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Full text of "Krieg und Kapitalismus"

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Werner  Sombart 

Krieg  und 
Kapitalismus 


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Presented  to  the 
LIBRARY  oj  the 

UNIVERSITY  OF  TORONTO 

by 
Prof.  Karl  Helleiner 


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Werner  Sombart 

Studien 
zur  Entwicklung  sgesdiidite 
des  modernen  Kapitalismus 


Zweiter  Band 

Krieg  und  Kapitalismus 


Verlag  von  Duncker  &  Humblot 
Mündien   und   Leipzig    1913 


Werner  Sombart 


Krieg     und 
Kapitalismus 


Verlag  von  Duncker  &  Humblot 
München    und    Leipzig    1913 


Alle  Rechte  vorbehalten 


Copyright  by  Duncker  &  Humblot,  München  und  Leipzig  1913. 


Altenbnrff, 

Pierersche  Hofbuchdruckerei 

Stephan  Geibel  &  Co 


Vorwort 

Der  Zufall  will  es,  daß  dieses  Buch  erscheint  in  einer 
Zeit,  in  der  die  kriegerischen  Interessen  wieder  mehr  als 
andere  die  Gemüter  gefangen  nehmen.  Die  Geister  sind 
dadurch  besser  vorbereitet,  die  einzig  große  Bedeutung  zu 
würdigen,  die  der  Krieg  für  unser  Kulturleben  gehabt  hat,  hat 
und  haben  wird,  solange  Männer  das  Schicksal  der  Völker 
bestimmen  werden.  Besser  vorbereitet  insbesondere,  um  die 
Zusammenhänge  zu  sehen,  die  zwischen  dem  Kriege  und  dem 
Wirtschaftsleben  bestehen,  und  die  systematisch  aufzudecken 
seltsamerweise  bisher  noch  niemand  der  Mühe  für  wert  be- 
funden hat.  Die  höchst  sonderbaren  Ergebnisse,  zu  denen 
meine  Untersuchungen  gelangen ,  rechtfertigen ,  denke  ich, 
mein  Unternehmen  und  verleihen  dem  Buch  einigen  Wert  über 
die  engen  Grenzen  der  wirtschaftshistorischen  Probleme  hinaus. 
Denn  nicht  zuletzt  liegt  mir  immer  am  Herzen,  daß  andere 
Leute  als  die  Fachgenossen  —  in  diesem  Falle  also  vor  allem 
gebildete  Offiziere  —  an  den  Ergebnissen  meiner  Forschungen 
teilnehmen. 

Mittel-Schreiberhau  im  Riesengebirge 
12.  November  1912. 


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Inhaltsverzeichnis 


Seite 

Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges.  .  .  i 

Erstes  Kapitel :  Die  Entstehung  der  modernen  Heere  le 

I.   Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen 16 

1.  Die  theoretisch  möglichen  Heeres  Verfassungen 16 

2.  Das  Landheer 20 

3.  Die  Flotte 33 

IL  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers 37 

1.  Das  Landheer 37 

2.  Die  Flotte 44 

Zweites  Kapitel :   Der  Unterhalt  der  Heere 5i 

L  Die  Heeresfinanzen 51 

1.  Der  Militäraufwand 51 

2.  Die  Aufbringung  der  Mittel 60 

II.  Die  Grundsätze  der  Heeresausrüstung 66 

Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere  ....  74 

I.  Das  Eindringen  der  Feuerwaffen 74 

1.  Die  Geschütze 75 

2.  Die  HandfeuerwaflFen 76 

IL  Die  Neuordnung  des  Bewaffnungswesens 79 

IIL  Der  Bedarf  an  Waffen 85 

IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs 90 

Viertes  Kapitel :  Die  Beköstigung  der  Heere  ....  117 

I.  Die  Verpflegungssysteme 117 

IL  Der  Bedarf  an  Lebensmitteln 124 

III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    .  131 

Anhang:  Die  Remontierung  der  Heere 150 


Vm  Inhaltsverzeichnis 

Seite 

Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere  ....  151 

I.  Die  Bekleidungssysteme 151 

IL  Die  Uniform 155 

III.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  Uniformierung  des  Klei- 

dungsbedarfs in  ihrer  Bedeutung  für  das  Wirtschaftsleben.  163 

Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 175 

I.  Die  Bedeutung  des  Schiffbaues  für  das  Wirtschaftsleben  .   .   .  175 

IL  Die  Menge  der  Schiffe 177 

IIL  Die  Größe  der  Schiffe 182 

IV.  Das  Tempo  des  Schiffbaues 187 

V.  Die  Organisation  des  Schiffbaues 190 

VI.  Die  Beschaffung  der  Schiffbaumaterialien 198 

Literatur  und  Quellen 209 

I.  Zur  Einführung  in  die  militärwissenschaftliche  Literatur.   .   .  211 

IL  Quellenbelege 217 


Einleitung:    Das  doppelte  Gesicht  des 
Krieges 

Wenn  man  den  Anfängen  des  modernen  Kapitalismus 
nachspürt,  und  wenn  man  sich  die  äußeren  Umstände  ver- 
gegenwärtigt, unter  denen  er  zur  Welt  gekommen  ist,  so 
kann  es  gar  nicht  ausbleiben,  daß  man  seine  Aufmerksamkeit 
den  ewigen  Händeln  und  Kriegen  zuwendet,  von  denen  die 
Zeit  seit  den  Kreuzzügen  bis  zu  den  Napoleonisehen  Kriegen 
erfüllt  ist:  Italien  ist  während  des  späteren  Mittelalters 
ebenso  wie  Spanien  ein  einziges  Heerlager;  England  und 
Frankreich  liegen  100  Jahre  während  des  14.  und  15.  Jahr- 
hunderts im  Streite;  im  16.  Jahrhundert  gibt  es  in  Europa 
nur  25,  im  17.  Jahrhundert  nur  21  kriegsfreie  Jahre,  also  von 
200  Jahren  sind  154  Kriegsjahre.  Holland  hat  von  1568  bis 
1648  80,  von  1652  bis  1713  36  Kriegsjahre:  116  von  145.  Bis 
endlich  in  den  Revolutionskriegen  die  europäische  Menschheit 
ihre  letzte  große  Erregung  durchlebt.  Daß  hier  irgendein 
Zusammenhang  zwischen  Krieg  und  Kapitalismus  bestehen 
müsse,  läßt  eine  einfache  Besinnung  als  sicher  erscheinen. 

Und  man  hat  ja  denn  auch  oft  genug  solche  Zusammen- 
hänge festgestellt.  Aber  soweit  ich  sehe:  wenn  man  von 
Beziehungen  zwischen  Kapitalismus  und  Militarismus  sprach, 
hat  man  doch  nie  an  die  Wirkungen  gedacht,  die  der  Kapi- 
talismus auf  die  Politik  der  Völker  ausgeübt  hat,  hat  man 
immer  nur  die  Kriege  als  die  Folgen  der  kapitalistischen  Ent- 
wicklung angesehen. 

Was  sie  denn  zweifellos  auch  in  weitem  Umfange  sind. 
Es  ist  kein  Kunststück,  in  einem  großen  Teile  der  Kämpfe, 

»    Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  1 


2  Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

die  die  italienischen  Republiken  untereinander  oder  mit  den 
Mächten  am  Bosporus  ausfochten,  ebenso  wie  dann  später 
in  den  Kriegen  des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts  „kapita- 
listische" Interessen  als  Triebfedern  aufzudecken.  Es  sind 
Kämpfe  um  den  Futterplatz  —  ganz  gewiß. 

„Was  1556—1559  den  Franzosen  mißlingt,  glückt  den 
Niederländern  in  ihrem  ,Befreiungskriege'  (1568 — 1648): 
Spaniens  Kolonialmacht,  seine  Welthandelssuprematie  zu 
brechen,  die  Entwicklung  seines  nationalen  Wirtschaftslebens 
zum  Stillstand  zu  bringen:  der  Kapitalismus  verlegt  sein 
Hauptquartier  in  die  Niederlande.  Kaum  hier  angelangt,  be- 
gegnet er  sofort  wieder  neidischen  Nachbarn,  die  seiner  Ent- 
wicklung mit  scheelen  Augen  zusehen;  Cromwell  eröffnet  den 
Kampf  mit  den  Niederlanden :  1651  Navigationsakte,  1652  bis 
1654  Handelskrieg.  Mit  England  verbündet  kämpfen  1672 
bis  1678  Frankreich  und  Schweden  gegen  die  aufblühenden 
Niederlande.  Dann  wird  eine  Zeitlang  Frankreich  das  führende 
kapitalistische  Land ;  einen  Augenblick  scheint  es,  als  ob  sich 
der  französische  Handel  mit  dem  spanischen  Kolonialbesitz 
vereinigen  wolle.  Aber  schon  erscheinen  die  Neider :  Deutseh- 
land, Holland,  England  führen  1688—1697  den  Koalitions- 
krieg gemeinsam  gegen  das  mächtig  aufstrebende  Frankreich, 
dem  im  spanischen  Erbfolgekriege  (1701—1714)  Holland  und 
England  den  Erwerb  der  spanischen  Kolonien  mit  Erfolg 
streitig  machen.  Endlich  ringen  als  letztes  und  stärkstes 
Paar  miteinander  Frankreich  und  England  (1756—1763).  Eng- 
land geht  als  Sieger  aus  diesem  Kampfe  hervor  und  begründet 
damit  seine  Suprematie  auf  dem  Weltmarkte." 

Gewiß.  Und  es  hat  Zeiten  gegeben,  in  denen  man  stolz 
war,  wenn  man  irgendeinen  großen  Krieg,  wie  irgendein  anderes 
großes  Ereignis  der  Weltgeschichte,  wieder  einmal  in  seiner 
ökonomischen  Bedingtheit  erkannt  hatte. 

Aber  diese  „materialistische  Geschichtsauffassung"  muß 
doch  nun  aufhören,  uns  als  einziger  Wegweiser  zu  dienen. 


Einleitung:  Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  3 

Sie  hat  ihre  Schuldigkeit  getan.  Aber  nun  müssen  wir  wieder 
einmal  einen  Schritt  weiter  tun.  Wenn  wir  heute  die  „ökono- 
mistische Betrachtung"  der  Geschichte,  nachdem  sie  uns  ein 
Menschenalter  hindurch  Dienste  geleistet  hat,  verabschieden, 
so  entlassen  wir  sie  mit  den  Gefühlen,  mit  denen  man  einen 
alten,  treuen  Dienstboten  aufs  Altenteil  setzt,  nicht  weil 
er  nichts  taugt,  sondern  nur  weil  er  alt  geworden  ist  und 
nichts  Rechtes  mehr  leistet.  Den  mau  auch  weiter  noch 
in  Ehren  hält.  Nicht  sowohl,  weil  wir  die  „materialistische 
Geschichtsauffassung"  für  „falsch"  hielten,  geben  wir  sie  auf: 
sie  ist  nicht  falscher  und  nicht  richtiger  wie  irgendeine 
Methode  zu  einheitlicher  Geschichtsbetrachtung.  Als  vielmehr 
deshalb,  weil  sie  keine  Früchte  mehr  trägt.  Sie  ist  un- 
ergiebig geworden:  die  Goldader,  die  sie  mit  sich  führte,  ist 
abgebaut.  Denn  wahrhaftig:  was  in  letzter  Zeit  mit  ihrer 
Hilfe  an  geschichtlichen  Darstellungen  zutage  gefördert  ist, 
ist  taubes  Gestein.  Jetzt  zumal,  seit  sie  einen  Bestandteil 
eines  politischen  Parteiprogramms  bildet,  ist  sie  zu  einem 
wahren  Kinderschrecken  geworden. 

So  werden  wir  denn  auch  das  Problem  „Krieg  und  Kapi- 
talismus" aus  der  Umschlingung  befreien  müssen,  in  der  es 
der  historische  Materialismus  gefangen  hält.  Und  das  werden 
wir  am  besten  dadurch  bewerkstelligen,  daß  wir  die  Frage 
einmal  umdrehen  und  nicht  untersuchen:  inwiefern  ist  der 
Krieg  eine  Folge  des  Kapitalismus,  sondern:  ist  und  inwieweit 
und  weshalb  ist  der  Kapitalismus  eine  Wirkung  des  Krieges. 
In  dieser  strengen  Form  ist,  soviel  ich  sehe,  das  Problem 
überhaupt  noch  nicht  gestellt  worden.  Obwohl  eine  Menge 
Versuche  vorliegt,  die  Bedeutung  des  Krieges  für  „das  Wirt- 
schaftsleben" darzutun.  Aber  diese  Fassung  ist  zu  lax:  wenn 
wir  nicht  ganz  genau  unsere  Betrachtung  auf  ein  ganz  be- 
stimmtes Wirtschaftssystem  ausrichten,  schlagen  wir  mit  der 
Stange  im  Nebel  herum.     „Historiker" ! 

Welcher  Art  können  denn  nun  wohl  die  Wirkungen  sein. 


4  Einleitung:  Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

die  der  Krieg  ausübt?  Zunächst:  wenn  wir  in  der  laxen 
Formulierung  fragen:  auf  „das  Wirtschaftsleben",  wird  uns 
als  erste  und  wichtigste,  ja  scheinbar  als  einzigste  Wirkung 
die  Zerstörung  entgegentreten,  die  offenbar  mit  allem 
Kriege  engstens  verbunden  ist. 

Der  Krieg  als  Zerstörer:  das  ist  das  Bild,  das  uns  allen 
vorschwebt,  wenn  wir  uns  seine  Wirkungen  auf  die  materielle 
Kultur  vor  Augen  stellen  wollen.  „Die  Kriegsfurie  geht  durch 
die  Lande."  Städte  geplündert.  Dörfer  und  Felder  ver- 
wüstet. Der  rote  Hahn  auf  allen  Dächern.  Das  Vieh  im 
Lande  umherirrend.  Die  Saaten  zertreten.  Die  übriggebliebene 
Bevölkerung  am  Verhungern. 

W^er  kennt  nicht  die  Schilderungen,  vor  allem  aus  dem 
Dreißigjährigen  Kriege  in  Deutschland:  Robert  Höniger  hat 
sie  unlängst  uns  wieder  einmal  ins  Gedächtnis  zurückgerufen  *. 
Sie  wiederholen  sich  aber  in  vielen  Ländern  während  des  16. 
und  17.  Jahrhunderts.  Namentlich  Frankreich  war  arg  heim- 
gesucht von  den  Schrecken  des  Krieges. 

„Überall  Ruinen;  das  Vieh  größtenteils  vernichtet,  so 
daß  man  nicht  mehr  ackern  kann  und  oft  weite  Strecken 
Landes  brach  liegen,"  meint  der  venetianische  Gesandte  Cavalli 
im  Jahre  1574.  „Quasi  tous  les  villages  estoient  inhabitez 
et  deserts,"  heißt  es  in  einer  Deklaration  vom  Jahre  1595, 
„cessation  presque  g6n6rale  du  labour"  ist  die  Folge. 

„II  est  cogneu,"  erklären  die  Notabein  bei  ihrer  Zu- 
sammenkunft im  Jahre  1597,  „que  l'on  faisait  avant  les 
troubles  quatre  fois  plus  de  manufactures  de  draps  de  laine 
qu'ä  präsent.  Tömoins  la  ville  de  Provins  en  Brie  oü  il  y 
avoit  huit  cents  mestiers  de  draps  et  n'y  a  pas  pour  le  jourd'- 
hui  quatre  mestiers." 

Die  gelassensten  Geister  werden  aus  ihrem  Gleichgewicht 
gebracht. 

„En  temps  ordinaire  et  tranquille  on  se  pr6pare  ä  des 
accidents  modörös  et  communs;  mais  ä  cette  confusion  oü 


Einleitung;   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  5 

nous  sommes  depuis  trente  ans,  tout  lioinme  frangais,  soit  en 
particulier,  soit  en  genöral,  se  voit  ä  chaque  heure  sur  le 
pied  de  rentier  renversement  de  sa  fortune."  (Montaigne.) 
Und  was  als  schlimmste  Folge  der  ewigen  Kriege  emp- 
funden wurde:  die  entlassene  Soldateska  ebenso  wie  die  ver- 
armten Edelleute  ergreifen  das  Räuberhandwerk:  Banden 
durchziehen  die  Lande:  eine  Geißel  für  Städter  und  Land- 
mann. Schließlich  verwildert  die  Bevölkerung  selbst:  sie  ist 
nicht  wie  ehedem  nüchtern  und  brav,  das  Elend,  der  An- 
blick des  Blutes,  der  Krieg  haben  sie  verschmitzt  und  roh 
gemacht,  heißt  es  wieder  in  dem  Berichte  Cavallis. 

Wir  haben  heute  gelernt,  diese  Schilderungen  für  über- 
trieben zu  halten.  Wir  wissen,  daß  die  zeitgenössischen  Schrift- 
steller den  Mund  etwas  zu  voll  nehmen,  sobald  sie  auf  das 
Elend  des  Krieges  zu  sprechen  kommen.  Man  hatte  sich 
schließlich  in  eine  gewisse  Wehleidigkeit  und  ein  Gebarme 
hineingeklagt.  Immerhin:  mancher  Schaden  wird  von  der 
Soldateska  dem  Bürger  und  Bauern  zugefügt  sein. 

Wir  besitzen  für  ein  Land  sogar  eine  ziffernmäßige  Be- 
rechnung dieser  Schäden,  die  der  Volkswirtschaft  während 
eines  langen  Krieges  zugefügt  worden  sind,  meines  Wissens 
die  einzige  aus  so  früher  Zeit:  für  Piemont  im  spanischen 
Erbfolgekriege.    Diese  Schadenrechnung  lautet  wie  folgt  ^: 

Brände,  verursacht  vom  Feinde 4184608  1. 

„  n  »     Verbündeten     .    .         691826  „ 

Wegnahme  von  Vieh  vom  Feinde  ....      1492032  „ 
y,  »        »       »     Verbündeten .    .        325412  „ 

Ausfuhr  von  Mobilien  und  Vettovaglia  esclusi 

li  foraggi,  Feind 16322235  „ 

Verbündeten 4985637  „ 

Zerstörung  von  Fruchtbäumen,  Feind     .    .      3810  882  „ 

Verbündete      2335690  „ 
Kontribution  an  den  Feind  bezahlt     .    .    .      3177093  ^ 

37325415  1. 


Q  Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

Damals  hatte  Piemont  1200000  Einwohner! 

Sehr  nachhaltig  sind  aber  die  ungünstigen  Folgen  für 
das  Wirtschaftsleben  wohl  nicht  gewesen,  die  sich  aus  solchen 
Zerstörungen  ergaben.  Und  es  zeugt  von  geringer  Kenntnis 
der  Tatsachen,  wenn  man  den  Dreißigjährigen  Krieg  in  erster 
Linie  für  den  ökonomischen  Rückgang  Deutschlands  und  seine 
lang  andauernde  Rückständigkeit  verantwortlich  macht.  Frank- 
reich hat  im  16.  und  17.  Jahrhundert  mehr  als  einen  dreißig- 
jährigen Krieg  erlebt  und  war  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
die  erste  Handels-  und  Industriemacht  Europas. 

Aber  der  Krieg  hat  mehr  zerstört  als  Dörfer  und  Saaten. 
Und  sein  hemmender  Einfluß  auf  den  Gang  des  Wirtschafts- 
lebens reicht  viel  weiter,  als  selbst  die  jämmerlichsten  Elends- 
sehilderungen vermuten  lassen.  Das  begreifen  wir  aber  nur, 
wenn  wir  die  vorhin  schon  empfohlene  Ausrichtung  des  Problems 
vornehmen,  wenn  wir  sehr  genau  fragen:  welche  Bedeutung 
der  Krieg  für  die  Entwicklung  des  kapitalistischen 
Wirtschaftssystems  gehabt  habe.  Da  finden  wir  näm- 
lich, daß  er  zweifellos  dessen  [Entfaltung  zurückgehalten  hat. 
Daß  er  für  den  Kapitalismus  also  eine  Hemmung  bedeutet 
in  mehr  als  einer  Hinsicht. 

Ich  denke  gar  nicht  einmal  an  die  Vernichtung  schon 
vorhandener  kapitalistischer  Gebilde,  wie  sie  gewiß  häufig 
genug  die  Folge  des  Abbruchs  von  Handelsbeziehungen  oder 
die  Folge  übermäßigen  Steuerdruckes  und  anderer  durch  den 
Krieg  bedingter  Lasten  oder  die  Folge  unsicherer  Transport- 
verhältnisse oder  die  Folge  von  Staatsbankerotten  war.  Und 
will  nur  für  jede  dieser  Störungsweisen  ein  besonders  charakte- 
ristisches Beispiel  anführen: 

Frankreich  exportierte  nach  Holland 

1686  für  72  Mill.  L,  darunter  für  52  Mill.  1.  Industrieerzeug- 
nisse, 
1716  nur  noch  für  30,7  Mill.  1.  insgesamt  und  für  2338000  1. 
gewerbliche  Produkte'. 
Wie  soll  man  Handel  treiben,    klagen   die    spanischen  Cortes   im 


Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  7 

Jahre  1594,  wenn  man  von  1000  Duk.  Kapital  300  Duk.  Abgabe  zahlen 
muß?    In  drei  Jahren  ist  das  Kapital  aufgebraucht*. 

Die  niederländisch -ostindische  Kompagnie  hatte  von  1697 — 1779 
einen  Verlust  von  41275  419  fl.  in  ind.  leichtem  Gelde  (=  33020335  fl. 
in  niederl.  schwerem  Gelde),  trotzdem  sie  an  ihren  Handelsgeschäften 
noch  sehr  viel  verdiente  (1776/77  50  »/o,  1778/79  55  «/o).  Der  Verlust 
stammte  von  dem  großen  Aufwände  her,  den  sie  für  ihre  Erhaltung  im 
Feindesland  machen  mußte.  „Wäre  die  Kompagnie  nur  Kaufmann  ge- 
wesen, von  einem  Kückgang  der  Geschäfte  hätte  also  damals  nicht  die 
Kede  sein  können.  Aber  die  Gesellschaft  war  zugleich  Souverän,  und 
die  Unkosten  der  Verwaltung  verschlangen  allen  Handelsgewinn.  Selbst 
reichten  diese  noch  nicht  vollständig  zu,  denn  „,der  Kaufmann  mußte 
bezahlen,  was  der  Landesherr  verzehrte'"  ^ 

•  Biringuccio  eröffnete  anfangs  des  16.  Jahrhunderts  bei  Auronzo  im 
oberen  Piawa-Tal  ein  Bergwerk  auf  Kupfer  und  Silber,  das  rasch  in 
Blüte  kam.  Über  sein  weiteres  Schicksal  berichtet  er  uns*:  „Gewiß 
hätten  wir  gute  P'rüchte  davon  geerntet,  wenn  das  Schicksal  uns  damals 
nicht  einen  Krieg  zwischen  Kaiser  Maximilian  und  der  Signoria  von 
Venedig  gebracht  hätte,  welcher  bewirkte,  daß  jene  Gegenden  von  Friaul 
und  Carmia  unbewohnbar  wurden  und  uns  zwang,,  unsere  Unternehmungen 
aufzugeben  und  jede  Einrichtung,  die  wir  dort  getroffen  hatten,  zu  zer- 
stören. Und  da  der  Krieg  längere  Zeit  dauerte,  kam  es  zur  Auflösung 
unserer  Gesellschaft  ,  .  ." 

Die  französische  Compagnie  des  Indes  Orientales  (1664 — 1719)  ist 
an  den  Unruhen  und  der  Unsicherheit  zugrunde  gegangen,  die  im  Ge- 
folge der  Kriege  Ludwigs  XIV.  mit  den  Seemächten  auf  allen  Meeren 
und  an  allen  Küsten  sich  einstellten:  während  der  55  Jahre  ihres  Be- 
stehens gab  es  Seekrieg  in  27  Jahren'. 

Der  Staatsbankerott  Philipps  IL  vom  Jahre  1575  wirkte  vernichtend 
auf  zahlreiche  Häuser  in  Sevilla,  Rom,  Venedig,  Mailand,  Lyon,  Ronen, 
Antwerpen,  Augsburg  usw.  Hauptsächlich  aber  litten  die  Genuesen. 
„Es  ist  der  Credito  ganz  allgemein  durch  diese  Neuerung  darnieder- 
gelegt — "  wird  den  Fuggern  aus  Antwerpen  berichtet.  „Diese  beiden 
Bankerotte",  schreibt  Thomas  Müller  aus  Sevilla,  „tun  schier  so  viel 
Schaden,  wie  ein  halbes  Dekret;  denn  dadurch  wird  die  Handlung  nach 
(West-)Indien,  die  bisher  alle  unterhalten  hat,  ganz  zerstört."  Die 
spanische  Volkswirtschaft  war  nach  dieser  Katastrophe  nur  noch  ein 
■wüster  Trümmerhaufen  8. 

Ich  denke  vielmehr  an  die  viel  bedeutsamere  Hemmung, 
die  der  Krieg  auf  die  Entwicklung  des  Kapitalismus  dadurch 
ausübte,  daß  er  die  Keime  zerstörte,  aus  denen  Kapitalismus 
hätte  erwachsen  sollen.    Diese  Keime  lagern  eingeschlossen 


g  Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

in  den  kapitalfähigen  Vermögen,  die  seit  dem  frühen  Mittel- 
alter immer  wieder  an  allen  Orten  aus  tausend  Quellen 
zusammenflössen.  Diese  Vermögen  hat  der  Krieg  zu  unzähligen 
Malen  Jahrhunderte  hindurch  daran  gehindert,  sich  in  Kapital 
zu  verwandeln,  weil  er  sie  für  seine  Zwecke  verwendete. 
Wer  offenen  Sinnes  durch  die  Welt  ging,  konnte  in  aller 
früheren  Zeit  sich  der  Tatsache  nicht  verschließen,  daß  die 
privaten  Vermögen,  statt  Industrie  und  Handel  zu  befruchten, 
in  die  Tresors  des  Staates  wanderten,  der  sie  zu  allermeist 
für  Kriegszwecke  verausgabte:  die  öffentlichen  Anleihen,  die 
dem  Geldbesitzer  einen  mühelosen,  erklecklichen  Gewinn  ver- 
sprachen, sogen  erst  die  großen,  dann  die  großen  und 
die  kleinen  Vermögen  auf  und  hinderten  also  die  Kapital- 
akkumulation. 

Diese  Vorgänge  bildeten  die  beständige  Klage  aller 
kommerzialistisch  interessierten  Leute,  namentlich  im  18.  Jahr- 
hundert. 

In  England: 

„Of  course  every  wise  man  would  take  his  money  out  of  trade  and 
carry  it  to  the  Treasury  as  the  better  market.  There  was  at  that  time 
—  sc.  z.  Z.  Williams  III.  —  at  least  20  or  30**/o  to  be  got  fairly,  by 
supplying  the  government;  the  money  paid  was  sure  to  return  again 
in  a  few  years  and  being  lent  again  on  new  securities,  it  can  be  no 
■wonder  that  so  profitable  a  traffic  has  from  a  moderate  stock  produced 
even  80  Millions  in  60  years." 

„The  public  funds  . . .  engross  that  ready  money  that  should  other- 
•wise  be  employed  in  trade  either  by  the  proprietors  or  others  ..."^. 

In  Frankreich: 

„Cet  argent  fait  pour  alimenter  le  commerce  et  soutenir  l'industrie, 
va  se  perdre  ^ternellement  dans  les  coffres  royaux.  Ces  coffres  attirent 
tout  ce  qu'ils  peuvent  attirer  .  .  ." 

„Elle  (la  poche  des  capitalistes)  appelle  ...  les  richesses,  fait  la 
loi,  ecrase;  abyme  tout  concurrent,  est  ötrangere  ä  l'agriculture,  ä  l'in- 
dustrie,  au  commerce  .  .  .   Consacree  ä  l'agiotage  eile  est  funeste  ..." 

„Je  ne  passe  point  devant  l'hotel  des  fermes  sans  pousser  un  pro- 
fond  soupir:  je  me  dis,  lä  s'engouffre  l'argent  arrach^  avec  violence 
de  toutes  les  parties  du  royaume,  pour  qu'apres  ce  long  et  penible  travail, 
il  rentre  altere  dans  les  coffres  du  roi"  ^". 


Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  9 

In  Holland: 

„Die  ewige  Klage,  daß  niemand  sein  Geld  in  den  Kaufhandel,  die 
Gewerbe  und  den  Ackerbau  stecken  will,  daß  alle  in  träger  Muße  reich 
werden  wollen  und  darum  ihr  Geld  im  Auslande  anlegen^*." 

Und  die  Geschichte  lehrt  uns,  daß  jene  Männer  richtig 
beobachtet  hatten.  Seit  dem  Mittelalter,  seit  die  Städte  und 
Fürsten  zu  borgen  anfingen,  galt  es  für  alle  Leute,  die  Er- 
sparnisse gemacht  hatten,  als  ausgemacht,  daß  sie  ihr  Geld 
zunächst  in  Darlehen  an  die  Fürsten  und  Städte  anlegten. 
Solange  die  Schulden  noch  persönliche  waren,  brachten  bloß 
die  Reichen  ihr  Geld  den  Königen  (ihr  Geld,  das  freilich 
auch  zum  Teil  schon  aus  Depots  zusammengeflossen  war,  wie 
es  uns  Villani  von  den  Geldern  berichtet,  die  die  Bardi 
und  Peruzzi  dem  Könige  von  England  dargeliehen  hatten). 
Dann  als  die  Anteilsschuld,  und  zumal  als  die  unpersönliche 
Schuld  aufkam,  strömten  auch  die  Spargroschen  der  kleinen 
Leute  in  die  öffentlichen  Kassen. 

1353  und  1398  wurden  Häuser  in  Venedig  verkauft,  um 
mit  dem  Erlös  Anteile  an  den  Staatsschulden  zu  erwerben  ^2. 

Über  den  Zulauf,  den  der  grand  parti  des  Königs  Heinrich  II. 
im  Jahre  1555  hatte,  schreibt  ein  Zeitgenosse:  „Gott  weiß,  wie 
die  Gier  nach  diesen  übermäßigen  Gewinnen  ...  die  Menschen 
anreizte:  jedermann  lief  herbei,  um  sein  Geld  in  dem  grand 
parti  anzulegen,  bis  herunter  zu  den  Dienstboten,  die  ihre 
Ersparnisse  hinbrachten.  Die  Frauen  verkauften  ihren  Schmuck, 
die  Witwen  gaben  ihre  Renten  hin,  um  sich  an  dem  grand 
parti  zu  beteiligen,  kurz  man  lief  dorthin,  als  wenn  das 
Feuer  dort  sei"  *^. 

Um  einen  Begriff  von  den  gewaltigen  Beträgen  zu  geben, 
die  auf  diese  Weise  der  Kapitalbildung  (zunächst!  das  heißt 
auf  direktem  Wege!)  entzogen  wurden,  teile  ich  hier  die 
Summen  der  Schulden  mit,  die  die  wichtigen  Stadt-Staaten 
und  Großstaaten  seit  dem  Mittelalter  bis  zu  Beginn  des 
19.  Jahrhunderts  aufgenommen  haben. 


10 


Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 


Den  Weg  wiesen  auch  in  dieser  Beziehung: 

1.  Die  italienischen  Städte: 

Die  stehende  Schuld  Genuas  datiert  seit  1257.  Im  Jahre  1322  be- 
ziflFerte  sich  die  gesamte  Staatsschuld  Genuas  auf  831496  1.  und  wurde 
mit  8—120/0  verzinst.    1354  war  die  konsolidierte  Schuld  auf  2  962 1491. 

9  s.    6    d.    angewachsen,    1378 — 81    wurden   im    Kampfe    mit   Venedig 

10  Zwangsanleihen  von  durchschnittlich  100000  fl.  zuS**/©  aufgenommen, 
so  daß  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  zu  obigen  2,9  Mill.  1.  noch  weitere 
2V2  Mill.  1.  hinzugetreten  waren.  1470  betrug  Genuas  Staatsschuld 
12  Mill.  1.,  1597  43,77  Mill.  1.  '*. 

In!  Fl(yrenz  gab  es  1380  1  Mill.  fl.  d'oro,  1427  3  Mill.  fl.  d'oro 
Staatsschulden;  von  1430  bis  1433  hatten  70  Familien  im  Conto  di 
gravezze  4875000  fl.  bezahltes. 

Der  Doge  von  Venedig  Mocenigo,  nachdem  er  bei  Lebzeiten  4  Mill. 
Dukaten  getilgt  hatte,  hinterläßt  (1423)  noch  eine  Schuldenlast  von 
6  Mill.  Dukaten.  Im  Jahre  1520  betrug  das  Vermögen  des  Monte  vecchio 
8675613  Duk.  14  Gr.i«. 

2.  Frankreich'. 

1595" 296620  252  Livres. 

1698" 2  352  755  000      „ 

1715»» 3460000000      „ 

1721«« 1,700733294      „ 

176420 2157116651       „ 

178920 4467478000      „ 

1800" 40  216  000      „     Rente. 

1814  21 63307  637      „  „ 

3.  Holland: 

166022 140  Millionen  Gulden. 

1698" 25         „         £■ 

4.  England^^: 

1603  400000  £, 

1658  2  474  290   „ 

1714  54 145  363  "  )  ^P*^^^*^^®'^  Erbfolgekrieg, 

1727  52  092  235  l 

1739  46  954  623  „ 

1748  78  293313  „ 

1755  74  571  840  „  'l      7  jähriger  Krieg  Englands  und 

1762  146  682  844  „/                     Frankreichs, 

1784       257  213  043   „"  }  amerikanischer  Freiheitskrieg, 

1793        261735  059   „\  „      ,       -    ^    v  • 
1816       885 186  323   „  }  Napoleomsche  Kriege. 

5.  Entropa: 

17142* 300  Mill.  Sß. 


Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  H 

Ganz  gewiß:  in  diesen  Ziffern  drücken  sich  große  und 
schwere  Verluste  aus,  die  der  Kapitalismus  erlitten  hat. 

Und  doch!  Ohne  den  Krieg  wäre  er  überhaupt 
nicht  da.  Der  Krieg  hat  kapitalistisches  Wesen  nicht  nur 
zerstört,  der  Krieg  hat  die  kapitalistische  Entwicklung  nicht 
nur  gehemmt:  er  hat  sie  ebenso  gefördert,  ja  —  er  hat  sie 
erst  möglich  gemacht,  weil  wichtige  Bedingungen,  an  die 
aller  Kapitalismus  geknüpft  ist,  erst  im  Kampfe  sich  erfüllen 
mußten.  Ich  denke  vor  allem  an  die  Staatenbildung, 
wie  sie  zwischen  dem  16.  und  18.  Jahrhundert  in  Europa 
vor  sich  geht,  die  eine  Voraussetzung  war  für  die  eigenartige 
Entfaltung  des  kapitalistischen  Wirtschaftssystems.  Die  mo- 
dernen Staaten  aber,  das  wird  man  nicht  erst  zu  belegen 
brauchen,  sind  allein  das  Werk  der  Waffen:  ihr  Äußeres, 
ihre  Abgrenzungen  nicht  minder  wie  ihre  innere  Gliederung: 
die  Verwaltung,  die  Finanzen  sind  unmittelbar  in  Erfüllung 
kriegerischer  Aufgaben  in  modernem  Sinne  entwickelt  worden : 
Etatismus,  Fiskalismus,  Militarismus  sind  in  diesen  Jahr- 
hunderten ein  und  dasselbe.  Insbesondere  sind  auch  die 
Kolonien,  wie  jedermann  weiß,  in  tausend  blutigen  Kämpfen 
erobert  und  verteidigt  worden :  von  den  italienischen  Kolonien 
in  der  Levante  angefangen  bis  zu  dem  großen  englischen 
Kolonialreich,  das  den  anderen  Nationen  Schritt  für  Schritt 
mit  dem  Schwert  in  der  Hand  abgerungen  wurde. 

Erobert  worden  sind  die  Kolonien  im  Kampfe  mit  den  Eingeborenen, 
erobert  im  Kampfe  mit  den  eifersüchtigen,  um  die  Wette  streitenden 
europäischen  Nationen.  Gewiß  mag  hier  und  da  das  diplomatische  Ge- 
schick mitgeholfen  haben,  um  einem  Lande  Vorteile  im  Handel  mit  einem 
fremden  Volke  zu  verschaffen;  wir  kennen  zahlreiche  Verträge,  die  mit 
den  eingeborenen  Fürsten  abgeschlossen  wurden,  und  in  denen  die 
europäische  Nation  Privilegien  aller  Art  zugesichert  bekam.  Besonders 
in  den  Levantekolonien,  wo  man  es  mit  halb-  und  ganzzivilisierten 
Völkern  zu  tun  hatte,  waren  Vertragsschließungen  häufig.  Und  auch  in 
den  asiatisch-amerikanischen  Gebieten  kamen  sie  vor.  Französisch  hießen 
solche  Verträge  „Firman",  in  denen  (wie  beispielsweise  in  dem  Firman 
aus  dem  Jahre  1692,  den  Deslandes  für  die  französische  Comp,  des  J.  0. 


12  Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

in  Chandernagor  vom  Mogul  erwirkte)  etwa  folgendes  vereinbart  wurde: 
Die  Kompagnie  zahlt  dem  Mogul  40000  Kop.,  10000  sofort,  5000  in  Jahres- 
raten ;  die  Franzosen  erhalten  das  Recht :  frei  zu  handeln  in  den  Provinzen 
Bengalen,  Orissa  und  Behar;  mit  denselben  Privilegien  und  auch  den- 
selben Gewohnheiten  wie  die  Holländer ;  sie  zahlen  wie  diese  3  Va  **/o  Douane. 
Aber  so  vortrefflich  derartige  Abmachungen  waren;  getan  war  es  mit 
ihnen  gewiß  nicht.  Schon  daß  sie  von  den  Eingeborenen  gehalten  wurden, 
setzte  eine  Machtentfaltung  des  vertragschließenden  Landes  voraus,  die 
dem  Fürsten  drüben  genügende  Achtung  einflößte.  Und  dann  blieb  ja 
immer  noch  der  rivalisierende  europäische  Staat,  der  jeden  Augenblick 
bereit  war,  mit  dem  Schwert  in  der  Hand  sich  seinen  Platz  zu  er- 
kämpfen. 

So  ist  schon  die  Kolonialgeschichte  der  Genuesen  und  Venetianer 
eine  Geschichte  von  ewigen  Kriegen  2^  Auch  hier  schon  bekamen  gute 
Verträge  diejenigen  Staaten,  die  am  trutzigsten  auftraten:  „Während 
dieser  Kämpfe  beschränkte  sich  die  Republik  (Venedig)  im  wesentlichen 
darauf,  ihr  Quartier  in  der  Stadt  Negrepont  in  guten  Verteidigungs- 
zustand zu  setzen.  "Wahrscheinlich  trug  dies  dazu  bei,  daß  sie  im 
Jahre  1277,  als  abermals  ein  Vertrag  auf  2  Jahre  mit  Michael  Paläologus 
abgeschlossen  wurde,  günstigere  Bedingungen  erlangte."  (He yd.)  Und 
nicht  minder  die  der  westeuropäischen  Nationen  seit  dem  16.  Jahr- 
hundert: Machtentfaltung  durch  kriegerisches  Auftreten  blieb  auch  hier 
die  Losung:  „11  faudrait  envoyer  des  vaisseaux  du  Roi  afin  de  les 
faire  voir  sur  les  cotes  et  surtout  n'epargner  ni  poudre  ni  boulets,  et 
c'est  d'une  grande  consequence  afin  d'abattre  l'orgueil  des  Hollandais . ., 
fomenter  la  guerre  entre  Anglais  et  Hollandais  et  secourir  toujours  le 
plus  faible  . . .;  la  Comp,  etant  etablie  une  fois,  il  ne  tiendra  qu'au  Roi 
d'etre  le  maitre  des  Indes"  . .  heißt  es  in  einer  Denkschrift  der  Direktoren 
der  französisch-ostindischen  Kompagnie  aus  dem  Jahre  1668  2*. 

Man  weiß,  daß  seit  dem  17.  Jahrhundert  es  üblich  wurde,  die 
staatlichen  Hoheitsrechte,  vor  allem  auch  die  Kriegsmittel,  den  privi- 
legierten Handelsgesellschaften  zu  übertragen,  denen  dadurch  recht 
eigentlich  die  Eroberung  der  Kolonien  als  Aufgabe  einheimfiel,  und 
zwischen  denen  der  Kampf  um  den  Futterplatz  (soweit  er  außerhalb 
Europas  entschieden  wurde)  zum  Austrag  kam.  Daß  in  diesem  Kampfe 
die  Größe  der  staatlichen  Machtmittel  letzten  Endes  die  Entscheidung 
gab,  und  daß  der  Sieg  nicht  von  friedlichen  Kaufieuten,  sondern  von 
gewandten  Geschäftsleuten  und  brutalen  Seehelden  erfochten  wurde, 
liegt  auf  der  Hand. 

„L'on  connaltra  par  lä.  qu'il  faut  que  les  personnes  qui  sont  k  la 
tete  des  Compagnies  dans  les  Indes,  aient  d'autres  qualitäs  que  celle 
qui  regarde  la  fonction  simplement  d'un  habile  marchand:  c'est  un 
Service  mel6,  oü  il  est  nöcessaire  de  savoir  un  peu  de  tout",  berichtet 
der  immer  klar  schauende  F.  Martin  nach  Hause ^'.    Und  das  hat  für 


Einleitung:  Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  13 

alle  Nationen  'gegolten:  die  brutalsten,  die  rücksichtslosesten,  die  im 
Kriegshandwerk  tüchtigsten  haben  in  dem  Kampfe  zuletzt  den  Sieg 
davon  getragen. 

Wie  der  Hergang  bei  dem  Erwerbe  kolonialen  Besitzes  war,  dafür 
liefert  die  Geschichte  der  afrikanischen  Handelsgesellschaften  ein  be- 
sonders gutes,  weil  außerordentlich  durchsichtiges  Beispiel: 

Zunächst  wird  Afrika  von  den  Portugiesen  besetzt.  Daneben  fassen 
auch  die  Engländer  festen  Fuß:  die  Königin  Elisabeth  privilegiert  eine 
Gesellschaft.  Die  Engländer  bauen  nun  ihr  erstes  Fort  an  der  Gold- 
küste, dann  am  River  Gambia,  [zur  Zeit  der  Stuarts.  1621  wird  die 
holländisch-westindische  Kompagnie  errichtet,  mit  dem  Rechte,  alles 
Land  an  der  afrikanischen  West-  und  amerikanischen  Ostküste  in  Besitz 
zu  nehmen ;  sowie  mit  dem  alleinigen  Recht,  daselbst  Handel  zu  treiben. 
Da  die  Portugiesen  die  Plätze,  die  für  die  Gesellschaft  wichtig  waren, 
schon  in  Besitz  genommen  hatten,  so  waren  Zusammenstöße  unvermeidlich, 
und  sie  traten  auch  bald  genug  ein :  1637  erobern  die  Holländer  das  erste 
portugiesische  Fort  in  Afrika,  bald  alle  andern,  die  ihnen  im  Vertrage 
von  1641  formell  zugesprochen  wurden.  Nun  sind  aber  die  Engländer 
noch  im  Wege,  und  die  Holländer  beanspruchen  jetzt  das  Recht  des 
Alleinhandels  auch  ihnen  gegenüber:  sie  lassen  beständig  zwei  Kriegs- 
schiffe an  der  Küste  kreuzen,  die  auf  ankommende  englische  Handels- 
schiffe Jagd  machen  sollen ^s.    Es  war  nun  klar  geworden: 

1.  daß  englische  Privatkaufleute  nicht  gegen  die  vereinigte  Macht 
der  holländisch-westindischen  Gesellschaft  aufkommen  konnten; 

2.  daß  auf  einen  Vertrag  zwischen  den  beteiligten  Staaten  wenig 
Wert  zu  legen  war  (Ostindische  Erfahrung!); 

3.  daß  es  nur  ein  Mittel  gebe ,  gegen  einen  solchen  Gegner  wie  die 
holländisch-westindische  Kompagnie  zu  bestehen:  auch  die  englischen 
Kaufleute  gleicherweise  zu  einer  Gesellschaft  zusammen  zu  schließen 
und  dieser  alle  Machtbefugnisse  und  Privilegien  zu  geben,  deren  sie  be- 
dürfte. 

Das  Ergebnis  dieser  Erwägungen  war  die  Gründung  der  „Company 
of  Royal  Adventurers  of  English  trading  into  Africa"  im  Jahre  1662. 

Nun  beginnt  ein  wohl  geordneter  Kampf  zwischen  beiden  Gesell- 
schaften: Die  Engländer  legen  nun  auch  Forts  an,  rüsten  auch  Kriegs- 
schiffe aus  usw.  Welcher  Aufwand  dabei  in  Frage  kam,  zeigen  folgende 
Ziffern:  für  Erbauung  und  Erhaltung  der  Forts  an  der  afrikanischen 
Küste  verausgabte  die  Gesellschaft  von  1672—1678  390000  ^,  von  1678 
bis  1712  206000  £,  von  1712—1729  255000  i^,  zusammen  also  851000  i^" 
in  diesen  57  Jahren!  Aber  die  Engländer  wurden  nun  auch  in  ihrem 
Besitze  nicht  mehr  gestört.  Postlethwayt,  der  nach  guten  zeit- 
genössischen Quellen  diesen  Bericht  gibt,  fügt  hinzu 2®:  „For  250  years 
past,  it  has  been  the  constant  policy  of  all  such  European  nations  . . 
die  fremde  Länder  entdeckt  haben  . .  to  build  and  maintain  forts  and 


14  Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

Castles;  and  in  virtue  of  such  possessions  ,to  claim  a  right  to  whole 
Kingdoms  and  to  tracts  of  land  of  a  vaste  extent  and  to  exclude  all 
other  nations  from  trading  into  or  from  them". 

Vergegenwärtigt  man  sich  aber  die  tiberragende  Be- 
deutung, die  die  Kolonien  für  die  Entwicklung  des  modernen 
Kapitalismus  haben :  als  Vorbilder,  als  Gesinnungsbildner,  als 
Vermögensbildner,  als  Marktbildner,  so  genügt  diese  eine 
Leistung  des  Krieges:  die  Eroberung  der  Kolonialreiche,  um 
ihn  auch  als  Schöpfer  kapitalistischen  Wesens  zu  betrachten. 
Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges :  hier  zerstört  er,  und  dort 
baut  er  auf. 

Aber  um  das  auszusprechen,  hätte  ich  nicht  nötig  ge- 
habt, schon  wieder  ein  Buch  zu  schreiben.  Denn  das  weiß 
sogar  jeder  „Historiker".  Was  mir  vielmehr  am  Herzen  liegt, 
ist:  den  Nachweis  zu  führen,  daß  der  Krieg  noch  viel  unmittel- 
barer am  Aufbau  des  kapitalistischen  Wirtschaftssystems  be- 
teiligt ist.  Deshalb  daran  beteiligt  ist,  weil  er  die  modernen 
Heere  geschaffen  hat  und  die  modernen  Heere  wichtige 
Bedingungen  kapitalistischer  Wirtschaft  erfüllen  sollten.  Die 
Bedingungen,  die  hier  in  Betracht  kommen,  sind:  die  Ver- 
mögensbildung, der  kapitalistische  Geist  und  vor  allem 
ein  großer  Markt.  Die  folgenden  Untersuchungen  stellen 
sich  die  Aufgabe,  die  Zusammenhänge  aufzudecken,  die 
zwischen  der  Entwicklung  des  Militarismus  und  des  Kapitalis- 
mus bestehen.  Ich  werde  immer  vor  allem  nachzuweisen 
suchen,  inwieweit  die  modernen  Heere,  deren  Entstehung  ich 
zunächst  verfolge :  1.  als  Vermögensbildner,  2.  als  Gesinnungs- 
bildner, 3.  (vor  allem !)  als  Marktbildner  dem  kapitalistischen 
Wirtschaftssystem  Vorschub  leisten. 

Die  Epoche,  über  die  sich  meine  Darstellung  erstreckt, 
ist  die  Zeit  seit  der  Entstehung  der  modernen  Heere  bis 
etwa  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts.  Es  sind  die  für  die 
Entwicklung  des  modernen  Kapitalismus  entscheidenden  Jahre, 
in  denen  er  Ziel  und  Richtung  bekommt,  seine  Pubertäts- 


Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges  15 

jähre.  Nur  für  diese  frühkapitalistische  Epoche  behaupte 
ich  die  überragende  Bedeutung  des  Militarismus.  Später 
mischen  sich  tausend  andere  Bestandteile  hinein,  später  wird 
der  Gang  des  Wirtschaftslebens  durch  tausend  andere  Trieb- 
kräfte ebenso  stark,  wenn  nicht  stärker,  bestimmt  wie  durch 
die  militärischen  Interessen,  die  einen  beherrschenden  Ein- 
fluß nur  bis  zum  Beginn  der  hochkapitalistischen  Zeit  aus- 
üben: aber  das  ist  ja  gerade  das  Entscheidende,  weil  eben 
in  dieser  Zeit  der  Charakter  des  modernen  Kapitalismus 
seine  Grundprägung  erfährt. 


16 


Erstes  Kapitel:    Die  Entstehung  der 
modernen  Heere 


I.   Die  Herausbildung  der  neuen  Organisations- 

formen 

/.  Die  theoretisch  möglichen  Heeresverfassungen 

Die  allgemeine  Heeresverfassung  weist  folgende 
Möglichkeiten  verschiedenartiger  Gestaltung  auf: 

1.  Nach  dem  Organisationszentrum  unterscheiden 
wir  Privatheere  und  Staats-  (Stadt-  usw.)  Heere :  je  nachdem 
innerhalb  eines  Gemeinwesens  einzelne  (Privat-)  Personen  die 
Heere  zusammenbringen,  um  sie  entweder  für  sich  oder  für 
andere  kämpfen  zu  lassen ;  oder  die  öffentlich-rechtlichen  Ge- 
walten, „öffentliche  Körper"  wie  Staaten,  Stände,  Städte  die 
Heere  organisieren. 

2.  Nach  der  Lebensdauer  eines  Heeres  zerfallen 
die  Heere  in  stehende  und  nicht  stehende,  (man  könnte  sagen : 
fliegende  Heere),  je  nachdem  sie  ohne  die  besondere  Ver- 
anlassung eines  Krieges  ein  für  allemal  zusammenbleiben 
oder  nur  auf  Zeit  zusammengebracht  werden,  wenn  sich  ein 
Bedarf  nach  ihnen  einstellt.  Das  stehende  Heer  kann  wiederum 
in  zwei  verschiedenen  Formen  auftreten :  präsent  oder  absent, 
je  nachdem  der  Miles  perpetuus  „unter  Waffen"  gehalten  oder 
zu  seiner  bürgerlichen  Beschäftigung  beurlaubt  wird.  Bleibt 
ein  Teil  des  stehenden  Heeres  unter  Waffen,  während  ein 
anderer  Teil  sich  im  Beurlaubtenstande  befindet,  so  sprechen 
wir  von  einem  Kadreheer. 

Will  man  den  Begriff  „stehendes  Heer"  enger  fassen,  so 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  17 

wird  man  darunter  diejenigen  Krieger  verstehen,  die  unter 
Waflfen  sind.  Häufig  denkt  man  nur  an  diese,  wenn  man  vom 
stehenden  Heere  in  seinen  Anfängen  spricht,  weil  damals  die 
Kategorie  des  beurlaubten  Militärs  noch  nicht  existierte. 

Ebenso  unbestimmt  (und  unbestimmbar,  weil  es  nur 
Gradunterschiede,  keine  Wesensunterschiede  gibt)  ist  der 
Begriff  des  Berufsheeres.  Eindeutig  ist  er  nur,  wenn  man 
darunter  Heere  versteht,  die  in  ihrem  ganzen  Bestand  aus 
Berufskriegern  bestehen,  das  heißt  aus  Leuten,  die  so  lange 
das  Kriegshandwerk  treiben,  als  es  ihre  Kräfte  zulassen  (wie 
heutzutage  unsere  aktiven  Offiziere).  Ein  Berufsheer  ist 
aber  anderseits  auch  ein  Volksheer  mit  mehrjähriger  Dienst- 
zeit im  Gegensatz  zur  „Miliz"  mit  ungenügender  oder  gar 
keiner  Ausbildung. 

Für  unsere  Zwecke  ist  die  scharfe  Auseinanderhaltung 
dieser  verschiedenen  Typen  nicht  so  wichtig.  Es  wird  genügen, 
wenn  wir  die  empirischen  Gestaltungen,  wie  sie  die  europäische 
Geschichte  aufweist,   dann  im  einzelnen  richtig  umschreiben. 

3.  unterscheiden  wir  die  Heere  nach  der  Art  und  Weise 
der  „Heeresaufbringung".  Hier  scheint  mir  eine  Ein- 
teilung in  die  zwei  großen  Gruppen:  Zwangsheere  und  freie 
Heere  ratsam,  um  damit  auszudrücken,  daß  der  Krieger  im 
ersten  Falle  einem  (äußeren)  Zwange  folgt,  wenn  er  zur 
Fahne  geht,  daß  er  auch,  wenn  er  nicht  wollte,  sich  doch 
stellen  müßte  (ob  er  dann  gern  oder  gar  mit  Begeisterung 
dem  Rufe  des  Kriegsherrn  folgt,  ist  gleichgültig,  diese  ge- 
fühlsmäßige Beziehung  ist  unabhängig  von  der  hier  heraus- 
gehobenen und  betonten  rechtlichen  Beziehung  des  einzelnen 
Kriegers  zum  Heere) ;  während  er  im  anderen  Falle  aus  einem 
freien  Entschlüsse  heraus  handelt  (also  daß  er  auch  nicht 
sich  dem  Heere  anschließen  brauchte,  wenn  er  nicht  wollte). 

Die  Zwangsheere  nehmen  sehr  verschiedenen  Charakter 
an,  je  nach  dem  Ursprung  und  der  Form  der  Verpflichtung. 
Der  Zwang  kann  privatrechtlich  oder  öffentlich-rechtlich  be- 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  2 


18  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

gründet  sein.  Ein  privatrechtlicher  Zwang  ergreift  die  ganze 
Person  des  Kriegers,  der  alsdann  als  „Sklave"  erscheint.  Seine 
Heerespflicht  ist  in  der  Tatsache  begründet,  daß  er  persönlich 
unfrei  ist,  während  sie  im  andern  Falle  aus  seiner  Eigen- 
schaft als  Angehöriger  eines  bestimmten  Verbands  folgt.  Der 
Krieger  wird  als  Bauer  oder  als  Ritter  oder  als  Untertan 
„aufgeboten" :  daher  „Aufgebotsheere"  auf  diesem  Wege  zu- 
stande kommen,  die  entweder  nur  einen  Teil  einer  Volks- 
gemeinschaft umfassen  und  dann  Klassenheere  sind  oder  aus 
der  ganzen  Volksgemeinschaft  hervorgehen  und  dann  Volks- 
heere sind. 

Die  „freien"  Heere  bestehen  demgegenüber  aus  Kriegern, 
die  aus  freier  Entschließung  zur  Waffe  gegriffen  haben.  Ist 
ihr  Entschluß  im  Hinblick  auf  die  im  Kampfe  erhofften  End- 
erfolge zustande  gekommen,  haben  sie  sich  zum  „Schutze  des 
Vaterlandes"  oder  zur  Verteidigung  irgendwelcher  anderen 
Interessen  vereinigt,  so  sprechen  wir  von  Freiwilligen-Heeren 
im  eigentlichen  Sinne.  Tun  sie  dagegen  Kriegsdienst  gegen 
unmittelbare  Bezahlung,  sind  sie  „angeworben",  zu  bestimmten 
Leistungen  vertragsgemäß  gegen  Entgelt  verpflichtet,  so  haben 
wir  „Söldnerheere"  vor  uns. 

4.  kann  man  nach  der  inneren  Gliederung  der  Heere  noch 
Individual-  und  Kollektivheere  unterscheiden,  über 
welchen  Unterschied  ich  im  weiteren  Verlauf  der  Darstellung 
mich  näher  auslassen  werde. 

Die  Einteilung  der  Heeresformen,  die  ich  hier  vorgenommen 
habe,  ist  nicht  die  übliche.  Mir  scheint  sie  aber  zweckmäßig, 
vor  allem  im  Hinblick  auf  die  im  folgenden  anzustellenden 
Betrachtungen.  Es  schmerzt  einen  oft  geradezu  körperlich, 
wenn  man  etwa  „stehendes  Heer"  und  „Söldnerheer"  gegen- 
übergestellt sieht,  was  eine  Kontrastierung  ist  wie  sie  etwa  die 
Gegenüberstellung  von  Konkret  und  Konvex  enthält.  Man  tut 
gut,  sich  solchen  Verstößen  gegenüber  gegenwärtig  zu  halten, 
daß  die  Gesichtspunkte,  nach  denen  man  bestimmte  Heeres- 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  19 

formen  unterscheidet,  sehr  verschiedener  Art  sind.  Und  tut 
ebenfalls  gut,  nicht  zu  vergessen,  daß  die  so  unterschiedenen 
Eigenarten  der  Heere  sich  in  vielfältiger  Weise  mischen  können : 
ein  Staatsheer  kann  ein  stehendes  oder  ein  fliegendes  Heer, 
ein  Söldnerheer  oder  ein  Aufgebotsheer,  ein  Berufs-  oder  ein 
Milizheer  sein.  Wiederum  kann  ein  Söldnerheer  ein  stehendes 
oder  ein  fliegendes,  ein  Privat-  oder  ein  Staatsheer  sein  usw. 

Schema  der  Heeresorganisation 
Zu  unterscheiden  sind : 

I.  Nach  der  Heeresorganisation: 

1.  Privatheere, 

2.  Staatsheere. 

II.  Nach  der  Lebensdauer  des  Heeres; 

1.  Stehende  Heere: 

a)  Präsenzheere, 

b)  Absenzheere  (Kadreheere), 

2.  Fliegende  Heere. 

II a.    Nach    der    Dauer    der    Ausbildung    des 
Kriegers: 

1.  Berufsheere, 

2.  Dilettantenheere  („Miliz "-Heere). 

III.  Nach  der  Art  der  Aufbringung: 

1.  Zwangsheere: 

a)  privatrechtliche:  Sklavenheere, 

b)  öffentlich-rechtliche  (Aufgebotsheere), 
a)  Klassenheere, 

ß)  Volksheere; 

2.  freie  Heere: 

a)  Freiwilligenheere, 

b)  Söldnerheere  (Werbeheere). 

IV.  Nach  der  inneren  Gliederung:. 

1.  Individualheere, 

2.  Kollektivheere  (Massenheere,  Truppenheere). 


20  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

2.  Das  Landheer 

Es  herrscht  Streit  unter  den  besten  Kennern  der  Heeres- 
geschichte, wann  man  die  Entstehung  der  modernen  Heere 
annehmen  soll:  während  in  Frankreich  die  Einsetzung  der 
Ordonnanzkompagnien  durch  Karl  VII.  (1445)  eine  Zeitlang 
ziemlich  allgemein  als  das  Ereignis  betrachtet  wurde,  von 
dem  man  die  moderne  französische  Armee  datieren  solle,  sind 
neuerdings  Meinungen  laut  geworden,  die  erst  den  Sohn 
Karls  VII.,  oder  gar  erst  Franz  I.  oder  noch  spätere  Könige 
als  Begründer  der  französischen  Armee  gelten  lassen  wollen. 
Für  England  verlegen  die  einen  den  Anfang  des  modernen 
Heeres  in  das  Jahr  1509  oder  gar  noch  früher,  während 
andere  das  Jahr  1643  oder  1645  als  Gründungsjahr  ansehen. 
Die  preußische  Armee  lassen  zwar  die  meisten  unter  dem 
Großen  Kurfürsten  anfangen,  aber  sie  streiten  doch,  in  welchem 
Jahre  oder  gar  in  welchem  Jahrzehnt  die  ersten  Ansätze  zu 
suchen  seien,  und  manche  wollen  gar  erst  in  Friedrich  Wilhelm  I. 
den  „eigentlichen"  Begründer  des  preußischen  Heeres  er- 
blicken. 

Dieses  Schwanken  kann  uns  nicht  in  Erstaunen  setzen, 
wenn  wir  wahrnehmen,  daß  die  verschiedenen  Forscher  sehr 
verschiedene  Merkmale  ansehen,  an  denen  man  das  moderne 
Heer  soll  erkennen  können.  Gibt  es  denn  aber  Merkmale, 
die  als  Erkennungszeichen  des  modernen  Heeres  gelten  könnten, 
mit  deren  Hilfe  man  dieses  mit  Sicherheit  von  dem  mittel- 
alterlichen Heere  zu  unterscheiden  vermöchte  ?  Wie  man  etwa 
ein  Söldnerheer  von  einem  Aufgebotsheer,  ein  Klassenheer 
von  einem  Volksheer  deutlich  unterscheiden  kann? 

Es  seheint  fast  nicht,  wenn  man  die  Kriterien  Kevue 
passieren  läßt,  die  jeweils  als  Merkmale  des  „modernen 
Heeres"  gegolten  haben  oder  gelten. 

Früher  glaubte  man  wohl,  daß  dasSöldnerwesen  das 
Neue  darstelle,  was  die  Feudalepoche  beendigt  und  die  moderne 
Zeit  eingeleitet  haben  sollte.    Wir  wissen  aber  heute  längst, 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  21 

daß  das  Söldnertum  bis  tief  in  das  Mittelalter  zurückreicht, 
daß  es  wohl  so  alt  ist  wie  das  Rittertum,  und  daß  Söldner- 
heere immer  neben  Ritterheeren  bestanden  haben. 

Söldnerheere  treffen  wir  unter  den  griechischen  Kaisern  ^® 
ebenso  wie  unter  den  Kalifen  seit  dem  9.  Jahrhundert  ^\ 
Aber  auch  in  den  europäischen  Staaten  begegnen  wir  ihnen 
bereits  im  10.  Jahrhundert:  der  Mönch  Richer  erzählt,  daß 
991  der  Graf  von  Anjou  gegen  den  Grafen  der  Bretagne  ge- 
zogen sei  mit  einem  Heere,  bestehend  aus  Vasallen  und 
Söldnern  (conductitii)^^. 

Frühzeitig  entwickelt  sich  die  Söldnerei  in  England: 
1014  erhebt  Ethelred  210001^  zu  Heereszwecken  ^^,  und  seit 
dem  Domesday  ist  die  Ablösung  der  Gefolgspflicht  in  Geld 
und  die  Anwerbung  von  Rittern  durch  den  König  gang  und 
gäbe  8*. 

Im  12.  und  13.  Jahrhundert  wird  dann  das  Söldnertum 
zu  einer  überall  verbreiteten  Einichtung :  Söldnerheere  waren 
die  Normannenheere,  die  nach  Italien  kamen,  bald  um  den 
Griechen  gegen  die  Sarazenen,  bald  gegen  die  Griechen  den 
langobardischen  Herrengeschlechtern  oder  den  Landschaften 
zu  dienen.  Söldner  bilden  einen  großen  Teil  der  Truppen 
Ludwigs  des  Heiligen,  beritten  und  zu  Fuß;  die  Fußtruppen 
sind  wohl  die  erste  Infanterie -Soldtruppe,  Kompagnien  von 
100  Mann  unter  einem  Ritter,  von  denen  zwar  die  Chroniken 
nicht,  wohl  aber  die  Rechnungen  berichten  ^^.  Schon  im  12.  Jahr- 
hundert war  das  Söldnerwesen  so  weit  ausgebildet,  daß  es 
berühmte  Söldnerführer  gab,  nach  Art  der  späteren  Con- 
dottieri  ^^. 

Alles  das  sind  Beispiele  aus  der  feudalen  Welt.  Daß  in 
der  städtischen  Wehrverfassung  überall  sehr  früh  das 
Söldnerwesen  einen  organischen  Bestandteil  bildete,  versteht 
sich  von  selbst^''. 

Das  Söldnertum  als  besonderes  Kennzeichen  des  modernen 
Heeres  anzusehen,  verbietet  sich  aber  auch  aus  dem  Grunde : 


22  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

weil  das  Aufgebotsheer  sieher  zu  allen  Zeiten  einen  Bestand- 
teil des  modernen  Heeres  gebildet  hat. 

Ebensowenig  aber  kann  man  den  Anfang  des  modernen 
Heeres  mit  den  Anfängen  des  stehenden  Heeres  zusammen- 
fallen lassen.  Denn  auch  die  „stehenden  Heere"  reichen 
viel  weiter  zurück,  als  man  das  moderne  Heer  zurüekreehnen 
kann. 

Auch  wenn'  man  das  ganze  Ritterheer  kein  „stehendes 
Heer"  nennen  will,  obwohl  man  es  genau  so  bezeichnen  müßte : 
denn  es  war  „stehend",  das  heißt  dauernd  zur  Verfügung  des 
Königs,  wenn  auch  nur  in  potentia  und  absentia,  so  unter- 
liegt es  doch  keinem  Zweifel,  daß  die  seit  jeher  vorhandene 
Scara  der  Fürsten  alle  Merkmale,  die  man  einem  stehenden 
Heere  überhaupt  beilegen  kann,  erfüllt :  es  war  eine  Krieger- 
schar, die  den  Fürsten  umgab,  ihm  jederzeit  zur  Verfügung 
stand  und  nie  verschwand:  der  miles  perpetuus.  Diese  per- 
sönliche Schutztruppe,  die  „Leibwache",  finden  wir  denn  auch 
in  den  modernen  Staaten  seit  ihren  Anfängen  wieder:  die 
italienischen  Tyrannen  halten  sie  ebenso  wie  die  französischen 
und  englischen  Könige  oder  die  deutschen  Fürsten:  es  sind 
die  gens  d'armes,  die  men-at-arms^^,  die  „Trabanten"  ^^ 

Ist  es  etwa  die  königliche  Koramandogewalt,  die 
das  moderne  Heer  charakterisiert  und  von  dem  mittelalterlichen 
unterscheidet?  Wollte  man  das  annehmen,  so  müßte  man 
abermals  bis  tief  ins  Mittelalter  zurückgehen,  um  auf  die 
Anfänge  des  modernen  Heeres  zu  stoßen.  Denn  wenigstens 
in  Frankreich  steht  das  königliche  Heer  seit  der  Lehnszeit 
unter  dem  einheitlichen  Befehl  des  Connötable,  dem  seit  1349 
der  Capitaine  g^nöral  zur  Seite  gestellt  ist,  und  die  oberste 
Leitung  der  Kriegsmaschinen  und  (nach  Einführung  der  Kanonen) 
des  groben  Geschützes  obliegt  daselbst  seit  1274  dem  Grand 
Mattre  des  Arbal6tiers,  einem  königlichen  Beamten. 

Oder  soll  man  die  W äffen technik  für  die  Umwandlung 
des  mittelalterlichen  Heeres  in  das  moderne  Heer  verantwort- 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  23 

lieh  machen,  wie  es  manche  für  richtig  halten?  Das  hieße 
ebenfalls  den  Tatsachen  Gewalt  antun.  Mit  der  Einführung  der 
Feuerwaifen  beginnt  ganz  gewiß  keine  neue  Epoche  des  Heer- 
wesens :  denn  kein  Mensch  wird  die  Heere,  die  bei  Creey  fochten, 
wo  schon  Feuerwaffen  in  Gebrauch  waren,  für  moderne  Heere 
halten,  und  anderseits  wird  niemand  den  Armeen,  die  gegen 
Ende  des  17.  Jahrhunderts  zum  Teil  noch  mit  der  Pike  fochten, 
den  Charakter  als  „moderne"  Heere  absprechen  mögen. 

Also  scheint  es  wirklich,  als  ließe  sich  von  keiner  Seite 
her  die  Heeresgeschichte  in  eine  mittelalterliche  und  eine  neu- 
zeitliche Epoche  abgrenzen  ?  Aber  wir  empfinden  doch  wieder 
ganz  deutlich,  daß  die  Heere,  wie  sie  am  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts uns  entgegentreten,  grundsätzlich  sich  unterscheiden 
von  den  Heeren  noch  des  15.  Jahrhunderts,  müssen  also 
auch  annehmen,  daß  sich  in  der  Zeit  von  1500  bis  1700  (um 
den  Zeitraum  ganz  weit  abzugrenzen)  wesentliche  Verände- 
rungen in  der  Heeresorganisation  vollzogen  haben.  Es  wird 
hier  wie  so  oft  sich  der  Widerspruch  dadurch  lösen  lassen, 
daß  man  verzichtet,  ein  bestimmtes  Ereignis  als  das  ent- 
scheidende herauszugreifen  und  also  von  dem  Eintritt  dieses 
Ereignisses  an  die  grundsätzliche  Neugestaltung  zu  rechnen. 
Das  moderne  Heer  hat  ebensowenig  wie  der  moderne  Staat 
oder  der  moderne  Kapitalismus  ein  bestimmtes  Geburtsjahr. 
Ja,  seine  Entstehung  setzt  nicht  einmal  mit  Notwendigkeit 
das  Anheben  einer  ganz  neuen  Entwicklungsreihe  voraus: 
alte  Einrichtungen  können  sich  langsam  gewandelt,  alte  Sitten 
und  Gebräuche  unmerklich  erneuert,  nebeneinander  herlaufende 
Ströme  können  sich  vereinigt  haben,  bis  endlich  durch  schritt- 
weise und  stückweise  Umbildung  die  neue  Form  zustande 
gekommen  war,  die  wir  nun  in  ihrer  Gänze  deutlich  als 
etwas  Grundverschiedenes  von  der  früheren  empfinden,  und 
die  wir  beide  natürlich  auch,  wenn  wir  sie  in  ihrer  Reinheit 
begrifflich  erfassen  wollen,  mit  aller  erdenklichen  Schärfe 
voneinander  abheben   müssen:   so  sehr  wir  uns  bewußt  sind, 


24  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

daß  in  der  empirischen  Gestaltung  an  keiner  einzigen  Stelle 
des  Umbildungsprozesses  gesagt  werden  konnte:  hier  ist  der 
Punkt,  wo  das  Neue  auftritt ;  daß  kein  einziger  Entwicklungs- 
faktor aufgewiesen  werden  konnte,  dem  man  die  Neuwirkung 
hätte  zuschreiben  können. 

Das  moderne  Heer  ist  ein  stehendes  und  ist  ein  Staats- 
heer. Die  beiden  schon  immer  vorhandenen  Tendenzen:  den 
Fürsten  (als  Vertreter  des  Staates)  zum  alleinigen  Befehls- 
haber zu  machen  und  ihm  dauernd  die  Truppen  zur  Verfügung 
zu  stellen,  wirken  also  bis  zum  letzten  Ende  weiter,  bis  die 
Grundsätze  zu  allgemeiner  Geltung  gelangt  sind.  Dieser  Sieg 
der  beiden  Prinzipien  findet  seinen  äußeren,  man  wäre  ver- 
sucht, zu  sagen:  symbolischen  Ausdruck,  wenn  dieser  Aus- 
druck nicht  gleichzeitig  eine  so  sehr  reale  Bedeutung  für  die 
Grundideen  des  modernen  Heeres  hätte:  in  der  dauernden 
Bereithaltung  oder  Bereitstellung  von  Geldmitteln  zur  Be- 
schaffung und  Ausrüstung  der  stehenden,  staatlichen  Truppen ; 
von  Mitteln,  über  die  der  Fürst  frei  zu  verfügen  hat,  also 
daß  er  dadurch  die  zeitliche  Dauer  wie  auch  die  administrative 
Durchdringung  des  Heeres  von  seinem  "Willen  abhängig  machen 
kann :  in  dieser  nunmehr  geschaffenen  materiellen  Potenz  des 
Fürsten  vereinigen  sich  die  beiden  wesentlichen  Merkmale 
des  modernen  Heeres:  daß  es  stehend  und  daß  es  staatlich 
ist,  wie  von  selbst  zu  einer  organischen  Einheit.  Der  Fürst 
verfügt  nunmehr  über  „Mittel  und  Volk",  und  damit  ist  das 
Heer  in  seiner  neuen  Form  gewährleistet;  damit  ist  es  zu 
dem  geworden,  was  es  zu  sein  bestimmt  war:  zum  Schwert 
in  der  Hand  des  Fürsten,  dem  es  wiederum  erst  zu  seiner 
Eigenart  verhilft:  da  in  der  politischen  Welt  „ein  Herr  in 
keiner  Consideration  ist,  wann  er  selber  nicht  Mittel  und 
Volk  hat",  wie  es  der  Große  Kurfürst  in  seinem  politischen 
Testamente  von  1667  ausdrückt. 

Hat  man  die  innige  Zusammengehörigkeit  der  drei 
JVIomente:  Mittelbeschaftung ,  Kontinuität  und  staatliche  Ver- 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsforraen  25 

waltung  und  ihre  grundlegende  Bedeutung  für  die  Heraus- 
bildung des  modernen  Heeres  erkannt,  so  ist  man  allerdings 
geneigt,  den  Reformen  Karls  VH.  von  F  r  a  n  k  r  e  i  c  h  epoche- 
machenden Charakter  zuzusprechen. 

Die  Vorgänge  waren  bekanntlich  folgende  *°:  Karl  war 
vor  dem  Jahre  1439  auf  die  spärlichen  und  unsicheren  Be- 
willigungen der  Stände,  die  ihm  noch  getreu  geblieben,  an- 
gewiesen. Aus  dieser  finanziellen  Unordnung  und  dem  Geld- 
mangel entsprang  die  Eigenmacht  der  Kriegsbanden,  welche 
das  Reich  erfüllten.  „Wie  oft  haben  Kapitäne,  die  für  den 
König  fochten,  die  Befehle  seiner  Marschälle  zurückgewiesen ; 
wie  oft  haben  sie  sich  hinter  den  Mauern  ihrer  Festungen  die 
schnödesten  Gewalttaten  erlaubt."  Karl  versuchte  nun  zu- 
nächst dieser  Banden  Herr  zu  werden  dadurch,  daß  er  sie 
auf  bestimmte  Einkünfte  in  je  ihrem  Bezirke  anwies.  Im 
Jahre  1439  schritt  er  dazu,  die  Verhältnisse  einheitlich  und 
dauernd  für  das  ganze  Reich  zu  ordnen.  Es  kam  zu  der 
Ordonnanz  vom  2.  November  *\  der  der  Gedanke  zugrunde  liegt, 
daß  man  die  Truppen,  die  man  für  den  fortdauernden  Krieg 
bedurfte,  nicht  im  Zaume  halten  könne,  wenn  man  sie  nicht 
regelmäßig  besolde  und  einem  einzigen  Befehl  unterordne. 
Die  Großen  des  Reiches  leisteten  Verzicht,  ohne  Erlaubnis 
des  Königs  Truppen  zu  halten,  und  sprachen  diesem  das  aus- 
schließliche Recht  zu,  Kapitäne  zu  ernennen,  die  dann  für 
jeden  Unfug,  der  von  ihren  Kompagnien  verübt  wurde,  neben 
ihm  verantwortlich  sein  sollten.  Sie  ließen  sich  aber  auch  ver- 
bieten, Taillen  eigenmächtig  auf  ihre  Untertanen  zu  legen 
oder  die  vom  Kriege  aufgelegten  zu  erhöhen;  dem  Könige 
wurde  zu  dem  Zwecke  der  Truppenbesoldung  zugestanden, 
eine  allgemeine  Steuer  ebensogut  von  den  Untertanen  der 
Großen  wie  in  den  unmittelbaren  Gebieten  zu  erheben.  Dieses 
Recht  betrachtete  der  König  als  dauernd:  aus  dem  denarius 
perpetuus  ging  der  miles  perpetuus  wie  von  selbst  hervor. 
Auf  Grund  des  Beschlusses  der  Versammlung  von  Orleans 


2()  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

konnte  der  König  feste  und  durchgreifende  administrative  Ein- 
richtungen treffen.  Ranke  nennt  diese  Reform  gewiß  mit 
Recht  „eine  der  größten  Veränderungen".  Ihr  verdankt  die 
für  ihre  Zeit  unerhört  große  und  unerhört  gute  Armee,  mit 
der  Karl  VIII.  in  Italien  einfiel,  ihr  verdanken  die  glänzenden 
Truppen,  mit  denen  Franz  I.  seine  Schlachten  schlug,  doch 
letzten  Endes  ihre  Entstehung. 

Was  sich  in  Frankreich  schon  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts abspielte,  vs^iederholte  sich  in  anderen  europäischen 
Staaten  erst  zwei  Jahrhunderte  später.  In  E  n  g  1  a  n  d  fällt  die 
Konsolidierung  der  Armee  doch  erst  in  die  Zeit  des  Common- 
wealth. Die  entscheidenden  Maßregeln  sind  hier  wohl^^  der 
Beschluß  des  Parlaments  (1643):  daß  Essex'  Armee  dauernd 
aus  10000  Fußtruppen  und  4000  Pferden  bestehen  solle  und 
die  Ordonnanz  vom  15.  Februar  1645,  mittels  deren  das 
Committee  of  Both  Kingdomes  beauftragt  wird  (nachdem  die 
Essexsche  Armee  1644  kapituliert  hatte),  „eine  neue  Armee  zu 
schaffen" :  The  New  Model  Army. 

Bekanntlich  wurde  dann  später  der  Bestand  einer  stehen- 
den Staatsarmee  noch  einmal  in  Frage  gestellt,  als  es  die 
Bill  of  rights  zum  Staatsgrundgesetz  erhob:  daß  das  Halten 
einer  stehenden  Armee  in  Friedenszeiten  „gegen  das  Gesetz" 
sei.  Da  aber  eine  Armee  doch  nicht  zu  entbehren  war,  so 
gab  das  Parlament  seit  1689  die  Erlaubnis  zur  Bildung  eines 
geworbenen  Heeres  durch  ein  jährliches  Spezialgesetz  unter 
dem  Titel:  Bill  to  punish  mutiny  and  desertion  etc.  Auf 
dieser  Mutiny  Bill  ruht  seitdem  das  englische  Heerwesen  *^ 

Für  Deutschland,  das  heißt  für  die  deutschen  Landes- 
fürsten, ist,  möchte  mir  scheinen,  der  Artikel  180  des  Reichs- 
tagsabschieds vom  17.  Mai  1654  von  entscheidender  Wichtig- 
keit geworden.  In  diesem  Artikel  war  der  Grundsatz  auf- 
gestellt, daß  „jedes  Kurfürsten  und  Stands  Landsassen 
Unterthanen  und  Bürger"  verpflichtet  seien,  „zu  Besetz-  und 
Erhaltung  . . .  der  nöthigen  Festungen,  Plätze  und  Garnisonen 


I.  Die   Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  27 

ihren  Landesfürsten,  Herrschaften  und  Obern  mit  hülflichem 
Beitrag  an  Hand  zu  gehen".  Diese  Bestimmung  gab  die 
Höhe  der  von  den  Landtagen  zu  bewilligenden  Beiträge  in 
der  Hauptsache  dem  Ermessen  der  fürstlichen  Gewalten  anheim 
und  „ist  dadurch  für  die  Entwicklung  des  miles  perpetuus  in 
den  deutsehen  Territorien  sehr  wichtig  geworden"  **. 

Den  Prozeß  der  Verstaatlichung  der  Heere,  der 
sich  Schritt  für  Schritt  parallel  mit  dem  Stehendwerden  der 
Truppen  vollzog,  im  einzelnen  hier  zu  verfolgen,  ist  nicht  der 
Ort:  Genug,  daß  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  das  moderne 
Heer  in  seiner  staatsrechtlich-verwaltungstechnischen  Gestalt 
fertig  dastand.  In  Preußen,  dem  nunmehr  führenden  Lande, 
bezeichnet  die  Kabinettsorder  vom  15.  Mai  1713  den  Abschluß 
der  Neubildung.  In  ihr  wird  der  „Söldnerei  auf  Zeit"  der 
letzte  Stoß  gegeben,  sofern  bestimmt  wird,  daß  alle,  die  ein- 
mal geworben,  so  lange  dienen  sollen,  bis  Seine  Majestät  sie 
entläßt*^.  Auch  die  Besetzung  sämtlicher  Offizierstellen  war 
nunmehr  dem  Könige  vorbehalten :  jetzt  erst,  unter  Friedrich 
Wilhelm  I.,  wird  das  freie,  unbeschränkte  monarchische  Er- 
nennungsrecht der  Krone,  wie  auf  allen  anderen  Gebieten  der 
Verwaltung,  so  auch  hier  unbedingt  anerkannt  und  aus- 
geübt ^^ 

Aber  wenn  wir  uns  „das  moderne  Heer"  in  seiner  ganzen 
Eigenart  vor  Augen  stellen,  so  erscheinen  in  dem  Bilde  doch 
deutlich  noch  andere  Züge  als  sein  verfassungs-  und  ver- 
waltungshafter  Charakter :  Exerzierplätze  tauchen  vor  unserem 
Blick  auf,  wir  sehen  „Truppenkörper"  vor  uns,  gegliedert  und 
ineinander  geschoben:  Armeekorps,  Regimenter,  Bataillone, 
Kompagnien  ziehen  an  uns  vorüber,  unter  dem  Kommando 
einer  hierarchisch  über-  und  untergeordneten  Schar  von  Be- 
fehlshabern. Das  heißt:  das  moderne  Heer  ist  auch  militär- 
technisch eigenartig  bestimmt.  Und  zwar  stellt  es  sich  uns 
dar  als  das,  was  man  ein  Kollektivheer  oder  ein  Massen - 
beer   oder  auch  ein  Truppenheer  nennen  könnte  und  unter- 


28  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

scheidet  sich  dadurch  ebenfalls  scharf  von  allen  mittelalter- 
lichen Heeren. 

Die  Besonderheit  eines  solchen  Massenheeres  liegt  darin, 
daß  es  vor  allem  durch  seine  Größe,  durch  die  zu  einer 
taktischen  Einheit  zusammengefaßten  vielköpfigen  Krieger- 
haufen wirkt.  Wenn  tausend  Ritter  im  Kampfe  standen,  so 
bildeten  sie  keine  einheitliche  Masse,  sondern  tausend  Einzel- 
krieger fochten  nebeneinander :  tausend  moderne  Kavalleristen 
sind  zu  einem  Stoße  gleichsam  vereinigt,  wenn  sie  eine  Attacke 
reiten.  In  ihnen  und  durch  sie  wirkt  die  überindividuelle 
Einheit  des  Massenkörpers,  der  von  einem  gemeinsamen  Geiste 
beseelt  ist.  Diese  Gemeinsamkeit  des  Geistes  wird  durch  das 
Kommando  hergestellt,  das  von  den  Führern  ausgeht.  Die 
Funktionen  der  (geistigen)  Leitung  und  der  (körperlichen) 
Aktion  sind  also  getrennt  und  werden  von  verschiedenen  Per- 
sonen ausgeübt,  während  sie  früher  in  einer  und  derselben 
Person  zusammengefügt  waren.  Es  hat  sich  jener  Differen- 
zierungsprozeß vollzogen,  der  für  die  gesamte  moderne  Kultur- 
entwicklung so  außerordentlich  charakteristisch  ist. 

Vor  allem  drängt  sich  die  Analogie  der  Entwicklung  in 
der  Organisation  des  Wirtschaftslebens  auf:  vom  Handwerk 
zum  Kapitalismus. 

Diese  Differenzierung  der  leitenden  und  aus- 
führenden Funktionen  zieht  dann  eine  ganze  Menge  von 
Erscheinungen  nach  sich,  die  das  moderne  Heerwesen  kenn- 
zeichnen: vor  allem  das  Exerzieren  und  die  Disziplin,  durch 
die  auf  mechanischem  Wege  die  Verbindung  zwischen  leitenden 
und  ausführenden  Organen  hergestellt  werden  muß.  Im  ;,Gleich- 
tritt",  den  die  Griechen  und  Römer  geübt  hatten,  den  die 
Schweizer  und  Schweden  wieder  übten,  den  Leopold  von  Dessau 
in  der  preußischen  Armee  zur  Regel  machte,  begrüßt  das 
moderne  Heer  gleichsam  sein  Symbol. 

Ich  glaube,  daß  man  den  Einfluß,  den  hier  das  moderne 
Heerwesen  auf  die  gesamte  Kultur  und  in  Sonderheit  auf  das 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  29 

Wirtschaftsleben  ausgeübt  hat,  noch  nicht  hinreichend  gewürdigt 
hat.  In  dem  entscheidenden  17.  Jahrhundert  vollzieht  sich 
die  Zerbrechung  und  Zertrümmerung  des  natürlichen  Menschen, 
der  die  Renaissancezeit  noch  beherrscht  hat,  und  der  unfähig 
gewesen  wäre,  das  kapitalistische  Wirtschaftssystem  zur  vollen 
Entwicklung  zu  bringen.  Der  Teilmensch,  der  Sachmensch, 
der  Pflichtenmensch  wird  geschaifen.  Man  hat  für  die  Geburt 
dieses  neuen  Menschen  die  Religion,  in  Sonderheit  den  Puri- 
tanismus  verantwortlich  gemacht.  Hat  man  aber  auch  bedacht, 
in  welch  engem  Zusammenhange  Puritanismus  und  Militaris- 
mus miteinander  stehen?  Man  muß  sich  doch  erinnern,  daß 
der  „militärische  Geist",  „the  military  spirit",  durch  Cromwell 
in  die  modernen  Heere  eingeführt  worden  ist,  daß  Milton  voller 
militärischer  Ideen  steckt. 

Die  Ideale  beider  sind  dieselben:  die  Überwindung  des 
kreatürlichen  Menschen,  seine  Einordnung  in  ein  überragendes 
Ganze.  Deshalb  sind  auch  die  militärischen  „Tugenden",  wie 
sie  im  17.  und  18.  Jahrhundert  gelehrt  wurden,  größtenteils  die- 
selben, die  die  Non-Conformisten ,  die  Calvinisten,  die  Puri- 
taner vertreten.    Zucht  ist  das  Leitmotiv. 

In  der  Schrift  von  David  Faßmann,  „Der  Ursprung, 
Ruhm,  Exzellenz  und  Vortrefflichkeit  des  Krieges-  und  Sol- 
datenstandes, sowie  dessen  18  nöthige  Qualitäten",  Berlin, 
1717,  werden  folgende  18  Qualitäten  eines  tüchtigen  Kriegs- 
mannes aufgezählt: 

„Gottesfurcht,  Klugheit,  Herzhaftigkeit,  Todesverachtung, 
Nüchternheit,  Wachsamkeit,  Geduld,  Zufriedenheit,  Treue, 
Gehorsam,  Respekt,  Aufmerksamkeit,  Haß  gegen  schnöde 
Lüste,  Ehrbegierde,  kein  Räsonierer  sein,  fehlerlose  Dienst- 
leistung, Wissenschaft,  gutes  Naturell." 

Dieselben  Tugenden  kehren  in  einem  amtlichen  Erlasse 
Friedrich  Wilhelms  I.  wieder ,  der  offenbar  von  Faßmann  in- 
spiriert worden  ist:  puritanische,  militärische  und  kapitali- 
stische Tugenden  sind,  wie  man  sieht,  größtenteils  dieselben. 


30  Erstes  Kapitel:   Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

Mag  man  nun  annehmen,  daß  die  militärische  Disziplin 
aus  puritanischem  Geiste  geboren  oder  durch  puritanische 
Ideen  gefördert  sei,  oder  daß  sie  ihre  eigene  Entstehungs- 
ursache in  den  neugeschaifenen  Verhältnissen  habe :  daran  ist 
nicht  zu  zweifeln,  daß  bei  der  Durchdringung  des  Lebens  mit 
dem  neuen  Geiste  die  Armee  die  größere  Arbeit  geleistet 
hat.  Dafür  sorgte  der  Exerzierplatz,  auf  dem  in  müh- 
seligem, hartem,  jahrelangem  Kampfe  der  alte,  triebhafte 
Mensch  zur  Strecke  gebracht  wurde. 

Das  ist  ja  die  entscheidende  Wandlung,  die  das  Heer- 
wesen vom  16.  bis  zum  18.  Jahrhundert  erfährt :  daß  in  dieser 
Zeit  der  freie  Söldner  zum  einexerzierten,  dressierten  Parade- 
soldaten wird,  hinter  dem  der  Korporalstock  steht.    Häufung 
der  Exerzierpflichten,  strenge  Disziplin,  Drill  sind  das  Kenn- 
zeichen der  neuen  Zeit.    Und   diese  Arbeit  konnte  für  den 
Kapitalismus,  der  ganz  dieselben  Menschen  brauchte,  nicht 
verloren   sein.     Es   ist   gar   nicht   nötig,   anzunehmen,   daß 
dieselben  Leute,   die  auf  dem  Exerzierplatz  eingeübt  waren, 
nun  in  der  Fabrik  die  neue  Kunst  des  Sichunterordnens  ver- 
wertet hätten :  schon  das  Beispiel,  das  die  Armee  gab,  wirkte, 
und  der  Geist,  der  in  ihr  herrschte,  pflanzte  sich  doch  wohl 
auch  in  der  übrigen  Bevölkerung  fort,  wurde  in  den  Familien 
gepflegt  und  überliefert,  so  daß  er  schließlich  im  Wirtschafts- 
leben  wieder  lebendig  werden  konnte.    Daß  nicht  etwa  das 
Wirtschaftsleben   sich   in   der  militärischen  Disziplin  wider- 
gespiegelt hat,  wie  ein  altgläubiger  Vertreter  der  materialisti- 
schen Geschichtsauffassung   üblicherweise   schlußfolgert,    so- 
bald er  von  solchen  Parallelerscheinungen,  wie  ich  sie  hier 
eben  aufgedeckt  habe,  erfährt,  ergibt  die  zeitliche  Aufeinander- 
folge der  beiden  Phänomene. 

Auf  alle  Fälle  scheint  mir  so  viel  sicher,  daß  hier  ein 
für  die  Genesis  der  gesamten  modernen  Kultur  und  insonder- 
heit der  wirtschaftlichen  Kultur  sehr  bedeutsames  Problem 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  3[ 

liegt,  dessen  eingehende  Erörterung   wohl   die  Mühe  lohnen 
würde. 

Das  Vorbild  dieser  neuen  Massenheere  waren  die  Schweizer 
Volksheere  des  14.  Jahrhunderts  gewesen ;  später  hatten  wohl 
humanistische  Studien  den  Blick  zurück  auf  die  Massenheere 
der  Griechen  und  Römer  gelenkt;  ich  denke  an  die  kriegs- 
gesehichtlichen  Schriften  Macchiavellis  oder  an  die  Legionen 
des  ersten  Franz  von  Frankreich.  Aber  sicherlich  hätte  das 
moderne  Fürstentum  diese  Form  der  Heeresbildung  aus  sich 
selber  heraus  erzeugt,  auch  ohne  alle  Vorbilder,  just  wie  der 
moderne  Kapitalismus  mit  zwingender  Notwendigkeit  die 
großbetrieblichen  Formen  der  Arbeitsorganisation  aus  sich 
und  seinem  innersten  Wesen  heraus  entwickeln  mußte,  weil 
diese  äußeren  Erscheinungsformen  in  ihnen  selbst  eingeschlossen 
lagen. 

Das  moderne  Fürstentum  mußte  das  differenzierte  Massen- 
heer aus  sich  heraus  erzeugen,  weil  dieses  allein  den  ihm 
innewohnenden  Drang  nach  Ausdehnung,  nach  Machtentfaltung 
gerecht  wurde.  Die  WafFentechnik  mag  dabei  mitgesprochen 
haben.  Aber  eine  primär  wirkende  Ursache  ist  sie  bei  der 
Herausbildung  der  modernen  Heeresorganisation  nicht  gewesen 
(ebensowenig  —  der  Vergleich  drängt  sich  unwillkürlich  immer 
wieder  auf  —  wie  bei  der  Herausbildung  der  großbetrieblichen 
Formen  im  Rahmen  des  kapitalistischen  "Wirtschaftssystems). 
Die  taktische  Einheit  des  Gevierthaufens,  in  dem  das  moderne 
Massenheer  zuerst  in  die  Erscheinung  tritt,  hat  zur  waffen- 
technischen Grundlage  die  Pike  und  hat  erst  stark  umgeändert 
werden  müssen,  um  das  Schießen  mit  Feuerwaffen  zu  er- 
möglichen. Dann  hat  später  natürlich  die  Feuerwaffentechnik 
mit  ihrer  monoton-mechanischen  Wirkung  die  Organisation 
des  Massenheeres  gefestigt,  hat  dieser  gleichsam  den  auto- 
matischen Zug  eingeprägt  und  hat  die  ehedem  rein  aus  freiem 
Entschlüsse  gebildete  Formation  zur  Notwendigkeit  gemacht 


32  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

(wie    die   Dampftechnik    die   Manufaktur   zur   Fabrik   über- 
geführt hat). 

Ursprünglich  aber  ist  die  Form  des  Massenheeres  frei 
vom  modernen  Fürsten  geschafifen  worden,  um  seinem  innersten 
Wesen  Ausdruck  zu  verleihen :  nur  in  ihm  lag  die  Möglichkeit 
einer  raschen  und  unausgesetzten  Ausweitung  eingeschlossen. 
In  der  Differenzierung  zwischen  leitender  und  ausführender 
Arbeit,  in  der  dadurch  bedingten  mechanischen  Übertragung 
der  Fertigkeiten  lag  die  Gewähr,  in  kurzer  Zeit  eine  beliebige 
Masse  ungeschulter  Menschen  zu  tüchtigen  Kriegern  heran- 
zubilden. In  dem  Maße  natürlich,  wie  der  taktische  Erfolg 
immer  mehr  auf  der  Massenwirkung  aufgebaut  wurde,  was 
in  steigendem  Umfange  der  Fall  war  mit  dem  Eindringen 
der  Feuerwaffen,  wuchs  der  Zwang  zur  Vergrößerung  der 
Heere,  von  deren  Umfang  (bei  sonst  gleichen  Umständen  der 
Ausbildung,  Ausrüstung  usw.)  die  Größe  der  Macht  des  Staates 
nunmehr  abhing. 

So  ergibt  sich  uns  wie  von  selbst  als  eine  letzte,  für 
unsere  Erkenntniszwecke  die  bedeutsamste  Eigenart  des 
modernen  Heeres:  die  ihm  innewohnende  Tendenz 
zur  Expansion,  die  kein  Feudalheer  und  kein  Bürgerheer 
gekannt  hat  und  kennen  konnte.  Ja,  das  moderne  Heer  ist 
vielleicht  die  erste  Stelle,  wo  sich  der  Gesellschaft  das 
dynamische  Streben  nach  Ausweitung  und  Anderssein  be- 
mächtigt, das  das  alte  statisch-ruhige  Verhalten  der  mittel- 
alterlichen Welt  ablöste  und  unsere  gesamte  Kultur  ja  so 
von  Grund  aus  umgestürzt  hat.  Die  damit  verbundenen 
quantifizierenden  Tendenzen,  die  dann  ihre  stärkste  Entfaltung 
im  Kapitalismus  finden,  treten  ebenfalls  hier  zuerst  in  den 
modernen  Heeren  auf. 

Das  Unendlichkeitsstreben  des  modernen  Fürsten  findet 
ebenso  seinen  Ausdruck  in  der  Vermehrung  der  Truppen  wie 
das  Unendlichkeitsstreben  des  kapitalistischen  Unternehmers 
in   der  Vermehrung  einer  Geldsumme.     Heeresvergrößerung 


I.  Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  33 

und  Kapitalakkumulation  sind  durchaus  verwandte  Vorgänge  : 
Häufung  von  Quantitäten :  Ausweitung  der  Machtsphäre  über 
das  persönliche,  individuelle  Vermögen  hinaus :  Durchbrechung 
der  leiblich-seelischen  Schranken  des  Einzelwesens  usw.  usw. 
"Wobei  man  nicht  notwendig  zwischen  diesen  beiden  Ent- 
wicklungsreihen eine  ursächliche  Verknüpfung  anzunehmen 
braucht.  Es  ist  ebensogut  möglich,  daß  sie  beide  selb- 
ständig nebeneinander  hergehen  oder  vielleicht  aus  gemein- 
samer Wurzel  entsprossen  sind. 

3.  Die  Flotte 

Gewiß  weist  die  Organisation  des  Seekriegs  viel  gemein- 
same Züge  mit  der  des  Landkriegs  auf.  Vor  allem  begegnen 
wir  bei  der  Marine  vielfach  den  gleichen  Formen  der  Heeres- 
aufbringung wie  beim  Landheer :  es  gibt  ebenso  das  Aufgebot 
wie  das  Söldnertum  wie  das  Condottieriwesen  zu  Wasser  wie 
zu  Lande. 

Das  ganze  Mittelalter  hindurch  haben  die  Cinque  Ports  in  England 
für  die  Aufbringung  einer  Flotte  zu  sorgen :  Dover  und  Sandwich  stellten 
dem  Könige  je  20  Schüfe  für  20  Tage  einmal  im  Jahre,  jedes  Schiff  mit 
21  Mann  bemannt.  Andere  Städte  waren  zur  Stellung  von  Matrosen 
und  Lieferung  von  Lebensmitteln  (Stores)  verpflichtet.  Domesday  1, 3.  336. 
Ein  Flottenaufgebot  von  44  Schiffen,  die  insgesamt  11 500  t  Tragfähigkeit 
und  eine  8810  Köpfe  starke  Besatzung  haben  sollen,  erleben  wir  noch 
im  Jahre  1635.  Freilich  gleich  mit  dem  Hinzufügen:  die  Städte  und 
Landschaften,  die  kein  Schiff  stellen,  sollen  ihre  Vei'pflichtung  in  Geld 
ablösen.  Ehymer,  Foedera  19,  658  seg.  697.  Daneben  gab  es  in  Eng- 
land frühzeitig  eine  Soldflotte.  1049  berichtet  Sax.  Chron.  441.  42: 
„König  Eduard  entließ  9  Schiffe  aus  dem  Sold,  und  sie  fuhren  davon, 
Schiffe  und  alles;  und  5  Schiffe  blieben  zurück,  und  der  König  ver- 
sprach ihnen  12  Monate  Löhnung".  Vgl.  Laird  Clowes,  The  Koyal 
Navy  1,  19.  50.  79. 

Auch  ein  reines  Unternehmertum  hatte  sich  entwickelt:  so  wenn 
Ayton  Doria  von  Genua  sich  (Anno  1337)  verpflichtet,  dem  Könige  von 
Frankreich  gegen  den  König  von  England  bis  zu  20  Galeeren  bemannt 
und  bewaffnet  zu  stellen,  gegen  900  Goldfl.  für  den  Monat  und  das 
Schiff;  dazu  20  Galeeren  aus  Morghe  (Monaco).  Der  Vertrag  ist  ab- 
gedruckt bei  A.  Jale,  Arch.  nav.  2  (1840),  333  seg. 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  3 


34  Erstes  Kapitel:   Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

Die  spanische  Flotte  war  noch  zur  Zeit  Karls  V.  eine  reine  Sold- 
flotte. Karl  hielt  überhaupt  kein  staatliches  Kriegsschiff:  sogar  die 
Galeeren,  die  er  auf  seine  Kosten  herstellen  ließ,  übergab  er  Unter- 
nehmern zur  Bewaffnung  und  Ausrüstung.  Die  Soldbeträge  waren  nach 
alten  Ordonnanzen  festgesetzt,  zuletzt  wurden  sie  durch  die  Ordonnanz 
vom  5.  Nov.  1554  geregelt.  Als  „Unternehmer",  das  heißt  als  die  Geld- 
geber funktionierten  bei  den  Ausrüstungen  und  Indienststellungen  der 
Schiffe  Adlige,  Ritter,  Grundbesitzer  und  sogar  Kirchenfürsten.  Karl  V. 
benutzte  aber  nicht  nur  die  spanischen  Soldschiffe,  sondern  ebenso 
italienische  unter  der  Führung  der  Doria,  Centuriones  und  Gobos.  Auf 
solchen  Schiffen  sah  es,  was  die  Disziplin  und  den  ganzen  Zuschnitt  des 
Lebens  anlangt,  nicht  anders  aus  wie  in  einem  Landsknechtlager :  sogar 
Weiber  zogen  mit.  Auf  einer  Expedition  nach  Tunis  sollen  nicht  weniger 
als  4000 (?)  „enamoradas"  an  Bord  gewesen  sein*''. 

Aber  was  das  Seekriegswesen  vom  Landkrieg  unter- 
scheidet, ist  doch  vielleicht  noch  mehr  und  bedeutsamer. 
Vor  allem:  es  hat  nie  einen  Ritter  zur  See  gegeben.  Jene 
aus  dem  Mutterboden  der  eigenen  Scholle  erwachsenen  Einzel- 
krieger, die  das  Heerwesen  des  Mittelalters  so  charakteristisch 
gestalten,  fehlten  aus  rein  äußerlichen  Gründen  im  Seekriege. 
Die  Taktik  mußte  hier  grundsätzlich  von  Anfang  an  auf 
Massenwirkung  ausgehen.  Wenn  auch  beim  Entern  des  feind- 
lichen Schiffes  der  Einzelkampf  gepflegt  wurde:  die  kriege- 
rischen Erfolge  hingen  doch  im  wesentlichen  ab  von  der  guten 
Manövrierung  des  Schiffes,  die  immer  das  Werk  von  vielen 
ist,  unter  denen  einer  befiehlt,  während  die  anderen  seine 
Weisungen  ausführen.  Welch  ein  Unterschied  (genau  in 
denselben  Jahrhunderten)  zwischen  einer  Ritterschlacht  und  dem 
Kampf  etwa  venetianiseher  und  genueser  Galeeren,  wo  Hunderte 
von  Sklaven  auf  den  Ruderbänken  sitzen! 

Die  zweite  Eigenart  des  Seekrieges  liegt  in  der  Tatsache 
begründet,  daß  die  Kriegführung  immer  an  einen  außer- 
ordentlich starken  Aufwand  sachlicher  Natur  gebunden  ist, 
der  die  persönliche  Leistung  oft  weit  an  Bedeutung  übertrifft. 
Zu  der  vollständigen  Ausrüstung  des  Kriegers  tritt  noch  das 
Schiff,  das  herzustellen  und  zu  bewegen  unverhältnismäßig 
viel  größere  Mittel  erfordert  als  die  Bereitstellung  von  Waffen 


I.   Die  Herausbildung  der  neuen  Organisationsformen  35 

für  den  Einzelkrieger  und  selbst  als  die  HerbeischatFung 
eines  Streitrosses. 

Und  was  das  Sonderbare  ist:  diese  allerwichtigsten  Zu- 
behöre bei  der  Kriegsführung  hält  der  gewöhnliche  Kaufmann 
jederzeit  bereit  in  Gestalt  seiner  Handelsschiffe. 

Aus  dieser  seltsamen  Tatsächlichkeit  hat  sich  frühzeitig 
ein  dem  Seekriegswesen  eigentümliches  System  der  Heeres- 
organisation herausentwickelt:  die  Nutzbarmachung  der 
Handelsflotte  für  Kriegszwecke.  Dieses  System  finden  wir 
bei  allen  seefahrenden  Nationen  Europas  während  des  ganzen 
Mittelalters  in  Anwendung. 

In  den  Ann.  Jan.  281,  45  lesen  wir  unter  dem  Jahre  1274:  „Capitanei 
quidem  Janue  .  .  arraari  fecerunt  omnes  quas  potuerunt  habere  galeas  et 
que  potuerunt  in  Janue  reperiri  que  quidem  fuerunt  numero  . . ."  (Zahl 
fehlt).    Vgl.  E.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine  (1886),  116. 

In  der  englischen  Kriegsflotte  überwiegen  (wie  ich  ziffernmäßig  noch 
zeigen  werde)  noch  im  16.  und  17.  Jahrhundert  die  Kauffahrteischiffe, 
die  sich  in  dieser  späteren  Zeit  um  so  besser  für  die  kriegerischen 
Zwecke  eigneten,  als  sie,  dem  Charakter  des  damaligen  Handels  ent- 
sprechend, selbst  im  wesentlichen  Werkzeuge  des  Kampfes  waren:  die 
Ausrüstung  mit  Geschützen  stand  bei  ihnen  oft  kaum  hinter  der  der 
Kriegsschiffe  zurück. 

Auf  der  anderen  Seite  hat  die  überwiegende  Bedeutung 
des  Sachaufwandes  beim  Seekriege  früher  zu  so  etwas 
geführt,  was  man  eine  stehende  Flotte  nennen  könnte. 
Hat  ein  Fürst  einmal  die  Mittel,  sich  Schiffe  zu  bauen, 
so  bleiben  ihm  diese  auf  längere  Zeit  zur  Verfügung;  sie 
heischen  nicht  wie  der  Krieger  unausgesetzt  neue  Auf- 
wendungen. Natürlich  bedarf  es  nun  erst  noch  der  Matrosen 
und  der  Seesoldaten,  um  Krieg  zu  führen.  Aber  in  den 
Schiffen  besitzt  der  Fürst  doch  einen  wesentlichen  Teil  der 
Heeresmacht,  die  also  „stehend"  ist,  solange  die  Schiffe 
brauchbar  sind.  Es  scheint  fast,  als  ob  Könige  und  Städte 
schon  frühzeitig  einen  Bestand  an  eigenen  Schiffen  gehabt 
haben.    Was  wir  von  der  Flotte  des  angelsächsischen  Königs 

Edgar  (959—975)  lesen  *^,  klingt  schon  ganz  wie  ein  Bericht 

3* 


36  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

über  die  Jahresmanöver  einer  stehenden  Flotte.  Und  vom 
Staate  Genua  wissen  wir  genau  ^'\  daß  er  jedenfalls  im  13.  Jahr- 
hundert selbst  Kriegsschiffe  besaß,  und  zwar  nicht  nur  gekaufte, 
sondern  in  seinem  Auftrage  für  ihn  gebaute.  Auch  in  Venedig 
reicht  die  Kunde  von  eigenen  Schiffen  und  sogar  eigenen 
Werften  der  Republik  weit  bis  ins  Mittelalter  zurück. 

Auch  die  Verstaatlichung  der  Kriegsmarine 
reicht  viel  weiter  zurück  als  die  Verstaatlichung  der  Land- 
heere. Es  scheint  hier  (ich  sehe  den  Zusammenhang  nicht 
deutlich)  die  strafrichterliche  Gewalt  des  Königs  die  Brücke 
gebildet  zu  haben  zwischen  den  selbständigen  Schiffsmann- 
schaften und  der  Oberhoheit  des  Königs. 

In  England  untersteht  schon  unter  Eduard  III.  die  ge- 
samte Flotte  dem  Befehle  des  Königs:  die  Kapitäne  der 
Schiffe  (wenn  sie  keine  besondere  Ermächtigung  dazu  besaßen) 
hatten  nicht  das  Recht,  die  Seeleute  abzustrafen.  So  bestimmt 
es  das  Black  Book  of  Admiralty,  dessen  Entstehungszeit 
wahrscheinlich  vor  das  Jahr  1351  fällt  ^'*.  Die  Grundlage  der 
zur  Erhaltung  und  Verwendung  der  stehenden  Seekriegsmacht 
bestimmten  Gewalten  bildet  sieh  während  des  Mittelalters  in 
England  an  dem  Amte  des  Lord  High  Admiral  aus.  Dieses 
Amt  begegnet  uns  zuerst  im  14.  Jahrhundert;  von  1405  an 
ist  eine  ununterbrochene  Reihe  von  High  Admirals  bekannt. 
Es  waren  die  Großbeamten  für  die  laufende  Verwaltung 
(Government)  der  Marine.  Manche  ^^  datieren  die  „stehende 
Flotte"  in  England  vom  Jahre  1512  an,  dem  Jahre,  in  dem 
Heinrich  VIII.  das  Marineamt  einrichtete,  und  von  dem  an 
er  eine  größere  Anzahl  starker  Schiffe  dauernd  zu  seiner 
Verfügung  hielt  (was  doch  aber  dieser  König  nicht  als  erster  tat). 
Sicher  ist,  daß  seitdem  die  Zahl  der  Königsschiffe  rasch  wächst 
(ohne  daß  die  Verwendung  der  Privatschiffe  aufhörte),  und 
daß  die  Verwaltung  stärker  zentralisiert  wird. 

Ähnlich  wie  in  England  ist  die  Entwicklung  in  Frank- 
reich. Aufgebot,  Chartersystem,  Königsschiffe  nebeneinander» 


IL  Die  Aasweitung  des  Heereskörpers  37 

Frühzeitig  eine  staatliche  Oberleitung:  1327  wird  ein  Groß- 
admiral über  die  Flotte  gesetzt,  der  den  Titel  Amiral  de 
France  führt  und  dem  Admiralitätsgericht  vorsitzt.  Ver- 
mehrung der  Königschiffe,  namentlich  seit  dem  Anfange  des 
17.  Jahrhunderts :  gemeinhin  wird  Richelieu  wie  der  Kolonien 
so  auch  als  Begründer  der  französischen  Kriegsmarine  an- 
gesehen, die  dann  aber  erst  unter  Colbert,  ebenso  wie  die 
englische  unter  Cromwell,  ihre  entschiedene  Konsolidation 
erfährt. 

IL  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers 

Ich  sagte,  daß  die  dem  modernen  Heere  innewohnende 
Vergrößerungstendenz  seine  für  uns  in  diesem  Zusammenhange 
wichtigste  Eigenart  darstelle,  weil  sie  wichtigste  ökonomische 
Wirkungen  nach  sich  zieht,  insbesondere  unter  sonst  gleichen 
Umständen  die  wachsende  Größe  einer  bedürfenden  Gruppe 
früher  zum  Massenbedarf  führt. 

Um  eine  deutlichere  Vorstellung  \on  diesem  Phänomen 
der  Expansion  der  modernen  Heere  zu  geben,  will  ich  die 
Ziffern  der  Heeresstärken  für  die  Hauptstaaten  hier 
mitteilen. 

1.  Das  Landheer 

Eines  der  wichtigsten  Ergebnisse,  zu  dem  Hans  Del- 
brück im  dritten  Band  seiner  Geschichte  der  Kriegskunst 
gelangt,  ist  der  Nachweis,  daß  das  Mittelalter  durch- 
gehend kleinere  Heere  gehabt  hat,  als  man  bisher  an- 
nahm. Damit  ist  für  die  Kriegführung  dasselbe  nachgewiesen, 
was  ich  für  den  Handel  gezeigt  habe,  was  viele  andere  schon 
früher  für  die  allgemeinen  Bevölkerungsverhältnisse,  nament- 
lich die  Einwohnerzahl  der  Städte,  dargetan  hatten:  die 
äußere  Kleinheit  der  mittelalterlichen  Welt  (die  ihre  innere 
Größe  um  so  imposanter  erscheinen  läßt).  In  der  Schlacht 
vor  Hastings  hatte  man  früher  Hunderttausende,  ja  Millionen 


38  Erstes  Kapitel:   Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

(eine  Schätzung  kommt  bis  auf  1200000)  miteinander  streiten 
lassen;  sehr  wahrscheinlich  zählte  in  Wirklichkeit  das  nor- 
mannische Heer  weniger  als  7000  Krieger,  sicher  nicht  viel 
mehr;  das  Heer  Haralds  war  noch  schwächer:  4000  bis 
7000. 

Selbst  die  Kreuzzugsheere,  die  wohl  die  größten  des 
Mittelalters  waren,  sind  verhältnismäßig  klein:  die  höchste 
Zahl  der  Reiter,  die  in  einer  Schlacht  in  Palästina  gekämpft 
haben,  dürfen  wir  auf  1200,  die  der  Fußgänger  auf  9000  an- 
setzen. Das  Gesamtheer  bei  Asdod  wird  mit  8000  Kriegern 
wahrscheinlich  noch  zu  hoch  bemessen.  Die  Heere,  die 
Friedrich  Barbarossa  vor  Mailand  versammelte,  gehörten 
ebenfalls  zu  den  größten  des  Mittelalters;  aber  auch  hier 
sind  die  Zehntausende  und  Hunderttausende  der  Chronisten 
fabelhaft:  es  hat  sich  um  einige  tausend  Ritter  gehandelt. 
In  der  Schlacht  bei  Cortenuova  (1237),  einer  der  allergrößten 
ihrer  Zeit,  haben  doch  höchstens  10000  Kombattanten  auf 
jeder  Seite  gestanden. 

Wir  können  die  mittelalterlichen  Aufgebote  ziemlich  ge- 
nau ziffernmäßig  bestimmen,  wenn  wir  von  der  Zahl  der 
Ritter,  die  es  überhaupt  in  einem  Lande  gab,  ausgehen:  in 
England  lebten,  nach  den  Berechnungen  von  Morris,  im 
13.  Jahrhundert  nicht  mehr  als  2750  Ritter ;  auf  jeden  Ritter 
kamen  etwa  zwei  Knappen,  also  gab  es  in  ganz  England 
8000  Reiter ;  das  Maximum  des  Fußheeres,  das  im  Jahre  1277 
aber  nur  auf  ganz  kurze  Zeit  versammelt  werden  konnte, 
müssen  wir  mit  15  640  Mann  ansetzen. 

Die  größte  Armee,  die  das  Mittelalter  wohl  gesehen  hat, 
war  die ,  die  Eduard  III.  1347  bei  Calais  zusammenzog ;  sie 
bestand  aus  32000  Mann:  eine  wie  Delbrück  seiner  Be- 
rechnung hinzufügt  ^2,  „für  das  Mittelalter  unerhörte  Kriegs- 
macht". Und  wir  müssen  bei  all  diesen  Ziffern  immer  noch 
bedenken,  daß  diese  großen  Heere  immer  auf  ganz  kurze 
Zeit  beieinander  gehalten  werden  konnten. 


II.  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers  39 

Die  rasche  Steigerung  der  Heereskräfte,  die  nun 
dauernd  gehalten  wurden,  seit  dem  Mittelalter,  wird  durch 
folgende  Ziffern  ausgedrückt: 

1.  Frankreich ^3;  Karl  VII.  hielt  4500  Mann  Kavallerie, 
und  (aber  nur  auf  dem  Papier,  meint  unser  Gewährsmann 
H.  Baude)  8000  Mann  Infanterie  (Bogenschützen), 

Ludwig  XI.  hinterließ  bei  seinem  Tode  4500  gens  d'armes, 
„un  bou  nombre  de  Suysses,  grant  nombre  de  francs  archers 
et  d'autres  gens  de  guerre,  qu'on  estimoit  60000  combattant 
ä  sa  solde,  qui  estoient  pay6s,  tout  pr§ts  ä  le  servir  eontre 
ses  ennemis"  (Qui eher at).  Das  war  aber  wohl  der  Kriegs- 
stand ? 

Für  das  Jahr  1492  (also  unter  Karl  VIII.)  gibt  der  vene- 
tianische  Gesandte  Zach.  Contarini  die  Präsenz  wie  folgt  an: 
3500  Lanzen  Kavallerie  (zu  je  drei  Pferden);  7000  Bogen- 
schützen ;  10  000  mortes-payes  (Invaliden). 

Das  Heer,  mit  dem  Karl  VIII.  in  Italien  einrückte,  um- 
faßte nach  dem  Nouveau  voyage  litt^raire  de  deux  r^ligieux 
bönödictins)  42  000  Mann  zu  Fuß,  6500  Lanzen  (zu  3  Reitern). 

Franz  I.  hielt  50000  Mann  Infanterie,  15  000  Reiter. 

Zur  Zeit  Karls  IX.  beziffern  sich  die  in  den  Religions- 
kriegen sich  gegenüberstehenden  Heere  zusammen  auf  130  000 
Mann  zu  Fuß  und  35000  Mann  zu  Pferde  (nach  Davity). 

Heinrich  IV.  hielt  51000  Mann   zu   marschieren   bereit. 

Im  Dreißigjährigen  Krieg  bringt  Frankreich  bereits  über 
100000  Mann  auf  die  Beine:  1636  bis  1642  stehen  142000 
Mann  Infanterie  und  22  000  Kavallerie  im  Felde. 

Die  Heere  Ludwigs  XIV.  sollen  zeitweilig  bis  auf  400  000  (?) 
angewachsen  sein.  Der  Bestand  der  Regimenter  war  ver- 
änderlich; namentlich  schwankt  die  Zahl  der  Infanterieregi- 
menter: 1697  gibt  es  deren  151,  1712  nur  121. 

Mitte  des  18.  Jahrhunderts  setzte  sich  die  französische 
Armee  wie  folgt  zusammen: 


40  Erstes  Kapitel:   Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

Fußtruppen     ....    121  Regimenter; 

Kavallerie Ve  der  gesamten  Heeresstärke; 

Gendarmerie    ....    8  Escadrons; 
Leichte  Kavallerie  .     .    60  Regimenter; 
Gesamtstärke    .    .    .      1787  Offfiziere, 

17  056  Pferde; 

Dragoner 634  Offiziere, 

6240  Dragoner; 
Gesamte  Reiterei     .    .      2629  Offiziere, 

26608  Mann, 
25108  Pferde. 
Feldartillerie:  3  bis  4  Mann   auf  1000  Mann  des  Heeres; 
wird  nach  1764  um  42  ®/o  vermehrt,  so  daß  4  Geschütze  auf 
1000  Mann  der  Feldarmee  kommen. 

2.  Brandenburg-Preußen.  Noch  imposanter  ist  der 
Aufstieg  des  preußischen  Heeres,  weil  er  in  kürzerer  Zeit 
und  in  viel  größeren  Sprüngen  und  in  einem  so  sehr  viel 
ärmeren  und  kleineren  Lande  sich  vollzieht. 

Als  Gustav  Adolf  im  Juni  1630  an  der  pommerschen 
Küste  landete  und  der  schwedische  Krieg  begann,  bestand 
die  gesamte  Kriegsmacht  Georg  Wilhelms  aus  den  4  Kracht- 
schen  und  2  Burgsdorffschen  Kompagnien,  zusammen  1200 
Mann  einschließlich  der  ersten  Blätter^*.  Bei  seinem  Tode 
war  die  Armee  Georg  "Wilhelms  auf  4650  Mann  angewachsen 
(nach  einer  vertraulichen  Aufstellung  Schwartzenbergs)  ^^. 

Beim  Tode  des  Großen  Kurfürsten  war  der  Bestand 
folgender : 

6  Bataillone  Garde 3600  Mann, 

30  „  Infanterie 18000 

32  Sehwadronen  Reiter 3840       „ 

8  „  Dragoner    ....         980       „ 

20  Garnison-Kompagnien     ....      3000       „ 

Gesamte  Infanterie  und  Kavallerie    29420  Mann. 
Mit  Artillerie,  Geniekorps,  Train  usw.  etwa  32  000  Mann. 


II.  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers  41 

Beim  Tode  Friedrichs  I.  gab  es : 

38  Bataillone  Infanterie 27500  Mann, 

32  Schwadronen  Reiter    .    .     .    :    .      41G0  „ 

24  Kompagnien  Dragoner     ....      1944  „ 

20  Kompagnien  Garnisontruppen  .    .      3000  ,, 


Zusammen  Infanterie  und  Kavallerie  36  604  Mann. 
Insgesamt  38—40000  Mann. 
Beim  Tode  Friedrich  Wilhelms  I.  gibt  ein  Rapport  des 
Generals  von  Massow  die  Gesamtstärke  des  Heeres  auf 
83468  Mann  an,  die  sich  verteilen  auf  32  Regimenter  In- 
fanterie (66  Bataillone),  12  Regimenter  Kürassiere,  6  Regi- 
menter Dragoner,  2  Regimenter  Husaren,  1  Bataillon  Feld- 
artillerie, 1  Bataillon  Garnisonartillerie,  4  Garnisonbataillone, 
4  Landregimenter. 

Endlich  beim  Tode  Friedrichs  des  Großen  haben  wir: 
1  Regiment  Garde  zu  Fuß, 

1  Bataillon  Grenadiergarde, 
53  Regimenter  Infanterie, 

12  Regimenter  Dragoner, 
10  Husarenregimenter, 
4  Feldartillerieregimenter, 
12  Kompagnien  Garnisonartillerie, 

2  Garnisonartilleriekommandos, 
4  Mineurkompagnien, 

1  Pontonierkommando, 

8  Garnisonregimenter, 

4  Garnisonbataillone, 

4  Landregimenter. 
Überhaupt    120  000  Mann  Infanterie, 
40  000       „      Kavallerie, 
10000       „      Artillerie  und  Mineurs, 
30000      „      Garnisontruppen. 

Insgesamt    200000  Mann. 


Größe  der  Armee 

1688 

30000 

1713 

40  000 

1740 

80000 

1780 

200  000 

42  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

Von  diesen  Truppen  waren,  abgesehen  von  der  Manöver- 
zeit, in  den  letzten  Regierungsjahren  Friedrichs  etwa  143  000 
Mann  präsent,  von  denen  noch  viele  (bis  über  40000)  als  Frei- 
wächter vom  Dienste  entbunden  waren.  Immerhin!  Welche 
gewaltige  Heeresmacht,  wenn  wir  die  Größe  des  Landes  und 
die  Zahl  seiner  Einwohner  in  Betracht  ziehen.  Stellen  wir 
die  runden  Ziffern  der  Heeresstärke  und  die  Einwohnerzahl 
für  die  einzelnen  Jahre  gegenüber,  so  ergibt  sich  folgendes 
Verhältnis : 

Zahl  der  Einwohner 
1  Million, 
IV2  Millionen, 
2,2 
5,4 

1740  und  1786  betrug  die  Friedenspräsenzstärke  etwa 
4  °/o  der  Bevölkerung :  diesem  Verhältnis  entsprechend  müßte 
heute  die  aktive  Armee  in  Deutschland  2  600  000  Köpfe  stark 
sein.  Die  Zahlen  der  alten  Heere  würden  allein  ohne  weiteren 
Nachweis  die  Bedeutung  dartun,  die  die  Armee  für  die  Ge- 
staltung des  Marktes  haben  mußte :  4  ^/o  der  Bevölkerung, 
die  aus  dem  alten  Rahmen  der  eigenwirtschaftlich-handwerks- 
mäßigen Bedarfsdeckung  herausgetreten  waren ! 

3.  Die  Stärke  der  stehenden  Heere  sämtlicher 
europäischer  Staaten  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts gibt  der  kundige  Mitarbeiter  bei  Krünitz  (Bd.  50, 
S.  746),  dessen  die  Bände  50  bis  53  füllenden  Artikel  über 
das  Kriegswesen  sich  sämtlich  durch  große  Sachkenntnis 
auszeichnen,  auf  Grund  offenbar  bester  Quellen  wie  folgt  an: 
Österreich  im  Frieden    ....    297000  Mann, 

„     Kriege      ....    363000 
Rußland,  reguläre  Truppen     .    .    224500       „ 

Preußen 190000 

Frankreich 182000 


II.  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers  43 

Großbritannien 21000  Mann, 

Spanien 85000 

Schweden 47800       „ 

Dänemark  und  Norwegen      .    .  74000       „ 

Polen 17  000 

Portugal 36000 

Vereinigte  Niederlande     .    .    .  36000       „ 

Chursachsen 24600       „ 

Chur-Braunschweig-Lüneburg     .  25600       „ 

Chur-Pfalz-Bayern 12200 

Chur-Mainz 2200       „ 

Chur-Trier 1200 

Chur-Cöln 1100 

Hessen-Cassel 15000       „ 

Hessen-Darmstadt 4000       „ 

Württemberg 6000 

Weimar 80 

Gotha 1760       „ 

3  Regim.  Infanterie, 


Bayreuth-  Anspach 
Braunschweig  .    . 


Husarenkorps, 
Leibgarde, 
2  Infanterieregim., 
1  Dragonerregiment, 
1  Artillerie, 

Mecklenburg-Strelitz     ....  50  Mann, 

Mecklenburg-Schwerin  ....      1500       „ 

Pfalz-Zweibrücken    .    .    .    ,    .  |  L«*'» garde, 

{  Leibhusaren, 

Baden ,    •    •      3000  Mann, 

Oldenburg —        „ 

Zerbst 2  Regimenter, 

davon  1  in  amerikanischem  Solde! 

Waldeck 3  Kompagnien, 

Lippe-Schaumburg 1000  Mann, 


44  Erstes  Kapitel:   Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

Schweiz 13000  Mann, 

„welche  nach  der  Schirm-Ordnung 
stets  auf  den  Beinen  sein  müssen", 

Sardinien 24000  Mann, 

Beide  Sizilien     ......    25000 

Kirchenstaat  .......      5  000       „ 

Toscana 3  000 

Venedig 6000 

2.  Die  Flotten 

a)   Die  italienischen  Staaten. 

Im  13.  Jahrhundert  war  die  größte  Seemacht  Europas 
die  Republik  Genua.  Ihre  Kriegsflotte  war  um  diese  Zeit 
selbst  für  heutige  Begriffe  nicht  klein,  für  mittelalterliche 
Verhältnisse  geradezu  unwahrscheinlich  groß.  Die  Ziffern  sind 
aber  kaum  zu  beanstanden ;  sie  erwecken  durch  ihre  Ungerad- 
heit  Vertrauen.  Die  Quelle  sind  die  Annales  Januenses.  Auch 
der  gewissenhafte  Heyck  nimmt  an,  daß  sie  der  Wirklich- 
keit entsprechen. 

Schon  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  (1147 — 1148) 
werden  63  Galeeren  und  163  andere  Fahrzeuge  gegen  die 
spanischen  Sarazenen  ausgesandt.  1242  fochten  83  Galeeren, 
13  Tariden  und  4  große  Lastschiffe  gegen  die  sizilianisch- 
pisanische  Flotte.  1263  kreuzen  60  genuesische  Kriegsgaleeren 
in  den  griechischen  Gewässern.  1283  sollen  gar,  die  kleineren 
Geschwader  eingerechnet,  199  Galeeren  in  Dienst  gestellt 
sein.  Bedenken  wir ,  daß  eine  Galeere  140  Ruderer  hatte, 
also  auf  199  Galeeren  wären  27  860  Ruderer  (ohne  die  Krieger!) 
gewesen.  Da  werden  wir  annehmen  müssen,  daß  die 
199  Galeeren  nacheinander  bemannt  und  ausgesandt 
wurden.  Wir  sind  aber  auch  über  die  Größe  des  Mannschafts- 
aufgebots unterrichtet :  1285  stellte  die  Republik  12  085  Mann 
aus  ihrem  Bezirk  an  der  Riviera  in  Dienst;  davon   waren 


II.  Die  Ausweitung  des  Heeresköi-pers  45 

9191  Ruderer,  2615  Seesoldaten  und  279  Schiffer  (nauclerii). 
Sie  verteilten  sich  auf  65  Galeeren  und  1  Galion. 

b)  Spanien. 

Die  „Felicisima  Armada",  die  1588  von  England  besiegt 
wurde,  bestand,  als  sie  aus  Lissabon  aussegelte  (ins  Gefecht 
kamen  dann  2  Schiffe  weniger),  aus  130  Segeln  und  65  Galeeren. 
Diese  Schiffe  hatten  einen  Ladegehalt  von  57868  t  und  eine 
Besatzung  von  30656  Mann  „ohne  Freiwillige,  Priester  und 
andere  Zivilpersonen"  ^^. 

(Die  in  deutschen  Bibliotheken  erhältlichen  Bücher  ge- 
statten es  nicht,  sich  von  der  Entwicklung  der  spanischen 
Flotte  ein  ziffermäßig  genaues  Bild  zu  machen.  Aus  dem 
neunbändigen  Werk  D  u  r  o  s  über  die  Armada  espanola  erfährt 
man  nichts  derart.  Desselben  Autors  Disquisiciones  nauticas, 
in  dem  er  gerade  diese  Seite  des  Problems  behandelt  zu 
haben  scheint,  waren  mir  nicht  zugänglich.) 

c)  Frankreich. 

Frankreichs  Kriegsflotte  wird,  wie  ich  schon  sagte,  zu 
ihrer  imponierenden  Größe  vornehmlich  durch  Colbert  hinauf- 
gehoben. 

Der  Bestand  an  Schiffen,  den  Colbert  bei  seinem  Ein- 
tritt in  das  Ministerium  vorfand  (1661),  war  folgender  ^'^ : 

3  Schiffe  ersten  Ranges, 
8  Schiffe  zweiten  Ranges, 

7  Schiffe  dritten  Ranges, 

4  Flautschiffe  (flütes), 

8  Brander  (brülats). 
Insgesamt  also  30  Kriegsschiffe. 

Bei  seinem  Tode  (1683)  war  die  Gesamtzahl  der  bereits 
fertigen  Kriegsschiffe  auf  176  gestiegen,  zu  denen  noch  68  im 
Bau  befindliche  kamen,  so  daß  sich  ein  Gesamtbestand  von 
244  ergab.    Davon  waren: 

ersten   Ranges 12 

zweiten       „        ........    20 


46  Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

dritten  Ranges 39 

vierten       „        25 

fünften       „        21 

sechsten     „        25 

Brander     7 

Flautsehiffe .20 

Lange  Barken  (Barques  longues)    .17  • 

d)  Niederlande. 

Auch  die  holländische  Kriegsflotte  entwickelt  sich  inner- 
halb weniger  Jahrzehnte  während  des  großen  17.  Jahrhunderts 
aus  kleinen  Anfängen  zur  damals  vielleicht  ersten  und  stärksten 
Flotte  Europas. 

Noch  in  den  Jahren  1615—1616  besteht  ^^  die  nieder- 
ländische Seemacht  aus  nur  43  meist  winzigen  Schiffen,  von 
denen  4  je  90,  11  zwischen  50  und  80,  9  je  52  Mann  Be- 
satzung hatten,  während  19  noch  kleiner  waren.  Das  ergibt 
2000  bis  höchstens  8000  Mann  Besatzung.  Im  Jahre  1666 
stellten  die  Vereinigten  Niederlande  den  Engländern  eine 
Flotte  von  85  Schiffen  mit  einer  Besatzung  von  21909  Offi- 
zieren und  Mannschaften  gegentlber. 

e)  Schweden. 

Schweden  war  im  16.  und  17.  Jahrhundert  eine  be- 
deutende Seemacht.  Seine  Kriegsflotte  nimmt  ihren  Anfang 
unter  Gustav  Wasa  im  Jahre  1522.  Im  Jahre  1566  weist  die 
Schiffsliste  schon  einen  Bestand  von  70  Schiffen  auf.  Einen 
neuen  Aufschwung  erlebt  sie  dann  zu  Beginn  des  17.  Jahr- 
hunderts: 1625  werden  21  neue  Schiffe  gebaut,  30  Galeeren 
dienstbereit  gemacht  ^^. 

f)  England. 

Ich  habe  Großbritannien  an  die  letzte  Stelle  gesetzt,  weil 
ich  etwas  ausführlicher  und  nachdrücklicher  von  dem  Wachs- 
tum dieser  größten  europäischen  Seemacht  sprechen  will,  deren 
rasches  Aufsteigen  seinesgleichen  nur  in  der  plötzlichen  Ent- 


IL  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers  47 

faltung  des  preußischen  Heerwesens  hat.  Die  folgenden  An- 
gaben sind  aus  den  verschiedensten  Quellen,  die  ich  einzeln 
angebe,  zusammengetragen. 

Wir  sahen,  daß  Heinrich  VIII.,  wenn  auch  nicht  als  der 
Begründer,  so  doch  als  der  erste  große  Förderer  der  eng- 
lischen Flotte  angesehen  werden  kann.  Gerade  sein  Vater 
hatte  sich  wenig  um  das  Seekriegswesen  gekümmert.  Wo 
Kriegsschiffe  nötig  waren,  hatte  er  sich  mit  gecharterten 
Kauffahrern  begnügt.  Heinrich  VIII.  begann  sofort  mit  dem 
Bau  einer  neuen  Königsflotte.  Im  Jahre  1514  hat  er  schon 
24  Schiffe  im  Dienst  mit  8460  t  Tragfähigkeit,  26  Kapitänen, 
3500  Soldaten,  24  Bootsleuten  (masters)  und  2880  Seeleuten  «^ 
Während  seiner  Regierung  werden  85  Kriegsschiffe  angeschafft: 
46  gebaut,  26  gekauft  und  13  gekapert ^^  Am  Ende  seiner 
Regierung  waren  71  Fahrzeuge  vorhanden,  davon  30  Last- 
schiffe, mit  zusammen  10  550  t  Raumgehalt  ^^.  Eduard  VI. 
hat  im  fünften  und  sechsten  Jahr  53  Schiffe  mit  11065  t  und 
7995  Mann  Besatzung  ^^ 

Nun  sinkt  der  Schiffsbestand  etwas  bis  zum  Regierungs- 
antritt der  Elisabeth:  Mary  hat  46  Schiffe;  Elisabeth  findet 
32  Schiffe  mit  7110  t  und  5610  Mann  vor  «2;  1573  soll  nach 
einem,  wie  man  glauben  müßte,  sachkundigen  Berichterstatter 
die  Zahl  der  Königsschiffe  auf  13  gesunken  sein*^. 

Dann  aber  beginnt  eine  Periode  fieberhafter  Rüstungen, 
deren  Frucht  dann  der  Sieg  des  Jahres  1588  über  die  Feli- 
cisima  Armada  ist.  Wir  sind  sehr  genau  auch  über  die  Zu- 
sammensetzung der  englischen  Flotte  in  dieser  denkwürdigen 
Schlacht  unterrichtet.  Wir  sehen,  daß  damals  noch  immer 
erst  der  kleinere  Teil  der  Schiffe  und  der  Streiter  der  Staats- 
marine angehörten,  daß  vielmehr  die  meisten  Schiffe  und 
Mannschaften  Soldtruppen  waren.  Es  ist  von  Interesse,  die 
Liste  der  Schiffe,  die  die  siegreiche  Flotte  zusammensetzten, 
hier  mitzuteilen^*. 


48  Erstes  Kapitel:    Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

Schiffe  der  Königin     ...  34  mit  6289  Mann 

Kauffahrer  unter  Sir  Fr.  Drake  .  34  „  2394  „ 

Schiffe  V.  d.  Stadt  London  bezahlt  30  „  2 180  „ 
Kauffahrer  unter  dem  Lord  Groß- 

Admiral 

für  8  Wochen  ...;..  8  „  530  „ 

für  den  ganzen  Feldzug    .    .  10  „  221  „ 

Frachtschiffe 15  „  810  „ 

Küstenfahrzeuge  unter  dem  Lord 

Groß-Admiral 20  „  993  „ 

desgl.  unter  Lord  Henry  Seymour  23  „  1 090  „ 

Freiwilligenschiffe 23  „  1044  „ 

Insgesamt  .  .  197  mit  15  551  Mann 
Der  entscheidende  Sieg  hat  die  Tatkraft  der  Sieger  nicht 
gelähmt:  die  Flotte  wird  auf  der  gleichen  Höhe  erhalten. 
Ihr  Bestand  vergrößert  sich  sogar  noch  etwas  bis  zum  Ende 
der  Elisabethschen  Epoche:  im  44.  Jahre  dieser  Königin  sind 
diensttauglich  33  Schiffe,  5  Galeeren,  4  Barken  mit  14060  t 
und  6846  Mann. 

Langsames  Ansteigen  unter  den  älteren  Stuarts: 
Bestand  1618:  33  dienstfähige,  10  dienstunfähige  Schiffe 

mit  zusammen  15670  t. 
Bestand  1624:  35  dienstfähige  Schiffe  mit  19339  t  (ohne 
Galeeren  und  Schuten  [hoys])^^. 
Dann  plötzliche  und  starke  Vermehrung  der  gesamten 
Zurüstung  unter  der  Republik:   von  1649—1660  werden  207 
neue  Schiffe  zu  den  vorhandenen  hinzugefügt,  von  denen  121 
im  Jahre  1660  noch  dienstfähig  sind^^. 

Im  Jahre  1653  beispielsweise  besteht  (nach  Charnoek) 
die  englische  Seemacht  aus  131  Schiffen  mit  etwa  23000  Mann 
Besatzung.  Und  die  Flotte,  die  die  Engländer  den  Holländern 
im  Jahre  1666  entgegenstellten  (deren  Stärke  wir  oben  kennen 
gelernt  haben),  war  der  großen  Gegnerin  ebenbürtig :  es  waren 
80  Schiffe  mit  21085  Offizieren  und  Mannschaften  e^. 


II.  Die  Ausweitung  des  Heereskörpers  49 

Im  Jahre  1660  war  der  Tonnen gehalt  der  Kriegsflotte 
auf  62  594  t  gestiegen  ^^,  hatte  sich  also  in  wenig  mehr  als 
einem  Menschenalter  reichlich  verdreifacht. 

Aber  nun  ging  es  unaufhaltsam  aufwärts:  1688  beträgt 
der  Tonnengehalt  schon  101032  t^^  Ende  des  Jahrhunderts 
(1695)  112  400  t.  Für  diese  Zeit  haben  wir  eine  interessante 
Gegenüberstellung  des  Aussehens  der  englischen  Marine  im 
Anfang  und  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts.  Danach  be- 
trug^'* die 

1607  1695 

Zahl  der  Schiffe  von  50 1  aufwärts  40  über  200 

Deren  Tonnengehalt     ....    rund  23600      über  112400 
„      Bemannung    .....         „      7800         „       45000 
Und  so  weiter. 

Der  Tonnengehalt  der  Great  Britain's  Navy -Royal  be- 
trug'^: 

1715 167596  t, 

1727 170  862  „ 

1749 228215  „ 

Gegen  Ende  unserer  Epoche  ist  dann  der  Bestand  der 
englischen  Marine  folgender  (am  31.  Mai  1786  nach  den 
Admiralitätsregistern) : 

292  Kriegsschiffe,  davon 
114  Linienschifi"e, 
13  5Ö-Kanonenschiffe  (den  Linienschiffen  ähnlich), 
113  Fregatten, 
52  Kriegsschaluppen. 
Die  Linienschiffe  haben  zwischen  500  und  850  Mann  Be- 
satzung.   Freilich :  die  meisten  Schiffe  sind  außer  Dienst  ge- 
stellt.   Völlig  ausgerüstet  sind  (1787) :  12  Linienschiffe,  5  50- 
Kanonenschiffe ,  35  Fregatten  und   62  (?!)  Kriegsschaluppen. 
In  beständigem  Solde  stehen  18000  Seeleute,  nämlich  14140 
Matrosen  und  3860  Seesoldaten. 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  '  4 


50 


Erstes  Kapitel:  Die  Entstehung  der  modernen  Heere 


g)  Übersicht  über  den  Kriegsflottenbestand  in   den 
europäischen  Staaten   am  Ende  des   18.  Jahrhunderts 
(nach  Krünitz:  siehe  die  Bemerkung  auf  S.  42): 
Großbritannien    ....    278  Kriegsschiffe 

(davon  114  Linienschiffe), 


Frankreich      .    .    .    , 
Vereinigte  Niederlande 
Dänemark  und  Norwegen 
Sardinien    .    . 
Venedig      .    . 
Beide  Sizilien 
Schweden    .    . 
Portugal     .    . 
Kirchenstaat    . 
Toscana      .    . 


221  Kriegsschiffe, 

95 

60  armierte  Fahrzeuge, 

32  Kriegsschiffe, 

30 

25 

25  Linienschiffe, 

24  Kriegsschiffe, 

20 
„einige  Fregatten". 


Zweites  Kapitel:  Der  Unterhalt  der  Heere 


I.  Die  Heeresjinanzen 

/.  Der  Militär  aufwand 

Wir  suchen  nach  einem  ökonomischen  Ausdruck  für  die 
gewaltige  Bewegung,  die  wir  soeben  vor  unserem  geistigen 
Auge  sich  haben  vollenden  sehen  und  finden  ihn  zunächst 
in  den  Kosten,  die  der  Krieg,  das  heißt  also,  die  der 
Unterhalt  der  Truppen  dem  Staate  verursacht.  Ich  sage 
nichts  Neues,  wenn  ich  im  folgenden  die  Summen  aufzähle, 
die  während  des  16.,  namentlich  aber  während  des  17.  und 
18.  Jahrhunderts  in  den  wichtigsten  Militärstaaten  für  Heeres- 
zwecke ausgegeben  worden  sind.  Des  Zusammenhanges  wegen 
muß  ich  aber  die  jedermann  bekannten  Ziffern  hierhersetzen. 

Kriegführen  war  zu  allen  Zeiten  eine  kostspielige  Sache. 
Auch  was  wir  aus  dem  Mittelalter  von  den  Kosten  er- 
fahren, die  die  Ausrüstung  und  Unterhaltung  der  Heere 
machten,  setzt  uns  durch  die  Höhe  der  Beträge  in  Erstaunen 

Die  Gesamtausgaben  für  den  ersten  Kreuzzug  Ludwigs  IX. 
belaufen  sich  auf  1 537  570  lib.  tur.  10  s  10  d,  die  Ausgaben 
in  den  Jahren  1250—53  auf  1053476  Ib.  17  s  3  d'^ 

Die  40  Galeeren,  die  der  König  von  Frankreich  im  Jahre 
1337  von  dem  Ayton  Doria  aus  Genua  dingt,  kosten  ihm  für 
4  Monate  144000  Goldflorin,  also  über  eine  Million  Mark  h.  W., 
so  viel  wie  der  Jahresumsatz  des  Handels  der  größten  Hansa- 
städte betrug'^. 

Florenz  gab  für  den  Krieg  gegen  Mastius  II.  della  Scala 


52  Zweites  Kapitel:   Der  rjnterhalt  der  Heere 

600000  Goldgulden  aus;  der  6  Monate  währende  Krieg  gegen 
den  Grafen  von  Virtü  kostete  ihm  SVa  Mill.  fl.5  1377—1406 
wurden  für  Kriegszwecke  verausgabt  IIV2  Mill.  fl.;  der  1418 
beendigte  Krieg  gegen  den  Herzog  von  Mailand  hatte  in 
weniger  als  2  Jahren  3V2  Mill..  fl.  verschlungen  '*. 

Der  Militäretat  der  Stadt  Nürnberg  belief  sich  im  Jahre 
1388  für  einen  Zeitraum  von  14  Monaten  auf  78466  fl.,  un- 
gefähr das  Dreifache  der  Gesamtausgabe  des  Stadthaushalts 
in  gewöhnlichen  Zeiten '^^ 

Nun  haben  wir  ja  aber  eben  erfahren,  daß  die  Heere 
des  Mittelalters  klein  waren:  wie  mußten  sich  also  die  Aus- 
gaben für  Kriegszwecke  steigern,  als  seit  dem  16.  Jahrhundert 
die  Armeen  rasch  zu  wachsen  begannen,  zumal  ja  neben 
dieser  Ausweitung  des  Truppenkörpers  doch  auch  eine  Ver- 
vollkommnung der  Ausrüstung  (Feuerwaffen!)  nebenhergiog. 

1522  berechnet  Dr.  Chr.  Scheurl  die  Kriegsausrüstung 
von  durchschnittlicher  Größe  für  6  Monate  ohne  Proviant, 
Troß  usw.  auf  560000  fl.  Ein  spanisches  Armeekorps,  das 
in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  nach  Süditalien 
geschafft  und  dort  etwa  2V2  Jahr  unterhalten  werden  mußte, 
kostete  durchschnittlich  IV*  Mill.  Dukaten.  Der  Aufwand 
der  spanischen  Krone  für  Bekämpfung  des  niederländischen 
Aufstandes  betrug  2 — 3  Mill.  Goldkronen  im  Jahre :  weit  mehr 
als  die  Jahreseinkünfte  der  niederländischen  Regierung  während 
der  Blütezeit  des  dortigen  Handels'^. 

In  eine  neue  Ära  traten  die  Heeresfinanzen  ein  mit  der 
Einbürgerung  und  dann,  wie  wir  sahen,  raschen  Vergrößerung 
der  stehenden  Heere.  Seitdem  beginnen  auch  die  regelmäßigen 
Verzeichnungen  der  Militärausgaben  in  den  öffentlichen  Haus- 
halten, so  daß  wir  von  nun  an  ziemlich  genau  das  Anwachsen 
des  Aufwandes  für  Kriegs-  und  Heereszwecke  in  den  wichtigen 
Staaten  verfolgen  können. 

Wie  selbst  ein  kleiner  italienischer  Fürst  in  diese  Be- 
wegung hineingezogen  wurde,  lehren  uns  die  Finanzen  des 


I.  Die  Heeresfinanzen  53 

Herzogtums  Este,  über  die  wir  dank  einer  vortrefflichen 
Untersuchung"  genau  unterrichtet  sind.  Hier  weist  der 
Heeresetat  für  die  nur  ein  halbes  Jahrhundert  auseinander- 
liegenden Jahre  1543  und  1592  folgende  Steigerung  auf: 

1543 

Monizioni  del  Castello L        720 

Monizioni  delle  Fabbriche  (Festungen) .    L  17  939 

Officio  del  Soldo  dentro  e  fuori   .    .    .    L  22216.3.9 

L  40875.3.9 

1592 

Monizioni  di  Fabbriche L    98924.7.4 

Officio  del  Soldo .    L    59672.14.1 

L  158597.1.5. 

Und  nun  die  großen  Militärmächte,  zu  denen  wir  in 
Italien  Piemont  rechnen  können.  Piemonts  Militäretat  ge- 
staltet sich  in  dem  Zeitraum  von  1580 — 1708/09  wie  folgt'*: 

1580 334673  L  di  Piem. 

1605 553271  L  „  „ 

1660 1209482  L  „  „ 

1680 1610958  L  ,  „ 

1690 2823516  L  „  „ 

1696  (Kriegsjahr)  .  .  9397  074  L  „  „ 

1700 2  750000  L  „  „ 

1701 4738341  L  „  „ 

1705 4917  002  L  „  „ 

1708/09 8000000  L  „  „ 

Im  spanischen  Erbfolgekriege,  in  den  diese  Aufstellung 
nur  zum  Teil  hineinreicht,  entfaltete  Piemont  erst  recht  seine 
kriegerischen  Kräfte,  und  dementsprechend  kostete  dem  kleinen 
Lande  —  Piemont  hatte  damals  1 200  000  Einwohner  —  dieser 
Krieg  ganz  ungewöhnlich  große  Summen.  Während  der  Jahre 
1700 — 1713  betrugen  die  Ausgaben'^: 


54  Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

für  Heer  und  Artillerie  ...     77 101 990  L 

„    Festungen 8963364  L 

„  Intendanturzwecke  (Lebens- 
mittel, Getreideankauf)     .     39490178  L 

125555532  L 
=  59,12  ®/o  der  Gesamtausgaben, 
dazu  noch  für  Schuldzinzen    .     39408940  L 

164964472  L 
=  77,72  0/0. 
Also  137  L   auf  den  Kopf  der  Bevölkerung;  das  würde  im 
heutigen  Deutschland  einer  Summe   von  9  Milliarden  Mark 
entsprechen. 

Spanien  war  wohl  von  seiner  Höhe,  die  es  unter  Alba 
erklommen  hatte,  schon  herabgestiegen  (1610),  als  es  folgenden 
Heeresetat  hatte-. 

Sold  der  Truppen 653963  duc. 

Flotte 530000     „ 

Garden  und  hommes  d'armes.      200000     „ 

Festungen 50  000    „ 

Arsenale 100000     „ 

Artillerie .        22  500     „ 

1556463  duc. 
Ausgaben  für  Flandern  .  .  1800000  „ 
Damals  betrugen  die  Netto  einnahmen  des  Königs  von 
Spanien  (5  Mill.  duc.  blieben  bei  den  Vizekönigen,  Steuer- 
einnehmern usw.  haften)  nach  einer  Untersuchung,  die 
Heinrich  IV.  anstellen  ließ,  und  die  sieh  fast  genau  mit  der 
Schätzung  des  venetianischen  Gesandten  Tomaso  Contarini 
(16  Mill.  duc.)  deckt:  15658000  duc.  Davon  entfiel  jedoch 
der  größte  Teil  auf  die  Schuldzinsen,  so  daß  einer  Aufstellung 
des  Grafen  Lerma  nach  nur  4487  350  duc.  verfügbar  waren  ^•*. 
Unter  Anrechnung  der  Sehuldzinsen  machten  also  die  Aus- 
gaben für  Heereszwecke  im  damaligen  Spanien  annähernd 
93%  der  gesamten  Staatseinnahmen  aus. 


1.  Die  Heeresfinanzen  55 

Für  Frankreich  besitzen  wir  die  erste  zuverlässige 
Aufstellung  der  Heeresausgaben  aus  dem  Jahre  1542,  die 
aber  offenbar  nur  das  Ordinarium  umfaßt.  Ich  teile  die  wenig 
beachteten  Ziffern^*  hier  im  einzelnen  mit. 

2000  uomini  d'arme 900  000  franchi, 

Cresciuti  20  per  100  frc.  le  comp 25  000  „ 

Quello   che   spende   ordinär,  per  le,  cose 

della  guerra  benchö  sia  pace 200000  „ 

Artiglieria  ordinaria  che  si  fa  ogni  anno  etc.  54  000  „ 

Artiglieria  estraordinaria 19  000  „ 

Marina  di  Marsiglia 140  000  „ 

Marina  di  Ponente 14000  „ 

Guardie  di  Palazzi  ec 20000  „ 

200  gentiluomini  a  400  fr.  Tun 80  000  „ 

La  guardia  de'  Scozzesi 34000  „ 

3  bände  di  arcieri  francesi 93  000  „ 

La  guardia  de'  Svizzeri 13  000  „ 

Fabbriche  delle  frontiere  della  Piccardia  90000  „ 

Fabbriche  delle  front,  di  Sciampagna    .   .  15  000  „ 

2  (?)  pensioni  a'  Svizzeri 200  000  „ 

Salario  del  gran  Contestabile 17  000  „ 

Pens,  ordinaria  agli  Inglesi,  della  quäle  sono 

creditori  di  sei  anni 200000  „ 

2114  000  franchi. 

Die  gesamte  Ausgabe  in  diesem  Jahre,  von  der  sicher 
ein  beträchtlicher  Teil  auf  die  Verzinsung  der  Kriegsschuld 
noch  entfiel,  betrug  5788000  L. 

Während  des  17.  Jahrhunderts  steigt  nun  der  Aufwand 
für  Heereszwecke  rasch,  um  in  den  Kriegsjahren  Ludwigs  XIV. 
zu  gipfeln. 

Unter  Heinrich  IV.  werden  1601 — 09  durchschnittlich  etwa 
6  Mill.  L.,  1609  etwa  9  Mill.  L.  dafür  ausgegeben  »2.  Unter 
Ludwig  XIII.  verdoppelt  sich  diese  Ziffer,  unter  Ludwig  XIV. 
vervierfacht  sie  sich  dann  noch  einmal.  Ich  stelle  die  Haupt- 
posten des  Militäretats  für  zwei  ein  halbes  Jahrhundert  aus- 
einanderliegende Jahre  zusammen  ^^: 


56 


Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 


1639 


1680 


Schweitzer  (Ligues  Suisses) 

Ausserordentl.  Ausgahen   für  Kriegszwecke 

(Extraordinaire  des  Guerres) 

Garnisonen 

Artillerie 

Marine 

Befestigungen 

Gratifikationen  für  die  Truppen 

Galeeren 

Bei  einem  Gesamtetat  von ,  .  .   . 


livres 
400000 

12  000  000 
3  000000 

600000 
2  500  000 

600  000 


livres 
652  567 

62  070  550 

2  419399 
704  277 

14  405  795 

12  678  609 

1323  804 

3  614  753 


19100000 

29  900000 

=  60O/O 


97  869  754 

129  691  599 

=  740/0 


In  dem  Etat,  den  Mr.  Necker  für  das  Jahr  1784  auf- 
stellte^*, stehen  die  Militärausgaben  mit  124650000  L. 
die  Ausgaben  für  die  Marine  mit    45  200  000  L. 

169850000  L. 
Dazu  wären  hinzuzurechnen 
die  Ausgaben  für  die  Verzinsung 

der  Kriegsschuld 207000000  L. 

desgleichen  Rückzahlungen      .    .    27500000  L. 


Also  insgesamt  wurden  404350000  L. 
für  Heereszwecke  ausgegeben  bei  einer  Gesamtausgabe  von 
610  Mill.  L,  das  sind  rund  zwei  Drittel. 

Brandenburg-Preußen^^ 

Unter  dem  Großen  Kurfürsten  betragen  die  Kriegs- 
gefälle 2500000  Tlr.,  das  sind  zwei  Drittel  der  gesamten 
Staatseinnahmen.  Von  ihnen  wurden  allerdings  noch  einige 
andere  als  militärische  Ausgaben  (für  Diplomatie,  Schloßbau 
usw.)  bestritten,  andrerseits  standen  für  Heereszwecke  noch 
die  Subsidien  und  die  Schulden  zur  Verfügung. 

Unter  Friedrich  III.  (I.)  belaufen  sich 


5  954079  Tlr. 
22  Gr.   5Pfg. 


I.  Die  Heeresfinanzea  57 

die  Gesamteinnahmen  auf      ...  4     Mill.  Tlr. 
die  Ausgaben  für  Heereszwecke  auf  2,2  Mill.  Tlr. 

Unter  Friedrich   Wilhelm  I.  setzt  die   große   Aufwärts- 
bewegung ein: 
Reineinnahmen  im 

Jahre  1739/40   .  6917192  Tlr.  10  Gr.  4  Pfg. 
davon  für  Militär- 
zwecke     .    .     .  5039663  Tlr.  22  Gr.  5  Pfg 
in  den  Kriegsschatz     914416  Tlr.  —  Gr.  -  Pfg 
Also  86%  machen  diei  Militärausgaben  aus. 

Friedrich  M.  gibt  aus  in  den  letzten  drei  Jahren  durch- 
schnittlich 

für  Militärzwecke 12419457  Tlr. 

für  Hof-  und  sonstige  Zivilzwecke  .      3946676  Tlr. 
Die  Militärausgaben  belaufen  sich  auf  75,7%  der  Ge- 
samtausgabe. 

Unter  Friedrich  Wilhelm  II.  (1797/98): 
Gesamteinnahmen     .     20499382  Tlr.  22  Gr.  7  Pfg. 
Militäraufwand    .    .     14606325  Tlr.  17  Gr.  3  Pfg. 

=  71  "/o. 
Unter  Friedrich  Wilhelm  III.  (1805/06): 
Gesamteinnahmen      .    .     .  26  956  858  Tlr. 
Militärausgaben    .    .    .     .  17185112  Tlr.' 
Verzinsung  der  Staatsschuld    1 896  296  Tlr. 

Staatsschatz 1100000  Tlr. 

Endlich  müssen  wir  noch  erfahren,  was  diejenige  Macht 
für  Heereszwecke  während  der  früheren  Jahrhunderte  aus- 
gab, die  sich  den  Krieg  zweifellos  am  meisten  kosten  ließ: 
England. 

Für  die  Zeit  der  Lancasters  rechnet  ein  guter  Kenner 
an  Ausgaben  für  die  Flotte  etwa  50000  i^^^  heraus. 

Einige  Jahre  im  17.  Jahrhundert  weisen  an  Aufwendungen 
für  die  Flotte  folgende  Beträge  auf«': 


20 181 408  Tlr. 

=  750/0. 


58 


Zweites  Kapitel:  Der  Unterhalt  der  Heere 


Jahr 

Zahl  der 

Ausgaben  für 

Kriegs- 
schiffe 

Handels- 
schiffe 

Kriegs- 
schiffe 

Handels- 
schiffe 

Zusammen 

1643  S. 
1647  S. 

36 
43 

32 
16 

£       s.    d. 
133  76Ö    3    9 
124395  12    0 

£       s.    d. 
74  881  11    6 
44743    8    0 

£      s.    d. 
332  869  15    3 
244655    0    0 

Jahre 


1652/53 

1654 

1656—57 

1657/58 

1658/59 


Gesamte  Einnahme 


Ausgaben  für  die 
Flotte 


2  600  000  £ 

1  050  000  £ 

951000   „ 

1517  000   „ 


1  400  000  i^ 

1 048  731  ^e»  13  s.  8  d.  88 

809  000  £ 

624  000   „ 

848  000   ,. 


Die  Friedensetats  betragen  in  £^^\ 


Ti'sÄi  unter 

für  die 
Flotte 

für  das 
Landheer 

für  die 
Artillerie 

Gesamt- 
ausgabe 

Karl  II 

Wilhelm  III.  .   .   . 

Anna 

Georg  I 

Georg  II 

Georg  HI.  (1770)   . 

300000 
877  455 
765  700 
740  000 
900  000 
1573422 

212  000 
300  000 
425  905 
900  000 
900000 
1513412 

40  000 
50000 
58  000 
73  000 
80  000 
227  907 

1 171 315 
1907  455 

Die  Gesamtausgaben   für  Krieg   und  Frieden  betrugen 
(nach  Sinclair)  in  £\ 


unter  der  Regierung 


für  die  Flotte 


für  das  Land- 
heer 


für  die 
Artillerie 


Wilhelms  III 

Annas 

Georgs  I 

Georgs  II 

Georgs  IIL  (bis  1788) 


19  822  141 
23484  574 
12  923  851 
71 424  171 
116  725  948 


22  017  706 
32  975  331 
13  842  467 
74  911521 
96  565  762 


3  008  535 
2  100  676 
1064449 
6  706  674 
17  079  011 


Insgesamt  in  dem  Jahr-    f 
hundert  von  1688—1788  \ 


244380  685 


240312  967 


29  959345 


I.  Die  Heeresfinanzen  59 

Endlich  teile  ich  noch,  da  es  manchen  Leser  interessieren 
dürfte,  einen  spezifizierten  Militäretat  für  das  Jahr  1781  mit, 
in  dem  die  Gesamtausgaben  sich  auf  24,4  Mill.  i^,  die  Aus- 
gaben für  Heereszwecke  auf  17V2  Mill.  £  belaufen.  Zu  diesen 
sind  aber  noch  5^2  Mill.  i^  hinzuzurechnen,  die  zur  Rück- 
zahlung von  Schatzseheinen  und  zur  Deckung  des  Defizits 
der  indirekten  Steuern  dienten.  Mit  diesen  5V2  Mill.  stehen 
also  23  Mill.  ein^r  Gesamtausgabe  von  24 V2  Mill.  gegenüber, 
das  sind  fast  94*^/0. 

Der  Militäretat  Englands  für  1781  schaut  so  aus'": 

£  s.  d. 
Für  90000  Seeleute  einschließlich  20317  Seesoldaten 

und  Artilleristen  (ordinance) 4  446  000  0  0 

Das  Ordinarium  der  Flotte 386  261  5  8 

Bau  und  Ausbesserung  von  Kriegsschiffen 670  016  0  0 

Ablösung  der  Flottenanleihen 3  200  000  0  0 

Geschützamt  (office  of  ordinance)  zu  Lande    ....  582924  11  9 

Desgl.  zur  See 234  000  0  0 

Außerordentliche  Ausgaben  für  Artillerie  1781  ...  252  104  34 

Desgl.  für  1780 447  182  4  6 

Für  39  666  Landtruppen 1  049  774  8  11 

Für  den  Oberstkommandiereuden  und  seinen  Stab  .  42  927  16  0 
Festungsgamisonen    und    Truppen    außerhalb    des 

Landes 1488927  0  0 

Subsidien  und  Unterhaltung  deutscher  Truppen    .   .  715 117  15  7V2 

Miliz  in  Nordengland  (North  Britain) 672  457  15  0 

Bekleidung  der  Miliz 99  679  13  4 

Zusatz  Miliz-Kompagnien 6  010  3  9 

80  unabhängige  Kompagnien  Fußvolk   (independent 

Comp,  of  foot) 117  608  6  8 

Nachzahlung  Sold  aus  1780 8  452  4  8 

Desgl.  für  2  Bataillone  des  Lord  John  Murray.   .   .  1 107  16  4 
Außerordentliche,    unvorhergesehene  Ausgaben    für 

Heereszwecke 3  351589  13  4V2 

Für  Invaliden  und  direkte  Ausgaben    ....    rund  190000  0  0 

Eine  ungeheure  Anspannung  aller  Kräfte  bis  zum  Äußersten 
bedeutete  dann  noch  einmal  der  Kampf  mit  Napoleon.  In  den 
14  Jahren  von  1801—1814  gab  England  aus: 


60  Zweites  Kapitel:  Der  Unterhalt  der  Heere 

für  die  Flotte  ....  237  441  798  i^ 
für  das  Landheer  .  .  .  337  993  912  i^ 
für  Geschütze    ....      58198904^ 


Zusammen  633  634614  i^ 
Also  13 — 14  Milliarden  Mk.  oder  durchschnittlich  im  Jahre 
45  259  615  i^,  das  sind  900  Mill.  Mk.  Man  muß  sich  immer 
gegenwärtig  . halten ,  daß  Großbritannien  damals  (im  ersten 
Jahrzehnt  des  19.  Jahrhunderts)  ein  Land  mit  10 — 12  Mill. 
Einwohnern  war,  daß  also  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung 
80 — 90  Mk.  Kriegsaufwand  im  Jahre  entfiel ;  das  entspricht 
einem  Heeresetat  von  etwa  6  Milliarden  Mk.  im  heutigen 
Deutschland,  das  jetzt  etwas  über  eine  Milliarde  Mark  (wenn 
man  die  Zinsen  und  Tilgung  der  Reichsschuld  ganz  hinein- 
rechnet) für  Heereszwecke  ausgibt. 

2.  Die  Aufbringung  der  Mittel 

"Welche  Bedeutung  dieser  Militäraufwand  für  die  Heraus- 
bildung des  Kapitalismus  hat,  insoweit  er  gemacht  wird,  in- 
soweit die  Summen  ausgegeben  werden,  werden  wir  im  Ver- 
lauf dieses  Buches  noch  oft  zu  untersuchen  haben.  Hier  soll 
nur  die  Frage  aufgeworfen  werden:  ob  denn  nicht  auch  die 
Aufbringung  der  Mittel  für  die  Durchführung  der  Heeres- 
zwecke bedeutsamen  Einfluß  auf  die  Gestaltung  des  modernen 
Wirtschaftslebens  ausgeübt  hat.  Wohlverstanden :  der  Mittel, 
soweit  sie  in  den  oben  angeführten  Zifi'ern  ihren  Ausdruck 
finden,  will  sagen:  soweit  sie  durch  die  Kassen  des  Staates 
laufen. 

Die  Arten,  wie  die  Mittel  für  die  Deckung  des  Militär- 
bedarfs aufgebracht  werden,  sind  keine  andern  als  die,  wie 
sich  öffentliche  Körper  überhaupt  Einnahmen  verschaffen: 
Domanialeinkünfte  und  Steuern  im  weitesten  Sinne  einerseits, 
Anleihen  anderseits  sind  die  Quellen,  aus  denen  diese  Ein- 
nahmen fließen.  Nur  eine  besondere  Einnahmeart  muß  hier 
noch  hinzugefügt  werden,  die  in  früheren  Jahrhunderten  bei 


I.   Die  Heeresfinanzen  61 

der  Beschaffung  der  Kriegsmittel  eine  große  Rolle  gespielt 
hat:  die  Subsidienzahlung.  Das  war  die  Form,  in  der 
die  reichen  Länder,  namentlich  Holland  und  England,  zum 
großen  Teil  ihre  Kriege  geführt  haben :  sie  unterstützten  die 
geldarmen  Fürsten,  namentlich  Deutschlands,  die  ihre  Schlachten 
schlagen  mußten.  Es  handelte  sich  oft  um  recht  ansehnliche 
Beträge,  die  für  die  Finanzen  kleiner  Staaten  sehr  ins  Ge- 
wicht fielen.  So  empfing  der  Große  Kurfürst  in  den  Jahren 
1674—88  2  863  281  Tlr.  19  Gr.  Subsidiengelder ;  Friedrich  III.  (I.) 
14  Mill.  Tlr. ;  Friedrieh  M.  erhielt  während  der  Jahre  1758 
bis  1761  jährlich  6700001^,  also  13V2  Mill.  Mk.  von  England  »^ 
In  den  zwei  Jahrzehnten,  die  von  den  Kriegen  mit  Frank- 
reich ausgefüllt  waren,  von  1793 — 1814  zahlte  England  an 
fremde  Potentaten  nicht  weniger  als  46  289  459  J',  also  fast 
eine  Milliarde  Mark  Subsidiengelder  aus  ^^. 

Die  Bedeutung,  die  die  Aufbringung  der  Kriegsmittel  für 
den  Kapitalismus  hatte,  erblicke  ich  nun  vornehmlich  in 
folgendem : 

1.  wurde  die  Kapitalbildung  durch  sie  gefördert. 
Das  klingt  paradox  angesichts  der  Tatsachen,  die  wir  oben 
uns  vergegenwärtigt  haben :  daß  nämlich  der  Steuerdruck  und 
die  starke  Inanspruchnahme  des  Kredits  die  Kapitalakkumula- 
tion gehindert  haben.  Und  doch  ist  es  wahr,  daß  die  Be- 
schaffung der  Kriegsmittel,  während  sie  auf  der  einen  Seite 
zweifellos  die  Vermögensbildung  verlangsamte,  auf  der  andern 
Seite  sie  beschleunigt  hat  und  zwar  gerade  dort  beschleunigt 
hat,  wo  das  Vermögen  am  ehesten  Kapitalcharakter  anzu- 
nehmen die  Tendenz  hat:  durch  die  Steuererhebung  ebenso 
wie  durch  die  Gewährung  oder  Vermittlung  oder  Übertragung 
des  öffentlichen  Kredits  sind  viele  Leute  reich  geworden, 
die  ihren  Reichtum  dann  entweder  zur  Befruchtung  der 
Industrie  und  des  Handels  verwandten  oder  aber  durch 
Steigerung  ihrer  Luxusausgaben  (wie  ich  das  im  ersten  Band 


62  Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

dieser  Studien  nachzuweisen  versucht  habe)  einen  Anreiz 
für  die  Entfaltung  des  Kapitalismus  schufen. 

Mit  anderen  Worten:  ein  sehr  beträchtlicher  Teil  des 
bürgerlichen  Reichtums,  der  in  dieser  oder  jener  Form  den 
Kapitalismus  schuf,  entsteht  im  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert 
durch  Steuerpacht  (namentlich  in  Frankreich)  und  Zins-  und 
Agiogewinne  an  öffentlichen  Anleihen  (namentlich  in  Holland 
und  England). 

Es  würde  mich  von  dem  Zentrum  dieser  Untersuchungen 
zu  sehr  abführen,  wollte  ich  im  einzelnen  verfolgen,  wie  sich 
die  Vermögensbildung  auf  diesen  Wegen  vollzogen  hat.  Ich 
gedenke  dieses  Problem  in  einem  der  folgenden  Bände  dieser 
Studien,  der  die  Entstehung  der  Bourgeoisie  zum  Gegenstand 
hat,  im  Zusammenhange  abzuhandeln  und  begnüge  mich  des- 
halb hier  damit,  ein  paar  Ziffern  anzuführen,  die  die  Richtig- 
keit der  eben  aufgestellten  Behauptung  zu  erweisen  vermögen. 

Sprichwörtlich  war  der  Reichtum,  war  das  rasche  Reich- 
werden bei  den  französischen  Traitants,  bei  den  fermiers 
g6n6raux. 

Diderot  fragte  einen  jungen  Ehrgeizigen:  „Savez-vous 
lire?  —  Oui.  —  Un  peu  calculer?  —  Oui.  —  Et  vous  voulez 
ßtre  riche  ä  quelque  prix  que  ce  soit?  —  A  peu  pr^s.  — 
Eh  bien  mon  ami,  faites-vous  secr^taire  d'un  formier  g6neral 
et  continuez  dans  cette  voie"^^ 

Zeitgenössische  Urteile  bestätigen  zur  Gentige,  daß  diese 
Weisung  Diderots  richtig  war.  In  einer  Eingabe  der  Assem- 
bl6e  des  Notables  vom  Jahre  1626  heißt  es:  „on  les  voit  de- 
venir  riches"  —  nämlich  die  „officiers  de  finances"  usw.  — 
»et  opulents  en  peu  d'annöes"  ^*. 

Ein  Paraphletist  schreibt  ^^:  „U  ne  suffit  pas  aux  tr6so- 
riers  de  gagner  cent  mille  6cus  en  un  an.  Ils  veulent  faire 
leurs  commis  et  partisans  aussi  riches  qu'eux."  „Cela  fit 
beaucoup  de  personnes  extremement  riches",  urteilt  der  be- 
sonnene und  immer  gut  unterrichtete  Gourville. 


I.  Die  Heeresfinanzen  68 

Wir  besitzen  aber  auch  genug  Einzelangaben,  um  die 
Richtigkeit  solcher  allgemeinen  Aussprüche  nachprüfen  zu 
können.  Es  genügt  hier,  an  die  Lebensgeschichte  von  Männer» 
wie  Bullion,  Emeri,  Fouquet  oder  auch  von  großen  Macht- 
habern  wie  Mazarin  zu  erinnern,  die  wir  zu  gewaltigen  Reich- 
tümern auf  dem  bezeichneten  Wege  aufsteigen  sehen :  Bullion 
hatte  1622  60000  6cus  Rente;  1632  wurde  er  Surintendant; 
1640  (bei  seinem  Tode)  hinterließ  er  eine  Rente  von 
700000  livres^^.  Mazarin  hinterließ  ein  Vermögen  von 
60  Mill.  livres  usw. 

Einen  ganz  vorzüglichen  Gesamtüberblick  über  den  Reich- 
tum der  französischen  Finanzmänner  gewährt  die  Liste  der 
zu  Strafen  wegen  unsauberer  Machenschaften  eingeschätzten 
„Gens  d'affaire"  im  Jahre  1716.  Die  Liste »^  weist  726  Namen 
auf,  die  zusammen  auf  147355433  livres  Buße  eingeschätzt 
wurden.  Die  einzelnen  Summen  schwanken  zwischen  2000  livres 
und  6600000  livres,  zu  welchem  Höchstbetrage  der  bekannte 
Antoine  Crozat  herangezogen  werden  sollte  (in  Wirklichkeit 
ist  nur  ein  kleiner  Teil  der  Schätzung  —  man  nimmt  an, 
etwa  20  Millionen  —  in  die  Kassen  des  Königs  geflossen!). 
Eine  Verteilung  auf  einzelne  Steuerstufen  ergibt  folgendes 
Bild:  Es  wurden  eingeschätzt  auf: 

unter  50000  liv 298, 

50001—100000  liv 105, 

100001—200000  liv 127, 

200001—300000     „ 68, 

300001—400000     „ 42, 

400001—500000     „ 26, 

500001—1000000  liv 40, 

1000  001—2000000  liv 13, 

über  2  Millionen 6. 

Was  an  Anleihen  für  Kriegszwecke  zu  verdienen  ist,  zeigen 
gleichsam  repräsentativ  die  beiden  reichsten  Häuser  der  früh- 
kapitalistischen Epoche:  die  Fugger  und  die  Rothschild. 


64  Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

Man  hat  ausgerechnet,  daß  in  den  Jahren  zwischen  1792 
und  1816  in  England  52  Mill.  ^  Agiogewinne  an  Kriegs- 
anleihen gemacht  worden  sind^^. 

Die  Fugger  und  die  Rothschild,  die  beide  ihren  Reichtum 
dem  Kriege  verdanken,  stellen  die  beiden  Formen  dar,  in 
denen  dieser  Reichtum  gebildet  werden  konnte;  man  könnte 
sie  als  die  deutsche  und  die  jüdische  einander  gegenüber- 
stellen :  die  direkte  Darlehnsgewährung  und  die  börsenmäßige 
Anleiheemission:  Auge  in  Auge,  persönlicher  Kredit  dort  — 
hinter  dem  Rücken  des  „Publikums",  unpersönlicher  Kredit  hier. 

Damit  berühre  ich  aber  schon  den  Punkt,  wo  zum  anderen 
die  Aufbringung  der  Kriegsmittel  von  ganz  großer  Bedeutung 
für  die  Herausbildung  des  Kapitalismus  geworden  ist,  sofern 
nämlich 

2.  sie  die  Kommerzialisierung  des  Wirtschafts- 
lebens befördert  hat.  Die  ersten  Weltbörsen  im  16.  Jahr- 
hundert sind  unmittelbar  aus  dem  Handel  mit  öffentlichen 
Schuldtiteln  entstanden,  wie  uns  das  Ehrenberg  so  an- 
schaulich geschildert  hat.  Durch  die  Entwicklung  des  öffent- 
lichen Anleihewesens  ist  dann  die  Effektenbörse  zu  ihrer  vollen 
Entfaltung  gelangt.  Der  Effektenhandel  und  die  Effekten- 
spekulation haben  sich  allerdings  zuerst  entfaltet  an  den 
Aktien  der  großen  Überseehandelsgesellschaften.  Aber  immer 
war  der  öffentliche  Schuldtitel  daneben  von  Bedeutung  ge- 
wesen. Unter  den  44  Effekten,  die  in  der  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts an  der  Amsterdamer  Börse  notiert  wurden,  waren 
25  Sorten  inländischer  Anleihen  und  6  deutsche  Anleihesorten. 
Bis  zum  Ende  des  Jahrhunderts  stieg  die  Zahl  der  inländischen 
Obligationen  auf  80,  die  der  deutschen  auf  30.  Dann  aber 
beginnt  erst  recht  der  Tanz.  Emission  folgt  auf  (Emission 
seit  dem  Ausgange  des  18.  Jahrhunderts  (natürlich:  siehe  die 
Ziflfern,  die  ich  über  die  Zunahme  der  Staatsschulden  oben 
mitgeteilt  habe).  Wenn  bis  1770  an  der  Amsterdamer  Börse 
seit  ihrem  Bestehen  für  250  Mill.  fl.  Anleihen  aufgenommen 


I.  Die  Heere sfinanzen  ß5 

wurden,  so  emittierten  die  Rothschilds  allein  in  den  14  Jahren 
von  1818—1832  für  440  Mill.  Mark  öffentliche  Schuld- 
anweisungen. 

Der  Krieg  hat  die  Börse  geschaffen:  zunächst,  was 
wir  hier  feststellen,  die  Effektenbörse  (später  werden  wir  ihn 
auch  an  der  Herausbildung  der  Produktenbörse  stark  beteiligt 
finden).  Aber  auch  (seltsames  Zusammentreffen!)  die  Juden 
haben  die  Börse  geschaffen.  Germanisches  Kriegertum  und 
jüdischer  Geschäftssinn  sind  hier  gemeinsam  am  Werke  ge- 
wesen. Weil  aber  dieses  Problem  der  Entstehung  der  Börse  in 
das  Kapitel  „Juden"  ebenso  wie  in  das  Kapitel  „Krieg"  hinein- 
fällt, so  kann  ich  mich  hier  mit  diesen  wenigen  Bemerkungen 
begnügen  und  verweise  den  Leser  für  alle  weitere  Belehrung 
auf  mein  Buch  „Die  Juden  und  das  Wirtschaftsleben",  wo  ich 
den  Prozeß  der  Kommerzialisierung  und  Verbörsianisierung 
des  Wirtschaftslebens  genau  verfolgt  habe. 

3.  will  ich  noch  auf  eine  Wirkung  hinweisen,  die  ins- 
besondere die  Subsidienzahlungen  (an  deren  Durch- 
führung natürlich  die  Geldleute  unmittelbar  recht  beträchtlich 
verdient  haben  werden)  auf  das  Wirtschaftsleben  vielleicht 
■ausgeübt  haben,  eine  Wirkung,  die,  soviel  ich  sehe,  bisher 
nur  von  einem  Forscher  beachtet  worden  ist^^.  (Dieser  aller- 
dings hat  sie  dann  zum  Mittelpunkte  seiner  Untersuchungen 
gemacht.)  Es  ist  nämlich  zu  erwägen,  bis  zu  welchem  Um- 
fange durch  die  großen  Barzahlungen  an  das  Ausland,  wie 
sie  in  den  Subsidienzahlungen  erfolgten,  der  Wechselkurs 
Englands  beeinflußt  worden  ist.  Es  liegt  nahe,  anzunehmen, 
der  Wechselkurs  sei  dauernd  durch  sie  zuungunsten  Englands 
bestimmt  worden.  Ein  ungünstiger  Wechselkurs  wirkt  aber 
bekanntlich  als  Prämie  für  die  Ausfuhr.  Englands  Ausfuhr 
also  wäre  durch  die  fortgesetzten  Bargeldauszahlungen  stark 
gefördert  worden,  und  an  ihr  habe  sich  der  industrielle 
Kapitalismus  in  die  Höhe  gerankt.  Tatsächlich  übertrifft  der 
Wert  der  englischen  Ausfuhr  den  der  Einfuhr  in  den  Jahren 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  5 


Qß  Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

von  1698—1822  um  33183171  £.  Wie  weit  an  dieser  Steige- 
rung der  ungünstige  Wechselkurs,  wie  weit  an  diesem  die 
Zahlung  der  Subsidiengelder  schuld  ist,  verdiente  wohl  einmal 
gründlich  untersucht  zu  werden. 

4.  Daß  das  Hereinströmen  großer  Geldbeträge  in  ein  Land, 
namentlich  in  der  Form  der  Kriegsentschädigungen, 
belebend  auf  den  Gang  der  kapitalistischen  Entwicklung  ein- 
wirken kann,  ist  eine  zu  bekannte  Tatsache,  als  daß  sie 
einer  besonderen  Begründung  bedürfte.  „Milliardensegen"  — 
„Gründerzeit"  sind  in  allen  Jahrhunderten  zusammengehörige 
Erscheinungen  gewesen. 

IL  Die  Grundsätze  der  Heeresausrüstung 

Die  Unterhaltung  eines  Heeres,  wenn  eine  höhere  In- 
stanz für  sie  sorgt,  vollzieht  sich  immer  in  zwei  Akten: 
Mittel  werden  aufgebracht,  und  diese  Mittel  werden  ver- 
wandt. Der  Staat  (die  Stadt  oder  in  wessen  Dienst  sonst 
das  Heer  steht)  dient  als  das  Zwischenglied,  das  zwei  Enden, 
das  bedürfende  Heer  und  den  wirklichen  Erhalter  des  Heeres, 
miteinander  verknüpft.  Wie  die  Mittel,  über  die  der  Staat 
verfügt,  mit  denen  er  das  Heer  unterhält,  nun  angewandt  werden, 
entscheidet  über  die  Art  und  die  Größe  der  Wirkungen,  die  die 
Unterhaltung  einer  Streitmacht  in  Krieg  oder  Frieden  auf  das 
Wirtschaftsleben  eines  Landes  ausübt.  Damit  wir  aber  die  tat- 
sächliche, das  heißt  historische  Gestaltung  der  Mittelverwendung 
in  den  europäischen  Staaten  des  16.— 18.  Jahrhunderts  klar 
und  deutlich  zu  erkennen  vermögen,  müssen  wir  uns  vorher 
die  verschiedenen  Möglichkeiten  einer  solchen  Mittel- 
verwendung vergegenwärtigen.  Die  Mittelverwendung  ist 
gleichbedeutend  mit  der  Ausrüstung  der  Heere:  indem  der 
Staat  seine  disponiblen  Mittel  ihrer  Zweckbestimmung  gemäß 
verwendet,  rüstet  er  das  Heer  aus.  Worüber  wir  uns  also 
Klarheit  verschaffen  müssen,  ist  die  Art  und  Weise,  wie  die 


II.  Die  Grundsätze  der  Heeresausrüstung  67 

Heeresausrüstung  erfolgen  kann,  nachdem  wir  vorher  fest- 
gestellt haben,  was  unter  Heeresausrüstung  zu  verstehen  sei. 
Die  Organisation  der  Heeresausrüstung  bildet 
einen  Teil  der  Heeresverwaltung.  Sie  stellt  sich  zur  Aufgabe, 
das  Heer  mit  allen  für  seine  Existenz  und  sein  richtiges 
Funktionieren  notwendigen  Sachgütern  zu  versorgen.  Diese 
Sachgüter  sind:  1.  die  Waffen;  2.  die  Beförderungsmittel, 
also  namentlich  Pferde  und  Wagen;  3.  die  Unterhaltsmittel, 
also  die  Nahrung,  die  Kleidung  und  die  Wohnung.  Je  nach- 
dem es  sich  um  die  Beschaffung  dieser  oder  jener  Kategorie 
von.  Saehgütern  handelt,  erwächst  das  Problem  der 

Bewaffnung, 

Berittenmachung  (Beförderung), 

Beköstigung, 

Bekleidung, 

Behausung 
des  Heeres. 

Diese  Probleme  können  nun  nach  sehr  verschiedenen  Grund- 
sätzen gelöst  werden.  Die  Organisation  der  Heeresausrüstung 
gestaltet  sich  zunächst  verschieden  je  nach  der  Instanz, 
der  die  Ausrüstung  obliegt.  Danach  nämlich  wird  die 
Ausrüstung  auf  dem  Prinzip  der  Dezentralisation  oder  der 
Zentralisation  beruhen.  Im  Falle  der  Dezentralisation  bringt 
jeder  Krieger  selber  mit,  was  er  an  Sachgütern  braucht: 
seine  Waffen,  sein  Pferd,  seinen  Unterhalt.  Zentralisiert  hin- 
gegen ist  die  Ausrüstung,  wenn  die  jeweilige  Zentrale,  der 
„oberste  Kriegsherr"  sagen  wir  heute,  die  Ausrüstung  über- 
nimmt :  wenn  also  der  Staat  die  Waffen  und  die  Beförderungs- 
mittel liefert,  wenn  der  Staat  für  den  Unterhalt  aller  Krieger 
sorgt.  Dies  kann  er  grundsätzlich  wiederum  auf  zwei  ver- 
schiedene Weisen  tun :  er  kann  entweder  durch  seine  eigenen 
Organe,  seine  „Beamten",  diese  Fürsorge  treffen.  Wir  sprechen 
dann :  der  Staat  (die  Stadt  usw.)  übernimmt  die  Ausrüstung 
des  Heeres  „in  eigener  Regie".    Oder  der  Staat  kann  Mittels- 


58  Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

personen  mit  der  Ausrüstung  beauftragen,  die  diese  dann 
erwerbsmäßig,  also  gegen  ein  Entgelt,  bewerkstelligen.  Wir 
sprechen  dann  von  einem  „Lieferuugswesen",  das  der  Staat 
organisiert,  um  das  Heer  auszurüsten. 

Zwischen  der  reinen  Dezentralisation  und  der  reinen  Zen- 
tralisation gibt  es  Zwischenstufen  verschiedenster  Art.  So  ist 
es  beispielsweise  möglich,  daß  zwar  der  einzelne  Krieger  für 
seinen  Unterhalt  zu  sorgen  hat,  daß  der  Staat  aber  Vor- 
kehrungen trifft,  die  dem  Krieger  ein  sicheres  und  preiswertes 
Angebot  gewährleisten.  Oder  aber  weder  der  Staat  noch  der 
einzelne  Krieger  übernehmen  die  Ausrüstung;  diese  obliegt 
vielmehr  irgendwelcher  Zwischeninstanz,  wie  dem  Obersten 
oder  dem  Hauptmann  (sogenannte  Kompagniewirtschaft). 

Die  Organisation  der  Heeresausrüstung  gestaltet  sich  nun 
aber  so  sehr  mannigfaltig  deshalb,  weil  jedes  der  genannten 
Organisationsprinzipien  wiederum  sehr  verschiedene  Möglich- 
keiten offen  läßt,  sich  in  den  Besitz  der  zur  Ausrüstung  erforder- 
lichen Gebrauchsgegenstände  zu  setzen.  Diese  können  nämlich 
entweder  von  demjenigen,  der  für  die  Ausrüstung  zu  sorgen 
hat,  selber  hergestellt  werden.  Der  Staat  beispielsweise  kann 
die  Waffen,  die  Uniformen,  das  Brot,  die  Pferde  in  seinen 
eigenen  Wirtschaften  erzeugen  und  kann  dann  die  gebrauchs- 
fertigen Gegenstände  den  einzelnen  Kriegern  darbieten.  Oder 
der  zur  Ausrüstung  Verpflichtete:  Staat,  Kompagniechef, 
Einzelkrieger,  verschafft  sich  auf  irgendeine  Weise  die  von 
anderen  bereits  fertiggestellten  Gebrauchsgüter. 

„Verschaffen"  aber  kann  man  sich  Gegenstände  auf  grund- 
sätzlich sehr  verschiedene  Weise :  man  kann  sie  dem  andern, 
ohne  ihm  ein  Entgelt  dafür  zu  bieten,  wegnehmen:  das 
„System"  der  Ausrüstung,  das  auf  diesem  Wege  zustande 
kommt,  ist  das  der  Plünderung,  des  Raubes.  Oder  man  kann 
dem  andern  einen  Gegenwert  für  den  von  ihm  uns  über- 
lassenen  Gegenstand  darreichen;  man  kann  ihm,  da  der 
Gegenwert   meist    in    Geld   bestehen  wird,   den   Gegenstand 


II.  Die  Grundsätze  der  Heeresausrüstung  §9 

abkaufen.  Diese  entgeltliche  Beschaffung  kann  nun  wiederum 
auf  zwei  verschiedene  Arten  erfolgen:  zwangsweise,  so  daß 
der  Besitzer  des  bedurften  Gutes  keine  Wahl  hat,  ob  er  es 
abtreten  will  oder  nicht,  oft  auch  ohne  daß  er  den  Preis 
selbst  bestimmen  kann :  dieses  System  nennt  man  Requirierung 
(requisition,  purveyance);  oder  freiwillig  auf  dem  Wege  des 
„freihändigen"  Kaufs,  bei  dem  dem  Verkäufer  der  Entscheid 
über  den  Verkauf  selbst  und  über  die  Höhe  des  Verkaufs- 
preises zusteht. 

Schema  der  Organisation  der  Heeresausrüstung. 

I.  Die  Gegenstände  der  Ausrüstung:  . 

1.  Waffen:  Bewaffnung; 

2.  Pferde,  Wagen  usw. :  Beförderung  (Berittenmachung) ; 

3.  Unterhaltsmittel: 

a)  Nahrung:  Beköstigung, 

b)  Kleidung:  Bekleidung, 

c)  Wohnung:  Behausung. 

II.  Die  Organisation  selbst  unterscheidet  sich: 

1.  nach  der  Instanz,  der  die  Organisation  obliegt: 

a)  Dezentralisation; 

b)  Zentralisation: 
a)  eigene  Regie, 
ß)  Lieferung; 

c)  Übergangsformen; 

2.  nach  den  Formen  der  Güterbeschaffung: 

a)  Eigenproduktion; 

b)  Aneignung  genußreifer  fertiger  Erzeugnisse: 
a)  unentgeltlich:  Plünderung,  Raub, 

ß)  entgeltlich: 

aa)  durch  Zwangskauf:  Requirierung, 
ßß)  durch  freihändigen  Kauf. 
Die  verschiedenen  Systeme  der  Heeresausrüstung,  wie  sie 
sich  je  nach  dem  einen  oder  anderen  Unterscheidungsmerkmal 


70  Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

(Instanz  oder  Form  der  Beschaffung)  ergeben,  können  sich 
nun  wieder  in  der  verschiedensten  "Weise  kreuzen:  eine  auf 
Dezentralisation  beruhende  Ausrüstung  kann  ebensogut  wie 
eine  auf  dem  Prinzip  der  Zentralisation  aufgebaute  durch 
Eigenproduktion  der  Güter,  wie  durch  Plünderung,  wie  durch 
Requirierung,  wie  durch  freihändigen  Kauf  bewerkstelligt 
werden. 

Ganz  bunt  gestaltet  sich  aber  das  Bild  der  Heeres- 
ausrüstung dadurch,  daß  deren  verschiedene  Systeme  nun  in 
die  verschiedenen  Heeresverfassungen  eingeordnet  sein  können. 
Dadurch  ergibt  sich  eine  ungezählte  Anzahl  von  verschiedenen 
Kombinationen.  Es  läßt  sich  auch  nicht  einmal  sagen,  daß 
bestimmte  Ausrüstungsmethoden  mit  Notwendigkeit  an  be- 
stimmte Formen  der  Heeresverfassung  gebunden  seien,  wenn 
auch  natürlich  bei  einem  Staatsheere  leichter  eine  Zentrali- 
sation der  Ausrüstung  zustande  kommen  wird  wie  bei  einem 
Privatheere;  wenn  auch  ein  Söldnerheer  eher  zur  Erwerbung 
genußreifer  Güter  neigen  wird  als  zur  Eigenproduktion.  Not- 
wendig gebunden  ist  aber  kein  einziges  Ausrüstungsprinzip 
an  eine  bestimmte  Heeresform  (wie  denn  auch  in  der  Ge- 
schichte sich  alle  möglichen  Kombinationen  tatsächlich  heraus- 
gebildet haben). 

Eher  erzwingt  schon  eine  bestimmte  Technik  der  Kriegs- 
führung eine  bestimmte  Methode  der  Ausrüstung. 

So  ergibt  sich  aus  der  Verwendung  von  Artillerie  leicht 
eine  gewisse  Zentralisation  in  der  Waffenbeschaffung:  eine 
Kanone  kann  der  einzelne  Krieger  nicht  mitzubringen  ver- 
pflichtet werden,  wie  er  verpflichtet  sein  kann,  mit  seiner 
Hellebarde  oder  seiner  Muskete  anzutreten. 

Ebenso  erzeugt  die  Eigenart  der  Schiffahrt  aus  sieh 
heraus  leicht  die  Nötigung  zu  einem  Mindestmaß  von  Zentrali- 
sation der  Beköstigung:  wenn  ein  Schiff  einen  Monat  lang 
auf  See  bleibt,  so  müssen  die  Nahrungsmittel  für  die  hundert 
oder  tausend  Mann  Besatzung  jedenfalls  im  Schiffe  sich  be- 


II.  Die  Grundsätze  der  Heeresausrüstung  7I 

finden  in  dem  Augenblick  der  Ausfahrt  aus  dem  Hafen. 
Grundsätzlich  ist  auch  hier  das  System  der  Dezentralisation 
anwendbar  (und  ist  auch  in  der  Geschichte  zur  Anwendung 
gelangt:  auf  genuesischen  Schiffen  im  12.  Jahrhundert):  das 
heißt,  auch  hier  kann  jeder  Matrose  und  jeder  Krieger  zur 
Selbstbeköstigung  verpflichtet  sein :  aber  natürlich  drängt  sich 
in  solchem  Falle  die  Zentralisation  als  System  der  Ausrüstung 
(wenigstens  eines  Schilfes)  mehr  auf  als  bei  einer  Landtruppe, 
die  sich  jeden  Tag  ihren  Unterhalt  neu  beschaifen  kann. 

Wenn  wir  nun  im  weiteren  Verlauf  dieser  Darstellung 
verfolgen  wollen,  wie  sich  in  den  letzten  Jahrhunderten  die 
Organisation  der  Heeresausrüstung  entwickelt  hat,  und  welche 
Bedeutung  für  den  modernen  Kapitalismus  dieser  Entwicklung 
innewohnt,  so  müssen  wir  unser  Hauptaugenmerk  auf  die 
Zusammenhänge  richten,  die  zwischen  der  Organisation  der 
Ausrüstung  und  der  Gestaltung  des  Marktes,  das  heißt  also 
des  Güterbedarfs,  obwaltet.  Insbesondere  müssen  wir  nach- 
zuspüren versuchen,  inwieweit  und  wodurch  der  Militärbedarf 
das  erzeugt  hat,  was  wir  einen  Massenbedarf  nennen.  Denn 
darin,  daß  durch  ihn  der  erste  große  Massenbedarf  ent 
standen  ist,  erblicke  ich  einen  der  allerwiehtigsten  Einflüsse  des 
Militarismus  auf  den  Kapitalismus.  Fragen  wir  vorher  aber,  was 
denn  ein  „Massenbedarf"  sei,  so  erhalten  wir  folgende  Antwort. 

Ein  Massenbedarf  ist  entweder  ein  Bedarf  an  großen 
(zusammengesetzten,  komplexen)  Gütern  oder  ein  Bedarf  an 
vielen  gleichartigen  Gütern.  Beide  Arten  des  Massenbedarfs 
entstehen  durch  Zusammenballung.  Diese  Zusammenballung 
vollzieht  sich  entweder  in  einem  technischen  Prozesse:  wenn 
große  Kanonen,  große  Schifi'e,  große  Kasernen  bedurft  werden ; 
oder  durch  bloß  organisatorische  Nebeneinanderreihung 
einzelner  Konsumakte:  wenn  die  Waffen  für  tausend  Krieger 
in  einem  beschafft  werden  statt  von  jedem  einzeln. 

Danach  ergibt  sich,  welche  verschiedenen  Faktoren  auf 
die    Entstehung    eines   Massenbedarfs,    das    heißt    also    auf 


72  Zweites  Kapitel:  Der  Unterhalt  der  Heere 

die  Zusammenballung  einzelner  Konsumakte,  Einfluß  ausüben 
können.    Es  sind: 

1.  die  Technik,  die  jeweils  zur  Herstellung  eines  be- 
stimmten Nutzeffektes  die  Zusammenfügung  einer  bestimmten 
Menge  von  Stoff  zu  einem  Gebrauchsgegenstande  und  die 
Anwendung  einer  bestimmten  Menge  lebendiger  Arbeit  bei 
der  Zurichtung  dieses  Stoffes  erheischt,  somit  also  einen 
Mindestbedarf  an  (Produktiv-)  Gütern  und  Arbeitskräften  zur 
Herstellung  des  Gegenstandes,  an  den  die  Ausführbarkeit  des 
technischen  Prozesses  gebunden  ist,  erzeugt.  Eine  Kugel  von 
bestimmtem  Gewicht  mittels  der  Explosivkraft  des  Pulvers 
auf  eine  bestimmte  Entfernung  schleudern  kann  man  nur, 
wenn  man  eine  bestimmte  Mindestmenge  Eisen  oder  Bronze 
zu  einem  Rohre  zusammenfügt,  was  selbst  einen  bestimmten 
Aufwand  an  lebendiger  Arbeit  erheischt  und  einen  bestimmten 
Bedarf  an  Rohmaterialien  erzeugt; 

2.  die  Organisationsprinzipien.  Ein  Massenbedarf  wird 
offenbar  um  so  leichter  entstehen,  je  stärker  die  Zentralisation 
in  dem  Ausrüstungswesen  fortgeschritten  ist. 

Ein  Massenbedarf  entsteht  aber  auch  um  so  eher  —  unter 
sonst  gleichen  Umständen  — ,  je  größer  die  auszurüstenden 
Heere  und  Flotten  sind,  und  je  länger  die  Ausrüstungspflicht 
währt;  ferner:  je  häufiger  und  je  länger  die  Kriege  sind,  je 
weiter  sich  die  Heereszüge  und  Flottenreisen  von  dem 
Versorgungszentrum  aus  erstrecken;  endlich:  je  höher  das 
Uniformierungsprinzip  bei  der  Bedarfsdeckung  entwickelt  ist. 

Wenn  ich  nun  im  folgenden  daran  gehe,  das  in  den 
vorhergehenden  Zeilen  gestellte  Problem  seiner  Lösung  näher- 
zuführen, so  glaube  ich,  daß  ich  besser  zum  Ziel  gelange, 
wenn  ich  den  Stoff  nicht  einheitlich  für  das  ganze  Heerwesen 
anordne  nach  dem  System  der  Wirkungen,  dem  wir  nach- 
spüren wollen,  sondern  wenn  ich  diese  Wirkungen  je  gesondert 
betrachte  innerhalb  der  einzelnen  Gebiete  der  Heeresausrüstung, 
und  zwar,   wie  die  folgenden  Kapitelüberschriften  ausweisen: 


II.  Die  Grundsätze  der  Heeresaiisrüstung  73 

insbesondere  auf  dem  Gebiet  der  Bewaifnung,  der  Beköstigung, 
der  Bekleidung  und  der  Beförderung  mittels  Schiffen.  Was 
mich  zu  dieser  Anordnung  bestimmt,  ist  die  Erwägung,  daß 
die  Wirkungen,  die  die  Armeen  je  innerhalb  dieser  einzelnen 
Gebiete  der  Ausrüstung  auf  das  Wirtschaftsleben  ausüben,  zu 
verschiedener  Natur  sind,  als  daß  man  sie  nicht  in  ihrer  Zu- 
sammengehörigkeit betrachten  müßte.  Dem  Übelstande,  daß 
bei  dieser  Anordnung  gelegentliche  Wiederholungen  un- 
vermeidlich sind  (wenn  auf  verschiedenen  Gebieten  der  Heeres- 
versorgung gleiche  Wirkungen  zutage  treten),  habe  ich  dadurch 
abzuhelfen  versucht,  daß  ich  die  an  verschiedenen  Stellen 
gleich  erscheinenden  Zusammenhänge  an  einer  Stelle  ausführ- 
licher erörtert  und  an  den  anderen  Stellen  nur  andeutungs- 
weise, unter  Verweisung  auf  die  Hauptstelle,  behandelt  habe. 

Anmerkung:  Ich  habe  in  meiner  Darstellung  die 
Berittenmachung  (das  Remontewesen)  nur  im  Vorbei- 
gehen (bei  der  Besprechung  des  Militärlieferungshandels) 
erwähnt,  die  Behausung  (Kasernierung)  der  Truppen  ganz 
unberücksichtigt  gelassen,  weil  das  Material,  das  ich  darüber 
gesammelt  habe,  mir  keine  besondere  Ausbeute  an  eigenartigen 
Gesichtspunkten  gewährte,  die  es  gerechtfertigt  hätten,  diese 
beiden  Gebiete  der  Heeresausrüstung  in  besonderen  Kapiteln 
abzuhandeln. 


Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 


I.  Das  Eindringen  der  Feuerwaffen 

Bei  der  Bewaffnung  der  Heere  und  ihrer  Neuordnung 
zwischen  dem  14.  und  17.  Jahrhundert  spielt  die  Technik 
wenn  auch  nicht  die  ausschlaggebende  so  doch  eine  ent- 
scheidende Rolle.  Das  technische  Phänomen,  das  den  um- 
gestaltenden Einfluß  ausübt,  ist,  wie  man  weiß,  die  Nutzbar- 
machung der  im  Sehießpulver  gebundenen  Energien  zum 
Schleudern  von  Geschossen.  Die  Apparate,  die  diese  Erfindung 
nutzbar  machen,  sind  einerseits  die  Kanonen,  anderseits  die 
Handfeuerwaffen,  beide  unterschieden  danach,  ob  der  Apparat 
leicht  genug  ist,  von  jedem  Krieger  selbst  getragen  zu  werden, 
oder  ob  zu  seiner  Fortbewegung  größere  Kräfte,  als  sie  in 
einem  Menschen  gebunden  sind,  erheischt  werden. 

Ich  setze  die  technische  Entwicklung  dieser  neuen  Wurf- 
maschinen, die  den  seltsamen  Namen  Feuerwaffen  erhalten 
haben,  als  bekannt  voraus  und  mache  im  folgenden  einige 
Angaben,  die  ihre  Anwendung  betreffen.  Die  Anwendung 
der  Feuerwaffen  hat  einen  sehr  verschiedenen  Sinn,  je  nachdem 
es  sich  um  Geschütze  oder  um  Handfeuerwaffen  handelt :  jene 
traten  neu  zu  der  vorhandenen  Bewaffnung  hinzu  und  ver- 
drängten höchstens  die  alten  Belagerungsmaschinen  (wie 
Sturmböcke,  Steinschleudermasehinen  usw.),  die  aber  innerhalb 
des  gesamten  Kriegswesens  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung 
gehabt  hatten.  Die  Handfeuerwaffen  hingegen  traten  an  die 
Stelle  der  bis  dahin  üblichen  Trutzwaffen.    Ihr  Vordringen 


I.  Das  Eindringen  der  Feuerwaffen  75 

bedeutete  also  einen  Kampf  zwischen  alter  und  neuer  Be- 
waffnung, was  in  der  folgenden  Darstellung  gebührenden 
Ausdruck  finden  wird. 

/.  Die  Geschütze 

Es  genügt,  wenn  wir  die  Zeit  ungefähr  abgrenzen,  in  der 
die  Geschütze  zuerst  zur  Anwendung  gelangt  sind:  ihre 
fernere  Geschichte,  soweit  sie  nicht  technischer  Natur  ist  und 
also  hier  nicht  hingehört,  erschöpft  sich  in  der  quantitativen 
Zunahme  dieser  neuen  Waffe  nach  Menge  und  Größe,  worüber 
in  dem  Abschnitt,  der  die  Ausdehnung  des  Bedarfs  handelt, 
zu  reden  sein  wird. 

Das  Jahr,  in  dem  zuerst  ein  „Feuergeschütz"  im  Kriege 
benutzt  worden  ist,  läßt  sich  annähernd  genau  bestimmen: 
es  liegt  im  zweiten  oder  dritten  Jahrzehnt  des  14.  Jahrhunderts. 
Vielleicht  ist  es  das  Todesjahr  Dantes:  1321.  Die  Stadt 
Mons  hat  1319  schon  einen  „Mattre  de  Tartillerie"  ^°°.  Aber 
das  Wort  Artillerie  hatte  damals  noch  einen  anderen  Sinn, 
als  es  später  bekam.  Wir  können  deshalb  aus  dieser  Be- 
zeichnung eines  Waffenbeamten  noch  nicht  mit  voller  Sicher- 
heit auf  das  Vorhandensein  von  Feuergeschützen  schließen. 
Diese  werden  mit  Bestimmtheit  erst  in  der  Chronik  von  Metz 
aus  dem  Jahre  1324  erwähnt  ^<^^  Aus  dem  Jahre  1326  stammt 
dann  ein  Schriftstück,  in  dem  schon  von  metallenen  Kanonen  und 
schmiedeeisernen  Kugeln  die  Rede  ist^''^  (während  die  erste 
gegossene  Eisenkugel  nach  Biringuccio  im  Kriege  Karls  VIII. 
gegen  Ferdinand  (1495)  zur  Verwendung  gelangt  sein  soll). 

Bald  darauf  erfahren  wir  von  der  Verwendung  von  Feuer- 
geschützen in  einer  Schlacht:  1327  bedient  sich  Eduard  III. 
der  Crakys  in  Schottland.  Eduard  soll  die  neue  Waffe  von 
Flamländern,  die  damals  an  der  Spitze  der  Militärtechnik 
standen,  erhalten  haben.  Von  einer  Verwendung  der  neuen  Waffe 
in  Flandern  und  Brabant  selbst  erfahren  wir  aus  so  früher 
Zeit  nichts.  Dagegen  weisen  nach  1360  alle  Stadthausrechnungen 


76  Drittes  Kapitel:    Die  Bewaffnung  der  Heere 

dieser  Länder  Kanonen  auf  ^°^  1331  soll  Alieantes  beschossen 
sein  mit   „pelotas  de  hierro,  que  se  lanzaron  con  fuego"  ^"*. 

Von  Schiffsgeschützen  erfahren  wir  zuerst  im  Jahre 
1338:  in  diesem  Jahre  finden  wir  drei  eiserne  Kanonen  und 
eine  Handkanone  mit  Kammern  unter  den  Ausrüstungs- 
gegenständen des  „Christophe  of  the  Tower",  einem  Königs- 
schiff; die  „Mary  of  the  Tower"  hat  eine  eiserne  mit  zwei 
Kammern  und  eine  bronzene  mit  einer  Kammer;  „Bernard 
of  the  Tower"  endlich  hat  zwei  eiserne  Kanonen  ^°^.  Aber 
erst  seit  1373  werden  Kanonen,  Pulver,  Geschosse  häufiger 
unter  dem  Bestände  der  englischen  Schiffe  erwähnt. 

In  Deutschland  war  der  erste,  der  ein  Pulvergeschütz 
gebraucht  hat,  Herzog  Albrecht  IT.  von  Braunschweig-Gruben- 
hagen  bei  der  Verteidigung  seines  Schlosses  Salzderhelden  im 
Jahre  1365  i°«. 

Im  folgenden  Jahrhundert  hat  schon  alle  Welt  Kanonen: 
außer  den  Fürsten  die  Seigneurs,  die  Städte,  die  Korporationen. 
Zur  vollen  Entfaltung  sehen  wir  die  Artillerie  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  in  den  Armeen  Karls  VIII.  gelangt,  der 
bereits  vier  Geschütze  auf  tausend  Mann  rechnete.  Die 
wachsende  Anzahl  der  zur  Verwendung  gelangenden  Kanonen 
läßt  der  folgende  Abschnitt  erkennen. 

2.  Die  Handfeuerwaffen 

Die  erste  Verwendung  der  Handfeuerwaffen  verliert  sich 
auch  ins  14.  Jahrhundert.  Aber  während  des  ganzen  15.  Jahr- 
hunderts treten  sie  doch  neben  den  alten  Trutzwaffen  in  den 
Hintergrund.  Wenn  es  im  Reichsabsehied  von  1431  heißt  ^^^ : 
daß  jeglicher  soll  „halb  mit  büchsen  und  halb  mit  armbrüsten, 
pfeilen,  blei,  pulver  und  was  dazu  gehöret"  versehen  sein,  so 
dürfen  wir  annehmen,  daß  dies  Verhältnis  der  Waffengattungen 
von  '1:1  nicht  mehr  wie  ein  frommer  Wunsch  war.  Selbst 
im  Jahre  1467,  wo  ein  Reichsabschied  den  Kampf  wider  die 
Türken  organisiert  und  dieselbe  Bewaffnung  für  das  Fußvolk : 


I.  Das  Eindringen  der  Feuerwaffen  77 

die  Hälfte  Handbüchsen,  die  Hälfte  Armbrüste,  vorschreibt, 
wird  sicher  die  Wirklichkeit  der  Vorschrift  noch  nicht  ent- 
sprochen, wird  der  Anteil  der  Feuerwaffen  viel  geringer 
gewesen  sein.  Wir  sind  zu  diesem  Schlüsse  gezwungen,  wenn 
wir  die  Berichte  des  15.  Jahrhunderts  lesen,  die  von  der 
tatsächlichen  Ausrüstung  der  Heere  mit  Feuerwaffen  erzählen : 
unter  den  80  000  (?)  Mann ,  die  1427  das  hussitische  Böhmen 
tiberzogen,  befanden  sich  etwa  200  Handbüchsen ^°^ ;  unter 
1000  Mann  zu  Fuß,  beim  Zuge  der  Brandenburger  gegen 
Stettin  im  Jahre  1429  waren  50  mit  Handbüchsen  bewaffnet  ^^^ ; 
in  dem  Züricher  Aufgebot  des  Jahres  1440,  das  aus  2770  Mann 
bestand,  hatten  61  Feuergewehre.  Es  hieß  also  gewiß  schon 
das  Äußerste  fordern,  wenn  in  dem  Aufgebot  des  Kurfürsten 
Friedrich  von  Sachsen  im  Jahre  1448  verlangt  wird^°^:  die 
Städte  sollen  kommen :  ein  Viertel  mit  Armbrüsten,  ein  Viertel 
mit  Spießen,  ein  Viertel  mit  eisernen  Kornheuern  und  ein 
Viertel  mit  guten  Handbüchsen.  Dieses  Verhältnis 
der  Feuer-  zu  den  anderen  Waffen  1 : 3  kehrt  im  15.  Jahr- 
hundert noch  häufiger  in  den  Aufgeboten  deutscher  Fürsten 
wieder :  z.  B.  in  dem  Albrecht  Achills  vom  Jahre  1477  (gegen 
Sagan):  „ein  viertel,  die  sollen  buchsen-schützen  sein""®. 

Den  wirklichen  Anteil  der  Handfeuerwaffen  an  der  Gesamt- 
bewaflfnung  (der  Fußtruppen)  setzt  einer  der  besten  Kenner 
der  Geschichte  der  Handfeuerwaffen  für  das  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts: in  Spanien  mit  einem  Drittel,  in  Deutsehland  mit 
einem  Sechstel,  in  Frankreich  mit  einem  Zehntel  an^". 

Erst  das  16.  Jahrhundert  bringt  den  Feuerwaffen  die 
Parität  mit  den  anderen  Waffen  (also  nun  vor  allem  den  Piken), 
das  Verhältnis  1:1.  Die  Spanier  sind  es,  die  diesen  Fort- 
schritt bewirken:  das  im  16.  Jahrhundert  auf  dem  Gebiete 
des  Militärwesens  führende  Volk.  Eine  Epoche  in  der  Ge- 
schichte der  Handfeuerwaffen  hatte  das  Gefecht  der  spanischen 
Arkebuseros  bei  Pavia  im  Jahre  1525  gebildet.  Das  Genie 
Albas  hob  dann  die  spanischen  Truppen  zum  höchsten  Gipfel 


78  Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere 

der  Leistungsfähigkeit  empor.  Er  ist  der  erste,  der  die 
Hälfte  seiner  Truppen  mit  Feuerwaffen  versieht,  indem  er 
1.  jeder  einzelnen  Compaiiia  20  Musketiere  beigibt  und  2.  zu 
jedem  tercio  zwei  überhaupt  nur  aus  Schützen  bestehende 
Kompagnien  hinzufügt  ^^^. 

Die  übrigen  Länder  werden  hinter  diesem  Verhältnis 
etwas  zurückgeblieben  sein:  die  Reichsfußknechtbestallung 
von  1570^^^  will  in  den  §§  220 — 222  zwar  die  gesamte  Armee 
mit  Feuerwaffen  ausgerüstet  sehen,  wird  aber,  wie  wir  an- 
nehmen dürfen,  wiederum  den  Mund  etwas  vollgenommen 
haben.  Frönsperger  (1573)  "*  rechnet  auf  eine  Gesamtzahl  von 
4000  Mann:  2500  Spieße  und  1500  Feuergewehre;  das  wäre 
ein  Verhältnis  wie  5  : 3. 

Was  im  16.  Jahrhundert  Alba,  bedeutet  im  17.  Jahrhundert 
Gustav  Adolf  für  die  Geschichte  der  Handfeuerwaffen  "^.  Er 
beschränkte  die  Zahl  der  Pikeniere  auf  ein  Drittel  des  Fuß- 
volks und  ersetzte  die  abgehenden  nur  durch  Musketiere, 
so  daß  es  1621  schon  ganze  Musketierregimenter  gab  wie 
das  Regiment  des  Generals  Banner  bei  Breitenfeld  und  etwas 
später  das  des  jungen  Grafen  Thun.  Aber  das  ganze  17.  Jahr- 
hundert hindurch  muß  doch  die  Handfeuerwaffe  noch  um 
ihren  Sieg  kämpfen.  Noch  ein  so  erfahrener  Kriegsführer 
■wie  Montecuculi  nennt  die  Pike  die  Königin  der  Waffen  und 
erachtet  bei  einem  Regiment  von  1500  Köpfen  folgende 
Waffenverteilung  für  richtig:  60  Offiziere,  480  Pikeniere, 
80  Schildträger,  880  Musketiere"«. 

Am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  entscheidet  eine  Erfindung 
den  vollständigen  Sieg  des  Feuergewehres :  das  Bajonett,  das 
zwischen  1680  und  1700  eingeführt  wird.  Es  enthält  die 
Lösung  des  Zwiespalts  zwischen  Stoß-  und  Schußwaffe,  indem 
es  sie  beide  in  einer  Waffe  vereinigt.  Gleichzeitig  wird 
die  schwerfällige  Muskete  durch  die  leichtere  Flinte  ersetzt. 
In  Brandenburg-Preußen  verschwinden  die  Pikeniere  unter 
dem  Großen  Kurfürsten  ganz"^;  in  Frankreich  hat  bis  zum 


n.  Die  Neuordnung  des  Bewaffnungswesens  79 

Ende  des  17.  Jahrhunderts  die  Hälfte  der  Infanterie,  bis  zum 
Ende  der  Regierung  Ludwigs  XIV.  die  ganze  Infanterie  als 
Trutzwaffe  die  Flinte  mit  dem  Bajonett  ^^^. 

Die  Papierpatrone  wird  in  der  brandenburgischen  Armee 
1670,  in  der  französischen  1690  eingeführt  "^ 

Damit  ist  bei  den  beiden  großen  Militärmächten  der 
Sieg  der  Handfeuerwaffen  besiegelt. 

IL  Die  Neuordnung  des  Bewaffhungswesens 

Die  „Bewaffnung"  als  ein  organisatorischer  Vorgang,  das 
heißt  die  Art  und  Weise,  wie  der  Krieger  zu  seiner  Waffe 
kommt,  kann  sehr  verschieden  gestaltet  sein,  wie  wir  in  dem 
„theoretischen"  Überblick  über  die  Möglichkeiten  der  Aus- 
rüstung schon  erfahren  haben.  Ich  verzeichne  hier  kurz  die 
für  uns  entscheidenden  Veränderungen,  die  das  Bewaffnungs- 
wesen während  der  frühkapitalistischen  Epoche  erfahren  hat. 

Der  Krieger  des  Mittelalters,  mochte  er  Ritter  oder  Land- 
stürmer oder  Söldner  sein,  brachte  der  Regel  nach  seine 
Waffe  und  Wehr  selbst  mit. 

Das  mußte  sich  ändern,  und  zwar  zunächst  aus  rein 
produktionstechnischen,  äußeren  Gründen,  als  man  aus  Kanonen 
mit  Pulver  zu  schießen  gelernt  hatte.  Diese  Waffen  konnte 
der  Einzelkrieger  beim  besten  Willen  nicht  selbst  mitbringen. 
Wir  sehen  deshalb  frühzeitig  Städte  und  Staaten  sich  um 
die  Beschaffung  der  groben  Geschütze  kümmern.  Den  äußeren 
Ausdruck  findet  diese  Fürsorge  in  der  Anlage  von  Zeug- 
häusern oder  Arsenalen,  in  denen  die  Kanonen,  die  man 
jeweils  einer  Truppe  zur  Verfügung  stellte,  aufbewahrt  wurden. 
Anfangs  sind  es  städtische,  später  staatliche  Arsenale.  So  hat 
im  15.  Jahrhundert  die  Stadt  Paris  ein  prächtig  ausgestattetes 
Zeughaus  120.  ebenso  die  Städte  Mons,  Brügge^^^ 

Im  16.  Jahrhundert  bemühten  sich  die  Fürsten,  zahlreiche 
Arsenale  zu  errichten.    Allen  voran  waren  die  beiden  großen 


80  Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere 

Militärmächte  der  Zukunft,  Frankreich  und  Brandenburg- 
Preußen:  bis  1540  errichtet  Franzi.  11  Arsenale  und  Maga- 
zine; schon  1535  bewundert  der  venetianische  Gesandte 
Giustiniani  die  französischen  Kanonen,  die  er  höher  schätzt 
als  die  Italiens.  Am  Ende  des  Jahrhunderts  besitzt  Frank- 
reich 13  Arsenale  ^^^. 

Neander  von  Petershaiden  erzählt  uns  in  seinem  „Instruk- 
tionsbuch", daß  die  Kurfürsten  von  Brandenburg  im  Laufe 
des  16.  Jahrhunderts  Zeughäuser  in  allen  Schlössern  und 
Festungen  der  Mark  und  Preußens  angelegt  und  die  nötigen 
Waffen  dazu  aufbewahrt  hätten  ^^^.  Dasselbe  hören  wir  von 
Heinrich  VIII.  von  England,  wo  im  Tower,  in  Westminster 
und  Greenwich  die  großen  Zeughäuser  waren  ^2*. 

Berühmt  war  das  Arsenal  der  Republik  Venedig,  das 
uns  ein  deutscher  Reisender,  Andreas  Ryff,  im  Jahre  1599  wie 
folgt  beschreibt:  „In  dreyen  gewaltigen  langen  Sälen,  do  ein  jeder 
Sal  3  geng  hat,  haben  sy  harniss,  Schitzenhauben,  lange  Spiess, 
halbardten,  Partesanen,  Sytenwehr  (alle  bloss  onne  scheiden), 
muschgeten,  hocken  und  in  Summa  alle  ervorderte  nothdurft, 
Axen,  Beyel,  schöufflen,  Bickel  Ho u wen,  Hartz-Pfanen,  uff 
70  thousent  man  zuo  fuoss"  '^^. 

Welche  Ausdehnung  die  Zeughäuser  bis  zum  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  in  allen  europäischen  Staaten  gewonnen 
hatten,  lehrt  uns  ein  Blick  in  „Das  neueröffnete  Arsenal"  *^^, 
das  uns  im  vierten  Abschnitt  ein  Verzeichnis  gibt  „von  den 
Stellen,  wo  Geschütz  und  Ammunition  verfertigt,  aufbehalten 
und  gebraucht  wird".  Auch  die  Übersicht,  die  ich  weiter 
unten  über  die  Mengen  der  wirklich  vorhandenen  und  be- 
durften Geschütze  gebe,  wird  noch  einigen  Aufschluß  über  die 
Zeughäuser  Europas  um  jene  Zeit  bringen. 

Nun  ist  aber  hier  anzumerken,  daß  in  den  Arsenalen  und 
Zeughäusern  keineswegs  nur  das  „grobe  Geschütz"  auf- 
bewahrt wurde,  daß  in  ihnen  vielmehr  auch  Schutz-  und 
Trutzwaffen  anderer  Art  lagen.    Damit  ist  die  Tatsache  er- 


II.  Die  Neuordnung  des  Bewaffnungswesens  81 

wiesen,  daß  das  gesamte  Bewaffnungswesen  in  der  Zeit  vom 
15.  bis  17.  Jahrhundert  von  einer  Tendenz  zur  Verstaatlichung 
ergriffen  wird,  da  natürlich  die  in  den  Zeughäusern  stapelnden 
Waffen  dazu  dienten,  den  Kriegern  unentgeltlich  oder  gegen 
Entgelt,  das  bleibt  sich  gleich,  geliefert  zu  werden. 

Die  nachweislich  erste  Versorgung  der  Krieger  mit 
Waffen  durch  den  Staat  fand  bei  dem  nach  der  alten  Heeres- 
folge übriggebliebenen  Aufgebote  der  Bevölkerung  statt,  wenn 
ein  Krieg  ausgebrochen  war.  Der  schon  erwähnte  Neander 
von  Petershaiden  bemerkt  ausdrücklich,  daß  die  Waffen  in 
den  Zeughäusern  aufbewahrt  wurden,  um  dieses  Aufgebot  aus- 
zurüsten. Ähnliche  Ausrüstungen  der  „Defensioners"  werden 
uns  aus  den  kursächsischen  Landen  berichtet:  1618  wird  ein 
Regiment  Arkebusier  Reiter  in  Sachsen  angeworben,  das  die 
Waffen  aus  dem  Zeughause  in  Dresden  erhält  ^2'^. 

Dann  dehnt  sich  das  System  der  staatlichen  Waffenlieferung 
allmählich  auf  alle  Truppen  aus.  Im  17.  Jahrhundert,  in  dem 
so  vieles  Neue  zur  Welt  gebracht  wird,  vollzieht  sich  die 
Wandlung.  Wir  können  in  jener  Zeit  noch  deutlich  die  ver- 
schiedenen Übergan gszustände  beobachten,  die  sich  aus  der 
Umwandlung  der  privaten  in  eine  staatliche  Versorgung  mit 
Waffen  ergeben  können: 

1.  Der  Krieger  bringt  einen  Teil  der  Waffen  mit,  die 

andern  liefert  ihm  der  Staat. 

Das  bestimmt  z.  B.  der  Dänisclie  Artikelbrief  in  Art.  51:  es  soll 
„ein  jeglicher  Soldat  zu  Fuß  auf  dem  Musterplatze  einen  guten  Degen, 
ein_Kürassier  gleichermaßen  einen  guten  Degen  und  ein  Paar  gute  Pistolen 
und  ein  Arquebusier  seinen  Degen  und  eine  gute  Pistole  mit  sich  bringen" ; 
dagegen :  „mit  den  übrigen  Waffen  und  Wehren  wollen  wir  sie  versorgen 
und  soll  einem  Soldaten  zu  Fuß  für  seine  Obergewehre  in  6  Monat 
1  Monatsold  abgekürzt  werden,  die  Kürassiere  sollen  ihre  Kürasse  vor 
15  Rttlr.,  die  Arquebusier  ihre  Brust-  und  Kückstücke  . . .  vor  11  Rttlr. 
annehmen"  ^28_ 

Dieser  Abzug  vom  Sold  wurde  die  übliche  Form  des 
Entgeltes. 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  6 


82  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

2.  Der  Oberst  beschafft  die  Waffen  einheitlich  und  zieht 

den  Knechten  den  Betrag  monatsweise  ab. 

In  diesem  Sinne  schließen  die  Kurfürsten  von  Brandenburg  in  der 
ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ihre  Bestallungsverträge  mit  den 
Obersten  ab.  So  verpflichtet  sich  der  Oberst  Hildebrand  von  Kracht  in 
einem  Bestallungsvertrag  vom  1.  Mai  1620,  1000  ,,teutsche  Knechte"  zu 
liefern:  davon  600  Musketiere  „mit  ihren  Mosqueten  von  einer  gebühr- 
lichen Länge  auch  genügsamer  Schwere  und  Kugel",  400  Pikeniere  „mit 
Brust-,  Hinterstück  und  eisernen  Sturmhauben"  ^2^. 

3.  Die  Waffen  werden  entweder  in  natura  geliefert,  oder 
die  Soldaten  bekommen  ein  besonderes  Waffengeld. 

Das  ist  wohl  der  Sinn  des  Reskripts  Kurfürsts  Friedrich  Wilhelm 
vom  24.  4.  1681,  in  dem  es  heißt:  „Wir  wollen  auch  ferner  die  gnädigste 
Verfügung  thun,  daß  allen  Regimentern  gute  zweilöthige  Musqueten  und 
denen,  die  es  von  nöthen  haben,  neue  Kurtzgewehre,  Pique  und  Schweins- 
federn, entweder  aus  Unsern  Zeughäusern  in  natura  gegeben  oder 
ihnen  die  Nothturft  an  Gelde  dazu  gereichet  werden  solP^"." 

Daneben  kommt  aber  das  ganze  17.  Jahrhundert  hin- 
durch auch  schon  die  vollständige  Lieferung  der  Waffen  durch 
den  Staat  vor. 

Am  4.  Mai  1626  wirbt  Hans  Wolf  von  der  Heyden  5  Kompagnien 
„Harquebusier-Reuter"  an:  Rüstungen  und  Bandelierröhren  bekamen  die 
Reiter  gegen  Abzug  eines  Monatssoldes  geliefert ^^^  Im  Bestallungsbrief 
für  den  Obersten  Ehrentreich  von  Burgsdorf  vom  6.  Oktober  1644 
heißt  es  ^^2:  „Das  Gewehr  anlangendt,  werden  Wir  dasselbige  der  Not- 
turft  nach  an  und  beyschaffen  und  dafür  einen  Monat  Spldt  abziehen» 
Die  Comet  und  Trompeten,  Fahnen  werden  Wir  auch  selber  undt  an 
die  Handt  schaffen  undt  auch  also  fort  bey  der  Musterung  den  Muster- 
monat an  20929  Thlr.  geben  und  auszahlen  lassen." 

Der  Große  Kurfürst  an  den  Fürsten  von  Anhalt  (Archir 
Zerbst)  10./20.  September  1674^33. 

„Soviel  nun  anfänglich  die  Mundierung  der  wieder  ge- 
nesenen 124  Reuter  betrifft,  darauf  haben  Ew.  Lbd.  an  Unsern 
Rath  und  Geh.  Cäramerer  Heidekampfen  beigehend  eine  Assig- 
nation  auf  1800  RTlr.  zu  empfangen,  wie  Wir  dann  demselben 
auch  die  Nothdurft  an  Pistolen,  Degen  und  Carabinern  au» 
unserm  Zeughause  zu  Spandow  reichen  lassen  wollen."  (An- 
zumerken ist:  daß  die  Reiterei  aus  dem  Zeughaus  mit  Waffen 
versehen  wurde,  war  die  Ausnahme.) 


IL  Die  Neuordnung  des  Bewaffnungswesens  83 

Aber  die  Neuordnung  des  Bewaffnungswesens  wird  uns 
doch  erst  dann  in  seiner  ganzen  charakteristischen  Bedeutung 
verständlich,  wenn  wir  in  Erfahrung  bringen,  daß  im  Zu- 
sammenhange mit  der  Verstaatlichung  sich  gleichzeitig  eine 
Vereinheitlichung  in  der  Gestaltung  der  Waffen,  eine  Uni- 
formierung also  des  gesamten  Waifenwesens  vollzog.  Wir 
wollen  uns  mit  allem  Bedacht  bewußt  werden,  daß  hiermit 
eine  Ideenrichtung  und  ein  Gebaren  in  die  Welt  kamen, 
deren  kulturgestaltende  Macht  gar  nicht  hoch  genug  ein- 
geschätzt werden  kann,  die  heute  noch  immer  weiter  und 
immer  rascher  um  sich  greifen  und  (jetzt  befördert  von  den 
Interessen  des  Kapitalismus)  unser  gesamtes  Dasein  zu  be- 
stimmen und  zu  ordnen  sich  nun  erst  recht  anschicken; 
daß  in  jenen  Gedanken  die  Idee  der  Vereinheitlichung 
unserer  Gebrauchsgüter  zuerst  auftaucht. 

In  keiner  früheren  Zeit  des  europäischen  Mittelalters,  ehe 
nicht  die  militärische  Notdurft  dazu  antrieb,  war  ein  Mensch 
auf  den  Gedanken  verfallen :  es  sei  ein  wesentlicher  Wert  mit 
der  Tatsache  verbunden,  daß  zwei  Dinge  sich  völlig  gleich 
seien.  Wie  es  in  der  Schöpfung  nicht  zwei  völlig  gleiche  Gegen- 
stände gibt,  so  hatte  auch  der  nach  schaffende  Mensch  wie  von 
selbst  niemals  etwas  ebenso  wieder  gemacht  wie  vorher :  jedes 
Bauwerk,  jedes  Kleidungsstück,  jedes  Möbel,  jede  Waffe  der 
früheren  Zeit  beweist  es  uns.  Wir  kennen  diese  Launenhaftig- 
keit aller  mittelalterlichen  Produktion,  die  ja  bloß  ein  äußerer 
Ausdruck  der  natürlichen  Undiszipliniertheit  des  Menschen 
ist :  auch  keine  Rechnung  stimmt  ja  in  einem  mittelalterlichen 
Buche.  Es  ist  hier  gewiß  nicht  zu  verfolgen,  wie  die  innere 
Disziplinierung  der  mittelalterlichen  Menschen  zuerst  in  der 
Askese,  im  Kloster,  vorgenommen  wird,  wie  die  erste  Zeit- 
einteilung wahrscheinlich  durch  den  Zwang  zum  regelmäßigen 
Gebet  geschaffen  wird.  Die  andere  Form  der  Askese  aber  ist, 
darauf  habe  ich  schon  aufmerksam  gemacht,  die  Erziehung 
zur  militärischen  Disziplin ;  und  einen  äußeren  Ausdruck  findet 


84  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

diese  Disziplinierung,  die  ja  nichts  anderes  als  Rationali- 
sierung und  Mechanisierung  ist,  in  der  Vereinheitlichung  der 
vom  Krieger  bedurften  Sachgüter,  vor  allem  seiner  Waffen. 
Einen  äußeren  Ausdruck  und  dann  doch  auch  wieder  eine 
wesentliche  Förderung:  innerliche  und  äußerliehe  Unifor-  ' 
mierung  bedingen  sich  eben  wechselseitig. 

Bis  ins  16.  Jahrhundert  hinein  waren  Waffen  und  Wehr 
jedes  einzelnen  Kriegers  von  denen  des  andern  verschieden 
gewesen:  beim  Ritter  natürlich,  aber  auch  beim  Fußvolk, 
selbst  noch  bei  den  neuen  Gewalthaufen  der  Schweizer,  die 
noch  allerhand  Kurzwehren,  Streitäxte,  Morgensterne  und  vor 
allem  Hellebarden  führten,  selbst  noch  als  die  Feuerwaffen 
aufkommen:  „Kaliber,  Form  und  Name  sind  in  das  Belieben 
derer  gestellt,  die  sie  kaufen  oder  machen  lassen"  („Calibres, 
fagons  et  noms  6tant  selon  la  volonte  de  ceulx  qui  les  achep- 
tent  ou  les  fönt  faire")  heißt  es  in  der  Treille  1567"*. 

Das  erste  Beispiel  einer  gleichförmigen  Bewaffnung 
größerer  Scharen  bieten  wohl  die  langen  Spieße  der  Lands- 
knechte im  16.  Jahrhundert  "^,  deren  Einheitlichkeit  unmittel- 
bar aus  der  Grundidee  des  auf  Massenwirkung  hinzielenden 
modernen  Truppenkörpers  folgte.  Entindividualisierung  hier 
wie  dort. 

Dann  aber  bietet  natürlich  die  Feuerwaffe  einen  neuen, 
gleichsam  produktionstechnischen  Anlaß  zur  Uniformierung. 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  bieten  die  Augsburger  Büchsen- 
macher dem  Herzog  Wilhelm  von  Bayern  900  Handrohre  an, 
„so  alle  auf  eine  Kugel  gerichtet"  "^,  was  also  noch  un- 
gewöhnlich war. 

Nun  hält  der  Begriff  des  Kalibers  seinen  Einzug  in 
die  Welt  der  Waffen:  1540  erfindet  Hartmann  in  Nürnberg 
den  Kalibermaßstab.  Schon  unter  Franz  I.  und  Heinrich  II. 
'von  Frankreich  wird  die  Zahl  der  Kaliber  bei  Kanonen  auf 
sechs  eingeschränkt:  les  6  calibres  de  France,  die  bis  zum 
Ende  der  Regierungszeit  Ludwigs  XIII.  in  Geltung  bleiben. 


III.  Der  Bedarf  an  Waffen  85 

1663  wird  die  Zahl  der  Kaliber  merkwürdigerweise  (man 
wollte  die  Fortschritte  der  Technik  berücksichtigen)  auf  17 
erhöht.  Die  Ordonnanz  vom  7.  Oktober  1732  reduziert  die 
Zahl  wieder  auf  5 :  24,  16,  12,  8,  4  fö ,  entsprechend  den  fünf 
gleichen  Arten  von  Lafetten  ^^''. 

Die  Kugeln  werden  ganz  genau  abgewogen.  1733  wird 
die  Uniformierung  auf  alle  Schußwaffen  ausgedehnt :  Einheit- 
lichkeit wird  das  Gesetz  für  die  Flinten,  die  Musketen  und 
die  Pistolen. 

In  Preußen  wird  ein  Normalkaliber  für  Kanonen  (3,  6, 
12,  24  ^)  durch  General  von  Linger  im  18.  Jahrhundert  ein- 
geführt ^^^. 

in.  Der  Bedarf  an  Waffen 

Der  Bedarf  an  Waffen,  das  folgt  unmittelbar  aus  dem, 
was  wir  jetzt  in  Erfahrung  gebracht  haben ,  weitet  sich  aus. 
Extensiv  gleichsam  drängt  auf  seine  Vermehrung  hin  die  Ver- 
größerung der  Heere  und  Flotten,  intensiv  wirkt  in  gleicher 
Richtung  die  immer  bessere  Ausrüstung  der  Truppen:  tritt 
ja  doch,  wie  wir  sehen,  der  Bedarf  an  Artilleriematerial  ganz 
neu  zu  dem  schon  vorhandenen  Waffenbedarf  hinzu. 

Gleichzeitig  vereinheitlicht  sich  der  Bedarf  durch  zu- 
nehmende Uniformierung  und  ballt  sich  zu  immer  größeren 
Massen  zusammen,  infolge  der  fortschreitenden  Verstaat- 
lichung der  Waffenlieferung. 

Was  wir  so  aus  allgemeinen  Betrachtungen  einsehen 
können,  bestätigen  uns  die  ziffernmäßigen  Ausweise  über  die 
tatsächliche  Höhe  des  Bedarfs,  deren  wir  freilich  gern  noch 
mehrere  und  genauere  und  umfassendere  hätten.  Aber  auch 
was  wir  an  statistischen  Angaben  über  den  Waffenbedarf 
während  der  Periode,  die  wir  betrachten,  besitzen,  gibt  uns 
manchen  Fingerzeig  und  gestattet  uns,  ziemlich  sichere 
Schlüsse  auf  den  Gesamtumfang  des  Bedarfs  an  Waffen.    Vor 


86 


Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 


allem  können  wir  mit  hinreichender  Deutlichkeit  verfolgen,  wie 
rasch  und  wie  nachhaltig  sich  dieser  Bedarf  während  der 
verhältnismäßig  kurzen  Spanne  weniger  Jahrhunderte  oder 
gar  Jahrzehnte  ausdehnt;  denn  die  erste  entscheidende 
Steigerung  fällt  wiederum  in  das  17.  Jahrhundert. 

Wie  beträchtlich  der  Bedarf  an  Waffen  wurde,  können 
wir  mit  Händen  greifen,  wenn  wir  ganz  kleine  Fürstentümer 
oder  Staatsherrschaften  auf  ihren  Waffenbedarf  hin  ansehen 
und  selbst  in  ganz  beschränktem  Rahmen  großen  Ziffern  be- 
gegnen. Ich  greife  als  Beispiel  wiederum  das  Herzogtum 
Braunschweig-Wolfenbüttel  heraus,  weil  wir  über  die  ge- 
schichtliche Entwicklung  seines  Waffenwesens  eine  ganz  be- 
sonders gewissenhafte  und  eingehende  Darstellung  besitzen. 
Da  kostet  (im  17.  Jahrhundert)  eine  einzige  Belagerung 
40426  Tlr.  nur  an  Munition  ^^^  über  deren  Verwendung  uns 
unterrichtet  folgender  „Summarischer  Extrakt  von  dem  Muni- 
tionsverbrauch in  der  Belagerung  Hildesheims,  aufgenommen 
und  von  der  Kriegs-Commission,  d.  d.  Hildesheim  7.  September 
1634,  unterschrieben" : 


Pulver 

.    769  Ctr.  70  Pfd. 

Lunte 

Q 

.    628  Ctr. 

24  Pfund. -Kugeln    . 

.     .  3232  Stück 

18 

« 

« 

.      74 

» 

12 

n 

j)         .      .      . 

.     304 

n 

8 

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.     100 

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7 

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.    .  1224 

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3 

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.    990 

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2 

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.    300 

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1 

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n           .        •        . 

.     798 

r  Udr  Laia 
»  1 

100 

n 

-Granaten  (Born 

ben)  325 

V 

50 

V 

»      .    .    . 

.    403 

n 

6 

» 

»      .    .    . 

.     108 

» 

3 

« 

„       .    .    . 

.    988 

» 

Was  schon  im  16.  Jahrhundert  als  Artilleriebedarf  eines 


III.  Der  Bedarf  an  Waffen  87 

kleinen  Heeres    (von   10000  Fußgängern  und  1500  Reitern) 
angesehen  wurde,  ergeben  folgende  Aufstellungen: 

Ein  Überschlag,  was  von  Geschütz  für  ein  Heer  von  10000  Fuß- 
gängern und  1500  Reitern  nötig  ist,  vom  Jahre  1540  im  Stadtarchiv  zu 
Stuttgart,  verlangt  "* : 

4  Scharfmetzen,  4  Nachtigallen,  4  kurze  und  2  lange  Sängerinnen, 
4  große  Schlangen,  8  Falconen,  12  Falconetten,  2  Feuerbüchsen,  2  große 
und  2  kleine  Mörser. 

Das  gesamte  Metall:  1180  Ztr.  kostet  .    -    .    9  440  G., 

Räder  und  Gestell     .    , 2  000   „ 

Die  Kugeln 2  315   „ 

600  Ztr.  Pulver 8  400   „ 

Zusammen  22  155  G. 

„Notaverzeichnis,  was  in  einem  kleinen  Feldzug  an  Geschütz  ge- 
hört": 

3  Scharfmetzen      (70  Pfd.)  für  jede  200  Kugeln  60  Ztr.  Pulver, 

4  Quarten  (40    „   )   „      „     250        „       50    „ 

4  Notschlangen      (20    „   )   „  „     300        „       45  „  „ 

6  Feldschlangen    (11    „   )   „  „     300        „       24  „  „ 

6  Halbschlangen    (  8    „   )   „  „     350        „       18  „  „ 

6  Falconet              (  6    „   )   „  „     400        „       12  „ 

60  Hacken,  dazu 20  Ztr.  Blei  und    8  „  „ 

Alle  Kugeln  und  Blei  wiegen  zusammen    1541  Ztr., 

Alles  Pulver 892    „ 

Zum  Transport  gehören  66  Wagen  und  330  Pferde  ^*\ 

Danach  läßt  sich  leicht  bemessen,  was  von  großen  Heeren 
bedurft  wurde.  Um  nur  ein  paar  Ziffern  zu  nennen :  Als  die 
Artillerie  Wallensteins  in  Schlesien  zugrunde  gegangen  war 
(beim  Antritt  des  zweiten  Generalates) ,  schlug  er  selbst  die 
zur  Wiederbeschaffung  nötige  Summe  auf  300000  fl.  an^*^. 

SuUy  gibt  während  seiner  Regierung  12  Millionen  Francs 
für  Waffen  und  Munition  aus  **^.  Und  die  Arsenale  enthalten 
bei  seinem  Tode  noch:  400  Geschütze,  200000  Kugeln, 
4  Millionen  Pfund  Pulver. 

Ein  ganz  besonders  gieriger  Waffenkonsument  wurde  die 
Kriegsflotte. 

Die  Felicisima  Armada  führte  mit  sich: 


88  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

2431  Kanonen,  davon  1497  bronzene,  934  eiserne; 
7000  Arkebusen,  1000  Musketen  (außerdem  noch  10000  Piken, 
6000  Halbpiken,  Schwerter,  Äxte  usw.).  Für  die  Kanonen 
waren   123790  Schüsse  (50  im  Durchschnitt)  vorgesehen^**. 

Der  Bestand  der  französischen  SchiiFskanonen  versieben- 
fachte sich  unter  aer  Regierung  Colberts:  er  stieg  von  1045 
im  Jahre  1661  auf  7625  im  Jahre  1683 ,  und  zwar  kam  die 
Vermehrung  im  wesentlichen  den  eisernen  Kanonen  zugute, 
deren  es  1661  erst  475,  1683  dagegen  5619  gab  ^*K 

Dasselbe  mächtige  Emporwachsen  zeigt  uns  die  englische 
Schiffsartillerie.    Der  Bestand  auf  den  Schiffen  war^*^ 

1548:  2087  Kanonen 
1653:  3840 
1666:  4460 
1700:  8396 

An  Munition  führte  ein  Schiff  wie  der  Henry  Grace  ä 
Dieu  (also  schon  ein  Schiff  des  16.  Jahrhunderts)  mit  sich 
4800  Pfund  Serpentin-  und  14400  Pfund  gekörntes  Pulver"'. 

Die  Armierung  des  Sovereign  of  the  Seas,  des  Pracht- 
schiffes  Karls  I.,  die  aus  102  bronzenen  Kanonen  bestand, 
kostete  £  24753—8  sh-8  d"». 

Abermals  lernen  wir  einen  ganz  neuen  Zug  in  der  Bedarfs- 
gestaltung kennen,  der  allem  Mittelalter  fremd  war,  und  der 
offenbar  aus  dem  Interessenzentrum  der  Kriegsführung  in  die 
Güterwelt  hineingetragen  wurde:  das  Bedürfnis  einer 
raschen  Befriedigung  des  Bedarfs.  Nicht  nötig  zu  sagen, 
daß  mit  diesem  Streben  nach  Beschleunigung  des  Produktions- 
prozesses die  Menschheit  wieder  einen  Schritt  aus  ihrer  natür- 
lichen Daseinsweise,  aus  ihrem  organischen  Wachsen  heraus  auf 
die  Bahn  der  künstlichen  und  mechanischen  Lebensgestaltung  tat. 
Solange  Produktion  von  Gütern  eine  vitale  Betätigung  leben- 
diger Menschen  war,  folgte  sie  ebenso  den  Gesetzen  dieser 
blutdurchströmten  Personenheiten ,  wie  der  Wachstumsprozeß 


■  III.  Der  Bedarf  an  Waffen  89 

eines  Baumes  oder  der  ZeuguDgsakt  eines  Tieres  von  den 
inneren  Notwendigkeiten  dieser  Lebewesen  Richtung,  Ziel  und 
Maß  empfangen.  Diese  natürlichen  Selbstverständlichkeiten 
des  urwüchsigen  Lebens  wurden  in  demselben  Augenblicke 
zertrümmert,  als  von  außen  her  in  den  organischen  Ablauf 
des  Produktionsprozesses  hineingegriffen  und  dessen  Dauer  von 
äußeren  Zweckmäßigkeiten  beeinflußt  wurde.  Es  mußte  eine  ge- 
waltige Macht  sein,  die  dieses  natürliche  Sichein  and  erfügen  von 
Produktionsvorgang  und  Bedarfsgestaltung  zerstören  konnte, 
und  die  dem  organischen  Bedarf  einen  mechanisch  bestimmten 
tiberordnen  und  von  diesem  aus  die  gesamte  Produktion  eben- 
falls aus  ihren  Bahnen  zu  schleudern  und  in  der  Richtung 
künstlicher  Beschleunigung  hineinzuzwängen  vermochte.  Diese 
Gewalt  war  das  Kriegsinteresse,  das  sich  hier  in  der  Nach- 
frage nach  Waffen  äußerte. 

Man  ermesse,  was  es  für  einen  mittelalterlichen  Menschen 
der  als  Produzent  ein  Handwerker  war,  bedeutete,  wenn  z.  B. 
im  März  und  April  des  Jahres  1652  die  englische  Regierung 
sofort  335  Kanonen  verlangte;  im  Dezember  desselben  Jahres 
gar  ankündigte,  daß  sofort  1500  eiserne  Geschütze  im  Ge- 
wicht von  2230  t  zu  26  i^  die  Tonne  bedurft  würden  und 
außerdem  noch  ebensoviel  Wagen,  117000  Schuß  Kugeln, 
5000  Handgranaten,  12000  barreis  gekörntes  Pulver  zu  4  £ 
10  sh.  Sofort!  Und  die  Agenten  liefen  durch  das  Land  und 
klopften  an  alle  Türen  der  Kanonenmacher  und  konnten  die 
plötzliche  und  riesige  Nachfrage  doch  nicht  befriedigen  ^*^ 

Damit  sind  unsere  Gedanken  aber  schon  zur  Betrachtung 
eines  anderen  Problems  fortgeschritten,  das  uns  ja  am  nächsten 
angeht:  zu  der  Frage,  wie  die  Neugestaltung  des  Waffen- 
bedarfs auf  das  Wirtschaftsleben  einwirkte,  inwieweit  sie  ins- 
besondere einen  Antrieb  zur  Entfaltung  kapitalistischer  Organi- 
sationen bieten  mußte. 


90  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

IV.  Die  Deckung  des  wachsenden 
Waffenbedarfs 

Die  Notwendigkeit,  den  wachsenden  Bedarf  an  Waffen 
vollständig  und  rechtzeitig  zu  decken,  gewinnt  für  die  Ge- 
staltung des  Wirtschaftslebens  eine  doppelte  Art  Bedeutung: 
zunächst  durch  die  bloße  Tatsache,  daß  die  Nachfrage  sich 
zusammenballt,  der  Absatz  also  sich  ausweitet  und  dadurch 
die  Möglichkeit  einer  kapitalistischen  Organisation  des  Handels 
oder  der  Produktion  geschaffen  wird.  Diese  Wirkung  übt  der 
wachsende  Bedarf  in  allen  Fällen  aus,  wo  er  groß  genug  wird, 
mag  es  sich  um  die  Fortsetzung  oder  Umbildung  schon  be- 
stehender Wirtschaftsformen  oder  um  Neuschaffung  handeln. 
In  diesem  auf  dem  Gebiete  der  Waffenerzeugung  besonders 
häufigen  Falle  tritt  dann  als  eigene  Wirkung  noch  der  Ein- 
fluß hinzu,  den  die  Neugründungen  auf  die  grundsätzliche 
Behandlung  der  wirtschaftlichen  Vorgänge  ausübten:  daß  sie 
diese  in  besonders  starkem  Maße  rationalisierten.  Wir  sahen 
schon,  wie  aus  dem  Zentrum  der  militärischen  Interessen  sich 
ein  starkes  rationales  Bedürfnis  selbsttätig  entwickelt,  das 
dann  sich  auf  die  Methode  überträgt,  mittels  deren  der  Sach- 
bedarf des  Heeres,  hier  also  zunächst  der  Waffenbedarf,  be- 
friedigt wird.  Wir  werden  dann  sehen,  wie  die  Betriebe,  in 
denen  Waffen  hergestellt  werden,  die  ersten  sind,  die  ein 
modernes  Gepräge  tragen ,  wie  eine  Reihe  höchstpotenzierter 
ökonomischer  Grundsätze  zuerst  bei  dem  Handel  und  der 
Produktion  dieser  Güterkategorien  auftaucht,  wodurch  ihre 
Beschaffung  auch  dann  für  die  Entwicklung  des  Kapitalismus 
bedeutsam  wird,  wenn  ihre  Form  etwa  anfänglich  nicht 
die  der  kapitalistischen  Unternehmung,  sondern  des  Staats- 
betriebes ist. 

Die  Erzeugung  der  Waffen  selbst  bleibt  zunächst 
in  den  Bahnen,  in  denen  sie  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
sich  bewegt  hatte.    Zumal,  wo  es  sich  um  Waffen  handelte,  die 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  91 

gleich  geblieben  waren :  das  waren  also  vor  allem  die  blanken 
Waffen  und  auch  ein  Teil  der  Schutzwaffen.  (Die  stählerne 
Rüstung  schrumpfte  zwar  stark  zusammen,  erhielt  sich  aber 
noch  jahrhundertelang  in  Gestalt  von  Arm-  und  Beinschienen 
und  namentlich  als  Küraß.)  Für  die  Herstellung  dieser  Waffen- 
gattungen hatte  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  ein  blühendes 
Handwerk  entwickelt:  die  Harnischmacher,  Schwertfeger, 
Klingenschmiede  usw.,  die  je  an  bestimmten  Orten  zu  be- 
sonderen Leistungen  sich  differenziert  hatten:  die  Namen 
Toledo,  Brescia,  Nürnberg,  Solingen,  Lüttich  klingen  uns 
sofart  im  Ohre,  wenn  wir  jener  Waffenhandwerker  des  Mittel- 
alters gedenken.  Als  die  Feuerwaffen  aufkamen,  wurden  sie 
vielfach  an  diesen  selben  berühmten  Mittelpunkten  der  Waffen- 
industrie in  derselben  handwerksmäßigen  Weise  hergestellt. 
Die  Zunft,  die  sich  dieser  Produktion  bemächtigte,  waren  die 
Büchsenmeister.  Selbst  die  Kanonen  seheinen  in  den  An- 
fängen von  kleinen  Handwerksmeistern  einzeln  gefertigt  zu 
sein,  die  man  in  Frankreich  Canoniers,  ouvrier  en  canons, 
bei  uns  wohl  auch  Büchsenmeister  oder  Feuerwerker  nannte. 
Denn  anderes  als  schlichte  Handwerker  sind  offenbar  die  in 
den  flandrischen  Staatsrechnungen  genannten  Lieferanten  von 
Kanonen  im  14.  Jahrhundert  nicht. 

1379  werden  Guill.  Parools  für  2  Kanonen  72  livres  bezahlt; 

1402  an  Pierre  Chauvin,  „ouvrier  en  canons",  für  13  Kanonen  usw. 
Aus  den  Comptes  et  recettes  generales  de  Flandre.  Arch.  de  Lille. 
Rapp.  de  M.  Gachard.    Bei  M.  Guillaume,  Org.  mil,  (1847),  75. 

„Paye  ä  Jacot  Adam,  canonier  demeurant  ü  Damme, 

pour  un  gros  canon  etc 672  liv." 

„Pay4  ä  Jacques  Katelare,  canonier  demeurant  äBruges, 

pour  5  canon  en  fer       444  liv.  10  s." 

usw. 

Gompte  de  J.  Abonnel,  fol.  55,  183  etc.  A.  1431  1.  c.  100. 

Ob  es  sich  in  diesen  Fällen  um  schmiedeeiserne  Kanonen 
gehandelt  hat,  die  in  den  ersten  Anfängen  des  Geschützwesens 
vorkommen  (noch  im  16.  Jahrhundert  finden  sich  in  dem  In- 
ventar  eines  spanischen  Schiffes  neben  nur  10  Geschützen 


92  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

aus  Gußeisen  31  aus  Schmiedeeisen)  ^^^  ist  nicht  zu  ermitteln. 
Es  ist  wahrscheinlich.  Obwohl  auch  das  Gießerhandwerk 
(Glockengießerei!)  seit  langen  Zeiten  bestand,  der  Guß  einer 
Kanone  sehr  wohl  also  auch  im  Rahmen  des  Handwerks  er- 
folgen konnte. 

Aber  Menge  und  Art  der  verlangten  Waffen  mußten  doch 
im  Laufe  der  Zeit  das  alte  Waffenhandwerk  zersprengen. 
(Daß  es  nicht  die  geographische  Ausweitung  des  Absatzes 
war,  die  dem  Handwerk  gefährlich  wurde,  zeigt  das  Beispiel 
der  W^affenindustrie  besonders  deutlich.  Wie  in  so  vielen 
Fällen  fällt  auch  hier  die  Entwicklung  zu  kapitalistischen 
Formen  der  Produktion  mit  einer  Tendenz  zu  deren  Lokali- 
sierung und  Nationalisierung  zusammen.  Das  Absatzgebiet 
des  mittelalterlichen  Waffen  band  wer  ks  ist  jedenfalls  nicht 
beschränkter  gewesen  als  das  der  kapitalistischen  Waffen- 
industrie.) Quantum  und  Quäle  des  neuen  Bedarfs  führte 
den  Niedergang  des  Handwerks  herbei.  Freilich,  in  gewissen 
Grenzen  erhielt  sich  die  handwerksmäßige  Waffenerzeugung 
noch  jahrhundertelang,  wie  sie  sich  wohl  bis  in  unsere  Zeit 
hinein  erhalten  hat.  Die  Klingenschmiede  von  Toledo  und 
Brescia  bewahren  ihren  Ruf  als  individualisierende  Hand- 
werker, und  noch  im  17.  Jahrhundert  gibt  es  eine  große  Menge 
persönlich  zeichnender  Büchsenschmiede  in  allen  Ländern 
Europas,  vornehmlich  in  Frankreich  ^^^ 

Aber  das  blieben  die  Ausnahmen.  Die  große  Masse  der 
Waffenproduktion  ging  dem  Handwerk  verloren ,  das  weder 
so  große  Mengen ,  so  rasch  und  so  einheitlich  wie  verlangt 
wurde,  liefern  konnte,  noch  den  Anforderungen  der  fort- 
schreitenden Technik,  wenigstens  was  die  Feuerwaffen  angeht, 
gerecht  zu  werden  vermochte.  Ganz  besonders  galt  das  von 
dem  Gewehr.  Die  alte  Knallbüchse  ohne  Schäftung  konnte 
allenfalls  jeder  Handwerker  allein  ohne  wesentliche  Hilfe 
machen.  Ganz  andere  Ansprüche  aber  stellten  die  neuen 
Büchsen  mit  ihren  langen,  ausgebohrten  und  polierten  Rohren, 


III.   Die  Deckung  des  wachsenden  Waflfenbedarfs  93 

mit  Rad-  oder  Schnapphahnschloß,  mit  Ladestock  und  Holz- 
schäftung.  Die  sachgemäße  Anfertigung  eines  solchen  Ge- 
wehres setzte  eine  weitgehende  Spezialisation  der  Arbeits- 
verrichtungen und  einen  ausgedehnten  Apparat  von  Arbeits- 
maschinen und  Werkzeugen  voraus.  Zunächst  wurde  dem 
Büchsenschmied  die  Herstellung  der  sogenannten  Platinen, 
der  Bleche,  aus  denen  man  die  Rohre  schmiedete,  abgenommen 
und  den  Reck-  oder  Zainhämmern,  die  man  wohl  auch  Pla- 
tinenhammer nannte,  wenn  sie  sich  hauptsächlich  mit  der  An- 
fertigung von  Platinen  befaßten,  zugewiesen *^^.  Eine  Zeit- 
lang schmiedete  dann  der  Büchsenmacher  die  ganze  Büchse  zu 
Ende ,  bis  auch  in  diesem  Teile  des  Arbeitsprozesses  die 
Spezialisation  um  sich  griff,  die  bis  zum  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts bis  zu  einer  Zerlegung  der  Gesamtarbeitsverrichtungen 
in  etwa  12  Teilverrichtungen  fortgeschritten  war.  Schon  im 
16.  Jahrhundert  hören  wir,  daß  leichtere  Arbeiten  bei  der 
Gewehrfabrikation  von  Frauen  besorgt  wurden.  Damit  war 
also  das  Gewerbe  auch  aus  technischen  Gründen  für  den 
Kapitalismus  reif. 

Die  Betriebsformen,  deren  sich  der  Kapitalismus  bei  der 
Aufsaugung  (oder  aber  Ausweitung)  des  Waflfenhandwerks 
bediente,  waren  das  Verlagssystem  und  der  Großbetrieb. 

Wir  dürfen  annehmen,  daß  die  Kaufleute,  die  den  alten 
handwerksmäßigen  Waffenschmieden  ihre  Erzeugnisse  ab- 
genommen hatten,  um  sie  auf  den  Märkten  und  Messen  feil- 
zuhalten, die  Organisatoren  der  kapitalistischen  Waf f en - 
industrie  namentlich  dort  wurden,  wo  sie  uns  als  Haus- 
industrie entgegentritt.  Das  interessanteste  und  bedeutendste 
Beispiel  dieser  Entwicklung  des  alten  Waffenhandwerks  zum 
Verlagssystem  bietet  die  Waffenindustrie  von  Suhl  ^^^,  die  früh- 
zeitig berühmt  wurde  und  vor  der  Zerstörung  Suhls  durch  Tilly 
wohl  die  bedeutendste  in  Europa  war :  die  größte  Blüte  Suhls 
fällt  in  die  Zeit  zwischen  1500  und  1634.  Wir  haben  eine 
poetische  Schilderung  der  Suhler  Industrie  vom  Jahre  1600  aus 


94  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

der  Feder  Joh.  Wendeis,  Rektors  zu  Suhl,  der  uns  erzählt, 
daß  damals  die  Suhler  Gewehrhändler  die  Erzeugnisse  des 
Ortes  nach  Spanien  und  Frankreich,  nach  der  Schweiz  und 
Venedig  vertrieben;  daß  sie  ins  polnische  Zeughaus  nach 
Krakau,  nach  Wilna,  nach  Livland,  Preußen  und  Danzig,  be- 
sonders aber  in  die  kaiserlichen  Lande  zum  Krieg  gegen  die 
Türken  Waffen  geliefert  hätten.  Im  Jahre  1634  wird  Suhl 
„das  Zeughaus  Deutschlands"  genannt. 

Leider  besitzen  wir  aus  jener  Blütezeit  der  Suhler  Waffen- 
industrie keinerlei  Statistik,  aus  der  die  produzierten  Mengen 
zu  ersehen  wären.  Aber  es  sind  doch  genug  Zeugnisse  vor- 
handen, die  uns  die  Größe  jener  ersten  deutschen  Waffen- 
industrie bestätigen,  und  die  uns  auch  Einblick  gewähren 
in  die  innigen  Zusammenhänge,  die  zwischen  den  Heeres- 
verwaltungen und  den  Suhler  Verlegern  bestanden.  Die  Ziffern, 
über  die  die  Bestellungen  lauten,  zeigen  uns,  wie  weit  schon 
im  16.  Jahrhundert  die  Zusammenballung  des  Waffenbedarfs 
fortgeschritten  war.  Ich  teile  hier  einige  solcher  Lieferungen 
nach  Menge  und  Besteller  mit: 

1586  bestellt  Bern  in  Suhla  (Suhl)  2000  Handbüchsen  mit  Luntenschloü 
und  500  Musketen  mit  Radschloß; 

1590  nach  dem  Brande  dieses  Jahres  schickte  Rudolf  H.  Bevollmächtigte 
aus  Prag  nach  S. ,  welche  „viele  Tausende"  Musketen  bestellten, 
sehr  auf  Beschleunigung  der  Lieferung  drangen  und  als  besonderen 
Vorteil  die  Befreiung  von  allen  Donauzöllen  von  Regensburg  nach 
Wien  versprachen; 

1596  liefert  Simon  Stöhr,  der  einer  der  größten  Verleger  war  und  dem 
wir  in  jenen  Jahren  immer  wieder  begegnen,  der  pfälzischen 
Regierung  zu  Neuburg  binnen  14  (!)  Tagen  160  Musketen  mit 
Pfannenzündern  und  aufgehenden  Pfannen  samt  dazu  gehörigen 
Modellen,  Wischern,  Gabeln,  großen  und  kleinen  Pulverflaschen 
sowie  160  Schilt-  und  Halbhaken,  auch  Halbhaken  mit  schwarzen 
krummen  Schäften  nebst  Zubehör; 

1600  liefert  derselbe  Simon  Stöhr  6000  Rohre  mit  dem  königlichen 
Wappen  nach  Dänemark; 

1621  im  Februar  meldet  der  Zeugmeister  Buchner  in  Dresden,  daß  von 
den    in   Suhl   bestellten    4000  Musketen  2000   angekommen  seien. 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  95 

Andere  ähnliche  Einkäufe  der  sächsischen  Armee  kommen  auch 
in  den  folgenden  Jahren  vor. 

Daß   auch   nach  der  Zerstörung   im  Dreißigjährigen  Kriege   Suhl 
große  Mengen  Waffen  liefern  konnte ,  ersehen  wir  aus   den  Aufträgen, 
die  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  die  preußische   Heeresverwaltung 
erteilt.     In    der   General -Kriegskassenrechnung   vom    1.  Juni  1713   bis 
letzten  März  1715  heißt  es  auf  S.  296: 
Nr.  35:  Aprilis  1715  dem  Daniel  Löscher  zum  Voraus  und 
auf  die  Hand  auf  die  in  Sula  verdungenen  3000  Stück 
Eisern  Cürasse  zufolge  Ordre  vom  9.  April  1715     .    .   1000  Thli*. 
In  der  des  folgenden  Jahres  auf  S.  310: 
Nr.  52:  July  1715  denen  Livranten  Löscher  und 
Hoffmann  zu  ihrer  gäntzlichen  Befriedigung 
vor  die   zu   Sula  angefertigten  3000  Stück 
eysern  Cürasse,  welche    sich   in  allem  auf 

7739  Thlr.  3  Gr.  6  Pf.  betragen      ....    5739  Thlr.  3  Gr.  6  Pf. 
Ein  anderes  Zentrum  der  Waffenindustrie  in  Deutsehland, 
wo  das  Gewerbe  offenbar  ähnlich  organisiert  war  wie  in  Suhl, 
ist  auch  im  17.  und  18.  Jahrhundert  noch  Nürnberg. 

Wir  erfahren  vor  allem  von  Beziehungen  zwischen  der 
preußischen  Heeresverwaltung  und  Nürnberger  Verlegern*"*: 
General-Kriegskassenrechnung  vom   1.  Juni  1713   bis   letzten   Mai 
1715,  S.  295—296: 
Nr.  31 :  Marty  1715.    In  Abschlag  derer  in  Nürnberg  ver- 
dungenen 9000  Stück  eiserne  Cürasse  dem  p.  Buirette 
von  Öhlefeld  zufolge  Ordre  vom  21.  Marty  1715     .    .    3000  Thlr. 
Nr.  32:  Aprilis  1715,  ferner  an  denselben  zu  obigem  Be- 
huf   der    9000    Stück    Cürasse    zufolge    Ordre    vom 

5.  Aprilis  1715 1000  Thlr. 

Nr.  33:  Noch  an  denselben  zu  fernerem  Behufe  der  in  Nürn- 
berg bestellten  Cürasse  zufolge  Ordre  vom  22.  April 

1715 4000  Thlr. 

Nr.  34:  Laut  General  Cassa  Estats  May  1715  an  den  p. 
Buirette  von  Öhlefeld  abermals  zum  Behufe  der  in  N. 
bestellten  Cürasse  zufolge  Ordre  vom  21.  May  1713   .    8000  Thlr. 

Der  Große  Kurfürst  an  den  Fürsten  von  Anhalt  (Archiv 
Zerbst)i55. 

„Nachdem  wir  einen  Kauffhendler  von  Zell  Hanss  Wolff  Schneydern 
gndst.  Befehl  ertheilet  3000  Musqueten,  wie  auch  1000  Dragoner-Mus- 
queten,  500  Feuer  Röhre  und  500  Musqueten  mit  Feuer-  und  Lunten 
Schlössern,  ingleichen  einige  Pistohlen  und  Carabiner  dorthin  zu  liefern ..." 
10./20.  Sept.  1674. 


96  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

Daneben  entstehen  namentlich  für  die  Erzeugung  der 
Gewehre  Fabriken,  und  zwar  häufig  als  Staatsbetrieb.  Die 
wichtigsten  staatlichen  Waffenfabriken  in  Deutschland  lagen 
in  Spandau,  Potsdam,  Neustadt-Eberswalde. 

Im  16.  Jahrhundert  war  Deutsehland  neben  Italien  das 
führende  Land  in  der  Waffenindustrie.  Wir  sehen  deshalb 
die  übrigen  Länder  ihren  Bedarf  größtenteils  in  Deutschland 
und  Italien  decken. 

So  England,  dessen  Nachfrage  nach  Waffen  vor  allem  seit 
Heinrich  VIII.  immer  reger  wird^^^. 

1509  verkautfen  Luigi  de  Fava  und  Leonardo  Frescobaldi  „große  Vor- 
räte" von  Kriegswaffen  an  die  englische  Krone; 

1510  läßt  sich  Heinrich  durch  Pier  di  ca  Pesaro  eine  Ausfuhrerlaubnis 
für  40000  Bogen  aus  Venedig  erwirken; 

1511  werden  an  Luigi  und  Alessandro  de  Fava  für  500  Arkebusen 
200  £  gezahlt; 

—  in  demselben  Jahre  entsendet  Heinrich  VIIL  Richard  Jerningham 
und  zwei  andere  Edelleute  nach  Deutschland  und  Italien,  um 
Waffen  und  Kriegsgeräte  zu  kaufen ; 

1513  berichtet  Jerningham,  daß  er  einen  sehr  vorteilhaften  Handel 
in  deutschen  Rüstungen  (Almain  rivets)  für  5000  Fußsoldaten  in 
Mailand  abgeschlossen  habe; 

—  um  dieselbe  Zeit  hat  Heinrich  durch  Wolsey  mit  einem  Florentiner 
Kaufmann  Guy  de  Portenary  für  2000  Almain  rivets  abgeschlossen; 

1544  fragt  Heinrich  beim  Dogen  von  Venedig  an  wegen  Ankaufs  von 
1500  Arkebusen  und  1050  Rüstungen  für  Mann  und  Roß  zu  Brescia. 

Heinrichs  lebhaftes  Bemühen  war  aber  darauf  gerichtet, 
England  in  dem  Bezug  von  Waffen  vom  Auslande  unabhängig 
zu  machen  und  Waffenfabriken  im  eigenen  Lande  zu  gründen. 
Zu  diesem  Behufe  rief  er  —  dem  Brauche  der  Zeit  folgend  — 
deutsche,  französische,  brabantische  und  italienische  Waffen- 
schmiede ins  Land  *^'^,  die  offenbar  gleich  auf  großbetrieblicher 
Basis  eine  englische  Waffen-,  insonderheit  Gewehrindustrie 
aufbauten.  Jedenfalls  erfahren  wir  aus  der  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts, daß  mittlerweile  die  englischen  Gewehrfabriken  die 
bestorganisierten  Europas  geworden  waren. 

Von  dem  Stande  der  Gewehrfabrikation  um  jene  Zeit  ent- 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  97 

wirft  uns  ein  sehr  guter  Kenner  gewerblicher  Verhältnisse 
folgendes  Bild^^^: 

„Wenn  jemals  nöthig  ist,  Fabriken  in  großen  zusammen- 
hängenden Anstalten  anzulegen;  so  ist  es  am  meisten  bey 
denen  Gewehrfabriken  nothwendig.  Die  Gewehre  bestehen 
entweder  aus  vielerley  Stücken,  oder  es  müssen  vielerley 
Arbeiten  daran  geschehen.  Eine  lange  Erfahrung  hat  ge- 
zeiget, daß  die  Arbeiten,  sonderlich  im  Feuer,  viel  schleuniger 
und  geschickter  von  statten  gehen,  wenn  einige  Arbeiter  nichts 
als  diese,  und  andere  nur  jene  besondere  Arbeit  verrichten, 
und  einander  gleichsam  in  die  Hände  arbeiten,  wie  solches 
sonderlich  in  Engelland  bey  denen  Gewehr-Fabriken  gebräuch- 
lich ist,  daher  auch  die  engländischen  Waaren  vor  andern 
einen  großen  Vorzug  haben.  Ueberdieß  kann  die  Arbeit  in 
denen  Gewehrfabriken  durch  Maschinen  und  andere  Anstalten, 
die  große  Kosten  erfordern,  und  also  nicht  eines  einzelnen 
Meisters  Sache  sind,  sehr  erleichtert  werden.  Der  Staat  kann 
auch  von  der  Güte  und  Gleichheit  des  Gewehres  vor  sein 
Kriegsheer  um  desto  mehr  versichert  seyn,  wenn  alles  unter 
einerley  Aufsicht  gearbeitet  wird.  Auch  dieses  hat  man  ein- 
gesehen, und  die  Gewehrfabriken  allenthalben  in  großen  An- 
stalten angelegt." 

Aus  der  nun  folgenden  Beschreibung  ersehen  wir  deut- 
lich, daß  die  Gewehrindustrie  damals  bereits  das  Stadium  der 
Manufaktur  überwunden  hatte  und  fabrikmäßig  organisiert 
war.  Hätte  Adam  Smith  an  dieser  führenden  Industrie, 
statt  an  der  unglücklichen  Stecknadelmanufaktur,  seine  Vor- 
stellungen von  der  Organisation  der  Arbeit  gewonnen,  so  hätte 
er  schon  damals  die  Gründe  für  die  Steigerung  der  Arbeits- 
leistungen im  gesellschaftlichen  Großbetriebe  richtig  erkannt, 
und  die  Lehre  von  der  Produktivität  der  Arbeit  wäre  nicht 
für  die  nächsten  hundert  Jahre  auf  ein  totes  Geleise  gefahren 
worden. 

Auch  in  den  übrigen  Militärstaaten  Europas  entwickelte 

Sombait,  Krieg  uud  Kapitaliämus  7 


98  Drittes  Kapitel:    Die  Bewaffnung  der  Heere 

sich  die  Waffenindustrie  zu  einer  der  ersten  Industrien  des 
Landes. 

In  Frankreich  gründete  Colbert  selbst  mehrere  staat- 
liche Gewehrfahriken ,  und  auch  Private  betrieben  dies  Ge- 
werbe auf  breiter  kapitalistischer  Basis:  M.  de  Seignelay 
(1683—1690)  verlieh  den  Adelstitel  einem  Fabrikanten  in 
Angoumois  dafür,  daß  er  mindestens  1000  Flinten  monatlich 
lieferte  ^^^.  Im  18.  Jahrhundert  gibt  es  zahlreiche  Gewehr- 
fabriken in  Frankreich.  Die  berühmteste  war  die  im  „Hotel 
de  la  maison  du  Roi".  Sedan,  St.  Etienne,  Verdun  und 
andere  Orte  waren  Sitze  einer  blühenden  Waffenindustrie. 

In  Schweden  gelangte  die  Waffenindustrie  im  17.  Jahr- 
hundert, dank  vor  allem  dem  Bemühen  Gustav  Adolfs,  zur 
Blüte.  1618  legt  der  König  „Gewehrfaktoreien"  an  ^^°,  um 
das  auf  den  Bauernhöfen  betriebene  Schmiedegewerbe  aus- 
zunutzen: jeder  dieser  Bauern  war  verpflichtet,  wöchentlich 
eine  große  Muskete  fertigzustellen ;  er  erhielt  dazu  das  Material 
von  der  Krone,  war  abgabenfrei  und  wurde  teils  in  Geld,  teils 
in  Naturalien  bezahlt.  Aus  diesen  „Faktoreien"  entwickeln 
sich  die  Gewehrfabriken,  so  1626  die  von  Norrtelje.  1640 
werden  in  einer  Stockholmer  Fabrik  10000  Musketen  mit 
Lunten,   141   mit  Schnapphahn  und  12000  Gabeln  gefertigt. 

Den  Typus  der  Suhler  „Waffenfabrik"  vertritt  die  seit 
dem  17.  Jahrhundert  zu  hoher  Bedeutung  gelangende  Waffen- 
industrie von  Lüttich  und  Umgebung,  die  das  Rückgrat 
der  belgischen  Industrie  seit  jener  Zeit  gebildet  hat^^^ 

In  Rußland  dagegen  tritt  die  Waffenfabrikation  sofort 
auf  höchstbetrieblicher  Basis  in  die  Erscheinung  (vorbildliche 
Fabrik-  bzw.  Manufakturorganisation!):  in  der  Sestroröcker 
Gewehrfabrik  waren  683  Arbeiter  zur  Zeit  Peters  des  Großen 
beschäftigt;  der  Staatsgewehrfabrik  in  Tula  wurden  508  Bauern- 
familien zugeteilt  "2. 

Andere  berühmte  Gewehrfabriken  staatlichen  Charakters 
gab  es  in  Klingenthal  im  Elsaß,  Kopenhagen,  Elkistuna. 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  99 

Spanien  war  ja  im  16.  Jahrhundert  vielleicht  der  erste 
Militärstaat  Europas.  Sein  Bedarf  an  Walfen  war  bedeutend. 
Er  wurde  teils  durch  Fabriken,  teils  durch  Hausindustrien, 
teils  im  Inlande,  teils  im  Auslande  gedeckt.  Die  Abschlüsse 
erfolgten  mit  Kaufleuten  oder  Unternehmern  in  ganz  großem 
Stil.  Für  die  Lieferung  von  Arquebusen  (arca  buces)  liegen 
aus  dem  Jahre  1538  Verträge  vor  mit  Juan  de  Becinay  über 
10000  Stück;  mit  Juan  Ihäiiez  aus  Piacenza;  mit  Antön  de 
Urquiroz  aus  Orio;  mit  Juan  de  Orbea  und  mit  Juan  de 
Hermüa  aus  Eibar,  über  15  000  ^«s. 

Spaniens  eigene  Gewehrfabriken  lagen  in  Cordova,  Barce- 
lona und  Helgoybar. 

Sehr  früh  hat  eine  fabrikmäßige  Organisation  die  Ge- 
schützgießerei erfahren,  zunächst  als  Bronzegießerei,  dann 
immer  mehr  als  Eisengießerei  (wie  die  Statistik,  die  ich  im 
vorigen  Abschnitte  mitgeteilt  habe,  ausweist).  Die  höchste 
Stufe  der  Entwicklung  erreichte  sie  in  England,  Frankreich 
und  Spanien. 

In  England  war  im  16.  und  17.  Jahrhundert  der  Haupt- 
sitz der  Geschützgießerei  (wie  auch  der  Eisenhüttenindustrie) 
Sussex.  Hier  saßen,  wie  uns  Cambden  berichtet^®*,  zahl- 
reiche „metallici,  qui  magnam  vim  tormentorum  majorum  et 
alia  inde  conficiunt".  1603  singt  Walther  Raleigh  der  eng- 
lischen Geschützgießerei  ein  Loblied  ^^^.  Welche  Ausdehnung  und 
Bedeutung  sie  hatte  (eine  Produktionsstatistik  fehlt  natürlich 
für  jene  Zeit;  wir  müssen  also  auf  die  Größe  der  Leistungen 
aus  Symptomen  schließen),  zeigt  folgender  Vorgang"^:  1629 
beauftragt  der  König  Sir  Sackville  Crowe,  sich  610  eiserne 
Kanonen  in  der  Königlichen  Gießerei,  focali  nostro,  in  unserm 
Walde  von  Dean  in  Glocestershire  zu  verschaffen.  Der  König 
beauftragt  dann  weiter  Philipp  Burlamach,  an  eminent  mer- 
chant,  diese  Kanonen  an  die  General  Staaten  zu  verkaufen, 
um  damit  seine  für  300000  £  im  Jahre  1625  verpfändeten 
Kronjuwelen  wieder  einzutauschen:   „Thus  England  was  still 

7* 


100  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

eminent  for  its  manufaeture  of  iron  artillerie  beyond  any 
country  in  Europe."  Schon  zur  Zeit  der  Elisabeth  konnte 
England  Kanonen  ins  Ausland  ausführen  und  tat  dies  (trotz 
des  Verbotes  der  Ausfuhr  !)*^^  Humes  Urteil  scheint  also 
(wenigstens  nach  seiner  positiven  Seite  hin)  berechtigt,  wenn 
er  sagt^^^,  daß  zur  Zeit  des  ersten  Jakob  Schiffsbau  und 
Geschützgießerei  die  einzigen  Industrien  gewesen  seien,  in 
denen  sich  England  ausgezeichnet  habe.  Er  ist  sogar  der 
Meinung,  die  Engländer  hätten  damals  allein  das  Geheimnis 
besessen,  eiserne  Kanonen  zu  gießen.  Das  ist  ein  Irrtum: 
eiserne  Geschütze  wurden  im  16.  Jahrhundert  auch  anderswo 
gegossen.  Ich  erinnere  z.  B.  an  die  Geschützgießereien,  die 
im  Oberharz  zu  Gittelde,  auf  der  Sophienhütte  bei  Goslar  usw. 
die  braunschweigischen  Herzöge  in  jener  Zeit  begründeten 
oder  zur  Entwicklung  brachten  ^^^.  Richtig  ist,  daß  sich  die 
Geschützgießerei  in  England  zu  besonders  hoher  Blüte  ent- 
wickelte: das  Eisenwerk  Carron,  das  Eisenwerk  Calcutt  bei 
Bursley  in  Shropshire,  das  Eisenwerk  Clyde  bei  Glasgow 
waren  im  18.  Jahrhundert  als  Stätten  des  Geschützgusses 
berühmt.  Als  die  vollkommenste  Stückgießerei  galt  aber  damals 
die  von  Woolwich.  Die  englische  Kanonenindustrie  machte 
Schule  im  Auslande :  der  Engländer  John  Wilkinson  legte  im 
Auftrag  der  französischen  Regierung  eine  Geschützgießerei 
und  Bohranstalt  zu  Nantes  an.  Die  großartige  Kanonen- 
gießerei zu  Petrowsadowsk  in  Rußland  war  von  dem  englischen 
Ingenieur  Gascoigne  eingerichtet  worden;  nach  dem  Muster 
von  Woolwich  baute  der  hannoversche  Ingenieur  Oberstleutnant 
Müller  die  Stückgießereien  in  Hannover  und  Stockholm "°. 
In  Frankreich  begegnen  wir  schon  im  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  einer  blühenden  Kanonenindustrie  auf  kapi- 
talistischer Basis.  Es  gibt  Geschützgießereien  in  Bordeaux, 
in  Sedan  Chäteaulin.  Aus  einer  Bordeauxer  Gießerei  werden 
200  Geschütze  an  die  Marine  geliefert;  1027  bieten  Claude 
Marigo  de  la  Villeneuve  de  Quimperl6  und  Michel  Donnevin 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  WafiFenbedarfs  101 

ebenfalls  200  Kanonen  aus  der  Gießerei  von  Quimperlö  an  "^. 
Richelieu  gründet  dann  noch  eine  staatliche  Geschützgießerei 
in  Le  Havre"^ 

Eine  wesentliche  Förderung  erfährt  aber  die  französische 
Kanonenindustrie  wiederum  durch  Colbert.  In  Colberts  Werk 
spielt  der  Gedanke,  Frankreich  in  der  Ausrüstung,  sonderlich 
in  der  Bewaffnung  seiner  Heere,  unabhängig  vom  Auslande 
zu  machen,  eine  große  Rolle.  Daher  wir  ihn  schon  am  Werke 
sahen,  Gewehrfabriken  zu  gründen,  wie  er  hier  neue  Geschütz- 
gießereien gründet  (und  wie  wir  ihn  später  noch  zahlreiche 
Hilfsindustrien  werden  begründen  sehen).  1661  kauft  man  in 
Schweden  200  000  L.  Kupfer,  um  daraus  Kanonen  zu  gießen  "^ ; 
1663  kündigt  Colbert  dem  König  die  Notwendigkeit  an, 
Gießereien  selbst  zu  bauen;  1666  beginnen  seine  Pläne  sich 
zu  verwirkliehen:  die  Gießereien  zu  Saintes,  zu  Rochefort 
werden  begründet.  Die  wichtigsten  sind  die  zu  Nevers,  zu 
Commercy  und  in  der  Dauphin^  geworden  ^'^. 

In  Spanien  wurde  die  Geschützgießerei  von  Karl  V.  zu 
rascher  Blüte  gebracht:  es  gab  Gießereien  in  Medina  del 
Campo,  Malaga,  Burgos,  Pamplona,  Fuenterrabla,  Barcelona, 
Coruna.  Karl  ließ  Deutsche  aus  Innsbruck  kommen,  um  die 
Gießerei  in  Spanien  einzuführen.  Trotz  der  raschen  Aus- 
dehnung der  einheimischen  Produktion  genügte  sie  jedoch  dem 
Bedarf  noch  nicht,  der  vielmehr  auch  noch  aus  Flandern  ge- 
deckt werden  mußte  ^''*. 

Eine  berühmte  Geschützgießerei  hatte  im  17.  Jahrhundert 
Venedig,  „da  auf  einmahl  etliche  Canonen  können  gar 
behende  gegossen  werden"  "^. 


Neben  der  Erzeugung  der  Waffen  selbst  galt  es  die  nötige 
Munition  zu  beschaffen.  Wir  sehen  daher  in  den  ver- 
schiedenen Ländern  im  Anschluß  meist  an  die  Geschütz- 
gießereien   zunächst    Kugelgießereien    entstehen;    dann 


102  Drittes  Kapitel:   Die  Bewafinung  der  Heere 

aber  vor  allem  Pulverfabriken,  die  in  den  meisten 
Ländern,  in  Deutschland,  in  Frankreich  (seit  1572),  zu  den 
staatlichen  Monopolindustrien  gerechnet  werden. 

In  England  gibt  die  Pulvererzeugung  Anlaß  zur  [Ent- 
stehung einer  großen  Privatindustrie.  1562  errichten  drei 
Personen  Pulvermühlen  und  erbieten  sich,  der  Regierung  im 
großen  200  t  pro  Jahr  zu  liefern  "^.  Daneben  bestanden  wohl 
auch  staatliche  Pulverfabriken.  Daß  es  sich  um  beträchtliche 
Mengen  handelte,  ersehen  wir  auch  aus  den  Abschlüssen  über 
Lieferung  von  Salpeter,  dem  Rohstoff  für  die  Pulvererzeugung. 
Aus  den  Jahren  1509 — 1512  besitzen  wir  zwei  Kontrakte  mit 
Giov.  Cavalcanti  und  anderen  italienischen  Kauf  leuten,  wonach 
sie  für  £  3622  (das  Pfund  zu  6  d)  Salpeter  zu  liefern  haben  "'^. 
Ein  anderer  Kontrakt  aus  dem  Jahre  1547  lautet  ^^^  über 
^  10445  16  s  8V2  d.  Unter  der  Elisabeth  macht  sich  England 
dann  auch  im  Bezug  des  Salpeters  vom  Auslande  unabhängig 
und  entwickelt  eine  eigene  Schwefel-  und  Salpeterindustrie  "^. 

Pulver,  Salpeter  und  Schwefel  bleiben  immer  Gegenstand 
eines  sehr  bedeutsamen  Handels,  der  Umsätze  aufzuweisen 
hatte  wie  wenige  Zweige  des  Warenhandels  in  frühkapita- 
listiseher  Zeit.  Wir  besitzen  genaue  Angaben  über  seine  Aus- 
dehnung in  Piemont  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts*^". 
Damals  liefert  z.  B.  die  impresa  Gaij  einmal  14000  rubbi 
(ä  9,2  kg)  Pulver  zu  8  Livres  den  rubbio.  Ein  andermal 
(1706)  bezieht  der  Bankier  Gamba  aus  Holland  für  die  pie- 
montesische  Regierung  8691  rubbi  Salnitro  (Salpeter)  zu  16  1. 
und  25274  rubbi  Pulver  zu  24  1. 


Aber  die  vielleicht  großartigste  Wirkung,  die  der  wachsende 
Bedarf  an  Waffen  auf  die  Gestaltung  des  Wirtschaftslebens 
ausgeübt  hat,  wodurch  er  von  so  bestimmendem  Einfluß  auf 
den  Verlauf  der  kapitalistischen  Entwicklung  geworden  ist, 
scheint   mir   die  Anregung  zu  sein,   die  er  für  einige  der 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  103 

tragenden  Industrien  und  den  Handel  mit  ihren  Produkten 
bedeutet  hat:  Kupfer-,  Zinn-  und  namentlich  Eisen- 
industrie, das  heißt  jene  Zweige  der  gewerblichen  Tätig- 
keit, die  das  Rohmaterial  für  die  Waffen  lieferten.  Ich  denke, 
man  wird  sagen  dürfen,  daß  diese  Industrien  ihre  entscheidende 
Wendung  zum  Kapitalismus  nahmen  unter  der  unmittelbaren 
Einwirkung  der  Veränderungen,  die  die  Heeresorganisation 
und  namentlich  die  Bewaffnung  in  unserem  Zeitraum  erleben. 
Einen  ziffernmäßigen,  geschlossenen  Beweis  für  die  Richtig- 
keit dieser  Behauptung  zu  erbringen,  reichen  natürlich  die 
bisher  wenigstens  noch  sehr  dürftigen  Materialien  nicht  aus. 
Die  Forschung  der  nächsten  Jahrzehnte  wird  vielleicht  die 
fehlenden  Glieder  in  der  Kette  meiner  Beweisführung  ergänzen. 
Einstweilen  müssen  wir  versuchen,  mit  dem  geringen  Zahlen- 
material, das  wir  besitzen,  nach  Möglichkeit  die  Schlüsse  zu 
rechtfertigen,  die  aus  allgemeinen  Erwägungen  und  im  Hinblick 
auf  bestimmte,  erweislich  richtige  Tatsachen  gezogen  werden. 

Diejenigen  Metalle,  die  zuerst  in  größeren  Mengen  ver- 
langt wurden,  als  sich  der  Waffenbedarf  steigerte,  waren  Kupfer 
und  Zinn.  Denn  aus  ihnen  bestand  die  Bronze,  und  aus 
Bronze  wurden,  wie  wir  sahen,  in  der  ersten  Zeit  die  Ge- 
schütze gegossen.  Das  Mischungsverhältnis,  in  dem  die  beiden 
Metalle  Verwendung  fanden,  war  ungefähr  1:9  (die  fran- 
zösische Artillerie  hatte  vor  der  Revolution  11  Teile  Zinn 
auf  100  Teile  Kupfer,  aber  auch  die  heute  als  beste  Mischung 
erkannte  [8 :  92]  war  schon  im  15.  Jahrhundert  gebräuchlich). 
Also  handelte  es  sich  vor  allem  um  die  Beschaffung  von 
Kupfer,  das  denn  auch  im  15.  und  16.  Jahrhundert  außer- 
ordentlich „gefragt"  wurde  und  infolgedessen  ganz  erheblich 
im  Preise  stieg. 

Nach  Rogers^^^  betrug  der  Durchschnittspreis  für  Bronze-  oder 
Kupfergefäße  (für  Rohkupfer  besitzen  wir  keine  fortlaufenden  Preis- 
notierungen) pro  doz.  Ibs.  von: 

1401—1540 3  9V4, 

1541—1550 5  6, 


104  Drittes  Kapitel:    Die  Bewaffnung  der  Heere 

1551—1560 5    7, 

1561—1570 7    71/2, 

1571—1582 8    IV2. 

Der  Verkaufspreis  des  Kupfers,  das  die  Fugger  in  Schwatz  ge- 
wannen, war  ^^2; 

1527  der  Zentner  5  fl.  45  Kr.  bis    6  fl.  15  Kr., 

1528  „  „  5  „  45  „  „  6  „  20  „ 
1531  „  „  5  „  30  „  „  6  „  15  „ 
1537    „  „        6   „   50    „      „      7  „  45    „ 

1556  „  „      10  „  —    „      „     11   „  45    „ 

1557  „  „       11    »  n       »     12   „  „ 

Ich  nehme  an,  die  Preissteigerung  sei  eine  Folge  ver- 
mehrter Nachfrage  (denn  die  Silberentwertung  machte  sich  in 
diesem  Jahrhundert  gewiß  noch  nicht  in  dem  Verhältnis 
geltend,  wie  in  40  Jahren  die  Kupferpreise  steigen).  Dann 
konnte  aber  diese  Vermehrung  der  Nachfrage  nur  von  zwei 
Seiten  her  kommen:  vom  Schiffsbau  und  von  der  Geschtitz- 
gießerei,  da  wir  nicht  annehmen  dürfen,  daß  plötzlich  so  viel 
mehr  Glocken  oder  kupferne  Gefäße  nachgefragt  seien.  Um 
was  für  beträchtliche  Mengen  es  sich  bei  der  Geschützerzeugung 
handelte,  zeigen  die  Angaben  über  Zahl  und  Gewicht  der 
Kanonen.  Wir  haben  auch  unmittelbare  Ausweise  über  ein- 
gekaufte Kupfermengen:  1495  kauft  die  venetianische  Ke- 
gierung  80000  Pfund  Kupfer  von  deutschen  Kaufleuten  ein: 
zwecks  Anfertigung  von  Kanonen  ^^^.  Von  den  großen  Mengen 
Kupfer,  die  die  französische  Regierung  im  17.  Jahrhundert 
aus  Schweden  bezog,  war  schon  die  Rede.  Colbert  ließ  aller- 
wärts  Kupfer  aufkaufen  und  ausfindig  machen,  heißt  es  in 
einer  amtlichen  Denkschrift:  „il  a  pris  sein  ...  de  faire 
acheter  et  rechercher  des  cuivres  de  toutes  parts  pour  la 
fonde  des  pi^ces  de  canons"  *^*. 

Diese  starke  Nachfrage  nach  dem  hochwertigen  Metall 
machte  dieses  zunächst  zu  einem  der  beliebtesten  Großhandels- 
artikel. Der  Kupferhandel  ist  neben  dem  Salpeterhandel  einer 
der  wenigen  Handelszweige,  die  schon  im  15.  Jahrhundert 
einen   ganz  großen   Umsatz  aufweisen.    Er  war  in  wenigen 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  105 

Händen  konzentriert,  und  die  sehr  reichen  Firmen,  die  ihn 
beherrschten,  benutzten  ihre  Macht,  um  das  Kupfer  gelegent- 
lich „einzusperren".  Vielleicht  ist  das  Kupfer  derjenige  Handels- 
artikel, an  dem  zuerst  eine  „Preiskonvention"  großen  Stils 
versucht  worden  ist.  Ich  denke  an  die  Abmachungen,  die  im 
Jahre  1498  die  vier  oberdeutschen  Firmen  Fugger,  Herwart, 
Gossembrot  und  Paumgartner  trafen,  um  den  Kupfermarkt  in 
Venedig,  wo  offenbar  sein  Mittelpunkt  war,  zu  beherrschen  ^^^ 

Zu  welcher  imposanten  Höhe  der  Kupferhandel  im  16.  Jahr- 
hundert hinaufklomm,  zeigen  die  Mengen  Kupfer,  die  sich  bei 
den  Inventuren  der  Fugger  auf  deren  Lagern  vorfinden.  Sie 
zeigen  auch,  daß  die  Größe  dieses  Hauses  —  soweit  daran 
der  Warenhandel  beteiligt  war  —  fast  ausschließlich  durch 
den  ausgedehnten  Kupferhandel  bedingt  wurde.  Endlich  be- 
stätigen uns  die  Ziffern,  daß  sich  der  Umsatz  in  Kupfer 
während  des  15.  Jahrhunderts  tatsächlich  ganz  beträchtlich 
ausdehnte  (wenn  wir  nicht  annehmen  wollen,  daß  die  wachsen- 
den Mengen ,  die  die  Fugger  auf  ihren  Lagern  haben ,  aus- 
schließlich durch  Aufsaugung  kleinerer  Händler  gebildet  worden 
seien:  auch  dann  hätte  der  Kupferhandel  in  einem  etwas 
anderen  Sinne  eine  große  Bedeutung  für  die  kapitalistische 
Entwicklung).  Bei  der  Bilanzaufnahme  ^^^  des  Jahres  1527 
beträgt  das  Warenkonto  des  Fuggerschen  Hauses  380000  fl.: 
„der  größte  Teil"  der  Waren  bestand  in  Kupfer,  von  dem  in 
Antwerpen  allein  für  mehr  als  200000  fl.  lagerte.  Im  Jahre 
1536  ist  an  Kupfer,  Silber  und  Messing  für  289000  fl.  vor- 
handen. Im  Jahre  1546  beziffert  sich  das  Warenaktivum  auf 
1250000  fl.;  davon  sind  in  Kupfer  über  1  Mill.  fl.  vor- 
handen, von  dem  die  Hälfte  wieder  in  Antwerpen  lagerte. 
1  Million  Gulden  stellen  etwa  8  Millionen  Mark  Metallwert 
dar.  Es  wird  sich  kaum  ein  zweiter  Posten  von  gleicher  Höhe 
in  der  gesamten  Handelsgeschichte  des  16.  Jahrhunderts  nach- 
weisen lassen. 

Nächste  Wirkung:   die  steigende  Nachfrage  nach  Kupfer 


10t)  Drittes  Kapitel:    Die  Bewaffnung  der  Heere 

steigert  das  Interesse  am  Kupf  erb  ergbau.  Dieser  wird 
von  den  Kaufleuten  und  anderen  reichen  Leuten  ins  Auge 
gefaßt  als  ein  sehr  geeignetes  Objekt  zur  Kapitalanlage.  Die 
Folge  ist,  daß  in  immer  weiterem  Umfange  der  Kupferbergbau 
in  die  Bahnen  der  kapitalistischen  Entwicklung  hineingezogen 
wird.  Alle  reichen  oberdeutschen  Häuser:  die  Paumgartner, 
die  Welser,  die  Höchstetter,  die  Gossembrot,  die  Herwart,  die 
Rem,  die  Hang  und  natürlich  vor  allem  die  Fugger  haben 
ihr  Geld  im  deutschen,  tiroler  oder  ungarischen  (Silber-  und) 
Kupferbergbau  stecken ;  während  wir  im  ungarischen  Kupfer- 
bergbau auch  Krakauer  Geldgeber  als  Unternehmer  beteiligt 
finden  ^".  Der  Kupferhandel  wird  in  immer  häufigeren  Fällen 
zum  Verlag:  den  Übergang  bildet  in  der  Regel  die  Ver- 
pfändung des  Bergwerks  abseiten  des  Regalherren. 

Im  17.  Jahrhundert  sind  es  auch  westdeutsche  Firmen, 
die  mit  ihrem  Gelde  den  Kupferbergbau  befruchten:  so  ist 
Johann  von  Brodeck  aus  Frankfurt  a.  M.  mit  163000  fl.  an 
den  Kupferhütten  in  Ilmenau  sowie  an  dem  Mansfelder 
Kupferbergbau  beteiligt  ^^^. 

Daß  aber  der  Kupferbergbau  (den  ich  hier  immer  in  dem 
weiteren  Sinne  von  Bergbau  und  Hüttenwesen  fasse)  im 
16.  Jahrhundert  allenthalben  in  Europa  seine  entscheidende 
Wendung  in  der  Richtung  kapitalistischer  (und  großbetrieb- 
licher) Entwicklung  vollzieht,  lehren  uns  alle  Berichte. 

Am  deutlichsten  können  wir  den  Aufschwung  am  ungarischen  Kupfer- 
bergbau während  des  16.  Jahrhunderts  verfolgen.  Dieser  war  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  ins  Stocken  geraten,  weil  die  handwerksmäßig 
arbeitenden  Gewerken  (wie  das  so  oft  in  jener  Zeit  der  Fall  war)  der 
Grubenwasser  nicht  Herr  werden  konnten.  Da  bildete  sich  eine  Gewerk- 
schaft aus  reichen  Krakauer  Bürgern  mit  Hans  Thurzo  an  der  Spitze  zum 
Zwecke  der  Ableitung  der  Gewässer.  Diese  Gewerkschaft  schloß  mit 
den  „Richtern,  Rathmannen  und  Gemeinde"  der  sieben  ungarischen 
Bergstädte  am  24.  April  1475  einen  Vertrag,  wonach  sie  sich  verpflichtete, 
das  Wasser  aus  den  Sohlen  zu  entfernen,  und  als  Entgelt  erhielt:  für 
jedes  mit  Erfolg  arbeitende  Gapel  oder  Kehrrad  einen  Wochenlohn  von 
1  ungarischen  Goldgulden  und  —  ein   Sechstel  des  geförderten  Erzes. 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  107 

Bald  betrieben  diese  reichen  „Verleger",   denen   sich   dann  bekanntlich 
die  Fugger  zugesellten,  den  Bergbau  selbst,  legten  Hütten-  und  Hammer- 
werke an  und  erzielten  eine  große  Ausbeute: 
1495—1504  wurden  gewonnen: 

190  000  Ztr.  Kupfer, 

1 338  „  Messing, 
54  774  Mark  Silber, 
was  eine  Dividende  von  119  500  fl.  je  auf  Thurzos  und  Fuggers  Anteil 
ergab.  Die  Fugger  wurden  schließlich  die  alleinigen  Inhaber  und  er- 
zielten in  den  Jahren  1525 — 1539  einen  Reingewinn  aus  dem  ungarischen 
Bergbau  von  1 297 192  rheinischen  Gulden  (also  einen  Metallwert  von 
etwa  9  Mill.  Mark  heut.  Wahrung)  ^8*. 

Das  Streben  der  großen  Militärmächte,  sich  in  der  Be- 
schaffung ihres  gesamten  Kriegsmaterials  vom  Auslande 
unabhängig  zu  machen,  führt  denn  auch  hier  zur  Entstehung 
nationaler  Industrien.  In  E  n  g  1  a  n  d  ist  es  wieder  der  Soldaten- 
könig Heinrich  VIII.,  der  die  Entwicklung  des  Kupferbergbaus 
betreibt.  Er  ruft,  um  seine  Pläne  rascher  zu  verwirklichen, 
deutsche  Kapitalisten  ins  Land.  1564  bildete  sich  unter  der 
Führung  der  Firma  David  Hang,  Hans  Langnauer  und  Mit- 
verwandte und  unter  wesentlicher  Beteiligung  der  höchsten 
englischen  Staatsmänner  und  Beamten  eine  große  Gewerk- 
schaft zur  Auffindung  und  zum  Betriebe  von  Bergwerken  in 
England.  Zunächst  wurden  Kupferbergwerke  zu  Keswick 
und  Bleibergwerke  zu  Kolbeck  (die  dem  Schiffsbau  dienen 
sollten!)  in  Betrieb  genommen ^^°. 

In  Frankreich  legt  Colbert  zahlreiche  Kupferhütten 
und  Schmelzen  an^^^. 

Eine  ähnliche  Wirkung  wie  auf  Kupferhandel  und  Kupfer- 
produktion scheint  die  steigende  Nachfrage  nach  bronzenen 
Geschützen  auf  die  Zinnindustrie  und  den  Zinnhandel 
ausgeübt  zu  haben.  Wenigstens  beobachten  wir  in  dem 
wichtigen  Zinnbergbau  Englands  eine  wesentliche  Ausweitung 
der  Produktion  im  16.  Jahrhundert :  die  Menge  des  erzeugten 
Zinnes,  die  vom  13.  bis  zum  15.  Jahrhundert  zwischen  800 
und  1000  Zinntonnen  (zu  1200  engl.  Pfund)  geschwankt  hatte, 


108  Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere 

steigt  im  16.  Jahrhundert  bis  auf  1600  und  1700  Tonnen. 
In  diese  Zeit  fällt  wohl  auch  der  Übergang  zur  kapitalistischen 
Organisation  der  Bergwerke  ^^^. 

Daß  aber  endlich  der  Militarismus  auch  bei  der  Geburt 
der  kapitalistischen  Eisenindustrie  Pate  gestanden 
hat,  läßt  sich  auf  verschiedene  Weisen  wahrscheinlich  machen. 

Zunächst  durch  einfache  rechnerische  Gegenüberstellung 
des  Eisenbedarfs  für  Waffen  und  Munition  und  der  Menge 
des  überhaupt  erzeugten  Eisens.  Ich  habe  oben  einige  Ziffern 
mitgeteilt,  aus  denen  der  Bestand  an  Schiffskanonen  in 
Frankreich  und  England  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  er- 
sichtlich wird.  Frankreich  hat  1683  auf  seinen  Kriegsschiffen 
5619  eiserne  Kanonen,  England  um  dieselbe  Zeit  ungefähr 
8396  Kanonen  insgesamt;  also  (nach  dem  Verhältnis  der 
französischen  Geschütze  berechnet)  vielleicht  6 — 7000  eiserne. 
Die  Gesamtzahl  der  eisernen  Geschütze  in  beiden  Ländern 
(also  die  Feld-  und  Festungsgeschütze  einbegriffen)  wird  nicht 
zu  hoch  mit  je  8000  angenommen  sein.  Das  Gewicht  eines 
Geschützes  dürfen  wir  mit  durchschnittlich  IV2  t  ansetzen. 
Das  ergeben  Gewichtsangaben  bei  Bestellungen  ebenso  wie 
Schätzungen  von  Zeitgenossen,  wie  etwa  die  des  Bischofs 
Wilkins  vom  Jahre  1648,  die  Beck  in  seiner  Geschichte  des 
Eisens  (II,  1273)  mitteilt.  Also  würde  das  Gesamtgewicht 
der  Kanonen  Englands  und  Frankreichs  um  jene  Zeit  etwa 
je  12000  t  betragen  haben.  Dazu  kommen  die  Kugeln. 
Rechnen  wir  50  Schuß  auf  jede  Kanone  (so  viel  hatte  die 
Armada  an  Bord),  so  gäbe  das  für  jedes  Land  einen  Bestand 
von  400000  Kugeln,  jede  Kugel  nur  mit  5  kg  angenommen, 
ergäbe  das  abermals  2000  t  Gewicht.  Die  Artillerie  jedes 
Landes  wöge  also  etwa  14000  t.  Wieviel  Eisen  wurde  nun 
in  jener  Zeit  überhaupt  erzeugt?  Soviel  ich  weiß,  besitzen 
wir  für  das  17.  Jahrhundert  keine  Gesamtziffer  der  Eisen- 
produktion (denn  die  Dudley sehen  Schätzungen  für  Eng- 
land   sind    meines   Erachtens    tendenziös    und    phantastisch, 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  109 

seinem  propagandistischem  Zwecke  entsprechend),  es  sei  denn 
die  von  Beck  für  44  schwedische  Hochöfen  im  Jahre  1687 
angegebene  Menge  von  37000  Ztr.,  also  1850  t.  Einiger- 
maßen zuverlässige  Ziffern  treffen  wir  erst  gegen  die  Mitte 
des  18.  Jahrhunderts.  Damals  soll  die  Gesamtproduktion 
der  englischen  Eisenindustrie  in  59  Hochöfen  17  350  t  be- 
tragen haben  ^^^.  Allerdings  hatte  damals  England  eine 
Mehr  ein  fuhr  von  Eisen  in  Höhe  von  etwa  20000  t.  Immer- 
hin: stellt  man  das  Gewicht  der  Artillerie  schon  am  Ende 
des  17.  Jahrhunderts  (das  wir  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
sicher  um  50  %,  also  auf  21 000  t,  gestiegen  annehmen  dürfen) 
den  Gesamtproduktionsziffern  für  Eisen  gegenüber,  und  mag 
man  sich  auch  die  Kanonen-  und  Kugelerzeugung  über  eine 
Anzahl  von  Jahren  verteilt  denken :  daß  die  Armee  ein  über- 
ragend großer  Konsument  von  Eisen  war,  lassen  die  Zahlen 
nicht  mehr  bezweifeln ;  ja  wohl  mehr :  daß  sie  der  bei  weitem 
größte,  daß  sie  (indem  wir  den  Bedarf  der  Kriegsschiffe  an 
Eisen  als  Heeresbedarf  rechnen)  der  einzige  wirkliche  Massen- 
konsument von  Eisen  in  jenen  Tagen  war,  in  denen  sich  das 
Schicksal  der  Eisenindustrie  entschied,  weil  es  die  Zeit  war, 
in  der  sie  die  ersten  Schritte  auf  dem  Wege  zum  Kapitalismus 
machte. 

Daß  diese  Rechnungen  den  tatsächlichen  Verhältnissen 
sehr  nahekommen,  macht  eine  Ziffer  wahrscheinlich,  die  wir 
aus  einer  etwas  späteren  Zeit  für  den  Umfang  des  Geschütz- 
bedarfs in  England  besitzen,  aus  der  wir  aber,  denke  ich, 
rückschließen  dürfen,  daß  meine  Annahmen  für  das  17.  und 
frühe  18.  Jahrhundert  richtig  sind.  Um  1795  betrug  der 
jährliche  Bedarf  an  Artillerie-Eisenguß^^*: 

für  Großbritannien    .    .    .    .    11000  t 

„    Indien 5600  t 

„    fremde  Länder         .    .    .    10000  t 
Zusammen  etwa:    26000  t. 


HO  Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere 

Ich  kann  aber  noch  einen  anderen  Umstand  anführen, 
der  die  Bedeutung  der  Geschütz-  und  Kanonengießerei  für 
die  Entwicklung  der  kapitalistischen  Eisenindustrie  in  ein 
noch  helleres  Licht  rückt.  Wie  man  weiß,  ist  die  Überleitung 
der  Eisenindustrie  aus  der  handwerksmäßigen  in  die  kapita- 
listische Organisation  auf  das  engste  verknüpft  mit  der 
Erfindung  und  dem  Vordringen  des  Hochofens.  Man  weiß 
ebenfalls,  daß  die  grundsätzliche  Neuerung,  die  dieser  brachte, 
in  der  sogenannten  indirekten  Eisengewinnung  bestand.  Diese 
indirekte  Eisengewinnung  war  eine  unmittelbare  Folge  der 
stärkeren  Erhitzung  des  Eisens  (durch  Gebläse,  die  man 
mechanisch  antrieb)  gewesen,  wodurch  das  Eisen  in  einen 
flüssigen  Zustand  versetzt  worden  war.  Mit  dieser  Erzielung 
flüssigen  Eisens  hing  aber  wiederum  die  Ermöglichung  des 
Eisengusses  zusammen,  der  zuerst  fast  nur  für  die  Herstellung 
von  Kanonen  und  Kugeln  (erst  später  und  dann  auch  lange 
Zeit  hindurch  nur  nebenher  für  Öfen  und  erst  seit  den  Er- 
fahrungen, die  man  beim  Bau  des  Versailler  Wasserwerks 
gemacht  hatte,  für  Röhren)  Verwendung  fand.  Nun  war  also 
die  Sachlage  diese:  Schmiedeeisen  konnte  man  nach  dem 
neuen  Hochofenverfahren  oder  mittels  des  alten  Luppen- 
prozesses gewinnen,  Gußeisen  aber  nur  im  Hochofen.  Wer 
eine  Ahnung  vom  Wesen  des  mittelalterlichen  Menschen  hat, 
wird  nun  ohne  weiteres  zugeben,  daß  wenn  nicht  mehr  als 
die  Möglichkeit  bestanden  hätte,  das  neue  Verfahren  (den 
Hochofenprozeß)  anzuwenden,  dessen  Einbürgerung  Jahr- 
hunderte gedauert  hätte,  wenn  sie  überhaupt  erfolgt  wäre. 

Wollte  man  aber  Kanonen  aus  dem  billigeren  Eisen 
(statt  aus  der  teureren  Bronze)  gießen,  so  mußte  man  sich 
des  Hochofens  bedienen.  Die  zunehmende  Nachfrage 
nach  eisernen  Kanonen  wirkte  also  wie  ein  Zwang 
zur  Einführung  des  Hochofenverfahrens  in  die 
Eisenindustrie. 

Endlich   mag  auch  dieses  Umstandes  noch  Erwähnung 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  Hl 

geschehen:  die  Öfen  für  Geschützguß  waren  größer  als  die 
anderen  ^^^:  der  Heereshedarf  wirkte  also  auf  Betriebs- 
konzentration hin.  Eine  Zeitlang  bediente  man  sich,  nament- 
lich in  Schweden,  der  Doppelhochöfen,  bis  man  den  einzelnen 
Hochofen  entsprechend  größer  baute. 

Diesen  inneren  Zusammenhang  zwischen  dem  Heeres- 
bedarf an  Waffen  und  der  Entstehung  der  kapitalistischen 
Eisenindustrie  können  wir  nun  aber  auch  in  den  meisten 
Fällen  empirisch  in  der  Verkettung  der  geschichtlichen  Er- 
eignisse selbst  nachweisen.  Soweit  ich  die  Anfänge  der 
modernen  (das  heißt  also  auf  dem  Hochofenverfahren  auf- 
gebauten) Eisenindustrie  zu  überblicken  vermag,  bildet  jedes- 
mal das  Bestreben,  für  den  Kanonenguß  das  nötige  Material 
zu  beschaffen,  den  Anlaß  zur  Überführung  der  Eisengewinnung 
in  kapitalistische  Formen. 

In  Deutschland  fallen  die  Anfänge  des  Eisengusses 
in  das  16.  Jahrhundert:  damals  baute  man  die  ersten  Hoch- 
öfen in  Hessen  ^'^  und  im  Saargebiete  *^',  während  sie  in 
Sachsen,  in  Brandenburg,  am  Harz  zu  Beginn  des  17.  Jahr- 
hunderts, in  Schlesien  1721  aufkommen.  Und  die  ersten 
Konsumenten  sind  die  Zeughäuser  überall. 

In  Schweden,  das  im  16.  und  17.  Jahrhundert  einer 
der  größten  Eisenproduzenten  war  und  noch  im  18.  Jahr- 
hundert England  mit  Eisen  versorgte,  stellte  Gustav  Wasa 
die  Eisenindustrie  auf  eine  ganz  neue  Basis,  indem  er 
Geschützgießereien  einrichtete  und  Eisenwerke,  wie  das 
berümte  Werk  bei  Täberg,  ausschließlich  zur  Lieferung  des 
nötigen  Gußmaterials  anlegte.  Im  17.  Jahrhundert  bringen 
dann  eingewanderte  Niederländer  die  schwedische  Eisen- 
industrie auf  eine  noch  höhere  Stufe.  Louis  de  Geer  ließ  in 
Finspäng  zwei  gekuppelte  Hochöfen  bauen,  nur  für  Geschütz- 
guß. „Durch  die  Anlage  dieser  Hütte,  die  ausschließlich  dem 
Geschützguß  dienen  sollte,  .  . .  erwuchs  Schweden  ein  neuer 


112  Drittes  Kapitel:  '.Die  Bewaffnung  der  Heere 

Erwerbszweig.  Die  Güte  des  Produkts  erwarb  den  eisernen 
Geschützen  von  Finspäng  den  Weltmarkt  und  trug  viel  dazu 
bei,  den  Ruhm  des  schwedischen  Eisens  zu  erhöhen"  ^^^. 

Um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  gilt  die  schwedische 
Eisenindustrie  noch  immer  als  die  erste  der  Welt,  die  beträcht- 
liche Mengen  Roheisen  und  Eisenfabrikate  ausführte  ^^^.  Eiserne 
Geschütze  bildeten  einen  wichtigen  Ausfuhrartikel  Schwedens. 
Die  Hochöfen,  die  teilweise  auf  hoher  Stufe  kapitalistischer 
Entwicklung  standen  (sie  waren  hie  und  da  mit  englischem 
oder  holländischem  Kapital  errichtet,  wie  uns  J  a  r  s  berichtet), 
waren  ursprünglich  nur  auf  Gießerei  eingerichtet,  und  der 
Geschützguß  stand  jedem  anderen  Guß  vor.  Der  Staat  legte 
solchen  Wert  darauf,  daß  er  den  Hochofenbesitzern  seit  1740 
verbot,  neben  der  Kanonengießerei  Frischereibetrieb  zu  führen, 
damit  ihr  ganzes  Interesse  auf  den  Geschützguß  gerichtet 
bliebe.  Dadurch  bildeten  sich  eine  ganz  feststehende  Routine 
und  ganz  bestimmte  Erzgattierungen  aus,  wodurch  denn  auch 
ein  vorzügliches  Produkt  erzielt  wurde  2°®. 

In  Frankreich  entwickelt  sich  eine  moderne  Eisen- 
industrie nicht  vor  dem  17.  Jahrhundert:  die  ersten  Hochöfen 
werden  (um  1600)  eigens  für  Geschütz-  und  Munitionsguß 
gebaut  2®^  Dann  gibt  Colbert  auch  der  Eisenindustrie  den 
großen  Anstoß,  wesentlich  aus  militärischen  Interessen  heraus, 
wie  wir  schon  wiederholt  feststellen  konnten :  er  gründet  allein 
in  der  Dauphin^  elf  Eisenhütten  und  neun  Stahlhämmer  202^ 
„.  .  .  il  a  fait  Tötablissement  des  forges  et  fourneaux  pour 
fondre  les  canons  de  fer,  ce  qui  ne  s'6tait  point  encore 
vu  dans  le  royaume"^"^ 

Besonders  deutlich  tritt  bei  der  Entstehung  der  Eisen- 
industrie in  England  undSchottland  der  Zusammenhang 
zwischen  Militarismus  und  Kapitalismus  zutage.  Der  Haupt- 
sitz der  englischen  Eisenindustrie  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert ist  Sussex,  wo  schon  unter  Elisabeth  große  Vermögen 


IV".  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  113 

erworben  werden.  Das  Eisen  von  Sussex  wurde  aber  zum 
guten  Teil  in  Kanonen  und  Kugeln  verwandelt  und  nahm  in 
jener  Zeit  sogar  noch  in  dieser  Gestalt  seinen  Weg  ins  Aus- 
land. Sir  Thomas  Leighton  und  Sir  Henry  Neville  hatten 
für  Geschützausfuhr  Patente  von  der  Königin.  Vor  1592 
sollen  von  2000  t  gegossenen  Geschützen  1600  heimlich  ins 
Ausland  gegangen  sein  2°*. 

Im  17.  Jahrhundert,  als  der  Bedarf  an  Geschützen  in 
England  selbst  ständig  zunahm,  wurde  die  Produktion  von  Sussex 
im  Lande  verbraucht  (und  mehr  dazu,  wie  wir  sahen).  Aber 
■die  enge  Beziehung  zwischen  Geschützgießerei  und  Blüte  der 
Eisenindustrie  blieb  bestehen  2*^^. 

Das  andere  Land  Großbritanniens,  dessen  Eisenindustrie 
«ich  erst  gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  entwickelt  und 
dann  natürlich  gleich  auf  breiterer  kapitalistischer  Basis,  ist 
Schottland.  Hier  wird  die  erste  Konzession  zur  Anlage 
eines  Hochofenwerkes  für  Gußeisen  (die  Schmiedeeisenindustrie 
datiert  in  Schottland  erst  vom  Jahre  1836)  im  Jahre  1686 
erteilt.  Sie  wird  mit  folgenden  Worten  eingeleitet,  die,  wie 
mir  scheint,  eine  glückliche  Bestätigung  der  Richtigkeit 
meiner  ganzen  Beweisführung  enthalten,  weshalb  ich  sie  in 
extenso  hersetze  2°^: 

His  Majesty  and  Estates  of  Parliament,  taking  into 
consideration  the  great  advantage  that  the  nation  may  have 
by  the  trade  of  Founding,  lately  brought  into  the  Kingdom 
by  John  Meikle,  for  casting  of  balls,  cannons  and 
ether  such  useful  Instruments,  do,  for  encouragement 
to  him,  and  others  in  the  same  trade,  Statute  and  ordain, 
that  the  same  shall  enjoy  the  benefit  and  priviledges  of  a 
Manufacture  in  all  points  as  the  other  Manufactures  newly 
erected  are  allowed  to  have  by  the  laws  and  Acts  of  Parlia- 
ment, and  that  for  the  space  of  nineteen  years  next  following 
the  date  hereof.    Also:  „zum  Gießen  von  Kugeln,  Kanonen  und 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  8 


114  Drittes  Kapitel:  Die  Bewaffnung  der  Heere 

anderen  solchen  nützlichen  Instrumenten"  wird  die  schottische 
Eisenindustrie  ins  Leben  gerufen,  deren  größtes  Werk  Jahr- 
zehnte und  fast  ein  Jahrhundert  lang  die  Carron  Ironworks 
gewesen  sind,  die  sich  in  der  ersten  Zeit  fast  ausschließlich 
mit  der  Herstellung  von  Geschützen  beschäftigt  haben  2®'^. 
Der  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  üblichste  Geschütz- 
typ der  englischen  Artillerie  trug  den  Namen  „Carronade" 
zu  Ehren  des  Werkes,  der  ihn  zuerst  hergestellt  hatte. 

Erwähnt  muß  schließlich  noch  werden,  daß  in  Deutschland 
jedenfalls  die  oberschlesische  Montanindustrie  den 
militärischen  Interessen  hauptsächlich  ihre  Entstehung  ver- 
dankt. Als  Friedrich  M.  im  Jahre  1754  und  1755  die  Hoch- 
ofen- und  Frischfeueranlagen  Malapane  und  Kreuzburger 
Hütte  erbauen  ließ,  leitete  ihn  vor  allem  der  Wunsch, 
dadurch  Artilleriematerial  für  die  schlesischen  Festungen  her- 
stellen zu  lassen.  Und  in  dem  Berichte,  den  die  Bergbehörden 
1781  dem  Könige  einreichten,  in  dem  eine  Neuordnung  des 
oberschlesischen  Berg-  und  Hüttenwesens  angeregt  wird,  steht 
unter  den  Vorteilen,  die  Sr.  Majestät  aus  einer  Hebung  der 
Montanindustrie  erwachsen  würden,  an  erster  Stelle  ^®^: 
„daß  es  alsdann  an  den  für  Höchstdero  Arm6e  erforderlichen 
Kriegsbedürfnissen  an  Eisen,  Kupfer,  Blei,  Zinn,  Schwefel 
und  Salpeter  nie  im  Laude  fehlen  kann." 
Aber  nicht  nur  die  Roheisenbereitung  empfing  ihre 
stärkste  Anregung  zum  Übergang  in  ein  höheres  Entwicklungs- 
stadium durch  die  Bestellungen  der  Heeresverwaltungen:  in 
gleich  hohem  Maße  wurde  auch  die  Eisenverarbeitung 
durch  die  Anforderungen  der  Geschützfabrikation  wesentlich 
beeinflußt.  Ja,  man  darf  getrost  wieder  sagen,  ohne  sich  der 
Übertreibung  schuldig  zu  machen,  daß  die  Fortschritte,  die 
auf  dem  Gebiete  der  Eisenverarbeitung  vom  16. — 18.  Jahr- 
hundert gemacht  wurden,  und  die  vor  allem  dazu  beitrugen,, 
die  kapitalistische  Eisenindustrie  zur  Entfaltung  zu  bringen^ 
dem  Bedürfnis  nach  besseren  Kanonenrohren  entsprungen  sind. 


IV.  Die  Deckung  des  wachsenden  Waffenbedarfs  115 

Ich  denke  zunächst  an  die  Herstellung  gußeiserner 
Erzeugnisse  zweiter  Schmelzung,  die  sich  seit  dem 
17.  Jahrhunderte  einbürgerte,  und  deren  grundsätzliche  Be- 
deutung vor  allem  darin  bestand,  daß  bei  dem  Umschmelzen 
von  Guß-  und  Roheisen  in  den  Flammöfen  zuerst  die  Ver- 
wendung von  Steinkohle  als  Brennmaterial  glückte, 
lange  ehe  es  gelang,  Eisenerze  mit  ihrer  Hilfe  zu  schmelzen. 
Allerdings  taugte  das  Flammofenschmelzen  nicht  für  alle  Arten 
von  Gußwaren,  aber  gute  Kanonenrohre  konnte  man  damit  her- 
stellen. Und  das  war  die  Hauptsache.  Der  Zusammenhang 
zwischen  dem  wichtigsten  Fortschritt  in  der  Eisenverarbeitung 
und  dem  Heeresbedarf  liegt  offensichtlich  zutage.  Der  beste 
Kenner  dieser  Dinge  urteilt  denn  auch  wie  folgt ^o^:  „Der 
Geschützguß  hat  mit  am  meisten  zur  Förderung  der  Technik 
der  Eisengießerei  beigetragen ;  er  gab  auch  die  Veranlassung 
zur  Einführung  des  Flammofenschmelzens." 

Ebenso  bedeutsam  für  die  Entwicklung  der  Eisenindustrie 
war  die  Verbesserung  der  eigentlichen  "Werkzeugmaschinen 
zur  Bearbeitung  des  Eisens,  namentlich  der  Bohr-  und 
Drehbänke:  Dampfmaschine  und  Zylindergebläse  waren  in 
ihrer  Wirksamkeit  abhängig  von  der  Möglichkeit,  große 
Zylinder  auszubohren.  In  dieser  Kunst  waren  gegen  das 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  die  Engländer  allen  übrigen 
Nationen  voran,  und  diese  Überlegenheit  hatten  sie  sieh  bei 
der  Kanonenherstellung  erworben:  „DieMetallbohr-  und 
Drehbänke  haben  ihre  Entwicklung  zunächst  der 
Geschützfabrikation  zu  verdanken.  Das  Ausbohren 
der  Kanonen  war  das  Problem,  an  dem  sich  die  Bohrkunst 
hauptsächlich  entwickelt  hat"  (Beck).  Schon  im  16.  Jahr- 
hundert hat  Biringuccio  in  seiner  Pirotecnica  das  Aus- 
bohren der  Kanonen  mit  Hilfe  eines  "Wasserrades  beschrieben. 
Die  von  ihm  dargestellte  Bohrmaschine,  die  schon  horizontal 
bohrte,  ist  dann  mehrfach  verbessert  worden  und  wurde  im 
18.  Jahrhundert  von  dem  Schweizer  Maritz  zu  der  Vollendung 


llß  Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere 

gebracht,  in  der  sie  die  Entwicklung  des  Maschinenwesens  im 
19.  Jahrhundert  ermöglichte.  Maritz  wurde  1740  zum  Inspektor 
des  Geschützwesens  in  Frankreich  berufen :  ausschließlich  am 
Kanonenmaterial  hat  er  sein  technisches  Können  betätigt. 
Maritz  wurde  zum  Reformator  der  französischen  Artillerie- 
werkstätten, indem  er  das  Gießen  ohne  Kern  und  das  Bohren 
aus  dem  Vollen  mit  horizontalen  Bänken  einführte  ^^^ 


117 


Viertes  Kapitel:    Die  Beköstigung 
der  Heere 


I.  Die  Verpflegung ssysteme 

Wir  werden  gut  tun,  wieder  Landheer  und  Marine  ge- 
sondert zu  betrachten,  da  die  Verpflegung  ihrer  Truppen  doch 
zu  viel  innere  Verschiedenheiten  aufweist,  um  sie  in  einem 
zu  betrachten. 

Das  ganze  Mittelalter  hindurch  bis  tief  in  die  neuere  Zeit 
hinein  war  es  bei  den  Landtruppen  die  Regel,  daß  jeder 
Krieger  für  seinen  Unterhalt  selbst  sorgte  oder  daß  die 
Nächststehenden  ihn  mit  Unterhaltsmitteln  in  natura  ver- 
sahen, ganz  gleich  ob  es  Reiterheere  oder  Fußheere,  ob 
Aufgebots-  oder  Söldnertruppen  waren. 

Um  ein  paar  Beispiele  aus  der  Zeit  des  späten  Mittel- 
alters (15.  Jahrhundert)  herauszugreifen:  Die  Verpflegung 
des  Schweizer  Aufgebotsheeres  lag  den  Gemeinden  ob,  in 
denen  sie  aber  dezentralisiert  war.  In  Bern  gab  es  17  Stuben 
oder  Gesellschaften,  die  ihren  Mitgliedern  die  Verpflegung 
gaben  ^".  Neben  der  mitgegebenen  und  gelieferten  Ver- 
pflegung mußte  der  Unterhalt  im  Feldlager  durch  freien  Ein- 
kauf gedeckt  werden. 

Die  Ordonnanzkompagnien  Karls  des  Kühnen  (1471) 
mußten  sich  selbst  beköstigen,  auch  auf  dem  Marsch ^i^. 

Das  galt  selbstverständlich  auch  von  allen  auf  Zeit  an- 
geworbenen Söldnertruppen. 

Es  ist  der  Zustand,  der  noch  zur  Zeit  Wallensteins 
herrscht  2^^. 


118  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

Die  Obersten  des  Wallensteinschen  Heeres  empfingen 
Verpflegungsgelder,  die  sie  den  Soldaten  auszahlten:  diese 
sollten  damit  ihren  Unterhalt  bestreiten.  Die  Verpflegungs- 
gelder selbst  wurden  von  den  umliegenden  Landschaften 
mittels  Kontribution  eingezogen.  Was  dem  Systeme  Wallen- 
steins  seine  besondere  Note  gab,  war  nur  das  brutale  Zu- 
greifen, war  die  rücksichtslose  Gewalthaftigkeit.  Konnte 
oder  wollte  der  Quartiergeber  nicht  zahlen,  so  nahm  man 
sich  eben,  was  man  brauchte;  das  Geldlöhnungs-Kaufsystem 
ging  dann  in  ein  Natural  -  Beutesystem  über:  „Im  Fall  die 
Bürgerschaft  und  Untertanen  mit  dem  Gelde  nicht  aufkommen 
könnten,  wird  denselben  anheim  gestellt,  die  gemeinen  Offiziere 
und  Soldaten  mit  Viktualien  zu  unterhalten,"  heißt  es  in 
Wallensteins  Verpflegungsordnung  vom  Jahre  1629,  die  mit 
der  des  Generals  Tilly  von  1623  in  den  entscheidenden  Punkten 
übereinstimmt.  Soweit  nicht  Wallenstein  selbst  Proviant  von 
seinen  Gütern  (die  vom  Kriege  verschont  blieben!)  herbei- 
schaffen ließ,  wovon  noch  die  Rede  sein  wird,  war  auch  dieses 
Verpflegungssystem  noch  durchaus  privater  Natur  und  grund- 
sätzlich dezentralisiert. 

Mit  der  fortschreitenden  Verstaatlichung  der  Heere  wird 
die  Regelung  des  Verpflegungswesens  nach  und  nach  auch  als 
eine  Aufgabe  des  Staates  anerkannt.  Schon  frühzeitig  be- 
gegnen wir  Organen  der  Staatsgewalt,  die  eigens  dazu 
ernannt  werden,  um  (ganz  vag  ausgedrückt)  zunächst  nur  eine 
Aufsicht  über  das  Verpflegungswesen  der  Truppen  auszu- 
üben. 

Am  frühesten  natürlich  wieder  in  Frankreich  2".  Hier 
besteht  ein  „Kriegskommissariat"  seit  dem  14.  Jahrhundert. 
In  der  Deklaration  vom  28.  Januar  1356  werden  12  „Commis- 
saires"  eingesetzt,  von  deren  Funktionen  wir  freilich  nur  eine 
recht  dunkle  Vorstellung  haben.  Mit  der  materiellen  Seite  des 
Verpflegungs Wesens  werden  später  die  „Commissaires  ordonna- 
teurs"  noch  besonders  betraut.   1470  erfahren  wir  von  „agents 


I.  Die  Verpflegungssysteme  119 

charg6s  de  veiller  ä  rapprovisionement  de  rarmöe";  1557  von 
„2  surintendants  et  commissaires  g6ii6raux",  unter  denen  2 
Commissaires  in  jeder  Provinz  stehen;  ferner  gibt  es  „commis 
aux  vivres,  charch^s  d'ötablir  des  magasins  sur  le  passage 
des  troupes  et  d'acheter  les  objets  nöcessaires  ä  la  subsis- 
tance  des  armöes  et  ä  Tavitaillement  des  places  fortes" 
(Ord.  von  1557).  Die  vollständige  Ordnung  erfährt  dann  das 
französische  Intendanturwesen  unter  Richelieu  in  den  Jahren 
1627  und  1631.  Die  „Commissaires  de  guerre"  werden  in  der 
späteren  Zeit  ein  teures  Kaufamt,  das  nicht  immer  in  der 
gewissenhaftesten  Weise  ausgeübt  wurde. 

Ähnliche  Auf  sieh  ts-,  Kontroll-  und  Verwaltungsbehörden, 
deren  Funktionen  freilich  ganz  verschieden  waren,  je  nach 
dem  (materialen)  Verpflegungssystem,  das  jeweils  herrschte, 
entstanden  in  allen  Militär  Staaten. 

England  schuf  sein  „Victualling  Department"  (1550); 
Preußen  seinen  Generalproviantmeister,  der  dem  General- 
Kriegskommissarius  unterstellt  ist  (1657)  usw.  Beim  Ausbruch 
eines  Krieges  wurden  vom  Kriegsminister  einige  Kriegsräte 
aus  den  Kriegs-  und  Domänenkammern  ernannt,  um  die  Ver- 
pflegung der  Truppen  zu  besorgen.  Diese  bildeten  das  „Feld- 
Kriegs-Kommissariat  der  königlich-preußischen  Armee"  ^^^ 

Uns  interessieren  an  dieser  Stelle  diese  Schöpfungen 
eigener  Organe  für  das  Verpflegungswesen  nur  als  Ausdruck 
der  Tatsache,  daß  dieses  nunmehr  von  der  Staatsverwaltung 
auch  materiell  mehr  oder  weniger  in  den  Kreis  ihrer  ordnenden 
Tätigkeit  gezogen  wird.  Welcher  Art  diese  ordnende  Tätig- 
keit war,  müssen  wir  nun  erst  in  Erfahrung  bringen. 

Überall,  soviel  ich  sehe,  beginnt  die  Staatsgewalt  die  Rege- 
lung des  Verpflegungswesens  mit  einer  Art  von  indirekter 
Fürsorge:  Die  Beamten  des  Königs  oder  der  andern  Obrig- 
keit wachen  darüber,  daß  die  für  den  Unterhalt  der  Truppen 
notwendigen  Lebensmittel  in  hinreichender  Menge,  guter 
Qualität  und  zu  zivilen  Preisen  dem  einkaufenden  Soldaten 


120  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

zur  Verfügung  stehen.  Von  einer  solchen  Fürsorge  erfahren 
wir  im  15.  Jahrhundert  bei  dem  Schweizer  Aufgebot,  von  dem 
schon  die  Rede  war  2^^.  Wir  hören  davon  noch  früher  in 
Frankreich  ^^''.  Sie  begegnet  uns  bei  den  Heeren  des  Dreißig- 
jährigen Krieges  ^^^. 

Aber  frühzeitig  wurde  die  Mitwirkung  des  Staates  bei 
der  Beköstigung  der  Truppen  doch  eine  inhaltlich  helfende. 
Der  Fürst  hatte,  wie  wir  sahen,  von  alters  her  eine  Leib- 
wache :  für  deren  leiblichen  Unterhalt  mußte  er  selbst  sorgen. 
Er  mußte  ferner  die  Festungen  verproviantieren.  Er  mußte 
die  Truppen  mit  Lebensmitteln  versehen,  die  er  über  See 
sandte.  So  sehen  wir  abermals  schon  im  Mittelalter  den 
König  von  Frankreich  am  Werke,  durch  die  Bailles  und 
S6n6chaux  Lebensmittel  aufkaufen  zu  lassen,  die  er  für  die 
eben  genannten  Zwecke  verwandte :  schon  im  14.  Jahrhundert 
werden  die  „Commissaires  aux  vivres"  damit  betraut,  den 
Proviant  zu  vereinigen  und  nach  Anordnung  des  Königs  an 
die  verschiedenen  Stellen  abzuführen.  Die  Magazine,  in  denen 
der  Proviant  für  eintretenden  Bedarf  aufgestapelt  wurde, 
erhielten  den  Namen  „Garnisons"  ^^^. 

Daneben  finden  wir  frühzeitig  öffentliche  Körperschaften 
vom  Staate  damit  beauftragt,  für  den  Unterhalt  der  Truppen 
zu  sorgen :  die  Ordonnanzkompagnien  Karls  VIL  wurden  von 
den  Provinzen  in  natura  verpflegt:  jede  „Lanze",  die  aus 
vier  Kombattanten  zu  Pferde  und  zwei  Knappen  oder  Knechten 
bestand,  erhielt:  jeden  Monat  zwei  Hammel,  einen  halben 
Ochsen  oder  eine  halbe  Kuh  oder  ein  Äquivalent  in  Fleisch 
anderer  Art;  jedes  Jahr  vier  Schweine;  jeder  Mann  ferner 
im  Jahre  zwei  Pipen  Wein,  IV2  Last  Getreide  und  schließlich 
jeder  homme  d'armes  für  sich  und  sein  Gefolge:  monatlich 
20  1.  für  Beleuchtung,  Gemüse,  Zutat  (Gewürz)  und  anderen 
kleinen  Bedarf.  Für  jedes  Pferd  wurden  12  Lasten  (Charges) 
Hafer  und  vier  Karren  Stroh  und  Heu  geliefert  ^^^ 

Bei   der   zunehmenden  Erstarkung   des   Staatsgedankens 


I.  Die  Verpflegungssysteme  121 

konnte  es  nicht  ausbleiben,  daß  der  Fürst  auf  die  Idee  verfiel, 
nachdem  er  sein  Heer  verstaatlicht  hatte,  nun  auch  das  ge- 
samte Verpflegungswesen  zu  verstaatlichen.  Es  scheint,  als  ob 
das  System  der  Verpflegung  der  Truppen  durch  den 
Staat  zu  voller  Entwicklung  zuerst  in  Spanien  während  des 
17.  Jahrhunderts  gelangt  sei.  Von  hier  fand  es  Verbreitung 
auch  in  anderen  Staaten,  wie  in  Brandenburg-Preußen.  Hier 
sehen  wir  es  bis  zur  Zeit  des  Großen  Kurfürsten  in  der  Form 
der  „Speisung",  d.  h.  der  Verpflegung  durch  den  Quartierwirt 
in  Übung. 

Einer  der  besten  Kenner  der  „alten  Armee"  gibt  folgendes  Bild 
von  der  Art  und  Weise,  wie  die  Truppen  unter  Georg  Wilhelm  unter- 
halten wurden  2*1: 

„An  Löhnung  (Lehnung)  erhält  der  Musketier  alle  10  Tage 
1  Taler,  wovon  er  leben  muß.  Sie  wird  oft  zum  Teil  oder  ganz  in 
Lebensmitteln  oder  durch  , Speisung',  d.  h.  Verpflegung  durch  die 
Quartierwirte  ersetzt.  Der  Ausdruck  ist  daher  häufig  mißverstanden 
worden.  Die  drei  Löhnungen  sind  Abschlagszahlungen  auf  den 
monatlichen  Sold  (1631  auf  die  Kompagnie  1800  Tlr.),  von  dem  außer- 
dem Gewehr,  Kleidung,  event.  auch  Pferdehaltung,  kurz  die  ganze 
Kompagniewirtschaft  zu  bestreiten  ist.  Der  verbleibende  Betrag 
wurde  meist  zunächst  einbehalten  (1631  also  600  Thlr.)  und  dient  später 
zur  Gegenrechnung  für  die  vom  Staate  gelieferten  Waffen,  für  über- 
hobene  Zehrung,  Erpressungen  usw.  Der  Ausdruck  Traktament  ist  all- 
gemein und  bedeutet  nach  Umständen  Sold  oder  Löhnung.  Ganz  zu 
trennen  ist  für  Georg  Wilhelms  Zeiten  der  Servis  (Holz,  Licht  usw.), 
den  der  Quartiergeber  leistete  oder  in  Geld  ablöste." 

Dieses  System  der  vollen  Verpflegung  durch  den  Staat 
hielt  sich  jedoch  nicht  lange.  Die  Schwierigkeiten  der  Durch- 
führung, die  damit  für  die  bequartierten  Gegenden  verknüpften 
Unzuträglichkeiten  bestimmten  schon  den  Großen  Kurfürsten 
dazu,  die  Speisung  der  Armee  wieder  zu  beseitigen,  die  Geld- 
zahlung wieder  an  die  Stelle  zu  setzen.  Friedrich  Wilhelm  I^ 
suchte  noch  mehr  die  fiskalische  Naturalverwaltung  zu  be- 
schränken: die  Regimenter,  Kompagnien  und  die  einzelnen 
auf  feste  Geldeinnahmen  zu  setzen,  mit  denen  sie  auskommen 
mußten.    So  bildete  sich  im  Laufe   des  17.   und   18.  Jahr- 


122  Viertes  Kapitel:    Die  Beköstigung  der  Heere 

hunderts  in  den  meisten  Staaten  eine  Art  von  gemischtem 
System  heraus,  das  ziemlich  einheitlich  auf  folgenden  Grund- 
sätzen beruhte:  der  Staat  verpflegt  den  Soldaten  ganz  auf 
dem  Marsche  und  im  Felde;  in  der  Garnison  überläßt  er  es 
im  wesentlichen  dem  einzelnen,  wie  er  sich  für  den  Geldsold, 
den  er  empfängt,  beköstigt.  In  den  einzelnen  Staaten  wird 
dieser  oder  jener  Bestandteil  des  Unterhalts  dem  Soldaten 
vom  Staat  oder  vom  Quartiergeber  (in  Gestalt  des  sogenannten 
Servis)  in  natura  verabreicht. 

In  der  Instrulction  vom  29.  Juni  1620,  die  für  den  chwr sächsischen 
Proviantmeister  von  Zscheppelitz  erlassen  wurde,  heißt  es  im  Eingang  ^^^i 
„Unser  bestallter  Obristen-  (alias  General-)  Proviantmeister  soll  das 
Kriegsvolk  im  Felde  zu  jeden  Zeiten  mit  allerlei  Proviant  versehen." 
Die  Friedensverpflegung  liegt  dem  Krieger  ob.  Dieser  erhält  nur  als 
Servis  vom  Quartiergeber:  Obdach,  Salz,  Pfeffer,  Essig  und  Licht. 
Sächsische  Verpflegungsordnung  vom  1.  März  1697  ^^^ 

In  den  kaiserlichen  Landen  hat  der  Soldat  von  1679  an  sein  Essen 
beim  Quartiergeber  zu  kaufen;  der  Quartiergeber  liefert  ihm  in  natura 
eine  Portion  Brot,  wofür  Abzug  am  Lohn  gemacht  wird. 

In  Preußen  bekommt  der  Kompagniechef  für  Löhnung,  Werbung, 
kleine  Montierung  usw.  eine  feste  Geldsumme,  die  er  beliebig  verwenden 
kann;  er  muß  nur  durch  Musterung  richtige  Verwendung  nachweisen. 
1713  wird  der  Monatssold  der  Gemeinen  auf  2  Tlr.  6  Sgr.  erhöht;  davon 
verbleiben  dem  Soldaten  nach  dem  Abzug  für  gemeinsame  Kassen  1  Tlr. 
16  Gr.:  das  ist  der  Betrag,  den  er  für  seinen  Unterhalt  ausgeben  kann. 
Im  Frieden  erhält  der  Soldat  außer  auf  Märschen  keine  Naturalverpflegung 
(auch  kein  Brot);  diese  tritt  ein  außerhalb  der  Garnisonen  und  im  Kriege. 

In  Frankreich  bestimmt  die  Ord.  von  1641:  der  Staat  sorgt  für 
die  Verpflegung  des  Kriegers  auf  dem  Marsche  und  im  Felde;  dieser 
erhält  alsdann  2  Pfd.  Brot  am  Tag,  1  Pfd.  Fleisch  und  1  Pinte  Wein. 
In  der  Garnison  liefert  der  Staat  nur  das  Brot,  wofür  er  1  Sous  pro  Tag 
vom  Solde  abzog. 

Sobald  der  Staat  irgendwelche  Fürsorge  für  den  Unter- 
halt des  Soldaten  übernahm,  also  namentlich  sobald  er  ihm 
das  Brot  —  sei  es  immer,  wie  in  Frankreich,  sei  es  zuzeiten, 
wie  in  den  meisten  deutschen  Staaten  —  lieferte,  mußte  er 
für  Bereithaltung  von  Vorräten,  insonderheit  also  wieder  für 
Aufstapelung  von  Getreide  sorgen. 

Das  geschah  dadurch,  daß  er  mögliehst  über  das  ganze 


I.  Die  Verpflegungssysteme  123 

Land  verstreut  Magazine  anlegte:  in  Frankreich  geschieht 
dies  bereits  unter  Heinrich  IV.,  dann  unter  Ludwig  XIIL  in 
weitem  Umfange  ^^*;  in  Preußen  namentlich  unter  Friedrich 
Wilhelm  I.  (1726  waren  21  Kriegsmagazine  errichtet)  ^^^ ;  von 
anderen  deutschen  Staaten  waren  Sachsen,  Böhmen  und 
Württemberg  in  gleicher  Richtung  schon  seit  dem  16.  Jahr- 
hundert vorgegangen  ^^^. 

*  * 

Die  Verhältnisse  bei  der  Marine  liegen  insofern  anders 
wie  beim  Landheer,  als  die  Selbstverpflegung  der  Mannschaft 
bei  irgendwie  größeren  Schiffstypen  und  längeren  Reisen  kaum 
durchführbar  ist.  Man  vergegenwärtige  sich,  daß  auf  einem 
Kriegsschiffe  ein  paar  hundert  oder  tausend  Mensehen  wochen- 
oder  monatelang  von  allem  Verkehr  mit  der  Außenwelt  ab- 
geschlossen sind.  Sie  müssen  also  jedenfalls  mit  großen  Vor- 
räten an  Lebensmitteln  versehen  sein.  Die  Beschaffung  dieser 
Vorräte  dem  einzelnen  zu  überlassen,  sie  einzeln  im  Schiffe 
aufzustapeln,  zu  bewachen  und  sie  dann  auch  einzeln  ver- 
zehren zu  lassen,  ist  außerordentlich  lästig.  Vorgekommen 
scheint  auch  diese  Art  der  Selbstbeköstigungen  auf  Schiffen 
zu  sein,  wohl  unter  kleinen  Verhältnissen :  in  den  Aufgeboten 
der  Republik  Genua  im  13.  Jahrhundert  werden  die  Pflichtigen 
aufgefordert,  für  Waffen,  Proviant  und  „alles  Nötige"  selbst 
zu  sorgen  22^.  Diese  Art  der  Verpflegung  wurde  „ad  apo- 
disias"  ,auf  eigene  Kosten'  genannt,  und  ihr  stand  gegenüber 
die  Anwerbung  „ad  solidos" :  das  Söldnerheer.  Aber  auch 
im  Solde  waren  zu  jener  Zeit  die  Verpflegungskosten  ein- 
begriffen. 

Die  großen  seefahrenden  Staaten,  also  namentlich  Spanien, 
Holland,  Frankreich  und  England,  scheinen  das  System  der 
Selbstbeköstigung  ihrer  Schiffsmannschaften  niemals  gekannt 
zu  .haben.  Was  verschieden  gestaltet  ist,  ist  nur  die  Form, 
in  der  die  kollektive  Beschaffung  der  Lebensmittel  für  die 
Schiffsbesatzung  erfolgt.   Hier  sind,  soviel  ich  sehe,  im  Laufe 


124  Viertes  Kapitel:    Die  Beköstigung  der  Heere 

der  Jahrhunderte  zwei  Systeme  angewandt  worden:  eins,  das 
man  das  französische  nennen  kann,  bei  dem  den  Schiffskapitänen 
die  Verproviantierung  ihrer  Schiffe  überlassen  ist,  und  ein 
englisches,  bei  dem  der  Staat  für  die  Verpflegung  der  Schiffs- 
mannschaften Sorge  trägt. 

In  Frankreich  ist  tatsächlich  bis  zur  Zeit  Colberts  es  den 
Schiffskapitänen  überlassen,  für  Offiziere  und  Mannschaft  ihrer 
Besatzung,  selbst  für  die  Landtruppen,  die  sie  an  Bord  nahmen, 
den  Unterhalt  zu  beschaffen.  Erst  unter  Colbert  wird  ein 
munitionnaire  g^nöral  eingeführt,  und  die  Verproviantierung 
erfolgt  für  mehrere  Schiffe  von  Staats  wegen  ^^s. 

In  England  hören  wir  schon  im  13.  Jahrhundert  von 
Ausgaben  für  Heringe,  Schinken  usw.,  die  als  Proviant  auf 
des  Königs  Schiffe  geschickt  wurden  2^^.  Manchmal  wird  der 
Proviant  in  natura  von  den  Ständen  geliefert  ^^^.  Im  16.  Jahr- 
hundert ist  die  staatliche  Fürsorge  durchaus  das  herrschende 
System:  vom  Staate  erhält  die  Mannschaft  ihren  Proviant 
geliefert. 

IL  Der  Bedarf  an  Lebensmitteln 

Wenn  wir  uns  der  Ausführungen  in  dem  „theoretischen" 
Teile  dieser  Schrift  erinnern,  so  wissen  wir,  daß  Größe  und 
Art  des  Bedarfs  eines  Heeres  auch  an  Lebensmitteln  bestimmt 
wird  durch  die  Stärke  der  Armee  und  die  Eigenart  des  Ver- 
pflegungssystems. 

Die  Menge  der  Truppen,  die  unter  Waffen  stehen,  be- 
stimmt immer  die  absolute  Größe  des  Bedarfs;  das  heißt  be- 
stimmt die  Anzahl  von  Mündern,  die  gespeist  sein  wollen,  ohne 
daß  ihre  Träger  bei  der  Erzeugung  der  Güter  mithelfen. 
Denn  das  ist  natürlich  das  ökonomisch  Wichtige  dabei,  daß  im 
Heere  ebenso  viele  Nur-Konsumenten  geschaffen  werden,  als 
Krieger  (oder  Kriegerfamilien)  da  sind.  Diese  Eigenschaft,  Nur- 
Konsument  zu  sein,  hat  der  Soldat  immer,  gleichgültig,  ob  er 


II.  Der  Bedarf  an  Lebensmitteln  125 

seinen  Unterhalt  in  natura  bezieht  oder  ihn  von  einem  Pro- 
duzenten einkauft. 

Das  Verpflegungssystem  entscheidet  dann  darüber,  in 
welchem  Umfange  ein  durch  größere  Heere  hervorgerufener 
größerer  Bedarf  an  Lebensmitteln  ein  Massenbedarf,  das 
will  sagen:  ein  zusammengeballter,  einheitlich,  im  Ganzen  auf- 
tretender Bedarf,  wird.  Nicht  nötig,  zu  sagen,  daß  ein  großer 
Bedarf  um  so  eher  ein  Massenbedarf  wird,  je  weiter  die  Zen- 
tralisation der  Bedarfsdeckung  fortgeschritten  ist.  Ferner: 
wenn  die  Zentralisation  nur  in  Kriegszeiten  eintritt,  je  länger 
die  Kriege  dauern.  Endlich  (bei  Schiffen),  je  weiter  sich  die 
Ausreisen  dehnen. 

Die  Notwendigkeit,  größere  Truppenmassen  für  eine 
längere  Seereise  zu  verproviantieren,  hat  wohl  zuerst  einen 
Massenbedarf  an  Lebensmitteln  erzeugt.  Und  hat  ihn  zu  einer 
Zeit  hervorgerufen,  als  die  Welt  noch  in  Träumen  dahinlebte.  Es 
muß  mächtige  Erschütterungen  in  den  traumseligen  Menschen 
jener  Tage  hervorgerufen  haben,  wenn  eines  Tages  in  Genua 
sich  die  Nachricht  verbreitete:  Philipp  August  von  Frank- 
reich will  sein  Kriegsheer  mit  Proviant  und  Pferdefutter  für 
8  Monate  und  mit  Wein  für  4  Monate  versehen  ^^^ 

Oder  wenn  der  Ausrufer  durch  die  Dörfer  Frankreichs 
ritt  und  verkündete,  was  die  Bailliage  an  Lebensmitteln  auf- 
zubringen und  nach  Calais  zu  liefern  habe  für  die  Ausrüstung 
der  dort  sich  einschiffenden  Truppen. 

Wir  besitzen  eine  Übersicht  über  die  einzelnen  Leistungen,  die  den 
Baillis  im  Jahre  1304  aufgegeben  wurden.  Die  Ziffern  sind  natürlich 
ebensowenig  voll  zu  nehmen  wie  die  einer  mittelalterlichen  Gestellungs- 
liste. Sie  drücken  wohl  immer  nur  das  erhoffte  Maximalquantum  aus. 
Immerhin  geben  sie  doch  eine  annähernde  Größenvorstellung  von  den 
Mengen,  die  in  so  früher  Zeit  für  die  Verpflegung  eines  Heeres  zu- 
sammengebracht werden  mußten.  An  ihrer  Richtigkeit  ist  wohl  nicht  zu 
zweifeln.  Die  Aufstellung  findet  sich  im  Reg.  XXXV  des  Tresor  des 
chartes  Nr.  138  und  ist  abgedruckt  bei  Boutaric,  278/79. 

„Requirierungen,  die  im  Januar  1304  den  Baillis  aufgegeben  wurden 
(behufs  Lieferung  nach  Calais): 


126  Viertes  Kapitel:    Die  Beköstigung  der  Heere 

Bailliage  de  Sens:   250  Malter  (Muids)  Getreide,  500  Tonnen  Wein, 

150  Malter  Hafer; 
B.  de  Caen:  500  Malter  Getreide,  500  Tonnen  Wein,  500  Malter  Hafer, 

1000  lebende  Schweine,  1000  Schinken,  10  Malter  Erbsen,  10  Malter 

Bohnen ; 
B.  de  Mäcon:  500  Stück  Hornvieh,  1000  Hammel; 
B.  d'Auvergne:  1000  Stück  Hornvieh,  2000  Hammel,  1000  Schinken; 
B.  de  Troyes:  10000  Pfd.  Wachs,  4000  Pfd.  Mandeln,  20  Brote  Zucker 
B.  de  Gisor:  500  Malter  Getreide,  500  Malter  Hafer,  10  Malter  Erbsen, 

10  Malter  Bohnen; 
B.  de  Caux:  250  Malter  Getreide,  500  Tonnen  Wein,  250  Malter  Hafer, 

1000  Schinken; 
B.  de  Ronen:  500  Malter  Getreide,  100 Tonnen  Wein,  500 Malter  Hafer, 

1000  Schinken,  100  Poisses  Salz; 
B.  de  Senlis:  250  Malter  Getreide,  500  Tonnen  Wein,  250  Malter  Hafer ; 
B.  de  Touraine:   500  Malter  Getreide,  1000  Pipen  Wein,  500  Malter 

Hafer,  40  Pipen  Öl,  40  charches  Salz; 
B.  de  Bourges:    4000   Hammel ,   500  Stück  Hornvieh ,    500   lebende 

Schweine ; 
B.  de  Coutance:    500  Malter  Hafer,    1000   lebende    Schweine,    1000 

Schinken,  500  Stück  Hornvieh; 
B.  d' Orleans:  200  Malter  Getreide,  200  Malter  Hafer,  500  Stück  Horn- 
vieh, 1000  Hammel; 
Sen6chauss^e   de  Poitou:    1000  Tonnen  Wein,    10  Tonnen  Essig, 

500  Stück  Hornvieh; 
S6n.  de  Saintonge:  1000  Tonnen  Wein,  10  Tonnen  Essig,  500  Stück 

Hornvieh. 

Dann  trat  aber  ein  rechter  und  ständiger  Massenbedarf 
an  Lebensmitteln  natürlich  erst  auf,  als  die  modernen  Heere 
und  Flotten  entstanden.  Namentlich  die  Flottenausrüstung 
heischte  frühzeitig  eine  regelmäßige  starke  Zufuhr  von  Pro- 
viant. Die  entscheidende  Wandlung  scheint  hier  in  das  16.  Jahr- 
hundert zu  fallen.  Damals  ging  man  dazu  über,  die  Schiffe 
im  Winter  zu  verproviantieren,  und  ein  englisches  Reglement 
stellt  eine  Verproviantierung  von  2  zu  2  Monaten  für  4  Monate 
als  Norm  fest.  Freilich,  diese  Forderungen  wurden  noch  nicht 
regelmäßig  erfüllt:  1522  klagt  der  englische  Admiral  Surrey, 
daß  er  trotz  jenes  eben  erwähnten  Reglements  höchstens  für 
8  Tage  Proviant  an  Bord  habe.  1545  wird  von  den  Franzosen 
ausdrücklich  gemeldet,  daß  sie  für  2  Monate  Proviant  bei  sich 


II.  Der  Bedarf  an  Lebensmitteln  127 

führen  2^^.  Diese  höheren  Ansprüche  an  das  Verpflegungs- 
"wesen  hingen  damit  zusammen,  daß  man  seit  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  ganz  andere  Gepflogenheiten  bei  der  Hand- 
habung der  Kriegsschiffahrt  walten  ließ.  Bis  in  die  Zeit 
Heinrichs  VIII.  hatten  die  Flotten  Soldaten  gelandet  und 
waren  umgekehrt;  oder  sie  hatten  den  Feind  geschlagen 
und  waren  umgekehrt :  nun  begann  die  Ära  der  langen 
Fahrten. 

Was  aber  schon  im  16.  Jahrhundert  an  Proviantmengen 
bei  größeren  Unternehmungen  in  Frage  kam,  zeigen  die  Be- 
stände  an  Nahrungsmitteln,   die  die  spanische   Armada   im 
Jahre  1588  mit  sich  führte.     Wir  sind  auch  darüber  sehr 
genau    und    zuverlässig    unterrichtet    und    wissen,    daß    die 
195  Schiffe  dieser  Flotte  an  Bord  nahmen  ^^^: 
110000  Zentner  Biskuit, 
11117  Mayors  (ä  5t),2  gal.)  Wein, 
6000  Zentner  Schweinefleisch, 
3000        „        Käse, 
6000        „        Fisch, 
4000        „        Reis, 

6000  Fanegas  (ä  1,5  bush.)  Erbsen  und  Bohnen, 
10000  Arrobas  (ä  3,5  gal.)  Öl, 
21000        „        Essig, 
11000  Pipen  Wasser. 

Im  17.  Jahrhundert  häuften  sich  die  Gelegenheiten,  in 
denen  so  große  Massen  Proviant  in  kurzer  Zeit  —  das  gab 
dem  Ganzen  erst  sein  eigentümliches  Gepräge  —  aufgebracht 
werden  mußten.  So  erfahren  wir  beispielsweise  von  einer 
plötzlich  auftretenden  Nachfrage  bei  der  englischen  Flotte 
nach  7  500000  Ibs.  Brot,  7  500000  Ibs.  Beef  und  Schwein, 
10000  Fässern  (butts)  Bier,  außer  Butter,  Käse,  Fisch  usw., 
was  alles  binnen  ganz  kurzer  Zeit  (die  Länge  ist  nicht  an- 
gegeben) zu  beschaffen  ist^^*. 


128  "Viertes  Kapitel:    Die  Beköstigung  der  Heere 

Den  Holländern  kostet  der  Unterhalt  ihrer  Flotte  im 
Jahre  1672  für  7  Monate  6972  768  fl.^ss. 

Sehr  detaillierte  Aufstellungen  für  die  Proyiantierung 
eines  Schiffes  oder  einer  Flotte  um  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts findet  man  beiDeChenneviöresin  seinen  Details 
militaires  I  (1750),  288  seg. 

Man  wird  nun  vielleicht  meinen,  das  Schiffsverprovian- 
tierungsproblem  sei  gar  kein  spezifisch  militärisches,  da  ja 
auch  jedes  Handelsschiff  mit  Mund  verrat  für  die  Mannschaft 
versehen  werden  muß.  Ja  —  aber  die  Größe  der  Provian- 
tierungen  waren  ganz  andere  bei  den  Kriegsschiffen,  und  erst 
diese  Ausweitung  des  Versorgungsspielraumes 
enthielt  das  Problematische. 

Man  muß  sich  stets  vor  Augen  halten,  wie  geringfügig 
die  Besatzungen  der  Kauffahrteischijffe  im  Vergleich  zu  denen 
der  Kriegsschiffe  war.  Im  Mittelalter  schon  waren  auf  den 
Kriegsschiffen  große  Menschenmassen  zusammengepfercht:  die 
Oaleeren  waren  die  Kriegsschiffe  der  italienischen  See- 
mächte, und  Galeeren  waren  Ruder  schiffe  und  schon  des- 
wegen sehr  viel  stärker  bemannt  als  gleich  große  Segelschiffe. 
Schon  im  13.  Jahrhundert  ,haben  die  Galeeren  der  Republik 
Genua  140  Ruderer  2^^.  Im  Jahre  1285  kommen  184  Mann 
auf  ein  Fahrzeug.  Ein  gleich  großes  Handelsschiff  hatte  viel- 
leicht kaum  20  Mann  an  Bord.  Selbst  wenn  die  Kauffahrtei- 
Segelschiffe  mit  Kriegern  zu  ihrem  Schutze  ausgerüstet  waren, 
wiesen  sie  im  12.  und  13.  Jahrhundert  nur  folgende  Besatzungen 
auf:  25,  50,  32,  85,  60,  55,  50,  45.  Die  Sache  änderte  sich 
sofort  wieder,  wenn  die  Handelsschiffe,  mit  oder  ohne  Ladung 
fahrend,  hauptsächlich  auf  den  Krieg  oder  die  Kaperei  ge- 
rüstet waren ;  dann  wurden  sie  unverhältnismäßig  viel  stärker 
bemannt;  sie  hießen  dann  „armiert",  navis  armata,  und  hatten 
dann  folgende  Besatzungen :  zwei  Schiffe  haben  1234  600  Mann, 
€in  pisanisches  Schiff  hat  1125  400  Mann,  ein  anderes  Schiff 


II.  Der  Bedarf  an  Lebensmitteln  129 

gleicher  Herkunft  hat  500,  ein  venetianischer  Kauffahrer  hat 
900  Mann  an  Bord^a^. 

Im  16.  Jahrhundert  rechnete  man  bei  Kriegsschiffen  3  Mann 
auf  5  Tonnen  brutto:  ein  Drittel  Soldaten,  ein  Siebentel 
des  Restes  Feuerwerker  (gunners)  und  der  Rest  Seeleute; 
bei  Handelsschiffen  dagegen  nur  1  Mann  auf  5  Tonnen  netto: 
ein  Zwölftel  Feuerwerker,  der  Rest  Seeleute  2^^. 

Es   kamen   bei  diesem  Besatzungsverhältnis  also  recht 

stattliche  Mannschaften  auf  Kriegsschiffen  heraus.   Unter  den 

15  englischen  Schiffen,  die  ein  amtliches  Verzeichnis  des  Jahres 

1513289  aufführt,  sind 

2  mit  700  Mann  an  Bord :   400  Soldaten  +  260  Matrosen 

+  40  Feuerwerker; 
1  mit  600  Mann  an  Bord :  350  Soldaten  +  230  Matrosen 

4-  20  Feuerwerker; 
1  mit  550  Mann  an  Bord:   300  Soldaten  +  210  Matrosen 

+  40  Feuerwerker ;  J 

1  mit  400  Mann  an  Bord:  200  Soldaten  +  180  Matrosen 

+  20  Feuerwerker ; 

2  mit  300  Mann  an  Bord:   150  Soldaten  +  130  Matrosen 

+  20  Feuerwerker; 
2  mit  300  Mann  an  Bord:  150  Soldaten  +  135  Matrosen 
+  15  Feuerwerker 

usw. 
Zieht  man  die  Zahl  der  Schiffe  in  Betracht,  die  zusammen 
gegen  den  Feind  zogen,  so  handelte  es  sich  leicht  um  recht 
große  Massen  von  Soldaten  und  Matrosen,  die  sich  an  Bord 
befanden.  1511  verspricht  Heinrich  VIII.,  mit  3000  Mann 
den  Kanal  freizuhalten.  1513  werden  für  die  englische  Flotte 
(außer  der  Besatzung  von  28  Lastschiffen)  2880  Seeleute  an- 
geworben. 1514  befinden  sich  auf  23  Königsschiffen,  21  ge- 
mieteten und  15  Lastschiffen  3982  Seeleute  und  447  Artille- 
risten (gunners),  also  4429  Mann  ohne  die  Soldaten  2*0. 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  9 


130  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

Aber  auch  beim  Landheere  wuchsen  die  Bedarfsmengen 
begreiflicherweise  rasch.    Beispiele: 

Die  12  000  Mann  Brandenburger,  die  1694  als  Hilfstruppen 
am  Rhein  und  in  den  Niederlanden  standen,  erhielten  (außer 
.  einem  Geldlohn  von  monatlich  38 180  Talern)  2  Pfund  Brot 
pro  Mann  und  Tag.  Das  ergab  für  11 608  Gemeine  und  Unter- 
offiziere täglich  23216  Pfund,  in  31  Tagen  also  719696  Pfund; 
144  Pfund  Brot  auf  1  Zentner  Mehl  Nürnberger  Gewicht  ge- 
rechnet, ergab  es  4898  Zentner  Mehlbedarf  pro  Monat  ^^^ 
1727  werden  200000  Taler  aus  dem  Tresor  angewiesen,  um 
dafür  Roggen  zu  kaufen  für  die  Kriegsmagazine^*^.  In  den 
21  preußischen  Magazinen  lagerten  am  Ende  der  Regierungs- 
zeit Friedrich  Wilhelms  I.  45000  Wispel:  eine  ausreichende 
Versorgung  von  200000  Menschen  auf  ein  Jahr  2*^.  Man 
rechnete  in  Preußen  im  18.  Jahrhundert  2  Pfund  Brot  pro 
Tag  und  Mann,  was  7  Scheffel  im  Jahre  ausmacht.  Die 
preußische  Armee  brauchte  also  schon  während  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  24000—25000  Wispel  Getreide, 
während  die  Zivilbevölkerung  Berlins  1720  nur  7200  Wispel 
beanspruchte  ^**. 

Ähnliche  Ziffern  ergeben  sich  für  die  Armeen  der  anderen 
Länder.  Dupr6  d'Aulnay  stellt  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
folgende  Rechnung  für  Frankreich  auf^*^:  die  Versorgung 
einer  Armee  von  150000  Mann  mit  Kommißbrot,  das  sind 
54  Millionen  Rationen  im  Jahr,  erheischt  300000  Sack  Ge- 
treide zu  200  Ib. ;  also  30  000  t.  Wir  werden  sehen,  wenn  wir 
jetzt  die  verschiedenen  Wege  verfolgen,  auf  denen  die  Deckung 
eines  so  riesigen  Bedarfes  stattfand,  daß  das  eine  Menge  war, 
die  nur  aus  einem  einzigen  Hafen  (Danzig)  damals  ausgeführt 
wurde. 


IIL  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppen  Verpflegung     131 

III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung 
der  Truppenverpflegung 

Soviel  ich  sehe,  hat  man  an  dem  in  dieser  Überschrift 
ausgedrückten  Probleme  bisher  immer  nur  die  negative  Seite 
beachtet:  man  ist  den  zerstörenden  Wirkungen  nachgegangen, 
die  räuberische  Erpressungen  oder  übermäßige  Belastungen 
durch  Heere  in  einem  Lande  ausüben  können  oder  ausgeübt 
haben.  Dieser  Teil  des  Problems  hat  sogar  eine  fast  er- 
schöpfende Behandlung  erfahren  in  dem  einschlägigen  Artikel 
in  Krünitz'  Enzyklopädie.  Aber  das  Problem  hat  auch  einen 
sehr  bedeutsamen,  positiven  Inhalt,  der  in  der  Frage  ent- 
halten ist:  welchen  aufbauenden,  schöpferisch  umgestaltenden 
Einfluß  das  Verpflegungswesen  in  dieser  oder  jener  Zeit  ge- 
habt hat,  welche  Rolle  es  insbesondere  wiederum  bei  der 
Herausbildung  des  modernen  Kapitalismus  gespielt  hat.  Was 
ich  da  an  Zusammenhängen  sehe,  ist  das  Folgende: 

1.  Die  Tatsache,  die  ich  schon  hervorhob,  daß  eine  Armee 
immer  eine  Masse  von  Nur-Konsumenten  darstellt,  die  in  den 
Zeiten  des  europäischen  Mittelalters  und  noch  mehr  in  den 
letzten  Jahrhunderten  ihren  Bedarf  der  Regel  nach  durch  Ein- 
kauf deckten,  wirkt  dort,  wo  die  Tauschwirtschaft  erst  in  den 
Anfängen  sich  befindet,  zweifellos  insofern  auflösend  auf  das 
Wirtschaftsleben  ein,  als  durch  diese  beständige  Nachfrage  von 
Geldbesitzern  ein  Anreiz  zur  marktmäßigen  Produktion 
geschaifen  wird.  Die  tauschwirtschaftlichen  Beziehungen  ge- 
winnen also  an  Umfang  und  Stärke.  Und  das  bedeutet  un- 
zweifelhaft eine  Beschleunigung  auch  der  kapitalistischen  Ent- 
wicklung, die  fast  überall  die  tausch  wirtschaftliche  Organi- 
sation zum  Ausgangspunkte  nimmt.  Wenn  in  einem  ökonomisch 
so  rückständigen  Lande,  wie  Preußen  es  im  18.  Jahrhundert 
noch  war,  die  belebende  Einwirkung  der  großen  kaufkräftigen 
Armee  nicht  dagewesen  wäre,  durch  die  erst  einmal  die  alten 
bäuerlich  eigenwirtschaftlichen  Formen  des  Wirtschaftslebens 

9* 


132  Viertes  Kapitel:    Die  Beköstigung  der  Heere 

gesprengt  wurden,  so  hätte  der  Kapitalismus  sicher  hundert 
Jahre  länger  warten  müssen ,  ehe  er  diesen  Bissen  auch  ver- 
schlingen konnte.  Die  Nachfrage  der  Truppen  nach  Lebens- 
mitteln —  ganz  gleich,  ob  sie  vom  einzelnen  Soldaten  oder 
vor  einer  zentralen  Stelle  ausgeht  —  spielt  hier  also  gleich- 
sam die  Rolle  eines  Schrittmachers  des  Kapitalismus.  Daß 
aber  eine  solche  stimulierende  Wirkung  sehr  wohl  von  der 
Armee  ausgehen  konnte,  sagt  uns  die  bloße  Gegenüberstellung 
der  Bevölkerungsziffern.  Wir  haben  gesehen,  daß  in  Preußen 
1740  und  1786  das  Heer  in  Friedenspräsenzstärke  etwa  4"/o 
der  Bevölkerung  ausmachte :  in  einer  Zeit,  als  sicherlich  noch 
60— 70®/o  der  Bevölkerung  im  Rahmen  der  Eigenwirtschaft 
ihren  Bedarf  befriedigte.  In  kleinen  Städten  und  auf  dem 
platten  Lande  werden  die  Soldaten  und  wird  der  Militär- 
fiskus damals  gewiß  oft  der  einzige  Käufer  von  Belang  über- 
haupt gewesen  sein.  Friedrich  Wilhelm  I.  sah  am  besten  diese 
„belebende"  oder  auflösende  und  die  Entwicklung  zu  „höheren" 
Formen  des  Wirtschaftslebens  treibende  Einwirkung  seiner 
Truppen  ein.  Ich  glaube,  er  hatte  aufs  Wort  recht,  als  er 
sagte : 

„Wenn  meine  Armee  außer  Landes  marschiert,  so  werden 
die  Accisen  nicht  das  dritte  Theil  so  viel  tragen,  als  wenn  die 
Armee  im  Lande,  die  rerum  pretium  werden  fallen,  als  dann 
die  Ämter  ihre  Pacht  nicht  richtig  abtragen  werden  können.*' 

2.  Engstens  im  Zusammenhange  mit  jener  ersten  Wirkung, 
die  ein  großes  Heer  auf  die  Gestaltung  des  Wirtschaftslebens  aus- 
übt, steht  eine  zweite:  die  Bedeutung  eines  solchen  Heeres  als 
städtebildender  Faktor.  Diese  Bedeutung  kann  natürlich 
nur  dort  hervortreten,  wo  die  Truppen  in  Städten  garnisoniert 
werden,  oder  wo  so  viel  Truppen  an  einer  Stelle  liegen,  daß 
eine  Stadt  aus  dieser  Anhäufung  hervorwächst.  Jede  Be- 
gründung und  jede  Vergrößerung  einer  Stadt  bedeutet  immer 
aber  wiederum  einen  Schritt  weiter  auf  der  Bahn,  die  zum 
Kapitalismus  führt.     Wie    dieser  eine  tauschwirtschaftliche 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    133 

Organisation  zur  Voraussetzung  einer  geschichtlichen  Ent- 
wicklung hat,  so  auch  eine  Agglomeration  der  Bevölkerung 
in  Städten.  Will  man  nicht  zugehen,  daß  diese  eine  not- 
wendige Vorbedingung  für  die  Entstehung  des  Kapitalismus 
sei,  so  wird  man  nicht  leugnen  können,  daß  durch  eine  rasche 
Vergrößerung  der  städtischen  Siedelungen  der  Kapitalismus 
eine  wesentliche  Förderung  erfährt. 

Daß  nun  aber  namentlich  die  modernen  Heere  in  weitem 
Umfange  städtebildend  gewirkt  haben,  ist  zweifellos.  Icli 
führe  wieder  Preußen  als  Beispiel  an,  weil  hier  die  revo- 
lutionierende Wirkung,  die  die  Armee  auf  das  Wirtschafts- 
leben ausgeübt  hat,  vielleicht  am  deutlichsten  zutage  tritt. 

Berlin  selbst  ist  ja  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
eine  reine  Garnisonstadt:  1740  besteht  die  Militärbevölkerung 
aus  21309  Köpfen;  die  Gesamteinwohnerzahl  beträgt  etwa 
90000.  Will  man  nun  annehmen,  daß  von  jedem  Militär- 
menschen ein  zweiter  Mensch  gelebt  habe,  so  würde  die 
Hälfte  der  Stadt  durch  die  Garnisonierung  der  Truppen  in 
ihr  gebildet.  1754  stieg  die  Militärbevölkerung  auf  25  255, 
1776  auf  30501  Köpfe  (nach  Koser). 

Noch  schlagender  fast  sind  die  Ziffern  der  kleinen  Städte : 
Halle  erhält  durch  die  Garnison  einen  Zuwachs  von  3 — 4000 
Menschen,  also  vielleicht  von  einem  Viertel  seiner  Bevölkerung ; 
Magedeburg  hatte  (1740)  19580  Einwohner  und  eine  Garnison 
von  5 — 6000  Köpfen  dazu;  Stettins  Bevölkerung  bezifferte 
sich  (1740)  auf  12740;  seine  Garnison  zählte  4 — 5000  Menschen 
(Soldaten  mit  Weibern  und  Kindern)  ^*^ 

3.  Haben  wir  bisher  nun  feststellen  können,  daß  die 
Heere  mit  ihrem  wachsenden  Bedarf  an  Lebensmitteln  auf 
Umwegen  zur  Entwicklung  des  Kapitalismus  beitragen,  daß 
sie  gleichsam  seine  Schrittmacher  sind,  so  gilt  es  nunmehr 
doch  den  Nachweis  zu  führen,  daß  der  Kapitalismus  durch 
die  Ausgestaltung,  die  das  Truppenverpflegungswesen  in  den 
modernen  Staaten  erfährt,  auch  unmittelbar  gefördert  wird. 


134  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

Freilich:  die  Zusammenhänge  zwischen  der  Beschaffung  der 
Lebensmittel  für  die  Armeen  und  der  Ausbildung  des  kapita- 
listischen Wirtschaftssystems  liegen  nicht  so  greifbar  deutlich 
zutage  wie  etwa  bei  der  Waffenerzeugung  oder  wie  bei  dem 
später  darzustellenden  Bekleidungswesen.  Aber  vorhanden 
sind  sie,  ganz  gewiß.  Und  man  wird  nur  ein  bißchen  genauer 
zusehen  und  ein  bißchen  weiter  in  der  Runde  sich  umschauen 
müssen,  um  sie  zu  finden. 

Woran  ich  zunächst  denke,  ist  die  Förderung,  die  offenbar 
der  landwirtschaftliche  „Großbetrieb"  in  erster  Linie 
durch  die  Bestellungen  der  Heeresverwaltung  erfährt,  und 
die  ihn  auf  der  Bahn  des  Kapitalismus  vorwärts  treibt.  Die 
Getreideeinkäufe  der  Heeresverwaltungen  im  Großen,  die  seit 
dem  16.  Jahrhundert  immer  häufiger  werden,  sind  es,  die  die 
Rentabilität  der  großen  Landwirtschaft  allenthalben  steigern 
und  immer  mehr  Anlaß  geben,  zu  dieser  tiberzugehen.  In 
die  Zeit  vom  16.  bis  zum  18.  Jahrhundert  fällt  in  Deutsch- 
land und  Österreich  die  Ausbildung  des  Ritterguts,  dieses 
ersten  „kapitalistischen  Betriebes",  wie  Knapp  meint.  Es 
wird  nun  ohne  weiteres  behauptet  werden  dürfen  (und  ist 
auch  verschiedentlich  im  einzelnen  nachgewiesen  worden),  daß 
diese  Entwicklung  gar  nicht  hätte  eintreten  können  oder 
jedenfalls  außerordentlich  viel  langsamer  verlaufen  wäre  ohne 
die  Ausweitung  der  Getreideproduktion,  die  eine  steigende 
Nachfrage  nach  Getreide  zu  befriedigen  suchte.  Wodurch 
war  diese  steigende  Nachfrage  hervorgerufen ?  Ich  behaupte: 
im  wesentlichen  durch  die  Entstehung  der  modernen  Heere 
und  deren  wachsenden  Bedarf  an  Lebensmitteln.  Und  ver- 
suche, die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  zu  beweisen. 

Zu  diesem  Behufe  könnte  ich  Fälle  ausfindig  zu  machen 
suchen,  in  denen  der  Absatz  der  Großgüter  an  die  Armee 
außer  Zweifel  steht.  Und  solche  Fälle  gibt  es  zweifellos 
eine  ganze  Menge.  Mir  schweben  z.  B.  die  Bestellungen 
vor,  die  Wallenstein  bei  den  Vorstehern  seiner  eigenen  Güter 


in.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung     135 

macht  ("Wallenstein  war  nicht  nur  ein  großer  Feldherr,  sondern 
ein  vielleicht  noch  größerer  und  gerissenerer  Geschäftsmann !), 
und  die  oft  auf  ganz  große  Beträge  gehen.  Diese  Lieferungen 
des  eigenen  Getreides,  an  dem  er  als  Produzent  und  als  Feld- 
herr Profit  machte,  dienten  als  regelmäßige  Ergänzung  der 
sonst  durch  Plünderung  oder  Erpressung  aufgebrachten  Unter- 
haltsmittel für  die  Wallensteinschen  Heere.  So  bestellt  er 
am  13.  März  1626  30000  Strich  (ä  93,6  1)  Getreide  von  seinen 
Gütern  2*^ 

Oder  mir  kommen  die  Getreideeinkäufe  ganz  großen 
Stils  in  den  Sinn,  die  Gustav  Adolf  für  seine  Armee  in  Ruß- 
land machte  2*^ 

Oder  ich  denke  an  die  offensichtliche  Bevorzugung,  die 
Friedrich  Wilhelm  1.  den  Pächtern  seiner  Domanialgüter  an- 
gedeihen  läßt,  wenn  er  Einkäufe  für  die  Kriegsmagazine 
macht  2". 

Aber  ein  einigermaßen  schlüssiger  Beweis  für  die  Richtig- 
keit meiner  Behauptung  wird  sich  auf  diesem  geraden  Wege 
kaum  führen  lassen.  Ich  schlage  deshalb  einen  Umweg  ein: 
über  den  sich  seit  dem  16.  Jahrhundert  entwickelnden  inter- 
nationalen Getreidehandel,  an  den  ich  auf  der  einen  Seite 
den  kapitalistischen  landwirtschaftlichen  Großbetrieb  an- 
knüpfe (weil  dieser  durch  ihn  ermöglicht  wird),  auf  der  andern 
die  Nachfrage  der  Heeresverwaltungen  (weil  sie  zur  Ent- 
stehung dieses  Marktes  in  erster  Linie  beigetragen  haben). 
Gelingt  mir  der  Nachweis,  daß  der  internationale  Getreide- 
handel des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts  im  wesentlichen 
dem  modernen  Heerwesen  seine  Existenz  verdankt,  so  habe 
ich  damit  eine  neue  wichtige  Beziehung  zwischen  Militarismus 
und  Kapitalismus  aufgedeckt,  insofern  als  jener  Handel  selbst, 
wie  zu  zeigen  sein  wird,  eine  ganz  große  Manifestation  des 
Kapitalismus,  eine  der  frühesten  auf  kommerziellem  Gebiete, 
gewesen  ist.  Deshalb  fasse  ich  diesen  Teil  meiner  Dar- 
stellung auch  als  eine  besondere  Einheit  zusammen; 


136  Viertes  Kapitel:  Die  Beköstigung  der  Heere 

4.  Der  europäische  Getreidehandel  zerfällt  deut- 
lich in  zwei  ziemlich  scharf  voneinander  geschiedene  Epochen : 
in  die  Zeit  bis  zum  Ende  des  16.  Jahrhunderts  und  die  Zeit 
seitdem.  Was  die  beiden  Epochen  unterscheidet,  sind  der 
geographische  Umkreis,  über  den  sich  der  Handel  erstreckte, 
und  die  Mengen  des  in  den  Handel  gebrachten  Getreides. 
Seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  eigentlich  so  recht  erst 
seit  dem  17.  Jahrhundert,  gibt  es  einen  internationalen  Ge- 
treidehandel, dessen  Sitz  eine  kurze  Zeit  Antwerpen  und  dann 
Amsterdam  ist,  und  ebenfalls  seit  jener  Zeit  weitet  sich  der 
Umfang  des  Handels,  man  ist  versucht  zu  sagen:  plötzlich, 
sprunghaft  aus. 

Der  bedeutendste  Getreidehandel  des  Mittelalters  war 
der  italienische,  der  die  norditalienischen  Städte,  namentlich 
wohl  Venedig,  mit  Zufuhren  aus  Stiditalien  und  dem  Pontua 
(dies  in  bescheidenen  Grenzen)  versorgte.  Die  Umsatzmengen 
sind  für  mittelalterliche  Verhältnisse  bedeutend:  die  Aus- 
fuhrscheine, die  die  Florentiner  Bankhäuser  aufzukaufen 
pflegten,  um  damit  zu  spekulieren,  lauten  im  14.  Jahrhundert 
auf  durchschnittlich  100—120000  Salme  ^^o,  nach  meiner  Be- 
rechnung etwa  10 — 15000  t.  Nehmen  wir  an,  daß  die  Hälfte 
oder  auch  zwei  Drittel  dieser  Mengen  wirklich  zur  Ausfuhr 
gelangten,  so  hätten  wir  mit  Umsätzen  von  5 — 10  000  Tonnen 
zu  rechnen :  das  Doppelte  und  Dreifache  der  größten  nordischen 
Getreidehandelsplätze  in  Hamburg,  Stettin,  Reval  usw. 

Alle  Ziffern,  die  für  die  Zeit  bis  ins  16.  Jahrhundert 
wesentlich  größere  Umsätze  angeben,  sind  apokryph.  Auch 
für  den  Getreidehandel  Antwerpens  im  16.  Jahrhundert,  der 
vielleicht  schon  schon  recht  bedeutend  war,  haben  wir  meines 
Wissens  keine  zuverlässigen  Angaben.  Es  ist  wirklich  nicht 
statthaft,  einem  Chronisten  nachzuschreiben:  daß  2500  (!) 
Schiffe  damals  auf  der  Scheide  ankerten,  daß  Jahr  für  Jahr 
60000  Last  Getreide  aus  der  Ostsee  und  den  Niederlanden 
in  Antwerpen  ausgeladen  wurden.   Möglich  ist  es.   Es  können 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    137 

aber  ebensogut  bloß  6000  gewesen  sein.  Immer  wieder  (und 
leider  immer  noch!)  ist  unsern  Historikern  zu  predigen:  die 
ihr  jede  Urkunde  so  gewissenhaft  prüft,  seid  auch  statistischen 
Angaben  gegenüber,  namentlich  solchen,  die  die  Handels- 
umsätze, den  Schiffsverkehr  betreffen,  etwas  kritischer! 

Zum  Exempel,  wie  vag  die  Schätzungen  des  Antwerpener 
Handels  im  16.  Jahrhundert  sind:  Marino  Cavallo  beziffert 
die  gesamte  ostländische  Einfuhr  (Korn,  Leinen,  Holz)  auf 
350000  Dukaten,  Guicciardini  um  dieselbe  Zeit  die  Korn- 
einfuhr allein  auf  Vk  Millionen  Dukaten. 

Erst  im  17.  Jahrhundert  begegnen  wir  Ziffern,  die  einen 
(für  damalige  Begriffe)  großen  Getreideumsatz  aufweisen,  und 
deren  Richtigkeit  doch  nicht  anzuzweifeln  ist.  Das  sind  ins- 
besondere die  Zahlen,  die  wir  für  die  Ausfuhr  von  Getreide 
aus  Danzig  besitzen.  Da  gibt  es  eine  „Spezifikation  von  ein- 
und  ausgegangenen  Graanen  in  Danzig  a«  1618,  1649  bisz 
ao  1790",  die  sich  jetzt  im  Besitze  der  Danziger  Getreide- 
firma Lickfett  befindet,  und  aus  der  der  Bearbeiter  der  Acta 
Borussica  Auszüge  macht.  Die  Ziffern  tragen  den  Stempel 
der  Zuverlässigkeit.  Leider  wird  uns  nicht  mitgeteilt,  woher 
sie  stammen.  Möglicherweise  sind  es  Aufzeichnungen  von 
Getreidemaklern.  Die  Richtigkeit  der  Ziffern  wird  auch  durch 
die  Tatsache  wahrscheinlich  gemacht,  daß  auch  in  anderen 
Häfen  in  jener  Zeit  ein  starkes  Anschwellen  des  Getreide- 
handels sich  bemerkbar  macht,  daß  insbesondere  der  große 
Umsatz  auf  dem  Amsterdamer  Getreidemarkt  verbürgt  ist. 
Danzig  und  Amsterdam  sind  die  beiden  Angeln,  um  die  sich 
der  Getreidehandel  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  dreht,  der 
seiner  Richtung  nach  einen  durchaus  internationalen  Charakter 
trägt,  da  von  Amsterdam  aus  das  Getreide  in  alle  europäischen 
Länder  weitergehandelt  wurde. 

Die  Getreideausfuhr  aus  Danzig,  von  einigen  ganz  großen 
und  ganz  kleinen  Jahren  abgesehen,  schwankt  um  die  50000  Last, 
was  etwa  60000  t  entspricht,  herum.    Das  Jahr  1618  weist 


138  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

die  stattliche  Menge  von  115219  Last  auf,  während  1649 
998O8V2  Last  30  Scheffel  aus  dem  Danziger  Hafen  heraus- 
gingen. Leider  sind  wir  über  den  Umsatz  auf  dem  Amster- 
damer Getreidemarkt  nicht  ebenso  genau  unterrichtet  wie 
über  die  Ausfuhr  aus  Danzig.  Wir  dürfen  aber  annehmen, 
daß  er  nicht  nur  fast  die  ganze  Danziger  Ausfuhr,  sondern 
auch  noch  die  aus  anderen  Ostsee-  und  Nordseeländern  auf- 
nahm. Wie  rasch  sich  der  „oosterliehe"  Handel  Hollands  hob, 
zeigt  die  Zahl  der  Schiffe,  die  den  Sund  passierten :  die  betrug 
1536  510,  1640  dagegen  1600  ^^i. 

Diese  Ziffern  beweisen  wohl  1.  die  recht  beträchtliche 
Ausdehnung  des  Amsterdamer  Getreidehandels,  dessen  Umsatz- 
wert sich  auf  10 — 20  Mill.  fl.  belief,  und  der  sicherlich  (das 
dürfen  wir  aus  anderen  Anzeichen  ohne  weiteres  schließen) 
in  beträchtlichem  Umfange  in  kapitalistischen  Bahnen  wandelte: 
ein  Anzeichen  seines  hohen  Entwicklungsgrades  scheint  mir 
die  (bisher,  soviel  ich  sehe,  unbeachtet  gebliebene)  Tatsache 
zu  sein,  daß  er  sich  offenbar  zum  Teil  schon  in  der  Form  des 
Typenhandels  abspielte  ^^^ ;  2.  der  Umstand,  daß  dieser  Handel 
im  wesentlichen  den  Absatz  der  deutschen  (und  russisch- 
polnischen) Rittergüter  besorgte,  da  wir  das  Getreide  des 
Bauern  nicht  in  diesem  großen  Verkehr  vermuten  dürfen. 
Wie  aber  steht  es  mit  den  Abnehmern  des  Amsterdamer 
Getreides?  Waren  das  wirklich,  wie  ich  vermute,  in  erster 
Linie  die  europäischen  Heere?  Wer  konnte  sonst  als  Ab- 
nehmer in  Betracht  kommen? 

Man  hat,  soweit  man  sich  diese  Frage  überhaupt  gestellt 
hat,  etwas  voreilig  geantwortet :  die  zunehmende  Bevölkerung 
namentlich  in  den  Städten. 

Ist  das  eine  plausible  Erklärung?  Man  müßte  in  erster 
Linie  an  London  und  Paris  denken,  die  beiden  größten  Städte. 
Aber  von  denen  ist  es  uns  gerade  ziemlich  sicher  bekannt, 
daß  sie  ihren  Bedarf  an  Lebensmitteln  durchaus  noch  inner- 
halb der  eigenen  Länder  deckten.   Von  London,  das  um  1600 


ni.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung   139 

eine  halbe  Million  Einwohner  gehabt  haben  wird,  wird  es 
uns  für  diese  Zeit  ausdrücklich  bestätigt  ^^^i  „London  macht 
die  Grafschaften  von  Norfolk,  Suffolk,  Essex,  Kent  und  Sussex 
blühend ;  ihre  Stärke  und  ihre  Reichtümer  beruhen,  wie  wohl 
bekannt  ist,  nicht  so  sehr  auf  Vorzügen  ihres  Bodens  als  auf 
ihrer  Nachbarschaft  und  Nähe  zu  London." 

Die  Beschreibung,  die  wir  von  der  Organisation  des 
Getreide-  und  Mehlhandels  in  England  während  der  ersten 
Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  besitzen,  läßt  es  als  ziemlich 
sicher  erscheinen,  daß  damals  die  Versorgung  Londons  immer 
noch  durch  die  Provinzen  erfolgte :  die  Getreidehändler  kaufen 
das  Getreide  bei  den  Farmern  auf,  bei  denen  sie  herumreiten, 
und  bringen  es  zu  Markte.  Hier  kaufen  es  die  Müller,  von 
denen  es  wiederum  die  Bäcker  Londons  direkt  beziehen  2^*. 

Ebenso  bewegt  sich  die  Verproviantierung  von  Paris 
während  des  ganzen  17.  und  18.  Jahrhunderts  in  national- 
wirtschaftlichem Rahmen  ^^^. 

Wo  aber  waren  sonst  Großstädte  aufgesprungen?  Im 
Osten  Europas.  Sie  kommen  gar  nicht  in  Betracht.  Madrid 
im  17.  Jahrhundert:  wurde  mit  spanischem  Getreide  versorgt. 
Amsterdam  selbst:  wurde  im  18.  Jahrhundert  nicht  größer 
und  verzehrte  nur  einen  kleinen  Teil  der  in  Amsterdam  an- 
gebrachten Getreidemengen.  Wir  wissen  ja  auch,  daß  der 
Amsterdamer  Getreidehandel  Zwischenhandel  war.  Also  die 
italienischen  Städte.  Neapel  wuchs  beträchtlich,  wurde  aber 
sicher  von  Süditalien  und  Sizilien  versorgt.  Die  norditalie- 
nischen Städte  gehen  im  17.  und  18.  Jahrhundert  sämtlich 
an  Einwohnerzahl  zurück.  Ein  Ausfall  an  Getreideeinfuhr 
mag  immerhin  durch  die  Eroberung  Konstantinopels  durch 
die  Türken  entstanden  sein.  Wie  ich  denn  gewiß  nicht 
leugnen  will,  daß  sich  das  Anwachsen  des  internationalen 
Getreidehandels  zum  Teil  aus  dem  Anwachsen  der  groß- 
städtischen Bevölkerung  erklären  läßt.  Nur  scheint  es  mir 
nicht  angängig,  die  rasche  und  starke  Zunahme  der  Getreide- 


140  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

Umsätze  allein  oder  auch  nur  im  wesentlichen  auf  jene 
Bevölkerungsverschiebungen  zurückzuführen.  Ich  glaube  viel- 
mehr, daß  diese  Zunahme  sich  ungezwungen  erklären  läßt, 
wenn  man  meine  Hypothese  annimmt:  daß  der  wachsende 
Bedarf  der  Heere  den  Hauptanstoß  zur  Ausweitung  des 
Getreidehandels  bot. 

Ich  will  noch  folgende  Beweismomente  anführen: 

a)  Die  Größe  des  Heeresbedarfs,  die  wir  kennen  gelernt 
haben,  schließt  jedenfalls  die  Möglichkeit  nicht  aus,  daß 
ein  beträchtlicher  Teil  der  Amsterdamer  Zufuhr  von  den 
Armeen  aufgenommen  wurde:  eine  Armee  von  150000  Mann 
mit  Brot  zu  versorgen,  heischte  etwa  30000  t  Getreide  im 
Jahr.  Ludwig  XIV.  schon  stand  mit  200000  Mann  im  Felde. 
Die  Armee  Friedrichs  des  Großen  hatte  eine  Friedenspräsenz- 
stärke von  180000  Mann.  Die  Getreideausfuhr  von  Danzig 
schwankte  um  50000  t. 

b)  Die  Getreidehandelspolitik  aller  Militärstaaten  ist 
während  des  17.  und  18.  Jahunderts  stark  militaristisch 
orientiert.  Eberhard  von  Danckelmann  betrachtet  es  ebenso 
wie  Colbert  als  selbstverständlich,  daß  die  Getreidehandels- 
politik in  erster  Linie  den  Interessen  der  Armee  dienen  solle  ^^*. 
Ein  Zeichen,  wie  sehr  man  die  Versorgung  des  Heeres  mit 
Nahrungsmitteln,  also  vor  allem  mit  Getreide,  als  ein  Problem 
empfand. 

c)  Urteilsfähige  Beobachter  des  Amsterdamer  Handels 
sprechen  es  unumwunden  aus,  daß  der  Getreideumsatz  durch 
den  Heeresbedarf  wesentlich  bestimmt  wurde.  Der  kundige 
Davenant,  der  bekannte  Generalinspektor  der  englischen 
Aus-  und  Einfuhr,  konstatiert  für  die  Jahre  1701 — 14  eine 
„beispiellose  Zunahme"  des  holländischen  Getreidehandels  ^'^'^ 
und  meint,  daß  die  Spekulation  auf  dem  Weltmarkt  Amsterdam 
in  Kriegszeiten  einen  völlig  zügellosen  Charakter  annehme. 

d)  "Wir  können  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  die 
tatsächlich  vorhandenen  Beziehungen  zwischen  dem  Amster- 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    141 

damer  Getreidemarkt  und  den  Heeresverwaltungen  fest- 
stellen : 

aa)  Schon  1556  (noch  vor  der  Blütezeit  Amsterdams)  er- 
bieten sich  die  oosterschen  Kaufleute,  dem  Könige  von  Spanien 
(also  für  die  Armee!)  so  viel  Last  Roggen,  wie  man  begehren 
werde,  nach  den  Niederlanden  zu  liefern  für  24  fl.  die  Last  ^^s, 

bb)  Als  Ludwig  XIV.  seine  Heere  rüstete,  mit  denen  er 
1672  in  Holland  (!)  einfallen  wollte,  lieferten  ihm  die  Amster- 
damer (!)  Kaufleute  das  nötige  Getreide  2'^. 

cc)  Die  Piemonteser  Heeresverwaltung  tritt  als  Käuferin 
auf  dem  Amsterdamer  Getreidemarkt  während  des  spanischen 
Erbfolgekrieges  auf.  In  diesem  Falle  können  wir  deutlich 
verfolgen,  wie  die  Notdurft  der  Heeresversorgung  die  Inter- 
nationalität  des  Getreidebezugs  förmlich  erzwang :  Erst  braucht 
Piemont  das  Getreide  seines  Landes  auf.  Dann  greifen  die 
Käufer  hinüber  nach  der  Lombardei,  Emilia,  Romagna :  Genua 
ist  der  Markt,  auf  dem  sich  die  Regierung  versorgt.  Dann 
aber  schickt  sie  ihre  Agenten  bis  nach  Venedig,  wo  allein  im 
Jahre  1709  durch  Vermittlung  der  Bankiers  für  mehr  als  1  Mill. 
Lire  Getreide  eingekauft  wird.  Von  1706  ab  wird  auch  Holland 
aufgeführt:  große  Posten  Getreide  werden  auf  dem  Seewege 
nach  Piemont  geschafft  (und  —  nebenbei  —  bezahlt  mit  den 
Subsididiengeldern  Hollands !)  ^ß». 

dd)  Selbst  der  Preußenkönig  Friedrich  Wilhelm  I.  glaubt 
sich  der  Amsterdamer  Kaufleute  bedienen  zu  sollen,  um  das 
nötige  Getreide  für  seine  Armee  heranzuschaffen:  am  5.  Mai 
1737  befiehlt  der  König  dem  Generaldirektorium  „unter  der 
Hand  und  ohne  bruit  Nachricht  einzuziehen",  ob  man  in 
Amsterdam  nicht  100  000  Scheffel  Getreide  ä  1  Thlr.  erhalten 
könne  ^^^ 

Alles  in  allem  scheint  mir  die  Richtigkeit  meiner  Hypothese 
erwiesen.  Man  sollte  auf  Handlungsbücher  Amsterdamer 
Getreidefirmen  aus  jener  Zeit  fahnden,  um  volle  Gewißheit  zu 
schaffen. 


142  Viertes  Kapitel:  Die  Beköstigung  der  Heere 

Zur  Bestätigung  meiner  Ansicht  führe  ich  noch  an,  daß 
■wir  von  einem  anderen  bedeutenden  internationalen  Korn- 
raarkt  des  17.  Jahrhunderts :  Basel,  genau  wissen,  daß  er  vor 
allem  der  Versorgung  der  Heere  diente.  „Die  Baseler  Kauf- 
leute wußten  die  Konjunkturen  des  Dreißigjährigen  Krieges 
stets  von  neuem  zu  Kornspekulationen  zu  verwerten.  Sie 
mögen  das  Getreide  zum  Teil  aus  der  inneren  Schweiz,  haupt- 
sächlich wohl  aus  den  am  Kriege  unbeteiligten  französischen 
Landen  bezogen  haben."  ^ea 

Die  Erwähnung  der  „Kornspekulation"  führt  uns  zur 
Betrachtung  eines  neuen  Punktes  weiter. 

5.  Nicht  genug,  daß  einer  der  ersten  Handelszweige, 
die  auf  breiter  kapitalistischer  Basis  sich  entwickeln,  wesent- 
lich durch  die  Einwirkung  der  neuen  Heeresbildungen  zum 
Blühen  gebracht  wird :  die  Anforderungen,  die  die  Verpflegung 
der  Truppen  an  den  Warenmarkt  stellt,  führen  zu  ganz 
neuen  Formen  des  Handels,  die  bestimmt  waren,  diesem 
für  die  nächste  Zukunft  sein  eigentümliches  Gepräge  zu 
verleihen.  Soviel  ich  nämlich  sehe,  entsteht  das,  was  wir 
einen  Lieferungs-  oder  Zeithandel  nennen,  im  unmittelbaren 
Anschluß  an  die  Bestellungen  der  Heeresverwaltung.  Man 
verlegt  die  Anfänge  dieser  modernen  Handelsformen  gewöhnlich 
in  das  17.  Jahrhundert  nach  Holland  und  macht  (wie  das  so 
üblich  ist)  die  geographische  Ausweitung  der  Handels- 
beziehungen für  die  Entstehung  des  Lieferungshandels  ver- 
antwortlich. Demgegenüber  ist  die  Tatsache  festzustellen, 
daß  Lieferungsverträge  zwischen  der  Heeresverwaltung  und 
Einzelkaufleuten  oder  Gesellschaften  von  Kaufleuten  in  Frank- 
reich und  England  bereits  im  16.  Jahrhundert  häufige  Er- 
scheinungen sind.  Die  Regierungen  beider  Länder  gingen 
fast  zu  gleicher  Zeit  dazu  über,  die  Beschaffung  der  Unter- 
haltsmittel für  Heer  und  Flotte,  die  bis  dahin  staatlichen 
Organen  obgelegen  hatte,  auf  den  Handel  abzuwälzen:  zwischen 
Produzent  (oder  sonstigem  Verkäufer)  und  Armeeverwaltung 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    143 

schob  sich  nun  der  Lieferant,  der  Entrepreneur  oder  Munition- 
naire,  wie  er  in  Frankreich,  der  Contractor,  wie  er  in 
England  hieß. 

Den  ersten  Schritt  auf  der  Bahn  des  Lieferungswesens 
tat,  soviel  ich  sehe,  England,  wo  die  Verproviantierung  der 
Flotte  rasch  wachsende  Schwierigkeiten  bot.  "Wir  können  jetzt 
an  der  Hand  der  durch  Oppenheim  und  andere  zutage  ge- 
förderten Materialien  den  Gang,  den  das  Marineverpflegungs- 
wesen in  England  genommen  hat,  ziemlich  deutlich  verfolgen. 

Im  15.  und  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  be- 
gegnen wir  königlichen  Beamten,  die  mit  der  Verprovian- 
tierung der  Flotte  beauftragt  sind:  the  Kings  purveyors.  Sie 
beschaffen  die  nötigen  Lebensmittel  mittels  Requirierung :  „by 
purveyance".  1550  wird  die  Proviantverwaltung,  wie  wir  schon 
sahen,  zentralisiert,  ein  victualling  department  wird  geschaffen ; 
Edw.  Baeshe  wird  angestellt  als  „General  Surveyor  of  Vic- 
tuals  for  the  Seas".  Bald  darauf  jedoch  —  1565  —  wird  das 
Requirierungssystem  aufgehoben:  Baeshe  erhielt  von  da  ab 
4V2  d  pro  Mann  und  Tag  im  Hafen,  5  d  auf  See  (Beträge, 
die  dann  fortgesetzt  erhöht  wurden)  und  hat  dafür  bestimmte 
Rationen  zu  liefern:  das  erste  Lieferungsgeschäft  war  damit 
abgeschlossen.  Erst  wenn  2000  Mann  und  mehr  auf  einmal 
zu  beköstigen  sind,  nimmt  er  das  Recht  der  zwangsweisen 
Eintreibung  in  Anspruch.  Baeshe  verpflichtet  sich,  jederzeit 
einen  Monatsproviant  für  1000  Mann  vorrätig  zu  haben.  Dieser 
Lieferungsvertrag  —  agreement  —  zwischen  Baeshe,  der  hier 
lediglich  als  Geschäftsmann  auftritt,  und  der  Krone  ist  künd- 
bar auf  6  Monate. 

Das  System  bewährte  sich :  1596  werden  auf  diesem  Wege 
13000,  1597  „after  timely  notice"  9200  Mann  beköstigt.  Für 
Beköstigung  der  Truppen  auf  See  in  den  Jahren  1614 — 1617 
wurden  40861  ^  12  sh  11  d  bezahlt  ^^s^ 

1622  ist  die  Proviantlieferung  für  die  Flotte  an  zwei 
Unternehmer ,  Sir  Allen  Apsley  und  Sir  Sampson  (!)  Darrek, 


144  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

vergeben,  die  auf  Lebenszeit  den  Titel  „General  Purveyors  of 
the  Victuals  of  His  Majestys  Navy"  führen.  Die  Rationen, 
die  zu  liefern  sie  sich  verpflichten,  betragen :  täglich  1  Pfund 
Biskuit,  1  Gallone  Bier,  viermal  wöchentlich  2  Pfund  ge- 
salzenes Rindfleisch  oder  zweimal  dafür  1  Pfund  Schinken 
oder  Schweinefleisch  und  1  Pinte  Erbsen;  für  die  übrigen 
drei  Tage  der  Woche :  1  Quarter  Stockfisch,  V2  Quarter  eines 
Pfundes  Butter  und  1  Quarter  eines  Pfundes  Käse.  Die  Unter- 
nehmer haben  (gegen  Entgelt)  das  Recht,  alle  königlichen 
Brauereien,  Bäckereien,  Mühlen  usw.  in  Tower  Hill,  Dover, 
Portsmouth  und  Rochester  zu  benutzen  2^*. 

1650  schließen  Col.  Pride  und  fünf  andere  einen  Liefe- 
rungsvertrag mit  der  Krone  ab,  worin  sie  sich  verpflichten, 
die  Flotte  zu  verproviantieren  zum  Satze  von  8  d  pro  Kopf 
zur  See,  7  d  pro  Kopf  im  Hafen;  1653  beträgt  die  Seerate 
8  d  bis  9  d. 

1654  kündigen  die  Contractors  den  Vertrag.  Die  Folge 
ist:  ein  Victualling  Office  mit  Gap.  Romeo  Aldeme  an  der 
Spitze  wird  eingesetzt.  Karl  II.  legt  die  Seeproviantierung 
wieder  in  die  Hände  eines  Contractors:  Denis  Gauden,  dem 
1668  zwei  verantwortliche  Personen  vom  König  beigegeben 
werden.  1683  werden  Commissioners  of  Victualling  angestellt, 
die  Clerks  und  purveyors  mit  sich  haben.  Bei  der  Beschaffung 
der  Lebensmittel  auf  dem  Wege  der  privaten  Lieferungs- 
verträge bleibt  es  aber  wohl  trotz  dieser  neuen  Intendantur- 
beamten 2^^. 

In  Frankreich  besorgten  das  Geschäft  der  Lebens- 
mittelbeschaffung für  das  Heer  bis  in  die  Zeit  Heinrichs  III. 
hinein  die  Manutentionnaires,  die  königliche  Beamte  waren; 
«ie  hatten  die  Lieferungen  der  Lokalbehörden  in  Empfang 
zu  nehmen,  die  ihrerseits  mittels  des  Requirierungssystems 
die  nötigen  Nahrungsmittel  zusammenbrachten.  An  Stelle 
dieses  Selbstbeschaffungsverfahrens  tritt  unter  Heinrich  III. 
das  Lieferungswesen :  Kauf  leute  wurden  damit  beauftragt,  so- 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung   145 

undso  viel  von  den  und  den  Bedarfsartikeln  zu  dem  und  dem 
Preise  zu  liefern.  Der  erste  Vertrag  solcher  Art  wurde  im 
Jahre  1575  bei  der  Belagerung  von  Lusignan  mit  einem 
reichen  Bürger  von  Niort,  Amaury,  abgeschlossen  ^^^  Die 
Lieferanten,  die  sich  meist  zu  mehreren  zusammentaten  und 
Lieferungsgesellschaften,  compagnies,  bildeten,  hießen,  wie 
schon  erwähnt,  munitionnaires.  Auf  ihnen  ruhte  das  fran- 
zösische Verpflegungswesen,  bis  Choiseul  im  Jahre  1765  die 
Lebensmittelbeschaifung  für  die  Armee  wieder  in  eigene  Regie 
nahm  und  damit  „die  enormen  Profite",  die  die  Kriegslieferanten 
hier  (wie  überall)  gemacht  hatten,  dem  Staate  zugute  kommen 
ließ  267. 

Diese  Reform  hat  aber  wohl,  wie  so  viele  der  Maßnahmen 
Choiseuls,  keine  Dauer  gehabt:  das  Lieferanten  System  wurde 
nur  vorübergehend  beseitigt.  Jedenfalls  begegnen  wir  ihm 
während  der  Revolutionskriege  wieder.  Damals  entwickelte 
sich  ein  mächtiges  und  reiches  Lieferantentum. 

Nach  und  nach  gingen  während  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts wohl  alle  kriegführenden  Nationen  zu  dem 
Lieft rungssystem  über.  Der  Militärlieferungshandel  (der  sich 
auch  auf  die  Lieferung  von  Wafi'en,  Munition,  Pferden,  Be- 
kleidungsgegenständen usw.  erstreckte)  wurde  ein  ganz  wichtiger 
Zweig  des  Handels,  an  dem  außerordentlich  viel  verdient  worden 
ist.  (Wenn  ich  im  folgenden  noch  einige  seiner  Eigenarten  auf- 
weise, so  denke  ich  an  die  Lieferung  aller  Gebrauchsgüter 
für  das  Heer.) 

6.  Mit  der  letzten  Bemerkung:  es  sei  viel  an  den  Liefe- 
rungen für  die  Armee  „verdient"  worden,  habe  ich  einen 
Punkt  berührt,  der  ebenfalls  der  Beachtung  und  Hervorhebung 
wert  ist:  ich  meine  die  vermögenbildende  Kraft,  die 
dem  Militärlieferungshandel  off"enbar  als  solchem  in  hervor- 
ragendem Maße  innewohnt. 

Zu  allen  Zeiten  sind  Kriegslieferungen  ganz  besonders 
einträglich  gewesen,  weil  bei  ihnen  die  Notlage  eines  ganzen 

Sombart,  Erleg  nnd  Eapitalismns  10 


146  Viertes  Kapitel :   Die  Beköstigung  der  Heere 

Staates  ausgenutzt  werden  kann.  So  wissen  wir  von  den 
raschen  Bereicherungen  englischer  Kaufleute  durch  Kriegs- 
lieferungen im  14.  Jahrhundert  ^"^  aber  ebenso  im  15.  und  16.^*^, 
ebenso  im  17.  und  18.  Jahrhundert.  Und  zwar  scheint  es, 
als  oh  in  den  früheren  Zeiten  auch  handwerksmäßige  Existenzen 
als  Lieferanten  aufgetreten  seien,  so  daß  der  Militärlieferungs- 
handel, was  ihm  besondere  Bedeutung  verleiht,  zu  den  primär 
vermögenbildenden  Zweigen  des  Wirtschaftslebens  gehört. 

Wir  dürfen  das  für  das  Mittelalter  ohne  weiteres  an- 
nehmen, da  es  uns  selbst  für  die  frühkapitalistische  Epoche 
von  einem  so  vortrefflichen  Beobachter  wie  Defoe  bestätigt 
wird.    Dieser  berichtet  darüber  wie  folgt ^''°: 

„A  great  many  families  rais'd  within  few  years,  in  the  late  war 
by  great  employments  and  by  great  actions  abroad  to  the  honour  of  the 
English  Gentry;  yet  how  many  more  iamilies  among  the  tradesmen  have 
rais'd  immense  estates,  even  during  the  same  time,  by  attending  circum- 
stances  of  the  war?  such  as  the  cloathing,  the  paying,  the  victualing 
and  furnishing  etc.  both  army  and  navy  . . .  how  ordinary  is  it  to  see  a 
tradesmen  go  off  of  the  stage,  even  but  from  mere  shop-keeping,  with, 
from  10  to  40000  £,  estates  to  divide  among  his  family." 

Eine  große  Rolle  hat  die  Bereicherung  aus  Kriegsliefe- 
rungen von  jeher  in  Frankreich  gespielt,  und  hier  wird  uns 
sogar  für  das  18.  Jahrhundert  ausdrücklich  bestätigt,  daß  auf 
diesem  Wege  häufig  Vermögen  aus  dem  Nichts  entstanden. 
Während  der  Revolutionskriege  drängte  sich  „eine  Menge 
Unternehmer  herbei,  die  Kontrakte  eingehen  wollten.  Aber  was 
waren  dies  für  Leute?  Wie  ich  schon  oben  gesagt  habe,  Menschen 
ohne  Vermögen.  Der  Reiche  verbarg  sein  Geld.  Die  damaligen 
Machthaber  Frankreichs  mußten  daher  mit  Lieferanten  unter- 
handeln, denen  sie  entweder  große  Summen  vorausbezahlten 
oder  doch  Kredit  verschafften.  Auf  diese  Art  entstanden  die 
verschiedenen  Kompagnien  Godard,  Gaillard  usw."  ^'^^  die 
meist  zu  großem  Reichtum  gelangten.  Die  berühmteste  (und 
berüchtigste)  dieser  Gesellschaften  war  die  Compagnie  Godard, 
die  in  einem  Jahre  13  Mill.  Frs.  Forderungen  an  die  Regierung 
gehabt  haben  soll. 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    147 

Eine  gründliche  Untersuchung  des  Militärlieferungswesens 
wäre  eine  reizvolle  und  gewiß  an  vielen  Aufschlüssen  reiche 
wissenschaftliche  Aufgabe,  die  ich  natürlich  in  diesem  Zu- 
sammenhange nicht  lösen  kann,  ohne  den  Rahmen  dieser 
Studie  zu  zersprengen.  Ich  will  hier  nur  auf  einen  Punkt 
noch  hinweisen,  der  mir  besonderer  Beachtung  wert  erscheint: 
das  ist  (und  damit  scheint  mir  abermals  eine  wichtige  Be- 
ziehung zwischen  Heeresverproviantierung  und  modernem 
Kapitalismus  aufgedeckt  zu  sein) 

7.  die  intime  Verbindung,  die  zwischen  der  Armeelieferung 
und  der  Judenschaft  zu  allen  Zeiten  bestanden  hat.  Wer 
die  wirtschaftliche  Entwicklung  der  Juden  seit  dem  Mittelalter 
verfolgt,  dem  fällt  nichts  so  sehr  auf  als  dies:  wie  häufig 
es  Juden  sind,  die  die  Armeen  mit  allen  nötigen  Sachgütern 
ausrüsten. 

Solange  sie  in  Spanien  das  Wirtschaftsleben  beherrschten,  war  es 
natürlich,  daß  sie  auch  als  Heereslieferanten  eine  hervorragende  Rolle 
spielten.  Aber  auch  in  den  Ländern ,  in  denen  sie  nach  ihrer  Ver- 
treibung ihre  Tätigkeit  entfalteten,  üben  sie  sofort  dieses  einträglichste 
aller  Gewerbe  mit  Vorliebe  aus.  Wir  begegnen  ihnen  in  England 
während  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  in  der  gedachten  Eigenschaft. 
Während  des  Commonwealth  ist  der  bei  weitem  bedeutendste  Heeres- 
lieferant Ant.  Fern.  Carvajal,  „the  great  Jew",  der  zwischen  1630  und 
1635  in  London  einwandert  und  sich  bald  zu  einem  der  leitenden  Kauf- 
leute des  Landes  aufschwingt.  Im  Jahre  1649  gehört  er  zu  den  fünf 
Londoner  Kaufleuten,  denen  der  Staatsrat  die  Getreidelieferung  für  das 
Heer  überträgt ^''2.  In  der  darauffolgenden  Periode,  namentlich  in  den 
Kriegen  Wilhelms  III.,  tritt  als  „the  great  contractor"  vor  allem  Sir 
Solomon  Medina,  „the  Jew  Medina",  hervor,  der  daraufhin  in  den  Adels- 
stand erhoben  wird^'^ 

Und  ebenso  sind  es  Juden,  die  auf  der  feindlichen  Seite  im 
spanischen  Erbfolgekriege  die  Heere  mit  dem  Nötigen  versorgen: 
„Und  bedient  sich  Frankreich  jederzeit  ihrer  Hülffe,  bey  Krieges-Zeiten 
seine  Reuterey  beritten  zu  machen"  ^'^*.  1716  berufen  sich  die  Straßburger 
Juden  auf  die  Dienste,  die  sie  der  Armee  Ludwigs  XIV.  durch  Nach- 
richten und  Proviant  geleistet  haben  ^''^  Jakob  Worms  hieß  der  Haupt- 
kriegslieferant Ludwigs  XIV.  "6.  Im  18.  Jahrhundert  treten  sie  dann 
in  dieser  Eigenschaft  in  Frankreich  immer  mehr  hervor.  Im  Jahre  1727 
lassen  die  Juden  von  Metz  innerhalb  von    sechs  Wochen  2000  Pferde 

10* 


148  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

zum  Verzehr  und  mehr  als  5000  als  Eemonte  in  die  Stadt  kommen  2'''. 
Der  Marschall  Moritz  von  Sachsen,  der  Sieger  bei  Fontenay,  äußerte: 
daß  seine  Armeen  niemals  besser  verproviantiert  gewesen  seien,  als  wenn 
er  sich  an  die  Juden  gewandt  hätte  "^.  Eine  als  Lieferant  hervorragende 
Persönlichkeit  zur  Zeit  der  beiden  letzten  Ludwige  war  Cerf  Beer,  von 
dem  es  in  seinem  Naturalisationspatent  heißt:  „que  la  derniere  guerre 
ainsi  que  la  disette,  qui  s'est  fait  sentir  en  Alsace  pendant  les  annees 
1770  et  1771  lui  ont  donne  l'ocasion  de  donner  des  preuves  de  zele  dont 
il  est  anime  pour  notre  service  et  celui  de  rEtat"^^''.  Ein  "Welthaus 
ersten  Ranges  im  18.  Jahrhundert  sind  die  Gradis  von  Bordeaux:  der 
Abraham  Gradis  errichtete  in  Quebec  große  Magazine,  um  die  in 
Amerika  fechtenden  französischen  Truppen  zu  versorgen  2^**.  Eine  hervor- 
ragende Rolle  spielen  die  Juden  in  Frankreich  als  Fournisseure  unter 
der  Revolution,  während  des  Direktoriums  und  auch  in  den  napoleonischen 
Kriegen  281. 

Auch  in  Deutschland  finden  wir  die  Juden  frühzeitig  und  oft  aus- 
schließlich in  den  Stellungen  der  Heereslieferanten.  Im  16.  Jahrhundert 
ist  da  der  Isaak  Meyer,  dem  Kardinal  Albrecht  bei  seiner  Aufnahme  zu 
Halberstadt  1537  mit  Rücksicht  auf  die  bedrohlichen  Zeitläufte  die  Be- 
dingung stellt,  „unser  Stift  mit  gutem  Geschütz,  Harnisch,  Rüstung  zu 
versorgen";  und  der  Josef  von  Rosheim,  der  1548  einen  kaiserlichen 
Schutzbrief  empfängt,  weil  er  beim  König  in  Frankreich  Geld  und  Pro- 
viant für  das  Kriegsvolk  verschafit  hatte.  Im  Jahre  1546  begegnen  wir 
böhmischen  Juden,  die  Decken  und  Mäntel  an  das  Kriegsheer  liefern  ^^. 
Im  17.  Jahrhundert  (1633)  wird  dem  böhmischen  Juden  Lazarus  bezeugt, 
daß  er  „Kundschaften  und  Avisen,  daran  der  Kaiserlichen  Armada  viel 
gelegen",  einholte  oder  auf  seine  Kosten  einholen  ließ,  und  sich  stets 
bemühte,  „allerlei  Kleidung  und  Munitionsnotdurft  der  Kaiserlichen  Ar- 
mada zuzuführen"  28^.  Der  Große  Kurfürst  bediente  sich  der  Leimann 
Gompertz  und  Salomon  Elias  „bei  seinen  kriegerischen  Operationen  mit 
großem  Nutzen,  da  sie  für  die  Notwendigkeiten  der  Armeen  mit  vielen 
Lieferungen  an  Geschütz,  Gewehr,  Pulver,  Montierungsstücken  etc.  zu 
tun  hatten"  28*.  In  der  „Spezification,  was  ich  vor  die  neue  Esca- 
dron  ausgegeben",  heißt  es:  3.  An  den  Juden  Levin  Mejer  wegen 
die  angeschaffte  Pferde  bis  Ausgang  Juny  1719  13483  Rtlr.  (von  ins- 
gesamt 23408  Rtlr.  13  Gr.  9  Pf.)^»«.  Samuel  Julius:  Kaiserl.  KönigL 
(Remonte-)  Pferde-Lieferant  unter  Kurfürst  Friedrich  August  von 
Sachsen,  die  Familie  Model:  Hof-  und  Kriegslieferanten  im  Fürsten- 
tum Ansbach  (17.,  18.  Jahrhundert)  ^^e  jyjan  spricht  von  „jüdischer 
Rimonta",  wenn  die  Pferde  besonders  billig  beschafft  werden  ^"^ 
„Dannenhero  sind  alle  Commissarii  Juden,  und  alle  Juden  sind  Com- 
raissarii"  sagt  apodiktisch  Moscherosch  in  den  Gesichten  Philanders 
von  Sittewald  288, 


III.  Die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Truppenverpflegung    149 

Die  ersten  reichen  Juden,  die  unter  Kaiser  Leopold  nach  der  Aus- 
treibung (1670)  wieder  in  Wien  wohnen  durften :  die  Oppenheimer,  Wert- 
heimer,  Mayer  Herschel  usw.  waren  alle  auch  Armeelieferanten.  Samuel 
Oppenheimer,  „Kaiserlicher  Kriegsoberfaktor  und  Jud",  wie  er  offiziell 
bezeichnet  wurde  und  sich  auch  selbst  zu  unterfertigen  pflegte,  schloß 
namentlich  in  den  Feldzügen  des  Prinzen  Eugen  „fast  alle  bedeutenden 
Proviant-  und  Munitionslieferungen  ab"^^®.  Zahlreiche  Belege  für  die 
auch  im  18.  Jahrhundert  fortgesetzte  Tätigkeit  als  Armeelieferanten  be- 
sitzen wir  für  alle  österreichischen  Lande  ^®^. 

Endlich  sei  noch  der  jüdischen  Lieferanten  Erwähnung  getan,  die 
während  des  Revolutionskrieges  (ebenso  wie  später  während  des  Bürger- 
krieges) die  amerikanischen  Truppen  verproviantierten 2^^. 

"Wir  sind  im  Verlauf  dieser  Studie  schon  einmal  auf  die 
Juden  gestoßen:  als  wir  die  Aufbringung  der  Mittel  für  die 
Kriegszwecke  untersuchten.  Dort  traten  sie  uns  als  die  Geld- 
geber und  vor  allem  als  diejenigen  entgegen,  die  dem  Staate 
durch  Versachlichung  des  Schuldverhältnisses  (Ausbildung  der 
börsenmäßig  gehandelten  Partialobligation)  es  ermöglichten, 
größere  Anleihen  aufzunehmen.  Dort  sehen  wir  sie  sich  am 
Kriege  bereichern,  hier  sehen  wir  sie  wieder  am  Kriege  sich 
bereichern:  am  Kriege,  den  andere  Völker  untereinander 
führten.  Ihre  eigentümliche  soziale  Lage  und  ihre  Ver- 
anlagung setzte  sie  in  den  Stand,  hier  Funktionen  besser  zu 
erfüllen  als  Christen,  und  so  kamen  sie  gerade  durch  die 
Kriege  zu  Reichtum  und  Ehren  (Hofjuden !) ;  durch  die  Kriege 
wurde  ihnen  auf  den  angedeuteten  Wegen  vielerorts  erst  der 
Zugang  zu  den  Quellen  der  nationalen  Volkswirtschaft  er- 
schlossen. Die  wirtschaftliche  Vorherrschaft  der  Juden  in 
Europa  und  Amerika  ist  nicht  zuletzt  ein  Werk  des  Krieges. 
Was  das  aber  bedeutet,  was  es  vor  allem  für  die  Ausgestaltung 
des  kapitalistischen  Wirtschaftssystems  bedeutet,  habe  ich  hier 
um  so  weniger  nötig  darzustellen,  als  mein  Buch:  „Die  Juden 
und  das  Wirtschaftsleben"  diesem  Gegenstande  gewidmet  ist. 


150  Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

Der  Einfluß,   den   die  Verpflegung  der  Heere  innerhalb 

der  Sphäre   der  gewerblichen  Produktion  ausübt,  ist 

begreiflicherweise  geringer.  Vorhanden  ist  er  auch  hier :  in  der 

Sphäre  der  Bäckerei  sind  die  ersten  Großbetriebe  die  Militär- 

brotbäckereien^^^,    die    in    einem   Lande    wie   Preußen, 

dessen  Gewerbe  im  wesentlichen  noch  im  handwerksmäßigen 

Rahmen  betrieben  wurden,  eine  stark  revolutionierende  Wirkung 

haben  mußten. 

*  * 

* 

Anhang:  Ganz  ähnlich  wie  die  Lieferung  der  Nahrungs- 
mittel für  die  Heere  war  auch  die  Lieferung  der  Pferde 
organisiert :  sie  lag  in  den  Händen  reicher ,  meist  jüdischer 
Händler  und  bildete  ebenfalls  eine  Quelle  rascher  Bereiche- 
rung, wie  uns  gelegentlich  berichtet  wird.  Das  Material, 
das  uns  genaueren  Aufschluß  über  das  Remontewesen  geben 
könnte,  ruht  noch  in  den  Archiven.  Was  bisher  an  wissen- 
schaftlicher Behandlung  dem  Gegenstande  zuteil  geworden  ist, 
erschöpft  das  Problem  keineswegs.  Die  ausführlichste  Dar- 
stellung hat  der  Gegenstand  erfahren  in  dem  Buche  von 
E.  0.  Mentzel,  Die  Remontierung  der  preußischen  Armee 
in  ihrer  historischen  Entwicklung  und  jetzigen  Gestaltung. 
2  Teile,  1845 — 71.  Einige  gelegentliche  Bemerkungen  finden 
sich  hie  und  da  zerstreut.  Recht  brauchbare  z.  B.  in  dem 
schon  öfters  genannten  Buche  Gius.  Pratos  über  die  Kosten 
des  spanischen  Erbfolgekrieges  für  Piemont.  Dort  wird  uns 
z.  B.  berichtet,  daß  nach  der  Schlacht  von  Turin  2024  Pferde 
bei  der  Kavallerie  in  Abgang  gekommen  sind;  daß  jedes  im 
Auslande  gekaufte  Pferd  durchschnittlich  18  Louisd'or,  jedes 
im  Inlande  gekaufte  100—150  £  kostete.  Wir  erfahren  auch, 
daß  die  Lieferungen  im  großen  abgeschlossen  wurden:  z.  B. 
im  Jahre  1704  mit  dem  Bankhause  Lullin  &  Nicolas  über 
Beschaffung  von  1300  Pferden  ^'s. 


151 


Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung 
der  Heere 


I.  Die  Bekleidungssysteme 

Den  Anfang  macht  auch  hier  die  Eigenfürsorge  jedes 
Kriegers  für  seine  Bekleidung.  Der  Landsknecht  brachte 
seine  Anzüge  mit,  so  wie  er  sie  für  gut  hielt.  Aber  auch 
die  Krieger  in  den  Ordonnauzkompagnien  Karls  des  Kühnen 
(1471),  also  schon  einer  Art  von  „stehendem  Heer",  haben 
noch  selbst  für  ihre  Bekleidung  (ebenso  wie  für  ihre  Be- 
waffnung) zu  sorgen  ^^*.  Denselben  Zustand  treffen  wir  auf 
der  englischen  Flotte  zur  Zeit  der  Elisabeth  an^^^. 

Wenn  eine  höhere  Instanz  sich  um  das  Bekleidungswesen 
zu  bekümmern  anfängt,  so  geschieht  es  manchmal,  ähnlich  wie 
wir  es  bei  der  Beköstigung  schon  kennen  gelernt  haben,  in 
der  Form  einer  indirekten  Fürsorge:  man  überläßt  es  zwar 
dem  einzelnen  Krieger  noch,  sich  nach  eigenem  Gutdünken 
und  auf  seine  Kosten  zu  equipieren,  achtet  aber  darauf,  daß 
er  gute  und  preiswerte  Ware  beim  Einkauf  vorfindet. 

So  verfuhr  die  englische  Regierung  auf  ihrer  Flotte  im  17.  Jahr- 
hundert: 1623  werden  den  Matrosen  „slop  clothes"  zum  Kauf  von  den 
Proviantmeistern  angeboten;  wir  erfahren  auch,  aus  welchem  Grunde: 
weil  die  Mannschaft  zu  arg  verlumpt  und  verdreckt  einherging  und  es 
zu  sehr  auf  dem  Schiffe  stank  und  die  Gefahr  ansteckender  Krankheiten 
durch  diesen  Schmutz  heraufbeschworen  wurde:  „To  avoyde  nastie 
beastlyness  by  continuall  wearinge  of  one  suite  of  clothes  and  therebie 
boddilie  diseases  and  un  wholesome  ill  smells  in  every  ship  . .  ."*^*.  Aber 
da  der  Ankauf  solcher  Slop-clothes  nicht  obligatorisch  war,  die  Preise 
aber  den  Leuten  zu  hoch  erschienen,  so  fanden   die   schönen  Sachen 


152  Fünftes  Kapitel:    Die  Bekleidung  der  Heere 

keine  Abnehmer:    die  Mannschaft   „bought   hardly  any  slops  and  pre- 
ferred  to  go  ragged". 

Die  Regierung  ist  aber  weiter  um  eine  vorteilhafte  Beschaffung  der 
Kleider  besorgt:  1655  wird  verordnet,  daß  kein  Schneider  Kleider  an 
Bord  schaffen  darf  ohne  Lizenz  der  Navy  Commissioners.  1656  wird  der 
Preis  der  Slops  festgesetzt:  canvas-jackets  1  s  10  d  usw.  Die  commis- 
sioners übernahmen  aber  für  die  Güte  der  Kleidungsstücke  keine 
Garantie.  Verliert  der  Seemann  seinen  „Kit",  so  bekommt  er  eine  kleine 
Summe  aus  Staatsmitteln,  um  ihn  wieder  zu  kaufen  2^''. 

Aber  in  dem  Maße,  wie  die  einzelnen  Truppeukörper  sich 
in  sich  selbst  festigten  und  zu  einem  einheitlichen  Heere  zu- 
sammengeschweißt wurden,  trat  doch  die  kollektive  Bedarfs- 
deckung an  die  Stelle  der  Einzelversorgung.  Daß  ein  Truppen- 
körper als  Ganzes  bekleidet  werde,  war  ein  der  früheren  Zeit 
durchaus  vertrauter  Gedanke:  Aufgebotsheere,  Milizen  emp- 
fingen häufig  ihre  Montur  von  der  Gemeinschaft,  der  sie  im 
bürgerlichen  Leben  angehörten:  die  wehrpflichtigen  Rotten 
der  Städte  werden  meist  von  der  Stadt  bekleidet.  Aber  auch 
die  „francs  archers",  die  Karl  VIII.  von  Frankreich  aushob, 
erhielten  von  der  Gemeinde  einen  kompletten  Anzug  mit. 
Später  teilten  sich  der  König  und  die  Gemeinde  in  die  Be- 
kleidung dieser  bis  ins  18.  Jahrhundert  immer  wieder  auf- 
gebotenen Miliztruppen:  der  König  lieferte  die  Bewaffnung, 
le  grand  öquipement,  also  vor  allem  den  Anzug,  und  sorgte 
für  die  Verpflegung  während  des  Dienstes;  der  Gemeinde 
jedoch  lag  es  ob,  die  kleine  Montur  (le  petit  ^quipement), 
Hut,  Weste,  Hemd  und  Schuhwerk,  herbeizuschaffen^^^. 

Das  militärische  Unternehmertum,  das  namentlich  im  16. 
und  17.  Jahrhundert  das  Heerwesen  beherrschte,  brachte  es 
von  selbst  mit  sieh,  daß  diejenige  Instanz,  der  die  Bekleidung 
eines  Truppenkörpers  zufiel,  wenn  schon  die  Individualver- 
sorgung  aufhören  sollte,  der  Oberst  des  Regiments  oder  der 
Kompagniechef  wurden. 

Dieses  System  der  regiments-  oder  kompagnieweisen  Be- 
schaffung der  Kleidung  hat  wohl  in  allen  Militärstaaten  von 
Beginn  der  modernen  Heere  an  bis  ins  18.  Jahrhundert  hinein 


I.  Die  Bekleidungssysteme  153 

geherrscht.  In  England  2^^,  wo  schon  im  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts der  Mißbrauch  durch  Gesetze  (18  H.  VI.  eh.  18; 
2.  u.  3.  Ed.  VI.)  bekämpft  wird;  in  Frankreich ^*'°;  in  Branden- 
burg-Preußen ^°^ 

Frühzeitig  griff  aber  dann  auch  der  Staat  in  das  Be- 
kleidungswesen ein,  indem  er  sich  an  der  Ausrüstung  des 
Heeres  selbst  beteiligte.  Zunächst  neben  den  andern  In- 
stanzen, sei  es  daß  er  einen  Teil  der  Truppen  völlig  ein- 
kleidete, sei  es  daß  er  einen  Teil  der  Bekleidung  aller  Truppen 
auf  sich  übernahm. 

In  diesem  Falle  stellte  er  entweder  den  Obersten  und 
Hauptleuten  das  Rohmaterial  für  die  Kleidung,  also  nament- 
lich das  Tuch  für  die  Anzüge,  gegen  entsprechendes  Entgelt 
zur  Verfügung.    Das  geschah  z.  B.  in  Brandenburg-Preußen : 

Am  2.  Mai  1611  berichtet  Markgraf  Ernst  an  den  Kurfürsten,  man 
sei  den  beiden  Obersten  Graf  Philipp  von  Solms  und  Kracht  „über  das- 
jenige, was  sie  allbereit  an  Lohnung,  Tuch  etc.  empfangen,"  noch 
71033  Rtlr.  schuldig  8<*2^  Aber  auch  im  18.  Jahrhundert  blieb  dieses  ge- 
mischte System  in  Preußen  in  Übung:  den  Regimentskommandeuren  lag 
die  Bekleidung  ob,  das  Kriegsdepartement  aber  besorgte  die  Tuchankäufe 
und  verabfolgte  das  Tuch  im  großen  an  die  Regimenter^**'. 

Oder  der  Fürst  lieferte  einen  Teil  der  Kleidung,  die 
Offiziere  den  andern. 

So  bestimmt  es  z.  B,  ein  Vertrag '<>*  über  die  Bekleidung  des  Re- 
giments Anhalt  zu  Fuß  vom  23.  Januar  1681: 

Der  Fürst  zu  Anhalt  hat  Uniform  geliefert,  die  jetzt  erneuert  werden 
muß.  Er  schließt  mit  den  „Herren  Officiren  und  Hauptleuthen,  welche 
wirkliche  Compagnien  zu  commandiren  untergeben  worden,  nachfolgende 
Capitulation" : 

1.  er  liefert  sofort  1000  Stück  „tüchtige  lange  blaue  Tuchmantel"; 

2.  er  beläßt  den  Offizieren  das  Kleidergeld  von  10  Monaten  (2  Monate 
behält  er  für  die  Mäntel); 

3.  die  Offiziere  versprechen,  „daß  sie  von  jetzt  an,  ein  jeder  seine 
unterhabende  Compagnie  mit  völliger  guter  und  untadelhaifter 
Montirung  versehen  soll  und  will"  .  .  .,  und  zwar  jedes  Jahr 
etwas,  so  daß  nach  3  Jahren  die  gesamte  Ausrüstung  an 
Kleidern  erneuert  ist. 


154  Fünftes  Kapitel:    Die  Bekleidung  der  Heere 

Der  andere  Weg,  den  der  Fürst  einschlug,  um  an  der 
Bekleidung  seiner  Truppen  teilzunehmen,  führte  ihn  zur 
völligen  Versorgung  eines  Teiles  des  Heeres,  so  daß  in  diesem 
Falle  sich  die  Armee  in  staatlich  und  sonstwoher  bekleidete 
Regimenter  schied. 

Von  Anfang  an  hatte  der  Fürst  wohl  für  die  Equipierung 
seiner  Leibgarde  gesorgt.  Und  auf  deren  reichliche  und 
kostbare  Ausstattung  blieb  dann  auch  später,  als  sie  sich  be- 
trächtlich erweiterte  und  in  Frankreich  zum  Beispiel  sich 
zu  den  „Truppen  des  königlichen  Hauses"  aus  wuchs,  das  Haupt- 
bestreben gerichtet.  Daneben  gab  der  Fürst  andern  Truppen 
Monturen,  je  nach  deren  Bedarf  und  je  nach  seinem  Können. 

In  England  weist  schon  Eduard  III.  (1837)  die  Chamberlains  von 
Nord-  und  Süd-Wales  an,  eine  genügende  Menge  Tuch  zu  beschaffen, 
um  jeden  von  1000  aufgebotenen  Leuten  einen  Anzug  davon  zu  machen  ^**^ 

Für  das  Ende  des  16.  und  den  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  be- 
sitzen wir  genaue  Aufstellungen  über  die  Stärke  der  irischen  Fuß- 
truppen überhaupt  und  die  Anzahl  der  davon  auf  Staatskosten  bekleideten 
sowie  über  die  dafür  aufgewandten  Summen  ^°*: 

Jahr        Bekleidung    Truppenzahl     bekleidet         Ausgabe 

41.  El. 

42.  „ 

42.  „ 

43.  „ 

44.  „ 

45.  „ 
1.  Jac.  I 

1.  « 

2.  „ 

2.      n 

B.     „  

237  3«7  £ 
(etwa  1V3  Mill.  i^  heut.  Währ.,  also  etwa  26Mill.  Mark  in  7-8  Jahren). 

Ebenso  in  Frankreich  dieselbe  gelegentliche  Unterstützung  durch 
den  Staat:  1630  liefert  Richelieu  bestimmten  Regimentern  die  Monturen; 
1645  schickt  man  Anzüge  und  Schuhwerk  an  die  Armee  in  Katalonien'**'. 


Sommer 

12  000 

7500 

17  818  £, 

Winter 

12  000 

— 

29  806   „ 

Sommer 

7  000 

— 

10  393   „ 

Winter 

12  000 

6300 

29  806   „ 

Sommer 

12  000 

8030 

17  818   „ 

Winter 

12  000 

6850 

29806   „ 

Sommer 

10  000 

8500 

14  846   „ 

Sommer 

10000 

8500 

15  330   „ 

Winter 

7  000 

3040 

17  864   „ 

Sommer 

5  000 

1460 

7  656   „ 

Winter 

3  000 

1500 

7  656   „ 

Sommer 

3000 

316 

4  508   „ 

Winter 

1370 

250 

3  456   „ 

IL  Die  Uniform  155 

Im  18.  Jahrhundert  vollendet  sich  dann  in  allen  Militär- 
ländern die  Verstaatlichung  des  Bekleidungswesens,  was  nicht 
besagt,  daß  nun  durchgängig  die  Herstellung  oder  auch  nur 
die  Lieferung  der  Kleider  durch  den  Staat  direkt  erfolgt 
wäre.  In  Frankreich  beispielsweise,  wo  die  Verstaatlichung 
im  Jahre  1747  grundsätzlich  durchgeführt  wurde,  blieben  von 
da  an  zwei  Systeme  in  Übung:  die  „Regie"  und  die  „Ad- 
ministration directe  des  corps"  (die  Kompagnie  Wirtschaft), 
die  aber  ebenfalls  unter  staatlicher  Leitung  stand  ^°^. 

Vorbildlich  für  die  Organisation  des  Militärbekleidungs- 
■wesens  wurden  die  1768  errichteten  österreichischen 
Monturskommissionen,  die  den  Zweck  hatten,  „sämtliche 
Truppenteile  der  Armee  sowohl  in  Friedens-  als  Kriegszeiten 
mit  den  erforderlichen  Monturs-,  Armaturs-,  Lederwerks-, 
Pferde- Ausrüstungsgegenständen  und  Feldrequisiten  aller  Art 
zu  versehen'',  und  die  auch  gleichzeitig  für  die  Beschaffung  der 
Spital  ge rätschaften  und  Bettfurnituren  zu  sorgen  hatte  ^*'^. 

Aber  die  Einzelheiten  gehören  nicht  hierher.  Genug, 
daß  wir  die  Tendenz  feststellen  konnten,  das  Bekleidungs- 
wesen im  Laufe  der  Jahrhunderte  aus  dem  Zustande  der 
Einzel fürsorge  in  den  der  vollständigen  Staatsfürsorge  hinüber- 
zuführen, mit  einem  Wort:  daß  wir  auch  in  diesem  Gebiete 
des  Heerwesens  der  Tendenz  zu  einer  Zusammenballung  des 
Bedarfs  begegnet  sind,  über  die  wir  uns  nunmehr  noch  etwas 
klarer  werden  müssen. 

II.  Die  Uniform 

Engstens  mit  den  Wandlungen  der  Bekleidungssysteme 
im  Zusammenhang  stehen  die  für  die  ökonomischen  Probleme 
besonders  wichtigen  Veränderungen,  die  die  Form  der  Be- 
kleidung erfährt. 

Wenn  jeder  Krieger  ganz  nach  Gutdünken  und  Vermögen 
für  seine  Kleidung  selbst  zu  sorgen  hat,  so  kommt  bei  einer 
ganzen  Truppe,  ähnlich  wie  wir  es  bei  der  Bewaffnung  sahen, 


156  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

eine  große  Buntscheckigkeit  heraus.  Jedem  steht  das  Bild 
eines  Haufens  Landsknechte  vor  Augen,  in  dem  jeder  einzelne 
seinem  absonderlichen  Geschmacke  in  der  Kleidung  Ausdruck 
verleiht.  (Nebenbei  bemerkt :  hier  lebt  sich  noch  der  kreatür- 
liche  Mensch  mit  freier  Liebesgestaltung  in  Luxus  und  Launen 
aus:  ungehemmt  durch  innere  oder  äußere  Disziplinierung.) 
Aber  diese  Mannigfaltigkeit  der  Kleidung  reicht  noch  bis 
in  das  17.  Jahrhundert  hinein.  Seltsam  muß  das  schwedische 
Heer  Gustav  Adolfs  ausgeschaut  haben.  Die  einzige  Ver- 
ordnung, die  auf  das  Kleiderwesen  Bezug  hat,  die  vom  Jahre 
1G21,  bestimmt:  „Die  Soldaten  schaffen  sieh  dienliche  Kleider, 
solche,  die  einem  Kriegsmann  anstehen,  nicht  so  sehr  auf 
den  Stoff  als  darauf  sehend,  daß  sie  verständig  gemacht  seien." 
Doch  heißen  noch  im  preußischen  Kriege  die  schwedischen 
Soldaten  unansehnliche  Bauernknechte  wegen  ihrer  Bekleidung, 
und  erst  1632  wurden  die  Schafpelze  durch  eine  besondere 
Pelzsteuer  abgeschafft ^^•'.  Aber  auch  die  Armee  des  Großen 
Kurfürsten  am  Ende  seiner  Regierung  war,  wenigstens  in 
manchen  Regimentern,  noch  recht  weit  entfernt  von  dem, 
was  wir  heute  unter  einer  wohluniformierten  Truppe  ver- 
stehen. 

In  dem  Musterungsbericht  der  Generale  v.  Schöning  und  v.  Barfuß 
vom  Jahre  1683  heißt  es  von  der  Uniform  der  Garden  (!): 

„Die  Mondirung  ist  allererst  vor  fünfviertel  Jahren  ausgetheilt 
worden,  durchgehends  aber  und  insonderheit  bey  den  zwey  Leibkom- 
pagnien zu  schiecht,  die  Röcke  und  Ueberkleider  sehen  abgetragen  und 
ungleich  aus,  maaßen  einige  blau  tuchene,  andere  lederne  Hosen,  ein 
Theil  runde,  andere  wiederum  messingne  Knöpfe,  ein  Theil  licht,  ein 
Theil  dunkelblaue  Röcke  hat  .  .  ."»n. 

Die  Armeen  des  17.  Jahrhunderts  trugen  deshalb  immer 
noch  Erkennungszeichen  irgendwelcher  Art.  Als  solche  dienten : 
die  Feldbinden  und  Hutfedern  der  Anführer;  die  Fahnen  und 
Standarten;  und  namentlich  das  sog.  Feldzeichen,  das  heißt 
ein  Abzeichen,  das  man  auf  den  Hut  steckte  ^^^. 

Wann  bürgert  sich   die  Uniform   ein?     Woher  stammt 


IL  Die  Uniform  157 

sie?  Man  hat  versucht,  die  moderne  Uniform  unserer  Heere 
in  einen  Zusammenhang  zu  bringen  mit  den  gleichen  Trachten 
die  auch  das  Mittelalter  bei  besonderen  Anlässen  kannte. 
Aber  diese  waren  doch  nicht  dasselbe,  weil  sie  aus  anderem 
Geiste  geboren  waren.  Damals  trug  man  „die  Farbe"  dessen, 
den  man  ehren  wollte.  Und  wenn  viele  zusammenkamen, 
um  Einen  zu  ehren:  bei  Festen,  öifentlichen  Einholungen  und 
Einzügen,  bei  Huldigungen  aller  Art,  so  ergab  sich  natürlich 
eine  Vielheit  gleichfarbiger  oder  gleicher  Kostüme.  Die  aber 
1.  nicht  gleich  (eins  wie  das  andere),  sondern  nur  eigen- 
artig (in  der  Farbe  bestimmt)  sein  sollten  und  2.  ganz 
gewiß  nicht  gleich  waren. 

Diese  Ehrentracht,  wie  man  sie  nennen  könnte,  ging 
nun  in  einzelnen  Fällen  in  eine  andere  Art  von  Tracht  über, 
die  ursprünglich  wohl  gleichem  Zwecke  (der  Huldigung)  ihr 
Dasein  verdankte,  dann  aber  einem  anderen  Ideenkomplex 
ein-  und  untergeordnet  wurde:  dem  Dienstverhältnis.  Bei 
Hofdienst  trägt  der  Dienende  frühzeitig  die  Farbe,  das  Hof- 
kleid des  Fürsten.  War  erst  das  Tragen  eines  bestimmten 
Gewandes  der  freie  Entschluß  des  Trägers  gewesen,  so  wurde 
ihm  nun  die  Tracht  aufgezwungen  vom  Dienstherrn,  der  mit 
der  Einförmigkeit  der  Farben  die  Abhängigkeit  einer  mög- 
lichst stattlichen  Schar  und  damit  seine  eigene  Machtfülle 
zum  Ausdruck  bringen  will. 

Diese  „Hoftracht",  die  allmählich  zur  „Bediententracht" 
wird,  ist  wohl  die  eine  Wurzel,  aus  der  wenigstens  äußerlich 
die  moderne  Uniform  der  Armeen  entsprungen  ist:  die  Leib- 
garden trugen  die  Farben  ihres  Herrn. 

Solche  einheitlichen  Trachten  der  fürstlichen  Leibgarden  finden  wir 
allerorts  schon  im  15.  Jahrhundert:  unter  Albrecht  Achill  sollen  1476 
„die  Rock  halb  swarz  und  halb  gra  sein  und  auf  den  swarzen  Ermel 
Buchstaben  von  weissem  Tuch"^^^  Scharlachrot  trugen  die  Truppen 
des  Königs  von  England  wahrscheinlich  seit  Heinrich  VII. ^'*.  Mit  den 
königlichen  Farben  sind  ausgestattet  die  Besatzungen  französischer 
Kriegsschiffe  zur  Zeit  Ludwigs  XL,  der  auch  bestimmten  Schiffern  der 


158  Fünftes  Kapitel:  Die  Bekleidung  der  Heere 

Garonne  seine  Farben  zu  tragen  gestattete.  1514  sind  alle  60  Marins 
der  Rochelaise  von  St.  Malo  mit  blauen  und  roten  Jacken  bekleidet, 
den  königlichen  Farben,  während  die  spanischen  Seeleute  rot 'und  gelb 
Sindbis. 

Diesen  Ursprung  aus  dem  Bedientenverhältnis  lassen  die 

späteren   Uniformen   der  Truppen  an  dem  Namen  erkennen, 

der  ihnen  bis  ins  17.  Jahrhundert,  ja  noch  darüber  hinaus, 

gegeben  wird:  Livreen  (Liverey,  livröe  royale,  royal  livery). 

Der   Ausdruck   Uniform  bürgerte   sich   in   der   deutschen  (!) 

Sprache  erst  etwa  zur  Zeit  Friedrichs  des  Großen  ein. 

Als  1605  der  Herzog  von  Braunschweig,  Heinrich  Julius,  16  000 
Fußstruppen  und  1500  Reiter  mustert,  trugen  alle  die  „Livrei"  und  die 
Farben  des  Herzogs^**. 

Die  600  Musketiere,  die  Oberst  v.  Kracht  laut  Bestallungsurkunde 
vom  1.  Mai  1620  anwirbt,  erhalten  „eine  Liverei  von  grauem  Tuch  mit 
blauen  Schlägen"  ^"  (während  für  die  400  Pikeniere  offenbar  keine  Uni- 
form vorgesehen  war). 

Am  25.  November  1679  beschloß  der  Hamburger  Senat,  die  Stadt- 
soldaten „mit  gewisser  Liberey"  zu  versehen,  d.  h.  sie  einheitlich  zu 
kleiden  ^'^. 

Noch  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  heißt  es:  „Diese  churfürst- 
lichen  Trabanten  zu  Pferde  ...  in  kostbarer  churfürstlicher  Liveree  . . ."  ^**. 

Aber  es  hieße  doch  das  Wesen  der  modernen  Uniform 
ganz  und  gar  verkennen,  wollte  man  in  ihr  einfach  eine  Fort- 
setzung oder  Erweiterung  der  Bediententracht  erblicken.  Man 
muß  vielmehr  einsehen,  daß  sie  aus  eigener  "Wurzel  erwachsen 
ist,  und  daß  sie  ihrem  Geiste  und  schließlich  auch  ihrer  Ver- 
körperung nach  grundsätzlich  in  ein  ganz  anderes  Gebiet 
menschlicher  Interessen  hineingehört  als  die  Livree. 

Die  moderne  Uniform,  das  ist  die  Hauptsache,  ist  ein 
durch  und  durch  rationales  Gebilde :  sie  ist  geboren  aus  einer 
Reihe  ganz  intensiver  und  ganz  subtiler  Zweckmäßigkeits- 
erwägungen heraus.  Zweckmäßigkeitserwägungen  zunächst 
militaristischer  Natur. 

Da  war  der  rein  äußerliche  Grund:  daß  man  an  einer 
Uniform  eine  Truppe  leichter  erkennen  und  leichter  von  der 
anderen  unterscheiden  konnte.     Aber  zu  diesem  äußerlichen 


II.  Die  Uniform  159 

gesellten  sich  schwerwiegende  innerliche  Gründe,  die  eine 
Uniformierung  der  Heere  nahelegten :  die  Uniform  verleiht  den 
Trägern,  sagte  man  sich,  ein  Gefühl  der  Solidarität,  das 
sie  ohne  die  gleiche  Tracht  nicht  besitzen.  Diese  Erwägung 
wurde  ganz  frühzeitig  schon  angestellt,  als  die  Idee  des  alten 
Aufgebotheers  noch  nicht  ganz  verblaßt  war  und  sich  in  den 
Gedanken  einer  allgemeinen  Wehrpflicht  der  Landesunter- 
tanen zu  transsubstantiieren  im  Begriife  war.  Damals  (im 
16.  Jahrhundert)  hebt  Graf  Johann  von  Nassau,  der  das 
Prinzip  der  allgemeinen  Wehrpflicht  in  seiner  Schrift  ver- 
focht, auch  den  Einfluß  hervor,  den  eine  Staatstracht  auf  die 
Stärkung  des  Selbstbewußtseins  ausüben  würde.  Er  wie  der 
Landgraf  Moritz  von  Hessen  wollen,  da  die  Wämser  von 
Seide  zu  sein  pflegten,  die  Füsiliere  nach  der  Farbe  der 
wollenen  Beinkleider  unterscheiden  ^2®. 

Verwandt,  aber  nicht  identisch  mit  dieser  Erwägung  war 
die  andere,  die  später  die  großen  Truppenorganisatoren  an- 
stellten: wenn  sie  meinten,  zur  guten  Disziplinierung  eines 
Heeres  gehöre  die  Uniform.  Hier  war  es  gleichsam  eine 
heteronome  Unterwerfung  des  einzelnen  unter  die  Zwecke 
des  Ganzen,  die  man  von  der  Uniformierung  erwartete,  während 
der  Graf  von  Nassau  eine  autonome  Hingabe  durch  sie  ver- 
anlassen zu  können  hoffte.  Ohne  Uniform  keine  Diszi- 
plin: diesen  Gedanken  spricht  Friedrich  der  Große  einmal  aus, 
als  er  den  Zustand  der  Armee  des  Großen  Kurfürsten  be- 
schreibt ^^^r  „Sa  cavalerie  avoit  encore  Vancienne  armure  en 
entier;  eile  ne  pouvait  gueres  etre  disciplinöe  car 
chaque  cavalier  se  pouvoyait  de  chevaux,  d'habits  et  d'arraes 
d'oü  il  rösultait  une  bigarrure  Strange  pour  tout  le  corps." 

Die  moderne  militärische  Disziplin,  so  haben  wir  schon 
wiederholt  feststellen  können,  ist  eine  jener  Mächte,  die  von 
der  Vorsehung  berufen  scheint,  um  dem  „kreatürliehen" 
Menschen  den  Garaus  zu  machen.  Militarismus  und  Puri- 
tanismus,  sahen  wir,  sind  Zwillingsbrüder :  weshalb  auch  eine 


X60  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

der  ersten  gut  uniformierten  Truppen  die  „Heiligen"  unter 
Cromwells  Führung  gewesen  sind. 

Zu  diesen,  wie  ich  sie  nannte,  militaristischen  Zweck- 
mäßigkeitserwägungen gesellen  sich  nun  aber  als  Helfer  die 
starken  Gründe  der  ökonomischen  Ratio,  die  eben  gleich- 
falls auf  die  Uniformierung  hindrängen:  die  Gleichförmigkeit 
schafft  die  Möglichkeit  des  Massenbezuges  und  der  Massen- 
herstellung, und  diese  gewähren  zahlreiche  Vorteile,  deren 
wichtigster  der  niedrigere  Preis  ist.  Als  womit  wir  dann  be- 
reits mit  einem  Fuß  in  das  Gebiet  der  ökonomischen  Be- 
trachtung des  Bekleidungsproblems  hinübergetreten  sind,  auf 
dem  wir  uns  dann  etwas  mehr  umsehen  wollen.  Aber  einen 
Augenblick  bitte  ich  den  Leser  noch  sich  zu  gedulden,  weil  ich 
vorher  noch  mit  ein  paar  "Worten  wenigstens  sagen  möchte,  wie 
sich  die  äußere  Geschichte   der  modernen  Uniform  gestaltet. 

Diese  Geschichte  läßt  sich  in  dem  einen  kurzen  Satz 
zusammenfassen:  Die  Uniform  dehnt  sich  in  gleichem  Maße 
und  in  gleichem  Schritt  aus  wie  die  Verstaatlichung  des  Be- 
kleidungswesens. Zunächst,  das  sehen  wir  schon,  erscheint 
sie  bei  der  Leibgarde.  Dann  scheinen  die  Städte  ihre  Truppen 
fast  regelmäßig  mit  Uniformen  oder  wenigstens  Uniformstücken 
ausgestattet  zu  haben. 

Eine  andere  Stelle,  wo  sich  die  Uniform  ebenfalls  früh- 
zeitig findet,  bilden  die  Aufgebotsheere.  Die  sächsische 
Defensionsordnung  von  1613  schreibt  grauen  Tuchrock  mit 
rotem  Kragen,  kurze  Tuchhosen  und  rote  Strümpfe  für  das 
Fußvolk  vor,  und  sogar  für  die  Ritterschaft  wurden  Unter- 
scheidungen nach  der  Farbe  der  Waffenröcke  und  ihrer  Besatz- 
streifen eingeführt  ^^^. 

Bei  den  Unternehmerheeren  des  16.  und  17.  Jahrhunderts 
tritt  häufig  eine  Uniformierung  der  einzelnen  Regimenter 
auf:  die  Obersten  haben  das  Bestreben,  ihr  Verkaufsobjekt 
recht  ansehnlich  zu  machen,  ihrer  Truppe  den  Anschein  der 
Geschlossenheit   und  Wohldiszipliniertheit  zu  geben.     Später 


II.  Die  Uniform  161 

wird  die  Uniformierung  der  gedungenen  Regimenter  in  den 
Bestallungsverträgen  ausdrücklich  vereinbart.  Beispiel:  die 
Kapitulation  über  die  Errichtung  eines  hessischen  Dragoner- 
regiments vom  19.  Oktober  1688  »^a. 

In  dem  Maße  nun,  wie  der  Fürst  die  Truppen  überhaupt 
mit  KleiduDg  versah,  uniformierte  er  sie  auch.  So  daß  wir 
während  des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts  das  Fortschreiten 
des  staatlichen  Bekleidungssystems  an  dem  Fortschreiten  der 
Uniformierung  verfolgen  können:  bis  zum  völligen  Siege  der 
beiden  Prinzipien. 

Die  französischen  Truppen  hatten  im  16.  Jahrhundert 
noch  keine  eigentliche  Uniform.  Doch  trugen  einige  Truppen- 
teile schon  eine  sie  unterscheidende  Kleidung :  die  gens  d'armes 
hatten  „hoquetons  d'ordonnance"  (Waffenrock),  und  die  Bogen- 
schützen einzelner  Provinzen  trugen  Röcke  und  Wappen  ihres 
Landes  (diese  Uniform  stammte  noch  aus  der  anderen  Quelle : 
aus  der  Ausrüstung  der  „Defensioner").  Bis  in  die  Zeit 
Ludwigs  XIV.  hinein  sind  aber  die  meisten  Regimenter  bloß 
durch  eine  Schärpe  in  der  Farbe  der  Obersten  unterschieden: 
Ludwig  XIV.  führte  eine  Uniformierung  der  Regimenter  des 
Königs  (blau),  der  Königin  (rot)  und  des  Dauphins  (grün) 
durch.  Im  allgemeinen  blieb  es  dem  Gutdünken  der  Obersten 
überlassen,  wie  sie  ihre  Regimenter  kleiden  wollten.  Eine 
wirklich  einheitliche  Einkleidung  der  gesamten  Armee  erfolgte 
erst  gegen  die  Mitte  des  Jahrhunderts  durch  die  Ordonnanzen 
vom  10.  März  1729,  20.  April  1736  und  19.  Januar  1749. 
Erst  diese  letzte  Ordonnanz  brachte  dem  Prinzip  der  Unifor- 
mierung den  vollen  Sieg,  denn,  wie  ihr  Wortlaut  erweist: 
,Sa  Majestö  a  ordonnö  et  ordonne,  qu'ä  l'avenir  les  Rögimens 
de  son  Infanterie  Frangaise  qui  auront  ä  renouveller  en  tout 
ou  en  partie  leur  habillement,  serons  tenus  de  se  conformer 
exactement  au  Reglement  port6  ci-aprös  .  .  .",  mußte  das 
Tragen  der  Uniform  immer  noch  eingeschärft  werden  ^2*. 

Die  gesamte  englische  Armee  wird  zum  ersten  Male 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  11 


162  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

einheitlich  (rot)  gekleidet  im  Jahre  1645  ^2^.  In  der  Marine 
drang  in  England  das  Uniformierungsprinzip  erst  später  ein: 
die  ersten  Bestimmungen  über  Offiziersuniformen  wurden  im 
Jahre  1748  erlassen  ^2^. 

In  Brandenburg-Preußen  beginnt  eine  grundsätzliche 
Uniformierung  durch  den  Staat  im  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts. Bekannt  ist  die  Schilderung  Königs^^T  yQ^  (jg^ 
Eindruck,  den  die  „Blauröcke"  Georg  Wilhelms  bei  seinem 
Zuge  nach  Preußen  gemacht  haben  sollen:  „Mit  diesen 
5  Kompagnien  von  Burgsdorfschen  Regiment,  die  1000  Mann 
ausmachten,  .  .  .  nebst  150  Mann  zu  Roß  ging  der  ChurfQrst 
George  Wilhelm  1632  zur  polnischen  Königswahl  nach  Preußen. 
Nach  der  Schlacht  bei  Lützen  kehrte  derselbe  wieder  nach 
der  Mark  mit  diesen  Truppen  zurück  .  .  .  Sie  waren  in 
Preußen  sämtlich  in  einer  gleichen  Liberey,  blauer  Farbe  ge- 
kleidet worden,  welches  damals  ungewöhnlich  war  und  viel 
Aufsehen  machte;  daher  sie  den  Namen  Blauröcke  erhielten." 

J  a  n  y  hat  zwar  nachgewiesen ^2^,  daß  dieser  Bericht  Königs, 
der  für  die  Geschichte  des  Bekleidungswesens  als  eine  wichtige 
Quelle  lange  Zeit  gegolten  hat,  insofern  falsch  gewesen  sei, 
als  es  „Blauröcke"  in  Brandenburg  schon  seit  1620  und  daß 
es  sie  auch  in  anderen  deutschen  Heeren  gegeben  habe. 
Immerhin  wird  man  schon  annehmen  dürfen,  daß  der  Anblick 
eines  wohluniformierten  Regiments  zu  seiner  Zeit  Aufsehen 
machte.  Aber  das  war  doch  erst  ein  Anfang.  Noch  zur 
Zeit  des  Großen  Kurfürsten  war  eine  im  einzelnen  genau  fest- 
gesetzte Uniformierung  in  unserem  Sinne  unbekannt.  Doch 
geht  aus  den  Quellen  hervor,  daß  man  —  namentlich  bei 
einem  bevorstehenden  Feldzuge  —  die  Mannschaften  möglichst 
gleichmäßig  einzukleiden  und  zu  bewaffnen  suchte,  was  der 
Oberst  zu  besorgen  hatte.  Bei  der  Reiterei  mußte  der  Oberst 
(oder  in  seinem  Auftrage  der  Rittmeister)  für  das  Werbegeld 
von  40  Thlr.  einen  vollständig  und  wohl  auch  möglichst  ein- 
heitlich bewaffneten,  bekleideten  und  berittenen  Reiter  stellen. 


III.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  üniformierung  usw.     163 

Ferner  hatte  er  dafür  zu  sorgen,  daß  die  Mannschaft  in 
regelmäßigen  Zwischenräumen  neu  bekleidet  wurde,  wofür 
er  (wie  wir  wissen)  die  Kosten  durch  Abzüge  von  der  Löhnung 
oder  dem  „Tractement"  des  Reiters  bestritt ^2^. 

Im  übrigen  ist  die  Gestaltung  der  Bekleidung  um  jene 
Zeit  außerordentlich  mannigfaltig,  oft  von  Regiment  zu 
Regiment  und  innerhalb  eines  Regiments  von  Jahrfünft  zu 
Jahrfünft  verschieden,  so  daß  es  eine  Geschichte  der  Armee- 
bekleidung eigentlich  nicht  gibt,  sondern  nur  eine  Geschichte 
der  Bekleidung  in  den  einzelnen  Regimentern.  Das  oft 
zitierte  Standardwerk  hat  jetzt  erst  das  nötige  Material  zur 
Beurteilung  herbeigeschafft,  und  nun  sieht  man  erst,  wie  bunt 
die  Kleidung  des  brandenburg-preußischen  Heeres  im  ganzen 
17.  Jahrhundert  noch  war.  Das  Urteil,  das  ein  vortrefflicher 
Kenner  der  alten  Armee  vor  ein  paar  Jahrzehnten  fällte  ^^*': 
in  Brandenburg-Preußen  ist  die  Infanterie  schon  bei  Beginn 
der  Regierung  des  Großen  Kurfürsten  uniformiert,  die  Ka- 
vallerie ist  es  am  Ende,  wird  sich  wenigstens  in  seinem  ersten 
Teile  auf  Grund  der  jetzt  zutage  geförderten  Quellen  kaum 
aufrechterhalten  lassen.  Wir  werden  vielmehr  sagen  müssen, 
daß  das  Prinzip  der  Uniformierung  vom  Großen  Kurfürsten 
zum  fast  völligen  Siege  während  seiner  Regierung  gebracht 
worden  ist.  Jedenfalls  ist  die  Kleidung  der  preußischen 
Armee  zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  durchgängig 
uniformiert;  während  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts 
ist  es  der  größte  Teil  des  Heeres,  der  Uniform  trägt. 

ni.  Vergrößerung,  Zusammenballung   und  üni= 

formierung  des  Kleidungsbedarfs  in  ihrer 

Bedeutung  für  das  Wirtschaftsleben 

Wir    sind    nun    schon    geübter   in   der   Auffindung   der 

ökonomischen  Pointen,  auf  die  es  bei  Entwicklungsreihen,  wie 

sie  im  vorstehenden  dargelegt  sind,  zu  achten  gilt. 

11* 


164  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

Bekleidung  eines  Heeres  heißt  zunächst :  daß  nun  so  viel 
Nachfrage  nach  Kleidern  und  Kleiderstoffen  auf  dem  Markte 
entstanden  ist,  da  wir  von  der  Möglichkeit  einer  Herstellung 
der  bedurften  Gegenstände  im  Rahmen  der  Eigenproduktion 
absehen  können:  diese  war  nicht  mehr  und  noch  nicht  beliebt. 
Während  all  der  Jahrhunderte,  die  wir  als  die  entscheidenden 
für  die  Herausbildung  einer  neuen  Wirtschaftsordnung 
betrachten,  wurden  die  Monturen  für  die  Soldaten  auf  dem 
Markte  gekauft. 

Wie  groß  die  Nachfrage  war,  die  also  durch  den  Kleider- 
bedarf eines  modernen  Heeres  entstand,  kann  sich  jeder  leicht 
ausrechnen,  wenn  er  die  Ziffern,  die  ich  über  die  Stärke  der 
Armeen  oben  mitgeteilt  habe,  multipliziert  mit  den  Mengen 
Stoff,  Zutaten  usw.,  die  der  einzelne  Krieger  nötig  hatte,  und 
wenn  er,  was  die  Kleider,  Mäntel,  Hüte,  Stiefeln  usw.  usw. 
anbetrifft,  die  Zahl  der  Personen  als  die  Zahl  der  hiervon 
bedurften  Stücke  ansieht. 

Was  zu  der  Montur  eines  Soldaten  im  17.  und  18.  Jahr- 
hundert gehörte,  ersieht  man  aus  folgenden  Zusammen- 
stellungen : 

Verzeichnis,  wz  uf  193  Soldaten  zur  Kleidung 
vonnöthen, 

965  ein   lundisch  (=  Londoner)  Thuch   zue  Hosen  Cosiaken 

undt  Strümpfen  jedem  5  ein, 
965  ein  Futtertuch  jedem  5  ein, 
2316  ein  weiße,  schwarze,  rohe  undt  steife  Leinwanth  jedem 

12  ein, 
1158  duzet  Schleufen,  jedem  6  duzet  uf  Hosen  und  Cosiaken, 
193  lot  Seide  jedem  1  loth, 
579  duz.  eisen  Knopf,  jedem  5  duz., 
50  ein  schlechten  4.  Drath  die  Cosiaken  zustaffiren, 
193  Hüte«". 


III.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  üniformierung  usw.     165 
Auszug  aus  den  Kriegskassenrechnungen  1679—1681^^^: 

Thlr.  Gr.  Pf. 

200  Hüte  ä  15  Gr 125 

500  Ellen  breite  Gallaun  ä  3^4  Gr 67  17  — 

300      „      blau  Bandt  ä  1  Gr 12  12  — 

40  Stück  blau  Mantel  ä  ^^U  Rthlr 150 

200      „      Halstücher  ä  5  Gr 41  16  — 

300  Ellen  breit  roth  Bandt  ä  8  Pf.     ...    .  88  — 

30      „      Packleinwand  ä  18  Pf 1  21  — 

250  Stück  blau  Mantel  ä  S^U  Rthlr 937  12  — 

250  Hüte  ä  15  Gr 156    6  — 

625  Ellen  Gallaun  ä  3V4  Gr 84  11  — 

375      „      blau  Bandt  auf  die  Hüte  ä  1  Gr.    .  15  15  — 

latus  10699    3  — 

Bedarf  eines  Infanteristen  am  Anfange  des  18.  Jahr- 
hunderts ^^^ : 

Thlr.  Gr.  Pf. 

5  Ellen  Tuch  ä  15  Gr 3    3  — 

7      „      Boy  ä  4  Gr 14  — 

1  Elle  Kronenroth  zu  Aufschlägen —  14  — 

20  Stück  messingne  Knöpfe  ä  Dutzend  4  Gr.  .    .  —    6    8 

1  Loth  Kameelhaar —    3  — 

2  Paar  Schleifen  a.  Kameelhaar —    6  — 

1  Hut  mit  einer  gelben  Einfassung      .    .    .    .    .  —  12  — 

6—8 
Die  vollständige  Bekleidung  und  Ausrüstung  eines  Reiters 
einschließlich  Sattel  und  Zaumzeug  kostete  zur  Zeit  Friedrich 
Wilhelms  I.  73  Thlr.  2  Gr.^a*. 

Jeder  Soldat  der  Savoia  Cav"»  und  Piemte  Rle  kostete 
im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  131.16  1.,  jeder  D»i  Genevois 
110.14  1.,  jeder  Kanonier  68.16  1.  Die  Ausrüstung  des  Pferdes 
eines  Cavaliere  stellte  sich  auf  75.5  1.,  eines  Dragoners  auf 
67.4  1.385.  Zur  Bekleidung  eines  Regiments  englischer  Sol- 
daten waren  (1730)  1570  £  165  s  2V2  d  erforderlich  «ae. 


166  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

Stellen  wir  nur  für  das  Tuch  eine  Rechnung  an:  um 
eine  Armee  von  100000  Mann  einzukleiden,  sind  500000  Ellen 
oder  20  000  Stück  erforderlich.  Eine  Erneuerung  der  Montur 
alle  zwei  Jahre  angenommen,  ergäbe  das  einen  Jahresverbrauch 
von  10000  Stück  im  Jahr.  Seh  moller  rechnet  für  den 
Gesamtkonsum  der  brandenburgischen  Bevölkerung  im  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  50000  Stück  Tuch  heraus  »s^  Friedrich 
der  Große  gibt  in  den  brandenburgischen  Memoiren  die  Aus- 
fuhr von  Tüchern  aus  der  Kur-  und  Neumark  auf  rund 
44000  Stück  an  338. 

Die  Jahresproduktion  der  englischen  Landschaft  West 
Riding  betrug  um   dieselbe  Zeit  etwa  25000  Stück  Tuch»»». 

Man  ist  geneigt,  angesichts  solcher  Ziifern  auf  einen 
erheblichen  fördernden  Einfluß  zu  schließen,  den  die  Nach- 
frage nach  Soldatentuch  auf  die  Tuchindustrie  eines  Landes 
ausgeübt  haben  muß.  Aber  dieser  allgemeine  Schluß  wird 
auch  in  einzelnen  Fällen  durch  den  Gang  der  Ereignisse 
bestätigt. 

Daß  in  Rußland  die  Tuchindustrie  wesentlich  als  Militär- 
tuchindustrie ins  Leben  getreten  ist,  ist  bekannt. 

Eine  sehr  beträchtliche  Förderung  hat  aber  auch  die 
brandenburgische  Tuchindustrie  durch  die  Armee- 
bestellungen erfahren.  Insbesondere  hat  für  sie  im  18.  Jahr- 
hundert die  Periode,  in  der  sie  für  die  Russische  Kompagnie 
in  Berlin  lieferte  (1725 — 38),  einen  erheblichen  Aufschwung 
bedeutet.  Die  Russische  Kompagnie  führte  nach  Rußland 
in  diesen  Jahren  bis  20  000  Stück  Tuch  im  Jahre  aus:  alles 
nur  Soldatentuch  für  die  Bekleidung  der  russischen  Armee: 
eine  solche  Menge  mußte  angesichts  der  oben  mitgeteilten 
Ziffern  der  Gesamtproduktion  „ungeheuer  ins  Gewicht  fallen"  3*o^ 
Friedrich  Wilhelm  erkannte  diesen  Zusammenhang  zwischen 
gewerblicher  Blüte  und  Heeresentwicklung  sehr  wohl:  er 
traf  die  Heereseinrichtungen  geradezu  im  Hinblick  auf  die 
Industrie.     Das   Montierungsreglement    vom    30.  Juni   1713 


III.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  üniformierung  usw.     167 

wurde  erlassen  „zum  Besten  dero  Truppen  als  auch  zum 
Aufnehmen  in  dero  Landen  etablierten  Manufakturen". 
Urteilsfähige  Beobachter  heben  die  große  Bedeutung  hervor, 
die  der  Heeresbedarf  für  die  Tuchindustrie  des  Landes  hatte : 
„il  paroit  que  l'armöe  a  toujours  fait  un  des  principaux 
döbouchös  pour  le  travail  des  drapiers  du  pays"  ^*^. 

Selbst  für  die  große  englische  Tuchindustrie  ist  die 
Lieferung  für  die  Heere  offenbar  nicht  ganz  ohne  Belang 
gewesen  (obwohl  ihr  Hauptabsatz  anderswohin  gerichtet 
war).  Sie  hat  nach  Rußland,  ehe  ihr  die  Preußen  Kon- 
kurrenz machten ,  ebenfalls  große  Mengen  Soldatentuch  ge- 
liefert. Wir  sehen  die  englischen  (und  holländischen)  Kauf- 
leute einen  erbitterten  Kampf  mit  den  preußischen  Ein- 
dringlingen ausfechten.  Im  Jahre  1772  wurde  der  Wert  der 
Ausfuhr  an  Wollwaren  aus  England  nach  Rußland  auf  noch 
50000  ^  geschätzt  8*2. 

Besonders  während  des  Siebenjährigen  Krieges  drängte 
sich  der  stimulierende  Einfluß,  den  der  Heeresbedarf  auf  die 
Tuchindustrien  des  Landes  ausübte,  dem  scharfen  Beobachter 
ohne  weiteres  auf.  So  berichtet  uns  Arthur  Young: 
während  jener  Jahre  habe  der  Krieg  eine  solche  Nachfrage 
nach  Fabrikaten  erzeugt,  daß  kaum  „Hände"  genug  zu  ihrer 
Anfertigung  beschafft  werden  konnten 8*^. 

Wieviel  von  der  Gesamtproduktion  der  englischen  Woll- 
industrie für  Heereszwecke  verwandt  wurde,  entzieht  sich 
völlig  der  ziffernmäßigen  Feststellung.  Wir  wissen  nur,  daß 
beispielsweise  in  den  deutschen  Rechnungen  des  17.  Jahr- 
hunderts über  Militärlieferungen  das  Soldatentuch  meist  als 
lundisch  (Londoner)  Tuch  bezeichnet  wird. 

In  Frankreich  hat  diejenige  Tuchindustrie,  die  für 
die  Armee  arbeitete,  seit  Colberts  Zeit  eine  große  Bedeutung 
gehabt:  Wir  finden  sie  im  17.  Jahrhundert  in  Languedoc, 
in  Berri,  wo  sie  2000  Personen  in  Aubigny,  10000  in  Chateau- 
roux  beschäftigte;  im  18.  Jahrhundert  in  Metz,  in  Lodöve 


168  Fünftes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

(8000  Personen),  in  Romorantin  usw.^**,  in  Vir6,  Valognes, 
Cherbourg;  in  Montpeiroux ,  das  mit  Lodöve  zusammen  für 
1600000  Liv.  Soldatentuch  im  Jahre  verkauft s*^ 

Zieht  man  nun  ebenso  wie  die  Tuchindustrie  die  übrigen 
Industrien  in  Betracht,  die  die  Heere  mit  Kleidung  ver- 
sorgten: Leinen-,  Hüte-,  Kleider-,  Stiefel-,  Strümpfe-,  Knöpfe-, 
Bortenindustrie  usw.,  denkt  ferner  auch  an  diejenigen  Ge- 
werbe, die  das  Pferd  „bekleiden"  (Hufschmied,  Sattler),  end- 
lich auch  an  diejenigen,  die  für  die  Fortschaffung  des  Pro- 
viants usw.  sorgen  (Wagenbauer  usw.),  so  wird  man  zu  einer 
recht  hohen  Bewertung  dieses  Marktes  für  die  rein  quanti- 
tative Entwicklung  des  gewerblichen  Lebens  in  einem  Lande 
gelangen. 

Aber  diese  rein  quantitative  Einwirkung  ist  gar  nicht 
einmal  die  ökonomisch  wichtigste;  von  viel  größerer  Be- 
deutung ist  ein  Einfluß  auf  die  Form  des  Wirt- 
schaftslebens, den  etwa  die  Deckung  des  Heeresbedarfs 
an  Kleidern  ausgeübt  hat;  ist  insbesondere  ihr  Anteil  an 
der  Herausbildung  des  kapitalistischen  Wirtschaftssystems, 
den  wir  so  gern  feststellen  möchten.  Ist  ein  solcher  quali- 
tativ bestimmter  Einfluß  nachweisbar? 

Um  diese  Frage  zu  beantworten,  müssen  wir  uns  die 
Art  des  Kleidungsbedarfs  beim  Heere  vergegenwärtigen  und 
uns  klarmachen,  daß  dieser  ein  Massenbedarf  gleichförmiger 
Gegenstände  in  dem  Maße  wurde,  als  Verstaatlichung  und 
Uniforraierung  des  Bekleidungswesens  fortschreiten.  Man 
darf  getrost  sagen,  ohne  sich  einer  Übertreibung  schuldig  zu 
machen,  daß  solche  Zusammenballungen  von  Bedarf,  wie  sie 
schon  im  17.  Jahrhundert  bei  den  Lieferungen  für  die  großen 
Heere  vorkommen,  für  die  damalige  Zeit  ganz  unerhört  waren. 
Den  Leuten,  auch  den  Kaufleuten,  müssen  die  Augen  tiber- 
gegangen sein,  wenn  sie  hörten,  daß  in  einem  einzigen  Ver- 
trage die  sofortige  Lieferung  von  5000  kompletten  Soldaten- 
monturen  ausbedungen  wurde,   wie  es  der  Fall  war  in  dem 


ni.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  Uniformierung  usw.     169 

Vertrage,  den  im  Jahre  1603  die  englische  Regierung  mit 
Ury  Babington  und  Robert  Bromley  schloß  ^*^. 

Oder  wenn  sie  Ziffern  lasen,  wie  sie  etwa  in  den  Be- 
stellungen Wallensteins  vorkamen.     Da  heißt  es  z.  B.: 

„Laßt  auch  10000  Paar  Schuhe  machen  vor  die  Knecht 
auf  daß  ich  sie  nachher  auf  die  Regimenter  kann  austeilen  .  .  . 
Laßt  derweil  Leder  präparieren,  denn  ich  werde  baldt  lassen 
auch  ein  paar  tausend  Stiefel  fertig  machen.  Laßt  auch  Tuch 
fertig  machen,  vielleicht  wird  man  auch  Kleider  bedürfen." 

Aschersleben,  den  13.  Juni  1626: 

(Mein  Vetter  Max)  .  .  .  wird  auch  befohlen  haben,  daß 
ihr  4000  Kleider  vor  die  Knecht  sollt  machen  lassen,  das  ist 
ein  Jupen  von  Tuch  mit  Leinwand  gefüttert,  ein  tuchernes 
par  Hosen  und  ein  tuchernes  par  strimpf "  ^*'^. 

„Der  Kriegszahlmeister  zieht  auf  Gitschin,  soll  um  13000 
Reichsthaler  Schuh,  Strumpf  und  Kleider  (in  einem  späteren 
Briefe  kommt  noch  eine  Bestellung  von  40000  Rthlr.  hinzu) 
für  die  Armee  machen  lassen;  assistiert  ihm  fleißig  in  allem. 
Die  4000  Kleider,  so  ihr  vorm  Jahr  habt  machen  lassen,  daß 
er  euch  bezahlt,  was  sie  mich  kosten,  dieselbige  führt  ihr 
auch  ab,  sobald  ers  bezahlt  hat"  usw.  "^. 

Am  26.  September  1647  erhielt  Conrad  von  Burgsdorf 
den  Auftrag,  mit  dem  Kaufmann  Eberhard  Schief  in  Ham- 
burg folgenden  Kontrakt  über  die  Lieferung  von  Tüchern 
und  Boy  zu  schließen-  „Er  soll  für  die  Kurfürstl.  Krieges- 
Officiere  1512  brabant.  Ellen  blau  Tuch  wie  die  Probe  aus- 
weiset (NB!!),  jede  Elle  zu  5  Orts  Reichsthaler  gerechnet 
und  für  die  gemeinen  Knechte  20  000  brabantische  Ellen  blau 
Tuch  nach  Ausweis  der  Probe,  jede  um  1  Rthlr.  .  .  .  ferner 
an  Boy  21512  brab.  Ellen,  jede  zu  6  Sgr.  liefern.  Termin 
ist  3  Wochen  nach  Martini"  3**. 

Man  muß  sich  vor  Augen  halten,  in  welche  Welt  solche 
Riesenaufträge    hineinplatzten:    machte    es   doch   den   Kauf- 


170  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

leuten  Mühe,  die  oben  erwähnten  965  (!)  Ellen  lundisch 
Tuch  zu  beschaffen.  Zu  diesem  Posten  findet  sich  folgende 
Anmerkung : 

„Nota  hierauf  berichteten  die  Weylere  (=  die  Kaufl.), 
dz  sie  albereit  etwz  geliefert  und  sich  bemühen  wollen,  wz 
noch  mangelt,  so  viel  als  müglich  zu  erschaffen,  wo  nicht  muß 
man  aldorten  in  Preußen  Rath  schaffen  ..." 

Das  bedeutete,  daß  sich  ein  ganz  großer  Handel  in 
Kleidern  und  Kleiderstoffen  aller  Art  entwickeln  mußte.  Die 
Heeresverwaltung  konnte  und  wollte  nicht  mit  Tausenden 
kleiner  Handwerker  in  direkten  Verkehr  treten;  sie  konnte 
und  wollte  auch  nicht  auf  den  Messen  und  Märkten  ihre  Ein- 
käufe besorgen.  So  gab  es  hier  einen  bedeutsamen  Anlaß  zur 
Ausbildung  eines  seßhaften  Handels  auf  breiter  kapitalistischer 
Basis.  Zuweilen  brauchte  der  Fürst  auch  den  Lieferanten 
als  Zwischenglied  zwischen  Produzenten  und  Armee,  weil  er 
allein  ihm  den  —  ach  so  oft!  —  erforderlichen  Kredit  ge- 
währte. 

Nicht  ohne  innere  Bewegung  hört  man  Vorgänge  dieser  Art  be- 
richten ^^^ :  1678  schreibt  der  Große  Kurfürst  an  die  Obersten  seiner 
Regimenter:  „Weil  Wir  gnädigst  gerne  sehen  möchten  die  Noth  selbst 
auch  erfordert,  daß  die  Regimenter  mit  recht  guter  und  tüchtiger  Kley- 
dung  versehen  und  ohne  allen  Mangel  würden  zu  Felde  geführet  werden, 
als  seindt  Wir  der  gnädigsten  Meinung  über  obbemeldete  Recruiten  einem 
jeden  Regiment  zu  Fuß  annoch  dröytausend  Rthlr.  zu  Kleyder- 
Geldern  zu  geben  .  .  .  Geg.  Colin  a.  d.  Spree  28.  Febr.  Ao.  1678."  Da 
der  Kurfürst  die  Summe  nicht  flüssig  hat  (3000  Thlr. !),  soll  sie  ihm  der 
Oberst  borgen.  Der  Oberst  hat  sie  aber  auch  nicht:  er  bekommt  von  1676 
her  noch  13168  Rthlr.  Sold!  Aber  —  ein  paar  Magdeburger  Kaufleute 
erbieten  sich,  Tuch  für  diesen  Betrag  auf  Kredit  zu  liefern :  „Immittelst 
habe  ich  bereits  200  Stück  blau  Tuch  gekauffet, "  schreibt  der  Oberst 
V.  Bornstorff. 

Reiche  Kaufleute  drängen  sich  in  den  Kleiderlieferungs- 
handel, durch  den  sie  ihren  Reichtum  rasch  vermehren:  der 
holländische  (!)  Tuchhändler  Hermann  Mayer  hat  für  80000  Rb. 
englische  Tücher  in  Petersburg  lagern  (1725);  die  Russische 
Kompagnie    in    Berlin    arbeitete    mit    einem   Kapital    von 


III.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  Uniformierung  usw.     171 

100000  Talern  und  verdiente  im  ersten  Jahre  22878  Taler»"; 
in  England  sind  die  ,Contractors',  die  die  Bekleidung  für  Heer 
und  Flotte  liefern,  sehr  kapitalkräftige  Leute  »^^  usw. 

Aber  solche  Wesensveränderungen  der  Absatzverhältnisse, 
wie  sie  der  große  Kleider-  und  Stoff  bedarf  der  Heere  herbei- 
führte, mußte  auch  auf  die  Formen  der  Industrie  Einfluß 
ausüben.  Vorerst  mußten  sich  die  Beziehungen  zwischen 
Kaufmann  und  Produzenten  innerlich  umgestalten :  der  Hand- 
werker wurde  unwillkürlich  mehr  und  mehr  in  die  Rolle  des 
hausindustriellen  Arbeiters  zurückgedrängt,  der  Kaufmann 
wui"de  Verleger.  Wir  können  diesen  Umwandlungsprozeß 
gerade  wieder  bei  der  brandenburgischen  Tuchindustrie  ziem- 
lich deutlich  verfolgen:  die  Kaufleute  kämpfen  geradezu  mit 
dem  selbständigen  Tuchmacher  um  die  Vorherrschaft ;  sie  ver- 
suchen mit  allen  möglichen  Zwangsmitteln  die  Arbeit  der  kleinen 
Handwerker  ihren  Zwecken  unterzuordnen,  und  diese  waren 
die  prompte  Lieferung  ganz  großer  gleichförmiger  Tuchmassen. 
Die  hier  aus  dem  Bedarfszweck  sich  ergebenden  Anforde- 
rungen an  Reichlichkeit,  Raschheit,  Gleichheit  der  Produktion 
konnte  auf  die  Dauer  ein  selbständiger  Handwerkerstand  nicht 
erfüllen.  Nicht  die  geographische  Ausweitung  des  Absatz- 
gebietes, nicht  Veränderungen  in  der  Produktionstechnik,  nicht 
VermögensdifFerenzierung  unter  den  Handwerkern,  auch  nicht 
Absatznot  sind  es  hier,  die  eine  Vereinheitlichung  der  Pro- 
duktion durch  die  kapitalistische  Organisation  erzwingen, 
sondern  die  Nöte  des  Absatzes,  die  der  Kaufmann  zu  er- 
dulden hatte.  In  beweglichen  Klagen  läßt  sich  der  Geheime 
Rat  Schindler,  der  provisorisch  die  Leitung  des  königlichen 
(Tuch-)Eagerhauses  in  Berlin  übernommen  hatte,  in  seinem 
am  27.  Dezember  1723  dem  Generaldirektorium  eingereichten 
Bericht  über  die  Unzulänglichkeit  der  handwerksmäßigen  Tuch- 
erzeugung aus»^».  Die  Tücher,  führt  er  aus,  müßten  egal 
von  Güte,  dauerhaft  und  von  lebendiger  Farbe  sein.  Um  das 
zu  erreichen,  pflege  man  in  solchen  Fällen  (wo  es  sich  um 


172  Fünftes  Kapitel:  Die  Bekleidung  der  Heere 

größere  Lieferungen  handelt)  mit  dem  ganzen  Gewerk  der 
Tuchmacher  oder  mit  einem  größeren  Tuchhändler  zu  akkor- 
dieren.  Aber  das  reiche  hier  —  bei  den  Lieferungen  für  die 
russische  Armee  —  nicht  aus;  weder  das  Gewerk  noch  der 
Tuchhändler  könnten  für  rechte  Einrichtung  und  Ordnung 
sorgen,  das  Walken,  Zubereiten  und  Färben  kontrollieren ;  bei 
der  Schau  lasse  man  die  meisten  Farben  passieren,  die  be- 
treffenden Schauer  seien  zu  unwissend,  sie  nur  zu  entdecken; 
man  bekomme  die  Tücher  zusammen,  von  denen  die  einen  los, 
die  anderen  dicht,  einige  dünner,  andere  dicker,  einige  breit, 
andere  schmäler,  einige  von  Farbe  ganz  tot,  andere  von 
Couleur  nicht  recht  gefärbt  seien.  Er  schildert  dann,  welche 
Vorteile  die  Produktion  im  „Lagerhause"  ^^*,  das  heißt  also 
eine  manufaktur-  oder  fabrikmäßige  Organisation  der  Arbeit, 
biete:  „In  dem  Lagerhaus  ist  auf  alle  Arbeit  oder  auch  jedes 
Handwerk,  so  zur  Verfertigung  eines  Tuches  gehöret,  eine 
besondere  Einrichtung  gemachet,  wodurch  alle  obgedachte 
Hauptfauten  vermieden  werden  ...  (es  ist)  doch  gewiß,  daß 
in  dem  Lagerhauße,  woselbst  das  Jahr  über  so  viele  taußend 
Stücke  an  Tücher  und  Kirsey  gemachet  werden,  nur  wenige 
Fauten  passiren  ..." 

Die  großen  Militärlieferungen  drängten  also  zunächst  zu 
einer  Unterwerfung  des  Handwerkers  unter  die  Kommando- 
gewalt des  Kaufmanns,  der  Einheitlichkeit  und  Ordnung,  Prä- 
zision und  Schematismus,  soviel  es  geht,  in  den  handwerks- 
mäßigen Produzenten  zu  bringen  sucht.  Die  hausindustrielle 
Betriebsform  erweist  sich  aber  auch  noch  nicht  als  geeignet, 
die  Arbeit  hinlänglich  zu  mechanisieren.  Die  Organisation 
wird  weiter  vervollkommnet  bis  zum  Großbetriebe,  in  dem 
dann  nun  die  Seele  des  kapitalistischen  Unternehmers  erst 
völlig  frei  schalten  und  walten  kann,  und  in  dem  sie  erst  die 
Ware  herzustellen  vermag,  die  den  neuen  Ansprüchen  ihres 
Konsumenten  entspricht. 

Die  Russische  Kompagnie  in  Berlin  zog  diese  Konsequenzen 


III.  Vergrößerung,  Zusammenballung  und  üniformierung  usw.     173 

zum  Teil:  sie  legte  zwei  eigene  Färbereien  an,  „so  daß  jetzt 
tadellose  Ware  geliefert  werden  könne"  ^^^. 

Völlig  wurden  den  Anforderungen  der  Heeresverwaltungen 
erst  die  ganz  großen  Soldatentuchfabriken  gerecht,  die  während 
des  18.  Jahrhunderts  in  Rußland  entstanden  und  ähnlich  wie 
die  großen  Waffenfabriken  erste  Wahrzeichen  größtbetrieb- 
licher  Organisation  wurden:  die  Moskauer  Tuchfabrik  von 
Sßegolin  &  Co.  beschäftigt  (1729)  730  Arbeiter  und  130  Web- 
stühle; die  Kasaner  Tuchfabrik  Mikljaevs  hat  742  Arbeiter  ^^^. 

So  tritt  uns  auch  hier  das  moderne  Heer  als  Erzieher 
zum  Kapitalismus  entgegen. 

Und  was  ftlr  die  Tuchindustrie  gilt,  gilt  gewiß  auch  für 
alle  anderen  Gewerbe,  die  an  der  Lieferung  der  Kleidung  für 
die  Armeen  beteiligt  waren. 

So  ist  die  Anregung  zur  Kleiderkonfektion,  soweit 
diese  nicht  Luxusindustrie  war,  auch  von  dieser  Seite  her- 
gekommen. 

Wir  hörten  schon,  daß  im  Jahre  1603  die  englische  Re- 
gierung einen  Vertrag  über  Lieferung  von  5000  Anzügen 
abschloß:  einen  Vertrag,  der  sich  jährlich  zweimal  wieder- 
holte, also  gang  und  gäbe  war.  Es  mag  noch  erwähnt  werden, 
daß  die  beiden  Personen,  denen  sie  die  Lieferung  übertrug, 
als  „merchant-taylors  of  London"  bezeichnet  werden '*^'^.  Eines 
der  frühesten  kapitalistisch  betriebenen  Gewerbe  in  London 
war  in  der  Tat  die  Schneiderei,  und  wir  dürfen  als  erwiesen 
annehmen,  daß  derjenige  Teil  der  kapitalistischen  Schneiderei, 
der  nicht  Luxusindustrie  war  (über  die  ich  im  ersten  Band 
dieser  Studien  mich  auslasse),  Militärkonfektion  gewesen  ist. 

Ebenso  wie  für  das  Landheer  wurden  auch  für  die  Marine 
schon  im  17.  Jahrhundert  fertige  Kleider  hergestellt:  natür- 
lich ebenfalls  auf  kapitalistischer  Basis.  Im  Jahre  1655  wird 
verordnet,  daß  kein  Schneider  Kleider  an  Bord  der  englischen 
Kriegsschiffe  schicken  darf  ohne  Lizenz  der  Navy  Commissio- 
ners^^^  usw. 


174  Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

Von  Deutschland  heißt  es  im  18.  Jahrhundert^**:  „Ein 
anderer"  (sc.  als  der  Handel  mit  „kostbaren"  Kleidern)  „Kleider- 
handel ist  derjenige,  wenn  ein  Kaufmann  mit  einem  General  oder 
Obristen  contrahiret,  daß  er  demselben  die  benöthigte  Kleidung 
für  so  und  so  viel  Regimenter  und  Compagnien  verschaffen  solle." 

Aus  dem  Mtitzenmacherhandwerk  rettete  sich  in  die  Arche 
des  Kapitalismus  nur  die  Militärmützenmacherei,  die 
z.  B.  in  dem  England  des  18.  Jahrhunderts  wenige  große 
Unternehmer  und  zahlreiches  Volk,  namentlich  Weiber  und 
Mädchen,  beschäftigt. 

Späteren  Untersuchungen  bleibt  es  vorbehalten,  die  von 
mir  hier  aufgewiesenen  Zusammenhänge  im  einzelnen  und  in 
zahlreichen  Fällen  zu  verfolgen. 

Nur  auf  eine  Möglichkeit  will  ich  zum  Schlüsse  selbst 
noch  hinweisen :  daß  nämlich  die  Idee  des  Kartells  —  der 
Vereinbarung  gewisser  Einheitspreise  und  der  Verabredung 
gemeinsamen  Absatzes  unter  freien  Produzenten  —  in  der 
Sphäre  der  Industrie,  die  für  die  Armee  produziert,  zuerst 
aufgetaucht  ist:  die  Gleichförmigkeit  der  Lieferung  ebenso 
wie  die  Gleichförmigkeit  des  Gelieferten  legen  diesen  Ge- 
danken nahe.  Und  wir  besitzen  in  der  Tat  eine  Art  von 
Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner  Hypothese:  im  Jahre  1740 
vereinigen  sich  die  Militärtuchlieferanten  von  Languedoc  und 
bieten  dem  Könige  an:  die  Tuche  für  sein  Heer  von  nun  ab 
zu  einem  bestimmten  Preise  an  seine  Magazine  abzuliefern, 
wollen  sich  also  keine  Konkurrenz  mehr  machen.  Sie  pro- 
ponieren  „ä  sa  Majestö  de  faire  6tablir  dans  la  ville  de  Mont- 
pellier un  magasin  oü  on  fera  fournir,  sur  les  ordres  de  M. 
le  Secrötaire  d'6tat  de  la  guerre,  les  draps,  cadis  et  autres 
Stoffes  nöcessaires  pour  l'habillement  de  Tinfanterie  fran^aise 
ä  un  prix  fixe  qui  sera  convenu,  comme  aussi  de  les  faire 
tenir  directement  aux  troupes,  au  moyen  du  prix  qui  sera 
r6gl6"  3««. 


175 


Sechstes  Kapitel:    Der  Schiffbau 


L  Die  Bedeutung  des  Schiffbaues  für  das 
Wirtschaftsleben 

Colbert  wußte,  was  er  sagte,  wenn  er  den  Schiffbau  das 
größte  aller  Gewerbe  nannte:  „la  construction  des  vaisseaux 
est  le  plus  6tendu  de  tous  les  arts"^^^ 

Es  ist  ja  nicht  nur  die  Erbauung  des  Schiffes  selber  auf 
der  Werft,  was  in  Betracht  kommt,  sondern  die  vielen  In- 
dustrien, die  die  Baumaterialien  herrichten,  die  vielen  Handels- 
zweige, die  für  die  Beschaffung  dieser  Baumaterialien  Sorge 
tragen. 

Die  Wirkung,  die  der  Schiffbau  auf  das  Wirtschaftsleben 
ausübt,  ist  nun  um  so  größer; 

1.  je  mehr  Schiffe  gebaut  werden,  was  ja  keiner  Erläute- 
rung bedarf;  aber  auch 

2.  je  größere  Schiffe  gebaut  werden.  Wiederum  selbst- 
verständlich ist  die  Wirkung  der  Größe,  sofern  die  gleiche 
Anzahl  größerer  Schiffe  natürlich  einen  größeren  Gesamtbedarf 
erzeugt  an  Baumaterialien,  eine  größere  Nachfrage  nach 
Arbeitskräften  usw.  Die  Schiffsgröße  ist  aber  auch  an  und 
für  sich  bedeutsam :  sie  bewirkt  eine  stärkere  Zusammen- 
ballung der  lebendigen  Arbeit  und  des  Bedarfs  an  Material 
und  Werkvorrichtungen :  die  Werften  müssen  größer  sein,  um 
größere  Schiffe  auf  ihnen  bauen  zu  können;  die  Mengen  an 
Holz,  an  Tauwerk,  an  Eisen  usw.,  die  in  Einem  verlangt 
werden,  sind  größer,  nur  weil  das  Schiff,  ein  „zusammengesetztes" 
Gut,  wie  wir  es  nannten,  eine  größere  Bedarfseinheit  schafft. 


176  Sechstes  Kapitel:  Der  Schiffbau 

Was  hier  die  Schiffsgröße  aus  sich  heraus  bewirkt,  kann 
nun  auch  bewirkt  werden  durch  organisatorische  Zusammen- 
schließung der  Schiff bautätigkeit.  Man  kann  deshalb  sagen: 
die  Wirkung  des  Schiffbaues  auf  das  Wirtschaftsleben  ist  um 
so  größer, 

3.  je  einheitlicher,  je  zusammengedrängter,  je  verdichteter 
der  Schiffbau  erfolgt:  wenn  100  Schiffe  auf  einer  Werft  er- 
baut werden,  entsteht  ein  größerer  und  einheitlicherer  Bedarf, 
als  wenn  dieselben  100  Schiffe  auf  10  Werften  erbaut  werden. 

Endlich  ist  noch  daran  zu  erinnern,  daß  die  Einfluß- 
sphäre des  Schiffbaues  (der  hier  natürlich  nicht  anders  wie 
jede  beliebige  Industrie  wirkt),  um  so  größer  ist, 

4.  je  rascher  die  Schiffe  erbaut  werden :  stelle  ich  100  Mann 
an  eine  Baustelle ,  so  wird  ein  Schiff  von  bestimmter  Größe 
in  —  sage  —  einem  Jahre  fertig.  Soll  es  schon  nach  drei 
Monaten  vom  Stapel  laufen,  so  muß  ich  die  gleichzeitig 
tätigen  Arbeiter  entsprechend  vermehren.  Das  Gleiche  gilt 
für  die  Beschaffung  der  Materialien. 

Diese  Besinnungen  waren  notwendig,  um  zu  erklären, 
weshalb  ich  denn  in  diesem  Zusammenhange  überhaupt  den 
Schiffbau  erwähne.  Man  könnte  mir  nämlich  die  Bemerkung 
entgegenhalten:  gewiß,  der  Schiffbau  hat  für  die  Entstehung 
des  modernen  Kapitalismus  eine  große  Bedeutung  (obwohl 
auch  in  dieser  allgemeinen  Fassung  der  Satz  noch  niemals 
aufgestellt  ist :  für  unsere  Wirtschaftshistoriker  scheint  es  ja 
nur  eine  Textilindustrie  zu  geben,  wenn  sie  die  Anfänge  des 
modernen  Kapitalismus  aufdecken);  aber  was  hat  diese  un- 
bestritten richtige  Tatsache  mit  dem  Thema  Krieg  und  Kapi- 
talismus zu  tun:  ist  denn  der  Schiffbau  nicht  ebensogut  und 
noch  viel  mehr  ein  bürgerliches  Gewerbe,  das  sein  Dasein  den 
Bedürfnissen  des  Handels  verdankt?  Wie  kommst  du  dazu, 
den  Schiffbau  und  seine  Bedeutung  für  den  Militarismus  zu 
requirieren?  Diesem  Einwände  begegne  ich  mit  der  Be- 
hauptung: daß  in  der  Tat  die  militärischen  Interessen  für 


IL  Die  Menge  der  Schiffe  177 

die  Entfaltung  des  Schiffbaues  von  entscheidender  Wichtig- 
keit gewesen  sind,  daß  die  Handelsinteressen  voraussichtlich 
niemals  und  jedenfalls  nicht  in  so  kurzer  Zeit  den  Schiffbau 
zur  Entfaltung  gebracht  hätten,  wie  es  die  kriegerischen  Inter- 
essen getan  haben. 

Um  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  zu  erweisen,  war 
es  eben  nötig,  die  Umstände  zu  bezeichnen,  von  denen  die 
Ausdehnung  des  Schiffbaues  abhängig  ist,  wie  ich  es  oben 
versucht  habe.  Ich  werde  nun  zeigen,  daß  die  Kriegsinteressen 
1.  die  Menge  der  Schiffe;  2.  die  Größe  der  Schiffe;  3.  die 
Beschleunigung  des  Schiffbaues;  4.  die  Konzentration  des 
Schiffbaues,  wesentlich  beeinflußt  haben. 

II.  Die  Menge  der  Schiffe 

Auch  heute  macht  die  Kriegsflotte  eines  großen  Militär- 
staates einen  erheblichen  Teil  des  gesamten  Schiffsbestandes  aus. 
Deutschlands  sämtliche  Seeschiffe  (Segler  wie  Dampfer)  hatten 
am  I.Januar  1912  einen  Raumgehalt  von  4711998  Register- 
tons brutto  und  3023725  Registertons  netto;  während  die 
Kriegsschiffe  der  Kaiserlichen  Marine  am  1.  April  1912 
892710  Tonnen  Wasser  verdrängten.  Hamburgs  Flotte  be- 
stand im  Jahre  1911  aus  1252  Seeschiffen  mit  1 687  945  Register- 
tons Raumgehalt  (netto) ;  Hamburgs  Dampfer  führten  Maschinen 
mit  sich,  die  1234000  Pferdestärken  indizierten:  auf  den 
Schiffen  der  Kaiserlichen  Marine  waren  Dampfmaschinen  mit 
1515340  indizierten  Pferdestärken.  Das  sind  also,  wie  man 
sieht,  recht  beträchtliche  Ziffern.  Geht  man  aber  ein  paar 
Jahrhunderte  zurück,  in  die  Zeit,  als  der  Schiffbau  sich  erst 
zu  entwickeln  anfing,  so  verschiebt  sich  das  Verhältnis  der 
Kriegsschiffe  zu  den  Handelsschiffen  ganz  wesentlich  zugunsten 
jener.  Wie  rasch  die  Kriegsflotte  ihren  Bestand  vergrößerte, 
habe  ich  an  anderer  Stelle  bereits  gezeigt.  Die  ganze  Be- 
deutung dieser  Ausweitung  vermögen   wir  aber  erst  zu  er- 

Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  12 


178  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

messen,  wenn  wir  nun  die  Menge  der  Kriegsschiffe  in  Ver- 
gleich stellen  mit  der  Zahl  und  dem  Tonnengehalt  der  Kauf- 
fahrteischiffe in  derselben  Zeitepoche. 

Leider  wibsen  wir  nur  wenig  Zuverlässiges  über  den  Be- 
stand der  Handelsflotte  in  früherer  Zeit. 

Für  das  16.  Jahrhundert  besitzen  wir  folgende  Anhalts- 
punkte, um  den  Umfang  der  englischen  Handelsflotte  zu 
bemessen :  In  seinem  Treatise  of  Commerce,  der  1601  erschien, 
meint  Wheeler,  daß  vor  ungefähr  60  Jahren  nicht  4  Schiffe 
(außer  denen  der  Königlichen  Flotte)  in  den  Themsehäfen 
größer  als  120  t  gewesen  seien.  Die  Richtigkeit  dieses  Ur- 
teils wird  durch  andere  Angaben  bestätigt.  1544/45  bis  1553 
kommen  in  Abgang  Schiffe  über  100  t: 

London  gehörig     ...     17  mit  2530  t 
Bristol  gehörig     ...     13  mit  2380  t 
anderen  Häfen  gehörig.      5. 
1577  weist  eine  Liste  auf: 

135  Kauffahrer  mit  100  t  und  mehr,  davon  haben 

56 100  t, 

11 110  t, 

20 120  t, 

7 130  t, 

15 140  t, 

5 150  t, 

656  zwischen  40  und  100  t. 
1582  finden   wir  177  Handelsschiffe  mit  mehr  als  100  t. 

Die  Flotte  Heinrichs  VIII.  maß  aber  schon  zu  Beginn 

seiner  Regierung,  wie  wir  oben  sahen,  8460  t,   am  Ende 

10550  t;  Elisabeth  hinterläßt  eine  Kriegsflotte  von  14060  t. 

Für   das   England    des  17.  Jahrhunderts   sind  mir 

folgende  Schätzungen  bekannt: 

1628  ergibt  eine  Bestandsaufnahme  der  englischen  Kauffahrer- 
flotte in  der  Themse: 


II.  Die  Menge  der  Schi£fe  179 

7  Indienfahrer  ...    mit  4200  t, 
34  andere  Kauffahrer,    mit  7850  t, 
22  Newcastler  Kohlenfahrer. 
1629  werden  in  ganz  England  350  Schiffe  über  100  t  ermittelt, 

das  sind  also  35000—40000  t  Raumgehalt. 
1642  hat  die  Ostindische  Kompagnie  einen  Schiffsbestand  von 

15000  t  Raumgehalt  3«2. 
1651  haben  die  Kaufleute  von  Glasgow  12   Schiffe  mit  zu- 
sammen 957  t  Laderaum. 
1692  gehören  zum  Hafen  von  Leith  29  Schiffe  mit  1702  t  Trag- 
fähigkeit ^^^. 
^\^hrend   dieses  Zeitraums  beträgt   der  Raumgehalt  der 
Königsschiffe    15000—20000   t   mindestens   (1618:    15670    t, 
1624:   19339   t,   1660   aber  schon  62594  t)  nach   den  oben 
mitgeteilten  Quellen. 

Die  französische  Handelsmarine  soll  nach  einer  amt- 
lichen Ermittlung  ^^*  im  Jahre  1664  aus  2368  Schiffen  bestanden 
haben,  für  die  ich  nach  den  in  jener  Übersicht  verzeichneten 
Größenverhältnissen  etwa  180000  t  Raumgehalt  herausrechne. 
Kriegsschiffe  hatte  Frankreich  1661  erst  30,  bei  Colberts  Tode 
jedoch  244,  wie  wir  sehen,  deren  Raumgehalt  wir  sieher  auf 
80000  bis  100000  t  ansetzen  müssen. 

Für  das  18.  Jahrhundert  haben  wir  aus  dem  Jahre 
1754  eine  Schätzung  ^^^ ,  wonach  die  englische  Handelsflotte 
bestand  aus 

ca.  2000  Seeschiffen     mitca.l70000tRaumgehaltu. 
„  2000  Küstenfahrern  „    „  150000  t  „ 

zus.  aus  ca.  4000  Schiffen         mit  ca.  320  000 1  Raumgehalt. 
Diese  Ziffer  nimmt  auch  ein  so  vorzüglicher  Kenner  wie 
Postlethwayt  für  seine  Zeit  als  richtig  an^^^. 

Daß  sie  in  der  Tat  ungefähr  der  Wirklichkeit  entsprach, 
können  wir  auch  aus  der  uns  bekannten  genauen  Zahl  der 
Schiffe  schließen,  die  London  allein  gehörten.     Das  waren 

(nach  den  Generalregistern  des  Zollhauses  berechnet)  1417  im 

12* 


180  Sechstes  Kapitel:    Der  Schiffbau 

Jahre  1732,  die  zusammen  einen  Raumgehalt  von  178557  t 
hatten. 

Im  18.  Jahrhundert  fängt  die  Schiff  ahrts Statistik  an,  ge- 
nauer zu  werden,  und  sie  kann  uns  auch  über  die  Größe  des 
Schiffsbestandes  einigen  Aufschluß  geben.  Wir  müssen  für  jene 
Zeit  annehmen,  daß  beispielsweise  die  in  den  englischen  Häfen 
einlaufenden  Schilfe  die  Fahrt  ein-  bis  zweimal  im  Jahre  machten : 
auf  ca.  zwei  einmalige  Reisen  kam  eine  wiederholte  ^^^.  Nun 
liefen  aber  im  Durchschnitt  der  Jahre  1743,  1747,  1749  in  sämt- 
lichen englischen  Häfen  603  fremde  Schiffe  mit  einem  Tonnen- 
gehalt von  86094  t  ein^**^.  Während  z.  B.  aus  den  südenglischen 
Häfen  (1786/87)  nach  Westindien  abgingen  233  Schiffe  mit 
47  257  t,  gingen  ebenso  aus  London :  218  mit  61 695  t,  ebenso 
aus  nordenglischen  Häfen:  77  mit  14629  t^^''.  Die  Gesamtzahl 
der  1786/87  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  an- 
gekommenen Schiffe  betrug  509  mit  35  546  t,  während  in  dem- 
selben Jahre  von  dort  absegelten  373  Schiffe  mit  36145  t^«». 

(Zum  Vergleich:  Im  Jahre  1910  kamen  an  im  Hafen 
von  Holtenau  Schiffe  mit  49  221  Registertons,  im  Hafen  von 
Nobiskrug  mit  29093  Registertons,  im  Hafen  von  Papenburg 
mit  38  832  Registertons,  dagegen  schon  im  Hafen  von  Stolp- 
münde  mit  75336  Registertons,  im  Hafen  von  Stolzenhagen 
(Kratzwieck)  gar  mit  253  342  Registertons ;  in  sämtlichen  Häfen 
des  Deutschen  Reiches  liefen  im  Jahre  1910  111  797  Seeschiffe 
mit  29930553  Registertons  ein.) 

Damals  (1749),  als  die  gesamte  englische  Handelsmarine 
320000  t  groß  war,  hatte  die  Kriegsflotte  228215  t  Raum- 
gehalt; das  wäre  also  mehr  als  die  sämtlichen  Überseefahrer 
zusammen,  zwei  Drittel  so  viel  als  sämtliche  Schiffe  der 
Handelsflotte. 

Wenn  wir  diese  Ziffern  überblicken,  so  gewinnen  wir  den 
Eindruck,  als  ob  in  den  zweihundert  Jahren,  von  der  Mitte 
des  16.  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts,  das  heißt  also  in 
den   für   die   Entwicklung  des  Kapitalismus   entscheidenden 


II.  Die  Menge  der  Schiffe  181 

Jahren,  die  Handelsflotte  in  England  nur  langsame  Fort- 
schritte macht  im  Vergleich  zu  der  Kriegsflotte.  Während 
sie  zur  Zeit  der  Tudors  offenbar  noch  mehrmals  so  groß  ist 
als  diese,  wird  ihr  Rauragehalt  um  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts von  dem  der  Kriegsflotte  fast  erreicht.  Die  Kraft 
der  Nation  ist  während  dieser  Jahrhunderte  fast  ausschließ- 
lich auf  die  Entwicklung  der  Kriegsflotte  verwendet  worden. 
Diese  zur  Blüte  zu  bringen  werden  alle  Mittel  angewandt. 
Was  für  England  gilt,  gilt  aber  (vielleicht  in  erhöhtem  Maße) 
für  alle  anderen  Länder. 

Aber  die  Überlegenheit  der  kriegerischen  Interessen  ist 
noch  größer,  als  sie  in  dieser  Verschiebung  des  Anteilverhält- 
nisses zwischen  Handelsflotte  und  königlicher  Flotte  zum  Aus- 
druck kommt.  Es  kann  nämlich  für  den  Kundigen  keinem 
Zweifel  unterliegen,  daß  die  Vermehrung  der  Handelsschiffe 
selbst  ebenfalls  noch  zum  guten  Teil  dem  Militarismus  zu 
danken  ist.  Offenbar  wirkt  die  Aussicht,  die  Kauffahrtei- 
schiffe gegen  gutes  Chartergeld  in  Kriegszeiten  der  Regierung 
zur  Verfügung  stellen  zu  können,  wirken  ferner  die  Prämien, 
die  die  Regierung  namentlich  für  den  Bau  großer  Schiffe 
aussetzt  aus  militaristischen  Gründen,  als  ein  viel  stärkerer 
Anreiz  auf  die  Schiffbauer  als  die  Aussichten  auf  Handels- 
gewinn. Immer  wieder  machen  wir  die  Beobachtung,  daß 
das  Gewinnstreben,  der  Erwerbstrieb  innerhalb  des  Wirtschafts- 
lebens in  der  früheren  Zeit  nicht  annähernd  die  dynamische 
Wirkung  ausübt  wie  heute;  daß  vor  allem  dem  früheren 
Menschen  nähere,  greifbarere  Gewinne  in  Aussicht  gestellt 
werden  mußten,  als  es  die  normalen  Handels-  und  Produktions- 
gewinne sind,  um  ihn  zu  intensiverer  Tätigkeit  anzuspornen: 
um  Gold  zu  suchen,  für  Kaperzweeke,  gegen  bare  Prämien, 
zum  Verchartern  baute  man,  um  das,  was  ich  hier  im  all- 
gemeinen sage,  wieder  auf  unseren  Fall  anzuwenden,  viel 
eher  Schiffe,  als  um  den  russischen  oder  den  levantinischen 
Handel    auszudehnen.     In    dem   geschäftliehen    Alltagsleben 


182  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

herrscht  der  Schlendrian  vor;  alles  geht  seinen  altgewohnten 
Weg;  es  müssen  schon  starke  Anreizungen  kommen,  um  hier 
wesentliche  Neuerungen  einzuführen.  Solche  Anstöße  kamen 
für  den  Schiffbau  von  den  militärischen  Interessen  her ,  die 
während  der  Zeit,  die  wir  hier  überblicken,  ganz  gewiß  stärker 
waren  als  die  merkantilen.  Dieser  Eindruck  wird  bestätigt, 
wenn  wir  nun  die  Entwicklung  verfolgen,  die  die  Schiflfs- 
typen  in  unserer  Epoche  durchmachen. 

m.  Die  GröPe  der  Schiffe 

Wir  haben  oben  schon  eine  Vorstellung  von  der  Größe 
der  Handelsschifle  während  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  be- 
kommen. Ich  teile  noch  ein  paar  Ziffern  mit,  um  das  Bild 
recht  deutlich  erscheinen  zu  lassen. 

In  der  schon  erwähnten  amtlichen  Statistik  der  französischen 
Handelsschifie  im  Jahre  1664  verteilen  sich  die  2368  auf  die  einzelnen 
Größenklassen  wie  folgt: 

10—  30  t 1063, 

30—  40  t 345, 

40—  60  t 320, 

60—  80  t    _ 178, 

80-100  t 133, 

100—120  t 102, 

120—150  t 72, 

150—200  t 70, 

200—250  t 39, 

250—300  t 27, 

300—400  t 19 

iüä 

Die  Schiffe,  die  während  des  17.  Jahrhunderts  aus  dem  Hamburger 
Hafen  ausliefen,  waren  durchschnittlich  17 — 18  Lasten  ä  2000  kg  groß; 
1625  z.  B.  17,621  Lasten.  Das  größte  Schiff  in  diesem  Jahre  segelte  nach 
Venedig  und  hatte  eine  Tragfähigkeit  von  200  Lasten  (also  400  t),  1616 
finden  wir  eins  mit  150,  1615  eins  mit  130, 1617  eins  mit  120  Lasten  usw.^''». 

In  England,  meinte  Sir  William  Monson  in  seinem  Naval  Tracts 
p.  294,  waren  beim  Tode  der  Elisabeth  (also  im  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts) keine  4  Kauffahrer  von  je  400  t.  Tragfähigkeit*'^.  Wird  ge- 
stimmt haben;   denn    noch   in   der  Mitte  des  Jahrhunderts  hatten  die 


III.  Die  Größe  der  Schiffe  183 

Schiffe  der  Ostindischen  Kompagnie  (also  die  größten  des  Landes)  erst 
300  bis  600  t  Ladefähigheit^'a. 

Die  Holländisch -ostindische  Kompagnie  benutzte  am  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  Schiffe  von  durchschnittlich  300  Lasten  ^''^. 

Die  erste  Flotte  der  französischen  Indiengesellschaft  bestand  aus 
3  Schiffen  zu  je  300  t  und  einem  Schiff  zu  120  t;  die  zweite  setzte  sich 
wie  folgt  zusammen:  2  Schiffe  zu  je  5—600  t,  2  Schiffe  je  300  t,  1  Schiff 
250  t,  1  Schiff  200  t,  4  Schiffe  je  60—80  t.  1682  laufen  1  Schiff  zu  700  t, 
1  Schiff  zu  800  t  aus  ^''*. 

Diese  Größen  bleiben  auch  während  des  18.  Jahrhunderts 
üblich :  große  Ostindienfahrer  haben  300—500  t,  die  Europa- 
fahrer 100—300  t  Raumgehalt. 

So  waren  von  den  schon  erwähnten  1417  Schiffen,   die  London   im 
Jahre  1732  besaß, 

130  zwischen  300  und  500  t, 
83         „         200    „     300  t  groß. 
Die  übrigen  waren   kleiner,  und   das  berühmte  Schiff  der  Südsee- 
gesellschaft hatte  750  t  Raumgehalt. 

Am  1.  Mai  1737  hat  Liverpool  »'^  211  Schiffe  über  30  t,  davon 
1  mit  400  t,         2  mit  340  t,  7  mit  160  t,  13  mit        120  t, 

1    „    350  t,         2    „    200  t,         15    „     150  t,  6    „  110  t, 

1     „    300  t,         2    „     190  t,         10    „     140  t,  16    .  100  t, 

1     „    250  t,         4    „    180  t,  5    „    130  t,    '     135    „    30—90  t 

Die  1749  in  den  englischen  Häfen  einlaufenden  fremden  Schiffe 
wiesen  folgende  Größen  auf: 

Holländische  Schiffe        62  mit    6  282  t  =  100  t, 

Dänemark 292    „    47  382  t  =  160  t. 

Schweden 71- „      8400  t  =  120  t, 

Hamburg 40    „       6  764  t  =  170  t, 

Frankreich 24    „      1 289  t  =    50  t, 

Preußen 26    „      3  420  t  =  130  t, 

Danzig 16    „      2  748  t  =  170  t, 

Portugal 26    „      2 100  t  =    80  t, 

Bremen 16    „      1  975  t  =  125  t, 

Rußland 5    „         440  t  =    90  t, 

Spanien 16    „         940  t  =    60  t. 

594  mit  81  740  t  =  ca.  140  t. 
Das  größte  Schiff  ist  ein  dänisches  mit  510t;  die  kleinsten  sind 
französische  Kähne  —  offenbar  von   Calais  nach  Dover  fahrend  — 
mit  4  t  Tragfähigkeit.    Aber   auch  von   Bremen  kommt  ein   Schiff  mit 
35  t,  von  Danzig  mit  44  t  usw.^'®. 


184  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

Ende  des  18.  Jahrhunderts  hatte  das  normale  holländische  Kauf- 
fahrerschifi  eine  Tragfähigkeit  von  180 — 190  Lasten;  es  maß  115'  auf  dem 
Kiel,  120'  vom  Vorder-  zum  Hintersteven  bei  einer  Breite  von  34 '3'''. 

Zum  Inventarium  der  aus  der  Guinäischen  Handelsgesellschaft,  der 
Ostseeischen  Handelsgesellschaft  und  der  Grönländischen  Handelsgesell- 
schaft 1781  gebildeten  Kgl.  Dänischen,  Ostseeischen  und  Guinäischen 
Handelsgesellschaft^''^  gehörten  37  Schiffe;  davon  hatten  Tragfähig- 
keit in  Commercelasten  (ä  2600kg): 

50—  60  Lasten        10  Schiffe, 
61—100       „  2       „ 

101—150       „  21 

151— 162V2  Lasten      4 


37  Schiffe. 

Stellen  wir  nun  diesen  Ziffern  die  ihnen  entsprechenden 
für  die  Kriegsmarine  gegenüber,  so  bemerken  wir  sehr  bald, 
daß  die  Kriegsschiffe  ganz  beträchtlich  viel  größer  sind  als 
die  Handelsschiffe,  daß  insbesondere  auch  die  großen  Typen 
viel  häufiger  sich  unter  jenen  als  unter  diesen  finden. 

Schon  im  15.  Jahrhundert  kommen,  englische  Kriegs- 
schiffe (of  the  Tower)  von  1000  t  vor:  in  der  Liste,  die 
Oppenheim  für  die  Zeit  Heinrichs  VII.  zusammenstellt,  er- 
scheinen 9  Schiffe  von  500—1000  t. 

Das  Verzeichnis  der  Schiffe  der  Royal  Navy  vom  5.  Jänner 
1548  (1.  Edw.  VI)  weist  folgende  Größen  auf: 

6  Schiffe  von  500—1000  t 

11  „         „     300—450  t 

12  „         „     100—250  t 
24       „       unter  100  t. 

Ganz  besonders  handgreiflich  ist  der  Größenunterschied 
zwischen  den  Kriegsschiffen  und  den  Handelsschiffen,  wenn 
wir  die  Schiffe  mustern,  die  die  englische  Flotte  im  Jahre 
1588  bildeten  8^^.  Diese,  dieselbe,  die  die  Felicisima  Armada 
besiegte,  bestand  aus  34  Kriegsschiffen  und  163  Kauffahrern. 

Die  84  Kriegsschiffe  wiesen  folgende  Typen  auf: 


III.  Die  Größe  der  Schiffe  185 

1  war  1100  t  groß 
1     „     1000  t      „ 

1  „       900  t      „ 

2  waren  je  800  t  groß 

2  „        „   600  t      „ 
5       „        „   500  t      „ 

12  waren  größer  als  500  t. 

3  waren  je  400  t  groß 

5       „       200—360  t  groß 

20  waren  größer  als  200  t. 
Dagegen  war  von  den  Kauffahrteischiffen 
keins  über  400  t  groß 
2  waren  je  400  t  groß 

4  „       „   300  t      „ 

24       „       200—250  t  groß 

30  waren  größer  als  200  t 
130      „      kleiner    „    200  t. 

Im  17.  Jahrhundert  vergrößern  sich  die  Kriegsschiffe 
rasch.  Zwei  der  bekannten  Königsschiffe  haben  folgende 
Ausmaße  ^^° : 

„.,,..  ™.  -.     Ladegehalt    Zahl  der      Zahl  der 

°  Brutto       Geschütze    Bemannung 

Royal      Prince 

(1610).     .     .       115'       18'         1187  55  500 

Sovereignofthe 
Seas  (1637)        127'     19,4'       1683  100  600 

Zum  Vergleich  füge  ich  noch  die  Maße  bei,  die  ein  fran- 
zösisches Kriegsschiff  mit  100  Kanonen  im  Jahre  1666  hatte^^* : 

Länge  des  Kiels 135  Fuß 

Vom  Vorder-  bis  zum  Hintersteven  .     .     .     160     „ 

Breite 42     „ 

Höhe  vom  Kiel 19     „ 

Höhe  vom  Kiel  bis  zur  Kuhbrücke  ...      13    „ 


186  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

Höhe  zwischen  zwei  Decks 7  Fuß 

Höhe  des  zweiten  Decks 7     „ 

Höhe  des  Vybord 2     „ 

Höhe  des  Zimmers  des  Generals,  vorn  und 

hinten 7V2     „ 

Höhe  der  Deckkajüte  (clunette)  ....  6  „ 
Höhe  der  Kampanja  (dessus  de  la  clunette)  4  „ 
Es  scheint  fast,  als  ob  noch  im  17.  Jahrhundert  der 
1000  t-Typ  bei  den  Kriegsschiffen  der  normale  wird.  Im 
Jahre  1688  finden  wir  ihn  in  der  englischen  Flotte  bereits 
bei  41  Schiffen,  deren  größtes  1739  t  groß  ist.  Die  Höhe 
der  Besatzungen  dieser  großen  Schiffe  schwankte  zwischen 
400  und  800,  die  Zahl  der  Geschütze  zwischen  70  und  100  »^z. 
Das  Wichtige  ist  zunächst  dies:  daß  die  Kriegsmarine 
durch  den  Bau  so  großer  Schiffe  alle  gewohnten  Vorstellungen 
von  Schiffsgrößen  revolutionierte  und  damit  Vorbilder  schuf. 
Als  Jakob  IV.  von  Schottland  im  Jahre  1511  den  „Michael", 
als  Heinrich  VIII.  im  folgenden  Jahre  den  „Regent"  vom  Stapel 
laufen  ließ,  standen  alle  Leute  wie  geblendet  da.  Wir  haben 
über  den  Eindruck,  den  speziell  der  „Michael"  machte,  ge- 
naue zeitgenössische  Berichte:  „any  varie  monstrous  great 
ship  called  the  Michael"  nennt  es  ein  Report.  Und  Lindsay  of 
Pittscottie  gibt  folgende  Beschreibung  von  dem  „Monstrum"  ^^^: 
„The  Scottish  king  bigged  a  great  ship  called  the  , Great 
Michael',  whieh  was  the  greatest  ship  and  of  most  strength, 
that  ever  sailed  in  England  or  France;  for  this  ship  was  of 
so  great  stature,  and  took  so  much  timber  that,  except  Fack- 
land, she  wasted  all  the  woods  in  Fife,  bye  all  timber  that 
was  gotten  out  of  Norway;  she  was  so  streng  and  of  so  great 
length  and  breadth  (all  wrights  of  Scotland,  yea,  and  many 
other  strangers  were  at  her  device,  by  the  kings  command- 
ment  who  wrought  very  busily  in  her  etc.  etc.)." 

Aber  wiederum  erschöpft  sich  damit  die  Einwirkung  der 
militärischen  Interessen  auf  das  Wirtschaftsleben  keineswegs. 


IV.  Das  Tempo  des  Schiffbaues  187 

Ebenso  wie  diese  eigenmächtig  auf  die  Vermehrung  der 
Handelsflotte  hindrängte,  so  ganz  besonders  auch  auf  eine 
Vergrößerung  der  Sehiffstypen.  Wir  müssen  uns  immer  gegen- 
wärtig halten:  eine  Veränderung  der  üblichen  Produktions- 
und Handelsweisen  wird  von  den  Wirtschaftssubjekten  auch 
noch  in  der  frühkapitalistischen  Epoche  meist  als  lästig 
empfunden  und  deshalb  nach  Möglichkeit  zu  meiden  gesucht. 
Die  Peitsche  der  Konkurrenz  wird  noch  nicht  über  ihren 
Häuptern  geschwungen;  ein  Z  wang  zur  Verbesserung  besteht 
also  nicht.  Folglich  wird  diese  nur  aus  dem  Gewinnstreben 
folgen,  das  aber,  wie  ich  schon  sagte,  sehr  häufig  durch 
künstliche  Mittel  erst  geweckt  oder  jedenfalls  gesteigert 
werden  mußte.  Solche  künstlichen  Mittel  waren  die  Prämien. 
Die  Prämien  aber,  die  auf  den  Schiffbau  gelegt  wurden, 
hatten  vor  allem  den  Zweck,  die  Werften  zur  Erbauung 
großer  Schiffe  zu  veranlassen,  solcher  Schiffe  nämlich,  die 
man  auch  bequem  als  Kriegsschiffe  verwenden  konnte. 

Als  1522  der  „Antony"  von  Bristol  mit  5/  pro  Tonne 
prämiiert  wird,  geschieht  es,  weil  er  400  t  groß  ist  und  also 
zum  Kriegsdienst  gegebenenfalls  geeignet:  gut  „also  to  doo 
unto  US  Service  in  warre".  Unter  diesem  Gesichtspunkte  der 
Kriegsinteressen  ist  dann  später  die  Schiffsprämienpolitik  bei 
allen  seefahrenden  Völkern  betrieben  worden.  Also  daß  wir 
guten  Grund  haben,  auch  in  der  Entwicklung  des  großen 
Schiffstyps  eher  militaristische  als  kapitalistische  Interessen 
vorwiegend  als  wirksame  Triebkräfte  zu  vermuten. 

IV.  Das  Tempo  des  Schiffbaues 

Dem  mittelalterlichen  Leben,  vor  allem  dem  mittelalter- 
lichen Wirtschaftsleben  ist  die  Idee  „der  Beschleunigung** 
fremd :  es  gibt  kein  Gebiet,  auf  dem  das  Schneller  ein  Besser 
bedeutete,  auf  dem  es  an  und  für  sieh  als  Wert  erschiene, 
einen  Prozeß  rascher  abzuwickeln.    Voraussichtlich  wäre  auch 


188  Sechstes  Kapitel:   Der  Schifibau 

der  Trieb  zur  Beschleunigung  im  Bereiche  des  Wirtschaft- 
lichen selber  nie  erwacht.  Er  mußte  durch  eine  Reizung  von 
außen  her  erst  zur  Betätigung  gebracht  werden.  Eine  solche 
Reizung  ging,  wie  wir  schon  in  zahlreichen  Fällen  feststellen 
konnten,  von  den  kriegerischen  Interessen  aus. 

Das  gilt  in  hervorragendem  Sinne  wiederum  für  die  Ent- 
wicklung des  Schiif baus.  Langsames,  dumpfes  Dahinbrüten,  be- 
queme traditionalistische  Alltäglichkeit,  bis  die  Anforderungen 
der  Kriegsmarine  Leben  in  das  Getriebe  bringen.  Man  ermesse, 
welch  ein  wahnwitziger  Gedanke  es  für  das  Gefühl  eines 
mittelalterlichen  Reeders  gewesen  wäre:  den  Bestand  der 
Handelsflotte  innerhalb  weniger  Jahre  und  Jahrzehnte  etwa 
zu  verdoppeln.  Wozu?  Es  wäre  ja  auch  ganz  sinnlos  ge- 
wesen ;  denn  woher  hätte  die  doppelte  Menge  Ladung  kommen 
sollen?  Das  kriegerische  Interesse  dagegen  drängte  immer- 
fort auf  Vergrößerung  der  Streitmacht  und  auf  rasche 
Vergrößerung,  um  dem  Feinde  zuvorzukommen. 

Um  zu  erkennen ,  wie  hastig  und  oft  sprunghaft  der 
Schiffbau  sich  entwickelte,  seit  die  Erbauung  von  Kriegs- 
schiifen  seine  Hauptaufgabe  wurde,  genügt  es,  sich  die  Ziffern 
vor  Augen  zu  führen,  in  denen  sich  die  Vermehrung  des 
Bestandes  der  Kriegsflotten  ausdrückt.  Ich  habe  sie  bereits 
mitgeteilt  und  verweise  den  Leser  darauf.  Zur  Belebung 
des  Bildes  führe  ich  noch  ein  paar  besonders  markante  Bei- 
spiele aus  der  Schiff"baugeschichte  an,  an  denen  sich  das  für 
jene  Zeiten  unerhörte  Tempo  der  Herstellung  erkennen  läßt. 

Im  Jahre  1172  unter  dem  Doganat  Vital  Micheles  IL 
sollen  in  Venedig  100  Galeeren  und  20  große  Schiffe  in 
100  Tagen  erbaut  sein^^*.  Das  ist  natürlich  Unsinn  und 
Chronistenphantasterei.  Es  werden  10  Galeeren  und  2  große 
Schiffe  gewesen  sein. 

Aber  was  uns  jene  Überlieferung  lehrt,  ist:  1.  die  zweifel- 
los richtige  Tatsache,  daß  die  Venetianische  Regierung  in 
sehr  kurzer  Zeit   eine  große   Menge  Schiffe  herstellen  ließ, 


IV.  Das  Tempo  des  Schiffbaues 


189 


und  2.  das  Staunen  der  Zeitgenossen  über  diese  ungewohnte 
Handlungsweise. 

Aus  ebenso  früher  oder  nur  wenig  späterer  Zeit  haben 
wir  zuverlässige  Nachweise  über  den  Bau  Genueser  Kriegs- 
schiffe, die  uns  durch  die  Größe  der  Ziffern  verblüffen.  Wir 
erfahren,  daß  die  Republik  Genua  bestellt ^^^: 


1171 

1204 
1205 
1206 
1207 


8  Kattschiffe  und  8  Galeeren: 
8  Galeeren: 


22  Galeeren  und  4  Tariden,  je  1  Galeere  in  Savona 
und  in  Noli; 
1216:    10  Galeeren; 
1241:   52  Galeeren  und  Tariden; 
1242:   40  Galeeren; 
1282  besaß  Genua  nur  12  Galeeren,  50  wurden  in  diesem 

Jahre  dazu  gebaut. 
Stärkere  Anforderungen  stellten  auch  im  16.  Jahrhundert 
die   Marineverwaltungen    der   großen   nordischen    Seemächte 
nicht:    sie  waren  wahrhaftig  enorm  genug. 

In  England  befinden  sich  im  Jahre  1554  29  Kriegsschiffe 
im  Bau  („in  commission"),  1555/56  38,  1557  24,  zu  denen  im 
Dezember  desselben  Jahres  noch  8  andere  hinzukommen. 
Aber  das  Tempo  wird  immer  hastiger.  Dafür  enthält  den 
Beleg  die  folgende  überaus  lehrreiche  Tabelle  ^^^: 

Es  waren  Kriegsschiffe  in  Kommission  in  den  22  Jahren : 

1559—1580  1581-1602 


Über  600  t  .  . 

2 

28 

400—600  t  .  . 

.  .     17 

100 

200—400  t  .  . 

42 

73 

100—200  t  .  . 

38 

55 

50—100  t  .  . 

39 

40 

unter  50  t  .  . 

4 

66 

Insgesamt    142 


362. 


190  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

Aus  diesen  Ziffern  ersehen  wir:  1.  daß  in  dem  zweiten 
gleich  großen  Zeitraum  zweiundeinhalbmal  so  viel  Schiffe  ge- 
baut wurden  als  im  ersten;  2.  daß  die  Schiffe  im  zweiten 
Zeitraum  erheblich  größer  sind  als  im  ersten,  so  daß  3.  eine 
Steigerung  der  Produktion  auf  mehr  als  das  Dreifache  statt- 
findet :  wenn  man  die  einzelnen  Schiffstypen  zum  Durchschnitt 
ihrer  Klasse  ansetzt,  so  ergeben  sich  in  den  ersten  22  Jahren 
etwa  31 000  t,  in  den  zweiten  22  Jahren  dagegen  über  103  000  t 
Bauumfang. 

Und  dann  kommt  ja  erst  der  große  Vorstoß  im  17.  Jahr- 
hundert, in  dem  sich  alle  militaristischen  Interessen  erst  ins 
Gigantische  (ins  Barock  können  wir  auch  sagen)  auswachsen. 
Unter  der  Republik  werden  in  England  207  Schiffe  in  11  Jahren, 
also  fast  20  Schiffe  in  jedem  Jahre,  gebaut.  In  dem  einen 
Jahrfünft  von  1690 — 1695  werden  in  England  zum  Bau  von 
45  Schiften  £  1011576.8.11  bewilligt»". 

An  Paroxysmus  grenzt  ebenso  das  Tempo,  in  dem  zu 
Colberts  Zeiten  die  französische  Kriegsflotte  vergrößert  wurde : 
Colbert  fand,  wie  wir  sahen,  bei  seinem  Eintritt  in  die 
Regierung  (1661)  80  Kriegsschiffe  vor;  nach  wenig  mehr  als 
20  Jahren  hatte  er  244  daraus  gemacht,  diese  aber  meist  in 
viel  größerem  Ausmaße:  es  wurden  also  jährlich  im  Durch- 
schnitt 10 — 12  Kriegsschiffe  vom  Stapel  gelassen. 

V.   Die  Organisation  des  Schiffbaues 

Wir  haben  uns  schon  zum  Bewußtsein  gebracht,  daß 
irgendeine  Produktion  sehr  verschiedenen  Charakter  trägt  und 
sehr  verschiedene  Anforderungen  an  die  wirtschaftliche  Ver- 
fassung stellt,  je  nach  dem  Zeitausmaß,  das  sie  beherrscht. 
Handwerker  konnten  schließlich  auch  mittelalterliche  Dome 
bauen:  wenn  man  ihnen  nur  Zeit  ließ.  Verlangte  man  aber, 
daß  sie  in  einer  bestimmten  Frist  damit  fertig  wurden,  so 
versagte  ihre  Kraft.    Handwerker  konnten  im  Notfall  auch 


V.   Die  Organisation  des  Schifibaues  191 

in  kurzer  Zeit  kleine  Mengen  von  Produkten  liefern:  wuchs 
sich  das  verlangte  Produktquantum  aus,  so  überstiegen 
wiederum  die  Anforderungen  die  Leistungsfähigkeit  des  Hand- 
werkers. Wie  er  denn  sehr  bald  versagte,  wenn  es  sich  um 
die  Erzeugung  zusammengesetzter  Güter  von  bestimmter 
Größe  handelte. 

Der  Schiffbau  wurde  durch  die  militaristischen  Interessen 
nach  allen  drei  Seiten  hin  entwickelt:  mehr  Schilfe,  größere 
Schilfe  wurden  verlangt  und  vor  allem :  sie  wurden  in  kürzerer 
Zeit  verlangt.  Die  Anforderungen  der  Handelsflotte  hätte 
die  handwerksmäßige  Schifl'bauerei  noch  jahrhundertelang 
befriedigen  können.  Durch  die  wachsenden  Ansprüche  der 
Kriegsmarine  wurde  das  Handwerk  für  den  Schiffbau  dis- 
qualifiziert, erst  für  den  Bau  der  Kriegsschiffe  selbst,  dann 
in  dem  Maße,  wie  die  Handelsflotte  in  den  Strom  der  Ent- 
wicklung hineingerissen  wurde  und  an  der  Kriegsflotte  sich 
zu  orientieren  anfing,  auch  für  den  Bau  von  Kauffahrtei- 
schiffen. 

Eine  Wirtschaftsgeschichte  des  Schiffbaugewerbes  fehlt 
natürlich,  wäre  aber  wohl  wert  geschrieben  zu  werden.  Das 
Bild,  das  wir  aus  einem  Studium  der  Quellen  empfangen,  ist 
ungefähr  dieses: 

Auf  die  handwerksmäßige  Schiffbauerei,  die  sich  normaler- 
weise in  allen  Seestädten  gleichmäßig  entwickelt  hatte,  folgt 
unter  dem  Druck  der  militärischen  Interessen  zunächst  keine 
kapitalistische,  sondern  eine  gemeinwirtschaftliche,  staatliche 
Organisation  des  Schiffbaugewerbes,  das  viel  eher  eine  aus- 
gesprochene groß-  und  größestbetriebliche  Form  erhält,  ehe 
es  vom  Kapitalismus  ergriffen  wird. 

Schon  in  den  italienischen  seefahrenden  Staaten  ent- 
wickelt sich  frühzeitig  eine  großartige  staatliche  Schiffbauerei. 
Speziell  über  den  Schiffbau  Venedigs  im  14.  Jahrhundert 
sind  wir  vortrefflich  unterrichtet  durch  eine  ausführliche 
zeitgenössische  Darstellung  des  gesamten  Produktionsprozesses, 


X92  Sechstes  Kapitel:   Der  Schifibau 

die  uns  erhalten  ist^^^.  Danach  würde  schon  während  des 
Mittelalters  in  diesem  (einzigen?)  Gewerbe  eine  ganz  groß- 
artige Betriebsorganisation  geherrscht  haben.  Der  Verfasser 
berichtet  uns,  daß  zur  Erbauung  einer  Galeere  von  126' 
Länge  (es  handelt  sich  natürlich  nur  um  Kriegsschiffe)  „maestri 
segadori  500  a  far  el  bisogno  de  la  dita  galea,  maestri  1000 
cio6  marangoni  (Stellmacher)  chalefai  (Kalfaterer)  1300  per 
forar  e  chalcar  e  pegolar"  erforderlieh  seien.  Damit  können 
natürlich  nicht  Arbeitskräfte  gemeint  sein.  Wir  werden  viel- 
mehr mit  dem  Herausgeber  der  Denkschrift  annehmen  müssen : 
die  Ziifern  bedeuteten  die  Zahl  der  erforderlichen  Arbeitstage. 
Dann  kämen  wir  immer  noch  zu  Arbeitermassen  von  schier 
unglaublicher  Größe.  Man  muß  nämlich  beispielsweise  folgende 
Rechnung  anstellen :  40  Galeeren  werden  in  einem  Jahre  neu 
erbaut  (das  ist  nach  den  genauen  Angaben,  die  wir  über  die 
Zahl  der  Schiffbauten  in  Genua  aus  dem  12.  und  13.  Jahr- 
hundert besitzen,  sicher  nicht  zuviel  gerechnet).  Auf  einer 
Galeere  arbeiten  nach  den  oben  mitgeteilten  Sätzen  28  Arbeiter. 
Auf  der  Werft  würden  also  1120  Kalfaterer,  Säger  und  Stell- 
macher bei  der  Bauarbeit  beschäftigt  worden  sein.  Von  den 
schon  schwimmenden  60  Galeeren  wird  ein  Viertel  einer 
kleinen  Ausbesserung  unterworfen  worden  sein,  an  30  werden 
kleinere  Reparaturen  auszuführen  gewesen  sein.  Was  sicher 
1000  Arbeitern  Beschäftigung  gewährte.  Dazu  kommen  nun 
noch  die  Seiler,  Segelmacher,  Mastmacher,  Schlosser,  Schmiede 
usw.,  von  denen  sicher  ebenfalls  ein  großer  Teil  auf  den 
staatlichen  Werften  tätig  war.  Nehmen  wir  für  sie  auch 
nur  ebenso  viel  Köpfe  wie  für  die  Holzarbeiter  an,  so  kämen 
wir  auf  eine  Gesamtarbeiterschaft  von  2 — 3000  Mann:  eine, 
wie  gesagt,  für  mittelalterliche  Verhältnisse  geradezu  märchen- 
hafte Ziffer. 

Aber  vielleicht  haben  wir  in  der  Tat  hier  die  ersten 
Oroß-  und  Riesenbetriebe  vor  uns,  in  denen  sich  die  europä- 
ische Menschheit  wiederum  aus  der  Vereinzelung  des  Hand- 


V.  Die  Organisation  des  Schiffbaues  193 

Werks  zu  gemeinsamer  Werkverrichtung  zusammenschlössen. 
Auch  wenn  wir  an  jene  2 — 3000  Arbeiter  nicht  glauben  wollen, 
wenn  es  auch  nur  2 — 300  gewesen  sind,  die  hier  in  einem 
Betriebe  zusammengefaßt  wurden:  immer  würden  wir  (an- 
gesichts der  frühen  Zeit!)  dem  Schiffbau  eine  epochale  Be- 
deutung in  der  Geschichte  der  Arbeit  (soweit  sie  im  europä- 
ischen Mittelalter  von  vorn  anfängt)  zuerkennen  müssen. 

Daß  im  16.  Jahrhundert  die  venetianische  Werft  einen 
sehr  großen  Betrieb  darstellte,  wissen  wir  aus  sicherer  Quelle : 
aber  es  setzt  uns  doch  nicht  so  maßlos  in  Erstaunen,  als 
wenn  wir  an  Kieler  Dimensionen  im  15.  und  14.  Jahrhundert 
und  noch  früher  glauben  sollen.  Den  Zustand  des  Werft- 
betriebes oder  des  „Arsenals"  der  venetianischen  Republik 
im  16.  Jahrhundert  schildert  uns  Andreas  Ryff  in  seinem 
Reisebüchlein ^^^  wie  folgt: 

„Sein  Scheuren" 

„Dass  seil  hausz  oder  scheuren  im  arschenael  ist  mechtig 
grosz,  sonderlich  aber  so  lang,  dass  sich  ein  Rosz  woll  mecht 
mied  drin  erlauffen,  dorin  arbeitet  vyl  volcks,  und  ist  darinnen 
ein  merckliche  summa  hanff  und  flachs  im  vorroth." 

„Sägell  hausz" 

„Im  sägel  hausz  arbeitten  die  wyber  mit  neyen  (nähen), 
do  haben  sy  eine  grosse  zaal  Sägel  allergattung  im  vorroth, 
wie  auch  vyl  zwilch  und  sägel  thuoch." 

„Schmitten" 

„In  einem  hoff  sind  8  gwelb  einandernach ,  dorinnen 
Schmidt  man  teglich  alle  noturft  und  in  jeder  sein  sondere 
gattung." 

Auch  in  England  sehen  wir  frühzeitig  die  Krone  sich 
um  die  Erbauung  ihrer  Schiffe  kümmern.  Wir  besitzen  eine 
ganze  Reihe  von  Belegen,  die  schon  für  das  13.  Jahrhundert 
eine  staatliche  Schiffbauerei  außer  Zweifel  setzen. 

1225  werden  die  Bailliffs  von  Southampton  angewiesen,  Tauwerk 
für  des  Königs  „Große  Schiffe"  in  Portsmouth  zu  kaufen  oder  es  eiligst 

Sombart,  Krieg  und  Eapitalismns  13 


194  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

anfertigen  zu  lassen;  ebenso:  drei  gute  Ankertaue  machen  zu  lassen, 
zusammen  mit  4  Dutzend  „Theldorun"  und  200  Ellen  Segeltuch  für  die 
Ausbesserung  der  Segel  zu  besorgen  ^8";  1226  wird  der  Constable  von 
Porchester  beauftragt,  Friar  Thomas  mit  3  Bootladungen  Brennholz  zu 
versehen  für  des  Königs  Schiffe;  22 V2  Mark  werden  ihm  gegeben,  um 
Leinen  für  die  Segel  zu  kaufen  und  um  „celtas"  für  des  Königs  Schiffe 
zu  machen  ^^*.  Er  werden  also  Schiffe  für  des  Königs  Dienst  und  in 
seinem  Auftrage  erbaut. 

Im  16.  Jahrhundert  dann,  als  die  Königsflotte  sich  erst 
recht  zu  entwickeln  beginnt,  nimmt  die  Bautätigkeit  der 
Krone  rasch  einen  größeren  Umfang  an:  Seearsenale,  in 
denen  die  Materialien  für  den  Schiffbau  (neben  den  Waffen) 
aufgestapelt  wurden,  werden  erbaut  in  "Woolwich  (1512), 
Deptford  (1517),  Erith  (1513,  vorübergehend),  während  bis 
dahin  nur  in  Portsmouth  ein  Arsenal  und  eine  Werft  be- 
standen hatte. 

Die  englische  Krone  baute  offenbar  zunächst  ganz  in 
eigener  Regie.  Wir  sehen  deutlich  die  Vorgänge  bei  der  Er- 
bauung des  Henry  grace  ä  Dieu  vor  uns:  dieses  Frachtschiff 
wurde  in  Portsmouth  auf  die  Hellingen  gelegt.  Die  Arbeiter 
und  Handwerker,  die  daran  arbeiteten,  wurden  in  der  Um- 
gegend angeworben ^^^:  ein  Teil  von  ihnen  geht  und  kommt, 
ein  anderer  Teil  wohnt  in  Portsmouth  und  wird  dort  auch 
beköstigt.  Gelegentlich  (aber  ausnahmsweise)  auch  gekleidet: 
wir  erfahren,  daß  141  Zimmerleute  mit  Anzügen  versehen 
werden.  Diese  Ziffer  gibt  uns  einen  Anhalt,  um  die  Größe 
der  Werft  zu  ermessen. 

Die  Ausbesserungen  führte  der  Staat  ebenso  für  eigene 
Rechnung  aus.  Ein  sehr  interessantes  Dokument^^^:  eine 
Kostenrechnung  für  das  sechste  Jahr  Heinrichs  VIII.  vom 
2.  November  bis  20.  April  zeigt  uns,  wie  ein  königlicher 
Kommissar  die  einzelnen  Materialien  pfundweise  von  Hand- 
werkern kauft,  wie  er  dann  eine  Anzahl  Stellmacher  usw.  in 
Kost  und  Lohn  nimmt,  um  die  Reparatur  durch  sie  bewerk- 
stelligen zu  lassen. 


V.  Die  Organisation  des  Schiffbaues  195 

An  der  Spitze  der  "Werft  steht  ein  Schiffbaumeister,  der 
seit  Heinrich  VIII.  Schiifbaumeister  der  königliehen  Flotte: 
„Master-Shipwright  of  the  Royal  Navy"  heißt :  als  erster  wird 
William  Bond  genannt  ^^*. 

Dieser  königliche  Schiifbaumeister  scheint  sich  dann  im 
Laufe  der  Zeil,  wie  wir  dies  in  England  häutiger  finden,  zu 
einer  Art  von  privatem  Unternehmer  auszuwachsen,  der  den 
Bau  auf  eigene  Rechnung  ausführte.  Seit  1578,  das  heißt 
seit  dem  Eintritt  Hawkyns,  beginnt  das  Building  by  con- 
traets^^^,  das  (so  seheint  es:  genau  sind  wir  trotz  der  vielen 
Bearbeitungen,  die  die  Geschichte  der  englischen  Marine  er- 
fahren hat,  noch  nicht  unterrichtet)  darin  bestand,  daß  die 
Krone  dem  Schiffbaumeister  die  Materialien  lieferte  oder 
auch  sie  durch  ihn  auf  ihre  Rechnung  ankaufen  ließ^  die 
Ausführung  aber  ihm  übertrug  gegen  einea  Einheitssatz 
für  die  Tonne,  der  zum  Beispiel  unter  Jakob  I.  7  J'  10  s 
und  8  ^  war. 

So  finden  wir  folgende  Posten  in  den  Kechnungen  (z.  B.  des  Jahres 

1588)39«: 

To  Peter  Pett,  one    of  Her  Majestys  shii)\vrights  ...   for  piece   of 

8  loads,  six  foot  of  timber-oak  for  her  Maj.  ships  at  Chatham  at 

20  s  per  load  etc. 

To  Rieh.  Chapman,  of  Deptford  Strand  ...  for  price  of  two  anchors 

by  him  provided. 
To  Henry  Holesworth,  of  London,  for  price  of  14  flags  usw. 
Desgl.:  9  Kompasse. 

„       3  Paar  neue  ties  .  .  .  ot  white  fine  hemp. 

„       2  ensigns  of  silk  (von  einem  Tapezier  in  London). 

„       46  Streamers  (desgl.)  new  boat. 

„       102  yards  of  calico  für  Flaggen. 

„       127  boults  of  Mildernex  canvass,  for  the  new  making  of  sun- 

dry  sails. 
n       12  Cables  of  sundry  scantlings. 
„        14  Masts  of  sundry  scantlings  (von  einem  Kaufmann  in  London). 

Die  Werften  waren  natürlich  große  Betriebe.  Wir  er- 
fahren ^^'',  daß  im  16.  Jahrhundert,  beim  Regierungsantritt  der 
Elisabeth,  beschäftigt  sind: 

13* 


196  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

in  Deptford       auf  5  Schiffen  228  Mann 
„   Woolwich       „8        „        175       „ 
„   Portsmouth    „9        „        154      „ 

Ganz  ähnlich  wie  in  England  ist  der  Kriegsschiffbau  in 
Frankreich  organisiert.  Auch  hier  standen  die  Werften  oder 
die  einzelnen  Schiff  bauten  unter  der  Leitung  von  Schiff- 
baumeistern, die  in  Frankreich  „constructeurs^  heißen.  Sie 
scheinen  ebenfalls  den  Bau  in  Entreprise  genommen  zu  haben, 
worauf  Wendungen  wie  diese  sehließen  lassen  ^^^:  „il  est 
tout  ä  faire  nöcessaire  d'occuper  les  mattres  (das  sind  eben 
die  Entrepreneurs) ,  qui  bätissent,  qui  n'ayant  pas  de  quoi 
travailler,  iront  chercher  ä  s'occuper  dans  les  pays  6tran- 
gers  ...  et  puis  que  vous  avez  la  place,  le  bois  et  les  ouv- 
riers,  il  semble  qu'on  ne  les  doive  pas  laisser  inutiles" :  diese 
letzten  Worte  vertragen  sieh  allerdings  auch  mit  einem  Bauen 
auf  eigene  Rechnung.  Dann  aber  heißt  es  an  derselben  Stelle 
weiter:  geben  wir  ein  Schiff  in  Toulon,  eins  in  Brest  in  Auf- 
trag, um  die  , Entrepreneurs'  zum  Wettbewerb  aufzumuntern: 
„pour  exciter,  par  Emulation,  les  entrepreneurs  ä  bien  faire". 

Jedenfalls  bieten  auch  in  Frankreich  die  staatlichen 
Werften  im  17.  Jahrhundert  ein  Bild  großartiger  Betriebs- 
organisation dar.  Richelieu  hatte  Staatswerften  in  Brouage, 
Le  Havre,  Brest  errichten  lassen.  Von  Brest  berichtet  uns 
ein  Zeitgenosse,  daß  dort  beschäftigt  ist  „eine  ganze  Welt", 
„tout  un  monde",  von  Arbeitern,  Schmieden,  Schlossern, 
Drehern,  Böttchern,  Tischlern,  Bildhauern,  Malern,  Blech- 
schmieden unter  dem  einheitlichen  Kommando  der  königliehen 
Schiff baumeister,  „des  eonstructeurs  de  la  Couronne",  Charles 
Morien  und  Laurent  Hubac,  dem  Chef  einer  glorreichen 
Ingenieurfamilie  ^^^. 

Wo  die  Staatsschiffe  zum  Bau  an  Privatpersonen  gegen 
einen  Einheitssatz  vergeben  wurden,  war  das  kapitalistische 
Organisationsprinzip  schon  zum  Durehbruch  gekommen:  die 
Förderung  also,  die  der  Kapitalismus  durch  den  Kriegsschiff- 


V.  Die  Organisation  des  Schiffbaues  197 

bau  erfährt,  ist  eine  unmittelbare  und  liegt  zutage.  Aber 
auch  wenn  und  soweit  der  Betrieb  auf  den  königlichen  Werften 
ein  reiner  Staatsbetrieb  war,  gewinnt  er  doch  Bedeutung  fü,r 
die  Entwicklung  des  Kapitalismus  im  Schiffbaugewerbe.  Vor 
allem  dadurch,  daß  er  vorbildlich  wird  für  die  Durchbrechung 
der  handwerkerlichen  Schranken  des  früheren  Schiffbaues. 

Dann  aber  wird  der  private  Schiffbau  auch  direkt  durch 
die  rasche  Ausdehnung  des  Kriegschiffbaues  in  seiner  Organi- 
sation beeinflußt,  wird  also  in  der  Richtung  der  Entwicklung 
zu  Kapitalismus  und  Großbetrieb  vorwärts  getrieben.  Zu- 
weilen, wenn  sich  die  Bestellungen  des  Staates  bei  seinen 
eigenen  Werften  häufen,  wie  z.  B.  in  England  zur  Zeit  der 
Republik,  als  in  elf  Jahren  207  Schiffe  vom  Stapel  laufen 
sollten,  erhalten  die  Privatwerften  einen  Teil  der  Aufträge 
überwiesen,  die  die  Staatswerften  nicht  auszuführen  \er- 
mögen*°°.  Hier  wird  also  der  private  Schiffbau  durch  Liefe- 
rungen von  Kriegsschiffen  zur  Ausdehnung  angehalten. 

Wo  es  sich  um  den  Bau  von  Handelsschiffen  handelt, 
greift  wohl  der  Staat  in  der  Weise  ein,  daß  er  aus  seinen 
Arsenalen  den  privaten  Schiffbauern  zu  günstigen  Bedingungen 
Materialien  liefern  läßt,  um  sie  zur  Tätigkeit  anzuspornen. 
So  verfuhr  Colbert;  er  hielt  immer  reichliche  Vorräte  in  den 
königlichen  Magazinen,  auch:  „pour  en  fournir  aux  marchands 
et  pour  les  exciter  par  lä  ä  bätir  et  ä  augmenter  la  naviga- 
tion  et  le  commerce"  *"^ 

Die  ganze  Bedeutung,  die  der  Kriegsschiffbau  für  die 
Herausbildung  des  Kapitalismus  hat,  vermögen  wir  aber  erst 
zu  ermessen,  wenn  wir  der  Wirkungen  uns  bewußt  werden, 
die  er  auf  zahlreiche  andere  Industrien  und  auf  zahlreiche 
Handelszweige  ausübt,  die  sämtlich  von  ihm  abhängig  sind, 
weil  sie  ihm  die  nötigen  Materialien  zuführen.  Über  diese 
Zusammenhänge  wollen  wir  uns  im  nächsten  Abschnitt  Klar- 
heit zu  verschaffen  suchen. 


198  Sechstes  Kapitel:   Dei-  Schiffbau 

VI.  Die  Beschaffung  der  Schiffbaumaterialien 

Abermals  mußte  die  Entwicklung  der  Kriegsmarine,  für 
die  immer  mehr  und  immer  größere  Schiffe  immer  rascher 
gebaut  wurden,  dadurch  revolutionierend  auf  das  Wirtschafts- 
leben einwirken,  daß  sie  einen  wachsenden  Bedarf  an  Schiff- 
baumaterialien schuf,  der  meist  rasch  gedeckt  werden  sollte 
und  der  durch  die  Vergrößerung  der  Schiffstypen  und  die 
Vereinheitlichung  der  Organisation  des  Schiffbaues,  besser: 
durch  seine  Konzentration  in  wenigen  Großbetrieben  selbst 
wieder  ein  mehr  und  mehr  einheitlicher  Massenbedarf  werden 
mußte. 

Natürlich  gibt  es  wieder  keine  Methode,  nach  der  man 
die  Zusammenhänge  zwischen  der  Ausdehnung  des  (Kriegs-) 
Schiffbaues  und  der  Entwicklung  derjenigen  Zweige  des 
Wirtschaftslebens,  denen  die  Herbeischaffung  der  Schiffbau- 
materialien obliegt,  direkt  und  allgemein  aufdecken  könnte. 
Wir  können  den  Einfluß,  den  jener  auf  diese  ausgeübt  hat, 
nur  glaubhaft  machen  dadurch,  daß  wir  zunächst  die  Bedarfs- 
mengen zu  ermitteln  trachten,  die  sich  bei  der  fortschreitenden 
Ausweitung  des  Schiffbaues  ergaben. 

Diese  Bedarfsmengen  lassen  sich  zunächst  durch  die  Kosten 
ausdrücken,  die  die  Herstellung  der  Kriegsschiffe  verursachte* 
Jeder  solcher  Betrag,  soweit  er  nicht  für  Arbeitslöhne  auf 
den  Werften  ausgegeben  wurde,  bedeutete  eine  Nachfrage  nach 
Schiffbaumaterialien. 

Ein  englisches  Kriegsschiff  mittlerer  Größe  kostete  im 
16.  Jahrhundert  3000—4000  '£,  unter  Jakob  I.  7000—8000  £, 
unter  Karl  I.  10000-12000  '£ ,  im  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts 15000—20000  £,   wie  folgende  Angaben  erweisen: 

„The  Triumph"  (16.  Jahrh)  kostet  3788  iP*»^, 

Nach  den  Pipe  Office  Accounts  kosten*'*'  unter  Jakob  I: 
Happy  Entrance  \ 

and  J  je  8850  £. 

Constant  Reformation  I 


VI.  Die  Beschaffung  der  Schiffbaumaterialien  199 


rra}^^"^*. 


alle  einschließlich  Masten,  Bähen,  Schnitzerei  und  Malerei. 
Swiftsure      |  ^^^^ 
Bonaventure  ) 

Dazu  1169  £  für  Segel,  Anker  und  Ausrüstung. 
St.  Georg      1  9632  £ 
St.  Andrew  J  +  1306  £  for  fittings. 

rXe }  «0«  ^- 

Unter  Karl  I.: 

Henrietta  Maria  / 

James     1  ^^^^^  "^  "^  ^^^^  -^  ^^"^  rigging,  launching,  fur- 
j,  .         \  nishing   and   transporting    them    from  Woolwich 
/  and  Deptford  to  Chatam. 

Anfang  des  18.  Jahrhunderts  *<•* : 

Ein  Schiff  von  100  Kanonen  kostet  30  553  £, 
«        «      90         „  „       29886  iP, 

«        „      80        „  „       23638  iP, 

»        „      70         „  „       17  785  i^, 

„        «      60         „  „       14197  i^, 

»        „      50         „  „       10  606  iP, 

.        „      40         „  „         7558  iP, 

„        „      SO        „  „         5846  i?, 

^        „      20         „  „         3710  iP. 

Im  Jahre  1734  bestand  die  Flotte  aus  209  Schiffen,  deren  Erbauung 
2  591 337  £  gekostet  hatte. 

Das  im  Jahre  1740  in  Toulon  erbaute  französische  Kriegsschiff 
„Jason",  das  50  Kanonen  führte,  kostete  287.148  Livres  10  s***.  Das 
würde  fast  genau  der  Summe  entsprechen,  die  nach  obiger  Aufstellung 
ein  gleich  großes  englisches  Kriegsschiff  um  dieselbe  Zeit  kostete. 

Die  ganz  großen  Schiffe,  namentlich  die  Staats-  und 
Prachtschiffe,  mit  denen  man  prunken  wollte,  kosteten  immer 
erheblich  mehr.  So  hat  schon  im  16.  Jahrhundert  der  be- 
rühmte Henry  Grace  ä  Dieu  8708  i^  5  sh  3  d  gekostet;  die 
Bausumme  des  Royal  Prince  (1610)  betrug  20000  £  und 
dann  nochmal  6000  £,  um  ihn  dienstfertig  zu  machen;  die 
des  Sovereign  of  the  Seas  (1637)  40833  |P  8  sh  IV2  d*°«. 

Eine  sehr  genaue  Aufstellung  der  Kostenbeträge  für  die 
Schiffe  der  verschiedenen  Klassen  besitzen  wir  für  England 


200 


Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 


im  18.  Jahrhundert  *<'''.    Der  Vollständigkeit  halber  teile  ich 

noch  einige  Ziffern   mit  (für  das  erste  und  letzte  Jahr,  die 

in  dem  Anschlag  berücksichtigt  sind). 

An  Estimate  of  the  Charge  of  building  and  completely  equipping 
a  Ship  of  each  class  with  Masts,  Yards,  Sails,  Rigging,  Ground  Tackle 
and  all  other  Boats  wains  as  well  as  Carpenters  Sea  Stores,  to  an  Eight 
Month  Proportion;  according  to  the  Regulations  established  by  Order 
of  the  Navy-board,  progressively  in  the  years  1706,  1719,  1733  and  1741  etc. 

1706 


Guns 

Charges 

of  the 

Rate 

Hulls  (Rumpf), 

Rigging  (Takel- 

Total 

Masts  and  yards 

werk)  and  Stores 

(Rahen) 

(Mundvorrat) 

£ 

£ 

£ 

1 

100 

31994 

6587 

38  581 

2 

90 

25  591 

5428 

31019 

3 

80 

20528 

4590 

25  018 

70 

17  767 

3741 

19  508 

4 

60 

18024 

3199 

16  223 

50 

9152 

2464 

11616 

5 

40 

5  310 

1863 

7178 

6 

20 

2176 

962 

3138 

174:1 


100 
90 

80 
70 
60 
50 
40 
20 


33110 
28  543 
23  920 
19  687 
16  564 
13064 
7  554 
4282 


8050 
7135 
6256 
5488 
4786 
4117 
3003 
2117 


41151 
35  678 
30176 
25175 
21350 
17185 
10  557 
6  309 


Diese  Aufstellung  bringt  uns  auf  unseren  Gedankenwegen 
auch  gleich  ein  Stück  vorwärts,  weil  in  ihr  die  Verwendungs- 
art der  Gesamtausgaben  ausdrücklich  bezeichnet  ist,  wenn 
auch  die  Unterscheidung  einstweilen  nur  ganz  grob  ge- 
macht ist. 


VI.  Die  Beschaffung  der  Schiff baumaterialien  201 

Nun  sagen  uns  diese  Ziffern  immer  erst  etwas,  wenn  wir 
ihre  Verwendung  im  einzelnen  verfolgen,  wenn  wir  feststellen, 
wofür  denn  eigentlich  jede  der  Ausgaben  gemacht  wurde. 
Wir  wollen  versuchen,  ob  eine  solche  Spezifikation  möglich  ist. 

Die  Materialien,  die  hauptsächlich  für  den  Schiffbau  in 
Betracht  kamen,  waren: 

1.  Holz,  das  eine  überragend  große  Bedeutung  in  allen 
früheren  Zeiten  für  den  Schiffbau  hatte,  wie  wir  gleich 
sehen  werden; 

2.  Takelwerk  oder  der  Rohstoff  dazu:  Hanf,  Flachs  usw.; 

3.  Segelwerk  oder  das  Halbfabrikat  oder  der  Rohstoff  dazu ; 

4.  Eisenwerk:  Anker,  Ketten,  Nägel,  Draht; 

5.  Teer  und  Pech; 

6.  Messing,  Kupfer,  Weißblech,  Zinn. 

Ich  teile  mit,  was  mir  an  zuverlässigen  Zahlen  zu  Gesicht 
gekommen  ist,  aus  denen  wir  die  Ausgaben  für  diese  Schiffs- 
bestandteile oder  die  Mengen,  die  von  ihnen  für  ein  Schiff 
zu  den  verschiedenen  Zeiten  bedurft  wurden,  ersehen  können. 

Die  älteste  Quelle,  aus  der  wir  da  schöpfen  können,  ist  der  schon 
erwähnte  Traktat  aus  dem  14.  Jahrhundert,  mit  dem  uns  Jal  bekannt 
gemacht  hat*''''.  Die  Angaben  über  die  Mengen  der  benutzten  Materialien 
für  den  Bau  der  Galeere  finden  sich  über  den  ganzen  Traktat  zerstreut. 
Ich  habe  sie  zusammengerechnet  und  komme  zu  folgenden  Ziffern: 
Bedarf  an  fassoniertem  Eisen  8  Milliers  (zu  je  10  Ztr.), 
„       „    Teer  und  Pech  .   .     3000  iS, 

„       „    Ankern 600  ^, 

„        „    Tauwerk 835r/2  U. 

Über  den  Bedarf  an  Holz  erhalten  wir  leider  keinen  Aufschluß. 

Offenbar  wuchs  nun  aber  der  Bedarf  an  allen  Materialien  rasch 
mit  der  fortschreitenden  Ausweitung  des  Schiffstyps. 

Im  16.  Jahrhundert  werden  (auf  dem  „Henry  Grace  ä  Dieu")*<'^  schon 
56  t  Eisen,  also  112000  U,  gebraucht,  während  das  Bauholz,  das  in 
diesem  Schiff  aufging,  3739  t  wog.  Auffallend  gering  sind  die  Mengen 
von  Werg  (oakum)  und  Flachs,  nämlich  nur  565  Stones  (1  Stone  Hanf 
==32äJ)  und  1711  Ibs.,  wenn  wir  nicht  annehmen  wollen,  daß  die  letzte 
Ziffer  „Schiffspfund"  (ä  2V2  Ztr.)  bedeutet. 

Was  üblicherweise  an  Takelwerk  auf  einem  Schiff  im  16.  Jahrhundert 
gebraucht  wurde ,   erfahren   wir  von  einer  anderen  gut  unterrichteten 


202  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

Seite  *!<>:  es  waren  auf  einem  1565  erbauten  Schiffe  1140  Ztr.  oder 
456  Schiffspfund,  also  114000  üß.  Das  Holz  des  ebenfalls  im  16.  Jahr- 
hundert erbauten  „Triumph"  kostete  1200  £  (bei  einer  Gesamtausgabe 
von  3788  £). 

Die  nächsten  Angaben  stammen  aus  dem  17.  Jahrhundert.  Ein 
Kostenanschlag  für  den  Bau  von  10  neuen  englischen  Kriegsschiffen  im 
Jahre  1618  nimmt  sich  wie  folgt  aus*^*  (von  den  Schiffen  waren  6  je 
650,  3  je  450,  1  350  t  groß): 

£        s     d 
Building  with  all  matterialls  (Bau  des  Rumpfes)    43  425    —    — 

PuUys  (Taljen),  topps  (Stengen) 513      6      8 

Finishing  boates  and  pinnaces  (Boote) 320    10    — 

Cordage  (Takelwerk) 6  716      1      6 

Sailes  (Segelwerk) 2  740    15      6 

Anchors  (Anker) 2  287      4    — 

56  002    17      ~ 
Kostenanschlag  zur  Reparatur  von  23  Kriegsschiffen,  2  hoyes 
and  lighters  etc.  (Anf.  17.  Jahrh.)*"; 

£       s     d 
Reparatur   von   2   Schiffen   im   Drydock   zu 

Deptford 5  379    11      3 

Die   übrigen    im   Hafen,    einschließlich   Masten, 

yards  (Rahen),  Pumpen  etc 4  541    —    — 

Ausrüstung: 

Ersatz  des  Tauwerks:  über  93  t 3  287    11    — 

Segel:  182  Segel 2  000    —    — 

Ein  anderes  Mal  werden  bedurft,  um  die  Lagerbestände  in  den 
Drydocks  zu  ergänzen  (unter  Jakob  I.)*^^: 

£      s    d 

Tauwerk  139  t 10 170    —    — 

Große  Masten 1 200    —    — 

Anker 1 000    —    — 

Canvas  for  sailes  (Leinentuch  für  Segel).    .   .   .      3138    16    — 
Seasoned  planck  and  timber  (lufttrockene  Bretter 
und  Balken,  die  immer  auf  Lager  sein  sollen), 

2000  Loads  ä  40  s 4000    —    — 

Long  boats,  pinnace  oder  (Boote  usw.) 840    —    — 

20  348  16  — 
Das  Takelwerk  (Cordage)  auf  einem  Schiffe  von  300  Mann  Besatzung 
im  Kanal  zu  erneuern  kostet  jährlich  1700  £*^*.  In  den  Schiffen  „James" 
und  „Unicom"  (unter  Karl  I.)  waren  165  t  Takelwerk,  zu  35  £  die  Tonne, 
also  für  2275  £  angebracht.  Die  Anker  in  denselben  Schiffen  wogen 
214  Ztr.  und  jeder  Zentner  kostete  2  ^,  von  den  Segeln  kostete  der 
„Satz*  (Suit),  von  denen  mehrere  (wieviel?)  vorhanden  waren,  225  i?*". 


VI.  Die  Beschaffung  der  Schiffbaumaterialien  203 

Endlich  will  ich  noch  ein  paar  Angaben  für  das  18.  Jahrhundert 
machen,  die  erkennen  lassen,  wie  außerordentlich  viel  größer  wieder  der 
Bedarf  an  allen  Materialien  in  dieser  Zeit  geworden  ist. 

Ein  englisches  Kriegsschiff,  das  mit  100  Kanonen  ausgerüstet  ist, 
braucht  3600  Ellen  Segeltuch. 

Ein  französisches  Kriegsschiff,  mit  100 — 120  Kanonen,  einer  Länge 
von  170 — 180',  einer  Breite  von  50'  erfordert  zum  Bau: 
4000  Stück  ausgewachsene  gesunde  Eichen, 
800  000  U  Eisen, 
219  000  U  gepichtes  Tauwerk"«. 
Eine  sehr  eingehende  Aufstellung  der  Kosten  besitzen  wir  für  das 
schon  erwähnte  Kriegsschiff  „Jason",  das,  mit  50  Kanonen  armiert,  1740 
in  Toulon  gebaut  wurde.    Ich  will  sie  hier  noch  hersetzen,  weil  sie  deut- 
lich die  Ausgaben  für  die  einzelnen  Bestandteile  des  Schiffs  und  ihre 
verhältnismäßige  Größe  erkennen  läßt,  und  an  der  Stelle,  wo  ich  sie 
ausgegraben  habe*",  doch  von  niemandem  gesehen  wird. 

Eichenholz 29  636  Livres    6  s. 

Bretter  zur  Bekleidung  des  Schiffsrumpfes      16  290      „  5  „ 

Anderes  Holz  und  andere  Bretter 14185      „  5  „ 

Eisen  und  Nägel 21385      „  3  „ 

Waren  (Marchandises) 3591      „         8  „ 

Fenster  und  Schlösser 900      „        —  „ 

Küchen  und  Öfen 780      „        —  „ 

Masten 2264      „        17  „ 

Segelstangen 1 077      „  2  „ 

Kloben  und  Rahwerk 2  212      „  1  „ 

Arbeits-  und  Tagelohn 34010      „        —  „ 

Tauwerk 16  308      „        12  „ 

Neues  Tauwerk  zur  Komplettierung.   ...       1 639      „  8  „ 

Anker  und  Zubehör 4  227      „        10  „ 

Masten,  Segelstangen  zur  Komplettierung  .         327      „        14  „ 

Kloben  und  Jungfern  desgl 435      „        —  „ 

Segel  und  Zubehör 4  744      „        16  „ 

Steuermannsgerät 2  580      „        13  „ 

Konstablergerät 106  058      „  6  „ 

Gewehr 2406      „        14  „ 

Instrumente  des  Waffenschmiedes 30      „  9  „ 

Instrumente  des  Zimmermeisters 1 552      „        10  „ 

Nägel 104      „  8  „ 

Kielgerätschaft 1353      „  7  „ 

Küchengerät 137      „        12  „ 

Chaloupen  und  Boote 632      „         2  „ 

Auszierung  der  Kapelle 300      „        10  „ 

Arznei 934      „  7  „ 

287  148  Livres  10  s. 


204  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

Angesichts  solcher  Zahlen,  denke  ich,  springt  die  über- 
ragende Bedeutung  in  die  Augen,  die  der  Bedarf  der  Kriegs- 
flotte (und  nach  ihr  auch  der  ja  von  ihr,  wie  wir  sahen,  ab- 
hängigen Handelsflotte)  für  eine  große  Menge  wichtiger  Zweige 
des  Handels  und  der  Industrie  hatte. 

Wenn  der  König  durch  die  Lande  ging  und  die  Materialien 
für  den  Schiffbau  kaufte,  stiegen  die  Preise,  wenn  er  dann 
verkaufte,  fielen  sie :  „the  general  rule  is  whenever  the  King's 
Maiestie  shuld  bye  al  is  dere  and  skase,  and  whenever  he 
shuld  sei  al  is  plentye  and  good  chepe,"  klagt  das  Council  *^^ 
mit  Recht  vom  Standpunkt  der  fiskalischen  Interessen  aus. 
Was  für  einen  Wert  hatte  für  die  Volkswirtschaft  solch  ein 
mächtiger  Käufer! 

Da  war  zunächst  der  Holzhandel,  der  durch  ihn  erst  zu 
größeren  Leistungen  angetrieben  wurde  und  gewiß  nicht  zu- 
letzt der  Lieferung  für  die  Kriegsmarine  seinen  Übergang 
zur  kapitalistischen  Organisation  verdankte :  „Colbert  stachelte 
die  Kaufleute  an  („excitait  les  marchands"),  die  Wälder  im 
ganzen  aufzukaufen,  die  in  der  Provence  und  in  der  Dauphinöe 
zu  haben  waren"  **^.  Er  selbst  kaufte  alles  Holz,  allen  Hanf 
und  „andere  Materialien",  soviel  er  bekommen  konnte,  ob  er 
sie  im  Augenblick  brauchte  oder  nicht,  für  die  königlichen 
Magazine  an,  ohne  Furcht,  sich  zu  übernehmen :  „ne  craignait 
pas  de  s'en  surcharger"  ^^^.  Er  stapelte  große  Massen  Holz  usw. 
auf,  damit  immer  für  10 — 20  Schiffe  hinreichendes  Material 
vorrätig  sei.  Im  Jahre  1683  lagen  in  den  Arsenalen  allein 
1442  Masten  von  30 — IG  Schuh  Länge. 

Natürlich  begünstigte  ^^^  der  Staat  die  großen  Händler  *22, 
vor  allem  die  großen  Handelskompagnien,  weil  sie  leichter 
imstande  waren,  seinen  ausgedehnten  Bedarf  zu  decken.  So 
sehen  wir  in  England  die  Ostindische  Kompagnie  Verträge 
mit  der  Krone  schließen  über  sehr  beträchtliche  Posten  Schiff- 
bauholz, Nägel  usw.,   wie  aus  folgendem  Sendschreiben  aus 


VI.  Die  Beschaffung  der  Schitfbaumaterialien  205 

dem  Jahre  1618  hervorgeht  *2^,  mit  dem  das  Material  für  zwei 

neu  zu  erbauende  Schiffe  beschafft  werden  soll: 

„Letters  to  be  writ  to  the  East  India  Co.  For  the  due  Perfor- 
mance hereof  wee  have  informed  our  selves,  that  the  two  shipps  to  bee 
build  in  the  next  year,  one  of  650  t  and  the  other  of  450  t  will  require 
as  follows: 

Loades 
Crooked  timber  to  bee  moulded  in  the  woods       600 

Streight  timber  unmoulded 700 

Planck  of  all  sortes 360 

Knees • 140 

Spruce  deales  to  bee  seasoned 300 

Tree-nails  of  all  sortes 80  000 

Ein  Teil  davon  lagert  schon  an  verschiedenen  Orten,  aus  den 
Lieferungen  von  White  Wilke  u.  a. 

Andere  Handelsgesellschaften,  wie  die  Russische  Kom- 
pagnie, lebten  zum  guten  Teil  von  der  Lieferung  für  die 
Kriegsmarine.  Wir  besitzen  eine  genaue  Aufstellung  der 
Summen,  die  die  Marineverwaltung  der  Moskowiter  Kom- 
pagnie während  der  Jahre  1609  bis  1618  allein  für  Tauwerk 
zu  bezahlen  hat*^*. 

^       s    d 

1609 18173     8    8 

1610     .    .    .    .    .    .    .        8476    9    8 

1611 4888    6    1 

1612 11506    4    5 

1613 6623    3    7 

1614     . 9439     3     7 

1615 9208  10    0 

1616 13353    2  10 

1617 12093  18     8 

1618 10008    3  10 

103770  11     3 

In  jener  Zeit  arbeitete  die  Gesellschaft  mit  einem  Kapitale 
von  |f  64687,  das  sicher  nicht  öfters  als  einmal  im  Jahre 
umgeschlagen  wurde.    Die  Tauwerkslieferungallein  machten 


206  Sechstes  Kapitel:   Der  Schiffbau 

also  etwa  ein  Sechstel  des  Jahresumsatzes  aus.  Der  Handel 
in  diesem  Artikel  galt  in  der  Tat  als  besonders  gewinn- 
bringend, weshalb  die  Gesellschaft  auch  eine  eigene  Tauwerk- 
fabrik in  Rußland  angelegt  hatte.  Zu  diesem  Artikel  kamen 
noch  Pech,  Teer,  Holz:  ebenfalls  vor  allem  für  Schiffbau- 
zwecke benötigt.  Im  Jahre  1617  verteilte  die  Gesellschaft 
42%  Dividende  "25. 

Im  Lande  selbst  aber  entwickelten  sich  zahlreiche  In- 
dustrien, die  die  Schiifbaumaterialien  im  großen  herstellen. 
Colbert  war  es  wieder,  der  gerade  diesen  Industrien  seine 
besondere  Sorgfalt  zuwandte  *2^.  Er  gründete  Teerfabriken 
in  der  Dauphin^e,  Windenfabriken  ebenda  und  in  Brest, 
Messing-  und  Eisendrahtfabriken  in  der  Bourgogne,  Leinen- 
manufakturen (für  die  Segel)  in  Rochefort.  Daß  die  Kupfer-, 
Zink-  und  Eisenindustrien,  deren  Schicksal  wir  in  Abhängig- 
keit sahen  von  der  Lieferung  der  Waffen  für  das  Heer,  auch 
durch  die  Kriegsmarine  wesentliche  Förderung  erfuhren, 
braucht  nicht  erst  besonders  hervorgehoben  zu  werden.  In- 
dustrien, die  aber  allein  dem  Schiffbau  ihre  Blüte  verdankten, 
und  die  wir  in  der  frühkapitalistischen  Epoche  unter  den 
Weitestfortgeschrittenen  Industrien  finden,  was  Größe  des 
Kapitals  und  Größe  der  Betriebe  anlangt,  sind  die  Tauwerks- 
fabriken und  die  Segeltuchfabriken. 

Die  Rope-Makers  und  die  Sail-Makers  gehören  in  dem 
London  des  18.  Jahrhunderts  zu  den  kapitalkräftigsten  Unter- 
nehmern: das  Mindestkapital  setzt  man  auf  2000  J^,  das  übliche 
Kapital  auf  5000—10000  ^  an*27.  Eine  (staatliche)  Segel- 
tuchfabrik zu  Moskau  beschäftigte  im  Jahre  1729  schon 
1162  Arbeiter  *28. 


VI.  Die  Beschaffung  der  Schiffbaumaterialien  207 

Erscheint  schon  nach  dem,  was  ich  eben  ausgeführt  habe, 
die  hohe  Bedeutung,  die  der  Schiffbau  für  die  Gestaltung 
des  modernen  Wirtschaftslebens  und  insbesondere  für  die 
Entwicklung  des  Kapitalismus  hat,  erwiesen  zu  sein,  so  möchte 
ich  zum  Schlüsse  doch  noch  auf  einen  Zusammenhang  hin- 
deuten ,  der  zwischen  den  beiden  Phänomenen  Schiffbau  und 
Kapitalismus  und  in  weiterem  Sinne  zwischen  Krieg  und 
Kapitalismus  besteht  und  der  jene  kriegerischen  Betätigungen 
vielleicht  erst  in  ihrer  ganzen  großen  Wirksamkeit  erscheinen 
läßt.  Wenn  die  Eisenindustrie  nicht  zuletzt  durch  den  Waflen- 
bedärf,  wenn  der  Schiffbau  nicht  zuletzt  durch  die  Nachfrage 
nach  Kriegsschiffen  zu  höheren  Formen  umgebildet  sind,  wenn 
also  Eisenindustrie  und  Schiffbau  letzthin  Kinder  sind,  die 
der  Krieg  gezeugt  hat,  so  ist  dieser  damit  wieder  einmal  ein 
Zerstörer  geworden :  der  Zerstörer  der  Wälder  in  Europa; 
denn  jene  beiden  Gewerbe  vor  allem  stellten  die  hohen  An- 
sprüche an  die  Holzproduktion,  die  schon  seit  dem  16.  Jahr- 
hundert zu  den  lebhaftesten  Klagen  über  zunehmende  Holz- 
knappheit Anlaß  geben.  Wiederum  aber  steigt  aus  der 
Zerstörung  neuer  schöpferischer  Geist  empor :  der  Mangel  an 
Holz  und  die  Notdurft  des  täglichen  Lebens  drängten  auf  die 
Auffindung  oder  die  Erfindung  von  Ersatzstoffen  für  das  Holz 
hin,  drängten  zur  Nutzung  der  Steinkohle  als  Heizmaterial, 
drängten  zu  der  Erfindung  des  Kokesverfahrens  bei 
der  Eisen be reitung.  Daß  dieses  aber  die  ganze  groß- 
artige Entwicklung  des  Kapitalismus  im  19.  Jahrhundert  erst 
möglich  gemacht  hat,  steht  für  jeden  Kundigen  außer  Zweifel. 

Sodaß  auch  hier,  in  diesem  entscheidenden  Punkte,  un- 
sichtbare Fäden  die  merkantilen  und  die  militaristischen 
Interessen  eng  miteinander  zu  verknüpfen  scheinen. 


Literatur  und  Quellen 


Sombart,  Krieg  und  Kapitalismus  14 


211 


I.  Zur  Einführung  in  die  militärwissenschaft- 
liche Literatur 

Da  viele  Leser  dieses  Buches  nicht  Militärs  oder  Militärschrift- 
steller sein  und  deshalb  keine  genauere  Kenntnis  von  der  militärwissen- 
schaftlichen  Literatur  besitzen  werden,  die  das  hier  behandelte  Problem 
erörtert  oder  wenigstens  streift,  so  gebe  ich  eine  knappe  Übersicht  über 
die  "wichtigsten  Werke,  berücksichtige  aber  selbstverständlich  nur  die- 
jenigen, die  in  irgendwelchem  Zusammenhange  für  das  Studium  der 
inneren  Heeresorganisation  und  insonderheit  des  Unterhalts  der  Heere 
in  Betracht  kommen.  Ausgeschlossen  sind  also  alle  rein  kriegsgeschicht- 
lichen Schriften,  ebenso  wie  die  rein  strategisch-taktische  Literatur  und 
die  chronistischen  „Regimentsgeschichten".  Aber  auch  von  den  ein- 
schlägigen Werken  nenne  ich  selbstredend  nur  die  allgemeinen,  die  zu 
einer  ersten  Orientierung  in  der  weitschichtigen  Materie  dienen.  Der 
Leser  wird  dann  leicht  selbst  zu  den  spezielleren  Schriften  gelangen 
können. 

/.   Bibliographien,  Nachschlagebilcher  usw. 

Der  Apparat  der  Militärwissenschaft  ist  in  einem  vorzüglichen  Zu- 
stande: er  hat  etwas  von  der  peinlich-sauberen,  adretten  Art  des  ge- 
bildeten preußischen  Offiziers  angenommen,  dessen  Umgang  (nach  Goethe) 
der  angenehmste  von  allen  ist.  So  ist  es  auch  ein  Vergnügen,  eine 
Zeitlang  in  der  wohltemperierten  Atmosphäre  der  militär-  und  kriegs- 
wissenschaftlichen Literatur  zu  verweilen. 

Von  bibliographischen  Hilfsmitteln  nenne  ich:  Pohler,  Bibl. 
hist.  milit.  (bis  1880).  4  Bände.  Kassel  und  Leipzig  1886 — 1899;  verweise 
aber  vor  allem  auf  v.  Schar fenort,  {Quellenkunde  der  Kriegswissen- 
schaften für  den  Zeitraum  von  1740—1910.  Berlin  1910.  Dann  sind 
auch  die  Kataloge  der  Bibliotheken  der  Kriegsakademie  und  des 
Großen  Generalstabs  (jetzt  neu  erschienen)  von  Nutzen. 

Die  militärwissenschaftlichen  Lexika:  B.  Poten,  Handwörterbuch 
der  ges.  Militärwissenschaften,  9  Bde.,  1877—1880,  E.  Hartmann,  Kurz- 
gefaßtes Militär -Handwörterbuch  für  Armee  und  Marine  (1896),  und 
H. Frobenius,  Militär-Lexikon,  bringen  fast  gar  kein  geschichtliches 
Material. 

Eine  umfassende  Literaturgeschichte  der  Kriegswissenschaften,  in 
der  aber  auch  über  tatsächliche  Verhältnisse  mancher  Aufschluß  gegeben 

14* 


212  Literatur  und  Quellen  ^ 

wird,  ist  das  gelehrte  Werk  von  M.  Jahns,  Geschichte  der  Kriegs- 
wissenschaften, vornehmlich  in  Deutschland.  3  Teile.  München 
1889—1891. 

2.  Die  Geschichte  der  Organisation  der  Heere 
im  allgemeinen 

a)  Gesamtdarstellungen 

Hier  sind  an  erster  Stelle  zwei  Werke  zu  nennen,  die,  jedes  in 
seiner  Art  ein  Meisterwerk,  nur  den  Fehler  haben,  daß  sie  dort  ab- 
brechen, wo  unser  Interesse  erst  recht  anfängt,  rege  zu  werden:  bei 
der  Begründung  der  modernen  Heere.  Ich  meine  M.  Jahns,  Handbuch 
einer  Geschichte  des  Kriegswesens  (mit  Atlas),  Berlin  1878 — 1880  (reicht 
bis  zur  Renaissance),  und  H.  Delbrück,  Geschichte  der  Kriegskunst 
im  Rahmen  der  politischen  Geschichte,  dessen  dritter  Band:  Das 
Mittelalter  (Berlin  1906),  hier  allein  in  Betracht  kommt.  Zeichnet  sich 
das  Werk  von  Jahns  durch  die  Fülle  antiquarischen  Materials  aus, 
die  es  enthält,  so  das  Buch  von  Delbrück  durch  die  geniale  Deutung 
der  Tatsachen  und  die  meisterhafte  Darstellung.  An  diesem  schönen 
Buche  dürfen  wir  uns  die  Freude  auch  nicht  vergällen  lassen  durch  die 
zum  Teil  geradezu  grotesken  Versehen,  die  dem  Verfasser  namentlich 
dort  unterlaufen,  wo  er  ökonomische  Probleme  behandelt. 

Von  älteren  Darstellungen  des  Heerwesens  verdienen  die  Artikel 
in  der  Krünitzschen  Enzyklopädie,  die  unter  dem  Stichwort  „Krieg" 
im  50. — 53.  Bande  enthalten  sind,  Erwähnung. 

Den  Versuch  einer  Systematisierung  der  gesamten  Heeresorgani- 
sation und  Heeresverwaltung  enthält  das  Werk  von  Lorenz  von  Stein, 
Die  Lehre  vom  Heerwesen.  Als  Teil  der  Staatswissenschaft.  Stutt- 
gart 1872. 

Für  ein  größeres  Publikum  bestimmt,  aber  nicht  ohne  Wert  ist  das 
aus  der  neuesten  Literatur  hervorgegangene  Buch  von  Otto  Neuschier, 
Die  Entwicklung  der  Heeresorganisation  seit  Einführung  der  stehenden 
Heere.  Bd.  I:  Geschichtliche  Entwicklung  bis  zum  Ausgang  des  19.  Jahr- 
hunderts.   Leipzig  1911. 

b)  Einzelne  Länder 

Deutschland'.  Aus  der  älteren  (Quellen-)Literatur  nenne  ich 
T.  Flemming,  Der  vollkommene  deutsche  Soldat  1726 (enthält  viele  Ver- 
ordnungen usw.  im  Text).  J.  A.  Hofmann,  Abhandlungen  von  dem 
•ehemaligen  und  heutigen  Kriegsstaate.    2  Bde.    Lemgo  1769. 

Zeit  des  Dreißigjälwigen  Krieges:  J.  Heilmann,  Das  Kriegswesen 
der  Kaiserlichen  und  Schwedischen  zur  Zeit  des  Dreißigjährigen  Krieges. 
1850.  G.  Droysen,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Militärwesens  in 
Deutschland  in  der  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte  Bd.  IV.   V.  Loewe, 


I.  Zur  Einführung  in  die  militärwissenschaftliche  Literatur      213 

Die  Organisation  und  Verwaltung  der  Wallensteinschen  Heere.  Frei- 
burg 1895. 

Brandenburg  -  Preußen  insbesondere:  L.  W.  Henner  t,  Beyträge 
zur  brandenburg-preußischen  Kriegsgeschichte  unter  Friedrich  HI.  Berlin. 
Stettin  1790.  A.  v.  Crousaz,  Die  Organisation  des  brandenburg- 
preußischen Heeres  von  1640 — 1865.  Berlin  1865.  G.  v.  Schmoller, 
Die  Entstehung  des  preußischen  Heeres,  zuerst  erschienen  in  der  Deutschen 
Rundschau,  HI.  Band  Heft  11;  dann  wieder  abgedruckt  in  den  „Um- 
rissen". 1897.  Jany,  Die  Anfänge  der  alten  Armee.  Urkundliche 
Beiträge  und  Forschungen  zur  Geschichte  des  preußischen  Heeres,  heraus- 
gegeben vom  Großen  Generalstabe,  Heft  1,  Berlin  1901  (eine  ganz  vor- 
treffliche, außerordentlich  lehrreiche  Untersuchung);  derselbe,  Die 
alte  Armee  von  1655 — 1740,  ebenda,  Heft  7,  Berlin  1905.  G.  Lehmann, 
Die  brandenburgische  Kriegsmacht  unter  dem  Großen  Kurfürsten  (For- 
schungen z.  brandenb.  u.  preuß.  Gesch.  Bd.  I).  F.  Frhr.  v.  Schroetter, 
Die  brandenburg-preußische  Heeresverfassung  unter  dem  Großen  Kur- 
fürsten.   Leipzig  1892. 

Populäre  Darstellungen  sind  das  durch  die  vielen  interessanten 
Abbildungen  besonders  wertvolle  Buch  von  Georg  Liebe,  Der  Soldat 
in  der  deutschen  Vergangenheit,  1899,  das  einen  Band  der  bekannten 
„Monographien  zur  deutschen  Kulturgeschichte"  bildet;  sowie  die  Schrift 
von  Becker,  Aus  der  Jugendzeit  der  stehenden  Heere  Deutschlands 
und  Österreichs,  Karlsruhe  1877,  in  der  aber  eine  Fülle  lehrreichen 
Materials  verbreitet  ist. 

Frankreich:  M.  Guillaume,  Hist.  de  l'organisation  militaire  sous 
les  ducs  de  Bourgogne.  1847.  M.  F.  Sicard,  Histoire  des  institutions 
milit.  des  Frangais  etc.  4  tomes.  1834.  E.  Boutaric,  Institutions  mili- 
taires  de  la  France.  1863  (ist  noch  heute  das  unübertroffen  beste  Werk, 
dem  für  kein  anderes  Land  ein  gleiches  an  die  Seite  zu  stellen  ist). 
Eine  Art  von  Fortsetzung,  da  Boutaric  die  Zeit  nach  Ludwig  XIV.  nur 
im  Überblick  behandelt,  bildet  Mention,  L'armee  de  l'ancien  regime 
de  Louis  XIV  ä  la  revolution.  1900.  —  Für  die  historisch  besonders 
wichtigen  Anfänge  der  französischen  Armee  kommen  aus  der 
neueren  Literatur  vornehmlich  in  Betracht:  G.  Roloff ,  Das  französische 
Heer  unter  Karl  VII.  in  der  Historischen  Zeitschrift  Bd.  93  und  das  sehr 
ausführliche  Buch  von  E.  Cosneau,  Le  conn^table  de  Richemont.   1886. 

England:  Die  Geschichte  der  englischen  Armee  erfährt  jetzt  eine 
gute  Bearbeitung  in  dem  breitangelegten  Werke  von  Fortescue, 
History  of  the  British  Army.  London  1903  ff.  Handelt  es  sich  auch 
zunächst  um  eine  äußere  (Kriegs-)Geschichte,  so  kommt  doch  auch  die 
innere  (Organisations-)  Geschichte  in  einzelnen  Kapiteln  zur  Darstellung. 

Neben  dem  Werke  von  Fortescue  bewahren  einige  ältere  Arbeiten 
ihren  Wert.  Unter  ihnen  ragt  hervor:  F.  Grose,  Military  antiquities, 
2  Vol.,  London  1812:  eine  Fundgrube  voll  des  interessantesten  Materials. 


214  Literatur  und  Quellen 

3.  Die  Geschichte  der  Bewaffnung 

Die  Literatur  ist  so  gut  wie  ausschließlich  technologischer 
Natur.  Die  Entwicklung  der  Waffentechnik  ersieht  man  aus:  v.  Decker, 
Versuch  einer  Geschichte  des  Geschützwesens.  Berlin  1819.  R.  Schmidt, 
Die  Handfeuerwaffen.  Basel  1875 — 1878  (in  chronologischer  Anordnung). 
Quellen  zur  Geschichte  der  Feuerwaffen,  herausgeg,  vom  Germanischen 
Nationalmuseum.  Leipzig  1872 — 1877.  M.  Thierbach,  Die  geschichtl. 
Entwicklung  der  Handfeuerwaffen.  Dresden  1888 — 99.  A.  Demmin,Die 
Kriegs  Waffen  in  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung.  4.  Aufl.  Leipzig 
1893.    W.  Boeheim,  Handbuch  der  Waffenkunde.    Leipzig  1890. 

Auch  Organisationsprobleme  behandeln:  D.  Jose  Arantegui, 
Apuntos  historicos  sobre  la  Artilleria  espafiola.  1891  (mir  nur  bekannt 
aus  den  Auszügen  bei  D uro,  Armada  espanola).  J.  Frhr.  v.  Eeitzen- 
stein,  Das  Geschützwesen  und  die  Artillerie  in  den  Landen  Braun- 
schweig und  Hannover  von  1365  bis  auf  die  Gegenwart.  1896  f.  (enthält 
viel  interessantes  Material). 

Eine  Menge  Angaben  über  die  Geschichte  des  Wafienwesens  (auch 
auf  die  Organisation  bezüglich)  finden  sich  zerstreut  in  dem  Werke  von 
L.  Beck,  Geschichte  des  Eisens,  von  dem  namentlich  Band  II  und  III 
in  Betracht  kommen.  Auch  die  allgemeinen  Werke  über  die  Geschichte 
des  Kriegswesens,  namentlich  Jahns,  enthalten  zum  Teil  recht  ein- 
gehende Darstellungen  der  Geschichte  der  Bewaffnung. 

Von  älterer  (Quellen-)  Literatur  erwähne  ich  noch  das  bekannte 
Buch  von  Fronsp erger,  Vom  Geschütz,  Feuerwerk  und  Festungen. 
1557;  ferner:  Das  neu  eröffnete  Arsenal,  Hamburg  1710,  worin  die  vierte 
Abteilung  von  der  Verfertigung  und  Aufbewahrung  der  Waffen  handelt. 

4.  Die  Geschichte  des  Armeeverpflegungswesens 

Eine  neuere  wissenschaftliche  Untersuchung,  die  dieses  Thema  all- 
gemein behandelte,  ist  für  die  ältere  Zeit  mir  nicht  bekannt:  die  aus- 
gezeichnete Arbeit  von  0.  Meixner,  Historisch.  Rückblick  auf  die  Ver- 
pflegung der  Armeen.  Wien  1895  ff.  beschränkt  sich  auf  die  Kriege  des 
19.  Jahrhunderts. 

Gestreift  wird  das  Thema  in  den  Veröffentlichungen  der  Acta 
Borussica  über  Getreidehandelspolitik.  Band  II:  Die  Getreidehandels- 
politik und  Kriegsmagazinverwaltung  Brandenburg -Preußens  bis  1740. 
Berlin  1901. 

Dann  gibt  es  eine  Reihe  brauchbarer  Spezialuntersuchungen: 
A.  Fr  hl'.  V.  Minckwitz,  Die  wirtschaftl.  Einrichtungen,  namentl.  die 
Verpflegungs-Verhältnisse  bei  der  Kursächsischen  Kavallerie  vom  Jahre 
1680  bis  zum  Anfang  des  laufenden  Jahrhunderts  im  Neuen  Archiv  für 
Sachs.  Gesch.  Bd.  II.  F.  Schwartz,  Organisation  und  Verpflegung  der 
preußischen  Landmilizen  im  Siebenjährigen  Kriege.    Leipzig  1888. 


I.  Zur  Einführung  in  die  militärwissenschaftliche  Literatur     215 

Aber  im  wesentlichen  sind  wir  doch  noch  angewiesen  auf  die 
ältere  (Quell en-)Literatur.  Sie  weist  namentlich  in  französischer 
Sprache  einige  hervorragende  Werke  auf,  die  im  wesentlichen  aber  sich 
auf  die  Darstellung  französischer  Verhältnisse  beschränken,  wenn  sie 
auch  hie  und  da  Ausblicke  in  andere  Länder  tun.  Sehr  wichtig  ist  das 
Buch  von  Dupre  d'Aulnay,  Traite  general  des  subsistances  militaires. 
2  Vol.  4**.  1744.  Der  Verfasser  war  „Commissaire  des  guerres  und 
Directeur  göneral  des  vivres"  und  schreibt:  „pour  servir  de  guide  ä  ceux 
qui  auront  dessein  de  devenir  entrepreneurs".  Das  Werk  zerfällt  in 
zwei  Teile;  im  ersten  Teil  wird  angegeben:  „l'idee  generale  de  l'ad- 
ministration  des  vivres,  des  fourages,  des  boucheries,  des  höpitaux,  des 
equipages  des  vivres  et  d'artillerie" ;  der  zweite  Teil  umfaßt:  1.  Tarife; 
2.  Berechnungen  des  wahrscheinlichen  Bedarfs  eines  Heeres;  3.  Modelle 
für  Anträge;  4.  Modelle  für  Lieferungsverträge;  5.  desgl.  für  die  Ver- 
waltung; 6.  Instruktionen  für  Beamte  usw.  Das  Buch  enthält  eine  voll" 
ständige  Anweisung  für  Lieferanten:  wie  sie  ihre  Offerte  einzureichen, 
wie  sie  sich  zu  organisieren  haben,  wie  sie  einkaufen  sollen,  usw. 

Ebenfalls  reich  an  belehrendem  Stoff  sind  Chennevieres,  Details 
militaires  necessaires  ä  tous  les  officiers  et  principalement  aux  commis- 
saires  de  guerre.  2  Vol.  Paris  1750.  Nachtrag  1768  und  Xav.  Andouin, 
Histoire  de  Tadministration  de  la  guerre.    3  Vol.    1811. 

Ein  Gegenstück  in  deutscher  Sprache  ist  die  Darstellung  im  5.  Bande 
der  Handbibliothek  für  Offiziere  (1839):  „Der  Haushalt  der  Heere",  von 
Frhr.  v.  Richthofen. 

Über  das  Kriegskommissariat  im  besonderen:  K.  G.  Weise,  Über 
das  Feldkriegskommissariat.  Ulm  1794.  Der  Verfasser  war  „Königl. 
Preußischer  expedierender  Feld-Kriegs-Kommissariats-Sekretär"  und  be- 
handelt ausschließlich  preußische  Verhältnisse.  Enthüllungen  des 
Raub-  und  Plünderungssystems  der  Kommissare  der  preußischen, 
österreichischen  und  neufränkischen  Armeen  (1799),  42  f.  Das  Buch 
handelt  fast  nur  von  den  Betrügereien  der  französischen  Kommissare 
und  Lieferanten.  Der  Verfasser  rühmt  seine  „vieljährige  Beschäftigung 
in  Lieferungen"  und  seinen  „immerwährenden  Umgang  mit  Lieferanten". 

5.  Die  Geschichte  der  Bekleidung  der  Heere 

Hier  ist  die  für  unsere  Zwecke  brauchbare  Literatur  besonders 
dürftig.  Es  wimmelt  zwar  förmlich  von  Geschichten  der  militärischen 
Kostüme;  es  sind  aber  alles  Trachtengeschichten,  die  lediglich  Form, 
Schnitt,  Farbe  usw.  der  Uniformen  (meist  bildlich)  zur  Darstellung  bringen. 
Zu  dieser  Art  von  Schriften  gehören:  R.  Knötel,  Handbuch  der  Uniform- 
kunde. Leipzig  1896.  G.  v.  Suttner,  Reiterstudien.  Beiträge  zur  Ge- 
schichte und  Ausrüstung  der  vorzüglichen  Reiterarten  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert. Wien  1880.  J.  Luard,  History  of  the  dress  of  the  British 
soldier.    London  1832.    Marbot  et   Noirmont,   Costumes   militaires 


216  Literatur  und  Quellen 

frangaises.   3  Vol.    1846.   Quarre  de  Verneuil,  Le  costume  militaire 
en  France  et  les  premiers  uniformes.    Paris  1877. 

Einen  ganz  neuen,  auch  für  das  Studium  der  ökonomischen  und 
organisatorischen  Seiten  des  Militärbekleidungsproblems  verwendbaren 
Typ  von  Literatur  stellen  dagegen  die  ausgezeichneten  Arbeiten  dar,  die 
neuerdings  über  die  „Geschichte  der  Bekleidung  und  Aus- 
rüstung der  königl.  preußischen  Armee"  Weimar  1906 ff.  in  amt- 
lichem Auftrage  veröffentlicht  sind.  In  ihnen  ist  von  besten  Fach- 
männern zum  ersten  Male  das  reiche  Material  der  Berliner  Archive  für 
dieses  Gebiet  benutzt  worden.    Bisher  sind  zwei  Teile  erschienen. 

6.  Die  Geschichte  der  Manne  und  des  Schiffbaues 

Dieser  Zweig  der  Literatur  ist  reich  an  ausgezeichneten  Arbeiten, 
alten  und  neuen. 

Über  Marinewesen  und  Schiffbau  im  allgemeinen  besitzen  wir  aus 
früherer  Zeit  eine  Reihe  von  Werken,  die  noch  immer  ihren  Wert  be- 
wahren wegen  der  anderswo  nicht  veröffentlichten  Materialien.  Das  sind: 
J.  Charnock,  A  history  of  marine  architecture.  3  Vol.  London  1800 
bis  1802,  und  A.  Jal,  Archäologie  navale.  2  Vol.  Paris  1840.  Arch. 
nav.  hat  es  vorher  schon  viele  gegeben.  Eine  Übersicht  über  die  (be- 
sonders wichtige)  Literatur  des  17.  Jahrhunderts  über  Marinewesen  und 
Schiffhau  findet  sich  in  dem  selbst  an  interessantem  Material  reichen 
Traktat:   Der  geöffnete  See-Hafen.    2  Teile.    Hamburg  1715. 

Das  Werk  von  A.  Du  Sein,  Hist.  de  la  marine  de  tous  les  peuples. 
2  Vols.  Paris  1863 — 79  ist  fast  rein  kriegsgeschichtlich. 

Dann  haben  aber  die  Manneverhältnisse  der  einzelnen  Länder  zum 
Teil  sehr  gute  und  sehr  ausführliche  Behandlung  in  zahlreichen  Werken 
erfahren,  von  denen  ich  nur  die  allerwichtigsten  und  vor  allem  neuesten 
namhaft  machen  will: 

Holland:  J.  C.  dejonge.  Geschiedenes  van  het  Nederlandsche  Zee- 
wezen.  10  Bände.  Harlem  1858.  Bringt  in  den  Beilagen  wertvolles  Material 
zur  Geschichte  der  inneren  Organisation  der  Flotte  und  des  Schiffbaus. 

Spanien :  C.  F.  D  u  r  o ,  Armada  Espafiola.  9  Vol.  Madrid  1895 — 1903. 
Ist  im  wesentlichen  eine  Geschichte  der  Seekriege;  enthält  aber  über 
die  Verwaltungsgeschichte  einige  Kapitel. 

Über  Ausrüstung  usw.  der  Felicisima  Armada  bringt  ein  reiches 
Material  bei:  desselben  Verfassers  1884  erschienene  Schrift  über  diese 
Flottenexpedition. 

Italien:  C.  Manfroni,  Storia  della  marina  italiana.  2  Vol.  Borna 
1897 ff.;  ist  fast  rein  politischen  Inhalts.  Dagegen  hat  die  Geschichte 
der  Genueser  Marine  im  Mittelalter  einen  ausgezeichneten  Bearbeiter 
gefunden  in  Ed.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine.    1886. 

Frankreich:  Ch.  de  la  Roncidre,  Histoire  de  la  marine  fran^aise. 
4  Vol.   Paris  1899 ff'.;  wesentlich  Kriegsgeschichte,  so  daß  man  für  die 


II.  Quellenbelegc.  217 

innere  Geschichte  der  französischen  Kriegsflotte  auf  frühere  Arbeiten 
zurückgreifen  wird.  Ich  nenne  von  solchen  E.  Sue,  Histoire  de  la 
marine  frangaise.  4  Vol.  Paris  1837.  In  diesem  Werke,  das  fast  immer 
eine  schlechte  Note  bekommt,  wenn  es  von  einem  Schriftsteller  heute 
erwähnt  wird  (offenbar  erbt  der  eine  vom  anderen  das  Urteil,  ohne  sich 
Mühe  zu  geben,  es  an  dem  beurteilten  Gegenstande  selber  zu  revidieren), 
ist  sehr  viel  brauchbares  Urkundenmaterial  enthalten,  das  freilich  in 
einer  zuweilen  etwas  romanhaften  Form  verarbeitet  worden  ist  (Mystöres 
de  Paris!) 

England:  Begreiflicherweise  ist  dieses  Land  besonders  reich  an 
geschichtlichen  Darstellungen  seiner  Flotte,  ihrer  Entwicklung  und  ihrer 
Taten.  Alle  früheren  allgemeinen  Arbeiten  sind  jetzt  aber  überholt 
durch  das  ausgezeichnete  Werk  von  W.  Laird  Clowes  (und  andere), 
The  Royal  Navy.  In  five  Volumes.  London  1897  ff.  Vol.  I  reicht  bis 
1603,  Vol.  II  bis  1714,  Vol.  III  bis  1783.  Der  „Civil  History«  ist  darin 
ein  ziemlich  breiter  Raum  eingeräumt  worden.  Trotzdem  wird  man  neben 
diesem  (obendrein  noch  mit  Illustrationen  gezierten)  Standard-Work  als 
ganz  besonders  reiche  Stoffsammlung,  die  auch  den  Verfassern  der 
„Royal  Navy"  vielfach  als  Unterlage  ihrer  Darstellung  gedient  hat,  nicht 
außer  acht  lassen  dürfen  das  wertvolle  Buch  von  M.  Oppenheim, 
History  of  the  administration  of  the  Royal  Navy.  London  1896,  das  bis 
zum  Commonwealth  reicht  und  gerade  auch  für  die  in  dieser  Studie 
erörterten  Probleme  viel  Tatsachenmaterial  beibringt. 

IL   Quellenbelege 
Einleitung:   Das  doppelte  Gesicht  des  Krieges 

^  Robert  Hoeniger,  Der  Dreißigjährige  Krieg  und  die  deutsche 
Kultur,  in  den  Preuß.  Jahrbüchern  138  a909),  402  ff. 

'  L.  Einaudi,  La  finanza  sabauda  all'  aprirsi  del  secolo  XVIII 
(1908),  373. 

'  Arnould,  De  la  Balance  du  commerce  etc.  tabl.  Nr.  3. 

*  Ranke,  Fürsten  und  Völker  Südeuropas  l*,  455. 

■*  G.  C.  Klerk  de  Reus,  Geschichtlicher  Überblick  der  Nieder- 
ländisch-ostindischen Kompagnie  (1894),  193;  vgl.  S.  191. 

•  Biringuccio,  Pirotecnica  lib.  I  c.  IL 

'  P.  Kaeppelin,  La  Compagnie  des  Indes  orientales  (1908),  647. 

8  R.  Ehren  her  g,  Das  Zeitalter  der  Fugger  2  (1896),  205  ff.  Vgl. 
Ranke,  Fürsten  und  Völker  1,  421  ff. 

»  Postlethwayt,  Dict.  of  Commerce  2  (1758),  285  Art.  Monied 
interest;  ib.  p.  764  Art.  Stoclgobbing. 

10  Mercier,  Tableau  de  Paris  1784  1,  229;  3,  190. 

11  Et.  Laspeyres,  Gesch.  der  volksw.  Anschauungen  der  Nieder- 
länder (1863),  254. 

12  H.  Sieveking,  Genueser  Finanzwesen  1  (1898),  174. 


218  Literatur  und  Quellen 

1'  Bei  Ehrenberg,  a.  a.  0.  2,  107. 

"  H.  Sieveking,  Die  kapitalistische  Entwicklung  in  den  italieni- 
schen Städten  des  Mittelalters,  in  der  Vierteljahrschrift  für  Soc-  und 
W.-Gesch.  7,  84.    Vgl.  dessen  Genueser  Finanzwesen  1,  100,  110,  160. 

16  Pagnini,  Della  decima  1  (1765),  33. 

^^  H.  Sieveking,  Genueser  Finanzwesen  1,  161, 

"  (Forbonnais),  Recherches  et  considerations  sur  les  finances 
de  France  depuis  l'annee  1595  jusqu'ä  l'annee  1721  1  (1758),  28. 

*^  Davenant  bei  Forbonnais  1.  c.  2,  296. 

^'  Levasseur,  Histoire  des  classes  ouvrieres  etc.  2  (1900),  353. 

20  P.  B  0  i  t  e  a  u ,  Fortune  publique  et  finances  de  la  France  2 
(1866),  14. 

21  M.  Block,  Statistique  de  la  France  1^  (1875),  481. 

22  De  Witt,  Interests  of  Holland,  zit.  bei  Anderson,  Origins  of 
the  Commerce  etc.  2,  413. 

88  J.. Sinclair,  Hist.  of  the  Publ.  Revenue  l^  (1803)  220,  288,426, 
439,  451,  460,  472  und  (für  die  letzte  Ziffer)  -Porter,  The  Progress  of 
the  Nation,  3.  ed.  (1851),  474. 

2*  Postlethwayt,  1.  c.  2,  310. 

26  Ein  großer  Teil  des  Buches  von  H  e  y  d  ist  der  Aufzählung 
solcher  Verträge  gewidmet. 

26  P.  Kaeppelin,  La  Comp,  des  Indes  Orient.  (1908),  322. 

2'  P.  Kaeppelin,  1.  c.  p.  63. 

28  Liste  der  gekaperten  englischen  Schiffe  beiPostlethwayt,Dict. 
1,  927. 

29  Postlethwayt,  Dict.  1,  725  (Art.  England).  Daselbst  auch 
p.  728 f.  eine  Übersicht  über  den  Bestand  an  Forts,  Ausrüstung,  Muni- 
tion, Besatzung  usw.  an  der  afrikanischen  Küste. 

Erstes  Kapitel:   Die  Entstehung  der  modernen  Heere 

so  H.  Delbrück,  Gesch.  d.  Kriegskunst  3  (1907),  197. 

8»  H.  Delbrück,  a.  a.  0.  S.  217. 

'2  R  i  c  h  e  r ,  ed.  Guadet  2,  266  bei  B  o  u  t  a  r  i  c ,  Inst.  mil.  de  la 
France:(1863),  240. 
"^  83  gax.  Chron.,  420,  21  bei  Laird  Clowes,  Royal  Navy,  1,  45. 

^*  Dieses  ist  vor  allem  erwiesen  durch  die  Arbeiten  von  J.  H.  R  o  u  n  d , 
The  Introduction  of  Knight  Service  into  England,  wieder  abgedruckt  in 
Feudal  England  (1909),  225—314. 

85  Bibl.  de  l'Ec.  des  chartes  III«  serie  t.  III  bei  Boutaric,  1.  c. 
p.  246. 

86  H.  Delbrück,  a.  a.  0.  323. 

8''  Siehe  die  Literatur  für  die  deutschen  Städte  bei  H.  Delbrück, 
a.  a.  0.  S.  459. 

8«J.W.  Fortescue,A  Hist.  of  the  British  Army  1  (1889),  23 sag. 
112. 


IL  Quellenbelege  219 

^^  Jany,  Die  Anfänge  der  alten  Armee,  in  den  Urk.  Beiträgen 
und  Forsch,  z.  Gesch.  d.  preuß.  Heeres,  I.Heft,  1901,  S.  22 ff.;  über  die 
ganz  ähnlichen  Verhältnisse  in  Kursachsen  handelt  die  von  Jany  zitierte 
Schrift  von  v.  Schimpff,  Die  ersten  kursächsischen  Leibwachen,  aus 
dem  Nachlaß  des  Oberhofmeisters  von  Minckwitz,  1894. 

*o  Ranke,  Franz.  Gesch.  1^  (1877),  55  ff. 

*^  Lettre  de  Charles  VII  pour  obvier  aux  pilleries  et  vexations  des 
gens  de  guerre  2.  Nov.  1439.]i^Ord.  des  rois  de  France  XIII.  306  bei 
Ranke  a.  a.  0. 

*'■*  Die  Quellen  bei  J.  W.  Forte scue,  1.  c.  p.  204  seg. 

*8  Gneist,  Engl.  Verw.-Recht  2 2  (1867),  952 ff. 

**  Jany,  Die  Anfänge  der  alten  Armee,  118/19. 

***  Zum  ersten  Male  verwertet  bei  Jahn  s,  Gesch.  d.  Kr.-Wiss.  2, 1554. 

"  V.  Schmoller,  Die  Entstehung  des  preuß.  Heeres  in  seinen 
„Umrissen"  usw.,  267. 

*'  C.  F.  Duro,  Armada  Espafiola  1  (1895),  331  seg. 

«8  Nach  Matt,  of  West.  Laird  Clowes,  1,  41. 

*9  Ed.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine  (1886),  116. 

80  Laird  Clowes,  1,  150. 

^^  Anderson,  Orig.  of  Comm.  s.  a.  1512;  Gneist,  Engl.  Ver- 
waltungsrecht 1069. 

"2  H.  Delbrück,  Gesch.  d.  Kriegskunst  3,  476;  die  übrigen  Zahlen 
ebenda  S.  153,  229,  344,  348,  363,  404. 

'^^  Die  genauesten  und  zuverlässigsten  Angaben  bei  Boutaric, 
Inst.  mil.  Livre  V  Ch.  VIII. 

***  Jany,  Die  Anf.  d.  alt.  Armee,  57. 

55  Jany,  a.  a.  0.  S.  76. 

5*  C.  F.  Duro,  La  Armada  Invincible,  1884,  doc.  110;  zitiert  bei 
Laird  Clowes,  1,  560. 

"  Nach  den  amtlichen  Listen:  E.  Sue,  4,  170. 

58  J.  C.  de  Jonge,  Geschiedenes  van  het  Nederlandsche  Zeewegen, 
Vol.  I,  Bijlage  XII. 

5»  App.  A.  in  Publ.  of  the  Navy  Records  Society  Vol.  XV,  1899. 
Für  Rußland  unter  Peter  d.  Gr.  vgl.:  History  of  the  Russian  Fleet 
during  the  Reign  of  Peter  the  Great.  By  a  Contemporary  Englishman 
(1724).  Ed.  by  Vice-Adm.  Cyprian  A.  G.Bridge  in  den  genannten  Publi- 
cations. 

•0  Cotton  Mss.  Otho.  E.  IX,  p.  47  bei  John  Charnock,  A  History 
of  Marine  Architecture  2  (1801),  91  seg. 

^*  M.  Oppenheim,  History  of  the  Administration  of  the  Royal 
Navy  (1896),  52. 

•2  Report  of  the  Commissioners  appointed  to  enquire  into  the  State 
of  the  Navy  etc.  1618.    J.  Charnock,  2,  246. 

*'  Nach  einer  Arbeit  des  Mr.  Burchet,  eines  langjährigen  Staats- 


220  Literatur  und  Quellen 

Sekretärs  des  Marineamts,  die  Anderson,  Orig.  of  Comm.  2,  139  seg. 
im  Auszuge  mitteilt. 

**  State  Papers  relat.  to  the  defeat  of  the  Spanish  Armada  2, 
323—341,  376—887  bei  Laird  Clowes,  1,  604. 

"'*  Nach  dem  Bericht  der  parlamentarischen  Untersuchungskommis- 
sion S.  P.  Dom.  CLVI,  12  bei  Laird  Clowes,  2,  18. 

«*  Die  vollständige  Liste  bei  Oppenheim,  330—338. 

«'  Laird  Clowes,  2,  267. 

"^  Nach  D'Avenant  und  Colliber:  Anderson,  2,  579. 

«^  Siehe  die  Quelle  bei  Anderson,  2,  579. 

■"*  Bishop  Gibson's  Continuation  of  Cambdens  Britannia  Vol,  I  bei 
Anderson,  2,  608. 

Zweites  Kapitel:   Der  Unterhalt  der  Heere 

"  Nach  einer  Schrift  aus  dem  Jahre  1749  Anderson,  3,  274. 

'2  A.  Gottlob,  Die  päpstlichen  Kreuzzugssteuern  des  13.  Jahr- 
hunderts (1892).  48  f. 

73  j)ej.  Vertrag  ist  abgedruckt  bei  A.  Jal,  Archit.  nav.  ?,  333 fif. 

'*  Die  Belege  bei  Pagnini,  Della  decima,  1,  33. 

'5  Chron.  deutsch.  Städte  1,  188. 

"  R.  Ehrenberg,  Zeitalter  der  Fugger  1  (1896),  10. 

"  P.  Sitta,  Saggio  sulle  istituzioni  finanziarie  del  ducato  estense 
nei  secoli  XV  e  XVI,  1891. 

'^  G.  Prato,  11  costo  della  guerra  di  successione  spagnuola  e  le 
spese  pubbliche  in  Piemonte  dal  1700  al  1713  (1907),  259/60.  Vgl. 
L.  E  i  n  a  u  d  i ,  La  finanza  sabauda  all'  aprirsi  del  sec.  XVIII  (1908) 
p.  350  seg. 

'9  G.  Prato,  11  costo  della  Guerra  (1907),  402/3,  Tav.  XXXI.  Vgl. 
L,  Einaudi,  La  fin.  sabauda  (1908),  p.  360  seg. 

^^  Coli,  de  docum.  ineditos  t.  III.  p.  545,  61,  zit.  bei  B.  Carey, 
La  cour  et  la  ville  de  Madrid  (1876)  App.  Note  C. 

^*  Bericht  des  Gesandten  Mateo  Dandolo  bei  Alberi,  Ser.  I  Vol. IV 
p.  42. 

^^  Compte  de  l'extraordinaire  des  guerres  bei  Poirson,  Histoire 
de  Henry  IV  2,  350. 

^3  Nach  Forbonnais,  Recherches  1,  242  und  2,  101. 

8*  M.  Necker,  De  l'administration  des  Finances  en  France  2(1784), 
384  seg. 

8^  Die  auf  Brandenburg-Preußen  bezüglichen  Angaben  sind  sämtlich 
entnommen  dem  Werke  von  Ad.  Fried  r.  Riedel,  Der  brandenburgisch- 
preußische  Haushalt  in  den  beiden  letzten  Jahrhunderten,  1866. 

8«  Laird  Clowes,  The  Royal  Navy  1,  345. 

8^  Nach  Oppenheim,  295,  368. 

88  Thurloes  State  Papers  2,  64  bei  Anderson,  Orig.  of  Comm. 
2,  430. 


IL  Quellenbelege  221 

89  Sinclair,  History  of  the  Public  revenue  2  (1803),  57,  61,  73,  109. 

90  Bei  Anderson,  4,  399. 

91  Riedel,  a.  a.  0.  S.  34,  47,  93. 

92  G.  R.  Porter,  The  Progress  of  the  Nation  (1851),  507. 

9^  Mitgeteilt  bei  H.  Thir ion,  La  vie  privee  des  Financiers  au 
XVine  siecle  (1895),  19/20. 

9*  Charles  Normand,  La  bourgeoisie  frangaise  au  XYII«  siöcle 
(1908). 

95  Les  caquets  de  l'accouch^e.   Coli.  Jannet-Picard,  2«  journee,  50/51. 

9«  Normand,  160. 

9'  Sie  ist  vollständig  abgedruckt  bei  (D' Argen  vi  11  e),  Vie  privee 
de  Louis  XV,  Nouv.  Ed.  Vol.  I  (1783),  p.  231—256. 

98  Ch.  Wilson,  De  l'influence  des  capitaux  anglais  sur  l'industrie 
europeenne  depuis  la  revolution  de  1688  jusqu'en  1846  (1847),  45. 

99  Von  dem  Verfasser  des  in  der  vorigen  Anmerkung  namhaft  ge- 
machten beachtenswerten  Buches. 

Drittes  Kapitel:   Die  Bewaffnung  der  Heere 

100  M.  Guillaume,  Hist.  de  l'organisation  militaire  sous  les  ducs 
de  Bourgogne  (1847),  57. 

1®^  Les  chroniques  de  la  ville  de  Metz,  publ.  par  Huguenin.  1838, 
bei  Jahns,  Kriegswesen,  775. 

>02  Riformagioni  di  Firenze  Vol.  XXIII  dist.  V  cl.  II  p.  65  a.  a.  0. 

»OS  M.  Guillaume,  L  c.  p.  60. 

i<>*  Casiri,  Bibl.  Arab.  Hisp.  II  p.  7.    Jahns,  a.  a.  0. 

106  Quellen  bei  Laird  Clowes,  1,  148. 

108  J.  Frh.  V.  Reitzenstein,  Das  Geschützwesen  und  die  Artillerie 
in  den  Landen  Braunschweig  und  Hannover  von  1365  bis  auf  die  Gegen- 
wart, 1.  Teil,  1896,  S.  12. 

lOT  Abgedruckt  bei  J.A.Hof  mann,  Abhandlung  von  dem  Kriegs- 
staate (1769),  72. 

108  Jahns,  Gesch.  d.  Kriegswiss.  1  (1889),  47. 

109  Bei  J.  A.  Hofmann,  a.  a.  0.  S.  74. 

110  Kriegsgeschichtl.  Einzelschriften  des  Großen  Generalstabs  313  f., 
bei  Jany,  22. 

111  R.  Schmidt,  Die  Handfeuerwaffen  (1875),  13. 

112  Jahns,  a.  a.  0.  1,  723. 

11'  Bei  J.  A.  Hofmann,  Kriegsstaat,  S.  69. 

11*  Jahns,  a.  a.  0. 

115  ]yi  Thierbach,  Die  geschichtl.  Entwicklung  der  Handfeuer- 
waffen (1888),  21. 

11*  Zitiert  bei  Becker,  Aus  der  Jugendzeit  der  stehenden  Heere 
(1877),  15. 

1"  A.  v.  Crousaz,  Die  Organisation  des  brandenburgischen  und 
preußischen  Heeres  von  1640  bis  1865  1  (1865),  22  f. 


222  Literatux-  und  Quellen 

"8  Boutaric,  Inst.  mil.  (1863),  422. 
**^  Jahns,  Kriegs  Wissenschaft  2,  1236. 
120  Boutaric,  Inst,  mil,,  360  seg. 

'21  M.  Guillalume,  Hist.  de  l'organisatioD  mil.  sous  les  ducs  de 
Bourgogne  (1847),  78,  102/3. 

122  Levasseur,  Ind.  de  la  Fr.  2,  29. 

123  Bei  M.  Thierbach,  Die  geschichtl.  Entw.  der  Handfeuerwaffen 
(1888),  19,  20. 

12*  H.  A.  Di  Hon,  Arms  and  Armour  at  Westminster,  the  Tower 
and  Greenwich  1547  in  der  Archeologia  Vol.  LI;  2.  Ser.  Vol.  I  (1888). 

125  Ms.  der  Basler  Bibliothek  fol.  75b  mitgeteilt  von  H.  Sieve- 
king  in  Schmollers  Jahrbuch  21,  132. 

126  „Das  neueröffnete  Arsenal"  bildet  einen  Teil  des  „Neueröffiaeten 
Kittersaales".    1704. 

127  M.  Thierbach,  a.  a.  0. 

128  Bei  G.  Droysen,  Beitr.  zur  Gesch.  des  Militärwesens  in 
Deutschland  während  der  Epoche  des  Dreißigjährigen  Krieges,  in  der 
Zeitschrift  für  Kulturgeschichte  4  (1875),  404  ff. 

12"  Jany,  Anfänge  d.  alten  Armee,  45. 

130  Abgedruckt  in  der  Geschichte  der  Bekleidung  usw.  2,  277. 

131  Jany,  a.  a.  0.  S.  51. 

132  Man.  Bor.  Fol.  317  Kgl.  Bibl.  Berl.,  abgedruckt  in  der  Ge- 
schichte der  Bekleidung  usw.  2,  203. 

1^^  Geschichte  der  Bekleidung  usw.  2,  276. 

13*  Frang.  16691;  fol.  102 vo  bei  Ch.  de  la  Ron  eiere,  Hist.  de  la 
marine  fran§.  2,  493. 

135  Liebe,  Der  Soldat,  21. 

136  Jahns,  Gesch.  d.  Kriegs wiss.  1,  662. 

13'  L.  Mention,  L'armöe  de  l'ancien  regime  (1900),  172jjseg. 

138  Jahns,  a.  a.  0.  2,  1619. 

139  J.  Frhr.  v.  Reitzensteiu,  a.  a.  0.  2  (1897),  222. 

1^0  V.  Stadlinger,  Gesch.  d.  Württemberg.  Kriegswes.  Bd.  I,  1856, 
zit.  bei  Jahns,  Gesch.  d.  Kriegs  wiss.  1,  749. 

1*1  Jahns,  Kriegs  wiss.  1,  747, 

1*2  Wallenstein  an  Questenberg,  W.  E.  1,  71  bei  Loewe,  Organi- 
sation und  Verwaltung  der  Wallensteinschen  Heere  (1895),  93. 

1*3  Sully,  Oec.  roy.  t.  III,  ch.  VIII  bei  Boutaric,  360  f. 

1**  Duro,  L' Armada  inv.  doc.  109  bei  Laird  Clowes,  1,  560. 

1*5  Nach  dem  amtlichen  Material  E.  Sue,  Hist.  de  la  marine  frang. 
4  (1836),  170. 

1*«  Siehe  die  Quellen  bei  Laird  Clowes,  1,  409,  421;  2,  267. 

i*''  Ms.  de  Pepysion  Library  bei  Laird  Clowes,  1,  412. 

1*8  State  Pap.  Dom.  CCCLXXIV,  30  und  CCCLXXXVII,  87  bei 
Oppenheim,  262. 


II.   Quellenbelege  223 

"^  Siehe  die  ausführliche  Darstellung  dieses  ganzen  Bedarfseintritts 
und  der  darauf  folgenden  Bestellungsaktion  bei  Oppenheim,  360  seg. 

"0  C.  F.  Duro,  Armada  espaüola  1,  330,  331. 

1"  Siehe  die  Listen  bei  Beck,  Gesch.  des  Eisens  2  (1893—95),  994ff. 

«2  Thun,  Industrie  am  Niederrhein  2  (1879),  12. 

"3  Heinr.  Anschütz,  Die  Gewehr-Fabrik  in  Suhl.  1811.  (Der 
Ausdruck  „Fabrik"  ist  hier  im  Sinne  von  „fabrique  lyonnaise"  gebraucht.) 

1^*  Archiv  des  Kriegsministeriums;  abgedr.  in  der  Geschichte  der 
Bekleidung  usw.  2,  187. 

166  Abgedr.  in  der  Gesch.  d.  Bekleidung  2,  276. 

166  H.  A.  Dillon,  Archeologia  Vol.  LI.  219  ff. 

157  H.  A.  Dillon,  1.  c.  p.  250. 

"^  J.  H.  B.  Bergius,  Neues  Policey-  und  Cameral-Magazin^ 
(1777),  75  ff. 

159  princ.  de  M.  le  Marquis  de  Seignelay  sur  la  marine  bei  E.  Sue, 
Hist.  de  la  marine  fran?.  4  (1836),  420. 

"0  Jahns,  Gesch.  der  Kriegs wiss.  2,  1236  (ohne  Quelle). 

161  Das  beste  Werk  zur  Geschichte  der  Lütticher  Waffenindustrie 
ist  bisher  die  Monographie  von  Alphonse  Polain,  Recherches 
historiques  sur  l'epreuve  des  armes  ä  feu  au  pays  de  Liege.  1891. 
Auf  ihm  fußen  in  ihrem  (knappen)  historischen  Überblick  A.  Swaine, 
Die  Heimarbeit  in  der  Gewehrindustrie  von  Lüttich  usw.,  Jahrbücher 
f.  N.-Ö,,  3.  Folge  Bd.  12;  und  Maur.  Ansiaux,  L 'Industrie  armuriere 
iögeoise.    1899. 

162  M.  Tugan-Baranowski,  Gesch.   der  russ.  Fabrik  (1900)''14. 

163  D.  Jose  Arantegui,  Apuntos  historicos  sobre  la  artilleria 
espafiola  en  la  primera  mitad  del  siglo  XVI  (1891);  zit.  bei  C.  F.  Duro, 
Armada  espanola  1,  331. 

16*  Cambden,  Britannia,  ed.  1590  p.  227. 

166  In  einer  Schrift,  die  Anderson,  2,  220  im  Auszuge  mitteilt. 
166  Rymer,  Foed.  19,  89  bei  Anderson,  2,  337.. 
.     167  ]yi^  Oppenheim,  Roy.  Navy,  159. 

168  D.  Hume,  History  of  Engl.  6  (1782),  181. 

169  Quellen  bei  Beck,  Gesch.  d.  Eis.  2,  786  ff. 
"0  Beck,  Gesch.  d.  Eis.  3,  606  f. 

"1  Quellen  bei  Ch.  de  la  Ronciere,  Hist.  de  la  mar.  frang.  4 
(1910),  618. 

"2  Clement,  Corr.  de  Colb.  2,  50,  415;  zit.  bei  G.  Martin,  La 
grande  industrie  sous  Louis  XIV. 

1"  G.  Martin,  1.  c.  184ff. 

^''*  R.  JosöArantegui,  Artilleria  espanola  (1891) ;  bei  C.  F.  D  u  r  o , 
Armada  Espanola  1,  329. 

"^  Das  neu  eröffnete  Arsenal  (1710),  112. 

"«  State  Pap.  Dom.  XXI,  56;  bei  Oppenheim,  Roy.  Navy  159. 


224  Literatur  und  Quellen 

^'^'^  Quellen  bei  Oppenheim,  1.  c.  97. 

"»  Oppenheim,  1.  c.  108. 

*"  Cunningham,  The  Growth  of  engl,  Ind.  and  Commerce  2,  60 ff. 

"0  G.  Prato,  II  costo  della  guerra  (1907),  313/14, 

^®^  Rogers,  Hist.  of  Agric.  and  Prices  4,  488. 

^82  F.  Dobel,  Über  den  Bergbau  und  Handel  des  Jacob  und  Anton 
Fugger  usw.  in  der  Zeitschr.  des  Hist.  Ver.  f.  Schwaben  usw.  9,  207. 

183  Uj.]j  597  ijej  i{  Simonsfeld,  Der  Fondaco  dei  Tedeschi  in 
Ven,  1,  324. 

"*  Reglement  du  roi  etc.  11.  Mai  1667,  abgedr.  bei  Sue,  Histoire 
de  la  mar,  fran^.  1,  281  seg. 

^8»  R.  Ehrenberg,  Zeitalt.  d.  Fugger  1,  396 ff. 

"«  R.  Ehrenberg,  a.  a.  0,  1,  122, 

"■^  F.  Dobel,  Der  Fuggersche  Bergbau  und  Handel  in  Ungarn,  in 
der  Zeitschr.  d.  Hist.  Ver.  für  Schwaben  usw.  6,  34  ff. 

18«  R.  Ehrenberg,  a.  a.  0.  2,  254. 

»8»  F.  Dobel,  a.  a,  0, 

i»o  R.  Ehrenberg,  a.  a.  0.  1,  234. 

191  G.  Martin,  Louis  XIV.  184  seg. 

i»2  George  Randall  Lewis,  The  Stannaries  (1908);  Chapt.  VII 
und  App.  J. 

19»  Harry  Scrivenor,  History  of  the  Iron  Trade,  New  Ed.  1854, 
pag.  57;  Juras  chek  im  Handwörterbuch  der  Staatswiss,,  3,  Aufl.,  s.v. 
„Eisen"  gibt  nur  7000  t  an,  ich  weiß  nicht,  nach  welcher  Quelle.  Die 
von  Scrivenor  mitgeteilten  Ziffern  sind  die  allgemein  angenommenen. 

1»*  Lardner,  Cabinet  Cyclopaedia  Vol.  I,  Ch,  IV. 

195  Beck,  H,  166. 

198  Bei  Beck,  Gesch.  d.  Eis.  2,  749. 

19'  A.  Haßlacher,  Die  Industriegebiete  a.  d.  Saar.   1879. 

198  M.  Meyer,  Beiträge  zur  genaueren  Kenntnis  des  Eisenhütten- 
wesens in  Schweden  1829. 

199  Genaue  Beschreibung  bei  G,  Jars,  Metallurgische  Reisen  1 
<1777),  167  ff. 

200  Beck,  3,  380. 

201  Beck,  2,  991. 

202  Q^  Martin,  1.  c.  pag.  184  seg. 

*03  Reglement  du  roi  qui  conserve  ä  M.  Colbert . . .  le  detail  et  le 
soin  qu'il  avait  pour  la  marine  etc.,   11.  Mai  1667;  bei  E.  Sue,  1,  282. 

20*  Oppenheim,  Roy.  Navy  159. 

205  Vgl.  noch  Rogers,  Hist,  of  Agric.  and  Prices  5,  73,  479. 

20«  David  Bremner,  The  Industries  of  Scotland  (1869),  40. 

20''  D,  Bremner,  1.  c.  pag.  46  seg. 

208  Abgedruckt  bei  Max  Sering,  Geschichte  der  preußisch- 
deutschen  Eisenzölle  (1882),  269. 


II.  Quellenbelege  225 


"9  Beck,  3,  748. 
21«  Beck,  3,  601  ff. 


Viertes  Kapitel:   Die  Beköstigung  der  Heere 

211  H.  Delbrück,  Gesch.  d.  Kriegskunst  3,  608  f. 

212  M.  Guillaume,  Organ,  mil.  134,  140. 

'1'  Über  die  Verpflegung  der  Wallensteinschen  Heere  unterrichten 
(beide  nicht  sehr  genau):  J.  Heilmann,  Kriegswesen  zur  Zeit  des 
Dreißigjährigen  Krieges  (1850) ;  V.  L  o  e  w  e ,  Die  Organisation  und  Ver- 
waltung der  Wallensteinschen  Heere  (1895).  Vgl.  Fr.  Foerster, 
Lebensbeschreibung  Wallensteins,  1834  (mit  wichtigem  Material). 

21*  Die  ausführlichste  Darstellung  der  geschichtlichen  Entwicklung 
des  französischen  Kriegskommissariats  enthält,  soviel  ich  sehe:  De  Chen- 
neviöres,  Details  militaires  1  (1750),  92  ff.  Natürlich  handeln  die 
Werke  von  Daniel,  Boutaric  u.  a.  auch  von  ihm. 

215  K.  G.  Weise,  Über  das  Feld-Kriegs-Kommissariat  der  Königl. 
preuß.  Armee,  1794. 

»"  H.  Delbrück,  Gesch.  d.  Kriegskunst  3,  608  f. 

217  Boutaric,  Inst,  railit,  277—280. 

218  G.  D  r  0  y  s  e  n ,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Militärwesens  Deutsch- 
land während  der  Epoche  des  Dreißigjährigen  Krieges,  in  der  Zeitschrift 
für  Kulturgeschichte  4  (1875),  623  ff. 

219  Boutaric,  277  seg. 

220  Boutaric,  311;  nach  dem  Ms.  im  Britisch.  Museum  Nr.  11542. 

221  Jany,  Die  Auf.  d.  alten  Armee,  58. 

222  Abgedruckt  bei  E.  K.  H.  Frh.  v.  Richthofen,  Der  Haushalt 
der  Kriegsheere,  in  der  Handbibliothek  für  Offiziere  5  (1839),  433  ff. 

228  Abgedruckt  bei  Flemming,  Der  Teutsche  Soldat,  S.  252—260. 

22*  Boutaric,  384. 

225  Acta  Borussica,  Getreidehandelpolitik  2,  272. 

228  Acta  Bor.,  1.  c.  2,  87  ff. 

227  Ed.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine  158,  160,  169. 

228  principes  de  M^  Golbert  sur  la  marine,  abgedruckt  bei  Sue, 
1.  c.  1,  317. 

229  Close  Rolls  71    and  15  John  158,  bei  Laird  Clowes,  1,  119. 

230  Close  Rolls  48  ib. 

281  Ed.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine,  177. 

232  State  Paper  (20.  Aug.  1545)  bei  Oppenheim,  Roy.  Navy  82. 

283  Duro,  L'Armada  inv.,  doc.  109. 

284  St.  P.  Dom.  XXX,  10;  1.  c.  325. 

285  J.  C.  D  e  J  0  n  ge ,  Geschied,  van  het  nederl.  Zeew.  3 1  (1837),  Bil. I. 
23Ö  E.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine,  65 ff. 

287  Ann.  Jan.  183,  35;  112,  3;  124,  30;  zit.  bei  Heyc:k,'129. 
238  State  Paper  Dom.  CXII,  19  bei  Oppenheim,  134. 

S  0  m  b  a  r  t ,  Krieg  und  Kapitalismus  15 


226  Literatur  und  Quellen 

289  Mitgeteilt  bei  Oppenheim,  56. 

'''*'^  Bei  Oppenheim,  74. 

2*1  Bei  C.  W.  Henne rt,  Beyträge  zur  brandenb.  Kriegsgesch, 
unter  Friedrich  III.  (1790),  15. 

2*2  Acta  Bor.,  1.  c.  2,  285. 

s-is  Acta  Bor.,  1.  c.  2,  278. 

2**  Acta  Bor.,  1.  c.  2,  297. 

2*5  Dupre  d'Aulnay,  Trait6  general  etc.  1,  165. 

2*"  Nach  den  Zusammenstellungen  Naud^s  in  den  A.  B.  2,  295/96. 

2*'  Die  Briefe  sind  abgedruckt  bei  F.  Fo erster,  Lebensbeschrei- 
bung Wallensteins  (1834). 

248  Acta  Bor.,  2,  358  ff. 

2*9  Acta  Bor.,  2,  284,  285,  287. 

250  David  söhn,  Forschungen  zur  florent.  Wirtsch.-Gesch.  Bd.  3. 

251  0.  Frings  he  im,  Beitr.  z.  wirtsch.  Entw.  der  Ver.  Niederlande 
(1890),  18. 

2B2  So  kann  man  wenigstens  die  Worte  bei  Ricard,  Le  negoce 
d'Amsterdam  (1723),  6  auffassen. 

253  Stow,  Beschreibung  Londons  (1598);  zit.  Acta  Bor.  1,  91,  92. 
25*  Defoe,  Compl.  Engl.  Tradesman;  5.  ed.  (1745):  2,  260  seg. 

255  G.  Afanassiev,  Le  commerce  des  cereales  en  France  au 
XVIII.  sc.  (1894),  Ch.  1—6. 

256  Acta  Bor.,  1,  45,  47;  2,  151. 

257  Acta  Bor.,  1,  432. 

258  Nach  der  Flugschrift  des  Joost  Willemszon  Nykerke  vom 
Jahre  1630:  A.  B.,  1,  363. 

259  Acta  Bor.  1,  432. 

260  Q  Prato,  II  costo  della  guerra  etc.,  297.  Diese  Arbeit  bietet 
hierin,  wie  in  so  vielen  anderen  Punkten,  die  reichste  Ausbeute  an  Ein- 
sicht in  die  Beziehung  zwischen  Mars  und  Mammon. 

8«!  Acta  Bor.,  2,  289. 

262  Tr.  Geering,  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Basel  (1886),  542. 

2«3  Bei  J.  Chamo ck,  Mar.  Arch.  2,  216/17. 

26*  Der  Vertrag  ist  abgedruckt  bei  Rymer,  Foedera  17,  441  ff. 
Ein  ähnlicher  findet  sich  ebendaselbst  (für  das  Jahr  1636)  20,  103.  Im 
Auszuge  bei  Anderson,  a«  1622,  a**  1636. 

265  Quellen  bei  Laird  Clowes,  2,  104,  231. 

266  Bei  Xav.  Andouin,  Hist.  de  I'admin.  de  la  guerre  2(1811),  46ff. 
26'J  Nach  dem  Compte  rendu  au  roi  de  I'administration  du  depart. 

de  la  guerre  depuis  1761  jusqu'au  1770.    Choiseul,  Mem.  1,  114  seg.; 
bei  ßoutaric,  438. 

268  Alice  Law,  The  english  „nouveaux  riches"  in  the  XIV.  cent. 
in  den  Transaction  of  the  ß.  Hist.  Soc,  New  Ser.,  Vol.  IX  (1895),  p.  67. 

269  H.  Hall,  Society  in  the  Elizabethan  Age  (1901),  126  (Kleider). 


II.  Quellcnbelege  227 

2'^o  Defoe,  Complete  Tradesraan  (1727),  307  seg. 

2"  Enthüllungen  (1799),  427. 

2^2  Luc.  Wolf,  The  First  English  Jew.  Ilepr.  from  the  Trans- 
actions  of  the  Jew.  Hist.  Soc.  of  England,  Vol.  IL  Zu  vergleichen 
Alb.  M.  Hyamson,  A  Hist.  of  the  Jews  in  E.  (1908),  171—173. 

2'3  Hyamson,  1.  c.  p.  269.  J.  Picciotto,  Sketches  of  Anglo- 
Jewish  History  (1875),  58  ff. 

2''*  Th.  L.  Lau,  Einrichtung  der  Intraden  und  Einkünfte  der  Sou- 
veräne usw.  (1719),  258. 

2^5  Angeführt  bei  Liebe,  Das  Judentum  (1903),  75. 

2''8  Artikel  Banking  in  der  Jewish  Encyclopedia. 

^'''^  Memoire  der  Juden  von  Metz  vom  24.  März  1733,  im  Auszuge 
abgedruckt  bei  Bloch,  1.  c.  p.  35. 

^■Js  Angeführt  bei  Bloch,  L  c.  p.  23. 

2''9  Auszüge  aus  den  Lettres  patentes  bei  Bloch,  1.  c.  24. 

280  Über  die  Gradis:  Theoph.  Malvezin,  Les  juifs  a  Bordeaux 
(1875),  2410".  und  H.  Grätz,  Die  Familie  Gradis  in  der  Monatsschrift  24 
(1875),  25  (1876).  Beide,  auf  guten  Quellen  fußenden  Darstellungen  sind 
unabhängig  voneinander. 

281  M.  Capefigue,  Banquiers,  fournisseurs  etc.  (1856),  68,  214  und 
öfters. 

282  Bondy,  Zur  Geschichte  der  Juden  in  Böhmen  1,  388. 

283  Alle  drei  Fälle  entnahm  ich  G.  Liebe,  Das  Judentum  (1903), 
43  f.,  70,  der  sie  ohne  Quellenangabe  mitteilt. 

28*  König,  Annalen  der  Juden  in  den  preußischen  Staaten,  be- 
sonders in  der  Mark  Brandenburg  (1790),  93/94. 

286  Bekleidung  u.  Ausrüstung  des  Reg.  Erbpr.  Gustav  zu  Pferde, 
Halberstadt  7.  Juli  1719.     Abgedr.:  Gesch.  d.  Bekleidung  usw.  2,  357. 

288  Reskript  vom  28.  Juni  1777;  abgedruckt  bei  Alphonse  Levy; 
Die  Juden  in  Sachsen  (1900),  74;  S.  Haenle,  Gesch.  d.  Juden  im  ehemal. 
Fürstentum  Ansbach  (1867),  70. 

287  Observations-Punkte  (1739),  2,  108;  zit.  bei  Becker,  Aus  der 
Jugendzeit  (1877),  36. 

288  Gesichte  Philanders  von  Sittewaldt  das  ist  Straffs  -  Schriften 
Hanss  Wilh.  Moscherosch  von  Wilstätt  (1677),  779. 

289  F.  von  Mensi,  Die  Finanzen  Österreichs  von  1701—1740(1890), 
132  ff'. 

290  Siehe  z.  B.  Eingabe  der  Wiener  Hofkanzlei  vom  12.  Mai  1762 
bei  Wolf,  Geschichte  d.  Juden  in  Wien,  70;  Komitatsarchiv  Irntrak 
XII/3336  (für  Mähren),  nach  einer  Mitteilung  des  Herrn  Jos,  Reizman; 
Verproviantierung  der  Festungen  Raab,  Ofen  und  Komorn  durch  Bres- 
lauer Juden  (1716):  Wolf,  a.  a.  0.  S.  61. 

291  Herb.  Friedenwald,  Jews  mentioned  in  the  Journal  of  the 
Continental  Congress  (Publ.  of  the  Amer.  Jew.  Hist.  Soc.  1,  65 — 89.) 

15* 


228  Literatur  und  Quellen 

292  Beschreibung  der  Militärbrotbäckereien  im  18.  Jahrh.  in  der 
Handbibl.  für  Offiz.  5  (1839),  555  ff. 

298  G.  Prato,  II  costo  della  guerra  etc.  (1907),  292  seg. 

Fünftes  Kapitel:   Die  Bekleidung  der  Heere 

29*  M.  Guillaume,  op.  cit.  140. 

29''  M.  Oppenheim,  op.  cit.  138,  139. 

296  W.  Laird  Clowes,  op.  cit.  2,  20. 

297  St.  P.  D.  11.  Dez.  1655;  St.  P.  D.  CXXXIV,  64;  St.  P.  D.  Sept. 
1656;  bei  Oppenheim  329. 

298  L.  Mention,  L'armee  de  l'anc.  reg.  (1900),  36. 

299  Handschr.  Quellen  bei  F.  Grose,  Military  Antiquities  resp.  a 
History  of  the  English  Army  1  (1812),  310  seg.;  Fortescue.  Hist.  of 
the  British  Army  1,  283  seg. 

800  L.  Mention,  op.  cit.,  255. 

8**^  Geschichte  der  Bekleidung  usw.  der  Kgl.  Preuß.  Armee  2.  Teil. 
Die  Kürassier-  und  Dragonerregimenter  (bearb.  von  C.  Kling),  1906, 
S.  3/4. 

^<*2  Jany,  Anfänge,  33. 

803  Frb.  V.  Richthofen,  Der  Haushalt  der  Kriegsheere,  in  der 
Handbibliothek  für  Offiziere  5  (1839),  628  ff. 

80*  Abgedruckt  in  der  Gesch.  d.  Bekleidung  usw.  2,  212  f. 

80^  Bei  F.  Grose,  Military  Antiquities  usw.  1,  310 ff. 

»0«  Hub.  Hall,  Soc.  in  the  Elizabeth.  Age  4.  ed.  1901,  p.  127. 

807  L   Mention,  op.  cit.,  255  seg. 

808  L.  Mention,  op.  cit.  p.  261. 

809  Frh.  V.  Richthofen,  Der  Haushalt  der  Kriegsheere  a.  a.  0. 
81*  J.  Heilmann,  Das  Kriegswesen  der  Kaiserlichen  und  Schwe- 
dischen zur  Zeit  des  Dreißigjährigen  Krieges  (1850),  18. 

8"  Historisches  Portefeuille  von  Hausen,  4.  Jahrg.  1785,  S.  680; 
abgedr.  in  der  Gesch.  d.  Bekl.  2,  213. 

818  Gesch.  d.  Bekl.  2,  4;  vgl.  ebenda  die  Anlage  41,  42,  43. 

818  Priebatsch,  Pol.  Korr.  des  Kurf.  Albrecht  Achills  2,266,  zit. 
bei  Jany,  Anfänge,  15. 

81*  F.  W.  Fortescue,  Hist.  of  the  Brit.  Army  1  (1899),  111;  vgl. 
p.  135. 

81^  Ch.  de  la  Rononciere,  Hist.  de  la  mar.  fran§.  2  (1900),  459, 

818  J.  F  r  h  r.  V.  R  e  i  t  z  e  n  s  t  e  i  n ,  Das  Geschützwesen  usw.  1  (1896),  153 

"i''  Jany,  Anfänge,  45 f. 

818  Th.  Muhsfeldt,  Einiges  über  die  Hamburger  Stadtsoldaten^ 
in  den  Mitteilungen  zur  Gesch.  der  milit.  Tracht,  herausg.  von  Rieh. 
Knote  1,  1896,  Nr.  8. 

81»  Bei  Lünig,  Theatr.  cerem.  hist.  pol.  1  (1719X  89 f.;  zit.  Gesch. 
der  BekL  2,  216. 


II.  Quellenbelege  229 

"0  Liebe,  Der  Soldat,  301. 

'21  Mem.  pour  servir  ä  l'histoire  de  la  maison  de  Brandenbourg  1767 
(par  Fredöric  II),  ab  gedr.  in  der  Gesch.  d.  Bekl.  2,  201. 

822  Liebe,  a.  a.  0. 

828  Gesch.  d.  Bekl.  Bd.  II,  Anlage  65- 

"2*  Xav.  Andouin,  Hist.  de  l'admin.  de  la  guerre  3  (1811),  52  8eg. 
De  Chenneviäres,  Details  militaires  2(1750),  116  fif.  Boutaric, 
Inst,  mil.,  359,  425. 

825  Fortescue,  op.  cit.  1,  213. 

826  Laird  Clowes,  op.  cit.  3,  20. 

8"  König,  Alte  und  neue  Denkwürdigkeiten  der  kgl.  preußischen 
Armee  (1787),  24,  zit.  in  der  Gesch.  d.  Bekl.  2,  211. 
828  J  a  n  y ,  Anfänge,  45  f. 
•    82»  Gesch.  d.  Bekl.  2,  3. 

880  A.  V.  C  r  0  u  s  a  z ,  Die  Organisation  des  brandenb.  u.  preuß.  Heeres 
von  1640—1665  1  (1865),  11  ff. 

881  Kapitän  von  Burgsdorff  an  den  Grafen  von  Schwarzenberg, 
Berlin,  den  16.  Okt.  1620.  Staatsarchiv  Berlin;  abgedr.  Gesch.  d.  BekL 
2,  40,  Anl.  16. 

882  Abgedr.  in  der  Gesch.  d.  Bekl.  Bd.  II,  Anl.  159. 

888  C.W.  Henner  t,  Beitr.  zur  brandenb.  Kriegsgesch.  unter  Chur- 
fürst  Friedr.  IIL  (1790),  12  bei  Frhr.  v.  Richthofe n,  Haushalt,  495. 
88*  A.  Crousaz,  a.  a.  0.  S.  45. 
886  G.  Prato,  II  Costo  della  Guerra  (1907),  302. 
886  F.  Gr ose,  Mil.  Ant.  1,  315. 
88'  v.  Schmoll  er,  Umrisse  514. 

888  (Euvres,  1,  234,  zit.  ebenda  522. 

889  Cunningham,  Growth  2,  969. 

8*<*  Alles  auf  die  russische  Kompagnie  in  Berlin  Bezügliche  nach 
v.  Schmollers  gleichnamigem  Aufsatz  in  der  Zeitschr.  für  preuß.  Gesch. 
und  Landeskunde,  Bd.  20,  der  wieder  abgedruckt  ist  in  den  „Umrissen" 
S.  457—529. 

8*1  Mirabeau,  De  la  Monarchie  prussienne  411  (1787),  123. 

8*2  James,  Hist.  of  the  Worsted  Manuf.  in  Engl.  (1857),  287. 

8*8  E.  Levasseur,  Hist.  des  classes  ouvrieres  et  de  l'industrie  en 
France  2»  (1900),  324,  331,  381  seg. 

8**  G.  Martin,  Louis  XV.,  119,  120. 

8*8  ArthurYoung,  Pol.  Arithm.  S.  91,  Vgl.  G.  von  Gülich,  Ge- 
schichtl.  Darstellung  des  Handels  usw.  1  (1830),  97. 

8*6  H.  Hall,  Society  in  the  Elizabethan  Age,  126. 

8*'  Wallenstein  an  sein.  Landeshauptmann  von  Taxis,  d.  d.  Aschers- 
leben, den  13.  May  1626;  abgedr.  in  der  Handbibl.  f.  Oflf.  5,  439  ff. 

8*8  Wallenstein  an  Taxis,  Neuß,  den  6.  Aug.  1627;  abgedr.  bei 
Heilmann,  op.  cit.  Beil.  4. 


230  Literatur  und  Quellen 

8*9  Mein ar du s,  Prot,  et  Rel.  Bd.  III,  S.  567;  zit.  in  der  Gesch. 
d.  Bekl.  2,  211. 

350  Abgedr.  in  der  Gesch.  d.  Bekl.  2,  205  f. 

85^  V.  Schmoller,  Umrisse,  468,  484. 

^^2  Brit.  Mus.  Ms.  Harleian  Coli,  enthält  einen  Kontrakt  zwischen 
Lord  Castleton  und  Mr.  Francis  Molineaux,  einem  „clothier",  vom  Jahre 
1693,  abgedr.  bei  F.  Grose,  Mil.  Ant.  1,  315. 

3^^  V.  Seh  moller,  Umrisse,  463  ff. 

'"  Eine  genaue  Beschreibung  des  „Lagerhauses''  in  Berlin  findet 
man  bei  Bergius,  Neues  Policey-  und  Cam.-Magazin  6  (1780),  161  ff. 

^^5  V.  Schmoller,  Umrisse,  487. 

866  ]y[_  Tugan-Baranowski,  Die  russische  Fabrik,  deutsch  1900, 
S.  14. 

^^''  H.  Hall,  Society  in  the  Elizabethan  Age,  124. 

358  St.  P.  D.  n.  Dez.  1655  bei  Oppenheim,  829. 

869  Allgemeine  Schatzkunde  der  Kauffmannschafft  usw.  2  (1747), 
1213,  14. 

3^*>  A  General  Description  of  all  Trades  (1747),  51.  Nach  den  Akten : 
G.  Martin,  Louis  XV.,  228. 

Sechstes  Kapitel:    Der  Schiffbau 

5"  Aus  der  Denkschrift  über  die  Principes  de  M.  Colbert  sur  la 
marine.  Diese  Denkschrift,  die  uns  in  diesem  Kapitel  noch  öfters  als 
Quelle  dienen  wird,  ist  verfaßt  unter  dem  Ministerium  des  Grafen  von 
Maurepas  auf  Grund  der  Akten  des  Marineministeriums,  die  damals 
noch  vollständig  im  Marine-Archiv  aufbewahrt  waren.  Die  Denkschrift 
ist  veröffentlicht  von  E,  S  u  e  im  ersten  Band  seiner  Histoire  de  la 
Marine  1835,  p.  287  seg. 

^*2  Die  fünf  ersten  Schätzungen  teilt  Oppenheim  nach  zeit- 
genössischen Quellen  mit;  die  letzte  Ziffer  ist  den  „Accounts"  der  Ost- 
indischen Kompagnie  entnommen  und  findet  sich  bei  Anderson  s.  h.  a. 

^*3  Dav.  Bremner,  The  Industries  of  Scotland  (1869),  60. 

364  Mitgeteilt  bei  E.  Sue,  Hist.  de  la  mar.  frang.  1,  344. 

^^^  Als  Quelle  gibt  Anderson,  dem  ich  die  Ziffern  entnehme  (Ori- 
gins  of  Comm.  3,  299),  „a  certain  mercantile  anthor"  an.  Er  selbst  hält 
die  Schätzung  für  zu  niedrig.  Seine  Gegengründe  sind  aber  nicht  sehr 
gewichtig. 

868  Postlethwayt,  Dict.  of  Comm.  Art.  Middlesex  2^  (1758),  256. 

8«7  Postlethwayt,  Dict.  of  Comm.  2,  335. 

868  Die  Zahl  ist  „pretty  accurately  computed"  nach  dem  General- 
register of  the  custom  house  von  Postlethwayt,  1.  c.  2^,  256. 

8'59  Anderson,  Orig.  of  Comm.  4,  659  seg. 

"<*  E.  B  a  a  s  c  h ,  Hamburgs  Seeschiffahrt  und  Warenhandel  vom 
Ende  des  16.  bis  zur  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  in  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Hamburg.  Gesch.  9  (1874),  295  ff. 


II.  Quellenbelege  231 

8"  Zit.  bei  Anderson  2,  211. 

^'''^  Nach  der  schon  erwähnten  Denkschrift,  die  Anderson,  2,  443 
zitiert. 

"'  G.  C.  Klerk  de  Reus,  Geschichtlicher  Überblick  der  Nieder- 
ländisch-ostindischen Kompagnie  (1894),  116  IF. 

"*  P.  Kaeppelin,  La  Compagnie  des  Indes  Orientales  (1908),  10, 
12,  137. 

'■"*  Nach  einer  namentlich  geführten  Liste  Anderson,  3,  324. 

"^  Postlethwayt,  Dict.  Art.  Navigation. 

^"  Joh.  Beckmann,  Beyträge  zur  Oekonomie  3  (1780),  439  f. 

^''^  Siehe  §  4   des  Octroi   der    Gesellschaft,   abgedruckt  in  Joh. 
Beckmann,  Beyträge  zur  Oekon.  6  (1782),  416  ff. 

"^  State  pap.  rel.  to  the  defeat  of  the  Span.  Armada  bei  Laird 
Clowes,  The  Royal  Navy  1,  588—597. 

380  Von  einer  Liste  im  Dep.  of  the  Cont.  of  the  Navy  bei  Laird 
Clowes,  The  Royal  Navy  2,  7. 

881  Joint  au  Memoire  de  M'  d'Infreville  du  27  juillet  1666,  abgedr. 
bei  Sue,  1,  347. 

^82  Nach  den  Listen  in  Pepys'  Mem.  rel.  to  the  State  of  the  Royal 
Navy  Laird  Clowes,  2,  244  seg. 

383  Zit.  bei  D.  Bremner,  The  Industries  of  Scotland  (1869),  55. 

88*  Exch.  War.  for  Issues  17.  Juli  1522  bei  Oppenheim  85. 

'86  Ed.  Heyck,  Genua  und  seine  Marine,  115. 

888  Diese  und  die  vorangehenden  Ziffern  nach  den  St.  Pap.  und 
den  Pipe  Off.  Acc.  bei  Oppenheim,  65,  110. 

887  Charnock,  Mar.  Arch.  2,  462. 

888  Ms.  in  der  Bibl.  Magliabechiana  von  A.  Jal  in  seiner  Arch. 
nav.  (Vol.  II,  1840)  veröffentlicht  und  fachmännisch  erläutert. 

889  Reisebüchlein  des  Andreas  Ryff,  fol.  741».  Ms.  in  der  Baseler 
Universitätsbibliothek,  auszugsweise  mitgeteilt  von  Sieveking  in 
Schmollers  Jahrbuch  21,  132. 

890  Close  Rolls  10  H.  III  2,  50;  bei  Laird  Clowes,  1,  120/21. 

891  Close  Rolls  10  H.  III  m.  16,  17,  25  1.  c. 

892  Bei  Oppenheim,  68  seg. 

898  Abgedruckt  bei  J.  Charnock,  Mar.  Arch.  2,  96 ff. 

89*  Laird  Clowes,  1,  405. 

895  Oppenheim,  97. 

396  Abgedruckt  bei  J.  Charnock,  1.  c.  p.  140  seg. 

89''  Bei  Oppenheim,  119. 

898  Memoire  de  M.  d'Infreville,  Intendant  de  Marine  ä  Toulon; 
27.  Juli  1666,  abgedruckt  bei  Sue,  1,  346  seg. 

899  Mitgeteilt  von  Ch.  delaRonciere,  Hist.  delamar.  frang.l,  616. 
*«o  Oppenheim,  339/40. 

^**^  Principes  de  M.  Colbei-t  sur  la  marine,  1.  c.  p.  297. 


232  Literatur  und  Quellen 

*o^  Cecil  Mss.  Cal.  Nr.  846  bei  Oppenheim,  128. 

*03  Oppenheim,  208. 

*o*  Krünitz,  Enz.,  Art.  Kriegsflotte  50,  366. 

*<^  Krünitz,  a.  a.  0. 

*o«  St.  Pap.  Dom.  CCLXXXVII,  73  And.  Off.  Dec.  Acc.  1703/77. 
Oppenheim,  260;  Laird  Clowes,  2,  6. 

*»^  Charuock,  Mar.  Arch.  3,  126. 

***^  A.  Jal,  Arch.  nav.  2,  6  seg. 

*<>*  Oppenheim,  53. 

*^*  P.  J.  Marperger,  Das  Neueröffnete  Manufakturenhaus  (1704), 
142. 

*^^  Report  vom  Jahre  1618:  Mar.  arch.  2,  256. 

*i2  Bei  Charnock,  2,  213  seg. 

"8  Bei  Charnock,  2,  185. 

*i*  Bei  Charnock,  2,  191. 

**^  Oppenheim,  257. 
'      *i«  Krünitz,  50,  354ff. 

*"  Krünitz,  50,  366,  67. 

*"  Oppenheim,  97. 

**»  Principes  de  M.  Colbert,  1.  c.  p.  298. 

*2o  Principes  de  M.  Colbert,  1.  c.  p.  294. 

*2i  Principes  de  M.  Colbert,  301. 

*2«  E.  Sue,  Hist.  de  la  mar.  frang.  4,  170. 

428  Bei  Charnock,  2,  168. 

*"*  Aus  dem  Report  of  the  Commissioners  appointed  to  enquire 
into  the  State  of  the  Navy  (1618),  abgedruckt  bei  Charnock,  2,  218. 

*^^  Alle  auf  die  Russia  Co.  bezüglichen  Angaben  entnehme  ich  dem 
Buche  von  W  i  1 1.  Roh.  Scott,  The  Constitution  and  finance  of  English, 
Scottish  and  Irish  Joint-Stock  Compagnies  to  1720,  Vol.  II.  Companies 
for  foreign  trade  colonization  fishing  and  mining,  1910.  Ich  benutze  die 
Gelegenheit,  um  auf  dieses  ausgezeichnete,  ungemein  stoffreiche  Werk, 
von  dem  bisher  Band  II  und  III  erschienen  sind,  aufmerksam  zu 
machen. 

*"*  M^m.  de  M.  d'Infreville,  1.  c.  p.  348  seg.;  Principes  de  M.  Col- 
bert p.  335  seg. 

*27  General  Description  of  all  Trades  (1745),  180,  81. 

*2^  Nach  dem  amtlichen  „Verzeichnis  der  Fabriken  und  Manufak- 
turen" aus  dem  Jahre  1729  M.  v.  Tugan-Baranowski,  Die  russische 
Fabrik  (deutsch  1900),  14. 


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