eines  Tages 
ging  er  an  der  Tür  einer  Schmiede  vorüber,  da  hörte  die  Mücke  den  Ton  des  Hammer- 
schlags u.  schwieg  (ward  ruhig).  Er  sprach:  Es  gibt  ein  Heilmittel.  Alle  Tage  ließ 
er  einen  Schmied  kommen,  der  mußte  vor  ihm  hämmern;  einem  NichtJuden  gab  er 
dafür  vier  Zuz;  war  es  aber  ein  Israelit,  so  sagte  er  zu  ihm:  Du  hast  genug  daran, 
daß  du  es  an  deinem  Feinde  siehst  (er  erhielt  also  nichts).  Dreißig  Tage  tat  er  so, 
von  da  an  u.  weiter  blieb  die  Mücke  daran  gewöhnt,  nachdem  sie  sich  einmal  daran 
gewöhnt  hatte.  (Ihr  Bohren  begann  auf  neue.)  Bar:  R.  Pin^^chas  b.  cAroba  hat  gesagt: 
Ich  befand  mich  unter  den  Großen  Roms,  u.  als  Titus  starb,  spaltete  man  sein  Gehirn 
u.  fand  darin  (die  Mücke)  so  groß  wie  eine  Schwalbe  im  Gewicht  von  zwei  Selac.  In 
einer  Bar  ist  gelehrt  worden:  So  groß  wie  eine  einjährige  Taube  im  Gewicht  von  zwei 
Pfund.  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Wir  haben  durch  Tradition  überkommen,  daß  der 
Mund  jener  Mücke  von  Erz  war  u.  ihre  Nägel  von  Eisen.  Als  Titus  starb,  befahl  er, 
daß  man  ihn  verbrennen  u.  seine  Asche  auf  sieben  Meere  ausstreuen  solle,  damit  der 
Gott  der  Juden  ihn  nicht  fände  u.  ins  Gericht  bringe.  —  Diese  Erzählungen  von  Titus 
sind  oft  in  den  Midraschwerken  wiederholt,  zB  GnR  10  (7'');  LvR  20  (119^);  22  (120 ^'j; 
NuR  18  (185'');  Midr  Qoh  5,8  (26'^);  Tanch  r-r.  222«;  TanchB  rp-  §  1  (50")-  —  Über  die 
Errettung  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  u.  seine  Verhandlung  mit  Vespasian  liegen 
mehr  oder  weniger  abweichende  Berichte  vor  in  Midr  KL  1,  5  (51  '^)  u.  AbothRN  4.  Wir 
heben  daraus  hervor  Midr  KL  52 1>:  Als  Vespasian  Jerusalem  erobert  hatte,  verteilteer 
die  vier  Mauern  an  die  vier  Heerführer  (die  er  unter  sich  hatte).  Das  Westtor  fiel  dem 
Pangar  (einem  Araber)  zu.  Im  Himmel  aber  hatte  man  (Gott)  beschlossen,  daß  es  in 
Ewigkeit  nicht  zerstört  werden  sollte,  weil  die  Sch'khina  im  Westen  wohnt.  (Im  Westen 
des  Tempels  lag  das  Allerheiligste).  Jene  nun  zer.störten  ihren  Teil,  dieser  aber  (Pangar) 
zerstörte  seinen  Teil  nicht.  —  Die  Worte  scheinen  sich  auf  die  sogenannte  Klage- 
mauer zu  beziehen.  I!  AbothRN  4  s.  bei  16, 19  S.  737  Anm.  c. 


sehen  worden  der  Tempelvorhang  u.  das  hohepriesterliche  Stirnblech.  TJomaS, 8  (186): 
R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Ich  habe  den  Vorhang  in  Rom  gesehen  u.  es  waren  viele 
Blutstropfen  darauf.  Man  sagte  mir:  Diese  rühren  von  dem  Blut  des  Versöhnungs- 
tages her.  —  Die  Parallelstellen  pJoma  5,42'',  3;  Joma57''';  M'^cilaöl''  (=  fol.  17''  in 
andren  Ausgaben);  ExR  50  fl03'')  lesen  R.  ElSazar  b.  Jose  (um  180)  statt  R.  Jose.  —  |! 
Schab  63*' Bar:  Das  Stirnblech  •,— .i  glich  einer  Goldplatte;  es  war  zwei  Finger  breit 
u.  reichte  von  einem  Ohr  bis  zum  andren.  Es  stand  darauf  in  zwei  Reihen  geschrieben: 
„Jahve"  auf  der  oberen  Zeile  u.  „Heilig  dem"  auf  der  unteren  Zeile.  (Rechts  auf  der 
unteren  Zeile  war  begonnen  mit  ^  z;-p ;  da  wo  das  '■>  aufhörte,  stand  darüber  in  der 
oberen  Reihe  nin^;  letzteres  Wort  schwebte  also  über  seiner  eigentlichen  Stelle.) 
R.  El'azar  b.  Jose  hat  gesagt:  Ich  habe  es  in  Rom  geselren;  es  stand  darauf  nr-;  -n-p 
in  Einer  Reihe.  --  Dasselbe  etwas  ausführlicher  pJoma  4, 41°,  12. 


Matth  24,  3  (Nr.  1—3).  24,  6  (?l.  SB.  6)  949 

2-1-,  3:  Wann  wird  dieses  sein,  u.  was  ist  das  Zeichen 
deiner  Ankunft  u.  der  Vollendung  der  Weltzeit? 

1.  Die  Frage  setzt  auf  seiten  der  Jünger  den  Gedanken  voraus 
«,  daß  der  messian.  Herrlichkeitszeit  eine  Drangsalsperiode  voraufgeht, 
in  der  selbst  der  Tempel  in  Trümmer  sinken  kann;  ß,  dafs  die  Zeit  des 
Anbruchs  der  Tage  des  Messias  im  göttlichen  Weltplan  feststeht  u,  Jesu 
bekannt  ist;  y,  daß  das  Herannahen  der  messian.  Periode  durch  be- 
stimmte Vorzeichen  angekündigt  wird;  d',  daß  der  Beginn  der  Messias- 
zeit das  Ende  des  gegenwärtigen  Weltlaufs  bedeutet  oder,  anders  aus- 
gedrückt, daß  „die  Tage  des  Messias"  niir^Dn  m^i  identisch  sind  mit 
der  eschatologischen  „zukünftigen  Welt"  xsn  cb-ir.  —  Zu  « — y  s.  den 
Exkurs:  Vorzeichen  u.  Berechnung  der  messian.  Zeit;  zu  f^  s.  Exkurs: 
Diese  Welt,  die  Tage  des  Messias  u.  die  zukünftige  Welt. 

2.  avvisXsia  rov  alwvoq  (vgl.  bei  13,  39). 

LXX  Dn  12,4:  smq  xcciqov  awisleiKg  =  yp  ps  ny.  —  Dn  12,13:  e^V  avureXsiaf 
fjueqüJi'  ■=  •■''^-n  Yp?.  —  Test  Levi  10:  enl  awrelsiu  xiäv  auovaoy.  —  ApocBar:  59,8: 
finem  saeculorum. 

3.  Zur  Frage  selbst  Mt24,3  vgl.  die  ähnlichen  Fragen  Dn8, 13;  12,6. 
Ferner  4  Esra  4,  33.  35:   Ich  (Esra)   antwortete   u.  sprach:  Wie  lange  noch  (bis 

dieser  Äon  vergeht),  wann  soll  das  geschehen?  .  .  .  Diese  deine  Frage  haben  schon 
die  Seelen  der  Gerechten  in  ihren  Kammern  getan,  die  sprachen:  Wie  lange  sollen 
wir  noch  hier  bleiben?  —  6,  11  f.:  Wenn  ich  Gnade  vor  deinen  Augen  gefunden  habe, 
so  zeige  deinem  Knecht  die  letzten  deiner  Zeichen  (gemeint  sind  die  Zeichen  der  letzten 
Zeit).  —  Apoc  Bar  21,  18f.:  Laß  mich  wissen  .  .  .  bis  wie  lange  das  Vergängliche  be- 
stehen bleibt.  —  81,  2  f.:  Ich  flehte  um  Gnade  zum  Höchsten  u.  sprach:  Wie  lange 
bleibt  dies  für  uns  bestehn  (die  mit  der  Zerstörung  des  Tempels  angebrochene  Not)?  — 
4  Esra  6,  7:  Ich  antwortete  u.  sprach:  Wie  wird  die  Scheidung  der  Zeiten  geschehen? 
wann  wird  das  Ende  des  ersten  Aons  sein  u.  der  Anfang  des  zweiten?  ||  Sanh  96 b; 
■'?£:  ^3  "^rs  ntt-"N  Wann' kommt  der  Messias?  (s.  oben  S.  66;').  ||  MidrPs45  §3:  Herr 
der  Welt,  wann  wirst  du  uns  erlösen  i35S")i  rrs  t^^s?  ||  Sanh98'':  Wann  kommt  der 
Sohn  Davids  sa  -"t  i-  "nsi-s?  ||  P'^siqR  1  (41^):  Wann  kommt  der  König,  der  Messias 
S2  rr-a-or,  -;■;>:  "r»:-s?  ||  Sanh  99^:  Wann  kommt  der  Messias  r;-;^':  -pn  'n»2"'N? 

24-,  6?l:  Ihr  werdet  hören  müssen  von  Kriegen  u.  Kriegsgerüchten. 
ZudenKriegens.  Henoch99,4;  4 Esra  4, 5 1  ff. ;  8,  63 ff.;  Apoc  Bar  48, 30 ff. ;  70, 2  ff.; 
OracSib2,153ff.;  Sanh  97»;  M«^gl7b;  GnR 42(26»);  P*^siqR36(162'>)  im  Exkurs:  Vorz. 
u.  Ber.  der  messian.  Zeit  I. 

24,65B:  Erschrecket  nicht,  s.  P'^siqR  36  (162»)  ebendaselbst. 
2-lr,  6  6:  Das  Ende,  ro  rilXoq  =  yp^  Ende,  Endtermin. 
In  der  vorchristl.  Zeit  ging  die  allgemeine  Anschauung  dahin,  daß 
der  Messias  den  Äon  der  absoluten  Heilsvollendung  heraufführen  werde, 
d.  h.  im  Sinne  der  späteren  Zeit:  man  hatte  die  Tage  des  Messias  mit 
der  eschatologischen  zukünftigen  Welt  xrn  cri^"  identifiziert.  Nach  dieser 
alteren  Anschauung  bedeutet  dann  -jt?  das  Ende  des  gegenwärtigen  Äons, 
des  !-!Tn  cVy,  oder  den  Anbruchstermin  der  zukünftigen  Welt,  so  Dn  12, 4. 
9. 13.  Ebenso  ist  to  tsIoc  Mt  24, 6  gemeint.  —  Die  nachchristl.  Synagoge 
hat  die  Tage  des  Messias  u.  die  (eschatologische)  zukünftige  Welt  von- 


950  Matth  24,  6  (6).  24,  7.  8 

einander  unterschieden.  Infolgedessen  bezeichnet  nun  -j-p;  nicht  mehr  den 
Anbruchstermin  der  zuk.  Welt,  sondern  den  Ankunftstermin  des  Messias. 
Sanh97b  im  Exkurs:  Vorz.  u.  Ber.  der  messian.  Zeit  II,  A,  3;  Midr  Ps  9  §2  (41») 
das.  ü,a;  Tanch ---i  56»;  TancliB -n'i  §  8  (108b);  GnR98(61b);  Midr  Qoh  12,  9  (54  b) 
das.  D,  h;  Derekh  Ere9  10  (20b)  das.  D,  c;  Sanh97b  das.  D,  rf.  —  Dieses  absolut  ge- 
brauchte vp  zur  Bezeichnung  des  Anbruchs  der  messian.  Zeit  findet  sich  ungemein 
häufig  in  der  rabbin.  Literatur.  Gleichbedeutend  damit  ist  das  vollere  w^-o  yp  (An- 
kunftstermin des  Messias),  s.  zB  M'^g  S-"*  in  gen.  Exkurs  II,  D,  h,  ferner  n-:is:n  yp  (Er- 
lösungstermin), zB  Midr  Ps  9  §2  (40b)  das.  D,  a,  u.  ■j-'sti  yp  (Ende  der  Tage  der  gegen- 
wärtigen Welt,  nach  Dn  12, 13),  zB  P°s  56''  das.  D,  h. 

24-,  7:  Es  werden  sein  Hungersnöte  u.  Erdbeben. 
Zu  h^ol  s.  ApocBar25, 1  ff.;  OracSib  2,  loBff. ;  Sanh  97  ■'' (zweimal)  im  Exkurs:  Vorz. 
u.  Ber.  der  messian.  Zeit  I.  —  Zu  asiofxoi  s.  Apoc  Bar  70, 2  ff.;  P^'siqR  1  (4b)  ebendaselbst. 

24,8:  Alles  dieses  aber  ist  Anfang  von  Wehen. 
(tidlrsg  =  n^bsn  „  Wehen " .  Der  entsprechende  rabbin.  Terminus  kommt, 
von  einer  zweifelhaften  Stelle  abgesehen,  a  nur  im  Singular  vor  als  'ib^n 
rj-^'c^  bei,  aram.  Tj'^'4'>^^.  f^^^^r?  =  „die  Wehe  des  Messias".  Darunter  ver- 
stand man  aber  nicht  die  Wehen  oder  Leiden,  die  etwa  den  Messias 
treffen,  sondern  nach  Stellen  wie  Jes  26, 17;  66,8;  Jer22,23;  Hos  13,13; 
Micha  4,  9  f.  die  Wehen,  aus  denen  die  messian.  Zeit  herausgeboren 
werden  soll.  Der  Ausdruck  wird  schon  von  R.  Eli'ezerb  (um  90)  ver- 
wandt, kann  also  in  Jesu  Zeit  gar  wohl  bekannt  gewesen  sein. 

a.  K'^th  111  '1:  Abaje  (f  338/39)  hat  gesagt:  Wir  haben  durch  Tradition  überkommen, 
daß  Babylonien  die  Wehen  des  Messias  ~'iV2-  ^;n-  (Plural)  nicht  sehen  wird.  —  Aber 
Codex  München,  die  ältesten  Talmuddrucke  u.  cEn  Jacaqob  lesen  singularisch  "^^^r;. 
'«-.  Vgl.  auch  Tancli  n:  (9'i):  Barmherzigkeit  hat  Gott  an  Israel  getan,  daß  er  die  mit 
J^khonja  in  die  Verbannung  Geführten  vor  den  mit  (^'idqijja  Fortgeführten  ins  Exil 
ziehen  ließ,  damit  die  mündliche  Tora  von  ihnen  nicht  vergessen  würde  u.  damit  sie 
in  Babel  in  ihrer  Lehre  blieben  von  jener  Zeit  an  bis  heute.  Und  über  sie  hat  weder 
Edom  (Rom)  noch  Griechenland  Gewalt  gehabt,  auch  hat  man  über  sie  keine  Religions- 
verfolgung verhängt.  Und  auch  in  den  Tagen  des  Messias  werden  sie  die  Wehen  des 
Messias  '«  '»  'b^n  (Sing.)  nicht  sehen. 

b.  M%h  Ex  16,29  (59a):  R.  Elicezer  (um  90)  sagte:  Wenn  ihr  den  Sabbat  (recht) 
beobachtet,  so  werdet  ihr  vor  drei  Strafen  bewahrt  (oder:  aus  ihnen  errettet)  werden: 
vor  den  Wehen  des  Messias  '^  'a  lisar:«  u.  vor  dem  Tage  Gogs  u.  vor  dem  Tage  des 
großen  Gerichts.  —  M<^kh  Ex  16, 25  (58b)  irrtümlich  R.  Elcazar.  —  Einen  andren  Aus- 
spruch des  R.  Elifezer  s.  Sank  98  b  im  Exk.:  Vorz.  u.  Ber.  der  messian.  Zeit  1,  h.  ||  Andre 
Stellen.  Schab  118»:  R.  Schinicon  b.  Pazzi  (um  280)  hat  gesagt,  R.  J%oschuac  b.  Levi 
(um  250)  habe  im  Namen  des  Bar  Qappara  (um  220)  gesagt:  Wer  drei  Mahlzeiten  am 
Sabbat  hält,  der  bleibt  bewahrt  vor  drei  Strafen:  vor  den  Wehen  des  Messias  '?2  '»  'hzr., 
vor  dem  Gehinnomgericht  u.  vor  dem  Kriege  Gogs  u.  Magogs.  Vor  den  Wehen  des 
Messias:  es  heißt  hier  (Ex  16,25)  „Tag"  u.  es  heißt  dort  (Mal  3,  23):  Siehe,  ich  will 
euch  den  Propheten  Elia  senden,  bevor  der  „Tag"  Jahves  kommt,  der  große  u.  schreck- 
liche. (Zu  dieser  Beweisart  s.  Einl.  S.  97  Nr.  2.)  Vor  dem  Gehinnomgericht,  s.  Ex  16,  25 
u.  Zeph  1, 15  f.;  u.  vor  dem  Kriege  Gogs  u.  Magogs,  s.  Ex  16,25  u.  Ez  38, 18.  ||  Pes  118»: 
Warum  sprechen  wir  das  Hallel  (Ps  113—118  beim  Passahmahl)?  Weil  darin  diese 
fünf  Dinge  enthalten  sind:  der  Auszug  aus  Ägypten,  s.  Ps  114, 1 ;  das  Spalten  des  Schilf- 
meeres, s.  Ps  114,3;  die  Gesetzgebung,  s.Ps  114,4;  die  Auferweckung  der  Toten,  s. 
Psll6,  9  u.  die  Wehen  des  Messias  'a  'v  iVan,  s.  Psll5, 1:  Nicht  uns,  Jahve,  nicht 
uns,  sondern  deinem  Namen  gib  Ehre  ob  deiner  Gnade,  ob  deiner  Wahrheit. 


Matth  24,9.10.11.12.13.  14.  15.  IG  951 

24,9:  Sie  werden  euch  überantworten  in  Trübsal. 

Zu   den  Verfolgungen   in    der   letzten  Zeit   vgl.  im  Exkurs:    ,Vorz.  der  messian. 
Zeit"  I,rt:  .Jubil 2.8,22  ff.;  ApocBar  25, 1  ff.;  70, 2 ff.;  Sanh96T>;  98-Mzweimal};  Kfthll2b. 

24,  10:  Sie  werden  einander  ausliefern  u.  einander  hassen. 

Vgl.  Henoch  100,1  ff.;  4 Esra 6, 18  ff.;  ApocBar 48, 30 ff.;  70, 2 ff.;  Sann 97«;  Sota 9,  5; 
Sanli  97*  im  Exk.:  „Vorz.  der  messian.  Zeit"  I,«. 

24,11:  Viele  falsche  Propheten  werden  .  .  .  viele  irreführen. 
Von  einem  falschen  Propheten,  durch  den  viele  den  Tod  in  den 
Flammen  des  Tempels  fanden,  erzählt  Josephus  Bell.  6,  5,2.  Vgl.  auch 
Apoc  Bar  48,  30  flf.  im  Exk.:  „Vorz.  der  messian.  Zeit"  I,  a:  Es  werden 
viele  Nachrichten  u.  nicht  wenige  Gerüchte  entstehen,  u.  Phantasiegebilde 
werden  verbreitet  werden.  Und  es  werden  nicht  wenige  Verheißungen 
erzählt  werden:  einige  wertlos,  u.  einige  werden  sich  bewahrheiten. 

24,12:  Darum  daß  die  Ungerechtigkeit  (Gesetzlosigkeit) 

sich  mehrt. 
Die  vormessianische  Zeit  wird  als  eine  Zeit  der  Ungerechtigkeit  u.  Zuchtlosigkeit, 
als  eine  Zeit  der  Umkehrung  aller  sittlichen  Ordnungen  geschildert  in  4  Esra  4, 51  ff. ; 
Apoc  Bar  25,1  ff.;  48,  30  ff.;  70,  2  ff.;   Sanh97^'  mehrf^ich;   Midr  HL  2,  13  (101a);  Midr 
Ps  92  §10;  Exk.:  „Vorz.  der  messian.  Zeit"  I,«. 

24,13:  Wer  ausharrt  bis  ans  E*nde. 
Vgl.  4  Esra  6, 18  ff.;  Apoc  Bar  25,  1  ff.;  Midr  HL  2,  13  (100b);  ApocBar28;  4  Esra 
13,  16ff.;  Sanh  97b  im  Exk.:  Vorz.  der  messian.  ZeitI,  a  u.  h;  II,  D,  d. 

24,14:  Dieses  Evangelium  .  .  .  wird  verkündigt  werden  .  .  ., 
u.  dann  wird  das  Ende  kommen. 
In  formeller  Hinsicht  kann  verglichen  werden  die  Wendung:  der  Messias  kommt 
nicht  eher,  als  bis  das  oder  das  geschehen  ist;  s.  Sanh  38»;  97*  (zweimal);  983' (drei- 
mal); 98b;  Jt'b  62a  ini'Exk.:  „Vorz.  der  messian.  Zeit"  l,a. 

24,15:  Greuel  der  Verwüstung. 
To  ßdsXvYi.ia  x/~c  sQijiaißeoK.  Dnll,31:  n^bp  y^p'ä  „verwüstender 
Greuel";  LXX:  ßösXvy^ia  i](paviaf.iei'ov.  —  Dnl2,  11:  c^r  "^pa;  LXX: 
ßdäXvYi.ia  iQrji.i(X)aswg.  Dn  9,  27  (wohl  versehentlich)  der  Plural:  n'^ri^pu^ 
c-ob'-?;  LXX:  ßdsXvyfxa  xoiv  sQiqfxwaswv.  Aus  den  LXX  ist  der  Ausdruck 
ßdsXvyiiia  sQrji.io')(f€coc  übergegangen  in  IMakk  1,54,  wo  damit  der  Götzen- 
altar bezeichnet  wird,  den  die  Syrer  am  15.  Kislev  145  (aer.  Sei.  = 
Dezember  168  v.  Chr.)  auf  dem  Brandopferaltar  des  Tempels  errichtet 
hatten,  u.  auf  welchem  am  25.  desselben  Monats  das  erste  heidnische 
Opfer  dargebracht  wurde  1  Makk  1,59;  vgl.  1  Makk  6,  7.  —  Die  spätere 
Zeit  hat  bei  dem  ßdeXvyf^ia  trjg  igr^ficoascog  an  ein  Götzenbild  gedacht, 
das  im  Tempel  aufgestellt  worden  sei,  s.  Ta'an  4,  6;  pTa^an  4,  68"^,  67; 
Ta<an28'^  bei  Mt  24,  2  S.  945. 

24,16:  Die  in  Judäa  sollen  auf  die  Berge  fliehen. 

Leqach  tob  zu  Nu  24,  17  (129b):  Sie  (die  Gelehrten)  sprachen  zu  R.  Chijja  (um  200): 
Mein  Herr,  wohin  sollen  wir  uns  retten  (in  der  vormessiau.  Leidenszeit)?  Er  antwortete: 


952  Matth  24,  17.  19.  20  (?l.  S8) 

Nach  Ober-Galiläa;  denn  es  heißt  Joel  3,5:  Auf  dem  Berge  ^ion  u.  in  Jerusalem  wird 
es  eine  entronnene  Schar  geben.  (Von  Ober-Galiläa  führt  dann  der  Messias  ben  Joseph 
die  Isr.  nach  Jerusalem,  s.  Leqach  tob  zu  Nu  24, 17  bei  Mt  3,3  (S.  96)  u.  4, 15  (S.  161).  — 
Über  die  Wüste  Juda  als  Bergungsstätte  s.  Midr  Ruth  2, 14  bei  Mt  2, 15  S.  86  f. 

24,17:  Der  auf  dem  Dach  Befindliche. 

Das  platte  Dach  :,:.,  soweit  es  nicht  zum  Aufbau  des  Söllers  n^Vr  be- 
nützt war,  diente  zum  Trocknen  der  Früchte,  aber  auch  zum  Studieren, 
Essen  u.  dgl. 

TMa'as  Rischon  2,  19  (84)  redet  von  einem,  der  Zwiebeln,  getrocknete  Feigen  u. 
Johannisbrot  auf  seinem  Dache  hat.  i|  Macas  3,6:  Die  Dächer  r-.-:-  machen  (die  auf 
ihnen  befindlichen  Früchte)  nicht  zehntpflichtig.  ||  TMafas  Rischon  2,  10  (83):  Hatte 
jemand  Feigen  vom  Felde  gebracht,  um  sie  auf  seinem  Dach  zu  essen.  .  .  .  ||  Selbst 
das  Passahmahl  durfte  auf  einem  Dach  gefeiert  werden.  TP*^s  0,  11  (166):  Sie  dürfen 
(das  Passah)  in  ihren  Höfen  u.  auf  ihren  Dächern  essen;  was  will  da  lehrend  sagen 
Ex  12,  46:  „In  Einem  Hause  soll  es  gegessen  werden"  ?  In  Einer  Genossenschaft  (Ge- 
sellschaft) soll  es  gegessen  werden.  ||  <Er  10,  3:  Wenn  einer  auf  dem  Dache  las  u.  die 
Torarolle  (wörtlich:  das  Buch)  rollte  sich  auf  aus  seiner  Hand  weg,  so  darf  er  sie  (an 
einem  Sabbat),  wenn  sie  noch  nicht  10  Handbreiten  (in  einen  öffentlichen  Bezirk)  ge- 
rollt ist,  wieder  an  sich  rollen.  ||  Als  Zufluchtsstätte  kommt  das  Dach  in  Betracht 
B^rakh  33a  Bar  u.  P^s  !  12 1>  im  Namen  des  R.  Me'ir  (um  150):  Ist  der  Kopf  des  Stiers  in 
der  Raufe  (zum  Fressen),  so  steige  (doch)  aufs  Dach  n-j;n  u.  wirf  die  Leiter  unter  dir  weg. 

24, 19:  Wehe  den -Schwangeren  u.  Säugenden  in  jenen  Tagen! 
Tanch  -n-^  55  a;  Unser  heiliger  Lehrer  (Rabbi)  litt  dreizehn  Jahre  an  Zahnschmerzen, 
u.  jene  ganzen  dreizehn  Jahre  hindurch  starb  keine  Wöchnerin  im  Lande  Israel  u.  kein 
schwangeres  Weib  im  Lande  Israel  hatte  eine  Fehlgeburt  (die  sühnende  Kraft  der 
Leiden  Rabbis  kam  ihnen  zugute).  Es  zürnte  Rabbi  auf  R.  Chijja  den  Älteren  (um  200). 
Da  trat  (der  Prophet)  Elias,  es  werde  seiner  zum  Guten  gedacht!  bei  unsrem  Lehrer 
in  der  Gestalt  des  R.  Chijja  ein  u.  legte  ihm  seine  Hand  auf  .seinen  Zahn,  u.  sofort  war 
er  geheilt.  Am  nächsten  Tage  trat  R.  Chijja  bei  ihm  ein.  Er  sagte  zu  ihm:  Rabbi; 
was  macht  dein  Zahn?  Er  antwortete  ihm:  Von  der  Stunde  an,  da  du  gestern  deine 
Hand  auf  ihn  gelegt  hast,  ist  er  geheilt.  Da  sagte  R.  Chijja:  Wehe  euch  Wöchnerinnen 
im  Lande  Israel,  wehe  euch  Schwangern  r-^3i:>  c^'->  -s  .  .  .  r'-n  3:5  -n  im  Lande  Israel! 
Als  ihm  R.  Chijja  sagte:  Ich  bin  es  nicht  gewesen,  der  seine  Hand  auf  deine  Zähne 
gelegt  hat,  wußte  Rabbi,  daß  es  Elias  gewesen  war.  Seitdem  fing  er  an,  dem  R.  Chijja 
Ehre  zu  erweisen,    Parallelstelle:  pKil  {>,  32b,  35;  pK'^th  12,  35 a,  48. 

24,20  5t:  Betet,  daß  eure  Flucht  nicht  geschehe  des  Winters. 
XSijuwrog.  —  Tanch  y—fr  156b:  Eine  große  Güte  hat  Gott  Israel  erwiesen.  Inwie- 
fern? Am  10.  Tebeth  (etwa  Januar)  hatten  die  Israeliten  von  Jerusalem  weg  in  die 
Verbannung  ziehen  sollen,  s.  Ez  24,  1  f .  Was  tat  Gott?  Er  sprach:  Wenn  sie  jetzt  in 
der  Kälte  ausziehen,  werden  sie  sterben.  Was  tat  er?  Er  wartete  mit  ihnen  u.  ließ 
sie  im  Sommer  (10.  Ab)  in  die  Verbannung  ziehen.  —  Derselbe  Gedanke  etwas  aus- 
führlicher Midr  KL  1, 14  (56  a). 

24,20  58:  Auch  nicht  an  einem  Sabbat. 
Der  ältere  Standpunkt,  am  Sabbat  sich  lieber  töten  zu  lassen,  als 
durch  Kampf  den  S.  zu  entheiligen,  wurde  bereits  in  der  Makkabäerzeit 
aufgegeben,  s.  1  Makk  2,  32  ff.  —  Diese  freiere  Stellung  dem  S.  gegen- 
über hat  die  spätere  Synagoge  auch  da.  wo  es  galt,  durch  die  Flucht 
das  Leben  zu  retten,  gebilligt.   Vgl.  bei  Mt  12, 10  S.  626  f. 


Matth  24,  20  (83).  24,  21.  22  (%.  SB).  24,  24  953 

Tancli  "J'C^  245»:  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  wenn  einer  von  einem  Heerhaufen 
oder  einem  Räuber  verfolgt  wird,  darf  er  den  S.  entheiligen?  So  haben  uns  unsre  Lehrer 
gelehrt:  Wenn  einer  von  einem  Heerhaufen  oder  von  Räubern  verfolgt  wird,  darf  er 
den  S.  entheiligen,  um  sein  Leben  (durch  die  Flucht)  zu  retten ;  denn  so  finden  wir 
es  bei  David:  als  Saul  ihn  töten  wollte,  floh  er  u.  entkam.  Die  Rabbinen  seligen  An- 
gedenkens haben  erzählt:  Einmal  kamen  schlimme  Verfügungen  von  der  (römischen) 
Regierung  an  die  Großen  von  Sepphoris  an  einem  S.  Sie  kamen  u.  fragten  den 
R.  El<azar  b.  P^rata  (um  110);  sie  sagten  zu  ihm:  Schlimme  Verfügungen  sind  an  uns 
von  der  Regierung  gekommen;  was  meinst  du?  sollen  wir  fliehen?  Er  fürchtete  sich, 
ihnen  (geradezu)  an  einem  S.  zu  sagen,  daß  sie  fliehen  sollten.  Er  antwortete  ihnen 
andeutungsweise:  Mich  fragt  ihr?  Geht  u.  fragt  Jakob  u.  Mose  u.  David!  Jakob  s. 
Hos  12, 13:  Geflohen  ist  Jakob  nach  der  Trift  Arams.  Mose  s.  Ex  2,  15:  Mose  floh  vor 
dem  Pharao.  David  s.  1  Sml9, 18:  David  war  geflohen  u.  entkommen.  Und  so  heifat 
es  Jes26,20:  Wohlan  mein  Volk,  so  geh  in  deine  Kammern  u.  schließe  deine  Tür 
hinter  dir  zu.  —  Dasselbe  NuR  2.S  (lOSl');  TanchB  -yC's  §  1,  hier:  Er  fürchtete  sich  zu 
ihnen  zu  sagen:  , Fliehet  am  Sabbat."  |]  Über  die  Länge  des  S.weges  s.  bei  Apg  1, 12. 

24-,  21:  Es  wird  eine  große  Drangsal  (^Arj//tc)  sein,  wie  sie 
nicht  gewesen  ist  vom  Anfang  der  Welt  an  bis  jetzt. 

Dn  12, 1 :  Es  wird  eine  Zeit  der  Drangsal  r-.--^  sein,  wie  sie  nicht  gewesen  ist  seit 
dem  Dasein  eines  Volkes  bis  zu  dieser  Zeit.  —  LXX:  xcd  earcd,  xcciqSs  ^'^'/.Ixpsto^,  ^'/Sxjjig 
n'in  ov  yiyorep  ctcp'  ov  y(yti'i]Tca  sf^rog  iv  rf]  yrj  sto?  tov  xraoov  ixsii'ov.  \\  1  Makk  9,  27: 
Es  ward  eine  große  Drangsal  H'/u4ni;  ueyälr]  in  Israel,  dergleichen  keine  gewesen  ist 
seit  dem  Verschwinden  der  Propheten  bei  ihnen.  |i  Ass  Mos  8,  1 :  Da  wird  Rache  u.  Zorn 
über  sie  hereinbrechen,  wie  sie  unter  ihnen  nicht  dagewesen  sind  von  Ewigkeit  her. 

24,22:  Wenn  jene  Tage  nicht  verkürzt  würden. 
51:  Eine  Verkürzung  der  letzten  Drangsalsperiode  kennt  auch  die 
jüdische  Eschatologie. 

Midr  HL  2,7  (99  a);  R.Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  Zwei  Beschwörunge» 
stehen  hier  (nämlich  HL  2,7  u.  3,5):  eine  an  die  Israeliten  u.  eine  an  die  Völker  der 
Welt.  Er  beschwur  die  Israeliten,  daß  sie  sich  nicht  gegen  das  Joch  der  Weltreiche 
auflehnen  sollten,  u.  er  beschwur  die  Weltreiche,  daß  sie  das  Joch  auf  Israel  nicht 
schwer  machen  sollten;  denn  wenn  sie  das  Joch  auf  Israel  schwer  machten,  würden 
sie  das  Kommen  des  Endes  (des  messianischen  7-,  s.  bei  24,6  6  S.  949  f.)  vor  seiner 
Zeit  veranlassen.  —  Parallelstelle  mit  Abweichungen  K'^'th  111*.  1  BM  85 1>:  Elias  (der 
Prophet)  pflegte  .sich  in  der  Akademie  Rabbis  einzufinden.  Eines  Tages  —  es  war  der 
Neumondstag  —  verspätete  er  sich  u.  kam  nicht.  Rabbi  sprach  zu  ihm:  Was  hat  dem 
Herrn  die  Verspätung  verursacht?  Er  antwortete:  Ich  habe  Abraham  aufgerichtet  u. 
seine  Hände  gewaschen  u.  nachdem  er  gebetet,  wieder  niedergelegt;  ebenso  Isaak  u. 
ebenso  Jakob.  Er  hätte  sie  zu  gleicher  Zeit  aufrichten  sollen!  Man  meint,  sie  würden  so- 
mächtig  werden  in  ihrem  Flehen,  daß  sie  den  Messias  vor  seiner  Zeit  herbeibringen  würden. 

33:  sxokoßo}^rj(rar,  etwa  =  -^^,  aram.  -SiT. 

LvR21  (120^):  Weil  die  Hohenpriester  (des  2.  Tempels)  ihr  Amt  für  Geld  kauften,, 
wurden  ihre  (Amts-)Jahre  verkürzt  p-,"spr>:  (daher  die  große  Zahl  der  Hohenpriestei* 
während  des  Bestandes  des  2.  Tempels).  ||  Ps  89,46:  Du  hast  die  Tage  seiner  Jugend 
verkürzt  T^^':i-,r--.  Targum  «^'■■.:- ■  II  Targ  Jerusch  I  Gn  28.  10:  Dem  Jakob  wurde  die  Zeit 
des  Tages  verkürzt  —^-ra ,  indem  die  Sonne  vor  ihrer  Zeit  unterging. 

24,24:  Zeichen  u.  Wunder. 
arjiisTa  xal  TSQara;  die  hebr.  Äquivalente  sind  rvs  u.  rs-ir;  über  deren 
Unterschied  heißt  es: 


954  Matth  24,  24.  27 

Leqach  tob  zu  Ex  3.  12  (9^):  Das  Zeichen  ns  geht  auf  die  folgende  Zeit,  s.  Ex 
■8,  19;  Jes  38,  22;  7,  11.  14.  Jedes  Zeichen  geht  auf  die  folgende  Zeit  u.  gilt  nur  dem, 
2U  dem  man  es  sagt,  u.  keinem  andien  Menschen.  Das  Wunder  rt'.ii  aber  tritt  sofort 
€in,  s.  Ex7,  9:  Wenn  der  Pharao  so  zu  euch  sagen  wird:  „Verrichtet  für  mich  ein 
Wunder",  so  sollst  du  zu  Ahron  sagen:  Nimm  deinen  Stab  u.  Avirf  ihn  vor  den  Pharao 
hin;  er  soll  zu  einer  großen  Schlange  werden.  Das  sollte  sofort  eintreten.  —  Ähnlich  das. 
2U  Ex  7,  9  (17  b).  II  Über  Zeichen  zur  Beglaubigung  einer  Person  s.  bei  Mt  12,  38. 

24,  26:  Siehe,  in  der  Wüste  ist  er  .  .  .;  siehe,  in  den  Kammern  ist  er. 
Vgl.  Midr  Ruth  2,  14  (132b)  bei  Mt  2,  15  S.  86 f. 

^4,27:  Wie  der  Blitz  ausgeht  vom  Aufgang  u.  scheint  bis  zum 
Niedergang,  also  wird  die  Ankunft  des  Menschensohnes  sein. 
Der  Vergleichungspunkt  ist  hier  nicht  die  Plötzlichkeit^  der  Ankunft 
des  Messias,  sondern  die  bei  seinem  Kommen  jedermann  unwiderstehlich 
«ich  aufdrängende  Sichtbarkeit-  seiner  richterlichen  Machtfülle.  Diese 
Vorstellung  ist  in  der  altjüdischen  Literatur  selten,  a  Meist  muß  der 
Messias  die  Israeliten  erst  mühsam  überreden,  daß  sie  ihn  als  ihren 
König  u.  Erlöser  anerkennen,  b  Nach  einer  andren  Tradition  soll  es 
2;u  den  Obliegenheiten  des  Elias  gehören,  den  bis  dahin  unbekannten 
Messias  seinem  Volke  bekanntzugeben. c 

a.  Apoc  Bar  53,  1  ff.:  Ich  (Barukh)  sah  ein  Gesicht:  u.  siehe,  eine  Wolke  stieg 
empor  aus  einem  sehr  großen  Meer.  Und  ich  sah  auf  sie  hin,  u.  siehe,  sie  war  voll 
von  weißem  u.  schwarzem  Wasser;  u.  viele  Farben  waren  an  diesem  Wasser.  Und 
etwas  einem  großen  Blitz  Ähnliches  war  an  ihrem  oberen  Rand  zu  sehen.  ,  .  .  Und 
ehe  die  Wolke  verschwand,  siehe,  da  regnete  sie  schwarzes  Wasser  ...  u.  Feuer  ver- 
mischte sich  damit,  u.  wo  das  Wasser  herabstrümte,  brachte  es  Verderben  u.  Vernich- 
tung hervor.  Und  darnach  sah  ich,  wie  der  Blitz,  den  ich  am  oberen  Rand  der  Wolke 
gesehen  hatte,  die  Wolke  packte  u.  zur  Erde  herabschleuderte.  Um  so  heller  aber 
leuchtete  der  Blitz,  so  daß  er  die  ganze  Erde  erleuchtete;  u.  er  heilte  die  Länder,  wo 
das  letzte  Wasser  herabgeströmt  war  u.  Verwüstung  angerichtet  hatte.  Und  er  nahm 
die  ganze  Erde  in  Besitz  u.  herrschte  über  sie.  .  .  .  Höre  aber  auch  betreffs  des  hellen 
Blitzes,  der  am  Ende  nach  dem  schwarzen  Wasser  kommen  soll.  Damit  hat  es  folgende 
Bewandtnis.  .  .  .  Wenn  die  Völker  in  Verwirrung  gesetzt  werden  u.  die  Zeit  meines 
Messias  kommen  wird,  da  wird  er  (der  Messias)  alle  Völker  berufen  u.  einige  wird 
er  am  Leben  erhalten  u.  einige  töten.  (Folgt  Schilderung  der  messian.  Segensfülle; 
dann  das  Schlußwort:)  Das  ist  der  helle  Blitz,  der  nach  dem  letzten  schwarzen  Wasser 
gekommen  ist.  ||  Agad  Schir  ha-Schirim  6,  10:  Wie  der  Kreislauf  von  Sonne  u.  Mond 
sich  öffentlich  vollzieht,  so  wird  die  Herrschaft  des  Messias,  wenn  sie  erscheint,  öffent- 
lich der  Welt  erscheinen. 

b.  P'^siqR  36  (162a):  Unsre  Lehrer  haben  gelehrt:  Wenn  sich  der  König,  der 
Messias,  offenbaren  wird,  wird  er  kommen  u.  auf  dem  Dach  des  Heiligtums  stehn.  Er 
wird  den  Israeliten  verkündigen:  Ihr  Gebeugten,  herangekommen  ist  die  Zeit  eurer 
Erlösung,  u.  wenn  ihr  es  nicht  glaubt,  so  seht  auf  mein  Licht,  das  über  euch  auf- 
gegangen ist,   s.  Jes60,  1:    Stehe   auf,  werde  Licht;    denn   dein  Licht    kommt  u.  die 


*  Die  Plötzlichkeit  des  Kommens  des  Messias  kennt  allerdings  auch  die  alte 
Synagoge;  zB  Sanh  97 a,  s.  Exk.:  Vorzeichen  der  messian.  Zeit  11,  D,  a  Ende. 

2  LvR31.(129b):  R.  Abina  (I.,  um  310)  hat  gesagt:  (Gott  sprach  zu  Israel:)  Der 
Blitz  ist  eins  von  den  Erzeugnissen  des  oberen  Feuers  u.  er  läßt  sein  Licht  leuchten 
von  dem  einen  Ende  der  Welt  bis  zum  andren;  da  sollte  ich  deines  Lichtes  (des 
Tempelleuchters)  bedürfen '? 


Matth  24,  87.  28.  29  (31)  955 

Herrlichkeit  Jalives  geht  auf  über  dir.  Aber  nur  über  euch  geht  es  auf  u.  nicht  über  den 
Völkern  der  Welt,  s.  Jes  60,  2.  In  jener  Stunde  läßt  Gott  das  Licht  des  Königs,  des 
Messias,  u.  Israels  aufleuchten.  |1  P''siqR  15  (71^):  R.  Judan  (um  350)  u.  R.  Chama  (?) 
haben  im  Namen  des  R.  Eli'ezer  b.  Jose  Ha-g'^lili  (um  150)  gesagt  —  u.  R.  Huna  (um 
350)  hat  im  Namen  des  R.  Eli'ezer  b.  Ja'aqob  (um  150)  gesagt:  „Horch  mein  Lieber! 
Siehe,  da  kommt  er"  HL  2,8;  damit  ist  der  König,  der  Messias,  gemeint.  Wenn  er 
kommt  u.  zu  den  Israeliten  sagt:  „In  diesem  Monat  werdet  ihr  erlöst  werden",  dann 
werden  sie  zu  ihm  sagen:  Unser  Herr  König,  Messias,  wie  können  wir  erlöst  werden ! 
Hat  nicht  Gott  also  gesagt,  daß  er  uns  allen  siebzig  Völkern  (der  Welt)  unterjochen 
werde?  (Und  das  ist  noch  nicht  geschehen.)  Dann  wird  er  ihnen  zwei  Antworten  geben: 
Wenn  einer  von  euch  in  die  Verbannung  zieht  in  die  Berberei  u.  ein  andrer  von  euch 
zu  den  Sarmaten,  so  ist  das,  als  ob  ihr  alle  (dorthin)  gezogen  wäret.  Und  nicht  bloß 
dies,  sondern  wenn  die  Regierung  Truppenaushebungen  in  allen  Völkern  vorschreibt, 
u.  es  kommt  dann  Ein  Nichtisraelit  (wörtlich:  ein  Samaritaner)  u.  knechtet  euch,  so 
ist  das,  als  ob  dessen  ganzes  Volk  euch  knechtete.  So  könnt  ihr  in  diesem  Monat  er- 
löst werden.  —  Dasselbe  Midr  HL  2,8  (99'');  in  P«'siq47'^  fehlt  die  zweite  Antwort 
des  Messias.  Il  Auch  Midr  Ruth  2,  14  (132'',  s.  bei  Mt  2,  15  S.  86  f.)  versagen  viele  dem 
Messias  den  Glauben. 

C.  Justinus  Martyr  Dial.  c.  Tryph.  8  führt  als  jüdische  Meinung  an:  Wenn  auch 
der  Messias  geboren  ist  u.  sich  irgendwo  aufhält,  so  ist  er  doch  unbekannt  u.  weiß 
selbst  nicht  von  sich  (daß  er  der  Messias  ist)  u.  hat  auch  keine  Gewalt,  bis  Elias 
kommt  u.  ihn  salbt  u.  allen  bekanntmacht.  —  Diese  Tradition  begegnet  ausdrücklich 
in  der  altjüdischen  Literatur  nirgends,  aber  darum  ist  sie  noch  nicht  zu  beanstanden; 
s.  den  Exk.  über  Elias  gegen  Ende. 

24-,  28:  Wo  das  Aas  ist,  da  werden  sich  die  Adler  sammeln. 
LXX  Hi  39,30:  {'AstoI,)  ov  6'äv  codi  rs^iewtec,  Tcaga^Qf/iia  svQiaxovxai. 

2-i:,  29  21:  Die  Sonne  wird  verfinstert  werden 
u.  der  Mond  seinen  Schein  nicht  geben. 

Die  Parallelen  4 Esra  4, 51  ff.;  Apoc  Bar25,  Iff.;  Orac  Sib:3,796ff.;  Henoch  80,  2  ff., 
s.  Exk.:  „Vorz.  der  messian.  Zeit"  I,  o.^  —  In  der  rabbin.  Literatur  scheinen  trotz  alt- 
testamentlichen  Vorlagen  wie  Jes  24,  23;  Joel  3,  4;  4,  15  Veränderungen  in  der  Sternen- 
welt nicht  als  Vorzeichen  des  Endes  gedeutet  zu  werden.  Auch  Sanh  91 1)  (=  P'^söSa) 
gehört  nicht  hierher:  Rab  Chisda  (f  309)  stellte  einander  gegenüber:  Es  heißt  Jes  24,  23: 
Es  errötet  der  Mond  u.  es  schämt  sich  die  Sonne;  denn  König  ward  Jahve  Q°baoth. 
Und  es  heißt  Jes  30,26:  Das  Licht  des  Mondes  wird  sein  gleich  dem  Sonnenlicht,  u. 
das  Licht  der  Sonne  wird  siebenfältig  sein  wie  das  Licht  von  sieben  Tagen.  Das  ist 
kein  Widerspruch:  in  dem  einen  Fall  (Jes  30,  26)  handelt  es  sich  um  die  Tage  des 
Messias,  in  dem  andren  (Jes  24,  23)  um  die  zukünftige  Welt  (wo  die  Sonne  erbleichen 
wird  vor  dem  Licht  der  Gerechten).  Auch  nach  der  Meinung  Sch'^muels  (f  254),  der 
gesagt  hat:  „Zwischen  dieser  Welt  u.  den  Tagen  des  Messias  gibt  es  weiter  keinen 
Unterschied,  als  daß  die  Knechtschaft  (Israels)  unter  den  Reichen  der  Welt  aufhört", 
liegt  kein  Widerspruch  vor:  in  dem  einen  Fall  (Jes  30,  26)  handelt  es  sich  dann  um 
das  Lager  (—  Wohnungen)  der  Gerechten  u.  in  dem  andren  Fall  (Jes  24,  23)  um  das 
Lager  der  Sch'^'khina  (vor  deren  Glanz  die  Sonne  erbleicht).  —  Von  Vorzeichen  des  Endes 
ist  hi«r  nicht  die  Rede.  11  Allgemein  u.  ohne  Beziehung  auf  die  Endzeit  wird  Sukka  29 » 
gesagt:  Wenn  das  Aussehen  der  Sonne  dem  Blut  gleicht,  dann  kommt  das  Schwert 
in  die  Welt;  wenn  einem  Sack,  dann  kommen  die  Pfeile  des  Hungers  in  die  Welt; 
wenn  jenem  u.  diesem,  dann  kommen  das  Schwert  u.  die  Pfeile  des  Hungers  in  die  Welt. 


^  Auch  Henoch  102,  2  gehört  hierher:  Alle  Lichter  werden  von  großer  Furcht  er- 
schüttert werden;  die  ganze  Erde  wird  erschrecken,  zittern  u.  zagen. 


956  ^iatth  24,  29  (2Ö).  24,  80  (5t.  ö  1) 

24,29  23:  Die  Kräfte  des  Himmels  werden  erschüttert  werden. 
Mit  dl  övici/^uig  xdiv  ovQccvöJr  geben  LXX  Jes  34,  4  c"^ot^n  xnii  wieder 
u.  verstehen  darunter  die  Sterne;  der  Targum  setzt  dafür  x^^^j  ^Vri- 
Sonst  bedeutet  das  targumische  x-'-c-^  -«b^n  meist  die  Engel,  zB  1  Kg  22, 19 : 
„Alle  Mächte  des  Himmels  standen  vor  ihm."  —  Targ  Ps96, 11:  „Freuen 
werden  sich  die  Mächte  des  Himmels"  xi-2ü:t  'o^r  (Grundtext  bloßes 
c--rn).  —  Targ  Ps  148, 1  -^P^rx  ^b^n  =  Engelmächte.  —  Mt  24,  29  sind 
unter  at  övrcciitiq  twv  ovqavwv  dem  Zus.hang  nach  weder  die  Sterne, 
noch  die  Engel,  sondern  die  die  obere  Welt  tragenden  u.  bewegenden 
kosmischen  Potenzen,  die  Naturkräfte  des  Himmels  zu  verstehen. 

•24,  30  5t:  Dann  wird  das  Zeichen  des  Menschensohnes 
am  Himmel  erscheinen. 

In  P'^^siqR  36  (162»)  erscheint  nach  Jes  60, 1  das  Licht  als  Zeichen  des 
Messias,  s.  bei  Mt  24, 27  Anm.  b.  —  Ebenso  P^siqR  36(161«),  s.  bei  Mt  4, 16 
S.  161. 

24,30^:  Sie  werden  den  Menscherisohn  kommen  sehen 
auf  den  Wolken  des  Himmels. 

1.  Dn  7,  13f.  ist  von  der  alten  Synagoge  nirgends  kollektiv  auf  das 
„Volk  der  Heiligen"  (=  Israel,  Dn7,27),  sondern  durchgängig  individuell 
auf  den  Messias  gedeutet  worden. 

Henoch  90,  37  lieifBt  es  vom  Messias,  dem  weifaen  Farren,  der  mit  grofsea  Hörneru 
geboren  wurde:  Alle  Tiere  des  Feldes  u.  alle  Vögel  des  Himmels  (=  Völker  der  Welt) 
fürchteten  ihn  u.  flehten  ihn  an  alle  Zeit.  —  Diese  Worte  gehn  auf  Dn  7, 14  zurück  u. 
bezeugen  durch  ihre  Beziehung  auf  den  Messias  die  individuelle  Fassung  von  Dn  7, 13.  Ij 
Henoch  46,  Iff.:  Ich  (Henoch)  sah  dort  den,  der  ein  betagtes  Haupt  hat,  u.  sein  Haupt 
war  weiß  wie  Wolle;  bei  ihm  war  ein  andrer,  dessen  Antlitz  wie  das  Aussehen  eines 
Menschen  war,  u.  sein  Antlitz  war  voll  Anmut  gleichwie  eines  von  den  heiligen  Engeln. 
Ich  fragte  den  Engel,  der  mit  mir  ging  u.  mir  alle  Geheimnisse  zeigte,  über  jenen 
Menschensohn,  wer  er  sei,  woher  er  stamme  u.  weshalb  er  mit  dem  betagten  Haupte 
gehe.  Er  antwortete:  Dies  ist  der  Menschensohn,  der  die  Gerechtigkeit  hat,  bei  dem 
die  Gerechtigkeit  wohnt,  u.  der  alle  Schätze  dessen,  was  verborge»  ist,  offenbart;  denn 
der  Herr  der  Geister  hat  ihn  auserwählt,  u,  sein  Los  hat  vor  dem  Herrn  der  Geister 
alles  durch  Rechtschaffenheit  in  Ewigkeit  übertroffen.  Dieser  Menschensohn,  den  du 
gesehen  hast,  wird  die  Könige  u.  die  Mächtigen  von  ihren  Lagern  u.  die  Starken  von 
ihren  Thronen  sich  erheben  machen;  er  wird  die  Zügel  der  Starken  lösen  u.  die  Zähne 
der  Sünder  zermalmen  usw.  —  Die  Anfangsworte  dieser  Stelle  gehen  auf  Dn  7,  9  u.  lo 
zurück,  il  4  Esra  13,  Iff.:  Ich  träumte  des  Nachts  einen  Traum:  siehe,  da  stieg  ein  ge- 
waltiger Sturm  vom  Meere  auf  u.  erregte  alle  seine  Wogen.  Ich  schaute,  siehe,  da 
führte  jener  Sturm  aus  dem  Herzen  des  Meeres  etwas  wie  einen  Menschen  hervor; 
ich  schaute,  siehe,  dieser  Mensch  flog  mit  den  Wolken  des  Himmels,  und  wohin  er 
sein  Antlitz  wandte  u.  hinblickte,  da  erbebte  alles,  was  er  anschaute  usw.  —  Dies  die 
älteste  Stelle,  in  der  vom  Messias  nach  Dn  7,  13  ausdrücklich  ausgesagt  wird,  daß  er 
mit  den  Wolken  des  Himmels  einherfliegt.  ||  Trypho  erklärt  dem  Justinus  gegen- 
über (Dial.  c.  Trj'ph.  32),  daß  das  jüdische  Volk  den  Messias,  der  wie  ein  Menschen- 
sohn vom  Alten  der  Tage  die  Herrschaft  empfangen  solle  (Dn  7, 13  f.),  als  einen  Großen 
u.  Herrlichen  erwarte.  ||  Sanh  98  a;  R.  Alexandrai  (um  270)  hat  gesagt,  R.  J%oschuaf 
b.  Levi  (um  2.50)  habe  einander  gegenübergestellt  Dn  7,  13:  Siehe,  mit  den  Wolken 
des  Himmels  kam  ein  Menschensohn-ähnlicher,  u.  Sach  9,9:  Niedrig  u.  reitend  auf  einem 


Matth  24,  30  (5B  1.  2)  957 

Esel.  Wenn  sie  (Israel)  Verdienste  haben,  kommt  er  (der  Messias)  mit  den  Wolken 
des  Himmels;  wenn  sie  keine  Verdienste  liaben,  kommt  er  niedrig  u.  reitend  auf  einem 
Esel.  ilTanchB  n-'vn  §  20  (70b):  Wer  ist  c'Anani  (1  dir  8,24)?  Das  ist  der  König, 
der  Messias,  s.  Dn  7,  13:  Siehe,  mit  den  Wolken  (^::y)  des  Himmels  kam  ein  Menschen- 
solin-ähnlicher.  —  Parallelen  s.  oben  S.67  «.  ||  NuR  13  (170^):  Woher  läßt  sich  beweisen, 
daß  der  König,  der  Messias,  über  die  Meere  herrschen  wird?  s.  Ps  72,  8:  Er  herrsche 
von  Meer  zu  Meer  u.  vom  (Euphrat-)Strom  bis  an  die  Enden  der  Erde.  Woher,  daß 
er  auch  über  die  Erde  herrschen  wird?  s.  Ps  72.  11:  Huldigen  müssen  ihm  alle  Könige, 
alle  Völker  ihm  dienen.  Ferner  s.  Dn7,  13f.:  Siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels 
kam  ein  Menschensohn-ähnlicher.  .  .  .  Ihm  wurde  Macht  u.  Ansehen  u.  Herrschaft  ge- 
geben usw.  II  Aggad  B'^resch  14  (14a):  Auch  den  Erlöser,  der  deine  (Abrahams)  Kinder 
erlösen  wird,  werde  ich  deinen  Kindern  in  einem  Gesicht  zeigen,  s.  Dn  7,  13:  Ich  war 
im  Schauen  meiner  Naclitgesichte,  u.  siehe,  mit  den  Wolken  des  Himmels  kam  ein 
Menschensohn-ähnlicher  usw.  ||  Aggad  B'^'resch  23  (20»):  Schauen  werdet  ihr  u.  euer  Herz 
wird  sich  freuen  Jes  66,  14.  Schauen  werden  sie  den  Messias,  der  aus  den  Toren  Roms 
aufsprossen  wird,  dann  werden  sie  sich  freuen;  denn  so  sagt  Daniel:  Siehe  mit  den 
Wolken  des  Himmels  usw.  Dn  7,13.  i|  Zweifelhaft  sind  folgende  Stellen.  Midr  Ps  2 
§  9  (14b):  Melden  will  ich  von  einer  Festsetzung:  Jahve  hat  zu  mir  gesagt:  Mein  Sohn 
bist  du  Ps  2,  7.  Gemeldet  ist  das  in  je  einer  Festsetzung  der  Tora,  der  N'^bi'im  u.  der 
Hagiographen.  Tora:  Mein  erstgeborener  Sohn  ist  Israel  Ex  4,  22.  N'^bi^im:  Siehe, 
trefflich  fahren  wird  mein  Knecht  Jes  52,  13,  u.  hinterher  heißt  es:  Siehe,  mein  Knecht, 
den  ich  aufrecht  halte,  mein  Erkorener,  an  dem  meine  Seele  Lust  hat  Jes  42,  1.  Hagio- 
graphen: Spruch  Jahves  an  meinen  Herrn:  Setze  dich  zu  meiner  Rechten  Ps  110,1. 
Ferner:  Jahve  hat  zu  mir  gesagt:  Mein  Sohn  bist  du  Ps  2,  7.  (Ein  Hinweis  auf  Dn  7,  13 
hier  wird  nach  Jalqut  zu  Ps  2  zu  tilgen  sein.)  ||  Midr  Ps  21  §  5  (90 a):  Du  ergötzest  ihn 
mit  Freude  vor  deinem  Angesicht  Ps  21,7.  R.  B'^rekhja  (um  340)  hat  im  Namen  des 
R.  Sch^'muel  (b.  Nachman,  um  260)  gesagt:  In  einer  Stelle  heißt  es:  Er  gelangte  vor 
den  Alten  der  Tage  u.  man  brachte  ihn  vor  ihn  Dn  7,  13,  u.  in  einer  andren  Stelle 
heißt  es:  Ich  lasse  ihn  herzutreten,  daß  er  sich  zu  mir  nahe  Jer30,  21.  Wie  dies? 
Die  Engel  lassen  sie  bis  in  ihren  Kreis  (Bezirk)  eintreten,  u.  dann  streckt  Gott  seine 
Hand  aus  u.  läßt  sie  iris  in  seine  Nähe  kommen.  Deshalb  heißt  es:  Ich  lasse  ihn 
herzutreten.  —  Während  die  Schriftbelege  von  einer  Einzelpersönlichkeit  (Messias) 
handeln,  denkt  die  Auslegung  an  eine  Mehrheit  (Israel).    Lies  "r-^s  (ihn)  für  •jris. 

2.  Der  Menschensohn.  —  Die  S.  956  aus  den  Bilderreden  ^  des 
Buches  Henoch  (46,  1  ff.)  zitierte  Stelle  zeigt,  daß  ihr  Verfasser  den 
Ausdruck  „Menschensohn"  als  Bezeichnung  oder  Titel  des  Messias  ge- 
braucht. Auffallendervveise  verändert  er  dabei  den  Ausdruck  mehrfach. 
Er  sagt  „Sohn  des  Menschen"  oder  „jener  (dieser)  Sohn  des  Menschen" 
46,2.  3.  4;  48,2;  „Sohn  des  Mannes"  62,5;  69,29  (an  beiden  Stellen  lesen 
einige  Handschriften  „Weibessohn");  71,14;  „jener  Sohn  des  Mannes" 
69.29;  „Sohn  der  Nachkommenschaft  der  Mutter  der  Lebendigen"  62,7; 
„jener  Sohn  der  Nachkommenschaft  der  Mutter  der  Lebendigen"  62, 9. 14 ; 
63.11;  69,26.27;  70,1;  71,17.  Der  Verfasser  dieser  Reden  hat  darüber 
reflektiert,  wie  Daniels  i^'jx  -.53  7, 13  als  Bezeichnung  für  den  Messias 
geeignet  erscheine.  Das  Ergebnis  liegt  in  den  beiden  zuletzt  gebrachten 
Umschreibungen  vor.  Mit  der  „Mutter  der  Lebendigen"  kann  im  Munde 
eines  Juden  nur  Eva  gemeint  sein;  wenn  dann  weiter  in  einem  Zus. hange, 

»  Die  Bilderreden  Hen  37,  1  —  38,  6;  39,  3—54,  6;  55,  3—59,  3;  Gl,  1—64,  2;  69, 
26 — 70,4  sind  vorchristlich;  fraglich,  ob  schon  vor  64  v.Chr.  geschrieben  oder  bald 
nach  dem  Einfall  der  Parther  in  Palästina  (40—38  v.  Chr.),  vgl.  Schürer*  3,  279—281. 


958  Matth  24,  30  (99  2) 

in  welchem  es  sich  um  einen  Messiasnamen  handelt,  der  „Nachkommen- 
schaft" oder  des  Samens  Evas  Erwähnung  geschieht,  so  drängt  sich 
unabweislich  der  Gedanke  an  den  ^'it  des  Weibes  Gn  3, 15  auf;  u.  wenn 
endlich  der  Messias  als  „Sohn"  oder  „jener  Sohn"  des  Samens  Evas 
bezeichnet  wird,  so  erkennt  man  deutlich  den  Versuch,  den  Ausdruck 
„Menschensohn"  bei  Daniel  aus  dem  Protevangelium  zu  verstehen:  der 
Messias  soll  „Menschensohn"  heißen,  weil  er  derjenige  Sproß  der  Nach- 
kommenschaft der  Mutter  aller  Lebendigen  ist,  den  Gn  3,15  weissagend 
in  Aussicht  gestellt  hat.^  —  Daß  der  Messias  in  gewissen  apokalyptischen 
Kreisen  in  der  vorchristl.  Zeit  den  Namen  „Menschensohn"  erhalten  hat, 
kann  hiernach  nicht  in  Abrede  gestellt  werden ;  aber  die  Bezeichnung 
ist  nie  allgemein  gebräuchlicher  geworden;  sie  findet  sich  eben  nur  in 
den  Bilderreden  des  Buches  Henoch.  4  Esra  13,  3. 12  läßt  sich  nicht 
vergleichen.  Wenn  hier  vom  Messias  kurz  gesagt  wird  „dieser  Mensch" 
oder  „jener  Mensch",  so  weisen  diese  Bezeichnungen  einfach  auf  13,  3 
zurück  u.  können  deshalb  13,12.25,32.51  ersetzt  werden  durch  die 
ausführlichere  Wendung:  der  Mensch  oder  Mann,  der  aus  dem  Meer 
emporgestiegen  ist. 


^  Die  Umschreibung  des  Ausdrucks  „Menschensohn"  mit  ,filius  prolis  matris  vivi 
(viventium)'  beweist,  daß  auch  die  individuelle  messian.  Deutung  des  Protevaugeliums 
dem  vorchristl.  Judentum  bekannt  gewesen  ist.  Wenn  das  nachchristl.  Judentum  diese 
Deutung  aufgegeben  hat,  so  wird  das  im  Gegensatz  gegen  die  christl.  Wertung  von 
Gn  3, 15  geschehen  sein.  Die  drei  Targumim  paraphrasieren  Gn  3, 15  in  allgemein 
messian.  Sinn.  Targ  Onk:  Feindschaft  werde  ich  anstiften  zwischen  dir  u.  dem  Weibe 
u.  zwischen  deiner  Nachkommenschaft  u.  ihrer  Nachkommenschaft;  diese  wird  dir  ge- 
denken, was  du  ihr  vordem  getan  hast,  u.  du  wirst  ihr  aufbewahrt  werden  für  das 
Ende.  —  Targ  Jerusch  I:  Feindschaft  werde  ich  anstiften  zwischen  dir  u.  dem  Weibe, 
zwischen  dem  Samen  deiner  Nachkommenschaft  u.  dem  Samen  ihrer  Nachkommen- 
schaft. Und  wenn  die  Nachkommen  des  Weibes  die  Gebote  der  Tora  beobachten  werden, 
so  werden  sie  darauf  bedacht  sein,  dich  auf  deinen  Kopf  zu  schlagen,  u.  wenn  sie  die 
Gebote  der  Tora  dahintenlassen,  wirst  du  darauf  bedacht  sein,  sie  in  ihre  Ferse  zu 
beißen.  Aber  für  sie  wird  es  eine  Heilung  geben  u.  für  dich  wird  es  keine  Heilung 
geben,  u.  dereinst  werden  sie  Frieden  schaffen  am  Ende  in  den  Tagen  des  Königs, 
des  Messias.  Ähnlich  auch  Targ  Jerusch  11.  —  ||  Im  Midr  sind  uns  nur  zwei  flüchtige 
Bezugnahmen  auf  Gn  o,  15  begegnet,  beide  ohne  messian.  Gehalt.  «)  Die  Schlange 
sprach:  Ich  will  gehn  u.  Adam  töten  u.  sein  Weib  heiraten;  dann  werde  ich  König 
über  die  ganze  Welt  sein  u.  mit  aufrechter  Gestalt  einhergehn  u.  alle  Wonnen  der  Welt 
genießen.  Gott  antwortete:  Du  sagst:  ,lch  will  Adam  töten  u.  die  Eva  heiraten"; 
deshalb  will  ich  Feindschaft  setzen.  Du  sagst:  „Ich  werde  König  sein  über  die  ganze 
Welt";  deshalb  verflucht  seiest  du  vor  allen  Tieren!  AbothRNl;  hier  Autor  R.  Jose 
b.  Chalaphta,  um  150;  nach  GnR  20  (13^)  Autor  R.  Acha,  um  320,  oder  richtiger  (s. 
Bacher,  pal.  Amor.  1, 102)  R.  Hoschacja,  um  225;  anonym  TSota  4,  17f.  (301);  als  Bar 
Sota  9a.  II  ß)  pSAZ  1,  39^  6:  (Dies  sind  die  Feste  der  Heiden:  die  Kaienden  usw.).  Rab 
(t  247)  hat  gesagt:  Die  5-:'tp  (Calendae)  hat  der  erste  Mensch  angeoi-dnet.  Als  er 
sah,  daß  die  Nacht  (nach  der  Tag-  u.  Nachtgleiche  im  Herbst)  lang  ward,  sprach  er: 
Wehe  mir,  vielleicht  ist  das  der,  von  dem  es  heißt:  Du  wirst  ihm  die  Ferse  treffen 
Gn  3,15;  vielleicht  kommt  er,  um  mich  zu  beißen.  Da  sagte  er:  Ja,  Finsternis  wird 
mich  treffen  Ps  139,  11.  Als  er  dann  aber  sah,  daß  der  Tag  wieder  lang  ward,  sagte 
er:  c-!:'-3p,  d.  h.  „schön  ist  der  Tag"  's--  y'--  (wahrscheinlich  =  xaXov  dies).  Vgl.  Bar 
<AZ  8».  —  Dasselbe  in  einer  längeren  Dichtung  über  das  Ur-  u.  Sabbatlicht,  die  R.  Levi, 
um  300,  im  Namen  des  Bar  N*^zira  (3.  Jahrh.)  tradiert,  pB'rakh  8, 12b,  31 ;  GnR  11  (8a); 
12  (9a);  82  (53a);  Midr  Ps  92  §  4  (202b) ;  pesiqR23  (118a);  vgl.Bar  JAZS«;  PirqeRE120. 


Matth  24,  30  (SB  2).  24,  31  (Nr.  1.  2)  959 

Dem  rabbin.  Judentum  ist  der  Messiasname  „Menschensohn"  gleich- 
falls fremd.  Nur  Einmal  findet  er  sich  hier,  offenbar  der  christl.  Rede- 
weise entlehnt,  in  einem  gegen  das  Christentum  polemisierenden  Aus- 
spruch: R.  Abbahu,  um  300,  hat  im  Anschluß  an  Nu  28, 19  gesagt:  Wenn 
jemand  zu  dir  sagt:  „Ich  bin  Gott",  so  lügt  er;  „Ich  bin  der  Menschen- 
sohn", so  wird  er  es  schließlich  bereuen;  „Ich  fahre  auf  gen  Himmel"^ 
der  hat  es  gesagt,  wird  es  aber  nicht  zustande  bringen  (ausführen), 
pTa<an  2,  65  b,  59. 

24-,  31:  Er  wird  seine  Engel  mit  großer  Posaune  senden  u.  sie 

werden  seine  Auserwählten  aus  den  vier  Winden  von  einem 

Himmelsende  bis  zum  andren  sammeln. 

1.  Die  Sammlung  der  Zerstreuten  vollbringt  nach  der  altjüd, 
Literatur  Gott  oder  der  Messias  oder  Mose  oder  Elias.  Eine  Anspielung 
auf  die  Mitwirkung  der  Engel  dabei  liegt  vor: 

Henoch  61,1.5:  Ich  sah,  wie  in  jenen  Tagen  jenen  Engeln  lange  Schnüre  gegeben 
wurden,  u.  sie  nahmen  sich  Flügel,  flogen  u.  wandten  sich  nach  Norden  zu.  .  .  .  Diese 
Maße  (die  zuvor  erwähnten  Schnüre)  werden  alle  Geheimnisse  in  der  Tiefe  der  Erde 
offenbaren  u.  die,  welche  in  der  Wüste  umgekommen  sind  oder  von  den  Fischen  des 
Meeres  u.  von  den  Tieren  verschlungen  wurden,  damit  sie  wiederkehren  u.  sich  auf 
den  Tag  des  Auserwählten  (=  Messias)  stützen;  denn  keiner  wird  vor  dem  Herrn  der 
Geister  umkommen  u.  keiner  wird  umkommen  können. 

2.  Zur  Posaune  vgl.: 

Schimone  fEsre  10  (nach  pal.  Rezension):  Stoße  in  die  große  Posaune  zu  unsrer 
Befreiung  u.  richte  ein  Panier  auf,  unsre  Verbannten  zu  sammeln.  Gepriesen  seist  du 
Jahve,  der  die  Vertriebenen  seines  Volkes  Israel  sammelt!  (Nach  der  babyl.  Rezension:} 
Stoße  in  die  große  Posaune  zu  unsrer  Befreiung  u.  richte  ein  Panier  auf,  alle  unsre 
Verbannten  zu  sammeln  von  den  vier  Flügeln  der  Erde  hin  nach  unsrem  Land.  Ge- 
priesen seist  du  usw.  ||  Ps  Sal  11,  If. :  Posaunet  in  Zion  mit  der  Lärmposaune  für  die 
Heiligen,  laßt  in  Jerusalem  des  Siegesboten  Stimme  hören,  denn  Gott  hat  sich  Israels 
erbarmt,  es  heimgesucht!  Tritt  hin,  Jerusalem,  auf  eine  Warte  u.  sieh  deine  Kinder^ 
vom  Aufgang  u.  Niedergang  zusammengebracht  vom  Herrn!  || 4  Esra  (J,  23 :  Die  Drommete 
wird  laut  erschallen;  alle  Menschen  vernehmen  sie  plötzlich  u.  erbeben.  (Diese  Posaune 
gehört  zu  den  Vorzeichen  der  messian.  Zeit;  zu  den  Vorzeichen  desEndesOracSib4, 173f. : 
Schwerter,  Trompeten  mit  dem  Aufgang  der  Sonne;  die  ganze  Welt  wird  ein  Gebrüll 
u.  einen  schrecklichen  Schall  hören.)  H  pTafan  2,  65^',  8:  „Abraham  erhob  seine  Augen 
u.  sah,  u.  siehe,  ein  Widder  hatte  sich  hinten  (ins)  im  Dickicht  mit  seinen  Hörnern 
verfangen"  Gn  22,  13:  Was  heißt  ^ns?  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  gesagt:  Nach 
allen  Geschlechtern  (sprach  Gott  zu  Abraham)  werden  deine  Kinder  von  Sünden  erfaßt 
u.  in  Nöte  verwickelt  werden;  aber  zuletzt  werden  sie  durch  die  Hörner  dieses  Widders 
(d.  h.  durch  die  Posaune)  erlöst  werden,  s.Sach9, 14:  Jahve  Elohim  wird  in  die  Posaune 
stoßen  u.  einherfahren  auf  Südstürmen.  R.  Huna  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Chin^'na 
(Chanina)  b.  Ji9chaq  (um  325)  gesagt:  Jenen  ganzen  Tag  hat  Abraham  gesehen,  wie 
der  Widder  sich  in  einem  Baum  verfing  u.  wieder  herauslöste,  wie  er  in  einem  Ge- 
strüpp sich  verfing  u.  wieder  herauslöste,  wie  er  sich  in  einem  Dickicht  verfing  u. 
wieder  herauslöste.  Gott  sprach  zu  Abraham:  So  werden  deine  Kinder  von  Sünden 
erfaßt  u.  in  die  Weltreiche  verwickelt  werden:  von  Babel  in  Medien,  von  Medien  in 
Griechenland,  von  Griechenland  in  Edom  (Rom).  Abraham  sprach:  Herr  der  Welt,  wird 
das  so  sein  bis  in  Ewigkeit?  Gott  antwortete:  Zuletzt  werden  sie  durch  die  Hörner 
dieses  Widders  erlöst  werden,  s.  Sach  9,  14.  —  Dasselbe  teils  mit  Erweiterungen,  teils- 


960  Matth24,  31  (Nr.  2.  3) 

mit  andren  Autorennamen  P^siq  154'^;  GnR  56  (36»);  LvR  29  (127<=).||PesiqR  40  (172--»): 
Gott  sprach:  In  dieser  Welt  habe  ich  mich  wegen  der  Posaune  über  euch  erbarmt, 
u.  auch  in  der  Zukunft  (in  der  messiau.  Zeit)  werde  ich  mich  über  euch  durch  die 
Posaune  erbarmen  u.  eure  Verbannten  herbeiholen.  Woher?  Weil  man  in  der  Propheten- 
stelle (der  Haftara)  gelesen  hat:  Stoßt  in  die  Posaune  auf  ^ion  .  .  .  denn  gekommen 
ist  der  Tag  Jahves,  denn  er  ist  nahe  (Joel  2,  1).  ||  pesiqR41  (173^)  u.  LvR  24  (122''): 
(R.  Levi,  um  300,  hat  gesagt:)  Das  Blasen  der  Posaune,  durch  welche  Gott  die  Ver- 
bannten Israels  herbeiholen  wird,  geht  von  (jJion  aus,  s.  Joel  2,  1  (wie  oben).  —  Vgl. 
auch  bei  1  Kor  15,52  u.  1  Thess  4,  16.  ||  Die  Stelle  der  Posaune  vertreten  Himmels- 
stimmen  Leqach  tob  zu  Nu  24,  17  (ISO")-"  Am  Ende  der  45  Tage  (die  Israel  vor  der 
Offenbarung  des  JVlessias  b.  David  in  der  Wüste  zubringen  soll)  wird  eine  Himmels- 
stimme ihnen  zurufen:  Ziehet  hinab  nach  Babel,  s.  Micha  4,  10:  Du  wirst  bis  Babel 
gelangen,  dort  wirst  du  befreit  werden.  —  Und  die  Himmelsstimme  wird  zum  zweiten- 
mal schmetternd  ertönen:  Ziehet  gegen  Edom  (Rom)  u.  führet  dort  meine  Rache  aus! 
s.  Ez  25,  14:  Ich  habe  meine  Rache  an  Edom  in  die  Hand  meines  Volkes  Israel  ge- 
legt. Wenn  dann  die  Israeliten  nach  Rom  gekommen  sind,  geht  eine  Himmelsstimme 
zum  drittenmal  aus:  Tut  an  Rom,  was  Josua  an  Jericho  getan  hat!  Und  sie  umringen 
die  Stadt  u.  stoßen  in  die  Posaunen  u.  beim  siebentenmal  erheben  sie  das  Kriegs- 
geschrei: Höre,  Israel,  Jahve  unser  Gott  ist  Ein  Jahve  Dt  6,  4!  Dann  stürzt  die  Mauer, 
der  Stadt  u.  sie  dringen  ein  u.  finden  ihre  (der  Stadt)  Jünglinge  tot  in  ihren  Gassen, 
vgl.  Jer.  49,  26:  Deshalb  werden  ihre  Jünglinge  fallen  in  ihren  Gassen  usw.  Darauf 
bringen  sie  alle  Beute  zusammen,  u.  die  Israeliten  suchen  ihren  Gott  u.  ihren  König 
David  (d.  h.  den  Messias).  Sofort  offenbart  er  sich  ihnen,  der  König,  der  Messias,  u. 
sagt  zu  ihnen:  Ich  bin  der  König,  der  Messias,  auf  den  ihr  gehofft  habt!  Ferner  sagt 
er  zu  ihnen:  Nehmt  das  Silber  u.  düs  Gold!  Und  sie  laden  es  auf  u.  ziehen  damit 
hinauf  (nach  Jerusalem),  s.  Jes  60,  5  f.:  Es  wälzt  sich  dir  zu  der  Reichtum  des  Meeres, 
die  Schätze  der  Heiden  kommen  dir  herbei.  Die  Masse  der  Kamele  wird  dich  be- 
decken usw.  Eine  vierte  H.  geht  aus  u.  ruft:  Die  Stimme  eines,  welcher  ruft  in  der 
Wüste  Jes  40,  R.  Eine  fünfte  Stimme  ruft  Jes  35,  9:  Keinen  Löwen  wird  es  dort  geben. 
Eine  sechste  Stimme  ruft  Jes  41,  19:  Ich  will  in  der  Wüste  hinstellen  Zeder,  Akazie 
u.  Myrte.  Eine  siebente  Stimme  verkündet  Jes  40,  1 :  Tröstet,  tröstet  mein  Volk.  Dann 
bringt  Elias  Israel  die  Freudenbotschaft  Jes  52,  7:  König  ward  dein  Gott!  Eine  achte 
H.  verkündet  u.  ruft  Jes  40, 2:  Redet  Jerusalem  zu  Herzen.  Eine  neunte  H.  ruft 
Jes  26,  2:  Tuet  die  Tore  auf,  daß  ein  gerecht  Volk  einziehe.  Die  zehnte  Stimme  ruft 
Ps24,7:  Erhöhet,  ihr  Tore,  eure  Häupter.  Dann  leben  die  Toten  auf,  s.  Jes  26,  19: 
Leben  werden  deine  Toten,  meine  Leichen  werden  aiiferstehu.  Und  dann  versammeln 
sich  die  Verbannten,  s.  Jes  27,  13:  Und  geschehen  wird  es  an  jenem  Tage,  da  stößt 
man  in  die  große  Posaune,  u.  herankommen  werden  die  Verlorenen  im  Lande  Assurusw. 
und  dann  erfüllt  sich  Nu  24,  17:  Hervorgetreten  ist  ein  Stern  aus  Jakob.  Und  so  möge  es 
wolilgefällig  sein  vor  unsrem  Vater  im  Himmel,  daß  sich  dieser  Vers  erfülle  (Jes  11,  12): 
„Er  wird  ein  Panier  aufrichten  den  Heiden  u.  die  Verbannten  Israels  sammeln"  in 
unsren  Tagen  u.  in  den  Tagen  von  ganz  Israel.  —  Als  Autor  dieser  Ausführung  ist 
R.  Levi,  um  300,  genannt. 

3.  Von  den  vier  Winden,  ninn  rs^xo  Ez37,  9;  LXX:  ex  vöjy 
leaaccQMV  Tcrev^iärwr.  Targ:  N^nn  rz-:x-2,  —  Von  einem  Himmels- 
ende bis  zum  andren,  a-^r'i-n  r^-s^:  nr-i  tri-q-dt}  naj?-?!:  Dt  4,  32;  LXX: 
iril  To  axQov  tov  ovQaiov  s(aq  rov  axQov  lov  ovquvov.  Targ  Onk  u. 
Jerusch  I:  X'j-2'w'  is-p  nr-.  n^t^'ä  is^s^ab. 

24,  32:  Wenn  sein  Zweig  schon  saftig  geworden  ist  u.  die  Blätter  hervor- 
sprießen. 
Zu  den  Entwicklungsphasen  des  Feigenbaums  s.  bei  Mt21,  19;  daselbst  auch  über 
seine  gleichnisar^ige  Verwendung. 


Matth  24,  35.  36.  38  W  961 

24,35:  Der  Himmel  u.  die  Erde  werden  vergehen, 
meine  Worte  aber  werden  nicht  vergehen. 
Zum  Untergang  von  Himmel  u.  Erde  s.  bei  Offb21,  1.  —  Schöttgen  u.  Wünsche 
bringen  zu  dem  parallelen  Herrn  wort  Lk21,33  folgende  Stelle  bei:  So  wurden  der 
Himmel  u.  die  Erde  u.  all  ihr  Heer  vollendet  Gn  2,  1.  Es  steht  geschrieben  Ps  119,  96: 
„Für  alles  Vollendete  habe  ich  ein  Ende  gesehen;  aber  dein  Gebot  reicht  sehr  weit." 
Für  alles  gibt  es  Maße  (Grenzen  a-c^p^o  —  trt/xo'?);  der  Himmel  u.  die  Erde  haben 
Malae,  nur  Ein  Ding  gibt  es,  das  keine  Maße  hat.  Und  welches  ist  das?  Das  ist  die 
Tora,  s.  Hi  11,  9:  Länger  als  die  Erde  ist  ihr  (der  Weisheit  =  Tora)  Maß  u.  weiter  ist 
sie  als  das  Meer,  GnR  10  Anfang.  —  Aber  die  Stelle  handelt  nicht  vom  Vergehen  des 
Himmels  u.  der  Erde  u.  der  ewigen  Dauer  der  Tora,  sondern  davon,  daß,  während 
alles  Erschaffene  seine  bestimmten  Maße  u.  Grenzen  hat,  es  für  die  Tora  (u.  die  Be- 
schäftigung mit  ihr)  solche  nicht  gibt.  Vgl.  Pea  1,  1 :  Folgendes  sind  die  Dinge,  für 
die  es  kein  Maß  ^^.yc  gibt:  der  Ackerwinkel  (für  die  Armen),  die  Erstlinge,  die  Fest- 
wallfahrt, die  Liebeswerke  u.  das  Torastudium.  —  Zum  ewigen  Bestand  der  Tora  s. 
bei  Mt  5,  18  S.  245  ff. 

24,36:  Über  jenen  Tag  u.  Stunde  weiß  niemand, 
auch  nicht  die  Engel  des  Himmels. 
Belege  im  Exk.i  „Vorz.  der  messian.  Zeit"  H,  D,  «  u.  ^;  speziell  zu 
den  Engeln  Sanh  99«  das.  H,  D,  a.  —  Die  Vorstellung,  daß  die  Engel  das 
den  Menschen  Verborgene  wüßten,  liegt  zB  vor  Sanh  38"^:  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  Gott  tut  nichts,  es  sei  denn,  daß  er  sich  mit  der 
oberen  Familie  (den  Engeln)  beraten  hat,  s.  Dn  4, 14:  Auf  der  Wächter 
Beschluß  ruht  das  Edikt,  ein  Wort  der  Heiligen  ist  der  Befehl.  —  In 
der  Pai-allelstelle  pSanh  1,  18=*,  51  „oberer  Gerichtshof"  statt  „obere 
Familie";  als  Schriftbeleg  Dn  10, 1.  ||  Umgekehrt  erwartet  man,  daß  in 
der  seligen  Vollendungszeit  die  Gerechten  mehr  wissen  werden  als  die 
Engel ;  s.  DtR  1  (196^)  u.  Tanch  pb-  236'^  im  Exk. :  „Sch^ol"  usw.  III,  4,  m. 

24,  38  51:  Wie  sie  in  den  Tagen  vor  der  Sündflut  waren. 

Charakterisierung  des  Flutgeschlechts  in  der  rabbin.  Literatur. 

GnR  28  (18»):  R.  fAzarja  (um  380)  hat  im  Namen  des  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320) 
gesagt:  Alle  hatten  im  Flutgeschlecht  ihr  Tun  verderbt.  Der  Hund  begattete  sich 
mit  dem  Wolf,  der  Hahn  mit  dem  Pfau.  Das  meinen  die  Worte  Gn  6,  12:  Denn  auf 
Erden  hatte  alles  Fleisch  seinen  Weg  verderbt.  Es  steht  nicht  geschrieben:  Jeder 
„Mensch"  hatte  verderbt,  sondern  alles  „Fleisch".  R.  Lulianai  (=  Julianus)  b.  Tabrinai 
(um  330)  hat  im  Namen  des  R.  Jicjchaq  (um  300)  gesagt:  Auch  die  Erde  buhlte:  hatte 
man  sie  mit  Weizen  besät,  so  brachte  sie  Lolch  hervor.  Seit  dem  Flutgeschlecht  wächst 
der  Lolch.  ||  GnR  30  (18'^):  Das  Streben  des  Flutgeschlechts  ging  nur  auf  Anpflanzung 
von  Weinbergen.  ||  GnR  31  (18<=):  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Weil  sie  der 
Unzucht  ergeben  waren,  wurden  sie  aus  der  Welt  vertilgt.  R.  Aibo  (um  320)  hat  ge- 
sagt: Weil  sie  der  Unzucht  u.  dem  Raube  ergeben  waren,  wurden  sie  aus  der  Welt 
vertilgt.  II  GnR  31  (18<3):  „Die  Erde  ist  voll  von  Gewalttat  02-,  die  von  ihnen  aus- 
geht" Gn  6, 13.  Was  bedeutet  Gewalttat  u.  was  bedeutet  Raub  in?  R.  Chanina  (um  225) 
hat  gesagt:  Gewalttat  liegt  vor,  wenn  der  Gegenstand  den  Wert  einer  P''ruta  (kleinste 
Scheidemünze)  hat;  Raub,  wenn  der  Gegenstand  auch  nicht  den  Wert  einer  P^ruta  hat 
Und  so  verfuhren  die  Leute  des  Sündflutgeschlechts:  wenn  einer  seine  Kiste  mit 
Lupinen  hinausstellte,  kam  der  eine  u.  nahm  davon  weniger,  als  eine  P^ruta  wert  ist, 
u.  es   kam   ein  jeder  u.  nahm  davon  (gleichfalls)  weniger,    als  eine  P^ruta  wert  ist, 

strack  u.Billerbeck,  NTI.  61 


962  Matth  24,  38  (51) 

so  daß  er  es  von  ihm  vor  Gericht  nicht  wieder  beitreiben  konnte.  Da  sprach  Gott: 
Ihr  habt  getan,  was  nicht  recht  ist  rr^irr  sVs;  auch  ich  will  mit  euch  nicht  nach 
Recht  verfahren;  s.  Hi4,  21  u.  20:  „Ist's  nicht  so?  Wird  ausgerissen  ihr  Zeltseil  an 
ihnen,  so  sterben  sie  u.  nicht  in  Weisheit",  d.  h.  ohne  die  Weisheit  der  Tora;  „vom 
Morgen  bis  zum  Abend  werden  sie  zerschellt,  ohne  dafs  ein  Richter  da  ist  (so  deutet 
der  Midr  C"*»';),  für  immer  gehen  sie  zugrunde".  Mit  n-r?:  (=  einer,  der  darauf  achtet) 
ist  nichts  andres  als  ein  Richter  gemeint,  s.  Ex  21,  1:  Dies  sind  die  Rechtsvorschriften, 
die  du  ihnen  vorlegen  sollst  (^"'■■i'r,  nämlich  als  Richter).  —  Eine  andre  Erklärung. 
Die  Erde  ist  voll  von  Gewalttat  Gn  6, 13.  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  „Gewalttat", 
damit  ist  Götzendienst,  Unzucht,  Blutvergießen  gemeint.  Götzendienst,  s.  Gn  6,  13:  Die 
Erde  ist  voll  von  Gewalttat.  Unzucht,  s.  Jer  51,  35:  Meine  Mißhandlung  (-csn)  u.  mein 
Fleisch  komme  über  Babel.  Blutvergießen,  s.  Joel  4,  19:  Wegen  der  Gewalttat  an  den 
Söhnen  Judas,  daß  sie  unschuldig  Blut  vergossen  in  ihrem  Lande.  ||  GnR  32  Anfang 
(19'^):  „Du  vertilgst,  die  Lügen  reden"  Ps5,7.  Die  Stelle  handelt  vom  Sündflutgeschlecht  : 
sie  u.  ihr  Reden  war  Lüge;  R.  Pin'^chas  (um  360)  hat  gesagt:  Sie  u.  ihr  Verhalten 
(■;ri^3-:'3  ^=  aram.  Nrij';'^-:'?)  waren  Lügen.  „Den  Mann  der  Blutschuld"  (Ps  5,7),  wie  es 
heißt  Hi  24,  14:  Beim  Morgengrauen  erhebt  sich  der  Mörder,  schlägt  nieder  Arme  u. 
Elende,  u.  bei  Nacht  treibt  er's  wie  Diebe. ^  (Den  Mann)  „des  Betruges"  (Ps  5,  7), 
wie  es  heißt  Gn  6,  13:  Die  Erde  ist  voll  von  Gewalttat.  „Verabscheut  Jahve"  (Ps5,  7), 
denn  die  Leute  des  Flutgeschlechts  werden  weder  wieder  aufleben  (bei  der  Toten- 
auferstehung), noch  auch  gerichtet  werden  (s.  weiter  unten  Sanh  10,  3  nebst  Parallelen.  || 
Sanh  108*  Bar:  Di^s  Flutgeschlecht  ist  nur  wegen  des  Guten  hochmütig  geworden,  das 
ihnen  Gott  im  Überfluß  zuteil  werden  ließ.  Was  steht  von  ihnen  geschrieben?  Ihre 
Häuser  sind  Friede  ohne  Schrecknis,  u.  nicht  kommt  Gottes  Geißel  über  sie  Hi  "21,  9;* 
das.  Vers  10:  Sein  Stier  bespringt  u.  befruchtet,  seine  Kuh  kalbt  leicht  u.  wirft  nicht 
fehl;  Vers  11:  Sie  lassen  los  wie  eine  Herde  ihre  Buben,  u.  ihre  Kinder  hüpfen  umher; 
Vers  12:  Sie  singen  zur  Pauke  u.  Zither  u.  freuen  sich  beim  Klange  der  Schalmei; 
Vers  13:  Sie  genießen  in  Wohlsein  ihre  Tage  [u.  ihre  Jahre  in  Annehmlichkeiten],* 
u.  in  einem  Augenblick  (ohne  Krankheit  u.  Qual)  sinken  sie  zur  Unterwelt  hinab.^ 
Und  dies  ist  die  Veranlassung  geworden,  daß  sie  zu  Gott  sprachen  Hi  21,  14  f. :  Weiche 
von  uns;  nach  Erkenntnis  deiner  Wege  verlangt  uns  nicht.  Was  ist  der  Allmächtige, 
daß  wir  ihm  dienen  sollten,  u.  was  nützt  es  uns,  daß  wir  ihn  angehen?  Sie  sprachen: 
Haben  wir  ihn  denn  auch  nur  für  einen  Tropfen  Regen  nötig?  Wir  haben  Flüsse  u. 
Quellen,  die  wir  verwenden  können.  Gott  sprach:  Infolge  des  Guten,  was  ich  ihnen 
im  Überfluß  habe  zuteil  werden  lassen,  ärgern  sie  mich;  so  will  ich  sie  damit  richten, 
wie  es  heißt  Gn  6, 17 :  Siehe,  ich  werde  die  Flut,  Wasser  über  die  Erde,  herbeibringeu.  — 
R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  Das  Flutgeschlecht  ist  hochmütig  geworden  nur  wegen 
des  Augapfels,*  der  dem  Wasser  gleicht;  deshalb  hat  er  (Gott)  sie  mit  Wasser  ge- 
richtet (bestraft),  das  dem  Augapfel  gleicht,  s.  Gn  7,  11:  Es  öffneten  sich  alle  Quellen 
der  großen  Wassermasse  u.  die  Schleusen  des  Himmels  wurden  aufgetan.  R.  Jochanan 
(t  279)  hat  gesagt:  Das  Flutgeschlecht  sündigte  durch  „groß"  u.  wurde  durch  „groß" 
gerichtet  (bestraft).  Durch  „groß"  hat  es  gesündigt;  s.  Gn6,  5:  Jahve  sah,  daß  die 
Schlechtigkeit  der  Menschen  „groß"  war;  u.  durch  „groß"  ist  es  gerichtet  worden, 
s.  Gn  7,  11:  Es  öff'neten  sich  alle  Quellen  der  „großen"  Wassermasse.  R.  Jochanan  hat 
gesagt:  Drei  (Quellen)  sind  davon  übrig  geblieben  (ohne  sich  wieder  zu  schließen): 
der  Schlund  von  Gader,  die  warmen  Wasser  von  Tiberias  u.  die  große  Quelle  von 
Biram.  —  „Alles  Fleisch  auf  Erden  hatte  seinen  Weg  verderbt"  Gn  6,  12.  R.  Jochanan 
hat  gesagt:  Das  lehrt,  daß  sie  die  Haustiere  mit  dem  Wild  u.  das  Wild  mit  den  Haus- 

'  Das  Buch  Hieb,  wie  hier,  oft  auf  die  vorisraelitische  Menschheit  gedeutet. 

2  Eine  andre  Auslegung  von  Hi  21,  9  s.  im  Exk. :  Zur  altjüd.  Dämonologie  Nr.  3,  b- 
(GnR  36). 

^  Diese  Worte  sind  aus  Hi  36,  11  hier  eingedrungen. 

*  „Wegen  des  Augapfels",  d.h.  sie  sahen  ihr  Glück  unversehrt  u.  erhoben  darob- 
stolz  ihre  Augen  u.  wandelten  treulos  ihren  Augen  nach,  Raschi. 


Matth  24,  88  (51)  953 

tieren  u.  alle  mit  den  Menschen  u.  die  Menschen  mit  jenen  allen  sich  paaren  ließen. 
R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Alle  Tiere  haben  sich  (nach  der  Sündflut) 
gebessert  mit  Ausnahme  des  Tuschlami.^  ,Gott  sprach  zu  Noah:  Das  Ende  alles 
Fleisches  ist  herbeigekommen  vor  mich"  Gn  6,  13.  R.  Jochanan  hat  gesagt:  Komm  u. 
sieh,  wie  groß  die  Macht  der  Gewalttat  O'on  ist;  denn  siehe,  das  Flutgeschlecht  hatte 
alle  Übertretungen  begangen,  aber  der  Gerichtsbeschluß  über  sie  wurde  nicht  eher 
untersiegelt  (u.  damit  für  vollstreckbar  erklärt),  als  bis  sie  ihre  Hände  nach  Raub 
ausstreckten,  s.  Gn6,  13:  „Die  Erde  ist  voll  von  Gewalttat,  die  von  ihnen  ausgeht; 
siehe,  so  will  ich  sie  samt  der  Erde  verderben";  ferner  s.  Ez  7,  11:  „Die  Gewalttat 
erhob  sich  zur  Zuchtrute  des  Frevlers:  da  war  nichts  mehr  von  ihnen  u.  nichts  von 
ihrer  Masse  u.  nichts  von  ihrer  Menge  (?)  u.  kein  Klagelaut  über  sie!"  R.  Elfazar 
(um  270)  hat  gesagt:  Das  lehrt,  daß  die  Gewalttat  sich  gerade  aufrichtete  wie  ein 
Stab  u.  vor  Gott  hintrat  u.  zu  ihm  sprach:  Herr  der  Welt,  nichts  von  ihnen  u.  nichts 
von  ihrer  Masse  u.  nichts  von  ihrer  Menge  (?)  (soll  übrig  bleiben)  u.  kein  Klagelaut 
über  sie  (soll  gehört  werden)!  Selbst  über  Noah  war  der  Gerichtsbeschluß  untersiegelt 
worden;  denn  es  heißt:  Auch  Noah  ist  nichts  unter  ihnen  (so  der  Midr  Ez  7,  11  ri 
„Klage"  =  ni).  In  der  Schule  des  R.  Jischmaf el  (f  um  135)  ist  gelehrt  worden:  Auch 
über  Noah  ist  der  Gerichtsbeschluß  untersiegelt  worden,  aber  er  fand  Gnade  in  den 
Augen  Jahves,  s.  Gn  6,  7  f.  j|  Sanh  108^:  R.  Jose  aus  Cäsarea  (im  4.  Jahrh.)  hat  öffentlich 
vorgetragen:  Was  heißt:  „Leicht  ist  er  auf  der  Oberfläche  des  Wassers,  zum  Fluch 
gemacht  wird  ihr  Los  auf  Erden"  Hi24,  18?  (so  der  Midr.)  Das  lehrt,  daß  Noah,  der 
Gerechte,  sie  gestraft  hat;  er  sprach  zu  ihnen:  Tuet  Buße!  wenn  aber  nicht  (sagte  er), 
dann  werde  Gott  eine  Flut  über  sie  bringen  u.  ihre  Leichname  wie  Schläuche  auf  dem 
Wasser  schwimmen  lassen,  wie  es  heißt:  Leicht  ist  er  auf  der  Oberfläche  des  Wassers. 
Und  nicht  bloß  dies,  sondern  man  werde  auch  von  ihnen  einen  Fluch  hernehmen  für 
alle,  die  in  die  Welt  kommen,  wie  es  heißt:  Zum  Fluch  gemacht  wird  ihr  Los  auf 
Erden.  „Nicht  mehr  soll  er  den  Weg  zu  den  Weinbergen  einschlagen"  Hi  24,  18*^;  das 
lehrt,  daß  sie  den  Weg  zu  den  Weinbergen  einzuschlagen  pflegten.  Sie  antworteten: 
Wer  hindert  ihn  denn?  (mag  Gott  es  doch  tun,  wenn  er's  kann!)  Gott  sprach:  Ein 
Täubchen  (nämlich  Methusalem)  habe  ich  erst  noch  aus  eurer  Mitte  zu  nehmen  (durch 
den  Tod)!  Sie  antworteten:  Wenn  dem  so  ist,  so  werden  wir  uns  nicht  von  dem  Wege 
zu  den  Weinbergen  abwenden  (wir  bleiben  die  Alten)!  Raba  (f  352)  hat  vorgetragen: 
Was  heißt:  „Eine  verachtete  (weggeworfene)  Fackel  ^  nach  der  Meinung  des  Sicheren, 
bereitgestellt  für  die,  deren  Fuß  wankt"  Hi  12,  5?  Das  lehrt,  daß  Noah,  der  Gerechte, 
sie  gestraft  hat  u.  zu  ihnen  Worte  sprach,  die  so  schlimm  wie  Fackeln  waren.  Sie 
aber  verachteten  ihn  u.  sprachen:  Alter,  was  soll  diese  Arche?  Er  antwortete:  Gott 
wird  über  euch  eine  Flut  bringen.  Sie  sprachen:  Eine  Flut  wovon  denn?  Wenn  eine 
Flut  von  Feuer,  so  haben  wir  etwas  (ein  Schutzmittel  dagegen)  u.  n-"«;!;  (oder  Nn-"-s) 
ist  sein  Name;^  u.  wenn  er  eine  Flut  von  Wasser  bringt,  so  haben  wir,  falls  er  sie 
aus  der  Erde  bringt,  eiserne  Platten,  mit  denen  wir  die  Erde  zudecken;  falls  er  sie 
aber  vom  Himmel  bringt,  so  haben  wir  etwas  dagegen  u.  z'-v,  nach  andren  uipi-  ist 
sein  Name.'*  Er  antwortete  ihnen:  Zwischen  den  Fersen  'z-^y  eurer  Füße  wird  er  sie 
hervorbrechen  lassen,  wie  es  heißt:  „Bereitgestellt  für  die,  deren  Fuß  wankt."  —  Eine 
Parallelstelle  zu  R.Joses  Auslegung  von  Hi  24,  18  s.  GnR  30  (IS'').  ll__GnR  30  (ISi^): 
„Noah  ist  ein  gerechter,  unsträflicher  Mann  --s  gewesen"  Gn6, 9.  Überall  (in  der 
Schrift),  wo  das  Wort  ffi"s  „Mann"  steht,  wird  damit  ein  Gerechter  u.  Bewährter  be- 
zeichnet. Denn  alle  jene  120  Jahre  (s.  Gn  6,  3)  hatte  Noah  Zedern  gepflanzt  u.  gefällt. 
Da  sprachen  sie  zu  ihm:   Was  soll  das?   Er  antwortete:   So  hat  der  Herr  der  Welt 

^  Lewysohn,  Zoologie  d.  Talmuds,  S.  181  denkt  an  die  Steppenlerche. 

^  Oder:  Dem  Unglück  Verachtung  usw. 

^  sp^"':y,  ein  fabelhaftes  Tier,  welches  Feuer  auslöscht  u.  vor  dem  das  Feuer  flieht, 
s.  Lewysohn,  Zoologie  d.  Talmuds,  S.  351. 

*  Ein  Schwamm,  der  den  Regen  aufsaugt  oder  den  man  auf  den  Kopf  legt,  um 
nicht  naß  zu  werden,  s.  Lewysohn,  Zoologie,  S.  343. 

61* 


964  Matth  24,  38  (?l.  SB) 

gesagt,  daß  er  eine  Flut  über  die  Welt  bringen  werde.  Sie  antworteten:  Es  wird 
keine  Flut  kommen,  oder  sie  wird  nur  über  das  Haus  dieses  Mannes  (d.  h.  dein  Haus) 
kommen.  Als  nun  Methusalem  starb,  sagten  sie  zu  ihm :  Siehe,  die  Flut  ist  nur  über 
das  Haus  dieses  Mannes  (dein  Haus)  gekommen.  Das  meint  Hi  12,  5:  Ein  verachteter 
Herold  an  die  eiserne  Härte  des  Sicheren  (oder:  ein  Herold,  verachtet  von  der  eisernen 
Härte  des  Sicheren),  der  bereitet  ist  für  zwiefaches  Wanken  des  Fußes  (so  der  Midr). 
R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Einen  Herold  hatte  Gott  im  Flutgeschlecht, 
das  war  Noah;  dort  (in  Babylonien)  sagt  man  für:  r.^h  T1-2  (=  „verkündige  ihm") 
rrh  --e':  (in  der  gleichen  Bedeutung  als  Erklärung  des  teV  in  Hi  12,  5);  „verachtet", 
weil  sie  ihn  (Noah)  verachteten  u.  ihn  den  verächtlichen  Alten  nannten;  „von  der 
eisernen  Härte  des  Sicheren"  ]:av  rim-'s,  weil  sie  hart  wie  Eisenplatten  pt-jj-d  waren; 
„der  bereitet  ist  für  zwiefaches  Wanken  (Plural:  '-vi^h)  des  Fußes",  weil  sie  bereitet 
waren  für  ein  zwiefaches  Unglück,  für  das  Unglück  von  oben  (Gewässer  des  Himmels) 
u.  für  das  Unglück  von  unten  (Gewässer  der  Tiefe).  ||  Sank  10,  3:  Das  Geschlecht  der 
Flut  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  u.  sie  stehen  nicht  im  (End-)Gericht; 
s.  Gn  6,  3 :  Nicht  soll  richten  mein  Geist  über  den  Menschen  ewiglich.  pSanh  10, 29 '',  48 : 
Das  Flutgeschlecht  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt  u.  sie  sehen  nicht  die 
Zukunft  (werden  nicht  auferweckt).  Weshalb?  Es  heißt  Gn7,  23:  „Er  wischte  alles 
Bestehende  hinweg",  nämlich  in  dieser  Welt,  „u,  sie  wurden  weggewischt  von  der 
Erde"  (das.),  nämlich  in  der  Zukunft.  Bar:  R.  N^'chemja  (um  150)  sagte:  Das  läßt  sich 
aus  Gn  6,  3  entnehmen:  Nicht  soll  richten  mein  Geist  über  den  Menschen  in  der  Ewig- 
keit (also  stehen  sie  nicht  im  jüngsten  Gericht).  R.  J'^^huda  (um  150)  sagte:  Nicht  wird 
ihn  richten  mein  Geist;  denn  ich  werde  in  sie  (die  Leute  des  Flutgeschlechts)  nicht 
meinen  Geist  geben,  wenn  ich  meinen  Geist  in  die  (übrigen)  Menschenkinder  gebe. 
R.  Schim?on  (um  150)  sagte:  Nicht  wird  ihn  richten  mein  Geist;  denn  ich  werde  in 
sie  meinen  Geist  nicht  geben,  wenn  ich  den  Lohn  der  Gerechten  austeilen  werde.  Die 
andren  sagten:  Nicht  wird  ihn  richten  mein  Geist;  denn  ich  lasse  ihn  nicht  zurück- 
kehren in  seine  Scheide  (=  Körper;  ^\^-\^  Gn  6, 3  wird  erklärt  aus  "j  „Scheide", 
„Futteral").  —  Parallelstellen:  TSanh  13,  6  (434);  Sanh  108^;  GnR26(16d).  _  Eine 
abweichende  Meinung  vertritt  R.  Jochanan  (f  279)  GnR  28  (18^):  R.  Jochanan  hat  ge- 
sagt: Das  Gericht  über  das  Flutgeschlecht  hat  12  Monate  gewährt,  damit  haben  sie 
ihre  Strafe  empfangen,  u.  sie  werden  Auteil  an  der  zukünftigen  Welt  haben.  Denn 
R.  Jochanan  hat  gesagt:  Jeden  einzelnen  Tropfen,  den  Gott  auf  sie  niederfallen  ließ, 
hatte  er  im  Gehinnom  siedend  gemacht,  u.  dann  nahm  er  ihn  heraus  u.  ließ  ihn  auf 
sie  niederfallen,  das  meint  Hi  6,  17:  „Zur  Zeit,  da  siedendes  Aufwallen  sie  traf,  wurden 
sie  endgültig  bestraft"  (so  der  Midr),  das  siedende  Aufwallen  der  Fluten  war  für 
immer  (deshalb,  weil  sie  zur  Zeit  der  Flut  ihre  definitive  Strafe  bereits  empfangen 
haben,  können  sie  an  der  zuk.  Welt  Anteil  haben).  „Sowohl  ihre  Liebe",  mit  der  sie 
ihre  Götzen  liebten,  „als  auch  ihr  Haß",  mit  dem  sie  Gott  haßten,  „als  auch  ihr 
Eifern",  mit  dem  sie  Gott  durch  ihre  Götzen  in  Eifer  brachten,  „ist  längst  dahin; 
keinen  Teil  mehr  haben  sie  an  der  Welt",  d.  h.  „an  irgend  etwas,  was  unter  der  Sonne 
geschieht"  Qoh  9,  6  (wohl  aber  an  der  zuk.  Welt).  —  Nach  dieser  Stelle  hat  man  pSanh 
10,  29  b,  55  u.  Midr  Qoh  9,  6  (41  =*)  zu  verstehn. 

24-,  38  S:  Sie  aßen,  sie  tranken,  sie  freiten  u.  ließen  freien. 
<Er54=i:  Sch^muel  (f  254)  sagte  zu  Rab  J^huda  (f  299):  Scharf- 
sinniger (?x3pü,  s.  Einl.  139),  eile  u.  iß,  eile  u.  trink;  denn  die  Welt, 
aus  der  wir  gehen,  gleicht  einem  Hochzeitshause  ah^krt  inlp  (so  Hand- 
schrift München,  die  Ausgaben :  N^ibna  =  wie  eine  Hochzeitsfeier).  — 
Der  Vergleichungspunkt  ist  die  Vergänglichkeit:  wie  ein  Hochzeitshaus 
heute  an  Essen  u.  Trinken  die  Fülle  bietet,  u.  morgen  ist  alles  vorüber, 
so  auch  diese  Welt;  darum  eile  u.  iß,  eile  u.  trink! 


Matth  24,  38  (6).  24,  39  (^K)  965 

24,38  6:  Bis  zu  dem  Tage,  da  Noah  in  die  Arche  ging. 

GnR  32  (IQ'^):  An  eben  diesem  Tage  kam  Noah  ...  in  den  Kasten 
Gn  7, 13.  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Gott  sprach:  Wenn  Noah  in 
der  Nacht  in  den  Kasten  geht,  dann  werden  alle  seine  Zeitgenossen 
also  sagen:  Wir  haben  nicht  darum  gewußt;  wenn  wir  aber  darum 
gewußt  hätten,  so  würden  wir  ihn  nicht  haben  hineingehen  lassen. 
Deshalb  ging  Noah  an  diesem  Tage  selbst  (d.  h.  am  hellen  lichten  Tage) 
hinein;  wer  es  merkte,  sollte  reden.  —  Eine  ähnliche  Ausführung  anonym 
SDt32,48  §337  (Ul"). 

24,39  5t:  Bis  die  Sündflut  kam  u.  alle  hinwegnahm. 

GuR  28(17'^):  „Gott  sprach:  Wegwischen  will  ich  die  Menschen,  die  ich  gemacht 
habe"  Gn  6,7.  R.  Levi  (um  300)  hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Selbst 
die  Mühlsteine  wurden  weggewischt  (vernichtet).  R.  J^huda  b.  Simon  (um  320)  hat  im 
Namen  des  R.  Jochanan  gesagt:  Selbst  der  Staub  (Asche)  des  ersten  Menschen  wurde 
weggewischt.  Als  R.  J'^huda  das  in  Sepphoris  in  der  Gemeinde  öffentlich  vortrug,  ver- 
warf man  es.  R.  Jochanan  hat  im  Namen  des  R.  Schim'on  b.  J'^hoQadaq  (um  22.5)  ge- 
sagt: Selbst  der  Knochen  Luz  an  der  Wirbelsäule,  aus  welchem  Gott  in  der  Zukunft 
den  Menschen  neu  schafft,  wurde  weggewischt  (aufgelöst).  !l  GnR  31  (18'*):  Gott  sprach: 
.  .  .  Ich  will  sie  verderben  samt  der  Erde  Gn  6,  13.  R.  Huna  (um  350)  u.  R.  Jirm'^ja 
(um  320)  haben  im  Namen  des  Rab  Kahana  b.  Malk^ja  (uni  270)  gesagt:  Selbst  die 
drei  Handbreiten,  über  die  der  Pflug  in  der  Erde  Gewalt  hat,  wurden  weggewischt 
(weggeschwemmt).  Gleich  einem  Königssohn,  der  einen  Erzieher  hatte;  sooft  er  Böses 
tat,  wurde  sein  Erzieher  bestraft.  Oder  gleich  einem  Königssohn,  der  eine  Amme  hatte; 
sooft  er  Böses  tat,  wurde  seine  Amme  bestraft.  So  sprach  auch  Gott:  Ich  will  sie 
verderben  samt  der  Erde;  siehe,  ich  will  sie  verderben  u.  ich  will  die  Erde  mit  ihnen 
verderben.  II  GnR  32  (19*^):  ,Gott  sprach:  Ich  wische  alles  Bestehende  mp-n  hinweg" 
Gn  7,  4.  R.  B'^'rekhja  (um  340)  hat  gesagt:  Das  was  auf  der  Erde  Bestand  hat.  R.  Abin 
(I.,  um  325;  IL,  um  370)  hat  gesagt:  Die  bewohnte  Welt  •.:""•""  (=  oixovfÄSvi]).  R.  Levi 
(um  300)  hat  im  Namen  des  Resch  Laqisch  (um  250)  gesagt:  Damit  ist  Qain  gemeint 
(der  sich  gegen  seinen  Bruder  Abel  erhob,  cii/'i  Gn4,  8);  er  hatte  in  der  Luft  ge- 
schwebt, bis  die  Flut  kam  u.  ihn  wegschwemmte;  s.  Gn7,23:  Er  wischte  alles  Be- 
stehende (Dip-)  hinweg.  ||  GnR  32  (19^1):  ,  Alles,  was  im  Trocknen  lebt,  starb"  Gn  7,22, 
ausgenommen  die  Fische.  Einige  sagen:  Auch  sie  waren  in  die  Regel  (des  allgemeinen 
Untergangs)  eingeschlossen;  allein  sie  flohen  ins  große  Meer,  den  Ozean  (u.  blieben 
so  erhalten).  Vgl.  Sanh  108-'*.  ||  Sanh  lOS'':  Gott  wischte  alles  Bestehende  weg,  das  auf 
der  Oberfläche  des  Erdbodens  war  Gn  7, 23.  Wenn  der  Mensch  gesündigt  hat,  was  hat 
das  Tier  gesündigt  (daß  es  mit  dem  Menschen  bestraft  wird)  ?  Im  Namen  des  R.  J^hoschuac 
b.  Qarcha  (um  150)  ist  gelehrt  worden:  Gleich  einem  Menschen,  der  seinem  Sohn  das 
Brautgemach  herstellte  u.  allerlei  Speisen  zum  Hochzeitsmahl  zurichtete.  Nach  etlichen 
Tagen  starb  sein  Sohn.  Da  erhob  sich  jener  u.  warf  das  Brautgemach  über  den  Haufen; 
er  sprach:  Habe  ich  es  denn  nicht  bloß  wegen  meines  Sohnes  gemacht?  Jetzt,  wo  er 
tot  ist,  was  soll  mir  das  Brautgemach?  Auch  Gott  sprach:  Habe  ich  denn  das  Vieh 
u.  das  Wild  nicht  bloß  des  Menschen  wegen  geschaffen?  Jetzt,  wo  der  Mensch  ge- 
sündigt hat,  was  soll  mir  das  Vieh  u.  das  Wild?  |1  Nach  der  Tradition  ist  außer  Noah 
u.  seiner  Familie  auch  'Og,  der  König  von  Baschan  (Nu  21,33)  der  Sündflut  entronnen. 
Nidda61^:  „Es  kam  ein  Entronnener  u.  meldete  es  dem  Hebräer  Abram*  Gnl4, 13. 
R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Das  war  'Og,  der  vom  Geschlecht  der  Flut  entronnen 
war.  II  PirqeRBI23  (11 ''):  ,Er  wischte  alles  Bestehende  weg,  das  auf  der  Oberfläche 
des  Erdbodens  war"  Gn  7, 23,  ausgenommen  Noah  u.  alles,  was  mit  ihm  in  dem  Kasten 
war  (s.  Gn  7,23),  u.  ausgenommen  cOg,  der  König  von  Baschan;  denn  dieser  setzte  sich 
auf  ein  Holz  (Brett)  von  den  Leitern  (Treppen)  des  Kastens  u.  schwur  dem  Noah  u.  dessen 


966  Matth  24,  39  («Bj.  24,  40.  41  (Nr.  1.  2) 

Söhnen,  daß  er  ihnen  ein  immerwährender  Sklave  sein  wolle.  Was  tatNoah?  Er  bohrte  ein 
Loch  in  die  Arche  u.  reichte  ihm  täglich  seine  Nahrung  hinaus;  so  blieb  auch  dieser  übrig. 

24-,39^:So  wird  auch  die  Wiederkunft  des  Menschensohns  sein. 

Zum  plötzlichen  Kommen  des  Messias  s.  Sanh97ä  im  Exk.:  „Vorz, 
der  messian.  Zeit"  II,  D,  a  Ende. 

24-,  4:0:  Dann  werden  zwei  auf  dem  Felde  sein;  der  eine 
wird  angenommen  u.  der  andre  gelassen. 

In  formeller  Hinsicht  kann  verglichen  werden  RH  18^  Bar:  R.  Meir  (um  150)  hat 
gesagt:  Zwei  legten  sich  auf  das  Lager  u.  ihre  Kranklieit  war  die  gleiche;  ebenso  zwei 
gingen  hinauf  zur  Richtstätte  u.  ihre  Rechtssache  war  die  gleiche:  der  eine  stand 
wieder  auf  (von  seinem  Lager)  u.  der  andre  nicht,  der  eine  wurde  freigesprochen  u. 
der  andre  nicht.  Der  eine  betete  u.  wurde  erhört,  u.  der  andre  betete  u.  wurde  nicht 
erhört.  Warum  wurde  der  eine  erhört  u.  der  andre  nicht?  Der  eine  betete  ein  voll- 
kommenes (ein  mit  Andacht  verrichtetes,  Raschi)  Gebet,  er  wurde  erhört;  der  andre 
betete  kein  vollkommenes  Gebet,  er  wurde  nicht  erhört. 

24,41:  Zwei  mahlen  an  der  Mühle;  die  eine  wird 
angenommen  u.  die  andre  gelassen. 

1.  Das  Mahlen  als  Frauenarbeit. 

K^thö,  5:  Dies  sind  die  Arbeiten,  die  die  Frau  ihrem  Mann  verrichtet:  sie  mahlt 
r:--::,  sie  bäckt,  sie  wäscht,  sie  kocht,  sie  säugt  ihr  Kind,  sie  macht  ihm  das  Bett 
u.  arbeitet  in  Wolle  (spinnt,  webt  usw.).  Hat  sie  ihm  Eine  Sklavin  miteingebracht,  so 
bi'aucht  sie  nicht  zu  mahlen,  nicht  zu  backen  u.  nicht  zu  waschen.  Hat  sie  zwei  mit- 
■eingebracht,  so  braucht  sie  nicht  zu  kochen  u.  nicht  ihr  Kind  zu  säugen.  Hat  sie  drei 
niiteingebracht,  so  braucht  sie  ihm  nicht  das  Bett  zu  machen  u.  auch  nicht  in  Wolle 
zu  arbeiten.  Hat  sie  vier  miteingebracht,  so  kann  sie  im  Sessel  sitzen  (braucht  nichts 
zu  tun).  R.  Elicczer  (um  90)  sagte:  Auch  wenn  sie  ihm  100  Sklavinnen  miteingebracht 
hat,  kann  er  sie  zwingen,  in  Wolle  zu  arbeiten;  denn  das  Nichtstun  führt  zur  Unzucht. 
R.  Schim'on  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Auch  wenn  jemand  durch  ein  Gelübde  seiner 
Frau  untersagt  hat,  irgendeine  Arbeit  zu  tun,  muß  er  sie  (durch  einen  Scheidebriefj 
entlassen  u.  ihr  ihre  Hochzeitsverschreibung  auszahlen:  denn  das  Nichtstun  führt  zur 
Geistesverwirrung.  —  pK'^th  5,  30^,  50  sagt  R.  Bun  (wohl  Abin  IL,  um  370)  mit  Bezug 
auf  die  in  obiger  Mischna  genannten  Frauenarbeiten:  Weil  jene  Dinge  verächtlicher 
Art  sind,  hat  man  sie  an  die  Sklavin  gehängt.  —  K'th59'^:  , Sie  mahlt."  Meinst  du 
das  wirklich?  Vielmehr  sage:  Sie  läßt  mahlen  (sie  schüttet  das  Korn  ein  u.  nimmt 
das  Mehl  fort,  Raschi),  oder  wenn  du  willst,  sage:  Sie  mahlt  auf  der  Handmühle. 

2.  Zwei  Frauen  an  der  Mühle. 

Sch'^'bicith  5,9:  Es  darf  eine  Frau  einer  andren,  die  wegen  Übertretung  des  Brach- 
jahrgesetzes verdächtig  ist,  ein  Mehlsieb,  ein  Kornsieb,  eine  Handmühle  u.  einen  Back- 
ofen leihen;  aber  nicht  darf  sie  in  Gemeinschaft  mit  ihr  auslesen  u.  mahlen.  —  Die 
Frau  eines  Chaber  (der  sich  zur  Beobachtung  der  Zehnt-  u.  Reinheitsbestimmungen  im 
Sinn  der  pharisäischen  Satzungen  verpflichtet  hat)  darf  der  Frau  eines  <  Am  ha-areg; 
(Ge.setzesunkundigen)  ein  Mehlsieb  u.  ein  Kornsieb  leihen,  auch  darf  sie  mit  ihr  aus- 
lesen, mahlen  u.  sieben;  aber  nachdem  sie  das  Wasser  (auf  das  Mehl)  gegossen  hat 
(womit  die  Gefahr  der  Verunreinigung  beginnt),  darf  sie  nichts  mehr  anrühren.  || 
Toharoth7,4:  Wenn  die  Frau  eines  Chaber  die  Frau  eines 'Am  ha-areg,  die  in  ihrem 
(der  ersteren)  Hause  mahlt,  verläßt,  so  gilt  das  Haus  für  unrein,  sobald  die  Mühle 
stillstand ;  stand  sie  nicht  still,  so  ist  es  nur  so  weit  unrein,  als  jene  ihre  Hand  aus- 
strecken u.  etwas  berühren  kann.  Waren  aber  zwei  solcher  Frauen  (an  der  Mühle)  da, 
so  ist,  ob  die  Mühle  stillstand  oder  nicht,  das  Haus  unrein;   denn  die  eine  mahlt  u. 


Matth  24  42.  43.  45  (Nr.  1)  967 

die  andre  faßt  (alles  mögliche)  an.  So  R.  Meir  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten: 
Es  ist  nur  so  weit  unrein,  als  jene  ihre  Hände  ausstrecken  u.  etwas  berühren  können.  || 
Nidda  60''  Bar:  Wenn  zwei  Frauen  an  einer  Handmühle  mahlen,  u.  es  findet  sich  Blut 
(des  Menstruums)  unter  derjenigen,  die  nach  innen  (dicht  neben  der  Mühle)  steht,  so 
sind  sie  beide  unrein;  findet  es  sich  unter  der  nach  außen  Stehenden,  so  ist  die  nach 
außen  Stehende  unrein  u.  die  nach  innen  Stehende  rein;  fand  es  sich  zwischen  beiden, 
so  sind  sie  beide  unrein.   Die  Bar  stammt  aus  TNidda  7,  3  (649). 

24,42:  Wachet  also,   denn  ihr  wißt  nicht,   an  welchem  Tage 

euer  Herr  kommt. 
Nach  älteren  Traditionen  wird  der  Messias  am  14.  Nisan  kommen; 
nach   andren   nicht   an  einem  Sabbat  oder  Festtage,    bezw.  nicht  an 
deren  Rüsttagen;  s.  ExR  18  (81*);  pP«s3,  30'\  25;  bP^s  13^  'Er  43''*  im 
Exk.:  „Der  Prophet  Elias  nach  seiner  Entrückung"  usw.  II,  3,  B. 

24,43:  Daß  in  sein  Haus  eingebrochen  würde. 

dioQvotaw,  ^nn  (s.  Hi  24, 16),  aram.  inn,  das  zunächst  „durchbohren, 
durchgraben"  u.  dann  „einbrechen"  bedeutet. 

GnR  63  (39*^):  Isaak  flehte  zu  Jahve  ...  u.  Jalive  ließ  sich  von  ihm  erflehen  iryi 
Gn  25,21.  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Gleich  einem  Königssohn,  der  bei  seinem  Vater 
einbrach  -^r-;-,  um  eine  Litra  Gold  wegzunehmen;  da  hat  der  eine  (der  Vater)  von  innen 
(die  Wand)  durchbohrt  ^n-,  u.  der  andre  (der  Sohn)  von  außen  (beide  begegneten  sich 
in  ihren  Wünschen);  denn  in  Arabien  nennt  man  den  Durchbruch  (oder  Einbruch, 
SP-'.--)  sr— ry.  (Gn25, 21  will  also  besagen,  daß  Gott  dem  Gebet  Isaaks  gegenüber 
den  Himmel  durchbohrte,  um  das  Gebet  zu  hören  u.  zu  erhören).  — Vgl.  pSanhlO,  28°,  59; 
LvRSO  (128'-');  DtR  2  (leS'^);  P^siq  162b;  MidrRuth2, 16  (132b).  ||  GnR  27  (17b):  Es 
heißt  Hi24, 16:  ,Man  bricht  im  Dunkeln  in  Häuser  ein"  ^rr;  weshalb?  Weil  „man 
sie  sich  bei  Tage  gekennzeichnet  hatte"  (so  der  Midr  Vers  16b).  Was  taten  sie  (die 
Leute  von  Sodom,  auf  welche  die  Hiobstelle  bezogen  wird)?  Sie  nahmen  Balsam  u. 
strichen  ihn  auf  die  Steine  (an  die  Häuser  der  Reichen),  u.  dann  kamen  sie  in  der 
Nacht  u.  rochen  den  Balsam  u.  brachen  ein  n'^n-.  —  Parallelstellen:  Sanh  109 ^  hier 
Raba,  t  352,  als  Autor  genannt;  in  pMSch  5, 55'^,  55  R.  Chanina  (b.  Ghama,  um  225) 
Autor,  mit  Deutung  der  Hiobstelle  auf  das  Flutgeschlecht.  1|  Sanh  109»:  R.Jose  (um  150) 
trug  (die  im  vorigen  Zitat  gebrachte  Auslegung  von  Hi24, 16b)  in  Sepphoris  vor;  da 
wurden  in  jener  Nacht  300  Einbruchsdiebstähle  in  Sepphoris  ausgeführt  rVn  .  .  .  pirns 
sr-rni  ns>2.  Man  kam  u.  peinigte  ihn.  Er  antwortete:  Habe  ich  denn  gewußt,  daß 
Diebe  kommen  würden?  —  In  pMSch  5,55*^,57  u.  GnR  27  (17^)  knüpft  sich  dieser  Vor- 
fall an  den  Namen  des  R.  Chanina,  um  225. 

24-,  45:  Wer  also  ist  der  treue  u.  kluge  Knecht,  den  der  Herr 
über  sein  Hausgesinde  gesetzt  hat  .  .  .? 

1.  Der  Hausvogt,  eine  Art  Obersklave,  heißt  im  Rabbin.  nach  Gn  15,3 
r-^s  1?  (dieser  Ausdruck  bezeichnet  unter  Umständen  auch  das  Kind 
oder  den  Sohn  des  Hauses;  zB  pSanh  10,  28^,  10). 

F^'siqR  10  (35b):  R.  Levi  (um  300)  hat  gesagt:  Warum  wird  die  Gemeinde  Israel 
mit  dem  Weizen  verglichen?  Ein  Hausherr  hat  einen  Hausvogt  n^a  p;  wenn  er  mit 
ihm  rechnen  will,  was  berechnet  er?  Sagt  er  etwa  zu  ihm:  Habe  acht,  wie  viele  Körbe 
voll  Stroh  du  in  die  Scheune  schaffst,  oder  wie  viele  Körbe  von  Stoppeln  oder  Dornen 
du  in  die  Scheune  schaffst?  .  .  .  Aber  was  sagt  er  zu  seinem  Hausvogt  m-^a  p?  Habe 
acht,  wieviel  Weizen  du  in  die  Vorratskammer  schaffst!  Weshalb?  Weil  dieser  der 
Unterhalt  der  Welt  ist.   So  ist  Gott  ein  Hausherr;   denn  die  ganze  Welt  ist  sein,   s. 


968  Matth  24,  45  (Nr.  1 .  2).  24,  48 

Ps24, 1;  u.  sein  Hausvogt  ist  Mose,  s.  Nu  12,7:  In  meinem  ganzen  Hause  ist  er  be- 
währt. (Weitere  Ausführung:  dem  Mose  ist  nicht  befohlen  worden,  die  Völker  zu  zählen, 
die  dem  Stroh  usw.  gleichen,  sondern  die  Israeliten  soll  er  zählen,  die  dem  Weizen 
gleichen).  Ähnlich  so,  aber  anonym  NuR4  (141^).  1|  ExR  15  (77*'):  Um  wessen  willen 
hat  sich  Gott  (in  Ägypten)  offenbart?  Um  seinetwillen.  Gleich  einem  Hausvogt  n^a  p, 
der  durch  seinen  Arbeitgeber  ergriffen  u.  gefangen  gesetzt  wurde.  (Hier  ist  voraus- 
gesetzt, daß  der  Vogt  vorübergehend  noch  fremde  Dienste  übernommen  hat.)  Da  sprach 
sein  (eigentlicher)  Herr  zu  ihm:  Fürchte  dich  nicht,  ich  werde  kommen  u.  dich  be- 
freien! Da  sandte  der  Herr  seinen  Knecht,  ihn  zu  befreien;  aber  der  Wirt  (jener  Arbeit- 
geber) wollte  ihn  nicht  loslassen.  Der  Herr  sprach:  Der  Wirt  hat  recht  gehandelt,  denn 
ich  hatte  gesagt,  ich  würde  ihn  befreien.  (So  hatte  Gott  zu  Abraham  gesagt  Gn  15,  14, 
daß  er  selbst  Ägypten  richten  wolle;  deshalb  offeabarte  er  sich  daselbst,  nachdem 
der  Pharao  sich  geweigert  hatte,  auf  die  Sendung  Moses  hin  Israel  ziehen  zu  lassen). !} 
LvR  12(113'^):  R.  Pin^chas  (um  360)  hat  im  Namen  des  R.  Levi  (um  300)  gesagt:  Gleich 
einem  König,  der  einen  treuen  Hausvogt,  •■sx:  r^a  ]2  hatte.  Er  fand  ihn  an  der  Öffnung 
der  (Wein-)Fässer  1  stehend  u.  ließ  ihn  im  geheimen  enthaupten  u.  setzte  einen  andren 
Hausvogt  an  seine  Stelle.  Wir  wissen  nicht,  weshalb  er  den  ersten  töten  ließ;  aber  daraus, 
daß  er  dem  zweiten  befahl  u.  sprach:  Geh  nicht  an  die  Öffnung  der  (Wein-)Fässer  (s.  die 
vorige  Fußnote)  erfahren  wir,  daß  er  ebendeshalb  den  ersten  töten  ließ.  (So  lehrt  Lv  10, 9, 
daß  der  Weingenuß  die  Ursache  des  Todes  Nadabs  u.  Abihus  war  Lv  10,2.) 

2.  0  niarog  dovXog  =  yom  rin  "p,  s.  LvR  12  in  Nr.  1.  ||  6ovXog  (fQÖvii.iog 
=  nn'S  ^^,  s.  Schab  153«  bei  Mt  22,  2  S.  878. 

24,48:  Wenn  aber  der  böse  Knecht  in  seinem  Herzen  spricht. 

6  xaxög  SovXog  =  ynrr  lay,  aram.  s^i^n  x^ns". 

ExR  43  (99  c):  R.  Jehuda  b.  Schalom  (um  370)  hat  im  Namen  des  R.  J^^huda  b.  Simon 
(um  320)  im  Namen  des  R.  Levi  b.  P^rata  (gegen  300)  gesagt:  Gleich  einem,  der  einen 
Sklaven  kaufen  wollte.  Er  sprach  zu  dessen  Herrn:  Ist  dieser  Sklave,  den  du  ver- 
kaufen willst,  von  schlechter  Art^  oder  von  guter  Art? ^  Er  antwortete  ihm:  Er  ist 
von  schlechter  Art  u.  darum  verkaufe  ich  ihn.  Jener  kaufte  ihn  u.  brachte  ihn  in  sein 
Haus.  Einmal  hatte  sich  jener  Sklave  vergangen;  da  fing  sein  Herr  an  ihn  zu  schlagen.  . .  . 
Der  Sklave  sprach:  Mein  Herr,  wie  hast  du  mich  gekauft?  als  einen  guten  Sklaven 
ait2  -z'S  oder  als  einen  schlechten  Sklaven  yi  'y?  Er  antwortete:  Als  einen  schlechten 
Sklaven.  Jener  erwiderte:  Als  einen  schlechten  Sklaven  hast  du  mich  gekauft  u.  du 
suchst  in  mir  einen  guten  Sklaven?  |!  Tanch  y^  1:213  160^:  Gleich  einem  schlechten  Sklaven 
yi  'y ,  der  zum  Verkauf  dastand.  Der  Herr,  der  ihn  kaufte,  wußte,  daß  es  ein  schlechter 
Sklave  war;  er  nahm  Fesseln  u.  Peitschen  mit  sich,  um  ihn  damit,  wenn  er  sich  ver- 
ginge, zu  züchtigen.  Als  er  sich  verging,  holte  er  die  Fesseln  u.  fesselte  ihn,  die  Peitschen 
u.  schlug  ihn.  Es  sprach  der  Sklave  zu  ihm:  Hast  du  nicht  gewußt,  daß  ich  ein  schlechter 
Sklave  bin,  warum  hast  du  mich  gekauft?!  Er  antwortete:  Weil  ich  gewußt  habe, 
daß  du  schlimm  bist,  habe  ich  für  dich  Fesseln  u.  Peitschen  besorgt,  um  dich  mit 
ihnen,  wenn  du  dich  vergingest,  zu  züchtigen.  1|  BB4*  nennt  sich  Herodes  selbst  vor 
dem  von  ihm  geblendeten  Baba  b.  Buta  „einen  schlechten  Knecht"  sa^a  ^<^3y,  s.  bei 
18,32  S.  800.  Ebenda  heißt  es  in  einem  römischen  Edikt  an  Herodes  in  bezug  auf  den 
Tempelbau:  Wenn  du  den  Tempel  noch  nicht  eingerissen  hast,  so  reiße  ihn  nicht  ein; 
wenn  du  ihn  eingerissen  hast,  so  baue  ihn  nicht  auf;  wenn  du  ihn  aber  eingerissen  u. 
wieder  aufgebaut  hast,  so  ist  das  ein  schlechter  Knecht  s^'a  xr^y ;  holt  man  Rat  ein,  nach- 
dem man  gehandelt  hat?  ||  MidrKL  Einl.23  (35'^):  Rabbi  hat  gesagt:  Achtzehn  Jahre  lang 


^  So  der  Text:  rran  nrs  5y;  der  Kommentar  Matth^'noth  K^hunna  will  lesen: 
Pi^jn  nrs  Vy  =  an  der  Tür  der  Weinschenken. 

^  l'^D'^'ijpNp  u.  Tom^sp  nach  Krauß,  Lehnwörter  1,  273  f.  ^=  xccxrj  a't'()saig  u.  xuh" 
al'Qsaig;  vgl.  auch  Krauß,  Archäol.  2,  88. 


Matth  24,  51  (%.  So  1.2).  25,  1.  2.  5  969 

war  eine  Himmelsstimme  (Bath-Qol)  im  Palast  des  Nebukadne^ar  ausgegangen,  welche 
rief:  Böser  Knecht  sr";  snai',  geh,  zerstöre  das  Haus  deines  Herrn  (Gottes)! 

24,5151:  Er  wird  ihn  in  zwei  Teile  zerschneiden  (aufspalten). 

6ixoTOf.i)'jCf£i,  x'nptpj  rr^b  ii^",  bezeichnet  das  Aufspalten  des  Leibes- 
mit  dem  Schwert  im  Gegensatz  zum  Abhauen  des  Kopfes,  s.  Sanh  521^ 
im  Exk.  über  das  altjüd.  Sklavenwesen  B,  4,  b. 

Der  von  Schöttgen,  Horae  S.  215  aus  cArakh  14^  zitierte  Mischnasatz:  ,Si  quis. 
Optimum  vel  pessimum  servuni  interficit,  is  dat  triginta  Selaim'  bezieht  sich  auf  de» 
Fall,  daß  ein  stößiger  Ochse  einen  Sklaven  tötet. 

24,5123:  Er  wird  sein  Teil  mit  (bei)  den  Heuchlern  setzen; 
dort  wird  Heulen  u.  Zähneknirschen  sein. 

1.  Daß  die  Heuchler  für  den  Gehinnom  bestimmt  sind,  wird  ausge- 
sprochen Sota  4  l'J;s.  bei  Mt  23,13  S.  922;  ferner  s.  Exk.  „Sch^ol"  usw.  11,7,  L 

2,  To  fjisQog  avTov  .  .  .  ^i](T€t  =  phr^  ■n:  oder  pbn  niir. 

pB'^rakh  4, 7^,  31  sagt  R.  N^chonja  b.  Ha-qana  (um  70)  in  einem  Gebet:  „Ich  danke 
dir,  Jahve,  mein  Gott  u.  Gott  meiner  Väter,  daß  du  mir  mein  Teil  gegeben  hast  rr^v 
'phn  von  dem  derjenigen,  die  im  Lehrhaus  u.  in  den  Synagogen  sitzen,  u.  daß  du  mir 
mein  Teil  nicht  in  den  Theatern  u.  Zirkussen  gegeben  hast.  —  In  der  Parallelstelle 
B'rakh  28'^  steht  'pVn  rnvv .  Vgl.  auch  die  Gebetswünsche  des  R.Jose  (um  150) 
Schab  118'^,  die  sämtlich  beginnen:  „Möge  mein  Teil  sein"   'phr,  arr . 

25,1:  Das  Himmelreich  gleich  zehn  Jungfrauen, 
welche  ihre  Lampen  nahmen. 

Dem  Gleichnis  von  den  zehn  Jungfrauen  ähneln  in  etlichen  Zügen» 
zwei  rabbin.  Gleichnisse,  die  die  Sterbensbereitschaft  einschärfen;  s. 
Schab  153^^  u.  Midr  Qoh  9, 8  (42-'')  bei  Mt  22, 2  ff.  S.  878.  ||  Zum  Vergleich 
der  messian.  Zeit  mit  einer  Hochzeitsfeier  s.  bei  Offb  19,  7.  ||  Über  die- 
Heimführung  der  Braut  s.  bei  Mt  9, 15  ^;  ebenda  Anm.  g  S.  510  über  die 
faces  nuptiales. 

Betreffs  der  letzteren  sei  hier  Raschi  zu  Kelim2, 8  angeführt:  Im  Lande  Ismael 
ist  es  Sitte,  daß  man  die  Braut  aus  dem  Hause  ihres  Vaters  in  das  Haus  ihres  Mannes- 
während der  Nacht  führt  vor  ihrem  Eintritt  in  das  Brautgemach.  Man  trägt  vor  ihr  her 
etwa  zehn  Stangen,  an  deren  Spitze  sich  eine  Art  Schale  aus  Kupfer  befindet,  in  die  man- 
Kleiderfetzen  samt  Ol  u.  Baumharz  tut.  Das  zündet  man  an  u.  leuchtet  damit  vor  ihr  her. 

€ig  vrtdvTrjüiv  rov  wj^icfiov.  —  Umgekehrt:  „der  Braut  entgegen" 
M<^kh  Ex  19,17  (721»):  R.  Jose  (um  150)  hat  gesagt:  „Jahve  vom  Sinai 
kam"  Dt  33,  2,  um  Israel  zu  empfangen,  wie  ein  Bräutigam,  der  der 
Braut  entgegengeht  nV;  rxnp?  x:i'Ti  xinc.  Vgl.  PirqeREl  41  bei  Vers  6. 

25,2:  Fünf  von  ihnen  waren  töricht  u.  fünf  klug. 
IxcoQog  uis-j,  (fQovifiog  nps. 

25,5:  Alle  nickten  ein  u.  schliefen. 

ivvaxa^av  .  .  .  xai  ixdS^svdov. 

P''sl0,8:  Sind  einige  (während  der  Passahmahlzeit)  eingeschlafen  issJ-,  so  darf 
man.(weiter)essen;  wenn  alle,  so  dürfen  sie  nicht  (weiter)essen  (weil  die  Speisen  mög- 
lichenfalls unrein  geworden).  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Waren  sie  (nur)  eingenickt  ?.'a?"c:r3^ 


-970  Matth  25,  6.  12.  Uff.  (Nr.  1) 

«0  dürfen  sie  (weiter)essen;  waren  sie  fest  eingeschlafen  "'s--?,  so  dürfen  sie  nicht 
(weiter)essen.  ^  Dazu  bP'sl20'^:  Was  bedeutet  „einnicken"?  Rab  Aschi  (f  427)  hat 
gesagt:  Man  schläft  u.  man  schläft  nicht,  man  wacht  u.  man  wacht  nicht;  man  ruft 
ihm  zB  etwas  zu  u.  er  antwortet,  weiß  aber  nichts  Vernünftiges  zu  erwidern;  wenn 
man  ihn  jedoch  an  etwas  erinnert,  so  erinnert  er  sich  dessen.  —  Die  gleiche  Wort- 
■erklärung  auch  M'^'g  IS"^. 

25,6:  Um  Mitternacht  ward  ein  Geschrei:  Siehe, 
der  Bräutigam!  Geht  aus,  ihm  entgegen! 
PirqeRE141:  Mose  ging  (am  Tage  der  Gesetzgebung)  hinaus  ins  Lager  der  Israe- 
liten u.  weckte  sie  aus  ihrem  Schlaf:  Steht  auf  aus  eurem  Schlaf;  schon  kommt  der 
Bräutigam  (Gott)  u.  verlangt  nach  der  Braut  (Israel),  um  sie  in  das  Brautgemach  eia- 
zuführen,  u.  wartet  auf  sie,  um  ihnen  die  Tora  zu  geben.  Es  kam  der  Brautführer 
(Mose)  u.  führte  die  Braut  heraus,  wie  ein  Mensch,  der  des  Brautführeranits  bei  einem 
andren  wartet,  s.  Ex  19, 17:  Mose  führte  das  Volk  Gott  entgegen  aus  dem  Lager.  Und 
der  Bräutigam  ging  aus,  der  Braut  entgegen,  um  ihnen  die  Tora  zu  geben,  s.  Ps  68,8: 
Oott,  da  du  auszogst  vor  deinem  Volk  her. 

25,12:  Ich  kenne  euch  nicht  (s.  bei  7,23). 
Zu  dem  „Zu  spät"  unsres  Gleichnisses  lassen  sich  folgende  sprich- 
wörtliche Wendungen  stellen.  BQ  80^':  Die  Tür,  die  geschlossen  wurde, 
wird  nicht  so  bald  geöffnet  nran  ii^n-oi  nh  nbi-ssn  rbi  (=  eine  verpaßte 
<5elegenheit  kehrt  nicht  so  leicht  wieder).  H  Midr  Qohll,9  (52 b).:  „Doch 
wisse,  daß  um  alles  dieses  dich  Gott  ins  Gericht  bringen  wird"  Qoh  11,9. 
■Gleich  einem,  der  Äcker  u.  Weinberge  hatte,  aber  die  Hebe  u.  Zehnten 
nicht  absonderte.  Er  wurde  alt  u.  kam  in  seinem  ganzen  Vermögen 
herunter.  Da  sagte  er:  Wenn  ich  Äcker  u.  Weinberge  hätte,  würde  ich 
nicht  Hebe  u.  Zehnten  absondern?  Man  sagte  zu  ihm:  Jetzt  (gilt:)  was 
gewesen  ist,  das  ist  gewesen  (auch  die  besten  Vorsätze  einer  späteren  Zeit 
können  die  versäumte  Pflicht  früherer  Tage  nicht  wieder  gutmachen). 

25, 14ff.:  Das  Gleichnis  von  den  anvertrauten  Pfunden. 

1.  Die  in  Betracht  kommenden  rechtlichen  Verhältnisse.  Ein  Bankier 
■darf  Gelder,  die  ihm  als  offenes  Depositum  übergeben  sind,  in  seinem 
Interesse  geschäftlich  ausnützen;  für  Verluste  muß  er  einstehn.  Sind 
ihm  die  Gelder  nicht  als  offenes  Depositum  übergeben  worden,  so  darf 
•er  sie  nicht  nützen,  ist  aber  bei  ihrem  Verlorengehn  nur  dann  ersatz- 
pflichtig, wenn  er  sie  nicht  in  gebührender  Weise  sicher  verwahrt 
hatte.  —  Einer,  der  nicht  berufsmäßiger  Bankier  ist,  darf  ihm  an- 
vertraute Gelder  unter  keinen  Umständen  verwerten;  auch  er  kann 
regreßpflichtig  gemacht  werden  nur,  falls  er  es  an  der  nötigen  Vorsicht 
bei  ihrer  Aufbewahrung  hat  fehlen  lassen.»  —  Anders  ein  Sklave:  er  ist 
wie  sein  Herr;b  er  darf  deshalb  von  seinem  Herrn  ihm  übergebene  Gelder 
nutzbringend  verwenden ;  jedoch  gehört  der  erzi  elte  Gewinn  seinem  Herrn ; 
denn  alles,  was  der  Sklave  erwirbt,  erwirbt  er  für  seinen  Herrn,  c 

a.  BM3,  lOf.:  Wenn  jemand  Geld  einem  andren  zur  Aufbewahrung  übergibt  u. 
•dieser  bindet  es  ein  u.  läßt  es  auf  seinem  Rücken  herabhangen  oder  übergibt  es  seinem 
unmündigen  Sohn  oder  seiner  unmündigen  Tochter  oder  verschließt  es  nicht  gehörig 


Matth  25,  14  ff.  (Nr.  1.  2).  25,  18  971 

vor  diesen,  so  ist  er  ersatzpflichtig,  weil  er  es  nicht  verwahrt  hat,  wie  man  es  zu  ver- 
wahren pflegt;  wenn  er  es  aber  verwahrt  hat,  wie  man  es  zu  verwahren  pflegt,  so  ist 
er  straflos.  —  Wenn  jemand  Geld  bei  einem  Bankier  -j-Vvii  deponiert,  so  darf  dieser  es, 
wenn  es  eingebunden  war,  nicht  benützen;  deshalb  ist  er,  wenn  es  verloren  geht,  nicht 
zu  Ersatz  verpflichtet;  war  es  aber  offen,  so  darf  er  es  benutzen;  deshalb  ist  er,  wenn 
es  verloren  geht,  zu  Ersatz  verpflichtet.  Hat  er  es  sonst  einem  Besitzer  (Hausvater) 
übergeben,  es  sei  eingebunden  oder  offen,  so  darf  dieser  es  nicht  benützen;  deshalb 
ist  er,  wenn  es  verloren  geht,  nicht  zu  Ersatz  verpflichtet.  —  Von  einem  Kaufmann  gilt, 
was  von  einem  Besitzer  (Hausvater)  gilt,  so  R.  Meir  (um  150);  R.  J%uda  (um  150)  sagte: 
Vom  Kaufmann  gilt,  was  vom  Bankier  gilt.  —  Ähnlich  M'^Ul  6,5;  TM'Hl  2,  11  (560). 

b.  BQ  21^:  Sein  (des  Herrn)  Sklave  ist  wie  er  selbst.  ||  MSch4, 4:  Ihre  (der  kanaa- 
näischen  Sklaven  u.  Sklavinnen)  Hand  ist  wie  seine  (des  Herrn)  Hand.  —  Ahnlich 
öfters  zBpQid  1,60^,23.  38. 39:  12^  n-3  ^2>'  ^-. 

C.  Qid  23'^  (zweimal):  Der  Sklave  erwirbt  nichts  außer  für  seinen  Herrn.  |1  Qid23'^ 
^  P^s  88b:  Was  der  Sklave  erwirbt,  erwirbt  sein  Herr.  ||  M'^g  16 b;  Wenn  ein  Sklave 
Vermögen  erwirbt,  wem  gehört  der  Sklave  u.  wem  das  Vermögen?  (Die  Antwort  würde 
lauten:  seinem  Herrn.)  So  auch  Sanh9H;  105'.  ||  TBQ  11,  2  (370):  Wenn  ein  Sklave 
Handel  treibt  mit  dem  Vermögen  seines  Herrn  .  .  .,  so  gehört  das  Erworbene  dem 
Herrn.  —  Diese  Sätze  gelten  übrigens  nur  von  dem  „kanaanäischen"  Sklaven,  d.  h. 
einem  Sklaven,  der  von  Geburt  ein  Nichtisraelit  war;  ein  Sklave,  der  ein  geborener 
Jude  war  —  der  sogenannte  „hebräische*  Sklave  —  war  wesentlich  besser  gestellt, 
er  konnte  auch  für  sich  Vermögen  erwerben. 

2.  Formell  ähnliche,  in  ihrer  Tendenz  aber  abweichende  rabbin. 
Gleichnisse. 

LvR  18  bei  Mt  5,  8  S.205f.;  Schab  152b  im  Exk.  „Sch-^ol"  11,4.  |1  AbothRN  14:  Als 
ein  Sohn  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  gestorben  war  .  .  .,  ging  R.  El'azar 
b.  c  Azarja  (andre  Lesart:  b.  c  Arakh)  zu  ihm  (um  ihn  zu  trösten).  Als  er  ihn  erblickte,  sprach 
er  zu  seinem  Diener:  Nimm  meine  Kleider  u.  folge  mir  zum  Badehaus;  denn  er  (R.  EI.) 
ist  ein  angesehener  Mann  u.  ich  mag  (so  in  Trauer)  vor  ihm  nicht  stehn.  Er  trat  ein 
u.  setzte  sich  vor  ihn.  R.  El.  sprach  zu  ihm:  Ich  will  dir  ein  Gleichnis  sagen.  Womit 
läfst  sich  die  Sache  vergleichen?  Mit  einem  Menschen,  bei  dem  der  König  etwas  zur 
Verwahrung  niederlegte.  An  jedem  Tage  weinte  u.  schrie  er  u.  sagte:  W^ehe  mir,  wann 
werde  ich  (endlich)  dieses  Depositums  in  Frieden  ledig  gehn!  Auch  du,  mein  Lehrer 
(Rabbi),  hattest  einen  Sohn;  er  hat  die  Schrift'  studiert,  die  Tora,'  die  Propheten  u. 
die  Hagiographen,  die  Mischna,  die  Halakhoth  u.  die  Haggadoth  (die  nichthalakhischen 
Schriftauslegungen)  u.  dann  ist  er  aus  der  Welt  geschieden  ohne  Sünde.  [„Du'^  darfst 
die  Tröstung  annehmen,  nachdem  du  das  dir  Anvertraute  unversehrt  zurückgegeben 
hast."]  Er  antwortete:  R.  Elcazar,  mein  Sohn,  du  hast  mich  getröstet,  wie  Menschen 
(nur  immer)  trösten  können. 

25,18:  Er  grub  Erde  auf  u.  verbarg  das  Geld  seines  Herrn. 
Vergraben  von  Geld  zur  Sicherung  vor  Dieben  bezeugt: 
Schab  102'^:  R.  Jirm«^ja  (um  320)  hat  gesagt:  So  gräbt  ein  Armer  eine  Grube,  um 
darin  seine  P'^ruten  (Pfennige)  zu  verbergen.  |1  BM42*:  Sch^muel  (f  254)  hat  gesagt: 
Für  Geld  gibt  es  eine  (sichere)  Aufbewahrung  nur  in  der  Erde.  .  .  .  Und  jetzt,  wo  es 
Erdaufwühler  gibt  (die  nach  vergrabenen  Schätzen  suchen),  gibt  es  eine  Aufbewahrung 
nur  hoch  oben  im  (Dach-)Gebälk.  Und  jetzt,  wo  es  Aufbrecher  (der  Balken)  gibt,  gibt 
es  eine  Aufbewahrung  nur  zwischen  den  Steinschichten.  Raba  (f  352)  hat  gesagt:  Und 
Sch^'muSl  hat  beigestimmt  in  bezug  auf  die  Steinschichten  in  der  Wand.   Und  jetzt, 

'  Der  Text  liest  erst  n-in  u.  dann  is^pa  (Schrift);   die  Worte  sind  umzustellen; 
dann  wird  das  allgemeine  s"^p»3  zerlegt  in  r-nr,  a's^a:,  D-2ir:. 
2  Dieser  Satz,  wohl  infolge  Irrtums,  nicht  in  allen  Zeugen. 


972  Matth  25, 18.  21  (21.  ») 

wo  es  Klopfer  gibt  (die  durch  Klopfen  HoLlräume  in  der  Wand  feststellen),  gibt  es 
(in  einer  Wand)  eine  Aufbewahrung  nur  eine  Handbreite  über  der  Erde  oder  eine  Hand- 
breite unter  der  Höhe  des  (Dach-)6ebälkes.  ||  slav.  Heuoch  51,1  f.:  Reichet  dar  eure 
Hände  den  Armen  nach  eurem  Vermögen.  Verberget  nicht  eure  Schätze  in  die  Erde.  il 
BM42^:  Sch^muel  hat  gesagt:  Für  Geld  gibt  es  eine  (sichere)  Aufbewahrung  nur  in 
der  Erde.  Raba  hat  gesagt:  Sch^'muel  hat  aber  eingeräumt,  daß  die  Rabbinen  am  Rüst- 
tag auf  den  Sabbat  während  der  Dämmerung  jemanden  nicht  damit  behelligt  haben 
(nämlich  ein  ihm  anvertrautes  Depositum  zu  vergraben,  so  daß  «r  also  nicht  ersatz- 
pflichtig ist,  wenn  das  Depositum  in  der  Nacht  zum  Sabbat  gestohlen  wird).  Wenn  er 
aber  nach  Ausgang  des  Sabbats  so  lange  Zeit  damit  gezögert  hatte,  wie  zum  Ver- 
graben nötig  ist,  ohne  es  zu  vergraben,  so  ist  er  (falls  es  gestohlen  wird)  ersatz- 
pflichtig. —  Diese  Stelle  zeigt,  daß  der  Knecht  in  Mt  25, 18  genau  so  gehandelt  hat, 
wie  es  die  Halakha  von  einem  gewissenhaften  Verwahrer  eines  Depositums  erwartete.  — 
Zum  Nachgraben  der  Diebe  vgl.  auch  Mt  6, 19  S.  431  u.  24,  43  S.  967. 

25,2151:  Wohl,   du   guter  u.  getreuer  Knecht,   über  wenigem 
warst  du  treu,  über  vieles  will  ich  dich  setzen. 

ExR  2  (68''):  Mose  war  Hirt  des  Kleinviehs  Ex  3, 1.  Das  meint  Spr  30,  5:  ,  Jeg- 
liche Rede  Gottes  ist  geläutert."  Gott  gibt  einem  Menschen  erst  dann  Größe,  wenn 
er  ihn  bei  einer  kleinen  Sache  erprobt  hat;  darauf  erst  erhebt  er  ihn  zur  Größe.  Siehe, 
du  hast  zwei  Große  der  Welt,  die  Gott  bei  einer  kleinen  Sache  erprobt  hat,  u.  als  sie 
treu  a-;^s:  erfunden  waren,  erhob  er  sie  zur  Größe.  Er  erprobte  David  beim  Klein- 
vieh: dieser  führte  sie  nur  in  die  Wüste,  um  sie  fernzuhalten  vom  Raube  (denn  in 
der  Wüste  konnten  sie  nicht  fremder  Leute  Äcker  abweiden).  So  sprach  auch  Eli^ab 
zu  David  1  Sm  17,  28:  Wem  hast  du  das  wenige  Kleinvieh  in  der  Wüste  anvertraut? 
Das  lehrt,  daß  David  (den  Mischnasatz)  beobachtet  hat:  „Man  züchtet  kein  Kleinvieh 
im  Lande  Israel"  BQ  7,  7.  Da  sprach  Gott  zu  ihm:  Du  bist  treu  erfunden  worden  beim 
Kleinvieh,  komm  u.  weide  meine  Schafe,  s.  Ps  78,  71 :  „Hinter  den  Säugenden  weg  holte 
er  ihn."  Ebenso  heißt  es  von  Mose  Ex  3, 1 :  „Er  trieb  das  Kleinvieh  hinter  die  Wüste", 
um  sie  vom  Raube  fernzuhalten.  Da  nahm  ihn  Gott,  daß  er  Israel  weidete,  s.  Ps  77,  21 : 
Du  führtest  wie  Sohafe  dein  Volk  durch  die  Hand  Moses  u.  Ahrons.  —  Etwas  breiter 
Tanch  ri'cT  61^.  ||  Tanch  a-ij-^i  45^:  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Wer  ist  der  Größte 
unter  den  Treuen  d^j'sss?  Drei  Treue  gibt  es:  ein  Besitzer  (Hausvater),  der  seine 
Zehnten  aussondert,  wie  es  sich  gebührt,  u.  sich  nicht  verdächtig  macht  in  bezug  auf 
Hebe  u.  Zehnt;  kein  Treuer  ist  größer  als  dieser.  Ferner  ein  Armer,  bei  dem  man 
etwas  zur  Verwahrung  niedergelegt  hat  u.  der  sich  nicht  verdächtig  macht  in  bezug  auf 
das  Niedergelegte;  kein  Treuer  ist  größer  als  dieser.  Endlich  ein  Unverheirateter,  der 
in  einem  Dorf  in  der  Nachbarschaft  von  Buhlerinnen  wohnt  u.  nicht  sündigt;  kein 
Treuer  ist  größer  als  dieser.  ||  B^'rakh  16*^  Bar:  Für  (verstorbene)  Sklaven  u.  Sklavinnen 
hält  man  keine  Klagefeier  ab.  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Wenn  es  ein  frommer  ("^rs) 
Sklave  war,  sagt  man  über  ihn:  Wehe,  ob  des  guten  u.  getreuen  psji  zii:  Mannes, 
der  sich  seiner  Arbeit  erfreuen  durfte. 

25,21  23:  Gehe  ein  zu  deines  Herrn  Freude. 

XaQCi  =  ririTüb,  aram.  xiin,  Nriiin;  diese  bedeuten  jedoch  nicht  nur 
„Freude",  sondern  auch  „Freudenfest",  insonderheit  „Hochzeit".  Also 
kann  x«C«  hier  im  Sinne  von  „Freudenmahl"  gemeint  sein;  vgl.  Dalman, 
Worte  Jesu  1,  96. 

DtR  9  (205'^  zweimal):  Unsre  Lehrer  haben  gesagt:  Es  geschah  einmal,  daß 
R.  Schimgon  b.  Chalaphta  (um  190)  zu  einem  Beschneidungsfest  ging  u.  dort  speiste. 
Der  Vater  des  Kindes  kredenzte  ihnen  sieben  Jahre  alten  Wein  u.  sprach:  Von  diesem 
Wein  werde  ich  liegen  lassen  zur  Hochzeit  meines  Sohnes  ^33  hv  ^rrt'avh.  ...  —  Ij 
LvR  28  (126''):  R.  Schimfon  b.  Rabbi  (um  220)  nahm  ein  Weib;  Rabbi  lud  alle  Rabbinen 


Matth  25,  21  (S).  25,  24.  27.  31  (?l  1)  973 

ein,  nur  den  Bar  Qappara  nicht.  Da  schrieb  dieser  ihm  an  die  Haustür:  Nach  deinem 
Freudenmahl  Tjr?- rb  (Hochzeit)  stirbst  du,  was  für  einen  Gewinn  hast  du  von  deinem 
Freudenmahl?  |1  Git  68'':  Aschm*^dai  (Fürst  der  Dämonen)  sah  eine  Hochzeit  sm^-;-, 
auf  der  man  sehr  fröhlich  war;  da  weinte  er.  „Warum  hast  du  geweint?"  Er  ant- 
wortete: Der  Mann  muß  in  dreifaig  Tagen  sterben,  u.  dann  wird  sie  dreizehn  Jahre 
lang  auf  einen  minorennen  Schwager  (zwecks  Eingehung  der  Leviratsehe)  warten 
müssen.  ||  ExR  18  (80^^):  Gleich  einem  König,  der  seinem  Sohn  ein  Freudenmahl  n-^v 
(=  Hochzeit)  machte  u.  seine  Feinde  tötete.  Der  König  sprach:  Wer  mich  erfreut  hat, 
der  komme  zum  Freudenmahl  meines  Sohnes,  wer  mich  aber  haßt,  der  soll  mit  den 
Feinden  getötet  werden.  So  bereitete  Gott  Israel  ein  Freudenfest,  als  er  sie  (aus 
Ägypten)  erlöste.  Gott  sprach:  Wer  meine  Kinder  liebt,  der  komme  u.  freue  sich  mit 
meinen  Kindern!  Da  kamen  die  Frommen  unter  den  Ägyptern  u.  hielten  das  Passah 
mit  den  Israeliten  u.  zogen  mit  ihnen  herauf,  s.  Ex  12,  38. 

25,24:  Erntend,  wo  du  nicht  gesät  hast. 
Das  Gegenteil  Micha  6, 15 :  Du  wirst  säen  u.  nicht  ernten. 

25,27:  Du  hättest  das  Geld  den  Wechslern  hingeben  sollen, 
u.  ich  kommend  hätte  das  Meine  mit  Gewinn  erhalten. 
Man  übergab  dem  Bankier  irnbvr  Geld  zur  Ausnützung  in  seinem 
Geschäft  u.  erhielt  dafür  einen  kleinen  Gewinnanteil;  vgl,  bei  Mt25, 14 fp. 
TMSch  1, 1  (86):   Man   darf  (zweiten  Zehnt)  nicht  dem  Wechsler  übergeben,   um 
Nutzen  davon  zu  erzielen  ana  nar:-'?.  ||  BM48^:  Weil  (der  W.  von  einem  offenen  De- 
positum) Nutzen  hat,  so  gewährt  er  Nutzen  (Gewinnanteil)  njn^s  riDnr  V-sir:. 

25,29:  Jedem,  welcher  hat,  wird  gegeben  werden  (s.  bei  13, 12), 

25,31—46:  Das  Weltgericht 
(s.  den  Exk.:  Gerichtsgemälde  aus  der  altrabbin.  Literatur). 

25,31  %:  Alle  Engel  mit  ihm, 

1.  Die  Engel  begleiten  Gott  bei  seinem  Erscheinen  zum  Gericht. 
Henoch  1,  3ff. :  Der  große  Heilige  wird  von  seinem  Wohnort  ausziehen  u.  der  Gott  der 
Welt  wird  von  da  auf  den  Berg  Sinai  treten,  mit  seinen  Heerscharen  sichtbar  werden 
u.  in  der  Stärke  seiner  Macht  vom  Himmel  der  Himmel  her  erscheinen.  Da  werden 
alle  Menschen  sich  fürchten,  die  Wächter  (vgl.  Dn  4, 10.  14.  20)  werden  erbeben,  u. 
große  Furcht  u.  Angst  wird  sie  bis  an  die  Enden  der  Erde  erfassen.  Die  hohen  Berge 
werden  erschüttert  werden,  fallen  u.  zergehen,  die  ragenden  Hügel  sich  senken  u,  in 
der  Flamme  wie  Wachs  vor  dem  Feuer  schmelzen.  Die  Erde  wird  gänzlich  zerschellen 
u.  alles  auf  ihr  Befindliche  umkommen,  u.  ein  Gericht  wird  über  alle  stattfinden.  Mit 
den  Gerechten  aber  wird  er  Frieden  schließen  u.  die  Auserwählten  behüten.  Gnade 
wird  über  ihnen  walten,  u.  sie  werden  alle  Gott  angehören.  Sie  werden  sein  Wohlgefallen 
haben  u.  gesegnet  sein,  u.  das  Licht  Gottes  wird  ihnen  scheinen.  Und  siehe,  er  kommt 
mit  Myriaden  Heiliger  (=  Engel),  um  über  alle  Gericht  zu  halten,  u.  er  wird  alle  Gott- 
losen vernichten  u.  alles  Fleisch  zurechtweisen  wegen  all  der  gottlosen  Werke,  die 
die  gottlosen  Sünder  begangen,  u.  wegen  all  der  heftigen  Eeden,  die  sie  gesprochen, 
u.  wegen  all  dessen,  was  sie  über  ihn  Übles  geredet  haben. 

Eine  Begleitung  des  Messias  durch  die  Engel  (vgl.  im  NT.  außer  Mt  25,  31 
noch  1  Thess  8,  13;  2  Thess  1,7)  scheint  die  altjüdische  Literatur  nicht  zu  kennen.  Die 
Stelle  4  Esra  7,  28:  „Mein  Sohn,  der  Christus,  wird  sich  offenbaren  samt  allen  bei  ihm", 
die  man  (zB  Gunkel  z.  St.)  für  diese  Vorstellung  in  Anspruch  genommen  hat,  besagt 
etwas  andres,  nämlich  daß  die  bei  Leibesleben  ins  Jenseits  entrückten  Männer  (wie 
Henoch,  Elias,  Esra,  Barukh)  zugleich  mit  dem  Messias  auf  der  Erde  wieder  erscheinen 
werden.  Der  Messias  hält  wohl  Gericht  über  alle  Engelmächte  u.  wird  dabei  von  diesen 
gepriesen  (Henoch  61,  6  ff.),  aber  als  Gefolge  des  Messias  treten  sie  nirgends  hervor. 


974  Mattb  25,31  (512.  SB  1) 

2.  Das  Mitwirken  der  Engel  beim  Gericht  wird  in  den  Pseudepigraphen 
oft  erwähnt.  Henoch  53,  3 ff.:  Ich  habe  gesehen,  wie  die  Plageengel  sich  dort  aufhielten 
u.  allerlei  Marterwerkzeuge  dem  Satan  zurechtmachten.  Da  fragte  ich  den  Engel  des 
Friedens,  der  mit  mir  ging:  Für  wen  bereiten  sie  jene  Marterwerkzeuge?  Er  sagte 
zu  mir:  Jene  sind  für  die  Könige  u.  die  Mächtigen  der  Erde,  dafs  sie  damit  vernichtet 
werden.  —  Das.  54,  6:  Mikhael,  Gabriel,  Raphael  u.  Phanuel  werden  sie  (die  gefallenen 
Engel)  an  jenem  großen  Tage  packen  u.  an  jenem  Tage  in  den  brennenden  Feuerofen 
werfen,  damit  der  Herr  der  Geister  Rache  nehme  für  ihre  Ungerechtigkeit,  dafür,  daß 
sie  dem  Satan  Untertan  wurden  u.  die  Erdenbewohner  verführten.  .  .  .  (55,3:)  Dann 
geschieht  es  auf  meinen  Befehl,  wenn  ich  wünsche,  daß  sie  durch  die  Hand  der  Engel 
gepackt  werden  am  Tage  der  Trübsal  u.  des  Leidens,  infolge  dieses  meines  Zorns  u. 
Strafgerichts,  so  wird  mein  Zorn  u.  Strafgericht  über  ihnen  bleiben,  spricht  Gott,  der 
Herr  der  Geister.  —  Das.  56,  Iff. :  Ich  sah  dort  Scharen  von  Strafengeln  einhergehn 
u.  Peitschen  u.  Ketten  von  Eisen  u.  Erz  halten.  Ich  fragte  den  Engel  des  Friedens, 
der  mit  mir  ging,  indem  ich  sagte:  Zu  wem  gehen  diese,  die  da  Peitschen  tragen? 
Er  sagte  zu  mir:  Ein  jeder  geht  zu  seinen  Auserwählten  u.  Geliebten,  damit  sie  in 
den  tiefsten  Abgrund  des  Tals  geworfen  werden.  —  Das.  62, 11:  Die  Strafengel  worden 
sie  (die  Könige  u.  Mächtigen  u.  Hohen)  in  Empfang  nehmen,  um  an  ihnen  Rache  da- 
für zu  nehmen,  daß  sie  seine  (Gottes)  Kinder  u.  Auserwählten  mißhandelt  haben.  — 
Das.  63, 1:  In  jenen  Tagen  werden  die  Mächtigen  u.  die  Könige,  die  das  Festland  be- 
sitzen, seine  Strafengel,  denen  sie  überliefert  sind,  anflehen,  daß  man  ihnen  ein  wenig 
Ruhe  gewähre.  —  Das.  100,  4 f.:  In  jenen  Tagen  werden  die  Engel  in  Verstecke  herab- 
steigen u.  alle  Helfer  der  Sünde  an  Einen  Ort  zusammenbringen;  der  Höchste  wird 
sich  an  jenem  Tage  des  Gerichts  aufmachen,  um  das  große  Gericht  unter  d«n  Sündern 
zu  halten.  Über  alle  Gerechten  u.  Heiligen  wird  er  heilige  Engel  zu  Wächtern  ein- 
setzen, daß  sie  sie  wie  einen  Augapfel  bewachen,  bis  er  aller  Schlechtigkeit  u.  aller 
Sünde  ein  Ende  gemacht  hat.  —  Ferner  s.  Henoch  10, 16ff. ;  Assumptio  Mosis  10,  2.  J 
In  der  rabbin.  Literatur  treten  die  Engel  beim  Endgericht  so  gut  wie  gar  nicht  her- 
vor; s.  die  wenigen  Stellen  bei  Mtlo,  41. 

25,31  33:  Dann  wirdersitzen  auf  dem  Thronseiner  Herrlichkeit. 

1 .  Der  Thron  der  Herrlichkeit  gehört  zu  den  vorweltlichen  Schöpfungen. 

P«s  54*  Bar:  Sieben  Dinge  sind  geschaffen  worden,  bevor  die  Welt  erschaffen 
ward:  die  Tora,  die  Buße,  der  Gan  ?Eden,  der  Gehinnom,  der  Thron  der  Herrlichkeit 
-■32-  SS?,  das  (himmlische)  Heiligtum  u.  der  Name  des  Messias.  ...  —  Der  Thron 
der  Herrlichkeit  s.  Jer  17, 12:  Du  Thron  der  H.,  erhaben  vor  dem  Anbeginn  (der  Welt, 
so  der  Midr).  —  Dasselbe  N'^d  89'',  nur  daß  als  Belegstelle  für  die  Vorweltlichkeit 
des  Thrones  der  H.  angeführt  wird  Ps93, 2:  Gegründet  ist  dein  Thron  von  jeher.  — 
Abweichend  GnR  1  (2'^):  Sechs  Dinge  gingen  der  Weltschöpfung  vorauf;  einige  von 
ihnen  wurden  (wirklich)  erschaffen  u.  einige  von  ihnen  stiegen  in  (Gottes)  Gedanken 
auf,  um  (dereinst)  erschaffen  zu  werden.  Die  Tora  u.  der  Thron  der  H.  wurden  (wirk- 
lich) erschaffen;  die  Tora,  s.  Spr8,  22;  der  Thron  der  H.,  s.  Ps  93,  2  (wie  oben  in 
N'^d  89  b).  Die  Väter  u.  Israel  u.  das  (untere)  Heiligtum  u.  der  Name  des  Messias  stiegen 
in  Gedanken  auf,  um  erschaffen  zu  werden.  .  .  .  Aber  ich  weiß  nicht,  was  von  ihnen 
früher  da  war,  ob  die  Tora  dem  Thron  der  H.  oder  ob  der  Thron  der  H.  der  Tora 
voraufgegangen  ist.  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310)  hat  gesagt:  Die  Tora  ist  dem  Thron 
der  H.  voraufgegangen ;  s.  Spr  8,  22 :  Jahve  hat  mich  geschaffen  als  den  Anfang  seines 
Weges,  d.  h.  vor  dem,  von  dem  es  heißt  Ps  93,  2:  Gegründet  ist  dein  Thron  seit  da- 
mals (nämlich  nach  der  Zeit,  von  der  Spr  8,  22  redet).  —  Von  den  zahlreichen  Parallel- 
stellen schließen  sich  an  das  in  GnR  1  Gesagte  an:  Tanch  sri  197^;  TanchB  x-:;:  §  19 
(17b);  Midr  Ps  93  §  3  (207 1>);  der  Bar  im  bT  folgen:  Seder  ElijR  29  (160);  Midr  Spr  8 
§9  (30*);  PirqeREl  3  u.  Midr  Ps  90  §  12  (196»).  Die  letzte  Stelle  bietet  etliche  be- 
merkenswerte Einzelheiten :    Sieben  Dinge   gingen  2000  Jahre    der  Welt  vorauf :    die 


Mattli  25,  31  (S81.2)  975, 

Tora,  der  Thron  der  H.,  der  Gan  fEden,  der  Gehinnom,  die  Buße,  das  obere  Heiligtum 
u.  der  Name  des  Messias.  Worauf  stand  die  Tora  geschrieben?  Mit  schwarzem  Feuei 
auf  weißem  Feuer,  u.  sie  lag  auf  Gottes  Knie  u.  Gott  saß  auf  dem  Thron  der  H.  u. 
der  Thron  der  H.  stand  durch  die  Gnade  Gottes  auf  dem  Firmament,  das  über  den 
Häuptern  der  heiligen  Tiere  (Chajjoth)  ist  (vgl.  Ez  1,  22 — 26;  10,  1);  aber  die  heiligen 
Tiere  waren  in  jener  Stunde  noch  nicht.  Und  der  Gan  fEden  befand  sich  zur  Rechten 
Gottes  u.  der  Gehinnom  zu  seiner  Linken  u.  das  Heiligtum  war  vor  ihm  errichtet  u. 
der  Name  des  Messias  war  eingraviert  in  einen  Edelstein  über  dem  Altar  (des  Heilig- 
tums), eine  Himmelsstimme  aber  verkündete:  Kehret  um,  ihr  Menschenkinder.  AUes- 
wurde  getragen  von  der  Kraft  Gottes;  u.  als  Gott  seine  Welt  schuf,  schuf  er  die  heiligen 
Tiere  u.  befestigte  das  Firmament  (s..  oben)  samt  jenem  allem  über  ihren  Hörnern,, 
s.  Ez  1,22.  R.  Huna  (um  350)  hat  gesagt,  R.  Schirafon  b.  Laqisch  (um  250)  habe  ge- 
sagt: 2000  Jahre  sind  diese  Dinge  mit  der  Tora  der  Weltschöpfung  voraufgegangen; 
denn  es  heißt  Spr  8,  30:  Ich  (Weisheit  =  Tora)  war  bei  ihm  Werkmeisterin  u.  eitel 
Entzücken  Tag  für  Tag  m^  n-.  Ein  Tag  Gottes  sind  1000  Jahre,  s.  Ps  90,  4  (also  sind 
cv  er,  zwei  Tage  =  2000  Jahre).  —  Diesen  Spekulationen. liegt  der  Gedanke  zugrunde,, 
daß  der  Weltplan  Gottes  bis  hin  zum  Weltgericht  samt  den  Stätten  der  Belohnung  u^ 
der  Strafe  im  voraus  von  Gott  unabänderlich  festgesetzt  worden  ist. 

2.  Beschreibungen  des  göttlichen  Thrones  sind  in  der  älteren  jiid. 
Literatur  verhältnismäfsig  selten,  a  Das  hängt  jedenfalls  damit  zu- 
sammen, daß  dieser  Stoff  zu  den  theosophischen  Geheimlehren  der 
Wagenerscheinung  Ez  1  u,  10,  nins-i:?  oder  nas-i??  n=w^;?2  gehörte,  deren 
öffentliche  Besprechung  untersagt  war.b 

a.  Henoch  14,  Off. :  Wolken  u.  Winde  trugen  mich  (Henoch)  hinein  in  den  HimmeL- 
Ich  trat  ein,  bis  ich  mich  einer  Mauer  näherte,  die  aus  Kristallsteinen  gebaut  u.  vo» 
feurigen  Zungen  umgeben  war;  u.  sie  begann  mir  Furcht  einzujagen.  Ich  trat  in  die 
feurigen  Zungen  hinein  u.  näherte  mich  einem  großen  aus  Kristallsteinen  gebauten 
Hause.  .  .  .  Seine  Decke  war  wie  die  Bahn  der  Sterne  u.  Blitze,  dazwischen  feurige 
Kerube,  u.  ihr  Himmel  bestand  aus  Wasser.  Ein  Feuermeer  umgab  seine  Wände,  u. 
seine  Türen  brannten  von  Feuer.  Ich  trat  ein  in  jenes. Haus,  das  heiß  war  wie  Feuer 
u'  kalt  wie  Schnee.  Da  war  keine  Lebenslust  vorhanden;  Furcht  umhüllte  mich  u. 
Zittern  erfaßte  mich.  Erschüttert  u.  zitternd  fiel  ich  auf  mein  Angesicht  u.  schaute 
folgendes  im  Gesichte:  Siehe,  da  war  ein  andres  Haus,  größer  als  jenes;  alle  seine  Türen 
standen  vor  mir  offen,  u.  es  war  aus  feurigen  Zungen  gebaut.  In  jeder  Hinsicht,  durch 
Herrlichkeit,  Pracht  u.  Größe  zeichnete  es  sich  so  aus,  daß  ich  euch  keine  Beschrei- 
bung von  seiner  Herrlichkeit  u.  Größe  geben  kann.  Sein  Boden  war  von  Feuer;  seinen 
oberen  Teil  bildeten  Blitze  u.  kreisende  Sterne,  u.  seine  Decke  war  loderndes  Feuer. 
Ich  schaute  hin  u.  gewahrte  darin  einen  hohen  Thron.  Sein  Aussehen  war  wie  Reif; 
um  ihn  herum  war  etwas,  das  der  leuchtenden  Sonne  glich  u.  das  Aussehen  von  Keruben 
hatte.  Unterhalb  des  Thrones  kamen  Ströme  lodernden  Feuers  hervor,  u.  ich  konnte 
nicht  hineinsehen.  Die  große  Majestät  saß  darauf;  sein  Gewand  war  glänzender  als 
die  Sonne  u.  weißer  als  lauter  Schnee.  Keiner  der  Engel  konnte  in  dieses  Haus  ein- 
treten u.  sein  Antlitz  vor  Herrlichkeit  u.  Majestät  schauen.  Kein  Fleisch  konnte  ihn 
sehen.  Loderndes  Feuer  war  rings  um  ihn;  ein  großes  Feuer  verbreitete  sich  vor  ihm,, 
u.  keiner  (der  Engel)  näherte  sich  ihm.  Ringshei'um  standen  zehntausendmal  Zehn- 
tausende vor  ihm,  u.  alles,  was  ihm  beliebt,  das  tut  er.  Und  die  Heiligsten  der  Heiligen,, 
die  in  seiner  Nähe  stehen,  entfernten  sich  nicht  bei  Nacht  oder  bei  Tage,  noch  gingen  sie- 
wenig von  ihm.  —  Eine  ähnliche  Schilderung  Henoch  71,  5  ff.  u.  slav.  Henoch  20 — 22. 

Chag  IS'"*  Bar:  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80)  hat  gesagt:  Welche  Antwort 
erteilte  die  Himmelsstimme  jenem  Gottlosen  (Nebukadne9ar),  als  er  sprach  (Jes  14, 13)r 
„In  die  Himmel  will  ich  aufsteigen,  über  den  Sternen  Gottes  meinen  Thron  erhöhen" 
usw.?    Es  ging  eine  Himmelsstimme  aus,  die  ihm  zurief:  Frevler,  Sohn  eines  Frevlers- 


976  Matth  25,  31  (SB  2) 

Enkel  des  gottlosen  Ninirod,  der  die  ganze  Welt  gegen  ihn  (Gott)  in  seinem  Reiche 
zur  Empörung  gebracht  hat,  wie  viele  sind  der  Jahre  des  Menschen?  Siebzig  Jahre, 
s.  Ps  90, 10.  Und  nicht  wahr?  von  der  Erde  bis  zum  Firmament  ist  ein  Weg  von 
500  Jahren  u.  die  Dicke  des  Firmaments  ist  ein  Weg  von  500  J.  u.  ebensoviel  beträgt 
der  Zwischenraum  zwischen  den  einzelnen  Firmamenteu  (deren  es  sieben  gibt).  Über 
ihnen  sind  die  heiligen  Chajjoth :  die  Fußsohlen  der  Ch.  sind  so  hoch,  wie  jene  (zuvor- 
genannten) alle  zusammen;  -die  Knöchel  der  Ch.  sind  so  hoch,  wie  jene  alle  zus.;  die 
Unterschenkel  der  Ch.  so  hoch,  wie  jene  alle  zus.;  die  Kniee  der  Ch.  so  hoch,  wie  jene 
alle  zus.;  die  Lenden  der  Ch.  so  hoch,  wie  jene  alle  zus.;  der  Leib  der  Ch.  ist  so  groß, 
wie  jene  alle  zus.;  der  Hals  der  Ch.  ist  so  groß,  wie  jene  alle  zus.;  die  Köpfe  der  Ch. 
so  groß,  wie  jene  alle  zus.;  die  Hörner  der  Ch.  so  groß,  wie  jene  alle  zus.  Über  ihnen 
ist  der  Thron  der  Herrlichkeit:  Die  Füße  des  Thrones  der  H.  sind  so  hoch,  wie  jene 
alle  zus.;  der  Thron  der  H.  (selbst)  ist  so  hoch,  wie  jene  alle  zus.;  der  König,  Gott, 
der  ewig  Lebende  u.  Bleibende,  hoch  u.  erhaben  thront  auf  ihm  - —  u.  du  sagst:  „Ich 
will  auf  Wolkenhöhen  steigen,  will  dem  Allerhöchsten  mich  gleichstellen"!?  Fürwahr 
zur  Hölle  sollst  du  hinabfahrgn,  in  die  finstersten  Winkel  der  Grube  Jes  14, 14  f. 

Chag  12*^:  Im  (7.  Himmel,  genannt)  fAraboth  sind  die  Gerechtigkeit  u.  das  Recht 
«.  das  Erbarmen,  die  Schätze  des  Lebens  u.  die  Schätze  des  Friedens  u.  die  Schätze 
des  Segens,  die  Seelen  der  (verstorbenen)  Gerechten  u.  die  Geister  u.  Seelen,  die  der- 
einst geschaffen  (d.  h.  inkorporiert)  werden  sollen,*  u.  der  Tau,  durch  welchen  Gott  der- 
einst die  Toten  auferwecken  wird. . . .  Dort  sind  die  Ophannim  (Radengel)  u.  Seraphim, 
die  heiligen  Tiere  (Chajjoth)  u.  die  Engel  des  Dienstes  u.  der  Thron  der  Herrlichkeit. 
Der  König  aber,  der  lebendige  Gott,  hoch  u.  erhaben,  thront  über  ihnen  im  ?Araboth, 
s.:  „Machet  Bahn  dem,  der  im  fAraboth  einherfährt,  Jahve  ist  sein  Name!"  Ps  68,  5. 
Und  Finsternis  u.  Gewölk  u.  Wolkennacht  umringen  ihn,  s.:  „Er  machte  Finsternis 
zu  seiner  Hülle"  usw.  Ps  18,  12.  Aber  gibt  es  denn  Finsternis  vor  Gott  n'-cv  •■■op  (wört- 
lich: vor  dem  Himmel)?  Es  heißt  doch:  „Er  offenbart  Tiefes  u.  Verborgenes  .  .  .  u. 
Licht  hat  bei  ihm  seine  Wohnstätte"  Dn  2,  22!  Darin  liegt  kein  Widerspruch:  das  eine 
{Dn  2)  gilt  von  den  Innern  Gemächern  (in  denen  Gott  selbst  weilt)  u.  das  andre  (Ps  18) 
von  den  äußeren  Gemäcliei'n  (die  die  inneren,  wohl  konzentrisch,  umgeben).  —  Das  den 
Thronsitz  Gottes  umgebende  Wolkendunkel  dürfte  identisch  sein  mit  dem  öfters  er- 
wähnten -!■;-;£,  dem  Vorhang,  der  Gott  von  seiner  Umgebung  trennt;  vgl.  Targ  Hi  26,  9: 
Er  hält  fest  (um  sich  gezogen)  das  Dunkel,  das  seinen  Thron  n'C'^s  umgibt;  damit 
ihn  die  Engel  nicht  sehen,  breitet  er  über  ihn  wie  einen  Vorhang  s--;-i|  die  Wolke 
seiner  Herrlichkeit.  ||  Targ  Jerusch  I  Ex  24,  10:  Es  erhoben  Nadab  u.  Abihu  ihre  Augen 
u.  sahen  die  Herrlichkeit  des  Gottes  Israels,  u.  unter  dem  Schemel  seiner  Füße,  der 
sich  ausdehnte  unter  seinem  Thron,  war  es  wie  ein  Werk  von  Saphirsteinen  zur  Er- 
innerung an  die  Knechtschaft,  in  der  die  Ägypter  die  Kinder  Israel  knechteten  mit 
Lehm  u.  Ziegeln,  u.  in  der  die  Frauen  den  Lehm  treten  (stampfen)  mußten  in  Gemein- 
schaft mit  ihren  Männern.*  Es  war  aber  dort  eine  zarte  junge  Frau,  die  schwanger 
ging,  u.  sie  abortierte  ihre  Leibesfrucht,  u.  diese  wurde  zusammengestampft  mit  dem 
Lehm.  Da  kam  der  Engel  Gabriel  herab  u.  maclite  daraus  einen  Ziegelstein  u.  trug 
ihn  hinauf  in  den  höchsten  Himmel  u.  brachte  ihn  als  Unterlage  unter  dem  Fußschemel 
des  Herrn  der  Welt  an.  Es  war  aber  sein  Glanz  wie  ein  Werk  von  Edelstein  u.  wie 
die  Gewalt  der  Schönheit  des  Himmels,  wenn  dieser  klar  von  Wolken  ist.  —  Ähnlich 
wie  hier  ein  Ziegelstein  an  Gottes  Thron  als  Erinnerungszeichen  dient,  ist  nach  GnR  82 
(52'^)  daran  Jakobs  Bild  abgebildet  gewesen:  Gott  erschien  dem  Jakob  abermals  bei 
seiner  Rückkunft  aus  Paddan  Aram  u.  segnete  ihn  (Gn  35,  9).  R.  Jipchaq  (um  300) 
eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Ex  20,24:  Einen  Altar  von  Erde  magst  du  mir  machen 
usw.    Siehe,  da  ist  der  Schluß  vom  Leichteren  auf  das  Schwerere  berechtigt:  wenn  ich 


*  Die  Worte  ruhen  auf  der  Annahme  der  Präexistenz  der  Seelen. 
^  Das  ist  als  Anklage  gegen  die  Ägypter   gemeint:   die  Frauen  mußten  Männer- 
arbeit verrichten. 


Matth  25,  31  (5B  2)  977 

mich  dem,  der  meinem  Namen  einen  Altar  erbaut,  offenbare,  um  ihn  zu  segnen  — 
um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  dem  Jakob  gegenüber,  dessen  Bild  an  meinem  Thron 
angebracht  ist!  R.  Levi  (um  300)  eröffnete  seinen  Vortrag  mit  Lv9,  4:  (Nehmt)  ein 
Rind  u.  einen  Vfidder  zu  einem  Friedmahlsopfer  usw.  Siehe,  da  ist  der  Schluß  vom 
Leichteren  auf  das  Schwerere  berechtigt:  wenn  ich  mich  dem,  der  meinem  Namen 
einen  Widder  opfert,  offenbare,  um  ihn  zu  segnen,  um  wieviel  mehr  gilt  das  dann  dem 
Jakob  gegenüber,  dessen  Bild  an  meinem  Throne  angebracht  ist!  —  Jakobs  Bild  an 
Gottes  Thron  wird  noch  erwähnt  GnR  78  (50-');  68  (44 ^j;  Midr  KL  2,1  (61*^);  Tanch 
i2-:533  191-'';  TanchB  ^z-.KZi  §22(10''),  endlich  in  einer  Bar  Chul  91 '^;  zu  dieser  Stelle 
bemerkt  Raschi:  „Das  Menschenantlitz  an  den  vier  Chajjoth  (den  Trägern  des  göttl'. 
Thrones)  war  nach  dem  Bilde  Jakobs."  —  Man  wird  in  dieser  Legende  von  Jakobs 
Bild  den  plastischen  Ausdruck  für  die  Idee  von  der  vorweltlichen  Existenz  Israels  zu 
sehen  haben,  vgl.  GnR  1  (2  b)  S.  974.  ||  Targ  Jerusch  I  Ex  31, 18:  Gott  gab  dem  Mose, 
als  er  aufgehört  hatte  mit  ihm  zu  reden  auf  dem  Berge  Sinai,  die  beiden  Tafeln  des 
Zeugnisses,  Tafeln  aus  Saphirstein  vom  Thron  der  Herrlichkeit  s'^;^-^  -tpiis';.  1|  Targ 
Jerusch  I  Gn  27, 1 :  Isaaks  Augen  waren  dunkel  geworden,  weil  er,  als  sein  Vater  ihn 
band,  auf  den  Thron  der  Herrlickheit  geblickt  hatte.  |!  Schab  152'^:  R.  Elifezer  (um  90) 
sagte:  Die  Seelen  der  (verstorbenen)  Gerechten  werden  unter  dem  Thron  der  Herrlich- 
keit aufbewahrt,  s.  1  Sm  25,  29.  —  Wenige  Zeilen  weiter  stellt  ein  Häretiker  dies  dem 
R.  Abbahu  (um  300)  gegenüber  als  allgemeine  Ansicht  der  Juden  hin;  vgl.  auch  oben 
S.  976  Chagl2'\  II  Sota  17«:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Das  Pnrpurblau  gleicht 
dem  Meer  u.  das  Meer  gleicht  dem  Firmament  u.  das  Firmament  gleicht  dem  Thron 
der  H.,  s.  Ex  24, 10  u.  Ez  1,  26.  ii  GnR  78  (49*^):  Der  Kaiser  Hadrian,  mögen  seine  Ge- 
beine zermalmt  werden!  fragte  den  R.  J^hoschuaf  b.  Chananja  (um  90):  Ihr  sagt:  Keine 
obere  Abteilung  (der  Engel)  singt  ihr  Loblied  zweimal,  sondern  täglich  erschafft  Gott 
eine  Abteilung  neuer  Engel,'  u.  wenn  sie  ihr  Lied  vor  ihm  gesungen  hat,  so  gehen  sie 
dahin.  Er  antwortete:  Ja  i^n!  Jener  sprach:  Wohin  gehen  sie?  Er  antwortete:  Dahin, 
woraus  sie  geschaffen  wurden.  Jener:  Woraus  werden  sie  denn  geschaffen?  Er  ant- 
wortete: Aus  dem  Feuerstrom  ^in  ■in:  Dn  7, 10.  Jener  sprach:  Welche  Bewandtnis 
hat  es  mit  dem  Feuerstrom?  Er  antwortete:  Damit  verhält  es  sich,  wie  mit  diesem 
Jordan,  der  nicht  zu  fließen  aufhört  bei  Tage  oder  in  der  Nacht.  Jener  sprach:  Woher 
kommt  der  Feuerstrom?  Er  antwortete:  Von  dem  Schweiß  der  Chajjoth,  den  diese  ver- 
gießen, weil  sie  den  Thron  Gottes  tragen.  Vgl.  Chag  IS^  u.  14*. 

b.  Chag  2, 1 :  Über  die  Blutschandeverbote  trägt  man  nicht  vor  drei  Personen 
öffentlich  vor,  über  die  Schöpfungsgeschichte  ^  nicht  vor  zwei  Personen,  über  die  Mer- 
kaba  (die  Wagenerscheinung  Ez  1  u.  10)  auch  nicht  vor  einem  einzelnen,  es  müßte  denn 
sein,  daß  dieser  ein  Gelehrter  ist  u.  ein  selbständiges  Urteil  hat  (das  ihn  befähigt,  das 
Gelehrte  nach  seinen  Folgen  durchzudenken  u.  zu  einem  Ganzen  zu  verbinden).  Wer 
über  vier  Dinge  Betrachtungen  anstellt,  dem  wäre  es  besser,  wenn  er  nicht  in  die 
Welt  gekommen  wäre,  nämlich  über  das,  was  oben  (im  Himmel)  u.  was  unten  (unter 
der  Erde)  ist,  was  vorher  (vor  der  Weltschöpfung)  war,  u.  was  nachher  (nach  dem  Ende 
der  Welt)  sein  wird.  —  Dasselbe  in  breiterer  Fassung  TChag2, 1.7.  —  Für  den  Ge- 
meindegottesdienst wird  M^g4, 10  Ende  bestimmt:  Man  läßt  die  Geschichte  von  der 
Wagenerscheinung  nicht  als  Haftare  (Schlußlektion)  verlesen.  R.  J'^huda  (um  150)  er- 
laubte es.  —  TM^g  4,  34  (228)  folgt  der  Meinung  des  R.  J®huda:  Die  Wagenerscheinung 
darf  man  öffentlich  vorlesen.  (Aber  wohlgemerkt,  nur  vorgelesen  wird  sie,  jedoch  nicht 
ins  Aramäische  übertragen.)  |i  Chag  13=^:  R.  Chijja  (um  200)  hat  gelehrt:  Man  tradiert 
ihm  (dem  einzelnen,  der  ein  Gelehrter  ist  usw.)  die  Hauptlehren  eines  Abschnitts 
(wörtlich:  die  Anfänge  tsi,  hier  wohl  im  Sinne  von  „Hauptsachen").  R.  Z^'fira  (um 
300)  hat  gesagt:  Man  überliefert  die  Hauptlehren  eines  Abschnitts  nur  einem  Gerichts- 
oberhaupt "i""'  ^^'3  2t<  U-  demjenigen,  dessen  Herz  besorgt  ■i3':f;3  sxin  12?^^  (nicht  leicht- 


1  r-irs-o  nby;2,  Schöpfungsgeschichte,  umfaßt  (neben  dem  nas^a  n:yytti)  das  zweite 
Gebiet  der  Geheimlehren,  die  Kosmogonie. 

strack  u.Billerbeck,  KT  I.  62 


978  Matth  25,  31  (58  2.  3) 

fertig)  ist.  R.  Amnii  (um  300)  hat  gesagt:  Man  überliefert  die  Geheimnisse  der  Tora 
nur  einem,  der  fünf  Eigenschaften  hat:  der  ein  Hauptmann  über  fünfzig  ist,  ein  Hoch- 
angesehener, ein  Ratsherr,  ein  Kenner  von  Zaubersprüchen  u.  ein  Zauberkundiger;  vgl. 
Jes  3,  3.  —  Chag  14^:  , Hauptmann  über  fünfzig"  ü-icirt  ^»  =  T^-^j^irr  -^v,  einer  der  in 
den  fünf  Büchern  der  Tora  heimisch  ist,  oder  einer,  der  ein  Alter  von  50  Jahren  hat. 
Der  „Hochangesehene"  ist  derjenige,  um  dessentwillen  Gott  oder  die  weltl.  Obrigkeit 
Rücksicht  auf  seine  Zeitgenossen  nimmt.  Der  „Ratsherr"  ist  derjenige,  der  sich  auf 
die  Schaltjahre  u.  die  Schaltmonate  versteht.  Der  o^ionn  nsr;  ist  ein  Gelehrter,  vor 
dessen  Darlegungen  alle  verstummen  ■j-'B^rt:.  Der  mnh  pa:  ist  ein  solcher,  der  würdig 
ist,  daß  man  ihm  diejenigen  Lehren  der  Tora  überliefert,  die  im  Flüsterton  (d.  h.  als 
Geheimlehrenj  überliefert  zu  werden  pflegen.  ||  Als  besondere  Kenner  der  Merkaba 
werden  genannt  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (um  80),  R.  El?azar  b.  f  Arakh  (um  90), 
R.  J^hoschuaf  b.  Chananja  (um  90),  R.  f  Aqiba  (f  um  135),  Chananja  b.  Chakhinai  (um 
120)  s.  TChag  2, 1.2;  bChag  14  b,  hier  auch  noch  R.  Jose  der  Priester  (um  100).  Ferner 
R.  Jochanan  (f  279),  R.  Asi  (um  300)  u.  Rab  Joseph  (f  333)  s.  Chag  13^.  Auch  Rah 
(t  247)  u.  Raba  (f  352)  gehören  hierher,  s.  Bacher,  Babyl.  Amor.  16ff.  u.  130. 

3.  Ein  Sitzen  des  Messias  auf  dem  Thron  der  göttl.  Herrlichkeit 
kennen  nur  die  der  vorchristl.  Zeit  angehörenden  Bilderreden  des 
Buches  Henoch.a  Analoge  Aussagen  der  Rabbinen  in  bezug  auf  Salomo 
u.  die  Gerechten  besagen  etwas  andres  ;b  als  aber  R.  ? Aqiba  (f  um  135) 
einmal  im  eigentlichen  Sinn  von  einem  Sitzen  Davids  auf  dem  göttl. 
Thron  sprach,  erklärte  man  das  als  eine  Profanierung  der  Gottheit, 
s.  Chag  14  a  bei  Joh  1, 1  sv  aQyrfj  rjv  u  loyoc  B,  b,  y. 

a.  Hen  45,  3:  An  jenem  Tage  wird  mein  Auserwählter  (=  Messias)  auf  dem  Thron 
der  H.  sitzen  u.  unter  ihren  (der  Menschen)  Taten  eine  Auslese  treffen  u.  ihre  Woh- 
nungen werden  zahllos  sein.  1|  Das.  51,  3:  Der  Auserwählte  (=  Messias)  wird  in  jenen 
Tagen  auf  meinem  (Gottes)  Throne  sitzen  u.  alle  Geheimnisse  der  Weisheit  werden 
aus  den  Gedanken  seines  Mundes  hervorkommen.  ||  Das.  55,  4:  Ihr  Könige  u.  Mächtigen, 
die  ihr  auf  dem  Festlande  wohnen  werdet,  ihr  sollt  meinen  Auserwählten  sehen,  wenn 
er  auf  dem  Throne  meiner  H.  sitzen  u.  den  Asasel,  seine  ganze  Genossenschaft  u.  alle 
seine  Scharen  im  Namen  des  Herrn  der  Geister  richten  wird.  ||  Das.  61,  8:  Der  Herr 
der  Geister  setzte  den  Auserwählten  auf  den  Thron  seiner  H.,  u.  er  wird  alle  Werke 
der  Heiligen  (=  Engel)  oben  in  den  Himmeln  richten  u.  mit  der  Wage  ihre  Taten 
wägen.  II  Das.  62,  2:  Der  Herr  der  Geister  setzte  ihn  (den  Auserwählten  =  Messias) 
auf  den  Thron  seiner  H.  Der  Geist  der  Gerechtigkeit  war  über  ihn  ausgegossen;  die 
Rede  seines  Mundes  tötete  alle  Sünder,  u.  alle  Ungerechten  wurden  vor  seinem  An- 
gesicht vernichtet.  —  Gleiches  62,3.5;  69,27.29. 

b.  Midr  Ps  21  §  2  (89*):  Jahve,  in  deiner  Kraft  freut  sich  der  König  Ps  21,  2.  Das 
meint  die  Schrift  Ps  24,  10:  Wer  ist  der  König  der  Ehre?  R.  Simon  (um  280)  hat  ge- 
sagt: Wer  ist  der  König  der  Ehre?  Das  ist  der  König,  der  von  seiner  Ehre  (Herrlich- 
keit) mitteilt  denen,  die  ihn  fürchten,  Jahve  Q'^baoth,  er  ist  der  König  der  Ehre  Ps  24,  10. 
Unsre  Lehrer  haben  gelehrt  (Sanh  2,  5):  „Man  darf  nicht  reiten  auf  eines  menschlichen 
Königs  Roß,  nicht  sitzen  auf  seinem  Thron,  nicht  seines  Zepters  (Stabes)  sich  be- 
dienen." Aber  Mose  hat  sich  des  Zepters  Gottes  bedient,  s.  Ex  4,  20:  „Mose  nahm  den 
Stab  Gottes  in  seine  Hand."  Elias  ritt  auf  seinem  (Gottes)  Roß.  Wer  ist  das  Roß 
Gottes?  Sturm  u.  Windsbraut,  s.  Nah  1,  3.  Und  von  Elias  heißt  es  2  Kg  2,  1:  „Jahve 
entrückte  den  Elias  im  Sturmwind  gen  Himmel."  Eines  menschlichen  Königs  Krone 
darf  man  nicht  aufsetzen,  u.  Gott  gibt  seine  Krone  dem  König,  dem  Messias,  s.  Ps  21, 4: 
Du  setzest  auf  sein  Haupt  eine  Krone  von  Gold.  (Die  Parallelstellen  Tanch  s-'ni  69'' 
u.  ExR  schieben  hier  zum  Beweis,  daß  die  Krone  Gottes  gemeint  ist,  die  Belegstelle 
HL  5,  11  ein).  Man  darf  den  Purpur  eines  menschl.  Königs  nicht  anlegen,  u.  Gott  gibt 
ihn  dem  König,   dem  Messias,  s.  P8  21,6:    Majestät  u.  Herrlichkeit  legst  du  ihm  an. 


Matth25,31  (SB  3).  25,32  979 

Man  darf  nicht  sitzen  auf  dem  Thron  eines  menschl.  Königs,  u.  von  Salomo  steht  ge- 
schrieben 1  Chr29,  23:  Salomo  setzte  sich  auf  den  Thron  Jahves  .  .  .  Parallelstellen: 
Tanchs-^si  69^;  TanchB  s^s-,  §  7  (11 '^);  ExR8(73«).  In  Tanch  sr:  2021^  wird  R.  Chanina 
(um  225),  in  NuR  14  (173«^)  u.  TanchB  sc:  §  34  (22'^)  R.  Abin  (um  370)  als  Autor  an- 
gegeben; einzelne  Sätze  auch  in  NuR  14  (173^);  15  (179b);  MidrPs24  §  11  (105«).  — 
Wie  man  das  Sitzen  Salomos  auf  Gottes  Thron  verstanden  hat,  zeigt  Midr  HL  1,  1  (80  b): 
Es  heißt  lChr29,  23:  S.  setzte  sich  auf  den  Thron  Jahves.  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat. 
gesagt:  Ist  es  denn  möglich,  daß  sich  ein  Mensch  auf  den  Thron  Jahves  setzt,  von 
dem  geschrieben  steht  Dt 4,  24:  ,Jahve  dein  Gott  ist  ein  verzehrendes  Feuer"?  Ferner 
s.  Dn7,  9f. :  „Sein  Thron  waren  Feuerflanimen.  .  ..  Ein  Feuerstrom  flutete  vor  ihm 
hin  u.  her."  Und  du  sagst:  S.  setzte  sich  auf  den  Thron  Jahves?  Vielmehr  ist  es  so 
gemeint:  Wie  der  Thron  Gottes  herrscht  von  einem  Ende  der  Welt  bis  zum  andren, 
so  herrschte  auch  der  Thron  Salomos  von  einem  Ende  der  Welt  bis  zum  andren.  Wie 
der  Thron  Jahves  richtet  ohne  Zeugen  u.  ohne  Verwarnung,  so  richtete  auch  der  Thron 
S.s  ohne  Zeugen  u.  Verwarnung.  (Beweis:  1  Kg  3,  16  ff.)  —  Thron  also  Metapher  für 
Herrscher-  u.  Richtergewalt.  —  Parallelstellen:  Midr  Ps  72  §2  (162b);  ExR  15  (78^').  || 
NuR  11  (162^):  Es  heißt  Spr3,  35:  „Ehre  werden  die  Weisen  zum  Besitz  erhalten." 
Damit  sind  die  Israeliten  gemeint,  die  „Weise"  genannt  werden,  wenn  sie  die  Tora 
u.  die  Gebote  halten;  s.  Dt  4,  6:  ,So  haltet  u.  übet  es;  denn  dies  ist  eure  Weisheit  u. 
euer  Verstand  vor  den  Augen  der  Völker."  Und  wenn  die  Israeliten  die  Tora  in  ihrer 
Mitte  halten,  wird  Gott  ihnen  den  Thron  der  Herrlichkeit  zum  Besitz  geben,  s.  1  Sm  2,  8: 
„Den  Thron  der  H.  läßt  er  sie  als  Besitz  erlangen"  (so  der  Midr).  Denn  dereinst  wird 
Gott  den  Israeliten  die  Herrschaft  wiedergeben,  s.  Dn7,  27:  Herrschaft  u.  Macht  u. 
Stärke  der  Reiche  unter  dem  ganzen  Himmel  wird  dem  Volk  der  Heiligen  gegeben 
werden.  —  Auch  hier  ist  Thron  bildlicher  Ausdruck  für  Herrschaft.  Nach  diesen  beiden 
Stellen  hat  man  auch  Targ  Ps  45,  7  zu  verstehen  nach  der  Lesart  der  Münchener  Hand- 
schrift: arrvo  S2^"3  rjs  fn:"';?!  i-jr:  ",*-'^r  r-s^ts  yohy  '■ahyh  s-'sra  srt^s  -f—o-ir:  Dein 
Gottesthron  im  Himmel  (d.  h.  dein  Tliron  von  Gott  im  Himmel)  währt  in  alle  Ewig- 
keit, eine  gerechte  Herrschaft  ist  das  Zepter  deines  Regiments,  du,  o  König,  Messias!  — 
„Thron"  auch  hier  Umschreibung  für  „Herrschaft".  Der  gewöhnliche  Targumtext  läßt 
den  ganzen  Vers  sich  auf  Gott  beziehen. 

25,32:  Alle  Völker  werden  versammelt  werden. 

Die  alte  Synagoge  hat  einerseits  gewisse  Generationen,  die  ihre 
volle  Strafe  bereits  empfangen  haben,  vom  jüngsten  Gericht  aus- 
genommen ;a  andrerseits  hat  sie  dieses  aber  auch  wieder  ausgedehnt 
selbst  auf  die  Tiere  u,  die  unfruchtbaren  Bäume. b 

a.  SanhlO,  3:  Das  Geschlecht  der  Flut  hat  keinen  Anteil  an  der  zukünftigen 
Welt  u.  sie  stehen  nicht  im  (End-)Gericht;  s.  Gn6,  3:  Nicht  wird  richten  mein  Geist 
über  den  Menschen  ewiglich  (d.  h.  in  der  Ewigkeit  beim  jüngsten  Gericht,  s.  bei 
Mt24,  38  S.  964).  —  Die  Leute  von  Sodom  haben  keinen  Anteil  an  der  zuk.  Welt;  aber 
sie  stehen  im  Gericht.  R.  N^chemja  (um  150)  sagte:  Weder  jene  noch  diese  stehen 
im  Gericht;  denn  es  heißt  Ps  1,  5:  „Darum  werden  die  Gottlosen  nicht  stehen  im  Ge- 
richt, noch  die  Sünder  in  der  Gemeinde  der  Gerechten."  „Die  Gottlosen",  das  ist  das 
Geschlecht  der  Flut;  „die  Sünder",  das  sind  die  Leute  von  Sodom.  Da  sagte  man  zu 
ihm:  In  der  Gemeinde  der  Gerechten  werden  sie  nicht  stehn,  aber  sie  werden  in  der 
Gemeinde  der  Gottlosen  stehn.  —  Das  Geschlecht  der  Wüste  hat  keinen  Anteil  an 
der  zuk.  Welt,  u.  sie  stehen  nicht  im  Gericht;  denn  es  heißt  Nu  14,35:  In  dieser 
Wüste  sollen  sie  aufgerieben  werden  (in  dieser  Welt),  u.  da  sollen  sie  sterben  (für  die 
zuk.  Welt).  So  R.  f  Aqiba  (f  um  135).  R.  Elifezer  (um  90)  sagte:  Vielmehr  heißt  es  von 
ihnen  Ps  50,  5:  Versammelt  mir  meine  Frommen,  die  den  Bund  mit  mir  (in  der  Wüste 
Sinai)  beim  Opfer  schlössen.  —  Die  Rotte  Qorach  wird  nicht  wieder  heraufkommen; 
denn  es  heißt  Nu  16, 33:  Da  bedeckte  sie  die  Erde  (in  dieser  Welt),  u.  sie  verschwanden 

62* 


980  Matth  25,  32.  33 

mitten  aus  der  Versammlung  (für  die  zuk.  Welt).  So  R.  f  Aqiba.  R.  Elifezer  sagte:  Über 
sie  heißt  es  lSm2,  6:  Jalive  tötet  u.  macht  lebendig,  läfst  in  die  Sch'^ol  hinabfahren 
u.  führt  herauf.  i|  TSanh  13,  2  (484):  Die  (unmündigen)  Kinder  der  Gottlosen  unter  den 
Nichtisraeliten  werden  weder  auferweckt  noch  gerichtet.  Parallelstellen:  TSanh  13, 
6— 12;  pSanhlO,29b, 48— 29^24;Sauhl08^— 11015;  AbothRNSeipSch^^bicith 4,35^29. 
Aus  vorchristlicher  Zeit  s.  Hen.  22,  13:  (Die  4.  Abteilung  in  der  Sch'^'ol)  ist  so  geschaffen 
für  die  Geister  der  Menschen,  die  nicht  gerecht,  sondern  Sünder,  ganz  u.  gar  gottlos 
u.  Genossen  der  Bösen  waren;  ihre  Geister  werden  am  Tage  des  Gerichts  nicht  be- 
straft werden,  aber  sie  werden  auch  nicht  von  hier  mit  auferweckt  werden.  —  Siehe 
Exk.:  .Sch^ol"  usw.  I,  2,  e. 

b.  GnR26(17''):  R.  Elfazar  (um  270)  hat  gesagt:  Es  gibt  niemand,  der  sich  an 
einem  Menschen  verschuldet,  es  sei  denn  ein  Mensch,  gleich  wie  jener.  R.  Nathan 
(gegen  350?)  sagte:  Auch  ein  Wolf  u.  Hund.^  R.  Huna  b.  Gorjon  (wann?)  sagte:  Auch 
ein  Stock  u.  ein  Riemen,  s.  Jes9,3:  Das  Joch  seiner  Bürde  u.  den  Stecken  seines 
Nackens,  die  Rute  seines  Treibers  hast  du  zerbrochen  wie  am  Tage  Midians  y~^, 
d.h.  wie  am  Tage  des  Gerichts  ^^nn  di-3.  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  Auch  die 
unfruchtbaren  Bäume  werden  dereinst  Rede  u.  Rechenschaft  geben  müssen.  Die  Rabbinen 
sagten  es  auf  Grund  dieser  Schriftstelle:  Wie  der  Mensch,  so  der  Baum  des  Feldes 
(so  deutet  der  Midr  Dt  20,  19).  Wie  der  Mensch  Rede  u.  Rechenschaft  geben  wird  (im 
göttlichen  Gericht),  so  werden  auch  die  Bäume  Rede  u.  Rechenschaft  geben.  —  Parallel- 
stelle mit  zum  Teil  andren  Autorenamen  Midr  Qoh  8,  9  (40*). 

25,33:  Zu  seiner  Rechten  ...  zu  seiner  Linken. 
Die  rechte  Seite  galt  als  die  vorzüglichere a  u.  deshalb  als  die  be- 
vorzugte, b  Etwas  „rechts"  oder  „links"  tun  bedeutete  geradezu  etwas 
gründlich,   bezw.  oberflächlich  treiben ;c   daher  auch  rechte  Seite  == 
Glücksseite,  linke  =  Unglücksseite,  d 

a.  Hör  12"  Bar:  Es  heißt  Lv  6,  15:  „Der  gesalbte  Priester"  n^rttn  psn.  Der  „Ge- 
salbte", vielleicht  ist  der  König  damit  gemeint;  die  Schrift  sagt  lehrend:  „der  Priester"  ; 
vielleicht  ist  der  damit  gemeint,  der  durch  die  größere  Zahl  der  (acht)  Kleider  zum 
Hohenpreister  geweiht  ist?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  der  „gesalbte"  (Priester);  wenn 
der  gesalbte  (Priester),  so  ist  damit  vielleicht  der  zum  Krieg  gesalbte  Priester  gemeint; 
die  Schrift  sagt  lehrend:  „der  gesalbte  Priester",  der  keinen  (andren)  Gesalbten  über 
sich  hat.  (Der  bestimmte  Artikel  bezeichnet  den  Gesalbten  x«r'  i^oxi'jy,  d.h.  den 
Hohenpriester.)  Was  lehrt  das?  Das  was  Raba(t  352)  gesagt  hat:  „Die  Hüfte  (Gn  32,33), 
das  ist  die  vorzüglichste  (wörtlich:  die  rechts  liegende)  unter  den  Hüften;  ebenso  hier: 
„der"  Gesalbte,  das  ist  der  vorzüglichste  (i's^^^sn.  der  rechte)  unter  den  Gesalbten.  — 
Die  Bar  mit  andren  Schlußworten  in  SLv  6,  15  (142*).  —  Der  Kanon  Rabas  auch 
Qid21b;  Chul91=';  134b. 

b.  Midr  Ps  1 8  §  29  (79  ^) :  R.  Judan  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Chama  (b.  Chanina, 
um  260)  gesagt:  Dereinst  wird  Gott  den  König,  den  Messias,  zu  seiner  Rechten  sitzen 
lassen,  s.  Ps  110,  1:  „Spruch  Jahves  an  meinen  Herrn:  Setze  dich  zu  m.einer  Rechten", 
u.  Abraham  zu  seiner  Linken.  Da  wird  Abrahams  Angesicht  erbleichen  (vor  Ärger) 
u.  er  wird  zu  ihm  sagen:  Mein  Enkel  sitzt  zur  Rechten  u.  ich  zur  Linken?!  Aber 
Gott  wird  ihn  besänftigen  u.  zu  ihm  sagen:  Dein  Enkel  an  meiner  Rechten  u.  ich  an 
deiner  Rechten,  s.  PsllO,  5:  Der  Herr  zu  deiner  Rechten.  ||  GnR4I  (25b):  Abraham 
sprach  zu  Lot:  .  .  .  Wenn  nach  der  linken  Seite,  so  will  ich  nach  rechts  gehn;  u.  wenn 
nach  der  rechten  Seite,  n>-K»3-:;s'i.  R.  Chanina  b.  Ji^chaq  (um  32ö)  hat  gesagt:  Es  steht 
hier  nicht  geschrieben:  nVs'siosi  „so  will  ich  nach  links  gehn",  sondern  ni-S'Ji-si,  d.h. 
in  jedem  Fall  bringe  ich  ihn  auf  die  linke  Seite. 


^  Zu  ergänzen  ist:  machen  sich  schuldig  u.  müssen  darüber  Rechenschaft  ablegen, 
wenn  sie  einen  Menschen  ohne  göttliches  Geheiß  beschädigt  haben. 


Matth  25,  33.  34  (5t.  5B)  981 

C.  Schab  63'^:  Rabba  b.  Schela  (um  340),  nach  andren  Rab  Joseph  b.  Ghama  (um  290) 
hat  gesagt,  Rab  Schescheth  (um  260)  habe  gesagt:  Was  heißt  Spr  3,  16:  Dauer  der 
Tage  ist  in  ihrer  (der  Tora)  Rechten  u.  in  ihrer  Linken  Ehre  u.  Reichtum?  Ist  etwa 
in  ihrer  Rechten  Dauer  der  Tage,  aber  nicht  Ehre  u.  Reichtum?  Vielmehr  ist  es  so 
gemeint:  Wer  sich  gründlich  mit  ihr  beschäftigt  d"'3^>3^-»3';,  dem  wird  Dauer  der  Tage 
zuteil  u.  recht  erst  Reichtum  u.  Ehre;  wer  sich  aber  oberflächlich  mit  ihr  beschäftigt 
ü^h's^v'ah,  dem  wird  Reichtum  u.  Ehre  zuteil,  aber  nicht  Dauer  der  Tage.  ||  Schab  88 b; 
Raba  (f  352)  hat  gesagt:.  Wer  sich  mit  der  Tora  gründlich  beschäftigt  '^z^'o^^nh ,  dem  ist 
sie  ein  Heilmittel  zum  Leben;  wer  sich  aber  oberflächlich  mit  ihr  beschäftigt  '^h^ayivoh , 
dem  ist  sie  eine  Arznei  zum  Tode.  ' 

d.  Midr  HL  1 ,  9  (90") :  Ich  sah  Jahve  auf  seinem  Thron  sitzen  u.  das  ganze  Himmels- 
heer stand  um  ihn  zu  seiner  Rechten  u.  zu  seiner  Linken  1  Kg  22,  19.  R.  Simon 
(um  280)  hat  gesagt:  , Thron",  welcher  scheidet  zwischen  Tod  u.  Leben;  „u.  alles 
Himmelsheer"  usw.;  gibt  es  denn  eine  linke  Seite  oben?  ist  nicht  alles  rechte  Seite, 
wie  es  heißt  Ex  15,  6:  Deine  Rechte,  Jahve,  der  du  dich  verherrlicht  hast  durch  Kraft, 
deine  Rechte,  Jahve,  zerschmettert  den  Feind?  Was  will  die  Schrift  lehrend  sagen 
mit  den  Worten:  ,zu  seiner  Rechten  u.  zu  seiner  Linken"?  Es  besagt:  Die  einen  (von 
den  Engeln)  gaben  ihr  Urteil  nach  rechts  u.  die  andren  nach  links  ab  D^r>3^^i3  ibs 
ü^h-^if^v^  lisi;  die  einen  drückten  die  Schale  des  Verdienstes  nieder  (sprachen  frei)  u. 
die  andren  die  Schale  der  Schuld  (verurteilten).  Ähnlich  R.  J'^huda  b.  Simon  (um  320) 
pSanh  10,  18",  48.  |1  Midr  Ps  90  §  12  (196''):  Der  Gan  fEden  war  zu  Gottes  Rechten  u. 
der  Gehinnom  zu  seiner  Linken.  (Die  ganze  Stelle  s.  bei  Mt  25,  31  S.  974  f.)  |1  NuR  22 
(193b):  ,Das  Herz  des  Weisen  ist  nach  seiner  Rechten  u.  das  Herz  des  Toren  nach 
seiner  Linken  gerichtet"  Qoh  10,  2.  „Nach  seiner  Rechten",  das  ist  der  gute  Trieb, 
der  sich  auf  seiner  rechten  Seite  befindet;  „nach  seiner  Linken",  das  ist  der  böse 
Trieb,  der  sich  auf  seiner  linken  Seite  befindet.  Eine  andre  Erklärung:  „Nach  seiner 
Rechten",  das  geht  auf  die  Gerechten,  die  ihr  Herz  auf  die  Tora  richten,  die  zur 
Rechten  (Gottes)  war,  s.  Dt  33,  2:  „Zu  seiner  Rechten  das  Feuer  des  Gesetzes" ;  „u.  das 
Herz  des  Toren  nach  seiner  Linken",  das  geht  auf  die  Gottlosen,  die  ihr  Herz  auf 
den  Reichtum  richten,  s.  Spr  3,  16:  „lia  ihrer  Linken  Reichtum  u.  Ehre"  (so!). 

25,34  51:  Ererbet  (nehmt  in  Besitz), 
xlriQovonslv  =  „in  Besitz  nehmen",  „erben"  im  Rabbin.  üj-i-^  (r"!*^),  bnj 
u.  lön;  s,  bei  Mt  19,  29  5ß.  Hier  seien  noch  erwähnt: 

Joma72b:  Raba  (f  352)  hat  zu  den  Rabbinen  gesagt:  Ich  bitte  euch,  nehmt  nicht 
zweimal  den  Gehinnom  in  Besitz  -(iriT  v-h  (nämlich  einmal,  indem  ihr  euch  durch 
unfruchtbares,  totes  Studium  eine  Hölle  auf  Erden  bereitet,  u.  sodann  in  Wirklichkeit 
nach  dem  Tode).  ||  B^rakli51":  R.Jose  b.  Chanina  (um  270)  hat  gesagt:  (Wer  über  den 
vollen  Becher  den  Lobspruch  spricht,)  der  ist  würdig,  daß  er  zwei  Welten  in  Besitz 
nimmt  ''-.-^i,  diese  Welt  u.  die  zuk.  Welt.  I  Targ  HL  1,3:  Die  Gerechten  wandeln  gern 
nach  dem  Wege  deiner  Güte,  um  diese  u.  die  zuk.  Welt  in  Besitz  zu  nehmen  •ji^on^i  V^i3. 

25,34  23:  Das  Reich,  das  euch  bereitet  (bestimmt)  ist. 

Die  dem  £ioif.i(x^sir  entsprechenden  Verba -pD,  )pr,  ■,-3T  u.  np"  drücken 
sämtlich  nicht  notwendig  ein  wirkliches  Fertig-  u.  Bereitstellen  aus, 
sondern  können  ebensogut  ein  gedankenmäßiges,  beabsichtigtes  Her- 
stellen bezeichnen,  gleichbedeutend  mit  „bestimmen" .  Über  die  wirkliche 
Bedeutung  kann  mir  der  Zus. hang  entscheiden.  —  Auch  wS-a  kann  im 
Sinn  des  beabsichtigten  oder  beschlossenen  Schaffens  gebraucht  werden. 

ipr,  von  tatsächlicher  Zubereitung  E?tR  30  (89^'):  R.  Abbahu  (um  300)  hat 
im  Namen  des  R.Jose  b.  Chanina  (um  270)  gesagt:  Gott  sprach  zu  Israel:  Ehe  ich 
diese  Welt  schuf,  habe  ich  die  Tora  fertiggestellt   Tjprr,   s.  Spr  8,  30:   Ich  war  bei 


982  Matth  25,  34  (SB) 

ihm  Weikmeisterin.  —  Die  vorweltliclie  reale  Präexistenz  der  Tora  ist  allgemeine  An- 
nahme des  alten  Judentums  gewesen;  s.  bei  Mt  25, 31  SB  Nr.  1  u.  bei  Job  1,1 — 4.  |j  TanchB 
rr^r  §  27(86^):  Abraham  sprach  zu  Gott:  Kann  ich  denn  von  hier  ohne  Opfer  fortgehn? 
Gott  antwortete:  Siebe,  dein  Opfer  ist  bereitgestellt  "'^"^  seit  den  sechs  Schöpfungs- 
tagen. —  Der  Widder  Abrahams  gehört  zu  den  10  Dingen,  die  in  der  Dämmerung  des 
sechsten  Schöpfungstages  erschaffen  worden  sind ;  seitdem  war  er  vorhanden,  s.  Aboth  5, 6 ; 
F's  54a;  Tanch  s^-,  20^;  NuR  17  (182 <^);  PirqeREl  17  Anfang;  31.  M^kh  Ex  16,  32  (59b) 
fehlt  der  Widder  Abrahams.  ||  TanchB  sisi  §20  (18^):  Siehe,  ich  lasse  um  diese  Zeit 
morgen  einen  sehr  schweren  Hagel  regnen,  desgleichen  nicht  gewesen  ist  Ex  9,  18. 
, Desgleichen  nicht  gewesen  ist",  aber  in  der  Zukunft  den  Völkern  sein  wird;  für  Sanherib 
ist  er  bereitet  ""ir^:;  so  R.  Simon  (um  280).  R.  Chanina  (wohl  b.  Papa,  um  300)  hat  ge- 
sagt: Für  die  Niederlage  Gogs  u.  Magogs  war  er  bereitet  ""in«,  s.  Ez38,  22:  Ich  will 
mit  ihm  rechten  mit  Seuche  u.  Blut  u.  will  auf  ihn  regnen  lassen  schwemmenden  Guß- 
regen u.  Hagelsteine.  Vgl.  Tanch  xisi  73*;  ExR  12  (75*).  —  Die  Bedeutung  des  -pir^s 
ergibt  sich  aus  TanchB  s^si  §  22  (19*):  Wo  blieb  der  Hagel  (von  Ex  9,  18)?  ünsre 
Lehrer  haben  gesagt:  Er  wurde  in  dem  freien  Weltenraum  aufgehängt  bis  zur  Ankunft 
Gogs  u.  Magogs,  s.  Ez  38,  22.  Parallelstellen:  Tanch  s^s^  (78*);  ExR  12  (75b);  vgl. 
B''rakh54b.  ||  Tanch  sr:  197b:  (Gott  sprach:)  Wegen  der  Liebe  zu  euch  verlasse  ich 
das  obere  Heiligtum,  das  bereitet  ist  "irKi,  bevor  die  Welt  erschaffen  war,  u.  ich  fahre 
nieder  u.  will  in  eurer  Mitte  wohnen,  s.  Ex  29,  45;  25,8.  —  Das  obere  Heiligtum  ge- 
hört zu  den  vorweltlichen  Dingen,  s.  bei  Mt  25,  31  SB  Nr.  1.  ||  ExR  45  (101*):  Gott  zeigte 
dem  Mose  alle  Schätze  des  Lohnes,  die  für  die  Gerechten  bereitet  sind  i'spir's.  — 
Dasselbe  Tanch  avr.  >=  118b;  TanchB  s-i;n  -:  §  16  (58b);  vgl.  Midr  Ps  25  §  9  (107*). 

Ein  bloßes  Zuvorbestimmen  ist  gemeint  Midr  Esth  1,  1  (82*):  (R.  B'^rekhja, 
um  340,  hat  gesagt:)  Vom  Anfang  der  Weltschöpfung  au  hat  Gott  jeden  zu  dem  bereitet, 
l'prn,  was  ihm  ersehen  war  "^is^:  Adam  (hat  er  bereitet  ^  bestimmt)  zum  Ersten  der 
Erschaffenen,  Qain  zum  Ersten  der  Mörder,  Abel  zum  Ersten  der  Ermordeten,  Noah 
zum  Ersten  der  Geretteten,  Abraham  zum  Ersten  der  Beschneidenden,  Isaak  zum 
Ersten  der  Gebundenen  (nämlich  bei  seiner  Opferung),  Jakob  zum  Ersten  der  Red- 
lichen, Juda  zum  Ersten  der  Stämme,  Joseph  zum  Ersten  der  Frommen,  Ahron  zum 
Ersten  der  Priester,  Mose  zum  Ersten  der  Propheten,  Josua  zum  Ersten  der  Sieger, 
fOthniel  zum  Ersten  der  Teilenden  (vgl.  Jos  15,  17;  Ri  1,  13),  Samuel  zum  Ersten  der 
Salbenden,  Saul  zum  Ersten  der  Gesalbten,  David  zum  Ersten  der  Saitenspieler,  Salomo 
zum  Ersten  der  Bauenden,  Nebukadne^ar  zum  Ersten  der  Zerstörer  usw.  —  Dergleichen 
Sätze  auch  Tanch  nsst;  63  b ;  ExR  2  (69  *).  ||  ExR  40  (97  *) :  Gott  sprach :  Seit  der  Schöpfung 
habe  ich  ihn  (Be^aliel)  bereitet  (=  bestimmt  iTsprn)  die  Wohnung  zu  verfertigen.  — 
Parallelstellen:  Tanch  srr  "=  113b;  ExR  40  (97*).  Tanch  j-^i::':  160b:  Ehe  Gott  den 
Menschen  schuf,  bereitete  (=  bestimmte  T'prn)  er  ihm  alle  Züchtigungen;  denn  er  wußte, 
daß  der  Trieb  des  menschl.  Herzens  böse  ist  von  seiner  Jugend  an.  Deshalb  bereitete  er 
l'prn  ihm  dies  alles  usw.  ||  TanchB  s^^i  §  18  (48*):  Jahve  ließ  über  Sodom  u.  Gomorra 
Schwefel  u.  Feuer  regnen  Gn  19,  24.  Das  meint  Psll,6:  Er  lasse  regnen  über  die 
Gottlosen  Schlingen;  Feuer  u.  Schwefel  u.  Glutwind  sei  ihr  Becherteil!  Dieses  Teil 
war  ihnen  zugedacht  rjpir«  (wörtlich:  bereitet),  ehe  die  Welt  erschaffen  wurde.  || 
Tanch  ^p^;  227*:  Seit  Ewigkeit  war  Mose  dazu  bereitet  (=  bestimmt  Tpir«),  wegen  des 
Haderwassers  bestraft  zu  werden.  ||  Midr  Esth  5,  3  (99*):  Eine  Himmelsstimme  ant- 
wortete dem  Haman:  Schön  ist  der  Baumstamm  (Galgen)  für  dich,  für  dich  ist  der 
Baumstamm  bereitet  (—  bestimmt  "pirn)  seit  den  sechs  Schöpfungstagen.  Vgl.  auch 
Assumptio  Mosis  1, 14.  ||  Zweifelhaft  bleibt  Aboth  3, 16:  R.  f  Aqiba  (f  um  135)  hat  gesagt: 
.  .  .  rmyD5  ipir^s  Van  =  alles  ist  für  das  Mahl  vorgesehen  oder  zubereitet.  ||  GnR  67  (42*'): 
Ich  (Isaak)  aß  von  allem  Gn  27,  33.  R.  J^huda  (um  150)  sagte:  Von  allem,  was  in  den 
sechs  Schöpfungstagen  geschaffen  worden  ist.  R.  N®chemja  (um  150)  sagte:  Von  allem 
Guten,  was  für  die  Zukunft  )p^m  „bereitet"  oder  auch  , vorgesehen"  ist. 

■"IT.  Targ  Ps  72,  17:  Bevor  die  Sonne  war,  war  sein  (des  Messias)  Name  bereitet 
l'sT-a,  —  Über    die  Präexistenz  des  Messiasnamens  s.  bei  Mtl,21  S.  64;  25,31  Nr.  1 


Matth  25,  34  (33.  6).  25,  37. 41  (51.  JB)  983 

u.  Job  1,  1  iv  f(Qxn  V*'  o  ^o'/of  A,  a  u.  B,  a.  \\  fAZ  17 a;  Eine  Himmelsstimme  ging  aus, 
welche  rief:  R.  Elfazar  b.  Durd''jai  ist  bestimmt  i'oit^s  für  das  Leben  der  zuk.Welt.  || 
TargHi2,  11:  In  diesem  Verdienst  (daß  Eliphaz,  Bildad  u.  (^ophar  sich  aufmachten, 
um  Hiob  zu  besuchen)  wurden  sie  bewahrt  vor  der  Stätte,  die  im  Gehinnom  für  sie 
bereitgehalten  war  '^■^^n. 

-r-j.  Targ  Ps  50,  10:  Ich  habe  für  die  Gerechten  im  Gan  fEden  bereitgestellt  r-ry 
die  reinen  Tiere  (Livjathan  u.  B^hemoth).  —  Da  die  genannten  Tiere  nach  der  son- 
stigen jüdischen  Tradition  bereits  gegenwärtig  an  einem  verborgenen  Ort  existieren, 
so  ist  ihre  Bereitstellung  in  wörtl.  Sinn  zu  verstehen;  vgl.,  das  nächste  Zitat.  H  Targ 
HL  8, 2:  (Die  Gemeinde  Israel  wird  zum  Messias  sagen:)  Wir  wollen  dich,  König, 
Messias,  geleiten  u.  dich  hinaufführen  nach  dem  Heiligtum,  u.  du  sollst  mich  lehren, 
Gott  zu  fürchten  u.  auf  seinen  Wegen  zu  wandeln.  Und  da  wollen  wir  das  Mahl  des 
Livjathan  halten  u.  alten  Wein  trinken,  der  seit  dem  Tage,  da  die  Welt  erschaffen 
wurde,  in  seinen  Trauben  aufbewahrt  wird,  u.  (essen)  von  den  Granatäpfeln,  von  den 
Früchten,  die  bereitgestellt  sind  i-rjTS-;  für  die  Gerechten  im  Gan  fEden.  —  Auch 
hier  nötigt  der  Zus.hang  an  ein  reales  Bereitstellen  zu  denken,  j]  Targ  Jeruschl  Dt  32,  35: 
Nahe  ist  der  Tag  ihres  Verderbens  zu  kommen,  u.  beschleunigt  wird  das  Unheil,  das 
■ihnen  bereitet  (=  bestimmt)  ist  -^"r.h  s-ryttt. 

j<"i3.  Midr  Ps  74,  2  (ältere  Ausgabe):  , Gedenke  deiner  Gemeinde,  die  du  erworben 
hast  r-sp  in  der  Vorzeit"  Ps  74,  2.  Das  lehrt,  daß  er  Israel  erschaffen  hat  s^n,  ehe 
die  Welt  geschaffen  war,  s.  Ps  90,  1  f. :  Jahve,  Obdach  bist  du  uns  gewesen  von  Ge- 
schlecht zu  Geschlecht,  ehe  die  Berge  hervorgeboren  waren.  —  Die  Bubersche  Aus- 
gabe hat  statt  N^3  das  Textwort  ■^ip  beibehalten;  beide  Verba  drücken  die  ideelle  Prä- 
existenz Israels  im  göttlichen  Weltplan  aus. 

25,34  6:  Seit  der  Grundlegung  der  Welt. 
Ähnliche  Zeitangaben  in  den  bei  25,  34  SB  gebrachten  Zitaten.  — 
Über  die  vor  der  Welt  erschaffenen  Dinge  s.  bei  Joh  1, 1  iv  ccqxIi  V^ 
6  Uyog  A,  au.B,a  u.  bei  Mt  25,  31  ^  Nr.  1. 

25,  35  f.  (Zu  den  hier  genannten  Werken  s.  den  Exk.:  „Liebeswerke".) 

25,37:  Dann  werden  die  Gerechten  sagen:  Wann  sahen 
wir  dich  hungrig  u.  nährten  dich  usw.? 

BM  87'^:  „Ich  will  einen  Bissen  Brot  holen"  Gn  18,  5,  u.  das.  Vers  7: 
„Abraham  lief  zu  den  Rindern  u.  nahm  ein  zartes  Rind."  R.  El^azar 
(um  270)  hat  gesagt:  Hieraus  lernt  man,  daß  die  Gerechten  wenig 
reden,  aber  viel  tun  (statt  des  angekündigten  Bissens  Brotes  richtet 
Abraham  tatsächlich  ein  ganzes  Rind  her  u.  Brotkuchen).  Die  Gottlosen 
dagegen  reden  viel  u.  tun  selbst  das  wenige  nicht  (Beweis:  Ephron  Gn  23). 

25,  415(:  In  das  ewige  Feuer  (s.  Exkurs:  „Scheol"  usw.  II,  6  u.  8). 

25,4123:  Das  bereitet  ist  dem  Teufel  u.  seinen  Engeln. 

Ausdrücke  wie  „Engel  Satans",  „Engel"  oder  „Geister  des  Teufels" 
begegnen  in  der  altjüdischen  Literatur  selten,  a  Die  Entstehung  solcher 
Ausdrücke  erklärt  sich  am  einfachsten  aus  den  Erzählungen  über  den 
Engelfall.  Sammael  (=  Satan),  ursprünglich  einer  der  Engelfürsten  im 

^  Der  Satz  stammt  aus  einer  Bar;  R.  El^azar  b.  D.  muß  also  ein  Tannait  ge- 
wesen sein. 


984  Matth25,41  (©) 

Himmel,  begibt  sich  zur  Verführung  Adams  rnit  der  ihm  unterstellten 
Engelabteilung  auf  die  Erde;  hier  gelingt  ihm  sein  Vorhaben  durch  den 
Dienst  der  Schlange.  Zur  Strafe  wird  er  dann  samt  seiner  Engelschar 
von  Gott  aus  der  Stätte  seiner  früheren  Heiligkeit  hinabgestürzt;  s. 
PirqeREl  13  u.  27  bei  Mt  4, 1  S.  137  Anm.  a  u.  S.  139  Anm.  ^.  —  Daß  es 
nahelag,  eine  Engelschar,  die  bereits  früher  dem  Sammael  untergeordnet 
war,  jetzt  nach  ihrer  u,  ihres  Führers  Vertreibung  aus  dem  Himmel 
einfach  als  Satans  (Sammaels)  Engel  zu  bezeichnen,  leuchtet  von  selbst 
ein.  b  Von  einem  zweiten  Engelfall  berichtet  Henoch  6 — 11.  Zweihundert 
Engel  verlassen  mit  ihrem  Obersten  Semjasa  (Asasel)  den  Himmel,  um 
sich  fleischlich  mit  den  Menschentöchtern  zu  vermischen  (vgl.  Gn  6, 1  ff.) 
u.  die  Menschen  zu  unzähligen  andren  Sünden  zu  verleiten.  Ihre  end- 
gültige Bestrafung  wird  bis  zum  Tage  des  großen  Gerichts  hinaus- 
geschoben; dann  wird  an  ihnen  Rache  genommen  werden  „dafür,  daß 
sie  dem  Satan  Untertan  wurden  u.  die  Erdenbewohner  verführten", 
Henoch  54,  6.  —  Hier  ist  es  die  freiwillige  Unterstellung  der  gefallenen 
Engel  unter  die  Herrschaft  Satans,  die  ihren  Namen  „Engel  des  Satans" 
erklärlich  macht.  Zugleich  erkennt  man,  wie  eng  dieser  Name  mit 
der  Vorstellung  von  einem  organisierten  Reiche  Satans  zus. hängt: 
indem  die  gefallenen  Engel  dem  Satan  Untertan  werden,  erkennen 
sie  diesen  als  ihr  Oberhaupt  an,  dem  sie  zu  dienen  haben. c  Vgl. 
S.  136  ff. 

a.  Test  Asser  6:  Das  Ende  der  Menschen  erweist  ihre  Gerechtigkeit,  indem  sie 
die  Engel  des  Herrn  u.  des  Satans  kennen  lernen  yrcugit^ofTsg  roi>g  ayyslovg  xvqIov 
xal  tov  aaravü.  ||  slav  Hen  29,  4  f.  s.  bei  h.  \\  Test  Dan  6:  Fürchtet  den  Herrn,  meine 
Kinder,  u.  hütet  euch  vor  dem  Satan  u.  seinen  Geistern  7iQoas%sTs  savroTg  änd  xov 
aaxavcl  xcd  nof  nrsvfj.äxwf  ccvtov.  Vgl.  auch  Test  Dan  3:  Dieser  Geist  (des  Zorns)  geht 
immer  mit  der  Lüge  zur  Rechten  des  Satans  (d.  h.  sie  sind  seine  bevorzugten  Engel).  || 
ExR20  (82^')  u.  TSchabl7,  2f.  (136)  s.  oben  S.  139  Anm.  h.  —  Dagegen  gehört  der 
Aggad  B^reschith  50  zweimal  erwähnte  p»n  -ahis  nicht  hierher:  der  Ausdruck  be- 
deutet nicht  „Engel  Satans",  sondern  bezeichnet  den  „Engel  Satan"  selbst. 

b.  slav  Hen  29,  4  f.:  Einer  aber  von  der  Ordnung  der  Erzengel,  sich  abgewandt 
habend  mit  der  Ordnung,  welche  unter  ihm,  und  empfangen  habend  einen  unmög- 
lichen Gedanken,  daß  er  setze  seinen  Thron  höher  denn  die  Wolken  über  der  Erde, 
damit  er  gleich  werde  der  Ordnung  (dem  Range)  meiner  (Gottes)  Kraft;  u.  ich  warf 
ihn  hinab  von  der  Höhe  mit  seinen  Engeln.  Und  er  war  fliegend  in  der  Luft  beständig 
über  dem  Abgrund.     . 

C.  Vgl.  Jubil  10,  7 — 11 :  Der  Herr,  unser  Gott,  befahl  uns  (den  guten  Engeln),  daß 
wir  sie  alle  (die  bösen  Geister)  binden  sollten.  Und  der  Fürst  der  Geister,  Mastema 
(=  „Anfeindung"  oder  „Ankläger",  ein  Name  Satans)  kam  u.  sprach:  0  Herr,  Schöpfer, 
laß  (einige)  von  ihnen  übrig  vor  mir,  daß  sie  auf  meine  Stimme  hören  u.  alles  tun, 
was  ich  ihnen  sage;  denn  wenn  nicht  für  mich  (einige)  von  ihnen  übrigbleiben,  kann 
ich  die  Herrschaft  meines  Willens  an  den  Menschenkindern  nicht  ausüben.  Denn  sie 
sind  zum  Verderben  u.  zum  Verführen  vor  meinem  Gerichte;  denn  groß  ist  die  Bosheit 
der  Menschenkinder.  Und  er  sprach:  Es  soll  vor  ihm  der  zehnte  Teil  von  ihnen  übrig- 
bleiben, u.  neun  Teile  soll  man  hinabbringen  an  den  Ort  der  Verdammnis.  .  .  .  Und 
wir  taten  gemäß  allen  seinen  Worten;  alle  Bösen,  die  ungerecht  waren,  banden  wir 
an  dem  Ort  der  Verdammnis,  u.  den  zehnten  Teil  von  ihnen  ließen  wir  übrig,  daß  sie 
vor  dem  Satan  auf  der  Erde  dienten. 


Mattli  25,  46.  26,  2.  3  (51.  33).  26,  4.  5  985 

25,46:  In  die  ewige  Strafe. 
Die  alte  S3magoge  nimmt  verschiedene  Länge  der  Höllenstrafe  an 
je  nach  der  Schuld  der  Verdammten;  s.  Exk.:  „Sch'^ol"  usw.  II,  6. 

2(>,  2:  Das  Passah  (die  Passahfeier). 
i-iGE,  aram.  ^ntps  (daraus  das  griechische  näßxa)  bedeutet  1.  das  am 
Abend  des  14.  Nisan  zu  essende  „Passahlamm"  (Passahopfer) a  u.  2.  das 
ganze  siebentägige  „Passahfest" ;b  in  letzterer  Bedeutung  steht  dann 
ncE  für  r'^a^sn  .in  =  toQTri  xwv  a^vficov.  Joseph.  Antiq.  18, 2, 2 :  Toov  d^vf.io)i' 
TTJg  ioQtrjg  ayofis'vrjg,  r^v  näaxa  xaXovf.i6V.  —  Das.  18,  4,  3:  Kai  rjv  avxoTg 
soQtrj'   naaxa  6h  xaXsnai. 

a.  P'^s2,  8:  Man  kocht  das  Passahlamm  ~x:zr\  rx  nicht  in  Flüssigkeiten,  auch 
nicht  in  Fruchtsaft.  ||  P'^sS,?:  Wer  auf  dem  Wege  ist,  sein  Passahlamm  incc  rs  zu 
schlachten.  ||  Pes  5,2:  Das  Passahopfer  -csn,  das  man  nicht  auf  seinen  Namen  hin 
(d.  h.  als  solches)  geschlachtet  hat,  ...  ist  untauglich.  —  Weitere  Beispiele:  Pes  5, 1.4. 
5.10;  6,1.5;  7,1.2.4.7.9.11;  8,  2. 3.  7.  8;  9,4.  6.  7.8. 9. 10. 11 ;  10,3.6.8.9. 

b.  zB  Pes  2, 2.  3. 4.  5;  3,1;  4,1.4.5;  5,1;  8,8;  9,5:  nya-u  ^2  ;m:  n^n  noB  das 
Passahfest  der  (nach  dem  Auszug  aus  Ägypten  lebenden)  Geschlechter  dauert  ganze 
7  Tage  (im  Gegensatz  zu  der  Passahfeier  in  Ägypten,  die  nur  eine  Nacht  währte) ;  10, 1. 5. 

26,3  9t:  Im  Gehöft  des  Hohenpriesters;  avli]  =  n:in  Hof,  Gehöft. 
Über  das  offizielle  Sitzungslokal  des  großen  Synedriums  s.  bei  Mt  26, 57. 

20,  3  S:  Kaidcfag.  —  Kaiphas,  dessen  eigentlicher  Name  Joseph 
war,  wurde  durch  Valerius  Gratus  etwa  18  n.  Chr.  Hoherpriester,  mußte 
etwa  im  Jahre  36  unter  dem  Landpfleger  Vitellius  sein  Amt  seinem 
Schwager  Jonathan,  dem  Sohn  des  Ananos  (=  Hannas),  überlassen,  a 
In  der  rabbin.  Überlieferung  wird  K.  Einmal  erwähnt,  als  Vater  (genauer 
wäre  Großvater)  des  späteren  Hohenpriesters  Elionaios  q^isn— ,3  ^rriiT'bx, 
der  nach  Josephus  ein  Sohn  des  Kantheras  war.b 

a.  Joseph.  Antiq.  18, 2,  2 ;  4, 3. 

b.  Jos.  Ant.  lf>,  8, 1  Ende.  Para3,5:  Wer  hat  (eine  rote  Kuh  für  das  Lustrations- 
wasser) zubereitet?  Die  erste  hat  Mose  zubereitet,  die  zweite  Esra;  von  Esra  an  u. 
weiter  sind  fünf  zubereitet  worden;  so  R.Me'ir  (uml50).  Die  Gelehrten  sagten:  Sieben  von 
Esra  an  u.  weiter.  Und  wer  hat  diese  zubereitet?  Schimcon  der  Gerechte  (I.,  um  300  v.  Chr.) 
u.  der  Hohepriester  Jochanan  (135 — 105  v.  Chr.)  haben  je  zwei  zubereitet;  Eljehocenai, 
Sohn  des  Kajjaph,  u.  Chanam'el,  der  Ägypter,*  u.  Jischmacel  b.  Phiabi  -^x-r^  haben 
je  eine  zubereitet. 

26,4:  Sie  hielten  Rat,  um  Jesus  mit  List  zu  greifen  u.  zu  töten. 
Ein  Ben  Stada   wurde   in  Lydda   durch  List  der  Verleitung  zum 
Götzendienst  überführt  u.  hinterher  gesteinigt,  s.  bei  Mt  1 ,  16  S.  38  Nr.  4. 
Die  Identifizierung  dieses  Ben  Stada  mit  Jesus  ist  historisch  wertlos. 

26,5:  Sie  sagten:  Nicht  im  Fest,  damit  nicht 
ein  Aufruhr  im  Volk  entsteht. 
Die  Festzeit  als  solche  scheint  also  kein  Hinderungsgrund  gewesen 

*  Wahrscheinl.Ananel,  der  37—36  u.34ff.  v.Chr.  Hoherpriester  war,  Schürer'' 2, 269. 
^  Wohl  der  Jüngere  dieses  Namens,  etwa  59 — 61  n.  Chr. 


986  Matth  26,  7  (31.  »).  26,  8.  9. 11 

zu  sein;  nur  der  Gedanke  an  die  Festmenge,  die  vielleicht  für  Jesum 
Partei  ergreifen  könnte,  gebietet  Vorsicht. 

26,75(:Ein  Alabasterfläschchen  mit  sehr  kostbarem  Myrrhenöl. 
cYkdßaaxQor  [j,vqov  =  ';i::i;biQ  br  -"^nib:?,  Fläschchen  mit  Nardenöl, 
Midr  HL  1,  3  (85  a):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  HL  1,  3  auf  unsren  Vater  Abraham  ge- 
deutet. Als  Gott  zu  ihm  sagte :  Zieh  du  aus  deinem  Lande  u.  aus  deiner  Verwandt- 
schaft Gnl2,  1,  wem  glich  da  Abraham?  Einem  Alabasterfiäschchen  mit  Nardenöl, 
das  in  einem  Winkel  lag  u.  dessen  Duft  sich  nicht  verbreitete.  Da  kam  einer  u.  nahm 
es  fort  von  seiner  Stelle,  u.  sein  Duft  verbreitete  sich.  So  hat  Gott  auch  zu  Abraham 
gesagt:  Abraham,  du  hast  viele  gute  Werke  u.  du  hast  viele  Gebotserfüllungen,  begib 
dich  hinaus  in  die  Welt  u.  dein  Name  wird  groß  werden  in  meiner  Welt.  —  In  der  Parallel- 
stelle GnR39(23*^,  hier  R.  ßerekhja,  um  340,  als  Autor)  steht  iiwo^-'Eiss  hv  n-rriVs, 
Fläschchen  mit  Balsam,  onoßdXaafxov.  —  Ein  ähnliches  Gleichnis  von  der  hv  tta^-z 
TC^Ve  hat  R.  Hoschacja  (wohl  der  Altere,  um  225)  Sanh  108»  auf  Noah  angewandt.  — 
Zu  cf'AdßttaTQoy  /uvqov  s.  weiter  bei  Mkl4, 3. 

26,7  93:  Und  goß  es  auf  sein  Haupt. 

Zum  Salben  im  allgemeinen  s.  bei  Mt  6, 17.  —  Speziell  dem  Gaste  Salböl  zu  reichen 
ist  wohl  allgemeine  Sitte  gewesen.  Chul94aBar:  R.  Meir  (um  150)  hat  gesagt:  Der 
Mensch  soll  einen  andren  nicht  zum  Mahle  bei  sich  nötigen,  wenn  er  von  ihm  weiß, 
daß  er  nicht  mitspeist;  ...  er  soll  nicht  zu  ihm  sagen:  „Salbe  dich  mit  Öl",  wenn 
die  Flasche  leer  ist  (u.  wenn  er  weiß,  daß  jener  das  Salben  ablehnt);  wenn  er  es  aber 
sagt,  um  jenen  zu  ehren,  so  ist  es  erlaubt.  —  In  TBE  (>,  14  (406)  fehlt  die  Aufforde- 
rung zum  Salben.  —  K^th  17b  erwähnt  Rab  (f  247)  als  babylonische  Sitte,  daß  bei 
der  Hochzeit  einer  Jungfrau  den  anwesenden  Rabbinen  Salböl  auf  das  Haupt  geträufelt 
wurde,  u.  aus  der  weiteren  Ausführung  des  Abaje  (f  338/39)  erhellt,  daß  auch  Frauen 
diese  Sitte  an  Rabbinen  übten;  s.  bei  Mt6, 17  S.  427  Anm.b. 

26,8:  Wozu  dieser  Verlust? 

dnwXsia  =  "iDfiri  (nösn)  =  Verlust. 

Aboth  2, 1:  Rabbi  pflegte  zu  sagen:  Berechne  den  Verlust  bei  einer  Gebotserfüllung 
r.'.^^  iDEn  gegenüber  ihrem  Gewinn  (Lohn  n^:^)  u.  den  Gewinn  bei  einer  Übertretung 
gegenüber  dem  Verlust  dabei.  ||  Aboth  5, 11  s.  bei  Mt  5, 22  S.  276 ;'. 

26,9:  Es  konnte  dies  teuer  verkauft  u.  Armen  gegeben  werden. 

Vgl.  pScheq  .=),  49 1>,  29:  Einmal  waren  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260)  u.  R.  Hoscha'ja 
(wohl  der  Ältere,  um  225)  in  die  Synagogen  von  Lydda  gegangen.  R.  Gh.  sagte  zu 
R.  H.:  Wieviel  Geld  haben  meine  Väter  hier  hineingesteckt  ny;;«;!  Er  antwortete  ihm: 
Wieviel  Seelen  haben  deine  Väter  hier  hineingesteckt!  Hat  es  denn  keine  Menschen 
gegeben,  die  sich  (wenn  sie  mit  den  vertanen  Baugeldern  unterstützt  worden  wären) 
mit  dem  Torastudium  hätten  befassen  können?  R.  Abin  (IL,  um  370)  ließ  Tore  für  das 
große  Lehrhaus  (in  Tiberias)  anfertigen.  Als  R.  Mani  (IL,  aus  Sepphoris)  zu  ihm  kam, 
sprach  er  zu  diesem:  Sieh,  was  ich  habe  machen  lassen!  Dieser  antwortete:  „Und 
vergessen  hat  Israel  seines  Schöpfers  u.  hat  Paläste  erbaut"  Hos  8,  14.  Hat  es  keine 
Menschen  gegeben,  die  sich  (bei  Unterstützung  aus  den  Baugeldern)  hätten  mit  dem 
Torastudium  befassen  können?  —  In  bSch'q8''^  einige  erleichternde  Wendungen. 

26,11:  Arme  habt  ihr  allezeit  bei  euch. 

SDtl5, 11  §118(98''):  „Es  wird  nicht  an  Armen  fehlen  im  Lande"  Dt  15,  11;  u. 
dort  (Dt  15,4)  heißt  es:  „Nur  daß  kein  Armer  bei  dir  sein  soll."  Wie  sind  diese  beiden 
Stellen  (nebeneinander)  aufrechtzuerhalten?  Wenn  ihr  den  Willen  Gottes  tut,  sind  die 
Armen  bei  den  andren  (Nichtisraeliten) ;  wenn  ihr  aber  Gottes  Willen  nicht  tut,  sind 


Matth  26,  1 1.  12.  13.  15.  17  (51)  987 

die  Armen  bei  euch.  —  Dasselbe  SDtl5,4  §114(98«).  1|  Targ  Jeruschl  Dt  15,  4. 11:  Nur 
wenn  ihr  euch  mit  den  Geboten  der  Tora  beschäftigen  werdet,  wird  unter  euch  kein 
Armer  sein.  .  .  .  Weil  ihr  nicht  hört,  Haus  Israel,  auf  die  Gebote  der  Tora,  werden 
Arme  nicht  aufhören  im  Lande.  ||  Schab  ßS'*:  Sch^muel  (f  254)  hat  gesagt:  Zwischen 
dieser  Welt  u.  den  Tagen  des  Messias  ist  weiter  kein  Unterschied,  als  daß  die  Knech- 
tung durch  die  Reiche  aufhört,  s.  Dt  15,  11  (als  Beweis,  daß  dann  nicht  jede  Not, 
sondern  nur  die  der  Fremdherrschaft  beseitigt  sein  wird). 

26,12:  Um  mich  zur  Bestattung  zu  salben. 

Zur  Salbung  der  Leichen  s.  Schab  23, 5 :  Man  darf  (am  Sabbat)  alles  tun,  was  bei 
einem  Toten  nötig  ist:  man  darf  ihn  salben  yDZi  u.  waschen;  nur  darf  man  ihm  kein 
Glied  bewegen.  ||  Ta'anö*^:  (R.  Jipchaq,  um  300,  sagte  zu  Rab  Nachman,  f  320):  So 
hat  R.  Jochanan  (t  279)  gesagt:  Unser  Vater  Jakob  ist  nicht  gestorben.  Er  antwortete 
ihm:  Haben  denn  unnützerweise  die  Trauerredner  ihm  die  Trauerrede  gehalten  u.  die 
Einbalsamierenden  ihn  einbalsamiert  Ni-iKan  iu:r!  u.  die  Totengräber  ihn  begraben? 

26,13:  Zu  ihrem  Gedächtnis. 

fxvrjfj.öavvov  =  -ji-iST.  —  pSch^'q  2, 47^  8  s.bei  Mt23,29  Nr.2,  b.  —  Aram.:  sj'^pin, 
zB  Targ  Spr  10,  7:  Das  Gedächtnis  der  Gerechten  ist  zum  Segen.  ||  Targ  Ps  112,6:  Zum 
ewigen  Gedächtnis  nVy  psn^  sei  der  Gerechte!  —  Häufiger  Verbalkonstruktionen: 
Joma  3,9:  Ben  Gamla  (wohl  Hoherpriester  um  63 — 65  n.  Chr.)  machte  die  beiden  Lose 
(des  Versöhnungstages)  aus  Gold,  u.  man  gedenkt  es  ihm  zum  Lobe  r.ztih  ir-s  •)^-i^3t-3\  — 
Dieselbe  Wendung  das.  3, 10.  —  Passivisch:  a-ita-j  ^ü'sn  ims  "nsr  es  sei  jenes  Mannes 
zum  Guten  gedacht  zB  BB  21 »;  Sanh  13^.  —Vgl.  sqIiou  Neh  5, 19;  13,14.22.31. 

26, 15:'Sie  wogen  ihm  30  Silberlinge  dar. 

Dreißig  Scheqel  Silber  war  nach  Ex  21,  32  der  Ersatzpreis  für  einen  getöteten 
Sklaven.  BQ  4,5:  Wenn  ein  Ochse  einen  Sklaven  oder  eine  Sklavin  stößt  (so  daß  diese 
sterben),  so  zahlt  der  Besitzer  des  Ochsen  30  Selac  (=  30  heilige  Scheqel),  mag  der 
Sklave  100  Minen  (1  Mine  =  25  Sela')  oder  1  Golddenar  ^  wert  sein.  ||  cArakh  3,3:  Ob 
der  Ochse  den  schönsten  oder  den  häßlichsten  unter  den  Sklaven  tötet,  der  Eigen- 
tümer bezahlt  30  Sela<;  tötet  er  aber  einen  freien  Mann  •^"lin  ■]3,  so  zahlt  der  Eigen- 
tümer dessen  Wert  (vgl.  Lv  27,  3  ff.). 

26,17  51:  Am  ersten  (Tage)  der  ungesäuerten  Brote  {von'  d^vf^icor). 

Das  „Fest  der  ungesäuerten  Brote"  heißt  nach  Ex  23, 15;  34, 18; 
Lv  23,  6  im  Rabbin.  nia^sn  5r,a  aram.  N^'n"''^^B"!  xsn;b  bei  den  LXX  soqti] 
rwv  cc^vßcor,  zB  Ex  23, 15;  34, 18;  Lv  23,  6,  ebenso  bei  Josephus,  Antiq. 
2, 15,1;  3,10,5;  9,13,3;  18,  2,  2;  Bell.  Jud.  2,  1,  3  u.  im  NT  Lk22,l. — 
Wie  Mk  14,1;  3  Esra  1,10  beweist,  sagte  man  auch  kurz:  zd  a^v/^ia  „die 
ungesäuerten  Brote";  daher  Apg  12,  3;  20,6  riisqai  räir  d^i\ao}v;  vgl. 
Mt26,17;Mkl4,12;  Lk  22,  7. 

Von  dem  „Fest  der  ungesäuerten  Brote",  das  7  Tage  (vom  15.  bis 
21,  Nisan)  währte,  wurde,  wo  man  genau  sprechen  wollte,  nach  dem 
Vorgange  von  Nu  28, 16  f.  u.  2  Chr  35, 17  unterschieden  das  „Passahfest" 
noQ,  aram,  Nnpö,  das  am  Abend  des  14.  Nisan  bis  hinein  in  die  ersten 
Stunden  des  15.  Nisan  gefeiert  wurde,  c  Der  Volksmund  unterschied 
jedoch  nicht  so  genau,  sondern  nannte  beide  Feste  zusammen  entweder 

1  So  Codex  Cambridge,  die  Münchener  Handschrift  u.  pT  (1  G.  =  25  Silberdenare 

=  V*  Mine). 


988  Matth  26,  17  (51.  SB) 

„Passahfest"  d  oder,  seltener,  „Fest  der  ungesäuerten  Brote". e  Im  letz- 
teren Falle  konnte  dann  auch  wohl  gesagt  werden,  dafa  das  Fest  der  un- 
gesäuertenBrote  8  Tage  langgefeiert  würde;  f  dabei  zählteman  den  Passah- 
tag, also  den  14.  Nisan,  selbstverständlich  als  den  1.  Tag  der  ungesäuerten 
Brote,  so  Mt  26, 17;  Mk  14, 12 ;  s.  den  Exk.  über  den  Todestag  Jesu,  A. 

a.  M^kh  Ex  23, 14(107'»):  Drei  Feste  sollst  du  mir  im  Jahre  feiern  Ex  23, 14  (so 
der  Midr).  Warum  wird  es  gesagt?  Wenn  es  Ex  23, 17  heißt:  , Dreimal  im  Jahre  soll 
all  dein  Männliches  vor  dem  Herrn  Jahve  erscheinen",  so  entnehme  ich  daraus:  zu 
jeder  Zeit,  wann  man  will.  Da  sagt  die  Schrift  lehrend:  Am  Fest  der  ungesäuerten 
Brote  rvj^an  jna,  am  Wochenfest  u.  am  Hüttenfest.   Oder  (ist  etwa  gemeint):  Am  Fest 

^der  ungesäuerten  Brote  dreimal  u.  am  Wochenfest  dreimal  u.  am  Hüttenfest  dreimal? 
Die  Schrift  sagt  lehrend:  Drei  Feste  sollst  da  mir  im  Jahre  feiern. 

b.  Targ  Onk  u.  Jerusch  I  zB  Ex  23,  15  u.  Lv  23,  6. 

C.  Jubil  49,  1.22:  Gedenke  des  Gebots,  das  Gott  dir  geboten  hat  in  betreff  des 
Passah,  daß  du  es  haltest  am  14.  des  1.  Monats,  daß  du  es  schlachtest,  ehe  es  Abend 
wird,  u.  daß  man  es  esse  in  der  Nacht,  am  (Vor-) Abend  des  15.  von  der  Zeit  des 
Sonnenuntergangs  an.  .  .  .  Du  aber,  Mose,  gebiete  den  Kindern  Israel,  sie  sollen  die 
Passahordnung  halten.  Wie  dir  befohlen  ist,  sage  ihnen  sein  Jahr  je  nach  dem  Jahr 
u.  seinen  Tag  je  nach  den  Tagen,  u.  das  Fest  des  ungesäuerten  Brots,  daß  sie  7  Tage 
unges.  Brot  essen.  1|  LXX  Nu  28, 16 f.:  Im  1.  Monat  am  14.  Tage  des  Monats  ist  Passah 
■nüay^a  für  den  Herrn;  u.  am  15.  Tag  dieses  Monats  ist  Festtag:  7  Tage  sollt  ihr  unges. 
Brote  essen.  —  Das.  2Chr  85, 17:  Und  die  Kinder  Israel,  die  da  waren,  hielten  in  jener 
Zeit  das  Passah  (rö  rpuaiy.  =  näax«)  u.  das  Fest  der  unges.  Brote  rrjv  ioQitjy  riöf 
ül^v/xixiv  sieben  Tage.  —  Fast  wörtlich  ebenso  3Esra  1,  17:  ijydyoauv  .  .  .  t6  näa^a  xai 
T?yf  soQxr^v  xwy  ('d^i'fxwy  .  .  .  \\  Targ  Onk  Nu  28,  16  f. :  Im  1.  Monat  am  14.  Tage  des  Monats 
ist  Passah  nhce  vor  Jahve,  u.  am  15.  Tage  dieses  Monats  ist  Festtag,  sieben  Tage  soll 
unges.  Brot  i-'^is  gegessen  werden.  —  Ähnlich  so  Targ  Jerusch  I.  1|  Targ  2  Chr  35, 17: 
Die  Kinder  Israel,  die  treu  erfunden  wurden,  feierten  das  Passah  srtcE  vor  Jahve  zu 
jener  Zeit  am  Abend  u.  das  Fest  der  unges.  Brote  s-'^^tiiT  ssn  sieben  Tage.  ||  Joseph. 
Antiq.  3,  10,5:  Am  15.  (Nisan)  folgt  auf  den  Tag  des  Passah  irjv  rov  näax«  das  Fest 
der  unges.  Brote  rj  xmp  äCi\u(oy  soQtrj,  das  sieben  Tage  dauert.  ||  Mk  14,  l:  tji^  de  t6 
7id(S](K   y.cn  tu    ul^vfxa. 

d.  Lk2, 41:  eoQxrj  rov  nüax«.  —  22,1:  rj  eoQirj  nHv  a^i'nwv  rj  Xsyo^eyrj  nüaxf'- 
Ferner  Joh2, 13.23;  6,4;  11,55;  12,1;  13,1;  18,39;  Apgl2,4.  —  3  Esra  1, 18f.:  xcd 
ovx  rJx^V  ^°  Tiuaxa  xoiovxov  if  xio  lagatjX  ano  xcoy  jpöt'wi^  Zc<fA.ovrjX  xov  TiQocptjxov'  xal 
Tidvxsg  oi  ßaaiXs??  xov  'laQctijX  ovx  ■^ydyoanv  7idaxc(  xoiovxoy,  oiov  rjyctysy  'itoaiug.  ...  — 
Joseph.  Bell.  Jud.  2,  1,3:  xcd  dtj  xrjg  xwy  äCt'f^wy  syaxäarjg  ioQxrjg,  qp«<T/«  (=  näax«) 
nc(Qce  xoTg'lovdaloig  xaXsiiao.  —  Antiq.  14,  2,  1 :  xaxd  xoy  xuiQÖy  xtjg  xwy  d^vfxcoy  eooxtjg, 
rjy  cpäaxn  {—  ndaxcc)  Xe'yofAsy.  Ferner  s.  Antiq.  18, 2,  2  u.  18,  4,  3  bei  Mt  26,2;  ebenda 
Anm.  b  die  rabbin.  Belege. 

ß.  Lk  22,  7:  rj^Osy  de  rj  rj^eQa  xioy  (c^t'/uay,  iy  rj  tdsi  S^vsa>^c<t,  xd  ndax"-  —  Ferner 
Mt26, 17;  Mk  14, 12;  Apg  12,3;  20,6;  Joseph. Bell.  Jud. 5, 3,  1:  xijg  xwy  cKvfXMy  eyaxdarjg 
ijf^egag  xeaaaQsaxnidsxäxrj   S.av8ixov  fxijvög  (=  Nisan). 

f.  Joseph.  Antiq.  2,  15,  1:  o&sy  eig  /nyjjuyjy  xijg  xöxs  ifdsiug  (=  Mangel)  soQXijy 
äyofxsy  icp'   ij^isgag  oxxai,  xijy  xujy  äCvf^wy  Xeyo^e'y^y. 

Zur  Zählung  der  Passahfesttage  s.  den  Exkurs:  Die  Angaben  der  vier  Evangelien 
über  den  Todestag  Jesu  in  ihrem  Verhältnis  zur  Halakba,  A. 

26, 17^:  Wo  willst  du,  daß  wir  dir  das  Passahmahl 
zu  essen  bereiten? 
Was  zum  ivoi/^iä^siv  t6  näaxct  gehörte,  s.  im  Exk.:  „Die  Passah- 
feier".  —   Zur  Frage  rcov  &tXeig;  vgl.  Joma  12'':  Jerusalem  ist  nicht 


Matth  26,  17  (SB).  26, 23. 24  •  989 

unter  die  Stämme  verteilt  worden  (sondern  gemeinsamer  Besitz  von 
ganz  Israel  geblieben);  denn  in  einer  Bar  heißt  es:  Man  darf  die  Häuser 
in  Jer.  nicht  vermieten,  weil  sie  ihnen  (den  Jerusalemern)  nicht  ge- 
hören. R.  El^azar  b.  ^adoq  (wohl  der  Ältere,  um  100)  sagte:  Auch  nicht 
die  Lagerstätten  (an  die  Festpilger) ;  deshalb  nehmen  die  Wirte  (Gast- 
freunde)  die  Häute  der  Festopfer  (der  bei  ihnen  wohnenden  Festpilger) 
mit  Gewalt  (als  ihre  Entschädigung  in  Anspruch).  —  Dasselbe  M^g  26='.  — 
Die  Festpilger  waren  hiernach  berechtigt,  jedermann  um  Überlassung 
eines  Raumes  zur  Passahfeier  anzugehn. 

26,20:  Als  esAbend  geworden  war,  legte  er  sich  mit  denzwölfJüngeru 
zu  Tische.   Siehe  den  Exk.:  „Die  Passahfeier ". 

26,23:  Der  mit  mir  die  Hand  in  die  Schüssel  getaucht  hat, 
der  wird  mich  verraten  (den  Feinden  überliefern). 
Das  Essen  aus  einundderselben  Schüssel  wird  bezeugt: 

B'^rakh47^:  Zwei  warten  aufeinander  an  einer  Schüssel  (aus  der  sie  gemeinsam 
essen;  u.  zwar  wartet  der  Geringere,  bis  der  Größere  genommen  hat);  drei  warten 
nicht  aufeinander.  Wer  das  Brot  bricht  (das  ist  der,  welcher  zu  Beginn  des  Mahles 
den  Lobsprach  über  das  Brot  gesprochen  hat),  streckt  zuerst  seine  Hand  aus;  wenn 
er  aber  seinem  Lehrer  oder  einem,  der  größer  als  er  selbst  ist,  Ehre  erweisen  u.  dieses 
Vorrecht  überlassen  will,  so  darf  er  es.  —  Diese  Bar  auch  Git  59^,  22.  ||  N'^d  4, 4:  Wenn 
jemand  der  Genuß  (Nutzen)  von  einem  andren  durch  ein  Gelübde  versagt  ist  .  .  .,  so 
darf  er  mit  diesem  auf  dem  Polster  zu  Tische  liegen  u.  mit  ihm  am  Tische  essen, 
aber  nicht  aus  der  (gemeinsamen)  Schüssel;  wohl  aber  darf  er  aus  der  Schüssel  (mit 
ihm)  essen,  wenn  diese  herumgeht.  , 

Mt  26,  23  setzt  voraus,  daß  in  jenem  Augenblick  eine  gemeinsame 
Schüssel  benützt  wurde.  Nach  der  Halakha  sollte  beim  Essen  des  Haupt- 
gerichts (Brot,  Lattich,  Fruchtmus  u.  Passahlamm)  jeder  seine  Schüssel 
Fruchtmus  für  sich  allein  haben,  s.  Exk.:  „Die  Passahfeier".  Daraus  würde 
zu  folgern  sein,  daß  der  Vorfall  in  Mt26,23  während  des  Essens  des  Vor- 
gerichtes sich  zugetragen  hat.  In  der  Schüssel  würde  sich  dann  entweder 
Fruchtmus  oder  nach  andrer  Tradition  Salzwasser  befunden  haben. 

26,24:  Es  wäre  jenem  Menschen  besser, 
wenn  er  nicht  geboren  wäre. 

Parallelen  s.  bei  Mt  18, 6. 8  f. ;  vgl.  auch  zu  Mt  5,  29  2)  S.  303.  —  Ferner  Hen  38,  2 : 
Wenn  der  Gerechte  (=  Messias)  vor  den  auserwählten  Gerechten  erscheinen  wird,  deren 
Werke  vor  dem  Herrn  der  Geister  aufbewahrt  sind,  u.  das  Licht  den  auf  dem  Fest- 
lande wohnenden  auserwählten  Gerechten  leuchten  wird,  —  wo  wird  dann  die  Wohnung 
der  Sünder  u.  wo  die  Ruhestätte  derer  sein,  die  den  Herrn  der  Geister  verleugnet 
haben?  Es  wäre  ihnen  besser,  sie  wären  nie  geboren  worden.  |!  Chag  2, 1 :  Wer  über 
vier  Dinge  Betrachtungen  anstellt,  dem  wäre  es  besser;  wenn  er  nicht  in  die  Welt  ge- 
kommen wäre  =V-,>-5  sa  n"";  "lis:  ■i's  i  -ip^:  nämlich  über  das,  was  oben  (im  Himmel) 
u.  was  unten  (unter  der  Erde)  ist,  was  vor  der  Welt(schöpfung)  war  u.  was  nachher 
sein  wii-d;  u.  wer  die  Ehre  seines  Schöpfers  nicht  schont,  dem  wäre  es  besser,  wenn 
er  nicht  in  die  Welt  gekommen  wäre.  |1  B®rakh  l?-'^:  Raba,  f  352,  hat  gesagt:  Wer 
die  Gebote  nicht  um  ihrerselbstwillen  erfüllt,  dem  wäre  es  besser,  wenn  er  nicht  er- 


*  Cod.  Cambridge  u.  pT;  ^isi  erleichternde  Lesart. 


990  Matth  26,  25 

schaffen  wäre  s^23  tihv  ''•>  n-j.  ||  ExR  40  (96^'):  R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Wer 
die  Tora  kennt  u.  sie  nicht  tut,  dem  wäre  es  besser  15  2I3T3,  wenn  er  nicht  zur  Welt 
gekommen  wäre,  sondern  die  Nachgeburt  sich  um  sein  Gesicht  gewendet  hätte.  —  Die 
Parallelstelle  LvR  35  (132«)  s.  bei  Mt  18,6.  ||  pcAZ  2,40^  35  s.  bei  Mt  1,16  S.88. 

2(;,  25:  Du  hast  es  gesagt. 
Das  als  Bejahungsformel  gemeinte  <Jv  sinag  =  „du  hast  es  gesagt" 
findet  sich  in  Jesu  Mund  noch  26,64.  —  Mt27,ll  (vgl.  Johl8,37)  steht 
dafür  das  gleichbedeutende  av  Is'ystg  „du  sagst  es"  =  wie  du  sagst,  so 
ist  es.  Vergleichen  läßt  sich  Ex  10,29:  rns^  is  „du  hast  recht  geredet", 
ich  werde  dein  Angesicht  nicht  wieder  sehn.  Im  Rabbin.  wäre  für  (Tv 
sinaq  [Xeysiq)  vorauszusetzen  i?"^?«.  Doch  kennt  man  (s.  Dalman,  Worte 
Jesu  1,254)  nur  Einen  Beleg  für  dieses  m^x.  TKelim  BQ1,6  (569): 
Zwischen  die  Vorhalle  (des  Tempels)  u.  den  (Brandopfer-)Altar  dürfen 
(die  Priester)  hineingehen,  ohne  (vorher)  die  Hände  u.  Füße  gewaschen 
zu  haben.  So  R.  Mei'r  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Sie  dürfen 
nicht  hineingehen.  Schim^on,  der  Sittsame  mr^tn,  erzählte  vor  R.  Eli^ezer 
(um  90):  Ich  bin  hineingegangen  zwischen  die  Vorhalle  u.  den  Altar 
ungewaschen  an  Händen  u.  an  Füßen!  Er  antwortete  ihm:  Wer  ist 
beliebter  (angesehener),  du  oder  der  Hohepriester?  Da  schwieg  er. 
R.  Eli'ezer  aber  sprach  zu  ihm:  Du  schämst  dich  wohl  zu  sagen,  daß 
(selbst)  der  Hund  des  Hohenpriesters  beliebter  ist  als  du?  Jener  sprach: 
Rabbi,  du  hast  es  gesagt^  mai<  (=  du  hast  recht,  so  ist  es)!  Er  ant- 
wortete ihm:  Beim  Tempeldienst,  selbst  einem  Hohenpriester  hätte  man 
mit  Holzscheiten  die  Hirnschale  gespalten  (wenn  er  ungewaschen  dort- 
hinein gegangen  wäre)!  Was  willst  du  machen  (wenn  man  auch  über 
dich  herfiele)?  Denn  dich  hat  (nur)  der  Aufseher  nicht  angetroffen.  — 
Aber  auch  dieses  eine  Beispiel  genügt  als  Beweis,  daß  die  Worte:  „du 
hast  es  gesagt"  oder  „du  sagst  es"  in  Jesu  Mund  soviel  bedeuten,  wie: 
„du  hast  recht",  „wie  du  es  sagst,  so  ist  es".  Nur  muß  man  sich  hüten, 
das  n-i^x  in  diesem  Sinn  als  eine  allgemein  gebräuchliche  Wendung  an- 
zusehn.  Für  gewöhnlich  hat  man  jedenfalls  einfach  -pn  (in)  oder  i-^x  = 
ja!  gesagt;  s.  als  Beispiele  GnR  78  (49^)  bei  Mt25,3i  S.977;  LvR  27 
(125b)  bei  Mt  5, 45  S.  375f.;  Midr  Qoh  5. 10  bei  Mt  6,  4  S.  396. 

Keine  Parallele  zu  dem  av  £/;i«f  Mt  26,  25  enthält  pKil  9,  32'',  9:  Die  Leute  von 
Sepphoris  (wo  Rabbi  wohnte)  sagten :  Wer  uns  mitteilt,  daß  Rabbi  entschlafen  ist,  den 
töten  wir.  Bar  Qappara  blickte  (nach  erfolgtem  Ableben  Rabbis)  auf  sie,  sein  Haupt 
bedeckt  mit  zerrissenen  Gewändern;  er  sprach  zu  ihnen:  „Gewaltige  (d.  h.  die  Frommen 
auf  Erden)  u.  Gotteslöwen  (d.  h.  die  Engel  im  Himmel)  erfaßten  die  Tafeln  des  Bundes 
(d.  h.  Rabbi),  u.  die  Hand  der  Gotteslöwen  war  stärker  u.  sie  rissen  die  Tafeln  an  sich." 
Man  sagte  zu  ihm:  Rabbi  ist  entschlafen?!  Er  antwortete  ihnen:  Ihr  habt  es  gesagt 
■;ir-'^)3S  "jiriN.  —  Die  letzten  Worte  wollen  aber  nicht  besagen:  ,Ja,  so  ist  es,  wie  ihr 
gesagt  habt";  wie  sie  gemeint  sind,  zeigt  Midr  Qoh  7,  11  (35''),  wo  die  Antwort  des 
Bar  Qappara  lautet:    ,lhr  habt  es  gesagt,   ich  habe  es  nicht  gesagt"  kj-'js  sb  sss. 

*  H.  Laible,  Allg.  Evang.-Luth.  Kirchenzeitung  1920  Spalte  460  faßt  dies  ri»s  als 
rhetorische  Frage  des  Unwillens  =  „das  (so  ein  hartes  Wort)  sagst  du?"  Aber  dann 
hätte  p  oder  pst  vor  r-^-is  nicht  fehlen  dürfen. 


Matth  26,26.28  991 

Wegen  der  obigen  Drohung  der  Sepphorenser  richtet  Bar  Qappara  es  so  ein,  daß  die 
erste  Kunde  von  Rabbis  Tod  nicht  durch  ihn,  sondern  durch  die  Sepphorenser  selbst 
laut  wird.  —  Weitere  Parallelen:  pK'^th  12,35'^,  18;  bK^th  104«;  Midr  Qoh  9,  10  (48'^); 
in  den  beiden  letzten  Stellen  die  Antwort  des  Bar  Qappara  mit  dem  Zusatz:  ,Ich  habe 
es  nicht  gesagt." 

26,26:  Während  sie  aßen,  nahm  Jesus  Brot  usw. 

Wann  die  Einsetzung  des  heiligen  Abendmahls  vermutlich  erfolgt  ist,  s.  im  Exk. : 
,Die  Passahfeier ". 

26,28:  Das  ist  mein  Blut  des  Bundes,  das  für  viele 
zur  Vergebung  der  Sünden  vergossen  wird. 

Die  Worte  weisen  zurück  auf  Ex  24, 8.  Um  die  Sühnkraft  des  Blutes 
hervorzuheben,  übersetzt  Targ  Onk  nicht:  „Mose  schwenkte  das  Blut 
auf  das  Volk",  sondern:  „Mose  nahm  das  Blut  u.  sprengte  es  auf  den 
Altar,  um  für  das  Volk  Sühnung  zu  schaffen,  u.  er  sprach:  Siehe,  das 
ist  Blut  des  Bundes,  den  Jahve  mit  euch  auf  Grund  aller  dieser  Worte 
geschlossen  hat."  —  Fast  wörtlich  ebenso  Targ  Jerusch  I. 

Sonst  haben  wir  Ex  24, 8  noch  erwähnt  gefunden  LvR6(109b):  R.  Jochanan  (t  279) 
hat  gesagt:  Sie  (Gott  u.  Israel)  trafen  Verabredungen  untereinander,  daß  er  sie  nicht 
verleugnen  wolle  u.  daß  sie  ihn  nicht  verleugnen  sollten.  R.  Ji^chaq  (um  300)  hat  ge- 
sagt: Wenn  ein  König  seine  Legionen  schwören  läßt,  so  läßt  er  sie  nur  beim  Schwerte 
schwören,  um  damit  zu  sagen,  daß,  wenn  einer  die  Vereinbarungen  übertritt,  das  Schwert 
auf  seinen  Hals  kommen  soll.  So  nahm  Mose  die  Hälfte  des  Blutes  Ex  24,  6.  Woher 
hat  Mose  (gerade  genau)  die  Hälfte  des  Blutes  gekannt?  R.  J^'huda  b.  El'ai  (um  l-'SO) 
hat  gesagt:  Das  Blut  hat  sich  von  selbst  (in  zwei  gleiche  Teile)  geteilt;  R.  Nathan 
(um  160)  hat  gesagt:  Sein  Aussehn  veränderte  sich;  eine  Hälfte  wurde  schwarz,  die 
andre  rot.  Bar  Qappara  (um  220)  hat  gesagt:  Ein  Engel  kam  in  der  Gestalt  Moses 
herab  u.  teilte  es.  R.  Ji9chaq  hat  gesagt:  Eine  Himmelsstimme  ging  aus  vom  Berge 
Horeb,  welche  rief:  Bis  hier  ist  die  Hälfte  des  Blutes.  R.  Jischma'el  (f  um  135)  hat 
gelehrt:  Mose  war  mit  den  Halakhoth  (Regeln)  des  Blutes  vertraut  u.  teilte  es.  — 
,Und  er  tat  es  in  Becken"  Ex  24,  6.  R.  Huna  (um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Abin 
(um  325)  gesagt:  Es  steht  geschrieben  riss:;  (ohne  •  in  der  Endung):  dieses  war  nicht 
größer  als  jenes  u.  jenes  war  nicht  größer  als  dieses.  Mose  sprach  vor  Gott:  Was 
soll  mit  deinem  Teil  geschehen?  Er  antwortete:  Schwenke  ihn  auf  das  Volk.  Und  was 
soll  mit  ihrem  Teil  geschehen?  Er  antwortete:  Schwenke  ihn  an  den  Altar.  R.  Berekhja 
(um  340)  u.  R.  Chijja  (um  280)  haben  im  Namen  des  R.  Jose  b.  Chanina  (um  270)  ge- 
sagt: Er  schwur  ihnen,  s.  Ez  16,  8:  Ich  schwut  dir  u.  trat  in  einen  Bund  mit  dir,  ist 
der  Spruch  Jahve-Elohims.  Und  sie  schwuren  ihm,  s.  Dt  29, 11:  Daß  du  in  den  Bund 
u.  Eidschwur  Jahves  deines  Gottes  eintretest.  |i  Jeb46t):  Mose  nahm  das  Blut  u.  schwenkte 
es  auf  das  Volk;  u.  es  ist  traditionelle  Lehre,  daß  es  kein  Sprengen  (des  Blutes)  gibt 
ohne  Tauchbad  (deshalb  bedarf  auch  der  Proselyt  außer  der  Beschneidung  des  Tauch- 
bades). Vgl.  KerSl^  (andre  Ausgaben  9a):  Rabbi  sagte:  Wie  eure  Väter  in  den  Bund 
eingetreten  sind  (am  Sinai)  nur  durch  Beschneidung,  Tauchbad  u.  gnädige  Annahme 
des  Blutes,  so  sollen  auch  die  Proselyten  in  den  Bund  eintreten  nur  durch  Beschneidung, 
Tauchbad  u.  gnädige  Annahme  des  Blutes  (s.  beiMt3, 6  S.  105  ff.). 

Für  gewöhnlich  verstand  man  unter  „Blut  des  Bundes"  n^in  ci  das 
Beschneidungsblut. 

pJebS,  9  a,  5:  Wer  die  Vorhaut  vorgezogen  hat  (u.  dadurch  die  Beschneidung  un- 
kenntlich gemacht  hat),  wer  beschnitten  geboren  ist  u.  wer  sich  vor  seinem  Übertritt 
zum  Judentum  hat  beschneiden  lassen,  von  dem  muß  man  Blut  des  Bundes  (durch 
Einritzen  der  Beschneid ungsstelle)  tröpfeln  lassen.   R.  Schim'on  b.  EKazar  (um  190)  hat 


992  Matth  26,  28.  29.  30.  34  (31  1 ) 

gelehrt:  Nicht  darüber  sind  die  Schulen  Schammais  u.  Hillels  verschiedener  Meinung 
gewesen,  daß  man  von  dem,  der  beschnitten  geboren  worden  ist,  Blut  des  Bundes 
muß  tröpfeln  lassen,  weil  dessen  Vorhaut  niedergedrückt  ist.  Verschiedener  Meinung 
waren  sie  in  betreff  des  Proselyten,  der  beschnitten  zum  Judentum  übertritt;  denn  die 
Schule  Schammais  sagte,  man  müsse  von  ihm  Blut  des  Bundes  tröpfeln  lassen,  während 
die  Hillels  sagte,  man  brauche  das  nicht  zu  tun.  —  Parallelstellen:  TSchab  15,9(133); 
pSchab  15),  17a,39;bSchabl35a;  JebTla;  GnR4G(29b). 

26,29:  Nicht  mehr  werde  ich  von  nun  an  von  diesem  Gewächs 
des  Weinstocks  trinken  bis  zu  jenem  Tag,  da  ich  es  mit  euch 
neu  trinken  werde  in  dem  Reich  meines  Vaters. 
Über  das  Mahl  der  Gerechten  in  der  Vollendungszeit  s.  Exk.:  „Sch^ol" 
usw.  III,  4,  0 — //;  daselbst  (Anm.  o)  auch  die  Stellen,  in  denen  bildlich 
von  einem  Mahl  zur  Bezeichnung  der  Freuden  der  Seligkeit  gesprochen 
wird.  —  Sanh  99-'^  u.  B''rakh34'^:  „Kein  Auge  hat  es  gesehen"  usw. 
Jes  64, 3.  R.  J*^hoschua?  b.  Levi  (um  250)  hat  gesagt:  Damit  ist  der  Wein 
gemeint,  der  seit  den  sechs  Schöpfungstagen  in  seinen  Trauben  auf- 
bewahrt wird  (für  das  Mahl  der  Gerechten  in  der  zuk.  Welt). 

26,30:  Als  sie  den  Lobgesang  gesprochen, 

gingen  sie  hinaus  an  den  Ölberg. 

Mit  dem   „Lobgesang"  ist  der  zweite  Teil  des  Hallel  gemeint,  der 

beim  vierten  Becher  Wein  gesungen  wurde,  s.  Exk,:  „Die  Passahfeier". — 

Das  Hinausgehen  an  den  Ölberg  in  der  Passahnacht  war  kein  Verstoß 

gegen  die  Halakha,  s.  Exk.  über  den  Todestag  Jesu  C,  Nr.  6. 

26,34  5(:  Ehe  der  Hahn  kräht. 

1.  Die  in  Palästina  schon  in  Jesu  Zeit  allgemein  übliche  Hühner- 
zucht war  nur  in  Jerusalem  untersagt,  u.  zwar  weil  man  befürchtete, 
daß  durch  das  Kratzen  der  Hühner  verunreinigendes  Gewürm  ans 
Tageslicht  gebracht  werden  könnte.  Aus  dem  gleichen  Grunde  war 
der  Priesterschaft  das  Halten  von  Hühnern  auch  außerhalb  Jerusalems 
verboten. a  Doch  galt,  wie  die  Tosephta  zeigt,  ersteres  Verbot  nur  in 
dem  Fall,  daß  dem  Hühnervolk  keine  Gelegenheit  zum  Scharren  in 
einem  Garten  oder  auf  einem  Dunghaufen  gegeben  war.b  Auch  wird 
ausdrücklich  von  einem  Hahn  in  Jerusalem  erzählt,  der  dort  ein  Kind 
durch  sein  Picken  getötet  habe.c 

a.  BQ  7,  7:  Man  zieht  in  Jer.  keine  Hühner  auf  wegen  der  heiligen  Dinge  (zB  Opfer- 
fleisch von  Friedmahlsopfern,  das  in  den  IJäusern  verzehrt  werden  durfte);  die  Priester 
aber  dürfen  sie  auch  nicht  im  Lande  Israel  aufziehen  aus  Gründen  der  Reinheit.  || 
BQ  82b:  Zehnerlei  hat  man  von  Jer.  ausgesagt:  Es  verfällt  darin  kein  Haus  (dem 
Gläubiger,  denn  Jer.  gilt  als  jüdischer  Nationalbesitz),  es  stellt  kein  Kalb,  dem  das 
Genick  zu  zerbrechen  ist  (vgl.  Dt  21, 1  ff.),  es  wird  keine  Stadt,  die  mit  dem  Bann  zu 
belegen  ist,  es  wird  nicht  unrein  durch  Aussatz,  man  baut  darin  keine  hervorspringenden 
Gesimse  u.  Balkone,  man  legt  darin  keine  Dunghaufen  an,  man  legt  darin  keine  Schmelz- 
öfen (für  Töpfer,  Glaser,  Metallarbeiter  usw.)  an;  man  legt  darin  keine  Gemüse-  u. 
Obstgärten  an,  abgesehen  von  den  Rosengärten,  die  seit  den  Tagen  der  früheren  Pro- 
pheten vorhanden   sind;   man   zieht  darin  keine  Hühner  auf;   man  läßt  darin  keinen 


Matth26,34(5tl.2)  993 

Toten  über  Nacht.  —  Dasselbe  mit  Abweichungen  im  einzelnen  AbothRN  35 ;  in  der 
Parallelstelle  TNegU,  1  f.  (625)  fehlt  die  Bemerkung  über  Hühnerzucht. 

b.  TBQ  8, 10  (361):  Man  zieht  in  Jer.  wegen  der  heiligen  Dinge  keine  Hühner  auf; 
wenn  diese  einen  Garten  oder  Misthaufen  vor  sich  haben,  siehe,  so  ist  es  erlaubt. 

C.  cEduj  6,  1:  R.  Jehuda  b.  Baba  (f  um  135)  hat  fünf  Dinge  bezeugt:  .  .  .  Daß  ein 
Hahn  in  Jer.  gesteinigt  worden  ist,  weil  er  ein  menschliches  Wesen  getötet  hat.  —  Diese 
Mischna  wird  zitiert  B^akh  27  ^  u.  p'Er  10, 26 ''',  36 ;  an  der  letzteren  Stelle  mit  dem  Zusatz : 
Der  Hahn  sah,  wie  die  Schädeldecke  eines  Kindes  vibrierte,  ging  hin  u.  durchpickte  sie. 

v    2.  „Hahnenschrei"  -15?«^  nx'inp  als  Bezeichnung  der  frühen  Morgenzeit. 

Joma  1,8:  An  jedem  Tage  räumt  man  die  Asche  vom  Brandopferaltar  ab  zur  Zeit 
des  Hahnenschreis  oder  dicht  um  diese  Zeit,  sei  es  vorher  oder  nachher,  am  Ver- 
söhnungstage aber  um  die  Mitternachtsstuude  u.  an  den  Feiertagen  von  der  ersten 
Nachtwache  an  (d.  h.  abends  9  Uhr,  bezw.  10  Uhr,  je  nachdem  man  4  oder  3  Nacht- 
wachen annimmt,  s.  TB^'rakh  1,1(1);  pB^rakh  J,  2^,  9. 14;  B^rakh  3'^  bei  Mt  14, 25).  Und 
noch  ehe  der  Hahnenschrei  heranrückte,  war  schon  (an  den  Festtagen)  der  Vorhof  von 
Israeliten  angefüllt.  H  Tamid  1,2:  Wer  die  Asche  vom  Brandopferaltar  wegzuräumen 
wünschte,  stand  früh  auf  u.  nahm  ein  Tauchbad,  bevor  der  darüber  gesetzte  Aufseher 
kam.  Aber  wußte  er  denn,  zu  welcher  Stunde  der  Aufseher  kam?  Nicht  alle  Zeiten 
waren  (in  dieser  Hinsicht)  gleich:  manchmal  kam  er  zur  Zeit  des  Hahnenschreis,  oder 
auch  dicht  um  diese  Zeit,  vorher  oder  nachher  (wegen  der  Ungewißheit  der  Zeit  seines 
Kommens  mußte  daher  der  Priester,  der  die  Abräumung  des  Altars  vornehmen  wollte, 
schon  früh  aufstehn).  ||  Zu  Joma  1,8  wird  Joma  20''.  21*'^  gefragt:  Was  bedeutet  ns-^-ip 
i3;n?  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Der  Mann  (12; ,  nämlich  der  damit  beauftragte  Priester) 
hat  gerufen;  Rab  Schela  (um  220)  hat  gesagt:  Der  Hahn  (s^i;3^n  =  n:?)  hat  gerufen. 
Rab  kam  nach  dem  Wohnort  des  Rab  Schela  (d.  h.  nach  N'^harde'a).  Da  kein  Dolmetscher 
(für  den  hebr.  Vortrag  des  Rab  Schela)  da  war,  stand  ihm  Rab  zur  Seite  u.  erklärte: 
"i3;n  rs-ip  „Der  Mann  hat  gerufen".  Rab  Schela  sagte  zu  ihm:  Der  Herr  hätte  sagen 
sollen:  Der  Hahn  hat  gerufen.  Er  antwortete  ihm:  Die  Flöte  ist  Fürsten  ein  liebliches 
Spiel,  Weber  freilich  wollen  nichts  von  ihr  wissen!  Als  ich  bei  R.  Chijja  (um  200, 
Rabe  Oheim)  auslegte  „Der  Mann  hat  gerufen",  sagte  er  zu  mir  nicht  das  geringste, 
u.  du  willst  zu  mir  sagen:  Sage:  „Der  Hahn  hat  gerufen"?  Rab  Schela  (der  Rab  bis 
dahin  nicht  kannte)  sprach:  Der  Herr  ist  wohl  Rab?  Dann  möge  der  Herr  (als  mein 
Dolmetsch)  stille  sein!  Jener  antwortete:  Im  Sprichwort  heißt  es:  Hast  du  dich  einem 
verdungen,  so  schüttle  auch  seine  Wolle  aus  (verrichte  den  geringsten  Dienst).  Einige 
sagen:  So  hat  er  ihm  geantwortet:  Man  erhöht  an  Heiligkeit,  aber  man  erniedrigt 
nicht  (als  wollte  er  sagen,  wenn  ich  jetzt  einem  Geringeren,  als  ich  bin,  den  Platz 
räumte,  so  wäre  das  eine  Erniedrigung  für  den  Lehrvortrag).  Eine  Bar  entspricht  der 
Meinung  Rabs:  Was  sagte  der  Herold  G'-'bini  (der  frühmorgens  die  Priester  zum  Dienste 
rief)?  Tretet  an,  ihr  Priester,  zu  eurem  Dienst  u.,  ihr  Leviten,  auf  eurer  Estrade  u., 
ihr  Israeliten,  an  eurem  Standort!  .  .  .  Eine  andre  Bar  entspricht  der  Meinung  des  Rab 
Schela:  Wer  sich  vor  dem  Hahnenschrei  auf  den  Weg  begibt,  dessen  Blut  kommt  auf 
sein  Haupt  (der  trägt  selbst  die  Verantwortung  für  etwaiges  Unheil).  R.  Joschijja 
(um  140)  sagte:  Bevor  er  zum  zweitenmal  gekräht  hat;  andre  sagen:  Bevor  er  zum 
drittenmal  gekräht  hat.  Und  von  welchem  Hahn  hat  man  es  gesagt?  Von  dem  Durch- 
schnittshahn (der  nicht  allzu  früh  u.  nicht  allzu  spät  kräht).  —  Kurz  wird  diese  Kontro- 
verse berührt  pSukka  5,  55  *",  18:  Rab  verdolmetschte  vor  der  Schule  des  Rab  Schela 
die  Worte  s^aj  xip  mit:  „Gerufen  hat  der  Herold."  Man  sagte  ihm:  Gerufen  hat  der 
Hahn.  Er  antwortete:  Siehe,  wir  haben  gelernt:  ^zi  la  =  Sohn  des  Mannes;  kann  man 
auch  sagen:  s'iji:-:n  ia  =  Sohn  des  Hahnes?  ||  Aus  dem  Lobspruch,  der  beim  Hören  des 
Hahnenschreis  zu  sagen  war,  erkennt  man,  daß  unter  der  Zeit  des  Hahnenschreis  im  all- 
gemeinen die  Grenzzeit  zwischen  Nacht  u.  Tag  verstanden  worden  ist.  B 'rakh  60  ^ :  Wenn 
man  das  Krähen  des  Hahnes  hört,  so  sage  man:  Gepriesen  sei  der,  der  dem  Hahn,  '"siü 
(Hi  38,  36),  die  Einsicht  gegeben  hat,  prüfend  zu  unterscheiden  zwischen  Tag  u.  Nacht! 

Strack  u.  Billerbeck.  NTI.  63 


994  Matth  26,  34  (SB).  26,  35.  40.  41.  42 

26,  34^:  Wirst  du  mich  dreimal  verleugnen. 
dnaQveia^ai  ?  na^;  zB  LvR  6  (lOQ»^)  bei  Mt  26,  28  S.  991. 

26,  35:  Wenn  ich  auch  mit  dir  sterben  müßte, 

will  ich  dich  doch  nicht  verleugnen. 

P'^siqR  18  (93  •■^):  Als  Mardokhai  sah,   daß  Haman  zu  ihm  l?^m  mit  einem  Pferd 

an  seiner  Hand,  sprach  er:  Es  sclieint,  daß  dieser  Frevler  mich  zu  töten  kommt.  Da 

sagte  er  zu  seinen  Schülern:  Flüchtet  euch,  damit  ihr  nicht  an  meiner  Kohle  verbrannt 

werdet!   Sie  antworteten:  Sowohl  zum  Leben  als  auch  zum  Sterben  sind  wir  mit  Alf 

26,39:  Dieser  Kelch,  s.  bei  20,  32. 
Doch  nicht,  wie  ich  will,  sondern  wie  du  willst,  s.  bei  6, 10  SB  S. 419  f. 

26, 40:  So  vermochtet  ihr  nicht  Eine  Stunde  mit  mir  zu  wachen? 

Tamid  62a  (andere  Ausgaben  fol.  28»):  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt: 
Wenn  R.  Jochanan  (f  279)  an  diese  Mischna  kam  (Mid  1,  2,  wonach  der  revidierende 
Tempelhauptmann  den  schlafenden  Friesterposten  mit  einem  Stock  zu  schlagen  u.  seine 
Kleider  anzubrennen  pflegte),  sagte  er  also:  Heil  den  Früheren  (Alten),  die  solches  taten, 
wo  der  Zwang  des  Schlafes  vorlag;  um  wieviel  mehr  würden  sie  es  getan  haben,  wo  kein 
Zwang  des  Schlafes  vorlag!  II  Zum  Ausdruck  „Eine  Stunde"  s.  GnR21  (14^):  Siehe,  Adam, 
du  konntest  auch  nicht  Eine  Stunde  rns  r,s-a  iV-ex  in  deinem  Befehl  bestehen! 

26,41:  Wachet  u.  betet. 

B^rakh  5^:  R.  Levi  b.  Chama  (lies  mit  Bacher,  pal.  Amor.  1,  354:  b.  Lachma,  um  260) 
hat  gesagt,  R.  Schim?on  b.  Laqisch  (um  250)  habe  gesagt:  Immer  reize  der  Mensch  den 
guten  Trieb  wider  den  bösen  Trieb;  denn  es  heißt  Ps4,  5:  „Erreget  euch,  damit  ihr 
nicht  sündigt."  Wenn  er  ihn  (auf  die  Weise)  besiegt,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht, 
so  beschäftige  er  sich  mit  der  Tora,  s.  das.:  „Saget  in  eurem  Herzen"  (d.h.  redet  bei 
euch  selbst  =  studieret  die  Tora).  Wenn  er  ihn  besiegt,  so  ist  es  gut;  wenn  aber  nicht, 
so  rezitiere  er  das  Sch'^maf,  s.  das.:  „Auf  eurem  Lager"  (unter  der  Sch'^maf-Rezitation 
schlief  man  gern  ein).  Wenn  er  ihn  besiegt,  so  ist  es  gut  gut;  wenn  aber  nicht,  so 
denke  er  an  den  Tag  des  Todes,  s.  das.:  „Und  schweiget.   Sela." 

26,41:  Daß  ihr  nicht  in  Versuchung  hineingeratet; 
der  Geist  ist  willig,  aber  das  Fleisch  ist  schwach. 
Zu  TTSigaofiög  s.  bei  Mt  6,  13;  zu  nyevjua  u.  ac(Q^  im  Exk.:  Der  gute  u.  der  böse  Trieb. 

26,42:  Wiederum  ging  er  zum  zweitenmal  hin  u.  betete. 
Über  das  Wiederholen  des  Gebetes  s.  B'rakh  32 b;  R.  Chama  b.  Chanina  (um  260) 
hat  gesagt:  Wenn  ein  Mensch  sieht,  daß  er  betet,  ohne  erhört  zu  werden,  so  bete  er 
immer  aufs  neue,  s.  Ps  27,  14:  Harre  auf  Jahve,  sei  stark  u.  dein  Herz  beweise  Kraft, 
ja  harre  auf  Jahve.  ||  Midr  Ps  27  §7  (114 1^):  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt: 
Wenn  du  gebetest  hast  u.  noch  einmal  gebetest  hast,  dann  sei  versichert,  daß  dein 
Gebet  erhört  ist,  u.  er  wird  deine  Bitte  erfüllen,  s.  Ps27,  14:  Harre  auf  Jahve,  sei 
stark,  so  wird  er  dein  Herz  stärken  wegen  des  „Harre  auf  Jahve"  (so  scheint  der 
Midr  zu  deuten).  —  Ähnlich  mit  R.  Chijja,  dem  Älteren  (um  200),  als  Autor  DtR  2 
(198*).  1!  Selbst  in  hoffnungsloser  Lage  soll  der  Mensch  anhalten  am  Gebet.  B^'rakh  lO": 
Hab  Hamnuna  (um  290)  hat  gesagt:  (Hiskia  sprach  zu  Jesaja:)  So  habe  ich  es  aus 
meinem  Vaterhaus  überkommen:  Auch  wenn  (bereits)  ein  scharfes  Schwert  auf  dem 
Halse  eines  Menschen  liegt,  soll  er  sich  nicht  enthalten,  um  Erbarmen  zu  flehen.  Es 
ist  auch  gesagt  worden:  R.  Jochanan  (f  279)  u.  R.  Elfazar  (um  270)  haben  beide  gesagt: 
Auch   wenn   ein  scharfes  Schwert  auf  dem  Halse  eines  Menschen  liegt,   soll  er  sich 


Matth  26,  42.  47. 49  (Nr.  1.  2)  995 

nicht  enthalten,  um  Eibarmen  zu  flehen;  s.Hi  13,15:  Siehe,  ob  er  mich  töten  will, 
ich  hoffe  auf  ihn  (nach  dem  Q*^re  i;).  R.  Chanan  (um  300)  hat  gesagt:  Selbst  wenn 
der  Traumdeuter  zu  einem  Menschen  sagte:  „Morgen  wirst  du  sterben^  so  soll  er 
sich  nicht  enthalten,  um  Erbarmen  zu  flehen,  s.  Qoh  5,  6 :  Bei  vielen  Träumen  gibt's 
auch  Eitelkeiten  usw.  ||  DtR2  (197«):  Jch  flehte  zu  jener  Zeit  zu  Jahve,  sagend" 
Dt  3,  23.  Was  heißt  „sagend"?  R.  f Azarja  (um  380)  hat  gesagt:  „Sagend"  den  nach- 
folgenden Geschlechtern,  daß  sie  in  der  Stunde  der  Not  beten  sollen;  denn  siehe, 
obgleich  dem  Mose  gesagt  war:  „Du  wirst  diesen  Jordan  nicht  überschreiten"  Dt  8,  27. 
fing  er  doch  an  zu  flehen.  —  Ferner  s.  bei  Mt  6,  9  S.  408  Nr.  2. 

26,47:  Mit  Schwertern  u.  Stangen. 
Schab  6,  4:  Der  Mann  soll  (am  Sabbat)  nicht  ausgehn  mit  einem  Schwert  t\ "??,  u. 
nicht  mit  einem  Bogen  rtopa,  u.  nicht  mit  einem  Schild  o^-r^a,  u.  nicht  mit  einer  Holz- 
stange n^s3  (Knüttel,  Kolben),  u.  nicht  mit  einem  Spieß  n^aina,  |]  pSchab  G,  8^,  37:  Was 
ist  eine  Holzstange  nVs-?  .  .  .  Eine  Art  Spitzpfahl  i^p-'^T  =  d'lxQavov  (vgl.  Krauß, 
Lehnw.  2,  193f.). 

26,49:  Und  küßte  ihn. 
xaTS(pilrj(T£v  =  p^;,  aram.  pa:  küssen;  np^iy?,  Nnpir^i:  Küssen,  Kuß. 

1.  Erlaubtes  u.  nicht  erlaubtes  Küssen. 

GnR70(45'^):  Alle  Küsse  dienen  der  Ausgelassenheit  (Unsittlichkeit  u.  sind  deshalb 
verboten),  mit  Ausnahme  von  drei  Küssen:  dem  Huldigungskuß  (wörtlich:  Kuß  der 
Hoheit,  Größe),  dem  Kuß  beim  Wiedersehn  nach  längerer  Trennung  u.  dem  Abschieds- 
kuß.  Der  Huldigungskuß,  s.  1  Sm  10,  1:  Da  nahm  Samuel  die  Ölflasche  u.  goß  sie  über 
sein  Haupt  u.  küßte  Saul.  —  Der  Kuß  nach  längerer  Trennung,  s.  Ex  4,  27 :  Ahron 
ging  u.  traf  Mose  am  Berge  Gottes  u.  küßte  ihn.  —  Der  Abschiedskuß,  s.  Ruth  1,  14: 
f Orpa  küßte  ihre  Schwiegermutter.  —  R.  Tanchuma  (um  380)  hat  gesagt :  Auch  der 
Kuß  der  Verwandtschaft  (gehört  zu  den  erlaubten  Küssen),  s.  Gn  29^  11:  „Jakob  küßte 
die  Rahel",  denn  sie  war  seine  Verwandte;  „u.  er  erhob  seine  Stimme  u.  weinte". 
Warum  hat  er  geweint?  Er  sah,  wie  sich  die  Leute  untereinander  zuraunten,  weil  er 
sie  geküßt  hatte:  Will  der  etwa  bei  uns  etwas  Unzüchtiges  neu  einführen?  Denn  seit 
der  Zeit,  da  die  Welt  im  Sündflutgeschlecht  gestraft  war,  machten  sich  die  Völker  der 
Welt  auf  u.  hielten  sich  von  der  Unzucht  zurück;  das  besagt,  daß  sich  die  Morgen- 
länder von  der  Unzucht  fernhalten.  —  Parallelstelle  Midr  Ruth  1,  14  (128''). 

Der  Kuß  als  Ehrenbezeugung  war  unter  den  Rabbinen  gang  und  gäbe.  RH  2,  9: 
Rabban  Gamliel  (um  90)  stand  auf  u.  küßte  den  R.  J%oschua?  auf  sein  Haupt  u.  sprach: 
Komm  in  Frieden,  mein  Lehrer  u.  mein  Schüler;  mein  Lehrer  in  Gelehrsamkeit  u. 
mein  Schüler,  weil  du  meine  Worte  angenommen  hast.  jjR.  Jochanan  b.  Zakkai,  t  um  80, 
küßt  seinen  Schüler  R.  Elcazar  b.  cArakh  auf  das  Haupt,  um  ihm  seine  Freude  über 
einen  wohlgelungenen  Merkaba- Vortrag  zu  bezeugen  Chag  14'\  ||  Schimcon  der  Gerechte 
(?  um  300  V.  Chr.)  küßt  einen  Nasiräer  auf  sein  Haupt,  der  seine  Eitelkeit  Gotte  zum 
Opfer  dargebracht  hat  SNu  6, 2  §  22  (7'')  =  TNaz4,  7  (289).  |1  R.  J'^'hoschua.^  (um  90)  küßt 
ein  Kind  auf  das  Haupt,  das  ihm  eine  kluge  Antwort  gibt  cEr53i>.  ||  Über  den  König 
Josaphat  dichtete  man,  daß  er,  sooft  er  einen  Gelehrtenschüler  sah,  von  seinem  Thron 
sich  erhob  u.  jenen  umarmte  u.  küßte  u.  ihm  zurief:  Mein  Lehrer  mein  Lehrer,  mein 
Herr  mein  Herr!  K^'th  103b. 

2.  Die  Kußstelle.  Als  solche  galt  in  erster  Linie  der  Kopf,  s.  die 
Stellen  in  Nr.  1;  sodann  die  Hand,  der  Mund,  das  Knie  u.  der  Fuß. 

Die  Hand.    Berakh8bBar:  R.  cAqiba  (f  um  135)  hat  gesagt:  In  drei  Dingen  liebe 
ich  die  Meder:  wenn  sie  Fleisch  schneiden,  schneiden  sie  es  nur  auf  dem  Tisch  (nicht 
etwa  in  der  Hand);  wenn  sie  küssen,  küssen  sie  nur  auf  die  Hand,  u.  wenn  sie  eine 
Beratung  halten,  so  halten  sie  sie  nur  auf  freiem  Felde.  ||  ?AZ  17'''  u.  Schab  IS'^:  Wenn  ■ 
?Ulla  (um  280)  aus  dem  Lehrhaus  kam,  pflegte  er  seine  Schwestern  auf  ihre  Hände 

63* 


996  Matth  26,  49  (Nr.  2.  3).  26,  51 

zu  küssen;  andre  sagen:  Auf  ihren  Busen.  ||  Der  Mund.  pB'^rakh  1,  3^',  20:  Clianan 
b.  Ba  (um  250)  hat  zu  den  Studiengenossen  gesagt:  Ich  will  euch  etwas  Schönes  er- 
zählen, was  ich  Rah  (f  247)  habe  tun  sehn,'  u.  als  ich  es  vor  Sch*muel  (f  254)  erzählte, 
stand  er  auf  u.  küßte  auf  meinen  Mund.  !l  Midr  HL  1,  2  (83a):  Wenn  du  dich  mit  den 
Worten  der  Tora  beschäftigst,  daß  deine  Lippen  (beim  Forschen)  fest  aneinander  ge- 
drückt sind,  dann  werden  dich  schließlich  alle  (in  Verehrung)  auf  deinen  Mund  küssen. 
Knie  u.  Fuß.  Raschi  zu  cAZ  17''*:  Man  pflegt,  wenn  man  aus  der  Synagoge  kommt,  als- 
bald seinen  Vater  u.  seine  Mutter  u.  den,  der  älter  ist,  als  man  selbst,  auf  das  Knie 
oder  auf  seine  Hand(fläche)  zu  küssen.  ||  Sanh  2713:  Bar  Chama  (der  wegen  Mordes  an- 
geklagt war)  erhob  sich  u.  küßte  dem  Rab  Papi  (um  360,  dem  er  seine  Freisprechung 
verdankte)  die  Füße  u.  übernahm  für  ihn  die  Kopfsteuer  während  seines  ganzen 
Lebens.  ||  pPea  1,  15"^',  23:  R.  Jonathan  (um  220)  u.  R.  Jannai  saßen  beieinander;  da  kam 
ein  Mensch  u.  küßte  (aus  Dankbarkeit)  die  Füße  des  R.  Jonathan.  —  Dasselbe  pQid  1, 
61«,  3;  pesiqR23— 24  (122b).  —  Weitere  Beispiele  s.  K'^th63a;  BB  16a. 

3.  Als  Kuß  der  Falschheit  wird,  wenigstens  von  einigen  Autoren, 
der  Bruderkuß  Esaus  (Gn  33, 4)  gedeutet. 

GnR  78  (50b):  Esau  lief  ihm  entgegen  .  .  .  u.  küßte  ihn  inp/sJi  (Gn  33,  4).  Darüber 
ist  punktiert.  R.  Schimfon  b.  Elfazar  (um  190)  hat  gesagt:  In  jeder  Schriftstelle,  wo 
du  mehr  (Buchstaben)  findest  als  Punkte,  da  lege  die  Schriftzeichen  aus  (unter  Nicht- 
beachtung der  punktierten  Buchstaben);  wo  aber  mehr  Punkte  als  Buchstaben  sind, 
da  lege  das  Punktierte  aus  (unter  Nichtbeachtung  der  unpunktierten  Buchstaben).  Hier 
ist  des  Geschriebenen  nicht  mehr  als  des  Punktierten  u.  des  Punktierten  nicht  mehr 
als  des  Geschriebenen;  das  lehrt,  daß  Esaus  Liebe  in  jener  Stunde  entbrannte,  so  daß 
er  ihn  von  ganzem  Herzen  küßte  (sein  Kuß  war  also  aufrichtig  gemeint).  R.  Jannai 
(um  225)  antwortete:  Wenn  dem  so  wäre,  warum  ist  darüber  punktiert?  Vielmehr 
lehrt  das,  daß  er  ihn  nicht  küssen  T'"-"^";,  sondern  daß  er  ihn  beißen  wollte  irr:'':.  Und 
es  wurde  der  Hals  unsres  Vaters  Jakob  von  Marmor  u.  die  Zähne  jenes  Frevlers  wurden 
stumpf;  u.  was  will  die  Schrift  lehrend  sagen  m.it:  „u.  sie  weinten"  (das.)?  Der  eine 
weinte  wegen  seines  Halses  u.  der  andre  weinte  wegen  seiner  Zähne.  R.  Abbahu  (um  300) 
hat  im  Namen  des  R.  Jochanan  (f  279)  den  Beweis  für  R.  Jannai  von  hier  erbracht: 
Dein  Hals  ist  wie  ein  Turm  aus  Elfenbein  HL  7,  5.  —  In  der  Parallelstelle  Midr  HL  7,  5 
(r27a)  sind  die  beiden  Deutungen  zu  Einer  im  Sinne  des  R.  Jannai  verarbeitet  worden.  || 
ExR5  (71b):  Ahron  küßte  seinen  Bruder  Mose  (s.  Ex  4,  27).  R.  Sch'"muel  b.  Nachman 
(um  260)  hat  gesagt:  Gleich  einem  Goldarbeiter,  dem  man  eine  Münze  überbrachte; 
er  sah,  daß  sie  inwendig  von  Lehm  u.  auswendig  von  Gold  war.  Nach  einiger  Zeit 
überbrachte  man  ihm  eine  Münze,  die  ganz  von  Gold  war.  Er  sagte  zu  ihnen:  Die 
erste  war  Lehm  u.  mit  Gold  überzogen,  aber  diese  ist  ganz  von  Gold.  So  war  auch 
der  Kuß,  den  Esau  seinem  Bruder  Jakob  schenkte,  nur  Schlacke,  vgl.  Spr  26, 23: 
, Schlackensilber,  gezogen  über  eine  Scherbe."  Und  was  war  das  Ende?  „Glühende 
Lippen  u.  ein  böses  Herz"  (das.);  denn  er  wollte  ihn  nicht  küssen,  sondern  beißen. 
Aber  der  Kuß  Ahrons  u.  Moses  war  ein  Kuß  der  Aufrichtigkeit  r-ss  rij  np-r:;  u.  in 
bezug  auf  sie  heißt  es  Ps85,  11:  Liebe  u.  Wahrheit  begegnen  einander.  ||  SNu  9,  10 
§69(18''^):  Das  Wort  inp'j-^i  Gn  33, 4  ist  punktiert,  weil  er  ihn  nicht  von  ganzem 
Herzen  geküßt  hat.  R.  Schimfon  b.  Jochai  (um  150)  sagte:  Es  steht  klärlich  fest,  daß 
Esau  den  Jakob  geküßt  hat;  aber  in  jener  Stunde  regte  sich  seine  Liebe  u.  er  küßte 
ihn  von  ganzem  Herzen.  ||  Targ  Jerusch  I  Gn  33,  4:  Er  küßte  ihn  u.  weinte.  Esau  weinte 
wegen  des  Schmerzens  seiner  Zähne,  die  wacklig  geworden  waren,  u.  Jakob  weinte 
wegen  des  Schmerzens  seines  Halses  (s.  oben  R.  Jannai). 

26,  51:  Er  zog  sein  Schwert. 

Das  Tragen  von  Waffen  war  nicht  gerade  selten. 
Schab  6,4:   Der  Mann   soll  (am  Sabbat)  nicht  ausgehn  mit  einem  Schwert  oder 
mit  einem  Bogen  oder  mit  einem  Schild  oder  mit  einer  Keule  oder  mit  einem  Spieß; 


Matth  26,  51.  53.  55.  56.  57  (Nr.  1)  997 

u.  wenn  er  damit  (versehentlich)  ausgegangen  ist,  ist  er  zu  einem  Sündopfer  verpflichtet. 
R.  Eli?ezer  (um  90)  sagte:  Sie  dienen  ihm  als  Schmucksachen  (u.  deshalb  darf  man 
damit  an  einem  Sabbat  ausgehn).  Die  Gelehrten  erwiderten:  Nur  zur  Schande  dienen 
sie,  s.  Jes  2, 4 :  Sie  werden  ihre  Schwerter  umschmieden  zu  Pflugmessern  u.  ihre  Spieße 
zu  Winzerhippen;  nicht  mehr  wird  Volk  wider  Volk  das  Schwert  erheben,  noch  werden 
sie  fürder  zum  Kriege  sich  üben.  —  Bar  Schab  öS'*:  Die  Gelehrten  sagten  zu  R.  Eli?ezer: 
Wie,  wenn  sie  ihm  als  Schmucksachen  dienen,  warum  hören  sie  in  den  Tagen  des  Messias 
'  auf?  Er  antwortete:  ,  Weil  sie  nicht  nötig  sind,  s.  Jes  2,  4:  , Nicht  mehr  wird  ein  Volk" 
usw.,  u.  sie  werden  bloß  zum  Schmuck  dienen.  .  .  .  Einige  sagen:  Die  Gelehrten  sagten  zu 
R.  Elifezer:  Wie,  wenn  sie  ihm  als  Schmucksachen  dienen,  warum  hören  sie  in  den  Tagen 
des  Messias  auf?  Er  antwortete:  Auch  in  den  Tagen  des  Messias  hören  sie  nicht  auf. 

2G,  53:  Zwölf  Legionen  Engel, 

P.fy/ojj',  ■pi.nb,  pl.  -pDi-i^b  oder  nisiii^b.  —  Engellegionen  zB: 
NuR  11,  s.  bei  Gal  3,  19.  —  Ferner  TSota  3,  14  (297):  Sis^ra  hat  sich  vor  Gott  nur 
seiner  Legionen  gebrüstet,  die  keinen  Sold  erhielten,  s.  Ri5,  19:  „Es  kamen  Könige, 
kämpften  .  . .;  ein  Stück  Silber  erhielten  sie  nicht."  Auch  Gott  nahm  an  ihnen  Rache 
nur  durch  Legionen,  die  keinen  Sold  empfangen,  s.  Ri  5,  20:  Vom  Himmel  her  kämpften 
sie  usw.  —  Parallele:  NuR  9  (153^).  [j  LvR  16  (116^^):  Gott  ruft  seine  Legionen  (=  Engel) 
zus.  u.  spricht  zu  ihnen:  Nicht  ohne  Grund  habe  ich  ihn  (den  Aussätzigen)  geschlagen, 
sondern  „Avegen  der  Schuld  seiner  Habgier  lyna  bin  ich  zornig  geworden  u.  habe  ihn 
geschlagen"  (Jes  57, 17).  ||  Engelmyriaden  s.  bei  Mt  14,  6  S.  682  Anra.  e. 

26,55:  Täglich  habe  ich  im  Tempel  gesessen  lehrend. 

Der  Lehrer  u.  Vortragende  pflegte  zu  sitzen. 

MidrHL  1,  3  (85''):  Das  Lehrhaus  des  R.  Elifezer  (um  90)  in  Lydda  war  wie  eine 
Rennbahn  (Stadion)  gemacht,  u.  ein  Stein  las  befand  sich  daselbst,  der  für  ihn  als 
Sitz  bestimmt  war.  Einmal  kam  R.  J^hoschuaf  (um  90)  hin  u.  begann  jenen  Stein  zu 
küssen  u.  sprach:  Dieser  Stein  gleicht  dem  Berge  Sinai,  u.  der  auf  ihm  saß,  glich  der 
Bundeslade,  i!  LvR  16  (116'^):  Als  Ben  ?Azzai  (um  110)  einmal  saß  arv  u.  öffentlich 
vortrug  ir-in,  züngelte  rings  um  ihn  Feuer.  |  Midr  HL  1,  10  (91  ^):  R.  Abbahu  (um  300) 
saß  u.  trug  öfi"entlich  vor  •o^-'m  nttjr  rrn,  u.  Feuer  flammte  rings  um  ihn  (beide  Stellen 
im  Exk.  über  den  altjüd.  Synagogen-Gottesdienst  C  2).  i|  B'-'rakh27b:  Rabban  Gamliel 
(IL,  um  90)  saß  u.  trug  vor  r^m  an-i  r>'':^ ,  u.  R.  J'^hoschuas  stand  auf  seinen  Füßen, 
bis  alles  Volk  murrte.  Dasselbe  B^kh  36=»;  pB^rakh  4,  7  ^^,  4 ;  pTa?an  4,  67^',  20.  ExR  8 
{12)^)\  Dein  Bruder  Ahron  wird  dein  Prophet  sein  Ex  7,  1.  Wie  der  Vortragende  sitzt 
u.  vorträgt  »im  aiüi"  u.  der  Amora  (Sprecher,  Dolmetsch)  vor  ihm  steht,  so  sollst  du 
alles  sagen,  was  ich  dir  befehlen  werde,  u.  Ahron  soll  es  zum  Pharao  sagen.  ||  Aboth 
RN4:  Wenn  der  Gelehrte  sitzt  u.  vorträgt  :ü-m  2'av  in  der  Gemeinde,  so  rechnet  es 
ihm  die  Schrift  an,  als  ob  er  Fett  u.  Blut  auf  dem  Altar  darbrächte.  ||  Mehrfach  werden 
Polster  u.  Sessel  als  Sitze  der  Gelehrten  erwähnt,  s.  Aboth  RN  6;  M*^'g2la  u.  MQ  161^ 
bei  Apg  22,  3.  —  Auch  ein  Krug  oder  ein  Korb  werden  als  Sitzgelegenheit  genannt,  s. 
N®d  49b  bei  Apg  18, 3.  —  Zum  Sitzen  der  Schüler  während  des  Unterrichts  s.  bei  Apg  22, 3. 

26,56:  Da  verließen  ihn  alle  Jünger  u.  flohen. 

Schab  32'"»:  Rab  Papa  (t  376)  hat  gesagt:  An  der  Tür  des  Kramladens  (wo  hin  u. 
wieder  etwas  verteilt  wird)  gibt  es  viele  Brüder  u.  Freunde;  an  der  Tür  des  Gefäng- 
nisses '  gibt  es  keine  Brüder  u.  Freunde. 

26,57:   Sie  führten  ihn  zum  Hohenpriester  Kaiphas,   wo  die 
Schriftgelehrten  u.  die  Ältesten  zus.gekommen  waren. 
1.  Das  eigentliche  Versammlungslokal  des  großen  Synedriums  (bei 

^  So  Levy  1,  529  s:"t  -3  2zs  statt  -:v7a  :3S  (Tür  der  Verachtung). 


998  Matth  26,  57  (Nr.  1) 

Josephus  ßovh'j  oder  ßovXevri^Qior)  lag  am  östlichen  Ende  der  ersten 
oder  ältesten  Mauer,  die  die  Nordseite  Jerusalems  schirmte.  Diese 
Nordmauer  hegann  im  Westen  am  Turm  Hippikus,  zog  sich  dann  ost- 
wärts beim  Xystus  (o  Svcrrog)  u.  dem  Rathaus  (/;  ßovh])  vorüber  u. 
endigte  an  der  die  Westseite  des  Tempelberges  umschheßenden  Säulen- 
halle, Der  Xystus  scheint  ein  freier,  von  Säulengängen  eingeschlossener 
Platz  gewesen  zu  sein,  der  zu  Wettspielen  u.  zu  Volksversammlungen 
(s.  Bell.  Jud. '2,  16,  3)  diente;  von  ihm  führte  eine  Brücke  über  das 
Tyropöon  hinüber  auf  den  Tempelberg.  Und  hier  an  der  Südwestecke 
des  Tempelplatzes  wird  die  ßovh'j  gelegen  haben;  jedenfalls  außerhalb 
der  Oberstadt;  denn  bevor  diese  in  die  Hände  der  Römer  fiel,  hatte 
Titus  das  Rathaus  bereits  zerstören  lassen  (Jos,  Bell.  Jud.  6,  6,  3). 

Joseph.  Bell.  Jud.  5,  4,  2  {Tmv  xqiwv  rsi/cäp  t6  fxsv  dQ/aioy)  c(Q)(6[j.epov  de  xard 
ßoQQÜv  f(7i6  rov  Inmxov  xaXovf^syov  nx'Qyov  xa'i  (^tuTeh'ov  in'i  röv  Svarov  Xeyöfxevov, 
ensiXK  TTJ  ßotiXfj  awänroi',  im  rrir  sansQiov  rov  IsQov  arodv  c<7I7]qtICeto.  \\  Bell.  Jud.  2, 
16,3:  TTf offx«A£<T«^f j'o?  (Agrippa  II.  50 — 100  n.  Chr.)  dt]  eig  top  Svatdv  ro  TiXrjfiog  xcd 
nc(QccaT7]ad/Ltsyog  iv  nsoiöniM  xrjv  ci^sXrfrjv  Hsgi'lxtji'  ini  rrjg  'AanfAMvcäüiu  oixlccg,  avTr/. 
ydg  ijy  endvw  rov  Evaxov  ngög  ro  nsoaf  ri^g  «Vw  nöXawg  xcd  yscpvQu  (Brücke)  riö 
Svario  ro  ?fpoV  avr7]nrEv,  l'Ae|e  romcTe.  ||  Bell.  Jud.  6,  6,  3 :  ToTg  de  aTQ«rntJrc<ig  ifj.ni- 
■noilvai  xal  diagniCety  ixe?.6vas  {Tirog)  ri^p  nöliv .  ol  d'ixeli'7]u  /usr  insa^ov  rrjv  rjuigctv. 
rrj  d'iiareQal<x  rö  re  dg^feToi'  (Archiv)  xcd  Xrjv  "Jxgar  xcd  ro  ßovXevrTJQtoi'  xcd  rov 
OcfXäv  (das  Ophel-Viertel  südlich  vom  Tenipelberg)  xaXovuevov  vcj^fjxpar,  xcdi  nQovxotps 
ro  tii'q  fJixQ'   ^^*'  'Eksr7]g  ßacJiXeuoy,  tc  cT?;  xctra  niatjp  njy  "Axoccv  (Unterstadt)  ?;»'. 

Nach  der  Mischna  war  das  Versammlungslokal  des  Synedriums  in 
der  niTsh  rsiyb  (Quaderhalle),  einer  Baulichkeit  im  Innern  Vorhof. 

Mid5,  4:  Auf  der  Südseite  (des  inneren  Vorhofs)  befand  sich  die  Holzkammer, 
die  Kammer  derer  vom  Auslande  u.  die  p-T;n  rsaV.  Die  Holzkammer:  R.  Elifezer 
b.  Jafaqob  (wohl  der  IL,  um  150)  hat  gesagt:  Wozu  sie  gedient  hat,  habe  ich  ver- 
gessen. Abba  Scha^ul  (um  150)  hat  gesagt:  Es  war  die  Halle  des  Hohenpriesters,  u. 
sie  lag  hinter  den  beiden  andren,  aber  alle  drei  hatten  ein  gemeinsames  Dach.  Die 
Kammer  derer  vom  Auslande:  dort  hatten  die  aus  dem  Exil  Zurückkehrenden  einen 
bleibenden  Brunnen  angelegt,  u.  ein  Rad  war  darüber  angebracht,  u.  von  dort  ver- 
sorgte man  den  ganzen  Vorliof  mit  Wasser.  Die  r-T;n  ratuV:  dort  tagte  das  große 
Synedrium  Israels  u.  beurteilte  die  Priesterschaft  (betreffs  der  Legitimität  ihrer  Ab- 
stammung). Wenn  an  einem  Priester  etwas  Verwerfliches  gefunden  wurde,  so  zog 
er  Trauergewänder  an  u.  ging  davon;  der  aber,  an  dem  nichts  Verwerf  liebes  gefunden 
"wurde,  legte  weiße  Gewänder  an,  ging  hinein  u.  verrichtete  den  Dienst  mit  den 
Priestern,  seinen  Brüdern,  jl  Sanh  11,  2:  Drei  Gerichtshöfe  waren  dort  (in  Jerusalem): 
einer  saß  am  Eingange  des  Tempelberges  u.  einer  am  Eingang  des  Vorhofs  u.  einer 
in  der  Quaderhalle.  |1  Vgl.  Pea  2,  6:  Man  ging  hinauf  zur  Quaderhalle  u.  fragte  an  (beim 
großen  Synedrium);  ähnlich  ?Eduj7,  4:  Es  kam  die  Sache  vor  die  Q.  (d.  h.  vor  den 
dort  tagenden  Gerichtshof).  ||  Tamid  2,  5:  Man  ging  hinab  u.  begab  sich  in  die  Q.  (um 
hier  die  Priester  losen  zu  lassen,  wer  schlachten,  wer  das  Blut  sprengen  sollte  usw.)  — 
Tamid  4  Ende :  (Die  Priester)  gingen  hinab  u.  begaben  sich  in  die  Q.,  um  das  Sch^'maf 
zu  rezitieren.  ||  Joma  25^  Bar  (s.  TJoma  1,  10  [181]):  Die  Q.  glich  einer  großen  Basilika; 
das  Verlosen  (der  Priesterfunktionen)  fand  im  Osten  statt,  während  ein  Ältester  (des 
Gerichtshofes,  der  sie  über  die  Ordnung  des  Verlosens  unterwies,  Raschi)  im  Westen 
saß,  die  Priester  aber  standen  rings  herum  nach  Art  eines  Schneckengewindes.  Der 
Aufseher  kam  u.  nahm  die  Mütze  (Turban)  vom  Kopfe  des  einen  von  ihnen;  damit 
wußten  alle,  daß  das  Verlosen  bei  diesem  seinen  Anfang  nahm  .  .  .  Abaje  (f  338/39) 


Matth  26,  57  (Nr.  1)  999 

hat  gesagt:  Daraus  entnehme  ich,  daß  die  Q.  zur  Hälfte  im  Heiligen  (im  Innern  Vor- 
hof) lag  u.  zur  Hälfte  im  Profanen  (im  äußern  Vorhof);  ferner  entnehme  ich  daraus 
daß  die  Q.  zwei  Eingänge  hatte:  der  eine  stand  offen  nach  dem  Heiligen  u.  der  andre 
stand  offen  nach  dem  Profanen.  Denn  wenn  man  annehmen  wollte,  daß  sie  ganz  im 
Heiligen  lag,  so  saß  doch  ein  Ältester  im  Westen;  u.  ein  Autor  hat  doch  gesagt 
(s.  TSanh  4,  4),  daß  es  im  (innern)  Vorhof  nur  für  die  Könige  aus  dem  Hause  Davids 
ein  Sitzen  gab.  Und  wenn  man  annehmen  wollte,  daß  sie  ganz  im  Profanen  lag,  so 
fand  doch  das  Verlosen  im  Osten  statt;  u.  siehe,  wir  haben  gelernt  Ps  55,  15:  Wir 
zogen  zum  Hause  Gottes  im  lauten  Getümmel,  was  in  diesem  Falle  (wenn  das  Ver- 
losen im  Profanen  u.  nicht  im  Heiligen  vorgenommen  wurde)  nicht  zutraf.  Vielmehr 
entnehme  ich  daraus,  daß  die  Q.  zur  Hälfte  im  Heiligen  u.  zur  Hälfte  im  Profanen 
lag.  Und  wenn  man  annehmen  wollte,  daß  sie  (nur)  Einen  Eingang  hatte  u.  daß  dieser 
nach  dem  Heiligen  hin  offen  war,  so  saß  doch  ein  Ältester  im  Westen,  u.  wir  haben 
doch  gelernt  (vgl.  P*^s  86'i;  Z<^b56a):  Die  Hallen  (Kammern),  die  im  Profanen  erbaut 
sind  u.  nach  dem  Heiligen  hin  offen  stehen,  deren  Inneres  ist  heilig.  Und  wenn  man 
annehmen  wollte,  daß  die  Q.  nach  dem  Profanen  hin  offen  gestanden  hat,  so  fand 
doch  das  Verlosen  im  Osten  statt,  u.  wir  haben  gelernt:  (Die  Hallen,)  die  im  Heiligen 
erbaut  sind  u.  nach  dem  Profanen  hin  offen  stehen,  deren  Inneres  ist  profan  (u.  in 
einem  profanen  Raum  hätte  das  Verlosen  der  Priesterfunktionen  nicht  stattfinden  können). 
Also  entnehme  ich  daraus,  daß  die  Q.  zwei  Eingänge  gehabt  hat,  von  denen  der  eine  im 
Heiligen  u.  der  andre  im  Profanen  offen  stand.  Vgl.  TJoma  1, 10  (181);  TSukka  i,  16  (199). 

Schürer  2*,  263  ff.  folgt  den  Angaben  des  Josephus:  „Vermutlich 
wolle  der  Name  n-^tsn  r^irb,  entgegen  der  gewöhnlichen  Meinung,  nicht 
besagen,  daß  jene  Halle  aus  Quadersteinen  {r^n)  gebaut  war  —  was 
kein  charakteristisches  Merkmal  wäre  — ,  sondern  dafe  sie  am  Xystos 
lag  (n^vj  =  ^"i'ö-Toc,  wie  LXX  1  Chr  22,2;  Amos  5,11):  Die  Halle  am 
Xystos."  Jüdischerseits  hält  man  an  der  Lage  der  Quaderhalle  innerhalb 
der  Tempelarea  fest,  s.  Strack  zu  Sanli  11,2. 

Nichts  hat  mit  dem  Versammlungslokal  des  großen  Synedriums  zu 
schaffen  die  mehrfach  erwähnte  (■■'^iribsj)  "p"ifi'^a  r?P^.  Diese  war  viel- 
mehr mit  der  „Halle  des  Hohenpriesters"  (s.  oben  Mid  5,4)  identisch; 
letzterer  Name  stammt  davon,  daß  der  Hohepriester  sieben  Tage  vor 
dem  Versöhnungsfest  in  ihr  seine  Wohnung  nahm. 

Jonia  1,1:  Sieben  Tage  vor  dem  Versöhnungstage  sonderte  man  den  Hohenpriester 
von  seinem  Hause  ab  hin  nach  der  Halle  der  ^-^nnis  oder  =  tiqosSqoi  „Vorsitzenden" 
s.  Schürer'*  2,  254.  ||  TJom  1, 1  (180):  R.  J'^huda  (um  150)  pflegte  sie  (die  Halle  der  Vor- 
sitzenden) zu  nennen  „Halle  der  Ratsherren ",  -j-un^a  'h  =  ßovXsvTcä.  \\  Joma  8^  Bar: 
R.  J'^huda  (um  150)  hat  gesagt:  War  es  denn  die  Halle  der  Vorsitzenden,  war  es  nicht 
vielmehr  die  Halle  der  Ratsherren  "LSii^a?  Allein  anfänglich  pflegte  man  sie  die  Halle 
der  Ratsherren  zu  nennen;  doch  weil  sie  für  das  hohepriesterliche  Amt  Geld  gaben  u. 
darin  alle  12  Monate  wechselten,  wie  die  Vorsitzenden  (in  Staatsbehörden),  die  alle 
12  Monate  in  ihrem  Amt  wechseln,  deshalb  nannte  man  sie  Halle  der  Vorsitzenden. 
(Die  Stelle  ist  im  Sinne  des  Tadels  gemeint:  während  früher  die  Hohenpriester  für  ihre 
ganze  Lebenszeit  Ratsherren,  d.  h.  Mitglieder  des  großen  Synedriums  waren,  sind  sie 
infolge  Käuflichkeit  des  hohenpriesterl.  Amtes  zu  bloßen  Vorsitzenden  [nicht  Beisitzern 
TiägsdQot]  des  Synedriums  geworden,  die  alle  12  Monate  den  Präsidentensitz  einem 
andren  überlassen  müssen.  Das  prägt  sich  auch  in  dem  Namen  der  „Halle  des  Hohen- 
priesters" aus:  erst  hieß  sie  Halle  der  Ratsherren,  später  Halle  der  Vorsitzenden.) 
Parallelstelle  pJoma  1,  38*^,  35.  —  In  bJoma  9^^  folgt  dann  noch  die  Frage:  Was  be- 
deutet ■j—nn-'E?  (Antwort:)  'O^-'e.  —  Dies  Wort  erklärt  Raschi  durch  „königliche  Be- 
amte" "i^ttn  ■'T-e;  andre:  :=  ecpogoi. 


1000  Matth  26,  57  (Nr.  2) 

2.  Eine  Tradition,  die  sich  an  den  Namen  des  R.  Jose  b.  Chalaphta, 
um  150,  knüpft,  weiß  zu  berichten,  daß  40  Jahre  vor  der  Zerstörung 
des  Tempels  das  Synedrium  seine  Sitzungen  aus  der  Quaderhalle  nach 
einer  Kaufhalle  verlegt  habe. 

f  AZ  8'':  Rab  Kaliana  (um  250)  hat  gesagt:  Als  R.  Jischmafel  b.  Jose  (b.  Chalaphta, 
um  180)  erkrankte,  ließ  man  ihm  sagen:  Sage  uns  zwei  oder  drei  Worte,  die  du  uns 
im  Namen  deines  Vaters  (R.  Jose,  um  150)  gesagt  hast.  Er  antwortete:  180  Jahre, 
bevor  das  Haus  (=  Tempel)  zerstört  wurde,  dehnte  sich  die  frevlerische  Herrschaft 
(Roms)  über  Israel  aus;  80  Jahre,  bevor  das  Haus  zerstört  wurde,  verhängte  man 
(als  Vorbeugungsmaßregel)  Unreinheit  über  das  Land  der  Völker  u.  über  Glasgefäße; 
40  Jahre,  bevor  das  Haus  zerstört  wurde,  wanderte  das  Synedrium  (aus  der  Quader- 
halle) aus  u.  tagte  in  einer  Kaufhalle,  r^:r^z.  In  bezug  worauf  ist  das  von  Belang? 
Rab  Ji9chaq  b.  Abdimi  (um  300)  hat  gesagt:  Es  will  besagen,  daß  sie  nicht  mehr  in 
Strafgeldsachen  richteten.  . . .  Rab  Nachman  bar  Ji^chaq  (f  356)  hat  gesagt:  Sage  nicht: 
in  Strafgeldsachen,  sondern  daß  sie  nicht  mehr  in  Kriminalprozessen  aburteilten.  Was 
war  der  Grund?  Als  sie  sahen,  daß  sich  die  Mörder  mehrten,  so  daß  sie  sie  nicht 
aburteilen  konnten,  sagten  sie:  Es  ist  besser,  wir  wandern  von  Ort  zu  Ort,  damit  wir 
nicht  zu  verurteilen  brauchen;  denn  es  heißt  Dt  17, 10:  Handle  nach  Maßgabe  des 
Spruchs,  den  sie  dir  verkündigen  werden  von  jenem  Ort  aus,  den  Jahve  erwählen  wird. 
Das  lehrt,  daß  es  (das  rechtsgültige  Urteilen)  vom  Ort  (von  der  Gerichtsstätte)  abhängt, 
(Darum  verließ  also  das  Synedrium  seinen  alten  Gerichtssitz,  um  keine  Todesurteile 
mehr  fällen  zu  können.)  Dasselbe  etwas  kürzer  Schab  15*,  hier  statt  r^:n2  der  Plural 
^^''l:-:;  als  Bar  in  Sanh  4H.  |1  RH  31^:  Rab  J^huda  b.  Idi  hat  gesagt,  R,  Jochanan 
(t  279)  habe  gesagt:  Zehn  Stationen  hat  die  Sch^khina  (Gottheit)  auf  Grund  der  Schrift 
(beim  Verlassen  des  ersten  Tempels)  gemacht.  Ihnen  entsprechend  (also  auch  zehn- 
mal) ist  auf  Grund  der  Tradition  das  Synedrium  gewandert  .  .  .  von  der  Quaderhalle 
nach  der  Kaufhalle  nijn,  von  der  Kaufhalle  nach  Jer.,  von  Jer.  nach  Jahne,  von  Jahne 
nach  iUscha,  von  iUscha  nach'Sch'^pharsam,  von  Sch'pharfam  nach  Beth-Sch*'?arim, 
von  Beth-Sch*^farim  nach  Sepphoris,  von  Sepphoris  nach  Tiberias,  u.  Tiberias  ist  das 
tiefste  von  allen,  s.  Jes  29,4:  Tief  unten  von  der  Erde  wirst  du  reden  u.  gedämpft 
aus  dem  Staube  wird  deine  Rede  kommen.  .  .  .  R.  Jochanan  hat  gesagt:  Und  von  dort 
(Tiberias)  werden  sie  dereinst  (in  der  messian.  Zeit)  erlöst  werden;  s.  Jes  52,2:  Schüttle 
ab  den  Staub,  stehe  auf.  ||  Die  Kommentatoren  nehmen  an,  daß  mit  der  „Kaufhalle" 
eine  der  Hallen  gemeint  sei,  in  denen  auf  dem  Tempelberg  Opferbedarf  verkauft 
wurde.  —  Chwolson,  Das  letzte  Passahmahl  Christi  S.  123,  identifiziert  die  „Kaufhalle" 
mit  den  angeblich  der  Familie  des  Hohenpriesters  Hannas  gehörenden  Kaufhallen,  die 
am  Ölberge  gelegen  waren  (s.  hierzu  bei  Johl8, 13  Anm.  d).  Dorthin  sei  etwa  um 
30  n.  Chr.  der  Sitz  des  Synedriums  verlegt  worden,  dorthin  sei  auch  Jesus  zuerst  nach 
seiner  Gefangennehmung  abgeführt  worden;  vgl.  Joh  18, 13. 

Schürer'^  2,  265  verwirft  die  Tradition  über  die  Verlegung  der 
Synedrialsitzungen  nach  einer  Kaufhalle  als  unhistorisch,  zumal  die 
Mischna  augenscheinlich  voraussetze,  „daß  das  Synedrium  gerade  in 
der  letzten  Zeit  vor  der  Zerstörung  des  Tempels  sich  in  der  Lischkath 
ha-gazith  versammelt  habe".  Da  nach  einer  anderweitigen  Tradition  dem 
Synedrium  ebenfalls  40  Jahre  vor  der  Tempelzerstörung  das  Richten 
über  Leben  u.  Tod  abgenommen  sei,  so  habe  man  daraus  gefolgert,  daß 
auch  die  Sitzungen  des  Synedriums  nicht  mehr  in  dem  früheren  Amts- 
lokal stattgefunden  haben  könnten, 

Synedrialsitzungen  im  Hause  des  Hohenpriesters  werden  in  der 
rabbin,  Literatur,  soweit  wir  sehen,  nicht  erwähnt.   Die  Quaderhalle, 


Matth  26,  57  (Nr.  2j.  26,  60  (Nr.  1—3)  1001 

falls  sie  im  Tempelbezirk  lag,  kam  als  Stätte  der  V^erhandlung  gegen 
Jesum  schon  der  nächtlichen  Stunde  wegen  nicht  in  Betracht,  da  die 
Tore  des  Tempelbergs  in  der  Nacht  geschlossen  waren. 

Mid  1,1:  An  drei  Stellen  hielten  die  Priester  im  Heiligtum  Wache:  im  Hause  des 
Abtinas  (des  Herstellers  des  heiligen  Räucherwerks),  im  Funkenhaus  (?)  u.  im  Brand- 
hause (wo  beständig  Feuer  unterhalten  wurde);  die  Leviten  an  21  Stellen:  5  an  den 
5  Toren  des  Tempelberges,  4  an  den  4  inneren  Ecken,  5  an  den  5  Toren  des  (inneren) 
Vorhofs,  4  an  den  4  äußeren  Ecken  (des  inneren  Vorhofs),  1  in  der  Opferkammer,  1  in 
der  Vorhangskammer  u.  1  hinter  der  Stätte  der  Kapporeth  (=  dem  Allerheiligsten). 

26,60:  Obwohl  viele  falsche  Zeugen  herzutraten. 
ipsvdoixÜQTVQsq    „falsche  Zeugen"   (nicht  ■pis^'it  wyj  =  Z.,    die   als 
falsche  Zeugen  überführt  sind,  sondern:)  np^  •^yj  =^  Zeugen,  die  Falsches 
aussagen,  sei  es  wissentlich,  sei  es  irrtümlich. 

1.  Personen,  die  als  Zeugen  unzulässig  waren. 

Sanh  3,3—5;  Sch^bu4, 1;  SDt  19, 17  (109'^);  RH  1,8  u.  Sanh27'^  s.  bei  Mt5,  21 
S.  267  f.  II  TSanh  5,  5  (423):  Zu  ihnen  (den  in  Sanh  3,  3—5  genannten  Personen)  hat 
man  hinzugefügt:  die  Räuber  u.  die  Hirten  u.  die  Gewalttätigen  u.  alle,  die  in  Geld- 
sachen verdächtig  sind  —  deren  Zeugnis  ist  untauglich.  ||  Sanh  25b  Bar:  Man  hat  noch 
hinzugefügt  die  Hirten  (von  Kleinvieh,  weil  sie  ihre  Herden  auf  fremde  Grundstücke 
treiben),  die  Steuererheber  u.  die  Zöllner.  .  .  .  Von  den  Steuererhebern  u.  Zöllnern  hatte 
man  anfänglich  angenommen,  daß  sie  nur  das  nähmen,  was  ihnen  vorgeschrieben  war; 
als  man  aber  wahrnahm,  daß  sie  mehr  nahmen,  erklärte  man  sie  (als Zeugen)  für  untauglich. 

2.  Die  Verwarnung  der  Zeugen  in  Kriminalprozessen. 

Sanh  4,  5  s.  bei  Mt  5,  21  S.  267  Anm.  c.  —  Fortsetzung  der  Stelle:  Denn  so  finden 
wir  es  bei  Kain:  „Das  mehrfache  Blut  ('•:-,  Plur.)  deines  Bruders  schreit  zu  mir  von 
der  Erde"  Gn  4, 10.  Es  heißt  nicht:  „das  Blut"  (Sing.)  deines  Bruders,  sondern  das 
„mehrfache  Blut"  deines  Bruders,  sein  Blut  u.  das  Blut  seiner  (etwaigen)  Nachkommen. . . . 
Deshalb  ist  ein  einziger  Mensch  in  der  Welt  geschaffen  worden,  um  zu  lehren,  daß 
jedem,  der  eine  Seele  [„aus  Israel"  ist  zu  tilgen.  Strack  zur  Stelle]  vernichtet,  man 
es  anrechnet,  als  ob  er  eine  ganze  Welt  vernichtet  hätte,  u.  jedem,  der  eine  Seele  [aus 
Israel]  erhält,  man  es  anrechnet,  als  ob  er  eine  ganze  Welt  erhalten  hätte.  .  .  .  Und 
vielleicht  werdet  ihr  sagen:  Was  soll  uns  diese  Bedrängnis  (die  wir  als  Zeugen  haben)? 
Fürwahr,  es  heißt  schon  Lv  5, 1 :  „Er  war  Zeuge,  sei  es  daß  er  es  gesehen  oder  er- 
fahren hat;  wenn  er  dann  nicht  Anzeige  macht  u.  er  infolgedessen  Verschuldung  trägt." 
Und  vielleicht  werdet  ihr  sagen:  Was  sollen  wir  uns  in  bezug  auf  das  Blut  dieses  ver- 
schulden? Fürwahr,  es  heißt  schon  Spr  11,  10:  „Und  wenn  die  Frevler  zugrunde  gehn, 
herrscht  Jubel."  ||  Beispiel  einer  Zeugenaussage,  die  auf  Vermutung  beruht:  TSanh  8,3 
(427):  Man  soll  nicht  sagen:  Wir  haben  ihn  (den  Angeklagten)  gesehen,  wie  er  hinter 
dem  andren  herlief  u.  ein  Schwert  in  seiner  Hand  hatte,  er  (der  Verfolgte)  ging  vor 
ihm  in  einen  Kramladen  u.  dieser  ging  nach  jenem  in  den  Kramladen,  u.  wir  gingen 
nach  ihm  hinein  u.  fanden  jenen  getötet  u.  das  Schwert  war  in  der  Hand  des  Mörders 
u.  triefte  von  Blut  —  ihr  möchtet  vielleicht  sagen;  Wenn  nicht  (die&er),  wer  hat  ihn 
(sonst)  getötet?  (Die  Vermutung  mag  also  noch  so  begründet  sein,  zur  Bezeugung  der 
Täterschaft  genügt  sie  nicht.)  —  Die  Parallele  Sanh  37  b  s.  bei  Mt  5,  21  S.  267  Anm.  c. 

3.  Zu  rechtsgültigem  Zeugnis  gehörte  die  Aussage  von  2  Zeugen. 
SNu  35,  30  §161  (621»,  3):  „Ein  Zeuge  kann  nicht  gegen  eine  Person  aussagen, 

daß  sie  sterbe"  Nu  35,  30;  wohl  aber  darf  Ein  Zeuge  zugunsten  des  Angeklagten  aus- 
sagen. ...    „Ein  Zeuge";  diese  Stelle  enthält  die  Hauptnorm:'  überall  wo  ->;  „Zeuge" 

*  Zur  exegetischen  Regel  des  as  i^jz  (Hauptnorm)  s.  Einl.  S.  97  f. 


1 002  Matth  26,  60  (Nr.  3—5) 

in  der  Schrift  steht,  sind  damit  allgemein  zwei  Zeugen  gemeint,  bis  dir  die  Schrift 
ausdrücklich  angibt  ^Ein"  Zeuge.  ||  SDt  17,6  §  150  (104b):  Woher,  daß  Ein  Zeuge  nichts 
zuungunsten  des  Angeklagten  vorbringen  darf?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Dt  17,  6:  Er 
darf  nicht  auf  die  Aussage  Eines  Zeugen  getötet  werden.  —  Weitere  Belege  s.  bei 
Mt  5,  21  S.  267  Anm.  b.  —  Über  Zeugengruppen  s.  ebenda  S.  266. 

4.  Ausfragung  n^^ni  u.  Ausforschung  rT^1pn  der  Zeugen. 
Schriftgrund:  Dt  13, 15.  Die  n-iipn  galt  als  das  Wichtigere;  sie  bezog 

sich  auf  die  Zeit  u.  den  Ort  des  Geschehnisses.  Die  n^'-^ni  (wofür  auch 
njrii'ia  =  Untersuchung,  Prüfung)  richtete  sich  mehr  auf  Nebenumstände. 
Wenn  ein  Zeuge  eine  Ausforschungsfrage  nicht  beantworten  konnte, 
so  wurde  sowohl  seine,  als  auch  des  zweiten  Zeugen  Aussage  ver- 
worfen; dagegen  behielt  bei  der  d«rischa  oder  b'^diqa  in  diesem  Fall 
das  Zeugnis  beider  seine  Gültigkeit.  Widersprachen  sich  die  beiden 
Zeugen,  sei  es  bei  den  Ausforschungs-,  sei  es  bei  den  Prüfungsfragen, 
so  war  ihr  Zeugnis  ungültig.  Der  letztere  Fall  war  es  —  vgl.  Mkl4,56: 
xal  l'aai  al  fxaqTVQiai  ovx  rjüar  u.  das.  Vers  59:  ovSt  ovTMg  iGi]  rjv  rj 
jiiaQTVQia  avTMv  — ,  der  das  Verhör  der  gegen  Jesum  aufgestellten 
Zeugen  ergebnislos  verlaufen  ließ. 

Sanh  4, 1 :  Vermögensstreitigkeiten  u.  Kapitalprozesse  sind  gleich  in  bezug  auf  Aus- 
fragung u.  Nachforschung,  s.  Lv  24,  22:  Einerlei  Recht  soll  euch  sein.  ||  Sanh  5, 1 :  Man 
prüfte  sie  (die  Zeugen)  durch  7  Nachforschungsfragen:  in  welcher  Jahrwoche  (der 
49jährigen  Jobelperiode)?  in  welchem  Jahre  (der  betreffenden  Jahrwoche)?  in  welchem 
Monat?  am  wievielsten  Tage  *im  Monat?  an  welchem  (Wochen-)Tage?  in  welcher 
Stunde?  an  welchem  Ort?  R.Jose  (um  150)  sagte:  (Man  fragte  nur:)  An  welchem 
Tage?  in  welcher  Stunde?  an  welchem  Ort?^  —  (Man  fragte  ferner  als  Prüfungs- 
fragen:) Kennt  ihr  ihn  (zB  den  Ermordeten)?  Habt  ihr  ihn  (den  Angeklagten  vor  der 
Begehung  der  Tat)  gewarnt?^  Bei  jemand,  der  Götzendienst  trieb  (fragte  man  außer- 
dem): Wem  hat  er  gedient?  u.  womit  hat  er  (dem  Götzen)  gedient?  |  Sanh  5,2:  Wer 
viel  prüft,  ist  lobenswert.  Einmal  geschah  es,  daß  der  Sohn  Zakkais  (d.  i.  Rabban 
Jochanan  b.  Z.  f  um  80)  über  die  Stiele  der  Feigen  prüfte  (als  ein  Mord  unter  einem 
Feigenbaum  verübt  war).  Und  was  ist  der  Unterschied  zwischen  Nachforschungsfragen 
u.  Prüfungsfragen  (b^'diqoth)?  Nur  dies,  daß  bei  N.fragen,  wenn  einer  (der  beiden  Zeugen) 
gesagt  hat:  „Ich  weiß  es  nicht",  beider  Zeugnis  ungültig  ist.  Bei  Pr.fragen  —  wenn 
einer  gesagt  hat:  „Ich  weiß  es  nicht"  u.  sogar  wenn  beide  sagen:  „Wir  wissen  es  nicht", 
ist  ihr  Zeugnis  gültig.  Sowohl  bei  N.fragen  als  auch  bei  Pr.fragen  ist,  wenn  sie  (die 
beiden  Zeugen)  einander  widersprechen  TttJ^-se,  ihr  Zeugnis  ungültig.  |  Sanh  5,  3:  Sagt 
einer:  „Am  zweiten  des  Monats"  u.  einer:  „Am  dritten",  so  ist  ihr  Zeugnis  gültig; 
denn  dieser  hat  um  die  Einschaltung  (eines  Tages)  beim  (letztvergangenen)  Monat  ge- 
wußt, jener  aber  nicht  (sie  können  also  denselben  Tag  meinen  u.  bezeugen).  Sagt  einer: 
„Am  dritten"  u.  einer  „Am  fünften",  so  ist  ihr  Zeugnis  ungültig.  Sagt  einer:  „In  der 
2.  Stunde"  u.  einer:  „In  der  3.",  so  ist  ihr  Zeugnis  gültig.  Sagt  einer:  „In  der  3."  u. 
einer:  „In  der  5.",  so  ist  ihr  Zeugnis  ungültig.  R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  Es  ist  gültig. 
Sagt  einer:  „In  der  5."  (vorm.  11  Uhr)  u.  einer:  „In  der  7."  (nachm.  1  Uhr),  so  ist  ihr 
Zeugnis  ungültig;  denn  in  der  5.  ist  die  Sonne  im  Osten  u.  in  der  7.  im  Westen  (ein 
Irrtum  also  ausgeschlossen). 

5.  Falsche  Zeugen. 

Makl,4:  Die  Zeugen  werden  zu  falschen  "'^'^»a'iT  erst  dann,  wenn  sie  sich  selbst 
als  falsche  erweisen.  Auf  welche  Weise?  Haben  sie  gesagt:  „Wir  bezeugen  gegen  den 

'  Die  Halakha  ist  nicht  nach  R.  Jose. 

""  Zur  Verwarnung  s.  bei  Mt  5,  21  S.  261  Nr.  1. 


Matth  26,  60  (Nr.  5—7).  26,  61  (5t j  1003 

u.  den  Mann,  daß  er  jemand  getötet  hat",  u.  andre  haben  (dann)  zu  ihnen  gesagt: 
„Wie  könnt  ihr  bezeugen?  Denn  siehe,  dieser  Getötete  oder  der  Tötende  ist  an  dem- 
selben Tage  mit  uns  an  dem  u.  dem  Ort  gewesen",  so  sind  sie  nicht  falsche  Zeugen 
T^'i'siT.  (Ihr  Zeugnis  ist  objektiv  falsch  u.  deshalb  wertlos;  aber  es  kann  auf  einem 
Irrtum  über  den  Getöteten  oder  den  Mörder  beruhen;  deshalb  gelten  sie  wohl  als  --v 
"•■pv,  aber  nicht  als  ■j-'ö^sit  a"ty;  sie  bleiben  in  diesem  Fall  straflos.)  Haben  andre  aber 
zu  ihnen  gesagt:  „Wie  könnt  ihr  bezeugen?  Denn  siehe,  ihr  selbst  seit  mit  uns  an 
demselben  Tage  an  dem  u.  dem  Ort  gewesen"  (könnt  also  von  der  Tat  nichts  gesehen 
haben),  dann  sind  sie  falsche  Zeugen  t^'s'sit  u.  werden  auf  die  Aussage  jener  getötet. 
(Sie  haben  jetzt  über  sich  selbst  ein  falsches  Zeugnis  abgelegt  u.  damit  sich  selbst  als 
T^iiT  erwiesen.)  ]  Makl,5:  Sind  andre  (Zeugen  gegen  den  angeblichen  Mörder)  ge- 
kommen u.  jene  (die  gegen  das  1.  Zeugenpaar  bereits  aufgetretenen  Zeugen)  haben  (auch) 
diese  als  falsche  erklärt,  sind  (noch)  andre  (Zeugen)  gekommen  u.  jene  haben  (auch) 
diese  als  falsche  erklärt,  sogar  hundert  (Zeugenpaare),  so  sollen  sie  alle  getötet  werden. 
R.  J*^huda  (um  150)  sagte:  Das  (ein  solches  alle  übrigen  Zeugen  als  falsche  erklärendes 
Zeugenpaar)  wäre  eine  2'E-l:ös  (Aufrührerbande?).  Nur  das  erste  Paar  (falscher  Zeugen) 
wird  getötet.  —  Wesentlich  anders  die  Parallele  TMak  1, 10  (439).  Mak  1,  6:  Die  falschen 
Zeugen  werden  getötet  erst,  nachdem  das  Urteil  gefällt  ist.  Denn  siehe,  die  Sadduzäer 
r".^~^~  sagten:  Erst  wenn  er  (der  Angeklagte  u.  Verurteilte)  getötet  worden  ist,  s.  Dt 
19,  21:  „Leben  um  Leben".  Die  Gelehrten  aber  sagten  ihnen:  Es  heißt  doch  Dt  19, 19: 
„Ihr  sollt  ihm  tun,  wie  er  seinem  Bruder  zu  tun  gedachte."  Also  siehe,  sein  Bruder 
muß  noch  am  Leben  sein.  Wenn  dem  so  ist,  warum  heißt  es  denn:  Leben  um  Leben? 
Man  könnte  meinen:  Von  der  Stünde  an,  da  man  ihr  Zeugnis  angenommen  hat,  sollen 
sie  getötet  werden.  Aber  die  Schrift  sagt  lehrend:  Leben  um  Leben.  Also  werden  sie 
getötet  erst,  nachdem  das  Urteil  gefällt  worden  ist.  (Mit  dem  Urteil  wird  dem  Delin- 
quenten das  Leben  abgesprochen;  darum  haben  falsche  Zeugen  mit  demselben  Augen- 
blick ihr  Leben  verwirkt.)  —  Mak  5'>  s.  bei  Mt  5,  38  S.  338;  über  anderweite  Strafen 
der  falschen  Zeugen  s.  bei  Mt  5,38  S.  337  f. 

6.  Die  Zeugen  wurden  einzeln  vernommen. 

Sanh  3,  6:  (Nachdem  man  den  Zeugen  Furcht  eingeflößt,  d.  h.  sie  verwarnt  hatte) 
ließ  man  sie  hinausgehn  u.  behielt  (nur)  den  Angesehensten  hi—n  unter  ihnen  zurück. 
Man  sprach  zu  ihm:  Sage,  wieso  weißt  du,  daß  dieser  diesem  schuldig  ist?  (Diese 
Frage  beispielsweise  bei  Vermögensstreitigkeiten.)  . . .  Man  führte  den  zweiten  (Zeugen) 
herein  u.  prüfte  ihn.  (Dieser  Satz  auch  Sanh  5,4  in  bezug  auf  Kriminalprozesse;  an 
letzterer  Stelle  folgt  dann:)  Wurden  ihre  Worte  übereinstimmend  gefunden,  so  begann 
man  mit  (Gründen  für)  Freisprechung. 

7.  Über  gedungene  falsche  Zeugen  sagt 

Sanh  29»:  Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Nathan  bar  Mar  Zutra  hat  zu  mir  gesagt: 
Man  sagt  zu  den  Zeugen  (bei  ihrer  Verwarnung) :  Falsche  Zeugen  sind  ihren  Lohngebern 
verächtlich;  s.  1  Kg  21, 10:  Setzet  zwei  nichtswürdige  Männer  ('"ly^'^a  -33,  in  dieser  Be- 
zeichnung liegt  die  Verächtlichkeit)  ihm  gegenüber,  daß  sie  wider  ihn  zeugen  u.  sagen: 
Naboth  hat  Gott  u.  dem  König  geflucht  (so  zitiert  derMidr  mit  Heranziehung  von  Vers  13). 

26,61  51:  Der  Tempel  u.  der  Messias. 
Solange  das  Heiligtum  stand,  also  bis  zum  Jahre  70  n.  Chr.,  hat  man 
wohl  allgemein  erwartet,  daß  die  messian.  Heilszeit  die  Herrlichkeit  des 
Tempels  ebenso  mehren  werde  wie  die  Schönheit  u.  Pracht  Jerusalems, 
vgl.  Tob  13,  9  ff.;  U,4f.;  Henoch  90,  28f.;  91, 13;  Bar  5, 1  ff.  Dagegen 
dürfte  Orac.  Sib.  3,  652—660  nicht  auf  die  Zeit  des  Messias  sich  be- 
ziehen, sondern  auf  eine  frühere  Periode  des  Glücks  u.  Wohlstandes, 
die  etwa  der  Zeit  vor  dem  Völkersturm  Ez  38  entspricht.    Seit  dem 


1004  Matth26,61  (3t) 

Jahre  70  wandelte  sich  diese  Erwartung  dann  zu  der  Hoffnung,  daß  in 
den  Tagen  des  Messias  der  Tempel  in  unbeschreiblicher  Herrlichkeit 
neu  erstehen  werde,  um  nie  mehr  zu  vergehen,  a  Meist  wird  dabei  Gott,b 
seltener  der  Messias c  als  der  Erbauer  des  neuen  Tempels  verherrlicht. 

a.  Sch'^moue  ?Esre  14  (paläst.  Rezension):  Erbarme  dich,  Jalive,  unser  Gott,  in  deiner 
großen  Barmherzigkeit  über  Israel,  dein  Volk,  u.  über  Jerusalem,  deine  Stadt,  u.  über 
Zion,  die  Wohnung  deiner  Herrlichkeit,  u.  über  deinen  Tempel  u.  über  deine  Wohnung 
u.  über  das  Königtum  des  Hauses  David,  des  Messias  deiner  Gerechtigkeit.  Gepriesen 
seist  du  Jahve,  Gott  Davids,  der  du  Jerusalem  erbaust!  —  Ferner  s.  die  14.  u.  17  Be- 
nediktion in  der  babyl.  Rezension.  —  Im  Habinenu-Gebet,  einem  Auszug  aus  dem 
Sch'^'mone  ?Esre,  der  von  Sch'^muel  (f  254)  herrührt,  heißt  es  nach  der  paläst.  Rezension: 
Freuen  mögen  sich  alle,  die  auf  dich  vertrauen,  an  dem  Bau  deiner  Stadt  u.  an  der 
Erneuerung  deines  Heiligtums  u.  an  dem  Sproß  deines  Knechtes  David  (=  Messias.  || 
P'-'s  b^  Bar  aus  der  Schule  des  R.  Jischma?el  (f  um  135):  Zum  Lohn  für  drei  „Erste" 
(nämlich  für  die  ersten  Feiertage  der  drei  Hauptfeste  Lv  23,  7.  35.  40)  erlangten  die 
Israeliten  drei  „Erste"  (in  der  messian.  Zeit),  nämlich  die  Ausrottung  des  Samens  Esaus 
(Roms),  den  Bau  des  Heiligtums  u.  den  Namen  des  Messias  (d.  h.  den  Messias).  Die 
Ausrottung  des  Samens  Esaus,  s.  Gn  25,  25:  „Da  kam  der  erste  ■jitüx^r!  heraus,  rötlich, 
ganz  wie  ein  Haarmantel ";  u.  den  Bau  des  Heiligtums,  s.  Jerl7, 12:  „Der  Thron  der 
Herrlichkeit  in  der  Höhe,  von  zuerst  an  iiajNia  die  Stätte  unsres  Heiligtums",  u.  den 
Namen  des  Messias,  s.  Jes41,27:  „Der  Erste  ■;vi;s"'  für  Zion,  siehe,  siehe,  da  ist  es 
nun."  Vgl.  P^siq  185 -"^  nebst  Parallelen  in  Anm.  h.  ||  SDt  33, 12  §  352  (145b).  ^Er  wohnt 
sicher  bei  ihm"  Dt  33, 12,  das  geht  auf  den  ersten  (Tempel-) Bau;  „er  schirmt  über  ihm 
den  ganzen  Tag"  (das.),  das  geht  auf  den  letzten  (=  zweiten)  Bau,  ,u.  zwischen  seinen 
Schultern  wohnt  er"  (das.),  r^ämlich  erbaut  u.  vollendet  in  der  Zukunft  (=  in  der  messian. 
Zeit).  Und  ebenso  findest  du  es  bei  Abraham,  daß  er  es  (das  Heiligtum)  erbaut  gesehen 
hat,  u.  daß  er  es  zerstört  gesehen  hat,  u.  daß  er  es  (wieder)  erbaut  gesehen  hat,  s.  Gn 
22, 14:  „Und  Abraham  nannte  den  Namen  dieses  Orts  , Jahve  erscheint'",  siehe,  da  ist 
es  erbaut;  „so  daß  heutzutage  gesagt  wird:  Auf  dem  Berge",  siehe,  da  ist  es  zerstört; 
„wo  Jahve  erscheint",  siehe,  da  ist  es  erbaut  u.  vollendet  in  der  Zukunft.  —  Dann  folgt 
dieselbe  Ausführung  in  bezug  auf  Isaak  u.  Jakob  auf  Grund  von  Gn27,27,  bezw.Gn28, 17. 
—  Parallelstellen:  GnR56  (36=»);  65  Ende;  69  (44 1^);  Bar  Z^b  118^.  ||  pfsiq  145 -^  R.  Chijja 
(um  200)  hat  gelehrt:  Von  Anfang  der  Weltschöpfung  an  hat  Gott  das  Heiligtum  erbaut, 
zerstört  u.  (wieder)  erbaut  gesehen.  „Im  Anfang  schuf  Gott  Himmel  u.  Erde"  Gn  1,1, 
siehe,  da  ist  es  erbaut,  „u.  die  Erde  war  Tohu  u.  Bohu"  (das.  Vers  2),  siehe,  da  ist  es 
zerstört;  „u.  Gott  sprach:  ,Es  werde  Licht',  u.  es  ward  Licht"  (das.  Vers  3),  siebe,  da 
ist  es  erbaut  u.  vollendet  in  der  Zukunft.  —  Dasselbe  GnR  2  (3«).  ||  GnR98(61b):  „Was 
euch  am  Ende  der  Tage  begegnen  wird"  Gn  49, 1.  .  .  .  R.  J'^'huda  (?)  hat  gesagt:  Den 
Bau  des  Heiligtums  (in  den  Tagen  des  Messias)  hat  er  ihnen  gezeigt,  s.  Micha  4,  1 : 
Und  geschehen  wird  es  am  Ende  der  Tage,  emporragen  wird  der  Berg  des  Hauses 
Jahves  zu  Häupten  der  Berge. 

b.  P'^siq  185*:  R.  B*^rekhja  (um  340)  hat  im  Namen  des  R.  Abba  b.  Kahana  (um  310) 
gesagt:  Im  Verdienst  des  Gebotes  Lv  23,  40:  „Nehmet  euch  am  ersten  Tage  prächtige 
Baumfrüchte"  erscheine  ich  euch  als  der  Erste  -j-^csn  u.  räche  euch  an  dem  Ersten  u. 
baue  euch  den  Ersten  u.  bringe  euch  den  Ersten.  Ich  erscheine  euch  als  der  Erste,  das 
ist  Gott,  s.  Jes41,4:  „Ich,  Jahve,  bin  der  Erste";  u.  räche  euch  an  dem  Ersten,  das 
ist  Esau  (Rom),  der  Frevler,  s.Gn  25,25:  „Es  kam  der  Erste  heraus,  rötlich";  u.  ich 
baue  euch  den  Ersten,  das  ist  das  Heiligtum  (der  messian.  Heilszeit),  s.  Jer  17, 12:  „Der 
Thron  der  Herrlichkeit  in  der  Höhe,  von  zuerst  an  -jirs"»:  die  Stätte  unsres  Heiligtums" ; 
u.  ich  bringe  euch  den  Ersten,  das  ist  der  Messias,  s.  Jes  41,  27:  „Der  Erste  für  Zion, 
siehe,  siehe,  da  ist  es  nun,  u.  an  Jerusalem  sende  ich  frohe  Botschaft."  —  LvR  30  (128'^') 
R.  Levi,  um  300,  u.  GnR  63  (39  ^)  R.  Ji9chaq  als  Autor;  mit  Abweichungen  anonym  ExR  1 5 
(76=*).  li  Midr  HL  4,  4  (112b):  Gott  wird  dereinst  den  Tempel  bauen  u.  seine  Sch^'khina 


Matth  26,  61  (31.  SB).  26,  62  (51.  33).  26,  63  (51)  1005 

in  ihm  wohnen  lassen.  ||  Midr  Ps  22  §  9  (98"):  „Wache  auf  Ps  57,  9,  während  der  Zer- 
störung des  ersten  Hauses  (=  Tempels),  das  wiedererbaut  werden  soll  durch  Esra; 
„wache  auf  (das.),  während  der  Zerstörung  des  zweiten  Hauses,  das  durch  dich  (Gott) 
wiedererbaut  werden  wird  als  ein  vollkommener  Bau,  s.  Psl47,2:  „Jahve  baut  Jerusalem, 
die  Verstoßenen  Israels  sammelt  er. "  Midr  Ps  90  ij  19  ( 1 98  ") :  Gott  sprach  zu  den  Israeliten : 
Weil  in  der  Vergangenheit  das  Heiligtum  durch  Fleisch  u.  Blut  erbaut  worden  ist,  darum 
ist  es  zerstört  u.  verwüstet  worden,  u.  ich  habe  meine  Sch'^khina  daraus  hinweggenommen; 
aber  in  der  Zukunft  werde  ich  es  bauen  u.  meine  Sch'^khina  darin  wohnen  lassen ;  dann  wird 
es  in  Ewigkeit  nicht  zerstört  werden.  —  Derselbe  Gedanke  auch  P'^siqR 26  ( 1 32" ) ;  28  ( 1 35"). 
C.  Orac.  Sib.  5, 420  ff. :  Und  die  Stadt,  nach  welcher  Gott  Verlangen  trug,  die  machte 
er  (der  Messias)  glänzender  als  die  Sterne  u.  die  Sonne  u.  den  Mond,  u.  Schmuck  legte 
er  (darin)  nieder  u.  machte  ein  heiliges  Haus  (=  Tempel),  ein  im  Fleische  vorhandenes, 
.  .  .,  wunderschönes,  u.  bildete  viele  Stadien  weit  einen  großen  u.  unendlichen  Turm 
(=  Tempel),  der  die  Wolken  selbst  berührt  u.  allen  sichtbar  ist.  ||  LvR  9  (111"):  Der 
König,  der  Messias,  der  sich  im  Norden  befindet,  wird  kommen  u.  das  Heiligtum  bauen, 
das  sich  im  Süden  befindet,  s.  Jes41,25.  —  Dasselbe  NuR  13  (168^);  Midr  HL 4, 16  (117b). 

26,  61  25:  Den  Tempel  niederreißen  u.  .  .  .  aufbauen. 

Zum  Ausdruck  s.  BB  4":  (Als  Baba  b.  Buta  Herodes  I.  den  Rat  gegeben  hatte,  den 
Tempel  zu  erneuern)  antwortete  Herodes:  Ich  fürchte  mich  vor  der  (römischen)  Re- 
gierung. Jener  sprach:  Schicke  eine  Gesandtschaft  (nach  Rom),  die  reise  ein  Jahr  u. 
die  verweile  ein  Jahr  (in  Rom)  u.  die  kehre  ein  Jahr  zurück;  inzwischen  reiße  ihn  (den 
Tempel)  ein  u.  baue  ihn  auf  n-'^sai  n^iro.  Er  tat  so.  Da  ließ  man  ihm  (aus  Rom)  sagen: 
Wenn  du  nicht  eingerissen  hast,  so  reiße  nicht  ein  ^inon  bs  riro  sb;  wenn  du  aber  ein- 
gerissen hast,  so  baue  nicht  auf  ":an  Vs  n'^nc;  u.  wenn  du  eingerissen  u.  aufgebaut  hast 
r"':ai  r-ro,  so  bist  du  ein  böser  Knecht;  holt  man  Erlaubnis  ein,  nachdem  man  gehandelt? 

26,  62  51:  Sitzordnung  im  Synedrium. 

Sanh  4, 3:  Das  Synedrium  war  gleich  der  Hälfte  einer  runden  Tenne  (also  halbkreis- 
förmig), damit  man  einander  sehen  könnte.  Und  zwei  Gerichtsschreiber  standen  vor 
ihnen,  einer  zur  Rechten  u.  einer  zur  Linken,  u.  schrieben  die  Worte  der  Freisprechenden 
u.  die  Worte  der  Verurteilenden  auf.  R.  J'^huda  (um  150)  sagte:  Drei  waren  es;  einer 
schrieb  die  Worte  der  Verurteilenden,  u.  einer  schrieb  die  Worte  der  Freisprechenden, 
u.  der  dritte  schrieb  die  Worte  der  Freisprechenden  u.  der  Verurteilenden  (zur  Kontrolle 
der  beiden  andren  Schreiber;  die  Halakha  ist  nicht  nach  R.  J'^huda).  —  TSanh  8, 1  (427) 
fügt  hinzu:  Der  Vorsitzende  s-^bj-  (=  Fürst)  saß  in  der  Mitte  u.  die  Ältesten  a'?p.?  saßen 
zu  seiner  Rechten  u.  zu  seiner  Linken.  |  Sanh  4,  4:  Drei  Reihen  Gelehrtenschüler  saßen 
vor  ihnen;  jeder  einzelne  kannte  seinen  Platz.  Sah  man  sich  genötigt  zu  ordinieren  (um 
den  Gerichtshof  zu  ergänzen),  so  ordinierte  man  aus  der  ersten  Reihe.  Einer  aus  der 
zweiten  Reihe  kam  dann  in  die  erste  u.  einer  aus  der  dritten  kam  in  die  zweite,  u.  man 
erwählte  noch  einen  aus  der  Gemeinde  (aus  den  Umstehenden)  u.  setzte  ihn  in  die 
dritte  Reihe;  er  saß  aber  nicht  auf  dem  Platz  des  Früheren,  sondern  auf  dem  Platz, 
der  ihm  gebührte.   Vgl.  TSanh  8,  2  (427). 

26,  62  ^:  Antwortest  du  nichts  auf  das, 
was  diese  wider  dich  bezeugen? 

Sanh  5,  4:  Auch  wenn  er  selbst  (der  Angeklagte)  gesagt  hat:  Ich  kann  in  bezug 
auf  mich  selbst  Freisprechung  begründen,  hört  man  auf  ihn;  nur  daß  an  seinen  Worten 
etwas  Erhebliches  sein  muß. 

26,63  51:  Ich  beschwöre  dich  bei  dem  lebendigen  Gott. 
Eine  Beschwörung  sollte  erfolgen  beim  Namen  Gottes  oder  bei  einer 
seiner  Nebenbenennungen,  s.  bei  Mt  5, 34  S.  330  ff.  —  Die  ältere  Halakha 


1006  Matth  26,  68  (31.  85).  26,  64 

kennt  (von  dem  späteren  sog.  rabbin.  Eide  rsin  nr^::d  wird  hier  ab- 
gesehen) eine  Beschwörung  in  drei  Fällen:  a.  beim  Zeugniseid  nriiaa 
n-ivr},  d.  h.  bei  der  Aufforderung  an  Zeugen,  in  irgendeiner  Angelegen- 
heit eine  Zeugenaussage  vor  Gericht  zu  machen;  b.  beim  Depositeneid 
-,i-i;3Qn  r?i:;vp,  der  beim  Mangel  von  Zeugen  u.  andren  Beweismitteln 
als  Reinigungseid  zu  leisten  war,  falls  der  Beschuldigte  leugnete,  ein 
anvertrautes  oder  gestohlenes  oder  gefundenes  Gut  zu  besitzen,  eine 
israelitische  Tochter  verführt  u.  geschändet,  einem  andren  eine  Körper- 
verletzung beigebracht  oder  irgendeinen  Schaden  durch  eins  seiner 
Tiere  verursacht  zu  haben;  c.  beim  richterlichen  Eid  cio^nn  ny^is^-,  der 
von  einem  Schuldner  zu  schwören  war,  der  seinem  Gläubiger  einen 
Teil  von  dessen  Forderung  ableugnete,  oder  von  einem  Arbeiter,  der 
von  seinem  Herrn  zurückbehaltenen  Lohn  einklagte,  oder  von  einem 
Beraubten,  der  vom  Diebe  Ersatz  forderte,  oder  von  einem  Verletzten, 
der  vom  Verletzer  Entschädigung  beanspruchte,  oder  von  einem  Kauf- 
mann, der  auf  Grund  seiner  Geschäftsbücher  eine  Forderung  erhob, 
oder  von  einer  Frau,  die  eine  Restforderung  aus  ihrer  Hochzeits- 
verschreibung einklagte,  oder  von  demjenigen,  dessen  Prozefsgegner 
wegen  Falscheides  verdächtig  war.  Das  Nähere  bei  Mt5,33  S.  322  ff. 

Die  Jesu  abgeforderte  eidliche  Erklärung  würde  sich  formell  am 
ehesten  unter  die  sch*^bu<oth  ha-<eduth  einreihen  lassen,  hat  aber,  da 
sie  in  Jesu  eigener  Angelegenheit  abzugeben  war,  jedenfalls  etwas 
Ungewöhnliches  an  sich. 

26, 63  5ö:Ob  du  bist  derChristus(derMessias),  derSohnGottes. 
Wenn  die  Worte  „der  Sohn  Gottes"  vom  Hohenpriester  gebraucht 
worden  sind  —  Lk  22, 66  fehlen  sie  — ,  so  sind  sie  von  ihm  sicherlich  ge- 
meint gewesen  im  Sinne  des  vorhergehenden  6  Kgiarög.  —  Zu  viog  xov  ^soi 
als  Bezeichnung  des  Messias  s.  bei  Rom  1, 3 ;  zu  XQiaTÖg  bei  Mt  1,1  S.  6 — 11. 

26,  64:  Du  sagst  es. 
Zu  av  siTtag  =  „wie  du  sagst,  so  ist  es",  s.  bei  Mt  26,  25.  —  Da 
diese  Antwort  Jesu  auf  Grund  einer  Beschwörung  abgegeben  worden 
ist,  so  hat  sie  selbst  die  Bedeutung  einer  eidlichen  Erklärung;  als 
solche  beweist  sie,  daß  Jesus  den  von  der  Obrigkeit  geforderten  Eid 
als  zu  Recht  bestehende  Einrichtung  anerkannt  hat. 

26,64:  Sitzen  zur  Rechten  der  Allmacht 

(s.  Exk.:  Der  110.  Psalm  im  altjüd.  Schrifttum). 

Auf  den  Wolken  des  Himmels  (s.  bei  Mt  24,  30). 

26,64:  rrjg  6vvdi.i€cog  =  n-siasn,  aram.  xr-in?,  „Allmacht",  als  Ersatz 
für  den  Gottesnamen. 

SNu  15,31  §  112  (33^):  R.  Jischmafel  (f  um  135)  sagte:  Vom  Götzendiener  redet  die 
Schrift,  wenn  es  heißt  Nu  15,  31 :  , Das  Wort  Jalives  hat  er  verachtet";  denn  er  ver- 
achtet das  erste  Wort,  das  zu  Mose  aus  dem  Munde  der  Allmacht  (=  des  Allmächtigen) 
rt^-iain  ^z-o  geredet  wurde:  Ich  bin  Jahve,  dein  Gott,  .  .  .  Nicht  sollst  du  einen  andren 


Matth  26,  64.  65  (21)  1007 

Gott  außer  mir  haben.  i|  Hör  8^:  R.  Jischma?el  hat  gelehrt:  „Ich  bin  Jahve,  dein  Gott" 
u.  „Nicht  sollst  du  einen  andren  Gott  außer  mir  haben",  das  haben  wir  aus  dem  Munde 
der  Allmacht  gehört.  ||  f  Er  54  ^  Bar :  In  welcher  Reihenfolge  wurde  die  mündliche  Tradition 
gelernt?  Mose  lernte  sie  aus  dem  Munde  der  Allmacht;  dann  trat  Ahron  ein  u.  Mose 
lehrte  ihn  seinen  Abschnitt.  ||  J^'b  105 b;  (R.  Jischmafel  b.  Jose,  um  180,  sagte:)  War  denn 
Mose  würdig,  die  Tora  aus  dem  Munde  der  Allmacht  zu  lernen?  ||  Sota  37":  (R.  Me'ir, 
um  150,  sagte:  Weil  der  Stamm  Benjamin  zuerst  in  das  Rote  Meer  hinabgestiegen  ist), 
darum  wurde  B.,  der  Gerechte,  gewürdigt,  daß  er  der  Wirt  für  die  Allmacht  wurde 
n-najis  i^riipris  nvjy:i  ^  (insofern  das  AUerheiligste  des  Tempels  im  Gebiet  des  Stammes 
B.  lag).  II  Sciiab87^:  (R.Jose  b.  Jehuda,  um  180,  hat  gesagt:)  Was  hat  Mose  vor  der 
Allmacht  ii->->:i:r:  -:zh  geantwortet?  ||  Schab  88b  erklärt  R.  Jochanan  (f  279)  Ps  68, 12 
durch  die  Worte:  Jedes  einzelne  Wort,  das  (bei  der  Gesetzgebung)  aus  dem  Munde  der 
Allmacht  n^iain  ■»eö  hervorging,  teilte  sich  in  siebzig  Sprachen  (entsprechend  der  Zahl 
der  Völker).  —  Unmittelbar  darauf  wird  statt  „aus  dem  Munde  der  Allmacht"  gesagt: 
„aus  dem  Munde  des  Heiligen,  gepriesen  sei  er!",  'j  also  lediglich  eine  Umschreibung 
des  Gottesnamens. 

26,65  51:  Da  zerriß  der  Hohepriester  seine  Kleider. 

MQ  25 b  Bar:  Dieses  sind  die  Risse  "j^yip,  die  nicht  wieder  zusammengenäht  werden: 
wer  (seine  Kleider)  einreißt  :>"iipn  wegen  (Ablebens)  seines  Vaters  u.  wegen  seiner  Mutter 
u.  wegen  seines  Lehrers,  der  ihn  Tora  gelehrt  hat,  u.  wegen  des  Nasis  (Patriarchen)  u. 
wegen  des  Vizepräsidenten  y-  r^a  as  des  Synedriums  u.  wegen  schlimmer  Nachrichten 
u.  wegen  Gotteslästerung  a-w-n  rsia  u.  wegen  eines  Torabuches,  das  verbrannt  wurde,  u. 
wegen  der  Städte  Judas  u.  wegen  des  Heiligtums  u.  wegen  Jerusalems,  u.  zwar  reißt 
man  wegen  des  Heiligtums  ein  u.  auch  wegen  Jerusalems  (Ein  Riß  für  beide  genügt 
nicht).  Woher,  daß  man  wegen  seines  Vaters  u.  seiner  Mutter  u.  seines  Lehrers,  der 
ihn  Tora  gelehrt  hat,  die  Kleider  einreißt?  Weil  es  heißt  2  Kg  2, 12:  „Als  es  Elisa  sah, 
rief  er:  Mein  Vater,  mein  Vater,  Wagen  Israels  u.  seine  Reiter!"  „Mein  Vater,  mein 
Vater",  das  beweist  wegen  seines  Vaters  u.  seiner  Mutter,  „Wagen  Israels  u.  seine 
Reiter",  das  beweist  wegen  seines  Lehrers,  der  ihn  die  Tora  gelehrt  hat.  Was  ist 
daraus  zu  entnehmen?  Es  ist  so,  wie  Rab  Joseph  (f  333)  die  Stelle  im  Targum^  wieder- 
gegeben hat:  Mein  Lehrer,  mein  Lehrer,  der  besser  war  für  Israel  mit  seinem  Gebet 
als  Kriegswagen  u.  Reiter.  —  Und  woher,  daß  der  Riß  nicht  wieder  zusammengenäht 
wird?  Weil  es  heißt  (das.):  „Er  erfaßte  seine  Kleider  u.  zerriß  sie  in  zwei  zerrissene 
Stücke."  Weiß  ich  denn  nicht  daher,  daß  es  heißt:  „Er  zerriß  sie",  daß  sie  in  zwei 
Stücke  zerrissen  waren?  (weshalb  also  der  Zusatz:  „in  zwei  zerrissene  Stücke"?).  Allein 
es  will  lehren,  daß  sie  zerrissen  wurden,  um  zwei  Stücke  für  immer  zu  bleiben.  .  .  . 
Woher,  daß  man  wegen  desNasiiä  u.  wegen  des  Vizepräsidenten  des  S.  u.  wegen  schlimmer 
Nachrichten  die  Kleider  zerreißt?  s.  2  Sm  1, 1 1  f. :  „Da  faßte  David  seine  Kleider  u.  zerriß 
sie,  u.  auch  alle  Männer,  die  bei  ihm  waren  (taten  also),  u.  sie  klagten  u.  weinten  u. 
fasteten  bis  zum  Abend  um  Saul  u.  um  seinen  Sohn  Jonathan  u.  um  das  Volk  Jahves 
u.  um  das  Haus  Israel,  daß  sie  durch  das  Schwert  gefallen  waren."  —  „Saul",  das  geht 
auf  den  Nasis,  „Jonathan"  auf  den  Vizepräsidenten  des  S.,  „um  das  Volk  Jahves  u.  um 
das  Haus  Israel",  damit  sind  schlimme  Nachrichten  gemeint. . . .  Wegen  Gotteslästerung 
woher?  s.  2  Kg  18,  37 :  „Und  Eljaqim,  der  Sohn  des  Ghilqijja,  der  Hausoberste,  u.  Schebna, 
der  Schreiber,  u.  Jo^ach,  der  Sohn  des  Asaph,  der  Kanzler,  kamen  herein  zu'Hiskia  mit 
zerrissenen  Kleidern  u.  berichteten  ihm  die  (Laster-) Worte  des  Rabschaqe.  —  Bar:  Ob  man 
selbst  (die  Gotteslästerung)  hört  oder  ob  man  sie  aus  dem  Munde  eines  Hörers  hört, 
man  ist  zum  Zerreißen  verpflichtet;  aber  die  Zeugen  sind  nicht  zum  Zerreißen  verpflichtet 
(nämlich  später  bei  der  gerichtlichen  Verhandlung  der  Sache),  denn  sie  haben  bereits 

>  Diese  Worte  auch  AbothRN  35. 

*  Rab  Joseph,  der  den  von  der  älteren  Tradition  (M^g  3^)  dem  Jonathan  b.  ?Uzziel, 
einem  Schüler  Hilleis,  zugeschriebenen  Targum  zu  den  Propheten  öfters  zitiert  u.  für 
die  babylonischen  Schulen  bearbeitet  hat,  galt  später  als  dessen  Verfasser. 


1008  Matth  26,  65  (3t.  SB) 

den  Riß  gemacht,  als  sie  die  Gotteslästerung  hörten.  Vgl.  2  Kg  19, 1:  ,Als  der  König 
Hiskia  es  hörte,  zerriß  er  seine  Kleider."  Also  der  König  zerriß,  aber  sie  (die  Über- 
bringer der  Nachricht)  zerrissen  nicht  (noch  einmal).  Woher,  daß  sie  nicht  wieder 
zusammengenäht  werden?  Das  folgt  (durch  Analogieschluß,  s.  Einl.  S.  97  Nr.  2)  aus  dem 
gleichen  Wort  „zerreißen"  (2  Kg  18,  87  bei  einer  Gotteslästerung  u.  2  Kg  2, 12  bei  einer 
Trauerkunde:  wie  hier  der  Riß  ein  bleibender  —  s.  die  Beweisführung  oben  — ,  so  auch 
dort;  so  nach  Sanh  60 a,  wo  R.  Abbahu,  um  300,  als  Autor  genannt  wird).  Wegen  eines 
verbrannten  Torabuches  woher?  s.  Jer  36,  2o  f.  —  Parallelstellen:  pMQ  3,  83 1>,  6;  Sanh 
6Ua.  II  Sanh  60'-»:  Rah  Jehuda  (f  299)  hat  gesagt,  Schemuel  (f  254)  habe  gesagt:  Wer 
den  Gottesnamen  (d.  h.  dessen  Lästerung)  aus  dem  Munde  eines  NichtJuden,  Goi,  hört, 
ist  zum  Zerreißen  seiner  Kleider  nicht  verpflichtet;  u.  wenn  du  sagen  wolltest:  „Bei 
Rabschaqe  war  es  doch  der  Fall",  so  war  dies  ein  abtrünniger  Israelit.  Ferner  hat  Rab 
Jehuda  gesagt,  Schemuel  habe  gesagt:  Man  zerreißt  die  Kleider  nur  wegen  (Lästerung) 
des  ausgezeichneten  Gottesnamens  (des  Jahvenamens);  ausgeschlossen  ist  eine  Neben- 
benennung Gottes  (wie  Allmächtiger,  Barmherziger  usw.),  wo  das  Zerreißen  nicht  statt- 
findet. Er  weicht  aber  in  beiden  Stücken  von  der  Meinung  des  R.  Chijja  (b.  Abba?, 
um  280)  ab;  denn  R.  Chijja  hat  gesagt:  Wer  in  der  gegenwärtigen  Zeit  die  Lästerung 
des  Gottesnamens  hört,  ist  nicht  zum  Zerreißen  der  Kleider  verpflichtet;  denn  wenn 
du  nicht  so  sagen  wolltest,  so  würde  (wegen  der  gegenwärtigen  Häufigkeit  der  Gottes- 
lästerungen) das  ganze  Kleid  voller  Risse  sein.  Von  wem  (sollte  die  Gotteslästerung 
aber  ausgehn)?  Wenn  man  sagen  wollte:  „Von  einem  Israeliten",  sind  diese  denn  aber 
so  frech?  Vielmehr  ist  klar,  daß  sie  von  einem  NichtJuden  ausgeht.  Ferner  wenn  es 
sich  um  den  ausgezeichneten  Gottesnamen  handelte,  kennen  sie  (die  NichtJuden)  denn 
den?  Vielmehr  ist  also  gemeint,  daß  man  bei  der  Lästerung  einer  Nebenbenennung 
(Gottes)  die  Kleider  nicht  zerreiße.  Entnimm  daraus,  daß  es  in  der  gegenwärtigen  Zeit 
so  ist,  daß  man  die  Kleider  nicht  zu  zerreißen  braucht;  früher  aber  war  man  dazu 
verpflichtet  (sowohl  wenn  die  Lästerung  bei  einer  Nebenbenennung  geschah,  als  auch, 
wenn  sie  von  einem  Nichtisraeliten  ausging).  ||  pSanh  7,  25a,  65:  Wie  verhält  es  sich  mit 
dem  Zerreißen  der  Kleider  wegen  Lästerung  des  Jahvenamens  aicn  nV-j??  Wir  können 
es  aus  dieser  Stelle  entnehmen:  Als  der  König  Hiskia  (die  Worte  des  Rabschaqe)  hörte, 
zerriß  er  seine  Kleider  2  Kg  19, 1.  Wie  verhält  es  sich  mit  der  Gotteslästerung  eines 
NichtJuden?  Nach  dem,  welcher  sagt,  Rabschaqe  sei  ein  NichtJude  gewesen,  muß  man 
(ihretwegen)  die  Kleider  zerreißen;  nach  dem,  welcher  sagt,  er  sei  eiin  Israelit  gewesen, 
braucht  man  sie  nicht  zu  zerreißen  (da  2  Kg  19, 1  nunmehr  auf  einen  Nichtisraeliten 
nicht  zutriff't).  R.  Hoschafja  (um  225)  hat  gelehrt:  Gleichviel  ob  man  die  Gotteslästerung 
von  einem  Israeliten  oder  aus  dem  Munde  eines  Nichtisraeliten  hört,  immer  ist  man 
verpflichtet,  die  Kleider  zu  zerreißen,  s.  Jer  32,26:  „Ich  bin  Jahve,  der  Gott  alles 
Fleisches."  Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Zerreißen  der  Kleider  in  der  Jetztzeit?  R.  Jose 
(um  350)  hat  im  Namen  des  R.  Jirmeja  (um  320)  im  Namen  des  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280) 
gesagt,  u.  R.  Chizqijja  (um  350)  hat  es  im  Namen  des  R.  Jirmeja  im  Namen  des  R.  Jo- 
chanan  (f  279)  gesagt:  Seitdem  die  Gotteslästerer  D-<5£--;n  überhandgenommen  haben, 
hat  man  aufgehört,  die  Kleider  zu  zerreißen.  Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Zerreißen 
der  Kleider  wegen  Lästerung  der  Nebenbenennungen  Gottes  in  der  Jetztzeit?  Das 
können  wir  hieraus  entnehmen:  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  250)  befand  sich  unterwegs, 
es  begegnete  ihm  ein  Samaritaner,  welcher  Gott  lästerte;  da  zerriß  er  (R.  Seh.)  seine 
Kleider;  er'lästerte  weiter  u.  er  zerriß  (abermals)  seine  Kleider.  Dann  stieg  er  herab 
von  seinem  Esel,  gab  dem  Samaritaner  einen  Faustschlag  auf  sein  Herz  u.  sprach  zu 
ihm:  Du  Samaritaner,  hat  deine  Mutter  Kleider  genug,  sie  mir  zu  geben!?  Das  sagt 
uns,  daß  man  die  Kleider  wegen  Lästerung  der  Nebenbenennungen  Gottes  zerreißt  (denn 
der  Samaritaner  nennt  den  Jahvenamen  nicht)  u.  ferner,  daß  man  sie  in  der  Jetztzeit 
zerreißt.  —  Dasselbe  pMQ  3,  83b,  28.  ||  Ferner  s.  Sanh  7,  5  unter  Mt  26,  66  Nr.  3. 

26,  65  f&:  Er  hat  Gott  gelästert,  eßkaacptiaijasv  =  ti^ia,  aram.  ci^^a. 
Halakhisches  über  Gotteslästerung. 


Matth  26,65(851)  1009 

1.  Ex  22,  27:  „Die  Gottheit  sollst  du  nicht  verwünschen  nb  c^nbs 
bbpr  u.  einem  Fürsten  in  deinem  Volk  sollst  du  nicht  fluchen"  -\-o-j^  N^'r:i 
^xn  a.h.  —  Die  ältere  Auffassung  negiert  die  Beziehung  des  ersten  Satzes 
auf  den  Einen  Gott  u.  versteht  unter  cinbx  entweder  die  heidnischen 
Gottheiten  oder  die  israelitische  Obrigkeit  (Richter).  Erst  seit  R.  ?Aqiba 
läßt  sich  die  Deutung  der  Stelle  auf  Gotteslästerung  nachweisen. 

LXX  Ex  2*2,  28:  Oeovg  ov  xnxo'Aoyijaeig  xkI  aQ-/oi'icc  rov  'Accov  aov  ov  xcexiög  iosi'g.  — 
Ob  die  LXX  f^sovg  =  Götter  oder  =  Richter  gefaßt  haben,  ist  ungewiß;  Philo  u.  Josephus 
nehmen  das  erstere  an.  Philo,  Quaest.  in  Exod.  2  §5:  Cur  dicit:  Deos  ne  blasphemes 
(Ex  22, 28)  ?  . . .  Ecce  enim  non  solum  affirmationem  praestat  heterodoxis  pro  adraissione 
et  honore  eorum,  quos  a  principio  existimarunt  deos  esse,  verum  etiam  discipulos  suos 
coercet,  non  permittens  libera  lingua  eis  detrahere,  melius  ratus  bonae  famae  laudem.  .  .  . 
Itaque  quibus  insit  mentibus  cura  dignitatis,  coerceant  se  ipsos  de  detractione  aliorum 
deorum,  utpote  veri  entis  virtus  acunctisoribus  laude  celebretur.  —  Joseph.  Antiq.  4, 8, 10: 
Bk{<a(pt]fJSLTw  Ö€  fj7](fslg  x^sovg,  oi'g  nöksig  cc'A'Aca  yo/uiCovai.  \\  Targ  Onk  Ex  22,  27:  Den 
Richter  sollst  du  nicht  verwünschen  ''y,r  s'  s:-t  u.  den  Fürsten  sai  in  deinem  Volk 
sollst  du  nicht  verfluchen.  —  Targ  Jerusch  I:  Mein  Volk,  ihr  Söhne  Israels,  eure  Richter 
■;"'3-r"i  sollt  ihr  nicht  verwünschen  u.  die  Lehrer  (oder  auch  die  , Großen"  ■"3='^),  die 
zu  Führern  in  deinem  Volk  bestellt  sind,  sollt  ihr  nicht  verfluchen.  ||  M%h  Ex  22,  27 
(102'^):  „Die  Gottheit  sollst  du  nicht  verwünschen";  warum  ist  es  gesagt  worden? 
Wenn  es  Lv24, 16  heißt:  „Wer  den  Namen  Jahves  lästert  ap*:,  soll  getötet  werden",  so 
vernehmen  wir  die  Strafe;  die  Verwarnung  (d.h.  das  bloße  Verbot  ohne  Strafandrohung) 
haben  wir  nicht  vernommen.  Deshalb  heißt  Ex  22,  27  ganz  allgemein:  Die  Gottheit 
sollst  du  nicht  verwünschen.  Das  sind  Worte  des  R.  ?Aqiba  (f  um  135).  R.  Jischmafel 
(t  um  135)  sagte:  Von  den  Richtern  redet  die  Stelle  (Ex  22,  27),  s.  Ex  22,  8:  Die  An- 
gelegenheit  beider  soll  vor  die  Gottheit  (nach  R.  Jischmaf  el  =  vor  die  Richter)  kommen.  — 
„Elohim  sollst  du  nicht  verwünschen",  da  höre  ich  nur  vom  Richter  •■^•^i ;  betreffs  des 
Fürsten  woher?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Und  dem  Fürsten  in  deinem  Volk  sollst  du 
nicht  fluchen.  Wenn  ich  (bloß)  lesen  würde:  „Und  dem  Fürsten  in  deinem  Volk  sollst 
du  nicht  fluchen",  so  läge  (ja  schon  beides)  darin,  sowohl  der  Fürst,  als  auch  der 
Richter;  was  will  die  Schrift  lehrend  sagen  mit:  Den  Richter  (a-nl;s)  sollst  du  nicht 
verwünschen?  Sie  will  für  straffällig  erklären  wegen  dieses  für  sich  u.  wegen  jenes 
(des  Fürsten)  für  sich.  (In  den  Worten  Ex  22,  27)  höre  ich  nur  vom  Richter  u.  vom 
Fürsten;  woher  in  bezug  auf  alle  übrigen  Menschen  (daß  man  sie  nicht  verwünschen 
darf)?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „in  deinem  Volk  sollst  du  nicht  fluchen",  ganz  allgemein. 
Von  hier  aus  hat  man  gesagt:  Es  kann  einer  Ein  Wort  sagen  u.  sich  dadurch  in  vier- 
facher Hinsicht  strafbar  machen:  der  Sohn  eines  Fürsten  .  .  .  wegen  des  Fürsten  u.  des 
Vaters  u.  des  Richters  u.  Avegen  „in  deinem  Volk  sollst  du  niemand  fluchen".  R.  J^huda 
b.  Bathyra  (um  110)  sagte:  „Den  Richter  (a-nVs)  sollst  du  nicht  verwünschen  u.  dem 
Fürsten  in  deinem  Volk  sollst  du  nicht  fluchen" ;  soll  ich  daraus  entnehmen,  daß  man 
sich  straffällig  macht  erst,  wenn  jener  Richter  u.  (zugleich  auch)  Fürst  ist?  Die  Schrift 
sagt  lehrend:  „Den  Richter  sollst  du  nicht  verwünschen",  um  seinetwegen,  weil  er 
Richter  ist,  für  straffällig  zu  erklären;  „u.  dem  Fürsten  in  deinem  Volk  sollst  du  nicht 
fluchen",  um  seinetwegen,  weil  er  Fürst  ist,  für  straffällig  zu  erklären;  u.  was  will  die 
Schrift  lehrend  sagen  mit:  „in  deinem  Volk"?  Solange  sie  (Richter  u.  Fürst)  den  Brauch 
deines  Volkes  üben  (nach  dem  Gesetz  Israels  sich  halten).  —  Zu  den  Schlußworten 
vgl.  die  Auslegung  Rabas  (f  352)  BM48'':  Man  flucht  dem,  der  sein  Wort  nicht  hält; 
s.  Ex  22,  27:  „In  deinem  Volk",  das  gilt  von  dem,  der  das  Tun  deines  Volkes  übt.  || 
Sanh66a  Bar:  n-nis  Ex  22,  27  ist  profan  (d.h.  es  bezeichnet  den  Richter);  das  sind 
Worte  des  R.  Jischmafel.  R.  ?Aqiba  sagte:  B-n-:«  ist  heilig  (d.h.  es  bedeutet  „Gott"). 
Ferner  heißt  es  in  einer  Bar:  R.  Eli?ezer  b.  Ja?aqob  (um  150)  hat  gesagt:  Woher  läßt 
sich  die  Verwarnung  erweisen,  daß  man  dem  (Jahve-)Namen  nicht  fluchen  darf?  Die 
Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  64 


1010  Matth  26,  65  (35  1.  2) 

Schrift  sagt  lehrend  Ex  22,  27:  Die  Gottheit  sollst  du  nicht  verwünschen.* .  .  .  Nach  dem, 
welcher  sagt,  o-nVs  sei  profan,  lernt  man  das  Heilige  vom  Profanen  (dmch  den  Schluß 
a  minori  ad  majus:  ist  die  Verwünschung  des  Richters  verboten,  um  wieviel  mehr  dann 
die  der  Gottheit);  nach  dem,  welcher  sagt,  vnha  sei  heilig,  lernen  wir  das  Profane  vom 
Heiligen  (durch  den  umgekehrten  Schluß  a  majori  ad  minus).  Zugunsten  desjenigen,  der 
sagt,  D'nVs  sei  profan,  ist,  daß  man  Heiliges  aus  Profanem  lernt  (folgert);  aber  in  bezug 
auf  den,  welcher  sagt,  a-nss  sei  heilig,  gilt:  lernt  man  denn  Profanes  von  Heiligem? 
(Die  Schlußfolgerung  aus  Göttlichem  auf  Menschliches,  von  Gott  auf  den  Richter  ist 
unstatthaft.)  Vielleicht  warnt  also  die  Stelle  (Ex  22,  27  vor  Lästerung)  in  bezug  auf  das 
Heilige,  aber  nicht  in  bezug  auf  das  Profane?  In  diesem  Fall  müßte  die  Stelle  schreiben 
'■i-,r  S5  (Hiphil),  du  sollst  nicht  verunehren;  was  bedeutet  also  hhpr  s"';?  Ich  entnehme 
daraus  beides  (die  Verwünschung  der  Gottheit  u.  des  Richters).  —  Im  Traktat  Soph'^rim  4, 5 
wird  die  letzte  Folgerung  so  ausgedrückt:  In  Ex  22,  27  dient  a^nis  als  heilig  u.  als 
profan  (bezeichnet  sowohl  die  Gottheit,  als  auch  den  Richter);  R.  Schimfon  (b.  Jochai, 
um  150,  ein  Schüler  des  R.  ?Aqiba)  sagte:  Es  ist  heilig.  —  Dasselbe  in  Sepher  Tora  4,  5, 
nur  daß  für  R.  Schimfon  irrtümlich  gesagt  ist:  R.  Jischma?el. 

2.  Nu  15,  30  f.:  „Die  Seele,  welche  mit  hoher  Hand  (in  frecher  Ver- 
messenheit) etwas  tut,  von  den  Eingeborenen  u.  von  den  Fremdlingen, 
die  lästert  qn:;^  Jahve,  u.  diese  Seele  soll  aus  ihrem  Volk  ausgerottet 
werden.  Denn  das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet  u.  sein  Gebot  ge- 
brochen; ausgerottet,  ja  ausgerottet  werden  soll  diese  Seele:  ihre  Sünde 
ist  an  ihr."  —  Eine  dreifache  Erklärung  von  q'i:??  läßt  sich  nachweisen. 
Es  wird  darunter  verstanden:  a,  ein  Gotteslästerer  im  weiteren  Sinn, 
d.  h.  einer,  der  sich  freche  Reden  gegen  die  Tora  u.  damit  gegen  Gott 
erlaubt.  Die  Halakha  hat  diese  Erklärung  unberücksichtigt  gelassen. 
ß,  Ein  Götzendiener.  So  R.  Jischmafel  (f  um  135)  u.  fast  allgemein  zu 
seiner  Zeit.  Die  Halakha  führt  aus  Nu  15,  30  f.  den  Schriftbeweis  für 
die  Meinung,  daß  ein  Israelit,  der  absichtlich,  aber  .un verwarnt  Götzen- 
dienst getrieben  hat,  der  Ausrottungsstrafe  n^s  verfallen  sei.  y,  Ein 
Gotteslästerer  im  engeren  Sinn  des  Wortes,  d.  h.  einer,  der  den  Jahve- 
namen  verwünscht.  So  namentlich  R.  fAqiba  (f  um  135)  u.  Rabbi.  Mit 
dem  Eintreten  Rabbis  für  diese  Deutung  wird  es  zus. hangen,  daß  t^n:^, 
obwohl  Nu  15,  30  (sonst  nicht  in  der  Tora)  fast  allgemein  im  Sinne  von 
„Götzendiener"  gefaßt,  bereits  in  der  Mischna  u.  später  ziemlich  durch- 
gängig zur  Bezeichnung  des  Gotteslästerers  verwandt  worden  ist. 

a.  SNu  15,  30  f.  §  112  (33a):  ^Die  Seele,  welche  mit  hoher  Hand  etwas  tut"  Nu  15,  30, 
damit  ist  derjenige  gemeint,  der  in  frecher  Weise  gegen  die  Tora  (oder  von  der  Tora) 
spricht,^  wie  Manasse,  der  Sohn  des  Hiskia,  der  dasaß  u.  (das  Gesetz)  bespöttelnde 
Haggadoth  vor  Gott  vortrug.  Er  sagte:  Hatte  er  denn  nichts  andres  in  der  Tora  zu 
schreiben  als:  „Ruhen  ging  in  den  Tagen  der  Vv'^eizenernte  aus  u.  fand  Mandragoren" 
(Liebesäpfel  Gn  30, 14)?  Oder  nichts  andres  als:  , Die  Schwester  Lotans  warTimna?" 
(Gn86,  22)?  Auf  ihn  ist  durch  Tradition  gedeutet  worden  PsöO,  20f.:  „Du  sitzest  u. 


1  Mit  Ex  22,  27  hat  man  später  mehrfach  die  Warnung  vor  Gotteslästerung  be- 
gründet; in  allen  diesen  Fällen  ist  c^-hn  selbstverständlich  =  Gottheit  gedeutet  worden; 
s.  zB  Sanh  56a  in  Nr.  4  S.  1014;  pSanh  7,  25a,  41  in  Nr.  4  S.  1015. 

^  Dies  ist  jedenfalls  der  ursprüngliche  Sinn  der  Redensart  --^'!^z  a-:£  n?;^-; 
Targ  Onk  setzt  dafür:  ,wer  mit  aufgedecktem  Haupte  handelt".  Der  spätere  Zusatz 
n:"^-:  sstti,  durch  den  die  Wendung  die  Bedeutung  gewinnt:  „halakhawidrige  Deu- 
tungen der  Tora  vortragen",  findet  sich  zum  Teil  schon  in  Aboth3, 11. 


Matth  20,  65  (SB  2)  1011 

redest  wider  deinen  Bruder,  auf  den  Sohn  deiner  Mutter  bringst  du  Schimpf.  Solches 
tatest  du  u.  ich  schwieg;  du  meintest,  ich  sei  wirklich  wie  du."  Denkst  du  etwa,  wie 
die  Wege  von  Fleisch  u.  Blut  seien  Gottes  Wege?  „Ich  werde  dich  überführen  u.  will 
dir's  vor  Augen  stellen"  (das.).  Es  kam  Jesaja  u.  deutete  durch  Tradition:  Wehe  denen, 
welche  die  Missetat  ziehen  an  Stricken  der  Gottlosigkeit  u.  wie  an  Wagenseilen  die 
Sünde,  Jes  5, 18!  Der  Anfang  der  Sünde  gleicht  dem  Faden  der  Spinne  u.  zuletzt  wird 
die  Sünde  wie  Wagenseile.  —  Parallelstelle  Sanh  99^;  vgl.  Sukka  52 a. 

b.  SNu  15,31  §  112  (33«):  R.  Jischma'cel  sagte:  Die  Schriftstelle  Nu  15,  31  redet 
vom  Götzendiener;  denn  es  heifst:  „Das  Wort  Jahves  hat  er  verachtet";  denn  über  das 
erste  Wort  hat  er  sich  verächtlich  hinweggesetzt,  das  zu  Mose  aus  dem  Munde  der 
Allmacht  geredet  wurde:  „Ich  bin  Jahve  dein  Gott.  .  .  .  Nicht  sollst  du  einen  andren 
Gott  außer  mir  haben"  Ex  20,  2  f.  Dasselbe  Sanh  99'"*;  vgl.  Hör  8».  —  Diese  Deutung 
des  R.  Jischmacel  spiegelt  sich  auch  in  der  Paraphrase  des  Targ  Jerusch  I  wider:  Ein 
Mensch,  der  freventlich  handelt,  von  den  Eingeborenen  oder  von  den  Fremdlingen,  u. 
nicht  umkehrt  von  seiner  Schlechtigkeit  (in  Buße),  der  hat  vor  Jahve  zum  Zorn  ge- 
reizt, u.  ausgerottet  soll  jener  Mensch  aus  seinem  Volke  werden;  denn  das  erste  Wort, 
das  Jahve  auf  dem  Sinai  befohlen  hat  (d.  h.  das  Verbot  des  Götzendienstes)  hat  er 
verachtet  u.  das  Beschneidungsgebot  hat  er  verworfen;  ausgerottet  soll  jener  Mensch 
werden  in  dieser  Welt,  ausgerottet  in  der  zuk.  Welt;  denn  er  wird  wegen  seiner  Sünde 
Rechenschaft  geben  müssen  am  Tage  des  großen  Gerichts.  —  Die  Auffassung  des 
Targ  Onk,  der  das  Textwort  ri^;«  wie  der  Targ  Jerusch  1  mit  „erzürnen"  t:.i)?  wieder- 
gibt, ist  ungewiß.  ||  pSanh  7,  25^',  9:  Woher  läßt  sich  die  Warnung  vor  dem  Götzen- 
dienst (d.  h.  das  bloße  Verbot  ohne  Strafandrohung)  aus  der  Schrift  beweisen?  Aus 
Ex  20,5:  „Du  sollst  ihnen  nicht  dienen."  Die  Strafe  der  Ausrottung  (durch  Gottes 
Hand,  die  erfolgt,  falls  die  Tat  absichtlich,  aber  ohne  Zeugen  u.  ohne  Verwarnung  be- 
gangen wurde)  woher?  Aus  Nu  15,  30:  Die  Seele,  welche  mit  hoher  Hand  etwas  tut .  .  ., 
die  q^;>:  Jahve,  u.  diese  Seele  soll  aus  ihrem  Volk  ausgerottet  werden.  Aber  steht 
denn  nicht  qn;'3  geschrieben  (u.  das  bedeutet  doch  „lästern"  ^  u.  nicht  Götzendienst 
treiben",  wie  kann  also  die  Stelle  den  Schriftbeweis  für  Ausrottung  des  Götzen- 
dieners erbringen)?  Es  verhält  sich  damit  wie  mit  einem  Menschen,  der  zu  einem 
andren  sagt:  Du  hast  die  ganze  Schüssel  ausgekratzt  u.  gar  nichts  darin  zurückgelassen. 
R.Schimcon  b.  EUazar  (um  190)  sagte:  Gleich  zweien  Menschen,  die  dasaßen  u.  eine 
Schüssel  mit  Graupen  zwischen  sich  hatten.  Der  eine  streckte  seine  Hand  aus  u.  kratzte 
die  ganze  Schüssel  aus,  ohne  darin  etwas  übrigzulassen.  So  läßt  der  Lästerer  q-i^s  u. 
der  Götzendiener  n-iT  mia:»  naiyn  kein  Gebot  hinterher  übrig.  (Der  Gotteslästerer  u, 
der  Götzendiener  gleichen  einander  darin,  daß  sie  schließlich  das  ganze  Gesetz  ver- 
werfen; deshalb  kann  von  dem  einen  ein  Beweis  hergenommen  werden  für  den  andren; 
die  Gleichheit  beider  wird  auch  sonst  betont,  s.  in  Nr.  3  SDt21,22.  —  Zu  dem  Bild 
von  der  ausgekratzten  Schüssel  vgl.  auch  bei  c.)  Die  Strafe  (für  den  Götzendiener) 
woher?  Aus  Dt  17,5:  So  führe  jenen  Mann  oder  jene  Fi'au,  welche  diese  Schlechtigkeit 
begangen  haben,  zu  deinen  Toren  hinaus  .  .  .  u.  steinige  sie  zu  Tode.  ll  K'^r  79'':  Eine 
andre  Bar:  (Die  Seele)  lästert  Jahve  Nu  15,30.  R.  Elcazar  b.  cAzarja  (um  100)  sagte: 
Die  Stelle  redet  vom  Götzendiener. 

C.  K®r79'':  R.  <Aqiba  (f  um  135)  sagte  zu  den  Rabbinen:  Ihr  habt  gesagt  (s.  K'^r  1,2 
Ende):  Beim  Gotteslästerer  T^m'o  handelt  es  sich  um  kein  Tun  (sondern  um  Worte). 
Was  bedeutet  qi;^  Nu  15,  30?  Den,  der  den  Jahvenamen  verflucht  rivn  ns  -;i3»3.  || 
P''s  93*^:  Rabbi  meinte:  ^-^i^  Nu  15,30  bezeichne  den,  der  den  Jahvenamen  verflucht.  || 
K«'r  79b  Bar :  (Die  Seele)  lästert  Jahve  Nu  15,  30.  Isi  b.  J«huda  (um  170)  sagte:  Wie  einer, 
der  zum  andren  sagt:  Du  hast  die  Schüssel  ausgekratzt  u.  (von  der  Schüssel  selbst 
noch)  etwas  abgeschabt.  Er  meinte:  q-;«  bezeichnet  den,  der  den  Jahvenamen  ver- 
flucht. R.  EUazar  b.  cAzarja  (um  100)  sagte:  Gleich  einem,  der  zum  andren  sagt:  Du 


'  Diese  Frage  zeigt,  daß  der  spätere  Sprachgebrauch  mit  R.  (Aqiba  u.  Rabbi  unter 
ri-Tjia  den  Gotteslästerer  verstanden  hat;  s.  bei  c. 

CA* 


1012  Matth  26,  65  (83  2.  3) 

hast  die  Schüssel  ausgekratzt,  aber  (von  der  Schüssel  selbst)  nichts  abgeschabt.  Er 
meinte:  cinj>a  bezeichnet  den  Götzendiener.  (Sinn:  Der  Götzendienst  ist  minder  schwer 
als  Gotteslästerung.  Der  Götzendiener  verachtet  die  Gebote  Gottes,  ohne  vielleicht 
damit  Gott  selbst  leugnen  zu  wollen;  der  Gotteslästerer  aber  setzt  sich  nicht  bloß  über 
Gottes  Gebote  hinweg,  er  greift  in  bewußter  Weise  Gott  selbst  an.)  —  In  der  Parallele 
SNu  15,  30  §  112  (33  a)  der  Ausspruch  des  Isi  b.  J«*huda  dem  R.  Elcazar  b.  cAzarja  u.  der 
des  letztren  dem  Isi  b.  cAqabja,  um  150,  beigelegt.  ||  q-;;»:  in  der  Sprache  der  Mischna 
=  Gotteslästerer  zB  K'^r  1, 1 :  Sechsunddreißig  Fälle  der  Ausrottungsstrafe  ^  gibt  es  in 
der  Tora:  wenn  einer  seiner  Mutter  beiwohnt  oder  dem  Weibe  seines  Vaters  (Stief- 
mutter) oder  der  Schwiegertochter  oder  einem  Männlichen  oder  einem  Stück  Vieh;  ferner 
eine  Frau,  die  sich  von  einem  Stück  Vieh  beiwohnen  läßt;  wer  einer  Frau  u.  deren 
Tochter  beiwohnt  oder  einer  verheirateten  Frau  oder  seiner  Schwester  oder  der  Schwester 
seines  Vaters  oder  der  Schwester  seiner  Mutter  oder  der  Schwester  seiner  Frau  oder  der 
Frau  seines  Bruders  oder  der  Frau  des  Bruders  .seines  Vaters  oder  einer  Menstruierenden; 
der  Gotteslästerer  ^~yo;  der  Götzendiener;  wer  von  seinem  Samen  dem  Molokh  übergibt 
(s.  Lv20,2);  der  Totenbeschwörer  (sis  h-Jz,  s.  Lv  20,27);  wer  den  Sabbat  entweiht  (s. 
Nul5,35);  derUnreine,  derHeiligesißt;  wer  unrein  ins  Heiligtum  kommt;  wer  genießt  Fett 
ah-  oder  Blut  oder  Übriggebliebenes  (von  Opfern  über  die  Essensfrist  hinaus)  oder  unwürdig 
Gewordenes  (von  Opfern);  wer  schlachtet  u.  opfert  außerhalb  (des  Tempels);  wer  Ge- 
säuertes am  Passah  ißt,  wer  ißt  oder  eine  Arbeit  am  Versöhnungstag  verrichtet;  wer  das 
heilige  Salböl  (für  seinen  eigenen  Bedarf)  zubereitet;  wer  das  Räucherwerk  (für  sich)  zu- 
bereitet; wer  sich  mit  dem  heiligen  Salböl  salbt;  u.  bei  Geboten:  wer  das  Passah  u.  die 
Beschneidung  nicht  beobachtet.  K^r  1,2:  Wegen  dieser  Übertretungen  macht  man  sich 
bei  Vorsätzlichkeit  (bei  vermessenem  Handeln,  doch  ohne  vorhergegangene  Verwarnung) 
der  Ausrottung  schuldig  u.  bei  unvorsätzlichem  Handeln  (aus  Schwachheit,  Übereilung, 
Versehen)  eines  Sündopfers  u.  in  dem  Falle,  daß  man  es  nicht  bestimmt  weiß  (ob  man 
die  Übertretung  begangen  hat  oder  nicht),  eines  Schuldopfers  wegen  Zweifels  "nVr;  niüs. 
Ausgenommen  (von  der  letzteren  Bestimmung)  ist  derjenige,  der  das  Heiligtum  u.  sein 
Heiliges  (wie  Speisen)  verunreinigt,  weil  er  ein  steigendes  u.  fallendes  Opfer  dar- 
zubringen hat  (vgl.  Lv  5);  das  sind  Worte  des  R.  Me'ir  (um  150).  Die  Gelehrten  sagten: 
Auch  der  Gotteslästerer  nij>3  (ist  ausgenommen),  weil  es  heißt  Nu  15,29:  „Ein  Gesetz 
soll  euch  sein,  für  den,  der  in  Schwachheit  etwas  tut."  Da  ist  ausgenommen 'der 
Gotteslästerer,  weil  er  (mit  dem  Munde  lästernd)  kein  Werk  tut.  (Ein  in  Schwachheit 
sündigender  Gotteslästerer  hat  kein  Sündopfer,  gegebenenfalls  auch  kein  "^1?^  üv»  dar- 
zubringen. Andrer  Meinung  war  allerdings  R.  cAqiba,  der  unter  dem  r|"i;>3  Nu  15,  30 
den  Gotteslästerer  verstand  —  s.  oben  —  u.  aus  Nu  15,27  dessen  Opferpflicht  folgerte, 
s.  K''r  79*.)  11  Weitere  Beispiele  für  q-^'c  ^=  Gotteslästerer  s.  oben  in  b.  pSanh  7,25'', 9; 
in  Nr.  3  SDt2 1,22  §221  (114'');  Sanh6,4;  in  Nr.  4  Sanh  7,  5. 

3.  Dt  21,  22  f.:  Wenn  an  jemand  ein  todes würdiges  Vergehen  ist,  u, 
er  wurde  getötet,  u.  du  hängtest  ihn  ans  Holz,  so  darf  sein  Leichnam 
nicht  über  Nacht  am  Holze  bleiben,  sondern  begraben  sollst  du  ihn 
am  selben  Tage;  denn  ein  Gottesfluch  ainbx  nb^sp  ist  der  Gehängte. 

Sanh  6, 4 :  Alle  Gesteinigten  werden  gehängt;  das  sind  Worte  des  R.  Eliiezer  (um  90). 
Die  Gelehrten  aber  sagten:  Nur  der  Gotteslästerer  q-;»3  u.  der  Götzendiener  werden 
gehängt.  .  .  .  Sein  Leichnam  soll  nicht  über  Nacht  am  Holze  bleiben,  sondern  begraben 
sollst  du  ihn  am  selben  Tage;  denn  ein  Gottesfluch  ist  der  Gehängte  Dt  21,  23.  Als 
ob  man  sagte:  Weshalb  ist  dieser  gehängt?  Weil  er  den  (Jahve-)Namen  verflucht  hat 
asn  rs  ""'2«;;  u.  so  (durch  das  längere  Verbleiben  des  Gehängten  am  Holz)  würde  der 
Name  Gottes  als  entheiligt  erfunden  werden.  (Der  Midr  faßt  o^nVs  in  dti5s  rhhp  nicht 
als  genetivus  subjectivus,  sondern  als  gen.  objectivus:  ein  Fluch  gegen  Gott  ist  der 

^  Die  Ausrottungsstrafe  durch  Gott,  r':;2 ,  erfolgt  in  dem  Fall,  daß  jemand  in  Ver- 
messenheit, aber  ohne  von  Zeugen  vor  der  Tat  verwarnt  zu  sein,  das  Verbrechen  begeht. 


Matth  26,  65  (58  3.  4)  1013 

Gehängte;  darum  dauert  der  Fluch  gegen  Gott  an,  solange  der  Gehängte  sichtbar  bleibt.)  jj 
SDt21,22§22I  (I14b):  „Und  du  hängtest  ihn  ans  Holz"  Dt21,22;  sollen  etwa  alle 
Hingerichteten  gehängt  werden?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Denn  ein  Fluch  gegen  Gott 
(gen.  obj.)  ist  der  Gehängte.  Nachdem  die  Schrift  erst  in  einschließender  Weise  ge- 
redet hat  (ihn,  an  dem  ein  todeswürdiges  Vergehen  ist,  hast  du  gehängt),  redet  sie  in 
ausschließender  Weise  (nur  von  c-nVs  rVV-);  da  lernen  wir  es  vom  Gotteslästerer  rjTj's: 
wie  der  Gotteslästerer  speziell  einer  ist,  der  seine  Hand  nach  der  Hauptsache  (^i?'? 
=  Gott)  ausstreckt  u.  als  solcher  gehängt  wird,  so  wird  jeder  gehängt,  der  seine  Hand 
nach  der  Hauptsache  ausstreckt  (ein  solcher  ist  außer  dem  Gotteslästererer  noch  der 
Götzendiener,  s.  oben  Sanh6, 4).  R.  Elicezer  (um  90)  sagte:  Wie  der  Gotteslästerer 
speziell  einer  ist,  der  gesteinigt  wird  u.  als  solcher  gehängt  wird,  so  werden  alle  Ge- 
steinigten gehängt.  (Die  Halakha  ist  nach  den  Gelehrten,  s.  nvi2  ^zs  zu  pSanh  6,  6.) 
Parallelstellen:  pSanh  6,  23'=,  19  u.  in  breiterer  Ausführung  Sanh45b.  ||  Sanh  46t): 
(Sanh  6,4  —  s.  oben  —  heißt  es:)  ,Als  ob  man  sagte:  Weshalb  ist  dieser  gehängt? 
Weil  er  den  (Jahve-)Namen  verflucht  hat;  u.  so  würde  der  Name  Gottes  als  entheiligt 
erfunden  werden." '  Bar:  R.  Meir  (um  150)  sagte:  Man  hat  ein  Gleichnis  gesagt:  Womit 
läßt  sich  die  Sache  vergleichen?  Mit  zwei  Zwillingsbrüdern,  die  in  einundderselben 
Stadt  waren;  den  einen  setzte  man  als  König  ein  u.  der  andre  ging  unter  die  Räuber. 
Der  König  befahl,  ihn  aufzuhängen.  Wer  ihn  sah,  sagte:  Der  König  ist  gehängt.  Da 
befahl  der  König,  daß  man  ihn  herabnehmen  sollte. ^  (So  würde  der  Mensch,  der  nach 
dem  Bilde  Gottes  geschaffen  ist,  falls  er  lange  Zeit  am  Holze  bliebe,  zu  einer  Ent- 
ehrung Gottes  werden.)  ||  Targ  Jerusch  1  Dt  21, 22 f.:  Wenn  an  einem  Manne  eine  Schuld 
ist,  auf  die  die  Todesstrafe  gesetzt  ist,  u.  er  wird  zur  Steinigung  verurteilt,  so  sollt 
ihr  iTin  hinterher  an  das  Holz  hängen.  Nicht  soll  sein  Leichnam  am  Holz  über  Nacht 
bleiben,  sondern  begraben  sollt  ihr  ihn  an  demselben  Tage;  denn  eine  Geringschätzung 
gegen  Gott  ist  es,  einen  Menschen  aufzuhängen;  allein  seine  Sünden  haben  es  ihm 
zugezogen;  u.  weil  er  in  dem  Bilde  Gottes  geschaffen  worden  ist,  so  sollt  ihr  ihn  be- 
graben mit  dem  Untergehn  der  Sonne.  (Der  Targ  Jerusch  I  folgt  der  Meinung  des 
R.  Eli'ezer  in  Sanh  6, 4.) 

4.  Lv  24, 11  ff.:  Der  Sohn  des  israelitischen  Weibes  lästerte  den 
Namen  u.  verwünschte  ihn  bbp-ii  t:u:n  nx  .  .  .  ap^i.  Und  Jahve  redete  zu 
Mose  also:  Führe  den  Verwünscher  hhp-ort  hinaus  vor  das  Lager,  u.  alle, 
welche  es  hörten,  sollen  ihre  Hände  auf  sein  Haupt  stemmen  u.  die 
ganze  Gemeinde  soll  ihn  mit  Steinen  tot  werfen.  Aber  zu  den  Kindern 
Israel  sollst  du  also  reden:  Falls  irgend  jemand  seinen  Gott  verwünscht, 
i-inVx  hhp'',  so  soll  er  seine  Sünde  tragen.  Wer  aber  den  Namen  Jahves 
lästert  nirT«  no  np:,  soll  getötet  werden:  mit  Steinen  soll  ihn  die  ganze 
Gemeinde  tot  werfen.  Der  Fremdling  wie  der  Eingeborene,  wenn  er 
den  Namen  lästert  c;u  i2p22,  soll  getötet  werden. 

SLv  24, 11  ff.  (422='):  Der  Sohn  des  israelitischen  Weibes  lästerte  den  Namen;  damit 
ist  der  deutlich  ausgesprochene  (Jahve-)Name  ttj^is^ar;  diu.  gemeint,  den  er  am  Sinai 
gehört  hatte  (im  1.  Gebot:  Ich  bin  Jahve  dein  Gott).  .  .  .  „Und  Jahve  redete  zu  Mose 
also:  Führe  den  Verwünscher  hinaus  vor  das  Lager":  das  lehrt,  daß  die  Gerichtsstätte 
innerhalb  (des  Lagers)  u.  die  Steinigungsstätte  außerhalb  des  Lagers  war.  „Und  welche 
es  hörten,  sollen  aufstemmen",  damit  sind  die  Zeugen  (der  Verwünschungsworte)  ge- 
meint. „Alle,  die  es  hörten",  damit  sind  die  Richter  gemeint.  „Ihre  Hände",  d.  h.  die 
Hände  jedes  einzelnen.  „Ihre  Hände  auf  sein  Haupt" :  indem  sie  ihre  Hände  auf  ihn 
stemmen,  sagen  sie  zu  ihm:  „Dein  Blut  ist  auf  deinem  Haupt,  denn  du  hast  es  also 
veranlaßt!"    „Und  es  soll  ihn  mit  Steinen  werfen"  u.  nicht  sein  Gewand  (d.  h.  ohne 

1  Dieser  Satz  auch  in  SDt21,23§221  ( 1 14 T^,  zweimal). 

2  Die  Bar  findet  sich  TSanh  9,  7  (429). 


1014  Matth  26,  65  (SB  4) 

Gewand  =  nackt  soll  er  gesteinigt  werden);  „die  ganze  Gemeinde":  steinigte  ihn  denn 
die  ganze  Gemeinde?  Warum  heißt  es  dann  aber  ,die  Gemeinde"?  Es  sind  die  Zeugen 
gemeint  in  Gegenwart  der  ganzen  Gemeinde.  Vielleicht  war  es  eine  Entscheidung  für 
die  (damalige)  Stunde  (d.h.  eine  vorübergehende  Anweisung)?  Die  Schrift  sagt  lehrend: 
,Und  zu  den  Kindern  Israel  sollst  du  also  reden",  d.  h.  es  soll  Brauch  in  den  folgenden 
Generationen  sein.  , Falls  ein  .Mann"  io-s:'  warum  sagt  die  Schrift  lehrend  mit  (zwei- 
maligem) »"s  ©"s  (irgend  ein  Mann)?  Sie  will  die  NichtJuden  (Gojim)  miteinschließen, 
daß  sie  wegen  Verwünschung  des  (Jahve-)Namens  getötet  werden  sollen  gleichwie  die 
Israeliten.  Aber  sie  (die  NichtJuden)  werden  nur  mit  dem  Schwert  gerichtet  (durch 
Enthauptung),  weil  den  Noachiden  als  Todesstrafe  nur  die  Strafe  des  Köpfens  zu- 
gewiesen ist.  „Falls  er  seinen  Gott  verwünscht" :  was  will  die  Schrift  lehrend  damit 
sagen?  Wenn  es  heißt:  „Wer  den  Namen  Jahves  lästert,  soll  getötet  werden",  so 
könnte  ich  daraus  entnehmen,  daß  man  sich  des  Todes  schuldig  mache  nur  wegen  des 
einzigen  (Jahve-)Namens.  Woher,  daß  auch  die  Nebenbenennungen  (Gott,  (^"^baoth,  der 
Allmächtige  usw.)  miteingeschlossen  sind?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  „Falls  er  seinen 
Gott  (vnVs,  nicht  mn^)  verwünscht";  das  sind  Worte  des  R.  Me'ir  (um  150).  Die  Ge- 
lehrten aber  sagten:  Bei  dem  einzigen  (Jahve-)Namen  wird  man  mit  dem  Tode  bestraft 
u.  bei  allen  übrigen  Bezeichnungen  auf  Grund  der  Warnung  (mit  Geißelhieben;  doch  s. 
den  folgenden  Ausspruch  des  R.  J*^huda  u.  weiter  unten,  wonach  auf  Verwünschung  der 
Nebenbezeichnungen  die  Ausrottungsstrafe  folgt.  Die  Halakha  ist  nicht  nach  R.  Meir). 
„Er  soll  seine  Sünde  tragen":  R.  J%uda  (um  150)  sagte:  Es  ist  hier  vom  Tragen  der 
Sünde  die  Rede  u.  es  ist  dort  (nämlich  Nu  9, 13)*  vom  Tragen  der  Sünde  die  Rede;  wie 
mit  dem  dort  erwähnten  Tragen  der  Sünde  die  Ausrottung  gemeint  ist,  so  ist  auch  hier 
(Lv  24, 15)  die  Ausrottung  gemeint.  „Wer  aber  den  Namen  Jahves  lästert,  soll  gStötet 
werden:  mit  Steinen  soll  ihn  die  ganze  Gemeinde  totwerfen":  die  ganze  Gemeinde  soll 
wie  Feinde  gegen  ihn  sein.  „Der  Fremdling",  das  ist  der  Fremdling  (=  Proselyt),  „wie" 
der  Fremdling,  das  will  die  Frauen  der  Fremdlinge  (Proselyten)  miteinschließen.  „Der 
Eingeborene",  das  i.st  der  Eingeborene,  „wie"  der  Eingeborene,  das  will  die  Frauen  der 
Eingeborenen  miteinschließen.  „Wenn  er  den  (Jahve-)Namen  lästert,  soll  er  getötet 
werden":  R.  M*^nachem  b.  Jose  (um  180)  hat  gesagt:  Es  will  den  Verwünscher  seines 
Vaters  u.  seiner  Mutter  miteinschließen,  daß  er  erst  straffällig  wird,  wenn  er  jene  mit 
dem  (Jahve-)Namen  verwünscht.  ||  Sanh  7,  5:  Der  Gotteslästerer  rin;>3  ist  straffällig  erst, 
wenn  er  den  (Jahve-)Namen  (bei  seinen  Lästerungen)  deutlich  ausspricht.  ||  Sch^b  4, 13: 
Wenn  jemand  sagt:  „Ich  beschwöre  euch",  „ich  befehle  euch",  „ich  binde  euch",  so 
sind  sie  verpflichtet  (ihre  Zeugenaussage  vor  Gericht  zu  leisten).  Sagt  er:  „Bei  Himmel 
u.  Erde",  so  sind  sie  frei  (von  jener  Verpflichtung).  Beschwört  er  sie  bei  i"»  (d.h.  mit 
dem  Gottesnamen  "sis),  bei  n"^  (=  o-i-),  bei  dem  „Allmächtigen",  bei  „^''baoth",  bei 
dem  „Gnädigen  u.  Barmherzigen",  bei  „dem,  der  langmütig  u.  groß  an  Güte  ist",  oder  bei 
allen  sonstigen  Nebenbenennungen,  so  sind  sie  verpflichtet  (der  Beschwörung  Folge  zu 
leisten).  Wer  bei  all  diesen  Bezeichnungen  (Gott)  verwünscht,  ist  (des  Todes)  schuldig; 
das  sind  Worte  des  R.  Me'ir  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sprachen  ihn  (von  dieser 
Strafe)  frei.  ||  Sanh  56*  Bar:  (Der  Gotteslästerer  ist  straffällig)  erst  wenn  er  dem  (Jahve-) 
Namen  durch  einen  (andren)  Namen  (d.h.  durch  einen  Götzennamen)  flucht.  Woher  dies? 
Sch^'muel  (t  254)  hat  gesagt:  Weil  die  Schrift  sagt  Lv24, 16:  „Und  wer  den  Namen 
Jahves  lästert  SjTJ"]."  .  .  .  durch  sein  Lästern  mit  einem  (andren)  Namen,  „der  soll 
getötet  werden".  Woher,  daß  dieses  Lästern  (apia)  gleichbedeutend  mit  „fluchen"  ist? 
Weil  es  heißt  Nu  23,  8:  Was  soll  ich  verfluchen  aps,  den  Gott  nicht  verflucht  hat  rra-  ? 
Und  die  Warnung  (vor  Gotteslästerung,  d.  h.  das  bloße  Verbot  ohne  Beifügung  der  Strafe) 


'  Diese  Ausführung  als  Bar  auch  Sch*^bu36*u.  Sanh  56*. 

*  Nu  9, 13:  Aber  der  Mann,  der  rein  ist  u.  nicht  auf  einem  Wege  gewesen  ist,  u. 
(dennoch)  unterlassen  hat,  das  Passah  zu  halten:  ausgerottet  werden  soll  diese  Seele 
aus  ihren  Volksgenossen;  denn  das  Opfer  Jahves  hat  er  nicht  zu  seiner  bestimmten 
Zeit  dargebracht,  seine  Sünde  soll  selbiger  Mann  tragen. 


Matth  26,  65  (SB  4)  1015 

ist  von  hier  (Ex  22,27)  zu  entnehmen:  Die  Gottheit  sollst  du  nicht  verwünschen  (vgl. 
M^kh  Ex  22,  27  ohen  in  Nr.  1).  —  Oder  soll  ich  sagen,  daß  mit  =-:  ein  Durchstechen 
T-^a'«  gemeint  ist,^  wie  es  heißt  2  Kg  12,  10:  Er  bohrte  3-^1  ein  Loch  in  ihre  TürV  Und 
die  Warnung  davor  würde  von  hier  (Dt  12,  3  f.)  zu  entnehmen  sein:  „Ihren  (der  Götzen) 
Namen  sollt  ihr  von  jenem  Ort  vernichten,  aber  Jahven  eurem  Gott  sollt  ihr  nicht  also 
tun."  Aber  wir  lehren  ja,  daß  der  (Jahve-)Name  durch  einen  (andren)  Namen  zu  lästern 
sei,  was  (in  diesem  Falle  des  Durchstechens)  nicht  zutrifft  (denn  nur  Ein  Name,  der 
Jahvename,  käme  hierbei  in  Betracht).  —  Oder  soll  ich  sagen,  wenn  man  zwei  Namen 
(den  Jahvenamen  u.  einen  Götzennamen)  aufeinanderlegt  u.  sie  durchsticht?  Aber  so 
würde  er  selbst  ja  (der  Mensch)  durchbohren  u.  dann  noch  einmal  (den  zweiten  Namen) 
durchbohren  (das  hieße  doch  nicht  den  Jahvenamen  durch  einen  andren  Namen  durch- 
bohren u.  lästern).  —  Oder  soll  ich  sagen,  wenn  man  einen  (andren)  Namen  in  eine 
Messerschneide  eingraviert  u.  damit  (den  Jahvenamen)  zerteilt?  Aber  da  würde  es  ja 
die  Schärfe  des  Messers  (u.  nicht  der  andre  Name)  sein,  der  zerteilt.  —  Oder  soll  ich 
sagen,  daß  (mit  dem  3p:,  dem  Lästern)  das  deutliche  Aussprechen  des  Jahvenamens 
gemeint  sei,  wie  es  heißt  Nu  1,17:  Da  nahmen  Mose  u.  Ahron  diese  Männer,  die  mit 
Namen  genannt  worden  waren  ?.3~3?  Und  die  Warnung  davor  würde  von  hier  (Dt  6, 13) 
zu  entnehmen  sein:  Jahve  deinen  Gott  sollst  du  fürchten.  (Der  Beweis  liegt  wohl  erst 
in  den  Schlußworten  des  Verses:  ,u.  bei  seinem  Namen  schwören",  sonst  ihn  aber  nicht 
aussprechen.)  Aber  einmal  lehren  wir  ja,  daß  der  (Jahve- )Name  durch  einen  (andren) 
Namen  zu  lästern  sei,  was  hier  nicht  zutrifft,  u.  sodann  läge  (in  den  Worten:  Jahve 
deinen  Gott  sollst  du  fürchten  usw.)  eine  Warnung  in  der  Form  eines  Gebotes  vor,  u. 
eine  Warnung  in  der  Form  eines  Gebotes  heißt  nicht  Warnung  (denn  diese  wird  immer 
in  der  Form  eines  Verbotes  ausgesprochen).  Oder  wenn  du  willst,  so  sage  ich:  Die 
Schriftstelle  Lv  24, 15.  16  sagt:  „Er  verwünscht"  u.  „er  lästert";  das  will  besagen,  daß 
er  (der  Gotteslästerer)  durch  eine  Verwünschung  lästert.  Aber  vielleicht  erst,  wenn  er 
beides  getan  (sowohl  eine  Verwünschung  als  auch  eine  Lästerung  ausgesprochen)  hat? 
Das  meine  nicht;,  denn  es  heißt  Nu  24, 14:  „Führe  den  Verwünscher  hinaus",  u.  nicht 
heißt  es:  „Führe  den  Lästerer  u.  den  Verwünscher  hinaus";  entnimm  daraus,  daß  beides 
einunddasselbe  ist.  (Das  Ergebnis  dieser  Diskussion  ist,  nachdem  auf  Grund  der  zu 
Anfang  gebrachten  Bar  verschiedene  Umdeutungeu  des  apia  abgelehnt  sind,  folgendes: 
Die  Lästerung  oder,  was  dasselbe  ist,  die  Verwünschung  Gottes  besteht  darin,  daß  der 
deutlich  ausgesprochene  Jahvename  mit  dem  Namen  einer  heidnischen  Gottheit  gelästert 
oder  verwünscht  wird.  Als  Beispiel  bietet  Sanh  7,  5  —  s.  die  Stelle  bei  Mt26, 66  —  unter 
Verwendung  gleichgültiger  Namen  die  Formel:  „Jose  schlage  den  Jose!"  Das  erste 
Jose  vertritt  den  Götzennamen  u.  das  zweite  den  Jahvenamen.)  ||  pSanh  7,  25^,  41 :  Die 
Warnung  für  den  Gotteslästerer  q-tj^a  woher?  Aus  Ex  22,  27:  Die  Gottheit  sollst  du 
nicht  verwünschen.  Die  Ausrottungsstrafe  woher?  Aus  Lv  24, 15:  Falls  irgend  jemand 
seinen  Gott  verwünscht,  so  soll  er  seine  Sünde  tragen  (u.  das  Tragen  der  Sünde  be- 
deutet auf  Grund  von  Nu  9,13  die  Ausrottungsstrafe;  letztere  tritt  an  die  Stelle  der 
Todesstrafe  in  dem  Fall,  daß  ein  vermessener  Sünder  vor  Begehung  der  Tat  nicht  durch 
Zeugen  verwarnt  worden  ist).  Die  Todesstrafe  woher?  Aus  Lv  24, 16:  Wer  den  Namen 
Jahves  lästert,  soll  getötet  werden.  —  Und  nach  der  Meinung  des  R.  Jischmaf  el  (f  um  1 35)  ? 
Denn  R.  Jischma?el  hat  gesagt:  Von  den  Richtern  redet  die  Stelle  (nämlich  Ex  22,  27, 
s.  oben  Nr.  1).  Wenn  sie  aber  betreffs  der  Richter  (vor  deren  Verwünschung)  warnt, 
dann  nicht  vielmehr  betreffs  der  göttl.  Nebenbenennungen?  Wenn  betreffs  der  Neben- 
benennungen die  Ausrottungsstrafe  verhängt  ist  (s.  Lv  24, 15),  dann  nicht  vielmehr 
wegen  des  einzigen  (Jahve-)Namens?  (Man  beachte,  wie  hier  im  Unterschied  von  den 
„Rabbinen"  in  SLv24,  llff.  —  s.  oben  —  auf  die  Lästerung  der  göttl.  Nebenbenennungen 
die  Ausrottungsstrafe  gesetzt  wird.)  —  Ein  Mischnalehrer  hat  gelehrt:  Wegen  der  Neben- 
benennungen erfolgt  die  mit  der  Warnung  gegebene  Strafe  (d.  h.  Geißelung)  u.  die  Aus- 


'  Das  in  Lv  24, 16  gerügte  Vergehen  würde  sich  dann  darauf  beziehen,  daß  jemand 
die  Stelle  eines  Pergaments,  auf  der  der  Jahvename  geschrieben  steht,  durchlöchert. 


1016  Matth  26,  65  (93  4.  5) 

rottungsstrafe  (uicht  die  Todesstrafe  seitens  eines  menschlichen  Gerichts,  weil  diese  in 
der  Tora  nicht  festgesetzt  ist),  u.  wegen  des  einzigen  (Jahve-)Namens  die  Todesstrafe. 
Ein  andrer  Mischnalehrer  (er  vertritt  die  Meinung  der  ^Rabbinen"  oben  in  SLv24,  llff.) 
hat  gelehrt:  Wegen  der  Nebenbenennungen  erfolgt  die  mit  der  Verwarnung  gegebene 
Strafe  (d.  h.  Geißelung)  u.  wegen  des  einzigen  (Jahve-)Nainens  die  (gerichtliche)  Todes- 
strafe u.  die  Ausrottungsstrafe  (durch  Gottes  Hand,  falls  der  Täter  nicht  durch  Zeugen 
verwarnt  worden  war).  Der,  welcher  gesagt  hat:  Wegen  der  Nebenbenennungen  erfolgt 
die  mit  der  Warnung  gegebene  Strafe  u.  die  Ausrottung,  beweist  dies  aus  Ex  22,  27 : 
„Die  Gottheit  sollst  du  nicht  verwünschen"  u.  ferner  aus  Lv  24, 15 :  „Falls  irgend  jemand 
seinen  Gott  verwünscht" ;  u.  wegen  des  einzigen  (Jahve-)Namens  die  Todesstrafe  auf 
Grund  von  Lv  24,16:  Wer  den  Namen  Jahves  lästert,  soll  getötet  werden.  —  Der, 
welcher  gesagt  hat:  Wegen  der  Nebenbenennungen  erfolgt  die  mit  der  Warnung  gegebene 
Strafe,  beweist  dies  aus  Ex  22,  27  (wie  vorhin),  u.  wegen  des  einzigen  (Jahve-)Namens 
die  Todesstrafe  u.  die  Ausrottung  auf  Grund  von  Lv  24, 16  u.  Lv  24, 15  (wie  vorhin).  — 
Hiernach  herrscht,  wenn  man  von  R.  Meir  in  SLv  24, 11  fif.  absieht,  Übereinstimmung  in 
der  Annahme,  daß  die  gerichtliche  .Todesstrafe  nur  bei  Lästerung  des  Jahvenamens, 
aber  nicht  bei  derjenigen  der  göttlichen  Nebenbenennungen  Platz  greift.  Damit  stimmt 
auch  Targ  Jerusch  I  Lv  24,  11  u.  13 — 16  überein:  Als  er  von  der  Gerichtsstätte  hinweg- 
ging, nachdem  er  für  schuldig  erklärt  war,  sprach  der  Sohn  des  israelitischen  Weibes 
den  großen  u.  ehrwürdigen  (Jahve-)Namen,  den  er  am  Sinai  hatte  aussprechen  hören 
(beim  1.  Gebot),  deutlich  aus  u.  schmähte  ihn  u.  reizte  vermessen  zu  Zorn  (t-j^s  Ersatz 
für  das  Textwort  ^!;p^^  „er  verwünschte").  .  .  .  Und  Jahve  redete  mit  Mose  also:  Führe 
den  Versvünscher  STj-^ia  (den  zum  Zorn  Reizenden)  zum  Lager  hinaus,  u.  alle  Zeugen, 
die  seine  Verwünschung  n-piTjis  gehört  haben,  u.  die  Richter  sollen  ihre  Hände  auf 
sein  Haupt  stemmen  u.  die  ganze  Gemeinde  soll  ihn  mit  Steinen  totwerfen.  Und  mit 
den  Kindern  Israel  sollst  du  also  reden:  Ein  junger  oder  ein  alter  Mann,  der  einen 
Beinamen  seiner  Gottheit  verwünscht  T;n-  u.  schmäht,  soll  seine  Sünde  tragen  (=  der 
Ausrottungsstrafe  verfallen  sein).  Aber  der,  welcher  den  Namen  Jahves  deutlich  aus- 
spricht u.  schmäht,  soll  getötet  werden,  totwerfen  mit  Steinen  soll  ihn  die  ganze  Ge- 
meinde, sowohl  Fremdling  wie  Eingeborener,  wenn  er  den  einzigen  (Jahve-)Namen 
schmäht,  soll  getötet  werden.  ||  Targ  Onk  findet  in  Lv  24,  llff.  lediglich  das  Verbot,  den 
Jahvenamen  auszusprechen;  er  vertritt  also  eine  der  Meinungen,  die  in  Sanh56'*  — 
s.  oben  —  als  unzutreffend  abgelehnt  werden.  Targ  Onk :  Der  Sohn  des  israelitischen 
Weibes  sprach  den  (Jahve-)Namen  deutlich  aus  u.  reizte  zum  Zorn.*  .  .  .  Jahve  sprach 
mit  Mose  also:  Führe  den  zum  Zorn  Reizenden  hinaus  zum  Lager,  u.  alle,  die  es  gehört 
haben,  sollen  ihre  Hände  auf  sein  Haupt  legen,  u.  die  ganze  Gemeinde  soll  ihn  steinigen. 
Und  mit  den  Kindern  Israel  sollst  du  also  reden :  Wer  vor  seinem  Gott  zum  Zorn  reizt, 
soll  seine  Sünde  tragen  u.  wer  den  Namen  Jahves  deutlich  ausspricht,  der  soll  getötet 
werden,  steinigen  soll  ihn  die  ganze  Gemeinde;  sowohl  der  Fremdling,  als  auch  der 
Eingeborene  soll,  wenn  er  den  (Jahve-)Namen  deutlich  ausspricht,  getötet  werden.  — 
Auch  die  LXX  u.  Philo,  Vita  Moys.  3  §  25  (Mang.  2,  166),  verstehen  das  nn^  u-v  api 
Lv  24, 16  nur  vom  Aussprechen  des  Jahvenamens. 

5,  Einige  der  oben  angeführten  Stellen  lassen  erkennen,  daß  es  an 
Ansätzen  nicht  gefehlt  hat,  dem  Begriff  Gotteslästerung  eine  weite 
Fassung  zu  geben.  Nach  SNu  15, 30  f.  (s.  Nr.  2,  a)  gilt  als  Gotteslästerer 
der,  welcher  freche  Reden  gegen  die  Tora  führt.  In  SDt  21,  22  (s.  Nr.  3) 
wird  der  Gotteslästerer  charakterisiert  als  einer,  der  seine  Hand  nach 
Gott  ausstreckt.  In  diesem  Stück  wird  er  mit  dem  Götzendiener  auf 
eine  Linie  gestellt  (das.  u.  pSanh  7,  25  ^,  9  in  Nr.  2,  b) ;  doch  wird  zugleich 


*  Tj^s.   Dies  Verbum  verwendet  zwar  auch  Targ  Jerusch  I  an  vorliegender  Stelle,, 
aber  es  fügt  regelmäßig  das  Verbum  „schmähen"  hinzu;  das  geschieht  bei  Onk  nicht. 


Matth  26, 65  (93  5)  ^  1017 

in  einer  Gleichnisrede  angedeutet,  da&  die  Sünde  des  Gotteslästerers 
weiter  greife,  als  die  des  Götzendieners:  während  der  letztere  die 
Schüssel  zwar  auskratzt,  diese  selbst  aber  intakt  läßt,  nimmt  der  erstere 
auch  von  der  Schüssel  selbst  noch  etwas  hinweg  (s.  K^r  79''  in  Nr.  2,c; 
vgl.  auch  pSanh  7,  25  ^  9  in  Nr.  2,  b).  Der  Götzendiener  setzt  sich  über 
Gottes  Gebote  hinweg,  ohne  damit  gerade  notwendig  —  namentlich  in 
den  leichteren  Fällen  des  Götzendienstes,  da  man  vor  einem  Götzen 
singt  oder  tanzt  —  Gott  selbst  verleugnen  zu  wollen.  Der  Gotteslästerer 
dagegen  verwirft  nicht  bloß  Gottes  Gebote,  er  tastet  in  Vermessenheit 
Gott  selbst  an,  entzieht  ihm  Anerkennung  u.  Ehre.  —  Diese  weitere 
Fassung  des  Begriffs  Gotteslästerung  tritt  im  NT  hervor  Mt9,  3;  Joh 
10,  30flP.  u.  Mt26,65.  In  der  ersten  Stelle  wirft  man  Jesu  vor,  daß  er 
Sünden  vergibt;  in  der  zweiten,  daß  er  mit  seinem  Ausspruch:  „Ich  u. 
der  Vater  sind  eins"  sich  selbst  zu  Gott  gemacht  habe.  In  beiden  Fällen, 
so  meint  man,  liege  eine  Gotteslästerung  vor:  indem  Jesus  die  göttliche 
Prärogative  der  Sündenvergebung  für  sich  in  Anspruch  nehme,  u.  indem 
er,  der  Mensch,  sich  selbst  göttliches  Wesen  beilege,  habe  er  seine  Hand 
nach  Gott  ausgestreckt,  Gott  um  Ehre  u.  Achtung  gebracht,  die  Gott- 
heit in  verletzender  Weise  herabgezogen  ins  Menschliche.  —  Auf  der 
gleichen  Linie  liegt  die  Erklärung  des  Hohenpriesters:  Er  hat  (Gott) 
gelästert . .  ,  siehe,  jetzt  habt  ihr  die  Lästerung  gehört!  Mt  26, 65.  Nicht 
darin  hat  der  Hohepriester  die  Gotteslästerung  gefunden,  daß  Jesus 
die  Frage,  ob  er  der  Messias  sei,  bejaht,  sondern  darin,  daß  Jesus  von 
jetzt  an  im  eigentlichen  Sinn  des  Wortes  seinen  Platz  einnehmen  will 
zur  Rechten  der  Allmacht.  Der  Gedanke,  daß  der  von  Gott  zum  Messias 
Bestimmte  sich  selbst  als  Messias  bekennen  u.  zum  Messias  erklären 
werde,  ist  für  das  Judentum  nicht  anstößig  gewesen.  Zwar  wird  die 
Meinung  ausgesprochen,  daß  der  wiedererscheinende  Prophet  Elias  den 
Messias  bekannt  geben  u.  einführen  werde ;a  aber  daneben  geht  auch 
die  andre  Anschauung  einher,  daß  der  Messias  sich  selbst  als  solchen 
offenbaren  werde,  b  Eine  Gotteslästerung  konnte  deshalb  der  Hohe- 
priester in  dem  diesbezüglichen  Selbstzeugnis  Jesu  nicht  sehen.  Ja  selbst 
das  Sitzen  zur  Rechten  Gottes  c  oder  auf  Gottes  Thron  d  war  auf  Grund 
von  Ps  110,  1  ein  Zug,  den  das  Judentum  in  dem  Herrlichkeitsbilde 
seines  Messias  nicht  hat  fehlen  lassen.  Aber  man  erwartete,  daß  die 
Inthronisierung  des  Messias  vor  aller  Augen  sichtbar  in  der  irdischen 
Sphäre  u.  zwar  auf  Gottes  Geheiß  hin  erfolgen  werde,  d  Daß  im  Gegen- 
satz hierzu  Jesus  scheinbar  aus  eigener  Machtvollkommenheit  heraus 
u.  ohne  göttliche  Autorisation  in  der  übersinnlichen  Welt  den  ihm  ge- 
bührenden Platz  zur  Rechten  der  Allmacht  einnehmen  u.  von  dort  aus 
überweltlich,  kommend  auf  den  Wolken  des  Himmels,  seine  Herrschaft 
als  Messias  ausüben  will  —  das  ist  es,  was  dem  Hohenpriester  als  eine 
Antastung  der  göttlichen  Majestät  erscheint  u.  ihn  zu  dem  Urteil  ver- 
anlaßt:  Er  hat  (Gott)  gelästert.  —  Das  Urteil   war   vorschnell   aus- 


1018  '  Matth  26,  65  (S  5.  6) 

gesprochen.  Der  Hohepriester,  in  jener  Stunde  Richter  über  Leben  u. 
Tod,  hatte  die  Pflicht,  Jesu  messianischen  Anspruch  auf  Grund  des 
Zeugnisses  seiner  Werke  objektiv  zu  prüfen.  Daß  er  diese  Prüfung  auch 
nicht  einmal  versucht  hat,  bleibt  seine  Schuld.  (Zum  Schuldkonto  des 
Hohenpriesters  s.  weiter  in  Nr.  6  u.  bei  Mt  26,  66  Nr.  6.) 

a.  Justinus,  Dial.  c.  Tryph.  8:  Xgiarög  öe  si  xcä  yeyei'7]T(a  xai  eaxi  nov,  ilyvinaTÖg 
iaxi  xcci  ovds  cevrög  tko  iavroy  sniaruiKi  ovds  s/ei  övyauiy  riva,  fie^Qi?  ay  iXSujy 
^HXlag  XQ^'^H  «rroV  xcd  <paveQov  nciOL  noirjarj  (deutsch  bei  24,  27,  s.  S.  955).  Vgl.  auch 
daselbst  49:  Kcd  ycig  ndyrsg  rjfxelg  röv  Kgiaroy  uvSQdjnoi'  ec'av&Qcönui}/  nQoaäoxuifxev 
yeyTJaeox^cd  xctl  roV  'Hi.'iav  ^giaca   nvTOi'  fASoVr«. 

b.  Leqach  tob  Nu  24, 17  (130^):  (R.  Levi,  um  300,  hat  gesagt:)  Darauf  (nachdem  Rom 
in  die  Hände  der  Israeliten  gefallen  sein  wird)  werden  sie  alle  Beute  zusammenbringen  u. 
die  Israeliten  werden  ihren  Gott  u.  ihren  König  David  suchen.  Sofort  wird  sich  ihnen  der 
König,  der  Messias,  (in  Rom)  offenbaren  u.  sagen:  Ich  bin  es,  der  König,  der  Messias,  auf 
den  ihr  gehofft  habt.  ||  Ferner  s.  P'-siqR  36  (162  a);  15  (71  b)  bei  Mt  24,27  Anm.  h  S.  954. 

C.  Midr  Ps  18  §  29  (79  a):  R.  Judan  (um  850)  hat  im  Namen  des  R.  Chama  (b.  Cha- 
nina,  um  260)  gesagt:  In  der  Zukunft  wird  Gott  den  König,  den  Messias,  zu  seiner 
Rechten  sitzen  lassen,  s.  bei  Mt  25,  33  Anm.  h  S.  980. 

d.  Sieh  bei  Mt  25,  31  Nr.  3  S.978;  vgl.  auch  P^siqR  37  (163a)  bei  Mt  17,2  SB  S.752. 

6.  Die  in  der  nachchristl.  Zeit  geltende  Halakha  ist  bemüht,  durch 
engste  Fassung  des  Begriffs  Gotteslästerung  ein  Todesurteil  wegen 
dieses  Vergehens  so  gut  wie  unmöglich  zu  machen:  die  Lästerung  muß 
gegen  den  deuthch  ausgesprochenen  Jahvenamen  gerichtet  sein,  sie 
muß  durch  einen  Götzennamen  erfolgen,  u.  ihr  muß  die  Verwarnung  des 
Lästerers  durch  zwei  Zeugen  unter  Hinweis  auf  die  strafrechtlichen 
Folgen  seines  Tuns  voraufgegangen  sein  (s.  Sanh  7,  5  u.  Sanh56^  in 
Nr.  4,  ferner  K^r  1, 1  in  Nr.  2,  c).  Traf  eine  dieser  Bestimmungen  nicht 
zu  —  u.  das  wird  ja  meist  der  Fall  gewesen  sein  — ,  so  konnte  die 
Todesstrafe  (Steinigung,  s.  bei  Mt  26,  66)  nicht  verhängt  werden.  Dem- 
gemäß wurde  eine  Gotteslästerung,  die  unter  Aussprechen  einer  der 
göttl.  Nebenbenennungen  erfolgte,  durch  Geißelung,  nach  andren  durch 
Ausrottung  bestraft  (s.  SLv  24, 11  ff.  u.  pSanh  7,  25%  41  in  Nr.  4),  u.  der 
vermessene  Lästerer  des  Jahvenamens,  der  seine  Tat  ohne  Verwarnung 
begangen  hatte,  fiel  der  Ausrottung  durch  Gottes  Hand  anheim  (K^r  1, 1 
in  Nr.  2,  c).  —  Wir  wissen  nicht,  ob,  bezw.  wie  weit  diese  Bestimmungen 
zur  Zeit  des  Prozesses  Jesu  zu  Recht  bestanden  haben.  Wenn  ja,  durfte 
über  Jesum  kein  Todesurteil  gefällt  werden.  Den  Jahvenamen  hat  Jesus 
in  jener  Stunde  nicht  in  den  Mund  genommen  u.  von  einer  Lästerung 
dieses  Namens  durch  irgendeinen  Götzennamen  kann  vollends  nicht  die 
Rede  sein.  Jesus  hat  Mt  26, 64  von  Gott  nur  unter  der  Nebenbenennung 
„Allmacht"  geredet;  wollte  also  der  Hohepriester  Jesu  Worte  durchaus 
zu  einer  Gotteslästerung  stempeln,  so  hätte  das  Urteil  nur  auf  Geißelung 
lauten  dürfen,  oder  die  Strafe  hätte  (nach  einer  andren  Meinung)  der 
rächenden  Gotteshand  überlassen  werden  müssen.  Die  Verhängung  der 
Todesstrafe  über  Jesum  wegen  Gotteslästerung  aber  war  eine  Rechts- 
beugung seitens  des  Synedriums.   Dagegen  durfte  das  Synedrium  im 


Matth  26,  65  (5B  6.  6)  1019 

Falle  Jesu  von  der  Verwarnung  absehen.  Denn  diese  war  nur  bei  Personen 
erforderlich,  die  die  Verwerflichkeit  u.  Strafbarkeit  ihrer  Handlung  nicht 
kannten;  sie  konnte  deshalb  bei  einem  Gesetzeskundigen  —  u.  als  solcher 
galt  Jesus  —  in  Fortfall  kommen.  Sanh41'*  Bar  u.  Mak6^:  R.Jose 
b.  J-^huda  (um  180)  sagte:  Ein  Chaber  (hier  =  Gesetzeskundiger)  bedarf 
der  Verwarnung  nicht,  weil  die  V.  nur  gegeben  ist,  damit  man  prüfend 
unterscheide  zwischen  einem,  der  unvorsätzlich,  u.  einem,  der  vorsätzlich 
(in  Vermessenheit)  handelt. 

26,  65  (i:  Was  bedürfen  wir  noch  der  Zeugen?  Siehe, 
jetzt  habt  ihr  die  Gotteslästerung  gehört! 
Ein  Urteilsspruch  in  Kriminalprozessen  erforderte  mindestens  zweier 
Zeugen  Aussage ;  eine  Verurteilung  zum  Tode  ohne  Bezeugung  des  todes- 
würdigen Vergehens  durch  mindestens  zwei  Personen  war  nicht  möglich ; 
s.  bei  Mt26,60  Nr.  3.  Wenn  der  Hohepriester  Mt  26,  65  sagt:  ri  eti 
XQfiar  sxoßsv  nagrvQwv,  so  will  er  damit  nicht  sagen,  daß  es  in  dem 
vorliegenden  Prozesse  keiner  Zeugen  bedürfe,  sondern  daß  die  Mit- 
gheder  des  Synedriums  als  Hörer  der  Gotteslästerung  nunmehr  selbst 
Zeugen  seien.  Da  aber  die  Richter  nicht  als  Zeugen  u.  die  Zeugen  nicht 
als  Richter  auftreten  durften,  a  u.  doch  Zeugen  neben  u.  außer  den 
Richtern  vorhanden  sein  mußten,  b  so  hätten  nun  wenigstens  zwei  von 
den  anwesenden  Mitgliedern  des  S.  aus  dem  Gerichtskollegium  aus- 
treten müssen,  um  als  Zeugen  zu  dienen.  Dadurch  verlor  der  Gerichtshof 
zwei  stimmberechtigte  Mitglieder;  es  hätten  also,  da  das  S.  nur  bei 
Anwesenheit  von  mindestens  23  Mitgliedern  verhandlungsfähig  war,e 
bei  Eröffnung  der  Verhandlung  wenigstens  25  Mitglieder  zur  Stelle  sein 
müssen.  Ob  dies  der  Fall  war,  wissen  wir  nicht;  denn  die  Worte  ,to 
ovräÖQiov  okov^  Mt26,59  meinen  das  ganze  S.,  soweit  es  eben  zur  Stelle 
war.  Ebensowenig  liegt  eine  Andeutung  vor,  ob  zwei  der  Synedristen 
als  Zeugen  aufgestellt  worden  sind;  die  Worte  Mk  14,  64:  ,ot  St  ndvTeg 
xaTi-xQivav  avrör'^  sprächen  nicht  dagegen;  denn  mit  tcüvtsq  könnten 
eben  alle  diejenigen  gemeint  sein,  die  ein  Votum  abzugeben  hatten. 

a.  Sank  5,  4:  Hatte  einer  von  den  Zeugen  gesagt:  „Ich  kann  in  bezug  auf  ihn  (den 
Angeklagten)  Freisprechung  begründen", ...  so  hieß  man  ihn  schweigen  (s.  die  ungekürzte 
Stelle  unter  Mt26,  66  Nr.  2).  —  [Ein  Zeuge  durfte  in  die  Verhandlung  selbst  weder  ent- 
lastend noch  belastend  eingreifen;  noch  viel  weniger  konnte  er  an  der  Urteilsfällung 
beteiligt  sein;  er  hatte  lediglich  seine  Zeugenaussage  zu  machen.] 

b.  SNu  35,30  §  161  (62a):  „Wenn  irgend  jemand  eine  Person  erschlägt,  so  soll  man 
den  Totschläger  nach  Aussage  von  Zeugen  töten"  Nu  35,  30.  Warum  ist  das  gesagt? 
Wenn  es  Nu  35, 19  heißt:  „Der  Bluträcher,  der  soll  ihn  töten",  so  höre  ich  daraus,  daß 
er  ihn  unter  vier  Augen  töten  soll.  Da  sagt  die  Schrift  lehrend:  Wenn  irgend  jemand 
eine  Person  erschlägt,  so  soll  man  den  Totschläger  nach  Aussage  von  Zeugen  töten.  Das 
zeigt  an,  daß  man  ihn  nur  durch  Zeugen  töten  darf.  Das  sind  Worte  des  R.  Joschijja 
(um  140).  R.  Jonathan  (um  140)  hat  gesagt:  „Wenn  irgend  jemand  eine  Person  erschlägt" 
usw.  Nu  35,  30;  warum  ist  es  gesagt?  Wenn  es  heißt  Nu  35, 12:  „Der  Totschläger  soll 
nicht  sterben,  ehe  er  vor  der  Gemeinde  zum  Gericht  gestanden  hat",  so  höre  ich  daraus, 
daß  man  ihn  durch  den  Gerichtshof,  aber  nicht  durch  Zeugen  tötet.   Da  sagt  die  Schrift 


1020  Matth  26,66  (51.  SÖ1.2) 

lehrend:  „Wenn  irgend  jemand  eine  Person  erschlägt,  so  soll  man  den  Totschläger  nach 
Aussage  von  Zeugen  töten" ;  das  zeigt  an,  daß  man  ihn  nur  durch  den  Gerichtshof  u.  durch 
Zeugen  tötet  (Zeugen  dürfen  also  bei  der  Verhandlung  neben  den  Richtern  nicht  fehlen). 
C.  TSanh  7,  1  (425):  Das  große  Synedrium  hatte  71  Mitglieder,  doch  durften  nicht 
weniger  als  23  da  sein.  Mußte  einer  von  ihnen  hinausgehn,  so  sah  er  zu,  ob  23  da 
waren;  dann  ging  er  hinaus;  wenn  aber  nicht  (so  viele  anwesend  waren),  so  ging  er 
nicht  hinaus,  bis  23  dort  waren. 

26,  66  5(:  Was  dünket  euch?,  tC  vf.uv  doxu; 

Tanch  ^mpe  126»:  Zwei  oder  drei  Angesehene  von  den  Richtern  gehen  hinaus  u. 
fragen  die  Zeugen  aus,  u.  wenn  sie  von  der  Ausforschung  zurückkommen  (das  Zeugen- 
verhör beendet  ist),  sagt  (der  Vorsitzende)  zu  (den  Richtern):  Wollen  die  Herren  ihre 
Meinung  sagen  ■j^'s  ""lao?  Und  diese  sagen  entweder:  Zum  Leben,  oder:  Zum  Tode.  — 
Eine  Glosse  bemerkt  zu  ^lac:  das  bedeutet:  Wie  meinet  ihr  c-^aio  cns  -'s? 

26,  66  93:  Sie  antworteten  .  ,  .:  Er  ist  des  Todes  schuldigl 

1.  Allgemeine  Regeln  über  Kapitalprozesse. 

Sanh  4, 1 :  Welcher  Unterschied  ist  zwischen  Vermögensstreitigkeiten  u.  Kapital- 
prozessen? V.Streitigkeiten  werden  durch  drei  abgeurteilt,  K.prozesse  durch  dreiund- 
zwanzig. Bei  V.Streitigkeiten  kann  man  (die  Verhandlung)  sowohl  (mit  Gründen)  für  die 
Freisprechung  als  auch  (mit  Gründen)  für  die  Schuld  beginnen;  bei  K.prozessen  be- 
ginnt man  (mit  Gründen)  für  die  Freisprechung,  aber  nicht  (mit  Gründen)  für  die  Schuld. 
Bei  V.Streitigkeiten  entscheidet  man  auf  die  Stimme  Eines  sowohl  für  die  Freisprechung 
als  auch  für  die  Schuld;  aber  bei  K.prozessen  entscheidet  mau  auf  die  Stimme  Eines 
für  die  Freisprechung  u.  auf  die  Stimme  zweier  für  die  Schuld  (d.h.  eine  Verurteilung 
kann  nur  bei  einer  Majorität  von  mindestens  2  Stimmen  erfolgen,  s.  Sanh  5,  5  in  Nr.  2). 
V.Streitigkeiten  kann  man  wieder  aufnehmen  sowohl  für  die  Freisprechung  als  auch 
für  die  Schuld;  aber  K.prozesse  nimmt  man  wieder  auf  nur  für  die  Freisprechung,  aber 
nicht  für  die  Schuld.'  Bei  V.Streitigkeiten  können  alle'^  die  Freisprechung  u.  die  Schuld 
begründen;  aber  bei  K.prozessen  können  alle  die  Freisprechung  begründen,  aber  nicht 
alle  die  Schuld.  Bei  V.Streitigkeiten  kann,  wer  die  Schuld  begründet  hatte,  (später)  die 
Freisprechung  begründen,  u.  wer  die  Freisprechung  begründet  hatte,  kann  (später)  die 
Schuld  begründen;  bei  K.prozessen  kann,  wer  die  Schuld  begründet  hatte,  (später)  die 
Freisprechung  begründen;  aber  wer  die  Freisprechung  begründet  hatte,  darf  nicht  um- 
gekehrt die  Schuld  begründen.^  V.Streitigkeiten  kann  man  am  Tage  beurteilen  u.  in 
der  Nacht  (durch  Fällung  des  Urteils)  beenden ;  aber  K.prozesse  beurteilt  man  am  Tage 
u.  beendet  man  am  Tage.  V.streitigkeiten  kann  man  an  demselben  Tage  sowohl  zur 
Freisprechung  als  auch  zur  Schuld  beenden;  aber  K.prozesse  kann  man  an  demselben 
Tage  zur  Freisprechung  beenden,  aber  erst  am  folgenden  Tage  zur  Schuld.  Deshalb  be- 
urteilt man  sie  weder  am  Rüsttage  des  Sabbats,  noch  am  Rüsttage  eines  Feiertages  (damit 
man  nicht  gezwungen  sei,  am  Sabbat  oder  Feiertag  das  Urteil  zu  fällen  u.  zu  vollstrecken). 

2.  Verhandlung  u.  Urteilsspruch  in  Kriminalprozessen. 


^  Sanh  83 fe  Bar:  Woher,  daß,  wenn  einer  von  der  Gerichtsstätte  verurteilt  hinweg- 
geht u.  einer  sagt:  „Ich  kann  für  ihn  Freisprechung  begründen",  man  die  Verhandlung 
wieder  aufnimmt?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Den  Unschuldigen  sollst  du  nicht  töten 
Ex  23,  7.  Und  woher,  daß,  wenn  einer  freigesprochen  von  der  Gerichtsstätte  hinweggeht 
u.  einer  sagt:  „Ich  kann  für  ihn  Schuld  begründen",  man  die  Verhandlung  nicht  wieder 
aufnimmt?  Die  Schrift  sagt  lehrend:  Den,  der  gerechtfertigt  worden  ist  (vor  dem 
Gerichtshof,  so  der  Midr),  sollst  du  nicht  töten  Ex  23,  7. 

^  Auch  die  als  Zuhörer  ohne  Stimmrecht  anwesenden  Gelehrtenschüler. 

^  Vgl.  Sanh  34^:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  Das  hat  man  nur  für  die  Zeit  der  (eigent- 
lichen) Verhandlung  gelehrt ;  aber  bei  der  Schlußabstimmung  kann  der,  der  Freisprechung 
begründet  hatte,  hinterher  Schuld  begründen. 


Matth  26,  66  (SB  2)  1021 

(Über  die  Sitzordnung  im  Synedrium  s.  bei  Mt  26,  62,  über  die  Ver- 
warnung, Ausforschung  u.  Vernehmung  der  Zeugen  bei  Mt  26,  60.) 

Sanh  5,  4:  Wurden  ihre  (der  Zeugen)  Worte  übereinstimmend  gefunden,  so  begann 
man  mit  (Gründen  für)  Freisprechung.  Hatte  einer  von  den  Zeugen  gesagt:  „Ich  kann 
in  bezug  auf  ihn  Freisprechung  begründen'  oder  einer  von  den  Gelehrtenschülern: 
„Ich  kann  in  bezug  auf  ihn  Schuld  begründen",  so  hieß  man  ihn  schweigen.^  Hatte 
einer  von  den  Gelehrtenschülern  gesagt:  „Ich  kann  in  bezug  auf  ihn  Freisprechung 
begründen*,  so  führten  sie  ihn  hinauf  (zu  den  Plätzen  der  Richter)  u.  setzten  ihn  neben 
sich,  u.  er  kam  den  ganzen  Tag  nicht  von  dort  herunter  (seiner  Ehre  halber).  Wenn 
an  seinen  Worten  etwas  Erhebliches  war,  hörte  man  auf  ihn.  Auch  wenn  er  (der  An- 
geklagte) sagte:  „Ich  kann  in  bezug  auf  mich  Freisprechung  begründen",  hörte  man 
auf  ihn;  nur  mußte  an  seinen  Worten  etwas  Erhebliches  sein.  |  Sanh  5,  5:  Wenn  sie  für 
ihn  die  Freisprechung  (begründet)  gefunden  hatten,  entließen  sie  ihn;  wenn  nicht,  so 
verschoben  sie  sein  Urteil  bis  auf  den  nächsten  Tag  u.  kamen  paarweise  zusammen, 
aßen  wenig  u.  tranken  keinen  Wein  während  des  ganzen  Tages  u.  verhandelten  über 
die  Sache  die  ganze  Nacht.  Und  am  folgenden  Tage  kamen  sie  früh  in  das  Gerichts- 
haus. Der  Freisprechende  sagte:  Ich  sprach  frei  u.  ich  spreche  frei,  auf  meinem  Stand- 
punkt bleibend.  Und  der  für  schuldig  Erklärende  sagte:  Ich  erklärte  für  schuldig  u. 
erkläre  für  schuldig,  auf  meinem  Standpunkt  bleibend.  Wer  die  Schuld  begründet 
hatte,  durfte  (bei  dieser  zweiten  Verhandlung)  die  Freisprechung  begründen;  aber  wer 
die  Freisprechung  begründet  hatte,  durfte  nicht  umgekehrt  die  Schuld  begründen  (war 
aber  für  die  Schlußabstimmung  damit  nicht  gebunden,  s.  Sanh  34''  S.  1020  Anm.  3).  Und 
wenn  sie  in  etwas  geirrt  hatten,  erinnerten  die  Gerichtsschreiber  sie  (s.  Sanh  4,  3  bei 
Mt26,  62).  Wenn  sie  für  ihn  die  Freisprechung  (begründet)  gefunden  hatten,  entließen 
sie  ihn;  wenn  nicht,  veranstalteten  sie  die  Abstimmung.^  |1  Sanh 4, 2:  Bei  Prozessen  über 
Vermögenssachen,  Reinheit  u.  Unreinheit  beginnt  man  (bei  der  Abstimmung)  von  dem 
Größten;  aber  bei  Kapitalprozessen  beginnt  man  von  der  Seite  (wo  die  Jüngeren,  weniger 
Kenntnisreichen  saßen;  diese  sollten  also  durch  die  Abstimmung  der  älteren  Mitglieder 
des  Synedriums  nicht  beeinflußt  werden).  |1  Sanh  5,  .5:  Sprechen  zwölf  frei  u.  elf  schuldig, 
so  ist  er  frei.  Sprechen  ihn  zwölf  schuldig  u.  elf  frei  —  u.  auch  wenn  zweiundzwanzig 
freisprechen  oder  schuldigsprechen  u.  Einer  sagt:  „Ich  weiß  nicht",  muß  man  die  Richter 
vermehren  ^  (aus  der  Zahl  der  zuhörenden  Gelehrtenschüler,  s.  Sanh  4, 4  bei  Mt  26,  62  31). 
Bis  auf  wie  viele  vermehrt  man  sie?  Je  zwei  bis  auf  einundsiebzig.  Wenn  sechsunddreißig 


'  Ein  Zeuge  durfte  auch  nicht  Schuld  begründen,  Bertinoro.  —  Der  Zeuge  hatte 
nur  auszusagen,  was  er  gesehen  oder  gehört  hatte;  Schlußfolgerungen  dai'aus  zu  ziehen 
war  nicht  seine  Aufgabe. 

2  Nach  einer  Bar  Sanh  46'-'  erfolgte  die  Fällung  des  Todesurteils  erst  gegen  Abend 
des  zweiten  Verhandlungstages:  Man  hält  ihn  hin  bis  nahe  zum  Sonnenuntergang,  dann 
fällt  man  das  Urteil  u.  tötet  ihn  (sofort). 

'  Die  Verurteilung  zum  Tode  mußte  mit  mindestens  2  Stimmen  Majorität  erfolgen, 
s.  Sanh  4, 1  in  Nr.  1.  Daher  wählte  man  erforderlichenfalls  aus  der  Zahl  der  zuhörenden 
Gelehrtenschüler  Richter  hinzu.  Sanh  17''^:  Wenn  elf  freisprechen  u.  zwölf  schuldig- 
sprechen, so  ist  doch  jetzt  nur  Eine  Stimme  Majorität;  wenn  zehn  freisprechen  u.  drei- 
zehn schuldigsprechen,  sind  drei  Stimmen  Majorität.  R.  Abbahu  (um  300)  hat  gesagt: 
Das  (eine  Mehrheit  von  zwei  Stimmen)  kann  nur  vorhanden  sein,  wenn  man  (Richter) 
hinzufügt.  .  .  .  Ferner  hat  R.  Abbahu  gesagt:  Wenn  man  hinzufügt,  so  bilde  man  den 
Gerichtshof  von  vornherein  aus  einer  geraden  Zahl.  Das  ist  selbstverständlich!  Aber 
man  könnte  meinen,  daß  der,  welcher  sagt:  „Ich  weiß  nicht"  (=  „Ich  enthalte  mich 
der  Abstimmung")  als  anwesend  gelte  (mitzuzählen  sei)  u.,  wenn  er  etwas  sagt,  man 
darauf  höre;  so  lehrt  er  uns,  daß  der,  welcher  sagt:  „Ich  weiß  nicht",  nicht  als  an- 
wesend gilt  u.,  wenn  er  eine  Begründung  beibringt,  man  auf  ihn  nicht  hört.  —  Die 
Kooptation  von  zwei  Richtern  erfolgte  bei  Einer  Stimmenthaltung,  weil  der  Gerichtshof 
nicht  mehr  23  Mitglieder  zählte  u.  weil  mit  Rücksicht  auf  die  Bestimmung,  daß  die 
Verurteilung  eine  Majorität  von  mindestens  2  Stimmen  nötig  mache,  eine  gerade  Zahl 
von  Richtern  erforderlich  war. 


1022  Matth  26,  66  (JB  2.  3) 

freisprechen  u.  fünfunddreißig  schuldigsprechen,  so  ist  er  frei.  Wenn  sechsunddreißig 
schuldigsprechen  u.  fiinfunddreißig  freisprechen,  so  debattieren  sie  gegeneinander,  bis 
einer  von  den  Schuldigsprechenden  die  Worte  der  Freisprechenden  billigt.  —  Hierzu 
Sanh  42*:  Wenn  sie  sie  aber  nicht  billigen,  was  dann?  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt: 
Man  läßt  ihn  frei.  Und  ebenso  hat  R.  Jochanan  (f  279)  gesagt:  Man  läßt  ihn  frei.  Rab 
Papa  (t  376)  hat  zu  Abaje  (f  338/39)  gesagt:  Dann  sollte  man  ihn  von  vornherein  frei- 
lassen (ohne  erst  durch  langes  Debattieren  einen  von  der  Gegenseite  umstimmen  zu 
wollen)!  Er  erwiderte  ihm:  So  hat  R.  Jochanan  gesagt:  (Das  geschieht  nicht,)  damit 
sie  nicht  von  der  Gerichtsstätte  mit  ungeklärter  Meinung  hinweggehn.  ||  Ganz  vereinzelt 
steht  da  die  Meinung  des  Rab  Kahana  (I.?  um  250,  IL?  um  375)  Sanh  17":  Wenn  im 
Synedrium  alle  auf  schuldig  erkennen,  so  läßt  man  ihn  (den  Angeklagten)  frei.  Weshalb? 
Weil  wir  die  traditionelle  Lehre  haben,  daß  man  das  Urteil  eine  Nacht  verschiebt,  um 
etwas  zu  seiner  Freisprechung  herauszufinden,  u.  siehe,  (in  diesem  Fall)  sucht  man 
solches  nicht  weiter  für  ihn  auf.  ||  Sanh  42 '"^  Bar:  War  die  Sache  beendet  (das  Urteil 
festgesetzt),  so  ließ  man  sie  (die  Parteien)  eintreten.  Der  Größte  unter  den  Richtern 
sprach:  Du,  NN,  bist  freigesprochen;  du,  NN,  bist  für  schuldig  erklärt  worden. 

3.  Spezielles  über  die  Verhandlung  gegen  einen  Gotteslästerer. 

Sanh  7,  5:  Der  Lästerer  n-s^sn  ist  schuldig  erst,  wenn  er  den  (Jahve-)Namen  deut- 
lich ausspricht.  R.  J^hoschuaf  b.  Qarcha  (um  150)  hat  gesagt:  An  allen  Tagen  ver- 
nahm man  die  Zeugen  mit  einer  Umschreibung  (ohne  sie  den  Jahvenaraen,  den  sie  aus 
dem  Munde  des  Angeklagten  gehört  haben,  wiederholen  zu  lassen):  „Es  schlage  Jose 
[als  GötzennameJ  den  Jose  [=  Jahve]";  nachdem  aber  die  Verhandlung  vollendet  war, 
sprach  man  das  Todesurteil  nicht  auf  die  Umschreibung  hin  (die  die  Zeugen  bis  dahin 
angewandt  hatten),  sondern  man  ließ  alle  Leute  hinausgehn,  ließ  nur  den  Größten 
unter  ihnen  (den  Zeugen)  zurück  u.  sagte  zu  ihm:  Sprich,  was  du  gehört  hast,  deut- 
lich aus.  Und  er  sagte  es  (jetzt  also  unter  Nennung  des  gelästerten  Jahvenamens). 
Die  Richter  aber  standen  (aus  Ehrfurcht)  u.  zerrissen  ihre  Kleider  (aus  Schmerz  über 
die  gehörte  Lästerung)  u.  nähten  sie  nicht  wieder  zusammen.  Und  der  zweite  Zeuge 
sagte:  Auch  ich  habe  gehört  wie  dieser.  Und  der  dritte  sagte:  Auch  ich  wie  dieser 
(diese  sprachen  also  den  Jahvenamen  nicht  wieder  aus).  —  Dasselbe  mit  dem  Zusatz: 
„Die  Zeugen  brauchten  ihre  Kleider  (vor  dem  Gerichtshof)  nicht  zu  zerreißen,  da  sie 
sie  bereits  seit  der  Zeit  zerrissen  haben,  da  sie  (die  Gotteslästerung)  hörten"  in  SLv 
24, 1 1  (423''').  II  Sanh  60»:  R.  Acha  b.  Ja?aqob  (um  325)  hat  gesagt:  Man  wird  nur  dann 
straffällig,  wenn  Inan  den  Namen  mit  vier  Buchstaben  (das  Tetragramm  mn-)  gelästert 
hat;  das  will  den  mit  zwei  Buchstaben  (d.  h.  -;)  ausschließen,  daß  man  dafür  nicht 
straffällig  werde.  Selbstverständlich,  wir  haben  ja  in  der  Mischna  gelernt:  „Es  schlage 
Jose  den  Jose"  (u.  die  4  Buchstaben  von  "cr  entsprechen  den  4  Buchstaben  rin-). 
Man  könnte  meinen,  daß  das  Wort  (Jose)  nur  als  gewöhnliches  Beispiel  gewählt  sei; 
darum  läßt  er  es  uns  hören.  Einige  sagen:  Rab  Acha  b.  Jasaqob  hat  gesagt:  Daraus 
(aus  Sanh  7,  5)  ist  zu  entnehmen,  daß  der  Name  mit  vier  Buchstaben  gleichfalls  ein 
(eigentlicher)  Gottesname  ist.  Selbstverständlich,  wir  haben  ja  in  der  Mischna  gelernt: 
„Es  schlage  Jose  den  Jose"  (das  vierbuchstabige  Jose  setzt  ja  den  vierbuchstabigen 
Jahvenamen  voraus).  Man  könnte  meinen,  daß  man  erst  wegen  des  großen  Gottes- 
namens (von  42  Buchstaben)  *  straffällig  werde,  u.  daß  das  Wort  (Jose)  nur  als  ge- 
wöhnliches Beispiel  gewählt  sei;  darum  läßt  er  es  uns  hören.  —  Nach  dieser  Stelle 
ist  der  Name  „Jose"  in  der  Lästerungsformel  gebraucht,  weil  er  aus  4  Buchstaben 
besteht,  wie  der  Name  r.-.rr;  es  bleibt  aber  auffallend,  daß  der  zur  Lästerung  dienende 
Götzenname  gleichfalls  „Jose"  heißt.  —  Ob  bei  dem  ersten  Jose  an  Jesus  gedacht  ist? 

'  Unter  dem  42buchstabigen  Gottesnamen  sind  nach  Bacher,  Babyl.  Amor.  17f. 
die  10  göttlichen  Potenzen  zu  verstehn,  durch  die  nach  Rab,  t  247,  die  Welt  erschaffen 
worden  ist.  Diese  10  Potenzen  sind:  n)i:n,  n;iap,  ryt  (Spr3, 19f.),  ns,  r,'\-\2i  (Ps65, 7), 
r-i-j  (Strenge  Hi  26,11),  p-::,  ueiü«  (Ps  89,15),  icn  u.  c-'ini  (Ps25,  6);  zusammen 
38  Buchstaben  -f  4  von  n-n-  =  42  Buchstaben. 


Matth  26,  66  (ö  3— 5)   .  102;$ 

Levy  2,  351  '"^  schreibt:  Zur  Zeit  des  Autors  unsrer  Mischna,  R.  Josua  b.  Qorcha  (um  150), 
nahmen  die  Judenchristen  überhand  u.  sie  stellten  die  Macht  des  Sohnes,  Jesu,  höher, 
als  die  des  „Gottvaters";  mit  ihnen  habe  R.  Josua  öfter  religiöse  Disputationen  geführt, 
zB  GnR  13.  27.  Man  habe  beim  Zeugenverhör  verblümt  gefragt:  Sagte  etwa  der  Gottes- 
lästerer, daß  -ov  (Jesus,  der  Sohn)  mächtiger  sei  als  ■sr  (Joseph,  sein  Vater)?  Die  Richter 
aber  hätten  ebenso  wie  die  Zeugen  unter  dem  zweiten  'cv  den  „Vater",  d.  h.  den  Gott 
Israels  verstanden.  Die  Verwendung  des  gleichen  Namens  für  Gott  u.  für  Abgott  würde 
ja  so  verständlich;  aber  die  ganze  Erklärung  ist  viel  zu  gekünstelt. 

4,  Jesus  ist  wegen  Gotteslästerung  zum  Tode  verurteilt  worden 
(Mt  26,  65  f.;  Mk  14,  63  f.;  vgl.  Joh  19,  7).  Nach  jüdischem  Recht  hätte 
die  Todesstrafe  an  ihm  als  Steinigunga  mit  nachfolgender  Aufhängung 
am  Holzb  vollzogen  werden  müssen.  Daß  es  nicht  geschah,  hing  mit  der 
Übergabe  Jesu  an  den  römischen  Landpfleger  zusammen.  Dieser  ließ^ 
allerdings  auf  Verlangen  der  Juden  (Mt27,22;  Mkl5,13;  Lk  23,  21.  23; 
Joh  19,  6.  15;  vgl.  Apg  2,  36;  5,  30),  an  ihm  die  römische  Strafe  der 
Kreuzigung  vollstrecken, 

a.  Sanh  7,  4:  Dies  sind  die,  welche  gesteinigt  werden:  wer  der  Mutter  beiliegt, .  . . 

u.  der  Lästerer —  Ferner  s.  SLv  24,  11  ff.  bei  Mt  26,  65  23  Nr.  4  S.  1013  ff.  —  Über 

den  Vollzug  der  Steinigung  s.  bei  Apg  7,  58  Nr.  1  u.  2. 

b.  Über  das  Aufhängen  am  Holz  s.  bei  Mt  26, 65  Nr.  3 ;  Mt  27, 26  Nr.  2  u.  Apg 7, 58  Nr.  2. 

5.  Nach  der  jüdischen  Überlieferung  ist  Jesus,  wenn  man  von  der 
unechten  oder  doch  stark  interpolierten  Stelle  bei  Josephus  absieht, a  als 
Zauberer  u.Volksverführer  hingerichtet  worden  ;b  vgl.  Mt27, 63;  Joh  7,12. 

a.  AntiqlS,  3,  3:  Zu  jener  Zeit  lebte  Jesus,  ein  weiser  Mann,  wenn  anders  man 
ihn  einen  Menschen  nennen  darf.  Denn  er  war  ein  Vollbringer  wunderbarer  Werke, 
ein  Lehrer  von  Menschen,  die  mit  Freude  die  Wahrheit  annehmen.  Und  viele  Juden, 
aber  auch  viele  aus  der  griechischen  Welt  zog  er  an.  Dieser  war  der  Messias.  Und 
als  ihn  Pilatus  auf  die  Anklage  unsrer  ersten  Männer  mit  dem  Kreuze  bestraft  hatte, 
hörten  doch  nicht  auf  (ihn  zu  lieben)  die,  welche  ihn  zuerst  geliebt  hatten.  Denn  er 
erschien  ihnen  am  dritten  Tage  wieder  lebend,  nachdem  die  göttl.  Propheten  dieses  u. 
tausenderlei  andres  Wunderbare  über  ihn  gesagt  hatten.  Noch  bis  jetzt  hat  das  Ge- 
schlecht  [ro  qv'Aoi')  derer  nicht  aufgehört,  die  nach  ihm  Christen  genannt  werden.  — 
Gegen  die  Echtheit  Schürer  ^  1,  544 — 549.  Andrerseits  F.  C.  Burkitt,  Josephus  and  Christ, 
in:  Theologisch  Tijdschrift  1913,  135  —  144;  Adf.  Harnack,  in:  Internationale  Monats- 
schrift für  Wissenschaft,  Kunst  u.  Technik  7,  Sp.  1037  —  1068. 

b.  Justin.  Mart.,  Dial.  c.Tryph.  69:  Kai  yicQ  /uäyoy  aJvui  kvxou  sröX/ucof  (die  Juden) 
f.iyeiv  Xttl  'k«on).nvov.  —  Das.  108:  "Ay^Qag  /stQOTOPtjaccyTS?  ix'/.6XToi^g  elg  näaay  ri'jy^ 
niy.ovf.tEvrji>  ineuxpnis,  xtjgvaaovTsg  du  a'i'gsalg  rig  udsog  xal  äyo/uog  sytjysQTcci  cina 
hjiroii  xivog  FaXilcdov  n'Adyov,  öp  axnvQbiduvxwv  rjfxwv  (die  Juden)  oi  fxc<ßt]xcä  avxov 
x'Ae'üiCKPXsg  (dhof  dno  xov  nifrjfiuxog  rvxxög,  onöSer  x«Tcre'.V»;  dcfrjXbji^slg  äno  xov 
axavQov,  nlc<pwai  xotg  ävdQMnovg  ?.£yoyxeg  sytjysQf^ctL  fcvxoy  ix  i'sxgwi'  xcä  sig  ovQciyov^ 
('.ysh^h^fiei'cd.  \\  Sanh  43^  Bar:  Am  Rüsttage  des  Passah  hat  man  Jesum  gehängt,  u. 
ein  Ausrufer  ging  vor  ihm  her  40  Tage  (welcher  rief) :  Er  soll  zur  Steinigung  abgeführt 
werden,  weil  er  Zauberei  getrieben  u.  verführt  u.  Israel  abwendig  gemacht  hat.  Jeder, 
der  für  ihn  eine  Rechtfertigung  weiß,  komme  u.  mache  sie  für  ihn  geltend.  Aber  man 
fand  für  ihn  keine  Rechtfertigung,  u.  so  hängte  man  ihn  am  Rüsttage  des  Passah. 
fUlla  (um  280)  hat  gesagt:  Meinst  du  denn,  daß  er  einer  war,  für  dessen  Rechtferti- 
gung man  sich  verwendet?  Er  war  ja  ein  Verführer  u.  der  Allbarmherzige  hat  gesagt 
Dt  13,9:  Du  sollst  dich  nicht  erbarmen  u.  nicht  (Schuld)  an  ihm  zudecken.  Allein  bei 
Jesu  war  es  etwas  andres;  denn  er  stand  der  Regierung  nahe.  —  Diese  Behauptung  hat 
ihren  Anlaß  vielleicht  darin,   daß  Pilatus  sich  sträubte,  Jesum   hinrichten  zu  lassen 


1024  Matth  26,  66  (SB  6).  26,  67 

(Joh  18,  38— 19, 16).  —  Die  Worte:  „Jesus  hat  Zauberei  getrieben,  verführt  u.  Israel 
abwendig  gemacht"  als  Zitat  auch  Sanh  107^  u.  Sota  47^;  an  letzterer  Stelle  noch  mit 
dem  Zusatz:   „u.  zur  Sünde  verleitet". 

6.  Das  Todesurteil  über  Jesum  im  Lichte  der  Halakha. 

Falls  das  aus  der  mischnisch-talmudischen  Periode  uns  bekannte 
jüdische  Recht  bereits  zur  Zeit  Jesu  gegolten  hat,  ist  das  Todesurteil 
über  Jesum  nur  unter  arger  Rechtsbeugung  gefällt  worden. 

A.  Ungewiß  ist,  ob  die  zur  Verhandlung  notwendige  Zahl  von  23  Mit- 
gliedern des  Synedriums  an  der  Gerichtssitzung  teilgenommen  hat; 
ferner  ob  mindestens  zwei  der  Synedristen  formell  als  Zeugen  der  Gottes- 
lästerung wider  Jesum  aufgestellt  worden  sind  u.  als  solche  sich  hinterher 
der  Stimmabgabe  enthalten  haben;  s.  bei  Mt  26,  65  S.  1019.  Eine  eigent- 
liche Gerichtsve'rhandlung  hat  offenbar  überhaupt  nicht  stattgefunden. 

B.  Fraglich  ist,  ob  die  Prozeßordnung  dem  Hohenpriester  das  Recht 
gab,  Jesum  in  eigener  Angelegenheit  durch  Beschwörung  zu  einer  Aus- 
sage zu  nötigen,  s.  bei  Mt  26, 63  S.  1005  f.  —  Ein  Verstoß  gegen  die  Prozeß- 
ordnung war  die  Verurteilung  Jesu  während  der  Nachtzeit  u.  die  Be- 
endigung des  Prozesses  in  Einer  Verhandlung,  s.  Sanh  4, 1  u.  5,  5  oben 
in  Nr.  1  u.  2,  Dagegen  spricht  nicht  die  Mt  27, 1  erwähnte  zweite  Ver- 
sammlung des  Synedriums,  die  etliche  Stunden  später  in  der  Morgen- 
frühe stattfand.  Denn  das  Todesurteil  war  bereits  in  der  Nacht  gefällt 
worden  (Mt26,66),  den  Verhandlungsgegenstand  der  zweiten  Versamm- 
lung bildete  nur  die  Ausführung  des  gefaßten  Beschlusses.  Aber  auch 
wenn  man  dem  Berichte  des  Lukas  folgt,  der  die  entscheidende  Ver- 
handlung erst  während  der  Sitzung  in  den  Morgenstunden  stattfinden 
läßt  (Lk22,  66  ff.),  bleibt  der  Verstoß  bestehn,  daß  der  Prozeß  sofort  bei 
der  ersten  Beratung  zu  Ende  geführt  wurde,  während  nach  Sanh  4, 1  u. 
5,  5  das  Endurteil  erst  am  nächsten  Tage  nach  einer  zweiten  Beratung 
festgestellt  werden  mußte. 

C.  Eine  Verletzung  des  materiellen  Rechts  lag  in  dem  Todesurteil 
selbst.  Die  angebliche  Gotteslästerung  Jesu  hätte  nach  der  Halakha  nie 
mit  dem  Tode  bestraft  werden  dürfen;  sie  war  entweder  mit  Geißelung 
zu  ahnden  oder  ihre  Bestrafung  fiel  Gotte  anheim,  s.  bei  Mt26,65  Nr.  6 
u.  oben  Nr.  3.  —  In  eine  Prüfung  des  messian.  Anspruches  Jesu  ist  das 
Synedrium  überhaupt  nicht  eingetreten.  Das  war  eine  Verkümmerung 
des  dem  Angeklagten  nach  Sanh  5,4  (s.  oben  Nr.  2)  zustehenden  Rechts. 

D.  Keine  Rechtsbeugung  dagegen  war  das  Unterbleiben  der  Ver- 
warnung, s.  bei  Mt  26,  65  23  Nr.  6. 

26,  67:  Da  spieen  sie  in  sein  Angesicht  u.  schlugen  ihn 
mit  Fäusten,  andre  aber  gaben  ihm  Backenstreiche. 

Das  Anspeien  p^^,  pp'n  war  ein  Ausdruck  der  Verachtung  (vgl.  Nu 
12,14;  Dt  25,  9;  Jes  50,  6 ;  Hi  30, 10),  während  das  Schlagen  mit  der 
Faust  yjrn  u.  mit  der  flachen  Hand  {ins  Angesicht)  n-jo  als  Beschimpfung 
galt,  s.  "besonders  BQ  8,  6  u.  TBQ  9  §  31  bei  Mt  5,  39  S.  342. 


Matth  26,  67.  73.  75.  27,  2  (31)  1025 

Ferner  B^akh  9,  5:  Man  gehe  nicht  auf  den  Tempelberg  mit  seinem  Stock,  nicht 
in  seinen  Schuhen,  nicht  mit  seinem  Geldbeutel,  nicht  mit  Staub  auf  seinen  Füßen,* 
auch  mache  man  ihn  nicht  zu  einem  Richtweg  (um  einen  Weg  abzukürzen),  u.  noch 
viel  weniger  speie  man  darauf  aus.  —  Dazu  pSanh  !),  14'',  9:  Wenn  du  sagst,  daß  das 
Anziehen  von  Schuhen,  das  zur  Ehre  gereicht,  verboten  ist,  um  wieviel  mehr  gilt  das 
dann  vom  Ausspeien  'rsp^p'',  das  zur  Verachtung  dient.  ||  pSota  1, 16 '^  87  sagt  ein  Mann 
zu  seiner  Frau,  die  ihm  zu  lange  in  einem  Sabbatvortrag  geblieben  war:  Du  kommst 
mir  nicht  in  das  Haus,  bevor  du  nicht  hingehst  u.  dem  Vortragenden  in  sein  Gesicht 
speist!  s.  bei  Mt5,  9  S.  216. 

26,  73:  Deine  Sprache  macht  dich  kenntlich. 

Über  Besonderheiten  der  galiläischen  Sprechweise  s.  bei  Mt4, 12  S.  156f. 

26,75:  Er  weinte  bitterlich. 
Jes33, 7:  Die  Friedensboten  weinen  bitterlich  -(i^Dni  na,  LXX:  mxQwg 
xkatoireg,  Targ:  irs3  "ii-!ra  'pa,  in  Bitterkeit  (mit  Verbitterung)  der  Seele. 

27,1:  Als  es  Morgen  geworden,  hielten  alle  Hohenpriester 
u.  Ältesten  des  Volks  eine  Beratung. 
Vgl.  bei  Mt  26, 66  Nr.  6  B  S.  1024. 

27,2:  Sie  führten  ihn  abu.übergabenihndemStatthalterPilatus. 
%:  neiXccTO).  —  Über  die  Amtsführung  u.  den  Charakter  des  Pontius 
Pilatus  s.  Schürer  3 1,487 — 493.  ||  Besonders  lehrreich  ist  das  Zeugnis, 
das  Herodes  Agrippa  I.  (37 — 44  n.  Chr.)  dem  Landpfleger  in  einem  von 
Philo,  De  legatione  ad  Cajum  §  38  Mang.  2,  590  mitgeteilten  Briefe  aus- 
gestellt hat.  Bei  Erwähnung  der  dringenden  Vorstellungen,  die  die  Juden 
dem  P.  P,  wegen  Aufstellung  einiger  Weiheschilde  in  Jerusalem  machten, 
heißt  es  in  diesem  Brief: 

ÜTSQQuis  de  (Uikdrov)  dyTiXsyoyrog  —  ■^f  yuQ  jrjv  cpiOLv  ccxa^nrjg  (unbeugsam)  x«t 
fxexa  rov  ccv&cidovg  ccfxsikixxog  (rücksichtslos  hart)  —  (<ysß6t]ac(V  Mrj  araaiaCs,  ^V 
Tioi-s/uoTiolei,  fxrj  xaxdXvs  rtjf  eigtjytjy.  Ovx  eativ  chifXLK  vöfxwv  (Iqj^cümv  aihoxQctroQog 
tifATJ,  firj  TiQÖfpaaig  xi]g  eig  ro  s&pog  enrjQsiag  (Erbitterung)  saxu)  aoi.  TißsQiog  ovdsy 
id^s'Asi  xioy  T^fxexeqoyv  xaxa'Avsa&ui.  Ei  de  <pßg  ctvxög,  ini&si^oy  rj  dicixcty^icc  ?}'  iniaxohjy 
i]  XI  ofioiöxQOTioy,  i'pct  navaäfisvoi  xov  aot,  di£yo/Xsiy  (belästigen)  ngsaßeig  kXöfxevob 
Seiofxs&u  xov  deanöxov  (Kaiser  Tiberius).^  To  xeXevxcdov  xovxo  /uc'chaxcc  «t)roV  üexQÜ^vus 
(verdroß),  xaxaösiaavxcc  fuj  xc3  öyxc  nQsaßevaäfisyot  xai  xfjg  äkXrjg  uvxov  iniXQonfjg 
i^sksy^wai  r«?  tfwpocToxf'«?,  xdg  vßgsig,  rclg  ägnayäg,  rag  aixiag  (Mißhandlungen), 
xdg  int]Q£iag,  xoiig  ccxQiXovg  xai  snaXktjkovg  cpöyovg,  ZTJy  dyijyvxoy  xai  aQyrcXewTäxtjy 
w/xöxrjxn  (unnütze  u.  unerträgliche  Grausamkeit)  disSe'A(^6yxsg. 

In  der  rabbin.  Literatur  erscheint  Pilatus  unter  den  Ahnen  Hamans, 
s.  bei  Mt  1 , 1 6  Nr.  6  S.  40  f.  ||  Vielleicht  liegt  eine  Erwähnung  des  P.  P.  vor : 

Sanh  106^':  Ein  Häretiker  s3-»3  sagte  zu  R.  Chanina  (um  225):  Hast  du  vielleicht 
gehört,  wie  alt  Bilfam  (=  Jesus;  s.  Strack,  Jesus  S.  26)  geworden  ist?  Er  antwortete: 
Eine  Schrift  ist  (darüber)  nicht  geschrieben,  aber  daraus,  daß  geschrieben  steht  Ps  55, 24: 
, Blutmenschen  u.  Betrüger  werden  ihre  Tage  nicht  auf  die  Hälfte  bringen",  sage:  33 
oder  34  Jahre  ist  er  alt  geworden.  Er  sprach:  Du  hast  recht  geredet;  denn  von  mir 
selbst  wurde  eine  Tafel  (Chronik)  Bil?ams  gesehen,  in  der  geschrieben  stand:  38  Jahre 
war  Bilfam,  der  Lahme,  als  ihn  Pin^chas  Listasa  tötete.  —  Levy  2,  503''  hält  nsuois, 

^  Derselbe  Kunstgriff,  den  man  Joh  19, 12  anwandte. 
Strack  u.Billerbeck.  NTl.  65 


1026  Matth  27,  2  (JB.  ß) 

wie  uns  scheint  mit  Recht,  für  eine  Abkürzung  von  rts'jD^5s  =  Pilatus;  s.  Strack  42*.  — 
betreffs  der  jüdischen  Tradition  über  die  Lahmheit  Jesu  vgl.,  daß  nach  ToPdoth  Jeschu 
Jesus  bei  einem  Flugversuch  einen  schweren  Fall  getan  hat. 

27,2  25:  rjeficor,  statt  des  genaueren  sniTQOTiog,^  =  procurator,  im 
NT  durchgängig  Bezeichnung  des  Statthalters,  zB  Mt  27,  2. 11. 14. 15. 
21.  27;  28, 14;  Lk  20,  20  (vgl.  3, 1);  Apg  23,  24.  26.  33;  24, 1. 10;  26,  30. 
Auch  Josephus  verwendet  i]Y-  gerade  mit  Bezug  auf  Pilatus,  Antiq.  18, 3, 1. 
—  Im  Rabbin.  'i^i^n,  aram.  Nji^^n  «,  „Statthalter",  ß,  „Befehlshaber". 

27,  2  6:  ant^yayov  xal  Tragedcoxar.  —  Mit  der  Unterstellung  der 
Provinz  Judäa  unter  römische  Verwaltung  im  Jahre  6  n.  Chr.  wurde  die 
gewöhnliche  Rechtspflege  sowohl  in  Strafsachen,  als  auch  in  Zivilsachen 
den  einheimischen  Behörden  nicht  entzogen.  ^  Zwar  lag  die  Entscheidung 
über  Leben  u.  Tod,  das  jus  gladii  oder  die  potestas  gladii,  in  der  Hand 
des  Prokurators.  So  sagt  Josephus,  Bell.  J.  2,  8, 1  ausdrücklich:  „Als 
das  Gebiet  des  Archelaus  (d.  h,  Judäa)  in  eine  (römische)  Provinz  um- 
gewandelt wurde,  wurde  als  Prokurator  {sTiiTQonog)  ein  Mann  aus  dem 
römischen  Ritterstande,  Coponius,  entsandt,  dem  vom  Kaiser  Vollmacht 
bis  zum  Recht  über  Leben  u.  Tod  übertragen  war."  Aber  damit  war 
den  jüdischen  Gerichten  die  Kriminalrechtspflege  durchaus  nicht  ge- 
nommen. Sie  konnten  Vergehen,  auf  die  nicht  die  Todesstrafe  gesetzt 
war,  ohne  weiteres  endgültig  aburteilen.  Ja  selbst  auf  Todesstrafe  durfte 
erkannt  werden ;  nur  mußte  das  Urteil  dem  Prokurator  zur  Bestätigung 
u.  Vollstreckbarkeitserklärung  unterbreitet  werden.  Selbstverständlich 
hatte  der  Prokurator  das  Recht,  da,  wo  er  es  für  zweckdienlich  hielt, 
einen  Kriminalfall  sofort  vor  sein  Forum  zu  ziehen,  gleichwie  um- 
gekehrt die  jüdischen  Behörden  allezeit  in  der  Lage  waren,  eine  ihnen 
vielleicht  mißliebige  Strafsache  von  vornherein  vor  den  Richterstuhl 
des  Prokurators  zu  bringen;  in  letzterer  Hinsicht  vgl.  zB  das  Verfahren 
mit  jenem  Wahnsinnigen,  der  zur  Zeit  des  Statthalters  Albinus  (62 — 64 
n.  Chr.)  fortwährend  seine  Weherufe  über  Jerusalem  u.  den  Tempel  aus- 
stieß, Josephus,  Bell.  J.  <>,  5, 3.  —  Daß  die  Juden  trotz  der  klaren  Regelung 
der  Kompetenzfrage  hin  u.  wieder  versucht  haben,  Hinrichtungen  ohne 
Genehmigung  der  römischen  Oberbehörde  vornehmen  zu  lassen,  beweist 
die  Steinigung  des  Stephanus  Apg  7  u.  des  Jakobus,  des  Bruders  Jesu, 
Josephus,  Antiq.  20,  9, 1  (s.  bei  Gall,19).  —  Zweifelhaft  ist,  ob  eine 
Kompetenzüberschreitung  seitens  der  jüdischen  Behörden  auch  in  den 
folgenden  Fällen  vorliegt. 

Erstens  Sanh7,2:  R.  Elfazar  b.  (^adoq  (um  100)  hat  gesagt:  Einmal  trug  es  sich 
zu,  daß  eine  Priestertochter  Unzucht  getrieben  hatte;  man  umgab  sie  mit  Rebenbündeln 
u.  verbrannte  sie  (also  von  außen  statt,  wie  Sanh  7, 2  vorschreibt,  durch  Eingießen  von 
heißem  Blei  in  den  Rachen).  Da  sagten  sie  zu  ihm:  Das  geschah,  weil  der  Gerichts- 
hof in  jener  Zeit  (als  sadduzäisch)  nicht  gesetzeskundig  gewesen  ist.  —  TSanhO,  11  (429) 
versichert  R.  Elfazar  b.  9-)  daß  er  selbst  als  Kind  den  Vorgang  mit  angesehen  habe; 

>  Als  Beispiel  s.  im  Abschnitt  6  das  Zitat  Bell.  Jud.  2,8,1. 
2  Das  Nähere  s.  bei  Schürer  M,  466  ff;  *  2,  260  ff. 


Matth  27,  2  (6).  27,5  1027 

der  Vorfall  gehört  also  sicherlich  der  Zeit  nach  dem  Jahre  6  n.  Chr.  an.  Weitere  Paral- 
lelen: pSanh7,24b,45;  Sanh  52'\  ||  Zweitens  TSanhlO,  11  (431):  Gegen  alle  Todes- 
schuldigen, die  in  der  Tora  vorkommen,  legt  man  keinen  Hinterhalt,  außer  bei  dem, 
welcher  (zum  Götzendienst)  verführt.  Auf  welche  Weise?  Man  bringt  zwei  Gelehrten- 
schüler in  das  innere  Haus,  während  er  im  äußeren  sitzt,  u.  zündet  für  ihn  ein  Licht 
an,  so  daß  sie  ihn  sehen  u.  seine  Stimme  hören.  Und  so  hat  man  in  bezug  auf  Ben 
Stada  in.Lydda  gehandelt.  Zwei  Gelehrtenschüler  waren  gegen  ihn  im  Hinterhalt,  u. 
man  brachte  ihn  vor  den  Gerichtshof  u.  steinigte  ihn.  —  Nach  TSchab  11, 15  (126)  u. 
Parallelen  (s.  bei  Mt  1, 16  S.  38  f.)  hat  man  anzunehmen,  daß  auch  diese  Hinrichtung  in 
der  Periode  erfolgt  ist,  da  Judäa  unter  römischen  Prokuratoren  stand.  —  Die  Darstellung 
schließt  jedoch  die  Möglichkeit  nicht  aus,  daß  diese  Hinrichtungen  erst  vorgenommen 
worden  sind,  nachdem  der  römische  Statthalter  seine  Genehmigung  gegeben  hatte. 

Es  entsprach  durchaus  den  tatsächlichen  Verhältnissen,  wenn  Joh 
18,31  die  Juden  erklären:  )]f.ih'  ovx  s^saviv  anoxTeTvai  ovSäva.  Ihre  Be- 
rechtigung, eine  Todesstrafe  zu  vollstrecken,  hing  eben  ab  von  der 
Zustimmung  des  Prokurators.  Eine  Erinnerung  an  diesen  Sachverhalt 
tritt  in  der  Bar  pSanh  1, 18*,  37  hervor:  Vierzig  Jahre  vor  der  Zer- 
störung des  Tempels  wurde  die  Kriminalgerichtsbarkeit  den  Israeliten 
abgenommen.  —  Dasselbe  pSanh  7,  24 '\  43.  —  Die  Zeitangabe  in  dieser 
Bar  triift  allerdings  nicht  zu.  Aber  das  40.  Jahr  vor  der  Zerstörung 
des  Heiligtums  erscheint  auch  sonst  als  das  Jahr  der  bösen  Omina,' 
u.  so  wird  es  gekommen  sein,  daß  man  diesem  Unheilsjahr  auch  den 
Verlust  der  Kriminalgerichtsbarkeit  glaubte  zuschreiben  zu  dürfen. 

27,5:  Ging  hin  und  erhängte  sich. 
Das  Verbot  des  Selbstmordes  hat  die  alte  Synagoge  in  Gn  9, 5  gefunden. 

GnR34(21'^):  , Jedoch  -s  euer  Blut,  das  eurer  Seelen  ns^rius:^,  will  ich  fordern" 
(Gn  9, 5).  *7S ,  das  will  den  miteinschließen,  der  sich  selbst  erwürgt  i«:iy  psinn  (durch 
Erhängen).  —  Gn  9,  5  ist  in  diesem  Falle  so  gedeutet  worden:  „Jedoch  euer  eigen  Blut 
will  ich  von  euch  selbst  fordern",  falls  ihr  als  Selbstmörder  Hand  an  euch  selbst 
legt.  —  BQ  91*»  diese  Auslegung  im  Munde  des  R.  El?azar  b.  ?Azarja  (um  100):  „Jedoch 
euer  Blut  will  ich  fordern  n3"n»E3y  (Gn  9,  5);  R.  El?azar  (b.  $Azarja)  sagte:  „Aus  der 
Hand  eurer  Seelen  (d.  h.  von  euch  selbst)  will  ich  euer  Blut  fordern." 

Die  Durchschnittsmeinung  über  die  Verwerflichkeit  des  Selbstmordes 
spricht  am  deutlichsten  Josephus,  Bell.  Jud.  3,  8,  5  aus: 

Der  Selbstmord,  rj  ca'To%Eigia,  ist  sowohl  der  allgemeinen  Naturanlage  aller  Lebe- 
wesen fremd  als  auch  eine  Gottlosigkeit  gegen  den  Gott,  der  uns  geschaffen  hat.  .  .  . 
Meint  ihr  nicht,  daß  Gott  darüber  zürnt,  wenn  ein  Mensch  sein  (Gottes)  Geschenk 
freventlich  verachtet?  Denn  sowohl  das  Sein  haben  wir  von  ihm  empfangen,  als  auch 
das  Nicht-mehr-sein  müssen  wir  ihm  anheimstellen.  .  .  .  Dazu  kommt,  daß,  wenn  je- 
mand eines  Menschen  Depositum  abhanden  kommen  läßt  oder  schlecht  darüber  ver- 
fügt, er  böse  u.  untreu  zu  sein  scheint;  wenn  aber  jemand  das  Depositum  Gottes  (die 
Seele)  aus  seinem  eigenen  Leibe  vertreibt,  meint  er,  daß  er  dem  verborgen  bleibe,  den 
er  beleidigt  hat?  . . .  Deren  Hände  gegen  das  eigene  Leben  gewütet  haben,  deren  Seelen 
wird  der  dunkelste  Hades  aufnehmen,  u.  Gott  ihr  Vater  wird  die  Schuld  der  Übeltäter 
heimsuchen  an  ihren  Nachkommen.  Darum  ist  dieses  (das  Verbrechen  des  Selbstmordes) 
verhaßt  bei  Gott,  u.  bei  dem  weisesten  Gesetzgeber  ist  es  mit  Strafe  belegt;  wenigstens 
hat  man  es  bei  uns  für  gut  befunden,  die  Selbstmörder  bis  zum  Untergang  der  Sonne 


1  Siehe  pJoma  6,43<-,61  bei  Mt  27, 51  S.  1045  f  AZ  8^  bei  Mt  26,  57  Nr.  2  S.  1000. 

65* 


1028  Matth27,5.6 

unbeerdigt  liegen  zu  lassen,  obwohl  man  selbst  die  Feinde  zu  begraben  für  recht  er- 
achtet. Bei  andren  Völkern  aber  hat  man  sogar  befohlen,  die  rechten  Hände  solcher  Toten 
abzuhauen,  mit  denen  sie  gegen  sich  selbst  zu  Felde  gezogen  sind,  indem  man  meint, 
daß,  wie  der  Leib  von  der  Seele,  so  auch  die  Hand  vom  Leibe  getrennt  sein  müsse.  .  .  . 

Die  Trauer  um  Selbstmörder  ist  im  Traktat  S'^machoth  2  (Anfang) 
in  folgender  Weise  geregelt: 

Wer  sich  selbst  mit  Bewußtsein  das  Leben  nimmt  ry-h  ■nssi"  -as^sn,  mit  dem  befaßt 
man  sich  in  keiner  Hinsicht  (um  ihn  öffentlich  zu  betrauern).  R.  Jischmafel  (f  um  135) 
sagte :  Mau  ruft  über  ihn  aus :  Wehe,  ob  des  Schweren,  wehe,  ob  des  Schweren !  (Wir 
lesen  s^t?3  statt  des  unverständlichen  nVtjj.)  »Es  sagte  R.  fAqiba  (f  um  135)  zu  ihm: 
Laß  jede  Bemerkung  über  ihn;  ehre  ihn  nicht  u.  fluche  ihm  nicht.  Man  zerreißt  um 
ihn  nicht  das  Gewand,  man  entblößt  um  ihn  nicht  die  Schulter  u.  man  beklagt  ihn 
ni«ht  öffentlich;  wohl  aber  darf  man  seinetwegen  in  der  Reihe  stehen  (durch  die  die 
Trauernden  unter  tröstenden  Zusprüchen  des  Gefolges  hindurchgehen)  u.  den  Lobspruch 
der  Trauernden  sprechen  (s.  hierzu  im  Exk.  über  Liebeswerke),  weil  dies  zur  Ehrung 
der  Lebenden  dient.  Die  allgemeine  Regel  hierüber  ist:  in  allem,  was  zur  Ehrung  der 
Lebenden  dient,  darf  man  sich  mitthm  (dem  Selbstmörder)  beschäftigen;  aber  in  allem, 
was  nicht  zur  Ehrung  der  Lebenden  dient,  darf  sich  die  Menge  nicht  mit  ihm  be- 
schäftigen. Wer  ist  einer,  der  sich  selbst  mit  Bewußtsein  das  Leben  nimmt?  Nicht 
der,  welcher  auf  die  Spitze  eines  Baumes  steigt  u.  herabfällt  u.  stirbt,  oder  der  auf 
die  Spitze  eines  Daches  steigt  u.  herabfällt  u.  stirbt;  vielmehr  der,  welcher  sagt:  Siehe, 
ich  steige  auf  die  Spitze  des  Daches  oder  auf  die  Spitze  des  Baumes  u.  stürze  mich 
hinab,  daß  ich  sterbe;  u.  dann  sah  man  ihn,  wie  er  auf  die  Spitze  des  Baumes  stieg 
u.  herabfiel  u.  starb  —  siehe,  bei  dem  besteht  die  Annahme,  daß  er  sich  selbst  mit 
Bewußtsein  das  Leben  genommen  hat,  u.  wer  sich  mit  Bewußtsein  selbst  das  Leben 
nimmt,  mit  dem  beschäftigt  man  sich  (hinsichtlich  der  Trauer)  in  keiner  Beziehung. 
Fand  man  ihn  erwürgt  pi:n  u.  an  einem  Baume  hangend  ]^^Na  ■'i^n,  (mit  dem  Schwerte) 
erschlagen  ;i^n  u.  beim  Schwerte  hingestreckt,  siehe,  so  besteht  bei  diesem  die  An- 
nahme, daß  et  sich  selbst  ohne  Bewußtsein  ry-a  ahv  das  Leben  genommen  hat  u. 
man  enthält  ihm  keinerlei  (hinsichtlich  der  Trauer)  vor.  1|  Zum  Schluß  sei  noch  auf  ein 
späteres  Wort  verwiesen.  TanchB  ss'^'i  §6  (74'^):  Es  lehre  uns  unser  Lehrer:  Was  ist 
für  ein  Unterschied  zwischen  dem  Tode  der  Gerechten  u.  dem  der  Gottlosen?  R.  Justai 
b.  Schunem  (um  400)  hat  im  Namen  des  R.  J^hoschuaf  aus  Sikhnin  (um  380)  gesagt: 
Der  Tod  der  Gottlosen  ist  weder  auf  Erden  noch  im  Himmel,  denn  so  steht  von  Achithophel 
geschrieben  (2Sm  17,23):  „Er  bestellte  sein  Haus  u.  erhängte  sich."  Und  ebenso  war 
Haman  weder  auf  Erden  noch  im  Himmel,  s.  Esth  7, 10:  „Da  hängten  sie  den  Haman 
an  den  Baumstamm",  u.  ebenso  seine  Söhne  (das.  9,25):  „Man  hatte  ihn  u.  seine  Söhne 
an  den  Baum  gehängt."  Aber  um  den  Tod  der  Gerechten  ist  etwas  im  Himmel  u.  auf 
Erden,  s.  ISm  25,29:  „Die  Seele  meines  Herrn  wird  eingebunden  sein  in  den  Bund 
der  Lebendigen."  Und  auf  Erden  woher?  s.  2Chr  32,33:  Man  begrub  ihn  (den  Hiskia) 
an  dem  Steige  zu  den  Gräbern  des  Hauses  David,  u.  Ehre  erwiesen  ihm  bei  seinem 
Tode  ganz  Juda  u.  die  Bewohner  Jerusalems. 

27,6:  In  den  Tempelschatz,  dg  rör  xoQßarär. 

xoqßaväg,  gräzisiertes  Kaa"!!^,  =  Geschenk,  Geweihtes. 

Xuch  Josephus  verwendet  das  Wort  Bell.  Jud.  2,  9, 4:  Darauf  erregte  Pontius  Pilatus 
einen  andren  Tumult,  indem  er  den  Tempelschatz,  der  x.  genannt  wird,  zu  einer  Wasser- 
leitung verwendete  rov  IsQOf  HtjauvQÖv,  xaXstTcei  de  xoQßurüg,  eig  xaTaybjyrjv  vdc'cxutv 
i^c(ya'/.laxci)y.  Nach  diesen  Worten  des  Josephus  müßte  man  erwarten,  daß  '-  eine  all- 
gemein gebrauchte  Bezeichnung  für  den  Tempelschatz  gewesen  wäre;  das  trifft  aber 
nicht  zu:  wenigstens  findet  sich  das  Wort  in  dieser  Bedeutung  in  der  rabbin.  Literatur 
nirgends.  Dagegen  lesen  wir  Sch®q6,5:  Dreizehn  trompetenförmige  (oben  enge)  Be- 
hälter waren  im  Heiligtum,  auf  denen  geschrieben  stand:  „Neue  Scheqel",  „alte  Scheqel", 


Matth  27,  7.  8.  9  f.  (Nr.  1)  1029 

„Geflügelopfer",  „Tauben  zu  Ganzopfern",  „Holz",  „Weihrauch",  „Gold  zu  Belagplatten "  * 
u.  sechs  für  freiwillige  Gaben  ns-r:^.  —  Vermutlich  hat  man  diese  „freiwilligen  Gaben" 
im  Volksmund  p^ip  (=  Geschenk)  genannt  u.  diesen  Namen  dann  auf  den  Tempel- 
schatz selbst  übertragen. 

27,  7:  Sie  kauften  dafür  den  Acker  des  Töpfers 
zur  Beerdigung  für  die  Fremden. 

Einen  ähnlichen  Ausweg  sehen  wir  die  Gelehrten  Qid  59  =*  einschlagen:  Rab  Giddel 
hatte  sich  um  einen  Acker  bemüht.  R.  Abba  (um  290)  kaufte  ihn  (unter  der  Hand 
jenem  weg).  Rab  G.  ging  u.  beklagte  sich  bei  R.  Z'^fira  (um  300),  der  es  dem  R.  Ji^chaq, 
dem  Schmied,  sagte.  Dieser  sprach:  Warte,  bis  er  zu  uns  zum  Feste  kommt.  Als  er 
gekommen  war,  sprach  er  zu  ihm:  Wenn  ein  Armer  sich  um  einen  Kuchen  müht  (ihn 
hin  u.  herwendet)  u.  dann  kommt  ein  andrer  u.  nimmt  ihn  ihm  weg,  was  ist  das  für 
einer?  R.  Abba  antwortete:  Der  wird  ein  Frevler  genannt!  Aber  warum  hat  denn  der 
Herr  (^  du)  also  gehandelt?  Er  antwortete:  Ich  habe  es  nicht  gewußt  (daß  Rab  Giddel 
bereits  darum  handelte).  So  möge  der  Herr  es  ihm  auch  jetzt  noch  überlassen!  Er 
antwortete:  Verkaufen  möchte  ich  es  nicht,  denn  es  ist  das  erste  Stück  Land  (das 
ich  gekauft  habe);  es  wäre  von  keiner  guten  Vorbedeutung.  Wenn  er  es  aber  als  Ge- 
schenk will,  so  mag  er  es  hinnehmen.  Rab  Giddel  ging  darauf  nicht  ein;  denn  es  steht 
geschrieben  Sprl5,7:  Wer  Geschenke  haßt,  wird  leben.  Da  sie  sich  nicht  einigten, 
wurde  er  der  Acker  der  Rabbinen  genannt  (herrenloses  Gut  zugunsten  der  Gelehrten, 
Raschi).  —  Vgl.  auch  Be^a  29"''  Bar:  (Abba  Scha^ul  b.  Batnith,  um  70  n.  Chr.)  sammelte 
300  Krüge  voll  von  dem  Schaum  der  Maße  (beim  Einmessen)  u.  seine  Genossen  sammelten 
300  Krüge  voll  Ol  von  dem,  was  in  den  Maßen  zurückblieb.  (Was  die  Käufer  infolge 
des  Schäumens  des  Weines  u.  des  Zurückbleibens  von  Öl  in  den  Maßgefäßen  zu  wenig 
erhielten,  sammelten  hinterher  die  Verkäufer  aus  Gewissenhaftigkeit  auf,  da  sie  meinten, 
es  gehöre  ihnen  nicht.)  Sie  brachten  es  zu  den  Schatzmeistern  (des  Tempels)  in  Jerusalem. 
Diese  sagten:  Dazu  seid  ihr  nicht  verpflichtet.  Sie  antworteten:  Auch  wir  haben  keinen 
Gefallen  daran.  Da  sprachen  jene:  AVeil  ihr  in  bezug  auf  euch  selbst  erschwerend  ent- 
schieden habt,  so  befriedigt  damit  öffentliche  Bedürfnisse  (die  jedermann,  also  auch  euren 
nach  eurer  Meinung  zu  kurz  gekommenen  Geschäftskunden  zugute  kommen).  Denn  in  einer 
Bar  heißt  es :  Wenn  einer  etwas  geraubt  hat  u.  nicht  weiß,  wen  er  beraubt  hat,  so  befriedige 
er  damit  öffentliche  Bedürfnisse.  Was  ist  damit  gemeint?  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt: 
Gruben,  Zisternen  u.  Höhlen  (zu  Wasseransammlungen).  —  Die  letzte  Bar  auch  BQ  94^. 

27,8:  Blutacker. 
Apg  1, 19  nennt  als  einheimischen  Namen  dieses  Ackers  'AxsXSa}.ic(x 
oder  axskdai^idx.  Die  von  Mt  u.  Lk  (Apg  1,19)  übereinstimmend  an- 
gegebene Bedeutung  ayQog  ai).iaTog  oder  xwQiov  ai'fxatog  nötigt,  AxeX- 
(Saßäx  als  Transkription  des  aramäischen  ntü^  bf^n  =  „Blutacker"  an- 
zusehen. Das  X  am  Ende  bezeichnet  das  Wort  als  im  Griechischen  nicht 
deklinierbar,  vgl.  ^eigdx  =  i^T^,  'I(^(TrjX  =  "^o^"'  (Lk  3,  26). 

hpn  auch  in  dem  Ortsnamen  nrp  «no  h~_-  „Rotes  Feld "  pSanh  2, 20'',  61  =  Ephes-Dammim. 

27, 9f.:  Da  wurde  erfüllt  das  vom  Propheten  Jeremia  Gesagte, 
welcher  spricht:  „Und  sie  nahmen  dreißig  Silberlinge,  den 
Wert  des  Wertgeschätzten,  den  sie  von  Israels  Söhnen  ge- 
wertet hatten,  u.  gaben  sie  für  den  Acker  des  Töpfers,  wie 
mir  der  Herr  geboten  hat." 
1.  Das  Zitat  stammt  aus  Sachll,12f.   Wenn  der  Name  Jeremia 

^  So  nach  TSch'^q  3, 6  (178),  nach  der  gewöhnlichen  Erklärung:  „Gold  zu  Opferschalen". 


1030  Mattli27,  9f.  (Nr.  1.  2) 

hier  nicht  irrtümlich  genannt  ist,  so  hat  der  Evangelist  mit  „Jeremias, 
dem  Propheten"  ganz  allgemein  die  eigentlich  prophetischen  Schriften 
bezeichnet,  an  deren  Anfang  das  Buch  Jer.  in  alter  Zeit  stand.  Ähnlich 
steht  Lk  24,  44  iliaXf.ioi  für  die  dritte  Abteilung  des  alttest.  Kanons,  die 
K^thubim  oder  Hagiographen.  Hiernach  würde  rd  grj^h'  6icc'l€QSf.iiov  tov 
7ioo(frjVov  soviel  sein,  wie  t6  Qijd^tr  Sic<  rwr  nQOifYjzwv^  eine  Zitierungs- 
formel, die  sich  auch  Mt  2,  23  findet. 

Über  die  alte  Reiheafolge  der  alttest.  Bücher  s.  BB  14^  Bar:  Die  Reihenfolge  der 
Propheten  (prophetae  priores  et  posteriores)  ist:  Josua,  Richter,  Samuel,  Könige;  Jeremia, 
Ezechiel,  Jesaja  u.  die  zwölf  (kleinen  Propheten).  .  .  .  Die  Reihenfolge  der  K'^thubim 
ist:  Ruth,  Ps,  Hi,  Sprüche,  Qoh,  HL,  KL,  Dn,  Esth,  Esra,  Chr.  —  Das  Büchlein  Ruth  ist 
gewissermaßen  ein  genealogisches  Vorwort  zu  den  Psalmen.  R.  Jochanan  (f  279)  hat 
gesagt  daselbst:  Warum  heißt  sie  Ruth?  Weil  David  aus  ihr  entstand,  der  Gott  mit 
Liedern  u.  Lobgesängen  labte  (sättigte,  inT^-s). 

2.  Sachll,12f.  in  der  altjüdischen  Literatur, 

LXX  Sach  11,  12 f.:  Kai  sqm  ngog  cnhovg'  Ei  x«AoV  ifuiniov  vfxwv  iari,  66x6  xov 
juta&oy  f^ov,  rj  Kneinaa^e.  xal  sarrjacty  toV  fxiG&öv  fxov  XQidy.opta  uQyvQov;.  Kai  eins 
xvqiog  TiQÖg  fxe'  Ka&sg  (nhovg  sig  ro  %ü)ysvT7]Qiot/  (Schmelzofen),  xai  axeipoucti  si 
Söxiuöv  iariy,  of  rQÖnov  sdoxificcad^?]^  vnsQ  athojy.  xai  tXccßoy  rovg  tQiäxovxa  dgyvQovg 
xai  aysßakof  avrovg  sig  roy  oixov  xvqIov  eig  ro  x^^'^^'^VQ''^^- 

Targ  Sach  11, 12f. :  Ich  sprach  zu  ihnen:  Wenn  es  recht  in  euren  Augen  ist,  so 
tut  meinen  Willen;  wenn  aber  nicht,  so  haltet  euch  zurück  (unterlasset  es).  Und  es 
taten  meinen  Willen  einige  wenige  Männer  (=  30  Silberlinge).  Und  Jahve  sprach  zu 
mir:  Schreibe  das  Andenken  ihrer  Taten  auf  Schreibpergament  u.  wirf  es  in  das  Heilig- 
tum u.  wirf  es  unter  die  Hand  des  Tempelvorstehers,  weil  meine  Verehrung  teuer  war 
in  ihren  Augen.  Und  ich  schrieb  das  Andenken  ihrer  Taten  auf  Schreibpergament  u. 
warf  es  in  das  Heiligtum  Jahves  unter  die  Hand  des  obersten  Tempelvorstehers.  — 
Der  Targum  deutet  die  Stelle  auf  etliche  fromme  Männer  in  Israel,  deren  Gottesfurcht 
vor  Gott  unvergessen  bleiben  soll;  ihre  Taten,  auf  Pergament  verzeichnet,  werden 
deshalb  im  Tempel  aufbewahrt.  —  Diese  Deutung  läßt  sich  seit  dem  3.  Jahrhundert 
mit  den  Namen  ihrer  Vertreter  belegen.  Eine  andre  Deutung  bezieht  die  Verse  auf  die 
Völker  der  Welt.  ||  GnR98(62»):  R.  Chanin  (um  300)  hat  gesagt:  Die  Israeliten  be- 
dürfen der  Lehre  des  Königs,  des  Messias,  nicht  in  der  Zukunft,  s.  Jesll,10:  „Nach 
ihm  werden  die  Völker  fragen  (suchen)",  aber  nicht  die  Israeliten.  Wenn  dem  so  ist, 
warum  kommt  denn  der  König,  der  Messias?  u.  um  was  zu  tun,  kommt  er?  Um  die 
Exulanten  Israels  zusammenzubringen  u.  um  den  Völkern  30  Gebote  zu  geben;  das 
meint  Sach  11,  12:  Ich  sprach  zu  ihnen:  Wenn  es  gut  ist  in  euren  Augen,  so  gebet 
mir  meinen  Lohn  .  .  .  u.  sie  wogen  als  meinen  Lohn  dar  30  Silberlinge  (d.  h.  30  Ge- 
bote). Rah  (t  247)  hat  gesagt :  Damit  sind  die  30  Helden  (Frommen,  s.  Targ  oben)  ge- 
meint. R.  Jochanan  (f  279)  hat  gesagt:  Damit  sind  die  30  Gebote  gemeint  (die  dereinst 
die  Völker  auf  sich  nehmen  werden).  Man  sagte  zu  R.  Jochanan:  Sollte  denn  Rab  nicht 
der  Meinung  gewesen  sein,  daß  die  Stelle  nur  von  den  Völkern  der  Welt  redet?  Nach 
der  Meinung  Rabs  wird,  wenn  die  Israeliten  Verdienste  haben,  die  Mehrzahl  von 
ihnen  (den  30  Gerechten)  im  Lande  Israel  sein,  die  kleinere  Zahl  in  Babel.  —  Anders 
die  Autorschaft  p?AZ  2,  40S  13:  Rab  Huna  (f  297)  hat  im  Namen  Rabs  gesagt:  Sie 
wogen  mir  30  Silberlinge  dar  Sach  11, 12,  damit  sind  die  30  Gebote  gemeint,  die  die 
Noachiden  dereinst  auf  sich  nehmen  werden  (=  Meinung  Jochanans  oben).  Die  Rab- 
binen  aber  sagten:  Damit  sind  die  30  Gerechten  gemeint,  deren  die  Welt  nie  entbehrt. 
Denn  R.  Nachman  (um  400)  hat  im  Namen  des  R.  Mana  (IL,  um  370)  gesagt:  Die  Welt 
kann  bei  weniger  als  30  Gerechten,  die  wie  unser  Vater  Abraham  sind,  nicht  bestehn. 
Was  ist  der  Schriftgrund?  Es  heißt  Gn  18, 18:  Abraham  soll  gewißlich  zu  einem  großen 
Volk  werden  rrn"«  T>n;  der  Zahlenwert  von  n^rt"  beträgt  30.   Bald  ist  die  größere  Zahl 


Matth  27,  9  f.  (Nr.  2.  3).  27,  15.  16.  19  (51)  1031 

von  ihnen  in  Babel  u.  die  kleinere  im  Lande  Israel,  bald  ist  die  größere  Zahl  von 
ihnen  im  Lande  Israel  u.  die  kleinere  in  Babel;  es  ist  ein  gutes  Zeichen  für  die  Welt, 
wenn  ihre  größere  Zahl  im  Lande  (Israel)  ist.  —  Ähnliche  Ausführungen  s.  Midr  Ps  2 
§5(13i^);  5§5(26'J);  21  §1(89-'');  GnR49  (Sl-t).  ||  Chull  92  a:  Jch  kaufte  sie  mir  für 
1  Chomer  (=  30  Sea)  Gerste  u.  1  Lethekh  (=  15  Sea)  Gerste"  Hos  3, 1 ;  damit  sind  die 
45  Gerechten  gemeint,  derentwegen  die  Welt  bestehen  bleibt.  Aber  ich  weiß  nicht,  ob 
die  30  hier  (in  Babel)  u.  die  15  im  Lande  Israel  sind,  oder  ob  die  30  im  Lande  Israel 
u.  die  15  hier  sind.  Da  es  nun  heißt  Sach  11,13:  Ich  nahm  die  30  Silberlinge  u.  warf 
sie  ins  Haus  Jahves  zum  Töpfer,  so  sage:  30  sind  im  Lande  Israel  u.  15  hier.  Abaje 
(t  338/39)  sagte:  Die  Mehrzahl  von  ihnen  (den  30  in  Palästina,  Raschi)  findet  sich  in  der 
Synagoge,  die  unter  dem  Anbau  ist.  Und  das  ist  es,  was  geschrieben  steht  Sach  11, 12: 
Ich  sprach  zu  ihnen:  Wenn  es  gut  ist  in  euren  Augen,  so  gebet  mir  meinen  Lohn; 
wenn  aber  nicht,  so  lasset  es.  Und  sie  wogen  als  meinen  Lohn  dar  30  Silberlinge. 
Rab  J'^huda  (f  299)  hat  gesagt:  Das  sind  die  30  Gerechten  unter  den  Völkern  der  Welt, 
derentwegen  die  Völker  der  Welt  erhalten  bleiben.  fUlla  (um  280)  hat  gesagt:  Das  sind 
die  30  Gebote,  die  die  Noachiden  auf  sich  genommen  u.  von  denen  sie  nur  drei  gehalten 
haben:  das  eine,  daß  sie  den  Männlichen  keine  Hochzeitsverschreibung  verschreiben  (sie 
nicht  in  förmlicherWeise  zur  Päderastie  ehelichen);  das  andre,  daß  sie  kein  Leichenfleisch 
im  Fleischladen  auswiegen  (keine  Menschenfresser  sind)  u.  das  dritte,  daß  sie  die  Tora 
ehren.  ||  Diesen  Deutungen  hat  sich  auch  Raschi  zu  Sach  11, 12 f.  angeschlossen;  er  ver- 
sichert aber,  daß  er  noch  viele  andre  gesehen  habe,  von  denen  er  jedoch  keine  mitteilt. 
3.  30  Scheqel  Silber  als  Ersatzpreis  für  einen  Sklaven  s.  bei  Mt26, 15. 

27,11:  Du  sagst  es,  <ji'  ^eyeig,  s.  bei  Mt  26,  25. 

27, 15:  Während  des  Festes  pflegte  der  Statthalter 
dem  Volk  Einen  Gefangenen  freizugeben. 
„Die  aus  den  Evangelien  bekannte  Tatsache,  daß  der  Prokurator 
von  Judäa  zum  Passahfeste  einen  Gefangenen  freizugeben  pflegte,  be- 
ruhte wohl  auf  einer  Spezialermächtigung  des  Kaisers.  Denn  das  Recht 
der  Begnadigung  kam  sonst  den  Statthaltern  nicht  zu",  Schürer ^  1, 
469.  —  Anderweitige  Belege  für  diese  Sitte  gibt  es  nicht. 

27,16:  Barabbas,   Bagaßßäv. 

Bar  Abba  xsx  '^z  „Sohn  Abbas",  häufiger  Personenname. 

B^rakh  18 'J:  Bei  dem  Vater  Sch'^'muels  (f  254)  hatte  man  Waisengelder  deponiert. 
Als  seine  Seele  zur  Ruhe  einging,  war  Sch'^rauel  nicht  bei  ihm;  man  nannte  ihn  einen 
Sohn,  der  Waisengelder  (aus  dem  Depositum)  verzehrt.  Er  ging  hinaus  zu  seinem  Vater 
auf  den  Friedhof.  Er  rief  ihnen  (den  Toten)  zu:  Ich  suche  Abba  (so  hieß  sein  Vater). 
Sie  antworteten:  Abbas  gibt  es  viele  hier.  Er  rief:  Ich  suche  Abba  bar  Abba!  (Sch^muels 
Großvater  hieß  also  auch  Abba.)  Sie  antworteten:  Auch  Abbas  bar  Abba  gibt  es  viele 
hier.  Er  rief:  Ich  suche  Abba  bar  Abba,  den  Vater  Sch^'muels,  wo  ist  er?  Sie  ant- 
worteten: Er  ist  in  die  himmlische  Akademie  hinaufgegangen  usw. 

27,19  31:  Als  er  auf  dem  Richtstuhl  enl  rov  ßijfxaTog  saß. 

rra-ia  «,  jeder  zum  Reden  erhöhte  u.  eingerichtete  Ort,  Redner- 
tribüne; ß,  Gerichtsstätte,  Richterstuhl. 

pRH  1, 57^,  10:  (R.  Hoscha?ja,  wohl  der  Ältere,  um  225;  s.  Bacher,  pal.  Amor.  3,  565) 
hat  gesagt:  Wenn  im  gewöhnlichen  Leben  ein  Fürst  sagt:  „Das  Gericht  findet  heute 
statt"  u.  ein  Räuber  sagt:  „Morgen  findet  das  Gericht  statt",  auf  wen  hört  man?  Doch 
auf  den  Fürsten.  Gott  nicht  also.  Wenn  der  Gerichtshof  (das  irdische  Synedrium)  gesagt 
hat:  „Heute  ist  Neujahr!"  so  spricht  Gott  zu  den  Dienstengeln:  Stellet  den  Richterstuhl 


1032  Matth  27,  19  (?l.  SB).  27,  24  (3t.  93) 

ny-3  auf  (im  Himmel;  denn  Gott  hält  zu  Neujahr  Gericht  über  die  Menschen),  hintreten 
sollen  die  Verteidiger,  hintreten  sollen  die  Ankläger;  denn  meine  Kinder  (Israel)  haben 
gesagt:  Heute  ist  Neujahr!  Wird  der  Gerichtshof  (auf  Erden)  dann  andrer  Meinung, 
es  auf  den  nächsten  Tag  hinauszuschieben,  so  sagt  Gott  zu  den  Dienstengeln:  Schaffet 
die  n?3''3  zur  Seite,  u.  abtreten  sollen  die  Verteidiger  u.  die  Ankläger;  denn  meine  Kinder 
haben  beschlossen,  es  auf  den  nächsten  Tag  hinauszuschieben.  ||  SDt3,  24  §  27  (71"): 
Wenn  sich  ein  König  von  Fleisch  u.  Blut  auf  seine  rus-a  setzt,  so  muß  er  sich  vor  dem 
Rhetor  (Advokaten)  fürchten,  daß  dieser  ihn  widerlegen  möchte.  Du  (Gott)  aber,  bei 
dem  es  keinen  Rhetor  gibt,  warum  willst  du  mir  (Mose)  nicht  vergeben?  ||  LvR  13  (1 14*^): 
Das  Reich  Edom  (=  Rom)  erhebt  sich,  übt  Gewalttat  u.  Raub  u.  dabei  stellt  es  sich,  als 
ob  es  die  na^a  aufschlüge  (d.  h.  als  ob  es  gerecht  richtete,  nur  nach  dem  Gesetz  verführe). 

27,19  95:   Ließ  ihm  sein  Weib  sagen:   Habe   nichts  mit  jenem 

Gerechten  zu  schaffen;  denn  viel  habe  ich  heute  im  Traum 

seinetwegen  gelitten. 

Eine  ähnliche  Botschaft  entbietet  Ta^an  24 '^  Iphra  Ormuzd  ihrem 
Sohn,  dem  König  Schabor,  als  dieser  sich  zur  Bestrafung  des  jüdischen 
Gelehrten  Raba  (f  352)  anschickte:  Habe  du  nichts  mit  den  Juden  zu 
schaffen  ixTini  iinn  o-'nai  pos  -\h  iinib  it.b;  denn  alles,  was  sie  von  ihrem 
Herrn  (Gott)  erbitten,  gibt  er  ihnen.  ||  Ebenfalls  während  einer  Gerichts- 
verhandlung, die  gegen  Rab  J^'huda  (f  299)  vor  Rab  Nachman  (f  320) 
anstand,  ließ  des  letzteren  Gemahlin  Jalta  diesem  sagen:  Sprich  ihm 
sein  Urteil  (laß  ihn  frei  von  dir  ausgehn),  damit  er  dich  nicht  als 
einen  fAm  ha-are^  (unwissenden  Menschen)  hinstelle  I  Qid  70''  oben. 

Über  Träume  u.  ihre  Wertung  s.  bei  Mt  1,  20  S.  53  ff. 

27,  24  91:  Er  nahm  Wasser  u.  wusch  seine  Hände  vor  dem  Volk. 
Die  Sitte  des  Händewaschens  als  Zeichen,  daß  man  an  einem  be- 
stimmten Verbrechen  unschuldig  sei,  findet  sich  auch  bei  den  Griechen. 
Die  Kommentare  verweisen  auf  Herodot  1,  35;  Vergil  Aen.  2,  719;  Soph. 
Ajax  654.  —  Die  entsprechende  jüdische  Sitte  —  u.  sie  ahmt  Pilatus 
nach,  um  Eindruck  auf  die  Menge  zu  machen  —  ruht  auf  Dt  21,  6  ff. 

Sota  9,6:  Die  Altesten  jener  Stadt  (in  deren  Bezirk  ein  Erschlagener  gefunden 
ward)  waschen  ihre  Hände  mit  Wasser  an  der  Stelle,  an  der  dem  Kalb  das  Genick 
gebrochen  wurde,  u.  sagen:  ,Unsre  Hände  -haben  dieses  Blut  nicht  vergossen  u.  unsre 
Augen  haben  (den  Mord)  nicht  gesehen."  Wie,  sollen  wir  denn  meinen,  daß  die  Ältesten 
des  Gerichtshofs  Blutvergießer  seien?  Vielmehr  ist  es  so  gemeint:  Wir  haben  ihn  nicht, 
als  er  zu  uns  kam,  ohne  Speise  fortgeschickt,  wir  haben  ihn  nicht  gesehen  u.  ohne 
Begleitung  gelassen  (auch  jede  mittelbare  Schuld  an  seinem  Geschick  wird  abgelehnt). 
Und  die  Priester  sagen  Dt  21,  8:  „Sühne  dein  Volk  Israel,  das  du  erlöst  hast,  Jahve, 
u.  lege  nicht  unschuldiges  Blut  mitten  in  dein  Volk  Israel."  Aber  nicht  brauchen  sie 
(die  folgenden  Worte)  zu  sagen:  „Es  wird  ihnen  das  Blut  gesühnt  sein";  vielmehr  ver- 
kündigt dies  der  heilige  Geist  (d.h.  sie  enthalten  die  göttliche  Verheißung  der  Vergebung): 
wenn  ihr  also  tun  werdet,  wird  ihnen  das  Blut  vergeben  werden.  Vgl.  SDt  21, 6  ff.  §  209 
u.  210;  Sota  46'^.  Ferner  Ps  26,6;  73,13. 

27,24  35:  Ich  bin  unschuldig  an  dem  Blute  dieses;  sehet  ihr  zu! 

Zur  Deutung  der  symbolischen  Handlung  des  Händewaschens  vgl. 

Brief  des  Aristeas  306:   Ich  stellte  auch  die  Frage,   warum   sie  (die 


Matth  27,  24  (SB).  27,  25.  26  (Nr.  1)  1033 

Juden)  die  Hände  waschen  u.  dann  erst  beten.  Und  sie  erklärten,  es 
sei  ein  Zeugnis,  daß  sie  nichts  Übles  getan  hätten  (denn  jede  Tätigkeit 
geschieht  durch  die  Hände),  indem  sie  in  schöner  u.  frommer  Weise 
alles  auf  Gerechtigkeit  u.  Wahrheit  bezogen.  ||  Git  56 « :  Er  (nämlich  Nero, 
der  angeblich  gegen  Jerusalem  gesandt  war)  sagte:  Gott  will  sein  Haus 
(Tempel)  zerstören  u.  er  will  seine  Hand  an  diesem  Mann  (=  an  mir) 
abwischen  (d.  h.  mir  die  Schuld  zuschieben). 

27,25:  Sein  Blut  komme  über  uns  u.  über  unsre  Kinder. 
Die  Worte  besagen:  Die  Verantwortlichkeit  u.  Schuld  treffe  uns  u. 
unsre  Kinder! 

f  AZ  12''  Bar:  Der  Mensch  trinke  kein  Wasser  in  der  Nacht  —  u.  wenn  er  trinkt, 
so  kommt  sein  Blut  über  sein  Haupt  (d.  h.  die  Schuld  an  seinem  Unglück  hat  er  sich 
selbst  zuzuschreiben).  |1  Joma21^  Bar:  Wer  sich  vor  dem  Hahnenschrei  auf  den  Weg 
begibt,  dessen  Blut  kommt  auf  sein  Haupt  (er  hat  selbst  die  Verantwortung  u.  Folgen 
zu  tragen).  ||  SLv  24, 14  (424^*):  Sie  (die  Zeugen  der  Gotteslästerung)  sollen  ihre  Hände 
auf  sein  (des  Lästerers)  Haupt  stemmen  (Lv  24, 14)  u.  sagen:  ,Dein  Blut  ist  auf  deinem 
Haupt;  denn  du  hast  es  also  veranlaßt"  (dir  selbst  zugezogen).  ||  f  AZ  30* :  Bei  gekochtem 
Wein  kommt  das  Verbot  wegen  Offenstehens  nicht  in  Betracht.  Man  sagte:  Können  wir 
uns  darauf  verlassen?  R.  Jannai  b.  Jischma?el  (um  300)  deutete  ihnen  durch  eine  Hand- 
bewegung an:  auf  mich  u.  meinen  Hals  komme  es  (ich  übernehme  die  Verantwortung).  || 
pSanh  6,  23  **,  46 :  Einmal  geschah  es,  daß  einer  zur  Hinrichtung  hinausgeführt  wurde. 
Man  sagte  zu  ihm:  Sprich  (als  Sündenbekenntnis):  „Mein  Tod  sei  Sühnung  für  alle 
meine  Sünden."  Er  aber  sagte:  „Mein  Tod  sei  Sühnung  für  alle  meine  Sünden,  außer 
dieser  Sünde  (derentwegen  ich  verurteilt  bin);  wenn  ich  sie  getan  habe,  so  soll  mir 
nicht  vergeben  werden,  aber  der  Gerichtshof  Israels  soll  unschuldig  sein!"  Als  das  vor 
die  Gelehrten  kam,  tränten  ihre  Augen.  Sie  sprachen:  Ihn  zurückzuführen  ist  nicht 
möglich,  dann  nähme  die  Sache  kein  Ende.  Siehe,  sein  Blut  hange  an  dem  Hals  der 
(falschen)  Zeugen!  1|  Sanh  4,  5:  (Man  flößt  den  Zeugen  Furcht  ein  mit  den  Worten  .  .  .:) 
Wisset,  daß  nicht  wie  Vermögensstreitigkeiten  Kapitalprozesse  sind.  Bei  V.streitigkeiten 
kann  ein  Mensch  Geld  geben  u.  es  wird  ihm  Sühnung;  aber  bei  K.prozessen  haftet  sein 
(des  Hingerichteten)  Blut  u.  das  Blut  seiner  (möglichen)  Nachkommen  an  ihm  bis  ans 
Ende  der  Welt.  (Die  ganze  Stelle  s.  bei  Mt  5,21  S.267u.  Mt  26,60  8.1001.)  !|  PirqeREl  10: 
(Als  die  Schiffsgenossen  Jona  ins  Meer  werfen  wollten)  sprachen  sie:  Gott  der  Welt, 
Jahve,  bringe  nicht  auf  uns  unschuldiges  Blut;  denn  wir  wissen  nicht,  was  es  mit  diesem 
Mann  auf  sich  hat.  —  Die  Verbindung:  „sein  Blut  kommt  auf  sein  Haupt"  i^as^a  tst 
ferner  in  pB^rakh  7,  U',  61;  P^'s  111-^;  112^  (zweimal);  Niddal7*. 

27,26:  Jesum  Heß  er  geißeln  u.  übergab  ihn, 
daß  er  gekreuzigt  werde. 

1.  Die  römische  Sitte,  der  Kreuzigung  die  Geißelung  voraufgehen 
zu  lassen,  bezeugt  Josephus: 

Bell.  J.  2, 14, 9 :  Die  römischen  Soldaten  ergriffen  viele  der  guten  Bürger  (in  Jerusalem) 
u.  führten  sie  vor  Florus  (L  J.  66  n.  Chr.),  der  sie  zuvor  mit  Geißeln  mißhandeln  u.  dann 
kreuzigen  ließ,  ovg  /nüati^i  nQocaxiaccfxst'og  aysarcevgaxjsy.  Was  nämlich  zuvor  niemand 
gewagt  hatte,  das  wagte  damals  Florus,  daß  er  Männer  ritterlichen  Standes  vor  der 
Gerichtsstätte  geißeln  u.  ans  Kreuz  heften  ließ,  ^aanyo'iaai  nqo  rov  ßtjf^caog  xai  arttvQol 
7iQoar]Xwaai.  ||  Das.  5, 11, 1 :  Nachdem  sie  (die  zur  Zeit  der  Belagerung  Jer.s  Gefangenen) 
gegeißelt  u.  vor  der  Hinrichtung  mit  allerlei  Mißhandlungen  gemartert  worden  waren, 
wurden  sie  vor  der  Mauer  gekreuzigt,  /xaaTiyov/usfoi  ärj  xal  rtQoßaacwil^öfisyoi  rov 
&ttfcuov  nctauv  aixlap  uveaiavQovvio  rov  tsi^^ovs  uyriXQv. 


1034  Matth  27,  26  (Nr.  2) 

Über  die  jüdische  Geißelstrafe  s.  bei  2  Kor  11.  24  u,  Mt  10, 17. 

2.  Die  Kreuzigungsstrafe  war  eine  römische  Strafe;  ebenso  wie  die 
Geißelung  durfte  sie  nur  an  Personen  vollstreckt  werden,  die  nicht  das 
römische  Bürgerrecht  besaßen.  Vgl.  in  Nr.  1  die  Klage  über  Florus.  Die 
Juden  kannten  zwar  auch  ein  Ans-Holz-Hängen;  aber  diese  Strafe  hatte 
mit  der  römischen  Kreuzigungsstrafe  nichts  gemein.  Sie  wurde  nur 
an  denen  vollzogen,  die  wegen  Götzendienstes  u.  Gotteslästerung  zur 
Steinigung  verurteilt  waren,  u.  zwar  als  Zusatzstrafe  nach  deren 
Tötung. 

Sanh  6, 4 :  Alle  Gesteinigten  werden  gehängt,  das  sind  Worte  des  R.  Eli?ezer  (um  90) ; 
die  Gelehrten  aber  sagten:  Nur  der  (Gottes-)Lästerer  nri;,>?n  u.  der  Götzendiener  wird 
gehängt  (so  ist  die  Halakha,  Bertinoro).  Den  Mann  hängt  man  mit  dem  Gesicht  nach 
dem  Volk  hin  u.  die  Frau  mit  dem  Gesicht  nach  dem  Holz  hin ;  das  sind  Worte  des 
R.  Elifezer;  die  Gelehrten  aber  sagten:  Der  Mann  wird  gehängt  u.  die  Frau  wird  (über- 
haupt) nicht  gehängt.  (Die  Halakha  ist  nicht  nach  R.  Eli?ezer,  Bertinoro).  R.  Elifezer 
hat  gesagt:  Es  geschah  einmal,  daß  Schim?on  b.  Schatach  (um  90  v.  Chr.)  Frauen  in 
Askalon  hängte.  Man  antwortete  ihm:  Achtzig  Frauen  hat  er  gehängt  (Zauberinnen 
waren  es  gewesen)  u.  man  richtet  (doch)  nicht  zwei  Personen  an  einunddemselben  Tage 
(sein  Verfahren  war  also  ordnungswidrig  u.  hat  deshalb  keine  Beweiskraft).  Wie  hängt 
man  ihn  (nach  jüd.  Sitte)?  Man  senkt  einen  Balken  in  die  Erde,  von  dem  ein  (Quer-)Holz 
ausgeht,  u.  man  bringt  seine  (des  Hingerichteten)  Hände  aneinander  u.  hängt  ihn  (an 
den  Händen)  auf  (also  ohne  die  Arme  nach  beiden  Seiten  auszuspannen).  R.  Jose  (um  150) 
sagte:  «Den  Balken  lehnte  man  an  eine  Wand  u.  dann  hängte  man  ihn  daran,  wie  die 
Schlächter  aufhängen."  Man  macht  ihn  aber  sofort  wieder  los  (um  ihn  zu  beerdigen). 
Fortsetzung  der  Stelle  bei  Mt  26,  65  S.1012.  —  Parallel  SDt21,22  §221  (114b).  ||  SDt 
21,22  §  221  (114b):  Soll  man  ihn  (den  Götzendienern.  Gotteslästerer)  etwa  bei  lebendigem 
Leibe  aufhängen,  wie  es  die  (heidnischen)  Behörden  tun?  Die  Schrift  sagt  lehrend 
Dt  21,  22:  „Und  er  wurde  getötet*  (dann  erst  folgen  die  Worte:  Und  du  hängtest  ihn 
ans  Holz,  also  nach  seiner  Tötung).  „Und  du  hängtest  ihn  ans  Holz" :  „ihn",  aber  nicht 
seine  Kleidungsstücke  (also  ist  er  nackt  ans  Holz  zu  hängen);  „ihn",  aber  nicht  seine 
(falschen)  Zeugen;  „ihn",  aber  nicht  die,  die  seine  Zeugen  als  falsche  überführten  u. 
dann  selbst  durch  andre  als  falsche  Zeugen  überführt  wurden  (so  nach  Friedmann); 
„ihn"  (Singular),  das  lehrt,  daß  man  nicht  zwei  Personen  an  einunddemselben  Tage 
richtet.  „An  das  Holz",  d.h.  an  einen  abgehauenen  Baumstamm,  nicht  an  einen  solchen, 
der  in  der  Erde  steht.  .  .  .  Wie  verfährt  man  mit  ihm?  Man  wartet  mit  ihm,  bis  es 
dunkelt;  dann  hängt  man  ihn  auf  u.  macht  ihn  (sofort)  wieder  los.  ||  Sanh  46^:  „Der 
Mann  wird  gehängt  u.  die  Frau  wird  (überhaupt)  nicht  gehängt"  (s.  oben  Sanh  6,  4). 
Was  war  der  Schriftgrund  der  Rabbinen?  Die  Schrift  sagt:  „Und  du  hängtest  ihn" 
Dt  21, 22,  „ihn"  (den  Mann),  aber  nicht  „sie"  (die  Frau).  Und  R.  Elifezer  (nach  welchem 
auch  die  Frau  aufzuhängen  war)?  Er  sagte:  „Ihn",  d.  h.  ohne  seine  Kleidung.  Und  die 
Rabbinen?  In  der  Tat  so  ist  es  auch,  aber  Dt  21, 22  sagt:  „Wenn  an  einem  Mann  ein 
todeswürdiges  Vergehen  ist",  an  einem  „Mann",  aber  nicht  an  einer  Frau.  ||  Sanh  46b 
Bar:  Wenn  es  Dt  21,  22  hieße:  „Wenn  an  einem  Mann  ein  todeswürdiges  Vergehen  ist 
u.  du  hängtest  ihn",  so  würde  ich  sagen:  Man  hängt  ihn  jbei  lebendigem  Leibe)  u. 
hinterher  läßt  man  ihn  sterben,  wie  es  die  (römische)  Regierung  tut.  Die  Schrift  sagt 
aber  lehrend  Dt  21,  22:  „Und  er  wurde  getötet  u.  du  hängtest  ihn",  d.  h.  man  tötet  ihn 
u.  hinterher  hängt  man  ihn.  Auf  welche  Weise?  Man  hält  ihn  hin  bis  nahe  zum  Unter- 
gang der  Sonne,  dann  fällt  man  das  Urteil  über  ihn  u.  tötet  ihn  u.  darauf  hängt  man 
ihn;  einer  knüpft  ihn  an  u.  einer  macht  ihn  (sofort)  wieder  los,  um  das  Gebot  des  Auf- 
hängens zu  erfüllen.  (Das  Aufhängen  ist  hiernach  eine  bloße  Formalität,  die  erfüllt 
wird,  weil  es  die  Tora  eben  vorschreibt.)  —  Bar:  „An  ein  Holz  (Baum)"  Dt  21,  22.   Da 


Mafcth  27,  26  (Nr.  2).  27,  27  (Nr.  1.  2)  1035 

höre  ich,  gleichviel  ob  an  ein  abgehauenes  oder  an  ein  in  der  Erde  wurzelndes.  Die 
Schrift  sagt  lehrend  Dt  21,  23:  „Sondern  begraben  sollst  du  ihn."  ^  Da  ist  (ein  Holz) 
gemeint,  bei  dem  nur  noch  das  Begraben  aussteht;  ausgenommen  ist  also  ein  Holz,  bei 
dem  das  Abhauen  (weil  es  noch  in  der  Erde  wurzelt)  u.  das  Begraben  aussteht.  R.  Jose 
(der  das  Anlehnen  des  Holzstammes  an  eine  Wand  forderte)  sagte:  Da  ist  ein  Holz 
gemeint,  bei  dem  nur  noch  das  Begraben  aussteht;  ausgenommen  ist  also  ein  Holz,  bei 
dem  das  Ausgraben,  das  Herausziehen  (weil  es  in  die  Erde  eingesenkt  worden  war)  u. 
das  Begraben  aussteht.  Die  Rabbinen  aber  sagten:  Das  Herausziehen  ist  überhaupt 
nichts  (wird  nicht  als  besondere,  dem  'd  widerstreitende  Verrichtung  angesehen).  1|  Zu 
den  Beweisstellen  dafür,  daß  nur  Götzendiener  u.  Gotteslästerer  an  das  Holz  gehängt 
wurden:  Sanh  6,  4  u.  SDt  21,  22  §  221  (114b),  s.  auch  bei  Mt  26,  65  S.  1012  Nr.  3. 

27,27:  In  das  Prätorium,  slg  to  tcquixwqiov. 

1.  Praetorium,  ursprünglich  das  Feldherrnzelt  im  römischen  Lager, 
heißt  später  das  Hauptquartier  jedes  Provinzialstatthalters.  Es  diente 
also  in  erster  Linie  dem  Statthalter  u.  seiner  Umgebung,  einschließlich 
seiner  Leibgarde  (cohors  praetoria),  als  Wohnung,  daneben  aber  auch 
als  Gerichtsstätte a  u,  Untersuchungsgefängnis,  b 

a.  Josephus,  Bell.  Jud.  2, 14,  8:  i-Xwqog  (der  letzte  Prokurator,  64 — 66  n.  Chr.)  6e 
TÖis  jui»'  iy  roig  ßaaiXeioig  (Palast  des  Herodes)  cwT^l^siui,  rfi  6s  vatsQuiu  ßij^ua  (Richter- 
stuhl) TiQo  avrdjy  &sfxsyog  xa&el^erca,  xal  nQoasX96yTSg  oi'  re  ckqxisqsis  xkI  Svvaroi,  r6,T6 
yvojQiuMxatov  xrjg  nöXsiog  nüv  7iaQeati]ac(v  zw  ßTJfiari.  b.  Apg  23,  85. 

2.  Der  Prokurator  von  Judäa  hatte  für  gewöhnlich  seinen  Wohnsitz 
in  Cäsarea.  In  Jerusalem  pflegte  er  an  den  großen  Festen  anwesend 
zu  sein;  hier  residierte  er  in  dem  früheren  Palast  des  Königs  Herodes 
an  der  Nordwestgrenze  der  Oberstadt.  Dieser  Palast,  der  in  seinen  aus- 
gedehnten Baulichkeiten  genug  Raum  bot  auch  zur  Unterbringung  der 
cohors  praetoria,  OTceiQa  Mt  27,  27  u.  Mk  15, 16,  ist  mit  dem  nqaiTwqiov 
gemeint,  in  welchem  Jesus  vor  dem  Richterstuhl  des  Pontius  Pilatus 
stand.  Allerdings  wird  mehrfach  die  Meinung  vertreten,  daß  die  Ver- 
handlung gegen  Jesum  in  der  Burg  Antonia  (nördlich  vom  Tempelberg) 
stattgefunden  habe.  Allein  diese  Burg  enthielt  nur  die  Kaserne  {TiaQSfx- 
ßoXri)  der  ständig  in  Jer,  garnisonierenden  Kohorte, a  während  als 
Hauptquartier  des  Prokurators,  d.  h.  als  uQaiTcoQiov,  regelmäßig  der 
Palast  des  Herodes  (t«  ßaaiXeia)  erscheint,  b 

*  Aus  der  Gerundivkonstruktion  , begrabend  sollst  du  begraben"  Dt  21,  23  wird 
gefolgert,  daß  mit  dem  Hingerichteten  auch  der  Holzstamm  zu  begraben  sei;  ferner 
wird  aus  dem  -'s  =  , sondern"  geschlossen,  daß  weiter  nichts  als  nur  noch  das  Begraben 
mit  dem  Gehängten  vorzunehmen  sei.  —  Zum  Verscharren  der  Hinrichtungswerkzeuge 
mit  dem  Hingerichteten  s.  Sanh  45 b  Bar:  Sowohl  der  Stein,  mit  dem  einer  gesteinigt,  als 
auch  das  Holz,  daran  einer  gehängt,  als  auch  das  Schwert,  mit  dem  einer  hingerichtet, 
als  auch  das  Tuch,  mit  dem  einer  erdrosselt  war  —  sie  alle  wurden  mit  ihm  begraben. 
Das  war  aber  nur  in  dem  Falle  nötig,  wenn  man  andre  (Hinrichtungsmittel,  nur  für  den 
gerade  vorliegenden  Fall  bestimmte)  hergerichtet  u.  zur  Stelle  gebracht  hatte  anstatt 
jener  (die  sonst  dauernd  dazu  benützt  wurden).  Wurden  sie  denn  mit  ihm  begraben? 
In  einer  Bar  heißt  es  doch :  Sie  wurden  nicht  mit  ihm  begraben !  Rab  Papa  (f  376)  hat 
gesagt:  Was  heißt  ,mit  ihm"?  Mit  ihm  in  seinem  Besitzteil  (also  nicht  in  seinem  Grabe 
selbst,  wohl  aber  in  dessen  unmittelbarster  Nähe;  denn  dem  Toten  gehört  an  der  Stelle, 
wo  er  ruht,  eine  Fläche  von  4  Ellen  Länge  u.  Breite;  innerhalb  dieses  seines  Besitzes 
sind  die  Hinrichtungswerkzeuge,  vorausgesetzt,  daß  sie  speziell  für  ihn  zubereitet  waren, 
zu  vergraben). 


1036  Matth  27,  27  (Nr.  2.  3).  27,  29.  31 

a.  Josephus,  Bell.  Jud.  5,  5,  8:  xid^fjaro  yag  äsl  in'  cevrrjg  (d.  i.  rtjg  'Aprutving)  luyfxa 
'Püjfucdwy.  —  rciy/uK  „Kohorte"  wie  Ant.  20,  6, 1.  —  Die  Kaserne  (in  der  Burg  A.)  wird 
erwähnt  Apg  21,  34.  37;  22,24;  23,10.16.32. 

b.  Außer  Bell.  Jud.  2, 14,  8  ist  besonders  lehrreich  2, 15,  5.  Hier  wird  berichtet,  wie 
sich  Florus  eines  Tages  bemühte,  mit  den  Mannschaften  seiner  cohors  praetoria  nach 
dem  Tempel  u.  der  Burg  Antonia  vorzudringen,  aber  von  der  Menge  umstellt  u.  gedrängt 
u.  von  den  Dächern  mit  Wurfgeschossen  überschüttet  sich  genötigt  sah,  den  Rückzug 
in  sein  im  Palast  des  Herodes  befindliches  Lager  anzutreten:  wv  (rot;  rs  iegov  xal  rijg 
'Apxfüving)  xal  4''/.cjQog  scfisf^spog  Hijyaysp  sx  ttjg  ßaaihxtjg  avh]g  {=  Palast  des  Her.) 
Tovg  avf  ((VKO  xcd  ngog  x6  cpgovQiov  iX&sif  tjyoivl^^sro.  dirjf^KQiE  ys  /iit]P  riig  STiißokijg. 
6  yc(Q  (frjfxog  äyriXQvg  EniaxQaqielg  s^gys  r»;»'  oQfxrjv,  xal  diaarccfTeg  irji  rwy  reyiöv  rovg 
'Püj/ualovg  sßaXXop.  xaxanovovfxevoi  di]  xolg  vnsgd^e  ßsksai,  xal  diaxoxpai  x6  xovgaxEvojTiovg 
eficpQÜ^ay  7i'/.ij&og  äaf^eytjaayxsg,  dyB/uiQovy  eig  xo  nQog  xoTg  ßaadeioig  (Palast  des  Her.) 
axQttXoneSoy.  —  Speziell  über  die  Zeit  des  Pontius  Pilatus  haben  wir  ein  Zeugnis  in 
dem  Brief  des  Herodes  Agrippa  I.  (37 — 44  n.  Chr.)  bei  Philo,  De  legatione  ad  Cajum 
§  38:  nlXaxog  t]y  xioy  {'naQ^wy  enixQonog  (inods&siyf^eyog  xrjg  lofdcdag,  Ovxog  ovx  inl 
xtfifi  TißsQiov  ^('ikXoy,  ?j  e'ysxa  xov  XvnrjaaL  xo  nlrji^og,  dynxi&rjaiy  sy  xoTg  xaxu  xrjv 
[sQÖnohy  'HQiödov  ßaaiXeioig  iniXQi'Oovg  danldag,  fX7]xe  fxogcptjy  s/ovaag,  /utJxs  dXko  xt 
Xiöy  u7i7]yoQSvofie'yu)y,  s^co  xiyog  STuygarfrjg  dvayxaiag,  rj  dvo  xavxu  i(Xi]yvB,  xöy  xs 
(lyadeyxa  xal  vrieg  ov  t)  dyd&eaig.  Wenn  hier  P.  P.  Weiheschilde  im  Palast  des  Her. 
aufstellen  ließ,  so  geschah  das  natürlich  nur,  wenn  u.  weil  der  Palast  ihm  u.  seinem 
Hauptquartier  während  seines  Aufenthaltes  in  Jer.  als  Wohnung  diente. 

3.  Das  Wort  ngaiTcogiov  findet  sich  als  '("'"irj^s  oder  "jini-oba  häufig 
auch  im  Rabbin.,  nur  daß  es  hier  die  allgemeine  Bedeutung  „Palast" 
angenommen  hat,  zB  Sanh  2,3:  Ist  ihm  (dem  König)  jemand  gestorben, 
so  geht  er  nicht  aus  der  Tür  seines  Palastes  i-iTial^s  hinaus  (um  sich  nicht 
öffentlich  in  Trauer  zu  zeigen).  —  Stellen  bei  Krauß,  Lehnwörter  2, 455  f. 

27,27:  Die  ganze  Kohorte,  öXt]y  xtjy  anejQay,  s.  bei  Joh  18,3. 

27,29:  Sei  gegrüßt,  König  der  Juden! 

XaTge  6  ßaaikei'g.  —  TancliB  "-»;  §  11  (98 ''):  Antoninus  fragte  unseren  heiligen  Lehrer: 
Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Beten  zu  jeder  Zeit?  Er  antwortete  ihm:  Das  ist  ver- 
boten. Er  sprach  zu  ihm:  Weshalb?  Er  antwortete:  Damit  man  nicht  leichtfertig  mit 
dem  Allmächtigen  (wörtlich:  Allmacht  n^i^;)  umgehe.  Jener  stimmte  nicht  zu.  Was 
tat  Rabbi?  Er  kam  frühmorgens  zu  ihm  u.  sprach:  s';;?.*  ^T'i<  =  xvgts  /«rpe  ,Herr, 
sei  gegrüßt!"  Nach  einiger  Zeit  trat  er  wieder  ein  u.  sprach:  Imperator!  Wieder  nach 
einiger  Zeit  sprach  er:  Friede  sei  mit  dir,  o  König!  Dieser  sprach  zu  ihm:  Willst- du 
etwa  die  Regierung  (d.  h.  den  König)  verächtlich  machen?  Er  antwortete  ihm:  Mögen 
deine  Ohren  hören,  was  du  mit  deinem  Munde  aussprichst!  Wenn  du,  der  du  Fleisch 
u.  Blut  bist,  zu  dem,  der  dich  alle  Augenblicke  grüßt,  also  sprichst,  um  wieviel  mehr 
gilt  das  dann  von  dem,  der  den  König  aller  Könige,  den  Heiligen,  gepriesen  sei  er!  ver- 
ächtlich behandelt,  daß  er  ihn  nicht  zu  jeder  Zeit  belästigen  darf!  —  Dass.Tanch  •|'ptt49^. 

27,30:  Sie  spieen  ihn  an  (vgl.  bei  Mt  26,  67). 

27,  31:  Sie  führten  ihn  fort  zur  Kreuzigung. 

Die  Vollstreckung  der  vom  Prokurator  gefällten  Todesurteile  erfolgte 

in  der  Regel  durch  römische  Soldaten  (s.  Schürer ^  1,  470 ff.);  in  diesem 

Falle  kamen  natürlich  die  Vorschriften  des  jüdischen  Rechts  betreffs 

Abführung  eines  Delinquenten  zur  Richtstätte  (s.  bei  Apg  7,  58)  nicht 

*  So  liest  Buber;  fArukh:  "i"3  ■'-i'p.' 


Matth27,  32.33.  34(Nr.  1.2)  1037 

zur  Anwendung.  —  Eine  jüdische  Tradition  über  Jesu  Wegführung  aus 
Sanh  43^  s.  bei  Mt  26,  66  S.  1023 y. 

27,32:  Sie  trafen  einen  Mann  aus  Cyrene  mit  Namen  Simon; 
diesen  zwangen  sie,  sein  Kreuz  auf  sich  zu  nehmen  (zu  tragen). 

Vgl.  Exk.  über  den  Todestag  Jesu  6,  2.  — Zu  Cyrene  s.  bei  Apg  2, 10;  zu  dyya- 
Qsveiv  bei  Mt  5,  41  S.  344.  —  Über  die  Sitte,  daß  der  Verurteilte  sein  Kreuz  selbst  zur 
Richtstätte  trug,  s.  bei  Mt  10,  38. 

27,33:  Golgatha,  das  ist  Schädelstätte. 
Nach  der  beigefügten  Deutung  xquviov  rönog  kann  nicht  bezweifelt 
werden,  daß  das  Wort  Fokyo^ä  aus  dem  aramäischen  xpi^abr,  (hebr.  nbjbs) 
=  „Schädel",  „Kopf  entstanden  ist;  dabei  ist  im  Griechischen  zwecks 
bequemerer  Aussprache  das  letzte  h  ausgestoßen.  Woher  der  Ort  seinen 
Namen  hat,  ist  ungewiß;  die  ansprechendste  Vermutung  geht  dahin, 
daß  er  nach  seiner  Gestalt  benannt  worden  sei.  Als  Hinrichtungsstätte 
lag  er  nach  Nu  15,  35  außerhalb  der  Stadt,  s.  Sanh  42'^  bei  Apg  7,  58. 

27,34:  Sie  gaben  ihm  Wein  zu  trinken, 
der  mit  Bitterem  gemischt  war. 

1,  XoXrj,  wie  nn^,  nicht  bloß  =  Galle,  sondern  allgemein  =  Bitteres; 
vgl.  LXX  Spr  5,4;  KL  3,15,  wo  xo^  für  njrb  =  „Wermut«.  —  Mk  15,23 
genauer  ia^xvQVian^vov  oivov  „Wein,  der  mit  Myrrhen  vermischt  war". 
Über  die  bitter  machende  Kraft  der  Myrrhe  s.  Midr  HL  3, 6  (105^):  Wie 
bei  jedem,  der  Myrrhe  sammelt,  die  Hände  bitter  werden,  so  hat  sich  unser 
Vater  Abraham  selber  Bitterkeiten  u.  Qualen  auferlegt  durch  Leiden. 

2.  Daß  man  Jesu  ein  bitteres,  Betäubung  bezweckendes  Getränk 
vor  der  Kreuzigung  reichte,  entsprach  jüdischer  Sitte. 

Sanh  43":  Rab  Chisda  (f  309)  hat  gesagt:  Dem,  der  hinausging,  um  hingerichtet 
zu  werden,  gab  man  ein  Stückchen  Weihrauch  in  einem  Becher  mit  Wein,  um  ihm 
das  Bewußtsein  zu  nehmen;  s.  Spr  31,  6:  „Gebet  Rauschfcrank  dem,  der  dem  Unter- 
gang geweiht  ist,  u.  Wein  denen,  die  in  ihrer  Seele  verbittert  sind."  In  einer  Bar 
heißt  es:  Angesehene  Frauen  in  Jerus.  pflegten  ihn  (den  Wein)  freiwillig  zu  spenden 
u.  zu  senden.  Wenn  ihn  aber  die  angesehenen  Frauen  nicht  freiwillig  spendeten,  auf 
wessen  Kosten  wurde  er  dann  beschafft?  Das  ist  sicherlich  klar,  daß  es  auf  Kosten 
der  Gesamtheit  (der  Gemeinde)  geschieht,  da  es  Spr  31,  6  heißt:  „Gebet",  nämlich  auf 
eure  Kosten.  —  ||  S^'mach  2  §  9:  Man  läßt  sie  (die  zur  Hinrichtung  Abgeführten)  mit 
ihren  Brüdern  u.  Verwandten  reden,  nur  daß  keine  Verzögerung  dadurch  eintritt;  u. 
man  gibt  ihnen  Wein  mit  Weihrauch  zu  trinken,  damit  sie  sich  nicht  quälen  (infolge 
Betäubung  den  Schmerz  nicht  empfinden),  u.  man  lehrt  sie  ein  Bekenntnis  abzulegen, 
denn  wer  ein  Bekenntnis  ablegt,  hat  Anteil  an  der  zukünftigen  Welt.  ||  NuR  10  (158'^): 
Allen,  die  durch  den  Gerichtshof  hingerichtet  wurden,  gab  man  ungemischten  Wein 
■*-  ■j^-'  zu  trinken,  damit  ihm  das  Bewußtsein  genommen  würde,  um  zu  erfüllen:  „Gebet 
den  Rauschtrank  dem,  welcher  dem  Untergang  nahe  ist  .  .  .,  daß  er  trinke  u.  sein 
Elend  vergesse"  Spr  31,  6 f.  ||  Vgl.  auch  Midr  Ruth  2, 14  (132''):  (R.  Jonathan,  richtiger: 
R.  Jochanan,  f  279,  hat  Ruth  2,14  auf  sechsfache  Weise  ausgelegt;  die  5.  Auslegung 
ist  folgende:)  Die  Stelle  redet  vom  König,  dem  Messias.  „Tritt  hierher",  nähere  dich 
der  Königsherrschaft;  „u.  iß  von  dem  Brote",  das  ist  das  Brot  der  Königsherrschaft; 
„u.  tauche  deinen  Bissen  in  den  Essig",  das  geht  auf  die  Leiden,  s.  Jes  53,  5:  Und  er 


1038  Matth  27,  35.  37.  38  (Nr.  1) 

ist  durchbohrt  wegen  unsrer  Sünden;  ,u.  sie  setzte  sich  seitwärts  von  den  Schnittern", 
denn  seine  Königsherrschaft  wird  zeitweise  von  ihm  genommen  werden,  s.  Sach  14,2: 
„Ich  will  versammeln  alle  Heidenvölker  wider  Jerus.  zum  Kampfe  u.  erobert  wird  die 
Stadt"  usw.;  „u.  er  reichte  ihr  geröstete  Ähren  hin",  denn  (die  Herrschaft)  wird  zu 
ihm  zurückkehren,  s.  Jes  11,4:  „Er  schlägt  die  Erde  mit  dem  Stab  seines  Mundes." 

27,35:  Sie  teilten  seine  Kleider,  indem  sie  das  Los  warfen. 

Das  Verteilen  der  Kleider  setzt  voraus,  daß  Jesus  unbekleidet  ge- 
kreuzigt worden  ist.    Das  entsprach  auch  jüdischer  Sitte. 

Sanh6,  3:  War  (der  zur  Steinigung  Verurteilte)  vom  Steinigungsort  4  Ellen  ent- 
fernt, so  zog  man  ihm  seine  Kleider  aus.  Den  Mann  bedeckt  man  vorn,  das  Weib 
aber  von  vorn  u.  von  hinten.  So  R.  J'^huda  (um  150).  Die  Gelehrten  aber  sagten:  Der 
Mann  wird  nackt  gesteinigt,  aber  das  Weib  wird  nicht  nackt  gesteinigt.  —  Der  Götzen- 
diener u.  der  Gotteslästerer  wurden  nach  der  Steinigung  auch  nackt  ans  Holz  gehängt, 
während  an  Frauen  diese  Zusatzstrafe  überhaupt  nicht  vollzogen  wurde,  s.  Sanh  6,4; 
SDt  21, 22  §  221;  Sanh  46^  bei  Mt  27, 26  S.  1034.  ||  Zur  Verteilung  u.  Verlosung  der  Kleider 
Jesu  s.  bei  Joh  19,  24. 

27,37:  Sie  brachten  zu  seinen  Häupten  seine  Schuld  an: 
Dieser  ist  Jesus,  der  König  der  Juden. 
Todesurteile  sollten  unter  Angabe  des  Grundes  u.  der  Zeugen  öffent- 
lich bekannt  gemacht  werden. 

Sanh  6, 1  Ende:  Ein  Ausrufer  ging  vor  ihm  (dem  Delinquenten  auf  dem  Wege  zur 
Richtstätte)  her:  NN,  Sohn  des  NN,  wird  zur  Steinigung  hinausgeführt,  weil  er  die 
u.  die  Sünde  begangen  hat.  Und  NN  u.  NN  sind  die  Zeugen  gegen  ihn.  Und  jeder, 
der  Freisprechung  für  ihn  weiß,  komme  u.  tue  es  kund.  (Das  Gerichtsverfahren  konnte 
zugunsten  des  Verurteilten  noch  in  der  letzten  Minute  wieder  aufgenommen  werden, 
s.  Sanh  6, 1  bei  Mt  5,  21  S.  270  Nr.  5.)  |1  Sanh  11,  4:  Man  tötet  ihn  (den  widerspenstigen 
Gelehrten)  nicht  durch  den  Gerichtshof  in  seiner  Stadt  u.  nicht  durch  den  Gerichtshof 
in  Jahne  (Lehrstätte  des  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai,  f  um  80),  sondern  man  bringt 
ihn  hinauf  zu  dem  großen  Gerichtshof  in  Jerusalem  u.  bewahrt  ihn  (dort)  bis  zum 
(nächsten)  Fest  u.  tötet  ihn  während  des  Festes;  denn  es  heißt:  Ganz  Israel  soll  es 
hören  u.  sich  füi'chten  Dt  17, 13.  Das  sind  Worte  des  R.  fAqiba  (f  um  135).  R.  J^huda 
(um  150)  sagte:  Man  schiebt  die  Bestrafung  eines  solchen  nicht  hinaus,  sondern  man 
tötet  ihn  sofort  u.  schreibt  es  auf  u.  sendet  damit  Boten  in  alle  Ortschaften:  NN,  Sohn 
des  NN,  ist  vom  Gerichtshof  zum  Tode  verurteilt  worden.  1|  Sanh  89^  Bar:  Vier  be- 
dürfen der  öffentlichen  Bekanntmachung:  Der  Verführer  (zum  Götzendienst),  der  wider- 
spenstige Sohn,  der  widerspenstige  Gelehrte  u.  falsche  (d"'«»:!:,  des  Alibi  überführte) 
Zeugen.  Von  ihnen  steht  geschrieben  Dt  13, 12;  21,  21 ;  17, 13:  Alles  Volk  u.  ganz  Israel 
sollen  es  hören  u.  sich  fürchten.  Bei  den  falschen  Zeugen  aber  steht  geschrieben 
Dt  19,20:  „Die  übrigen  sollen  es  hören  u.  sich  fürchten",  weil  nicht  jedermann  zum 
Zeugnis  geeignet  ist.  (Die  zum  Zeugnis  Ungeeigneten,  wie  Spieler,  Diebe,  Wucherer 
usw.,  bedürfen  der  Abschreckung  nicht,  da  sie  ja  als  Zeugen  nicht  zugelassen  werden; 
darum  heißt  es  Dt  19,  20  nicht  „alle",  sondern  „die  übrigen"  sollen  es  hören  usw.)  — 
Ferner  s.  die  Tradition  über  Jesu  Hinausführung  in  Sanh  43*  bei  Mt  26,  66  S.  1023>'. 

27,38:  Da  wurden  mit  ihm  zwei  Räuber,  hjavai,  gekreuzigt. 
1.  Atjöt/^'c,  oft  im  Rabbin.  o'^-jp-ib  (o^-job);  sogar  Neubildungen:  nx-jpib 
=  Räuber;  wjtDib  u.  Mi-jc-ib  =  Räuberei;  o-jpl:  =  rauben,  x^ppib  ist 
unmittelbar  zu  Xr^aieia  „Räuberei"  zu  stellen.  ]|  Über  das  Treiben  der 
Räubern,  der  Sikarier  (der  fanatischen  Partei  der  Patrioten  (Ttxtt^xo/jsicarii, 
■p"?i^"p)  zur  Zeit  der  römischen  Prokuratoren  s.  Schürer  ^  1,  573  f.  580.  584. 


Matth  27,  38  (Nr.  2.  3).  27,  89.  40.  42  1039 

2.  Nach  jüdischem  Recht  sollten  nicht  zwei  Verurteilungen  u.  Hin- 
richtungen an  einunddemselben  Tage  vorgenommen  werden,  s.  Sanh  6, 4, 
S.  1034:  Man  richtet  nicht  zwei  Menschen  an  Einem  Tage.  —  Dagegen 
erzählt  Josephus  mehrfach  von  Massenhinrichtungen  durch  die  Prokura- 
toren. Bell.  Jud.  2, 13, 2  nahm  der  Landpfleger  Felix  (52—60  n.  Chr.)  den 
Räuberhauptmann  Eleazaros,  der  zwanzig  Jahre  lang  das  Land  aus- 
geplündert hatte,  u.  viele  von  dessen  Leuten  lebendig  gefangen  u. 
schickte  sie  nach  Rom.  Die  Menge  aber  der  von  ihm  gekreuzigten 
Räuber  u.  derjenigen,  die  er  bestrafte,  weil  sie  in  deren  Gemeinschaft 
erwischt  wurden,  war  unermeßlich.  —  Davon  sticht  merkwürdig  ab 
Makl,10:  Ein  Synedrium,  das  in  einer  Jahrwoche  (von  7  Jahren)  Einen 
iiinrichten  läßt,  wird  ein  verderberisches  genannt;  R.  El^azar  b.  ?Azarja 
(um  100)  sagte:  Einen  in  siebzig  Jahren.  R.  Tarphon  (um  100)  u.  R,  fAqiba 
(t  um  135)  sagten:  Wenn  wir  im  Synedrium  gewesen  wären,  so  würde 
niemals  ein  Mensch  durch  es  hingerichtet  worden  sein.i  Rabban  Schim^on 
b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Auch  diese  würden  (durch  ihre  Milde)  die 
Blutvergießer  in  Israel  vermehrt  haben, 

3.  Als  Kreuzigungsstätte  für  Räuber  erscheint  in  einer  sprichwört- 
lichen Redensart  der  Ort,  an  dem  sie  ihr  Handwerk  trieben.  Midr  Esth 
1, 12  (90«) :  R.  Schemuel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Da,  wo  der 
Räuber  geraubt  hat  —  da  wird  er  gekreuzigt.  —  Der  Ausspruch  als 
Sprichwort  bezeichnet  in  TanchB  r!i:jn  §7  (50*^). 

27,  39:  Die  Vorübergehenden  .  .  .  schüttelten  ihre  Köpfe. 

Das  Kopfschütteln  nach  Jes  37, 22 ;  Jer  18, 1 6 ;  Ps  22, 8 ;  44, 15 ;  109, 25 ; 
Hi  16,  4  ein  Ausdruck  des  Hohnes. 

Sir  12, 18:  Den  Kopf  wird  er  schütteln  ys^  »si  u.  seine  Hand  schwingen.  —  Das. 
13,7:  Mit  seinem  Kopf  wird  er  wider  dich  schütteln  "fVs  yj^  iws^av  ||  Über  den  ins 
Gefängnis  geworfenen  Messias  heifst  es  P^siqR  37  (163^):  Tag  für  Tag  haben  die  Völker 
der  Welt  mit  ihren  Zähnen  geknirscht  u.  mit  ihren  Augen  gewinkt  u.  mit  ihren  Köpfen 
geschüttelt  on^csia  c^yjyj«^  u.  ihren  Mund  weit  aufgesperrt,  s.  Ps  22,  8. 

27,40:  Wenn  du  derSohnGottes  bist,  so  steige  herab  vom  Kreuz. 

Weish  2, 13. 16flf.  20:  Er  (der  Gerechte)  nennt  sich  ein  Kind  des  Herrn.  ...  Er 
prahlt  mit  Gott  als  seinem  Vater.  Laßt  uns  sehen,  ob  seine  Worte  wahr  sind,  u.  er- 
proben, welchen  Ausgang  er  nimmt.  Denn  wenn  der  Gerechte  Gottes  Sohn  vl6g  dsov 
ist,  so  wird  Er  sich  seiner  annehmen  u.  ihn  aus  der  Hand  der  Widersacher  erretten.  .  .  . 
Zu  schmachvollem  Tode  laßt  uns  ihn  verurteilen,  denn  es  wird  ja  seine  Errettung 
stattfinden  nach  seinen  Worten. 

27,42:  Andren  hat  er  geholfen,  sich  selbst  kann  er  nicht  helfen. 

Tanch  n"'3S3  ans  26^  sagt  R.  Elfazar  umgekehrt  zu  Gn  31,30  („Warum  hast  du 
meine  Götter  gestohlen?"):  Sich  selbst  kann  (der  Götze)  nicht  retten  vor  Diebstahl,  wie 
könnte  er  andre  retten?  h^imh  n^isi  ■j'^sn  n^^nxV  najjn  p  ^-sn?  nbis"'  nj^s  nsssK 
Dasselbe  TanchB  ciu:  §8(25^). 

^  Trotz  der  im  AT  nicht  gerade  selten  festgesetzten  Todesstrafe!  Man  sieht,  was 
aus  dem  Gesetz  gemacht  werden  konnte,  wenn  dessen  Pfleger,  die  Schriftgelehrten, 
es  wollten. 


1040  Matth  27,  43.  45  (Nr.  1) 

27,43:  Denn  er  sprach:  Gottes  Sohn  bin  ich. 

pesiqR21  (100'^):  R.  Chijja  b.  Abba  (um  280)  hat  gesagt:  Wenn  der  Sohn  der 
Hure  (^  Jesus)  zu  dir  sagt:  „Es  gibt  zwei  Götter",  so  antworte  ihm:  Ich  bin  der  vom 
(Schilf-)Meere,  ich  bin  der  vom  Sinai  (immer  einundderselbe  Gott).  —  Nach  diesem 
Ausspruch  des  R.  Chijja  wird  Midr  Ps  22  §16  (94**)  das  Doppelte  „mein  Gott,  mein 
Gott"  Ps22, 2  gedeutet:  „Mein  Gott"  am  Schilfmeer,  „mein  Gott"  am  Sinai.  ||  P^'siqR  21 
(101*):  R.  Chijja  b.  Abba  hat  gesagt:  Wenn  der  Sohn  der  Hure  zu  dir  sagt:  „Es  gibt 
zwei  Götter",  so  antworte  ihm:  Es  steht  nicht  geschrieben  Dt  5,  4:  Von  Angesicht 
zu  Angesicht  „redeten  Götter",  sondern  „redete  Jahve"  mit  euch. 

27,  45:  Von  der  sechsten  Stunde  an  ward  eine  Finsternis 
über  das  ganze  Land  bis  zur  neunten  Stunde. 

1.  Wunderbare  Geschehnisse  beim  Tode  von  Rabbinen. 

p?AZ  3,  42",  1:  Als  R.  Nachum  b.  Simai  (um  260)  entschlafen  war,  verhüllte  man 
die  Bildsäulen  mit  Decken.  Man  sagte:  Wie  er  sie  während  seines  Lebens  nicht  an- 
gesehen hat  (wegen  Ex  20,  4  usw.),  so  soll  er  sie  auch  nicht  in  seinem  Tode  ansehen. 
Aber  wissen  sie  (die  Toten)  denn  irgend  etwas?  R.  Schimfon  b.  Laqisch  (um  260)  hat 
gesagt:  Zwischen  uns  (den  Lebenden)  u.  den  Gerechten  (die  entschlafen  sind)  ist  der 
einzige  Unterschied  das  Sprechen  des  Mundes.  R.  Z'^fira  (um  300)  hat  gesagt:  Der  Tote 
hört  sein  Lob  ähnlich  wie  im  Traum.  R.  Aschjan  (um  360)  hat  gesagt:  Der  Tote  hört 
sein  Lob  ähnlich  wie  im  Traum.  Und  warum  wurde  Nachum  (b.  Simai)  der  „aller- 
heiligste  Mann"  genannt?  Weil  er  sein  lebelang  kein  Bild  auf  einer  Münze  angesehen 
hat.  Und  warum  wird  unser  Lehrer  (Rabbi)  der  „Heilige"  genannt?  Weil  er  sein  lebe- 
lang seine  (Beschneidungs)stelle  nicht  angesehen  hat.  —  Als  R.  Acha  (um  320)  ent- 
schlief, wurden  die  Sterne  zur  Mittagszeit  sichtbar.  Als  R.  Chanan  (um  300)  entschlief, 
stürzten  die  Statuen  um.  Als  R.  Jochanan  (f  279)  entschlief,  stürzten  die  Bildsäulen 
um.  Man  sagte:  Weil  kein  Bildnis  so  schön  war  wie  er.  Als  R.  Chanina  von  B'^rath 
Chavran  (Hauran?)  i^Tin  r^a  entschlief,  spaltete  sich  das  Meer  von  Tiberias.  Man 
sagte:  Als  er  einmal  hinaufzog  zur  Bestimmung  eines  Schaltjahres,  hatte  sich  das 
Meer  vor  ihm  gespalten.  Als  R.  Hoscha?ja  (IL,  um  300)  entschlief,  fiel  das  Schand- 
haus "ji^p  von  Tiberias  ein.^  Als  R.  Ji^chaq  b.  Eljaschib  (um  350)  entschlief,  lösten 
sich  siebzig  Schwellen  aus  Häusern  in  Galiläa.  Man  sagte:  AVeil  diese  durch  sein 
Verdienst  gehalten  worden  waren  (man  hat  also  an  baufällige  Häuser  zu  denken,  die 
bei  seinem  Tode  einstürzten).  Als  R.  Sch®muel  b.  Jipchaq  (um  300)  entschlief,  wurden 
Zedern  im  Lande  Israel  entwurzelt.  Man  sagte:  Weil  er  ein  Reis  zu  nehmen  u.  damit 
vor  der  Braut  (bei  deren  Einholung)  einherzutanzen  pflegte.  Und  die  Rabbinen  murrten 
deshalb  wider  ihn  (weil  sein  Benehmen  seines  Standes  unwürdig  sei);  da  sagte  R.  Z*^?ira 
zu  ihnen:  Laßt  ihn,  dieser  Alte  weiß  nicht,  was  er  tut!  Als  er  entschlafen  war,  fiel 
eine  Feuergarbe  vom  Himmel  u.  bildete  eine  Scheidewand  zwischen  seiner  Totenbahre 
u.  dem  Trauergefolge,  u.  drei  Stunden  lang  gingen  Donner  u.  Blitz  durch  die  Welt. 
Ei  (lies  s-i-  statt  s^-n),  das  hat  diesem  Alten  das  Reis  bewirkt!  Und  eine  Himmels- 
stimme ging  aus,  welche  rief:  Wehe,  entschlafen  ist  Sch^'muel  b.  Jigchaq,  der  Voll- 
bringer von  Liebeswerken!  Als  R.  Jose  b.  Chälaphta  (um  150)  entschlief,  ließen  die 
Kanäle  in  Laodicea  Blut  entströmen.  Man  sagte:  Weil  er  sein  Leben  für  die  Beschnei- 
dung hingab.    Als  R.  Abbahu  (um  300)  entschlief,  weinten  die  Säulen  von  Cäsarea.^ 

^  Vermutlich  ist  Hoschafja,  der  Genosse  der  Gelehrten,  um  300,  gemeint,  dessen 
Keuschheit  gerühmt  wird;  dann  ist  bei  „Schandhaus"  an  ein  Dimenhaus  zu  denken. 

*  Joel,  Blicke  in  die  Religionsgeschichte  1,  8  zitiert  hierzu  als  Parallele  die  be- 
kannte Erzählung  bei  Eusebius,  De  martyr.  Palaest.  9  fin.,  daß  bei  einer  grausamen 
Christen  Verfolgung  in  Cäsarea  viele  Säulen  der  dortigen  öffentlichen  Hallen  Tränen 
vergossen  u.  daß  Straßen  u.  Plätze  auf  unerklärliche  Weise  bewässert  wurden.  Man 
habe  diese  Erscheinung  als  Trauer  der  Steine  über  die  vorgefallenen  Grausamkeiten 
gedeutet,  wo  Menschenherzen  ungerührt  u.  teilnahmlos  blieben. 


Matth27,45(Nr.l.2)  1041 

Die  Kuthäer  st")3  (hier  wohl  =  Christen)  sagten:  Die  lärmen  nur  vor  Freude.  Die 
Israeliten  antworteten:  Sollten  die  Fernen  (ihr  Kuthäer)  wissen,  wie  die  Nahen  lärmen 
(nämlich  vor  Trauer)?  —  Die  Angabe  über  R.  Sch^muel  b.  Ji^chaq  auch  pPea  1, 15*^,  31; 
bK'^th  17».  II  MQ  25'^:  Als  die  Seele  des  R.  Abbahu  (um  300)  zur  Ruhe  einging,  ließen 
die  Säulen  von  Cäsarea  Wasser  (Tränen)  niederfallen;  als  die  des  R.  Jose  (b.  Chalaphta, 
um  150,  zur  Ruhe  einging),  strömte  aus  den  Rinnen  von  Sepphoris  Blut;  als  die  des 
R.  Ja?aqob  (b.  Idi?,  um  280),  wurden  die  Sterne  bei  Tage  sichtbar;  als  die  des  R.  Asi 
(um  300),  wurden  alle  Bäume  entwurzelt;  als  die  des  R.  Chijja  (um  280),  fielen  Steine 
von  Feuer  vom  Himmel;  als  die  des  R.  M^nachem  b.  Jose  (um  180),  wurden  die  Statuen 
plattgerieben,  so  daß  sie  zu  Matten  s-'-^'ssn«  (?  entstellt,  vgl.  LevyS,  80^)  wurden. 
Als  die  des  R.  Tanchum  b.  Chijja  (um  300),  wurden  alle  Statuen  zertrümmert;  als  die 
des  R.  Eijaschib,  wurden  siebzig  Einbrüche  (von  Dieben)  in  N'^hardefa  ausgeführt;  als 
die  des  Rab  Hamnuna  (um  290),  fielen  Hagelsteine  vom  Himmel;  als  die  des  Rabbah 
(t  330)  u.  die  des  Rab  Joseph  (f  333),  stießen  die  Ufer  (-e-3  oder  Steine?)  des  Euphrat 
aneinander;  als  die  des  Abaje  (f  338/39)  u.  die  des  Raba  (f  352),  stießen  die  Ufer  des 
Tigris  aneinander.  Als  die  Seele  des  R.  M^'scharsch^ja  (um  350),  trugen  die  Dattel- 
palmen Dornen.  ||  Man  beachte,  wie  in  pf  AZ  3  das  Wunderzeichen  meist  einem  hervor- 
stechenden Zug  im  Wesen  oder  Leben  des  Verstorbenen  entspricht. 

2.  Als  ein  wunderbares  Ereignis  ist  auch  die  das  ganze  jüdische 
Land  {yrj  =  y^a.  =  Palästina)  deckende  Finsternis  in  der  Sterbestunde 
Jesu  gemeint.  An  eine  Sonnenfinsternis  kann  schon  aus  dem  Grunde 
nicht  gedacht  werden,  weil  das  jüdische  Passahfest  in  die  Vollmondszeit 
fiel,  also  in  eine  Zeit,  in  der  eine  Sonnenfinsternis  nicht  eintritt. 

Über  die  an  eine  Sonnen-  u.  Mondfinsternis  sich  knüpfenden  abergläubischen  Vor- 
stellungen s.  Sukka  29 '^  Bar:  Wenn  die  Sonne  verdunkelt  wird  ("p")-),  so  ist  das  ein 
schlimmes  Zeichen  für  die  ganze  Welt.  Womit  läßt  sich  die  Sache  vergleichen?  Mit 
einem  König  von  Fleisch  u.  Blut,  der  seinen  Knechten  ein  Mahl  bereitete  u.  ihnen  eine 
Leuchte  hinsetzte.  Er  ärgerte  sich  über  sie  u.  sprach  zu  seinem  Knechte:  Nimm  die 
Leuchte  vor  ihnen  weg  u.  laß  sie  im  Finstern  sitzen!  —  Bar:  R.  Meir  (um  150)  sagte: 
Sooft  die  Himmelslichter  verdunkelt  werden  (d.  h.  eine  Sonnen-  oder  Mondfinsternis 
eintritt),  ist  das  ein  schlimmes  Zeichen  für  die  Hasser  Israels  (euphemistisch  =  für 
die  gottlosen  Israeliten,  vgl.  S.  133  (f),  weil  diese  an  Schläge  gewöhnt  sind.  Gleich 
einem  Kinderlehrer,  der  in  die  Schule  mit  dem  Riemen  in  seiner  Hand  eintritt.  Wer 
.  fürchtet  sich?  Wer  daran  gewöhnt  ist,  Tag  für  Tag  Schläge  zu  bekommen,  der  fürchtet 
sich.  —  Bar:  Wenn  die  Sonne  verdunkelt  wird,  so  ist  das  ein  böses  Zeichen  für  die 
Völker  der  Welt;  wenn  der  Mond  verdunkelt  wird,  so  ist  das  ein  böses  Zeichen  für 
die  Hasser  Israels  (wie  oben),  weil  die  Israeliten  nach  dem  Monde  u.  die  Völker  der 
Welt  nach  der  Sonne  (ihre  Jahre)  rechnen.  Wird  die  Sonne  im  Osten  verdunkelt,  so 
ist  das  ein  schlimmes  Zeichen  für  die  im  Osten  Wohnenden;  wenn  im  Westen,  so  ist 
das  ein  schlimmes  Zeichen  für  die  im  Westen  Wohnenden;  wenn  in  der  Mitte  des 
Firmaments,  so  ist  das  ein  schlimmes  Zeichen  für  die  ganze  Welt.  Ist  ihr  Aussehen 
wie  Blut,  so  kommt  das  Schwert  (Krieg)  in  die  Welt';  ist  es  wie  ein  Sack  (schwarz), 
so  kommen  die  Pfeile  der  Hungersnot  in  die  Welt;  gleicht  es  diesem  u.  jenem,  so 
kommen  das  Schwert  u.  die  Pfeile  der  Hungersnot  in  dife  Welt.  Wenn  die  Verfinste- 
rung bei  ihrem  Untergang  eintritt,  so  zögert  die  Strafe  «u  kommen;  wenn  bei  ihrem 
Aufgang,  so  eilt  sie  zu  kommen.  Einige  sagen,  die  Sache  verhalte  sich  umgekehrt. 
Und  du  findest  kein  Volk,  das  gestraft  würde,  ohne  daß  seine  Gottheit  zugleich  mit 
ihm  gestraft  wird;  vgl.  Ex  12, 12:  „An  allen  Göttern  Ägyptens  werde  ich  Strafgerichte 
üben."  Wenn  die  Israeliten  den  Willen  Gottes  tun,  so  brauchen  sie  sich  vor  allem 
diesem  nicht  zu  fürchten,  s.  JerlO,  2:  „Also  spricht  Jahve:  Den  Weg  der  Heiden  ge- 
wöhnt euch  nicht  an  u.  vor  den  Zeichen  des  Himmels  erschrecket  nicht,  weil  die 
Heiden  vor  jenen  erschrecken",  die  Heiden  sollen  davor  erschrecken,  aber  nicht  die 
Strack  u.Billerbeck,  NT  I.  66 


1042  Matth  27,  45  (Nr.  2.  3).  27,  46.  47.  49.  50 

Israeliten.  —  Bar:  Aus  vier  Gründen  wird  die  Sonne  verfinstert:  wegen  eines  Akademie- 
vorsitzenden, der  starb,  aber  nicht  gebührend  betrauert  wurde;  wegen  eines  verlobten 
Mädchens,  das  in  der  Stadt  (bei  ihrer  Vergewaltigung)  schrie,  ohne  daß  man  ihr  half 
(vgl.  Dt  22,  23  if.);  wegen  Beiliegens  bei  einem  Männlichen  u.  wegen  zweier  Brüder, 
deren  Blut  zu  gleicher  Zeit  (auf  Einmal)  vergossen  wird.  Aus  vier  Gründen  werden 
(beide)  Hinimelslichter  verfinstert:  wegen  der  Urkundenfälscher,  wegen  der  falschen 
Zeugen,  wegen  der  Kleinviehzüchterei  im  Lande  Israel  u.  wegen  solcher,  die  gute 
(fruchttragende)  Bäume  umhauen.  —  Die  ersten  drei  oben  anonym  gebrachten  Baraithas 
werden  in  M^kh  Ex  12,  2  (3'^)  Rabbi,  R.  Jose  (um  150)  u.  R.  Jonathan  (um  140)  zu- 
geschrieben. —  Die  Schluß-Bar  auch  Derekh  Ereg  2. 

3.  Zur  Bedeutung  der  Finsternis  in  Mt  27,45  vgl.  Midr  KL  3, 28  (71'^): 
R.  Sch<=muel  b.  Nachman  (um  260)  hat  gesagt:  Gott  rief  die  Dienstengel 
u.  sprach:  Wenn  ein  König  von  Fleisch  u.  Blut  trauert,  was  tut  er?  Sie 
antworteten:  Er  kleidet  sich  in  schwarze  Gewänder  u.  verhüllt  sein 
Haupt  mit  Sacktuch.  Er  sprach:  Auch  ich  werde  so  tun;  das  meint 
Jes50,  3:  „Ich  kleide  die  Himmel  in  Schwärze  u.  mache  Sacktuch  zu 
ihrer  Hülle."  Und  weiter  fragte  er:  Wenn  ein  König  von  Fleisch  u. 
Blut  trauert,  was  tut  er?  Sie  antworteten:  Er  löscht  die  Lampen  aus. 
Er  sprach:  Auch  ich  werde  so  tun;  das  meint  Joel2,10:  Sonne  u.  Mond 
werden  schwarz  u.  die  Sterne  ziehen  ihren  Glanz  ein. 

27,46:  ?;A£t  rjXal  Xeixd  aaßax^avd;   das  ist:  Mein  Gott, 
mein  Gott,  warum  hast  du  mich  verlassen? 

Der  Text.  rec.  liest:  rjll  r^li.  Diese  Form  hat  auch  der  Targum  zu 
Ps22,2  gebraucht:  i3F)I?3^  n^  brjp  "^bN  "^bx.  Sieht  man  vom  Fragewort 
no  ?iDo  (=  x^>  „warum?")  ab,  so  hätte  hiernach  Jesus  das  Psalmwort 
genau  so  gesprochen,  wie  es  im  Targum  vorliegt.  —  Die  Deutung  der 
Worte  durch:  S^sä  /.lov  ^ss  f^iov,  Iva  xi  ^xs  iyxarsXiTieQ;  entspricht  den 
LXX.  —  Auslegungen  von  Ps  22, 2  auf  Israel  u.  Esther  s.  bei  Job  19, 24 ; 
eine  weitere  Auslegung  des  doppelten  „mein  Gott"  s.  bei  Mt27,43. 

nbx  „mein  Gott"  Ps22,2  wird  M«kh  Ex  15,  2  (44^)  als  Beweis  für 
die  Regel  angeführt,  daß  bx  den  barmherzigen  Gott  (nicht  den  strengen 
Richter)  bezeichne:  „Dieser  ist  mein  Gott"  ^1?n  Ex  15,  2;  mit  mir  ver- 
fährt er  nach  dem  Maß  der  Barmherzigkeit  (als  barmherziger  Gott), 
aber  mit  meinen  Vätern  verfuhr  er  nach  dem  Maß  des  strengen  Rechts 
(denn  es  heißt  Ex  15,  2:  -^nx  ^ibs);  denn  ^bx  „mein  Gott"  bedeutet  nur  das 
Maß  der  Barmherzigkeit,  s.  Ps  22, 2 ;  ferner  Nu  12, 13  n?  bx  u.  Ps  118, 27. 

27,  47.  49:  Er  ruft  den  Elias.  .  .  .  W^ir  wollen  sehen, 

ob  Elias  kommen  wird,  um  ihn  zu  retten. 

Die  Worte  sind  als  Hohn  gemeint;  zugrunde  aber  liegt  ihnen  der 

Volksglaube,  daß  es  mit  zu  den  Aufgaben  des  Elias  gehöre,  aus  dem 

Jenseits  zu  erscheinen,  um  Frommen  Errettung  aus  ihrer  Not  zu  bringen. 

Belege  s.  Exk.  über  Elias  I,  3. 

27,50:  Er  gab  den  Geist  auf. 
Der  Todestag  Jesu  war  ein  Freitag.    Vom  Tode  an  einem  Freitag 


Matth27,51  (5U-3)  1043 

heißt  es  K'^th  103'':  Stirbt  einer  am  Rüsttag  auf  den  Sabbat  (^  Freitag), 
so  ist  das  ein  gutes  Zeichen  für  ihn.  —  Raschi:  Denn  er  geht  sofort 
zur  Ruhe  ein.  —  Parallelstelle:  AbothRN  25. 

27,51  51:  Der  Vorhang  des  Tempels  zerriß, 
To  xatankTaa(.iu  tov  vaov  ea^ir^^'j- 

1.  Über  die  Vorhänge  des  Heiligtums  im  allgemeinen. 

K'th  106 f*:  R.  Z^'fira  (um  300)  hat  gesagt,  Rab  (f  '247)  habe  gesagt:  Dreizehn  Vor- 
hänge pis'iD  waren  im  zweiten  Heiligtum:  sieben  entsprechend  den  sieben  Toren  (des 
Vorhofes),  einer  für  den  Eingang  zum  Heiligtum  (d.  h.  zum  Heiligen  des  Tempels), 
einer  für  den  Eingang  zur  Tempelvorhalle  n"5l^8 ,  zwei  vor  dem  Allerheiligsten  u.  zwei 
diesen  entsprechend  auf  dem  Söller  (zwischen  den  Räumen,  die  sich  über  dem  Heiligen 
u.  Allerheiligsten  befanden).  Parallele:  Joma  54^  —  Die  Stelle  wird  verdächtig  durch 
die  Zahl  13,  die  auch  sonst  gern  als  runde  Summenzahl  bei  Tempelgerätschaften  ge- 
nannt wird,  u.  durch  den  anderweitig  nirgends  erwähnten  Vorhang  vor  der  Vorhalle.  !| 
Sch'qS,  1:  (Der  Priester)  El?azar  stand  den  Vorhängen  vor.  —  pSch'^q  5,  49^^,28  fügt 
hinzu:  Er  war  über  die  Weber  der  Vorhänge  gesetzt.  1|  TSch'^q  2,6  (175):  Frauen  webten 
die  V^orhänge  .  .  .;  sie  erhielten  ihren  Lohn  aus  der  Hebe  der  Tempelhalle  (d.  h.  aus 
den  Erträgen  der  Scheqelsteuer).  —  pSch'q4, 48^,  22:  Sch^muel  (f  254)  hat  gesagt: 
Die  Frauen,  die  die  Vorhänge  webten,  erhielten  ihren  Lohn  aus  der  Hebe  der  Tempel- 
halle. Rab  Huna(t  297)  hat  gesagt:  Aus  der  Hebe  für  Tempelreparaturen. —  In  K'^^thlOö'* 
vertritt  Rab  (f  247)  die  Meinung  Sch*^'muels  u.  Rab  Nachnian  (f  320)  die  des  Rab  Huna. 

2.  Der  Vorhang  vor  dem  Heiligen. 

Josephus,  Bell.  Jud.  5, 5, 4:  (Das  Heilige  des  Tempels)  hatte  goldene  Türen,  55  Ellen 
hoch  u.  16  Ellen  breit;  vor  ihnen  befand  sich  ein  gleichgroßer  Vorhang  xaTccnsraa^irt, 
babylonisches  Gewebe,  kunstvoll  gewirkt  aus  blauem  Purpur,  Byssus,  Karmesin  u. 
rotem  Purpur  (vgl.  LXX  Ex  26,  36),  bewundernswert  gearbeitet,  nicht  eine  gedanken- 
lose Stoffverbindung  enthaltend,  sondern  gleichsam  ein  Abbild  des  Alls.  Denn  der  Vor- 
hang schien  mit  dem  Karmesin  das  Feuer  anzudeuten,  mit  dem  Byssus  die  Erde,  mit 
dem  blauen  Purpur  die  Luft  u.  mit  dem  roten  Purpur  das  Meer,'  indem  bei  einem 
Teil  von  ihnen  die  Farbe,  beim  Byssus  aber  u.  bei  dem  roten  Purpur  die  Herkunft 
die  Veranlassung  zur  Vergleichung  bot;  denn  jenen  (den  Byssus)  erzeugt  die  Erde  u. 
diesen  das  Meer  (durch  Lieferung  der  Purpurschnecke).  ||  Tamid  7,  1 :  Wenn  der  Hohe- 
priester (selbst  mit  dem  Räucherwerk  in  das  Heilige)  hineinging,  um  sich  niederzuwerfen 
(zum  Gebet),  faßten  ihn  drei  Priester  (beim  Hinaufsteigen  auf  den  zwölfstufigen  Tenipel- 
aufgang)  an,  der  eine  bei  seiner  Rechten,  der  andre  bei  seiner  Linken,  der  dritte  bei 
den  Edelsteinen  (des  Ephod).  Wenn  der  Vorsteher  (der  Priester)  die  Tritte  des  Hohen- 
priesters vernahm,  daß  dieser  wieder  herauskommen  wollte,  dann  hob  er  ihm  den  Vor- 
hang (der  das  Heilige  von  der  Vorhalle  trennte)  in  die  Höhe;  darauf  ging  er  selbst 
(der  Priestervorsteher)  hinein,  warf  sich  nieder  u.  kam  heraus.  Dann  gingen  seine  Brüder, 
die  Priester,  hinein,  warfen  sich  nieder  u.  kamen  heraus. 

3.  Der  Vorhang  vor  dem  Allerheiligsten, 

Josephus  Bell.  Jud.  5,  5,  5:  Der  innerste  Teil  des  Tempels  (d.  h.  das  AUerheiligste) 
war  20  Ellen  groß  u.  wurde  gleicherweise  durch  einen  Vorhang  xnransTccafXKn  gegen 
den  äußeren  Teil  (d.  h.  das  Heilige)  abgeschlossen.  ||  Sch'^q8,  5:  Rabban  Schimfon 
b.  Gamliel  (um  140)  sagte  im  Namen  des  R.  Schimfon,  des  Vorstehers:  Die  Dicke  des 
Vorhangs  betrug  eine  Handbreite;  auf  72  (Aufzugs-)Fäden  (oder  Schnüren)  ward  er  ge- 
webt u.  zu  jedem  Faden  gehörten  24  (Einzel-)Fäden.  Seine  Länge  betrug  40  Ellen,  seine 
Breite  20  Ellen,  u.  aus  82  Myriaden  ^  (Fäden)  war  er  hergestellt.  In  jedem  Jahre  fertigte 

•  Die  Stoffe  des  Vorhangs  also  ein  Abbild  der  vier  Weltelemente. 
^  xia-i  Myriade  =  10000;  Raschi  erwähnt  eine  andre  Lesart:  riai-i;  dann  ist  zu 
übersetzen:  Von  82  Mädchen  wurde  er  hergestellt. 

66* 


1044  Matth  27,  51  («  3.  4) 

man  zwei  an,  u.  300  Priester  tauchten  ihn  unter  (im  Falle  seiner  Verunreinigung).  —  Der 
letzte  Satz  scheint  Sch*^muel  (f  '254)  zu  der  Bemerkung  veranlaßt  zu  haben  (s.  Chul  dO^), 
daß  sich  die  Gelehrten  in  dieser  Mischna  einer  Übertreibung  schuldig  gemacht  hätten.  — 
Raschi,  zu  Chul,  deutet  diese  Stelle  wohl  mit  Recht  auf  den  Vorhang  vor  dem  Alier- 
heiligsten,  teilt  aber  auch  mit,  daß  andre  sie  auf  den  Vorhang  vor  dem  Heiligen  be- 
zögen, vgl.  TSch^qg,  13ff.  (178).  —  Parallelen:  Tamid  ß^b;  ExR  50  (103b);  NuR  4 
(142  b).  II  Joma  5,  1 :  Er  (der  Hohepriester  am  Versöhnungstage)  nahm  die  Kohlenpfanne 
in  seine  rechte  Hand  u.  den  Löffel  (mit  dem  Räucherwerk)  in  seine  linke  Hand  u. 
schritt  durch  den  Tempel  (das  Heilige),  bis  er  zwischen  die  beiden  Vorhänge  kam,  die 
das  Heilige  vom  Allerheiligsten  trennten.  Zwischen  ihnen  aber  war  ein  Zwischenraum 
von  einer  Elle.  R.  Jose  (um  150)  sagte:  Es  war  dort  nur  Ein  Vorhang,  s.  Ex  26, 83: 
Es  scheide  der  Vorhang  (also  nur  einer)  für  euch  zwischen  dem  Heiligtum  u.  dem 
Allerheiligsten.^  Der  äußere  (d.  h.  der  vordere  Vorhang)  war  an  der  Südseite  auf- 
geheftelt,^  der  innere  an  der  Nordseite.  Er  ging  zwischen  ihnen  hin,  bis  er  an  die 
Nordseite  kam ;  dann  wandte  er  sein  Angesicht  (nachdem  er  hinter  den  zweiten  Vor- 
hang getreten  war)  nach  Süden,  ging  weiter,  indem  er  den  Vorhang  an  seiner  linken 
Seite  hatte,  bis  er  an  die  Lade  kam  (usw.,  s.  die  Fortsetzung  bei  Rom  3, 25).  |1  Joma  5, 4: 
(Der  Hohepriester  am  Vers.tage)  nahm  das  Blut  des  Farren  u.  setzte  das  Blut  des 
Bockes  nieder  u.  spritzte  von  jenem  gegen  den  Vorhang  vor  der  Lade  von  außen  (d.  h. 
vom  Heiligen  aus)  Einmal  nach  oben  u.  siebenmal  nach  unten.  .  .  .  Dann  nahm  er  das 
Blut  des  Bockes  u.  setzte  das  Blut  des  Farren  nieder  u.  spritzte  von  jenem  gegen  den 
Vorhang  vor  der  Lade  von  außen.  Einmal  nach  oben  u.  siebenmal  nach  unten.  ||  Git56b: 
Titus  nahm  ein  Schwert  u.  zerschnitt  den  Vorhang.  Und  es  geschah  ein  Wunder:  Blut 
spritzte  empor  u.  Titus  meinte,  daß  er  ihn  selbst  (nämlich  Gott)  getötet  habe.  .  .'. 
Dann  nahm  er  den  Vorhang  u.  machte  eine  Art  Korb  daraus,  ließ  alle  Tempelgeräte 
hineinlegen  u.  auf  ein  Schiff  schaffen,  um  damit  in  seiner  Stadt  zu  triumphieren.  || 
TJomaS, 8  (186):  R.  Elfazar  b.  Jose  (um  180,  so  zu  lesen  statt  „R.  Jose")  hat  gesagt: 
Ich  habe  ihn  (den  Vorhang)  in  Rom  gesehen,  u.  es  befanden  sich  daran  sehr  viele 
Blutstropfen.  Man  sagte  mir:  Die  rühren  von  dem  Blut  des  Vers.tages  her.  —  Das- 
selbe pJomao,42t',  3rbJoma57^  II  Joma54a:  Rab  Qattina  (Q^tina?  um  270)  hat  ge- 
sagt: Wenn  die  Israeliten  zum  Fest  (nach  Jerusalem)  hinaufgezogen  waren,  rollte  man 
ihnen  den  Vorhang  zusammen  u.  zeigte  ihnen  die  Kerube,  wie  sie  aneinander  hingen; 
u.  man  sagte  zu  ihnen:  Sehet  eure  Liebe  bei  Gott,  wie  die  Liebe  des  Mannes  u.  des 
Weibes!^  (Im  folgenden  wird  dann  darüber  verhandelt,  ob  sich  die  Stelle  auf  das 
1 .  oder  auf  das  2.  Heiligtum  beziehe.) 

4,  Welcher  Vorhang-  ist  Mt  27,  51  gemeint? 

1  Makk  4,  51  werden  die  Vorhänge  im  Heiligtum  allgemein  xara- 
nsraai-iaTa  genannt.  —  Josephus  nennt  sowohl  den  äußeren  Vorhang 
(vor  dem  Heiligen)  als  auch  den  inneren  (vor  dem  Allerheiligsten) 
xaransraoiia,  s.  oben  Nr.  2  u.  3.  —  Der  Hebräerbrief  hat  nur  den  Vor- 
hang vor  dem  Allerheiligsten  im  Auge,  s.  6, 19;  9,  3;  (10,  20);  er  nennt 
ihn  aber  den  zweiten,  tu  ö'svtsqov  xaraneTacrixa  9,3.  Aus  dem  Ausdruck 
xaTaTtäracTfxa  ergibt  sich  also  keine  bestimmte  Antwort  auf  die  Frage, 
ob  Mt27,51;  Mk  15,38  u.  Lk  23,  45  der  Vorhang  vor  dem  Heiligen  oder 
vor  dem  Allerheiligsten  gemeint  ist.  —  Auch  die  beiden  von  christlicher 
Hand  stammenden  Einschübe  in  Test  Levi  u.  in  Test  Benj,  in  denen  auf 


'  Die  Begründung  der  Meinung  lediglich  durch  ein  Schriftzitat  beweist,  daß  R.  Jose 
keine  sichere  Tradition  über  den  wirklichen  Sachverhalt  gehabt  hat. 

"  So  daß  er  leicht  beiseite  geschoben  werden  konnte. 

^  Ähnlich  zeigte  man  nach  Joma  21b  den  Festpilgern  den  Schaubrottisch  mit  den 
Worten:  Seht  eure  Liebe  bei  Gott  (d.  i.  wie  Gott  euch  liebt). 


'     Matth  27,  51  («  4.  5)  1045 

das  Zerreißen  des  Vorhangs  Bezug  genommen  ist,  führen  in  unsrer 
Frage  nicht  weiter;  doch  sind  sie  wegen  der  Deutung,  die  sie  dem  Z. 
des  Vorh.  gegeben  haben,  bemerkenswert. 

Test  Levi  10:  Ihr  (Söhne  Levis)  weidet  gottlos  handeln  mit  (samt)  Israel,  so  daß 
Jerusalem  es  nicht  aushält  angesichts  eurer  Schlechtigkeit,  sondern  ^  daß  der  Vorhang 
des  Tempels  zerreißt,  so  daß  er  eure  Schande  nicht  verhüllt,  xal  ayo^itjaeis  avv  xw 
^laQaijX,  üjars  fxrj  ßctatäaui  leQovaKlrjfx  clno  ngoauinov  (=  'jsö  um  . .  .  willen)  novrjQiag 
vfibjy  «AA«  ^  axiotti  xo  h'Svfia  (Verhüllung  =  Vorhang)  xov  vaov,  wais  fj,r]  xaxctxaXvnxeiy 
aiaxtjfioavyrjf  v^iöv.  \\  Test  Benj  9 :  Er  (der  gottgesandte  Eingeborene  ^=  Jesus  Christus) 
wird  hineingehen  in  den  ersten  ^  Tempel,  u.  dort  wird  der  Herr  geschmäht  u.  verachtet  u. 
am  Holz  erhöht  werden.  Und  der  Vorhang  des  Tempels  wird  zerreißen,  u.  der  Geist  Gottes 
wird  auf  die  Heiden  herabsteigen  wie  ausgegossenes  Feuer.  .  .  .  xcd  eiaelevaexm  elg 
xov  TiQwxoy  rctoy  xcu  sxei  xvQtog  vßQiaf^rjasxcti  xai  eni  |i;'Xoi;  t'ifxo&tjasxcci'  xctl  eaxcti  x6 
anXüifitt  (Vorhang)  xov  yaov  a/iCof^eyoy,  xal  fxsxaßijasxai  xo  TjysvfXK  xov  &sov  sni  r« 
e,9yi]  (J?  TivQ  sx%v6/usyoy.  —  Die  erste  Stelle  sieht  in  dem  Z.  des  V.  ein  Zeichen,  daß 
die  Zeit  des  entarteten  jüdischen  Priestertums  vorbei  sei;  die  zweite  zieht  aus  ihm  die 
Folgerung,  daß  das  Reich  Gottes  zu  den  Heiden  übergehen  werde.  —  Diese  Deutung 
konnte  sowohl  dem  Z.  des  V.  vor  dem  Heiligen  als  auch  dem  Z.  des  V.  vor  dem  Alier- 
heiligsten  gegeben  werden. 

Also  können  bei  der  Frage,  ob  Mt27,51  der  äußere  oder  der  innere 
Vorhang  gemeint  sei,  nur  theologische  Gründe  den  Ausschlag  geben; 
u.  diese  entscheiden  angesichts  der  kultischen  Bedeutungslosigkeit  des 
äußeren  Vorhangs  u.  der  hohen  kultischen  Bedeutung  des  inneren  Vor- 
hangs für  den  letzteren, 

5.  Jüdische  Traditionen. 

pJoma  6, 43'',  61  Bar:  Vierzig  Jahre  vor  der  Zerstörung  des  Heiligtums  ist  die  west- 
liche^ Lampe  (auf  dem  siebenarmigen  Leuchter  im  Heiligen)  erloschen,  ist  der  karmesin- 
farbige Streifen  (den  man  am  Vers.-tage  über  dem  Tempeleingang  befestigte)  rot  ge- 
blieben (während  er  sonst,  sobald  der  Sündenbock  die  Wüste  erreicht  hatte,  zur  Er- 
füllung von  Jes  1,18  weiß  wurde,  s.  Joma  6  Ende),  ist  das  für  Jahve  bestimmte  Los 
(am  Vers. tage)  in  der  linken  Hand  (aus  der  Urne)  heraufgekommen  (während  es  sonst 
immer  in  der  rechten,  der  vorzüglicheren,  heraufgekommen  war).  Ferner  hatte  man  die 
Türen  des  Tempels  am  Abend  verschlossen,  u.  als  man  frühmorgens  hinkam,  fand  man 
sie  offen.  Da  sagte  Rabban  Jochanan  b.  Zakkai  (f  um  80):  0  Tempel,  warum  beunruhigst 
du  uns?  Wir  wissen,  daß  du  schließlich  wirst  zerstört  werden,  s.  Sach  11,1:  Tue  auf, 
o  Libanon  (=  Tempel,  so  häutig  im  Midr),  deine  Türen,  daß  Feuer  deine  Zedern  fresse!  — 
Parallele:  Joma  39"^.  —  Man  hat  vielfach  angenommen,  daß  die  Nachricht  vom  Auf- 
springen der  Tempeltüren  eine  Erinnerung  an  das  Ereignis  in  Mt  27, 51  widerspiegele. 
Zwar  entspricht  die  Zeitangabe  ungefähr  dem  Todesjahr  Jesu;  dagegen  spricht  aber 
folgende  Angabe  des  Josephus:  Bell  Jud  6,  5,  3:  An  demselben  Fest  (Passahfest  vor 
Ausbruch  des  Krieges  i.  J.  66  n.  Chr.)  sah  man,  wie  das  Osttor  des  inneren  Vorhofs, 
das  aus  Erz  u.  gewaltig  fest  war,  das  des  Abends  kaum  von  zwanzig  Menschen  ge- 
schlossen werden  konnte,  .  .  .  sich  in  der  Nacht  um  die  sechste  Stunde  von  selbst 
öffnete.    Die  Tempelwachen  liefen,  um  es  dem  Tempelhauptmann,   rw  axQaxrjyM,  zu 

'  Hier  beginnt  das  christliche  Einschiebsel. 

*  Der  „erste  Tempel"  steht  im  Voraufgehenden  im  Gegensatz  zum  Zukunftstempel 
der  messian.  Zeit,  wird  also  vom  christlichen  Interpolator  mit  Recht  gedeutet  auf  den 
Tempel  in  Jesu  Tagen. 

*  Der  Leuchter  stand  auf  der  südlichen  Seite  des  Heiligen  (dem  Eintretenden  also 
zur  Linken)  u.  zwar  so,  daß  die  Lampen  von  Osten  nach  Westen  aufeinander  folgten. 
Die  östlichste  Lampe  wurde  als  erste  gezählt  M'^n  86  **. 


1046  Matth  27,  51  (31  5.  fS).  27,  52.  56  (Nr.  1) 

melden,  u.  dieser  vermochte  es  kaum  wieder  zu  schließen.  Das  erschien  nun  wiederum 
(wie  in  den  vorher  erzählten  Fällen)  den  Ungelehrten  roTg  i<fitörcag  als  ein  gar  schönes 
Wunder,  nämlich  dafs  ihnen  Gott  das  Tor  zu  allerlei  Gutem  aufgetan  habe.  Die  Ver- 
ständigen aber  erkannten,  daß  die  Sicherheit  des  Tempels  von  selbst  entschwunden 
u.  das  Tor  den  Feinden  aus  freien  Stücken  geöffnet  sei ;  sie  sprachen  es  auch  bei  sich 
selber  aus,  daß  jenes  Zeichen  deutlich  auf  die  Zerstörung  ziele.  —  Wenn,  wie  doch 
wohl  anzunehmen  ist,  Josephus  u.  die  Bar  pJoma  6  ein  u.  dasselbe  Geschehnis  im 
Auge  haben,  dann  verdient  die  Zeitangabe  des  ersteren  (66  n.  Chr.)  jedenfalls  mehr 
Glauben.  Die  Bar  wird  das  Ereignis  in  das  40.  Jahr  vor  der  Tempelzerstörung  ver- 
legt haben,  weil  dieses  auch  sonst  als  das  Jahr  des  Unheils  u.  der  schlimmen  Omina 
galt  —  u.  sagt  R.  Jose,  der  Chronologe  der  alten  Synagoge  (um  150),  man  wälzt  Heil- 
volles ("Verdienstliches)  auf  einen  Tag  des  Heils  u.  Unheilvolles  (Schuldvolles)  auf  einen 
Tag  des  Unheils,  TTafan  4,9  (220)  S.945;  fArakhin  IIb.  12«;  anonym  Tafan  29 '\  — 
Die  schlimmen  Vorzeichen  des  40.  Jahres  vor  der  Tempelzerstörung  führt  die  Bar  pJomaG 
selbst  auf;  in  demselben  Jahr  wurde  den  Israeliten  die  Kriminalgerichtsbarkeit  ge- 
nommen, s.  pSanh  I,  18",  37  bei  Mt27,2  Ende;  gab  das  Synedrium  sein  altgewohntes 
Versammlungslokal  in  der  Quaderhalle  auf,  s.  ?AZ8b  bei  Mt  26, 57  S.  1000«;  begann 
R.  9adoq  (1.,  um  70)  sein  40jähriges  Fasten,  um  die  Zerstörung  Jerusalems  abzuwenden, 
8.  Git  56 »  im  Exk.  über  das  Fasten  Nr.  6,  b. 

27,51  ^:  Die  Erde  wurde  erschüttert. 
pB'^rakh  9, 13",  33:  Elias  gesegneten  Angedenkens  fragte  den  R.  N*^horai  (um  150): 
Weshalb  kommen  Erdbeben  in  die  Welt?  Er  antwortete:  Wegen  der  Versündigung  bei 
der  Hebe-  u.  Zehntabsonderung.  Vgl.:  „Ein  Land,  auf  das  die  Augen  Jahves  deines 
Gottes  beständig  gerichtet  sind"  Dt  11, 12,  u.:  „Er  blickt  das  Land  an,  so  zittert  es; 
er  rührt  die  Berge  an,  so  rauchen  sie"  Ps  104,32.  Wenn  Israel  den  Willen  Gottes  tut 
u.  seine  Zehnten  ordnungsmäßig  aussondert,  sind  die  Augen  Jahves  deines  Gottes  be- 
ständig darauf  gerichtet  vom  Anfang  des  Jahres  bis  zum  Ende  des  Jahres,  u.  es  wird 
nicht  im  geringsten  geschädigt.  Wenn  die  Israeliten  aber  nicht  den  Willen  Gottes  tun 
u.  ihre  Zehnten  nicht  ordnungsmäßig  absondern,  dann  blickt  er  das  Land  an,  daß  es 
bebt.  Er  antwortete:  Mein  Sohn,  bei  deinem  Leben,  so  würde  es  sich  damit  auf  Grund 
einer  Schlußfolgerung  verhalten;  aber  der  eigentliche  Grund  der  Sache  ist  dieser:  wenn 
Gott  die  Theater  u.  Zirkusse  ansieht,  wie  sie  in  Sicherheit  u.  Ruhe  u.  Behaglichkeit 
daliegen,  während  sein  Heiligtum  zerstört  ist,  so  droht  er  seine  Welt  zu  zerstören; 
das  meint  Jer25,  30:  „Fürwahr  er  brüllt  über  seine  Wohnung",  d.  h.  wegen  seiner 
Wohnung.  R.  Acha  (um  320)  hat  gesagt:  (Die  Erdbeben  kommen  in  die  Welt)  wegen 
Beiliegens  bei  Männlichem.  Gott  spricht:  Du  erregst  dein  Glied  wegen  etwas,  was 
nicht  dein  ist;  bei  deinem  Leben,  ich  werde  meine  Welt  erbeben  lassen  (erregen)  wegen 
dieses  Mannes!  Und  die  Rabbinen  sagten:  Wegen  der  Parteiungen  (Spaltungen),  s. 
Sach  14,5:  Ihr  werdet  fliehen  ins  Tal  meiner  Berge  .  .  .,  gleichwie  ihr  geflohen  seid 
vor  dem  Erdbeben.  (Vorher  ist  von  der  Spaltung  des  Olbergs  die  Rede.)  R.  Sch*^muel 
(b.  Nachman,  um  260)  hat  gesagt:  Das  Erdbeben  kommt  nur  wegen  Aufhörens  eines 
Reiches,  s.  Jer.  51,29:  Es  erbebt  die  Erde  u.  windet  sich;  denn  zustande  kommt  wider 
Babel,  was  Jahve  geplant  hat.  —  Parallelstellen,  zum  Teil  stark  abweichend:  Midr 
Ps  18  §12  (71");   104  §25  (224");  TanchB  n-L-s^a  §  12  (4bj. 

27,  52:  Viele  Leiber  der  entschlafenen  Heiligen 
wurden  auferweckt. 
Zur  Auferstehung  der  Gerechten  in  den  Tagen  des  Messias  s.  Exk.:  Auferstehung 
der  Toten,  allgemeine  oder  teilweise? 

27,56:  Maria  Magdalene. 
1.  Der  Beiname  r)  MaydaXrivi]  besagt,  daß  die  in  Rede  stehende  Maria 
aus  Magdala  stammte.  Eine  chronologisch  ganz  verworrene  jüdische  Tra- 


Matth  27,  56  (Nr.  2).  27,  57  1 047 

dition  kennt  eine  Mirjam  xb'isp  „die  Frauenhaarflechterin",  die  mit  Jesu 
Mutter  identifiziert  wird ;  s.  Schab  1 04"^  oben  S.  39y  u.  Chag  4^  oben  S.  lilß. 

2.  Magdala  xb^sia ,  n^^st? ,  N^'n5!i?3  in  der  Nähe  von  Tiberias,  s.  pSch^bifith 
9,  38 ^  34;  pMa?as  3,  50%  17;  pfErub  5,  22 d,  58. 

Midi- KL  2,  2  (64''):  Drei  Städte  pflegten  ihre  Abgaben  (in  einem  Wagen)  nach 
Jerusalem  hinaufzuschaffen,  Kabul,  Sichin  u.  Magdala.  Und  weshalb  ist  Kabul  zerstört 
worden?  Wegen  der  Parteiungen  (seiner  Bewohner  untereinander);  Sichin  wegen  Zaube- 
reien u.  Magdala  wegen  Unzucht.  —  pTafan  4,  69='',  42  liest  aber  genauer  s-'ji^au  Vn?»? 
{—  das  Magdala  der  Färber);  es  handelt  sich  also  in  dieser  Stelle  nicht  um  unser 
Magdala.  —  Auch  MidrKLS,  9  (69t>)  bezieht  sich  auf  Migdal  (^abba?ajja:  Ein  Synagogen- 
diener von  Magdala  ordnete  seine  Lampen  an  jedem  Rüsttag  auf  den  Sabbat,  dann 
ging  er  hinauf  (nach  Jerusalem),  betete  (hier  zu  Ehren  des  Sabbats)  u.  ging  hinab  u. 
zündete  die  Lampen  an.  —  Aus  dem  galiläischen  Magdala  stammten  einige  jüdische 
Gelehrte,  zB  R.  Ji9chaq  ns^sn;,'?  (Nom.  patron.  von  s\-^^),  etwa  um  300,  u.  R.  Judan 
ns^ijia,  um  310,  ein  Schüler  des  R.  Simon  (um  280). 

27,57:  Als  es  Abend  geworden. 
Die  Bestattung  der  Toten  am  Sterbetage  selbst  war  allgemeiner 
Brauch;»  nur  wo  die  Beschaffung  der  Totengewänder  oder  des  Sarges 
nicht  mehr  möglich  war,  wurde  das  Begräbnis  auf  den  nächsten  Tag  ver- 
schoben, b  Die  damit  verknüpfte  Gefahr,  daß  ein  Scheintod  unentdeckt 
blieb,  wurde  wesentlich  durch  die  Sitte  gemildert,  die  Toten  über  der 
Erde  in  Höhlen  oder  Felsengräbern  beizusetzen.  Hier  wurden  sie  von 
ihren  Angehörigen  während  der  ersten  Tage  nach  ihrem  Begräbnis  be- 
sucht, oder  man  ließ  Hüter  an  ihrem  Grabe  wachen,  c  —  Die  sofortige 
Beerdigung  Hingerichteter  war  Dt  21,  23  geboten. d 

a.  Die  biblische  Begründung  der  Sitte  fand  R.  Elfazar,  um  270,  in  Nu  20,  L  — 
MQ  28''':  R.  El.  hat  gesagt:  Auch  die  andren  Frauen  (nicht  bloß  Kindbetterinnen,  setzt 
man  bei  ihrer  Beerdigung  nicht  auf  der  Bahre  auf  die  Erde  nieder);  s.  Nu  20, 1 :  „Dort 
starb  Mirjam  u.  wurde  dort  begraben",  d.  h.  unmittelbar  an  den  Tod  schließt  sich  das  Be- 
gräbnis. Vgl.  auch  SDt§221  in  Anm.i. 

b.  S'^machoth  11  Anfang:  Wenn  in  einer  Stadt  zwei  Tote  (an  Einem  Tage)  sind,  so 
trägt  man  den  ersten  hinaus  u.  läßt  ihn  nicht  über  Nacht  stehen,  u.  dann  trägt  man 
den  zweiten  hinaus,  weil  man  gesagt  hat:  Wer  seinen  Toten  über  Nacht  stehen  läßt, 
der  schändet  ihn.  (Die  schnell  eintretende  Verwesung  entstellt  den  Toten,  verunehrt 
ihn  also.)  Wenn  es  aber  geschieht,  um  für  ihn  erst  ein  Grab  zu  graben  oder  um  Leichen - 
gewänder  für  ihn  herbeizuschaffen  oder  damit  seine  Verwandten  aus  einem  andren 
Ort  herbeikommen  können,  so  ist  dagegen  nichts  einzuwenden.  Handelt  es  sich  um 
einen  Gelehrten  u.  um  einen  Schüler,  so  trägt  man  den  Gelehrten  (zuerst)  hinaus;  um 
einen  Schüler  u.  einen  ungelehrten  Mann  (fAm  ha-are9),  so  trägt  man  den  Schüler 
(zuerst)  hinaus;  sind  beide  Gelehrte,  beide  Schüler,  beide  ungelehrte  Leute,  so  trägt 
man  den  ersten  (den  zuerst  Verstorbenen)  hinaus;  handelt  es  sich  um  einen  Mann  u. 
eine  Frau,  so  trägt  man  die  Frau  (zuerst)  hinaus,  weil  die  Frau  der  Verunehrung  näher 
ist.  11  SDt  21,23  §221  (114b):  Woher  (läßt  sich  aus  der  Schrift  beweisen),  daß  der, 
welcher  seinen  Toten  über  Nacht  stehen  läßt,  ein  Verbot  übertritt?  Die  Schrift  sagt 
lehrend  Dt  21,  23:  Sein  Leichnam  darf  nicht  über  Nacht  am  Holze  bleiben.  (Die  Stelle 
wird  verallgemeinert,  als  ob  sie  von  allen  Toten  gelte.)  Läßt  man  ihn  aber  über  Nacht 
stehen  seiner  Ehre  halber,  um  einen  Sarg  oder  Totengewänder  für  ihn  herbeizuschaffen, 
darf  man  da  seinetwegen  das  Verbot  übertreten?  Die  Schrift  sagt  lehrend  Dt  21,  23: 
„Am  Holz".  Wie  das  Holz  speziell  etwas  ist,  was  ihm  zur  Schändung  gereicht,  so  be- 
zieht sich   das  Verbot  (den  Toten  über  Nacht  stehen  zu  lassen)  auf  alles,   was  dem 


1048  Matth  27,  57. 59.  60  (31) 

Verstorbenen  zur  Schändung  gereicht  (aber  nicht  auf  das,  was  seiner  Ehre  wegen 
geschieht).  —  Kürzer  Sanh  6,5:  Wer  seinen  Toten  über  Nacht  stehen  läßt,  übertritt  in 
bezug  auf  ihn  ein  Verbot;  hat  er  ihn  aber  über  Nacht  stehen  lassen  seiner  Ehre  halber, 
um  für  ihn  einen  Sarg  oder  Totengewänder  herbeizuschaffen,  so  übertritt  er  nicht.  — 
Die  Begründung  der  Beerdigung  eines  Toten  am  Sterbetage  aus  Dt  21,23  gehört  nach 
Sanh  46^  dem  R.  Schim?on  b.  Jochai  (um  150)  an.  Eine  weitere  Parallele  s  Sanh  47 '\ 

C.  S'^machoth  8  Anfang:  Man  geht  zur  Begräbnisstätte  hinaus  u.  besichtigt  (be- 
sucht T~pi^)  die  Toten  bis  zu  drei  Tagen,  ohne  daß  man  sich  deshalb  Sorge  machen 
müßte  hinsichtlich  heidnischen  Brauches  (als  ob  man  damit  heidnische  Sitte  befolgte). 
Es  trug  sich  einmal  zu,  daß  man  einen  besichtigte  (der  scheintot  war)  u.  er  lebte  noch 
25  Jahre  u.  darauf  starb  er;  u.  ein  andrer  (der  auch  scheintot  gewesen)  zeugte  noch 
fünf  Söhne  u.  darauf  starb  er.  ||  B^rakh  18"  Bar:  Wer  einen  Toten  bewacht,  auch  wenn 
es  nicht  sein  (eigener)  Toter  ist,  ist  frei  von  der  Sch'maf-Rezitation  u.  vom  (Achtzehn-) 
Gebet  u.  von  den  Gebetsriemen  u.  von  allen  Pflichtgeboten,  die  in  der  Tora  erwähnt 
werden.  „Wenn  er  ihn  bewacht,  auch  wenn  es  nicht  sein  Toter  ist";  auch,  wenn  es 
sein  Toter  ist,  obgleich  er  ihn  nicht  bewacht?  Wenn  es  sein  Toter  ist  u.  wenn  er  ihn 
bewacht,  ja;  aber  wenn  er  an  die  Begräbnisstätte  (bloß)  hingeht  (ohne  dauernd  dort 
zu  wachen),  dann  ist  er  nicht  davon  befreit.  .  .  .  Wer  einen  Toten  bewacht,  auch  wenn 
es  nicht  sein  Toter  ist,  der  ist  frei  von  der  Sch'^maf-Rezitation  u.  vom  (Achtzehn-) 
Gebet  u.  von  den  Gebetsriemen  u.  von  allen  Geboten,  die  in  der  Tora  erwähnt  werden: 
sind  es  ihrer  zwei  (die  ihn  bewachen),  dann  bewacht  ihn  der  eine  u.  der  andre  re- 
zitiert das  Sch*'ma?;  dann  bewacht  ihn  der  andre,  u.  der  erste  rezitiert  das  Sch*^maf.  — 
Daß  es  sich  um  ein  Bewachen  am  Grabe  handelt  (nicht  im  Sterbehaus),  folgt  aus  den 
Worten:  Wenn  er  an  die  Begräbnisstätte  (nur  ab  u.  zu)  hingeht  usw. 

d.  SDt21,23  §221  (114^):  ,Es  soll  seiu  Leichnam  nicht  über  Nacht  am  Holze 
bleiben"  Dt  21, 2.3;  das  ist  ein  Verbot.  , Sondern  begraben  sollst  du  ihn"  (das.),  das 
ist  ein  Gebot.  Wie  verfährt  man  mit  ihm?  Man  wartet  mit  ihm  (dem  Hingerichteten) 
bis  zum  Dunkelwerden,  dann  hängt  man  ihn  auf  u.  macht  ihn  (sofort)  wieder  los; 
wenn  man  ihn  aber  über  Nacht  hangen  läßt,  so  übertritt  man  in  bezug  auf  ihn  ein 
Verbot;  denn  es  heißt:  Sein  Leichnam  soll  nicht  über  Nacht  am  Holze  bleiben. 

27,  59:  Wickelte  ihn  in  reine  Leinwand. 

Mit  den  Sterbegewändern,  r?"^":??:!,  n^n  -id-^^dp,  wurde  in  älterer  Zeit 
großer  Luxus  getrieben.  Die  spätere  Zeit  dankte  es  dem  Rabban  Gamliel 
(IL,  um  90),  daß  auf  seine  Initiative  sieh  die  Sitte  bildete,  die  Toten 
im  schlichten  Linnengewand  ■p'iD,  aram,  xr-ii?,  zu  bestatten. 

K'^thS^'Bar:  Früher  waren  die  Ausgaben  für  einen  Toten  für  seine  Verwandten 
drückender  als  sein  Tod,  so  daß  sie  ihn  liegen  ließen  u.  sich  davon  machten,  bis  Rabban 
Gamliel  kam  u.  in  schlichter  Weise  mit  sich  selbst  verfahren  ließ.  Man  trug  ihn  in 
leinenen  Gewändern  irtos  ■«'sd  hinaus,  u.  ihm  nach  befolgte  das  ganze  Volk  die  Sitte 
(die  Toten)  in  leinenen  Gewändern  hinauszutragen.  —  Die  Bar  stammt  aus  TNidda 
9, 17  (651)  u.  findet  sich  noch  in  MQ  27 1>.  —  Aus  K^h  8  b  erfahren  wir  auch  noch,  daß 
dem  Gedächtnis  des  Rabban  Gamliel  zum  Dank  für  sein  vorbildliches  Vorgehen  ein 
Becher  bei  den  Leichenschmäusen  geweiht  wurde.  ||  pKil9, 32^68  u.  pK^th_12, 35%  8: 
Rabbi  wurde  in  einem  leinenen  Gewand  y^z  beerdigt.  1|  pT^rumS,  46^,  49:  R.Asi  (um  300) 
wurde  ins  Gefängnis  geworfen;  da  sagte  R.  Jochanan  (f  279,  so  lies  statt  R.  Jonathan):' 
Man  wickle  den  Toten  in  seine  Linnen  la^ioa  n»3n  1-13-.  —  Diese,  wie  es  scheint, 
sprichwörtliche  Redensart  =  ,um  den  ist  es  geschehen",  zeigt,  daß  auch  im  S.Jahr- 
hundert eine  leinene  Hülle  das  gewöhnliche  Sterbekleid  war. 

27,60  21:  Legte  ihn  in  seinem  neuen  Grabe  nieder. 
Über  das  Begräbnis  Hingerichteter  bestimmt 


Matth  27,  60  (31.  S3)  1049 

Sanh  6,  5  f. :  Man  pflegte  sie  nicht  in  den  Gräbern  ihrer  Väter  zu  begraben,  sondern 
zwei  Gräber  waren  dem  Gerichtshof  bereitgestellt,  eins  für  Gesteinigte  u.  Verbrannte, 
u.  das  andre  für  Enthauptete  u.  Erdrosselte.  Wenn  das  Fleisch  verwest  war,  sammelte 
man  die  Gebeine  u.  begrub  sie  an  ihrem  Ort  (bei  den  Gräbern  ihrer  Familie).  Dann 
kamen  die  Verwandten  u.  boten  den  Friedensgruß  den  Zeugen,  desgleichen  den  Richtern, 
um  damit  zu  sagen:  Wir  haben  in  unsrem  Herzen  nichts  gegen  euch,  denn  ihr  habt  ein 
gerechtes  Urteil  gefällt.  Auch  hielt  man  keine  öffentliche  Trauer  (mit  Leichenzug, 
Trauerrede);  aber  man  durfte  Leid  tragen,  da  das  Leidtragen  nur  im  Herzen  geschieht.  — 
Hierzu  Sanh  47":  „Man  pflegte  sie  nicht  in  den  Gräbern  ihrer  Väter  zu  begraben." 
Warum  das  alles?  Weil  man  einen  Gottlosen  nicht  neben  einem  Gerechten  begräbt; 
denn  R.  Acha  b.  Chanina  (um  300)  hat  das  begründet  aus  2  Kg  13, 21 :  „Es  geschah,  daß 
sie  gerade  einen  Mann  begruben,  u.  als  sie  die  (Moabiter-)Bande  erblickten,  warfen  sie 
den  Mann  in  das  Grab  des  Elisa  u.  gingen  davon.  Wie  aber  der  Mann  mit  den  Gebeinen 
Elisas  in  Berührung  kam,  wurde  er  wieder  lebendig  u.  erhob  sich  auf  seine  Füfse" 
(damit  Elisa  vor  dem  Ruhen  an  dessen  Seite  bewahrt  bliebe).  .  .  .  Wie  man  einen  Gott- 
losen nicht  neben  einem  Gerechten  begräbt,  so  begräbt  man  auch  nicht  einen  Gottlosen 
schwerster  Art  neben  einem  Gottlosen  leichterer  Art  (daher  die  in  der  Mischna  er- 
wähnten zwei  Gräber  für  die  Hingerichteten;  dabei  gelten  die  Gesteinigten  u.  Verbrannten 
als  schlimmere  Verbrecher).  Dann  hätten  vier  Gräber  bereitgestellt  werden  sollen!  Zwei 
Gräber  hat  man  aus  der  Tradition  gelernt.  .  .  .  Abaje  (f  338/39)  sagte  zu  Raba  (f  352): 
Wie  kannst  du  von  der  (heidnischen)  Regierung  Getötete  (d.  h.  unschuldige  Märtyrer) 
vergleichen  mit  denen,  die  von  dem  (jüdischen)  Gerichtshof  (als  Verbrecher)  hingerichtet 
werden!  Die  von  der  (heidnischen)  Regierung  Hingerichteten  haben,  da  sie  ohne  Recht 
getötet  werden,  (an  ihrem  Tod)  eine  Sühne  (für  ihre  Sünden);  aber  die  von  dem  (jüdischen) 
Gerichtshof  Hingerichteten  haben,  da  sie  nach  dem  Recht  getötet  werden,  keine  Sühne 
(an  ihrem  Tod).  Du  kannst  das  daraus  entnehmen,  daß  wir  in  der  Mischna  gelernt 
haben:  Man  begrub  ihn  nicht  in  den  Gräbern  seiner  Väter.  Wenn  du  nun  meinen  wolltest, 
daß  er,  nachdem  er  getötet  wurde,  Sühne  habe  (an  seinem  Tode),  so  sollte  man  ihn 
doch  (in  den  Gräbern  seiner  Väter)  begraben!  (Antwort:)  Tod  u.  Begräbnis  sind  er- 
forderlich (zur  Sühnung).  Es  erwiderte  Rab  Ada  b.  Ahaba  (um  250):^  „Man  hielt  keine 
öffentliche  Trauer,  aber  man  durfte  Leid  tragen,  da  das  Leidtragen  nur  im  Herzen  ge- 
schieht.* Wenn  du  nun  meinen,  wolltest,  daß  er,  nachdem  er  begraben  war,  Sühne  habe 
(an  seinem  Tod  u.  seiner  Beerdigung),  so  sollte  man  ihm  doch  eine  öffentliche  Trauer 
halten!  (Antwort:)  Es  ist  auch  die  Verwesung  des  Fleisches  (zur  vollen  Sühnung)  erforder- 
lich. Das  erweist  auch,  daß  es  in  der  Mischna  heißt:  Ist  das  Fleisch  verwest,  so  sammelt 
man  die  Gebeine  u.  begräbt  sie  an  ihrem  Ort.  ||  Über  das  Vergraben  der  Hinrichtungs- 
werkzeuge an  der  Seite  des  Hingerichteten  s.  bei  Mt  27, 26  S.  1035  Anm. 

27,  60  23:  Welches  er  in  dem  Felsen  ausgehauen  hatte. 

Die  Grabstätten  wurden  gern  als  Familiengräber  auf  dem  der 
Familie  gehörenden  Grund  u.  Boden  angelegt,  a  Innerhalb  Jerusalems 
waren  Grabanlagen  verboten,  sie  sollten  mindestens  50  Ellen  von  der 
Stadt  entfernt  sein.b  Besonders  beliebt  zur  Herrichtung  von  Familien- 
begräbnisstätten waren  Felsenhöhlen  oder  Felsenspalten,  die  durch 
Aushauen  künstlich  vertieft  u.  erweitert  wurden,  bis  sie  die  gewünschte 
Größe  erlangt  hatten.  Die  Form  der  Anlage  richtete  sich  natürlich, 
wie  auch  Rabban  Schimfon  b.  Gamliel,  um  140,  ausdrücklich  versichert, 
nach  der  Beschaffenheit  der  Felspartie,  die  gerade  zur  Verfügung  stand. 

^  Rab  Ada  b.  Ahaba  kann  aus  chronologischen  Gründen  an  der  Diskussion  zwischen 
Abaje  u.  Raba  nicht  teilgenommen  haben.  Seine  Meinung  wird  hier  nur  eingeflochten, 
weil  sie  die  vorliegende  Frage  betrifft. 


1050  Matth  27,  60  (39) 

Immerhin  wird  man  annehmen  dürfen,  daß  die  Felsengräber  im  großen 
u.  ganzen  den  Angaben  entsprochen  haben,  die  die  Mischna  BB  6,  8 
darüber  gemacht  hat.c  Hiernach  sollte  der  Höhlengang  4  Ellen  breit  u. 
6  Ellen  lang  sein.  An  jeder  Längsseite  wurden  3  Nischen  {ry\^,  Plur. 
■j-^Diis)  u.  an  der  dem  Eingang  gegenüberliegenden  Breitseite  2  Nischen 
aus  dem  Felsen  ausgehauen,  so  daß  im  ganzen  8  Nischen  vorhanden 
waren.  Jede  von  ihnen  hatte  eine  Tiefe  von  4  Ellen,  eine  Breite  von 
6  Handbreiten  u.  eine  Höhe  von  7  Handbreiten.  In  sie  wurden  die  Leichen 
sei  es  mit  Sarg,  sei  es  ohne  Sarg  hineingeschoben.  Vor  dem  Höhlen- 
gang, aber  immer  noch  im  Felsen,  war  ein  etwas  größerer  Raum  her- 
gestellt, der  6  Ellen  lang  u.  6  Ellen  breit  sein  sollte,  so  daß  er  Platz  bot 
für  die  Bahre  u.  ihre  Träger.  Das  war  der  „Hof"  der  Grabanlage  nan 
n^n^r!,  auch  „Kufe"  rr-d  genannt.  Dieser  Normaltyp  eines  Felsengrabes 
konnte  mehrfache  Erweiterungen  erfahren.  Wenn  der  Höhlengang  auf 
6  Ellen  Breite  u.  8  Ellen  Länge  ausgearbeitet  wurde,  bot  er  Raum  für 
13  Grabnischen :  jede  Seitenwand  erhielt  dann  deren  4,  die  Hinterwand  3, 
während  je  1  rechts  u.  links  vom  Eingang  ausgehauen  wurde;  doch  gehen 
über  die  Anbringung  dieser  beiden  letzten  die  Meinungen  weit  aus- 
einander; s.  BB  101"  nebst  Kommentaren  u.  pBB  6  Ende.  —  Vom  „Hofe" 
aus  konnte  nach  verschiedenen  Seiten  hin  noch  ein  zweiter  (ja  wohl 
auch  dritter  u.  vierter)  Höhlengang  ausgebrochen  werden. 

Außer  den  Nischengräbern,  von  denen  die  Mischna  spricht,  gab  es 
längs  der  Felswand  in  der  Höhle  auch  noch  Bank-  oder  Auflegegräber,e 
Krauß,  Archäol.  2,  76.  Von  dieser  Art  dürfte  auch  die  Ruhestätte  ge- 
wesen sein,  die  man  Jesu  vorläufig  an  seinem  Todestage  in  dem 
Felsengrab  Josephs  von  Arimathia  bereitet  hat. 

a.  Vgl.  1  Makk  2,  70;  9, 19;  Tob  14,  12;  ferner  Sanh  6,  5  f.  oben  S.  1049.  |1  BB  100*^ 
Bar:  Wenn  jemand  seine  Grabanlage,  den  Weg  zu  ihr,  den  Platz,  an  dem  man  sich 
(zur  Tröstung)  aufstellt,  u.  die  Stätte,  da  man  die  Trauerrede  hält,  verkauft,  so  kommen . 
die  Familienglieder  u.  begraben  ihn  (in  diesem  Familiengrab)  wider  den  Willen  des 
Käufers,  weil  es  ein  Schimpf  für  die  Familie  ist.  ||  pMQ  2,  81^  44:  Man  darf  einen  Toten 
u.  seine  Gebeine  nicht  aus  einem  prachtvollen  Grab  in  ein  andres  prachtvolles  Grab 
fortschaffen,  auch  nicht  aus  einem  geringen  in  ein  andres  geringes,  auch  nicht  aus 
einem  geringen  in  ein  prachtvolles  u.  vollends  nicht  aus  einem  prachtvollen  in  ein 
geringes;  aber  in  seiner  eigenen  Grabanlage  (d.  h.  innerhalb  des  Familiengrabes)  selbst 
aus  einem  prachtvollen  in  ein  geringes:  es  ist  dem  Menschen  lieb,  wenn  er  neben 
seinen  Vätern  ruhen  kann. 

b.  TN^'gß,  2  (625):  Man  läßt  darin  (in  Jerusalem)  keinen  Toten  über  Nacht  u.  man 
stellt  darin  keine  menschlichen  Gebeine  auf  .  .  .  u.  man  errichtet  darin  keine  Grab- 
anlagen außer  den  Gräbern  des  Hauses  David  u.  dem  Grabe  der  Prophetin  Hulda,  die 
sich  dort  seit  den  Tagen  der  früheren  Propheten  befunden  haben.  ||  BB2,  9:  Schinder- 
stätten, Grabanlagen  u.  Gerbereien  muß  man  von  einer  Stadt  (u.  besonders  von  Jer.) 
50  Ellen  entfernt  halten. 

c.  BB  6,  8:  Wenn  jemand  einem  andren  einen  Platz  verkauft,  um  sich  eine  Grab- 
anlage herzurichten,  oder  von  einem  andren  den  Auftrag  übernimmt,  für  ihn  eine  Grab- 
anlage herzurichten,  so  macht  er  das  Innere  der  Grabhöhle  4  Ellen  breit  u.  6  Ellen  lang 
u.  bricht  in  ihrem  Innern  8  Nischen  ■|-'3i3  aus,  3  auf  dieser  u.  3  auf  jener  Seite  u.  2 
(dem  Eingang)  gegenüber.   Die  Länge  (Tiefe)  der  Nischen  beträgt  4  Ellen,  ihre  Höhe 


Matth  27,  60  (93.  6).  27,  62.  28,  1  (31)  1051 

7  Handbreiten  u.  ihre  Breite  6  Handbreiten.  R.  Schimfon  (um  150)  sagte:  Er  macht  das 
Innere  der  Grabhöhle  6  Ellen  breit  u.  8  Ellen  lang  u.  bricht  in  ihrem  Innern  13  Nischen 
aus,  4  auf  dieser  u.  4  auf  jener  Seite  u.  3  (dem  Eingang)  gegenüber,  ferner  1  rechts 
vom  Eingang  u.  1  links  vom  Eingang.  Vor  dem  Eingang  zur  Höhle  macht  man  einen 
Hof  i:in,  6  Ellen  im  Geviert,  entsprechend  dem  Raum,  den  die  Bahre  u.  die  Begräbnis- 
mannschaft füllt.  Man  bricht  auch  im  Innern  2  Grabhöhlen  aus,  die  eine  auf  dieser 
Seite  u.  die  andre  auf  jener  Seite  (des  Hofes,  so  dats  dieser  beiden  Höhlen  als  Vorraum 
dient).  R.  Schim?on  sagte:  4  Grabhöhlen  nach  seinen  (des  Hofes)  vier  Seiten.  Rabban 
Schimfon  b.  Gamliel  (um  140)  sagte:  Alles  nach  Maßgabe  des  Felsens  yVon  •'th  53n.  |1 
TBB  6,  22  f.  (406) :  Die  Höhe  der  Grabhöhle  betrug  4  Ellen  u.  die  Höhe  der  Nischen 
7  Handbreiten  u.  1  Handbreite  für  die  Wölbung  nt^o  (der  oberen  Nischenfläche).  Wer 
einen  Hof  am  Eingang  der  Grabhöhle  macht,  macht  ihn  6  Ellen  im  Geviert,  soviel 
Raum  die  eine  Bahre  gebraucht  auf  dieser  Seite  u.  soviel  Raum  die  andre  Bahre  ge- 
braucht auf  der  andren  Seite,  u.  bricht  darin  2  Grabhöhlen  aus  (auf  den  gegenüber- 
liegenden Seiten  des  Hofes).  R.  J^'huda  (um  150)  sagte:  Wenn  ein  Felsen  sich  seitwärts 
ausdehnt,  bricht  man.  sie  beide  auf  Einer  Seite  (des  Hofes)  aus.  Man  erwiderte  ihm: 
Das  ist  nicht  möglich  (denn  die  Seite  des  Hofes  beträgt  nur  6  Ellen). 

d.  TAhiloth  15,  7  (612):  Was  ist  der  „Hof  einer  Grabanlage  lapn  i:in?  Das  ist 
die  Kufe  r;n,  nach  der  hin  die  Grabhöhlen  geöffnet  sind. 

e.  TAhiloth  2,  3  (598)  u.  pNazir  7,  56b,  59;  Welches  ist  ein  Toter,  bei-  dem  es  ap^-p 
(Fäulnis,  Verwestes  ohne  Zusatz  von  Erde,  Holz,  Kleiderüberresten)  gibt?  Einer,  der 
nackt  in  einem  Steinsarg,  auf  dem  Estrich  oder  auf  einer  Marmorplatte  begraben  (bei- 
gesetzt) ist;  aber  wer  in  seiner  Bekleidung  oder  in  einem  Holzsarg  oder  auf  der  (bloßen) 
Erde  begraben  (beigesetzt)  ist,  bei  dem  gibt  es  keinen  Raqab. 

27,60  6:  Nachdem  er  einen  großen  Stein  vor  die  Tür 
des  Grabes  gewälzt  hatte. 

Die  Grabhöhle  verschloß  man  durch  einen  großen  Stein  (runde  Stein- 
platte), den  b^i,-,  von  bba  „wälzen",  zu  dessen  Festlegen  ein  kleinerer 
Stein,  der  Dopheq  psi^  hieß,  diente. 

Ohal2,  4:  Der  Verschlußstein  u.  der  Stützstein  verunreinigen  durch  Berührung  u. 
Bezeltung.  .  .  .  Der  Dopheq  ist  der  Stein,  von  dem  der  Verschlußstein  gestützt  wird.  || 
Sanh47b:  Rab  Aschi  (f  427)  hat  gesagt:  Von  wann  an  beginnt  die  Trauer  (um  einen 
Toten)?  Von  da  an,  wann  der  Golel  das  Grab  verschließt.  —  Ebenso  R.  J^hoschua?, 
um  90,  K^th  4b.  |i  In  TAhiloth  3,  10  (600)  wird  von  zwei  4  Handbreiten  im  Geviert  großen 
Steinen  gesagt,  daß  man  sie  zum  Golel  für  eine  Grabanlage  machen  könne.  —  Vorauf 
geht  hier  folgende  Erzählung:  In  Beth-Dagon  (in  Judäa)  starb  einmal  am  Rüsttag  auf 
das  Passahfest  (d.  h.  am  14.  Nisan)  ein  Jude;  man  ging  u.  begrub  ihn.  Die  Frauen  (lies 
ü-is:  statt  n"'iü3s)  gingen  hin  (an  die  Grabanlage)  u.  banden  ein  Seil  um  den  Verschluß- 
stein; die  Männer  aber  zogen  ihn  von  draußen  weg  (sie  wollten  durch  die  Grabhöhle 
nicht  unrein  werden,  um  das  Passalilamm  essen  zu  können).  Dann  gingen  die  Frauen 
hinein  (in  die  Grabhöhle)  u.  begruben  ihn  (setzten  ihn  bei),  u.  die  Männer  gingen  u. 
hielten  am  Abend  ihre  Passahfeier. 

27,62:  Nach  dem  Rüsttage. 
naQaaxsv}]  „Rüsttag"  (auf  Sabbat),  Freitag  s.  Exk.:  Der  Todestag 
Jesu  usw.  C,  3  u.  bei  Mt  28, 1  SB. 

28, 1  51:  Nach  Ausgang  des  Sabbats. 
oip^   öccßßärojv   muß,    wie    das    parallele   xfj   smcpoofTxovcfi]  slg  f.i(uv 
accßßäxwv  fordert,   eine  Tageszeit  bezeichnen,   in  deren  Verlauf  auch 
das  Hellwerden  des  folgenden  Tages  eintreten  kann.   Darum  darf  man 


1052  Matth  28, 1  (21.  SB  1) 

oip^  daßßccTcov  nicht  übersetzen:  „in  der  Späte  des  Sabbats";  denn  diese 
„Späte"  würde  immer  noch  zum  S.  gehören,  d.  h.  höchstens  bis  Sonn- 
abend abends  rund  6  Uhr  reichen,  aber  nie  das  Hellwerden  zum  Sonntag 
sehen.  Das  oipi  aaßßärwv  entspricht  vielmehr  dem  rabbin.  nsiä  "^x:?"!^, 
das  wörtlich  „Ausgänge  des  Sabbats"  bedeutet  u.  die  Zeit  bezeichnet, 
die  unmittelbar  auf  den  S.  folgt,  d.  h.  a,  die  Nacht  zum  folgenden  ersten 
Wochentag  u,  /?,  den  ersten  Wochentag  selbst  (Belege  s.  bei  Mt  28, 1  SB 
Anm.  b).  öiph  (faßßävcov  also:  „nach  Ausgang  des  Sabbats";  rfj  iniifw- 
axovaj]  gibt  dann  den  genaueren  Zeitpunkt  an:  zur  Zeit,  da  der  Tag  hellt. 

28, 1  23:  Zum  ersten  Wochentag  (=  Sonntag). 
1.  Die  Juden  schlössen  die  Woche  mit  dem  Sabbat.  Der  nächst- 
folgende Tag  (Sonntag)  wurde  daher  als  erster  Tag  der  (neuen)  Woche 
paira  nnx  =  fiia  aaßßccTcovd  bezeichnet.  Dabei  steht  nauj,  wie  auch 
sonst, a  in  der  Bedeutung  „Woche".  Eine  andre  Bezeichnung  für  Sonntag 
war  naiü  ^xs'i:a  =  aram.  nzw  "^pie,  d.  h.  Tag  nach  Sabbatausgang,  b  Auch 
der  Ausdruck  inisis  or  =  Tag  der  Christen  (Nazarener)  begegnet  einige- 
mal als  Name  des  Sonntags,  c  —  Wie  der  Sonntag  als  erster  Tag  in  der 
Woche  bezeichnet  wird,  so  nun  auch  der  Montag  als  2.  Tag,  der  Dienstag 
als  3.  Tag  in  der  Woche  u.  so  fort.d  Nur  der  Freitag  heißt  meist  ■z'^,^, 
P3^  =  Vorabend  des  Sabbats  (Rüsttag  auf  Sabbat);  dem  entspricht 
das  aramäische  xaiiü  nai^s  oder  xnai-iy.e  Etwas  anders  ist  eine  zweite 
aramäische  Benennung  des  Freitags  gedacht,  nämlich  xn^iü  ''hy^  =  der 
Tag,  an  welchem  die  Sonne  zum  Sabbat  untergeht.* 

a.  GnR  11  (8b):  R.  gAqiba  (f  um  135)  sprach  zu  dem  Tyrannen  Rufus  (—  Tinejus 
Rufus,  der  132  n.  Chr.  Statthalter  von  Judäa  war):  Der  Fluß  Sambatjon  mag  es  dir 
beweisen  (daß  es  um  den  Sabbat  etwas  Besonderes  ist);  denn  alle  Tage  der  Woche 
naian  piw^  ^3  führt  er  Steine  mit  sich,  aber  am  Sabbat  rauja  ruht  er.  —  Diese  Gegen- 
überstellung von  raiün  na-'  Vs  u.  rzv  folgt  dann  noch  fünfmal.  ||  N*^d  8, 1 :  Wenn  einer 
sagt:  Ich  gelobe,  daß  ich  keinen  Wein  diesen  rz-4  trinken  will,  so  ist  er  ihm  die  ganze 
Woche  hindurch  raasn  ^33  verboten  u.  an  dem  Sabbat,  der  (heute,  am  Tage  des  Ge- 
lübdes) vergeht.  (Daß  die  folgende  Woche  mit  in  das  Abstinenzgelübde  hineingezogen 
wird,  liegt  an  dem  zweideutigen  Ausdruck,  den  der  Gelobende  gewählt  hat;  denn  ra« 
heißt  eben  beides:  Sabbat  u.  Woche.)  —  Ferner  s.  P®s  50^  in  Anm../". 

b.  GnR  11  (B''):  R.  Schimfon  b.  J'^huda  aus  K-^phar-fAkko  (um  180)  sagte  im  Namen 
des  R.  Schimfon  (um  150):  Obgleich  die  Himmelslichter  am  Freitag  ra»  a-^y  verflucht 
worden  sind,  so  sind  sie  doch  erst  (dem  Sabbat  zu  Ehren)  am  Sonntag  ras;  ■'ssitt  (durch 
Verringerung  ihrer  Lichtstärke)  bestraft  worden.  |1  pSch^q  4,  47^,  50:  R.  El?azar  b.  (^adoq 
(um  100)  hat  gesagt:  Wir  (d.  h.  meine  Familie)  gehören  zu  den  Söhnen  S'^naia  b.  Binjamin 
(s.  Esra2,  35),  u.  der  9.  Ab  fiel  (einmal)  auf  einen  Sabbat;  da  verschoben  wir  ihn  (den 
9.  Ab)  auf  den  Sonntag  rzv  ■^nu-i«^,  u.  dann  fasteten  wir,  jedoch  nicht  den  ganzen  Tag 
(vgl.  die  Parallelen  Ta?an  12 »  u.  fErub  41 »  bei  Mt  1,  l  S.  5/3).  ||  TTa?an  4,  9  (220)  s.  bei 
Mt  24, 2  S.  945  y.  ||  xavi?  -^piE  zB  pf  AZ  5, 44  '^,  4 1 :  An  einem  Freitag  sava  raiiy  war  (einmal) 
kein  Wein  in  ganz  Samarien  zu  finden;  am  (folgenden)  Sonntag  sava  ■'pisa  fand  man 
es  voll  von  Wein,  den  die  Aramäer  herbeigeschalft  hatten.  ||  Im  engeren  Sinn  bedeutet 
na»  ■<tt:i'>i2  nicht  den  ganzen  Sonntag,  sondern  nur  die  Zeit,  die  unmittelbar  auf  den 
Ausgang  des  Sabbats  folgt,  also  den  Abend  des  Sonnabends  u.  die  sich  anschließende 
Nacht  zum  Sonntag;  vgl.  oben  bei  Mt28,  l?l.  B''rakh2,  5:  Der  Bräutigam  ist  in 
der  ersten  Nacht  u.,  wenn  er  den  Akt  (noch)  nicht  vollzogen  hat  (4  Tage  lang,  vom 


Matth  28, 1  (SB  1)  1053 

Mittwoch,  dem  gewöhnlichen  Hochzeitstag  einer  Jungfrau,  an)  bis  nach  Ausgang  des 
Sabbats  rar  -nsts  ts  vom  Rezitieren  des  Sch'^maf  frei.  ||  P'^s  50''  Bar:  Wer  an  den  Rüst- 
tagen auf  die  Sabbat-  u.  Festtage  D"a"it3  o^s"'  ■'atyai  rirar  -a^ya  vom  Nachmittag  an 
(3^2  Uhr  nachm.)  u.  weiter  u.  nach  dem  Ausgang  des  Sabbats  u.  eines  Festtages  u.  des 
Versöhnungstages  n"-  ^ssiwai  u""'  ^ss-nsai  r^v  •'Sü-iaai  eine  Arbeit  verrichtet,  .  .  .  der 
sieht  nie  ein  Zeichen  des  Segens.  —  Hier  bedeutet  rzv  ^tai-o  die  ersten  Stunden  nach 
Ausgang  des  Sabbats.  Dagegen  heißt  es  pP^s  4,  30^  61 :  Wenn  Frauen  die  Sitte  haben, 
nach  Ausgang  des  Sabbats  icnzvä  'p.'irs:?  (=  ssn©  ""p/ßa  =  ra»  -ssitsa)  keine  Arbeit  zu 
verrichten,  so  ist  das  keine  (gültige)  Sitte.  —  Hier  bedeutet  snanru  ■'piEs  den  ganzen 
Tag,  der  auf  den  Ausgang  des  Sabbats  folgt:  man  soll  zu  Ehren  des  Sabbats  die  ersten 
Stunden  nach  seinem  Ausgang,  aber  nicht  den  ganzen  Sonntag  von  der  Arbeit  feiern. 

C.  fAZö''':  (Mit  Bezug  auf  den  Ausspruch  des  R.  Jischma?el,  f  um  135,  daß  es 
verboten  sei,  mit  den  Heiden  drei  Tage  vor  u.  drei  Tage  nach  ihren  Festen  Geschäfte 
zu  machen  fAZ  1,2,  wird  die  Frage  verhandelt,  ob  die  heidnischen  Festtage  selbst  in 
diese  drei  Tage  miteingerechnet  seien  oder  nicht.  Dabei  heißt  es:)  Komm  u.  höre:  Rab 
Tachlipha  b.  Abdemi  (um  280?)  hat  gesagt,  Sch^'muel  (f  254)  habe  gesagt:  Im  Hinblick 
auf  den  Tag  der  Nazarener  ist  es  nach  den  Worten  des  R.  Jischma?el  immer  verboten 
(mit  den  Christen  Geschäfte  zu  machen).  Wenn  du  nun  meinen  wolltest,  daß  sie  (die 
verbotenen  Tage  vorher  u.  nachher)  die  Festtage  selbst  in  sich  schließen,  dann  würde 
ja  der  vierte  u.  fünfte  Tag  der  Woche  (d.  h.  Mittwoch  u.  Donnerstag)  erlaubt  sein  (zum 
Handel  mit  den  Christen)!  —  Dasselbe,  jedoch  ohne  den  letzten  Satz,  auch  fAZT^. 

d.  GnR  11  (8*=):  Warum  hat  Gott  den  siebenten  Tag  (=  Sabbat)  gesegnet  (Gn  2,  3)? 
R.  Dos'^thai  (im  4.  Jahrb.)  sagte:  Weil  er  keinen  Tag  hat,  der  mit  ihm  ein  Paar  bildet. 
Der  erste  Tag  in  der  Woche  sawa  in  (=^  Sonntag)  u.  der  zweite  (^  Montag),  der  dritte 
u.  der  vierte,  der  fünfte  u.  der  Freitag  sra^i^y  gehören  paarweise  zusammen;  der  Sabbat 
aber  hat  keinen,  der  mit  ihm  ein  Paar  bildet.  ||Tafan4,  3:  Die  Standmänner  (Opfer- 
beistände) fasteten  vier  Tage  in  der  Woche  :'iar3:  vom  zweiten  bis  zum  fünften  Tag 
(Montag  bis  Donnerstag).  Sie  fasteten  aber  nicht  am  Freitag  raio  ais;  der  Ehre  des 
Sabbats  halber,  u.  auch  nicht  am  ersten  Tag  in  der  Woche  ra»a  nnsa,  damit  sie  nicht 
aus  der  Ruhe  u.  dem  Ergötzen  (des  Sabbats)  übergingen  zur  Mühe  u.  zum  Fasten  u. 
(infolgedessen)  stürben.  ||  Git  77'*  Bar:  „Nach  einer  Jahrwoche",  damit  ist  das  darauf 
folgende  (ganze)  Jahr  gemeint;  ,nach  einem  Jahre",  damit  ist  der  darauf  folgende 
(ganze)  Monat  gemeint;  ,-nach  einem  Monat",  damit  ist  die  darauf  folgende  (ganze) 
Woche  gemeint.  Was  ist  nun  aber  gemeint  mit  den  Worten :  „nach  dem  Sabbat"  ins"? 
rar?  R.  Z'^fira  (um  300)  saß  vor  R.  Asi  (um  300),  oder  wie  andre  sagen:  R.  Asi  saß 
vor  R.  Jochanan  (f  279)  u.  sprach:  Der  erste  Tag  in  der  Woche  sara  ir,  u.  der  zweite 
u.  der  dritte  gelten  als  nach  dem  Sabbat  liegend;  der  vierte  aber  u.  der  fünfte  u.  der 
Preitag  Nnato  ■'Vy's  gelten  als  vor  dem  Sabbat  liegend. 

e.  r2V  aiy,  s.  GnR  11  u.  P^s  50'^  in  Anm.  b;  Ta?an  4,  3  in  Anm.  d.  —  Schab  2,  7: 
Dreierlei  muß  der  Mensch  am  Freitag  ra»  a^y  zur  Zeit  des  Dunkelwerdens  in  seinem 
Hause  sagen:  Habt  ihr  verzehntet  (die  Sabbatspeisen)?  Habt  ihr  die  Verbindung  (fErub 
der  Höfe  u.  Grenzen)  hergestellt?  Zündet  die  Lampe  an!  ||  Schab  19, 1 :  R.  Elifezer  (um 
90)  sagte:  Wenn  man  das  (Beschneidungs-)Gerät  nicht  am  Freitag  rar  aiy  hingeschafft 
hat,  so  schafft  man  es  am  Sabbat  unverdeckt  hin  (damit  jeder  sieht,  was  man  trägt; 
denn  das  Tragen  von  Gegenständen  zu  gewöhnlichem  Gebrauch  ist  am  S.  verboten). .  ,  . 
Als  Regel  hat  R.  fAqiba  (f  um  135)  gesagt:  Alle  Arbeit,  die  man  am  Freitag  rar  a-i» 
verrichten  kann,  verdrängt  den  S.  nicht;  die  man  aber  am  Fr.  nicht  verrichten  kann, 
verdrängt  den  S.  —  Ferner  pTafan  2,  66*,  42:  R.  Abun  (um  325)  fastete  alle  Freitage 
«air  raTiy  hzi. 

f.  Git77a  s.  in  Anm.  d.  —  P'^s  SO''  Bar:  Es  gibt  einen  Hurtigen,  der  belohnt  wird, 
11.  es  gibt  einen  H.,  der  Schaden  erleidet.  Es  gibt  einen  Nachlässigen,  der  belohnt 
wird,  u.  es  gibt  einen  N.,  der  Schaden  erleidet.  Es  gibt  einen  H.,  der  belohnt  wird: 
wer  die  ganze  Woche  srar  hindurch  arbeitet,  aber  nicht  am  Freitag  spar  ■^'5y»2  (um 
•den  S.  zu  ehren).    Ein  H.,  der  Schaden  (Verlust)  erleidet:  wer  die  ganze  Woche  hin- 


1054  Matth  28, 1  (33  2).  28,  9  (51.  S3).  28, 18. 19  (Nr.  1.  2) 

durch  arbeitet  u.  auch  am  Freitag  'v  •'hv'ü.  Ein  N.,  der  belohnt  wird:  wer  die  ganze 
Woche  hindurch  nicht  arbeitet  u.  auch  nicht  am  Freitag  '^  '^.  Ein  N.,  der  Schaden 
erleidet:  wer  die  ganze  Woche  nicht  arbeitet,  wohl  aber  am  Freitag  '^  '12. 

2.  Der  erste  Tag  der  Woche  (der  Sonntag)  war  nicht  bloß  der  erste  Schöpfungs- 
tag, sondern  er  galt  auch  als  der  Tag,  an  dem  einst  der  Opferdienst  an  der  Stifts- 
hütte seinen  Anfang  nahm.  Man  sagte  von  diesem  Tage,  daß  er  12  Kronen  empfangen 
habe.  NuR  13  (169*^):  ^Der,  welcher  am  ersten  Tage  sein  Opfer  darbrachte,  war  Nach- 
schon ".Nu  7, 12.  Es  heißt  hier  nicht:  ,An  dem  Tage,  da  die  Wohnung  aufgestellt 
wurde",  sondern  „am  ersten  Tage".  Was  heißt  das?  Es  war  der  erste  Tag  der  Welt- 
schöpfung. Das  lehrt,  daß  es  der  erste  Tag  in  der  Woche  r^-ra  nns  (=  Sonntag)  war. 
Daraus  ergibt  sich,  daß  man  sagen  darf:  12  Kronen  hat  jener  Tag  empfangen:  er  war 
der  erste  Tag  ^der  Weltschöpfung,  ^{ür  den  Priesterdienst,  ^für  die  Stammesfürsten 
(u.  ihre  Weiheopfer  Nu  7),  ■'für  die  Sch'^khina  (das  Wohnen  Gottes  im  Heiligtum), 
s.  Ex  2.5,  8:  „Sie  sollen  mir  ein  Heiligtum  machen,  daß  ich  in  ihrer  Mitte  wohne"; 
^  für  den  Opferdienst  (Kultus),  ^  für  den  Priestersegen,  '  für  den  Lagerbezirk  der  Sch^khina, 
^für  die  Monatsanfänge  (die  Zeitrechnung),  ^für  das  Höhenverbot,  '"für  das  Schlacliten 
im  Norden  (vom  Brandopferaltar),  '^für  das  Essen  des  Heiligen  (seitens  der  Priester), 
'2  für  das  Herabfahren  des  Feuers,  s.  Lv  9,  24:  Feuer  ging  von  Jahve  aus  u.  verzehrte 
auf  dem  Altar  das  Brandopfer  usw.  —  Diese  Verherrlichung  des  ersten  Wochentages 
ist  alt;  sie  findet  sich  bereits  —  aber  unter  Aufzählung  von  nur  10  Kronen  —  in  SLv 
9, 1  (181»).  Weitere  Parallelen,  ebenfalls  mit  10  Kronen:  Schab  87 '^  u.  GnR  3  Ende. 

28,9  5t:  Seid  gegrüßet! 
XCiTge  als  Gruß  in  der  Form  x-i?  auch  im  Rabbin.,  s.  TanchB  ypa 
§11  bei  Mt  27,29  8.1036. 

28,9^:  Faßten  seine  Füße  u.  küßten  ihn. 
K^th  63^  wird  erzählt,  daß  die  Gemahlin  des  R.  ^Aqiba  (f  um  135) 
ihrem  heimkehrenden  Mann  entgegeneilte  u.  auf  ihr  Angesicht  fiel  u. 
seine  Füße  küßte.  —  Wenige  Zeilen  weiter  wird  dasselbe  über  ? Aqibas 
Schwiegervater  berichtet.  —  Vgl.  bei  Mt  26,  49  S.  995  Nr.  2. 

28,18:  Mir  ist  gegeben  alle  Gewalt  im  Himmel  u.  auf  Erden. 

ExR  12  (75^):  Von  jenen  (zehn  ägyptischen)  Plagen  kamen  3  durch  Ahron,  8  durch 
Mose,  3  durch  Gott  u.  1  durch  sie  alle:  Blut;  Frösche  u.  Ungeziefer,  die  auf  Erden  sind, 
durch  Ahron;  Hagel,  Heuschrecken  u.  Finsternis  durch  Mose,  weil  sie  in  der  Luft  sind; 
denn  also  hatte  Mose  Gewalt  auf  Erden  u.  im  Himmel  n'»2'£3i  y'^sa  nao  "ahia  •j'dx;  die 
Hundsfliegen,  die  Pest  u.  das  Schlagen  der  Erstgeburten  durch  Gott,  u.  die  Geschwüre 
•j^nr  durch  sie  alle. 

28,19:  Indem  ihr  sie  taufet  auf  den  Namen. 

1.  Über  die  Taufe  als  Bedingung  der  Aufnahme  eines  Proselyten 
in  die  jüdische  Religionsgemeinde  s.  bei  Mt  3,  6  S.  102  ff. 

2.  Das  dem  dg  to  ovo[^ia  entsprechende  üiiih  bedeutet  „mit  Rücksicht 
auf  u.  kann  sowohl  den  Grund,  als  auch  den  Zweck  angeben;  s.  bei 
Mt  10,41.  —  Hier  noch  ethche  Zitate,  die  in  formeller  oder  sachlicher 
Hinsicht  das  ßami^siv  slg  ro  ovofia  zu  erläutern  geeignet  sind. 

J'^b  45*^  Ende:  Rab  (f  247)  hat  gesagt:  „Wenn  einer  von  einem  NichtJuden  einen 
(heidnischen)  Sklaven  kauft  u.  dieser  kommt  ihm  zuvor  u.  nimmt  das  Tauchbad  uvh 
•j^iin  13  „auf  den  Namen  des  freien  Mannes"  (d.  h.  zwecks  Erlangung  der  Freilassung), 
der  erwirbt  sich  selbst  als  freien  Mann  (d.  h.  er  kauft  sich  selbst  los,  auch  ohne  Zu- 


Matth  28,  19  (Nr.  2)  1055 

Stimmung  seines  Besitzers.  Ein  heidnischer  Sklave,  der  von  einem  Juden  gekauft 
wurde,  wurde  beschnitten;  wurde  er  dann  später  freigelassen,  so  empfing  er  ein  Tauch- 
bad als  Proselytentaufe  u.  galt  nun  völlig  als  Jude.  Dieses  Tauchbad,  weil  es  ihm 
die  Freiheit  gab,  ist  ein  Bad  rni-r;  av'-:  ,auf  den  Namen  der  Freiheit").  1|  J^'b  47''  Bar: 
,Sie  (die  kriegsgefangene  Frau)  soll  ihren  Vater  u.  ihre  Mutter  beweinen"  usw.  Für 
welchen  Fall  gelten  diese  Worte?  Wenn  sie  es  nicht  auf  sich  nimmt  (zum  Judentum 
überzutreten);  aber  wenn  sie  es  auf  sich  nimmt,  so  läßt  er  sie  das  Tauchbad  (der 
Proselyten)  nehmen,  u.  dann  ist  sie  ihm  sofort  (zur  Ehe)  erlaubt.  R.  Schim?on  b.  Elfazar 
(um  190)  sagte:  Auch  wenn  sie  es  nicht  auf  sich  nimmt  (zum  Judentum  überzutreten), 
läßt  er  sie  zwangsweise  ein  Tauchbad  r'^nzv  dtü'i  „auf  den  Namen  der  Sklavenschaft" 
nehmen,  dann  läßt  er  sie  noch  ein  Tauchbad  ^^^r.vi  bö^  ,auf  den  Namen  der  Frei- 
lassung" nehmen  u.  läßt  sie  frei,  dann  ist  sie  ihm  sofort  erlaubt.  (Heidnische  Sklaven 
u.  Sklavinnen  hatten  bei  ihrem  Eintritt  in  ein  jüdisches  Haus  ein  Tauchbad  zu  nehmen 
nnEtt)  uvh,  das  dokumentierte  sie  als  Sklaven;  ebenso  bei  ihrer  Freilassung  -<—<nv  wh , 
das  dokumentierte  sie  als  Freigelassene.  Das  Tauchbad  versetzt  also  in  dasjenige 
Verhältnis,  dessen  Herbeiführung  man  gerade  im  Auge  hat.  —  So  versetzt  auch  das 
ßanriCeiy  ft?  to  6i'o/ua  rov  naxQÖg  etc.  den  Täufling  in  ein  bestimmtes  Verhältnis  zu 
Gott,  nämlich,  daß  der  Vater,  der  Sohn  u.  der  heilige  Geist  dem  Täufling  das  sind, 
was  ihr  Name  in  sich  schließt.)  ü  Z'b  4,  6:  Auf  den  Namen  von  sechs  Dingen  nr-:;  ^vh 
a^ia-i  wird  ein  Schlachtopfer  geschlachtet:  auf  den  Namen  des  (betreffenden)  Opfers 
n3T  n-z!5,  auf  den  Namen  des  Opfernden  naiT  a'öV,  auf  den  Namen  Gottes  oan  u-ah , 
auf  den  Namen  von  Feueropfern,  auf  den  Namen  des  Wohlgeruchs  (vor  Gott)  u.  auf 
den  Namen  des  Wohlgefallens  (vor  Gott).  Ferner  das  Sund-  u.  Schuldopfer  auf  den 
Namen  der  (betreffenden)  Sünde.  —  Hier  dient  n-:j'5  überall  zur  Angabe  der  Zweck- 
beziehung. Der  Zweck  selbst  ist  ein  verschiedenartiger  u.  ergibt  sich  aus  dem  Zus. hang. 
Die  Schlachtung  erfolgt  „auf  den  Namen  des  Opfers",  d.  h.  unter  Angabe  seiner  Be- 
stimmung, ob  es  als  Brandopfer  oder  als  Friedmahlsopfer  oder  als  Passahopfer  usw. 
dargebracht  wird;  „auf  den  Namen  des  Opfernden",  d.  h.  desjenigen,  dem  mit  der 
Opferung  gedient  sein  soll;  „auf  den  Namen  Gottes",  d.  h.  mit  der  Erklärung,  daß  das 
Opfer  Gotte  (nicht  etwa  irgendeiner  heidnischen  Gottheit)  zugeeignet  werden  solle 
usw.  —  So  liegt  auch  in  dem  ßanrlCsiy  sig  ro  ovofxn  rov  naxQog  etc.  der  Gedanke, 
daß  der  Täufling  dem  dreieinigen  Gott  zugeeignet  werden  soll.  11  Tf AZ  3,  12  f.  (464): 
Ein  Israelit  darf  einen  Heiden  beschneiden  „auf  den  Namen  des  Proselyten"  i;  (üttjV  =)nntt;5 
(d.  h.  zwecks  Aufnahme  in  das  Judentum).  .  .  .  Ein  Israelit  darf  einen  Samaritaner  be- 
schneiden, dagegen  soll  ein  Sam.  nicht  einen  Israeliten  beschneiden,  weil  sie  (die  Sani.) 
„auf  den  Namen  des  Berges  Garizim"  beschneiden.  Das  sind  Worte  des  R.  J'^huda 
(um  150).  Es  sprach  zu  ihm  R.  Jose  (um  150):  Wo  finden  wir  denn  eine  Beschneidung, 
die  nicht  „auf  den  Namen  des  Bundes"  ni^a  dvl-!;  erfolgte?  Mag  er  also  „auf  den 
Namen  des  Berges  Garizim"  d'^t-^j  "in  urD->  beschneiden,  bis  ihm  die  Seele  ausgeht!  — 
Dasselbe  als  Bar  fAZ  21^;  pj*^b  8,8'^,  63.  —  Wie  die  Beschneidung  „auf  den  Namen 
des  Berges  Garizim"  verpflichtet  zur  Verehrung  des  dort  angebeteten  Gottes  der  Sam., 
so  die  Beschneidung  „auf  den  Namen  des  Bundes"  zur  Verehrung  des  israelitischen 
Bundesgottes.  —  Auch  beim  ßanilCsiv  elg  ro  ovofxa  rov  nurgog  etc.  wird  man  dieses 
verpflichtende  Moment  nicht  übersehen  dürfen:  die  Taufe  begründet  eine  Verbindung 
zwischen  dem  dreieinigen  Gott  u.  dem  Täufling,  die  dieser  zu  bejahen  u.  zu  betätigen 
hat  durch  sein  Bekenntnis  zu  dem  Gott,  auf  dessen  Namen  er  getauft  ist. 


Verbesserung. 

S.  498  Zeile  5  lies  Mt  26,  65  S.  1008  ff.  (statt:  25,  25). 


Schriften  von  D.  Dr.  Herm.  L.  Strack 


Einleitung  in  Talmud  und  Midras  ^bea^^eitetT" 

Auflage  der  „Einleitung  in  den  Talmud".  XII,  233  Seiten  gr.  8°, 
Geh.  M  42.—,   geb.  M  80.— 

„Zur  großen  Freude  aller,  die  sich  mit  talmudisclien  Studien  befassen,  isi 
Stracks  Einleitung  in  den  Talmud,  die  seit  Jahren  völlig  vergriffen  war,  in 
neuer  Auflage  erschienen.  Und  die  Freude  ist  um  so  gröfser,  als  das  Buch 
in  seiner  neuen  Gestalt  große  und  wertvolle  Bereicherungen  aufweist.  Das 
Buch  steht  in  jeder  Beziehung  auf  der  Höhe,  auch  in  bezug  auf  die  Fülle 
der  Belehrung  und  Anregung,  die  es  bietet.  Es  wird  in  seiner  neuen  Gestalt 
noch  mehr,  als  es  bereits  bei  der  letzten  Auflage  der  Fall  war,  dem  jungen 
Studierenden  ein  unentbehrlicher  Wegweiser  und  dem  Gelehrten  ein  ebenso 
unentbehrliches  Naclischlagebuch  sein.  Übei-dies  ist  es  ein  Buch,  das  jeder 
Gebildete  lesen  sollte.''  J.  Krengel  (Monatsschrift  für  Geschichte  und  Wissen- 
schaft des  Judentums). 

U    «      .. .       <        ^  .«1      Mit    Übungsbuch.      12.  u.  18,, 

neOraiSCne  UrammatlK  sorgfältig  verbesserte  Auflage. 
1917.    Geb.  M  60.— 


Hebräisches  Vokabularium 


(in    grammatischer    und 
sachlicher  Ordnung).  10. 
und  11.  Auflage.  1914.  48  S.  gr.  8^.   Kartoniert  M  16.— 

Besonders  berücksichtigt  ist  der  Sprachschatz  der  älteren  historischen  Bücher 
sowie  der  wichtigsten  prophetischen  Schriften  und  Psalmen.  Anmerkungs- 
weise dargebotene  Gedächtnisstützen  ei'leichtern  das  Erlernen  und  Behalten 
der  Vokabeln.  Das  breitere  Format  der  neueren  Auflagen  ermöglicht  dem 
Lernenden  sich  selbst  zu  überhören. 

r^»     1     » 1  •       jt  A<iT>i^  1.  einschließlich  Apo- 

Einleitung  in  das  Alte  Testament  k,jphe„undPse„d- 

epigraphen.  Mit  eingehender  Angabe  der  Literatur.  6.,  neubearbeitete 
Auflage.    1906.    Vergriffen. 

j-v»        ^  e         übersetzt  und  ausgelegt,  2.,  ueubearbeitete  Auf- 

uie  uenesis  i^gg.  1905.  192  s.  Lex.  8».  m7o.— 

„Zur  Verbreitung  wissenschaftlichen  und  gläubigen  Schriftverständnisses  bei- 
zutragen in  hohem  Grade  geeignet."  Zeitschrift  für  evangelischen  Eeli- 
gionsunterriclit.  —  ,.Des  excursus  norabreux  et  interessants  traitent  les 
ciuestions  de  fond,  de  doctrine  et  d'archeologie.  Mr.  Strack  est  tres  au  courant 
de  l'egyptologie  et  de  l'assyriologie."    Polybiblion.  ' 


C.  H.  Beck' sehe  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  München 


CLAVIS  LINGUARUM  SEMITICARUM 

EDIDIT 

HERMANN  L.  STRACK 


L  Hebräische  Grammatik  mit  Übungsbuch  von  H.  L.  Strack.  12. 
und  13.,  sorgfältig  verbesserte  Auflage.  1917.  IS^jf  Bogen.  Preis 
gebunden  M  60. — 

Allseitig  anerkannt  als  wissenschaftlieh  tüchtig  und  praktisch  eingerichtet,  daher 
mehrfach  nachgeahmt.  Am  Schluß  ausführliche  Literaturangaben  und  (in  Um- 
schrift) auch  arabische  Paradigmen.  —  Das  Übungsbuch  enthält:  Leseübungen, 
Übungen  zum  Übersetzen  aus  dem  Hebr.  und  ins  Hebr.,  einige  unvokalisierte 
Texte  und  grammatische  Erläuterungen  samt  Wörterbuch  zu  61  historischen 
und  8  prophetischen  Kapiteln,  sowie  zu  23  Psalmen,  übertrifft  mithin  auch  viel 
umfangreichere  Bücher  an  Inhalt. 

II.  Babylonisch-assyrische  Grammatil<  mit  Lesestücken  und  Wörter- 
buch (in  Transkription)  von  Dr.  Arthur  Ungnad,  Prof.  der  semi- 
tischen Sprachen  in  Greifswald.  1906.  11  Bogen.  Vergriffen,  neue 
Auflage  Ende  1922. 

III.  Lehrbuch  der  aramäischen  Sprache  des  babylonischen  Tal- 
muds. Grammatik,  Chrestomathie  und  Wörterbuch  von  Dr.  Max 
L.  Margolis,  Prof.  am  Dropsie  College,  Philadelphia,  Pa.  1910. 
19  Bogen.    Preis  gebunden  M  125. — 

IV.  Grammatik  des  Biblisch-Aramäischen  mit  den  nach  Handschriften 
berichtigten  Texten  und  einem  Wörterbuch  von  H.  L.  Strack. 
6.,  durchgesehene  Auflage.    1921.   100S.gr.  8*'.    Gebunden  M  45.— 

V.  Neuhebräische  Grammatik  auf  Grund  der  Misna  von  Prof.  Dr. 
Karl  Albrecht  in  Oldenburg.    1913.    144  S.   Geb.  M  80.— 

Zugleich  Ersatz  für  das  seit  langer  Zeit  vergriffene  Lehrbuch  der  neuhebräi- 
schen Sprache  und  Literatur  von  H.  L.  Strack  und  C.  Siegfried. 

VI.  Ägyptisch;  Praktische  Einführung  in  die  Hieroglyphen  und  die 
ägyptische  Sprache  mit  Lesestücken  und  Wörterbuch  von  Dr.  Günther 
Eoeder,  Direktor  des  Pelizaeus-Museums  in  Hildesheim.  1913.  88  S. 
Druck  u.  56  autographierte  Seiten.   Geb.  M  90. — 

VII.  Syrische  Grammatik  mit  Übungsbuch  von  Prof.  Arthur  Un- 
gnad.   1913.    242  S.    Preis  gebunden  M  90.— 

Will  durch  praktische  Einrichtung  des  Übungsbuches  vor  allem  den  Be- 
dürfnissen der  Anfänger  dienen.  Die  Übersetzung  der  syrischen  Wörter  des 
Glossars  ist  außer  in  deutscher  auch  in  englischer  Sprache  gegeben. 

C  H.  Beck' sehe  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  München 


strack  und  Zöcklers  kurzgefaßter 

Kommentar  zu  den  heiligen  Schriften 

Alten  und  Neuen  Testaments 
sowie  zu  den  Apokryphen 


A.  Altes 
I.Abt.:  Genesis,  Exodus,  Leviticus, 

Numeri,  von  Strack.  Vergriffen. 
Lieferbar  ist:  Die  Genesis,  von 
DDr.H.L.  Strack.  2.  Auflage.  1905. 
XII,  180  S.  gr.8".  Geh.  M  70.— 
II.  Abt.:  Deuteronomium,  Buch  Jo- 
sua.  Buch  der  Richter,  von  D  S. 
Octtli.  1893.  X,  302S.  gr.8".  Geh. 
M  120.— 

III.  Abt.:  Bücher  Samuelis  und  der 
Könige,  von  D  August  Kloster- 
mann.  Vergriffen. 

IV.  Abt.:  I.  Hälfte:  Jesaja,  von  DDr.  C. 
V.  Orelli.  S.Auflage.  VIII,  227  S. 
gr.8'\  Geh.  M70.— .  —  2.  Hälfte: 
Jeremia,  von  DDr.  C.  v.  Orelli. 
3.  Auflage.  VIII,  215  S.  gr.S«.  Geh. 
M  70.— 

V.Abt.:  I.Hälfte:  Ezechiel,  von  DDr. 
e.V.  Orelli.  2.  Auflage.  Vergriffen. 
—  2. Hälfte:  Zwölf  kleine  Prophe- 

B.  Neues 

I.  Abt. :  Synoptische  Evangelien,  von 

D  K.  Fr.  Nösgen.  2.Auflage.  XIV, 
447  S.  gr.8«.  Geh.  M  120.- 
II.  Abt.:  Evangelium  Johannis,  von 
D  Chr.  E.  Luthardt  und  Apostel- 
geschichte, von  DDr.  O.  Zö ekler. 
2.  Auflage.  Vergriffen. 
III.  Abt. :  Thessalonicher-  und  Galater- 
Briefe,  von  DDr.  O.  Zöckler,  Ko- 
rinther-Briefe, von  DDr.G.Schne- 
dermann  und  Römer-Brief,  von 
D  Chr.  E.  Luthardt.  2.  Auflage. 
Geh.  M  160.— 


Testament: 

ten,  von  DDr.  e.V.  Orelli.  S.Auf- 
lage.   Mit  Anhang:  Zur  Metrik  der 
hebräisch.  Prophetenschriften.  1908. 
VIK,  243  5.  gr.8«.    Geh.  M  70.— 
VI.  Abt.:  Psalmen  u.  Sprüche  Salo- 
mos,  von  D  H.Keßler  und  DDr. 
H.  L.  Strack.  2.  Auflage.  XX,  302 
u.  VIII,  104  S.  gr.8».  Geh.  M  120.— 
Vll.Abt.:  Buch  Hiob,  Pred.  Salomo, 
Hohelied   und  Klagelieder,  von 
D  W.  Volck    und    D  S.  Oettli. 
IX,  224  S.  gr.S».    Vergriffen. 
VII!.  Abt. :  Chronika,  Esra,  Nehemia, 
Ruth,  Esther,  Daniel,  von   D  S. 
Oettli    und    D  Joh.  Meinhold. 
VII,  339  S.  gr.8''.    Geh.  M  110.— 
IX.  Abt. :  Apokryphische  Bücher  des 
Alten  Testaments  mit  Anhang  über 
1  die  Pseiidepigraphen-Literatur,  von 

'  DDr.  O.  Zöckler.  XI,  495  S.  gr.8ö. 

Geh.  M  160.— 

Testament: 

IV.  Abt.:  Epheser-,  Kolosser-,  Phile- 
mon-  und  Philipper-Briefe,  von 
D  G.  Wohlenberg,  Jakobus-, 
Petrus-  und  Judas-Briefe,  von 
DK.  V.  Burger,  Briefe  Johannis, 
von  D  C  h  r.  E.  L  u  t  h  a  r  d  t.  2.  Auflage. 
XI,  280  S.  gr.8".  Geh.  M  100.— 
V.  Abt. :  Timotheus-,  Titus-,  Hebräer- 
Briefe,  Offenbarung  Johannes, 
von  D  R.  Kübel.  2.  Auflage  von 
D  Ed.  Riggenbach  und  DDr.  O. 
Zöckler.  XII,  339  S.  gr.S».  Geh. 
M  110.— 


Einzelausgaben: 


Apostelgeschichte,   von  O.  Zöckler. 

2.  Auflage.    Geh.  M  56.— 
Thessalonicher-  und  Galater-Briefe, 

von  O,  Zöckler.  2.  Aufl.  Geh.  M 40.— 
Korinther-Briefe,  von  G.  Schneder- 
mann.   2.  Auflage.    Geh.  M  80.— 


Epheser-,  Kolosser-,  Philemon-  und 
Philipper-Briefe,  von  G.  Wohlen- 
berg.   Geh.  M  48.— 

Briefe  des  Jakobus,  Petrus  und  Judas, 

von   K.  Burger.     2.  Auflage.     Geh. 
M  36.— 


C.  H.  Beck' sehe  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  München 


Werner  Eiert:  Der  Kampf  um  das  Christen- 

j  Geschichte  der  Beziehungen   zwischen   dem   evangeHschen  Christentum  in 

lUllI  Deutsciiland  und  dem  allgemeinen  Denken  seit  Schleiermacher  und  Hegel. 
VIII,  513  Seiten  Lex.8«.    In  Leinen  gebunden  M  290.- 

„Es  handelt  sich  in  dem  Werke  um  nichts  Geringeres  als  um  die  Geschichte  der 
geistigen  Auseinandersetzung  zwischen  dem  Christentum  und  dem  gesamten  modernen 
Geistesleben,  kürzer  um  eine  Geschichte  der  Apologetik  in  der  durch  den  Untertitel 
angegebenen  Umgrenzung.  Die  Fülle  des  in  ihm  gebotenen  Stoffes  ist  eine  ganz 
außerordentliche;  aber  es  ist  alles  andere  als  eine  Materialsammlung,  jeder  Stein  ist 
nicht  nur  behauen,  sondern  an  der  ihm  gebührenden  Stelle  in  das  Ganze  eingefügt, 
so  daß  sich  eine  Einheit  und  zwar  nicht  nur  durch  die  Darstellung  der  geschichtlichen 
Bewegung  hindurchzieht,  sondern  auch  große  prinzipielle  Gesichtspunkte  beherrschend 
hervortreten."    Theologie  der  Gegenwart. 

Oswaldspengler:  Der  Untergang  des  Abend- 

I  j  Umrisse  einer  Morphologie  der  Weitgeschichte.   Erster  Band:  Gestalt 

IdnUco  und  Wirklichkeit.  33.— 42.  Auflage.  (Endgültige  Fassung.)  Erscheint 
Ende  1922.  —  Zweiter  Band:  Welthistorische  Perspektiven.  Soeben  erschienen- 
In  Halbleinen  gebunden  M  240.—,  auf  holzfreiem  büttenähnlichem  Papier  in  Halb- 
pergament gebunden  M  950. — 

Wie  eine  Kammwanderung  in  großer  Höhe  und  mit  freiesten  Ausblicken  nach  rechts 
und  links,  so  wirkt  der  Inhalt  dieses  seit  langem  erwarteten  zweiten  Bandes  von 
O.Spenglers  „Untergang  des  Abendlandes".  Mit  staunenswerter  Kraft  hat  der  Ver- 
fasser ein  Riesenmaterial  zu  einer  Gedankeneinheit  zusammengehämmert.  Die  Philo- 
sophie, die  schon  im  ersten  Bande  sich  auswirkte,  tritt  hier  ganz  deutlich  hervor. 
Sie  ist  eine  Weiterbildung  des  Philosophierens  eines  Leibniz,  Herder,  Goethe,  Nietzsche. 
Daher  auch  die  plastische  Deutlichkeit  und  Bildhaftigkeit  der  Sprache  und  Gedanken, 
daher  der  Universalismus  des  Geistes  und  die  Fähigkeit  des  Blickes  Spenglers,  die 
Seele  der  Dinge  zu  schauen,  in  allem  das  Eine,  Gleiche  wahrzunehmen.  Während 
der  erste  Band  das  Problem  aufstellte  und  den  Verlauf  des  Kulturlebensprozesses  an 
den  Formen  der  Philosophie,  Kunst,  Mathematik  und  Physik  nachwies,  hat  dieser 
zweite  Band  den  Nachweis  an  den  Formen  der  Religion,  des  Rechts,  der  Politik  und 
Wirtschaft,  der  Sprache  und  Rasse,  den  Völkern,  Städten  und  Ständen  fortgesetzt. 
Die  zwei  Bände  des  „Untergang  des  Abendlandes"  umfassen  also  alle  Formen  des 
Lebens  aus  einem  einheitlichen  Aspekt,  der  aber  nicht  der  Weltblick  eines  bloß 
denkenden  Geistes  ist,  sondern  eines  solchen,  der  auch  die  Seelenkräfte  des  Willens, 
der  Angst,  der  Sehnsucht,  der  Liebe,  des  Glaubens  kennt  und  zum  Aufbau  dieses 
umfassendsten  Seelen-  und  Weltbildes  verwertet. 

Oswald  Spengler  und  das  Christentum  JZ^^^e 

Aufsätze  von  Dr.  Karl  Heim,  Prof.  der  Theologie  in  Tübingen,  und  D.  R.  H.  Grütz- 
macher, Prof.  der  Theologie  in  Erlangen.    M  35.— 

„Heims  Gedanken  haben  hoffentlich  vielen  Mut  gemacht,  sich  mit  Spengler  zu  be- 
schäftigen. Wir  Theologen  sollen  ihn  nicht  als  Modekrankheit  abtun,  wir  sollten  jeden- 
falls dem  Schicksalsgedanken,  der  nach  Heims  Meinung  eine  , bleibende  Bedeutung' 
gibt  und  , innerlich  weit  über  Kant  und  Hegel  und  den  ganzen  deutschen  Idealismus 
hinausführt',  ernsthaft  nachdenken."  Schwartzkopff  (Mecklenburg.  Kirchen-  und 
Zeitblatt). 


C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  München 

C.  H.'Beck'sche  Buclidruckerci  in  Nördlingen 


Date  Due 

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Library  Bureau  Cat.  No.  1137 


226  St8 


CLAPP 


3  5002  02035  6007 

Strack,  Hermann  Uberecht 

Kommentar  zum  Neuen  Testament  aus  Talmud 


BS  2344  . SS4  1922  1 

Strack,  Hermann  Leberecht 
1848-1922.  ' 


Kommentar  zum  Neuen 
Testament  aus  Talmud  und 


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